Geistiges Eigentum: Nationales und Internationales Steuerrecht der immateriellen Wirtschaftsgüter 9783504381240

Immaterialgüterrechte und Praxisprobleme des geistigen Eigentums sind im heutigen Wirtschaftsleben nicht nur für Großkon

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Geistiges Eigentum: Nationales und Internationales Steuerrecht der immateriellen Wirtschaftsgüter
 9783504381240

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Haase Geistiges Eigentum im Steuerrecht

.

Geistiges Eigentum Nationales und Internationales Steuerrecht der immateriellen Wirtschaftsgüter herausgegeben von

Dr. Florian Haase, M.I. Tax Rechtsanwalt/Fachanwalt für Steuerrecht Head of German Tax Group, Partner, DLA Piper, Hamburg

2012

.

Autoren Dr. Katrin Dorn Steuerberaterin Associate, DLA Piper, Hamburg Julia Gehri, MBA Steuerberaterin Senior Manager, KPMG AG, Hamburg Dr. Markus Greinert Steuerberater Partner, Flick Gocke Schaumburg, München Dr. Florian Haase, M.I. Tax Rechtsanwalt/Fachanwalt für Steuerrecht Head of German Tax Group, Partner, DLA Piper, Hamburg Ronald Hager Rechtsanwalt/Wirtschaftsprüfer Associate Partner, Rödl & Partner, München Dr. Christian Heinze, LL.M. Wissenschaftlicher Referent Max-Planck-Institut für Ausländisches und Internationales Privatrecht, Hamburg Dipl.-Finanzwirt Matthias Hofacker, M.I. Tax Rechtsanwalt/Steuerberater Senior Manager, KPMG AG, Bremen Birgit Jürgensmann Rechtsanwältin/Fachanwältin für Steuerrecht/Steuerberaterin Partnerin, Deloitte & Touche GmbH, Hamburg

Bastian Ruge, LL.M. Rechtsanwalt Associate, Watson, Farley & Williams, Hamburg Daniela Steierberg, LL.M. Steuerberaterin Senior Associate, DLA Piper, Hamburg Dr. Katja Weigert, LL.M. oec. Steuerberaterin Associate, Flick Gocke Schaumburg, München

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek veiZei.chnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Verlag Dr. Otto Schmidt KG Gustav-Heinemann-Ufer 58, 50968 Köln Tel. 02 21/9 37 38-01, Fax 02 21/9 37 38-943 info®otto-schmidt.de www.otto-schmidt.de ISBN 978-3-504-26025-S

©2.012 by Verlag Dr. Otto Schmidt KG, Köln

Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlages. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen nnd die Einspeicherung nnd Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das verwendete Papier ist aus chlorfrei gebleichten Rohstoffen hergestellt, holz- und säurefrei, alterungsbeständig nnd umweltfreundlich. Einbandgestaltung: Jan P. Lichtenford, Mettmann Satz: Schäper, Bonn Druck nnd Verarbeitung: CPI- Clausen & Bosse, Leck Printed in Germany

Vorwort Die Bedeutung von Immaterialgüterrechten in der heutigen Welt- und Wirtschaftsordnung kann, auch und gerade vor dem Hintergrund der Globalisierung, nicht als hoch genug eingeschätzt werden. Sie wird in der Zukunft voraussichtlich eher noch ansteigen. Nicht zu Unrecht wird gerade geistiges Eigentum zuweilen als „Öl des 21. Jahrhunderts“ bezeichnet. Insbesondere Urheber-, Patent- und Markenrechte, aber auch andere gewerbliche Schutzrechte, haben eine erhebliche (volks)wirtschaftliche Relevanz nicht nur für ihre Inhaber und andere Marktteilnehmer, sondern auch für die Wirtschaftstätigkeit eines Landes insgesamt. Insofern ist es begrüßenswert, dass die Anmeldezahlen beispielsweise für Patente beim Deutschen Patent- und Markenamt aufgrund der Finanz- und Wirtschaftskrise zwar leicht rückläufig waren, sich aber insgesamt betrachtet weiterhin auf (auch international) hohem Niveau bewegten. Viele Unternehmen haben die Krise daher offenbar als Chance verstanden, sich durch Investitionen in Forschung und Entwicklung für die Zukunft zu rüsten. In der Praxis des Wirtschaftslebens liegt der Schwerpunkt der Betrachtung sicherlich auf dem Schutz des geistigen Eigentums vor Ansprüchen und Angriffen Dritter und sowie auf wettbewerbsrechtlichen Fragestellungen (Grüner Bereich). Die Streitwerte in diesen Bereichen sind enorm, Bußgelder und verhängter (Straf)Schadensersatz, vor allem in den Vereinigten Staaten, erreichen nicht selten dreistellige Millionenbeträge. Gesetzgebung, Wissenschaft und Praxis haben hier die schwierige Aufgabe, Inhalt und vor allem Schutz von Immaterialgüterrechten mit Augenmaß an den Bedürfnissen einer modernen Informationsgesellschaft auszurichten, ohne diese zu sehr einzuschränken. Umgekehrt verlangen der Wettbewerb und das Gebaren einiger Marktteilnehmer nach klaren und nachvollziehbaren Regeln, die den Wettbewerb vor Verzerrung oder Beschränkung schützen und in erster Linie Rechtssicherheit schaffen. Die steuerlichen Bezüge des geistigen Eigentums sind ebenfalls vielschichtig, national wie international. Wirtschaftlich sehr bedeutsam sind sie auch, wenn man an Verrechnungspreise und dort im Besonderen an das Problem der sog. Marketing Intangibles denkt. Bislang gab es, soweit ersichtlich, noch kein Handbuch, das die wesentlichen steuerlichen Teilgebiete, die Immaterialgüterrechte betreffen, thematisch zusammenfasst und neu aufbereitet. Diese Lücke will das vorliegende Handbuch füllen, indem Praktiker und Experten die Materie nicht nur anhand des gesicherten Rechts darstellen, sondern zugleich zu den wesentlichen, sich in praktischer Hinsicht stellenden (insbesondere ertragsteuerlichen) Fragen Position beziehen. Das Werk kann aufgrund der Tiefe der Darstellung jedoch nicht nur von der Anwendungspraxis, sondern auch in wissenschaftlicher Hinsicht herangezogen werden. Den vielfältigen Verbindungen zwischen Zivilrecht und Steuerrecht, die sich insbesondere im Anwendungsbereich VII

Vorwort

der beschränkten Steuerpflicht (§ 49 EStG) zeigen, wurde dabei durch die Aufnahme einer Darstellung der zivilrechtlichen Grundlagen Rechnung getragen. Ich habe den Autoren, allesamt Könner ihres Fachs, für ihren persönlichen Einsatz zu danken, ohne den das Werk nicht so schnell und nicht in der Weise zustande gekommen wäre. Insbesondere danke ich Frau Julia Schattke, Herrn Tobias Hagemann und Herrn Tobias Heene für ihre Hilfe bei der Erstellung von Kapitel 11. Zudem danke ich dem Verlag Dr. Otto Schmidt KG für die Realisierung des Projekts sowie für die vorbildliche, reibungslose Betreuung. Allen Beteiligten gemeinsam wünsche ich eine erfreuliche Aufnahme des Buches in der Leserschaft. Hamburg, im Oktober 2011

VIII

Florian Haase

Inhaltsübersicht Seite

Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

VII

Inhaltsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

XIII

Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XXXVII .

1. Teil Grundlagen Kapitel 1 Einführung in das Thema

Rz.

Seite

A. Wirtschaftliche Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1.1

1

B. Zentrale rechtliche Aspekte . . . . . . . . . . . . . . . . .

1.33

9

C. Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1.85

21

A. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

2.1

24

B. Die einzelnen Rechte des geistigen Eigentums . . . . . .

2.20

37

C. Nebengebiete des geistigen Eigentums . . . . . . . . . . .

2.115

75

D. Beispiele für Steuerklauseln in Verträgen . . . . . . . . .

2.121

79

Kapitel 2 Zivilrechtliche Grundlagen

2. Teil: Geistiges Eigentum im nationalen Steuerrecht Kapitel 3 Bilanzierung von geistigem Eigentum A. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

3.1

96

B. Handelsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

3.4

97

C. Steuerrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

3.74

125

D. IFRS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

3.105

136

IX

Inhaltsübersicht

Kapitel 4 Geistiges Eigentum im Ertragsteuerrecht Rz.

Seite

A. Relevante Einkunftsarten . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

4.1

166

B. Entnahme und Einlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

4.88

204

C. Entstrickung und Verstrickung . . . . . . . . . . . . . . .

4.143

223

D. Vermeidung der Doppelbesteuerung bei unbeschränkter Steuerpflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

4.155

228

Kapitel 5 Geistiges Eigentum im Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht A. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

5.1

252

B. Persönliche Steuerpflicht (Steuersubjekt) . . . . . . . . .

5.9

258

C. Erwerbstatbestände (Steuerobjekt) . . . . . . . . . . . . . .

5.22

263

D. Wertermittlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

5.44

275

E. Berechnung der Steuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

5.72

289

F. Steuerfestsetzung und Erhebung . . . . . . . . . . . . . . .

5.82

293

A. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

6.1

306

B. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

6.2

306

C. Bewertung für ertragsteuerliche Zwecke . . . . . . . . . .

6.19

314

D. Bewertung für erbschaft- und schenkungsteuerliche Zwecke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

6.67

347

A. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

7.1

381

B. Geistiges Eigentum aus umsatzsteuerlicher Sicht . . . .

7.7

383

C. Umsatzsteuerlicher Leistungsort . . . . . . . . . . . . . .

7.43

393

D. Umsatzsteuerliche Bemessungsgrundlage . . . . . . . . .

7.85

405

E. Steuersatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

7.95

409

F. Besteuerungsverfahren/Rechnungsstellung . . . . . . . .

7.102

411

G. Besonderheiten im Konzern . . . . . . . . . . . . . . . . .

7.110

414

Kapitel 6 Bewertung von geistigem Eigentum

Kapitel 7 Geistiges Eigentum und Umsatzsteuer

X

Inhaltsübersicht

3. Teil: Geistiges Eigentum im internationalen Steuerrecht Kapitel 8 Geistiges Eigentum und beschränkte Steuerpflicht

Rz.

Seite

A. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

8.1

425

B. Relevante Tatbestände der beschränkten Steuerpflicht .

8.21

432

C. Abzugsbesteuerung nach § 50a EStG . . . . . . . . . . . .

8.170

480

D. Missbrauchsvermeidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

8.230

501

E. Vermeidung der Doppelbesteuerung . . . . . . . . . . . .

8.244

505

A. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

9.1

509

B. Relevante Einkunftsartikel . . . . . . . . . . . . . . . . . .

9.4

510

C. Ausnutzung des internationalen Steuergefälles . . . . . .

9.197

574

A. Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

10.1

595

B. Primärrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

10.2

596

C. Sekundärrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

10.9

598

A. Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

11.1

618

B. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

11.3

619

C. Verwertung von immateriellen Wirtschaftsgütern . . . . 11.106

653

D. Funktionsverlagerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.307

729

E. Dokumentation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.401

756

Kapitel 9 Geistiges Eigentum im DBA-Recht

Kapitel 10 Geistiges Eigentum und EU-Recht

Kapitel 11 Geistiges Eigentum und Verrechnungspreise

Kapitel 12 Geistiges Eigentum und Hinzurechnungsbesteuerung A. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

12.1

787

B. Tatbestandsvoraussetzungen der Hinzurechnungsbesteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

12.19

795 XI

Inhaltsübersicht

Rz.

Seite

12.88

823

D. Unionrechtliche Bedenken gegenüber der Hinzurechnungsbesteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12.104

828

Stichwortverzeichnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

837

C. Rechtsfolgen der Hinzurechnungsbesteuerung . . . . . .

XII

Inhaltsverzeichnis Seite

Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

VII

Inhaltsübersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

IX

Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XXXVII .

1. Teil Grundlagen Kapitel 1 Einführung in das Thema

Rz.

Seite

A. Wirtschaftliche Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . . . I. Geistiges Eigentum – ein Thema im internationalen Fokus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Indikator für Innovationskraft . . . . . . . . . . . . . 3. Europäische Perspektiven . . . . . . . . . . . . . . . 4. Schutz von Immaterialgüterrechten . . . . . . . . . 5. Weltorganisationen (WIPO und WTO) . . . . . . . . 6. Nationale Umsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Volkswirtschaftlicher Nutzen . . . . . . . . . . . . . . 1. Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Fraunhofer-Studie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Wesentliche Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . .

.

1.1

1

. . . . . . . . . . .

1.1 1.1 1.4 1.8 1.13 1.16 1.18 1.21 1.21 1.22 1.26

1 1 2 2 4 4 5 6 6 6 7

B. Zentrale rechtliche Aspekte . . . . . I. Zivil- und Wirtschaftsrecht . . . . . II. Steuerrecht . . . . . . . . . . . . . . . 1. Überblick . . . . . . . . . . . . . . 2. Bilanzierungsfragen . . . . . . . . 3. Verrechnungspreise . . . . . . . . 4. Quellensteuern . . . . . . . . . . . 5. Doppelbesteuerungsabkommen . 6. Europäische Entwicklungen . . .

. . . . . . . . .

1.33 1.33 1.42 1.42 1.45 1.54 1.64 1.73 1.82

9 9 11 11 12 14 16 18 20

C. Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1.85

21

. . . . . . . . .

. . . . . . . . .

. . . . . . . . .

. . . . . . . . .

. . . . . . . . .

. . . . . . . . .

. . . . . . . . .

. . . . . . . . .

. . . . . . . . .

. . . . . . . . .

. . . . . . . . .

XIII

Inhaltsverzeichnis

Kapitel 2 Zivilrechtliche Grundlagen

Rz.

Seite

. . . . .

2.1 2.1 2.1 2.5 2.5

24 24 24 27 27

. . . .

2.7 2.10 2.10 2.11

28 31 31 31

. .

2.14 2.16

33 34

B. Die einzelnen Rechte des geistigen Eigentums . . . . . I. Urheberrecht und verwandte Schutzrechte . . . . . . . . 1. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Schutzvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Urheberrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Verwandte Schutzrechte . . . . . . . . . . . . . . . c) Schutzdauer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Rechtsinhaber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Inhalt des Urheberrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Verwertung in körperlicher Form . . . . . . . . . . c) Verwertung in unkörperlicher Form . . . . . . . . d) Bearbeitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Gesetzliche Vergütungsansprüche . . . . . . . . . 5. Schranken des Urheberrechts . . . . . . . . . . . . . . 6. Das Urheberrecht im Rechtsverkehr . . . . . . . . . . a) Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Nutzungsrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Zwingender Urheberschutz . . . . . . . . . . . . . II. Patentrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Schutzvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Patentantrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Patentfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Erteilungsverfahren und Bindung an die Patenterteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Schutzdauer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Rechtsinhaber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Inhalt des Patentrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . .

2.20 2.20 2.20 2.22 2.22 2.27 2.30 2.31 2.33 2.33 2.35 2.37 2.41 2.42 2.43 2.44 2.44 2.45 2.48 2.50 2.50 2.52 2.52 2.53

37 37 37 37 37 40 42 42 42 42 43 44 46 46 47 47 47 48 49 50 50 51 51 51

2.59 2.62 2.63 2.65

53 54 55 55

A. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Geistiges Eigentum im Zivilrecht . . . . . . . . . . . . 1. Begriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Internationale Aspekte . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Territorialität geistiger Eigentumsrechte . . . . b) Inter- und supranationaler Schutz des geistigen Eigentums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Geistiges Eigentum im Steuerrecht . . . . . . . . . . . 1. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EStG . . . . . . . . . . . . . 3. §§ 49 Abs. 1, 50a Abs. 1 Nr. 3 EStG i.V.m. § 73a Abs. 2, 3 EStDV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Art. 12 Abs. 2 OECD-MA . . . . . . . . . . . . . . .

XIV

Inhaltsverzeichnis

Rz.

Seite

2.65 2.66

55 56

2.68 2.68 2.69 2.76 2.78 2.79 2.81 2.81 2.83 2.86 2.86 2.90 2.90 2.96 2.97 2.98 2.99 2.99

57 57 57 59 59 60 61 61 61 63 63 66 66 68 68 69 69 69

a) Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Schutzbereich des Patents . . . . . . . . . . . . . . c) Dem Patentinhaber vorbehaltene Benutzungshandlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Einordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Erzeugnispatent . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Verfahrenspatent . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Mittelbare Patentverletzung . . . . . . . . . . 5. Schranken des Patentrechts . . . . . . . . . . . . . . . 6. Das Patent im Rechtsverkehr . . . . . . . . . . . . . . a) Übertragung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Lizenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Marken- und Kennzeichenrecht . . . . . . . . . . . . . . 1. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Schutzvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Markenrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Unternehmenskennzeichen und Werktitel . . . . c) Schutzdauer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Rechtsinhaberschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Rechte aus der Marke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Identitäts- und Ähnlichkeitsschutz (§ 14 Abs. 2 Nr. 1, 2 MarkenG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Schutz bekannter Marken (§ 14 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Schranken des Markenrechts . . . . . . . . . . . . . . 6. Das Markenrecht im Rechtsverkehr . . . . . . . . . . IV. Sonstige Immaterialgüterrechte im Überblick . . . . . .

2.100

70

2.105 2.106 2.108 2.111

71 72 74 74

C. Nebengebiete des geistigen Eigentums . . . . . . . . . . I. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Wettbewerbsrecht (UWG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Schutz nicht offenbarter Informationen (Know-how) 2. Ergänzender wettbewerblicher Leistungsschutz . . . 3. Der Schutz des Sportveranstalters . . . . . . . . . . . III. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht . . . . . . . . . . .

2.115 2.115 2.116 2.116 2.117 2.118 2.119

75 75 76 76 77 78 78

D. Beispiele für Steuerklauseln in Verträgen . . . . . . I. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Ertragsteuerrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Notwendigkeit und Zweck von Steuerklauseln 2. Arten von Steuerklauseln . . . . . . . . . . . . . 3. Zivilrechtliche Umsetzung . . . . . . . . . . . . 4. Rechtsprechung zur Wirksamkeit von Steuerklauseln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

. . . . . .

2.121 2.121 2.122 2.122 2.131 2.132

79 79 79 79 82 82

. . .

2.133

83

. . . . . .

. . . . . .

XV

Inhaltsverzeichnis

5. Beispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Steuertragung durch den Vergütungsschuldner b) Steuertragung durch den Vergütungsgläubiger . c) Dreiecksverhältnisse (Unterlizenzen) . . . . . . d) Reisekosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Werbungskosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Stufenverhältnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . g) Angaben nach § 50a Abs. 5 Satz 6 EStG . . . . . III. Umsatzsteuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Notwendigkeit und Zweck von Steuerklauseln . . 2. Beispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

. . . . . . . . . . .

Rz.

Seite

2.143 2.143 2.151 2.156 2.158 2.160 2.163 2.165 2.166 2.166 2.169

87 87 88 89 90 90 91 91 92 92 92

2. Teil: Geistiges Eigentum im nationalen Steuerrecht Kapitel 3 Bilanzierung von geistigem Eigentum A. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Handelsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Begriff des Vermögensgegenstands . . . . . . . . . . . . 1. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Abstrakte Aktivierungsfähigkeit . . . . . . . . . . . a) Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Einzelveräußerbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . c) Einzelverwertbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . d) Selbständige Bewertbarkeit . . . . . . . . . . . . 3. Konkrete Aktivierungsfähigkeit . . . . . . . . . . . a) Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Fehlen eines Aktivierungsverbots . . . . . . . . c) Subjektive (wirtschaftliche) Zurechenbarkeit . d) Zugehörigkeit zum Betriebsvermögen . . . . . . II. Abgrenzung Anlagevermögen . . . . . . . . . . . . . . . III. Gliederung des Anlagevermögens . . . . . . . . . . . . IV. Selbstgeschaffene gewerbliche Schutzrechte und ähnliche Rechte und Werte . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Aktivierungswahlrecht versus Aktivierungsverbot 2. Ansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Geistiges Eigentum, als selbstgeschaffener Vermögensgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . b) Entwicklungskosten des selbstgeschaffenen immateriellen Vermögensgegenstands . . . . . aa) Grund und Bedeutung der Neuregelung . . XVI

3.1

96

. . . . . . . . . . . . . . .

3.4 3.4 3.4 3.6 3.6 3.7 3.8 3.9 3.10 3.10 3.11 3.12 3.13 3.14 3.15

97 97 97 97 97 97 98 98 99 99 99 100 100 101 101

. . .

3.16 3.16 3.23

103 103 105

.

3.23

105

. .

3.25 3.25

105 105

Inhaltsverzeichnis

Rz.

Seite

3.27

106

3.30 3.37

107 111

. . . . . . . . .

3.39 3.39 3.40 3.40 3.41 3.42 3.49 3.50 3.52

111 111 111 111 112 112 116 116 117

VI. Grundzüge der Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Selbsterstellte immaterielle Vermögensgegenstände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Entgeltlich erworbene immaterielle Vermögensgegenstände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

3.53

118

3.53

118

bb) Forschungsphase als Vorstufe des geistigen Eigentums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Entwicklungsphase als aktivierbares geistiges Eigentum . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Ausweis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Entgeltlich erworbene Konzessionen, gewerbliche Schutzrechte und ähnliche Rechte und Werte sowie Lizenzen an solchen Rechten und Werten . . . . . . 1. Regelungsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Begriffsbestimmung und Beispiele . . . . . . . . . a) Konzessionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Gewerbliche Schutzrechte . . . . . . . . . . . . c) Ähnliche Rechte und Werte . . . . . . . . . . . d) Lizenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Ansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Ausweis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

. . . . . . . . .

3.56

119

. . . . .

3.59 3.59 3.67 3.69 3.70

120 120 122 123 123

VIII. Geleistete Anzahlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

3.72

124

C. Steuerrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Steuerrechtliche Buchführungspflicht . . . . . . . . . . .

3.74 3.74

125 125

II. Maßgeblichkeit der Handelsbilanz für die Steuerbilanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

3.76

126

. . . .

3.79 3.79

128 128

. . . . .

. . . . .

3.80 3.82 3.82 3.83 3.85

128 129 129 129 130

IV. Abgrenzung Anlagevermögen . . . . . . . . . . . . . . . .

3.90

132

V. Gliederung des Anlagevermögens . . . . . . . . . . . . .

3.91

132

VI. Selbstgeschaffene immaterielle Wirtschaftsgüter . . . .

3.92

132

VII. Geschäfts- oder Firmenwert . . . . . . . . . . . . . . 1. Vermögensgegenstand oder Bilanzierungshilfe . 2. Ansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Ausweis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

. . . . .

III. Ansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Abstrakte Aktivierungsfähigkeit – Begriff des Wirtschaftsgutes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Konkrete Aktivierungsfähigkeit . . . . . . . . . . a) Fehlen eines Aktivierungsverbotes . . . . . . . b) Subjektive (wirtschaftliche) Zurechenbarkeit c) Zugehörigkeit zum Betriebsvermögen . . . . .

. . . . .

XVII

Inhaltsverzeichnis

Rz.

Seite

. . . .

3.93 3.94 3.100 3.104

132 133 135 136

D. IFRS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Begriff des Vermögenswerts . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Abstrakte Aktivierungsfähigkeit . . . . . . . . . . . . a) Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Ereignis der Vergangenheit . . . . . . . . . . . . . c) Verfügungsmacht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Zufluss wirtschaftlichen Nutzens . . . . . . . . . e) Verlässliche Bewertbarkeit . . . . . . . . . . . . . 2. Konkrete Aktivierungsfähigkeit . . . . . . . . . . . . a) Fehlen eines Aktivierungsverbots . . . . . . . . . b) Wirtschaftliche Zurechnung . . . . . . . . . . . . III. Abgrenzung kurz- und langfristiger Vermögenswerte . IV. Immaterielle Vermögenswerte als langfristige Vermögenswerte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Grundsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Überblick über die einschlägigen Standards . . . . . 3. Begriff eines immateriellen Vermögenswerts . . . . . a) Oberbegriffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Identifizierbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Nichtmonetärer Vermögenswert ohne physische Substanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Langfristiger Vermögenswert . . . . . . . . . . . . e) Beherrschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Art des Erwerbs und seine Bewertung . . . . . . . . . a) Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Erwerb gegen Entgelt . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Tausch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Erwerb durch Unternehmenszusammenschluss . e) Selbsterstellt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Grundfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Forschungsphase . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Entwicklungsphase . . . . . . . . . . . . . . . f) Folgebewertung immaterieller Vermögenswerte V. Ausweis von immateriellen Vermögenswerten . . . . . VI. Aktuelle Entwicklungen/IASB-Projekte . . . . . . . . . VII. Gegenüberstellung zu HGB/EStG . . . . . . . . . . . . .

3.105 3.105 3.114 3.114 3.114 3.116 3.117 3.118 3.119 3.120 3.120 3.125 3.126

136 136 140 140 140 140 141 141 142 142 142 143 144

3.130 3.130 3.131 3.133 3.133 3.135

145 145 145 146 146 147

3.137 3.140 3.141 3.143 3.143 3.144 3.147 3.148 3.154 3.154 3.156 3.158 3.165 3.166 3.168 3.169

148 149 149 150 150 150 150 151 153 153 155 155 158 159 160 161

VII. Entgeltlich erworbene Konzessionen, gewerbliche Schutzrechte und ähnliche Rechte und Werte sowie Lizenzen an solchen Rechten und Werten . . . . . . VIII. Geschäfts- oder Firmenwert . . . . . . . . . . . . . . . IX. Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . X. Geleistete Anzahlungen . . . . . . . . . . . . . . . . .

XVIII

. . . .

Inhaltsverzeichnis

Kapitel 4 Geistiges Eigentum im Ertragsteuerrecht A. Relevante Einkunftsarten . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Einteilung der Einkunftsarten . . . . . . . . . . . . . . 2. Besonderheiten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Einkünfte aus Gewerbebetrieb . . . . . . . . . . . . . . . 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Abgrenzung der gewerblichen Einkünfte von anderen Einkunftsarten . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Abgrenzung von Land- und Forstwirtschaft . . . c) Abgrenzung von selbständiger Tätigkeit . . . . . d) Abgrenzung von Vermögensverwaltung . . . . . . 3. Tatbestandsvoraussetzungen gem. § 15 EStG . . . . a) Definition des Gewerbebetriebs in § 15 Abs. 2 EStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Gewerbebetrieb kraft Rechtsform . . . . . . . . . c) Arten der gewerblichen Einkünfte . . . . . . . . . aa) Laufende Besteuerung . . . . . . . . . . . . . . bb) Veräußerungsgewinne . . . . . . . . . . . . . . III. Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft . . . . . . . . . IV. Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit . . . . . . . . . . . 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Formen des geistigen Eigentums . . . . . . . . . . . . a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Tätigkeit als Erfinder . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Tätigkeit als Künstler . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Begriff der Kunst im Steuerrecht . . . . . . . bb) Nutzung der künstlerischen Ergebnisse . . . d) Tätigkeit als Schriftsteller . . . . . . . . . . . . . . V. Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit . . . . . . . 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Geistiges Eigentum im Bereich der nichtselbständigen Tätigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung . . . . . . . 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Zeitliche Überlassung von Rechten, § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Begriffsbestimmung „Recht“ . . . . . . . . . . . . aa) Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Schriftstellerische, künstlerische und gewerbliche Urheberrechte . . . . . . . . . . . .

Rz.

Seite

4.1 4.1 4.1

166 166 166

4.4 4.7 4.7

167 170 170

4.9 4.9 4.10 4.11 4.12 4.17

170 170 171 171 172 174

4.17 4.20 4.26 4.26 4.35 4.37 4.39 4.39 4.44 4.44 4.45 4.50 4.50 4.57 4.58 4.66 4.66

174 177 178 178 181 182 184 184 186 186 186 189 189 191 192 195 195

4.69 4.70 4.70

195 196 196

4.75 4.75 4.75

199 199 199

4.76

199 XIX

Inhaltsverzeichnis

Rz.

Seite

cc) Gewerbliche Erfahrungen . . . . . . . . . . . . dd) Gerechtigkeiten und Gefälle . . . . . . . . . . ee) Ähnliche Rechte – „insbesondere“ . . . . . . VII. Sonstige Einkünfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Sonstige Einkünfte in Bezug auf geistiges Eigentum

4.79 4.80 4.81 4.82 4.82 4.84

200 201 201 202 202 203

B. Entnahme und Einlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Entnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Auswirkung einer Entnahme . . . . . . . . . . . . . . 2. Gegenstand der Entnahme . . . . . . . . . . . . . . . . a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Gegenstand einer Sachentnahme . . . . . . . . . . c) Entnahme in Form von Nutzungen und Leistungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Entnahmetatbestand und Entnahmehandlung . . . . 4. Finale Entnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Reichweite des Betriebsbegriffs . . . . . . . . . . . b) Überführung von Wirtschaftsgütern in eine ausländische Betriebsstätte . . . . . . . . . . . . . . . III. Einlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Begriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Gegenstand der Einlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Einlagegegenstand in Form materieller und immaterieller Wirtschaftsgüter . . . . . . . . . . . 3. Einlagenhandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Finale Einlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

4.88 4.88 4.94 4.94 4.96 4.96 4.99

204 204 206 206 207 207 208

4.105 4.107 4.112 4.112

210 211 212 212

4.116 4.122 4.122 4.127 4.127

213 215 215 217 217

4.132 4.138 4.141

219 222 223

C. Entstrickung und Verstrickung . . . I. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . II. Entstrickung . . . . . . . . . . . . . . 1. Vereinbarkeit mit EU-Recht . . . 2. Die Reglung im Einzelnen . . . . a) Tatbestand der Entstrickung b) Rechtsfolge der Entstrickung III. Verstrickung . . . . . . . . . . . . . .

. . . . . . . .

4.143 4.143 4.146 4.146 4.147 4.147 4.152 4.153

223 223 224 224 225 225 227 227

D. Vermeidung der Doppelbesteuerung bei unbeschränkter Steuerpflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Begriff und Ursachen der Doppelbesteuerung . . . . . . 1. Begriff der Doppelbesteuerung . . . . . . . . . . . . . . 2. Ursachen der Doppelbesteuerung . . . . . . . . . . . .

4.155 4.155 4.161 4.161 4.167

228 228 230 230 231

XX

. . . . . . . .

. . . . . . . .

. . . . . . . .

. . . . . . . .

. . . . . . . .

. . . . . . . .

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. . . . . . . .

. . . . . . . .

. . . . . . . .

Inhaltsverzeichnis

III. Vermeidung der Doppelbesteuerung . . . . . . . . . . . . 1. Regelungsbestand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Gründe für die Vermeidung der Doppelbesteuerung 3. Methoden zur Vermeidung der Doppelbesteuerung . a) Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Anrechnungsmethode . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Die Ausgestaltung der Anrechnungsmethode in § 34c EStG . . . . . . . . . . . . . (1) Persönliche Anwendung – unbeschränkte Steuerpflicht . . . . . . . . . . . . . . . (2) Steuersubjektidentität . . . . . . . . . . . (3) Gleichartigkeit der ausländischen Steuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Gleicher Veranlagungszeitraum . . . . . (5) Anrechnungshöchstbetrag . . . . . . . . . (6) Ausländische Einkünfte, § 34d EStG . . c) Abzugsmethode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Pauschalierung und Erlass . . . . . . . . . . . . . . aa) Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Pauschalierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Erlass . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Freistellungsmethode . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Zweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Freistellung bei Kapitalgesellschaften . . . . cc) Teileinkünfteverfahren . . . . . . . . . . . . . dd) Hinzurechnungsbesteuerung . . . . . . . . . .

Rz.

Seite

4.172 4.172 4.176 4.179 4.179 4.183 4.183

234 234 235 237 237 238 238

4.187

239

4.187 4.188

239 239

4.193 4.197 4.198 4.200 4.202 4.204 4.204 4.206 4.210 4.211 4.211 4.212 4.217 4.220

241 242 242 243 244 245 245 245 246 247 247 247 248 249

Kapitel 5 Geistiges Eigentum im Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht A. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

5.1 5.1

252 252

II. Maßgeblichkeit des Zivilrechts . . . . . . . . . . . . . . .

5.3

253

III. Verhältnis zu anderen Steuerarten . . . . . . . . . . . . . 1. Verhältnis zur Einkommensteuer . . . . . . . . . . . 2. Verhältnis zur Grunderwerbsteuer . . . . . . . . . . .

5.5 5.5 5.6

254 254 255

IV. Reformbemühungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

5.7

256

B. Persönliche Steuerpflicht (Steuersubjekt) . . . . . . . . . I. Unbeschränkte Steuerpflicht . . . . . . . . . . . . . . . .

5.9 5.9

258 258

II. Beschränkte Steuerpflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . .

5.11

259

III. Erweiterte beschränkte Steuerpflicht . . . . . . . . . . .

5.21

263 XXI

Inhaltsverzeichnis

Rz.

Seite

. . . . . . . . . . . . . . . . . .

5.22 5.22 5.22 5.23 5.26 5.27 5.28 5.28 5.30 5.31 5.32 5.32 5.33 5.33 5.34 5.35 5.39 5.40

263 263 263 264 266 267 267 267 268 268 269 269 269 269 270 271 272 273

IV. Erbersatzsteuer bei Familienstiftungen und Familienvereinen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

5.42

274

D. Wertermittlung . . . . . . . . . . I. Steuerpflichtiger Erwerb . . . . . 1. Erwerb von Todes wegen . . . 2. Schenkungen unter Lebenden II. Bewertungsstichtag . . . . . . . . III. Bewertung . . . . . . . . . . . . .

C. Erwerbstatbestände (Steuerobjekt) . . . . . . . . . . I. Erwerb von Todes wegen . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Erwerb durch Erbanfall . . . . . . . . . . . . . . . 3. Erwerb durch Vermächtnis . . . . . . . . . . . . . 4. Erwerb aufgrund eines Pflichtteilsanspruchs . . 5. Schenkung auf den Todesfall . . . . . . . . . . . a) Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Anteilsübergang bei Personengesellschaften c) Anteilsübergang bei Kapitalgesellschaften . II. Schenkung unter Lebenden . . . . . . . . . . . . . . 1. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Freigebige Zuwendung unter Lebenden . . . . . a) Objektive Merkmale . . . . . . . . . . . . . . b) Subjektive Merkmale . . . . . . . . . . . . . . c) Zuwendungsgegenstände . . . . . . . . . . . 3. Gemischte Schenkung . . . . . . . . . . . . . . . III. Zweckzuwendungen . . . . . . . . . . . . . . . . . .

. . . . . .

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. . . . . .

. . . . . .

. . . . . . . . . . . . . . . . . .

. . . . . .

. . . . . .

5.44 5.44 5.44 5.52 5.53 5.55

275 275 275 279 279 280

IV. Sachliche Steuerbefreiungen . . . . . . . . . . . . . . . 1. Steuerbefreiungen nach § 13 ErbStG . . . . . . . . . 2. Steuerbefreiung für Betriebsvermögen und Anteile an Kapitalgesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . a) Regelverschonung . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Begünstigtes Vermögen . . . . . . . . . . . . . . c) Gleitender Abzugsbetrag . . . . . . . . . . . . . . d) Behaltensfrist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Optionsverschonung . . . . . . . . . . . . . . . .

. .

5.57 5.57

282 282

. . . . . .

5.62 5.62 5.65 5.69 5.70 5.71

284 284 285 287 288 288

E. Berechnung der Steuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Berücksichtigung früherer Erwerbe . . . . . . . . . . . . II. Steuerklassen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

5.72 5.72 5.75

289 289 290

III. Persönliche Freibeträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Steuersätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Tarifbegrenzung beim Unternehmensübergang . . . . .

5.77 5.79 5.81

291 292 293

XXII

. . . . . .

. . . . . . . . . . . . . . . . . .

Inhaltsverzeichnis

Rz.

Seite

. . . . . . . . . .

5.82 5.82 5.84 5.88 5.92 5.93 5.95 5.97 5.100 5.102

293 293 295 297 299 299 300 301 302 303

A. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

6.1

306

F. I. II. III. IV. V. VI. VII. VIII. IX.

Steuerfestsetzung und Erhebung . . . . . . . . . . . . . Steuerschuldner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anrechnung ausländischer Erbschaftsteuer . . . . . . Besteuerung von Renten, Nutzungen und Leistungen Mehrfacher Erwerb desselben Vermögens . . . . . . . Stundung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Erlöschen der Steuer in besonderen Fällen . . . . . . . Anzeige des Erwerbs und Erklärungspflichten . . . . . Steuererklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Örtliche Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kapitel 6 Bewertung von geistigem Eigentum

B. I. II. III. IV. V.

. . . . . .

. . . . . .

6.2 6.2 6.3 6.4 6.11 6.18

306 306 306 307 310 313

Bewertung für ertragsteuerliche Zwecke . . . . . . . . Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bewertung zu Anschaffungskosten . . . . . . . . . . . Bewertung zu Herstellungskosten . . . . . . . . . . . . Bewertung zum gemeinen Wert . . . . . . . . . . . . . 1. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Bewertung von Marken . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Bewertung von Patenten . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Bewertung von Know How . . . . . . . . . . . . . . . 5. Bewertung von Urheberrechten . . . . . . . . . . . . 6. Bewertung von Domains . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Bewertung von kundenorientierten immateriellen Werten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8. Bewertung des Firmen- und Geschäftswerts . . . . 9. Hinweise zu weiteren immateriellen Wirtschaftsgütern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Bewertung zum Teilwert . . . . . . . . . . . . . . . . . .

. . . . . . . . . . .

6.19 6.19 6.20 6.32 6.34 6.34 6.37 6.43 6.44 6.46 6.48

314 314 314 324 327 327 328 333 334 335 336

. .

6.52 6.58

337 340

. .

6.59 6.60

340 341

D. Bewertung für erbschaft- und schenkungsteuerliche Zwecke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

6.67

347

C. I. II. III. IV.

Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bewertungsanlässe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bewertungsmaßstäbe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Überblick über die Bewertungsverfahren . . . . . . . Besonderheiten der Bewertung immaterieller Werte

XXIII

Inhaltsverzeichnis

I. Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Darstellung und Systematisierung der Bewertungsanlässe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Darstellung der Bewertungsanlässe . . . . . . . . . . 3. Systematisierung der Bewertungsanlässe . . . . . . . III. Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Bewertungszwecke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Verfahrensrechtliche Regelungen . . . . . . . . . . . . 3. Bewertungsmaßstäbe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Einzelbewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Bewertung von Anteilen an Kapitalgesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Bewertung von Anteilen an Personengesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Bewertung von Erbbaurechten . . . . . . . . . . . e) Bewertung von wiederkehrenden Leistungen und Nutzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Bewertung von Kapitalforderungen und -schulden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . g) Bewertung von Sachleistungsansprüchen und -verpflichtungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . h) Bewertung von Marken, Patenten, Urheberrechten, Erfindungen und Know How . . . . . . . . . . i) Übrige Gegenstände . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Gesamtbewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Bewertungsanlässe . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Allgemeines zur Bewertung von Unternehmen . c) Bewertungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Maßgebliche Verfahren . . . . . . . . . . . . . bb) Vereinfachtes Ertragswertverfahren . . . . . cc) „Normales“ Ertragswertverfahren . . . . . . dd) Substanzwertverfahren . . . . . . . . . . . . . d) Aufteilung des Betriebsvermögens für die Bewertung von Anteilen an Personengesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Bewertung ausländischen Vermögens . . . . . . . . .

Rz.

Seite

6.67

347

6.68 6.68 6.69 6.71 6.74 6.74 6.75 6.79 6.80 6.80

347 347 347 348 349 349 350 352 352 352

6.81

353

6.86 6.87

355 356

6.92

358

6.96

361

6.100

364

6.103 6.105 6.107 6.107 6.108 6.109 6.109 6.110 6.120 6.122

366 367 368 368 368 369 369 369 374 375

6.124 6.125

376 377

7.1 7.1 7.4

381 381 382

Kapitel 7 Geistiges Eigentum und Umsatzsteuer A. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Einschlägige Rechtsgrundlagen . . . . . . . . . . . . . . . XXIV

Inhaltsverzeichnis

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Seite

. . . . . . . .

7.7 7.7 7.9 7.19 7.19 7.23 7.27 7.32

383 383 384 387 387 388 389 390

C. Umsatzsteuerlicher Leistungsort . . . . . . . . . . . . . . I. Rechtliche Ausgangssituation . . . . . . . . . . . . . . . II. Umsatzsteuerliche Betriebsstätte . . . . . . . . . . . . . 1. Allgemeine Anmerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Zugrunde zu legender Betriebsstättenbegriff . . . . . 3. Zuordnung zu einer Betriebsstätte . . . . . . . . . . . III. Leistungen zwischen Unternehmern (B2B) . . . . . . . . 1. Unternehmerbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Nachweispflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Leistungen im nicht unternehmerischen Umfeld (B2C) 1. Grundlegende Ausführungen . . . . . . . . . . . . . . 2. Immaterialgüterrechte im Einzelnen . . . . . . . . . .

7.43 7.43 7.47 7.47 7.48 7.53 7.58 7.58 7.64 7.74 7.74 7.80

393 393 395 395 395 397 398 398 400 403 403 404

D. I. II. III.

B. I. II. III.

Geistiges Eigentum aus umsatzsteuerlicher Sicht Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abgrenzung Lieferung/Sonstige Leistung . . . . . . Einheitlichkeit der Leistung . . . . . . . . . . . . . . 1. Grundsätzliche Anmerkungen . . . . . . . . . . 2. Abgrenzung von Nebenleistung . . . . . . . . . . 3. Gemischte Leistungen . . . . . . . . . . . . . . . IV. Geschäftsveräußerung im Ganzen . . . . . . . . . .

. . . .

7.85 7.85 7.87 7.92

405 405 406 408

E. Steuersatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Steuerermäßigung nach § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. c UStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Voraussetzungen für die Anwendung der Steuerermäßigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

. .

7.95 7.95

409 409

.

7.97

409

.

7.98

410

F. Besteuerungsverfahren/Rechnungsstellung . . . . . . .

7.102

411

7.110 7.110 7.113 7.123 7.127

414 414 414 418 420

Besonderheiten im Konzern . . . . . . . Allgemeine Anmerkungen . . . . . . . Organschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . Mindestbemessungsgrundlage . . . . . Umsatzsteuer und Verrechnungspreise

. . . . .

. . . . .

. . . .

. . . . .

. . . .

. . . . .

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. . . .

G. I. II. III. IV.

Umsatzsteuerliche Bemessungsgrundlage Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tausch/Tauschähnlicher Umsatz . . . . . Unentgeltlichkeit . . . . . . . . . . . . . . .

. . . . . . . .

. . . . .

. . . . .

. . . . .

XXV

Inhaltsverzeichnis

3. Teil: Geistiges Eigentum im internationalen Steuerrecht Kapitel 8 Geistiges Eigentum und beschränkte Steuerpflicht A. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Begriff der Quellensteuer . . . . . . . . . . 3. Zwecksetzung des Quellensteuerabzugs II. Systematik der §§ 49 ff. EStG . . . . . . . . .

. . . . . .

. . . . . .

. . . . . .

. . . . . .

. . . . . .

. . . . . .

B. Relevante Tatbestände der beschränkten Steuerpflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Voraussetzungen der beschränkten Steuerpflicht . . . II. Inländische Einkünfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Funktion der inländischen Einkünfte . . . . . . . . a) Inlandsbezug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Notwendige Lückenhaftigkeit . . . . . . . . . . c) Inländische versus ausländische Einkünfte . . . d) Rangfolge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Zivilrechtliche Begriffsbestimmungen . . . . . 3. Abschließender Katalogtatbestand (§ 49 Abs. 1 EStG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG . . . . . . . . . aa) Funktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Relevanz für Erträge aus geistigem Eigentum . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Steuerliche Anknüpfungspunkte . . . . . . (1) Ausgangspunkt . . . . . . . . . . . . . . (2) Betriebsstätte (§ 12 AO) . . . . . . . . . (3) Ständiger Vertreter (§ 13 AO) . . . . . . cc) Zuordnung der Immaterialgüterrechte zur Betriebsstätte . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Aufwandsabgrenzung . . . . . . . . . . . . . b) § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. d EStG . . . . . . . . . aa) Funktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Relevanz für Erträge aus geistigem Eigentum . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Verwertung von Darbietungen im Inland . cc) Nebenleistungen . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Rechtsprechung (Auswahl) . . . . . . . . . . XXVI

Rz.

Seite

. . . . . .

8.1 8.1 8.1 8.7 8.15 8.18

425 425 425 427 430 431

. . . . . . . . . .

8.21 8.21 8.22 8.22 8.24 8.24 8.28 8.29 8.30 8.31

432 432 432 432 433 433 434 434 435 435

. . . .

8.32 8.32 8.32 8.32

436 436 436 436

. . . . .

8.34 8.35 8.35 8.36 8.51

436 437 437 437 441

. . . . .

8.54 8.59 8.62 8.62 8.62

442 444 445 445 445

. . . .

8.65 8.66 8.73 8.76

446 446 449 450

Inhaltsverzeichnis

c) § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f EStG . . . . . . . . . . aa) Funktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Relevanz für Erträge aus geistigem Eigentum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Gewerbebetrieb und Fiktion des Gewerbebetriebs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Erfasste Rechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Vermietung/Veräußerung . . . . . . . . . . . . ee) Rechtsprechung (Auswahl) . . . . . . . . . . . d) § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. g EStG . . . . . . . . . . aa) Inhalt/Historie . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Relevanz für Erträge aus geistigem Eigentum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Steuerpflicht von Transferzahlungen . . bb) Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) § 49 Abs. 1 Nr. 3 EStG . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Inhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Relevanz für Erträge aus geistigem Eigentum cc) Rechtsprechung (Auswahl) . . . . . . . . . . . f) § 49 Abs. 1 Nr. 6 EStG . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Inhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Relevanz für Erträge aus geistigem Eigentum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Rechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Rechte i.S. des § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Rechtsprechung (Auswahl) . . . . . . . . cc) Zeitlich begrenzte Überlassung . . . . . . . . dd) Eintragung/Verwertung im Inland . . . . . . g) § 49 Abs. 1 Nr. 9 EStG . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Inhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Relevanz für Erträge aus geistigem Eigentum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Subsidiarität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Überlassung von Know-how . . . . . . . . . . (1) Erfahrungen/Kenntnisse/Fertigkeiten . . (2) Überlassung der Nutzung oder des Rechts auf Nutzung . . . . . . . . . . . . . (3) Nutzung im Inland . . . . . . . . . . . . . (4) Rechtsprechung zum Know-how (Auswahl) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Besonderheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Isolierende Betrachtungsweise (§ 49 Abs. 2 EStG) . .

Rz.

Seite

8.77 8.77 8.77

450 450 450

8.81

451

8.82 8.86 8.88 8.90 8.91 8.91

452 453 454 454 455 455

8.91 8.92 8.98 8.102 8.102 8.103 8.106 8.107 8.107 8.107

455 455 456 458 458 458 459 459 459 459

8.110 8.111

460 460

8.111 8.115 8.116 8.121 8.129 8.129 8.129

460 461 462 463 466 466 466

8.131 8.132 8.136 8.136

466 467 468 468

8.147 8.150

472 473

8.152 8.153 8.153

473 474 474 XXVII

Inhaltsverzeichnis

Rz.

Seite

. . . . .

8.153 8.155 8.158 8.163 8.166

474 475 475 477 478

C. Abzugsbesteuerung nach § 50a EStG . . . . . . . . . . . I. Vorbemerkung/Historie . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

8.170 8.170

480 480

II. Begrifflichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

8.174

481

. . .

8.177 8.177 8.181

482 482 483

. . .

8.181 8.185 8.188

483 485 486

. . . . . .

8.193 8.193 8.193

487 487 487

. . . . . . . . . . .

. . . . . . . . . . .

8.198 8.200 8.203 8.206 8.210 8.216 8.216 8.217 8.222 8.223 8.226

489 490 491 492 494 496 496 496 497 498 499

V. Korrespondierende Regelungen in § 50 EStG . . . . . . .

8.228

500

D. Missbrauchsvermeidung . . . . . . . . . . . . . . I. Allgemeine Kontrollmechanismen . . . . . . . 1. Steuerabzug als Grundregel . . . . . . . . . . 2. Erstattungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . 3. Freistellungs- und Kontrollmeldeverfahren .

. . . . .

8.230 8.230 8.230 8.234 8.238

501 501 501 502 503

II. § 50d Abs. 3 EStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Historie/Zwecksetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Tatbestand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

8.241 8.241 8.242

504 504 505

E. Vermeidung der Doppelbesteuerung . . . . . . . . . . . . I. Grundprinzipien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

8.244 8.244

505 505

a) Vorbemerkung . . . . b) Zweck der Regelung c) Regelungsgegenstand 2. Einkünfteermittlung . . 3. Zeitbezug . . . . . . . . .

. . . . .

. . . . .

. . . . .

. . . . .

. . . . .

. . . . .

. . . . .

. . . . .

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. . . . .

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. . . . .

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. . . . .

III. Steuererhebung an der Quelle . . . . . . . . . . . . . . . 1. Systematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Relevante Abzugsteuertatbestände . . . . . . . . . . a) § 50a Abs. 1 Nr. 1 EStG (Darbietungen/Nebenleistungen) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) § 50a Abs. 1 Nr. 2 EStG (Verwertung) . . . . . . c) § 50a Abs. 1 Nr. 3 EStG (Know-how) . . . . . . IV. Einzelheiten/Besteuerungsverfahren . . . . . . . . . 1. Steuersatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Grundregeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Steuersatz bei Geltendmachung von Aufwendungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Stufenverhältnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Abgeltungswirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Ausnahmen von der Abgeltungswirkung . . . . . 5. Entstehung der Steuer . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Berücksichtigung von Aufwendungen . . . . . . . a) Historie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Unmittelbare Aufwendungen . . . . . . . . . . 7. Sicherung des Steueranspruchs . . . . . . . . . . . 8. Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9. Steuererlass und Pauschalierung . . . . . . . . . .

XXVIII

. . . . .

. . . . .

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Inhaltsverzeichnis

Rz.

Seite

8.249 8.249 8.251

507 507 508

A. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

9.1

509

B. Relevante Einkunftsartikel . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

9.4 9.4

510 510

II. Gewinne aus Veräußerungen (Art. 13 OECD-MA) . . . 1. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Anwendungsvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . a) Gegenstandsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Veräußerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Vermögen (Anwendungsbereiche) . . . . . . . . . aa) Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Unbewegliches Vermögen (Abs. 1) . . . . . . cc) Bewegliches Vermögen einer Betriebsstätte (Abs. 2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Anteile an bestimmten Gesellschaften (Abs. 4) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Übriges Vermögen (Abs. 5) . . . . . . . . . . . d) Gewinne (Besteuerungsgrundlage) . . . . . . . . . 3. Abgrenzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Ansässigkeits-, Belegenheits- und Betriebsstättenstaat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Übertragung vs. Nutzungsüberlassung . . . . . . c) Zu anderen Vorschriften des Abkommens . . . . 4. Verteilung der Besteuerungsrechte . . . . . . . . . . . a) Ausgangspunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Grundsatz: Belegenheitsprinzip . . . . . . . . . . . c) Ausnahme: Wohnsitzprinzip . . . . . . . . . . . . 5. Hinweise zur deutschen Abkommenspraxis . . . . .

9.9 9.9 9.13 9.13 9.14 9.20 9.20 9.21

511 511 512 512 512 514 514 514

9.23

514

9.26 9.28 9.30 9.32

515 516 516 517

9.32 9.36 9.37 9.39 9.39 9.40 9.42 9.43

517 517 518 518 518 519 519 519

. . . .

9.44 9.44 9.47 9.47

520 520 521 521

.

9.48

521

.

9.67

527

.

9.71

529

II. § 50 Abs. 3 EStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Tatbestand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Rechtsfolge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kapitel 9 Geistiges Eigentum im DBA-Recht

III. Lizenzartikel (Art. 12 OECD-MA) . . . . . . . . . . . . 1. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Anwendungsvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . a) Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Abkommensrechtliche Bedeutung des Begriffs „Lizenzgebühren“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Abkommensrechtliche Bedeutung des Begriffs „Nutzungsberechtigter“ . . . . . . . . . . . . . . d) Abkommensrechtliche Bedeutung von „aus einem Vertragsstaat stammend“ . . . . . . . . .

XXIX

Inhaltsverzeichnis

e) Ansässigkeitsvoraussetzung des Nutzungsberechtigten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Verhältnis zu anderen Vorschriften . . . . . . . . . . a) Verhältnis zu anderen Vorschriften des OECD-MA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Art. 6 OECD-MA . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Art. 7 OECD-MA . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Art. 10 und 11 OECD-MA . . . . . . . . . . . ee) Art. 13 OECD-MA . . . . . . . . . . . . . . . . ff) Art. 15 OECD-MA . . . . . . . . . . . . . . . . gg) Art. 17 OECD-MA . . . . . . . . . . . . . . . . hh) Art. 21 OECD-MA . . . . . . . . . . . . . . . . b) Verhältnis zu Regelungen der EU . . . . . . . . . . 4. Einschränkung des sachlichen Anwendungsbereichs (Art. 12 Abs. 4 OECD-MA) . . . . . . . . . . 5. Verteilung der Besteuerungsrechte . . . . . . . . . . . a) Grundsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Besteuerung im Ansässigkeitsstaates des Nutzungsberechtigten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Besteuerung im Quellenstaat . . . . . . . . . . . . d) Besteuerung im Betriebsstättenstaat . . . . . . . . e) Besteuerungsrecht bei Einsatz von Mittelspersonen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Besteuerungsrecht in Dreieckssachverhalten . . 6. Hinweise zur deutschen Abkommenspraxis . . . . . IV. Unternehmensgewinne (Art. 7 OECD-MA) . . . . . . . 1. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Anwendungsvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . a) Regelungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Unternehmensgewinne . . . . . . . . . . . . . . . c) Unternehmen eines Vertragsstaates (Ansässigkeitsstaat) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Betriebsstätte im anderen Staat . . . . . . . . . . . 3. Abgrenzungsfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Abgrenzung zu anderen Vorschriften . . . . . . . b) Funktionale Zuordnung der Wirtschaftsgüter . . c) Hinweise zur Gewinnermittlung . . . . . . . . . . d) Ent- und Verstrickungsfragen . . . . . . . . . . . . 4. Verteilung der Besteuerungsrechte . . . . . . . . . . . a) Grundregel: Ansässigkeitsstaat des Unternehmens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Ausnahme: Betriebsstättenprinzip . . . . . . . . . 5. Hinweise zur deutschen Abkommenspraxis . . . . . V. Sonstige Einkünfte (Art. 21 OECD-MA) . . . . . . . . . XXX

Rz.

Seite

9.77 9.85

531 533

9.85 9.85 9.88 9.91 9.106 9.109 9.112 9.115 9.119 9.121

533 533 534 535 541 541 542 543 544 545

9.124 9.133 9.133

546 549 549

9.134 9.139 9.145

550 551 555

9.150 9.152 9.155 9.159 9.159 9.163 9.163 9.165

557 558 559 561 561 562 562 563

9.168 9.170 9.172 9.172 9.175 9.178 9.180 9.183

564 564 565 565 566 567 568 569

9.183 9.184 9.185 9.187

569 569 570 571

Inhaltsverzeichnis

Rz.

Seite

1. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Anwendungsbereich und Anwendungsvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Verteilung der Besteuerungsrechte . . . . . . . . a) Regelfall: Ansässigkeitsstaat . . . . . . . . . b) Ausnahme: Betriebsstättenstaat . . . . . . . 4. Hinweise zur deutschen Abkommenspraxis . . VI. Vermögen (Art. 22 OECD-MA) . . . . . . . . . . . .

. . .

9.187

571

. . . . . .

. . . . . .

. . . . . .

9.188 9.192 9.192 9.193 9.194 9.195

571 573 573 573 573 574

C. I. II. III. IV. V. VI.

. . . . . . . . . . . . . .

. . . . . . . . . . . . . .

. . . . . . . . . . . . . .

9.197 9.197 9.199 9.202 9.203 9.206 9.209 9.209 9.210 9.214 9.214 9.215 9.219 9.227

574 574 575 577 578 579 581 581 581 584 584 584 586 591

A. Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

10.1

595

B. Primärrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Grundfreiheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Niederlassungsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

10.2 10.2 10.4

596 596 596

10.9 10.9 10.10 10.11 10.12 10.13 10.13 10.14 10.16 10.23 10.24

598 598 599 599 599 600 600 601 601 603 603

Ausnutzung des internationalen Steuergefälles Grundfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Treaty Shopping . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rule Shopping . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Qualifikationskonflikte . . . . . . . . . . . . . . Standortwahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Missbrauchsvermeidungsnormen . . . . . . . . 1. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Missbrauchsklauseln der DBA . . . . . . . . 3. Nationale Missbrauchsklauseln . . . . . . . a) Verhältnis zum DBA-Recht . . . . . . . . b) § 42 AO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) § 50d Abs. 3 EStG . . . . . . . . . . . . . . d) § 50d Abs. 9 EStG . . . . . . . . . . . . . .

. . . . . . . . . . . . . .

. . . . . . . . . . . . . .

Kapitel 10 Geistiges Eigentum und EU-Recht

C. I. II. III. IV. V.

Sekundärrecht . . . . . . . . . . . . . . Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . Mehrwertsteuerrichtlinie . . . . . . . Mutter-Tochter-Richtlinie . . . . . . . Fusionsrichtlinie . . . . . . . . . . . . Zins- und Lizenzgebühren-Richtlinie 1. Zweck . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Umsetzung in § 50g EStG . . . . . 3. Persönlicher Anwendungsbereich 4. Sachlicher Anwendungsbereich . . 5. Entlastungsverfahren . . . . . . . .

. . . . . . . . . . .

. . . . . . . . . . .

. . . . . . . . . . .

. . . . . . . . . . .

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. . . . . . . . . . .

. . . . . . . . . . .

. . . . . . . . . . .

XXXI

Inhaltsverzeichnis

Rz.

Seite

. . . . . .

10.25 10.29 10.29 10.30 10.34 10.36

604 605 605 606 607 608

.

10.37

608

A. Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

11.1

618

B. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Kategorisierung für Verrechnungspreiszwecke . . . . .

11.3 11.3

619 619

II. Formen der Entwicklung von immateriellen Wirtschaftsgütern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

11.11

621

11.18

624

11.18 11.26

624 627

11.37 11.37 11.47 11.50

630 630 633 635

. 11.60 . 11.60 . 11.61 . 11.61 . 11.71 . 11.85 . 11.87 . 11.87 . 11.88 . 11.101

638 638 638 638 642 646 647 647 648 652

C. Verwertung von immateriellen Wirtschaftsgütern . . . 11.106 I. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.106

653 653

II. Alleinige Nutzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.107 1. Ausgangspunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.107 2. Zurechnung des Eigentums bei immateriellen Wirtschaftsgütern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.108

654 654

6. Missbrauchsverhinderung . . . . . . . . . . . . . . . 7. Begriffsdefinitionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Nutzungsberechtigter . . . . . . . . . . . . . . . b) Verbundenes Unternehmen . . . . . . . . . . . . c) Zinsen und Lizenzgebühren . . . . . . . . . . . . d) Verhältnis zu Doppelbesteuerungsabkommen . 8. Verstoß des nationalen Rechts gegen die Zins- und Lizenzgebühren-Richtlinie . . . . . . . . . . . . . . .

Kapitel 11 Geistiges Eigentum und Verrechnungspreise

III. Fremdvergleichsgrundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Begriffsbestimmung nach nationalem und DBARecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Verhältnis und Folgen der Korrekturnormen . . . . . 3. Vergleichbarkeitsanalyse: Vorgehensweise bei der Anwendung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter b) Unternehmenskategorisierung . . . . . . . . . . . c) Ermittlung von Fremdvergleichsdaten . . . . . . IV. Verrechnungspreismethoden . . . . . . . . . . 1. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. OECD-Leitlinien zu Verrechnungspreisen a) Standardmethoden . . . . . . . . . . . . b) Gewinnorientierte Methoden . . . . . . c) Andere Methoden . . . . . . . . . . . . . 3. Nationales Recht . . . . . . . . . . . . . . . a) Standardmethoden . . . . . . . . . . . . b) Gewinnorientierte Methoden . . . . . . c) Hypothetischer Fremdvergleich . . . .

XXXII

. . . . . . . . . .

. . . . . . . . . .

. . . . . . . . . .

. . . . . . . . . .

. . . . . . . . . .

654

Inhaltsverzeichnis

3.

4.

5. 6.

a) Abgrenzung des rechtlichen und wirtschaftlichen Eigentums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Abgrenzung zwischen Übertragung und Nutzungsüberlassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Eigentumsübertragung . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Bewertungszwecke . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Verrechnungspreismethoden . . . . . . . . . . . . aa) Standardmethoden . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Gewinnorientierte Methoden . . . . . . . . . cc) Hypothetischer Fremdvergleich . . . . . . . . c) Bewertung nach IDW S 5 . . . . . . . . . . . . . . . aa) Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Marktpreisorientiertes Bewertungsverfahren cc) Kostenorientiertes Bewertungsverfahren . . dd) Kapitalwertorientiertes Bewertungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Lizenzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Formen von Lizenzierung . . . . . . . . . . . . . . c) Lizenzierung dem Grunde nach . . . . . . . . . . . d) Lizenzierung der Höhe nach . . . . . . . . . . . . . aa) Vorbemerkung und betriebswirtschaftliche Kriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Standardmethoden . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Gewinnorientierte Methoden . . . . . . . . . e) Quellensteuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einbettung in Produktpreise . . . . . . . . . . . . . . . Markenrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Veräußerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Lizenzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Lizenzarten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Verrechnung dem Grunde nach . . . . . . . . (1) Darstellungsweise . . . . . . . . . . . . . . (2) Markenlizenz i.e.S . . . . . . . . . . . . . (3) Markenlizenz i.w.S. . . . . . . . . . . . . . cc) Verrechnung der Höhe nach . . . . . . . . . . (1) Darstellungsweise . . . . . . . . . . . . . . (2) Einheitliche Markenlizenz . . . . . . . . (a) Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Anwendung der Verrechnungspreismethoden . . . . . . . . . . . . . (3) Produktmarkierungslizenz . . . . . . . . (4) Vermarktungslizenz . . . . . . . . . . . . (5) Markenlizenz i.w.S. (Markenfranchising)

Rz.

Seite

11.108

654

11.113 11.118 11.118 11.119 11.119 11.122 11.125 11.126 11.126 11.129 11.132

656 658 658 658 658 659 660 660 660 662 663

11.134 11.156 11.156 11.160 11.162 11.166

663 670 670 672 672 674

11.166 11.172 11.178 11.196 11.198 11.202 11.202 11.207 11.215 11.215 11.220 11.220 11.221 11.224 11.226 11.226 11.227 11.227

674 676 678 686 686 687 687 690 693 693 695 695 695 696 696 696 697 697

11.232 11.247 11.250 11.256

699 707 708 710 XXXIII

Inhaltsverzeichnis

Rz.

Seite

. 11.262 . 11.262

714 714

. . . . . .

11.264 11.264 11.265 11.268 11.274 11.274

715 715 715 716 718 718

. 11.278 . 11.285 . 11.290

719 721 723

. 11.295 . 11.297 . 11.304

724 725 727

D. Funktionsverlagerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.307 I. Zwecke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.307 II. Funktionsverlagerung dem Grunde nach . . . . . . . . . 11.309 1. Tatbestandsvoraussetzungen einer Funktionsverlagerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.309 2. Abgrenzung des Gewinnpotenzials von Geschäftschancen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.317 3. Bagatellregelung bei Funktionsverdopplung . . . . . 11.327 4. Negativabgrenzung zur Funktionsverlagerung . . . . 11.336 III. Funktionsverlagerung der Höhe nach . . . . . . . . . . . 11.343 1. Vorbemerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.343 2. Transferpaket . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.345 a) Parameter bei der Ermittlung der Grenzpreise . . 11.345 b) Ermittlung des Preises innerhalb des Einigungsbereichs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.366 3. Einzelbewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.377 4. Lizenzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.386

729 729 729

III. Gemeinschaftliche Nutzung . . . . . . . . . . . . . . . 1. Grundfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Abgrenzung zwischen der Kostenumlage und Leistungsumlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Regelungen zur Kostenumlage . . . . . . . . . . c) Regelungen zur Leistungsumlage . . . . . . . . 3. Kostenumlage (nach dem Poolkonzept) . . . . . . . a) Grundlagen der Kostenumlage . . . . . . . . . . b) Abgrenzung zwischen Poolmitgliedern und Nachfragepool . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Umlagefähiger Betrag . . . . . . . . . . . . . . . . d) Allokationsmechanismus . . . . . . . . . . . . . e) Zuordnung von Eigentums- und Verwertungsrechten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Eintritts- und Austrittszahlungen . . . . . . . . g) Formale Kriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . .

E. Dokumentation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Allgemeine Dokumentationspflichten . . . . . . . . . . 1. Ausgangspunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Folgen der Verletzung der Dokumentationspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Inhalt der Dokumentation . . . . . . . . . . . . . . . . II. Spezielle Dokumentationspflichten bei immateriellen Wirtschaftsgütern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Entwicklung von immateriellen Wirtschaftsgütern . XXXIV

729 732 735 738 740 740 741 741 747 749 752

11.401 11.401 11.401 11.406

756 756 756 757

11.409 11.413

758 760

11.431 11.431

765 765

Inhaltsverzeichnis

a) Entwicklungskosten dem Grunde nach . . . . . b) Entwicklungskosten der Höhe nach . . . . . . . 2. Verwertung von immateriellen Wirtschaftsgütern a) Eigentumsübertragung . . . . . . . . . . . . . . . aa) Übertragung dem Grunde nach . . . . . . . bb) Übertragung der Höhe nach . . . . . . . . . b) Lizenzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Lizenzierung dem Grunde nach . . . . . . . cc) Lizenzierung der Höhe nach . . . . . . . . . c) Einbettung in Produktpreise . . . . . . . . . . . . d) Leistungsumlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Kostenumlage (nach dem Poolkonzept) . . . . . aa) Kostenumlage dem Grunde nach . . . . . . bb) Kostenumlage der Höhe nach . . . . . . . . 3. Funktionsverlagerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Funktionsverlagerung dem Grunde nach . . . . b) Funktionsverlagerung der Höhe nach . . . . . .

. . . . . . . . . . . . . . . . . .

Rz.

Seite

11.431 11.436 11.443 11.443 11.443 11.446 11.453 11.453 11.454 11.456 11.463 11.464 11.465 11.465 11.469 11.473 11.473 11.482

765 767 769 769 769 770 772 772 772 772 774 775 775 775 776 778 778 780

Kapitel 12 Geistiges Eigentum und Hinzurechnungsbesteuerung A. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Rechtliche Bedenken gegen die Hinzurechnungsbesteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Verhältnis der Hinzurechnungsbesteuerung zu anderen Normen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Verhältnis zu § 42 AO . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Verhältnis zu § 1 AStG . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Verhältnis zu den Doppelbesteuerungsabkommen

. .

12.1 12.1

787 787

.

12.10

790

. . . .

12.12 12.12 12.14 12.17

791 791 792 794

12.19

795

12.19 12.19 12.23 12.24 12.24 12.24

795 795 796 797 797 797

12.27 12.33 12.49

798 801 808

B. Tatbestandsvoraussetzungen der Hinzurechnungsbesteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Inlandsbeherrschung einer ausländischen Gesellschaft durch unbeschränkt Steuerpflichtige . . . . . . . . . . . 1. Grundtatbestand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Erweiterte Hinzurechnungsbesteuerung . . . . . . . II. Zwischeneinkünfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Passive Einkünfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Regelungstechnik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung aufgelisteter immaterieller Wirtschaftsgüter . . . c) Entlastungsnachweis . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Niedrigbesteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

XXXV

Inhaltsverzeichnis

Rz.

Seite

. . . . . . . . . .

12.53 12.54 12.58 12.58 12.60 12.62 12.72 12.74 12.80 12.84

809 810 811 811 812 813 817 818 820 822

. . . . . .

12.88 12.88

823 823

. . .

12.94

824

. . . 12.97 . . . 12.102

825 827

III. de minimis-Regel bei gemischten Einkünften . . . . IV. Nachgeschaltete Zwischengesellschaften . . . . . . V. Möglichkeit des Gegenbeweises . . . . . . . . . . . . 1. Norminhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Sachlicher und persönlicher Anwendungsbereich 3. Tatsächliche wirtschaftliche Tätigkeit . . . . . . 4. Amtshilfebedingung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Ausschluss des Gegenbeweises . . . . . . . . . . . 6. Reichweite des Gegenbeweises . . . . . . . . . . . 7. Nachweispflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Rechtsfolgen der Hinzurechnungsbesteuerung . . I. Ermittlung des Hinzurechnungsbetrags . . . . . . . II. Behandlung des Hinzurechnungsbetrags auf Ebene des Steuerpflichtigen . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Tatsächliche Einkünfte aus der Beteiligung an der Zwischengesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Erklärungspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

. . . . . . . . . .

D. Unionrechtliche Bedenken gegenüber der Hinzurechnungsbesteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Grundsätzliche unionsrechtliche Bedenken . . . . . . II. Ausgestaltung des Gegenbeweises . . . . . . . . . . . . III. Folgen einer Unionsrechtswidrigkeit . . . . . . . . . .

12.104 12.104 12.114 12.122

828 828 832 835

Stichwortverzeichnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

837

XXXVI

. . . .

Abkürzungsverzeichnis a.A. a.a.O. ABl. EG

Az.

andere(r) Ansicht am angegebenen Ort Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften (bis Januar 2003) Amtsblatt der Europäischen Union (ab Februar 2003) Absatz Abschnitt Archiv für die civilistische Praxis (Zeitschrift) am Ende alte Fassung Anwendungserlass zur Abgabenordnung Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union Absetzung für Abnutzung Aktiengesellschaft; auch „Die Aktiengesellschaft“ (Zeitschrift) Aktiengesetz Alternative anderer Meinung amtlich Anhang Anmerkung Abgabenordnung Authorised OECD Approach Artikel Außensteuergesetz Auflage Auslandsinvestmentgesetz Außenwirtschaftsdienst des Betriebsberaters (Zeitschrift) Aktenzeichen

BaFin BAO BB BBEV Bd. BDI Begr. Beschl. BeSt betr. bevak BewG BFH

Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht Bundesabgabenordnung (Österreich) Betriebs-Berater (Zeitschrift) Beraterbrief Erben und Vermögen (Zeitschrift) Band Bundesverband der Deutschen Industrie Begründung Beschluss Beratersicht zur Steuerrechtsprechung (Zeitschrift) betreffend beleggingsvennootschap met vast kapitaal Bewertungsgesetz Bundesfinanzhof

ABl. EU Abs. Abschn. AcP a.E. a.F. AEAO AEUV AfA AG AktG Alt. a.M. amtl. Anh. Anm. AO AOA Art. AStG Aufl. AuslInvG AWD

XXXVII

Abkürzungsverzeichnis

BFHE BFH/NV

BVerfG bzgl. BZSt bzw.

Amtliche Sammlung der Entscheidungen des BFH Sammlung der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs (Zeitschrift) Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt Teil I oder II Bulletin for International Fiscal Documentation Branch Level Interest Tax Bundesministerium der Finanzen Branch Profits Tax Drucksachen des Bundesrats Bundessteuerblatt Teil I, II oder III Drucksachen des Bundestags Buchstabe Besloten Vennootschap met beperkte aansprakelijkheid Bundesverfassungsgericht bezüglich Bundeszentralamt für Steuern beziehungsweise

C-Corp CDFI CGI Coop Corp CV CVoA

Subchapter C Corporation Cahiers de Droit Fiscal International Général des impôts Coöperatie Corporation Commanditaire Vennootschap Commanditaire Vennootschap op Andelen

DB DBA d.h. DK DRE DStJG

Der Betrieb (Zeitschrift) Doppelbesteuerungsabkommen das heißt Der Konzern (Zeitschrift) Disregarded Entity (US) Veröffentlichungen der Deutschen Steuerjuristischen Gesellschaft e.V. (Tagungsbände) Deutsches Steuerrecht (Zeitschrift) Deutsches Steuerrecht – Entscheidungsdienst (Zeitschrift) Deutsche Steuerzeitung (Zeitschrift) Datenverarbeitung in Steuer, Wirtschaft und Recht (Zeitschrift)

BGB BGBl. BIFD BLIT BMF BPT BR-Drucks. BStBl. BT-Drucks. Buchst. BV

DStR DStRE DStZ DSWR E -E EAS EC Tax Review EFG XXXVIII

Euro (Gesetzes-) Entwurf Express-Antwort-Service des BMF (Österreich) European Communities Tax Review (Zeitschrift) Entscheidungssammlung der Finanzgerichte (Zeitschrift)

Abkürzungsverzeichnis

EG ErbStG EStB EStDV EStG EStR ET et al. EU EuGH EuGHE EuGH-URep EuZW EWR EWS f. FA FCP FCPR FCR ff. FG FGO FinMin FIS-Status FN Fn. Fondo Chiuso FR FRL FS FVerlV F/W/B GA GbR gem. GewStG GewStR ggf. GKKB

Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft in der Fassung des Vertrags von Amsterdam Erbschaft- und Schenkungsteuergesetz Einkommensteuerberater (Zeitschrift) Einkommensteuer-Durchführungsverordnung Einkommensteuergesetz Einkommensteuerrichtlinien European Taxation (Zeitschrift) et alii Europäische Union Europäischer Gerichtshof Entscheidungssammlung des EuGH EuGH-Umsatzsteuerreport Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht (Zeitschrift) Europäischer Wirtschaftsraum Europäisches Wirtschafts- und Steuerrecht (Zeitschrift) folgende (eine Seite) Finanzamt Fonds commun de placement Fonds Commun de Placement à Risque Fondo capital riesgo fortfolgende (mehrere Seiten) Finanzgericht Finanzgerichtsordnung Finanzministerium Fonds d’Investissement Spécialisé Fachnachrichten des Instituts der Wirtschaftsprüfer (Zeitschrift) Fußnote Fondi Comuni de Investimento Finanz-Rundschau (Zeitschrift) Fusions-Richtlinie Festschrift Funktionsverlagerungsverordnung Flick/Wassermeyer/Baumhoff/Schönfeld, Außensteuerrecht Generalanwalt Gesellschaft des bürgerlichen Rechtes gemäß Gewerbesteuergesetz Gewerbesteuer-Richtlinien gegebenenfalls Gemeinsame konsolidierte Körperschaftsteuer-Bemessungsgrundlage XXXIX

Abkürzungsverzeichnis

GmbH GmbHR GmbH-StB GP GrEStG GrS GS GStB GuV

Gesellschaft mit beschränkter Haftung GmbH-Rundschau (Zeitschrift) GmbH-Steuerberater (Zeitschrift) General Partnership Grunderwerbsteuergesetz Großer Senat Gedächtnisschrift Gestaltende Steuerberatung (Zeitschrift) Gewinn- und Verlustrechnung

Halbs. HB II HGB HHR

Halbsatz Handelsbilanz 2 Handelsgesetzbuch Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz Hübschmann/Hepp/Spitaler, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung herrschende Meinung Herausgeber

HHSp h.M. Hrsg. IAS IBFD i.d.F. i.d.R. i.d.S. IDW i.e.S. IFA IFRS i.H.v. Inc. INF Intertax InvFR InvG InvStG InvZulG IPO IPR IPrax IRS i.S. IStR ITPJ i.V.m. XL

International Accounting Standard International Bureau of Fiscal Documentation in der Fassung in der Regel in dem Sinne Institut der Wirtschaftsprüfer im engeren Sinne International Fiscal Association International Financial Reporting Standard in Höhe von Incorporated Die Information für Steuerberater und Wirtschaftsprüfer (Zeitschrift) International Tax Review (Zeitschrift) Investitionsfondsrichtlinie (Österreich) Investmentgesetz Investmentsteuergesetz Investitionszulagengesetz Initial Public Offering Intellectual Property Rights Praxis des Internationalen Privat- und Verfahrensrechts (Zeitschrift) Internal Revenue Service im Sinne Internationales Steuerrecht (Zeitschrift) International Transfer Pricing Journal (Zeitschrift) in Verbindung mit

Abkürzungsverzeichnis

IWB

Internationale Wirtschafts-Briefe

JbFStR JStG jurisPR JV

Jahrbuch der Fachanwälte für Steuerrecht Jahressteuergesetz juris Praxisreport Joint Venture

Kap. KG KGaA KÖSDI KStG KStR KWG

Kapitel Kommanditgesellschaft Kommanditgeselschaft auf Aktien Kölner Steuerdialog (Zeitschrift) Körperschaftsteuergesetz Körperschaftsteuer-Richtlinien Gesetz über das Kreditwesen

LBO L/B/P lit. LLC LLLP LLP LP Ltd.

Leveraged Buy-Out Littmann/Bitz/Pust, Das Einkommensteuerrecht Litera Limited Liability Company Limited Liability Limited Partnership Limited Liability Partnership Limited Partnership Private Company Limited by Shares, Limited

MA m.a.W. m. Anm. Mio. MittBayNot

Mrd. MTR MüKo m.w.N. MwStSystRL

Musterabkommen mit anderen Worten mit Anmerkung(en) Million(en) Mitteilungen des Bayerischen Notarvereins, der Notarkasse und der Landesnotarkammer Bayern (Zeitschrift) Multimedia und Recht, Zeitschrift für Informations-, Telekommunikations- und Medienrecht Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen Gesetz zur Modernisierung der Rahmenbedingungen für Kapitalbeteiligungen Milliarde (n) Mutter-Tochter-Richtlinie Münchner Kommentar mit weiteren Nachweisen Mehrwertsteuersystemrichtlinie

n.F. NL Nr. NV NZG

neue Fassung Niederlande Nummer Naamloze Vennootschap Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht

MMR MoMiG MoRaKG

XLI

Abkürzungsverzeichnis

OECD

OECD-MK OFD OHG

Organization for Economic Cooperation and Development OECD-Musterabkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und Vermögen OECD-Musterkommentar Oberfinanzdirektion offene Handelsgesellschaft

p.a. PartGG PIStB plc PLN PRICAF-Status Privak PTLP

per annum Partnerschaftsgesellschaftsgesetz Praxis Internationale Steuerberatung (Zeitschrift) Public Limited Company Polnischer Zloty Private equity à capital fixe Private Equity bevak Publicly Traded Limited Partnership

RabelZ

Rabels Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht (Zeitschrift) Rechnungsabgrenzungsposten Real Estate Investment Trust Reichsfinanzhof Recht der internationalen Wirtschaft (Zeitschrift) rechtskräftig Richtlinie Rechtssache Rechtsprechung Reichssteuerblatt Randzahl

OECD-MA

RAP REIT RFH RIW rkr. RL Rs. Rspr. RStBl. Rz. S S. S-Corp S.A. Sàrl SC SCA Schr. SCR SCS SE SEStEG SICAF SICAR-Status XLII

Schweden Seite Subchapter S Corporation Société anonyme; Sociéta a accomandita Société à responsabilité limitée Sociedad en comandita Société en Commandite par Actions Schreiben Sociedad capital riesgo Société en Commandite Simple Societas Europea Gesetz über steuerliche Begleitmaßnahmen zur Einführung der Europäischen Gesellschaft und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften Société d’investissement à capital fixe Société d’investissement en capital à risque

Abkürzungsverzeichnis

SICAV SIF SIF-Status S/K/K SNC s.o. sog. Soparfi SpA SrC StB Stbg StbJb StBp StEK StJ StuB StuW StVergAbG SWI T/K

Société d’investissement à capital variable Fonds d’investissement spécialisé Spezialisierter Investmentfonds Strunk/Kaminski/Köhler, AStG und OECD-MA Société en nom collectif siehe oben so genannt Société de Participations Financieres Societa per Azioni Sociedad regular colectiva Der Steuerberater (Zeitschrift) Die Steuerberatung (Zeitschrift) Steuerberater-Jahrbuch Die steuerliche Betriebsprüfung (Zeitschrift) Felix, Carlé, Steuererlasse in Karteiform, Loseblatt und CD-ROM Steuerjournal (Zeitschrift) Steuern und Bilanzen (Zeitschrift) Steuer und Wirtschaft (Zeitschrift) Steuervergünstigungsabbaugesetz Steuer & Wirtschaft International (Zeitschrift)

TMTP TNI TPIR Tz.

Tipke/Kruse, Abgabenordnung – Finanzgerichtsordnung Tax Management Transfer Pricing (Zeitschrift) Tax Notes International (Zeitschrift) Tax Planning International Review (Zeitschrift) Textziffer

u.a. Ubg UmwG UmwStG Urt. UStG

unter anderem Die Unternehmensbesteuerung (Zeitschrift) Umwandlungsgesetz Umwandlungssteuergesetz Urteil Umsatzsteuergesetz

v. VAT Vfg. vGA vgl. v.H. vwt

vom, von Value added Tax Verfügung verdeckte Gewinnausschüttung vergleiche vom Hundert Der Wirtschaftstreuhänder (Zeitschrift)

WKBG WKV Wpg

Gesetz zur Förderung von Wagniskapitalbeteiligungen Wiener Vertragsrechtskonvention Die Wirtschaftsprüfung (Zeitschrift) XLIII

Abkürzungsverzeichnis

WÜRV

Wiener Übereinkommen über das Recht der Verträge

z.B. ZEV ZHR

zum Beispiel Zeitschrift für Erbrecht und Vermögensnachfolge Zeitschrift für das gesamte Handels- und Wirtschaftsrecht Zeitschrift für vergleichende Rechtswissenschaft einschließlich des Rechts der Entwicklungsländer und der ethnologischen Rechtsforschung

ZVglRWiss

XLIV

1. Teil: Grundlagen Kapitel 1 Einführung in das Thema A. Wirtschaftliche Bedeutung I. Geistiges Eigentum – ein Thema im internationalen Fokus 1. Vorbemerkung Die Bedeutung von Immaterialgüterrechten in der heutigen Welt- und Wirtschaftsordnung kann, auch und gerade vor dem Hintergrund der Globalisierung, nicht als hoch genug eingeschätzt werden. Sie wird in der Zukunft voraussichtlich eher noch ansteigen. Nicht nur in der Softwareindustrie, sondern gegenwärtig zunehmend im Bereich der Informationstechnologien, erreicht der Unternehmenswert von Firmen, deren wirtschaftlicher Erfolg im Wesentlichen auf immateriellen Wirtschaftsgütern (z.B. einer wertvollen Marke) beruht, teilweise beträchtliche Höhen. Wenngleich diese Werte, jedenfalls bei dynamisch-charismatischen Weltmarken wie z.B. Coca-Cola oder Nokia, meist mit realen, greifbaren Produkten unterlegt sind, so erstaunt es doch, dass z.B. der Markenwert der Internet-Suchmaschine Google inzwischen auf über 100 Milliarden USDollar geschätzt wird.

1.1

Daher nimmt es nicht Wunder, dass Immaterialgüterrechte in vielfältiger Hinsicht auch im Fokus beispielsweise der Vereinten Nationen, der OECD, der Europäischen Union, der G8-Staaten und anderer nationaler, internationaler oder supranationaler Organisationen oder Einheiten stehen. Dort befasst man sich in Gremien, Arbeitsgruppen, Forschungsprojekten oder Studien mit dem Immaterialgüterrecht, sei es z.B. in wettbewerbs- oder kartellrechtlicher Hinsicht, in Bezug auf die Bewertung immaterieller Wirtschaftsgüter oder auch in Bezug auf bilanzielle oder steuerrechtliche Fragestellungen.

1.2

Neben Großkonzernen müssen sich schließlich inzwischen auch die meisten mittelständischen Unternehmensgruppen und oft auch natürliche Personen (z.B. Erfinder, Lizenznehmer) mit Fragestellungen rund um das geistige Eigentum (intellectual property; IP) beschäftigen. Dies betrifft, gerade bei natürlichen Personen, manchmal nicht nur den unternehmerischen, sondern auch den privaten Bereich, wenn man etwa an den Endverbraucher von Standardsoftware denkt. Nicht zu Unrecht wird geistiges Eigentum gelegentlich als „Öl des 21. Jahrhunderts“ bezeichnet.

1.3

Haase

|

1

Kap. 1: Einführung in das Thema

2. Indikator für Innovationskraft

1.4

Dass Immaterialgüterrechte nicht nur für den Rechtsinhaber und andere Marktteilnehmer, sondern auch international betrachtet eine erhebliche Relevanz besitzen, zeigt sich insbesondere daran, dass in Studien zum Vergleich der Innovationskraft von Staaten neben Faktoren wie Bildung, Forschung und Entwicklung, Regulierung und Wettbewerb, Finanzierung, Nachfrage und der Vernetzung sowie Umsetzung in der Produktion regelmäßig auch die Zahl der jährlichen Patent- und Markenanmeldungen berücksichtigt wird. Das belegt der „Innovationsindikator Deutschland“, den die Deutsche Telekom Stiftung und der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) nahezu jährlich veröffentlichen.

1.5

Bezogen auf die gesamtwirtschaftliche Bedeutung kommt naturgemäß den Patenten eine besondere Rolle zu. Insofern ist es begrüßenswert, dass die Anmeldezahlen für Patente beim Deutschen Patent- und Markenamt aufgrund der Finanz- und Wirtschaftskrise zwar leicht rückläufig waren, sich aber insgesamt betrachtet weiterhin auf (auch international) hohem Niveau bewegten. Viele Unternehmen haben die Krise daher offenbar als Chance verstanden, sich durch Investitionen in Forschung und Entwicklung für die Zukunft zu präparieren.

1.6

Zu diesem Schluss kommt auch die am 14.12.2009 in Paris veröffentlichte Vergleichsstudie des „Science, Technology and Industry Scoreboard“ der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) zur Forschungspolitik der OECD-Mitgliedstaaten, der zufolge die Finanz- und Wirtschaftskrise in Deutschland einen geringeren Rückgang der Investitionen in Forschung und Entwicklung zur Folge gehabt hat als in den meisten anderen OECD-Ländern und auf die im Folgenden ausdrücklich auszugsweise Bezug genommen wird.

1.7

So schwankten nach Angaben der OECD in den vergangen 30 Jahren in Deutschland die Ausgaben für Forschung und Entwicklung (F&E) im Konjunkturzyklus weit weniger als in fast allen anderen OECD-Ländern, und das obwohl mit 68 % ein vergleichsweise großer Teil der F&E-Aufwendungen von Unternehmen getragen wird. Die Innovationen, die durch diese Investitionen zustande kommen, sind beachtlich. So liegt die Zahl der Anmeldungen für internationale Patente (sog. Triadenpatente) im Inland bezogen auf die Bevölkerung doppelt so hoch wie im OECD-Schnitt. Nach Japan und der Schweiz hat Deutschland damit die höchste Patentdichte. Zu den Spitzenreitern gehört Deutschland ferner bei Patenten für Umwelttechnologie. Auch in der Nanotechnologie ist Deutschland gemäß der genannten Studie mit einem Anteil von 10 % an weltweit allen Patenten stark vertreten. 3. Europäische Perspektiven

1.8

Seit langem beschäftigen sich ferner Gremien und Organe der Europäischen Union mit Immaterialgüterrechten. Was den Inhalt dieser Rechte 2

|

Haase

A. Wirtschaftliche Bedeutung

und ihre Anmeldung auf europäischer Ebene anbelangt, sind die Entwicklungen in den vergangenen Jahren mit Macht vorangeschritten und unterschiedlich weit gediehen. Marken- und Geschmacksmusterrechte beispielsweise können bereits auf nationaler oder europäischer Ebene eingetragen werden. EU-weit geltende Rechte werden dabei als Ausschließlichkeitsrechte vom sog. Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt in Alicante (Spanien), einer Agentur der Europäischen Union, eingetragen. Im Bereich der Patente verbleibt es vorerst bei dem Grundsatz, dass es sich um nationale Rechte handelt, die von den nationalen Patentämtern erteilt werden. Eine einheitliche Gewährung von Patentrechten in der EU gibt es (noch) nicht. Eine Anmeldung für ein europäisches Patent beim in München angesiedelten Europäischen Patentamt (EPA), ein Teil der Europäischen Patentorganisation (EPO), bietet jedoch nationalen Schutz in den vom Antragsteller ausgewählten Ländern, die Mitglied des EPA sind.

1.9

Durch den Vertrag über die internationale Zusammenarbeit auf dem Gebiet des Patentwesens (Patent Cooperation Treaty – PCT) ist ferner die internationale Anmeldung erheblich vereinfacht, was von der Praxis gerne angenommen worden ist. Auf der Tagung des EU-Rats am 4.12.2009 erzielten die Minister bereits eine Einigung über mehrere Kernelemente eines künftigen EU-Patentsystems, jedoch hält der EuGH diese in seinem Gutachten 1/09 im Wesentlichen für gemeinschaftsrechtswidrig. Im Anschluss daran organisierte die belgische Präsidentschaft am 3.11.2010 in Kooperation mit der Europäischen Kommission eine Konferenz zur künftigen Patentpolitik in Europa, in deren Folge der EU-Ministerrat am 27.6. 2011 in Luxemburg eine sog. „allgemeine Ausrichtung“ zu den Verordnungen über das EU-Patent und das zugehörige Übersetzungsregime beschlossen hat.

1.10

Auch die Europäische Kommission selbst widmet sich eigeninitiativ dem geistigen Eigentum und seinen Praxisproblemen in mehrerlei Hinsicht. Beispielhaft seien hier genannt: Am 10.4.2008 veröffentlichte die Kommission auf Grundlage der sog. IP-Charta die „Empfehlung zum Umgang mit geistigem Eigentum bei Wissenstransfertätigkeiten und für einen Praxiskodex für Hochschulen und andere öffentliche Forschungseinrichtungen“ (sog. IP Recommendation). Ziel dieser Empfehlung war es, den sachgerechten Umgang mit geistigem Eigentum, das in öffentlichen Forschungseinrichtungen geschaffen wurde, zu erleichtern und zu fördern, um sowohl den Wissensaustausch mit der Industrie als auch die sozioökonomischen Vorteile aus der Verwertung der Ergebnisse öffentlich finanzierter Forschung zu verbessern.

1.11

Weiterhin führt die Europäische Kommission bei der Weltorganisation für Geistiges Eigentum (WIPO) Verhandlungen über gewerbliches und geistiges Eigentum (z.B. audiovisuelle Rechte, Senderechte, Wiederverkaufsrechte, Datenbanken, usw.). Sie nimmt hierfür an den jeweiligen Generalversammlungen der WIPO teil und unterstützt andere internationale Gremien, die sich mit Fragen der Rechte am geistigen Eigentum be-

1.12

Haase

|

3

Kap. 1: Einführung in das Thema

schäftigen, um auf internationaler Ebene einen angemessenen Schutz dieser Rechte zu gewährleisten. 4. Schutz von Immaterialgüterrechten

1.13

Der Fokus der Staats- und Regierungschefs der sog. G8-Staaten schließlich lag in jüngerer Zeit insbesondere auf dem Schutz der Rechte des geistigen Eigentums.1 Im Zuge der Gespräche vom 8.–10.7.2009 im italienischen L’Aquila wurde u.a. die Fortsetzung des sog. Heiligendamm-Prozesses beschlossen, dessen vier Hauptthemen Investitionen, Innovationen, Energieeffizienz und Entwicklungszusammenarbeit waren. Unter dem Thema „Innovationen“ werden dabei insbesondere auch der Schutz der Rechte des geistigen Eigentums und die Zusammenarbeit der Zollverwaltungen bei der Bekämpfung der Marken- und Produktpiraterie diskutiert.

1.14

Die Staats- und Regierungschefs betonten im Absatz 54 ihrer Gipfelerklärung im Wesentlichen, dass Innovation und Wissen Schlüsselfaktoren seien, um den Aufschwung zu unterstützen und die Weltwirtschaft auf einen nachhaltigen Wachstumspfad zu bringen. Innovationen sollten danach im Hinblick auf langfristige Herausforderungen und Aufgaben beschleunigt werden, um auf diese Weise die Entwicklung von neuen Industrien, Gesellschaften und Dienstleistungen zu fördern. Gleiches gelte für die Förderung von Forschung, Unternehmertum, Bildung, grünen Technologien und von Investitionen in die Infrastruktur sowie in die Informations- und Kommunikationstechnologie.

1.15

Ferner wurde im Absatz 57 der Gipfelerklärung dargelegt, dass Innovation über ein wirksames Rechtssystem des geistigen Eigentums gefördert werden könne. Die zunehmende Inanspruchnahme der Rechte des geistigen Eigentums auf internationaler Ebene habe diesen Rechten eine Schlüsselrolle in verschiedenen Sektoren wie dem Handel, der Industriepolitik, dem Gesundheitswesen, der Verbrauchersicherheit, dem Umweltschutz und dem Internet verschafft. In diesem Zusammenhang wurden auch die zentrale Rolle, die die WIPO in der Förderung einer integrierten Vision und der damit zusammenhängenden Entwicklung des internationalen Systems spielt, betont und eine globale Patentharmonisierung angemahnt. 5. Weltorganisationen (WIPO und WTO)

1.16

Die WIPO ist einerseits eine diplomatische Konferenz, andererseits sind ihre Organe teilweise mit Exekutivbefugnissen ausgestattet. Das Ziel der WIPO, seit 1974 eine Sonderorganisation der Vereinten Nationen, ist insbesondere die Förderung und Entwicklung des weltweiten Schutzes des geistigen Eigentums durch eine Zusammenfassung der auf diesem Gebiet tätigen und auf multilateralen Verträgen beruhenden Organisationen. Sie 1 Vgl. dazu auch im Folgenden den Monatsbericht August 2009 des BMF.

4

|

Haase

A. Wirtschaftliche Bedeutung

verwaltet auf dem Gebiet der Immaterialgüterrechte international immens bedeutsame Verträge, wie z.B. die Berner Übereinkunft zum Schutz von Werken der Literatur und Kunst (RBÜ), das Madrider Abkommen über die internationale Registrierung von Marken (MMA), das Protokoll zum Madrider Abkommen über die internationale Registrierung von Marken (PMMA), den Markenrechtsvertrag (Trademark Law Treaty TLT) oder den Vertrag über die Internationale Zusammenarbeit auf dem Gebiet des Patentwesens (PCT). Eine Schlüsselrolle in Bezug auf das geistige Eigentum kommt in internationaler Hinsicht ferner der WTO (World Trade Organization) zu, denn der dort angesiedelte TRIPS-Rat verwaltet das „Übereinkommen über handelsbezogene Aspekte der Rechte am geistigen Eigentum“ (Agreement on Trade-Related Aspects of Intellectual Property Rights; TRIPS), das im Jahr 1994 dem Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommen der WTO (GATT) als Ergänzung hinzugefügt worden war. Die Eckpfeiler des TRIPS-Abkommens sind die nationale Behandlung, die Gleichbehandlung aller Angehörigen der Mitgliedstaaten sowie ein ausgeglichener Schutz zur Förderung der technischen Innovation und des Technologietransfers. Es regelt Rechtsgebiete wie das Urheberrecht, das Markenrecht und das Patentrecht, geographische Angaben, Geschmacksmuster, den Halbleiterschutz, den Schutz nicht offengelegter Informationen (Geschäftsgeheimnisse) und die Bekämpfung wettbewerbswidriger Praktiken in vertraglichen Lizenzen.

1.17

6. Nationale Umsetzung Zu guter Letzt ist zu bemerken, dass auch auf nationaler deutscher Ebene sich Gesetzgeber, Verbände und Organisationen um das geistige Eigentum in verschiedener Hinsicht verdient machen. Der deutsche Gesetzgeber ist naturgemäß in erster Linie dazu aufgerufen, den Schutz von kreativem Schaffen, der gerade für die hiesige Wirtschaft, die sich in einem rohstoffarmen Umfeld behaupten muss, von herausragender Bedeutung ist, in Gesetzesform zu stärken und die Inhalte der einzelnen Immaterialgüterrechte näher auszudifferenzieren.

1.18

Nicht selten geschieht dies vor dem Hintergrund vorangegangener Entwicklungen auf europäischer Ebene. Beispielhaft sei das am 11.4.2008 vom Deutschen Bundestag verabschiedete Gesetz zur Umsetzung der EUDurchsetzungs-Richtlinie genannt, mit dem die Richtlinie 2004/48/EG durch eine Novellierung von mehreren nationalen Gesetzen zum Schutz des geistigen Eigentums in nationales Recht transformiert worden ist. Das Gesetz erleichtert den Kampf gegen Produktpiraterie und stärkt damit das geistige Eigentum.

1.19

Auch Entwicklungen auf europäischer Ebene werden dabei oftmals aus der (deutschen) Wissenschaft angestoßen bzw. fortentwickelt. Das Münchener Max-Planck-Institut für Geistiges Eigentum, Wettbewerbs- und

1.20

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Kap. 1: Einführung in das Thema

Steuerrecht nimmt hier, ebenso wie das Hamburger Max-Planck-Institut für Ausländisches und Internationales Privatrecht, sicherlich eine Vorreiterrolle ein, jedoch gibt es inzwischen auch eine nennenswerte Anzahl an Lehrstühlen an deutschen Universitäten, die sich schwerpunktmäßig mit dem geistigen Eigentum beschäftigen. Wie bedeutsam dies auch für die Privatwirtschaft ist, zeigt der hohe Anteil an drittmittelfinanzierten Forschungsvorhaben, Instituten oder Lehrstühlen. Der – auch interdisziplinäre – Forschungsbedarf ist jedenfalls beachtlich, wobei die sich ergebenden Fragestellungen zunehmend auf internationaler statt auf nationaler Ebene diskutiert und einer befriedigenden, ausgewogenen Lösung zugeführt werden müssen.

II. Volkswirtschaftlicher Nutzen 1. Vorbemerkung

1.21

Immaterielle Wirtschaftsgüter dienen und nutzen prima facie ausschließlich ihrem Inhaber. Aus ihnen können beispielsweise laufende Erträge erzielt werden, oder das immaterielle Wirtschaftsgut trägt in einer Weise zur Steigerung des Unternehmenswerts bei, die sich im Fall des Verkaufs des Unternehmens auszahlt. Alternativ kann natürlich auch das Wirtschaftsgut als solches separat vom Unternehmen veräußert werden, etwa eine einzelne Marke. Nutznießer solcher Geschäfte werden i.d.R. Subjekte des privaten Wirtschaftslebens sein, d.h. Unternehmen oder natürliche Personen. Staaten hingegen sind nur ausnahmsweise Inhaber von Immaterialgüterrechten (z.B. in Diktaturen), wenn man die Diskussion der vergangenen Jahre, ob ein Staat selbst eine Marke bilden kann („Nation Branding“), einmal ausblendet. 2. Fraunhofer-Studie

1.22

Darüber hinaus ist jedoch der Nutzen von Immaterialgüterrechten auch für die Volkswirtschaft eines Landes insgesamt heute unbestritten, denn aus volkswirtschaftlicher Sicht sind es letztlich Güter, die die ökonomische Wohlfahrt eines Staates bestimmen. Im Februar 2009 wurde, bezogen auf die Bundesrepublik Deutschland, der Endbericht der Studie „Die volkswirtschaftliche Bedeutung geistigen Eigentums und dessen Schutzes mit Fokus auf den Mittelstand“ vorgelegt, die im Auftrag des deutschen Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie durch das Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung, unterstützt durch das Fachgebiet Innovationsökonomie der Technischen Universität Berlin sowie KMU Forschung Austria, erstellt wurde und die nachstehend ausdrücklich in Auszügen wiedergegeben wird.

1.23

Die Studie lässt sich vom Untersuchungsgegenstand her in drei Teile gliedern. Gegenstand der Analyse war zunächst, wie sich die Bedeutung des geistigen Eigentums in Relation zu den traditionellen materiellen Anlagegütern in der deutschen Volkswirtschaft darstellt und welche Entwick6

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A. Wirtschaftliche Bedeutung

lung dieses Verhältnis nimmt. Denn mit einer wachsenden relativen Wichtigkeit von immateriellen Vermögensgütern steigt auch die Bedeutung des Schutzes von Innovationen, sei es über formelle Schutzrechte wie Patente bzw. Marken oder über informelle, strategische Methoden wie technischen Kopierschutz, Geheimhaltungsstrategien oder eine sehr rasche Umsetzung von Innovationsprojekten. Die Nutzung von Strategien deutscher Unternehmen zum Schutz geistigen Eigentums war daher ein wichtiger Analysepunkt der Studie. Bestandteil der Untersuchung war weiterhin die zunehmende Bedrohung geistiger Eigentumswerte durch unerlaubte Nachahmung in Schwellenländern wie China, aber auch in Deutschland selbst und in anderen hochentwickelten Ländern. Die Betroffenheit von unerlaubten Nachahmungen eigener Technologien oder Designs („Produkt- und Markenpiraterie“) wurde ebenso untersucht wie die daraus resultierenden Schäden. Diese können finanzieller Art sein, sich in der Bedrohung von Arbeitsplätzen äußern oder in verzerrten und damit ineffizienten Unternehmensentscheidungen resultieren.

1.24

In einem dritten Themenblock wurde schließlich analysiert, inwiefern sich aus den beiden vorstehend beschriebenen Fragestellungen ein Bedarf an wirtschaftspolitischem Handeln ableiten lässt. Dabei ging die Studie von der Prämisse aus, dass insbesondere forschungsintensive kleine und mittlere Unternehmen (KMU) unter anderem aus Kostengründen gerade beim Schutz ihrer Innovationen über das Patentsystem benachteiligt sind und auch bei der Verwertung ihres geistigen Eigentums vor großen Herausforderungen stehen. Von staatlicher Seite gibt es daher eine Reihe von Anstrengungen, KMU den Zugang zu gewerblichen Schutzrechten – insbesondere Patenten – zu erleichtern.

1.25

3. Wesentliche Ergebnisse Die zentralen Erkenntnisse der Studie lassen sich wie folgt zusammenfassen: Die in einer Vielzahl von Quellen dokumentierte hohe Bedeutung geistigen Eigentums im Vergleich zu materiellen Vermögensgütern zeigte sich auch in der im Rahmen des Projekts durchgeführten Erhebung. Eine direkte Frage innerhalb der Studie nach der Bedeutung materieller Sachanlagen im Vergleich zu Bestandteilen der immateriellen Firmenwerte (Humankapital, Strukturkapital, Beziehungskapital sowie geistige Eigentumsrechte) lieferte Hinweise auf die Bedeutungsverhältnisse: Die immateriellen Werte werden in allen ihren Ausprägungen im Vergleich zu den materiellen Werten als wichtiger für den Erfolg des Unternehmens erachtet.

1.26

Eine Quantifizierung dieser Beobachtung in monetären Größen stellte sich aufgrund der Bewertungsproblematik immateriellen Eigentums jedoch als schwierig dar. Als Indikator können aber beispielsweise die gesamtwirtschaftlichen Investitionen in immaterielle Vermögensgüter aus der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung (VGR) herangezogen werden.

1.27

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Kap. 1: Einführung in das Thema

Hier wurde laut Statistischem Bundesamt in den 1990er Jahren eine Verdopplung der relevanten Werte konstatiert, zwischen den Jahren 2000 und 2006 ist ein Anstieg von über 30 % zu beobachten, während die Ausrüstungsinvestitionen um ca. 17 % zulegten und die gesamten Bruttoinvestitionen stagnierten bzw. preisbereinigt leicht zurückgingen.

1.28

Ein weiterer Indikator für die auch quantitativ bedeutsame Dimension geistigen Eigentums lässt sich gemäß der Studie über einen kostenbasierten Bewertungsansatz der immateriellen Güter erzielen. Die gesamten Ausgaben für geistiges Eigentum in Deutschland belaufen sich nach vergleichsweise breiten und für andere Länder verwendeten Definitionsansätzen nach den Erhebungen der Studie für das Jahr 2004 auf ca. 154 Milliarden Euro. Dies entspricht ca. 7 % des Bruttoinlandsprodukts Deutschlands. Über 143 Milliarden Euro würden nach dieser Methode als langlebiges Wirtschaftsgut und damit als Investition betrachtet werden. Ein Ansatz dieser immateriellen Werte im System der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung würde die Investitionen in Deutschland um ca. 70 % erhöhen.

1.29

Als weiterer Indikator für die Wichtigkeit des geistigen Eigentums bzw. geistiger Eigentumsrechte kann laut der Studie die steigende Zahl der Patentrechte in Deutschland erachtet werden. Diese Entwicklung ist als Konsequenz einer sowohl in Sekundär- als auch Primäranalyse festgestellten wachsenden Bedeutung von Patenten, Gebrauchsmustern, Marken und Geschmacksmustern zu sehen. Ein Teil der Bedeutungszunahme ist allerdings nicht auf den reinen Schutz von Innovationen zurückzuführen, sondern liegt in der strategischen Nutzung intellektueller Eigentumsrechte (intellectual property rights; IPR) begründet. Es zeigt sich auch in der hier durchgeführten Unternehmensbefragung, dass die strategische Nutzung von IPR z.B. als unternehmensinternes Steuerungsinstrument oder als Verhandlungsmasse gegenüber Wettbewerbern in Standardisierungs- oder Lizenzierungsvorgängen mit steigender Unternehmensgröße an Relevanz gewinnt.

1.30

Bezüglich der Forschungsfrage nach dem geschätzten unternehmensspezifischen und volkswirtschaftlichen Schaden durch Verletzungen geistiger Eigentumsrechte wurde zunächst eine systematische Auswertung existierender Studien durchgeführt. Die für die deutsche Wirtschaft relevanten Erhebungen des Verbandes Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA) sowie des Aktionskreises Deutsche Wirtschaft gegen Produktund Markenpiraterie kommen dabei zu ähnlichen Ergebnissen wie die vom Fraunhofer-Institut durchgeführte Unternehmensbefragung. Danach muss die Betroffenheit von unerlaubten Nachahmungen rechtlich geschützten Know-hows deutscher Unternehmen als hoch bezeichnet werden. Über zwei Drittel der befragten Unternehmen gaben an, schon einmal von illegalen Verletzungen rechtlich geschützten Know-hows betroffen gewesen zu sein.

1.31

Bei Patentrechten liegt dieser Wert bei ca. 64 %, in Bezug auf Markenrechte gibt dies etwa die Hälfte der befragten Unternehmen an. Der Unterschied 8

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B. Zentrale rechtliche Aspekte

begründet sich wohl auch durch die Tatsache, dass bewusst patentaktive Unternehmen für die Befragung ausgewählt wurden. Zudem sind diese weitgehend dem Verarbeitenden Gewerbe (speziell Metallverarbeitendes Gewerbe, Maschinenbau sowie Elektrotechnik) zuzuordnen, was eine generelle Verallgemeinerung der Ergebnisse auf die gesamte deutsche Wirtschaft ausschließt. In Bezug auf die Unternehmensgröße steigt die Betroffenheit jedoch an, was einerseits mit einer höheren Auslandsaktivität von Großunternehmen und damit auch einer stärkeren Exponiertheit gegenüber Fälschern erklärt werden kann. Andererseits ist die Nutzung formeller Schutzrechte unter den Großunternehmen stärker ausgeprägt und eine Überwachung der relevanten IPR in einem höheren Maße gewährleistet. In Bezug auf die entstandenen Schäden durch Verletzungen geistiger Eigentumsrechte geben 12,1 % der Befragten Umsatzeinbußen von über 10 % an; bei der Mehrheit der befragten Unternehmen liegen diese bei unter 5 %. Befragt wurden die Unternehmen außerdem zu den monetären Aufwendungen, die sie aufgrund der Piraterie-Problematik aufzubringen hatten. Dies kann zusätzliche Kosten für die Durchsetzung von Rechten, ein intensiveres Beobachten des Marktes oder technische Schutzmechanismen beinhalten. Die Schätzung beider Kostenpunkte liegt auf Basis der Unternehmensantworten bei ca. 6,2 % des Jahresumsatzes des Bezugsjahres 2007. Bezogen auf den Gesamtumsatz des verarbeitenden Gewerbes, dem die befragten Unternehmen überwiegend zuzuordnen sind, würde dies Piraterieschäden von bis zu 50 Milliarden Euro bedeuten, die dem vom VDMA ermittelten Wert von 7 Milliarden Euro für den Maschinen- und Anlagenbau ungefähr entsprechen würden.

1.32

B. Zentrale rechtliche Aspekte I. Zivil- und Wirtschaftsrecht Das geistige Eigentum, als Teildisziplin des Rechts traditionell „Grüner Bereich“ genannt, weist in erster Linie zivil- und wirtschaftsrechtliche Bezüge auf. Das geistige Eigentum ist, wie eingangs dargestellt, ein zunehmend wichtiger Faktor in der deutschen Wirtschaft, entsprechend beschäftigt sind auch die Berater.

1.33

Ziel der Unternehmen ist es vor allem, die hauseigenen geistigen Schutzrechte in ihrem Marktwert zu stärken und dadurch als Unternehmensgut besser zu verwerten. Seit einigen Jahren bereits ist diese Entwicklung spürbar, und hinzu kommt ein deutlich erhöhtes Prozessaufkommen, vor allem in der Pharmabranche. Die neuen (handelsrechtlichen) Bilanzierungsvorschriften für immaterielle Unternehmensgüter werden ferner den Umfang anwaltlicher IP-Beratung auch künftig weiter wachsen lassen.

1.34

Die Begriffe „geistiges Eigentum“ und „Immaterialgüterrechte“ werden in der Praxis (und auch in diesem Buch) meist synonym verwendet. Die

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Kap. 1: Einführung in das Thema

Naturrechts- bzw. Eigentumstheorie ist jedoch nur eine von vielen Begründungen zur Gewährung von Immaterialgüterrechten, die inzwischen, vor allem beim Patentrecht, als überholt gilt. In jüngerer Zeit scheint sich dennoch das „geistige Eigentum“ durchzusetzen.

1.36

Immaterialgüterrechte bilden unmittelbar oder mittelbar einen Schwerpunkt der Rechtsgebiete Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht, Wettbewerbsrecht und Kartellrecht. Weitere Rechtsgebiete kommen fallweise bzw. in Sondersituationen hinzu, wie etwa das allgemeine Vertragsrecht, das Zivilprozessrecht (etwa im Rechtsschutz), das IT-Recht und andere Bereiche des Rechts der Informationsgesellschaft.

1.37

Das geistige Eigentum wird in seinem Kerninhalt durch den Gewerblichen Rechtsschutz und das Urheberrecht geschützt. Es basiert auf Spezialgesetzen, die überwiegend internationale Übereinkommen oder europäische Richtlinien zum Hintergrund haben (z.B. MarkenG, UrheberG, PatentG), und wird innerhalb der Europäischen Union zunehmend durch eigene, EU-weite Regelungen ergänzt (z.B. Gemeinschaftsmarke). Über den sog. Ausschließlichkeitscharakter der Immaterialgüterrechte wird ihrem Inhaber eine Art Monopolstellung verliehen, die dazu berechtigt, Konkurrenten und andere Marktteilnehmer von der Nutzung oder Beeinträchtigung des Rechts abzuhalten. Naturgemäß stellen sich Abgrenzungsfragen zwischen den einzelnen Immaterialgüterrechten sowie Fragen des Schutzes dieser Rechte, national wie international. In jüngerer Zeit konzentrierte sich die Diskussion ferner auf Fragen des Marken- und Urheberrechtsschutzes in den neuen Medien (beispielsweise Schutz von Internetseiten oder Datenbanken). Immer neue Herausforderungen wie etwa neue Technologien (z.B. Bio- oder Nanotechnologie, aber auch Informationstechnologien) führen zu ständig neuen Fragestellungen, so dass es sich nicht um ein statisch verharrendes Rechtsgebiet handelt.

1.38

Unternehmen z.B. mit werthaltigen Marken oder anderen Rechten haben daneben stets auch mit wettbewerbsrechtlichen Fragestellungen zu tun. Das Wettbewerbsrecht (Lauterkeitsrecht) bekämpft, allgemein gesprochen, den unlauteren Wettbewerb (z.B. den Nachbau oder die Nachahmung von Produkten, die Verwendung fremder Betriebsgeheimnisse) und erzwingt so eine Kontrolle des Marktverhaltens der Unternehmen und anderer Marktteilnehmer. Das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) schützt vor diesem Hintergrund zuvörderst die Interessen von Verbrauchern und Konkurrenten durch die Gewährung zivilrechtlicher Ansprüche. Viele Fragestellungen, die sich aufgrund der gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben (insbesondere Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken) ergeben, sind immer noch nicht befriedigend gelöst. Zudem werfen auch hier die neuen Medien, etwa bei grenzüberschreitenden Sachverhalten, neue Probleme auf.

1.39

Das Kartellrecht schließlich dient der Verhinderung bzw. Bekämpfung von Wettbewerbsbeschränkungen. Der Wettbewerb als solcher ist schützenswert und muss als Institution auf den Märkten erhalten bleiben, so 10

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B. Zentrale rechtliche Aspekte

dass dessen Beeinträchtigung durch z.B. Preisabsprachen (häufig in der Pharmaindustrie zu beobachten) und andere Maßnahmen umfassend untersagt wird. Das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) befasst sich in der Hauptsache mit Preis- und Gebietsabsprachen, dem Preiskampf im Einzelhandel und Unternehmensfusionen (Fusionskontrolle), wobei die nationalen Vorschriften weitgehend an europäische Vorgaben angeglichen worden sind. Ihre Durchsetzung erfolgt durch das allgemeine Ordnungswidrigkeitenrecht, das Zivilrecht und das Verwaltungsrecht. Weitere Bezüge bestehen zum Beihilferecht und zum Vergaberecht. Das geistige Eigentum steht im Spannungsfeld der vorgenannten Rechtsgebiete. Wird beispielsweise sein Gewährleistungsinhalt unscharf oder unzweckmäßig abgesteckt, werden Rechte von ihren Inhabern oder anderen Marktteilnehmern missbraucht oder die kartellrechtlichen Schutzmechanismen überstrapaziert, gerät der Wettbewerb aus seinem Gleichgewicht. Geistiges Eigentum wird daher heute zunehmend ausschließlich vor einem wettbewerbsrechtlichen Hintergrund verstanden. Weder ein Übermaß noch ein Untermaß an Schutz zu erreichen, wird eine anspruchsvolle Aufgabe bleiben.

1.40

Das Zivilrecht weist ferner Bezüge auch zum Steuerrecht auf. Die Regelungen der deutschen beschränkten Steuerpflicht in den §§ 49 ff. EStG beziehen sich beispielsweise auf Einkünfte, die aus „Vergütungen für die Überlassung der Nutzung oder des Rechts auf Nutzung von Rechten, insbesondere von Urheberrechten und gewerblichen Schutzrechten, von gewerblichen, technischen, wissenschaftlichen und ähnlichen Erfahrungen, Kenntnissen und Fertigkeiten, zum Beispiel Plänen, Mustern und Verfahren“ herrühren. Es wird also an zivilrechtliche Begriffe angeknüpft, wie beispielsweise § 73a EStDV belegt. Aus diesem Grund enthält das 1. Kapitel dieses Buchs auch eine Einführung in die zivilrechtlichen Grundlagen des geistigen Eigentums.

1.41

II. Steuerrecht 1. Überblick Die nachstehenden Ausführungen geben einen kurzen, einführenden Überblick über einige der wesentlichen ertragsteuerlichen Themen und Fragestellungen, die sich in den vergangenen Jahren bzw. teilweise sogar Jahrzehnten in nationaler oder internationaler Hinsicht als zentral bei der steuerlichen Behandlung von Immaterialgüterrechten herauskristallisiert haben. Sie werden, neben weiteren steuerlichen Aspekten (z.B. aus dem Bereich der Umsatzsteuer oder der Erbschaft- und Schenkungsteuer), sämtlich in den folgenden Kapiteln dieses Buchs ausführlich behandelt.

1.42

Bei der steuerrechtlichen Betrachtung von Immaterialgüterrechten sind zwei Ebenen strikt voneinander zu trennen. Die erste Betrachtungsebene betrifft das Immaterialgüterrecht und damit das immaterielle Wirt-

1.43

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Kap. 1: Einführung in das Thema

schaftsgut selbst (hier sind etwa Bilanzierungsfragen oder Fragen der Bewertung des immateriellen Wirtschaftsguts im Rahmen der Funktionsverlagerung relevant), die zweite Betrachtungsebene knüpft allein an die Erträge an, die ihrem Inhaber, je nach Nutzungsart, aus diesem Wirtschaftsgut vermittelt werden. Der Schwerpunkt der steuerlichen Behandlung liegt dabei eindeutig auf der zweiten Betrachtungsebene, was auch die Themenauswahl in diesem Buch nachvollzieht.

1.44

Der Unterschied zwischen diesen beiden Betrachtungsebenen sei anhand einer Marke verdeutlicht. Hinsichtlich der Marke selbst stellen sich im Wesentlichen Bilanzierungsfragen und damit insbesondere die Frage, unter welchen Voraussetzungen die Marke aktiviert werden kann. Steuerlich relevante Erträge aus einer Marke können jedoch regelmäßig nur über eine Markenlizenz erzielt werden. Hier stellt sich dann auf der zweiten Betrachtungsebene die Frage, wie die Erträge aus der Lizenzierung steuerlich erfasst werden. 2. Bilanzierungsfragen

1.45

Die Bilanzierung ist seit jeher einer der bedeutsamsten Problemkreise bei der steuerlichen Behandlung immaterieller Wirtschaftsgüter. Immaterielle Wirtschaftsgüter sind sehr heterogene Vermögensgegenstände; sie sind körperlich nicht greifbar, was die Objektivierung und Nachweisbarkeit deutlich erschwert. Durch die Internationalisierung der Rechnungslegung haben sich zudem neue Fragestellungen ergeben.

1.46

Die Probleme beginnen bereits bei begrifflichen Unterschieden bzw. Unschärfen. Während das deutsche Handelsrecht von „immateriellen Vermögensgegenständen“ spricht, die gleichwohl nicht gesetzlich definiert sind, wird im Steuerrecht bekanntlich der Terminus „immaterielles Wirtschaftsgut“ verwendet. Die International Accounting Standards (dort IAS 38) wiederum beziehen sich auf „intangible assets“ und damit immaterielle Vermögenswerte mit klar identifizierbaren, nicht monetären Werten ohne physische Substanz.

1.47

Was die Frage der Reichweite immaterieller Wirtschaftsgüter anbelangt, so ging die Diskussion der vergangenen Jahre vor allem dahin, ob und unter welchen Voraussetzungen auch dingliche oder schuldrechtliche Nutzungsrechte oder gar Dienstleistungen als immaterielle Wirtschaftsgüter zu qualifizieren sein können.

1.48

Ferner befindet sich nach wie vor in der Diskussion, wie Vermögensgegenstände zu behandeln sind, die aus körperlichen und nicht-körperlichen Komponenten zusammengesetzt sind. Hier ist insbesondere fraglich, unter welchen Voraussetzungen die eine oder andere Komponente dem Vermögensgegenstand das Gepräge gibt, was dann unmittelbar Folgen auch für die bilanzielle Behandlung zeitigt. Rechtsprechung und Lehre haben dazu inzwischen diverse Kriterien (z.B. Möglichkeit der Vervielfältigung, Exis12

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B. Zentrale rechtliche Aspekte

tenz von Marktpreisen, Funktion der körperlichen Komponente) entwickelt, die aber letztlich auf eine Gesamtbetrachtung hinauslaufen. Herkömmlich wird hinsichtlich der Aktivierungsfähigkeit immaterieller Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens zwischen selbst geschaffenen (Aktivierungsverbot) und entgeltlich erworbenen (Aktivierungsgebot) immateriellen Wirtschaftsgütern unterschieden, was sehr deutlich in § 5 Abs. 2 EStG zum Ausdruck kommt. Immaterielle Wirtschaftsgüter des Umlaufvermögens hingegen sind stets zu aktivieren.

1.49

Hier hat die Praxis gezeigt, dass gesetzliche Vorgaben verhältnismäßig einfach unterlaufen werden können, etwa indem ein selbst geschaffenes immaterielles Wirtschaftsgut zu einem fremdüblichen Preis an eine Tochtergesellschaft veräußert und dann dort bilanziert wird. Darüber hinaus sind nach wie vor Fragen der Bilanzierung von Firmen- und Geschäftswerten sowie von Forschungs- und Entwicklungskosten teilweise höchst umstritten.

1.50

Abgrenzungsprobleme zwischen Anlage- und Umlaufvermögen in diesem Bereich gibt es zwar immer noch, im Zweifelsfall aber wird man, dies zeigt auch die Praxis, ein immaterielles Wirtschaftsgut schon aus Vorsichtsgründen dem Anlagevermögen zuordnen. Probleme des entgeltlichen Erwerbs schließlich, der im Übrigen nach IAS 38 kein Unterscheidungskriterium ist, sind mittlerweile ebenfalls in den Hintergrund gerückt. Sie haben sich aber in der Vergangenheit bereits anhand durchaus sehr plastischer Beispiele ausgewirkt, nämlich beispielsweise bei Transferentschädigungen im Lizenzfußball.

1.51

Im Bereich des Handelsrechts haben sich bezüglich immaterieller Wirtschaftsgüter in jüngerer Zeit nach dem Vorbild des IAS 38 vor allem durch das Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz (BilMoG) einige Änderungen ergeben. Das BilMoG hat ein Aktivierungswahlrecht für selbst geschaffene immaterielle Vermögensgegenstände des Anlagevermögens vorgesehen. Allerdings dürfen maximal nur die in der Entwicklungsphase anfallenden Herstellungskosten angesetzt werden; allgemeine Forschungsaufwendungen können weiterhin nicht aktiviert werden. Soweit die Forschungsund Entwicklungskosten jedoch nicht verlässlich voneinander abgegrenzt werden können, ist eine Aktivierung selbst geschaffener immaterieller Vermögensgegenstände des Anlagevermögens weiterhin nicht möglich.

1.52

Der bisher das allgemeine Aktivierungsverbot regelnde § 248 Abs. 2 HGB wurde daher aufgehoben. Eingeführt wurde zugleich aber eine Ausschüttungssperre in Höhe der aktivierten, selbst geschaffenen immateriellen Vermögensgegenstände des Anlagevermögens. So sollen die Vorsichtsund Objektivierungsgesichtspunkte des deutschen Bilanzrechts sowie der Gläubigerschutz gewahrt bleiben. Für steuerliche Zwecke gilt aber weiterhin das o.g. Aktivierungsverbot für selbst erstellte immaterielle Wirtschaftsgüter. Soweit für handelsrechtliche Zwecke das Aktivierungswahlrecht genutzt wird, führt dies somit zu einer Erhöhung passiver latenter Steuern in der Handelsbilanz.

1.53

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Kap. 1: Einführung in das Thema

3. Verrechnungspreise

1.54

Die steuerrechtliche Teildisziplin der Verrechnungspreise wird in den kommenden Jahren mehr noch als bisher in den Fokus von Steuerpflichtigen und Finanzverwaltungen rücken. Bereits heute sind sie, jedenfalls bei Großkonzernen und mittelständischen Unternehmensgruppen, in steuerlichen Außenprüfungen in Deutschland einer der Prüfungsschwerpunkte, bei denen Steuerpflichtige regelmäßig „Federn lassen“ müssen.

1.55

Verrechnungspreise, also jene Preise, die verbundene Unternehmen miteinander für Lieferungen und Leistungen vereinbaren, stehen bei der Finanzverwaltung seit jeher im Verdacht, die Verlagerung von Steuersubstrat in Niedrigsteuerländer zu begünstigen oder zu verschleiern. Auch im internationalen Kontext sind die Verrechnungspreise eines der letzten Gebiete, in denen Staaten miteinander substanziell um Erträge konkurrieren. Nicht selten hat dies für Steuerpflichtige Doppelbesteuerungen zur Folge, die leider nur in der Theorie in jedem Fall vermieden werden können.

1.56

All dies gilt insbesondere und in zunehmendem Maße auch für Verrechnungspreise, die im Bereich der Erträge aus immateriellen Wirtschaftsgütern miteinander vereinbart werden. Die Entmaterialisierung der Erfolgsfaktoren von Unternehmen, die fortschreitende Dezentralisierung der Unternehmensorganisation und die zunehmende Internationalisierung stellen besondere Herausforderungen an ein Verrechnungspreissystem dar. Einerseits müssen die Vergütungen, die z.B. für die Überlassung einer Markenlizenz gezahlt werden, dem Fremdvergleich standhalten, andererseits muss der gesamte steuerlich relevante Vorgang in einer den gesetzlichen Erfordernissen genügenden sog. Verrechnungspreisdokumentation abgebildet werden. Immer mehr Staaten kennen eine solche Verpflichtung, und deren Erfüllung bindet nicht nur unternehmensintern erhebliche Ressourcen, sondern verursacht auch einen nicht unerheblichen Beratungsaufwand. Zuwiderhandlungen allein in Bezug auf Dokumentationsverpflichtungen können meist mit empfindlichen Geldbußen, der erleichterten Möglichkeit zur Steuerschätzung und anderen Maßnahmen geahndet werden.

1.57

Die Beauftragung steuerlicher Experten dürfte sich, trotz teilweise erheblicher Ausgaben, i.d.R. lohnen und ist auch durchaus empfehlenswert. Bei werthaltigen immateriellen Wirtschaftsgütern und entsprechend hohen Vergütungen, die für die Nutzungsmöglichkeiten verschiedener Art gezahlt werden, ist das Streitpotenzial erheblich und im Einzelfall gar existenzgefährdend. Natürlich erreicht der Streitwert nicht stets die erstaunlichen 3,4 Milliarden US-Dollar, die im Jahr 2006 im Streit über Verrechnungspreise zwischen dem US-amerikanischen Pharmagiganten GlaxoSmithKline und dem Internal Revenue Service als Vergleichssumme herausgekommen sind. Dennoch stehen auch in Deutschland Gewinnkorrekturen bei Erträgen aus immateriellen Wirtschaftsgütern auf der Tagesordnung. 14

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B. Zentrale rechtliche Aspekte

Die zentrale Frage der Verrechnungspreise ist diejenige nach dem fremdüblichen Preis, den fremde Dritte für eine Lieferung oder Leistung miteinander vereinbart hätten. Strategien der Steuerpflichtigen gegen eine übermäßige Gewinnkorrektur sind zunächst einmal eine grundsätzlich sorgfältige und konsistente Bewertung sowie ausreichende Dokumentation, die schon bei einer exakten Durchführung der Funktions- und Risikoanalyse – dem Herzstück der Verrechnungspreisfindung – beginnt.

1.58

Die Bewertung von immateriellen Wirtschaftsgütern ist freilich mit Schwierigkeiten verbunden, da aufgrund von Einzigartigkeit zumeist kein vergleichbares Wirtschaftsgut am Markt gefunden werden kann und eine Bewertung nach Ertragswertmethoden lediglich eine Annäherung darstellt. Bedauerlicherweise sind die Möglichkeiten von sog. Advance Pricing Agreements, die den Steuerpflichtigen eine gewisse Rechtssicherheit bieten, in Deutschland noch nicht so ausgeprägt wie andernorts.

1.59

Dennoch haben die jüngsten, wirtschaftlich schwierigen Zeiten gezeigt, dass auch eine Krise für den Bereich der Gestaltung von Verrechnungspreisen eine Chance bedeuten kann. Hierdurch konnten die Schwierigkeiten, die sich aus einer exakten Bewertung immaterieller Wirtschaftsgüter für Zwecke der Verrechnungspreise oder gar für Zwecke einer Funktionsverlagerung ergeben, wenigstens teilweise zum Vorteil der Steuerpflichtigen ausgenutzt werden, weil die wirtschaftliche Schieflage ganzer Branchen oder einzelner Unternehmen entsprechende Argumentationsmöglichkeiten eröffnete.

1.60

Die Bewertung von immateriellen Wirtschaftsgütern und somit auch das Ausmaß einer möglichen Exit-Besteuerung werden nämlich von den zukünftigen Ertragsaussichten des Wirtschaftsguts beeinflusst. Da ein Ende der Wirtschaftskrise bzw. das Einsetzen des Wirtschaftsaufschwungs lange Zeit nicht eindeutig absehbar war, erschien eine steuerlich „günstige“ Bewertung der immateriellen Wirtschaftsgüter jedenfalls wahrscheinlicher als in Zeiten wirtschaftlicher Prosperität. Dies konnte betriebswirtschaftlich bedeutsam sein, wenn eine Unternehmensfunktion (beispielsweise Forschung und Entwicklung) zusammen mit den notwendigen immateriellen Wirtschaftsgütern übertragen wurde bzw. wenn immaterielle Wirtschaftsgüter in einer sog. IP-Gesellschaft gebündelt werden sollten.

1.61

Neben Fragen der Funktionsverlagerung mit ihren bekannten Problemen (z.B. Bewertung des Transferpakets, Ausweichstrategien wie Lizenzmodelle, Implementierung des OECD-Reports „on the transfer pricing issues of Business restructurings“ in die OECD-Guidelines, Reichweite der Funktionsverlagerungsverordnung, Neufassung des § 1 Abs. 3 AStG im Jahr 2010 durch das sog. EU-Umsetzungsgesetz, etc.), die freilich nicht nur immaterielle Wirtschaftsgüter betreffen, steht in jüngerer Zeit vor allem die Problematik der sog. Marketing Intangibles im Vordergrund der (auch akademischen) Diskussion. Darunter versteht man im Allgemeinen ein immaterielles Wirtschaftsgut im Zusammenhang mit Marketingaktivitäten, das die gewerbliche Verwertung eines Produkts oder einer Dienst-

1.62

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15

Kap. 1: Einführung in das Thema

leistung unterstützt und/oder für das betreffende Produkt einen wichtigen verkaufsfördernden Wert hat.

1.63

Die Problematik stellt sich wie folgt dar: In der Praxis tragen beispielsweise Vertriebsgesellschaften internationaler Konzerne oft einen hohen Aufwand für Marketing- und Werbeaktivitäten, um eine auf dem jeweiligen Markt noch unbekannte (Konzern-)Marke einzuführen und um diese in der Folge zu „pflegen“. Insofern stellt sich natürlich die Frage, welche angemessene Vergütung die Vertriebsgesellschaft für ihre Marketingaktivitäten erhalten soll, wenn sie zwar nicht rechtliche Eigentümerin der Marke ist, aber dennoch außergewöhnlich hohe Werbe- und Marketingaufwendungen trägt. Als (natürlich umstrittene) Lösungen bieten sich z.B. Dienstleistungsvergütungen für die Werbe- und Marketingaktivitäten an bzw. es wird diskutiert, ob die Vertriebsgesellschaft an dem der Marke zurechenbaren Residualgewinn partizipieren können soll. 4. Quellensteuern

1.64

Quellensteuern besitzen im Zusammenhang mit Vergütungen für Nutzungsüberlassungen von immateriellen Wirtschaftsgütern seit jeher eine hohe Relevanz. Die Tatbestände, die eine Verpflichtung zum Quellensteuerabzug normieren, werden dabei, auch international, regelmäßig von Haftungsvorschriften flankiert, was für den jeweiligen Staat in der Praxis eine verhältnismäßig zuverlässige Möglichkeit bedeutet, seinen Besteuerungsanspruch sicherzustellen. Der Vergütungsschuldner muss daher die Steuer „an der Quelle“ einbehalten und an das zuständige Finanzamt abführen. Kommt er dieser Verpflichtung nicht nach, haftet er regelmäßig neben dem Vergütungsgläubiger.

1.65

Der Begriff der „Quellensteuer“ wird, was das deutsche Ertragsteuerrecht anbelangt, in den deutschen Steuergesetzen nicht definiert. Im EStG findet der Begriff lediglich Erwähnung in der Überschrift zu § 50h EStG sowie in der „Absichtserklärung“ des § 51a Abs. 2e Satz 1 EStG. Ferner ist er in § 26 Abs. 6 Satz 4 und Satz 7 KStG, in § 34 Abs. 11c Satz 4 KStG, in § 5 Abs. 6 Satz 1 und Satz 3 FVG, in § 20 Abs. 4 Satz 2 REITG und in § 9 InvStG enthalten. I.d.R. wird das Wort „Quellensteuer“ in diesen Normen im Zusammenhang mit ausländischen Quellensteuern gebraucht; lediglich in § 51a Abs. 2e Satz 1 EStG und in § 20 Abs. 4 Satz 2 REITG sind explizit inländische, d.h. Quellensteuern angesprochen, die auf der Grundlage nationalen deutschen Steuerrechts erhoben werden. Dennoch hat sich der Begriff eingebürgert und soll auch hier verwendet werden.

1.66

Quellensteuern im Zusammenhang mit Vergütungen für Nutzungsüberlassungen von immateriellen Wirtschaftsgütern sind in vielerlei Hinsicht auch in der deutschen Zentralnorm des Quellensteuerabzugs im internationalen Kontext vorgesehen, nämlich in § 50a EStG. Insbesondere § 50a Abs. 1 Nr. 3 EStG erlegt dem Vergütungsschuldner eine Steuerabzugsverpflichtung für Einkünfte auf, die aus Vergütungen für die Überlassung der 16

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B. Zentrale rechtliche Aspekte

Nutzung oder des Rechts auf Nutzung von Rechten, insbesondere von Urheberrechten und gewerblichen Schutzrechten, von gewerblichen, technischen, wissenschaftlichen und ähnlichen Erfahrungen, Kenntnissen und Fertigkeiten, zum Beispiel Plänen, Mustern und Verfahren, sowie aus der Verschaffung der Gelegenheit, einen Berufssportler im Inland vertraglich zu verpflichten, herrühren. Damit wird zugleich die Grundnorm der beschränkten Steuerpflicht (§ 49 Abs. 1 Nr. 2, 3, 6 und 9 EStG) in Bezug genommen. Neben seit langem bestehenden tatbestandlichen Abgrenzungsfragen haben hier vor allem die jüngsten Gesetzesänderungen (etwa § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f und g EStG) sowie zuvor ergangene BFH-Urteile deutliche Spuren hinterlassen, wie überhaupt insgesamt die „große Reform“ des § 50a EStG durch das JStG 2009 im Lichte der vorherigen Entwicklungen im Bereich der EuGH-Rechtsprechung zu sehen ist. Hier setzte die Regelung des neuen Abs. 3 des § 50a EStG beispielsweise das EuGH-Urteil vom 3.10.20061 um.

1.67

In diesem Urteil hatte der EuGH festgestellt, dass es mit den Grundfreiheiten des AEU-Vertrags nicht vereinbar ist, wenn im Steuerabzugsverfahren für beschränkt Steuerpflichtige die im unmittelbaren Zusammenhang mit der inländischen Tätigkeit stehenden Betriebsausgaben des beschränkt Steuerpflichtigen, die er dem Vergütungsschuldner mitgeteilt hat, nicht geltend gemacht werden können. Die gesetzliche Änderung sieht deshalb vor, dass Betriebsausgaben oder Werbungskosten in den Fällen des § 50a Abs. 1 Nr. 1, 2 und 4 EStG von der Steuerbemessungsgrundlage abgezogen werden können.

1.68

Weitere Fragestellungen betreffen die Vermeidung der Doppelbesteuerung im Wege der Anrechnungsmethode. Hier begegnen dem Steuerpflichtigen auch bei Vergütungen für Nutzungsüberlassungen immaterieller Wirtschaftsgüter zunächst die bekannten Probleme: Die Anrechnungsmethode lässt zwar das Welteinkommensprinzip unangetastet, entlastet den Steuerpflichtigen aber nur, wenn er im Inland Steuern zahlt, auf die die ausländische Steuer angerechnet werden könnte. Zahlt der Steuerpflichtige im Inland keine Steuern, geht die Anrechnungsmethode ins Leere. Zahlt der Steuerpflichtige im Ausland mehr Steuern, als im Inland aufgrund der Anrechnungsbeschränkungen des § 34c Abs. 1 EStG angerechnet werden können, bleibt der Steuerpflichtige insoweit immer noch teilweise doppelt belastet. Nicht anrechenbare Steuern sind unwiederbringlich verloren. Und schließlich sind mit der Feststellung im Ausland gezahlter Steuern und der Abgrenzung ausländischer von den inländischen Einkünften häufig rein praktische Schwierigkeiten verbunden. Dasselbe gilt für die Frage, ob eine im Ausland erhobene Steuer strukturell der inländischen Steuer vergleichbar ist und daher überhaupt zur Anrechnung berechtigt.

1.69

1 EuGH v. 3.10.2006 – C-290/04 (FKP Scorpio Konzertproduktionen GmbH), EuGHE 2006, I-9461.

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Kap. 1: Einführung in das Thema

1.70

Die Frage, ob und in welcher Höhe ausländische Quellensteuern im Inland angerechnet werden können, hat eine erhebliche praktische Bedeutung, denn Quellensteuern können, auch wenn sie auf den ersten Blick in der Höhe niedrig erscheinen mögen, für den Steuerschuldner und Empfänger der steuerpflichtigen Einkünfte eine immense wirtschaftliche Auswirkung haben. In Grenzfällen mag dies gar zur Zahlungsunfähigkeit bzw. Insolvenz des Steuerschuldners führen, wie das folgende Beispiel zeigen mag.

1.71

Wir wollen annehmen, dass eine A-GmbH im Staat A mit einer B-GmbH im Staat B einen Lizenzvertrag geschlossen hat, aufgrund dessen die B-GmbH verpflichtet ist, der A-GmbH im Gegenzug für die Überlassung eines bestimmten Patents jährlich 100 000 Euro zu zahlen. Die B-GmbH verfügt im Übrigen nicht über einen sonstigen Geschäftsbetrieb, so dass sie nicht liquide ist und die Zahlung nicht unmittelbar leisten kann. Sie überlässt daher das Patent einer C-GmbH im Staat C zur Nutzung, was vertraglich zulässig sein und dem angedachten Geschäftsmodell der Errichtung einer internationalen Patentverwertungsgesellschaft entsprechen soll. Die C-GmbH zahlt jährlich 110 000 Euro an die B-GmbH, so dass annahmegemäß eine dem Fremdvergleich entsprechende Marge in der B-GmbH zur Besteuerung verbleiben soll. Bei einer Vielzahl von Lizenzvergaben in unterschiedliche Länder gelangt man so für die B-GmbH ohne weiteres zu einem erklecklichen Betrag.

1.72

So weit, so gut. Erhebt jetzt der C-Staat jedoch eine 7%ige Quellensteuer auf die Lizenzzahlungen, und ist im Lizenzvertrag zwischen der B-GmbH und der C-GmbH keine besondere Steuerklausel enthalten, so wird die C-GmbH lediglich 102 300 Euro an die B-GmbH auszahlen, von denen 100 000 Euro an die A-GmbH abzuführen sind. Enthält jetzt das Steuerrecht des B-Staats eine dem § 10 Nr. 2 KStG entsprechende Vorschrift, wird der B-Staat jedoch 10 000 Euro mit einer angenommenen Körperschaftsteuer von 25 % besteuern, was eine Steuerschuld von 2500 Euro bedeuten würde. Dieser Steuerschuld stünde aber nur eine Liquidität von 2300 Euro gegenüber, so dass die B-GmbH ihrer steuerlichen Verpflichtung nicht nachkommen könnte. 5. Doppelbesteuerungsabkommen

1.73

Die Frage nach der Anwendung von DBA stellt sich in Bezug auf Immaterialgüterrechte in erster Linie hinsichtlich der Erträge aus diesen Rechten, beispielsweise im Fall einer Nutzungsüberlassung. Bilanzierungsfragen oder Probleme im Zusammenhang mit der Bewertung von Immaterialgüterrechten, wie sie z.B. vor dem Hintergrund der Vorschriften über die Funktionsverlagerung auftreten mögen, können jedoch möglicherweise im Hinblick auf Art. 9 OECD-MA in Betracht kommen.

1.74

Der Schwerpunkt der international-steuerlichen Betrachtung freilich liegt, auch in der Praxis, auf den Vergütungen, die für die Überlassung oder Nutzung von Rechten gezahlt werden. Als anwendbare Einkunfts18

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B. Zentrale rechtliche Aspekte

artikel kommen hier in erster Linie die Artikel über Unternehmensgewinne (Art. 7 OECD-MA), über Lizenzgebühren (Art. 12 OECD-MA) und über sog. Andere Einkünfte (Art. 21 OECD-MA) in Frage, wobei sich die allgemeine Diskussion um die Abgrenzung dieser Tatbestände auch bei Erträgen aus Immaterialgüterrechten in gleicher Weise stellt. Sogar ist zu bemerken, dass in diesem Zusammenhang manche Entwicklungen der jüngeren Zeit diese Abgrenzungsproblematik speziell anhand von Lizenzgebühren aufgreifen, wenn man an die Diskussion um die abkommensrechtliche Behandlung von sog. Sondervergütungen denkt. Das Urteil des BFH vom 8.9.20101 etwa betrifft gerade die abkommensrechtliche Behandlung von Lizenzzahlungen als Sondervergütungen nach § 50d Abs. 10 Satz 1 EStG 2002 n.F. und stellt sich damit (abermals) gegen die im BMF-Schreiben zur Anwendung von DBA auf Personengesellschaften vom 16.4.20102 vertretene, nunmehr in Gesetzesform gegossene Auffassung, wonach Sondervergütungen stets den Unternehmensgewinnen zuzurechnen sind. Der BFH hingegen steht nach wie vor auf dem Standpunkt, dass die spezielleren Einkunftsartikel der Art. 10 ff. OECD-MA vorrangig seien.

1.75

Für das geistige Eigentum ist danach im Grundsatz Art. 12 OECD-MA sedes materiae. In Abs. 2 der Vorschrift werden Lizenzgebühren legaldefiniert als „Vergütungen jeder Art, die für die Benutzung oder für das Recht auf Benutzung von Urheberrechten an literarischen, künstlerischen oder wissenschaftlichen Werken, einschließlich kinematographischer Filme, von Patenten, Marken, Mustern oder Modellen, Plänen, geheimen Formeln oder Verfahren oder für die Mitteilung gewerblicher, kaufmännischer oder wissenschaftlicher Erfahrungen“ gezahlt werden.

1.76

Diese Definition ist im Laufe der letzten Revisionen des OECD-MA immer wieder geändert worden, und ein Gleiches gilt für den zugehörigen OECD-Musterkommentar. Dort heißt es in der maßgebenden Tz. 8: „Lizenzgebühren beziehen sich im Allgemeinen auf Rechte oder Vermögenswerte, zu denen die verschiedenen Arten der literarischen und künstlerischen Urheberrechte und die im Text genannten Arten des geistigen Eigentums sowie die Mitteilungen gewerblicher, kaufmännischer oder wissenschaftlicher Erfahrungen gehören. Die Definition schließt Vergütungen für die Benutzung oder das Recht auf Benutzung von Rechten der vorstehend erwähnten Art ohne Rücksicht darauf ein, ob sie in einem öffentlichen Register eingetragen sind oder eingetragen werden müssen.“ Letzteres ist vor allem in Abgrenzung zu den nationalen Regeln der deutschen beschränkten Steuerpflicht relevant.

1.77

Die vorstehend wiedergegebene neue Tz. 8 des OECD-Musterkommentars zu Art. 12 OECD-MA ist Teil einer größeren Revision des Musterkommentars im Jahr 2008 gewesen. Gerade im internationalen Kontext

1.78

1 BFH v. 8.9.2010 – I R 74/09, DB 2010, 2654. 2 BMF v. 16.4.2010 – IV B 2-S 1300/09/10003, BStBl. I 2010, 354.

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Kap. 1: Einführung in das Thema

haben sich vermehrt Probleme bei der Anwendung von DBA auf Vergütungen für Pläne, Muster und Modelle sowie für die Überlassung von Know-how, bei der Behandlung von Zahlungen für den Transfer von Rechten (im Gegensatz zur bloßen Nutzungsüberlassung) sowie bei Gegenleistungen für gebietsbezogene Vertriebsrechte gezeigt. Diesen Problemen wurde durch eine eigenständige Erläuterung der OECD-Auffassung im Musterkommentar Rechnung getragen.

1.79

Abgrenzungsprobleme zwischen der nur zeitlich begrenzten Nutzungsüberlassung von der Situation, in der sich ein Steuerpflichtiger endgültig einer Vermögensposition begibt, waren auch bei den grundlegenden Revisionen des Musterkommentars in den Jahren 2000 und 2003 von entscheidender Bedeutung, und zwar insbesondere im Softwarebereich. Nach Vorstellung der OECD ist bei Softwareüberlassungen für die steuerliche Behandlung zwischen dem hergestellten Programm (dem sog. copyright article, der urheberrechtlichen Schutz genießt) und dem damit hergestellten Produkt (= der ausführbaren und übertragbaren Programmkopie, d.h. dem sog. copyrighted article) zu unterscheiden.

1.80

Bei Ersterem darf der digitale Inhalt der Software zu eigenen Zwecken ausgewertet werden (mit der Folge, dass steuerlich Unternehmensgewinne i.S. des Art. 7 Abs. 1 OECD-MA vorliegen), bei Letzterem wird das Recht zur Nutzung eines Urheberrechts zur Verwertung übertragen (mit der Folge, dass eine echte Lizenz i.S. des Art. 12 OECD-MA gegeben ist). Dies soll unabhängig von der Anzahl der vertraglich eingeräumten Kopiermöglichkeiten und der Form der Übertragung der Software gelten. Echte Lizenzgebühren liegen damit im Recht der DBA im Grunde nur dann vor, wenn der Erwerb des Softwareprodukts der Vervielfältigung und Verwertung dient.

1.81

Ein „Klassiker“ des internationalen Steuerrechts, der auch in Bezug auf Erträge aus Immaterialgüterrechten Bedeutung hat, sind ferner „stepping stone“-Modelle und andere Gestaltungen, die auf einen Abkommensmissbrauch abzielen. Vor dem Hintergrund der Hinzurechnungsbesteuerung der §§ 7 ff. AStG sind zudem ausländische Patentverwertungsgesellschaften und ähnliche Konstrukte in den Fokus der Öffentlichkeit geraten. 6. Europäische Entwicklungen

1.82

In Bezug auf bestimmte Erträge aus Immaterialgüterrechten (namentlich Lizenzgebühren) war auf europäischer Ebene insbesondere die Verabschiedung der Zins-/Lizenzgebühren-Richtlinie 2003/49/EG des Rates vom 3.6. 2003 über eine gemeinsame Steuerregelung für Zahlungen von Zinsen und Lizenzgebühren zwischen verbundenen Unternehmen verschiedener Mitgliedsstaaten (ABl. EG L 157, 49 ff.) ein Meilenstein bei der Entwicklung des gemeinschaftsrechtlichen Sekundärrechts.

1.83

Zielsetzung der (gerade reformierten) Zins-/Lizenzgebühren-Richtlinie ist es, verbundene Unternehmen verschiedener EU-Mitgliedstaaten sowie 20

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C. Ausblick

Betriebsstätten solcher Unternehmen von Doppelbesteuerungen auf Zinsen und Lizenzgebühren zu entlasten. Über die sog. Bilateralen Abkommen II wird dieses Ziel ferner auf das Verhältnis zur Schweiz erstreckt, während im Übrigen Zahlungen in Drittstaaten nicht erfasst werden. Rechtstechnisch wird die Entlastung von Doppelbesteuerungen durch eine Befreiung von Steuerzahlungen im Quellenstaat der Zinsen und Lizenzen vorgenommen, und zwar unabhängig davon, ob der Quellenstaat diese Steuern im Wege der Veranlagung oder des Steuerabzugs (Quellensteuer) erhebt. Freilich wird es sich meist um klassische Quellensteuern handeln. Die Regelungen der Zins-/Lizenzgebühren-Richtlinie werden daher nur praktisch bedeutsam, wenn ein Quellensteuerabzug nicht bereits durch ein DBA ausgeschlossen ist. Daneben rücken Fragen der Besteuerung von Erträgen aus Immaterialgüterrechten auch zunehmend in den Blickpunkt des Europäischen Gerichtshofs. Mit Beschluss vom 27.5.2009 hat der BFH dem EuGH Rechtsfragen zur Auslegung der Zins-/Lizenzgebühren-Richtlinie zur Entscheidung vorgelegt.1 Die Vorlagefrage lautet dahingehend, ob die Richtlinie einer Regelung entgegenstehe, nach der die von einem Unternehmen eines Mitgliedstaats an ein verbundenes Unternehmen eines anderen Mitgliedstaats gezahlten Darlehenszinsen bei dem erstgenannten Unternehmen der Bemessungsgrundlage für die Gewerbesteuer hinzugerechnet würden, und bezieht sich damit auf § 8 Nr. 1 GewStG a.F. Die Beantwortung der Frage (die Generalanwältin Eleanor Sharpston hat in ihren Schlussanträgen vom 12.5.2011 eine EU-Rechtswidrigkeit verneint) könnte auch Auswirkungen auf § 8 Nr. 1 Buchst. f GewStG n.F. haben, wonach auch Aufwendungen für die zeitlich befristete Überlassung von Rechten der Hinzurechnung unterliegen.

1.84

C. Ausblick Die Jahre 2008 und 2009 waren vor allem durch die gravierenden Folgen der Weltwirtschafts- und Finanzmarktkrise geprägt, 2010 gewann die Konjunktur bereits ganz allmählich wieder an Fahrt. Dieser Trend scheint sich auch 2011 fortzusetzen. Um nach der Krise jedoch einen tragfähigen Aufschwung einzuleiten, kommt es maßgeblich auf die Innovationskraft der deutschen Wirtschaft an. Der wirksame Schutz des geistigen Eigentums ist dafür ganz entscheidend. Dies wird zu Recht von keiner Seite bestritten.

1.85

Die Herausforderungen für den Schutz geistigen Eigentums sind vielfältig, wobei für die Industrie das Patent das wichtigste gewerbliche Schutzrecht bleibt. Eine Qualitätssicherung ist essenziell für das Schutzrechtssystem und liegt auch im Interesse der Nutzer. Im internationalen Wett-

1.86

1 BFH v. 27.5.2009 – I R 30/08, DB 2009, 2468; jetzt entschieden durch EuGH v. 21.7.2011 – Rs. C-397/09, DStR 2011, 1419.

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Kap. 1: Einführung in das Thema

bewerb schließlich spielen die Regelungen zum geistigen Eigentum in wichtigen Schwellenländern (z.B. China) eine immer größere Rolle.

1.87

Der Kampf gegen Produkt- und Markenpiraterie ist ein Thema, das alle Branchen betrifft und herausfordert. Im digitalen Zeitalter entwickelt sie immer neue Facetten. Verstärkt binden die Bekämpfungsstrategien auch die Verbraucher mit ein. Vertreter der Wirtschaft beklagen seit Jahren, dass die widerrechtliche Verwendung von geistigem Eigentum und die Verletzung des Urheberrechts die Gewinne von Unternehmen erheblich beeinträchtigen. Studien zeigen einerseits auf, welche Verluste durch die Verletzung des Urheberrechts entstehen.

1.88

Andererseits gibt es Studien, die diese Verluste dementieren und einen offenen Umgang mit geistigem Eigentum für Innovationsprozesse förderlich halten. Industrie, Gesetzgeber, Politik und Konsumenten agieren in einem Spannungsfeld aus sehr striktem bis relativ offenem Umgang mit Urheberrecht aus unterschiedlichen Perspektiven und Beweggründen. Die Probleme, die sich aus dem digitalen Zeitalter für das geistige Eigentum ergeben, bleiben jedenfalls die größte Herausforderung der Zukunft.

1.89

Was das Steuerrecht anbetrifft, so wird die Zukunftsmusik in Bezug auf geistiges Eigentum sicherlich vor allem auf dem Gebiet der Verrechnungspreise spielen. Der internationale Steuerwettbewerb, in dem die Staaten miteinander um Steuerpflichtige und Investitionen konkurrieren, hat dazu geführt, dass es für den (deutschen) Fiskus zunehmend schwierig geworden ist, sich nennenswert neues Besteuerungspotenzial zu erschließen. Da die gegenwärtigen Korrekturnormen im Bereich der Verrechnungspreise und insbesondere die Sondervorschriften über Funktionsverlagerungen aufgrund ihrer Unschärfen (in steuerlichen Außenprüfungen) viele Diskussionsmöglichkeiten eröffnen, hat es die Finanzverwaltung auf diesem Gebiet vergleichsweise einfach, Mehreinnahmen zu generieren.

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Kapitel 2 Zivilrechtliche Grundlagen Literatur Ann, Know-how – Stiefkind des Geistigen Eigentums?, GRUR 2007, 39 ff.; Ann/ Loschelder/Grosch, Praxishandbuch Know-how-Schutz, 2010; Ahrens, Gewerblicher Rechtsschutz, 2008; Bartenbach, Patentlizenz- und Know-how-Vertrag, 6. Aufl. 2007; Bartenbach/Volz, Arbeitnehmererfindungsgesetz, 5. Aufl. 2009; Basedow/Hopt/Zimmermann, Handwörterbuch des Europäischen Privatrechts, 2009; Bender, Europäisches Markenrecht: Das Gemeinschaftsmarkensystem, 2008; Benkard, Europäisches Patentübereinkommen EPÜ, 2. Aufl. 2012; Benkard/Asendorf/Bacher/Goebel, Patentgesetz, Gebrauchsmustergesetz, 10. Aufl. 2010; Berger/ Wündisch, Urhebervertragsrecht, 2. Aufl. 2008; Berlit, Markenrecht, 8. Aufl. 2010; Bettinger, Handbuch des Domainrechts, 2. Aufl. 2008; Bingener, Markenrecht, 2. Aufl. 2011; Blümich, EStG – KStG – GewStG (Loseblatt), Stand 2011; Bodewig, Patentrechtskommentar, 4. Aufl. 2010; Bulling/Langöhrig/Hellweg, Geschmacksmuster, 3. Aufl. 2010; Busche/Stoll, TRIPs, 2007; Büscher/Dittmer/ Schiwy, Gewerblicher Rechtsschutz, Urheberrecht, Medienrecht, 2. Aufl. 2011; Bühring, Gebrauchsmustergesetz, 8. Aufl. 2011; Busse/Keukenschrijver/Schwendy, Patentgesetz, 6. Aufl. 2003; Cohausz, Gewerblicher Rechtsschutz und angrenzende Gebiete, 2010; Chrocziel, Einführung in den Gewerblichen Rechtsschutz und das Urheberrecht, 2. Aufl. 2002; Dreier/Schulze, Urheberrechtsgesetz, 3. Aufl. 2008; Dreyer/Kotthoff/Meckel, Heidelberger Kommentar zum Urheberrecht, 2. Aufl. 2009; Dybdahl-Müller, Europäisches Patentrecht, 3. Aufl. 2008; Eichmann/von Falckenstein, Geschmacksmustergesetz, 4. Aufl. 2010; Eichmann/ Kur, Designrecht. Praxishandbuch, 2009; Eisenführ/Schennen, Gemeinschaftsmarkenverordnung, 3. Aufl. 2010; Eisenmann/Jautz, Grundriss Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht, 8. Aufl. 2009; Ekey/Klippel/Bender, Markenrecht Band 1, 2. Aufl. 2009; Ensthaler, Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht, 3. Aufl. 2009; Erdmann/Rojahn/Sosnitza, Handbuch des Fachanwalts Gewerblicher Rechtsschutz, 2. Aufl. 2011; Fammler, Der Markenlizenzvertrag, 2. Aufl. 2007; Fezer, Markenrecht, 4. Aufl. 2009; Fezer, Handbuch der Markenpraxis, 2007; Fromm/Nordemann, Urheberrecht, 10. Aufl. 2008; Goldmann, Der Schutz des Unternehmenskennzeichens, 3. Aufl. 2011; Götting, Gewerblicher Rechtsschutz, 9. Aufl. 2010; Götting, Der Begriff des Geistigen Eigentums, GRUR 2006, 353 ff.; Götting/Schertz/Seitz, Handbuch des Persönlichkeitsrechts, 2008; Groß, Der Lizenzvertrag, 10. Aufl. 2010; Gruber/Adam/Haberl, Europäisches und internationales Patentrecht, 6. Aufl. 2008; Günther/Beyerlein, Kommentar zum Geschmacksmustergesetz, 2. Aufl. 2011; Haase, Die Verpflichtung zum Steuerabzug nach § 50a Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG bei Outbound-Lizenzvergütungen, INF 2006, 741; Haase, Außensteuergesetz Doppelbesteuerungsabkommen, 2009; Hassemer, Patentrecht, 2011; Haedicke, Patentrecht, 2009; Hasselblatt, Münchener Anwaltshandbuch Gewerblicher Rechtsschutz, 3. Aufl. 2009; Heinemann, Immaterialgüterschutz in der Wettbewerbsordnung, 2002; Henn, Patent- und Know-how-Lizenzvertrag, 5. Aufl. 2003; Hildebrandt, Marken und andere Kennzeichen, 2. Aufl. 2009; Hilty/Henning-Bodewig, Leistungsschutzrechte für Sportveranstalter?, 2007; Hoffmann/Kleespies, Formular-Kommentar Markenrecht, 2. Aufl. 2011; Hoeren/ Sieber, Handbuch Multimedia Recht (Loseblatt), Stand 2011; Ilzhöfer/Engels, Patent-, Marken- und Urheberrecht, 8. Aufl. 2010; Ingerl/Rohnke, Markengesetz, 3. Aufl. 2010; Jaeger/Metzger, Open Source Software, 3. Aufl. 2011; Jänich, Geistiges Eigentum – eine Komplementärerscheinung zum Sacheigentum?, 2002; Jestaedt, Patentrecht, 2. Aufl. 2008; Keukenschrijver, Patentnichtigkeitsverfahren, 4. Aufl. 2010; Kohler, Die Idee des geistigen Eigentums, AcP 82 (1894), 141 ff.; Koh-

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Kap. 2: Zivilrechtliche Grundlagen

ler, Urheberrecht an Schriftwerken und Verlagsrecht, 1907; Kohler, Handbuch des Deutschen Patentrechts in rechtsvergleichender Darstellung, 1900; Köhler/ Bornkamm, Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, 29. Aufl. 2011; Kraßer, Der Schutz des Know-how nach deutschem Recht, GRUR 1970, 587 ff.; Kraßer, Patentrecht, 6. Aufl. 2009; Kühnen, Handbuch der Patentverletzung, 5. Aufl. 2011; Lange, Marken- und Kennzeichenrecht, 2006; Lange, Internationales Handbuch des Marken- und Kennzeichenrechts, 2009; Leßmann/Würtenberger, Deutsches und Europäisches Sortenschutzrecht, 2. Aufl. 2009; Loewenheim, Handbuch des Urheberrechts, 2. Aufl. 2010; Marly, Praxishandbuch Softwarerecht, 5. Aufl. 2009; Marx, Deutsches, europäisches und internationales Markenrecht, 2. Aufl. 2007; McGuire in Gebauer/Wiedmann, Zivilrecht unter europäischem Einfluss, Kapitel 23: Geistiges Eigentum, 2. Aufl. 2010; McGuire, Die Lizenz, 2011; Mes, Patentgesetz, Gebrauchsmustergesetz, 2. Aufl. 2005; Mes, Der Schutz des Erzeugnisses gem. § 9 S. 2 Nr. 3 PatG, GRUR 2009, 305 ff.; Mestmäcker/Schulze, Kommentar zum deutschen Urheberrecht (Loseblatt), Stand 2011; Möhring/Nicolini, Urheberrechtsgesetz, 2. Aufl. 2000; Nemeczek, Rechtsübertragungen und Lizenzen beim wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutz – Zugleich ein Beitrag gegen den unmittelbaren Leistungsschutz, GRUR 2011, 292 ff.; Nirk/Ullmann, Patent-, Gebrauchsmuster- und Sortenschutzrecht, 3. Aufl. 2007; Oehlrich, Know-how und Tacit Knowledge als vernachlässigte Vertragsbestandteile bei Lizenzverträgen, GRUR 2010, 33 ff.; Ohly, Geistiges Eigentum?, JZ 2003, 545; Osterrieth, Patentrecht, 4. Aufl. 2010; Pagenberg/Geissler, Lizenzverträge, 6. Aufl. 2008; Palandt, BGB, 70. Aufl. 2011; Paschke/Berlit/Meyer, Hamburger Kommentar Gesamtes Medienrecht, 2008; Pfaff/Osterrieth, Lizenzverträge Formularkommentar, 3. Aufl. 2010; Piper/Ohly/Sosnitza, Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, 5. Aufl. 2010; Rehbinder, Urheberrecht, 16. Aufl. 2010; Richter/Stoppel, Die Ähnlichkeit von Waren und Dienstleistungen, 15. Aufl. 2011; Ruhl, Gemeinschaftsgeschmacksmuster, 2. Aufl. 2010; Schack, Urheber- und Urhebervertragsrecht, 5. Aufl. 2010; Schmidt, Einkommensteuergesetz, 30. Aufl. 2011; Schrell/ Heide, Zu den Grenzen des „product-by-process“-Patentanspruchs im Erteilungsund Verletzungsverfahren, GRUR 2006, 383 ff.; Schricker, Verlagsrecht, 3. Aufl. 2001; Schricker/Loewenheim, Urheberrecht, 4. Aufl. 2010; Schulte/Kühnen, Patentgesetz mit EPÜ, 8. Aufl. 2008; von Schultz, Markenrecht, 2. Aufl. 2007; Singer/ Stauder, Europäisches Patentübereinkommen, 5. Aufl. 2010; Sommer/Wecke, Steuerbarkeit von Transferzahlungen für den Wechsel eines Berufssportlers in Deutschland, CaS 2011, 36 ff.; Spindler/Schuster, Recht der elektronischen Medien, 2. Aufl. 2011; Ströbele/Hacker, Markengesetz, 9. Aufl. 2009; Vogel/Lehner, Doppelbesteuerungsabkommen, 5. Aufl. 2008; Walter, Europäisches Urheberrecht, 2001; Walter/von Lewinski, European Copyright Law, 2010; Wandtke, Urheberrecht, 2. Aufl. 2010; Wandtke/Bullinger, Praxiskommentar zum Urheberrecht, 3. Aufl. 2009.

A. Überblick I. Geistiges Eigentum im Zivilrecht 1. Begriff

2.1

Unter einem Recht des geistigen Eigentums versteht man ein Ausschließlichkeitsrecht an einem unkörperlichen (geistigen) und außerpersönlichen Schutzgegenstand, das seinem Inhaber ähnlich wie das Eigentum an körperlichen Sachen (§§ 903, 90 BGB) ausschließliche Rechte gegenüber 24

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A. Überblick

jedermann verleiht.1 Der Oberbegriff „Recht des geistigen Eigentums“ bezeichnet dabei sowohl die Summe der Vorschriften, die objektiv zu diesem Rechtsgebiet zu zählen sind (intellectual property law), ebenso wie das einer Person individuell und ausschließlich zugewiesene subjektive Recht an einer konkreten Schöpfung oder Erfindung (intellectual property right).2 Dem deutschen Recht ist der Begriff des geistigen Eigentums traditionell eher fremd. Diese Vorbehalte beruhen zum einen auf begrifflichen Bedenken, die sich vor allem auf das traditionelle Eigentumsverständnis des § 903 BGB gründen, wonach Eigentum nur an Sachen, also körperlichen Gegenständen (§ 90 BGB) bestehen kann.3 Zum anderen sieht man die Gefahr einer „Verflüchtigung“ des Eigentumsbegriffs,4 der auch den persönlichkeitsrechtlichen Elementen vor allem des Urheberrechts (siehe §§ 12–14 UrhG) nicht mehr gerecht werde.5 In jüngerer Zeit begegnet der Begriff auch deshalb Bedenken, weil die Bezeichnung als geistiges Eigentum die wettbewerblichen Implikationen von Ausschließlichkeitsrechten an geistigen Gütern vernachlässige, so dass eher eine Nähe zur Wettbewerbsregulierung als zum klassischen Eigentumsrecht bestehe. Aus diesen Gründen bevorzugte man in Deutschland, anders als etwa in der anglo-amerikanischen (intellectual property) oder in der französischen Rechtstradition (propriété intellectuelle6), lange Zeit den Oberbegriff Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht.7 Gewerblicher Rechtsschutz bezeichnet dabei alle diejenigen Rechtsgebiete, die dem Schutz des gewerblichen Schaffens dienen und deren Schutzrechte Wirkung nur im gewerblichen Verkehr entfalten (Patentrecht, Markenrecht, Geschmacksmusterrecht, Gebrauchsmusterrecht, Sortenschutzrecht, Halbleiterschutz),8 wäh1 Peukert, Geistiges Eigentum, in Handwörterbuch des Europäischen Privatrechts, Band I, 648. Das Adjektiv „geistig“ bezieht sich auf die unkörperliche Natur des Schutzgegenstands, nicht auf den Umstand, dass der Schutzgegenstand vom menschlichen Geist hervorgebracht worden ist, weil dies bei Marken, Unternehmenskennzeichen und einigen dem Urheberrecht verwandten Schutzrechten nicht der Fall ist, Kraßer, Patentrecht6, § 2 I 2, S. 12. 2 Peukert, Geistiges Eigentum, in Handwörterbuch des Europäischen Privatrechts, Band I, 648. 3 Götting, GRUR 2006, 353, 355 f.; siehe auch die Kritik von Jänich, Geistiges Eigentum – eine Komplementärerscheinung zum Sacheigentum?, 35 ff. 4 Kohler, AcP 82 (1894), 141, 161. 5 So die Kritik etwa von Rehbinder, Urheberrecht16, Rz. 97. 6 Unter diesem Obergriff werden sowohl das gewerbliche Eigentum (propriété industrielle) wie das Urheberrecht (propriété littéraire et artistique) zusammengefasst, siehe die Gliederung des Code de la propriété intellectuelle (CPI). 7 So der Titel der führenden Zeitschrift (GRUR) und der Vereinigung (Deutsche Vereinigung für gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht e.V.) auf diesem Gebiet. Ursprünglich führte die Vereinigung den Titel „Deutscher Verein für den Schutz gewerblichen Eigentums“, wobei die Bezeichnung „Eigentum“ später gestrichen wurde, Götting, GRUR 2006, 353, 356 unter Verweis auf Vieregge/Bühling, FS 100 Jahre GRUR, Band I, 1991, 43, 50. 8 Der Begriff „Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht“ ist allerdings nicht vollständig deckungsgleich mit dem des geistigen Eigentums oder Immaterialgüterrechts, weil zum Gewerblichen Rechtsschutz auch die im UWG geregelten

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2.2

Kap. 2: Zivilrechtliche Grundlagen

rend das Urheberrecht die im Urheberrechtsgesetz geregelten Schutzrechte erfasst, die auch Wirkungen gegenüber Privaten entfalten können (vgl. § 53 UrhG). Als Oberbegriff sowohl für gewerbliche wie urheberrechtliche Ausschließlichkeitsrechte und Synonym für den Begriff des geistigen Eigentums wurde in Deutschland vielfach auch der auf Josef Kohler zurückgehende Begriff Immaterialgüterrecht1 verwendet.2

2.3

Auch wenn die begriffliche und ideengeschichtliche Auseinandersetzung ebenso wie die Suche nach allgemeinen und verbindenden Kennzeichen geistiger Eigentumsrechte in der Rechtswissenschaft andauert,3 so ist unverkennbar, dass der Begriff des geistigen Eigentums vor allem durch europäische und internationale Einflüsse auch in Deutschland Eingang findet, zumal das Verfassungsrecht traditionell keine Bedenken hat, geistiges Eigentum unter den Eigentumsbegriff des Art. 14 GG zu subsumieren (ausdrücklich Art. 17 Abs. 2 EU-Grundrechtecharta).4 Im Folgenden soll der Begriff des geistigen Eigentums daher synonym mit dem Begriff Immaterialgüterrecht als Oberbegriff für alle Ausschließlichkeitsrechte an

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rein schuldrechtlichen Ansprüche zählen, die im Unterschied zum geistigen Eigentum/Immaterialgüterrecht keine absoluten Ausschließlichkeitsrechte begründen, siehe Ohly in Piper/Ohly/Sosnitza, UWG5, Einf A Rz. 3. Im Unterschied zum modernen Verständnis des Immaterialgüterrechts verstand Kohler unter einem Immaterialgüterrecht „ein Recht an einem außerhalb des Menschen stehenden, aber nicht körperlichen, nicht faß- und greifbaren Rechtsgute“, Kohler, Urheberrecht an Schriftwerken und Verlagsrecht, 1; siehe auch ders., Handbuch des Deutschen Patentrechts in rechtsvergleichender Darstellung, 55 ff. Daneben stand nach seiner Auffassung das Individualrecht, welches die Persönlichkeit des Schöpfers schützt und insbesondere bei Namens- und Markenrechten von Bedeutung war, Kohler, AcP 82 (1894), 141, 161 f.; ders., Handbuch des Deutschen Patentrechts in rechtsvergleichender Darstellung, 75 f. Im Unterschied zu dieser Trennung zwischen dem Immaterialgüterrecht als reinen Vermögensrecht und dem Persönlichkeitsrecht werden Immaterialgüterrechte nach moderner Auffassung zwar auch als Vermögensrechte an verselbständigten, regelmäßig unbeschränkt verkehrsfähigen geistigen Gütern verstanden, gleichzeitig aber auch anerkannt, dass sie meist, aber nicht notwendig zusätzlich zur vermögensrechtlichen Komponente einen mehr oder weniger starken persönlichkeitsrechtlichen Gehalt aufweisen können, Götting, Gewerblicher Rechtsschutz9, § 5 Rz. 7. Für eine synonyme Verwendung der Begriffe „geistiges Eigentum“ und „Immaterialgüterrecht“ auch Heinemann, Immaterialgüterschutz in der Wettbewerbsordnung, 6 Fn. 19. Gegen eine Gleichsetzung von „Geistigem Eigentum“ und „Immaterialgüterrecht“ bzw. gegen einen Oberbegriff des geistigen Eigentums Kohler, AcP 82 (1894), 141, 161; Rehbinder, Urheberrecht16, Rz. 97; für einen allgemeinen Begriff aber etwa Ohly, JZ 2003, 545, 550 ff.; Götting, GRUR 2006, 353, 358. Eingehend Jänich, Geistiges Eigentum – eine Komplementärerscheinung zum Sacheigentum?, 90 ff.; siehe auch McGuire in Gebauer/Wiedmann, Zivilrecht unter europäischem Einfluss2, Kapitel 23 Rz. 2, die als verbindende Merkmale Unkörperlichkeit, Ubiquität und Territorialität vorschlägt. BVerfG v. 24.11.2009 – 1 BvR 213/08, GRUR 2010, 332 ff. – Filmurheberrecht; siehe auch EGMR v. 11.1.2007 – 73049/01, GRUR 2007, 696 – Anheuser-Busch/ Portugal; EGMR v. 29.1.2008 – 19247/03, www.echr.coe.int – Balan/Moldawien.

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A. Überblick

einem unkörperlichen (geistigen) und außerpersönlichen Schutzgegenstand verstanden werden. Die wohl anschaulichste Annäherung an dieses Rechtsgebiet lässt sich aus einer schlichten Aufzählung der einzelnen Rechte gewinnen, die gemeinhin als geistiges Eigentum angesehen werden. Anhand ihres Schutzgegenstands lassen sich dabei Ausschließlichkeitsrechte an technischen Schutzgegenständen (Patente, Gebrauchsmuster, Rechte an Halbleitertopographien, i.w.S. auch Sortenschutzrechte), an Kennzeichen (Marken, geschäftliche Bezeichnungen, geographische Herkunftsangaben), an ästhetischen Eigenarten (Geschmacksmuster- oder Designschutz) und an persönlich-geistigen Schöpfungen oder mit solchen Schöpfungen im Zusammenhang stehenden Leistungen (Urheberrechte einschließlich Computerprogrammschutz, dem Urheberrecht verwandte Schutzrechte, Rechte an Datenbanken) unterscheiden1 (dazu B.). Darüber hinaus ist das geistige Eigentum von Nebengebieten wie dem Wettbewerbsrecht oder dem Schutz des Persönlichkeitsrechts abzugrenzen (dazu C.), die aus der Perspektive des Zivilrechts – anders als im Steuerrecht – nicht als geistiges Eigentum angesehen werden.

2.4

2. Internationale Aspekte a) Territorialität geistiger Eigentumsrechte Das Recht des geistigen Eigentums ist traditionell durch den Grundsatz der Territorialität geprägt. Dieser Grundsatz besagt, dass ein Recht des geistigen Eigentums nur in dem Staat Wirkungen entfaltet, für den es verliehen wurde. So können auf Grundlage eines deutschen Patents, Urheber- oder Markenrechts nur Verletzungshandlungen (§§ 12 ff. UrhG, §§ 9 ff. PatG, § 14 MarkenG) untersagt werden, die sich auf deutschem 1 Vgl. die Erklärung der Kommission zu Art. 2 der Richtlinie 2004/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums (2005/295/EG), ABl. EU L 94 v. 13.4.2004, 37: „Artikel 2 Absatz 1 der Richtlinie 2004/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums legt fest, dass die Richtlinie für jede Verletzung von Rechten des geistigen Eigentums gilt, die im Gemeinschaftsrecht und/oder im innerstaatlichen Recht des betreffenden Mitgliedstaats vorgesehen sind. Nach Auffassung der Kommission fallen mindestens folgende Rechte des geistigen Eigentums unter die genannte Richtlinie: Urheberrechte; dem Urheberrecht verwandte Schutzrechte; Schutzrechte sui generis der Hersteller von Datenbanken; Schutzrechte der Schöpfer der Topografien von Halbleitererzeugnissen; Markenrechte; Schutzrechte an Geschmacksmustern; Patentrechte einschließlich der aus ergänzenden Schutzzertifikaten abgeleiteten Rechte; geografische Herkunftsangaben; Gebrauchsmusterrechte; Sortenschutzrechte; Handelsnamen, soweit es sich dabei nach dem Recht des betreffenden Mitgliedstaates um ausschließliche Rechte handelt“. Eine katalogartige Aufzählung findet sich auch in Art. 2 des Kommissionsvorschlags für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Durchsetzung der Rechte geistigen Eigentums durch die Zollbehörden, KOM(2011) 285 endgültig.

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2.5

Kap. 2: Zivilrechtliche Grundlagen

Territorium ereignen.1 Ereignet sich eine Vervielfältigung (§ 16 UrhG) oder Verbreitung (§ 17 UrhG) eines Romans dagegen in Frankreich, so kann der Urheber gegen diese Handlungen nur unter den Bedingungen des dort herrschenden französischen Urheberrechts vorgehen. Hängt die Existenz des Rechts, wie bei Patenten und Marken, von einer Registrierung ab, so muss der Rechteinhaber sicherstellen, dass er das Recht in allen Staaten registriert hat, in denen er später Schutz beanspruchen möchte. Folge des Territorialitätsprinzips ist mithin, dass ein Urheber, Erfinder oder Markeninhaber kein weltweit einheitliches Schutzrecht erwerben kann, sondern sich stets mit einem Bündel unterschiedlicher nationaler Rechte konfrontiert sieht. Dementsprechend muss auch bei der Lizenzierung und bei der Gestaltungsberatung dem Umstand Rechnung getragen werden, dass dieselbe Erfindung oder dasselbe urheberrechtliche Werk in unterschiedlichen Staaten durch unterschiedliche nationale Rechte Schutz genießt.

2.6

Kollisionsrechtliche Folge des Territorialitätsprinzips ist das Schutzlandprinzip (vgl. Art. 8 Rom II-Verordnung2). Nach dieser Regel ist das auf Immaterialgüterrechte und Immaterialgüterrechtsverletzungen anwendbare Recht stets das Recht des Staates, für den der Kläger – ausweislich seines Klageantrags – Schutz beansprucht. Von den immaterialgüterrechtlichen Fragen zu trennen sind allerdings vertragsrechtliche Fragen, die grundsätzlich dem von den Parteien für ihren Vertrag gewählten Recht unterliegen (vgl. Art. 3 Rom I-Verordnung3). b) Inter- und supranationaler Schutz des geistigen Eigentums

2.7

Die durch das Territorialitätsprinzip hervorgerufene Zersplitterung geistiger Eigentumsrechte abzumildern ist Aufgabe zahlreicher internationaler 1 Besondere Schwierigkeiten wirft die Lokalisierung der Verletzungshandlung bei grenzüberschreitenden Sachverhalten auf, insbesondere bei Verletzungshandlungen im Internet. Zur territorialen Reichweite des deutschen Urheberrechts etwa BGH v. 7.11.2002 – I ZR 175/00, GRUR 2003, 328 ff. – Sender Felsberg (zu § 20 UrhG); v. 3.3.2004 – 2 StR 109/03, GRUR 2004, 421 ff. – Tonträgerpiraterie durch CD-Export (zu §§ 16, 17 UrhG bei Exportware); v. 15.2.2007 – I ZR 114/04, GRUR 2007, 871 ff. – Wagenfeld-Leuchte (zu § 17 UrhG bei Importware); v. 29.4. 2010 – I ZR 69/08, GRUR 2010, 628 – Vorschaubilder (zu § 16 UrhG, in Rz. 19 implizit auch zu § 19a UrhG); zum Markenrecht BGH v. 13.10.2004 – I ZR 163/02, NJW 2005, 1435 – hotel-maritime.dk (zum „hinreichenden wirtschaftlich relevanten Inlandsbezug“ als Voraussetzung der Kennzeichenbenutzung im Inland); v. 29.7.2009 – I ZR 169/07, GRUR 2010, 239 – BTK (Leistungsangebot aus dem Inland als Kennzeichenbenutzung im Inland); zum Patentrecht BGH v. 5.7.2005 – X ZR 14/03, GRUR 2005, 845 – Abgasreinigungsvorrichtung (Veräußerung einer selbst nicht geschützten Vorrichtung in das patentfreie Ausland). 2 Verordnung (EG) Nr. 864/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 11.7.2007 über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom II), ABl. L 199 v. 31.7.2007, 40. 3 Verordnung (EG) Nr. 593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 17.6.2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom I), ABl. L 177 v. 4.7.2008, 6.

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A. Überblick

Verträge auf dem Gebiet des geistigen Eigentums. Zu nennen sind im Bereich des Urheberrechts vor allem die Revidierte Berner Übereinkunft (RBÜ) und zum gewerblichen Rechtsschutz die Pariser Verbandsübereinkunft (PVÜ). In jüngerer Zeit von besonderer Bedeutung ist das TRIPSAbkommen, das unter dem Dach der Welthandelsorganisation abgeschlossen wurde und die Schutzstandards von RBÜ und PVÜ aufnimmt und ausbaut. In Europa ist zudem das Europäische Patentübereinkommen (EPÜ) zu nennen, durch das mittels einer einzigen Anmeldung beim Europäischen Patentamt in München nach einem einheitlichen Erteilungsverfahren Patentrechte für alle EPÜ-Mitgliedstaaten erworben werden können, soweit der Anmelder dies beantragt (und für jedes Land eine Gebühr entrichtet). Auch wenn die internationalen Verträge die Inländergleichbehandlung garantieren und eine gewisse Mindestharmonisierung der Schutzstandards vornehmen, so ändern sie nichts an der grundsätzlichen territorialen Zersplitterung in nationale Rechte. Auch unter dem EPÜ ist es deshalb nicht möglich, ein europaweit einheitliches Patent zu erwerben. Vielmehr zerfällt auch ein Europäisches Patent nach der zentralen Erteilung durch das Europäische Patentamt in einzelne nationale Bestandteile, die rechtlich voneinander unabhängig sind (vgl. Art. 138 EPÜ), weshalb man es als „Bündelpatent“ bezeichnet. Ein echtes europaweit einheitliches Recht des geistigen Eigentums kann bisher nur auf Grundlage der europäischen Verordnungen zur Gemeinschaftsmarke (GMVO)1, zum Gemeinschaftsgeschmacksmuster (GGVO)2 und zum Gemeinschaftssortenschutz (GSortenVO)3 erworben werden. Voraussetzung ist ein erfolgreicher Antrag zum Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (HABM) im spanischen Alicante (Marken und Geschmacksmuster) bzw. zum Gemeinschaftlichen Sortenamt im französischen Angers (Sortenschutz). Dabei kann der Schutz der Gemeinschaftsmarke und des Gemeinschaftsgeschmacksmusters neben den Schutz nach nationalen Markenrechten und Geschmacksmustern treten, während im Sortenschutzrecht zwischen nationalem und europäischem Sortenschutz ein Exklusivitätsverhältnis herrscht, d.h. der Anmelder muss sich entweder für ein nationales oder ein europäisches Schutzrecht entscheiden (Art. 92 Abs. 1 GSortenVO). Nach Erteilung des europaweit einheitlichen Schutzrechts obliegt die zivilgerichtliche Durchsetzung der europäischen Schutzrechte den Gerichten der Mitgliedstaaten, die nach den Regeln der GMVO, GGVO und GSortenVO und subsidiär nach den Regeln des nationalen Rechts entscheiden. Bereits seit den siebziger Jahren 1 Verordnung (EG) Nr. 40/94 des Rates v. 20.12.1993 über die Gemeinschaftsmarke, ABl. L 11 v. 14.1.1994, 1, nunmehr konsolidiert durch Verordnung (EG) Nr. 207/2009 des Rates v. 26.2.2009 über die Gemeinschaftsmarke (kodifizierte Fassung), ABl. L 78 v. 24.3.2009, 1. 2 Verordnung (EG) Nr. 6/2002 des Rates v. 12.12.2001 über das Gemeinschaftsgeschmacksmuster, ABl. L 3 v. 5.1.2002, 1. 3 Verordnung (EG) Nr. 2100/94 des Rates v. 27.7.1994 über den gemeinschaftlichen Sortenschutz, ABl. L 227 v. 1.9.1994, 1.

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2.8

Kap. 2: Zivilrechtliche Grundlagen

bemüht sich die EU um die Schaffung auch eines europaweit einheitlichen Patents, ohne dass dies bisher gelungen wäre.1

2.9

Neben der Schaffung europaweit einheitlicher Schutzrechte hat sich die Europäische Union seit den 1990er Jahren auch verstärkt um eine Angleichung der nationalen Rechtsordnungen auf dem Gebiet des Immaterialgüterrechts bemüht. Frucht dieser Bemühungen ist ein immer engmaschigeres Netz von Harmonisierungsrichtlinien, das vom Urheberrecht und den verwandten Schutzrechten2 über das Recht des Datenbankherstellers3 und den Schutz von Mustern und Modellen (Geschmacksmustern)4 bis zu Patenten5 und Marken6 sowie geographischen Angaben und Ursprungs1 Siehe den jüngsten Entwurf der ungarischen Ratspräsidentschaft, Draft agreement on a Unified Patent Court and draft Statute – Presidency text, Ratsdokument Nr. 11533/11 v. 14.6.2011. 2 Richtlinie 91/250/EWG des Rates v. 14.5.1991 über den Rechtsschutz von Computerprogrammen, ABl. EG L 122 v. 17.5.1991, 42, nunmehr konsolidiert durch Richtlinie 2009/24/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23.4. 2009 über den Rechtsschutz von Computerprogrammen (kodifizierte Fassung), ABl. EG L 111 v. 5.5.2009, 16; Richtlinie 92/100/EWG des Rates vom 19. November 1992 zum Vermietrecht und Verleihrecht sowie zu bestimmten dem Urheberrecht verwandten Schutzrechten im Bereich des geistigen Eigentums, ABl. EG L v. 27.11.1992, 61, nunmehr konsolidiert durch Richtlinie 2006/115/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 zum Vermietrecht und Verleihrecht sowie zu bestimmten dem Urheberrecht verwandten Schutzrechten im Bereich des geistigen Eigentums (kodifizierte Fassung), ABl. EG L 376 v. 27.12.2006, 28; Richtlinie 93/83/EWG des Rates vom 27.9.1993 zur Koordinierung bestimmter urheber- und leistungsschutzrechtlicher Vorschriften betreffend Satellitenrundfunk und Kabelweiterverbreitung, ABl. EG L 248 v. 6.10.1993, 15; Richtlinie 93/98/EWG des Rates vom 29.10.1993 zur Harmonisierung der Schutzdauer des Urheberrechts und bestimmter verwandter Schutzrechte, ABl. EG L 290 v. 24.11.1993, 9, nunmehr konsolidiert durch Richtlinie 2006/116/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12.12.2006 über die Schutzdauer des Urheberrechts und bestimmter verwandter Schutzrechte (kodifizierte Fassung), ABl. EG L 372 v. 27.12.2006, 12; Richtlinie 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 22.5.2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft, ABl. EG L 167 v. 22.6.2001, 10; Richtlinie 2001/84/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27.9.2001 über das Folgerecht des Urhebers des Originals eines Kunstwerks, ABl. EG L 272 v. 13.10.2001, 32. Zu den einzelnen Rechtsakten Walter, Europäisches Urheberrecht; Walter/von Lewinski, European Copyright Law. 3 Richtlinie 96/9/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 11.3.1996 über den rechtlichen Schutz von Datenbanken, ABl. EG L 77 v. 27.3.1996, 20. 4 Richtlinie 98/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 13.10.1998 über den rechtlichen Schutz von Mustern und Modellen, ABl. EG L 289 v. 28.10. 1998, 28; siehe auch S. 29 Fn. 2. 5 Richtlinie 98/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 6.7.1998 über den rechtlichen Schutz biotechnologischer Erfindungen, ABl. EG L 213 v. 30.7. 1998, 13; siehe auch die Richtlinie 87/54/EWG des Rates v. 16.12.1986 über den Rechtsschutz der Topographien von Halbleitererzeugnissen, ABl. EG L 24 v. 27.1.1987, 36 und die Verordnung (EG) Nr. 469/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 6.5.2009 über das ergänzende Schutzzertifikat für Arzneimittel (kodifizierte Fassung), ABl. L 152 v. 16.6.2009, 1 sowie die Verordnung

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A. Überblick

bezeichnungen1 reicht und auch Vorgaben zur Rechtsdurchsetzung2 umfasst. Allerdings handelt es sich dabei lediglich3 um eine Rechtsharmonisierung, die – im Unterschied zu den europaweit einheitlichen Schutzrechten – die Zersplitterung in unterschiedliche nationale Schutzrechte unberührt lässt.

II. Geistiges Eigentum im Steuerrecht 1. Überblick Im Steuerrecht findet der Begriff geistiges Eigentum oder Immaterialgüterrecht als Oberbegriff ersichtlich keine Verwendung. Stattdessen bemüht sich der Gesetzgeber regelmäßig um eine enumerative Aufzählung der möglichen Rechte, wobei sich über die Rechte des geistigen Eigentums im zivilrechtlichen Sinne hinaus ein Trend zur Einbeziehung auch wettbewerbsrechtlicher (Know-how-Schutz) und persönlichkeitsrechtlicher Positionen ausmachen lässt.

2.10

2. § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EStG So findet sich in § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EStG (vgl. dazu Rz. 4.70 ff.) eine Regelung, die „Einkünfte aus zeitlich begrenzter Überlassung von Rechten, insbesondere von schriftstellerischen, künstlerischen und gewerblichen Urheberrechten, [und] von gewerblichen Erfahrungen“ zu den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung zählt. Die – nicht abschließende4 – Aufzählung erwähnt nicht nur die zeitlich begrenzte Gestattung der Nutzung von Rechten des geistigen Eigentums im engeren Sinne (also

6

1 2

3 4

(EG) Nr. 1610/96 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 23.7.1996 über die Schaffung eines ergänzenden Schutzzertifikats für Pflanzenschutzmittel, ABl. EG L 198 v. 8.8.1996, 30. Erste Richtlinie 89/104/EWG des Rates v. 21.12.1988 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken, ABl. L 40 v. 11.2.1989, 1 = Richtlinie 2008/95/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 22.10. 2008 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken (kodifizierte Fassung), ABl. L 299 v. 8.11.2008, 25; siehe auch S. 29 Fn. 1. Verordnung (EG) Nr. 510/2006 des Rates v. 20.3.2006 zum Schutz von geografischen Angaben und Ursprungsbezeichnungen für Agrarerzeugnisse und Lebensmittel, ABl. L 93 v. 31.3.2006, 12. Berichtigung der Richtlinie 2004/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29.4.2004 zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums (ABl. L 157 vom 30.4.2004), ABl. EG L 195 v. 2.6.2004, 16; siehe auch Verordnung (EG) Nr. 1383/2003 des Rates vom 22.7.2003 über das Vorgehen der Zollbehörden gegen Waren, die im Verdacht stehen, bestimmte Rechte geistigen Eigentums zu verletzen, und die Maßnahmen gegenüber Waren, die erkanntermaßen derartige Rechte verletzen, ABl. EG L 196 v. 2.8.2003, 7. Etwas anderes gilt für die durch Verordnungen unmittelbar eingeführten Schutzrechte, etwa Fn. 1. BFH v. 28.1.2004 – I R 73/02, BStBl. II 2005, 550 ff.; v. 19.12.2007 – I R 19/06, BStBl. II 2010, 398 ff.

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2.11

Kap. 2: Zivilrechtliche Grundlagen

von Urheberrechten,1 dem Urheberrecht verwandten Schutzrechten,2 Patenten,3 Marken,4 Geschmacks- und Gebrauchsmustern,5 vgl. § 73a Abs. 2 und 3 EStDV6),7 sondern erstreckt sich auch auf Nutzungsentgelte, die aus der Perspektive des Zivilrechts der Nutzung von Persönlichkeitsrechten zuzuordnen sind, z.B. Einnahmen aus der Gestattung der (werblichen) Nutzung des Namens (§ 12 BGB) und des Bilds (§ 22 KUG) einer Person.8 Unerheblich ist, ob es sich bei der überlassenen Rechtsposition um eine lediglich schuldrechtliche Nutzungsgestattung oder um ein echtes immaterialgüterrechtliches („dingliches“) Nutzungsrecht handelt,9 das – wie ein ausschließliches Nutzungsrecht – auch gegenüber Dritten Wirkungen entfaltet und gegenüber diesen durch den Lizenznehmer zivilrechtlich durchgesetzt werden kann (vgl. § 31 Abs. 3 UrhG). Der Hinweis auf „gewerbliche Erfahrungen“ stellt außerdem klar, dass auch nicht durch ein echtes Ausschließlichkeitsrecht geschütztes reines (also lediglich durch das UWG geschütztes) Know-how unter die Vorschrift fallen kann.10 Unsicher ist, ob die Vorschrift auch Vergütungen für die Überlassung von Fernsehübertragungsrechten bei Sportveranstaltungen erfasst.11 1 BFH v. 28.2.1973 – I R 145/70, BStBl. II 1973, 660 ff.: Tantiemen der GEMA; v. 1.12.1982 – I B 11/82, BStBl. II 1983, 367 ff.: Überlassung eines ausschließlichen Nutzungsrechts (§ 31 Abs. 3 UrhG) an einem Drehbuch; v. 23.5.1979 – I R 163/77, BStBl. II 1979, 757: „Überlassung“ des Verlagsrechts (§ 1 Verlagsgesetz), also die gegenständlich beschränkte Überlassung dem Urheber zustehender Verwertungsrechte (§§ 16, 17 UrhG) an seinem Werk (Manuskript) zur Nutzung an den Verleger, so dass dieser ein Nutzungsrecht (§ 31 UrhG) erhält; FG München v. 23.5.2001 – 1 K 3026/97, EFG 2001, 1374 ff.: Rückgriff auf § 73a Abs. 2 EStDV zur Auslegung des § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EStG; siehe auch BFH v. 23.9.1992 – IV B 171/91, BFH/NV 1993, 97 ff. 2 FG München v. 8.11.2006 – 9 K 4233/02, EFG 2007, 360 ff. 3 BFH v. 27.4.1977 – I R 211/74, BStBl. II 1977, 623 ff.; v. 7.12.1977 – I R 54/75, BStBl. II 1978, 355 ff. 4 BFH v. 7.12.1977 – I R 54/75, BStBl. II 1978, 355 ff. (noch zu Warenzeichen). 5 BFH v. 27.4.1977 – I R 211/74, BStBl. II 1977, 623 ff.; v. 23.4.2003 – IX R 57/99, BFH/NV 2003, 1311 ff. 6 Zum Rückgriff auf § 73a Abs. 3 EStDV im Rahmen des § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EStG BFH v. 23.4.2003 – IX R 57/99, BFH/NV 2003, 1311 ff. 7 Heuermann in Blümich, § 21 EStG Rz. 456. 8 BFH v. 28.1.2004 – I R 73/02, BStBl. II 2005, 550 ff.; v. 19.12.2007 – I R 19/06, BStBl. II 2010, 398 ff. 9 BFH v. 23.5.1979 – I R 163/77, BStBl. II 1979, 757 ff.; v. 1.12.1982 – I B 11/82, BStBl. II 1983, 367 ff. Zu den unterschiedlichen Kategorien immaterialgüterrechtlicher Gestattungen jüngst BGH v. 29.4.2010 – I ZR 69/08, GRUR 2010, 628 ff. – Vorschaubilder: Einräumung eines Nutzungsrechts (= „dingliches“ Recht), bloß schuldrechtliche Gestattung der Nutzung, schlichte Einwilligung. 10 BFH v. 4.3.1970 – I R 86/69, BStBl. II 1970, 567 ff.: technische Unterstützung und Beratung sowie Überlassung von Informationen über Fabrikationsmethoden, Verfahren und Rezepte; v. 5.11.1992 – I R 41/92, BStBl. II 1993, 407 ff.: Auf fünf Jahre begrenzte Überlassung fertiger Rezepturen für Medikamente und eines entwickelten Herstellungsverfahrens, wobei die Rezepturen (noch) nicht patentgeschützt sind. 11 Bejaht von FG Köln v. 16.11.2006 – 2 K 1510/05, EFG 2007, 360 ff., offen gelassen von BFH v. 4.3.2009 – I R 6/07, BStBl. II 2009, 625 ff.

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A. Überblick

Ebenso ist unsicher, ob die Gewährung einer Werbemöglichkeit bei Sportveranstaltungen als ein Recht i.S.d. § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EStG angesehen werden kann,1 vgl. dazu Rz. 4.78 und 4.81. Bei Nutzungsrechten an Computerprogrammen ist entscheidend, ob urheberrechtliche Nutzungsbefugnisse im Hinblick auf die Computerprogramme (z.B. zur Vervielfältigung, Bearbeitung und Verbreitung der Programme) überlassen werden2 oder ob es sich lediglich um die Überlassung von Standard-Software zur persönlichen Nutzung durch den Anwender handelt, weil letzteres eher der dauerhaften Veräußerung einer Sache als der zeitweisen Überlassung einer urheberrechtlichen Rechtsposition nahesteht.3 Diese Differenzierung zwischen echtem Lizenzvertrag und bloßem Kauf entspricht einer verbreiteten Strömung im Urheberrecht, die in der Überlassung von Standard-Software i.d.R. keinen Lizenzvertrag, sondern einen Kaufvertrag erblickt.4

2.12

Nicht unter § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EStG fällt demgegenüber eine im Profifußball entrichtete Transferentschädigung, da in diesem Fall nicht das Recht auf Erteilung einer Spielerlaubnis überlassen wird, sondern ein neues immaterielles Wirtschaftsgut („Spielerlaubnis“) beim aufnehmenden Verein entsteht.5 Ebensowenig soll die Vorschrift eine Zahlung erfassen, die ein Widersprechender für den Verzicht auf den Widerspruch gegen die Eintragung einer seiner Marke ähnlichen Marke erhält.6

2.13

3. §§ 49 Abs. 1, 50a Abs. 1 Nr. 3 EStG i.V.m. § 73a Abs. 2, 3 EStDV Neben der allgemeinen Regelung in § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EStG können Entgelte für die Nutzung geistiger Eigentumsrechte (oder benachbarter Rechtspositionen) auch im Kontext der Regeln zur beschränkten Steuerpflicht Bedeutung erlangen (dazu eingehend Rz. 8.1 ff.). So zählt etwa § 49 Abs. 1 Nr. 6 EStG zu den inländischen Einkünften i.S.d. beschränkten Steuerpflicht (§ 1 Abs. 4 EStG) auch „Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung …, wenn … die … Rechte im Inland belegen oder in ein inländisches öffentliches Buch oder Register eingetragen sind oder in einer inlän1 BFH v. 16.5.2001 – I R 64/99, BStBl. II 2003, 641 ff. Die Anwendung des § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EStG schied bereits deshalb aus, weil die in Rede stehende Gestattung der Bandenwerbung sich mit den jeweiligen Sportveranstaltungen „verbrauchte“, so dass keine zeitliche begrenzte Überlassung gegeben war. 2 BFH v. 27.2.2002 – I R 62/01, BFH/NV 2002, 1142; FG München v. 23.5.2001 – 1 K 3026/97, EFG 2001, 1374 Rz. 25 (Juris): Einräumung eines „territorial begrenzte[n] Vertriebsrecht[s], ein[es] Recht[s] zu – aus Anpassungsgründen erforderlichen – Programmänderungen und zu inhaltlichen Programmverbesserungen“ fällt unter § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EStG. 3 FG München v. 23.5.2001 – 1 K 3026/97, EFG 2001, 1374 Rz. 29 (Juris); eingehend Haase, INF 2006, 741; Heuermann in Blümich, § 21 EStG Rz. 456. 4 BGH v. 22.12.1999 – VIII ZR 299/98, NJW 2000, 1415 ff. 5 BFH v. 27.5.2009 – I R 86/07, BStBl. II 2010, 120 ff.; eingehend Sommer/Wecke, CaS 2011, 36 ff. 6 FG Nürnberg v. 14.12.1977 – V 138/75, EFG 1978, 325 ff.

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2.14

Kap. 2: Zivilrechtliche Grundlagen

dischen Betriebsstätte oder in einer anderen Einrichtung verwertet werden“. Der Begriff der „Rechte“ i.S.d. § 49 Abs. 1 Nr. 6 EStG ist gleichsinnig mit den „Rechten“ aufzufassen, die gemäß § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EStG zeitlich begrenzt überlassen werden können,1 so dass insofern auf die Ausführungen unter Rz. 4.75 ff. und 8.107 ff. verwiesen werden kann.

2.15

Weitere Anhaltspunkte zur Konkretisierung des § 49 Abs. 1 Nr. 6 EStG (und auch bereits des § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EStG) gibt schließlich die – nach ihrem Wortlaut lediglich auf § 50a EStG bezogene – Vorschrift des § 73a Abs. 2 und 3 EStDV, die als akzessorische Verfahrensvorschrift auch zur Auslegung des § 49 EStG herangezogen werden kann.2 Gemäß § 50a Abs. 1 Nr. 3 EStG wird die Einkommensteuer bei beschränkt Steuerpflichtigen im Wege des Steuerabzugs erhoben „bei Einkünften, die aus Vergütungen für die Überlassung der Nutzung oder des Rechts auf Nutzung von Rechten, insbesondere von Urheberrechten und gewerblichen Schutzrechten, von gewerblichen, technischen, wissenschaftlichen und ähnlichen Erfahrungen, Kenntnissen und Fertigkeiten, zum Beispiel Plänen, Mustern und Verfahren, herrühren, sowie bei Einkünften, die aus der Verschaffung der Gelegenheit erzielt werden, einen Berufssportler über einen begrenzten Zeitraum vertraglich zu verpflichten (§ 49 Absatz 1 Nummer 2, 3, 6 und 9)“. Unter Urheberrechten i.S.d. § 50a Abs. 1 Nr. 3 EStG (und auch i.S.d. § 49 Abs. 1 Nr. 2, 3, 6 und 9 EStG) sind dabei die Rechte zu verstehen, die nach Maßgabe des Urheberrechtsgesetzes geschützt sind (§ 73a Abs. 2 EStDV), während der Begriff der gewerblichen Schutzrechte in § 50a Abs. 1 Nr. 3 EStG (und § 49 Abs. 1 Nr. 2, 3, 6 und 9 EStG) die Rechte umfasst, die nach dem Geschmacksmustergesetz, dem Patentgesetz, dem Gebrauchsmustergesetz und dem Markengesetz Schutz genießen (§ 73a Abs. 3 EStDV). Die „gewerblichen, technischen, wissenschaftlichen und ähnlichen Erfahrungen“ wiederum beziehen sich auf die Überlassung von Know-how. Unter § 50a Abs. 1 Nr. 3 EStG können schließlich auch sonstige Rechte fallen, wenn sie dem Urheberrechtsgesetz oder den gewerblichen Schutzrechten vergleichbar sind, insbesondere wenn sie eine rechtliche Ausformung in einem Schutzgesetz erfahren haben, was z.B. bei der Nutzungsgestattung im Hinblick auf Persönlichkeitsrechte eines Künstlers oder Sportlers zu Werbezwecken der Fall ist.3 4. Art. 12 Abs. 2 OECD-MA

2.16

Schließlich findet sich auch in Art. 12 Abs. 2 OECD-MA eine abschließende4 Definition von Lizenzgebühren als „Vergütungen jeder Art, die für die Benutzung oder das Recht auf Benutzung von Urheberrechten an lite1 BFH v. 16.5.2001 – I R 64/99, BStBl. II 2003, 641 ff. 2 Siehe Loschelder in Schmidt30, § 49 EStG Rz. 1 unter Hinweis auf die Akzessorietät der Verfahrensvorschrift des § 50a EStG. 3 BMF v. 25.11.2010 – IV C 3-S 2303/09/10002, BStBl. I 2010, 1350 Tz. 22. 4 Von Pannwitz in Haase, Außensteuergesetz – Doppelbesteuerungsabkommen, Art. 12 MA Rz. 80.

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A. Überblick

rarischen, künstlerischen oder wissenschaftlichen Werken, einschließlich kinematographischer Filme, von Patenten, Warenzeichen, Mustern und Modellen, Plänen, geheimen Formeln oder Verfahren oder für die Mitteilung gewerblicher, kaufmännischer oder wissenschaftlicher Erfahrungen gezahlt werden“. Eine nähere Definition der möglichen „Lizenzgegenstände“ nimmt das OECD-MA nicht vor, so dass die Konkretisierung gemäß Art. 3 Abs. 2 OECD-MA dem jeweiligen nationalen Recht zu entnehmen ist.1 Dies empfiehlt sich auch deshalb, weil trotz internationaler Harmonisierung auf dem Gebiet des geistigen Eigentums nicht zwangsläufig sämtliche einer nationalen Rechtsordnung bekannten Immaterialgüterrechte auch in internationale Verträge Eingang gefunden haben.2 Zu den Rechten, die als Lizenzgegenstände i.S.d. Art. 12 Abs. 2 OECDMA in Betracht kommen, zählt die steuerrechtliche Literatur „den Kernbestand der absolut geschützten Immaterialgüterrechte (Urheberrechte, Patente, Warenzeichen3), die ‚minderen‘ Ausschließlichkeitsrechte (Muster, Modelle, Pläne), das allenfalls relativ geschützte Geheimwissen (geheime Formeln oder Verfahren) und schließlich das ungeschützte Knowhow (gewerbliche, kaufmännische oder wissenschaftliche Erfahrungen)“.4 Aus der Perspektive des Zivilrechts erfasst werden damit zunächst sämtliche5 „echte“ Immaterialgüterrechte, also das Urheberrecht und die dem Urheberrecht verwandten Schutzrechte6, Patent- und Markenrechte7 sowie Geschmacks- und Gebrauchsmuster8, wobei bestimmte Formen der Softwareüberlassung und das einmalige Herunterladen digitaler Pro1 Pöllath/Lohbeck in Vogel/Lehner5, Art. 12 OECD-MA Rz. 42: „Heranziehung nationalen Rechts zur Auslegung von Ausdrücken, die Abs. 2 zur Definition der „Lizenzgebühr“ verwendet“; von Pannwitz in Haase, Außensteuergesetz – Doppelbesteuerungsabkommen, Art. 12 MA Rz. 81. 2 Zum Beispiel das sui-generis-Recht des Datenbankherstellers, §§ 87a ff. UrhG. 3 Der Begriff wurde im Zivilrecht inzwischen durch den Begriff „Marke(nrecht)“ abgelöst. 4 Pöllath/Lohbeck in Vogel/Lehner5, Art. 12 OECD-MA Rz. 60. 5 Nicht erwähnt werden Sortenschutzrechte, die aber wohl zumindest im Wege der Analogie erfasst sein dürften. 6 Zur Einbeziehung der dem Urheberrecht verwandten Schutzrechte Pöllath/Lohbeck in Vogel/Lehner5, Art. 12 OECD-MA Rz. 61 mit Verweis auf die Beispiele im OECD-MK Rz. 66a ff., die sich auf Leistungsschutzrechte beziehen. 7 Einschließlich geographischer Herkunftsangaben (§§ 125 ff. MarkenG) und geschäftlicher Bezeichnungen, also Unternehmenskennzeichen und Werktiteln (§ 5 MarkenG), von Pannwitz in Haase, Außensteuergesetz – Doppelbesteuerungsabkommen, Art. 12 MA Rz. 107 f. Allerdings handelt es sich bei der Nutzung des Konzernnamens nur dann um Lizenzgebühren, wenn der Name als Marke geschützt wird und dieser Marke ein eigener Wert zukommt, BFH v. 9.8. 2000 – I R 12/99, BStBl. II 2001, 140 ff. 8 „Pläne“ begründen kein eigenes Immaterialgüterrecht. Ihr Inhalt kann als Lehre zum technischen Handeln als Patent oder Gebrauchsmuster geschützt sein, oder die Darstellung kann urheberrechtlichen Schutz (§ 2 Abs. 1 Nr. 7 UrhG) genießen. Zudem kommt ein Schutz als Betriebsgeheimnis (§§ 17, 18 UWG) oder aufgrund vertraglicher Geheimhaltungsvereinbarungen in Betracht.

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2.17

Kap. 2: Zivilrechtliche Grundlagen

dukte1 ebenso wie einzelne Auftritte von Künstlern2 nicht unter Art. 12 Abs. 2 OECD-MA gefasst werden.

2.18

Darüber hinaus geht die Umschreibung der Lizenzgegenstände in Art. 12 Abs. 2 OECD-MA (ebenso wie in § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EStG) über geistiges Eigentum im zivilrechtlichen Sinne als echtes Ausschließlichkeitsrecht hinaus und erstreckt sich auch auf „Pläne, geheime Formeln und Verfahren“ (Know-how i.e.S.) und „gewerbliche, kaufmännische und wissenschaftliche Erfahrungen“ (Know-how i.w.S.). Während das Know-how i.e.S. offenbar auf den Schutz von Betriebsgeheimnissen zielt (§§ 17, 18 UWG), erfasst der Begriff des Know-how i.w.S. „nicht verbreitete Informationen industrieller, kommerzieller oder wissenschaftlicher Art, die sich aus früheren Erfahrungen speist und aus deren Nutzung sich ein wirtschaftlicher Vorteil ergeben kann“,3 die allerdings weder geschützt noch i.e.S. „geheim“ sind.4 Es betrifft damit eine Kategorie von Erfahrungswissen, das im Zivilrecht allenfalls aufgrund vertraglicher Geheimhaltungsvereinbarungen geschützt ist. Vergütungen für Sportübertragungsrechte fallen bei Live-Übertragungen unter Art. 17 OECD-MA, während Vergütungen für Aufzeichnungsrechte von Art. 12 OECD-MA erfasst sind.5

2.19

Nicht von Art. 12 Abs. 2 OECD-MA erfasst werden sollen demgegenüber die Persönlichkeitsrechte eines Künstlers oder Sportlers, insbesondere das Recht am eigenen Namen und am eigenen Bild. Auch wenn in Deutschland das Recht am eigenen Bild z.T. im Kunsturhebergesetz (KUG) geregelt ist, so handelt es sich nicht um einen Bestandteil des Urheberrechts, sondern um eine Konkretisierung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts, das sich ohne Überdehnung des Wortlauts nicht mehr unter Art. 12 Abs. 2 OECD-MA subsumieren lässt.6

1 Im Einzelnen Pöllath/Lohbeck in Vogel/Lehner5, Art. 12 OECD-MA Rz. 64a f.; von Pannwitz in Haase, Außensteuergesetz – Doppelbesteuerungsabkommen, Art. 12 MA Rz. 85 ff. 2 Pöllath/Lohbeck in Vogel/Lehner5, Art. 12 OECD-MA Rz. 66a f. 3 OECD-MK Art. 12 Rz. 11: „undivulged information of an industrial, commercial or scientific nature arising from previous experience, which has practical application in the operation of an enterprise and from the disclosure of which an economic benefit can be derived“. 4 Pöllath/Lohbeck in Vogel/Lehner5, Art. 12 OECD-MA Rz. 71 f. 5 Pöllath/Lohbeck in Vogel/Lehner5, Art. 12 OECD-MA Rz. 65. 6 Pöllath/Lohbeck in Vogel/Lehner5, Art. 12 OECD-MA Rz. 66c; wohl a.A. von Pannwitz in Haase, Außensteuergesetz – Doppelbesteuerungsabkommen, Art. 12 MA Rz. 82.

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B. Die einzelnen Rechte des geistigen Eigentums

B. Die einzelnen Rechte des geistigen Eigentums I. Urheberrecht und verwandte Schutzrechte 1. Einführung Das Urheberrechtsgesetz widmet sich zum einen dem Schutz von Werken (persönlich-geistigen Schöpfungen, § 2 Abs. 2 UrhG) auf dem Gebiet der Literatur, Wissenschaft oder Kunst. Zum anderen sieht das UrhG in seinem zweiten Teil dem Urheberrecht verwandte Rechte vor, die wissenschaftliche (§§ 70, 71 UrhG), künstlerische (§§ 72, 73 ff.) oder unternehmerische (§§ 81, 85, 87, 87a, 94, 95 UrhG) Leistungen auf kulturellem Gebiet schützen, die als solche keine Werke i.S.d. § 2 Abs. 2 UrhG darstellen, z.B. die Leistung des Lichtbildners (§ 72 UrhG), des ausübenden Künstlers (§§ 73 ff. UrhG), des Tonträgerherstellers (§ 85 UrhG), des Sendeunternehmens (§ 87 UrhG), des Filmherstellers (§ 94 UrhG) und des Datenbankherstellers (§§ 87a ff. UrhG).

2.20

Der Schutz durch das Urheberrecht und die verwandten Leistungsschutzrechte wird formlos allein aufgrund des Realakts der Schöpfung oder Herstellung gewährt, es bedarf weder einer Registrierung noch einer Veröffentlichung. Trotz bedeutsamen internationalen und europäischen Einflüssen auf das Urheberrecht insbesondere in Gestalt europäischer Harmonisierungsrichtlinien1 existiert nach wie vor kein supranationaler Urheberrechtsschutz, so dass der Schöpfer eines Werks Schutz nur nach den jeweiligen nationalen Urheberrechtsgesetzen genießt. Die Verletzung eines Urheberrechts oder verwandten Schutzrechts, also die Vornahme einer dem Rechtsinhaber vorbehaltenen Benutzungshandlung (§§ 12 ff. UrhG), hat urheberdeliktische Ansprüche nach den §§ 97 ff. UrhG zur Folge, die auf Unterlassung, Beseitigung, Schadensersatz und Auskunft gerichtet sein können.

2.21

2. Schutzvoraussetzungen a) Urheberrecht Gemäß § 1 UrhG genießen Urheber (§§ 7, 8 UrhG) für ihre Werke (§ 2 UrhG) Schutz nach Maßgabe des Urheberrechtsgesetzes. Werke i.S.d. des Urheberrechtsgesetzes sind gemäß § 2 Abs. 2 UrhG nur persönlich geistige Schöpfungen. § 2 Abs. 1 UrhG ergänzt einen (nicht abschließenden, „insbesondere“) Katalog geschützter Werkarten, zu denen Sprachwerke (auch Computerprogramme, dazu §§ 69a ff. UrhG), Musikwerke, pantomimische Werke, Werke der bildenden Kunst, Lichtbildwerke, Filmwerke2 und Darstellungen wissenschaftlicher und technischer Art zählen können. Aus § 2 Abs. 2 UrhG („persönliche geistige Schöpfungen“) lassen 1 Dazu oben Rn. 2.9. 2 Zu Filmen siehe auch die Sonderregeln in §§ 88 ff. UrhG.

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2.22

Kap. 2: Zivilrechtliche Grundlagen

sich drei Voraussetzungen für den Schutz durch das Urheberrecht ableiten. Zunächst bedarf es einer persönlichen Schöpfung, d.h. einer menschlichen Tätigkeit. Bei maschinengenerierten Schöpfungen kann nur dann Urheberschutz eingreifen, wenn der menschliche Wille den Entstehungsprozess steuert.1

2.23

Darüber hinaus setzt der Urheberschutz eine wahrnehmbare Formgestaltung des Werks voraus. Diese Form muss nicht dauerhaft sein, auch eine flüchtige musikalische Darbietung oder die wörtliche Rede können Urheberschutz genießen. Sie muss auch nicht vollendet sein, so dass auch Entwürfe oder Skizzen urheberrechtlich geschützt sein können.2 Sie muss nicht einmal mit menschlichen Sinnen wahrnehmbar sein, so dass auch nur durch technische Geräte (DVD-Spieler, Computer) vermittelte Werke (z.B. Filme, digitalisierte Musik, Computerprogramme) Urheberschutz genießen können. Nicht geschützt werden allerdings bloße (nicht in einer konkreten Form verkörperte) Ideen oder Anleitungen zur Formgestaltung (z.B. ein Sendeformat oder ein Konzept für eine Werbekampagne), selbst wenn diese ein individuell erarbeitetes Leistungsergebnis darstellen.3

2.24

Als wichtigste Voraussetzung setzt der Urheberschutz sodann eine „persönliche Schöpfung von individueller Ausdruckskraft“4, also die Individualität des Werks voraus. Dies impliziert zum einen das Erfordernis eines geistigen Inhalts, so dass sportliche5 oder akrobatische6 Aufführungen ausscheiden. Zum anderen setzt der Urheberschutz eine gewisse Gestaltungshöhe des Werks voraus, die sich – abhängig von der Werkgattung – sowohl aus der Form (z.B. Art und Weise der Darstellung und sprachlicher Ausdruck,7 Zusammenstellung, Darstellung, Ordnung des Stoffes) wie aus dem Inhalt des Werks ergeben kann.8 Traditionell stellt die Rechtspre1 Verneint bei vollautomatischen Satellitenaufnahmen, LG Berlin v. 30.5.1989 – 16 O 33/89, GRUR 1990, 270 f. – Satellitenfoto. 2 BGH v. 23.6.2005 – I ZR 227/02, GRUR 2005, 854 ff. – Karten-Grundsubstanz. 3 BGH v. 26.6.2003 – I ZR 176/01, GRUR 2003, 876 ff. – Sendeformat; siehe auch OLG Köln v. 22.6.2009 – 6 U 226/08, ZUM 2010, 179 ff. – DHL im All: kein Schutz für Werbekampagnenkonzept. 4 OLG Köln v. 18.6.2003 – 6 U 25/03, GRUR-RR 2003, 265 ff. – Wanderführer. 5 EuGH v. 4.10.2011 – C-403/08, www.curia.eu – Football Association Premier League. 6 OLG Köln v. 2.2.2007 – 6 U 117/06, GRUR-RR 2007, 263 ff. – Arabeske: „künstlerisch-tänzerisches Element“ erforderlich. 7 EuGH v. 16.7.2009 – C-5/08, EuGHE 2009, I-6569 – Infopaq. 8 Während sich die Gestaltungshöhe fiktionaler Sprachwerke (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 UrhG, z.B. Romane) aus Form wie Inhalt ergeben kann (BGH v. 29.4.1999 – I ZR 65/96, NJW 2000, 2202 ff. – Laras Tochter), ist für die Individualität von Schriftwerken wissenschaftlicher oder technischer Art (z.B. Bedienungsanleitungen) ebenso wie bei wissenschaftlich-technischen Darstellungen (§ 2 Abs. 1 Nr. 7 UrhG) allein die Individualität der Formgestaltung entscheidend, weil der (wissenschaftlich-technische) Inhalt gemeinfrei bleiben soll, BGH v. 12.7.1990 – I ZR 16/89, NJW-RR 1990, 1513 ff. – Themenkatalog; v. 10.10.1991 – I ZR 147/89, GRUR 1993, 34 ff. – Bedienungsanweisung; v. 11.4.2002 – I ZR 231/99, GRUR 2002, 958 ff. – Technische Lieferbedingungen.

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B. Die einzelnen Rechte des geistigen Eigentums

chung dabei je nach Werkgattung unterschiedlich hohe Anforderungen an die Gestaltungshöhe des Werks. Bei den meisten Werkarten (literarischen Sprachwerken,1 Computerprogrammen,2 Datenbankwerken,3 Musik,4 Filmen,5 Lichtbildwerken,6 wissenschaftlich-technischen Darstellungen7) genießt bereits die „kleine Münze“ Urheberschutz. Es genügt also bereits eine „individuelle – sich vom alltäglichen Schaffen (…) abhebende – Geistestätigkeit (…), wenn auch das Maß an Eigentümlichkeit, an individueller Prägung gering sein“ mag.8 Folge einer geringen Eigentümlichkeit des Werks ist allerdings auch ein entsprechend geringer Schutzumfang, so dass eine lediglich ähnliche Nachahmung häufig nicht mehr vom Urheberschutz erfasst sein wird.9 Demgegenüber verlangt die – nicht immer konsistente10 – Rechtsprechung bei Schriftwerken, die einem praktischen Gebrauchszweck dienen (z.B. Bedienungsanleitungen,11 Anwaltsschriftsätzen,12 Verkehrswertgutachten13) ebenso wie bei Werken der angewandten Kunst (§ 2 Abs. 1 Nr. 4 UrhG, z.B. Möbeln,14 Schmuck,15 Mode, Gitarren,16 Architektur,17 Design, Computergraphiken18) ein „deutliches Überragen der Durchschnittsgestaltung“19, 1 BGH v. 15.9.1999 – I ZR 57/97, GRUR 2000, 144 ff. – Comic-Übersetzungen II. 2 § 69a Abs. 3 UrhG. 3 § 4 Abs. 2 UrhG, BGH v. 24.5.2007 – I ZR 130/04, GRUR 2007, 685 ff. – Gedichtetitelliste I: „Auswahl oder Anordnung des Inhalts der Datenbank eine eigene geistige Schöpfung des Urhebers“. Das Urheberrecht am Datenbankwerk ist zu unterscheiden vom Leistungsschutzrecht des Datenbankherstellers (§§ 87a ff. UrhG). 4 BGH v. 24.1.1991 – I ZR 72/89, NJW-RR 1991, 812 ff. – Brown Girl II: „verhältnismäßig geringe[r] Eigentümlichkeitsgrad (…), ohne daß es dabei auf den künstlerischen Wert ankommt“. 5 OLG Frankfurt v. 25.1.2005 – 11 U 25/04, ZUM 2005, 477 ff. – TV Total. 6 BGH v. 3.11.1999 – I ZR 55/97, NJW-RR 2000, 343 ff. – Werbefotos; LG Hamburg v. 16.5.2007 – 308 O 460/06, ZUM-RD 2008, 30 ff. 7 BGH v. 11.4.2002 – I ZR 231/99, GRUR 2002, 958 ff. – Technische Lieferbedingungen; v. 23.6.2005 – I ZR 227/02, GRUR 2005, 854 ff. – Karten-Grundsubstanz. 8 BGH v. 10.10.1991 – I ZR 147/89, GRUR 1993, 34 ff. – Bedienungsanweisung. 9 BGH v. 10.10.1991 – I ZR 147/89, GRUR 1993, 34 ff. – Bedienungsanweisung. 10 Schack, Urheber- und Urhebervertragsrecht5, Rz. 204. 11 BGH v. 10.10.1991 – I ZR 147/89, GRUR 1993, 34 ff. – Bedienungsanweisung. 12 BGH v. 17.4.1986 – I ZR 213/83, GRUR 1986, 739 ff. – Anwaltsschriftsatz; siehe auch OLG München v. 16.10.2007 – 29 W 2325/07, GRUR 2008, 337 ff. – Presserechtliches Warnschreiben; großzügig BGH v. 21.11.1991 – I ZR 190/89, NJW 1992, 1316 ff. – Leitsätze (zur Schutzfähigkeit nichtamtlicher Leitsätze gerichtlicher Entscheidungen). 13 KG v. 11.5.2011 – 24 U 28/11, ZUM 2011, 566 ff. – Sachverständigengutachten. 14 OLG Hamburg v. 1.11.2011 – 3 U 115/99, ZUM-RD 2002, 181 ff. – Tripp-TrappStuhl. 15 BGH v. 22.6.1995 – I ZR 119/93, GRUR 1995, 581 ff. – Silberdistel. 16 BGH v. 5.3.1998 – I ZR 13/96, GRUR 1998, 830 ff. – Les Paul Gitarren. 17 BGH v. 19.1.1989 – I ZR 6/87, GRUR 1989, 416 ff. – Bauaußenkante. 18 OLG Köln v. 20.3.2009 – 6 U 183/08, GRUR-RR 2010, 141 ff. – 3D-Messestände. 19 BGH v. 22.6.1995 – I ZR 119/93, GRUR 1995, 581 ff. – Silberdistel; OLG Hamburg v. 1.11.2011 – 3 U 115/99, ZUM-RD 2002, 181 ff. – Tripp-Trapp-Stuhl.

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2.25

Kap. 2: Zivilrechtliche Grundlagen

weil bei praktischen Gebrauchswerken ein weiter Bereich von Ausdrucksformen jedermann zugänglich bleiben soll und zudem für den Designschutz das Geschmacksmusterrecht (GeschmMG) nicht vollständig durch einen weitgreifenden Urheberschutz ausgehöhlt werden soll. Diese Rechtsprechung wird allerdings in jüngster Zeit durch die Judikatur des EuGH in Zweifel gezogen, der es für den Urheberschutz von Sprachwerken – selbst wenn diese Gebrauchszwecken dienen – genügen lässt, dass es sich um eine „eigene geistige Schöpfung ihres Urhebers“1 handelt.

2.26

Neben dem Gesamtwerk können auch bloße Werkteile (z.B. eine einzelne Taktsequenz, eine Comicfigur oder ein Textausschnitt) Urheberschutz genießen, wenn der betreffende Werkteil den Anforderungen des § 2 Abs. 2 UrhG genügt, also insbesondere für sich bereits eine persönlichgeistige Schöpfung mit hinreichender Gestaltungshöhe ausmacht.2 Bei Kombinationswerken (z.B. Text und Musik bei Musikstücken) sind die Einzelteile grundsätzlich gesondert zu beurteilen (d.h. die Urheberschaft des Texts kann von der des Musikwerks zu unterscheiden sein). Eine einheitliche Beurteilung, ggfs. mit der Folge der Miturheberschaft der verschiedenen Autoren (§ 8 UrhG) erfolgt nur dann, wenn die einzelnen Teile nicht selbständig verwertbar sind. Vom Urheberschutz gemäß § 5 UrhG ausgenommen sind amtliche Werke regelnden Inhalts (§ 5 Abs. 1 UrhG, z.B. Gesetze) sowie andere amtliche Werke, die im „amtlichen Interesse zur allgemeinen Kenntnisnahme veröffentlicht worden sind“ (§ 5 Abs. 2 UrhG). Letzteres erfordert ein spezifisches Verbreitungsinteresse, das nach Art und Bedeutung der Information darauf gerichtet ist, dass der Nachdruck und die Verwendung der Information für jedermann freigegeben sind.3 b) Verwandte Schutzrechte

2.27

Neben dem Urheberrecht schützt das UrhG auch Leistungen, die im Zusammenhang mit geistigen Schöpfungen i.S.d. § 2 UrhG erbracht werden, als solche aber nicht den Charakter eines urheberrechtlich geschützten Werks erreichen. Regelmäßig gewähren diese verwandten Schutzrechte oder Leistungsschutzrechte einen zeitlich und inhaltlich gegenüber dem Urheberrecht begrenzteren Schutz. Ihre Verletzung fällt ebenfalls unter §§ 97 ff. UrhG und ist unabhängig von der etwaigen Verletzung von Urheberrechten zu beurteilen. Aufgrund der Parallelität von Urheberrecht und Leistungsschutzrechten ist es ohne weiteres möglich, dass an demselben Schutzgegenstand – etwa einer in einem Tonträger verkörperten 1 EuGH v. 16.7.2009 – C-5/08, EuGHE 2009, I-6569 – Infopaq (Zeitungsartikel); v. 22.12.2010 – C-393/09, GRUR 2011, 220 ff. – BSA (Computersoftware und graphische Benutzeroberflächen). 2 EuGH v. 16.7.2009 – C-5/08, EuGHE 2009, I-6569 – Infopaq; v. 4.10.2011 – C-403/08, www.curia.eu – Football Association Premier League: Werkteile müssen „Elemente enthalten, die die eigene geistige Schöpfung ihres Urhebers zum Ausdruck bringen“. 3 BGH v. 20.7.2006 – I ZR 185/03, GRUR 2007, 137 ff. – Bodenrichtwertsammlung.

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B. Die einzelnen Rechte des geistigen Eigentums

Melodie – parallele Rechte unterschiedlicher Rechteinhaber bestehen können.1 Abgesehen von dem praktisch kaum relevanten Schutz wissenschaftlicher Ausgaben und nachgelassener Werke (§§ 70, 71 UrhG)2 widmen sich die Leistungsschutzrechte dem Schutz der Lichtbildner (§ 72 UrhG), der ausübenden Künstler (§§ 73 ff. UrhG) und des Veranstalters der Darbietungen ausübender Künstler (§ 81 UrhG), der Hersteller von Tonträgern (§ 85 UrhG), des Sendeunternehmens (§ 87 UrhG), des Datenbankherstellers (§§ 87a ff. UrhG) und des Herstellers von Filmen und Laufbildern (§§ 94, 95 UrhG). Die durch die Leistungsschutzrechte verliehenen Rechtspositionen zeichnen sich zunächst durch eine gegenüber dem Urheberrecht kürzere Schutzdauer aus. Zudem räumt das Gesetz – sieht man von den Rechten der §§ 70–72 UrhG ab – den Leistungsschutzberechtigten nicht sämtliche Urheberpersönlichkeits- und Verwertungsrechte ein, sondern verleiht ihnen nur bestimmte Verwertungs- und z.T. auch Urheberpersönlichkeitsrechte.3 Auch können die meisten der leistungsschutzrechtlichen Rechtspositionen übertragen werden (§ 79 Abs. 1 Satz 1, § 85 Abs. 2 Satz 1, § 87 Abs. 2 Satz 1, § 94 Abs. 2 Satz 1 UrhG),4 während das Urheberrecht als solches einschließlich der urheberrechtlichen Verwertungsrechte rechtsgeschäftlich unübertragbar ist (§ 29 UrhG) und nur Gegenstand von Nutzungsrechten (§ 31 UrhG) sein kann.

2.28

Auf der anderen Seite ist der Schutz durch Leistungsschutzrechte leichter zu erlangen und in seinem Inhalt z.T. sogar weitreichender als der Schutz durch das Urheberrecht, weil er nicht an eine persönlich-geistige Schöpfung anknüpft. Beispielsweise entsteht das Recht des Tonträgerherstellers an einem Tonträger (§§ 85, 16 Abs. 2 UrhG) oder des Filmherstellers an einem Filmträger (§§ 94, 95 UrhG) bereits mit der ersten Fixierung auf dem Träger, ohne dass der fixierte Inhalt eine persönlich-geistige Schöpfung darstellen müsste.5 Deshalb soll nach der Rechtsprechung bereits die Übernahme einer sehr kurzen Sequenz von einem Ton- oder Filmträger das Recht des Herstellers (§§ 85, 94, 95 UrhG) verletzen, obwohl das Urheberrecht des Komponisten oder Regisseurs noch nicht betroffen ist, weil der übernommene Teil für sich keine schutzfähige persönlich-geis-

2.29

1 Urheberrecht des Komponisten und ggfs. des Textdichters, Leistungsschutzrechte der aufführenden Künstler, Tonträgerschutz des Tonträgerherstellers. 2 Dazu BGH v. 22.1.2009 – I ZR 19/07, GRUR 2009, 942 ff. – Motezuma. 3 Zum ausübenden Künstler etwa KG v. 18.11.2003 – 5 U 350/02, GRUR-RR 2004, 129 ff. – Modernisierung einer Liedaufnahme. 4 Gleiches gilt für das Leistungsschutzrecht des Datenbankherstellers, Thum in Wandtke/Bullinger, Praxiskommentar zum Urheberrecht3, Vor §§ 87a ff. Rz. 27. Als Folge der entsprechenden Anwendung des ersten Teils des UrhG auf §§ 70, 71 und 72 UrhG sind diese Rechte ebenso wie das Urheberrecht unübertragbar. 5 Schaefer in Wandtke/Bullinger, Praxiskommentar zum Urheberrecht3, § 85 Rz. 3 f.; Manegold in Wandtke/Bullinger, Praxiskommentar zum Urheberrecht3, § 94 Rz. 21.

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Kap. 2: Zivilrechtliche Grundlagen

tige Schöpfung i.S.d. § 2 Abs. 2 UrhG darstellt.1 Ähnliches gilt für den Lichtbildschutz nach § 72 UrhG, der nach der Rechtsprechung für (nahezu) jede – auch vollkommen banale – Fotografie eingreift.2 c) Schutzdauer

2.30

Das Urheberrecht gewährt Schutz für 70 Jahre nach dem Tod des letzten an der Schöpfung beteiligten Urhebers (§§ 64, 65 UrhG). Die Schutzdauer der Leistungsschutzrechte ist kürzer und reicht von 15 (§ 87d UrhG) über 25 (§§ 70 Abs. 3, 71 Abs. 3 UrhG) bis zu 50 Jahren (§§ 72 Abs. 1, 82, 85 Abs. 3, 87 Abs. 3, 94 Abs. 3, 95 UrhG). 3. Rechtsinhaber

2.31

Inhaber des Urheberrechts ist der Schöpfer des Werks (§ 7 UrhG). Unerheblich ist, ob er dabei als Beauftragter eines anderen gehandelt hat, so dass nach deutschem Urheberrecht niemals eine juristische Person Schöpfer sein kann. Da das Urheberrecht auch nur durch Erbgang übertragbar ist (§§ 28, 29 UrhG), sind juristische Personen oder andere Auftraggeber darauf angewiesen, sich die zur Verwertung des Werks erforderlichen Nutzungsrechte – auch von ihren Arbeitnehmern (vgl. § 43 UrhG) – auf vertraglichem Wege einräumen zu lassen.

2.32

Bei den Leistungsschutzrechten ist zu unterscheiden: Während die §§ 70–72 UrhG ebenso wie das Urheberrecht dem Schöpferprinzip und dem Grundsatz der Unübertragbarkeit folgen, entstehen die unternehmensbezogenen Rechte der §§ 81, 85, 87, 94, 95 UrhG unmittelbar in der Person desjenigen, der den Herstellungsvorgang organisatorisch steuert und wirtschaftlich verantwortet, so dass auch eine juristische Person die Leistungsschutzrechte originär erwerben kann. Gemäß § 10 Abs. 1 UrhG wird als Urheber vermutet, wer auf den Vervielfältigungsstücken eines erschienenen Werks oder auf dem Original eines Werks der bildenden Künste in üblicher Weise als Urheber bezeichnet wird.3 4. Inhalt des Urheberrechts a) Überblick

2.33

Regeln zum Inhalt des Urheberrechts finden sich in den §§ 11–27 UrhG. Die dort geregelten Befugnisse sind nach deutschem Rechtsverständnis Teil eines einzigen, unübertragbaren Urheberrechts, so dass der Urheber 1 BGH v. 20.12.2007 – I ZR 42/05, GRUR 2008, 693 ff. – TV Total; v. 20.11.2008 – I ZR 112/06, GRUR 2009, 403 ff. – Metall auf Metall. 2 BGH v. 8.11.1989 – I ZR 14/88, GRUR 1990, 669 ff. – Bibelreproduktion. Ausnahmen betreffen die Fotografie einer Fotografie sowie (str.) ein nicht durch strahlende Energie erzeugtes Computerbild, dazu OLG Köln v. 20.3.2009 – 6 U 183/08, GRUR-RR 2010, 141 ff. – 3D-Messestände. 3 Der Begriff der Üblichkeit ist weit auszulegen, BGH v. 26.2.2009 – I ZR 142/06, GRUR 2009, 1046 ff. – Kranhäuser.

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B. Die einzelnen Rechte des geistigen Eigentums

nur Nutzungsrechte an seinen Befugnissen begründen, niemals aber das Verwertungsrecht oder andere Teile des Urheberrechts selbst übertragen kann. Die Verletzung des Urheberrechts setzt voraus, dass der vermeintliche Verletzer eine Handlung vorgenommen hat, die zu den nach §§ 12 ff. UrhG dem Urheber vorbehaltenen Befugnissen gehört (z.B. eine Vervielfältigung oder Verbreitung des Werkes). Wird ein Verhalten nicht von den §§ 12 ff. UrhG erfasst, so ist es – vorbehaltlich des besonderen Schutzes technischer Schutzmaßnahmen (§§ 95a ff. UrhG) – urheberrechtlich zulässig. Bei den Inhalten des Urheberrechts unterscheidet das Gesetz zwischen Urheberpersönlichkeitsrechten (Veröffentlichungsrecht,1 Recht auf Anerkennung der Urheberschaft,2 Schutz gegen Entstellung des Werks,3 §§ 12–14 UrhG), Verwertungsrechten (§§ 15–23 UrhG) und sonstigen Rechten (Zugangsrecht, Folgerecht, Vergütung für Vermietung und Verleih, §§ 25–27 UrhG). Die in der Praxis wichtigsten Befugnisse sind die (gesetzlich nicht abschließenden, vgl. § 15 Abs. 1 UrhG: „insbesondere“) Verwertungsrechte,4 die zwischen der körperlichen und unkörperlichen Verwertung unterscheiden.

2.34

b) Verwertung in körperlicher Form Eine körperliche Verwertung erfolgt in der Praxis vor allem5 durch Vervielfältigung (§ 16 UrhG) und Verbreitung (§ 17 UrhG). Das Vervielfältigungsrecht bezeichnet das Recht, Vervielfältigungsstücke des Werks herzustellen, gleich ob vorübergehend oder dauerhaft, in welchem Verfahren und in welcher Zahl (§§ 16 Abs. 1, 69c Nr. 1 UrhG). Das Recht ist grundsätzlich weit auszulegen und erfasst auch lediglich flüchtige Vervielfältigungen wie etwa das Einspeichern in den Zwischenspeicher eines Com1 Zum Begriff der Veröffentlichung § 6 Abs. 1 UrhG sowie OLG Zweibrücken v. 21.2.1997 – 2 U 30/96, GRUR 1997, 363 ff. – Jüdische Friedhöfe; KG v. 27.11.2007 – 5 U 63/07, GRUR-RR 2008, 188 ff. – Günter-Grass-Briefe. 2 Zum Namensnennungsrecht BGH v. 24.5.2007 – I ZR 42/04, GRUR 2007, 691 ff. – Staatsgeschenk; v. 1.12.2010 – I ZR 12/08, GRUR 2011, 134 ff. – Perlentaucher; OLG München v. 22.5.2003 – 29 U 5051/02, GRUR-RR 2004, 33 ff. – Pumuckl-Illustrationen; OLG Hamm v. 7.8.2007 – 4 U 14/07, ZUM-RD 2008, 8 ff. 3 Dazu BGH v. 19.3.2008 – I ZR 166/05, GRUR 2008, 984 ff. – St. Gottfried; v. 18.12.2008 – I ZR 23/06, GRUR 2009, 395 ff. – Klingeltöne für Mobilfunktelefone. 4 Zur europäischen Harmonisierung des Rechts zur Vervielfältigung, Verbreitung und öffentlichen Wiedergabe Art. 2, 3, 4 RL 2001/29; zum Verständnis als Vollharmonisierung BGH v. 22.1.2009 – I ZR 247/03, GRUR 2009, 840 ff. – Le Corbusier Möbel II. Zur verfassungsrechtlichen Fundierung BVerfG v. 24.11.2009 – 1 BvR 213/08, GRUR 2010, 332 ff. – Filmurheberrecht: „Der Urheber hat nach dem Inhalt der Eigentumsgarantie grundsätzlich einen Anspruch darauf, dass ihm der wirtschaftliche Nutzen seiner Arbeit zugeordnet wird, soweit nicht Gründen des gemeinen Wohls der Vorrang vor den Belangen des Urhebers zukommt“. 5 Das Ausstellungsrecht des § 18 UrhG betrifft nur den seltenen Fall der öffentlichen Ausstellung eines unveröffentlichten Werkes der bildenden Kunst oder eines unveröffentlichten Lichtbildwerkes.

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2.35

Kap. 2: Zivilrechtliche Grundlagen

puters (vgl. § 44a UrhG). Erfasst wird auch die Dimensionsveränderung, etwa durch Fotografie eines Bauwerks (vgl. § 59 Abs. 1 UrhG) oder durch Errichtung eines Bauwerks anhand eines Plans.1

2.36

Das Verbreitungsrecht ist das Recht, das Original oder Vervielfältigungsstücke des Werks in der Öffentlichkeit anzubieten oder in Verkehr zu bringen (§§ 17 Abs. 1, 69c Nr. 3 UrhG). Dieses Recht erfasst die Verbreitung an die Öffentlichkeit in beliebiger Form durch Verkauf oder auf sonstige Weise, die mit einer Übertragung des Eigentums an diesem Gegenstand verbunden ist,2 so dass die nur vorübergehende Überlassung des Besitzes von der Vorschrift nicht erfasst wird (zum Vermietrecht §§ 17 Abs. 3, 27, 69c Nr. 3 UrhG).3 Der Begriff der Öffentlichkeit ist in § 15 Abs. 3 UrhG definiert und setzt das Inverkehrbringen an eine Person voraus, die nicht mit demjenigen, der das Werk verwertet, durch persönliche Beziehungen verbunden ist. Im Interesse der Verkehrsfähigkeit von Vervielfältigungsstücken4 erschöpft sich das Verbreitungsrecht nach § 17 Abs. 2 UrhG (§ 69c Nr. 3 Satz 2 UrhG), wenn das Original oder Vervielfältigungsstücke des Werks mit Zustimmung des Berechtigten im Gebiet der Europäischen Union oder des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) im Wege der Veräußerung (endgültigen Überlassung) in Verkehr gebracht wurden. Aufgrund des Zustimmungserfordernisses kann der Rechteinhaber die Erschöpfung des Verbreitungsrechts aber an Bedingungen knüpfen, sofern es sich um zulässige Beschränkungen des Nutzungsrechts i.S.d. § 31 Abs. 1 Satz 2 UrhG handelt.5 c) Verwertung in unkörperlicher Form

2.37

Sämtliche Formen der Verwertung in unkörperlicher Form setzen eine öffentliche Wiedergabe des Werks voraus (§ 15 Abs. 2 UrhG), also eine Wiedergabe für eine Mehrzahl von Personen, die weder mit demjenigen, der das Werk verwertet, noch mit den anderen Personen, denen das Werk in unkörperlicher Form wahrnehmbar gemacht wird, durch persönliche Beziehungen verbunden sind (§ 15 Abs. 3 UrhG). Eine öffentliche Wieder1 Der Hersteller einer Vervielfältigung ist grundsätzlich derjenige, der die Vervielfältigung technisch bewerkstelligt. Bedient sich der Auftraggeber zur Vervielfältigung eines Dritten, so ist die Herstellung nur dann dem Auftraggeber zuzurechnen, wenn die Voraussetzungen des § 53 Abs. 1 Satz 2 UrhG erfüllt sind, BGH v. 22.4.2009 – I ZR 216/06, GRUR 2009, 845 ff. – Internet-Videorecorder. 2 EuGH v. 17.4.2008 – C-456/06, GRUR 2008, 604 ff. – Le Corbusier Möbel; BGH v. 22.1.2009 – I ZR 247/03, GRUR 2009, 840 ff. – Le Corbusier Möbel II. 3 Von Ungern-Sternberg, GRUR 2010, 277. 4 BGH v. 11.2.2010 – I ZR 178/08, GRUR 2010, 822 – Half-Life 2. 5 Dies ist nur der Fall, wenn die Beschränkung eine „hinreichend klar abgrenzbare, wirtschaftlich-technisch als einheitlich und selbständig erscheinende Nutzungsart“ bezeichnet, BGH v. 12.12.1991 – I ZR 165/89, GRUR 1992, 310 ff. – Taschenbuch-Lizenz; v. 6.7.2000 – I ZR 244/97, GRUR 2001, 153 ff. – OEM-Version. Keine hinreichend klar abgrenzbare Nutzungsart sind preisliche Absprachen, die daher keine Nutzungsrechtsbeschränkung mit dinglicher Wirkung begründen und damit die Erschöpfung nicht hindern können.

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B. Die einzelnen Rechte des geistigen Eigentums

gabe wird bejaht etwa bei der Wiedergabe in den Gemeinschaftsräumen von Altersheimen1 und Gefängnissen2, bei größeren Betriebsfeiern3 und bei Veranstaltungen, zu denen Gäste zugelassen sind.4 Das Recht zur öffentlichen Wiedergabe umfasst zunächst das Recht, ein Sprach- oder Musikwerk öffentlich vorzutragen (§ 19 Abs. 1 UrhG) oder aufzuführen (§ 19 Abs. 2 UrhG)5 und die Aufführungen außerhalb des Veranstaltungsraums durch technische Einrichtungen öffentlich wahrnehmbar zu machen (§ 19 Abs. 3 UrhG). Das Vorführungsrecht des § 19 Abs. 4 UrhG zielt auf zweidimensionale Projektion von insbesondere Film- und Lichtbildwerken durch technische Einrichtungen6 und erfasst damit vor allem Kinovorführungen. Wer auf einen Bild- oder Tonträger aufgezeichnete Vorträge oder Aufführungen öffentlich wahrnehmbar macht (z.B. Musikberieselung in Gaststätten), greift in das Zweitverwertungsrecht des § 21 UrhG ein.

2.38

Zum Recht auf öffentliche Wiedergabe zählt ferner das Recht, das Werk Mitgliedern der Öffentlichkeit von Orten und zu Zeiten ihrer Wahl zugänglich zu machen, also „Dritten de[n] Zugriff auf das sich in der Zugriffssphäre des Vorhaltenden befindende geschützte Werk“ zu eröffnen (§ 19a UrhG, z.B. durch Upload in einem Computernetzwerk).7 § 19a UrhG erfasst bereits das öffentliche Zugänglichmachen der Werke durch Freischaltung in einem Computernetzwerk, ohne dass es auf den späteren Abruf durch individuelle Nutzer ankommt. Während die bloße Verlinkung von Internetinhalten keine urheberrechtlich beachtliche Nutzungshandlung darstellt, greift ein Internetlink in Form eines „Deep Link“ in das Recht aus § 19a UrhG ein, wenn dadurch „eine vom Berechtigten eingerichtete technische Schutzvorrichtung umgangen wird“.8

2.39

Im Unterschied zur zeitversetzten und vom Nutzer gesteuerten öffentlichen Zugänglichmachung (§ 19a UrhG) zielt das Senderecht (§ 20 UrhG) auf ein zeitgleiche Übertragung des Werks auf elektromagnetischem Wege an die Öffentlichkeit.9 Während der Empfang der Sendung nicht von § 20 UrhG erfasst wird, ist für die Anwendung der Norm im Fall der Wei-

2.40

1 BGH v. 12.7.1974 – I ZR 68/73, GRUR 1975, 33 ff. – Alterswohnheim. 2 BGH v. 7.6.1984 – I ZR 57/82, GRUR 1984, 734 ff. – Vollzugsanstalten. 3 BGH v. 24.6.1955 – I ZR 178/53, GRUR 1955, 549 ff. – Betriebsfeiern (über 100 Arbeitnehmer). 4 BGH v. 7.10.1960 – I ZR 17/59, GRUR 1961, 97 ff. – Sportheim. 5 § 19 Abs. 2 UrhG unterscheidet die konzertmäßige und die bühnenmäßige Aufführung, die sich durch „bewegtes Spiel im Raum“ (bühnenmäßige Aufführung) unterscheiden, BGH v. 3.7.2008 – I ZR 204/05, GRUR 2008, 1081 ff. – Musical Starlights. 6 Schack, Urheber- und Urhebervertragsrecht5, Rz. 448. 7 BGH v. 29.4.2010 – I ZR 39/08, GRUR 2011, 56 ff. – Session-ID. 8 BGH v. 29.4.2010 – I ZR 39/08, GRUR 2011, 56 ff. – Session-ID. 9 BGH v. 22.4.2009 – I ZR 216/06, GRUR 2009, 845 ff. – Internet-Videorecorder; Schack, Urheber- und Urhebervertragsrecht5, Rz. 451 f.; siehe § 20a UrhG: Ausführung der Sendung maßgeblich.

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Kap. 2: Zivilrechtliche Grundlagen

tersendung entscheidend, ob durch die Sendung eine neue Öffentlichkeit erschlossen wird. Dies wird bei einer Verteileranlage in einem üblichen Wohnhaus verneint, bei Verteileranlagen innerhalb eines größeren Gebäudes (Krankenhaus, Gefängnis) allerdings bejaht.1 Wer eine Sendung nicht weitersendet, sondern lediglich auf Bildschirmen oder Lautsprechern öffentlich wahrnehmbar macht (abspielt), greift zwar nicht in das Senderecht des § 20 UrhG, aber in das Zweitverwertungsrecht des § 22 UrhG ein. d) Bearbeitung

2.41

Zu den dem Urheber vorbehaltenen Rechten zählt schließlich die Bearbeitung (§ 23 UrhG). Unter einer Bearbeitung versteht man eine neue persönlich-geistige Schöpfung, die auf einem bestehenden Werk aufbaut, z.B. die Übersetzung oder Verfilmung eines Romans (§ 3 UrhG). Bearbeitungen und andere Umgestaltungen bedürfen zu ihrer Veröffentlichung oder Verwertung der Einwilligung des Urhebers des Ausgangswerks (§ 23 Satz 1 UrhG). Besteht die Bearbeitung in einer Verfilmung oder einem Nachbau u. ä., so bedarf sogar die Herstellung der Bearbeitung der Zustimmung des Urhebers (§ 23 Satz 2 UrhG). Die nach § 23 UrhG zustimmungspflichtige Bearbeitung und Umgestaltung ist von der nicht zustimmungspflichtigen freien Benutzung i.S.d. § 24 UrhG abzugrenzen. Entscheidend ist dabei der „Abstand, den das neue Werk zu den entlehnten eigenpersönlichen Zügen des benutzten Werkes hält“. Sofern im Angesicht des neuen Werks die „entlehnten eigenpersönlichen Züge des geschützten älteren Werkes verblassen“, ist die Benutzung nach § 24 UrhG gestattet.2 e) Gesetzliche Vergütungsansprüche

2.42

Während die Verwertungsrechte der §§ 16–23 UrhG dem Urheber gestatten, bestimmte Verhaltensweisen zu verbieten und nur gegen Zahlung eines Entgelts zu gestatten, sehen die gesetzlichen Vergütungsansprüche eine Entschädigung des Urhebers für Handlungen vor, die er grundsätzlich gestatten muss, für die er aber durch eine „angemessene Vergütung“ entschädigt wird. Derartige Ansprüche, z.B. auf Vergütung für die Vermietung eines Bild- oder Tonträgers (§ 27 Abs. 1 UrhG) oder auf Vergütung von den Herstellern von Geräten und Speichermedien zur Erstellung von Privatkopien (§ 54 UrhG) sind in aller Regel im Voraus nur an eine Verwertungsgesellschaft oder einen Verleger abtretbar und werden regelmäßig durch Verwertungsgesellschaften (z.B. GEMA, VG Wort) geltend gemacht (§§ 27 Abs. 1 Satz 3, Abs. 3, 63a UrhG). Aufgabe solcher Gesellschaften ist die Wahrnehmung von Nutzungsrechten, Einwilligungsrech1 BGH v. 8.7.1993 – I ZR 124/91, GRUR 1994, 45 ff. – Verteileranlagen. 2 BGH v. 1.12.2010 – I ZR 12/08, GRUR 2011, 134 ff. – Perlentaucher. Der erforderliche Abstand kann danach auch bei Erkennbarkeit des ursprünglichen Werkes gewahrt sein, wenn es sich um eine kritische Auseinandersetzung, eine Parodie oder Satire handelt.

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B. Die einzelnen Rechte des geistigen Eigentums

ten oder Vergütungsansprüchen nach dem UrhG für Rechnung mehrerer Urheber oder Leistungsschutzberechtigter zur gemeinsamen Auswertung (§ 1 UrhWG1). Die vom Deutschen Patent- und Markenamt beaufsichtigten Verwertungsgesellschaften nehmen treuhänderisch die genannten Rechte ihrer Mitglieder wahr und verteilen die Erlöse nach bestimmten Verteilungsplänen (§ 7 UrhWG) an ihre Mitglieder. Voraussetzung für die Rechtewahrnehmung ist der Abschluss eines Wahrnehmungsvertrags, wobei die Verwertungsgesellschaften einem doppelten Kontrahierungszwang unterliegen. Zum einen müssen sie gegenüber den Wahrnehmungsberechtigten einen Wahrnehmungsvertrag zu angemessenen Bedingungen abschließen (Wahrnehmungszwang, § 6 Abs. 1 UrhWG), zum anderen ist die Verwertungsgesellschaft verpflichtet, jedem Nutzer zu angemessenen Bedingungen Nutzungsrechte einzuräumen (Abschlusszwang, § 11 UrhWG). 5. Schranken des Urheberrechts Auch wenn eine Handlung grundsätzlich vom Verbotsrecht des Urhebers erfasst wird, bedeutet dies nicht zwangsläufig, dass sie auch rechtswidrig ist. Denn wie alle Immaterialgüterrechte unterliegen auch die Ausschließlichkeitsbefugnisse des Urheberrechts gewissen Schranken (§§ 44a– 63 UrhG), die sich systematisch in vier Gruppen einteilen lassen, nämlich Schranken zum Schutz staatlicher Interessen (z.B. § 45 UrhG), zum Schutz der Interessen der Wirtschaft (z.B. §§ 55, 56 UrhG), zum Schutz privater Interessen (z.B. die Privatkopie, § 53 UrhG) sowie zur Förderung der geistigen Auseinandersetzung (z.B. das Zitatrecht, § 51 UrhG), wobei eine Schranke auch mehreren Interessen dienen kann (z.B. die Gestattung vorübergehender Vervielfältigungshandlungen, § 44a UrhG). Zuweilen wird die Begrenzung des Urheberrechts durch eine Schranke dadurch kompensiert, dass dem Urheber im Gegenzug ein gesetzlicher Vergütungsanspruch gewährt wird (z.B. §§ 54 ff. UrhG bei der Privatkopie). Ist die Werknutzung aufgrund einer Urheberrechtsschranke zulässig, so sind die allgemeinen Anforderungen der §§ 62 und 63 UrhG zu beachten (Änderungsverbot und Quellenangabe).

2.43

6. Das Urheberrecht im Rechtsverkehr a) Überblick Auch wenn das Urheberrecht im Grundsatz nicht durch Rechtsgeschäft übertragen werden kann (§ 29 Abs. 1 UrhG), so gestattet das Gesetz die Einräumung von dinglich wirkenden Nutzungsrechten (§ 31 UrhG), die schuldrechtliche Einwilligung in die Nutzung, die faktische Gestattung der Nutzung2 sowie bestimmte Rechtsgeschäfte über Urheberpersönlich1 Gesetz über die Wahrnehmung von Urheberrechten und verwandten Schutzrechten v. 9.9.1965, BGBl. I 1965, 1294. 2 Zu den Kategorien urheberrechtlicher Nutzungsgestattungen BGH v. 29.4.2010 – I ZR 69/08, GRUR 2010, 628 ff. – Vorschaubilder.

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2.44

Kap. 2: Zivilrechtliche Grundlagen

keitsrechte (§ 29 Abs. 2 UrhG). Die Rechtsquellen dieses Urhebervertragsrechts finden sich vor allem in den §§ 28–44 UrhG (für Filme ergänzend §§ 88 ff. UrhG), darüber hinaus auch im Verlagsgesetz, im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) und (für Verträge mit Arbeitnehmern) im Arbeitsund Tarifvertragsrecht. Die Regeln des Urhebervertragsrechts gelten auch in Verträgen mit Arbeitnehmern (§ 43 UrhG, siehe aber § 69b UrhG), so dass Arbeitsverträge mit Kreativen auch Regeln zur Lizenzierung von Urheberrechten vorsehen sollten. b) Nutzungsrechte

2.45

Terminologisch sind im Urhebervertragsrecht die Begriffe Verwertungsrecht, Nutzungsrecht, Lizenz und Nutzungsart zu unterscheiden: – Verwertungsrecht: Die Verwertungsrechte beschreiben nur allgemein, welche Verwertungsmöglichkeiten dem Urheber gesetzlich vorbehalten sind (§§ 15 ff. UrhG). Sie sind unübertragbar (§ 29 Abs. 1 UrhG) und verbleiben stets beim Urheber. – Nutzungsrecht: Als Nutzungsrecht bezeichnet man das einem anderen vom Urheber eingeräumte dingliche Recht, das Werk auf einzelne oder alle Nutzungsarten zu nutzen (§ 31 Abs. 1 Satz 1 UrhG). Aufgrund der Unübertragbarkeit des Urheberrechts handelt es sich um ein Tochterrecht des Urheberrechts und wird durch den Nutzungsvertrag dem Nutzer konstitutiv eingeräumt.1 Es kann als einfaches (§ 31 Abs. 2 UrhG) oder ausschließliches (§ 31 Abs. 3 UrhG) Recht eingeräumt werden und räumlich, zeitlich oder inhaltlich beschränkt werden (§ 31 Abs. 1 Satz 2 UrhG, z.B. als Bearbeitungsrecht, Vermietrecht, Nutzung zu Werbezwecken etc.). Der ausschließlich Nutzungsberechtigte kann eigenständig neben dem Urheber im Umfang seiner Nutzungsberechtigung ein Verbotsrecht gegenüber unbefugten dritten Nutzern geltend machen.2 Er darf auch – grundsätzlich aber nur mit Zustimmung des Urhebers – weitere Nutzungsrechte einräumen (§§ 31 Abs. 3, 35 Abs. 1 UrhG). Der einfach Nutzungsberechtigte hingegen erwirbt nur ein eigenes Nutzungsrecht, ohne Dritten die Benutzung verbieten zu können. Grundsätzlich sind Verträge über Nutzungsrechte formfrei möglich (Gegenschluss zu § 40 UrhG), in der Praxis empfiehlt sich die Wahrung der Schriftform. Ein häufig verwendetes Synonym für das Nutzungsrecht ist die „Lizenz“.3

2.46

– Das Nutzungsrecht ist zu unterscheiden von der bloß schuldrechtlichen Gestattung oder Vereinbarung über die Nutzung. Ebenso wie beim Sacheigentum zwischen schuldrechtlicher Verpflichtung und dinglicher Verfügung zu unterscheiden ist, ist im Urheberrecht zwischen der dinglichen – auch gegenüber Dritten wirksamen – Einräu1 Grunert in Wandtke/Bullinger, Praxiskommentar zum Urheberrecht3, § 31 Rz. 1. 2 BGH v. 12.12.1991 – I ZR 165/89, GRUR 1992, 310 ff. – Taschenbuch-Lizenz. 3 Grunert in Wandtke/Bullinger, Praxiskommentar zum Urheberrecht3, § 31 Rz. 2.

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B. Die einzelnen Rechte des geistigen Eigentums

mung eines Nutzungsrechts und der zugrunde liegenden schuldrechtlichen Verpflichtung zu trennen (Trennungsprinzip). Ob über die Trennung hinaus auch im Urheberrecht eine rechtliche Unabhängigkeit von Verpflichtung und Verfügung anzuerkennen ist (Abstraktionsprinzip), ist umstritten.1 – Nutzungsart: Der Begriff der Nutzungsart dient der Kennzeichnung der „konkreten wirtschaftlichen und technischen Verwendungsform“ innerhalb der urheberrechtlichen Verwertungsrechte der §§ 15 ff. UrhG, die dem Nutzungsrecht unterliegen soll. Ihre „inhaltliche Bestimmung richtet sich (…) danach, ob es sich um eine nach der Verkehrsauffassung als solche hinreichend klar abgrenzbare, wirtschaftlich-technisch als einheitlich und selbständig erscheinende Nutzungsart“ handelt.2 Soweit sich schuldrechtliche Vereinbarungen nicht auf eine konkrete Nutzungsart i.S.d. § 31 Abs. 1 Satz 2 UrhG beziehen (z.B. lediglich den Absatzpreis betreffen), wirken sie nur schuldrechtlich zwischen den Vertragsparteien, beeinflussen aber nicht den Inhalt des Nutzungsrechts und binden daher auch nicht Dritte, die vom Ersterwerber abgeleitete Nutzungsrechte erwerben und sich auf den Erschöpfungsgrundsatz berufen können. Im Unterschied zum Sacheigentum kennt das Urheberrecht keinen gutgläubigen Erwerb von Nutzungsrechten, d.h. grundsätzlich muss jeder Nutzungsberechtigte seine Berechtigung in lückenloser Kette vom Urheber nachweisen. § 33 UrhG vermittelt allerdings zum Schutz der Nutzungsberechtigten einen Sukzessionsschutz gegenüber späteren Nutzungsrechten bei Wechsel oder Verzicht des Inhabers des Rechts, der das Nutzungsrecht ursprünglich eingeräumt hat. Die Rechtsprechung hat diesen Grundsatz unlängst dahingehend erweitert, dass auch bei Rückruf des ausschließlichen Nutzungsrechts gemäß § 41 UrhG vom (insolvent gewordenen) Ersterwerber ein einfaches Nutzungsrecht, das vom Ersterwerber einem Zweiterwerber eingeräumt wurde, unberührt bleibt.3 Eine Übertragung von Nutzungsrechten ist nach § 34 Abs. 1 UrhG grundsätzlich nur mit Zustimmung des Urhebers möglich, die allerdings nicht treuwidrig verweigert werden darf. Ebenso darf der Inhaber ausschließlicher Nutzungsrechte weitere Nutzungsrechte grundsätzlich nur mit Zustimmung des Urhebers einräumen, die nicht treuwidrig versagt werden darf (§ 35 Abs. 1, Abs. 2 UrhG).

2.47

c) Zwingender Urheberschutz Im Unterschied zum Patent- und Markenrecht finden sich im UrhG neben den technischen Vorschriften des Urhebervertragsrechts auch spezi1 Zur eingeschränkten Geltung des Abstraktionsprinzips im Urheberrecht OLG Karlsruhe v. 25.10.2006 – 6 U 174/05, ZUM-RD 2007, 76 ff. 2 BGH v. 12.12.1991 – I ZR 165/89, GRUR 1992, 310 ff. – Taschenbuch-Lizenz; BGH v. 6.7.2000 – I ZR 244/97, GRUR 2001, 153 ff. – OEM-Version. 3 BGH v. 26.3.2009 – I ZR 153/06, GRUR 2009, 946 ff. – Reifen Progressiv.

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2.48

Kap. 2: Zivilrechtliche Grundlagen

fische zwingende Regeln, die den Urheber vor einem allzu weitgehenden Ausverkauf („Rechte-Buy-Out“) schützen wollen. Diesem Zweck dient zunächst der Zweckübertragungsgrundsatz (§ 31 Abs. 5 UrhG), der als die §§ 133, 157, 305c Abs. 2 BGB modifizierende Auslegungsregel besagt, dass der Urheber bei unklaren Vertragsbestimmungen im Zweifel nur diejenigen Nutzungsrechte einräumt, die zur Erreichung des Vertragszwecks erforderlich sind. Um Unsicherheiten über den Umfang der Nutzungsrechtseinräumung vorzubeugen empfiehlt sich daher eine klare – enumerative – Aufzählung aller gewünschten Nutzungsrechte im Vertrag. Darüber hinaus kennt das Urheberrecht in §§ 32, 32a, 32c UrhG zwingende (§ 32b UrhG) Ansprüche auf angemessene Vergütung (§ 32 UrhG) und weitere Beteiligung bei unerwartet besonders erfolgreichen Werken (§ 32a UrhG, „Bestsellerparagraph“) und bei später bekannt gewordenen Nutzungsarten (§ 32c UrhG). §§ 41 und 42 UrhG eröffnen dem Urheber zudem besondere, nur eingeschränkt verzichtbare (§§ 41 Abs. 4, 42 Abs. 2 UrhG) Rückrufrechte wegen Nichtausübung und gewandelter Überzeugung.

2.49

Auftraggeber des Urhebers (insbesondere sein Arbeitgeber) sind damit darauf angewiesen, sich von dem Urheber Nutzungsrechte einräumen zu lassen. Für das Arbeitsverhältnis verweist § 43 UrhG dementsprechend auf die Anwendung der §§ 31 ff. UrhG. Aus dem Arbeitsverhältnis trifft den Urheber aber regelmäßig die Pflicht, seinem Arbeitgeber die Nutzungsrechte insoweit einzuräumen, wie dieser sie für dienstliche oder betriebliche Zwecke benötigt. Für Computerprogramme sieht § 69b UrhG einen automatischen Übergang aller vermögensrechtlichen Befugnisse auf den Arbeitgeber vor.

II. Patentrecht 1. Einführung

2.50

Während das Urheberrecht dem Schutz persönlich-geistiger Schöpfungen dient, zielen das Patentrecht und die anderen technischen Schutzrechte (insbesondere das Gebrauchsmuster) auf den Schutz technischer Erfindungen. Der Schutz durch ein Patent wird für Erfindungen erteilt, die neu sind, auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhen und gewerblich anwendbar sind (§ 1 Abs. 1 PatG). Als reines Registerrecht muss das Patentrecht – im Unterschied zum Urheberrecht – im Rahmen eines behördlichen Patenterteilungsverfahrens entweder vom Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA, §§ 34 ff. PatG) oder vom Europäischen Patentamt nach den Regeln des Europäischen Patentübereinkommens (Art. 75 ff. EPÜ) mit Wirkung für Deutschland erteilt worden sein (§ 49 Abs. 1 PatG, Art. 97 Abs. 2 EPÜ). Ohne Patentanmeldung ist ein Patentschutz nicht möglich, d.h. die Erfindung wird gemeinfrei, sobald sie veröffentlicht wurde, und kann dann – mangels Neuheit – auch nicht mehr patentiert werden. In Betracht kommt allenfalls ein Schutz als Geschäftsgeheimnis (§§ 17, 18 UWG), der allerdings im Unterschied zum Patentrecht kein echtes Ausschließlichkeitsrecht verleiht. 50

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B. Die einzelnen Rechte des geistigen Eigentums

Zentral für den Schutzbereich des Patents ist die Formulierung des oder der Patentansprüche bei der Anmeldung (§§ 14, 34 Abs. 3 Nr. 3 PatG i.V.m. § 9 PatV; Art. 69, 84 EPÜ). Die Patentansprüche können einteilig oder zweiteilig (nach Oberbegriff und kennzeichnendem Teil geteilt) gefasst sein (§ 9 PatV), wobei der Oberbegriff die Merkmale wiedergibt, die bereits zum Stand der Technik zählen, und der kennzeichnende Teil die Merkmale der Erfindung beschreibt, für die über den nicht patentfähigen Stand der Technik hinaus Schutz begehrt wird. Ein zweiteiliger Patentanspruch für eine Streuscheibe für Signallaternen könnte etwa wie folgt formuliert sein:1

2.51

„Streuscheibe für eine Signallaterne mit vorgegebener Lichtstärkeverteilung in der Umgebung der optischen Achse insbesondere für Eisenbahn- und/oder Straßenverkehrs-Lichtsignale [Oberbegriff], dadurch gekennzeichnet [Einleitung des kennzeichnenden Teils], dass die Streuscheibe aus einem Halterahmen und mehreren Scheibenausschnitten, die je für sich hergestellt sind und jeweils einen bestimmten Teil der Lichtstreuung hervorrufen, zusammengesetzt ist.“

Auf die Formulierung der Patentansprüche ist besondere Sorgfalt zu verwenden, da sie einerseits die Reichweite des Schutzbereichs des Patents definieren, andererseits eine zu weite Fassung das Patent angreifbar machen kann. Es empfiehlt sich die Hinzuziehung eines mit der betreffenden technischen Fachdisziplin vertrauten Patentanwalts. 2. Schutzvoraussetzungen a) Patentantrag Voraussetzung für die Erteilung eines Patents ist zunächst ein entsprechender Patentantrag, der neben bestimmten formellen Kriterien (§§ 34, 37, 38 PatG) vor allem den materiellen Voraussetzungen für den Patentschutz gemäß §§ 1–5 PatG genügen muss.2 Gemäß § 1 Abs. 1 PatG (Art. 52 Abs. 1 EPÜ) muss es sich also um eine technische Erfindung handeln, die nicht von der Patentierbarkeit ausgeschlossen ist (§ 2 PatG, Art. 53 EPÜ, z.B. wegen Verstoß gegen die guten Sitten oder die öffentliche Ordnung), neu ist (§ 3 PatG, Art. 54 EPÜ), auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht (§ 4 PatG, Art. 56 EPÜ) und gewerblich anwendbar ist (§ 5 PatG, Art. 57 EPÜ).

2.52

b) Patentfähigkeit Unter einer Erfindung versteht die Rechtsprechung eine „Lehre zum planmäßigen [technischen, vgl. Art 27 Abs. 1 TRIPS] Handeln unter Einsatz beherrschbarer Naturkräfte zur Erreichung eines kausal übersehbaren Er1 Zu diesem Beispiel Deutsches Patent- und Markenamt, Merkblatt für Patentanmelder, http://www.dpma.de/docs/service/formulare/patent/p2791.pdf, S. 12. 2 Auf eine Darstellung des Patenterteilungsverfahrens wird im Folgenden verzichtet, da dieses in aller Regel in der Hand von Patentanwälten liegt.

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2.53

Kap. 2: Zivilrechtliche Grundlagen

folgs“1, der die Folge beherrschbarer Naturkräfte und nicht einer abwägenden Tätigkeit des menschlichen Geistes ist,2 kurz: um die Lösung eines Problems (Aufgabe) mit technischen Mitteln.3 Die Erfindung kann auch biologisches Material betreffen (vgl. § 1 Abs. 2, § 1a PatG). Keine Erfindungen und damit nicht patentfähig sind demgegenüber bloße Entdeckungen und wissenschaftliche Theorien oder mathematische Methoden, ästhetische Formschöpfungen (Schutz über Urheber- oder Geschmacksmusterrecht möglich), Pläne, Regeln und Verfahren für gedankliche oder geschäftliche Tätigkeiten, Programme für Datenverarbeitungsanlagen „als solche“4 sowie die bloße Wiedergabe von Informationen (§ 1 Abs. 3 PatG, Art. 52 Abs. 2 EPÜ).

2.54

Neben dem Erfordernis einer technischen Erfindung bedarf es außerdem der Neuheit (§ 3 PatG, Art. 54 EPÜ) der Erfindung. Eine Erfindung gilt gemäß § 3 Abs. 1 PatG (Art. 54 Abs. 1 EPÜ) als neu, wenn sie nicht zum Stand der Technik gehört. Der Stand der Technik umfasst dabei zunächst alle Kenntnisse, die vor dem für den Zeitrang der Anmeldung maßgeblichen Tag5 weltweit durch Beschreibung, Benutzung oder auf sonstige Weise der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurden. Zudem zählen zum Stand der Technik auch alle nicht veröffentlichten, älteren inländischen Patentanmeldungen (§ 3 Abs. 2 PatG, Art. 54 Abs. 3 EPÜ). Nicht neuheitsschädlich sind frühere Offenbarungen der Erfindung, die nicht früher als sechs Monate vor der Einreichung der Patentanmeldung erfolgt sind und entweder auf einer amtlich anerkannten internationalen Ausstellung erfolgt sind oder sich auf einen offensichtlichen Missbrauch zum Nachteil des Anmelders zurückführen lassen (§ 3 Abs. 4 PatG, Art. 55 EPÜ).

2.55

Die Neuheit ist objektiv ohne Rücksicht auf die Kenntnis des Erfinders oder Patentanmelders zu beurteilen. Um zu beurteilen, ob eine Erfindung neu ist, ist jede einzelne Entgegenhaltung aus dem Stand der Technik mit der zu prüfenden Erfindung zu vergleichen. Dabei ist es nicht zulässig, mehrere Entgegenhaltungen (z.B. zwei Veröffentlichungen) zu kombinieren. Neuheitsschädlich sind deshalb nur Entgegenhaltungen, die die Erfindung vollständig, also mit allen ihren Merkmalen vorwegnehmen.6 1 BGH v. 27.3.1969 – X ZB 15/67, GRUR 1969, 672 ff. – Rote Taube. 2 Nirk/Ullmann, Patent-, Gebrauchsmuster- und Sortenschutzrecht3, 41. 3 Nirk/Ullmann, Patent-, Gebrauchsmuster- und Sortenschutzrecht3, 40. Siehe auch BGH v. 18.5.2010 – X ZR 79/07, GRUR 2010, 817 ff. – Steuervorrichtung: „Erkenntnis (…), wie mit bestimmten technischen Mitteln ein konkretes technisches Problem gelöst werden kann“. 4 Computerprogramme werden grundsätzlich über das Urheberrecht geschützt, §§ 2 Abs. 1 Nr. 1, 69a UrhG. Für einen darüber hinausgehenden Schutz auch durch das Patentrecht muss die Lehre, für die Patentschutz beansprucht wird, „über die für die Patentfähigkeit unabdingbare Technizität hinaus Anweisungen enthalten, die der Lösung eines konkreten technischen Problems mit technischen Mitteln dienen“, BGH v. 24.2.2011 – X ZR 121/09, GRUR 2011, 610 ff. – Webseitenanzeige m.w.N. 5 Zur möglichen Prioritäten für die Anmeldung Art. 4 PVÜ, §§ 7 Abs. 2, 39 Abs. 1 Satz 4, 40, 41 PatG; Art. 61, 76, 87 ff. EPÜ. 6 BGH v. 15.3.1984 – X ZB 6/83, GRUR 1984, 797 ff. – Zinkenkreisel; Nirk/Ullmann, Patent-, Gebrauchsmuster- und Sortenschutzrecht3, 48.

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B. Die einzelnen Rechte des geistigen Eigentums

Zentrale Voraussetzung für die Erteilung eines Patents ist sodann das Erfordernis einer erfinderischen Tätigkeit (§ 4 PatG, Art. 56 EPÜ). Dieses ist gegeben, wenn sich die Erfindung für den Fachmann in nicht naheliegender Weise aus dem Stand der Technik ergibt. Referenzpunkt für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit ist der gesamte Stand der Technik gemäß § 3 Abs. 1 PatG (Art. 54 Abs. 2 EPÜ), ohne die gemäß § 3 Abs. 4 PatG unschädlichen Offenbarungen und ohne den Inhalt von vorangemeldeten nachveröffentlichten Patentanmeldungen (§ 4 Satz 2 PatG, Art. 56 EPÜ). Im Unterschied zur Neuheitsprüfung nach § 3 PatG kann allerdings auch eine Kombination von zwei Entgegenhaltungen aus dem Stand der Technik („mosaikartige Zusammenschau“) dazu führen, dass eine erfinderische Tätigkeit verneint wird, sofern sich eine solche Kombination für den Fachmann anbieten würde.1

2.56

Um nun zu beurteilen, ob sich eine Erfindung in nicht naheliegender Weise aus dem Stand der Technik ergibt, ist die Perspektive eines Fachmanns auf dem betreffenden Fachgebiet mit durchschnittlicher Ausbildung und Berufserfahrung einzunehmen.2 Bieten sich für einen solchen Durchschnittsfachmann im Stand der Technik ein konkretes Vorbild für die Erfindung oder zumindest Hinweise für ein entsprechendes Vorgehen, so fehlt es regelmäßig an einer erfinderischen Tätigkeit.3 Zur Konkretisierung des Begriffs der erfinderischen Tätigkeit können im Übrigen eine Reihe von Anzeichen herangezogen werden, wie etwa die Abkehr von bekannten Wegen, die Lösung eines lange vorhandenen Problems, ein überraschendes Ergebnis oder die Überwindung unrichtiger Vorstellungen in der Fachwelt.4 Umgekehrt spricht die bloße Mengen- oder Größenveränderung, die Vereinigung zweier bekannter Elemente oder die bloße (nicht überraschende) Übertragung einer Lösung von einem Fachgebiet auf ein anderes eher gegen eine erfinderische Tätigkeit.5

2.57

Voraussetzung der Patentierbarkeit ist schließlich die gewerbliche Anwendbarkeit der Erfindung. Dies gilt als gegeben, wenn ihr Gegenstand auf irgendeinem gewerblichen Gebiet einschließlich der Landwirtschaft hergestellt oder benutzt werden kann (§ 5 PatG, Art. 57 EPÜ). Unerheblich ist, ob die Erfindung ausschließlich gewerblich genutzt werden kann6 oder ob sich der Einsatz der Erfindung wirtschaftlich rechnet.

2.58

c) Erteilungsverfahren und Bindung an die Patenterteilung Um dem Anmelder eine gebührenschonende Gelegenheit zur Prüfung der wirtschaftlichen Verwertbarkeit der Erfindung zu geben, werden die for1 Von Pichler/von Samson in Büscher/Dittmer/Schiwy, Gewerblicher Rechtsschutz – Urheberrecht – Medienrecht2, § 4 PatG Rz. 13. 2 Nirk/Ullmann, Patent-, Gebrauchsmuster- und Sortenschutzrecht3, 54. 3 BGH v. 8.6.2010 – X ZR 71/08, nv. 4 Von Pichler/von Samson in Büscher/Dittmer/Schiwy, Gewerblicher Rechtsschutz – Urheberrecht – Medienrecht2, § 4 PatG Rz. 21. 5 Nirk/Ullmann, Patent-, Gebrauchsmuster- und Sortenschutzrecht3, 55 f. 6 BGH v. 20.1.1977 – X ZR 13/75, GRUR 1977, 652 ff. – Benzolsulfonylharnstoff.

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2.59

Kap. 2: Zivilrechtliche Grundlagen

mellen und materiellen Voraussetzungen der Patenterteilung im deutschen Patenterteilungsverfahren zunächst nur auf Offensichtlichkeit geprüft (§ 42 PatG). Eine vollumfängliche Prüfung erfolgt erst auf gesonderten Antrag (§ 44 PatG), den entweder der Patentanmelder oder ein Dritter innerhalb von sieben Jahren nach Einreichung der Patentanmeldung stellen können (§ 44 Abs. 2 PatG). Wird innerhalb dieses Zeitraums kein Prüfungsantrag gestellt, so gilt die Patentanmeldung als zurückgenommen (§ 58 Abs. 3 PatG). Genügt die Patentanmeldung den formellen und materiellen Voraussetzungen für die Patenterteilung, so erteilt das DPMA das Patent (§ 49 Abs. 1 PatG).

2.60

Gegen die Patenterteilung kann jedermann innerhalb von drei Monaten nach Veröffentlichung der Erteilung Einspruch einlegen (§ 58 Abs. 1 PatG). Die Patentabteilung des DPMA entscheidet daraufhin durch Beschluss über die Aufrechterhaltung oder den Widerruf des Patents (§§ 61, 21 PatG). Die Beschlüsse des DPMA können wiederum mit der Beschwerde zum Bundespatentgericht (§§ 73 ff. PatG) und dessen Entscheidungen mit der Rechtsbeschwerde zum BGH (§§ 100 ff. PatG) angefochten werden.

2.61

Nach Ablauf der Einspruchsfrist kann das Patent nur noch mit der Nichtigkeitsklage zum Bundespatentgericht angefochten werden (§§ 81, 22 PatG). Eine Nichtigkeitsklage ist auch dann erforderlich, wenn im Patentverletzungsprozess die fehlende Patentfähigkeit der Erfindung eingewendet werden soll, weil die Patenterteilung als Verwaltungsakt grundsätzlich auch für spätere Verletzungsprozesse vor den ordentlichen Gerichten bindend ist. Will sich der vermeintliche Patentverletzer daher mit der Behauptung verteidigen, dass das Patent ursprünglich nicht hätte erteilt werden dürfen, so ist er gezwungen, das Patent durch Nichtigkeitsklage anzugreifen und eine Aussetzung des Verletzungsprozesses zu beantragen (§ 148 ZPO), bis über die Nichtigkeitsklage entschieden ist. Eine solche Aussetzung des Verletzungsprozesses kommt allerdings nur in Betracht, wenn ein „gegen ein erteiltes Patent ergriffener Rechtsbehelf einige Erfolgsaussicht hat“.1 d) Schutzdauer

2.62

Der Schutz des Patents dauert maximal zwanzig Jahre, beginnend mit dem Tag, der auf die Patentanmeldung folgt (§ 16 Abs. 1 Satz 1 PatG, Art. 63 Abs. 1 EPÜ). Der Patentschutz kann bei Arzneimitteln und Pflanzenschutzmitteln durch ein ergänzendes Schutzzertifikat (§ 16a PatG) nach den europäischen Verordnungen Nr. 469/20092 und Nr. 1610/ 1 BGH v. 11.11.1986 – X ZR 56/85, GRUR 1987, 284 ff. – Transportfahrzeug. Wegen der Unanwendbarkeit von § 148 ZPO im einstweiligen Verfügungsverfahren kann im Eilrechtsschutz allerdings die fehlende Patentfähigkeit unter bestimmten Voraussetzungen eingewendet werden. 2 Verordnung (EG) Nr. 469/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 6.5.2009 über das ergänzende Schutzzertifikat für Arzneimittel (kodifizierte Fassung), ABl. L 152 v. 16.6.2009, 1.

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B. Die einzelnen Rechte des geistigen Eigentums

961 um höchstens fünf Jahre verlängert werden, um die faktische Verkürzung der wirtschaftlichen Patentverwertbarkeit durch langwierige behördliche Zulassungsverfahren für Arzneimittel und Pflanzenschutzmittel zu kompensieren. 3. Rechtsinhaber Mit dem Realakt der Erfindung und deren Verlautbarung entsteht ein Recht des Erfinders an seiner Erfindung, das gegen bestimmte, die Erfindung ausnutzende Handlungen Dritter geschützt ist (vgl. Art. II § 5 Abs. 1 IntPatÜG und § 8 PatG).2 Aus diesem Recht an der Erfindung ergibt sich sodann – bei Vorliegen der Schutzvoraussetzungen – das Recht auf das Patent (§ 6 PatG, Art. 60 EPÜ)3 und das Recht, bei der Patentanmeldung und der Veröffentlichung der Anmeldung und der Patenterteilung sowie in der Patentschrift als Erfinder genannt zu werden (§§ 37, 63 PatG, Art. 81 EPÜ). Allerdings kann der Erfinder seine vermögensrechtlichen Rechte an der Erfindung an einen Dritten übertragen, der dann das Recht auf das Patent gegenüber dem Patentamt durch Patentanmeldung geltend machen kann (§ 7 Abs. 1 PatG). Handelt es sich bei dem Erfinder um einen Arbeitnehmer und bei der Erfindung um eine Diensterfindung, so kann der Arbeitgeber gemäß § 6 Abs. 1 Arbeitnehmererfindungsgesetz (ArbNErfG, ggfs. i.V.m. Art. 60 Abs. 1 Satz 2 EPÜ) die Diensterfindung in Anspruch nehmen. Folge der Inanspruchnahme ist ein Übergang aller vermögenswerten Rechte an der Erfindung auf den Arbeitgeber (§ 7 Abs. 1 ArbNErfG), den im Gegenzug eine Vergütungspflicht (§ 9 ArbNErfG) und eine Pflicht zur Patentanmeldung trifft (§ 13 ArbNErfG). Meldet ein unbefugter Dritter die Erfindung des Berechtigten zum Patent an, so steht dem Erfinder die Möglichkeit der Patentvindikation (§ 8 PatG) offen.

2.63

Von dem Recht auf das Patent zu unterscheiden ist das Recht aus dem erteilten Patent (§ 9 PatG). Dies steht dem Patentinhaber zu. Der Eintragung des Inhabers im Patentregister kommt dabei zwar keine konstitutive Wirkung zu, sie ist aber für die Patentbehörden und die ordentlichen Gerichte maßgeblich (§ 30 Abs. 3 PatG), weshalb es sich empfiehlt, die Änderung der Inhaberschaft möglichst zeitnah im Register nachzuvollziehen.

2.64

4. Inhalt des Patentrechts a) Überblick Die Rechte aus dem Patent sind in § 9 und § 10 PatG geregelt. Diese Vorschriften finden sowohl für die vom DPMA erteilten deutschen Patente wie für ein vom EPA mit Wirkung für Deutschland erteiltes europäisches 1 Verordnung (EG) Nr. 1610/96 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 23.7.1996 über die Schaffung eines ergänzenden Schutzzertifikats für Pflanzenschutzmittel, ABl. L 198 v. 8.8.1996, 30. 2 BGH v. 18.5.2010 – X ZR 79/07, GRUR 2010, 817 ff. – Steuervorrichtung. 3 BGH v. 18.5.2010 – X ZR 79/07, GRUR 2010, 817 ff. – Steuervorrichtung.

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2.65

Kap. 2: Zivilrechtliche Grundlagen

Patent Anwendung (Art. 64 Abs. 1 EPÜ). Ebenso wie die Marke (§ 14 Abs. 2 MarkenG) und das Urheberrecht (§§ 12 ff. UrhG) bezeichnet § 9 Satz 2 PatG bestimmte Benutzungshandlungen der patentierten Erfindung, die ohne Zustimmung des Patentinhabers verboten sind. Zu unterscheiden ist dabei zwischen dem Schutzbereich des Patents (§ 14 PatG, also der Reichweite des Patentschutzes für die Erfindung) und den einzelnen Benutzungshandlungen, die dem Patentinhaber vorbehalten sind (§§ 9, 10 PatG). b) Schutzbereich des Patents

2.66

Der Schutzbereich eines Patents wird gemäß § 14 PatG (Art. 69 Abs. 1 EPÜ) durch den Inhalt der Patentansprüche bestimmt, zu deren Auslegung die Beschreibung und die Zeichnungen in der Patentschrift heranzuziehen sind. Zur Beurteilung einer Patentverletzung muss zunächst festgestellt werden, „welcher technische Sinngehalt aus der Sicht eines vom Klagepatent angesprochenen Fachmanns den Merkmalen des Patentanspruchs im Einzelnen und den Patentansprüchen in ihrer Gesamtheit zukommt“.1 Bereits eine „wortsinngemäße“ Benutzung des Patents ist gegeben, wenn die einzelnen Merkmale des Patentanspruchs2 durch die vermeintlich verletzende Ausführungsform in identischer Weise benutzt werden.3

2.67

Ist dies nicht der Fall, so kann auch eine vom Wortsinn des Patentanspruchs abweichende, aber gleichwertige (äquivalente) Benutzung in seinen Schutzbereich fallen, wenn drei Kriterien erfüllt sind:4 „Die Ausführung muss erstens das der Erfindung zugrunde liegende Problem mit (zwar abgewandelten, aber) objektiv gleichwirkenden Mitteln lösen. Zweitens müssen seine Fachkenntnisse den Fachmann befähigen, die abgewandelte Ausführung mit ihren abweichenden Mitteln als gleichwirkend aufzufinden. Die Überlegungen, die der Fachmann hierzu anstellen muss, müssen schließlich drittens am Sinngehalt der im Patentanspruch unter Schutz gestellten Lehre orientiert sein“. Nicht mehr erfasst sind demgegenüber gleichwirkende Mittel, „die den geschützten Lösungsgedanken wesentlich verändern oder dem Grundgedanken der Erfindung widersprechen oder den im Anspruch als erfindungswesentlich herausgestellten Mitteln schroff entgegengesetzt sind“.5 Sofern eine angegriffene Ausführungsform zumindest zum Teil die Merkmale des Patents lediglich äquivalent verwirklicht, darf sich der vermeintliche Verletzer mit 1 BGH v. 25.10.2005 – X ZR 136/03, GRUR 2006, 311 ff. – Baumscheibenabdeckung; v. 14.12.2010 – X ZR 193/03, GRUR 2011, 313 ff. – Crimpwerkzeug IV. 2 Siehe BGH v. 10.12.1981 – X ZR 70/80, GRUR 1982, 165 ff. – Rigg: „Eine unmittelbare Verletzung eines Kombinationspatents ist grundsätzlich nur zu bejahen, wenn die Verletzungsform von der Gesamtheit der Kombinationsmerkmale Gebrauch macht“. 3 Kraßer, Patentrecht6, § 32 III 1, S. 720; Köhler in Büscher/Dittmer/Schiwy, Gewerblicher Rechtsschutz – Urheberrecht – Medienrecht2, § 14 PatG Rz. 36. 4 BGH v. 14.12.2010 – X ZR 193/03, GRUR 2011, 313 ff. – Crimpwerkzeug IV. 5 BGH v. 18.5.1999 – X ZR 156/97, GRUR 1999, 977 ff. – Räumschild.

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dem Einwand verteidigen, „die angegriffene und als angeblich äquivalente Benutzung in Anspruch genommene Ausführungsform stelle mit Rücksicht auf den Stand der Technik keine patentfähige Erfindung dar“.1 Für den Erfolg dieses Formstein-Einwands ist allerdings erforderlich, dass sich die als verletzend angegriffene Ausführungsform als Ganzes, nicht etwa nur hinsichtlich einzelner (bzw. nur der als äquivalent verwirklichten) Merkmale aus dem Stand der Technik ergibt.2 c) Dem Patentinhaber vorbehaltene Benutzungshandlungen aa) Einordnung Hinsichtlich der Benutzungshandlungen unterscheidet das Gesetz zwischen Erzeugnispatenten (§ 9 Satz 2 Nr. 1 PatG) und Verfahrenspatenten (§ 9 Satz 2 Nr. 2 und Nr. 3 PatG).

2.68

bb) Erzeugnispatent Bezieht sich das Patent auf ein Erzeugnis (z.B. einen chemischen Stoff, eine technische Vorrichtung, biologisches Material, § 9a Abs. 1 PatG, oder eine Sequenz eines Gens, § 1a Abs. 4 PatG), so ist es dem Patentinhaber vorbehalten, das patentierte Erzeugnis herzustellen, anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen (§ 9 Satz 2 Nr. 1 PatG). Ein Erzeugnispatent ist auch gegeben, wenn das Erzeugnis durch das Verfahren zu seiner Herstellung gekennzeichnet wird (sogenannte „product-by-process“-Patentansprüche).3 Eher dem Erzeugnispatent als dem Verfahrenspatent zuzuordnen sind auch Verwendungspatente, also Patente für einen zweckgebundenen Sachschutz (z.B. Nutzung einer Substanz zur Erreichung eines Zwecks, für den die Substanz bisher nicht eingesetzt wurde, insbesondere Nutzung eines Medikaments für eine neue medizinische Indikation).4

2.69

Die Handlung des Herstellens „umfasst die gesamte Tätigkeit des Herstellens von ihrem Beginn an und beschränkt sich nicht etwa auf den letzten die Vollendung unmittelbar herbeiführenden Tätigkeitsakt“.5 Nicht

2.70

1 BGH v. 29.4.1986 – X ZR 28/85, GRUR 1986, 803 ff. – Formstein. 2 Kühnen, Handbuch der Patentverletzung, Rz. 103. 3 BGH v. 30.3.1993 – X ZB 13/90, GRUR 1993, 651 ff. – Tetraploide Kamille; Schrell/Heide, GRUR 2006, 383. 4 So die Einschätzung von Kraßer, Patentrecht6, § 33 IIId, S. 782, 784: „zweckgebundener Sachschutz“, „Verwendungspatent als eigenständige Kategorie, die (auf die Verwendung beschränkten, also zweckgebundenen) Erzeugnispatenten näher steht als dem Verfahrenspatent“. Anders noch BGH v. 29.10.1981 – X ZB 3/80, GRUR 1982, 162 ff. – Zahnpasta: „Verwendungsansprüche sind in aller Regel Verfahrensansprüche, durch welche ein Stoff zur Erzielung eines Zustandes oder eines Erzeugnisses (Verbindung, Mischung) eingesetzt werden soll“. 5 BGH v. 15.6.1951 – I ZR 59/50, GRUR 1951, 452 ff. – Mülltonne; OLG Düsseldorf v. 22.3.2007 – I-2 U 128/05, 2 U 128/05, InstGE 7, 258 ff. – Loom-Möbel. Nicht erfasst wird allerdings die Herstellung von Teilen, die den Erfindungsgedanken nicht einmal teilweise verwirklichen, BGH v. 15.6.1951 – I ZR 59/50 a.a.O.

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erfasst werden aber „Handlungen, die bei natürlicher Betrachtung nicht schon als Beginn einer Herstellung gelten können, wie etwa die bloße Anfertigung von Entwürfen und Konstruktionszeichnungen, und zwar auch dann nicht, wenn es sich um Vorbereitungstätigkeiten handelt, die für eine spätere Herstellung unumgänglich sind“.1

2.71

Abzugrenzen ist die (Neu-)Herstellung von der bloßen Erhaltung und Wiederherstellung der Gebrauchstauglichkeit durch Reparatur, die nicht von § 9 PatG erfasst wird. Nach der Rechtsprechung ist diese Abgrenzung daran zu orientieren, „ob die getroffenen Maßnahmen noch die Identität des bereits in den Verkehr gebrachten konkreten patentgeschützten Erzeugnisses wahren oder der Schaffung eines neuen erfindungsgemäßen Erzeugnisses gleichkommen“, wozu „es einer die Eigenart des patentgeschützten Erzeugnisses berücksichtigenden Abwägung der schutzwürdigen Interessen des Patentinhabers an der wirtschaftlichen Verwertung der Erfindung einerseits und des Abnehmers am ungehinderten Gebrauch des in den Verkehr gebrachten konkreten erfindungsgemäßen Erzeugnisses andererseits“ bedarf.2

2.72

Der Begriff des „Anbietens“ ist „in wirtschaftlichem Sinne zu verstehen und fällt nicht mit dem juristischen Begriff eines Vertragsangebots zusammen“. Maßgeblich ist, „ob eine im Inland begangene Handlung nach ihrem objektiven Erklärungsgehalt einen schutzrechtsverletzenden Gegenstand der Nachfrage zur Verfügung stellt“.3 Das Anbieten umfasst deshalb „auch vorbereitende Handlungen, die das Zustandekommen eines späteren Geschäfts über einen unter dem Schutz des Patents stehenden Gegenstand ermöglichen oder befördern sollen“ (z.B. das Verteilen eines Werbeprospekts).4

2.73

Für ein Inverkehrbringen genügt es nicht, dass der vermeintlich patentverletzende Gegenstand „in die tatsächliche Verfügungsgewalt eines anderen gebracht“ wird. Erforderlich ist zudem „ein Bezug zum Handelsverkehr, welcher dergestalt sein muss, dass mit dem Gegenstand, an dem die Verfügungsgewalt verschafft oder ein Angebot, solches zu tun, unterbreitet wird, ein Umsatz- oder Veräußerungsgeschäft intendiert oder zumindest möglich ist“.5

2.74

Das „Gebrauchen“ i.S.d. § 9 PatG schließlich umfasst jede „bestimmungsgemäße Verwendung der geschützten Sache“6, wobei das Erzeug1 OLG Düsseldorf v. 22.3.2007 – I-2 U 128/05, 2 U 128/05, InstGE 7, 258 ff. – LoomMöbel. 2 BGH v. 27.2.2007 – X ZR 38/06, GRUR 2007, 769 ff. – Pipettensystem. 3 BGH v. 16.5.2006 – X ZR 169/04, GRUR 2006, 927 ff. – Kunststoffbügel. 4 BGH v. 16.9. 2003 – X ZR 179/02, GRUR 2003, 1031 – Kupplung für optische Geräte. 5 LG Düsseldorf v. 28.1.2011 – 4b O 318/03 (Juris). 6 OLG Düsseldorf v. 22.3.2007 – I-2 U 128/05, 2 U 128/05, InstGE 7, 258 ff. – LoomMöbel; BGH v. 21.2.1989 – X ZR 53/87, GRUR 1990, 997 ff. – Ethofumesat: „bestimmungsgemäße[r] Gebrauch“.

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nispatent im Grundsatz alle Verwendungen erfasst.1 Erfasst wird deshalb auch der Verbrauch oder eine Weiterverarbeitung, sofern dies im Rahmen der bestimmungsgemäßen Verwendungszwecke erfolgt.2 Einfuhr und Besitz des patentierten Erzeugnisses sind nach § 9 Satz 2 Nr. 1 PatG schließlich nur dann erfasst, „wenn es zu dem Zweck erfolgt, das Erzeugnis in der Bundesrepublik Deutschland anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen. (…) Das bloße Verwahren oder Befördern patentverletzender Ware durch einen Lagerhalter, Frachtführer oder Spediteur erfolgt regelmäßig nicht zu den genannten qualifizierenden Zwecken“ und wird daher nicht von § 9 Satz 2 Nr. 1 PatG erfasst.3

2.75

cc) Verfahrenspatent Bezieht sich das Patent auf ein Verfahren, so richten sich die dem Patentinhaber vorbehaltenen Benutzungshandlungen nach § 9 Satz 2 Nr. 2 und Nr. 3 PatG. Dem Patentinhaber ist es vorbehalten, das patentgegenständliche Verfahren anzuwenden (§ 9 Satz 2 Nr. 2 1. Var. PatG), also die im Patentanspruch vorgesehenen Verfahrensschritte durchzuführen,4 oder in Kenntnis oder bei Offensichtlichkeit des Verbotsrechts das Verfahren zur Anwendung anzubieten (§ 9 Satz 2 Nr. 2 2. Var. PatG). Ein Anbieten eines Verfahrens ist bereits dann gegeben, „wenn jemand einem Anderen die Anwendung des Verfahrens dergestalt in Aussicht stellt, dass sie durch den Anbietenden selbst vorgenommen oder veranlasst werden soll“, ohne dass es tatsächlich zu einer Anwendung des Verfahrens kommen muss.5

2.76

Darüber hinaus erstreckt sich der Schutz des Verfahrenspatents gemäß § 9 Satz 2 Nr. 3 PatG (Art. 64 Abs. 2 EPÜ) auch auf unmittelbar durch das Verfahren hergestellte Erzeugnisse.6 Die schwierige Abgrenzung zwischen unmittelbaren und bloß mittelbaren Verfahrenserzeugnissen (für die § 9 Satz 2 Nr. 3 PatG nicht gilt) ist daran zu orientieren, ob die Erzeugnisse ihren Wert im Wesentlichen dem geschützten Verfahren verdanken (zur Beweislastumkehr bei neuen Erzeugnissen § 139 Abs. 3 PatG).7

2.77

dd) Mittelbare Patentverletzung Neben den unmittelbaren Benutzungshandlungen des § 9 PatG kann der Patentinhaber gemäß § 10 Abs. 1 PatG außerdem jedem Dritten verbieten, anderen als zur Benutzung der Erfindung berechtigten Personen Mittel, die sich auf ein wesentliches Element der Erfindung beziehen, zur Be1 Kühnen, Handbuch der Patentverletzung5, Rz. 149. 2 BGH v, 17.3.1964 – Ia ZR 178/63, GRUR 1964, 491 ff. – Chloramphenicol; OLG Düsseldorf v. 22.3.2007 – I-2 U 128/05, 2 U 128/05, InstGE 7, 258 ff. – Loom-Möbel. 3 BGH v. 17.9.2009 – Xa ZR 2/08, GRUR 2009, 1142 ff. – MP3-Player-Import. 4 Scharen in Benkard, Patentgesetz10, § 9 Rz. 50. 5 OLG Düsseldorf v. 14.1.2010 – I-2 U 10/08 (Juris). 6 Dazu eingehend Mes, GRUR 2009, 305 ff. 7 Götting, Gewerblicher Rechtsschutz9, § 23 Rz. 13.

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2.78

Kap. 2: Zivilrechtliche Grundlagen

nutzung der Erfindung anzubieten oder zu liefern, wenn der Dritte weiß oder es offensichtlich ist, dass diese Mittel geeignet und bestimmt sind, für die Benutzung der Erfindung verwendet zu werden. Dabei gelten Personen, deren Handlungen wegen Privatgebrauchs, aus Versuchszwecken oder zur Zubereitung von Arzneimitteln nicht von der Wirkung des Patents erfasst werden (§ 11 Nr. 1–3 PatG) nicht als Nutzungsberechtigte i.S.d. § 10 Abs. 1 PatG (§ 10 Abs. 3 PatG), so dass auch die Lieferung an Privatpersonen eine mittelbare Patentverletzung begründen kann. Handelt es sich bei den Mitteln um allgemein im Handel erhältliche Erzeugnisse, so scheidet eine mittelbare Patentverletzung aus, sofern der Dritte den Belieferten nicht bewusst veranlasst, eine patentverletzende Handlung nach § 9 Satz 2 PatG zu begehen (§ 10 Abs. 2 PatG). 5. Schranken des Patentrechts

2.79

Die Schranken des Patentrechts sind in den §§ 11–13 PatG geregelt. Ausgenommen von dem Verbotsrecht des Patents sind dabei zunächst Handlungen im privaten Bereich zu nichtgewerblichen Zwecken (§ 11 Nr. 1 PatG), Handlungen zu Versuchszwecken, die sich auf den Patentgegenstand beziehen (§ 11 Nr. 2 PatG) sowie die unmittelbare Einzelzubereitung von Arzneimitteln in Apotheken aufgrund ärztlicher Verordnung (§ 11 Nr. 3 PatG). Darüber hinaus können die Wirkungen des Patents auch nicht gegen denjenigen geltend gemacht werden, der zur Zeit der Patentanmeldung bereits im Inland die Erfindung in Benutzung hatte oder die dazu erforderlichen Vorkehrungen getroffen hatte (Vorbenutzungsrecht, § 12 Abs. 1 Satz 1 PatG). § 13 PatG schließlich ermöglicht die Beschränkung der Wirkung des Patents aus Gründen der öffentlichen Wohlfahrt oder der Sicherheit des Bundes. Ordnet die Bundesregierung eine entsprechende Beschränkung an, so ist dem Patentinhaber eine angemessene Vergütung zu zahlen (§ 13 Abs. 3 PatG).

2.80

Darüber hinaus finden die Verbietungsbefugnisse des Patentinhabers auch im gesetzlich nicht geregelten (siehe aber §§ 17 Abs. 2 UrhG, 24 MarkenG) Erschöpfungsgrundsatz ihre Grenzen. Nach diesem Grundsatz unterliegen dem Verbietungsrecht des Patentinhabers bei einem Sachpatent nicht mehr solche von der erfindungsgemäßen Lehre Gebrauch machenden Gegenstände, „die der Rechtsinhaber oder ein durch ihn hierzu ermächtigter Dritter in Deutschland, einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaft oder einem dem europäischen Wirtschaftsraum angehörigen Staat in den Verkehr gebracht hat“.1 Im Unterschied zu Sachpatenten tritt bei Verfahrenspatenten zwar keine Erschöpfung hinsichtlich des patentgeschützten Verfahrens ein. Wohl aber erschöpfen sich mit dem ersten Inverkehrbringen durch den Patentinhaber die Verbietungsrechte gemäß § 9 Satz 2 Nr. 3 PatG im Hinblick auf die durch das Verfahren hergestellten Erzeugnisse.2 1 BGH v. 14.11.2000 – X ZR 137/99, GRUR 2001, 223 ff. – Bodenwaschanlage. 2 BGH v. 14.11.2000 – X ZR 137/99, GRUR 2001, 223 ff. – Bodenwaschanlage.

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B. Die einzelnen Rechte des geistigen Eigentums

6. Das Patent im Rechtsverkehr a) Übertragung Sowohl das Recht auf das Patent (§ 6 Abs. 1 PatG) wie der Anspruch auf Erteilung des Patents (§ 7 Abs. 1 PatG) und das Recht aus dem Patent (§§ 9, 9a, 10 PatG) können beschränkt oder unbeschränkt auf Dritte übertragen werden (§ 15 Abs. 1 Satz 2 PatG1). Gleiches gilt für die Rechte aufgrund einer europäischen Patentanmeldung (Art. 71 EPÜ). Darüber hinaus sind auch Rechte an zukünftigen Erfindungen durch dingliche Vorausverfügung übertragbar, sofern diese hinreichend bestimmt sind.2 Wie stets im Bürgerlichen Recht ist zwischen der Wirksamkeit des Verpflichtungsgeschäfts (i.d.R. Rechtskauf, § 453 BGB)3 und des Verfügungsgeschäfts (Übertragung des Patents) zu unterscheiden.4 Der Umfang der Übertragung richtet sich im Zweifel nach dem immaterialgüterrechtlichen Zweckübertragungsgrundsatz, der jedoch durch vertragliche Vereinbarung überwunden werden kann.5

2.81

Die Übertragung eines deutschen Patents ist formfrei möglich (bei europäischen Patentanmeldungen bedarf es der Schriftform, Art. 72 EPÜ). Die Eintragung im Patentregister hat auf die Wirksamkeit der Übertragung keinen Einfluss, allerdings gilt bis zur Eintragung der Rechtsänderung gegenüber den Patentbehörden und den Gerichten der ursprüngliche Inhaber als berechtigt und verpflichtet (§ 30 Abs. 3 Satz 2 PatG). Einen gutgläubigen Erwerb von Patentrechten kraft unrichtiger Registereintragung sieht das deutsche Recht nicht vor.

2.82

b) Lizenz Neben der Rechtsübertragung kann ein Patent auch Gegenstand einer einfachen oder ausschließlichen Lizenz sein.6 Lizenzen können inhaltlich, räumlich und zeitlich begrenzt erteilt werden (§ 15 Abs. 2 Satz 1 PatG, 1 Die Vorschrift gilt gemäß Art. 2 Abs. 2 EPÜ auch für europäische Patente, nicht aber für europäische Patentanmeldungen, Trimborn in Büscher/Dittmer/Schiwy, Gewerblicher Rechtsschutz – Urheberrecht – Medienrecht2, § 15 PatG Rz. 2. 2 BGH v. 16.11.1954 – I ZR 40/53, GRUR 1955, 286 ff. – Kopiergerät: „Lag eine solche Vorausverfügung vor, so konnte der Rechtserwerb zugunsten des Dienstherrn sogleich nach Vollendung der Diensterfindung ohne weiteren Übertragungsakt eintreten; doch handelte es sich auch hierbei stets um einen vom Erfinder abgeleiteten Rechtserwerb“. 3 Zum Pflichtenprogramm der Parteien und möglichen Leistungsstörungen bei Übertragungsverträgen Ullmann in Benkard, Patentgesetz10, § 15 Rz. 32 ff. 4 Zur Verknüpfung bei der Wirksamkeit Ullmann in Benkard, Patentgesetz10, § 15 Rz. 16. 5 BGH v. 11.4.2000 – X ZR 185/97, GRUR 2000, 788 ff. – Gleichstromsteuerschaltung. 6 Zum Pflichtenprogramm der Parteien und möglichen Leistungsstörungen in Lizenzverträgen Ullmann in Benkard, Patentgesetz, § 15 Rz. 122 ff.; Trimborn in Büscher/Dittmer/Schiwy, Gewerblicher Rechtsschutz – Urheberrecht – Medienrecht2, § 15 PatG Rz. 37 ff.

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2.83

Kap. 2: Zivilrechtliche Grundlagen

Art. 73 EPÜ, z.B. als Zeitlizenz, Gebietslizenz oder Stücklizenz1 oder als reine Herstellungs-, Vertriebs- oder Gebrauchslizenz) und nicht nur für bereits erteilte Patente, sondern auch für bloße Patentanmeldungen gewährt werden (Art. 73 EPÜ). Die vertragstypologische Einordnung der schuldrechtlichen Seite der Lizenztransaktion ist seit jeher umstritten. Aus zivilrechtlicher Perspektive dürfte die Rechtspacht (§ 581 BGB) am nächsten kommen,2 weil sie im Gegensatz zum Kauf (§ 433 BGB) nicht auf eine endgültige Rechtsübertragung gerichtet ist und sich im Unterschied zur Miete (§ 535 BGB) nicht nur auf Sachen beziehen kann. Auch passt die Rechtspacht im Regelfall besser als die Qualifikation als Gesellschaftsvertrag (§ 705 BGB), weil die Parteien eines Lizenzvertrags im Unterschied zu Gesellschaftern in aller Regel kein gemeinsames Ziel erreichen wollen3 (Ausnahmen sind möglich bei Forschungskooperationen oder Patentpools). Im Unterschied zur Pacht kann eine Lizenz am Schutzgegenstand aber zugleich mehreren Personen eingeräumt werden (als einfache Lizenzen), so dass auch die Vorschriften zur Rechtspacht nicht unmittelbar passen. Aus diesen Gründen geht man überwiegend davon aus, dass es sich – je nach Vertragsgestaltung im Einzelfall – beim Lizenzvertrag um einen der Rechtspacht ähnlichen Vertragstypus sui generis handelt.4 Neben der Lizenzierung eines technischen Schutzrechts erfolgt häufig auch eine begleitende Lizenzierung für zugehöriges Know-how,5 das zwar nicht vom Patentschutz umfasst ist, aber sinnvolle Kenntnisse zur wirksamen Verwertung der Erfindung vermitteln mag. Der Abschluss eines Lizenzvertrags ist formlos möglich. Die Registereintragung ist bei ausschließlichen Lizenzen nach deutschem Recht möglich, aber nicht zwingend (§§ 23 Abs. 2, 30 Abs. 4 PatG). Ebenso wie im Urheberrecht ist auch im Patentrecht zumindest begrifflich zwischen der schuldrechtlichen Verpflichtung zur Lizenzerteilung und der Lizenzerteilung als solcher zu unterscheiden.6

2.84

Bei der ausschließlichen Lizenz wird dem Erwerber gestattet, die Erfindung selbst zu nutzen und anderen die Benutzung zu untersagen; er ist neben dem Patentinhaber zur Geltendmachung der Verbotsrechte der §§ 9, 10 PatG befugt, soweit sein eigenes Nutzungsrecht betroffen ist.7 1 Nirk/Ullmann, Patent-, Gebrauchsmuster- und Sortenschutzrecht3, 162. 2 Siehe BGH v. 17.11.2005 – IX ZR 162/04, GRUR 2006, 435 ff. – Softwarenutzungsvertrag: „Ein Lizenzvertrag wird entsprechend der Rechtspacht als Dauernutzungsvertrag i.S. der §§ 108, 112 InsO eingeordnet“. 3 Schmoll in Büscher/Dittmer/Schiwy, Gewerblicher Rechtsschutz – Urheberrecht – Medienrecht2, Kapitel 12 Rz. 44. Auch ein Nießbrauch passt i.d.R. nicht, da dieser – im Unterschied zur ausschließlichen Lizenz – zwingend unübertragbar ist (§ 1059 BGB), siehe auch die kaum passenden §§ 1041, 1045, 1055, 1065 BGB, Schmoll a.a.O. 4 Ullmann in Benkard, Patentgesetz10, § 15 Rz. 82 f.; Mes, Patentgesetz2, § 15 Rz. 35: „Vertrag eigener Art“. 5 Für ein Beispiel BGH v. 14.5.2002 – X ZR 144/00, GRUR 2002, 787 ff. – Abstreiferleiste; zur Know-how-Lizenz auch BGH v. 25.11.2010 – Xa ZR 48/09, GRUR 2011, 455 ff. – Flexitanks. 6 Ullmann in Benkard, Patentgesetz10, § 15 Rz. 82. 7 BGH v. 20.12.1994 – X ZR 56/93, GRUR 1995, 338 ff. – Kleiderbügel.

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B. Die einzelnen Rechte des geistigen Eigentums

Folge einer ausschließlichen Lizenz ist i.d.R. eine Verwertungspflicht des Lizenznehmers, die unter dem Vorbehalt der Zumutbarkeit steht.1 Im Unterschied zum einfachen Lizenznehmer darf ein ausschließlicher Lizenznehmer auch Unterlizenzen erteilen und sein Lizenzrecht übertragen.2 Eine einfache Lizenz verleiht dem Lizenznehmer hingegen nur das Recht zur Benutzung der Erfindung, ohne diese auch Dritten verbieten zu können.3 Nach überwiegender Auffassung ist eine einfache Lizenz i.d.R. nur schuldrechtlicher und nicht dinglicher Natur, während die ausschließliche Lizenz auch dingliche Wirkung haben soll.4 Unabhängig vom dogmatischen Verständnis der einfachen und ausschließlichen Lizenz stellt jedenfalls § 15 Abs. 3 PatG sowohl für einfache wie für ausschließliche Lizenzen klar, dass ein Rechtsübergang oder die Erteilung einer Lizenz nicht den Bestand von Lizenzen berührt, die Dritten vorher erteilt worden sind (Sukzessionsschutz).

2.85

III. Marken- und Kennzeichenrecht 1. Einführung Während das Urheber- und das Patentrecht dem Schutz persönlich-geistiger Schöpfungen oder technischer Neuerungen dienen, zielt das Markenund Kennzeichenrecht allein auf die eindeutige Zuordnung von Unternehmens- und Produktkennzeichen im Interesse des lauteren Handelsverkehrs. Das deutsche Markengesetz unterscheidet dabei drei unterschiedliche Arten von Kennzeichen, die Gegenstand von Ausschließlichkeitsrechten sein können, nämlich Marken (§§ 3, 4 MarkenG), geschäftliche Bezeichnungen (§ 5 MarkenG) und geographische Herkunftsangaben (§§ 126 ff. MarkenG). Unter einer Marke versteht man ein graphisch darstellbares Zeichen (oder eine Zeichenkombination), das dazu geeignet ist, Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden und an dem durch Eintragung, Benutzung oder notorische Bekanntheit (§ 4 MarkenG; bei Gemeinschaftsmarken nur durch Eintragung, Art. 6 GMVO) ein ausschließliches Recht zur Kennzeichnung der durch die Marke geschützten Waren oder Dienstleistungen erworben wurde (§ 3 Abs. 1, § 8 Abs. 1 MarkenG, Art. 4 GMVO, 1 BGH v. 20.7.1999 – X ZR 121/96, GRUR 2000, 138 ff. – Knopflochnähmaschinen; zur Kündigung eines Lizenzvertrags gemäß § 314 BGB BGH v. 26.3.2009 – Xa ZR 1/08, GRUR-RR 2009, 284 – Nassreiniger. 2 Ullmann in Benkard, Patentgesetz10, § 15 Rz. 103 ff. 3 Kraßer, Patentrecht6, § 40 V, S. 930 f. Von der einfachen Lizenz zu unterscheiden ist die bloße negative Lizenz, also der bloße Verzicht auf die Durchsetzung von Verbietungsansprüchen, ohne ein positives Benutzungsrecht des Lizenznehmers zu begründen. Bei einer negativen Lizenz haftet der Patentinhaber weder für die Aufrechterhaltung des Schutzrechts noch für die technische Nutzbarkeit des Patentgegenstands, Osterrieth, Patentrecht4, Rz. 352. 4 Kraßer, Patentrecht6, § 40 V, S. 931; siehe auch BGH v. 23.3.1982 – KZR 5/81, GRUR 1982, 411 ff. – Verankerungsteil.

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2.86

Kap. 2: Zivilrechtliche Grundlagen

Art. 15 Abs. 1 TRIPS). Geschäftliche Bezeichnungen sind zunächst Unternehmenskennzeichen wie der Name, die Firma oder die besondere Bezeichnung eines Geschäftsbetriebs (§ 5 Abs. 2 MarkenG), ferner Werktitel, also die Namen oder besonderen Bezeichnungen von Druckschriften, Filmwerken, Tonwerken, Bühnenwerken oder vergleichbaren Werken (§ 5 Abs. 3 MarkenG). Als geographische Herkunftsangabe bezeichnet man schließlich die Namen von Orten, Gegenden, Gebieten oder Ländern sowie sonstige Angaben oder Zeichen, die im geschäftlichen Verkehr zur Kennzeichnung der geographischen Herkunft von Waren oder Dienstleistungen benutzt werden (§ 126 Abs. 1 MarkenG). Im Unterschied zu Marken und Unternehmenskennzeichen ist der Gebrauch geographischer Herkunftsangaben nicht einem bestimmten Inhaber ausschließlich zugeordnet, sondern sie dürfen von jedem Marktteilnehmer verwendet werden, dessen Produkte oder Dienstleistungen den betreffenden Spezifikationen entsprechen (Art. 8 Abs. 1 EG-Verordnung Nr. 510/20061) bzw. bei dessen Waren oder Dienstleistungen keine Gefahr über die Irreführung über die geographische Herkunft besteht (§ 127 Abs. 1 MarkenG).

2.87

Wie kaum ein anderes Gebiet des geistigen Eigentums ist das Markenrecht durch europäische Einflüsse geprägt. So hat die Europäische Union bereits mit der Ersten Richtlinie 89/104/EWG zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken2 (heute Richtlinie 2008/953) im Jahr 1989 eine erschöpfende Regelung der Bedingungen für den Erwerb und die Aufrechterhaltung eingetragener Marken4 und der Vorschriften über die Rechte aus der Marke5 vorgenommen und damit zentrale Teile des Markenrechts europaweit harmonisiert. Darüber hinaus hat die Union mit der vom Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (HABM) im spanischen Alicante verwalteten Gemeinschaftsmarkenverordnung (GMVO)6 ein supranationales Schutzrecht (Gemeinschaftsmarke) geschaffen, das einen europaweit einheitlichen (Art. 1 Abs. 2 GMVO) Markenschutz begründet, der allerdings nur Schutz für eingetragene Gemeinschaftsmarken gewährt. Gemeinschaftsmarke und natio1 Verordnung (EG) Nr. 510/2006 des Rates v. 20.3.2006 zum Schutz von geografischen Angaben und Ursprungsbezeichnungen für Agrarerzeugnisse und Lebensmittel, ABl. L 93 v. 31.3.2006, 12. Der Schutz geographischer Herkunftsangaben wird sowohl durch das nationale (§§ 126 ff. MarkenG) wie durch das europäische (VO Nr. 510/2006) Recht gewährleistet. 2 Erste Richtlinie 89/104/EWG des Rates v. 21.12.1988 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken, ABl. L 40 v. 11.2.1989, 1. 3 Richtlinie 2008/95/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 22.10.2008 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken (kodifizierte Fassung), ABl. L 299 v. 8.11.2008, 25. 4 Erwägungsgrund 7 MarkenRL; EuGH v. 12.2.2004 – C-363/99, EuGHE 2004, I-1619 ff. – Koninklijke KPN Nederland. 5 Art. 5–7 MarkenRL; EuGH v. 30.11.2004 – C-16/03, EuGHE 2004, I-11313 ff. – Peak Holding. 6 Verordnung (EG) Nr. 40/94 des Rates vom 20.12.1993 über die Gemeinschaftsmarke, ABl. L 11 v. 14.1.1994, 1, nunmehr konsolidiert als Verordnung (EG) Nr. 207/2009 des Rates v. 26.2.2009 über die Gemeinschaftsmarke (kodifizierte Fassung), ABl. L 78 v. 24.3.2009, 1.

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B. Die einzelnen Rechte des geistigen Eigentums

nale Marke(n) können koexistieren, so dass Rechteinhaber dasselbe Kennzeichen häufig sowohl durch eine Gemeinschaftsmarke als auch durch eine nationale Marke schützen. Regelmäßig ist der Schutz dabei, abgesehen vom Schutzterritorium, identisch, weil das nationale Markengesetz durch die Vorschriften der europäischen Markenrichtlinie harmonisiert wurde, die weitgehend mit den Regeln der GMVO übereinstimmen. Von den anderen Rechten des geistigen Eigentums wie dem Urheber- und dem Patentrecht unterscheidet sich das Markenrecht dadurch, dass es nicht den Schutz von Innovationen bezweckt, sondern durch die Herkunftsfunktion der Marke vor allem auf Markttransparenz, Zuordnungsschutz und Leistungsschutz abzielt. So sieht der EuGH die Hauptfunktion der Marke darin, dem Endabnehmer die Ursprungsidentität der durch die Marke gekennzeichneten Ware oder Dienstleistung zu garantieren, indem sie ihm ermöglicht, diese Ware oder Dienstleistung ohne Verwechslungsgefahr von Waren oder Dienstleistungen anderer Herkunft zu unterscheiden (Herkunftsfunktion).1 Durch identifizierbare Kennzeichen sollen die Unternehmen in die Lage versetzt werden, die Kunden durch die Qualität ihrer Waren oder Dienstleistungen an sich zu binden, indem die Marke Gewähr bietet, dass alle Waren oder Dienstleistungen, die sie kennzeichnet, unter der Kontrolle eines einzigen Unternehmens hergestellt oder erbracht worden sind, das für ihre Qualität verantwortlich gemacht werden kann.2 Ferner schützt die Marke ihren Inhaber auch vor Konkurrenten, die die Stellung und den Ruf des Warenzeichens durch den Vertrieb widerrechtlich mit diesem Zeichen versehener Erzeugnisse zu missbrauchen suchen.3 Der Schutz der Herkunftsfunktion der Marke sichert aus ökonomischer Sicht die Investitionen des Unternehmers in Produktqualität und Markenimage und ist Grundlage für das Verbrauchervertrauen in den Schluss von einer bestimmten Marke auf eine bestimmte Produktqualität, auch wenn die Herkunftsgarantie nur die Produktverantwortlichkeit, nicht aber die Produktqualität selbst garantiert.

2.88

Weitere wichtige Funktion der Marke ist ihre Nutzung als kommerzielles Kommunikationszeichen zwischen Unternehmen und Kunden, die auch den Transport „kultureller“ Inhalte wie die Konstruktion eines bestimmten Lebensstils oder einer bestimmten Konsumerfahrung in Richtung der Verbraucher und/oder Mitarbeiter umfassen kann. Die Pluralität der Markenfunktionen hat auch die Rechtsprechung unlängst anerkannt, insofern sie neben der Hauptfunktion (Herkunftsfunktion) der Marke ihr auch andere Funktionen zubilligt „wie u.a. die Gewährleistung der Qualität dieser Ware oder Dienstleistung oder die Kommunikations-, Investitionsoder Werbefunktionen“.4 Eine weitere ökonomisch bedeutsame Funktion

2.89

1 EuGH v. 23.5.1978 – 102/77, EuGHE 1978, 1139 ff. – Hoffmann La Roche; v. 12.11.2002 – C-206/01, EuGHE 2002, I-10273 ff. – Arsenal Football Club. 2 EuGH v. 12.11.2002 – C-206/01, EuGHE 2002, I-10273 ff. – Arsenal Football Club. 3 EuGH v. 10.3.1992 – C-10/89, EuGHE 1990, I-3711 ff. – HAG II. 4 EuGH v. 18.6.2009 – C-487/07, EuGHE 2009, I-5185 Rz. 58 – L’Oréal.

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Kap. 2: Zivilrechtliche Grundlagen

der Marke ist ihr Potential zur Steuerung der Vertriebswege, indem der Rechtsinhaber die Weitergabe durch Lizenzvereinbarungen einschränkt und auf diese Weise die Erschöpfung seines Markenrechts verhindert.1 2. Schutzvoraussetzungen a) Markenrecht

2.90

Der Schutz durch eine deutsche Marke kann gemäß § 4 MarkenG auf drei Arten erworben werden, nämlich durch Eintragung eines markenfähigen Zeichens im Register des Deutschen Patent- und Markenamts (Registermarke, § 4 Nr. 1 MarkenG), durch die Benutzung eines Zeichens im geschäftlichen Verkehr, soweit das Zeichen als Marke Verkehrsgeltung erworben hat (Benutzungsmarke, § 4 Nr. 2 MarkenG), sowie durch die notorische Bekanntheit der Marke (§ 4 Nr. 3 MarkenG). Verkehrsgeltung i.S.d. § 4 Nr. 2 MarkenG „setzt voraus, dass ein jedenfalls nicht unerheblicher Teil der angesprochenen Verkehrskreise in dem Zeichen einen Hinweis auf die Herkunft der damit gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen aus einem bestimmten Unternehmen sieht“.2 Aufgrund der gesteigerten Anforderungen an die Verkehrsgeltung oder Notorietät einer Marke werden die meisten Marken durch Eintragung erworben, so dass sich die folgende Darstellung auf Registermarken konzentrieren soll.

2.91

§ 3 Abs. 1 MarkenG (Art. 4 GMVO) legt zunächst fest, welche Zeichen als Marke eingetragen werden können. Die Markenfähigkeit setzt voraus, dass es sich um ein graphisch darstellbares (§ 8 Abs. 1 MarkenG) Zeichen handelt,3 das geeignet ist, Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden (§ 3 Abs. 1 MarkenG).4 Die offene Formulierung des § 3 MarkenG (Art. 4 GMVO) ermöglicht grundsätzlich auch die Eintragung neuer Markenformen (Geruchsmarken, abstrakte Farbmarken, Hörzeichen), allerdings nur dann, wenn das Zeichen graphisch dargestellt werden kann und die Darstellung im Register klar, eindeutig, in sich abgeschlossen, leicht zugänglich, verständlich, dauerhaft und objektiv ist.5

2.92

§ 3 Abs. 2, § 8 Abs. 2 und § 9 MarkenG (Art. 7, 8 GMVO) widmen sich sodann den absoluten und relativen Eintragungshindernissen. Zweck der absoluten Eintragungshindernisse ist zunächst eine Abwehr der Monopolisierung solcher Zeichen, die die Herkunftsfunktion als Hauptfunk1 EuGH v. 23.4.2009 – C-59/08, EuGHE 2009, I-3421 ff. – Copad. 2 BGH v. 26.6.2008 – I ZR 190/05, GRUR 2008, 917 ff. – Eros. 3 Im Unterschied zur Registermarke braucht die Benutzungsmarke (§ 4 Nr. 2 MarkenG) zwar nicht graphisch darstellbar zu sein, muss aber eindeutig bestimmt sein, BGH v. 19.2.2009 – I ZR 195/06, GRUR 2009, 783 ff. – UHU. 4 EuGH v. 6.5.2003 – C-104/01, EuGHE 2003, I-3793 ff. – Libertel. 5 EuGH v. 12.12.2002 – C-273/00, EuGHE 2002, I-11737 ff. – Sieckmann (Geruchsmarke); v. 6.5.2003 – C-104/01, EuGHE 2003, I-3793 ff. – Libertel (abstrakte Farbmarke); v. 27.11.2003 – C-283/01, EuGHE 2003, I-14313 ff. – Shield Mark (Hörzeichen).

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B. Die einzelnen Rechte des geistigen Eigentums

tion der Marke nicht gewährleisten können.1 Deshalb untersagen § 8 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 3 MarkenG (Art. 7 Abs. 1 lit. b, d GMVO) die Eintragung von Marken, denen für die betreffenden Waren oder Dienstleistungen jegliche Unterscheidungskraft fehlt oder die im allgemeinen Sprachgebrauch zur Bezeichnung der Waren oder Dienstleistungen üblich geworden sind. Der Ausschluss beschreibender Bezeichnungen von der Eintragung als Marke (§ 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG, Art. 7 Abs. 1 lit. c GMVO) verfolgt demgegenüber das im Allgemeininteresse liegende Ziel, dass Zeichen oder Angaben, die die Waren- oder Dienstleistungsgruppen beschreiben, für die die Eintragung beantragt wird, von allen frei verwendet werden können (Freihaltebedürfnis).2 Ebenso vermieden werden soll eine markenrechtliche Monopolisierung von Zeichen, die ausschließlich aus der Form bestehen, die durch die Art der Ware selbst bedingt ist oder die zur Herstellung einer technischen Wirkung der Ware erforderlich ist oder der Ware einen wesentlichen Wert verleiht, weil die Monopolisierung solcher Funktionen allenfalls den zeitlich begrenzten gewerblichen Schutzrechten (z.B. Geschmacksmuster) vorbehalten sein soll (§ 3 Abs. 2 MarkenG, Art. 7 Abs. 1 lit. e GMVO).3 Eine Eintragung nicht unterscheidungskräftiger oder ausschließlich beschreibender oder bezeichnender Marken ist nach § 8 Abs. 3 MarkenG (Art. 7 Abs. 3 GMVO) allerdings möglich, wenn sich die Marke infolge ihrer Benutzung in den betroffenen Verkehrskreisen durchgesetzt hat. Dies ist der Fall, wenn ein wesentlicher Teil der betroffenen Verkehrskreise die Marke mit dem Anmelder und mit keinem anderen Unternehmen in Verbindung bringt oder annimmt, dass die betreffenden Waren von dem Anmelder stammen.4

2.93

Neben den markenrechtsimmanenten Ausschlussgründen der §§ 3 Abs. 2, 8 Abs. 2 Nr. 1–3 MarkenG steht eine zweite Gruppe von Eintragungshindernissen, die durch Ausschluss von ordnungs- oder sittenwidrigen Marken (§ 8 Abs. 2 Nr. 5 MarkenG, Art. 7 Abs. 1 lit. f GMVO) und von staatlichen Hoheitszeichen, amtlichen Prüf- oder Gewährzeichen oder Kennzeichen zwischenstaatlicher Organisationen (§ 8 Abs. 2 Nr. 6–8 MarkenG, Art. 7 Abs. 1 lit. h, i) markenrechtsexternen (staatspolitischen) Interessen dient. Auf Konkordanz mit der übrigen Rechtsordnung zielt schließlich der Ausschluss von Marken, die geeignet sind, das Publikum über die Art, Beschaffenheit oder geographische Herkunft der Ware zu täuschen (§ 8 Abs. 2 Nr. 4 MarkenG, Art. 7 Abs. 1 lit. g GMVO), sowie von Marken, deren Benutzung nach anderen Rechtsvorschriften als solchen des Markenrechts untersagt werden kann (§ 8 Abs. 2 Nr. 9 MarkenG) oder die bösgläubig beantragt wurden (§ 8 Abs. 2 Nr. 10 MarkenG).

2.94

1 EuGH v. 16.9.2004 – C-329/02 P, EuGHE 2004, I-8317 ff. – SAT.1; v. 4.10.2001 – C-517/99, EuGHE 2001, I-6959 ff. – Merz & Krell. 2 EuGH v. 4.5.1999 – C-108/97 und C-109/97, EuGHE 1999, I-2779 ff. – Windsurfing Chiemsee; v. 10.4.2008 – C-102/07, EuGHE 2008, I-2439 ff. – adidas. 3 EuGH v. 18.6.2002 – C-299/99, EuGHE 2002, I-5475 ff. – Philips. 4 EuGH v. 18.6.2002 – C-299/99, EuGHE 2002, I-5475 ff. – Philips.

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Kap. 2: Zivilrechtliche Grundlagen

2.95

Die relativen Eintragungshindernisse der §§ 9–13 MarkenG (Art. 8 GMVO) ergeben sich schließlich im Unterschied zu den am Allgemeininteresse orientierten absoluten Eintragungshindernissen aus entgegenstehenden Rechten Dritter, aufgrund derer die Benutzung der Marke verhindert werden könnte (z.B. Identität oder Ähnlichkeit und Verwechslungsgefahr mit älteren Marken, § 9 Abs. 1 Nr. 1, 2 MarkenG, Art. 8 Abs. 1 GMVO oder entgegenstehende andere Rechte wie Namens- oder Urheberrechte, § 13 MarkenG, Art. 53 Abs. 2 GMVO). Sie sind insofern relativ, als sie im Eintragungsverfahren nicht geprüft werden und erst auf Widerspruch (§ 42 Abs. 2 MarkenG) oder Löschungsklage (§§ 51, 55 MarkenG) des Berechtigten Bedeutung erlangen.1 b) Unternehmenskennzeichen und Werktitel

2.96

Der Schutz durch ein Unternehmenskennzeichen entsteht durch die Ingebrauchnahme des Kennzeichens im geschäftlichen Verkehr, sofern das Unternehmenskennzeichen über originäre namensmäßige Unterscheidungskraft verfügt (§ 5 Abs. 2 Satz 1 MarkenG), so dass es vom Verkehr als Herkunftshinweis und nicht als rein beschreibend verstanden wird.2 Gemäß § 5 Abs. 2 Satz 2 MarkenG können auch Geschäftsabzeichen oder sonstige zur Unterscheidung des Geschäftsbetriebs bestimmte Zeichen (z.B. Telefonnummern, Bildsymbole oder Logos, Aufmachung der Mitarbeiter oder Geschäftsräume) als Unternehmenskennzeichen geschützt sein, allerdings nur unter der gegenüber § 5 Abs. 2 Satz 1 MarkenG gesteigerten Voraussetzung ihrer Verkehrsgeltung in den beteiligten Kreisen.3 Neben den Unternehmenskennzeichen können schließlich auch die Namen oder besondere Bezeichnungen von Druckschriften, Filmwerken, Tonwerken, Bühnenwerken oder vergleichbaren Werken als Werktitel gemäß § 5 Abs. 3 MarkenG als geschäftliche Bezeichnungen geschützt sein, sofern sie im Zeitpunkt ihrer Benutzungsaufnahme4 Unterscheidungskraft genießen5 oder wenn sie sich im Laufe ihrer Benutzung bei den angesprochenen Kreisen durchgesetzt haben.6 c) Schutzdauer

2.97

Im Unterschied zu Patent- und Urheberrecht kann die Schutzdauer einer eingetragenen Marke beliebig durch Verlängerungsantrag und Entrich1 Im Gemeinschaftsmarkenrecht werden die relativen Eintragungshindernisse bereits vor der Eintragung auf Widerspruch (Art. 41, 42 GMVO) geprüft, weil die Eintragung erst nach Abschluss des Widerspruchsverfahrens erfolgt (Art. 45 GMVO). 2 BGH v. 31.7.2008 – I ZR 171/05, GRUR 2008, 1104 ff. – Haus & Grund II. 3 Schalk in Büscher/Dittmer/Schiwy, Gewerblicher Rechtsschutz – Urheberrecht – Medienrecht2, § 5 MarkenG Rz. 11 f., 33. 4 Dieser Zeitpunkt kann durch eine sogenannte Titelschutzanzeige vorverlagert werden, wenn das Werk in branchenüblicher Weise angekündigt wird und in angemessener Frist unter dem Titel erscheint, BGH v. 14.5.2009 – I ZR 231/06, GRUR 2009, 1055 ff. – airdsl. 5 BGH v. 14.5.2009 – I ZR 231/06, GRUR 2009, 1055 ff. – airdsl. 6 BGH v. 1.3.2001 – I ZR 211/98, GRUR 2001, 1050 ff. – tagesschau.

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B. Die einzelnen Rechte des geistigen Eigentums

tung der Gebühren verlängert werden (§ 47 Abs. 2 MarkenG, Art. 46, 47 GMVO). 3. Rechtsinhaberschaft Inhaber der eingetragenen Marke (§ 4 Nr. 1 MarkenG) wird ihr Anmelder (zur Markenfähigkeit § 7 MarkenG, Art. 5 GMVO), während die Benutzungsmarke demjenigen zusteht, zu dessen Gunsten die Verkehrsgeltung erlangt wurde.1 Das Unternehmenskennzeichen nach § 5 Abs. 2 MarkenG wiederum steht dem zugehörigen Unternehmen zu und erlischt, sobald es losgelöst vom Geschäftsbetrieb übertragen werden soll (vgl. zur Firma § 23 HGB). Der Berechtigte des Titelschutzes nach § 5 Abs. 3 MarkenG ist vom Einzelfall abhängig (bei Zeitschriften der Verlag, bei Büchern Autor und Verleger).2 Die isolierte Übertragbarkeit wird auch hier überwiegend verneint.3

2.98

4. Rechte aus der Marke a) Überblick Die Rechte aus der Marke regelt vor allem § 14 MarkenG (Art. 9 GMVO, zu geschäftlichen Bezeichnungen § 15 MarkenG). § 14 Abs. 1 MarkenG (Art. 9 Abs. 1 Satz 1 GMVO) stellt zunächst klar, dass die eingetragene Marke ihrem Inhaber ein ausschließliches Recht zuweist. Aufgrund dieses Rechts kann er gemäß § 14 Abs. 2 MarkenG (Art. 9 Abs. 1 Satz 2 GMVO) Dritten verbieten, ohne seine Zustimmung im geschäftlichen Verkehr ein mit der Marke identisches Zeichen für Waren oder Dienstleistungen zu benutzen, die mit denjenigen identisch sind, für die die Marke eingetragen ist, wenn die Benutzung die Funktionen der Marke und insbesondere ihre Hauptfunktion, d.h. die Gewährleistung der Herkunft der Waren oder Dienstleistungen gegenüber den Verbrauchern, beeinträchtigt oder beeinträchtigen könnte (§ 14 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG, Art. 9 Abs. 1 Satz 2 lit. a GMVO).4 Darüber hinaus kann der Markeninhaber Dritten auch die Benutzung eines mit der Marke identischen oder ähnlichen Zeichens für identische oder ähnliche Waren oder Dienstleistungen untersagen, wenn für das Publikum die Gefahr von Verwechslungen besteht (§ 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG, Art. 9 Abs. 1 Satz 2 lit. b GMVO), also das Publikum glauben könnte, dass die betreffenden Waren oder Dienstleistungen von demselben Unternehmen oder von wirtschaftlich miteinander verbundenen Unternehmen stammen.5 Über den Identi1 Schalk in Büscher/Dittmer/Schiwy, Gewerblicher Rechtsschutz – Urheberrecht – Medienrecht2, § 4 MarkenG Rz. 20. 2 Schalk in Büscher/Dittmer/Schiwy, Gewerblicher Rechtsschutz – Urheberrecht – Medienrecht2, § 5 MarkenG Rz. 56. 3 Von Gamm in Büscher/Dittmer/Schiwy, Gewerblicher Rechtsschutz – Urheberrecht – Medienrecht2, § 28 MarkenG Rz. 14. 4 EuGH v. 11.9.2007 – C-17/06, EuGHE 2007, I-7041 ff. – Céline. 5 EuGH v. 22.6.1999 – C-342/97, EuGHE 1999, I-3819 ff. – Lloyd.

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2.99

Kap. 2: Zivilrechtliche Grundlagen

täts- und Ähnlichkeitsschutz hinaus genießt der Markeninhaber schließlich im Fall einer bekannten Marke einen Schutz auch ohne Verwechslungsgefahr gegenüber solchen Benutzungshandlungen Dritter, die die Unterscheidungskraft oder die Wertschätzung der Marke ohne rechtfertigenden Grund in unlauterer Weise ausnutzen oder beeinträchtigen (§ 14 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG, Art. 9 Abs. 1 Satz 2 lit. c GMVO).1 b) Identitäts- und Ähnlichkeitsschutz (§ 14 Abs. 2 Nr. 1, 2 MarkenG)

2.100

Der Inhaber einer Marke kann gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 1 oder Nr. 2 MarkenG (Art. 9 Abs. 1 Satz 2 lit. a und lit. b GMVO) die Nutzung durch Dritte untersagen, sofern fünf Voraussetzungen erfüllt sind2: – Die Benutzung muss im geschäftlichen Verkehr und im Rahmen der „eigenen kommerziellen Kommunikation“ des Dritten3 stattfinden, also „im Zusammenhang mit einer auf einen wirtschaftlichen Vorteil gerichteten kommerziellen Tätigkeit und nicht im privaten Bereich“ erfolgen,4

2.101

– sie muss ohne die Zustimmung (dingliche Lizenz oder schuldrechtliche Gestattung5) des Markeninhabers erfolgen;

2.102

– sie muss entweder die Benutzung eines identischen Zeichens für identische Waren oder Dienstleistungen betreffen, für die die Marke eingetragen wurde (Doppelidentität von Zeichen und Waren/Dienstleistungen, § 14 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG,6 Art. 9 Abs. 1 Satz 2 lit. a GMVO), oder sie muss ein identisches oder ähnliches Kennzeichen für identische oder ähnliche Waren oder Dienstleistungen betreffen und zugleich die Gefahr von Verwechslungen für das Publikum begründen (§ 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG, Art. 9 Abs. 1 Satz 2 lit. b GMVO); letzteres ist der Fall, wenn das Publikum „glauben könnte, dass die betreffenden Waren oder Dienstleistungen aus demselben Unternehmen oder gege1 EuGH v. 23.10.2003 – C-408/01, EuGHE 2003, I-12537 ff. – Adidas Salomon. 2 Vgl. EuGH v. 11.9.2007 – C-17/06, EuGHE 2007, I-7041 Rz. 16 – Céline. Dort (bezogen auf den Identitätsschutz des § 14 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG) spricht der EuGH von vier Voraussetzungen und fasst die hier als dritte und vierte getrennten Voraussetzungen zusammen. 3 EuGH v. 23.10.2010 – C-236/08 bis C-238/08, NJW 2010, 2029 ff. – Google France. Im Fall der Google-Adwords lässt Google zwar zu, dass ihre „Kunden Zeichen benutzen, die mit Marken anderer identisch oder ihnen ähnlich sind, benutzt diese Zeichen jedoch nicht selbst“. 4 EuGH v. 12.11.2002 – C-206/01, EuGHE 2002, I-10273 Rz. 40 – Arsenal Football Club. 5 Im Markenrecht ist umstritten, ob eine Lizenz überhaupt dinglich und nicht nur schuldrechtlich wirken kann, eingehend Fezer, Markenrecht4, § 30 MarkenG Rz. 6 ff. 6 Identität zwischen dem Zeichen und der Marke setzt grundsätzlich voraus, dass das Zeichen ohne Änderung oder Hinzufügung alle Elemente wiedergibt, die die Marke bilden. Allerdings können dem Durchschnittsverbraucher unbedeutende Unterschiede zwischen dem Zeichen und der Marke entgehen, EuGH v. 20.3. 2003 – C-291/00, EuGHE 2003, I-2799 ff. – LTJ Diffusion.

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B. Die einzelnen Rechte des geistigen Eigentums

benenfalls aus wirtschaftlich miteinander verbundenen Unternehmen stammen“1; – sie muss „für Waren oder Dienstleistungen“, also zur Unterscheidung von Waren oder Dienstleistungen erfolgen2 (dies ist der Fall, wenn der Dritte das Zeichen als seinen Handelsnamen oder sein Firmenzeichen auf den Waren anbringt, die er vertreibt, oder wenn „der Dritte das Zeichen in der Weise benutzt, dass eine Verbindung zwischen dem Zeichen, das die Gesellschaftsbezeichnung, den Handelsnamen oder das Firmenzeichen des Dritten bildet, und den vom Dritten vertriebenen Waren oder den von ihm erbrachten Dienstleistungen hergestellt wird“)3; und schließlich

2.103

– sie muss die Funktionen der Marke und insbesondere ihre Hauptfunktion, d.h. die Gewährleistung der Herkunft der Waren oder Dienstleistungen gegenüber den Verbrauchern, beeinträchtigen oder beeinträchtigen können. Die relevanten Markenfunktionen unterscheiden sich dabei zwischen § 14 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 MarkenG (Art. 9 Abs. 1 Satz 2 lit. a und lit. b GMVO). Im Fall der Doppelidentität von Marke/ Kennzeichen und Waren/Dienstleistungen des Markeninhabers und des Dritten gehört dazu „nicht nur die Hauptfunktion der Marke, die Gewährleistung der Herkunft der Ware oder Dienstleistung gegenüber den Verbrauchern, sondern es gehören dazu auch ihre anderen Funktionen wie u.a. die Gewährleistung der Qualität dieser Ware oder Dienstleistung oder die Kommunikations-, Investitions- oder Werbefunktionen“.4 Handelt es sich demgegenüber nicht um den Fall der Doppelidentität, sondern um einen Fall der Verwechslungsgefahr (§ 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG, Art. 9 Abs. 1 Satz 2 lit. b GMVO), so setzt die Markenverletzung „das Vorliegen einer Verwechslungsgefahr und demnach die Möglichkeit der Beeinträchtigung einer Hauptfunktion der Marke voraus“5, so dass der Schutz nach § 14 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG weitreichender ist als der Schutz nach § 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG.

2.104

c) Schutz bekannter Marken (§ 14 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG) Über den Identitäts- und Ähnlichkeitsschutz nach § 14 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 MarkenG hinaus sieht § 14 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG (Art. 9 Abs. 1 Satz 2 lit. c GMVO) außerdem für bekannte Marken einen Schutz auch ohne Verwechslungsgefahr für solche Benutzungen vor, die die Unterscheidungskraft oder die Wertschätzung der Marke ohne rechtfertigenden 1 EuGH v. 25.3.2010 – C-278/08, GRUR 2010, 451 Rz. 38 – Bergspechte. 2 EuGH v. 11.9.2007 – C-17/06, EuGHE 2007, I-7041 Rz. 20, 22 ff. – Céline. 3 EuGH v. 11.9.2007 – C-17/06, EuGHE 2007, I-7041 Rz. 20, 22 ff. – Céline; zur bloß referierenden Benutzung im Rahmen vergleichender Werbung EuGH v. 12.6.2008 – C-533/06, EuGHE 2008, I-4231 ff. – O2. 4 EuGH v. 18.6.2009 – C-487/07, EuGHE 2009, I-5185 Rz. 58 – L’Oréal; zur Werbefunktion auch EuGH v. 23.10.2010 – C-236/08 bis C-238/08, NJW 2010, 2029 ff. – Google France. 5 EuGH v. 18.6.2009 – C-487/07, EuGHE 2009, I-5185 Rz. 59 – L’Oréal.

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2.105

Kap. 2: Zivilrechtliche Grundlagen

Grund in unlauterer Weise ausnutzen oder beeinträchtigen.1 Der Schutz nach § 14 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG erfordert daher ebenso wie § 14 Abs. 2 Nr. 1 oder Nr. 2 MarkenG den Gebrauch eines identischen oder ähnlichen Zeichens im geschäftlichen Verkehr ohne Zustimmung des Markeninhabers, aber er setzt weder eine Doppelidentität (§ 14 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG) noch eine Verwechslungsgefahr zwischen den Kennzeichen (§ 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG) voraus. Stattdessen genügt es, „dass der Grad der Ähnlichkeit zwischen der bekannten Marke und dem Zeichen bewirkt, dass die beteiligten Verkehrskreise das Zeichen und die Marke gedanklich miteinander verknüpfen“, ohne sie zu verwechseln.2 Darüber hinaus muss die betreffende Marke im Inland „bekannt“ sein, also „einem bedeutenden Teil des Publikums bekannt sein (…), das von den durch die Marke erfassten Waren oder Dienstleistungen betroffen ist“.3 Und schließlich muss die Benutzung des vermeintlich verletzenden Zeichens durch den Dritten die Unterscheidungskraft („Verwässerung“ oder „Schwächung“)4 oder die Wertschätzung („Verunglimpfung“ oder „Herabsetzung“)5 der bekannten Marke ohne rechtfertigenden Grund in unlauterer Weise ausbeuten („parasitäres Verhalten“ und „Trittbrettfahren“,6 § 14 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG). 5. Schranken des Markenrechts

2.106

Grenze des markenrechtlichen Ausschließlichkeitsrechts sind die in §§ 23, 24 MarkenG (Art. 12, 13 GMVO) geregelten Schranken. § 23 MarkenG (Art. 12 GMVO) dient dem Zweck, „die grundsätzlichen Interessen des Markenschutzes einerseits und des freien Warenverkehrs sowie der Dienstleistungsfreiheit im Gemeinsamen Markt andererseits in Einklang zu bringen“.7 Die Norm gestattet einem Dritten, trotz bestehendem Markenschutz seinen Namen8 und seine Anschrift (§ 23 Nr. 1 MarkenG, Art. 12 lit. a GMVO), beschreibende Angaben über Merkmale der Ware oder Dienstleistung wie Art, Beschaffenheit, Menge, Bestimmung, Wert, geographische Herkunft oder Herstellungszeit (§ 23 Nr. 2 MarkenG, Art. 12 lit. b GMVO)9 sowie die Marke, soweit sie als Hinweis auf die Bestimmung einer Ware als Zubehör oder Ersatzteil notwendig ist (§ 23 Nr. 3 MarkenG, Art. 12 lit. c GMVO),10 im geschäftlichen Verkehr zu 1 2 3 4 5 6 7 8

EuGH v. 23.10.2003 – C-408/01, EuGHE 2003, I-12537 ff. – Adidas Salomon. EuGH v. 23.10.2003 – C-408/01, EuGHE 2003, I-12537 ff. – Adidas Salomon. EuGH v. 14.9.1999 – C-375/97, EuGHE 1999, I-5421 ff. – General Motors. EuGH v. 18.6.2009 – C-487/07, EuGHE 2009, I-5185 Rz. 39 – L’Oréal. EuGH v. 18.6.2009 – C-487/07, EuGHE 2009, I-5185 Rz. 40 – L’Oréal. EuGH v. 18.6.2009 – C-487/07, EuGHE 2009, I-5185 Rz. 41 – L’Oréal. EuGH v. 8.7.2010 – C-558/08, GRUR 2010, 841 Rz. 57 – Portakabin. Zum Namen zählt auch der Handelsname, EuGH v. 16.11.2004 C-245/02, EuGHE 2004, I-10989 ff. – Anheuser Busch. 9 Dazu EuGH v. 25.1.2007 – C-48/05, EuGHE 2007, I-1017 – Opel. 10 Zweck des § 23 Nr. 3 MarkenG ist es, „den Anbietern von Waren und Dienstleistungen, die die vom Markeninhaber angebotenen Waren oder Dienstleistungen ergänzen, zu erlauben, diese Marke zu benutzen, um das Publikum über

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B. Die einzelnen Rechte des geistigen Eigentums

benutzen, sofern die Benutzung den guten Sitten entspricht. Das Tatbestandsmerkmal der „guten Sitten“ entspricht der Sache nach der Pflicht, den berechtigten Interessen des Markeninhabers nicht in unlauterer Weise zuwiderzuhandeln. Dabei ist u.a. zu berücksichtigen, inwieweit die Verwendung des Handelsnamens des Dritten von den beteiligten Verkehrskreisen oder zumindest einem erheblichen Teil dieser Kreise als Hinweis auf eine Verbindung zwischen den Erzeugnissen des Dritten und denen des Markeninhabers aufgefasst wird, inwieweit sich der Dritte dessen hätte bewusst sein müssen und inwieweit es sich um eine Marke handelt, die von einer gewissen Bekanntheit ist, die der Dritte beim Vertrieb seiner Erzeugnisse ausnutzen könnte.1 Als weitere Schranke des Markenrechts sieht § 24 MarkenG (Art. 13 GMVO) vor, dass der Inhaber einer Marke die Benutzung des Kennzeichens nicht mehr untersagen kann, wenn die betreffende Ware unter der Marke oder geschäftlichen Bezeichnung bereits mit seiner Zustimmung in einem Staat des Europäischen Wirtschaftsraums in Verkehr gebracht wurde (Erschöpfungsgrundsatz). Darüber hinaus ist der Markeninhaber zur Aufrechterhaltung seiner Marke verpflichtet, sie innerhalb einer sogenannten Benutzungsschonfrist von fünf Jahren ernsthaft zu benutzen, um eine unbegrenzte Reservierung ungenutzter Zeichen durch Eintragung von Marken zu verhindern (§ 26 MarkenG, Art. 15 GMVO). Wird die Marke innerhalb dieses Zeitraums nicht ernsthaft benutzt, so führt dies zum Verlust der Rechte aus der Marke (§ 25 MarkenG, Art. 99 Abs. 3 GMVO) und zu ihrem Verfall (§ 49 MarkenG, Art. 51 Abs. 1 lit. a GMVO), sofern nicht berechtigte Gründe für die Nichtbenutzung vorliegen.2 Eine ernsthafte Benutzung ist gegeben, wenn die Marke außerhalb des betreffenden Unternehmens entsprechend ihrer Herkunftsfunktion benutzt wird, um für diese Waren und Dienstleistungen einen Absatzmarkt zu erschließen oder zu sichern, unter Ausschluss symbolischer Verwendungen, die allein der Wahrung der durch die Marke verliehenen Rechte dienen.3 Neben den Fällen nicht ernsthafter Benutzung kommt ein Verfall der Marke in Betracht, wenn sie nach dem Zeitpunkt ihrer Eintragung zu einer gebräuchlichen Bezeichnung für die eingetragenen Waren oder Dienstleistungen geworden ist oder infolge ihrer Benutzung durch den Inhaber geeignet ist, das Publikum über Art, Beschaffenheit oder geographische Herkunft der Waren irrezuführen (§ 49 Abs. 2 MarkenG, Art. 51 Abs. 1 lit. b, c GMVO).

diesen Sachzusammenhang zwischen ihren eigenen Waren und Dienstleistungen und denen des Markeninhabers zu unterrichten“, EuGH v. 8.7.2010 – C-558/08, GRUR 2010, 841 Rz. 57 – Portakabin. 1 EuGH v. 16.11.2004 – C-245/02, EuGHE 2004, I-10989 ff. – Anheuser Busch; siehe auch EuGH v. 17.3.2005 – C-228/03, EuGHE 2005, I-2337 ff. – Gillette. 2 Dazu EuGH v. 14.6.2007 – C-246/05, EuGHE 2007, I-4673 ff. – Lidl. 3 EuGH v. 11.3.2003 – C-40/01, EuGHE 2003, I-2439 ff. – Ansul; v. 9.12.2008 – C-442/07, EuGHE 2008, I-9223 – Verein Radetzky Orden.

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2.107

Kap. 2: Zivilrechtliche Grundlagen

6. Das Markenrecht im Rechtsverkehr

2.108

Gemäß § 27 Abs. 1 MarkenG (Art. 17 Abs. 1 GMVO) sind sämtliche Markenformen (nicht aber Unternehmenskennzeichen i.S.d. § 5 Abs. 2 MarkenG) sowohl durch Rechtsgeschäft wie kraft Gesetzes (losgelöst von dem zugrunde liegenden Geschäftsbetrieb) übertragbar. Die Übertragung kann formfrei erfolgen. Die Registereintragung gemäß § 27 Abs. 3 MarkenG ist keine Wirksamkeitsvoraussetzung, empfiehlt sich aber aus Gründen des § 28 Abs. 2 MarkenG.1 Im Gemeinschaftsmarkenrecht gilt dies umso mehr, da der Rechtsnachfolger gemäß Art. 27 Abs. 6 GMVO bis zur Eintragung im Register seine Rechte aus der Eintragung der Gemeinschaftsmarke nicht geltend machen kann. Bei Übertragungsvorgängen ist ebenso wie bei Sacheigentum zumindest begrifflich zwischen dem Rechtsgrund der Übertragung (i.d.R. ein Rechtskauf, §§ 453, 433 ff. BGB) als kausalem Verpflichtungsgeschäft und der dinglichen Verfügung durch Übertragung des Markenrechts (§ 27 Abs. 1 MarkenG) zu unterscheiden.

2.109

Zudem kann eine Marke auch Gegenstand einer ausschließlichen oder einfachen Lizenz sein (§ 30 Abs. 1 MarkenG, Art. 22 Abs. 1 GMVO). Die Markenlizenz kann räumlich und gegenständlich begrenzt sein, etwa auf bestimmte Waren/Dienstleistungen oder bestimmte Nutzungshandlungen. Auf Lizenzen an geschäftlichen Bezeichnungen findet § 30 MarkenG keine Anwendung. Möglich ist allerdings eine rein schuldrechtliche Benutzungsgestattung, in der der Berechtigte sich verpflichtet, seine Abwehransprüche aus § 15 MarkenG nicht geltend zu machen.2

2.110

Im Unterschied zur urheber- oder patentrechtlichen Lizenz ist im Markenrecht wegen § 30 Abs. 3 MarkenG (Art. 22 Abs. 3 GMVO) auch der ausschließliche Lizenznehmer nicht berechtigt, aufgrund eines eigenen Klagerechts gegen unbefugte Nutzungen der Marke vorzugehen. Ebenso wie bei Patenten und Urheberrechten gewährt § 30 Abs. 5 MarkenG sodann einen Sukzessionsschutz sowohl für einfache wie für ausschließliche Lizenzen, so dass die Nutzungsberechtigung des Lizenznehmers durch eine spätere Übertragung oder Lizenzierung nicht berührt wird. Im Gemeinschaftsmarkenrecht greift der Sukzessionsschutz erst nach Eintragung der Lizenz im Gemeinschaftsmarkenregister (Art. 23 Abs. 1 GMVO).3

IV. Sonstige Immaterialgüterrechte im Überblick 2.111

Neben den hier vorgestellten Materien zählen auch das Gebrauchsmusterrecht, das Geschmacksmusterrecht, das Sortenschutzrecht und der Schutz von Halbleitertopographien zu den Rechten des geistigen Eigentums. 1 Von Gamm in Büscher/Dittmer/Schiwy, Gewerblicher Rechtsschutz – Urheberrecht – Medienrecht2, § 28 MarkenG Rz. 10. 2 BGH v. 28.2.2002 I ZR 177/99, GRUR 2002, 967 ff. – Hotel Adlon. 3 Hoffrichter-Daunicht in Büscher/Dittmer/Schiwy, Gewerblicher Rechtsschutz – Urheberrecht – Medienrecht2, Artikel 23 GMV Rz. 5.

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C. Nebengebiete des geistigen Eigentums

Das Gebrauchsmuster ist ein dem Patent verwandtes technisches Schutzrecht, das für Erfindungen erteilt wird, die neu sind, auf einem erfinderischen Schritt beruhen und gewerblich anwendbar sind (§ 1 Abs. 1 GebrMG).1 Im Unterschied zum Patent wird das Gebrauchsmuster allerdings aufgrund einer rein formellen Prüfung erteilt, so dass die Neuheit, der erfinderische Schritt und die gewerbliche Anwendbarkeit im Eintragungsverfahren nicht geprüft werden (§ 8 Abs. 1 Satz 2 GebrMG). Allerdings ist die Schutzdauer des Gebrauchsmusters auf zehn Jahre beschränkt (§ 23 Abs. 1 GebrMG).

2.112

Im Unterschied zum technischen Gebrauchsmusterrecht zielt das Geschmacksmusterrecht auf den Schutz der „Erscheinungsform eines Erzeugnisses oder eines Teils davon, die sich insbesondere aus den Merkmalen der Linien, Konturen, Farben, der Gestalt, Oberflächenstruktur und/ oder der Werkstoffe des Erzeugnisses selbst und/oder seiner Verzierung ergibt“ (Art. 3 lit. a GGVO), also auf den Schutz von Design. Dem Geschmacksmusterschutz sind grundsätzlich alle Muster zugänglich, die neu sind und Eigenart haben (§ 2 GeschmMG). Voraussetzung für den auf 25 Jahre (§ 27 Abs. 2 GeschmMG) und auf gewerbliches Handeln (§ 40 Nr. 1 GeschmMG) beschränkten Geschmacksmusterschutz ist in aller Regel die Eintragung entweder in das deutsche oder – beim Gemeinschaftsgeschmacksmuster – europäische Register. Allerdings gewährt die Gemeinschaftsgeschmacksmusterverordnung auch einen dreijährigen Schutz für nicht eingetragene Gemeinschaftsgeschmacksmuster (Art. 11 GGVO).

2.113

Das im Sortenschutzgesetz und in der europäischen Sortenschutzverordnung Nr. 2100/94 geregelte Sortenschutzrecht ermöglicht den Schutz von unterscheidbaren, homogenen, beständigen, neuen und durch eine eintragbare Sortenbezeichnung bezeichneten Pflanzensorten (§§ 1, 3–7 SortG, Art. 5–10 GSortenVO). Es handelt sich ebenfalls um ein nur im gewerblichen Verkehr wirksames Schutzrecht (§ 10a Abs. 1 Nr. 1 SortG, Art. 15 lit. a GSortenVO), das gewisse Ähnlichkeiten zum Patentschutz aufweist. Ein dem Gebrauchsmusterschutz ähnliches gewerbliches Schutzrecht ist auch das durch das Halbleiterschutzgesetz (HalblSchG) geschaffene Recht an den Topographien von Halbleitererzeugnissen.

2.114

C. Nebengebiete des geistigen Eigentums I. Einführung Aus zivilrechtlicher Sicht ist der Begriff des geistigen Eigentums oder Immaterialgüterrechts schließlich zum Wettbewerbsrecht (UWG) und zum 1 Die früher geringeren Anforderungen an den „erfinderischen Schritt“ im Unterschied zur „erfinderischen Tätigkeit“ im Patentrecht hat der BGH aufgegeben, BGH v. 20.6.2006 – X ZB 27/05, NJW 2006, 3208 ff. – Demonstrationsschrank.

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2.115

Kap. 2: Zivilrechtliche Grundlagen

(allgemeinen) Persönlichkeitsrecht abzugrenzen. Bei diesen Nachbarmaterien handelt es sich aus zivilrechtlicher Sicht nicht um echte Ausschließlichkeitsrechte an einem von der Person verschiedenen Schutzgegenstand, so dass sie kein Recht des geistigen Eigentums darstellen. Aus der Perspektive des Steuerrechts werden diese Nachbarrechte allerdings häufig denselben Vorschriften wie die Kernmaterien des Immaterialgüterrechts unterworfen, so dass sie hier kurz vorgestellt werden sollen.

II. Wettbewerbsrecht (UWG) 1. Schutz nicht offenbarter Informationen (Know-how)

2.116

Die Abgrenzung zum Wettbewerbsrecht betrifft insbesondere die im Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) geregelten Ansprüche. Im Unterschied zum geistigen Eigentum zeichnet sich das UWG dadurch aus, dass es grundsätzlich keine gegen jedermann wirksamen (absoluten) Ausschließlichkeitsrechte begründet, sondern lediglich schuldrechtliche (deliktische) Ansprüche gegen besondere Verhaltensweisen eröffnet. So sind etwa Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse (sog. Know-how),1 die nicht zugleich auch Schutz nach den Gesetzen des geistigen Eigentums genießen (etwa dem UrhG), nicht gegen jede Verwendung durch Dritte geschützt, sondern nur unter den besonderen Voraussetzungen der §§ 17, 18 UWG i.V.m. §§ 4 Nr. 11, 3, 8 UWG bzw. §§ 823 Abs. 2, 1004 BGB.2 Wer demgegenüber die geheime Information auf legitime Weise erlangt, also ohne Geheimnisverrat (§ 17 Abs. 1 UWG), Betriebsspionage (§ 17 Abs. 2 UWG) oder Vorlagenfreibeuterei (§ 18 UWG), etwa durch eigene Forschungen oder durch Auseinandersetzung mit dem fremden Produkt, darf die Information frei verwerten. Trotz dieser strukturellen Unterschiede zwischen Ausschließlichkeitsrechten und dem Schutz von Geschäftsund Betriebsgeheimnissen wird der Schutz nicht offenbarter Informationen auf internationaler Ebene z.T. als ein Recht des geistigen Eigentums 1 Für eine Gleichsetzung der Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse des § 17 UWG mit dem Begriff Know-how auch Ann, in Ann/Loschelder/Grosch, Praxishandbuch Know-how-Schutz, Rz. 1/24. Der Begriff Know-how ist eher ein ökonomischer als ein juristischer Begriff und dementsprechend weniger klar umrissen. Umstritten ist insbesondere, ob unter Know-how jeder Weg zur Lösung eines Problems zu verstehen ist, der einer wirtschaftlichen Verwertung in einem Unternehmen zugänglich ist (Kraßer, GRUR 1970, 587, 590), oder ob als zusätzliche Voraussetzung zu fordern ist, dass die Information geheim ist, so etwa die Definition (im kartellrechtlichen Kontext) in Art. 1 Abs. 1 lit. i der Verordnung (EU) Nr. 1217/2010 der Kommission v. 14.12.2010 über die Anwendung von Art. 101 Abs. 3 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union auf bestimmte Gruppen von Vereinbarungen über Forschung und Entwicklung, ABl. L 335 v. 18.12.2010, 36: „eine Gesamtheit nicht patentgeschützter praktischer Kenntnisse, die durch Erfahrung und Erprobung gewonnen wurden und die geheim, wesentlich und identifiziert sind“. 2 Ohly in Piper/Ohly/Sosnitza, UWG5, Vor §§ 17–19 Rz. 3.

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C. Nebengebiete des geistigen Eigentums

angesehen (etwa Art. 1 Abs. 2, 39 TRIPS).1 Zumindest auf der Ebene der Lizenzierung ist eine gewisse wirtschaftliche Nähe unverkennbar, da sich in der Praxis zahlreiche Lizenzvereinbarungen (auch) auf die Überlassung von Know-how beziehen.2 2. Ergänzender wettbewerblicher Leistungsschutz Ein weiteres dem geistigen Eigentum nahestehendes Institut des UWG ist der Anspruch gemäß §§ 3, 4 Nr. 9, 8 UWG auf Unterlassung und Schadensersatz gegen denjenigen, der „Waren oder Dienstleistungen anbietet, die eine Nachahmung der Waren oder Dienstleistungen eines Mitbewerbers sind, wenn er a) eine vermeidbare Täuschung der Abnehmer über die betriebliche Herkunft herbeiführt, b) die Wertschätzung der nachgeahmten Ware oder Dienstleistung unangemessen ausnutzt oder beeinträchtigt oder c) die für die Nachahmung erforderlichen Kenntnisse oder Unterlagen unredlich erlangt hat“. Auch im Fall dieses sogenannten ergänzenden wettbewerblichen Leistungsschutzes eröffnet das UWG kein absolutes Ausschließlichkeitsrecht (wie ein Immaterialgüterrecht nach UrhG oder PatG), sondern verlangt neben dem Angebot nachgeahmter Produkte außerdem die Verwirklichung bestimmter Unlauterkeitsmerkmale (§ 4 Nr. 9 Buchst. a–c: vermeidbare Herkunftstäuschung, Rufausbeutung und -schädigung, unredliche Erlangung von Kenntnissen). Neben § 4 Nr. 9 UWG wird zudem diskutiert, ob nicht unter Rückgriff auf die allgemeine Generalklausel des § 3 UWG in Ausnahmefällen (etwa beim Schutz des Sportveranstalters3) auch ein Schutz gegen die unmittelbare Übernahme des Leistungsergebnisses unabhängig von den besonderen Unlauterkeitsmerkmalen des § 4 Nr. 9 Buchst. a–c UWG gewährt werden kann.4 Auch wenn der ergänzende wettbewerbliche Leistungsschutz grundsätzlich deliktsrechtlich und nicht als echtes Ausschließlichkeitsrecht ausgestaltet ist, so besitzt dieses Institut doch eine gewisse wirtschaftliche Nähe zu den 1 Siehe auch EuGH v. 14.12.2000 – C-300/98 und C-392/98, EuGHE 2000, I-11307 Rz. 60–63 – Dior, wonach es den Mitgliedstaaten freisteht, ob sie das nach den allgemeinen Vorschriften des nationalen Rechts über unerlaubte Handlungen, insbesondere über unlauteren Wettbewerb, gegebene Klagerecht, das auf den Schutz eines gewerblichen Modells vor Nachahmung gerichtet ist, als „Recht des geistigen Eigentums“ i.S.v. Art. 50 Abs. 1 des TRIPS-Übereinkommens ansehen. 2 Vgl. BGH v. 25.11.2010 – Xa ZR 48/09, GRUR 2011, 455 ff. – Flexitanks. Zur begleitenden Lizenzierung von Know-how bei Patentlizenzvereinbarungen Oehlrich, GRUR 2010, 33. 3 Ohly in Piper/Ohly/Sosnitza, UWG5, Rz. 9/80; verneint im Amateurbereich BGH v. 28.10.2010 – I ZR 60/09, GRUR 2011, 436 ff. – hartplatzhelden.de. 4 Dazu BGH v. 31.5.1960 – I ZR 64/58, GRUR 1960, 614 ff. – Figaros Hochzeit: „Es widerspricht dem Anstandsgefühl des verständigen Gewerbetreibenden, Leistungen Dritter, die erfahrungsgemäß nur gegen eine angemessene Vergütung zur Verfügung gestellt werden, sich ohne Erlaubnis des Leistenden anzueignen und kostenlos zur Förderung des eigenen gewerblichen Gewinnstrebens auszunutzen“; siehe auch BGH v. 28.10.2010 – I ZR 60/09, GRUR 2011, 436 ff. – hartplatzhelden.de.

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2.117

Kap. 2: Zivilrechtliche Grundlagen

Rechten des geistigen Eigentums, die sich etwa in der Möglichkeit der Lizenzierung wettbewerblicher „Leistungsschutzrechte“1 manifestieren. 3. Der Schutz des Sportveranstalters

2.118

Anders als einige ausländische Rechtsordnungen kennt das deutsche Recht keinen sondergesetzlichen Schutz2 der Rechte des Sportveranstalters. Die Rechtsprechung behilft sich daher mit schuldrechtlichen Ansprüchen aus § 823 Abs. 1 BGB (Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb), aus § 826 BGB oder aus Wettbewerbsrecht (§ 3 UWG).3 Vor allem ermöglicht das aus §§ 858 ff., 1004 BGB abgeleitete Hausrecht des Stadioneigentümers oder -besitzers seinem Inhaber, Dritten den Zugang zum Veranstaltungsort zu versagen, die ohne Genehmigung des Veranstalters versuchen, die Veranstaltung aufzuzeichnen und/oder durch Rundfunk zu übertragen.4 Die Erlaubnis des Veranstalters zur Fernsehübertragung einer Sportveranstaltung ist daher aus der Perspektive des Zivilrechts „keine Übertragung von Rechten, sondern eine Einwilligung in Eingriffe, die der Veranstalter aufgrund der eben genannten Rechtspositionen verbieten könnte“.5

III. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht 2.119

Ebenfalls von den geistigen Eigentumsrechten im zivilrechtlichen Sinne zu unterscheiden ist das allgemeine Persönlichkeitsrecht, das in verfassungskonformer Anwendung des § 823 Abs. 1 BGB Schutz als sonstiges (absolutes) Recht genießt.6 Das allgemeine Persönlichkeitsrecht wird durch verschiedene spezialgesetzlich geregelte „besondere Persönlichkeitsrechte“ ergänzt, z.B. der Schutz des Namens (§ 12 BGB), das Recht am eigenen Bild (§§ 22 ff. KUG), der Schutz personenbezogener Daten (§ 4 1 Dazu Nemeczek, GRUR 2011, 292 ff. 2 § 81 UrhG schützt nur den Veranstalter von Darbietungen ausübender Künstler (§ 73 UrhG), BGH v. 14.3.1990 – KVR 4/88, GRUR 1990, 702 ff. – Sportübertragungen. Eingehend Hilty/Henning-Bodewig, Leistungsschutzrechte für Sportveranstalter?, 2007. 3 Wettbewerbsrechtliche Ansprüche bei Sportübertragungen aus dem Amateurbereich verneint BGH v. 28.10.2010 – I ZR 60/09, GRUR 2011, 436 ff. – hartplatzhelden.de. 4 BGH v. 14.3.1990 – KVR 4/88, GRUR 1990, 702 ff. – Sportübertragungen; v. 8.11. 2005 – KZR 37/03, GRUR 2006, 249, 250 f. – Hörfunkrechte; v. 28.10.2010 – I ZR 60/09, GRUR 2011, 436 ff. – hartplatzhelden.de. 5 BGH v. 14.3.1990 – KVR 4/88, GRUR 1990, 702 ff. – Sportübertragungen; jüngst BGH v. 28.10.2010 – I ZR 60/09, GRUR 2011, 436 ff. – hartplatzhelden.de. 6 Allerdings unterfallen die Persönlichkeitsrechte dem verfassungsrechtlich gewährleisteten Kern der Persönlichkeitsentfaltung nur, soweit sie dem Schutz ideeller Interessen dienen. Der Schutz der von der Rechtsprechung entwickelten vermögenswerten Bestandteile der Persönlichkeitsrechte wird lediglich einfachgesetzlich (zivilrechtlich) begründet, BVerfG v. 22.8.2006 – 1 BvR 1168/04, NJW 2006, 3409 ff. – Werbekampagne mit blauem Engel; BGH v. 5.6.2008 – I ZR 96/07, NJW 2008, 3782 ff. – Zerknitterte Zigarettenschachtel.

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D. Beispiele für Steuerklauseln in Verträgen

BDSG) oder der Schutz von Ehre (§§ 185 ff. StGB iVm § 823 Abs. 2 BGB) und Vertraulichkeit (§§ 201 ff. StGB).1 Auch wenn das Persönlichkeitsrecht durchaus einer Kommerzialisierung (Bildberichterstattung über Prominente, Merchandising u.a.) zugänglich ist, so handelt es sich aus zivilrechtlicher Perspektive dennoch nicht um ein Recht des geistigen Eigentums, da sich der Schutzgegenstand des Persönlichkeitsrechts – anders als etwa ein urheberrechtlich geschütztes Werk – gedanklich nicht von der Person unterscheiden lässt. Zu den Rechten des geistigen Eigentums zählt allerdings das Urheber- (§§ 12–14 UrhG) und Erfinderpersönlichkeitsrecht (§§ 37 Abs. 1, 63 Abs. 1 PatG), denn diese Rechte beziehen sich auf das Werk oder die Erfindung und damit einen von der Person des Urhebers oder Erfinders zu unterscheidenden außerpersönlichen Schutzgegenstand. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht ist als höchstpersönliches Recht nicht auf Dritte übertragbar. Zulässig ist aber, Dritten ähnlich einer Lizenz die einfache oder ausschließliche wirtschaftliche Verwertung bestimmter persönlichkeitsrechtlicher Befugnisse gegen Vergütung zu gestatten.2 Wird einem Dritten auf diese Weise die wirtschaftliche Verwertung z.B. des Bildnisses einer Person exklusiv gestattet, so kann der Dritte von jedem, der ohne Einwilligung das Bildnis verwertet, gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 Var. 2 BGB Zahlung einer für die Gestattung der wirtschaftlichen Verwertung übliche Vergütung verlangen.3

2.120

D. Beispiele für Steuerklauseln in Verträgen I. Einführung Es ist im Rahmen dieses Buchs nicht möglich, sämtliche denkbaren Fallkonstellationen mit Beispielen für Steuerklauseln zu unterlegen. Zu vielfältig sind die Gestaltungsmöglichkeiten, zu unterschiedlich die Immaterialgüterrechte. Nachfolgend werden daher, ohne Anspruch auf Vollständigkeit, nur die typischen Fragestellungen behandelt, die sich bei Erträgen aus Immaterialgüterrechten (ungeachtet ihrer Rechtsnatur) regelmäßig in der Praxis stellen.

2.121

II. Ertragsteuerrecht 1. Notwendigkeit und Zweck von Steuerklauseln Die Frage, welche Vertragspartei bei Vergütungen für die Überlassung immaterieller Wirtschaftsgüter (beispielsweise bei der Überlassung von Markenrechten, Patenten oder von Know-how) etwaig anfallende Steuern zu 1 Sprau in Palandt, BGB70, § 823 Rz. 85. 2 BGH v. 14.10.1986 – VI ZR 10/86, GRUR 1987, 128 f. – Nena. 3 BGH v. 14.10.1986 – VI ZR 10/86, GRUR 1987, 128 f. – Nena.

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2.122

Kap. 2: Zivilrechtliche Grundlagen

tragen hat, kann erhebliche wirtschaftliche Auswirkungen haben, auch wenn sie zumindest in Konzernen wegen § 50g EStG in ihrer Bedeutung ein wenig zurückgedrängt worden ist: Nach dieser Vorschrift wird die Steuer für Lizenzgebühren innerhalb verbundener Unternehmen nicht erhoben. Vertragliche Regelungen, die Steuern zum Gegenstand haben (sog. Steuerklauseln), sind daher ratsam.

2.123

Vor dem in diesem Buch behandelten Hintergrund, d.h. im Hinblick auf die steuerliche Behandlung von Erträgen aus Immaterialgüterrechten, verfolgen ertragsteuerliche Steuerklauseln gleich mehrere Zwecke. Ihre Bedeutung darf nicht unterschätzt werden. Sie variiert aber in Abhängigkeit davon, ob eine Inbound- oder eine Outbound-Situation gegeben ist, welche Partei von dem Vertrag im (wirtschaftlichen) Ergebnis bevorzugt werden soll, wie es insgesamt um die Verhandlungsmacht der Parteien bestellt ist, ob es sich um einen nationalen oder internationalen Sachverhalt handelt und ob bei grenzüberschreitend gezahlten Vergütungen mit dem anderen Staat ein DBA besteht.

2.124

Zunächst dienen vertragliche Regelungen darüber, welche Vertragspartei in welchem Staat welche Steuern zu tragen hat, der Klarheit und sodann auch der Rechtsdurchsetzung im Streitfall. Die Erfahrung zeigt aber, dass aus dieser im Grunde trivialen Erkenntnis in der Praxis im Vorhinein nicht immer die richtigen Folgerungen gezogen werden. Oftmals sind Steuerklauseln, gerade bei grenzüberscheitend gezahlten Vergütungen, unklar oder unvollständig formuliert, nicht selten fehlen sie auch ganz. Dies kann dazu führen, dass Investments nicht das gewünschte wirtschaftliche Resultat zeitigen.

2.125

Sodann ist zu konstatieren, dass Steuerklauseln insbesondere im grenzüberschreitenden Kontext erforderlich sind. Sie können dann einerseits – auch wenn das nationale Steuerrecht in seiner Wirkung natürlich nicht abdingbar ist – helfen, eine mögliche Doppelbesteuerung zu vermeiden oder zu vermindern, die aus der Begründung einer Steuerpflicht in zwei oder mehr Staaten herrührt, andererseits aber dienen sie, aus der Sicht eines inländischen Steuerpflichtigen, in Outbound-Situationen der Vermeidung unliebsamer Überraschungen des inländischen Vergütungsgläubigers (in ausländischen Steuerrechten werden Quellensteuern häufig in Situationen erhoben, die im nationalen deutschen Steuerrecht nicht der Quellenbesteuerung unterliegen). Umgekehrt werden ausländische Vergütungsgläubiger möglicherweise nicht stets mit der Reichweite der deutschen Abzugsteuern rechnen. Wie sich fehlende Regelungen zur Tragung von Quellensteuern auswirken können, ist anschaulich in Rz. 1.71 ff. der Einleitung dargestellt worden.

2.126

Ertragsteuerliche Steuerklauseln sind hinsichtlich des deutschen nationalen Steuerrechts insbesondere an der Vorschrift des § 50a EStG zu messen (vgl. dazu ausführlich Rz. 8 170 ff.). Für den ausländischen Vergütungsgläubiger ist es ratsam, über die Reichweite der deutschen Abzugsteuern aufgeklärt zu sein, während der inländische Vergütungsgläubiger durch 80

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D. Beispiele für Steuerklauseln in Verträgen

eine vertragliche Klarstellung bzw. Überwälzung der Steuerlast auf den ausländischen Vertragspartner jedenfalls der Haftung nach § 50a Abs. 5 Satz 4 EStG vermeiden kann, wenn er den Steuerabzug wie vereinbart und damit vertragskonform vornimmt. Besondere Fragen, die eine individualvertragliche Regelung erforderlich machen können, sind ferner im Zusammenhang mit der Regelung des § 50a Abs. 2 Satz 2 EStG denkbar, wonach vom Schuldner der Vergütung ersetzte oder übernommene Reisekosten nur insoweit zu den steuerpflichtigen Einnahmen gehören, als die Fahrt- und Übernachtungsauslagen die tatsächlichen Kosten und die Vergütungen für Verpflegungsmehraufwand die Pauschbeträge nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 EStG übersteigen. Ein Gleiches gilt für die durch das JStG 2009 neu geschaffene Möglichkeit, Betriebsausgaben und Werbungskosten gleich beim Steuerabzug berücksichtigen zu lassen, § 50a Abs. 3 EStG.

2.127

Bei grenzüberschreitend gezahlten Vergütungen schließlich ist bei der Vertragsaufsetzung insbesondere Art. 12 OECD-MA im Blick zu behalten. Bei Lizenzgebühren steht nach dem Musterabkommen allein dem Ansässigkeitsstaat des Lizenzgebers ein Besteuerungsrecht zu. Eine Quellenbesteuerung im Staat des Lizenznehmers ist grundsätzlich nicht vorgesehen, es sei denn, der Lizenzgeber unterhält dort eine Betriebsstätte oder eine feste Einrichtung. Folgt das jeweils anwendbare DBA dem Musterabkommen, ist daher in Inbound-Situationen trotz des § 50a EStG eine vertragliche Abrede über die Tragung der Steuerlast im Ergebnis nicht notwendig. Gerade in jüngerer Zeit enthalten die deutschen Abkommen aber Ausnahmen vom Ausschluss des Quellensteuerabzugs, was vertraglich zu berücksichtigen ist.

2.128

Was Steuerklauseln im Allgemeinen anbelangt, so ist es überlegenswert, eine Definition von „Steuern“ in den Vertrag aufzunehmen. Gerade bei ausländischen Vertragspartnern besteht nicht zwangsläufig Einigkeit über diesen Begriff, und ausländische Steuerrechte bestimmen seinen Inhalt oftmals abweichend von § 3 Abs. 1 AO und auch meist umfassender. Man sollte daher bei der Vertragsgestaltung jedenfalls auf § 3 Abs. 1 AO Bezug nehmen, die einzelnen in Betracht kommenden Steuerarten (beider Vertragsstaaten) nennen oder sich jedenfalls in einem weiten Verständnis auf „Steuern und andere Abgaben“ beziehen.

2.129

Die Definition von Steuern sollte im Zweifelsfall eher weiter denn enger ausfallen, und keinesfalls sollte sie zu eng bemessen sein, etwa indem nur auf Ertragsteuern abgestellt wird. Es gibt im Ausland zahlreiche Quellensteuern, die strukturell nicht als Ertrag-, sondern als Verkehrsteuern ausgestaltet sind (beispielsweise die chinesische Business Tax, die auf die Erbringung von Dienstleistungen und den Transfer von immateriellen Wirtschaftsgütern erhoben wird). In einem solchen Fall besteht nicht nur die Gefahr, dass die Anrechenbarkeit der Steuer in Deutschland versagt wird (einmal, weil die strukturelle Vergleichbarkeit mit der deutschen Einkommensteuer nicht gegeben ist und zum anderen, weil die Business

2.130

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Kap. 2: Zivilrechtliche Grundlagen

Tax systematisch eine Steuer des Vergütungsschuldners ist), sondern diejenigen Steuerklauseln, die die wirtschaftliche Tragung der Steuerlast betreffen (dazu sogleich), würden im Ergebnis ohne Wirkung bleiben. Dies gilt es unbedingt zu vermeiden. 2. Arten von Steuerklauseln

2.131

Aufgrund der Vielzahl der wirtschaftlich denkbaren Sachverhalte ist auch der Einsatz von Steuerklauseln mannigfaltig. Die folgenden Aussagen dürften dennoch allgemein und für alle rechtlichen Teildisziplinen Geltung beanspruchen: Als „Steuerklausel“ wird eine vertragliche Regelung bezeichnet, die Steuern bzw. einen steuerlichen Sachverhalt zum Gegenstand hat oder die steuerliche Auswirkungen für eine der Vertragsparteien haben kann. Nach der Rechtsprechung des BFH dienen Steuerklauseln dazu, „nachteilige Folgen bestehender Steuerrechtsunsicherheit oder Rechtsungewissheit zu vermeiden“. Inhalt der Steuerklausel wird häufig eine Abrede darüber sein, welche Vertragspartei die aufgrund des Rechtsgeschäfts entstehenden in- oder ausländischen Steuern zivilrechtlich oder wirtschaftlich zu tragen hat (hierfür sollte der Begriff der Steuertragungsklausel verwendet werden). Einen etwas anderen Zuschnitt haben Steuerklauseln, die die zivilrechtliche Wirksamkeit des Vertrags oder von Vertragsbestandteilen von dem Eintritt einer vereinbarten steuerlichen Behandlung oder Folge abhängig machen (hierfür sollte der Begriff der Steuerwirkungsklausel verwendet werden, meist auch als Steuerklauseln i.e.S. bezeichnet). Als treffend als Steuervermeidungsklauseln zu bezeichnende Klauseln schließlich zielen explizit oder implizit auf die Vermeidung der Entstehung von Steuern bzw. einer bestimmten steuerlichen Behandlung ab. Flankierend vereinbart bzw. geregelt werden oftmals (Kauf)Preisanpassungen, Informationsrechte und -pflichten, Mitwirkungsrechte und -pflichten, die Pflicht zur Rechnungsstellung, Haftungsmindest- oder Haftungshöchstbeträge, Verjährungsregelungen oder Zahlungszeitpunkte. 3. Zivilrechtliche Umsetzung

2.132

Die zivilrechtliche Abbildung der Steuerklausel nun hängt maßgeblich von dem damit verfolgten Zweck ab. Abreden über Informationsrechte beispielsweise werden schlicht durch eine individualvertragliche Festschreibung getroffen. Betrifft die Steuerklausel hingegen die Zahlung von Steuern durch eine der Vertragsparteien oder umgekehrt gerade deren Vermeidung, arbeitet die Praxis (vor allem in Unternehmenskaufverträgen) meist mit selbstständigen, die gesetzlichen Gewährleistungsvorschriften überschreibenden Garantieversprechen i.S.d. § 311 Abs. 1 BGB. Daneben sind schlichte Haftungsfreistellungserklärungen oder auch Mischformen gebräuchlich, auch können Steuerklauseln (i.e.S.) als Bedingungen i.S.d. § 158 BGB formuliert sein.

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D. Beispiele für Steuerklauseln in Verträgen

4. Rechtsprechung zur Wirksamkeit von Steuerklauseln Die finanzgerichtliche Rechtsprechung (BFH und Untergerichte) hatte noch nicht oft Gelegenheit, zur Wirksamkeit bzw. zu den Folgen von Steuerklauseln Stellung zu nehmen, während dieses Thema im Schrifttum bereits vor etwa 40 Jahren erstmals umfassender erörtert worden war. Das Grundsatzurteil des BFH v. 24.11.1992,1 das eine zweckverfehlende Steuerklausel in Gestalt einer unwirksamen Steuerklausel i.e.S. zum Gegenstand hatte, war daher insofern erstaunlich, als es zwei naheliegende Grundfragen ausdrücklich offen ließ: Die bis zum Ergehen des Urteils in der Literatur widerstreitenden Auffassungen zur zivilrechtlichen Natur von Steuerklauseln wurden ebenso wenig gewürdigt und einer Entscheidung zugeführt wie eine Antwort auf die Frage herausgearbeitet, ob eine rechtsgeschäftlich vereinbarte Steuerklausel grundsätzlich auch steuerrechtlich wirksam ist. Der BFH ließ es stattdessen mit der Feststellung bewenden, dass eine Steuerklausel i.e.S. „sobald wie möglich“ dem Finanzamt gegenüber bekanntgegeben werden müsse, wenn sich die Parteien „darauf berufen“ wollten. Ähnliches war zuvor, teilweise – m.E. verfehlt – unter Rückgriff auf § 162 BGB, auch schon im Schrifttum vertreten worden.

2.133

Das genannte Judikat ist in mehrerlei Hinsicht auslegungsbedürftig. Zunächst erhellt sich nicht ohne weiteres die Aussage des BFH, der Steuerpflichtige könne sich auf die Steuerklausel „nicht berufen“. Angesichts der Tatsache, dass der BFH zuvor ausdrücklich darauf hinweist, es könne im Streitfall „offenbleiben, ob eine rechtsgeschäftlich vereinbarte Steuerklausel grundsätzlich auch steuerrechtlich wirksam ist“, kann das „sich nicht berufen Können“ offenbar nicht als steuerliche Unwirksamkeit im Allgemeinen verstanden werden. Vielmehr dürfte damit, ähnlich dem zivilrechtlichen Grundsatz des „venire contra factum proprium“, eine Einzelfallentscheidung nach Maßgabe von Treu und Glauben (abgeleitet aus § 242 BGB) gemeint sein, wie die folgende Urteilswendung belegt: „Dies [gemeint ist der Umstand des „sich nicht berufen Könnens“] folgt aus dem Gedanken, daß niemand aus einer von ihm treuwidrig herbeigeführten Lage Vorteile ziehen soll.“. Weiterhin bleibt in dem Urteil, jedenfalls prima facie, offen, ob der BFH dem Urteilsspruch für sämtliche Arten von Steuerklauseln zur Geltung verhelfen möchte.

2.134

Der letztgenannte, offene Punkt erklärt sich aber vor dem Hintergrund der folgenden Überlegung: Sowohl das zivilrechtliche Schuldverhältnis (§§ 241, 311 BGB) als auch das Steuerschuldverhältnis (§§ 33 ff. AO) gehen, jedenfalls im Ausgangspunkt, als Grundfall von einer Zweiseitigkeit aus. Die Berufung auf die Steuerklausel, die der BFH in dem o.g. Urteil versagt hat, würde aber im Fall ihres Durchgreifens nicht gegenüber der zivilrechtlichen Vertragspartei wirken, sondern gegenüber der zuständigen Finanzbehörde als Drittem. Dies ist jedenfalls insoweit konsequent,

2.135

1 BFH v. 24.11.1992 – IX R 30/88, BStBl. II 1993, 296.

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Kap. 2: Zivilrechtliche Grundlagen

als der BFH gerade die Anzeige der Steuerklausel gegenüber der Finanzbehörde fordert.

2.136

Dieses Argument greift aber nur bei Steuerklauseln i.e.S., d.h. bei Steuerwirkungsklauseln, die unmittelbar oder mittelbar Auswirkungen auf den Steueranspruch i.S.d. § 38 AO in der Weise zeitigen, dass sie die zivilrechtliche Wirksamkeit des Vertrags oder von Vertragsbestandteilen von dem Eintritt einer vereinbarten steuerlichen Behandlung oder Folge abhängig machen. Aus einem argumentum e contrario folgt daher, dass die genannte BFH-Rechtsprechung allein auf Steuerklauseln i.e.S. anzuwenden ist. Nur bei ihnen, nicht aber z.B. bei reinen Steuertragungsklauseln, kann die Finanzbehörde daher die Einwendung des Verbots des widersprüchlichen Verhaltens geltend machen, weil die Steuerklausel nur bei ihnen eine „Drittwirkung“ entfalten kann. So wäre es z.B. bei einem Grundstückskaufvertrag mit Steuertragungsklausel unsinnig, die Möglichkeit der Berufung auf die Steuerklausel an eine Anzeige gegenüber der Finanzbehörde zu knüpfen, denn § 13 Nr. 1 GrEStG stellt sicher, dass die Steuer vom Veräußerer und vom Erwerber eingefordert werden kann. Steuerklauseln, die lediglich unstreitig bestehende Steueransprüche zivilrechtlich oder wirtschaftlich verteilen, sind daher m.E. von der bisherigen BFH-Rechtsprechung ebenso wenig erfasst wie Steuervermeidungsklauseln, es sei denn, diese wirken ausnahmsweise wie Steuerklauseln i.e.S.

2.137

Es bleibt sonach mit dem BFH festzuhalten: Steuerklauseln i.e.S., die zivilrechtlich wirksam vereinbart sind, sind im Grundsatz auch steuerlich anzuerkennen. Die von der Steuerklausel begünstigte(n) Vertragspartei(en) muss/müssen jedoch der zuständigen Finanzbehörde den Inhalt der Steuerklausel zur Kenntnis bringen, wenn sie sich gegenüber der Finanzbehörde im Hinblick auf steuerliche Folgen darauf berufen wollen. Das Grundsatzurteil des BFH v. 24.11.1992 hat bis dato Bestand und ist, soweit ersichtlich, (auch untergerichtlich) bislang weder bestätigt noch revidiert worden.

2.138

Fraglich ist indes, ob dies auch für Steuervermeidungsklauseln gilt. Steuervermeidungsklauseln zielen explizit oder implizit darauf ab, eine bestimmte steuerliche Folge nicht eintreten zu lassen. Bislang ohne ausdrücklichen Widerspruch in Schrifttum und Rechtsprechung geblieben ist im Ausgangspunkt das Urteil des FG Baden-Württemberg v. 25.6.19701, wonach Steuerklauseln unwirksam sind, „wenn sie nur darauf abgestellt sind, die steuerlichen Folgen zu regulieren“. In dieser allgemeinen Form lässt sich ein solcher Befund aus der Rechtsprechung heute nicht mehr ableiten, zumal das Finanzgericht offen ließ, aus welcher rechtlichen Grundlage sich diese Konsequenz ergeben sollte. Auch bedarf es einer solchen Feststellung m.E. angesichts der §§ 40, 41 AO gar nicht, da die Parteien eines privatrechtlichen Rechtsgeschäfts selbstverständlich nicht über den gesetzlichen Besteuerungsanspruch disponieren können. Nur der zi1 FG BW v. 25.6.1970 – III 173/68, EFG 1970, 520.

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D. Beispiele für Steuerklauseln in Verträgen

vilrechtliche Sachverhalt kann gestaltet werden, nicht aber der Besteuerungstatbestand. Insofern mag – in Abgrenzung zur strafbaren Steuerhinterziehung und zur über Missbauchsvorschriften sanktionierten Steuerumgehung – die Feststellung des BFH genügen, dass der Steuerpflichtige vorbehaltlich wirtschaftlicher Gründe sowie vorbehaltlich der Nichtfeststellung einer gesetzlichen Missbilligung im Einzelfall nicht zur Zahlung von Steuern verpflichtet ist, sondern im Gegenteil den der Besteuerung zugrunde liegenden Sachverhalt (vgl. § 38 AO) so gestalten darf, dass eine geringere oder gar keine Steuerbelastung entsteht (sog. Steuervermeidung). Steuerklauseln also, die den zugrunde liegenden zivilrechtlichen Sachverhalt so gestalten, dass keine oder eine reduzierte Steuerbelastung eintritt (etwa durch die Möglichkeit eines Rücktritts vom Vertrag, wenn eine unerwünschte steuerliche Folge eintritt), müssen – zivilrechtlich aufgrund der Privatautonomie und steuerrechtlich mangels Erfüllung eines steuerrelevanten Tatbestands – mithin im Grundsatz zulässig sein. Solche Klauseln, die treffend als sachverhaltsgestaltende Klauseln bezeichnet werden können, hat der BFH in m.E. zutreffender Verneinung eines steuerlichen Missbrauchs nach § 42 AO mit der Begründung als grundsätzlich zulässig angesehen, dass die Rechtsklarheit auch im Interesse des Steuerberechtigten (Bund, Länder oder Gemeinden) liege. Diese Begründung stellt i.E. wie bei den Steuerklauseln i.e.S. (dazu bereits oben) eine Art tripolares Rechtsverhältnis her, was überzeugt, weil die Finanzbehörde von den Steuervermeidungsklauseln aufgrund einer zivilrechtlichen Neuordnung der Verhältnisse insoweit mittelbar betroffen ist, als der Besteuerungstatbestand nicht erfüllt wird, an den das Gesetz die Leistungspflicht knüpft. Überraschend ist sie dennoch, denn bei den Steuerklauseln i.e.S. war die Bekanntgabe der Steuerklausel an die Finanzbehörde nach der BFH-Rechtsprechung Voraussetzung für eine Berufung des Steuerpflichtigen auf die nämliche Klausel, während hier, gleichsam umgekehrt, die Auswirkung auf die Finanzbehörde (in Form des fiskalischen Ausfalls) bzw. die genaue Kenntnis über die Auswirkung gerade als Begründung für die Zulässigkeit der Klausel herangezogen wird.

2.139

Eine Ausnahme von dieser Erkenntnis, d.h. der grundsätzlichen Zulässigkeit von Steuervermeidungsklauseln bzw. ihrer angestrebten Wirkung, macht die Rechtsprechung in Fällen, in denen der Steuervermeidung nicht abdingbare handels- und steuerbilanzielle Vorschriften entgegen stehen. Das Paradebeispiel sind Steuerklauseln, die für den Fall der Feststellung einer verdeckten Gewinnausschüttung (vGA) seitens der steuerlichen Außenprüfung (§§ 193 ff. AO) die Rückgewähr des Erlangten seitens des empfangenden Gesellschafters vorsehen.1 Solche Klauseln sind nach der Rechtsprechung insoweit unzulässig, als mit ihnen gleichsam die steuerliche Rückgängigmachung der vGA bzw. deren Außerachtlassung angestrebt wird, oder präziser gesagt: Die mit der Klausel von den

2.140

1 BFH v. 29.5.1996 – I R 118/93, BFHE 180, 405 ff.; BFH v. 29.6.1994 – I R 137/93, BFHE 175, 347 ff.

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Kap. 2: Zivilrechtliche Grundlagen

Vertragsparteien angestrebte steuerliche Folge tritt nicht ein. Der Rückgewähranspruch, mag er auch zivilrechtlich wirksam vereinbart sein, schließt danach steuerlich die Annahme weder einer vorherigen vGA i.S.d. § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG noch einer anderen Ausschüttung i.S.d. § 27 Abs. 3 Satz 2 KStG a.F. aus. Diese Rechtsprechung fügt sich ein in das oben Gesagte: Nur der zivilrechtliche Sachverhalt kann vertraglich gestaltet werden, nicht aber der Besteuerungstatbestand. Ist der Tatbestand verwirklicht, an den das Gesetz die Leistungspflicht knüpft, dann entsteht der Besteuerungsanspruch. Er entfällt nicht dadurch ex nunc oder ex tunc, dass das zivilrechtliche Rechtsgeschäft rückabgewickelt wird. Ausnahmen hiervon bedürfen einer gesetzlichen Grundlage.

2.141

Ein weiteres Beispiel für eine Ausnahme von der grundsätzlichen Zulässigkeit von Steuervermeidungsklauseln sind nach der Rechtsprechung Fälle, in denen das Steuerrecht von den Vorgaben des Zivilrechts abweicht, sei es aufgrund der in § 39 AO angelegten wirtschaftlichen Betrachtungsweise, sei es aufgrund einer eigenständigen steuerlichen Definition von Begrifflichkeiten (z.B. § 20 Abs. 5 Satz 2 und 3 EStG für den Begriff des „Anteilseigners“). Als Beispiel mag das BFH-Urteil vom 22.8. 19901 zur Auslegung des Gläubigerbegriffs i.S.d. § 44c Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG a.F. dienen. Nach dem BFH diente die gesetzliche Definition des „Gläubigers“ dazu, den Schuldner der Kapitalertragsteuer zu umschreiben. Er sei in einem steuerrechtlichen und nicht in einem zivilrechtlichen Sinne zu verstehen gewesen, weshalb es auch dahinstehen könne, wie die Nießbrauchsbestellung zivilrechtlich zu verstehen sei.

2.142

Steuertragungsklauseln schließlich, d.h. jene Klauseln, die zwischen den Parteien eines Rechtsgeschäfts die aus diesem Rechtsgeschäft resultierende und nach den Steuergesetzen unstreitig entstehende Steuerbelastung verteilen, sind bislang, soweit ersichtlich, nicht Gegenstand der finanzgerichtlichen Rechtsprechung in der Weise gewesen, dass über ihre Zulässigkeit oder Folgen geurteilt worden wäre. Nach dem zu Steuervermeidungsklauseln Gesagten unterliegen solche Klauseln den allgemeinen Regeln des Zivilrechts und können daher im Rahmen der Privatautonomie frei vereinbart werden. Sie berühren, verändern oder negieren nicht den Besteuerungstatbestand, weshalb für das Steuerrecht kein Bedürfnis nach Regulierung entsteht. Vereinzelt waren Steuertragungsklauseln jedoch Gegenstand der Rechtsprechung der Zivilgerichte, wenn auch mit völlig anderem Fokus. Beispielsweise war im Versicherungsrecht die sog. Mehrwertsteuerklausel in § 13 Abs. 5 AKB 1998, wonach Mehrwertsteuer nur dann vom Versicherer ersetzt wird, wenn sie auch tatsächlich gezahlt wurde, für unwirksam erklärt worden,2 weil die Klausel als überraschend i.S.d. § 3 AGBG a.F. anzusehen war.

1 BFH v. 22.8.1990 – I R 69/89, BFHE 162, 263 ff. 2 AG Gummersbach v. 13.9.2001 – 1 C 151/01, Schaden-Praxis 2002, 142 ff.

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D. Beispiele für Steuerklauseln in Verträgen

5. Beispiele a) Steuertragung durch den Vergütungsschuldner Als Veranschaulichung mag ein klassischer Lizenzvertrag dienen, die nachstehenden Ausführungen gelten aber grundsätzlich bei der Überlassung immaterieller Wirtschaftsgüter. Vor allem bei grenzüberschreitend gezahlten Vergütungen ist es praxisüblich, eine Regelung zu treffen, aufgrund derer sämtliche anfallenden Ertragsteuern durch den Lizenznehmer (das ist der Vergütungsschuldner) zu tragen sind, so dass an den Lizenzgeber auch tatsächlich die vertraglich vereinbarte Vergütung auszukehren ist.

2.143

Entsprechend kann man formulieren: Alle direkten in- und ausländischen Steuern, die durch die Zahlung der Lizenzgebühren verursacht werden, sind vom Lizenznehmer zu tragen.

2.144

Man muss sich vor Augen führen, dass eine solche Regelung weder der Systematik der deutschen beschränkten Steuerpflicht (§§ 49 ff. EStG) noch im Grunde der wirtschaftlichen Interessenlage entspricht. Der Lizenzgeber ist schließlich diejenige Vertragspartei, die aus dem Immaterialgüterrecht Erträge erzielt, welche infolgedessen auch bei dieser Vertragspartei besteuert werden sollten. Da aber der Lizenzgeber i.d.R. eine größere Verhandlungsmacht haben wird, sind derlei Vertragsklauseln im internationalen Rechtsverkehr nicht selten.

2.145

Auch wenn bei den von der Klausel erfassten „direkten Steuern“ die Art der Steuererhebung nicht weiter bezeichnet ist, so betrifft die Formulierung in der Hauptsache Quellensteuern. Bei im Veranlagungswege erhobenen Steuern wäre es zumindest unüblich, die Steuertragung dem Vergütungsschuldner aufzuerlegen. Gleichwohl ist auch diese Möglichkeit rechtlich gegeben.

2.146

Unvollständig wäre es demgegenüber, wie folgt zu formulieren: Die Lizenzgebühr beträgt […] Euro und versteht sich exklusive etwaiger anfallender Steuern. Erstens lässt sich durch eine individualvertragliche Regelung selbstverständlich nicht eine nach dem Gesetz eingreifende Steuerpflicht abbedingen, und zweitens wird mit einer solchen Regelung noch nichts darüber ausgesagt, welche Vertragspartei diejenigen Steuern zu tragen hat, die aufgrund des jeweils anwendbaren Rechts anfallen. So wäre es im Beispielsfall erstens denkbar, dass der Vergütungsgläubiger selbst aus seinem Ertrag die Steuern zu begleichen hat, und zweitens denkbar, dass diese Verpflichtung den Vergütungsschuldner zusätzlich zur Zahlung der Vergütung trifft. Insofern könnte es zum Streit kommen, der durch eine Steuertragungsklausel einfach zu vermeiden ist.

2.147

Ein Gleiches gilt für Verträge, die keinerlei Aussage über die Steuertragung enthalten. Hier wird der Vergütungsschuldner i.d.R. argumentieren, dass von der vereinbarten Vergütung noch Quellensteuern zulasten des Vergütungsgläubigers einzubehalten sind, was dessen Nettovergütung

2.148

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Kap. 2: Zivilrechtliche Grundlagen

schmälert. Dann muss erst mühsam im Auslegungswege ermittelt werden, ob eine Brutto- oder Nettovergütung vereinbart war.

2.149

Steuertragungsklauseln bewirken jedoch nur eine Regelung darüber, welche Vertragspartei die meist anfallenden Quellensteuern wirtschaftlich zu tragen hat. Die wirtschaftliche Tragung hat weder etwas mit der Begründung der Steuerpflicht noch mit einer etwaig per Gesetz auf den Vergütungsschuldner überwälzten Abzugsverpflichtung zu tun. Wenn in einer Inbound-Situation die o.g. Klausel, wonach alle direkten in- und ausländischen Steuern, die durch die Zahlung der Lizenzgebühren verursacht werden, vom Lizenznehmer zu tragen sind, vereinbart wurde, dann bedeutet dies im Ergebnis nichts anderes, als dass der inländische Vergütungsschuldner an den Vergütungsgläubiger die vereinbarte Lizenzgebühr in voller Höhe auszukehren und er zugleich auf eigene Kosten die unter Anwendung von § 50a Abs. 2 EStG entstehende Steuer an das Finanzamt zu leisten hat.

2.150

Bei der Steuertragungsklausel ist es wichtig, dass unmissverständlich festgelegt wird, welche Vertragspartei die Steuern wirtschaftlich zu tragen hat. Dieses Ziel wird nicht erreicht, wenn im Vertrag nicht an die Steuertragung, sondern an den Vergütungsschuldner als Vertragspartei angeknüpft wird. Die häufig in Verträgen verwendete Regelung „Direkte Steuern, die in der Person des Lizenznehmers als Schuldner entstehen, gehen zu seinen Lasten.“ beispielsweise erfasst nach dem Wortsinn keine Quellensteuern, weil für solche systematisch i.d.R. der Vergütungsgläubiger der Steuerschuldner ist. Die nach deutschem nationalem Steuerrecht bestehende Einbehaltungs- und Anmeldeverpflichtung des Vergütungsschuldners jedenfalls kann nicht dazu führen, dass die Quellensteuer nach § 50a EStG eine Steuer ist, die in der Person des Schuldners entsteht. b) Steuertragung durch den Vergütungsgläubiger

2.151

Wie oben ausgeführt, entspricht es der Systematik der deutschen beschränkten Steuerpflicht (§§ 49 ff. EStG) und auch der wirtschaftlichen Interessenlage, dass der (ggf. ausländische) Vergütungsgläubiger diejenigen Steuern zu tragen hat, die aufgrund der Zahlung der Vergütungen anfallen. Vor allem im nationalen Kontext bietet sich daher, wiederum exemplarisch anhand eines Lizenzvertrags dargestellt, die folgende Formulierung an: Sämtliche auf die Lizenzgebühren anfallenden in- und ausländischen direkten Steuern sind vom Lizenzgeber zu tragen. Dem Lizenznehmer qua Gesetz auferlegte Verpflichtungen, etwa zum Steuereinbehalt, bleiben unberührt.

2.152

Im Ergebnis gleichbedeutend ist die folgende Klausel: Die Lizenzgebühr beträgt […] Euro und versteht sich abzüglich etwaiger anfallender Quellensteuern. Die vereinbarte Lizenzgebühr ist damit eine Bruttolizenzgebühr, die zulasten des Vergütungsgläubigers noch um Ertragsteuern geschmälert werden darf. 88

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D. Beispiele für Steuerklauseln in Verträgen

Weiterhin bietet es sich an, die vorgenannte Steuerklausel vor allem bei grenzüberschreitend gezahlten Vergütungen um den folgenden Passus zu ergänzen: Der Lizenznehmer ist verpflichtet, den Lizenzgeber bei der Erfüllung seiner steuerlichen Pflichten zu unterstützen. Kommt der Lizenznehmer dieser Verpflichtung nicht innerhalb angemessener Frist nach, hat er dem Lizenzgeber den aus der Pflichtverletzung entstehenden Schaden zu ersetzen. Vor allem in Outbound-Situationen, d.h. bei einem inländischen Vergütungsgläubiger, ist eine solche Ergänzung empfehlenswert, und zwar aus den folgenden Gründen:

2.153

Bei Steuern, die auf Erträgen aus Immaterialgüterrechten lasten, kommt internationalsteuerlich als Methode zur Vermeidung von Doppelbesteuerungen nur die Steueranrechnungsmethode in Betracht. Dies gilt aus deutscher Sicht unilateral wie bilateral. Die Steueranrechnungsmethode aber führt nicht in allen Fällen dazu, dass ausländische Quellensteuern auch tatsächlich auf die inländische Steuerschuld des Vergütungsgläubigers angerechnet werden können. Die ausländische Quellensteuer muss erstens mit der inländischen Ertragsteuer vergleichbar sein, und zweitens muss der im Grundsatz anrechnungsberechtigte inländische Vergütungsgläubiger für Zwecke der Anrechnung die Nachweispflichten des § 68b EStDV erfüllen. Dies ist ohne Mitwirkung des ausländischen Vergütungsschuldners i.d.R. nur schwer möglich, so dass die Vereinbarung einer dahingehenden, sanktionsbewehrten Mitwirkungspflicht ratsam ist.

2.154

Rein deklaratorisch und damit entbehrlich sind demgegenüber vertragliche Regelungen, die darauf hinweisen, dass der Lizenzgeber die Einnahmen aus der Lizenz zu versteuern hat („Der Lizenzgeber kennt seine Verpflichtung, die sich aus diesem Vertrag ergebenden Einkünfte zu versteuern.“). Jedenfalls nach deutschem Recht entbindet eine solche Regelung den Vergütungsschuldner nicht von der Notwendigkeit zum Steuereinbehalt, und viele ausländische Steuerrechte sehen insoweit ähnliche Bestimmungen vor.

2.155

c) Dreiecksverhältnisse (Unterlizenzen) Insbesondere bei Lizenzverträgen ist es eine der rechtlich möglichen Varianten, dass dem Lizenznehmer das ausschließliche Recht zur Nutzung z.B. eines Werks (z.B. Buch, Musikstück) eingeräumt wird. Nicht selten erhält der Lizenznehmer zugleich auch das Recht übertragen, das Werk im Wege der Vergabe von Unterlizenzen zu verwerten, wobei es in solchen Fällen üblich ist, dass die aus der Unterlizenz resultierenden Einnahmen hälftig zwischen Lizenznehmer und Lizenzgeber geteilt werden.

2.156

Ist der Unterlizenznehmer in einem anderen Staat ansässig als der Lizenznehmer und der Lizenzgeber, besteht ebenso wie bei der Lizenz selbst ein Bedürfnis dafür, die Steuertragung in Bezug auf Quellensteuern aus dem Ansässigkeitsstaat des Unterlizenznehmers vertraglich zu regeln. Eine denkbare Formulierung wäre insoweit: „Von Dritten [Alternative: Unterlizenznehmern] in ausländischer Währung gezahlte Lizenzgebühren wer-

2.157

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Kap. 2: Zivilrechtliche Grundlagen

den nach Zahlungseingang beim Lizenznehmer unverzüglich und ggf. unter Abzug etwaiger Quellensteuern, welche in Bezug auf die Unterlizenz aufgrund eines Gesetzes oder aus sonstigen rechtlichen Gründen zu leisten sind, zum Tageskurs in Euro umgerechnet.“ d) Reisekosten

2.158

Nach § 50a Abs. 2 Satz 2 EStG gehören vom Schuldner der Vergütung (nachfolgend „die eine Vertragspartei“ genannt) ersetzte oder übernommene Reisekosten nur insoweit zu den steuerpflichtigen Einnahmen, als die Fahrt- und Übernachtungsauslagen die tatsächlichen Kosten und die Vergütungen für Verpflegungsmehraufwand die Pauschbeträge nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 EStG übersteigen.

2.159

Aus Gründen der Klarheit bietet sich daher im Anwendungsbereich der beschränkten deutschen Steuerpflicht und der Abzugsteuern nach § 50a EStG die folgende Formulierung an: „Fahrtkosten, Tagegelder und Übernachtungskosten werden an [die eine Vertragspartei] in Höhe von […] gezahlt. [Die eine Vertragspartei] ist sich darüber bewusst, dass dieser Aufwendungsersatz bzw. diese Einnahmen in eigener Person insoweit zu versteuern sind, als die Fahrt- und Übernachtungsauslagen die tatsächlich entstandenen Kosten und die Vergütungen für Verpflegungsmehraufwand die Pauschbeträge nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 EStG übersteigen. [Die andere Vertragspartei] wird über die geleisteten Zahlungen eine monatliche Aufstellung abgeben.“ e) Werbungskosten

2.160

Nach § 50a Abs. 3 EStG kann der Schuldner der Vergütung von den Einnahmen in den Fällen des § 50a Abs. 1 Nr. 1, 2 und 4 EStG mit ihnen in unmittelbarem wirtschaftlichem Zusammenhang stehende Betriebsausgaben oder Werbungskosten abziehen, die ihm ein beschränkt Steuerpflichtiger in einer für das Bundeszentralamt für Steuern nachprüfbaren Form nachgewiesen hat oder die vom Schuldner der Vergütung übernommen worden sind.

2.161

Möchte der Vergütungsschuldner (nachfolgend „die eine Vertragspartei“ genannt) von dieser Möglichkeit Gebrauch machen, so lässt sich dies vertraglich über die folgende Formulierung sicherstellen: „Die Parteien sind sich darüber einig, dass [die eine Vertragspartei] Betriebsausgaben [bzw. Werbungskosten] der [anderen Vertragspartei] bereits beim Quellensteuerabzug nach § 50a EStG zu berücksichtigen hat. Für diese Zwecke wird [die andere Vertragspartei] der [einen Vertragspartei] jeweils monatlich eine Aufstellung über die Art und die Höhe der angefallenen Betriebsausgaben [bzw. Werbungskosten] übermitteln und die Art und Höhe der Betriebsausgaben [bzw. Werbungskosten] durch Rechnungen oder andere geeignete Belege sowie den tatsächlichen Mittelabfluss nachweisen. [Die andere Vertragspartei] hat der [einen Vertragspartei] insbesondere nach90

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D. Beispiele für Steuerklauseln in Verträgen

zuweisen, dass sie in einem EU- oder EWR-Staat ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt hat.“ Diese Klausel ist vor allem für den Vergütungsschuldner von Bedeutung. Seine Haftungsinanspruchnahme kommt nämlich auch dann in Betracht, wenn eine zu niedrige Steuer erhoben wurde (so beispielsweise, wenn die Voraussetzungen des § 50a Abs. 3 Satz 1 EStG vorgelegen haben und der Steuersatz gleichwohl nicht nach § 50a Abs. 1 Satz 4 EStG, sondern nach § 50a Abs. 2 EStG bemessen wurde).

2.162

f) Stufenverhältnisse Nach § 50a Abs. 4 Satz 1 EStG kann der Gläubiger einer Vergütung vom Steuerabzug absehen, wenn er, gewissermaßen auf der „zweiten Stufe“, Steuern für Rechnung eines anderen beschränkt steuerpflichtigen Gläubigers einzubehalten hat und wenn seine Einnahmen bereits einmal dem Steuerabzug nach § 50a Abs. 2 EStG unterlegen haben. Wenn der Schuldner der Vergütung dann auf zweiter Stufe Betriebsausgaben oder Werbungskosten nach § 50a Abs. 3 EStG geltend macht, die Veranlagung nach § 50 Abs. 2 Satz 2 Nr. 5 EStG oder die Erstattung der Abzugsteuer nach § 50d Abs. 1 EStG oder einer anderen Vorschrift beantragt, hat er die sich nach Abs. 2 oder Abs. 3 ergebende Steuer zu diesem Zeitpunkt zu entrichten, § 50a Abs. 4 Satz 4 EStG.

2.163

Dieser besonderen Situation der Stufenverhältnisse sollte informationshalber im Verhältnis zwischen den beiden beschränkt steuerpflichtigen Gläubigern vertraglich Rechnung getragen werden, indem etwa die folgende Formulierung in den Vertrag aufgenommen wird (der Gläubiger der 1. Stufe ist im nachstehenden Beispiel entsprechend der Schuldner der 2. Stufe): „Der Schuldner verpflichtet sich, dem Gläubiger unverzüglich mitzuteilen, wenn er davon Kenntnis erlangt, dass ein dem Schuldner gegenüber zur Zahlung verpflichteter Dritter von seinem Recht Gebrauch macht, auf der ersten Stufe Betriebsausgaben/Werbungskosten zu berücksichtigen oder eine Veranlagung zur beschränkten Steuerpflicht oder eine Erstattung der Abzugsteuer zu beantragen.“

2.164

g) Angaben nach § 50a Abs. 5 Satz 6 EStG Es empfiehlt sich, die Verpflichtung des Schuldners zur Mitteilung bestimmter Informationen an den Gläubiger nach § 50a Abs. 5 Satz 6 EStG gesondert vertraglich festzuhalten. Beispielsweise ließe sich formulieren: „Der Schuldner der Vergütung ist verpflichtet, dem Gläubiger auf dessen schriftlich anzuzeigendes Verlangen hin (1) den Namen und die Anschrift des Gläubigers, (2) die Art der Tätigkeit und Höhe der Vergütung in Euro, (3) den Zahlungstag und (4) den Betrag der einbehaltenen und abgeführten Steuer nach § 50a Abs. 2 und 3 EStG nach amtlich vorgeschriebenem Muster zu bescheinigen.“ Diese Verpflichtung könnte weiterhin im Fall der Zuwiderhandlung mit einer Vertragsstrafe belegt werden. Haase

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2.165

Kap. 2: Zivilrechtliche Grundlagen

III. Umsatzsteuer 1. Notwendigkeit und Zweck von Steuerklauseln

2.166

Ebenso wie im Ertragsteuerrecht sind auch die umsatzsteuerlichen Regelungen nicht durch individualvertragliche Abreden abdingbar. Bei umsatzsteuerbezogenen Steuerklauseln ist die Zielsetzung ohnehin nur diejenige, aus Gründen der Klarheit und auch ggf. für Zwecke der Rechtsdurchsetzung vertraglich festzulegen, ob auf die Erträge aus Immaterialgüterrechten Umsatzsteuer zu entrichten ist oder nicht und welche Vertragspartei diese tragen soll.

2.167

Dabei ist es bei grenzüberschreitend gezahlten Vergütungen auch im Grundsatz einerlei, welcher der beteiligten Staaten aufgrund der Leistungsortbestimmung die Umsatzsteuer erheben darf, sofern nur die Umsatzsteuer in die Steuerdefinition des jeweiligen Vertrags einbezogen oder sie ausdrücklich als solche benannt ist. Zwar sind mannigfaltige Fallgestaltungen denkbar, i.d.R. aber werden den Erträgen aus Immaterialgüterrechten sog. sonstige Leistungen i.S.d. § 3 Abs. 9 Satz 1 UStG zugrunde liegen, für die aus deutscher Sicht bei der Leistungsortbestimmung § 3a UStG gilt.

2.168

Als Grundregel kann man – auch grenzüberschreitend – davon ausgehen, dass der Leistungsort bei der Überlassung von Immaterialgüterrechten oder Rechten an Immaterialgüterrechten dort belegen ist, wo der Empfänger sein Unternehmen betreibt. Für den unternehmerischen Bereich gilt hier § 3a Abs. 2 Satz 1 UStG, für den nichtunternehmerischen bzw. Drittlandsbereich hingegen § 3a Abs. 4 Satz 2 Nr. 1 UStG, wenn diejenige Vertragspartei (z.B. der Lizenzgeber), die der anderen Vertragspartei (z.B. der Lizenznehmer) das Recht einräumt, ihr Unternehmen im Inland betreibt. Im Inbound-Fall ist das Reverse-Charge-Verfahren nach § 13b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Alt. 2 UStG zu beachten, im Verkaufsfall kann § 1 Abs. 1a UStG (Geschäftsveräußerung im Ganzen) eingreifen. 2. Beispiele

2.169

Es ist für die Klarheit eines Vertrags und auch für die spätere Rechtsdurchsetzung unerlässlich, vertraglich unmissverständlich zu regeln, welche Partei die Umsatzsteuer wirtschaftlich zu tragen hat. Obwohl das deutsche Umsatzsteuersystem so aufgebaut ist, dass die Umsatzsteuer zwar rechtstechnisch i.d.R. (vgl. § 13a Abs. 1 Nr. 1 UStG) eine Steuer des leistenden Unternehmers ist, sie aber wirtschaftlich vom Leistungsempfänger zu tragen ist, sollte dennoch klargestellt werden, ob sich die vereinbarte Vergütung inklusive oder zzgl. der anfallenden in- oder ausländischen Umsatzsteuer versteht.

2.170

Gebräuchlich, aber missverständlich ist insoweit die folgende Formulierung (wiederum dargestellt anhand eines Lizenzvertrags): „Die Umsatzsteuer auf die Lizenzgebühr geht zulasten des Lizenznehmers.“ Aus der Formulierung wird nicht deutlich, ob der leistende Unternehmer zivil92

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D. Beispiele für Steuerklauseln in Verträgen

rechtlich berechtigt ist, zusätzlich zu dem vereinbarten Entgelt auch die Umsatzsteuer zu berechnen, oder ob sich das Entgelt inklusive Umsatzsteuer versteht. Ein Gleiches gilt für die Formulierung: „Die Umsatzsteuer, die auf die Zahlung der Lizenzgebühr Anwendung findet, wird vom Lizenznehmer getragen.“ Besser sind daher die folgenden Wendungen: „Die Umsatzsteuer wird auf Basis der geltenden Gesetze gesondert in Rechnung gestellt“, oder: „Die Abrechnungen erfolgen zuzüglich der gesetzlichen Umsatzsteuer.“ Im Inbound-Fall lässt sich das Reverse-Charge-Verfahren nach § 13b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Alt. 2 UStG wie folgt formulieren: „Die Umsatzsteuer gemäß [dem vorstehenden Absatz] ist zuzüglich zu dem [Entgelt] zu bezahlen. Den Parteien ist bekannt, dass der Lizenznehmer die Umsatzsteuer gemäß § 13b UStG für die Überlassung der Lizenz nicht an den Lizenzgeber, sondern direkt an das zuständige Finanzamt zu zahlen hat.“

2.171

Diese aufgrund des jeweiligen Sachverhalts ratsamen vertraglichen Regelungen haben auch eine Rückwirkung auf die Anwendung von § 50a EStG und den Quellensteuerabzug. Der Quellensteuerabzug setzt bei den Einnahmen (nicht: Einkünften) zzgl. Umsatzsteuer an, so dass der Vergütungsschuldner auch auf die Umsatzsteuer den Steuerabzug vorzunehmen hat (Ausnahme: Anwendung von § 13b UStG).

2.172

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2. Teil: Geistiges Eigentum im nationalen Steuerrecht Kapitel 3 Bilanzierung von geistigem Eigentum Literatur: Adler/Düring/Schmalz, Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen, Teilband 5 und 6, 6. Aufl. 1998; Arbeitskreis „Immaterielle Werte im Rechnungswesen“ der Schmalenbach-Gesellschaft für Betriebswirtschaft e.V., Kategorisierung und bilanzielle Erfassung immaterieller Werte, DB 2001, 989; Arbeitskreis „Immaterielle Werte im Rechnungswesen“ der Schmalenbach-Gesellschaft für Betriebswirtschaft e.V., Leitlinien zur Bilanzierung selbstgeschaffener immaterieller Vermögensgegenstände des Anlagevermögens nach dem Regierungsentwurf des BilMoG, DB 2008, 1813; Baetge/Wollmert/Kirsch/Oser/Bischof, Rechnungslegung nach IFRS, 2010; Beck’scher Bilanzkommentar, Handelsbilanz/Steuerbilanz, 7. Aufl. 2010; Beck’sches IFRS-Handbuch, Kommentierung der IFRS/IAS, 3. Aufl. 2009; Bieg/Kußmaul/Petersen/Waschbusch/Zwirner, Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz, 2009; Epstein/Jermakowicz, IFRS 2008, Interpretation and Application of International Accounting and Financial Reporting Standards 2008; Freiburg 2008; Falterbaum/Bolk/Reiß/Kirchner, Buchführung und Bilanz, 21. Aufl. 2010; Fülbier/Honold/Klar, Bilanzierung immaterieller Vermögenswerte, RiW 2000, 833; Grünewald/Köllner/Petersen/Wurzer/Zwirner, Bilanzierung von Patenten, 2010; Hayn/Graf Waldersee, IFRS/HGB/HGB-BilMoG im Vergleich, 7. Aufl. 2008; Hegenloh, Die steuerbilanzielle Behandlung von Forschung und Entwicklung, 1985; Henckel/Ludwig/Lüdke, Behandlung von Forschungs- und Entwicklungskosten nach HGB und IFRS unter Berücksichtigung der durch das BilMoG geplanten Änderungen, DB 2008, 196; Heuser/Theile, IFRS Handbuch, 4. Aufl. 2009; IDW, Entwurf einer Neufassung der IDW-Stellungnahme zur Rechnungslegung: Einzelfragen zum Übergang von wirtschaftlichem Eigentum und zur Gewinnrealisierung nach HGB. IDW ERS HFA 13 n.F.; IDW, Stellungnahme zur Rechnungslegung: Bilanzierung entgeltlich erworbener Software beim Anwender. IDW RS HFA 11; IDW, Stellungnahme zur Rechnungslegung: Zur Rechnungslegung bei Personenhandelsgesellschaften, IDW RS HFA 7; Küting/Pilhofer/Kirchhof, Die Bilanzierung von Software aus der Sicht des Herstellers nach US-GAAP und IAS, WPg 2002, 73; Küting/Pfirmann/Ellmann, Die Bilanzierung von selbsterstellten immateriellen Vermögensgegenständen nach dem RegE des BilMoG, KoR 2008, 679; Lüdenbach/ Hoffmann, IFRS Kommentar, 9. Aufl. 2011; Moser, Bewertung immaterieller Vermögenswerte, 2011; Moxter, IFRS als Auslegungshilfe für handelsrechtliche GoB, WPg 2009, 7; Münchener Kommentar zum Handelsgesetzbuch, Band 4, 2008; Niehus, Die IFRS auf Deutsch – Fehler und Unzulänglichkeiten der Übersetzung, DB 2005, 2477; Pellens/Fülbier/Gassen/Sellhorn, Internationale Rechnungslegung, 8. Aufl. 2011; Petersen/Bansbach/Dornbach (Hrsg.), IFRS Praxishandbuch, 5. Aufl. 2010; Philipps, Rechnungslegung nach BilMoG, 2010; Preißer, Unternehmenssteuerecht und Steuerbilanzrecht, 10. Aufl. 2011; Schmidt, Einkommensteuergesetz Kommentar, 30. Aufl. 2011; Theile, Immaterielle Vermögensgegenstände nach RegE BilMoG, WPg 2008, 1064; Wehrheim, Die Bilanzierung immaterieller Vermögensgegenstände („Intangible Assets“) nach IAS 38, DStR 2000, 86.

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Kap. 3: Bilanzierung von geistigem Eigentum

A. Einführung 3.1

Geistiges Eigentum weist i.d.R. keine physische Substanz auf. Das macht seine Erfassung im Rahmen der Bilanzierung nach nationalen und internationalen Vorschriften nicht einfach und führte in der Vergangenheit wie auch aktuell zu breiten Diskussionen und Meinungsverschiedenheiten. Bei geistigem Eigentum handelt es sich grundsätzlich um sog. Immaterialgüterrechte oder immaterielle Güter. Als solche werden i.d.R. Güter bezeichnet, die stofflos und nicht monetär sind, denen aber ein wirtschaftliches Nutzenpotential zugeordnet werden kann. Bei diesen „geistigen Werten“ handelt es sich z.B. um Ideen, Rechte oder Berechtigungen, Konzessionen, gewerbliche Schutzrechte, Urheber- oder Lizenzrechte, Patente, geschützte und ungeschützte Erfindungen, einen Geschäftswert und sonstige Vorteile. Immaterielle Güter und somit auch geistiges Eigentum stellen heutzutage vielfach die wesentlichen Vermögenspositionen von Unternehmen dar. Mit Blick auf die Aussagekraft der externen Rechnungslegung, d.h. der Jahresabschlüsse der Gesellschaften, die auch eine Aussage über die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit ermöglichen sollen, rücken Bilanzierungsfragen insbesondere zu dem Bereich der immateriellen Güter zunehmend in den Vordergrund.

3.2

Für immaterielle Güter und das in ihnen verkörperte geistige Eigentum werden in der Literatur und der Praxis der nationalen und internationalen Rechnungslegung grundsätzlich drei Begriffe als Synonym herangezogen. Diese sind: – Immaterielle Vermögensgegenstände – Immaterielle Wirtschaftsgüter – Immaterielle Vermögenswerte Dabei wird die Bezeichnung immaterieller Vermögensgegenstand in der handelsrechtlichen Rechnungslegung (HGB) verwendet, der Begriff des immateriellen Wirtschaftsguts kommt aus dem deutschen Steuerrecht und von einem immateriellen Vermögenswert bzw. einem „intangible asset“ sprechen die internationalen Rechnungslegungsstandards IFRS/IAS.1

3.3

Bereits aus den unterschiedlichen Begrifflichkeiten lässt sich daher ablesen, dass je nach Rechnungslegungssystem, in dem sich der Anwender befindet, auch unterschiedliche Voraussetzungen für den Ansatz eines immateriellen Guts in seiner Bilanz existieren. Im Folgenden werden die einzelnen Ansatzvoraussetzungen in den einzelnen Systemen sowie deren wesentliche Unterschiede aufgezeigt.

1 Wurzer/Grünewald in Grünewald u.a, Bilanzierung von Patenten, 3.1, S. 25 f.

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B. Handelsrecht

B. Handelsrecht I. Begriff des Vermögensgegenstands 1. Grundlagen Wie bereits unter A. dargestellt ist für die deutsche handelsrechtliche Rechnungslegung der Begriff „Vermögensgegenstand“ der maßgebliche, um eine Aussage darüber zu treffen, ob ein Gut in den Jahresabschluss eines Unternehmens aufzunehmen ist oder nicht. Dies folgt aus § 246 Abs. 1 Satz 1 HGB, wonach der Jahresabschluss sämtliche Vermögensgegenstände zu enthalten hat, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist.

3.4

Der Begriff „Vermögensgegenstand“ selbst wird im Handelsrecht allerdings nicht definiert. Er muss daher mit Hilfe der Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung (kurz: GoB) interpretiert werden. Die GoB sind ein System von Regeln und Konventionen, das die gesamte Rechnungslegung umfasst. Die GoB gelten nur für Kaufleute i.S. des HGB. Nicht aber für Einzelkaufleute nach § 241a HGB.1 Die wichtigsten GoB sind im HGB für alle rechnungslegenden Kaufleute normiert, so z.B. in § 242 Abs. 1 und 2, § 243 Abs. 1, § 246 Abs. 1 bis 3, § 247 Abs. 1, §§ 252 und 253 HGB. Ebenso umfassen die GoB die steuerliche Rechtsprechung, sofern sie auf die handelsbilanziellen Regelungen Anwendung findet.

3.5

Unter Heranziehung der GoB sind nach der h.M. in Rechtsprechung und Literatur die Voraussetzungen für einen Vermögensgegenstand erfüllt, wenn die so genannte – abstrakte und – konkrete Aktivierungsfähigkeit für ein Gut gegeben sind. 2. Abstrakte Aktivierungsfähigkeit a) Überblick Die abstrakte Aktivierungsfähigkeit setzt für den Ansatz eines Guts im Jahresabschluss des Unternehmens im Wesentlichen Folgendes voraus:

3.6

– Einzelveräußerbarkeit – Einzelverwertbarkeit – Selbständige Bewertbarkeit b) Einzelveräußerbarkeit Die h.M. in der Literatur stellt auf die selbständige Verkehrsfähigkeit von Gütern nicht i.S. einer Einzelbeschaffbarkeit, sondern einer Einzelver1 Förschle/Usinger in Beck-BilKomm.7, § 243 Rz. 1

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3.7

Kap. 3: Bilanzierung von geistigem Eigentum

äußerbarkeit ab.1 Danach sind nur solche Güter als Vermögensgegenstand zu aktivieren, die sich bei wirtschaftlicher Betrachtung einzeln veräußern lassen. Hierzu werden eine engere und eine weitere Auslegung vertreten. Die engere Auffassung verlangt dabei, dass ein Gut allein im Rechtsverkehr übertragbar sein muss; danach stünden gesetzliche oder vertragliche Veräußerungsverbote einer Aktivierung entgegen (sog. konkrete Einzelveräußerbarkeit). Würde man diese Ansicht jedoch auf immaterielle Güter übertragen, so wäre ein Großteil nicht aktivierbar, da immaterielle Güter gerade in Form von geistigem Eigentum häufig, z.B. durch Patente, geschützt sind. Es ist daher sinnvoller, eine wirtschaftliche Betrachtung heranzuziehen. Bei wirtschaftlicher Betrachtung setzt die Einzelveräußerbarkeit keine Veräußerbarkeit im Rechtssinne voraus. Einzelveräußerbarkeit liegt auch dann vor, wenn gesetzliche oder vertragliche Beschränkungen eine rechtswirksame Verfügung über den Vermögensgegenstand im Einzelfall ausschließen (sog. abstrakte Einzelveräußerbarkeit). Dies folgt insbesondere daraus, dass Veräußerungsbeschränkungen grundsätzlich die Veräußerbarkeit voraussetzen.2 Die Voraussetzung ist daher bereits als erfüllt anzusehen, wenn das Gut bereits für sich selbst einen Wert darstellt. c) Einzelverwertbarkeit

3.8

Neben der Einzelveräußerbarkeit lässt die h.M. in der Literatur nach wie vor auch eine Einzelverwertbarkeit eines Guts als Voraussetzung ausreichen. Über die Einzelveräußerbarkeit hinausgehend wird sie als Bestimmungskriterium dort relevant, wo eine Verwertung nicht im Wege der Veräußerung, sondern durch Verarbeitung, Verbrauch, Überlassung eines Rechts zur Ausübung oder eines Gegenstands zur Nutzung an einen Dritten erfolgen kann, wie etwa im Falle eines Nießbrauchs oder der Vergabe von Lizenzen für Marken oder andere gewerbliche Rechte.3 Dieses Kriterium wird als erfüllt betrachtet, wenn ein Gegenstand, zumindest dem Wesen nach, außerhalb des Unternehmens monetär verwertet werden kann.4 Gerade im Bereich des geistigen Eigentums bedeutet dies, dass eine gewisse Marktreife bereits für eine Aktivierung ausreichen kann. d) Selbständige Bewertbarkeit

3.9

Als weiteres Kriterium zur Beurteilung der Vermögensgegenstände wird die selbständige Bewertbarkeit von Gütern genannt. Dieses Merkmal ist wesentlich für die Abgrenzung zu unselbstständigen, geschäftswertbildenden Faktoren, die sich unter anderem im Geschäfts- oder Firmenwert widerspiegeln. Die selbständige Bewertbarkeit eines Guts ist dann gegeben, wenn das Gut als Einzelheit des Unternehmens ins Gewicht fällt und nicht innerhalb des Unternehmens in der Allgemeinheit aller Unter1 2 3 4

A/D/S6, § 246 Rz. 18. A/D/S6, § 246 Rz. 19. A/D/S6, § 246 Rz. 28. Arbeitskreis „Immaterielle Werte im Rechnungswesen“ der Schmalenbach-Gesellschaft für Betriebswirtschaft e.V., DB 2001, 989, 991.

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B. Handelsrecht

nehmensbestandteile aufgeht.1 Dies ist dann der Fall, wenn dem Gut bestimmte Ausgaben bzw. Aufwendungen in Form von Anschaffungs- und Herstellungskosten einzeln zugeordnet werden können und dem Gut über die Dauer des Abschlussstichtags hinaus ein Wert beigemessen werden kann. Dabei ist entscheidend, dass ein fiktiver Erwerber einem solchen Vorteil, bei dem es sich auch um tatsächliche Zustände und konkrete Möglichkeiten handeln kann, im Rahmen eines Gesamtkaufpreises für ein Unternehmen einen eigenen Wert beimessen würde.2 Als Negativabgrenzung führt hierzu die Gesetzesbegründung zum RegE BilMoG selbstgeschaffene Marken, Drucktitel, Verlagsrechte, Kundenlisten oder vergleichbare immaterielle Güter an. Ihnen wird bilanziell explizit die selbstständige Bewertbarkeit abgesprochen und somit auch die Aktivierbarkeit gem. § 248 Abs. 2 Satz 2 HGB. 3. Konkrete Aktivierungsfähigkeit a) Überblick Während die abstrakte Aktivierungsfähigkeit untersucht, ob überhaupt ein zurechenbarer Vermögensgegenstand vorliegt, wird mit dem Kriterium der konkreten Aktivierungsfähigkeit darauf abgestellt, ob einer Aktivierung nicht ein konkretes Bilanzierungsverbot entgegensteht.3 Die konkrete Aktivierungsfähigkeit setzt daher Folgendes voraus:

3.10

– Fehlen eines Aktivierungsverbots – Subjektive (wirtschaftliche) Zurechenbarkeit – Zugehörigkeit zum Betriebsvermögen b) Fehlen eines Aktivierungsverbots Es dürfen keine Beschränkungen oder Verbote hinsichtlich der Aktivierung von Vermögensgegenständen vorliegen. Gerade im Bereich des geistigen Eigentums wirkte sich bis zur Einführung des BilMoG das Bilanzierungsverbot für selbsterstellte immaterielle Vermögensgegenstände gemäß § 248 Abs. 2 HGB a.F. negativ aus. Dieses Bilanzierungsverbot wurde durch BilMoG dann nur noch durch § 248 Abs. 2 Satz 2 HGB für selbstgeschaffene Marken, Drucktitel, Verlagsrechte und Kundenlisten aufrechterhalten. Der Grund hierfür liegt insbesondere darin, dass bei diesen immateriellen Werten eine selbständige Bewertbarkeit aufgrund von Abgrenzungsschwierigkeiten zwischen den möglicherweise aktivierungsfähigen Aufwendungen und den für die Fortentwicklung des Unternehmens in ihrer Gesamtheit anfallenden, in der Gewinn- und Verlustrechnung zu erfassenden Aufwendungen (selbst geschaffener Geschäfts- und Firmenwert), nicht gegeben ist.4 1 2 3 4

Petersen/Zwirner in Grünewald u.a., Bilanzierung von Patenten, 4.1, S. 63. vgl. A/D/S6, § 246 Rz. 25 m.w.N. Petersen/Zwirner in Grünewald u.a., Bilanzierung von Patenten, 4.1, S. 63. Waschbusch in Bieg u.a., Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz, § 247 Rz. 25.

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3.11

Kap. 3: Bilanzierung von geistigem Eigentum

c) Subjektive (wirtschaftliche) Zurechenbarkeit

3.12

In § 246 Abs. 1 Satz 1 HGB wird der Grundsatz kodifiziert, dass der Kaufmann seine Vermögensgegenstände, Schulden und Rechnungsabgrenzungsposten vollständig in die Bilanz aufzunehmen hat, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist. Somit sind Vermögensgegenstände zunächst einmal in der Bilanz des rechtlichen Eigentümers auszuweisen. Es sind jedoch auch Fallkonstellationen denkbar, bei denen aufgrund der vorliegenden wirtschaftlichen Verhältnisse eine Aktivierung von Vermögensgegenständen nicht beim rechtlichen, sondern beim wirtschaftlichen Eigentümer zu erfolgen hat. Die Möglichkeit einer wirtschaftlichen Zurechnung wird in § 246 Abs. 1 Satz 2 HGB explizit genannt. Danach ist wirtschaftlicher Eigentümer derjenige, der – ohne das rechtliche Eigentum zu haben – die tatsächliche Sachherrschaft über einen Vermögensgegenstand in einer Weise ausübt, dass dadurch der nach bürgerlichem Recht Berechtigte wirtschaftlich auf Dauer von der Einwirkung ausgeschlossen ist.1 Entscheidend ist das Gesamtbild der Verhältnisse. Die tatsächliche Sachherrschaft über den Vermögensgegenstand hat i.d.R. derjenige, bei dem Besitz, Gefahr, Nutzen und Lasten der Sache liegen. Der Ausschluss des zivilrechtlichen Eigentümers von der Sachherrschaft muss dabei für die gewöhnliche Nutzungsdauer des Vermögensgegenstands gegeben sein. Weitgehende Verfügungsmöglichkeiten allein begründen2 aber noch kein wirtschaftliches Eigentum. Beeinflusst durch die Begrifflichkeiten internationaler Rechnungslegungsvorschriften, geht man im deutschen Rechtsraum zunehmend dazu über, bei der Definition des wirtschaftlichen Eigentums gleichfalls von Chancen und Risiken zu sprechen. Danach trägt der wirtschaftliche Eigentümer grds. sowohl die Chancen als auch die Risiken aus der dauerhaften Nutzung des Vermögensgegenstands sowie den Wertschwankungen, z.B. im Rahmen der Verwertung.3 d) Zugehörigkeit zum Betriebsvermögen

3.13

Nur Vermögensgegenstände, die sachlich dem unternehmerischen Bereich zuzurechnen sind, dürfen bilanziert werden.4 Das Unternehmensvermögen (Handelsgeschäft) ist daher vom Privatvermögen des Kaufmanns abzugrenzen. Die Abgrenzung zwischen Privat- und Betriebsvermögen ist allerdings lediglich bei Einzelunternehmern und denjenigen Gesellschaftern von Personengesellschaften relevant, die mit ihrem Privatvermögen für die Schulden der Gesellschaft unbeschränkt haften. Bei

1 2 3 4

Vgl. § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO. Vgl. § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO. Vgl. IDW ERS HFA 13, Anm. 6. Vgl. IDW RS HFA 7; § 264c Abs. 3 Satz 1 für die KapGes. & Co. sowie § 5 Abs. 4 PublG für den Einzelkaufmann und die Personengesellschaft.

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Kapitalgesellschaften und Genossenschaften stellt sich dieses Problem nicht. Das Gesellschafts- bzw. Gesamthandsvermögen von Personengesellschaften ist zwingend Bestandteil der Bilanz. Das Privatvermögen von Mitunternehmern ist hingegen nicht Bestandteil der Bilanz. Die Abgrenzung zwischen Privat- und Betriebsvermögen bestimmt sich handelsrechtlich nach dem Willen des bilanzierenden Kaufmanns (Widmung).

II. Abgrenzung Anlagevermögen Immaterielle Vermögensgegenstände können, soweit sie aktivierungsfähig sind, grundsätzlich Anlage- oder Umlaufvermögen darstellen. So bedeutet etwa die Formulierung des § 248 Abs. 2 Satz 1 HGB, die das Aktivierungswahlrecht für selbstgeschaffene Vermögensgegenstände des Anlagevermögens kodifiziert, im Umkehrschluss, dass immaterielle Vermögensgegenstände, die Umlaufvermögen darstellen, auch dann zu aktivieren sind, wenn sie selbst geschaffen wurden (z.B. selbst hergestellte Software, die zur Veräußerung bestimmt ist).

3.14

Die Unterscheidung zwischen Anlage- und Umlaufvermögen folgt aus § 247 Abs. 1 HGB. Zum Anlagevermögen gemäß § 247 Abs. 2 HGB gehören alle Wirtschaftsgüter, die dazu bestimmt sind, dauernd dem Geschäftsbetrieb zu dienen. Im Umkehrschluss fallen alle anderen Vermögensgegenstände unter das Umlaufvermögen. Mit „dauernd“ ist nicht i.S. von „immer“, sondern i.S. von „für eine bestimmte, längere Zeit“ zu verstehen. Im Einzelfall entscheidet über die Zuordnung die Art des Unternehmens (z.B. Grundstücks-, Maschinenoder Autohandel) oder im Zweifel der Wille des Kaufmanns.1 Änderungen der Vermögensart sind daher auch ohne weiteres möglich: Aus Anlagekann Umlaufvermögen werden und umgekehrt.2

III. Gliederung des Anlagevermögens Es stellt sich zunächst die Frage, welche Vermögensgegenstände vom Anlagevermögen i.S. des HGB umfasst werden. § 247 Abs. 1 HGB, der zunächst für alle Kaufleute, außer Einzelkaufleute i.S. des § 241a HGB, Anwendung findet, schreibt lediglich vor, dass das Anlagevermögen gesondert auszuweisen und hinreichend aufzugliedern ist. Eine konkretere Aussage zur Bilanzgliederung für alle Gesellschaftsformen, die nicht dem PublG und Formblattvorschriften für Einzelkaufleute unterliegen oder 1 Kozikowski/F.Huber in Beck-BilKomm.7, § 247 Rz. 354. 2 Vgl. Kozikowski/F.Huber in Beck-BilKomm.7, § 247 Rz. 360.

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3.15

Kap. 3: Bilanzierung von geistigem Eigentum

reine Personengesellschaften sind, machen §§ 266 Abs. 1, 267 Abs. 1 HGB für kleine Kapitalgesellschaften. Danach ist es grds. zulässig, das Anlagevermögen wie folgt zu gliedern: I.

Immaterielle Vermögensgegenstände

II. Sachanlagen III. Finanzanlagen Eine solche Mindestgliederung genügt jedoch dem Gebot der hinreichenden Gliederung nicht, wenn dadurch im Einzelfall der in § 243 Abs. 2 HGB kodifizierte Grundsatz der Klarheit und Übersichtlichkeit verletzt wird. Das kann insbesondere der Fall sein, wenn ein Unternehmen die Größenmerkmale der mittelgroßen Kapital- und Kapital- & Co. Gesellschaft gem. § 267 Abs. 2 HGB erreicht. In solchen Fällen ist die folgende Mindestgliederung, die aus § 266 Abs. 2 HGB folgt geboten: I.

Immaterielle Vermögensgegenstände 1. Selbst geschaffene immaterielle Vermögensgegenstände 2. Sonstige entgeltlich erworbene immaterielle Vermögensgegenstände 3. Geschäfts- oder Firmenwert 4. Geleistete Anzahlungen

II. Sachanlagen 1. Grundstücke und Gebäude (ggf. einschließlich Anzahlungen und im Bau befindliche Gebäude) 2. Maschinen, Anlagen, Betriebs- und Geschäftsausstattung (ggf. einschließlich Anzahlungen und im Bau befindliche Anlagen) 3. geleistete Anzahlungen und Anlagen im Bau – wenn von besonderem Gewicht – III. Finanzanlagen 1. Anteile an verbundenen Unternehmen und Beteiligungsgesellschaften 2. Wertpapiere des Anlagevermögens 3. sonstige Finanzanlagen Vermögenswerte, die in Zusammenhang mit geistigem Eigentum stehen, haben grundsätzlich keine physische Substanz, sie sind daher nicht materiell, sondern immateriell. Das heißt allerdings nicht, dass sie nicht auch eine physische Repräsentanz haben können, z.B. Software auf CD oder ein Liefervertrag als Papierdokument. Das wesentliche Element bei geistigem Eigentum ist aber im immateriellen Anteil zu suchen.1 Dies hat zur 1 Wurzer/Grünewald in Grünewald u.a., Bilanzierung von Patenten, 3.1, S. 26.

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Folge, dass Sachanlagen und Finanzanlagen als materielle Aktivposten der Bilanz für die Bilanzierung geistigen Eigentums keine Rolle spielen. Das geistige Eigentum unterfällt daher i.d.R. der Kategorie I. der Bilanzgliederung zum Anlagevermögen gemäß § 266 Abs. 2 A.I. HGB, mit der Folge, dass der Schwerpunkt der nachfolgenden Erläuterungen auf den immateriellen Vermögensgegenständen liegt. In immateriellen Vermögensgegenständen verkörpertes geistiges Eigentum kann, sofern es etwa zum Verkauf bestimmt ist, auch Umlaufvermögen darstellen. Diese Betrachtung bleibt jedoch bei den nachfolgenden Erläuterungen außen vor. Sie würde sich allerdings bzgl. der Ansatzkriterien nicht von den hier aufgezeigten Voraussetzungen unterscheiden.

IV. Selbstgeschaffene gewerbliche Schutzrechte und ähnliche Rechte und Werte 1. Aktivierungswahlrecht versus Aktivierungsverbot Durch die Änderungen des BilMoG wurde erstmals in Bezug auf selbstgeschaffenes, d.h. originäres geistiges Eigentum die Möglichkeit eingeräumt, Teile dessen in einer Bilanz offen auszuweisen und zu aktivieren. Bis zum BilMoG durften sämtliche immateriellen Vermögensgegenstände des Anlagevermögens nur aktiviert werden, wenn sie entgeltlich, d.h. derivativ erworben waren (§ 248 Abs. 2 a.F. HGB). Dieser Einschränkung der Aktivierung lag der Gedanke zugrunde, dass immaterielle Vermögensgegenstände – weil unkörperlich – unsichere Güter darstellen, deren Vorhandensein als Vermögensvorteil und deren Wert ohne einen entgeltlichen Erwerb nur schwierig oder überhaupt nicht nachzuweisen sind. Dieser Gedanke entspricht dem sogenannten Vorsichtsprinzip, das einen Teil der GoB darstellt und in § 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB normiert ist. Die im Regierungsentwurf des BilMoG geplante weitgehende Aufhebung dieser Restriktion – und damit Schaffung eines grundsätzlichen. Aktivierungsgebots – wurde nicht umgesetzt und stattdessen dem Vorschlag des Bundesrats folgend1 ein grundsätzliches Aktivierungswahlrecht eingeführt. Im Zuge des BilMoG wurde auch der Begriff der Herstellungskosten für selbstgeschaffene immaterielle Vermögensgegenstände festgelegt und konkretisiert. Gemäß § 255 Abs. 2a Satz 1 HGB sind dies die bei deren Entwicklung anfallenden Aufwendungen gemäß § 255 Abs. 2 HGB.2

3.16

Punktuelle Ausnahmen – und damit weiterhin mit einem Aktivierungsverbot belegt – sind

3.17

– Aufwendungen für selbsterstellte Marken, – Drucktitel, – Verlagsrechte, – Kundenlisten oder 1 Vgl. Stellungnahme des Bundesrats zum RegE BilMoG (BR-Drucks. 344/08, 7 f.). 2 Ellrott/Brendt in Beck-BilKomm.7, § 255 Rz. 481.

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– vergleichbare immaterielle Vermögensgegenstände des Anlagevermögens (§ 248 Abs. 2 Satz 2 HGB) sowie – Forschungskosten (§ 255 Abs. 2 Satz 4 HGB). Der Gesetzgeber begründet dies damit, dass Aufwendungen für derartige Vermögensgegenstände und das darin gebundene geistige Eigentum teilweise nicht von den Aufwendungen zur Schaffung bzw. Förderung des originären Geschäfts- oder Firmenwerts getrennt werden können. Eine individuelle Zurechnung der angefallenen Herstellungskosten für derartige Vermögensgegenstände ist nicht zweifelsfrei möglich.1

3.18

Bei einer Marke (im Sprachgebrauch z.T. auch als Warenzeichen bezeichnet) handelt es sich um eine besondere, rechtlich geschützte Kennzeichnung von Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens, die dazu dient, sie von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden. Diese kann neben Wörtern einschließlich Personennamen (Markenname) auch in Form von Zeichen, Abbildungen, Buchstaben, Zahlen, Hörzeichen, dreidimensionalen Gestaltungen einschließlich der Form einer Ware oder ihrer Verpackung sowie sonstiger Aufmachungen einschließlich Farben und Farbzusammenstellungen erfolgen (§ 3 MarkenG). Unbeachtlich ist, ob die Marke in ein Register (z.B. beim Deutschen Patent- und Markenamt) eingetragen ist.

3.19

Unter einem Drucktitel sind der Name oder besondere Bezeichnungen, unter denen Druckschriften (z.B. Zeitungen) veröffentlicht werden, zu verstehen.

3.20

Verlagsrechte stellen das gewöhnlich seitens des Urhebers einem Verleger eingeräumte, ausschließliche Recht dar, ein Werk der Literatur oder Tonkunst (Notenmaterial) zu vervielfältigen und zu verbreiten (§ 8 VerlG).

3.21

Bei nicht aktivierungsfähigen Kundenlisten (Kundenkarteien) handelt es sich um eine systematische Bestandsaufnahme bzw. -führung bestehender Geschäftskunden, die neben Namen und Anschrift häufig auch weitere kundenspezifische Daten wie beispielsweise Art und Häufigkeit der Bestellungen, Kreditwürdigkeit, Zahlungsverhalten etc. beinhalten.

3.22

Als vergleichbare immaterielle Vermögensgegenstände des Anlagevermögens dürften beispielsweise in Betracht kommen: – Geschmacks- und Gebrauchsmuster, – Unternehmenskennzeichen (Name, Firma oder besondere Bezeichnung eines Geschäftsbetriebs oder eines Unternehmens; § 5 Abs. 2 MarkenG), – sonstige Werktitel (Namen oder besondere Bezeichnungen von Filmund Tonwerken, Bühnenwerken oder sonstigen vergleichbaren Werken; § 5 Abs. 3 MarkenG) sowie 1 Begründung zum Regierungsentwurf BilMoG, BT-Drucks. 16/10067, 50.

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– Urheberrechte und Internet-Domain-Namen. Nicht von dem Ausschluss umfasst sind hingegen die Kosten für einen selbstentwickelten Online-Auftritt. Diese sind als immaterieller Vermögensgegenstand aktivierbar und über 3 Jahre abzuschreiben. Auf den Bereich der Forschungskosten wird im folgenden Abschnitt 2. eingegangen. 2. Ansatz a) Geistiges Eigentum, als selbstgeschaffener Vermögensgegenstand Wie bereits unter Abschnitt B.I. dargestellt setzt die Ausübung des Aktivierungswahlrechts des § 248 Abs. 2 HGB voraus, dass das zu aktivierende Gut bzw. das in ihm gebundene geistige Eigentum als Vermögensgegenstand im handelsbilanziellen Sinn klassifiziert werden kann. Das Gesetz definiert den Begriff nicht explizit. In der Gesetzesbegründung wird jedoch darauf verwiesen, dass die bisherigen Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung beibehalten werden sollen. Es gilt daher auch hier, dass das zu aktivierende Gut bzw. das geistige Eigentum selbständig bewertbar, verwertbar und veräußerbar ist.

3.23

Fraglich ist, ob durch die Annäherung mit dem Aktivierungswahlrecht an die internationale Rechnungslegung, insbesondere an IAS 38, der Ansatz und Bewertung immaterieller Vermögenswerte regelt, IAS 38 als Konkretisierung der handelsrechtlichen Ansatzkriterien angesehen werden kann.1 In der Gesetzesbegründung wird klargestellt, dass der handelsrechtliche Vermögensgegenstandsbegriff von der Definition eines „assets“ i.S. der IFRS abweicht.2

3.24

b) Entwicklungskosten des selbstgeschaffenen immateriellen Vermögensgegenstands aa) Grund und Bedeutung der Neuregelung Der Gesetzgeber erlaubt mit der Neufassung der §§ 248 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. 255 Abs. 2a Satz 1 HGB die Aktivierung eines selbstgeschaffenen immateriellen Vermögensgegenstands mit seinen Entwicklungskosten unter bestimmten Voraussetzungen. Die Entwicklungsphase ist somit die erste bilanzielle Phase, in der in einem Unternehmen gebundenes geistiges Eigentum als Vermögensgegenstand in der Bilanz gezeigt werden kann. Die Regelung des § 255 Abs. 2a Satz 1 HGB dient dazu, den relevanten Bewertungsmaßstab für die Herstellung selbst erstellter immaterieller Vermögensgegenstände des Anlagevermögens zu liefern. Die Norm diskutiert 1 Zustimmend Theile, WPg 2008, 1064, 1069; ablehnend Moxter, WPg 2009, 7, 9. 2 Arbeitskreis „Immaterielle Werte im Rechnungswesen“ der Schmalenbach-Gesellschaft für Betriebswirtschaft e.V., DB 2008, 1813, 1815.

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3.25

Kap. 3: Bilanzierung von geistigem Eigentum

gesondert die Entwicklung und die Forschung im Zusammenhang mit der Herstellung selbst erstellter immaterieller Werte als eigenständige Prozesse, respektive voneinander unterscheidbare Verfahrensschritte.

3.26

Für den Fall, dass sich die beiden Prozessschritte nicht verlässlich voneinander abgrenzen lassen, ist eine Aktivierung der angefallenen Aufwendungen gemäß § 255 Abs. 2a Satz 4 HGB ausgeschlossen. Aus diesem Ansatzverbot resultiert zwangsläufig die Notwendigkeit einer genauen Trennung zwischen Forschungs- und Entwicklungsphase und den einzelnen Phasenübergängen sowie dem Zeitpunkt, ab dem mit dem Entstehen eines Vermögensgegenstands als Resultat der Entwicklungsphase zu rechnen ist. Zu beachten ist, dass gemäß Art. 66 Abs. 3 Satz 3 EGHGB die erstmalige, durch das BilMoG veranlasste, Aktivierung von Entwicklungskosten im Rahmen der Bilanzierung von selbsterstellten immateriellen Vermögensgegenständen erst dann erfolgen konnte, wenn mit der Entwicklung in einem nach dem 31.12.2009 beginnenden Geschäftsjahr begonnen wurde. bb) Forschungsphase als Vorstufe des geistigen Eigentums

3.27

In Abgrenzung zur Entwicklungsphase wird Forschung definiert als die eigenständige und planmäßige Suche nach neuen wissenschaftlichen oder technischen Erkenntnissen, über deren technische Verwertbarkeit und wirtschaftliche Erfolgsaussichten keine Aussagen gemacht werden können. Ihre Vermögensgegenstandseigenschaft ist regelmäßig zumindest unsicher.1 Bei nicht aktivierungsfähigen Forschungsaufwendungen fehlt es an einem konkreten Bezug zu verwertbaren Produkten bzw. geistigen Gütern, so dass kein Zusammenhang zwischen den Aufwendungen und dem späteren Absatz von Produkten hergestellt werden kann.2

3.28

Für die Abgrenzung zur Entwicklungsphase ist dabei die Kategorisierung von Aufwendungen für die sogenannte Grundlagenforschung unproblematisch. Aufwendungen in Zusammenhang mit dieser Phase sind eindeutig den Aufwendungen für Forschung zuzuordnen und nicht aktivierungsfähig. Bei der sogenannten Zweckforschung wird zwischen Neu- und Weiterentwicklung von Erzeugnissen unterschieden. Aufwendungen für die Neuentwicklung von Erzeugnissen stehen i.d.R. noch in keinem konkreten Zusammenhang mit einem bestimmten zu bewertenden Erzeugnis und sind deswegen noch nicht aktivierungsfähig.3 Aufwendungen für die Weiterentwicklung von Erzeugnissen der laufenden Fertigung können hingegen als Fertigungsgemeinkosten der produzierten Erzeugnisse anzusehen sein. Zu beachten ist dabei jedoch, dass es sich dann i.d.R. nicht 1 Ellrott/Pastor in Beck-BilKomm.7, § 255 Rz. 485. 2 Henckel/Ludwig/Lüdke, DB 2008, 197. 3 Ebenso A/D/S6, § 255 Rz. 151.

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um Anlagevermögen des Unternehmens handelt, sondern um Vermögen, dass im Unternehmen i.d.R. zu Handelszwecken eingesetzt wird. Dieses Vermögen wird dem Unternehmen nicht auf Dauer zuzuordnen sein. Es handelt sich daher um Umlaufvermögen, das in der Bilanz gemäß § 266 Abs. 2 B.I. unter den Vorräten auszuweisen ist. Ob Aufwendungen im Zusammenhang mit der Herstellung von sog. Prototypen aktiviert werden können oder nicht, ist nicht explizit geregelt. Prototypen für geplante Serienerzeugnisse sind jedoch den Originalkopien von Tonträgern vergleichbar: Ähnlich wie bei diesen steht auch bei den Prototypen nicht der körperliche Gegenstand, sondern die schöpferische Leistung (Entwicklungsleistung) im Vordergrund. Aufwendungen im Zusammenhang mit deren Herstellung sind, wie bei den Originalkopien von Tonträgern, gemäß § 248 Abs. 2 HGB zu aktivieren.1

3.29

Die Einfügung des Verbots der Aktivierung von Forschungskosten in § 248 Abs. 2a Satz 3 und 4 HGB durch das BilMoG erfolgte als Klarstellung der Aufhebung des Verbots der Aktivierung von selbsterstellten immateriellen Vermögensgegenständen in § 248 Abs. 2 a.F. HGB. Ausweislich der Gesetzesbegründung zum BilMoG erfolgt das Verbot aufgrund mangelnder Objektivierbarkeit der in der Forschungsphase angefallenen Aufwendungen. cc) Entwicklungsphase als aktivierbares geistiges Eigentum Anders als bei Forschungsaufwendungen handelt es sich bei Entwicklungsaufwendungen, um die Anwendung von Forschungsergebnissen oder von anderem Wissen für die Neuentwicklung von Gütern oder Verfahren mittels wesentlicher Änderungen. Die Begriffe „Güter“ und „Verfahren“ sind ausweislich der Gesetzesbegründung weit auszulegen und umfassen Materialien, Produkte, geschützte Rechte oder auch ungeschütztes Know-how oder Dienstleistungen bzw. Produktions- und Herstellungsverfahren und entwickelte Systeme. Im Gegensatz zur Forschungsphase ist der entstehende Vermögensgegenstand in der Entwicklungsphase bereits konkretisierbar. Aufgrund eines hohen Neuigkeitsund Komplexitätsgrads besteht hinsichtlich des Ergebnisses jedoch auch während der Entwicklungsphase weiterhin eine gewisse Unsicherheit hinsichtlich des späteren Entwicklungserfolgs.2

3.30

Die handelsrechtliche Definition stimmt sinngemäß mit der steuerlichen Definition in § 51 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. u Doppelbuchst. bb und cc EStG und § 80d Abs. 4 Nr. 3 EStDV überein. Ausweislich der Gesetzesbegründung sind besagte Aufwendungen aktivierungsfähig, sobald mit hoher

3.31

1 Nach h.M. erfasste Letzteres die der Erstellung der Prototypen vorangehenden Entwürfe, Konstruktionszeichnungen, Arbeitsmodelle u.s.w.; nicht jedoch die unmittelbar für die Erstellung der Prototypen anfallenden Aufwendungen; vgl. A/D/S6, § 255 Rz. 152 m.w.N. 2 Ellrott/Brendt in Beck-BilKomm.7, § 255 Rz. 487.

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Kap. 3: Bilanzierung von geistigem Eigentum

Wahrscheinlichkeit davon auszugehen ist, dass künftig ein Vermögensgegenstand entsteht. Ohne Zweifel besteht hinsichtlich des Übergangs von der Forschungs- zur Entwicklungsphase bzw. des Übergangs von nicht aktivierbaren Forschungs- zu aktivierbaren Entwicklungsaufwendungen eine Grauzone, die den Unternehmen in der Praxis einen gewissen Gestaltungsspielraum eröffnet. Allerdings sind mit einer Aktivierung der Aufwendungen auch Dokumentationserfordernisse verknüpft (vgl. Rz. 1.34).

3.32

Laut Gesetzesbegründung beginnt die Aktivierungspflicht bei sequentiellen Abläufen im Zeitpunkt des Übergangs vom systematischen Suchen zum Erproben und Testen der gewonnenen Erkenntnisse oder Fertigkeiten. Da Forschung und Entwicklung in der Praxis sich häufig nicht in sequentiellen, sondern alternierenden Prozessen vollziehen, dürfte dies – ausweislich Gesetzesbegründung – hinsichtlich einer Aktivierung mit Problemen verbunden sein. Da eine durch die handelsrechtlichen Vorschriften bedingte Umgestaltung alternierender in sequentielle Forschungs- und Entwicklungsprozesse unwahrscheinlich, wenn nicht unmöglich sein dürfte, wird sich bei alternierenden Fällen die Dokumentation für die Abgrenzung Forschung/Entwicklung als schwierig darstellen.1

3.33

Neben der Erstellung von immateriellen Vermögensgegenständen in Eigenregie existiert in der Praxis auch die Vergabe von Entwicklungsaufträgen an Dritte. Dabei ist entscheidend, wer das Risiko des Scheiterns zu tragen hat. Wird ein Entwicklungsauftrag an Dritte vergeben und trägt der Dritte zugleich das Entwicklungsrisiko (etwa bei Vorliegen eines Werkvertrags), so liegt bei erfolgreicher Entwicklung die Anschaffung eines (entgeltlich erworbenen) immateriellen Vermögensgegenstands vor. Ein Ausweis dieser Anschaffung erfolgt dann nicht unter § 266 Abs. 2 A. I. Nr. 1 HGB sondern unter Nr. 2. Trägt hingegen das Unternehmen das Erfolgsrisiko (Dienstvertrag), so liegt bei Dokumentation der für die Aktivierung notwendigen Voraussetzungen Herstellung eines selbst geschaffenen immateriellen Vermögensgegenstands des Anlagevermögens vor. Dieser Ansatz wird durch das Institut der Wirtschaftsprüfer auch für die Anschaffung und Entwicklung von Software in IDW RS HFA 11 konkretisiert.2

3.34

Voraussetzung für die Aktivierungsfähigkeit, die Bewertung sowie den erstmaligen Aktivierungszeitpunkt der Entwicklungsaufwendungen ist zunächst eine ausreichende Dokumentation der Abgrenzung zwischen Forschung und Entwicklung. Nach dem Gesetzeswortlaut des § 255 Abs. 2a Satz 1 HGB sind die bei der Entwicklung eines selbst geschaffenen Vermögensgegenstands des Anlagevermögens angefallenen Aufwendungen zu aktivieren.

3.35

Der Aktivierungszeitpunkt würde dementsprechend auf den Beginn der Entwicklungsphase entfallen. Nach der Gesetzesbegründung zum Regie1 Ellrott/Brendt in Beck-BilKomm.7, § 255 Rz. 488. 2 Vgl. IDW RS HFA 11.

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rungsentwurf des BilMoG setzt die Aktivierung jedoch voraus, dass mit hinreichender Wahrscheinlichkeit von der Entstehung eines Vermögensgegenstands ausgegangen werden kann. Die Aktivierung erfolgt somit nicht zwangsläufig bereits mit dem Beginn der Enwicklungsphase und auch nicht erst zu dem Zeitpunkt, in dem der Vermögensgegenstand entstanden ist, sondern bereits wenn anhand einer zukunftsorientierten Beurteilung die Vermögensgegenstandseigenschaft bejaht werden kann.1 Für den Bilanzierenden ergibt sich daraus die Anforderung, seine (subjektive) Beurteilung, dass keine hinreichenden Zweifel an der Aktivierung des Vermögensgegenstands nach Abschluss der Entwicklungsphase bestehen, zu begründen.2 Zugegebenermaßen handelt es sich hierbei um eine rechtliche Grauzone, die dem Bilanzierenden Spielräume gewährt. Das Gesetz enthält keine Kriterien, die für die Beurteilung der Aktivierung heranzuziehen sind. Der im Referentenentwurf zum BilMoG noch enthaltene Verweis auf die Ansatzkriterien des IAS 38.57 wurde im Regierungsentwurf zum BilMoG gestrichen. Gleichwohl kann daraus nicht gefolgert werden, dass ein Rückgriff auf IAS 38.57 unzulässig wäre.3 Im Schrifttum wird zudem die Notwendigkeit konkretisierender Regelungen für die objektive Nachprüfbarkeit der Aktivierungsfähigkeit betont.4 Neben den Ansatzkriterien des IAS 38.57 hat der Arbeitskreis „Immaterielle Werte im Rechnungswesen“ der Schmalenbach-Gesellschaft projektbezogene Objektivierungskriterien definiert, die zur Beurteilung der Aktivierungsfähigkeit herangezogen werden können:5 – Projekt ist initiiert worden (Geschäftsführungsbeschluss; Budgetfreigabe), – Projektabgrenzung und -beschreibung ist möglich (präzise Abgrenzung; Zurechenbarkeit der Ausgaben), – Möglicher Projektnutzen ist darstellbar (Nutzen i.S. der selbstständigen Verwertbarkeit), – Aktive weitere Projektverfolgung ist sichergestellt. Besondere Bedeutung erlangt in diesem Zusammenhang daher das F&E-Controlling des Unternehmens.6 Bei der Ausgestaltung der Kostenrechnung ist eine spezifische Einteilung in Kostenstellen, eine Abgrenzung zwischen Forschung und Entwicklung innerhalb der Kostenstellen 1 Küting/Pfirmann/Ellmann, KoR 2008, 679, 692. 2 Küting/Pfirmann/Ellmann, KoR 2008, 679, 692. 3 Arbeitskreis „Immaterielle Werte im Rechnungswesen“ der Schmalenbach-Gesellschaft für Betriebswirtschaft e.V., DB 2008, 1813, 1817; Theile, WPg 2008, 1064, 1069. 4 Küting/Pfirmann/Ellmann, KoR 2008, 679, 692. 5 Arbeitskreis „Immaterielle Werte im Rechnungswesen“ der Schmalenbach-Gesellschaft für Betriebswirtschaft e.V., DB 2001, 989, 992f. 6 Arbeitskreis „Immaterielle Werte im Rechnungswesen“ der Schmalenbach-Gesellschaft für Betriebswirtschaft e.V., DB 2008, 1813, 1816.

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Kap. 3: Bilanzierung von geistigem Eigentum

sowie eine projektbezogene Kostenträgerrechnung erforderlich. Zudem sollten, sofern Mitarbeiter Anwendungen in Eigenregie entwickeln (z.B. Softwareunternehmen), diese grundsätzlich zentral erfasst und hinsichtlich des aktuellen Entwicklungsstands regelmäßig aktualisiert werden.1 Die handelsrechtliche Aktivierung von Entwicklungskosten führt grds. zu passiven latenten Steuern. Nach dem bilanzorientierten Ermittlungsansatz sind latente Steuern auf sog. temporäre Differenzen zu bilden. Gemeint sind damit Unterschiedsbeträge zwischen dem Buchwert eines Vermögensgegenstands oder einer Schuld im HGB-Abschluss und dem korrespondierenden Steuerwert. Da gem. § 5 Abs. 2 EStG eine Aktivierung selbstgeschaffener immaterieller Wirtschaftsgüter in der Steuerbilanz ausgeschlossen ist, folgt aus der handelsbilanziellen Aktivierung ein entsprechender Unterschiedsbetrag.

3.36

Zur übersichtlicheren Abgrenzung zwischen Forschungs- und Entwicklungsphase soll folgendes Schaubild dienen:

Forschung

Entwicklung

Nutzung

Übergang vom systematischen Suchen zum Erproben und Testen der gewonnenen Erkenntnisse

Aufwand

Aktivierung

(§ 255 Abs. 2a Satz 3 HGB)

(§ 255 Abs. 2a Satz 2 HGB)

eigenständige und planmäßige Suche





mit der Aussicht, zu neuen wissenschaftlichen oder technischen Erkenntnissen zu gelangen

Anwendunng von Forschungsergebnissen oder von Spezialwissen





techn. Verwertbarkeit und wirtschaftl. Erfolg fraglich

zur Neuentwicklung von Gütern/Verfahren ode die Weiterentwicklung von Gütern/ Verfahren mittels wesentlicher Änderungen



vor Aufnahme der kommerziellen Produktion oder Nutzung

1 Ellrott/Brendt in Beck-BilKomm.7, § 255 Rz. 491.

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Abschreibung

Entwicklung



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Abschreibung

(aber Ausschüttungssperre)

Forschung

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Inbetriebnahme/ Produktion



über wirtschaftliche Nutzungsdauer

B. Handelsrecht

3. Ausweis Der Ausweis der selbstgeschaffenen immateriellen Vermögensgegenstände des Anlagevermögens erfolgt in der Bilanz unter einem gesonderten Posten (§ 268 Abs. 2 A. I. Nr. 1 HGB). Dieser Bilanzposten ist ggfs. auch im Anlagenspiegel gemäß § 268 Abs. 2 HGB zu zeigen, sofern es sich nicht um kleine Kapitalgesellschaften oder Kapitalgesellschaften & Co. handelt gemäß § 274 a Nr. 1 HGB.

3.37

Kleine Kapitalgesellschaften gemäß § 267 Abs. 1 HGB brauchen grundsätzlich nur eine verkürzte Bilanz aufzustellen, in der lediglich die in § 266 Abs. 2 und 3 HGB mit Buchstaben und römischen Zahlen bezeichneten Posten gesondert und in der vorgeschriebenen Reihenfolge aufgenommen werden. Dadurch kann bei kleinen Kapitalgesellschaften auch ein kumulierter Ausweis unter den „Immateriellen Vermögensgegenständen“ erfolgen. In der Gewinn- und Verlustrechnung folgt aus der Aktivierung der Entwicklungsaufwendungen im Rahmen des Gesamtkostenverfahrens der Ausweis des Postens „andere aktivierte Eigenleistungen“ gemäß § 275 Abs. 2 Nr. 3 HGB. Im Rahmen des Umsatzkostenverfahrens erfolgt die Erfassung unter den „Herstellungskosten der zur Erzielung der Umsatzerlöse erbrachten Leistungen“ gemäß § 275 Abs. 3 Nr. 2 HGB.

3.38

V. Entgeltlich erworbene Konzessionen, gewerbliche Schutzrechte und ähnliche Rechte und Werte sowie Lizenzen an solchen Rechten und Werten 1. Regelungsgegenstand Unter diesen Bilanzposten fallen alle entgeltlich, d.h. derivativ erworbenen immateriellen Vermögensgegenstände. § 266 Abs. 2 A. I Nr. 2 HGB grenzt die aktivierbaren, entgeltlich erworbenen immateriellen Güter formal inhaltlich ab. Dennoch ist die Definition der genannten Begrifflichkeiten nicht immer klar, so dass einführend die Begriffe näher erläutert werden.

3.39

2. Begriffsbestimmung und Beispiele a) Konzessionen Bei Konzessionen handelt es sich zum einen um befristete öffentlichrechtliche (behördliche) Genehmigungen, die die Ausübung eines bestimmten Gewerbes bzw. Handels gestatten.1 Zum anderen können Konzessionen die Nutzung einer öffentlichen Sache, z.B. UMTS-Lizenzen, Mineralgewinnungsrechte, Bergbaurechte, Verkehrskonzessionen oder bestimmte Wasserrechte gestatten. Mit geistigem Eigentum stehen diese daher nicht in unmittelbarem Zusammenhang. 1 A/D/S, § 266 Rz. 28.

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111

3.40

Kap. 3: Bilanzierung von geistigem Eigentum

b) Gewerbliche Schutzrechte

3.41

Mit dem Begriff Gewerbliche Schutzrechte wird gemeinhin das Rechtsgebiet bezeichnet, das sich mit dem Schutz geistigen Eigentums befasst. Die bekanntesten Schutzrechte in diesem Zusammenhang sind Patente und Marken. Es handelt sich dabei um Immaterialgüterrechte, die „ihrem Inhaber ein geistiges Monopol gewähren, das vom Gesetzgeber begründet worden ist und nicht durch Parteivereinbarung geschaffen werden kann“.1 Das hat zur Folge, dass allein der Inhaber des Schutzrechts befugt ist, das Geschützte zu nutzen, zu verkaufen, etc.2 Weitere Voraussetzung ist der gewerbliche Bezug, der zum einen in der gewerblichen Anwendbarkeit des Schutzgegenstands (vgl. z.B. § 1 Abs.1, § 5 PatG) und zum anderen in der Beschränkung der Ausschließlichkeitswirkung auf gewerbliches Verhalten (vgl. § 11 Nr. 1 PatG) zum Ausdruck kommt. Weitere Beispiele für gewerbliche Schutzrechte sind Gebrauchsmuster, Sortenschutzrechte, Topographieschutzrechte und Geschmacksmuster. Nicht hierunter fallen hingegen bestimmte Urheberrechte, wie etwa Urheberrechte an – Kunstwerken, – Romanen, – Gedichten, – Filmen, – Gemälden und Fotographien, – bildhauerischen Werken, – Zeitungsartikeln, – Computer-Programmen, etc. Zum einen mangelt es hier an der Gewerblichkeit. Zum anderen liegt der Grund hierfür in der schwierigen Abgrenzung von zu aktivierenden und nicht zu aktivierenden Aufwendungen. Hier könnte für den Bilanzierenden ansonsten ein zu weiter Ermessenspielraum eröffnet werden. c) Ähnliche Rechte und Werte

3.42

Ähnliche Rechte und Werte sind Positionen, die nicht unter die Begriffe Konzessionen oder gewerbliche Schutzrechte fallen, ihnen aber inhaltlich vergleichbar sind. Als Indizien für eine Vergleichbarkeit kommen insbesondere in Betracht – die gewerbliche Verwertbarkeit, – eine faktische oder rechtliche Ausschließlichkeitsstellung im Wettbewerb, – die Unkörperlichkeit des Schutzgegenstands sowie – die Eignung zur häufigen oder unbegrenzten Reproduktion. 1 Reiner/Haußer in Münchener Komm. zum HGB, § 266 Rz. 21. 2 Köllner in Grünewald u.a., Bilanzierung von Patenten, 3.3, S. 29.

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B. Handelsrecht

Der Prüfung der allgemeinen Voraussetzungen für das Vorliegen von Vermögensgenständen – Einzelveräußerbarkeit, – Einzelverwertbarkeit sowie – selbständige Bewertbarkeit für die abstrakte Aktivierungsfähigkeit sowie – das Fehlen eines Aktivierungsverbots, – die subjektive wirtschaftliche Zurechenbarkeit und – die Zugehörigkeit zum Betriebsvermögen für die konkrete Aktivierungsfähigkeit kommt im Zusammenhang mit dem Ansatz der „ähnlichen Rechte und Werte“ sicher besondere Bedeutung zu, um den Begriff des Vermögensgegenstands nicht ausufern zu lassen. Als Beispiele für entgeltlich erworbene „ähnliche Rechte und Werte“ kommen z.B. in Betracht: – – – – – – – – – – – – –

Ungeschützte Erfindungen, Know How, Kundenkarteien, Zuteilungsrechte, Brenn- und Braurechte, Belieferungsrechte, Rechte zur Berichterstattung und Übertragung von Sportereignissen, Arzneimittelzulassungen oder Forderungen, soweit sie dem Anlagevermögen zuzuordnen sind, ferner noch Rezepte, Film- und Tonaufzeichnungen, Domain-Namen und andere faktische Positionen von wirtschaftlichem Wert.

Bei geistigem Eigentum, dessen unkörperliche Substanz mit einem körperlichen Gut verknüpft ist (z.B. Bild- und Tonträger, EDV-Datenträger), kommt es für die Einordnung als immaterieller Wert oder als Sache auf den Schwerpunkt bzw. das überwiegende Element des Vermögensgegenstands an. Die Zuordnung zu den immateriellen Vermögensgegenständen ist vorzunehmen, wenn im Rahmen des Nutzungs- und Funktionszusammenhangs im Unternehmen das Interesse an der unkörperlichen Substanz, d.h. die Übertragung von Nutzungsrechten (§ 34 UrheberrechtsG) bzw. die Rechteübertragung (§ 94 UrheberrechtsG) im Vordergrund steht und sich die Überlassung des Werk- und Vervielfältigungsstücks nur als das körperliche Substrat der Rechteüberlassung darstellt.1 1 Förschle in Beck-BilKomm.7, § 247 Rz. 384.

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3.43

Kap. 3: Bilanzierung von geistigem Eigentum

3.44

EDV-Software als Träger geistigen Eigentums gehört zu den immateriellen Vermögensgegenständen. Zu Abgrenzungsfragen zwischen selbstgeschaffener und fremd bezogener Software und der Frage, welcher Aufwand ggf. einem aktivierungsfähigen Vermögensgegenstand zuzuordnen ist, nimmt insbesondere der IDW HFA 13 Stellung.1 Bei der Klassifizierung von Software für bilanzielle Zwecke unterscheidet der Standard zwischen Firmware, Systemsoftware und Anwendungssoftware: – Firmware sind fest mit dem Computer verbundene Programmbausteine (sog. Mikroprogramme, BIOS[2]), die die Hardware mit der Software verbinden und Elementarfunktionen des Computers steuern. – Systemsoftware umfasst die Gesamtheit der im Betriebssystem zusammengefassten Programme, die die Ressourcen des Computers verwalten, Programmabläufe steuern und Befehle der Benutzer ausführen, aber unmittelbar keiner konkreten praktischen Anwendung dienen. Viele Computer können unterschiedliche Betriebssysteme nutzen, sodass Systemsoftware im Gegensatz zur Firmware jederzeit gelöscht und durch andere Systemsoftware ersetzt werden kann. – Anwendungssoftware ist der Oberbegriff für alle Programme, die die Datenverarbeitungsaufgaben des Anwenders lösen. Bei der Anwendungssoftware lassen sich Individual- und Standardsoftware unterscheiden. Während Individualsoftware ausschließlich für die Bedürfnisse eines bestimmten Anwenders entwickelt wird, ist Standardsoftware für den Einsatz bei einer Vielzahl von Anwendern konzipiert. Ebenso wie Anwendungssoftware ist auch Systemsoftware selbstständiger Vermögensgegenstand. Unselbstständiger Teil der Hardware ist dagegen mit dieser fest verdrahtete Software – Firmware –.2 Gleiches gilt für den Ausnahmefall des sog Bundling, bei dem die Systemsoftware nur zusammen mit einer bestimmten Hardware ohne Aufteilbarkeit des Entgelts zur Verfügung gestellt wird.3 Dass Systemprogramme ohne eine entsprechende Hardware nicht nutzbar sind oder umgekehrt, ist kein Kriterium der Unselbstständigkeit.

3.45

Von den Anwenderprogrammen sind sowohl Individual- als auch Standardprogramme immaterielle Vermögensgegenstände, unabhängig davon, ob es sich um fixe oder variable Standardprogramme handelt.4

3.46

Das Gleiche gilt für Systemsoftware, unabhängig davon, ob es sich um Individual- oder Standardsoftware handelt. Trivialsoftware ist dagegen eine bewegliche Sache und bei Anschaffungskosten von 150 bis 1000 Euro als Wirtschaftsgut zu behandeln (R 6.13 EStR).

1 2 3 4

IDW RS HFA 11. IDW RS HFA 11, Rz. 4 ff. IDW RS HFA 11, Rz. 4 ff. A/D/S6, § 246 Rz. 37 m.w.N.

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B. Handelsrecht

Anders hingegen sind Datenträger (Dateien) zu beurteilen, die keine Befehle enthalten und deren maßgebliche Funktion sich darin erschöpft, gespeicherte Daten vorzuhalten.1 Wenn der Wert eines Programms jedoch maßgeblich auf vorteilhaften Einsatzmöglichkeiten wie der schnellen Abrufbarkeit der Daten und der einfachen Änderungsmöglichkeit beruht, und der Wert der Datensammlung dabei in den Hintergrund tritt, handelt es sich um einen immateriellen Vermögensgegenstand,2 der geistiges Eigentum verkörpert. Handelt es sich bei der Software um ein maßgeschneidertes Produkt – sog. Individualsoftware –, so liegt ein Herstellungsvorgang mit der Folge der Möglichkeit zur Ausübung des Aktivierungswahlrechts nach § 248 Abs. 2 Satz 1 HGB vor, wenn Individualsoftware vom Softwareanwender unter Einsatz seiner eigenen materiellen und personellen Ressourcen selbst geschaffen wird (Eigenherstellung). Erfolgt die Herstellung der Software im Rahmen eines vom Softwareanwender mit einem Softwareanbieter geschlossenen Dienstvertrags, liegt gleichfalls eine Eigenherstellung vor. Kennzeichnend für den Dienstvertrag ist, dass der Dienstherr, d.h. der Softwareanwender, das wirtschaftliche Risiko einer nicht erfolgreichen Realisierung des Projekts (Herstellungsrisiko) trägt.

3.47

Wird mit dem Softwareanbieter ein Werkvertrag geschlossen, so liegt aus Sicht des Softwareanwenders ein Anschaffungsvorgang vor, wenn die Projektleitung und Federführung beim Softwareanbieter liegen und dieser für die Tauglichkeit der Software einsteht (Herstellungsrisiko). Eine solche Übernahme des Herstellungsrisikos durch den Softwareanbieter schließt nicht aus, dass auch Mitarbeiter des Softwareanwenders bei der Programmerstellung eingesetzt werden. Die entsprechenden Aufwendungen sind ebenfalls Bestandteil der Anschaffungskosten. Werden im Rahmen der Erstellung von Individualsoftware bestimmte Teile der Software vom Softwareanwender auf der Grundlage eines Kaufvertrags oder eines Werkvertrags angeschafft, sind die zugehörigen Anschaffungskosten nur dann selbstständig zu aktivieren, wenn die erworbenen Programmteile durch die Verbindung mit der Individualsoftware nicht untergehen und somit auch künftig noch selbstständig genutzt werden können. Ansonsten gehören die Aufwendungen zu den aktivierbaren Herstellungskosten (Eigenherstellung oder Dienstvertrag) bzw. den aktivierungspflichtigen Anschaffungskosten (Werkvertrag) der Individualsoftware.3 Im Falle von sogenannter Standardsoftware liegen i.d.R. Anschaffungskosten vor, die zu aktivieren sind. Immaterielle Werte können zu körperlichen Vermögensgegenständen in der Weise in Beziehung treten, dass die Aufwendungen hierauf Nebenkos1 IDW RS HFA 11, Rz. 4 ff. 2 So BFH v. 2.9.1988 – III R 38/84, BStBl. II 1989, 160 zu Datenträgern mit Adressen zum Druck von Adressbüchern. 3 IDW RS HFA 11 Rz. 10 ff.

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3.48

Kap. 3: Bilanzierung von geistigem Eigentum

ten der Anschaffung bzw. Herstellung einer Sachanlage sind. Andererseits können körperliche Gegenstände Zubehör zu immateriellen Werten und zusammen mit diesen zu bilanzieren sein.1 d) Lizenzen

3.49

Lizenzen sind die privatrechtliche Befugnis, Konzessionen, gewerbliche Schutzrechte oder ähnliche Rechte und Werte und somit geistiges Eigentum eines anderen zu benutzen. Der Lizenzgeber vergibt dadurch ein Recht an einen Dritten, das geistige Eigentum des Lizenzgebers zu nutzen. So kann der Lizenzgeber z.B. sein Patent zur Nutzung an einen bestimmten Personenkreis gegen Zahlung einer Lizenzgebühr freigeben. Ebenso kann ein Filmproduzent oder Regisseur z.B. die Berechtigung zur Ausstrahlung seiner Filmwerke erteilen. Eine Aktivierung der Lizenz ist aber nur zulässig, wenn es sich um eine einmalige Zahlung handelt, nicht dagegen bei laufenden Lizenzgebühren. Im letzteren Fall liegt ein schwebendes Geschäft vor, das mit Zahlung der Lizenzgebühren beim Rechteinhaber zu Lizenzerträgen und beim Lizenznehmer zur Aufwandserfassung führt. 3. Ansatz

3.50

Entgeltlich erworbene immaterielle Vermögensgegenstände sind nach § 246 Abs. 1 Satz 1 HGB aktivierungspflichtig – (wirtschaftliches) Eigentum bzw. Inhaberschaft vorausgesetzt –, wenn sie die Kriterien der abstrakten und konkreten Aktivierungsfähigkeit erfüllen. Hierzu s. Rz. 3.4 ff. Darüber hinaus ist explizit entgeltlicher Erwerb gefordert. Entgeltlicher Erwerb bedeutet, dass Anschaffungskosten für einen abgeleiteten Erwerb, d.h. einen Erwerb von einem Dritten zu einem nach kaufmännischen Grundsätzen ausgehandelten Entgelt und damit eine gewisse Objektivierung des angesetzten Zugangswerts vorliegen.2 Entgeltlicher Erwerb kann nicht nur bei Kauf, sondern auch bei Tausch oder Sacheinlagen vorliegen.3 Vergütungen für Arbeitnehmererfindungen sind aktivierungspflichtig, soweit es sich um freie Erfindungen handelt; im Falle gebundener Erfindungen besteht für diese Aufwendungen ein Aktivierungswahlrecht, soweit die Aktivierungsvoraussetzungen für selbst geschaffene immaterielle Vermögensgegenstände vorliegen. Keine Anschaffungskosten und damit auch kein entgeltlicher Erwerb liegen vor bei Einräumung oder erstmaliger Begründung immaterieller Ver1 Z.B. Abonnentenkarteien, Modelle, Pläne, Beschreibungen; BFH v. 22.5.1979 – III R 129/74, BStBl. II 1979, 634 zu Prototypen von Maschinen als Träger von technischem Know-how. 2 Im Ergebnis ebenso A/D/S6, § 248 Rz. 14. 3 A/D/S6, § 248 Rz. 15 ff.

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B. Handelsrecht

mögensgegenstände, die zum Gebrauch oder zur Nutzung auf Zeit berechtigen und das Entgelt pro rata temporis der Nutzung gezahlt wird. Es handelt sich insoweit um schwebende Verträge, die nach dem vorrangigen Grundsatz der Nichtbilanzierung schwebender Geschäfte1 nicht bilanziert werden dürfen. Auch vorausgezahlte Entgelte sind keine Anschaffungskosten, sondern aktive Rechnungsabgrenzungsposten gemäß § 250 HGB (Lizenz, Mietrecht, Nießbrauch). Wird dagegen ein bereits bestehender immaterieller Vermögenswert in Gestalt eines schwebenden Vertrags übertragen (z.B. Lizenz, Belieferungsrecht, Miet- und Nutzungsrecht oder Auftragsbestand) und wird hierfür ein Entgelt gezahlt, hat sich am Markt die Werthaltigkeit des immateriellen Vermögensgegenstands bestätigt, unabhängig davon, ob es sich um Gewinnaussichten aus einem schwebenden Dauerschuldverhältnis (Lizenz, Belieferungsrecht) oder Einzelschuldverhältnis (Auftragsbestand) handelt. Die Marktbestätigung des immateriellen Werts ist zweifelsfrei, wenn das Entgelt ausschließlich und gesondert für das jeweilige Recht gezahlt wird und Unsicherheiten, wie sie beim Gesamterwerb einer Vielzahl von Einzelpositionen bis hin zum Erwerb ganzer Unternehmen bei unaufgeteiltem Gesamtkaufpreis bestehen, nicht auftreten können. In letzteren Fällen kann auch ein zusammengefasster Ausweis als Geschäfts- oder Firmenwert in Betracht kommen (siehe Abschnitt B.VI.). Immaterielle Vermögensgegenstände, die als Sacheinlage eingebracht werden, gelten als entgeltlich erworben, wenn sie einlagefähig sind und im Rahmen des Einbringungsvorgangs ein Wert für sie festgesetzt wird. In diesem Fall bilden die neu ausgegebenen Gesellschaftsrechte eine feststellbare Gegenleistung.2

3.51

4. Ausweis Der Ausweis der entgeltlich erworbenen Konzessionen, gewerblichen Schutzrechte und ähnlichen Rechte und Werte sowie der Lizenzen an solchen Rechten und Werten erfolgt gemäß § 266 Abs. 2 A. I. Nr. 2 HGB im Anlagevermögen auf der Aktivseite der Bilanz. Dieser Bilanzposten ist ggfs. auch im Anlagenspiegel gemäß § 268 Abs. 2 HGB zu zeigen, sofern es sich nicht um kleine Kapitalgesellschaften oder Kapitalgesellschaften & Co. handelt gemäß § 274a Nr. 1 HGB. Kleine Kapitalgesellschaften gemäß § 267 Abs. 1 HGB brauchen grundsätzlich nur eine verkürzte Bilanz aufzustellen, in der lediglich die in § 266 Abs. 2 und 3 HGB mit Buchstaben und römischen Zahlen bezeichneten Posten gesondert und in der vorgeschriebenen Reihenfolge aufgenommen werden. Dadurch kann bei kleinen Kapitalgesellschaften auch ein kumulierter Ausweis unter den Immateriellen Vermögensgegenständen erfolgen. 1 Weber-Grellet in Schmidt30, § 5 EStG Rz. 76. 2 Förschle/Usinger in Beck-BilKomm.7, § 248 Rz. 39 f.

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3.52

Kap. 3: Bilanzierung von geistigem Eigentum

VI. Grundzüge der Bewertung 1. Selbsterstellte immaterielle Vermögensgegenstände

3.53

Der erstmalige Bewertungsmaßstab für selbsterstellte immaterielle Vermögensgegenstände (Zugangsbewertung) richtet sich gemäß § 255 Abs. 2a Satz 1 HGB nach der in § 255 Abs. 2 HGB enthaltenen Herstellungskostendefinition. Danach zählen zu den aktivierungspflichtigen Herstellungskosten die Material- und Fertigungskosten, Sonderkosten der Fertigung sowie angemessene Teile der Material- und Fertigungsgemeinkosten und der Wertverzehr des Anlagevermögens, soweit er durch den Fertigungsprozess veranlasst ist. Zusätzlich dürfen angemessene Teile der Kosten der allgemeinen Verwaltung und angemessene Aufwendungen für soziale Einrichtungen des Betriebs, freiwillige soziale Leistungen und die betriebliche Altersversorgung, soweit diese auf den Zeitraum der Herstellung entfallen, einbezogen werden.1 Forschungs- und Vertriebskosten dürfen gemäß § 255 Abs. 2 Satz 2 HGB nicht einbezogen werden. Zinsen für Fremdkapital gehören gemäß § 255 Abs. 3 Satz 1 HGB grundsätzlich nicht zu den Herstellungskosten. Satz 2 begründet allerdings Ausnahmen. Der Ansatz erfolgt netto ohne Umsatzsteuer. Diese ist separat als rückforderbare Vorsteuer unter einem gesonderten Posten im Umlaufvermögen („sonstige Vermögensgegenstände“) auszuweisen.

3.54

Den Inhalt der einzelnen (nicht) aktivierungsfähigen Kostenbestandteile erläutert folgende Tabelle:2 Kosten

Inhalt

Materialkosten

Bewerteter Verbrauch an Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffen sowie selbsterstellte und fremdbezogene Fertigteile

Fertigungskosten

Bei der Produktion anfallende Löhne und Lohnnebenkosten sowie vergleichbare durch den Einsatz fremder Arbeitskräfte für die Produktion anfallende Aufwendungen

Sonderkosten der Fertigung

Alle unmittelbar auf eine Leistungseinheit verrechenbaren Einzelkosten außer Fertigungsmaterial- und ggfs. Fertigungslohnkosten, beispielsweise auch Kosten für die Patentanmeldung

Materialgemeinkosten

Personal- und Raumkosten im Zusammenhang mit Beschaffung, Lagerung, Verwaltung oder Wartung von Material

Fertigungsgemeinkosten

Alle nicht als Kosten für Werkstoffe und Fertigungslöhne sowie als Sonderkosten verrechnete Kosten für Leistungen

Wertverzehr des Anlagevermögens

Technischer und wirtschaftlicher Abschreibungsbedarf

Kosten der allgemeinen Verwaltung

Insbesondere Aufwendungen für Geschäftsleitung (beachte: kein kalkulatorischer Unternehmerlohn!), Wareneingang, Rechnungswesen, Betriebsrat, etc.

1 Petersen/Zwirner in Grünewald u.a., Bilanzierung von Patenten, 4.2, S. 70. 2 Petersen/Zwirner in Grünewald u.a., Bilanzierung von Patenten, 4.2, S. 73.

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B. Handelsrecht

Kosten

Inhalt

Aufwendungen für soziale Einrichtungen

Insbesondere Kantinen, Sporteinrichtungen, Ferienerholungsheime, etc.

Freiwillige soziale Leistungen

Insbesondere Weihnachtsgratifikationen, Urlaubsgeld, Wohnungsbeihilfen, etc.

Forschungskosten

Kosten der Grundlagenforschung, die keinen Bezug zur aktuellen Produktion haben

Vertriebskosten

Kosten für die Verteilung der produzierten Vermögensgegenstände

Fremdkapitalzinsen

Zinsaufwendungen für Fremdkapital, mit denen Produktionsfaktoren, wie etwa Maschinen, Rohstoffe, fremdfinanziert werden

Im Rahmen der Folgebewertung sind der aktivierte Vermögensgegenstand bzw. die Entwicklungskosten gemäß § 253 Abs. 3 HGB über die wirtschaftliche Nutzungsdauer planmäßig abzuschreiben. Bei voraussichtlich dauernder Wertminderung ist § 255 Abs. 3 Satz 3 HGB einschlägig. Danach sind außerplanmäßige Abschreibungen vorzunehmen, sofern der beizulegende Wert am Bilanzstichtag niedriger ist, als der Buchwert. Für die Wertermittlung des beizulegenden niedrigeren Werts wird auf IDW S 5 verwiesen (Grundsätze zur Bewertung immaterieller Vermögenswerte). Darin werden betriebswirtschaftliche Bewertungsgrundsätze zur Bewertung immaterieller Vermögenswerte normiert. Als Verfahren werden dort sowohl Marktpreis- als auch kapitalwert- und kostenorientierte Verfahren genannt. Bei einer handelsrechtlichen Bewertung von geistigem Eigentum, wie es etwa durch Patente verbrieft ist, finden danach insbesondere kapitalwertorientierte (z.B. die discounted cash-flow Methode) Verfahren Anwendung.

3.55

Sollten die Gründe für eine außerplanmäßige Abschreibung in zukünftigen Perioden wieder wegfallen, ist eine Zuschreibung gemäß § 255 Abs. 5 Satz 1 HGB zwingend erforderlich. 2. Entgeltlich erworbene immaterielle Vermögensgegenstände Entgeltlich erworbene Vermögensgegenstände des Anlagevermögens sind gem. §§ 253 Abs. 1 i.V.m. 255 Abs. 1 HGB mit den Anschaffungskosten vermindert um Abschreibungen gemäß § 253 Abs. 3 Satz 1 HGB zu bewerten, sofern deren Nutzung zeitlich begrenzt ist. Dies gilt sowohl bei Einzelerwerb wie auch für im Rahmen eines Unternehmenszusammenschlusses erworbene Vermögensgegenstände. Anschaffungskosten sind die Aufwendungen, die geleistet werden, um einen Vermögensgegenstand von der fremden in die eigene Verfügungsmacht zu überführen und ihn in einen betriebsbereiten Zustand zu versetzen, soweit sie dem Vermögensgegenstand einzeln zugeordnet werden können. Zu den Anschaffungskosten im Rahmen der Erstbewertung gehören auch die Nebenkosten sowie Hager

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3.56

Kap. 3: Bilanzierung von geistigem Eigentum

die nachträglichen Anschaffungskosten. Anschaffungspreisminderungen sind gem. § 255 Abs. 1 HGB abzusetzen. Zur Behandlung der Umsatzsteuer s. Rz. 3.53.

3.57

Die zu aktivierenden Anschaffungskosten werden – vereinfacht – nach folgendem Schema berechnet: Anschaffungspreis (vertragliches Hauptentgelt, Bruttorechnungspreis, Listenpreis) ./. Anschaffungspreisminderungen (z.B. abzugsfähige Vorsteuer, Rabatte, Skonti, Boni, Preisminderungen, ggfs. Zuschüsse) + Erwerbsnebenkosten, soweit direkt zurechenbar (z.B. nicht abziehbare Vorsteuer, Verpackungs- und Transportkosten, Beurkundungsgebühren, Vermittlungsprovisionen, Transportversicherung, Zölle) + Aufwendungen zur Versetzung in den betriebsbereiten Zustand, soweit direkt zurechenbar (z.B. Kosten für Fundamentierung, Montage, Probeläufe) + Nachträgliche Anschaffungspreiserhöhungen ./. Nachträgliche Anschaffungspreisminderungen + Nachträgliche Erwerbsnebenkosten, soweit direkt zurechenbar + Nachträgliche Aufwendungen zur Versetzung in Betriebsbereitschaft, soweit direkt zurechenbar

3.58

Gemeinkosten, d.h. nicht direkt zurechenbare Kosten gehören nicht zu den Anschaffungskosten und sind somit nicht zu aktivieren. Dazu gehören insbesondere Personal- und Sachausgaben für Transporte mit eigenem Fahrzeug, die Aufstellung einer Anlage durch eigene Arbeitnehmer oder Reisekosten der Arbeitnehmer.1 Für die Folgebewertung gilt das zu den selbsterstellten immateriellen Vermögensgegenständen Gesagte.

VII. Geschäfts- oder Firmenwert 1. Vermögensgegenstand oder Bilanzierungshilfe

3.59

Zur Definition des Vermögensgegenstands s. Rz. 3.4 ff. Bei Bilanzierungshilfen handelt es sich um Aktivposten im Jahresabschluss, die weder Vermögensgegenstände noch Rechnungsabgrenzungsposten oder Korrekturen zu Passivposten darstellen. Sie sollen insbesondere in der Startphase des Unternehmens eine eintretende Überschuldung verhindern und/oder eine periodengerechte Aufwandsverrechnung ermöglichen. Als Bilanzierungshilfen nannte das HGB vor der Revision durch das BilMoG explizit die Aufwendungen für die Ingangsetzung und Erweiterung des Geschäftsbetriebs gemäß § 269 HGB a.F. und die aktivischen latenten Steuern gemäß § 274 Abs. 2 HGB a.F. 1 Falterbaum u.a., Buchführung und Bilanz21, Kapitel 16.2.1.

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B. Handelsrecht

Die Rechtsnatur des Geschäfts- oder Firmenwerts war in diesem Kontext bis zur Einführung des BilMoG strittig. Einerseits wurde er auf Grund der gesonderten Ausweisvorschrift des § 266 Abs. 2 unter A I Nr. 2 HGB a.F. sowie des Ansatzwahlrechts nach § 255 Abs. 4 Satz 3 a.F. (der von einer Nutzungsdauer des Geschäfts- oder Firmenwerts ausgeht, was bei Bilanzierungshilfen nicht der Fall ist) als (immaterieller) Vermögensgegenstand qualifiziert. Teilweise wurde er als Bilanzierungshilfe angesehen.1

3.60

Durch das BilMoG wird der entgeltlich erworbene (derivative) Geschäftsoder Firmenwert als zeitlich begrenzt nutzbarer Vermögensgegenstand definiert gemäß § 246 Abs. 1 Satz 4 HGB n.F. Er unterliegt damit dem Vollständigkeitsgrundsatz und ist von allen Bilanzierenden zwingend unter dem Anlagevermögen zu aktivieren gemäß § 246 Abs. 1 HGB. Bislang bestand für den entgeltlich erworbenen Geschäfts- oder Firmenwert ein Ansatzwahlrecht, weil die Bewertung auf Grund des Wahlrechts nach § 255 Abs. 4 Satz 1 HGB a.F. auch mit Null erfolgen konnte. Für den selbstgeschaffenen oder unentgeltlich erworbenen Geschäfts- oder Firmenwert besteht weiterhin ein Aktivierungsverbot, soweit es sich nicht um Entwicklungskosten handelt, die als immaterieller Vermögensgegenstand aktiviert werden können.2

3.61

Ein Ansatz eines Geschäfts- oder Firmenwerts auf der Aktivseite der Bilanz ergibt sich ausschließlich dann, wenn dessen Definitionskriterien erfüllt sind. Die Definition des Geschäfts- oder Firmenwerts ergibt sich dabei mittelbar aus § 246 Abs. 1 Satz 4 HGB als (positiver) Unterschiedsbetrag zwischen einem im Rahmen einer (Teil-)Übernahme eines Unternehmens gezahlten Gesamtkaufpreis und den Werten der einzelnen übernommenen Vermögensgegenstände abzüglich Schulden. Das HGB definiert den Geschäfts- oder Firmenwert daher als ausschließlich rechnerische Größe und lässt seine Aktivierung zu, ohne nach seinen Gründen zu fragen.3

3.62

Es gilt dafür grundsätzlich folgendes Ermittlungsschema:

3.63

Kaufpreis des gesamten Unternehmens (netto) ./. Tatsächliche Werte (nicht die Buch-, sondern die Zeitwerte) für alle materiellen Wirtschaftsgüter, die erworben wurden ./. Tatsächliche Werte für alle immateriellen (Einzel-)Wirtschaftsgüter ohne den Firmen- oder Geschäftswert, die erworben wurden (ohne Rücksicht darauf, ob sie beim Veräußerer bisher aktiviert waren oder nicht) = verbleibender Betrag = Geschäfts- oder Firmenwert

Im Ergebnis ist der Geschäfts- oder Firmenwert damit ein Bündel von geschäftswertbildenden Faktoren, das nicht weiter zerlegt werden kann. Er 1 Nach A/D/S6, § 255 Rz. 271ff. „Wert eigener Art“. 2 Kozikowski/Staudacher in Beck-BilKomm.7, § 247 Rz. 400. 3 Kozikowski/Staudacher in Beck-BilKomm.7, § 247 Rz. 405.

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3.64

Kap. 3: Bilanzierung von geistigem Eigentum

umfasst im Rahmen eines Verkauf- oder Kaufprozesses – Verkauf/Kauf von Gesellschaftsanteilen (share deal) oder Verkauf/Kauf von Vermögens-/Schuldpositionen (asset deal) – den überschießenden Betrag, den ein Käufer bereit ist, für ein Unternehmen oder einen Teil davon zu bezahlen und der bisher noch nicht in der Bilanz des Kaufobjekts ausgewiesen war. Häufig sind dies gerade die bereits oben unter Rz. 3.16 ff. dargestellten selbstgeschaffenen immateriellen Güter, die nicht aktiviert wurden, da von dem Aktivierungswahlrecht nicht Gebrauch gemacht wurde, oder Güter, denen ein Aktivierungsverbot entgegensteht, wie z.B. § 248 Abs. 2 Satz 2 HGB. Der Geschäfts- oder Firmenwert ist daher insbesondere eine Auffanggröße für nicht separat bilanzierbares geistiges Eigentum oder sonstiges Vermögen, wie es etwa durch selbstgeschaffene Marken, Drucktitel, Verlagsrechte, ungeschütztes Know-how o.ä. verkörpert wird.

3.65

Ergänzend wird darauf hingewiesen, dass es bei einem Kauf von Gesellschaftsanteilen o.ä. auch zu dem Fall kommen kann, dass der Erwerber weniger zahlt als in der Bilanz an Vermögenswerten abzüglich Schulden (entspricht dem Eigenkapital als Residualwert) ausgewiesen ist. In einem solchen Fall kommt es zu einem sogenannten negativen Geschäftswert. Die h.M. in der Literatur vertritt hierzu die Auffassung, dass der Grundsatz der erfolgsneutralen Anschaffungskostenbilanzierung auch beim Erwerb eines Unternehmens vorrangig zu beachten ist. Dies führt zum Ansatz eines Ausgleichspostens, der nach Maßgabe der eingetretenen Verluste aufzulösen ist.1 Unter Umständen kann es auch zu einer sofortigen vollständigen ergebniswirksamen Bilanzierung kommen.

3.66

Die Abgrenzung des Geschäfts- oder Firmenwerts von den sonstigen immateriellen Vermögensgegenständen kann nur in der Weise vorgenommen werden, dass ihm bzw. besser dem gezahlten Kaufpreis die übrigen unkörperlichen Werte (des Anlage- und Umlaufvermögens), die selbstständig verwertbar und/oder bewertbar sind, gegenübergestellt werden. Diese selbstständig verkehrsfähigen Werte müssen zuvor nach § 246 Abs. 1 HGB einzeln und vollständig erfasst und bewertet werden, so dass für den Geschäfts- oder Firmenwert als Restgröße nur noch diejenigen Faktoren übrig bleiben, die von dem Unternehmen nicht getrennt werden können, d.h. sich einer Einzelveräußerung oder Einzelverwertung entziehen, dem Unternehmen als wertbildende Faktoren aber zur Verfügung stehen.2 2. Ansatz

3.67

Nach § 246 Abs. 1 Satz 4 HGB liegt ein entgeltlich erworbener Geschäftsoder Firmenwert vor, wenn eine Gegenleistung für die Übernahme eines Unternehmens erbracht wurde. Der Begriff „Unternehmen“ wird im HGB nicht definiert. Entsprechend dem Sinn der Vorschrift, einen Unter1 Kozikowski/Staudacher in Beck-BilKomm.7, § 247 Rz. 407; A/D/S, § 255 Rz. 294. 2 Kozikowski/Staudacher in Beck-BilKomm.7, § 247 Rz. 408.

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B. Handelsrecht

schiedsbetrag ausweisen zu können, bezieht sich der Begriff nicht auf ein rechtlich selbstständiges Gebilde, sondern auf eine Sachgesamtheit, die alle betriebsnotwendigen Grundlagen besitzt, um selbstständig am Wirtschaftsverkehr teilnehmen zu können. Als „Unternehmen“ kommen daher Sachgesamtheiten in Frage, die über eine ihrem Nutzungs- und Funktionszusammenhang entsprechende sachliche und personelle Organisation sowie die notwendigen Außenbeziehungen verfügen.1 I.d.R. handelt es sich um Einzelfirmen. Es können aber auch einzelne Betriebe (Teilbetriebe) aus einem größeren Unternehmenszusammenhang Unternehmen i.S. von § 246 Abs. 1 Satz 4 HGB sein. Dies setzt voraus, dass sie bei der Übernahme die Fähigkeit mitbringen, als selbstständige Einheit am Wirtschaftsverkehr teilzunehmen.2 Muss diese Fähigkeit nach Übernahme erst hergestellt werden, liegt (noch) kein Unternehmen vor. Oft sind deshalb einzelne Betriebe aus einem größeren Unternehmensbereich kein Unternehmen i.S. der Vorschrift, da ihre Außenbeziehungen über das Gesamtunternehmen abgewickelt und nach Übernahme neu aufgebaut werden müssen.3 Ein Geschäfts- oder Firmenwert ist in diesen Fällen nicht anzusetzen. Die Aktivierung eines Geschäfts- oder Firmenwerts setzt desweiteren voraus, dass eine Gegenleistung für die Übernahme eines Unternehmens bewirkt wurde. Gegenleistung ist der vereinbarte Kaufpreis für das Unternehmen (oder ggfs. der Wert der tauschweise hingegebenen Vermögensgegenstände). Die Gegenleistung ist als Anschaffungskosten auf die übernommenen Vermögensgegenstände zu verteilen.

3.68

3. Ausweis Der Ausweis des Geschäfts- oder Firmenwerts erfolgt gemäß § 266 Abs. 2 A. I. Nr. 3 HGB im Anlagevermögen auf der Aktivseite der Bilanz. Dieser Bilanzposten ist ggfs. auch im Anlagenspiegel gemäß § 268 Abs. 2 HGB zu zeigen, sofern es sich nicht um kleine Kapitalgesellschaften oder Kapitalgesellschaften & Co. handelt gemäß § 274a Nr. 1 HGB.

3.69

Für kleine Kapitalgesellschaften gemäß § 267 Abs. 1 HGB gilt für den Geschäfts- oder Firmenwert wie auch für die übrigen immateriellen Vermögensgegenstände die Erleichterung im Ausweis gemäß § 266 Abs. 1 Satz 3 HGB. 4. Bewertung Der derivative Firmenwert gilt ausdrücklich als abnutzbares Anlagegut nach § 246 Abs. 1 Satz 4 HGB, was der vergleichbaren Regelung aus IFRS 3.32f. widerspricht. Die Ansatzhöhe bestimmt sich nach dem Residual1 So auch FG München v. 9.12.1986 – VII (XIII) 195/84 G, EFG 1987, 367 zur Abgrenzung selbstständiger Gewerbebetriebe. 2 LG Lübeck v. 14.12.1992 – 13 T 4/92, GmbHR 1993, 229. 3 So auch BFH v. 3.10.1984 – I R 116/81, BStBl. II 1985, 245.

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3.70

Kap. 3: Bilanzierung von geistigem Eigentum

wert wie unter Rz. 3.59 ff. dargestellt. Der derivative Firmenwert ist nach § 253 Abs. 5 HGB planmäßig abzuschreiben, es sei denn, die Tatbestandsvoraussetzungen für eine außerplanmäßige Abschreibung liegen vor. Abweichend vom Steuerrecht, das für den Geschäfts- oder Firmenwert eine steuerrechtliche Nutzungsdauer von 15 Jahren gemäß § 7 Abs. 1 Satz 3 EStG vorsieht, sollte die handelsbilanzielle Abschreibung 5 Jahre nicht überschreiten. Dies folgt aus § 285 Nr. 13 HGB. Danach sind im Anhang zum Jahresabschluss die Gründe für eine bilanzielle Nutzungsdauer von mehr als 5 Jahren anzugeben. Ein bloßer Hinweis auf die steuerliche Nutzungsdauer von 15 Jahren genügt nicht, weil die handelsrechtliche Nutzung unabhängig vom Steuerrecht zu beurteilen ist.1 Gibt es Gründe für eine außerplanmäßige Abschreibung auf den niedrigeren, beizulegenden Wert des Firmenwerts, so besteht ausnahmsweise kein Zuschreibungsgebot, sondern ein Zuschreibungsverbot gem. § 253 Abs. 5 Satz 2 HGB. Vom Wertaufholungsgebot bleibt deshalb der Firmenwert ausgenommen und ist mit einem Wertaufholungsverbot belegt. Der derivative Firmenwert ist vom Wertaufholungsgebot ausgenommen, weil davon ausgegangen wird, dass eine Werterhöhung des derivativen Firmenwerts auf den Aktivitäten des bilanzierenden Unternehmens beruht und deshalb seine Werterhöhung eine unzulässige Aktivierung eines selbst geschaffenen Firmenwerts bedeuten würde.2

3.71

Ergibt sich der Geschäfts- oder Firmenwert im Rahmen der Kapitalkonsolidierung im Konzernabschluss eines Mutterunternehmens, so finden § 301 Abs. 3 und § 309 Abs. 1 HGB Anwendung. Wenn der Beteiligungsbuchwert der Konzerntochter bei der Konzernmutter nicht dem Bilanzwert des Eigenkapitals entspricht, entsteht ein Konsolidierungsausgleichsposten. Dieser Unterschiedsbetrag aus der Kapitalkonsolidierung ist – von seiner rechnerischen Entstehung – mit dem derivativen Firmenwert vergleichbar. Ist der verbleibende Unterschiedsbetrag aus der Verrechnung auf der Aktivseite entstanden, ist er als Geschäfts- oder Firmenwert auszuweisen. Ist der Residualwert auf der Passivseite entstanden, ist er dort nach dem Eigenkapital als „Unterschiedsbetrags aus der Kapitalkonsolidierung“ auszuweisen. Sondervorschriften bestehen nach § 309 HGB für seine Folgebewertung.

VIII. Geleistete Anzahlungen 3.72

Bei geleisteten Anzahlungen handelt es sich um Vorleistungen auf einen Anspruch auf eine von der vertraglichen Gegenseite noch zu erbringende Lieferung oder Leistung (schwebendes Geschäft), die der Leistende ggfs. auch wieder zurückfordern kann. So etwa, wenn der Käufer bereits eine Vorauszahlung auf den Kauf eines Patents geleistet hat. Die Vorleistungen auf ein solches schwebendes Geschäft sind zu aktivieren, um die Er1 Philipps, Rechnungslegung nach BilMoG, 257. 2 Philipps, Rechnungslegung nach BilMoG, 98.

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C. Steuerrecht

folgsneutralität im Schwebezustand zu sichern. Der Anspruch ist auch dann zu aktivieren, wenn der Gegenstand der Gegenleistung nicht aktivierungsfähig ist. Wenn mit der Anzahlung Umsatzsteuer zu leisten war, ist die Anzahlung ohne Umsatzsteuer auszuweisen, wenn diese für den Kaufmann abzugsfähig ist. Der Ausweis der geleisteten Anzahlungen erfolgt gemäß § 266 Abs. 2 A. I. Nr. 4 HGB im Anlagevermögen auf der Aktivseite der Bilanz. Dieser Bilanzposten ist ggfs. auch im Anlagenspiegel gemäß § 268 Abs. 2 HGB zu zeigen, sofern es sich nicht um kleine Kapitalgesellschaften oder Kapitalgesellschaften & Co. handelt gemäß § 274a Nr. 1 HGB.

3.73

Für kleine Kapitalgesellschaften gemäß § 267 Abs. 1 HGB gilt auch hier die Erleichterung im Ausweis gemäß § 266 Abs. 1 Satz 3 HGB. Die Bewertung erfolgt mit dem Nominalwert.

C. Steuerrecht I. Steuerrechtliche Buchführungspflicht Die Frage nach der Relevanz der Bilanzierung geistigen Eigentums im deutschen Steuerrecht stellt sich nur insoweit, als der Steuerpflichtige auch tatsächlich eine Bilanz aufstellen muss. Das deutsche Einkommensteuerrecht fußt auf einer Zweiteilung der Einkünfte in Gewinn- und Überschusseinkünfte (sogenannter Dualismus der Einkunftsarten bzw. der Einkunftsermittlung). Dieser Dualismus folgt aus § 2 Abs. 2 EStG für die einzelnen steuerrechtlichen Einkunftsarten. Für die Gewinnermittlung sind danach mehrere Ermittlungstechniken vorgesehen. Die wichtigsten sind dabei der, auf einer Bilanz basierende; Betriebsvermögensvergleich nach § 4 Abs. 1 EStG und die Überschussrechnung nach § 4 Abs. 3 EStG. Beide Ermittlungstechniken sind grundsätzlich gleichberechtigt und stehen selbständig nebeneinander.1 Den Betriebsvermögensvergleich haben im Rahmen der ersten drei Einkunftsarten des Einkommensteuerrechts (Land- und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb und selbständige Arbeit) alle Unternehmer zu beachten, die buchführungspflichtig sind oder freiwillig bilanzieren, also Bücher führen und regelmäßig Abschlüsse auf den Schluss eines Wirtschaftsjahres machen. Nur für diese Besteuerungsgruppe ergibt sich daher eine Relevanz der Bilanzierung geistigen Eigentums bzw. immaterieller Wirtschaftsgüter. Alle anderen Besteuerungsgruppen haben ihre Einkünfte im Rahmen einer Überschussrechnung, d.h. einer reinen Einnahmen-Ausgabenrechnung zu ermitteln. Bilanzielle Themen ergeben sich hier insbesondere aus Abschreibungen auf Anlagevermögen, die als Ausgaben in der Überschussrechnung behandelt werden. Die nachfolgenden Darstellungen gehen allerdings im Wesentlichen 1 Preißer in Preißer, Unternehmenssteuerrecht und Steuerbilanzrecht10, A.I.1.1.

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3.74

Kap. 3: Bilanzierung von geistigem Eigentum

auf den nach deutschem Steuerrecht Bilanzierungspflichtigen ein. Hinsichtlich Ansatz und Bewertung finden sie jedoch analog auch auf nicht bilanzierungspflichtige Steuerpflichtige Anwendung. Wer steuerlich Bilanzierungspflichtiger ist, ergibt sich zum einen aus den handelsrechtlichen Vorschriften, zu denen §§ 238–245, 257–261, §§ 264–264c, 336 HGB, § 91 AktG, § 41 GmbHG und § 33 GenG gehören, sofern es sich nicht um Einzelkaufleute i.S. des § 241a HGB handelt. Zum anderen ergibt sie sich aus §§ 140, 141 AO.

3.75

Die Besteuerung soll möglichst richtig und gerecht durchgeführt werden. Um dies sicherzustellen, zieht das Steuerrecht den Rahmen für die Buchführungspflicht losgelöst von § 241a HGB und auch §§ 1 ff. HGB weiter als das Handelsrecht. Über die nach § 140 AO bestehende Buchführungspflicht hinaus ist deshalb nach § 141 Abs. 1 AO Buchführungspflicht für gewerbliche Unternehmer sowie Land- und Forstwirte gegeben, die nach den Feststellungen der Finanzbehörde für den einzelnen Betrieb die folgenden Voraussetzungen erfüllen: – Umsätze einschließlich der steuerfreien Umsätze, ausgenommen die Umsätze nach § 4 Nr. 8 bis 10 UStG, von mehr als 500 000 Euro im Kalenderjahr oder – selbstbewirtschaftete land- und forstwirtschaftliche Flächen mit einem Wirtschaftswert (§ 46 BewG) von mehr als 25 000 Euro oder – einen Gewinn aus Gewerbetrieb von mehr als 500 000 Euro im Wirtschaftsjahr oder – einen Gewinn aus Land- und Forstwirtschaft von mehr als 50 000 Euro im Kalenderjahr. Zu beachten ist bei § 141 Abs. 1 AO, dass hierunter nur gewerbliche Unternehmer gemäß § 15 Abs. 2 EStG sowie Land- und Forstwirte fallen, nicht jedoch die selbständig Tätigen mit Einkünften nach § 18 EstG.1

II. Maßgeblichkeit der Handelsbilanz für die Steuerbilanz 3.76

§ 5 Abs. 1 EStG beschreibt den Grundsatz der Maßgeblichkeit der Handelsbilanz für die Steuerbilanz. Aus der Formulierung „… ist das Betriebsvermögen anzusetzen, das nach den handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung auszuweisen ist“ ergibt sich der derivative und subsidiäre Charakter der Steuerbilanz, der zusätzlich durch § 60 EStDV unterstrichen wird.2 Daraus könnte bei oberflächlicher Betrachtung zunächst gefolgert werden, dass Handels- und Steuerbilanz übereinstimmen.

1 Falterbaum u.a., Buchführung und Bilanz21, Kapitel 1.4. 2 Falterbaum u.a., Buchführung und Bilanz21, Kapitel 12.2.4.

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C. Steuerrecht

Die handelsrechtlichen Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung umfassen u.a. auch die Bilanzierungs- und Bewertungsgrundsätze, die nach § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG auch für die Steuerbilanz maßgebend sind und damit unmittelbar steuerrechtliche Wirkung haben. Das gilt auch dann, wenn lediglich eine Steuerbilanz erstellt wird, die zugleich als Handelsbilanz dient. Allerdings sind, soweit die Vermögensgegenstände und Schulden in der Handelsbilanz nach den handelsrechtlichen Bilanzierungs- und Bewertungsvorschriften zutreffend angesetzt wurden, diese nur dann unverändert in die Steuerbilanz zu übernehmen, wenn nicht ein anderer Ansatz im Rahmen der Ausübung eines steuerlichen Wahlrechts gewählt wird.

3.77

Soweit steuerliche Bilanzierungs- oder Bewertungswahlrechte bestehen, dürfen diese für die Steuerbilanz unabhängig von dem Ansatz in der Handelsbilanz ausgeübt werden gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 EstG.1 Beim Vorliegen von übereinstimmenden Wahlrechten im Handels- und im Steuerrecht kann der Unternehmer das Wahlrecht in der Handelsbilanz und in der Steuerbilanz abweichend ausüben. Insgesamt ergibt sich aus dem Maßgeblichkeitsgrundsatz folgendes Vorgehen: Handelsbilanz

Steuerbilanz

Aktivierungsgebot

Bilanzierungsgebot

Passivierungsgebot

Bilanzierungsgebot

Aktivierungsverbot

Bilanzierungsverbot

Passivierungsverbot

Bilanzierungsverbot

Aktivierungswahlrecht

Aktivierungsgebot vorbehaltlich § 5 Abs. 2 EStG für immaterielle Wirtschaftsgüter

Mit dem BilMoG wurden handelsrechtliche Passivierungswahlrechte aufgehoben. In der Steuerbilanz steht dem Bilanzierenden daher das steuerliche Passivierungswahlrecht uneingeschränkt zu. Für den Ansatz immaterieller Wirtschaftsgüter und somit auch geistigen Eigentums in der Steuerbilanz kommt es wegen § 5 Abs. 2 EStG daher entscheidend darauf an, dass diese entgeltlich erworben wurden. Das handelsrechtliche Bilanzierungswahlrecht nach § 248 Abs. 2 Satz 1 HGB für selbstgeschaffene immaterielle Vermögensgegenstände, das nach den Grundsätzen der Maßgeblichkeit zu einem steuerlichen Aktivierungsgebot führen würde, führt wegen § 5 Abs. 2 EStG zu einem Aktivierungsverbot.

1 Kölpin in Preißer, Unternehmenssteuerrecht und Steuerbilanzrecht10, A.II.2.1.1; dort wir auf das BMF-Schreiben v. 12.3.2010 zur Maßgeblichkeit der Handelsbilanz für die steuerliche Gewinnermittlung verwiesen (vgl. BMF v. 12.3.2010 – IV C 6-S 2133/09/10001, BStBl. I 2010, 239).

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3.78

Kap. 3: Bilanzierung von geistigem Eigentum

III. Ansatz 1. Überblick

3.79

Maßgeblich für den Ansatz eines immateriellen Wirtschaftsguts in der Steuerbilanz ist daher das Vorliegen eines Wirtschaftsguts und eines handelsrechtliches Aktivierungsgebots (abstrakte Aktivierungsfähigkeit). Zudem darf dem Wirtschaftsgut kein steuerliches Aktivierungsverbot entgegenstehen. Das Wirtschaftsgut muss, ebenso wie im Handelsrecht, dem Steuerpflichtigen subjektiv wirtschaftlich zurechenbar sein und zum Betriebsvermögen gehören (konkrete Aktivierungsfähigkeit). 2. Abstrakte Aktivierungsfähigkeit – Begriff des Wirtschaftsgutes

3.80

Im Gegensatz zum Handelsrecht, wo die Begriffe Vermögensgegenstand und Schulden vorherrschen, spricht das Steuerrecht von positiven bzw. negativen Wirtschaftsgütern. Weder im EStG noch in einem anderen Steuergesetz ist der Begriff des Wirtschaftsguts definiert. Auch im bürgerlichen Recht hat er kein Vorbild. Die Rechtsprechung hat diesen Begriff wegen der steuerrechtlich gebotenen wirtschaftlichen Betrachtungsweise entwickelt und sich dadurch für das Gebiet des Steuerrechts vom bürgerlichen Recht gelöst. Das entspricht dem Sinn und Zweck der steuerrechtlichen Gewinnermittlung, die den vollen Gewinn erfassen will. Fraglich ist, ob ein Unterschied zwischen dem handelsrechtlichen Begriff „Vermögensgegenstand“ und dem steuerlichen Begriff „Wirtschaftsgut“ besteht. Das Hauptkriterium des Vermögensgegenstands ist nach überwiegender Auffassung in der Literatur1 die Einzelveräußerbarkeit und -verwertbarkeit. Die wirtschaftliche Einzelveräußerbarkeit setzt jedoch keine Veräußerbarkeit im Rechtssinn voraus. Sie liegt auch dann vor, wenn gesetzliche oder vertragliche Beschränkungen eine Veräußerung des Vermögensgegenstands im Einzelfall ausschließen.

3.81

Beim Wirtschaftsgut steht nach ständiger BFH-Rechtsprechung2 die selbständige Bewertbarkeit im Vordergrund.3 Im Beschluss vom 26.10.19874 hat der Große Senat des BFH allerdings unter Hinweis auf § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG (Maßgeblichkeitsgrundsatz) darauf hingewiesen, dass der im Einkommensteuerrecht verwendete Begriff des Wirtschaftsguts dem handelsrechtlichen Begriff des Vermögensgegenstands voll entspricht. Damit ist sichergestellt, dass bei der steuerlichen Gewinnermittlung der Begriff „Wirtschaftsgut“ mit dem des Vermögensgegenstands nach Handelsrecht gleichgesetzt werden kann. Abstrakte Aktivierungsfähigkeit ist steuerlich somit immer gegeben, sobald handelsrechtlich ein Aktivierungsgebot vor1 A/D/S6, § 246 Rz. 16. 2 BFH v. 28.9.1990 – III R 178/86, BStBl. II 1991, 187. 3 Vgl. zur selbständigen Bewertbarkeit Hegenloh, Die steuerbilanzielle Behandlung von Forschung und Entwicklung, 5.2.1.2.3.2. 4 BFH v. 26.10.1987 – GrS 2/86, BStBl. II 1988, 348.

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C. Steuerrecht

liegt. Handelsrechtlich sind z.B. gemäß §§ 242 Abs. 1, 246 Abs. 1, 247 Abs. 1 HGB grundsätzlich alle körperlichen Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens und des Umlaufvermögens vollständig in die Bilanz aufzunehmen. 3. Konkrete Aktivierungsfähigkeit a) Fehlen eines Aktivierungsverbotes Während seit dem Inkrafttreten des BilMoG abweichend vom bisherigen Recht selbstgeschaffene immaterielle Vermögensgegenstände, insbesondere gewerbliche Verfahren, Patentrechte etc. als Aktivposten in die Handelsbilanz aufgenommen werden dürfen (§ 248 Abs. 2 HGB), gilt steuerlich weiterhin ein Aktivierungsverbot für selbstgeschaffene immaterielle Anlagegüter in der Steuerbilanz. Steuerlich entfällt somit auch die Diskussion bezüglich der Abgrenzung von Forschungs- und Entwicklungsphase.

3.82

Wie im Handelsrecht auch, besteht für den selbstgeschaffenen, originären Firmenwert auch steuerlich ein Aktvierungsverbot gemäß § 5 Abs. 2 EStG. Im Übrigen kennt das Steuerrecht nur noch Passivierungsverbote bzw. -einschränkungen, wie etwa §§ 5 Abs. 2a, Abs. 3, Abs. 4, Abs. 4a und Abs. 4b. b) Subjektive (wirtschaftliche) Zurechenbarkeit Die Vermögensgegenstände/Wirtschaftsgüter sind für die Bilanzierung grundsätzlich dem Eigentümer zuzurechnen (§ 240 Abs. 1 HGB, § 39 Abs. 1 AO). Bei Gesamthandseigentum ist der Gegenstand den Beteiligten anteilig zuzurechnen (§ 39 Abs. 2 Nr. 2 AO). Dem Kaufmann werden aber nicht nur die Vermögensgegenstände zugerechnet, die in seinem zivilrechtlichen Eigentum stehen. Im Bilanzrecht wird das zivilrechtliche Eigentum durch wirtschaftliche Betrachtungsweisen überlagert; dabei werden nicht im Eigentum des Kaufmanns befindliche Vermögensgegenstände bei Bejahung der wirtschaftlichen Zugehörigkeit dem Kaufmann zugerechnet (§ 246 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 HGB). Ausfluss der wirtschaftlichen Betrachtungsweise ist das Institut des wirtschaftlichen Eigentums. Wenn ein anderer als der Eigentümer die tatsächliche Herrschaft über ein Wirtschaftsgut in der Weise ausübt, dass er den Eigentümer im Regelfall für die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer von der Einwirkung auf den Gegenstand ausschließen kann, so ist ihm das Wirtschaftsgut für die Bilanzierung zuzurechnen. (§ 246 Abs. 1 Satz 2 HGB, § 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 AO). Es bleibt aber festzuhalten, dass sich trotz dieser eigenständigen wirtschaftlichen Betrachtungsweise im Steuerrecht aus der Gesetzesformulierung (vgl. § 246 Abs. 1 Satz 2 HGB, § 39 Abs. 2 AO) eine rechtliche Erstzuständigkeit des zivilrechtlichen Eigentümers ergibt.1 1 Kölpin in Preißer, Unternehmenssteuerrecht und Steuerbilanzrecht10, A.II.1.4.1.

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3.83

Kap. 3: Bilanzierung von geistigem Eigentum

3.84

Im Wesentlichen ergeben sich gemäß § 39 AO folgende Fälle der steuerlichen wirtschaftlichen Zurechnung: Sachverhalt

Bilanzierender

Andere Person als der zivilrechtliche Eigentümer übt die tatsächliche Herrschaft über das Wirtschaftsgut aus

Wirtschaftlicher, nicht der zivilrechtliche Eigentümer

Eigentumsvorbehalt

Sicherungsgeber = Käufer der Ware gemäß § 246 Abs. 1 Satz 2 HGB

Sicherungsübereignung

Sicherungsgeber gemäß § 246 Abs. 1 Satz 2 HGB, § 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 AO

Treuhandverhältnis

Treugeber gemäß § 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 AO

Eigenbesitz (= Person, die eine Sache als ihr gehörend besitzt, § 872 BGB), d.h. die Sache wie ein Eigentümer beherrschen will. Eigenbesitzer ist auch der Dieb und der Finder, der die gefundene Sache behalten will.

Eigenbesitzer gemäß § 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 AO

Einkaufskommissionsgeschäfte

Kommittent (= Kommittent ist, wer einen anderen (den Kommissionär) durch einen Kommissionsvertrag beauftragt, im eigenen Namen, aber für Rechnung des Kommittenten Geschäfte zu besorgen.

Unterwegs befindliche Ware (schwimmend/rollend)

Bilanzierer ist derjenige, der die Verfügungsmacht hat. Die Verfügungsmacht geht i.d.R. mit dem Gefahrenübergang über. Vgl. hierzu Hol-, Bring-, Schickschuld bei Kaufverträgen oder Abnahme bei Werkverträgen im Zivilrecht; international finden sogenannte Incoterms – International Commercial Terms – Anwendung.

Gebäude auf fremdem Grund und Boden

Mieter bzw. Pächter des Grund und Bodens

c) Zugehörigkeit zum Betriebsvermögen

3.85

Die steuerrechtliche Gewinnermittlung aufgrund einer Buchführung erfolgt durch Betriebsvermögensvergleich. Hierbei darf nur das Betriebsvermögen berücksichtigt werden. Privatvermögen darf in der Steuerbilanz nicht erfasst werden.1 Daraus folgt, wie in der Handelsbilanz, dass die Wirtschaftsgüter dem Betriebsvermögen des Unternehmens zugerechnet werden müssen. 1 Falterbaum u.a., Buchführung und Bilanz21, Kapitel 13.5.2.

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C. Steuerrecht

Zum Betriebsvermögen gehören im Einkommensteuerrecht Wirtschaftsgüter, die nach ihrer Art und nach ihrer Funktion in einem betrieblichen Zusammenhang stehen. Die Festlegung des Betriebsvermögens dient der Ermittlung des zu versteuernden Gewinns. Fehlt der betriebliche Zusammenhang, werden die Gegenstände dem Privatvermögen des Steuerpflichtigen zugerechnet.

3.86

Folgende Vermögensarten werden dabei unterschieden: Zum notwendigen Betriebsvermögen zählen Gegenstände, die ausschließlich und unmittelbar für eigenbetriebliche Zwecke genutzt werden oder zumindest dafür bestimmt sind. Eigenbetrieblich genutzte Wirtschaftsgüter sind auch dann Betriebsvermögen, wenn sie nicht in der Buchführung und in der Bilanz ausgewiesen sind. Wirtschaftsgüter, die nicht Grundstücke oder Grundstücksteile sind und die zu mehr als 50 % eigenbetrieblich genutzt werden, sind in vollem Umfang notwendiges Betriebsvermögen.

3.87

Soweit ein Grundstücksteil diese Bedingungen erfüllt, ist dieser ebenfalls notwendiges Betriebsvermögen (eigenbetriebliche Nutzung, R 4.2 Abs. 7 EStR). Wirtschaftsgüter, die in einem gewissen objektiven Zusammenhang mit dem Betrieb stehen und ihn zu fördern bestimmt oder geeignet sind, können bei der Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich als gewillkürtes Betriebsvermögen behandelt werden. Bei einer betrieblichen Nutzung von mindestens 10 % ist bei Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich ein Ausweis dieser Wirtschaftsgüter als gewillkürtes Betriebsvermögen möglich.

3.88

Sonderbetriebsvermögen kann nur bei Personengesellschaften vorkommen. Zum Sonderbetriebsvermögen gehört ein Wirtschaftsgut, das ein Mitunternehmer der Personengesellschaft für deren Betrieb überlässt (Sonderbetriebsvermögen I), § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 Halbs. 2 EStG. Es gehört zivilrechtlich allein dem Gesellschafter und fällt nicht in das Gesamthandseigentum der Personengesellschaft. Ertragsteuerlich wird das Sonderbetriebsvermögen als Betriebsvermögen und nicht als Privatvermögen behandelt. Kommt es durch einen Erbfall zu einem Auseinanderfallen der Inhaberschaft am Mitunternehmeranteil und des Eigentums am Sonderbetriebsvermögen, werden stille Reserven aufgedeckt und sind als Entnahmegewinn des Erblassers zu versteuern.

3.89

Beispiel: E ist Gesellschafter einer OHG und Inhaber eines Patents. Das Patent stellt er der OHG zur Nutzung zur Verfügung. Als E stirbt, wird seine Tochter Alleinerbin und erbt den Mitunternehmeranteil des E an der OHG. Das Patent hat E zuvor seiner Lebensgefährtin L im Wege des Vermächtnisses zugewendet. Damit fallen mit Erfüllung des Vermächtnisses Gesellschafter- und Eigentümerstellung auseinander. Das Patent gilt einkommensteuerrechtlich als entnommen.

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Kap. 3: Bilanzierung von geistigem Eigentum

Steuerlich ist darauf zu achten, dass der Begriff Betriebsvermögen, der im Ertragsteuerrecht Anwendung findet, vom Unternehmensvermögen des Umsatzsteuerrechts abzugrenzen ist.1

IV. Abgrenzung Anlagevermögen 3.90

Die Abgrenzung zwischen Anlage- und Umlaufvermögen entspricht der des Handelsrechts. Zum Anlagevermögen gehören daher alle Wirtschaftsgüter, die dazu bestimmt sind, dem Betrieb auf Dauer zu dienen (§ 247 Abs. 2 HGB, R 6.1 Abs. 1 EStR). Es sind die Güter, die im Betrieb zur Erreichung des Betriebszwecks eingesetzt werden. Zum Verbrauch und zur Veräußerung bestimmte Güter gehören zum Umlaufvermögen (R 6.1 Abs. 2 EStR);2 im Übrigen wird auf die Ausführungen unter A.II.2 verwiesen. Wichtig ist, dass steuerlich, im Umkehrschluss zu § 5 Abs. 2 EStG, immaterielle Wirtschaftsgüter, die Umlaufvermögen darstellen, auch dann zu aktivieren sind, wenn sie selbst geschaffen wurden, wie etwa selbst erstellte Software, die zur Veräußerung bestimmt ist. Dies folgt daraus, dass das Aktivierungsverbot des § 5 Abs. 2 EStG ausschließlich für das Anlagevermögen gilt.

V. Gliederung des Anlagevermögens 3.91

Die Gliederung des Anlagevermögens folgt in der Steuerbilanz grundsätzlich der des HGB (s. hierzu Rz. 3.15). Dies ist insbesondere eine Folge des Maßgeblichkeitsprinzips, das aus § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG folgt.

VI. Selbstgeschaffene immaterielle Wirtschaftsgüter 3.92

Aufgrund des § 5 Abs. 2 EStG scheidet eine Aktivierung selbstgeschaffener gewerblicher Schutzrechte und ähnlicher Rechte und Werte aus, anders als im HGB normiert und von den IFRS gefordert. Entgeltlich erworbene Konzessionen, gewerbliche Schutzrechte und ähnliche Rechte und Werte sowie Lizenzen an solchen Rechten und Werten sowie ein Geschäfts- oder Firmenwert sind hingegen steuerlich ansetzbar.

VII. Entgeltlich erworbene Konzessionen, gewerbliche Schutzrechte und ähnliche Rechte und Werte sowie Lizenzen an solchen Rechten und Werten 3.93

Hinsichtlich der Definition der einzelnen geistigen Rechte und Werte folgt das Steuerrecht dem Handelsrecht (insoweit s. Rz. 3.39 ff.). Hinsichtlich der Entgeltlichkeit des Erwerbsvorgangs trifft R 5.5 Abs. 2 Satz 2 EStR eine 1 Falterbaum u.a., Buchführung und Bilanz21, Kapitel 13.5.1. 2 Falterbaum u.a., Buchführung und Bilanz21, Kapitel 17.1.1.2.

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C. Steuerrecht

eigenständige steuerrechtliche Regelung. Danach ist ein immaterielles Wirtschaftsgut entgeltlich erworben (sogenannter derivativer Erwerb), wenn es durch einen Hoheitsakt oder ein Rechtsgeschäft gegen Hingabe einer bestimmten Gegenleistung übergegangen oder eingeräumt worden ist. Entgeltlicher Erwerb ist demnach immer dann gegeben, wenn ein Leistungsaustausch mit Dritten vorliegt. Diesem liegt entweder ein Kaufvertrag, ein Tauschvertrag oder ein gesellschaftsrechtlicher Vorgang (Einbringung) zugrunde. Entgelt selbst ist immer die Gegenleistung für das erworbene immaterielle Wirtschaftsgut. Gemäß R 5.5 Abs. 2 Satz 3 EStR ist es nicht erforderlich, dass das immaterielle Wirtschaftsgut bereits vor Abschluss des Rechtsgeschäfts bestanden hat und beim Verkäufer aktiviert war; es kann auch erst durch den Abschluss des Rechtsgeschäfts entstehen. Hinsichtlich des Ausweises s. ebenfalls die Ausführungen zur Handelsbilanz Rz. 3.50 f.

VIII. Geschäfts- oder Firmenwert Als immaterielles Gesamtwirtschaftsgut wird in der steuerrechtlichen Literatur der Geschäfts- oder Firmenwert bezeichnet. Er setzt sich aus einer Vielzahl von Einzelwerten zusammen, denen einzeln gesehen die für ein Wirtschaftsgut wesentlichen Merkmale der Veräußerbarkeit und Bewertbarkeit fehlen. Zu den handelsrechtlichen Ansatzvorschriften besteht insofern kein Unterschied, als der originäre Geschäfts- oder Firmenwert wegen des Maßgeblichkeitsgrundsatzes nicht aktiviert werden darf, der entgeltlich erworbene Geschäfts- oder Firmenwert hingegen aktiviert werden muss.1

3.94

Die steuerrechtliche Rechtsprechung nennt inhaltsgleich mit dem Handelsrecht als Aktivierungsvoraussetzung für den Geschäfts- oder Firmenwert die „Übernahme eines lebenden Unternehmens im Ganzen zum Zwecke der Fortführung“.2 Mit „lebenden“ Unternehmen ist ein Gebilde, bestehend aus Wirtschaftsgütern und Rechtsbeziehungen gemeint, das nach einem Unternehmerwechsel mit im Wesentlichen gleichem Bestand fortgeführt werden kann. Dazu ist erforderlich, dass der Erwerber das Unternehmen ohne nennenswerte finanzielle Aufwendungen fortführen oder, sofern der Betrieb des Unternehmens vor dem Erwerb bereits eingestellt war, ohne großen Aufwand wieder in Gang setzen kann.3 Die Voraussetzung „zum Zwecke der Fortführung“ dient der Abgrenzung zwischen derivativ erworbenem aktivierungspflichtigem und originärem (nicht aktivierungsfähigem) Geschäfts- oder Firmenwert.

3.95

Wird ein lebendes Unternehmen erworben, um es stillzulegen bzw. zu liquidieren, liegen handelsrechtlich Anschaffungskosten auf den eigenen 1 Weber-Grellet in Schmidt30, § 5 EStG Rz. 222. 2 BFH v. 29.7.1982 – IV R 49/78, BStBl. II 1982, 650. 3 BFH v. 3.10.1985 – VII R 142/81, BFH/NV 1986, 381.

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Kap. 3: Bilanzierung von geistigem Eigentum

Geschäfts- oder Firmenwert des Erwerbers vor, die nach § 5 Abs. 2 EStG steuerrechtlich nicht aktiviert werden dürfen.1

3.96

Die steuerrechtliche Rechtsprechung unterscheidet in Abgrenzung zwischen eigenständigen Wirtschaftsgütern und geschäftswertbildenden Faktoren in Einzelfällen wie folgt: Danach sind immaterielle Wirtschaftsgüter aus schwebenden Verträgen des Absatzmarkts wie z.B. Belieferungsrechte, Kundenaufträge, Auftragsbestand, die auch losgelöst vom Unternehmen gegen marktbestätigtes Entgelt übertragen worden sind, auch dann keine geschäftswertbildenden Faktoren, wenn sie zusammen mit einem Unternehmen erworben werden.2 Sie sind gesondert anzusetzen, wenn ihnen mit der erforderlichen Sicherheit ein Teil des Gesamtkaufpreises zugeordnet werden kann. Ein gesonderter Ansatz kommt in Betracht, wenn derartige Wirtschaftsgüter unter Berücksichtigung der Verkehrsanschauung und der Umstände des Einzelfalls als Einzel-Wirtschaftsgut beurteilt werden können, wobei dann auch von Bedeutung ist, „ob die Vertragsparteien bei oder vor Vertragsabschluss im Rahmen der Preisfindung erkennbar eine rational nachvollziehbare Einzelbewertung bestimmter tatsächlicher oder rechtlicher Verhältnisse des Unternehmen vorgenommen und damit deren selbstständige Bewertbarkeit indiziert haben“.3

3.97

Lediglich geschäftswertbildende Faktoren sollen dagegen bei schwebenden Geschäften des Beschaffungsmarkts vorliegen, so bei schwebenden Arbeitsverträgen. Dementsprechend werden bestimmte Vorteile wie Arbeiterstamm, Lieferantenbeziehungen oder ungeschütztes Know-how beim Erwerb des ganzen Unternehmens regelmäßig als vom Geschäftsoder Firmenwert nicht lösbare, d.h. als nicht selbstständig bewertbare geschäftswertbildende Faktoren beurteilt, selbst wenn sie etwa bei einer beabsichtigten Einstellung des erworbenen Unternehmens als Einzel-Wirtschaftsgut behandelt werden.4 Die Differenzierung zwischen immateriellen Werten des Absatz- oder Beschaffungsmarkts ist insofern nachvollziehbar, als die Einzelveräußerung bei Letzteren in der Praxis seltener vorkommt. Gleichwohl sollte eine Einzelbewertung auch bei schwebenden Verträgen der Beschaffungsseite (z.B. Einkaufskontrakt, vorteilhafte Mietposition) nicht ausgeschlossen sein, wenn sie auf rational nachvollziehbaren Überlegungen der Vertragsparteien im Rahmen der Kaufpreisfindung beruht. 1 BFH v. 23.6.1981 – VIII R 43/79, BStBl. II 1982 56; Weber-Grellet in Schmidt30, § 5 EStG Rz. 222. 2 BFH v. 15.12.1993 – X R 102/92, BFH/NV 1994, 543, 545; v. 20.8.1986 – I R 151/82, BFH/NV 1987, 468. 3 BFH v. 7.11.1985 – IV R 7/83, BStBl. II 1986, 176; ebenso Weber/Grellet in Schmidt30, § 5 EStG Rz. 223. 4 So BFH v. 25.1.1979 – IV R 21/75, BStBl. II 1979, 369 (unbefristetes Wettbewerbsverbot als Einzel-Wirtschaftsgut).

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C. Steuerrecht

Stellt ein Kundenstamm den einzigen geschäftswertbildenden Faktor eines Unternehmens dar, bedarf es keiner Abgrenzung vom Geschäfts- oder Firmenwert; der Kundenstamm ist dann ein selbstständiges Wirtschaftsgut.1 Gleiches gilt bei isolierter Übertragung eines Kundenstamms, wenn ein Exportmarkt abgetreten2 oder eine Vertriebssparte übertragen wird.3 Abgesehen von den Fällen eines isolierten entgeltlichen Erwerbs ist der Kundenstamm unselbstständiger Geschäftswertbestandteil, weil eine heterogene Größe, die je nach Branche und Tätigkeit des Unternehmens ihre Ursache in anderen Faktoren haben kann. So kann mit Kundenstamm eine besonders große Laufkundschaft gemeint sein, die sich aus der Lage des Geschäftslokals ergibt. Die zahlreiche Kundschaft kann ihren Grund auch in der Güte der Produkte des übernommenen Unternehmens haben, wie in den angewandten Produktionsverfahren (Patenten, Lizenzen, Rezepten, Know-how) oder dem Ruf und Bekanntheitsgrad einer Marke. Eine isolierte Bewertung des Kundenstamms ist in derartigen Fällen kaum möglich.

3.98

Der Ausweis des Geschäfts- oder Firmenwerts erfolgt entsprechend der handelsrechtlichen Gliederung.

3.99

IX. Bewertung Die immateriellen Wirtschaftsgüter sowie der Geschäfts- oder Firmenwert gehören grds. zum steuerlich abnutzbaren Anlagevermögen. Sie sind gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 EStG grds., wie im HGB auch, mit den Anschaffungs- oder Herstellungskosten anzusetzen. Im Steuerrecht fehlt es an einer gesetzlichen Definition der Anschaffungskosten. Die Finanzverwaltung bedient sich infolgedessen im Wesentlichen der handelsrechtlichen Begriffsbestimmung (vgl. H 6.2 „Anschaffungskosten“ EStH). Darüber hinaus wird auf R 6.2 EStR verwiesen, der im Wesentlichen den Wortlaut des § 255 Abs. 1 HGB wiederholt.

3.100

Im Steuerrecht gibt es auch keine Legaldefinition der Herstellungskosten. Deshalb werden auch hier die handelsrechtlichen Vorschriften in das Steuerrecht übertragen. Bzgl. der Einzelheiten wird auf R 6.3 EStR verwiesen. Seit den Änderungen durch das BilMoG entspricht auch der Mindestansatz bei den Herstellungskosten des HGB dem des Einkommensteuerrechts. Danach sind mindestens alle Aufwendungen, die durch den Verbrauch von Gütern und die Inanspruchnahme von Diensten für die Herstellung des Wirtschaftsguts, seine Erweiterung oder für eine über seinen ursprünglichen Zustand hinausgehende wesentliche Verbesserung entstehen, Herstellungskosten. Dazu gehören die Materialkosten ein-

3.101

1 FG Köln v. 23.1.1985 – XI 145/82 E, EFG 1985, 439; BFH v. 26.7.1989 – I R 49/85, BFH/NV 1990, 442. 2 BFH v. 20.8.1986 – I R 152/82, BFH/NV 1987, 471. 3 BFH v. 20.8.1986 – I R 151/82, BFH/NV 1987, 468.

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Kap. 3: Bilanzierung von geistigem Eigentum

schließlich der notwendigen Materialgemeinkosten, die Fertigungskosten, insbesondere die Fertigungslöhne, einschließlich der notwendigen Fertigungsgemeinkosten, die Sonderkosten der Fertigung und der Werteverzehr des Anlagevermögens, soweit er durch die Herstellung des Wirtschaftsguts veranlasst ist. Für Kosten der allgemeinen Verwaltung sowie Aufwendungen für soziale Einrichtungen des Betriebs, für freiwillige soziale Leistungen und für betriebliche Altersversorgung besteht ein Ansatzwahlrecht. Vertriebskosten gehören nicht zu den Herstellungskosten.

3.102

Die Anschaffungs- oder Herstellungskosten der immateriellen Wirtschaftsgüter sind vermindert um die Abschreibungen nach § 7 EStG sowie erhöhte Absetzungen, Sonderabschreibungen, Abzüge nach § 6b und ähnliche Abzüge anzusetzen. Ein gegenüber dem Restbuchwert niedrigerer Teilwert kann gem. § 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG nur angesetzt werden, wenn er voraussichtlich dauerhaft gemindert ist. Unter dem Teilwert ist der Betrag zu verstehen, den ein Erwerber des ganzen Betriebs im Rahmen des Gesamtkaufpreises für das einzelne Wirtschaftsgut ansetzen würde; dabei ist davon auszugehen, dass der Erwerber den Betrieb fortführt. Bei Wertsteigerungen gilt, anders als im HGB, ein striktes Wertaufholungsgebot gem. § 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 4 EStG. Die Bewertung mit einem über die fortgeführten Anschaffungs- oder Herstellungskosten gestiegenen Teilwert ist nicht zulässig. Wie im HGB gelten daher auch im Steuerrecht die Anschaffungs- und Herstellungskosten grds. als Bewertungsobergrenze.

3.103

Für den steuerlichen Geschäfts- oder Firmenwert findet § 7 Abs. 1 Satz 3 EStG Anwendung. Danach ist dieser planmäßig über 15 Jahre in der Steuerbilanz abzuschreiben. Außerplanmäßige Abschreibungen (Teilwertabschreibungen) sind zulässig.

X. Geleistete Anzahlungen 3.104

Aufgrund des Maßgeblichkeitsgrundsatzes gilt hier dasselbe wie unter Rz. 3.72 f. zum Handelsrecht ausgeführt.

D. IFRS I. Einleitung 3.105

Anders als das HGB, das in seinen Vorschriften zur Rechnungslegung weitestgehend einer klaren Systematik folgt – vom Allgemeinen zum Besonderen, von der Bilanz zur GuV hin zur Konzernrechnungslegung –, sind die IFRS eine Sammlung von Regeln für die Rechnungslegung der Unternehmen. Mit den IFRS werden in der deutschen Fassung sowohl die einzelnen, seit 2003 neu erstellten Standards (z.B. IFRS 3 – Unternehmenszusammenschlüsse) als auch die Gesamtheit aller Standards (IFRS und 136

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D. IFRS

IAS) und Interpretationen (von SIC und von IFRIC) bezeichnet. Die IFRS werden nicht von einer deutschen, wie etwa dem Bundestag oder dem Bundesrat, oder einer europäischen Legislative erlassen. Verfasser dieser Standards sind international zusammengesetzte Gremien. Oberstes Gremium ist die International Accounting Standards Committee Foundation (IASCF), eine gemeinnützige Stiftung, die im März 2001 in Delaware, USA, gegründet wurde. Ihre Zielsetzung ist es, hochwertige globale Rechnungslegungsstandards zu entwickeln, die Nutzung und Anwendung dieser Standards zu fördern und eine Konvergenz der nationalen Rechnungslegungsvorschriften mit diesen Standards herbeizuführen.1 Die IASCF hat zwei Organe und zwei Gremien. Organe sind das Board of Trustees sowie das zentrale Organ zur Entwicklung und Herausgabe der Rechnungslegungsvorschriften, der International Financial Reporting Standards (IFRS), das International Accounting Standards Board (IASB). Gremien sind das International Financial Reporting Interpretations Committee (IFRIC) und das Standard Advisory Council (SAC). Das IFRIC hat die Aufgabe, die Anwendung der IFRS (mit Zustimmung des IASB) zu interpretieren. Das SAC (Standard Advisory Council) steht dem IASB und dem Board of Trustees als ein weiteres beratendes Gremium zur Verfügung. Es besteht aus mindestens 30 Mitgliedern.

3.106

Das IASCF selbst wird oft als rechtliche Dachorganisation des IASB bezeichnet. Die IFRS bestehen aus den International Financial Reporting Standards (IFRS), den International Accounting Standards (IAS) des International Accounting Standards Committee (IASC) sowie den Interpretationen des International Financial Reporting Interpretations Committee (IFRIC) bzw. des ehemaligen Standing Interpretations Committee (SIC). IFRS und IAS stehen dabei als Standards gleichberechtigt nebeneinander.

3.107

Das inhaltliche Grundgerüst für die IFRS bildet das sogenannte Framework. Es ist der Rahmen, in dem sich die IFRS und die Interpretationen bewegen sollen, ist aber selbst kein eigenständiger Standard. Das Framework hat nur den Charakter eines Rahmens für die Entwicklung künftiger Rechnungslegungsgrundsätze. Es ist insoweit ein Arbeitsprogramm, das an die Entwickler von Rechnungslegungsfragen adressiert ist, insbesondere nationale Gesetzgeber und Standardsetzer. Für den Bilanzierenden selbst hat es keine unmittelbare Wirkung, da ihm, bis auf wenige Ausnahmefälle, keine Bedeutung für die Entscheidung von einzelnen Bilanzierungsfragen zukommt. Das Framework geht ausdrücklich davon aus, dass alle Anforderungen, die im Framework formuliert sind, dann eingehalten sind, wenn die Einzelregelungen der einzelnen IFRS eingehalten sind. Nach dem Framework gibt es daher per Definition keinen Widerspruch zwischen Framework und IFRS.

3.108

1 Petersen u.a., IFRS Praxishandbuch5, A.I.1.

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Kap. 3: Bilanzierung von geistigem Eigentum

Das Framework nähert sich Begriffen wie den einzelnen Abschlussposten und gibt grundsätzliche Hinweise für den Ansatz und die Bewertung dieser Posten, allerdings ohne verbindliche Voraussetzungen vorzugeben.1

3.109

Die IFRS werden in englischer Sprache verfasst und sind in dieser Fassung verbindlich. Zur Erleichterung der Anwendung werden sie aber von der IASCF, dem Eigentümer der Rechte an den IFRS, in verschiedene Sprachen übersetzt, u.a. ins Deutsche. Für die jeweiligen Einzelstaaten ist die Übersetzung in ihre Landessprache die verbindliche Version der IFRS, nicht die englische. Es wird allerdings vermehrt die Überarbeitung der deutschen Fassung der IFRS insbesondere zur Vermeidung von Auslegungsstreitigkeiten und diesbezüglicher prozessualer Folgen gefordert.2 Dies geschieht nicht immer zu Unrecht, da die Übersetzung teilweise sprachliche Mängel aufweist, die Terminologie nicht immer konsistent ist und der Fremdartigkeit im Deutschen unbekannter englischer Rechtsbegriffe nicht Rechnung getragen wird.

3.110

Ziel der IFRS soll es im Wesentlichen sein, – die Vergleichbarkeit der Abschlüsse kapitalmarktorientierter Unternehmen weltweit zu erleichtern und damit – den Aufbau eines integrierten Kapitalmarkts zu gewährleisten, der wirksam, reibungslos und effizient funktioniert, – den Schutz der Anleger zu verbessern, – das Vertrauen in die Finanzmärkte und den freien Kapitalverkehr im Binnenmarkt zu stärken, – Unternehmen für grenzüberschreitende Geschäfte oder für die Zulassung an Börsen wettbewerbsfähig zu machen.

3.111

Rechtsverbindlichkeit erlangen die IFRS erst durch ihre Anerkennung, das sogenannte „endorsement“, durch die Europäische Kommission. Die EU-Kommission hat mit Verordnung Nr. 1725/2003 v. 29.9.2003 alle internationalen Rechnungslegungsstandards, die am 14.9.2002 vorlagen, mit Ausnahme von IAS 32 und IAS 39, sowie die entsprechenden Interpretationen übernommen. Diese EU-Verordnung ist in allen ihren Teilen verbindlich und gilt unmittelbar in jedem Mitgliedstaat der Europäischen Union. Damit wurden die Standards automatisch zu nationalem Recht. Inzwischen ist die ursprüngliche Verordnung durch die Verordnung Nr. 1126/2008 ersetzt worden. Die Anerkennung neuer oder überarbeiteter IFRS für die EU erfolgt durch ein besonderes EU-Rechtsetzungsverfahren, die Komitologie. Hierbei legt die Kommission ihren Vorschlag für die Anerkennung (oder Ablehnung) eines IFRS einem Regelungsausschuss (Accounting Regulatory Committee – ARC) vor. Dieser besteht aus Vertretern der Mitgliedstaaten unter Vorsitz der Kommission. Stimmt der Ausschuss dem Anerkennungsvorschlag der Kommission zu, trifft die 1 Pellens u.a., Internationale Rechnungslegung8, Kapitel 4.1.2. 2 Niehus, DB 2005, 2477.

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D. IFRS

Kommission die Vorkehrungen für die Anwendung des Rechnungslegungsgrundsatzes in der EU mittels EU-Verordnung.1 Nach der Art. 4 der Verordnung (EG) Nr.1606/2002 v. 19.7.2002 haben Gesellschaften, die dem Recht eines Mitgliedstaats unterliegen und deren Wertpapiere zum Handel in einem geregelten Markt in einem der Mitgliedstaaten zugelassen sind (kapitalmarktorientierte Unternehmen), ihre konsolidierten Abschlüsse für Geschäftsjahre, die am oder nach dem 1.1. 2005 beginnen, nach IFRS aufzustellen.

3.112

Der deutsche Gesetzgeber hat mit § 315a Abs. 2 HGB die Verpflichtung zur Anwendung der IFRS auch auf die Unternehmen ausgedehnt, deren Wertpapiere zwar noch nicht gehandelt werden, die sich aber im Zulassungsprozess befinden. Alle anderen Unternehmen können ihren Konzernabschluss gemäß § 315a Abs. 3 HGB freiwillig nach IFRS aufstellen. Außerdem ist es diesen Unternehmen gestattet, ergänzend zu ihrem HGB-Jahresabschluss nach § 325 Abs. 2a HGB einen zusätzlich freiwillig erstellten IFRS-Einzelabschluss im Bundesanzeiger zu veröffentlichen. Der wesentliche Unterschied zu den Rechnungslegungsvorschriften des HGB besteht darin, dass nicht mehr Gläubigerschutz und Kapitalerhaltung, sondern Informationen für Shareholder im Vordergrund stehen. Insbesondere den Investoren am Kapitalmarkt sollen die Informationen zur Verfügung gestellt werden, die sie für ihre Anlageentscheidungen benötigen. Als technischer Unterschied in der Kodifizierung der Vorschriften ist das HGB als Code Law ausgestaltet, was eine weitgehende Abstraktion als Ziel und zumeist eine Interpretation bezogen auf den Einzelfall zur Notwendigkeit hat. Die IFRS sind hingegen als Case Law geschrieben, um möglichst viele und alle erdenklichen Einzelfälle zu erfassen. Dieser Unterschied wird bereits in Umfang und Fülle der Vorschriften deutlich. Während die relevanten Vorschriften des Dritten Buchs des HGB je nach Drucklegung nur 50 Seiten umfassen, sind die IFRS i.d.R. bis zu 1000 Seiten stark. Allerdings gibt es beim IASB deutliche Bemühungen, die IFRS ausschließlich prinzipienorientiert und nicht sachverhaltsspezifisch auszugestalten. Doch birgt dies gewisse Risiken hinsichtlich der weltweiten Einheitlichkeit der Auslegung. International gibt es außer dem IFRIC kein Gremium, das ähnlich dem deutschen Institut der Wirtschaftsprüfer für eine einheitliche Auslegung prinzipienorientierter Regeln sorgen könnte. Die Unterschiede zwischen dem HGB und den IFRS spiegeln sich auch bei den verwendeten Begrifflichkeiten wieder, obwohl annähernd dasselbe gemeint ist. So z.B. bei Wirtschaftsgütern, die im HGB als Vermögensgegenstände, in den IFRS als Vermögenswerte bezeichnet werden. 1 Pellens u.a., Internationale Rechnungslegung8, Kapitel 4.3.2.

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3.113

Kap. 3: Bilanzierung von geistigem Eigentum

II. Begriff des Vermögenswerts 1. Abstrakte Aktivierungsfähigkeit a) Grundlagen

3.114

Die im HGB sowie im Steuerrecht verwendeten Begriffe Vermögensgegenstand und Wirtschaftsgut, für auf der Aktivseite einer Bilanz auszuweisende Güter, kennen die IFRS nicht. Die IFRS stellen hier auf den Begriff des Vermögenswerts (asset) ab. Neben dem Begriff der Schuld (liability) sowie dem Begriff des Eigenkapitals (equity) kommt dem Begriff des Vermögenswerts wesentliche Bedeutung zu. Zusammen mit den beiden anderen Begriffen bildet er den übergeordneten Abschlussposten einer IFRS Bilanz (F.49). Was nicht als Vermögenswert qualifiziert werden kann, darf auch nicht aktiviert werden, es sei denn, ein Standard sieht eine Aktivierungspflicht explizit vor.1 Der Vermögenswert ist im Rahmenkonzept (F.49) definiert. IAS 1.15 nimmt auf diese Definition Bezug, wodurch sie die verbindliche Wirkung eines Standards erhält. Die Bilanzierung von Vermögenswerten erfolgt grundsätzlich nach den Vorschriften der einzelnen IFRS; erst wenn diese oder andere IFRS keine Regelungen enthalten, ist gemäß IAS 8.11 (b) auf die Definitionen und Ansatzkriterien des Rahmenkonzepts zurückzugreifen.2

3.115

Ein Vermögenswert wird in F.49a i.V.m. F.83 nach drei Kriterien definiert und erhält dadurch seine abstrakte Aktivierungsfähigkeit. Danach liegt ein Vermögenswert vor, wenn folgende Voraussetzungen kumulativ erfüllt sind: – Die Ressource muss aus einem Ereignis der Vergangenheit resultieren, – das Unternehmen hat die Verfügungsmacht über die Ressource, – aus der Ressource resultiert wahrscheinlich ein zukünftiger wirtschaftlicher Nutzen und – die Kosten oder der Wert der Ressource sind zuverlässig messbar.3 b) Ereignis der Vergangenheit

3.116

Die Verfügungsmacht über die Ressource (Ertragsquelle), in unserem Fall insbesondere das geistige Eigentum, muss dem Unternehmen aufgrund vergangener Geschäftsvorfälle oder anderer Ereignisse zugefallen sein, d.h. vor dem Bilanzstichtag (F.58). Dies kann z.B. durch Vertragsabschlüsse, durch eine staatliche Genehmigung oder durch vor dem Stichtag aufgelaufene Entwicklungskosten geschehen sein. Zukünftige Erwartungen oder Absichten, z.B. Vorräte zu kaufen (Beispiel aus F.58), erfüllen die Definition eines Vermögenswerts damit nicht. Bei schwebenden Verträgen liegt zwar mit dem Vertragsabschluss ein Ereignis der Vergangenheit vor; jedoch 1 Wawrzinek in Beck’sches IFRS Handbuch3, § 2 Tz. 71. 2 Wawrzinek in Beck’sches IFRS Handbuch3, § 2 Tz. 79. 3 Moser, Bewertung immaterieller Vermögenswerte, 2.2.1.

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ist vor dem Bilanzstichtag die wirtschaftliche Verfügungsmacht noch nicht auf den Käufer übergegangen bzw. ein Vertrag wurde noch nicht vollständig erfüllt, sodass schwebende Geschäfte – abgesehen vom Sonderfall der drohenden Verluste aus schwebenden Geschäften und bestimmten Finanzinstrumenten – keinen bilanziellen Niederschlag finden.1 c) Verfügungsmacht Das Unternehmen muss bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise über den Vermögenswert verfügen, also andere von der Nutzung ausschließen können (F.57). Dies ist i.d.R. nur durch entsprechende Rechtstitel möglich, wie Eigentumsrechte, Vertragsrechte (z.B. aufgrund eines Leasingvertrags) oder staatliche Verleihungen. Die Verfügungsmacht kann u.a. darin bestehen, dass der wirtschaftliche Eigentümer das Recht hat, für den Vermögenswert einen Kaufpreis oder Gebühren für seine Nutzung zu verlangen,2 etwa bei Lizenzen.

3.117

d) Zufluss wirtschaftlichen Nutzens Der Zufluss wirtschaftlichen Nutzens drückt sich in einem direkten oder indirekten Beitrag zur Erhöhung des Cashflow – Zahlungsmittel und/oder Zahlungsmitteläquivalente – des Unternehmens aus (F.53). Dabei spielt es keine Rolle, ob der Nutzenzufluss durch den Vermögenswert generiert wird (F.55(a)). Ein künftiger wirtschaftlicher Nutzen kann sich aber auch in der Verhinderung eines Abflusses von Geld ausdrücken. So kann auch eine Technik zur Verminderung der Produktionskosten diese Anforderung erfüllen (F.53). Nach dem F.83 bzw. dem sich in Bearbeitung befindlichen Framework 2010.4.44 muss der ökonomische Nutzenzufluss wahrscheinlich sein (it is probable). Dies ist insbesondere bei der Bilanzierung von geistigem Eigentum nicht immer sichergestellt, da z.B. in der Entwicklungsphase eines Produkts durchaus noch erhebliche Unsicherheiten hinsichtlich dessen Marktfähigkeit bestehen. Auch bei eigenen oder erworbenen Patenten ist nicht sichergestellt, ob sie tatsächlich einen wirtschaftlichen Nutzen generieren werden. Grundsätzlich muss die Erwartung eines wirtschaftlichen Nutzens begründet sein, sie darf also nicht nur Hoffnung sein. Nach der hier vertretenen Auffassung geht es aber zu weit, eine 100%ige Sicherheit zu verlangen. In Anlehnung an die Ansatzvoraussetzungen für Verpflichtungen in IAS 37.15 ist ein Vermögenswert daher dann anzusetzen, wenn der Nutzenzufluss eher wahrscheinlich als unwahrscheinlich ist („more likely than not“). D.h. es müssen mehr Gründe für als gegen den Zufluss wirtschaftlichen Nutzens sprechen (sog. 51%-Wahrschein1 Wawrzinek in Beck’sches IFRS Handbuch3, § 2 Rz. 73. 2 Wawrzinek in Beck’sches IFRS Handbuch3, § 2 Rz. 74.

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3.118

Kap. 3: Bilanzierung von geistigem Eigentum

lichkeit).1 Der Ansatz eines Vermögenswerts hat zu unterbleiben, wenn ein wirtschaftlicher Nutzen über die Berichtsperiode hinaus nicht wahrscheinlich ist. Dies impliziert allerdings kein automatisches Aktivierungsverbot für falsche Investitionsentscheidungen des Managements (F.90).2 e) Verlässliche Bewertbarkeit

3.119

Für den nach HGB Bilanzierenden ungewohnt ist die zuverlässige Bewertbarkeit des Vermögenswerts als Ansatzkriterium. Ein Ansatz von Vermögenswerten ist nur möglich und zulässig, wenn dieser verlässlich bewertet werden kann (F.86). Das ist dann der Fall, wenn die Bewertung ohne „wesentliche Fehler“ und „frei von verzerrenden Einflüssen“ durchführbar ist (F.31). Schätzgrößen schließen eine verlässliche Bewertung nicht aus. Nur in Ausnahmefällen ist es denkbar, eine verlässliche Bewertung nicht durchführen zu können.Kann die Höhe eines Anspruchs nicht verlässlich bewertet werden, so ist er zwar nicht als Vermögenswert oder Ertrag zu erfassen, in diesen Fällen hat jedoch eine Angabe im Anhang zu erfolgen. 2. Konkrete Aktivierungsfähigkeit a) Fehlen eines Aktivierungsverbots

3.120

Aktivierungsverbote gibt es im Bereich der IFRS zahlreiche. Für die immateriellen Vermögenswerte sind diese im Wesentlichen im für diese Vermögenswerte einschlägigen Standard IAS 38 benannt. So enthält IAS 38.20 ein explizites Ansatzverbot für Marken, Drucktitel, Verlagsrechte und Kundenlisten und ihrem Wesen nach ähnliche Sachverhalte, unabhängig ob sie originär oder derivativ erworben wurden, da diesen Rechten ihre tatsächlichen Kosten kaum zurechenbar sein werden. Damit gibt es hier einen Gleichlauf zwischen den IFRS und dem HGB. Darüber hinaus ist ebenso wie im HGB und im Steuerrecht ein selbstgeschaffener Geschäfts- oder Firmenwert nicht aktivierbar gemäß IAS 38.48. Die Aktivierung eines originären Geschäfts- oder Firmenwerts ist deshalb ausgeschlossen, da es sich hierbei nicht um eine durch das Unternehmen kontrollierte indentifizierbare Ressource handelt, deren Herstellkosten verlässlich bemessen werden können gemäß IAS 38.49.

3.121

Der Entstehungsprozess von selbstgeschaffenen immateriellen Vermögenswerten wird in eine Forschungs- und eine Entwicklungsphase zerlegt. Ein Ansatzverbot besteht für aus Forschungstätigkeit entstandene immaterielle Vermögenswerte gemäß IAS 38.54. Damit entsprechen die IFRS im Ergebnis dem § 255 Abs. 2a Satz 4 HGB. 1 Hoffmann in Lüdenbach/Hoffmann9, § 21 Rz. 37. 2 Moser, Bewertung immaterieller Vermögenswerte, Beck’sches IFRS Handbuch3, § 2 Rz. 74.

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2.24;

Wawrzinek

in

D. IFRS

Abgesehen vom Forschungsaufwand sind darüber hinaus weitere Ausgaben für wesensähnliche Sachverhalte gemäß IAS 38.69 explizit von einer Aktivierung als immaterielle Vermögenswerte ausgenommen. Dazu zählen:

3.122

– Gründungskosten (Rechts- und sonstige Kosten bei der Gründung einer rechtlichen Einheit für ein Unternehmen, Eröffnungskosten), – Anlauf- und Erweiterungskosten für Geschäftsbetriebe, Betriebsstätten, Produktionsstätten, Produktfelder, Tätigkeitsbereiche, Produktionsverfahren, soweit die Kosten keine Bestandteile von Sachanlagen sind, – Ausgaben für Aus- und Weiterbildungen von Personal, – Ausgaben für Werbung, Verkaufsförderung, sonstige Maßnahmen zur Gewinnung der Kundenloyalität, – Ausgaben für Verlegung oder Reorganisation von Unternehmensteilen oder des Gesamtunternehmens.1 Scheidet eine Erfassung als immaterieller Vermögenswert aus, sind die Ausgaben gemäß IAS 38.69 periodengerecht abzugrenzen und aufwandswirksam zu erfassen. Gemäß IAS 38.69 ist eine Aufwandserfassung im Zeitpunkt der Erlangung der Verfügungsmacht über z.B. Marken, Drucktitel, etc. oder zum Erfüllungszeitpunkt einer Dienstleistung zu buchen. Eine Verteilung etwa nach dem Verbrauch, z.B. Verteilung der Kataloge oder Werbemittel scheidet aus. Bei Vorauszahlungen für nichtaktivierungsfähige Güter oder Leistungen ist bis zur Erfüllung ein entsprechender Vermögenswert für die Rückgewähr der geleisteten Anzahlung zu bilanzieren gemäß IAS 38.70.

3.123

IAS 38 enthält kein grundsätzliches Ansatzverbot selbstgeschaffener immaterieller Vermögenswerte, sondern bei der kumulativen Erfüllung der einzelnen Voraussetzungen und Definitionen eine Ansatzpflicht (Entwicklungskosten für z.B. selbst entwickelte Produkte, Filme, Produktionsverfahren, Rezepturen). Auch eine Entgeltlichkeit wird nicht gefordert. Eine Marktobjektivierung, die im HGB bis zur Änderung durch das BilMoG durch die Entgeltlichkeit sichergestellt werden sollte, wird durch das Ansatzkriterium „künftiger wirtschaftlicher Nutzen“ erreicht (IAS 38.21(a)).

3.124

b) Wirtschaftliche Zurechnung Grundsätzlich entscheidet auch nach den IFRS das deutsche Zivilrecht über die wirtschaftliche Zurechnung eines Vermögenswerts. Nach dem im Framework verankerten Prinzip der wirtschaftlichen Betrachtungsweise – substance over form – entscheidet jedoch bei dem Auseinanderfallen von rechtlichem und wirtschaftlichem Eigentum nicht die rechtliche Form, sondern der Gehalt und die wirtschaftliche Realität von Geschäftsvorfällen über deren Bilanzierung (F.35). Maßgeblich ist dann, ähnlich wie 1 Hoffmann in Lüdenbach/Hoffmann9, § 13 Rz. 60.

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3.125

Kap. 3: Bilanzierung von geistigem Eigentum

im HGB,1 wer die Chancen nutzen kann und die Risiken trägt (risks and rewards), die mit dem Innehaben des Vermögenswerts einhergehen.

III. Abgrenzung kurz- und langfristiger Vermögenswerte 3.126

Anders als das HGB und das deutsche Steuerrecht stellen die IFRS nicht auf die Abgrenzung von Anlage- und Umlaufvermögen ab. Eine genau definierte Bilanzgliederung, wie sie etwa § 266 Abs. 2 HGB enthält, gibt es in den IFRS nicht. Es sind jedoch bestimmte Posten verpflichtend anzugeben, die eine Bilanz und eine Gesamtergebnisrechnung bzw. eine gesonderte GuV enthalten muss. Dies ergibt sich für die Bilanz aus IAS 1.54 und für die Gesamtergebnisrechnung aus IAS 1.82.

3.127

Statt auf die Abgrenzung Anlage- und Umlaufvermögen abzustellen, unterscheidet IAS 1.60 zwei Arten der Bilanzgliederung nach – Fristigkeit oder – Liquiditätsnähe der Vermögenswerte und Schulden. Die Gliederung nach Liquiditätsnähe ist der Ausnahmefall (exception) gemäß IAS 1.60. Die Beanspruchung des Ausnahmestatus ist an den Nachweis des besseren Informationsgehalts gebunden.2

3.128

Die Unterscheidung in Kurz- und Langfristigkeit der Vermögenswerte und Schulden verlangt zunächst nach einer Definition der Kurzfristigkeit. IAS 1.66 definiert die Kurzfristigkeit eines Vermögenswerts wie folgt: Ein Vermögenswert ist kurzfristig, wenn er – ein Zahlungsmittel oder Zahlungsmitteläquivalent ist oder – zum Verkauf oder Verbrauch innerhalb des normalen Verlaufs des operation cycle (Geschäftszyklus) bestimmt ist oder – für Handelszwecke (trading purposes) gehalten wird oder – seine Realisation innerhalb von 12 Monaten nach dem Bilanzstichtag zu erwartet ist.

3.129

Obwohl immaterielle Vermögenswerte typischerweise eher zu den langfristigen Vermögenswerten zählen, können sie auch in Einzelfällen zum Verkauf oder Verbrauch gehalten werden. Deshalb wird im Folgenden kurz auf die oben bezeichnete Abgrenzung über den Geschäftszyklus eingegangen. Entscheidend ist hier der Begriff des Geschäftszyklus. Er erfasst am Beispiel eines Produktionsunternehmens den Zeitraum zwischen dem Er1 IDW ERS HFA 13. 2 Lüdenbach in Lüdenbach/Hoffmann9, § 2 Rz. 29.

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werb von Materialien, die in die Herstellung eingehen, und deren Realisation in Geld durch Veräußerung der Erzeugnisse. Insbesondere in Fällen langfristiger Fertigung, z.B. bei Bauunternehmen, kann dieser Zyklus mehr als 12 Monate betragen. Aber auch bei „normaler“ Fertigung kann die Verbrauchszeit von Vorräten und die Laufzeit von Forderungen aus Lieferung und Leistung über den 12-Monats-Zeitraum hinausreichen. Für immaterielle Vermögenswerte könnte diese Möglichkeit greifen, sofern es sich um solche handelt, die als zum Verkauf im normalen Geschäftsgang gehalten werden. Auf diese Vermögenswerte würde dann IAS 2, der die Bilanzierung von Vorräten regelt, Anwendung finden (IAS 38.3).

IV. Immaterielle Vermögenswerte als langfristige Vermögenswerte 1. Grundsätze Die Gliederung einer IFRS-Bilanz erfolgt nach Fristigkeiten oder Liquidität (vgl. Rz. 3.127 f.). Gemäß IAS 1.54 sind im Rahmen dieser Gliederung separat auch immaterielle Vermögenswerte darzustellen, unabhängig davon, ob sie gekauft, selbsterstellt oder im Rahmen des Finanzierungsleasings gemäß IAS 17 (finance lease) geleast wurden.

3.130

2. Überblick über die einschlägigen Standards Im Unterschied zu den Vorschriften des Handelsgesetzbuchs, in dem der Begriff ‘immaterieller Vermögensgegenstand‘ verwandt wird, bezeichnen die IFRS diese durchweg als ‚immaterielle Vermögenswerte‘ (intangible assets). Die IFRS enthalten mit IAS 38 eine umfassende Regelung zu immateriellen Vermögenswerten, die dauerhaft dem Geschäftsbetrieb eines Unternehmens dienen. Dieser Standard wird jedoch von zahlreichen weiteren Standards flankiert. IAS 38 regelt die Besonderheiten von Ausgaben, die zur Anschaffung und Herstellung von immateriellen Vermögenswerten führen können. IAS 38.2 und 3 weisen allerdings auch auf Ausnahmen hin, die nicht unter IAS 38, sondern unter andere Standards fallen: – Finanzielle Vermögenswerte, wie sie in IAS 32, 27, 28, 31 definiert sind, – Ansatz und Bewertung von Vermögenswerten aus Exploration und Evaluierung von Bodenschätzen (vgl. IFRS 6), – Ausgaben für die Förderung und den Abbau von Mineralien, Öl, Erdgas und ähnlichen nicht regenerativen Ressourcen, – Immaterielle Vermögenswerte, die von einem Unternehmen zum Verkauf im normalen Geschäftsgang gehalten werden, wie z.B. im Kundenauftrag entwickelte Software (vgl. IAS 2 Vorräte sowie IAS 11 Fertigungsaufträge), Hager

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3.131

Kap. 3: Bilanzierung von geistigem Eigentum

– Latente Steuern (vgl. IAS 12), – Leasingverhältnisse, die von IAS 17 umfasst sind, – Vermögenswerte, die aus Leistungen an Arbeitnehmer resultieren (vgl. IAS 19), – Bei einem Unternehmenszusammenschluss erworbene Geschäfts- und Firmenwerte (vgl. IFRS 3), – Immaterielle Vermögenswerte, die bei Versicherungsunternehmen aus Verträgen mit Policeinhabern resultieren (vgl. IFRS 4), – Langfristige immaterielle Vermögenswerte, die zur Veräußerung gehalten werden oder als zur Veräußerung gehaltener aufgegebener Geschäftsbereich (vgl. IFRS 5) zu qualifizieren sind.1

3.132

Treffen, wie etwa im Falle der Verbriefung geistigen Eigentums in Form von Lizenzen oder Patenten, oder bei einer auf einem Datenträger gespeicherten Software physische Substanz und immaterieller Vorteil zusammen, richtet sich die Einordnung des Vermögenswerts nach dem wesentlichen Element.2 Das Kriterium der Wesentlichkeit hat dabei das Unternehmen selbst zu bestimmen gemäß IAS 38.4. Entsprechend der Bilanzierung von Sachanlagen sind die ergänzenden Regelungen des IAS 20 (Bilanzierung und Darstellung von Zuwendungen der öffentlichen Hand), IAS 21 (Auswirkungen von Änderungen der Wechselkurse), IAS 23 (Fremdkapitalkosten) und IAS 36 (Wertminderungen) anzuwenden. 3. Begriff eines immateriellen Vermögenswerts a) Oberbegriffe

3.133

Ein immaterieller Vermögenswert ist gemäß IAS 38.11 ff. ein langfristiger, identifizierbarer, nicht monetärer Vermögenswert ohne physische Substanz, der vom Unternehmen beherrscht wird. Als mögliche immaterielle Vermögenswerte nennt IAS 38.9 die Anschaffung, Entwicklung, Erhaltung oder Wertsteigerung immaterieller Ressourcen, wie etwa – Wissenschaftliche oder technische Erkenntnisse, – Entwurf und Implementierung neuer Prozesse oder Systeme, – Lizenzen, – Geistiges Eigentum, – Marktkenntnisse und Warenzeichen (einschließlich Markennamen und Verlagsrechte). 1 Scheinpflug in Beck’sches IFRS-Handbuch3, § 4 Rz. 13. 2 Petersen u.a., IFRS Praxishandbuch5, C.1.2.1.

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Regelmäßig unterfallen Computersoftware, Patente, Urheberrechte, Filmmaterial, Kundenlisten, Hypothekenbedienungsrechte, Fischereilizenzen, Importquoten, Franchiseverträge, Kunden- oder Lieferantenbeziehungen, Kundenloyalität, Marktanteile und Absatzrechte diesen Oberbegriffen. Gemäß IAS 38.10 sind sie jedoch nur als immaterieller Vermögenswert zu qualifizieren, wenn sie die Definitionskriterien des IAS 38.8 erfüllen. Andernfalls sind sie als Aufwand oder im Rahmen eines Unternehmenszusammenschlusses gemäß IFRS 3 als Geschäfts- oder Firmenwert (Goodwill) zu erfassen. Über die unter Rz. 3.114 ff. und 3.120 ff. dargestellten Ansatzkriterien für einen Vermögenswert hinaus fordert IAS 38 zusätzlich die Merkmale

3.134

– Identifizierbarkeit, – Nicht monetärer Vermögenswert, – ohne physische Substanz. Des Weiteren muss der Vermögenswert langfristig dem Unternehmen dienen und von diesem beherrscht – was der oben dargestellten Verfügungsmacht entspricht – werden. Die letzten beiden Voraussetzungen werden im Folgenden noch einmal mit speziellem Bezug zu IAS 38 dargestellt. b) Identifizierbarkeit IAS 38.12 definiert genau, wann ein immaterieller Vorteil als identifizierbar gilt. Eine Identifizierbarkeit des Vermögenswerts liegt immer dann vor, wenn eine vom Unternehmen getrennte Verwertung (Separierung) erfolgen kann oder der Vermögenswert aus vertraglichen oder gesetzlichen Rechten resultiert. Als Verwertung werden der separate Verkauf, die Lizenzierung, die Vermietung sowie der Tausch der aus der künftigen Nutzung entstehenden Zahlungsströme angesehen. Bei erworbenen Rechten, z.B. Patenten, Lizenzen, Eintritt in schwebende Absatzverträge, wird die Identifizierbarkeit gerade durch den Erwerb des Rechts begründet. „Die Identifizierbarkeit kann z.B. durch Besitz- oder Schutzrechte gegeben sein“.1 Eine Einzelverwertbarbarkeit als Abgrenzungskriterium gegenüber dem Geschäfts- oder Firmenwert ist allerdings nicht notwendig, um das Kriterium der Identifizierbarkeit zu erfüllen. Ein Beleg für die Abgrenzbarkeit des Vorteils gegenüber dem Geschäfts- oder Firmenwert liegt vor, wenn der Vorteil rechtlich abgesichert ist. Falls kein Rechtsanspruch besteht, so ist gemäß IAS 38 die Identifizierbarkeit nur erfüllt, wenn der Vermögenswert einer gesonderten Verwertung zugänglich ist, sei es isoliert oder zusammen mit anderen Vermögenswerten.2

3.135

Selbst wenn sich für das Unternehmen ein wirtschaftlicher Nutzen nur aus der Kombination des Vorteils mit anderen Vermögenswerten ergibt,

3.136

1 Wehrheim, DStR 2000, 86, 87. 2 Scheinpflug in Beck’sches IFRS-Handbuch3, § 4 Rz. 6.

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Kap. 3: Bilanzierung von geistigem Eigentum

kann ausnahmsweise ein Vermögenswert vorliegen, sofern der dem Vorteil zuzurechnende wirtschaftliche Nutzen identifizierbar ist.1 So stellen z.B. erworbene Lizenzen regelmäßig immaterielle Vermögenswerte dar, obwohl ihre Übertragung auf Dritte häufig ausgeschlossen ist (vgl. IAS 38.BC10).2 c) Nichtmonetärer Vermögenswert ohne physische Substanz

3.137

In Abgrenzung zu Sachanlagen sind immaterielle Vermögenswerte ohne physische Präsenz. Vielfach sind materielle Vermögenswerte Träger oder Speichermedium eines immateriellen Vermögenswerts (z.B. Daten-/Tonträger bei Software und Filmen). Ob ein immaterieller Vermögenswert oder eine Sachanlage vorliegt, ist danach zu beurteilen, welches der beiden Elemente überwiegt (IAS 38.4). In IAS 38 werden Beispiele genannt, bei denen jeweils die Sachanlage nicht ohne den immateriellen Vermögenswert funktionsfähig ist und deshalb der immaterielle Vermögenswert als integraler Bestandteil der Sachanlage aufzufassen ist (Software einer Werkzeugmaschine, Betriebssystem eines Computers (IAS 38.4). Damit ist Systemsoftware regelmäßig ein Bestandteil der aktivierten Sachanlage.3 Ob das materielle oder das immaterielle Element eines Vermögenswerts überwiegt, ist daneben auch nach den Wertverhältnissen feststellbar. Z.B. treten regelmäßig materielle Speichermedien wertmäßig hinter den Wert der darauf gespeicherten immateriellen Werte zurück.4

3.138

Ein immaterieller Vermögenswert kann auch vorliegen, wenn geistige Leistungen in einem Unternehmen zu materiellen Prototypen führen. So etwa wenn das, z.B. durch Entwicklungsleistungen, entstandene Knowhow in einer Gesamtbetrachtung überwiegt und sich über den Prototyp hinaus in Verfahrens- und Design-Know-how niederschlägt (IAS 38.5). Die Herstellungskosten für den Prototypen selbest (soweit eine Trennung möglich ist) sind als Sachanlage zu aktivieren (IAS 16.7). Neben den allgemeinen Aktivierungsvoraussetzungen ist hier entscheidend, ob der Prototyp zu künftigem wirtschaftlichen Nutzen für das Unternehmen führt (z.B. Tests, Vorführung, Markteinführung).

3.139

Ist der Wertanteil des immateriellen Bestandteils eines Vermögenswerts zwar geringer als der Wertanteil der Sachanlage, aber im Rahmen einer Gesamtbetrachtung als wesentlicher Bestandteil anzusehen, der eine von der Gesamtnutzungsdauer abweichende Nutzungsdauer aufweist, ist eine getrennte Bilanzierung nach dem sogenannten Komponentenansatz vor-

1 Petersen u.a., IFRS Praxishandbuch5, S. 130, 1.2.2.2. 2 Pellens u.a., Internationale Rechnungslegung8, Kapitel 11, 1.2. 3 Scheinpflug in Beck’sches IFRS-Handbuch3, § 4 Rz. 8; Küting/Pilhofer/Kirchhof, WPg 2002, 73, 75. 4 Hoyos/F. Huber in Beck-BilKomm.7, § 247 HGB Rz. 376.

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zunehmen (z.B. Steuersoftware einer Werkzeugmaschine; vgl. hierzu IAS 16.13). d) Langfristiger Vermögenswert Die Anwendung des IAS 38 auf den Ansatz immaterieller Vermögenswerte setzt eine langfristige Nutzung im Leistungsprozess des Unternehmens voraus. Dabei gelten die gleichen Grundsätze wie für die Beurteilung bei Sachanlagen gemäß IAS 16. Bei der Beurteilung ist daher die Verwendungsabsicht des Managements maßgebend.

3.140

Dabei ergibt sich z.B. für eine entwickelte Software ein langfristiger immaterieller Vermögenswert, wenn die Herstellung nicht im Kundenauftrag, sondern für einen anonymen Markt erfolgt. Die zum Vertrieb gefertigten Kopien stellen jeweils aufgrund der Veräußerungsabsicht kurzfristige Vermögenswerte dar, die nach IAS 2 zu erfassen sind.1 e) Beherrschung Neben dem allgemeinen Erfordernis der Verfügungsmacht (Ansatzkriterium i.S. der Sicherung des wahrscheinlichen Nutzenzuflusses) wird aufgrund der Eigenart immaterieller Vermögenswerte, ähnlich dem HGB, die Fähigkeit des Unternehmens gefordert, Dritte von der Nutzung des Vermögenswerts auszuschließen (IAS 38.13). Diese Beherrschung über den immateriellen Vermögenswert ergibt sich grds., wenn dem Vermögenswert rechtlich durchsetzbare Ansprüche zugrunde liegen. Das sind sowohl vertragliche Rechte (z.B. Nutzungsrechte, erworbene Lieferrechte, Gebietsschutz aus Händlerverträgen, Wettbewerbsverbote, Erbbaurechte) als auch gesetzliche Rechte (z.B. Patente, Warenzeichen, geschützte Marken nach § 27 MarkenG).

3.141

Ein Ausschluss Dritter von dem künftigen wirtschaftlichen Nutzen kann auch bei nicht durch rechtlich durchsetzbare Ansprüche gesicherten Vermögenswerten vorliegen (F. 57). Z.B. kann ein Unternehmen technische Erkenntnisse aus Entwicklungsleistungen durch Geheimhaltung oder vertragliche Vertraulichkeitspflichten der Mitarbeiter oder durch vereinbarte Wettbewerbsverbote schützen (IAS 38.14). Bei Erwerb von Knowhow sollten entsprechende strafbewehrte Vertragsvereinbarungen vorliegen, die den Veräußerer von einer weiteren Verwendung abhalten.2 Ist das Unternehmen nicht in der Lage, einen wirksamen Ausschluss Dritter sicherzustellen, liegt kein immaterieller Vermögenswert vor. Ggf. sind dafür geleistete Ausgaben Bestandteile eines selbstgeschaffenen Geschäftsoder Firmenwerts (z.B. Mitarbeiterqualifikation aus Schulungen oder vorhandenem Know-how, Kundenstamm, Marktanteile, Kundenbeziehungen, vgl. hierzu IAS 38.15 f.), für den ein Aktivierungsverbot besteht.

3.142

1 Baetge/Keitz in Baetge u.a., Rechnungslegung nach IFRS, IAS 38 Rz. 17. 2 Fülbier/Honold/Klar, RiW 2000, 833, 838.

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Kap. 3: Bilanzierung von geistigem Eigentum

4. Art des Erwerbs und seine Bewertung a) Überblick

3.143

Um die Beherrschung über einen immateriellen Vermögenswert zu erlangen, sind grundsätzlich, wie im HGB auch, drei Arten des Erwerbs zu unterscheiden: – Einzelerwerb – Erwerb gegen Entgelt – Tausch – Erwerb durch Unternehmenszusammenschluss – Selbsterstellt b) Erwerb gegen Entgelt

3.144

Wird der immaterielle Vermögenswert separat gegen Zahlungsmittel von einem Dritten erworben, so erscheint die Ermittlung der Anschaffungskosten im Rahmen der Erstbewertung zunächst unproblematisch. Nach IAS 38.27 gehören zu den Anschaffungskosten – ähnlich dem HGB – der Kaufpreis und weitere Kosten, die anfallen, um den Vermögenswert in einen betriebsbereiten Zustand zu versetzen. Von diesen Kosten sind Anschaffungspreisminderungen wie Skonti und Rabatte abzuziehen. Liegt zwischen Übergang des wirtschaftlichen Eigentums und Bezahlung des Vermögenswerts ein über das normale Zahlungsziel hinausgehender Zeitraum, entspricht gemäß IAS 38.32 der Barwert des Kaufpreises den aktivierungsfähigen Anschaffungskosten.

3.145

Gemäß IAS 23 ist die Differenz zwischen Barwert und dem tatsächlich kreditierten Kaufpreis als Fremdkapitalkosten zu behandeln. Nach IAS 23 sind Fremdkapitalkosten für qualifizierte Vermögenswerte immer zu aktivieren.

3.146

Für den Fall, dass der Erwerb durch eine öffentliche Zuwendung – in Deutschland sind dies i.d.R. Investitionszuschüsse – (teil-)finanziert wird, ist gemäß IAS 38.44 der IAS 20 (Bilanzierung und Darstellung von Zuwendungen der öffentlichen Hand) anzuwenden. Grundsätzlich besteht nach IAS 20.23 und 24 ein Wahlrecht, den Vermögenswert zum vom Unternehmen geleisteten Betrag anzusetzen (Nettoansatz) oder sowohl den Vermögenswert zum beizulegenden Zeitwert zu aktivieren als auch den beizulegenden Zeitwert der öffentlichen Zuwendung als passivischen Abgrenzungsposten anzusetzen (Bruttoansatz).1 c) Tausch

3.147

Wird der immaterielle Vermögenswert durch Tausch erworben, so ist danach zu differenzieren, was das Unternehmen dafür hingibt: 1 Pellens u.a., Internationale Rechnungslegung8, Kapitel 11, 2.1.

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– Erhält der Verkäufer des Vermögenswerts Eigenkapitalanteile des kaufenden Unternehmens, wie z.B. Aktien oder GmbH-Anteile, so bemisst sich der Erstansatz des Vermögenswerts an dem beizulegenden Zeitwert der Anteile. Falls dieser nicht verlässlich ermittelt werden kann, wie z.B. bei nicht-börsennotierten Unternehmen oder auch bei neu emittierten Anteilen, so kann gemäß IAS 38.47 der beizulegende Zeitwert des immateriellen Vermögenswerts auch den beizulegenden Zeitwert der Eigenkapitalanteile bestimmen. – Wird der Tausch durch die Hingabe eines anderen Vermögenswerts realisiert, so ist zu prüfen, ob der Tausch substanzielle Auswirkungen auf die wirtschaftliche Lage des Unternehmens hat. Dies ist nach IAS 38.46 insbesondere davon abhängig, ob sich die Höhe, die zeitliche Reihung und/oder das Risiko der künftig zu erwartenden Cash-Flows des erhaltenen Vermögenswerts von denen des hingegebenen Vermögenswerts voraussichtlich signifikant unterscheiden werden. Ist dies der Fall und sind die beizulegenden Zeitwerte entweder des erhaltenen oder des hingegebenen Vermögenswerts verlässlich messbar, so hat der Wertansatz des erhaltenen Vermögenswerts zum beizulegenden Zeitwert zu erfolgen. Hierfür ist normalerweise der beizulegende Zeitwert des hingegebenen Vermögenswerts ausschlaggebend. Lediglich, wenn dieser nicht verlässlich zu ermitteln ist, ist der beizulegende Zeitwert des erhaltenen Vermögenswerts anzusetzen. Falls auch dieser nicht verlässlich zu ermitteln ist, oder falls der Tausch keine wirtschaftliche Substanz besitzt, ist der neue Vermögenswert zum Buchwert des alten Vermögenswerts anzusetzen.1 d) Erwerb durch Unternehmenszusammenschluss Werden immaterielle Vermögenswerte im Rahmen eines Unternehmenszusammenschlusses erworben, so erfolgen Ansatz und Bewertung nach IFRS 3 i.V.m. IAS 38.33 ff. IFRS 3.13 f., IFRS 3.B31 ff. regeln die Voraussetzungen zum Ansatz von immateriellen Vermögenswerten im Rahmen eines Unternehmenszusammenschlusses. Im Rahmen von Unternehmenserwerben können grds. auch immaterielle Vermögenswerte identifiziert werden, die im Abschluss des erworbenen Unternehmens, i.d.R. weil sie dort selbst geschaffen wurden, nicht angesetzt waren. Die Regelungen in IFRS 3 zielen darauf ab, sämtliche identifizierbaren immateriellen Vermögenswerte zu erfassen. Sie sind nicht auf langfristige immaterielle Vermögenswerte beschränkt. Die Identifizierbarkeit ist gemäß IFRS 3.B33 gegeben, wenn entweder der Vermögenswert vom Unternehmen separiert und verwertet werden kann oder der Vermögenswert gemäß IFRS 3.B32 auf einem vertraglichen oder gesetzlichen Recht beruht. Das Kriterium Verwertbarkeit ist nicht alleine auf den immateriellen Vermögenswert bezogen. Es reicht grundsätzlich auch eine Übertragbarkeit oder Verwertung zusammen mit 1 Pellens u.a., Internationale Rechnungslegung8, Kapitel 11, 2.2.

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Kap. 3: Bilanzierung von geistigem Eigentum

einem anderen Vermögenswert aus gemäß IFRS 3.B33 f. Bei dem zweiten Kriterium – vertragliches oder gesetzliches Recht – ist eine vom Unternehmen getrennte Verwertung oder Verwertungsmöglichkeit nicht gefordert.

3.149

Beispiele für identifizierbare immaterielle Vermögenswerte aus vertraglichen oder gesetzlichen Rechten sind gemäß IFRS 3.B32 a)–c): – Vorteilhafte Vertragsbedingungen in Leasing-, Miet- oder Pachtverträgen vor allem in Bezug auf den Preis im Verhältnis zu Marktverhältnissen im Zeitpunkt des Unternehmenszusammenschlusses, – Genehmigungen zum Betrieb von industriellen Großanlagen, die grds. übertragbar, aber aufgrund der Investitionsbindung praktisch nicht abtrennbar von dem Unternehmen sind, – geschützte Patente und auf deren Basis erteilte Lizenzen stellen separate identifizierbare immaterielle Vermögenswerte dar, auch wenn eine getrennte Verwertung nicht möglich ist.1

3.150

Wichtig für den Bereich des geistigen Eigentums ist, dass im Rahmen von Unternehmenserwerben grds. auch immaterielle Vermögenswerte identifiziert werden können, die im Abschluss des erworbenen Unternehmens nicht angesetzt waren. Wesentliche Voraussetzung ist dabei, dass aus Sicht des erwerbenden Unternehmens die Definitionskriterien des immateriellen Vermögenswerts erfüllt werden. Hierzu zählen z.B. beim Verkäufer nicht aktivierte Forschungs- und Entwicklungsprojekte, selbstgeschaffene aber vertraglich gesicherte Kundenbeziehungen, Produktoder Dachmarken oder besondere Produktionsverfahren. Kann insbesondere eine Abgrenzung zum Geschäfts- oder Firmenwert oder eine vertragliche Grundlage nicht sichergestellt werden, scheidet ein separater Ansatz aus und es liegt ein Bestandteil des Geschäfts- oder Firmenwerts vor (IAS 38.36 f.). Ist die Trennung des immateriellen Vermögenswerts vom Unternehmen, aber nicht von einem anderen Vermögenswert möglich, so ist ein zusammengefasster Ansatz zulässig (z.B. Warenzeichen für Mineralwasser und dazugehöriger Brunnen).

3.151

Im Rahmen des Annual Improvement Projekts 2009 wurde durch eine Änderung des IAS 38.36 verdeutlicht, dass es für die Frage der Separierbarkeit von einem anderen Vermögenswert nicht darauf ankommt, ob eine individuelle Bewertung zuverlässig vorgenommen werden kann oder nicht. Entscheidend ist allein, ob der Vermögenswert nur im Zusammenhang mit dem verbundenen Vermögenswert vom Geschäfts- oder Firmenwert separiert werden kann.2

3.152

IAS 38.33 sieht für immaterielle Vermögenswerte, die im Rahmen eines Unternehmenszusammenschlusses nach IFRS 3.37 angeschafft werden, eine Erstbewertung mit den Anschaffungskosten vor, die dem beizulegen1 Scheinpflug in Beck’sches IFRS-Handbuch3, § 4 Rz. 55. 2 Scheinpflug in Beck’sches IFRS-Handbuch3, § 4 Rz. 57; Hoffmann in Lüdenbach/ Hoffmann9, § 13 Rz. 95.

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den Zeitwert entsprechen. In den Erläuterungen zu IAS 38.35 ff. geht der IASB davon aus, dass eine Ermittlung des beizulegenden Zeitwerts grds. möglich ist. IAS 38.35 stellt klar, dass für einen identifizierbaren immateriellen Vermögenswert grds. ausreichend Informationen verfügbar sein sollten, um eine Ermittlung des beizulegenden Zeitwerts im Rahmen eines Unternehmenserwerbs vorzunehmen. Eine Wertermittlung auf Basis von Wiederbeschaffungs- oder Reproduktionskosten ist für immaterielle Vermögenswerte nicht vorgesehen (IAS 38.41 nennt keine kostenorientierten Verfahren). In IAS 38.39 ff. wird für die Zeitwertermittlung darauf abgestellt, dass Markt-/Angebotspreise auf einem aktiven Markt, Vergleichspreise für ähnliche Transaktionen oder Preise aus Transaktionen in jüngerer Vergangenheit vorhanden sind. Sie stellen gemäß IAS 38 grds. die verlässlichste Schätzgrundlage dar. Für den Fall, dass beide Informationen nicht verfügbar sind – was im Fall von geistigem Eigentum regelmäßig der Fall sein dürfte –, ist eine Bewertung mit anerkannten und branchenüblichen Bewertungsverfahren vorzunehmen. Als solche Bewertungsverfahren werden in IAS 38.41 genannt: – Discounted cash flow Methode der Netto Cashflows aus diesem Vermögenswert (kapitalwertorientiertes Verfahren), – Lizenzpreismethode (kapitalwertorientiertes Verfahren), Die durch das Annual Improvement Projekt 2009 geänderten IAS 38.40 f. sehen darüber hinaus vor, dass auch Kosten als Bewertungsmaßstab berücksichtigt werden können, die das Unternehmen durch den Besitz des immateriellen Vermögenswerts im Vergleich zur Beschaffung oder Lizenzierung von einem fremden Dritten eingespart hat.1 Voraussetzung für die Bewertung von immateriellen Vermögenswerten im Rahmen der Kaufpreisallokation ist die Isolierung der Zahlungsströme, die auf die immateriellen Vermögenswerte entfallen. Während für kunden- oder leistungsbezogene immaterielle Vermögenswerte eine Ableitung von Zahlungsströmen z.B. aus gesicherten Liefer-/Abnahme- oder Fördervolumina oder aus einem Auftragsbestand unmittelbar möglich ist, ist z.B. eine Isolierung von Zahlungsströmen für Unternehmensmarken regelmäßig mit Problemen behaftet, da eine Identifizierung zukünftiger Cash-Flows i.d.R. nur schwer möglich sein wird.2

3.153

e) Selbsterstellt aa) Grundfragen Bei selbsterstellten immateriellen Vermögenswerten gestaltet sich neben der eigentlichen Identifikation und Abgrenzung vom originären Geschäfts- und Firmenwert des Unternehmens, der gemäß IAS 38.48 generell nicht aktivierungsfähig ist, insbesondere die Ermittlung der Herstel1 Scheinpflug in Beck’sches IFRS-Handbuch3, § 4 Rz. 58. 2 Scheinpflug in Beck’sches IFRS-Handbuch3, § 4 Rz. 59.

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3.154

Kap. 3: Bilanzierung von geistigem Eigentum

lungskosten schwierig. IAS 38.51 und 52 sehen aufgrund der Komplexität der Identifizierung von selbstgeschaffenen immateriellen Vermögenswerten und der Ermittlung ihrer Herstellungskosten daher zusätzliche Ansatzvoraussetzungen vor, die denen des HGB sehr ähnlich sind. Auch nach IAS 38 wird der interne Erstellungs- oder Entstehungsprozess in eine Forschungs- und eine Entwicklungsphase zerlegt und versucht, die Wahrscheinlichkeit des zukünftigen Nutzens aus selbstgeschaffenen immateriellen Vermögenswerten zu konkretisieren (vgl. hierzu IAS 38.52). Hier wird auch der systematische Unterschied zwischen IFRS und HGB deutlich. Während das HGB die Begriffe Forschung und Entwicklung nicht näher definiert und die Definition damit im Wesentlichen Rechtsprechung und Literatur überlässt, versuchen die IFRS, fallbezogen die Begriffe herauszuarbeiten. Danach ist der typisierte Erstellungs- oder Entstehungsprozess aufgeteilt in eine Forschungs- und Entwicklungsphase. Diese Prozesse sind auf sämtliche denkbaren immateriellen Vermögenswerte anzuwenden, so z.B. auf die Softwareerstellung für die eigene Nutzung oder die Massenvermarktung, Medikamentenentwicklung, Entwicklung von Fertigungs- oder Dienstleistungsprozessen oder Produktentwicklung, wenngleich die Definitionen schon erkennen lassen, dass z.B. marketingbezogene oder kundenorientierte immaterielle Vermögenswerte nicht erfasst sind, sondern auf technologiebasierte Entwicklung abgestellt wird.

3.155

Die Forschung ist danach gemäß IAS 38.8 „… die eigenständige und planmäßige Suche mit der Aussicht, zu neuen wissenschaftlichen oder technischen Erkenntnissen zu gelangen“. Gemäß IAS 38.8 ist „Entwicklung die Anwendung von Forschungsergebnissen oder anderem Wissen auf einen Plan oder Entwurf für die Produktion von neuen oder beträchtlich verbesserten Materialien, Vorrichtungen, Produkten, Verfahren, Systemen oder Dienstleistungen. Die Entwicklung findet dabei vor Beginn der kommerziellen Produktion oder Nutzung statt“.1 Für den Fall, dass ein Unternehmen die Forschungsphase eines internen Projekts nicht von der Entwicklungsphase trennen kann, sind nach IAS 38.53 sämtliche Ausgaben als Ausgaben der Forschungsphase anzusehen und unterliegen dem Ansatzverbot. Eine ausschließlich pauschale Aufteilung von Kosten einer Forschungs- und Entwicklungsabteilung ist danach wie auch im HGB unzulässig. Die Aktivierung von Entwicklungskosten führt grds. zu passiven latenten Steuern.2

1 Scheinpflug in Beck’sches IFRS-Handbuch3, § 4 Rz. 26. 2 Scheinpflug in Beck’sches IFRS-Handbuch3, § 4 Rz. 27.

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bb) Forschungsphase Nach IAS 38.54 sind alle innerhalb der Forschungsphase entstehenden immateriellen Vermögenswerte bzw. Ausgaben, die dieser Phase zugeordnet werden können, als Aufwand der Periode zu erfassen, in der sie anfallen. Dieses pauschale Ansatzverbot wird in IAS 38.55 damit begründet, dass in der Forschungsphase (die der Entwicklungsphase regelmäßig zeitlich vorgelagert ist) ein Unternehmen einen künftigen wirtschaftlichen Nutzen für selbstgeschaffene Werte nicht nachweisen kann.1

3.156

Im Gegensatz zur Entwicklungsphase ist die Forschungsphase von Aktivitäten geprägt, die zu neuen wissenschaftlichen oder technischen Erkenntnissen führen können. Hierbei mangelt es an einem unmittelbaren Bezug zu konkreten Produkten oder Produktionsverfahren und damit an einer marktorientierten Beurteilungsbasis. Als Beispiele für Forschungsaktivitäten werden in IAS 38.56 a) bis d) genannt: – Aktivitäten, die auf die Erlangung neuer Erkenntnisse ausgerichtet sind, – die Suche nach sowie die Beurteilung und endgültige Auswahl von Anwendungen für Forschungsergebnisse und für anderes Wissen, – die Suche nach Alternativen für Materialien, Vorrichtungen, Produkte, Verfahren, Systeme oder Dienstleistungen und – die Formulierung, der Entwurf sowie die Abschätzung und endgültige Auswahl von möglichen Alternativen für neue oder verbesserte Materialien, Vorrichtungen, Produkte, Verfahren, Systeme oder Dienstleistungen.2 Da unternehmerische Forschungstätigkeiten immer auf die Vermarktung oder Verwertung der Ergebnisse ausgerichtet sind, sind sämtliche Tätigkeiten, die gedanklich den Entwicklungstätigkeiten vorgelagert sind, als Forschungstätigkeiten aufzufassen. Eine Zuordnung zur Forschungsphase ist demnach im Wesentlichen durch Negativabgrenzung zur Entwicklungsphase vorzunehmen.3 Wird in der Praxis von dieser idealtypischen Reihenfolge abgewichen oder ist keine Trennung möglich, scheidet eine Aktivierung aus.4

3.157

cc) Entwicklungsphase In der zeitlich nachgelagerten Entwicklungsphase ist es nach IAS 38.58 in manchen Fällen möglich, dass ein zukünftiger wirtschaftlicher Nutzen für entstehende immaterielle Vermögenswerte nachgewiesen werden kann und somit eine Aktivierung von Kosten erfolgen kann. Im Wesent1 Scheinpflug in Beck’sches IFRS-Handbuch3, § 4 Rz. 28; Hoffmann in Lüdenbach/ Hoffmann9, § 13 Rz. 27. 2 Scheinpflug in Beck’sches IFRS-Handbuch3, § 4 Rz. 30. 3 Zu praktischen Problemen bei der Abgrenzung in Unternehmen der Biotechnologiebranche vgl. Fülbier/Honold/Klar, RiW 2000, 833, 837 f. 4 Scheinpflug in Beck’sches IFRS-Handbuch3, § 4 Rz. 31.

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3.158

Kap. 3: Bilanzierung von geistigem Eigentum

lichen wird dies damit begründet, dass ein Projekt in der Entwicklungsphase weiter vorangeschritten ist als in der Forschungsphase. Dadurch sollte sich die für die Aktivierungsfähigkeit notwendige Marktfähigkeit des immateriellen Vermögenswerts konkretisiert haben. IAS 38.59 zählt hier folgende Beispiele auf: – Entwurf, Konstruktion und Testen von Prototypen und Modellen vor Aufnahme der eigentlichen Produktion und Nutzung, – Entwurf von Werkzeugen, Spannvorrichtungen, Prägestempeln und Gussformen unter Verwendung neuer Technologien, – Entwurf, Konstruktion und Betrieb einer Pilotanlage, die von ihrer Größe her für eine kommerzielle Produktion wirtschaftlich ungeeignet ist, und – Entwurf, Konstruktion und Testen einer gewählten Alternative für neue und verbesserte Materialien, Vorrichtungen, Produkte, Verfahren, Systeme oder Dienstleistungen.

3.159

Anhand der Beispiele wird deutlich, dass die Einordnung von Tätigkeiten in die Entwicklungsphase konkrete Umsetzungspläne verlangt. IAS 38.57 verweist hierzu auf Entwürfe, Konstruktionsplanungen, sonstige Planungsunterlagen oder Projektbeschreibungen für zu entwickelnde Produkte sowie marktfähige Techniken oder Fertigungsverfahren. Für die Nachweisführung ist eine entsprechende Dokumentation erforderlich, die regelmäßig erst im Stadium konkreter Produkt- oder Verfahrensentwicklung vorliegen wird (z.B. Unterlagen zur technischen Realisierbarkeit, Schätzung von Investitionskosten, Marktanalysen, Ertragsprognosen, Unternehmenspläne zur Finanzierung und Projektbetreibung).1

3.160

Als Nachweise für den künftigen wirtschaftlichen Nutzen eines selbstgeschaffenen immateriellen Vermögenswerts führt IAS 38.57 a) bis f) folgende Beispiele an: – Die technische Realisierbarkeit bis zur Fertigstellung des immateriellen Vermögenswerts für die interne Nutzung oder den Verkauf (z.B. durch Konstruktionspläne, Programmdesign, Modelle, Verfahrensoder Produktbeschreibungen, technische Einschätzungen über die Realisierbarkeit), – die Absicht des Unternehmens, den Vermögenswert fertig zu stellen, zu nutzen oder zu verkaufen (z.B. durch Investitions- oder Entwicklungsplanungen, projektbezogene Finanzierungspläne, die die Kosten für die Fertigstellung und Markteinführung beinhalten), – die Fähigkeit des Unternehmens, den immateriellen Vermögenswert zu nutzen oder zu verkaufen und die Verfügbarkeit der dafür erforderlichen technischen, finanziellen und sonstigen Ressourcen (z.B. durch Unternehmens- und Finanzierungspläne, die sämtliche Kosten für die 1 Scheinpflug in Beck’sches IFRS-Handbuch4, § 4 Rz. 32.

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Nutzung im Leistungsprozess enthalten, durch Finanzierungspläne oder -zusagen für die Entwicklungskosten oder Vermarktung), – die Art des zukünftigen wirtschaftlichen Nutzens durch Nachweis eines Markts für den Vermögenswert oder für Produkte und Verfahren, die mit Hilfe des Vermögenswerts hergestellt oder verkauft werden sollen, oder durch Nachweis von verminderten Kosten im Leistungsprozess oder sonstiger Vorteile aus der Nutzung des Vermögenswerts (z.B. durch Marktanalysen, Wirtschaftlichkeitsberechnungen) und – die Ermittlung und Zurechnung von Ausgaben zu dem Vermögenswert, so dass eine verlässliche Bewertung möglich ist (durch Dokumentation der Berechnungen nach IAS 36, IAS 38.60). Nach IAS 38.57 besteht eine Ansatzpflicht, wenn die vorstehenden Kriterien kumulativ erfüllt sind und die Entwicklungsleistungen nicht zu selbstgeschaffenen Markennamen, Drucktiteln, Verlagsrechten, Kundenlisten sowie ihrem Wesen nach ähnlichen Sachverhalten geführt haben (vgl. hierzu IAS 38.63 ff.).1 Entwicklungsprozesse beinhalten ihrer Natur nach das grds. Risiko eines ungewissen Projekterfolgs, so dass ein sicherer Nachweis für die Realisierbarkeit erst nach Fertigstellung des Projekts möglich ist. Die Anforderungen an das Kriterium der „technischen Realisierbarkeit“ nach IAS 38.57 a) können indes nicht über die grds. Anforderungen der Wahrscheinlichkeit eines künftigen wirtschaftlichen Nutzens hinausgehen. Danach muss es zum Bilanzierungszeitpunkt wahrscheinlich sein, dass das Projekt technisch realisiert werden kann und etwaige erforderliche Genehmigungsverfahren (bspw. Zulassungsverfahren in der Pharmaindustrie) positiv durchlaufen werden. In diese Beurteilung können grds. vergleichbare abgeschlossene Entwicklungsprojekte des Unternehmens mit einbezogen werden, da sich hieraus Hinweise auf vorhandenes Know-how und die allgemeine Fähigkeit des Unternehmens, derartige Projekte durchführen zu können, ergeben. Anhaltspunkte können dabei aus einer Betrachtung der in der Vergangenheit erfolgreich durchgeführten Entwicklungsprojekte im Vergleich zu den gesamten Entwicklungsprojekten abgeleitet werden. Eine Annahme des Realisierungskriteriums, bspw. erst bei abschließender Sicherheit über die Realisierbarkeit, geht über die Anforderungen des Wahrscheinlichkeitskriteriums hinaus, wenn nicht im Einzelfall besondere Umstände vorliegen (z.B. keine Entwicklungshistorie, junge Unternehmensgeschichte, besondere Entwicklungsrisiken).2

3.161

Um einem Missbrauch bei der Aktivierung der Entwicklungskosten vorzubeugen, fordert IAS 38.62 für die Ansatzvoraussetzung „verlässliche Zurechnung von Ausgaben und Bewertung des Vermögenswerts“ (IAS 38.57 f)) ein internes Kostenrechnungssystem, das in der Lage ist, sämtliche Ausgaben der Entwicklungsphase eindeutig sachlich zuzuordnen.

3.162

1 Scheinpflug in Beck’sches IFRS-Handbuch3, § 4 Rz. 33. 2 Scheinpflug in Beck’sches IFRS-Handbuch3, § 4 Rz. 37.

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Kap. 3: Bilanzierung von geistigem Eigentum

Das kann durch eine Kostenträgerrechung und eine ausreichend gegliederte Kostenstellenrechnung gewährleistet werden, die direkte Kosten und Gemeinkosten der Entwicklungsprojekte erfassen.1 Die Anforderungen der IFRS an diese Zuordnung gehen dabei deutlich weiter und sind konkreter, als die durch das BilMoG geforderten Dokumentationspflichten.

3.163

Nach IAS 38.65 ist eine Aktivierung von Ausgaben für immaterielle Vermögenswerte in der Entwicklungsphase frühestens ab dem Zeitpunkt möglich, in dem die vorgenannten Nachweise vollständig erbracht wurden. Diese Vorschrift über den Ansatzzeitpunkt ist dynamisch aufzufassen. Kosten, die vor diesem Zeitpunkt angefallen sind, sind nicht aktivierungsfähig, auch wenn sie dem Entwicklungsprozess explizit zugeordnet werden können und durch den erzielbaren Betrag gedeckt sind. Jegliche Wertaufhellung ist unzulässig, es ist auf den speziellen unterjährigen Zeitpunkt abzustellen.2 Beispiel: Die Industrie AG stellt für ein laufendes internes ERP-Softwareprojekt fest, dass die Vorbereitungen abgeschlossen sind und dass unter Beachtung der Finanzierungszusage am 27.5. des laufenden Jahres von der Realisierung des Projekts ausgegangen werden kann. Alle sonstigen Voraussetzungen sind bereits erfüllt. Sämtliche Aufwendungen, die zeitlich nach dem 27.5. auftreten, wie Programmierungsleistungen eines EDV Dienstleisters, eigene Personalkosten für die Projektdurchführung und Kosten für Testläufe, sind bis zur Fertigstellung des Projekts zu aktivieren.

3.164

Nach IAS 38.65 ist eine Nachaktivierung von Kosten aus Vorperioden für später ansatzfähige immaterielle Vermögenswerte unzulässig. Dieses Nachaktivierungsverbot gilt nicht für die nachträgliche Identifizierung oder Bewertungsänderung von immateriellen Vermögenswerten im Rahmen von Unternehmenserwerben (vgl. hierzu IFRS 3.45 ff. [2008]/IFRS 3.61 ff. [2004]).3 f) Folgebewertung immaterieller Vermögenswerte

3.165

Im Anschluss an die Erstbewertung können die immateriellen Vermögenswerte gemäß IAS 38.72 nach zwei unterschiedlichen Methoden folgebewertet werden: – Anschaffungskosten- bzw. Herstellungskostenmodell: Die Folgebewertung erfolgt auf Basis fortgeführter Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten nach IAS 38.74, wobei planmäßige Abschreibungen und außerplanmäßige Wertminderungen zu berücksichtigen sind, oder

1 Scheinpflug in Beck’sches IFRS Handbuch3, § 4 Rz. 39. 2 Scheinpflug in Beck’sches IFRS Handbuch3, § 4 Rz. 39, sowie Epstein/Jermakowicz, IFRS 2008, 306 f. 3 Scheinpflug in Beck’sches IFRS-Handbuch3, § 4 Rz. 39.

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– Neubewertungsmodell: Die Folgebewertung erfolgt mit dem Neubewertungsbetrag nach IAS 38.75 bis 87. Die Neubewertungsmethode schreibt zusätzlich zu der planmäßigen Abschreibung den Wertansatz zum Neubewertungsbetrag vor, der auf einem aktiven Markt zu ermitteln ist.1 Wertänderungen sind erfolgswirksam in der GuV auszuweisen. Bei Anwendung des Anschaffungs- bzw. Herstellungskostenmodells ist zu beachten, dass IAS 38.88 die immateriellen Vermögenswerte aufteilt in – solche mit begrenzter, endlicher Nutzungsdauer und – solche mit unbegrenzter Nutzungsdauer. Danach sind nur Vermögenswerte mit begrenzter Nutzungsdauer planmäßig abzuschreiben. Vermögenswerte mit unbegrenzter Nutzungsdauer unterliegen einem jährlichen Test auf Werthaltigkeit, dem sog. Impairment Test gemäß IAS 36. Darüber hinaus ist der Test immer dann durchzuführen, wenn besondere Anzeichen für eine Wertminderung bestehen (IAS 38.108). Zudem sind diese Vermögenswerte nach IAS 38.109 f. jährlich auf ihre Eigenschaft als Vermögenswert mit unbegrenzter Nutzungsdauer zu überprüfen.2 Das zuletzt Gesagte gilt im Übrigen auch für den im Rahmen eines Unternehmenszusammenschlusses ermittelten Geschäfts- oder Firmenwert.

V. Ausweis von immateriellen Vermögenswerten Nach der Mindestgliederung des IAS 1.54 sind immaterielle Vermögenswerte getrennt von den als Finanzinvestitionen gehaltenen Immobilien nach IAS 40 und von den Sachanlagen nach IAS 16 in der Bilanz darzustellen. Eine weitere Untergliederung immaterieller Vermögenswerte nach Art, Verwendung oder nach Liquidierbarkeit ist in der Bilanz erforderlich, wenn diese Darstellung zum Verständnis der Vermögens- und Finanzlage notwendig ist (vgl. hierzu IAS 1.55 ff.; RIC 1.22 ff.). Für eine Gruppenbildung nach Art und Funktion im Unternehmen kann auf die Beispielgliederung in IAS 38.119 zurückgegriffen werden, die gleichermaßen für Angaben im Anhang relevant ist. Demnach können z.B. folgende Gruppen von immateriellen Vermögenswerten gebildet werden: – Markennamen, – Drucktitel und Verlagsrechte, – Computersoftware, – Lizenzen und Franchiseverträge, – Urheberrechte, Patente und sonstige gewerbliche Schutzrechte, Nutzungs- und Betriebskonzessionen, – Rezepte, Geheimverfahren, Modelle, Entwürfe und Prototypen und 1 Pellens u.a., Internationale Rechnungslegung8, Kapitel 11, 3. 2 Heuser/Theile, IFRS Handbuch, Tz. 1061.

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3.166

Kap. 3: Bilanzierung von geistigem Eigentum

– in der Entwicklung befindliche immaterielle Vermögenswerte. Eine Zusammenfassung je nach Informationsgehalt für ein Unternehmen ist zulässig. Für immaterielle Vermögenswerte, die zum Verkauf vorgesehen sind nach IFRS 5, ist nach IAS 1.54 ein separater Ausweis erforderlich.1

3.167

Ein separater Ausweis von geleisteten Anzahlungen für immaterielle Vermögenswerte ist in den IFRS nicht explizit vorgesehen. Eine Erfassung für derartige Ausgaben erfolgt nach IAS 38.70 regelmäßig unter den entsprechenden Gruppen von Vermögenswerten, für die Vorauszahlungen geleistet werden.2

VI. Aktuelle Entwicklungen/IASB-Projekte 3.168

Das IASB ist bestrebt, IAS 38 hinsichtlich seiner Konsistenz in Bezug auf die Behandlung erworbener und selbstgeschaffener immaterieller Vermögenswerte außerhalb von Unternehmenserwerben zu überprüfen. Die Kritik an IAS 38, der Standard biete keine ausreichend eindeutigen Regelungen zur Bilanzierung, soll dabei mit einfließen. Im Rahmen der Konvergenzbestrebungen sieht das IASB den IAS 38 für ein Forschungsprogramm vor, der Zeitplan wurde aber noch nicht terminiert. Das Ziel dieses Projekts soll die Überarbeitung der Erst- und Folgebilanzierung selbstgeschaffener immaterieller Vermögenswerte sein.3 Des Weiteren ist das IASB in Forschungsaktivitäten zur internationalen Anwendung der Neubewertungsmethode von Sachanlagen eingebunden, deren Ergebnisse auch Auswirkungen auf die Regelungen zur Neubewertung von immateriellen Vermögenswerten haben können.4

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Scheinpflug in Beck’sches IFRS-Handbuch3, § 4 Rz. 105. Scheinpflug in Beck’sches IFRS Handbuch3, § 4 Rz. 106. Scheinpflug in Beck’sches IFRS Handbuch3, § 4 Rz. 137. Scheinpflug in Beck’sches IFRS Handbuch3, § 4 Rz. 138.

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D. IFRS

VII. Gegenüberstellung zu HGB/EStG1 3.169

Kriterium

HGB

EStG

IFRS

Definition

Keine gesetzliche Definition

wie HGB

Identifizierbare, nicht monetäre Vermögenswerte ohne physische Substanz

Ansatz Aktivierungsvoraussetzungen

– Einzelveräußerbar- – wie HGB – In Bezug auf die keit bzw. EinzelZugehörigkeit verwertbarkeit zum Betriebsver– Selbständige Bemögen ist zu unwertbarkeit terscheiden zwi– Fehlen eines Aktischen: vierungsverbots – Notwendigem – Subjektive wirtBetriebsvermöschaftliche Zuregen, chenbarkeit – Gewillkürtem – Zugehörigkeit Betriebsvermözum Betriebsvergen sowie mögen – Sonderbetriebsvermögen

– Die Ressource muss aus einem Ereignis der Vergangenheit resultieren – Unternehmen hat die Verfügungsmacht über die Ressource – Wahrscheinlicher zukünftiger wirtschaftlicher Nutzenzufluss aus der Ressource – Kosten oder der Wert der Ressource sind zuverlässig messbar

– Aktivierungsverbot für – Aktivierungswahl- – AktivierungsverSelbsterAufwendungen der Forbot gem. § 5 Abs. 2 recht für Herstelstellte imschungsphase EStG lungskosten der materielle – Aufwendungen der EntEntwicklungsVermögenswicklungsphase sind bei phase werte kumulativem Vorliegen – Aktivierungsverfolgender Voraussetzunbot für Aufwengen zu aktivieren: dungen der For– Technische Realisierschungsphase barkeit der Fertigstel– Beachtung Auslung schüttungssperre – Absicht der Fertigstelgem. § 268 Abs. 8 lung und Nutzung Satz 1 HGB oder des Verkaufs – Fähigkeit zur Nutzung oder zum Verkauf – Verfügbarkeit von Ressourcen zur Fertigstellung, späteren Nutzung oder des Verkaufs – Zuverlässige Ermittlung der zurechenbaren Ausgaben – Nachweis des voraussichtlichen zukünftigen Nutzenzuflusses Entgeltlicher Erwerb

wie HGB Aktivierungspflicht für erworbene immaterielle Vermögensgegenstände des Anlagevermögens

Bei eigenständig sowie im Rahmen eines Unternehmenszusammenschlusses erworbenen immateriellen Vermögenswerten gelten die Ansatzkriterien stets als erfüllt

1 Petersen u.a., IFRS Praxishandbuch5, C.II.3.9, S.147/148; Hayn/Graf Waldersee, IFRS, HGB, HGB-BilMoG im Vergleich7, 114 ff.

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Kap. 3: Bilanzierung von geistigem Eigentum

Kriterium

HGB

EStG

IFRS

Ansatz Aktivierungsverbote

– Selbstgeschaffene – Selbsterstellte immaterielle WirtMarken, Druckschaftsgüter titel, Verlagsrechte, Kundenlisten und vergleichbare immaterielle Vermögensgegenstände des Anlagevermögens – Aufwendungen für die Gründung, Beschaffung des Eigenkapitals, Abschluss von Versicherungsverträgen – Aufwendungen für Ingangsetzung und Erweiterung

– Selbstgeschaffene Marken, Drucktitel, Verlagsrechte, Kundenlisten sowie ähnliche Sachverhalte – Ausgaben für Gründung, Ingangsetzung und Erweiterung, Aus- und Weiterbildung, Werbekampagnen und Maßnahmen der Verkaufsförderung, Verlegung oder Reorganisation von Unternehmensteilen

Bewertung Zugangsbewertung

Anschaffungs- oder Herstellungskosten

– Anschaffungs- oder Her– wie HGB stellungskosten – Minderung aus der – Für im Rahmen eines UnÜbertragung von steuerfreien Rückternehmenszusammenlagen, Sonderschlusses erworbene Verabschreibungen mögenswerte erfolgt der Ansatz zum Fair Value – Bei selbsterstellten immateriellen Vermögenswerten sind nur die nach Vorliegen der Ansatzvoraussetzungen des IAS 38.57 anfallenden Herstellungskosten zu aktivieren

– Folgebewertung zu fortFolgebewer- – Folgebewertung zu – wie HGB tung fortgeführten An- – Niedrigerer Ansatz geführten Anschaffungswegen Vornahme schaffungskosten kosten oder bei Vorliegen einer AfaA gem. – Planmäßige Abeines aktiven Markts § 7 Abs. 1 Satz 7 schreibung über wahlweise zum Fair Value EStG die Nutzungsdauer nach der Neubewertungs– Außerplanmäßige methode gem. IAS 38.72 Abschreibung auf – Planmäßige Abschreiniedrigeren beibung bei Vermögenswerzulegenden Wert ten mit zeitlich begrenzbei voraussichtlich ter Nutzungsdauer dauernder Wert– Vermögenswerte mit unminderung bestimmter Nutzungsdauer, wie etwa der Geschäfts- oder Firmenwert, sind nur außerplanmäßig abzuschreiben – Ein Impairmenttest ist bei Vorliegen objektiver Anzeichen und bei immateriellen Vermögens-

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D. IFRS

Kriterium

HGB

EStG

IFRS

Bewertung werten mit unbestimmter Nutzungsdauer mindestens einmal jährlich durchzuführen Ausweis

Gliederung gem. § 266 HGB

wie HGB

Gesonderter Ausweis auf der Aktivseite der Bilanz; das Unternehmen hat eine sinnvolle Gliederung vorzunehmen (in Deutschland i.d.R. analog dem HGB und als Ausweis unter den langfristigen Vermögenswerten)

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Kapitel 4 Geistiges Eigentum im Ertragsteuerrecht Literatur Beiser, Nutzungseinlagen sind Aufwandseinlagen – Kritik an der Bodenschatzrechtsprechung des BFH, DStR 1995, 635; Benecke/Schnittger, Letzte Änderungen der Neuregelungen des UmwStG und der Entstrickungsnormen durch das SEStEG, IStR 2007, 22; Bödefeld, Die steuerliche Behandlung von Schadenersatzzahlungen und Entschädigungen nach § 97 des Gesetzes über Urheberrechte, BB 1988, 1724; Dietz/Schneider, Änderungen des Betriebsstättenerlasses durch das BMF-Schreiben vom 25.8.2009, DStR 2010, 81; Donle, Gewerbliche Schutzrechte im Unternehmenskauf, DStR 1997, 74; Dörfler/Adrian/Oblau, Europäisierung des deutschen Steuerrechts durch das SEStEG, RIW 2007, 266; Dörr, Praxisfragen zur Umsetzung der Zins- und Lizenzrichtlinie in § 50g EStG, IStR 2005, 109; Förster, SEStEG: Rechtsänderungen im EStG, DB 2007, 72; Gosch, Keine Steuerentstrickung bei Übertragung eines Einzelwirtschaftsguts in eine ausländische Betriebsstätte, BFH-PR 2008, 499; Groh, Die Vermögensübertragung auf Schwesterpersonengesellschaften als Lehrstück der Mitunternehmerbesteuerung, DB 2002, 1904; Hahn, Kritische Erläuterungen und Überlegungen zum Entwurf des SEStEG, IStR 2006, 797; Heuer, Qualitätsanforderungen an eine künstlerische Tätigkeit iS des § 18 Abs 1 Satz 2 EStG?, DStR 1983, 636; Hoffmann, Aufgabe der Theorie der finalen Entnahme in der BFH-Rechtsprechung, DB 2008, 2286; Jesse, Nachträgliche Einkünfte aus künstlerischer Tätigkeit bei Veräußerung zum Nachlass gehörender Bilder eines Kunstmalers, ZEV 1994, 57; Kempermann, Kunst, Gewerbe, Kunstgewerbe, FR 1992, 250; Kessler/Huck, Grenzüberschreitender Transfer von Betriebsvermögen – die Verlagerung von Einzelwirtschaftsgütern, Betriebsstätten und Betrieben ins Ausland, StuW 2005, 193; Kirchhof, Die Garantie der Kunstfreiheit im Steuerstaat des Grundgesetzes, NJW 1985, 225; Kulosa, Einkunftserzielungsabsicht in Bezug auf eine fremdfinanzierte, sofort beginnende Leibrente, HFR 2005, 103; Lornsen, Unilaterale Maßnahmen der Bundesrepublik Deutschland zur Ausschaltung der internationalen Doppelbesteuerung bei der Einkommen- und Körperschaftsteuer, Frankfurt/Bern/New York/Paris 1987; Mitschke, Aufgabe der „finalen Entnahmetheorie“ – Nachlese zu BFH-Urteil vom 17.7.2008, FR 2008, 1144; Mitschke, Zur gesetzlichen Entstrickungsregelung des § 4 Abs. 1 S. 3 EStG, DB 2009, 1376; Müller-Dott, Zur Rechtsänderung des § 34c EStG zur Anrechnung ausländischer Steuern durch das StVergAbG, DB 2003, 148; Musil, Rechtsprechungswende des EuGH bei den Ertragsteuern – eine Analyse der Leitentscheidungen des EuGH, DB 2009, 1037; Prinz, Gesetzgeberische Wirrungen um Grundsätze der Betriebsstättenbesteuerung, DB 2009, 807; Ritter, Das Gebot Rücksicht, BB 1984, 1109; Rödder/ Schumacher, Das kommende SEStEG Teil I: die geplanten Änderungen des EStG, KStG und AStG; Teil II: Das geplante neue Umwandlungssteuergesetz, DStR 2006, 1481, 1525; Rödder/Schumacher, Das SEStEG – Überblick über die endgültige Fassung und die Änderungen gegenüber dem Regierungsentwurf, DStR 2007, 369; Roser, Überführung von Wirtschaftsgütern ins Ausland – eine Grundsatzentscheidung mit vielen Fragen, DStR 2008, 2389; Schnittger, Internationale Aspekte eines Gesetzes zum Abbau von Steuervergünstigungen und Ausnahmerregelungen (Steuervergünstigungsabbaugesetz – StVergAbG), IStR 2002, 711; Schönfeld, Entstrickung über die Grenze aus Sicht des§ 4 Abs. 1 S. 3 EStG anhand von Fallbeispielen, IStR 2010, 133; Sommer, Einkünfte von Sportlern aus Werbeveträgen, BB 1981, 177; Wassermeyer, Verliert Deutschland im Fall der Überführung von Wirtschaftsgütern in eine ausländische Betriebsstätte das Besteuerungsrecht?, DB 2006, 1176; Wolf, Einkünftequalifikation der Tätigkeit des Musizierens: Selbständiges, unselbständiges oder gewerbliches Musizieren, FR 2002, 202;

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Kap. 4: Geistiges Eigentum im Ertragsteuerrecht

A. Relevante Einkunftsarten I. Allgemeines 1. Einteilung der Einkunftsarten

4.1

Der Einsatz des geistigen Eigentums z.B. in Form von Immaterialgütern in einer Tätigkeit gerichtet auf eine wirtschaftliche Vermögensmehrung ist dann für die Besteuerung relevant, wenn das Entgelt für eine damit im Zusammenhang stehende Leistung unter die sieben Einkunftsarten in § 2 Abs. 1 Satz 1 EStG fällt. Umgekehrt handelt es sich um nicht steuerbare Vermögensmehrungen, wenn die Bezüge außerhalb dieser Einkunftsarten anfallen. Nicht steuerbare Vermögensmehrungen liegen regelmäßig vor, wenn sie sich in der privaten Vermögenssphäre abspielen. Während nicht steuerbare Vermögensmehrungen nicht weiter betrachtet werden sollen, ist bei den steuerbaren Einkünften der Dualismus der Einkünfteermittlung zu beachten. Besondere Bedeutung erlangen in diesem Zusammenhang Erlöse aus der Veräußerung von privatem Stammvermögen. Die Unterscheidung folgt dem im Bereich der sog. Überschusseinkünfte in § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 EStG geltenden Konzept der Quellentheorie. Danach sollen nur die „Erträge ständig fließender Quellen“ als Besteuerungssubstrat dienen; ausgenommen ist die Quelle als Stammvermögen.1 Die Bedeutungslosigkeit derartiger Veräußerungseinkünfte erfasst aber nicht nur die Gewinnsituation. Selbstverständlich werden auch Verluste aus dem Kanon der sieben Einkunftsarten ausgegrenzt, so dass insoweit kein Verrechnungspotenzial mit steuerrechtlich relevanten Einkünften besteht. Die Veräußerung des Stammvermögens wird im Anwendungsbereich der Überschusseinkünfte hingegen in die relevante Einkommenssphäre einbezogen, wenn die Bedeutung durch Sondervorschriften, wie z.B. in §§ 17, 23 oder auch § 20 Abs. 2 EStG geschehen, durch ein Gesetz angeordnet wird. Die Rechtfertigung für diese Anordnung soll an dieser Stelle zurückgestellt werden. Vielmehr ist die Bedeutung für geistiges Eigentum hervorzuheben, weil dieses die Quelle der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit selbst ist. Bei den Gewinneinkünften (§ 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG) wird ein etwaiger Gewinn aus der Veräußerung des geistigen Eigentums hingegen in die steuerliche Bemessungsgrundlage einbezogen. Der Grund dafür resultiert aus der Reinvermögenszugangstheorie. Dieser Theorie bezieht in den steuerrechtlichen Gewinn in § 4 Abs. 1 Satz 1 EStG alle Vermögensmehrungen aus der unternehmerischen Betätigung mit ein. Dazu gehören dann selbstverständlich auch realisierte Gewinne bzw. Verluste aus der Veräußerung von geistigem Eigentum als Wirtschaftsgut des Betriebsvermögens.

4.2

Je nachdem in welcher Organisationsform der Steuerpflichtige das geistige Eigentum zu einer wirtschaftlichen Vermögensmehrung einsetzt, wird (mindestens) ein Tatbestand der Einkunftserzielung erfüllt und 1 Im Einzelnen Lang in Tipke/Lang, Steuerrecht20, § 9 Rz. 181.

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A. Relevante Einkunftsarten

durch (mindestens) eine Art im Einkünftekatalog in die Steuerbarkeit einbezogen. Für die Ertrag schaffende Nutzung geistigen Eigentums ist die Zuordnung zu den (Gewinn-)Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft (§ 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG), zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb (§ 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG) und zu den Einkünften aus selbständiger Arbeit (§ 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EStG) denkbar. Im Bereich der Überschusseinkünfte i.S. von § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 EStG ist eine Steuerbarkeit als Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit (§ 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EStG), als Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung (§ 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 EStG) und als sonstige Einkünfte i.S. des § 22 EStG denkbar. Welche Einkunftsart im Einzelfall berührt wird, bestimmen die §§ 13–24 EStG. Der Zuordnung der Einkünfte zu einer dieser Einkunftsarten kommt eine herausragende Bedeutung zu. Auf den ersten Blick könnte der Eindruck gewonnen werden, in den verschiedenen Einkunftsarten sei nur die Realität in gesetzliche Tatbestandsmerkmale eingeflossen, die durch soziale und wirtschaftliche Prägungen der einzelnen Tätigkeit zum Aufbau nicht nur einer Einkunftsart, sondern eben dieses Einkünftekataloges geführt hat. Dieser erste Blick vernachlässigt jedoch die gesetzliche Realität: Das Einkunftsartenrecht im deutschen Steuerrecht erfasst die einzelnen Einkünfte nicht nur unvollständig, sondern quantifiziert diese auch anders und unterwirft sie teilweise auch noch einer unterschiedlichen Belastung der Höhe nach.1 Zum Ausdruck kommt diese Zerklüftung auf Tatbestands- und/oder Rechtsfolgenseite im Rahmen der unterschiedlichen Einkünfteermittlungsarten (Einkünftedualismus, § 13a EStG) und Steuererhebungsarten (§§ 37, 38 ff., 50a EStG), bei den einkünftespezifischen Beschränkungen des Verlustausgleichs und des Verlustabzugs, bei den einkünftespezifischen Befreiungen (§§ 3, 3b EStG), Freibeträge und Freigrenzen (§§ 13 Abs. 3, 14a, 16 Abs. 4, 17 Abs. 3, 18 Abs. 3, 19 Abs. 2, 22 Nr. 3 Satz 2, 23 Abs. 3, 24a EStG) unter differenzierter Behandlung von Veräußerungseinkünften und von Alterseinkünften, wegen unterschiedlich anzuwendender Steuerermäßigungen (§§ 34, 34b, 34c, 34e, 35, 35a EStG), wegen der mehrfachen Belastung desselben (wirtschaftlichen) Besteuerungssubstrats mit Steuern, insbesondere im Fall der Gewerbesteuer, und schließlich auch wegen der gesetzgeberischen Vorgabe in § 49 EStG, steuerliche Ausländer mit den enumerativ in § 49 EStG aufgezählten Einkünften der beschränkten Steuerpflicht zu unterwerfen.2

4.3

2. Besonderheiten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen Ausgeschlossen werden kann eine Subsumtion des geistigen Eigentums unter die Einkunftsart in § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 EStG, Einkünfte aus Kapitalvermögen. § 20 EStG konkretisiert die Einkünfte aus Kapitalvermögen, ohne eine allgemeine Definition dieser Einkünfte zu geben; vielmehr werden die Einkünfte aufgezählt, die zu den Einkünften aus Kapital1 Lang in Tipke/Lang, Steuerrecht20, § 9 Rz. 400. 2 Weiterführend Lang in Tipke/Lang, Steuerrecht20, § 9 Rz. 401 ff.

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4.4

Kap. 4: Geistiges Eigentum im Ertragsteuerrecht

vermögen gehören.1 Allen in § 20 EStG genannten Einkünften ist gemein, dass sie durch Nutzung bzw. Überlassung eigenen Kapitalvermögens erwirtschaftet werden.

4.5

Die Nutzung eigenen Kapitalvermögens gegen Entgelt führt zu steuerrechtlich relevanten Einkünften aus Kapitalvermögen, wenn ein Tatbestand in dem Katalog des § 20 EStG erfüllt ist: § 20 Abs. 1 Nr. 1 und 2 EStG unterwirft Bezüge aus Kapitalgesellschaften und anderen Körperschaften, z.B. Gewinnanteile (Dividenden), offene und verdeckte Gewinnausschüttungen, Genussrechte, ausschüttungsgleiche Erträge, Bezüge, die nach Auflösung (Liquidation) einer Körperschaft oder auf Grund der Kapitalherabsetzung dem Anteilseigner (§ 20 Abs. 5 EStG) zufließen, der Steuerpflicht. § 20 Abs. 2 Nr. 3 EStG erfasst den Gewinn bei Termingeschäften, durch die der Steuerpflichtige einen Differenzausglich oder einen durch den Wert der veränderten Bezugsgröße bestimmten Geldbetrag oder Vorteil erlangt (§ 20 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. a EStG) sowie den Gewinn aus der Veräußerung eines als Termingeschäft ausgestalteten Finanzinstruments (§ 20 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. b EStG).2 Nach § 20 Abs. 1 Nr. 4 EStG gehören die Einkünfte aus der Beteiligung an einem Handelsgewerbe als stiller Gesellschafter und aus partiarischen Darlehen zu den Einkünften aus Kapitalvermögen. § 20 Abs. 1 Nr. 5 EStG rechnet als lex specialis zu § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG Einnahmen aus den im BGB geregelten Grundpfandrechten zu Einkünften aus Kapitalvermögen.3 Gem. § 20 Abs. 1 Nr. 6 EStG gehört bei bestimmten Lebensversicherungen der Unterschiedsbetrag zwischen dem Gesamtbetrag der Versicherungsleistungen und der Summe der aufgrund des Versicherungsvertrags erbrachten Geldleistungen zu den Einkünften aus Kapitalvermögen, soweit nicht die lebenslange Rentenzahlung gewählt und erbracht wird. Zu den Einkünften aus Kapitalvermögen gehören nach § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG auch Erträge aus sonstigen Kapitalforderungen jeder Art, wenn die Rückzahlung des Kapitalvermögens oder ein Entgelt für die Überlassung des Kapitalvermögens zugesagt oder geleistet worden ist, auch wenn die Höhe der Rückzahlung oder des Entgelts von einem gewissen Ereignis abhängt. Kapitalforderungen in diesem Sinn sind alle auf Geld gerichteten Forderungen.4 § 20 Abs. 1 Nr. 8 EStG erfasst Diskontbeträge von Wechseln und Anweisungen einschließlich der Schatzwechsel. Nach § 20 Abs. 1 Nr. 9 EStG gehören zu den Einkünften aus Kapitalvermögen Einnahmen aus Leistungen von Körperschaften i.S. von § 1 Abs. 1 Nr. 3–5 KStG. Dabei handelt es sich um „Quasi-Gewinnausschüttungen“. Bei den VVaG (§ 1 Abs. 1 Nr 3 KStG), sonstigen juristischen Personen des privaten Rechts (§ 1 Abs. 1 Nr. 4 KStG) und den nichtrechtfähigen Vereinen (§ 1 Abs. 1 Nr. 5 KStG) erfolgen keine Leistungen an die Anteilseigner bzw Mitglieder, wie 1 2 3 4

Von Beckerath in Kirchhof10, § 20 EStG Rz.1. Von Beckerath in Kirchhof10, § 20 EStG Rz. 129. Von Beckerath in Kirchhof10, § 20 EStG Rz. 97. Von Beckerath in Kirchhof10, § 20 EStG Rz. 111 mit dem m.E. zutreffenden Hinweis, dass Sachdarlehen unter § 22 Nr. 3 EStG fallen.

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A. Relevante Einkunftsarten

das hingegen bei den Körperschaften gem. § 1 Abs. 1 Nr. 1 und 2 KStG der Regelfall ist. Gleichwohl sind auch vermögenswerte Leistungen an Personen denkbar, die hinter den in § 1 Abs. 1 Nr. 3–5 KStG genannten Körperschaftsteuersubjekten stehen, so dass aus Gründen der steuerlichen Gleichbehandlung und um die im Teileinkünfteverfahren angestrebte Ertragsteuerbelastung durch Körperschaftsteuer und Einkommensteuer sicherzustellen, diese vermögenswerten Leistungen auf Ebene des Empfängers durch § 20 Abs. 1 Nr. 9 EStG steuerlich erfasst werden.1 Zu den genannten vermögenswerten Leistungen gehören z.B. die aus den Erträgen einer Stiftung an den Stifter, seine Angehörigen oder deren Abkömmlinge ausgekehrten Leistungen.2 § 20 Abs. 1 Nr. 10 Buchst. a EStG erfasst Leistungen eines nicht von der Körperschaftsteuer befreiten Betriebs gewerblicher Art i.S. des § 4 KStG mit eigener Rechtspersönlichkeit, darüber hinaus werden bei Überschreiten der genannten Größenmerkmale Gewinn und verdeckte Gewinnausschüttungen eines nicht von der Körperschaftsteuer befreiten Betriebs gewerblicher Art i.S. des § 4 KStG ohne eigene Rechtspersönlichkeit erfasst (§ 20 Abs 1 Nr. 10 Buchst. b EStG). Schließlich subsumiert § 20 Abs. 1 Nr. 11 EStG die dort genannten Stillhalterprämien, die für die Einräumung von Optionen vereinnahmt werden, unter die Einkünfte aus Kapitalvermögen. Inhalt eines Optionsgeschäfts ist der Erwerb oder die Veräußerung des Rechts, eine bestimmte Menge eines Basiswerts (insbesondere Aktien) jederzeit während der Laufzeit der Option zu einem im Voraus vereinbarten Preis (Basispreis) entweder vom Kontrahenten (Stillhalter) zu kaufen oder an ihn zu verkaufen; dafür muss der Inhaber der Option bei Abschluss des Optionsgeschäfts die Stillhalterprämie zahlen. Die Stillhalterprämie ist das Entgelt, das der Stillhalter als Entschädigung für die Bindung und die Risiken, die er durch die Begebung eines Optionsrechts eingeht, unabhängig vom Zustandekommen des Wertpapiergeschäfts allein für das „Stillhalten“ erhält.3 Die Auflistung der in § 20 Abs. 1 EStG umschriebenen Formen der relevanten Nutzung des Kapitalvermögens lassen unschwer erkennen, dass geistiges Eigentum nicht dazu gehören kann. Unter Kapitalvermögen im Rahmen der Anwendung von § 20 EStG ist keine volks- oder betriebswirtschaftliche Einordung vorzunehmen. Unter Kapitalvermögen ist in aller Regel „Geldvermögen“ in dem Sinn zu verstehen, dass der zur Fruchtziehung eingesetzte Wert in Geld ausgedrückt werden kann.4 Unter Geldvermögen können auch Einlagen in eine Kapitalgesellschaft oder im Rahmen einer stillen Gesellschaft in Form von Sachen oder Rechten verstanden werden.

1 2 3 4

Von Beckerath in Kirchhof10, § 20 EStG Rz. 60. BMF v. 27.6.2006 – IV B 7 - S 2252 - 4/06, BStBl. I 2006, 417. Zum Ganzen von Beckerath in Kirchhof10, § 20 EStG Rz. 115 f. Stuhrmann in Blümich, § 20 EStG Rz. 8.

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4.6

Kap. 4: Geistiges Eigentum im Ertragsteuerrecht

II. Einkünfte aus Gewerbebetrieb 1. Allgemeines

4.7

Die Einkünfte aus Gewerbebetrieb sind in systematischer Hinsicht in den §§ 15–17 EStG verortet, wobei in rechtssystematischer Hinsicht in § 15 EStG eine abschließende Regelung normiert ist, was zu den einkommensteuerpflichtigen Einkünften aus Gewerbebetrieb gehört. Darüber hinaus grenzt § 15 EStG die gewerblichen Einkünfte einerseits von den anderen Einkunftsarten ab und bestimmt andererseits den Bereich der nicht einkommensteuerpflichtigen Vermögensmehrungen und – minderungen.1

4.8

In § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG wird der Tatbestand in § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG konkretisiert: Einkünfte aus Gewerbebetrieb sind Einkünfte aus gewerblichen Unternehmen. Dieser Zirkelschluss wird durch § 15 Abs. 2 EStG aufgelöst, der die Tatbestandsmerkmale für die Einordnung der konkreten Tätigkeit zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb beinhaltet. In systematischer Hinsicht normiert § 15 EStG Art und Umfang der Einkünfte aus Gewerbebetrieb i.S. von § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG. Die Abgrenzung zu den anderen einkommensteuerpflichtigen Einkünften hat vor allem Bedeutung für die Einkünfteermittlung i.S. des § 2 Abs. 2 EStG und für die Gewerbesteuer. 2. Abgrenzung der gewerblichen Einkünfte von anderen Einkunftsarten a) Überblick

4.9

§ 15 Abs. 2 Satz 1 EStG ordnet an, dass eine selbständige, nachhaltige mit Gewinnerzielungsabsicht und unter Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr ausgeübte Tätigkeit nicht als gewerbliche Tätigkeit gem. § 15 EStG zu qualifizieren ist, wenn (und soweit)2 sie zu den Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft oder zu den Einkünften aus selbständiger Tätigkeit gehört. Die negative Abgrenzung ist erforderlich, da die Einkünfte in den §§ 13 und 18 EStG ebenfalls zu den Unternehmenseinkünften gehören und somit eine selbständige nachhaltige Betätigung unter Teilnahme am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr erfordern. Daher erfolgt hier die Abgrenzung zum Gewerbebetrieb dadurch, dass die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft nach § 13 EStG und aus selbständiger Arbeit nach § 18 EStG ausdrücklich aus dem Gewerbebetriebsbegriff ausgeklammert werden und bei Vorliegen von Einkünften nach §§ 13 oder 18 EStG eben kein Gewerbebetrieb gegeben ist.3 Des Weiteren wird – ohne gesetzliche Grundlage – gefordert, dass die Tätigkeit über die private Vermögensverwaltung (§ 14 Satz 3 AO) hinausgeht.4 1 Wacker in Schmidt30, § 15 EStG Rz. 1; BFH v. 11.3.1992 – XI R 57/89, BStBl. II 1992, 798. 2 R 15.5 Abs. 1 Satz 4 EStR. 3 Reiß in Kirchhof10, § 15 EStG Rz. 52. 4 BFH v. 25.6.1984 – GrS 4/82, BStBl. II 1984, 751; v. 16.4.1991 – VIII R 74/87, BStBl. II 1991, 844; v. 23.1.2003 – IV R 75/00, BStBl. II 2003, 467.

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A. Relevante Einkunftsarten

b) Abgrenzung von Land- und Forstwirtschaft Die Abgrenzung der Einkünfte aus Gewerbebetrieb von denen aus Landund Forstwirtschaft erfolgt durch das Wesen der Land- und Forstwirtschaft, die begrifflich die planmäßige Nutzung der natürlichen Kräfte des Bodens und die Verwertung der dadurch gewonnenen Erzeugnisse umfasst.1 Land und Forstwirtschaft besteht danach in der Bodenbewirtschaftung zur Gewinnung von pflanzlichen und tierischen Erzeugnissen unter Ausnutzung der Naturkräfte.2 Dagegen gehört die Bodenbewirtschaftung zur Gewinnung von Bodenschätzen unter alleiniger Hilfe der Technik zur gewerblichen Tätigkeit.3 Im Grundsatz ist Land- und Forstwirtschaft vom Begriff des Gewerbebetriebs schon aus der Natur der Sache getrennt. Allerdings führt die verstärkte Zuwendung der land- und forstwirtschaftlichen Betriebsführung zur Veredelung selbst geschaffener Urprodukte und anderweiten Spezialisierung (z.B. Dienstleistung wie Beratung, Landschaftsgestaltung und dergleichen) sowie zum Absatz land- und forstwirtschaftlicher Erzeugnisse über einen eigenen Vertrieb an die Grenze zum Gewerbebetrieb.4

4.10

c) Abgrenzung von selbständiger Tätigkeit Die Abgrenzung gegenüber den Einkünften aus selbständiger Tätigkeit gem. § 18 EStG erfolgt dadurch, dass die Tätigkeit einerseits unter den Katalog in § 18 Abs. 1 EStG subsumiert werden kann und andererseits dadurch, dass der Einkünfteerzieler die Tätigkeit persönlich und eigenverantwortlich ausüben muss. Sollten im Einzelfall die Voraussetzungen von §§ 15 und 18 EStG gleichermaßen erfüllt sein, sind die Einkünfte denen aus selbständiger Arbeit zuzuordnen; dieses folgt aus dem Wortlaut des § 15 Abs. 2 Satz 1 EStG und führt zu dem sinnvollen Ergebnis eines Vorrangs der spezifischen Zuordnung ausgesuchter, spezieller Tätigkeiten.5 Dieses Ergebnis ist – soweit möglich – auch bei gemischten Tätigkeiten nachzuvollziehen. Die Trennung von gewerblichen und selbständigen Tätigkeiten ist selbst dann vorzunehmen, wenn bei der Berufsausübung ein enger sachlicher und wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen den Tätigkeitsarten besteht.6 Wird die Tätigkeit im Rahmen einer Mitunternehmerschaft (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG) ausgeübt, ist die gesetzlich angeordnete Infektionswirkung in § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG zu beachten. Nach dem Sinngehalt dieser Vorschrift überlagert auch eine geringfügige7 1 2 3 4 5 6 7

R 15.5 EStR. Stuhrmann in Blümich, § 15 EStG Rz. 62. Stuhrmann in Blümich, § 15 EStG Rz. 62. Stuhrmann in Blümich, § 15 EStG Rz. 62 mit Beispielen. Korn in Korn, § 18 EStG Rz. 10. Korn in Korn, § 18 EStG Rz. 10. Nach BFH v. 11.8.1999 – XI R 12/98, BStBl. II 2000, 229 reichen 1,25 % der Gesamtumsätze, bestehend aus originärer gewerblicher Tätigkeit, nicht aus, um die Infektion zu erreichen. Bei Einkünften einer GbR führte ein Quantum i.H.v. 2,81 % der Gesamtumsätze, bestehend aus land- und forstwirtschaftlichen Tätigkeiten, nicht dazu, die Einkünfte umzuqualifizieren (BFH v. 8.3.2004 – IV B 212/03, BFH/NV 2004, 954).

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4.11

Kap. 4: Geistiges Eigentum im Ertragsteuerrecht

gewerbliche Tätigkeit einer Mitunternehmerschaft die mit ihr verbundenen, für sich allein nicht gewerblichen Tätigkeiten. Die umgekehrte Rechtsfolge bei Ausübung der Tätigkeiten in einer Mitunternehmerschaft entspricht der gesetzgeberischen Anordnung. Das Wesen einer Mitunternehmerschaft i.S. des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG besteht in der Ausübung einer gewerblichen Betätigung, so dass es konsequent ist, eine anders geartete Betätigung durch gesamthändersich verbundene Personen für steuerrechtliche Zwecke nur dann zu akzeptieren, wenn die gewerbliche Betätigung nahezu unbeachtlich ist. d) Abgrenzung von Vermögensverwaltung

4.12

Als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal wird gefordert, dass eine gewerbliche Tätigkeit über die reine Vermögensverwaltung hinausgeht.1 Während bei der steuerrechtlich relevanten Vermögensverwaltung nur die Vermehrung des Vermögens, die „Früchte“ aus der Nutzung besteuert werden, sind bei den Einkünften aus Gewerbebetrieb auch stille Reserven, die in den betrieblichen Mitteln und Chancen (z.B. der Firmenwert) ruhen, im Fall der Aufdeckung – z.B. bei Veräußerung oder Betriebsaufgabe – Gegenstand der Besteuerung. Tätigkeiten, die als gewerblich einzuordnen sind, ist ein „Mehr“ als private Vermögensverwaltung einschließlich etwaiger relevanter Veräußerungsgeschäfte i.S. des § 23 EStG immanent.2 Maßgeblich ist wie so häufig das Gesamtbild der Verhältnisse im Einzelfall unter Einbezug der Verkehrsanschauung.3 Dafür wird unter Einbezug aller relevanten Merkmale zu untersuchen sein, ob die Tätigkeit dem Bild entspricht, das nach der Verkehrsanschauung einen Gewerbebetrieb ausmacht (Kaufmann, Hotel, Baubetriebe; „marktmäßiger Umschlag“4) und einer Vermögensverwaltung fremd ist. Nach ständiger Rechtsprechung des BFH5 wird die Grenze von der privaten Vermögensverwaltung zum Gewerbebetrieb überschritten, wenn nach dem Gesamtbild der Betätigung und unter Berücksichtigung der Verkehrsauffassung die Ausnutzung substantieller Vermögenswerte durch Umschichtung gegenüber der Nutzung von Grundbesitz i.S. einer Fruchtziehung aus zu erhaltenden Substanzwerten (z.B. durch Selbstnutzung oder Vermietung) entscheidend in den Vordergrund tritt. Für die Annahme einer gewerblichen Tätigkeit ist weiter das Merkmal der Nachhaltigkeit erforderlich. Die fragliche Tätigkeit muss auf Wiederholung angelegt sein. Den Gegensatz dazu bildet die nur gelegentliche Tätigkeit. Von einem Einbezug der Interessenlage des Steuerpflichtigen bei der Entscheidung, ob (noch) private Vermögensverwaltung oder (schon) Gewerbebetrieb vorliegt, ist abzusehen. Allzu sehr wird man geneigt sein, die Vorteile aus einer steuerrechtlich irrelevanten Veräußerungsgewinn1 St. Rspr. Grundlegend: BFH v. 25.6.1984 – GrS 4/82, BStBl. II 1984, 751; v. 13.12. 1995 – XI R 43-45/89, BStBl. II 1996, 232. 2 Weber-Grellet in Schmidt30, § 15 EStG Rz. 46; zu § 23 EStG BMF v. 5.10.2000 – IV C 3 - S 2256 - 263/00, BStBl. I 2000, 1383. 3 BFH v. 10.12.1990 – GrS 1/98, BStBl. II 2002, 291. 4 BFH v. 15.3.2005 – X R 39/03, BStBl. II 2005, 817. 5 BFH v. 3.7.1995 – GrS 1/93, BStBl. II 1995, 617.

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A. Relevante Einkunftsarten

besteuerung oder die Möglichkeit, Verluste bei einer gewerblichen Tätigkeit mit anderen Einkünften ausgleichen zu können, in den Vordergrund zu rücken. Die Interessenlage ist mithin ambivalent.1 Als anschauliches Beispiel mag die Entscheidung des BFH vom 10.9.20032 angeführt werden: Ein Fotodesigner kam beim privaten Fotografieren mit der Autofokus Pocket Kamera seines Sohnes auf die Idee, dass der Autofokus zum Fotografieren beweglicher Objekte flexibel sein müsse. Daraufhin meldete er seine Idee ohne weitere technische Ausarbeitung oder Entwicklung weiterer Ideen unter Einschaltung eines Patentanwalts erfolgreich zum Patent in Deutschland, Europa und den USA an. Nach Erteilung der drei beantragten Patente bot der Kläger diese erfolglos verschiedenen Herstellern zum Kauf an. 1995 erfuhr er, dass ein Unternehmen eine Kamera mit beweglichem Autofokus auf den Markt gebracht hatte und nahm sie wegen Verletzung seines Patents in Anspruch. Anschließend verkaufte der Kläger an dieses Unternehmen alle Rechte aus dem Patent. Das Finanzamt erfasste den Überschuss bei den Einkünften des Klägers aus selbständiger Tätigkeit und versteuerte ihn. Der Kläger sei nachhaltig tätig gewesen, führte das Finanzamt aus, denn seine Idee bedürfe noch der technischen Umsetzung und er habe durch die Anmeldung zum Patent in Deutschland, Europa und USA drei verschiedene Wirtschaftsgüter hergestellt.

4.13

Im Kern geht es bei diesem Sachverhalt um die Frage, ob eine fertige und verwertbare Zufallserfindung vorliegt, die in der Privatsphäre entstanden wäre und deren „Verkauf“ damit steuerrechtlich irrelevant ist. Dem entgegen steht die profiskalische Auslegung, dass Zufallserfindungen äußerst selten sind und nicht jeder „Geistesblitz“ zu einer Zufallserfindung führt. Regelmäßig seien nach Auffassung der Finanzverwaltung weitere Tätigkeiten notwendig, um die Erfindung bis zur Verwertungsreife zu fördern. Dabei sei es nicht entscheidend, ob der Erfinder die bis zur Patentreife erforderlichen Arbeiten selbst durchführt oder von einem anderen durchführen lasse. Bereits das Vorbereiten und Anmelden mehrerer Patente stelle nach Auffassung der Finanzverwaltung in dem zugrunde liegenden Fall eine nachhaltige Erfindertätigkeit dar. Die Erlangung der Patente habe zu einem erheblichen Zeit- und Kostenaufwand geführt. Auch habe der Kläger mehreren Kameraherstellern die Patente zum Kauf angeboten.

4.14

Der BFH wies die Sache an das FG zurück. Der BFH hob in seiner Entscheidung ausdrücklich auf das Merkmal der (vorübergehenden) Nachhaltigkeit ab. Er führt dazu aus:

4.15

„Die Wiederholungsabsicht muss sich auf die (hier) erfinderische Tätigkeit beziehen; es muss sich um eine planmäßige Erfindertätigkeit handeln. Wird ein Steuerpflichtiger wiederholt erfinderisch tätig, sei es, um auf den erfinderischen Gedanken zu kommen, sei es um die Verwertungsreife einer Erfindung zu fördern, so ist die vorübergehende Tätigkeit auch dann nachhaltig, wenn der Steuerpflichtige letztlich nur eine Erfindung macht. Da der Steuerpflichtige selbst das Merkmal der nachhaltigen Tätigkeit erfüllen muss, können allerdings nur solche Tätigkeiten be1 Weber-Grellet in Schmidt30, § 15 EStG Rz. 46. 2 BFH v. 10.9.2003 – XI R 26/02, BStBl. II 2004, 218.

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Kap. 4: Geistiges Eigentum im Ertragsteuerrecht

rücksichtigt werden, die er selbst ausführt oder die von Dritten in seinem Auftrag ausgeführt werden. Tätigkeiten eines Dritten im Rahmen seines Gewerbebetriebes nach Erwerb der (patentierten) Erfindung können dem Veräußerer der Erfindung nicht mehr zugerechnet werden.“

Damit klammerte der BFH einerseits die „Erfindertätigkeit“ aus der steuerrechtlich relevanten Betätigung als Fotodesigner aus. Andererseits kann die Erfindertätigkeit des Klägers nicht deswegen zu einer steuerrechtlich relevanten werden, weil ein Patentanwalt beauftragt wird, die Idee zu schützen. Denn durch die Tätigkeit des Patentanwalts wird nicht die (technische) Verwertungsreife des geistigen Eigentums des Klägers gefördert. In diesem Sinn sind Patentanmeldungen allein nicht als Ausdruck nachhaltiger Tätigkeit zu beurteilen, sondern nur solche Tätigkeiten, die die technische Verwertungsreife fördern. Die Patente können regelmäßig erst „nach Erprobung und Ausarbeitung der Erfindung“, die im Auftrag des damaligen Klägers stattfanden, zum Patent angemeldet werden. Der BFH verwirft die Ansicht des FG, nach welcher der Kläger die Patente für seine erfinderische Idee ohne deren weitere Ausarbeitung erhalten haben soll, als Widerspruch gegen allgemeine Erfahrungssätze. Regelmäßig seien weitere Tätigkeiten für eine Patentreife der Erfindung erforderlich. Allerding ist es nach Auffassung des BFH denkbar, dass eine Zufallsidee lediglich in Gestalt einer Skizze schriftlich niedergelegt werde. In einem solchen Fall ergebe sich daraus allein noch keine nachhaltige erfinderische Tätigkeit; denn auch für eine gelegentliche Zufallserfindung ist deren Dokumentation unerlässlich. Bei Annahme einer solchen Zufallsidee wäre der Veräußerungserlös nicht nach § 22 Nr. 2 oder 3 EStG steuerbar.1

4.16

Maßgeblich wird danach bei Geistesblitzen bzw. Zufallsideen auf die Nachhaltigkeit der Erfindertätigkeit abzustellen sein. Unter Anwendung der Auffassung des BFH kann der Schluss gezogen werden, dass nicht jede „Blitzidee“ zu einer Zufallserfindung führt. Regelmäßig bedarf es nach einem spontan geborenen Gedanken einer weiteren Tätigkeit, um die Erfindung bis zur Verwertungsreife zu fördern.2 Dann liegt aber eine planmäßige Erfindertätigkeit vor, die nicht mehr als „gelegentlich“ anzusehen ist. Eine Tätigkeit, die nicht nur gelegentlich ausgeübt wird, ist als nachhaltig anzusehen 3. Tatbestandsvoraussetzungen gem. § 15 EStG a) Definition des Gewerbebetriebs in § 15 Abs. 2 EStG

4.17

Der Begriff des Gewerbebetriebs wird in § 15 Abs. 2 EStG durch mehrere Merkmale bestimmt: 1 Die Qualifikation der Patente als gewillkürtes Betriebsvermögen im Rahmen der Tätigkeit als Fotodesigner scheiterte nach Auffassung des BFH an einer eindeutigen Einlagehandlung des Klägers, so dass eine steuerliche Verstrickung der Patente auch auf diesem Weg nicht möglich war. 2 So auch BFH v. 18.6.1998 – IV R 29/97, BStBl. II 1988, 567; v. 11.4.2003 – IV R 170/01, BFH/NV 2003, 1406.

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A. Relevante Einkunftsarten

– Eine Betätigung (Tätigkeit), die ursächlich ist für den wirtschaftlichen Erfolg;1 – Selbständigkeit der Betätigung. Durch dieses Merkmal wird die Betätigung von der Ausübung einer nichtselbständigen Tätigkeit i.S. von § 19 EStG abgegrenzt. Selbständigkeit ist dadurch gekennzeichnet, dass auf eigene Rechnung (Unternehmerrisiko) und auf eigene Verantwortung (Unternehmerinitiative) gehandelt wird.2 – Nachhaltigkeit der Tätigkeit. Eine geschäftsmäßige Tätigkeit ist nachhaltig, wenn sie auf eine bestimmte Dauer und regelmäßig auf Wiederholung angelegt ist.3 Der BFH4 nimmt Nachhaltigkeit aber schon dann an, wenn die Tätigkeit nur von der Absicht getragen ist, sie zu wiederholen und daraus eine ständige Erwerbsquelle zu machen.5 – Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr. Dieses Merkmal hat die Aufgabe, Tätigkeiten aus dem gewerblichen Bereich auszuklammern, die nicht auf einen Güter- oder Leistungsaustausch unter Inanspruchnahme des allgemeinen Marktes gerichtet sind.6 – Gewinnerzielungsabsicht; dieses Merkmal des subjektiven Tatbestands grenzt insbesondere die gewerblichen Einkünfte von nicht steuerbaren Einkünften aus Liebhaberei, gemeinnütziger und ehrenamtlicher Tätigkeit ab.7 In diesem Zusammenhang ist die Regelung in § 15 Abs. 2 Satz 3 EStG zu beachten: Danach liegt ein Gewerbebetrieb, wenn seine Voraussetzungen im Übrigen gegeben sind, auch dann vor, wenn die Gewinnerzielungsabsicht nur ein Nebenzweck ist. Hingegen negiert das Gesetz in § 15 Abs. 2 Satz 2 EStG das Erzielen einer Vermögensmehrung und damit einen Gewerbebetrieb, wenn der Gewinn aus der Minderung der Steuern vom Einkommen resultiert. Eine Betätigung, die solch eine Rechtsfolge auslöst, beruht nicht wesentlich auf einer gewerblichen Betätigung. – Negative Abgrenzung: Die Einkünfte dürfen nicht zu denen aus Landund Forstwirtschaft (§ 13 EStG) oder zu denen aus selbständiger Tätigkeit gem. § 18 EStG gehören und müssen den Bereich der reinen Vermögensverwaltung i.S. von § 14 Satz 3 AO überschreiten. 1 Lang in Tipke/Lang, Steuerrecht20, § 9 Rz. 413. 2 Reiß in Kirchhof10, § 15 EStG Rz. 18. 3 BFH v. 18.1.1995 – XI R 71/93, BStBl. II 1995, 559; v. 18.7.1991 – V R 86/87, BStBl. II 1991, 776; v. 27.10.1993 – XI R 86/90, BStBl. II 1994, 274. 4 BFH v. 10.12.1998 – III R 61/97, BStBl. II 1999, 390; v. 7.3.1996 – IV R 2/92, BStBl. II 1996, 369; v. 13.12.1995 – XI R 43–45/89, BStBl. II 1994, 276. 5 Da die Wiederholungsabsicht ein Vorgang des inneren Seelenlebens ist, ist den äußeren Umständen und Tatsachen wesentliche Bedeutung zuzusprechen. Wird eine Handlung mehrfach wiederholt, liegt regelmäßig eine nachhaltige Tätigkeit vor. Andererseits kann auch schon eine einmalige Tätigkeit zur Nachhaltigkeit führen, wenn die Absicht zur Wiederholung erkennbar ist. 6 Reiß in Kirchhof10, § 15 EStG Rz. 28. 7 Lang in Tipke/Lang, Steuerrecht20, § 9 Rz. 414; weiterführend Stuhrmann in Blümich, § 15 EStG Rz. 36 ff.

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Kap. 4: Geistiges Eigentum im Ertragsteuerrecht

4.18

Gerade der letzte Punkt macht die Annahme eines „gewerblichen Erfinders“ bzw. eines „gewerblichen geistigen Eigentümers“ nahezu unmöglich. Soweit das geistige Eigentum zu einer freiberuflichen Tätigkeit i.S. von § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG gehört, bzw. zu einer freiberuflichen Tätigkeit in diesem Sinne führt, ist der Anwendung von § 18 EStG als speziellerer Norm der Vorrang einzuräumen.

4.19

Gleichwohl können auch im Gewerbebetrieb Vergütungen aus „geistigem Eigentum“ durch seine Sphäre veranlasst sein und dementsprechend zu Einkünften aus Gewerbebetrieb führen. So können ohne Zweifel im betrieblichen Bereich geistige Werte als immaterielle Wirtschaftsgüter geschaffen werden und bei deren Einsatz zu gewerblichen Einnahmen führen. Denkbar sind Ideen oder Know-how, das lizenziert oder veräußert werden kann. Gleiches gilt für Erfindungen und vergleichbare „geistige Durchbrüche“, die bei Schutzmöglichkeiten – z.B. in Form eines Patents – als Recht1 gleichfalls zur Betriebsvermögensmehrung eingesetzt werden können. Insgesamt gehören zu diesen Rechten nicht nur die Registerrechte (Patente, Gebrauchsmuster, Marken, Geschmacksmuster, Sortenschutzrechte und Topographien), sondern auch die registerrechtlich nicht eintragbaren Rechte2 (z.B. urheberrechtliche Nutzungsrechte, Know-how3, Titel, Ausstattung und ggf. Leistungsschutzrechte;4 des Weiteren Software5). Bei der Unterscheidung zwischen materiellen und immateriellen Wirtschaftsgütern kann es zu Abgrenzungsschwierigkeiten kommen, wenn ein Immaterialwirtschaftsgut an materielles Substrat gebunden ist. Als Beispiele dafür können Bücher, CD-ROM, Filme, DVD, Disketten und sonstige Tonträger angeführt werden. Die Entscheidung einer abschließenden Einteilung muss wohl nach einer Gewichtung der Faktoren vorgenommen werden. Bei Computerprogrammen bzw. Software,6 die auf Datenträgern gespeichert sind, werden regelmäßig materielle Wirtschaftsgüter vorliegen, wenn es sich um Trivialprogramme handelt. Als solche sind Softwareprogramme einzuordnen, deren Anschaffungskosten nicht mehr als 410 Euro betragen.7 Ebenfalls als materielle Wirtschaftsgüter gelten Datenträger, die nur Datenbestände und keine Befehle enthalten.8

1 2 3 4 5 6 7 8

BFH v. 4.12.2006 – GrS 1/05, BStBl. II 2007, 508. BFH v. 2.6.1976 – I R 20/74, BStBl. II 1976, 666. BFH v. 23.11.1988 – II R 208/82, BStBl. II 1989, 82. Vgl. zu den Schwierigkeiten bei Veräußerung im Wege eines „asset deals“ Donle, DStR 1997, 74. BFH v. 28.7.1994 – III R 47/92, BStBl. II 1994, 873 str. zum Meinungsstand vgl. Weber-Grellet in Schmidt30, § 5 EStG Rz. 270. Zu sog. ERP-Software BMF v. 18.11.2005 – IV B 2 - S 2172 - 37/05, BStBl. I 2005, 1025. R 5.5 Abs. 1 Sätze 2 f. EStR; weiterführend: Anzinger in Herrmann/Heuer/Raupach, § 5 EStG Rz. 1716 f.; Weber-Grellet in Schmidt30, § 5 EStG Rz. 270. BFH v. 5.2.1998 – III R 49/83, BStBl. II 1988, 737; aber auch BFH v. 2.9.1988 – III R 38/84, BStBl. II 1989, 160.

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A. Relevante Einkunftsarten

b) Gewerbebetrieb kraft Rechtsform Eine Einordnung der Tätigkeiten eines Steuerpflichtigen in die verschiedenen Einkunftsarten unter Prüfung der Voraussetzungen der einzelnen Einkunftsart und der Anordnung in § 15 Abs. 2 EStG ist überflüssig, wenn die Zuordnung kraft gesetzlicher Anordnung – hier wegen der gewählten Rechtsform, in der die Tätigkeit ausgeübt wird – erfolgt.

4.20

Für Körperschaften ordnete § 8 Abs. 2 KStG aF bis zum VZ 2007 an, dass bei bestehender Verpflichtung zur Buchführung nach dem HGB (§ 238 HGB) alle Einkünfte der Körperschaft zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb gehören. Betroffen waren insbesondere Kapitalgesellschaften. Durch das SEStEG1 wurde § 8 Abs. 2 KStG neu geregelt und an die EuGHRechtsprechung zu Dual-Resident-Kapitalgesellschaften angepasst, bei denen die Anknüpfung an die deutsche Steuerpflicht nicht mehr aus der zivilrechtlichen Anerkennung und damit aus der Rechnungslegungspflicht abzuleiten ist.2 Nunmehr wird für unbeschränkt steuerpflichtige Körperschaften i.S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1–3 KStG die Umqualifizierung aller Einkünfte in gewerbliche Einkünfte unabhängig davon vorgenommen, ob die Körperschaft zur Buchführung nach dem HGB verpflichtet ist oder nicht.3

4.21

Erzielt ein ausländisches Rechtsgebilde, das aufgrund positiven Typenvergleichs mit einer inländischen Körperschaft vergleichbar ist, inländische Einkünfte, ist für die Einordnung als gewerbliche Einkünfte allein darauf abzustellen, ob die ausländische Körperschaft einer inländischen Körperschaft i.S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1–3 KStG vergleichbar ist. Eine systemdurchbrechende Regelung ist aber in § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f EStG enthalten, nach der die dort erfassten Veräußerungen immer zu den gewerblichen Einkünften gehören, und zwar unabhängig vom Vorliegen einer Betriebsstätte.

4.22

In jedem Fall gewerbliche Einkünfte erzielt auch eine sog. gewerblich geprägte Personengesellschaft i.S. von § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG. Eine solche Gesellschaft liegt vor, wenn an einer Personengesellschaft (alle Personengesellschaften des BGB, HGB und vergleichbare Rechtsgebilde ausländischen Rechts4) eine oder mehrere Kapitalgesellschaften als persönlich haftende Gesellschafter beteiligt sind und nur diese Kapitalgesellschaften oder nicht gesellschaftsrechtlich beteiligte Personen zur Geschäftsführung in der Personengesellschaft befugt sind. Bei mehrstöckigen Personengesellschaften steht die gewerblich geprägte Personengesellschaft einer Kapitalgesellschaft gleich. Typisches Beispiel einer gewerblich ge-

4.23

1 SEStEG v. 7.12.2006, BGBl. I 2006, 2782. 2 Roser in Gosch2, § 8 KStG Rz. 65. 3 Zu der weiter gefassten Anwendung von § 15 Abs. 2 EStG auf Körperschaften vgl. BFH v. 22.8.2007 – I R 32/06, BStBl. II 2007, 961; v. 8.8.2001 – I R 106/99, BStBl. II 2003, 487; v. 4.12.1996 – I R 54/95, DStR 1997, 492; a.A. Reiß in Kirchhof10, § 15 EStG Rz. 133. 4 BFH v. 17.12.1997 – I R 34/97, BStBl. II 1998, 296.

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Kap. 4: Geistiges Eigentum im Ertragsteuerrecht

prägten Personengesellschaft ist die GmbH & Co. KG, bei der die Kapitalgesellschaft als alleinige persönlich haftende Gesellschafterin mit gesetzlicher Geschäftsführungsbefugnis ausgestattet ist und eine weitere natürliche Person als Kommanditist fungiert.1 Eine Umqualifizierung von Einkünften in solche aus Gewerbebetrieb aufgrund der Anordnung in § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG kommt wegen ihres Wortlautes nicht in Betracht, wenn die Personengesellschaft ohnehin schon die Voraussetzungen des § 15 Abs. 2 EStG erfüllt; das gilt selbst dann, wenn es sich um eine gewerbliche Infizierung nach § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG handelt.

4.24

Ein weiterer Gewerbebetrieb kraft Rechtsform liegt vor, wenn in der Personengesellschaft verschiedene abgrenzbare Tätigkeiten ausgeübt werden und ein Teil der Tätigkeiten dabei gewerblicher Natur ist. § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG ordnet für diesen Fall eine einheitliche Beurteilung aller Tätigkeiten an und bestimmt ein „Abfärben“ oder „Infizieren“ der gewerblichen Tätigkeiten. Dann gilt die von einer Personengesellschaft ausgeübte (gemischte) Tätigkeit in vollem Umfang als Gewerbebetrieb. Bedeutung erlangt die Regelung insbesondere bei Gesellschaften, die hauptsächlich im Bereich der Vermögensverwaltung tätig sind oder in sog. Freiberuflergesellschaften. Im ersten Fall führt die Infizierung dazu, dass das zur Einkunftserzielung eingesetzte Vermögen zum Betriebsvermögen der Personengesellschaft (oder Sonderbetriebsvermögen des Gesellschafters bei der Personengesellschaft) wird, mit der Folge, dass stille Reserven in den Vermögensgegenständen in keinem Fall steuerfrei realisiert werden können. Im zweiten Fall unterliegen alle Einkünfte der Freiberuflersozietät wegen der gewerblichen Infizierung der Gewerbesteuer.

4.25

Nach früherer Rechtsprechung2 führte jede, eigentlich unabhängig von deren Umfang, gewerbliche Tätigkeit dazu, alle Einkünfte der Personengesellschaft einheitlich als solche aus Gewerbebetrieb einzuordnen. Nach jüngeren Urteilen des XI. Senats3 und des IV. Senats4 des BFH soll nunmehr bei einem „äußerst geringen Anteil“ gewerblicher Einkünfte keine Umqualifizierung der anderen Einkünfte erfolgen. Ein solcher Zwerganteil kann anzunehmen sein, wenn die gewerblichen Einkünfte 1,25 % des Gesamtumsatzes nicht übersteigen.5 c) Arten der gewerblichen Einkünfte aa) Laufende Besteuerung

4.26

Die Art der gewerblichen Einkünfte wird durch die persönliche Zurechnung bestimmt. Die Einkünfte aus Gewerbebetrieb sind demjenigen Steu1 Vgl. zum ganzen Komplex einer gewerblich geprägten, aber nicht gewerblich tätigen Personengesellschaft Bitz in Littman/Bitz/Pust, § 15 EStG Rz. 165 ff. 2 Vgl. nur BFH v. 19.2.1998 – IV R 91/99, BStBl. II 1998, 603. 3 BFH v. 11.8.1999 – XI R 12/98, BStBl. II 200, 229. 4 BFH v. 29.11.2001 – IV R 91/99, BStBl. II 2002, 221. 5 OFD Frankfurt v. 28.2.2007 – S 2241 - 65 - St 213, DB 2007, 1282; H 15.8 Abs. 5 EStH.

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A. Relevante Einkunftsarten

ersubjekt zuzurechnen, das die nach § 15 Abs. 2 EStG den Gewerbebetrieb konstituierende Betätigung „unternimmt“; das Gesetz bezeichnet ihn als Unternehmer bzw. Mitunternehmer, wenn auch nur im Zusammenhang mit den Einkünften aus der Betätigung im Rahmen einer oHG, KG oder anderen Gesellschaft, § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG.1 Nach der ständigen Rechtsprechung des BFH2 wird als Unternehmer (Zurechnungssubjekt für die gewerblichen Einkünfte) das Unternehmerrisiko tragende und Unternehmerinitiative entfaltende Steuersubjekt (natürliche Person für die Einkommensteuer und Körperschaft für die Körperschaftsteuer) qualifiziert. Dabei beinhaltet das Unternehmerrisiko die Chance und die Gefahr (Risiko), dass die Betätigung des Steuersubjekts unmittelbar zu Vermögensmehrungen („Gewinnchance“) oder Vermögensminderungen („Verlustrisiko“) in seinem Vermögen führt. Der Wille des Steuersubjekts, die Betätigung in der gewählten Form vorzunehmen und die Möglichkeit, dauernd darauf Einfluss nehmen zu können, kennzeichnet die Unternehmerinitiative. Die Einkünfte aus gewerblichen Unternehmen in § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 EStG sind mithin solche des gewerblichen Einzelunternehmers.

4.27

Die Einkünfte aus den Gewinnanteilen der Gesellschafter einer oHG, einer KG und einer anderen Gesellschaft, bei der der Gesellschafter als Unternehmer (Mitunternehmer) des Betriebs anzusehen ist, und die Vergütungen, die der Gesellschafter für seine Tätigkeit im Dienst der Gesellschaft oder für die Hingabe von Darlehen oder für die Überlassung von Wirtschaftsgütern bezogen hat, sind gem. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 i.V.m. Abs. 2 EStG für steuerliche Zwecke anteilig dem einzelnen Mitunternehmer (Gesellschafter) als Steuersubjekt zuzurechnen. Der mittelbar über eine oder mehrere Personengesellschaften beteiligte Gesellschafter steht dem unmittelbar beteiligten Gesellschafter gleich. Damit behandelt das Gesetz den Mitunternehmer (Gesellschafter) der Obergesellschaft auch als Mitunternehmer des Betriebs der Untergesellschaft. Dadurch qualifiziert das Gesetz das Entgelt für Leistungen des mittelbaren Mitunternehmers an die Untergesellschaft als Sondervergütungen und damit als Einkünfte aus Gewerbebetrieb; gleichfalls gehören der Untergesellschaft überlassene Wirtschaftsgüter zum Sonderbetriebsvermögen des mittelbaren Mitunternehmers bei der Untergesellschaft.

4.28

Die Einkünfte aus Gewinnanteilen der persönlich haftenden Gesellschafter einer KGaA, soweit sie nicht auf Anteile am Grundkapital entfallen, und die Vergütungen, die der persönlich haftende Gesellschafter von der Gesellschaft für seine Tätigkeit im Dienst der Gesellschaft oder für die Hingabe von Darlehen oder für die Überlassung von Wirtschaftütern bezogen hat, sind gem. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 i.V.m. Abs. 2 EStG für steuerliche Zwecke anteilig dem einzelnen Gesellschafter zuzurechnen.

4.29

1 Reiß in Kirchhof10, § 15 EStG Rz. 151. 2 Statt vieler: BFH v. 3.5.1993 – GrS 3/92, BStBl. II 1993, 616.

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Kap. 4: Geistiges Eigentum im Ertragsteuerrecht

4.30

Gem. § 15 Abs. 1 Satz 2 EStG gelten Vergütungen der Gesellschafter einer oHG, KG oder eines persönlich haftenden Gesellschafters einer KGaA auch dann als Einkünfte aus Gewerbebetrieb, wenn sie als nachträgliche Einkünfte i.S. von § 24 Nr. 2 EStG bezogen werden.

4.31

Die Personengesellschaft selbst ist weder einkommen- noch körperschaftsteuerpflichtig. Die Personengesellschaft ist lediglich Subjekt der Gewinnerzielung, Gewinnermittlung und Einkünftequalifikation. Der BFH bezeichnet die Personengesellschaft als partielles Steuersubjekt.1 Der Gewinn der Mitunternehmerschaft wird jedoch meist in Höhe der jeweiligen Kapitalquoten den Gesellschaftern (Mitunternehmern) zugerechnet und unterliegt auf ihrer Ebene der Einkommen- oder Körperschaftsteuer. Dieses System wird auf die Gesellschaft bezogen „Transparenzprinzip“ genannt.

4.32

In diesem Zusammenhang ist auf die Besonderheiten bei den sog. „Zebragesellschaften“ hinzuweisen. Bei einer solchen nicht gewerblichen, sondern regelmäßig im Bereich der Vermögensverwaltung tätigen Personengesellschaft wird die Einkünftequalifikation und die daraus folgende Einkünfteermittlung nicht abschließend anhand der auf der Ebene der Personengesellschaft verwirklichten Tatbestandsmerkmale entschieden. Endgültig lässt sich die Einkunftsart erst auf der Ebene der Gesellschafter bestimmen, weil allein der Gesellschafter den Einkommensteuertatbestand verwirklicht.2 Insoweit wird die Einheitstheorie, nach der bei Einordnung der Personengesellschaft bezogen auf die ausgeübten Tätigkeiten z.B. als gewerbliche oder freiberufliche von einer Einheit der Gesellschaft auszugehen ist, durchbrochen. Gehört daher die Beteiligung an einer nicht gewerblich tätigen Personengesellschaft zu einem gewerblichen Unternehmen des Gesellschafters, erzielt dieser (auf seiner Besteuerungsebene) anteilig gewerbliche Einkünfte. Die Umqualifizierung findet außerhalb der Zebragesellschaft nur auf Ebene des betroffenen Gesellschafters statt.

4.33

Das Mitunternehmerkonzept beinhaltet weitere Besonderheiten bei einem Leistungsaustausch zwischen Gesellschaft und Gesellschafter im weitesten Sinn. Während in zivilrechtlicher Hinsicht wegen der sog. partiellen Rechtsfähigkeit der Personengesellschaft Rechtsbeziehungen zwischen der Gesellschaft und ihrem Gesellschafter die vereinbarten Folgen nach sich ziehen, wird für steuerrechtliche Zwecke diese Folge verneint, indem Aufwendungen oder Erträge der Gesellschaft im korrespondierenden Sonderbereich des Mitunternehmers korrigiert werden. Rechtsgrundlage dieser Anordnung ist § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG. Danach gehören Vergütungen, die der Gesellschafter von der Gesellschaft für seine Tätigkeit im Dienst der Gesellschaft oder für die Hingabe von Darlehen oder für die Überlassung von Wirtschaftsgütern bezogen hat, zu dem jeweiligen Gewinnanteil des Gesellschafters. Neben den in § 15 Abs. 1 Satz 1 1 BFH v. 26.11.1996 – VIII R 42/94, BStBl. II 1998, 328. 2 BFH v. 3.7.1995 – GrS 1/93, BStBl. II 1995, 617.

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A. Relevante Einkunftsarten

Nr. 2 EStG aufgeführten Vergütungen sind zum Gewinnanteil eines Mitunternehmers auch solche Einnahmen zu zählen, die ihre Veranlassung in der Beteiligung des Gesellschafters an der Personengesellschaft haben, somit auch Einnahmen, die an sich der Personengesellschaft zustehen, die ein Gesellschafter jedoch seinem eigenen Vermögen zuführt.1 Technisch wird für den Gesellschafter dafür eine Sonderbilanz und eine Sonder-Gewinn- und Verlust-Rechnung bei der Personengesellschaft geführt, in der die korrespondierenden Geschäftsvorfälle abgebildet werden. Hintergrund für das Konzept des Sonderbereichs ist zum einen, den Mitunternehmer für steuerliche Zwecke den Einzelunternehmer anzunähern, und zum anderen, das Gewerbesteueraufkommen nicht zu gefährden. Letzteres würde z.B. dann eintreten, wenn der Gesellschafter einer Personengesellschaft dieser eine wesentliche Betriebsgrundlage aus seinem Privatvermögen (z.B. Grund und Boden) mietweise überlässt. Auf Ebene der Gesellschaft würde der Mietzins als Betriebsausgabe den Gewinn und den Gewerbeertrag mindern. Der Gesellschafter wäre vermögensverwaltend tätig und erzielte Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung, die nicht der Gewerbesteuer unterlägen.2 Zur Vermeidung dieser Folge wird nach der Gewinnermittlung auf Ebene der Gesellschaft (sog. Gewinnermittlung 1. Stufe) der Ertrag aus der Vermietung als Sonderbetriebseinnahme des Gesellschafters dem steuerlichen Gesamtgewinn wieder hinzugerechnet (sog. Gewinnermittlung 2. Stufe), so dass zweierlei erreicht wird: Erstens wird durch die Hinzurechnung der Sonderbetriebseinnahme der Mietaufwand in der Gesamthandsbilanz der Gesellschaft negiert; zweitens werden die Vermietungssondereinkünfte des Gesellschafters als Einkünfte aus Gewerbebetrieb qualifiziert, so dass sie im Ergebnis auch der Gewerbesteuer unterliegen. Zu besonderen Ausprägungen der Personengesellschaft im Steuerrecht – auf die hier nicht weiter eingegangen wird – gehören doppel- oder mehrstöckige Personengesellschaften3, die sog. Betriebsaufspaltung und mitunternehmerische Betriebsaufspaltung4 und Familienpersonengesellschaften.5

4.34

bb) Veräußerungsgewinne Veräußerungsgewinne, die im Rahmen einer gewerblichen Tätigkeit aus der Veräußerung des (mit)unternehmerischen Engagements entstehen, gehören gem. § 16 EStG zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb. Die Vor1 BFH v. 14.12.2000 – IV R 16/00, BStBl. II 2001, 238. 2 Ausführlich zu dem Bereich der Mitunternehmerschaften Wacker in Schmidt30, § 15 EStG Rz. 160 ff.; Bitz in Littmann/Bitz/Pust, § 15 EStG Rz. 7 ff.; Carlè in Korn, § 15 EStG Rz. 27 ff.; Zimmermann in Zimmermann/Hottmann/Kiebele/ Schaeberle/Völkel, Die Personengesellschaft im Steuerrecht10, 69 ff. 3 Ausführlich Hottmann in Zimmermann/Hottmann/Kiebele/Schaeberle/Völkel, Die Personengesellschaft im Steuerrecht10, 793 ff. 4 Ausführlich Schaeberle in Zimmermann/Hottmann/Kiebele/Schaeberle/Völkel, Die Personengesellschaft im Steuerrecht10, 861 ff. 5 Ausführlich Zimmermann in Zimmermann/Hottmann/Kiebele/Schaeberle/Völkel, Die Personengesellschaft im Steuerrecht10, 739 ff.

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4.35

Kap. 4: Geistiges Eigentum im Ertragsteuerrecht

schrift hat nur deklaratorische Bedeutung.1 Bei den Gewinneinkünften, und damit auch denen aus Gewerbebetrieb, sichert der Gewinnbegriff des § 4 Abs. 1 Satz 1 EStG die vollständige Erfassung aller Veräußerungseinkünfte sowie die Wertabgrenzung des Betriebsvermögens durch Einlagen und Entnahmen. Auch ohne die Vorschrift in § 16 EStG wären daher Gewinne und Verluste aus der Veräußerung eines Betriebs, Teilbetriebs oder Mitunternehmeranteils Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Ebenfalls zur Realisierung stiller Reserven kommt es regelmäßig im Fall der Betriebsaufgabe, § 16 Abs. 3 EStG. Nach der Rechtsprechung2 handelt es sich dabei um eine Entnahme eigener Art (Totalentnahme). § 16 Abs. 3 EStG kommt damit konstitutive Bedeutung zu, soweit er bei einer Betriebsaufgabe als „Aufgabepreis“ den gemeinen Wert (§ 16 Abs. 3 Satz 7 EStG) vorschreibt und nicht den Teilwert, wie sonst bei einer Entnahme vorgesehen.3

4.36

§ 16 Abs. 3 EStG ergänzt § 16 Abs. 1 EStG, indem die Aufgabe des Gewerbebetriebs oder eines Mitunternehmeranteils oder des Komplementäranteils die gleichen Rechtsfolgen nach sich zieht; in beiden Fällen gehören die Gewinne zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb.4 Weiter regelt § 16 Abs. 3 EStG in seinen Sätzen 2–4 (mit Modifikation in § 16 Abs. 3 Satz 5 EStG) die sog Realteilung einer Mitunternehmerschaft, die bei sichergestellter Besteuerung der stillen Reserven zum Buchwert erfolgt. Der Einbezug von Veräußerungs- und Aufgabegewinnen in die steuerliche Bemessungsgrundlage verhindert eine sonst mögliche Minderbesteuerung bei den Einkünften aus Gewerbebetrieb, die durch Betriebsvermögensvergleich ermittelt werden. Denn die Norm stellt sicher, dass durch den Zugriff auf Veräußerungsgewinne bisher nicht gehobene stille Reserven am Ende des unternehmerischen Engagements in jedem Fall besteuert werden. Dabei entspricht die Erfassung eines Veräußerungsgewinns dem Prinzip der Realisation, wohingegen die Besteuerung eines Aufgabegewinns bei bloßer Überführung der Wirtschaftsgüter in den außerbetrieblichen (privaten) Bereich aus der dualistischen Einkünftekonzeption folgt.5

III. Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft 4.37

Was unter Land- und Forstwirtschaft zu verstehen ist, wird im Gesetz nicht definiert. § 13 EStG regelt in seinen sieben Absätzen – Abs. 1, 2 und 7 – aber, welche Tätigkeiten zu Einkünften aus Land-und Forstwirtschaft gehören. Für steuerrechtliche Zwecke ist zu konstatieren, dass die Landund Forstwirtschaft in § 13 EStG alle Merkmale eines Gewerbebetriebs erfüllt, ohne dass dieses zu Einkünften aus § 15 EStG führt. Was die Land1 2 3 4 5

BFH v. 26.5.1993 – X R 101/90, BStBl. II 1993, 710. BFH v. 7.10.1974 – GrS 1/73, BStBl. II 1975, 168. Wacker in Schmidt30, § 16 EStG Rz. 6. Reiß in Kirchhof10, § 16 EStG Rz. 2. Reiß in Kirchhof10, § 16 EStG Rz. 6.

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A. Relevante Einkunftsarten

und Forstwirtschaft von der gewerblichen Bodenbewirtschaftung abhebt, ist die sog. Urproduktion, die natürliche (nicht bauliche, industrielle, spekulative) Bewirtschaftung des Bodens und die Verwertung der dadurch gewonnenen Erzeugnisse pflanzlicher oder tierischer Art.1 Können die Einkünfte nicht mehr wesentlich auf die Bodenbewirtschaftung zurückgeführt werden, so sind gewerbliche Einkünfte (Ferien- oder Sporthotelbetrieb, Fuhrbetrieb, gewerbliche Tierhaltung und Tierzucht) oder Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung (Vermietung von Ferienwohnungen im Bauernhaus, Verpachtung eines Bauernhofs durch einen Erwerber, der den Hof nicht bewirtschaftet hat) anzunehmen. Regelmäßig wird es von den Umständen im Einzelfall abhängen, was nach Auffassung des BFH2 jedenfalls für die Entscheidung darüber gilt, ob ein sog. Reiterhof, in dem Pferde gezüchtet und gehalten werden, ein Pensionsstall unterhalten und Reitunterricht erteilt wird, als Einheit zu betrachten und insgesamt als Gewerbebetrieb oder als landwirtschaftlicher Betrieb zu beurteilen ist. Von Anfang an einen selbstständigen Gewerbebetrieb unterhält ein Landwirt, der unter Einsatz eigens dazu angeschaffter Anlagegüter (Forstspezialschlepper) als Holzrücker für Dritte tätig ist.3 Die Tätigkeit im Bereich der Land- und Forstwirtschaft hat auf den ersten Blick wenig mit immateriellen Werten als geistiges Eigentum zu tun. Aber genauso wie bei den Einkünften aus Gewerbebetrieb ist es denkbar, dass in der steuerrelevanten Sphäre des landwirtschaftlichen Betriebs Erfindungen, Entdeckungen, Erfahrungen oder Ideen und andere immaterielle Werte hervorgebracht werden, die sich im Wege der Lizenzierung oder Veräußerung nutzen lassen. Einkünfte daraus gehören dann wegen des Veranlassungsprinzips zu den Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft. Es mag zwar nicht zu den alltäglichen Tätigkeiten eines Landwirts gehören, Erfindungen zu machen. Gleichwohl gehören Erfindungen ggf. – unabhängig davon, ob sie geschützt werden können oder nicht – zum Betriebsvermögen bei den Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft. Denkbar sind Erfindungen bei den Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft in vielfältiger Weise: z.B. in der Entdeckung einer neuen Pflanzenart (Getreide, Obst, Gemüse) durch Kreuzung von Pflanzen, Ideen zur Entwicklung jedweden technisches Geräts zur Erleichterung, Verbesserung oder Beschleunigung der täglichen Arbeit etc. Bei den Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft gehören zu den selbstständigen immateriellen Wirtschaftsgütern häufig und in jedem Fall die mit dem Grund und Boden verbundenen Rechte, z.B. das Fischereirecht4, das Wassernutzungsrecht5, das Jagdrecht6, das Forstrecht7 etc. 1 2 3 4 5 6 7

Lang in Tipke/Lang, Steuerrecht20, § 9 Rz. 404. BFH v. 16.11.1978 – IV R 191/74, BStBl. II 1979, 246. BFH v. 23.1.1992 – IV R 19/90, BStBl. II 1992, 651. Weiterführend Selder in Blümich, § 13 EStG Rz. 118. BFH v. 24.8.1988 – IV R 38/88, BStBl. II 1989, 1016. Weiterführend Selder in Blümich, § 13 EStG Rz. 128. BFH v. 18.7.1974 – IV R 167/69, BStBl. II 1974, 767.

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4.38

Kap. 4: Geistiges Eigentum im Ertragsteuerrecht

IV. Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit 1. Allgemeines

4.39

In § 18 EStG sind die Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit geregelt. Von den beiden anderen Gewinneinkunftsarten hebt sich die Vorschrift durch Erfassung von Tätigkeiten ausgesprochen intellektuellen Charakters mit hoher Qualifikation, die gewöhnlich berufsständischen Regelungen unterliegen, ab.1 Die Zugehörigkeit der Einkünfte zu denen aus selbständiger Tätigkeit in Abgrenzung zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb gem. § 15 EStG findet ihre wesentliche Bedeutung in der nicht vorgesehenen Belastung mit Gewerbesteuer. Dabei hat sich diese Begünstigung „geistiger Tätigkeiten“ im Laufe der Zeit durch die Möglichkeit zur Gewerbesteueranrechnung gem. § 35 EStG teilweise verflüchtigt, während die zuvor geltende Tarifbegrenzung nach § 32c EStG weniger effizient wirkte.2 Auswirkungen zeigt die unterschiedliche Besteuerung der Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit und der aus Gewerbebetrieb in Gemeinden mit einem Hebesatz über 380 % oder wenn die Hinzurechnungen nach § 8 GewStG für die Gewerbesteuer ursächlich sind und ein einkommensteuerliches Entlastungspotenzial fehlt.3 Auch wenn die positiven Einkünfte aus Gewerbebetrieb z.B. durch negative Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung aufgezehrt werden, mithin keine Einkommensteuerschuld entsteht, geht die vorgesehene Anrechnung der Gewerbesteuer ins Leere.

4.40

Was unter selbständiger Arbeit i.S. von § 18 EStG zu verstehen ist, wird im Gesetz nicht per definitionem bestimmt. Vielmehr bedient sich der Gesetzgeber einer Aufzählung, um Tätigkeiten als Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit zu erfassen. In § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG werden dreierlei freiberufliche Tätigkeiten aufgeführt: (a) die wissenschaftliche, künstlerische, schriftstellerische oder erzieherische Tätigkeit; (b) die selbständige Berufstätigkeit der Ärzte, Zahnärzte, Tierärzte, Rechtsanwälte usw. – Katalogberufe – und (c) selbständige Berufstätigkeit der den Katalogberufen ähnlichen Berufen. Einen Oberbegriff für die in § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG genannten freien Berufe gibt es nicht.4

4.41

In § 18 Abs. 1 Nr. 2 EStG wird die Tätigkeit als Einnehmer einer staatlichen Lotterie den Einkünften aus selbständiger Tätigkeit zugeordnet. Gleiches gilt für die Beispiele in § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG: Vergütungen für die Vollstreckung von Testamenten, für Vermögensverwaltung und für die Tätigkeit als Aufsichtsratsmitglied. Nach § 18 Abs. 1 Nr. 4 EStG gehören unter bestimmten Voraussetzungen die von den Beteiligten erbrachten Leistungen zur Förderung des Gesellschafts- oder Gemeinschaftszwecks vermögensverwaltender Gesellschaften oder Gemeinschaften, die Anteile an Kapitalgesellschaften erwerben, halten und veräußern, 1 2 3 4

Brandt in H/H/R, § 18 EStG Rz. 1. Korn in Korn, § 18 EStG Rz. 2. Wacker in Schmidt30, § 35 EStG Rz. 3. Wacker in Schmidt30, § 18 EStG Rz. 5.

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A. Relevante Einkunftsarten

zu den selbständigen Tätigkeiten. Während die in § 18 Abs. 1 Nr. 2–4 EStG aufgeführten Tätigkeiten in Bezug auf die steuerrechtlichen Konsequenzen bei Einsatz geistigen Eigentums keine Bedeutung haben, müssen – auch für die relevanten Tätigkeiten in § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG – die vier positiven Merkmale eines Gewerbebetriebs vorliegen.1 Die freiberufliche Tätigkeit muss daher selbständig, nachhaltig unter Teilnahme am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr mit Gewinnerzielungsabsicht unternommen werden. Die Erzielung von Einkünften i.S. von § 18 EStG setzt eine auf Vermögensmehrung gerichtete Tätigkeit voraus, dh. die Tätigkeit muss auf die Erzielung positiver Einkünfte gerichtet und von einer entsprechenden Absicht begleitet sein.2 Für die Abgrenzung von einer nicht auf die Erzielung von Einkünften gerichteten Tätigkeit, insbesondere der Liebhaberei, gelten die allgemeinen Grundsätze,3 wobei bei künstlerischen Tätigkeiten besonders lange Anlaufphasen zu berücksichtigen sein können. Tätigkeiten von Freiberuflern werden regelmäßig in zwei Formen organisiert: Der Einzelpraxis und in Form des gesellschaftsrechtlichen Zusammenschlusses.4 Die Anwendung von § 18 EStG ist mithin nicht nur auf unternehmerische Engagements einzelner Personen bezogen. § 18 Abs 4 EStG bestimmt die entsprechende Anwendung des § 15 Abs 1 Satz1 Nr. 2, Abs 2 Sätze 2 und 3 EStG sowie des § 15a EStG. Die Rechtsgrundverweisung5 führt einerseits zu der Anwendbarkeit der tatbestandlichen Voraussetzungen der Mitunternehmerschaft nach § 15 Abs 1 Satz 1 Nr. 2 EStG. Andererseits sind auch die Regelungen über die Einkünfte des Mitunternehmers, einschließlich der Einkünfte im Fall einer nur mittelbaren Beteiligung, auf die Einkünfte der einzelnen Mitglieder eines Personenzusammenschlusses mit freiberuflichen Einkünften anwendbar. Dabei werden von der Verweisung sämtliche Arten der selbständigen Tätigkeit nach § 18 Abs 1 Nr. 1–3 EStG erfasst.

4.42

Die Möglichkeiten für eine freiberufliche Zusammenarbeit mehrerer Personen sind vielfältig: Die Organisation in einer GbR (Sozietät im Rechtskleid einer GbR, § 705 BGB) ist genauso möglich wie die in einer Partnerschaft nach dem PartGG, aber auch als Handelsgesellschaften wie OHG oder KG; oder als bloße Innengesellschaften. Die Betätigung mehrerer Personen auf gemeinsame Rechnung kann zum Vorliegen eines konkludenten Gesellschaftsvertrags führen. Der BFH6 nahm z.B. die stillschweigende Gründung einer GbR an, wenn ihre Gesellschafter gemeinsam eine marktfähige Software erarbeiteten, deren wirtschaftliches Ergebnis beiden Gesellschaftern zu gleichen Teilen zugute kommt.

4.43

1 Wacker in Schmidt30, § 18 EStG Rz. 5; BFH v. 30.3.1994 – I R 54/93, BStBl. II 1994, 864. 2 Wacker in Schmidt30, § 18 EStG Rz. 5. 3 BFH v. 25.6.1984 – GrS 4/82, BStBl. II 1984, 751 (764 ff.); Wacker in Schmidt30, § 18 EStG Rz. 5 m.w.N. aus der Rspr. 4 Zur Zulässigkeit: BVerfG v. 15.3.1967 – 1 BvR 575/62, BVerfGE 21, 227. 5 Brandt in H/H/R, § 18 EStG Rz. 429. 6 BFH v. 31.5.2001 – IV R 53/00, BFH/NV 2001, 1547.

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Kap. 4: Geistiges Eigentum im Ertragsteuerrecht

2. Formen des geistigen Eigentums a) Allgemeines

4.44

Der Schaffung bzw. Nutzung des geistigen Eigentums kommt bei der Anwendung von § 18 EStG in den Fällen besondere Bedeutung zu, in denen es das eigentliche Wesen der Tätigkeit ausmacht. Während es bei den aufgezählten Tätigkeiten der Ärzte, Zahnärzte usw. sicherlich auch um die Verwendung geistigen Eigentums z.B. aus der Zeit des Studiums oder den Erfahrungen aus der Zeit der Berufsausübung geht, haftet dieses der Tätigkeit regelmäßig nur an, ohne zwingend einen Mehrwert in Form eines immateriellen Vermögenswerts darstellen zu müssen.1 So kann z.B. ein Arzt oder Rechtsanwalt auf seinem Gebiet hervorragende Leistungen unter Anwendung der aktuellen Ausübungsmethoden erbringen, ohne sich an deren Weiterentwicklung beteiligen zu müssen. Anders sieht das bei den Tätigkeitsformen aus, bei denen die Erarbeitung der geistigen Ergebnisse die eigentliche Tätigkeit ausmacht und die Verwertung der geistigen Ergebnisse z.B. in Form eines Urheberrechts zu den Einnahmen führt. Dieses ist insbesondere bei den Tätigkeiten als Erfinder (Wissenschaftler), Künstler und Schriftsteller der Fall. b) Tätigkeit als Erfinder

4.45

Die Tätigkeiten als Erfinder gehören regelmäßig zu den wissenschaftlichen Tätigkeiten. Die steuerrechtliche Relevanz der Tätigkeit ergibt sich aus der Nutzung (in jeder denkbaren Form) von Ergebnissen, die am Ende eines Entwicklungsprozesses unter Einsatz geistiger Leistung stehen. Wissenschaftlich ist daher eine Tätigkeit, die darauf gerichtet ist, durch Forschung auf einem bestimmten Gebiet argumentativ gestütztes (neues) Wissen hervorzubringen (reine Wissenschaft) oder die Anwendbarkeit wissenschaftlicher Forschungsergebnisse auf konkrete Lebenssachverhalte zu untersuchen (angewandte Wissenschaft).2 Eine solche – forschender Tätigkeit entsprechende – hochstehende, besonders qualifizierte Arbeit kann nur angenommen werden, wenn grundsätzliche Fragen oder konkrete Fälle systematisch in ihren Ursachen erforscht, begründet und in einen Verständniszusammenhang gebracht werden.3 Der so verstandene Begriff einer wissenschaftlichen Tätigkeit erfordert, dass der Tätige 1 Weiterführend Brandt in H/H/R, § 18 EStG Rz. 92; Güroff in Littmann/Bitz/ Pust, § 18 EStG Rz. 87; BFH v. 14.3.1985 – IV R 8/84, BStBl. II 1985, 424: allerdings gehört eine Erfindertätigkeit, die im Rahmen eines Katalogberufs ausgeübt wird, zu diesen Tätigkeiten. 2 Brandt in H/H/R, § 18 EStG Rz. 91. 3 Brandt in H/H/R, § 18 EStG Rz. 91; BFH v. 30.4.1952 – IV 73/52, BStBl. II 1952, 165; v. 13.11.1952 – IV 104/52, BStBl. III 1953, 33; v. 19.1.1956 – IV 465/54 U, BStBl. III 1956, 89; v. 22.1.1971 – VIII 23/65, BStBl. II 1971, 749; v. 18.8.1988 – V R 73/83, BStBl. II 1989, 212; v. 27.2.1992 – IV R 27/90, BStBl. II 1992, 826; v. 26.11.1992 – IV R 109/90, BStBl. II 1993, 235; v. 29.4.1993 – IV R 61/92, BFH/NV 1994, 89; v. 23.11.2000 – IV R 48/99, BStBl. II 2001, 241; v. 8.10.2008 – VIII R 74/05, BStBl. II 2009, 238.

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A. Relevante Einkunftsarten

über wissenschaftliche Kenntnisse und Erfahrungen verfügt. Dabei entstammt der Begriff insbesondere den Fakultäten, die an den Hochschulen gelehrt werden, wenn auch ein Hochschulstudium nicht gesetzlich gefordert ist.1 Die Tätigkeit des Erfindens als solche ist eine selbständige Arbeit i.S. des § 18 EStG. Sie ist darauf gerichtet, etwas Neues und Schöpferisches auf dem Gebiet der Naturwissenschaft zu schaffen.2 I.d.R. wird es sich hierbei um eine „selbständig ausgeübte wissenschaftliche Tätigkeit“ i.S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG handeln.3 Übt der Erfinder seine Haupttätigkeit als Ingenieur und seiner Erfindertätigkeit ebenfalls im Rahmen dieses Berufs aus, so liegt darüber hinaus eine die Annahme eines freien Berufs rechtfertigende Katalogtätigkeit nach § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG vor.4 Voraussetzung für die steuerrechtliche Relevanz der Erfindertätigkeit – vor allem in Bezug auf die steuerrechtliche Anerkennung der im Rahmen einer Erfindertätigkeit erzielten Verluste – ist die Ausübung mit Gewinnerzielungsabsicht.5 Diese muss grundsätzlich bereits bei Beginn der Erfindertätigkeit vorliegen und besteht nach allgemeiner Meinung in dem Streben nach Betriebsvermögensmehrung in Gestalt eines Totalgewinns. Zwar ist es danach unschädlich, wenn in einzelnen Veranlagungszeiträumen tatsächlich keine (positiven) Gewinne erzielt werden; letztendlich muss aber die Absicht bestehen, einen Totalgewinn zu erwirtschaften.

4.46

Der wissenschaftlichen Erfindertätigkeit wird auch noch die Lizenzvergabe zuzurechnen sein. Der BFH6 führt dazu aus:

4.47

„Die Lizenzeinnahmen des Klägers aus der Übertragung seiner Erfinderrechte an die F-AG stellen Einkünfte aus selbständiger Arbeit dar. Für diese Qualifikation ist es unerheblich, dass der Kläger niemals Inhaber des Patentrechts an seiner Erfindung war. Denn es sind nicht nur die Patente selber übertragbar, sondern die Erfinderrechte in ihren verschiedenen Entwicklungsstufen. Die Einkünfte aus der Übertragung von Erfinderrechten sind deshalb Einkünfte aus selbständiger Arbeit.“

Gleiches gilt für ähnliche Einkünfte aus der Übertragung nach Art eines Verkaufs.7 In einem solchen Fall wertet der Erfinder sein Patent nicht selbst aus; er nimmt vielmehr lediglich mittelbar an der Patentauswertung Dritter teil. In Abgrenzung zu den Einkünften aus freiberuflicher Tätigkeit kann die Lizenzierung oder Übertragung im Einzelfall auch gewerblich sein, wenn 1 Brandt in H/H/R, § 18 EStG Rz. 91; BFH v. 23.11.2000 – IV R 48/99, BStBl. II 2001, 241. 2 BFH v. 9.2.1967 – IV 291/64, BStBl. III 1967, 310; v. 20.1.1974 – I R 1/73, BFHE 114, 530; v. 2.6.1976 – I R 20/74, BStBl. II 1976, 666. 3 BFH v. 1.6.1978 – IV R 152/73, BStBl. II 1978, 545. 4 BFH v. 1.6.1978 – IV R 152/73, BStBl. II 1978, 545. 5 BFH v. 25.6.1984 – GrS 4/82, BStBl. II 1984, 751; v. 27.3.2001 – X B 60/00, BFH/NV 2001, 1381; für den Fall langjähriger Anlaufverluste: BFH v. 14.3.1985 – IV R 8/84, BStBl. II 1985, 424. 6 BFH v. 18.10.1989 – I R 126/88, BStBl. II 1990, 377. 7 Güroff in Littmann/Bitz/Pust, § 18 EStG Rz. 87.

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4.48

Kap. 4: Geistiges Eigentum im Ertragsteuerrecht

der Erfinder die Produktion und Veräußerung des Gegenstands der Erfindung selbst durchführt. Z. B. ist es denkbar, dass ein Steuerpflichtiger Ergebnisse einer an sich freiberuflichen (z.B. ingenieurmäßigen, künstlerischen, schriftstellerischen oder wissenschaftlichen) Tätigkeit nicht unmittelbar selbst verwertet, sondern einem gleichfalls von ihm betriebenen Gewerbebetrieb zur Verwertung überlässt.1 In einer solchen Gestaltung wird die Erfindung freilich notwendiges Betriebsvermögen des vom Steuerpflichtigen (nebenbei) betriebenen Verwertungsbetriebs. Eine solche Einordnung wird auch die Vervielfältigung und der Vertrieb eigener schriftstellerischer Erzeugnisse – nämlich als Verlagsbetrieb – erfahren.2 Weitere Möglichkeiten zur Verwertung geistigen Eigentums, die zur Gewerblichkeit einer an sich freiberuflichen Arbeit führen, finden sich in der Entscheidung des BFH vom 30.11.19783: Verwertung eigens hergestellter Rezepturen und Arzneimittel eines Apothekers oder ein Bauunternehmer (Diplomingenieur), der aufgrund eigener Pläne und statischer Berechnungen Häuser erstellt und veräußert. Gleichwohl geht der BFH in seiner Urteilsbegründung davon aus, dass ein Erfinder, Apotheker oder Diplomingenieur zweifelsfrei freiberufliche Einkünfte erziele, wenn er seine Erfindungen, Rezepturen oder Pläne einem anderen gegen Entgelt überlasse oder die zur Erreichung der Patentreife notwendigen Arbeiten anderen Personen überlasse und deswegen Eigenverantwortlichkeit des Steuerpflichtigen fehle.4 Letzteres gelte auch für den Fall, dass ein freier Erfinder seine Patente und ungeschützten Erfindungen im Rahmen einer Betriebsaufspaltung lizenziert.5 Weiterhin in den Bereich von § 18 EStG gehören die Einkünfte aus Lizenzvertrag jedoch dann, wenn die Erfindung im eigenen Gewerbebetrieb genutzt werden soll, aber weiterhin Betriebsvermögen nach § 18 EStG bleibt.6 Veräußert ein selbständiger Erfinder seine Ansprüche aus einem Lizenzvertrag gegen wiederkehrende Bezüge in Form eine Leibrente, gehören die Bezüge aus der Leibrente nicht zu den sonstigen Einkünften gem. § 22 Nr. 1 EStG, sondern zu den nachträglichen Einkünften aus seiner ehemaligen Erfindertätigkeit gem. § 24 Nr. 2 EStG und damit zu den Einkünften aus § 18 Abs. 1 EStG.7

4.49

Eine Zufallserfindung besteht in einer Idee, die ohne weitere, notwendig vorzunehmende Tätigkeiten verwertungsreif ist. Soweit Güroff8 die Auffassung vertritt, die Zufallserfindung beruhe daher nicht auf einer wissenschaftlichen Tätigkeit, ist ihm in dieser Klarheit seiner Aussage nicht zuzustimmen. Ein Zufall liegt dann vor, wenn ein Ereignis – hier in Form 1 BFH v. 29.4.1993 – IV R 61/92, BFH/NV 1994, 89; v. 8.6.1995 – IV R 80/94, BStBl. II 1995, 776. 2 BFH v. 11.5.1976 – VIII R 111/71, BStBl. II 1976, 641; v. 30.11.1978 – IV R 15/73, BStBl. II 1979, 236. 3 BFH v. 30.11.1978 – IV R 15/73, BStBl. II 1979, 236. 4 BFH v. 11.9.1969 – IV R 160/67, BStBl. II 1970, 317. 5 BFH v. 23.9.1998 – XI R 72/97, BStBl. II 1999, 281. 6 BFH v. 26.4.2001 – IV R 14/00, BStBl. II 2001, 798. 7 BFH v. 18.10.1989 – I R 126/88, BStBl. II 1990, 377. 8 Güroff in Littmann/Bitz/Pust, § 18 EStG Rz. 88.

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A. Relevante Einkunftsarten

eines verwertbaren Ergebnisses – nicht durch kausale Vorereignisse erklärbar ist oder anders ausgedrückt: Es mangelt an einer erkennbaren Ursache für den Eintritt oder das Vorliegen eines Ergebnisses. Der Zufall entzieht sich damit der Planmäßigkeit. Deswegen ist es konsequent, jedwede Vergütung aus dem wirtschaftlichen Nutzen der Zufallserfindung mangels Nachhaltigkeit der Tätigkeit nicht unter die freiberuflichen Einkünfte zu subsumieren. Veräußerungserlöse gehören zu den Einkünften aus § 22 Nr. 3 EStG.1 Eine Zurechnung der Zufallserfindung zu den freiberuflichen Tätigkeiten des Steuerpflichtigen kommt aber dann in Betracht, wenn die Zufallserfindung ohne die Berufsausübung entweder überhaupt nicht oder nur schwer denkbar ist.2 c) Tätigkeit als Künstler aa) Begriff der Kunst im Steuerrecht Die Einordnung, ob der Steuerpflichtige als Künstler i.S. des § 18 Abs. 1 EStG anzusehen ist, entscheidet über die Gewerbesteuerpflicht bzw. -freiheit nach § 2 Abs. 1 Satz 2 GewStG und über den Umfang der steuerrechtlichen Buchführungspflichten aus den §§ 140 ff. AO sowie über die Zugehörigkeit des der Tätigkeit dienenden Vermögens zum Betriebsvermögen.3 Diese Rechtsfolgenrelevanz der Auslegung des Merkmals „künstlerische Tätigkeit“ macht eine objektive Entscheidung über die Zuordnung erforderlich; es kann nicht allein der subjektiven Einstellung eines Steuerpflichtigen überlassen bleiben, für steuerrechtliche Zwecke als Künstler oder Gewerbetreibender zu gelten.4 Der Begriff der künstlerischen Tätigkeit ist im Übrigen auch für die Begünstigung nach § 3 Nr. 26 EStG von Bedeutung. Denn danach sind Einnahmen aus nebenberuflichen Tätigkeiten als Künstler bis zur Höhe von 2 100 Euro im Jahr steuerfrei.

4.50

Eine allgemeine Definition, was unter Kunst zu verstehen ist, gibt es nicht. Immanent ist der „Kunst“ eine freie, schöpferische Gestaltung, in der Eindrücke, Erfahrungen und Erlebnisse durch das Medium einer bestimmen Formensprache zu unmittelbarer Anschauung gebracht werden.5 Betätigungen in künstlerischer Art und Weise sind formal in musizierende, literarische, darstellende und bildnerische Ausprägungen gegliedert. Eine klare Grenzziehung für den Begriff „Kunst“ und seine Reichweite ist nicht möglich; denn es gelten in den jeweiligen Gesellschaften und Epochen unterschiedliche – von den jeweiligen historischen Bedingungen abhängige – Maßstäbe. Nur mit Hilfe dieser Maßstäbe kann bestimmt werden, was Kunst ist und welchen Wert und welche Bedeutung ein Kunstwerk hat.6 In

4.51

1 2 3 4 5

BFH v. 18.6.1998 – IV R 29/97, BStBl. II 1998, 567. Güroff in Littmann/Bitz/Pust, § 18 EStG Rz. 88. § 96 BewG. Brandt in H/H/R, § 18 EStG Rz. 101. Grundlegend (Mephisto-Fall) BVerfG v. 24.2.1971 – 1 BvR 435/65, BVerfGE 30, 173; Wacker in Schmidt30, § 18 EStG Rz. 66. 6 BFH v. 19.8.1982 – IV R 64/79, BStBl. II 1983, 7; v. 12.4.1984 – IV R 97/81, BStBl. II 1984, 491.

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Kap. 4: Geistiges Eigentum im Ertragsteuerrecht

steuerrechtlicher Hinsicht besteht angesichts der unterschiedlichen Auswirkungen der Zuordnung erzielter Einkünfte zu den gewerblichen oder aus selbständiger Arbeit aus Gründen der Vorhersehbarkeit und Berechenbarkeit ein verfassungsrechtliches Definitionsgebot.1

4.52

Der BFH2 erblickt das Wesen der Kunst in einer eigenschöpferischen Leistung, in der sich eine individuelle Anschauungsweise und besondere Geltungskraft widerspiegelt und die eine gewisse künstlerische Gestaltungshöhe erreicht. In zweifelhaften Fällen bedient sich der BFH einer Wertung im Einzelfall. Dafür zieht er Kriterien heran, mittels derer er entscheidet, ob der für eine „künstlerische“ Tätigkeit vorauszusetzende Qualitätsstandard erreicht ist. Diese Kriterien sind bei einem Orchestermusiker, der nebenberuflich Musikunterricht erteilt, u.a. die manuelle Geschicklichkeit, die Tongebung, die rhythmische Genauigkeit, die Sauberkeit der Intonation sowie die Wendigkeit in der Umsetzung des musikalischen Texts.3 Ein musikalischer Laie werde allerdings nach Auffassung des BFH zur Bewertung solcher Fähigkeiten eines Musikers kaum imstande sein; die Frage, ob im Einzelfall hinreichende künstlerische Fähigkeiten vorlägen, könne deshalb i.d.R. nur aufgrund eines Gutachtens beantwortet werden.

4.53

In weiterer Definition löst sich der BFH zur Bestimmung des Begriffs der künstlerischen Tätigkeit von anderen Rechtsgebieten, wie etwa dem Urheberrecht.4 Auch ist keine künstlerische Ausbildung erforderlich oder entscheidend.5 Zu unterscheiden ist vielmehr eine Dreiteilung in freie Kunst, Kunstgewerbe und Kunsthandwerk, sog. Gebrauchskunst. Diese Unterteilung findet ihre Rechtfertigung in der Einordnung der (zweck-)freien Kunst als künstlerische Tätigkeit i.S. von § 18 EStG, während bei den beiden anderen Bereichen zweckgebundener Gebrauchskunst im Hinblick auf den vermittelten praktischen Nützlichkeitswert auch eine gewerbliche Tätigkeit vorliegen kann, so dass nach den Verhältnissen des Einzelfalls zu prüfen ist, ob die Tätigkeit noch künstlerisch iSd. § 18 Abs. 1 EStG ist.6

4.54

Unter zweckfreier Kunst werden die Betätigungen verstanden, deren Gegenstände keinen Gebrauchswert haben und allein auf ihre ästhetische Wirkung – auch in zeichentheoretischer Hinsicht – gerichtet sind.7 Da1 2 3 4

Ganz h.M., vgl nur Güroff in Littmann/Bitz/Pust, § 18 EStG Rz. 90 m.w.N. St.Rspr., zuletzt BFH v. 18.4.2007 – XI R 21/06, BStBl. II 2007, 702. BFH v. 12.4.1984 – IV R 97/81, BStBl. II 1984, 491. Nach dem Urt. des BFH v. 19.8.1982 – IV R 64/79, BStBl. 1983, 7 kann die Entscheidung über das Vorliegen einer künstlerischen Tätigkeit nicht unter Rückgriff auf das Urheberrecht ermittelt werden, weil das Urhebergesetz für den Begriff der geistigen Schöpfung (§ 2 Abs. 2 UrhG) zu geringe Anforderungen stellt. 5 Brandt in H/H/R, § 18 EStG Rz. 102. 6 Ausführlich darstellend Brandt in H/H/R, § 18 EStG Rz. 102; BFH v. 29.7.1981 – I R 183/79, BStBl. II 1982, 22; Kempermann, FR 1992, 250. Die Unterscheidung ermögliche – jedenfalls für den Bereich der zweckfreien Kunst – vielfach ohne Sachverständigengutachten Freiberuflichkeit a.A. Heuer, DStR 1983, 638: Die Rspr. differenziere in unzulässiger Weise innerhalb der Kunst. 7 Güroff in Littmann/Bitz/Pust, § 18 EStG Rz. 9.

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A. Relevante Einkunftsarten

runter werden sich unproblematisch die traditionell künstlerischen Tätigkeiten wie die eines Malers, Schauspielers, Bildhauers oder Musikers subsumieren lassen. Dies ist anders im Bereich der Gebrauchskunst (Kunstgewerbe oder -handwerk), deren Erzeugnisse einen Gebrauchszweck aufweisen; hier muss im Einzelfall geprüft werden, ob die Tätigkeit als künstlerisch einzustufen ist. Der BFH knüpft dabei an den Beruf an, wie z.B. bei Gebrauchsgrafikern, Modezeichnern, Werbefotografen usw. Dabei berücksichtigt der BFH, dass beim Entwerfen von Gebrauchsgegenständen der notwendig einzuhaltende Gebrauchszweck und die dadurch bedingte Formgestaltung häufig den Spielraum für eine individuelle Gestaltungsmöglichkeit und für vielfache Sinngebungen seitens des Adressaten einschränken. Allerdings hat der BFH nicht in jedem Fall darauf abgestellt, dass der Kunstwert den Gebrauchswert übersteigt.1 In späteren Urteilen vertrat der BFH weiterhin die Auffassung, Erzeugnisse eines Industrie-Designers ebenso wie die eines Gebrauchsgrafikers hätten dann nicht Ausdruck einer individuellen Anschauung und Gestaltungskraft, wenn die Formgebung aus dem allgemeinen Formenschatz entnommen ist oder auf bekannte Vorbilder zurückginge.2 Daraus kann der Schluss gezogen werden, dass die Verwendung mechanischer Schablonen bei der Anfertigung von Bildern einer Qualifikation der Tätigkeit als Kunst entgegen steht.3 Das Gleiche gilt für die reine Übertragung vorgegebener Formen und Farben in ein anderes Material und/oder eine andere Größe.4 Kein individuelles Gestalten ist die durch Marktkenntnis erworbene Fähigkeit, für Gebrauchsgegenstände diejenige vorgefundene Form zu verwenden, die dem gegenwärtigen Käufergeschmack entspricht.5

4.55

Kirchhof6 sieht in der (steuerrechtlich relevanten) Kunst das Ergebnis aus persönlichkeitsgeprägtem Gestalten, das dem Empfänger ein eigenständiges, über die dem Künstler bewusste Aussage hinauswirkendes Erleben ermöglicht. Diese Definition stellt eine Synthese zwischen dem bisher vom BFH verwendeten material-wertbezogenen Kunstbegriff (Leistung, in der die individuelle Anschauungsweise und die Gestaltungskraft des Künstlers zum Ausdruck kommt) und dem vorbezeichneten zeichentheoretischen Ansatz des BVerfG dar.7

4.56

bb) Nutzung der künstlerischen Ergebnisse Lässt sich die Tätigkeit als künstlerische Betätigung i.S. von § 18 EStG einordnen, sind die daraus resultierenden Einkünfte steuerpflichtig. Für 1 2 3 4 5 6 7

Zum Beispiel nicht in BFH v. 14.12.1976 – VIII R 76/75, BStBl. II 1977, 474. BFH v. 23.8.1990 – IV R 61/89, BStBl. II 1991, 20. BFH v. 14.8.1980 – IV R 9/77, BStBl. II 1981, 21; Kempermann, FR 1992, 250. BFH v. 11.7.1991 – IV R 15/90, BStBl. II 1991, 889. Kempermann, FR 1992, 250. NJW 1985, 225. Brandt in H/H/R, § 18 EStG Rz. 103.

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4.57

Kap. 4: Geistiges Eigentum im Ertragsteuerrecht

die Besteuerung ist es ohne Bedeutung, welcher Art die künstlerische Betätigung ist. Das Gesetz unterscheidet insoweit nicht zwischen der Tätigkeit eines Musikers oder eines Bildhauers. Es gelten vielmehr die allgemeinen Grundsätze für alle künstlerischen Tätigkeiten gleichermaßen. Dabei werden die Schöpfungen des Künstlers entweder übertragen oder aber lizenziert. d) Tätigkeit als Schriftsteller

4.58

Das Gesetz selbst enthält keine Definition, was unter einer schriftstellerischen Tätigkeit zu verstehen ist. Daher soll der allgemeine Sprachgebrauch maßgebend sein.1 Unter Einbezug der Rechtsprechung ist eine schriftstellerische Tätigkeit anzunehmen, wenn in selbständiger Gestaltung Gedanken schriftlich für die Öffentlichkeit niedergelegt werden.2 Wie bei der künstlerischen Tätigkeit ist ein eigenschöpferisches Element erforderlich, das die Qualifikation als freiberufliche Tätigkeit rechtfertigt. Demgemäß ordnet die Rechtsprechung folgende Tätigkeiten als solche aus schriftstellerischer Betätigung ein: die Verfassung von Texten für Bücher, schöngeistige Literatur wie Romane, Biographien, Reisebeschreibungen3 und auch Fachliteratur.4 Zur Abgrenzung von einer künstlerischen Tätigkeit bei einem „Journalisten und künstlerischen Mitarbeiter“ wird auf das Urteil des BFH vom 3.2.19775 verwiesen. Die Abgrenzung des Schriftstellers zum Journalisten ist durch die Aufnahme der journalistischen Tätigkeit in die Katalogberufe und die Abschaffung von § 34 Abs 4 EStG aF nicht mehr bedeutsam.

4.59

Ein „schriftliches Niederlegen für die Öffentlichkeit“ als Voraussetzung für die Annahme einer schriftstellerischen Tätigkeit erfordert nicht, dass die aufgeschriebenen Gedanken auch tatsächlich veröffentlicht werden. Der Anforderung ist bereits Genüge getan, wenn die Gedanken in äußerlich erkennbarer Form – meistens schriftlich – fixiert wurden. Mithin übt auch derjenige eine schriftstellerische Tätigkeit aus, der in Auftragsarbeit Beiträge für die Nutzung durch Dritte verfasst. Das gilt ebenso für einen „Ghostwriter“, der für einen anderen „Schriftsteller“ tätig wird.6 Dies gilt aber auch für einen Schriftsteller, der Beiträge für Dritte (z.B. Rundfunk; öffentliche Vorträge) verfasst.7

4.60

Die „Öffentlichkeit“ als bestimmte Zielgruppe der schriftlich fixierten Gedanken des Schriftstellers muss nicht alle und jeden umfassen. Es ge1 Brandt in H/H/R, § 18 EStG Rz. 111; Güroff in Littmann/Bitz/Pust, § 18 EStG Rz. 108. 2 So schon RFH v. 16.2.1940 – V 296/38, RStBl. 1940, 415; BFH v. 14.5.1958 – IV 278/56 U, BStBl. III 1958, 316; v. 30.10.1975 – IV R 142/72, BStBl. II 1976, 192. 3 BFH v. 22.11.1979 – IV R 88/76, BStBl. II 1980, 152. 4 BFH v. 19.5.1993 – I R 80/92, BStBl. II 1993, 655. 5 BFH v. 3.2.1977 – IV R 112, 72; BStBl. II 1977, 459. 6 FG Hamburg v. 26.2.2001 – II 198/00, EFG 2001, 907. 7 BFH v. 14.5.1958 – IV 278/56 U, BStBl. III 1958, 316; FG Nürnberg v. 2.7.1979 – V 193/79, EFG 1980, 599.

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A. Relevante Einkunftsarten

nügt ein zahlenmäßig von vornherein nicht bestimmter Personenkreis. Die Zahl der Adressaten kann im Einzelfall auch beschränkt sein, z.B. bei Ausführungen für eine fachkundige Zielgruppe in einer Fachzeitschrift, einem Lehrbuch, Kommentar etc.1 Auch ist ein bestimmter Vertriebsweg (z.B. Internet, Buchhandel) nicht erforderlich. Demgemäß ist nicht für die Öffentlichkeit bestimmt ein von vorneherein und ausschließlich für private Zwecke verfasstes Werk. Das kann z.B. ein Tagebuch sein oder ein Brief. Auch die selbstverfassten Manuskripte eines Trauerredners, die auf Totenfeiern vorgetragen werden, können nach Auffassung des BFH nicht für die Öffentlichkeit bestimmt sein.2

4.61

Keine Voraussetzung für die Annahme einer schriftstellerischen Tätigkeit ist, dass das Geschriebene besonderen Qualitätsanforderungen genügen muss. Das Resultat muss weder von einem Dichter oder Gelehrten verfasst worden sein, noch sind wissenschaftliche oder künstlerische Inhalte erforderlich. Auch eine sprachlich oder stilistisch besondere Form ist nicht erforderlich. Gleiches gilt für die Sprache. Der Begriff schriftstellerische Tätigkeit wird mithin seit jeher entsprechend dem allgemeinen Sprachgebrauch folgend weit ausgelegt.3 Es gilt also nicht die Unterscheidung zwischen einem Ge1brauchs- und einem Kunstzweck, so dass die schriftstellerische Tätigkeit weiter geht als künstlerische Betätigung i.S. von § 18 EStG.4

4.62

Mithin stellt sowohl das Verfassen von Funkwerbetexten als auch die Tätigkeit als Werbetexter eine freiberufliche Beschäftigung dar.5 Gleiches gilt für einen Werbetexter, der ua. Firmenzeitschriften und Informationsbroschüren textlich gestaltet.6 Besprechung von Gerichtsurteilen;7 auch das Erstellen von Kreuzworträtseln stellt eine schriftstellerische Tätigkeit dar.8 Das Verfassen und Niederschreiben von Reden kann ebenso eine schriftstellerische Tätigkeit sein.9 Auch das Verfassen eines für die Öffentlichkeit bestimmten Software-Lernprogramms10 gehört zu den schriftstellerischen Tätigkeiten wie auch das Schreiben von Internet-Börsenbriefen11 sowie einer Anleitung zum Umgang mit technischen Geräten12 und Niederlegungen eines analytischen Parlamentsstenografen.13 Auch

4.63

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13

BFH v. 19.5.1993 – I R 80/92, BStBl. II 1993, 655. BFH v. 29.7.1981 – I R 187/79, BStBl. II 1982, 22. BFH v. 30.10.1975 – IV R 142/72, BStBl. II 1976, 192. BFH v. 18.1.1962 – IV 260/70 U, BStBl. III 1962, 131; Güroff in Littmann/Bitz/ Pust, § 18 EStG, Rz. 108a. BFH v. 14.5.1958 – IV 278/56 U, BStBl. III 1958, 316. FG Nürnberg v. 2.7.1979 – V 193/79, EFG 1980, 599. BFH v. 11.5.1976 – VIII R 111/71, BStBl. II 1976, 641. FG Düsseldorf v. 11.12.1970 – X 68/69 E, EFG 1971, 229. BFH v. 23.6.1981 – VIII R 138/80, BStBl. II 1982, 622. BFH v. 10.9.1998 – IV R 16/97, BStBl. II 1999, 215. FG Schl.-Holst. v. 2.11.2006 – 5 K 32/06, EFG 2007, 524. BFH v. 25.4.2002 – IV R 4/01, BStBl. II 2002, 475; FG Bremen v. 11.6.2003 – 2 K 324/02, EFG 2003, 1384. FG Nds. v. 12.3.2003 – 4 K 601/95, EFG 2004, 567.

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Kap. 4: Geistiges Eigentum im Ertragsteuerrecht

der Plagiator (hier: Übersetzer von Weltliteratur) ist schriftstellerisch tätig.1 Da die Qualität der Arbeit keine Rolle spielt, kann die Schriftstellerei im Bereich schriftlicher Gedankenäußerung zum Auffangtatbestand qualitativ minderer künstlerischer Tätigkeit werden.2

4.64

Ein Schriftsteller erzielt keine Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit mehr, sondern überschreitet die Schwelle zum Gewerbebetrieb, wenn die Verwertung der eigenen Werke ein Ausmaß annimmt, das der Tätigkeit eines Schriftstellers wesensfremd ist, z.B. Umfang der organisatorischen Maßnahmen, Einsatz erheblicher – nicht der Ausübung der freiberuflichen Tätigkeit dienender – technischer Hilfsmittel und fremder Arbeitskräfte, damit verbundener räumlicher Bedarf, Höhe des Werbeaufwands, Zahl der Vervielfältigungen und der laufenden Versendungen. Denn durch die unlösbare Verflechtung mit der gewerblichen Vervielfältigung und dem Massenvertrieb verliert die ihrer Natur nach schriftstellerische Tätigkeit dadurch ihren freiberuflichen Charakter.3 Die Grenze zum Gewerbebetrieb ist mithin überschritten, wenn sich die Mithilfe der fachlich vorgebildeten Mitarbeiter nicht lediglich auf unterstützende Tätigkeiten in Form von Zu- und Vorarbeiten beschränkt und deswegen die endgültige Abfassung des Werks nicht durch den Schriftsteller selbst erfolgt. Betreibt der Schriftsteller einen eigenen Verlag, in dem er seine Werke verlegt und anschließend verkauft, neigt der BFH dazu, eine einheitlich als gewerblich zu beurteilende Tätigkeit anzunehmen.4

4.65

Ebenfalls schriftstellerische Tätigkeit soll in der entgeltlichen Überlassung eines erlangten, nicht selbst geschaffenen Urheberrechts liegen.5 Erhalten die Erben eines Autors noch Vergütungen, stellen die Leistungen nachträgliche Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit gem. §§ 18 i.V.m. 24 Nr. 2 EStG dar:6 Es handele sich lediglich um die Umsetzung der noch vom Erblasser erbrachten Leistungen am Markt. Ebenfalls als nachträgliche Einkünfte aus schriftstellerischer Tätigkeit werden Schadensersatzzahlungen für die Verletzung des Urheberrechts angesehen.7

1 2 3 4

FG Düsseldorf v. 15.9.1981 – XI 230/77 E, EFG 1983, 27. Heuer, DStR 1983, 638. Zum Ganzen BFH v. 11.5.1976 – VIII R 111/71, BStBl. II 1976, 641. BFH v. 30.11.1978 – IV R 15/73, BStBl. II 1979, 236; v. 3.4.2001 – IV B 15/00, BFH/NV 2001, 1280. 5 BFH v. 9.1.1964 – IV 93/62 U, BStBl. III 1964, 206; a.A. Hutter in Blümich, § 18 EStG Rz. 102: Qualifikation als Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung gem. § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EStG. 6 BFH v. 27.11.1992 – IV B 109/91, BFH/NV 1993, 293 zu Honoraransprüchen für Nachlieferungen und von einem nachfolgenden Autor verfasste Neuauflagen. 7 BFH v. 27.11.1992 – IV B 129/01, BFH/NV 1993, 471; Bödefeld, BB 1988, 1724.

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A. Relevante Einkunftsarten

V. Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit 1. Allgemeines Die Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit i.S. des § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EStG gehören gem. § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 EStG zu den Überschusseinkunftsarten. Was unter dem Begriff „nichtselbständige Arbeit“ zu verstehen ist, wird in § 19 EStG nicht positiv definiert. Vielmehr umschreibt das Gesetz durch Aufzählung von Einnahmemöglichkeiten den Begriff der nichtselbständigen Arbeit. Ebendies führt auch dazu, dass die Regelung in § 19 Abs. 1 EStG nicht definiert, was zu den Einkünften aus nichtselbständiger Tätigkeit gehört. Aus der Aufzählung in § 19 Abs. 1 EStG und dem gesetzlichen Befehl in § 19 Abs. 1 Satz 1 EStG kann aber eine Einordnung erfolgen: Als erstes kann festgehalten werden, dass die Einkünfte aus nichtselbständiger in Abgrenzung zu selbständiger Tätigkeit stammen müssen, was ein Merkmal in qualitativer Hinsicht ist. Des Weiteren müssen aus der Tätigkeit in quantitativer Hinsicht Einkünfte resultieren. Und schließlich lässt sich aus der Verbindung von qualitativem und quantitativem Element der Schluss ziehen, dass die Einkünfte durch die Tätigkeit veranlasst sein müssen.

4.66

Allgemeinhin wird die Begriffsbestimmung, Auslegung und Reichweite der einzelnen Merkmale unter Einbezug der Regelungen in der Lohnsteuerdurchführungsverordnung vorgenommen. Die Qualifikation einer nichtselbständigen Tätigkeit kann nämlich aus dem Vorliegen eines Arbeitnehmers, Arbeitgebers und eines Dienstverhältnisses erfolgen. Diese Begriffe sind in § 1 Abs. 1–3 LStDV definiert. Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit bestehen regelmäßig in dem Arbeitslohn, der in § 2 LStDV legal definiert wird. Daraus ergibt sich insgesamt, welche Person eine nichtselbständige Tätigkeit ausübt und welche Einnahmen zu den Einkünften aus nichtselbständiger Tätigkeit gehören.

4.67

Die Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit lassen sich von den betrieblichen Gewinneinkunftsarten durch das fehlende Merkmal der Selbständigkeit entscheidend abgrenzen. Unselbständigkeit bedeutet in wirtschaftlicher Hinsicht, ohne eigenes Risiko für fremde Rechnung tätig zu werden. In tatsächlicher Hinsicht liegt eine unselbständige Tätigkeit vor, wenn sie unter Anleitung eines anderen (letztlich des selbständig Tätigen, der sich der unselbständigen bedient) in dessen wirtschaftlichen, bzw. betrieblichen Organismus eingegliedert ist.1

4.68

2. Geistiges Eigentum im Bereich der nichtselbständigen Tätigkeit Im Grundsatz können alle Tätigkeiten, die als freiberufliche Tätigkeiten zu Einkünften aus § 18 EStG führen, auch zu Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit führen, wenn sie im Rahmen einer abhängigen Beschäftigung erbracht werden. So können Schauspieler (Kunst im weitesten Sinn), 1 Pflüger in H/H/R, § 19 EStG Rz. 19.

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4.69

Kap. 4: Geistiges Eigentum im Ertragsteuerrecht

die an Spielfilmen, Fernsehproduktionen oder am Theater engagiert sind und dort mitwirken, Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit erzielen.1 Gleiches gilt für Opernsänger. Zu Gastspielen verpflichtete Künstler können selbständig tätig sein, wenn sie eine fertig einstudierte Rolle mitbringen und bei Proben maßgeblichen Einfluss auf die Art der künstlerischen Darbietung nehmen können.2 Musiker, die im Rahmen eines Nebenjobs in einer Gaststätte musizieren, werden regelmäßig Arbeitnehmer des Gastwirts sein. Allerdings kann die Tätigkeit als selbständige zu qualifizieren sein, wenn es sich nicht um eine regelmäßige, sondern um eine gelegentliche Tätigkeit handelt.3 Hingegen wird ein Musiker nicht in abhängiger Beschäftigung tätig, wenn er auf privaten Feiern (Geburtstag, Hochzeit und dergl.) auftritt.4 Bildhauer, die für eine Film- oder Fernsehproduktion tätig werden, sind selbständig tätig, wenn sie unter eigener Firma mit eigenem Personal arbeiten.5 Regisseure werden nichtselbständig tätig, wenn sie über einen längeren Zeitraum Fernsehfilme bei derselben Rundfunkanstalt bearbeiten, und zwar auch dann, wenn die Entlohnung nach jedem Film erfolgt.6 Eine weitere Einordung derartiger Tätigkeiten nimmt das BMF in seinem Schreiben vom 5.10.19907 vor. Journalisten können je nach dem Grad ihrer Eingliederung als Arbeitnehmer oder selbständig tätig sein.

VI. Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung 1. Allgemeines

4.70

Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung i.S. des § 21 EStG sind Quelleneinkünfte aus der zeitlich begrenzten, entgeltlichen Überlassung von Sach- und Realvermögen i.S. des § 21 Abs. 1 Satz 1 EStG zur Nutzung.8 Die Voraussetzung der zeitlichen Begrenzung der Nutzungsüberlassung ergibt sich ausdrücklich aus § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EStG. In dieser Vorschrift ist des Weiteren die „Überlassung von Rechten, insbesondere von schriftstellerischen, künstlerischen und gewerblichen Urheberrechten, von gewerblichen Erfahrungen und von Gerechtigkeiten und Gefällen“ 1 BFH v. 6.10.1971 – I R 206/66, BStBl. II 1972, 88; zur Qualifikation von Ausschließlichkeitsveträgen zwischen Schauspieler und z.B. Produktionsgesellschaft, die ihr „Recht“ auf Tätigkeiten des Schauspielers anderen übertragen kann, BFH v. 31.5.1972 – I R 94/69, BStBl. II 1972, 697; v. 15.9.1971 – I R 202/67, BStBl. II 1972, 281. 2 BFH v. 24.5.1973 – IV R 118/72, BStBl. II 1972, 636; Sänger als Arbeitnehmer in BFH v 6.11.1970 – VI 385765, BStBl. II 1971, 22; dagegen Vertreter in einem Orchester FG Köln v.21.7.1981 – II (XIV) 405/79 E, EFG 1982, 345. 3 Z.B. FG Hess. v. 11.9.1980 – IX 30/78, EFG 1980, 245. 4 So wohl auch Wolf, FR 2002, 202. 5 BMF v 5.10.1990 – IV B 6 - S 2332 - 73/90, BStBl. I 1990, 638. 6 FG Berlin v. 28.6.1972 – VI 39, 40/72, EFG 1972, 614. 7 BMF v. 5.10.1990 – IV B 6 - S 2332 - 73/90, BStBl. I 1990, 638 insbesondere für die Frage des Steuerabzugs; geändert durch OFD Münster, Kurzinformation ESt Nr. 16/2009 v. 27.5.2009, DB 2009, 1268. 8 Lang in Tipke/Lang, Steuerrecht20, § 9 Rz. 508 mit umfangreichen Nachweisen.

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A. Relevante Einkunftsarten

normiert und die Zugehörigkeit der Einkünfte daraus zu denen aus Vermietung und Verpachtung angeordnet. Die Regelung soll sich vor allem auf die Einkünfte aus der Verwertung des durch Rechtsgeschäft oder im Erbgang erworbenen (kulturellen) Urheberrechts, aus der Lizenz gewerblicher Schutzrechte (Patente, Gebrauchs-, Geschmacksmuster, Warenzeichen) und aus der Überlassung von nicht geschütztem technischen Erfahrungswissen (Know-how) erstrecken.1 Im Wesentlichen geht es um die Überlassung von Urheberrechten, von geschützten oder ungeschützten Erfindungen oder gewerblichen Erfahrungen. Erfindungen sind Erkenntnisse bzw. Verfahren, die idR auf der Basis wissenschaftlicher Methoden als Ergebnisse anstrengender geistiger Arbeit mit den Merkmalen einer Forschungstätigkeit erkannt bzw. erreicht werden.2 Wenn sie gewerblich nutzbar sind, können sie als Patent oder Gebrauchsmuster geschützt werden, es sei denn, eine gesetzgeberische Anordnung steht dem entgegen. Hervorzuheben ist das Kriterium der zeitlich begrenzten Überlassung, das im Spannungsverhältnis zur endgültigen Überlassung im Wege der Veräußerung oder Abtretung steht. Von § 21 EStG werden nur Einkünfte aus der zeitlich begrenzten Überlassung erfasst. Eine zeitlich begrenzte Überlassung liegt nach Auffassung des BFH3 auch dann vor, wenn bei Abschluss des Vertrags ungewiss ist, ob und wann die Überlassung zur Nutzung endet. Das gilt auch, wenn das Recht nach Übertragung vom Berechtigten an den Übertragenden zurückfallen kann, wobei unerheblich ist, wer den Rückfall herbeiführen kann.4 Wie bei allen Einkunftsarten ist natürlich auch bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung das Element der Einkünfteerzielungsabsicht5 zu verlangen, bei dessen Fehlen die Überlassung in den steuerrechtlich unbedeutenden Bereich der Liebhaberei abdriftet.

4.71

Die Zugehörigkeit der Einkünfte aus der Überlassung von Rechten zu den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung wird durch § 21 Abs. 3 EStG eingeschränkt. Danach sind die Einkünfte der in Abs. 1 und Abs. 2 bezeichneten Art den Einkünften aus anderen Einkunftsarten zuzurechnen, wenn sie zu diesen gehören. Daraus folgt grds. die Subsidiarität der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung.6 Die Anwendung von § 21 EStG ist vor allem dann ausgeschlossen, wenn das vermietete oder verpachtete Wirtschaftsgut zu einem Betriebsvermögen gehört,7 z.B. wenn Lizenzen aufgrund der Überlassung von Patentrechten gezahlt werden, die zu einem Betriebsvermögen gehören.8 Verwertet der Urheber oder Er-

4.72

Lang in Tipke/Lang, Steuerrecht20, § 9 Rz. 514. Von Reden in Littmann/Bitz/Pust, § 21 EStG Rz. 83. BFH v. 7.12.1977 – I R 54/75, BStBl. II 1978, 355. BFH v 23.4.2003 – IX R 57/99, BFH/NV 2003, 1311. Dazu: FG Münster v. 12.5.1990 – XII-IV 7757/86 F, 9036/86 F, 8442/87 F, 1495/88 F, EFG 1991, 481, rkr. 6 Heuermann in Blümich, § 21 EStG Rz. 581. 7 Lang in Tipke/Lang, Steuerrecht20, § 9 Rz. 514. 8 FG München v. 25.1.1957 – III 201/56, EFG 1957, 366.

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Kap. 4: Geistiges Eigentum im Ertragsteuerrecht

finder sein Urheber- oder Schutzrecht selbst, wird regelmäßig die Zurechnung zu den Einkünften aus selbständiger Tätigkeit angezeigt sein; dazu gehören auch die GEMA-Einnahmen eines Textdichters.1 Von § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EStG werden hingegen die Einkünfte aus der Nutzung der in der Vorschrift aufgeführten Rechte erfasst, die ein anderer als der Urheber erzielt. Das werden hauptsächlich die Fälle sein, in denen der Rechtsnachfolger des Erfinders, z.B. der Erbe oder der Erwerber der Erfindung oder des Patents anderen die Ausnutzung dieser Rechte einräumt und dies nicht im Rahmen eines Gewerbebetriebs geschieht.2 Für den Erben wird aber die Besonderheit zu beachten sein, dass er aufgrund der gesetzlich angeordneten Universalsukzession in § 1922 BGB in die Rechtstellung des Erblassers einrückt und daher – konsequent – Einkünfte aus § 18 EStG erzielen müsste. Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung kommen nur in Betracht, wenn sich das Recht im Privatvermögen befindet, sei es schon beim Erbfall, sei es durch Entnahme des Erben.3

4.73

In reinen Inlandsfällen ist die Bedeutung der Vorschrift in § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EStG wegen der angeordneten Subsidiarität gering, weil die Einkünfte regelmäßig zu den anderen Einkunftsarten gehören. Anders verhält es sich bei grenzüberschreitenden Rechteüberlassungen in Form von Inbound-Geschäften, also bei Investitionen eines steuerlichen Ausländers im Inland. Gem. § 49 Abs. 1 Nr. 6 EStG gehören zu den inländischen Einkünften solche aus der Überlassung von Rechten, die in einer inländischen Betriebsstätte oder einer anderen Einrichtung verwertet werden. Dabei ist es regelmäßig unerheblich, welche Rechtsform der ausländische Inhaber der Rechte innehat. Denn die isolierende Betrachtungsweise in § 49 Abs. 2 EStG ordnet das Außerachtlassen ausländischer Besteuerungsmerkmale an, um im Ergebnis zum Erzielen inländischer Einkünfte zu gelangen. Diese Regelung dient der Sicherung deutschen Besteuerungssubstrats und hebelt dafür in konsequenter Weise die Subsidiarität in § 21 Abs. 3 EStG aus. Mit Einführung des § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f EStG durch das JStG 20094 wurden die Einkünfte aus Gewerbebetrieb (§§ 15–17 EStG) auf Vermietungseinkünfte ausgedehnt, sofern die Vermietung gewerblich ist oder die Einkünfte von einer beschränkt steuerpflichtigen Körperschaft i.S. von § 2 Nr. 1 KStG bezogen werden, die mit einer Kapitalgesellschaft oder sonstigen juristischen Person i.S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1–3 KStG vergleichbar ist. Mithin ist der Anwendungsbereich der isolierenden Betrachtungsweise bei der Überlassung von Rechten durch einen ausländischen Inhaber stark eingeschränkt.

4.74

Die Bestimmung, ob eine inländische Betriebsstätte vorliegt, richtet sich allein nach § 12 AO und nach der Belegenheit der Betriebsstätte im steuerrechtlichen Inland i.S. von § 1 Abs. 1 Satz 2 EStG. Unter einer anderen 1 BFH v. 28.2.1973 – I R 145/70, BStBl. II 1973, 660 – wegen der angeordneten Subsidiarität in § 21 Abs. 3 EStG. 2 Heuermann in Blümich, § 21 EStG Rz. 457. 3 Von Reden in Littmann/Bitz/Pust, § 21 EStG Rz. 84. 4 JStG 2009 v. 19.12.2008, BGBl. I 2008, 2794.

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A. Relevante Einkunftsarten

inländischen Einrichtung werden vor allem öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten zu verstehen sein. Die Vorschrift in § 49 Abs. 1 Nr. 6 EStG entstammt dem StBereinG 1986 v. 19.12.1985. Erfasst werden sollten eben die Verwertungen von Urheberrechten in inländischen Einrichtungen von öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten, die hoheitlich tätig waren,1 für körperschaftsteuerrechtliche Zwecke jedoch keinen Betrieb gewerblicher Art i.S. vom § 1 Abs. 1 Nr. 6, § 4 KStG bildeten. Daraus wird in der Literatur zu Recht der Schluss gezogen, bei einer anderen Einrichtung handele es sich stets um eine feste Geschäftseinrichtung oder Anlage i.S. von § 12 AO, die aber nichtunternehmerischen Zwecken diene.2 2. Zeitliche Überlassung von Rechten, § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EStG a) Begriffsbestimmung „Recht“ aa) Vorbemerkung Eine Definition, was unter einem Recht in § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EStG zu verstehen ist, enthält die Vorschrift nicht. Es werden lediglich in einer nicht abschließenden Aufzählung Beispiele für Rechte gegeben.3 Bei den Rechten i.S. der Vorschrift wird nicht danach unterschieden, ob es sich um ein ausschließliches (dingliches) Recht handelt oder ob es sich um ein einfaches (schuldrechtliches) Recht handelt.4

4.75

bb) Schriftstellerische, künstlerische und gewerbliche Urheberrechte Die erste Gruppe der erfassten Rechte bilden die Urheberrechte. Was unter einem Urheberrecht für Zwecke der Anwendung des § 21 EStG zu verstehen ist, ergibt sich aus der entsprechenden Anwendung von § 73a Abs. 2 EStDV. Erfasst sind danach Rechte, die nach Maßgabe des Urheberrechtsgesetzes5 geschützt sind. Ausdrücklich bezieht sich § 73a Abs. 2 EStDV nur auf die Urheberrechte in § 50a Abs. 1 Nr. 3 EStG. Gleichwohl ist mE auch für § 21 EStG dieses Verständnis heranzuziehen, weil kein Grund ersichtlich ist, warum ein beschränkt Steuerpflichtiger mit einer anderen Art von Urheberrechten der Besteuerung unterliegen soll als ein unbeschränkt Steuerpflichtiger. Darüber hinaus wurde § 50a EStG 1958 in das EStG eingefügt, um die Form der Steuererhebung bei beschränkt Steuerpflichtigen durch Abzug an der Quelle in einer Norm zusammenzufassen.6 In § 50a EStG sollte mithin kein eigener Katalog von Urheber1 BVerfG v. 28.2.1961 – 2 BvG 1, 2/60, BVerfGE 12, 205; v. 27.7.1971 – 2 BvF 1/68, 2 BvR 702/68, BStBl. II 1971, 567. 2 M. Klein in H/H/R, § 49 EStG Rz. 954. 3 Kulosa in H/H/R, § 21 EStG Rz. 153. 4 Kulosa in H/H/R, § 21 EStG Rz. 153; BFH v. 7.12.1977 – I R 54/75, BStBl. II 1978, 355. 5 UrhG v. 9.9.1965, BGBl. I 1965, 1273 zuletzt geändert durch Gesetz v. 7.12.2008, BGBl. I 2008, 2349. 6 Maßbaum in H/H/R, § 50a EStG Rz. 3.

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4.76

Kap. 4: Geistiges Eigentum im Ertragsteuerrecht

und vergleichbaren Rechten geschaffen werden; vielmehr ging es darum anzuordnen, dass aus verwaltungsökonomischen Gründen und zur Sicherung des deutschen Besteuerungssubstrats ein Steuerabzug (teilweise mit abgeltender Wirkung) an der Quelle zu erfolgen hat.

4.77

In den Anwendungsbereich des UrhG fallen gem. § 1 Werke der Literatur, der Wissenschaft und der Kunst. Schadenersatzleistungen nach § 97 Abs. 2 UrhG für die widerrechtliche Verletzung von Urheberrechten können als nicht steuerbar zu qualifizieren sein.1 Eine solche Einordnung ist allerdings nur dann angezeigt, wenn die Schadenersatzleistung nicht mit einer Nutzungsüberlassung – die allerdings nicht freiwillig eingeräumt sein muss – in Zusammenhang steht.2

4.78

Der Bezug in § 73a Abs. 2 EStDV auf die nach Maßgabe des UrhG geschützten Rechte schließt die Rechte ein, die zwar nach dem UrhG geschützt sind, aber keine Urheberrechte i.S. des UrhG sind. Als solche kommen in Betracht: Vergütungen an (beschränkt) steuerpflichtige Autoren3, Vergütungen an Filmhersteller, Komponisten, Künstler4, Schallplattenhersteller, Übersetzer und Verleger.5 In diesen Kreis gehören auch Vergütungen, die ein Veranstalter aus der Übertragung seiner Rechte aus § 81 UrhG erzielt. Die Norm bestimmt: „wird die Darbietung des ausübenden Künstlers von einem Unternehmen veranstaltet, so stehen die Rechte nach § 77 Abs. 1 und 2 Satz 1 sowie § 78 Abs. 1 neben dem ausübenden Künstler auch dem Inhaber des Unternehmens zu.“ Dem Veranstalter steht damit ein dem Urheberrecht verwandtes Schutzrecht zu, dessen Nutzung übertragen werden kann.6 Allgemeinhin fallen darunter z.B. Fernsehlizenzen, Rundfunklizenzen oder Vergütungen für das Recht, eine Live-Übertragung ausstrahlen zu dürfen. cc) Gewerbliche Erfahrungen

4.79

Die zweite Gruppe in § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EStG betrifft gewerbliche Erfahrungen. Darunter wird man nicht durch ein Gesetz geschütztes Wissen zu verstehen haben, das durch den Begriff „Know-how“ konkretisiert werden kann. Beispiele dafür lassen sich dem Gesetz in § 50a Abs. 1 Nr. 3 EStG entnehmen. Dort sind gewerbliche, technische, wissenschaftliche und ähnliche Erfahrungen, Kenntnisse und Fertigkeiten, z.B. Pläne, Muster und Verfahren genannt. Über das eigentliche „Know-how“ (z.B. technisches Herstellungsverfahren) hinaus gehören auch Anschriften1 Bödefeld, BB 1988, 1724. 2 Kulosa in H/H/R, § 21 EStG Rz. 154. 3 BFH v. 23.5.1979 – I R 163/77, BStBl. II 1979, 757; v. 20.7.1988 – I R 174/85, BStBl. II 1989, 87. 4 Die Rechtsnatur von Vergütungen an Künstler, die neben einer Darbietung auch die Aufnahme und Darbietung auf einem Tonträger abgelten, wird in dem Urteil des BFH v. 28.5.1979 – I R 1/76, BStBl. II 1979, 734 abgehandelt. 5 Maßbaum in H/H/R, § 50a EStG Rz. 99. 6 Maßbaum in H/H/R, § 50a EStG Rz. 250.

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A. Relevante Einkunftsarten

sammlungen, technische Unterstützung und Beratung, sowie Informationen, soweit es ungeschützte Erfindungen oder Betriebsgeheimnisse betrifft, zu den gewerblichen Erfahrungen in § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EStG.1 Werden hingegen im Rahmen einer dauernden Beratung laufend neu gesammelte Erkenntnisse an den Geschäftspartner übermittelt, liegt nach Auffassung des BFH2 keine Überlassung von gewerblichen Erfahrungen i.S. von § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EStG vor, weil es insoweit an der zeitlichen Begrenzung der Überlassung mangelt. dd) Gerechtigkeiten und Gefälle Die dritte Gruppe der Rechte in § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EStG beinhaltet Gerechtigkeiten und Gefälle. Unter Gerechtigkeiten sind Real- und Gewerbeberechtigungen zu verstehen; bei solchen Rechten ist die Befugnis zur Ausübung eines bestimmten Gewerbebetriebs mit dem Besitz eines Grundstücks verbunden (z.B. Apothekengerechtigkeiten, Salzabbaugerechtigkeiten, Fischereigerechtigkeiten, Mühlengerechtigkeiten, Fährgerechtigkeiten usw). Der Anwendungsbereich der Vorschrift in § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EStG ist gering, weil die Einkünfte als solche aus grundstücksgleichen Rechten regelmäßig schon von § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG erfasst werden sollten. Das Entgelt, das für die Belastung eines Grundstücks mit einer Salzabbaugerechtigkeit gezahlt wird, die zu dem Zweck eingeräumt worden ist, um durch Ausspülung des unter dem Grundstück befindlichen Salzvorkommens behälterlose Hohlräume anzulegen, gehört zu den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung, und zwar auch dann, wenn die Hohlräume zur Speicherung zeitlich unbegrenzt genutzt werden.3 Unter Gefälle werden Wald- und Weiderechte verstanden. Erfasst sind Berechtigungen zu Streusammeln, zur Weideund Grasnutzung und zum Holzbezug.4

4.80

ee) Ähnliche Rechte – „insbesondere“ Die vierte Gruppe der von § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EStG erfassten Rechte betrifft (alle) anderen, den in der Vorschrift ausdrücklich aufgeführten ähnlichen Rechte. Dazu gehören vor allem gewerbliche Schutzrechte, die den Urheberrechten ähnlich sind. In Betracht kommen Rechte nach dem Geschmacksmustergesetz, dem Patentgesetz (§ 9 PatG), dem Gebrauchsmustergesetze (§ 13 GebrMG) und dem Markengesetz – dort § 4 (§ 73a Abs. 3 EStDV).5 Der BFH6 subsumiert auch ausschließliche und einfache 1 Kulosa in H/H/R, § 21 EStG Rz. 155. 2 BFH v. 4.3.1970 – I R 140/66, BStBl. II 1970, 428. 3 Heuermann in Blümich, § 21 EStG Rz. 459; BFH v. 14.10.1982 – IV R 19/79, BStBl. II 1983, 203. 4 Heuermann in Blümich, § 21 EStG Rz. 459 mit dem Hinweis, dass die Rechtsgrundlagen für Gefälle dem Landesrecht zu entnehmen sind und die entsprechenden Vorschriften des EGBGB aufgehoben worden sind. 5 Kulosa in H/H/R, § 21 EStG Rz. 157. 6 BFH v. 7.12.1977 – I R 54/75, BStBl. II 1978, 355.

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4.81

Kap. 4: Geistiges Eigentum im Ertragsteuerrecht

Lizenzen für die Verwertung von Patenten unter die Vorschrift. Werden ungeschütze Erfindungen gegen Entgelt überlassen, soll ebenfalls § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EStG anwendbar sein.1 In die vierte Gruppe gehören aber auch Einnahmen, die ein Sportler aus seiner Vermarktung in einem Werbevertrag erzielt, soweit nicht gem. § 21 Abs. 3 EStG eine andere Einkunftsart die Einnahmen erfasst.2 Ein solcher Werbevertrag hat in zivilrechtlicher Hinsicht die Gestattung der Verwertung des Sportlers zum Inhalt und lässt sich mit der zeitlich begrenzten Überlassung von Urheberrechten vergleichen.3 Persönliche Rechte, wie solche am Namen und am Bild eines Sportlers, gehören zu den Rechten i.S. des § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EStG auch in den Fällen, in denen sie vom Inhaber selbst in Verkehr gebracht und einem Dritten gegen Entgelt zur Nutzung überlassen werden. Dabei spielt es keine Rolle, ob ein „originäres“ oder ein „derivatives“ Bild überlassen oder genutzt wird.4

VII. Sonstige Einkünfte 1. Allgemeines

4.82

Die sonstigen Einkünfte sind in § 22 EStG geregelt. Dabei handelt es sich um die siebente Einkunftsart. Die Vorschrift erklärt sich in ihren einzelnen Tatbeständen subsidiär gegenüber den anderen Einkunftsarten. Dieses geschieht durch die Formulierung „… soweit nicht …“. Zusammengefasst sind in der Regelung – teilweise unter Einbezug von § 23 EStG – unterschiedliche (private) Besteuerungstatbestände. Dazu zählen die wiederkehrenden Bezüge in §§ 22 Nr. 1, 1a und 5 EStG, private Veräußerungsgeschäfte in § 22 Nr. 2 EStG, sonstige Leistungen in § 22 Nr. 3 EStG und Abgeordnetenbezüge in § 22 Nr. 4 EStG. Gerechtfertigt ist die Besteuerung derartiger Einkünfte vor dem Hintergrund, dass sie die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit steigern. Im Vergleich zu den nichtselbständigen Einkünften lassen sich die sonstigen Einkünfte durch den Einsatz eigenen Vermögens, z.B. bei den privaten Veräußerungsgeschäften in § 22 Nr. 2 EStG, abgrenzen.5 Bei diesen liegt der materielle Gehalt der Bezüge (Veräußerungsgewinn) in dem Ersatz anderer steuerbarer Einkünfte, die derartige Sachverhalte nicht erfassen.6

4.83

Gemein mit den anderen Einkunftsarten ist den sonstigen Einkünften in § 22 EStG, dass auch diese (bei Werbungskostenüberschuss) eine Einkunftserzielungsabsicht in Gestalt eines Total-Überschusses verlangen.7 1 2 3 4 5 6 7

BFH v. 5.11.1992 – I R 41/92, BStBl. II 1993, 407. BFH v. 19.11.1985 – VIII R 104/85, BStBl. II 1986, 424. Heuermann in Blümich, § 21 EStG Rz. 460; Sommer, BB 1981, 177. BFH v. 19.12.2007 – I R 19/06, BStBl. II 2010, 398. BFH v. 22.11.2006 – X R 29/05, BStBl. II 2007, 402. BFH v. 25.10.1994 – VIII R 79/91, BStBl. II 1995, 121. BFH v. 9.5.2000 – VIII R 77/97, BStBl. II 2000, 660; grundlegend zu dieser Voraussetzung BFHv. 16.9.2004 – X R 25/01, BStBl. II 2006, 228; v. 17.8.2005 – IX R 23/03, BStBl. II 2006, 248; Kulosa, HFR 2005, 103.

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A. Relevante Einkunftsarten

Das gilt im Grundsatz für alle Einkünfte in § 22 Nr. 1–5 EStG, auch wenn diese in systematischer Hinsicht nichts miteinander zu tun haben. Der Katalog in § 22 EStG ist enumerativ. In persönlicher Hinsicht findet die Vorschrift auf alle nach § 1 EStG unbeschränkt steuerpflichtigen natürlichen Personen Anwendung. Bei beschränkt steuerpflichtigen natürlichen Personen gilt dies aber nur, wenn die sonstigen (inländischen) Bezüge die Merkmale von § 49 Abs. 1 Nr. 7–9 EStG erfüllen. Körperschaften können im Grundsatz ebenfalls sonstige Einkünfte i.S. des § 22 EStG erzielen. Für diese ist jedoch die Regelung in § 8 Abs. 2 KStG zu beachten, nach der unbeschränkt steuerpflichtige Körperschaften i.S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1–3 KStG nur Einkünfte aus Gewerbebetrieb erzielen können.1 2. Sonstige Einkünfte in Bezug auf geistiges Eigentum Im Vordergrund steht der Besteuerungstatbestand in § 22 Nr. 3 EStG. Danach gehören Einkünfte aus Leistungen zu den sonstigen Einkünften, wenn sie weder zu den anderen Einkunftsarten noch zu den Einkünften i.S. von § 22 Nr. 1, 1a, 2 oder 4 EStG gehören (gesetzlich angeordnete Subsidiarität), z.B. Einkünfte aus gelegentlichen Vermittlungen und aus der Vermietung beweglicher Gegenstände, wenn sie nicht weniger als 256 Euro im Kalenderjahr betragen haben. „Leistung“ in diesem Sinne ist jedes Tun, Unterlassen (Untätigkeit) und Dulden, das Gegenstand eines entgeltlichen Vertrags sein kann und um des Entgelts willen erbracht wird;2 dies gilt ggf. auch bei nachträglicher Entlohnung.3

4.84

Unter den Tatbestand in § 22 Nr. 3 EStG lassen sich z.B. die gelegentliche (in Abgrenzung zu nachhaltigen Tätigkeiten in § 15 Abs. 2 EStG) Überlassung von Rechten auf Nutzung z.B. von gewerblichen, technischen und anderen Erfahrungen und Fertigkeiten (Pläne, Muster etc.) subsumieren. Die gelegentliche Nutzungsüberlassung darf sich auch wiederholen, jedoch nicht in den Anwendungsbereich von § 21 EStG fallen.4 Die Einkünfte aus einer Zufallserfindung stellen für den Rechtsinhaber, wenn er sein Recht selbst ausnutzt, sonstige Einkünfte i.S. von § 22 Nr. 3 EStG dar.5 Überlässt er seine Erfindung anderen zur Nutzung gegen Entgelt, erzielt der Erfinder Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung.6 Erfordert die Zufallserfindung zu ihrer praktischen Verwertbarkeit noch eine erhebliche Tätigkeit, so sind die Einkünfte solche aus selbständiger Tätigkeit gem. § 18 EStG.

4.85

Die Steuerbarkeit eines etwaigen Überschusses aus der Veräußerung einer Zufallserfindung durch den Erfinder gemäß § 22 Nr. 2 i.V.m. § 23 Abs. 1

4.86

1 Risthaus in H/H/R, § 22 EStG Rz. 12. 2 Fischer in Kirchhof10, § 22 EStG Rz. 66; BFH v. 23.6.1964 – GrS 1/64 S, BStBl. III 1964, 500. 3 BFH v. 18.12.2001 – IX R 74/98, BFH/NV 2002, 643. 4 Fischer in Kirchhof10, § 22 EStG Rz. 66. 5 Heuermann in Blümich, § 21 EStG Rz. 457. 6 BFH v. 23.4.2003 – IX R 57/99, BFH/NV 2003, 1311.

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Kap. 4: Geistiges Eigentum im Ertragsteuerrecht

Satz 1 Nr. 2 EStG ist schon deshalb ausgeschlossen, weil der Erfinder seine eigene Erfindung nicht i.S. des Gesetzes anschafft. Die Anschaffung setzt einen entgeltlichen Erwerb eines Wirtschaftsguts von einem Dritten voraus.1

4.87

Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften, die nicht in den Anwendungsbereich von § 23 EStG oder § 17 EStG fallen, sind auch nicht nach § 22 Nr. 3 EStG steuerbar;2 dies gilt auch dann nicht, wenn ein Entgelt dafür bezahlt wird, dass nach dem wirtschaftlichen Gehalt der Leistung ein Vermögensgegenstand in seiner Substanz endgültig aufgegeben wird.3 Denn außerhalb des Anwendungsbereichs der gesetzlich normierten Veräußerungstatbestände im privaten Bereich durch die §§ 17 und 22 i.V.m. 23 EStG sind etwaige Gewinne aus privaten Veräußerungsgeschäften nicht steuerbar.

B. Entnahme und Einlage I. Allgemeines 4.88

Der Begriff der Einlage und der Entnahme erfasst jeweils einen vermögenswerten Zufluss bzw. Abfluss in den oder aus dem Kreis der Tätigkeit, die auf wirtschaftliche Vermögensmehrung gerichtet ist. Hintergrund für die Regelung der Einlagen und Entnahmen ist die Notwendigkeit zur Neutralisierung der Vermögensmehrung bzw. des Vermögensabflusses, denn im Gegensatz zu Betriebseinnahmen und Betriebsausgaben dürfen Einlagen und Entnahmen keinen Einfluss auf den Gewinn der wirtschaftlichen Tätigkeit haben.4 § 4 Abs. 1 Satz 1 EStG ordnet mithin an, dass dem im Rahmen der steuerrechtlichen Gewinnermittlung vorzunehmenden Eigenkapitalvergleich (Betriebsvermögensvergleich) der Wert der Entnahmen zuzurechnen und der Wert der Einlagen abzurechnen ist. Damit wird erreicht, das nur das wirtschaftliche Substrat einer Besteuerung unterworfen wird, das durch die steuerlich erhebliche Tätigkeit geschaffen wurde, nicht aber die Vermögenszugänge und -abgänge, die ihre Ursache in der außerbetrieblichen Sphäre haben.5 Der Vermögenswert, der entnommen wird, ist durch die steuerrechtlich relevante Tätigkeit geschaffen worden und demzufolge zu versteuern, demgegenüber Einlagen dem Betrieb von außen zugeführt worden sind und daher keiner Besteuerung zugeführt werden dürfen.6 1 BFHv. 2.5.2000 – IX R 73/98, BStBl. II 2000, 614; Fischer in Kirchhof10, § 22 EStG Rz. 71. 2 BFH v. 20.10.1999 – X R 132/95, BStBl. II 2000, 82; Fischer in Kirchhof10, § 22 EStG Rz. 67. 3 BFH v. 10.8.1994 – X R 42/91, BStBl. II 1995, 57; v. 19.12.2000 – IX R 96/97, BStBl. II 2001, 391 zur Abgrenzung zwischen Veräußerung und Nutzungsüberlassung; Fischer in Kirchhof10, § 22 EStG Rz. 67. 4 BFH v. 26.10.1997 – GrS 2/86, BStBl. II 1988, 348. 5 Crezelius in Kirchhof10, § 4 EStG Rz. 85. 6 Crezelius in Kirchhof10, § 4 EStG Rz. 85.

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B. Entnahme und Einlage

Nach der Definition in § 4 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 1 EStG sind Entnahmen alle Wirtschaftsgüter (Barentnahmen, Waren, Erzeugnisse, Nutzungen und Leistungen), die der Steuerpflichtige dem Betrieb für sich, für seinen Haushalt oder für andere betriebsfremde Zwecke im Laufe des Wirtschaftsjahres entnommen hat. Nach der Definition in § 4 Abs. 1 Satz 8 EStG sind Einlagen alle Wirtschaftgüter (Bareinzahlungen und sonstige Wirtschaftsgüter), die der Steuerpflichtige dem Betrieb im Laufe des Wirtschaftsjahres zugeführt hat; einer Einlage steht die Begründung des Besteuerungsrechts der Bundesrepublik Deutschland hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung eines Wirtschaftsguts gleich.

4.89

Entnahmen und Einlagen stellen in spiegelbildlicher Verbundenheit notwendige Bestandteile der Ermittlung des Gewinns im Rahmen des Vermögensvergleichs dar. Der Gewinn oder Verlust als Unterschiedsbetrag von zwei Vermögensbeständen zum Beginn und zum Ende des Wirtschaftsjahres zu einem bestimmten Stichtag muss um Vermögensab- und -zuflüsse korrigiert werden, die ihre Ursache nicht in der betrieblichen Sphäre haben. Der Korrekturmechanismus folgt in systematischer Hinsicht aus dem Veranlassungsprinzip.1 Der Gewinn als Unterschiedsbetrag zwischen zwei Vermögensgegenständen würde ohne entsprechende Korrektur durch Entnahmen ohne betrieblichen Zusammenhang gemindert und durch Einlagen dementsprechend erhöht. Der Entnahmetatbestand zielt mithin darauf ab, nicht betrieblich veranlasste, d.h. nicht als Betriebsausgaben anzuerkennende Wertänderungen der Wirtschaftsgüter des Betriebsvermögens (einschließlich des sonstigen durch die betriebsfremde Nutzung verursachten Aufwands) zu korrigieren und damit zu neutralisieren. Darüber hinaus verhindert der Entnahmetatbestand die Auswirkung der Steuerentstrickung – positiver oder negativer – stiller Reserven, indem er verhindert, das Besteuerungssubstrat in Form von stillen Reserven in das Ausland verlagert werden können.2

4.90

Der Einlagetatbestand in § 4 Abs. 1 Satz 8 EStG verfolgt zwei Regelungszwecke: Er verhindert, dass vom Steuerpflichtigen steuerfrei gebildetes oder bei ihm bereits versteuertes Vermögen nach Überführung des Wirtschaftsguts in das Betriebsvermögen (erneut) der Besteuerung unterworfen wird. Bei der Gewinnermittlung durch Bestandsvergleich stellt der Einlagetatbestand darüber hinaus sicher, dass sämtliche betrieblich veranlassten Aufwendungen als Betriebsausgaben abgezogen werden können.3

4.91

Die Vorschriften über Entnahmen und Einlagen sind uneingeschränkt auf den Gewinn von Personenunternehmen (Einzelunternehmer und Mitunternehmer) anzuwenden; über § 8 Abs. 1 KStG gilt dies aber auch für die Gewinnermittlung von köperschaftsteuerpflichtigen Rechtsträgern. Zu beachten sind aber Besonderheiten für Einlagen bei Körperschaften: Einlagen bei Kapitalgesellschaften sind keine betrieblichen Vorgänge,

4.92

1 Wied in Blümich, § 4 EStG Rz. 442. 2 Wied in Blümich, § 4 EStG Rz. 451. 3 BFH v. 20.9.1989 – X R 140/87, BStBl. II 1990, 368.

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Kap. 4: Geistiges Eigentum im Ertragsteuerrecht

sondern solche auf gesellschaftsrechtlicher Ebene. Für Entnahmen bei Körperschaften sind die Regelungen über die verdeckten Gewinnausschüttungen in § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG zu beachten, die den Vorschriften über die Entnahme vorgehen.1

4.93

Die Entnahme- und Einlagevorschriften sind gleichfalls bei Personengesellschaften auch für die Mitunternehmer anzuwenden. Mithin sind sämtliche Wertzuführungen seitens der Mitunternehmer zum Betrieb der Mitunternehmerschaft (Personengesellschaft) Einlagen und sämtliche Wertabgaben aus dem Betrieb der Personengesellschaft an ihre Mitunternehmer Entnahmen.

II. Entnahme 1. Auswirkung einer Entnahme

4.94

In der allgemein nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung2 aufgestellten Gewinnermittlung erscheinen die Betriebsausgaben als (handelsrechtlicher) Aufwand und die Betriebseinnahmen als (handelsrechtlicher) Ertrag innerhalb der Gewinn- und Verlustrechnung. Bei von Beginn an zutreffender Behandlung werden Entnahmen und Einlagen dagegen als Bestandteil der Kapitalkontenentwicklung gezeigt (so im Idealfall des Einzelkaufmanns).3 In systemtischer Hinsicht gilt zu beachten, dass der Gewinn des Betriebs nicht das Ergebnis der Gewinn- und Verlustrechnung ist. Der Gesetzeswortlaut in § 4 Abs. 1 Satz 1 EStG ist unmissverständlich: Das Ergebnis des Betriebs wird durch den Vermögensvergleich ermittelt. Der GuV-Rechnung kommt eine Funktion durch technische Separierung der Entnahmen/Einlagen von den Aufwendungen/Erträgen zu – nicht mehr.4

4.95

Entnahmen sind im Rahmen der Gewinnermittlung nach §§ 4 Abs. 1, 5 EStG auf der 2. Stufe zu berücksichtigen. In der gängigen Praxis werden Entnahmen und Einlagen schon in der laufenden Buchführung über besondere Konten erfasst. Bei einer Ermittlung des Gewinns durch Einnahme-Überschuss-Rechnung gem. § 4 Abs. 3 EStG sind Entnahmen gleichfalls zu berücksichtigen. Dieses folgt schon aus dem Grundsatz der Gesamtgewinngleichheit zwischen beiden Gewinnermittlungsmethoden. Die Korrekturen aus § 4 Abs. 1 EStG gehen nach dem Wortlaut der Vorschrift in § 1 AStG „unbeschadet anderer Vorschriften“ dieser Regelung vor, schließen weitergehend Berichtigungen auf der Rechtsfolgenseite jedoch nicht aus.

1 Rengers in Blümich, § 8 KStG Rz. 82; BFH v. 26.10.1987 – GrS 2/86, BStBl. II 1988, 348. 2 §§ 238 ff. HGB. 3 Hoffmann in Littmann/Bitz/Pust, §§ 4, 5 EStG Rz. 200. 4 Hoffmann in Littmann/Bitz/Pust, §§ 4, 5 EStG Rz. 200.

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B. Entnahme und Einlage

2. Gegenstand der Entnahme a) Allgemeines Nach der Legaldefinition des § 4 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 1 EStG sind Entnahmen alle WG (Barentnahmen, Waren, Erzeugnisse, Nutzungen und Leistungen), die der Steuerpflichtige dem Betrieb für sich, für seinen Haushalt oder für andere betriebsfremde Zwecke im Laufe des Wirtschaftsjahres entnommen hat. Bei dieser Definition handelt es sich um keine exakte Beschreibung des Begriffs der Entnahme. Daher erfuhr der Begriff vor allem in der Rechtsprechung funktionale Konkretisierungen. Danach zielt der Entnahmetatbestand zum einen darauf ab, die Steuerentstrickung stiller Reserven zu verhindern (Ersatzrealisierungstatbestand), andererseits aber auch nicht betrieblich veranlasste,1 d.h. nicht als Betriebsausgaben abziehbare Aufwendungen der Wirtschaftgüter des Betriebsvermögens zu neutralisieren. In diesem Zusammenhang ist die Entscheidung des Großen Senats des BFH2 anzuführen. Danach sei der Entnahmetatbestand im Hinblick auf erstere Zwecksetzung „final“ auszudeuten, d.h. dann gegeben, wenn ein Wirtschaftsgut aus dem betrieblichen Bereich in den privaten Bereich übergeht oder wenn es innerhalb des betrieblichen Bereichs von einem Betrieb oder Betriebsteil in einen anderen übergeht und dabei eine spätere steuerliche Erfassung der im Buchansatz für diese WG enthaltenen stillen Reserven nicht gewährleistet ist. Steht hingegen die Entsprechung zum Kreis betrieblicher veranlasster Aufwendungen in Frage, wird die Entnahme im Allgemeinen als „Wertabgabe aus dem Betrieb zu betriebsfremden Zwecken“ verstanden.3

4.96

In systematischer Hinsicht ist zwischen Entnahme von Wirtschaftsgütern (materielle und immaterielle in Form der Sach- bzw Substanzentnahme) und der Entnahme von Nutzungen und Leistungen zu unterscheiden.4 Da bei der Nutzungsentnahme nicht das Wirtschaftsgut als solches entnommen wird, schlägt sich in diesen Fällen der gewinnerhöhende Wert der Entnahme in den für betriebsfremde Zwecke aufgewendeten Kosten, die in die steuerliche Gewinnermittlung einbezogen werden müssen, nieder.

4.97

Wird das Wirtschaftsgut in Form einer Sach- bzw. Substanzentnahme dem Betrieb entzogen, wird der betriebliche Funktionszusammenhang endgültig gelöst. Dabei ist für die Qualifizierung als Wirtschaftgut lediglich von Bedeutung, dass es sich um Bilanzierbares handelt. Unerheblich ist hingegen, ob es im Zeitpunkt der Entnahme tatsächlich bilanziert war. Unerheblich ist auch, ob das Wirtschaftsgut zum notwendigen oder gewillkürten Betriebsvermögen gehört.5

4.98

1 Zur Bedeutung des Veranlassungsprinzips: Wied in Blümich, § 4 EStG Rz. 442 m.w.N. 2 BFH v. 7.10.1974 – GrS 1/73, BStBl. II 75, 168. 3 BFH v. 14.1.1998 – X R 57/93, DStR 98, 887. 4 Wied in Blümich, § 4 EStG Rz. 454. 5 Crezelius in Kirchhof10, § 4 EStG Rz. 87.

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Kap. 4: Geistiges Eigentum im Ertragsteuerrecht

b) Gegenstand einer Sachentnahme

4.99

Gegenstand einer Sachentnahme können alle allgemeinen Wirtschaftsgüter sein, die bilanzierbar sind, d.h. materielle, immaterielle, abnutzbare, nicht abnutzbare Wirtschaftsgüter, aktive und passive Wirtschaftsgüter. Ob das Wirtschaftsgut vor der Entnahme tatsächlich bilanziert war, ist unerheblich.1 Typische Fälle einer Sachentnahme sind Grundstücke, Gebäude, Geld, Wertpapiere, Waren, Verbindlichkeiten.

4.100

Auch ein selbstgeschaffener und dem Aktivierungsverbot des § 5 Abs. 2 unterliegender Verlagswert kann Gegenstand einer Entnahme sein.2 Der BFH begründete das wie folgt: „Unter Verlagswert oder Verlagsobjekt ist die einzelne Verlagserscheinung, d.h. das durch einen bestimmten Titel gekennzeichnete „Unternehmen“ im verlagsrechtlichen Sinn zu verstehen, das einen selbständigen Gegenstand des Rechtsverkehrs bildet und als solches rechtlich geschützt ist. Der Verlagswert umfasst den zugehörigen Kundschaftswert, den Organisationswert, den Wert der durch eine Idee geweckten Nachfrage nach der betreffenden Verlagserscheinung und die Ertragschance für das „Verlagsunternehmen“. Solche Verlagswerte werden als firmenwertähnliche Wirtschaftsgüter angesehen, für die keine regelmäßigen Absetzungen für Abnutzung (AfA), sondern lediglich Abschreibungen auf den niedrigeren Teilwert in Betracht kommen. Da ein Verlagswert als Einzelwirtschaftsgut veräußert werden kann, kann er auch Gegenstand einer Entnahme sein. Einer Bewertung des entnommenen Verlagswerts mit dem Teilwert steht nicht entgegen, dass ein selbstgeschaffener Verlagswert unter das Aktivierungsverbot des § 5 Abs. 2 EStG fällt. Der Wert einer Entnahme ist kein Aktivposten in der Bilanz. Die Werte von Entnahmen und Einlagen sind bei der Ermittlung des steuerpflichtigen Gewinns zu berücksichtigen (§ 4 Abs. 1 Satz 1 EStG). Das durch Betriebsvermögensvergleich gewonnene Ergebnis eines Geschäftsjahres wird um diese Werte außerhalb der Bilanz korrigiert. Nur bei Berücksichtigung des Teilwerts eines entnommenen immateriellen Wirtschaftsguts kann verhindert werden, dass ein wegen des bestehenden Aktivierungsverbots in der Bilanz nicht ausgewiesenes immaterielles Wirtschaftsgut des Anlagevermögens ohne Gewinnverwirklichung entnommen wird, um später dieses Wirtschaftsgut möglicherweise im privaten Bereich nutzbringend zu verwerten.“

4.101

Weitere Fälle von typischerweise geistiges Eigentum repräsentierender Wirtschaftsgüter, die Gegenstand einer Entnahme sein können, sind selbst geschaffene Patente, Know-how3 (hier das technische Wissen um die Herstellung chemischer Erzeugnisse). Auch für diese Wirtschaftsgüter besteht vor der Entnahme ein steuerrechtliches Aktivierungsverbot4 gem. § 5 Abs. 2 EStG. Ungeachtet des Aktivierungsverbots muss auch ein nicht entgeltlich von einem Dritten erworbenes, sondern vom Steuerpflichtigen selbst hergestelltes immaterielles Wirtschaftsgut des Anlagevermögens, z.B. ein Patent, der Entnahme fähig sein, denn es hat sich in der betrieblichen Sphäre bereits als Wirtschaftsgut konkretisiert und 1 2 3 4

Heinicke in Schmidt30, § 4 EStG Rz. 301. BFH v. 24.11.1982 – I R 123/78, BStBl. II 1983, 113. BFH v. 23.3.1995 – IV R 94/93, BStBl. II 1995, 637. Für handelsrechtliche Zwecke ist § 248 Abs. 2 HGB zu beachten.

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B. Entnahme und Einlage

würde von einem gedachten Erwerber des Betriebs im Rahmen des Gesamtkaufpreises unter Fortführngsvorhaben auch entsprechend vergütet. Da an einen fortbestehenden (Teil-)Betrieb gebunden, kann der Geschäftswert eines Betriebs grundsätzlich nur zusammen mit diesem übertragen werden. Das wird regelmäßig im Fall der Veräußerung oder einer unentgeltlichen Übertragung i.S. von § 6 Abs. 3 EStG gegeben sein.1 Eine isolierte Entnahme des Geschäftswerts ist hingegen nicht denkbar.2 Ein Geschäftswert kann nicht wie andere (Einzel-)Wirtschaftsgüter isoliert entnommen und in ein anderes Vermögen überführt bzw. übertragen werden. Der Geschäftswert führt kein „Eigenleben“. Er kann nur als untrennbares Annex eines lebenden Betriebs, Teilbetriebs oder Mitunternehmeranteils übertragen oder erworben werden. Selbst bei Zahlung überhöhter Preise für eine Vielzahl einzelner Wirtschaftsgüter, die bei dem Veräußerer in ihrer Zusammenfassung keinen organisatorisch verselbständigten Teilbetrieb gebildet haben, ist in dem Überpreis nicht das Entgelt für die Übertragung eines Geschäftswerts zu sehen. Mit dem Überpreis wird in solchen Fällen ein vom Geschäftswert zu unterscheidendes immaterielles Wirtschaftsgut, wie Kundenstamm, Belieferungsrechte, bestehende Geschäftsbeziehungen und dergleichen, abgegolten.3

4.102

Ausnahmsweise ist eine „Mitnahme“ des Geschäftswerts zu akzeptieren, wenn der Geschäftswert im Zusammenhang mit der teilentgeltlichen Übertragung des Unternehmens in eine Kapitalgesellschaft verdeckt eingelegt wird,4 da er hierdurch auch weiterhin an den betrieblichen Organismus gebunden bleibt. Gleiches kann gelten, wenn der Steuerpflichtige sein Unternehmen unter Zurückbehaltung mindestens einer wesentlichen Betriebsgrundlage (z.B. das Betriebsgrundstück) teilentgeltlich auf einen Angehörigen im Rahmen einer vorweggenommenen Erbfolgeregelung überträgt und dieser den Betrieb fortführt.5

4.103

Der Entnahmetatbestand bei Sachentnahmen ist eng mit der Betriebsvermögenseigenschaft eines Wirtschaftsguts zu sehen. Folgende Aufgliederung wird dem gerecht:6

4.104

– Neutrale WG (gewillkürtes BV) sind unbeschränkt entnehmbar. Gewillkürtes Betriebsvermögen kann bestehen in: Mietwohngrundstücken, unbebauten Grundstücken, Wertpapieren, Bankguthaben. Dazu bedarf es eines Entnahmewillens (Rz. 4.107 f.) und einer Entnahmehandlung (Rz. 4.108).

1 BFH v. 5.7.1990 – GrS 4–6/89, BStBl. II 1990, 847. 2 BFH v. 24.11.1982 – I R 123/78, BStBl. II 1983, 113; v. 27.3.2001 – I R 42/00, BStBl. II 2001, 771. 3 BFH v. 17.3.1977 – IV R 218/72, BStBl. II 1977, 595. 4 BFH v. 24.3.1987 – I R 202,/83, BStBl. II 1987, 705; v. 25.10.1995 – I R 104/94, NJW-RR 1996, 933. 5 Wied in Blümich, § 4 EStG Rz. 455. 6 Aus Hoffmann in Littmann/Bitz/Pust, §§ 4, 5 EStG Rz. 230.

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Kap. 4: Geistiges Eigentum im Ertragsteuerrecht

– Wirtschaftsgüter, die sich durch eine Nutzungsänderung in (notwendiges) Privatvermögen verwandelt haben (Bebauung eines Grundstücks mit privatem Wohngebäude), sind durch die schlüssige Handlung zwingend entnommen worden. Die entsprechende Behandlung in der Buchführung reflektiert nur diesen Vorgang, hat also keine rechtsbegründende Wirkung.1 – Wirtschaftsgüter, die zum notwendigen Betriebsvermögen zählen, können nur durch Sonderumstände entnommen werden, nämlich dann, wenn der betriebliche Funktionszusammenhang endgültig gelöst wird. Eine bloße Erklärung genügt dafür nicht.2 Im Unterschied dazu wird bei Nutzungs- oder Aufwandsentnahmen die betriebliche Zugehörigkeit ggf. eingesetzter Wirtschaftsgüter nicht gelöst. c) Entnahme in Form von Nutzungen und Leistungen

4.105

Die Verringerung des Betriebsvermögens am Ende des Wirtschaftsjahres und damit eine Beeinflussung der steuerrechtlichen Bemessungsgrundlage kann z.B. auch durch private oder sonst wie geartete nicht betrieblich veranlasste Benutzung eines zum Betriebsvermögen gehörenden Wirtschaftsguts erfolgen, z.B. durch die Kosten anlässlich der Benutzung eines betrieblichen Pkw für private Fahrten, ähnlich für Telefon. Weil insoweit unter Beachtung des Veranlassungsprinzips auch keine Betriebsausgaben i.S. des § 4 Abs 4 EStG vorliegen, kann von einer doppelten Vorsorge des Gesetzgebers gesprochen werden, welche die Beeinträchtigung des Besteuerungssubstrats Gewinn vermeiden helfen soll.3

4.106

Für die Nutzungs- und Leistungsentnahme (Letztere z.B. in Form des Einsatzes des im Betrieb angestellten Arbeitnehmers für nicht betrieblich veranlasste Arbeiten) ist nicht abschließend geklärt, ob der nicht betrieblich veranlasste Einsatz des Wirtschaftsguts oder der Arbeitskraft, d.h. die Nutzung oder Leistung an sich als Gegenstand der Entnahme anzunehmen ist.4 Dafür kann jedenfalls der Wortlaut des Gesetzes herangezogen werden, denn in der Klammer in § 4 Abs. 1 Satz 2 EStG wird ausdrücklich auf die Nutzungen und Leistungen abgestellt. Denkbar und auch vertreten wird, dass die Entnahme in derartigen Fällen in dem durch die Nutzung verursachten Aufwand besteht.5 Da die Entnahme von Nutzungen und Leistungen regelmäßig nicht die Aufdeckung stiller Reserven nach sich zieht, weil das Wirtschaftsgut weiterhin der betrieblichen Sphäre zugeordnet ist, sondern Aufwand korrigiert bzw neutralisiert, der nicht betrieblich veranlasst war, erscheint letztere Auffassung unter dem Gesichtspunkt der Kongruenz von Gegenstand und Wertansatz der Ent1 2 3 4 5

So auch Wied in Blümich, § 4 EStG Rz. 460. Wied in Blümich, § 4 EStG Rz. 463. Hoffmann in Littmann/Bitz/Pust, §§ 4, 5 EStG Rz. 201. BFH v. 24.4.1989 – I R 213/85, BStBl. II 1990, 8. BFH v. 26.10.1987 – GrS 2/86, BStBl. II 1988, 348; v. 19.12.2002 – IV R 46/00, BFH/NV 2003, 979.

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B. Entnahme und Einlage

nahme zutreffend.1 Selbstverständlich ist hingegen, dass der Wert der eigenen Arbeitsleistung des Betriebsinhabers – da weder Wirtschaftsgut des Betriebsvermögens noch Wertabgabe des Betriebs – als solche auch im Rahmen einer Aufwandsentnahme nicht entnommen werden kann.2 3. Entnahmetatbestand und Entnahmehandlung Voraussetzung der Entnahme ist das Vorliegen des Entnahmewillens, d.h. der Willensentschluss, die Verknüpfung des Wirtschaftsguts mit dem Betrieb zu lösen. Dieser Entnahmewillen muss sich in äußeren Ereignissen, Geschehen, Verhaltensweisen und dergleichen mehr ersichtlich verdeutlichen. Letzteres findet sich in der Entnahmehandlung wieder, durch die der Entwidmungswille unmissverständlich bekundet wird. Die Entnahmehandlung muss vorbehaltlos und eindeutig sein, eine Form ist allerdings nicht vorgeschrieben; Motive und innere Vorbehalte des Steuerpflichtigen sind unbeachtlich.3 Die Entnahmehandlung kann entweder in einem konkludenten (schlüssigen) oder in einem eindeutigen und unmissverständlichen Verhalten bestehen.4 Der BFH5 begründet dieses wie folgt: „Der Willensentschluss des Steuerpflichtigen muss klar und eindeutig zum Ausdruck kommen… Es ist ein Verhalten des Steuerpflichtigen erforderlich, durch das die Verknüpfung des Wirtschaftsguts mit dem Betriebsvermögen unmissverständlich gelöst wird.“

4.107

Andererseits reicht ein schlüssiges Verhalten des Steuerpflichtigen aus, wenn dadurch die Verknüpfung des Wirtschaftsguts mit dem Betriebsvermögen erkennbar gelöst wird.6 Diese könne in einer Ausbuchung eines sich im Bau befindlichen Gebäudes und der Aufnahme innerhalb der Steuererklärung in die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung gesehen werden.7

4.108

Eine unmissverständliche Entnahmehandlung durch schlüssiges Verhalten wird regelmäßig dann angenommen werden können, wenn der Steuerpflichtige die Nutzung eines Wirtschaftsguts des Betriebsvermögens auf Dauer so ändert, dass es seine Beziehung zum Betrieb verliert und dadurch zum notwendigen Privatvermögen wird.8 Auf der anderen Seite soll eine Nutzungsänderung, durch die das Wirtschaftsgut nicht mehr als notwendiges Betriebsvermögen qualifiziert, andererseits aber auch nicht dem (notwendigen) Privatvermögen zugeordnet werden kann, ohne eindeutige

4.109

1 Wied in Blümich, § 4 EStG Rz. 456; BFH v. 17.1.2002 – IV R 77/99, BStBl. I 2002, 256; v. 23.9.2009 – IV R 70/06, BStBl. II 2010, 270. 2 Wied in Blümich, § 4 EStG Rz. 456. 3 Hoffmann in Littmann/Bitz/Pust, §§ 4, 5 EStG Rz. 204. 4 BFH v. 7.10.1974 – GrS 1/73, BStBl. II 1975, 168; v. 14.5.2009 – IV R 44/06, BStBl. II 2009, 811; v. 5.4.2006 – X B 181/05, BFH/NV 2006, 1288. 5 BFH v. 9.8.1989 – X R 20/86, BStBl. II 1990, 128. 6 BFH v. 31.1.1985 – VI R 130/82, BStBl. II 1985, 395; v. 6.11.1991 – XI R 27/90, BStBl. II 1993, 391. 7 BFH v. 31.1.1985 – VI R 130/82, BStBl. II 1985, 395. 8 BFH v. 14.4.2009 – IV R 44/06, BStBl. II 2009, 811.

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Kap. 4: Geistiges Eigentum im Ertragsteuerrecht

Zurschaustellung der Entnahmehandlung des Steuerpflichtigen nicht zu einer Entnahme des Wirtschaftsguts führen. Vielmehr wird in einem solchen Fall das Wirtschaftsgut zu sog. „geduldetem Betriebsvermögen“.1

4.110

Fälle, in denen die Nutzungsänderung zu einer Unvereinbarkeit der Zugehörigkeit des Wirtschaftguts zum Betriebsvermögen führt, sind z.B. die Verwendung eines betrieblichen Grundstücks zu privaten Wohnzwecken.2 Es gilt aber stets zu beachten, dass die Nutzungsänderung zu einer Lösung der Betriebsvermögenseigenschaft führen muss. Allein die Änderung der Nutzung von Wirtschaftsgütern führt nicht automatisch zu einer Entnahme.

4.111

Eine typische Entnahmehandlung ist die Bebauung von (bisher) im Betriebsvermögen stehendem Grund und Boden mit einem Privatwohnhaus.3 Die Feststellungslast für das Vorliegen einer Entnahme trägt dabei der Steuerpflichtige. Weil durch die nur kurzzeitige betriebliche Nutzung ein Wirtschaftsgut nicht zum notwendigen Betriebsvermögen wird, ist die nur vorübergehende Nutzung eines WG in einer für die betriebliche Nutzung unverträglichen Art kein eindeutiger Ausdruck eines auf die Substanz des Wirtschaftsguts gerichteten Entnahmewillens.4 Vielmehr kann hier der Entnahmewille nur als auf die Nutzungen dieses WG gerichtet angesehen, mithin allenfalls eine Nutzungsentnahme angenommen werden.5 4. Finale Entnahme a) Reichweite des Betriebsbegriffs

4.112

Nach dem im Beschluss des BFH6 entwickelten sog. finalen Entnahmebegriff war eine Entnahme auch dann gegeben, wenn ein WG innerhalb des betrieblichen Bereichs von einem Betrieb oder Betriebsteil in einen anderen übergeht und dabei eine spätere Erfassung der im Buchansatz für dieses Wirtschaftsgut enthaltenen stillen Reserven nicht gewährleistet ist. In diesem Verständnis des Entnahmetatbestands ist keine Festlegung auf einen „weiten Betriebsbegriff“, sondern eine funktionale Ausdeutung des Merkmals der Entnahme für „betriebsfremde Zwecke“ i.S. von § 4 Abs. 1 Satz 2 zu sehen.7

4.113

Die Rechtsprechung unterlag bei der Auslegung des Terminus „für andere betriebsfremde Zwecke“ im Laufe der Zeit Wandlungen. Was unter „betriebsfremd“ zu verstehen ist, hing zunächst noch davon ab, ob zwei Be1 BFH v. 10.11.2004 – IX R 31/03, BStBl. II 2005, 334; v. 14.4.2009 – IV R 44/06, BStBl. II 2009, 811. 2 BFH v. 18.10.1989 – X R 99/87, BFH/NV 1990, 424. 3 BFH v. 24.11.1982 – I R 51/82, BStBl. II 1983, 365. 4 Hoffmann in Littmann/Bitz/Pust, §§ 4, 5 EStG Rz. 223. 5 Hoffmann in Littmann/Bitz/Pust, §§ 4, 5 EStG Rz. 223. 6 BFH v. 7.10.1974 – GrS 1/73, BStBl. II 1975, 168. 7 Wied in Blümich, § 4 EStG Rz. 477.

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B. Entnahme und Einlage

triebstätten (z.B. Tankstelle und Restaurant) eines Steuerpflichtigen zwei oder einen Betrieb bilden. Auszulegen war, ob man als „Betrieb“ i.S. des § 4 Abs. 1 Satz 2 EStG die Gesamtheit aller Einzelbetriebe des Stpfl. (weiter Betriebsbegriff) oder jeden Einzelbetrieb des Stpfl. für sich (enger Betriebsbegriff) oder mit einer vermittelnden Meinung alle Einzelbetriebe des Stpfl. derselben Einkunftsart auffasst (mittlerer Betriebsbegriff). Für die etwaige Anwendung der finalen Entnahmetheorie ist augenscheinlich, dass je nach Auslegung des Betriebsbegriffs unterschiedliche Rechtsfolgen eintreten. Der Gesetzgeber hat sich bei der Einführung der Regelung in § 6 Abs. 5 Satz 1 EStG1 auf die Auslegung des engen Betriebsbegriffs festgelegt.2 ME ist es daher auch konsequent, in § 6 Abs. 5 Sätze 3 ff. EStG Überführungen von einem eigenen Betriebsvermögen des Steuerpflichtigen in sein Sonderbetriebsvermögen, bzw. von seinem Sonderbetriebsvermögen in das Gesamthandsvermögen der Mitunternehmerschaft (und jeweils umgekehrt) zum Buchwert anzuordnen und gerade die Übertragung von einem Gesamthandsvermögen einer Mitunternehmerschaft in das Gesamthandsvermögen einer anderen Mitunternehmerschaft, selbst bei Beteiligungsidentität in den Personengesellschaften, nicht zuzulassen.3

4.114

Von entscheidender Bedeutung ist die Aussage des Begriffs „für betriebsfremde Zwecke“ insgesamt. Der BFH sah den vorrangigen Zweck in den Vorschriften über die Entnahme in der Sicherstellung der Besteuerung von etwaigen stillen Reserven. In der Konsequenz ist eine Entnahme auch dann anzunehmen, wenn ein Wirtschaftsgut zwar im Ergebnis einen betrieblichen Bereich nicht verlässt, aber die Besteuerung der stillen Reserven im Zuge des Übergangs in einen anderen Betrieb oder Betriebsteil nicht gesichert ist.4

4.115

b) Überführung von Wirtschaftsgütern in eine ausländische Betriebsstätte Der finale Charakter des Entnahmebegriffs wird besonders deutlich, wenn bislang unversteuerte, in einem Wirtschaftsgut ruhende stille Reserven aus der deutschen Besteuerungshoheit auszuscheiden drohen.5 Neben dieser Bedeutung für (Einzel-) Wirtschaftsgüter entspricht es den Grundsätzen in der Besteuerung grenzüberschreitender Sachverhalte, stille Reserven, die in einem Staatsgebiet im Laufe der Zeit entstanden sind, auch von diesem Staat besteuern zu lassen. Uneinheitlich gehandhabt wird dagegen der Zeitpunkt der Besteuerung, die Höhe der Steuer – schon wegen der Ermittlung 1 I.d.F. des StEntlG 1999/2000/2002 v. 24.3.1999, BGBl. I 1999, 402. 2 Musil in H/H/R, § 4 EStG Rz. 167 m.w.N.; a.A. Fischer in Kirchhof10, § 6 EStG Rz. 205. 3 BMF (Entwurf) v. 24.5.2011 – IV C 6-S 2241/10/10002, Rz. 18; BFH v. 25. 11.2009 – I R 72/08, BStBl. II 2010, 471; a.A. Groh, DB 2002, 1904; BFH v. 15.4.2010 – IV B 105/09, BStBl. II 2010, 971. 4 Heinicke in Schmidt30, § 4 EStG Rz. 326. 5 Hoffmann in Littmann/Bitz/Pust, §§ 4, 5 EStG Rz. 223.

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4.116

Kap. 4: Geistiges Eigentum im Ertragsteuerrecht

der Bemessungsgrundlage und die Sicherstellung des Besteuerungszugriffs. Im deutschen Steuerrecht sind – neben weiteren Vorschriften – § 1 Abs. 3 Sätze 9 ff. und § 6 AStG Paradebeispiele für die Sicherstellung der Besteuerung stiller Reserven in grenzüberschreitenden Sachverhalten.

4.117

Die Überführung von einzelnen Wirtschaftsgütern in eine ausländische Betriebsstätte des deutschen Stammhauses war nach altem Recht vor Geltung des § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG nach der Rechtsprechung des BFH1 als finale Entnahme einzuordnen, wenn Deutschland mit dem Betriebsstättenstaat ein DBA mit Freistellung von Betriebsstätteneinkünften abgeschlossen hatte. Im Fall einer nach Überführung getätigten Veräußerung des überführten Wirtschaftsguts hätte der Betriebsstättenstaat einen Gewinn (entspricht wohl den stillen Reserven) aus der Veräußerung nach seinen nationalen Rechtsvorschriften besteuert oder vielleicht auch nach seinem nationalen Steuerecht von einer Steuer befreit. In beiden Fällen würde das DBA – Aktivitätsvorbehalte außer Acht gelassen – Deutschland die Möglichkeit einer Besteuerung verbieten, weil das DBA – folgend dem OECD-MA – eine Besteuerungsmöglichkeit nur dem Betriebsstättenstaat zuweist und Deutschland verpflichtet, Betriebsstättengewinne – unter Progressionsvorbehalt – von einer Besteuerung in Deutschland freizustellen.

4.118

Mit Entscheidung vom 17.7.20082 gab der BFH die Anwendung dieses sog. finalen Entnahmebegriffs auf. Er führt aus, die Gewinnrealisation durch eine Entnahme nach der Legaldefinition in § 4 Abs. 1 Satz 2 EStG setze voraus, dass der Stpfl. das Entnahmeobjekt für private Interessen oder für andere betriebsfremde Interessen entnehme. Insbesondere die Überführung eines Wirtschaftsguts in eine ausländische Betriebsstätte desselben Unternehmers führe noch nicht zur Lösung des bisherigen betrieblichen Funktionszusammenhangs und könne deshalb mangels Außenumsatz nicht als Realisationstatbestand angesehen werden. Außerdem bedurfte es der Anwendung der finalen Entnahmetheorie nicht mehr, nachdem ein anderes Verständnis über die Abgrenzung zwischen inländischen und ausländischen Einkünften und die Wirkung einer Freistellung durch ein bestehendes DBA Einzug gehalten hatte. Da nach „heutiger Erkenntnis“ die (spätere) Besteuerung im Inland entstandener stiller Reserven durch eine Freistellung der ausländischen Betriebsstättengewinne nicht beeinträchtigt werde, fehle es jedenfalls für die Zeit vor Inkrafttreten des § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG i.d.F. des SEStEG3, sowohl an einer Rechtsgrundlage als auch an einem Bedürfnis für die frühere Rechtsprechung. 1 Z.B. BFH v. 28.4.1971 – I R 55/66, BStBl. II 1971, 630; v. 24.11.1982 – I R 123/78, BStBl. II 1983, 113. Die Finanzverwaltung hatte nach anhaltender Kritik im Schrifttum dem Steuerpflichtigen im Grundsatz ein Wahlrecht zwischen sofortiger und „aufgeschobener“ Realisierung der jeweiligen stillen Reserven eingeräumt. Vgl. BMF v. 12.2.1990 – IV B 2 - S 2135 - 4/90, BStBl. I 1990, 72; v. 24.12. 1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99, BStBl. I 1999, 1076 Rz. 2.6. 2 BFH v. 17.7.2008 – I R 77/06, BStBl. II 2009, 464; Nichtanwendungserlass BMF v. 20.5.2009 – IV C 6-S 2134/07/10005, BStBl. I 2009, 671. 3 Gesetz v. 7.12.2006, BGBl. I 2006, 2782.

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B. Entnahme und Einlage

Das Schrifttum1 stand der Anwendung der finalen Entnahmetheorie seit jeher kritisch gegenüber, da sie einer gesetzlichen Grundlage entbehrte. Daher wird das Aufgeben der finalen Entnahmetheorie überwiegend als überfälliger Schritt angesehen,2 während andere3 das Urteil auch in seinen Grundannahmen und Konsequenzen ablehnen. Gleichwohl wird man annehmen dürfen, dass es – nunmehr – für eine Entnahme i.S. von § 4 Abs. 1 Satz 2 EStG nicht ausreicht, wenn ein Wirtschaftsgut aus einem Betrieb oder Betriebsteil eines Steuerpflichtigen ausscheidet und dadurch die Besteuerung stiller Reserven gefährdet wird. Vielmehr müssen die Anforderungen, die sich aus dem Wortlaut des § 4 Abs. 1 Satz 2 EStG ergeben, in vollem Umfang erfüllt sein.

4.119

Die finale Entnahmetheorie ist inzwischen allerdings in § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG idF des SEStEG4 als sog. Entstrickungstatbestand aufgegangen. Weitere Fälle bei Gefährdung der Besteuerung stiller Reserven wurden ausgehend von der finalen Ennahmetheorie bereits vorher in den § 6 Abs. 35 und 56 EStG normiert. Abzuwarten bleibt, wie sich die Rechtsprechungsänderung auf die neue Rechtslage auswirken wird. Das genannte Urteil des BFH7 erging vor Inkrafttreten des SEStEG. Teile der Literatur8 prognostizieren teilweise ein Leerlaufen vor allem von § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG in den besonders problematischen Fällen der Überführung von Wirtschaftsgütern in eine ausländische Betriebsstätte.

4.120

Der Gesetzgeber hat durch das JStG 20109 wegen der neuen Rechtsprechung des BFH ergänzend ein „Nichtanwendungsgesetz“ erlassen, indem er in dem neuen § 4 Abs. 1 Satz 4 EStG rückwirkend (§ 52 Abs. 8b Sätze 2 und 3 EStG) gesetzlich definiert, dass ein Ausschluss oder eine Beschränkung des Besteuerungsrechts hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung eines Wirtschaftsguts insbesondere dann vorliegt, wenn ein bisher einer inländischen Betriebsstätte des Steuerpflichtigen zuzuordnendes Wirtschaftsgut einer ausländischen Betriebsstätte zuzuordnen ist.

4.121

III. Einlage 1. Begriff Nach dem Einlagebegriff i.S. des § 4 Abs. 1 Satz 8 Halbs. 1 EStG sind Einlagen alle Wirtschaftsgüter (Bareinzahlungen und sonstige WG), die der Steuerpflichtige dem Betrieb im Lauf des Wirtschaftsjahres zuführt. Die1 Vgl nur Buciek in Flick/Wassermeyer/Kempermann, Art 7 DBA-Schweiz Rz. 461; Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 18.43. 2 Gosch, BFH-PR 2008, 499; Roser, DB 2008, 2389; Hoffmann, DB 2008, 2286. 3 Mitschke, FR 2008, 1149. 4 Gesetz v. 7.12.2006, BGBl. I 2006, 2782. 5 I.d.F. UntStFG v. 20.12.2001, BGBl. I 2001, 3858. 6 I.d.F. des StEntlG 1999/2000/2002 v. 24.3.1999, BGBl. I 1999, 402. 7 BFH v. 17.7.2008 – I R 77/06, BStBl. II 2009, 464. 8 Allen voran Wassermeyer, DB 2006, 1176; Gosch, BFH-PR 2008, 499. 9 JStG 2010 v. 8.12.2010, BGBl. I 2010, 1768.

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4.122

Kap. 4: Geistiges Eigentum im Ertragsteuerrecht

ser eigenständige steuerrechtliche Begriff erfasst Vermögensmehrungen, die dem Betrieb aus dem außerbetrieblichen Bereich des Unternehmers zufließen.1 Für die Gewinnermittlung von Kapitalgesellschaften gilt diese Definition mit der Besonderheit, dass es sich um eine durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasste Zuwendung eines bilanzierungsfähigen Vermögensvorteils durch einen Gesellschafter oder eine ihm nahe stehende Person handeln muss.2 Für handelsrechtliche Zwecke existiert zwar auch ein Einlagenbegriff, der über den Maßgeblichkeitsgrundsatz grundsätzlich auch im Steuerrecht zu beachten ist. Die steuerrechtlichen Besonderheiten machen es jedoch erforderlich, diesen Maßgeblichkeitsgrundsatz in Einzelfällen zu durchbrechen3

4.123

Die Einlage ist in dogmatischer Hinsicht wie die Entnahme Ausfluss aus dem dualen Einkunftsermittlungsprinzip des deutschen EStG. Einlagen gehören daher nicht zu einer Einnahmeerhöhung als konstituierender Bestandteil des Vermögensvergleichs nach § 4 Abs. 1 Satz1 EStG. Einlagen werden nach Maßgabe des § 6 Abs 1 Nr. 5 Satz 1 Halbs. 1 EStG mit dem Teilwert bewertet.

4.124

Relevanz erhalten die Vorschriften über Einlagen bei einem Zuordnungswechsel von Wirtschaftsgütern aus der Privatsphäre in die betriebliche Sphäre. Während Wertveränderungen in Wirtschaftsgütern des Privatvermögens regelmäßig unbeachtlich sind, stellt sich dieses für Wirtschaftsgüter des Betriebsvermögens – im Zeitpunkt der Realisation – anders dar. Daher soll im Zeitpunkt der Einlage der in einem Wirtschaftsgut vorhandene Wert in die ab sofort auch mit dem übertragenen Wirtschaftsgut zu ermittelnde Betriebsvermögensmehrung einbezogen werden. Die Auswirkung besteht darin, dass unbeachtliche Wertveränderungen des Wirtschaftsguts im Privatvermögen gegenüber den historischen Anschaffungsoder Herstellungskosten bis zum Zeitpunkt der Einlage unberücksichtigt bleiben. Erst nach dem Einlagezeitpunkt sich realisierende Wertveränderungen sind – beim Betriebsvermögensverglich – steuerrechtlich relevant.

4.125

Durch die Einlagevorschriften wird daher einerseits verhindert, dass vom Steuerpflichtigen steuerfrei (entweder aufgrund gesetzlicher Steuerbefreiung oder bei Privatvermögen) gebildetes oder bei ihm bereits versteuertes Vermögen nach Überführung des Wirtschaftsguts in das Betriebsvermögen (erneut) der Besteuerung unterworfen wird. Zum anderen stellen die Vorschriften über die Einlage sicher, dass – gerade auch im Fall der Gewinnermittlung durch Bestandsvergleich – der Betriebsausgabenabzug für sämtliche betrieblich veranlassten Aufwendungen vorgenommen werden kann.4 Die Erreichung dieser Ziele verlangt nach einer funktionalen Aus1 BFH v. 30.11.2005 – I R 3/04, BStBl. II 2008, 809; Wied in Blümich, § 4 EStG Rz. 496. 2 BFH v. 23.2.2005 – I R 44/04, BStBl. II 2005, 522. 3 BFH v. 29.5.1996, BStBl. II 1997, 92. 4 BFH v. 20.9.1989 – X R 140/87, BStBl. II 1990, 368; Wied in Blümich, § 4 EStG Rz. 497.

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B. Entnahme und Einlage

legung des Begriffs „Einlage“: Zum einen ist das Betriebsvermögen um nicht betrieblich erwirtschaftete bzw. veranlasste Wertzugänge zu korrigieren, was auch als „Binnenkorrektur“ umschrieben wird.1 Zweitens dürfen nicht betrieblich veranlasse Aufwendungen die Betriebsvermögensveränderung nicht beeinflussen. Dieses wird in Anlehnung an den systematischen Zusammenhang von Betriebsausgabenbegriff und Gewinnermittlung durch Bestandsvergleich als „Inkorporations- oder Korrespondenzfunktion“ bezeichnet.2 Die Einlagevorschriften sind unabhängig von der zugrunde liegenden Art der Gewinnermittlung anzuwenden. Neben der Gewinnermittlung durch Bestandsverglich wird die Anwendung der Einlagevorschriften auch bei der Gewinnermittlung durch Überschussrechnung gem. § 4 Abs. 3 EStG virulent.3 Der Unterschiedsbetrag zwischen dem Betriebsvermögensvergleich am Schluss des Wirtschaftsjahres und dem Betriebsvermögen am Schluss des vorangegangenen Wirtschaftsjahres wird zwar im Fall des Bestandsvergleichs anhand derjenigen Vermögensteile ermittelt, die in der Bilanz anzusetzen sind (vgl § 5 Abs. 1 und § 6 Abs. 1 Einl. EStG: „Das Betriebsvermögen anzusetzen“ und „Bewertung der einzelnen Wirtschaftsgüter, die als Betriebsvermögen anzusetzen sind“). Die Korrektur des Unterschiedsbetrags durch Anwendung der Einlagevorschriften betrifft im Fall der Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich jedoch nicht die Bilanzansätze selbst, sondern ausschließlich den durch sie rechnerisch ermittelten Vermögenszuwachs. Das kann nicht anders sein, wenn der unbereinigte Vermögenszuwachs durch Überschussrechnung nach § 4 Abs. 3 EStG oder durch Schätzung ermittelt wird.4

4.126

2. Gegenstand der Einlage a) Allgemeines Einer Einlage fähig sind nur bilanzierbare Wirtschaftsgüter. In erster Linie sind damit erwartete Nutzungsvorteile aus dem Kreis der tauglichen Einlagegegenstände ausgeschieden.5 Eine Beschränkung der Einlagefähigkeit ist hingegen nicht nur bei Nutzungsmöglichkeiten und Nutzungsrechten an eigenem Vermögen, sondern auch dann erforderlich, wenn obligatorische oder dingliche Rechtspositionen dieser Art an fremden Vermögensgegenständen unentgeltlich oder teilentgeltlich überlassen werden.6 Auch wenn in diesen Fällen Wirtschaftsgüter vorliegen, würde eine mit dem Teilwert angesetzte Einlage dazu führen, dass der Ertrag aus der Nutzung der Besteuerung nicht zugänglich wäre. In Betracht kommt aber eine Auf1 Wied in Blümich, § 4 EStG Rz. 497. 2 Wied in Blümich, § 4 EStG Rz. 497. 3 BFH v. 31.10.1978 – VIII R 196/77, BStBl. II 1979, 401; v. 22.1.1980 – VIII R 74/77, BStBl. II 1980, 244. 4 Hoffmann in Littmann/Bitz/Pust, §§ 4, 5 EStG Rz. 277. 5 Weiterführend Hoffmann in Littmann/Bitz/Pust, §§ 4, 5 EStG Rz. 280 f. 6 BFH v. 13.1.1994 – IV R 117/92, BStBl. II 1994, 454.

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4.127

Kap. 4: Geistiges Eigentum im Ertragsteuerrecht

wandseinlage des Steuerpflichtigen, bestehend aus den betrieblichen Aufwendungen.1

4.128

Begrifflich entspricht die Aufwandseinlage der Aufwandsentnahme. Sie erfasst Vorgänge, bei denen nicht das Wirtschaftsgut an sich, sondern die Aufwendungen für die Nutzung des Wirtschaftsguts in das Betriebsvermögen eingelegt werden. Damit werden betrieblich veranlasste und damit als Betriebsausgaben abziehbare Aufwendungen im Zusammenhang mit der Nutzung fremder Wirtschaftsgüter Teil des Betriebsvermögensvergleichs nach § 4 Abs. 1 Satz 1 EStG. Standardbeispiele für Aufwandseinlagen sind die Nutzung eines privaten Autos für betriebliche Zwecke, soweit dieses mit § 12 EStG vereinbar ist;2 auch bei Überlassung eines dinglichen oder obligatorischen Nutzungsrechts an einem fremden Vermögen liegt – wie soeben ausgeführt wurde – keine Einlage dieser Rechtsposition in das Betriebsvermögen des Steuerpflichtigen vor; vielmehr sind in einem solchen Fall ebenso die entstandenen Aufwendungen der Höhe nach als Einlage anzusetzen.

4.129

Der BFH3 baut bei der Einlage auf die Systematik der Gewinnermittlungsvorschriften bei der Gewinnermittlung durch Bestandsvergleich auf, die nach dem Wortlaut des § 4 Abs. 1 EStG Wertveränderungen in Wirtschaftsgütern erfassen. Die Aufzählung in dem Klammerzusatz in § 4 Abs. 1 Satz 2 EStG verkörpert eine Begriffsbestimmung der Einlagegegenstände; daher können – losgelöst von der Erfassung als Überschusseinnahmen (§§ 4 Abs. 3, 8 Abs. 1 EStG) – nicht in Wirtschaftsgütern verkörperte Nutzungsvorteile nicht Gegenstand einer Einlage mit Gewinnauswirkung nach § 4 Abs. 1 Satz 1 EStG sein. Echte Nutzungsrechte (obligatorischer oder dinglicher Natur) können hingegen Gegenstand einer Einlage sein.4

4.130

Der Inhalt der Regelungen über die Einlagen an sich ist nicht ohne weiteres aus dem Gesetz ersichtlich. Vielmehr ist für das Verständnis auf den soeben dargestellten Sinn und Zweck der Regelung abzuheben. Nach dem Wortlaut der Norm sind nämlich auch Überführungsakte (bzw. Übertragungsakte) aus einem Betriebsvermögen des Steuerpflichtigen in ein anderes Betriebsvermögen erfasst. In diesen Fällen entbehrt das Ziel, nur steuerrechtlich relevante Wertveränderungen zu erfassen, seiner Grundlage. Geht es nämlich darum, unversteuerte Vermögensveränderungen in steuerverstrickten Wirtschaftsgütern zu vermeiden und im Gegensatz dazu, Wertveränderungen im Privatvermögen als nicht steuerbar zu qualifizieren, kann bei Überführungen (Übertragungen) von einem Betriebsvermögen in ein anderes Betriebsvermögen der existierende Buchwert dem 1 2 3 4

Wied in Blümich, § 4 EStG Rz. 500. Vgl. auch R 4.7 Abs. 1 Satz 2 EStR. BFH v. 26.10.1987 – GrS 2/86, BStBl. II 1988, 348. Grundlegend: BFH v. 26.10.1987 – GrS 2/86, BStBl. II 1988, 348; v. 16.12.1988 – III R 113/85, BStBl. II 1989, 763.

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B. Entnahme und Einlage

Grunde und der Höhe nach als Instrument zur Sicherstellung der Besteuerung von stillen Reserven herangezogen werden.1 Der Gesetzeswortlaut erfasst erst recht nicht den Fall der Einlage eines Wirtschaftguts durch den Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft in deren Betriebsvermögen, und zwar einerlei, ob sich das betreffende Wirtschaftsgut bislang im Privatvermögen oder im Betriebsvermögen des Gesellschafters befunden hat.2

4.131

b) Einlagegegenstand in Form materieller und immaterieller Wirtschaftsgüter Eine weiteres Interpretationsbedürfnis erfordert der Gesetzeswortlaut in § 4 Abs. 1 Satz 8 EStG in Bezug auf die tauglichen Einlagegegenstande. In dem Klammerzusatz in § 4 Abs. 1 Satz 8 EStG sind die „Bareinzahlungen und sonstigen Wirtschaftsgüter“ genannt. Durch das Zusammenspiel der Begriffe kann daraus der Schluss gezogen werden, dass Wirtschaftsgüter materieller Art in jedem Fall taugliche Einlagegegenstände sind. Abweichendes könnte für immaterielle Wirtschaftsgüter gelten: Die Frage geht dahin, ob das Aktivierungsverbot nach § 5 Abs. 2 EStG den Einlagenvorschriften dem Grunde und der Höhe nach vorgeht. Nach Auffassung Hoffmanns3 ergibt sich die Antwort aus dem klaren Wortlaut des Gesetzes: Eine Einlage sei nun einmal keine Anschaffung. Die Rechtsprechung des Großen Senats4 habe dies – wenn auch mit anderer Begründung – bestätigt.

4.132

Im Einzelnen begründet Hoffmann5 seine Auffassung mit dem Aktivierungsverbot des § 5 Abs 2 EStG. Dieser sei eine Ausprägung des Grundsatzes kaufmännischer Vorsicht. Ihm liege die Erwägung zugrunde, dass immaterielle Anlagewerte i.d.R. weniger konkretisiert und im Wert weniger objektiviert seien als materielle Wirtschaftsgüter. Erst wenn sie aufgrund eines entgeltlichen Geschäfts Gegenstand des Geschäftsverkehrs gewesen seien, ihr Wert seine Bestätigung am Markt erhalten habe, entfiele die Unsicherheit in der Wertbestimmung. Diese Unsicherheit werde nicht dadurch beseitigt, dass für sie im Fall der Einlage nach § 6 Abs. 1 Nr. 5 EStG der Teilwert gefunden werden müsse. Dieser Teilwertfindung hafte dieselbe Unsicherheit an wie etwa der Schätzung des Werts im Fall eigener Herstellung solcher Wirtschaftsgüter. Deshalb spreche vieles für die Auffassung, dass die Einlage immaterieller Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens keine entgeltliche Anschaffung i.S. des § 5 Abs. 2 EStG darstelle. Diese Vorschrift stelle allerdings lediglich auf die Tatsache ab, ob das immaterielle Wirtschaftsgut entgeltlich angeschafft worden sei, nicht aber darauf, ob sich diese Anschaffung auf das immaterielle Wirtschafts-

4.133

1 2 3 4 5

Vgl. dazu die Regelungen in § 6 Abs. 3, Abs. 5 Sätze 1 und 3 EStG. Hoffmann in Littmann/Bitz/Pust, §§ 4, 5 EStG Rz. 277. Hoffmann in Littmann/Bitz/Pust, §§ 4, 5 EStG Rz. 278. BFH v. 26.10.1987 – GrS 2/86, BStBl. II 1988, 348. Hoffmann in Littmann/Bitz/Pust, §§ 4, 5 EStG Rz. 296.

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Kap. 4: Geistiges Eigentum im Ertragsteuerrecht

gut als Bestandteil des Betriebsvermögens bezog und die Anschaffung ein betrieblicher Vorgang war. Sei also das immaterielle Wirtschaftsgut im Privatbereich entgeltlich angeschafft worden, gäbe es keine Begründung für das Ansatzverbot des § 5 Abs. 2 EStG. Denn der Wert habe in diesem Fall durch die entgeltliche Anschaffung seine Objektivierung durch den Markt erhalten.

4.134

Nach anderer, mE zutreffender Ansicht1 können auch immaterielle Wirtschaftsgüter eingelegt werden. Gestützt wird diese Ansicht von einem früheren Urteil des BFH.2 In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt betrieb ein Steuerpflichtiger ein gewerbliches Unternehmen. Daneben entwickelte er drei Verfahren, auf die er Patente erhielt. Diese nutzte er einerseits im eigenen Betrieb und zum überwiegenden Teil durch die Vergabe von Lizenzen. Zunächst behandelte der Steuerpflichtige alle Einkünfte als solche aus Gewerbebetrieb und erklärte sie auch bei der Gewerbesteuer. Später begehrte er die Anerkennung der Reingewinne aus der Lizenzenvergabe als solche aus freiberuflicher Tätigkeit zu qualifizieren, mit der Folge, die Gewinne aus dem Gewerbeertrag seines gewerblichen Unternehmens auszuscheiden. Der BFH führte dazu aus: „Die erfinderische Tätigkeit als solche, d.h. die auf die Findung einer Idee und ihre Entwicklung zu einer verwertungsreifen Erfindung gerichtete Tätigkeit, ist an sich, was ihre Einordnung in die Einkunftsarten des EStG anbelangt, farblos. Eine steuerliche Bedeutung erhält sie erst, wenn sie auf die Erzielung von Einkünften gerichtet ist. Das kann bereits in der Entwicklungsphase einer Erfindung der Fall sein, wenn sie nämlich innerhalb und im Dienste einer bereits bestehenden, Einkünfte hervorbringenden Tätigkeit (selbständige Arbeit, gewerbliche Tätigkeit, land- und forstwirtschaftliche Tätigkeit) ausgeübt wird oder wenn sie selbst den Beginn einer solchen Tätigkeit darstellt, wenn also bereits eine Zielrichtung auf die Art der Einkünfte, die mit ihr bezogen werden sollen, vorhanden ist. Die einkommensteuerrechtliche Einordnung der erfinderischen Tätigkeit kann aber auch erst mit dem Beginn ihrer Verwertung eintreten. So kann sogar eine bei der Beschäftigung mit einer Liebhaberei oder aus Liebhaberei gemachte Erfindung steuerbare Einkünfte hervorbringen, wenn sie etwa in einen Gewerbebetrieb eingebracht und dort verwertet oder durch die Vergabe von Lizenzen genutzt wird“… „So wie die erfinderische Tätigkeit je nach ihrer bereits in der Entwicklungsphase oder erst in der Auswertungsphase konkretisierten Zweckrichtung verschiedenen Einkunftsarten zugeordnet werden kann, ist auch die Erfindung selbst, falls sie sich zum bewertungsfähigen Wirtschaftsgut verdichtet hat, Betriebsvermögen der so gearteten Einkünfte hervorbringenden Tätigkeit.“

4.135

Den Ausführungen des BFH kann entnommen werden, dass die Einlage eines selbst geschaffenen immateriellen Wirtschaftsguts möglich ist, auch wenn der BFH dafür nicht den teminus technicus „Einlage“ verwendet, sondern den Vorgang mit „eingebracht“ umschreibt. Gilt dieses für den Fall einer im Bereich der steuerrechtlich unbeachtlichen Sphäre der Liebhaberei gemachten Erfindung, um diese anschließend im betrieblichen Bereich zu verwerten, ist unter der geltenden Gesetzeslage nicht ohne weiteres erkennbar, wie sich eine Überführung (Übertragung) von ei1 Musil in H/H/R, § 4 EStG Rz. 286; Wied in Blümich, § 4 EStG Rz. 520. 2 BFH v. 11.9.1969 – IV R 160/67, BStBl. II 1970, 317.

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B. Entnahme und Einlage

nem Betriebsvermögen in ein anderes Betriebsvermögen desselben Steuerpflichtigen darstellt. Der Auffassung Hoffmanns1 ist jedenfalls insoweit zuzustimmen, als die Voraussetzung der entgeltlichen Anschaffung in § 5 Abs. 2 EStG extensiv auszulegen ist und – unabhängig von der Zuordnung des immateriellen Wirtschaftsguts – jedwede entgeltliche Anschaffung derartiger Wirtschaftsgüter erfasst. Des Weiteren ist den Ausführungen Hoffmanns2 zuzustimmen, wenn es um eine Betrachtung innerhalb der betrieblichen Sphäre geht, denn für diesen Fall setzt § 5 Abs. 2 EStG konsequent das Vorsichtsprinzip um.

4.136

Zur Beantwortung der Frage ist mE zunächst zwischen den Regelungsebenen in § 4 und § 5 EStG zu trennen. § 4 EStG normiert in Abs. 1 Satz 1 den Gewinnbegriff durch Betriebsvermögensvergleich. § 5 EStG dient der Ermittlung des Gewinns bestimmter Gewerbetreibender, bei denen zusätzlich zu dem Betriebsvermögensvergleich i.S. des § 4 Abs. 1 EStG die handelsrechtlichen Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung zu beachten sind. § 5 EStG darf aber nicht dahin verstanden werden, dass durch die Berücksichtigung der Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung eine eigenständige Art der Gewinnermittlung geregelt ist. Vielmehr handelt es sich dabei um eine „erweiterte“ oder „spezielle“ Form des Betriebsvermögensvergleichs für Gewerbetreibende.3 Während aber der Betriebsvermögensvergleich die Wertveränderung im Betriebsvermögen innerhalb des Wirtschaftsjahres regelt und dabei Entnahmen und Einlagen mangels eigenbetrieblicher Schöpfung ausscheidet, regelt § 5 EStG – gedanklich eine Stufe tiefer –, wie das Betriebsvermögen – also die vorhandene innerbetriebliche Sphäre – anzusetzen ist. Dem steht nicht entgegen, einen zunächst außerhalb der betrieblichen Sphäre und damit außerhalb des Anwendungsbereichs von § 5 EStG geschaffenen Wert, z.B. in Form einer Erfindung, nach Einlage in die betriebliche Sphäre zu aktivieren. Bei der Bilanzierung der Höhe nach werden mindestens die „Herstellungskosten“ in Form der verbrauchten Aufwendungen anzusetzen sein. Darüber hinaus könnte ein Bewertungsgutachten – wie auch zu anderen Gelegenheiten im Steuerrecht – Auskunft über den Teilwert geben. § 5 Abs. 2 EStG ist mithin dahin zu verstehen, dass sich das Aktivierungsverbot auf immaterielle Wirtschaftsgüter bezieht, die in der betrieblichen Sphäre geschaffen wurden. Für einlagefähige immaterielle Wirtschaftsgüter kann bei einer unentgeltlichen Zuführung ein solches Aktivierungsverbot nicht bestehen.

4.137

1 Hoffmann in Littmann/Bitz/Pust, §§ 4, 5 EStG Rz. 296. 2 Hoffmann in Littmann/Bitz/Pust, §§ 4, 5 EStG Rz. 296. 3 Lang in Tipke/Lang, Steuerrecht20, § 9 Rz. 188, weist zu Recht darauf hin, dass auch der allgemeine Betriebsvermögensvergleich auf den Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung beruht, weil ohne das HGB-Normensystem der Buchführung und des Jahresabschlusses ein Vergleich zweier Schlussbilanzen nicht möglich ist.

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Kap. 4: Geistiges Eigentum im Ertragsteuerrecht

3. Einlagenhandlung

4.138

Die Einlage ist ein laufender Geschäftsvorfall1 und benötigt – wie die Entnahme auch – eine den Einlagewillen zur Schau stellende Handlung des Steuerpflichtigen, sog. Widmungsakt. Dabei kann auch die Einlagehandlung konkludenter (schlüssiger) oder ausdrücklicher Natur sein. Entscheidend ist, dass sich der Einlagewillen in äußeren Ereignissen, Geschehen, Verhaltensweisen u.Ä. unmissverständlich verdeutlicht.2 Innere Vorbehalte und Motive des Steuerpflichtigen sind unerheblich. Allerdings ist allein auf den Willen des Steuerpflichtigen abzustellen, selbst wenn dieser von einem Dritten beeinflusst wird. Eine Einlage scheitert mangels Einlagehandlung des Steuerpflichtigen, wenn der steuerliche Vertreter ohne Wissen des Steuerpflichtigen – und damit ohne Möglichkeit zur Willensbildung – ein Wirtschaftsgut in der Bilanz aktiviert. Eine Einlage liegt selbst dann nicht vor, wenn der Steuerpflichtige das Wirtschaftsgut in den Folgejahren weiterhin als Betriebsvermögen behandelt.3 Die Behandlung des Wirtschaftsguts in der Buchführung hat auch hier lediglich Indizfunktion.

4.139

Eine Einlage kann ausnahmsweise ohne eigentliche Einlagehandlung auch von einem die Einlagehandlung substituierenden Rechtsvorgang (Rechtsakt) ausgehen. Ein solcher Rechtsakt kann z.B. vorliegen, wenn der Vermieter eines Grundstücks oder der Darlehensgeber sich unter Weiterführung des Nutzungsverhältnisses an dem Unternehmen des Mieters oder Darlehensnehmers als Mitunternehmer beteiligt und damit seine Vermögensverwaltung zu einer betrieblichen Tätigkeit wird (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG);4 auch wenn der Grundstücksvermieter durch Erwerb von Anteilen an der Betriebskapitalgesellschaft die für eine Betriebsaufspaltung erforderliche personelle Verflechtung herbeiführt. Ein weiterer Fall der substituierenden Einlagehandlung kann durch einen Erbfall ausgelöst werden.5

4.140

Ebenso wie die Aufgliederung bei der Entnahmehandlung und der Betriebsvermögenseigenschaft ist bei der Einlagenhandlung zu unterscheiden:6 – Neutrale WG (gewillkürtes BV) sind ohne Einschränkung einer Einlage fähig. Als Beispiele für derartiges gewillkürtes Betriebsvermögen können angeführt werden: Mietwohngrundstücke, unbebaute Grundstücke, Wertpapiere, Bankguthaben. Eine Einlage erfordert den soeben beschriebenen Einlagewillen und eine Einlagehandlung. – Möglich ist die Umqualifizierung eines Wirtschaftsguts in notwendiges Betriebsvermögen durch ein Tun oder eine Handlung (Bebauung eines 1 2 3 4 5 6

BFH v. 13.10.1983 – I R 76/79; BStBl. II 1984, 294. BFH v. 22.9.1993 – X R 37/91, BStBl. II 1981, 731. BFH v. 2.7.1969 – I R 143/66, BStBl. II 1969, 617. Hoffmann in Littmann/Bitz/Pust, §§ 4, 5 EStG Rz. 282. BFH v. 5.6.2008 – IV R 73/05, BStBl. II 2008, 965. Hoffmann in Littmann/Bitz/Pust, §§ 4, 5 EStG Rz. 283.

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C. Entstrickung und Verstrickung

privaten Grundstücks mit einem Betriebsgebäude). Dieses ist ein klassisches Beispiel für eine Einlage aufgrund schlüssigen Verhaltens. Die entsprechende Behandlung in der Buchführung reflektiert nur diesen Vorgang, hat also keine rechtsbegründende Wirkung.1 Zu beachten ist, dass im Fall versehentlich unterbliebener Aktivierung die „förmliche“ Aufnahme in die Bilanz nicht zu einer Einlage des Wirtschaftsguts führt, sondern eine Bilanzberichtigung darstellt.2 – Gehört ein Wirtschaftsgut zum Privatvermögen, ist eine Einlage aufgrund der lediglich indiziell wirkenden buchhalterischen Erfassung allein nicht denkbar. 4. Finale Einlage Durch die Rechtsprechung des Großen Senats des BFH3 wird der Begriff der sog „finalen Einlage“ restriktiv ausgelegt. Die einschränkende Auslegung bezieht sich zum einen auf die Einlagefähigkeit von Nutzungsvorteilen und Nutzungsrechten. Zum anderen kann – korrespondierend zu der verdeckten Entnahme – keine Einlage angenommen werden, wenn eine Entnahme aufgrund der sichergestellten Besteuerung der stillen Reserven bei Überführung (Übertragung) in ein anderes Betriebsvermögen sichergestellt ist.4 Ab dem VZ 1999 sind die Grundsätze der Rechtsprechung teilweise in den § 6 Abs. 3 und Abs. 5 EStG umgesetzt worden.

4.141

Es besteht mithin eine gewisse Parallelität zur Entnahme; denn die volle Bedeutung des Einlagebegriffs erschließt sich erst aus der Analyse von Sinn und Zweck in ihrem materiellen Gehalt. Bei der Entnahme stellt sich dieser als die Sicherstellung der irgendwann einmal erfolgenden Besteuerung von stillen Reserven dar. Bei der Einlage geht es entscheidend darum, dass vom Steuerpflichtigen steuerfrei gebildetes oder bei ihm bereits versteuertes Vermögen durch die Einbringung in ein Betriebsvermögen nicht nochmals der Besteuerung unterworfen wird.5

4.142

C. Entstrickung und Verstrickung I. Allgemeines Die Regelungen über die Entnahmen und Einlagen verfolgen das Ziel, außerbetriebliche Vorgänge von dem aus dem betrieblichen Vermögensverglich resultierenden Gewinn zu trennen. Vom Grundgedanken her lassen 1 So auch Wied in Blümich, § 4 EStG Rz. 460. 2 BFH v. 12.10.1977 – I R 248/74, BStBl. II 1978, 191; mangels Erfordernisses einer Gewinnkorrektur ist die Bilanzberichtigung in der Schlussbilanz des Wirtschaftsjahres der Richtigstellung vorzunehmen. 3 BFH v. 26.10.1987 – GrS 2/86, BStBl. II 1988, 348. 4 Wied in Blümich, § 4 EStG Rz. 511. 5 Hoffmann in Littmann/Bitz/Pust, §§ 4, 5 EStG Rz. 284.

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4.143

Kap. 4: Geistiges Eigentum im Ertragsteuerrecht

sich auch die Ent- und Verstrickung unter dieses System fassen. Bei der Entstrickung wird ein Wirtschaftsgut aus der Besteuerungshoheit der Bundesrepublik Deutschland geführt („entnommen“). Zur Sicherstellung der Besteuerung etwaiger stiller Reserven in diesem Wirtschaftsgut bestimmt § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG i.d.F. des SEStEG1 kraft einer Fiktion, dass der Ausschluss oder die Beschränkung des Besteuerungsrechts der Bundesrepublik einer Entnahme für betriebsfremde Zwecke gleichgestellt wird.2 Ein Ausschluss oder eine Beschränkung des Besteuerungsrechts hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung eines Wirtschaftsguts liegt insbesondere vor, wenn ein bisher einer inländischen Betriebsstätte des Steuerpflichtigen zuzuordnendes Wirtschaftsgut einer ausländischen Betriebsstätte zuzuordnen ist, § 4 Abs. 1 Satz 4 EStG. Der neue Satz 4 i.d.F. des JStG 20103 erläutert klarstellend den Hauptanwendungsfall des § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG mittels eines Regelbeispiels. Dieses Regelbeispiel knüpft – wie auch die Formulierung in § 4g EStG – an die Zuordnung eines Wirtschaftsguts, das bisher z.B. einem inländischen Betriebsvermögen zugeordnet war, zu einer ausländischen Betriebsstätte an. Eine Ausnahme von der Entstrickung gilt für Anteile an SE und SCE in § 4 Abs. 1 Satz 5 EStG.

4.144

Korrespondierend zu der Anordnung in § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG befindet sich in § 4 Abs. 1 Satz 8 EStG ein allgemeiner Verstrickungstatbestand. Wird das Besteuerungsrecht der Bundesrepublik Deutschland hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung eines Wirtschaftsguts begründet, steht dieses einer Einlage gleich.

4.145

Für Kapitalgesellschaften ist der zentrale Entstrickungstatbestand in § 12 KStG geregelt. Auch diese Regelung ordnet bei Verlust des deutschen Besteuerungsrechts hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung eines Wirtschaftsguts oder dessen Nutzung die Aufdeckung der stillen Reserven an.

II. Entstrickung 1. Vereinbarkeit mit EU-Recht

4.146

Vor dem SEStEG4 war ein allgemeiner Entstrickungstatbestand gesetzlich nicht normiert. Um die Systematik bei der Besteuerung stiller Reserven einzuhalten und drohende Steuerausfälle zu vermeiden, hatte sich die Lehre über die sog. finale Entnahme gebildet (dazu s. Rz. 4.112 ff.). Die Finanzverwaltung war dieser Lehre in den Betriebsstätten-Verwaltungsgrundsätzen gefolgt.5 Wegen gemeinschaftsrechtlicher Vorgaben sah sich 1 2 3 4 5

Gesetz v. 7.12.2006, BGBl. I 2006, 2782. Kritisch Wassermeyer, DB 2006, 1176. Gesetz v. 8.12.2010, BGBl. I 2010, 1768. Gesetz v. 7.12.2006, BGBl. I 2006, 2782. BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99, BStBl. I 1999, 1076 Rz. 2.6.1.

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C. Entstrickung und Verstrickung

der deutsche Gesetzgeber in der Pflicht, eine entsprechende Vorschrift im EStG zu verankern.1 Mit Urteil vom 17.7.20082 gab der BFH von Seiten der Rechtsprechung die finale Entnahmetheorie auf. Vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des EuGH im Fall de Lasteyrie du Saillant3 wird in der Literatur4 die Auffassung vertreten, die Regelung in § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG sei mit den europäischen Grundfreiheiten unvereinbar. In der genannten Entscheidung erklärte der EuGH französische Vorschriften vergleichbar der deutschen Vermögenszuwachsbesteuerung in § 6 AStG für unvereinbar mit den Europäischen Grundfreiheiten. Verglichen mit der Anordnung in § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG ergibt sich eine vergleichbare Diskriminierung: Während ein Steuerpflichtiger (unter den weiteren Voraussetzungen) bei Überführung eines Wirtschaftsguts in eine ausländische Betriebsstätte ohne Realisation verpflichtet sei, etwaige in dem Wirtschaftsgut ruhende stille Reserven aufzudecken und zu versteuern, ist dieses bei einem vergleichbaren Inlandsfall nicht angezeigt. Dem tritt Musil5 entgegen und argumentiert, der Rechtsprechung des EuGH lasse sich eine Tendenz entnehmen, mitgliedstaatliche Fiskalinteressen stärker als früher zu berücksichtigen. Dogmatisch geschehe dies durch die Anerkennung neuer Rechtfertigungsgründe. Als deren wichtigster sei die Wahrung der Aufteilung der Besteuerungsbefugnisse zwischen den Mitgliedstaaten anzusehen. Diese berücksichtige, welchem Territorium entstandene Wertsteigerungen oder Verluste näher stehen und wo dementsprechend in sachgerechter Weise auch eine Besteuerung erfolgen sollte. Da die stillen Reserven, die in einem bisher in Deutschland vorhandenen Wirtschaftsgut enthalten sind, dort auch gebildet worden sind, sei es grundsätzlich sachgerecht, diese auch in Deutschland – unter Berücksichtigung von § 4g EStG – der Ertragbesteuerung zuzuführen. 2. Die Reglung im Einzelnen a) Tatbestand der Entstrickung Die Regelung in § 4 Abs. 1 Sätze 3 und 4 EStG erfasst zunächst den Fall, dass das Besteuerungsrecht der Bundesrepublik Deutschland bezüglich des Veräußerungsgewinns ausgeschlossen ist. Nach Auffassung des Gesetzgebers6 soll ein Ausschluss des Besteuerungsrechts dann vorliegen, wenn ein Wirtschaftsgut in eine ausländische Betriebsstätte überführt wird und der Gewinn der ausländischen Betriebsstätte aufgrund eines 1 Für Kapitalgesellschaften ist der zentrale Entstrickungstatbestand in § 12 KStG normiert, der im Prinzip wie der Entstrickungstatbestand im EStG vorgeht, so dass auf weitere Ausführungen zu § 12 KStG verzichtet wird. 2 BFH v. 17.7.2008 – I R 77/06, BStBl. II 2009, 464. 3 EuGH v. 11.3.2004 – C-9/02, IStR 2004, 236. 4 Benecke/Schnittger, IStR 2007, 22; Dörfler/Adrian/Oblau, RIW 2007, 266; Förster, DB 2007, 72; Hahn, IStR 2006, 797; Rödder/Schumacher, DStR 2007, 369; Wied in Blümich, § 4 EStG Rz. 485. 5 Musil in H/H/R, § 4 EStG Rz. 211; Musil, DB 2009, 1037; wohl auch Mitschke, FR 2008, 1144. 6 BT-Drucks. 16/2710, 44.

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4.147

Kap. 4: Geistiges Eigentum im Ertragsteuerrecht

DBA von der deutschen Besteuerung freigestellt werden muss. Im Zeitpunkt der Überführung ordnet der Gesetzgeber dann ein Art Schlussbesteuerung an, ohne weiteren Gegebenheiten Beachtung zu schenken.1 Zum Zeitpunkt der Überführung – selbst in eine Freistellungsbetriebsstätte – ist gar nicht in jedem Fall sicher, dass das Besteuerungsrecht der Bundesrepublik Deutschland im Fall der Veräußerung des Wirtschaftsguts im Ausland ausgeschlossen ist. Soweit in einem DBA z.B. Aktivitätsvorbehalte im Methodenartikel vorgesehen sind, ist die Freistellung etwaiger Veräußerungsgewinne davon abhängig. Der Gesetzgeber hat die Regelung damit in Form einer Gefährdungsnorm ausgestaltet; eine abstrakte Gefährdung der Besteuerungsmöglichkeit genügt dem Tatbestand der Norm.2

4.148

Nach neuerem Verständnis der abkommensrechtlichen Freistellung ist es nicht zwingend geboten, nach Überführung eines Wirtschaftsguts aus einem Betriebsvermögen im Ansässigkeitsstaat in ein Betriebsvermögen im Betriebsstättenstaat bei nachfolgender Veräußerung des Wirtschaftsguts einen etwaigen Gewinn ausschließlich dem Betriebsstättenstaat zuzuweisen. Vielmehr kann der Anssässigkeitsstaat die bis zur Überführung in seinem Hoheitsgebiet angesammelten stillen Reserven besteuern.3 Bei einem solchen Verständnis der Freistellungsmethode tritt die vom Gesetzgeber befürchtete Folge nicht ein, so dass die Regelung über das Ziel hinausschießt.4

4.149

Eine Beschränkung des deutschen Besteuerungsrechts, die zur Anwendung von § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG führt, liegt insbesondere bei der Überführung eines Wirtschaftsguts in eine Betriebsstätte in einem NichtDBA-Staat vor. Denn in diesem Fall ist eine Anrechnung der ausländischen „Betriebsstättensteuer“ im Inland gem. §§ 34c, 34d Nr. 2 Buchst. a EStG vorgesehen. Somit ist das Besteuerungsrecht der Bundesrepublik Deutschland beschränkt und das Steueraufkommen abstrakt gefährdet. Gleiches gilt bei vereinbarter Anrechnungsmethode in einem DBA, so z.B. im DBA mit den Vereinigten Arabischen Emiraten. Ebenfalls sollen Überführungen von einer Anrechnungs- in eine Freistellungsbetriebsstätte bei partieller Verschlechterung der deutschen Besteuerungssituation zur Anwendung der Entstrickungsregelungen führen, was ebenso gegeben ist, wenn mit dem Betriebsstättenstaat nach Überführung des Wirtschaftsguts das DBA revidiert wird und von der Anrechnungszur Freistellungsmethode übergegangen wird.5

4.150

Gerichtet sind die Enstrickungsvorschriften auf die stillen Reserven in einem Wirtschaftsgut, die entweder im Fall der Veräußerung unmittelbar 1 Zu Meinungsstand und Kritik Buciek in Flick/Wassermeyer/Kempermann, Art. 7 DBA-Schweiz Rz. 461; Kessler/Huck, StuW 2005, 193; a.A. Mitschke, DB 2009, 1376. 2 Musil in H/H/R, § 4 EStG Rz. 213. 3 So schon BFH v. 17.7.2008 – I R 77/06, BStBl. II 2009, 464. 4 Musil in H/H/R, § 4 EStG Rz. 214; Rödder/Schumacher, DStR 2006, 1481; Prinz, DB 2009, 807. 5 Musil in H/H/R, § 4 EStG Rz. 216.

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C. Entstrickung und Verstrickung

oder im Fall der Nutzung des Wirtschaftsguts mittelbar realisiert werden. Unter Veräußerung versteht man die Übertragung des (wirtschaftlichen) Eigentums, durch die zwangsläufig eine Änderung der Zurechnung des Wirtschaftsguts vom „Veräußerer“ auf den „Erwerber“ eintritt. Soweit auch die Nutzung eines Wirtschaftsguts erfasst ist, handelt es sich um eine vorübergehende Überlassung zur Nutzung in der Betriebsstätte. Der Gesetzgeber wollte damit aber nicht abweichend von den allgemeinen Zuordnungskriterien beim Betriebsstättenvermögen schon bei einer nur vorübergehenden Überlassung das Wirtschaftsgut der Betriebsstätte zurechnen. Vielmehr kommt es zu einer Entstrickungsbesteuerung nur, wenn das zur Nutzung überlassene Wirtschaftsgut nach Überführung aufgrund der tatsächlichen Gegebenheiten dem Betriebsstättenvermögen zuzurechnen ist.1 Die vorübergehende Überlassung des Wirtschaftsguts führt lediglich zu einer (fingierten) Entnahme der Nutzung als solche.2 Bemerkenswert in Bezug auf den Entstrickungstatbestand ist, dass im Gegensatz zu den sonstigen Veräußerungs- und Gewinnrealisationstatbeständen kein Rechtsträgerwechsel vorausgesetzt oder gar erfasst wird.3 Das denkbare Konkurrenzverhältnis mit § 6 Abs. 5 EStG bei der Bewertung ist zugunsten einer Vorrangigkeit von § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG aufzulösen.4

4.151

b) Rechtsfolge der Entstrickung Rechtsfolge bei Vorliegen einer fiktiven Entnahme gem. § 4 Abs. 1 Sätze 3, 4 EStG ist die Anwendung der allgemeinen Vorschriften; mithin ist der Wert des „entnommenen“ Wirtschaftsguts dem Gewinn des inländischen Betriebs wieder hinzuzurechnen. Abweichend von den allgemeinen Regeln über die Entnahme ist die fiktive Entnahme allerdings nicht mit dem Teilwert, sondern dem gemeinen Wert gem. § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 Halbs. 2 EStG zu bewerten. Das gilt auch für die Entnahme von Nutzungen; diese sind allerdings nicht mit dem gemeinen Wert des Wirtschaftsguts, sondern mit dem gemeinen Wert der Nutzungen anzusetzen.5

4.152

III. Verstrickung Der Verstrickungstatbestand ist in § 4 Abs. 1 Satz 8 EStG normiert. Danach steht die Begründung des Besteuerungsrechts der Bundesrepublik Deutschland hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung eines Wirtschaftsguts einer Einlage gleich. Korrespondierend zur Entstrickung fingiert das Gesetz die Rechtsfolge. Allerdings ist nur die erstmalige steuerliche Verstrickung erfasst, so dass der Wechsel von einem eingeschränkten 1 2 3 4 5

Wied in Blümich, § 4 EStG Rz. 488. Rödder/Schumacher, DStR 2006, 1481. Musil in H/H/R, § 4 EStG Rz. 216; Rödder/Schumacher, DStR 2006, 1525. Wied in Blümich, § 4 EStG Rz. 486. Rödder/Schumacher, DStR 2006, 1485.

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4.153

Kap. 4: Geistiges Eigentum im Ertragsteuerrecht

zu einem uneingeschränkten Besteuerungsrecht (z.B. ein bisher der DBAAnrechnungsmethode unterliegendes Wirtschaftsgut wird in die unbeschränkte Steuerpflicht überführt) nicht zu einer Verstrickung in diesem Sinne führt, so dass es im Vergleich zum Entstrickungstatbestand zu einem Systembruch kommt.1 Ein weiterer Unterschied zum Entstrickungstatbestand besteht in der fehlenden Nutzungseinlage. Denn die bloße Nutzung eines Wirtschaftsguts in der inländischen Betriebsstätte oder im inländischen Stammhaus ist nicht im Tatbestand der fiktiven Einlage vorgesehen. Die Bewertung der fiktiven Einlage erfolgt gem. § 6 Abs. 1 Nr. 5 EStG mit dem gemeinen Wert. Der Ansatz mit dem gemeinen Wert bei der inländischen Gewinnermittlung ist unabhängig von der Bewertung im Ausland.

4.154

Die Rechtsfolge der Verstrickung besteht in einer Korrektur des Gewinns. Die Zuführungen (Einlagen), die im Laufe des Wirtschaftsjahres das Betriebsvermögen vermehrt haben, werden insoweit aus dem Gewinn ausgeschieden, als sie auf Vorgängen beruhen, die den Einlagetatbestand erfüllen.

D. Vermeidung der Doppelbesteuerung bei unbeschränkter Steuerpflicht I. Allgemeines 4.155

Die Reduzierung der Gesamtsteuerlast bezogen auf ein Steuersubjekt oder ein Steuerobjekt ist seit jeher ein Spielball im weiten Feld von gewollten oder ungewollten steuerlichen Mehrfachbelastungen. Die mehrfache Belastung bezogen entweder auf einen Steuerpflichtigen (juristische Doppelbesteuerung) oder auf dasselbe Besteuerungssubstrat (wirtschaftliche Doppelbesteuerung) ist dabei kein Phänomen ausschließlich in Fällen grenzüberschreitender Investitionen.

4.156

Eine Form der wirtschaftlichen Doppelbesteuerung resultiert in einem rein inländischen Sachverhalt aus dem Trennungsprinzip bei der Besteuerung von Kapitalgesellschaften und deren Anteilseigner. Das Trennungsprinzip besagt, dass sich Kapitalgesellschaft und Gesellschafter wie fremde Dritte gegenüberstehen und folgt aus der eigenständigen Steuersubjekteigenschaft der Kapitalgesellschaft. Der Gewinn der Kapitalgesellschaft wird mithin zunächst mit Körperschaftsteuer belastet und im Fall der Ausschüttung auf Ebene des Gesellschafters – im Fall einer natürlichen Person – nochmals der Einkommensteuer unterworfen. Die Doppelbesteuerung in wirtschaftlicher Hinsicht besteht hier in der mehrfachen Belastung desselben Ertrags einmal als originärer Erfolg der Kapitalgesellschaft und einmal als Gewinnausschüttung desselben Ertrags – abzüglich 1 Wied in Blümich, § 4 EStG Rz. 513.

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D. Vermeidung der Doppelbesteuerung

der Körperschaftsteuer – auf Ebene des Anteilseigners. Die Rechtfertigung der Doppelbelastung mit Körperschaft- und Einkommensteuer findet sich in dem formaljuristischen Verständnis, dass Kapitalgesellschaft und deren Gesellschafter zwei Rechtssubjekte sind, die auch so für steuerrechtliche Zwecke behandelt werden. Zur Vermeidung dieser Doppelbesteuerung werden zwei Methoden angewendet. In Betracht kommt eine teilweise oder vollständige Steuerfreistellung des ausgeschütteten Gewinns beim Gesellschafter oder eine vollständige oder teilweise Anrechnung der Körperschaftsteuer auf die Einkommensteuer des Gesellschafters.

4.157

Eine weitere Form der inländischen Doppelbelastung findet sich bei der Belastung desselben Ertrags mit Körperschaftsteuer und Gewerbesteuer. Die Rechtfertigung liegt in den unterschiedlichen Anknüpfungspunkten der verschiedenen Steuerarten. Während die Körperschaftsteuer „als Einkommensteuer der juristischen Personen“ den Gewinn bei der Kapitalgesellschaft erfasst, unterwirft die Gewerbesteuer (Gewerbeertragsteuer) rechtsformunabhängig die gewerbliche Tätigkeit als solche der Besteuerung. Die wünschenswerte Vermeidung solcher und anderer Mehrfachbelastungen wird nicht immer systemlogisch umgesetzt und ist auch nicht in jedem Fall eine Folge wirtschaftlicher Notwendigkeit. Genauso kommen politische Lenkungsziele und verfassungsrechtliche Vorgaben auf nationaler wie auch auf europäischer Ebene in Betracht, durch die Doppelbelastungen bewusst in Kauf genommen werden oder auch bewusst vermieden werden.

4.158

Das Schwergewicht und die eigentliche Betrachtung an dieser Stelle sollen allerdings der Vermeidung der Doppelbesteuerung bei grenzüberschreitenden Sachverhalten geschuldet sein. Weiter einschränkend werden auch nur die unilateralen Methoden zur Vermeidung einer Doppelbesteuerung dargestellt.

4.159

Bei den unilateralen Maßnahmen sind grundsätzlich die verschiedensten Formen denkbar, um zu einer (teilweisen) Vermeidung einer Doppelbesteuerung zu kommen. Im deutschen Steuerrecht wird der begrenzten Anrechnungsmöglichkeit ausländischer Steuern auf die inländische Ertragsteuer der Vorzug eingeräumt. Flankiert wird diese Möglichkeit durch Sonderverfahren, wie z.B. den Abzug der ausländischen Steuer bei der Ermittlung der inländischen Bemessungsgrundlage. Die Freistellung ist im deutschen Steuerrecht eher als Ausnahme anzusehen. Beispiele für eine (teilweise) Freistellung (in- und ausländischer) Einkünfte sind in § 3 Nr. 40 EStG – sog. Teileinkünfteverfahren – oder in § 8b KStG enthalten. Eine Freistellung unter Progressionsvorbehalt ist bei Nichtbestehen eines DBA für bestimmte Arbeitnehmereinkünfte bei Auslandstätigkeiten aufgrund des sog. Auslandstätigkeiterlasses vorgesehen.1

4.160

1 BMF v. 31.10.1983 – IV B 6 - S 2293 - 50/83, BStBl. I 1983, 470.

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Kap. 4: Geistiges Eigentum im Ertragsteuerrecht

II. Begriff und Ursachen der Doppelbesteuerung 1. Begriff der Doppelbesteuerung

4.161

Ein grenzüberschreitender Sachverhalt, der nach den Regeln des sog. Internationalen Steuerrechts beurteilt werden muss, entsteht, wenn ein Steuersubjekt im Ausland (sog. outbound Investition) oder ein ausländisches Steuersubjekt im Inland (sog. inbound Investition) Tätigkeiten entfaltet und daraus Einkünfte erzielt. Dadurch sieht sich der Steuerpflichtige (das Steuersubjekt) dem Steuerzugriff in mehreren Ländern ausgesetzt, weil er mit seinen Einkünften in mehr als einem Staat steuerpflichtig wird.

4.162

Genauso mehrdeutig wie der Begriff des Internationalen Steuerrechts überhaupt, können auch unter dem Begriff der Doppelbesteuerung verschiedene Erscheinungsformen auftreten, die nicht klar voneinander abgegrenzt werden können: Die Doppelbesteuerung im engeren, weiteren oder weitesten Sinn, die formale und materielle, subjektive und objektive, echte und unechte sowie die eigentliche und die uneigentliche Doppelbesteuerung ist ebenso beliebig und konturlos wie die Bezeichnung als technische, rechtliche, juristische, wirtschaftliche, ökonomische, schräge, horizontale und vertikale, direkte und indirekte Doppelbesteuerung.1 Die beispielhafte Aufzählung zeigt, dass der Begriff „Doppelbesteuerung“ einer Definition nur schwer zugänglich ist. Es handelt sich vielmehr um die Beschreibung eines Zustands, aus der sich keinerlei materielle Rechtsfolgen ableiten lassen.2

4.163

Den Regelungen, die eine Vermeidung bzw. Milderung der Doppelbesteuerung bewirken sollen, können allerdings Merkmale entnommen werden, die den Begriff der Doppelbesteuerung eingrenzen: – Besteuerung durch mehrere Staaten – Identität von Steuersubjekt – Identität von Steuerobjekt – Identität von Besteuerungszeitraum – Gleichartigkeit der Steuer.3

4.164

Schaumburg4 weist darüber hinaus darauf hin, die Besteuerung durch verschiedene Hoheitsträger grenze die Doppelbesteuerung von der Doppelbelastung ab, die konkurrierende steuerliche Mehrbelastungen durch ein und dieselbe Abgabengewalt bezeichneten. Dabei müsse sich die von verschiedenen Abgabengewalten ausgehende Besteuerung auf ein und dasselbe Steuerobjekt beziehen. Steuerobjekt in diesem Zusammenhang ist 1 Schaumburg, Internationales Steuerrecht, Rz. 12.1 m.w.N. 2 Haase in Haase, AStG/DBA, Einleitung II Rz. 39. 3 Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 12.2; Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung7, 3. 4 Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 12.3 m.w.N.

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D. Vermeidung der Doppelbesteuerung

der Steuergegenstand oder das Steuergut, das der Gesetzgeber als besteuerungswürdig erkennt und rechtlich normiert hat.1 Wegen der Beliebigkeit der Ausgestaltung der Anknüpfungspunkte für die Besteuerung sind die Regelungen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung regelmäßig nicht auf die streng juristische, sondern eher auf die wirtschaftliche Identität des Steuerobjekts ausgerichtet.2 In gleicher Weise ist auch die Identität des Steuersubjekts nicht in streng juristischer Weise zu verstehen, denn die Zurechnung eines Steuerobjekts zu einem Steuersubjekt als Anknüpfungspunkt in persönlicher Hinsicht kann in den Rechtsordnungen verschiedener Staaten in anderer Weise geregelt sein.3 Steuersubjekt meint den Steuerschuldner, also denjenigen, der nach Zurechnung des Steuerobjekts durch Verwirklichung des gesetzlichen Tatbestands die Steuer schuldet.

4.165

Sowohl die Identität des Besteuerungszeitraums als auch die Gleichartigkeit der Steuer sind keine besonderen Merkmale der Doppelbesteuerung. Einerseits ist die Zurechnung von Einkünften in Bezug auf den (Zufluss-)Zeitpunkt in verschiedenen Steuerrechtsordnungen abweichend normiert. Bezogen auf die Identität der Steuer muss wohl eine Gleichartigkeit oder Vergleichbarkeit genügen, weil die Anwendung verschiedener Steuersysteme niemals zu einer identischen Steuer führt.4

4.166

2. Ursachen der Doppelbesteuerung Zu einer Doppelbesteuerung oder mehrfachen Besteuerung kommt es nach herkömmlicher Auffassung vereinfachend ausgedrückt dann, wenn mehrere Steuerhoheiten auf dasselbe Besteuerungssubstrat zugreifen. Und genauso einfach lässt sich die Ursache einer Doppel- oder mehrfachen Besteuerung zusammenfassen, nämlich in der Kollision des Territorialitätsprinzips5 mit dem Universalitätsprinzips. Während ersteres die Besteuerung aller wirtschaftlichen Tätigkeiten und Erscheinungen innerhalb eines – aber auch nur dieses – Staatsgebiets beschreibt, knüpft letzteres an das Steuersubjekt an und unterwirft bei diesem alle weltweit bezogenen Einkünfte der Besteuerung.

4.167

In den Industriestaaten haben sowohl das Territorialitätsprinzip als auch das Universalitätsprinzip ihre konkreten Ausprägungen gefunden. Das Universalitätsprinzip ist die Folge der unbeschränkten Steuerpflicht, die sich an den persönlichen Merkmalen des Steuersubjekts orientiert. Für natürliche Personen sind dies der Wohnsitz (§ 8 AO) und der gewöhnliche

4.168

1 Lang in Tipke/Lang20, § 7 Rz. 23. 2 Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 12.3 m.w.N. 3 Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 12.4; Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung7, 7. 4 Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 12.6 f. 5 Auch als Quellen- oder Ursprungsprinzip bezeichnet; dazu auch Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung7, 6.

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Kap. 4: Geistiges Eigentum im Ertragsteuerrecht

Aufenthalt (§ 9 AO) im Inland. Für juristische Personen führen der Mittelpunkt der geschäftlichen Oberleitung (§ 10 AO) und der statuarische Sitz (§ 11 AO) im Inland zu einer unbeschränkten Steuerpflicht. Das Territorialitätsprinzip ist dagegen die Umschreibung der beschränkten Steuerpflicht, die konsequent als sachliche Steuerpflicht ausgestaltet ist. Beschränkt steuerpflichtig sind ausländische Steuerrechtsubjekte – definiert als solche, die die Voraussetzungen der §§ 8–11 AO nicht erfüllen – nämlich nur insoweit, als sie inländische Einkünfte i.S. des § 49 EStG erzielen.

4.169

Beide Prinzipien haben gemeinsam, dass ihre Rechtfertigung aus einem mehr oder weniger starken Verbund mit der Steuerhoheit hergeleitet wird. Bei der unbeschränkten Steuerpflicht ist die Anknüpfung in persönlicher Hinsicht, z.B. durch den gewöhnlichen Aufenthalt im Inland oder durch die Belegenheit des Mittelpunkts der geschäftlichen Oberleitung im Inland entscheidend. Diese Merkmale werden als so starke Verbindung mit einem Staatsgebiet angesehen, dass es gerechtfertigt erscheint, auch außerhalb dieses Staates erzielte Einkünfte zu besteuern. Die beschränkte Steuerpflicht hingegen ist die Folge einer Tätigkeit in einem Staat (räumliche Komponente), zu dem das Steuersubjekt keinerlei persönliche Beziehungen in steuerrechtlicher Hinsicht unterhält, sondern lediglich objektiv von der Tätigkeit als Einkunftsquelle profitieren möchte. Dabei entspricht es einer weitgehenden Übereinstimmung im Internationalen Steuerrecht, einen steuerrechtlichen Ausländer nicht mit jeder Tätigkeit – bzw. den Einkünften daraus – im Quellenstaat der beschränkten Steuerpflicht zu unterwerfen. Vielmehr muss eine Schwelle überschritten werden, die durch eine Verbindung mit dem Quellenstaat die Rechtfertigung für die Besteuerung der in diesem Staatsgebiet erwirtschafteten Erträge nach sich zieht. Dabei sind den Anknüpfungspunkten Belegenheit, Betriebsstätte und Tätigkeit besonderes Gewicht beizumessen. Vermietet ein steuerlicher Ausländer ein in Deutschland belegenes bebautes Grundstück und erzielt daraus Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung, so ist er mit diesen Einkünften im Inland beschränkt steuerpflichtig (§§ 1 Abs. 4, 49 Abs. 1 Nr. 6 EStG). Unterhält ein steuerlicher Ausländer – z.B. als Einzelunternehmer – einen inländischen Gewerbebetrieb (z.B. Blumenhandel) und erzielt daraus Einkünfte, so ist der Unternehmer mit diesen Einkünften im Inland beschränkt steuerpflichtig, §§ 1 Abs. 4, 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG. Wird ein ausländischer Arbeitnehmer für seinen aus- oder inländischen Arbeitgeber im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland (§ 1 Abs. 1 Satz 2 EStG) tätig, so erfasst das Gesetz seine Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit (§§ 1 Abs. 4. 49 Abs. 1 Nr. 4 EStG) als beschränkt steuerpflichtige Einkünfte.

4.170

Es ist mithin zu konstatieren, dass solche Regelungen im Bereich der Ertragbesteuerung, normiert im EStG und KStG, die als Folge die Besteuerung des Welteinkommens nach sich ziehen, für die Ursache der Doppelbesteuerung verantwortlich sind. Die Vermeidung der ausgelösten Doppelbesteuerung ist das erkannte Ziel der Normen, die eine Vermeidung 232

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D. Vermeidung der Doppelbesteuerung

bzw Milderung der Doppelbesteuerung zum Ziel haben.1 Denn eine Doppelbesteuerung, ausgelöst durch eine Besteuerung im Quellenstaat und in Deutschland als Wohnsitzstaat, verletzt das Leistungsfähigkeitsprinzip als Ausfluss von Art 3 Abs. 1 GG, nach dem ein Steuersubjekt nur nach dem Verhältnis seiner Mittel zu einer Besteuerung herangezogen werden darf. Das Leistungsfähigkeitsprinzip ist als Fundamentalprinzip anerkannt und kann sich auf eine Jahrhunderte dauernde Entwicklung und Geltung berufen.2 Mehrfachbelastungen sind aber nicht nur die Folge des nebeneinander anzuwendenden Quellen- und Universalitätsprinzips. Denkbar ist eine Mehrfachbelastung auch, wenn ein Steuersubjekt in mehreren Staaten die Voraussetzungen erfüllt, die zur unbeschränkten Steuerpflicht führen. So kann z.B. ein Steuerpflichtiger in mehreren Staaten über (steuerliche) Wohnsitze verfügen oder eine Kapitalgesellschaft hat ihren Sitz in einem Staat und den Mittelpunkt ihrer geschäftlichen Oberleitung in einem anderen Staat.3 Darüber hinaus sind Mehrfachbelastungen durch eine unterschiedlich ausgeprägte beschränkte Steuerpflicht in mehreren Staaten denkbar, wenn z.B. für die inländischen Steuerquellen jeweils unterschiedliche Anknüpfungspunkte gewählt werden.4 Im Bereich der Gewerbesteuer kann derzeit eine Mehrfachbelastung durch die Änderung des OECD-MA und des OECD-MK eintreten. Soweit die Vorgaben des OECD Steuerausschusses5 zur Gewinnabgrenzung bei Betriebsstätten im Ausland bereits umgesetzt sind, Deutschland aber nach wie vor dem bestehenden (alten) Abkommen bezüglich einer Betriebsstätte nur eine eingeschränkte Selbständigkeit dieser entnimmt – insbesondere bei der Zurechnung von Wirtschaftsgütern6 –, können der Gewerbesteuer unterliegende Steuerquellen eines Staates (Deutschland) der ausländischen Betriebsstätte zugeordnet und dort ebenfalls der Besteuerung unterworfen werden.7 1 Sog. konfliktauflösende Normen. 2 Lang in Tipke/Lang20, § 4 Rz. 81 ff. mit umfangreicher Darstellung der Geschichte, der Einwände gegen das Leistungsfähigkeitsprinzip und der einzelnen Ausprägungen und Konkretisierungen. 3 Vielfach im Bereich der englischen Ltd. mit Geschäftsleitung in Deutschland. 4 Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 13.5; Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung7, 8 mit Beispielen. 5 Die Entwicklung aufgrund des Authorised OECD Approach, www.oecd.org/ dataoecd/22/51/33637685.pdf, fand zunächst im Report on the Attribution of Profits to Permanent Establishments (kurz OECD Permanent Partnership Report 2008), www.oecd.org/dataoecd/20/36/41031455.pdf, Eingang. Die Überlegungen mündeten einerseits in der am 22.7.2010 verabschiedeten Aktualisierung des Abkommenmusters der Mitgliedstaten der OECD (OECD-MA 2010) sowie der dazugehörenden Kommentierung (OECD-MK). Gleichzeitig veröffentlichte die OECD eine überarbeitete Version des Berichts des Steuerausschusses der OECD mit dem Titel „2010 Report on the attribution of profits to permanent establishments“, www.oecd.org/dataoecd/23/41/45689524.pdf. 6 BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99, BStBl. I 1999, 1076 Rz. 2.4. 7 So auch Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 13.7.

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4.171

Kap. 4: Geistiges Eigentum im Ertragsteuerrecht

III. Vermeidung der Doppelbesteuerung 1. Regelungsbestand

4.172

Zunächst ist für die international übliche Strategie, Doppelbesteuerungen zu vermeiden, bzw. zu mindern, zu konstatieren, dass es kein völkerrechtliches Postulat gibt, das eine Doppelbesteuerung gar verbietet oder in jedem Fall eine Milderung einer eingetretenen Doppelbesteuerung gebietet. Gleiches gilt für den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV); ein Doppelbesteuerungsverbot kann auch nicht unmittelbar aus den europarechtlich verbürgten Grundfreiheiten abgeleitet werden.1 Auch dem Grundsatz der internationalen Rücksichtnahme kann kein derartiges Gebot entnommen werden Ritter2 führt dazu aus: „Nach heute herrschender Lehre steht einer solchen extraterritorialen Auswirkung jedenfalls dann völkerrechtlich nichts entgegen, wenn für die Erstreckung des Hoheitsaktes auf das Ausland ein sinnvoller Anknüpfungspunkt im Inland besteht. Dies gilt als allgemeine, auf gewohnheitsrechtlicher Anwendung und Anerkennung durch die überwiegende Zahl der Staaten beruhende Regel des Völkerrechts.“

4.173

Schaumburg3 sieht in einigen sekundären Rechtsakten der Europäischen Union eine teilweise Anordnung zur Vermeidung der Doppelbesteuerung. Gemeint sind die Fusionsrichtlinie4, die Mutter-/Tochter-Richtlinie5 und die Zins- und Lizenzrichtlinie.6 Die Fusionsrichtlinie, umgesetzt in das deutsche Umwandlungsteuerrecht, ermöglicht bestimmten Rechtsträgern der Europäischen Union, innerhalb der Grenzen der Union die dort genannten Umwandlungen ohne wirtschaftliche Doppelbelastungen durchführen zu können. Die Mutter-/Tochter-Richtlinie – umgesetzt in § 43b EStG – untersagt den einzelnen Mitgliedstaaten, Gewinnausschüttungen einer EU-Tochtergesellschaft an ihre in einem anderen Mitgliedstaat ansässige Muttergesellschaft mit Quellensteuern (Kapitalertragsteuern) zu belasten. Mit der Zins- und Lizenzrichtlinie – umgesetzt in § 50g EStG – wird das Ziel verfolgt, Finanzbeziehungen zwischen Unternehmen verschiedener Mitgliedstaaten im europäischen Binnenmarkt nicht ge1 Zum Ganzen mit umfangreichen Nachweisen Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 14.4 ff. 2 Ritter, BB 1984, 1109. 3 Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 14.6. 4 RL 90/434/EWG des Rates v. 23.7.1990, ABl. EG Nr. L 225, 1 v. 20.8.1990 über das gemeinsame Steuersystem für … Fusionen, Spaltungen, Abspaltungen, die Einbringung von Unternehmensteilen, den Austausch von Anteilen, die Gesellschaften verschiedener Mitgliedstaaten betreffen, sowie für die Verlegung des Sitzes einer Europäischen Gesellschaft oder einer Europäischen Genossenschaft von einem Mitgliedstaat in einen anderen Mitgliedstaat, zuletzt geändert durch Beitrittsakte 2004, ABl. EG 2003 Nr. L 236, 1 sowie RL 2005/19/EG des Rates v. 17.2.2005 zur Änderung der RL 90/434/EWG, ABl. EG Nr. L 58, 19 v. 4.3.2005. 5 RL 90/435/EWG des Rates v. 23.7.1990, ABl. EG Nr. L 225, 6 v. 20.8.1990 über das gemeinsame Steuersystem von Mutter- und Tochtergesellschaften verschiedener Mitgliedstaaten. 6 RL 2003/49/EG des Rates v. 3.6.2003, ABl. EG Nr. L 157, 49 ff. v. 26.6.2003.

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D. Vermeidung der Doppelbesteuerung

genüber gleichartigen Beziehungen zwischen Unternehmen ein und desselben Mitgliedstaats steuerlich zu benachteiligen. Um eine im Inlandsfall per se nicht auftretende juristische Doppelbesteuerung zu vermeiden, werden – wie auch bei § 43b EStG – bereits abgeführte Steuerbeträge entweder erstattet oder – vor Zahlung der Vergütung an den Gläubiger der Vergütungen – durch Freistellung vom Steuerabzug ausgeschlossen.1 Abgesehen von den Sekundärrechtsakten der Europäischen Union sind per se keine Anordnungen im Internationalen Steuerrecht ersichtlich, die eine Doppelbesteuerung untersagen. Im deutschen Steuerrecht ist zwar keine spezielle Regelung, mit dem Inhalt Doppelbesteuerungen zu vermeiden, vorhanden. Daher wird auch vertreten, nur im Hinblick auf die internationale Kooperation, die Liberalisierung des Personen-, Dienstleistungs- und Kapitalverkehrs sei es aufgrund der Opportunität sinnvoll, Doppelbesteuerungen auf unilateraler Ebene zu vermeiden.2 Dabei wird aber übersehen, dass dem Fundamentalprinzip „Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit“ durchaus ein Verbot der Doppelbesteuerung entnommen werden kann.3 Wenn das objektive Leistungsfähigkeitsgebot den Einbezug ausländischer Einkünfte anordnet (Universalitätsprinzip), muss eine Korrektur durch die subjektive Leistungsfähigkeit erfolgen, die zu dem Ergebnis des für die Steuerzahlung verfügbaren (disponiblen) Einkommens führt.4 Während inländische Einkommensteuern als Folge der Leistungsfähigkeit selbige nicht beeinflussen können, gilt dieses nicht für ausländischen Steuern, die zusätzlich auf das Einkommen oder auf die Einkommensverwendung zu leisten sind; sie reduzieren als zwangsläufige Belastung das disponible Einkommen und sind daher stets unter dem Gesichtspunkt der subjektiven Leistungsfähigkeit zu berücksichtigen.5

4.174

Das Gesagte verdeutlicht, dass der aufgrund unbeschränkter Steuerpflicht das jeweilige Welteinkommen besteuernde Staat auf der anderen Seite gehalten ist, die Mehrfachbelastung durch aus- und inländische Steuern zu mindern oder ganz zu vermeiden. Im deutschen Steuerrecht entsprechen diesen Vorgaben z.B. die Regelungen in § 34c EStG, § 26 KStG, § 9 Nr. 7 GewStG und § 8b KStG.

4.175

2. Gründe für die Vermeidung der Doppelbesteuerung Doppelbesteuerungen sind im internationalen Waren-, Kapital- und Leistungsaustausch hinderlich und wachstumsschädlich. Ausländischen Wettbewerbern wird durch steuerliche Mehrfachbelastungen der Marktzugang auf ausländischen – aus Sicht der Wettbewerber – Märkten er1 Dörr, IStR 2005, 109. 2 Lornsen, Unilaterale Maßnahmen der Bundesrepublik Deutschland zur Ausschaltung der internationalen Doppelbesteuerung bei der Einkommen- und Körperschaftsteuer, 45. 3 Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 14.8. 4 Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 14.10. 5 Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 14.11.

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4.176

Kap. 4: Geistiges Eigentum im Ertragsteuerrecht

schwert. Eine solche Behinderung der Wettbewerbsposition kann mit den Grundsätzen einer liberalisierten Weltwirtschaft und mit dem GATTVertrag1 aber nur schwerlich in Einklang gebracht werden.2 Daneben zeigen sich die Auswirkungen von Doppelbesteuerungen in jedem betroffenen Unternehmen. Aus betriebswirtschaftlicher Sicht bzw. aus Sicht der Kosten- und Leistungsrechnung nehmen die Gewinne ab. Der Unternehmer wird sich mithin die Frage stellen, ob es für ihn nicht lukrativer ist, seinen unternehmerischen Einsatz auf Investitionen im Inland zu beschränken. Unter Berücksichtigung des Verlusts in Gestalt einer weiteren Steuerzahllast würde seine erzielbare Rendite ceteris paribus nämlich geringer ausfallen als bei einer reinen Inlandsinvestition, in der die zusätzliche ausländische Steuer entfallen würde. Über die Auswirkungen von Doppelbesteuerungen im einzelnen Unternehmen hinaus sind solche Mehrfachbelastungen nicht nur unter betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten für das einzelne Unternehmen, sondern auch in volkswirtschaftlicher Hinsicht abträglich. Es entspricht den Grundsätzen jeder exportorientierten Volkswirtschaft – wie auch der Bundesrepublik Deutschland –, zur Erhaltung und Verbesserung der abhängigen Beschäftigung und zur optimalen Nutzung der eigenen Produktionskapazitäten und anderer Ressourcen ein Tätigwerden der heimischen Unternehmen auf ausländischen Märkten zu ermöglichen und zu fördern. Jede Mehrfachbesteuerung schränkt diesen Grundsatz ein und macht Tätigkeiten im Ausland für inländische Unternehmungen unattraktiv.

4.177

Diese negativen betriebs- und volkswirtschaftlichen Auswirkungen zeigen einmal mehr, wie wichtig Institute und Regelungen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung sind, um durch solche Mehrfachbesteuerungen entstehende Wettbewerbsverzerrungen bei international tätigen Unternehmen zu vermeiden.3 Der Wettbewerb zwischen den verschiedenen Steuerrechtsordnungen um Investitionskapital ist maßgeblicher Grund, steuerliche Behinderungen des internationalen Geld- und Güterverkehrs abzubauen. Beiwerk des Steuerwettbewerbs sind aber auch ungewollte oder gewollte Möglichkeiten zur (ungerechtfertigten) Steuervermeidung. In diesem Zusammenhang kann immer die Besteuerung ausländischer Kapitalanleger im Inland angeführt werden. Ist das angelegte Kapital nicht in qualifizierter Hinsicht besichert, sondern als „normales“ Sparguthaben bei einem inländischen Kreditinstitut angelegt, sind die Kapitalerträge in Form von Zinsen in Deutschland nicht steuerbar, weil das Kapital selbst der von § 49 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. c EStG geforderten Besicherung entbehrt.

4.178

Die einzelnen Maßnahmen, die zur Vermeidung der betriebs- und volkswirtschaftlich unerwünschten Doppel- und Minderbesteuerungen angewandt werden können, sind allerdings erst dann verständlich, wenn man 1 BGBl. II 1951, 4 sowie BGBl. II 1994, 1438 und BGBl. II 1995, 456 in der von der sog. Uruguay-Verhandlungsrunde ergänzten Fassung. 2 Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 14.12. 3 Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung7, 5.

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D. Vermeidung der Doppelbesteuerung

bei den einzelnen Steuerarten die Ursachen der Doppel- und Minderbesteuerungen kennt.1 3. Methoden zur Vermeidung der Doppelbesteuerung a) Überblick Doppel- oder Mehrfachbesteuerungen sind das Ergebnis aus dem Zusammenfallen vergleichbarer Steuern auf dasselbe Besteuerungssubstrat (Steuerobjekt) und bei juristischer Doppelbesteuerung bei demselben Steuerpflichtigen (Steuersubjekt). Die Ursache kann in einer gleichzeitigen Anwendung des Quellenprinzips im Ursprungsland und des Universalitätsprinzips im Wohnsitzstaat begründet sein. Möglich ist auch ein Zusammentreffen mehrfacher unbeschränkter Steuerpflicht oder mehrfacher beschränkter Steuerpflicht.

4.179

Die Vermeidung einer Mehrfachbelastung durch Steuern richtet sich grundsätzlich an den Staat, der als Folge der unbeschränkten Steuerpflicht im Rahmen des Universalitätsprinzips auch Einkunftsteile, die außerhalb seines Territoriums entstanden sind, besteuert. Dieses kann als Kehrseite des Universalitätsprinzips beschrieben werden. Zur Vermeidung der Doppelbesteuerung durch den Wohnsitzstaat gelangen im internationalen Kontext zwei Methoden zur Anwendung: die Anrechnungs- und die Freistellungsmethode.2 Daneben existieren weitere Methoden zur Vermeidung etwaiger Doppelbesteuerungen, die nach ihrem Gehalt für eine gerechte Besteuerung zwar notwendig sind, hinsichtlich ihrer Anwendungsfälle aber hinten anstehen. Zu nennen sind z.B. die Steuerabzugs-, -pauschalierungs- und -erlassmethode. Sämtliche hier angesprochenen Maßnahmen knüpfen im Grunde an die Doppelbesteuerung bei gleichzeitiger beschränkter und unbeschränkter Steuerpflicht an, sie sind aber auch beim Zusammentreffen zweimaliger Wohnsitz- oder zweimaliger Quellenbesteuerung anwendbar.3

4.180

Die Anrechnungs- und Freistellungsmethode zur Vermeidung einer Doppel- oder Mehrfachbesteuerung haben – wenn auch in teilweise modifizierter Form – Eingang in die deutsche und internationale Steuergesetzgebung gefunden.4

4.181

Aus Vereinfachungsgründen werden die unilateralen Methoden zur Vermeidung von Doppelbesteuerungen nur in ihrer Wirkung bei der Besteuerung natürlicher Personen dargestellt. Die Anwendung für juristische Personen erfolgt in gleichen Maßen. Denn gem. § 26 Abs. 1 KStG, welcher der Regelung in § 34c Abs. 1 EStG entspricht, besteht für unbeschränkt steuerpflichtige Körperschaften die Möglichkeit, ausländische Steuern

4.182

1 2 3 4

Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung7, 5. Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung7, 10. Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung7, 11. Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung7, 11.

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Kap. 4: Geistiges Eigentum im Ertragsteuerrecht

auf die deutsche Körperschaftsteuer anzurechnen. Gesetzestechnisch enthält § 26 Abs. 6 KStG einen Verweis auf § 34c Abs. 1 Sätze 2–5 EStG, so dass die Anrechnungsmethode für Körperschaften weitestgehend der Anrechnung im EStG entspricht. b) Anrechnungsmethode aa) Allgemeines

4.183

Die Anrechnungsmethode ist mit dem Welteinkommensprinzip systemkonform und führt im Ergebnis dazu, dass inländische und ausländische Einkommensteile gleichermaßen mit inländischer Steuer belastet sind. Im Idealfall wird die gesamte ausländische Steuer bei der Bemessung der inländischen Steuer angerechnet, so dass die Doppelbesteuerung vollständig vermieden wird. Damit wird die Anrechnungsmethode gleichzeitig dem Leistungsfähigkeitsprinzip gerecht, weil inländische und ausländische Einkommensteile der Höhe nach gleich behandelt werden.1 Durch die Anrechnungsmethode wird zugleich die Wettbewerbsfähigkeit gegenüber inländischen Unternehmen (Kapitalexportneutralität) herbeigeführt.2

4.184

Neben der idealen Wirkungsweise der Anrechnungsmethode – vollständige Anrechnung der ausländischen Steuer – ist aber auch der Fall zu sehen, in dem die (vollständige) Vermeidung der Doppelbesteuerung nicht eintreten kann. Denn die Anrechnung der ausländischen Steuer geht nur soweit, wie diese die inländische Steuer nicht übersteigt.3 Besteuert der Ursprungs- bzw. Quellenstaat die ausländischen Einkünfte höher als der Ansässigkeitsstaat, verbleibt es mithin bei dem Steuerniveau des Quellenstaates. In diesem Fall ist die Kapitalexportneutralität nicht gegeben, wohingegen als Kehrseite ein Fall der Kapitalimportneutralität vorliegt.

4.185

In diesem Kontext ist auch auf die Möglichkeit hinzuweisen, dass im Ansässigkeitsstaat aufgrund einer Verlustsituation kein Besteuerungssubstrat und dementsprechend auch keine Steuer als Anrechnungsvolumen vorhanden ist. Eine Anrechnung ist dann naturgemäß ausgeschlossen; würde sie dennoch technisch durchgeführt, käme das einer Erstattung ausländischer Steuer im Ansässigkeitsstaat gleich. Eine weitere Schwachstelle der Anrechnungsmethode in ihrer konkreten Anwendung im deutschen Steuerrecht ist in der sog. per-country-limitation zu sehen.4 Diese besagt, dass nicht alle ausländischen Einkünfte zu einer Einheit für die Anrechnung zusammengezogen werden, sondern dass der Anrechnungshöchstbetrag der ausländischen Steuer für jeden Quellenstaat gesondert zu ermitteln ist. Auch dann ist die Kapitalexportneutralität gefährdet und es besteht die Möglichkeit, dass der inländische Unternehmer mit seiner Auslandsinvestition gegenüber einer Inlandsinvestition benachteiligt ist. 1 2 3 4

Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 14.17. Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 14.17. Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 14.29, 15.7. Weiterführend Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 14.31.

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D. Vermeidung der Doppelbesteuerung

Eine besondere Form der Anrechnung ist in einigen DBA vorgesehen, nämlich die sog. fiktive Anrechnungsmöglichkeit. Bei dieser darf der Steuerpflichtige im Ansässigkeitsstaat fiktive – also tatsächlich nicht entrichtete – ausländische Steuern auf die inländische Steuerschuld anrechnen. Diese Form der Anrechnung ist in DBA1 mit Entwicklungs- und Schwellenländern anzutreffen und dient entwicklungspolitischen Zielen.

4.186

bb) Die Ausgestaltung der Anrechnungsmethode in § 34c EStG (1) Persönliche Anwendung – unbeschränkte Steuerpflicht In persönlicher Hinsicht ist die Anrechnung ausländischer Steuern nur bei unbeschränkter Steuerpflicht vorgesehen. Rechtsfolge der unbeschränkten Steuerpflicht ist die Besteuerung mit den weltweit erzielten Einkünften; die Vermeidung der Doppelbesteuerung durch den Wohnsitzstaat ist damit konsequent.2 Zu dem Kreis der unbeschränkt Steuerpflichtigen in diesem Sinne gehören auch diejenigen, die der erweiterten unbeschränkten Steuerpflicht nach § 1 Abs. 2 EStG unterliegen, und auch die fingiert unbeschränkt Steuerpflichtigen nach § 1 Abs. 3 EStG. Da beide Ausprägungen keine selbständigen Formen der Steuerpflicht darstellen, sind alle Regelungen, die an die unbeschränkte Steuerpflicht anknüpfen, auch für diese beiden Ausprägungen anwendbar.3

4.187

(2) Steuersubjektidentität Die Steueranrechnung einer ausländischen Steuer auf die deutsche Einkommensteuer setzt weiterhin voraus, dass der unbeschränkt Steuerpflichtige selbst mit seinen aus dem Quellenstaat stammenden Einkünften dort zu einer vergleichbaren Steuer herangezogen wird; nach beiden Steuersystemen muss also dieselbe Person besteuert werden. Das Gesetz erhebt damit die Steuersubjektidentität zur Voraussetzung.4 Von dieser Voraussetzung wird allerdings dann abgewichen bzw. die Voraussetzung erfährt eine einschränkende Auslegung, wenn es bei einer Beteiligung des inländischen Steuerpflichtigen an einer ausländischen Gesellschaft zu Qualifikationskonflikten kommt. Denkbar ist zum Beispiel die unterschiedliche Anknüpfung für die Besteuerung in persönlicher Hinsicht, d.h. wenn die betreffende ausländische Gesellschaft im Inland aufgrund Rechtstypenvergleichs und gegenüber dem Ausland jeweils unterschiedlich als Personen- oder Kapitalgesellschaft qualifiziert wird. 1 Z.B. Art. XVII Abs. 2 Nr. lit. a bb DBA-Griechenland; Art. 24 Abs. 2 lit. c DBAPortugal. 2 Bei beschränkte Steuerpflicht ist nur dann die Möglichkeit eine Anrechnung gegeben, wenn Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb oder selbständiger Arbeit erzielt werden, für die im Inland eine Betriebsstätte vorliegt und in dieser Betriebsstätte wiederum ausländische Einkünfte aus dem Ansässigkeitsstaat des Steuerpflichtigen erzielt werden; vgl. zum Ganzen § 50 Abs. 3 EStG. 3 Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 15.57. 4 Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 15.59.

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4.188

Kap. 4: Geistiges Eigentum im Ertragsteuerrecht

4.189

Auch bei Einordnung der ausländischen Gesellschaft als selbständiges Steuersubjekt werden derartige Rechtsgebilde gem. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG immer als Mitunternehmerschaften eingeordnet, weil für die Qualifizierung als Steuersubjekt ausschließlich das deutsche Steuerrecht entscheidend ist. Die Anrechnungsmöglichkeit ist mithin auch dann gegeben, wenn nach ausländischem Steuerrecht die Gesellschaft als eigenständiges Steuersubjekt besteuert wird, im Inland dagegen aufgrund der Einordnung als Personengesellschaft als Mitunternehmerschaft die Gesellschafter als Steuerpflichtige betrachtet werden. Die ausländische Steuer der Gesellschaft wird dann in eine Steuer auf den Gewinnanteil des Gesellschafters umgedeutet.1 Gleiches gilt für etwaige Quellensteuern (Kapitalertragsteuern) auf Ausschüttungen an die Gesellschafter.2

4.190

Die erforderliche Steuersubjektidentität ist auch in den Fällen unterschiedlicher Einkunftszurechnung anzunehmen, wenn der unbeschränkt Steuerpflichtige mit der Steuer belastet ist. Ein solcher Fall ist denkbar, wenn Einkünfte nach ausländischem Recht dem Treuhänder zugerechnet werden, jedoch im Inland dem Treugeber. Trotz dieser Divergenz kann der Treugeber die im Ausland vom Treuhänder geschuldete Steuer anrechnen, wenn diese (wirtschaftlich) im Rahmen des Aufwendungsersatzes zu seinen Lasten geht.3 Gleiches soll im Fall des Nießbrauchs gelten, wenn im Ausland die Einkünfte dem zivilrechtlichen Eigentümer und im Inland dem Nießbraucher zugerechnet werden.4

4.191

Eine Anrechnung ausländischer Steuer ist ausgeschlossen, wenn bei Einschaltung einer ausländischen Basisgesellschaft an die Stelle der tatsächlich gewählten rechtlichen Gestaltung für Zwecke der steuerlichen Rechtsfolge die angemessene Rechtsgestaltung zugrunde gelegt wird.5 Etwas anderes soll gelten, wenn die Steuer in beiden Gestaltungen gleichermaßen angefallen wäre.6

4.192

Die Subjektidentität ist ebenfalls ausgeschlossen, wenn es sich um die Ertragsteuer (Körperschaftsteuer) einer ausländischen Kapitalgesellschaft handelt. Die Körperschaftsteuer ist die Steuer eines anderen Steuersubjekts, nämlich die juristische Person. Besteuerungssubstrat ist der Gewinn der Kapitalgesellschaft, der weder rechtlich noch wirtschaftlich ein Teil des Gesellschaftereinkommens ist. Somit ist Gegenstand der Anrechnungsmethode nach § 34c Abs. 1 EStG nur die rechtliche Doppelbesteuerung, eine wirtschaftliche Doppelbesteuerung wird nicht vermieden.7 1 Wied in Blümich, § 34c Rz. 8. 2 Kaminski/Strunk in Korn, § 34c Rz. 35. 3 BFH v. 5.2.1992 – I R 9/90, BStBl. II 1992, 607; Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 15.59. 4 Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 15.60; Wagner in Blümich, § 34c Rz. 37. 5 BFH v. 24.2.1976 – VIII R 155/71, BStBl. II 1977, 265; Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 15.62. 6 Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 15.63. 7 Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung7, 39.

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D. Vermeidung der Doppelbesteuerung

(3) Gleichartigkeit der ausländischen Steuer Eine ausländische Steuer vom Einkommen kann gemäß § 34c Abs. 1 Satz 1 EStG nur angerechnet werden, wenn sie der deutschen Einkommensteuer entspricht, festgesetzt und gezahlt ist und um einen entstandenen Ermäßigungsanspruch gegenüber dem ausländischen Fiskus gekürzt wurde. Vermieden werden soll in erster Linie, dass der unbeschränkt Steuerpflichtige es unterlässt, die ausländischen Steuern im Quellenstaat durch entsprechende Anträge zu reduzieren.1 Der Steuerpflichtige hat hierüber – Höhe der ausländischen Einkünfte und Festsetzung und Zahlung der ausländischen Steuer – gem. § 68b EStDV einen entsprechenden Nachweis zu erbringen; er trägt mithin die Feststellungslast.2 Geeignete Nachweise sind hier das Beweismittel der Urkunde.3 In Betracht kommen z.B. der ausländische Steuerbescheid, eine Quittung/Kontoauszug über die tatsächliche Zahlung der ausländischen Steuer.

4.193

Die Voraussetzung der „entsprechenden“ ausländischen Steuern ist weit auszulegen. Wegen der Unterschiedlichkeit der in- und ausländischen Steuerrechtssysteme wird eine Gleichartigkeit der ausländischen Steuer mit der deutschen Einkommensteuer genügen.4 Entscheidend für eine Gleichartigkeit wird die Funktion und der wirtschaftliche Gehalt der ausländischen Steuer sein; es kommt auf die Belastungswirkung der Steuer auf das ausländische Einkommen an.5

4.194

Regelmäßig nicht als gleichartige Steuern zu qualifizieren sind nur solche Steuern vom „Einkommen“, die in Form von Gebühren oder Beiträgen, Verbrauchs-, Verkehrs- und Realabgaben, Zöllen oder sonstigen Exportoder Importabgaben erhoben werden.6 Darunter werden auch die verschiedenen Typen der sog. „Ersatzsteuern“ verstanden. Solche Ersatzsteuern werden überwiegend von Entwicklungsländern erhoben.7 Eine beispielhafte Aufzählung ausländischer Steuern in Nicht-DBA-Staaten, die der deutschen Einkommensteuer entsprechen, kann der Anlage zu H 34c EStH entnommen werden.

4.195

Die Anrechnung der ausländischen Steuer ist nur dann möglich, wenn sie in dem Ursprungsstaat erhoben wird, aus dem die Einkünfte stammen; Steuern von Drittstaaten sind nicht anrechenbar. Für Drittstaatensteuern kommt allein ein Steuerabzug gem. § 34c Abs. 3 EStG in Betracht.8

4.196

1 2 3 4 5 6 7 8

Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 15.107 m.w.N. Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 15.110. Zur Prüfung der Echtheit BFH v. 5.2.1992 – I R 9/90, BStBl. II 1992, 607. Wassermeyer in F/W/B, § 34c EStG Rz. 141; Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 15.102. BFH v. 27.3.1996 – I R 49/95, BStBl. II 1997, 91. Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung7, 39. Wagner in Blümich, § 34c Rz. 29. Weiterführend Wassermeyer in F/W/B, § 34c EStG Rz. 145.

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Kap. 4: Geistiges Eigentum im Ertragsteuerrecht

(4) Gleicher Veranlagungszeitraum

4.197

Gem. § 34c Abs. 1 Satz 5 EStG ist weitere Voraussetzung für die Anrechenbarkeit ausländischer Steuern, dass sie auf die im Veranlagungszeitraum bezogenen Einkünfte entfallen. Keine Voraussetzung ist mithin, dass die auf ausländische Einkünfte entfallende ausländische Steuer für denselben Zeitraum festgesetzt und gezahlt worden ist wie die entsprechende inländische Einkommensteuer.1 Daraus folgt, dass für die Anrechenbarkeit ausländischer Steuern eine Identität des Abgabenzeitraums, wie es aus der Definition des Begriffs Doppelbesteuerung abgeleitet werden könnte, nicht erforderlich ist.2 Voraussetzung ist nur, dass nach deutschem Verständnis ausländische Einkünfte erwirtschaftet wurden und dem Steuerpflichtigen auch zugeflossen sind und dass auf diese ausländischen Einkünfte eine gleichartige ausländische Steuer anfällt. Dabei ist es zunächst unerheblich, für welchen Zeitraum die ausländische Steuer festgesetzt und gezahlt wird. Weichen etwa Steuerperiode (Veranlagungszeitraum der Steuererhebung) und Bemessungsperiode (Veranlagungszeitraum der Steuerentstehung) im In- und Ausland voneinander ab, so ist die ausländische Steuer anzurechnen, die für das Jahr erhoben wird, das dem deutschen Veranlagungszeitraum entspricht.3 Stellte man dagegen auf die mehr oder weniger zufällig identische Steuerperiode ab, könnte bei anderslaufender Bemessungsperiode die Doppelbesteuerung von vornherein nicht vermieden werden; die Anrechnung könnte nicht durchgeführt werden, wenn der ausländischen Steuer im entscheidenden Veranlagungszeitraum keine entsprechenden Einkünfte im Inland gegenüberstünden.4 (5) Anrechnungshöchstbetrag

4.198

Die ausländische Steuer ist auf die deutsche Einkommensteuer anzurechnen, die auf die Einkünfte aus dem betreffenden ausländischen Staat entfällt. Die Anrechnung der ausländischen Steuer ist mithin auf den Betrag der deutschen Steuer beschränkt, der auf die betreffenden ausländischen Einkünfte entfällt. Das ist der sog. Anrechnungshöchstbetrag. § 34c Abs. 1 Satz 2 EStG kann entnommen werden, wie der Anrechnungshöchstbetrag zu ermitteln ist: Errechnet wird die deutsche Einkommensteuer, bis zu der die ausländische Steuer angerechnet werden kann, entsprechend dem Verhältnis der ausländischen Einkünfte zur Summe der Einkünfte.5 Daraus kann folgende Formel6 zur Berechnung abgeleitet werden: Anrechnungshöchstbetrag = Deutsche Einkommensteuer × ausländische Einkünfte dividiert durch Summe der Einkünfte. In die Höchstbetragsberechnung nicht einzubeziehen sind gem. § 34c Abs. 1 Satz 3 EStG ausländische Einkünfte, 1 BFH v. 4.6.1991 – X R 35/88, BStBl. II 1992, 187; v. 31.7.1991 – I R 51/89, BStBl. II 11991, 922; Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 15.105. 2 Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung7, 40. 3 BFH v. 31.7.1991 – I R 51/89, BStBl. II 1991, 922. 4 Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 15.105. 5 Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 15.111. 6 Vgl. das Beispiel in H 34c Abs. 3 EStH.

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D. Vermeidung der Doppelbesteuerung

die im Quellenstaat nicht besteuert wurden. Auch nach einem etwaigen DBA nicht im Ausland zu besteuernde Einkünfte sind nach § 34c Abs. 6 Satz 3 EStG unberücksichtigt zu lassen.1 Das Ausscheiden der Einkünfte aus der Höchstbetragsberechnung gem. § 34c Abs. 1 Satz 2 EStG verleiht der Anrechnungsmethode den Charakter einer per-item-limitation.2 Aus § 68a EStDV ergibt sich darüber hinaus, dass die Höchstbetragsberechnung für die Einkünfte aus jedem ausländischen Staat einzeln und getrennt durchzuführen ist, sog per-country-limitation. Hinderlich auf die Vermeidung einer Doppelbesteuerung durch Anrechnung wirkt sich die Anwendung dieser per-country-limitation dann aus, wenn bei Bezug von Einkünften aus mehreren Staaten die den Höchstbetrag übersteigenden Steuern durch nicht ausgenutzte Höchstbeträge in anderen Ländern aufgefangen werden könnten, ein Ausgleich von hoch und niedrig besteuerten Einkünften verschiedener Länder also möglich wäre.3 Übersteigt die ausländische Steuer den Anrechnungshöchstbetrag, so kommt es zu einem Steuer- oder Anrechnungsüberhang, der bestehen bleibt. Das ist die Folge der nur begrenzten Anrechnungsmöglichkeit. Diese begrenzte Anrechnungsmöglichkeit ausländischer Quellensteuern ist keine spezifisch deutsche Gestaltung, sondern sie gilt ausnahmslos dort, wo das Außensteuerrecht potentieller Domizilstaaten die Anrechnungsmethode vorsieht.4 Ein Anrechnungsüberhang hat endgültigen Charakter; eine anderweitige Berücksichtigung ist nicht vorgesehen. Auch die Berücksichtigung im Rahmen eines Anrechnungsvor- oder -rücktrags scheidet aus.5 Zur Vermeidung eines nicht nutzbaren Steuerüberhangs kann überlegt werden, anstelle der Anrechnung der ausländischen Steuer den Abzug gem. § 34c Abs. 3 EStG zu beantragen.

4.199

(6) Ausländische Einkünfte, § 34d EStG § 34c Abs. 1 Satz 1 EStG nennt ausdrücklich ausländische Einkünfte. Eine Anrechnung der ausländischen Steuer ist deshalb nur dann möglich, wenn sie auf ausländische Einkünfte erhoben worden sind. Die Konkretisierung der ausländischen Einkünfte erfolgt in § 34d EStG. Die Regelung ähnelt in ihrem Inhalt der Aufzählung in § 49 EStG – inländische Einkünfte. Auch der Einkünftekatalog in § 34d EStG hat abschließenden Charakter.6 Insgesamt jedoch ist § 34d EStG weiter gefasst als § 49 EStG, 1 Wassermeyer in F/W/B, § 34c EStG Rz. 194; a.A. Müller-Dott, DB 2003, 1468. 2 Schnittger, IStR 2003, 73; kritisch zu dem in § 34c Abs. 1 Satz 2 EStG verankerten Anrechnungshöchstbetrag Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 15.112. 3 Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 15.114; Wassermeyer in F/W/B, § 34c EStG Rz. 176 f. mit Beispielen. 4 Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung7, 43 mit einer weiterführenden Darstellung rechtsvergleichender Grundlinien der Anrechnung in verschiedenen Staaten. 5 Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 15.116. 6 Gosch in Kirchhof10, § 34d EStG Rz. 1; Wagner in Blümich, § 34d EStG Rz. 2; Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 15.67 mit weiterführenden Hin-

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4.200

Kap. 4: Geistiges Eigentum im Ertragsteuerrecht

da die im Rahmen der beschränkten Steuerpflicht enthaltene Aufzählung die Anrechnungsmöglichkeiten in wirtschaftspolitisch unvertretbarer Weise einschränken würde.1

4.201

Eine weiterführende Darstellung zu den einzelnen ausländischen Einkünften i.S. des § 34d EStG findet sich bei Schaumburg.2 c) Abzugsmethode

4.202

Die Abzugsmethode, geregelt in § 34c Abs. 2 und 3 EStG in Erweiterung zu § 34c Abs. 1 EStG, sieht vor, dass bei der Ermittlung der inländischen Steuerbemessungsgrundlage die ausländische Steuer abgezogen wird. Im Ergebnis wird also nur der Nettozufluss der inländischen Besteuerung zugeführt. § 34c EStG sieht den Abzug der ausländischen Steuer vor allem für die Fälle vor, in denen es an der Vergleichbarkeit der Steuern mangelt oder die ausländischen Steuern von einem anderen als dem Quellenstaat erhoben werden oder wenn keine ausländischen Einkünfte i.S. des § 34d EStG vorliegen.3 Während die Anrechnungsmethode zu einer vollständigen Vermeidung der Doppelbesteuerung führen kann, zieht die Anwendung der Abzugsmethode lediglich eine Verminderung der Doppelbesteuerung nach sich. Die Abzugsmethode führt mithin nicht zu einer Kapitalmarktexportneutralität, weil der Abzug niemals eine vollständige Deckung der ausländischen und inländischen Steuer erreicht, sondern lediglich die Bemessungsgrundlage für Letztere beeinflusst.4

4.203

Die Abzugsmethode bewirkt, dass die Bemessungsgrundlage für die deutsche Einkommensteuer verringert wird, indem bei der Ermittlung der Einkünfte jede einzelne Einkunftsart aus jedem Herkunftsland (per-countrylimitation) um die darauf entfallenden Steuern gekürzt wird.5 Im Gegensatz zu § 34c Abs. 1 EStG gehört der Steuerabzug systematisch nicht zu den Tarifvorschriften. Mit der Abzugsmethode wird die Berücksichtigung der ausländischen Steuer auf Ebene der Einkünfteermittlung vollzogen. Die ausländischen Steuern werden wie Werbungskosten oder Betriebsausgaben behandelt; der Steuerabzug ist eine gewollte Ausnahme zum Abzugsverbot des § 12 Nr. 3 EStG.6 Aufgrund der Berücksichtigung der ausländischen Steuer bei der Ermittlung der Einkünfte wirkt sich der Abzug

1 2 3 4 5 6

weisen zu der Geltung der isolierenden Betrachtungsweise (§ 49 Abs. 2 EStG) auch im Bereich der ausländischen Einkünfte in § 34d EStG; so auch Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung7, 41 f. Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung7, 41. Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 16.65 ff. mit umfangreichen Nachweisen. Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 15.8. Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 15.122. Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung7, 54 mit dem Hinweis, dass bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 50 Abs. 3 EStG die §§ 34c Abs. 2 und 3 EStG entsprechend auf beschränkt Steuerpflichtige anwendbar sind. Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung7, 55; Wassermeyer in F/W/B, § 34c EStG Rz. 84.

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D. Vermeidung der Doppelbesteuerung

mithin grundsätzlich auch bei der Gewerbesteuer aus. Soweit jedoch z.B. Schachteldividenden vorliegen, die nach § 9 Nr. 7 und 8 GewStG zu kürzen sind, erfolgt zwecks Vermeidung einer zweifachen Minderung des Gewerbeertrags eine Hinzurechnung der ausländischen Steuer gem. § 8 Nr. 12 GewStG.1 d) Pauschalierung und Erlass aa) Grundlagen Erlass bedeutet Wegfall oder Befreiung von der Steuerlast. Der Erlass durch die Finanzbehörde kann sich nur auf die inländische Steuer (die auf die ausländischen Einkünfte entfällt) erstrecken und führt im Ergebnis zu einer Freistellung der ausländischen Einkünfte von der inländischen Steuer. Sollte der Erlass gewährt werden, wirken sich die ausländischen Einkünfte auch nicht auf den Steuersatz, sog. Progressionsvorbehalt, aus. Der Erlass von inländischen Steuern kommt insbesondere im Hinblick auf das Leistungsfähigkeitsgebot zur Anwendung und wird regelmäßig von Billigkeitserwägungen getragen sein.

4.204

Ermäßigungen und Pauschalierung haben ebenfalls den Charakter einer Freistellung ausländischer Einkünfte von der inländischen Besteuerung. Bei der Pauschalierung werden ausländische Einkünfte mit einer pauschal festgesetzten Steuer belegt. Eine Vermeidung der Doppelbesteuerung tritt nur ein, wenn eine etwaige ausländische Steuer zuzüglich der inländischen Pauschalsteuer nicht höher als die reguläre inländische Steuer ist. Rechtsgrundlage für die Pauschalierung ist § 34c Abs. 5 EStG.

4.205

bb) Pauschalierung Die Pauschalierung in § 34c Abs. 5 EStG sieht vor, dass die Finanzverwaltung die ihr nach dem Wohnsitzprinzip zustehende deutsche Einkommensteuer auf die ausländischen Einkünfte auf einen festen Betrag pauschalieren kann, soweit dieses aus volkswirtschaftlichen Gründen zweckmäßig ist oder die Anwendung des § 34c Abs. 1 EStG besonders schwierig ist.

4.206

Der Pauschalierung kommt eine Auffangfunktion zu, die mit Schwierigkeiten der Anrechnung in der gesetzlichen Ausprägung des § 34c Abs. 1 EStG gerechtfertigt wird. Diese Regelung vermag nämlich nicht, die Doppelbesteuerung in allen Fällen zu vermeiden.2 Soweit eine (vollständige) Anrechnung nach dieser Vorschrift nicht möglich ist, obwohl es nach anderen – insbesondere volkswirtschaftlichen – Gründen geboten erscheint, behindert eine Doppelbesteuerung die exportorientierte Volkswirtschaft Deutschlands und führt dazu, dass die Kapitalexportneutralität nicht gewährleistet ist. Insoweit gibt der Gesetzgeber einer wirtschaftlich sinnvollen Auslandsinvestition den Vorzug gegenüber der juristischen An-

4.207

1 Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 15.124. 2 Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 15.133 m.w.N.

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Kap. 4: Geistiges Eigentum im Ertragsteuerrecht

wendung des Gesetzes. Die Regelung in § 34c Abs. 5 EStG ist verfassungskonform.1

4.208

Volkswirtschaftliche Gründe i.S. des § 34c Abs. EStG liegen nach Auffassung des BVerfG2 vor, wenn diese spezifisch außenwirtschaftlicher Natur sind, die Steuerbegünstigung also der deutschen Außenwirtschaft dient. Dies könne etwa dann der Fall sein, wenn die Aufrechterhaltung der niedrigeren ausländischen Steuerbelastung im Interesse der Konkurrenzfähigkeit der deutschen Wirtschaft läge.3 Nach Auffassung des FG Köln4 stellen die volkswirtschaftlichen Gründe i.S. des § 34c Abs. 5 EStG sowohl die Förderung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Exportwirtschaft als auch die Steigerung der Bereitschaft der Arbeitnehmer zu einem Auslandseinsatz dar. Lüdicke5 führt aus, die Problematik der Eingrenzung oder Beschreibung „volkswirtschaftlicher Gründe“ sei systemimmanent; sie beruhe auf dem inneren Widerspruch dieses Begriffs. Unter Einbeziehung der „Zweckmäßigkeit“, die dann vorliegt, wenn die deutsche Volkswirtschaft profitiert, konstatiert Lüdicke6 insbesondere dann, wenn die Steuerbegünstigung nach § 34c Abs. 5 EStG Voraussetzung dafür sei, dass deutsche Steuerpflichtige überhaupt konkurrenzfähige Angebote machen könnten, sei eine Steuerpauschalierung oder ein Steuererlass aus volkswirtschaftlichen Gründen zweckmäßig.

4.209

Aufgrund der Ermächtigung in § 34c Abs. 5 EStG erließ das BMF7 das Schreiben betreffend Pauschalierung der Einkommensteuer und Körperschaftsteuer für ausländische Einkünfte gem. § 34c Abs. 5 EStG und § 26 Abs. 6 KStG, sog. Pauschalierungserlass. Die Wirkung der Pauschalierung besteht in einer Milderung der Doppelbesteuerung durch eine abweichende Steuerberechnung.8 cc) Erlass

4.210

Während die grundsätzlichen Aussagen zur Pauschalierung auch auf die Erlassmöglichkeit in § 34c Abs. 5 EStG gleichermaßen anwendbar sind, besteht die Billigkeitsmaßnahme für den Erlass in dem sog. Auslandstätigkeitserlass.9 Die Erlassregelung ist auf unbeschränkt und beschränkt steuerpflichtige Arbeitnehmer eines inländischen Arbeitgebers anwendbar, die Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit im Ausland erzielen. Von seiner Wirkungsweise her führt der Auslandstätigkeiterlass zu einer 1 2 3 4 5 6 7 8

BVerfG v. 19.4.1978 – 2 BvL 2/75, BStBl. II 1978, 548. BVerfG v. 19.4.1978 – 2 BvL 2/75, BStBl. II 1978, 548. BVerfG v. 19.4.1978 – 2 BvL 2/75, BStBl. II 1978, 548. FG Köln v. 22.3.2001 – 7 K 1709/99, EFG 2001, 974, rkr. Wassermeyer in F/W/B, § 34c EStG Rz. 561. Wassermeyer in F/W/B, § 34c EStG Rz. 563. BMF v. 10.4.1984 – IV C 6 - S 2293 - 11/84, BStBl. I 1984, 252. BMF v. 10.4.1984 – IV C 6 - S 2293 - 11/84, BStBl. I 1984, 252 Rz. 24, vgl. auch Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung7, 59 mit Beispiel. 9 BMF v. 31.10.1983 – IV B 6 - S 2293 - 50/83, BStBl. I 1983, 470.

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D. Vermeidung der Doppelbesteuerung

faktischen Freistellung der betroffenen Einkünfte von der inländischen Besteuerung. e) Freistellungsmethode aa) Zweck Die Freistellungsmethode im Internationalen Steuerrecht vermeidet die Doppelbesteuerung, indem dem Quellenstaat die Besteuerung der auf seinem Territorium erwirtschafteten Erträge – im Grunde unabhängig von den Möglichkeiten nach seinem nationalen Steuerrecht – belassen wird und der Ansässigkeitsstaat die Einkünfte von der Besteuerung freistellt. Dabei entspricht wiederum konsequenter Anwendung des Leistungsfähigkeitsgebots, die freigestellten ausländischen Einkunftsteile in die Bemessung des inländischen Steuersatzes mit einzubeziehen.1

4.211

bb) Freistellung bei Kapitalgesellschaften Die Freistellungsmethode für Beteiligungserträge (einschließlich verdeckter Gewinnausschüttungen) und Gewinne aus der Veräußerung von Kapitalgesellschaftsanteilen in § 8b KStG findet sowohl bei Beteiligungen an inländischen Kapitalgesellschaften als auch an ausländischen Kapitalgesellschaften Anwendung.

4.212

Ausländische Beteiligungserträge, die von einer unbeschränkt oder einer beschränkt steuerpflichtigen Körperschaft erzielt werden, bleiben gemäß § 8b Abs. 1 KStG bei der Ermittlung des Einkommens vollständig außer Ansatz. Eine Mindestbeteiligung an der ausschüttenden Gesellschaft ist nicht vorgesehen, so dass auch Beteiligungserträge aus Streubesitz auf Ebene der empfangenden Kapitalgesellschaft steuerfrei sind. § 8b Abs. 5 KStG sieht jedoch kraft einer gesetzlichen Fiktion vor, dass ausnahmslos 5 % der ausländischen Dividenden als Betriebsausgaben gelten, die vom Abzug ausgeschlossen sind. Unabhängig davon, in welcher Höhe tatsächlich Betriebsausgaben entstanden sind, sind somit stets 5 % der ausländischen Dividenden in Deutschland außerbilanziell einkommenserhöhend zu berücksichtigen.2 Im Ergebnis sind in wirtschaftlicher Hinsicht lediglich 95 % der Dividenden freigestellt.

4.213

§ 8b Abs. 5 Satz 2 KStG bestimmt, dass § 3c Abs. 1 EStG neben oder statt § 8b Abs. 5 KStG nicht anzuwenden ist. Dieser Anwendungsausschluss wirkt ebenso konstitutiv wie absolut; er betrifft In- wie Auslandsbeteiligungen und greift unbeschadet dessen, dass in Einzelfällen die konkret anfallenden Betriebsausgaben die 5 %-Begrenzung über- oder unterschreiten.3

4.214

1 Zu beachten sind insoweit aber auch die Ausnahmen in § 32b Abs. 1 Satz 2 EStG für grenzüberschreitende Sachverhalte innerhalb der Europäischen Union. 2 Gosch2, § 8b KStG Rz. 452. 3 Gosch2, § 8b KStG Rz. 484.

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Kap. 4: Geistiges Eigentum im Ertragsteuerrecht

4.215

Veräußert eine inländische (Mutter-)Kapitalgesellschaft ihre Anteile an ausländischen Körperschaften, sind etwaige Beteiligungsveräußerungsgewinne gleichfalls von der Besteuerung freigestellt, § 8b Abs. 2 KStG. Wie auch bei den laufenden Beteiligungserträgen ordnet das Gesetz – hier allerdings in § 8b Abs. 3 KStG – eine fiktive nicht abzugsfähige Betriebsausgabe i.H.v. 5 % des Veräußerungsgewinns an. Der Veräußerungsgewinn ist hierbei der Betrag, um den der Veräußerungspreis oder der an dessen Stelle tretende Wert nach Abzug der Veräußerungskosten den Buchwert im Zeitpunkt der Veräußerung übersteigt, § 8b Abs. 2 Satz 1 KStG.

4.216

Hinsichtlich der Anwendung von § 3c Abs. 1 EStG gilt über § 8b Abs. 3 Satz 2 KStG ebenso eine konstitutive wie absolute Anwendungssperre. cc) Teileinkünfteverfahren

4.217

In § 3 Nr. 40 EStG ist das sog. Teileinkünfteverfahren geregelt. In seiner Wirkung stellt § 3 Nr. 40 EStG mit Körperschaftsteuer belastete Vermögensmehrungen und Bezüge zu 40 % von der Besteuerung frei. Als Konsequenz sind gem. § 3c Abs. 2 EStG aber auch nur 60 % der in einem wirtschaftlichen Zusammenhang stehenden Betriebsausgaben abzugsfähig. In sachlicher Hinsicht gilt das Teileinkünfteverfahren für Vermögensmehrungen von im Betriebsvermögen gehaltenen Beteiligungen (§ 3 Nr. 40 Satz 2 i.V.m. § 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. d–h EStG), für den Ansatz des Veräußerungspreises oder des gemeinen Werts i.S. des § 17 Abs. 2 Satz 1 EStG (§ 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. c EStG) und für Veräußerungen und gleichgestellte Einnahmen von in einem Betriebsvermögen gehaltenen Beteiligungen (§ 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. a EStG). Das Teileinkünfteverfahren (vormals Halbeinkünfteverfahren) ist mit der Aufgabe des Anrechnungssystems durch das Steuersenkungsgesetz1 verbunden. Danach unterliegen Gewinne der Körperschaft einem einheitlichen Steuersatz in Höhe von derzeit 15 %, und zwar unabhängig von einer Thesaurierung auf Ebene der Gesellschaft oder Ausschüttung an die Anteilseigner. Das Teileinkünfteverfahren bewirkt auf Ebene des Anteilseigners eine Milderung der wirtschaftlichen Doppelbesteuerung, verursacht durch die Belastung mit Körperschaft- und Einkommensteuer.

4.218

Die Anwendung des Teileinkünfteverfahrens auf die genannten Veräußerungsgewinne ist auf den ersten Blick nicht gerechtfertigt, weil im Fall der Veräußerung der Anteile an einer Kapitalgesellschaft auf deren Ebene keine Körperschaftsteuer entsteht. Die Anwendung des Teileinkünfteverfahrens auch auf Veräußerungsgewinne ist dennoch konsequent, weil Gewinne aus der Veräußerung von Anteilen auch auf Rücklagen zurückzuführen sind, die bereits auf Ebene der Kapitalgesellschaft mit Körperschaftsteuer belastet sind.

4.219

In persönlicher Hinsicht gilt das Teileinkünfteverfahren für unbeschränkt und beschränkt Steuerpflichtige natürliche Personen gleichermaßen. 1 StSenkG v. 23.10.2000, BGBl. I 2000, 1433.

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D. Vermeidung der Doppelbesteuerung

Ausgenommen sind gem. § 3 Nr. 40 Sätze 3 und 4 EStG unbeschränkt und beschränkt steuerpflichtige natürliche Personen, soweit diese Kreditinstitute, Finanzdienstleistungsinstitute oder Finanzunternehmen betreiben. Das Teileinkünfteverfahren ist auch dann anwendbar, wenn die genannten Vermögensmehrungen aus dem Ausland stammen. Daher dient § 3 Nr. 40 EStG insgesamt auch dem Zweck, Doppelbesteuerungen zu vermeiden. Darüber hinaus setzt die beschriebene Wirkungsweise des Teileinkünfteverfahrens gerade keine Steuersubjekteigenschaft voraus, so dass das Teileinkünfteverfahren als unilaterale Maßnahme zur Vermeidung der wirtschaftlichen Doppelbesteuerung qualifiziert werden kann.1 dd) Hinzurechnungsbesteuerung Im Grundsatz bewirkt (Rz. 12.94 ff.) die Hinzurechnungsbesteuerung in den §§ 7 ff. AStG, dass bei mehrheitlicher Beteiligung unbeschränkt (oder erweitert beschränkt i.S. von § 2 AStG) steuerpflichtiger Personen an einer niedrig besteuerten, passive Tätigkeiten ausübenden Kapitalgesellschaft (Zwischengesellschaft) nach Ablauf eines jeden Wirtschaftsjahres den steuerpflichtigen Personen der (nach deutschen Vorschriften) ermittelte Gewinn der Zwischengesellschaft nach Maßgabe ihrer Beteiligung zugerechnet wird. Der Hinzurechnungsbetrag gehört zu den Einkünften i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG, wobei die Subsidiarität in § 20 Abs. 8 EStG zu beachten ist. Gleichwohl ist gem. ausdrücklicher Anordnung in § 10 Abs. 2 Satz 3 AStG die Anwendung des Teileinkünfteverfahrens ausgeschlossen. Der Hinzurechnungsbetrag wird mithin ungemildert der deutschen Besteuerung unterworfen.

4.220

Im Fall einer nachfolgenden tatsächlichen Ausschüttung aus der Zwischengesellschaft wären auf die Kapitalerträge (bei Betriebsvermögenszugehörigkeit) das Teileinkünfteverfahren oder die Regelungen über die Abgeltungsteuer in § 32d EStG anzuwenden. Diese dadurch eintretende Doppelbesteuerung auf Ebene des Anteilseigners verhindert die Regelung in § 3 Nr. 41 Satz 1 Buchst. a EStG. Steuerfrei (vollständig) sind danach Gewinnausschüttungen, soweit für das Kalenderjahr oder Wirtschaftsjahr, in dem sie bezogen wurden, oder für die vorangegangenen sieben Kalenderjahre oder Wirtschaftsjahre aus einer Beteiligung an derselben ausländischen Gesellschaft Hinzurechnungsbeträge der Einkommensteuer unterlegen haben; § 3c Abs. 2 EStG gilt entsprechend.

4.221

Entsprechendes gilt für Gewinne aus der Veräußerung von Anteilen an ausländischen Kapitalgesellschaften, soweit deren Einkünfte aus passiver Tätigkeit eine Hinzurechnungsbesteuerung ausgelöst haben, § 3 Nr. 41 Satz 1 Buchst. b EStG.2

4.222

1 Schaumburg, Internationales Steuerrecht, Rz. 15.22. 2 Schaumburg, Internationales Steuerrecht, Rz. 15.38 ff. mit weiterführenden Ausführungen zu den Gewinnen bei Hinzurechnungsbesteuerung.

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Kapitel 5 Geistiges Eigentum im Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht Literatur: Birk, Steuerrecht, 13. Aufl., Heidelberg 2010; Birnbaum, Die Begünstigung unternehmerischen Vermögens durch das Erbschaftsteuerreformgesetz, Baden-Baden 2010; Bruckmeier/Zwirner/Mugler, Unternehmensbewertung im Erbschaftsteuerrecht: Handlungsempfehlungen und Modellrechnungen – §§ 199 ff. BewG und IDW S 1 im Vergleich, DStR 2011, 422; Crezelius, Das neue Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht im Rechtssystem, ZEV 2009, 1; Esskandari, Erbschaftsteuerrecht, Heidelberg 2010; Frotscher, Internationales Steuerrecht, 3. Aufl., München 2009; Gebel, Unentgeltliche Gebrauchs- und Nutzungsüberlassungen als freigebige Zuwendungen, DStZ 1992, 577; Götz/Jorde, Auslandsvermögen im Erbfall, NWB Fach 10, 1533; Haase, Internationales und Europäisches Steuerrecht, 2. Aufl., Heidelberg 2009; Halaczinsky, Ist eine Doppelbelastung mit Erbschaft- und Grunderwerbsteuer möglich?, ZEV, 2003, 97; Hartmann, Unentgeltliche Zuwendungen eines GmbH-Gesellschafters an seine Gesellschaft, ZEV 1996, 132; Hoffmann/Richter, Geistiges Eigentum in der Betriebspraxis, Wiesbaden 2011; Hölzerkopf/Bauer, Überblick über die Erbschaftsteuerreform und erste Gestaltungshinweise, BB 2009, 20; Hübner, Die (dis)qualifizierte Nachfolgeklausel, ZErb 2004, 34; Hübner, Erbschaftsteuer-Bewertungserlasse, Teil B: Einzelunternehmen und Personengesellschaften, DStR 2009, 2577; Hübner/Maurer, Erbschaft- und schenkungsteuerliche Folgen gesellschaftsvertraglicher Abfindungsbeschränkungen für die verbleibenden Gesellschafter, Teil 1, ZEV 2009, 361 und Teil 2, ZEV 2009, 428; Jülicher, Problem der Erbschaftsteuerbefreiung beim Vermögensrückfall an Eltern oder Voreltern – § 13 Abs. 1 Nr. 10 ErbStG, ZEV 1995, 212; Jülicher, Vertragliche Rückforderungsrechte und Weiterleitungsklauseln in Schenkungsverträgen, DStR 1998, 1977; Jülicher, Mühlstein nach der Reform des ErbStG: Steuerpflicht des Ausscheidens zu einer gesellschaftsvertraglich bedingten Abfindung unter dem Verkehrswert, ZErb 2008, 214; Kramer, Ermessensspielräume bei der Fair-Value-Ermittlung immaterieller Vermögenswerte, Wiesbaden 2010; Knoppe, Die Besteuerung der Lizenzund know-how-Verträge, 2. Aufl., Köln 1972; Meincke, Anmerkung zu BVerfG, Beschluss vom 7.11.2006, 1 BvL 10/02, NJW 2007, 573; Meincke, Erbschaftsteuerund Schenkungsteuergesetz, 15. Aufl., München 2009; Die Jahres-Erbschaftsteuer beim Erwerb von Renten und Nießbrauchrechten, DStR 1985, Moench, Vorsicht bei Wahl und Abwahl der Jahreserbschaftsteuer!, ZEV 2001, 303; Moench, 259; Moench/Albrecht, Erbschaftsteuer, 2. Aufl., München 2009; Moench/Stempel, Vermögensübertragungen vor und nach der Erbschaftsteuerreform, DStR 2008, 170; Moser, Bewertung immaterieller Vermögenswerte, Stuttgart 2011; Neumayer/ Imschweiler, Schenkungsteuer beim Ausscheiden eines Gesellschafters auf Basis gesellschaftsvertraglicher Abfindungsklauseln, DStR 2010, 201; Niemann, Immaterielle Wirtschaftsgüter im Handels- und Steuerrecht, 2. Aufl., Berlin 2006; Piltz, Unternehmensbesteuerung im neuen Erbschaftsteuerrecht, DStR 2008, 745; Piltz, Verwaltungsvermögen im neuen Erbschaftsteuerrecht, ZEV 2008, 229; Piltz, Erbschaftsteuer-Bewertungserlass: Allgemeines und Teil A (Anteile an Kapitalgesellschaften), DStR 2009, 1829; Röder, Teilentgeltliche Vermögensübertragungen nach der Erbschaftsteuer-Entscheidung des BVerfG, ZEV 2007, 505; Scherer, Münchener Anwaltshandbuch Erbrecht, 3. Aufl., München 2010; Schmidt/Schwind, Entwurf der Erbschaftsteuer-Richtlinien 2011, NWB Fach 10, 3512; Schulte, Ist die Erbschaftsteuer reformierbar?, FR 2007, 309; Schulte, Erbschaftsteuerrecht, Heidelberg 2010; Schulze zur Wiesch, Sonderbetriebsvermögen und Verwaltungsvermögenstest nach § 13a und § 13b ErbStG, DStR 2009, 732; Schulze-Osterloh, Der „Bereicherungswille“ bei der freigebigen Zuwendung im Schenkungsteuerrecht, StuW 1977, 122; Steiner, Das neue Erbschaftsteuerrecht, Köln 2009; Terpitz, Die erb-

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Kap. 5: Geistiges Eigentum im Erbschaftsteuerrecht

schaftsteuerliche Behandlung qualifizierter Nachfolgeklauseln, ZEV 1999, 45; Tipke/Lang, Steuerrecht, 20. Aufl., Köln 2010; Wälzholz, Erbauseinandersetzung und Teilungsanordnung nach der Erbschaftsteuerreform, ZEV 2009, 113; Wandtke/Bullinger, Urheberrecht, 3. Aufl., München 2009, Wangler, Einfluss des neuen Bewertungs- und Erbschaftsteuerrechts auf Abfindungsregelungen in Gesellschaftsverträgen, DStR 2009, 1501; Wassermann, Mittelständische Unternehmensbewertung im neuen Erbschaftsteuerrecht – Eine ökonomische Analyse, DStR 2010, 183; Wiegand, Teil A. Grundzüge des neuen Erbschaftsteuer- und Bewertungsrechts, DStR 2008, Beihefter zu Heft 51/52; Wolf, Die Steuerfreiheit bei Rückfall geschenkter Beteiligungen an Eltern oder Voreltern gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 10 ErbStG, DStR 1988, 563; Zietemann, Reformbedarf des OECD-Musterabkommens Erbschaftsteuer, Hefte zur Internationalen Besteuerung der Universität Hamburg, Heft 166.

A. Einführung I. Vorbemerkung 5.1

Die Erbschaftsteuer besteuert den Vermögensanfall, der von Todes wegen beim Erwerber entsteht. Durch die Steuer erleidet das Vermögen natürlicher Personen immer dann eine Einbuße, wenn ein Generationenwechsel und damit typischerweise einhergehend ein Erwerb von Todes wegen stattfindet. Um fiskalpolitisch unerwünschte Gestaltungen durch Vermögensübertragungen zu Lebzeiten zu verhindern, werden vom Gesetz gleichermaßen Schenkungen zwischen lebenden Personen erfasst.1 Eine Sonderrolle nimmt die in regelmäßigen Zeitabständen stattfindende Ersatzbesteuerung für Familienstiftungen ein. In Deutschland wird die Erbschaft- und Schenkungsteuer seit dem Jahr 1922 traditionell als Erbanfallsteuer erhoben.2 Im Gegensatz zu anderen Ländern (z.B. den USA)3 wird für die Besteuerung an die Bereicherung beim Empfänger angeknüpft und nicht an den (gesamten) Nachlass des Erblassers (sog. Nachlasssteuer). Wegen des geltenden sog. Bereicherungsprinzips wird die Erbschaftsteuer4 auch als Einkommensteuer i.w.S. bezeichnet.5 Steuersubjekt ist der Bereicherte. Relevant für die Besteuerung des Erbanfalls sind in der Konsequenz regelmäßig persönliche Merkmale des Erwerbers und nicht solche des Erblassers.

1 BVerfG v. 8.3.1983 – 2 BvL 27/81, BStBl. II 1983, 779. 2 Vgl. zur Historie der Erbschaftsteuer in Deutschland ausführlich Gebel in Troll/ Gebel/Jülicher, Einführung Rz. 60 ff. 3 Zur Darstellung der Erbschaftbesteuerung in den USA und anderen wichtigen Industrienationen s. Schulte, Erbschaftsteuerrecht, Rz. 963 ff. 4 Nachfolgend ist im Zweifel neben der Erbschaftsteuer stets auch die Schenkungsteuer gemeint. Die Trennung zwischen Erbschaft- und Schenkungsteuer in der Gesetzesüberschrift ist ohne praktische Bedeutung, Meincke15, § 1 ErbStG Rz. 2. 5 Seer in Tipke/Lang, Steuerrecht20, § 13 Rz. 103; vgl. auch Meincke15, Einführung ErbStG Rz. 1 f. Der BFH ordnet dagegen die Erbschaftsteuer den Verkehrsteuern zu, vgl. BFH v. 22.9.1982 – II R 61/80, BStBl. II 1983, 179.

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A. Einführung

Die Ertragshoheit für das Steueraufkommen steht nach Art. 106 Abs. 2 Nr. 2 GG den Ländern zu. Die Gesetzgebungskompetenz liegt dagegen beim Bund (Art. 105 Abs. 2 i.V.m. Art. 72 Abs. 2 GG).1 Im Verhältnis zu den anderen Steuerarten kommt der Erbschaftsteuer im Rahmen der Finanzierung der öffentlichen Haushalte allerdings eine nur geringe Bedeutung zu.2 Dies liegt nicht zuletzt daran, dass die erhobene Erbschaftsteuer im Verhältnis zum tatsächlichen Vermögensübergang, z.B. aufgrund der bestehenden sachlichen und persönlichen Steuerbefreiungen, verhältnismäßig gering ausfällt.3 Trotz dieser Tatsache, einer ständigen Diskussion um die Rechtfertigung der Erbschaftsteuer4 und nicht zuletzt gegenläufiger Tendenzen im Ausland5 scheint der Gesetzgeber jedoch an einer Erbschaftbesteuerung auch zukünftig festhalten zu wollen.6

5.2

II. Maßgeblichkeit des Zivilrechts Nach dem Grundsatz der Gesamtrechtsnachfolge geht das Erbe als Ganzes auf den Erben über, d.h. der Erbe tritt mit dem Tod des Erblassers in alle Rechte und Pflichten des Erblassers ein (§ 1922 Abs. 1 BGB). Grundsätzlich gehen somit alle vermögenswerten Rechtsbeziehungen (auch Schulden) unmittelbar auf den Erben über.7 Nichtvermögensrechtliche (immaterielle) Rechtsbeziehungen sind hingegen typischerweise nicht vererbbar. Zu beiden Grundsätzen bestehen jedoch Ausnahmen,8 so dass letztlich auf die jeweiligen einschlägigen Rechtsnormen abzustellen ist oder, soweit positives Recht fehlt, an Hand des Zwecks der einzelnen Rechtsinstitute und der Interessenlage eine Entscheidung über die Vererbbarkeit getroffen werden muss.9 Als Indiz für die Vererbbarkeit oder Nichtvererbbarkeit kann die Übertragbarkeit oder Nichtübertragbarkeit unter Lebenden dienen, wobei eine Deckungsgleichheit keineswegs zwin1 An der Notwendigkeit einer bundeseinheitlichen Regelung zweifelnd Wilms in Wilms/Jochum, Einführung ErbStG Rz. 54.1 f. 2 Vgl. zum jährlichen Steueraufkommen den Bericht des Statistisches Bundesamtes zur Erbschaft- und Schenkungsteuer zuletzt v. 20.6.2011 sowie Schulte, FR 2007, 309 (309). 3 Vgl. auch Moench/Albrecht, Erbschaftsteuer, Rz. 270. 4 Zur Kritik an der deutschen Erbschaftsteuer, aber auch zu deren Rechtfertigung s. zusammenfassend Meincke15, Einführung ErbStG Rz. 1a. 5 Z.B. ist die österreichische Erbschafts- und Schenkungssteuer aufgrund einer ähnlichen Diskussion zum 1.8.2008 entfallen, s. dazu Info des österreichischen BMF v. 18.7.2008 – GZ BMF-010000/0032-VI/6/2008. Zur Abschaffung der Erbschaftsteuer auch in anderen Ländern Birnbaum, Die Begünstigung unternehmerischen Vermögens durch das Erbschaftsteuerreformgesetz, 155 ff. 6 „Ein Verzicht auf die Erbschaftsteuer ist aus Gerechtigkeitsgründen keine sinnvolle Alternative“, Begründung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung v. 28.1. 2008, BT-Drucks. 16/7918, 1. 7 BGH v. 9.6.1960 – VII ZR 229/58, BGHZ 32, 367. 8 Beispielsweise ist der Nießbrauch ein vermögenswertes Recht, das von Gesetzes wegen nicht vererbbar ist (§ 1061 Satz 1 BGB). 9 Leipold in Münchener Komm. zum BGB5, § 1922 BGB Rz. 19.

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5.3

Kap. 5: Geistiges Eigentum im Erbschaftsteuerrecht

gend ist.1 Vermögenswerte Immaterialgüterechte jedenfalls sind trotz ihres Persönlichkeitsbezugs aufgrund der starken wirtschaftlichen Komponente regelmäßig rechtsgeschäftlich (auch schenkungsweise) übertragbar und vererbbar.2

5.4

An die vorgenannten Grundsätze knüpft das Erbschaftsteuerecht aufgrund dessen bürgerlich-rechtlicher Prägung an,3 d.h. maßgeblich für die Erbschaftsteuer sind grundsätzlich die zivilrechtlichen Vorschriften und nicht etwa eine wirtschaftliche Betrachtungsweise nach § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO.4 Zum steuerpflichtigen Erwerb gehört daher stets alles, was im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf den Erben oder die Erben übergeht.5 Allerdings geht der tatbestandliche Rückgriff auf die zivilrechtlichen Begriffe nicht so weit, dass die jeweiligen Begriffe nicht im Einzelfall mit Blick auf den steuerrechtlichen Bedeutungszusammenhang selbständig interpretiert werden müssten.6 Zu einer vom Zivilrecht abweichenden Bewertung kommt es im Erbschaftsteuerrecht etwa bei der Rechtsfähigkeit der Gesamthänder7 oder beim Schenkungsbegriff.8 Zudem kennt das ErbStG diverse Fiktionen, die jede Beziehung zu den erbrechtlichen Regelungen vermissen lassen (z.B. § 3 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 ErbStG).9 Andererseits unterliegt nicht jede auf den Erben übergehende Rechtsposition als steuerpflichtiger Erwerb auch der Erbschaftsteuer.10 Vermögenswerte Immaterialgüterrechte sind aufgrund ihrer Vererbbarkeit und Übertragungsfähigkeit hingegen regelmäßig erbschaftsteuerpflichtig, wenn sie unmittelbar oder als Teil eines Betriebsvermögens durch Erwerb von Todes wegen oder durch Schenkung erworben werden.

III. Verhältnis zu anderen Steuerarten 1. Verhältnis zur Einkommensteuer

5.5

Da die Erbschaftsteuer in der Ausgestaltung aufgrund ihrer Anknüpfung an einen Vermögenszuwachs beim Erwerber der Einkommensteuer ähn1 Leipold mit Hinweis auf die Unübertragbarkeit, aber Vererbbarkeit des Urheberrechts (§ 28 Abs. 1 bzw. § 29 Abs. 1 UrhG), in Münchener Komm. zum BGB5, § 1922 BGB Rz. 19. 2 Wachter in Scherer, Münchener Anwaltshandbuch Erbrecht3, § 4 Rz. 7; vgl. auch Stürner in Jauernig13, § 1922 BGB Rz. 5. 3 Vgl. BFH v. 26.11.1986 – II R 190/81, BStBl. II 1987, 175. 4 BFH v. 22.9.1982 – II R 61/80, BStBl. II 1983, 179; vgl. z.B. auch R 36 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 ErbStR 2003. 5 Weinmann in Moench/Weinmann, § 10 ErbStG Rz. 8a. 6 BFH v. 8.12.1993 – II R 61/89, BFH/NV 1994, 373 unter Bezugnahme auf BVerfG v. 27.12.1991 – 2 BvR 72/90, BStBl. II 1992, 212. 7 BFH v. 14.9.1994 – II R 95/92, BStBl. II 1995, 81. 8 R 14 Abs. 1 Satz 1 ErbStR 2003; R E 7.1 ErbStR 2011-E. 9 Vgl. auch Jülicher in Troll/Gebel/Jülicher, § 1 ErbStG Rz. 67. 10 Etwa Angehörigen kraft Gesetzes zustehende Versorgungsbezüge, da § 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG eine vertragliche Regelung des Erblassers voraussetzt. Zur Steuerbarkeit von Schadenersatzleistungen s. Rz. 5.50, vgl. im Übrigen auch Fischer in Fischer/Jüptner/Pahlke/Wachter3, § 3 ErbStG Rz. 2.

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A. Einführung

lich ist (vgl. bereits Rz. 5.1), kann es zwischen den beiden Steuerarten mitunter zu Abgrenzungsschwierigkeiten kommen. Der Gesetzgeber hat jedoch eine mögliche Doppelbelastung mit Einkommensteuer und Erbschaftsteuer einschließlich der damit verbundenen Härten in Kauf genommen.1 Denkbar sind z.B. einkommensteuerpflichtige Einkünfte im Zusammenhang mit dem Nachlass, die noch vor dem Tod des Erblassers entstanden sind und auf den Erben gemäß § 45 AO übergehen, sowie latente Steuern, die sich tatsächlich erst in der Sphäre des Erwerbs auswirken. Ist eine Steuer des Erblassers bereits vor dessen Tod entstanden, kann diese im Rahmen der Erbschaftsteuer als Nachlassverbindlichkeit abgezogen werden (§ 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG). Dies gilt selbst dann, wenn die Steuerfestsetzung erst nach dem Erbfall erfolgt.2 Entsteht die Einkommensteuer hingegen erst nach dem Tod des Erblassers beim Erwerber (etwa durch die spätere Aufdeckung stiller Reserven, Stückzinsen oder bei zunächst offenen Honorarforderungen von Freiberuflern), ist ein Abzug als Nachlassverbindlichkeit ausgeschlossen. Auch ein Abzug der Erbschaftsteuer im Rahmen der Einkommensteuer als Betriebsausgabe, Werbungskosten, Sonderausgabe oder außergewöhnliche Belastung ist nicht möglich.3 In Betracht kommt in einem derartigen Fall jedoch eine Steuerermäßigung gemäß § 35b EStG. Nach dieser Vorschrift wird auf Antrag des Steuerpflichtigen die um sonstige Steuerermäßigungen gekürzte tarifliche Einkommensteuer ermäßigt, wenn bei der Ermittlung des Einkommens Einkünfte berücksichtigt worden sind, die im Veranlagungszeitraum oder in den vorangegangenen vier Veranlagungszeiträumen als Erwerb von Todes wegen der Erbschaftsteuer unterlegen haben. Die Ermäßigung errechnet sich dabei aus dem Verhältnis der festgesetzten Erbschaftsteuer zum steuerpflichtigen Erwerb (§ 35b Satz 2 ErbStG).4 Die Ermäßigungsvorschrift kommt allerdings immer dann nicht zum Tragen, wenn die Steuer noch beim Erblasser entsteht (z.B. beim Ausscheiden des Erblassers aus einer Gesellschaft im Fall einer Fortsetzungsklausel).5 2. Verhältnis zur Grunderwerbsteuer Ist ein im Inland belegenes Grundstück oder etwa ein an einem solchen Grundstück bestelltes Erbbaurecht (§ 2 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG) Teil des Vermögensanfalls, besteht ein Konkurrenzverhältnis zwischen Erbschaftsteuer und Grunderwerbsteuer. Dieses Konkurrenzverhältnis wird durch eine entsprechende Befreiungsvorschrift im GrEStG gelöst, so dass eine doppelte Besteuerung bei der Übertragung von inländischen Grundstü1 BFH v. 17.2.2010 – II R 23/09, BStBl. II 2010, 641; vgl. zum Verhältnis beider Steuerarten auch BFH v. 26.11.1986 – II R 190/81, BStBl. II 1987, 175. 2 FG Hamburg v. 10.10.1990 – II 173/88, EFG 1991, 130. 3 Wilms in Wilms/Jochum, Einführung ErbStG Rz. 32. 4 Zu Doppelbelastungen im Fall des Wegfalls der Begünstigung nach § 13a ErbStG s. Wilms in Wilms/Jochum Einführung, ErbStG Rz. 36.1 a.E. 5 Steiner, Das neue Erbschaftsteuerrecht, Rz. 220; Drenseck in Schmidt30, § 35b EStG Rz. 5.

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5.6

Kap. 5: Geistiges Eigentum im Erbschaftsteuerrecht

cken oder Erbbaurechten regelmäßig vermieden wird.1 Nach § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG sind von der Besteuerung der Grundstückserwerb von Todes wegen und Grundstücksschenkungen unter Lebenden i.S. des ErbStG ausdrücklich ausgenommen. Jedoch unterliegen Schenkungen unter einer Nutzungs- oder Duldungsauflage (z.B. Nießbrauch oder Wohnrecht) der Besteuerung hinsichtlich des Werts solcher Auflagen, die bei der Schenkungsteuer abziehbar sind (§ 3 Nr. 2 Satz 2 GrEStG).2 Entsprechendes gilt, wenn die Schenkung mit einer Leistungsauflage verbunden wird, da auch hier der Beschenkte in Höhe der Auflage nicht bereichert ist (vgl. § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG). Bei der gemischten Schenkung ist das betreffende Rechtsgeschäft aufzuteilen. Die freigebige Zuwendung unterliegt der Erbschaftsteuer, die Zuwendung, der eine Gegenleistung gegenübersteht, unterliegt als steuerpflichtiger Erwerb dem GrEStG.3 In der unentgeltlichen Bestellung eines Erbbaurechts liegt grundsätzlich eine freigebige Zuwendung nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG.4 Hinsichtlich der Bestellung eines unentgeltlichen Erbbaurechts einer Kommune an einen freien Träger der Wohlfahrtspflege hat die Rechtsprechung mangels Vorliegen einer freigebigen Zuwendung eine Anwendung des § 3 Nr. 2 GrEStG jedoch abgelehnt.5

IV. Reformbemühungen 5.7

Das BVerfG hat auf Vorlage des BFH mit Beschluss vom 7.11.2006 das Erbschaftsteuerrecht für verfassungswidrig erklärt.6 Das Gericht sah es mit dem Grundgesetz als unvereinbar an, dass einerseits die durch § 19 Abs. 1 ErbStG angeordnete Erhebung der Erbschaftsteuer mit einheitlichen Steuersätzen erfolge, andererseits aber an Werte angeknüpft werde, deren Ermittlung bei wesentlichen Gruppen von Vermögensgegenständen (Betriebsvermögen, Grundvermögen, Anteilen an Kapitalgesellschaften und land- und forstwirtschaftlichen Betrieben) den Anforderungen des Gleichheitssatzes nicht genügten. Der Gesetzgeber habe hinsichtlich der von ihm gewählten Bewertungsmethoden letztlich zu gewährleisten, dass alle Vermögensgegenstände mit einem Annäherungswert an den gemeinen Wert erfasst werden. Dies sei nach Ansicht des Gerichts u.a. wegen der Anknüpfung an Steuerbilanzwerte bzw. starre Einheitsvervielfältiger 1 Zu besonderen Fallkonstellationen, in denen eine Doppelbelastung dennoch auftreten kann, s. Halaczinsky, ZEV, 2003, 97. 2 Nach dem Wegfall des § 25 ErbStG entfällt die Prüfung, ob eine Auflage im Rahmen dieser Vorschrift abzugsfähig ist. Zur neuen Rechtlage s. z.B. FinMin. Baden-Württemberg v. 15.4.2009 – 3 - S 450.5/3, DStR 2009, 856. 3 Weilbach/Baumann in Weilbach, § 3 GrEStG Rz. 41; Meincke15, Einführung ErbStG Rz. 4. 4 H 14 ErbStH 2003. 5 BFH v. 29.3.2006 – II R 68/04, BStBl. II 2006, 632; vgl. auch Weilbach/Baumann in Weilbach, § 3 GrEStG Rz. 40. 6 BVerfG v. 7.11.2006 – 1 BvL 10/02, NJW 2007, 573; s. hierzu statt vieler auch die Anmerkung von Meincke, NJW 2007, 573 (586).

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A. Einführung

insbesondere beim Betriebs- und Grundvermögen jedoch nicht der Fall gewesen. Der Gesetzgeber wurde daher verpflichtet, spätestens bis zum 31.12.2008 eine Neuregelung zu treffen. Bis zu der geforderten Neuregelung wurde das bisherige Recht zunächst für weiter anwendbar erklärt. Der Gesetzgeber hat mit dem Erbschaftsteuerreformgesetz1 auf den Beschluss des BVerfG reagiert. Mit der Gesetzesänderung wurde eine verfassungskonforme, realitätsgerechte Bewertung aller Vermögensklassen angestrebt.2 Im Rahmen der Steuerreform wurden insbesondere die Bewertungsregeln für bebaute Grundstücke und Betriebsvermögen angepasst, um eine Annäherung an die Verkehrswerte zu erreichen.3 Die erbschaftsteuerliche Bemessungsgrundlage hat sich dadurch für solche und andere Vermögenswerte in weiten Teilen erheblich erhöht.4 Erhöht wurden allerdings auch die persönlichen Freibeträge (§ 16 ErbStG). Für Betriebsvermögen (§§ 13a, 13b und 19a ErbStG) und Wohnimmobilien (§ 13c ErbStG) wurden zudem Verschonungsregelungen entscheidend modifiziert bzw. neu geschaffen. Die letztgenannten Maßnahmen sollen dazu beitragen, dass unbillige Härten für den Steuerpflichtigen vermieden werden, die im Zusammenhang mit der Erhöhung der Bemessungsgrundlage im Einzelfall entstehen könnten. Beim Übergang eines durchschnittlichen Vermögens und damit insbesondere auch von privat genutztem Wohneigentum im engeren Familienkreis soll es im Regelfall letztlich sogar zu keiner Belastung mit der Erbschaftsteuer kommen.5 Allerdings wurden auch die Steuersätze in den Steuerklassen II und III angehoben und einander angeglichen (§ 19 ErbStG). Im Rahmen des Wachstumsbeschleunigungsgesetzes6 wurden zuletzt noch Anpassungen im ErbStG vorgenommen. Insbesondere die Steuersätze in der Steuerklasse II wurden wieder abgesenkt, um abermals eine Differenzierung zu den Steuersätzen der Steuerklasse III herzustellen. Zudem wurden angesichts der Finanzkrise die Anforderungen hinsichtlich der Verschonungsregelungen für die Unternehmensnachfolge entschärft.

1 Gesetz zur Reform des Erbschaftsteuer- und Bewertungsrechts (Erbschaftsteuerreformgesetz) v. 24.12.2008, BGBl. I 2008, 3018. 2 Begründung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung v. 28.1.2008, BT-Drucks. 16/7918, 1. 3 Zu den Einzelheiten des Erbschaftsteuerreformgesetzes s. insbesondere Crezelius, ZEV 2009, 1; Hölzerkopf/Bauer, BB 2009, 20 sowie Wiegand, DStR 2008, Beihefter Heft 51/52. 4 Hübner/Maurer, ZEV 2009, 361 (361). 5 Begründung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung v. 28.1.2008, BT-Drucks. 16/7918, 1. 6 Gesetz zur Beschleunigung des Wirtschaftswachstums (Wachstumsbeschleunigungsgesetz) v. 22.12.2009, BGBl. I 2009, 3950.

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5.8

Kap. 5: Geistiges Eigentum im Erbschaftsteuerrecht

B. Persönliche Steuerpflicht (Steuersubjekt) I. Unbeschränkte Steuerpflicht 5.9

Die Steuerpflicht tritt nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG für den gesamten Vermögensanfall (d.h. unbeschränkt für das weltweite Vermögen) ein, wenn der Erblasser, Schenker oder Erwerber ein Inländer ist. Es gilt damit das sog. Universalitäts- oder Weltvermögensprinzip1, das ggf. durch bilateral abgeschlossene DBA eingeschränkt wird.2 Als Inländer gelten zunächst natürliche Personen, die im Inland einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben.3 Für die Inländereigenschaft wird beim Erblasser auf den Zeitpunkt seines Todes, beim Schenker auf den Zeitpunkt der Ausführung der Schenkung und beim Erwerber auf den Zeitpunkt der Entstehung der Steuer abgestellt. Darüber hinaus besteht die unbeschränkte Steuerpflicht auch für deutsche Staatsangehörige, die sich nicht länger als fünf Jahre dauernd im Ausland aufgehalten haben, ohne im Inland einen Wohnsitz zu haben (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b ErbStG). Wegen des Nachwirkens eines (beendeten) Aufenthalts im Inland wird dieser Fall auch als verlängerte oder erweiterte unbeschränkte Steuerpflicht bezeichnet.4 Ein nur vorübergehender Wegzug verhindert damit nicht die Entstehung der unbeschränkten Steuerpflicht. Schließlich unterliegen nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. c ErbStG unabhängig von zeitlichen Einschränkungen auch deutsche Staatsangehörige der unbeschränkten Steuerpflicht, die im Inland weder einen Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben und zu einer inländischen juristischen Person des öffentlichen Rechts in einem Dienstverhältnis stehen und dafür Arbeitslohn aus einer inländischen öffentlichen Kasse beziehen (sog. Auslandsbedienstete).

5.10

Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen sind in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtig, wenn diese ihre Geschäftsleitung oder ihren Sitz im Inland haben (§ 2 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG).5 Nicht die Gesellschafter, sondern die Kapitalgesellschaft ist Erwerberin einer an diese gerichtete Zuwendung. Auch die mit einer Zuwendung eines Gesellschafters an die Kapitalgesellschaft einhergehende Werterhöhung der Gesellschaftsanteile unterliegt nicht auf Ebene der jeweils anderen

1 Schulte, Erbschaftsteuerrecht, Rz. 133; vgl. zu diesen Prinzipien im Allgemeinen auch Haase, Internationales und Europäisches Steuerrecht2, Rz. 21. 2 Für einen Überblick über die derzeit bestehenden DBA auf dem Gebiet der Erbschaftsteuer vgl. Meincke15, § 2 ErbStG Rz. 15 sowie Esskandari, Erbschaftsteuerrecht, Rz. 100 ff. 3 Für die Begriffe „Wohnsitz“ und „gewöhnlicher Aufenthalt“ gelten die entsprechenden Legaldefinitionen in §§ 8 und 9 AO. 4 Weinmann in Moench/Weinmann, § 2 ErbStG Rz. 12. 5 Für die Begriffe „Geschäftsleitung“ und „Sitz“ gelten die entsprechenden Legaldefinitionen in §§ 10 und 11 AO.

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B. Persönliche Steuerpflicht (Steuersubjekt)

Gesellschafter der Erbschaftbesteuerung.1 Bei Personengesellschaften kommt es nicht darauf an, wo diese ihre Geschäftsleitung oder Sitz hat. Vielmehr ist auf die jeweilige Inländereigenschaft des einzelnen Gesellschafters abzustellen.2 Fällt einer Gesamthandsgemeinschaft durch Erbanfall oder Schenkung Vermögen zu, sind unabhängig von der Frage, ob zivilrechtlich ggf. die Gesamthand Erbin oder Beschenkte ist, für Zwecke der Erbschaftsteuer die jeweiligen Gesamthänder als vermögensmäßig bereichert anzusehen.3 Unklar ist bisher, inwieweit der BFH seine Rechtsprechung mit Blick auf die geänderte Rechtsprechung des BGH4 zur Rechtsfähigkeit der Außen-GbR anpassen wird.

II. Beschränkte Steuerpflicht Die beschränkte Steuerpflicht besteht nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG für einen Vermögensanfall, der in Inlandsvermögen i.S. des § 121 BewG besteht. Es kommt damit nicht auf einen Inlandsbezug des Erblassers, Schenkers oder Erwerbers an. Vielmehr wird auf eine besonders enge Beziehung des Vermögens zum Inland als Anknüpfungspunkt für die Besteuerung abgestellt (sog. Territorialitätsprinzip).5 Dabei unterliegen nicht sämtliche inländischen Vermögenswerte und damit auch nicht sämtliche inländischen Immaterialgüterechte der Erbschaftsteuer. Der Katalog in § 121 BewG ist vielmehr abschließend, ohne eine Generalklausel zu enthalten.6 Daher unterliegt beispielsweise ein inländisches Bankguthaben bei einer inländischen Bank trotz Kontoführung im Inland, mangels Aufzählung in § 121 BewG, nicht der beschränkten Steuerpflicht.7 Zum Inlandsvermögen im Rahmen der beschränkten Steuerpflicht gehören zudem nur solche Wirtschaftsgüter, die auch bei Vorliegen einer unbeschränkten Steuerpflicht einem steuerpflichtigen Erwerb zuzurechnen sind.8

5.11

Zum Inlandsvermögen gehören gemäß § 121 BewG das inländische landund forstwirtschaftliche Vermögen (Nr. 1), das inländische Grundver-

5.12

1 BFH v. 25.10.1995 – II R 67/93, BStBl. II 1996, 160; FinMin. BW v. 20.10.2010 – 3 - S 3806/75, ZEV 2010, 656; Seer in Tipke/Lang, Steuerrecht20, § 13 Rz. 136; Hartmann, ZEV 1996, 132. 2 Jüptner in Fischer/Jüptner/Pahlke/Wachter3, § 1 ErbStG Rz. 28; Jülicher in Troll/ Gebel/Jülicher, § 2 ErbStG Rz. 2. 3 Unter Aufgabe der früheren Rechtsprechung BFH v. 14.9.1994 – II R 95/92, BStBl. II 1995, 81. 4 BGH v. 29.1.2001 – II ZR 331/00, BGHZ 146, 341. 5 Schulte, Erbschaftsteuerrecht, Rz. 141. Zum Territorialitätsprinzip im Allgemeinen s. auch Haase, Internationales und Europäisches Steuerrecht2, Rz. 23. 6 Meincke, § 2 ErbStG Rz. 11; Jüptner in Fischer/Jüptner/Pahlke/Wachter3, § 2 ErbStG Rz. 92. 7 Jüptner in Fischer/Jüptner/Pahlke/Wachter3, § 2 ErbStG Rz. 92. 8 R 4 Abs. 1 Satz 1 ErbStR 2003; R E 2.2 Abs. 1 Satz 1 ErbStR 2011-E; Knoppe, Die Besteuerung der Lizenz- und know-how-Verträge2, 208; RFH v. 24.11.1938 – III 288/38, RStBl. 1939, 121.

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Kap. 5: Geistiges Eigentum im Erbschaftsteuerrecht

mögen (Nr. 2), das inländische Betriebsvermögen (Nr. 3), Anteile an einer Kapitalgesellschaft mit Sitz oder Geschäftsleitung im Inland, wenn der Gesellschafter entweder allein oder zusammen mit anderen ihm nahestehenden Personen mindestens zu einem Zehntel unmittelbar oder mittelbar beteiligt ist (Nr. 4), Erfindungen, Gebrauchsmuster und Topographien, die in ein inländisches Buch oder Register eingetragen sind (Nr. 5), Wirtschaftsgüter, die einem inländischen Gewerbebetrieb überlassen sind (Nr. 6), Hypotheken, Grundschulden, Rentenschulden und andere Forderungen oder Rechte, wenn sie durch inländischen Grundbesitz, durch inländische grundstücksgleiche Rechte oder durch Schiffe, die in ein inländisches Schiffsregister eingetragen sind, unmittelbar oder mittelbar gesichert sind (Nr. 7), Forderungen aus der Beteiligung an einem Handelsgewerbe als stiller Gesellschafter und aus partiarischen Darlehen, wenn der Schuldner Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt, Sitz oder Geschäftsleitung im Inland hat (Nr. 8) sowie Nutzungsrechte an einem der vorstehenden Vermögensgegenstände (Nr. 9).

5.13

Als Betriebsvermögen gilt gemäß § 121 Nr. 3 Satz 2 BewG das Vermögen, das einem im Inland betriebenen Gewerbe dient, wenn hierfür im Inland eine Betriebsstätte unterhalten wird oder ein ständiger Vertreter bestellt ist (zur Betriebsstättendefinition s. Rz. 8.36 ff.). Gleiches gilt für den ständigen Vertreter (§ 13 AO), der für einen Gewerbebetrieb bestellt ist.1 In Bezug auf Patentgesellschaften, deren Tätigkeit sich auf die Überlassung von Patenten und der Einziehung von Lizenzgebühren beschränkt, wird für die Begründung einer Betriebsstätte bereits das Büro oder die Wohnung des Geschäftsführers genügen müssen.2 Das Betriebsvermögen ist in § 95 BewG definiert als alle Teile eines Gewerbebetriebs i.S. des § 15 Abs. 1 und 2 EStG, die bei der steuerlichen Gewinnermittlung zum Betriebsvermögen gehören. Demnach gehören Immaterialgüterrechte immer dann zum Inlandsvermögen, wenn diese einer inländischen Betriebsstätte zugeordnet sind (s. zu den Zuordnungskriterien Rz. 8.54 ff.).

5.14

Die Beteiligung an einer inländischen Kapitalgesellschaft gehört zum Inlandsvermögen, wenn der Erblasser zur Zeit seines Todes oder der Schenker zur Zeit der Ausführung der Schenkung allein oder zusammen mit ihm nahestehenden Personen (i.S. des § 1 Abs. 2 AStG) als Eigentümer der übertragenen Anteile mindestens zu 10 % am Grund- oder Stammkapital der inländischen Kapitalgesellschaft beteiligt ist. Für die Berechnung der Beteiligungsgrenze sind auch nur mittelbar gehaltene Anteile zu berücksichtigen. Wird nur ein Teil einer solchen Beteiligung durch Schenkung zugewendet, sind gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 ErbStG auch weitere innerhalb der nächsten zehn Jahre (vgl. § 14 ErbStG) von derselben Person anfallende Erwerbe aus der Beteiligung als Inlandsvermögen zu behandeln, auch wenn im Zeitpunkt ihres Erwerbs die Beteiligung des Erb1 R 4 Abs. 2 Satz 1 ErbStR 2003; R E 2.2 Abs. 2 Satz 1 ErbStR 2011-E. 2 Dötsch in Gürsching/Stenger, § 121 BewG Rz. 134; Knoppe, Die Besteuerung der Lizenz- und know-how-Verträge2, 207; vgl. auch RFH v. 3.12.1936 – III A 161/36, RStBl. 1937, 67.

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B. Persönliche Steuerpflicht (Steuersubjekt)

lassers oder Schenkers weniger als 10 % beträgt. Anteile, die über eine inländische Betriebsstätte des beschränkt Steuerpflichtigen gehalten werden und daher bereits nach § 121 Nr. 3 BewG zum Inlandsvermögen gehören, sind mit Anteilen zusammenzurechnen, die nicht in der Betriebsstätte gehalten werden.1 Bei Erreichen der Beteiligungsgrenze zählt grundsätzlich nur die jeweils unmittelbar gehaltene Beteiligung zum Inlandsvermögen, auch wenn sie für sich genommen die Beteiligungsgrenze nicht erreicht. Eine mittelbar über eine ausländische Gesellschaft gehaltene Beteiligung zählt zum Inlandsvermögen, soweit die ausländische Gesellschaft als Treuhänder für Anteile des Erblassers oder Schenkers an der inländischen Kapitalgesellschaft anzusehen ist (§ 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 AO) oder soweit es sich bei der Zwischenschaltung der ausländischen Gesellschaft um einen Missbrauch steuerlicher Gestaltungsmöglichkeiten handelt (§ 42 AO). Letzteres kommt in Betracht, wenn für die Einschaltung der ausländischen Gesellschaft wirtschaftliche oder sonst beachtliche Gründe fehlen und sie keine eigene Wirtschaftstätigkeit entfaltet. Zur Bewertung von Anteilen an Kapitalgesellschaften s. Rz. 6.81.

5.15

Zum Inlandsvermögen gehören gemäß § 121 Nr. 5 BewG auch Erfindungen (typischerweise in Form von Patenten), Gebrauchsmuster und Topographien, soweit sie nicht bereits zu einem inländischen Betriebsvermögen nach § 121 Nr. 3 BewG gehören. Voraussetzung ist, dass eine Eintragung in ein inländisches Buch oder Register (typischerweise beim Deutschen Patent- und Markenamt) vorliegt. Anderenfalls liegt i.S. von § 121 Nr. 5 BewG kein ausreichender Inlandsbezug vor. Ein ausreichender Inlandsbezug liegt nach Sinn und Zweck der Vorschrift auch nicht bei einer Eintragung eines Patents beim Europäischen Patentamt mit Sitz in München vor (s. auch Rz. 8.122). Auf eine Verwertung der Immaterialgüterrechte im Inland kommt es nicht an.2 Unerheblich ist auch, ob überhaupt eine Verwertung vorgenommen wird.3 Nicht zum Inlandsvermögen i.S. von § 121 Nr. 5 BewG gehören nach dem eindeutigen Wortlaut der Vorschrift dagegen Warenzeichen sowie Urheberrechte an Werken der bildenden Kunst, des Schrifttums und der Tonkunst. Derartige Rechte können jedoch unter § 121 Nr. 6 BewG fallen oder als Teil eines Betriebsvermögens zu erfassen sein. Letzteres ist insbesondere dann der Fall, wenn für die Verwertung der Rechte im Inland eine Betriebstätte unterhalten oder ein ständiger Vertreter bestellt wird.4 Zur Bewertung von Patenten s. Rz. 6.103 ff.

5.16

Alternativ gehören Wirtschaftsgüter, die nicht zum inländischen landund forstwirtschaftlichen Vermögen oder zum inländischen Grundvermögen gehören und keine Erfindungen, Gebrauchsmuster oder Topogra-

5.17

1 2 3 4

R 4 Abs. 3 Satz 4 ErbStR 2003; R E 2.2 Abs. 3 Satz 4 ErbStR 2011-E. BFH v. 29.1.1965 – III 121/62 U, BStBl. III 1965, 219. Knoppe, Die Besteuerung der Lizenz- und know-how-Verträge2, 207. Dötsch in Gürsching/Stenger, § 121 BewG Rz. 138 f.

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Kap. 5: Geistiges Eigentum im Erbschaftsteuerrecht

phien i.S. des § 121 Nr. 5 BewG sind, dann zum Inlandsvermögen, wenn sie einem inländischen Gewerbebetrieb überlassen, insbesondere an diesen vermietet oder verpachtet sind (§ 121 Nr. 6 BewG). Von der Vorschrift umfasst sind insbesondere auch Immaterialgüterrechte wie Erfindungen, Gebrauchsmuster, Rezepte, technische Erfahrungen, Know-how, Software, Urheberrechte und Warenzeichen.1 Beispielsweise gehören an einen inländischen Gewerbebetrieb überlassene Urheberrechte, die weder zu einem inländischen Betriebsvermögen eines beschränkt Steuerpflichtigen gehören noch in ein inländisches Buch oder Register eingetragen sind, zum Inlandsvermögen.2 Die Vorschrift setzt nicht voraus, dass die einem Gewerbebetrieb überlassenen Wirtschaftsgüter diesem für die Dauer oder auf lange Zeit zu dienen bestimmt sind. Es genügt vielmehr, dass sie tatsächlich dem inländischen Gewerbebetrieb zur gewerblichen Verwendung am Stichtag überlassen sind.3 Ein Überlassen liegt bei immateriellen Wirtschaftsgütern vor, wenn der Inhaber des Rechts dessen Ausübung durch einen Dritten vereinbarungsgemäß duldet.4 Erfindungen, Gebrauchsmuster und Topographien können demnach als Inlandsvermögen unter § 121 Nr. 3 und Nr. 5 sowie Nr. 6 BewG fallen. Die einzelnen Tatbestände des § 121 BewG sind nicht derart gegeneinander abgegrenzt, dass nicht auch Überschneidungen denkbar sind.5

5.18

Zum steuerpflichtigen Inlandsvermögen gehört auch die typisch stille Beteiligung einer beschränkt steuerpflichtigen Person an einem inländischen Unternehmen (§ 121 Nr. 8 BewG). Gewinnanteile aus der stillen Beteiligung gehören jedoch nicht zum Inlandsvermögen.6 Dies gilt auch für den stehengelassenen Gewinn, es sei denn, dass der stille Gesellschafter auch mit diesem Gewinn am Ergebnis des Handelsgewerbes beteiligt ist.7

5.19

Nutzungsrechte gehören gemäß § 121 Nr. 9 BewG nur dann zum Inlandsvermögen, wenn sie an einem Wirtschaftsgut bestehen, das in § 121 Nr. 1–8 BewG als Inlandsvermögen aufgeführt ist. Das Nutzungsrecht an einer Beteiligung nach § 121 Nr. 4 BewG kann folglich nur erfasst werden, wenn diese mindestens 10 % des Grund- und Stammkapitals einer inländischen Kapitalgesellschaft ausmacht (s. Rz. 5.14).8 Die Erfassung des Nutzungsrechts wird nicht bereits dadurch ausgeschlossen, dass das Wirtschaftsgut, an dem es besteht, seinerseits steuerfrei bleibt.9 Zur Bewertung von Nutzungen vgl. Rz. 6.92. 1 Dötsch in Gürsching/Stenger, § 121 BewG Rz. 150. 2 BFH v. 29.1.1965 – III 121/62 U, BStBl. III 1965, 219. 3 R 4 Abs. 4 Satz 3 ErbStR 2003; R E 2.2 Abs. 4 Satz 3 ErbStR 2011-E; BFH v. 11.9. 1959 – III 201/58 U, BStBl. III 1959, 476. 4 Vgl. BFH v. 13.2.1970 – III 156/65, BStBl. II 1970, 369. 5 BFH v. 13.2.1970 – III 156/65, BStBl. II 1970, 369. 6 R 4 Abs. 5 ErbStR 2003; R E 2.2 Abs. 5 ErbStR 2011-E. 7 BFH v. 17.10.1975 – III R 66–67/74, BStBl. II 1976, 275. 8 Vgl. auch R 4 Abs. 6 Satz 2 ErbStR 2003. 9 BFH v. 31.5.1957 – III 38/57 S, BStBl. III 1957, 242.

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C. Erwerbstatbestände (Steuerobjekt)

Schulden und Lasten sind im Rahmen der beschränkten Steuerpflicht nur abzugsfähig, wenn sie mit den steuerpflichtigen Vermögensgegenständen in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen (§ 10 Abs. 6 ErbStG). Einkommensteuerschulden eines Erblassers sind bei der Ermittlung des Inlandsvermögens abzuziehen, wenn die Einkommensteuer durch den Besitz des Inlandsvermögens ausgelöst worden ist. Steuerforderungen eines Erblassers gehören zwar grundsätzlich nicht zum Inlandsvermögen, sind aber mit abzugsfähigen Steuerschulden des Erblassers zu saldieren.1

5.20

III. Erweiterte beschränkte Steuerpflicht Um eine Vermeidung der Erbschaftsteuer durch bloßen Wegzug zu verhindern, hat der Gesetzgeber eine erweiterte beschränkte Steuerpflicht auf Grundlage des AStG eingeführt.2 Die Regelung kommt gemäß § 4 i.V.m. § 2 AStG dann zur Anwendung, wenn der Erblasser oder Schenker in den letzten zehn Jahren vor seinem Wegzug aus dem Inland mindesten fünf Jahre als deutscher Staatsangehöriger unbeschränkt der Einkommensteuer unterlag, nun in einem Niedrigsteuerland ansässig ist und wesentliche wirtschaftliche Interessen i.S. des § 2 Abs. 3 AStG im Inland hat. Die erweiterte beschränkte Steuerpflicht findet jedoch gemäß § 4 Abs. 2 AStG dann keine Anwendung, wenn nachgewiesen wird, dass für den Erwerb im Ausland eine der deutschen Erbschaftsteuer entsprechende Steuer zu entrichten ist, die mindestens 30 % der deutschen Erbschaftsteuer beträgt oder ein DBA eine Besteuerung durch Deutschland verhindert. In zeitlicher Hinsicht kommt der erweiterten beschränkten Steuerpflicht allerdings nur dann eine eigenständige Bedeutung zu, wenn nach dem Wegzug des Erblassers oder Schenkers mindestens fünf Jahre vergangen sind, da § 2 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b ErbStG (s. Rz. 5.9) als speziellere Vorschrift der Regelung im AStG vorgeht.3

5.21

C. Erwerbstatbestände (Steuerobjekt) I. Erwerb von Todes wegen 1. Überblick § 3 ErbStG regelt, welche Fälle als Erwerb von Todes wegen zu qualifizieren sind und damit der sachlichen Steuerpflicht unterliegen. Der Katalog ist insoweit abschließend.4 Allerdings wird die Vorschrift durch § 5 ErbStG (Zugewinngemeinschaft) begrenzt und durch § 4 ErbStG (fort1 R 4 Abs. 7 Satz 2 f. ErbStR 2003; R E 2.2 Abs. 7 Satz 2 f. ErbStR 2011-E. 2 Zur ausführlichen Kommentierung der Vorschrift mit Beispielen s. Ettinger in Haase, AStG/DBA, § 4 AStG. 3 Ettinger in Haase, AStG/DBA, § 4 AStG Rz. 10 m.w.N. 4 Birk, Steuerrecht13, Rz. 1564; Esskandari, Erbschaftsteuerrecht, Rz. 135; Seer in Tipke/Lang, Steuerrecht20, § 13 Rz. 106.

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5.22

Kap. 5: Geistiges Eigentum im Erbschaftsteuerrecht

gesetzte Gütergemeinschaft) sowie § 6 ErbStG (Vor- und Nacherbschaft) ergänzt. Als wesentliche Anknüpfungspunkte dienen die zivilrechtlichen Regelungen des Erbrechts. Erfasst sind solche Erwerbstatbestände, die unmittelbar auf den Erblasser zurückgehen (Abs. 1) und solche, die als vom Erblasser zugewandt gelten (Abs. 2). Die in der Praxis wohl häufigsten Fälle sind die Erwerbe durch Erbanfall (§ 1922 BGB), Vermächtnis (§§ 2147 ff. BGB) oder aufgrund der Geltendmachung eines Pflichtteilanspruchs (§§ 2303 ff. BGB). Alle drei Fälle werden von § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG erfasst. Die Vorschrift nimmt ausdrücklich Bezug auf die zivilrechtlichen Vorschriften, so dass diese den Anknüpfungspunkt für die Realisierung des steuerlichen Tatbestands bilden (s. zur zivilrechtlichen Maßgeblichkeit auch Rz. 5.3). Im Rahmen der Unternehmensnachfolge hat zudem die steuerpflichtige Anteilsübertragung nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG erhebliche Praxisrelevanz. 2. Erwerb durch Erbanfall

5.23

Mit dem Tod des Erblassers geht das Vermögen im Ganzen unmittelbar auf den oder die Erben über (sog. Gesamtrechtsnachfolge oder Universalsukzession). Erblasser ist derjenige, in dessen Rechtsnachfolge der oder die Erben eintreten. Als Erblasser kommt nur eine natürliche Person in Betracht.1 Wer Erbe ist, wird im Rahmen der gewillkürten Erbfolge vom Erblasser durch Testament (§ 1937 BGB) bestimmt oder durch Erbvertrag (§ 1941 BGB) vereinbart. Hinterlässt der Erblasser kein Testament oder liegt kein Erbvertrag vor, wird der Erbe durch die gesetzliche Erbfolge bestimmt. Mehrere Erben bilden gemäß § 2032 BGB eine Erbengemeinschaft. Für steuerliche Zwecke wird die Erbengemeinschaft als Bruchteilsgemeinschaft behandelt (§ 39 Abs. 2 Nr. 2 AO), so dass jeder Miterbe in Höhe seiner jeweiligen Erbquote der Erbschaftsteuer unterliegt.2 Eine Erbengemeinschaft entsteht aufgrund der gesellschaftsrechtlichen Besonderheiten allerdings nicht im Fall einer Sonderrechtsnachfolge bei der Vererbung einer personengesellschaftsrechtlichen Beteiligung.3 Vielmehr werden die Miterben in Höhe ihrer Erbquote unmittelbar Gesellschafter. Anteile an einer GmbH gehen dagegen auf die Erbengemeinschaft über (vgl. § 15 Abs. 1 und § 18 Abs. 1 GmbHG). Für die Besteuerung des Erbanfalls des einzelnen Miterben sind verbindliche Teilungsanordnungen des Erblassers ohne Bedeutung.4

5.24

Der Tod eines Gesellschafters kann aufgrund der gesellschaftsrechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten unterschiedliche Auswirkungen auf den Gesellschaftsanteil des Erblassers haben. Auch für die Erbschaftbesteuerung ergeben sich je nach Ausgestaltung des Gesellschaftsvertrags Unterschie1 2 3 4

Fischer in Fischer/Jüptner/Pahlke/Wachter3, § 2 ErbStG Rz. 64. Vgl. auch Schwarz in Schwarz, § 39 AO Rz. 92. Fischer in Fischer/Jüptner/Pahlke/Wachter3, § 2 ErbStG Rz. 121. Unter Aufgabe der früheren Rechtsprechung mittlerweile ständige Rechtsprechung, BFH v. 10.11.1982 – II R 85–86/78, BStBl. II 1983, 329; R 5 Abs. 1 Satz 3 ErbStR 2003; R E. 3.1 Abs. 1 Satz 3 ErbStR 2011-E.

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Ruge

C. Erwerbstatbestände (Steuerobjekt)

de. Im Fall des Versterbens eines Kommanditisten gilt, dass die Gesellschaft mangels abweichender vertraglicher Bestimmung mit den Erben fortgesetzt wird (§ 177 HGB). Persönlich haftende Gesellschafter einer OHG oder einer KG scheiden dagegen mit dem Tod aus der Gesellschaft aus, sofern im Gesellschaftsvertrag nichts anderes bestimmt ist. In diesem Fall sind die verbleibenden Gesellschafter zur Zahlung einer Abfindung verpflichtet (§ 738 Abs. 1 BGB). Der Abfindungsanspruch gehört zum Nachlass des Erblassers. Hinsichtlich etwaiger im Gesellschaftsvertrag getroffener Fortsetzungsklauseln wird nach der sog. einfachen und qualifizierten Nachfolgeklausel und der sog. Eintrittsklausel differenziert. Bei der einfachen Nachfolgeklausel werden alle Erben im Wege der Sonderrechtsnachfolge unmittelbar Gesellschafter. Bei der qualifizieren Nachfolgeklausel hingegen werden nur solche Erben Gesellschafter, die ausdrücklich benannt wurden. Im letzten Fall haben die von der Sonderrechtsnachfolge ausgeschlossenen Erben einen Ausgleichsanspruch gegenüber den in die Gesellschaft eintretenden Miterben. Erbschaftsteuerlich wird die qualifizierte Nachfolgeklausel von der Rechtsprechung und Finanzverwaltung als eine Form der (unbeachtlichen) Teilungsanordnung angesehen.1 Diese Bewertung der qualifizierten Nachfolgeklausel ist im Schrifttum aufgrund der damit einhergehenden Fehlallokation von Steuerbegünstigungen auf Kritik gestoßen, da für eine von dem Zivilrecht abweichende Betrachtungsweise kein Grund erkennbar sei.2 Der Streit hat allerdings hinsichtlich der Verschonungsregelungen durch das Erbschaftsteuerreformgesetz an Brisanz verloren. § 13b Abs. 3 Satz 1 ErbStG beinhaltet nun die Regelung, dass die dem abgebenden Miterben versagten Begünstigungen (§ 13a und § 13b ErbStG) dem übernehmenden Erben zugute kommen. Damit wird letztlich der das Unternehmen tatsächlich fortführende Erbe hinsichtlich der Verschonungsregelungen so gestellt, als habe er das übernommene Betriebsvermögen von Anfang an allein erworben.3 Bei einer in der Praxis auch anzutreffenden Eintrittsklausel besteht im Gegensatz zu den Nachfolgeklauseln kein Automatismus hinsichtlich der Gesellschafterstellung des Erben. Vielmehr erhält der Erbe eine Option, in die Gesellschaft als Gesellschafter eintreten zu können. Der Eintritt bedarf einer vertraglichen Regelung zwischen den Gesellschaftern und dem eintretenden Erben, zu der sich die Gesellschafter durch die Eintrittsklausel im Gesellschaftsvertrag bereits verpflichtet haben. Erbschaftsteuerlich erwirbt der Erbe bis zur Ausübung seiner Option den ihm nach § 738 Abs. 1 BGB zustehenden Abfindungsanspruch. Der Gesellschaftsanteil des Erblassers wächst zunächst auf die verbleibenden Gesellschafter an. Der Erwerb ist nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 ErbStG bei den Gesellschaftern steuerpflichtig, soweit der Wert des Anteils des Erb1 BFH v. 10.11.1982 – II R 85–86/78, BStBl. II 1983, 329; R 55 Abs. 2 Satz 2 ErbStR 2003; R E 3.1 Abs. 3 Satz 2 ErbStR 2011-E. 2 Terpitz, ZEV 1999, 45 (49); Moench in Moench/Weinmann, § 3 ErbStG Rz. 77; vgl. auch Hübner, ZErb 2004, 34. 3 Zu den Einzelheiten ausführlich Wälzholz, ZEV 2009, 113.

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5.25

Kap. 5: Geistiges Eigentum im Erbschaftsteuerrecht

lassers den Abfindungsanspruch übersteigt. Auf den steuerpflichtigen Teil finden dann die Begünstigungen nach § 13a und § 19a ErbStG Anwendung.1 Nicht begünstigt ist dagegen der Erwerb der Abfindung, die die Erben von den überlebenden Mitgesellschaftern des Erblassers erhalten. Macht der Erbe schließlich von seinem Eintrittsrecht Gebrauch, kommen diesem und nicht den Altgesellschaftern die Verschonungsregeln zugute, so als wäre der Erbe im Wege einer Nachfolgeklausel unmittelbar Gesellschafter geworden.2 3. Erwerb durch Vermächtnis

5.26

Gemäß § 1939 BGB hat der Erblasser die Möglichkeit, durch Testament einem anderen, ohne ihn als Erben einzusetzen, einen Vermögensvorteil zuwenden (Vermächtnis). Der vermachte Vermögensgegenstand geht nicht unmittelbar wie beim Erbanfall auf den Vermächtnisnehmer über. Vielmehr steht dem Vermächtnisnehmer ein schuldrechtlicher Anspruch auf Herausgabe des Vermächtnisses gegenüber dem Erben zu (§ 2174 BGB). Auch ein auf diese Weise erworbener Vermögensvorteil ist gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG steuerpflichtig. Gegenstand des Erwerbs ist beim Vermächtnis die gegen den Beschwerten (Erben) gerichtete Forderung auf den vermachten Gegenstand.3 Immaterialgüterrechte können, soweit sie rechtsgeschäftlich auf andere Rechtsträger übertragbar sind (s. hierzu Rz. 5.35), tauglicher Vermächtnisgegenstand sein. Für das Urheberrecht gilt die Besonderheit, dass es zwar vererbbar, aber nicht übertragungsfähig ist und damit auch nicht Gegenstand eines Vermächtnisses sein kann. Die Erbschaftsteuer entsteht beim Erwerb durch Vermächtnis gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG mit dem Tod des Erblassers. Dieser Zeitpunkt ist zugleich maßgebend für den Bestand und Wert des Erwerbs (§ 11 ErbStG) sowie für die sich nach den Vorschriften des ersten Teils des BewG richtende Bewertung des Erwerbs (§ 12 Abs. 1 ErbStG). Die Anwendung des Stichtagsprinzips ist gerade bei einem Vermächtnis nicht immer unproblematisch, da der Vermächtnisnehmer bis zur Herausgabe des Vermächtnisses durch den Erben oder Testamentsvollstrecker keinen Einfluss auf etwaige Wertveränderungen oder gar den zufälligen Untergang des Vermächtnisgegenstands hat. Im Schrifttum wird daher auch die Ansicht vertreten, dass als Erwerb durch Vermächtnis erst der durch Vermächtniserfüllung eintretende endgültige, dingliche Erwerb des vermachten Gegenstands zu verstehen ist, der dann durch § 9 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG auf den Zeitpunkt der Steuerentstehung und damit auf den Zeitpunkt des Anfalls des Vermächtnisses zurück zu beziehen ist.4 Im Fall eines sog. Nieß1 R 55 Abs. 2 Satz 5 ErbStR 2003. Dies gilt auch für die Verschonungsregelungen i.d.F. des Erbschaftsteuerreformgesetzes, vgl. Hübner/Maurer, ZEV 2009, 361 (365); R E 13b. 1 Abs. 2 Satz 4 ErbStR 2011-E. 2 Moench in Moench/Weinmann, § 3 ErbStG Rz. 77; R 55 Abs. 2 Satz 3 ErbStR 2003; R E 13b. 1 Abs. 2 Satz 2 ErbStR 2011-E; kritisch Gebel in Troll/Gebel/Jülicher, § 3 ErbStG Rz. 148. 3 BFH v. 25.10.1995 – II R 5/92, BStBl. II 1996, 97. 4 So u.a. Fischer in Fischer/Jüptner/Pahlke/Wachter3, § 3 ErbStG Rz. 305.

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C. Erwerbstatbestände (Steuerobjekt)

brauchvermächtnisses, bei dem der Erblasser dem Bedachten ein Nießbrauchs- oder Leibrentenvermächtnis vermacht, das mit dem Tod des Bedachten erlischt, hat der Vermächtnisnehmer den Erwerb auf Grundlage des Kapitalwerts zu versteuern.1 Der beschwerte Erbe wiederum kann das Vermächtnis mit dem Kapitalwert von seinem Erwerb zum Abzug bringen. 4. Erwerb aufgrund eines Pflichtteilsanspruchs Werden Abkömmlinge, Eltern oder der Ehegatte von der gesetzlichen Erbfolge durch eine vom Erblasser gewählte gewillkürte Erbfolge ausgeschlossen, steht ihnen gegen den Erben ein Geldanspruch zu (sog. Pflichtteil). Der Pflichtteil besteht dabei der Höhe nach in der Hälfte des Werts des gesetzlichen Erbteils (§ 2303 Abs. 1 Satz 2 BGB). Die Erbschaftsteuer hinsichtlich eines Pflichtteils entsteht nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b) ErbStG mit dem Zeitpunkt der Geltendmachung des Anspruchs durch den Pflichtteilsberechtigten. Dem bloßen Entstehen des Anspruchs mit dem Erbfall (§ 2317 Abs. 1 BGB) kommt hingegen erbschaftsteuerrechtlich noch keine Bedeutung zu. Dieses zeitliche Hinausschieben der erbschaftsteuerrechtlichen Folgen eines Pflichtteilsanspruchs soll sicherstellen, dass bei dem Pflichtteilsberechtigten nur dann Erbschaftsteuer anfällt, wenn er seinen Anspruch auch tatsächlich geltend macht.2 Damit korrespondierend kann der Erbe gemäß § 10 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. Abs. 5 Nr. 2 ErbStG vom Wert des gesamten Vermögensanfalls ebenfalls nur die Verbindlichkeiten aus geltend gemachten Pflichtteilen abziehen. Das bloße Bestehen von Pflichtteilsverbindlichkeiten ist auch insoweit ohne steuerrechtliche Bedeutung.3 Gegenstand des steuerpflichtigen Erwerbs ist der dem Berechtigten gegen den Erben zustehende Geldanspruch, soweit ihn der Berechtigte geltend gemacht hat. Nach der Entstehung des Steueranspruchs zwischen dem Erben und dem Pflichtteilsberechtigten getroffene Erfüllungsabreden können den einmal entstandenen Steueranspruch daher weder aufheben noch verändern.4

5.27

5. Schenkung auf den Todesfall a) Grundlagen Nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 ErbStG gilt als Erwerb von Todes wegen auch der Erwerb durch Schenkung auf den Todesfall. Bei einer Schenkung auf den Todesfall liegt gemäß § 2301 BGB ein Schenkungsversprechen des Schenkers vor, das allerdings unter der Bedingung erteilt wird, dass der Beschenkte den Schenker überlebt. Trotz der Zuordnung zu den Erwerben von Todes wegen setzt auch § 3 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 ErbStG voraus, dass die Zuwendung zu einer Bereicherung führt, was nach bürgerlich-rechtlichen Maßstäben zu beurteilen ist, und dass die Beteiligten 1 2 3 4

Meincke15, § 3 ErbStG Rz. 46. BFH v. 7.10.1998 – II R 52/96, BStBl. II 1999, 23. BFH v. 7.10.1998 – II R 52/96, BStBl. II 1999, 23. BFH v. 19.7.2006 – II R 1/05, BStBl. II 2006, 718; FG München v. 24.8.2005 – 4 K 4361/03, EFG 2005, 1887.

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5.28

Kap. 5: Geistiges Eigentum im Erbschaftsteuerrecht

sich über die Unentgeltlichkeit der Zuwendung einig sind.1 Die vom Erwerber übernommenen Verbindlichkeiten sind nach § 10 Abs. 1 Satz 2 ErbStG vom steuerlichen Wert des Erwerbsgegenstands abzuziehen.

5.29

Auch der Übergang des Gesellschaftsanteils eines verstorbenen Gesellschafters wird als Schenkung auf den Todesfall fingiert (§ 3 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 ErbStG). Konkret gilt als Schenkung auf den Todesfall der auf dem Ausscheiden eines Gesellschafters beruhende Übergang eines Gesellschaftsanteils bei dessen Tod auf die anderen Gesellschafter oder die Gesellschaft, soweit der Wert, der sich für den Anteil des Erblassers zur Zeit seines Todes ergibt, Abfindungsansprüche Dritter übersteigt. Von der Vorschrift umfasst wird gleichermaßen der Übergang des Anteils oder des Teils eines Anteils eines Gesellschafters einer Personengesellschaft oder Kapitalgesellschaft. b) Anteilsübergang bei Personengesellschaften

5.30

Persönlich haftende Gesellschafter einer OHG oder einer KG scheiden mit dem Tod aus der Gesellschaft aus, sofern im Gesellschaftsvertrag nichts anderes bestimmt ist. Fehlt es an einer gesellschaftsvertraglichen Regelung, sind die verbleibenden Gesellschafter gemäß § 738 Abs. 1 BGB gegenüber den Erben zur Zahlung einer Abfindung verpflichtet (s. bereits Rz. 5.24). Oftmals wird im Gesellschaftsvertrag bestimmt, dass die Erben nicht mit dem Verkehrswert des Gesellschaftsanteils abzufinden sind, sondern stattdessen mit einem niedrigeren Wert (sog. Abfindungsbeschränkung). In der Praxis finden sich oftmals sog. Buchwertklauseln, welche die Abfindung auf die Buchwerte des Gesellschaftsanteils beschränken.2 Besteuert wird die Differenz zwischen Steuerwert (§ 12 ErbStG) und dem Abfindungsanspruch. Vor Einführung des Erbschaftsteuerreformgesetzes lag der Steuerwert typischerweise erheblich unter den Verkehrswerten, so dass der Vorschrift nur geringe Bedeutung zukam.3 Mit Annäherung der Steuerwerte an den gemeinen Wert hat sich dies nun erheblich geändert.4 c) Anteilsübergang bei Kapitalgesellschaften

5.31

Anteile an Kapitalgesellschaften gehen beim Tod des Gesellschafters kraft Gesetzes auf die Erben über (§ 15 GmbHG). Die Vererbbarkeit des Geschäftsanteils kann auch nicht durch Gesellschaftsvertrag abbedungen werden. Eine Anwachsung auf die verbleibenden Gesellschafter ist bei Anteilen an Kapitalgesellschaften folglich nicht möglich. § 3 Abs. 1 Nr. 2 1 Unter Aufgabe der früheren Rechtsprechung BFH v. 5.12.1990 – II R 109/86, BStBl. II 1991, 181. 2 Zu den verschiedenen in der Praxis gebräuchlichen Abfindungsklauseln s. Wangler, DStR 2009, 1501; vgl. auch Jülicher, ZErb 2008, 214. 3 Moench/Albrecht, Erbschaftsteuer2, Rz. 136. 4 Ausführlich zu den Konsequenzen und möglichen Gestaltungen s. Hübner/Maurer, ZEV 2009, 361 ff. und 428 ff.

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C. Erwerbstatbestände (Steuerobjekt)

Satz 2 ErbStG erfasst allerdings bei Kapitalgesellschaften insbesondere solche gesellschaftsvertragliche Vereinbarungen (sog. Abtretungsklauseln), durch die die Erben verpflichtet werden, den durch Erbanfall erworbenen Geschäftsanteil auf die Gesellschafter oder die Gesellschaft gegen eine Abfindung zu übertragen.1 Steuerpflichtig ist die Differenz zwischen dem sich nach § 12 ErbStG ergebenden steuerlichen Wert des Anteils und der an die Erben zu zahlende Abfindung. Entsprechendes gilt auch im Fall einer sog. Einziehungsklausel, d.h. der Einziehung des Gesellschaftsanteils nach § 34 GmbHG aufgrund eines Gesellschafterbeschlusses, für die sich daraus ergebende Werterhöhung der Gesellschaftsanteile der verbleibenden Gesellschafter (§ 3 Abs. 1 Nr. 2 Satz 3 ErbStG). Erwerber i.S. von § 3 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 ErbStG sind die Gesellschafter oder, bei Erwerb durch die Gesellschaft selbst, die Gesellschaft.2 Die Erben haben ihrerseits nach § 10 Abs. 10 Satz 2 ErbStG den Abfindungsanspruch zu versteuern.

II. Schenkung unter Lebenden 1. Überblick Nicht nur der Erwerb von Todes wegen unterliegt dem ErbStG, sondern gleichermaßen Schenkungen, die unter lebenden Personen vollzogen werden. (§ 1 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 7 ErbStG). Als Schenkungen unter Lebenden gilt insbesondere jede freigebige Zuwendung unter Lebenden, soweit der Bedachte durch sie auf Kosten des Zuwendenden bereichert wird (§ 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG). Die weiteren in § 7 ErbStG genannten Tatbestände dienen überwiegend der Verhinderung von ansonsten möglicherweise verbleibender Gestaltungsmöglichkeiten und sind regelmäßig nur von begrenzter praktischer Bedeutung.3 Nach § 1 Abs. 2 ErbStG gelten die Vorschriften über die Erwerbe von Todes wegen auch für Schenkungen, soweit nichts anderes bestimmt ist. Letzteres betrifft insbesondere den Abzug von Nachlassverbindlichkeiten (§ 10 Abs. 1 Satz 2 ErbStG), den Pauschbetrag für Erbfallkosten (§ 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 2 ErbStG) und den besonderen Versorgungsfreibetrag für Ehegatten und Kinder (§ 17 ErbStG).4

5.32

2. Freigebige Zuwendung unter Lebenden a) Objektive Merkmale Zivilrechtlich handelt es sich bei der freigebigen Zuwendung regelmäßig um eine Schenkung i.S. von § 516 BGB. Allerdings setzt das ErbStG im 1 R 7 Abs. 3 Satz 3 ErbStR 2003; R E 3.4 Abs. 3 Satz 3 ErbStR 2011-E. Zu Gestaltungsmöglichkeiten s. Neumayer/Imschweiler, DStR 2010, 201. 2 R 7 Abs. 3 Satz 4 ErbStR 2003; R E 3.4 Abs. 3 Satz 4 ErbStR 2011-E. Ungeklärt ist allerdings bisher, ob vom Erblasser oder vom Erben erworben wird, vgl. Hübner/ Maurer, ZEV 2009, 428 ff. 3 Schaub in Wilms/Jochum, § 7 ErbStG Rz. 1. 4 R 1 ErbStR 2003; R E 1.1 ErbStR 2011-E.

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5.33

Kap. 5: Geistiges Eigentum im Erbschaftsteuerrecht

Gegensatz zum BGB nicht die beiderseitige Einigung des Schenkers und des Beschenkten über die Unentgeltlichkeit der Zuwendung voraus. Dieser Unterschied hat in der Praxis jedoch kaum Auswirkungen.1 Eine steuerpflichtige freigebige Zuwendung setzt tatbestandlich voraus, dass der Empfänger objektiv bereichert ist.2 Ob eine Bereicherung beim Beschenkten tatsächlich vorliegt, ist unter Berücksichtigung der gemeinen Werte i.S. von § 9 BewG (nicht § 12 ErbStG) vorzunehmen, wobei etwaige Gegenleistungen und Auflagen in die Gesamtbetrachtung einzubeziehen sind.3 Weitere Tatbestandsvoraussetzung für die Schenkung ist, dass die freigebige Zuwendung auf Kosten des Zuwendenden erfolgt. Letzteres ist immer dann der Fall, wenn die Vermögensmehrung beim Bedachten korrespondierend auf eine Vermögensminderung beim Zuwendenden zurückzuführen ist und damit eine Vermögensverschiebung stattgefunden hat.4 Schließlich hat der Erwerb unentgeltlich zu erfolgen. Unentgeltlich ist ein Erwerb, soweit er nicht rechtlich abhängig ist von einer den Erwerb ausgleichenden Gegenleistung (z.B. in Form eines gegenseitigen Vertrags, Auflage oder Bedingung).5 b) Subjektive Merkmale

5.34

Nicht jede objektiv unentgeltliche Leistung an einen anderen stellt eine Schenkung dar. Vielmehr verlangt § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG auch eine subjektive Komponente. Nach ständiger Rechtsprechung des BFH genügt allerdings zur Verwirklichung des subjektiven Tatbestands der freigebigen Zuwendung bereits der (einseitige) Wille des Zuwendenden zur Unentgeltlichkeit. Ein auf die Bereicherung des Empfängers gerichteter Wille i.S. einer Bereicherungsabsicht ist hingegen nicht erforderlich. Der Wille zur Unentgeltlichkeit liegt immer dann vor, wenn der Zuwendende in dem Bewusstsein handelt, zu der Vermögenshingabe weder rechtlich verpflichtet zu sein noch dafür eine mit seiner Leistung in einem synallagmatischen, konditionalen oder kausalen Zusammenhang stehende (gleichwertige) Gegenleistung zu erhalten.6 Der Wille zur Unentgeltlichkeit soll allerdings letztlich nach objektiven Kriterien auf der Grundlage der dem Zuwendenden bekannten Umstände nach den Maßstäben des allgemein Verkehrsüblichen festgestellt werden.7 Im Geschäftsverkehr sind 1 R 14 Abs. 1 Satz 1 ErbStR 2003; R E 7.1 Abs. 1 Satz 1 ErbStR 2011-E; Moench/Albrecht, Erbschaftsteuer2, Rz. 153; vgl. auch Meincke15, § 7 ErbStG Rz. 10 f. 2 R 14 Abs. 1 Satz 2 ErbStR 2003; R E 7.1 Abs. 1 Satz 2 ErbStR 2011-E; BFH v. 20.10.1997 – II R 60/94, BStBl. II 1997, 832. 3 Gebel in Troll/Gebel/Jülicher, § 7 ErbStG Rz. 44; Schaub in Wilms/Jochum, § 7 ErbStG Rz. 7; R 14 Abs. 2 ErbStR 2003; R E 7.1 Abs. 2 ErbStR 2011-E. 4 Schaub in Wilms/Jochum, § 7 ErbStG Rz. 9. 5 R 14 Abs. 2 Satz 3 ErbStR 2003; R E 7.1 Abs. 2 Satz 3 ErbStR 2011-E. 6 BFH v. 20.10.1997 – II R 60/94, BStBl. II 1997, 83; v. 2.3.1994 – II R 59/92, BStBl. II 1994, 366. 7 R 14 Abs. 3 Satz 3 ErbStR 2003; R E 7.1 Abs. 3 Satz 3 ErbStR 2011-E; BFH v. 2.3. 1994 – II R 59/92, BStBl. II 1994, 366; grundlegend Schulze-Osterloh, StuW 1977, 122.

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C. Erwerbstatbestände (Steuerobjekt)

unentgeltliche Zuwendungen zumindest untypisch, so dass es regelmäßig an dem erforderlichen Willen zur Unentgeltlichkeit fehlen wird.1 c) Zuwendungsgegenstände Der Gegenstand der Schenkung richtet sich nach bürgerlichem Recht. Auszugehen ist grundsätzlich vom Parteiwillen, d.h. davon, was dem Bedachten nach dem Willen des Schenkers geschenkt sein soll.2 Der Zuwendungsgegenstand ist relevant für die tatbestandliche Feststellung, ob eine Bereicherung vorliegt, aber letztlich auch für die Bemessungsgrundlage zur Berechnung der Steuer. Als Schenkungsobjekt kommt grundsätzlich ein einzelner Gegenstand, also eine Sache oder ein Recht, aber auch das ganze Vermögen oder eine Erbschaft, nicht aber künftiges Vermögen in Betracht.3 Durch die Eingrenzung auf vermögenswerte Positionen scheiden ideelle Güter (z.B. Musikveranstaltung oder Dichterlesung) als Schenkungsgegenstand aus.4 Vermögenswerte Immaterialgüterrechte können grundsätzlich anderen unentgeltlich zugewendet werden.5 Dies setzt freilich stets die rechtsgeschäftliche Übertragbarkeit von Immaterialgüterrechten voraus.

5.35

Patente und Gebrauchsmuster sind grundsätzlich übertragbar (§ 15 PatG, § 22 GebrMG). Eine Teilübertragung, getrennt nach bestimmten Schutzansprüchen ist hingegen nicht möglich.6 Auch Geschmacksmuster, Sorten- und Halbleiterschutzrechte sind frei übertragbar (§ 29 GeschmMG, § 11 SortenSchG, § 11 HalblSchG i.V.m. § 22 GebrMG). Markenrechte sind ganz, aber auch in Teilen übertragbar (§ 27 MarkenG). Urheberrechte sind zwar vererbbar, jedoch weder ganz noch in Teilen im Wege eines Rechtsgeschäfts übertragbar (§ 29 Abs. 2 UrhG). Übertragbar sind jedoch an Urheberrechten bestehende Nutzungs- und Verwertungsrechte. Ob dagegen auch Urheberpersönlichkeitsrechte übertragbar sind, ist im Schrifttum umstritten.7

5.36

Gegenstand einer freigebigen Zuwendung kann auch ein Anteil an einer Personengesellschaft sein, auch wenn die Beteiligung in der Hand des Beschenkten neu entsteht.8 Nach der Rechtsprechung des BFH kann eine freigebige Zuwendung zudem darin zu sehen sein, dass jemand einem anderen die Beteiligung an einer Gesellschaft gegen eine Einlage ermöglicht, die hinter dem Wert des übernommenen Anteils zurückbleibt.9 Geschäftsanteile an einer GmbH sind ohne weiteres tauglicher Zuwen-

5.37

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BFH v. 20.10.1997 – II R 60/94, BStBl. II 1997, 832. BFH v. 24.8.2005 – II R 16/02, BStBl. II 2006, 36 m.w.N. Koch in Münchener Kommentar zum BGB5, § 516 BGB Rz. 5. Koch in Münchener Kommentar zum BGB5, § 516 BGB Rz. 5. Gebel in Troll/Gebel/Jülicher, § 7 ErbStG Rz. 59. Hoffmann/Richter, Geistiges Eigentum in der Betriebspraxis, 169. S. hierzu Block in Wandtke/Bullinger3, § 29 UrhG Rz. 6 und 34. BFH v. 14.12.1995 – II R 79/94, BStBl. II 1996, 546; v. 6.3.2002 – II R 85/99, BFH/NV 2002, 1030; Moench in Moench/Weinmann, § 7 ErbStG Rz. 23; s. zu den gesellschaftsrechtlichen Problemen Meincke15, § 7 ErbStG Rz. 70 ff. 9 BFH v. 31.5.1989 – II B 31/89, BFH/NV 1990, 235.

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Kap. 5: Geistiges Eigentum im Erbschaftsteuerrecht

dungsgegenstand. Allerdings bedarf die Abtretung der notariellen Beurkundung (§ 15 Abs. 3 und 4 GmbHG). Zuwendungen an eine Kapitalgesellschaft führen nicht auch zu einer steuerpflichtigen (mittelbaren) Zuwendung an die jeweiligen Anteilseigner (s. bereits Rz. 5.10).1

5.38

Obligatorische oder dingliche Nutzungsrechte können zugewendet werden, soweit die Einräumung des Nutzungsrechts auch tatsächlich eine entreichernde Vermögenshingabe bewirkt.2 Bloße Gebrauchsgewährungen sind dagegen regelmäßig keine freigebigen Zuwendungen.3 Auch ein Vertrag über die langfristige Nutzung eines Grundstücks zur Grundwasserförderung führt nicht zu einem neben dem Grundstückswert zu berücksichtigenden immateriellen Wirtschaftsgut, das im Wege der Schenkung zu berücksichtigen wäre.4 In der unentgeltlichen Bestellung eines Erbbaurechts liegt dagegen eine freigebige Zuwendung nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG (s. jedoch auch Rz. 5.6). Ist das Erbbaurecht gegen einen zu niedrigen Erbbauzins eingeräumt worden, liegt insoweit eine gemischte Schenkung vor.5 3. Gemischte Schenkung

5.39

Eine gemischte Schenkung liegt vor, wenn der Leistende dem Bedachten nicht ausschließlich eine unentgeltliche Leistung zukommen lässt, sondern dieser Leistung auch eine (geringere) Gegenleistung gegenübersteht. Mit anderen Worten liegen bei der gemischten Schenkung sowohl entgeltliche als auch unentgeltliche Elemente vor. Erbschaftsteuerlich kann nur der unentgeltliche Teil der Steuerpflicht unterliegen, da der Bedachte nur insoweit auf Kosten des Zuwendenden bereichert wird. Zur wertmäßigen Berechnung des steuerpflichtigen Differenzbetrags hat die Rechtsprechung eine Verhältnisrechnung auf Basis der Verkehrswerte entwickelt.6 Konkret wird die schenkungsteuerliche Bemessungsgrundlage ermittelt, indem der Steuerwert der Leistung des Schenkers (z.B. bei der gemischten Grundstücksschenkung der festgestellte Grundstückswert) in dem Verhältnis aufgeteilt wird, in dem der Verkehrswert der Bereicherung des Beschenkten (z.B. Verkehrswert des Grundstücks nach Abzug der Gegenleistungen des Beschenkten) zu dem Verkehrswert des geschenkten Vermögens (z.B. des Grundstücks) steht. Entsprechendes galt nach mittlerweile überholter Auffassung der Finanzverwaltung für die Schenkung unter einer Leistungsauflage, nicht jedoch für Schenkungen unter einer Nutzungs- oder Duldungsauflage.7 Anlass für die von der Rechtsprechung ent1 Gebel in Troll/Gebel/Jülicher, § 7 ErbStG Rz. 57; BFH v. 25.10.1995 – II R 67/93, BStBl. II 1996, 160. 2 Gebel in Troll/Gebel/Jülicher, § 7 ErbStG Rz. 61. 3 Gebel, DStZ 1992, 577, 579 f. 4 FG Münster v. 11.3.2010 – 3 K 2332/07 Erb, EFG 2010, 1236. 5 H 14 ErbStH 2003. 6 BFH v. 21.10.1981 – II R 176/78, BStBl. II 1982, 83. 7 Vgl. R 17 Abs. 1 Satz 8 und Abs. 2 ErbStR 2003; s. eingehend hierzu, auch zu sog. Mischfällen, mit entsprechenden Berechnungsbeispielen Geck in Kapp/Ebeling,

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C. Erwerbstatbestände (Steuerobjekt)

wickelte Verhältnisrechnung war die nach alter Rechtslage bestehende steuerliche Unterbewertung bestimmter Vermögensarten, insbesondere des Betriebs- und Grundvermögens sowie der Anteile an Kapitalgesellschaften (s. hierzu auch Rz. 5.7). So konnte es bei teilentgeltlichen Vermögensübertragungen vorkommen, dass der Beschenkte nach Abzug der zu Nominalwerten angesetzten Gegenleistung rechnerisch nicht bereichert und damit nicht steuerpflichtig war.1 Vor diesem Hintergrund ist nach Angleichung der Steuerwerte an die Verkehrswerte im Rahmen der Erbschaftsteuerreform derzeit noch ungeklärt, ob die hier dargestellten Grundsätze der gemischten Schenkung weiterhin zur Anwendung kommen.2 Aus Vereinfachungsgründen wäre die Abkehr von der von der Rechtsprechung entwickelten Verhältnisrechnung begrüßenwert. In diesem Sinne geht auch die Finanzverwaltung nunmehr davon aus, dass bei gemischten Schenkungen die Bereicherung zu ermitteln ist, indem von dem nach § 12 ErbStG beizumessenden Steuerwert der Leistung des Schenkers die Gegenleistungen des Beschenkten und die von ihm übernommenen Leistungs-, Nutzungs- und Duldungsauflagen mit ihrem wiederum nach § 12 ErbStG zu ermittelnden Wert abgezogen werden.3

III. Zweckzuwendungen Auch Zweckzuwendungen unterliegen gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG der Steuerpflicht. Zweckzuwendungen sind nach § 8 ErbStG Zuwendungen von Todes wegen oder freigebige Zuwendungen unter Lebenden, die mit der Auflage (§ 1940 BGB) verbunden sind, zugunsten eines bestimmten Zwecks verwendet zu werden, oder die von der Verwendung zugunsten eines bestimmten Zwecks abhängig sind, soweit hierdurch die Bereicherung des Erwerbers gemindert wird. Die Vorschrift ist letztlich eine Auffangvorschrift, um mögliche Steuerlücken zu schließen und solche Vermögensverschiebungen zu erfassen, die nicht bereits durch den steuerpflichtigen Erwerb von Todes wegen bzw. die steuerpflichtige Schenkung unter Lebenden erfasst sind.4 Eine Zweckzuwendung setzt zunächst tatbestandlich stets die steuerpflichtige Übertragung von Vermögen auf eine

1 2

3 4

§ 7 ErbStG Rz. 50 ff. sowie Schraub in Wilms/Jochum, § 7 ErbStG Rz. 187 ff. Nach neuer Auffassung der Finanzverwaltung wird nicht mehr zwischen Duldungs- und Leistungsauflage unterschieden, R E 7.4 Abs. 1 Satz 2 ErbStR 2011-E. Röder, ZEV 2007, 505 (506). Für eine Beibehaltung der Verhältnisrechnung, da auch nach neuer Rechtslage Steuer- und Verkehrswert divergieren können, Gebel in Troll/Gebel/Jülicher, § 7 ErbStG Rz. 57; a.A. Geck in Kapp/Ebeling, § 10 ErbStG Rz. 6; offen gelassen Meincke15, § 7 ErbStG Rn. 32. R E 7.4 Abs. 1 ErbStR 2011-E; anders noch Gleich lautender Länderlass v. 25.6. 2009, BStBl. I 2009, 713 Abschn. 1 Abs. 1 Satz 1. Im Schrifttum wird diese vom Gesetzgeber gewählte Systematik zu Recht kritisiert. Konsequenter wäre eine Beschränkung der Abzugsfähigkeit der Zweckauflage, Meincke15, § 1 ErbStG Rz. 11; Schaub in Wilms/Jochum, § 8 ErbStG Rz. 1.2.

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5.40

Kap. 5: Geistiges Eigentum im Erbschaftsteuerrecht

andere Person voraus.1 Es handelt sich somit systematisch um einen zweistufigen Aufbau.2 Auf der ersten Stufe bedarf es der Vermögensübertragung (von Todes wegen oder durch freigebige Zuwendung). Auf der zweiten Stufe muss mit der Vermögensübertragung eine Auflage verbunden sein, die den steuerpflichtigen Erwerb mindert (z.B. nach § 10 Abs. 5 Nr. 2 ErbStG). Solche Auflagen, die dem Beschwerten selbst zugute kommen, führen daher nicht zu einer Zweckzuwendung, da insoweit ein Abzugsverbot besteht (§ 10 Abs. 9 ErbStG). Eine Zweckzuwendung liegt etwa vor, wenn der Erblasser testamentarisch einer Person ein Patent vermacht (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG) und dieses Vermächtnis mit der Auflage beschwert ist, dass etwaige aus dem Patent resultierende Lizenzgebühren nicht dem Vermächtnisnehmer, sondern ausschließlich der Forschung in dem Bereich der Naturwissenschaften zugutekommen sollen.

5.41

Für das Vorliegen einer Zweckzuwendung muss die Auflage zwingend einen nicht bestimmbaren Personenkreis oder etwas Unpersönliches begünstigen, da ansonsten der mit der Auflage korrespondierende Erwerb bereits bei der identifizierbaren Person selbständig der Steuerpflicht unterliegen würde. Zweck i.S. des § 8 ErbStG kann grundsätzlich jeder objektiv bestimmbare Zweck sein, d.h. auch die Förderung von Sachen.3 Bei Zweckzuwendungen ist nach § 20 Abs. 1 ErbStG die Person Steuerschuldner, die mit der Ausführung der Zuwendung beschwert ist. Dies ist nur konsequent, da Begünstigter der Auflage gerade keine identifizierbare Person ist, die als Steuerschuldner in Frage käme. Damit nicht der Steuerschuldner die Steuer wirtschaftlich trägt, kann er die Steuer von dem Betrag abziehen, der dem Zweck zugeführt werden soll.4 In dem vorgenannten Beispielfall kann demnach der Vermächtnisnehmer die Steuer aus den Lizenzgebühren begleichen.

IV. Erbersatzsteuer bei Familienstiftungen und Familienvereinen 5.42

Durch das Gesetz zur Reform des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuerrechts vom 17.4.1974 wurde das Vermögen einer Stiftung, sofern sie wesentlich im Interesse einer Familie oder bestimmter Familien errichtet ist (sog. Familienstiftung), der Erbschaftsteuer in Zeitabständen von je 30 Jahren (Ersatzerbschaftsteuer) unterworfen. Entsprechendes gilt für einen sog. Familienverein. Bis zu diesem Zeitpunkt wurden lediglich Vermögensübergänge bei Errichtung einer Stiftung, bei späteren Zuwendungen an eine Stiftung und bei Auflösung einer Stiftung erbschaftsteuerlich erfasst. Eine regelmäßig wiederkehrende erbschaftsteuerähnliche Belastung von Stiftungen bestand hingegen nicht. 1 BFH v. 13.3.1953 – III 29/52 U, BStBl. III 1953, 144; v. 5.11.1992 – II R 62/89, BStBl. II 1993, 161. 2 Meincke15, § 9 ErbStG Rz. 3. 3 Zum Zweck, die Pflege eines Hundes zu übernehmen, s. BFH v. 5.11.1992 – II R 62/89, BStBl. II 1993, 161. 4 Meincke15, § 9 ErbStG Rz. 10.

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D. Wertermittlung

Die Erbersatzsteuer fingiert dagegen in Abständen von je 30 Jahren einen Erbfall bei der Familienstiftung oder dem Familienverein (§ 1 Abs. 1 Nr. 4 i.V.m. § 9 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG).1 Die Fiktion geht davon aus, dass der Erblasser zwei Kinder hinterlässt. Der Abstand von 30 Jahren soll nach Ansicht des Gesetzgebers dem üblichen Generationswechsel entsprechen.2 Deshalb werden die entsprechenden Freibeträge eingeräumt und der Steuersatz der Steuerklasse I angewendet, der für die Hälfte des steuerpflichtigen Vermögens gelten würde (§ 15 Abs. 2 Satz 3 ErbStG). Steuerschuldner ist nach § 20 Abs. 1 ErbStG die Stiftung bzw. der Verein. Statt einer Einmalzahlung alle 30 Jahre kann der Steuerpflichtige verlangen, dass die Steuer in 30 gleichen jährlichen Teilbeträgen (Jahresbeträgen) zu entrichten ist (§ 24 ErbStG). Die Summe der Jahresbeträge umfasst dann die Tilgung und die Verzinsung der Steuer, wobei für die Verzinsung von Gesetzes wegen von einem Zinssatz in Höhe von 5,5 % auszugehen ist.

5.43

D. Wertermittlung I. Steuerpflichtiger Erwerb 1. Erwerb von Todes wegen Steuerpflichtig i.S. des ErbStG ist der Erwerb. § 10 Abs. 1 Satz 1 ErbStG konkretisiert die Bemessungsgrundlage, indem der steuerpflichtige Erwerb als Bereicherung des Erwerbers definiert wird (sog. Bereicherungsprinzip).3 Bereichert ist der Erwerber um den gesamten Vermögensanfall ohne die nicht steuerpflichtigen Vermögensgegenstände und abzüglich der Nachlassverbindlichkeiten. Nicht steuerpflichtig sind solche Erwerbe, die von Gesetzes wegen als steuerfrei gelten (§§ 5, 13, 13a, 13c, 16, 17 und 18 ErbStG). Sowohl der Vermögensanfall als auch die Nachlassverbindlichkeiten sind nach Maßgabe des § 12 ErbStG zu bewerten (§ 10 Abs. 1 Satz 2 ErbStG). Durch diese Art der Saldierung nach der sog. Saldomethode wird sichergestellt, dass für die Besteuerung auf eine objektive Bereicherung beim Erwerber abgestellt wird. Ein etwaig entstehender negativer Saldo bleibt unberücksichtigt und kann nicht mit früheren oder späteren Erwerben verrechnet werden.4 Die infolge des Anfalls durch Vereinigung von Recht und Verbindlichkeit oder von Recht und Belastung erloschenen Rechtsverhältnisse gelten für die Wertermittlung als nicht erloschen (§ 10 Abs. 3 ErbStG).

5.44

Erben mehrere Personen, ist auch in einem solchen Fall zunächst der gesamte Vermögensanfall mit Hilfe der Saldomethode zu ermitteln. Der Er-

5.45

1 Zu den Anforderungen an eine Familienstiftung und einen Familienverein s. R 2 ErbStR 2003; R E 1.2 ErbStR 2011-E. 2 Vgl. BVerfG v. 8.3.1983 – 2 BvL 27/81, BStBl. II 1983, 779. 3 Zum Bereicherungsprinzip vgl. auch BFH v. 19.12.2007 – II R 34/06, BStBl. II 2008, 260. 4 Schulte, Erbschaftsteuerrecht, Rz. 299; Meincke15, § 10 ErbStG Rz. 8.

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Kap. 5: Geistiges Eigentum im Erbschaftsteuerrecht

werb ist dann in einem weiteren Schritt entsprechend der jeweiligen Erbquote auf die einzelnen Erben der Erbengemeinschaft aufzuteilen. Dabei sind für die Besteuerung des Erwerbs Teilungsanordnungen (§ 2048 BGB) ohne Bedeutung.1 Der nach den steuerlichen Bewertungsvorschriften ermittelte Reinwert des Nachlasses ist den Erben folglich auch bei Teilungsanordnungen nach Maßgabe der Erbanteile zuzurechnen. Persönliche Freibeträge werden bei den jeweiligen Erben nach Aufteilung des Gesamterwerbs berücksichtigt.

5.46

Der Erblasser kann die Entrichtung der von dem Erwerber geschuldeten Steuer einem anderen auferlegen bzw. auch der Schenker kann die Entrichtung der vom Beschenkten geschuldeten Steuer selbst übernehmen oder einem anderen auferlegen. Der Schenker hat dazu formlos, aber ernsthaft gegenüber der Finanzverwaltung und dem Beschenkten eine entsprechende Erklärung abzugeben.2 Ist dies der Fall, gilt gemäß § 10 Abs. 2 ErbStG als Erwerb der Betrag, der sich bei einer Zusammenrechnung des Erwerbs nach § 10 Absatz 1 ErbStG mit der aus ihm errechneten Steuer ergibt. Dadurch wird die Befreiung des Erwerbers von der Steuer als ein Vermögensvorteil eigener Art qualifiziert, der zusammen mit dem originären Erwerb zu besteuern ist.

5.47

Zum steuerpflichtigen Erwerb gehört alles, was im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf den Erben übergeht.3 Der Erwerb umfasst damit grundsätzlich neben allen materiellen Vermögensgegenständen des Nachlasses auch alle vererbbaren schuldrechtlichen Ansprüche des Erblassers. Vererbbar sind insbesondere auch vermögenswerte Immaterialgüterrechte (s. hierzu bereits Rz. 5.3). Dies gilt für Urheberrechte (§ 28 Abs. 1 UrhG; vgl. auch § 34 VerlG),4 aber auch für die verwandten Schutzrechte nach §§ 70 ff. UrhG, z.B. die Leistungsschutzrechte ausübender Künstler.5 Im Wege der Gesamtrechtsnachfolge gehen kraft Gesetzes zudem auf den Erben Patentrechte (§ 15 Abs. 1 Satz 1 PatG), Gebrauchsmuster (§ 22 Abs. 1 Satz 1 GebrMG), Geschmacksmuster (§ 29 Abs. 1 GeschmMG) sowie geschützte Marken (§ 27 Abs. 1 MarkenG) über. Auch die Rechte und Pflichten aus dem ArbNErfG gehen trotz fehlender gesetzlicher Regelung auf den Erben des Arbeitnehmererfinders über.6 Vererbbar sind zudem Anteile an Kapitalgesellschaften (§ 15 Abs. 1 GmbHG), Kommanditanteile,7 die Beteiligung an einer stillen Gesellschaft,8 Ersatzansprüche für (auch 1 2 3 4 5 6 7 8

R 5 Abs. 1 Satz 3 ErbStR 2003; R E 3.1 Abs. 1 Satz 3 ErbStR 2011-E. Meincke15, § 10 ErbStG Rz. 25. Weinmann in Moench/Weinmann, § 10 ErbStG Rz. 8a. Urheberrechte können nicht durch Rechtsgeschäft auf Dritte übertragen werden, gehen aber auf den Erben über, vgl. hierzu ausführlich Wandtke/Bullinger3, § 28 UrhG Rz. 1 ff. Leipold in Münchener Kommentar zum BGB5, § 1922 BGB Rz. 94 m.w.N. Wachter in Scherer, Münchener Anwaltshandbuch Erbrecht3, § 4 Rz. 7; Leipold in Münchener Kommentar zum BGB5, § 1922 BGB Rz. 94 m.w.N. Im Gesellschaftsvertrag kann allerdings die Vererbbarkeit gem. § 177 HGB ausgeschlossen werden. Leipold in Münchener Kommentar zum BGB5, § 1922 BGB Rz. 77.

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D. Wertermittlung

immaterielle) Schäden,1 Guthaben auf Bankkonten2 sowie Webdomains.3 In Anwartschaften tritt der Erbe auf Erwerberseite bzw. Veräußererseite ein.4 Insbesondere höchstpersönliche Rechte des Erblassers sind dagegen nicht vererbbar. Zu den unvererbbaren Rechten zählen u.a. auch der Nießbrauch, beschränkt persönliche Dienstbarkeiten, Unterhaltsansprüche sowie Familienrechte.5 Nicht zum Nachlass gehören zudem solche Rechte und Ansprüche, die zwar erst durch den Tod des Erblassers entstanden sind, aber originär einem Berechtigten zustehen (z.B. Begünstigter einer Lebensversicherung).6 Ein von den späteren Erben dem Erblasser eingeräumtes entgeltliches persönliches Wohnrecht auf Lebenszeit erhöht nicht den Nachlass des Erblassers, da ein mit dem Tod des Erblassers erlöschendes Recht für die Bemessungsgrundlage der Erbschaftsteuer keine Bedeutung haben kann.7 Der originäre Geschäftswert (sog. good will8) gehört nicht zum steuerpflichtigen Erwerb nach § 10 ErbStG. Die Rechtsprechung hat eine Bewertung des originären Geschäftswerts abgelehnt.9 Die Entscheidung des BFH kann auch auf das Erbschaftsteuerrecht übertragen werden.10 Gleiches gilt für den Praxiswert einer freiberuflichen Praxis, da § 96 BewG sowohl für die Ermittlung des Geschäftswerts als auch für den Praxiswert maßgeblich ist und somit eine unterschiedliche Behandlung nicht zu rechtfertigen wäre.11 Eine freiberufliche Praxis stellt damit keinen steuerpflichtigen Erwerb dar, unabhängig davon, ob die Erben die Praxis veräußern oder weiterführen. Im letzteren Fall beruht der Praxiswert auf Leistungen der Erben, im Fall der Veräußerung ergibt sich der Wert aus der den Erben zustehenden Vermögensbefugnis.12 Dagen sind nach neuer Auffassung der Finanzverwaltung geschäftswert-, firmenwert- oder praxiswertbildende Faktoren, denen ein eigenständiger Wert zugewiesen werden kann (z.B. Kundenstamm oder Know-how), mit in die Bewertung einzubeziehen, unabhängig davon, ob sie selbst geschaffen oder entgeltlich erworben wurden.13 Anders als der originäre Geschäfts- oder Praxis1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13

BGH v. 6.12.1994 – VI ZR 80/94, NJW 1995, 783. Weidlich in Palandt70, § 1922 BGB Rz. 30 ff. Weidlich in Palandt70, § 1922 BGB Rz. 34. Stürner in Jauernig13, § 1922 BGB Rz. 4. Zu den Einzelheiten vgl. Weidlich in Palandt70, § 1922 BGB Rz. 36 sowie Gebel in Troll/Gebel/Jülicher, § 10 ErbStG Rz. 16. Gebel in Troll/Gebel/Jülicher, § 10 ErbStG Rz. 18. FG Berlin v. 30.3.2004 – 5 K 5130/03, EFG 2004, 1308. Zu Bewertungsfragen des Geschäftswerts s. eingehend Moser, Bewertung immaterieller Vermögenswerte, 245 ff.; Kramer, Ermessenspielräume bei der Fair-Value-Bewertung immaterieller Vermögenswerte, 29 ff. BFH v. 2.3.1973 – III R 88/69, BStBl. II 1973, 475. Högl in Gürsching/Stenger, § 10 ErbStG Rz. 26; Geck in Kapp/Ebeling, § 10 ErbStG Rz. 12. Geck in Kapp/Ebeling, § 10 ErbStG Rz. 19. Hermann in Wilms/Jochum, § 10 ErbStG Rz. 19. R B 11.3 Abs. 3 Satz 5 ErbStR 2011-E, kritisch Schmidt/Schwind, NWB Fach 40 Seite 3512 (3528).

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5.48

Kap. 5: Geistiges Eigentum im Erbschaftsteuerrecht

wert unterliegt dagegen ein den Erben zustehender Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters gemäß § 89b HGB als Erwerb durch Erbanfall der Erbschaftsteuerpflicht.1

5.49

Der unmittelbare oder mittelbare Erwerb einer Beteiligung an einer vermögensverwaltenden Personengesellschaft oder einer anderen Gesamthandsgemeinschaft, d.h. einer Personengesellschaft, die nicht unter § 97 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 BewG fällt, ist wie ein Erwerb der anteiligen Wirtschaftsgüter zu behandeln (§ 10 Abs. 1 Satz 4 ErbStG). Die dabei übergehenden Schulden und Lasten der Gesellschaft sind bei der Ermittlung der Bereicherung des Erwerbers wie eine Gegenleistung zu behandeln. Es finden damit nach dem Willen des Gesetzgebers die Grundsätze zur gemischten Schenkung Anwendung (s. hierzu bereits Rz. 5.39).

5.50

Bei Entschädigungsleistungen durch Versicherer ist nach der rechtlichen Ausgestaltung des Versicherungsverhältnisses zu differenzieren. Der Anspruch aus einer Kfz-Insassen-Unfallversicherung fällt zivilrechtlich in den Nachlass des verunglückten Insassen. Der Anspruch gegenüber dem Versicherer entsteht nach gefestigter zivilrechtlicher Auffassung mit dem Eintritt des Versicherungsfalls, d.h. mit dem Unfall. Daran anknüpfend unterliegt ein solcher Anspruch grundsätzlich auch der Erbschaftsteuer.2 Andererseits sollen Leistungen aus der gesetzlichen Unfallpflichtversicherung von Luftfahrtunternehmen nicht zu dem der Erbschaftsteuer unterliegenden Erwerb von Todes wegen gehören. Der BFH begründet die unterschiedliche Bewertung mit den Besonderheiten der Pflichtunfallversicherung von Luftfahrtunternehmen. Letztere diene der pauschalen Abgeltung von Ansprüchen des Leistungsempfängers, ohne dass es darauf ankomme, ob oder in welcher Höhe dem Leistungsempfänger im Einzelfall ein Schaden entstanden sei. Ein derartiger Vereinfachungswille des Gesetzgebers sei auch für die Besteuerung nach dem ErbStG beachtlich.3

5.51

In § 10 Abs. 5 ErbStG sind die abzugsfähigen Nachlassverbindlichkeiten geregelt. Danach können etwa Schulden, auch Steuerschulden, des Erblassers als Nachlassverbindlichkeiten abgezogen werden (§ 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG). Nicht abzugsfähig sind allerdings latente Steuern des Erblassers (s. hierzu bereits Rz. 5.5). Steuererstattungsansprüche des Erblassers sind dagegen nach § 10 Abs. 1 Satz 3 ErbStG zu berücksichtigen, wenn sie rechtlich gemäß § 37 Abs. 2 AO entstanden sind.4 Die nicht abzugsfähigen Nachlassverbindlichkeiten werden durch § 10 Abs. 6–9 ErbStG bestimmt. Einem Abzugsverbot unterliegen vor allem solche Schulden und 1 BFH v. 27.4.1962 – II 174/60 U, BStBl. III 1962, 335. 2 BFH v. 28.9.1993 – II R 39/92, BStBl. II 1994, 36; v. 16.1.1963 – II 21/61 U, BStBl. III 1963, 187. 3 BFH v. 11.10.1978 – II R 46/76, BStBl. II 1979, 115. 4 S. zu verschiedenen Konstellationen auch LfSt Bay. v. 9.2.2010 – S 3810.1.1 - 1 St 34; vgl. hierzu auch Jüptner in Fischer/Jüptner/Pahlke/Wachter3, § 10 ErbStG Rz. 40 ff.

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D. Wertermittlung

Lasten, die mit steuerbefreiten Vermögensgegenständen in einem wirtschaftlichen Zusammenhang stehen. Dies gilt insbesondere auch für begünstigtes Betriebsvermögen nach § 13a ErbStG. 2. Schenkungen unter Lebenden Für Erwerbe von Todes wegen bestimmt § 10 Abs. 1 Satz 2 ErbStG die Ermittlung der Bereicherung. Für Schenkungen unter Lebenden fehlt eine vergleichbare Regelung. Einigkeit besteht jedoch darin, dass 10 Abs. 1 Satz 2 ErbStG für freigebige Zuwendungen entsprechend anzuwenden ist.1 Etwas anderes gilt allerdings nach der Rechtsprechung für die gemischte Schenkung und Schenkungen unter Leistungsauflagen (s. hierzu ausführlich Rz. 5.39). Für die übrigen Schenkungen ist das Berechnungsschema anzuwenden, das auch für den Erwerb von Todes wegen gilt. Steuerbefreite Vermögenserwerbe sind unter Berücksichtigung des § 12 ErbStG zu bewerten und von dem Gesamterwerb abzuziehen. Auch bei der Schenkung sind Erwerbslasten grundsätzlich nach § 12 ErbStG zu bewerten und als Abzugsposten berücksichtigungsfähig. Der Saldo aus Vermögensanfall und Abzugsposten ergibt schließlich die steuerliche Bereicherung. Die Steuer entsteht zu den in § 9 ErbStG benannten Zeitpunkten. Diese Zeitpunkte sind es auch, die für die Wertermittlung maßgeblich sind (§ 11 ErbStG). Vermögensminderungen nach den relevanten Zeitpunkten sind daher unerheblich und mindern die Bemessungsgrundlage grundsätzlich nicht.2 Zur Frage, inwieweit Immaterialgüterechte überhaupt taugliche Zuwendungsobjekte sein können, s. bereits Rz. 5.35 ff.

5.52

II. Bewertungsstichtag Gemäß § 11 ErbStG ist für die Wertermittlung, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Zeitpunkt der Entstehung der Steuer (§ 9 ErbStG) maßgebend. Die Bereicherung ist demnach stichtagsbezogen zu ermitteln. Der Bewertungsstichtag ist damit beim Erwerb von Todes wegen regelmäßig der Todestag und bei einer Schenkung der Tag ihrer Ausführung. Das Stichtagsprinzip des § 11 ErbStG gilt für alle zur Ermittlung der Bemessungsgrundlage notwendigen Berechnungen, d.h. für die Feststellung des Vermögensanfalls, etwaiger Nachlassverbindlichkeiten sowie sachlicher und persönlicher Steuerbefreiungen.3 Unbeachtlich ist der Zeitpunkt, an dem der Erwerber die tatsächliche Verfügungsmacht über den Nachlass hat. Damit bleiben Wertänderungen nach dem relevanten Stichtag ohne Auswirkungen.4 Das Bereicherungsprinzip wird durch das Stichtagsprin1 Birk13, Steuerrecht, Rz. 1592; Meincke15, § 10 ErbStG Rz. 18. 2 BFH v. 2.2.1977 – II R 150/71, BStBl. II 1977, 425. 3 Schulte, Erbschaftsteuerrecht, Rz. 319; Meincke15, § 11 ErbStG Rz. 1. Das Stichtagsprinzip geht auch der steuerlichen Rückwirkungsfiktion nach dem UmwStG vor, R 34 ErbStR 2003; R E 11 ErbStR 2011-E. 4 BFH v. 2.2.1977 – II R 150/71, BStBl. II 1977, 425; v. 22.9.1999 – II B 130/97, BFH/NV 2000, 320.

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5.53

Kap. 5: Geistiges Eigentum im Erbschaftsteuerrecht

zip insoweit eingeschränkt.1 Diese Einschränkung kann dann zu Härten beim Steuerpflichtigen führen, wenn der Wert des Nachlasses nach dem Stichtag erheblich an Wert verliert, ohne dass der Steuerpflichtige (z.B. durch Veräußerung) die Möglichkeit hat, angemessen zu reagieren. Dies kann in der Praxis beispielsweise relevant sein, wenn der Steuerpflichtige erst Monate nach dem Erbfall Zugriff auf die Depotkonten des Erblassers erhält und die Wertpapiere aufgrund von Währungs- und Kursverlusten zwischenzeitlich erheblich an Wert verloren haben. Die Finanzverwaltung hat, soweit ersichtlich, bisher keine Billigkeitsmaßnahmen zugelassen und stattdessen auch in solchen Fällen an dem Stichtagsprinzip festgehalten.2

5.54

Bei Schenkungen ist insbesondere zu beachten, dass der maßgeblich Zeitpunkt, wann die Zuwendung i.S. von § 9 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG ausgeführt ist, nach steuerlichen Gesichtspunkten zu beurteilen ist. Die Regelung des § 11 ErbStG kann daher nicht durch Rückdatierungen von Verträgen umgangen werden.3

III. Bewertung 5.55

Die Bemessungsgrundlage für die Erbschaftsteuer muss in einem Geldwert ausgedrückt werden, so dass der Nachlass – soweit er nicht aus Barmitteln in Euro besteht – einer Bewertung zu unterziehen ist. Die Bewertungsvorschriften finden sich weitestgehend nicht im ErbStG. Vielmehr verweist § 12 ErbStG auf die allgemeinen Bewertungsvorschriften im ersten Teil des BewG.4 Danach ist grundsätzlich für erbschaftsteuerliche Zwecke der gemeine Wert des Vermögensanfalls zugrunde zu legen (§ 9 Abs. 1 BewG), soweit in den Abs. 2–6 des § 12 ErbStG nicht etwas anderes bestimmt ist. Letzteres ist der Fall für die Bewertung von Anteilen an Kapitalgesellschaften (vgl. Rz. 6.81 ff.),5 Grundbesitz (zum Erbbaurecht vgl. Rz. 6.87 ff.), Bodenschätzen, die nicht zum Betriebsvermögen gehören, inländischen Betriebsvermögen (vgl. Rz. 6.86 sowie 6.108 ff.), Anteilen an Wirtschaftsgütern und Schulden sowie ausländischen Grundbesitz und ausländischen Betriebsvermögen. In den vorgenannten Fällen verweist das ErbStG jeweils unmittelbar auf die im BewG anzuwendenden (besonderen) Bewertungsmaßstäbe. Insgesamt gilt seit Einführung des Erbschaftsteuerreformgesetzes, dass als allgemeiner Bewertungsmaßstab 1 BFH v. 19.2.2009 – II B 132/08, BFH/NV 2009, 966; Gebel in Troll/Gebel/Jülicher, § 11 ErbStG Rz. 10. 2 S. hierzu ausführlich Meincke15, § 11 ErbStG Rz. 5 f. m.w.N. 3 RFH v. 14.6.1934 – III e A 21/32, RStBl. 1934, 955; BFH v. 24.7.1963 – II 207/61 U, BStBl. III 1963, 442. 4 Die Bewertung von immateriellen Wirtschaftsgütern für erb- und schenkungsteuerliche Zwecke ist ausführlich in Teil 2, 6. Kapitel dargestellt. 5 S. zur Bewertung von Anteilen an Kapitalgesellschaften und von Betriebsvermögen auch Bruckmeier/Zwirner/Mugler, DStR 2011, 422; Piltz, DStR 2008, 745; Piltz, DStR 2009, 1829 sowie Wassermann, DStR 2010, 183.

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D. Wertermittlung

die Gesamtbewertung gegenüber der Einzelbewertung erheblich an Bedeutung gewonnen hat (vgl. § 2 Abs. 1 Satz 2 BewG).1 Nach § 9 Abs. 2 BewG bestimmt sich der gemeine Wert durch den Preis, der im gewöhnlichen Geschäftsverkehr nach der Beschaffenheit des Wirtschaftsguts bei einer Veräußerung zu erzielen wäre. Dabei sind alle Umstände, die den Preis beeinflussen, zu berücksichtigen. Ungewöhnliche oder persönliche Verhältnisse sind allerdings nicht einzubeziehen. Wenngleich die Bewertung nach dem Veräußerungspreis die allgemeine Bewertungsregel darstellt, sieht das BewG für eine Reihe von Vermögensgegenständen besondere Bewertungsmaßstäbe vor. Dies gilt nicht nur für die in § 12 Abs. 2 ErbStG, sondern auch für die in §§ 10–16 BewG genannten Vermögensgegenstände. Der Anwendungsbereich des § 9 BewG ist daher im Wesentlichen beschränkt auf den Hausrat2, Kunstgegenstände, Schmuck und sonstige Wertgegenstände sowie andere bewegliche körperliche Gegenstände vgl. (Rz. 6.105). Auch mit dem gemeinen Wert anzusetzen sind allerdings Erfindungen und Urheberechte.3 Gehören Urheberrechte, Patente oder Know-how zu einem Betriebsvermögen i.S. des § 12 Abs. 5 ErbStG, erfolgt die Bewertung im Rahmen einer Gesamtbewertung (vgl. Rz. 6.107 ff.). Betriebsvermögen ist das einem Gewerbebetrieb gewidmete Vermögen (§ 95 Abs. 1 BewG) sowie das Vermögen einer juristischen Person (§ 97 BewG). Dem Gewerbebetrieb steht zudem die Ausübung eines freien Berufs gleich (§ 96 BewG). § 12 Abs. 5 ErbStG findet zudem auf Anteile am Betriebsvermögen Anwendung (vgl. Rz. 6.86).4 Gehörten Immaterialgüterrechte zum Betriebsvermögen, waren diese nach alter Rechtslage nur insoweit Teil des steuerpflichtigen Erwerbs, als sie in der Bilanz aktiviert wurden.5 Dies hat sich mit Einführung des Erbschaftsteuerreformgesetzes nunmehr geändert. Zum Betriebsvermögen, das einer Substanzbewertung zu unterziehen ist, gehören auch immaterielle Wirtschaftsgüter (z.B. Patente, Lizenzen, Warenzeichen, Markenrechte, Konzessionen, Bierlieferrechte), gleichgültig, ob diese selbst geschaffen oder entgeltlich erworben wurden.6

1 Hübner, DStR 2009, 2577 (2578). 2 Zu beachten ist hier jedoch regelmäßig die sachliche Steuerbefreiung nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a ErbStG; vgl. auch Rz. 5.57. 3 Zur Ermittlung des gemeinen Werts bei Urheberechten und Patenten vgl. R 93 ErbStR 2003; R B 9.2 ErbStR 2011-E sowie R B 11.3 Abs. 6 ErbStR 2011-E. S. zu Erfindungen, Warenzeichen und technisches Spezialwissen (Know-how) auch die zitierte Rechtsprechung in H 93 ErbStH 2003 sowie eingehend Rz. 6.103 f. 4 Meincke15, § 12 ErbStG Rz. 77. 5 Niemann2, Immaterielle Wirtschaftsgüter im Handels- und Steuerrecht, 163. 6 R B 11.3 Abs. 3 Satz 4 ErbStR 2011-E; vgl. insbesondere auch Rz. 6.122.

Ruge

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5.56

Kap. 5: Geistiges Eigentum im Erbschaftsteuerrecht

IV. Sachliche Steuerbefreiungen 1. Steuerbefreiungen nach § 13 ErbStG

5.57

§ 13 ErbStG sieht sachliche Steuerbefreiungen für diverse Vermögensgegenstände vor. Die Gegenstände werden entweder von der Steuer gänzlich befreit, teilweise befreit oder durch einen Verschonungsabschlag begünstigt. Durch eine sachliche Steuerbefreiung sind insbesondere der Erwerb des Hausrats und anderer beweglicher körperlicher Gegenstände (Nr. 1)1, der Erwerb des Familienheims durch den Ehegatten, Lebenspartner bzw. die Kinder (Nr. 4a ff.), der Erwerb durch Pflegepersonen (Nr. 9 f.) und der Erwerb von Gelegenheitsgeschenken (Nr. 14) steuerbefreit. Für immaterielle Wirtschaftsgüter haben die sachlichen Steuerbefreiungen des § 13 ErbStG kaum eine Relevanz. Insbesondere § 13 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG spricht ausdrücklich von anderen körperlichen Gegenständen, so dass etwa im Privatvermögen gehaltene Patente nicht von der Steuerbefreiung erfasst werden.

5.58

Auch für Immaterialgüterrechte kann allerdings die Steuerbefreiung des Vermögensrückfalls an Eltern und Voreltern von Bedeutung sein. Steuerbefreit sind konkret solche Vermögensgegenstände, die Eltern oder Voreltern ihren Abkömmlingen durch Schenkung oder Übergabevertrag zugewandt hatten und die an diese Personen von Todes wegen zurückfallen (§ 13 Abs. 1 Nr. 10 ErbStG). Rückschenkungen sind nach dem ausdrücklichen Wortlaut der Vorschrift nicht erfasst.2 Zur Vermeidung einer Schenkungsteuer bei Rückübertragungen von Vermögensgegenständen unter Lebenden kommt daher insbesondere die Vereinbarung von umfangreichen Widerrufsrechten und Rückfallklauseln im Zeitpunkt der Erstzuwendung in Betracht (vgl. § 29 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG).3

5.59

Tatbestandliche Voraussetzung für die Steuerbefreiung ist zunächst eine Personenidentität der beteiligten Personen. Ob daneben auch eine Identität des zurückfallenden Vermögens erforderlich ist, ist umstritten. Die Rechtsprechung fordert eine gegenständliche Identität der Vermögensgegenstände. Die zurückfallenden Gegenstände müssen bei objektiver Betrachtung nach Art und Funktionsgleichheit mit dem ursprünglich zugewendeten Gegenstand identisch sein.4 Zu unbefriedigenden Ergebnissen führt diese enge Betrachtungsweise dann, wenn der Beschenkte den Gegenstand nicht durch eigenes Zutun, sondern beispielsweise durch höhere Gewalt verliert und in der Folge lediglich ein Ersatzanspruch Teil der Erb1 Auch der an dem Hausrat eingeräumte Nießbrauch soll nach wohl h.M. aufgrund des Sinn und Zwecks der Vorschrift unter die sachliche Steuerbefreiung fallen, vgl. Jülicher in Troll/Gebel/Jülicher, § 13 ErbStG Rz. 18 m.w.N. 2 BFH v. 16.4.1986 – II R 135/83, BStBl. II 1986, 622; R 45 Abs. 1 Satz 2 ErbStR 2003 R E 13.6 Abs. 1 Satz 2 ErbStR 2011-E. 3 Jochum in Wilms/Jochum, § 13 ErbStG Rz. 112; zu den (ggf. nachteiligen) einkommensteuerlichen Konsequenzen vgl. Jülicher, DStR 1998, 1977 (1981). 4 BFH v. 22.6.1994 – II R 1/92, BStBl. II 1994, 656; v. 22.6.1994 – II R 13/90, BStBl. II 1994, 759.

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Ruge

D. Wertermittlung

masse ist.1 Die Steuerbefreiung wird wohl auch hinsichtlich des Rückfalls von Gesellschaftsanteilen versagt bleiben, wenn diese gegen andere (branchengleiche) Gesellschaftsanteile getauscht werden oder andere zivilrechtliche Veränderungen hinsichtlich der Anteile (z.B. Umwandlungen) seit dem Zeitpunkt der Zuwendung eingetreten sind.2 Unklarheit besteht derzeit noch hinsichtlich der Frage, wie nach der Zuwendung eingetretene Wertsteigerungen zu bewerten sind. Nach Ansicht der Finanzverwaltung ist danach zu differenzieren, ob die Wertsteigerung der zugewendeten Vermögensgegenstände auf einer vom Beschenkten unabhängigen wirtschaftlichen Entwicklung beruht oder der Beschenkte den Wert durch den Einsatz von Kapital oder Arbeit selbst erhöht hat.3 Richtigerweise ist jedoch vielmehr darauf abzustellen, ob durch die Einflussnahme des Beschenkten im Fall des Rückerwerbs noch derselbe Vermögensgenstand, d.h. gegenständliche Identität, vorliegt.4 Folglich bleibt ein im Wert gestiegenes Patent unabhängig davon steuerfrei, ob beispielweise neue (werterhöhende) Anwendungsmöglichkeiten durch den Beschenkten selber erschlossen werden oder dies (zufällig) durch Dritte geschieht. Wird hingegen das Patent selbst weiterentwickelt und unter einer neuen Patentnummer registriert, entsteht freilich ein neuer (anderer) Vermögensgegenstand, für den die Steuerbefreiung nicht in Anspruch genommen werden kann. Folgt man dieser Ansicht, sind auch Werterhöhungen von Anteilen an Personengesellschaften unerheblich. Abzustellen ist dann lediglich darauf, ob sich die Beteiligungsverhältnisse seit der Zuwendung veränderten haben und die zugeführten Vermögensgegenstände im Zeitpunkt des Erbfalls noch vorhanden sind.5 An Brisanz verliert die Problematik dadurch, dass im Einzelfall für die Rückübertragung von Betriebsvermögen auch eine Begünstigung nach § 13a ErbStG vorliegen kann.

5.60

Die sachliche Steuerbefreiung des § 13 Abs. 1 Nr. 10 ErbStG erstreckt sich nicht auf Früchte i.S. von § 99 BGB, d.h. Erzeugnisse einer Sache bzw. Erträgnisse eines Rechts.6 Damit unterliegen seit dem Zeitpunkt der Zuwendung beim Beschenkten angefallene Lizenzgebühren aus Patenten beim Rückfall an dessen Eltern der Erbschaftsteuer. Gleiches gilt insbesondere auch für Gewinne oder aus Gewinnen angeschaffte oder hergestellte Wirtschaftsgüter.7

5.61

1 Jülicher in Troll/Gebel/Jülicher, § 13 ErbStG Rz. 124. 2 Hartmann in Gürsching/Stenger, § 13 ErbStG Rz. 82; Jülicher in Troll/Gebel/Jülicher, § 13 ErbStG Rz. 125; Jülicher, ZEV 1995, 212. 3 R 45 Abs. 2 Satz 4 f. ErbStR 2003; R E 13.6 Abs. 2 Satz 4 f. ErbStR 2011-E; zustimmend Kapp/Ebeling, § 13 ErbStG Rz. 87; Meincke15, § 13 ErbStG Rz. 44 m.w.N. 4 Hartmann in Gürsching/Stenger, § 13 ErbStG Rz. 85. 5 Hartmann in Gürsching/Stenger, § 13 ErbStG Rz. 87; Wolf, DStR 1988, 563 (564); zustimmend wohl auch Kapp/Ebeling, § 13 ErbStG Rz. 93. 6 BFH v. 22.6.1994 – II R 13/90, BStBl. II 1994, 759; R 45 Abs. 2 Satz 6 ErbStR 2003; R E 13.6 Abs. 2 Satz 6 ErbStR 2011-E. 7 BFH v. 22.6.1994 – II R 13/90, BStBl. II 1994, 759.

Ruge

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283

Kap. 5: Geistiges Eigentum im Erbschaftsteuerrecht

2. Steuerbefreiung für Betriebsvermögen und Anteile an Kapitalgesellschaften a) Regelverschonung

5.62

Der regelmäßige Generationenwechsel in Unternehmen soll nicht dazu führen, dass die damit einhergehende Erbschaftbesteuerung die Unternehmen in eine wirtschaftliche Notlage versetzt. Nach dem Willen des Gesetzgebers sollen insbesondere Arbeitsplätze in kleinen und mittelständischen Betrieben im Rahmen einer Unternehmensnachfolge geschützt werden, die ansonsten durch eine Belastung mit Erbschaftsteuer aufgrund von in den Betrieben gebundener Liquidität gefährdet wären.1 Die §§ 13a und 13bErbStG begünstigen daher Betriebsvermögen, Betriebe der Landund Forstwirtschaft und Anteile an Kapitalgesellschaften durch eine sachliche Steuerbefreiung. Konkret bleibt das begünstigte Betriebsvermögen für die Besteuerung vollständig außer Ansatz (sog. Verschonungsabschlag).2 Von dem gesamten Betriebsvermögen wiederum sind 85 % pauschal begünstigt, so dass letztlich 15 % des Betriebsvermögens sofort der Erbschaftsteuer unterliegen.

5.63

Bedingung für diese weitgehende Verschonung ist, dass der Erwerber das Unternehmen fortführt. Für die tatsächliche Fortführung des Unternehmens hat der Gesetzgeber die Lohnsummen als Indikator gewählt. Voraussetzung ist, dass die Summe der maßgebenden jährlichen Lohnsummen des Betriebs innerhalb von fünf Jahren nach dem Erwerb (sog. Lohnsummenfrist) insgesamt 400 % der Ausgangslohnsumme nicht unterschreitet (sog. Mindestlohnsumme).3 Bei Beteiligungen an einer Personengesellschaft oder Anteilen an einer Kapitalgesellschaft ist auf den Betrieb der jeweiligen Gesellschaft abzustellen. Die Ausgangslohnsumme errechnet sich als durchschnittliche Lohnsumme der letzten fünf vor dem Zeitpunkt der Entstehung der Steuer endenden Wirtschaftsjahre. Wird die Mindestlohnsumme unterschritten, vermindert sich gemäß § 13a Abs. 1 Satz 5 ErbStG der Verschonungsabschlag mit Wirkung für die Vergangenheit in demselben prozentualen Umfang (pro rata), wie die Mindestlohnsumme unterschritten wird. Beträgt die Ausgangslohnsumme null Euro, weil keine Arbeitnehmer beschäftigt werden, oder hat der Betrieb nicht mehr als 20 Beschäftige, wird auf die Lohnsummenregelung verzichtet.

5.64

Der Begriff der Lohnsumme wird in § 13a Abs. 4 ErbStG definiert. Danach gehören zur Lohnsumme alle Vergütungen (Löhne und Gehälter und andere Bezüge und Vorteile), die im maßgebenden Wirtschaftsjahr an die 1 Begründung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung v. 28.1.2008, BT-Drucks. 16/7918, 33. 2 Weitere Begünstigungen für die Unternehmensnachfolge finden sich in § 19a ErbStG (Tarifverschonung) und § 28 Abs. 1 ErbStG (Stundungsmöglichkeit). 3 Die Lohnsummenfrist und die Mindestlohnsumme wurden zuletzt durch das Wachstumsbeschleunigungsgesetz v. 22.12.2009, BGBl. I 2009, 3950, reduziert. Die reduzierten Werte sind bereits für Erwerbe nach dem 31.12.2008 anzuwenden, vgl. § 37 Abs. 3 Satz 1 ErbStG.

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D. Wertermittlung

auf den Lohn- und Gehaltslisten erfassten Beschäftigten gezahlt werden. Außer Ansatz bleiben allerdings Vergütungen an solche Arbeitnehmer, die nicht ausschließlich oder überwiegend in dem Betrieb tätig sind. Zu den Vergütungen zählen alle Geld- oder Sachleistungen für die Arbeitsleistung der Beschäftigten, unabhängig davon, wie diese Leistungen bezeichnet werden und ob es sich um regelmäßige oder unregelmäßige Zahlungen handelt. Zu den Löhnen und Gehältern zählen auch alle vom Beschäftigten empfangenen Sondervergütungen, Prämien, Gratifikationen, Abfindungen, Zuschüsse zu Lebenshaltungskosten, Familienzulagen, Provisionen, Teilnehmergebühren und vergleichbare Vergütungen. Gehören zum Vermögen eines zu bewertenden Betriebs Beteiligungen an anderen Gesellschaften, sind diese anteilig im Wert des unmittelbar erworbenen Betriebs zu berücksichtigen. Letzteres gilt allerdings nur, wenn die Beteiligung an den Gesellschaften mittelbar oder unmittelbar mehr als 25 % beträgt und die Gesellschaften ihren Sitz oder ihre Geschäftsleitung im Inland, einem Mitgliedstaat der EU oder in einem Staat des Europäischen Wirtschaftsraums haben (§ 13a Abs. 4 Satz 5 ErbStG).1 b) Begünstigtes Vermögen Zum begünstigten Vermögen gehören gemäß § 13b ErbStG der inländische Wirtschaftsteil des land- und forstwirtschaftlichen Vermögens (§ 168 Abs. 1 Nr. 1 BewG), Anteile an Kapitalgesellschaften sowie inländisches Betriebsvermögen (§§ 95–97 BewG). Das Betriebsvermögen muss im Zusammenhang mit dem Erwerb eines ganzen Gewerbebetriebs, eines Teilbetriebs oder einer Beteiligung an einer Personengesellschaft unmittelbar auf den Erwerber übergehen. Vom inländischen Betriebsvermögen sind insbesondere das einem Gewerbebetrieb dienende Vermögen (§ 95 BewG) und das dem Gewerbebetrieb gleichstehende Vermögen, das der Ausübung eines freien Berufs dient (§ 96 BewG), umfasst. Darüber hinaus gehören zu dem begünstigten Betriebsvermögen Beteiligungen an gewerblich tätigen oder gewerblich geprägten Personengesellschaften i.S. des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Abs. 3 EStG oder § 18 Abs. 4 EStG (§ 97 Abs. 1 Nr. 5 BewG). Unerheblich ist, ob es sich um notwendiges oder gewillkürtes Betriebsvermögen handelt. Eine begünstigte Übertragung eines Anteils an einer Personengesellschaft oder am Sonderbetriebsvermögen des Gesellschafters ist schließlich auch nicht davon abhängig, dass die Gesellschaftsanteile und das Sonderbetriebsvermögen im gleichen quotalen Umfang auf den Erwerber übergehen.2

5.65

Anteile an Kapitalgesellschaften sind nach § 13b Abs. 1 Nr. 3 ErbStG nur dann begünstigt, wenn Erblasser oder Schenker zum Zeitpunkt der Übertragung in Höhe von mehr als 25 % am Nennkapital (Mindestbeteiligung)

5.66

1 Zu den unterschiedlichen Konstellationen bei Auslandbeteiligungen s. FinMin Bay. v. 12.7.2010 – 34 - S 3812a - 018 - 28 364/10, DStR 2010, 1626. 2 Gleich lautender Länderlass v. 25.6.2009, BStBl. I 2009, 713 Abschn. 20 Abs. 3 Satz 5; R E 13b. 5 Abs. 3 Satz 5 ErbStR 2011-E.

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Kap. 5: Geistiges Eigentum im Erbschaftsteuerrecht

der Gesellschaft beteiligt sind. Die Beteiligungsgrenze von 25 % soll ein Indiz dafür sein, dass der Anteilseigner tatsächlich unternehmerisch in die Gesellschaft eingebunden ist und nicht nur als Kapitalanleger auftritt.1 Die Berechnung der Beteiligungsquote des Erblassers oder Schenkers richtet sich zunächst nach der Summe der dem Erblasser oder Schenker unmittelbar zuzurechnenden Anteile. Anteile weiterer Gesellschafter (sog. Poolmitglieder) sind gemäß § 13b Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 ErbStG beachtlich, wenn der Erblasser oder Schenker und die weiteren Gesellschafter untereinander dazu verpflichtet sind, über die Anteile nur einheitlich zu verfügen oder die Anteile ausschließlich auf andere derselben Verpflichtung unterliegende Anteilseigner zu übertragen und das Stimmrecht gegenüber nicht gebundenen Gesellschaftern einheitlich auszuüben (sog. Poolvereinbarung). Eine einheitliche Stimmrechtsausübung bedeutet, dass die Einflussnahme einzelner Anteilseigner zum Zweck einer einheitlichen Willensbildung zurücktreten muss.2 Nicht erforderlich ist dabei, dass die Einflussnahme auf die Geschicke der Gesellschaft ausschließlich durch Anteilseigner (Familienmitglieder) erfolgt.3 Die Poolvereinbarung kann sich aus dem Gesellschaftsvertrag oder aus anderen schriftlichen Vereinbarungen ergeben und muss im Besteuerungszeitpunkt vorliegen.4 Begünstigt sind Anteile an Kapitalgesellschaften nur dann, wenn die Kapitalgesellschaft zur Zeit der Entstehung der Steuer Sitz oder Geschäftsleitung im Inland oder in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder in einem Staat des Europäischen Wirtschaftsraums hat.5

5.67

Überwiegend vermögensverwaltende Betriebe sind generell von den Verschonungen ausgenommen. Verhindert werden soll, dass auch solches Vermögen begünstigt wird, das als lediglich gewillkürtes Betriebsvermögen in erster Linie der weitgehend risikolosen Renditeerzielung dient und weder die Schaffung von Arbeitsplätzen noch zusätzliche volkswirtschaftliche Leistungen bewirkt (z.B. vermietete und verpachtete Grundstücke und Gebäude, Minderbeteiligungen an Kapitalgesellschaften oder Wertpapiere). Vollständig ausgenommen bleibt daher gemäß § 13b Abs. 2 ErbStG Vermögen, wenn das land- und forstwirtschaftliche Vermögen oder das Betriebsvermögen der Betriebe oder der Gesellschaften zu mehr als 50 % aus Verwaltungsvermögen besteht (alles-oder-nichts-Prinzip). Zum Verwaltungsvermögen gehören Dritten zur Nutzung überlassene Grundstücke, Grundstücksteile, grundstücksgleiche Rechte und Bauten 1 Begründung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung v. 28.1.2008, BT-Drucks. 16/7918, 35. 2 Gleich lautender Länderlass v. 25.6.2009, BStBl. I 2009, 713 Abschn. 21 Abs. 4 Satz 1; R E 13b. 6 Abs. 5 Satz 1 ErbStR 2011-E. 3 Begründung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung v. 28.1.2008, BT-Drucks. 16/7918, 35. 4 Gleich lautender Länderlass v. 25.6.2009, BStBl. I 2009, 713 Abschn. 21 Abs. 5; R E 13b. 6 Abs. 6 ErbStR 2011-E. 5 Zur alten Rechtslage hat der BFH dem EuGH die Frage vorgelegt, ob ein Ausschluss der Begünstigung für Betriebsvermögen in Drittstaaten gegen die Kapitalverkehrsfreiheit verstoße, BFH v. 15.12.2010 – II R 63/09, BStBl. II 2011, 221.

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D. Wertermittlung

(Nr. 1), Anteile an Kapitalgesellschaften, wenn die unmittelbare Beteiligung am Nennkapital dieser Gesellschaften 25 % oder weniger beträgt (Nr. 2), Anteile an Personen- und Kapitalgesellschaften, wenn deren Vermögen ihrerseits zu mehr als 50 % aus Verwaltungsvermögen besteht (Nr. 3), Wertpapiere sowie vergleichbare Forderungen (Nr. 4) sowie Kunstgegenstände und andere Wertgegenstände (Nr. 5).1 Die Aufzählung des Verwaltungsvermögens in § 13b Abs. 2 ErbStG ist abschließend.2 Unabhängig von sonstigen Voraussetzungen gehört solches Verwaltungsvermögen (Nr. 1–5) stets nicht zum begünstigten Vermögen, das dem Betrieb im Besteuerungszeitpunkt weniger als zwei Jahre zuzurechnen war (§ 12b Abs. 2 Satz 3 ErbStG).3 Verhindert werden soll eine kurzfristige nicht wirtschaftlich getriebene Aufstockung des Verwaltungsvermögens knapp unter die Schädlichkeitsgrenze.4 Hinsichtlich des Erreichens der Schädlichkeitsgrenze ist für jede wirtschaftliche Einheit des begünstigten Vermögens (§ 13b Abs. 1 ErbStG) der Umfang des Verwaltungsvermögens (§ 13b Abs. 2 ErbStG) gesondert zu prüfen. Der Anteil des Verwaltungsvermögens am gemeinen Wert des Betriebs bestimmt sich schließlich gemäß § 13b Abs. 2 Satz 4 ErbStG nach dem Verhältnis der Summe der gemeinen Werte der Einzelwirtschaftsgüter des Verwaltungsvermögens zum gemeinen Wert des Betriebs. Bei Personengesellschaften sollen nach Ansicht der Finanzverwaltung die zum Verwaltungsvermögen gehörenden Wirtschaftsgüter nach dem maßgebenden Gewinnverteilungsschlüssel dem jeweiligen Gesellschafter zugerechnet werden.5

5.68

c) Gleitender Abzugsbetrag Neben den Verschonungsabschlag tritt ein sog. Abzugsbetrag in Höhe von 150 000 Euro. Vermieden werden soll eine Wertermittlung und aufwändige Überwachung von kleineren Betrieben unterhalb des Grenzwerts.6 Der Abzugsbetrag nach § 13a Abs. 2 ErbStG bewirkt, dass begünstigtes Vermögen (d.h. nach Abzug des Verschonungsabschlags) bis zur Höhe des Abzugsbetrags außer Ansatz bleibt. Der Abzugsbetrag von 150 000 Euro verringert sich um 50 % des diese Wertgrenze übersteigen1 Zu den Qualifikationserfordernissen des Verwaltungsvermögens s. gleich lautender Länderlass v. 25.6.2009, BStBl. I 2009, 713 Abschn. 23 ff.; R E 13b. 8 ErbStR 2011-E. 2 Piltz, ZEV 2008, 229 (231). 3 S. zum sog. jungen Verwaltungsvermögen auch gleich lautender Länderlass v. 25.6.2009, BStBl. I 2009, 713 Abschn. 34; R E 13b. 19 ErbStR 2011-E. 4 Schulte, Erbschaftsteuerrecht, Rz. 743; Moench/Albrecht, Erbschaftsteuer2, Rz. 867. 5 Gleich lautender Länderlass v. 25.6.2009, BStBl. I 2009, 713 Abschn. 35; R E 13b. 19 Abs. 3 Satz 3 ErbStR 2011-E. Vgl. hierzu auch Schulze zur Wiesch, DStR 2009, 732. 6 Begründung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung v. 28.1.2008, BT-Drucks. 16/7918, 33 f.; hinsichtlich der gewählten Methodik zu Recht kritisch Weinmann in Moench/Weinmann, § 13a ErbStG Rz. 46.

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5.69

Kap. 5: Geistiges Eigentum im Erbschaftsteuerrecht

den Betrags, wenn der Wert des Vermögens insgesamt die Wertgrenze von 150 000 Euro übersteigt. Begünstigtes Vermögen von bis zu 1 000 000 Euro wird demnach im Fall der Regelverschonung durch den Verschonungsabschlag von 85 % und den Abzugsbetrag vollständig von der Steuer befreit.1 Der Abzugsbetrag verringert sich dann gleitend bei einem Wert des begünstigten Vermögens zwischen 1 000 001 Euro und 2 999 999 Euro. Der Abzugsbetrag kann innerhalb von zehn Jahren für von derselben Person anfallende Erwerbe nur einmal berücksichtigt werden (§ 13a Abs. 2 Satz 3 ErbStG). Durch die Fristenregelung will der Gesetzgeber verhindern, dass durch ein Aufspalten einer größeren Zuwendung in mehrere Zuwendungen unterhalb des Abzugsbetrags ein nicht gerechtfertigter Steuervorteil erwachsen kann.2 d) Behaltensfrist

5.70

Der Verschonungsabschlag und der Abzugsbetrag fallen mit Wirkung für die Vergangenheit weg, soweit der Erwerber das begünstigte Vermögen oder Teile hiervon der Zweckbindung in seiner Hand durch dessen Veräußerung oder Aufgabe innerhalb von fünf Jahren entzieht (Behaltensfrist). Der Steuerbescheid ist in diesen Fällen nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO zu ändern und es kommt zu einer Nachversteuerung. Eine unterlassene Unternehmensfortführung und damit ein Verstoß gegen die Behaltensfrist liegt nach § 13a Abs. 5 Satz 1 ErbStG insbesondere vor, wenn innerhalb der Frist der Gewerbebetrieb oder Anteile an Personengesellschaften veräußert (Nr. 1), Überentnahmen getätigt (Nr. 3) oder Anteile an Kapitalgesellschaften veräußert werden (Nr. 4) oder die Poolvereinbarung aufgehoben wird (Nr. 5).3 In den vorgenannten Fällen Nr. 1 und 4 ist von einer Nachversteuerung dann abzusehen, wenn der Veräußerungserlös innerhalb der (jeweiligen) begünstigten Vermögensart verbleibt. Hiervon ist auszugehen, wenn der Veräußerungserlös innerhalb von sechs Monaten in entsprechendes Vermögen investiert wird (sog. Reinvestitionsklausel), das nicht zum Verwaltungsvermögen gehört (§ 13a Abs. 5 Sätze 3 und 4 ErbStG). Als Reinvestition gilt auch die Tilgung betrieblicher Schulden oder die Erhöhung von Liquiditätsreserven.4 e) Optionsverschonung

5.71

Der Erwerber hat die Möglichkeit, auf Antrag statt einer Verschonung in Höhe von 85 % eine vollständige Verschonung des Betriebsvermögens zu erhalten (§ 13a Abs. 8 ErbStG). Im Gegenzug verschärfen sich jedoch die Anforderungen, die an die Unternehmensfortführung gestellt werden. So 1 Gleich lautender Länderlass v. 25.6.2009, BStBl. I 2009, 713 Abschn. 6; R E 13a. 2 ErbStR 2011-E. 2 Begründung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung v. 28.1.2008, BT-Drucks. 16/7918, 34. 3 Zu den Einzelheiten s. gleich lautender Länderlass v. 25.6.2009, BStBl. I 2009, 713 Abschn. 9 ff.; R E 13a. 5 ErbStR 2011-E. 4 Bericht des Finanzausschusses v. 26.11.2008, BT-Drucks. 16/11107, 10.

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E. Berechnung der Steuer

tritt an die Stelle der Lohnsummenfrist von fünf Jahren eine Lohnsummenfrist von sieben Jahren und an die Stelle der maßgebenden Lohnsumme von 400 % eine maßgebende Lohnsumme von 700 %. Zudem verlängert sich die Behaltensfrist von fünf Jahre auf sieben Jahre und das Betriebsvermögen darf nur zu höchstens 10 % aus Verwaltungsvermögen bestehen. Sind im begünstigten Vermögen Anteile an Kapitalgesellschaften von mehr als 25 % oder Beteiligungen an Personengesellschaften enthalten, gilt auch in den Fällen der Optionsverschonung die Grenze von 50 % für das Verwaltungsvermögen der Kapital- bzw. Personengesellschaft (§ 13b Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 ErbStG).1 Der Erwerber kann den Antrag auf Optionsverschonung im Erbfall insgesamt nur einheitlich für alle Arten des erworbenen begünstigten Vermögens (land- und forstwirtschaftliches Vermögen, Betriebsvermögen und Anteile an Kapitalgesellschaften) stellen.2 Bei Schenkungen mit einheitlichem Schenkungswillen (z.B. mehrere Betriebsübertragungen in mehreren Schenkungsverträgen und einheitlichem Schenkungswillen) gilt dies entsprechend.

E. Berechnung der Steuer I. Berücksichtigung früherer Erwerbe Wendet dieselbe Person innerhalb von zehn Jahren mehrere Vermögensgegenstände wiederum an dieselbe Person zu, so werden nach § 14 ErbStG für die Berechnung der Steuer sämtliche Vermögensvorteile innerhalb dieses Zeitraums zusammengerechnet. Erforderlich ist insoweit eine doppelte Personenidentität des Erwerbers auf der einen und des Erblassers bzw. Schenkers auf der anderen Seite.3 Verhindert werden soll, dass eine im Wege der Schenkung unter Lebenden beabsichtige (Gesamt-)Übertragung von Vermögen mit Blick auf die einschlägigen Freibeträge und den progressiven Steuertarif gezielt auf mehrere Schenkungen aufgeteilt wird, ausschließlich um Steuerzahlungen zu vermeiden oder zu reduzieren.4 Durch die Zusammenrechnung von Erwerben wird letztlich gewährleistet, dass Freibeträge innerhalb des Zeitraums von zehn Jahren nur einmal genutzt werden können. Zudem ergeben sich bei einer Aufteilung in mehrere kleinere Vermögensübertragungen keinerlei Progressionsvorteile.

5.72

Die Zusammenrechnung mehrerer Erwerbe geschieht in der Weise, dass dem letzten Erwerb (sog. Nacherwerb) die früheren Erwerbe (sog. Vor-

5.73

1 Gleich lautender Länderlass v. 25.6.2009, BStBl. I 2009, 713 Abschn. 17 Abs. 4 Satz 1; R E 13a. 13 Abs. 5 ErbStR 2011-E. 2 Gleich lautender Länderlass v. 25.6.2009, BStBl. I 2009, 713 Abschn. 17 Abs. 1 Satz 1; R E 13a. 13 Abs. 1 Satz 1 ErbStR 2011-E. 3 Dies gilt es insbesondere bei Zuwendungen der Eltern an die Kinder zu beachten. So ist es für die Anwendung der Vorschrift von Bedeutung, ob die Zuwendung von dem Vater oder von der Mutter erfolgt. 4 BFH v. 7.10.1998 – II R 64/96, BStBl. II 1999, 25.

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Kap. 5: Geistiges Eigentum im Erbschaftsteuerrecht

erwerbe) nach ihrem früheren Wert zugerechnet werden. Für die Wertbestimmung des Vorerwerbs ist auf die jeweils im Erwerbszeitpunkt maßgeblichen Vorschriften abzustellen.1 Von der Steuer für den Gesamtbetrag wird die Steuer abgezogen, die für die früheren Erwerbe nach den persönlichen Verhältnissen des Erwerbers und auf Grundlage der geltenden Vorschriften zur Zeit des letzten Erwerbs zu erheben gewesen wäre. Für den Abzug ist insoweit eine fiktive Steuerbelastung zu ermitteln. Fällt die fiktive Steuer (sog. Abzugssteuer) jedoch geringer aus als die zum damaligen Zeitpunkt tatsächlich vom Steuerpflichtigen entrichtete Steuer, ist Letztere zum Abzug zu bringen. Die Günstigerprüfung ist von Amts wegen durchzuführen.2 Keinesfalls ist die für den Vorerwerb bereits entrichtete Steuer jedoch als eine Art Vorauszahlung auf die im Zusammenhang mit dem Nacherwerb zu zahlende Steuer zu verstehen. Vielmehr trifft § 14 ErbStG lediglich eine besondere Anordnung für die Berechnung der Steuer, die für den (jeweils) letzten Erwerb innerhalb des Zehnjahreszeitraums festzusetzen ist.3 Ist die Steuer für den Nacherwerb niedriger als für den Vorerwerb, kommt es zu keiner Steuererstattung.4 Nach § 14 Abs. 1 Satz 4 ErbStG ist eine Mindestbesteuerung vorzunehmen. Die Mindeststeuer ist die Steuer, die sich für den letzten Erwerb ohne Zusammenrechnung mit früheren Erwerben ergibt.5

5.74

Die durch jeden weiteren Erwerb veranlasste Steuer darf gemäß § 14 Abs. 3 ErbStG nicht mehr betragen als 50 % dieses Erwerbs. Relevant werden kann diese Steuerbegrenzung in Fällen, in denen ein geringer Nacherwerb einem umfangreichen Vorerwerb folgt. Allerdings wird unbilligen Härten regelmäßig bereits durch die Tarifbegrenzung gemäß § 19 Abs. 3 ErbStG begegnet (vgl. Rz. 5.80), so dass der Vorschrift in der Praxis nur eine geringe Bedeutung zukommt.

II. Steuerklassen 5.75

Das Erbschaftsteuerrecht unterscheidet nach drei Steuerklassen (§ 15 ErbStG).6 Die jeweiligen Steuerklassen richten sich nach dem persönlichen Verhältnis des Erwerbers zum Erblasser bzw. Schenker. Die Steuerklassen sind relevant für die Höhe der Freibeträge (§§ 13, 16, 17 ErbStG), den anzuwendenden Steuersatz (§ 19 ErbStG) und schließlich für die Vergünstigung bei Mehrfacherwerben (§ 27 ErbStG). Zur (vorteilhaftesten) Steuerklasse I gehören der Ehegatte, der Lebenspartner einer eingetrage1 2 3 4 5

Ohletz in Wilms/Jochum, § 14 ErbStG Rz. 2. Geck in Kapp/Ebeling, § 14 ErbStG Rz. 3. BFH v. 17.4.1991 – II R 121/88, BStBl. II 1991, 522. Geck in Kapp/Ebeling, § 14 ErbStG Rz. 2. Moench/Stempel, DStR 2008, 170 (172); vgl. auch die Berechnungsbeispiele bei Götz in Fischer/Jüptner/Pahlke/Wachter3, § 14 ErbStG Rz. 43 ff. 6 Zur statischen Verteilung der steuerpflichtigen Erwerbe auf die drei Steuerklassen vgl. den Bericht des Statistisches Bundesamtes zur Erbschaft- und Schenkungsteuer zuletzt v. 20.6.2011.

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E. Berechnung der Steuer

nen Lebenspartnerschaft,1 die Kinder (nicht Pflege-, aber Adoptivkinder) und Stiefkinder, die Abkömmlinge der Kinder und Stiefkinder sowie die Eltern und Voreltern bei Erwerben von Todes wegen. Die Begünstigung dieser Personengruppe beruht auf dem sog. Familienprinzip, das aus Art. 6 Abs. 1 GG abgeleitet wird.2 Zur Steuerklasse II zählen die Eltern und Voreltern, soweit sie nicht zur Steuerklasse I gehören (d.h. in den Fällen der Schenkungen unter Lebenden), die Geschwister, Nichten und Neffen, die Stiefeltern, die Schwiegerkinder und -eltern sowie der geschiedene Ehegatte. Von der Steuerklasse III werden alle übrigen Erwerber und die Zweckzuwendungen erfasst. Relevant ist diese Steuerklasse damit nicht nur für mit dem Erblasser oder Schenker nicht verwandte Personen, sondern auch z.B. für Tanten, Onkel, Cousinen und Cousins. Weitere Bedeutung kommt der Steuerklasse III für juristische Personen zu. Eine Sonderregelung gilt nach § 16 Abs. 2 ErbStG für Familienstiftungen. Hier bestimmt sich die Wahl der Steuerklasse nach dem Verwandtschaftsverhältnis des nach der Stiftungsurkunde entferntesten Berechtigten zu dem Erblasser oder Schenker.3 Bei Personengesellschaften ist auf die persönlichen Verhältnisse der Gesamthänder abzustellen.4

5.76

III. Persönliche Freibeträge Für die Fälle des steuerpflichtigen Erwerbs im Rahmen der unbeschränkten Steuerpflicht sieht das Gesetz verschiedene Freibeträge vor. Die Freibeträge sind jeweils persönliche Freibeträge eines jeden Erwerbers ohne Rücksicht auf die Natur oder den Zweck der Zuwendung.5 Es handelt sich ausdrücklich um Freibeträge und nicht um Freigrenzen, so dass der Abzug der jeweilig einschlägigen Freibeträge vom steuerpflichtigen Erwerb (§ 10 ErbStG) bindungslos erfolgt.6 Die Freibeträge gelten grundsätzlich auch unterschiedslos, ob es sich um einen Erwerb von Todes wegen oder um eine Schenkung unter Lebenden handelt. Eine Ausnahme besteht leidglich für Eltern und Voreltern. Letzterer Gruppe steht bei Erwerben von Todes wegen (dann Steuerklasse I) ein fünffach höherer Freibetrag zu als bei Schenkungen unter Lebenden (dann Steuerklasse II). Je enger die familiäre Beziehung zwischen Erwerber und Erblasser bzw. Schenker ist, desto höher ist der jeweils einschlägige Freibetrag. So bleibt der Erwerb des Ehegatten bzw. Lebenspartners bis zu 500 000 Euro, der Kinder bis zu 400 000 Euro, der Enkelkinder bis zu 200 000 Euro und der übrigen Per1 Zur von Verfassungs wegen gebotenen Gleichbehandlung mit Ehegatten s. BVerfG v. 21.7.2010 – 1 BvR 611/07, 1 BvR 2464/07, BFH/NV 2010, 1985. 2 Vgl. hierzu auch BVerfG v. 22.6.1995 – 2 BvR 552/91, BStBl. II 1995, 671. 3 Zu den Kriterien im Einzelnen R 73 Abs. 1 Satz 3 ErbStR 2003; R E 15.2 Abs. 1 Satz 3 ErbStR 2011-E. 4 Vgl. bereits unter Rz. 5.10 sowie Meincke15, § 15 ErbStG Rz. 16. 5 Meincke15, § 16 ErbStG Rz. 7a. 6 Längle in Fischer/Jüptner/Pahlke/Wachter3, § 16 ErbStG Rz. 1.

Ruge

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5.77

Kap. 5: Geistiges Eigentum im Erbschaftsteuerrecht

sonen in der Steuerklasse I bis zu 100 000 Euro steuerfrei. Personen der Steuerklasse II und III steht ein Freibetrag in Höhe von 20 000 Euro zu. Eine derartige Gleichbehandlung von engen Familienmitgliedern (z.B. Geschwistern) und Personen, zu denen kein verwandtschaftliches Verhältnis besteht, ist im Schrifttum zu Recht auf Kritik gestoßen.1 Zumindest die tarifliche Gleichbehandlung der Steuerklasse II und III ist mittlerweile vom Gesetzgeber wieder beseitigt worden.2 Beschränkt Steuerpflichtigen (§ 2 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG) steht nach § 16 Abs. 2 ErbStG dagegen nur ein verhältnismäßig geringer Freibetrag in Höhe von 2 000 Euro zu.3 Das persönliche Verhältnis zum Erblasser oder Schenker bleibt bei der beschränkten Steuerpflicht ohne Relevanz.

5.78

Die Freibeträge können alle zehn Jahre in Anspruch genommen werden. Dies folgt mittelbar aus der Zusammenrechnung von Zuwendungen innerhalb dieses Zeitraums (vgl. § 14 ErbStG). Nicht zuletzt die Möglichkeit der mehrfachen Inanspruchnahme der Freibeträge kann gezielt als Mittel der Steuergestaltung eingesetzt werden, indem Vermögen sukzessive durch Schenkungen unter Lebenden und nicht in Summe auf den Erwerber übertragen wird. Als weiterer persönlicher Freibetrag kommt insbesondere der besondere Freibetrag für Ehegatten, Lebenspartner und Kinder in Betracht (§ 17 ErbStG).

IV. Steuersätze 5.79

Die Erbschaftsteuer wird unter Anwendung der nach § 19 ErbStG geltenden Steuersätze erhoben. Die Steuersätze sind gestaffelt und steigen je nach Steuerklasse und Wert des nach § 10 ErbStG ermittelten steuerpflichtigen Erwerbs. Der Eingangssteuersatz in der Steuerklasse I bei einem Wert des steuerpflichtigen Erwerbs bis einschließlich 75 000 Euro beträgt 7 %. Der Höchststeuersatz beträgt 50 % in der Steuerklasse III bei einem steuerpflichtigen Erwerb von mehr als 6 000 000 Euro. Die Tarifstufen in der Steuerklasse II und III waren zunächst aufgrund des Erbschaftsteuerreformgesetzes identisch ausgestaltet. Diese Gleichbehandlung von Personen mit einer familiären Bindung und solchen ohne familiäre Bindung zum Erblasser oder Schenker wurde als ungerecht kritisiert. Durch das Wachstumsbeschleunigungsgesetz4 wurden die Tarife in der Steuerklasse II daher abermals angepasst, so dass für Erwerbe nach dem 31.12.2009 nun Steuersätze zwischen 15 % und 43 % zur Anwendung kommen.

5.80

Für Fälle, in denen ein Teil des Vermögens aufgrund eines DBA der inländischen Besteuerung entzogen ist, ordnet § 19 Abs. 2 ErbStG einen sog. 1 Statt vieler Meincke15, § 16ErbStG Rz. 1. 2 Wachstumsbeschleunigungsgesetz v. 22.12.2009, BStBl. I 2009, 3950. Die Neuregelung gilt bereits für Erwerbe, für die die Steuer nach dem 31.12.2009 entsteht (§ 37 Abs. 1 ErbStG). 3 Zu europarechtlichen Bedenken vgl. Meincke15, § 16 ErbStG Rz. 2 m.w.N. 4 Wachstumsbeschleunigungsgesetz v. 22.12.2009, BGBl. I 2009, 3950.

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F. Steuerfestsetzung und Erhebung

Progressionsvorbehalt an, d.h. es wird die Steuer nach dem Steuersatz erhoben, der für den ganzen Erwerb gelten würde.1 Um durch Tarifsprünge entstehende unverhältnismäßige Härten abzumildern, sieht § 19 Abs. 3 ErbStG eine Begrenzung der Steuer vor. Die Tarifbegrenzung greift immer dann, wenn die aufgrund der Überschreitung einer Wertgrenze zu entrichtenden Mehrsteuern ein bestimmtes Verhältnis zum die vorhergehende Wertgrenze überschreitenden Erwerb übersteigt. Überschreitet der Mehrerwerb einen bestimmten Umfang, kommt die Tarifbegrenzung irgendwann nicht mehr zum Tragen. Der Bereich, in dem die Tarifbegrenzung zur Anwendung kommt, wird auch als Härteausgleichszone bezeichnet.2

V. Tarifbegrenzung beim Unternehmensübergang § 19a ErbStG sieht eine weitere Begünstigung für den Unternehmensübergang vor, d.h. für die Fälle des Erwerbs von Betriebsvermögen, von Betrieben der Land- und Forstwirtschaft und von Anteilen an Kapitalgesellschaften. Begünstigt werden Erwerber von bereits nach § 13b Abs. 1 ErbStG begünstigungsfähigen Vermögen, die allerdings nicht von den niedrigen Steuersätzen der Steuerklasse I profitieren, sondern in die Steuerklasse II oder III fallen. Mit der Regelung soll die Existenz von Unternehmen, unabhängig von dem verwandtschaftlichen Verhältnis zwischen Erblasser und Erben, sichergestellt werden. Erreicht wird dies, indem solchen Erwerbern die Steuersätze der Steuerklasse I zugute kommen, indem ein entsprechender Entlastungsbetrag zum Abzug gebracht wird. Der Entlastungsbetrag gilt für den nicht unter § 13b Abs. 4 ErbStG fallenden Teil des Vermögens i.S. des § 13b Abs. 1 ErbStG. Begünstigt wird damit der Teil, der nach Abzug des Verschonungsabschlags in Höhe von 85 % verbleibt (vgl. zur Regelverschonung Rz. 5.62 ff.). Der Entlastungsbetrag errechnet sich aus der Differenz zwischen der Steuer nach der tatsächlichen Steuerklasse des Erwerbers und der Steuer nach der Steuerklasse I. Der Entlastungsbetrag fällt gemäß § 19a Abs. 5 ErbStG mit Wirkung für die Vergangenheit weg, soweit der Erwerber innerhalb von fünf Jahren gegen die Behaltensregelungen des § 13a ErbStG verstößt (s. Rz. 5.70).

5.81

F. Steuerfestsetzung und Erhebung I. Steuerschuldner Steuerschuldner und damit Beteiligter des Besteuerungsverfahrens ist nach § 20 ErbStG grundsätzlich der Erwerber (z.B. Erbe, Vermächtnisneh1 Zur Wirkung des Progressionsvorbehalts s. Frotscher, Internationales Steuerrecht3, Rz. 167 ff. 2 Eine Tabelle mit den Härteausgleichszonen für die einzelnen Steuerklassen und Tarife findet sich bei Längle in Fischer/Jüptner/Pahlke/Wachter3, § 19 ErbStG Rz. 15 ff.; vgl. auch FinMin BW v. 18.1.2010 – 3 - S 3825/2.

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5.82

Kap. 5: Geistiges Eigentum im Erbschaftsteuerrecht

mer oder Pflichtteilsberechtigte). Zusätzlich zum Erwerber erstreckt sich die Steuerschuldnerschaft bei einer Schenkung auch auf den Schenker und bei einer Zweckzuwendung auch auf den mit der Zuwendung Beschwerten. Der Beschenkte bleibt als Erwerber auch dann Steuerschuldner, wenn der Schenker im Verhältnis zum Beschenkten die Entrichtung der geschuldeten Steuer selbst übernommen hat.1 Weitere Steuerschuldner sind die Stiftung oder der Verein. Bei Erwerbsvorgängen im Zusammenhang mit ausländischen Vermögensmassen sind diese Erwerber und damit Steuerschuldner. Daneben schuldet auch derjenige, der die Vermögensmasse gebildet oder ausgestattet hat, die zu zahlende Steuer. Da Personengesellschaften nicht als Erwerber anzusehen sind (vgl. bereits unter Rz. 5.10), können sie in der Folge auch nicht Steuerschuldner i.S. von § 20 ErbStG sein. Steuerschuldner sind vielmehr die jeweiligen Gesamthänder.2 Schulden hinsichtlich eines Erwerbvorgangs mehrere die Steuer (z.B. Erwerber und Schenker), haften sie stets nach § 44 Ab. 1 Satz 1 AO als Gesamtschuldner. Den Steuerbehörden steht damit ein Auswahlermessen zu, wem gegenüber die Steuer festzusetzen ist (§ 5 AO). Allerdings ist dieses Ermessen regelmäßig dahingehend eingeschränkt, dass zunächst der Erwerber in Anspruch zu nehmen ist.3 Anders verhält es sich, wenn der Schenker im Verhältnis zum Beschenkten die Entrichtung der geschuldeten Steuer selbst übernommen hat und dies dem Finanzamt bei Erlass des Steuerbescheids bekannt ist.4

5.83

Zusätzlich zur Steuerschuldnerschaft sieht § 20 ErbStG noch verschiedene Haftungstatbestände vor. So haftet bei Erbengemeinschaften der Nachlass bis zur Auseinandersetzung (§ 2042 BGB) für die Steuer der am Erbfall Beteiligten (§ 20 Abs. 3 ErbStG). Zur Gruppe der Beteiligten i.S. der Vorschrift gehören nach richtiger Ansicht jedoch nur die Erben, nicht aber Vermächtnisnehmer oder Pflichtteilberechtigte.5 Ein weiterer Haftungstatbestand ist für den Fall vorgesehen, in dem der Steuerschuldner den (Teil-)Erwerb vor Entrichtung der Erbschaftsteuer unentgeltlich einer anderen Person zuwendet (§ 20 Abs. 5 ErbStG). In dieser Konstellation haftet der unentgeltlich Bereicherte persönlich als Haftungsschuldner für die ursprünglich, d.h. (für den Ersterwerb) vom Steuerschuldner zu entrichtende Steuer. Für den Zweiterwerb ist der unentgeltlich Entreicherte als Erwerber selber Steuerschuldner. Der Haftungsschuldner darf nach § 219 AO auf Zahlung nur in Anspruch genommen werden, soweit die Vollstreckung in das bewegliche Vermögen des Steuerschuldners ohne Erfolg geblieben oder anzunehmen ist, dass die Vollstreckung aussichtslos sein würde. Schließlich haften auch Versicherungsunternehmen sowie 1 Gebel in Troll/Gebel/Jülicher, § 20 ErbStG Rz. 20; Meincke15, § 20 ErbStG Rz. 5. 2 BFH v. 14.9.1994 – II R 95/92, BStBl. II 1995, 81. 3 BFH v. 29.11.1961 – II 282/58 U, BStBl. III 1962, 323. 4 BFH v. 1.7.2008 – II R 2/07, BStBl. II 2008, 897. 5 Unter Hinweis auf die Gesetzesbegründung Meincke15, § 20 ErbStG Rz. 11; a.A. Jüptner in Fischer/Jüptner/Pahlke/Wachter3, § 20 ErbStG Rz. 32; Gebel in Troll/ Gebel/Jülicher, § 20 ErbStG Rz. 52.

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F. Steuerfestsetzung und Erhebung

Gewahrsamsinhaber (z.B. Kreditinstitute oder Treuhänder), wenn Versicherungsgelder vor Entrichtung oder Sicherstellung der Steuer an im Ausland wohnhafte Berechtigte ausgezahlt werden sollen bzw. Vermögen in das Ausland verbracht werden soll. Die Vorschrift soll verhindern, dass ein zunächst realisierbarer Steueranspruch vereitelt wird.1 Die Gruppe der Gewahrsamsinhaber ist jedoch eng auszulegen. Danach müssen die Gewahrsamsinhaber bereits im Zeitpunkt des Erbfalls den Gewahrsam über die Vermögensgegenstände ausgeübt haben.2 Die Haftung entfällt nach § 20 Abs. 7 ErbStG bereits dem Grunde nach, wenn der dem Berechtigten zur Verfügung gestellte Betrag 600 Euro nicht übersteigt (Haftungsfreigrenze).

II. Anrechnung ausländischer Erbschaftsteuer Greift mehr als ein Staat auf dasselbe Besteuerungssubstrat zu, kommt es regelmäßig zu einer Doppelbesteuerung. Der häufigste Fall in der Praxis ist das Zusammentreffen von unbeschränkter Steuerpflicht eines Steuerpflichtigen in einem Staat und beschränkter Steuerpflicht desselben Steuerpflichtigen in einem anderen Staat.3 Eine derartige Doppelbesteuerung ist auch im Zusammenhang mit der Erhebung der Erbschaftsteuer möglich. So kommt es beispielsweise zu einer doppelten Besteuerung, wenn eine im Ausland ansässige Person inländisches Vermögen i.S. von § 121 BewG durch Erbanfall erwirbt (z.B. ein Patent) und der Ansässigkeitsstaat eine unbeschränkte Besteuerung des weltweiten Erwerbs von Todes wegen vorsieht (Besteuerung nach dem sog. Universalitäts- oder Weltvermögensprinzip4). In diesem Fall erheben zwei Staaten (Ansässigkeitsstaat und Deutschland) eine Erbschaftsteuer auf denselben Erwerb. Doppelbesteuerungen sind zudem denkbar, weil Vermögensgegenstände von mehreren Staaten als im Inland belegen angesehen werden. Das betrifft insbesondere Immaterialgüterrechte und Anteile an Personengesellschaften.5 Andererseits gibt es Staaten, die im Wege der Schenkung übertragene immaterieller Wirtschaftgüter unbesteuert lassen und nur im Falle des Erwerbs von Todes wege eine Besteuerung vorsehen, so dass nur in letzterer Konstellation eine Doppelbesteuerung denkbar ist.6 Eine Doppelbesteuerung kann durch bilateral abgeschlossene DBA verhindert oder zumindest abgemildert werden. Im Gegensatz zu den bereits zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen abgeschlossenen DBA sind die auf dem Gebiet der Erbschaftbesteuerung ausgehandelten DBA bisher überschaubar.7 Um den1 2 3 4

BFH v. 12.3.2009 – II R 51/07, BStBl. II 2009, 783. Meincke15, § 20 ErbStG Rz. 21. Haase in Haase, AStG/DBA, Einleitung II OECD-MA Rz. 35 ff. Zu den Anknüpfungspunkten der Besteuerung vgl. Haase in Haase, AStG/DBA, Einleitung II OECD-MA Rz. 26 ff. 5 Jülicher in Troll/Gebel/Jülicher, § 2 ErbStG Rz. 147. 6 Götz/Jorde, NWB Fach 10 Seite 1533 (1539). 7 Zum Stand der DBA BMF v. 12.1.2011 – IV B 2 - S 1301/07/10017 - 02, BStBl. I 2011, 69. Zum Reformbedarf des OECD-Musterabkommens für die Erbschaftsteuer s. auch Zietemann, Hefte zur Internationalen Besteuerung, Heft 166.

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5.84

Kap. 5: Geistiges Eigentum im Erbschaftsteuerrecht

noch eine Doppelbesteuerung zu vermeiden, findet sich in § 21 ErbStG eine unilaterale Regelung, nach der unter bestimmten Voraussetzungen eine Anrechnung ausländischer Erbschaftsteuer vorgenommen wird.

5.85

Nach § 21 ErbStG ist eine (der deutschen Erbschaft- bzw. Schenkungsteuer entsprechende) ausländische Steuer auf die deutsche Erbschaftsteuer anzurechnen,1 wenn die folgenden Voraussetzungen erfüllt sind. Es muss zunächst ein Fall der unbeschränkten Steuerpflicht nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG vorliegen (vgl. Rz. 5.9). Liegt ein Fall der beschränkten Steuerpflicht, der erweiterten beschränkten Steuerpflicht oder der Erbersatzsteuer bei Stiftungen oder Vereinen vor, ist § 21 ErbStG hingegen nicht anwendbar.2 Die ausländische Steuer muss der deutschen Steuer entsprechen.3 Ob die ausländische Steuer wie in Deutschland als Erbanfallsteuer oder vielmehr als Nachlasssteuer4 ausgestaltet ist, ist irrelevant. Die Möglichkeit der Anrechnung besteht nur, wenn kein DBA besteht. Dies gilt selbst dann, wenn zwar ein DBA besteht, aber eine Freistellung oder Anrechnung der Steuer aufgrund dieses DBA dem Grunde nach versagt bleibt. Besteht allerdings ein DBA, das nur den Erwerb von Todes wegen regelt, bleibt § 21 ErbStG für Fälle der Schenkungen unter Lebenden auch weiterhin anwendbar.5 Die Regelungen des § 21 ErbStG finden zudem entsprechende Anwendung, wenn die Anrechnungsmöglichkeit aufgrund eines DBA besteht, aber das Verfahren an sich nicht näher bestimmt wird (§ 21 Abs. 4 ErbStG). Als weitere Voraussetzung muss die ausländische Steuer tatsächlich gezahlt worden sein und darf keinem Ermäßigungsanspruch unterliegen. Eine bloße Festsetzung der ausländischen Steuer reicht nicht aus.

5.86

Die ausländische Steuer ist nur insoweit auf die deutsche Erbschaftsteuer anzurechnen, als das Auslandsvermögen auch der deutschen Erbschaftsteuer unterliegt. Besteht der Erwerb nur zum Teil aus Auslandsvermögen, ist der auf dieses Auslandsvermögen entfallende Teilbetrag der deutschen Erbschaftsteuer zu ermitteln, da die ausländische Steuer nur bis zur Höhe des Teilbetrags (Anrechnungshöchstbetrag) auf die deutsche Steuer angerechnet werden kann. Die Berechnung des Anrechnungshöchstbetrags erfolgt in der Weise, dass die für das steuerpflichtige Gesamtvermögen einschließlich des steuerpflichtigen Auslandsvermögens sich ergebende Erbschaftsteuer im Verhältnis des steuerpflichtigen Aus1 Im Schrifttum wird teilweise auch vertreten, dass dem Steuerpflichtigen ein Wahlrecht zwischen Anrechnungs- und Abzugsmethode zustehe. Letztere Methode kann im Einzelfall für den Steuerpflichtigen günstiger sein, vgl. Meincke15, ErbStG, § 21 Rz. 2 m.w.N. 2 Damit gilt § 21 ErbStG nicht für das unter Rz. 5.84 dargestellte Beispiel einer auftretenden Doppelbesteuerung, wenn der Erwerber aufgrund seiner Ansässigkeit im Ausland im Inland nur der beschränkten Steuerpflicht unterliegt. 3 Vgl. zu einzelnen Ländern H 82 ErbStH 2003. 4 Zur Anrechnung ausländischer Nachlasssteuer s. R 82 Abs. 1 ErbStR 2003; R E 21 Abs. 1 ErbStR 2011-E. 5 Meincke15, § 21 ErbStG Rz. 9.

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F. Steuerfestsetzung und Erhebung

landsvermögens zum steuerpflichtigen Gesamtvermögen aufgeteilt wird.1 Ist das Auslandsvermögen in verschiedenen ausländischen Staaten belegen, ist der Anrechnungshöchstbetrag für jeden einzelnen ausländischen Staat gesondert zu berechnen. Wird der für einen ausländischen Staat errechnete Anrechnungshöchstbetrag nicht vollständig ausgeschöpft, kann der insoweit nicht genutzte Teil nicht zur Erhöhung des Anrechnungshöchstbetrags eines anderen ausländischen Staats verwendet werden (sog. per-country-limitation). Welches Vermögen als Auslandsvermögen zu qualifizieren ist, hängt von der Ansässigkeit des Erblassers ab. War der Erblasser zur Zeit seines Todes Inländer, gelten alle Vermögensgegenstände der in § 121 BewG genannten Art (vgl. zu den Einzelheiten des § 121 BewG auch Rz. 5.12 ff.), die auf einen ausländischen Staat entfallen, sowie alle Nutzungsrechte an diesen Vermögensgegenständen als Auslandsvermögen (enger Vermögensbegriff). War der Erblasser hingegen zur Zeit seines Todes kein Inländer, sind alle Vermögensgegenstände mit Ausnahme des Inlandsvermögens i.S. des § 121 BewG sowie alle Nutzungsrechte an diesen Vermögensgegenständen als Auslandsvermögen anzusehen (weiter Vermögensbegriff). Die ausländische Steuer ist nur dann anrechenbar, wenn die deutsche Erbschaftsteuer für das Auslandsvermögen innerhalb von fünf Jahren seit dem Zeitpunkt der Entstehung der ausländischen Erbschaftsteuer entstanden ist (§ 21 Abs. 1 Satz 4 ErbStG). Die Anrechnung wird zudem nur auf Antrag des Steuerpflichtigen gewährt. Über die Höhe des Auslandsvermögens und über die Festsetzung und Zahlung der ausländischen Steuer hat der Erwerber einen Nachweis durch Vorlage entsprechender – auf Verlangen der Steuerbehörde übersetzter – Urkunden zu führen.

5.87

III. Besteuerung von Renten, Nutzungen und Leistungen Beim steuerpflichtigen Erwerb von Renten und anderen wiederkehrenden Nutzungen oder Leistungen besteht die Gefahr, dass der Erwerber aufgrund des nicht sofortigen, sondern sukzessiven Zuflusses wirtschaftlich nicht in der Lage ist, die auf den Erwerb zu entrichtende Steuer zu zahlen.2 Um daraus resultierende unbillige Härten zu vermeiden, sieht § 23 ErbStG für den Erwerber die Möglichkeit vor, die Steuer statt sofort vom Kapitalwert (§ 12 Abs. 1 ErbStG i.V.m. §§ 13–16 BewG) auch jährlich im Voraus von dem Jahreswert zu entrichten (Jahresbesteuerung).3 Nicht anwendbar ist diese besondere Stundungsform des § 23 ErbStG jedoch auf Erbbauzinsen und erbbaurechtsbelastete Grundstücke.4 Wählt der Erwerber die jährliche Besteuerung, kann er diese regelmäßig ohne Eingriff in seine Vermögenssubstanz aus den ihm tatsächlich laufend zufließenden Nutzungen oder 1 Ein Berechnungsbeispiel findet sich bei Schulte, Erbschaftsteuerrecht, Rz. 894. 2 Vgl. auch BFH v. 23.2.1994 – X R 123/92, BStBl. II 1994, 690. 3 Zu Vor- und Nachteilen der Jahressteuer ausführlich Moench, ZEV 2001, 303 (303 f.). 4 Jüptner in Fischer/Jüptner/Pahlke/Wachter3, § 23 ErbStG Rz. 22 f.

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5.88

Kap. 5: Geistiges Eigentum im Erbschaftsteuerrecht

Leistungen (z.B. Lizenzgebühren) entrichten. Das Wahlrecht steht nach dem ausdrücklichen Wortlaut der Vorschrift nur dem Erwerber und damit nicht dem Schenker zu. Dies gilt auch, sofern der Schenker die Steuer übernehmen will oder er als Steuerschuldner von den Steuerbehörden in Anspruch genommen wird.1 Für die Besteuerung nach dem Jahreswert bedarf es eines entsprechenden Antrags des Erwerbers. Ohne einen Antrag erfolgt die einmalige Besteuerung auf Grundlage des Kapitalwerts.2

5.89

Für die Berechnung der jährlichen Steuer (Jahressteuer) ist der Jahreswert so zu berechnen, wie er sich nach den Verhältnissen vom Todestag des Erblassers bzw. im Zeitpunkt der Schenkung ergab (§ 11 ErbStG). Der Bewertungsstichtag für die Wertermittlung des Jahreswerts ist damit identisch mit dem Bewertungsstichtag für die Berechnung des Kapitalwerts. Die Steuer auf Grundlage des Jahreswerts ist einmalig für die ganze Laufzeit festzusetzen. Schwankungen der Jahresnutzungen haben keinerlei Auswirkungen auf die Höhe der Jahressteuerbeträge.3 Ist die Höhe der Jahresnutzung in ihrem Betrag ungewiss oder schwankend (z.B. bei einem Nießbrauch an Aktien), so ist bei der Berechnung des Kapitalwerts von Nutzungen und Leistungen der Betrag zugrunde zu legen, der in Zukunft im Durchschnitt der Jahre voraussichtlich erzielt wird (§ 15 Abs. 3 BewG).4

5.90

Die Jahressteuer wird nach dem Steuersatz erhoben, der sich nach § 19 ErbStG für den gesamten Erwerb einschließlich des Kapitalwerts der Renten oder anderen wiederkehrenden Nutzungen oder Leistungen ergibt (§ 21 Abs. 1 Satz 2 ErbStG). Der Erwerber erlangt durch die Wahl der Jahressteuer somit keinerlei Vorteile in Hinblick auf den progressiv ausgestalteten Steuertarif. Es gilt der Steuersatz, der auch bei der Sofortbesteuerung auf Grundlage des Kapitalwerts anzuwenden ist. Der Steuersatz wird allerdings bei der Jahressteuer nur auf den Jahreswert entrichtet und nicht auf den Kapitalwert. Die Berücksichtigung der Freibeträge des Steuerpflichtigen erfolgt über die sog. Aufzehrungsmethode5 oder auf Antrag des Erwerbers auch über die sog. Kürzungsmethode. Bei der Aufzehrungsmethode wird die Jahressteuer solange nicht erhoben, bis der Freibetrag durch die Jahreswerte aufgebraucht wurde. Bei der Kürzungsmethode wird der Jahreswert hingegen kontinuierlich um einen Teil des Freibetrags gekürzt.6

5.91

Der Erwerber hat das Recht, die Jahressteuer zum jeweils nächsten Fälligkeitstermin mit ihrem Kapitalwert abzulösen (§ 23 Abs. 2 Satz 1 ErbStG). Für die Ermittlung des Kapitalwerts im Ablösungszeitpunkt sind die Vor1 Jüptner in Fischer/Jüptner/Pahlke/Wachter3, § 23 ErbStG Rz. 49; Jülicher in Troll/Gebel/Jülicher, § 23 ErbStG Rz. 7; a.A. Meincke15, § 35 ErbStG Rz. 1; FinMin BW v. 9.9.2008 – 3 - S 3834/2, DStR 2008, 1927. 2 Schulte, Erbschaftsteuerrecht, Rz. 383. 3 BFH v. 6.6.1951 – III 140/50 S, BStBl. III 1951, 142, v. 11.10.1957 – III 139/56 U, BStBl. III 1957, 447. 4 BFH v. 8.6.1977 – II R 79/69, BStBl. II 1979, 562. 5 H 84 ErbStH 2003. 6 Moench, DStR 1985, 259 (259 f.).

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F. Steuerfestsetzung und Erhebung

schriften der §§ 13 und 14 des BewG anzuwenden. Der Antrag auf Ablösung der Jahressteuer ist spätestens bis zum Beginn des Monats zu stellen, der dem Monat vorausgeht, in dem die nächste Jahressteuer fällig wird.

IV. Mehrfacher Erwerb desselben Vermögens Zur Vermeidung unbilliger Härten sieht § 27 ErbStG eine Ermäßigung der Erbschaftsteuer für solche Fälle vor, in denen dasselbe Vermögen innerhalb von zehn Jahren mehr als einmal zugewendet wird. Die Härteregelung beschränkt sich allerdings auf solche Konstellationen, in denen sowohl der erste als auch der diesem nachfolgende Erwerb in die Steuerklasse I (vgl. Rz. 5.75) fallen. Das Angehörigkeitsverhältnis ist stets aus der Sicht des jeweiligen Erwerbsvorgangs zu bestimmen. Die Vorschrift verlangt jedoch nicht, dass auch der Erblasser bzw. Schenker des ersten Steuerfalls zum Erwerber des nachfolgenden Erwerbs in einem Verhältnis stehen, auf das die Steuerklasse I anzuwenden gewesen wäre.1 Die Ermäßigung beläuft sich zwischen 10 % und 50 % in Abhängigkeit der Zeitspanne zwischen den beiden Zeitpunkten der Entstehung der Steuer. Ist die Erbschaftsteuer zu ermäßigen, wird das begünstigte Vermögen bei der Berechnung des darauf entfallenden Steuerbetrags höchstens mit dem Wert angesetzt, mit dem es beim Vorerwerber tatsächlich schon einmal der Besteuerung unterlag. Eine zwischen den beiden Erwerben eingetretene Wertsteigerung kann nicht in die Ermäßigung einbezogen werden. Ist zwischen den beiden Erwerben eine Wertminderung eingetreten, darf nur der geminderte Wert im Zeitpunkt des Nacherwerbs in die Ermäßigung einbezogen werden.2

5.92

V. Stundung Nach § 28 ErbStG wird die Erbschaftsteuer unter bestimmten Voraussetzungen gestundet. Gehört zum Erwerb Betriebsvermögen oder land- und forstwirtschaftliches Vermögen, ist dem Erwerber die darauf entfallende Erbschaftsteuer auf Antrag bis zu zehn Jahren zu stunden, soweit dies zur Erhaltung des Betriebs notwendig ist. Die Vorschrift ist gleichermaßen für Erwerbe von Todes wegen und Schenkungen unter Lebenden anwendbar.3 Betriebsvermögen i.S. der Vorschrift ist solches nach § 18 i.V.m. §§ 95 ff. BewG, d.h. dem Betrieb gewidmete Vermögenswerte. Betriebsvermögen i.S. der Vorschrift sind auch Anteile an einer Personengesellschaft i.S. des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Abs. 3 oder § 18 Abs. 4 EStG. Von der Vorschrift nicht umfasst ist jedoch der Erwerb von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft (Aktien oder GmbH-Anteile), auch dann nicht, wenn es sich bei dem

1 Pahlke in Fischer/Jüptner/Pahlke/Wachter3, § 27 ErbStG Rz. 4. 2 R 85a Abs. 1 ErbStR 2003; R E 27 Abs. 1 ErbStR 2011-E. 3 Argumentum e contrario § 28 Abs. 1 Satz 2 ErbStG.

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5.93

Kap. 5: Geistiges Eigentum im Erbschaftsteuerrecht

Erwerb um die Anteile an einer Einmann-GmbH handelt.1 Nicht erfasst ist auch ein etwaiges am Betriebsvermögen eingeräumtes Nießbrauchrecht, da Nutzungsrechte nicht als Betriebsvermögen zu qualifizieren sind.2

5.94

Ein Anspruch auf Stundung nach § 28 ErbStG besteht nicht, wenn der Erwerber die Steuer für den Erwerb von Betriebsvermögen und land- und forstwirtschaftlichem Vermögen aus erworbenem weiteren Vermögen oder aus eigenem Vermögen aufbringen kann.3 Bei der Prüfung der Frage, ob durch die sofortige Entrichtung der Erbschaftsteuer der Betrieb gefährdet wird, sollen nach Ansicht der Finanzverwaltung Nachlassverbindlichkeiten des Erwerbers, die nicht zu den Betriebsschulden gehören (z.B. Pflichtteile, Vermächtnisse), außer Betracht bleiben.4 In jedem Fall kann jedoch eine Stundung nach § 222 AO vom Steuerpflichtigen beantragt werden. Letztere allgemeine Stundungsvorschrift tritt selbständig neben § 28 ErbStG (§ 28 Abs. 1 Satz 3 ErbStG). Allerding ist § 222 AO als Ermessensvorschrift ausgestaltet, so dass für den Steuerpflichtigen ein Anspruch nur auf eine ermessensfehlerfreie Entscheidung durch die Finanzbehörden besteht. Im Gegensatz zu § 222 AO ist keine Sicherheitsleistung für die Stundung erforderlich. Allerdings werden – sofern nicht unbillig – Stundungszinsen nach § 234 AO erhoben. Stundungszinsen werden allerdings ausdrücklich nicht in den Fällen des Erwerbs von Todes wegen erhoben.

VI. Erlöschen der Steuer in besonderen Fällen 5.95

In vier besonderen Fällen erlischt nach § 29 Abs. 1 ErbStG die Steuer. Der Katalog der Tatbestandvoraussetzungen ist abschließend. Die Steuer erlischt nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG mit Wirkung für die Vergangenheit, soweit ein Geschenk wegen eines Rückforderungsrechts herausgegeben werden musste. Als gesetzliche Rückforderungsrechte kommen u.a. in Betracht die Rückforderung wegen Nichtvollziehung einer Auflage (§ 527 Abs. 1 BGB), Verarmung des Schenkers (§ 528 BGB) oder Widerrufs wegen groben Undanks (§§ 530 ff. BGB). Das vom Erwerber an den Schenker herausgegebene Geschenk ist damit nicht als weitere Schenkung unter Lebenden anzusehen, die einer Besteuerung unterliegt. Ein weiterer Erlöschensgrund tritt ein, soweit die Herausgabe des Geschenks gemäß § 528 Abs. 1 Satz 2 BGB durch Zahlung abgewendet worden ist (§ 29 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG). Der dritte Fall betrifft die Anrechnung einer unentgeltlichen Zuwendung auf die Ausgleichsforderung im Zugewinnausgleich gemäß § 1380 Abs. 1 BGB (§ 29 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG). Im letzten Fall werden solche Erwerbe mit Wirkung für die Vergangenheit freigestellt, die innerhalb von 24 Monaten nach dem Zeitpunkt der Entstehung der Steuer (§ 9 1 R 86 Abs. 1 ErbStR 2003; R E 28 Abs. 1 ErbStR 2011-E; Jülicher in Troll/Gebel/ Jülicher, § 28 ErbStG Rz. 4; kritisch Meincke15, § 28 ErbStG Rz. 1 sowie Pahlke in Fischer/Jüptner/Pahlke/Wachter3, § 28 ErbStG Rz. 3 m.w.N. 2 Jülicher in Troll/Gebel/Jülicher, § 28 ErbStG Rz. 4. 3 BFH v. 11.5.1988 – II B 28/88, BStBl. II 1988, 730. 4 R 86 Abs. 2 ErbStR 2003; R E 28 Abs. 4 ErbStR 2011-E; zu Recht kritisch Meincke15, § 28 ErbStG Rz. 6; Jülicher in Troll/Gebel/Jülicher, § 28 ErbStG Rz. 6 m.w.N.

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F. Steuerfestsetzung und Erhebung

ErbStG) dem Bund, einem Land, einer inländischen Gemeinde (Gemeindeverband) oder einer gemeinnützigen inländischen Stiftung zugewendet werden (§ 29 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG). Nach § 29 Abs. 2 ErbStG sollen Nutzungen, die bei dem ursprünglich Beschenkten verbleiben, auch weiterhin der Besteuerung unterliegen.1 Der Anwendungsbereich der Vorschrift ist allerdings in der Praxis eher gering, da bei Rückabwicklungsverhältnissen regelmäßig die Vorschriften des Bereicherungsrechts zur Anwendung kommen.2 Nach § 818 Abs. 1 BGB erstreckt sich die Verpflichtung zur Herausgabe auch auf die gezogenen Nutzungen. Damit sind bereits nach Bereicherungsrecht Zinsen und Dividenden als unmittelbare Rechtsfrüchte sowie Lizenzgebühren als mittelbare Rechtsfrüchte herauszugeben.3 Ebenfalls nach § 818 Abs. 1 BGB herauszugeben sind Zahlungen, die an den Bereicherten aufgrund der Verletzung eines Urheberrechts geleistet wurden.4 § 29 Abs. 2 ErbStG kommt schließlich auch dann nicht zur Anwendung, wenn die Schenkung unter Nießbrauchsvorbehalt getätigt wurde und dem Erwerber letztlich keine Nutzungen zustanden.5

5.96

VII. Anzeige des Erwerbs und Erklärungspflichten Jeder der Erbschaftsteuer nach § 1 ErbStG unterliegende Erwerb ist vom Erwerber, bei einer Zweckzuwendung vom Beschwerten, dem für die Verwaltung der Erbschafteuer zuständigen Finanzamt anzuzeigen (§ 30 ErbStG). Für die Anzeige des Erwerbs ist eine Frist von drei Monaten nach erlangter Kenntnis von dem Anfall oder von dem Eintritt der Verpflichtung einzuhalten. Erfolgt der steuerpflichtige Erwerb durch Rechtsgeschäft unter Lebenden (Schenkung), ist zur Anzeige auch derjenige verpflichtet, aus dessen Vermögen der Erwerb stammt. Eine Anzeigepflicht besteht damit auch für den Schenker.6 Einer Anzeige bedarf es nach § 30 Abs. 3 ErbStG hingegen nicht, wenn der Erwerb auf einer von einem deutschen Gericht, einem deutschen Notar oder einem deutschen Konsul eröffneten Verfügung von Todes wegen beruht und sich aus der Verfügung das Verhältnis des Erwerbers zum Erblasser unzweifelhaft ergibt. In diesen Fällen ist eine Anzeige bereits durch die genannten Personen nach § 34 ErbStG gewährleistet. Der Erwerber hat dennoch den Erwerb anzuzeigen, wenn zum Erwerb Grundbesitz, Betriebsvermögen oder Anteile an Kapitalgesellschaften, die nicht der Anzeigepflicht nach § 33 ErbStG unterliegen, gehört. Gleiches gilt, wenn der Erwerb ganz oder teilweise aus Auslandsvermögen besteht. Eine Anzeige kann auch dann unterbleiben, 1 Kritisch, da der Fiskus seinerseits keine Nutzungsvorteile herauszugeben hat, Meincke15, § 29 ErbStG Rz. 17. 2 Meincke15, § 29 ErbStG Rz. 18; vgl. auch Pahlke in Fischer/Jüptner/Pahlke/ Wachter3, § 29 ErbStG Rz. 103. 3 Vgl. Ellenberger in Palandt70, § 99 BGB Rz. 3 f. 4 Sprau in Palandt70, § 818 BGB Rz. 9. 5 Pahlke in Fischer/Jüptner/Pahlke/Wachter3, § 29 ErbStG Rz. 104. 6 Dazu kritisch Meincke15, § 30 ErbStG Rz. 7.

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5.97

Kap. 5: Geistiges Eigentum im Erbschaftsteuerrecht

wenn eine Schenkung unter Lebenden oder eine Zweckzuwendung gerichtlich oder notariell beurkundet ist. In diesem Fall kann der Steuerpflichtige abwarten, ob er von den Steuerbehörden nach § 31 Abs. 1 ErbStG zur Abgabe einer Steuererklärung aufgefordert wird.

5.98

Die Anzeige soll den vollständigen Namen, Beruf, Anschrift des Erblassers bzw. Schenkers und des Erwerbers, Todestag und Sterbeort des Erblassers bzw. Zeitpunkt der Ausführung der Schenkung, Gegenstand und Wert des Erwerbs, Rechtsgrund des Erwerbs (z.B. gesetzliche Erbfolge, Vermächtnis, Ausstattung), persönliches Verhältnis des Erwerbers zum Erblasser oder zum Schenker (z.B. Verwandtschaft) sowie Angaben über frühere Zuwendungen des Erblassers oder Schenkers an den Erwerber nach Art, Wert und Zeitpunkt der einzelnen Zuwendung enthalten.

5.99

Zur Anzeige verpflichtet sind auch Personen, die sich geschäftsmäßig mit der Verwahrung oder Verwaltung fremden Vermögens befassen (§ 33 ErbStG). Von der Vorschrift sind damit in erster Linie Banken und Sparkassen betroffen. Die Anzeigepflicht trifft aber gleichermaßen Rechtsanwälte, Notare, Steuerberater und Wirtschaftsprüfer.1 Die Pflicht zur Anzeige besteht auch dann, wenn an dem in Verwahrung oder Verwaltung befindlichen Wirtschaftsgut außer dem Erblasser auch noch andere Personen beteiligt sind.2 Nach § 33 Abs. 3 ErbStG haben zudem Versicherungsunternehmen dem Finanzamt eine Anzeige zu erstatten, bevor Versicherungssummen oder Leibrenten einem anderen als dem Versicherungsnehmer ausgezahlt oder zur Verfügung gestellt werden. Gerichte, Behörden (insbesondere Standesämter), Beamte und Notare haben einer Anzeigepflicht gegenüber den Finanzämtern hinsichtlich solcher Beurkundungen, Zeugnisse und Anordnungen nachzukommen, wenn diese für die Festsetzung einer Erbschafteuer von Bedeutung sein können (§ 34 Abs. 1 ErbStG). Einzelheiten zu den Anzeigepflichten regeln die §§ 4 ff. ErbStDV.

VIII. Steuererklärung 5.100

Grundlage für die Steuerfestsetzung ist regelmäßig die Steuererklärung durch den Steuerpflichtigen. Während die Anzeige die Finanzbehörden über einen möglichen steuerpflichtigen Erwerb in Kenntnis setzen soll, dient die Steuererklärung der genauen Berechnung der Steuern der Höhe nach. Das Finanzamt kann nach § 31 Abs. 1 ErbStG von jeder an einem Erbfall, an einer Schenkung oder an einer Zweckzuwendung beteiligten Person die Abgabe einer Erklärung verlangen. Die Erklärung kann somit auch von Personen gefordert werden, die nicht selber steuerpflichtig sind. Die Steuererklärung ist gemäß § 150 Abs. 1 Satz 1 AO nach amtlich vorgeschriebenem Vordruck abzugeben. Die Erklärung hat ein Verzeichnis der zum Nachlass gehörenden Gegenstände und die sonstigen für die Fest1 Pahlke in Fischer/Jüptner/Pahlke/Wachter3, § 33 ErbStG Rz. 14; Meincke15, § 33 ErbStG Rz. 3. 2 § 1 Abs. 2 ErbStDV.

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F. Steuerfestsetzung und Erhebung

stellung des Gegenstands und des Werts des Erwerbs erforderlichen Angaben zu enthalten. Der Erwerber von Betriebsvermögen hat zudem nach amtlichem Vordruck eine Vermögensaufstellung als Anlage zur Erklärung abzugeben, aus der sich die für die Wertermittlung erforderlichen Angaben ergeben. Dies gilt gleichermaßen für bilanzierende und nichtbilanzierende Gewerbetreibende sowie freiberuflich Tätige.1 Gehören zum Erwerb Immaterialgüterrechte, die in Lizenz vergeben oder in sonstiger Weise gegen Entgelt einem Dritten zur Ausnutzung überlassen sind, sind die wiederkehrenden Zahlungen für die im Rahmen der Bewertung vorzunehmende Kapitalisierung zu beziffern (s. auch Rz. 6.104). Werden in der Erklärung trotz Aufforderung keine oder nur unzureichende Angaben zum Betriebsvermögen gemacht, ist das Finanzamt nicht verpflichtet, den Wert im Besteuerungszeitpunkt von Amts wegen aufwändig zu ermitteln. Vielmehr sind dann die Besteuerungsgrundlagen insoweit zu schätzen.2 Für die Erstellung der Erklärung bestimmt das Finanzamt eine Frist, die mindestens einen Monat zu betragen hat (§ 31 Abs. 1 Satz 2 ErbStG). Sind mehrere Erben vorhanden, sind diese nach § 31 Abs. 4 ErbStG berechtigt, die Steuererklärung gemeinsam abzugeben. In diesem Fall ist die Steuererklärung von allen Beteiligten zu unterschreiben. Sind an dem Erbfall außer den Erben noch weitere Personen beteiligt, können solche Beteiligte im Einverständnis mit den Erben in die gemeinsame Steuererklärung einbezogen werden. Geben mehrere Erben (ggf. zusammen mit anderen Beteiligten) keine gemeinsame Steuererklärung ab, so bleibt die Verpflichtung zur Abgabe von Einzelsteuererklärungen bestehen, und zwar innerhalb der vom Finanzamt nach Maßgabe des § 31 Abs. 1 ErbStG gesetzten Frist. Im Ergebnis muss somit auch eine gemeinsame Steuererklärung innerhalb der für die Abgabe der Einzelsteuererklärung gesetzten Frist abgegeben werden.3

5.101

IX. Örtliche Zuständigkeit Die örtliche Zuständigkeit des für die Steuerfestsetzung (und für die gesamte Bearbeitung des Falls)4 verantwortlichen Finanzamts wird durch § 35 ErbStG bestimmt. Danach ist für die Steuerfestsetzung in den Fällen, in denen der Erblasser zur Zeit seines Todes oder der Schenker zur Zeit der Ausführung der Zuwendung ein Inländer war, das Finanzamt örtlich zuständig, das sich bei sinngemäßer Anwendung von § 19 Abs. 1 AO und § 20 AO ergibt. Aus der Verweisung folgt, dass bei natürlichen Personen für die Festsetzung das Finanzamt örtlich zuständig ist, in dessen Bezirk der Erblasser oder der Schenker seinen Wohnsitz oder in Ermangelung eines Wohnsitzes seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte bzw. hat (Wohnsitzfinanzamt). Bei mehrfachem Wohnsitz im Inland ist der Wohnsitz maß1 2 3 4

R 39 Abs. 3 ErbStR 2003; R B 109.2 Abs. 4 ErbStR 2011-E. H 39 ErbStH 2003. H 87 ErbStH 2003. Meincke15, § 35 ErbStG Rz. 1.

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5.102

Kap. 5: Geistiges Eigentum im Erbschaftsteuerrecht

gebend, an dem sich der Erblasser oder der Schenker vorwiegend aufgehalten hat bzw. aufhält. Bei einem mehrfachem Wohnsitz eines verheirateten Erblassers oder Schenkers, der von seinem Ehegatten nicht dauernd getrennt lebte bzw. lebt, ist schließlich der Wohnsitz maßgebend, an dem sich die Familie vorwiegend aufhält. Im Fall der erweiterten unbeschränkten Steuerpflicht, d.h. des Wegzugs und Aufenthalts im Ausland über einen Zeitraum von nicht mehr als 5 Jahren (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b ErbStG), richtet sich die Zuständigkeit nach dem letzten inländischen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt des Erblassers oder Schenkers.

5.103

Ist der Schenker eine Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse, so bestimmt sich die örtliche Zuständigkeit nach § 20 AO und damit regelmäßig nach dem Sitz der Geschäftsleitung. Fehlt es an einer Geschäftsleitung im Inland, ist der Sitz maßgeblich. Hat der Schenker auch keinen Sitz im Inland, richtet sich die Zuständigkeit nach der Belegenheit des überwiegenden Teils des Vermögens des Schenkers bzw. nach dem Ort, an dem die Tätigkeit des Schenkers vorwiegend ausgeübt oder verwertet wird. Sind an einem Erbfall mehrere inländische Erwerber mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt in verschiedenen Finanzamtsbezirken beteiligt, ist das Finanzamt örtlich zuständig, das zuerst mit der Sache befasst wird (§ 35 Abs. 2 Satz 2 ErbStG).

5.104

Obwohl das ErbStG als Erbanfallsteuer ausgestaltet ist und auf die persönlichen Verhältnisse des Empfängers abstellt, richtet sich die örtliche Zuständigkeit des Finanzamts regelmäßig nach Kriterien, die beim Erblasser oder Schenker vorlagen bzw. vorliegen. Dies resultiert im Wesentlichen aus Praktikabilitätsgründen, da sich durch das Wohnsitzfinanzamt des Erblassers bzw. Schenkers der Wert des Vermögens leichter ermitteln lässt.1 Etwas anderes gilt nach § 35 Abs. 2 ErbStG allerdings in Fällen, in denen bei einer Schenkung unter Lebenden der Erwerber, bei einer Zweckzuwendung unter Lebenden der Beschwerte eine Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse ist oder der Erblasser zur Zeit seines Todes oder der Schenker zur Zeit der Ausführung der Zuwendung kein Inländer war. Liegen die vorgenannten Voraussetzungen vor, bestimmt sich die örtliche Zuständigkeit nach den Verhältnissen des Erwerbers bzw. bei Zweckzuwendungen nach den Verhältnissen des Beschwerten zur Zeit des Erwerbs.

5.105

In den Fällen der beschränkten Steuerpflicht (§ 2 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG) ist das Finanzamt örtlich zuständig, das sich bei sinngemäßer Anwendung des § 19 Abs. 2 AO ergibt (§ 35 Abs. 4 ErbStG). Danach ist das Finanzamt örtlich zuständig, in dessen Bezirk sich das der Erbschaftsteuer unterliegende inländische Vermögen befindet oder, wenn dies für mehrere Finanzämter zutrifft, in dessen Bezirk sich der wertvollste Teil des Vermögens befindet. Offen bleibt allerdings im letzten Fall, welches Finanzamt die Bewertung des Vermögens vorzunehmen hat.2 1 Moench/Albrecht, Erbschaftsteuerrecht2, Rz. 273. 2 Meincke15, § 35 ErbStG Rz. 7.

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Kapitel 6 Bewertung von geistigem Eigentum Literatur: Bauer/Wartenburger, Neuere Entwicklungen im Bereich des reformierten Erbschaftsteuer- und Bewertungsrechtes – Teil 2, MittBayNot 2010, 435; Beck’scher Bilanzkommentar, hrsg. von Ellrott/Förschle/Kozikowski/Winkeljohann, 7. Aufl. 2010; Beck’sches Steuer- und Bilanzrechtslexikon, 2011; Bentele/Buchele/Hoepfner/Liebert, Markenwert und Markenwerteermittlung. Eine systematische Modelluntersuchung und -bewertung, 3. Aufl. 2009; Brändel, Verrechnungspreise bei grenzüberschreitender Lizenzierung von Marken im Konzern, Diss. 2010; Bruckmeier/Zwirner/Mugler, Unternehmensbewertung im Erbschaftsteuerrecht: Handlungsempfehlungen und Modellrechnungen – §§ 199 ff. BewG und IDW S 1 im Vergleich, DStR 2011, 422; Castedello/Schmusch, Markenbewertung nach IDW S 5, WPg 2008, 350; Echterling/Fischer/Kranz, Die Erfassung der Markenstärke und des Markenpotenzials als Grundlage der Markenführung in: Backhaus/Meffert/ Meffert/Perrey/Schröder (Hrsg.), Arbeitspapiere Nr. 2, Münster 2002, 1–42; Esch, Strategie und Technik der Markenführung, 6. Aufl. 2010; Farsky/Sattler, Markenbewertung in: Albers/Herrmann, Handbuch Produktmanagement: Strategieentwicklung – Produktplanung – Organisation – Kontrolle, 3. Aufl. 2007, 220; Högl/ Hupp/Maul/Sattler, Der Geldwert der Marke als Erfolgsfaktor für Marketing und Kommunikation in: GWA (Hrsg.), Der Geldwert der Marke. Erfolgsfaktor für Marketing und Kommunikation, 2002, 37; Högl/Twardawa/Hupp, Key Driver Starker Marken in: GWA (Hrsg.), Key Driver Starker Marken, 2001, 15; Hommel/Buhleier/ Pauly, Bewertung von Marken in der Rechnungslegung – eine kritische Analyse des IDW ES 5, BB 2006, 371; Hübner, Erbschaftsteuer-Bewertungserlasse, Teil B: Einzelunternehmen und Personengesellschaften, DStR 2009, 2577; IDW Standard: Grundsätze zur Bewertung immaterieller Vermögenswerte (IDW S 5), WPg Supplement 2010, 109; Joppich/Nestler, Die Lizenzanalogie bei Markenverletzungen auf dem Prüfstand: Rechtliche Anforderungen und betriebswirtschaftliche Anwendung, WRP 2003, 1409; Kasperzak/Krag/Wiedenhofer, Konzepte zur Erfassung und Abbildung von intellectual Capital, DStR 2001, 1494; Kasperzak/Nestler, Bewertung von immateriellen Vermögen. Anlässe, Methoden und Gestaltungsmöglichkeiten, 2010; Kleineidam, Verrechnungspreise für immaterielle Wirtschaftsgüter in: Schaumburg (Hrsg.), Internationale Verrechnungspreise zwischen Kapitalgesellschaften, 1994, 103; Kreutziger/Schaffner/Stephany, Bewertungsgesetz Kommentar, 2. Aufl. 2009; Kroeber-Riel/Weinberg/Gröppel-Klein, Konsumentenverhalten, 9. Aufl. 2009; Küting/Ellmann, Die Herstellungskosten von selbst geschaffenen immateriellen Vermögensgegenständen des Anlagevermögens, DStR 2010, 1300; Neumayer/Imschweiler, Schenkungsteuer beim Ausscheiden eines Gesellschafters auf Basis gesellschaftsvertraglicher Abfindungsklauseln, DStR 2010, 201; Niemann, Immaterielle Wirtschaftsgüter im Handels- und Steuerrecht, 2. Aufl. 2006; Olbrich/Hares/Pauly, Erbschaftsteuerreform und Unternehmensbewertung, DStR 2010, 1250; Reese, Die Bewertung von Immaterialgüterrechten, Diss. 2005; Rödl/ Preißer u.a., Erbschaft- und Schenkungsteuer Kompakt Kommentar, 2009; Sattler, Markenbewertung: State-of-the-Art, ZfB-Special Issue 2/2005, 33; Sattler, Grundlagen und praktische Umsetzung der Bewertung von Marken aus Sicht des Marketings in: GWA (Hrsg.), Der Geldwert der Marke. Erfolgsfaktor für Marketing und Kommunikation, 2002, 17; Siegers, Die verdeckte Einlage immaterieller Wirtschaftsgüter – Ansatz in der Steuerbilanz und Gewinnrealisierung?, DStR 1992, 1570; Troll/Gebel/Jülicher, Erbschaftsteuergesetz Kommentar, Loseblatt; Perridon/ Steiner/Rathgeber, Finanzwirtschaft der Unternehmung, 15. Aufl. 2009; Piltz, Unternehmensbesteuerung im neuen Erbschaftsteuerrecht, DStR 2008, 745; Piltz, Erbschaftsteuer-Bewertungserlass: Allgemeines und Teil A (Anteile an Kapitalge-

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Kap. 6: Bewertung von geistigem Eigentum

sellschaften), DStR 2009, 1829; Velte/Sepetauz, BilMoG: Ansatzwahlrecht für selbst geschaffene immaterielle Anlagegüter, BC 2010, 349; Vögele/Borstell/Engler, Verrechnungspreise, 3. Aufl. 2011; Wangler, Einfluss des neuen Bewertungs- und Erbschaftsteuerrechts auf Abfindungsregelungen in Gesellschaftsverträgen, DStR 2009, 1501; Wassermann, Mittelständische Unternehmensbewertung im neuen Erbschaftsteuerrecht – Eine ökonomische Analyse, DStR 2010, 183; Wöhe, Einführung in die allgemeine Betriebswirtschaftslehre, 23. Aufl. 2008.

A. Einführung 6.1

Das nachfolgende Kapitel widmet sich der Bewertung des geistigen Eigentums wie Marken, Know How, Erfindungen und Rechte, also der Wertermittlung der Höhe nach für ertrag- und erbschaftsteuerliche Zwecke sowie für Zwecke der Funktionsverlagerung. Ausgangspunkt der Darstellung sind die Grundlagen, welche die Bewertungsanlässe, Bewertungsmaßstäbe, Bewertungsverfahren sowie Besonderheiten der Bewertung immaterieller Werte umfassen. Die Bewertung für ertragsteuerliche Zwecke beschränkt sich im Wesentlichen auf die Einzelbewertung der immateriellen Werte, hingegen die für erbschaftsteuerliche Zwecke auf die Bewertung der immateriellen Wirtschaftsgüter als Teil der zu bewertenden Sachgesamtheiten.

B. Grundlagen I. Vorbemerkung 6.2

Die Bewertung geistigen Eigentums für steuerliche Zwecke erscheint nur notwendig, wenn ein bestimmter Bewertungsanlass vorliegt. So stellen die Einlage, die Einbringung, die Schenkung oder der Erwerb von Todes wegen sowie der Kauf und Verkauf ebenso wie die Funktionsverlagerung mögliche Bewertungsanlässe dar, die eine Bewertung der immateriellen Werte notwendig machen. Für die Ermittlung der nach den steuerrechtlichen Vorschriften maßgeblichen Bewertungsmaßstäbe, wie der Anschaffungs- und Herstellungskosten, der gemeinen und Teilwerte, stehen unterschiedliche Bewertungsverfahren zur Verfügung. Zu ihnen gehören die marktpreis-, kosten- und kapitalwertorientierten Verfahren. Für die Bewertung bestimmter Werte wie Marken, Know How oder kundenorientierter Werte bereitet deren Anwendung in der Praxis besondere Schwierigkeiten.

II. Bewertungsanlässe 6.3

Die Bewertung immaterieller Werte erscheint für steuerliche Zwecke aus unterschiedlichen Gründen notwendig. Die verschiedenen, die Bewertung auslösenden Ereignisse können in Zugangs-, Folge- und Abgangsbewertungen untergliedert werden. Typische Fälle, die eine Zugangsbewertung 306

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B. Grundlagen

auslösen, sind der Kauf oder die Herstellung immaterieller Werte sowie ihre Einbringung oder Einlage in eine Gesellschaft. Die Abschreibung abnutzbarer Wirtschaftsgüter über ihre planmäßige Nutzungsdauer sowie die außerplanmäßige Abschreibung aufgrund von dauerhaften Wertminderungen sind die Bewertungsanlässe der Folgebewertung, die immer dann für das einzelne Wirtschaftsgut zu erfolgen hat, wenn dieses am Bilanzstichtag noch zum Betriebsvermögen des Steuerpflichtigen gehört. Endet die Zugehörigkeit des Wirtschaftsguts, so erfordert das Ausscheiden des Wirtschaftsguts aus dem Betriebsvermögen ebenfalls eine Bewertung. Mögliche Anlässe können der Verkauf, auch im Zuge eines Tauschs, die unentgeltliche Übertragung in das eigene oder das Betriebsvermögen eines anderen Steuerpflichtigen sowie die Entnahme als Grundlage für die Schenkung aus privaten Gründen sein. Eine Bewertung des Wirtschaftguts kann auch dann vorzunehmen sein, wenn nicht das Wirtschaftsgut aus dem Betriebsvermögen ausscheidet, sondern der deutsche Besteuerungszugriff endet und das Steuerrecht eine Aufdeckung der in den Wirtschaftsgütern enthaltenen stillen Reserven, wie beispielsweise im Fall der Überführung der immateriellen Werte in eine ausländische Betriebsstätte oder im Zuge einer Funktionsverlagerung (Rz. 6.127 ff.), vorsieht. Die Bewertung immaterieller Werte des Privatvermögens erscheint hingegen nur ausnahmsweise notwendig, wenn beispielsweise ein privates Veräußerungsgeschäft vorliegt oder der jeweilige Wert unentgeltlich im Wege der Schenkung oder aufgrund eines Erwerbs von Todes wegen auf einen anderen Rechtsträger übertragen wird (Bewertung für erbschaftsteuerliche Zwecke s. Rz. 6.67 ff.).

III. Bewertungsmaßstäbe Zentrale Norm für die Bewertung von Wirtschaftsgütern für steuerliche Zwecke ist § 6 EStG, welche die Bewertung aller Wirtschaftsgüter regelt, die zum Betriebsvermögen eines Steuerpflichtigen gehören und Gegenstand der Gewinnermittlung i.S. des § 4 Abs. 1 oder § 5 EStG sind. Für die Bestimmung des Bewertungsmaßstabs unterscheidet diese Regelung zwischen Wirtschaftsgütern des Anlage- und Umlaufvermögens, die sowohl abnutzbar als auch nicht abnutzbar sein können.

6.4

Für die Fälle der Zugangsbewertung sind die Anschaffungs- und Herstellungskosten gem. § 6 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 EStG die zentralen Bewertungsmaßstäbe. Ausnahmen gelten gem. § 6 Abs. 1 Nr. 5 EStG für die Einlage1 und gem. § 6 Abs. 1 Nr. 7 EStG für den Erwerb eines ganzen Be-

6.5

1 Die Einlage löst grundsätzlich eine Bewertung mit dem Teilwert aus. Etwas anderes gilt jedoch für die Wirtschaftsgüter, die erst drei Jahre vor dem Zeitpunkt der Zuführung angeschafft oder hergestellt wurden. Sind diese Wirtschaftsgüter abnutzbar, so sind diese mit den um die zwischen Anschaffung bzw. Herstellung tatsächlich vorgenommenen oder fiktiv möglichen Abschreibungen geminderten, ansonsten mit den gesamten Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten zu bewerten. Eine weitere Ausnahme gilt für Anteile an Kapitalgesellschaften i.S. des

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Kap. 6: Bewertung von geistigem Eigentum

triebs1 sowie gem. § 6 Abs. 6 EStG für die Einbringung2 und den Tausch von Wirtschaftsgütern; so sehen die ersten beiden Regelungen eine Bewertung mit dem Teilwert und die letzen beiden eine Bewertung mit dem gemeinen Wert des hingegebenen Wirtschaftsguts vor. Zum gemeinen Wertansatz kommt es aufgrund der sog. Fiktionstheorie auch dann, wenn eine verdeckte Gewinnausschüttung vorliegt und die Gesellschaft die Wirtschaftsgüter zu einem überhöhten Preis angeschafft hat.

6.6

Für die Folgebewertung sieht § 6 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 EStG vor, dass die abnutzbaren Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens mit ihren fortgeführten Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten (Buchwert)3 zu bewerten sind, also linear über die planmäßige Nutzungsdauer abzuschreiben und in der Bilanz mit den um diese Abschreibung geminderten Anschaffungs- oder Herstellungskosten zu erfassen sind. Etwas anderes gilt nur dann, wenn die Wirtschaftsgüter einer voraussichtlich dauerhaften Wertminderung unterliegen. Dann sind sie gem. § 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 und Nr. 2 Satz 2 EStG mit dem niedrigeren Teilwert zu erfassen. Haben Wirtschaftsgüter einer solchen Teilwertabschreibung unterlegen, so ist an den folgenden Bilanzstichtagen zu prüfen, ob der Grund für die dauerhafte Wertminderung noch besteht und wenn nicht, eine Wertaufholung auf den Teilwert vorzunehmen, wobei die (fortgeführten) Anschaffungs- oder Herstellungskosten die Bewertungsobergrenze sind.

6.7

Für die Bewertung der Wirtschaftsgüter bei Ausscheiden aus dem Betriebsvermögen enthält die Regelung des § 6 EStG keine allgemeine Vorschrift. I.d.R. erfolgt die Bewertung des Wirtschaftsguts unter Aufdeckung der stillen Reserven aufgrund der erhaltenen Gegenleistung, die entweder in Bar- oder Sachwerten erfolgen kann und i.d.R. dem gemeinen Wert des hingegebenen Wirtschaftsguts entsprechen wird. Erfolgt die Übertragung gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten, so handelt es sich um eine Sonderform des Tauschs, wonach die ausscheidenden Wirtschaftsgüter gem. § 6 Abs. 6 EStG ebenfalls mit ihren gemeinen Werten zu bewerten sind. Ausnahmsweise können die Wirtschaftsgüter davon abweichend § 17 EStG, die nach ständiger Rechtsprechung des BFH mit den Anschaffungskosten einzulegen sind. Wurde das Wirtschaftsgut vorher aus einem anderen Betriebsvermögen entnommen, so ist der Entnahmewert maßgeblich. Anteile an Kapitalgesellschaften sind mit ihren Anschaffungskosten zu bewerten. 1 Die Anschaffungskosten des ganzen Betriebs sind auf die einzelnen Wirtschaftsgüter zu verteilen, wobei auf das einzelne Wirtschaftsgut höchsten die Anschaffungs- und Herstellungskosten entfallen dürfen. 2 Die Einbringung stellt ebenfalls einen tauschähnlichen Vorgang dar, bei dem die Wirtschaftsgüter gegen Gesellschaftsrechte auf die Gesellschaft übertragen werden. 3 Der Buchwert entspricht bei Zugang dem Wert, mit dem die Wirtschaftsgüter in der Bilanz enthalten sind, und bei Folgebewertung den fortgeführten Anschaffungs- oder Herstellungskosten, wenn es sich um ein abnutzbares Wirtschaftsgut des Anlagevermögens handelt, ansonsten den Anschaffungs- oder Herstellungskosten. Im Fall einer Teilwertabschreibung entspricht der Buchwert dem Teilwert.

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B. Grundlagen

ohne Aufdeckung der stillen Reserven übertragen bzw. überführt1 werden, wenn die Voraussetzungen der Regelungen des § 6 Abs. 5 EStG für Einzelwirtschaftsgüter oder des UmwStG für Sachgesamtheiten bzw. für Fälle des Anteilstauschs erfüllt sind. Im Fall einer unentgeltlichen Übertragung bzw. Überführung der Wirtschaftsgüter sind die Wirtschaftsgüter bei Übertragung in das Betriebsvermögen eines anderen nach § 6 Abs. 4 EStG mit dem gemeinen Wert oder im Fall einer Entnahme in das Privatvermögen nach § 6 Abs. 1 Nr. 4 EStG mit dem Teilwert zu bewerten. Scheidet das Wirtschaftsgut nicht aus dem Betriebsvermögen des Steuerpflichtigen aus, sondern wird von einer inländischen in eine ausländische Betriebsstätte überführt, so liegt zwar eine Entnahme vor, aus der allerdings gem. § 4 Abs. 1 Satz 3, 4 i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 EStG der gemeine Wertansatz resultiert. Scheidet das Wirtschaftsgut im Zuge einer verdeckten Gewinnausschüttung aus, so ist für die Bewertung nicht der vereinbarte Kaufpreis, sondern der gemeine Wert maßgeblich. Aufgrund der Maßgeblichkeit der Handels- für die Steuerbilanz gelten die handelsrechtlichen Bewertungsgrundsätze i.S. des § 252 HGB auch für das Steuerrecht. Demnach sind die Grundsätze des Bilanzzusammenhangs, der Fortführung der Unternehmenstätigkeit, der Einzelbewertung sowie das Stichtags- und Vorsichtsprinzip ebenso wie die Grundsätze der periodengerechten Erfolgsabgrenzung und der Bewertungsstetigkeit auch für die Bewertung immaterieller Werte für steuerliche Zwecke zu beachten. Dabei folgt aus dem Realisationsprinzip, dass die (fortgeführten) Anschaffungs- und Herstellungswerte für steuerliche Zwecke einerseits die Bewertungshöchstwerte und andererseits mit Ausnahme der Fälle der Teilwertabschreibung die Mindestwerte der Bewertung der Höhe nach darstellen. Die Bewertung selbst hat i.d.R. zum Bilanzstichtag, also unter Berücksichtigung der Verhältnisse an diesem Stichtag, zu erfolgen. Dabei sind werterhellende Tatsachen, die zwischen dem Bilanzstichtag, aber vor dem Bilanzerstellungstag eingetreten sind, zu berücksichtigen. Dies gilt jedoch nicht für wertbegründende Tatsachen, die nach dem Bilanzstichtag erst eingetreten sind. Die Bewertung von Entnahmen, Einlagen oder Abgängen erfolgt davon abweichend sofort bei Eintritt des Ereignisses.2

6.8

Steuerrechtliche Spezialvorschriften wie die Bewertung von Wirtschaftsgüter nach Vornahme einer steuerfreien Rücklage i.S. des § 6b EStG oder die Bewertung der immateriellen Werte als Gegenstand des Leistungspakets im Fall einer Funktionsverlagerung nach § 1 Abs. 3 Satz 9 ff. AStG oder eines schenkung- bzw. erbschaftsteuerpflichtigen Vorgangs nach § 1 i.V.m. § 12 ErbStG gehen der allgemeinen Regelung des § 6 EStG als speziellere Normen vor. Den allgemeineren Regelungen des Bewertungsgesetzes hingegen geht § 6 EStG vor.3

6.9

1 § 6 Abs. 5 EStG findet auch dann Anwendung, wenn die Wirtschaftsgüter ohne Gewährung von Gesellschaftsrechten überführt werden. 2 Vgl. Ehmcke in Blümich, § 6 EStG Rz. 36. 3 Vgl. Ehmcke in Blümich, § 6 EStG Rz. 29.

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Kap. 6: Bewertung von geistigem Eigentum

6.10

Keine Anwendung findet die zentrale Regelung des § 6 EStG aufgrund ihres eingeschränkten Anwendungsbereichs für immaterielle Werte, die zum Privatvermögen und nicht zum Betriebsvermögen gehören. Ihre Bewertung richtet sich im Fall einer Schenkung oder eines Erwerbs von Todes wegen nach § 12 ErbStG oder § 17 und § 23 EStG, die aber ebenfalls eine Bewertung zu Anschaffungskosten sowie zum gemeinen Wert vorsehen. Das Erbschaft- bzw. Schenkungsteuerrecht verweist für die meisten zu bewertenden Werte auf die allgemeinen Regelungen des BewG, das beispielsweise eine Bewertung zum gemeinen Wert, Teilwert, Nennwert und Rücknahmepreis vorsieht, sowie für bestimmte Werte wie Grundvermögen und Betriebsvermögen auf die besonderen Regelungen des BewG.

IV. Überblick über die Bewertungsverfahren 6.11

Gegenstand der Bewertung sind grundsätzlich die einzelnen immateriellen Werte, es sei denn, diese stellen als ein Bündel zusammenhängender immaterieller Werte eine Bewertungseinheit dar.1 Mögliche Bewertungsobjekte können marketingbezogene, kundenorientierte, auf sonstigen vorteilhaften Verträgen oder Rechten basierende immaterielle, technologiebezogene und kunstbezogene immaterielle Werte sein. Mögliche Bewertungsverfahren sind die marktpreis-, kosten- und kapitalwertorientierten Verfahren. Die kapitalwertorientierten Verfahren können auch als einkommensbasierte Verfahren bezeichnet werden.2

6.12

Die marktpreisorientierten Verfahren erscheinen nur ausnahmsweise für die Bewertung geeignet, wenn ein aktiver Markt für die jeweiligen immateriellen Werte vorhanden ist, auf dem vergleichbare Bewertungsobjekte als homogene Objekte jederzeit zwischen vertragswilligen Käufern und Verkäufern gehandelt werden und die Ergebnisse der Preisverhandlungen, d.h. die tatsächlichen Preise der Werte, auch öffentlich bekannt sind. Die beobachtbaren Marktpreise entsprechen dann dem Wert des Bewertungsobjekts. Erscheinen diese Preise aufgrund der eingeschränkten Vergleichbarkeit der Transaktionen nur bedingt übertragbar, so sind Vergleiche durchzuführen und auf Grundlage der Ergebnisse Anpassungen vorzunehmen (Analogiemethode).

1 Die nachfolgende Darstellung basiert auf dem IDW Standard: Grundsätze zur Bewertung immaterieller Vermögenswerte (IDW S 5), WPg Supplement 2010, 109 ff. Für eine weitere, mögliche Gliederung der Bewertungsverfahren und Quantifizierung intellektuellen Kapitals vgl. Kasperzak/Krag/Wiedenhofer, DStR 2001, 1494 ff. 2 So bezeichnen sie Vögele/Sedlmayr in Vögele/Borstell/Engler, Verrechnungspreise3, Rz. H 178 ff. Die Verwendung dieses Begriffs verdeutlicht die Einflussnahme des immateriellen Wirtschaftsguts auf das Einkommen des Nutzungsberechtigten, die nicht nur durch eine Einkommenserhöhung im Zuge der Verwirklichung zusätzlicher Einnahmen, sondern beispielsweise auch durch niedrigere Ausgaben resultieren kann.

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B. Grundlagen

Kostenorientierte Verfahren basieren auf der Grundidee, dass der Wert eines immateriellen Wirtschaftsguts nicht, wie aus betriebswirtschaftlicher Sicht, dem erwarteten zukünftigen finanziellen Nutzen entspricht, den ein Erwerber aus dem Vermögenswert erzielen kann, sondern entweder den Wiederbeschaffungs- oder den Reproduktionskosten. Daher sollten diese Methoden (Wiederbeschaffungskosten- und Reproduktionskostenmethode) nur dann Anwendung finden, wenn eine Bewertung zu Anschaffungskosten vorgesehen ist, die anderen Methoden, insbesondere die kapitalwertorientierten Methoden, zu keinen Ergebnissen führen, oder für Plausibilitätsprüfungen. So entfaltet der Substanzwert als Wiederbeschaffungswert des Unternehmens beispielsweise bei der Ermittlung der Preisuntergrenze des Verkäufers einer Unternehmung Bedeutung.

6.13

Nach den kapitalwertorientierten Bewertungsverfahren ermöglichen immaterielle Wirtschaftsgüter die künftige Erzielung von Cash Flows, weswegen deren Wert der Summe der Barwerte der künftig während der erwarteten wirtschaftlichen Nutzungsdauer und ggf. infolge der Veräußerung erzielbaren Cash Flows zum maßgeblichen Bewertungszeitpunkt entspricht und deren Bewertung die Prognose der bewertungsrelevanten Cash Flows, der wirtschaftlichen Nutzungs- bzw. Restnutzungsdauer sowie die Ermittlung des Kapitalisierungszinssatzes erfordert. Als Methoden stehen für die Ermittlung des „Mehrwerts“, der durch den Einsatz des immateriellen Wirtschaftsguts erzielt werden kann, vier Methoden zur Verfügung.

6.14

Können die Cash Flows dem immateriellen Wert direkt zugerechnet werden, weil das Wirtschaftsgut beispielsweise einem Dritten entgeltlich zur Nutzung überlassen wird, so kann die Methode der unmittelbaren Cash Flow-Prognose zur Anwendung kommen. Dabei werden die ermittelten Cash Flows mit dem vermögenswertspezifischen risikoadjustierten Kapitalisierungszinssatz diskontiert. Sind die zu bewertenden immateriellen Wirtschaftsgüter hingegen Gegenstand von Lizenzen, deren Gebühren öffentlich bekannt oder zugänglich sind, so kann die Lizenzpreisanalogiemethode angewendet werden. Nach dieser Methode entspricht der Wert des immateriellen Wirtschaftsguts den über die wirtschaftliche Nutzungsdauer diskontierten „fiktiven“ Aufwendungen, die der Eigentümer für eine Lizenzhereinnahme eines vergleichbaren Werts zahlen müsste, also seiner Kostenersparnis. Bei der Mehrgewinnmethode wird der Wert des immateriellen Wirtschaftsguts durch einen Vergleich der zukünftig erzielbaren Cash Flows des eigenen Unternehmens mit denen eines fiktiven Vergleichsunternehmens ermittelt, welche dieses ohne Einsatz des zu bewertenden Vermögenswerts erzielt. Aufgrund der Abhängigkeit von der Vergleichsgröße ermöglicht diese Methode nur dann eine sachgerechte Bewertung, wenn der Cash Flow des Vergleichsunternehmens verlässlich ermittelt werden kann. Entfaltet der zu bewertende immaterielle Wert seine Nutzenwirkung ausschließlich im Verbund mit anderen immateriellen Werten, hat dabei jedoch selbst einen erheblichen Einfluss auf die Höhe des Cash Flows des Unternehmens, so kann für seine Bewer-

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Kap. 6: Bewertung von geistigem Eigentum

tung die Residualwertmethode geeignet sein. Nach dieser Methode werden von den Zahlungsüberschüssen der Gesamtheit der immateriellen Werte fiktive Auszahlungen für die „unterstützenden“ Vermögenswerte vorgenommen, als wären sie, wie bei Anwendung der Lizenzpreisanalogiemethode, gemietet oder geleast. Bei der Ableitung der fiktiven Nutzungsrechte sind die Werteverzehre aller unterstützenden Vermögenswerte sowie die angemessen Verzinsung des eingesetzten Kapitals zu berücksichtigen. Die verbleibende Residualgröße entspricht dem gesuchten Wert des immateriellen Wirtschaftsguts.

6.16

Die aufgezeigten Methoden zur Isolierung des Cash Flows stehen grundsätzlich gleichberechtigt nebeneinander, wobei der Einzelfall einen Anwendungsvorrang bedingen kann. Die anschließende Diskontierung der finanziellen Überschüsse auf den Bewertungsstichtag setzt die Ermittlung des vermögenswertspezifischen Kapitalisierungszinssatzes1 voraus, der i.d.R. nach der Risikozuschlagsmethode auf Grundlage der Kapitalmarktdaten ermittelt wird. Nach Auffassung des IDW sollte der risikolose Basiszinssatz aus den periodenspezifischen Zerobondkrediten der aktuellen Zinsstrukturkurve äquivalent zur Nutzungsdauer des jeweiligen Vermögenswerts abgeleitet werden. Der Risikozuschlag kann auf Basis des Capital Asset Pricing Model (CAPM)2 oder des Tax-Capital Asset Pricing Model (Tax-CAPM) ermittelt werden. Durch die Gewährung eines Risikozuschlags wird das mit dem Vermögenswert verbundene Risiko berücksichtigt und durch eine entsprechende Risikoprämie vergütet. Grundlage dieser Methode sind Kapitalmarktdaten, die eine marktorientierte Bestimmung der Risikozuschlagssätze ermöglichen.3 Sollten keine Kapitalmarktdaten für das jeweilige Unternehmen vorliegen, so wird der 1 Der Kapitalisierungszinssatz repräsentiert eine alternative Anlagemöglichkeit gleichen Risikos. Er setzt sich aus einem risikolosen Basiszinssatz und einem Risikozuschlag zusammen. 2 Mit diesem Modell kann erklärt werden, welchen Preis Investoren im Kapitalmarktgleichgewicht unter stark vereinfachenden modellmäßigen Bedingungen für die Übernahme von Risiken verlangen. Wesentliche Prämissen des Modells sind, dass sich die Marktteilnehmer i.S. der Portfoliotheorie verhalten, d.h. risikoavers sind und ausschließlich in effiziente Portefeuilles investieren, sie alle dieselben Erwartungen über das Risiko und die Rendite aller Wertpapiere haben und auf dem Kapitalmarkt unbeschränkt entweder risikoloses Geld anlegen oder Kredite zu einem einheitlichen Zinssatz aufnehmen können. Da die Anleger homogene Erwartungen haben, ist die Effizienzlinie für alle gleich. Für welche Anlagemöglichkeit sich der einzelne Investor entscheidet, ist vom Ausmaß seiner Risikoaversion abhängig. Dabei werden rational handelnde Anleger das gesamte Kapital in einen Mischportefeuille investieren, der sich aus der risikolosen Anlage und dem Wertpapierportefeuille zusammensetzt. Die einzelnen effizienten Mischportefeuilles können auf einer Gerade, der sog. Kapitalmarktlinie, abgebildet werden. Sie verdeutlicht, dass zwischen der Rendite und dem Risiko ein linearer Zusammenhang besteht. Vgl. dazu Wöhe, Einführung in die allgemeine Betriebswirtschaftslehre23, 683 sowie Perridon/Steiner/Rathgeber, Finanzwirtschaft der Unternehmung15, 264. 3 Vgl. IDW Standard: Grundsätze zur Bewertung immaterieller Vermögenswerte (IDW S 1), FN-IDW 2005, 555 ff., Rz. 85 ff.

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B. Grundlagen

Risikozuschlag aus einer sog. Peer Group abgeleitet. Als solche sind vor allem Unternehmen geeignet, die bei einer vergleichbaren Unternehmensgröße einer vergleichbaren operativen Unternehmenstätigkeit nachgehen und bei der Leistungserstellung oder Positionierung auf dem Absatzmarkt vergleichbare Vermögenswerte einsetzen, sowie ggf. Unternehmen, deren Geschäftszweck in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Wirtschaftsgut steht. Hilfsweise kommen als Peer Group auch Unternehmen einer vergleichbaren Branche in Betracht, wobei abweichende Risikostrukturen durch Zu- oder Abschläge beim Risikozuschlag auszugleichen sind.1 Das Ergebnis der Diskontierung entspricht dem Wert des immateriellen Wirtschaftsguts. Wesentliche Aspekte der Bewertung von immateriellen Werten wie Marken, Patenten und Geschmacksmustern sind nach Reese die Schutzdauer, der Inhalt der Verwertungsrechte, das Schutzgebiet, mögliche Beschränkungen durch den eigentlichen Rechteinhaber, gesetzliche Schranken, Ausübungsregeln sowie bei der Bewertung von Urheberrechten die sonstigen Rechte.2

6.17

V. Besonderheiten der Bewertung immaterieller Werte Die Besonderheiten der Bewertung immaterieller Werte resultieren aus deren Eigenschaften. So entfalten die unterschiedlichen Arten der Immaterialgüter als nicht monetäre Werte ohne physische Substanz3 einen entscheidenden Einfluss auf den Unternehmenserfolg, gleichwohl erscheint die Entstehung, Entwicklung und der Einsatz der Güter als Werttreiber des Unternehmens nur schwer kalkulierbar. Die Benennung des Einflusses des einzelnen Wirtschaftsguts erscheint dabei schwierig, weil die meisten immateriellen Werte ihren wirtschaftlichen Wert ausschließlich im Verbund mit bestimmten anderen materiellen und immateriellen Gütern entfalten können. Gleichzeitig unterscheidet sich die Einflussnahme des einzelnen Wirtschaftsguts auf den Erfolg unterschiedlicher Unternehmen ggf. und auch die Einflussnahme der unterschiedlichen Güter auf den Unternehmenserfolg des einzelnen Unternehmens deutlich. So kann das Wirtschaftsgut für das eine Unternehmen den entscheidenden Wettbewerbsvorteil darstellen, für ein anderes Unternehmen derselben oder einer anderen Branche ggf. gar keinen wirtschaften Wert entfalten, oder die einen Werte bei dem nutzungsberechtigten Unternehmen zu Mehreinnahmen, andere Werte hingegen zu Kostensenkungen und wiederum andere Werte zu keinen spürbaren monetären Wirkungen führen, jedoch das Unternehmen vor dem Markteintritt potentieller Konkurrenten schützen. Darüber hinaus beeinflussen die schwierige Ersetzbar1 Vgl. IDW Standard: Grundsätze zur Bewertung immaterieller Vermögenswerte (IDW S 5), WPg Supplement 2010, 109 ff., Rz. 43. 2 Vgl. Reese, Die Bewertung von Immaterialgüterrechten, 139. 3 Vgl. IDW Standard: Grundsätze zur Bewertung immaterieller Vermögenswerte (IDW S 5), WPg Supplement 2010, 109 ff., Rz. 3; DRS 12 Rz. 7; H 5.5 EStH.

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6.18

Kap. 6: Bewertung von geistigem Eigentum

keit und der fehlende Handel sowie die eingeschränkte Handelbarkeit die Bewertung.1

C. Bewertung für ertragsteuerliche Zwecke I. Überblick 6.19

Gegenstand der nachfolgenden Darstellung sind die inhaltlichen Bestimmungen sowie Ermittlung der unterschiedlichen Bewertungsmaßstäbe, der Anschaffungs- und Herstellungskosten, des gemeinen sowie des Teilwerts für die Einzelbewertung immaterieller Wirtschaftsgüter. Unberücksichtigt bleiben die Vorschriften über die planmäßigen Abschreibungen sowie Sonderabschreibungen der immateriellen Werte, da diese Normen nicht in direktem Zusammenhang mit der Bewertung stehen, sondern vielmehr die Verteilung der Ausgaben zur periodengerechten Erfolgsermittlung beinhalten.2 Im Zuge der Ermittlung des gemeinen Werts werden die wesentlichen Möglichkeiten der Bewertung bestimmter immaterieller Werte wie Marken, Know How, Urheberrechte, Software, Forderungen und Verbindlichkeiten, Kundenlisten und kundenorientierte immaterielle Werte sowie Firmen- und Geschäftswerte sowie die mit deren Bewertung verbundenen Besonderheiten und Schwierigkeiten dargestellt. Bei der Bewertung zu Anschaffungs- und Herstellungskosten wird auf die Besonderheiten einzelner Wirtschaftsgüter hingewiesen.3

II. Bewertung zu Anschaffungskosten 6.20

Die Bewertung immaterieller Werte des Anlage- oder Umlaufvermögens zu Anschaffungskosten setzt einen entgeltlichen Anschaffungsvorgang4 des bereits bestehenden Wirtschaftsguts von einer anderen Person voraus.5

Vgl. Vögele/Sedlmayr in Vögele/Borstell/Engler, Verrechnungspreise3, H 164 ff. Vgl. Ehmcke in Blümich, § 6 EStG Rz. 27. Diese Wirtschaftsgüter sind in den Darstellungen fett markiert. Liegt ein teilentgeltlicher Vorgang vor, so ist dieser nach der sog. Trennungstheorie des BFH (vgl. BFH v. 4.4.2006 – IV B 12/05, BFH/NV 2006, 1460) in einen entgeltlichen und einen unentgeltlichen Erwerb aufzuteilen. Der unentgeltliche kann beispielsweise als Einlage oder als Übertragung i.S. des § 6 Abs. 4 oder § 6 Abs. 5 EStG zu behandeln sein. Die sog. Einheitstheorie findet ausschließlich auf Sachgesamtheiten wie Betriebe oder Teilbetriebe Anwendung. Daher ist deren teilentgeltlicher Erwerb nicht in einen entgeltlichen und unentgeltlichen Vorgang aufzuspalten. Nicht als Erwerb gelten hingegen die Erwerbe im Wege der Gesamtrechtsnachfolge. 5 Eine Anschaffung liegt jedoch auch bei einem abgeleiteten Erwerb vor, wenn das Recht durch den Kauf erstmals begründet wird. Dies ist zum Beispiel bei Spielerlaubnissen der Fall, die im Zuge des Verkaufs aus einer zuvor bestehenden Rechtsposition abgeleitet werden. Vgl. Ellrott/Brendt in Beck-BilKomm.7, § 255 HGB Rz. 109.

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C. Bewertung für ertragsteuerliche Zwecke

Sind diese Voraussetzungen erfüllt, so entspricht i.d.R.1 der Wert des immateriellen Wirtschaftsguts gem. § 6 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 EStG den Aufwendungen, die der Steuerpflichtige für den Erwerb und die Versetzung in einen dem angestrebten Zweck entsprechenden, insbesondere betriebsbereiten Zustand geleistet hat.2 Das Steuerrecht selbst enthält keine Definition der Anschaffungskosten, sondern bedient sich über die Maßgeblichkeit der Handels- für die Steuerbilanz3 der Definition des Handelsrechts.4 Danach gehören gem. § 255 Abs. 1 HGB zu den Aufwendungen der Anschaffungspreis, als welcher auch die an einen Arbeitnehmer als Gegenleistung für eine Arbeitnehmererfindung gezahlte Vergütung gilt,5 sowie die Anschaffungsnebenkosten, die, wie beispielsweise die Gebühren für die Beurkundung eines Kaufvertrags und Vermittlungsgebühren, im Zusammenhang mit dem Erwerb des Wirtschaftsguts stehen, soweit sie dem Wirtschaftsgut einzeln zugeordnet werden können.6 Gleichfalls zu diesen Aufwendungen, die für die Überführung aus der fremden in die eigene Verfügungsmacht geleistet werden,7 gehören die nachträglichen Anschaffungskosten, nicht aber Preisnachlässe oder Preisminderungen beispielsweise durch Gewährung von Skonti.8 Die Aufwendungen müssen sich auf 1 Eine Ausnahme gilt beispielsweise dann, wenn der Steuerpflichtige aufgrund gesellschaftsrechtlicher Verflechtungen einen unangemessen hohen Kaufpreis gezahlt hat. In diesen Fällen kann das Wirtschaftsgut nur mit den Aufwendungen bewertet werden, die der Höhe nach unter Berücksichtigung des Fremdvergleichsgrundsatzes angemessen sind. Dies meint nicht die Fälle, in denen der Steuerpflichtige einen Überpreis aus anderen Gründen gezahlt hat. 2 Vgl. Ehmcke in Blümich, § 6 EStG Rz. 90 ff. und BFH v. 2.9.1988 – III R 53/84, BStBl. II 1988, 1009 ff., Rz. 24. Auf die Zahlung des Kaufpreises kommt es indes nicht an. So trägt Anschaffungskosten auch derjenige, der den Kaufpreis noch nicht beglichen hat, sondern ganz oder teilweise schuldet. Auch die Vereinbarung eines variablen, gewinnabhängigen Entgelts gilt als Anschaffung. Aufschiebend bedingte Zahlungsverpflichtungen sind bei Eintritt der Bedingung wie nachträgliche Anschaffungskosten zu behandeln. Insoweit gelten die Grundsätze entsprechend, die der Regelung des § 5 Abs. 2a EStG zugrunde liegen. Eine Entgeltlichkeit kann daher vor Eintritt der Bedingung oder vor Anfall der künftigen Einnahmen bzw. Gewinne nicht angenommen werden. Vgl. dazu den Beschluss des BFH v. 1.9.2010 – IV B 132/09, BFH/NV 2011, 27 f. zur Frage, ob und wann ein Firmenwert unter Berücksichtigung der Regelung des § 5 Abs. 2 EStG bilanziert wird, wenn ein gewinnabhängiges Entgelt als Gegenleistung vereinbart wurde. 3 Zur Maßgeblichkeit der handelsrechtlichen Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung für die steuerliche Gewinnermittlung und Änderung des § 5 Abs. 1 EStG durch das BilMoG vgl. BMF v. 12.3.2010 – IV C 6-S 2133/09/10001, BStBl. I 2010, 239. 4 Dies gilt nur für die Fälle, in denen § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG nicht greift. Danach gelten bestimmte Aufwendungen als anschaffungsnah. Das Handelsrecht kennt diese Aufwendungen indes nicht. 5 Vgl. FG München v. 20.10.1978 – VIII (IX) 196/76, EFG 1979, 71. Auch diese Zahlung führt zur Entstehung eines immateriellen Wirtschaftsguts. 6 Vgl. dazu ständige Rechtsprechung des BFH, u.a. BFH v. 13.10.1983 – IV R 160/78, BStBl. II 1984, 101. 7 Vgl. Ehmcke in Blümich, § 6 EStG Rz. 250, der auf BFH v. 22.8.1966 – GrS 2/66, BStBl. III 1966, 672 verweist. 8 Vgl. Kulosa in Schmidt30, § 6 EStG Rz. 31 ff.

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Kap. 6: Bewertung von geistigem Eigentum

den Vorgang des Erwerbs als solchen beziehen. Für die Anerkennung als Anschaffungskosten genügt es daher nicht, wenn irgendwelche Entgelte bei Erwerb entstanden sind. Entscheidend ist allein der Zweck der Entgelte, wonach die Zahlung auf die Übertragung des Wirtschaftsguts gerichtet ist.1

6.21

Im Falle eines Tauschs entsprechen die Anschaffungskosten gem. § 6 Abs. 6 EStG dem gemeinen Wert des hingegebenen Wirtschaftsguts,2 der ggf. eine Bewertung dieses Wirtschaftsguts erforderlich macht (Rz. 6.34 ff.).3 Erfolgt die Zahlung der Entgelte und/oder der Nebenkosten in fremder Währung, so sind die Entgelte i.d.R. nach dem amtlichen Briefkurs und davon abweichend Verbindlichkeiten nach dem Geldkurs zum Zeitpunkt der Anschaffung in Euro umzurechnen. Nach Auffassung von Ehmcke bestehen keine Bedenken, die Umrechnung auf Grundlage der vom BMF monatlich bekanntgegebenen Durchschnittswerte durchzuführen, solange sie zum zutreffenden Zeitpunkt und damit insbesondere nicht bei Eingang der Rechnung oder bei Buchung des Rechnungseingangs erfolgt.4

6.22

Um Anschaffungskosten für ein immaterielles Wirtschaftsgut handelt es sich auch bei den Transferentschädigungen für Berufssportler, die letztlich für den Erwerb der Spielerlaubnis entrichtet werden. Die deutsche Finanzverwaltung betrachtet diese Zahlungen gerade nicht als sofort abzugsfähige Betriebsausgaben,5 sondern als Kosten für die Spielerlaubnis, weil zwischen der Transferverbindlichkeit und der Erteilung der Spielerlaubnis ein enger Veranlassungszusammenhang besteht, da nur nach Bezahlung der Entschädigung der den Spieler abgebende Verein einer Aufnahme des Spielers in die Transferliste zustimmen wird. Die an Spielerberater gezahlten Provisionen gehören jedoch nicht zu den Anschaffungsoder Anschaffungsnebenkosten, sondern sind im Jahr der Zahlung sofort abziehbare Betriebsausgaben.6 Es handelt sich insoweit weder um Anschaffungs- noch Anschaffungsnebenkosten für den Erwerb der Spiel-

1 Vgl. BFH v. 3.8.1993 – VIII R 32/92, DStR 1994, 746, das zur Frage der Bilanzierung von Belieferungsrechten aus Abonnentenverträgen erging. 2 Einzige Ausnahme, die nicht zur Gewinnrealisierung im Zuge des Tauschs führt, ist die Übertragung gegen Gesellschaftsrechte i.S. des § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG, weil diese zwingend zu Buchwerten zu erfolgen hat. Ansonsten kann die sofortige Gewinnrealisierung nur durch Inanspruchnahme von § 6b EStG vermieden werden, da auch der Tausch von Wirtschaftsgütern als Veräußerung gilt. 3 Vgl. Niemann, Immaterielle Wirtschaftsgüter im Handels- und Steuerrecht2, 70. 4 Vgl. Ehmcke in Blümich, § 6 EStG Rz. 313. 5 Sie begegnet damit den Vertretern jener Auffassung, die auf Grundlage des sog. „Bosman-Urteils“ des EuGH v. 15.12.1995 – C-415/93, EuGHE 1995, I-4921 die Meinung vertreten, dass diese Zahlungen sofort abzugsfähige Betriebsausgaben darstellen, weil die durch den DFB erteilte Spielerlaubnis gerade kein konzessionsähnliches Recht darstelle. Zuvor hatte BFH v. 26.8.1992 – I R 24/91, BStBl. II 1992, 977 die Spielerlaubnis als immateriellen Vermögensgegenstand i.S. des § 266 Abs. 2 A I 1 HGB anerkannt. FG MV v. 10.11.2010 – 1 K 466/07, StuB 2011, 271 entschied entsprechend, wobei Revision eingelegt wurde (Az. des BFH: I R 108/10). 6 Vgl. FG MV v. 10.11.2010 – 1 K 466/07, StuB 2011, 271.

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C. Bewertung für ertragsteuerliche Zwecke

erlaubnis. Die Spielererlaubnis selbst ist über die Dauer des Arbeitsvertrags beim erwerbenden Verein abzuschreiben.1 Ebenfalls um Anschaffungskosten für immaterielle Wirtschaftsgüter handelt es sich bei den Aufwendungen, die für den Erwerb von Software getätigt werden, soweit diese Befehlsstrukturen enthält und es dem Erwerber überwiegend auf den immateriellen und nicht auf den materiellen Wert ankommt. Dafür ist zu unterscheiden, ob der Verkörperung eine eigenständige Bedeutung zukommt oder sie den immateriellen Gehalt als „Träger“ festhalten soll. Nach der Rechtsprechung des BFH handelt es sich bei Computerprogrammen (auch bei sog. Standardsoftware2) grundsätzlich, also auch dann, wenn sie auf einem Datenträger gespeichert und transportiert werden, um immaterielle Wirtschaftsgüter, für die grundsätzlich keine Ansparabschreibung in Betracht kommt.3 Dabei hat der BFH jedoch die Frage, ob er der in R 5.5 Abs. 1 EStR enthaltenen Auffassung der Finanzverwaltung im Interesse der Vereinfachung und Typisierung folgt, zuletzt im Urteil v. 18.5.2011 ausdrücklich offen gelassen. Danach gelten Trivialprogramme, als die stets Computerprogramme mit Anschaffungskosten von weniger als 410 Euro betrachtet werden, weiterhin als materielle Wirtschaftsgüter. Zur Frage der bilanzsteuerrechtlichen Beurteilung von Aufwendungen zur Einführung eines betriebswirtschaftlichen Softwaresystems, der sog. ERP-Software,4 hat die deutsche Finanzverwaltung in einem BMF-Schreiben ausführlich zur Frage der Behandlung der mit der Anschaffung verbundenen Aufwendungen Stellung bezogen.5 Danach gehören zu den Anschaffungskosten neben dem Kaufpreis die Planungs1 Vgl. OFD Frankfurt v. 6.5.2008 – S 2170 A - 114 - St 210, StEK EStG § 5 Akt. Nr. 195. 2 Die Standardsoftware wird bislang wie ein Buch oder eine Schallplatte als materielles Wirtschaftsgut betrachtet (BFH v. 30.10.2008 – III R 82/06, BStBl. II 2009, 421). Die Finanzverwaltung hat diese Rechtsprechung anerkannt, vgl. H 5.5 „Abgrenzung zu materiellen Wirtschaftsgütern“ EStH. Diese Abgrenzung ist notwendig, weil die Software sowohl materielle als auch immaterielle Komponenten aufweist. Für diese wird auf das vorrangige Interesse des Erwerbers abgestellt, also gefragt, wofür der Kaufpreis gezahlt wird. BFH v. 18.5.2011 – X R 26/09, DB 2011, 1952 lässt offen, ob diesem Gedanken der Materialisierung der Software durch die Vervielfältigung zu folgen ist. Dabei stellt der BFH klar, dass die Vervielfältigung und auch die Speicherung der Daten auf einem Datenträger grundsätzlich keinen Einfluss auf die geistige Bedeutung des Gehalts der Software hat. Ebenfalls gegen eine Materialisierung spricht, dass der Erwerber von Software anders als der von Büchern und Schallplatten nicht frei über diese verfügen, sie insbesondere nicht weiter veräußern oder verschenken kann. 3 Die Frage, ob die von einem Systementwickler/Systeminstallateur erworbene Software steuerlich als immaterielles oder materielles und damit einer Ansparabschreibung zugängliches bewegliches Wirtschaftsgut zu qualifizieren ist, verneinte jedoch BFH v. 18.5.2011 – X R 26/09, DB 2011, 1952. Danach handelt es sich (entgegen der Auffassung des FG Köln v. 17.2.2009 – 1 K 1171/06, EFG 2009, 1540) bei Software grundsätzlich um ein immaterielles Wirtschaftsgut, für das keine Ansparabschreibung in Betracht kommt. 4 Die Abkürzung ERP steht für Enterprise Resource Planing Software. 5 Vgl. BMF v. 18.11.2005 – IV B 2 - S 2172 - 37/05, BStBl. I 2005, 1025 ff.

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6.23

Kap. 6: Bewertung von geistigem Eigentum

kosten, soweit sie in direktem Zusammenhang mit dem anzuschaffenden Softwaresystem stehen und nach der Kaufentscheidung anfallen, die Implementierungskosten für Programmänderungen und Programmerweiterungen als Anschaffungsnebenkosten, auch wenn sie Eigenleistungen wie beispielsweise Aufwendungen für die Schulung des Personals enthalten (hingegen nicht, wenn sie zur Erweiterung oder wesentlichen Verbesserung der Software führen, weil sie durch die Änderung des Quellcodes oder Umprogrammierung im Programmablauf dann Herstellungskosten für ein eigenes Wirtschaftsgut darstellen, für welches das Aktivierungsverbot des § 5 Abs. 2 EStG gilt), sowie die nachträglich entstandenen Aufwendungen für die Einrichtung neuer Module, soweit diese nicht zur völligen Neukonzeption des Programms führt. Alle anderen Aufwendungen wie die sog. Vorkosten, die bis zur Kaufentscheidung anfallen, andere Schulungskosten, Wartungskosten sowie Aufwendungen für die Piloteinsätze sowie Datenmigration sind nicht zu aktivieren, sondern dürfen sofort als Betriebsausgaben berücksichtigt werden. Die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer beträgt 5 Jahre.1

6.24

Die von einem Unternehmen hergestellten Tonträger stellen immaterielle Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens dar, weil diese Aufnahmen der Leistung des Künstlers dem Unternehmen der Schallplattenindustrie langfristig zur Verfügung stehen sollen und es für diese Beurteilung nicht auf die Veräußerung des einzelnen Speichermediums ankommt. Vielmehr geht mit der Aufnahme selbst das ausschließliche Recht des Herstellers einher, die hergestellten Tonträger zu vervielfältigen und zu verbreiten.2 Gleichwohl kommt eine Aktivierung dieser sog. Leistungsschutzrechte des Herstellers nicht in Betracht, weil es an einem entgeltlichen Erwerb fehlt.3 Zahlt der Hersteller dem ausübenden Künstler eine einheitliche Vergütung für seine Darbietung und seine Einwilligung zur Aufnahme und Vervielfältigung, entfällt von diesem Gesamtentgelt kein Teilbetrag als Anschaffungskosten auf die erworbenen Leistungsschutzrechte. Eine Aktivierung der Rechte ist daher ausgeschlossen.4 Auch bei den auf Datenträgern wie einer CD gespeicherten Daten, wie beispielsweise in Form von Zahlenkolonnen gespei1 Vgl. BMF v. 18.11.2005 – IV B 2 - S 2172 - 37/05, BStBl. I 2005, 1025 ff. 2 Bei diesem sog. Leistungsschutzrecht des Herstellers handelt es sich um ein besonderes Recht, das nicht wie das Urheberrecht selbst das Werk des Schöpfers schützt, sondern eine bestimmte Art und Weise dessen individueller, künstlerischer Darbietung, weil erst durch die Aufnahme auf dem Tonträger Wiederholungen der Darbietungen zu beliebigen Zeiten und Orten sowie deren Vervielfältigungen möglich werden. Im Ergebnis bestehen diese Rechte des Herstellers unabhängig von den Leistungsschutzrechten der ausübenden Künstler. Damit sind Gegenstand dieser Rechte nicht das stoffliche Erzeugnis, sondern die Vervielfältigungs- und Verbreitungsrechte. 3 Nach Auffassung des BFH fehlt es grundsätzlich an einem Erwerb. Er bezweifelt darüber hinaus auch die selbstständige Bewertungsfähigkeit der Einwilligung, weil die Aufführung i.d.R. ausschließlich zum Zweck der Aufnahme auf den Tonträger unternommen wird, was eine klare Abgrenzung der Erlaubnis ausschließt. 4 Vgl. BFH v. 28.5.1979 – I R 1/76, BStBl. II 1979, 734 ff.

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C. Bewertung für ertragsteuerliche Zwecke

cherte Koordinaten des Gebäudebestands der Bundesrepublik (sog. Geopunkte), handelt es sich um immaterielle Wirtschaftsgüter, weil sich das wirtschaftliche Interesse des Eigentümers nicht auf die materiellen, sondern die immateriellen Komponenten des Wirtschaftsguts bezieht.1 Verlagsrechte2 entstehen durch die Ablieferung des Werks der Literatur oder Tonkunst. Sie basieren auf einem Verlagsvertrag, mit dem sich der Autor gem. § 8 VerlG zur Überlassung des Werks an den Verlag zur Vervielfältigung und Verbreitung verpflichtet. Die Verlagsrechte selbst, also das ausschließliche Recht des Inhabers, das Werk zu vervielfältigen und zu verbreiten, sind übertragbar,3 weswegen der Steuerpflichtige diese entgeltlich von einem Dritten erwerben kann. In diesen Fällen entspricht der vereinbarte Kaufpreis, sofern er angemessen ist, den Anschaffungskosten. Weitaus schwieriger erscheint die Aktivierung der entgeltlich erworbenen Verlagsrechte der Höhe nach, wenn der Verlag die Rechte von dem Autor gegen Vereinbarung eines Autorenhonorars kauft. Da dieses i.d.R. umsatzabhängig ist, ist der Verlag erst nach Maßgabe des Absatzes zur Zahlung verpflichtet, ein Entgelt für den Erwerb der Rechte wendet er im Ergebnis nicht auf. Eine Bilanzierung ist danach nicht möglich, da keine Anschaffungskosten für den Erwerb entstanden sind. Sollten die Vertragsparteien ein Festhonorar vereinbart haben, so gehört dieses zu den Herstellungskosten der ersten Auflage, weil es kein Entgelt für die Übertragung des Rechts darstellt. Eine Bilanzierung des Verlagsrechts erscheint wiederum nicht möglich. Sind weitere Auflagen absehbar, so ist das Honorar ggf. auf die Auflagen verteilbar, was eine Aktivierung der Verlagsrechte ausnahmsweise erlauben würde.4

6.25

Die Vereinbarung gewinn- oder umsatzabhängiger Zahlungen als Entgelt scheint insbesondere bei der Veräußerung immaterieller Werte und vor allem bei Übertragung gesamter Unternehmen typisch. So werden beispielsweise Steuerberaterkanzleien gegen Zahlung eines bestimmten Entgelts übergeben, wobei die tatsächliche Höhe des Kaufpreises zu einem späteren Zeitpunkt bemessen wird, zu dem insbesondere der Erfolg der Übertragung des Geschäfts- und Firmenwerts beurteilt werden kann. Die gewinn- oder umsatzabhängigen Entgelte gehören gleichwohl zu den Anschaffungskosten, soweit sie tatsächlich für den Erwerb der Wirtschaftsgüter entrichtet werden. Grundsätzlich kommt eine Aktivierung der von einer schwankenden Bezugsgröße abhängigen Ausgaben nach Auffassung des BFH zum Zeitpunkt der Veräußerung nur dann in Betracht, wenn dem erworbenen Wirtschaftsgut ein nach objektiven Maßstäben unschwer zu bestimmender Wert beizumessen ist, was wohl für Grundstücke, Maschinen und denen vergleichbaren Wirtschaftsgüter, nicht aber für den Eintritt in die Rechts-

6.26

1 Vgl. BFH v. 30.10.2008 – III R 82/06, BStBl. II 2009, 421. 2 Verlagsrechte stellen sich nach dem Verlagsgesetz (VerlG) als aus dem Urheberrecht abgeleitete Nutzungsrechte dar. 3 Vgl. u.a. BFH v. 15.2.1995 – II R 8/92, BStBl. II 1995, 505. 4 Vgl. Niemann, Immaterielle Wirtschaftsgüter im Handels- und Steuerrecht2, 262 ff.

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Kap. 6: Bewertung von geistigem Eigentum

stellung eines Handelsvertreters gilt. In diesen Fällen verbleibt nur eine sukzessive Aktivierung der tatsächlich geleisteten Zahlungen.1 So hat der BFH in einem Urteil entschieden, dass die umsatzabhängigen Zahlungen als Gegenleistung für den Erwerb eines Unternehmens grundsätzlich zu den Anschaffungskosten des Erwerbers gehören und als nachträgliche Anschaffungskosten den derivativen Geschäfts- und Firmenwert sukzessive erhöhen. Diese Erhöhung könne jedoch nicht unbegrenzt erfolgen, weil ein Teil der Umsatzbeteiligung auch aus dem originären Geschäfts- und Firmenwert und damit aus der Tätigkeit des neuen Eigentümers resultieren kann. Daher können die Buchwerte des derivativ erworbenen Geschäfts- und Firmenwerts maximal bis zu dem Wert erhöht werden, den der Geschäfts- und Formenwert aus Sicht der beiden Vertragsparteien zum Zeitpunkt des Verkaufs der Unternehmung unter Berücksichtigung ihrer wirtschaftlichen Wertvorstellungen hatte. Die darüber hinaus gehenden Zahlungen gehören folglich nicht zu den Anschaffungskosten, sondern mindern als laufende Betriebsausgaben den steuerlichen Gewinn.2 In den Fällen, in denen, wie bei einem „Vertretungsrecht“,3 weder der Teilwert noch die Nutzungsdauer mit einiger Sicherheit bestimmt werden kann, ist es nach Auffassung des BFH gerechtfertigt, von einer Aktivierung ganz abzusehen und die Zahlungen als laufende Betriebsausgaben zu behandeln.4 Kann die Höhe des Entgelts hingegen von vornherein bestimmt werden, so liegt ein solcher Ausnahmesachverhalt nicht vor, weil der Wert des Wirtschaftsguts hinreichend genau bestimmt werden kann. So hat der BFH die Übertragung dieser Grundsätze auf den Erwerb eines „Vertreterrechts“5 verneint, wenn ausschließlich die Tilgungszeitpunkte bei der Anschaffung noch nicht genau bestimmt waren.6 Eine Aktivierung des Vertreterrechts hat nach Auffassung des BFH auch dann zu erfolgen, wenn die Einstandszahlung an den Geschäftsherren für die Übernahme der Handelsvertretung erst bei Beendigung des Vertragsverhältnisses erbracht und mit dem dann fälligen Ausgleichsanspruch i.S. des § 89b HGB verrechnet werden soll, auch wenn dem Handelsvertreter ein 1 Vgl. BFH v. 17.12.1964 – IV 378/61 U, BStBl. III 1965, 170. 2 Vgl. BFH v. 23.7.1965 – VI 67/64 U, BStBl. III 1965, 612. 3 Voraussetzung dafür ist jedoch, dass dieses immaterielle Wirtschaftsgut keinen firmenwertähnlichen Charakter besitzt und zu diesem gehört. Vgl. BFH v. 26.7. 1962 – IV 355/61 U, BStBl. III 1962, 390. Bei dem Vertretungsrecht liegt kein Geschäfts- oder Firmenwert vor, weil dieses ausschließlich aus dem Vertrauensverhältnis zwischen dem Vertreter und den Geschäftsherren resultiert. 4 Vgl. BFH v. 17.12.1964 – IV 378/61 U, BStBl. III 1964, 170. 5 Als Vertreterrecht wird der wirtschaftliche Vorteil verstanden, den ein Handelsvertreter durch die Übernahme eines eingeführten und regelmäßig bearbeiteten Vertreterbezirks erzielt. Dadurch ist dieses Recht mit der Übertragung entgeltlich erworbener Geschäftsbeziehungen, wie zum Beispiel Belieferungsrechte oder Alleinvertretungsrechte, vergleichbar. Vgl. dazu BFH v. 18.1.1989 – X R 10/86, BStBl. II 1989, 549. Es entsteht nach Auffassung des BFH durch die Ablösung des dem Vorgänger-Vertreter zustehenden Ausgleichsanspruchs durch Vereinbarung mit dem Geschäftsherrn, vgl. BFH v. 12.7.2007 – X R 5/05, BStBl. II 2007, 959. Es ist kein firmenwertähnliches Recht und daher nicht typisierend nach § 7 Abs. 1 Satz 3 EStG abzuschreiben. 6 Vgl. BFH v. 18.1.1989 – X R 10/86, BStBl. II 1989, 549.

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C. Bewertung für ertragsteuerliche Zwecke

teilweiser Erlass der Einstandszahlungen für den Fall zugesagt wird, dass der Ausgleichsanspruch geringer als die Einstandszahlung sein wird. Denn auch in diesem Fall stehen die Anschaffungskosten für den erworbenen wirtschaftlichen Vorteil bereits bei Vertragsabschluss fest.1 Auch Konzeptionen können mit den Anschaffungskosten ihres Erwerbs als immaterielle Wirtschaftsgüter zu bewerten sein. So entschied das Niedersächsische FG, dass die Aufwendungen für den Erwerb der abgeschlossenen und selbstständig handelbaren Konzeption eines Windparks als eigenständiges immaterielles Wirtschaftsgut zu aktivieren sind.2

6.27

Die Aufwendungen für die Bestellung eines lebenslangen Nießbrauchs in Gestalt von Einmalzahlungen führen entweder zur Bilanzierung eines Rechnungsabgrenzungspostens oder mangels bestimmbarer Zeit eines Wirtschaftsguts, dessen Anschaffungskosten über die mutmaßliche Lebensdauer des Nutzungsberechtigten zu verteilen sind. Im Regelfall sind die Einmalzahlungen jedoch als Vorauszahlungen für die Nutzungsberechtigung zu betrachten und als Rechnungsabgrenzungsposten zu bilanzieren. Dies gilt u.a. auch für Miet- und Lizenzrechte. Die laufenden Zahlungen können aufgrund der Grundsätze über schwebende Geschäfte nicht bilanziert werden. Erfolgt die Zahlung des Entgelts beispielsweise zur Übertragung der Lizenzen an einen Dritten, liegt eine Anschaffung des immateriellen Wirtschaftsguts vor, die zu dessen Bilanzierung mit Anschaffungskosten führt.3

6.28

Mitunter erscheint auch die Bestimmung der Anschaffungskosten von Anteilen an Kapitalgesellschaften schwierig, weil deren Höhe auch von den nachträglichen Anschaffungskosten bestimmt wird, die u.a. mit den gesellschaftsrechtlichen Vorgängen der (verdeckten) Einlage in Zusammenhang stehen. So erhöhen grundsätzliche alle weiteren in Bezug auf die Anteile getätigten Aufwendungen, die keine Werbungskosten oder Veräußerungskosten sind, sowie alle der Kapitalgesellschaft gewährten Vorteile, die durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst sind, die historischen Anschaffungskosten. Überlässt der Gesellschafter der Kapitalgesellschaft beispielsweise ein Darlehen und verzichtet anschließend auf dieses, damit die Gesellschaft nicht in finanzielle Schwierigkeiten gerät,4 gehört der werthaltige Teil des Darlehens ebenso wie der Teilwert der Wirtschaftsgüter, die der Gesellschafter unentgeltlich in die Kapitalgesell-

6.29

1 Vgl. BFH v. 22.8.2007 – X R 2/04, BStBl. II 2008, 109. Der BFH bewertete die Zahlungsverpflichtung nicht als aufschiebend bedingt. 2 Vgl. Nds. FG v. 16.9.2009 – 2 K 495, 496/05, EFG 2010, 200. Bei einem Windpark handelt es sich also nicht um ein einheitliches Wirtschaftsgut. Die gegen diese Entscheidung eingelegte Revision wies BFH v. 14.4.2011 – IV R 52/09, BFH/NV 2011, 1247 als unbegründet zurück. 3 Vgl. Ellrott/Brendt in Beck-BilKomm.7, § 255 HGB Rz. 325 „Lizenz, Know-how, Nießbrauch“. 4 Entsprechendes gilt auch dann, wenn er der Gesellschaft das Wirtschaftsgut in der Krise gibt, soweit er damit rechnen muss, dass die Gesellschaft es nicht zurückzahlen kann. Vgl. dazu BMF v. 21.10.2010 – IV C 6-S 2244/08/10001, BStBl. I 2010, 832.

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Kap. 6: Bewertung von geistigem Eigentum

schaft einlegt,1 zu seinen Anschaffungskosten.2 Unentgeltlich gewährte Nutzungsvorteile wie beispielsweise die kostenfreie Nutzung eines Grundstücks des Gesellschafters durch die Gesellschaft erhöhen die Anschaffungskosten der Beteiligung hingegen nicht, weil diese Nutzungsvorteile grundsätzlich nicht einlagefähig sind.3

6.30

Für die Beteiligungen an einer Personengesellschaft gelten diese Probleme nicht, weil diese keine Wirtschaftsgüter im steuerrechtlichen Sinne sind. Vielmehr erwirbt der Gesellschafter gem. § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO einen Anteil an allen Wirtschaftsgütern, die zum Gesamthandsvermögens der Personengesellschaft gehören. Erwirbt der Gesellschafter diese Beteiligung gegen Zahlung eines Gesamtentgelts, so ist dieses Entgelt auf die einzelnen Wirtschaftsgüter zu verteilen, damit diese einzeln in der Bilanz erfasst werden können (Rz. 6.31).4

6.31

Erwirbt der Käufer das Unternehmen als Ganzes, so entsprechen die Anschaffungskosten der einzelnen immateriellen Wirtschaftsgüter gem. § 6 Abs. 1 Nr. 7 EStG deren Teilwerten (Rz. 6.60 ff.), soweit diese nicht die tatsächlichen Anschaffungs- oder Herstellungskosten übersteigen. Die Aufteilung des Entgelts erfolgt im Wege der Schätzung, indem das Entgelt nach dem Verhältnis der Teilwerte auf die einzelnen Wirtschaftsgüter nach dem Prinzip der Einzelbewertung verteilt wird. Dies gilt unabhängig davon, ob der Kaufpreis die Summe der einzelnen Teilwerte über- oder unterschreitet oder nicht, soweit er der Höhe nach unter Berücksichtigung aller Besonderheiten des Einzelfalls angemessen erscheint. Haben die Vertragsparteien bereits im Kaufvertrag Regelungen über die Aufteilung des Gesamtpreises auf die einzelnen Wirtschaftsgüter verabredet, so sind diese Grundlage der Aufteilung, es sei denn, sie sind nur zum Schein in dem Kaufvertrag enthalten oder stellen einen Gestaltungsmissbrauch i.S. des § 42 AO dar. Eine weitere Besonderheit gilt in diesem Zusammenhang für die Bewertung des mit erworbenen Geschäfts- und Firmenwerts5, weil dessen Anschaffungskosten nicht zwingend dem Teilwert, sondern nach der sog. Restwertmethode6 dem anteiligen Entgelt entspricht, das nach Verteilung der Anschaffungskosten auf die anderen materiellen und immateriellen Wirtschaftsgüter als Restgröße verbleibt. Dieses errechnet sich also aus der Differenz zwischen dem tatsächlichen Entgelt und den ermittelten Teilwerten. Entsprechendes gilt beim einheitlichen Erwerb 1 Die Bewertung der eingelegten Wirtschaftsgüter mit deren Teilwert schreibt § 6 Abs. 6 Satz 2 EStG vor. 2 Vgl. dazu H 17 Abs. 5 EStH. 3 Vgl. dazu die ständige Rechtsprechung des BFH wie u.a. BFH v. 26.10.1987 – GrS 2/86, BStBl. II 1988, 348, der sich auch die Finanzverwaltung angeschlossen hat (vgl. dazu H 40 „Nutzungsvorteile“ KStH). 4 Nach Rechtsprechung des BFH findet § 6 Abs. 1 Nr. 7 EStG auch bei Erwerb eines Mitunternehmeranteils Anwendung. Vgl. dazu u.a. BFH v. 6.7.1995 – IV R 30/93, BStBl. II 1995, 831. 5 Werden die Geschäfts- und Firmenwerte einzeln gegen Entgelt erworben, so entspricht dieses Entgelt den Anschaffungskosten. 6 Vgl. u.a. BFH v. 17.9.1987 – III R 272/83, BStBl. II 1988, 441.

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C. Bewertung für ertragsteuerliche Zwecke

mehrerer immaterieller Wirtschaftsgüter sowie beim einheitlichen Anschaffungsvorgang materieller und immaterieller Werte.1 Werden in diesem Zusammenhang Wirtschaftsgüter des Privatvermögens erworben, so erfolgt die Aufteilung davon abweichend unter Berücksichtigung deren gemeiner Werte. Die Bilanzierung eines derivativ erworbenen Geschäftsund Firmenwerts setzt also die Bewertung aller erworbenen materiellen und immateriellen Wirtschaftsgüter voraus.2 Dies erscheint insbesondere in den Fällen schwierig, in denen selbst geschaffene immaterielle Wirtschaftsgüter übertragen werden, weil diese nicht einmal in der Bilanz des Veräußerers enthalten sind und prinzipiell nur schwer erfasst werden können. So hatte sich der BFH immer wieder mit der Fragestellung auseinanderzusetzen, ob einzelne Vorteile immaterielle Wirtschaftsgüter oder Bestandteil des Geschäfts- und Firmenwerts sind3 und damit geschäftswertbildende Faktoren darstellen.4 Dies erscheint mitunter nicht eindeutig. So hat der BFH beispielsweise entschieden, dass zwar die Kundenkartei bei Erwerb eines Groß- oder Einzelhandels zu den wesentlichen geschäftswertähnlichen Faktoren gehört, die den Wert des zu erwerbenden derivativen Geschäftswerts mitbestimmen, nicht hingegen die Aufwendungen für den Eintritt in einen langjährigen Mietvertrag oder in einen anderen Gebrauchsüberlassungsvertrag Anschaffungskosten für ein selbständig zu aktivierendes immaterielles Einzelwirtschaftsgut darstellen,5 weil sie dem Erwerber, wie ein Mietrecht, ein besonderes Recht vermitteln.6 Ebenfalls problematisch erscheint die Frage, ob der Kundenstamm ein separat zu bewertendes Wirtschaftsgut darstellt, das einzeln zu bewerten ist, oder als Kunden- oder Abnehmerkreis untrennbar zu dem Geschäftswert gehört.7 Da der Ansatz eines Geschäfts- und Firmenwerts nach der Rechtsprechung des BFH erst dann in Betracht kommt, wenn der Kaufpreis nachweislich nicht für ein anderes Wirtschaftsgut entrichtet wurde, geht die Aktivierung des einzelnen Wirtschaftsguts der 1 Vgl. Ehmcke in Blümich, § 6 EStG Rz. 362. Die Aktivierung eines erworbenen Geschäftswerts als der über die Werte der erworbenen Einzelwirtschaftsgüter hinaus gezahlte Mehrbetrag ist daher dem Grunde nach gerechtfertigt, wenn der Kaufpreis nachweisbar nicht für bestimmte einzelne Wirtschaftsgüter gezahlt wurde (vgl. BFH v. 16.9.1970 – I R 196/67, BStBl. II 1971, 175). 2 Vgl. dazu u.a. BFH v. 18.1.1967 – I 77/64, BStBl. III 1967, 334 und v. 28.3.1966 – VI 320/64, BStBl. III 1966, 456. 3 Für die Bilanzierung ist nur entscheidend, ob es sich um Einzelwirtschaftsgüter oder um einen Teil des Geschäfts- und Firmenwerts handelt. Irrelevant ist, ob die Wirtschaftsgüter wie beispielsweise der Kundenstamm oder Verlagswerte firmen- oder geschäftswertähnliche Wirtschaftsgüter sind. Diese Bedeutung hat nach Einführung des § 7 Abs. 1 Satz 3 EStG an Bedeutung verloren (vgl. dazu auch BFH v. 28.5.1998 – IV R 48/97, BStBl. II 1998, 775). 4 Vgl. BFH v. 26.11.2009 – III R 40/07, BStBl. II 2010, 609. Zu diesen gehören nach Auffassung des FG Düsseldorf beispielsweise die nicht selbstständigen Gewinnerwartungen (vgl. FG Düsseldorf v. 20.3.2003 – 15 K 7704/00 F, EFG 2003, 1290). 5 Vgl. BFH v. 17.3.1977 – IV R 218/72, BStBl. II 1997, 595 ff. 6 Vgl. BFH v. 17.3.1977 – IV R 218/72, BStBl. II 1997, 595 ff. 7 Vgl. Niemann, Immaterielle Wirtschaftsgüter im Handels- und Steuerrecht2, 228 f.

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Kap. 6: Bewertung von geistigem Eigentum

des Geschäfts- und Firmenwerts vor. So hat der BFH entschieden, dass die Aufwendungen einer Bank, welche die Zweigstelle einer anderen Bank in der Absicht erwirbt, deren Kunden in Zukunft nach Schließung der Filiale selbst zu betreuen, Anschaffungskosten für den Erwerb des Kundenstamms sind. Daher könne es sich bei den Aufwendungen nicht um Anschaffungskosten für einen Geschäfts- und Firmenwert handeln, weil dieser seiner Natur nach Ausdruck für die Gewinnchancen eines Unternehmens ist, soweit sie gerade nicht in einzelnen Wirtschaftsgütern verkörpert sind, sondern durch den Betrieb des eingeführten und fortlebenden Unternehmens im Ganzen gewährleistet erscheinen. In dem Streitfall gehen mit dem Kundenstamm selbst die Gewinnchancen einher.1 Dabei erscheint eine Abgrenzung eines einzelnen immateriellen Wirtschaftsguts immer dann notwendig, wenn eine greifbare Einheit gegeben ist, weil ein Erwerber des Unternehmens für das Wirtschaftsgut im Rahmen der Kaufpreisbemessung ein besonderes Entgelt ansetzen würde.2 Die Abgrenzung erscheint also möglich, weil der Geschäfts- und Firmenwert nicht, hingegen die einzelnen Wirtschaftsgüter veräußerbar sind, gerade weil sie für den Erwerber einen eigenen wirtschaftlichen Wert entfalten. Daher gehören beispielsweise Taxikonzessionen, die der Erwerber bei Kauf des Taxiunternehmens als Teil des Gesamtunternehmens mit erwirbt,3 oder ein Auftragsbestand4 sowie Vertragsarztzulassungen5 nicht zum Geschäfts- und Firmenwert und stellen auch keine geschäftswertähnlichen Rechte dar, weil mit diesen selbst eine wirtschaftliche Chance verbunden ist. Eine Abgrenzung des Geschäfts- und Firmenwerts von Know How scheint nur dann möglich, wenn es gegen Entgelt an einen Dritten überlassen wurde und dadurch als geldwerter Vorteil in Erscheinung tritt.6

III. Bewertung zu Herstellungskosten 6.32

Das Steuerrecht definiert den Begriff der Herstellungskosten nicht, sondern greift auf die Definition des Handelsrechts in § 255 Abs. 2 HGB zurück. Danach sind Herstellungskosten alle Aufwendungen für die Herstellung, Erweiterung oder wesentliche Verbesserung eines Wirtschaftsguts durch den Verbrauch von Gütern und die Inanspruchnahme von Diensten. Als Herstellung ist nach der Rechtsprechung des BFH nicht der 1 Vgl. BFH v. 26.7.1989 – I R 49/85, BFH/NV 1990, 442. 2 Vgl. BFH v. 17.2.1998 – VIII R 28/95, BStBl. II 1998, 505; v. 9.7.1986 – I R 218/82, BStBl. II 1987, 14. 3 Vgl. FG BW v. 23.6.2010 – 7 K 3964/09, nv. 4 Vgl. FG Düsseldorf v. 20.3.2003 – 15 K 7704/00 F, EFG 2003, 1290. Dies gilt nach Auffassung des Gerichts nur, wenn dieser als werthaltige Einheit gegenüber dem Geschäfts-und Firmenwert abgegrenzt werden kann, jedoch nicht mehr, wenn mit den Kunden nur Rahmenvereinbarungen bestehen und aus denen kein konkreter Umfang der zu erwartenden Geschäfte abgeleitet werden kann. 5 Vgl. Nds. FG v. 28.9.2004 – 13 K 412/01, DStRE 2005, 427 ff. Daher ist dieses Wirtschaftsgut in Form des durch die Zulassung erlangten wirtschaftlichen Vorteils auch nicht abschreibbar. 6 Vgl. BFH v. 23.11.1988 – II R 209/82, BStBl. II 1989, 82.

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C. Bewertung für ertragsteuerliche Zwecke

entgeltliche Erwerb eines bereits bestehenden Wirtschaftsguts, sondern die Schaffung eines neuen, die Wiederherstellung eines zerstörten sowie die wesentliche Veränderung eines Wirtschaftsguts auf eigene Gefahr durch den Steuerpflichtigen selbst oder einen anderen zu verstehen, sofern der Steuerpflichtige den Herstellungsprozess beherrscht.1 Daher gilt beispielsweise auch die Herstellung eines immateriellen Wirtschaftsguts durch einen fremden Auftragnehmer als Herstellung, wenn der Besteller das Risiko der Herstellung wie bei einer unechten Auftragsproduktion übernimmt. Eine Herstellung kann grundsätzlich auch dann vorliegen, wenn sich mehrere Unternehmer beispielsweise zur Entwicklung einer Software zusammenschließen.2 Gleichfalls als Herstellung gilt die sog. Zweitherstellung, bei der ein unbrauchbares Wirtschaftsgut zu einem neuen Wirtschaftsgut wird, sowie die wesentliche Verbesserung eines bereits bestehenden Wirtschaftsguts, die zu einer Wesensänderung führt. Solche Anwendungsfälle dürften im Zusammenhang mit immateriellen Wirtschaftsgütern eher eine Seltenheit sein. Die Herstellung selbst ist entgegen der Anschaffung kein zeitpunktbezogener, sondern ein zeitraumbezogener Wertumformungsprozess, den ein Anfang und ein Ende charakterisiert. Nur die Aufwendungen, die innerhalb dieses Prozesses anfallen, können daher Herstellungskosten sein.3 Die Ermittlung der Aufwendungen für die Herstellung immaterieller Wirtschaftsgüter erscheint steuerlich4 aufgrund des Aktivierungsverbots des § 5 Abs. 2 EStG5 nur dann notwendig, wenn es sich beispielsweise bei Patenten oder Auftragsfilmproduktionen um Umlaufvermögen handelt, das nach Entwicklung sofort veräußert werden soll. So können zweckgerichtete Forschungs-6 und Entwicklungskosten sowie Material- und Lohnkosten für Versuche ebenso wie die Aufwendungen des Filmproduzenten Herstellungskosten sein.7 Zu diesen gehören grundsätzlich Ma1 2 3 4

Vgl. Ehmcke in Blümich, § 6 EStG Rz. 380. Vgl. Ellrott/Brendt in Beck-BilKomm.7, § 255 HGB Rz. 360. Vgl. Ellrott/Brendt in Beck-BilKomm.7, § 255 HGB Rz. 362. Handelsrechtlich gilt dies aufgrund des in § 248 Abs. 2 HGB eingefügten Aktivierungswahlrechts seit Umsetzung des BilMoG nicht mehr, vgl. dazu u.a. Küting/Ellmann, DStR 2010, 1300 ff. sowie zum Ansatzwahlrecht für selbst geschaffene immaterielle Anlagegüter Velte/Sepetauz, BC 2010, 349. 5 Das Aktivierungsverbot für selbstgeschaffene immaterielle Wirtschaftsgüter ist Ergebnis des Vorsichtsprinzips. Es soll sicherstellen, dass diese erst dann bilanziert werden, wenn tatsächlich Wirtschaftsgüter vorliegen, wovon wohl ausgegangen werden kann, wenn ein fremder Dritter für diese ein Entgelt bezahlt hat, vgl. dazu Siegers, DStR 1992, 1570 (1571). 6 Forschungskosten gehören gem. § 255 Abs. 2 Satz 4 HGB grundsätzlich ebenso wie Vertriebskosten nicht zu den Herstellungskosten. Eine Ausnahme gilt jedoch für die auftragsgebundene Forschung (vgl. Kulosa in Schmidt30, § 6 EStG Rz. 202). Entwicklungskosten zählen hingegen zu den Herstellungskosten. Für eine Abgrenzung vgl. § 255 Abs. 2a HGB. 7 Vgl. Niemann, Immaterielle Wirtschaftsgüter im Handels- und Steuerrecht2, 74 sowie BFH v. 20.9.1995 – X R 225/93, NJW 1996, 1013 ff. zur Frage, ob die Auftragsproduktion zum Umlauf- oder Anlagevermögen gehöre. Nach Auffassung des BFH entscheidet darüber allein die Absicht des Produzenten, die Schutz-

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6.33

Kap. 6: Bewertung von geistigem Eigentum

terialkosten, Fertigungskosten und Sonderkosten der Fertigung sowie angemessene Teile der Materialgemeinkosten, der Fertigungsgemeinkosten und des Werteverzehrs des Anlagevermögens, soweit diese durch die Fertigung veranlasst sind.1 Zudem dürfen bei der Berechnung der Herstellungskosten angemessene Teile der Kosten der allgemeinen Verwaltung sowie angemessene Aufwendungen für soziale Einrichtungen des Betriebs, für freiwillige soziale Leistungen und für die betriebliche Altersversorgung einbezogen werden, soweit diese auf den Zeitraum der Herstellung entfallen und in der Handelsbilanz entsprechend verfahren wird.2 Dies gilt gem. § 255 Abs. 3 HGB auch für die Fremdkapitalzinsen, die zur Finanzierung der Herstellung eines Wirtschaftsguts verwendet werden, soweit sie auf den Zeitraum der Herstellung entfallen.3 Während Forschungs- und Vertriebskosten nicht einbezogen werden dürfen, gehören Entwicklungskosten i.S. des § 255 Abs. 2a HGB4 zu den Herstellungskosten.5 Sollte der Hersteller für andere immaterielle Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens das handelsrechtliche Wahlrecht i.S. des § 255 Abs. 2a HGB ausüben und diese Vermögensgegenstände in der Handelsbilanz mit den Herstellungskosten aktivieren, so dürfen die damit in Zusammenhang stehenden Abschreibungen des Anlagevermögens, die durch die Fertigung veranlasst sind, nicht in die Ermittlung der steuerlichen Herstellungskosten einbezogen werden. In diesen Fällen kommt es zwingend zu einer Abweichung zwischen der Handels- und Steuerbilanz.6

1

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rechte einem Dritten vollständig und endgültig oder Filme lizenzmäßig zeitlich und örtlich begrenzt zu überlassen. In dem Urteil v. 6.11.2008 neigt der IV. Senat des BFH dazu, in Fällen der unechten Auftragsproduktion Filme auch dann nicht dem Umlaufvermögen des Herstellers zuzuordnen, wenn er seine Rechte an dem Film zwar nicht vollständig und endgültig abgibt, aber doch so langfristig zur Auswertung überlässt, dass eine Anschlussverwertung voraussichtlich nur noch einen sehr geringen wirtschaftlichen Wert haben wird. Denn gleichwohl werden die Wirtschaftsgüter langfristig in dem Betrieb genutzt. Anders verhält es sich um Fall echter Auftragsproduktionen, weil der Hersteller die Rechte an dem Film dann alsbald und endgültig in einem einmaligen Akt auf den Auftraggeber übergeben wird. Vgl. dazu BFH v. 6.11.2008 – IV B 127/07, ZSteu 2009, R159. Die Abschreibungen i.S. des § 6 Abs. 2 und 2a EStG auf geringwertige Wirtschaftsgüter sowie Teilwertabschreibungen auf das Anlagevermögen i.S. des § 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG dürfen nach R 6.3 Abs. 3 Satz 5 EStG nicht in die Ermittlung der Herstellungskosten einbezogen werden. Eine detaillierte Aufzählung möglicher Aufwendungen enthält R 6.3 EStR. Die nicht genannten Fremdkapitalzinsen gehören nicht zu den Herstellungskosten. Nach dieser Regelung zählen zu diesen Aufwendungen alle, die bei der Entwicklung eines Wirtschaftsguts, also während der Anwendung von Forschungsergebnissen oder anderem Wissen für die Neuentwicklung von Wirtschaftsgütern oder Verfahren oder deren Weiterentwicklung mittels wesentlicher Änderungen entstehen. Können die Forschungs- und Entwicklungskosten nicht voneinander getrennt werden, ist die Aktivierung insgesamt ausgeschlossen. Nicht zu den Herstellungskosten gehören die Aufwendungen für die Grundlagenforschung. Vgl. zu diesen Aufwendungen die Darstellungen bei Ellrott/Brendt in Beck-BilKomm.7, § 255 HGB Rz. 492. Vgl. dazu BMF v. 12.3.2010 – IV C 6-S 2133/09/10001, BStBl. I 2010, 239 sowie R 6.3 EStR. Vgl. Ellrott/Brendt in Beck-BilKomm.7, § 255 HGB Rz. 492 sowie R 6.3 EStR.

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C. Bewertung für ertragsteuerliche Zwecke

IV. Bewertung zum gemeinen Wert 1. Grundlagen Der gemeine Wert entspricht gem. § 9 BewG dem Preis, der im gewöhnlichen Geschäftsverkehr nach der Beschaffenheit des Wirtschaftsguts und unter Berücksichtigung aller preisdeterminierender Faktoren durch dessen Veräußerung erzielt werden könnte, wenn alle ungewöhnlichen und persönlichen Verhältnisse unberücksichtigt bleiben. Als objektiver Wert entspricht der auch als Verkehrswert bezeichnete Bewertungsmaßstab also dem Einzelveräußerungspreis des jeweiligen Wirtschaftsguts, der als Marktpreis eine Vielzahl von Angeboten und Nachfragen der Marktteilnehmer zum Ausgleich bringt.1 Gibt es jedoch keinen freien Markt, auf dem die jeweiligen Werte im gewöhnlichen Geschäftsverkehr getauscht werden oder sind die Preise als das Ergebnis einer konkreten Markttransaktion nicht bekannt, so können die marktpreisorientierten Verfahren nicht zur Anwendung kommen. Für die Bewertung der immateriellen Wirtschaftsgüter verbleiben daher grundsätzlich nur die kosten- sowie kapitalwertorientierten Verfahren, wobei i.d.R. nur die letztgenannten für die Bewertung der immateriellen Wirtschaftsgüter geeignet sind. Nachfolgend werden die Bewertungsmöglichkeiten bestimmter immaterieller Wirtschaftsgüter dargestellt.2

6.34

Dabei stellen diese Verfahren auf die Ermittlung des Gesamtwerts als marginalen Wert des immateriellen Wirtschaftsguts ab, der dem Mehrwert entspricht, den ein Unternehmen im Vergleich zu einem anderen Unternehmen schaffen kann, welches das zu bewertende Wirtschaftsgut gerade nicht für seine Wertschöpfung einsetzen kann.3 Diese Betrachtung des Werts eines immateriellen Wirtschaftsguts erscheint insoweit vorteilhaft, weil es einen ökonomischen Zugang zu dem Wert des Guts ermöglicht, der sich insbesondere in der Beeinflussung des Einkommens des Nutzungsberechtigten zeigt. Dabei darf jedoch nicht verkannt werden, dass es sich bei diesem Wert nicht zwingend um den gemeinen Wert des Wirtschaftsguts handeln muss, weil der Einzelveräußerungspreis eines Wirtschaftsguts das Ergebnis eines Austauschprozesses zwischen Anbieter und Nachfrager ist, der insbesondere durch die Verhandlungsmacht und die Verhandlungstaktik der Beteiligten beeinflusst wird.4 Dies gilt

6.35

1 IDW Standard: Grundsätze zur Bewertung immaterieller Vermögenswerte (IDW S 5), WPg Supplement 2010, 109 ff., Rz. 17. 2 Aus diesem Grund erscheint die Bewertung der immateriellen Wirtschaftsgüter vor allem für die Verrechnungspreisbildung notwendig, wenn sie zwischen verbundenen Unternehmen übertragen oder überlassen werden. Entsprechendes gilt, wenn sie Gegenstand von Schenkungen oder Erwerben von Todes wegen, von Einlagen oder eines Tauschs sind. 3 Vgl. zu dieser Definition Vögele/Sedlmayr in Vögele/Borstell/Engler, Verrechnungspreise3, H 162. 4 Vgl. dazu beispielhaft die Ermittlung der Lizenzgebühren für immaterielle Wirtschaftsgüter von Kleineidam in Schaumburg (Hrsg.), Internationale Verrechnungspreise zwischen Kapitalgesellschaften, 103 ff.

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Kap. 6: Bewertung von geistigem Eigentum

grundsätzlich auch dann, wenn dieser Austauschprozess fiktiv durchgeführt wird, weil ein aktiver Markt fehlt, auf dem die Güter nach den Regeln des freien Marktes getauscht werden. Gleichwohl erfolgt die Bewertung zum gemeinen Wert weitestgehend ohne Berücksichtigung dieses Verhandlungsprozesses. Im Ergebnis ist dies sachgerecht, weil ansonsten eine vergleichsweise objektive und nachprüfbare Bewertung immaterieller Wirtschaftsgüter nicht möglich wäre, weil die Wertermittlung des fiktiven Veräußerers maßgeblich von dem unterstellten Verlauf des Verhandlungsprozess abhängig wäre und vor allem durch die Annahme einer starken oder schwachen Verhandlungsposition des fiktiven Käufers wesentlich beeinflusst werden könnte. Etwas anderes gilt natürlich dann, wenn ein konkreter Austauschprozess zwischen einem realen Verkäufer und Veräußerer fiktiv beispielsweise für Zwecke der Verrechnungspreisbildung simuliert wird.1

6.36

Die nachfolgende Darstellung berücksichtigt vor allem die Grundsätze zur Bewertung von immateriellen Wirtschaftsgütern des IDW2 und basiert damit auf den bereits dargestellten Bewertungsmethoden (Rz. 6.7 ff.). Infolgedessen werden nachfolgend nicht ausschließlich die steuerrechtlichen Begriffe Gewinn, Einnahmen und Ausgaben, sondern auch die handelsrechtlichen Begriffe Ertrag, Überschüsse, Einnahmen und Kosten verwendet. Ungeachtet der bestehenden Unterschiede zwischen den Begrifflichkeiten werden sie für die nachfolgende Betrachtung als Synonyme verwendet. Dies vereinfacht die Übertragung der Bewertungsgrundsätze für die Bewertung für ertragsteuerliche Zwecke. 2. Bewertung von Marken

6.37

Ziel der Bewertung einer Marke ist die Bestimmung des Markenwerts als denjenigen Wert, der mit ihrem Namen oder Symbol verbunden ist, und zumeist als inkrementaler Vergleichswert zu einer technisch gleichwertigen namenlosen Leistung3 aufgefasst wird.45 Aus erfolgsbezogener Betrachtungsweise ist der Markenwert „der Barwert aller zukünftigen […] 1 Zu diesem Ergebnis kommen auch Kleineidam in Schaumburg (Hrsg.), Internationale Verrechnungspreise zwischen Kapitalgesellschaften, 103 ff., und Vögele/ Sedlmayr, welche die Auffassung vertreten, dass eine hohe Verhandlungsmacht des Veräußerers im Ergebnis zu einem hohen Verrechnungspreis führen sollte. Sie bezeichnen diesen Wert als verhandelten Wert (vgl. Vögele/Sedlmayr in Vögele/Borstell/Engler, Verrechnungspreise3, H 163, 175). 2 Vgl. IDW Standard: Grundsätze zur Bewertung immaterieller Vermögenswerte (IDW S 5), WPg Supplement 2010, 109 ff. 3 Als Vergleichswert kommen sowohl nicht markierte Leistungen als auch mit einem ausschließlich rechtlich werthaltigen Unterscheidungszeichen markierte Leistungen in Betracht, weil diese keine ökonomischen Markenwirkungen hervorrufen können. 4 Vgl. Sattler, ZfB-Special Issue 2/2005, 33 (34). 5 Diese, zum Teil verkürzte Darstellung ist der Dissertation der Verfasserin entnommen, vgl. Brändel, Verrechnungspreise bei grenzüberschreitender Lizenzierung von Marken im Konzern, 76 ff.

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C. Bewertung für ertragsteuerliche Zwecke

Überschüsse, die der Eigentümer aus der Marke erwirtschaften kann“.1 Hingegen ist er aus der wirkungsbezogenen Sicht „das Ergebnis unterschiedlicher Reaktionen von Konsumenten auf Marketing-Maßnahmen einer Marke im Vergleich zu identischen Maßnahmen einer fiktiven Marke aufgrund spezifischer, mit der Marke im Gedächtnis gespeicherten Vorstellungen“.2 Unter Berücksichtigung der wirkungs- und erfolgsbezogenen Betrachtungsweise der Marke ist der Markenwert „[…] die Gesamtheit aller positiven und negativen Vorstellungen, die im Konsumenten ganz oder teilweise aktiviert werden, wenn er das Warenzeichen wahrnimmt und die sich in ökonomischen Daten des Markenwettbewerbs spiegeln“.3 Da die verhaltensbezogenen Markenwirkungen Voraussetzung für die Verwirklichung der ökonomischen Markenwirkungen sind,4 kommen für die Bewertung der Marke ausschließlich konsumentenorientierte Verfahren in Betracht. Diese können in Anlehnung an die Elemente des neobehavioristischen SOR-Paradigmas5 in organismusorientierte, die sich überwiegend auf die nicht beobachtbaren intrapersonalen verhaltensbezogenen Wirkungen beziehen, und responseorientierte Verfahren eingeordnet werden, welche die nicht beobachtbaren Reaktionen einbeziehen, sich allerdings auf die beobachtbaren Reaktionen konzentrieren.6 Eine weitere Möglichkeit der Kategorisierung der vorhandenen Bewertungsverfahren bieten die Eigenschaften ihrer Ergebnisse, die zugleich die Methodik der Bewertungsverfahren beschreiben. Demnach werden insbesondere organismusorientierte Verfahren zu nicht monetären und responseorientierte zu monetären Ergebnissen führen, wobei hybride Verfahren ebenso möglich sind. 1 Esch, Strategie und Technik der Markenführung6, 59. 2 Esch, Strategie und Technik der Markenführung6, 59. 3 Schultz/Brandmeyer in Echterling/Fischer/Kranz, Die Erfassung der Markenstärke und des Markenpotenzials, 6. Die Autoren unterscheiden eine enge, sich lediglich auf die ökonomische Betrachtung der Marke beziehende, und eine weite Begriffsauffassung, welche die Integration gewährleistet. 4 Verhaltensbezogene Markenwirkungen meinen das sog. Markenwissen, das in Gestalt von Markenimage und Markenbekanntheit ausgeprägt sein kann. Nur wenn die Nachfrager die Marke beispielsweise kennen oder mit dieser ein bestimmtes Image verbinden, werden sie das markierte Produkt aufgrund der Marke erwerben. Erst dann kann der Markeninhaber bzw. der Berechtigte ökonomische Markenwirkungen in Form von Mengen- und/oder Preiseffekten verwirklichen. 5 Das neobehavioristische SOR-Paradigma erklärt menschliches Verhalten durch einen beobachtbaren Reiz, der als Stimulus (S) auf das Individuum (O) wirkt und eine dadurch induzierte ebenfalls beobachtbare Reaktion (R) auslöst. Dabei wirkt die Marke, d.h. das rechtlich geschützte Unterscheidungszeichen, als Stimulus (S) auf die Nachfrager (O), die in Abhängigkeit von ihren Wissensstrukturen mit der gewünschten Reaktion durch den Kauf oder Wiederkauf der markierten Leistung (R) reagieren. Vgl. Kroeber-Riel/Weinberg/Gröppel-Klein, Konsumentenverhalten9, 17 f. 6 So auch Echterling/Fischer/Kranz, Die Erfassung der Markenstärke und des Markenpotenzials, 8.

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6.38

Kap. 6: Bewertung von geistigem Eigentum

6.39

Nicht monetäre Bewertungsansätze zielen häufig auf eine organismusorientierte verhaltensbezogene Erklärung der Entstehung des Markenwerts ab.1 Durch eine Beschreibung des Markenwissens und seiner Dimensionen sowie die Operationalisierung der Wissensstrukturen erfassen diese Bewertungsmodelle den psychologischen oder verhaltenswissenschaftlichen Markenwert2 oder die Markenstärke,3 die das aus der gefühls- und verstandesmäßigen Wertschätzung einer Leistung in den Köpfen der Verbraucher resultierende „Ergebnis der psychischen Reaktion der Nachfrager auf alle Marketing-Maßnahmen“4 verkörpern. Auch wenn sich verhaltensbezogene Bewertungsmodelle5 für die Erklärung des zukünftigen Markenerfolgs sowie für die Durchführung eines Benchmarking eignen, sind sie für die Bestimmung des Werts einer Marke nicht zweckmäßig.6 Dieser lässt sich nicht nur durch die Identifikation seiner Werttreiber und Entwicklungstendenzen sowie durch die Erklärung von Ursachen-Wirkungsbeziehungen, sondern durch den zukünftig erwarteten Nutzen, der mit der Verwertung der Marke verbunden ist, bestimmen. Für die Erfüllung dieser Aufgaben sind die verhaltensorientierten Verfahren, selbst wenn sie die erfolgsbezogene Perspektive integrieren, nicht geeignet.7 Demnach ist die Markenstärke eine wesentliche Determinante für das Verhalten der Nachfrager, die den monetären Markenwert stärkt.8 Sie dient als Erklärung für einen hohen oder niedrigen Markenwert, dessen Triebfeder das Markenwissen ist.9

6.40

Für die monetäre Bewertung immaterieller Wirtschaftsgüter kommen grundsätzlich marktpreis-, kosten- und kapitalwertorientierte10 Bewertungsverfahren in Betracht (Rz. 6.7 ff.). Bei der Marktpreismethode leitet sich der Wert der Marke aus den beobachtbaren Marktpreisen ab, so dass die Anwendung dieser Methode einen aktiven Markt voraussetzt. Ist ein solcher nicht vorhanden, verbleibt die Möglichkeit der Analogiemethode, die wiederum entsprechende Vergleichsdaten voraussetzt, die regelmäßig nicht vorhanden oder nicht öffentlich zugänglich sein werden. Deswegen 1 2 3 4 5 6 7

8 9 10

Vgl. Farsky/Sattler, Markenbewertung, 222. Sattler, ZfB-Special Issue 2/2005, 22. Vgl. Högl/Twardawa/Hupp, Key Driver Starker Marken, 38. Högl/Twardawa/Hupp, Key Driver Starker Marken, 38. Für eine umfangreiche Darstellung psychografischer bzw. verhaltensorientierter Bewertungsansätze, vgl. z.B. Bentele/Buchele/Hoepfner/Liebert, Markenwert und Markenwerteermittlung3, 103–146. Vgl. Sattler, Grundlagen und praktische Umsetzung der Bewertung von Marken, 26. Dieser Meinung schließt sich auch das IDW an. Die reinen verhaltensbezogenen Verfahren seien zwar für die Bestimmung der Positionierung und die Erklärung der Wirkungsweise einer Marke geeignet, allerdings nicht als eigenständige Bewertungsverfahren zur Ermittlung von Markenwerten (vgl. IDW Standard: Grundsätze zur Bewertung immaterieller Vermögenswerte [IDW S 5], WPg Supplement 2010, 109 ff., Rz. 70). Vgl. Högl/Hupp/Maul/Sattler, Der Geldwert der Marke als Erfolgsfaktor für Marketing und Kommunikation, 41. Vgl. Esch, Strategie und Technik der Markenführung6, S. 63. Vgl. IDW Standard: Grundsätze zur Bewertung immaterieller Vermögenswerte (IDW S 5), WPg Supplement 2010, 109 ff., Rz. 28.

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C. Bewertung für ertragsteuerliche Zwecke

kann die Marktpreismethode i.d.R. nicht zur Anwendung kommen.1 Kostenorientierte Verfahren bestimmen als vergangheitsorientierte Verfahren ohne Nutzen und Zukunftsorientierung den Wert der Marke auf Grundlage der Kosten, die entweder für ihre Reproduktion oder ihre Wiederbeschaffung notwendig sind. Daher erscheinen diese Methoden lediglich für Plausibilitätsüberlegungen oder für die Ableitung von Preisuntergrenzen geeignet.2 Da die Anwendungsvoraussetzungen marktpreisorientierter Verfahren i.d.R. nicht erfüllt sind und kostenorientierten Verfahren die Nutzen- und Zukunftsorientierung fehlt, sind für die Bewertung von Marken regelmäßig nur die kapitalwertorientierten Verfahren geeignet. Diese Verfahren gründen auf der Annahme, dass das Bewertungsobjekt in der Lage ist, zukünftig Erfolgsbeiträge in Form von Cash Flows zu generieren. Demzufolge entspricht der Wert der Marke der Summe der zukünftigen Überschüsse, die auf den Bewertungsstichtag abzuzinsen sind und durch die Nutzung der Marke über ihre wirtschaftliche Nutzungsdauer hinweg erzielt werden können. Für die Ermittlung der markenspezifischen Überschüsse stehen grundsätzlich vier Methoden zur Verfügung, von denen jedoch i.d.R. ausschließlich die Mehrgewinnmethode für die Bewertung der Marke geeignet sein wird.3 Die Methode der unmittelbaren Cash Flow-Ermittlung erscheint ausnahmsweise dann anwendbar, wenn die markenspezifischen Zahlungsüberschüsse von dem Unternehmen isoliert erzielt und direkt aus der Unternehmensrechnung oder –planung abgeleitet werden können. Die Quantifizierung von Schadensersatzansprüchen, die dem Markeninhaber aufgrund von Markenrechtsverletzungen zustehen, basiert in der Praxis i.d.R. auf der Methodik der Lizenzpreisanalogie, bei welcher der Markenwert auf Grundlage einer fiktiven Alternative des Markeninhabers, der Lizenzierung, ermittelt wird. Danach entspricht der Wert der Marke den fiktiven Ersparnissen des Markeninhabers, die er verwirklicht, weil er für die Nutzung der Marke kein Entgelt an einen Dritten entrichten muss.4 Sollte die Marke ausschließlich im Verbund mit anderen immateriellen Wirtschaftsgütern ihren Wert entfalten können, so findet ausnahmsweise die Residualwertmethode Anwendung. In diesen Fällen entspricht der Wert der Marke dem Betrag, der sich nach Abzug fiktiver Nutzungsentgelte für die einzelnen Güter im Fall ihrer Lizenzhereinnahme oder ihres Leasing von dem gesamten erzielbaren Cash Flow ergibt.5 1 Vgl. dazu u.a. IDW Standard: Grundsätze zur Bewertung immaterieller Vermögenswerte (IDW S 5), WPg Supplement 2010, 109 ff., Rz. 18 ff., Hommel/Buhleier/Pauly, BB 2006, 371 (372). 2 Vgl. IDW Standard: Grundsätze zur Bewertung immaterieller Vermögenswerte (IDW S 5), WPg Supplement 2010, 109 ff., Rz. 48 ff. 3 Vgl. IDW Standard: Grundsätze zur Bewertung immaterieller Vermögenswerte (IDW S 5), WPg Supplement 2010, 109 ff., Rz. 59, 61. 4 Vgl. Joppich/Nestler, WRP 2003, 1409, 1411. Castedello und Schmusch bewerten die Lizenzpreismethode als die denkbar einfachste, aber gleichzeitig umstrittenste Methode (vgl. Castedello/Schmusch, WPg 2008, 350, 351). 5 Vgl. IDW Standard: Grundsätze zur Bewertung immaterieller Vermögenswerte (IDW S 5), WPg Supplement 2010, 109 ff., Rz. 36 ff. und 67.

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6.41

Kap. 6: Bewertung von geistigem Eigentum

6.42

Mit der kapitalwertorientierten Ermittlung des Markenwerts sind vier zentrale Markenbewertungsprobleme verbunden. Das erste Problem ist die Identifikation und Quantifizierung der sog. Brand Value Driver, die als nicht monetäre Größe die Markenstärke prägen und den monetären Wert der Marke determinieren. Sie sind insbesondere für die Markenführung, die Ursachenanalyse der Markenentstehung und die effektive Markenwertsteuerung relevant, wobei besonders der Nachweis ihrer Wirkung schwierig ist. Das zweite wesentliche Markenbewertungsproblem ergibt sich, weil der Markenwert ausschließlich den Wert umfasst, der unter Berücksichtigung der vertraglichen Vereinbarungen mit dem Unterscheidungszeichen verbunden ist. Deswegen dürfen in seine Ermittlung ausschließlich die Größen einbezogen werden, die spezifisch auf die Marke zurückzuführen sind. Das dritte Markenbewertungsproblem geht mit der Prognose der Einnahmen und Ausgaben einher, die der Markeneigner erzielen kann. Die Berücksichtigung der mit der Marke verbundenen markenstrategischen Optionen1 stellt das vierte zentrale Bewertungsproblem dar.2 Nach Auffassung von Sattler sind die zahlreichen in der Literatur vorgeschlagenen Bewertungsmöglichkeiten3 zwar für die Lösung der dargestellten Grundprobleme der Markenwertmessung geeignet, greifen dabei allerdings häufig nur einzelne der genannten Problemfelder auf.4 Aufbauend auf dieser Einschätzung hat er für die Bewertung des Markenwerts als den Kapitalwert aller zukünftiger markenspezifischer Überschüsse in Zusammenarbeit mit der Gesellschaft für Konsum (GfK) und dem Unternehmen PricewaterhouseCoopers einen Markenbewertungsansatz entwickelt, der die genannten Kriterien erfüllt. Kernelemente des Bewertungsverfahrens sind die psychologische Markenstärke,5 die markenspezifischen Einnahmen und Ausgaben sowie Risiko und sonstige Elemente wie der rechtliche Schutz des Unterscheidungszeichens, die im Markenisolierungs-, Markenprognose- und Markenrisikomodul berücksichtigt werden. Für die monetäre Bewertung von Marken stellt dieses Verfahren, vor allem weil es das Wesen und die Eigenschaften der Marke berücksichtigt, eine gute Möglichkeit dar.6

1 Als markenstrategische Optionen werden die zusätzlichen Handlungsmöglichkeiten des Markeninhabers bezeichnet, die er im Zusammenhang mit der Marke ausüben kann. So kann er das Markenzeichen beispielsweise für die Markierung anderer Leistungen bzw. Produkte, sog. räumlicher Markentransfer, oder identischer Produkte auf anderen geografischen Märkten, sog. räumlicher Markentransfer, verwenden. Darüber hinaus kann er natürlich einen kombinierten sachlichen und räumlichen Markentransfer durchführen. 2 Vgl. Sattler, ZfB-Special Issue 2/2005, 6 f. 3 Für einen Überblick vgl. Bentele/Buchele/Hoepfner/Liebert, Markenwert und Markenwerteermittlung. Eine systematische Modelluntersuchung und -bewertung3. 4 Vgl. Sattler, ZfB-Special Issue 2/2005, 40. 5 Diese kann auch als verhaltensbezogener Markenwert bezeichnet werden. 6 Dieses Verfahren wird ausführlich dargestellt in Högl/Hupp/Maul/Sattler, Der Geldwert der Marke, 41 ff.

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C. Bewertung für ertragsteuerliche Zwecke

3. Bewertung von Patenten Wie Marken können auch Patente einen rechtlichen als auch einen wirtschaftlichen Wert für den Patentinhaber haben. Der rechtliche Wert des Patents, der durch die Patentierung und den damit verbundenen hoheitlichen Rechtsschutz entsteht, ist Voraussetzung für die Entstehung des wirtschaftlichen Werts,1 kann diesen jedoch allein nicht erzeugen. Der wirtschaftliche Wert des Patents ist abhängig von dessen Funktionen, die von der Schutz-, Sperr-, Finanzierungs-, Kooperations-, Vorrats- bin hin zur Reputationsfunktion reichen können, und beinhaltet den monetären Vorteil, den der Patentinhaber aufgrund des Schutzes seiner Erfindung vor den anderen Marktteilnehmern allein vereinnahmen kann.2 Besteht ein solcher finanzieller Nutzen auf Seiten des Patentinhabers, so sollte dieser Grundlage der Bewertung des Patents sein. Dafür können kapitalwertorientierte Verfahren eingesetzt werden, bei denen die zukünftig erzielbaren finanziellen Überschüsse über die Laufzeit des Patents diskontiert werden. In der Praxis findet zumeist die Lizenzpreisanalogiemethode auf Grundlage von gewerblichen oder nicht öffentlichen Datenbanken, Urteilen und Richtlinien Anwendung, die auf die Ermittlung eines fiktiven Lizenzentgelts abstellt, das der Patentinhaber an einen fremden Dritten zahlen müsste, wenn er eine vergleichbare Lizenz hereinnehmen würde.3 Sind die Patente tatsächlich Gegenstand von Lizenzen, so kann die Methode der unmittelbaren Ermittlung der patentspezifischen Cash Flows Anwendung finden. Dies gilt natürlich immer dann, wenn diese Größen der Unternehmensrechnung entnommen werden können. In besonderen Fällen, in denen das Patent seinen Wert nur im Zusammenspiel mit anderen immateriellen Wirtschaftsgütern entfalten kann, erscheint die Residualwertmethode anwendbar. Nach dieser Methode sind von den gesamten Überschüssen den anderen immateriellen Wirtschaftsgütern Zahlungen zuzurechnen, die der Patentinhaber für sie entrichten müsste, wenn er sie leasen oder mieten würde. Dabei sollen die fiktiven Leasing- bzw. Mietraten neben der angemessenen Verzinsung des gebundenen Kapitals auch den Werteverzehr der unterstützenden Güter vergüten. Beinhaltet das Patent keinen solchen wirtschaftlichen Wert, könnte die Anwendung eines kostenorientierten Verfahrens für die Bewertung geeignet sein, in die sowohl die Kosten der Entwicklung als auch die Kosten des rechtlichen Schutzes einzubeziehen sind. Dies gilt auch, wenn der wirtschaftliche Vorteil eines Patents aus einer Kostenersparnis resultiert. In der Praxis erscheint die Bewertung einzelner Patente besonders schwierig, weil sie i.d.R. Bestandteil eines Patentportfolios sind und als solcher nicht einzeln dezidiert werden können.4 1 Ansonsten könnte der Patentinhaber die Inhalte des Patents nicht vor den anderen Marktteilnehmern schützen, wodurch der Wert des Patents nicht nur ihm zukommen könnte. 2 Vgl. Kasperzak/Nestler, Bewertung von immateriellen Vermögen, 183. 3 Für eine ausführliche Aufstellung, vgl. beispielsweise Engler in Vögele/Borstell/ Engler, Verrechnungspreise3, Rz. N 472. 4 Vgl. Kasperzak/Nestler, Bewertung von immateriellen Vermögen, 186, 191.

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6.43

Kap. 6: Bewertung von geistigem Eigentum

4. Bewertung von Know How

6.44

Die Bewertung von Know How1 stellt die Unternehmenspraxis vor eine teilweise unlösbare Aufgabe. Grundsätzlich kann das ungeschützte Wissen für den Eigentümer nur dann einen Wert haben, solange es Dritten nicht bekannt ist. Zumindest könnte der Eigentümer nur unter dieser Bedingung einen Preis im Zuge der Veräußerung des Know How verwirklichen. So hat der BFH entschieden, dass dem Wissen, das aufgrund von Vorträgen und Veröffentlichungen nicht mehr geheim ist, kein Wert i.S. der Teilwertdefinition mehr zukommen kann. Zu welchem Preis das noch geheime, einem Dritten vor Abschluss des Vertrags jedoch noch nicht bekannte Spezialwissen veräußert werden kann, hängt ausschließlich von dem Nutzen ab, den das Wissen für den potentiellen Erwerber haben wird. Denn nur dann wird sich der Kaufmann dessen Erlangung etwas kosten lassen.2 Da sich der Wert eines Vermögenswerts bzw. Wirtschaftsguts aus betriebswirtschaftlicher Sicht nach dem erwarteten zukünftigen finanziellen Nutzen bestimmt, wird er nur dann zur Zahlung eines Preises bereit sein, wenn der potentielle Erwerb entweder einen Gewinn durch die Nutzung beispielsweise durch die Erzielung eines Mengen- oder Preiseffekts oder aber durch die Senkung seiner Kosten erzielt. Die über die voraussichtliche Nutzungsdauer kapitalisierten monetären Wirkungen stellen die Preisobergrenze des Erwerbers dar.3 Dabei erscheint es dem BFH für solche Wirtschaftsgüter, deren wirtschaftliche Nutzungsdauer in der Zukunft sowohl für den Inhaber des Wirtschaftsguts als auch für den potentiellen Nutzungsberechtigten schwer zu überschauen ist, angemessen, i.d.R. von einer dreijährigen Laufzeit bzw. Nutzungsdauer auszugehen.4 Verwendet der bisherige Eigentümer das Know How bereits zur entgeltlichen Nutzungsüberlassung, so kann dessen Preisuntergrenze unter Anwendung der Ertragswertmethode ermittelt werden, weil der Lizenzgeber durch den Verkauf des Wissens nicht mehr über diese Möglichkeit verfügt und deswegen im Zuge des Verkaufs auf diese Erträge verzichten muss. So entspricht der gemeine Wert des in Lizenz gegebenen Know How nach Auffassung des BFH i.d.R. dem Barwert einer nachschüssigen Rente mit dreijähriger Laufzeit.5 Im Ergebnis würde also in Abhängigkeit von der Nutzungsmöglichkeit des Wissens entweder die kosten- oder die ertragswertorientierte Methode Anwendung finden. Die Voraussetzungen der marktpreisorientierten Methoden werden i.d.R. aufgrund fehlender Marktpreise oder Vergleichbarkeit hinsichtlich der 1 Nach Knoppe erfasst der Begriff Know How ein nicht geschütztes Spezialwissen u.a. über technische Erfahrungen, das im Allgemeinen auf dem Wege praktischer Erprobung gewonnen und durch praktische Beratung einem anderen zur Verfügung gestellt werden kann (zitiert in BFH v. 13.2.1970 – III R 43/68, BStBl. II 1970, 373). 2 Vgl. BFH v. 10.3.1993 – I R 116/91, BFH/NV 1993, 595. 3 Vgl. IDW Standard: Grundsätze zur Bewertung immaterieller Vermögenswerte (IDW S 5), WPg Supplement 2010, 109 ff., Rz. 14 f. 4 Vgl. BFH v. 13.2.1970 – III R 43/68, BStBl. II 1970, 373. 5 Vgl. BFH v. 13.2.1970 – III R 43/68, BStBl. II 1970, 373.

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C. Bewertung für ertragsteuerliche Zwecke

Entstehung der vorhandenen Preise nicht erfüllt sein, weswegen die Anwendung dieser Methode i.d.R. scheitern wird. Zum Know How gehören auch ungeschützte Erfindungen, also „Lehren zum planmäßigen Handeln auf technischem Gebiet unter Einsatz beherrschbarer Naturkräfte zur Erreichung eines kausal übersehbaren Erfolgs, der nicht zum bisherigen Stand der Technik gehört, also neu ist“.1 Die deutsche Finanzverwaltung bewertet diese Erfindungen wie Urheberrechte (vgl. Rz. 6.42). Auch ihre Nutzungsdauer beschränkt sich auf drei Jahre.2 Für die Ermittlung des gemeinen Werts der lizenzierten Erfindungen bestehen nach Auffassung des BFH keine Bedenken, diesen durch Kapitalisierung des Reinertrags zu ermitteln. Der für die Kapitalisierung notwendige Vervielfacher kann dabei nach der Rentenformel für nachschüssige Renten bestimmt werden, wobei entsprechend den tatsächlichen Erfahrungen über die durchschnittliche Gesamtnutzungsdauer patentierter Erfindungen allgemein von einer Verzinsung von 12,5 % ausgegangen werden kann.3

6.45

5. Bewertung von Urheberrechten Das gesamte geistige Eigentum unterliegt seit dem 1.1.1966 dem Schutz des sog. Urheberrechtgesetzes, das Urheber nicht gewerblicher Rechte sowie ausübende Künstler und deren Werke der Literatur, Wissenschaft oder Kunst schützt. So unterfallen gem. § 2 Abs. 1 UrhG beispielsweise Sprachwerke, Werke der Musik, Werke der bildenden Künste, Lichtbildwerke, Formwerke und Darstellungen wissenschaftlicher oder technischer Art dem Schutzbereich dieses Gesetzes. Es stellt auf den Schutz des Urhebers als den Schöpfer des Werks ab, indem sein ausschließliches Recht geschützt wird, wonach ausschließlich er über die Verwertung seines Werks in körperlicher Form und damit über die Vervielfältigung, Verbreitung oder Ausstellung sowie über die Wiedergabe in unkörperlicher Form zu bestimmen hat.4 Der Urheber kann die mit dem Urheberrecht verbundenen Rechte zur Nutzung des Werks einem anderen überlassen oder sie auf ihn übertragen. Des Weiteren unterliegen dem UrhG seit 1966 auch verwandte Rechte der ausübenden Künstler sowie nach § 69a UrhG diejenigen Computerprogramme, die als individuelle Werke das Ergebnis der eigenen geistigen Leistung des Urhebers sind5 und bei denen die Leistung des Programmierers über das Schaffen eines Durchschnittsprogrammierers hinausreicht und damit einen hinreichenden schöpferischen Eigentümlichkeitsgrad i.S. von § 2 Abs. 2 UrhG erreicht.6 Ein aus dem Urheberrecht abgeleitetes Recht stellt das Verlagsrecht dar, das ei1 Niemann, Immaterielle Wirtschaftsgüter im Handels- und Steuerrecht2, 196. 2 Vgl. Niemann, Immaterielle Wirtschaftsgüter im Handels- und Steuerrecht2, 196. 3 Vgl. BFH v. 20.2.1970 – III R 75/66, BStBl. II 1970, 484. 4 Vgl. Niemann, Immaterielle Wirtschaftsgüter im Handels- und Steuerrecht2, 10 f. 5 Vgl. Niemann, Immaterielle Wirtschaftsgüter im Handels- und Steuerrecht2, 10 f. 6 Vgl. BFH v. 3.7.1987 – III R 7/86, BStBl. II 1987, 728 ff.

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6.46

Kap. 6: Bewertung von geistigem Eigentum

nem Verlag nach Abschluss eines Verlagsvertrags das ausschließliche Recht zur Vervielfältigung und Verbreitung gewährt. Auch dieses ist grundsätzlich selbstständig übertragbar und daher kein Bestandteil des Geschäfts- und Firmenwerts.1

6.47

Da die genannten Urheberrechte auf die Verwertung der Werke der Literatur, Wissenschaft oder Kunst abstellen, dürften für ihre Bewertung im Regelfall die kapital- bzw. ertragswertorientierten Verfahren geeignet sein. Damit entspricht der Wert der Rechte dem finanziellen Nutzen, den der Berechtigte durch Ausübung der Ausschließlichkeitsrechte verwirklichen kann. Für die meisten Werke dürfte die Anwendung der unmittelbaren Ertragswertmethode möglich sein, wenn die Erträge, die aus dem einzelnen Werk resultieren, konkret ermittelt werden können. So könnten diese beispielsweise aus den konkreten Verkaufszahlen der Bücher abgeleitet werden. In einigen Fällen könnte die Lizenzpreisanalogiemethode für die Bewertung geeignet sein, wenn auf dem freien Markt Lizenzen für vergleichbare Urheberrechte vergeben und diese für die Bewertung eingesetzt werden können. In Einzelfällen könnte auch die Anwendung der marktpreisorientierten Verfahren zu einem sachgerechten Ergebnis führen, wenn die zu bewertenden Rechte wie beispielsweise Computersoftware auf dem freien Markt getauscht werden und die Preise bekannt sind. In Ausnahmefällen könnte auch ein kostenorientiertes Verfahren zur Anwendung kommen, wenn die Urheberrechte noch nicht zur Verwertung des Werks verwendet werden sollen. 6. Bewertung von Domains

6.48

Umgangssprachlich werden unter dem Begriff „Domains“ Internetadressen verstanden, die als technische Adressen rechtlich geschützt werden können und die Voraussetzungen eines immateriellen, nicht abnutzbaren Wirtschaftsguts erfüllen.2 Voraussetzung für die Bewertung einer Domain ist die Identifizierung ihres quantifizierbaren Nutzens. So setzen manche Unternehmen die Webseite ausschließlich für Repräsentationszwecke ein, andere im Zuge der Prozessverbesserung und viele Unternehmen immer häufiger als Marketing- und Vertriebsinstrumente. Daher werden manche Unternehmen einen Teil ihres Umsatzes über den Onlineauftritt, andere hingegen nur eine Kostenersparnis realisieren und manche kaum einen Umsatz über die Internetseite generieren können.3

6.49

Kostenorientierte Bewertungsverfahren könnten beispielsweise für die Bewertung geeignet sein, wenn die Domain für Repräsentationszwecke genutzt wird und durch ihre Nutzung keine wesentlichen Kostenersparnisse und Umsatzsteigerungen erzielt werden können. Der Wert der Domain entspricht dem Aufwand, den ein fremder Dritter für die Erstellung eines vergleichbaren, funktionierenden Instruments betreiben müsste. 1 Vgl. BFH v. 15.2.1995 – II R 8/92, BStBl. II 1995, 505. 2 Vgl. BFH v. 19.10.2006 – III R 6/05, BStBl. II 2007, 301 ff. 3 Vgl. Kasperzak/Nestler, Bewertung von immateriellen Vermögen, 177.

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C. Bewertung für ertragsteuerliche Zwecke

Die Anwendung der Methode erscheint jedoch dann nicht sachgerecht, wenn der Domaininhaber mit der Nutzung der Domain zusätzliche Vorteile wie beispielsweise den Aufbau eines Kundenstamms oder Markenimages verwirklichen kann.1 Ebenfalls eingeschränkt erscheint der Anwendungsbereich der marktpreisorientierten Methoden, da wenige Preise für Domains öffentlich bekannt oder zugänglich sind und die bepreiste mit der zu bewertenden Internetseite nur bedingt vergleichbar sein wird.2 In Einzelfällen können InternetRankings oder der Rechtsprechung Vergleichswerte entnommen werden, weil die markenrechtsverletzende Nutzung einer Domain Schadensersatzansprüche des Eigentümers begründet, für deren Berechnung eine Bewertung der Domain im Wege der Lizenzpreisanalogie notwendig ist.3

6.50

Können die Umsätze der Unternehmung der Domain beispielsweise direkt aufgrund von Werbeeinnahmen oder indirekt durch Click-throughs zugerechnet werden, so kann die Bewertung mittels einer kapitalwertorientierten Methode erfolgen.4

6.51

7. Bewertung von kundenorientierten immateriellen Werten Kundenorientierte immaterielle Werte ergeben sich aus der Beziehung eines Unternehmens zu den Abnehmern, die dessen Produkte oder Dienstleistungen auf dem Markt nachfragen. Sie ermöglichen dem Unternehmen einen leichteren Zugang zu einem Kunden, weil es über kundenspezifische Informationen in Gestalt von Kundenlisten, die Mitbewerbern nicht vorliegen, und/oder über vertragliche Liefer- und Leistungsbeziehungen, also bestehende Aufträge und Kundenverträge,5 sowie ggf. über daraus abgeleitete, nicht auf bestehenden Verträgen beruhende Kundenbeziehungen verfügt, die mit einer höheren Wahrscheinlichkeit zum Abschluss weiterer Aufträge oder Auftragsverlängerungen führen, weil die Nachfrager bereits Kunden des Unternehmens in der Vergangenheit waren. Während die Identifikation von Kundenlisten und Aufträgen aufgrund des Vorhandenseins der Unterlagen vergleichsweise einfach erscheint, ist die Identifizierung der Kundenbeziehungen durchaus schwierig. Nach Auffassung des IDW kann von dem Vorliegen einer solchen Beziehung nur dann ausgegangen werden, wenn konkrete Faktoren vorliegen, die für den Abschluss neuer Verträge oder für die Verlängerung bestehender Aufträge sprechen. Diese Faktoren dürfen jedoch nicht der Mit1 2 3 4 5

Vgl. Kasperzak/Nestler, Bewertung von immateriellen Vermögen, 178. Vgl. Kasperzak/Nestler, Bewertung von immateriellen Vermögen, 178. Vgl. LG Hamburg v 2.7.2002 – 312 O 116/02, MMR 2002, 628. Vgl. Kasperzak/Nestler, Bewertung von immateriellen Vermögen, 179. Bei diesen kann es sich um einmalige oder laufende Verträge wie beispielsweise Abonnements-Verträge handeln. Bei dem Auftragsbestand handelt es sich nicht um einen Bestandteil des Geschäfts- und Firmenwerts, sondern um ein selbstständiges Wirtschaftsgut, vgl. Niemann, Immaterielle Wirtschaftsgüter im Handels- und Steuerrecht2, 176.

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6.52

Kap. 6: Bewertung von geistigem Eigentum

arbeiterstamm, Preis, Standort bzw. geographische Präsenz, der Zugang zu Märkten o.ä. sein, weil in diesen Fällen nicht die Kundenbeziehung selbst die Ursache für den Vertragsabschluss ist. Daher kommen als konkrete Faktoren ausschließlich Differenzierungsmerkmale wie beispielsweise besonderer Service, individuelle Kundenberatung oder Erbringung maßgeschneiderter Kundenlösungen, die das betreffende Unternehmen von denen der Konkurrenz unterscheidet, sowie hohe Wechselkosten des Kunden in Betracht, die beispielsweise aufgrund der Individualität des Produkts und des mit der Anschaffung und Einführung verbundenen Aufwands entstehen können. Die Bewertung der Kundenbeziehung setzt die Identifikation der einzelnen Kunden anhand interner Aufzeichnungen sowie die Möglichkeit einer gezielten Kommunikation voraus, weswegen Laufkundschaft nicht den Kundenbeziehungen, sondern den Standortvorteilen zuzurechnen ist. Im Ergebnis stellen die Kundenbeziehungen alle Gründe dar, welche die Kunden an das Unternehmen binden, jedoch nicht aus den anderen immateriellen Gütern wie Marken, Technologien oder sonstigen Faktoren resultieren.1

6.53

Die Kundenbeziehungen sollen nach Auffassung des IDW auf Grundlage eines kapitalwertorientierten Verfahrens i.d.R. als Gruppe bewertet werden, weil ihr Wert letztlich durch den wirtschaftlichen Wert bestimmt wird, den der potentielle Erwerber infolge der Übertragung der aktuellen Kundenbeziehungen verwirklichen kann. In die Berechnung des Ertragswerts, den der Erwerber über die Nutzungsdauer der Kundenbeziehungen voraussichtlich erzielen kann, ist das geplante Neukundengeschäft nicht einzubeziehen, soweit dieses nicht auf den übertragenen Kundenbeziehungen basiert. In die Ableitung der Nutzungsdauer der Kundenbeziehungen sind unterschiedliche Faktoren einzubeziehen wie beispielsweise die Vertragslaufzeiten, die Stabilität der Branche und der Zeitraum der Abhängigkeit der Kunden.2

6.54

Die Kundenlisten sind nach Auffassung des IDW i.d.R. mit einem kostenorientierten Verfahren und ggf., wenn die zugänglichen Daten dies ermöglichen sollten, mit dem marktpreisorientierten Verfahren zu bewerten. Dieser Vorschlag dürfte auf der Annahme basieren, dass die Kundenliste selbst eine Ansammlung unterschiedlicher Informationen über aktuelle, vergangene und potentielle Nachfrager enthält, für deren Beschaffung dem Unternehmen Kosten in einer bestimmten Höhe entstanden sind bzw. dem Erwerber entstehen würden. Die Ablehnung der ertragswertorientierten Methoden resultiert wohl daraus, dass das IDW diesen wirtschaftlichen Wert den Kundenbeziehungen zuschreibt.3 1 Vgl. IDW Standard: Grundsätze zur Bewertung immaterieller Vermögenswerte (IDW S 5), WPg Supplement 2010, 109 ff., Rz. 81 ff. 2 Vgl. IDW Standard: Grundsätze zur Bewertung immaterieller Vermögenswerte (IDW S 5), WPg Supplement 2010, 109 ff., Rz. 96, 98 ff. 3 Vgl. IDW Standard: Grundsätze zur Bewertung immaterieller Vermögenswerte (IDW S 5), WPg Supplement 2010, 109 ff., Rz. 94.

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C. Bewertung für ertragsteuerliche Zwecke

Die bestehenden Aufträge sind nach dem Ertragswertverfahren zu bewerten. Dies erscheint sachgerecht, weil mit dem Eintritt in die Rechtsstellung des bisherigen Anbieters im Regelfall die Erzielung eines wirtschaftlichen Vorteils einhergehen wird und Gewinnaussichten verbunden sein werden. Andernfalls könnte der rational agierende Erwerber nicht zur Zahlung eines Entgelts bereit sein.1

6.55

In der steuerrechtlichen Literatur findet im Zusammenhang mit kundenorientierten immateriellen Werten häufig der Begriff Kundenstamm Verwendung, der als geschäfts- oder firmenwertähnlicher immaterieller Wert betrachtet und teilweise auch als Kundenkreis bezeichnet wird.2 Niemann verwendet den Begriff stellvertretend für die Kunden, die mit dem Unternehmen entweder aufgrund bestehender oder nicht mehr bestehender Verträge verbunden sind, unterscheidet diesen jedoch von dem Auftragsbestand.3 Dies ist sachgerecht, da die bestehenden Aufträge separat übertragen werden können und auch müssen, damit sie tatsächlich auf einen anderen übergehen. Dabei kann er Gegenstand des Geschäfts- und Firmenwerts, aber auch selbstständig übertragbar sein.4 Die selbstständige Übertragbarkeit setzt dabei jedoch eine Art Materialisierung der Kundenbeziehungen voraus, also eine Kundendatei, Kundenliste oder vergleichbare Aufzeichnung, die eine Auflistung aller Kunden, der vorhandenen Informationen über die Kunden und über die Kommunikationsmöglichkeiten enthält und so vor allem die weitere Kommunikation mit den Kunden und ggf. eine umfassende Information über die Nachfrager ermöglicht. In den so verstandenen Kundenstamm könnten alle Kunden, die zum Zeitpunkt der Übertragung über bestehende Verträge verfügen, sowie diejenigen einbezogen werden, die aufgrund konkreter Faktoren weiterhin Kunden des Unternehmens in der Zukunft sein könnten, derzeit mit dem Unternehmen keine Vertragsbeziehungen unterhalten, aber solche in der Vergangenheit bereits unterhielten.

6.56

Die Bewertung eines so verstandenen Kundenstamms sollte grundsätzlich unter Anwendung eines ertragswertorientierten Verfahrens erfolgen und dabei auf der Annahme basieren, dass der Erwerber infolge der Übertragung über eine bestimmte Nutzungsdauer einen wirtschaftlichen Vorteil in Gestalt von Zahlungsüberschüssen erzielen kann. Bewertungs-

6.57

1 Vgl. IDW Standard: Grundsätze zur Bewertung immaterieller Vermögenswerte (IDW S 5), WPg Supplement 2010, 109 ff., Rz. 95. 2 So zum Beispiel in dem Urteil des FG Münster v. 1.2.2008 – 9 K 2367/03 K, VSt, G, F, EW, EFG 2008, 1449. Konsequenzen hat diese Betrachtung für die Abschreibung des immateriellen Wirtschaftsguts, die dann nach der Regelung des § 7 Abs. 1 Satz 3 EStG erfolgen kann, wenn die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer nicht hinreichend bestimmt und geschätzt werden kann (vgl. Buciek in Blümich, § 5 EStG Rz. 633 ff.). 3 Nach Niemann ist unter dem Begriff Kundenstamm eine mehr oder weniger intensive Dauerbeziehung zu den Abnehmern zu verstehen, die zu wiederkehrenden Aufträgen führt, vgl. Niemann, Immaterielle Wirtschaftsgüter im Handelsund Steuerrecht2, 175. 4 Vgl. Niemann, Immaterielle Wirtschaftsgüter im Handels- und Steuerrecht2, 70.

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Kap. 6: Bewertung von geistigem Eigentum

untergrenze sollten die Kosten des bisherigen Eigentümers oder des zukünftigen Nutzers sein, die mit der Erstellung der Kundenliste selbst tatsächlich verbunden waren oder wären. In Einzelfällen kann eine getrennte Bewertung der einzelnen immateriellen Wirtschaftsgüter Kundenliste und Kundenbeziehung notwendig sein. So beispielsweise, wenn sie tatsächlich getrennt verwertet werden. Die Bewertung sollte sich dann nach den oben bereits dargestellten Grundsätzen richten (Rz. 6.53 und 6.54). 8. Bewertung des Firmen- und Geschäftswerts

6.58

Der Geschäfts- oder auch Firmenwert kann mangels Einzelveräußerbarkeit keinen gemeinen Wert, sondern nur einen Teilwert haben.1 Für die Ermittlung des Teilwerts vergleiche das bereits unter Rz. 6.60 ff. Dargestellte. 9. Hinweise zu weiteren immateriellen Wirtschaftsgütern

6.59

Der gemeine Wert eines Wirtschaftsguts entspricht dem Einzelveräußerungspreis, der im gewöhnlichen Geschäftsverkehr nach der Beschaffenheit des Wirtschaftsguts bei einer Veräußerung zu erzielen wäre. Im Regelfall orientiert sich der gemeine Wert an den Erträgen, die der Eigentümer infolge der Nutzung des immateriellen Wirtschaftsguts erzielen kann, insoweit werden diese als ertragbringende Einheiten bewertet. Daher werden i.d.R. die kapital- bzw. ertragswertorientierten Verfahren für eine Bewertung der Wirtschaftsgüter angewendet. Dies gilt für zahlreiche immaterielle Wirtschaftsgüter wie Alleinvertriebsrechte, Arzneizulassungen, Ausbeuterechte, Automatenaufstellungsverträge, Belieferungsrechte, Brennrechte, Emmisionsrechte und Kaufrechte.2 In einigen Fällen repräsentiert der gemeine Wert auch eine Kostenersparnis. In diesen Fällen kann die Bewertung auf Grundlage der kostenorientierten Verfahren erfolgen. Nur in wenigen Ausnahmesituationen können die gemeinen Werte direkt aus Verkaufspreisen abgeleitet und unter Anwendung der marktpreisorientierten Verfahren bewertet werden. Einige der im Rahmen der Bewertung für ertragsteuerliche Zwecke nicht explizit betrachteten immateriellen Wirtschaftsgüter wie Forderungen und Verbindlichkeiten, Erbbaurechte, Anteile an Kapital- und Personengesellschaften, wiederkehrende Nutzungen und Leistungen sowie Kapitalforderungen und -schulden sind Gegenstand der Bewertung für erb- und schenkungsteuerliche Zwecke (Rz. 6.67 ff.).

1 So auch BFH v. 30.1.2002 – X R 56/99, BStBl. II 2002, 387. In diesem stellte der BFH fest, dass der Geschäfts- und Firmenwert nicht privatisierbar ist, sondern auch nach erklärter Betriebsaufgabe im Rahmen der Verpachtung des Gewerbebetriebs im Ganzen als Betriebsvermögen fortbesteht. 2 Zu den Definitionen der einzelnen Rechte und der Frage nach ihrer Wirtschaftsguteigenschaft vgl. Niemann, Immaterielle Wirtschaftsgüter im Handels- und Steuerrecht2, 165 ff.

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C. Bewertung für ertragsteuerliche Zwecke

V. Bewertung zum Teilwert Der Teilwert entspricht nach der gesetzlichen Definition des § 10 BewG1 dem Betrag, den ein Käufer, der das Unternehmen im Ganzen erwerben und dann fortführen möchte, für das einzelne Wirtschaftsgut als Teil des Unternehmens entrichten würde.2 Damit berücksichtigt der Teilwert die Zugehörigkeit des einzelnen Wirtschaftsguts zum Unternehmen des Steuerpflichtigen und betrachtet es ausdrücklich als Teil des Ganzen. Daher kann der Teilwert mit dem gemeinen Wert des Wirtschaftsguts übereinstimmen; er muss aber nicht dessen Einzelveräußerungspreis bzw. Verkehrswert entsprechen, weil der gemeine Wert die Bedeutung des einzelnen Wirtschaftsguts für die Unternehmenstätigkeit gerade nicht berücksichtigt.3 Gleichwohl setzt die Ermittlung des Teilwerts nicht die Bewertung des Unternehmens als Ganzes voraus, so würde diese Vorgehensweise dem Einzelbewertungsgrundsatz widersprechen. Daher erfolgt dessen Bestimmung auch unabhängig von den Ertragsaussichten des Unternehmens.4 Nach Auffassung des BFH entspricht der Teilwert dem Betrag, den ein potentieller Erwerber maximal für den Erwerb des einzelnen Wirtschaftsguts bei Kauf des gesamten Unternehmens entrichten würde, also dem Betrag, den er für den Ersatz des einzelnen Wirtschaftsguts aufwenden müsste, würde er das Unternehmen ohne diesen Gegenstand erwerben. Der Teilwert entspricht damit regelmäßig den Wiederbeschaffungskosten aus Sicht des jeweiligen Unternehmens. In Ausnahmefällen entspricht er dem Einzelveräußerungspreis des jeweiligen Wirtschaftsguts, ggf. dessen Schrottwert, wenn der Erwerber das einzelne Wirtschaftsgut für die Fortführung des Unternehmens nicht benötigt und daher maximal den Preis zahlt, den er bei Veräußerung des Wirtschaftsguts erzielen könnte.5 1 § 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG enthält für ertragsteuerliche Zwecke eine identische Definition. Auf diese verweist auch die Regelung des § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 EStG, nicht aber beispielsweise die des § 6 Abs. 1 Nr. 5 EStG. 2 Dadurch handelt es sich bei dem Teilwert stets um eine Fiktion und damit um einen geschätzten Wert. 3 Des Weiteren wird bei der Ermittlung des Teilwerts ausschließlich die Sichtweise bzw. Betrachtungsweise eines potentiellen Erwerbs des Unternehmens und nicht auch, wie bei der Ermittlung des gemeinen Werts, die Sicht des Verkäufers berücksichtigt. Daher unterschreitet der Teilwert eines Wirtschaftsguts, das zum Verkauf bestimmt ist, um die Gewinnspanne dessen gemeinen Wert, weil der Erwerber des Betriebs die Gewinnspanne selbst vereinnahmen möchte (vgl. Kulosa in Schmidt30, § 6 EStG Rz. 235 unter Hinweis auf BFH v. 11.10.1960 – I 175/60 U, BStBl. III 1960, 492). 4 Dies hat der BFH in ständiger Rechtsprechung abgelehnt, vgl. u.a. BFH v. 12.7. 1968 – III R 88/69, BStBl. II 1968, 794. Ausnahmsweise sind die Ertragsaussichten des einzelnen Wirtschaftsguts in die Ermittlung des Teilwerts des jeweiligen Wirtschaftsguts einzubeziehen, wenn diese nicht dem Geschäftswert zuzuordnen sind. Dies gilt beispielsweise für die Bewertung von Anteilen an Kapitalgesellschaften, Lieferrechten oder Marken. Vgl. Kulosa in Schmidt30, § 6 EStG Rz. 234, 322. 5 Vgl. Kreutziger in Kreutziger/Schaffner/Stephany, BewG2, § 10 Rz. 19 ff. Dabei berücksichtigt der Einzelveräußerungspreis nicht die Betriebszugehörigkeit des Wirtschaftsguts.

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6.60

Kap. 6: Bewertung von geistigem Eigentum

6.61

Der Teilwert entfaltet für ertragsteuerliche Zwecke vor allem Bedeutung für die Bewertung des Ausscheidens von Wirtschaftsgütern durch Entnahme (§ 6 Abs. 1 Nr. 4 EStG), Zuführung durch Einlage (Nr. 5) und bei Eröffnung des Betriebs (Nr. 6) sowie als Ausnahme zur Regelbewertung mit Anschaffungs- und Herstellungskosten bei Folgebewertung der Wirtschaftsgüter aufgrund der gem. § 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 und Nr. 2 Satz 2 EStG unter bestimmten Bedingungen möglichen Teilwertabschreibung (Rz. 6.64).

6.62

Im Ergebnis basiert die Bewertung der einzelnen Wirtschaftsgüter auf den sog. Teilwertvermutungen. Im Zeitpunkt der Anschaffung oder Herstellung des Wirtschaftsguts entspricht der Teilwert des einzelnen Wirtschaftsguts vermutlich dessen Anschaffungs- oder Herstellungskosten, weswegen zu diesem Zeitpunkt im Regelfall keine Teilwertabschreibung notwendig ist. Eine Ausnahme gilt nur für die Fälle einer sog. Fehlmaßnahme, bei der nach Auffassung des BFH der Nutzen der Anschaffung oder Herstellung eines Wirtschaftsguts des Anlagevermögens bei objektiver Betrachtung deutlich hinter dem für den Erwerb oder die Herstellung getätigten Aufwand zurückbleibt und dadurch der Aufwand den Kaufpreis übersteigt, mit dem ein gedachter Erwerber bei Kauf des gesamten Unternehmens diesen Aufwand honorieren würde,1 hingegen nicht bei Zahlung eines Überpreises, weil dieser i.d.R. aus betrieblichen Gründen gerechtfertigt ist und der Steuerpflichtige nur so viel aufwendet, wie das Wirtschaftsgut für den Betrieb wert ist.2 Zum nächstmöglichen Bewertungsstichtag wird grundsätzlich vermutet, dass der Teilwert bei nicht abnutzbaren Wirtschaftsgütern weiterhin dem vermuteten Teilwert und bei abnutzbaren Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens den fortgeführten, d.h. um die Abschreibung i.S. des § 7 EStG geminderten, Anschaffungs- oder Herstellungskosten und damit den Wiederbeschaffungskosten und bei Wirtschaftsgütern des Umlaufvermögens ggf. dem Börsen- oder Marktpreis3 entspricht.4

6.63

Diese Teilwertvermutungen kann der Steuerpflichtige5 widerlegen, indem er seiner damit verbundenen objektiven Beweispflicht nachkommt und alle für die Abweichung maßgebenden Umstände darlegt und nach1 Vgl. dazu H 6.7 „Fehlmaßnahme“ EStH unter Hinweis auf BFH v. 20.5.1988 – III R 151/86, BStBl. II 1989, 269. 2 Vgl. dazu H 6.7 „Überpreis“ EStH unter Hinweis auf BFH v. 7.2.2002 – IV R 87/99, BStBl. II 2002, 294 sowie die Urteilsbegründung des BFH. Nach Auffassung des BFH nimmt der Überpreis jedoch an einer aus anderen Gründen gerechtfertigten Teilwertabschreibung in dem Verhältnis teil, das dem gegenüber dem Anschaffungszeitpunkt gesunkenen Vergleichswert entspricht. 3 H 6.7 EStR „Teilwertvermutung“ EStH unter Hinweis auf BFH v. 27.10.1983 – IV R 143/80, BStBl. II 1984, 35 ff. 4 Vgl. Ehmcke in Blümich, § 6 EStG Rz. 600 ff. Nach Auffassung von Ehmcke ist es strittig, ob diese Vermutung auch für die Bewertung des Umlaufvermögens für spätere Bewertungsstichtage gelten kann, also auch ein bis drei Jahre nach der Anschaffung oder Herstellung der Wirtschaftsgüter. Nach Ablauf dieser Zeit ist die Vermutung zumindest schwächer. 5 Entsprechendes gilt auch für die Finanzverwaltung. Möchte sie eine entsprechende Wertberichtigung vornehmen, so trägt sie die objektive Beweislast.

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C. Bewertung für ertragsteuerliche Zwecke

weist.1 Durch geeignete Unterlagen, die der Finanzverwaltung und den Gerichten eine konkrete Vorstellung über die Wertminderung ermöglichen, kann der Steuerpflichtige eine Fehlmaßnahme oder das Sinken des Teilwerts unter die Buchwerte darlegen, indem er das Sinken der Wiederherstellungs- oder Wiederbeschaffungskostenkosten, der voraussichtlichen Verkaufserlöse oder den Eintritt sonstiger wertmindernder Umstände nachweist.2 Eine Teilwertabschreibung erscheint nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 und Nr. 2 Satz 2 EStG nur dann möglich, wenn der tatsächliche Teilwert den vermuteten Teilwert dauerhaft unterschreitet und die damit einhergehende Wertminderung von Dauer ist, weil der Anteil des jeweiligen Wirtschaftsguts an dem Kaufpreis, den ein potentieller Erwerber theoretisch für das gesamte Unternehmen bei Erwerb zahlen würde, geringer als der Buchwert des Wirtschaftsguts ist. Für die Beantwortung der Frage, ob eine dauerhafte Wertminderung vorliegt, weil der Teilwert nachhaltig den Buchwert unterschreitet, ist zwischen Anlage- und Umlaufvermögen zu unterscheiden. Danach liegt eine dauerhafte Wertminderung bei Umlaufvermögen bereits dann vor, wenn die Wiederbeschaffungs- bzw. Wiederherstellungskosten oder die Börsen- und Marktpreise3 über den maßgeblichen Bewertungsstichtag hinaus unter den Vergleichswert gesunken sind, hinsichtlich des abnutzbaren Anlagevermögens hingegen erst dann, wenn der Teilwert die Hälfte des Buchwerts unterschreitet; bei nicht abnutzbaren Wirtschaftsgütern ist allein entscheidend, ob am Bilanzstichtag mehr Grunde für oder gegen eine dauerhafte Wertminderung sprechen. Nach Auffassung des BFH kann bei börsennotierten Anteilen an Kapitalgesellschaften von einer dauerhaften Wertminderung ausgegangen werden, wenn der Börsenwert zum Bilanzstichtag die Anschaffungskosten unterschreitet und zu diesem Zeitpunkt keine konkreten Anhaltspunkte für eine alsbaldige Werterholung vorliegen.4 Die deutsche Finanzverwaltung erkennt diese Rechtsprechung an, wendet sie jedoch nur auf bestimmte Wertminderungen innerhalb einer „Bandbreite“ an. Danach könne von einer dauerhaften Wertminderung nur dann ausgegangen werden, wenn der Börsenkurs der Anteile zu dem jeweils aktuellen Bilanzstichtag um mehr als 40 % oder zu dem jeweils aktuellen Bilanzstichtag und dem vorangegangenen Bilanzstichtag um mehr als 25 % unter die Anschaffungskosten gesunken ist.5 Nicht börsennotierte Anteile an Kapi1 Vgl. beispielsweise BFH v. 14.7.1983 – IV R 95/81, Harzburger Protokoll 1984, 266. 2 Vgl. Ehmcke in Blümich, § 6 EStG Rz. 618 ff. 3 Die Teilwerte von Wirtschaftsgütern des Umlaufvermögens werden durch den Beschaffungs- und den Absatzmarkt bestimmt, weil sie zum Zweck der Veräußerung gehalten werden. Die Teilwerte des Anlagevermögens hingegen werden ausschließlich durch den Beschaffungsmarkt und damit vor allem durch die Wiederbeschaffungskosten bestimmt. 4 Vgl. BFH v. 26.9.2007 – I R 58/06, BStBl. II 2009, 294. 5 Vgl. dazu BMF v. 26.3.2009 – IV C 6-S 2171-b/0, 2009/0195335, BStBl. I 2009, 514, in dem die Finanzverwaltung zur Frage der dauerhaften Wertminderung bei börsennotierten Anteilen an Kapitalgesellschaften Stellung genommen hat.

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6.64

Kap. 6: Bewertung von geistigem Eigentum

talgesellschaften unterliegen nur dann einer dauerhaften Wertminderung, wenn der „innere Wert“ der Beteiligung gesunken ist, weil sich beispielsweise die Ertragsaussichten der Kapitalgesellschaft deutlich verschlechtert haben und nachhaltig mit geringeren Gewinnausschüttungen zu rechnen ist.1 Aus vergleichbaren Gründen erscheint auch die Teilwertabschreibung eines entgeltlich erworbenen Firmenwerts möglich, wenn sich der erworbene Teilwert beispielsweise durch die nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung infolge der Stagnation der Umsätze sowie Gewinne über einen längeren Zeitraum verflüchtigt und nicht durch einen selbstgeschaffenen Firmenwert ersetzt wird.2 Diese sog. Einheitstheorie basiert auf der Annahme, dass ein potentieller Erwerber des Unternehmens den Geschäftswert gleichfalls als Ganzen bewerten und nicht zwischen dem originären und derivativen Geschäftswert unterscheiden würde.3 Die Teilwertabschreibung aufgrund einer Fehlmaßnahme (Rz. 6.62) wird i.d.R. nur innerhalb des ersten Wirtschaftsjahres nach Erwerb anerkannt.4 Zur Ermittlung des Teilwerts des Geschäftswerts s. Rz. 6.66. Eine Teilwertabschreibung kann für Know How beispielsweise auch dann in Betracht kommen, wenn dieses z.B. den Mitbewerbern bekannt wird. So hat der BFH in einem Urteil entschieden, dass es im Rahmen einer Einlage nicht aktiviert werden könne, weil der Teilwert in diesen Fällen null Euro beträgt (Rz. 6.44).5 Entsprechendes gilt für Technologien und Patente, wenn beispielsweise ein anderer Anbieter eine bessere Technologie den Mitbewerbern ggf. zu einem vergleichbaren Preis anbietet und der bisherige Lizenzgeber geringere Lizenzgebühren vereinnahmen kann, sowie für Belieferungsrechte, wenn beispielsweise ein bedeutender Abnehmer insolvent wird und daraus starke Umsatzeinbußen resultieren. Darüber hinaus können Rechte auch aufgrund von Gesetzesänderungen dauerhaften Wertminderungen unterliegen.

6.65

Liegen die genannten Voraussetzungen für eine Teilwertabschreibung vor, so kann der Steuerpflichtige entscheiden, ob er diese Wertberichtigung vornehmen möchte. Aufgrund des Wegfalls der umgekehrten Maßgeblichkeit im Zuge des BilMoG6 steht dem Steuerpflichtigen das in § 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 und Nr. 2 Satz 2 EStG verankerte, durch die Verwen1 Vgl. Kulosa in Schmidt30, § 6 EStG Rz. 281 ff. 2 So hat der BFH beispielsweise eine Teilwertabschreibung aufgrund eines Überangebots von Handwerksbetrieben anerkannt, durch das die Firmenwerte deutlich sanken (vgl. BFH v. 20.4.1977 – I R 234/75, BStBl. II 1977, 607). Hingegen hat er eine dauerhafte Wertminderung nicht anerkannt, nachdem ein Einzelhandel seine Geschäftsräume um 150m verlegt hat (vgl. BFH v. 16.12.1981 – I R 154/78, nv.). Eine Betriebsaufgabe löst dann keine Wertminderung aus, wenn der Betrieb nach Einstellung im Privatvermögen verpachtet wird. Vgl. dazu die Auflistung der Rechtsprechung bei Kulosa in Schmidt30, § 6 EStG Rz. 315. 3 Die Gegenmeinung vertritt jedoch die Auffassung, dass für die Teilwertabschreibung nur der entgeltlich erworbene Firmenwert maßgeblich ist. Vgl. Kulosa in Schmidt30, § 6 EStG Rz. 313. 4 Vgl. Kulosa in Schmidt30, § 6 EStG Rz. 313. 5 Vgl. BFH v. 10.3.1993 – I R 116/91, BFH/NV 1993, 595. 6 BilMoG v. 25.5.2009, BGBl. I 2009, 1102.

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C. Bewertung für ertragsteuerliche Zwecke

dung des Begriffs „kann“ eröffnete Wahlrecht auch tatsächlich zu, weil die handelsrechtlichen Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung für steuerliche Zwecke nach § 5 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 EStG nur noch mit der Einschränkung zur Anwendung kommen, dass im Rahmen der Ausübung eines steuerlichen Wahlrechts kein anderer Ansatz gewählt wird oder wurde. Die deutsche Finanzverwaltung teilt diese Auffassung, möchte jedoch im Fall eines fehlenden Nachweises der Wertminderung im folgenden Wirtschaftsjahr prüfen, ob eine willkürliche Gestaltung vorliegt.1 Entfallen die Gründe für die dauerhafte Wertminderung in den folgenden Wirtschaftsjahren und steigt der Teilwert des betreffenden Wirtschaftsguts über den Buchwert, so hat der Steuerpflichtige aufgrund des Wertaufholungsgebots eine Teilwertzuschreibung vorzunehmen.2 Der Höhe nach darf die Wertaufholung maximal bis zur Höhe der (fortgeführten) Anschaffungs- oder Herstellungskosten3 erfolgen, mit denen das Wirtschaftsgut in der Bilanz enthalten wäre, wenn der Steuerpflichtige keine Teilwertabschreibung vorgenommen hätte.4 Der Teilwert des Geschäfts- und Firmenwerts kann nur im Wege der Schätzung ermittelt werden. Für diese stehen drei Methoden zur Verfügung,5 die nur annäherungsweise angeben können, ob und in welcher Größenordnung ungefähr ein Geschäftswert angenommen werden kann.6 Bei der direkten Methode, auch als sog. Übergewinnmethode bezeichnet, wird von dem nachhaltigen Gewinn ein Betrag für die Kapitalverzinsung sowie ein Unternehmerlohn abgezogen und die verbleibende Größe zum Geschäftswert kapitalisiert.7 Bestehen keine Anhaltspunkte für wesentliche Veränderungen bezüglich der Unternehmenstätigkeit, so kann der nachhaltig erzielbare Gewinn aus den Daten der Vergangenheit abgeleitet werden. Bei Einzelunternehmen sowie Personengesellschaften wird dieser Gewinn um einen angemessenen Unternehmerlohn in der Höhe ge1 Vgl. BMF v. 12.3.2010 – IV C 6-S 2133/09/10001 (2010/0188935), BStBl. I 2010, 239. 2 Vgl. u.a. BFH v. 24.4.2007 – IV C 6-S 2133/09/1001 (2010/0188935), BStBl. II 2007, 239. 3 Bewertungsobergrenze sind nach der Rechtsprechung des BFH die Anschaffungsbzw. Herstellungskosten oder die an deren Stelle tretenden Werte, vermindert um die Abschreibung nach § 7 EStG und um die erhöhten Absetzungen, Sonderabschreibungen, Abzüge nach § 6b EStG und ähnliche Abzüge (BFH v. 4.6.2008 – I R 84/07, BStBl. II 2008, 187). Die Finanzverwaltung hat diese Rechtsprechung anerkannt, möchte sie jedoch nicht auf Rücklagen übertragen, vgl. dazu BMF v. 11.2.2009 – IV C 6-S 2170/0, 2009/0083720, BStBl. I 2009, 397. 4 Vgl. Kulosa in Schmidt30, § 6 EStG Rz. 242. 5 Bislang wurden die indirekte und direkte Methode auch für die Unternehmensbewertung für erbschaft- und schenkungsteuerliche Zwecke angewandt. Aufgrund der durch das Erbschaftsteuerreformgesetzt geänderten Unternehmensbewertung erscheint deren Anwendung nicht mehr geboten (vgl. H 19 Abs. 6 EStH 2003). 6 Vgl. BFH v. 28.10.1976 – IV R 76/72, BStBl. II 1977, 73 ff. 7 Vgl. BFH v. 24.4.1980 – IV R 61/77, BStBl. II 1980, 690 ff.

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6.66

Kap. 6: Bewertung von geistigem Eigentum

kürzt, in der leitende Angestellte unter Berücksichtigung ihrer Tätigkeit und der Unternehmensbranche einen Lohn erhalten. Bei Kapitalgesellschaften entfällt diese Notwendigkeit, weil deren Geschäfte von mindestens einem Geschäftsführer geleitet werden und der steuerliche Gewinn der Gesellschaft bereits um dessen angemessenen Lohn gemindert wurde. Die verbleibende Restgröße zeigt also an, ob der Erwerber des Unternehmens einen höheren Gewinn (sog. Mehr- oder Übergewinn) als den angemessenen Unternehmerlohn erwirtschaften kann, den er auch bei derselben Tätigkeit als Angestellter erhalten würde.1 Die Kapitalisierung erfolgt mit einem Zinssatz, der sich aus dem Basiszinssatz, der i.d.R. der Rendite einer vergleichsweise risikolosen Kapitalmarktanlage entspricht, und einem Zuschlag zusammensetzt, der eine Vergütung für das mit der Investition in das entsprechende Unternehmen verbundene Risiko darstellt und daher positiv mit der Höhe des Risikos korreliert. Die konkrete Höhe des Kapitalisierungszinssatzes kann nur unter Berücksichtigung aller Kriterien bemessen werden. Sie entscheidet maßgeblich über die Höhe des Geschäftswerts.2 Bei der indirekten Methode wird von dem Ertragswert der Unternehmung der Substanzwert aller Einzelwirtschaftsgüter abgezogen und dieser Wert als Geschäfts- oder Firmenwert betrachtet. Sie basiert auf der Idee, dass der Geschäftswert seinen Ausdruck in dem Mehrwert findet, der einem Unternehmen über den Wert der einzelnen Wirtschaftsgüter und abzüglich der Schulden hinaus innewohnt.3 Diese Vorgehensweise ähnelt der sog. Restwertmethode, die bei Anschaffung ganzer Unternehmen im Rahmen der Aufteilung des Kaufpreises Anwendung findet (Rz. 6.31), auch bei dieser Methode werden die anderen Wirtschaftsgüter mit ihren jeweiligen Teilwerten berücksichtigt. Vor der Kapitalisierung des nachhaltig erzielbaren Gewinns kann von diesem ein angemessener Unternehmerlohn in Abzug gebracht werden; insoweit unterscheiden sich die direkte und die indirekte Methode nicht voneinander.4 Durch die Berücksichtigung des Unternehmerlohns nähert sich die indirekte Methode der Mittelwertmethode5 an. Nach dieser Methode entspricht der Geschäftswert grundsätzlich dem hälftigen Unterschiedsbetrag zwischen dem Ertragswert und dem Substanzwert der Unternehmung.6 In Einzelfällen kann er jedoch stärker durch den Ertrag oder die Substanz beeinflusst werden.7 1 2 3 4

Vgl. BFH v. 28.10.1976 – IV R 76/72, BStBl. II 1977, 73 ff. Vgl. Kulosa in Schmidt30, § 6 EStG Rz. 317. Vgl. BFH v. 5.8.1970 – I R 180/66, BStBl. II 1970, 804. Vgl. BFH v. 8.12.1976 – I R 215/73, BStBl. II 1977, 409. Die indirekte Methode wurde von Leissle, StuW 1953, 641 ff. entwickelt, sie sieht jedoch keinen Abzug des Unternehmerlohns vor. 5 Diese Methode wurde insbesondere von Maaßen, FR 1976, 315 f. vertreten. 6 Vgl. BFH v. 5.8.1970 – I R 180/66, BStBl. II 1970, 804. Diese Halbierung folgt daraus, dass bei dieser Methode der Ertrags- und Substanzwert im Gesamtwert des Unternehmens nur zur Hälfte enthalten sind und der Geschäftswert mittelbar aus dem Gesamtwert abgeleitet wird (vgl. BFH v. 8.12.1976 – I R 215/73, BStBl. II 1977, 409). 7 Vgl. BFH v. 15.9.2004 – I R 7/02, BStBl. II 2005, 867.

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D. Bewertung für erbschaft- und schenkungsteuerliche Zwecke

D. Bewertung für erbschaft- und schenkungsteuerliche Zwecke I. Vorbemerkung Der Erbschaft- und Schenkungsteuer unterliegen substantielle Vermögensbewegungen, bei denen sich die rechtlichen Eigentumsverhältnisse über die immateriellen Vermögenswerte entweder im Wege der Schenkung oder durch Erwerb von Todes wegen ändern (Rz. 5.9 ff.). Die Besteuerung des Vermögenszuwachses des Beschenkten bzw. Erben setzt eine Bewertung seines steuerpflichtigen Erwerbs voraus.1 So kann die Schenkung eines Patents ebenso wie die Schenkung einer Firma, zu deren Betriebsvermögen das Patent gehört, im Zuge der Übertragung der immateriellen Werte Gegenstand der Bewertung für erbschaft- und schenkungsteuerliche Zwecke sein. Die nachfolgende Betrachtung basiert auf einer Darstellung und Systematisierung der Bewertungsanlässe, in deren Anschluss die Bewertungsmöglichkeiten für die einzelnen Wirtschaftsgüter wie Beteiligungen an Kapital- und Personengesellschaften, Marken, Nutzungsrechten, Erbbaurechten u.a. sowie für die Sachgesamtheiten wie für Unternehmen dargestellt werden.

6.67

II. Darstellung und Systematisierung der Bewertungsanlässe 1. Grundlagen Der Erbschaft- und Schenkungsteuer unterliegt der Vermögenszuwachs des Beschenkten bzw. Erben, der aus einer substantiellen Vermögensbewegung resultiert. Sie kann durch eine Schenkung oder durch einen Erwerb von Todes wegen ausgelöst werden. Der Besteuerung unterliegt der steuerpflichtige Erwerb, also die Bereicherung des Erwerbers,2 sofern sie nicht aufgrund der persönlichen und sachlichen Steuerbefreiungen des ErbStG (§§ 5, 13, 13a, 16, 17 und 18 ErbStG) von der Besteuerung auszunehmen ist (Rz. 5.57 ff.). Die Ermittlung der Bereicherung des Erwerbers ist Ziel der erbschaft- und schenkungsteuerlichen Wertermittlung. Sie erfolgt jedoch nur dann, wenn ein konkreter Bewertungsanlass eine solche für Zwecke der Besteuerung voraussetzt. Die Darstellung dieser Anlässe sowie deren Systematisierung sind Gegenstand der nachfolgenden Betrachtung.

6.68

2. Darstellung der Bewertungsanlässe Bewertungsanlässe für eine Bewertung der immateriellen Werte für erbschaft- und schenkungsteuerliche Zwecke sind alle nach § 1 ErbStG steu1 Vgl. Gebel in Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG, § 10 Rz. 1. 2 Vgl. Gebel in Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG, § 10 Rz. 1.

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6.69

Kap. 6: Bewertung von geistigem Eigentum

erbaren substantiellen Vermögensübertragungen, bei denen immaterielle Werte von einer Person auf eine andere Person endgültig übertragen werden. Diese Übertragungen sind dann im Inland erbschaft- bzw. schenkungsteuerpflichtig, wenn die Übertragungen nicht im Wege eines Rechtskaufs, sondern im Wege einer Schenkung oder eines Erwerbs von Todes wegen erfolgen und zugleich die Voraussetzungen der persönlichen Steuerpflicht der Beteiligten erfüllt sind. Nur wenn entweder der Erblasser zum Zeitpunkt seines Todes oder der Erwerber zum Zeitpunkt der Entstehung der Steuer bzw. im Fall einer Schenkung einer der Beteiligten im Inland seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt hat, unterliegt die Vermögensübertragung der unbeschränkten Erbschaft- bzw. Schenkungsteuerpflicht; ansonsten nur insoweit der beschränkten Erbschaftsteuerpflicht, wie inländisches Vermögen i.S. des § 121 BewG übertragen wird. Als Schenkungen i.S. des § 7 Abs. 1 ErbStG gelten alle freigebigen Zuwendungen, durch welche der Bedachte auf Kosten des Zuwendenden unentgeltlich, d.h. ohne eine in Anbetracht der erhaltenen Leistung angemessene Gegenleistung leisten zu müssen, bereichert wird. Hingegen gelten als Erwerbe von Todes wegen i.S. des § 3 ErbStG beispielsweise der Erwerb aufgrund eines Erbanfalls i.S. des § 1922 BGB oder aufgrund der Geltendmachung eines Pflichtteilsanspruchs.

6.70

Typische Bewertungsanlässe sind damit die Übertragung von Marken, Patenten, Forderungen oder Anteilen an Kapital- oder Personengesellschaften, die Gegenstand von im Inland steuerpflichtigen Schenkungen oder Erwerben von Todes wegen sind. Dabei kann eine Bewertung des immateriellen Werts als Einzelwirtschaftsgut auch aus seiner Eigenschaft als Nachlassverbindlichkeit resultieren. Ist der Erbe beispielsweise zur Einräumung eines lebenslangen Wohn- oder eines anderen Nutzungsrechts oder zur Herausgabe bestimmter Patente aufgrund eines Vermächtnisses verpflichtet, macht dies i.d.R. dessen Bewertung notwendig. Auch der Austritt aus einer Personengesellschaft gegen eine sog. Buchwertklausel kann ein Bewertungsanlass sein, wenn die Voraussetzungen für eine Schenkung i.S. des § 7 Abs. 7 ErbStG erfüllt sind.1 3. Systematisierung der Bewertungsanlässe

6.71

Gegenstand der Schenkungen sowie der Erwerbe von Todes wegen können sowohl Einzelwirtschaftsgüter wie Marken, Patente, Erfindungen und Forderungen oder auch Sachgesamtheiten wie Teilbetriebe oder das gesamte Unternehmen sein, zu deren Betriebsvermögen immaterielle Werte wie der Firmenwert und Anteile an anderen Kapital- oder Personengesellschaften gehören. Dabei können die übertragenen Einzelwirtschafts1 Zur Schenkungsteuer beim Ausscheiden eines Gesellschafters auf Basis gesellschaftsvertraglicher Abfindungsklauseln vgl. Neumayer/Imschweiler, DStR 2010, 201 ff. sowie zum Einfluss des neuen Bewertungs- und Erbschaftsteuerrechts auf Abfindungsregelungen in Gesellschaftsverträgen vgl. Wangler, DStR 2009, 1501 ff.

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D. Bewertung für erbschaft- und schenkungsteuerliche Zwecke

güter entweder im ertragsteuerlichen1 Betriebsvermögen belegen sein, weil das Patent beispielsweise für die Herstellung der zu verkaufenden Produkte eingesetzt wird, oder im Privatvermögen, weil der verstorbene Onkel seine Erfindungen außerhalb eines Arbeitsverhältnisses und eines Unternehmens ausschließlich in seiner Freizeit gemacht hat. Das Vermögen selbst kann dabei im In- als auch im Ausland belegen sein. Für die Bewertung der immateriellen Werte entfaltet vor allem die Unterteilung in Einzelwirtschaftsgüter einerseits und in Sachgesamtheiten, wonach mehrere Wirtschaftsgüter zu einer wirtschaftlichen Einheit i.S. des § 2 BewG gehören (Rz. 6.76), andererseits eine entscheidende Bedeutung. Denn eine einzelne Bewertung des immateriellen Wirtschaftsguts erscheint i.d.R. nur dann notwendig, wenn dieses einzeln und gerade nicht als Bestandteil einer Sachgesamtheit übertragen wird. So wird beispielsweise das Unternehmen im Regelfall als Ganzes unter Anwendung der Ertragswertmethode bewertet. Auf die Bewertung der einzelnen Werte kommt es dabei i.d.R. nicht an. Etwas anderes gilt jedoch zum Beispiel dann, wenn die Bewertung auf Grundlage des Substanz- oder Liquidationswerts erfolgen soll, weil diese Werte eine Bewertung der einzelnen Wirtschaftsgüter voraussetzen. Die Unterscheidung zwischen Privat- und Betriebsvermögen hingegen ist für die Bewertung der immateriellen Werte von untergeordneter Bedeutung. Sie entfaltet erst für die Steuerbefreiungen eine entscheidende Bedeutung, von der vor allem die Übertragung des Betriebsvermögens begünstigt wird. Hingegen kommt der Belegenheit des Vermögens insoweit eine besondere Bedeutung zu, weil das ErbStG hinsichtlich der Bewertung zwischen inländischem und ausländischem Vermögen unterscheidet.

6.72

Für die Bewertung der immateriellen Werte für erbschaft- und schenkungsteuerliche Zwecke wird unter III. lediglich zwischen im Inland belegenen Einzelwirtschaftsgütern, die entweder im Privat- oder Betriebsvermögen belegen sein können, und Sachgesamtheiten, die stets Betriebsvermögen darstellen, unterschieden. Im Anschluss werden die Besonderheiten für im Ausland belegene Vermögenswerte dargestellt.

6.73

III. Bewertung 1. Bewertungszwecke Eine Bewertung der immateriellen Werte erscheint nur dann notwendig, wenn ein erbschaft- bzw. schenkungsteuerpflichtiger Vorgang vorliegt, der zu einer Bereicherung des Erwerbers geführt hat. Die Ermittlung der erbschaft- bzw. schenkungsteuerlichen Bemessungsgrundlage, des sog. steuerpflichtigen Erwerbs, setzt eine Bewertung des übertragenen Ver1 Für Zwecke der Erbschaftsteuer richtet sich die Zuordnung der Wirtschaftsgüter zum Betriebs- und Privatvermögen nach ertragsteuerlichen Grundsätzen (vgl. § 95 ff. BewG).

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6.74

Kap. 6: Bewertung von geistigem Eigentum

mögens sowie der Nachlassverbindlichkeiten voraus. Die dafür maßgebliche Norm ist § 12 ErbStG, der teilweise auf die allgemeinen Regelungen des BewG verweist. Insoweit unterscheidet das ErbStG zwischen einer Wertermittlung, die auf die Ermittlung des steuerpflichtigen Erwerbs abstellt, und einer Bewertung i.e.S. nach § 12 ErbStG als Teilschritt der Wertermittlung, bei der die aktiven und passiven Vermögenswerte in Geld umgerechnet werden. Dabei meint der Begriff des „Werts“ in der Literatur i.d.R. das Ergebnis der Bewertung i.S. des § 12 ErbStG, d.h. vor Abzug der sachlichen Steuerbefreiungen (Freibeträge) und Wertabschläge.1 2. Verfahrensrechtliche Regelungen

6.75

Der für die Bewertung und die Wertermittlung maßgebliche Paragraph ist § 12 ErbStG. Dieser erklärt in seinem ersten Absatz den Ersten Teil des Bewertungsgesetzes (§§ 1–16 BewG) für anwendbar, wenn die Sonderregelungen in den weiteren Absätzen keine abweichende Regelungen vorsehen. Für die Wertermittlung des explizit in diesen Sonderregelungen genannten Vermögens verweist das ErbStG direkt auf die besonderen Regelungen des Bewertungsgesetzes. Nach diesen Regelungen kommt für die Werte i.S.d. § 12 ErbStG des genannten Vermögens (Anteile an Kapitalgesellschaften, Grundbesitz, inländisches Betriebsvermögen sowie für Vermögen und Schulden, die mehreren Personen zustehen) eine gesonderte Feststellung nach § 151 BewG in Betracht, wenn die Werte für die Besteuerung mit Erbschaftsteuer von Bedeutung sind. Ob die Voraussetzungen für eine solche Bedarfsbewertung vorliegen, entscheidet allein das für die Bewertung nach § 153 BewG zuständige Finanzamt.2 Dieses soll von einer Wertermittlung absehen, wenn es sich im Einvernehmen mit den Verfahrensbeteiligten um einen Fall von geringer Bedeutung handelt, bei dem der Verwaltungsaufwand gemessen an der Erbschaftsteuer in keinem Verhältnis mehr steht.3 An einem Bedarf dürfte es m.E. auch dann fehlen, wenn nur wenige Vermögenswerte auf den Erwerber übergehen, der steuerpflichtige Erwerb nach Berücksichtigung aller sachlichen und persönlichen Steuerfreistellungen null Euro beträgt und dies für das zuständige Finanzamt ersichtlich ist. Für ausländisches Vermögen ist nach § 151 1 Vgl. Jülicher in Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG, § 12 Rz. 1 f. 2 Für die Bewertung des Grundbesitzes ist grundsätzlich das sog. Lagefinanzamt i.S. des § 18 AO zuständig, in dessen Bezirk das Grundstück belegen ist, für die Bewertung des Betriebsvermögens das Betriebsfinanzamt, in dessen Bezirk sich die Geschäftsleitung des Betriebs befindet, für die der Anteile an Kapitalgesellschaften grundsätzlich das Finanzamt, in dessen Bezirk sich die Geschäftsleitung der Kapitalgesellschaft befindet, und für das Vermögen, das mehreren Personen zusteht, grundsätzlich das Finanzamt, von dessen Bezirk die Verwaltung ausgeht oder, falls die Verwaltung nicht im Inland erfolgt, das Finanzamt, in dessen Bezirk sich der wertvollste Teil des Vermögens befindet. 3 Vgl. gleichlautender Erlass zur Umsetzung des Gesetzes zur Reform des Erbschaftsteuer- und Bewertungsrechts – Feststellung von Grundbesitzwerten, von Anteilswerten und von Betriebsvermögenswerten v. 30.3.2009, BStBl. I 2009, 546; § 151 Abs. 3 Satz 2 BewG.

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D. Bewertung für erbschaft- und schenkungsteuerliche Zwecke

Abs. 4 BewG keine gesonderte Feststellung vorzunehmen. Der Feststellungsbescheid ist Grundlagenbescheid für die Erbschaftsteuer.1 Daher kann die Finanzverwaltung nach § 153 BewG von jedem, für dessen Besteuerung eine gesonderte Feststellung von Bedeutung ist, die Abgabe einer Feststellungserklärung verlangen. In den Fällen, in denen der Gegenstand der Feststellung mehreren Personen zugerechnet wird, kann sie eine solche Erklärung auch von der Gemeinschaft bzw. Gesellschaft verlangen. Gegenstand der Bewertung ist ausschließlich die wirtschaftliche Einheit i.S. des § 2 BewG, die sich entweder nur aus einem einzigen Wirtschaftsgut (Einzelbewertung) oder aus mehreren Wirtschaftsgütern zusammensetzt, weil diese nach der Anschauung des Verkehrs eine Einheit bilden, die letztlich nur als solche im Ganzen bewertet werden kann (Gesamtbewertung). Voraussetzung für die Zusammenfassung mehrerer Wirtschaftsgüter zu einer Einheit ist, dass diese demselben zivilrechtlichen Eigentümer gehören, zur gleichen Vermögensart gehören und nach der Verkehrsauffassung als solche auch wahrgenommen werden. In diese Prüfung sind vor allem die örtliche Gewohnheit und wirtschaftliche Zusammengehörigkeit als objektive Kriterien sowie die tatsächliche Übung und Zweckbestimmung als subjektive Kriterien einzubeziehen. So gelten Grundvermögen und Betriebsvermögen jeweils als wirtschaftliche Einheit, weil zu diesem i.d.R. mehrere Wirtschaftsgüter gehören, die gemeinsam zur Erreichung eines bestimmten Zwecks eingesetzt werden. Hingegen gelten die meisten Wirtschaftsgüter des Privatvermögens nicht als eine solche Sachgesamtheit, die nur als Ganzes bewertet werden kann, sondern unterliegen einer Einzelbewertung. Ausnahmen gelten beispielsweise für Sammlungen oder auch für Know How, wenn sich dieses aus mehreren Entdeckungen und Erfahrungen zusammensetzt, die wirtschaftlich in einem einheitlichen Prozess verwendet werden können.2

6.76

Bewertungsstichtag ist nach § 11 ErbStG der Zeitpunkt der Entstehung der Steuer (sog. Stichtagsprinzip). Dabei entsteht diese bei Erwerb von Todes wegen i.d.R. mit dem Tod des Erblassers, wenn der Erwerb nicht unter einer aufschiebenden Bedingung erfolgt, oder, so wie bei Geltendmachung eines Pflichtteils, erst mit dem Zeitpunkt der Geltendmachung und bei einer Schenkung i.d.R. mit Ausführung der Schenkung nach § 9 ErbStG.

6.77

Rechtsgeschäfte über immaterielle Werte können unter bestimmten Bedingungen abgeschlossen werden, die entweder aufschiebend oder auflösend vereinbart werden. So kann der Vater die Schenkung eines bestimmten Patents an seine Tochter beispielsweise von der Bedingung abhängig machen, dass sie volljährig oder verheiratet ist, oder aber in dem Schenkungsvertrag vorsehen, dass die Schenkung im Fall eines bestimmten Verhaltens, wie einer Scheidung, aufgehoben werden soll. Bei dem

6.78

1 Vgl. Gebel in Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG, § 12 Rz. 520. 2 Vgl. Ramb in Rödl/Preißer u.a., Erbschaft- und Schenkungsteuer Kompakt Kommentar, § 12 Rz. 2.3.1.

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Kap. 6: Bewertung von geistigem Eigentum

ersten Beispielsfall handelt es sich um einen sog. aufschiebend bedingten Erwerb, weil die Schenkung erst dann vollzogen wird, wenn eine bestimmte Bedingung eintritt. Das Rechtsgeschäft selbst befindet sich bis dahin in einer Art Schwebezustand,1 weswegen die Wirtschaftsgüter erst dann gem. § 4 BewG bewertet werden, wenn die Bedingung auch eintritt. Im zweiten Beispiel hingegen liegt ein sog. auflösend bedingter Erwerb vor, bei dem die Wirkungen des Rechtsgeschäfts zwar sofort eintreten, aber unter bestimmten Bedingungen wieder enden sollen. Daher wird das Wirtschaftsgut so bewertet, als ob es unbedingt erworben wäre. Tritt die Bedingung ein, wodurch das Rechtsgeschäft endet, so erfolgt auf Antrag nach § 5 Abs. 2 BewG eine Berichtigung der festgesetzten Erbschaftsteuer auf Grundlage des tatsächlichen Werts des Erwerbs, d.h. ohne das betroffene Wirtschaftsgut. 3. Bewertungsmaßstäbe

6.79

Die Bewertung der immateriellen Werte erfolgt nach den allgemeinen Regelungen des Bewertungsgesetzes sowie für bestimmtes, explizit genanntes Vermögen wie Grundbesitz, Betriebsvermögen oder Anteile an Kapitalgesellschaften nach den besonderen Regelungen des BewG. Danach kommen als Bewertungsmaßstäbe insbesondere der gemeine Wert i.S. des § 9 BewG beispielsweise für Betriebsvermögen und alle anderen nicht explizit geregelten Vermögensgegenstände, der Teilwert i.S. des § 10 BewG2 und weitere, aber auch aus dem gemeinen Wert abgeleiteten Wertmaßstäbe wie der Kurswert i.S. des § 11 Abs. 1 BewG für börsennotierte Anteile an Kapitalgesellschaften, der Rücknahmepreis i.S. des § 11 Abs. 4 BewG für Investmentanteile, der Nennwert i.S. des § 12 Abs. 1 BewG für Forderungen und Verbindlichkeiten, die gesondert festgestellten Grundbesitzwerte für land- und forstwirtschaftliches Vermögen, Grundvermögen und Betriebsgrundstücke sowie der Kapitalwert i.S. des §§ 13–16 BewG für Nutzungen und Leistungen in Betracht.3 4. Einzelbewertung a) Überblick

6.80

Der nachfolgende Abschnitt widmet sich der Einzelbewertung konkreter immaterieller Werte, die nicht Gegenstand einer Sachgesamtheit sind. Daher unterliegen sie einzeln einer Bewertung nach § 12 ErbStG, der, wie bereits dargestellt, auf die Allgemeinen Regelungen sowie für bestimmte Wirtschaftsgüter bzw. Sachgesamtheiten auf die Besonderen Vorschriften des BewG verweist. Zu diesen Wirtschaftsgütern zählen u.a. die Anteile 1 Vgl. Ramb in Rödl/Preißer u.a., Erbschaft- und Schenkungsteuer Kompakt Kommentar, § 12 Rz. 2.4. 2 Der Teilwert ist zwar in den Allgemeinen Regelungen des BewG genannt, findet jedoch für erbschaft- und schenkungsteuerliche Zwecke keine Anwendung. 3 Vgl. dazu u.a. Haas in Beck’sches Steuer- und Bilanzrechtslexikon, Stichw. Steuerpflichtiger Erwerb (Bewertung) Rz. 10.

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D. Bewertung für erbschaft- und schenkungsteuerliche Zwecke

an Kapitalgesellschaften, Grundbesitz, hier nur im Zusammenhang mit Erbbaurechten relevant, Betriebsvermögen sowie ausländisches Vermögen und Vermögen, das mehreren Personen zuzurechnen ist. Alle anderen immateriellen Wirtschaftsgüter sind nach den allgemeinen Regelungen zu bewerten. Diese sehen für gewisse Wirtschaftsgüter wie Nutzungen und Investmentanteile sowie Kapitalforderungen einen bestimmten Wertansatz wie den Kapitalwert, Nennwert, Gegenwartswert oder Rücknahmepreis sowie für alle anderen Werte den Ansatz des gemeinen Werts vor. Dabei bereiten die Ermittlungen der gemeinen Werte für immaterielle Werte wie Marken, Know How, Patente und Erfindungen, Urheberrechte besondere Probleme. b) Bewertung von Anteilen an Kapitalgesellschaften Für die Bewertung von Anteilen an Kapitalgesellschaften verweist die Regelung des § 12 Abs. 2 ErbStG auf die Bewertungsvorschrift des § 11 BewG, welche die allgemeinen Bewertungsgrundsätze der §§ 1–9 BewG ergänzt. Nach dieser Norm sollen Anteile an Kapitalgesellschaften wie auch Wertpapiere vorrangig mit dem Börsenkurs oder mit den Verkaufspreisen bewertet werden, die fremde Dritte bei Kaufgeschäften für diese immateriellen Werte bezahlt haben.1 Können diese Werte nicht ermittelt werden, weil die Anteile an der Kapitalgesellschaft – wie im Regelfall – nicht an einer Börse notiert sind oder sich der Wert nicht aus Verkäufen ableiten lässt, so ist der gemeine Wert unter Berücksichtigung der Ertragsaussichten der Kapitalgesellschaften oder durch Anwendung einer anderen anerkannten, auch im gewöhnlichen Geschäftsverkehr für nicht steuerliche Zwecke üblichen Methode2 zu ermitteln, die ein Erwerber der Bemessung des Preises zugrunde legen würde,3 wobei die §§ 199–203 BewG zu beachten sind. In diesen ist das sog. vereinfachte Ertragswertverfahren geregelt, das der Steuerpflichtige ebenso wie das Verfahren nach dem IDW S 1 für die Wertermittlung anwenden kann.4 Da der gemeine Wert nach § 11 Abs. 2 Satz 3 BewG mindestens dem Substanzwert entspricht, setzt 1 Vgl. Jülicher in Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG, § 12 Rz. 260. 2 Welche Methoden dies sind, kann nach Auffassung der Finanzverwaltung auch den branchenüblichen Verlautbarungen wie beispielsweise den Veröffentlichungen der Kammern entnommen werden. Vgl. gleichlautender Erlass zur Umsetzung des Gesetzes zur Reform der Erbschaftsteuer- und Bewertungsrechts – Anwendung der § 11, 95 und 199 ff. BewG in der Fassung durch das ErbStG (AEBewAntBV) v. 25.6.2009, BStBl. I 2009, 698 Rz. A 3 Abs. 2. 3 Damit wird also der Steuerpflichtige, der erbt oder etwas geschenkt bekommt, mit dem Erwerber eines Unternehmens gleichgesetzt (vgl. Olbrich/Hares/Pauly, DStR 2010, 1250). Der Entscheidungswert ist deswegen unter Berücksichtigung der Handlungsalternativen des Käufers und nicht des Verkäufers (z.B. Liquidation) zu ermitteln. 4 Dem Steuerpflichtigen steht also ein Spielraum zu, wenn er ein Verfahren aus mehreren geeigneten Verfahren auswählen kann. Er kann auch das allgemeine Ertragswertverfahren anwenden. Nach der Gesetzesbegründung wird der Erwerber wohl die Methode anwenden, nach der er den geringsten Kaufpreis zu zahlen hat. Vgl. dazu Piltz, DStR 2009, 1829 (1830).

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6.81

Kap. 6: Bewertung von geistigem Eigentum

seine Ermittlung auch die Anwendung des Substanzwertverfahrens voraus.

6.82

Das vereinfachte Ertragsverfahren löst das bislang praktizierte Stuttgarter Verfahren als Bewertungsverfahren für nicht an der Börse notierte Anteile an Kapitalgesellschaften ab. Der Steuerpflichtige hat grundsätzlich die Wahl zwischen der Anwendung des „normalen“ Ertragswertverfahrens oder des vereinfachten Verfahrens sowie anderer, anerkannter Methoden, gleichwohl soll es nach Möglichkeit stets dann zur Anwendung kommen, wenn es nicht – wie bei komplexen Strukturen von der deutschen Finanzverwaltung erwartet –1 zu offensichtlich unzutreffenden Ergebnissen führt.2 Das gesetzlich in den §§ 199–203 BewG geregelte Verfahren erscheint aufgrund der Abhängigkeit des Werts von den Erträgen früherer Jahre vergangenheitsbezogen und vor allem aufgrund der vorgegebenen Höhe des Kapitalisierungssatzes stark typisierend.3 In Anbetracht des Wunsches nach Vereinfachung sowie einer Bewertung ohne hohen Ermittlungsaufwand und ohne Einschaltung eines Gutachters4 sowie dem Bestreben des Gesetzgebers, einen gangbaren Weg zwischen dem Beschluss des BVerfG über das ErbStG und dem Wunsch nach Praktikabilität und Rechtssicherheit zugleich,5 erscheinen diese Nachteile vielleicht hinnehmbar. Gleichwohl bezweifeln Vertreter der Literatur die tatsächliche Anwendung des Verfahrens in der Praxis, dies vor allem aufgrund des für jedes Zeitjahr starr festgelegten Kapitalisierungszinssatzes, der hoch, unveränderbar und nicht an die Besonderheiten des Einzelfalls anpassbar zugleich ist.6

6.83

Das Substanzwertverfahren basiert auf der Idee, dass die zu bewertende Kapitalgesellschaft für einen Käufer mindestens den Wert hat, den dieser aufwenden müsste, um ein vergleichbares Unternehmen auf „der grünen Wiese“ neu zu errichten (sog. Reproduktionswert bzw. Wiederbeschaffungskosten), wenn er sich gegen den Kauf der Unternehmung und für den Aufbau eines vergleichbaren Unternehmens entscheiden würde. Nach § 11 Abs. 2 Satz 3 BewG entspricht der Substanzwert jedoch der Summe der gemeinen Werte der einzelnen Wirtschaftsgüter, die nach den Vorschriften der §§ 99–103 BewG zum Betriebsvermögen der Kapitalgesellschaft gehören. Da der gemeine Wert nach § 9 Abs. 2 BewG der Wert ist, der für ein Wirtschaftsgut im gewöhnlichen Geschäftsverkehr nach der Beschaffenheit des 1 Vgl. AEBewAntBV v. 25.6.2009, BStBl. I 2009, 698 Rz. A 19 Abs. 5. 2 Dies scheint der Wille des Gesetzgebers zu sein. Dennoch steht dem Steuerpflichtigen nach dem Wortlauft des § 199 Abs. 1 BewG ein Wahlrecht zu, allerdings nur dann, wenn das Verfahren zu keinen unzutreffenden Ergebnissen führen würde. Dieses Wahlrecht wiederum steht dem Steuerpflichtigen nur dann zu, wenn für die Anteile an der Kapitalgesellschaft kein Börsenwert oder Verkaufspreis vorhanden ist. 3 Vgl. Bauer/Wartenburger, MittBayNot 2010, 435 (441). 4 Vgl. Kreutziger in Kreutziger/Schaffner/Stephany, BewG2, Vor §§ 199–203 Rz. 3. 5 Wassermann erkennt das Bemühen des Gesetzgebers, einen Weg zwischen den drei genannten Zielen zu finden, vgl. Wassermann, DStR 2010, 183 (186). 6 Vgl. Kreutziger in Kreutziger/Schaffner/Stephany, Kommentar BewG2, Vor §§ 199–203 Rz. 4.

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D. Bewertung für erbschaft- und schenkungsteuerliche Zwecke

Wirtschaftsguts bei einer Veräußerung zu erzielen wäre, handelt es sich vorliegend um den Liquidationswert der Gesellschaft. Dieser entspricht der Mindestkaufpreisforderung aus Sicht des Verkäufers einer Unternehmung, weil der Verkäufer als Alternative zum Verkauf stets eine Versilberung seines Betriebsvermögens vornehmen könnte.1 Das vereinfachte sowie das normale Ertragswertverfahren und das Substanzwertverfahren setzen eine Bewertung der Kapitalgesellschaft voraus, deren Betriebsvermögen nach § 2 BewG als wirtschaftliche Einheit als Ganzes zu bewerten ist. Daher verlangen diese Verfahren eine Gesamtbewertung der Kapitalgesellschaft, deren Durchführung (Rz. 6.107 ff.) insbesondere nicht wesentlich beteiligten Anteilseignern kaum möglich sein wird. Gleichwohl kann erst nach Ermittlung des gemeinen Werts der Kapitalgesellschaft der gemeine Wert der Anteile an dieser berechnet werden. Dieser entspricht grundsätzlich dem Anteil des Steuerpflichtigen an dem Nennkapital der Gesellschaft, das ggf. um eigene Anteile zu mindern ist, die auf seine Beteiligung entfallen.

6.84

Unter bestimmen Umständen ist auf den ermittelten Wert (auch auf den Börsen- oder Verkaufspreis) gem. § 11 Abs. 3 BewG ein Paketzuschlag vorzunehmen, weil aufgrund besonderer Umstände – wie beispielsweise der Möglichkeit der Beherrschung der Gesellschaft – der gemeine Wert des Anteils am Unternehmen den auf Grundlage des Beteiligungscharakters ermittelten Wert der Anteile an der Kapitalgesellschaft der Höhe nach übersteigt.2 So ist nach Auffassung der Finanzverwaltung ein Paketzuschlag beispielsweise dann gerechtfertigt, wenn ein Gesellschafter mehr als 25 % der Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft überträgt. Der Zuschlag soll im Regelfall maximal 25 % betragen, wobei höhere Zuschläge im Einzelfall möglich sein sollen, bei Anwendung des Ertragswertverfahrens im Regelfall jedoch nicht vorzunehmen und bei Ansatz der Substanzwertes ausgeschlossen sind.3

6.85

c) Bewertung von Anteilen an Personengesellschaften Die Bewertung von Anteilen an einer gewerblich tätigen Personengesellschaft setzt wie die Bewertung der Anteile an einer Kapitalgesellschaft die 1 Der so verstandene Substanzwert stellt also auf die Betrachtungsweise des Verkäufers und nicht auf die des Käufers ab. Dies steht allerdings nicht in Konkurrenz zum bereits dargestellten Grundsatz, wonach nur die Methoden für die Unternehmensbewertung Anwendung finden dürfen, die ein Erwerber anwenden würde. 2 Der Paketzuschlag versucht das Problem zu lösen, das mit dem Verhältnis zwischen dem Wert eines Unternehmens und dem Wert der Anteile einhergeht. So belegt die Marktpreisbildung für Anteile an Kapitalgesellschaften, dass die Summe der Werte über alle Anteile den Wert der Unternehmung der Höhe nach übersteigt, weil bestimmte Anteile nicht nur einen höheren Wert haben als andere Beteiligungen, sondern auch einen über ihren Anteil an Nennkapital hinausgehenden Wert (vgl. Piltz, DStR 2009, 1829 sowie 1832 f.). 3 Vgl. AEBewAntBV v. 25.6.2009, BStBl. I 2009, 698 Rz. A 7.

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6.86

Kap. 6: Bewertung von geistigem Eigentum

Bewertung der Personengesellschaft selbst voraus, wenn diese aus ertragsteuerlicher Sicht über Betriebsvermögen verfügt, mithin einen Gewerbebetrieb i.S. des § 15 EStG unterhält, weil sie originär gewerblich tätig i.S. des § 15 Abs. 2 EStG, gewerblich geprägt i.S. des § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG ist oder beispielsweise die gewerbliche Abfärberegelung des § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG greift. Liegt diese Voraussetzung vor (Mitunternehmerschaft), so findet für die Bewertung der Personengesellschaft gem. § 12 Abs. 5 ErbStG i.V.m. §§ 151 und 109 BewG die Regelung des § 11 Abs. 2 BewG Anwendung, wonach die Bewertung entweder nach dem Ertragswertverfahren oder einer anderen, anerkannten und im gewöhnlichen Geschäftsverkehr üblichen Methode erfolgen kann (Rz. 6.109 ff.). Liegen diese Voraussetzungen nicht vor (vermögensverwaltende Personengesellschaft), so greift § 12 Abs. 1 ErbStG, der auf die Allgemeinen Regelungen des BewG verweist. Unter Rückgriff auf die Regelung des § 10 Abs. 1 Satz 4 ErbStG erwirbt der Steuerpflichtige in diesen Fällen keine Beteiligung an einer Personengesellschaft, sondern anteilig die Wirtschaftsgüter des Gesamthandsvermögens sowie die des Sondervermögens im Ganzen, die einzeln zu bewerten sind und deren Summe um die anteiligen Schulden des Gesamthandsvermögens zu mindern ist, die „wie eine Gegenleistung“ auf den Gesellschafter unter Berücksichtigung seiner Beteiligungsquote entfallen. Im Ergebnis erfolgt die Vermögensaufteilung wie bei einer gewerblichen Personengesellschaft (Rz. 6.124).1 Insoweit darf auf das zu den betreffenden Wirtschaftsgütern bereits bzw. an anderer Stelle Dargestellte verwiesen werden. d) Bewertung von Erbbaurechten

6.87

Durch die Bestellung von Erbbaurechten erlangt eine Person, die nicht Eigentümer des Grundstücks ist, ein veräußerbares und vererbliches Recht, auf oder unter der Oberfläche des Grundstücks ein Bauwerk zu haben. Das grundstücksgleiche Recht, das als belastendes Recht in das Grundbuch einzutragen ist, stellt bewertungsrechtlich eine wirtschaftliche Einheit i.S. des § 2 BewG dar,2 die als Ganzes zu bewerten ist, wenn es nicht zum land- und forstwirtschaftlichen Vermögen oder zu einem Betriebsgrundstück gehört. Die Bewertung des Grundvermögens richtet sich gem. § 12 Abs. 3 ErbStG i.V.m. §§ 151 und 157 BewG nach §§ 176 ff. BewG.

6.88

Die Bewertung des Erbbaurechts soll nach § 193 Abs. 1 BewG vorrangig nach dem Vergleichswertverfahren des § 183 BewG erfolgen. Dies setzt jedoch die Kenntnis der Vergleichskaufpreise für Erbbaurechte einer vergleichbaren Grundstücksart, mit etwa gleich hohen Erbbauzinsen sowie restlicher Laufzeit und etwa gleich hohem Bodenrichtwert3 oder von aus 1 Vgl. Gebel in Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG, § 10 Rz. 58. 2 Damit stellt sowohl das belastete Grundstück als auch das Erbbaurecht eine wirtschaftliche Einheit dar. Dies stellt § 192 BewG ausdrücklich klar. 3 Vgl. gleichlautender Erlass zur Umsetzung des Gesetzes zur Reform des Erbschaftsteuer- und Bewertungsrechts – Bewertung des Grundvermögens nach dem Sechsten Abschnitt des Zweiten Teils des Bewertungsgesetzes (AEBewGrV) v. 5.5.2009 – 36-S 3015-2/09, BStBl. I 2009, 590 Rz. A 36 Abs. 1 Satz 3.

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D. Bewertung für erbschaft- und schenkungsteuerliche Zwecke

Kaufpreisen abgeleiteten Vergleichsfaktoren voraus, was nur in Ausnahmesituationen erfüllt sein wird.1 Im Regelfall erfolgt daher die Bewertung nach der finanzmathematischen Methode gem. § 193 Abs. 2 BewG, wonach sich der Wert des Erbbaurechts aus dem Bodenwertanteil i.S. des Abs. 3 und dem Gebäudewertanteil i.S. des Abs. 5 zusammensetzt, wenn das belastete Grundstück bebaut ist. Bei einem unbebauten Grundstück ist ausschließlich der Bodenwertanteil für die Berechnung maßgeblich.2 Der Bodenwertanteil errechnet sich aus der Differenz zwischen dem angemessenen Verzinsungsbetrag des Bodenwerts des unbelasteten Grundstücks nach § 193 Abs. 4 BewG und dem vertraglich vereinbarten jährlichen Erbbauzins,3 die über die Restlaufzeit des Erbbaurechts mit dem Vervielfältiger, der sich aus der Anlage 21 zum BewG ergibt,4 zu kapitalisieren ist. Der angemessene Verzinsungsbetrag wiederum ist auf Grundlage des Bodenwerts des unbelasteten Grundstücks nach § 179 ff. BewG zu ermitteln und mit den von den Gutachterausschüssen i.S. der §§ 192 ff. des Baugesetzbuchs ermittelten Liegenschaftszinssätzen oder, wenn solche nicht vorliegen oder keine geeignete zur Verfügung stehen, mit den in § 193 Abs. 4 Satz 2 BewG aufgeführten Zinssätzen zu kapitalisieren. Durch diese Vorgehensweise setzt die Bewertung des Erbbaurechts eine Bewertung des gesamten Grundstücks nach § 179 BewG als unbebautes Grundstück voraus. Im Ergebnis entspricht der Bodenwert dem wirtschaftlichen Vorteil, den der Erbbauberechtigte realisieren kann, weil er nicht den gesamten Bodenwertverzinsungsbetrag, sondern nur den i.d.R.5 geringeren vereinbarten Erbbauzins entrichten muss.6

6.89

Der Gebäudewertanteil berechnet sich je nach Bewertungsverfahren entweder nach dem Ertragswertverfahren oder dem Sachwertverfahren. Zu einer Hinzurechnung des Gebäudeertragswerts bzw. des Gebäudesachwerts kommt es i.d.R., weil dem Erbbauberechtigten nach § 27 ErbbauVO vorbehaltlich davon abweichender Regelungen nach Ablauf der Erbbauberechtigung eine Entschädigung zusteht, die sich nach dem Verkehrswert des Gebäudes errechnet. Geht das Gebäude hingegen ohne Entschädigung auf den Eigentümer des Grundstücks über, so ist der Gebäudewertanteil des Erbbaurechts gem. § 193 Abs. 5 Satz 2 BewG um den Gebäudewertanteil des Erbbaugrundstücks gem. § 194 Abs. 4 BewG zu mindern.7 Da-

6.90

Vgl. Schaffner in Kreutziger/Schaffner/Stephany, BewG2, § 193 Rz. 2. Vgl. AEBewGrV v. 5.5.2009 – 36-S 3015-2/09, BStBl. I 2009, 590 Rz. A 36 Abs. 2. Dafür ist der vereinbarte Erbbauzins in einen Jahresbetrag umzurechnen. Die Anwendung der Anlage 21 setzt neben der Kenntnis der Restlaufzeit die des Liegenschaftszinssatzes voraus. Die Restlaufzeit ist auf volle Jahre abzurunden, vgl. AEBewGrV v. 5.5.2009 – 36-S 3015-2/09, BStBl. I 2009, 590 Rz. A 36 Abs. 5. 5 Überschreitet der vereinbarte Erbbauzins die angemessene Verzinsung des Bodenwertanteils, so ist der Bodenwertanteil negativ. 6 Vgl. Ramb in Rödl/Preißer u.a., Erbschaft- und Schenkungsteuer Kompakt Kommentar, § 12 Rz. 6.5.2.1.2. 7 Dieser abgezinste Gebäudewertanteil entspricht also dem wirtschaftlichen Vorteil des Erbbauverpflichteten, weil er das Grundstück ohne Zahlung einer Entschädigung erhält. Der Abzinsungsfaktor ist der Anlage 26 zum BewG zu entneh-

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Kap. 6: Bewertung von geistigem Eigentum

bei unterstellt der Gesetzgeber also, dass das Gebäude zum Zeitpunkt des Endes der Erbbauberechtigung noch einen erheblichen Wert hat. Der sich ergebende restliche Gebäudewert entspricht dem wirtschaftlichen Vorteil des Erbbauberechtigten, den er realisiert, weil er das Gebäude über die restliche Laufzeit seiner Erbbauberechtigung nutzen darf.1

6.91

Eine Berücksichtigung wertbeeinflussender Faktoren, wie beispielsweise von Wertsicherungsklauseln oder Ausschluss einer Anpassung des Erbbaurechtsvertrags, sowie die Anwendung von Marktanpassungsklauseln kommen grundsätzlich nicht in Betracht.2 Der Erbbauberechtigte kann ausschließlich über die Öffnungsklausel des § 198 BewG nachweisen, dass die kapitalisierte Summe aus dem Boden- und Gebäudewertanteil den gemeinen Wert des Erbbaurechts übersteigt. Gelingt dem Steuerpflichtigen dieser Nachweis, so entspricht der niedrigere gemeine Wert dem Wert des Erbbaurechts. e) Bewertung von wiederkehrenden Leistungen und Nutzungen

6.92

§ 13 BewG regelt die Bewertung von wiederkehrenden Nutzungen und Leistungen3 i.S. von zeitlichen Bezügen und Vorteilen aufgrund eines dinglichen oder schuldrechtlichen Anspruchs, die aus unterschiedlichen Anlässen zur einer Bewertungsverpflichtung führen können. Typische Anwendungsfälle sind die Bestellung von Nießbräuchen an einem Grundstück als wiederkehrende Nutzung, wobei für bewertungsrechtliche Zwecke die Unterscheidung zwischen Vorbehalts- und Zuwendungsnießbrauch irrelevant ist, oder die Bestellung von Rechten auf wiederkehrende Leistungen wie das Rentenbezugs- oder Wohnrecht durch ein Testament bzw. Vermächtnis oder einen Vertrag zugunsten Dritter sowie die Schenkung eines mit einem Wohnrecht belasteten Grundstücks. Im Ergebnis ist die Bewertung der Nutzungen und Leistungen für die Bewertung der Bereicherung des Erwerbers, die Ermittlung der Nachlassverbindlichkeiten, aber auch für die Ermittlung des Versorgungsfreibetrags i.S.d. § 17 ErbStG notwendig, weil dieser um den Kapitalwert der erhaltenen Versorgungsbezüge gekürzt wird. Nicht unter die Regelung des § 13 BewG fallen Kaufpreiszahlungen4 sowie Erbbaurechte, weil dieses wie Grundbesitz nach § 148 BewG bewertet werden, obwohl sie Nutzungsrechte darstellen (Rz. 6.87).5

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men. Dessen Höhe ist von der Restlaufzeit des Erbbaurechts sowie von dem Liegenschaftszinssatz abhängig. Vgl. Ramb in Rödl/Preißer u.a., Erbschaft- und Schenkungsteuer Kompakt Kommentar, § 12 Rz. 6.5.2.1.2. Vgl. AEBewGrV v. 5.5.2009 – 36-S 3015-2/09, BStBl. I 2009, 590 Rz. A 36 Abs. 8. Der Begriff der wiederkehrenden Leistungen deckt sich mit dem Begriff der wiederkehrenden Bezüge i.S. des § 22 EStG (vgl. Teß/Eisele in Rössler/Troll, BewG, § 13 Rz. 1). Die Bewertung von Kaufpreiszahlungen richtet sich nach § 12 BewG. Vgl. Ramb in Rödl/Preißer u.a., Erbschaft- und Schenkungsteuer Kompakt Kommentar, § 12 Rz. 2.6.5.3.

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D. Bewertung für erbschaft- und schenkungsteuerliche Zwecke

Für die Bewertung der Leistungen und Nutzungen sieht § 13 BewG eine Bewertung mit dem Kapitalwert vor, für dessen Ermittlung Ansprüche von bestimmter und unbestimmter Dauer sowie immerwährende Nutzungen und Leistungen zu unterscheiden sind. Nach § 13 Abs. 1 BewG berechnet sich der Kapitalwert der Leistungen und Nutzungen von bestimmter Dauer aus der Multiplikation des Jahreswerts und des Vervielfältigers, der sich bei einem Kapitalisierungszinssatz von 5,5 % unter Berücksichtigung der verbleibenden Laufzeit ergibt. Der Vervielfältiger kann der Tabelle 7 des BMFSchreibens vom 31.12.1995 entnommen werden.1 Sollte die Dauer des Rechts zudem auf das Leben einer oder mehrerer Personen begrenzt sein, so darf der nach § 13 Abs. 1 Satz 1 BewG ermittelte Kapitalwert gem. § 13 Abs. 1 Satz 2 BewG den Wert der lebenslänglichen Nutzungen und Leistungen nicht überschreiten. Ansonsten kommt der nach § 14 BewG ermittelte, geringere Wert zum Ansatz. Der Vergleichswert wird durch Kapitalisierung des Jahreswerts der Leistung ermittelt, wobei der dafür maßgebliche Vervielfältiger dem Schreiben betreffend der Bewertung einer lebenslänglichen Nutzung oder Leistung entnommen werden kann, das auf der am 24.9.2009 veröffentlichten Sterbetafel für die Bundesrepublik Deutschland des Statistischen Bundesamts und einem Zinssatz von 5,5 % basiert.2 Nach identischen Grundsätzen sind auch lebenslange Nutzungen und Leistungen wie beispielsweise Leibrenten zu bewerten. Der zur Anwendung kommende Vervielfältiger richtet sich dann nach dem Alter und Geschlecht der begünstigten Person. Sind die Leistungen und Nutzungen vom Leben zweier Personen abhängig, so kann für die Ermittlung des Vervielfältigers gem. § 14 Abs. 3 BewG entweder das Alter der jüngeren oder der älteren Person maßgeblich sein. Sehen die vertraglichen Vereinbarungen beispielsweise vor, dass die Rente bereits bei dem Tod des einen Ehepartners endet, so ist allein die Lebenserwartung und das Geschlecht des Partners entscheidend, für den sich der niedrigere Vervielfältiger ergibt, und im umgekehrten Fall des Partners, für den sich der höhere Vervielfältiger ergibt. Bei sog. verlängerten Renten, bei denen die Zahlung nicht bei Tod des Begünstigten, sondern erst bei Ablauf einer bestimmten Mindestdauer endet,3 kommt der höhere der beiden in Betracht kommenden Vervielfältiger zur Anwendung. Der Kapitalwert abgekürzter Renten bzw. sog. Höchstzeitrenten richtet sich nach § 13 Abs. 1 BewG und wird ggf. durch die Regelung des § 14 BewG beschränkt.4 Leistungen von unbestimmter

1 Vgl. gleichlautender Erlass betreffend Bewertung von Kapitalforderungen und Kapitalschulden sowie von Ansprüchen/Lasten bei wiederkehrenden Leistungen nach dem 31.12.1995 für Zwecke der Erbschaftsteuer und Schenkungsteuer v. 7.12.2001, BStBl. I 2001, 1041. 2 BMF v. 1.10.2009 – IV C 2-S 3104/09/10001, BStBl. I 2009, 1168. 3 Vgl. Schaffner in Kreutziger/Schaffner/Stephany, Kommentar BewG2, § 13 Rz. 15. 4 Vgl. gleichlautender Erlass betreffend Bewertung von Kapitalforderungen und Kapitalschulden sowie von Ansprüchen/Lasten bei wiederkehrenden Leistungen nach dem 31.12.1995 für Zwecke der Erbschaftsteuer und Schenkungsteuer v. 7.12.2001, BStBl. I 2001, 1041 Rz. 1.2.

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6.93

Kap. 6: Bewertung von geistigem Eigentum

Dauer,1 deren Ende wie bei Ausbildungshilfen2 absehbar, aber noch nicht sicher ist, sind gem. § 13 Abs. 2 BewG mit dem Kapitalwert zu bewerten, der sich bei einem gesetzlich vorgeschriebenen Vervielfältiger von 9,3 ergibt. Hängt die Laufzeit der Leistung wiederum von der Lebenszeit einer anderen Person ab, so kommt dieser Kapitalwert nur dann zur Anwendung, wenn er den Wert i.S. des § 14 BewG nicht überschreitet. Andernfalls entspricht dieser dem Kapitalwert der Nutzung oder Leistung. Dahingehend werden die Jahreswerte immerwährender Leistungen, deren Ende von Ereignissen abhängt, von denen ungewiss ist, ob und wann sie eintreten, gem. § 13 Abs. 2 BewG mit einem gesetzlich festgeschriebenen Vervielfältiger von 18,6 multipliziert. Aufgrund der unwahrscheinlichen Annahme einer immerwährenden Leistung erscheinen solche Leistungen nur im Zusammenhang mit juristischen Personen möglich, so zum Beispiel, wenn einem Verein das Recht eingeräumt wird, während der Dauer seines Bestehens ein bestimmtes Grundstück unentgeltlich zu nutzen.3 In allen Fällen entspricht der Jahreswert gem. § 15 BewG dem einjährigen Betrag der Nutzung einer Geldsumme zu 5,5 %, dessen Höhe i.d.R. vertraglich festgelegt sein wird. Veränderungen dieses Werts, die bereits zum Zeitpunkt der Bewertung feststehen, sind ebenfalls zu berücksichtigen. Dies gilt jedoch nicht für Veränderungen, deren Eintritt zunächst noch ungewiss ist. So sind beispielsweise Wertsicherungsklauseln, nach denen sich die konkrete Höhe der Rente z.B. nach dem Lebenshaltungskostenindexes richtet, ebenso wie eine Kopplung der Rente an ein bestimmtes Beamtengehalt nicht zu berücksichtigen.4 Erfolgt die Auszahlung der Rente dynamisch, weil sich die Höhe des Jahreswerts der Rente ab einem bestimmten Zeitpunkt verändert, so ist diese Veränderung in die Berechnung einzubeziehen. Bei progressiven Renten, bei denen sich der Jahreswert der Rente in der Zukunft erhöhen wird, ergibt sich der Kapitalwert infolge der Addition der Kapitalwerte beider Barwerte, wobei der erste Barwert der anteiligen Rente entspricht, die über die gesamte Laufzeit gezahlt wird, und der zweite Barwert dem kapitalisierten Erhöhungsbetrag. Durch die zur Anwendung kommenden Vervielfältiger wird die unterschiedliche Auszahlungsdauer der Rentenzahlungen beachtet. Bei degressiven Renten wird der Barwert des Rentenbetrags, der über die gesamte Laufzeit entrichtet wird, also der spätere Rentenbetrag, um den Barwert des Kürzungsbetrags erhöht.5 Sind die Nutzungen und Leistungen wie bei Nießbräuchen an Betrie1 Zu diesen Leistungen gehören auch jene, die von der Lebensdauer der Person abhängig sind. Allerdings werden diese nach § 14 BewG bewertet. 2 Da das Ende der Ausbildung wie beispielsweise des Studiums nicht absehbar ist, sind diese Unterstützungsleistungen mit einem Vervielfältiger von 9,3 zu multiplizieren, auch wenn das Studium voraussichtlich nur 4–5 Jahre dauern wird, weswegen sich bei einer zeitlichen Begrenzung ein Vervielfältiger von ca. 4,5 ergeben würde. In diesen Fällen kann die vertragliche Vereinbarung einer zeitlichen Obergrenze von Vorteil sein (vgl. Teß/Eisele in Rössler/Troll, BewG, § 13 Rz. 33). 3 Vgl. Schaffner in Kreutziger/Schaffner/Stephany, BewG2, § 13 Rz. 18. 4 Vgl. Teß/Eisele in Rössler/Troll, BewG, § 13 Rz. 20 f. 5 Vgl. Teß/Eisele in Rössler/Troll, BewG, § 13 Rz. 25.

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D. Bewertung für erbschaft- und schenkungsteuerliche Zwecke

ben oder Grundstücken in ihrem Betrag ungewiss oder schwanken, so kann der Jahreswert nur im Wege der Schätzung ermittelt werden. Gem. § 15 Abs. 3 BewG entspricht der Jahreswert schwankender oder ungewisser Leistungen und Nutzungen dem Betrag, der in Zukunft voraussichtlich unter Berücksichtigung aller am Bewertungsstichtag bekannten Umstände erzielt wird.1 Besteht die Leistung oder Nutzung nicht in Geld wie beispielsweise bei der Nutzung einer Wohnung oder Warenbezügen, so sind die Nutzungen und Leistungen mit den üblichen Mittelpreisen des Verbrauchsorts anzusetzen. Für die Bewertung ist der Preis maßgebend, den der Einzelne im freien Verkehr als Durchschnittspreis für den Bezug der Ware oder die Dienstleistung aufwenden müsste. Diese Regelung des § 13 Abs. 2 BewG entspricht inhaltlich der Regelung des § 8 Abs. 2 EStG. Daher können die Höhe der Sachbezugswerte, die für Zwecke der Lohnsteuer und Sozialversicherung gelten, für die Bewertung der Nutzungen und Leistungen wichtige Anhaltspunkte sein.2 Der nach § 15 BewG ermittelte Wert der Nutzung darf der Höhe nach den Höchstwert i.S. des § 16 BewG nicht überschreiten. Danach wird der Jahreswert auf den Wert begrenzt, der sich durch Division des bewertungsrechtlichen Werts des genutzten Wirtschaftsguts durch 18,6 ergibt.3 Durch diese Regelung wird sichergestellt, dass der Wert der Nutzungen eines Wirtschaftsguts nicht höher sein kann als der Wert des Wirtschaftsguts selbst.4

6.94

Sollte der gemeine Wert der gesamten Nutzungen oder Leistungen nachweislich geringer oder höher als der nach den Absätzen 1 oder 2 des § 13 BewG ermittelte Kapitalwert sein, so entspricht der nachgewiesene gemeine Wert gem. § 13 Abs. 3 Satz 1 BewG dem Wert der Nutzungen und Leistungen. Der Nachweis eines anderen Zinssatzes als 5,5 % oder einer anderen als eine mittelschüssigen Zahlungsweise genügt für einen niedrigeren oder höheren Wertansatz jedoch nicht, § 13 Abs. 3 Satz 2 BewG stellt dies ausdrücklich klar. Etwas anderes gilt beispielsweise, wenn der Zahlungsverpflichtete nachweislich zahlungsunfähig ist.5

6.95

f) Bewertung von Kapitalforderungen und -schulden Forderungen bzw. Schulden, die wie beispielsweise Sparbücher, Festgelder oder Kaufpreisforderungen sowie Ansprüche auf einen Zugewinnausgleich oder einen Pflichtteilsanspruch und Ansprüche aus Lebens-, Kapi1 Vgl. Schaffner in Kreutziger/Schaffner/Stephany, BewG2, § 15 Rz. 3. 2 Vgl. Schaffner in Kreutziger/Schaffner/Stephany, BewG2, § 15 Rz. 3. 3 Eine gesonderte Feststellung des Vergleichswerts wie zum Beispiel des Grundbesitzwerts ist nach der Rechtsprechung des BFH für Zwecke des § 16 BewG entbehrlich, wenn aufgrund eines bereits gesondert festgestellten Grundbesitzwerts eine weitere gesonderte Feststellung für den Stichtag denselben Grundbesitzwert ergeben würde. Vgl. BFH v. 15.12.2010 – II R 41/08, BStBl. II 2011, 363. 4 Vgl. Schaffner in Kreutziger/Schaffner/Stephany, BewG2, § 16 Rz. 1. 5 Vgl. Schaffner in Kreutziger/Schaffner/Stephany, BewG2, § 13 Rz. 22.

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6.96

Kap. 6: Bewertung von geistigem Eigentum

tal- und Rentenversicherungen auf die Zahlung von Geld abstellen,1 sind entweder als Kapitalforderungen Gegenstand der Bewertung, wenn sie zum Bewertungsstichtag entstanden, aber noch nicht erfüllt sind, oder als Kapitalschulden, wenn sie zwar entstanden, aber noch nicht erloschen sind, jedoch eine wirtschaftliche Belastung für den Steuerpflichtigen darstellen.2

6.97

Für die Bewertung von Kapitalforderungen ist zwischen verbrieften und unverbrieften Forderungen zu unterscheiden. Zu ersteren gehören u.a. Wertpapiere als Urkunden an einem privaten Vermögensrecht, deren Verwirklichung vom Besitz der Urkunde abhängig ist, sowie Anteile als Mitgliedsrechte, die, wie Aktien, die Beteiligungen an einer GmbH sowie Genossenschaftsanteile und Investmentzertifikate, neben den Mitwirkungsund Verwaltungsrechten auch eine Beteiligung am Geschäftsvermögen sowie am Gewinn des Unternehmens vermitteln. Die Bewertung der verbrieften Forderungen richtet sich vornehmlich nach §§ 11 und 12 BewG, die – für börsennotierte Wertpapiere und Anteile an Kapitalgesellschaften den Kurswert, – für Investmentzertifikate i.S.d. § 11 Abs. 4 BewG den Rücknahmepreis und – für alle anderen Fälle den gemeinen Wert verbindlich vorschreiben (Rz. 6.34 ff.) sowie – für alle anderen Kapitalforderungen, wie Wertpapiere des Zahlungsverkehrs und nicht notierte Wertpapiere des Zahlungsverkehrs sowie Genossenschaftsanteile nach § 12 BewG, den Nennwert als Wertansatz festschreiben, wenn nicht besondere Umstände einen höheren oder niedrigeren Ansatz rechtfertigen.3

6.98

Alle noch nicht fälligen Ansprüche aus Lebens-, Kapital- oder Rentenversicherungen werden gem. § 12 Abs. 4 BewG4 ebenfalls mit dem Rücknahmepreis bewertet. Obwohl Anwartschaftsrechte gem. § 4 BewG bei der Bewertung grundsätzlich nicht berücksichtigt werden, gilt für diese Rechte eine Ausnahme, weil sie bereits vor Eintritt des Versicherungsfalls realisierbare Vermögenswerte darstellen, die durch vorzeitige Aufhebung des Versicherungsverhältnisses zum Rückkaufswert realisiert werden können. Der Wert entspricht daher dem Betrag, den die Versicherung an 1 Damit gehören nicht zu den Kapitalforderungen und -schulden die Sachleistungsansprüche, vgl. Rz. 6.96. 2 Vgl. Ramb in Rödl/Preißer u.a., Erbschaft- und Schenkungsteuer Kompakt Kommentar, § 12 Rz. 2.6.5.1.1. 3 Vgl. Ramb in Rödl/Preißer u.a., Erbschaft- und Schenkungsteuer Kompakt Kommentar, § 12 Rz. 2.6.5.2. 4 Bis zur Erbschaftsteuerreform 2009 konnten diese Ansprüche auch mit zwei Drittel der gezählten Prämien oder Kapitaleinsätze erfasst werden, wobei der ermittelte Wert gerade nicht dem gemeinen Wert der Ansprüche entsprach (vgl. Ramb in Rödl/Preißer u.a., Erbschaft- und Schenkungsteuer Kompakt Kommentar, § 12 Rz. 2.8.2).

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D. Bewertung für erbschaft- und schenkungsteuerliche Zwecke

den Berechtigten bei Aufhebung des Vertrags abzüglich aller Storno- und Verwaltungsgebühren zu erstatten hat (§ 12 Abs. 4 Satz 2 BewG). Er entspricht nicht den eingezahlten Versicherungsprämien.1 Die bereits fälligen Versicherungsansprüche sind nach der allgemeinen Regelung des § 12 Abs. 1 BewG mit dem Nennwert zu bewerten. Nach § 12 Abs. 1 BewG sind neben den Kapitalforderungen auch die Kapitalschulden mit dem Nennwert zu bewerten, also mit dem Wert, der von Schuldner nach dem Inhalt des Schuldverhältnisses bei Fälligkeit der Forderung zu entrichten ist.2 Nennwert kann dabei nur der Betrag sein, den der Schuldner tatsächlich an den Gläubiger zahlt bzw. der Gläubiger tatsächlich in Euro erhält. Lautet die Schuld oder die Forderung auf eine andere Währung, so ist diese mit dem am Bewertungsstichtag maßgeblichen Briefkurs in Euro umzurechnen.3 Haben die Vertragsparteien ein Agio oder ein Disagio vereinbart, so sind diese zusätzlich zu berücksichtigen. Der Nennwert erscheint dabei darüber hinaus für die Bewertung der Kapitalschulden und -forderungen gem. § 12 Abs. 1 Satz 1 BewG nur dann maßgeblich, wenn besondere Umstände nicht einen höheren oder niedrigen Wert begründen. Eine Bewertung mit einem vom Nennwert abweichenden Wert kommt für Kapitalforderungen gem. § 12 Abs. 2 BewG dann in Betracht, soweit diese uneinbringlich4 oder bereits getilgt sind. Zu den besonderen Umständen, die eine abweichende Bewertung der Kapitalschulden und -forderungen begründen, zählen insbesondere deren fehlende, niedrige und hohe Verzinsung. Gem. § 12 Abs. 3 BewG sind unverzinsliche Forderungen und Schulden, die zu einem bestimmten Zeitpunkt fällig sind,5 mit ihrem Gegenwartswert zu bewerten, der nach Abzug der Zinsen und Zwischenzinsen vom Nennbetrag bei einem Zinssatz von 5,5 % verbleibt. Die für die Berechnung maßgeblichen Vervielfältiger, die sich in Abhängigkeit von dem gesetzlich vorgeschriebenen Zinssatz und der Restlaufzeit ergeben, können der Tabelle 1 des BMF-Schreibens zur Bewertung von Kapitalforderungen und Kapitalschulden sowie von Ansprüchen/Lasten nach dem 31.12.1995 für Zwecke der Erbschaft- und Schenkungsteuer6 entnommen werden, wenn die Forderung bzw. Schuld 1 Vgl. Eisele in Rössler/Troll, Bewertungsgesetz, § 12 Rz. 68 f. 2 Vgl. Eisele in Rössler/Troll, Bewertungsgesetz, § 12 Rz. 3. 3 Vgl. H 109 ErbStH unter Verweis auf BFH v. 2.3.1971 – II 64/65, BStBl. II 1971, 533 ff. 4 Die Schätzung des noch durchsetzbaren Teils erfolgt nach dem Grad der Zweifelhaftigkeit, vgl. R 109 Abs. 3 ErbStR. Für Kapitalschulden existiert keine entsprechende Regelung, weil diese stets in vollem Umfang auf den Erwerber übergehen. 5 Folglich sind unverzinsliche Forderungen und Schulden nicht mit dem gesetzlich manifestierten Zinssatz von 5,5 % abzuzinsen, wenn deren Restlaufzeit weniger als ein Jahr beträgt oder für diese kein Fälligkeitsdatum vereinbart ist. Zu weiteren Einzelheiten zur Frage der Befristung der Kapitalforderungen und -schulden vgl. Eisele in Rössler/Troll, BewG, § 12 Rz. 25 ff. 6 Vgl. gleichlautende Erlasse zur Bewertung von Kapitalforderungen und Kapitalschulden sowie von Ansprüchen/Lasten nach dem 31.12.1995 für Zwecke der Erbschaft- und Schenkungsteuer v. 7.12.2001, BStBl. I 2001, 1041, ber. BStBl. I 2002, 112 ff.

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6.99

Kap. 6: Bewertung von geistigem Eigentum

in einem Betrag fällig sein sollte, bzw. der Tabelle 2, wenn eine Ratenzahlung in gleichen Jahresbeträgen vereinbart wurde. Im Regelfall wird die Anwendung der jeweiligen Tabelle eine Interpolation der Vervielfältiger notwendig machen, weil die zum Bewertungsstichtag verbleibende Restlaufzeit i.d.R. nicht einem vollen Zeitjahr entsprechen wird. Sollte die Forderung bzw. Schuld nicht unverzinslich sein, so kann eine abweichende Bewertung gerechtfertigt sein, wenn die Verzinsung entweder niedrig oder hoch ist. Als niedrig verzinst gelten nach den Erbschaftsteuerrichtlinien jedoch nur die Forderungen und Schulden, deren Verzinsung weniger als 3 % beträgt und deren Kündbarkeit mindestens für einen Zeitraum von vier Jahren eingeschränkt oder ausgeschlossen ist, sowie als hochverzinst jene Kapitalforderungen und –schulden, deren Rückzahlung am Bewertungsstichtag noch für mindestens vier Jahre ausgeschlossen ist und deren Zinssatz 9 % übersteigt. In allen anderen Fällen – und damit im Ergebnis im Regelfall – erscheint der tatsächlich vereinbarte Zinssatz und damit verbundene unerhebliche Abweichungen von dem gesetzlich vorgeschriebenen Zinssatz von 5,5 % für die Bewertung unbeachtlich. Der Gegenwartswert der niedrig bzw. hochverzinsten Kapitalforderung oder -schuld wird nach der sog. Zinsdifferenzmethode berechnet, wonach sich der Gegenwartswert nach Abzug oder Hinzurechnung der kapitalisierten Zinsdifferenz zwischen dem tatsächlich vereinbarten und dem Grenzzinssatz i. H. v. entweder 3 % oder 9 % ergibt. Damit wird der Vor- oder Nachteil vergütet, den der Schuldner bzw. Gläubiger aufgrund der hohen bzw. niedrigen Verzinsung realisiert. Der Nachteil des Erwerbs eines Gläubigers, der eine mit 2 % verzinste Kapitalforderung erwirbt, die in 8 Jahresraten getilgt werden soll, beträgt unter Anwendung eines Vervielfältigers von 0,3402 1 700 Euro, so dass der Gegenwartswert der niedrig verzinsten Forderung 48 300 Euro entspricht.1 Die für die Ermittlung des Gegenwartswerts notwendigen Vervielfältiger können den Tabellen 3, 4 und 5 des bereits oben genannten BMF-Schreibens2 entnommen werden. g) Bewertung von Sachleistungsansprüchen und -verpflichtungen

6.100

Sachleistungsverpflichtungen bzw. –ansprüche sind auf die Übertragung bzw. den Erhalt eines bestimmten Gegenstands gerichtet.3 Sie sind grundsätzlich nach den allgemeinen Regelungen des Bewertungsgesetzes mit dem gemeinen Wert des Gegenstands zu bewerten, auf dessen Leistung sie abstellen.4 Erwirbt ein Steuerpflichtiger beispielsweise einen Anspruch auf Übertragung eines bestimmten Grundstücks, so ist diese Verpflichtung sowohl beim Erwerber als auch beim Verpflichteten mit dem gemeinen Wert und nicht mit dem Grundbesitzwert des Grundstücks zu 1 Vgl. Eisele in Rössler/Troll, BewG, § 12 Rz. 28 ff. 2 Vgl. gleichlautende Erlasse zur Bewertung von Kapitalforderungen und Kapitalschulden sowie von Ansprüchen/Lasten nach dem 31.12.1995 für Zwecke der Erbschaft- und Schenkungsteuer v. 7.12.2001, BStBl. I 2001, 1041, ber. BStBl. I 2002, 112 ff. 3 Vgl. Halaczinsky in Rössler/Troll, BewG, § 19 Rz. 24. 4 Vgl. R 92 Abs. 1 ErbStR.

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D. Bewertung für erbschaft- und schenkungsteuerliche Zwecke

bewerten.1 Diese Unterscheidung zwischen dem Wert des Grundstücks einerseits und dem Wert der Sachleistungsverpflichtung andererseits hat im Zuge der Erbschaftsteuerreform 2009 an Bedeutung verloren, weil die zur Anwendung kommenden Werte annäherungsweise identisch sind.2 Bis 2008 galt eine Ausnahme für die Bewertung sog. Stückvermächtnisse als einseitige Sachleistungsansprüche und –verpflichtungen wie Grundstücksvermächtnisse, die sowohl beim Verpflichteten als auch beim Begünstigten mit dem Steuerwert des Gegenstands zu bewerten waren.3 Im Allgemeinen ist die Bewertung der einzelnen Gegenstände wie des Hausrats, Schmucks, der Kunstgegenstände und Sammlungen vergleichsweise schwierig, erscheint jedoch entbehrlich, wenn die sachlichen Freibeträge des § 13 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 ErbStG greifen. Erscheint eine Bewertung jedoch notwendig, so ist die Finanzverwaltung vor allem für die Bewertung der beweglichen Gegenstände von den Angaben des Erwerbers abhängig, weil sie i.d.R. über keine ausreichende Informationen verfügen wird, die für die Bewertung der einzelnen Gegenstände notwendig sein werden.4 Dabei kann der Anspruch auf Übertragung eines bestimmten Gegenstands auch niedriger zu bewerten oder ganz außer Acht zu lassen sein, weil er beispielsweise nur zum Teil oder vollständig uneinbringlich ist. Sollte der Anspruch unverzinslich oder niedrig verzinst sein, kommt eine Abzinsung des Anspruchs in Betracht (Rz. 6.99).

6.101

Ansprüchen auf Übereignung eines bestimmten Gegenstands steht i.d.R. eine entsprechende Forderung gegenüber.5 Hat der Erblasser beispielsweise noch zu Lebzeiten ein Grundstück veräußert, wobei das Rechtsgeschäft zu Lebzeiten noch von keiner der Vertragsparteien erfüllt worden war, so sind die Verpflichtung auf Übertragung einerseits und die Forderung auf Kaufpreiszahlung anderseits in gleicher Höhe zu bewerten.6 Bei diesen sog. schwebenden Geschäften wird also unterstellt, dass sich der Wert der Forderung und Verbindlichkeit solange ausgleichen, wie keiner der beiden Vertragsparteien mit der Erfüllung des Rechtsgeschäfts begon-

6.102

1 Vgl. BFH v. 15.10.1997 – II R 68/95, BStBl. II 1997, 820 ff., Halaczinsky in Rössler/Troll, BewG, § 19 Rz. 25 sowie R 92 Abs. 1 Satz 1 ErbStR. 2 Vgl. R 92 Abs. 1 ErbStR. 3 Vgl. Halaczinsky in Rössler/Troll, BewG, § 19 Rz. 28 sowie BFH v. 9.4.2008 – II R 24/06, BStBl. II 2008, 951, in dem der BFH von einer Änderung der Rechtsprechung aufgrund der notwendigen Neufassung des ErbStG aus Vertrauensschutzgründen absah. Die Finanzverwaltung scheint wohl an der bisherigen Rechtsprechung festzuhalten. Nach ihrer Auffassung sind Sachvermächtnisse grundsätzlich mit dem Steuerwert des Vermächtnisgegenstands anzusetzen (vgl. R 92 Abs. 2 ErbStR), wobei die Auswirkungen aufgrund der Annäherung der Werte nicht groß sein werden, wenn die Finanzverwaltung tatsächlich an dieser Auffassung festhalten sollte. 4 Vgl. Ramb in Rödl/Preißer u.a., Erbschaft- und Schenkungsteuer Kompakt Kommentar, § 12 Rz. 2.6.5.4. 5 Dies gilt grundsätzlich für die zweiseitigen Ansprüche, nicht hingegen für die einseitigen Ansprüche wie Sachvermächtnisse. 6 Vgl. Halaczinsky in Rössler/Troll, BewG, § 19 Rz. 25.

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Kap. 6: Bewertung von geistigem Eigentum

nen hat. Daher brauchen diese Geschäfte bei der Erbschaft- und Schenkungsteuer erst dann erfasst zu werden, wenn einer mit der Erfüllung beginnt.1 h) Bewertung von Marken, Patenten, Urheberrechten, Erfindungen und Know How

6.103

Die Bewertung von Marken, Patenten, Urheberrechten, Erfindungen und Know How erfolgt nach der allgemeinen Regelung des § 9 BewG ebenfalls zum gemeinen Wert. Wie bereits bei der Bewertung für ertragsteuerliche Zwecke (Rz. 6.23 ff.) dargestellt, wird der Einzelveräußerungspreis dieser maßgeblichen Wirtschaftsgüter entscheidend von den Erträgen bestimmt, die mit dem Einsatz des Wirtschaftsguts einhergehen. Aus diesem Grund können die bereits dargestellten Bewertungsverfahren entsprechend Anwendung finden. Auf die bereits dargestellten Grundsätze darf verwiesen werden (Rz. 6.34 ff.).

6.104

Nach Auffassung der deutschen Finanzverwaltung wird der gemeine Wert der Erfindungen und Urheberrechte, die in Lizenz vergeben oder einem Dritten in sonstiger Weise zur Ausnutzung überlassen sind, wenn keine anderen geeigneten Unterlagen vorhanden sind, durch Kapitalisierung der wiederkehrenden Zahlungen ermittelt. Obwohl die Verwertungsaussichten von Patenten, Urheberrechten und verwandten Schutzrechten sehr unterschiedlich sein können, geht die Finanzverwaltung von einer durchschnittlichen Nutzungsdauer von 8 Jahren aus, über die der Reinertrag mit dem marktüblichen Zinssatz zu kapitalisieren ist. Im Allgemeinen könne man von einem Marktzinssatz von 8 % und einem Risikozuschlag von 50 % ausgehen, so dass der Abzinsungssatz 12 % beträgt.2 Für die Bewertung der anderen immateriellen Wirtschaftsgüter wie Erfindungen, Warenzeichen und technisches Spezialwissen (Know-how) verweist die deutsche Finanzverwaltung auf fünf Urteile des BFH. In dem ersten Urteil vom 13.2.1970 geht es allein um die Frage, unter welchen Voraussetzungen ein immaterieller Wert, im zu entscheidenden Fall ein Warenzeichen, als selbstständig bewertbares Wirtschaftsgut erfasst werden kann. Nach Auffassung des BFH sei dies nur dann möglich, wenn diese Werte als geldwerte Realitäten in Erscheinung treten, weil deren selbständige Bewertungsfähigkeit durch die allgemeine Verkehrsanschauung anerkannt ist, das immaterielle Wirtschaftsgut entgeltlich erworben wurde oder die selbständige Bewertungsfähigkeit durch Aufwendungen anerkannt wird, die auf das zu bewertende immaterielle Wirtschaftsgut gemacht worden sind.3 1 Vgl. Halaczinsky in Rössler/Troll, BewG, § 19 Rz. 27. 2 Vgl. R 93 ErbStR. Dort sind auch die Vervielfältiger angegeben, die sich bei einem Verzinsungssatz von 12 % ergeben. 3 Vgl. BFH v. 13.2.1970 – III 156/65, BStBl. II 1970, 369. In dem genannten Urteil entschied der BFH, dass immaterielle Werte wie Marken und Know How auch deswegen als selbständig bewertungsfähige Wirtschaftsgüter anerkannt werden können, weil ein Dritter für ihre Nutzungsüberlassung laufend wiederkehrende Zahlungen leistet.

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D. Bewertung für erbschaft- und schenkungsteuerliche Zwecke

Daher werden i.d.R. die immateriellen Werte der Erbschaft- oder Schenkungsteuerpflicht unterliegen, die der Erblasser oder Schenker zur Erzielung von Einkünften tatsächlich genutzt hat. Vergleichsweise einfach erscheint die Erfassung der Werte, die in Lizenz vergeben werden. So hat der BFH in dem zweiten aufgeführten Urteil entschieden, dass der gemeine Wert des in Lizenz gegebenen Know How i.d. R. dem Barwert einer nachschüssigen Rente mit dreijähriger Laufzeit entspricht,1 und in einem weiteren Urteil, dass keine Bedenken bestehen, den gemeinen Wert lizenzierter Erfindungen durch Kapitalisierung des Reinertrags mit einem Kapitalisierungszinssatz von 12,5 % zu ermitteln.2 Entsprechendes gilt für patentierte Erfindungen. In seinem Urteil vom 20.3.1970 weist der BFH zudem daraufhin, dass der für eine bestimmte Erfindung erzielte Veräußerungspreis keinen Aussagewert für den gemeinen Wert einer anderen Erfindung haben kann, daher könne der gemeine Wert der Erfindungen stets nur unter Berücksichtigung der Ertragswertüberlegungen durch Kapitalisierung des Reinertrags ermittelt werden.3 Auch Know How bzw. Spezialwissen kann als Ergebnis erfinderischer Tätigkeit oder aber auch als Erfahrung, wie sie jeder andere ebenfalls auf diesem Gebiet machen könnte, wenn er genügend Zeit, Arbeit, Fachkräfte, Kosten usw. aufwenden würde, in sehr unterschiedlicher Qualität vom einfachen Erfahrungswissen bis zur (nicht geschützten) Erfindung Gegenstand von Lizenzen sein. Dabei besteht der Wert dieses Spezialwissens darin, dass es einem Dritten, dem es vermittelt wird, Zeit und Kosten erspart, weswegen dieser grundsätzlich zur Zahlung eines Entgelts bereit sein wird. Daher wird das Know How bewertungsrechtlich wie Erfindungen behandelt, die unter Berücksichtigung der Ertragsaussichten bewertet werden.4 i) Übrige Gegenstände Die übrigen Gegenstände wie Hausrat, Kunstgegenstände, Autos oder Sammlungen werden grundsätzlich mit dem gemeinen Wert bewertet. Nach Auffassung der Finanzverwaltung sollen vor allem Kunstgegenstände sowie Sammlungen vorsichtig unter Berücksichtigung ihrer schwierigen Verwertungsaussichten bewertet werden.5 Sollte es sich bei dem übrigen Vermögen um Auslandsvermögen handeln, so wird der erzielbare Einzelveräußerungspreis durch den gewöhnlichen Geschäftsverkehr an diesem Ort bestimmt.6

6.105

Dabei erscheint besonders die Bewertung aller einzelnen Gegenstände schwierig, die im Zuge der Gesamtrechtsnachfolge auf den Erben übergehen. Grundsätzlich müsste jede wirtschaftliche Einheit separat bewertet werden, wobei nur ausnahmsweise aussagekräftige Verkaufspreise oder

6.106

1 2 3 4 5 6

Vgl. BFH v. 13.2.1970 – III R 43/68, BStBl. II 1970, 473. Vgl. BFH v. 20.2.1970 – III R 75/66, BStBl. II 1970, 484. Vgl. BFH v. 20.3.1970 – III R 61/68, BStBl. II 1970, 636. Vgl. BFH v. 23.11.1988 – II R 209/82. BStBl. II 1989, 82. Vgl. R 94 Satz 1 und 2 ErbStR. Vgl. H 94 ErbStH.

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Kap. 6: Bewertung von geistigem Eigentum

Kaufpreissammlungen wie etwa die sog. Schwacke-Liste für den Bereich des Kfz-Handels vorliegen dürften. In allen anderen Fällen sind die Werte zu schätzen oder ggf. unter Heranziehung von Sachverständigen zu ermitteln. Für die Finanzverwaltung wird in diesen Fällen nicht nur die Bewertung, sondern bereits die Erfassung aller übergehenden Gegenstände und Sachgesamtheiten problematisch sein, weil sie i.d.R. den Nachlass nicht kennt und daher von den Aussagen bzw. Angaben des Erben abhängig sein wird. Durch die sachlichen Freibeträge i.S. des § 13 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 ErbStG kommt dieser Problematik i.d.R. keine entscheidende Bedeutung zu.1 5. Gesamtbewertung a) Bewertungsanlässe

6.107

Eine Gesamtbewertung ist immer dann vorzunehmen, wenn eine wirtschaftliche Einheit aus mehreren Wirtschaftsgütern besteht. Gehören beispielsweise Patente, Marken oder das Know How zum Betriebsvermögen eines Einzelunternehmens, einer Personen- oder einer Kapitalgesellschaft, so sieht die Regelung des § 2 BewG vor, dass diese Wirtschaftsgüter als Bestandteil der wirtschaftlichen Einheit gerade nicht getrennt, sondern grundsätzlich zusammen als Einheit zu bewerten sind. b) Allgemeines zur Bewertung von Unternehmen

6.108

Die Bewertung des inländischen Betriebsvermögens richtet sich gem. § 12 Abs. 5 ErbStG i.V.m. § 151 und § 109 BewG nach § 11 Abs. 2 BewG und damit gleichfalls nach den Regelungen, die für die Bewertung von Anteilen an Kapitalgesellschaften gem. § 12 Abs. 2 ErbStG gelten, wenn für diese kein Börsenwert oder Verkaufspreis festgestellt werden kann. Damit werden sowohl Einzelunternehmen, Personengesellschaften als auch Kapitalgesellschaften nach identischen Grundsätzen bewertet. Der gemeine Wert dieser Unternehmen soll unter Berücksichtigung ihrer Ertragsaussichten oder nach einer anderen Methode ermittelt werden, die anerkannt und im gewöhnlichen Geschäftsverkehr üblich ist. Für welche anderen Methoden dies gilt, bleibt auch nach der Gesetzesbegründung offen. Im Ergebnis scheinen die Ertragswertverfahren nicht für die Bewertung eines jeden Unternehmens geeignet, was das Steuerrecht – zumindest nach Auffassung des Gesetzesgebers in seiner Gesetzesbegründung – zu akzeptieren hat. Branchenübliche Gegebenheiten sind daher zu berücksichtigen, weswegen für die Bewertung kleinerer Personengesellschaften wie freiberuflicher Praxen zum Beispiel vergleichsorientierte Methoden oder Mulitplikatormodelle geeignet sein können.2 Jedenfalls soll der Steuer1 Vgl. Ramb in Rödl/Preißer u.a., Erbschaft- und Schenkungsteuer Kompakt Kommentar, § 12 Rz. 2.6.5.4. 2 Vgl. Wassermann, DStR 2010, 183 (184). Unter Berücksichtigung des AEBewAntBV v. 25.6.2009, BStBl. I 2009, 698 Rz. A 3 Abs. 2, nach denen die üblichen Methoden auch anhand der branchenüblichen Verlautbarungen bestimmt wer-

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D. Bewertung für erbschaft- und schenkungsteuerliche Zwecke

pflichtige die gesetzlich vorgesehene Methodenwahl so treffen, wie sie ein Erwerber bei der Bemessung des Kaufpreises treffen würde. Im Regelfall wird jedoch ein Ertragswertverfahren zur Anwendung kommen. c) Bewertungsverfahren aa) Maßgebliche Verfahren Für die Bewertung von Unternehmen sind vornehmlich das vereinfachte und „normale“ Ertragswertverfahren sowie aufgrund des Substanzwertes als Mindestwert eines Unternehmens das Substanzwertverfahren relevant. Auf diese Verfahren beschränkt sich die nachfolgende Betrachtung.

6.109

bb) Vereinfachtes Ertragswertverfahren Das vereinfachte Ertragswertverfahren basiert auf der Idee, dass der Wert einer Unternehmung dem mit dem Kapitalisierungsfaktor i.S. des § 203 BewG multiplizierten zukünftig nachhaltig erzielbaren1 Jahresertrag i.S. der §§ 201 und 202 BewG entspricht. Gleichwohl entspricht der auf diese vergangenheitsbezogene und stark typisierte Weise ermittelte Ertragswert nicht dem Wert der wirtschaftlichen Einheit als Ganzes. Vielmehr entspricht der Gesamtwert des Unternehmens den um die gemeinen Werte des nicht betriebsnotwendigen Vermögens, der Beteiligungen an anderen Unternehmen und des sog. jungen Betriebsvermögens, das vor weniger als zwei Zeitjahren in das Betriebsvermögen der Unternehmung eingelegt wurde, erhöhten Ertragswert. Seine Ermittlung setzt nach § 200 Abs. 1–4 BewG damit die Ermittlung des nachhaltig erzielbaren Jahresertrags i.S. der §§ 201 und 202 BewG, die Aussonderung des nicht betriebsnotwendigen Vermögens und dessen eigenständige Bewertung mit dem gemeinen Wert sowie die Bewertung aller Beteiligungen an den anderen Unternehmen, die auch die Durchführung des Ertragswertverfahrens für die Unternehmen notwendig machen kann, an denen die Beteiligung besteht, sowie die Ermittlung der gemeinen Werte des jungen Betriebsvermögens voraus. Damit erscheint die Durchführung des vereinfachten Ertragswertden können, scheint die Finanzverwaltung die anderen Methoden insbesondere auf sog. Kammerberufe und deren Unternehmen wie Steuerberaterkanzleien oder Arztpraxen anwenden zu wollen. Dem Schreiben des Bayerischen Staatsministeriums der Finanzen v. 30.9.2009 betr. Umsetzung der Reform des Erbschaftsteuer- und Bewertungsrechts; Bewertung des Unternehmensvermögen (FM Bayern v. 30.9.2009 – 34 - S 3715 - 009 - 36659/09) können insbesondere Hinweise zur Bewertung von freiberuflichen Praxen entnommen werden. Diese umfassen i.d.R. die Angabe der Herausgeber der branchenüblichen Bewertungsverfahren, die Arten des Verfahrens, Hinweise zur Anwendung und den erforderlichen Daten. 1 Erzielbar i.S. der Vorschrift kann der Ertragswert nur dann sein, wenn ein noch operativ tätiges Unternehmen übertragen wird und beispielsweise nicht eine Kapitalgesellschaft, die sich bereits in Liquidation befindet. So auch Kreutziger in Kreutziger/Schaffner/Stephany, BewG2, § 199 Rz. 1, der u.a. auf Piltz, DStR 2008, 745 (749) verweist.

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6.110

Kap. 6: Bewertung von geistigem Eigentum

verfahrens bei komplexeren Strukturen, die schon dann entstehen, wenn ein Unternehmen an einem anderen Unternehmen beteiligt sein sollte, für den Steuerpflichtigen mit einem erheblichen Aufwand verbunden, den der Steuerpflichtige im Zweifel nicht bewältigen kann, weil er im Regelfall über die für die Bewertung des anderen Unternehmens benötigten Daten nicht verfügen wird. Die vermeintlich einfache Durchführung des Ertragswertverfahrens i.S. der §§ 199 ff. BewG stößt daher in der Praxis schnell an die Grenzen der Durchführbarkeit. Deswegen sollte in einem ersten Schritt die Anwendbarkeit des Verfahrens geprüft werden, die insbesondere dann scheitern wird, wenn das Unternehmen in einem großen Umfang über nicht betriebsnotwendiges Vermögen, vor allem aber über Beteiligungen an anderen Unternehmen verfügen wird. Darüber hinaus kann die Bewertung von Personengesellschaftsanteilen und Kapitalgesellschaftsbeteiligungen für den Steuerpflichtigen schon deswegen scheitern, weil der Steuerpflichtige nicht über die für die Ermittlung des nachhaltig erzielbaren Jahresertrags notwendigen Daten verfügt.

6.111

§ 201 Abs. 1 BewG erkennt zutreffend, dass der zukünftig nachhaltig zu erzielende Jahresertrag die Grundlage für die Bewertung des Unternehmens bildet, weil der Erwerber eines Unternehmens genau diese Betrachtungsweise in seinen Kaufentscheidungsprozess einbezieht. Sie mündet in seiner Preisobergrenze. Denn würde er diesen Ertragswert an den Verkäufer der Unternehmung bezahlen, so würde er sich durch den Kauf der Unternehmung wirtschaftlich im Vergleich dazu, dass er sie nicht erwirbt, noch nicht verschlechtern, weil er voraussichtlich über die Jahre einen entsprechenden Ertrag erzielen wird. Auch der potentielle Erwerber wird sich für seine Überlegungen an dem in der Vergangenheit tatsächlich erzielten Durchschnittsertrag orientieren. Diese vergangenheitsbezogene Größe stellt auch die Beurteilungsgrundlage für die Ermittlung des Jahresertrags i.S. des § 200 Abs. 1 BewG dar. Sie ergibt sich gem. § 201 Abs. 1 BewG aus den Betriebsergebnissen i.S. des § 202 BewG der letzten drei vor dem Bewertungsstichtag abgelaufenen Wirtschaftsjahre, die für die Ermittlung des gesuchten Jahresertrags zu summieren und anschließend durch drei zu dividieren sind. Sollte sich der Charakter des Unternehmens jedoch in den letzten drei Wirtschaftsjahren nach dem Gesamtbild der Verhältnisse nachhaltig verändert haben oder das Unternehmen erst innerhalb der letzten drei Jahre gegründet worden sein, so verkürzt sich gem. § 201 Abs. 3 BewG der Ermittlungszeitraum entsprechend. Er beginnt dann mit Eintritt der nachhaltigen Veränderung.1 Ist das zu bewertende Unternehmen aus einem anderen Unternehmen beispielsweise durch Umwandlung, Einbringung von Teilbetrieben oder anderen Formen der Umstrukturierung hervorgegangen, so sind für die Ermittlung des Jahresertrags die Betriebsergebnisse der anderen Gesellschaft oder des anderen Gewerbebetriebs maßgeblich.

1 Vgl. Kreutziger in Kreutziger/Schaffner/Stephany, BewG2, § 201 Rz. 4.

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D. Bewertung für erbschaft- und schenkungsteuerliche Zwecke

Ausgangswert der Ermittlung der Betriebsergebnisse ist der nach § 4 Abs. 1 Satz 1 EStG ermittelte Gewinn vor den außerbilanziellen Korrekturen mit Ausnahme der darin enthaltenen Ergebnisse aus den Sonderund Ergänzungsbilanzen bzw. der Überschuss der Einnahmen über die Betriebsausgaben i.S. des § 4 Abs. 3 EStG, falls das betreffende Unternehmen nicht bilanziert. Dieser Ausgangswert, der bei Kapitalgesellschaften gerade nicht dem zu versteuernden Einkommen entspricht, unterliegt umfangreichen Korrekturen, die in § 202 Abs. 1 Satz 1 BewG festgeschrieben sind. Hinzuzurechnen sind – alle „nicht normalen“ Abschreibungen, als welche der Gesetzgeber diejenigen versteht, die nicht auf einer gleichmäßigen Verteilung der Anschaffungs- oder Herstellungskosten über die gesamte betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer basieren, und – Abschreibungen auf den Geschäfts- und Firmenwert sowie – alle einmaligen Veräußerungsgewinne und außerordentlichen Aufwendungen, weil diese nicht nachhaltig erzielt werden, – die im Gewinn nicht enthaltene Investitionszulage, allerdings nur dann, wenn für die Zukunft mit weiteren zulagebegünstigten Investitionen in gleichem Umfang gerechnet werden kann, – der Ertragsteueraufwand, allerdings nur die Körperschaft-, Zuschlagund Gewerbesteuer, weil dieser Aufwand nach Ermittlung des Betriebsergebnisses gem. § 202 Abs. 3 BewG pauschal mit einem Anteil von 30 % berücksichtigt wird, – Aufwendungen sowie Verluste, die im Zusammenhang mit dem nicht betriebsnotwendigen und dem jungen Betriebsvermögen stehen, weil der gemeine Wert dieses Vermögens dem Ertragswert separat hinzugerechnet wird. Dies gilt nicht für die mit den Beteiligungen in Zusammenhang stehenden Aufwendungen wie beispielsweise für die mit den Beteiligungen in Zusammenhang stehenden Finanzierungsaufwendungen, diese dürfen das Ergebnis des Unternehmens mindern. Darüber hinaus sind von dem Ausgangswert folgende Beträge zu kürzen: – die Auflösungsbeträge steuerfreier Rücklagen sowie die Wertaufholungen, die nach Wegfall der für eine Teilwertabschreibung kausalen Wertminderung vorzunehmen sind, – einmalige Veräußerungsgewinne und außerordentliche Erträge, da diese nicht nachhaltig erzielt werden können, – die im Gewinn enthaltene Investitionszulage, wenn mit einer weiteren zulagebegünstigten Investition in gleichem Umfang gerade nicht gerechnet werden kann,1 – ein angemessener Unternehmerlohn, wenn ein solcher bislang noch nicht berücksichtigt worden ist; die Angemessenheit bestimmt sich 1 Die Investitionszulage kann nur deshalb im Ausgangswert enthalten sein, weil dieser noch nicht außerbilanziell korrigiert worden ist.

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6.112

Kap. 6: Bewertung von geistigem Eigentum

nach den allgemeinen Grundsätzen zur verdeckten Gewinnausschüttung, daher soll beispielsweise das Gehalt eines nicht an dem Unternehmen selbst beteiligten Geschäftsführers angemessen sein, wobei zusätzlich auch fiktive Löhne für bislang unentgeltlich tätige Familienangehörige des Eigentümers abgezogen werden können,1 – Erträge aus der Erstattung der Ertragsteuern, weil der Steueraufwand pauschal nach § 202 Abs. 3 BewG berücksichtigt werden soll, und – jene Erträge, die im Zusammenhang mit dem nicht betriebsnotwendigen oder dem jungen Betriebsvermögen sowie mit den Beteiligungen an anderen Unternehmen stehen, weil diese separat mit ihrem gemeinen Wert erfasst werden.

6.113

Hinzurechnungen und Kürzungen sind nach § 202 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 BewG auch für Vermögensmehrungen und -minderungen mit gesellschaftsrechtlichem Bezug vorzunehmen, die sonstig nicht wirtschaftlich begründet sind. Als Beispiele nennt die Finanzverwaltung ein der Höhe nach unangemessenes Gehalt des Gesellschafter-Geschäftsführers sowie den Betrag, um den die an den Gesellschafter gezahlte Miete die angemessenen Miete unterschreitet, zu der das Unternehmen die Wirtschaftsgüter von einem fremden dritten Gesellschafter hätte mieten können.2 Grund für diese Korrekturen ist die Bezugnahme auf den Gewinn i.S. des § 4 Abs. 1 Satz 1 EStG, in dem die außerbilanziellen Korrekturen noch keine Berücksichtigung gefunden haben.

6.114

Nach den genannten Hinzurechnungen und Kürzungen kann der pauschale Abschlag von 30 % für den Ertragsteueraufwand nach § 202 Abs. 3 BewG vorgenommen werden. Danach ist die Summe der ermittelten Jahreserträge zu bilden und der Durchschnittsertrag durch die Division mit der Anzahl der summierten Jahreserträge zu berechnen. Das Ergebnis ist mit dem Kapitalisierungsfaktor i.S. des § 203 BewG zu multiplizieren. Dieser entspricht dem Reziprok bzw. Kehrwert der Summe aus einem festen Risikozuschlag von 4,5 % und einem risikolosen Basiszinssatz, der nach dem Wortlaut des Gesetzes aus der langfristig erzielbaren Rendite öffentlicher Anleihen abgeleitet werden soll. Dessen Höhe wird für jedes Kalenderjahr vom BMF veröffentlicht. Er beträgt einheitlich für alle in 2010 zu bewertenden Unternehmen 3,61 %, wodurch sich ein Kapitalisierungsfaktor von 12,33 ergibt. Anpassungen aufgrund der Besonderheiten des Einzelfalls sind ausdrücklich nicht möglich. Für die endgültige Ermittlung des Ertragswerts sind die gemeinen Werte der in § 200 Abs. 2–4 BewG genannten Wirtschaftsgütern zu ermitteln und diesem hinzuzurechnen.

6.115

Zu dem nicht betriebsnotwendigem Vermögen i.S. des § 200 Abs. 2 BewG gehören alle Wirtschaftsgüter sowie die damit in Zusammenhang 1 Vgl. AEBewAntBV v. 25.6.2009, BStBl. I 2009, 698 Rz. A 22 Abs. 3 Nr. 2 Buchst. b. 2 Vgl. AEBewAntBV v. 25.6.2009, BStBl. I 2009, 698 Rz. A 22 Abs. 3 Nr. 3.

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D. Bewertung für erbschaft- und schenkungsteuerliche Zwecke

stehenden Schulden, die aus dem zu bewertenden Unternehmen herausgelöst werden könnten, ohne dass dies die eigentliche – nach Sicht der Finanzverwaltung operative – Unternehmenstätigkeit beeinträchtigen würde. Dies könnte unter Berücksichtigung des jeweiligen Unternehmenszwecks vor allem Grundstücke, Gebäude, Kunstgegenstände, Beteiligungen, Wertpapiere oder auch Geldbestände betreffen, wobei wohl keine Deckungsgleichheit zwischen nicht betriebsnotwendigem Vermögen in diesem Sinne und gewillkürtem Betriebsvermögen oder Verwaltungsvermögen besteht. Unter Umständen kann die Entscheidung über die funktionale Zuordnung des jeweiligen Wirtschaftsguts,1 ob das Wirtschaftgut betriebsnotwendig oder nicht ist, einen entscheidenden Einfluss auf die Höhe des Ertragswerts haben.2 Der gemeine Wert der Wirtschaftsgüter ist nach der allgemeinen Regelung des § 9 BewG zu bestimmen. Neben dem Ertragswert sind nach § 200 Abs. 3 BewG ebenfalls die gemeinen Werte der betriebsnotwendigen3 Beteiligungen zu berücksichtigen, über die das zu bewertende Unternehmen an anderen Unternehmen verfügt. Die Berücksichtigung dieser Werte kann gleichfalls eine Durchführung des vereinfachten Ertragswertverfahrens erfordern. Zum Ansatz werden i.d.R. die nach § 151 BewG gesondert festgestellten Werte kommen. Eine Berücksichtigung der mit diesen Beteiligungen in Zusammenhang stehenden Schulden ist aufgrund einer fehlenden Hinzurechnungsvorschrift, die eine Hinzurechnung dieser Aufwendungen zum Ausgangswert i.S. des § 201 Abs. 1 BewG vorsieht, nicht möglich. Im Einvernehmen können die Verfahrensbeteiligten in Fällen von geringer Bedeutung auf die Bewertung der Beteiligungen verzichten. Aus Vereinfachungsgründen kann der gemeine Wert in diesen Fällen aus den durchschnittlichen Bruttoausschüttungen der letzten drei Jahre abgeleitet werden, indem der Durchschnittswert mit dem Kapitalisierungszinssatz i.S. des § 203 BewG multipliziert wird.4

6.116

Als letztes sind dem Ertragswert die gemeinen Werte des sog. jungen Betriebsvermögens hinzuzurechnen und die damit verbundenen Schulden abzuziehen, wenn diese noch zum Betriebsvermögen des zu bewertenden Unternehmens gehören und noch nicht als nicht betriebsnotwendiges Vermögen oder als Beteiligungen an anderen Unternehmen berücksichtigt worden sind. Als junge Wirtschaftsgüter i.S. des § 200 Abs. 4 BewG gelten diejenigen Wirtschaftsgüter, deren Einlage ins Betriebsvermögen maximal zwei Jahre vor dem Bewertungsstichtag erfolgte. Auch diese sind nach den allgemeinen Grundsätzen des § 9 BewG zu bewerten, für Grundvermögen ist der nach § 151 BewG festgestellte Wert anzusetzen.

6.117

1 Vgl. Ramb in Rödl/Preißer u.a., Erbschaft- und Schenkungsteuer Kompakt Kommentar, § 12 Rz. 11.3.3.4. 2 Vgl. AEBewAntBV v. 25.6.2009, BStBl. I 2009, 698 Rz. A 20 Abs. 2. 3 Die nicht betriebsnotwendigen Beteiligungen sind bereits nach Abs. 2 hinzuzurechnen. 4 Vgl. AEBewAntBV v. 25.6.2009, BStBl. I 2009, 698 Rz. A 20 Abs. 3.

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Kap. 6: Bewertung von geistigem Eigentum

6.118

Das Ergebnis der Unternehmensbewertung nach dem vereinfachten Ertragswertverfahren, also die Summe aus dem durchschnittlichen Jahresertrag, multipliziert mit dem Kapitalisierungsfaktor, und der gemeinen Werte der nicht betriebsnotwendigen Wirtschaftsgüter, des jungen Betriebsvermögens sowie der Beteiligungen an anderen Unternehmen, darf gem. § 11 Abs. 2 Satz 3 BewG den Substanzwert als Mindestwert der Unternehmung nicht unterschreiten. Ansonsten entspricht der Substanzwert dem gemeinen Wert der Unternehmung. Zur Ermittlung des Substanzwerts vgl. Rz. 6.122 ff.

6.119

Für die Durchführung des vereinfachten Ertragswertverfahrens ist die Anlage „Vereinfachtes Ertragswertverfahren zur Feststellungserklärung“1 zu verwenden und als Anlage zur Feststellungserklärung bei dem zuständigen Finanzamt einzureichen. cc) „Normales“ Ertragswertverfahren

6.120

Eine weitere Möglichkeit zur Ermittlung des Werts eines Unternehmens unter Berücksichtigung seiner Ertragsaussichten bietet das „normale“ Ertragswertverfahren, das als Alternative zum „vereinfachten“ Ertragsverfahren i.S. der §§ 199 ff. BewG (Rz. 6.110 ff.) gerade nicht im Bewertungsgesetz gesetzlich geregelt ist.2 Vielmehr richtet sich die Durchführung dieses Verfahrens nach dem „State of Art“ für die Unternehmensbewertungen,3 dem IDW S 1 „Grundsätze zur Durchführung von Unternehmensbewertungen“.4

6.121

Dabei bestimmt sich der Wert einer Unternehmung unter ausschließlich finanziellen Zielen durch den Barwert der mit dem Eigentum an dem Unternehmen verbundenen Nettozuflüsse an die Unternehmenseigner im Fall einer Fortführung des Unternehmens aus dem betriebsnotwendigen Vermögen (Zukunftserfolgswert), der sich durch Diskontierung der künftigen finanziellen Überschüsse auf den Bewertungsstichtag ergibt (Ertragswertverfahren und Discounted Cash Flow Verfahren).5 Dabei repräsentiert der zur Anwendung kommende Kapitalisierungszinssatz adäquate Alternativmöglichkeiten der Geldanlage, weswegen er stets auf einem risikolosen Basiszinssatz und einem Risikozuschlagssatz basiert, 1 Vgl. u.a. http://www.finanzamt.brandenburg.de/sixcms/media.php/4055/BBW %2052%2009-Anlage%20vereinf%20Ertragswertverf.pdf. 2 Zur Unternehmensbewertung im Erbschaftsteuerrecht vgl. Bruckmeier/Zwirner/ Mugler, DStR 2011, 422 ff. 3 Vgl. Wassermann, DStR 2010, 183 (187). 4 Vgl. IDW S 1 Grundsätze zur Durchführung von Unternehmensbewertungen, FN 2008, 271 ff. 5 Dieser Zukunftserfolgswert ist um die gemeinen Werte des nicht betriebsnotwendigen Vermögens zu erhöhen, weil dieses veräußert werden könnte, da es für die Erzielung des Überschusses nicht notwendig erscheint. Überschreitet der Liquidationswert den ermittelten Ertragswert, so stellt dieser den Unternehmenswert dar. Der Substanzwert erhält daher für die Ermittlung des Werts der Unternehmung keine eigenständige Bedeutung.

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D. Bewertung für erbschaft- und schenkungsteuerliche Zwecke

da die Übernahme eines höheren Risikos mit der Forderung nach einer höheren Rendite einhergeht. Neben der Ermittlung des Zinssatzes, der ggf. auf Grundlage des Capital Asset Pricing Model (CAPM) oder des TaxCapital Asset Pricing Model (Tax-CAPM) ermittelt werden kann, stellt die Prognose der zukünftig erzielbaren finanziellen Überschüsse ein Kernproblem der Unternehmensbewertung dar, das –wenn überhaupt – nur durch umfangreiche Informationsbeschaffung und eine vergangenheits-, stichtags- und zukunftsorientierte Unternehmensanalyse gelöst werden kann,1 weswegen die Durchführung des „normalen“ Ertragswertverfahrens i.d.R. mit größerem Aufwand verbunden ist und nur ausnahmsweise von dem Erwerber selbst durchgeführt werden kann. Ggf. sollte der Steuerpflichtige in diesen Fällen das vereinfachte Ertragswertverfahren anwenden. Vorteilhaft könnte es insoweit sein, weil es einen gangbaren Weg für die Ermittlung des Ertragswerts aufzeigt und bereits einen Kapitalisierungszinssatz vorgibt, der allerdings für alle Unternehmen gleich hoch ist.2 dd) Substanzwertverfahren Das Substanzwertverfahren basiert auf einer Einzelbewertung aller zum Betriebsvermögen gehörenden Vermögensgegenstände und Schulden (Rz. 6.80 ff.). Daher ist Ausgangspunkt für die Ermittlung des Substanzwerts eine Vermögensaufstellung nach amtlichem Vordruck, die als Anlage zur Feststellungserklärung einzureichen ist.3 Auf dieser sind die Besitz- sowie Schuldposten der Unternehmung mit ihrem jeweiligen Steuerbilanz- und gemeinen Wert aufzuführen, die nach den Regelungen der §§ 95–103 BewG zum Betriebsvermögen der Unternehmung gehören. Welche Wirtschaftsgüter zum Betriebsvermögen gehören, richtet sich prinzipiell nach den ertragsteuerlichen Grundsätzen, wobei es nicht auf die Frage der Bilanzierungsfähigkeit der Wirtschaftsgüter ankommt, so dass generell auch die Wirtschaftsgüter zum Betriebsvermögen gehören können, für die ein steuerliches Aktivierungs- oder Passivierungsverbot besteht, wie beispielsweise für eine Drohverlustrückstellung oder nicht entgeltlich erworbene immaterielle Wirtschaftsgüter wie Patente, Markenrechte, Konzessionen oder Bierlieferrechte. Eine Ausnahme gilt lediglich für Geschäfts- und Firmenwerte und zwar unabhängig davon, ob es sich um den originären oder einen derivativen Firmenwert handelt. Rücklagen und Ausgleichsposten mit Rücklagencharakter können aufgrund ihres Eigenkapitalcharakters nicht als Schuldposten in Abzug gebracht werden. Nach Auffassung der Finanzverwaltung sind der Grundbesitz, das Betriebsvermögen sowie die Anteile an Kapitalgesellschaften mit den nach 1 Vgl. IDW S 1, vor allem Rz. 1, 5 ff., 7, 85, 88. 2 Einige Autoren vertreten schon aufgrund der pauschalen Annahme eines Kapitalisierungszinssatzes die Auffassung, dass das vereinfachte Ertragswertverfahren im Regelfall zu offensichtlich unzutreffenden Ergebnissen führen muss, vgl. Hübner, DStR 2009, 2577, 2581. 3 Vgl. u.a. http://www.fa-baden-Wuerttemberg.de/servlet/PB/show/1311113/Anla ge%20Substanzwert.pdf.

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6.122

Kap. 6: Bewertung von geistigem Eigentum

§ 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1–3 BewG festgestellten Werten, bewegliche Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens aus Vereinfachungsgründen mit 30 % der Anschaffungs- oder Herstellungskosten, wenn dies nicht zu unzutreffenden Ergebnissen führen sollte, Wirtschaftsgüter des Umlaufvermögens mit den Wiederbeschaffungs- oder Wiederherstellungskosten am Bewertungsstichtag sowie zur Nutzung überlassene Erfindungen oder Urheberrechte mit dem kapitalisierten Wert des Nutzungsentgelts einzubeziehen.1

6.123

Der so ermittelte Substanzwert bildet den sog. Ausgangswert, der an die zwischen dem Bilanz- bzw. Abschlussstichtag und dem Bewertungsstichtag stattgefundenen Wertveränderungen anzupassen ist. Für die Ableitung des Werts der Anteile an der Unternehmung am Bewertungsstichtag sind bestimmte Korrekturen notwendig. So erhöht der steuerliche Gewinn bzw. mindert der steuerliche Verlust dieses Zeitraums den Ausgangswert.2 Ebenfalls zu berücksichtigen sind Vermögensveränderungen infolge von Veräußerungen, durch die das bestimmte Wirtschaftsgut nicht mehr zum Betriebsvermögen der Gesellschaft gehört, oder durch den Erwerb von Wirtschaftsgütern, die noch nicht als Vermögen der Kapitalgesellschaft erfasst wurden, sowie Vermögenszuflüsse oder -abflüsse infolge von Kapitalerhöhungen oder –herabsetzungen und durch verdeckte Einlagen.3 d) Aufteilung des Betriebsvermögens für die Bewertung von Anteilen an Personengesellschaften

6.124

Die Bewertung von Anteilen an Personengesellschaft setzt unabhängig von der Höhe der Beteiligung eine Bewertung der Gesellschaft als Ganzes voraus, aus welcher der Wert des einzelnen Anteils abgeleitet werden kann. Erfolgt die Bewertung der Gesellschaft beispielsweise nach dem vereinfachten Ertragswertverfahren, so liegt dessen Ermittlung die Bewertung des Gesamthandsvermögens der Gesellschaft zugrunde.4 Auf den einzelnen Gesellschafter entfällt der anteilige Ertragswert, der sich gem. 1 Vgl. AEBewAntBV v. 25.6.2009, BStBl. I 2009, 698 Rz. A 4. Als Kapitalisierungszinssatz kann der Steuerpflichtige entweder den marktüblichen oder den Zinssatz i.S. des § 203 Abs. 1 BewG ansetzen. Insoweit hat der Steuerpflichtige eine Wahl (vgl. Piltz, DStR 2009, 1829, 1831 f.). 2 Grundlage der Gewinnermittlung ist der Gewinn laut Steuerbilanz, der um Abschreibungen oder Aufwendungen für Grundbesitz zu korrigieren ist, vgl. AEBewAntBV v. 25.6.2009, BStBl. I 2009, 698 Rz. A 5 Abs. 3. 3 Vgl. AEBewAntBV v. 25.6.2009, BStBl. I 2009, 698 Rz. A 5 Abs. 3. 4 Nach § 97 BewG gehören zum Gewerbebetrieb einer Personengesellschaft nach den ertragsteuerlichen Grundsätzen sowohl das Gesamthands- als auch das Sonderbetriebsvermögen der Gesellschafter. Nach § 97 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 Satz 2 BewG geht die Zurechnung des Sonderbetriebsvermögens zum Gesellschafter der Zurechnung zur Gesellschaft allerdings vor (vgl. AEBewAntBV v. 25.6.2009, BStBl. I 2009, 698 Rz. A 10). Gleiches ergibt sich auch aus der Vorschrift des § 202 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 BewG, wonach das Sonderbetriebsvermögen nicht im Rahmen des vereinfachten Ertragswertverfahrens zu berücksichtigen ist.

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D. Bewertung für erbschaft- und schenkungsteuerliche Zwecke

§ 97 Abs. 1a BewG durch Zurechnung seines Kapitalkontos und anschließende Verteilung des Restbetrags zwischen dem Ertragswert abzüglich der Kapitalkonten aller Gesellschafter unter Anwendung des Gewinnverteilungsschlüssels1 ergibt. Diesem Wert sind die gemeinen Werte der Wirtschaftsgüter des Sonderbetriebsvermögens hinzuzurechnen, wobei die damit in wirtschaftlichem Zusammenhang stehenden Schulden von diesem Betrag abzuziehen sind. So kann auch die Bewertung des Anteils an einer Personengesellschaft die Einzelbewertung der immateriellen Werte erfordern (Rz. 6.80 ff.). Dies könnte beispielsweise der Fall sein, wenn der Personengesellschafter seiner Gesellschaft ein in seinem Privatvermögen befindliches Patent zur Nutzung überlässt.2 Entspricht der Substanzwert dem gemeinen Wert der Personengesellschaft, so sind die Wirtschaftsgüter nach den Regelungen des § 97 Abs. 1a BewG auf die Gesellschafter zu verteilen.3 6. Bewertung ausländischen Vermögens § 121 BewG definiert abschließend den Begriff des inländischen Vermögens, das die beschränkte Steuerpflicht eines Erwerbs von Todes wegen oder einer Schenkung im Inland begründen kann, wenn keiner der Beteiligten im Inland seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt hat. Gleichwohl kann aus dieser Definition nicht abgeleitet werden, dass das in dieser Norm nicht genannte Vermögen ausländisches Vermögen ist. Vielmehr begründet der Erwerb des nicht genannten Vermögens4 keine beschränkte Erbschaft- oder Schenkungsteuerpflicht. Als ausländisches Vermögen gilt also nur das Vermögen, das nicht inländisch ist, weil es nicht im Inland, sondern im Ausland belegen ist. Die Zuordnung von fest mit dem Boden verbundenen Wirtschaftsgütern wie Grundvermögen und zumindest ein Teil des Betriebsvermögens erscheint unproblematisch, die Zuordnung anderer Wirtschaftsgüter wie beispielsweise von Anteilen an Kapitalgesellschaften hingegen problematisch. Fraglich ist, ob für die Zuordnung die Belegenheit der Anteile oder die der Kapitalgesellschaft selbst entscheidend ist. Für die Bewertung des ausländischen Vermögens erscheint diese Fragestellung im Ergebnis unproblematisch, weil das ErbStG nur für die Bewertung des im Ausland belegenen Grundbesitzes und Betriebsvermögens mit § 12 Abs. 7 ErbStG eine separate Bewertungsregelung enthält und alle anderen Wirtschaftsgüter nach denselben Grundsätzen wie das inländische Vermögen bewertet werden. Seit der Erbschaftsteuerreform 20095 bzw. für in der EU oder dem EWR belegenes 1 Vgl. Piltz, DStR 2008, 745 (752). 2 Für die Bewertung des Sonderbetriebsvermögens ist keine Bewertung des Gesamthandsvermögens notwendig. An dieser Stelle wird der Grundsatz der Bewertung der wirtschaftlichen Einheit durchbrochen, vgl. Hübner, DStR 2009, 2577 (2579). 3 Vgl. Piltz, DStR 2008, 745 (752). 4 Zu diesem Vermögen gehören beispielsweise Anteile an einer Kapitalgesellschaft, die weniger als 10 % am Grund- oder Stammkapital betragen. 5 Vgl. Erbschaftsteuerreformgesetz v. 24.12.2008, BGBl. I 2008, 3018.

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6.125

Kap. 6: Bewertung von geistigem Eigentum

Vermögen seit dem Urteil des EuGH vom 17.1.2008 in der Rechtssache Theodor Jäger1 entfaltet diese Bewertungsvorschrift keine wesentliche Bedeutung mehr, weil nunmehr sowohl das inländische als auch das in dieser Norm genannte ausländische Sachvermögen für erbschaft- und schenkungsteuerliche Zwecke mit dem gemeinen Wert berücksichtigt wird. Die bis zur Reform bestehenden Unterschiede hinsichtlich der Bewertung, wonach nur die für die Bewertung inländischen Vermögens anwendbaren Bewertungsverfahren zu einem weitaus geringeren Wert des Vermögens führten, erklärte der EuGH mit Urteil vom 17.1.2008 als nicht mit der Kapitalverkehrsfreiheit vereinbar, woraufhin die deutsche Finanzverwaltung die Regelung des § 12 Abs. 6 ErbStG a.F. zunächst nicht mehr auf das in anderen Mitgliedstaaten belegene land- und forstwirtschaftliche Vermögen, Betriebs- und Grundvermögen sowie Anteile an ausländischen Kapitalgesellschaften anwendete und die Steuerbegünstigungen i.S. der §§ 13a und 19 ErbStG gewährte sowie anschließend durch die Erbschaftsteuerreform 2009 die Ungleichbehandlung beendet wurde, weil nun auch das inländische Vermögen zum gemeinen Wert2 berücksichtigt wird und die Steuerbegünstigungen auch auf das in den Mitgliedstaaten der EU sowie den Staaten des EWR belegene Vermögen ausgedehnt wurde.3

6.126

§ 12 Abs. 7 ErbStG verweist für die Bewertung ausländischen Sachvermögens auf § 31 BewG, der wiederum die Vorschriften des Allgemeinen Teils des Bewertungsgesetzes und davon insbesondere die Regelung des § 9 BewG für anwendbar erklärt, im Ergebnis also eine Bewertung zum gemeinen Wert vorsieht, der allerdings nicht gesondert festgestellt wird.4 Dabei gilt diese Regelung auch dann, wenn sich das Sachvermögen sowohl auf das Inland als auch das Ausland erstreckt. In diesen Fällen sind der inländische und ausländische Teil nach Möglichkeit getrennt voneinander und, wenn eine solche direkte Wertermittlung nicht möglich erscheint, zusammen zu bewerten, wobei der ermittelte Wert im Rahmen der indirekten Wertermittlung nach einem geeigneten Aufteilungsfaktor den beiden Teilen zuzurechnen ist.5 Dabei gilt als ausländisches Sachvermögen das land- und forstwirtschaftliche Vermögen, Grundvermögen als auch das Betriebsvermögen. Nach § 31 Abs. 2 BewG sind bei der Bewertung des Grundvermögens auch dessen Bestandteile zu berücksichtigen, 1 Vgl. EuGH v. 17.1.2008 – C-256/06, EuGHE 2008, I-123. 2 Dies gilt zumindest annäherungsweise, weil beispielsweise der inländische Grundbesitz mit dem Grundbesitzwert als einem an den gemeinen Wert zumindest angenäherten Wert berücksichtigt wird (vgl. Gebel in Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG, § 12 Rz. 937). 3 Vgl. dazu auch Ramb in Rödl/Preißer u.a., Erbschaft- und Schenkungsteuer Kompakt Kommentar, § 12 Rz. 12. 4 § 151 Abs. 4 BewG stellt dies ausdrücklich klar. Daher werden diese Werte als unselbstständige Werte im Rahmen der Erbschaftsteuerveranlagung festgestellt und können daher nur mit Einspruch gegen den Erbschaft- bzw. Schenkungsteuerbescheid angegriffen werden. Vgl. Schaffner in Kreutziger/Schaffner/Stephany, BewG2, § 151 Rz. 13. 5 Vgl. Gebel in Troll/Gebel/Jülicher, Erbschaftsteuergesetz, § 12 Rz. 942 f.

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D. Bewertung für erbschaft- und schenkungsteuerliche Zwecke

nicht aber Zahlungsmittel, Geldforderungen, Wertpapiere und Geldschulden. Auch für die Bewertung des ausländischen Sachvermögens stehen die Bewertungsmethoden zur Verfügung, die für die Bewertung des inländischen Vermögens Anwendung finden können. So können auch für die Bewertung der bebauten Grundstücke im Ausland die in § 182 BewG dargestellten Bewertungsmethoden oder für ausländisches Betriebsvermögen das vereinfachte Ertragswertverfahren Anwendung finden. Scheitert die Anwendung dieser Methoden, so müssen die Verkehrswerte geschätzt werden.1

1 Vgl. Gebel in Troll/Gebel/Jülicher, Erbschaftsteuergesetz, § 12 Rz. 939 ff.

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Kapitel 7 Geistiges Eigentum und Umsatzsteuer Literatur Bunjes/Geist, Umsatzsteuergesetz, 9. Aufl., München 2009; Forster/Mühlbauer, Konzernumlagen und Kostenweiterbelastungen aus umsatzsteuerrechtlicher Sicht, DStR 2002, 1470 ff.; Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung. Deutsche Investitionen im Ausland. Ausländische Investitionen im Inland, 7. Aufl., München 2011; Kilian/Heussen, Computerrechts-Handbuch, Loseblatt, München; Lange, Umsatzbesteuerung der Einräumung, Übertragung und Wahrnehmung von Patenten, Urheberrechten, Markenrechten und ähnlichen Rechten, UR 2002, 489 ff.; Lippross, Basiskommentar Steuerrecht, Loseblatt, Köln; Lippross, Umsatzsteuer, 22. Aufl., Achim 2005; Loewenheim, Handbuch des Urheberrechts, 2. Aufl., München 2010; Monfort, Auslegung des neuen Unternehmerbegriffs zur Bestimmung des Orts der Dienstleistung nach dem Mehrwertsteuerpaket, UR 2009, 301 ff.; Nieskens, Umsatzsteuer 2009 – Änderungen in der Umsatzsteuer durch das Steuerbürokratieabbaugesetz und das Jahressteuergesetz 2009, UR 2009, 253 ff.; Peter/Burhoff/Stöcker, Umsatzsteuer Kommentar, Loseblatt, Herne; Plückebaum/Malitzky, Umsatzsteuer Kommentar, Loseblatt, Köln; Prätzler, Umsatzsteuerliche Problemfälle bei Betriebsstättensachverhalten ab 1.1.2010 – Wer muss die Umsatzsteuer anmelden und abführen?, UStB 2010, 121 ff.; Rau/Dürrwächter, Umsatzsteuergesetz, Loseblatt, Köln; Schmidt, Münchener Kommentar zum Handelsgesetzbuch, 2. Aufl., München 2008; Schuck/Baumunk, Die umsatzsteuerliche Behandlung von Aufwandspools vor dem Hintergrund des EuGH-Urteils im Falle EDM vom 29.4.2001, BB 2005, 2105 ff.; Sölch/Ringleb, Umsatzsteuergesetz, Loseblatt, München; Stadie, Umsatzsteuerrecht, Köln 2005; Sterzinger, Internationale Verrechnungspreise und Umsatzsteuer, DStR 2009, 1340 ff.; Vogel/Schwarz, Umsatzsteuergesetz, Loseblatt, Freiburg; Vögele/Borstell/Engler, Verrechnungspreise, 3. Aufl., München 2011; Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht, Köln 2010.

A. Einführung I. Vorbemerkung Trotz der stetig zunehmenden Bedeutung von geistigem Eigentum im Wirtschaftsleben findet sich in der einschlägigen Literatur eher wenig zu dessen umsatzsteuerlicher Beurteilung. Dies scheint verwunderlich, da zumindest nach den bis zum 31.12.2009 geltenden Rechtsvorschriften (insbesondere bei grenzüberschreitenden Geschäftsaktivitäten) nicht unerhebliche Rechtsfolgen an die umsatzsteuerliche Einordnung geknüpft waren. Bei einer voreiligen Zuordnung zu den sog. Katalogleistungen wurde der umsatzsteuerliche Leistungsort dorthin „verlagert“, wo der Leistungsempfänger sein Unternehmen betrieb. Anderenfalls war der Umsatz gemäß der Grundregel des § 3a Abs. 1 UStG a.F. mit deutscher Umsatzsteuer zu belegen, wenn der leistende Unternehmer sein Unternehmen von Deutschland aus führte.

7.1

Nicht wenige Unternehmen (oft im Konzernverbund) sind durch großzügige Subsumtion unter den Katalog des § 3a Abs. 4 UStG a.F. nicht un-

7.2

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Kap. 7: Geistiges Eigentum und Umsatzsteuer

erhebliche umsatzsteuerliche Risiken eingegangen. Dies insbesondere, um etwaige Cash-Flow-Nachteile durch langwierige Vorsteuervergütungsverfahren für ihre Kunden zu vermeiden. Durch das sog. „Mehrwertsteuerpaket 2010“1, bei dem es sich nach h.M. um die signifikanteste Rechtsänderung seit Einführung des europäischen Binnenmarkts im Jahr 1993 handelt, mag der Eindruck entstanden sein, die ohnehin vielfach bereits als einfach zu handhaben empfundene Alt-Regelung sei nunmehr klarstellend simplifiziert worden. Diese Einschätzung ist grundsätzlich nicht von der Hand zu weisen. Allerdings ist zur Bestimmung des umsatzsteuerlichen Leistungsorts nach wie vor zu klären, ob es sich bei der Übertragung, Wahrnehmung bzw. Einräumung von geistigem Eigentum um eine Lieferung oder sonstige Leistung handelt, ob es sich ggf. um Nebenleistungen zu Hauptleistungen handeln könnte oder ob gemischte Leistungen vorliegen. Weiter ist nach wie vor die Zuordnung zu dem Katalog (nunmehr nach neuem Recht) zu prüfen, sofern es sich bei dem Leistungsempfänger weder um einen Unternehmer noch um eine nicht unternehmerisch tätige juristische Person mit Umsatzsteuer-Identifikationsnummer mit Wohnsitz oder Sitz im Drittlandsgebiet i.S. des UStG handeln sollte. Schließlich ist die Abgrenzung der einzelnen Immaterialgüterrechte für die Frage der etwaigen Anwendbarkeit des ermäßigten Umsatzsteuersatzes von Bedeutung.

7.3

Im Folgenden soll das Augenmerk auf die wesentlichen Aspekte beim Umgang mit geistigem Eigentum unter umsatzsteuerlichen Gesichtspunkten gelegt werden. Die Ausführungen beziehen sich im Wesentlichen auf die Sichtweise des leistenden Unternehmers, d.h. die Ausgangsumsätze. Da wirtschaftliche Sachverhalte in aller Regel nicht an der Grenze enden, wird – sofern sinnvoll bzw. notwendig – ergänzend auf etwaige Auswirkungen im internationalen Kontext hingewiesen.

II. Einschlägige Rechtsgrundlagen 7.4

Die für die Frage der umsatzsteuerlichen Behandlung geistigen Eigentums maßgebenden Rechtsgrundlagen finden sich im Wesentlichen in § 3a Abs. 1, 2, 4 Satz 2 Nr. 1, § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. c UStG.2 Grundsätzlich ist das deutsche Umsatzsteuerrecht eingebunden in die einschlägigen europäischen Rechtsvorschriften.3

7.5

Die Richtlinie 77/388/EWG vom 17.5.1977 (sog. „6. EG-Richtlinie“) bildet das Fundament des heutigen Allphasen-Nettoumsatz-Steuersystems 1 Mittels RL 2008/8/EG v. 12.2.2008 zur Änderung der RL 2006/112/EG erfolgte eine grundlegende Änderung des Orts der Dienstleistung zum 1.1.2010 (ABl. EU 2008 Nr. L 44, 11). 2 Bis 31.12.2009 war § 3a Abs. 4 Nr. 1 UStG a.F. maßgebend. 3 Bis 31.12.2009 war die sog. 6. EG-Richtlinie (RL 77/388/EWG) einschlägig, die ab dem 1.1.2007 von der Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie (RL 2006/112/EG) abgelöst wurde.

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B. Geistiges Eigentum aus umsatzsteuerlicher Sicht

in der EU und hat durch zahlreiche weitere Richtlinien Anpassungen und Änderungen erfahren. Mit der Richtlinie 2006/112/EG vom 28.11.2006 (sog. „Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie“) wurden die bestehenden Mehrwertsteuerrichtlinien zusammengefasst und systematisch neu gegliedert, so dass diese Richtlinie nunmehr den Rahmen für das EU-Umsatzsteuerrecht bildet, wobei die tragenden Prinzipien weitgehend unverändert geblieben sind. Deshalb wird in der Praxis auch heute noch häufig von der 6. EG-Richtlinie gesprochen, obwohl sie rechtlich gesehen nicht mehr aktuell ist. Im Rahmen des sog. „Mehrwertsteuerpakets“ wurden die Bestimmungen zur Ermittlung des umsatzsteuerlichen Leistungsorts für Dienstleistungen umfassend angepasst.1 Die Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie (MwStSystRL)2 kann daher für die Bearbeitung umsatzsteuerlich relevanter Fragestellungen als das „Grundgesetz“ für die Umsatzsteuer betrachtet werden. In Deutschland finden die maßgeblichen (europäischen) Richtlinien ihre Umsetzung im UStG sowie in der UStDV und sind insofern in Deutschland unmittelbar anzuwendendes Recht. Darüber hinaus bilden die Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie, die Durchführungsverordnung zur MwStSystRL3 sowie die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs, des Bundesfinanzhofs und der Finanzgerichte wichtige Quellen für umsatzsteuerliche Auslegungs- und Abgrenzungsfragen. Die deutsche Finanzverwaltung ist diesbezüglich primär an den Umsatzsteuer-Anwendungserlass4 in seiner jeweils gültigen Fassung gebunden.

7.6

B. Geistiges Eigentum aus umsatzsteuerlicher Sicht I. Einleitung Geistiges Eigentum besteht nicht an körperlichen Sachen i.S. des BGB, sondern an Immaterialgütern, die ertragsteuerlich den immateriellen Wirtschaftsgütern zuzuordnen sind.

7.7

Grundsätzlich lassen sich die Immaterialgüterrechte in ungeschützte immaterielle Wirtschaftsgüter und gesetzlich besonders geschützte immaterielle Wirtschaftsgüter unterscheiden. Zu letzten gehören dabei insbesondere die sog. gewerblichen Schutzrechte sowie das Urheberrecht.5 Die bezüglich der Immaterialgüterrechte für das Umsatzsteuerrecht erheblichen sonstigen Leistungen beruhen insbesondere auf dem

7.8

1 2 3 4

RL 2008/8/EG v. 12.2.2008. Bzw. vormals die 6. EG-Richtlinie. VO (EU) 282/2011 v. 15.3.2011 mit Wirkung ab dem 1.7.2011. Mit BMF v. 1.10.2010 – IV D 3-S 7015/10/10002, BStBl. I 2010, 846 wurden die Umsatzsteuer-Richtlinien 2008 mit Wirkung zum 1.11.2010 aufgehoben und durch den Umsatzsteuer-Anwendungserlass (UStAE) ersetzt. 5 Vögele/Borstell/Engler, Verrechnungspreise3, 1255.

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Kap. 7: Geistiges Eigentum und Umsatzsteuer

– Gesetz über Urheberrecht und verwandte Schutzrechte, – Gesetz über die Wahrnehmung von Urheberrechten und verwandten Schutzrechten, – Patentgesetz, – Markenrechtsreformgesetz, – Gesetz über das Verlagsrecht, sowie auf dem – Gebrauchsmustergesetz.1 § 3a Abs. 4 Satz 2 Nr. 1 UStG ist des Weiteren für die Ortsbestimmung des Leistungsorts für sog. „ähnliche Rechte“ heranzuziehen. In aller Regel lassen sich darunter Nutzungsrechte, Konzessionen, Wettbewerbsrechte, Vertriebsrechte etc. fassen. Für die Frage der umsatzsteuerlichen Einordnung der Einräumung, Übertragung und Wahrnehmung von Immaterialgüterrechten bzw. geistigem Eigentum ist – wie bei dem Umgang mit allen anderen Geschäftsvorfällen auch – zunächst grundsätzlich auf jedes Detail eines Sachverhalts abzustellen. Idealerweise werden dazu dem Beurteiler ergänzende Unterlagen, wie Vertragskopien, Abrechnungsbeispiele etc. vorgelegt. Abweichungen (wenn auch nur geringfügiger Art) in der Sachverhaltsdarstellung können eine geänderte umsatzsteuerliche Beurteilung nach sich ziehen, so dass an dieser Stelle größtmögliche Sorgfalt gefordert ist. Sofern die tatsächliche Durchführung einer geschäftlichen Transaktion von der im Vertrag niedergelegten bzw. vereinbarten abweicht, ist die tatsächliche Durchführung für die umsatzsteuerliche Beurteilung heranzuziehen.

II. Abgrenzung Lieferung/Sonstige Leistung 7.9

Aus umsatzsteuerlicher Sicht ist zunächst zu unterscheiden, ob es sich bei Geschäftsaktivitäten im Zusammenhang mit Immaterialgüterrechten bzw. geistigem Eigentum um Lieferungen oder sonstige Leistungen handelt. Dies ist entscheidend für die Frage, welche Regelung zur Bestimmung des umsatzsteuerlichen Leistungsorts Anwendung findet und damit letztendlich für die Frage, welches Land bei grenzüberschreitenden Transaktionen das Besteuerungsrecht innehat oder ob ggf. eine NettoRechnung gestellt werden kann bzw. muss.

7.10

§ 3 Abs. 1 UStG definiert Lieferungen (eines Unternehmers) als Leistungen, durch die er oder in seinem Auftrag ein Dritter den Abnehmer oder in dessen Auftrag einen Dritten befähigt, im eigenen Namen über einen Gegenstand zu verfügen (Verschaffung der Verfügungsmacht).

7.11

Als Gegenstände i.S. des § 3 Abs. 1 UStG werden körperliche Gegenstände (Sachen nach § 90 BGB, Tiere nach § 90a BGB), Sachgesamtheiten 1 Vgl. Abschn. 3a.9 Abs. 1 UStAE.

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B. Geistiges Eigentum aus umsatzsteuerlicher Sicht

und solche Wirtschaftsgüter, die im Wirtschaftsverkehr wie körperliche Sachen behandelt werden, z.B. Elektrizität, Wärme und Wasserkraft, betrachtet.1 In seinem Urteil vom 12.5.1995 hat der BFH grundlegend entschieden, dass die Verschaffung der Verfügungsmacht den von den Beteiligten endgültig gewollten Übergang von wirtschaftlicher Substanz, Wert und Ertrag eines Gegenstands vom Leistenden auf den Leistungsempfänger beinhaltet.2 Der Abnehmer muss faktisch in der Lage sein, mit dem Gegenstand nach Belieben zu verfahren, insbesondere ihn wie ein Eigentümer zu nutzen und veräußern zu können.3 Die Verschaffung der Verfügungsmacht ist ein Vorgang vorwiegend tatsächlicher Natur, der i.d.R. mit dem bürgerlich-rechtlichen Eigentumsübergang verbunden ist, aber nicht notwendigerweise verbunden sein muss.4

7.12

Gemäß § 3 Abs. 9 Satz 1 UStG handelt es sich bei sonstigen Leistungen um solche Leistungen, die keine Lieferungen sind. Sonstige Leistungen können auch in einem Unterlassen oder im Dulden einer Handlung oder eines Zustands bestehen.5

7.13

Duldungsleistungen bestehen im Gestatten von fremden Aktivitäten im eigenen Rechtskreis oder in der Erlaubnis der Nutzung von Patenten und Urheberrechten, während die Erbringung von Leistungen durch Unterlassen durch den bewussten Verzicht auf die Vornahme eigener Handlungen vollzogen wird und durch diesen Verzicht einem anderen ein wirtschaftlicher Vorteil zugewendet werden soll.6

7.14

Bei der Überlassung von Software kann im Einzelfall fraglich sein, ob es sich um eine Lieferung oder um eine sonstige Leistung handelt. Eine zutreffende Qualifikation ist aufgrund der sich ergebenden unterschiedlichen Rechtsfolgen bei Lieferungen und sonstigen Leistungen (Ort der Leistung, Steuerschuldner, Steuerbefreiungen) unerlässlich.7

7.15

Nach Auffassung von Rechtsprechung und Finanzverwaltung ist zu differenzieren, ob es sich um die Überlassung von Standardsoftware auf Datenträgern, um die Überlassung von Standardsoftware auf elektronischem Weg oder um die Überlassung individualisierter Software, die speziell nach den Anforderungen des Anwenders erstellt wird, handelt. Obwohl 1 Abschn. 3.1 Abs. 1 Satz UStAE. 2 BFH v. 12.5.1993 – XI R 56/90, BStBl. II 1993, 847; Abschn. 3.1 Abs. 2 Satz 1 UStAE (mit Verweis auf BFH v. 18.11.1999 – V R 13/99, BStBl. II 2000, 153, und BFH v. 16.3.2000 – V R 44/99, BStBl. II 2000, 361). 3 Abschn. 3.1 Abs. 2 Satz 2 UStAE. 4 BFH v. 24.4.1969 – V 176/64, BStBl. II 1969, 451; Abschn. 3.1 Abs. 2 Satz 4 UStAE. 5 § 3 Abs. 9 Satz 2 UStG. 6 Janzen in Lippross, Basiskommentar Steuerrecht, § 3 UStG Rz. 12. 7 Gummert/Trapp in Kilian/Heussen, Computersysteme und Umsatzsteuer, Rz. 221.

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Kap. 7: Geistiges Eigentum und Umsatzsteuer

bei der auf Datenträgern gespeicherten Software für den Erwerber die Nutzung des Programms und nicht der Erwerb des Datenträgers im Vordergrund steht, scheint hier der Vergleich mit Büchern gerechtfertigt. Bei der Überlassung maßgeschneiderter Software sowie bei der Überlassung standardisierter Software auf elektronischem Wege steht hingegen der Dienstleistungscharakter im Vordergrund.1

7.16

Der BFH hat bereits in seinem Urteil vom 16.7.19702 entschieden, dass Rechte keine Gegenstände darstellen, die im Rahmen einer Lieferung übertragen werden können; die Übertragung von Rechten stellt eine sonstige Leistung dar.3 In dem diesem Urteil zugrunde liegenden Fall räumte ein französischer Verlag deutschen Verlegern gegen Entgelt das Recht ein, französische Schriftwerke, an denen er die Verlagsrechte besaß, in deutscher Sprache zu verlegen. Das für die Umsatzbesteuerung des Verlags zuständige deutsche Finanzamt wertete die Übertragung der Verlagsrechte als sonstige Leistung und unterwarf das Entgelt hierfür der deutschen Umsatzsteuer, wohingegen der Verlag die Übertragung der Verlagsrechte als eine Lieferung von Gegenständen qualifizierte, die nicht der deutschen, sondern vielmehr der französischen Umsatzsteuer unterläge. Der BFH bestätigte die Auffassung des Finanzamts mit der Begründung, dass ein Urheber bei der Einräumung eines Verlagsrechts keineswegs ein Recht übertrage, sondern für die gesamte Dauer seiner durch unveräußerliche Rechtsposition begründeten Rechtsstellung dem Leistungsempfänger die Schwächung des eigenen Rechts durch die Nutzung desselben gestatte.

7.17

In jüngster Zeit hat der EuGH in seinem Urteil Swiss Re Germany Holding4 zu der Übertragung von Lebensrückversicherungsverträgen klargestellt, dass diese Verträge nicht als körperliche Gegenstände zu betrachten sind und die Übertragung somit als sonstige Leistung einzuordnen ist. Das BMF hat diese Entscheidung mit Schreiben vom 8.6.20115 aufgegriffen und darauf hingewiesen, dass sie auch auf die Übertragung anderer immaterieller Wirtschaftsgüter anzuwenden ist.

7.18

Zusammenfassend lässt sich somit festhalten, dass es sich bei der Einräumung, Wahrnehmung und Übertragung von Immaterialgüterrechten bzw. geistigem Eigentum aus umsatzsteuerlicher Sicht im Grundsatz6 unzweifelhaft um sonstige Leistungen handelt. Eine umfassende Analyse des Gewollten bzw. der geschlossenen Verträge ist allerdings unerlässlich. Insbesondere kommen als sonstige Leistungen Dienstleistungen, Gebrauchs- und Nutzungsüberlassungen – z.B. Vermietung, Verpachtung, Darlehensgewährung, Einräumung eines Nießbrauchs, Einräumung, 1 2 3 4 5 6

Martin in Sölch/Ringleb, § 3 UStG Rz. 55 ff. BFH v. 16.7.1970 – V R 95/66, BStBl. II 1970, 706. Abschn. 3.1 Abs. 1 Satz 5 UStAE. EuGH v. 22.10.2009 – Rs. C-242/08, UR 2009, 891. BMF v. 8.6.2011 – IV D 2-S 7100/08/10009, BStBl. I 2011, 582. Sofern sich nicht durch die etwaige Einordnung als Nebenleistung zu einer (anderen) Hauptleistung eine andere Betrachtung ergibt.

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B. Geistiges Eigentum aus umsatzsteuerlicher Sicht

Übertragung und Wahrnehmung von Patenten, Urheberrechten, Markenzeichenrechten und ähnlichen Rechten –, Reiseleistungen i.S. des § 25 Abs. 1 UStG, Übertragung immaterieller Wirtschaftsgüter wie z.B. Firmenwert, Kundenstamm oder Lebensrückversicherungsverträge, der Verzicht auf die Ausübung einer Tätigkeit oder die entgeltliche Unterlassung von Wettbewerb in Betracht.1

III. Einheitlichkeit der Leistung 1. Grundsätzliche Anmerkungen Lieferungen und sonstige Leistungen sind prinzipiell als eigene selbständige Leistungen zu betrachten. Darum können zusammengehörige Vorgänge nicht bereits deshalb als einheitliche Leistung qualifiziert werden, weil sie einem einheitlichen wirtschaftlichen Ziel dienen.2

7.19

Ein einheitlicher wirtschaftlicher Vorgang wiederum darf allerdings umsatzsteuerrechtlich auch nicht in mehrere Leistungen aufgeteilt werden.3 Es gilt also der allgemeine, einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise entsprechende Grundsatz, dass eine einheitliche Leistung auch aus umsatzsteuerlicher Sicht einheitlich zu behandeln ist. Beispielsweise handelt es sich bei der Überlassung des Rechts, eine Saatgutsorte zu produzieren und zu vermarkten, und die Überlassung des hierzu erforderlichen Saatguts zum Zweck der Produktion und des Vertriebs von sog. Zertifiziertem Saatgut um eine einheitliche sonstige Leistung eines Sortenschutzinhabers an die Vertriebsorganisationsunternehmen.4

7.20

Aus der Anwendung dieses Grundsatzes folgt allerdings häufig ein Verstoß gegen das Gebot der Wettbewerbsneutralität, wenn einzelne Leistungen durch einen Wettbewerber steuerermäßigt oder steuerfrei angeboten werden können, seinem Wettbewerber diese umsatzsteuerliche Behandlung aber versagt wird, weil er die Leistung im Zusammenhang mit anderen, die Begünstigung ausschließenden Leistungen erbringt.5 In diesem Zusammenhang lässt sich die Frage stellen, was hier ein sinnvolles Abgrenzungskriterium sein bzw. ob die jeweilige Abrechnung ggf. als ein solches betrachtet werden kann. Werden mehrere Leistungen gesondert berechnet, kann nicht mehr von einer Einheitlichkeit der Leistungen ausgegangen werden, da das Zusammenzwängen zu einer einheitlichen Leistung in diesem Fall gekünstelt wäre, da sich das Wesen der Leistung nicht bestimmen lässt und die einzelnen Leistungselemente auch von einem Dritten hätten erbracht wer1 2 3 4 5

Abschn. 3.1 Abs. 4 Satz 2 UStAE. Abschn. 3.10 Abs. 2 Sätze 1 und 2 UStAE. Abschn. 3.10 Abs. 3 Satz 1 UStAE. Vgl. BMF v. 14.2.2006 – IV A 5 - S-7100 - 2, BStBl. I 2006, 240. Stöcker in Peter/Burhoff/Stöcker, § 1 UStG Rz. 47 ff.

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7.21

Kap. 7: Geistiges Eigentum und Umsatzsteuer

den können.1 Die Vereinbarung eines Gesamtentgelts bzw. ein einheitliches Vertragswerk ist wiederum nicht ausreichend, um den Vorgang umsatzsteuerlich als eine Einheit zu betrachten.2

7.22

Wie bei jedem aus umsatzsteuerlicher Sicht zu beurteilenden Sachverhalt gilt insbesondere auch hier, dass jedes Detail einer Transaktion für die Beurteilung heranzuziehen und einer Würdigung zu unterwerfen ist. Für die Ermittlung des Wesens eines Umsatzes ist dabei auf die Sicht eines durchschnittlichen Verbrauchers abzustellen.3 2. Abgrenzung von Nebenleistung

7.23

Es liegt insbesondere dann eine einheitliche Leistung vor, wenn ein oder mehrere Teile einer Leistung eine Hauptleistung und ein oder mehrere Teile eine Nebenleistung darstellen, die das umsatzsteuerliche Schicksal der Hauptleistung teilen, d.h. gleich der Hauptleistung der Umsatzsteuer unterworfen werden.4 In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, unter welchen Gesichtspunkten eine Leistung eine Nebenleistung darstellen kann. Der BFH hat vor einiger Zeit entschieden, dass diese Voraussetzung immer dann gegeben ist, wenn die Leistung für den Leistungsempfänger keinen eigenen Zweck, sondern das Mittel darstellt, um die Hauptleistung des Leistenden unter optimalen Bedingungen in Anspruch zu nehmen.5

7.24

Aus Sicht der Finanzverwaltung ist eine Leistung immer dann als Nebenleistung zu betrachten, wenn sie im Vergleich zu der Hauptleistung nebensächlich ist, mit ihr eng – i.S. einer wirtschaftlichen Abrundung und Ergänzung – zusammenhängt und üblicherweise in ihrem Gefolge vorkommt.6

7.25

Grundsätzlich ist es denkbar, dass die Übertragung, Wahrnehmung und Einräumung von geistigem Eigentum als Nebenleistung zu einer anderen Leistung (hier als Oberbegriff für Warenlieferungen und Dienstleistungen) betrachtet werden muss bzw. kann. Von Relevanz ist diese Abgrenzung u.a. für die Fragen des umsatzsteuerlichen Leistungsorts, der Anwendung etwaiger Befreiungsvorschriften und des ermäßigten Steuersatzes.

7.26

Beispiel: Ein Schriftsteller liest im Rahmen einer Veranstaltung aus seinen Werken und erhält hierfür ein Entgelt von dem die Lesung veranstaltenden Buchhändler. 1 2 3 4 5

Stadie, Umsatzsteuerrecht, 205. Vgl. auch Abschn. 3.10 Abs. 2 Satz 4 UStAE. Vgl. auch Abschn. 3.10 Abs. 1 Satz 3 UStAE. Stöcker in Peter/Burhoff/Stöcker, § 1 UStG Rz. 86. Abschn. 3.10 Abs. 5 Satz 4 UStAE; BFH v. 31.5.2001 – V R 97/98, BStBl. II 2001, 658. 6 Abschn. 3.10 Abs. 5 Satz 3 UStAE mit Verweis auf BFH v. 10.9.1992 – V R 99/88, BStBl. II 1993, 316.

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B. Geistiges Eigentum aus umsatzsteuerlicher Sicht

Kurze Zeit später wird eine Lesung in einem Studio veranstaltet und von einer Rundfunkanstalt gesendet. Lösung: Mit der Lesung im Rahmen der Veranstaltung beim Buchhändler erbringt der Schriftsteller eine selbständige sonstige Leistung, die dem allgemeinen Steuersatz unterliegt. Bei der Sendung der Lesung im Rundfunk besteht die Leistung des Schriftstellers hingegen im Wesentlichen in der Einräumung urheberrechtlicher Nutzungsrechte. Die Lesung stellt dann eine Nebenleistung zu der Einräumung der Nutzungsrechte dar. Die Leistung unterliegt insgesamt dem gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. c UStG ermäßigten Steuersatz.1

3. Gemischte Leistungen Während es bei der Abgrenzung Nebenleistung/Hauptleistung um die Beantwortung der Frage geht, ob eine (Neben-)Leistung einer anderen (Haupt-)Leistung durch ihre Nebensächlichkeit unterzuordnen ist und dadurch deren umsatzsteuerliches Schicksal teilt, sind auch Szenarien denkbar, nach denen eine Leistung (als Oberbegriff) sowohl aus Dienstleistungs- als auch aus Warenlieferungselementen bzw. unterschiedlichen Dienstleistungen besteht, die beide für den Leistungsempfänger einen eigenen Zweck darstellen. Diese werden dann als sog. gemischte Leistungen bezeichnet.

7.27

Lieferungen enthalten oftmals Elemente einer sonstigen Leistung. Beispielsweise geht bei der Lieferung einer Ware nicht nur die Verfügungsmacht an der Ware auf den Käufer über, sondern auch das Eigentumsrecht.2

7.28

Die umsatzsteuerliche Beurteilung gemischter Leistungen richtet sich – zumindest im Fall einer einheitlichen Leistung – danach, welches Leistungselement nach dem Willen der Vertragsparteien den wirtschaftlichen Gehalt der Leistung, der im Rahmen einer Gesamtbetrachtung zu ermitteln ist, bestimmt. Überwiegen Elemente einer Lieferung qualitativ die Elemente einer sonstigen Leistung, ist insgesamt eine Lieferung i.S. des § 3 Abs. 1 UStG anzunehmen.3 Es kommt also darauf an, ob Leistender und Leistungsempfänger vordergründig eine Sache oder ein Recht übertragen und erwerben wollen. Da bei einer Lieferung der gegenständliche Erwerb der Ware i.d.R. dem Eigentumserwerb vorrangig ist, ist eine Warenlieferung folglich einheitlich als Lieferung i.S. von § 3 Abs. 1 UStG anzusehen. Die Übertragung des Eigentumsrechts begründet keine separate sonstige Leistung.4

1 2 3 4

Heidner in Bunjes/Geist9, § 12 UStG Rz. 29. Georgy in Plückebaum/Malitzky, § 3 Abs. 1 UStG Rz. 61. Fritsch in Reiß/Kraeusel/Langer, § 3 UStG Rz. 726. Georgy in Plückebauzm/Malitzky, § 3 Abs. 1 UStG Rz. 61.

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Kap. 7: Geistiges Eigentum und Umsatzsteuer

7.29

Entsprechend sind auch Gestaltungen denkbar, nach denen ein Element der Leistung insgesamt das Gepräge gibt, so dass die Leistung insgesamt als sonstige Leistung zu betrachten ist.

7.30

Insbesondere im Zusammenhang mit künstlerischen oder wissenschaftlichen Tätigkeiten können sich Abgrenzungsfragen ergeben. Erbringt ein Unternehmer eine der in § 3a Abs. 2 Nr. 3 Buchst. a UStG a.F. aufgeführten sonstigen Leistungen, ist die Leistung als an dem Ort ausgeführt anzusehen, an dem der Unternehmer sie tatsächlich erbringt. Oftmals werden aber im Rahmen künstlerischer oder wissenschaftlicher Leistungen auch Urheberrechte oder ähnliche Rechte übertragen (z.B. bei der Anfertigung von Mitschnitten während eines Konzerts). In solchen Fällen ist zu prüfen, ob es sich um zwei selbständige Leistungen oder um eine einheitliche handelt, und welchem Leistungselement im Falle einer einheitlichen Leistung der Vorrang zu gewähren ist.1

7.31

Im Ergebnis stehen die Leistungen dann nicht in einem Verhältnis von Haupt- und Nebenleistung zueinander, sondern stellen sowohl die Lieferals auch die Leistungselemente zusammen eine einheitliche Leistung dar. Die Übertragung, Wahrnehmung und Einräumung von geistigem Eigentum kann dann in den Fällen, in denen diese Elemente der Leistung ihr wirtschaftliches Gepräge geben, die Qualifizierung einer gemischten Leistung insgesamt als sonstige Leistung bewirken. Abweichend davon kann es sich um mehrere selbständige Hauptleistungen handeln. Wie aus der Entscheidung des EuGH Levob2 deutlich wird, ist die Abgrenzung eines Leistungsvorgangs mit mehreren selbständigen Leistungen, einer einheitlichen Leistung mit Haupt- und Nebenleistung oder einer einheitlichen Leistung mit völlig neuer gesamter Leistungsausrichtung eine Abgrenzung, die die Praxis kaum noch leisten kann.3

IV. Geschäftsveräußerung im Ganzen 7.32

Im Zusammenhang mit der Frage der Übertragung von geistigem Eigentum ist ggf. auch eine Geschäftsveräußerung im Ganzen bzw. eine Teilbetriebsveräußerung denkbar oder eine etwaig hiermit eng verknüpfte Nebenleistung.

7.33

Eine Geschäftsveräußerung im Ganzen liegt gemäß § 1 Abs. 1a Satz 2 UStG vor, wenn ein Unternehmen oder ein in der Gliederung des Unternehmens gesondert geführter Betrieb im Ganzen entgeltlich oder unentgeltlich übereignet oder in ein Geschäft eingebracht wird. Die Geschäftsveräußerung im Ganzen ist nicht umsatzsteuerbar (§ 1 Abs. 1a Satz 1 UStG). 1 Lippross, Umsatzsteuer22, 226 basierend auf dem bis 31.12.2009 geltenden Umsatzsteuergesetz. 2 EuGH v. 27.10.2005 – Rs. C-41/04, UR 2006, 20. 3 Nieskens, UR 2009, 253 (256).

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B. Geistiges Eigentum aus umsatzsteuerlicher Sicht

Die nationale Vorschrift basiert auf Art. 19 MwStSystRL, der den Mitgliedstaaten das Wahlrecht einräumt, die Übertragung eines Gesamt- oder Teilvermögens als nicht steuerbaren Vorgang zu behandeln.1 Ein in der Gliederung des Unternehmens gesondert geführter Betrieb liegt vor, wenn er wirtschaftlich selbständig ist. Dieses setzt voraus, dass der veräußerte Teil des Unternehmens einen für sich lebensfähigen Organismus gebildet hat, der unabhängig von den anderen Teilen des Unternehmens nach Art eines selbständigen Unternehmens betrieben worden ist und nach außen hin ein selbständiges, in sich abgeschlossenes Wirtschaftsgebilde gewesen ist.2

7.34

Eine Geschäftsveräußerung im Ganzen setzt insbesondere voraus, dass die wesentlichen Grundlagen eines Unternehmens oder eines gesondert geführten Betriebs an einen Unternehmer für dessen Unternehmen übertragen werden. Die unternehmerische Tätigkeit des Erwerbers kann in diesem Zusammenhang auch erst mit dem Erwerb des Unternehmens oder des gesondert geführten Betriebs beginnen. Entscheidend ist, dass die übertragenen Vermögensgegenstände ein hinreichendes Ganzes bilden, um dem Erwerber die Fortsetzung einer bisher durch den Veräußerer ausgeübten unternehmerischen Tätigkeit zu ermöglichen, und der Erwerber dies auch tatsächlich tut. Dabei sind im Rahmen einer Gesamtwürdigung die Art der übertragenen Vermögensgegenstände und der Grad der Übereinstimmung oder Ähnlichkeit zwischen den vor und nach der Übertragung ausgeübten Tätigkeiten zu berücksichtigen.3

7.35

Die Übertragung aller wesentlichen Betriebsgrundlagen und die Möglichkeit zur Unternehmensfortführung ohne großen finanziellen Aufwand ist im Rahmen der Gesamtwürdigung zu berücksichtigen, aus der sich ergibt, ob das übertragene Unternehmensvermögen als hinreichendes Ganzes die Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit ermöglicht. Welches die wesentlichen Grundlagen sind, richtet sich nach den tatsächlichen Verhältnissen im Zeitpunkt der Übereignung.4

7.36

Bei entgeltlicher oder unentgeltlicher Übereignung eines Unternehmens oder eines gesondert geführten Betriebs im Ganzen ist eine nicht steuerbare Geschäftsveräußerung im Ganzen auch dann anzunehmen, wenn einzelne unwesentliche Wirtschaftsgüter davon ausgenommen werden. Eine nicht steuerbare Geschäftsveräußerung im Ganzen liegt z.B. bei Einbringung eines Betriebs in eine Gesellschaft auch dann vor, wenn einzelne wesentliche Wirtschaftsgüter, insbesondere auch die dem Unternehmen dienenden Grundstücke, nicht mit dinglicher Wirkung übertragen, sondern an den Erwerber vermietet oder verpachtet werden und eine

7.37

1 Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht, 978. 2 Abschn. 1.5 Abs. 6 Sätze 1 und 2 UStAE. 3 Abschn. 1.5 Abs. 1 UStAE. 4 Abschn. 1.5 Abs. 4 Sätze 1 und 2 UStAE.

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Kap. 7: Geistiges Eigentum und Umsatzsteuer

dauerhafte Fortführung des Unternehmens oder des gesondert geführten Betriebs durch den Erwerber gewährleistet ist.1

7.38

Im Rahmen einer Geschäftsveräußerung im Ganzen tritt der Erwerber gemäß § 1 Abs. 1a Satz 3 UStG an die Stelle des Veräußerers. Der Erwerber ist daher an die vom Veräußerer ausgeübten Wahlrechte gebunden. Insbesondere wirkt sich dieses auch im Hinblick auf die Vorsteuerberichtigung nach § 15a UStG aus. Die Geschäftsveräußerung im Ganzen berührt nicht die für die einzelnen Wirtschaftsgüter maßgeblichen Verhältnisse; der Berichtigungszeitraum setzt sich beim Erwerber fort.2

7.39

Die Behandlung als nicht steuerbare Geschäftsveräußerung im Ganzen oder Teilbetriebsveräußerung erfordert, dass bei der Übereignung von geistigem Eigentum das geistige Eigentum eine wesentliche Betriebsgrundlage des zu übertragenen Unternehmens oder Teilbetriebs darstellt. Weiterhin muss dem Erwerber die Rechtsstellung des Veräußerers, insbesondere die Inhaberschaft des Rechts, übertragen werden.3 Eine solche Konstellation wäre z.B. denkbar bei der Übertragung von Unternehmen, für deren wirtschaftliche Tätigkeit die Verwendung eines geschützten Markenzeichens maßgeblich ist. In solchen Fällen muss zur Erfüllung des § 1 Abs. 1a UStG auch das Markenzeichen auf den Erwerber übertragen oder es ihm zumindest zu einer langfristigen Nutzung überlassen werden.

7.40

Grundsätzlich ist aus umsatzsteuerlicher Sicht bei allen Geschäftsaktivitäten jeweils das Gesamtbild der Verhältnisse maßgebend. Bei grenzüberschreitenden Sachverhalten gilt dies nicht weniger. Dies insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Subsumtion unter einen Umsatzsteuertatbestand in einzelnen Ländern durchaus unterschiedlich sein kann, was wiederum eine andere umsatzsteuerliche Einordnung nach sich ziehen kann. Im Hinblick auf die Einstufung als Geschäftsveräußerung im Ganzen bzw. Teilbetriebsveräußerung muss also der Sachverhalt ebenfalls als Ganzes beurteilt werden, soweit der Ort einzelner „Teilleistungen“ nicht im Inland belegen ist. Ist nach dieser Gesamtbetrachtung eine Geschäftsveräußerung im Ganzen zu bejahen, ergibt sich die umsatzsteuerliche Behandlung der „Teilleistungen“, die in Deutschland ausgeführt werden, nach dem deutschen UStG. Für die in anderen Staaten erfolgenden Umsätze sind die umsatzsteuerlichen Vorschriften des anderen Staates maßgebend.

7.41

Beispiel: Im Zeitpunkt der Veräußerung eines Transportunternehmens befinden sich nur wenige LKWs der Flotte in Deutschland. Ohne die sich im Ausland befindlichen Fahrzeuge kann der Erwerber das Transportunternehmen nicht fortführen. Lösung: Für die Feststellung, ob eine nicht steuerbare Geschäftsveräußerung im Ganzen vorliegt, dürfen die im Ausland befindlichen Fahrzeuge nicht außer Acht gelassen werden. 1 Abschn. 1.5 Abs. 3 UStAE. 2 Stöcker in Peter/Burhoff/Stöcker, § 1 UStG Rz. 557 ff. 3 Janzen in Lippross, Basiskommentar Steuerrecht, § 1 UStG Rz. 146.

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C. Umsatzsteuerlicher Leistungsort

Die Gesamtheit der Lieferungen und sonstigen Leistungen, für die nach deutschem Umsatzsteuerrecht der Ort im Inland belegen ist, ist nach § 1 Abs. 1a UStG nicht steuerbar. Soweit Leistungen nach dem Recht anderer Staaten dort steuerbar sind, unterliegen sie dem Umsatzsteuerrecht des jeweiligen Staates, in dem die Leistungen ausgeführt werden. Handelt es sich hierbei um einen Mitgliedstaat, der das Wahlrecht des Art. 19 MwStSystRL umgesetzt hat, unterliegen die Leistungen ebenfalls nicht der Umsatzsteuer.1 Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass Konstellationen darstellbar sind, bei denen die Übertragung von geistigem Eigentum als Geschäftsveräußerung im Ganzen bzw. Teilbetriebsveräußerung betrachtet werden kann bzw. muss. Im Hinblick auf die praktische Abwicklung ist anzuraten, diese Möglichkeit bei der Übertragung von geistigem Eigentum grundsätzlich in Betracht zu ziehen. Dies insbesondere vor dem Hintergrund, dass nach dem Gesetz nicht geschuldete Umsatzsteuer beim Leistungsempfänger nicht als Vorsteuer in Abzug gebracht werden kann.

7.42

Weiter sollte diese Einschätzung und deren Behandlung im Vertrag niedergelegt werden, um insbesondere auch den Anforderungen des § 15a UStG entsprechen zu können. § 15a UStG regelt die Berichtigung des Vorsteuerabzugs im Fall der Änderung der für die ursprüngliche Entscheidung zum Vorsteuerabzug maßgeblichen Verhältnisse. Da der Berichtigungszeitraum bei einer Geschäftsveräußerung im Ganzen bzw. Teilbetriebsveräußerung nicht unterbrochen wird, ist es für den Erwerber unerlässlich, vom Veräußerer die notwendigen Unterlagen und Informationen zu erhalten. Dies sieht § 15a Abs. 10 Satz 2 UStG im Übrigen ausdrücklich so vor.

C. Umsatzsteuerlicher Leistungsort I. Rechtliche Ausgangssituation Der umsatzsteuerliche Leistungsort bestimmt, an welchem Ort bzw. in welchem Land eine sonstige Leistung der Umsatzsteuer unterliegt. Der Leistungsort kann daher auf Grund stark differierender Umsatzsteuersätze (vgl. Rz. 7.95) von besonderem Interesse für den leistenden Unternehmer sein.2

7.43

Für die Bestimmung des umsatzsteuerlichen Leistungsorts ist seit dem 1.1.2010 im Grundsatz § 3a Abs. 2 UStG (sog. „Generalklausel“) einschlägig, sofern die sonstigen Leistungen an einen Unternehmer für dessen Unternehmen erbracht werden. Danach befindet sich der Leistungsort dort, wo der Leistungsempfänger sein Unternehmen betreibt (§ 3a Abs. 2 Satz 1 UStG). Stattdessen ist der Ort der Betriebsstätte maßgebend, sollte

7.44

1 Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht, 979. 2 Lange, UR 2002, 489 (490).

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Kap. 7: Geistiges Eigentum und Umsatzsteuer

die sonstige Leistung an eine Betriebsstätte erbracht werden (§ 3a Abs. 2 Satz 2 UStG). Vorgenannte Regelungen gelten entsprechend, sofern eine nicht unternehmerisch tätige juristische Person mit einer UmsatzsteuerIdentifikationsnummer Leistungsempfängerin ist; vgl. § 3a Abs. 2 Satz 3 UStG.1 Beispiel: Die Müller & Schulz GmbH überlässt der Meunier SARL entgeltlich ein von ihr entwickeltes Patent zur Nutzung. Die Meunier SARL verwendet für dieses Geschäft ihre französische Umsatzsteuer-Identifikationsnummer. Zudem erhält auch die deutsche Betriebsstätte der Meunier SARL entgeltlich das Recht verliehen, ein weiteres Patent der Müller & Schulz GmbH zu nutzen. Lösung: Der Ort der Überlassung des Nutzungsrechts an die Meunier SARL ist gemäß § 3a Abs. 2 Satz 1 UStG in Frankreich belegen und unterliegt daher nicht der deutschen Umsatzsteuer. Die Überlassung des Patents an die Betriebsstätte wird hingegen gemäß § 3a Abs. 2 Satz 2 UStG in Deutschland ausgeführt und ist daher in Deutschland umsatzsteuerbar.

7.45

Werden Leistungen an eine nicht unternehmerische Person oder an eine nicht unternehmerisch tätige juristische Person, der keine UmsatzsteuerIdentifikationsnummer erteilt worden ist, erbracht, gilt die Leistung gemäß § 3a Abs. 1 Satz 1 UStG als an dem Ort ausgeführt, an dem der leistende Unternehmer sein Unternehmen betreibt. Führt der leistende Unternehmer die Leistung von einer Betriebsstätte aus, ist abweichend der Ort der Betriebsstätte maßgebend (§ 3a Abs. 1 Satz 2 UStG). Beispiel: Das Filmstudio Peter & Paul GmbH aus Hamburg wird vom Brautpaar Andersen aus Kopenhagen/Dänemark beauftragt, ihre Hochzeitsfeier in einem Film festzuhalten. Das Filmstudio trägt bei der Filmherstellung als Gesamtleistung das gesamte unternehmerische Risiko, ob das fertige Filmwerk den Vorstellungen des Auftraggebers entspricht.2 Lösung: Bei der Filmherstellung handelt es sich um eine einheitliche sonstige Leistung, die aus der Herstellung der Filme, der Übertragung der Nutzungsrechte und der Übereignung des Filmstreifens besteht. Da es sich bei dem Brautpaar Andersen um eine nicht unternehmerische Personenmehrheit handelt, ist der Ort der Urheberrechtsleistung gemäß § 3a Abs. 1 Satz 1 UStG an dem Ort belegen, an dem die Peter & Paul GmbH ihr Unternehmen betreibt, also in Hamburg. Abwandlung: Der vom Brautpaar Andersen in Auftrag gegebene Film wird von der Zweigniederlassung der Peter & Paul GmbH in Kopenhagen/Dänemark erstellt. Lösung: Da die einheitliche Leistung durch eine Betriebsstätte der Peter & Paul GmbH ausgeführt wird, ist der Ort der sonstigen Leistung in diesem Fall abweichend gemäß 1 Die deutsche Regelung basiert auf Art. 44 i.V.m. Art. 43 MwStSystRL. 2 Vgl. auch Langer in Reiß/Kraeusel/Langer, § 3a UStG Rz. 157.

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C. Umsatzsteuerlicher Leistungsort

§ 3a Abs. 1 Satz 2 UStG an dem Ort belegen, an dem die Betriebsstätte unterhalten wird, also in Dänemark.

Ist dagegen der Leistungsempfänger weder ein Unternehmer, der für sein Unternehmen die Leistung bezogen hat, noch eine nicht unternehmerisch tätige juristische Person mit einer Umsatzsteuer-Identifikationsnummer und hat er seinen Wohnsitz oder Sitz im Drittlandsgebiet, wird die sonstige Leistung an seinem Wohnsitz oder Sitz ausgeführt (§ 3a Abs. 4 Satz 1 UStG).1

7.46

Beispiel: Fotograf Schneider gewährt dem Chilenen Juan gegen Zahlung einer Gebühr die Verwendung seiner Fotografien auf dessen privater Homepage. Lösung: Der Ort der Überlassung der Rechte an den Bildern ist nach deutschem Recht gemäß § 3a Abs. 4 Satz 1 UStG in Chile belegen und die Leistung damit in Deutschland nicht umsatzsteuerbar.

II. Umsatzsteuerliche Betriebsstätte 1. Allgemeine Anmerkungen Sowohl § 3a Abs. 1 Satz 2 als auch § 3a Abs. 2 Satz 2 UStG stellen u.a. auch auf die Betriebsstätte als Kriterium für die umsatzsteuerliche Beurteilung ab. Die Betriebsstätte gilt lediglich als Anknüpfungspunkt für die Bestimmung des Orts der sonstigen Leistung, d.h. der territorialen Zuordnung des Umsatzes und innerhalb der Union damit der Zuweisung des Besteuerungsrechts an die Mitgliedstaaten.2

7.47

Dieser Vorrang der Betriebsstätte vor dem Sitz der wirtschaftlichen Tätigkeit des Unternehmers ist nach dem Gesetzeswortlaut (wie auch dem Wortlaut des Art. 44 Satz 2 MwStSystRL) absolut. Er wird jedoch, wenn beide Unternehmensteile des Auftraggebers im Gemeinschaftsgebiet belegen sind, erheblich durch das Gebot der Sicherstellung der Besteuerung eingeschränkt.3 2. Zugrunde zu legender Betriebsstättenbegriff In diesem Zusammenhang ist vorrangig zu klären, wie der Begriff „Betriebsstätte“ zu definieren ist. Insbesondere stellt sich hier die Frage, ob für Umsatzsteuerzwecke auf die Definition des § 12 AO zurückgegriffen werden kann oder das Umsatzsteuerrecht den Begriff abweichend hiervon verstanden wissen will. 1 In der Fassung ab 1.1.2010; die in Satz 2 gelisteten Leistungen beinhalten die Übersicht der früheren sog. „Katalogleistungen“ des § 3a Abs. 4 UStG a.F. 2 Stadie in Rau/Dürrwächter, § 3a UStG n.F. Rz. 625. 3 Stadie in Rau/Dürrwächter, § 3a UStG n.F. Rz. 194.

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7.48

Kap. 7: Geistiges Eigentum und Umsatzsteuer

7.49

Gemäß § 12 AO ist eine Betriebsstätte eine feste Geschäftseinrichtung oder Anlage, die der Tätigkeit eines Unternehmens dient. Für die Frage, ob aus umsatzsteuerlicher Sicht eine Betriebsstätte vorliegt, ist § 12 AO allerdings nicht heranzuziehen. Die Definition der deutschen Abgabenordnung wird nämlich als zu weit gefasst sowie als mit den Vorgaben der MwStSystRL nicht vereinbar empfunden.1

7.50

In Art. 45 Satz 2 MwStSystRL ist vielmehr von einer „festen Niederlassung“ des Dienstleistungserbringers, von der aus Dienstleistungen erbracht werden, die Rede. Eine feste Niederlassung muss gemäß Art. 44 und 46 MwStSystRL eine Anlage sein, von der aus die Leistung erbracht wird oder an die die Leistung ausgeführt wird. Klarstellend hat der EuGH dazu in mehreren Urteilen (zu Art. 9 Abs. 1 der früheren 6. EG-Richtlinie) ausgeführt, dass ein ständiges Zusammenwirken von persönlichen und Sachmitteln, die für die Erbringung der betreffenden Leistungen erforderlich sind, gegeben sein muss.2

7.51

Eine feste Niederlassung erfordert dementsprechend einen hinreichenden Grad an Beständigkeit, der die Abfassung von Verträgen ermöglicht oder in dessen Rahmen Entscheidungen über die Geschäftsführung getroffen werden können. Dies bedeutet, die Niederlassung muss über einen ausreichenden Mindestbestand von Personal- und Sachmitteln verfügen, der der Niederlassung eine Struktur verschafft, die eine eigenständige Ausübung ihrer Tätigkeiten erlaubt.3

7.52

Die Betriebsstättendefinition des § 12 AO und die der MwStSystRL stimmen somit nicht überein. Die vom EuGH vorgenommene Umschreibung einer festen Niederlassung ist enger, so dass die meisten Regelungsbeispiele des § 12 Satz 2 AO nicht die Voraussetzungen erfüllen. Der Begriff der Betriebsstätte i.S. des § 3a Abs. 1 und 2 UStG ist folglich richtlinienkonform i.S. einer festen Niederlassung zu verstehen.4 Mit Wirkung vom 1.7.2011 trat die EU-Durchführungsverordnung5 in Kraft, die dazu dienen soll, mittels Klarstellung und Definition bestimmter Begrifflichkeiten der MwStSystRL die einheitliche Anwendung des EU-Mehrwertsteuersystems sicherzustellen. In Bezug auf die Betriebsstättendefinition muss ernsthaft bezweifelt werden, dass dieses Ziel erreicht wurde. In Ergänzung zu der bereits beschriebenen Thematik unterscheidet nunmehr die Verordnung zusätzlich zwischen einer festen Niederlassung/Betriebsstätte im Rahmen der Leistungserbringung6 und einer festen Niederlassung/Betriebsstätte im Rahmen des Leistungsbezugs.7 Für erstere sind eine 1 Stadie in Rau/Dürrwächter, § 3a UStG n.F. Rz. 196. 2 U.a. EuGH v. 17.7.1997 – Rs. C-190/95, EuGHE 1997, 4383; v. 28.6.2007 – Rs. C-73/06, UR 2007, 655. 3 Stadie in Rau/Dürrwächter, § 3a UStG n.F. Rz. 629; Abschn. 3a.1 Abs. 3 UStAE. 4 Stadie in Rau/Dürrwächter, § 3a UStG n.F. Rz. 197. 5 VO (EU) 282/2011 v. 15.3.2011. 6 Vgl. § 3a Abs. 1 UStG. 7 Vgl. § 3a Abs. 2 UStG.

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C. Umsatzsteuerlicher Leistungsort

Struktur und ein hinreichender Grad an Beständigkeit notwendig, die es ihr von der personellen und technischen Ausstattung her erlauben, Dienstleistungen zu erbringen. Im zweiten Fall kommt es dagegen (nur) darauf an, dass die Niederlassung eine Struktur aufweist, die es ihr erlaubt, Dienstleistungen, die für den eigenen Bedarf dieser Niederlassung erbracht werden, zu empfangen und dort zu verwenden. Angesichts dieses doppelten Betriebsstättenbegriffs sind Zuordnungsschwierigkeiten vorprogrammiert. 3. Zuordnung zu einer Betriebsstätte Als Ergebnis der obigen Ausführungen ist somit festzuhalten, dass grundsätzlich neben der Unternehmereigenschaft und dem Erwerb für unternehmerische Zwecke auch geprüft werden muss, ob die Leistung möglicherweise an eine Betriebsstätte des Auftraggebers bzw. von einer Betriebsstätte des leistenden Unternehmers erbracht wird. Es zeigen sich in der Praxis nicht wenige Unsicherheiten bei den betroffenen Vertragsparteien bei der Identifizierung des umsatzsteuerlichen Leistungsorts. Als problematisch stellt sich in diesem Zusammenhang die Klärung der Frage heraus, wie die unzweifelhafte Zuordnung gelingen kann. Fraglich ist hierbei auch, welche Pflichten in Bezug auf die Aufklärung des Sachverhalts den involvierten Parteien auferlegt sind.

7.53

Die an die Zurechnung zur Betriebsstätte im Einzelnen zu stellenden Anforderungen sind in Teilen unklar.

7.54

Gemäß Art. 22 Abs. 1 Unterabs. 2 DurchführungsVO1 ist maßgebend, ob der zugrundeliegende Vertrag, der Bestellschein und die vom Mitgliedstaat des Empfängers der Dienstleistung vergebene und ihm vom Leistungsempfänger mitgeteilte Umsatzsteuer-Identifikationsnummer die feste Niederlassung ausweisen und diese die Dienstleistung bezahlt. Die (deutsche) Finanzverwaltung stellt demgegenüber vorrangig auf tatsächliche Leistungserbringung und -verwendung ab, während dem Vertragsschluss und der Kostentragung nur wenig oder keine Bedeutung beigemessen werden. Ein nur formal über eine Betriebsstätte abgeschlossener Vertrag reicht danach für eine Zuordnung zur Betriebsstätte nicht aus.2 Lässt sich die feste Niederlassung nicht eindeutig anhand der benannten Kriterien benennen oder werden Dienstleistungen innerhalb eines Vertrags erbracht, der eine oder mehrere Dienstleistungen umfasst, die auf nicht feststellbare oder nicht quantifizierbare Weise genutzt werden, kann der leistende Unternehmer gemäß Art. 22 Abs. 1 Unterabs. 3 DurchführungsVO3 berechtigterweise davon ausgehen, dass diese Dienstleistungen an dem Ort erbracht werden, an dem der Empfänger der Dienstleistung den Sitz seiner wirtschaftlichen Tätigkeit hat. 1 VO (EU) 282/2011 v. 15.3.2011. 2 Wäger in Sölch/Ringleb, § 3a UStG Rz. 98. 3 VO (EU) 282/2011 v. 15.3.2011; ABl. L 77/1 v. 23.3.2011.

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7.55

Kap. 7: Geistiges Eigentum und Umsatzsteuer

7.56

Grundsätzlich wird eine sonstige Leistung dann objektiv an eine Betriebsstätte ausgeführt, wenn sie ihr zuzuordnen ist, weil sie dieser dient, d.h. für deren Zwecke verwendet wird.1 Für die Zuordnung zur Betriebsstätte ist es dagegen nicht erforderlich, dass die Betriebsstätte den Auftrag erteilt hat bzw. von dort die Bezahlung erfolgte. Die sonstige Leistung wird objektiv nur dann für Zwecke der Betriebsstätte verwendet, wenn sie für die Erbringung „eigener“, zwar nicht zivilrechtlich, aber wirtschaftlich der Betriebsstätte zuzurechnender Leistungen (Umsätze) eingesetzt wird.2

7.57

Beispiel: Die dänische Wind I/S betreibt eine in Deutschland errichtete Windenergieanlage. Sie bezieht elektrischen Strom für den Betrieb der Windenergieanlage von einem in Deutschland ansässigen Energiekonzern und verkauft den mit der Windenergieanlage erzeugten elektrischen Strom auch an diesen. Mit der kaufmännischen und technischen Betriebsführung der Anlage hat die dänische Gesellschaft einen fremden Dritten beauftragt, so dass sie in Deutschland kein Personal vorhält. Lösung: Eine Windenergieanlage kann für ihren Betrieb prinzipiell eigenständig elektrischen Strom herstellen oder verbrauchen. Allerdings wird der Großteil der benötigten Infrastruktur – technische Überwachung, Vertragsschlüsse über Lieferungen von elektrischem Strom, Rechnungslegung und Aufzeichnungen oder das Treffen von Entscheidungen – im vorliegenden Fall nicht an dem Ort ausgeführt, an dem sich die Windenergieanlage befindet. Im Licht von Art. 44 und Art. 46 MwStSystRL sowie unter Berücksichtigung des Standpunkts des EuGH, der für das Bestehen einer festen Niederlassung einen ausreichenden Mindestbestand an Personal- und Sachmitteln, der für die Erbringung der betreffenden Dienstleistungen erforderlich ist, verlangt, ist festzustellen, dass die Windenergieanlage das Kriterium der Personalausstattung nicht erfüllt. Obwohl sie das Erfordernis der technischen Ausstattung erfüllen könnte, kann die Windenergieanlage jedoch aufgrund des fehlenden Personals nicht die nötige Struktur zur eigenständigen Erbringung der jeweiligen Dienstleistungen aufweisen. Es ist daher zu folgern, dass die von der Wind I/S betriebene Windenergieanlage keine Betriebsstätte im Inland i.S. des deutschen UStG begründet.

III. Leistungen zwischen Unternehmern (B2B) 1. Unternehmerbegriff

7.58

Für die Frage, ob der Leistungsempfänger als Unternehmer im umsatzsteuerlichen Sinne zu betrachten ist, ist § 2 UStG heranzuziehen. Danach gilt, wer eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbständig ausübt, als Unternehmer (§ 2 Abs. 1 Satz 1 UStG). Gemäß Satz 2 ist gewerblich oder beruflich jede nachhaltige Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen, auch wenn die Absicht, Gewinn zu erzielen, fehlt oder eine Personenvereinigung nur gegenüber ihren Mitgliedern tätig wird.

1 Stadie in Rau/Dürrwächter, § 3a UStG n.F. Rz. 212. 2 Stadie in Rau/Dürrwächter, § 3a UStG n.F. Rz. 214.

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C. Umsatzsteuerlicher Leistungsort

Die deutsche Vorschrift basiert auf Art. 9 MwStSystRL, die den „Steuerpflichtigen“ als jemanden definiert, der eine wirtschaftliche Tätigkeit unabhängig von ihrem Ort, Zweck und Ergebnis selbständig ausübt. Danach gelten weiter als „wirtschaftliche Tätigkeiten“ alle Tätigkeiten eines Erzeugers, Händlers oder Dienstleistenden einschließlich der Tätigkeiten der Urproduzenten, der Landwirte sowie der freien Berufe und der diesen gleichgestellten Berufe. Als wirtschaftliche Tätigkeit gilt insbesondere die Nutzung von körperlichen oder nicht körperlichen Gegenständen zur nachhaltigen Erzielung von Einnahmen.1

7.59

Aus der Tatsache, dass in der europäischen Regelung von einem „Steuerpflichtigen“ statt von einem „Unternehmer“ die Rede ist und aus der Definition an sich könnte sich schließen lassen, dass die Begrifflichkeiten auseinanderfallen, d.h. Deutschland einen von der MwStSystRL abweichenden Unternehmerbegriff verwendet bzw. der Besteuerung zu Grunde legt. Zutreffend weist Stadie ergänzend darauf hin, dass die Umschreibungen des Steuerpflichtigen in den einzelnen Mitgliedstaaten z.T. nicht unwesentlich differieren.2

7.60

Der Unternehmerbegriff des § 2 UStG sowie diejenigen Begriffe anderer Mitgliedstaaten, die dem „Steuerpflichtigen“ i.S. des Art. 9 der MwStSystRL entsprechen, müssen – wie alle anderen Begriffe auch – einheitlich normiert und richtlinienkonform ausgelegt werden. Die Behandlung ein und derselben Tätigkeit als unternehmerische Tätigkeit in dem einen und als nicht unternehmerische Tätigkeit in dem anderen Mitgliedstaat kann zu Wettbewerbsnachteilen führen, so dass die einheitliche Auslegung und Normierung durch die Wettbewerbsneutralität geboten ist. Ferner sieht die MwStSytRL besondere Rechtsfolgen vor, die an die Unternehmereigenschaft eines Vertragspartners in einem anderen Mitgliedstaat anknüpfen. Die Steuersubjekte müssen zur Vermeidung einer doppelten Belastung mit oder einer kompletten Entlastung von der Umsatzsteuer einheitlich normiert sein. Ein übereinstimmendes Verständnis der Unternehmereigenschaft ist daher auch insbesondere Voraussetzung für die Funktionsfähigkeit der umsatzsteuerlichen Regelungen auf dem Binnenmarkt.3

7.61

§ 2 UStG stimmt in seinem Wortlaut nicht mit den Vorgaben der Art. 9 bis 13 MwStSystRL überein. Inhaltlich wurden die Regelungen obgleich im Wesentlichen übernommen. Zudem lassen sowohl § 2 UStG als auch die Vorgabe der MwStSystRL durch mangelnde Konkretisierung einen erheblichen Interpretationsspielraum, bei dessen Ausnutzung allerdings zu beachten ist, dass die nationale Norm übereinstimmend zur innergemeinschaftlichen Regelung ausgelegt werden muss. Der BFH hat dazu in seinem Urteil V R 95/874 ausgeführt: „Da mit dem UStG 1980 das deutsche

7.62

1 2 3 4

Art. 9 Abs. 1 MwStSystRL (RL 2006/112/EG v. 28.11.2006). Stadie in Rau/Dürrwächter, § 2 UStG Rz. 64 ff. Stadie, Umsatzsteuerrecht, 68. BFH v. 30.7.1992 – V R 95/87, BFH/NV 1993, 202.

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Kap. 7: Geistiges Eigentum und Umsatzsteuer

Umsatzsteuerrecht an die 6. EG-Richtlinie (jetzt MwStSystRL) angepasst werden sollte, ist zur Auslegung des § 2 UStG auch Art. 4 dieser Richtlinie [jetzt Art. 9 bis 13 der MwStSystRL] heranzuziehen. Nach der Rechtsprechung des EuGH ist diese Vorschrift weit auszulegen.“1

7.63

Die h.M. geht davon aus, dass der deutsche und der gemeinschaftsrechtliche Unternehmerbegriff inhaltlich übereinstimmen und trotz des abweichenden Wortlauts der Vorschriften eine richtlinienkonforme Auslegung des § 2 UStG möglich ist.2 Anderen Auffassungen zufolge können sich aber der Leistungsempfänger und der leistende Unternehmer zumindest in Bezug auf die Feststellung der Unternehmereigenschaft für Zwecke des § 3a Abs. 2 UStG auf das für sie günstigere Gemeinschafsrecht berufen, da die vom deutschen Gesetzgeber gewählte Umsetzung stark vom Aufbau der umzusetzenden Richtlinie abweicht.3 2. Nachweispflichten

7.64

Die Generalklausel des § 3a Abs. 2 Satz 1 UStG gilt lediglich für den Fall, dass der Leistungsempfänger als Unternehmer im umsatzsteuerrechtlichen Sinn betrachtet werden kann und er die Leistung für seinen unternehmerischen Bereich einkauft. Wie dieser Nachweis zu führen ist, hat der Gesetzgeber offen gelassen. In ihrem umfangreichen BMF-Schreiben vom 4.9.20094 hat die Finanzverwaltung dies noch einmal deutlich herausgestellt. Weiter ergeben sich Unklarheiten hinsichtlich der Frage, welcher Aufwand einem Unternehmer zur Feststellung des Status seines Kunden auferlegt ist und ob dieser sich unterscheidet, je nachdem, ob ein inländischer oder ein ausländischer Unternehmer Leistungsempfänger ist.

7.65

In der Literatur wird die Auffassung vertreten, dass den im Inland ansässigen Dienstleistungserbringer keine Nachforschungspflichten zum Status seines Auftraggebers treffen. Er muss auch nicht (im strengen Sinne) nachweisen, dass dieser Unternehmer ist.5 In nicht wenigen Fällen dürfte es für den leistenden Unternehmer schwierig festzustellen sein, ob es sich bei dem Kunden möglicherweise um eine klassische Holdinggesellschaft handelt, die aus umsatzsteuerlicher Sicht nicht als Unternehmer zu qualifizieren ist.

7.66

Diese Auffassung wird nicht von der deutschen Finanzverwaltung geteilt. Sie unterscheidet im Übrigen auch nicht zwischen den Nachweispflichten bei einem ausländischen Leistungsempfänger und einem inlän1 2 3 4 5

Radeisen in Vogel/Schwarz, § 2 UStG Rz. 19. Lippross, Umsatzsteuer22, 324. Montfort, UR 2009, 301 (314 f.). BMF v. 4.9.2009 – IV B 9-S 7117/08/10001, BStBl. I 2009, 1005 Rz. 15 f. Stadie in Rau/Dürrwächter, § 3a UStG n.F. Rz. 137.

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C. Umsatzsteuerlicher Leistungsort

dischen.1 Danach ist generell der Nachweis der Unternehmereigenschaft zu führen, wenngleich allerdings kritisch anzumerken ist, dass die in dem einschlägigen BMF-Schreiben bzw. Umsatzsteuer-Anwendungserlass aufgeführten Beispielsfälle ausschließlich ausländische Vertragspartner zum Gegenstand haben. Hinsichtlich der Frage, wie dieser Nachweis zu führen ist, überlässt die deutsche Finanzverwaltung es dem Unternehmer, auf welche Weise er den Nachweis führen möchte. Sofern der Leistungsempfänger gegenüber seinem Auftragnehmer eine ihm von einem Mitgliedstaat erteilte Umsatzsteuer-Identifikationsnummer verwendet, kann dieser regelmäßig davon ausgehen, dass der Leistungsempfänger Unternehmer ist und diese Leistung für dessen unternehmerischen Bereich bezogen wird.2 Dies setzt voraus, dass der Leistungsempfänger in einem anderen EU-Mitgliedsland ansässig ist.

7.67

Die „Verwendung“ der Umsatzsteuer-Identifikationsnummer soll nach Vorstellung der deutschen Finanzverwaltung grundsätzlich vor Ausführung der Leistung erfolgen und in den betreffenden Unterlagen zu dem jeweiligen Auftrag schriftlich festgehalten werden. Wie auch bei der nach dem alten Recht zulässigen Verlagerung des umsatzsteuerlichen Leistungsorts mittels Vorlegen einer anderen Umsatzsteuer-Identifikationsnummer fordert die Finanzverwaltung auch im neuen Recht ein positives Tun. Denkbar ist z.B., dass bei mündlichem Abschluss eines Auftrags über eine sonstige Leistung eine Erklärung über die Unternehmereigenschaft des Leistungsempfängers abgegeben und diese vom leistenden Unternehmer aufgezeichnet wird. Weiter soll ausreichen, bei der erstmaligen Erfassung der Stammdaten des Kunden zusammen mit der für den Zweck der Feststellung der Unternehmereigenschaft und des Erwerbs für unternehmerische Zwecke zusätzlich eine Erklärung des Leistungsempfängers aufzunehmen, dass diese Umsatzsteuer-Identifikationsnummer bei allen künftigen unternehmerischen Einzelaufträgen verwendet werden soll. Eine eher formularmäßig im Briefkopf eingedruckte Umsatzsteuer-Identifikationsnummer des Leistungsempfängers ist allein nicht ausreichend, die Unternehmereigenschaft und den unternehmerischen Bezug der sonstigen Leistung zu dokumentieren.3

7.68

Nach Vorstellung der Finanzverwaltung soll die Umsatzsteuer-Identifikationsnummer durch den leistenden Unternehmer bei jedem Umsatz – qualifiziert –4 überprüft werden. Dieses Ansinnen kann nur als wirklichkeitsfremd und in der Praxis nicht zumutbar bezeichnet werden.5 Eine re-

7.69

1 2 3 4

BMF v. 4.9.2009 – IV B 9-S 7117/08/10001, BStBl. I 2009, 1005 Rz. 15. BMF v. 4.9.2009 – IV B 9-S 7117/08/10001, BStBl. I 2009, 1005 Rz. 15. BMF v. 4.9.2009 – IV B 9 - S 7117/08/10001, BStBl. I 2009, 1005 Rz. 16. Eine einfache Abfrage wird für den zu führenden Nachweis nicht als ausreichend akzeptiert. 5 So auch Stadie in Rau/Dürrwächter, § 3a UStG n.F. Rz. 142, der von dem „Dienstleistungserbringer als zwangsverpflichtetem Gehilfen des Staates“ spricht.

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Kap. 7: Geistiges Eigentum und Umsatzsteuer

gelmäßige quartalsweise Überprüfung lässt sich aus der Erfahrung in die Prozesse der Unternehmen integrieren, zumal mittlerweile auch EDV-gestützte Optionen zur Verfügung stehen. Weiter sollte ein ordentlicher und gewissenhafter Kaufmann im Fall von bestehenden Zweifeln von sich aus eine Überprüfung vornehmen (lassen).

7.70

Eine Überprüfung kann dagegen in den Fällen unterbleiben, in denen der leistende Unternehmer gegenüber einem im Drittlandsgebiet ansässigen Auftraggeber eine in § 3a Abs. 4 Satz 2 UStG bezeichnete Leistung erbringt. Grund hierfür ist, dass der Leistungsort in diesen Fällen, unabhängig vom Status des Leistungsempfängers, im Drittlandsgebiet liegt.1

7.71

Ist der Leistungsempfänger dagegen im Drittlandsgebiet ansässig, akzeptiert die Finanzverwaltung den Unternehmernachweis mittels einer Bescheinigung einer Behörde des Sitzstaates, in der diese bescheinigt, dass der Leistungsempfänger dort als Unternehmer erfasst ist. Eine solche Bescheinigung soll nach Vorstellung der deutschen Finanzverwaltung inhaltlich der Unternehmerbescheinigung nach § 61a Abs. 4 UStDV entsprechen.2 In der Praxis zeigt sich, dass eine solche Bescheinigung in sehr vielen Staaten nur sehr schwer einzuholen ist, so dass andere Unterlagen zur Dokumentation herangezogen werden müssen. Dem leistenden Unternehmer ist als maßgebendes Kriterium anzuraten, sich daran zu orientieren, wie ein ordentlicher und gewissenhafter Kaufmann vorgehen würde.

7.72

Im Ergebnis ist somit festzuhalten, dass die Einräumung, Wahrnehmung und Übertragung von Immaterialgüterrechten sich am Ort des Leistungsempfängers befindet, sofern dieser Unternehmer ist. Sofern dieser im Inland belegen ist, ist der Vorgang in Deutschland steuerbar und mangels Vorliegens von Steuerbefreiungsvorschriften auch steuerpflichtig. Ist der Vertragspartner dagegen im Ausland, befindet sich der umsatzsteuerliche Leistungsort dort, wo der Kunde sein Unternehmen betreibt, sofern nicht eine Betriebsstätte in die jeweilige Transaktion eingebunden ist. Der leistende Unternehmer ist grundsätzlich verpflichtet, den Nachweis darüber zu führen, dass sein Kunde als Unternehmer i.S. des UStG zu betrachten ist. Innerhalb der europäischen Union kann dieser Nachweis nach Ansicht der deutschen Finanzverwaltung regelmäßig durch die Aufzeichnung der Umsatzsteuer-Identifikationsnummer des Leistungsempfängers geführt werden. Soweit der Leistungsempfänger im Drittlandsgebiet ansässig ist, kann sich der leistende Unternehmer für den Nachweis der Unternehmereigenschaft des Leistungsempfängers eine Bescheinigung einer Behörde dessen Sitzstaates aushändigen lassen, in der ihm bescheinigt wird, dass der Leistungsempfänger in seinem Ansässigkeitsstaat als Unternehmer erfasst ist.3 1 BMF v. 4.9.2009 – IV B 9 - S 7117/08/10001, BStBl. I 2009, 1005 Rz. 18. 2 BMF v. 4.9.2009 – IV B 9 - S 7117/08/10001, BStBl. I 2009, 1005 Rz. 17. 3 BMF v. 4.9.2009 – IV B 9 - S 7117/08/10001, BStBl. I 2009, 1005 Rz. 15 f.

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C. Umsatzsteuerlicher Leistungsort

Im Übrigen bleibt abzuwarten wie strikt die Finanzverwaltung die Einhaltung der Nachweispflichten im Rahmen künftiger steuerlicher Außenprüfungen zum Thema machen wird. Fakt ist jedoch, dass diese Regelung – wieder einmal – den Unternehmen Pflichten aufbürdet, die in der Abwicklung des täglichen operativen Geschäfts nur sehr schwer oder mit nicht unerheblichem zusätzlichem Aufwand einzuhalten sind. Selbst in den Fällen, in denen jahrelange Geschäftsbeziehungen bestehen und der Leistungsempfänger vor diesem Hintergrund unzweifelhaft als Unternehmer zu betrachten ist, müssen entsprechende Nachweise eingeholt werden. Nicht wenige Unternehmen berichten von belastenden Diskussionen mit ihren Kunden nicht nur bei Einführung der Neuregelung. Dies insbesondere deshalb, da Deutschland die Neuregelung bereits im Rahmen des JStG 2009 eingeführt hat und somit auf europäischer Ebene als Vorreiter zu betrachten war.

7.73

IV. Leistungen im nicht unternehmerischen Umfeld (B2C) 1. Grundlegende Ausführungen § 3a Abs. 4 Satz 2 Nr. 1 UStG1 listet abschließend die Leistungen in Bezug zur Einräumung, Übertragung und Wahrnehmung von Immaterialgüterrechten auf, für die der Leistungsort im Drittlandsgebiet belegen ist, wenn der Leistungsempfänger weder ein Unternehmer ist, der für sein Unternehmen die Leistung bezogen hat, noch eine nicht unternehmerisch tätige juristische Person, der eine Umsatzsteuer-Identifikationsnummer erteilt wurde.

7.74

Neben den ausdrücklich genannten Patenten, Urheberrechten und Markenrechten kommen als ähnliche Rechte insbesondere vergleichbare Rechte wie das Recht am eigenen Bild, Gebrauchsmuster- und Geschmacksmusterrechte sowie das Verlagsrecht in Betracht. Gemeinsames Merkmal dieser Rechte ist die alleinige Befugnis des Inhabers, das jeweilige Recht zu nutzen und zu verwerten und andere davon auszuschließen.2

7.75

Darüber hinaus werden subjektive öffentliche Rechte, soweit sie übertragbar sind, und auch vergleichbare dingliche und schuldrechtlich begründete Rechtspositionen erfasst. Soweit sich diese auf ein Grundstück beziehen, bestimmt sich der Ort ihrer Übertragung allerdings nach § 3a Abs. 3 Nr. 1 UStG.3

7.76

Diese Vorschrift umfasst alle immateriellen Rechte. Hierzu zählen auch Unternehmerrechte im Kulturbereich, insbesondere des Films, der Literatur sowie Verlagsrechte.4 1 2 3 4

Vgl. auch Art. 59 MwStSystRL. Stadie in Rau/Dürrwächter, § 3a UStG n.F. Rz. 494. Stadie in Rau/Dürrwächter, § 3a UStG n.F. Rz. 495. Langer in Reiß/Kraeusel/Langer, § 3a UStG n.F. Rz. 145.

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Kap. 7: Geistiges Eigentum und Umsatzsteuer

7.77

Der Begriff „Einräumung“ bezieht sich nur auf das Verlagsrecht und auf Konzessionen. Die übrigen Rechte können nicht einem anderen eingeräumt werden. Übertragung ist die Vollrechtsübertragung.1 Die Wahrnehmung eines Urheberrechts oder eines verwandten Schutzrechts liegt vor, wenn ein Unternehmer für Rechnung des Inhabers des Urheberrechts oder des anderen Schutzrechts zur Wahrung von dessen Rechten tätig wird.2

7.78

Der Ort bestimmter besonderer sonstiger Leistungen wird seit dem 1.1. 2010 gemäß den detaillierten Regelungen des § 3a Abs. 4 UStG bestimmt. Allerdings ist diese Vorschrift in der Praxis nur noch von geringer Bedeutung, da sie nur dann einschlägig ist, wenn der Leistungsempfänger ein in einem Drittlandsgebiet ansässiger Endverbraucher ist. Liegen diese Voraussetzungen nicht kumulativ vor, ist der Ort der sonstigen Leistung nach der Grundregel der § 3a Abs. 1 UStG zu bestimmen.3

7.79

§ 3a Abs. 4 UStG wirft trotz der eingeschränkten praktischen Bedeutung dennoch eine Reihe von Abgrenzungsfragen auf, da für jede sonstige Leistung nach europarechtlichen Vorgaben zu prüfen ist, ob die den Katalogtatbeständen ähnlichen Leistungen unter die normierten Tatbestände fallen oder nicht.4 Für die Frage des umsatzsteuerlichen Leistungsorts ist somit maßgebend, ob dieser im Land des leistenden Unternehmers gemäß § 3a Abs. 1 UStG oder im Drittlandsgebiet belegen ist. Dafür ist die oben aufgeführte Abgrenzung von Bedeutung. 2. Immaterialgüterrechte im Einzelnen

7.80

Unter das Urheberrechtsgesetz fallen insbesondere Sprach-, Schrift- und Musikwerke, Werke der bildenden Künste einschließlich der Werke der Baukunst und der angewandten Kunst und Entwürfe solcher Werke, Lichtbildwerke, Filmwerke, Darstellungen wissenschaftlicher oder technischer Art, wie Zeichnungen, Pläne, Karten, Skizzen, Tabellen und plastische Darstellungen (vgl. Rz. 7.98).5

7.81

Das in § 3a Abs. 4 Satz 2 Nr. 1 UStG erwähnte Patentgesetz besagt, dass allein der Inhaber befugt ist, die patentierte Erfindung zu nutzen. Patente werden für Erfindungen erteilt, die neu sind, auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhen und gewerblich anwendbar sind. Patente können als sol1 2 3 4 5

Stadie in Rau/Dürrwächter, § 3a UStG n.F. Rz. 497. Stadie in Rau/Dürrwächter, § 3a UStG n.F. Rz. 500. Kemper in Vogel/Schwarz, § 3a UStG Rz. 300. Kemper in Vogel/Schwarz, § 3a UStG Rz. 301. Langer in Reiß/Kraeusel/Langer, § 3a UStG Rz. 149.

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D. Umsatzsteuerliche Bemessungsgrundlage

che übertragen werden (Vollrechtsübertragung). Auf Patentrechte können ganz oder teilweise Lizenzen vergeben werden.1 Markenzeichen i.S. des Markenzeichenrechts sind Zeichen, deren sich ein Gewerbetreibender im Rahmen seines Unternehmens zur Kennzeichnung von Waren zwecks Unterscheidung dieser Waren von den Waren anderer bedient. Ein Markenschutz besteht aber nur, wenn diese in das beim Patentamt geführte Markenregister eingetragen ist. Diese Eintragung hat zur Folge, dass ausschließlich deren Inhaber berechtigt ist, mit dem Markenzeichen zu werben. Derart geschützte Markenzeichen können als solche auf einen anderen übertragen werden. Dabei kann die Übertragung vollständig oder nur zeitlich oder örtlich begrenzt erfolgen. Sie können auch zur Ausübung überlassen werden.2

7.82

Das Patent- und Gebrauchsmusterrecht schützt technische Erfindungen; dabei ist ein Gebrauchsmuster einfacher und kostengünstiger zu erlangen. Patente und Gebrauchsmuster werden für Erfindungen erteilt, die eine Lehre zum technischen Handeln darstellen, neu sind, auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhen und gewerblich anwendbar sind. Um ein Patent zu erlangen, muss die Erfindung beim Patentamt angemeldet werden. Dem Erfinder steht dann für 20 Jahre ein ausschließliches Verwertungsrecht für das Patent zu.3

7.83

Das Geschmacksmusterrecht ist ein urheberrechtsähnliches gewerbliches Schutzrecht, das die Nachbildung eines geschützten Musters oder Modells durch Dritte während einer bestimmten Schutzdauer gewährt. Von diesem Schutzrecht werden Muster und Modelle erfasst, die sich im rechtlichen Sinne als neu und eigenartig erweisen. Es soll die in der attraktiven Produktgestaltung liegende gewerbliche Leistung schützen, nicht aber dem Urheber das Ergebnis seines Schaffens als Ausdruck seiner schöpferischen Persönlichkeit zuordnen. Der Geschmacksmusterschutz steht dem Entwerfer i.S. von § 7 GeschmMG zu und wird demjenigen gewährt, der als Rechtsinhaber in das Register eingetragen ist.4

7.84

D. Umsatzsteuerliche Bemessungsgrundlage I. Grundlagen Grundsätzlich ist für die Umsatzbesteuerung das Entgelt heranzuziehen. Gemäß § 10 Abs. 1 Satz 2 UStG ist Entgelt alles, was der Leistungsempfänger aufwendet, um die Leistung zu erhalten, allerdings abzüglich der Umsatzsteuer. § 10 Abs. 1 Satz 3 UStG bestimmt, dass zum Entgelt auch gehört, was ein anderer als der Leistungsempfänger dem Unternehmer für 1 2 3 4

Langer in Reiß/Kraeusel/Langer, § 3a UStG Rz. 154. Langer in Reiß/Kraeusel/Langer, § 3a UStG Rz. 155. Kemper in Vogel/Schwarz, § 3a UStG Rz. 330. Flechsig in Loewenheim2, § 3 Rz. 17 f.

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7.85

Kap. 7: Geistiges Eigentum und Umsatzsteuer

die Leistung gewährt. Der Umfang des Entgelts beschränkt sich nicht auf die bürgerlich-rechtlich bestimmte oder bestimmbare Gegenleistung, sondern erstreckt sich auf alles, was der Leistungsempfänger tatsächlich für die an ihn bewirkte Leistung aufwendet.1 Das Entgelt ist auch dann als Maßstab heranzuziehen, wenn es nicht dem objektiven Wert der bewirkten Leistung entspricht.2 Eine Gewinnerzielungsabsicht ist dagegen nicht erforderlich.

7.86

Für bestimmte „Sondertatbestände“ (z.B. innergemeinschaftliches Verbringen, unentgeltliche Wertabgaben) normiert Abs. 4 in § 10 UStG, wonach der jeweilige Umsatz zu bemessen ist. Sofern Leistungen u.a. an nahestehende Personen erbracht werden, ist die sog. Mindestbemessungsgrundlage des § 10 Abs. 5 i.V.m. § 10 Abs. 4 UStG einschlägig. Danach sind bei der Erbringung einer sonstigen Leistung, für die die Verwendung eines dem Unternehmen zugeordneten Gegenstands nicht erforderlich ist, die bei der Ausführung der Leistung entstandenen Ausgaben maßgebend. Zur Anwendung der Mindestbemessungsgrundlage nach § 10 Abs. 5 UStG vgl. unter Rz. 7.123 ff.

II. Tausch/Tauschähnlicher Umsatz 7.87

Beim Tausch, bei tauschähnlichen Umsätzen und bei Hingabe an Zahlungs statt gilt gemäß § 10 Abs. 2 Satz 2 UStG der Wert jedes Umsatzes als Entgelt für den anderen Umsatz. Die Umsatzsteuer gehört nicht zum Entgelt (§ 10 Abs. 2 Satz 3 UStG). Bei der Bestimmung der Bemessungsgrundlage ist der gemeine Wert i.S. des § 9 BewG, also ein Wert ohne Umsatzsteuer, anzusetzen; etwas anderes gilt, wenn der Leistungsempfänger für die von ihm erbrachte Gegenleistung konkrete Aufwendungen getätigt hat.3

7.88

Ein Tausch i.S. des § 3 Abs. 12 Satz 1 UStG liegt vor, wenn das Entgelt für eine Lieferung in einer Lieferung besteht. In diesen Fällen liegt ein Leistungsaustausch mit zwei selbständig zu beurteilenden Leistungen vor, die bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen steuerbar sind, da jeder Leistung als Entgelt die im Gegenzug erhaltene Leistung gegenübersteht. Ist nur eine der am Tausch beteiligten Personen ein Unternehmer i.S. des § 2 Abs. 1 UStG, unterliegt nur die von der unternehmerischen Partei erbrachte Leistung der Umsatzsteuer.4 Beispiel: Gebrauchtwarenhändler Huber liefert an Unternehmer Krause eine gebrauchte Maschine A, die er bereits zu einem Preis von 13 090 Euro zum Verkauf ausgestellt hatte. Hierfür erhält er von Krause eine andere gebrauchte Maschine B. Krause hatte ihm die Maschine B zuvor für 11 305 Euro zum Kauf angeboten. 1 2 3 4

Abschn. 10.1 Abs. 3 Satz 1 UStAE. Abschn. 10.1 Abs. 2 Satz 1 UStAE. Abschn. 10.5 Abs. 1 Sätze 5 und 6 UStAE. Martin in Sölch/Ringleb, § 3 UStG Rz. 744.

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D. Umsatzsteuerliche Bemessungsgrundlage

Lösung: Die Bemessungsgrundlage für Lieferung der Maschine A durch Huber bemisst sich nach dem Wert des erhaltenen Umsatzes (§ 10 Abs. 2 Satz 2 UStG) und beträgt daher 11 305 Euro : 1,19 = 9 500 Euro. Die Bemessungsgrundlage der Lieferung der Maschine B durch Krause beträgt 13 090 Euro : 1,19 = 11 000 Euro.

Ein tauschähnlicher Umsatz liegt vor, wenn das Entgelt für eine sonstige Leistung in einer Lieferung oder sonstigen Leistung besteht (§ 3 Abs. 12 Satz 2 UStG).

7.89

Auch bei einem tauschähnlichen Umsatz liegt ein Leistungsaustausch vor, bei dem sich zwei eigenständig zu beurteilende Leistungen gegenüberstehen und bei der für jeden Beteiligten die erhaltene Leistung das Entgelt für die eigene Leistung darstellt.1 Ist an dem Leistungsaustausch nur ein Unternehmer beteiligt und leistet dieser an eine nicht unternehmerische Person, so erbringt nur der Unternehmer einen steuerbaren Umsatz.2 Beispiel: Bauunternehmer Schmidt errichtet für die Müller & Schulz GmbH einen Anbau an das Bürogebäude. Als Gegenleistung wird vereinbart, dass Schmidt ein von der Müller & Schulz GmbH entwickeltes Patent nutzen darf. Lösung: Die Bemessungsgrundlage für die (Werk-)Lieferung des Schmidt bemisst sich nach dem gemeinen Wert des erhaltenen Nutzungsrechts, während sich die Bemessungsrundlage der sonstigen Leistung der Müller & Schulz GmbH aus dem gemeinen Wert des Büroanbaus ergibt.

Tausch oder tauschähnlicher Umsatz liegen nicht vor, wenn es an einer Gegenleistung fehlt, auf die das Handeln der Beteiligten bei der Erfüllung des Anspruchs eines der Beteiligten gerichtet ist, die Leistungen also nicht auf einen wirtschaftlichen Erfolg gerichtet sind.3

7.90

Bei der Hingabe an Zahlungs statt wird nicht die eigentlich geschuldete Leistung erbracht, sondern eine andere.4 An die Stelle eines Geldbetrags tritt in diesen Fällen ganz oder teilweise eine Lieferung oder sonstige Leistung.5

7.91

Beispiel: Softwareentwickler Sievers erstellt für seine Schwester ein individuelles Computerprogramm zur Verwaltung ihrer privaten Finanzen. Für diese Leistung wurde ein Preis von 50 Euro in bar vereinbart. Da die Schwester bei der Abrechnung nicht über das nötige Bargeld verfügt, begleicht sie die Rechnung mit der Hingabe eines kürzlich selbstgestrickten Kaschmir-Pullovers. Auf dem Kunsthandwerkermarkt, an dem Frau Sievers einmalig teilgenommen hatte, erzielte ein vergleichbarer Pullover einen Verkaufspreis von 60 Euro.

1 2 3 4 5

Fritsch in Reiß/Kraeusel/Langer, § 3 UStG Rz. 715. Fritsch in Reiß/Kraeusel/Langer, § 3 UStG Rz. 717. Fritsch in Reiß/Kraeusel/Langer, § 3 UStG Rz. 714.6, 719. Schwarz in Vogel/Schwarz, § 10 UStG Rz. 427. Schwarz in Vogel/Schwarz, § 10 UStG Rz. 429.

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Kap. 7: Geistiges Eigentum und Umsatzsteuer

Lösung: Bei der Hingabe der individuell programmierten Software handelt es sich um die Übertragung einer urheberrechtlichen Leistung.1 Da anstelle des vereinbarten Geldbetrags ein Gegenstand für diese Übertragung geleistet worden ist, liegt eine Hingabe an Zahlungs statt vor. Die Bemessungsgrundlage für die Leistung des Softwareentwicklers ergibt sich gemäß § 10 Abs. 2 Satz 2 UStG aus dem (gemeinen) Wert des erhaltenen Pullovers und beträgt daher 60 Euro.

III. Unentgeltlichkeit 7.92

Erhält der leistende Unternehmer für die Erbringung einer sonstigen Leistung für Zwecke, die außerhalb des Unternehmens liegen, oder für den privaten Bedarf seines Personals kein Entgelt als Gegenleistung (§ 3 Abs. 9a Nr. 2 UStG), wird der Umsatz gemäß § 10 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 UStG nach den bei der Ausführung der Leistung entstandenen Ausgaben bemessen.

7.93

Zu den Ausgaben gehören auch die Anschaffungs- oder Herstellungskosten des Wirtschaftsguts, soweit das Wirtschaftsgut dem Unternehmen zugeordnet ist und für die Erbringung der sonstigen Leistung verwendet wird. Betragen die Anschaffungs- oder Herstellungskosten mindestens 500 Euro, sind sie gleichmäßig auf den für das Wirtschaftsgut nach § 15a UStG vorgesehenen Berichtigungszeitraum aufzuteilen (§ 10 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 Satz 2 i.V.m. § 10 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Sätze 2 und 3 UStG).

7.94

Für die Bestimmung der die Bemessungsgrundlage bildenden Ausgaben ist es nicht nötig, eine Unterscheidung zwischen Ausgaben vorzunehmen, die zum vollen oder teilweisen Vorsteuerabzug berechtigt haben, und solchen, die den Vorsteuerabzug ausgeschlossen haben.2 Die nach § 15 UStG abziehbaren Vorsteuerbeträge sind in die Ausgaben allerdings nicht einzubeziehen.3 Beispiel: Wissenschaftler Müller-Schuchardt gestattet seinem Nachbarn Wischnewski, ein von ihm entwickeltes und auf seinen Namen patentiertes Verfahren zu nutzen. Auf Grund des guten nachbarschaftlichen Verhältnisses verzichtet Müller-Schuchardt auf eine Bezahlung durch Wischnewski. Bei der Entwicklung des Verfahrens entstanden Müller-Schuchardt Herstellungskosten in Höhe von 1 000 Euro. Lösung: Da Wischnewski für die Nutzung des Patents keine Gegenleistung erbracht hat, sind gemäß § 10 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 UStG als Bemessungsgrundlage die Ausgaben anzusetzen, die bei der Überlassung des Patents entstanden sind. In die Ausgaben sind gemäß § 10 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 Satz 2 i.V.m. Satz 1 Nr. 2 Sätze 2 und 3 UStG auch die Herstellungskosten des Wirtschaftsguts einzubeziehen und gleichmäßig auf einen Zeitraum von 5 Jahren zu verteilen (vgl. § 15a Abs. 1 Satz 1 UStG). Die Bemessungsgrundlage beträgt daher 200 Euro. 1 Kemper in Vogel/Schwarz, § 3a UStG Rz. 323; bei der Überlassung von individuell hergestellter Software kann es sich allerdings auch um die Übertragung von Informationen nach § 3a Abs. 4 Nr. 5 UStG handeln. 2 Klenk in Sölch/Ringleb, § 3 UStG Rz. 655. 3 Abschn. 10.6 Abs. 3 Satz 4 UStAE.

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E. Steuersatz

E. Steuersatz I. Vorbemerkung Im Rahmen des Harmonisierungsprozesses der Umsatzsteuer innerhalb Europas wurde in sämtlichen Mitgliedstaaten das Allphasen-Nettoumsatz-Steuersystem etabliert. Auch sind die Bemessungsgrundlagen für die Umsatzbesteuerung weitgehend harmonisiert.1 Die Regel-Umsatzsteuersätze in der EU variieren derzeit allerdings noch von 15 % bis 25 %.2 Bis zum 31.12.2015 muss der Standardsatz gemäß Art. 97 MwStSystRL mindestens 15 % betragen.

7.95

Auch Stadie erinnert immer wieder daran, dass es der Europäischen Gemeinschaft bis heute nicht gelungen sei, die Steuersätze zu harmonisieren, geschweige denn zu vereinheitlichen.3 Seit dem 1.1.2007 beträgt der Standard-Umsatzsteuersatz in Deutschland 19 %. Die MwStSystRL gestattet es den Mitgliedstaaten ferner, für bestimmte steuerpflichtige Umsätze (bis zu zwei) ermäßigte Steuersätze4 einzuführen. Das deutsche Umsatzsteuergesetz sieht daher in § 12 Abs. 2 UStG die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes von derzeit 7 % für bestimmte Leistungen vor. Die ermäßigten Steuersätze variieren in den einzelnen Mitgliedstaaten derzeit von 2,1 % bis 18 %.5

7.96

Der Anteil des Umsatzsteueraufkommens aus Umsätzen zum ermäßigten Steuersatz in Deutschland wird auf 9 % geschätzt.

II. Steuerermäßigung nach § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. c UStG Für den Bereich des geistigen Eigentums kommt die Steuerermäßigung des § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. c UStG für die Einräumung, Übertragung und Wahrnehmung von Rechten, die sich aus dem Urheberrechtsgesetz ergeben, in Betracht. Die Vorschrift des § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. c UStG ist allerdings enger gefasst als die des § 3a Abs. 4 Nr. 1 UStG, da sie nur Rechte aus dem Urheberrechtsgesetz, nicht aber die Einräumung, Übertragung und Wahrnehmung von Immaterialgüterrechten, die sich aus sonstigen Gesetzen ergeben, erfasst.6

1 Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung7, 162. 2 Die Regelsätze in Luxemburg und Zypern sind mit derzeit 15 % festgesetzt, während sie in Dänemark und Schweden 25 % betragen. 3 Stadie, Umsatzsteuerrecht, 375. 4 Art. 98 Abs. 1 MwStSystRL. 5 Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung7, 162. 6 Lange, UR 2002, 489 (491).

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7.97

Kap. 7: Geistiges Eigentum und Umsatzsteuer

III. Voraussetzungen für die Anwendung der Steuerermäßigung 7.98

Werke im urheberrechtlichen Sinne sind nach § 2 Abs. 2 UrhG nur persönliche geistige Schöpfungen, also solche Werke, die durch ihren Inhalt, ihre Form oder die Verbindung von Inhalt und Form etwas Neues, Eigentümliches und durch die Persönlichkeit ihres Urhebers Geprägtes darstellen.1 Die urheberrechtlich geschützten Werke der Literatur, Wissenschaft und Kunst sind nach § 2 Abs. 1 UrhG insbesondere Sprachwerke, Werke der Musik, pantomimische Werke, Werke der bildenden Künste, Lichtbildwerke, Filmwerke sowie Darstellungen wissenschaftlicher oder technischer Art.2 Zu den Rechten, deren Einräumung, Übertragung und Wahrnehmung begünstigt ist, gehören somit nicht nur die eigentlichen Urheberrechte, sondern auch solche Leistungen, die der schöpferischen Leistung der Urhebers ähnlich sind oder im Zusammenhang mit einem Werk des Urhebers erbracht werden.3

7.99

Für die Frage, ob die erbrachte Leistung unter den ermäßigten Umsatzsteuersatz fällt, sind zunächst einmal die vertraglichen Regelungen der Parteien heranzuziehen und ergänzend auf objektive Beweisanzeichen wie z.B. die tatsächliche Leistung, die Tätigkeit des Leistungsempfängers und die Vereinbarungen über die Bemessung und Aufteilung des Entgelts abzustellen.4

7.100

Eine Steuerermäßigung nach § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. c UStG kommt nicht in Betracht, wenn die Einräumung des Nutzungsrechts an einem Urheberrecht nur als unselbständige Nebenleistung erfolgt und die Hauptleistung von anderer Natur ist.5 Entscheidend ist, für welchen Teil der Leistung die Gegenleistung im Rahmen des Leistungsaustauschs erbracht wird.6 So setzt § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. c UStG voraus, dass dem Leistungsempfänger nach dem wirtschaftlichen Gehalt des Umsatzes ein Recht zur Verwertung eingeräumt und nicht nur die bestimmungsgemäße Benutzung gestattet wird. Darüber hinaus muss die Verwertung durch den Leistungsempfänger auch von diesem erstrebt sein.7 Räumt eine von einem Künstler beauftragte Agentur einem Dritten in eigenem Namen urheberrechtliche Nutzungsrechte an den Darbietungen eines Künstlers ein, ist die Steuerermäßigung auch auf die Leistung der Agentur anzuwenden.8

7.101

Umfangreiche Rechtsprechung und Literatur zu der Frage der Anwendbarkeit des ermäßigten Steuersatzes erschweren die umsatzsteuerliche Ein1 2 3 4 5 6 7

Husmann in Rau/Dürrwächter, § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. c UStG Rz. 19. Abschn. 12.7 Abs. 3 UStAE. Husmann in Rau/Dürrwächter, § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. c UStG Rz. 18. Abschn. 12.7 Abs. 1 Sätze 9 und 10 UStAE. Lippross, Umsatzsteuer22, 639. Abschn. 12.7 Abs. 1 Satz 3 UStAE. Vgl. BFH v. 16.8.2001 – V R 42/99, BFH/NV 2002, 291; v. 25.11.2004 – V R 4/04, BStBl. II 2005, 415. 8 Lippross, Umsatzsteuer22, 641.

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F. Besteuerungsverfahren/Rechnungsstellung

ordnung nicht unerheblich. Für die Praxis bedeutet dies, im Vorfeld einer Vertragsgestaltung zwingend mit dem jeweiligen Vertragspartner ein Verständnis für diese Thematik zu erzielen und die erzielte Einigung vertraglich zu fixieren bzw. Klauseln für den Fall einer abweichenden Beurteilung durch die Finanzverwaltung vorzusehen. In komplexeren Strukturen wird ein Antrag auf Erteilung einer verbindlichen Auskunft zu empfehlen sein. Umfassende Recherche-Tätigkeiten werden sich i.d.R. nicht (vollständig) vermeiden lassen.

F. Besteuerungsverfahren/Rechnungsstellung Sofern geklärt ist, wo sich der umsatzsteuerliche Leistungsort für bestimmte Geschäftsaktivitäten im Zusammenhang mit Immaterialwirtschaftsgütern befindet, knüpft sich daran in einem weiteren Schritt die Frage der Rechnungsstellung an, die wiederum davon abhängig ist, ob die ausgeführte Leistung steuerbar und -pflichtig ist und ob der Leistungsort sich möglicherweise im Ausland befindet.

7.102

Soweit die Übertragung, Einräumung und Wahrnehmung von geistigem Eigentum im unternehmerischen Umfeld (B2B) erfolgt, richtet sich die Rechnungsstellung danach, wo der Leistungsempfänger seinen Sitz hat. Ist dieser im Inland belegen und der leistende Unternehmer ebenfalls ein Inländer, unterliegen die ausgeführten sonstigen Leistungen der deutschen Umsatzsteuer. Die Rechnungsstellung hat somit unter Ausweis von deutscher Umsatzsteuer und gemäß den Anforderungen an eine ordnungsgemäße Rechnung i.S. des UStG1 zu erfolgen. Die Besteuerung erfolgt im „normalen“ Veranlagungsverfahren.

7.103

Ist dagegen der Leistungsempfänger des deutschen Unternehmers ein Unternehmen mit Sitz in einem anderen EU-Mitgliedstaat, ist der Vorgang in diesem Mitgliedstaat steuerbar und (mangels Vorliegens von Steuerbefreiungsvorschriften) steuerpflichtig. Die Rechnungsstellung hat ohne Ausweis von Umsatzsteuer zu erfolgen, allerdings mit dem Hinweis auf den Übergang der Steuerschuld auf den Leistungsempfänger.2 Darüber hinaus sind diese Umsätze in der Zusammenfassenden Meldung zu erklären.3 Die Besteuerung erfolgt damit im Sitzstaat des Leistungsempfängers im Rahmen des sog. Reverse-Charge-Verfahrens.

7.104

Zu beachten ist, dass es aufgrund der Abweichung zwischen dem Wortlaut des § 13b Abs. 7 UStG und Art. 192a MwStSystRL zu erheblichen Rechtsunsicherheiten und Steuerrisiken in Deutschland kommen kann, wenn ein leistender Unternehmer im Sitzstaat des Leistungsempfängers eine Betriebsstätte unterhält (vgl. Rz. 7.47 ff.).4

7.105

1 2 3 4

Vgl. § 14 Abs. 4 Satz 1 UStG i.V.m. § 14a UStG. Vgl. § 14a Abs. 5 Sätze 2 und 3 UStG. Vgl. § 18a Abs. 2 UStG. Prätzler, UStB 2010, 121 (126).

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Kap. 7: Geistiges Eigentum und Umsatzsteuer

Art. 192a MwStSystRL zufolge ist ein Steuerpflichtiger, der im Gebiet des Mitgliedstaates, in dem die Steuer geschuldet wird, über eine feste Niederlassung verfügt, bei Vorliegen zusätzlicher Voraussetzungen als nicht in diesem Mitgliedstaat ansässig anzusehen. Hingegen stellt § 13b Abs. 7 UStG für die Feststellung der Ansässigkeit im Ausland unter anderem darauf ab, ob ein Unternehmer in Deutschland eine Betriebsstätte unterhält. Zwar leiten sich für den Leistungsempfänger aus der irrtümlichen Anwendung des § 13b UStG keine negativen Rechtsfolgen ab, hingegen schuldet der leistende Unternehmer unabhängig von der Versteuerung durch den Leistungsempfänger im Reverse-Charge-Verfahren die auf seinen Umsatz entfallende Umsatzsteuer.1

7.106

Sollte sich der Sitz des Leistungsempfängers dagegen in einem Drittstaat befinden, befindet sich der Leistungsort nach deutschem Umsatzsteuerrecht ebenfalls in dem Sitzstaat des Leistungsempfängers. Allerdings findet hier grundsätzlich nicht das Reverse-Charge-Verfahren Anwendung, sofern das Umsatzsteuerrecht des dortigen Landes dieses nicht vorsieht. Auch die Erklärung der Umsätze in der Zusammenfassenden Meldung ist nicht erforderlich. Dem leistenden Unternehmer ist in diesen Fällen dringend anzuraten, seine umsatzsteuerlichen Pflichten im Drittstaat detaillierter zu untersuchen. Ggf. hat die Rechnungsstellung unter Ausweis von lokaler Umsatzsteuer zu erfolgen, woran sich dann administrative Pflichten in dem jeweiligen Land knüpfen würden.

7.107

Erfolgt die Übertragung, Einräumung und Wahrnehmung von geistigem Eigentum an Nicht-Unternehmer (B2C), deren Wohnsitz oder Sitz sich im Drittlandsgebiet befindet, wird diese Leistung nach deutschem Umsatzsteuerrecht als in diesem Land ausgeführt betrachtet.2 Der leistende Unternehmer sollte prüfen, welche Verpflichtungen sich daran für ihn in diesem Drittland knüpfen können. Daraus resultieren die Anforderungen an die Rechnungsstellung und das Besteuerungsverfahren. In Deutschland ist der Vorgang als nicht steuerbar zu erklären.

7.108

Sollte der nicht unternehmerische Leistungsempfänger seinen Wohnsitz oder Sitz im Inland oder in einem anderen EU-Mitgliedstaat haben, befindet sich der umsatzsteuerliche Leistungsort an dem Ort, von dem der Unternehmer sein Unternehmen betreibt. Sofern der Unternehmer sein Unternehmen im Inland betreibt, ist der Vorgang im Inland steuerbar und mangels Vorliegen von Steuerbefreiungsvorschriften auch steuerpflichtig. Die Rechnungsstellung hat unter Ausweis von deutscher Umsatzsteuer und gemäß den Anforderungen an eine ordnungsgemäße Rechnung i.S. des deutschen UStG zu erfolgen. Die Besteuerung erfolgt im „normalen“ Veranlagungsverfahren.

1 Prätzler, UStB 2010, 121 (123). 2 Vgl. § 3a Abs. 4 Satz 1, Satz 2 Nr. 1 UStG.

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§ 13b UStG (NettoNicht steuerbar im Rechnung unter Hin- Inland weis auf Übergang der Steuerschuld)

§ 13b UStG (NettoNicht steuerbar im Rechnung unter Hin- Inland weis auf Übergang der Steuerschuld) oder ggf. lokale Umsatzsteuer (d.h. nicht steuerbar im Inland)

Ausländischer Leistender bzw. ausländische Betriebsstätte (Drittstaat)

Netto-Rechnung unter Hinweis auf Übergang Steuerschuld; Zusammenfassende Meldung

Leistungsempfänger = ausländischer Unternehmer bzw. ausländische Betriebsstätte (EU)

Ausländischer Leistender bzw. ausländische Betriebsstätte (EU)

Leistender im In- Rechnung unter Ausland bzw. inländi- weis deutscher Umsche Betriebsstätte satzsteuer/Veranlagungsverfahren

Leistungsempfänger = inländischer Unternehmer bzw. inländische Betriebsstätte

Zusammengefasst ergibt sich folgende Darstellung:

Nicht steuerbar im Inland

Nicht steuerbar im Inland

Lokales Recht maßgebend; ggf. Ausweis lokaler Umsatzsteuer in der Rechnung

Leistungsempfänger = ausländischer Unternehmer bzw. ausländische Betriebsstätte (Drittstaat)

Nicht steuerbar im Inland

Nicht steuerbar im Inland

Sitz des leistenden Unternehmers = Inland; Rechnung mit deutscher Umsatzsteuer

Nicht steuerbar im Inland

Nicht steuerbar im Inland

Sitz des leistenden Unternehmers = Inland; Rechnung mit deutscher Umsatzsteuer

Leistungsempfänger Leistungsempfänger = inländischer Nicht- = ausländischer Unternehmer Nicht-Unternehmer (EU/Drittstaat)

F. Besteuerungsverfahren/Rechnungsstellung

7.109

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Kap. 7: Geistiges Eigentum und Umsatzsteuer

G. Besonderheiten im Konzern I. Allgemeine Anmerkungen 7.110

In einem Konzern schließen sich rechtlich selbständige Unternehmen unter Aufgabe ihrer wirtschaftlichen Selbständigkeit unter einer einheitlichen Leitung zusammen. Aus ertragsteuerlicher Perspektive stellt sich im Zusammenhang mit der grenzüberschreitenden Leistungserbringung an im Ausland ansässige nahestehende Personen die Frage nach der Behandlung einer steuerlich inakzeptablen Gewinnverlagerung in ein niedriger besteuerndes Ausland.1 Umsatzsteuerlich ist lediglich zu prüfen, ob der Steuerpflichtige im Rahmen seiner grenzüberschreitenden Geschäftsbeziehung zu der ihm nahestehenden Person steuerbare und steuerpflichtige Umsätze erzielt.2

7.111

Der noch in vielen Unternehmen verbreiteten Auffassung, Liefer- und Leistungsströme innerhalb eines Konzerns seien aus umsatzsteuerlicher Sicht unbeachtlich, kann nicht gefolgt werden. Vielmehr sind – wie ausgeführt – im Grundsatz alle Transaktionen im Konzernverbund separat einer umsatzsteuerlichen Untersuchung zu unterziehen. Besonderheiten können sich u.a. bei der etwaigen Anwendung der Mindestbemessungsgrundlage oder im Hinblick auf eine möglicherweise vorliegende Organschaftsstruktur ergeben.

7.112

Aufgrund der Neufassung des § 3a Abs. 2 UStG im Rahmen des Mehrwertsteuerpakets 2010 unterliegen seit dem 1.1.2010 im B2B-Geschäft nur noch solche Leistungen der deutschen Umsatzsteuer, die ein im Inland ansässiger Unternehmer bezieht. Soweit steuerpflichtige Leistungen von einem im Ausland ansässigen Unternehmer erbracht werden, geht die Steuerschuld im Zuge des Reverse-Charge-Verfahrens gemäß § 13b Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 UStG auf den Leistungsempfänger über.3 Die Übertragung, Einräumung und Wahrnehmung von Patenten, Urheberrechten, Markenrechten und ähnlichen Rechten, die ein in Deutschland ansässiger Unternehmer an einen im Ausland ansässigen unternehmerischen Leistungsempfänger erbringt, unterliegt somit nicht der deutschen Umsatzsteuer.

II. Organschaft 7.113

Aufgrund der Konzernstruktur kann eine umsatzsteuerliche Organschaft vorliegen.

1 Vögele/Borstell/Engler, Verrechnungspreise3, 739 f. 2 Sterzinger, DStR 2009, 1340. 3 Vögele/Borstell/Engler, Verrechnungspreise3, 745.

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G. Besonderheiten im Konzern

Eine Organschaft liegt gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG vor, wenn eine Organgesellschaft nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in das Unternehmen des Organträgers eingegliedert ist. Als Organgesellschaften kommen regelmäßig nur juristische Personen des Zivil- und Handelsrechts in Betracht. Organträger kann dagegen jeder Unternehmer sein.1 Eine finanzielle Eingliederung liegt vor, wenn der Organträger unmittelbar oder mittelbar die entscheidende Mehrheit an den Anteilen an der Organgesellschaft hält, die es ermöglicht, durch Mehrheitsbeschlüsse seinen Willen in der Organgesellschaft durchzusetzen. Diese Voraussetzung ist als erfüllt anzusehen, wenn bei Übereinstimmung der Beteiligungsverhältnisse mit den Stimmrechtsverhältnissen die Beteiligung mehr als 50 % beträgt, sofern keine höhere qualifizierte Mehrheit für die Beschlussfassung in der Organgesellschaft erforderlich ist. Wenn eine Kapital- oder Personengesellschaft nicht selbst an der Organgesellschaft beteiligt ist, reicht es für die finanzielle Eingliederung nicht aus, dass nur ein oder mehrere Gesellschafter auch mit Stimmenmehrheit an der Organgesellschaft beteiligt sind. Hier handelt es sich um gleich geordnete Schwestergesellschaften. Die fehlende eigene unmittelbare oder mittelbare Beteiligung der Gesellschaft kann auch nicht durch einen Beherrschungsvertrag und Gewinnabführungsvertrag ersetzt werden.2

7.114

Die wirtschaftliche Eingliederung der Organgesellschaft in das Unternehmen des Organträgers besteht, wenn die Organgesellschaft in einem engen wirtschaftlichen Zusammenhang mit dem Organträger nach dessen Willen tätig ist. Dieses ist anzunehmen, wenn zwischen dem Organträger und der Organgesellschaft aufgrund gegenseitiger Förderung und Ergänzung mehr als nur unerhebliche wirtschaftliche Beziehungen bestehen.3 In jedem Fall ist Voraussetzung, dass die Beteiligung an der Kapitalgesellschaft dem unternehmerischen Bereich des Anteilseigners zugeordnet werden kann. Wesentliche Bedeutung für die Beurteilung der wirtschaftlichen Verflechtung kommt dabei der Entstehungsgeschichte der Tochtergesellschaft zu.4

7.115

Eine organisatorische Eingliederung liegt vor, wenn der Organträger durch organisatorische Maßnahmen sicherstellt, dass in der Organgesellschaft sein Wille auch tatsächlich ausgeführt wird.5 Als Beispiel wird insbesondere die Personalunion in der Geschäftsführung der Gesellschaften angeführt. In diesem Zusammenhang haben zwei Urteile des BFH6 bei vielen

7.116

1 Abschn. 2.8 Abs. 2 Sätze 1 und 2 UStAE. 2 Abschn. 2.8 Abs. 5 UStAE unter Verweis auf BFH v. 1.12.2010 – XI R 43/08, BStBl. II 2011, 600; BFH v. 22.4.2010 – V R 9/09, BSBl II 2011, 597. 3 Abschn. 2.8 Abs. 6 Sätze 1 und 2 UStAE. 4 Abschn. 2.8 Abs. 6 Sätze 3 und 4 UStAE. 5 Abschn. 2.8 Abs. 7 Sätze 1 und 2 UStAE. 6 BFH v. 5.12.2007 – V R 26/06, BStBl. II 2008, 451; v. 3.4.2008 – V R 76/05, BStBl. II 2008, 905.

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Kap. 7: Geistiges Eigentum und Umsatzsteuer

Unternehmen für Unsicherheit gesorgt.1 Der BFH verneint darin einen „automatischen“ Rückschluss von der aktienrechtlichen Beherrschung auf das Vorliegen einer umsatzsteuerlichen Organschaft. Denn das Umsatzsteuerrecht definiere in § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG die Voraussetzungen der Organschaft eigenständig. Die aktienrechtliche Abhängigkeitsvermutung verlangt nur eine Mehrheitsbeteiligung, womit lediglich das Tatbestandsmerkmal der finanziellen Eingliederung belegt wird. Nach den Grundsätzen des deutschen Umsatzsteuerrechts kommt es aber daneben auch auf die wirtschaftliche und organisatorische Eingliederung an, die im Einzelfall gesondert zu überprüfen ist. Auch wenn die Ausführungen in den genannten Urteilen nicht – wie häufig zu hören war – als Änderung der Rechtsprechung zu deuten, sondern lediglich als klarstellend einzuordnen sind, ist davon auszugehen, dass die Finanzverwaltung mehr Augenmerk auf das Tatbestandsmerkmal „organisatorische“ Eingliederung bei der Überprüfung von Organschaftsgebilden legen wird.

7.117

Ob eine Organschaft vorliegt, ist nach dem Gesamtbild der Verhältnisse zu beurteilen. Es ist nicht erforderlich, dass alle drei Eingliederungsmerkmale gleichermaßen ausgeprägt sind. Eine Organschaft kann deshalb auch gegeben sein, wenn die Eingliederung auf einem dieser drei Gebiete nicht vollständig, dafür aber auf den anderen Gebieten umso eindeutiger ist.2 Ist nach dem Gesamtbild der Verhältnisse von einer Organschaft auszugehen, bewirkt dieses die Unterordnung der Organgesellschaft unter den sie wirtschaftlich beherrschenden Organträger.3 Die Organgesellschaft ist dann keine Unternehmerin, da sie ihre gewerbliche Tätigkeit nicht selbständig i.S. des § 2 Abs. 1 UStG ausübt (vgl. § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG). Die Wirkungen der Organschaft sind gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 2 UStG auf Innenleistungen zwischen den im Inland gelegenen Unternehmensteilen beschränkt. Hat der Organträger seinen Sitz nicht in Deutschland, unterhält hier aber eine Betriebsstätte, bildet die inländische Betriebsstätte mit weiteren, in Deutschland ansässigen Organgesellschaften einen Teil der umsatzsteuerlichen Organschaft. In diesen Fällen gilt gemäß § 2 Abs. 2 Satz 4 UStG der wirtschaftlich bedeutendste Unternehmensteil im Inland als Organträger.4

7.118

Die Organschaft ist gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 2 UStG auf das Inland beschränkt. Eine bei einer inländischen Konzernstruktur mögliche umsatzsteuerliche Organschaft und damit die Begründung eines einheitlichen Unternehmens scheidet daher aus, wenn ein verbundenes Unternehmen im Ausland ansässig ist. Bei grenzüberschreitenden Leistungen an im Ausland ansässige verbundene Unternehmen handelt es sich somit 1 2 3 4

Vgl. auch Abschn. 2.8 Abs. 7 Satz 5 UStAE. Abschn. 2.8 Abs. 1 Sätze 1 bis 3 UStAE. Klenk in Sölch/Ringleb, § 2 UStG Rz. 129. Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht, 981.

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G. Besonderheiten im Konzern

nicht um nicht steuerbare Innenumsätze, sondern um umsatzsteuerlich relevante Transaktionen. Leistungen, die die Organgesellschaften auf Grund zivilrechtlicher Vereinbarungen mit Dritten diesen gegenüber gegen Entgelt erbringen, werden umsatzsteuerlich dem Organträger zugerechnet, so dass nur Lieferungen und sonstige Leistungen des Organträgers im Rahmen von dessen Unternehmen vorliegen.1 Die Ausgangsrechnungen über dem Organträger zuzurechnende Leistungen der Organgesellschaften stellen sich umsatzsteuerlich als von dem Organträger ausgestellte Rechnungen dar, die für den Vorsteuerabzug anzuerkennen sind. Der Vorsteuerabzug aus Eingangsrechnungen ist innerhalb der Organschaft nur für den Organträger möglich, selbst wenn eine Organgesellschaft zivilrechtlich als Leistungsempfängerin anzusehen ist und die Rechnung auf sie ausgestellt wurde.2 Die Umsätze zwischen dem Organträger und den Organgesellschaften sind indes als nicht steuerbare Innenumsätze zu qualifizieren.3

7.119

Steuerschuldner der im Organkreis getätigten Umsätze ist stets der Organträger, der alle sich aus § 18 UStG ergebenden Pflichten für den gesamten Organkreis zu erfüllen hat. Er hat also in seinen UmsatzsteuerVoranmeldungen und -Jahreserklärungen sämtliche durch ihn sowie durch die Organgesellschaften getätigten Umsätze zu erklären.4

7.120

Im innergemeinschaftlichen Verkehr mit Gütern und Dienstleistungen ist die Organschaft allerdings nicht anzuerkennen. Organgesellschaften haben daher gesonderte Zusammenfassende Meldungen unter einer eigenen Umsatzsteuer-Identifikationsnummer einzureichen.5 Für die Übertragung, Einräumung und Wahrnehmung von Immaterialgüterrechten innerhalb eines Organkreises folgt hieraus, dass diese Leistungen als nicht steuerbare Innenumsätze anzusehen sind. Soweit diese Leistungen gegenüber Dritten oder im Ausland ansässigen Unternehmensteilen erbracht werden, sind jedoch die allgemeinen Grundsätze über die Bestimmung der Steuerbarkeit und Steuerpflicht anzuwenden. Beispiel: Musiker Meier komponiert in seinem Einzelunternehmen Musikstücke, die er der Meier Musik GmbH gegen Entgelt überlässt. Ferner gestattet Meier auch der Meier Musics Ltd. mit Sitz in Großbritannien die entgeltliche Nutzung der Musikstücke. Die Anteile der Meier Musik GmbH sowie die der Meier Musics Ltd. werden zu 100 % von Meier gehalten. Alleinvertretungsberechtigter Geschäftsführer der Meier Musik GmbH ist Meier, der zudem auch die Geschäfte der Meier Musics Ltd. führt. Das Hauptgeschäft der Meier Musik GmbH besteht im Vertrieb der von

1 2 3 4 5

Reiß in Reiß/Kraeusel/Langer, § 2 UStG Rz. 101. Reiß in Reiß/Kraeusel/Langer, § 2 UStG Rz. 101.5 ff. Klenk in Sölch/Ringleb, § 2 UStG Rz. 142. Klenk in Sölch/Ringleb, § 2 UStG Rz. 140 ff. Stadie in Rau/Dürrwächter, § 2 UStG Rz. 665.

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7.121

Kap. 7: Geistiges Eigentum und Umsatzsteuer

Meier komponierten Musikstücke auf Tonträgern in Deutschland. In Großbritannien wird der Vertrieb der Tonträger durch die Meier Musics Ltd. durchgeführt. Auf Anfrage eines französischen Kaufhauses veräußert die Meier Musik GmbH gelegentlich Tonträger, die sie nach Frankreich transportieren lässt. Lösung: Zwischen Komponist Meier und der Meier Musik GmbH besteht eine umsatzsteuerliche Organschaft, da die Meier Musik GmbH finanziell, organisatorisch und wirtschaftlich in das Unternehmen des Komponisten eingegliedert ist. Die Einräumung der Rechte an den Musikstücken für die Meier Musik GmbH stellt daher einen nicht steuerbaren Innenumsatz dar. Die Veräußerung der Tonträger durch die Meier Musik GmbH ist dem Organträger Meier zuzuordnen, der die Umsätze der Organgesellschaft in seinen UmsatzsteuerVoranmeldungen erfassen muss. Die Lieferungen an den französischen Kunden hat die Meier Musik GmbH allerdings unter ihrer eigenen Umsatzsteuer-Identifikationsnummer auszuführen; ebenso ist sie verpflichtet, selbständig eine Zusammenfassende Meldung abzugeben. Die Meier Musics Ltd. wird als ausländische Gesellschaft nicht von dem Organkreis erfasst. Die Nutzungsüberlassung durch Meier ist deshalb nicht als nicht steuerbarer Innenumsatz, sondern nach den allgemeinen Vorschriften des Umsatzsteuerrechts zu beurteilen.

7.122

Zu beachten ist, dass die beteiligten Parteien kein Wahlrecht haben, ob sie von einer Organschaft ausgehen oder nicht. Sofern die gesetzlich festgelegten Voraussetzungen erfüllt sind, liegt eine umsatzsteuerliche Organschaft vor und ihre umsatzsteuerlichen Folgen treten ein.

III. Mindestbemessungsgrundlage 7.123

Die Mindestbemessungsgrundlage des § 10 Abs. 5 UStG ist anzuwenden, wenn ein Unternehmer Lieferungen oder sonstige Leistungen an ihm nahe stehende Personen (Nr. 1) oder an sein Personal oder dessen Angehörige auf Grund des Dienstverhältnisses ausführt (Nr. 2). Ferner greift die Mindestbemessungsgrundlage auch dann, wenn eine Körperschaft oder Personenvereinigung i.S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1–5 KStG, nichtrechtsfähige Personenvereinigungen sowie Gemeinschaften im Rahmen ihres Unternehmens an ihre Anteilseigner, Gesellschafter, Mitglieder, Teilhaber oder diesen nahe stehende Personen Lieferungen oder sonstige Leistungen erbringen. In beiden Fällen ist zur Anwendung der Mindestbemessungsgrundlage zusätzlich erforderlich, dass die nach § 10 Abs. 4 UStG ermittelte Bemessungsgrundlage das Entgelt nach § 10 Abs. 1 UStG übersteigt. Die Mindestbemessungsgrundlage wird allerdings nicht angewendet, wenn das vereinbarte niedrigere Entgelt marktüblich ist.1

7.124

Nahe stehende Personen i.S. dieser Vorschrift sind zunächst die Angehörigen i.S. des § 15 AO. Ferner sind auch andere Personen als nahe stehende Personen anzusehen, wenn ein Anteilseigner, Gesellschafter usw. 1 Abschn. 10.7 Abs. 1 Satz 4 UStAE.

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G. Besonderheiten im Konzern

zu ihnen eine enge rechtliche, wirtschaftliche oder persönliche Beziehung hat.1 Die Umsatzsteuer gehört auch hier nicht zur Bemessungsgrundlage. Bei der Ermittlung der Ausgaben ist von den tatsächlichen Ausgaben auszugehen; Unternehmerlohn und abzugsfähige Vorsteuer gehören nicht zu den Ausgaben.2 Neben den tatsächlich angefallenen Ausgaben sind auch Aufwendungen für den laufenden Betrieb oder Unterhalt sowie die Anschaffungs- oder Herstellungskosten in die Bemessungsgrundlage einzubeziehen.3 Die umsatzsteuerliche Mindestbemessungsgrundlage findet Anwendung in den Fällen, in denen diese Ausgaben das vereinbarte Entgelt übersteigen.

7.125

Beispiel: Die Müller & Schulz GmbH überlässt die Nutzung eines Patents ihrem alleinigen Gesellschafter Richard Müller zu einem Entgelt von 120 Euro p.a. zu unternehmerischen Zwecken. Die Ausgaben, die der GmbH durch die Überlassung des Patents entstehen, betragen 1 200 Euro p.a. Lösung: Für die Besteuerung aus umsatzsteuerlicher Sicht ist der Betrag von 1 200 Euro als Bemessungsgrundlage heranzuziehen (§ 10 Abs. 5 Nr. 1 i.V.m. Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 UStG).

Die Mindestbemessungsgrundlage nach § 10 Abs. 5 Nr. 2 UStG findet keine Anwendung, wenn die Leistung des Unternehmers an sein Personal nicht zur Befriedigung persönlicher Bedürfnisse des Personals erfolgt, sondern durch betriebliche Erfordernisse bedingt ist, weil dann keine Leistung „auf Grund des Dienstverhältnisses“ vorliegt.4 Beispiel: Die Müller & Schulz GmbH organisiert für ihre Arbeitnehmer eine Sammelbeförderung zum Arbeitsplatz. Für die Arbeitnehmer besteht keine zumutbare Möglichkeit, die Müller & Schulz GmbH mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu erreichen. Lösung: Eine Leistung aufgrund des Dienstverhältnisses liegt vor, wenn Leistungen des Arbeitgebers zwar aus betrieblichem Anlass erfolgen, die Leistung jedoch den privaten Bedarf der Arbeitnehmer wie die Beförderung zwischen Wohnung und Arbeitsstätte befriedigt. Anders ist es, wenn besondere Umstände, nämlich das Fehlen geeigneter öffentlicher Verkehrsmittel, vorliegen, so dass die Beförderung durch betriebliche, nicht aber durch private Erfordernisse bedingt ist. Bei der Beförderung der Arbeitnehmer handelt es sich nicht um eine Leistung aufgrund des Dienstverhältnisses i.S. von § 10 Abs. 5 Nr. 2 UStG.5

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Abschn. 10.7 Abs. 1 Satz 2 UStAE. Lippross, Umsatzsteuer22, 715. Janzen in Lippross, Basiskommentar Steuerrecht, § 10 UStG Rz. 151 i.V.m. 127. Abschn. 10.7 Abs. 2 Satz 1 UStAE. Vgl. BFH v. 15.11.2007 – V R 15/06, BStBl. II 2009, 423.

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7.126

Kap. 7: Geistiges Eigentum und Umsatzsteuer

IV. Umsatzsteuer und Verrechnungspreise 7.127

Zu der Thematik Verrechnungspreise vgl. Kapitel 11. Internationale Verrechnungspreise sind im Rahmen der Globalisierung von Konzernaktivitäten zu immenser Bedeutung gelangt. Kern der ertragsteuerlichen Betrachtung ist die Frage, inwieweit nahestehende Personen durch die Gestaltung ihrer internationalen Geschäftsbeziehungen die Steuersubstrate der beteiligten Staaten unangemessen verschieben. Umsatzsteuerlich ist zu überprüfen, ob ein Unternehmer im Rahmen seiner Leistungen an ihm nahestehende Personen steuerbare und steuerpflichtige Leistungen erbringt.

7.128

Bei Leistungen zwischen Stammhaus und Betriebsstätte ist zunächst festzustellen, ob ein steuerbarer Leistungsaustausch vorliegt. Im Rahmen von Warenlieferungen kommt regelmäßig das Vorliegen eines steuerbaren innergemeinschaftlichen Verbringens in Betracht. Dienstleistungen zwischen einem in einem Mitgliedstaat ansässigen Stammhaus und einer Betriebsstätte in einem anderen Mitgliedstaat hingegen werden als nicht steuerbare Umsätze betrachtet, da ein Leistungsaustausch nur möglich ist, wenn zwischen dem leistenden Unternehmer und dem Leistungsempfänger ein Rechtsverhältnis besteht, in dessen Rahmen die Leistungen ausgetauscht werden. Solche Rechtsverhältnisse können aber nur zwischen zwei selbständigen Unternehmen bestehen, nicht aber zwischen einem Stammhaus und seiner Niederlassung.1 Beispiel: Ein in Deutschland ansässiges Stammhaus unterhält in Spanien ein Auslieferungslager, das dort die Kriterien einer umsatzsteuerlichen Betriebsstätte erfüllt. Das Stammhaus bestückt das Auslieferungslager monatlich mit Waren. Zudem erbringt das Stammhaus an die Betriebsstätte Managementleistungen, deren Kosten die Betriebsstätte trägt. Lösung: Das Verbringen eines Gegenstands zur eigenen Verfügung des Stammhauses gilt als entgeltliche Lieferung aus dem Inland in das übrige Gemeinschaftsgebiet (§ 3 Abs. 1a UStG), so dass das Stammhaus eine in Deutschland steuerbare Lieferung erbringt. Da das Stammhaus mit der Betriebsstätte ein einziges Unternehmen bildet, stellen die Managementleistungen nicht steuerbare Innenumsätze dar.

7.129

Erfolgen im Konzern unentgeltliche Zuwendungen von Unternehmensgegenständen, wird die Abgabe der Gegenstände gemäß § 10 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 UStG mit dem Einkaufspreis zuzüglich der Nebenkosten oder mit den Selbstkosten besteuert, soweit für die abgegebenen Gegenstände ein Vorsteuerabzug möglich war. Bei der unentgeltlichen Erbringung von Dienstleistungen unterliegen diese nur der Umsatzsteuer, wenn sie aus unternehmensfremden Grün1 Vgl. EuGH v. 23.3.2006 – Rs. C-210/04, UR 2006, 331.

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G. Besonderheiten im Konzern

den erbracht werden. Die unentgeltliche Erbringung von Leistungen aus unternehmerischen Gründen ist nicht steuerbar. Die Besteuerung erfolgt gemäß § 3f Satz 1 UStG in beiden Fällen an dem Ort, an dem das abgebende Unternehmen sein Unternehmen betreibt. Der Vorsteuerabzug aus besteuerten unentgeltlichen Abgaben ist nicht möglich. Eine umsatzsteuerliche Besonderheit stellt das Poolkonzept dar, bei dem sich international verbundene Unternehmen vertraglich zusammenschließen, um über einen längeren Zeitraum durch Zusammenwirken in einem Pool Leistungen im gemeinsamen Interesse zu erlangen und zu erbringen.1

7.130

Nehmen an dem Pool nur die beteiligten Unternehmen teil, d.h. beteiligt sich die Gemeinschaft weder am wirtschaftlichen Verkehr noch tritt sie nach außen in Erscheinung, handelt es sich um eine Innengemeinschaft, die kein Unternehmer i.S. des § 2 Abs. 1 UStG ist (sog. Aufwandspool). Ein steuerbarer Leistungsaustausch ist hier nur zwischen den am Pool beteiligten Unternehmen möglich.2 In einem Aufwandspool können alle denkbaren Leistungsarten unter den Teilnehmern verrechnet werden.3 Beispiel: An einem Forschungspool sind fünf Tochtergesellschaften eines internationalen Konzerns beteiligt. Die Forschung wird von allen Gesellschaften betrieben. Lösung: Der Aufwandspool ist eine reine Innengesellschaft und daher kein Unternehmer i.S. von § 2 Abs. 1 UStG. Mit der Erbringung des vertraglich festgelegten Arbeitsanteils führen die Poolmitglieder untereinander keine steuerbaren Umsätze aus.4 Dies insbesondere, da die Poolmitglieder i.d.R. Leistungen nicht deshalb ausführen, um eine ganz konkrete Gegenleistung von anderen Poolmitgliedern zu erhalten.5 Die beteiligten Unternehmen sind nicht im Rahmen eines Leistungsaustauschs tätig.

Können aber andere als die an dem Pool beteiligten Unternehmen Leistungen an den Pool erbringen und sie von ihm beziehen, liegt eine Außengesellschaft vor, die selbst Unternehmer ist, wenn sie in eigenem Namen und auf eigene Rechnung nachhaltig Umsätze gegen Entgelt erbringt (sog. Nachfragepool).6

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Sterzinger, DStR 2009, 1340 (1343). Janzen in Lippross, Basiskommentar Steuerrecht, § 1 UStG Rz. 63. Schuck/Baumunk, BB 2005, 2105. Vgl. EuGH v. 29.4.2004 – Rs. C-77/01, EuGHE 2004, 4319. Vgl. Schuck/Baumunk, BB 2005, 2105 (2107). Vögele/Borstell/Engler, Verrechnungspreise3, 751 f.

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Kap. 7: Geistiges Eigentum und Umsatzsteuer

Beispiel: Ein externer Dienstleister erbringt Forschungsleistungen an die im Pool vereinten Gesellschaften. Die Kosten werden im Rahmen einer Umlage von allen Gesellschaften gezahlt. Lösung: Der Nachfragepool ist keine Innengesellschaft, sondern Unternehmer i.S. von § 2 Abs. 1 UStG, da er gegenüber Dritten wirtschaftlich in Erscheinung tritt.

7.132

Grundsätzlich erfolgt die Besteuerung der Leistungen nach vereinbarten Entgelten. Die endgültige Besteuerung richtet sich jedoch nach dem Entgelt, das der Leistungsempfänger tatsächlich und endgültig für die Leistung aufgewendet hat. Weicht das vereinbarte Entgelt durch eine nachträgliche Korrektur der vereinbarten Verrechnungspreise ab, z.B. bei Korrekturen aufgrund von Betriebsprüfungen, Preisnachlässen oder Preisanpassungen, müssen Umsatzsteuer und Vorsteuer gemäß § 17 UStG berichtigt werden. Von besonderer Bedeutung sind hier die Jahresendanpassungen, bei denen in den Unternehmen die umsatzsteuerliche Anpassung in sehr vielen Fällen unterlassen wird.

7.133

Ein vielgenutztes Mittel, mit denen verbundene Unternehmen ihre Beziehungen zueinander gestalten, sind Konzernumlagen.1 In Konzernen werden bestimmte Leistungen, die für einzelne oder alle Konzerngesellschaften sinnvoll oder erforderlich sind, oftmals von zentralen Einheiten erbracht oder besorgt und an die anderen Einheiten weitergegeben. Eine Umlage ist dadurch charakterisiert, dass die Summe der Zahlungen aller an der Umlage Beteiligten zwar die Kosten decken soll, eine Zuordnung von Kosten auf einzelne Leistungen aber nicht stattfindet.2

7.134

Vor dem Hintergrund einer Vielzahl von Kostenverrechnungen und -weiterbelastungen innerhalb einer Unternehmensgruppe stehen viele Unternehmen vor der Herausforderung, diese Transaktionen umsatzsteuerlich korrekt einzuordnen. Nicht zwingend muss es sich bei Kostenerstattungen um ein Entgelt für eine bestimmte Leistung handeln. Sofern allerdings ein Leistungsaustauschverhältnis zu bejahen ist, finden die allgemeinen Grundsätze Anwendung (z.B. selbständige Leistungen, Leistungsbündel, Natur der Leistung). Das „Mehrwertsteuerpaket 2010“ hat hier zu einer deutlichen Vereinfachung der umsatzsteuerlichen Behandlung von sonstigen Leistungen geführt. Während bis 31.12.2009 ein Großteil der ausgeführten Leistungen unter die Generalklausel des § 3a Abs. 1 UStG a.F. zu subsumieren war (Folge: lokale Umsatzsteuer), ist nunmehr im B2B-Kontext in aller Regel netto zu fakturieren, da das ReverseCharge-Verfahren im Land des Leistungsempfängers Anwendung findet. Dies hat signifikante Cash-Flow-Vorteile innerhalb eines Konzerns zur Folge.

1 BMF v. 30.12.1999 – IV B 4 - S-1341 - 14/99, BStBl. I 1999, 1122. 2 Forster/Mühlbauer, DStR 2002, 1470.

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3. Teil: Geistiges Eigentum im internationalen Steuerrecht Kapitel 8 Geistiges Eigentum und beschränkte Steuerpflicht Literatur Amann, Dienstleistungen im internationalen Steuerrecht, München 1998; Basin, Anrechnung ausländischer Quellensteuer bei der Hinzurechnungsbesteuerung, München 2008; Beinert/Benecke, Änderungen der Unternehmensbesteuerung im Jahressteuergesetz 2009, Ubg 2009, 169; Birk, Steuerrecht, 13. Auflage, Heidelberg 2010; Blumers, DBA-Betriebsstätten-Zurechnungen in der jüngsten BFH-Rechtsprechung, DB 2008, 1765; Böhme, Die Besteuerung des Know-How, Berlin 1967; Bornheim, Einbeziehung ausländischer Grundstücksverkäufe in gewerblichen Grundstückshandel?, DStR 1998, 1773; Bron, Geänderte Besteuerung von gewerblichen Immobilieneinkünften beschränkt Steuerpflichtiger, DB 2009, 592; Coenen, Die isolierende Betrachtungsweise des § 49 Abs. 2 EStG, Dissertation Universität Münster, 2004; Cordewener, Europäische Vorgaben für die Verfahrensrechte von Steuerausländern – Formellrechtliche Implikationen der „Fokus Bank“-Entscheidung des EFTA-Gerichtshofs, IStR 2006, 158; Cordewener/Dörr, Die ertragsteuerliche Behandlung von Lizenzgebühren an ausländische Lizenzgeber: Grundzüge des deutschen Steuersystems (nationale und bilaterale Regelungen), GRUR Int 2005, 674; Cordewener/Dörr, Die ertragsteuerliche Behandlung von Lizenzgebühren an ausländische Lizenzgeber: Aktuelle Einflüsse des europäischen Gemeinschaftsrechts, GRUR Int 2006, 447; Cordewener/Grams/Molenaar, Neues aus Luxemburg zur Abzugsbesteuerung nach § 50a EStG – Erste Erkenntnisse aus dem EuGH-Urteil vom 3.10.2006 (C-290/04, „FKP Scorpio Konzertproduktionen GmbH“), IStR 2006, 739; Crezelius, Die isolierende Betrachtungsweise, insbesondere die grenzüberschreitende Betriebsaufspaltung, StVj. 1992, 322; Desens, Bindung der Finanzverwaltung an die Rechtsprechung – Bedingungen und Grenzen für Nichtanwendungserlasse, Habilitation, Tübingen 2010; Dörr, Inhalt und Wirkungen einer Steueranmeldung gemäß § 73e EStDV 1997 – Prüfungsmaßstab der Drittanfechtung durch den Vergütungsgläubiger, BB 2008, 599; Drüen, Inanspruchnahme Dritter für den Steuervollzug, DStJG 31 (2008), 167; Frotscher, Internationales Steuerrecht, 3. Aufl., München 2009; Früchtl, Betriebsstätteneinkünfte und Doppelbesteuerungsabkommen, BB 2008, 1212; Gläser, Handbuch der EU-Quellensteuer, Wien 2006; Gosch, Altes und Neues, Bekanntes und weniger Bekanntes zur sog. isolierenden Betrachtungsweise, Festschrift für Franz Wassermeyer, München 2005, 263; Gosch, Vielerlei Gleichheiten – Das Steuerrecht im Spannungsfeld von bilateralen, supranationalen und verfassungsrechtlichen Anforderungen, DStR 2007, 1553; Gosch, „Spielerleihe“ ist nicht steuerpflichtig, BFH/PR 2009, 375; Grams/Schön, Die Künstlerbesteuerung nach dem Referentenentwurf des BMF und dem Regierungsentwurf zum Jahressteuergesetz 2009, IStR 2008, 656; Großfeld/Luttermann, Rechtsfähigkeit und Qualifikation ausländischer Gesellschaften im Internationalen Steuerrecht, IPRax 1993, 229; Grotherr, International relevante Änderungen durch das Jahressteuergesetz 2009, IWB 2009/9 Fach 3, Gruppe 1, 2373; Haase, Internationales und Europäisches Steuerrecht, 3. Aufl., Heidelberg 2011; Haase, Die Privilegierung des Kulturaustauschs im nationalen und internationalen Steuerrecht, INF 2005, 389; Haase, Die Verpflichtung zum Steuerabzug nach § 50a Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG bei Outbound-Lizenzvergütungen, INF 2006, 741; Haase/Brändel, Steuerabzug bei Spielerleihe und Spielertransfer, IWB 2010, 795; Haase/Brändel, Funktionale Zuordnung von Kapitalgesellschaftsbeteiligungen – Quo vadis?, Ubg 2010, 859; Haase/Brändel, Überlegungen zur Theorie der betriebsstättenlosen

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Kap. 8: Geistiges Eigentum und beschränkte Steuerpflicht

Einkünfte, StuW 2011, 49; Hartmann, Neuregelung des Steuerabzugs bei Honorarzahlungen an beschränkt steuerpflichtige Künstler durch das JStG 2009, DB 2009, 197; Hendricks, § 49 Abs. 1 Nr. 2f EStG – Anwendungsbereich und Einkünfteermittlung, IStR 1997, 229; Holthaus, Geänderter Steuerabzug nach § 50a EStG ab 2009 – Großmaß an Entlastung und Vereinfachung mit kleinen Tücken, DStZ 2008, 741; Holthaus, Besteuerung ausländischer Künstler in der aktuellen deutschen Finanzamtspraxis – Wie könnte man Steine statt Brot verdauen?, IStR 2008, 95; Holthaus, Steuerfreistellung von ausländischen Künstlern und Sportlern nach dem JStG 2009, IWB 2009/4 Fach 3, Gruppe 3, 1531; Holthaus, Aktuelles zum Steuerabzug bei ausländischen Künstlern im öffentlich geförderten Bereich, ZKF 2010, 151; Holthaus, Besteuerung österreichischer und schweizerischer Künstler, Sportler und Dienstleistender nach dem Jahressteuergesetz 2009 in Deutschland, SWI 2010, 10; Huschke/Hartwig, Das geplante Jahressteuergesetz 2009: Auswirkungen auf Vermietungseinkünfte beschränkt steuerpflichtiger Kapitalgesellschaften, IStR 2008, 745; Jahn, JStG 2009 – Neuregelung des Steuerabzugs bei beschränkt Steuerpflichtigen nach § 50a EStG, PIStB 2009, 143; Jasper, Quellensteuer – Zinsen – Kapitalerträge, Neuwied 1989; Kahle/Schulz, Mögliche Neuregelungen des § 49 Abs. 1 EStG durch das JStG 2009, Stbg. 2008, 541; Kahle/Schulz, Besteuerung von Inbound-Investitionen – Ermittlung der inländischen Einkünfte und Durchführung der Besteuerung nach dem Jahressteuergesetz 2009, RIW 2009, 140; Kleineidam, Die abkommensrechtliche Behandlung von Erträgen aus Beteiligungen im ausländischen Betriebsstättenvermögen oder: Ist der Betriebsstättenvorbehalt gerechtfertigt?, IStR 2004, 2; Knoppe, Die Besteuerung der Lizenz- und Know-How-Verträge, 2. Aufl., Köln 1972; Köhler/Goebel/Schmidt, Neufassung des § 50a EStG durch das JStG 2009 – Ende einer Dauerbaustelle?, DStR 2010, 8; Kowallik, Steuerabzug nach § 50a Abs. 1 Nr. 3 EStG bei sog. gemischten Verträgen, IWB 2010, 48; Kröger, Forschungskosten, Erfindungen, Lizenzen und Know-how im Steuerrecht, Herne 1977; Kumpf/Roth, Inlandsbetriebsstätten ausländischer Medienunternehmer, DB 2000, 787; Leske, Quellen-Steuer, München 1989; Lindauer/Westphal, JStG 2009: Änderungen bei inländischen Vermietungseinkünften durch ausländische Kapitalgesellschaften, BB 2009, 420; Lüdicke, Missbrauchsbekämpfungs- und Steuerbereinigungsgesetz: Die Besteuerung gewerblicher Veräußerungsgewinne beschränkt Steuerpflichtiger, DB 1994, 952; Lüdicke, Neue Entwicklungen der Besteuerung von Personengesellschaften im internationalen Steuerrecht, StbJb. 1997/98, 449; Lüdicke, Doppelansässigkeit, Ansässigkeitswechsel und Progressionsvorbehalt, Festschrift für Lutz Fischer, Berlin 1999, 731; Lüdicke, Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002: Änderungen bei beschränkt Steuerpflichtigen – Erste Überlegungen zu inhaltlichen Zweifelsfragen und zu DBA-rechtlichen und europarechtlichen Problemen, IStR 1999, 193; Lüdicke, Unbeabsichtigte Auswirkungen des „Reverse Charge“-Verfahrens nach § 13b UStG auf den Steuerabzug nach § 50a EStG, IStR 2002, 18.; Lüdicke, Probleme der Besteuerung beschränkt Steuerpflichtiger im Inland, DStR 2008, Beihefter 17, 25; Maßbaum, Die beschränkte Steuerpflicht der Künstler und Berufssportler unter Berücksichtigung des Steuerabzugsverfahrens, Herne 1991; Melchior, Das Jahressteuergesetz 2009 im Überblick, DStR 2009, 4; Mensching, Neufassung des § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f EStG durch das Jahressteuergesetz 2009, DStR 2009, 96; Mössner, Isolierende Betrachtungsweise – Essay einer dogmatischen Klärung, Festschrift für Hans Flick, Köln 1997; Morgenthaler, Die „isolierte Betrachtungsweise“ im internationalen Einkommensteuerrecht, Festschrift für Norbert Krawitz, Wiesbaden 2010, 275; Müller, Zweifelsfragen bei der Anordnung des Steuerabzugs gem. § 50a Abs. 7 EStG, DB 1984, 2221; Rabe, Steuerliche Haftungsrisiken bei Inanspruchnahme ausländischer Satellitendienste?, RIW 1992, 135; Reith, Internationales Steuerrecht, München 2004; Roth, Zurechnung von Wirtschaftsgütern bei Betriebsstätten und Personengesellschaften, in: Lüdicke (Hrsg.), Zurechnung von Wirtschaftsgütern im Internationalen Steuerrecht, Köln 2000; Rüping, Anpassung des Steuerrechts an Recht und Rechtspre-

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A. Einführung

chung der Europäischen Union durch Änderung der §§ 50, 50a EStG im Entwurf des Jahressteuergesetzes 2009, IStR 2008, 575; Schauhoff, Inländische Einkünfte im Ausland wohnender Sportler, IStR 1993, 363; Schauhoff/Cordewener/Schlotter, Besteuerung ausländischer Künstler und Sportler in der EU, München 2008; Schauhoff/Idler, Endlich Rechtssicherheit bei der Besteuerung von Werbeverträgen mit beschränkt Steuerpflichtigen – Grundsatzurteil zum Quellensteuerabzug, IStR 2004, 706; Schauhoff/Idler, Änderung der BFH-Rechtsprechung zur Besteuerung von Werbeverträgen mit beschränkt Steuerpflichtigen, IStR 2008, 341; Schlotter, Konkurrenz von Steuerabzugstatbeständen in der beschränkten Steuerpflicht am Beispiel von Vergütungen für Fernsehübertragungsrechte an Sportveranstaltungen, FR 2010, 651; Schmidt/Heinz, Neues zur Betriebsstättenbesteuerung im Jahressteuergesetz 2009 – Unstimmigkeiten und Empfehlungen, IStR 2009, 43; Schnitger/Bildstein, Praxisfragen der Betriebsstättenbesteuerung, Ubg 2008, 444; Schnitger/Fischer, Einkünfteermittlung bei ausländischen grundstücksverwaltenden Kapitalgesellschaften und Gemeinschaftsrecht, DB 2007, 598; Schnittker, Steuersubjektqualifikation ausländischer hybrider Rechtsgebilde, StuW 1994, 39; Schnittker/Lemaitre, Steuersubjektqualifikation ausländischer Personen- und Kapitalgesellschaften anhand des Rechtstypenvergleichs: Welche Vergleichskriterien sind heranzuziehen?, GmbHR 2003, 1314; Schmidt-Hess, Beschränkte Steuerpflicht bei Rechteüberlassung durch den originären Inhaber des Rechts, IStR 2006, 690; Siebenhüter, Anmerkung zum BFH-Urteil vom 27.5.2009, EStB 2009, 308; Stewen, Europäisches Anerkennungsprinzip und deutscher Typenvergleich, FR 2007, 1047; Storck/Selent, Die Besteuerung inländischer Beteiligungen an ausländischen Mitunternehmerschaften im Ertragsteuerrecht, RIW 1980, 332; Strunk/Haase, AntiAvoidance Measures in German International Tax and Treaty Law: Basic Rules, Recent Developments, Perspectives in: BNA International [Hrsg.], Tax Planning and Anti-Avoidance Legislation; Tax Planning International: Special Report, London, September 2006, 19; Strunk/Kaminski, Aktuelle Entwicklungen bei der Besteuerung von ausländischen Betriebsstätten und Personengesellschaften in Abkommensfällen, IStR 2003, 181; Stumpf, Der Know-How-Vertrag, 2. Aufl., Heidelberg 1971; Suchanek/Herbst, Auslegungsfragen zum DBA-USA: Die Zuordnung von Beteiligungen zum Betriebsstättenvermögen, IStR 2007, 630; Töben/Lohbeck/ Fischer, Aktuelle steuerliche Fragen im Zusammenhang mit Inbound-Investitionen in deutsches Grundvermögen, FR 2009, 151; Wassermeyer, Gesetzliche Neuregelung der Vermietung inländischen Grundbesitzes in § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f EStG, IStR 2009, 238; Wassermeyer/Andresen/Ditz, Betriebsstätten-Handbuch, Köln 2006.

A. Einführung I. Vorbemerkung 1. Grundlagen Was die Art der Steuererhebung anbelangt, so wird die Technik des Quellensteuerabzugs im deutschen nationalen Ertragsteuerrecht in erster Linie in drei Fällen verwirklicht, nämlich beim Lohnsteuerabzug (§§ 38 ff. EStG), beim Kapitalertragsteuerabzug (§§ 43 ff. EStG) und beim Steuerabzug für Bauleistungen (§§ 48–48d EStG). Diese Tatbestände greifen im Grundsatz sowohl bei unbeschränkter als auch bei beschränkter Steuerpflicht ein, so dass es etwa für den Lohnsteuerabzug seitens eines inländiHaase

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8.1

Kap. 8: Geistiges Eigentum und beschränkte Steuerpflicht

schen (wirtschaftlichen1) Arbeitgebers zunächst einmal einerlei ist, ob der Arbeitnehmer im In- oder Ausland ansässig ist. Daneben gibt es Sondertatbestände, die auf den allgemeinen Vorschriften zum Steuerabzug aufbauen bzw. hierauf Bezug nehmen. Hierzu rechnet beispielsweise § 7 InvStG2, der Besonderheiten des Kapitalertragsteuerabzugs für Fondsanlagen regelt.

8.2

Die genannten Bestimmungen sind selbst den meisten steuerlichen Laien zumindest ein Begriff, was auch nicht weiter erstaunlich ist. Von der Lohnsteuer etwa sind sehr viele Steuerpflichtige betroffen, stellt sie doch seit Jahren die aufkommensstärkste Steuer dar.3 Auch die Kapitalertragsteuer ist eine Steuer, die eine hohe Praxisrelevanz aufweist. Dies gilt nicht nur bei den klassischen Anlageformen wie Festgeldkonten oder zinstragenden Wertpapieren, sondern auch und gerade im Bereich der Investmentfonds.4

8.3

Dass jedoch im Bereich der beschränkten Steuerpflicht z.B. eine Quellensteuerabzugsverpflichtung für denjenigen Steuerpflichtigen (das Gesetz nennt ihn Vergütungsschuldner) besteht, der einem anderen Steuerpflichtigen (das Gesetz nennt ihn Vergütungsgläubiger) Vergütungen für die Überlassung der Rechte aus einem Geschmacksmuster oder für die Überlassung von rechtlich nicht geschütztem Know-how zahlt, ist hingegen schon weniger bekannt. Im Hinblick auf Immaterialgüterrechte unterliegen beispielsweise weiterhin die an im Ausland lebende Künstler, Filmhersteller, Autoren, Komponisten, Übersetzer, usw. gezahlten Vergütungen der beschränkten deutschen Steuerpflicht und auch einem Quellensteuerabzug nach nationalem Recht (§ 50a EStG), sofern der Zahlung vertraglich eine Überlassung der Nutzung oder des Rechts auf Nutzung beispielsweise eines Urheberrechts zugrunde liegt.

8.4

Dieses Kapitel stellt daher mit der Vorschrift des § 50a EStG die Zentralnorm des deutschen nationalen Ertragsteuerrechts für den Quellensteuerabzug bei beschränkter Steuerpflicht insoweit vor, als sie für Erträge aus Immaterialgüterrechten von Bedeutung ist (zur abkommensrechtlichen Behandlung vgl. Rz. 8.1 ff. sowie zur gemeinschaftsrechtlichen Perspektive Rz. 9.1 ff. Dies betrifft insbesondere den praktisch extrem bedeutsamen Fall der (grenzüberschreitenden) Zahlung von Lizenzgebühren,5 was sowohl in großen Unternehmensgruppen und Konzernen (hier vor al1 § 38 Abs. 1 Satz 2 EStG. 2 Dazu neuerdings ausführlich Patzner/Wiese in Haase, Investmentsteuergesetz, Kommentierung zu § 7 InvStG. 3 Freilich ist die Lohnsteuer nur eine Erhebungsform der Einkommensteuer, in der jährlich vom BMF veröffentlichten Steuerspirale allerdings wird sie als eigener Posten ausgewiesen. 4 Rund 60 % aller deutschen Haushalte besitzen laut einer aktuellen, am 5.10. 2010 veröffentlichten Studie des Zentrums für europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) Investmentfonds. 5 Ausführlich Cordewener/Dörr, GRUR Int 2006, 447 und Cordewener/Dörr, GRUR Int 2005, 674.

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lem aufgrund der Überlassung von Markenrechten), im international tätigen Mittelstand (z.B. bei der Überlassung von Patenten) als auch bei natürlichen Personen (z.B. bei Künstlern, Ingenieuren oder Autoren) vorkommen kann. Erfasst von der Darstellung sind aufgrund der systematischen Fokussierung auf die beschränkte Steuerpflicht (zur unbeschränkten Steuerpflicht vgl. Rz. 4.1 ff.) nur jene Fälle, in denen der Vergütungsgläubiger im Fall einer natürlichen Person im Inland weder einen Wohnsitz, noch einen gewöhnlichen Aufenthalt (§ 1 Abs. 4 EStG), bzw. im Fall einer Körperschaft weder den (statutarischen) Sitz, noch den Ort der Geschäftsleitung (§ 2 KStG) im Inland hat. Der erforderliche Inlandsbezug wird dann zumeist über die Ansässigkeit des Vergütungsschuldners im Inland oder die Verwertung des jeweiligen Immaterialgüterrechts in einer inländischen Betriebsstätte hergestellt. Erläutert werden ferner die Grundlagen und Sondervorschriften der beschränkten Steuerpflicht (§ 49 EStG und § 50 EStG), soweit sie für das Verständnis der Technik des Quellensteuerabzugs interessant sind.

8.5

Fragen des Quellensteuerabzugs sind nicht nur für den zu betrachtenden Steuerpflichtigen von Relevanz, sondern aufgrund der flankierenden Haftungsvorschriften (§ 50a Abs. 5 Satz 4 EStG) auch für den inländischen Vergütungsschuldner.1 Naturgemäß liegt hier ein besonderes Augenmerk aber bei bestimmten Branchen, etwa bei Verlagshäusern, Sportvereinen, Schallplattenlabeln, Opern, Theatern oder Sendeanstalten, die international tätige und im Ausland ansässige Autoren, Sportler, Sänger oder Schauspieler verpflichten. Alles in allem jedoch gilt: Inländische Quellensteuern bei grenzüberschreitend gezahlten Vergütungen für die Überlassung von Immaterialgüterrechten greifen in einer Vielzahl bekannter und weniger bekannter Konstellationen ein und haben eine hohe praktische Bedeutung.

8.6

2. Begriff der Quellensteuer Der Begriff der „Quellensteuer“ wird, was das Ertragsteuerrecht anbelangt, in den deutschen Steuergesetzen nicht legaldefiniert. Im EStG findet der Begriff lediglich Erwähnung in der Überschrift zu § 50h EStG sowie in der „Absichtserklärung“ des § 51a Abs. 2e Satz 1 EStG. Ferner ist er in § 26 Abs. 6 Satz 4 und Satz 7 KStG, in § 34 Abs. 11c Satz 4 KStG, in 1 Daher ist ein Steuerabzug nach Verwaltungsauffassung „zur Vermeidung von Haftungsrisiken“ auch bereits dann vorzunehmen, wenn die beschränkte Steuerpflicht bzw. die Voraussetzungen für den Steuerabzug zweifelhaft sind, vgl. BMF v. 25.11.2010 – IV C 3-S 2303/09/10002, BStBl. I 2010, 1350 Rz. 10; vgl. auch § 73e Satz 6 EStDV, wonach der Vergütungsschuldner die Einbehaltung der Steuer nur dann unterlassen darf, wenn der Gläubiger durch eine Bescheinigung des nach den abgabenrechtlichen Vorschriften für die Besteuerung seines Einkommens zuständigen Finanzamts nachweist, dass er unbeschränkt steuerpflichtig ist.

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8.7

Kap. 8: Geistiges Eigentum und beschränkte Steuerpflicht

§ 5 Abs. 6 Satz 1 und Satz 3 FVG, in § 20 Abs. 4 Satz 2 REITG und in § 9 InvStG enthalten. I.d.R. wird das Wort „Quellensteuer“ in diesen Normen im Zusammenhang mit ausländischen Quellensteuern1 oder im allgemeinen Sprachgebrauch synonym für Kapitalertragsteuer2 gebraucht. Lediglich in § 51a Abs. 2e Satz 1 EStG und in § 20 Abs. 4 Satz 2 REITG sind explizit inländische Steuern, d.h. Quellensteuern angesprochen, die auf der Grundlage nationalen deutschen Steuerrechts erhoben werden.

8.8

Eine Definition des Begriffs der Quellensteuer sucht man vergebens, ebenso wie das deutsche Steuerrecht eine zusammenhängende gesetzliche Kodifizierung von Quellensteuern im Bereich der Ertragsteuern vermissen lässt. Vielmehr sind die Abzugsteuertatbestände, wie eingangs dargestellt, über die Einzelsteuergesetze (insbesondere das EStG) verstreut, vgl. §§ 38 ff. EStG, §§ 43 ff. EStG, §§ 48 ff. EStG.

8.9

Interessant, aber hinsichtlich der Begriffsklärung nicht weiterführend ist in diesem Zusammenhang IAS (International Accounting Standards) 12 65A: „Wenn ein Unternehmen Dividenden an seine Anteilseigner zahlt, dann kann es vorkommen, dass es erforderlich ist, einen Teil der Dividenden im Namen der Anteilseigner an die Steuerbehörden zu zahlen. In vielen Ländern wird diese Steuer als Quellensteuer bezeichnet.“. Dies ist zwar auch keine Definition, aber immerhin der Versuch einer Beschreibung von Quellensteuern (withholding taxes) in einem sehr speziellen Fall, nämlich für den Bereich der (nach deutschen Begrifflichkeiten) Kapitalertragsteuer.

8.10

Die deutsche Finanzverwaltung verwendet den Begriff der Quellensteuer beispielsweise in H 48 KStH, in H 34c (5) Satz 3 EStH sowie in den §§ 11, 13, 14, 15, 16 und 16a der Verordnung zur Umsetzung der Richtlinie 2003/48/EG3 des Rates vom 3.6.2003 im Bereich der Besteuerung von Zinserträgen (Zinsinformationsverordnung).4 Daneben findet er sich in jeweils unterschiedlichen Zusammenhängen in einer Vielzahl von BMFSchreiben, Verfügungen und Erlassen (z.B. in Tz. 12.3.2 AEAStG), ohne dass sich hier auch nur der Versuch einer Definition fände.

8.11

Aus den genannten Gesetzen und Verwaltungsanweisungen lässt sich aber der Eindruck gewinnen, als verstünden der deutsche Gesetzgeber und die deutsche Finanzverwaltung unter Quellensteuern in einem sehr weiten Verständnis all jene Steuern, die zulasten des Steuerpflichtigen von dritter Stelle (meist durch den Leistenden der steuerpflichtigen Bezü1 Hier stellt sich insbesondere die Frage nach der Anrechenbarkeit bzw. anderweitigen Nutzung der ausländischen Steuern im Inland, vgl. etwa für die §§ 7 ff. AStG Basin, Anrechnung ausländischer Quellensteuer bei der Hinzurechnungsbesteuerung. 2 Dazu etwa statt vieler Lindberg, Die neue Quellensteuer, 1989; Leske, QuellenSteuer; Jasper, Quellensteuer – Zinsen – Kapitalerträge. 3 ABl. EU 2003, Nr. L 157, 38. 4 Allgemein zu Quellensteuern innerhalb der EU Gläser, Handbuch der EU-Quellensteuer, passim.

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ge) einbehalten werden, so dass dem Steuerpflichtigen nur noch ein Nettobetrag zufließt. Nicht hingegen wird hinsichtlich des Begriffs danach differenziert, ob die Quellensteuer eine Abgeltungswirkung1 entfaltet oder ob es sich bei den zugrunde liegenden Einkünften um national oder grenzüberschreitend bezogene Einkünfte handelt. Auch der wirtschaftliche Sachverhalt, der der Besteuerung zugrunde liegt, ist insoweit unerheblich. Von Quellensteuern spricht man daher, auch international2, z.B. bei der Lohnsteuer ebenso wie im Bereich der Abzugsteuer auf grenzüberschreitende Lizenzgebührzahlungen. Auch in der deutschen (höchstrichterlichen) Rechtsprechung findet sich, soweit ersichtlich, keine umfassende Definition des Begriffs der Quellensteuer. Definitionsfragmente hingegen sind in einer Vielzahl von Einzelurteilen enthalten: Eine sehr schlichte und für sich genommen missverständliche, weil verkürzte Definition ausländischer Quellensteuern findet sich im BFH-Urteil v. 16.5.1990,3 in dem der BFH entschied, dass ausländische Quellensteuern zu den nicht abziehbaren Steuern nach § 10 Nr. 2 KStG rechnen. Aus dem Zusammenspiel des ersten Leitsatzes des Urteils mit den Urteilsgründen ergibt sich lediglich, dass der BFH unter ausländischen Quellensteuern „ausländische Steuern vom Einkommen“ versteht. Damit bliebe aber unberücksichtigt, dass es dem Wesen der Quellensteuer entspricht, dass gerade ein anderer als der Steuerpflichtige die Steuer für Rechnung und zulasten des Steuerpflichtigen einbehält und an die zuständigen Steuerbehörden abführt. Dass dies auch in dem genannten BFH-Urteil der Fall war, ergibt sich indes erst aus der Tatbestandsdarstellung der Vorinstanz.

8.12

Zusammenfassend lässt sich daher Folgendes festhalten: Der Begriff der Quellensteuer ist ein Terminus technicus allein des Internationalen Steuerrechts. Gemeint ist eine Besteuerung an der Quelle4 der jeweils betrachteten Einkünfte durch den sog. Quellen- oder Belegenheitsstaat und damit gerade nicht den Ansässigkeitsstaat des betrachteten Steuerpflichtigen. Der Ansässigkeitsstaat des Steuerpflichtigen ist hingegen mit der Vermeidung der Doppelbesteuerung befasst, die der Quellenstaat nicht vermeiden kann, will er nicht gänzlich auf eine Besteuerung verzichten. Bezieht beispielsweise der im A-Staat ansässige Steuerpflichtige X Lizenzgebühr-

8.13

1 Die sog. Abgeltungsteuer ist daher auch keine Quellensteuer. Sie ist überhaupt keine Steuer, sondern bezeichnet lediglich Sachverhalte, in denen die Kapitalertragsteuer definitiv wird. 2 Im internationalen Kontext freilich werden Quellensteuern teilweise auch bei Sachverhalten erhoben, in denen nach deutschem Recht eine Veranlagung stattfindet, z.B. bei Dienstleistungen (Beispiel: chinesische Business Tax), Liefergewinnen oder selbst bei Betriebsstättengewinnen (Beispiel: tansanische Branch Profit Tax). 3 BFH v. 16.5.1990 – I R 80/87, BStBl. II 1990, 920. 4 Den Begriff der Einkunftsquelle verwendet neuerdings erstmals wieder § 15b EStG. Vgl. andererseits aus früherer Zeit die noch aus dem preußischen EStG bekannte Quellentheorie (dazu Birk, Steuerrecht13, Rz. 20, 22, 601 und 611; ebenso Kaminski in Korn, § 2 EStG Rz. 18).

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zahlungen von einem im B-Staat ansässigen Steuerpflichtigen Y und verpflichtet der B-Staat den Y, auf die Lizenzgebührzahlungen eine Steuer von beispielsweise 20 % einzubehalten und abzuführen, so spricht man in der Terminologie des Internationalen Steuerrechts von einer Quellensteuer.

8.14

Ungeachtet der Tatsache aber, dass der Begriff „Quellensteuer“ in den oben genannten Gesetzesstellen Verwendung findet, ist er doch im herkömmlichen Sinne kein Begriff des deutschen nationalen Steuerrechts. Zum einen findet er sich lediglich in neueren Vorschriften, die erst ca. bis zu 10 Jahre alt sind, zum anderen benutzen die deutschen Steuergesetze traditionell den Begriff der „Abzugsteuer“1 bzw. des „Steuerabzugs“2, wie sich etwa aus den Überschriften vor den §§ 38, 43, 48 EStG bzw. bei § 50a EStG ergibt. Sachlich ergibt sich dadurch freilich kein Unterschied: Die Steuer wird von einem Dritten (meist dem Leistenden der steuerpflichtigen Bezüge) einbehalten und an den Steuerpflichtigen wird lediglich ein Nettobetrag ausgekehrt. Der Steuerpflichtige mag sich sodann in einem zweiten Schritt um eine Steuererstattung (im Quellenstaat) oder eine Steueranrechnung (in seinem Ansässigkeitsstaat) kümmern; jedenfalls ist seiner Steuerpflicht mit dem Steuereinbehalt Genüge getan, weil dieser i.d.R. eine abgeltende Wirkung entfaltet. 3. Zwecksetzung des Quellensteuerabzugs

8.15

Das nationale deutsche Steuerrecht kennt nur zwei Durchführungswege für die Steuererhebung, nämlich erstens die Veranlagung (Regelfall; § 25 Abs. 1 EStG, § 31 KStG) und zweitens die Abzugsbesteuerung (Ausnahme; z.B. § 50a EStG). Im ersten Fall ist vom Steuerpflichtigen zwingend eine Steuererklärung abzugeben, auf deren Basis die Steuer festgesetzt wird. Im zweiten Fall wird die Verpflichtung zum Einbehalt der Steuer auf einen Dritten überwälzt, eine ergänzende Steuererklärung ist dann nur im Ausnahmefall notwendig.3

8.16

Die Steuer bereits an der Einkunftsquelle durch einen sog. Quellensteuerabzug und nicht erst im Wege des Veranlagungsverfahrens zu erheben, hat für den Fiskus erhebliche Vorteile. Zum einen vereinfacht der Quellensteuerabzug (jedenfalls für den Fall der Abgeltungswirkung) das Besteuerungsverfahren erheblich4, und zum anderen wird gerade bei im Inland nicht präsenten5 beschränkt Steuerpflichtigen der Besteuerungs1 So z.B. BMF v. 20.5.2009 – IV B 5-S 2411/07/10021, BStBl. I 2009, 645. 2 So z.B. BMF v. 25.11.2010 – IV C 3-S 2303/09/10002, BStBl. I 2010, 1350. 3 Teilweise können diese Ausnahmen jedoch sehr umfassend sein, vgl. etwa für den Bereich des § 50a EStG die Zusammenstellung in BMF v. 25.11.2010 – IV C 3-S 2303/09/10002, BStBl. I 2010, 1350 Rz. 9. 4 Zum Vereinfachungsaspekt Haase, Internationales und Europäisches Steuerrecht3, Rz. 396. 5 Vgl. aufgrund der daraus resultierenden Risiken auch das Prüfungsrecht nach § 50b EStG.

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anspruch im Allgemeinen auf effiziente1 Weise sichergestellt. Dies gilt insbesondere, wenn der Quellensteuerabzug durch Haftungsvorschriften flankiert wird, wie es in § 50a Abs. 5 Satz 4 EStG geschehen ist.2 Rechtstechnisch stellt der Quellensteuerabzug nur eine Vorauszahlung auf die Einkommensteuer dar, denn die Steuerabzugsbeträge werden nach § 36 Abs. 2 Nr. 2 bzw. § 48c EStG auf die Einkommensteuer des Steuerpflichtigen angerechnet. Jede Art von Quellensteuer stellt damit in den Kategorien des deutschen Steuerrechts keine eigene oder neue Art einer Steuer i.S.d. § 3 Abs. 1 AO dar. Bei rein inländischen Sachverhalten wohnte der Erhebung der Quellensteuer zudem lange Zeit bis auf wenige Ausnahmen keine sog. Abgeltungswirkung inne. Anders verhält es sich seit dem VZ 2009 bei Einkünften gemäß § 20 EStG unter dem Regime der sog. Abgeltungsteuer (§ 32d EStG). Wenn der Steuerpflichtige bei Einkünften aus Kapitalvermögen (ggf. nach Günstigerprüfung) nicht zur Veranlagung optiert, findet insoweit eine Veranlagung nicht statt, und die Steuer gilt nach § 43 Abs. 5 Satz 1 Halbs. 1 EStG3 i.d.R. mit dem Steuerabzug als abgegolten.

8.17

II. Systematik der §§ 49 ff. EStG Scheidet die unbeschränkte Steuerpflicht bei der Prüfung eines grenzüberschreitenden Sachverhalts aufgrund des Nichtvorliegens ihrer Voraussetzungen für den oder die zu beurteilenden Beteiligten aus, ist in einem zweiten Schritt zu untersuchen, ob eine beschränkte Steuerpflicht in Betracht kommt. Wie bei der unbeschränkten Steuerpflicht ist diese Prüfung zunächst ungeachtet der Frage nach dem Bestehen oder Nichtbestehen eines DBA vorzunehmen (zur abkommensrechtlichen Behandlung in dem hier betrachteten Zusammenhang vgl. Rz. 9.1 ff.).

8.18

Das zentrale Tatbestandsmerkmal der beschränkten Steuerpflicht ist das Vorliegen sog. inländischer Einkünfte. Diese inländischen Einkünfte sind abschließend im Katalogtatbestand des § 49 Abs. 1 EStG (über § 8 Abs. 1 KStG auch für das KStG anwendbar) aufgezählt. Erst wenn anhand dessen sowie anhand der weiteren Voraussetzungen (für natürliche Personen z.B. kein inländischer Wohnsitz und kein inländischer Aufenthalt) über das Eingreifen der beschränkten Steuerpflicht entschieden wurde, stellt sich überhaupt die Frage nach der Quellenbesteuerung des § 50a EStG.

8.19

1 Ein Beleg für die Effizienz von Quellensteuern allgemein ist es, dass viele europäische Staaten in jüngerer Zeit breitflächig dazu übergegangen sind, eine abgeltende Quellensteuer auf Kapitalerträge einzuführen. Auch als klassische Steueroasen bekannte Staaten haben sich dem – als Alternative zum Informationsaustausch – angeschlossen, um dem international steigenden Verlangen nach mehr Transparenz nachzukommen. 2 Zur verfassungsrechtlichen Problematik der Steuererhebung durch Dritte, die nicht Beteiligte des Steuerverwaltungsverfahrens sind, vgl. BVerfG v. 16.3.1971 – 2 BvL 17/69, BVerfGE 30, 392; grundlegend Drüen, DStJG 31 (2008), 167. 3 Für Körperschaften gilt § 32 Abs. 1 Nr. 2 KStG mit den Ausnahmen des § 32 Abs. 2 KStG.

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Kap. 8: Geistiges Eigentum und beschränkte Steuerpflicht

8.20

Die Systematik des Gesetzes ist so aufgebaut, dass der Steuerabzug nach § 50a Abs. 1 EStG stets eine beschränkte Steuerpflicht i.S. der §§ 1 Abs. 4, 49 EStG bzw. § 2 Nr. 1 KStG voraussetzt. § 50a EStG begründet keinen eigenen Besteuerungstatbestand, sondern verhält sich als reine Verfahrensvorschrift strictissime akzessorisch zu § 49 EStG.1 Fällt ein bestimmter Sachverhalt nicht unter einen der Tatbestände des § 49 EStG, ist kein Quellensteuerabzug vorzunehmen, selbst wenn der Sachverhalt theoretisch dem Wortlaut nach unter § 50a EStG subsumiert werden könnte.2

B. Relevante Tatbestände der beschränkten Steuerpflicht I. Voraussetzungen der beschränkten Steuerpflicht 8.21

Beschränkt steuerpflichtige Steuerausländer dürfen als natürliche Personen im Inland weder einen Wohnsitz, noch einen gewöhnlichen Aufenthalt haben, § 1 Abs. 4 EStG. Für beschränkt steuerpflichtige Körperschaften bestimmt § 2 Nr. 1 KStG, dass im Inland weder der Sitz noch der Ort der Geschäftsleitung dieser Körperschaft belegen sein darf. Hinsichtlich der Bedeutung der Begriffe Wohnsitz (§ 8 AO), gewöhnlicher Aufenthalt (§ 10 AO), Sitz (§ 11 AO) und Ort der Geschäftsleitung (§ 12 AO) wird auf die allgemeinen Kommentierungen, Schriften und Aufsätze verwiesen. Zum Erfordernis der inländischen Einkünfte nachstehend.

II. Inländische Einkünfte 1. Überblick

8.22

Natürliche Personen ohne Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland sind nach § 1 Abs. 4 EStG beschränkt steuerpflichtig, wenn sie inländische Einkünfte i.S. des § 49 EStG haben. § 1 Abs. 4 EStG ist so zu lesen, dass die natürlichen Personen ausschließlich mit ihren inländischen Einkünften beschränkt steuerpflichtig sind.3 Liegen keine inländischen Einkünfte vor, kommt eine beschränkte Steuerpflicht nicht in Betracht, und zwar im Grundsatz unabhängig davon, was in einem etwaig bestehenden DBA oder anderen völkerrechtlichen Vereinbarungen geregelt ist.4

8.23

Zu beachten ist, dass zunächst die Tatbestandsmerkmale der §§ 13 ff. EStG erfüllt sein müssen, bevor in die Prüfung eingetreten werden kann, 1 Loschelder in Schmidt30, § 49 EStG Rz. 3. 2 Statt vieler Wied in Blümich, § 50a EStG Rz. 6. 3 Allgemein zum Reformbedarf bei der beschränkten Steuerpflicht Lüdicke, DStR 2008, Beihefter 17, 25. 4 Zur abkommensrechtlichen Behandlung in dem hier betrachteten Zusammenhang vgl. Rz. 9.1 ff.

432

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B. Relevante Tatbestände der beschränkten Steuerpflicht

ob inländische („inlandsradizierte“) Einkünfte vorliegen.1 Bei den Verweisungen in § 49 EStG handelt es sich demgemäß um Rechtsgrundverweisungen, denn der Katalog der Einkunftsarten des § 2 Abs. 1 Satz 1 EStG wird durch § 49 EStG nicht erweitert.2 § 49 EStG hat insoweit keine konstitutive Bedeutung.3 Eine Erweiterung findet nur insoweit statt, als die inländischen Einkünfte von den übrigen Einkünften abzugrenzen sind.4 2. Funktion der inländischen Einkünfte a) Inlandsbezug Das Vorliegen inländischer Einkünfte ist das zentrale Tatbestandsmerkmal der beschränkten Steuerpflicht. Der einschlägige Katalogtatbestand des § 49 EStG ist abschließend und besonders sorgfältig zu prüfen, weil die Bundesrepublik Deutschland hierüber ihren Besteuerungsanspruch gegenüber anderen Staaten rechtfertigt (Herstellung des gebotenen Inlandsbezugs).5 Der beschränkten Steuerpflicht im Inland wird nämlich regelmäßig eine unbeschränkte Steuerpflicht des Steuerpflichtigen in einem anderen Staat gegenüber stehen, so dass für die Besteuerung ein besonderer Inlandsbezug gegeben sein muss, damit die Besteuerung nicht gegen allgemeines Völkerrecht verstößt.6

8.24

Das Tatbestandsmerkmal der inländischen Einkünfte wirkt bei der beschränkten Steuerpflicht doppelfunktional: Seine Erfüllung ist zunächst Voraussetzung für das Vorliegen einer persönlichen Steuerpflicht. Zugleich wird über dieses Merkmal der Umfang der sachlichen Steuerpflicht festgelegt.7 Eine klare Trennung zwischen Steuersubjekt und Steuerobjekt ist somit nicht möglich.8

8.25

Der besondere Inlandsbezug wird in § 49 EStG auf ganz unterschiedliche Weisen verwirklicht. Den einzelnen Tatbeständen liegen international anerkannte Anknüpfungspunkte für die Besteuerung zugrunde, die sich wie folgt systematisieren9 lassen: Für Einkünfte aus Land- und Forstwirt-

8.26

1 BFH v. 20.2.1974 – I R 217/71, BStBl. II 1974, 511; v. 12.11.1986 – I R 192/85, BStBl. II 1987, 383; Loschelder in Schmidt30, § 49 EStG Rz. 3; Gosch in FS Wassermeyer, 263 (268). 2 Statt vieler Wied in Blümich, § 50a EStG Rz. 6; Loschelder in Schmidt30, § 49 EStG Rz. 3; Gosch in FS Wassermeyer, 263 (268); Mössner in FS Flick, 939 (948). 3 Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 5.127. 4 BFH v. 24.2.1988 – I R 95/84, BStBl. II 1988, 663; ebenso BFH v. 13.12.1989 – I R 25/86, BStBl. II 1989, 1056. 5 BFH v. 18.12.1963 – I 230/61 S, BStBl. III 1964, 253. 6 Zum „genuine link“-Erfordernis Haase, Internationales und Europäisches Steuerrecht3, Rz. 18 sowie ausführlich Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 3.13 m.w.N. 7 Dazu Mössner in FS Flick, 939 (948 f.). 8 Treffend Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 5.99. 9 Kritik daran (mangels einer einheitlichen gesetzgeberischen Wertung) u.a. bei Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 5.128 sowie bei Lüdicke, DStR 2008, Beihefter 17, 27.

Haase

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Kap. 8: Geistiges Eigentum und beschränkte Steuerpflicht

schaft (§ 49 Abs. 1 Nr. 1 EStG) und Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung (§ 49 Abs. 1 Nr. 6 EStG) beispielsweise gilt das Belegenheitsprinzip, während bei der Besteuerung von Einkünften aus Gewerbebetrieb (§ 49 Abs. 1 N. 2 EStG) weitgehend das Betriebsstättenprinzip verwirklicht ist. Die Besteuerung von Einkünften aus selbstständiger Arbeit (§ 49 Abs. 1 Nr. 3 EStG) und aus nichtselbstständiger Arbeit (§ 49 Abs. 1 Nr. 4 EStG) ist am Ort der Tätigkeit oder der Verwertung der Arbeit orientiert, und die Besteuerung von Einkünften aus Kapitalvermögen (§ 49 Abs. 1 Nr. 5 EStG) folgt im Grundsatz dem Quellenprinzip.

8.27

Insgesamt gewinnt die beschränkte Steuerpflicht, ähnlich der Gewerbesteuer, aufgrund dieser Anknüpfungspunkte sowie aufgrund der Tatsache, dass persönliche Verhältnisse des Steuerpflichtigen weitgehend außer Betracht gelassen werden, einen objektsteuerähnlichen Charakter1, die dem der beschränkten Steuerpflicht zugrunde liegenden Territorialitätsprinzip Rechnung trägt. Letztlich wird in allen vorgenannten Fällen eine inländische Einkunftsquelle verlangt. b) Notwendige Lückenhaftigkeit

8.28

Der Katalog des § 49 EStG ist daher notwendig lückenhaft. Besonders deutlich wird dies bei § 49 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. c Doppelbuchst. aa EStG.2 Anders als bei § 20 Abs. 1 Nr. 5 und 7 EStG unterliegen beispielsweise gewöhnliche Darlehenszinsen nur der beschränkten Steuerpflicht, wenn das Kapitalvermögen durch inländischen Grundbesitz und damit dinglich besichert ist. Auch im Bereich der gewerblichen Einkünfte bestehen erhebliche Lücken, so etwa bei Dienstleistungen, die von Steuerausländern im Inland erbracht werden, ohne dass eine inländische Betriebsstätte begründet wird.3 c) Inländische versus ausländische Einkünfte

8.29

Zu beachten ist, dass sich die Katalogtatbestände der §§ 34d und 49 EStG nicht in allen Einzelheiten entsprechen. Sie sind auch nicht in Abgrenzung zueinander definiert.4 § 49 EStG ist zumindest wesentlich detaillierter ausgestaltet als § 34d EStG, weil er eine grundlegend andere Funktion erfüllt. Über § 49 EStG kann die Bundesrepublik Deutschland ihren Besteuerungsanspruch gegenüber anderen Staaten ausdehnen, während ihr über eine großzügigere Definition ausländischer Einkünfte Besteuerungssubstrat verloren ginge, weil über § 34c EStG auf diese Weise die Steuer1 So BFH v. 28.1.2005 – I R 73/02, BStBl. II 2005, 550. 2 Kritik an weiteren Besteuerungslücken insbesondere bei Einkünften aus Gewerbebetrieb bei Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 5.129 und mit weiteren Beispielen in Rz. 5.140. 3 Zu neueren Entwicklungen bei Dienstleistungsbetriebsstätten im internationalen Kontext vgl. Haase in Haase, AStG/DBA, Art. 5 OECD-MA Rz. 41 ff. 4 Zutreffend Lüdicke in FS Fischer, 731 (736).

434

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B. Relevante Tatbestände der beschränkten Steuerpflicht

anrechnungsmöglichkeiten erweitert würden.1 Ob sich die Ansicht von Wied2, die Vorschrift des § 34d EStG ginge in ihrer Reichweite zum Zweck der Vermeidung oder Milderung der Doppelbesteuerung über § 49 EStG hinaus, noch halten lässt, darf jedenfalls bezweifelt werden. Jedenfalls ist § 49 EStG im Laufe der Zeit durch den Gesetzgeber immer weiter ausgedehnt worden.3 d) Rangfolge Wie bei § 34d EStG hat der Gesetzgeber auch im Rahmen des § 49 EStG einen Vorrang bestimmter Einkunftsarten angeordnet, der sich entweder aus der jeweiligen Vorschrift selbst oder der allgemeinen Gesetzessystematik ergibt. So geht beispielsweise § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG den Buchst. b–d sowie f und g der Vorschrift vor. Zugleich wird etwa in § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. d EStG der Vorrang der Nr. 3 und 4 des § 49 EStG angeordnet, und schließlich fungieren § 49 Abs. 1 Nr. 9 und 10 EStG als Auffangvorschriften.4 Zusätzlich gelten – wie bei rein inländischen Sachverhalten – die allgemeinen Regeln der §§ 20 Abs. 8, 21 Abs. 3, 22 Nr. 3 und 23 Abs. 2 Satz 1 EStG (Subsidiarität der Überschusseinkünfte), sofern sie nicht durch die isolierende Betrachtungsweise nach § 49 Abs. 2 EStG suspendiert werden. Außerhalb dieser Regeln schließen sich die einzelnen Tatbestände des § 49 EStG gegenseitig aus.5

8.30

e) Zivilrechtliche Begriffsbestimmungen Im Katalog der inländischen Einkünfte des § 49 Abs. 1 EStG werden in Bezug auf Erträge aus Immaterialgüterrechten Begriffe verwendet, die dort entweder gar nicht oder nur teilweise definiert bzw. erläutert werden. Lediglich in § 73a Abs. 2 und 3 EStDV finden sich Definitionen von Urheberrechten und anderen gewerblichen Schutzrechten (vgl. dazu die Ausführungen jeweils bei den einzelnen Einkunftsarten i.S. des § 49 Abs. 1 EStG). Dadurch gibt der Gesetzgeber zu erkennen, dass die im Katalog der inländischen Einkünfte des § 49 Abs. 1 EStG in Bezug auf Erträge aus Immaterialgüterrechten verwendeten Begriffe streng zivilrechtlich zu verstehen sind.

1 Dazu speziell für den Betriebsstättenfall des § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG auch Haase in Haase, AStG/DBA, Art. 5 OECD-MA Rz. 2. 2 In Blümich, § 49 EStG Rz. 27. 3 So auch Lüdicke, DStR 2008, Beihefter 17, 25 und 27. 4 Zur Funktion der Auffangvorschrift Strunk in Korn, § 49 EStG Rz. 227. 5 Vgl. allgemein auch Wied in Blümich, § 49 EStG Rz. 34.

Haase

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435

8.31

Kap. 8: Geistiges Eigentum und beschränkte Steuerpflicht

3. Abschließender Katalogtatbestand (§ 49 Abs. 1 EStG) a) § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG aa) Funktion (1) Allgemeines

8.32

Einkünfte aus Gewerbebetrieb (§ 15 EStG) sind im Rahmen des enumerativen Katalogs des § 2 Abs. 2 Satz 1 EStG die zentrale Einkunftsart.1 Dies zeigt sich auch an der systematischen Stellung der gewerblichen Einkünfte im Rahmen der beschränkten Steuerpflicht, weil die Einkünfte gemäß § 49 Abs. 1 Nr. 2 EStG, wie soeben dargestellt und sich aus der Gesetzessystematik ergebend, den anderen Nummern des Tatbestands vorgehen.

8.33

Vor diesem Hintergrund ist die Betriebsstätte (§ 12 AO) im nationalen deutschen Steuerrecht der wichtigste steuerliche Anknüpfungspunkt für gewerbliche Einkünfte (Verwirklichung des Betriebsstättenprinzips2). Dies gilt insbesondere für den hier interessierenden Inbound-Fall (Steuerausländer mit inländischer Betriebsstätte), weil dann primär das Vorliegen oder Nichtvorliegen einer Betriebsstätte über das Vorliegen oder Nichtvorliegen inländischer gewerblicher Einkünfte i.S. des § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG entscheidet. Und schließlich gilt dies auch für Dreieckssachverhalte mit Inlandsbezug (Steuerausländer mit inländischer Betriebsstätte, der steuerlich Einkünfte aus einem weiteren Staat zugerechnet werden), wie die Regelung des § 50 Abs. 3 EStG verdeutlicht. In allen genannten Fällen gilt, dass die Begründung der beschränkten Steuerpflicht nach § 138 Abs. 1 AO anzeigepflichtig ist. (2) Relevanz für Erträge aus geistigem Eigentum

8.34

Im Hinblick auf Erträge aus Immaterialgüterrechten kommt § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG immer dann zum Tragen, wenn der betrachtete Steuerausländer (der beschränkt Steuerpflichtige) gewerbliche Einkünfte i.S. des § 15 EStG erzielt (etwa Kapitalgesellschaften, Einzelgewerbetreibende oder die Gesellschafter gewerblicher bzw. gewerblich geprägter oder infizierter Personengesellschaften) und für den Gewerbebetrieb im Inland eine Betriebsstätte i.S. des § 12 AO unterhalten wird bzw. ein ständiger Vertreter i.S. des § 13 AO bestellt ist. Sodann muss als weitere Voraussetzung hinzukommen, dass in dieser Betriebsstätte bzw. über diese Betriebsstätte oder über diesen ständigen Vertreter Vergütungen für Immaterialgüterrechte vereinnahmt werden.3 Der Hauptanwendungsfall der 1 Enger mit Eingrenzung auf den gewerblichen Bereich Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 5.141. 2 Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 5.141; speziell zu den Änderungen im Bereich der Betriebsstättenbesteuerung durch das JStG 2009 Schmidt/ Heinz, IStR 2009, 43 und Beinert/Benecke, Ubg 2009, 169. 3 Im Unterschied etwa zu § 49 Abs. 1 Nr. 6 und 9 EStG ist hier die Vereinnahmung von Lizenzgebühren in einer inländischen Betriebsstätte erforderlich, aber auch ausreichend; vgl. auch zu den systematisch kaum begründbaren unter-

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B. Relevante Tatbestände der beschränkten Steuerpflicht

Praxis betrifft Lizenzgebühren, die von einer inländischen Betriebsstätte vereinnahmt werden, so dass der ständige Vertreter nachstehend nur kursorisch Erwähnung findet. bb) Steuerliche Anknüpfungspunkte (1) Ausgangspunkt § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG nennt die Betriebsstätte und den ständigen Vertreter als Anknüpfungspunkte für die Begründung der beschränkten Steuerpflicht in Bezug auf gewerbliche Einkünfte. Beide Begriffe (vor allem die Betriebsstätte) sind zentral für das deutsche internationale Steuerrecht. Auf die einschlägigen Kommentierungen wird verwiesen, so dass im Folgenden nur die Grundzüge erläutert werden. Dies gilt auch deshalb, weil die Erträge aus Immaterialgüterrechten, die in einer inländischen Betriebsstätte erzielt werden, sich in ihrer steuerlichen Behandlung nicht von anderen gewerblichen Einkünften unterscheiden, die in einer inländischen Betriebsstätte erzielt werden. In Bezug auf Erträge aus Immaterialgüterrechten weist daher § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG keine steuerlichen Besonderheiten auf.

8.35

(2) Betriebsstätte (§ 12 AO) Für das nationale Ertragsteuerrecht gilt allein die Betriebsstättendefinition des § 12 AO. Das abweichende Betriebsstättenverständnis im Rahmen der §§ 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 61, 41 Abs. 2 EStG ist nicht entscheidend und trägt allein der Besonderheit der dort geregelten Einzelfälle Rechnung. Die Grundregel für die Betriebsstätte findet sich in § 12 Satz 1 AO. Danach ist unter einer Betriebsstätte jede feste Geschäftseinrichtung oder Anlage zu verstehen, die der Tätigkeit eines Unternehmens dient. Im Satz 2 der Norm folgen sodann Regelbeispiele, in denen das Gesetz ohne weiteres von einer Betriebsstätte ausgeht. Aus dem Wort „insbesondere“ ist aber ersichtlich, dass dieser Betriebsstättenkanon nicht abschließend ist. Auch andere als die explizit im Satz 2 genannten Geschäftseinrichtungen können Betriebsstätten sein.

8.36

Umgekehrt stellen die Regelbeispiele zuweilen Voraussetzungen für eine Betriebsstätte auf, die in § 12 Satz 1 AO nicht genannt sind (die 6-MonatsFrist des § 12 Satz 2 Nr. 8 AO etwa findet sich im Satz 1 der Norm nicht wieder). Und schließlich nehmen die Regelbeispiele die Anforderungen an eine Betriebsstätte gegenüber § 12 Satz 1 AO manchmal auch zurück (§ 12 Satz 2 Nr. 8 AO verzichtet offensichtlich auf eine feste Geschäftseinrichtung oder Anlage: „… örtlich fortschreitende oder schwimmende …“).

8.37

schiedlichen Anknüpfungspunkten in § 49 Abs. 1 Nr. 6 und 9 EStG kritisch Lüdicke, DStR 2008, Beihefter 17, 27. 1 BFH v. 13.7.1989 – IV R 55/88, BStBl. II 1990, 23.

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Kap. 8: Geistiges Eigentum und beschränkte Steuerpflicht

8.38

Das Zusammenspiel von Satz 1 und Satz 2 des § 12 AO1 ist dahingehend zu verstehen, dass jede Prüfung, ob eine Betriebsstätte vorliegt, mit dem Grundsatz des § 12 Satz 1 AO zu beginnen hat. Im Rahmen der Auslegung dieser Norm gewinnen die Regelbeispiele des Satzes 2 eine indizielle Bedeutung. Es müssen daher im Einzelfall auch nicht sämtliche Tatbestandsmerkmale des Satzes 1 erfüllt sein, solange ausdrücklich ein Anwendungsfall des Satzes 2 gegeben ist. Innerhalb des Satzes 2 wiederum sind die tatbestandlichen Erweiterungen etwa der Nr. 8 auch auf andere Regelbeispiele übertragbar.2 Die Beurteilung von Betriebsstätten seitens der Finanzverwaltung nebst den damit zusammenhängenden praktischen Problemen ist im Betriebsstättenerlass3 niedergelegt.

8.39

Für eine Betriebsstätte ist ein Mindestmaß an sachlichem Substrat erforderlich, weil sonst kein hinreichender steuerlicher Anknüpfungspunkt besteht. Dieses sachliche Substrat wird i.d.R. durch eine Geschäftseinrichtung oder Anlage begründet. Unter einer Geschäftseinrichtung ist jeder körperliche Gegenstand (Sachen i.S. des § 90 BGB) und jede Bündelung von Sachen (sog. Sachgesamtheit) zu verstehen, die bestimmt und geeignet sind, die Grundlage für eine Unternehmenstätigkeit zu bilden.4 Die Geschäftseinrichtung muss keinen besonderen baulichen Vorgaben entsprechen. Sie kann überirdisch oder unterirdisch angesiedelt sein, eine vollständige räumliche Umschlossenheit wird nicht gefordert. Auch Personal ist keine Voraussetzung.5 Daher sind neben ganzen Fabrikationsstätten und Gebäuden auch einzelne Zimmer, Zelte, Bau- und Lagerplätze, Bergwerke, Ölpipelines und Maschinen zu den Betriebsstätten zu rechnen. Bereits ein leihweise zur Verfügung gestellter Schreibtisch mit Telefon in einem dem Unternehmer nicht gehörenden Gebäude kann u.U. eine Betriebsstätte begründen.

8.40

Die zivil- oder öffentlich-rechtliche Zulässigkeit der Geschäftseinrichtung oder Anlage ist für das Steuerrecht nicht maßgebend (§ 40 AO). Auch ist es unerheblich, ob die Geschäftseinrichtung isoliert als Geschäftsbetrieb lebensfähig wäre, wenn sie nur eine unselbstständige Teilfunktion im Rahmen eines Gesamtbetriebs erfüllt (Beispiel: Pipeline). Das Halten von Unternehmensbeteiligungen und insbesondere das Halten von Kapitalgesellschaftsanteilen reichen nach der Rechtsprechung für die Begründung einer Betriebsstätte hingegen nicht aus. Kapitalgesellschaftsanteile vermitteln kein sachliches Substrat, es mangelt ihnen an der erforderlichen Sacheigenschaft.6 Ein Gleiches gilt m.E. aufgrund der vorgenannten Rechtsprechung für immaterielle Wirtschaftsgüter. Die Begründung einer inländischen Betriebsstätte, deren einziger Zweck beiKlein10, § 12 AO Rz. 1; Pahlke/Koenig2, § 12 AO Rz. 5. BFH v. 28.7.1993 – I R 15/93, BStBl. II 1994, 148. BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99, BStBl. I 1999, 1076. BFH v. 3.2.1993 – I R 80–81/91, BStBl. II 1993, 462; BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99, BStBl. I 1999, 1076 Rz. 1.1.1.1 und 1.2.1.1. 5 Klein10, § 12 AO Rz. 2 und 9; Pahlke/Koenig2, § 12 AO Rz. 6. 6 BFH v. 7.12.1994 – I K 1/93, BStBl. II 1995, 175.

1 2 3 4

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B. Relevante Tatbestände der beschränkten Steuerpflicht

spielsweise das Halten und Verwalten eines Markenrechts ist, würde ebenso an dem Erfordernis des sachlichen Substrats scheitern. Aus diesem Grund kommt die Verwertung von Immaterialgüterrechten in inländischen Betriebsstätten m.E. nur in Frage, wenn bereits unabhängig von diesen Rechten eine inländische Betriebsstätte bestanden hat. Die Anlage von der Geschäftseinrichtung abzugrenzen, ist angesichts fehlender gesetzlicher Differenzierungen im Ausgangspunkt schwierig und zugleich meist nicht erforderlich.1 Das Gesetz behandelt die Anlage offenbar als Unterfall der Geschäftseinrichtung. Unterschiede in der materiellen Besteuerung indes sind nicht erkennbar. Das Tatbestandsmerkmal „fest“ des § 12 Satz 1 AO hingegen lässt sich mit den Stichworten Ortsbezogenheit und Dauerhaftigkeit kennzeichnen.2 Für eine feste Geschäftseinrichtung besteht die Voraussetzung, dass die Einrichtung eine Verbindung zu einem bestimmten Teil der Erdoberfläche aufweist und dass diese Verbindung von gewisser Dauer ist.3 Eine mechanische oder eine nicht mehr zu entfernende Fixierung ist nicht notwendig, auch transportable Einrichtungen wie beispielsweise Marktstände von Schaustellern genügen, sofern die Einrichtungen nur in regelmäßigen Abständen an derselben Stelle errichtet werden.4

8.41

Was die Dauer der örtlichen Verbindung anbelangt, macht § 12 Satz 1 AO keine weiteren Vorgaben. Die wohl h.M. wendet die 6-Monats-Frist des § 12 Satz 2 Nr. 8 AO bzw. des § 9 Satz 2 AO auch im Rahmen des Satzes 1 an, so dass eine Geschäftseinrichtung immer dann auf Dauer angelegt ist, wenn sie länger als sechs Monate besteht.5 Bei darunter liegenden Zeitspannen kommt es auf den Einzelfall an. Nur für eine Veranstaltung anreisende Berufssportler z.B. begründen im Inland keine Betriebsstätte. Die Rechtsprechung berücksichtigt zum Teil auch die Intention des Steuerpflichtigen und geht nicht von einer Betriebsstätte aus, wenn der Unternehmer die Geschäftseinrichtung a priori nur für kurze Zeit nutzen möchte.6

8.42

Nach § 12 Satz 1 Halbs. 2 AO muss die feste Geschäftseinrichtung oder Anlage der Tätigkeit eines Unternehmens dienen. Es gilt der aus § 2 Abs. 1 UStG bekannte Unternehmensbegriff. Aus dem Gesetzeswortlaut ist nicht abzuleiten, dass es sich um ein gewerbliches Unternehmen handeln muss. Deshalb können auch selbstständig Tätige i.S. des § 18 EStG oder Unternehmen der Land- und Forstwirtschaft i.S. des § 13 EStG Be-

8.43

1 2 3 4 5

BFH v. 3.2.1993 – I R 80-81/91, BStBl. II 1993, 462. BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99, BStBl. I 1999, 1076 Rz. 1.1.1.1. Frotscher, Internationales Steuerrecht3, Rz. 265. Pahlke/Koenig2, § 12 AO Rz. 10 und 13 m.w.N. Tipke/Kruse, § 12 AO Rz. 23; Klein10, § 12 AO Rz. 1; Pahlke/Koenig2, § 12 AO Rz. 10. 6 BFH v. 22.9.1993 – X R 48/92, BStBl. II 1994, 107; umgekehrt kann auch die Planung des Steuerpflichtigen, eine Einrichtung mehr als sechs Monate zu nutzen, bereits zu einer Betriebsstätte führen, vgl. BFH v. 19.5.1993 – I R 80/92, BStBl. II 1993, 655.

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Kap. 8: Geistiges Eigentum und beschränkte Steuerpflicht

triebsstätten begründen. Lediglich vermögensverwaltende Tätigkeiten werden nach h.M. vom Unternehmensbegriff nicht erfasst.1

8.44

Weiterhin wird aus der Formulierung in § 12 Satz 1 Halbs. 2 AO deutlich, dass ein Unternehmen mehrere Betriebsstätten unterhalten kann. Bei der Gewerbesteuer mit Betriebsstätten in verschiedenen Gemeinden erlangt dies auch national eine besondere Bedeutung, der Grundsatz gilt aber auch international. Der Gegenbegriff zur Betriebsstätte ist das sog. Stammhaus. Mit diesem Begriff wird – obgleich er in den Steuergesetzen nicht definiert ist – in der Terminologie des Internationalen Steuerrechts der Ort des Unternehmens bezeichnet, an dem die Oberleitung aller zum Unternehmen gehörenden Betriebsstätten angesiedelt ist.2 Damit ist der Ort der Geschäftsleitung i.S. des § 10 AO gemeint, was aber nichts an der Tatsache ändert, dass auch das Stammhaus eines Unternehmens eine Betriebsstätte – und sei es auch nur eine Geschäftsleitungsbetriebsstätte – i.S. des § 12 AO begründet.

8.45

Eine Geschäftseinrichtung oder Anlage kann dem Unternehmen nur dienen, wenn der Unternehmer über die Einrichtung eine nicht nur vorübergehende Verfügungsmacht (ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal) hat. Dies erfordert eine Rechtsposition, die dem Unternehmer nicht ohne weiteres entzogen werden kann.3 Auf welchem Rechtsgrund die Rechtsposition beruht, ist unerheblich. Neben dem Eigentum genügen dingliche und schuldrechtliche Nutzungsrechte, sofern wenigstens ein Recht zum unmittelbaren Besitz i.S. des § 854 BGB eingeräumt wird.

8.46

Die alleinige Verfügungsmöglichkeit ist keine zwingende Voraussetzung; ein Gleiches gilt für die Entgeltlichkeit der Nutzungseinräumung sowie die Frage, ob die Nutzungsmöglichkeit für Dritte erkennbar sein muss. Selbst eine von Dritten nur geduldete, rein tatsächliche Nutzung durch den Unternehmer ist ausreichend.4 Neben der rechtlichen Verfügungsmacht muss der Unternehmer die Einrichtung jedoch auch rein faktisch für eine bestimmte Dauer zu unternehmerischen Zwecken verwenden.5 Mit „unternehmerischen Zwecken“ sind ausschließlich eigenbetriebliche Zwecke gemeint. Eine bestimmte Art von Tätigkeiten, für die die Einrichtung verwendet werden müsste, schreibt das Gesetz nicht vor. Es genügt daher jede Art von kaufmännischen, technischen und sonstigen Tätigkeiten, die auch der Erfüllung von Nebenzwecken und Hilfsfunktionen dienen können.6

8.47

Vor dem Hintergrund dieser Grundregel des § 12 Satz 1 AO nehmen sich die Regelbeispiele des § 12 Satz 2 AO wie folgt aus, wobei in Bezug auf 1 2 3 4 5 6

Klein10, § 12 AO Rz. 5; Pahlke/Koenig2, § 12 AO Rz. 17. BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99, BStBl. I 1999, 1076 Rz. 3.4.1. BFH v. 16.5.1990 – I R 113/87, BStBl. II 1990, 983. Tipke/Kruse, § 12 AO Rz. 11 ff. BFH v. 30.10.1996 – II R 12/92, BStBl. II 1997, 12. Tipke/Kruse, § 12 AO Rz. 19 f.; Klein10, § 12 AO Rz. 6; Pahlke/Koenig2, § 12 AO Rz. 19.

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B. Relevante Tatbestände der beschränkten Steuerpflicht

Immaterialgüterrechte nur die ersten drei Regelbeispiele von praktischer Bedeutung sind: § 12 Satz 2 Nr. 1 AO erklärt die Stätte der Geschäftsleitung zu einer Betriebsstätte. Damit wird Bezug genommen auf § 10 AO. Am Ort der Geschäftsleitung besteht also stets eine Betriebsstätte im steuerrechtlichen Sinne (sog. Geschäftsleitungsbetriebsstätte), während der statutarische Sitz (§ 11 AO) nicht per se betriebsstättenbegründend wirkt. Nach der Rechtsprechung des BFH ist für eine Geschäftsleitungsbetriebsstätte weder eine feste Geschäftseinrichtung noch eine im Betriebsvermögen befindliche Geschäftseinrichtung erforderlich.1

8.48

§ 12 Satz 2 Nr. 2 AO bestimmt, dass Zweigniederlassungen als Betriebsstätten anzusehen sind. Der Begriff ist grundsätzlich im Lichte der §§ 13 ff. HGB zu verstehen, jedoch hat auch eine Eintragung einer Zweigniederlassung in das Handelsregister nur eine widerlegliche Vermutung im Rahmen der Beantwortung der Frage nach dem Vorliegen einer Betriebsstätte zur Folge.2 Ist umgekehrt ein Unternehmensteil aufgrund seiner partiellen Selbstständigkeit gegenüber der Hauptniederlassung objektiv als Zweigniederlassung anzusehen, kommt es folgerichtig nach einer in der Literatur umstrittenen, aber m.E. zutreffenden Ansicht auf die Eintragung in das Handelsregister nicht an, und es handelt sich gleichwohl aus steuerlicher Sicht um eine Betriebsstätte.3

8.49

§ 12 Satz 2 Nr. 3 AO schließlich erhebt sog. Geschäftsstellen in den Rang steuerlicher Betriebsstätten. In einem sehr weiten Verständnis zählt der BFH hierzu alle Einrichtungen, in denen unternehmensbezogene Tätigkeiten ausgeübt werden.4 Anders als bei den Zweigniederlassungen ist eine organisatorische und wirtschaftliche Selbstständigkeit gegenüber der Hauptniederlassung nicht erforderlich, sondern es ist jede Art von betrieblicher Nutzung ausreichend.

8.50

(3) Ständiger Vertreter (§ 13 AO) Nach § 13 Satz 1 AO ist ein ständiger Vertreter eine Person, die nachhaltig die Geschäfte eines Unternehmens besorgt und dabei dessen Sachweisungen unterliegt.5 Satz 2 konkretisiert dahingehend, dass insbesondere eine Person ständiger Vertreter sei, die für ein Unternehmen nachhaltig Verträge abschließt oder vermittelt, Aufträge einholt oder einen Bestand von Gütern und Waren unterhält und davon Auslieferungen vornimmt. Der Vertreter begründet damit offenkundig nicht zwingend ein Vertretungsverhältnis i.S. der §§ 164 ff. BGB, es reicht (auch ohne rechtsverbindliche Vollmacht) jede Art von nachhaltiger Geschäftsbesorgung aus. 1 2 3 4 5

BFH v. 28.7.1993 – I R 15/93, BStBl. II 1994, 148. BFH v. 30.1.1981 – III R 116/79, BStBl. II 1981, 560. Pahlke/Koenig2, § 12 Rz. 25 m.w.N.; a.A. Tipke/Kruse, § 12 AO Rz. 25. BFH v. 10.5.1989 – I R 50/85, BStBl. II 1989, 755. Dazu BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99, BStBl. I 1999, 1076 Rz. 1.2.2.

Haase

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8.51

Kap. 8: Geistiges Eigentum und beschränkte Steuerpflicht

8.52

Auch kann der Vertreter nach dem offenen Gesetzeswortlaut ein selbstständiger (etwa Kommissionär, Handelsvertreter, Makler)1 oder unselbstständiger Vertreter sein, solange er eine Tätigkeit „für“ das Unternehmen ausübt.2 Handelt es sich hingegen um eine Tätigkeit des Unternehmens selbst, ist § 12 AO vorrangig zu prüfen. Zentral ist jedenfalls die Voraussetzung, dass der ständige Vertreter weisungsabhängig handeln muss.3

8.53

Umstritten ist, ob der ständige Vertreter im Tätigkeitsstaat selbst eine Betriebsstätte unterhalten muss. Die h.M. verneint dies.4 Der ständige Vertreter spielt in Bezug auf Erträge aus Immaterialgüterrechten für die Besteuerungspraxis keine besondere Rolle, so dass er im Folgenden außer Betracht gelassen wird. Er wird aber allenfalls relevant, wenn im Inland für ausländische Künstler, Sportler, usw. ein Manager5 tätig wird. Sofern dieser Manager z.B. auch Urheberrechte oder andere Immaterialgüterrechte verwerten darf, ist vorrangig an § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG zu denken. cc) Zuordnung der Immaterialgüterrechte zur Betriebsstätte

8.54

Damit § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG erfüllt ist, müssen – neben dem Vorliegen einer inländischen Betriebsstätte – die betrachteten Immaterialgüterrechte dieser Betriebsstätte funktional zugeordnet werden können.6 Dies ist aber auch die einzige Voraussetzung, was im Ergebnis nur bedeutet, dass die Erträge aus den Immaterialgüterrechten (sei es über eine Überlassung, sei es über einen Verkauf) im Betriebsstättenergebnis der inländischen Betriebsstätte vereinnahmt werden müssen. Im Gegensatz zu § 49 Abs. 1 Nr. 6 EStG ist damit keine Verwertung in einer inländischen Betriebsstätte und im Gegensatz zu § 49 Abs. 1 Nr. 9 EStG ist auch keine Nutzung im Inland vorausgesetzt.7 Praktische Unterschiede zur Verwertung dürften sich jedoch nur selten ergeben.

8.55

Die Frage der funktionalen Zuordnung stellt sich nicht nur aus abkommensrechtlicher Sicht und auch nicht nur in Bezug auf Immaterialgüter1 Die Finanzverwaltung wendet Art. 5 Abs. 6 OECD-MA analog an, vgl. BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99, BStBl. I 1999, 1076 Rz. 1.1.2 (unabhängige bzw. selbstständige Vertreter begründen für das vertretene Unternehmen keine Betriebsstätte). 2 BFH v. 30.4.1975 – I R 152/73, BStBl. II 1975, 626 (ständiger Vertreter muss Tätigkeiten ausüben, die in den Betrieb des Unternehmens fallen). 3 Dazu Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 5.157 m.w.N. 4 Debatin/Wassermeyer, DBA, Art. 5 MA Rz. 205; BFH v. 18.12.1990 – X R 82/89, BStBl. II 1991, 395; a.A. RFH v. 29.6.1934 – I A 56/33, RStBl. 1934, 1125 und Rz. 32 MK zu Art. 5 MA; weitere Nachweise bei Frotscher, Internationales Steuerrecht3, Rz. 277 f. 5 Dazu bereits Schauhoff, IStR 1993, 363. 6 Ob die Wirtschaftsgüter im In- oder Ausland belegen sind, spielt hingegen keine Rolle, vgl. Wassermeyer/Andresen/Ditz, Betriebsstätten Handbuch, Rz. 2.78 und Roth in Lüdicke, Zurechnung von Wirtschaftsgütern, 87 ff. 7 Vgl. auch zu den systematisch kaum begründbaren unterschiedlichen Anknüpfungspunkten in § 49 Abs. 1 Nr. 6 und 9 EStG kritisch Lüdicke, DStR 2008, Beihefter 17, 27.

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B. Relevante Tatbestände der beschränkten Steuerpflicht

rechte, sondern auch im Rahmen der beschränkten Steuerpflicht in Bezug auf gewerbliche Gewinne. Allein aus dem Vorliegen einer inländischen Betriebsstätte und der gleichzeitigen Zahlung von Vergütungen für die Überlassung von Immaterialgüterrechten durch einen inländischen Vergütungsschuldner kann nämlich nicht automatisch darauf geschlossen werden, dass die Erträge auch in der inländischen Betriebsstätte erzielt werden. Nach ganz h.M. entfaltet eine Betriebsstätte keine sog. Attraktivkraft, die einen solchen Automatismus zur Folge hätte.1 Bei der Beurteilung der Frage, wann ein Wirtschaftsgut tatsächlich zu einer Betriebsstätte „gehört“, ist nach der ständigen BFH-Rechtsprechung, die insbesondere zur Zuordnung von Kapitalgesellschaftsbeteiligungen in Outbound-Fallgestaltungen2 ergangen ist, allein auf die tatsächlichen, nicht auf die rechtlichen Verhältnisse abzustellen.3 Erforderlich ist ein sog. funktionaler Zusammenhang.4 Die jüngeren BFH-Urteile hierzu befassten sich mit der speziellen Problematik der Zuordnung von sog. Drittstaatenbeteiligungen zu ausländischen Personengesellschaften.5 Vergleichbare Fragestellungen ergeben sich bei der Zuordnung von Kapitalforderungen6 und von Veräußerungsgewinnen7 und m.E. auch in dem hier interessierenden Zusammenhang der Zuordnung immaterieller Wirtschaftsgüter.

8.56

In Outbound-Konstellationen bieten sich der Finanzverwaltung Angriffsmöglichkeiten auf nationaler und auf internationaler Ebene, um die meist angestrebte Steuerfreistellung im Inland zu verhindern: Aus der Abkommenssicht ließen sich die Anforderungen an den sog. Betriebsstättenvorbehalt8 erhöhen, oder im Fall einer zunächst erfolgten Zuordnung von Lizenzzahlungen zu den Unternehmensgewinnen des Art. 7 OECD-MA könnte man erwägen, den Methodenartikel nicht im Hinblick auf Unternehmensgewinne, sondern gleichwohl auf die diesen zugrunde liegenden Lizenzen9 anzuwenden. Im nationalen Recht verbleibt die Möglichkeit

8.57

1 Vgl. dazu statt vieler Wassermeyer/Andresen/Ditz, Betriebsstätten Handbuch, Rz. 2 170; ebenso Rz. 5 MK zu Art. 7 OECD-MA; Haase, Internationales und Europäisches Steuerrecht3, Rz. 636 m.w.N. 2 Dazu jüngst Haase/Brändel, Ubg 2010, 859. 3 Zu den grundsätzlich denkbaren, teilweise inzwischen überholten Zurechnungskriterien im Spiegel der Rechtsprechung vgl. Suchanek/Herbst, IStR 2007, 630 (623). 4 Vgl. z.B. BFH v. 26.2.1992 – I R 85/91, BStBl. II 1992, 937 sowie Gaffron in Haase (Hrsg.), AStG/DBA, Art. 10 OECD-MA Rz. 160 und Vogel in Vogel/Lehner5, DBA, Vor Art. 10–12 OECD-MA Rz. 40 unter Hinweis auf den englischen Wortlaut („effectively connected with“) des OECD-MA. 5 BFH v. 19.12.2007 – I R 66/06, BStBl. II 2008, 510; zum Ganzen Blumers, DB 2008, 1765; Schnitger/Bildstein, Ubg 2008, 444 ff.; Früchtl, BB 2008, 1212 ff. sowie Haase in Haase, AStG/DBA, Art. 5 OECD-MA Rz. 40. 6 Vgl. BFH v. 17.10.2007– I R 5/06, BFH/NV 2008, 869. 7 Vgl. BFH v. 13.2.2008 – I R 63/06, BFH/NV 2008, 1250. 8 Dazu näher Gaffron in Haase, AStG/DBA, Art. 10 OECD-MA Rz. 155 ff. 9 So für Dividenden insbesondere BFH v. 7.8.2002 – I R 10/01, BStBl. II 2002, 848 und Wassermeyer in Debatin/Wassermeyer, DBA, Art. 7 OECD-MA Rz. 160;

Haase

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Kap. 8: Geistiges Eigentum und beschränkte Steuerpflicht

der Prüfung des § 42 AO1 sowie die Bemühung der sog. Zentralfunktion des Stammhauses.2

8.58

In der hier betrachteten Inbound-Konstellation besteht m.E. kein Zweifel, dass die Finanzverwaltung die für den Outbound-Fall aufgestellten Hürden nicht in gleicher Weise anwenden würde. Die Besteuerungspraxis zeigt, dass Sachverhalte, die im Outbound-Fall nicht zu einer funktionalen Zuordnung eines Wirtschaftsguts zu einer ausländischen Betriebsstätte gereichen, im vergleichbaren Inbound-Fall dennoch nicht dazu führen, dass die beschränkte deutsche Steuerpflicht verneint wird. Hier wird offensichtlich mit zweierlei Maß gemessen. M.E. müssen daher die Kriterien, die Rechtsprechung und Finanzverwaltung in Outbound-Konstellationen für die funktionale Zuordnung von Wirtschaftsgütern zu ausländischen Betriebsstätten aufgestellt haben, in gleicher Weise für § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG greifen. Insbesondere der von der Finanzverwaltung behauptete Grundsatz von der Zentralfunktion des Stammhauses muss entsprechend gelten. dd) Aufwandsabgrenzung

8.59

Im Verhältnis zwischen ausländischem Stammhaus und inländischer Betriebsstätte gelten auch vor dem Hintergrund von Immaterialgüterrechten bzw. der Überlassung immaterieller Wirtschaftsgüter die allgemeinen nationalen und abkommensrechtlichen Regelungen, so dass die folgenden kurzen Ausführungen genügen mögen.

8.60

Regelmäßig werden inländischen Betriebsstätten vom ausländischen Stammhaus immaterielle Wirtschaftsgüter (z.B. Markenrechte oder Know-how) zur Nutzung überlassen, wobei dann wie auch bei anderen Wirtschaftsgütern zu differenzieren ist: Es können erstens fremde Immaterialgüterrechte oder zweitens erworbene oder selbst erschaffene, mithin eigene Wirtschaftsgüter genutzt werden. Im erstgenannten Fall muss der Drittaufwand so zugeordnet werden, wie sich die tatsächliche Nutzung vollzieht, d.h. bei einer ausschließlichen Nutzung in der inländischen Betriebsstätte ist ihr das Immaterialgüterrecht auch vollständig zuzuordnen.3 Eine Zuordnung von Wirtschaftsgütern bei der nutzenden Betriebsstätte kann danach nur unterbleiben, wenn (1) die Wirtschaftsgüter der Betriebsstätte nur vorübergehend überlassen werden und die Überlassung unter Fremden aufgrund eines Miet-, Pacht- oder ähnlichen Rechtsvera.A. die h.L., vgl. Strunk/Kaminski, IStR 2003, 181; Kleineidam, IStR 2004, 2 sowie die Finanzverwaltung in BMF v. 16.4.2010 – IV B 2-S 1300/09/10003, BStBl. I 2010, 354 Rz. 4.1.1.1.1. 1 Dies vor allem bei der Zuordnung von im Inland eingetragenen Immaterialgüterrechten. 2 Rz. 2.4. der Betriebsstätten-Verwaltungsgrundsätze. Diese sind auch im NichtDBA-Fall anwendbar, allerdings ist die Behauptung der Zentralfunktion des Stammhauses vor dem Hintergrund des strikteren functionally separate entity approach der OECD m.E. kaum aufrecht zu erhalten. 3 BFM v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99, BStBl. I 1999, 1076 Rz. 2.4.

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B. Relevante Tatbestände der beschränkten Steuerpflicht

hältnisses erfolgt wäre und (2) deren Aufwendungen und Erträge durch ein Aufteilungsverfahren innerhalb des Unternehmens umgelegt werden. Bei der Abgrenzung zwischen selbst erschaffenen und erworbenen immateriellen Wirtschaftsgütern ist bezogen auf das gesamte Unternehmen zunächst § 5 Abs. 2 EStG zu beachten. Im Übrigen will die Finanzverwaltung die Tz. 2.6.1 des Betriebsstättenerlasses1 anwenden, wofür nach der wohl h.M. in der Literatur jedoch die Rechtsgrundlage fehlt.2 Richtigerweise wird man sich hinsichtlich der Beteiligung des ausländischen Stammhauses an den Einkünften der inländischen Betriebsstätte daher an einer fremdüblichen Lizenzgebühr zu orientieren haben3 (zu Verrechnungspreisfragen s. näher Rz. 11.1 ff.).

8.61

b) § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. d EStG aa) Funktion (1) Allgemeines Nach § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. d EStG gehören zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb4 auch jene Einkünfte, die, soweit sie nicht zu den Einkünften i.S. der Nr. 3 und 4 des § 49 Abs. 1 EStG gehören, durch im Inland ausgeübte oder verwertete künstlerische, sportliche, artistische, unterhaltende oder ähnliche Darbietungen5 erzielt werden, und zwar einschließlich der Einkünfte aus anderen mit diesen Leistungen zusammenhängenden Leistungen und unabhängig davon, wem die Einnahmen zufließen.6

8.62

Die Vorschrift zielt auf die Erfassung von Steuergestaltungen ab, durch die die deutsche beschränkte Steuerpflicht durch die Zwischenschaltung ausländischer sog. Künstlerverleihgesellschaften umgangen wurde, indem diese Gesellschaften bezüglich der sportlichen, artistischen, künstlerischen, usw. Darbietungen im Inland im eigenen Namen und auf eigene Rechnung als Vertragspartner des inländischen Vergütungsschuldners auftraten.7

8.63

Das Verhältnis der Norm zu anderen Vorschriften ist klar geregelt. In Bezug auf § 49 Abs. 1 Nr. 3 und 4 EStG erklärt sich § 49 Abs. 1 Nr. 2

8.64

1 BFM v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99, BStBl. I 1999, 1076. 2 Wied in Blümich, § 49 EStG Rz. 89; Kumpf/Roth, DB 2000, 787. 3 Wassermeyer in Debatin/Wassermeyer, DBA, Art. 7 OECD-MA Rz. 250; jetzt auch Wied in Blümich, § 49 EStG Rz. 89. 4 § 15 Abs. 2 EStG muss erfüllt sein, vgl. insbesondere in diesem Zusammenhang zur Gewinnerzielungsabsicht FG Köln v. 13.12.2000 – 7 K 4488/94, EFG 2001, 368 und nachgehend BFH v. 7.11.2001 – I R 14/01, BStBl. II 2002, 861. 5 Zur Besteuerung ausländischer Künstler und Sportler auch vor dem Hintergrund des Gemeinschaftsrechts ausführlich Schauhoff/Cordewener/Schlotter, Besteuerung ausländischer Künstler und Sportler in der EU, 2008. 6 Der letzte Halbs. ist aufgrund des weit gefassten Tatbestands (Einkunftserzielung „durch“ Darbietung oder Verwertung) weitgehend ohne Bedeutung, vgl. Lüdicke in Lademann, § 49 EStG Rz. 480; Maßbaum in H/H/R, § 49 EStG Rz. 556. 7 Wied in Blümich, § 49 EStG Rz. 107; vgl. für eine typische Fallkonstellation FG Köln v. 25.6.1998 – 2 K 7268/94, EFG 1998, 1564.

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445

Kap. 8: Geistiges Eigentum und beschränkte Steuerpflicht

Buchst. d EStG selbst für nachrangig, was allerdings rein deklaratorischer Natur ist.1 Die Tatbestände schließen sich schon deshalb aus, weil für den Buchst. d) anhand der allgemeinen Kriterien des § 15 Abs. 2 EStG Einkünfte aus Gewerbebetrieb vorliegen müssen. Der Buchst. a der Norm geht dem Buchst. d vor, und gegenüber § 49 Abs. 1 Nr. 6 und 9 EStG ist § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. d EStG lex specialis.2 (2) Relevanz für Erträge aus geistigem Eigentum

8.65

Im Hinblick auf Erträge aus Immaterialgüterrechten hat § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. d EStG nur eine sehr eingeschränkte Bedeutung.3 Die Vorschrift wird zudem nur relevant bzgl. der Verwertung der künstlerischen, sportlichen, artistischen, unterhaltenden oder ähnlichen Darbietungen4 im Inland, und auch nur insoweit, als im Inland keine Betriebsstätte5 unterhalten wird bzw. kein ständiger Vertreter bestellt ist. I.d.R. wird es sich um Nutzungsrechte handeln, aufgrund derer die Darbietungen verwertet werden. Im Einzelfall können auch Einkünfte aus anderen mit den in der Vorschrift genannten zusammenhängenden Leistungen vorliegen. bb) Verwertung von Darbietungen im Inland

8.66

Der Ausübungstatbestand und der Verwertungstatbestand stehen in § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. d EStG alternativ nebeneinander, bei gleichzeitiger Erfüllung aber tritt der Verwertungstatbestand zurück. Im Hinblick auf Immaterialgüterrechte jedoch erlangt er stets eine eigenständige Bedeutung, weil die Ausübung von Tätigkeiten durch die in § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. d EStG genannten Darbietungen zwar nicht zu Erträgen aus Immaterialgüterrechten führt, aber ggf. im Ergebnis Immaterialgüterrechte begründet, die sodann steuerpflichtig verwertet werden können. Zu beachten ist generell, dass § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. d EStG nur Einkünfte erfasst, die „durch“ die und nicht „aus“ den dort genannten Tätigkeiten erzielt werden. Insofern sind nicht nur die darbietenden Personen selbst, sondern auch Dritte in den Anwendungsbereich einbezogen, die diese Tätigkeiten zur Verfügung stellen.6 1 Zutreffend Wied in Blümich, § 49 EStG Rz. 108. 2 Dies ergibt sich unmittelbar aus § 49 Abs. 1 Nr. 6 und 9 EStG, weil sich diese Tatbestände für gegenüber § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. d EStG nachrangig erklären. 3 Generell zur Kritik am Anwendungsbereich des § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. d EStG Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 5.171. 4 Vgl. zu den einzelnen Darbietungsformen Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 5.173 ff. sowie Maßbaum in H/H/R, § 49 EStG Rz. 521 ff.; ausführlich auch Maßbaum, Die beschränkte Steuerpflicht der Künstler und Berufssportler unter Berücksichtigung des Steuerabzugsverfahrens, 186 ff. 5 Wegen BFH v. 19.12.2007 – I R 19/06, BFH/NV 2008, 672 ist jedoch eine Zuordnung der Einkünfte zu einer ausländischen Geschäftsleitungsbetriebsstätte ohne weitere Bedeutung, vgl. auch Hidien in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, § 49 EStG Rz. D 1365 ff. 6 BFH v. 2.2.1994 – I R 143/93, BFH/NV 1994, 864; Lüdicke in Lademann, § 49 EStG Rz. 469.

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B. Relevante Tatbestände der beschränkten Steuerpflicht

Unter Verwertung einer Darbietung ist nach Ansicht des BFH1 deren Vermarktung i.S. einer finanziellen Nutzbarmachung durch eine zusätzliche Handlung, mithin ein Vorgang zu verstehen, durch den der Inhaber der Nutzungsrechte an einer Darbietung sich das Ergebnis der Darbietung durch eine zusätzliche Handlung nutzbar macht, insbesondere durch Übertragung der Nutzungsrechte.2 Diese werden sich in der Praxis regelmäßig auf Fernseh-, Video-, Film-, Rundfunk- oder Schallplattenaufnahmen erstrecken.

8.67

Das Gesetz geht von einer Konnexität zwischen der Darbietung und der darauf basierenden Nutzbarmachung aus. Unabhängige Handlungen ohne Bezug zu konkreten Darbietungen, wie etwa reine Werbung oder reine Vermittlungsleistungen, werden daher vom Anwendungsbereich des § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. d EStG nicht erfasst.3 Ein Gleiches gilt aus demselben Grund für die bloße Überlassung von Namens- und Bildrechten.4

8.68

Live-Übertragungen schließlich werden von der Finanzverwaltung im Grundsatz als Darbietungen mit der Begründung behandelt,5 die Erlaubnis des Veranstalters zur rundfunkmäßigen Verwertung einer Veranstaltung sei im Rechtssinne keine Übertragung von Rechten, sondern eine Einwilligung in Eingriffe, die der Veranstalter aufgrund seiner Rechtsposition (insbesondere aus § 823 Abs. 1 BGB, § 1 UWG und seinem Hausrecht nach §§ 858, 1004 BGB) verbieten könne. Die an den ausländischen Ausrichter einer im Ausland stattfindenden Veranstaltung gezahlten Vergütungen für die Rundfunk- oder Fernsehübertragung der Veranstaltung ins Inland seien daher bei dem Vergütungsgläubiger keine Einkünfte aus der Übertragung von Urheberrechten, sie gehören aber zu den gewerblichen Einkünften aus Darbietungen.

8.69

In jüngerer Zeit will die Finanzverwaltung differenzieren6: Bei der Einordnung von Live-Übertragungen in die Steuerabzugstatbestände sei zum ei-

8.70

1 Dazu BFH v. 16.5.2001 – I R 64/99, BStBl. II 2003, 641; v. 17.12.1997 – I R 18/97, BStBl. II 1998, 440. 2 BMF v. 23.1.1996 – IV B 4 - S 2303 - 14/96, BStBl. I 1996, 89 Rz. 2.2.2 sowie v. 25.11.2010 – IV C 3-S 2303/09/10002, BStBl. I 2010, 1350 Rz. 19 (anders dann aber Rz. 2.2.3.1, denn dort wird die Übertragung von Nutzungsrechten als Nebenleistung angesehen); ausführlich Maßbaum in H/H/R, § 49 EStG Rz. 539 ff. und Gosch in Kirchhof10, § 49 EStG Rz. 24 ff. 3 BFH v. 28.1.2004 – I R 73/02, BStBl. II 2005, 550; v. 19.12.2007 – I R 19/06, BFH/NV 2008, 672; zustimmend Wied in Blümich, § 49 EStG Rz. 117. Dies gilt auch für Werbemaßnahmen auf Sportveranstaltungen, vgl. BFH v. 16.5.2001 – I R 64/99, BStBl. II 2003, 641 und allgemein Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 5.180; a.A. FG Münster v. 31.10.1999 – 9 K 8434/98 S, EFG 1999, 968. 4 Dazu BFH v. 19.12.2007 – I R 19/06, BFH/NV 2008, 672; FG Köln v. 24.10.1996 – 2 K 3358/93, EFG 1998, 167, rkr.; Schauhoff/Idler, IStR 2008, 341. 5 BMF v. 23.1.1996 – IV B 4 - S 2303 - 14/96, BStBl. I 1996, 89 Rz. 2.2.1.; a.A. BFH v. 4.3.2009 – I R 6/07, BStBl. II 2009, 625. 6 Dazu BMF v. 25.11.2010 – IV C 3-S 2303/09/10002, BStBl. I 2010, 1350 Rz. 26–29.

Haase

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Kap. 8: Geistiges Eigentum und beschränkte Steuerpflicht

nen zwischen Live- und zeitversetzten Übertragungen zu unterscheiden. Ferner sei bei Live-Übertragungen zu unterscheiden, ob die überlassenen Signale urheberrechtlich geschützt seien, wobei im Regelfall vom Bestehen eines urheberrechtlichen Schutzes auszugehen sei. Zeitversetzte Übertragungen der aufgenommenen Live-Signale fallen nach dieser Unterscheidung immer unter § 50a Abs. 1 Nr. 3 EStG. Gleiches gelte für Live-Signale, wenn sie durch Bearbeitung einem urheberrechtlichen Schutz unterliegen (z.B. § 95 UrhG), und bei kulturellen Veranstaltungen auch ohne Bearbeitung der Signale, wenn ein eigenes Leistungsschutzrecht des Veranstalters nach § 81 UrhG gegeben ist.

8.71

Die verbleibenden Fälle der Übertragung von Live-Signalen fallen unter § 50a Abs. 1 Nr. 1 oder 2 EStG. Die reine Gestattung der Herstellung von Signalen (z.B. Reportagen, Aufnahmen einer Sportveranstaltung) infolge einer Einwilligung des Veranstalters in den Eingriff in eigene Rechtspositionen (z.B. Hausrecht) etwa unterfällt § 50a Abs. 1 Nr. 1 EStG. Werden die hierbei aufgenommenen Live-Signale zeitgleich, ohne dass es zu einer weiteren Bearbeitung (Kommentare, Zusammenschnitte verschiedener Kameraperspektiven etc.) kommt, an Dritte übertragen, liegt hingegen ein Fall des § 50a Abs. 1 Nr. 2 EStG und damit der Verwertungstatbestand vor.

8.72

Verwerten kann auch ein Dritter, der die Leistung nicht selbst erbracht hat,1 weil das Gesetz zur Person des Verwertenden keine Einschränkungen trifft. Ebenso muss die verwertete Darbietung keine inländische Darbietung sein,2 auch die Verwertung ausländischer Darbietungen ist seit dem VZ 1999 aufgrund des eindeutigen Wortlauts tatbestandsmäßig.3 Lediglich die Verwertung selbst muss im Inland stattfinden (was dann der Fall ist, wenn der Vertragspartner des Verwertenden im Inland ansässig ist4), während der Ort, an dem die Einkünfte erzielt werden, irrelevant ist. Wo die Verwertung im Inland zu erfolgen hat, lässt das Gesetz zwar offen, jedoch wird im Schrifttum im Hinblick auf die Parallelvorschriften des § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f, Nr. 6 EStG m.E. zu Recht eine Verwertung in einer inländischen Betriebsstätte bzw. inländischen Einrichtung gefordert.5

1 BMF v. 23.1.1996 – IV B 4 - S 2303 - 14/96, BStBl. I 1996, 89 Rz. 2.2.2; v. 25.11. 2010 – IV C 3-S 2303/09/10002, BStBl. I 2010, 1350 Rz. 20; kritisch zum Auseinanderfallen zwischen der Person des Vergütungsgläubigers und der Person des Verwertenden Lüdicke, IStR 1999, 193. 2 Wied in Blümich, § 49 EStG Rz. 117 m.w.N. 3 Vgl. die Änderung durch das StEntlG 1999/2000/2002 v. 24.3.1999, BGBl. I 1999, 402. 4 Maßbaum in H/H/R, § 49 EStG Rz. 542; Hidien in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, § 49 EStG Rz. E 376; Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 5.179; a.A. Gosch in Kirchhof10, § 49 EStG Rz. 24. 5 Wied in Blümich, § 49 EStG Rz. 117; Wassermeyer, DStJG 8 (1985), 56.

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B. Relevante Tatbestände der beschränkten Steuerpflicht

cc) Nebenleistungen Einkünfte aus Nebenleistungen, die mit Einkünften aus sportlichen, artistischen, künstlerischen, usw. Darbietungen im tatsächlichen, untrennbaren Zusammenhang stehen, unterliegen ebenfalls der beschränkten Steuerpflicht. Es besteht hinsichtlich des sachlichen Zusammenhangs von (künstlerischer, usw.) Haupt- und der weiteren Nebenleistung weitgehend Einigkeit über eine weite Fassung der einzubeziehenden Leistungen, etwa technisch-logistischer, organisatorischer oder handwerklicher Natur. In der Hauptsache meint dies zwar technische und kaufmännische Nebenleistungen und damit insbesondere Dienstleistungen,1 jedoch können im Einzelfall auch Erträge aus Immaterialgüterrechten unter den Tatbestand fallen. Nach Auffassung der Finanzverwaltung gehören etwa Einkünfte aus Verträgen über die Einräumung von Rechten zur rundfunkund fernsehmäßigen Verwertung von Sportveranstaltungen ebenfalls zu den Einkünften aus mit den Darbietungen oder deren Verwertung zusammenhängenden Leistungen.2

8.73

Voraussetzung der Erfassung im Rahmen der beschränkten Steuerpflicht ist allerdings, dass die Nebenleistung sich als unselbstständiger Teil der Gesamtleistung des Darbietungserbringers oder des Verwertenden (Leistungserbringung „aus einer Hand“) darstellt. Ob dies der Fall ist, wird im Rahmen einer Gesamtwürdigung unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls auf Basis einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise ermittelt.3 Gefordert wird also eine Personenidentität zwischen dem Darbietenden/Verwertenden und demjenigen, der die Nebenleistung erbringt. Nur so erklärt sich auch die gesetzliche Zuordnung dieser Nebenleistungen zu den jeweiligen Haupttätigkeiten („einschließlich“). Würden Nebenleistungen auf der Grundlage besonderer Verträge, die der inländische Veranstalter mit einem Dritten abgeschlossen hat, von einem anderen als dem Darbietenden oder dem die Darbietung Verwertenden erbracht, fehlte der erforderliche tatsächliche, konkrete und untrennbare Zusammenhang mit der Darbietung oder deren Verwertung, was ersichtlich nicht dem gesetzgeberischen Zweck entsprechen würde.4

8.74

1 Vgl. die Nachweise bei Hidien in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, § 49 EStG Rz. E 414 f.; Wied in Blümich, § 49 EStG Rz. 118 sowie BT-Drucks. 10/1636, 64. 2 BMF v. 23.1.1996 – IV B 4 - S 2303 - 14/96, BStBl. I 1996, 89 Rz. 2.2.3.1; ebenso BMF v. 25.11.2010 – IV C 3-S 2303/09/10002, BStBl. I 2010, 1350 Rz. 16. 3 Dazu FG Köln v. 6.11.2008 – 15 K 4515/02, EFG 2009, 255, rkr.; kritisch zur wirtschaftlichen Betrachtungsweise FG München v. 30.3.2009 – 7 K 3826/05, EFG 2009, 1119 und sodann BFH v. 28.7.2010 – I R 93/09, BFH/NV 2010, 2263. 4 BFH v. 16.5.2001 – I R 64/99, BStBl. II 2003, 641; v. 17.11.2004 – I R 20/04, BFH/NV 2005, 892; auch h.L., vgl. statt vieler Hidien in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, § 49 EStG Rz. E 411; a.A. FG München v. 22.3.2001 – 1 V 4030/01, EFG 2002, 835 (selbst solche Vergütungen für Nebenleistungen einbeziehend, die auf der Grundlage besonderer Verträge erbracht werden, die der inländische Veranstalter mit von dem Künstler unabhängigen Dritten geschlossen hat).

Haase

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Kap. 8: Geistiges Eigentum und beschränkte Steuerpflicht

8.75

Eine gezahlte Gesamtvergütung ist, sofern sich aus den zugrunde liegenden Verträgen bzw. aus der Abrechnung keine Aufteilung ergibt, nach zutreffender Auffassung auf Darbietungen, Verwertungen und Nebenleistungen aufzuteilen1, weil die Rechtsfolgen beim Steuerabzug unterschiedlich sein können.2 dd) Rechtsprechung (Auswahl)

8.76

Ähnliche Darbietungen (BFH v. 17.10.2007 – I R 81–82/06, BFH/NV 2008, 356; Thüringer FG v. 18.10.2000 – I 1043/00, EFG 2001, 74, rkr.); Aufspaltung einer Gesamtleistung (FG Köln v. 8.6.2000 – 2 K 9324/97, DStRE 2001, 750, rkr.); Bandenwerbung bei Sportveranstaltungen (BFH v. 16.5. 2001 – I R 64/99, BStBl. II 2003, 641); Gewinnerzielungsabsicht (BFH v. 7.11.2001 – I R 14/01, BStBl. II 2002, 861); Namens- und Bildrechte (BFH v. 19.12.2007 – I R 19/06, BFH/NV 2008, 672; FG Köln v. 24.10. 1996 – 2 K 3358/93, EFG 1998, 167, rkr.); Live-Übertragungen (BFH v. 4.3.2009 – I R 6/07, BStBl. II 2009, 625); Vermittlungsleistungen (BFH v. 28.1.2004 – I R 73/02, BStBl. II 2005, 550); Verwertungsbegriff (BFH v. 16.5.2001 – I R 64/99, BStBl. II 2003, 641; v. 17.12.1997 – I R 18/97, BStBl. II 1998, 440); Voraussetzungen von Nebenleistungen (BFH v. 28.7.2010 – I R 93/09, BFH/NV 2010, 2263); Werbung (BFH v. 28.1.2004 – I R 73/02, BStBl. II 2005, 5503; FG Münster v. 31.10.1999 – 9 K 8434/98 S, EFG 1999, 968). c) § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f EStG aa) Funktion (1) Allgemeines

8.77

§ 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f EStG zielte historisch auf Inbound-Steuergestaltungen ausländischer Immobilienobjektgesellschaften, die im Inland weder eine Betriebsstätte noch einen ständigen Vertreter unterhielten, bei der Veräußerung von Grundvermögen ab.4 Seit dem VZ 1994 gehören zu den inländischen gewerblichen Einkünften auch Einkünfte aus der Veräußerung von inländischem unbeweglichem Vermögen, von Sachinbegriffen oder Rechten, die im Inland belegen oder in ein inländisches öffentliches Buch oder Register eingetragen sind oder deren Verwertung in einer inländischen Betriebsstätte oder anderen Einrichtung erfolgt.

1 BMF v. 23.1.1996 – IV B 4 - S 2303 - 14/96, BStBl. I 1996, 89; Wied in Blümich, § 49 EStG Rz. 119. 2 Vgl. BMF v. 25.11.2010 – IV C 3-S 2303/09/10002, BStBl. I 2010, 1350 Rz. 33 f. Zur Missbrauchserwägungen bei einer Aufspaltung in Einzelleistungen FG Köln v. 8.6.2000 – 2 K 9324/97, DStRE 2001, 750, rkr. 3 Dazu BMF v. 2.8.2005 – IV C 8 - S 2411 - 8/05, BStBl. I 2005, 844. 4 BT-Drucks. 12/5630, 64; dazu Töben/Lohbeck/Fischer, FR 2009, 151.

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B. Relevante Tatbestände der beschränkten Steuerpflicht

Mit dem JStG 2009 wurde der Anwendungsbereich auf Vermietungstätigkeiten ausgeweitet1 und die Einkünfte aus Gewerbebetrieb damit (nahezu) lückenlos erfasst. Mit der Neufassung des § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f EStG werden die einer gewerblichen Tätigkeit des beschränkt Steuerpflichtigen zuzuordnenden Einkünfte aus der zeitlich begrenzten Überlassung von Grundbesitz und Rechten künftig unabhängig von einer inländischen Betriebsstätte oder einem ständigen Vertreter im Inland als gewerbliche Einkünfte besteuert, so dass in solchen Fällen sowohl die laufenden Vermietungseinkünfte als auch der Veräußerungserlös den gleichen Gewinnermittlungsvorschriften unterliegen.2

8.78

Im Ergebnis wird durch die Vorschrift die isolierende Betrachtungsweise des § 49 Abs. 2 EStG für die genannten Erträge außer Kraft gesetzt,3 jedoch hat die Vorschrift insgesamt nur einen sehr begrenzten Anwendungsbereich.4

8.79

Die Konkurrenzverhältnisse sind im Hinblick auf § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f EStG im Grundsatz klar geregelt.5 § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG geht dem Buchst. f kraft ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung vor, und mit § 49 Abs. 1 Nr. 6 EStG kann es schon deshalb keine Schnittmenge geben, weil sich die Norm selbst gegenüber § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f EStG für nachrangig erklärt. § 49 Abs. 1 Nr. 8 EStG schließlich ist wegen § 23 Abs. 2 EStG gegenüber § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f EStG subsidiär.6

8.80

(2) Relevanz für Erträge aus geistigem Eigentum Im Hinblick auf Erträge aus Immaterialgüterrechten liest sich die Vorschrift wie folgt: Zu den inländischen Einkünften gehören auch Einkünfte aus (1) Vermietung und Verpachtung oder aus der (2) Veräußerung von Rechten, die in ein inländisches öffentliches Buch oder Register eingetragen sind oder deren Verwertung in einer inländischen Betriebsstätte oder anderen Einrichtung erfolgt.7 Die übrigen Tatbestandsmerkmale haben für Erträge aus Immaterialgüterrechten keine Bedeutung.

1 JStG 2009 v. 19.12.2008, BGBl. I 2008, 2794; BT-Drucks. 16/10189, 78 (Verhinderung unterschiedlicher Einkunfts[ermittlungs]arten bei einheitlichen wirtschaftlichen Vorgängen). 2 Zu damit im Zusammenhang stehenden Buchführungspflichten sowie zur Gewinnermittlung vgl. BMF v. 16.5.2011 – IV C 3-S 2300/08/10014, BStBl. I 2011, 530. 3 So treffend Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 5.191; ebenso Bornheim, DStR 1998, 1773, Gosch in Kirchhof10, § 49 EStG Rz. 43 und Hidien in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, § 49 EStG Rz. E 664. 4 Dazu Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 5.194. 5 Vgl. zu den Konkurrenzfragen am Beispiel von Vergütungen für Fernsehübertragungsrechte an Sportveranstaltungen Schlotter, FR 2010, 651. 6 Zutreffend Wied in Blümich, § 49 EStG Rz. 131. 7 Zum Ganzen Hendricks, IStR 1997, 229.

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8.81

Kap. 8: Geistiges Eigentum und beschränkte Steuerpflicht

bb) Gewerbebetrieb und Fiktion des Gewerbebetriebs

8.82

§ 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f EStG betrifft ausschließlich Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Ob ein Gewerbebetrieb vorliegt, ergibt sich insbesondere hinsichtlich der Abgrenzung zu vermögensverwaltenden Tätigkeiten (z.B. Halten eines Patents und Fruchtziehung versus Handel mit Patenten) aus den allgemeinen steuerlichen Grundsätzen zu § 15 Abs. 2 EStG.1 Die Grenze zum Gewerbebetrieb wird danach im Grundsatz überschritten, wenn nach dem Gesamtbild der Betätigung die Ausnutzung substanzieller Vermögenswerte durch Umschichtung gegenüber der Nutzung von Vermögen i.S. einer Fruchtziehung aus zu erhaltenden Substanzwerten entscheidend in den Vordergrund tritt.2 Die Beurteilung, ob ein Gewerbebetrieb vorliegt, wird allein nach deutschem Steuerrecht vorgenommen, wobei jedoch auch ausländische Sachverhalte in die Beurteilung einzubeziehen sind.3

8.83

Abgrenzungsschwierigkeiten zwischen Gewerbebetrieb und Vermögensverwaltung treten bezüglich der möglichen Rechtsformen der Steuerpflichtigen danach i.d.R. bei natürlichen Personen (Gewerbetreibenden) und Personengesellschaften auf. Worauf sich bei Letzteren die Gewerblichkeit in Bezug auf die Vermietung oder Veräußerung von Rechten gründet (d.h. auf eine originär gewerbliche Tätigkeit i.S. des § 15 Abs. 2 EStG, auf eine gewerbliche Prägung nach § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG oder auf eine gewerbliche Infizierung nach § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG), ist für § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f EStG unerheblich.

8.84

Für Kapitalgesellschaften gilt dies nicht in gleicher Weise. Für sie bestimmt § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f Satz 2 EStG, dass als Einkünfte aus Gewerbebetrieb auch die Einkünfte aus Tätigkeiten i.S. des Buchst. f gelten4, die von einer (beschränkt steuerpflichtigen) Körperschaft i.S. des § 2 Nr. 1 KStG erzielt werden, die mit einer Kapitalgesellschaft oder sonstigen juristischen Person i.S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1–3 KStG vergleichbar ist.5 Die Regelung hat ihren Hauptanwendungsfall für die hier betrachteten Zwecke somit bei ausländischen Rechteverwertungsgesellschaften, die (auch) in einem inländischen Register eingetragene oder in einer inländischen Betriebsstätte verwertete Rechte verwalten.

8.85

Die Prüfung der strukturellen Vergleichbarkeit der ausländischen Gesellschaft mit den juristischen Personen i.S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1–3 KStG 1 Peffermann in H/H/R, § 49 EStG Rz. 620. 2 H.M., vgl. nur BFH v. 17.1.1973 – I R 191/72, BStBl. 1973, 260; v. 19.12.1997 – XI R 1/96, BStBl. 1997, 399. 3 Gosch in Kirchhof, § 49 EStG Rz. 62. 4 Fingiert werden gewerbliche Einkünfte, nicht aber ein gewerblicher Betrieb, vgl. Gosch in Kirchhof, § 49 EStG Rz. 46; Huschke/Hartwig, IStR 2008, 745; a.A. möglicherweise Peffermann in H/H/R, § 49 EStG Rz. 634. Entsprechend wäre ohne § 8a Abs. 1 Satz 4 KStG beispielsweise § 4h EStG nicht anwendbar. 5 Dazu Schnitger/Fischer, DB 2008, 598; Mensching, DStR 2009, 96; Lindauer/ Westphal, BB 2009, 420; Bron, DB 2009, 592; Wassermeyer, IStR 2009, 238.

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B. Relevante Tatbestände der beschränkten Steuerpflicht

wird anhand des sog. Rechtstypenvergleichs1 vorgenommen, wie er im deutschen internationalen Steuerrecht üblicherweise angewendet wird. Entscheidend ist sodann allein, dass die ausländische Körperschaft nicht über einen inländischen Sitz (§ 11 AO) oder einen inländischen Ort der Geschäftsleitung (§ 10 AO) verfügen darf. cc) Erfasste Rechte Die in § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f EStG genannten Rechte sind wie bei § 49 Abs. 1 Nr. 6 EStG und damit im Ergebnis i.S. des § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EStG zu verstehen,2 so dass auf die Erläuterungen unter Rz. 4.70 ff. verwiesen wird. Insbesondere schriftstellerische, künstlerische und gewerbliche Urheberrechte fallen unter den Tatbestand.

8.86

Im Unterschied zu § 49 Abs. 1 Nr. 6 EStG wird seit der Neufassung des § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f EStG durch das JStG 20093 jedoch auch die sog. verbrauchende Rechteüberlassung4 erfasst, weshalb der zuvor bestehende Verweis auf die Rechte i.S. des § 49 Abs. 1 Nr. 6 EStG gestrichen worden ist.5 Die Rechteüberlassung i.S. des § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f EStG unterliegt damit keinen zeitlichen Restriktionen, eine Überlassung nur auf Zeit wird nicht zur Bedingung erhoben. Entsprechend fällt beispielsweise nach str., aber m.E. zutreffender Ansicht die zeitlich unbegrenzte Überlassung von System- oder Individualsoftware unter diese Vorschrift.6

8.87

1 Grundlegend BFH v. 23.6.1992 – IX R 182/87, BStBl. II 1992, 972. Der Rechtstypenvergleich ist vom Reichsfinanzhof in der sog. Venezuela-Entscheidung (RFH v. 12.2.1930 – VI A 899/27, RStBl. 1930, 444) entwickelt worden. Er wird aber seit langem inzwischen ganz allgemein bemüht, wenn es um die Einordnung ausländischer Rechtsgebilde in die Kategorien des deutschen Steuerrechts geht. Bei diesen stellt sich stets die der eigentlichen Besteuerung vorgelagerte Frage, ob sie strukturell eher einer deutschen Körperschaft vergleichbar sind und daher ggf. auf sie, nicht aber auf die dahinter stehenden Gesellschafter das KStG zur Anwendung kommt (Trennungsprinzip), oder ob sie eher die Strukturmerkmale einer Personengesellschaft deutscher Prägung aufweisen und daher nicht sie selbst, sondern nur die hinter ihnen stehenden Gesellschafter für eine Besteuerung in Betracht kommen (Transparenzprinzip); zum Rechtstypenvergleich instruktiv statt vieler Schnittker/Lemaitre, GmbHR 2003, 1314; Großfeld/Luttermann, IPRax 1993, 229; speziell zum Typenvergleich bei Personengesellschaften Storck/Selent, RIW 1980, 332; Lüdicke, StbJb. 1997/98, 449; Schnittker, StuW 1994, 39; Stewen, FR 2007, 1047. 2 Wied in Blümich, § 49 EStG Rz. 134. 3 JStG 2009 v. 19.12.2008, BGBl. I 2008, 2794. 4 Wie beispielsweise die erschöpfende Nutzung zu Werbezwecken bei einer Sportveranstaltung, vgl. Peffermann in H/H/R, § 49 EStG Rz. 620; Loschelder in Schmidt30, § 49 EStG Rz. 38. 5 Vgl. die Gesetzesbegründung in BT-Drucks. 16/1545, 16. 6 Loschelder in Schmidt30, § 49 EStG Rz. 44 (anders aber beim Vertrieb von Standardsoftware, weil dort nicht die Übertragung des Urheberrechts im Vordergrund steht, vgl. Wied in Blümich, § 49 EStG Rz. 134); a.A. Strunk in Korn, § 49 EStG Rz. 158 ff. Zum Steuerabzug bei Lizenzgebühren für die Überlassung von Software vgl. Haase, INF 2006, 741.

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Kap. 8: Geistiges Eigentum und beschränkte Steuerpflicht

dd) Vermietung/Veräußerung

8.88

Die Vermietung oder Verpachtung von Rechten, die in ein inländisches Register eingetragen sind oder in einer inländischen Betriebsstätte oder Einrichtung verwertet werden, wird in § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f Doppelbuchst. aa EStG wie bei § 49 Abs. 1 Nr. 6 EStG verstanden.1 Insofern wird auf die Erläuterungen unter Rz. 8.107 ff. verwiesen. Eine Veräußerung i.S. des § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f Doppelbuchst. bb EStG hingegen wird nach allgemeinen steuerlichen Grundsätzen als entgeltliche Übertragung des rechtlichen und/oder wirtschaftlichen Eigentums auf eine andere Person verstanden (Kauf, Tausch, gemischte Schenkung, Einbringung gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten).2 Im Ergebnis wird damit bei Veräußerungsgewinnen beschränkt Steuerpflichtiger in systemwidriger Weise auf die auch international übliche Anknüpfung an eine Betriebsstätte verzichtet.3

8.89

Die Frage, wie Veräußerungen von Anteilen an Personengesellschaften, in deren Gesamthandsvermögen Rechte i.S. des § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f EStG gehalten werden, behandelt werden, ist m.E. differenziert zu betrachten.4 Zunächst ist zu konstatieren, dass der veräußernde Gesellschafter im Ausland ansässig sein muss, weil sonst kein Fall der beschränkten Steuerpflicht gegeben wäre. Sodann ist zu unterscheiden: Wird ein Anteil an einer inländischen gewerblichen Personengesellschaft veräußert, die in ihrem Gesamthandsvermögen Rechte i.S. des § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f EStG hält, so ist § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG einschlägig. In allen anderen Konstellationen (inländische vermögensverwaltende Personengesellschaft oder ausländische gewerbliche bzw. vermögensverwaltende Personengesellschaft) kann § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f EStG zur Anwendung kommen. M.E. besteht kein sachlicher Grund, jedenfalls durch vermögensverwaltende Personengesellschaften nach allgemeinen Grundsätzen5 auf die einzelnen Wirtschaftsgüter hindurchzuschauen.6 ee) Rechtsprechung (Auswahl)

8.90

Werberechte und Werbemöglichkeiten bei Sportveranstaltungen durch Bandenwerbung (BFH v. 16.5.2001 – I R 64/99, BStBl. II 2003, 641, offen gelassen; FG Münster v. 31.5.1999 – 9 K 8434/98 S, EFG 1999, 968, wohl bejahend; Erledigung der Hauptsache beim BFH unter Az. I R 65/99); Er1 Ausführlich Peffermann in H/H/R, § 49 EStG Rz. 621. 2 Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 5.194; Wied in Blümich, § 49 EStG Rz. 136. Nicht erfasst sind hingegen Einbringungen in vermögensverwaltende Personengesellschaften und verdeckte Einlagen in Kapitalgesellschaften (vgl. aber etwa § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. e EStG). 3 Kritik daran bereits bei Lüdicke, DB 1994, 952. 4 Sehr ungenau hingegen Wied in Blümich, § 49 EStG Rz. 136. 5 Vgl. nur § 23 Abs. 1 Satz 4 EStG; BFH v. 13.7.1999 – VIII R 72/98, BStBl. II 1999, 820. 6 A.A. ohne weitere Begründung Wied in Blümich, § 49 EStG Rz. 136.

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B. Relevante Tatbestände der beschränkten Steuerpflicht

mittlung des Veräußerungsgewinns (BFH v. 5.6.2002 – I R 81/00, BStBl. II 2004, 344) d) § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. g EStG aa) Inhalt/Historie (1) Relevanz für Erträge aus geistigem Eigentum Die durch das JStG 20101 eingeführte Vorschrift soll hier nur kurz abgehandelt werden, weil sie erstens im Ergebnis keine Erträge aus Immaterialgüterrechten und zweitens einen sehr speziellen Fall behandelt, und zwar die sog. Spielerleihe. Andererseits hat sich der BFH in seiner der Gesetzesänderung vorausgehenden Entscheidung v. 27.5.20092 sehr intensiv mit Abgrenzungsfragen zwischen § 49 Abs. 1 Nr. 6 und 9 EStG auseinandergesetzt, so dass einige grundsätzliche Worte angebracht erscheinen.

8.91

(2) Steuerpflicht von Transferzahlungen Nach § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. g EStG rechnen zu inländischen Einkünften aus Gewerbebetrieb auch jene Einkünfte, die aus der Verschaffung der Gelegenheit erzielt werden, einen Berufssportler als solchen im Inland vertraglich zu verpflichten, sofern die Gesamteinnahmen mehr als 10 000 Euro betragen.

8.92

Der BFH hatte zuvor entschieden, dass Einnahmen eines ausländischen Sportvereins aus einer Transfervereinbarung mit einem inländischen Verein in der Form der sog. Spielerleihe nicht zu eine beschränkte Steuerpflicht auslösenden Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung durch die zeitlich begrenzte Überlassung eines Rechts führen.3 Die deutsche Finanzverwaltung hingegen subsumierte die Gegenleistung der inländischen Vereine regelmäßig als Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung, weil sie in der Spielerleihe eine Nutzungsüberlassung der Spielererlaubnis des eigentlichen Spielers sah.

8.93

Der BFH hat m.E. zu Recht das Vorliegen inländischer Einkünfte verneint.4 Voraussetzung für die Annahme einer Nutzungsüberlassung eines Rechts sei es, dass der Überlassende, also der ausländische Verein, trotz der Leihe weiterhin eine eigenständige Rechtsposition, gleichsam eine Art residuales Recht, innehabe. Gerade an dieser Rechtsposition aber

8.94

1 JStG 2010 v. 8.12.2010, BGBl. I 2010, 1768. 2 BFH v. 27.5.2009 – I R 86/07, BStBl. II 2010, 120. 3 A.A. vorgehend FG München v. 13.11.2007 – 2 K 2892/03, EFG 2008, 614; der auf das Revisionsurteil hin ergangene Nichtanwendungserlass (BMF v. 7.1.2010 – IV C 3-S 2411/07/10013, BStBl. I 2010, 44) setzte die Urteilswirkungen im Hinblick auf eine mögliche Gesetzesneuregelung vorerst außer Kraft, bis er mit BMF v. 15.7.2010 – IV C 3-S 2411/07/10013:002, BStBl. I 2010, 617 überraschend wieder aufgehoben wurde. 4 Vgl. bereits ausführlich sowie für das Nachstehende Haase/Brändel, IWB 2010, 795; ebenso Gosch, BFH/PR 2009, 375 und Siebenhüter, EStB 2009, 308.

Haase

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Kap. 8: Geistiges Eigentum und beschränkte Steuerpflicht

fehle es dem ausländischen Verein, sobald die Spielerleihe rechtlich wirksam werde, weil er dadurch implizit bzw. auf Basis der international geltenden Statuten auf die Möglichkeit verzichte, für denselben Spieler eine andere bzw. weitere Spielerlaubnis zu beantragen. Damit komme es im Zuge der Spielerleihe sachlich zur zeitlich befristeten Übertragung der Rechte, nicht aber nur zu einer zeitlich begrenzten Überlassung, weshalb Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung und auch Einkünfte gemäß § 49 Abs. 1 Nr. 9 EStG nicht vorliegen könnten.

8.95

Darüber hinaus wies der BFH darauf hin, dass seiner Auffassung nach Gegenstand des Vertrags der Spielerleihe weder die Übertragung eines Rechts oder eine Nutzungsüberlassung der eigenen Spielerlaubnis, noch die Überlassung eines Arbeitnehmers sei, weil der Arbeitsvertrag mit dem aufnehmenden Verein abgeschlossen werde. Auch eine besondere Dienstleistung liege nicht vor. Das Entgelt erhalte der ausländische Verein vielmehr für die Möglichkeit des inländischen Vereins, „mit dem Spieler einen auf die „Leihzeit“ befristeten Arbeitsvertrag abzuschließen und auf dieser Grundlage – durch die Verbandsregeln abgesichert – eine (neue) Spielererlaubnis zu beantragen“. Mit dieser Aussage negierte der BFH gleichzeitig auch das Vorhandensein von gewerblichen Einkünften i.S. des § 49 Abs. 1 Nr. 2 EStG.

8.96

Im Zuge des JStG 20101 hat der Gesetzesgeber nunmehr die bestehende Gesetzeslücke geschlossen, indem er dem § 49 Abs. 1 Nr. 2 EStG einen Buchst. g anfügte. Anscheinend um weitere Streitigkeiten mit dem BFH zu vermeiden, wählte er für die Neuregelung – mutmaßlich seiner Ansicht nach – fast die Worte des BFH, verliert sich dann jedoch im Ergebnis in fragwürdigen Tatbestandsmerkmalen.

8.97

Nach der Neuregelung sollen gewerbliche Einkünfte vorliegen, wenn Vergütungen für die Verschaffung der Gelegenheit gezahlt werden, einen Berufssportler im Inland vertraglich zu verpflichten, wenn die Gesamteinnahmen die Freigrenze von 10 000 Euro übersteigen. Um den Besteuerungsanspruch zu sichern, erweiterte der Gesetzgeber darüber hinaus die Einkünfte i.S. des § 50a Abs. 1 Nr. 3 EStG, die dem Steuerabzug unterliegen. So ist es der Finanzverwaltung auf den ersten Blick möglich, ihre Besteuerungspraxis unabhängig von dem Urteil des BFH, das sie letztlich im Ergebnis sogar (kurzzeitig) anerkannt hat, nach Inkrafttreten des JStG 2010 unverändert fortzusetzen. bb) Kritik

8.98

Zu der Neuregelung des § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. g EStG ist mehrerlei zu bemerken.2 Die erste Anmerkung ist verfahrens- bzw. verfassungsrechtlicher Natur. Die „Spekulation“ des BMF, wonach die Neuregelung bereits 1 JStG 2010 v. 8.12.2010, BGBl. I 2010, 1768. 2 Dazu bereits Haase/Brändel, IWB 2010, 795.

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Haase

B. Relevante Tatbestände der beschränkten Steuerpflicht

mit Rückwirkung für die Vergangenheit wirken werde,1 erfüllt sich nach dem JStG 20102 wenig überraschend tatsächlich. In der Gesetzesbegründung heißt es dazu, dass die Regelung nach der allgemeinen Anwendungsregelung des § 52 Abs. 1 EStG erstmals für den VZ 2010 anzuwenden sei. Dabei lässt der Gesetzgeber allerdings außer Acht, dass sich die in § 52 Abs. 1 EStG enthaltene Aussage schon nach dem Wortlaut, aber auch systematisch auf ein Gesetz bezieht und beziehen muss, das vor Beginn des VZ 2010 rechtlich wirksam war. Dies gilt für das JStG 2010, das im Bundesrat erst im November 2010 beschlossen worden ist3, indes nicht. Ob die gegenwärtig im Gesetz vorgegebene systematische Verknüpfung den verfassungsrechtlichen Anforderungen an eine zulässige Rückwirkung entspricht4, ist daher fraglich. Zudem ist die Erlasspraxis des BMF in dem zugrunde liegenden Fall zu kritisieren.5 Schon die ständige Verwendung von Nichtanwendungserlassen ist verfassungsrechtlich problematisch,6 die Rücknahme eines Nichtanwendungserlasses unter Hinweis auf eine Gesetzesänderung jedoch führt zu unnötigem Verwaltungsaufwand und einem ständigen Hin- und Her der Rechtslage, was seitens der Steuerpflichtigen kaum noch nachzuvollziehen ist.

8.99

Weitere Anmerkungen sind materiell-rechtlicher Natur. Der Gesetzgeber führt mit § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. g EStG ohne Not das Tatbestandsmerkmal der „Gelegenheit“ ein. Es handelt sich systematisch um einen bisher im deutschen EStG nicht verwendeten, auslegungsbedürftigen Rechtsbegriff, der allerdings mehr Verwirrung als Nutzen stiftet. Auch die Gesetzesbegründung bringt keine Erhellung seiner Bedeutung. Vielmehr legt der Gesetzgeber den Begriff als „Sportlertransfer im allgemeinen Sinne“7 betreffend aus, ohne jedoch zu erläutern, was dann ein „Sportlertransfer im besonderen Sinne“ sein könnte. Die Auslegung eines auslegungsbedürftigen Rechtsbegriffs mittels eines auslegungsbedürftigen

8.100

1 2 3 4

Vgl. BMF v. 15.7.2010 – IV C 3-S 2411/07/10013:002, BStBl. I 2010, 617. JStG 2010 v. 8.12.2010, BGBl. I 2010, 1768. Vgl. BR-Drucks. 679/10 v. 5.11.2010. Vgl. aus der jüngeren Rspr. des BVerfG die Entscheidungen zur teilweisen Verfassungswidrigkeit der Verlängerung der Spekulationsfrist bei Grundstücksveräußerungsgeschäften (BVerfG v. 7.7.2010 – 2 BvL 14/02, 2/04, 13/05, BVerfGE 127, 1), zur teilweisen Verfassungswidrigkeit der Absenkung der Beteiligungsquote bei der Besteuerung privater Veräußerungen von Kapitalanteilen (BVerfG v. 7.7.2010 – 2 BvR 748, 753, 1738/05, BVerfGE 127, 61) und zur teilweisen Verfassungswidrigkeit der Kürzung der Entlastung von Entschädigungen für entgangene oder entgehende Einnahmen (BVerfG v. 7.7.2010 – 2 BvL 1/03, 57, 58/06, BVerfGE 127, 31); vgl. auch Kortz, Die Rückwirkung von Steuergesetzen am Beispiel des Entwurfs des Jahressteuergesetzes 2010, Diss. Münster. 5 Vgl. BMF v. 7.1.2010 – IV C 3-S 2411/07/10013, BStBl. I 2010, 44 einerseits und v. 15.7.2010 – IV C 3-S 2411/07/10013:002, BStBl. I 2010, 617 andererseits. 6 Vgl. zu Problemen der Nichtanwendungserlasse allgemein und instruktiv Desens, Bindung der Finanzverwaltung an die Rechtsprechung – Bedingungen und Grenzen für Nichtanwendungserlasse, 2010. 7 Vgl. BT-Drucks. 17/2249, Regierungsentwurf v. 22.6.2010, 100.

Haase

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Kap. 8: Geistiges Eigentum und beschränkte Steuerpflicht

Rechtsbegriffs jedenfalls ist keine Praxis, die weiter Einzug in die deutschen Steuergesetze erhalten sollte.

8.101

Die Neuregelung zielt jedoch, dies lässt sich aus der Gesetzesbegründung dann doch herauslesen,1 ausschließlich auf die Erfassung der Entgelte für Spielerleihen und Spielertransfers ab, um eine – vermeintlich zu Recht – bestehende Besteuerungspraxis ungeachtet der BFH-Rechtsprechung wieder herzustellen. Es scheint so, dass durch die Einfügung des § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. g EStG keine anderen Einkünfte erstmals als inländische Einkünfte i.S. des § 49 EStG gelten sollen. Dies gilt auch für die dem Steuerabzug unterliegenden Einkünfte, wenn § 50a Abs. 1 Nr. 3 EStG ausschließlich um die Worte des § 49 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. g EStG erweitert wird. e) § 49 Abs. 1 Nr. 3 EStG aa) Inhalt

8.102

Nach § 49 Abs. 1 Nr. 3 EStG gehören auch Einkünfte aus selbständiger Arbeit i.S. des § 18 EStG, die im Inland ausgeübt oder verwertet wird oder worden ist oder für die im Inland eine feste Einrichtung oder eine Betriebsstätte unterhalten wird, zu den inländischen Einkünften. Die Vorschrift geht insbesondere den Nr. 6 und 9 des § 49 Abs. 1 EStG vor (vgl. die dort ausdrücklich statuierten Subsidiaritätsregeln). Die Abgrenzung zu § 49 Abs. 1 Nr. 2 EStG richtet sich nach den im allgemeinen Ertragsteuerrecht zur Abgrenzung von § 15 EStG und § 18 EStG ergangenen Regeln,2 so dass Überschneidungen insoweit nicht denkbar sind. bb) Relevanz für Erträge aus geistigem Eigentum

8.103

Relevanz im Hinblick auf Erträge aus Immaterialgüterrechten hat allein der Verwertungstatbestand des § 49 Abs. 1 Nr. 3 EStG. Er erlangt zudem bezüglich der Erträge aus Immaterialgüterrechten von selbstständig tätigen Steuerpflichtigen eine eigenständige Bedeutung, da hier der Ausübungstatbestand naturgemäß nicht erfüllt sein kann.3 Bezüglich des Verwertungsbegriffs, der ursprünglich von der Rechtsprechung zu § 49 Abs. 1 Nr. 4 EStG entwickelt worden und dann auf § 49 Abs. 1 Nr. 3 EStG ausgedehnt worden war,4 wird auf die Erläuterungen unter Rz. 8.61 ff. und unter Rz. 8.71 ff. verwiesen. Für § 49 Abs. 1 Nr. 3 EStG ist aber insbesondere im Unterschied zu § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. d EStG die Einschrän-

1 Vgl. BT-Drucks. 17/2249, Regierungsentwurf v. 22.6.2010, 100. 2 Wied in Blümich, § 49 EStG Rz. 142. 3 Bei gleichzeitiger Erfüllung von Ausübungs- und Verwertungstatbestand tritt ansonsten der Verwertungstatbestand zurück, vgl. BFH v. 12.11.1986 – I R 268/83, BStBl. II 1987, 372; ebenso Wied in Blümich, § 49 EStG Rz. 145 m.w.N. 4 Vgl. so im Ausgangspunkt BFH v. 12.11.1986 – I R 268/83, BStBl. II 1987, 372 und v. 5.11.1992 – I R 41/92, BStBl. II 1994, 407.

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B. Relevante Tatbestände der beschränkten Steuerpflicht

kung zu machen, dass der Ausübende und der Verwertende personenidentisch sein müssen.1 § 49 Abs. 1 Nr. 3 EStG wird damit im Hinblick auf Erträge aus Immaterialgüterrechten allein dann praktisch relevant, wenn selbstständig i.S. des § 18 EStG tätige Steuerpflichtige (z.B. Schriftsteller, Künstler, Ingenieure, Erfinder, etc.) ihrer Arbeit im Ausland nachgehen und diese dann im Inland verwerten. Von Letzterem ist auszugehen, wenn der Vertragspartner im Inland ansässig ist.2 Eine zeitliche Kongruenz zwischen Ausübung und Verwertung wird vom Gesetz ausdrücklich nicht gefordert, so dass auch die nachträgliche Verwertung tatbestandsmäßig ist. Anders als bei § 49 Abs. 1 Nr. 6 EStG ist die Art der Verwertung nicht eingeschränkt, so dass der Verkauf, die zeitlich begrenzte Überlassung und auch die verbrauchende Rechteüberlassung von § 49 Abs. 1 Nr. 3 EStG erfasst wird.

8.104

Hauptanwendungsfall der Vorschrift ist vor dem hier betrachteten Hintergrund der Immaterialgüterrechte der beispielsweise künstlerisch, schriftstellerisch oder anderweitig freiberuflich tätige Steuerpflichtige, der seine daraus resultierenden Urheberrechte, Patente oder Erfahrungen entgeltlich an im Inland ansässige Dritte überlässt.3 Zentral ist jedenfalls die Erkenntnis, dass eine Verwertung nur in Betracht kommen kann, wenn durch die ausgeübte Tätigkeit auch ein selbstständig verwertbares Recht geschaffen wird.4

8.105

cc) Rechtsprechung (Auswahl) GEMA-Einkünfte (BFH v. 20.7.1988 – I R 174/85, BStBl. II 1987, 379, bejaht); Überlassung von Autorenrechten (BFH v. 20.7.1988 – I R 174/85, BStBl. II 1987, 379, bejaht); Veräußerung von Ansprüchen aus einem Lizenzvertrag (BFH v. 18.10.1989 – I R 126/88, BStBl. II 1990, 377, bejaht); Veräußerung eines Patents (BFH v. 28.3.1984 – I R 191/79, BStBl. II 1984, 664, bejaht); Verwertung ausländischer Erfindungen (BFH v. 5.11.1992 – I R 41/92, BStBl. II 1993, 407; v. 11.4.1990 – I R 82/86, BFH/NV 1991, 143; v. 13.10.1976 – I R 261/70, BStBl. II 1977, 76, jeweils bejaht)

8.106

f) § 49 Abs. 1 Nr. 6 EStG aa) Inhalt (1) Allgemeines Gemäß § 49 Abs. 1 Nr. 6 EStG gehören zu den inländischen Einkünften auch Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung (§ 21 EStG), soweit sie 1 BFH v. 16.12.1970 – I R 137/68, BStBl. II 1971, 200; Loschelder in Schmidt30, § 49 EStG Rz. 50. 2 Ob und wie der inländische Vertragspartner besteuert wird, ist hingegen unerheblich, vgl. BFH v. 20.7.1988 – I R 174/85, BStBl. II 1989, 87. 3 Dazu OFD Frankfurt/Main v. 19.2.2004 – S 2300 A-24-St II 2.03, DB 2004, 1016. 4 Treffend Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 5.201.

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8.107

Kap. 8: Geistiges Eigentum und beschränkte Steuerpflicht

nicht zu den Einkünften i.S. der Nr. 1–5 des § 49 Abs. 1 EStG gehören, wenn das unbewegliche Vermögen, die Sachinbegriffe oder Rechte im Inland belegen oder in ein inländisches öffentliches Buch oder Register eingetragen sind oder in einer inländischen Betriebsstätte oder in einer anderen Einrichtung verwertet werden.

8.108

Durch den vollumfänglichen tatbestandlichen Verweis auf § 21 EStG (Rechtsgrundverweisung1) wird insbesondere § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EStG in Bezug genommen. Insbesondere die Einkunftserzielungsabsicht muss daher gegeben sein.2 Nach § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EStG sind Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung Einkünfte aus zeitlich begrenzter Überlassung von Rechten, insbesondere von schriftstellerischen, künstlerischen und gewerblichen Urheberrechten, von gewerblichen Erfahrungen und von Gerechtigkeiten und Gefällen.

8.109

§ 49 Abs. 1 Nr. 6 EStG ist aufgrund der eindeutigen gesetzlichen Anordnung gegenüber § 49 Abs. 1 Nr. 1–5 EStG nachrangig, sofern nicht die isolierende Betrachtungsweise des § 49 Abs. 2 EStG eingreift.3 I.d.R. werden vorrangig entweder § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG (Zugehörigkeit zu einer inländischen Betriebsstätte), § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. d EStG, § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f EStG oder § 49 Abs. 1 Nr. 3 EStG (Verwertung selbst geschaffener Rechte) einschlägig sein. (2) Relevanz für Erträge aus geistigem Eigentum

8.110

Soweit Erträge aus rechtlich geschützten Immaterialgüterrechten (z.B. Urheberrecht) in Rede stehen, handelt es sich bei § 49 Abs. 1 Nr. 6 EStG um die Zentralnorm der beschränkten Steuerpflicht, soweit es den Inhalt der Rechte anbelangt. Die Norm hat jedoch nur Bedeutung für den einkommensteuerlichen Privatbereich. Bei gewerblichen Einkünften wird die Norm verdrängt, die dazu ergangene Rechtsprechung kann jedoch für die Abgrenzung der verschiedenen Rechte herangezogen werden (§ 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f EStG beispielsweise erfasst jedenfalls auch sämtliche Rechte des § 49 Abs. 1 Nr. 6 EStG). bb) Rechte (1) Rechte i.S. des § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EStG

8.111

Der tatbestandliche Verweis auf § 21 EStG in § 49 Abs. 1 Nr. 6 EStG ist abschließend. Soweit Rechte dort nicht genannt sind, scheidet eine beschränkte Steuerpflicht nach § 49 Abs. 1 Nr. 6 EStG aus. Nach § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EStG sind Einkünfte aus Vermietung und Verpach1 I.E. zustimmend Wied in Blümich, § 49 EStG Rz. 203. 2 FG Münster v. 15.5.1990 – XII-IV 7757/86 F, 9036/86 F, 8442/87 F, 1495/88 F, EFG 1991, 481, rkr.; a.A. die Finanzverwaltung in BMF v. 25.11.2010 – IV C 3-S 2303/09/10002, BStBl. I 2010, 1350 Rz. 15, wonach Fragen der Einkunftserzielungsabsicht nur im Freistellungs- oder Veranlagungsverfahren zu prüfen seien. 3 Vgl. etwa BFH v. 28.7.1982 – I R 196/79, BStBl. II 1983, 77.

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B. Relevante Tatbestände der beschränkten Steuerpflicht

tung auch Einkünfte aus zeitlich begrenzter Überlassung von Rechten, insbesondere von schriftstellerischen, künstlerischen und gewerblichen Urheberrechten, von gewerblichen Erfahrungen und von Gerechtigkeiten1 und Gefällen.2 Die anderen Nummern des § 21 EStG sind auf Erträge aus Immaterialgüterrechten unanwendbar. Der Hauptanwendungsfall des § 49 Abs. 1 Nr. 6 EStG besteht damit in der Überlassung von Urheberrechten, von geschützten oder ungeschützten Erfindungen oder gewerblichen Erfahrungen, für die i.d.R. eine Lizenzgebühr als Vergütung gezahlt wird. Unter die Vorschrift fällt nach verbreiteter Auffassung auch die Überlassung von Persönlichkeitsrechten wie des Rechts am eigenen Bild (§§ 22 ff. Kunsturhebergesetz) und des Namens (§ 12 BGB), da der Wortlaut des § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EStG keine abschließende, sondern nur eine beispielhafte Aufzählung der überlassenen Rechte enthält.3

8.112

Urheberrechte i.S. des § 49 Abs. 1 Nr. 6 EStG sind Rechte, die nach Maßgabe des UrhG v. 9.9.1965 in der jeweils geltenden Fassung geschützt sind, vgl. § 73a Abs. 2 EStDV. Gewerbliche Schutzrechte i.S. des § 49 Abs. 1 Nr. 6 EStG sind Rechte, die nach Maßgabe des Geschmacksmustergesetzes v. 12.3.2004, des Patentgesetzes i.d.F. der Bekanntmachung v. 16.12.1980, des Gebrauchsmustergesetzes i.d.F. der Bekanntmachung v. 28.8.1986 und des Markengesetzes v. 25.10.1994 in der jeweils geltenden Fassung geschützt sind, vgl. § 73a Abs. 3 EStDV. Auch wenn die EStDV an dieser Stelle auf § 50a EStG Bezug nimmt, so sind aufgrund der Akzessorietät dieser Verfahrensvorschrift die Begriffsbestimmungen für § 49 Abs. 1 Nr. 6 EStG gleichwohl in gleicher Weise maßgebend.4

8.113

Neben den genannten Rechten erfasst § 49 Abs. 1 Nr. 6 EStG jede Art von Immaterialgüterrechten, für deren Überlassung eine Vergütung gezahlt wird. Ob zur Entstehung des Rechts eine Eintragung in ein (inländisches) Register vorzunehmen oder ob das Recht in seinem Bestand gesetzlich geschützt ist, ist unerheblich. Bei Rechten, die nicht durch Eintragung entstehen, dürfte wie bei Persönlichkeitsrechten5 jedoch wenigstens eine Handelbarkeit des Rechts erforderlich sein.

8.114

(2) Rechtsprechung (Auswahl) Alleinvertriebsrecht (BFH v. 27.7.1988 – I R 130/84, BStBl. II 1989, 101, verneint); Automatenaufstellervertrag mit Exklusivrecht (FG Nds. v. 4.3. 2010 – 6 K 511/06, EFG 2010, 1058, bejaht; Rev. anhängig unter I R 32/10); 1 Beispielsweise Apotheken-, Fähr- oder Fischereigerechtigkeiten. 2 Beispielsweise Weide-, Gras- oder Holzbezugsberechtigungen. 3 BFH v. 28.1.2004 – I R 73/02, BStBl. II 2005, 550; Gosch in Kirchhof10, § 49 EStG Rz. 43; a.A. Hidien in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, § 49 EStG Rz. I 201, Stichwort Namensrecht. 4 So zutreffend Loschelder in Schmidt30, § 49 EStG Rz. 1. 5 Dazu BFH v. 19.12.2007 – I R 19/06, BFH/NV 2008, 672.

Haase

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461

8.115

Kap. 8: Geistiges Eigentum und beschränkte Steuerpflicht

Buchlizenz (BFH v. 27.2.1976 – III R 64/74, BStBl. II 1976, 529); Dienstleistungen neben Rechteüberlassung (BFH v. 19.12.2007 – I R 19/06, BFH/NV 2008, 672, verneint); Fernsehübertragungsrechte (BFH v. 4.3. 2009 – I R 6/07, BStBl. II 2009, 625, offen gelassen); Filmverwertungsrechte (BFH v. 1.12.1982 – I B 11/82, BStBl. II 1983, 367; FG München v. 13.12.2000 – 1 K 5389/98, EFG 2001, 571, rkr., bejaht); Geschmacksmusterrechte (BFH v. 23.4.2003 – IX R 57/99, BFH/NV 2003, 1311); Lizenzgebühr für Patente (FG Berlin v. 26.11.1974 – IV 110–111/73, EFG 1975, 361, rkr., bejaht); Lizenzierung erworbener Arzneimittelrezepturen (BFH v. 5.12.1992 – I R 41/92, BStBl. II 1993, 407, bejaht); Marken- und Warenzeichen (BFH v. 27.7.1988 – I R 130/84, BStBl. II 1989, 101; FG Köln v. 21.11.1997 – 2 K 4387/95, EFG 1998, 881, rkr.; BFH v. 7.12.1977 – I R 54/75, BStBl. II 1978, 355, jeweils bejaht); Maschinenmietvertrag (BFH v. 18.3.2009 – I B 229/08, nv., bejaht); Persönlichkeits-, Namens- und Bildrechte (BFH v. 19.12.2007 – I R 19/06, BFH/NV 2008, 672, bejaht; andererseits BFH v. 28.1.2004 – I R 73/02, BStBl. II 2005, 550, verneint); Transferentschädigung bei Spielerleihe (BFH v. 27.5.2009 – I R 86/07, BStBl. II 2010, 120, verneint); Überlassung von Rechten an Prominenten (BFH v. 28.1.2004 – I R 73/02, BStBl. II 2005, 550, bejaht); Ungeschützte Erfindungen und Betriebsgeheimnisse (BFH v. 4.3.1970 – I R 86/69, BStBl. II 1970, 567, bejaht); Verlagsrechte (BFH v. 23.5.1979 – I R 163/77, BStBl. II 1979, 757); Vertrag über Bandenwerbung (BFH v. 16.5.2001 – I R 64/99, BStBl. II 2003, 641, bejaht); Vertriebsrecht für Standardsoftware1 (BFH v. 27.2.2002 – I R 62/01, BFH/NV 2002, 1142, bejaht). cc) Zeitlich begrenzte Überlassung

8.116

§ 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EStG erfasst ausweislich seines ausdrücklichen Wortlauts nur die zeitlich begrenzte Überlassung von Rechten, was aufgrund des Verweises in § 49 Abs. 1 Nr. 6 EStG ohne Ausnahme auch für die beschränkte Steuerpflicht gilt. Der Rechtsgrund der zeitlichen Begrenzung ist dabei unerheblich, er kann sich daher aus schuldrechtlichen oder dinglichen Rechtsgeschäften ergeben.2

8.117

Über das Tatbestandsmerkmal der zeitlichen Begrenzung wird die Rechteüberlassung insbesondere von Veräußerungsvorgängen und dauerhaften Rechteüberlassungen abgegrenzt, die wirtschaftlich wie eine Veräußerung wirken (sog. verbrauchende Rechteüberlassung). Entscheidend ist ohnehin nur die wirtschaftliche Betrachtungsweise, § 39 AO. Nur wenn das Nutzungsrecht bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise nicht endgültig in das Vermögen des Nutzenden übergeht, liegt kein Veräußerungsvorgang vor.3 1 Zum Steuerabzug bei Lizenzgebühren für die Überlassung von Software vgl. Haase, INF 2006, 741. 2 Wied in Blümich, § 49 EStG Rz. 205. 3 BFH v. 16.5.2001 – I R 64/99, BFH/NV 2002, 94; v. 19.12.2007 – I R 19/06, BFH/NV 2008, 672.

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Haase

B. Relevante Tatbestände der beschränkten Steuerpflicht

Allein die Tatsache, dass die Dauer der Nutzung ungewiss ist, steht der Annahme einer zeitlich begrenzten Überlassung jedoch nicht entgegen.1 Allerdings spricht der Umstand, dass die überlassenen Rechte ggf. nach dem Gesetz (z.B. MarkenG) zeitlich begrenzt sind, nicht per se für eine zeitlich begrenzte Überlassung.2 Nur wenn endgültig feststeht, dass das zugrunde liegende Recht nicht mehr auf den Vermieter zurückübertragen werden kann (etwa aus Rechtsgründen oder aufgrund tatsächlicher wirtschaftlicher Erschöpfung), liegt eine Veräußerung vor.3 Grundsätzlich wird für eine zeitlich begrenzte Überlassung entsprechend eine Kündbarkeit der zugrunde liegenden Vereinbarung vorausgesetzt.4

8.118

Rückschlüsse von der Art der Vergütung auf die Dauer des Rechtsgeschäfts sind im Wege eines (widerleglichen) ersten Anscheins möglich, jedoch nicht zwingend. I.d.R. aber werden ratierliche oder umsatzabhängige Zahlungen für eine zeitlich begrenzte Überlassung sprechen, während endfällige Zahlungen oder die Leistung eines Einmalbetrags auf eine Veräußerung hindeuten.5

8.119

Die Person des Überlassenden muss mit der Person des Rechtsinhabers nicht übereinstimmen. Zu den Rechten i.S. des § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EStG gehören Rechte auch dann, wenn sie von dem Rechtsinhaber selbst in Verkehr gebracht und einem Dritten gegen Entgelt zur Nutzung überlassen werden. Weder aus der Sicht des Leistenden noch aus jener des Leistungsempfängers bedeutet es einen Unterschied, ob ein originäres oder ein derivatives Recht überlassen oder genutzt wird. Dass sich die Nutzungsüberlassung in diesen Fällen der Selbstvermarktung i.d.R. auf ein bloßes passives Zurverfügungstellen und auf die Erteilung einer Nutzungserlaubnis beschränkt6, rechtfertigt kein abweichendes Verständnis. Der Regelungswortlaut ist weit und erfasst die Überlassung von Rechten allgemein und deswegen auch dann, wenn sie lediglich auf eine Gestattung gerichtet ist.7

8.120

dd) Eintragung/Verwertung im Inland Im Hinblick auf Erträge aus Immaterialgüterrechten bzw. damit die Überlassung von Rechten stellt § 49 Abs. 1 Nr. 6 EStG die Bedingung auf, dass 1 BFH v. 5.12.1977 – I R 54/75, BStBl. II 1978, 355. 2 Klein in H/H/R, § 49 EStG Rz. 932; Wied in Blümich, § 49 EStG Rz. 205; Loschelder in Schmidt30, § 49 EStG Rz. 77; Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 5.230. 3 BFH v. 27.2.2002 – I R 62/01, BFH/NV 2002, 1142; v. 28.1.2004 – I R 73/02, BStBl. II 2005, 550; v. 16.5.2001 – I R 64/99, BStBl. II 2003, 641; ebenso Gosch in Kirchhof10, § 49 EStG Rz. 85. 4 BFH v. 19.12.2007 – I R 19/06, BFH/NV 2008, 672; Klein in H/H/R, § 49 EStG Rz. 933. 5 Vgl. etwa BFH v. 5.11.1992 – I R 41/92, BStBl. II 1993, 407; ebenso FG Köln v. 21.11.1997 – 2 K 4387/95, EFG 1998, 881, rkr.; FG München v. 13.12.2000 – 1 K 5389/98, EFG 2001, 571, rkr. 6 Dazu BGH v. 14.3.1990 – KVR 4/88, BGHZ 110, 371. 7 BFH v. 19.12.2007 – I R 19/06, BFH/NV 2008, 672; Schmidt-Heß, IStR 2006, 690; Nieland in Lademann, § 50a EStG Rz. 224.

Haase

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463

8.121

Kap. 8: Geistiges Eigentum und beschränkte Steuerpflicht

diese Rechte entweder in ein inländisches öffentliches Buch oder Register eingetragen sein oder in einer inländischen Betriebsstätten oder anderen inländischen Einrichtung1 verwertet werden müssen. Hierüber wird der erforderliche Inlandsbezug der beschränkten Steuerpflicht festgelegt.2

8.122

Die gesetzliche Anordnung für ein „inländisches Buch oder Register“ ist eindeutig, weshalb eine Eintragung in ausländische oder europäische Bücher oder Register keine beschränkte deutsche Steuerpflicht begründet. Dies gilt auch für eine Eintragung in das Europäische Patentregister, auch wenn dieses beim Europäischen Patentamt in München geführt wird.3 In Betracht kommen daher insbesondere das deutsche Patentregister, das Markenregister, das Geschmacksmusterregister, die Sortenschutzrolle und ähnliche Register. Bei den gängigen gewerblichen Schutzrechten wird eine beschränkte deutsche Steuerpflicht i.d.R. schon über den Eintragungstatbestand des § 49 Abs. 1 Nr. 6 EStG begründet.4 Einer Erörterung der Frage, ob im Inland daneben eine Verwertung stattfindet, bedarf es dann nicht. Eine selbstständige Bedeutung erlangt der Verwertungstatbestand in der Hauptsache nur bei Vertriebslizenzen5 oder bei Rezepten für Medikamente.6

8.123

Wer in das inländische Buch oder Register eingetragen ist, ist nur dann einerlei, wenn das deutsche maßgebende Zivilrecht nicht eine Eintragung einer bestimmten Person zwingend vorschreibt (so etwa eine Eintragung des Überlassenden).7 In allen anderen Fällen kann das Recht beispielsweise auch für den inländischen Lizenznehmer eingetragen sein.8 Ähnlich verhält es sich mit dem Verwertungstatbestand. In wessen inländischer Betriebsstätte9 oder Einrichtung eine Verwertung stattfindet und ob diese Person selbst im Inland steuerpflichtig ist, ist für § 49 Abs. 1 Nr. 6 EStG unerheblich.10

8.124

Betriebsstätte11 ist allein i.S. des § 12 AO zu verstehen, eine dem Art. 5 OECD-MA entsprechende Vorschrift ist im Rahmen der beschränkten Steuerpflicht irrelevant. Auf die entsprechenden Kommentierungen des § 12 AO wird ausdrücklich verwiesen. Der Begriff der „Einrichtung“ wird 1 Z.B. öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten, vgl. R 50a.1 Satz 2 EStR. 2 Vgl. auch zu den systematisch kaum begründbaren unterschiedlichen Anknüpfungspunkten in § 49 Abs. 1 Nr. 6 und 9 EStG kritisch Lüdicke, DStR 2008, Beihefter 17, 27. 3 Zutreffend Wied in Blümich, § 49 EStG Rz. 207. 4 Vgl. auch R 50a.1 Satz 1 EStR. 5 BFH v. 23.5.1973 – I R 163/71, BStBl. II 1974, 287. 6 BFH v. 5.11.1992 – I R 41/92, BStBl. II 1993, 407. 7 Klein in H/H/R, § 49 EStG Rz. 943. 8 RFH v. 28.6.1932, RStBl. 1932, 742. 9 Verwertet der ausländische Vergütungsgläubiger selbst in einer inländischen Betriebsstätte, ist § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG gegeben. Verwertet der Rechtsinhaber selbst, liegt § 49 Abs. 1 Nr. 3 EStG vor; zum Ganzen Klein in H/H/R, § 49 EStG Rz. 955. 10 RFH v. 8.11.1938, RStBl. 1939, 579; BFH v. 5.11.1992 – I R 41/92, BStBl. II 1993, 407. 11 Es muss sich um eine inländische Betriebsstätte handeln (zu Abgrenzungsschwierigkeiten zwischen in- und ausländischer Betriebsstätte BFH v. 23.5.1973 – I R 163/71, BStBl. II 1974, 287).

464

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Haase

B. Relevante Tatbestände der beschränkten Steuerpflicht

selbstständig nur selten praktisch, weil er bereits in der Betriebsstättendefinition („Geschäftseinrichtung“) enthalten ist. Der Gesetzgeber versteht ihn als Klarstellung1 für die Fälle, in denen nur deshalb keine Betriebsstätte vorliegt, weil die feste Einrichtung nicht der Tätigkeit eines Unternehmens dient.2 Gewerbliche Einkünfte sind stets einer inländischen oder ausländischen Betriebsstätte eines Betriebs zuzuordnen, betriebsstättenlose Einkünfte als solche gibt es nicht.3 In diesem Zusammenhang ist im Hinblick insbesondere auf § 2 AStG die Entscheidung des BFH v. 19.12.20074 beachtenswert, nach der Einkünfte aus der Verwertung von Persönlichkeitsrechten unter § 49 Abs. 1 Nr. 6 EStG zu subsumieren sind, selbst wenn sie vom Steuerpflichtigen selbst geschaffen wurden. In casu hatte sich der BFH mit der Qualifizierung von Einnahmen eines deutschen Rennfahrers zu befassen, der in ein Niedrigsteuergebiet ausgewandert war.

8.125

Nach der hierzu getroffenen Unterscheidung wäre künftig zu differenzieren zwischen Einkünften aus der Verwertung von Persönlichkeitsrechten (hierzu gehören z.B. die Vermarktung des Namens, Bildes und der Unterschrift) und Einkünften aus eigenständigen Dienstleistungen (z.B. Vergütungen für Promotionauftritte, Interviews, Erstellung von Kolumnen). Letztere zählen zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb i.S. des § 49 Abs. 1 Nr. 2 EStG, die allerdings nur als „nicht ausländische“ Einkünfte von § 2 AStG miterfasst sind, wenn der Steuerpflichtige in Deutschland eine Betriebsstätte unterhält. Im zugrundeliegenden Sachverhalt hatte der Rennfahrer seine beruflichen Aktivitäten jedoch von seinem neuen Ansässigkeitsstaat aus betrieben, so dass ceteris paribus kein Raum für eine Betriebsstätte in Deutschland gegeben war. Die Einkünfte aus der Verwertung von Persönlichkeitsrechten wären über § 49 Abs. 1 Nr. 6 EStG stets erfasst, soweit sie in inländischen Betriebsstätten verwertet werden.

8.126

Eine „Verwertung“ des jeweiligen Rechts in einer inländischen Betriebsstätte oder Einrichtung liegt nur vor, wenn das Recht in dieser Betriebsstätte oder Einrichtung wirtschaftlich nutzbar gemacht wird.5 Dies setzt freilich voraus, dass das Recht überhaupt einer eigenständigen Nutzung zugänglich ist.6 Der Ort der Verwertung ist dann dort belegen, wo diese

8.127

1 BT-Drucks. 10/4513, 23. 2 Zutreffend Wied in Blümich, § 49 EStG Rz. 209; Klein in H/H/R, § 49 EStG Rz. 954; Gosch in Kirchhof10, § 49 EStG Rz. 86. Beispiele: Einrichtungen von öffentlich-rechtlichen Rundfunk- und Fernsehanstalten. 3 Zur „floating income“-Problematik allgemein Meretzki, IStR 2009, 217 sowie instruktiv Haase/Brändel, StuW 2011, 49. 4 BFH v. 19.12.2007 – I R 19/06, BFH/NV 2008, 672. 5 BFH v. 12.11.1986 – I R 38/83, BStBl. II 1987, 377; v. 12.11.1986 – I R 69/83, BStBl. II 1987, 379. 6 Vgl. beispielsweise zur Verwertung eigener ausländischer Erfindungen BFH v. 5.11.1992 – I R 41/92, BStBl. II 1993, 407 und v. 11.4.1990 – I R 82/86, BFH/NV 1991, 143; zur Verwertung von Kunst im Inland FG BW v. 18.5.1978 – VI 154/74, EFG 1978, 546, rkr.

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Kap. 8: Geistiges Eigentum und beschränkte Steuerpflicht

wirtschaftliche Nutzbarmachung dem Vermieter zugänglich gemacht wird. Jedes Nutzen, Benutzen oder Gebrauchen des Rechts im Rahmen einer eigenen Tätigkeit des Berechtigten erfüllt den Tatbestand.1 Auf die Ansässigkeit des Vergütungsschuldners kommt es in diesem Zusammenhang nicht an. Einschränkend wird jedoch zu Recht verlangt, dass nur derjenige den Verwertungstatbestand erfüllen kann, der die verwertete Leistung selbst erbracht hat.2

8.128

Anders als beispielsweise in § 49 Abs. 1 Nr. 3, 4 Buchst. a oder Nr. 9 EStG werden nach dem Wortlaut des § 49 Abs. 1 Nr. 6 EStG Einkünfte dann nicht erfasst, wenn die Rechte im Inland „verwertet worden sind“. M.E. handelt es sich hierbei um ein Redaktionsversehen, so dass auch nachträgliche Einkünfte der beschränkten Steuerpflicht unterliegen. In § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG fehlt ein entsprechender gesetzgeberischer Hinweis ebenso, jedoch entspricht es dort der ganz h.M., dass nach allgemeinen Zurechnungsgrundsätzen auch nachträgliche Betriebsstätteneinkünfte erfasst werden sollen. g) § 49 Abs. 1 Nr. 9 EStG aa) Inhalt (1) Allgemeines

8.129

Inländische Einkünfte sind gemäß § 49 Abs. 1 Nr. 9 EStG ferner sonstige Einkünfte i.S. des § 22 Nr. 3 EStG, auch wenn sie bei Anwendung dieser Vorschrift einer anderen Einkunftsart zuzurechnen wären, soweit es sich um Einkünfte aus inländischen unterhaltenden Darbietungen, aus der Nutzung beweglicher Sachen im Inland oder aus der Überlassung der Nutzung oder des Rechts auf Nutzung von gewerblichen, technischen, wissenschaftlichen und ähnlichen Erfahrungen, Kenntnissen und Fertigkeiten, zum Beispiel Plänen, Mustern und Verfahren, handelt, die im Inland genutzt werden oder worden sind; dies gilt nicht, soweit es sich um steuerpflichtige Einkünfte i.S. der Nr. 1–8 des § 49 Abs. 1 EStG handelt.

8.130

§ 49 Abs. 1 Nr. 9 EStG erfasst als Auffangtatbestand in der Hauptsache gewerbliche Einkünfte, die im Inland mangels einer gewerblichen Betriebsstätte oder mangels eines ständigen Vertreters an sich nicht steuerpflichtig wären.3 (2) Relevanz für Erträge aus geistigem Eigentum

8.131

Hinsichtlich der Erträge aus Immaterialgüterrechten relevant ist allein die dritte Variante des § 49 Abs. 1 Nr. 9 EStG und damit die Wendung 1 BFH v. 23.5.1973 – I R 163/71, BStBl. II 1974, 287; v. 12.11.1986 – I R 38/83, BStBl. II 1987, 377; ebenso Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 5.228 und Lüdicke in Lademann, § 49 EStG Rz. 752. 2 BFH v. 16.12.1970 – I R 137/68, BStBl. II 1971, 200; zum Ganzen Schmidt-Heß, IStR 2006, 690. 3 Prägnant Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 5.237.

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B. Relevante Tatbestände der beschränkten Steuerpflicht

„Überlassung der Nutzung oder des Rechts auf Nutzung von gewerblichen, technischen, wissenschaftlichen und ähnlichen Erfahrungen, Kenntnissen und Fertigkeiten, zum Beispiel Plänen, Mustern und Verfahren“, so dass die Vorschrift auch nur insoweit erläutert wird. Sie zielt auf die steuerliche Erfassung der Überlassung von sog. Know-how1 ab. bb) Subsidiarität Was das Verhältnis des § 49 Abs. 1 Nr. 9 EStG zu den anderen Tatbeständen des § 49 Abs. 1 EStG sowie insgesamt zu den Einkunftsarten des § 2 Abs. 2 EStG anbelangt, so ist zu konstatieren, dass § 49 Abs. 1 Nr. 9 EStG den Charakter einer Auffangvorschrift aufweist.2

8.132

Dieser Charakter ist im Normtext an zwei Stellen ausgewiesen. Zunächst betrifft die Vorschrift sonstige Einkünfte i.S. des § 22 Nr. 3 EStG, „auch wenn sie bei Anwendung dieser Vorschrift einer anderen Einkunftsart zuzurechnen wären“. Damit sind die Einkunftsarten des deutschen Ertragsteuerrechts sowie die sog. Subsidiarität der Überschusseinkünfte3 in Bezug genommen. Nur soweit die Einkünfte weder unter § 22 Nr. 1, 1a, 2 oder 4 EStG, noch unter die anderen Gewinn- oder Überschusseinkunftsarten nach § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1–6 EStG zu subsumieren sind, kommt die Anwendung des § 49 Abs. 1 Nr. 9 EStG in Betracht. Dies ergibt sich aus dem Wortlaut des § 22 Nr. 3 EStG, der Einkünfte aus Leistungen erfasst, soweit sie weder zu anderen Einkunftsarten noch zu den Einkünften i.S. der Nummern 1, 1a, 2 oder 4 des § 22 EStG gehören. Ferner ergibt sich aus dem Regelungszusammenhang zwischen § 49 Abs. 1 Nr. 9 EStG und § 22 Nr. 3 EStG, dass anders als bei der unbeschränkten Steuerpflicht die Subsidiarität der Überschusseinkünfte für die Anwendung der beschränkten Steuerpflicht keine Geltung beanspruchen kann.

8.133

Die zweite Einschränkung hinsichtlich des Anwendungsbereichs des § 49 Abs. 1 Nr. 9 EStG ergibt sich aus dem letzten Halbs. der Vorschrift. „Soweit es sich um steuerpflichtige Einkünfte im Sinne der Nummern 1 bis 8 [des § 49 Abs. 1 EStG] handelt“, ist § 49 Abs. 1 Nr. 9 EStG unanwendbar. Ob sich der Vorrang der anderen Tatbestände des § 49 Abs. 1 EStG aus einer unmittelbaren Anwendung des jeweiligen Tatbestands oder aufgrund der isolierenden Betrachtungsweise des § 49 Abs. 2 EStG ergibt, ist dabei irrelevant.4

8.134

1 Instruktiv zur Besteuerung des Know-how insgesamt Kröger, Forschungskosten, Erfindungen, Lizenzen und Know-how im Steuerrecht, 1977; Böhme, Die Besteuerung des Know-How, 1967; Knoppe, Die Besteuerung der Lizenz- und Know-How-Verträge2, 1972; Amann, Dienstleistungen im internationalen Steuerrecht, 64 ff. (zur Überlassungsproblematik). 2 Lüdicke in Lademann, § 49 EStG Rz. 805; Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 5.237. 3 Allgemeines Prinzip des deutschen Ertragsteuerrechts, vgl. auch §§ 20 Abs. 8, 21 Abs. 3 und 23 Abs. 2 Satz 1 EStG. 4 Wied in Blümich, § 49 EStG Rz. 226.

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Kap. 8: Geistiges Eigentum und beschränkte Steuerpflicht

8.135

Hinsichtlich der Erträge aus Immaterialgüterrechten ist mithin insbesondere der Vorrang von § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a und f EStG und von § 49 Abs. 1 Nr. 6 EStG zu beachten, so dass § 49 Abs. 1 Nr. 9 EStG vor allem dann zur Anwendung kommt, wenn im Inland keine Betriebsstätte und kein ständiger Vertreter besteht,1 wenn die isolierende Betrachtungsweise nicht eingreift2 oder wenn keine zeitlich begrenzte Überlassung vorliegt3 (vgl. auch H 50a.1 „Rechteüberlassung“ EStH sowie R 49.3 Abs. 2 EStR). Die Rechtsprechung nimmt jedoch, wohl um schwierige Abgrenzungsfragen zu umschiffen, in der Praxis gelegentlich den Charakter des § 49 Abs. 1 Nr. 9 EStG als Auffangvorschrift allzu wörtlich und lässt i.S. einer „jedenfalls“-Lösung oft die an sich nachrangige Vorschrift durchgreifen.4 Bei atypischen5 Vertragsgestaltungen, die ein Entgelt für verschiedene Leistungsteile vorsehen, die für sich genommen unter verschiedene Tatbestände des § 49 EStG zu subsumieren wären, ist ggf. im Schätzungswege eine Aufteilung vorzunehmen.6 Bei besonderen Schwierigkeiten sieht R 49.3 Abs. 3 EStR eine Zuordnung zu § 49 Abs. 1 Nr. 9 EStG vor. cc) Überlassung von Know-how (1) Erfahrungen/Kenntnisse/Fertigkeiten

8.136

§ 49 Abs. 1 Nr. 9 EStG erfasst nach allgemeiner Auffassung die Überlassung von Know-how, wobei dieses im Gesetz eher beschrieben und allenfalls im Ansatz definiert wird. Es gibt bislang keine im deutschen Recht allgemein gültige Definition, die auch für steuerliche Zwecke maßgebend wäre (zur zivilrechtlichen Bedeutung des Begriffs s. insbesondere Rz. 12.18). Insofern erschließt sich der Bedeutungsinhalt von „Knowhow“ ausgehend vom gesetzlichen Definitionsansatz im Wesentlichen aus der Rechtsprechung, die jedoch aufgrund der Subsidiarität der Norm wiederum nur vereinzelt Stellung nehmen konnte. § 49 Abs. 1 Nr. 9 EStG jedenfalls fasst Know-how als Erfahrungen, Kenntnisse und Fertigkeiten zusammen, die rechtlich als solche nicht geschützt werden.7

8.137

Auch der tatbestandliche Verweis (Rechtsgrundverweisung) auf § 22 Nr. 3 EStG (gleichfalls eine Auffangvorschrift) erhellt den Bedeutungsinhalt des § 49 Abs. 1 Nr. 9 EStG kaum, denn auch dort arbeitet der Ge1 Dann ist ggf. § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG vorrangig. 2 Dann ist ggf. § 49 Abs. 1 Nr. 3 EStG vorrangig; dazu BFH v. 20.2.1974 – I R 217/71, BStBl. II 1974, 511. 3 Dann ist ggf. § 49 Abs. 1 Nr. 5 EStG vorrangig. 4 Vgl. etwa BFH v. 18.3.2009 – I B 210/08, BFH/NV 2009, 1237. 5 Zum Steuerabzug bei „gemischten Verträgen“ Kowallik, IWB 2010, 48. 6 Loschelder in Schmidt30, § 49 EStG Rz. 53. 7 Marken- oder Urheberrechte beispielsweise sind rechtlich geschützt und fallen daher unter § 49 Abs. 1 Nr. 6 EStG, nicht aber unter § 49 Abs. 1 Nr. 9 EStG. Dies gilt auch, wenn der Inhaber z.B. die Marke nicht hat rechtlich schützen lassen, indem eine Eintragung in das Markenregister unterbleibt. Für § 49 Abs. 1 Nr. 9 EStG kommt es in der Auslegung durch die Rechtsprechung im Ergebnis nur auf den abstrakt möglichen rechtlichen Schutz an.

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B. Relevante Tatbestände der beschränkten Steuerpflicht

setzgeber mit einer Umschreibung und mit Beispielen („z.B. Einkünfte aus gelegentlichen Vermittlungen und aus der Vermietung beweglicher Gegenstände“). Auf die einschlägigen Kommentierungen zu § 22 Nr. 3 EStG wird an dieser Stelle verwiesen, jedoch müssen dessen geschriebene und ungeschriebene Tatbestandsmerkmale auch in Gestalt der Erfahrungen, Kenntnisse und Fertigkeiten vorliegen. Es muss sich daher bei der jeweils vergüteten Leistung um eine entgeltliche Leistung im Privatbereich handeln, die sich nicht als Veräußerungsvorgang darstellt. Einmalige Leistungen genügen, ein Leistungserfolg ist nicht erforderlich. Die allgemeinen Abgrenzungen zu § 15 Abs. 2 EStG sind zu beachten.1 Die Rechtsprechung des BFH zur Reichweite des Know-how-Tatbestands nahm ihren Ausgangspunkt in der Entscheidung des BFH v. 16.12.1970.2 Nach dem Leitsatz der Entscheidung besteht Know-how in der „Vermittlung von Kenntnissen und Erfahrungen zu eigener Nutzanwendung durch den Know-how-Nehmer“. In den Urteilsgründen präzisiert der BFH sodann das Know-how als ein „nichtgeschütztes Spezialwissen über technische Erfahrung, die im allgemeinen im Wege praktischer Erprobung gewonnen und durch praktische Beratung zur Verfügung gestellt werden können“ (Erfahrungshingabe).

8.138

Welchen (monetären oder wirtschaftlichen) Wert das Know-how hat, ist für § 49 Abs. 1 Nr. 9 EStG irrelevant, solange nur i.S. einer Gegenleistung Vergütungen für seine Überlassung gezahlt werden,3 sofern sich der Vermögenswert bereits „am Markt verfestigt hat“4 und das Spezialwissen entsprechend zu einem Wirtschaftsgut erstarkt ist. Auch Tiefe und Reichweite des Know-hows haben keine (steuerliche) Relevanz, ebenso wie die Norm – anders als § 49 Abs. 1 Nr. 6 EStG5 – keine zeitlichen Überlassungsgrenzen statuiert.6

8.139

Einen inhaltlichen Schwellenwert für die Bedeutung des Know-hows gibt es nicht, wenn und soweit es sich nur um Erfahrungen, Kenntnisse oder Fertigkeiten handelt, über die nicht potenziell jedermann verfügt (z.B. durch Geburt).7 Die Tatsache aber, dass sich jedermann bestimmte Erfah-

8.140

1 Zutreffend Weber-Grellet in Schmidt30, § 22 EStG Rz. 131 f. 2 BFH v. 16.12.1970 – I R 44/67, BStBl. II 1971, 235. 3 Vgl. auch BFH v. 26.10.2004 – IX R 53/02, BStBl. II 2005, 167: „Auch ein rechtlich nicht geschütztes technisches Spezialwissen, wie es in § 49 Abs. 1 Nr. 9 EStG aufgeführt ist, kann wie eine Erfindung zu behandeln sein, wenn sein Wert etwa dadurch greifbar ist, dass es in Lizenzverträgen zur Nutzung weitergegeben werden kann.“ (ebenso H 50a.1 „Spezialwissen“ EStH). 4 So BFH v. 26.10.2004 – IX R 53/02, BStBl. II 2005, 167. 5 § 49 Abs. 1 Nr. 6 EStG erfasst nur zeitlich begrenzte Nutzungsüberlassungen, vgl. BFH v. 4.3.1970 – I R 86/69, BStBl. II 1970, 567 sowie Gosch in Kirchhof10, § 49 EStG Rz. 94. 6 Wied in Blümich, § 49 EStG Rz. 230; Loschelder in Schmidt30, § 49 EStG Rz. 94; a.A. Frotscher, § 49 EStG Rz. 101. 7 Sprache etwa ist zwar eine Fertigkeit, aber kein Know-how i.S. des § 49 Abs. 1 Nr. 9 EStG, während z.B. die spezielle Didaktik eines Sprachlehrgangs zum Know-how rechnen kann.

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Kap. 8: Geistiges Eigentum und beschränkte Steuerpflicht

rungen auf einem bestimmten Gebiet aneignen könnte, wenn er nur genügend Zeit, Arbeit, Fachkräfte, Kosten, usw. aufwenden würde, hindert die Annahme von Know-how nicht.1 Know-how kann damit seiner Qualität nach vom einfachen Erfahrungswissen bis hin zur (rechtlich nicht geschützten) Erfindung reichen. Im Übrigen ist auch die Größe der Gruppe der Know-how-Geber und Know-how-Nehmer bzw. der Gruppe jener Personen, die aufgrund ihrer Anlage, aufgrund ihrer Herkunft oder ihrer Ausbildung überhaupt über das Know-how verfügen können, nicht weiter von Belang. Wird das Know-how jedoch einer breiten Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt, scheidet § 49 Abs. 1 Nr. 9 EStG aus.2

8.141

Als Oberbegriff des ohnehin unscharfen Tatbestands sollte für die Erfahrungen, Kenntnisse und Fertigkeiten in Abgrenzung zur Überlassung materieller Wirtschaftsgüter m.E. das ungeschriebene Tatbestandsmerkmal „Wissen“ in den Tatbestand hineingelesen werden. Aus welchen Bereichen dieses rechtlich nicht geschützte Wissen stammen muss oder kann bzw. wodurch es sich umgekehrt manifestiert, wird dann beispielhaft im Gesetz beschrieben. Es muss nämlich stammen aus „Erfahrungen, Kenntnissen und Fertigkeiten“, womit zugleich deutlich wird, dass § 49 Abs. 1 Nr. 9 EStG mehr verlangt als lediglich Erfahrungen, Kenntnisse, etc. Vielmehr muss das Wissen als spezifische Verkörperung eines immateriellen Wirtschaftsguts in Erscheinung treten. In Bezug auf die Erfahrungen muss das Wissen sodann nach dem Wortsinn das Resultat der Erfahrungen sein, während die Kenntnisse oder Fertigkeiten umgekehrt das Resultat des Wissens sind.

8.142

Ein solches Begriffsverständnis klingt auch in der jüngeren BFH-Rechtsprechung an, die Know-how ansieht als „Spezialwissen als Ergebnis erfinderischer Tätigkeit, aber auch von Erfahrungswissen, dessen Wert darin besteht, einem Dritten, dem es vermittelt wird, Zeit und Kosten zu ersparen“.3 In casu waren vertraglich Kundenadressen zur Nutzung überlassen worden, die nach einem bestimmten Muster (z.B. Alter, Berufsgruppe, etc.) geordnet waren. Unstreitig wurden damit Kenntnisse überlassen, nämlich die Kenntnis über die bzw. von den jeweiligen Daten. Dennoch hat der BFH m.E. zutreffend § 49 Abs. 1 Nr. 9 EStG verneint, weil Vertragsgegenstand nicht das Know-how der Anlage der Adressdatei, sondern das fertige Produkt war (ebenso H 50a.1 „Kundenadressen“ EStH).

8.143

Zwar ist damit an sich zunächst einmal der Gegenstand der Nutzungsüberlassung angesprochen, es wird jedoch m.E. zugleich deutlich, dass zumindest bei den Tatbestandsmerkmalen Kenntnisse und Fertigkeiten, in Einzelfällen jedoch auch bei den Erfahrungen Abgrenzungsschwierigkeiten auftreten können. Wenn beispielsweise ein Glasbläser, der über eine bestimmte, einzigartige Technik des Glasblasens verfügt, einem Porzellanhersteller aufgrund seiner Fertigkeiten eine an sich fehlerhafte Palette 1 BFH v. 23.11.1988 – II R 209/82, BStBl. II 1989, 82. 2 FG Hamburg v. 19.10.2000 – VI 14/99, EFG 2001, 289, rkr. 3 BFH v. 13.11.2002 – I R 90/01, BStBl. II 2003, 249.

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B. Relevante Tatbestände der beschränkten Steuerpflicht

von Gläsern repariert, dann überlässt der Glasbläser dem Wortsinn nach durchaus Fertigkeiten. Solange er jedoch lediglich tätig wird und seine Technik nicht weiter erläutert, wird kein zusätzliches Wissen, sondern eben nur eine bloße Fertigkeit für eine zeitlich begrenzte Dauer (nämlich die Dauer seines Tätigwerdens) überlassen. Dies ist für § 49 Abs. 1 Nr. 9 EStG nicht ausreichend.1 Es muss spezifisches Wissen überlassen werden, das (1) aus den Erfahrungen, Kenntnissen und Fertigkeiten herrührt oder untrennbar damit verbunden ist bzw. das (2) sich in den Kenntnissen und Fertigkeiten manifestiert. Mit einer so verstandenen Gesetzesauslegung sollten sich die tatbestandlichen Unschärfen i.d.R.2 auflösen lassen. Die Erfahrungen, Kenntnisse und Fertigkeiten werden in § 49 Abs. 1 Nr. 9 EStG in zweierlei Hinsicht konkretisiert, nämlich einerseits durch mit Attributen beispielhaft beschriebene Bereiche und andererseits durch Beispiele für Erfahrungen, Kenntnisse und Fertigkeiten.

8.144

§ 49 Abs. 1 Nr. 9 EStG bestimmt beispielhaft, dass es sich bei dem Knowhow um „gewerbliche, technische, wissenschaftliche und ähnliche“ Erfahrungen, Kenntnisse oder Fertigkeiten handeln muss. Über das Tatbestandsmerkmal „ähnlich“ werden weitere, nicht genannte Bereiche einbezogen (etwa kaufmännische oder betriebswirtschaftliche Erfahrungen),3 so dass das Gesetz an dieser Stelle einerseits nahezu lückenlos4 ist, andererseits aufgrund seiner Unbestimmtheit dem Einzelfall bzw. beispielsweise insbesondere dem Fortschrift der Technik Rechnung tragen kann. Der Tatbestand ist damit allumfassend angelegt, er reicht von der kommerziellen oder betriebstechnischen Beratung5 über nicht geschütztes Spezialwissen über technische Erfahrungen, über ein geheimes tech-

8.145

1 Freilich würde in dem gebildeten Fall aufgrund der Subsidiarität des § 49 Abs. 1 Nr. 9 EStG wohl schon § 49 Abs. 1 Nr. 3 EStG eingreifen. 2 Offen bleibt, wie in den Fällen zu verfahren ist, in denen der Leistungsempfänger sich das Know-how aufgrund des Leistungsgegenstands selbst erschließen kann. In dem angesprochenen Fall der Überlassung der Adressdateien (BFH v. 13.11. 2002 – I R 90/01, BStBl. II 2003, 249) etwa waren die Daten aufgrund entsprechender Recherchen nach Marketinggesichtspunkten geordnet, insbesondere nach demografischen Vorgaben, Berufsgruppen, Alter, Geschlecht, regionaler Zugehörigkeit und ähnlichen Auswahlmerkmalen, so dass das Know-how ohnehin nur in der Aufbereitung von Daten bestand und sich die Art der Aufbereitung zudem aus dem Endprodukt ergab. M.E. darf diese Frage keine steuerliche Relevanz haben. Die beschränkte Steuerpflicht ist strukturell unabhängig davon, ob der Leistungsempfänger das Know-how verstehen, nachahmen oder kopieren kann, sofern es nur in einem ersten Schritt zu seiner Nutzung kommt. 3 BFH v. 16.12.1970 – I R 44/67, BStBl. II 1971, 235 unter Verweis auf Stumpf, Der Know-How-Vertrag, 25. 4 Zur Funktion der Lückenschließung in diesem Zusammenhang Kuhn in H/H/R, § 49 EStG Rz. 1053. 5 Laut BFH v. 16.12.1970 – I R 44/67, BStBl. II 1971, 235 könnte auch die Vermittlung besonderer Kenntnisse im kaufmännischen Bereich, wie die von Marktkenntnissen oder von Kenntnissen und Erfahrungen auf dem Gebiet der Betriebsrationalisierung, im Einzelfall begrifflich als Vermittlung von Know-how anzusehen sein.

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Kap. 8: Geistiges Eigentum und beschränkte Steuerpflicht

nisches Wissen über die besonders wirksame Anwendung an sich bekannter technischer Maßnahmen oder Erfindungen und über technisches oder gewerbliches Erfahrungswissen (sog. Betriebserfahrungen) bis hin zu ungeschützten Erfindungen, Fabrikationsverfahren, Konstruktionen und sonstigen, die Technik bereichernden Leistungen (soweit sie Betriebsgeheimnisse darstellen).

8.146

§ 49 Abs. 1 Nr. 9 EStG nennt als (nicht abschließende) Beispiele für Erfahrungen, Kenntnisse und Fertigkeiten in seinem letzten Halbs. Pläne, Muster und Verfahren1 (zur zivilrechtlichen Bedeutung dieser Begriffe s. Rz. 12.17). Der Hauptanwendungsbereich liegt bei Erfahrungen, die keinen urheberrechtlichen Schutz genießen.2 (2) Überlassung der Nutzung oder des Rechts auf Nutzung

8.147

§ 49 Abs. 1 Nr. 9 EStG bezieht sich allein auf die „Überlassung der Nutzung oder des Rechts auf Nutzung“ von Erfahrungen, Kenntnissen oder Fertigkeiten. Die Nutzungsüberlassung ist daher zunächst von Vorgängen abzugrenzen, die sich rechtlich oder wirtschaftlich3 als (endgültige) Veräußerung darstellen.4 Für Veräußerungsvorgänge kommen allein die Nr. 2 Buchst. a und f sowie die Nr. 3 des § 49 Abs. 1 EStG in Betracht.5 Nutzungsüberlassungen bzw. Rechteüberlassungen hingegen werden von § 49 Abs. 1 Nr. 9 EStG erfasst. Sowohl die reine Überlassung von Erfahrungen, Kenntnissen und Fertigkeiten (ohne gleichzeitige Rechtsübertragung) als auch die Überlassung eines eigenständigen und fortbestehenden Rechts (als Inhaber dieses Rechts) zur Nutzung ist tatbestandsmäßig.6

8.148

Wofür der Leistungsempfänger das Know-how nutzt, ist für § 49 Abs. 1 Nr. 9 EStG irrelevant. Entscheidend ist aber, dass eine Nutzung durch ihn (den Know-how-Nehmer) stattfindet. Die Überlassung der Nutzung oder des Rechts auf Nutzung von Know-how soll dem Abnehmer die Möglichkeit eröffnen, z.B. das ihm überlassene (meist ergänzende) Erfahrungswissen selbst anzuwenden. Eine Nutzung liegt deshalb dann nicht vor, wenn Erfahrungswissen nicht überlassen, sondern von dem Know-how-Geber selbst angewendet wird.

8.149

Die Nutzungsüberlassung bzw. die Überlassung des Rechts auf Nutzung muss ferner zielgerichtet und exklusiv sein.7 Sofern beispielsweise die 1 Autoren- oder Vertriebsrechte werden daher beispielsweise nicht erfasst, vgl. BFH v. 20.7.1988 – I R 174/85, BStBl. II 1989, 87; v. 27.7.1988 – I R 130/84, BStBl. II 1989, 101. 2 Loschelder in Schmidt30, § 49 EStG Rz. 94. 3 Problematisch sind in diesem Zusammenhang z.B. exklusive Vertriebsrechte. Sie werden nach (wohl) h.M. nicht von § 49 Abs. 1 Nr. 9 EStG erfasst, vgl. BFH v. 27.7.1988 – I R 130/84, BStBl. II 1989, 101. 4 Dazu BFH v. 20.7.1988 – I R 61/85, BStBl. II 1989, 99 sowie zutreffend Loschelder in Schmidt30, § 49 EStG Rz. 92. 5 FG München v. 24.11.1982 – I 349/79-E, EFG 1983, 353, rkr. 6 Zur Abgrenzung vgl. BFH v. 27.5.2009 – I R 86/07, BStBl. II 2010, 120. 7 Wied in Blümich, § 49 EStG Rz. 230.

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B. Relevante Tatbestände der beschränkten Steuerpflicht

Nutzungsüberlassung von Know-how nur eine notwendige Begleiterscheinung einer für sich eigenständigen Dienstleistung ist, scheidet § 49 Abs. 1 Nr. 9 EStG aus.1 (3) Nutzung im Inland § 49 Abs. 1 Nr. 9 EStG setzt voraus, dass die Erfahrungen, Kenntnisse oder Fertigkeiten im Inland genutzt werden oder im Inland genutzt worden sind.2 „Inland“ ist i.S. des § 1 Abs. 1 Satz 2 EStG zu verstehen. Die steuerliche Ansässigkeit des Know-how-Nehmers im Inland ist nicht entscheidend, es kommt allein auf die örtliche Nutzung im Inland an, was als Anknüpfungspunkt für die Besteuerung ausreichend ist.

8.150

Die Unterscheidung zwischen „genutzt werden“ und „genutzt worden sind“ bezieht sich m.E. auf den Zeitpunkt der Zahlung der Vergütung, zumal an diesen auch die Besteuerung anknüpft (Zuflussprinzip, § 11 EStG). Eine zeitliche Korrespondenz zwischen der (meist laufenden) Vergütungszahlung und der Nutzung des geistigen Eigentums i.S. des Erfordernisses desselben Veranlagungszeitraums wird nicht vorausgesetzt, so dass beispielsweise auch eine nachlaufende, endfällige Einmal- oder Abschlusszahlung tatbestandsmäßig ist.3

8.151

(4) Rechtsprechung zum Know-how (Auswahl) Alleinvertriebsrecht (BFH v. 27.7.1988 – I R 130/84, BStBl. II 1989, 101, verneint); Autorenrechte (BFH v. 20.7.1988 – I R 174/85, BStBl. II 1989, 87, verneint); Kaufmännisches Know-how (BFH v. 16.12.1970 – I R 44/67, BStBl. II 1971, 235, bejaht); Kundenadressen (BFH v. 13.11.2002 – I R 90/01, BStBl. II 2003, 249, verneint); Markenzeichen (FG Köln v. 21.11. 1997 – 2 K 4387/95, EFG 1998, 881, rkr., bejaht); öffentlich zugängliche Grundlagenforschung (FG Hamburg v. 19.10.2000 – VI 14/99, EFG 2001, 289, rkr., verneint); Patente und technisches Know-how (BFH v. 18.3.2009 – I B 210/08, BFH/NV 2009, 1237, bejaht); Transferentschädigung bei Spielerleihe (BFH v. 27.5.2009 – I R 86/07, BStBl. II 2010, 120, verneint); Überlassung eines Satellitentransponders (BFH v. 17.2.20004 – I R 130/97, BFH/NV 2000, 1182, verneint); Softwareentwicklung5 (BFH v. 20.7.1988 – I R 61/85, BStBl. II 1989, 99, offen gelassen); Urheberrecht gemäß § 15 UrhG (BFH v. 20.7.1988 – I R 174/85, BStBl. II 1989, 87, verneint); Veräußerung von Rechten (FG München 1 Amann, Dienstleistungen im internationalen Steuerrecht, 86. 2 Vgl. auch zu den systematisch kaum begründbaren unterschiedlichen Anknüpfungspunkten in § 49 Abs. 1 Nr. 6 und 9 EStG kritisch Lüdicke, DStR 2008, Beihefter 17, 27. 3 So möglicherweise auch Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 5.237 in Fn. 3. 4 Dazu bereits Rabe, RIW 1992, 135. 5 Zum Steuerabzug bei Lizenzgebühren für die Überlassung von Software vgl. Haase, INF 2006, 741.

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8.152

Kap. 8: Geistiges Eigentum und beschränkte Steuerpflicht

v. 24.11.1982 – I 349/79-E, EFG 1983, 353, rkr., verneint); Verkaufsähnliche Vergütungen (FG München v. 25.10.1989 – I 279/84 E, EFG 1990, 242, verneint); Verwertung durch Werbung (FG Münster v. 31.5. 1999 – 9 K 8434/98 S, EFG 1999, 968, verneint); Verwertungsrechte (FG München v. 24.11.1982 – I 349/79-E, EFG 1983, 353, rkr., bejaht); Werthaltiger Tipp (BFH v. 26.10.2004 – IX R 53/02, BStBl. II 2006, 167, verneint).

III. Besonderheiten 1. Isolierende Betrachtungsweise (§ 49 Abs. 2 EStG) a) Vorbemerkung

8.153

Bei rein inländischen Sachverhalten stellt die Einteilung in die verschiedenen Einkunftsarten gemäß den §§ 2 Abs. 1 Satz 1, 13 ff. EStG sicher, dass Einkünfte stets exakt nach einer bestimmten Einkunftsart besteuert werden. Das Gesetz lässt es, abgesehen von gewollten systematischen Lücken1, niemals offen, welche Einkunftsart zur Anwendung kommt, weil dies im wirtschaftlichen Ergebnis völlig unterschiedliche Konsequenzen haben kann. Hierfür bedient sich das Gesetz unterschiedlicher Mechanismen. So schließen sich manche Einkunftsarten bereits tatbestandlich aus (vgl. etwa die Abgrenzungsregel des § 15 Abs. 2 Satz 1 EStG für Einkünfte aus Gewerbebetrieb von den anderen Gewinneinkunftsarten). Andere Einkunftsarten dienen als Auffangtatbestände (vgl. etwa § 22 Nr. 1 EStG: „… soweit sie nicht zu den in § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 6 bezeichneten Einkunftsarten gehören …“).2 Und schließlich statuiert der Gesetzgeber in den §§ 20 Abs. 8, 21 Abs. 3, 22 Nr. 3 und 23 Abs. 2 EStG das Prinzip der sog. Subsidiarität der Überschusseinkünfte.3

8.154

Man mag zwar im Einzelfall über die Subsumtion eines bestimmten Steuersachverhalts unter die Einkunftstatbestände streiten, und im Einzelfall mögen auch auf den ersten Blick mehrere Einkunftstatbestände gleichzeitig erfüllt sein. Die verschiedenen Einkunftsarten aber stehen in einem gesetzlich klar angeordneten Rangverhältnis mit der Folge, dass die konkrete Besteuerung stets nach nur einer Einkunftsart vorzunehmen ist. Diese Systematik und insbesondere das Prinzip der Subsidiarität der Überschusseinkünfte (§§ 20 Abs. 8, 21 Abs. 3, 22 Nr. 3 und 23 Abs. 2 EStG), das für den Vorrang der Einkünfte aus Gewerbebetrieb gemäß § 15 EStG ursächlich ist, führen im Anwendungsbereich des § 49 EStG zu besonderen Problemen, die nachstehend näher erläutert werden. 1 Z.B. Einkünfte aus Spiel und Wette, Erbschaften, etc. 2 Weiteres Beispiel ist die sich aus der Gesetzessystematik ergebende Subsidiarität des § 17 EStG gegenüber den §§ 15, 16 EStG, dazu Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 5.132 m.w.N. 3 Freilich mag man darüber streiten, ob den Vorschriften nicht ein rein deklaratorischer Charakter zukommt, denn die Quelle der Einkünfte (z.B. das Grundstück) gehört bereits zum Betriebsvermögen.

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B. Relevante Tatbestände der beschränkten Steuerpflicht

b) Zweck der Regelung Wir wollen annehmen, dass der Einzelgewerbetreibende X (Wohnsitz und gewöhnlicher Aufenthalt im ausländischen Staat A) im Betriebsvermögen seines ausländischen Gewerbebetriebs ein in Hamburg belegenes Grundstück hält, das gegen Zahlung eines Mietzinses an den im Inland wohnenden Y vermietet ist. Das Grundstück dient X nur als Geldanlage, eine weitere Verbindung zu seinem ausländischen Gewerbebetrieb besteht nicht. Bei der Beurteilung dieses Sachverhalts sind für die Untersuchung der Frage, ob X inländische Einkünfte i.S. des § 49 EStG bezieht, im Grundsatz im Inland und im Ausland gegebene Tatbestandsmerkmale zu berücksichtigen.1

8.155

Dies führt zu folgendem Ergebnis2: Wegen § 21 Abs. 3 EStG erzielt X (ebenso wie bei einem rein inländischen Sachverhalt) Einkünfte aus Gewerbebetrieb gemäß § 15 EStG. Für gewerbliche Einkünfte gilt ausschließlich § 49 Abs. 1 Nr. 2 EStG, nicht hingegen § 49 Abs. 1 Nr. 6 EStG, der sich auf Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung i.S. des § 21 EStG bezieht. § 49 Abs. 1 Nr. 2 EStG aber ist vorliegend nicht einschlägig. Buchst. a greift nicht Platz, weil das Grundstück in casu keine Betriebsstätte des Gewerbebetriebs darstellt, und die anderen Buchstaben sind ersichtlich nicht einschlägig.3 X ist daher an sich nicht beschränkt steuerpflichtig gemäß § 1 Abs. 4 EStG, weil der Katalog des § 49 EStG abschließend ist und keiner seiner Tatbestände erfüllt ist.

8.156

Dieses Ergebnis ist jedoch nicht sachgerecht. Zum einen könnten Steuerpflichtige durch Gestaltungen leicht die beschränkte Steuerpflicht umgehen, zum anderen werden allein aufgrund der Subsidiaritätsregeln bzw. der Tatsache, dass bestimmte Besteuerungsmerkmale im Ausland verwirklicht worden sind (vorliegend das Merkmal der Gewerblichkeit bzw. genauer der Umstand, dass das Grundstück zu einem ausländischen Gewerbebetrieb gehört), Sachverhalte nicht in die beschränkte Steuerpflicht einbezogen, die ohne diese Regeln nach § 49 EStG ohne weiteres besteuert werden könnten (vorliegend nach § 49 Abs. 1 Nr. 6 EStG). Hier setzt § 49 Abs. 2 EStG an (sog. isolierende Betrachtungsweise).4

8.157

c) Regelungsgegenstand Die von ihrem Wortlaut her nicht eben eingängige Norm des § 49 Abs. 2 EStG besagt lediglich, dass im Ausland verwirklichte Besteuerungsmerk1 Anderes Beispiel in R 49.3 Abs. 1 EStR. 2 Vgl. auch dazu BFH v. 28.7.1982 – I R 196/79, BStBl. II 1983, 77. 3 § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f EStG ist nicht einschlägig, weil X keine Kapitalgesellschaft ist (s. Satz 2 der Norm) und weil die Vermietung nur eines Grundstücks anhand der Kriterien des § 15 Abs. 2 EStG keine gewerbliche Tätigkeit begründet, solange nicht Sonderleistungen erbracht werden oder der Umfang der Vermietung einen kaufmännisch eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert. 4 Ausführlich und grundlegend aus jüngerer Zeit Morgenthaler in FS Krawitz, 275; ebenso Mössner in FS Flick, 939; Coenen, Isolierende Betrachtungsweise, 2004; Gosch in FS Wassermeyer, 263.

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8.158

Kap. 8: Geistiges Eigentum und beschränkte Steuerpflicht

male nicht zu berücksichtigen sind, wenn für den Fall ihrer Berücksichtigung keine inländischen Einkünfte i.S. des § 49 Abs. 1 EStG gegeben wären und eine beschränkte Steuerpflicht damit ausscheiden würde.1 Die Subsumtion unter die einzelnen Tatbestände des § 49 Abs. 1 EStG ist also nur anhand der im Inland verwirklichten Besteuerungsmerkmale vorzunehmen.

8.159

Die isolierende Betrachtungsweise reduziert damit lediglich den bei der beschränkten Steuerpflicht erforderlichen Inlandsbezug, eine inhaltliche Umqualifizierung von Einkünften wird durch § 49 Abs. 2 EStG ebenso wenig bewirkt wie eine Erweiterung des Katalogs der inländischen Einkünfte.2 Die isolierende Betrachtungsweise („isoliert betrachtet“ in diesem Sinne werden die im Inland verwirklichten Besteuerungsmerkmale) verhindert lediglich, dass (Überschuss-)Einkünfte unbesteuert bleiben, die ohne die zwingende Subsidiarität gegenüber den Gewinneinkunftsarten nach § 49 EStG besteuert werden könnten. Im Ergebnis werden damit die Subsidiaritätsregeln außer Kraft gesetzt.3

8.160

Im Beispielsfall4 erzielt X daher wegen § 49 Abs. 2 EStG inländische Einkünfte i.S. des § 49 Abs. 1 Nr. 6 EStG. Unklar bleibt die Bedeutung des in § 49 Abs. 2 EStG verwendeten Begriffs „Besteuerungsmerkmal“, der keine gesetzliche Definition erfährt. Der Begriff ist nicht im strengen Sinne als Tatbestandsmerkmal, sondern allgemein als Teil des Sachverhalts zu verstehen, der für den jeweiligen Besteuerungstatbestand bedeutsam ist. Es kann sich bei Besteuerungsmerkmalen um im Ausland gegebene Umstände oder Eigenschaften oder im Ausland ausgeübte Tätigkeiten handeln. Im Beispielsfall war das außer Betracht zu lassende, im Ausland verwirklichte Besteuerungsmerkmal jenes der Gewerblichkeit bzw. der Umstand, dass das Grundstück zu einem ausländischen Gewerbebetrieb gehört.

8.161

Die Anwendung der isolierenden Betrachtungsweise setzt danach zweierlei voraus:5 Erstens müssen bestimmte Einkünfte unter mehr als eine der Ein1 BFH v. 1.12.1982 – I B 11/82, BStBl. II 1983, 367; v. 7.1.2001 – I R 14/01, BStBl. II 2002, 861. 2 Auch werden in tatsächlicher Hinsicht keine Besteuerungsmerkmale fingiert, vgl. Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 5.133 sowie BFH v. 7.1.2001 – I R 14/01, BStBl. II 2002, 861. 3 BFH v. 28.1.2004 – I B 73/02, BStBl. II 2005, 550; ebenso Hidien in Kichhof/Söhn/ Mellinghoff, § 49 EStG Rz. K9. 4 Ein weiteres Beispiel war vor der Einführung bzw. Änderung des § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. d und f EStG die Überlassung von Rechten durch einen Steuerausländer in das Inland. Inländische Einkünfte i.S. des § 49 Abs. 1 Nr. 6 EStG lagen auch dann vor, wenn die Einkünfte beim Rechtsinhaber zu den gewerblichen Einkünften i.S. des § 15 EStG gehörten, die mangels einer Betriebsstätte im Inland aber nicht zu inländischen Einkünften i.S. des § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG führten, vgl. BMF v. 2.8.2005 – IV C 8 - S 2411 - 8/05, BStBl. I 2005, 844. 5 Reith, Internationales Steuerrecht, Rz. 13.11; zur systematischen Prüfungsreihenfolge ebenso Frotscher, Internationales Steuerrecht3, Rz. 111; kritisch Crezelius, StVj. 1992, 322 (325 f.).

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B. Relevante Tatbestände der beschränkten Steuerpflicht

kunftsarten i.S. des § 2 Abs. 1 Satz 1 EStG subsumiert werden können, und zweitens muss eine Subsidiaritätsregel bewirken, dass die eigentlich gegebene Einkunftsart wegen des stärkeren Auslandsbezugs nicht zu einer beschränkten Steuerpflicht führt.1 § 49 Abs. 2 EStG ersetzt hingegen nicht etwaige nicht gegebene inländische Besteuerungsmerkmale i.S. der §§ 13 ff. EStG und ist auch nicht anwendbar, wenn ein bestimmter Besteuerungssachverhalt und die sich daraus ergebenden Einkünfte isoliert betrachtet (d.h. nach Anwendung des § 49 Abs. 2 EStG) nicht eindeutig einer bestimmten Überschusseinkunftsart zugeordnet werden können.2 Nach der durch § 49 Abs. 2 EStG erfolgten Umqualifizierung von gewerblichen Einkünften in Überschusseinkünfte ist die Besteuerung nach den allgemeinen Regeln über die jeweilige Einkunftsart vorzunehmen.3 Die Umqualifizierung gilt jedoch allein für das nationale deutsche Steuerrecht, nicht aber für die Anwendung von DBA.4

8.162

2. Einkünfteermittlung Für Zwecke der §§ 49 ff. EStG sind die Einkünfte ohne Ausnahme nach deutschem Steuerrecht zu ermitteln.5 Bei beschränkt Steuerpflichtigen bezieht sich dies naturgemäß nur auf die steuerbaren inländischen Einkünfte i.S. des § 49 Abs. 1 EStG; damit im Zusammenhang stehende ausländische Einkünfte (beispielsweise eines ausländischen Stammhauses mit inländischer Betriebsstätte) hingegen sind außer Betracht zu lassen. Dem steht jedoch nicht entgegen, dass es in Einzelfällen hingenommen werden muss, wenn die im Inland steuerbaren Einkünfte aus einer Einkünfteermittlung für den gesamten (sich auch auf das Ausland erstreckenden) Betrieb abgeleitet werden, weil eine direkte Gewinnermittlung technisch nicht oder nur unter erheblichen Schwierigkeiten möglich ist.6

8.163

Bei der Einkünfteermittlung gelten die allgemeinen Grundsätze des § 2 EStG. Für § 49 Abs. 1 Nr. 1–3 EStG ist daher nach § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG der Gewinn nach den §§ 4 ff. EStG zu ermitteln7, während für § 49 Abs. 1 Nr. 4 ff. der Überschuss der Einnahmen über die Werbungskosten nach den §§ 8, 9 EStG bestimmt wird8 (§ 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 EStG). Für

8.164

1 BFH v. 1.12.1982 – I B 11/82, BStBl. II 1983, 367; v. 20.6.1984 – I R 283/81, BStBl. II 1984, 828; detailliert hierzu auch Gosch in FS Wassermeyer, 263, 270 ff. 2 Ebenso Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 5.133. 3 BFH v. 4.3.1970 – I R 140/66, BStBl. II 1970, 428; v. 28.3.1984 – I R 129/79, BStBl. II 1984, 620; v. 6.3.1985 – I R 87/84, BFH/NV 1985, 584. 4 BFH v. 23.3.1972 – I R 128/70, BStBl. II 1972, 948; zustimmend Clausen in H/H/R, § 49 EStG Rz. 1206 sowie Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 5.143 in Fn. 7. 5 Dazu Kahle/Schulz, RIW 2009, 140. 6 BFH v. 17.12.1995 – I R 95/96, BStBl. II 1998, 260. 7 Ausnahme: Manche Vorschriften gelten nur für die unbeschränkte Steuerpflicht, wie etwa § 13a EStG im Fall des § 49 Abs. 1 Nr. 1 EStG, vgl. BFH v. 17.12.1995 – I R 95/96, BStBl. II 1998, 260. 8 Dazu BFH v. 17.4.1996 – I R 78/95, BStBl. II 1996, 571.

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Kap. 8: Geistiges Eigentum und beschränkte Steuerpflicht

beschränkt Steuerpflichtige mit Einkünften aus Gewerbebetrieb i.S. des § 15 EStG (§ 49 Abs. 1 Nr. 2 EStG, hier vor allem die Buchst. a, c und d) wird regelmäßig § 5 EStG Anwendung finden, wenn dessen allgemeine Anwendungsvoraussetzungen erfüllt sind (entweder Buchführungs- und Abschlusspflicht nach deutschem Handelsrecht wegen § 238 HGB oder Buchführungs- und Abschlusspflicht nach deutschem Steuerrecht wegen § 141 AO).1

8.165

Ob eine Tätigkeit der steuerrechtlich relevanten Einkunftserzielung oder dem Bereich der privaten Vermögenssphäre und damit der „Liebhaberei“ zuzuordnen ist, muss bei beschränkt Steuerpflichtigen nach m.E. zutreffender Ansicht der Rechtsprechung nach denselben Kriterien wie bei unbeschränkt Steuerpflichtigen beurteilt werden. Denn § 49 Abs. 1 EStG, der den Kreis der bei beschränkt Steuerpflichtigen zu erfassenden Einkünfte bestimmt, knüpft ebenfalls an das Vorliegen von Einkünften i.S. der §§ 13 ff. EStG an und enthält, wie bereits oben unter Rz. 8.24 ff. dargestellt, keine Erweiterung gegenüber dem für unbeschränkt Steuerpflichtige geltenden Einkünftebegriff.2 Hieraus folgt zugleich, dass auch die im Zusammenhang mit der „Liebhaberei“ geltenden Vermutungs- und Beweislastregeln bei beschränkter Steuerpflicht in derselben Weise wie für unbeschränkt Steuerpflichtige gelten.3 Die Finanzverwaltung steht demgegenüber jedenfalls für Zwecke der Abzugsbesteuerung des § 50a EStG auf dem Standpunkt, dass Fragen der Einkunftserzielungsabsicht nur im Freistellungs- oder Veranlagungsverfahren zu prüfen seien.4 3. Zeitbezug

8.166

Nach § 49 Abs. 1 Nr. 6 EStG beispielsweise unterliegen Vergütungen für die Überlassung von Rechten der beschränkten Steuerpflicht, wenn diese Rechte im Inland eingetragen „sind“ oder im Inland verwertet „werden“. Nach § 49 Abs. 1 Nr. 9 EStG hingegen unterliegen Vergütungen für die Überlassung von Rechten der beschränkten Steuerpflicht, wenn diese Rechte im Inland „genutzt werden oder worden sind“. Derlei Unterschiede zwischen Präsens und Perfekt5 finden sich in einigen Tatbeständen des § 49 Abs. 1 EStG. Sie werfen unweigerlich die Frage nach der Behandlung von vorweggenommenen und nachträglichen Einkünften im Rahmen der beschränkten Steuerpflicht auf.6 1 Auch eine freiwillige Unterwerfung unter die Buchführungs- und Abschlusspflicht ist insoweit möglich, vgl. Wied in Blümich, § 49 EStG Rz. 43 m.w.N. 2 BFH v. 1.12.1982 – I B 11/82, BStBl. II 1983, 367. 3 BFH v. 7.11.2001 – I R 14/01, BStBl. II 2002, 861; a.A. bereits seinerzeit die Finanzverwaltung in BMF v. 11.12.2002 – IV A 5 - S 2411 - 69/02, BStBl. I 2002, 1394 (Nichtanwendungserlass). 4 BMF v. 25.11.2010 – IV C 3-S 2303/09/10002, BStBl. I 2010, 1350 Rz. 15. 5 Zuweilen wird der Zeitbezug auch ausdrücklich benannt, so z.B. in § 49 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b EStG, wo explizit an Vergütung für ein „früheres Dienstverhältnis“ angeknüpft wird. 6 Ausführlich dazu Wassermeyer/Andresen/Ditz, Betriebsstätten Handbuch, 313 ff.

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B. Relevante Tatbestände der beschränkten Steuerpflicht

Hierzu ist zu konstatieren, dass sich prima facie das (nur für einige Tatbestände des § 49 Abs. 1 EStG anwendbare) Zufluss-/Abflussprinzip des § 11 EStG und das aus § 50 Abs. 1 Satz 1 EStG abgeleitete Veranlassungsprinzip gegenüberstehen. Nach wohl h.M. setzt sich im Grundsatz das Veranlassungsprinzip durch, d.h. Erträge und Aufwendungen bzw. Einnahmen und Ausgaben, die vor bzw. nach der Beendigung der beschränkten Steuerpflicht angefallen sind, sind nur, aber auch immer dann zu berücksichtigen, wenn ein unmittelbarer wirtschaftlicher Zusammenhang mit den früheren oder späteren steuerpflichtigen inländischen Einkünften besteht.1 Für den Bereich der Überschusseinkünfte jedoch soll es stets auf die Verhältnisse im Zufluss- bzw. Abflusszeitpunkt ankommen.2 Insoweit hat der BFH entschieden, dass der Grundsatz der wirtschaftlichen Verursachung kein dem Zufluss-/Abflussprinzip vorrangiges Prinzip sei. Er diene allein der sachlichen Verknüpfung von wirtschaftlich zusammengehörenden Einnahmen und Ausgaben und sei im Vergleich zum Zufluss-/Abflussprinzip, das den Zeitpunkt ihrer steuerlichen Erfassung regelt, ein aliud.3

8.167

Für den Bereich der gewerblichen Einkünfte und insbesondere die Betriebsstättenbesteuerung (§ 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG) gilt konsequent das Veranlassungsprinzip: Bei nachträglichen Einkünften aus der Betriebsstätte, für die der Steuerpflichtige im Zeitpunkt der steuerlichen Erfassung dieser Einkünfte die Betriebsstätte nicht mehr unterhält, ist darauf abzustellen, ob die betriebliche Leistung, die für die Einkünfte ursächlich ist, während der Zeit des Bestehens der Betriebsstätte erbracht wurde.4

8.168

Gründungsaufwand und Aufwendungen im Hinblick auf eine Betriebsstätte vor ihrer Errichtung sind umgekehrt zu Lasten des Betriebsstättenergebnisses anzusetzen, weil sie in einem Veranlassungszusammenhang mit der Betriebsstätte stehen. Dies gilt auch dann, wenn die Betriebsstättenbegründung scheitert, da die Aufwendungen in einem unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang mit den Einnahmen stehen, die aus der zu errichtenden Betriebsstätte erzielt werden sollten.5 Aufwendungen der Auf-

8.169

1 BFH v. 28.3.1984 – I R 129/79, BStBl. II 1984, 620; dazu auch Herkenroth/Striegel in H/H/R, § 50 EStG Rz. 38 ff. und Loschelder in Schmidt30, § 50 EStG Rz. 7. 2 Vgl. das Beispiel des Zuflusses von Darlehenszinsen in einem Zeitpunkt, in dem die zugrunde liegende Forderung nicht mehr durch inländischen Grundbesitz gesichert war, wie es § 49 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. c Doppelbuchst. aa EStG verlangt, vgl. BFH v. 28.3.1984 – I R 129/79, BStBl. II 1984, 620. 3 BFH v. 17.4.1996 – I R 78/95, BStBl. II 1996, 571; i.d.S. wohl auch Lüdicke, DStR 2008, Beihefter 17, 28. 4 BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99, BStBl. I 1999, 1076 Rz. 2.9.2 (dort allerdings mit der zeitlichen Einschränkung auf das dem Jahr der Betriebsstättenauflösung folgende Wirtschaftsjahr); vgl. im Übrigen BFH v. 15.7.1964 – I 415/61 U, BStBl. III 1964, 551 sowie die weiteren Nachweise bei Wied in Blümich, § 49 EStG Rz. 47. 5 Die Finanzverwaltung beruft sich zur Begründung (in BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99, BStBl. I 1999, 1076 Rz. 2.9.1) auf BFH v. 28.4.1983 – IV R 122/79, BStBl. II 1983, 567. Das Urt. ist zwar zur unbeschränkten Steuerpflicht

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Kap. 8: Geistiges Eigentum und beschränkte Steuerpflicht

tragsakquisition, die nur bei Erfolg zu einer Betriebsstättenbegründung führt, sollen hingegen nach Auffassung der Finanzverwaltung stets vom Stammhaus zu tragen sein.1

C. Abzugsbesteuerung nach § 50a EStG I. Vorbemerkung/Historie 8.170

Der Steuerabzug nach § 50a EStG ist, vor allem aufgrund gemeinschaftsrechtlicher2 Vorgaben, durch das JStG 20093 grundlegend neu strukturiert worden.4 Die dem Steuerabzug unterliegenden Einkünfte wurden in einem neuen Abs. 1 zusammengefasst. Die bisherige Trennung der Aufsichtsratsteuer (bisher § 50a Abs. 1 EStG a.F.) und des Steuerabzugs gemäß § 50a Abs. 4 EStG a.F. wurde aufgegeben. Außerdem wurde der Steuerabzug stärker als bisher an den Besteuerungsrechten des Quellenstaats nach den DBA ausgerichtet.5

8.171

Dem Steuerabzug unterliegen auch weiterhin Einkünfte aus inländischen künstlerischen, sportlichen, artistischen und ähnlichen Darbietungen, aus der Verwertung solcher inländischer Darbietungen sowie aus der Überlassung von Rechten und Know-how. Dem Steuerabzug unterliegen dagegen nicht mehr die Einkünfte sog. werkschaffender Künstler.6 Das trägt dem Umstand Rechnung, dass die Zuweisung eines Besteuerungsrechts für bestimmte Einkünfte von Künstlern, Sportlern und anderen Personen an den Quellenstaat nach den DBA regelmäßig nur für die Einkünfte aus der persönlich ausgeübten inländischen Tätigkeit gilt.

1 2

3

4 5 6

ergangen, kann aber m.E. dennoch als allgemeines Prinzip herangezogen werden (a.A. Wied in Blümich, § 49 EStG Rz. 48). BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99, BStBl. I 1999, 1076 Rz. 2.9.1. Der Quellensteuerabzug als solcher steht seit langem grundsätzlich im Verdacht, gemeinschaftsrechtswidrig zu sein, vgl. neuerdings das Vorlageverfahren des niederländischen Hoge Raad v. 14.10.2010 (Az. beim EuGH: C-498/10) mit der Vorlagefrage: „Ist Art. 56 AEUV so auszulegen, dass eine Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs vorliegt, wenn der Empfänger einer Dienstleistung, die von einem in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Dienstleister erbracht wird, aufgrund der Gesetzgebung des Mitgliedstaats, in dem der Dienstleistungsempfänger ansässig ist und in dem die Dienstleistung erbracht wird, verpflichtet ist, Steuern auf das für diese Dienstleistung geschuldete Entgelt einzubehalten, während diese Einbehaltungspflicht nicht besteht, wenn ein Dienstleister betroffen ist, der in demselben Mitgliedstaat wie der Empfänger der Dienstleistung ansässig ist?“ JStG 2009 v. 19.12.2008, BGBl. I 2008, 2794; umfassend zur Neuregelung insgesamt Holthaus, SWI 2010, 10; Holthaus, IWB 2009/4 Fach 3, Gruppe 3, 1531; Melchior, DStR 2009, 4; Grotherr, IWB 2009/9 Fach 3, Gruppe 1, 2373; Kahle/ Schulz, Stbg 2008, 541. Dazu Köhler/Goebel/Schmidt, DStR 2010, 8; Holthaus, DStZ 2008, 741. Zur abkommensrechtlichen Behandlung vgl. Rz. 9.1 ff. Vgl. dazu die Gesetzesbegründung in BT-Drucks. 16/10189, 62.

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C. Abzugsbesteuerung nach § 50a EStG

Auch die Einfügung unterhaltender Darbietungen in § 50a Abs. 1 Nr. 1 EStG nähert den Steuerabzug an die Regelungen im überwiegenden Teil der von der Bundesrepublik Deutschland abgeschlossenen DBA an, da es nach diesen weniger auf den Status des beschränkt Steuerpflichtigen als Künstler, Sportler oder Artist ankommt, sondern vielmehr auf den unterhaltenden Charakter der Darbietung selbst (vgl. zugleich die Änderung des § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. d und Nr. 9 EStG durch das JStG 20091). Nach der zuvor mehrfach bestätigten Rechtsprechung des BFH nämlich2 führen Einkünfte, die von Künstlern durch unterhaltende Darbietungen erzielt werden, aber selbst keine eigenschöpferische Leistung darstellen, z.B. die Teilnahme an einer Talkshow oder an einer Autogrammstunde, nicht zu Einkünften aus im Inland ausgeübter oder verwerteter künstlerischer Tätigkeit, sondern zu sonstigen Einkünften i.S. des § 22 Nr. 3 EStG, die bislang bei beschränkt Steuerpflichtigen nicht erfasst werden, weil sie in § 49 Abs. 1 Nr. 9 EStG nicht ausdrücklich aufgezählt wurden.

8.172

Dem Steuerabzug unterliegen nach § 50a Abs. 1 Nr. 2 EStG auch künftig Einkünfte aus der Verwertung inländischer Darbietungen, jedoch nicht mehr die Einkünfte aus der inländischen Verwertung ausländischer Darbietungen, für die nach den DBA regelmäßig ein Besteuerungsrecht des Quellenstaats nicht besteht (dazu näher unter Rz. 9.1 ff.). Daher konnte in dieser Konstellation auch bislang in aller Regel eine Freistellungsbescheinigung gemäß § 50d EStG erlangt werden. Der dafür erforderliche administrative Aufwand entfällt künftig, was vor allem bei geringen Vergütungen eine erhebliche Erleichterung für die betroffenen Steuerpflichtigen bedeutet.

8.173

II. Begrifflichkeiten Für die Anwendung der §§ 50a, 50d EStG ist die folgende Terminologie zu beachten: Das Gesetz spricht mehrheitlich vom „Gläubiger“ bzw. vom „Schuldner“, meistens ergänzt um die Worte „der Vergütung“ oder „einer Vergütung“, so etwa in § 50a Abs. 4 EStG. Gemeint sind die Parteien des Vertrags3, aufgrund dessen zivilrechtlich4 die inländischen Einkünfte i.S. des § 49 EStG erzielt werden bzw. die vereinbarten Vergütungen gezahlt werden, also z.B. Lizenznehmer und Lizenzgeber. Gleichbedeutend mit „Gläubiger“ einerseits und „Schuldner“ andererseits sind die Begriffe „Vergütungsgläubiger“5 und „Vergütungsschuldner“, wobei Letzterer jedoch nicht vom Gesetz verwendet wird. 1 JStG 2009 v. 19.12.2008, BGBl. I 2008, 2794. 2 BFH v. 21.4.1999 – I B 99/98, BStBl. II 2000, 254. 3 Vgl. zur Bedeutung von Namensangaben in der vom Vergütungsschuldner abgegebenen Steueranmeldung BFH v. 29.10.1997 – I R 35/96, BStBl. II 1998, 235. 4 Dazu BMF v. 25.11.2010 – IV C 3-S 2303/09/10002, BStBl. I 2010, 1350 Rz. 40. 5 Vgl. etwa § 50a Abs. 7 Satz 1 EStG.

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Kap. 8: Geistiges Eigentum und beschränkte Steuerpflicht

8.175

Der Gläubiger ist in der hier betrachteten Konstellation stets der i.S. des § 1 Abs. 4 EStG oder § 2 Nr. 1 KStG beschränkt Steuerpflichtige1, d.h. derjenige, dem die Vergütungen bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise (§ 39 AO) im steuerlichen Sinne zugerechnet werden. Er allein ist auch der Steuerschuldner, § 50a Abs. 2 Satz 2 EStG. Als mögliche Haftungsschuldner (§ 73g EStDV, § 50a Abs. 2 Satz 4 EStG) wiederum kommen der Vergütungsschuldner und der Vergütungsgläubiger gleichermaßen in Betracht.

8.176

In Bezug auf § 49 EStG ist i.d.R. der Vergütungsgläubiger derjenige, der den steuerlichen Anknüpfungspunkt zum Inland begründet, sei es durch eine eigene inländische Betriebsstätte oder einen eigenen ständigen Vertreter (§ 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG), durch die Verwertung von Darbietungen i.S. des § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. d EStG oder die Verwertung von Rechten i.S. des § 49 Abs. 1 Nr. 6 oder 9 EStG. Nur ausnahmsweise kommt eine Verwertung durch Dritte oder in Betriebsstätten Dritter in Betracht. Ob und inwieweit der Vergütungsschuldner im Inland steuerpflichtig wird, ist irrelevant.2

III. Steuererhebung an der Quelle 1. Systematik

8.177

Anders als beispielsweise beim Lohnsteuer- oder Kapitalertragsteuerabzug (§§ 38 ff., 43 ff. EStG) oder beim Steuerabzug für Bauleistungen (§§ 48 ff. EStG) wird bei den Tatbeständen des § 50a EStG mehrheitlich systematisch nicht an die Einkunftsquelle und damit das Steuerobjekt, sondern mehrheitlich an die Person des Steuerpflichtigen (Steuersubjekt) angeknüpft. So muss etwa bei § 50a Abs. 1 Nr. 1 EStG eine Personenidentität zwischen dem Darbietenden und dem Bezieher der Einkünfte bestehen.

8.178

Die Systematik des Gesetzes ist so aufgebaut, dass der Steuerabzug nach § 50a Abs. 1 EStG stets eine beschränkte Steuerpflicht i.S. der §§ 1 Abs. 4, 49 EStG voraussetzt.3 Dies kommt beispielsweise bereits im Wortlaut des § 50a Abs. 1 Halbs. 1 EStG zum Ausdruck, der sich auf alle folgenden Nummern des Tatbestands bezieht. Dort heißt es: „Die Einkommensteuer wird bei beschränkt Steuerpflichtigen im Wege des Steuerabzugs erhoben …“, und wer beschränkt steuerpflichtig ist, bestimmt sich bei natürlichen Personen allein nach den §§ 1 Abs. 4, 49 EStG bzw. bei Körperschaften nach § 2 Nr. 1 KStG. Zudem ist an den jeweils letzten 1 Vgl. dazu Wied in Blümich, § 50a EStG Rz. 107. 2 BMF v. 25.11.2010 – IV C 3-S 2303/09/10002, BStBl. I 2010, 1350 Rz. 42. Ein Inlandsbezug reicht aus, vgl. dazu Wied in Blümich, § 50a EStG Rz. 108 m.w.N. 3 Sehr systematisch BFH v. 28.1.2004 – I R 73/02, BStBl. II 2005, 550; zustimmend Haase, Internationales und Europäisches Steuerrecht3, Rz. 401; Frotscher, Internationales Steuerrecht3, Rz. 118; Reith, Internationales Steuerrecht, Rz. 13.24; Strunk in Korn, § 50a EStG Rz. 6, 8 und 25.

482

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Haase

C. Abzugsbesteuerung nach § 50a EStG

Halbs. der Tatbestände des § 50a Abs. 1 EStG eine Klammeraufzählung angefügt, womit ebenfalls auf die beschränkte Steuerpflicht bzw. die inländischen Einkünfte i.S. des § 49 EStG verwiesen wird.1 Im Übrigen entspricht es der ganz h.M., dass der Quellensteuerabzug des § 50a EStG stets und ohne Ausnahme eine beschränkte Steuerpflicht des Vergütungsgläubigers i.S. der §§ 1 Abs. 4, 49 EStG voraussetzt. § 50a EStG kann als reine Verfahrensvorschrift keinen Besteuerungsanspruch begründen.2 Die Quellensteuerabzugstatbestände des § 50a EStG sind für das allgemeine Ertragsteuerrecht an sich systematisch abschließend, d.h. für Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung beispielsweise ist kein Quellensteuerabzug vorgesehen, weil die Steuererhebung hierfür herkömmlich im Veranlagungswege durchgeführt wird. Umso erstaunlicher ist, das sei hier nur am Rande bemerkt, die Neufassung des § 7 Abs. 3 Nr. 2 InvStG durch das JStG 2010.3 Danach ist von ausgeschütteten und ausschüttungsgleichen Erträgen eines inländischen Investmentvermögens ein Steuerabzug in Höhe von 25 % vorzunehmen, soweit darin Erträge aus der Vermietung und Verpachtung von im Inland belegenen Grundstücken und grundstücksgleichen Rechten sowie Gewinne aus privaten Veräußerungsgeschäften mit im Inland belegenen Grundstücken und grundstücksgleichen Rechten enthalten sind. Dies ist der erste Fall, in dem ein spezialgesetzlicher Quellensteuerabzug über die Tatbestände des § 50a EStG hinausgeht. Es bleibt zu hoffen, dass dieses Beispiel nicht Schule machen wird. Für Erträge aus Immaterialgüterrechten indes bleibt es bei der Grundregel, dass die enumerative Aufzählung in § 50a EStG abschließend ist.

8.179

Wichtig ist die Erkenntnis, dass auch bei beschränkt Steuerpflichtigen ein Veranlagungsverfahren durchzuführen ist (das hat i.d.R. die Pflicht zur Abgabe einer Steuererklärung zur Folge), wenn und soweit sie nicht Einkünfte erzielen, für die das Gesetz eine Steuererhebung durch einen Quellensteuerabzug vorsieht bzw. wenn keine der zahlreichen Ausnahmen vom Quellensteuerabzug4 vorliegt. Dies ergibt sich aus der Gesetzessystematik, die die Veranlagung als Regelfall der Steuererhebung vorsieht, § 25 Abs. 1 EStG.

8.180

2. Relevante Abzugsteuertatbestände a) § 50a Abs. 1 Nr. 1 EStG (Darbietungen/Nebenleistungen) Nach § 50a Abs. 1 Nr. 1 EStG wird die Einkommensteuer bei beschränkt Steuerpflichtigen im Wege des Steuerabzugs erhoben bei Einkünften, die 1 So im Ergebnis auch Wied in Blümich, § 50a EStG Rz. 6. 2 Loschelder in Schmidt30, § 49 EStG Rz. 95; ähnlich wohl im Ergebnis Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 5.102 („technische Vorschrift“). 3 JStG 2010 v. 8.12.2010, BGBl. I 2010, 1768. 4 Teilweise können diese Ausnahmen jedoch sehr umfassend sein, vgl. etwa für den Bereich des § 50a EStG die Zusammenstellung in BMF v. 25.11.2010 – IV C 3-S 2303/09/10002, BStBl. I 2010, 1350 Rz. 9.

Haase

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8.181

Kap. 8: Geistiges Eigentum und beschränkte Steuerpflicht

durch im Inland ausgeübte künstlerische, sportliche, artistische, unterhaltende1 oder ähnliche Darbietungen erzielt werden, einschließlich der Einkünfte aus anderen mit diesen Leistungen zusammenhängenden Leistungen2, unabhängig davon, wem die Einkünfte zufließen (§ 49 Abs. 1 Nr. 2–4 und 9 EStG), es sei denn, es handelt sich um Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit, die bereits dem Steuerabzug vom Arbeitslohn nach § 38 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG unterliegen.3

8.182

Die Vorschrift hat im Hinblick auf Erträge aus Immaterialgüterrechten nur eine sehr eingeschränkte Bedeutung, weil Verwertungstatbestände von § 50a Abs. 1 Nr. 1 EStG seit dem VZ 2009 nicht mehr erfasst werden, denn hierfür wurde eigens die Nr. 2 des § 50a Abs. 1 EStG geschaffen. § 50a Abs. 1 Nr. 1 EStG hat in dem hier interessierenden Zusammenhang daher nur Bedeutung für Nebenleistungen, die mit den in der Vorschrift genannten künstlerischen, sportlichen, artistischen, unterhaltenden oder ähnlichen Darbietungen zusammenhängen. Eine Personenidentität zwischen dem Darbietenden und dem Bezieher der Einkünfte muss nach Auffassung des BFH vorliegen, im Zweifel jedoch sind Quellensteuern einzubehalten.4

8.183

Nach Auffassung der Finanzverwaltung gehören etwa Einkünfte aus Verträgen über die Einräumung von Rechten zur rundfunk- und fernsehmäßigen Verwertung von Sportveranstaltungen ebenfalls zu den Einkünften aus mit den Darbietungen oder deren Verwertung zusammenhängenden Leistungen.5 Richtigerweise sind Einkünfte aus Verträgen über die Verwertung von Darbietungen i.S. des § 50a Abs. 1 Nr. 1 EStG aber jedenfalls seit dem VZ 2009 unter § 50a Abs. 1 Nr. 2 EStG zu subsumieren,6 so dass sich Abgrenzungsfragen insoweit nicht stellen.7 Sofern Nebenleistungen von tatbestandsmäßigen Darbietungen daher in der Nutzbarmachung von selbstständig verwertbaren Rechten bestehen, die unmittelbar aus der Darbietung resultieren, ist jeweils § 50a Abs. 1 Nr. 2 EStG vorrangig anzuwenden. § 50a Abs. 1 Nr. 1 EStG hat dann vor dem hier betrachteten Hintergrund der Immaterialgüterrechte keinerlei Praxisrelevanz. 1 Beispiele bei Loschelder in Schmidt30, § 50a EStG Rz. 11. 2 In diesem Zusammenhang noch ungeklärt, vgl. BFH v. 7.11.2007 – I R 19/04, BStBl. II 2008, 228. 3 Vgl. auch die Zusammenstellung in H 50a.2 EStR. 4 BFH v. 25.11.2002 – I B69/02, BStBl. II 2003, 189; anders aber BFH v. 16.5.2001 – I R 64/99, BStBl. II 2003, 641; für eine Steuererhebung im Zweifel auch BMF v. 25.11.2010 – IV C 3-S 2303/09/10002, BStBl. I 2010, 1350 Rz. 10; vgl. auch § 73e Satz 6 EStDV, wonach der Vergütungsschuldner die Einbehaltung der Steuer nur dann unterlassen darf, wenn der Gläubiger durch eine Bescheinigung des nach den abgabenrechtlichen Vorschriften für die Besteuerung seines Einkommens zuständigen Finanzamts nachweist, dass er unbeschränkt steuerpflichtig ist. 5 BMF v. 23.1.1996 – IV B 4 - S 2303 - 14/96, BStBl. I 1996, 89 Rz. 2.2.3.1; mittelbar auch BMF v. 25.11.2010 – IV C 3-S 2303/09/10002, BStBl. I 2010, 1350 Rz. 94. 6 Dazu mittelbar FG Hamburg v. 17.1.1997 – II 97/96, EFG 1997, 621 sowie ausdrücklich Wied in Blümich, § 50a EStG Rz. 48. 7 Ebenso Wied in Blümich, § 50a EStG Rz. 51.

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Haase

C. Abzugsbesteuerung nach § 50a EStG

Der Klammerzusatz in § 50a Abs. 1 Nr. 1 EStG („§ 49 Absatz 1 Nummer 2 bis 4 und 9“) belegt, dass Einkünfte aus Gewerbebetrieb bei dem Vergütungsgläubiger nicht mehr zwingend vorliegend müssen, damit ein Steuerabzug vorzunehmen ist. Jeder in § 50a Abs. 1 Nr. 1 EStG in Bezug genommene Tatbestand ist ausreichend, aber auch erforderlich, wenn und soweit darüber eine beschränkte Steuerpflicht begründet wird.

8.184

b) § 50a Abs. 1 Nr. 2 EStG (Verwertung) Nach § 50a Abs. 1 Nr. 2 EStG wird die Einkommensteuer bei beschränkt Steuerpflichtigen im Wege des Steuerabzugs erhoben bei Einkünften aus der inländischen Verwertung von Darbietungen i.S. des § 50a Abs. 1 Nr. 1 EStG. Wie bei § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. d muss der Vergütungsgläubiger nicht personenidentisch mit dem Darbietenden sein.1

8.185

Das Begriffspaar „inländische Verwertung“ wird wie bei § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. d bzw. Nr. 6 EStG verstanden, so dass auf die dortigen Ausführungen (dazu Rz. 8.62 ff.) verwiesen wird. Gemeint ist die finanzielle Ausnutzung der Darbietungsleistung in jeder Form.2 Aus der Verweisung auf Darbietungen i.S. des § 50a Abs. 1 Nr. 1 EStG folgt, dass nur die inländische Verwertung inländischer Darbietungen von der Abzugsteuer erfasst wird.3 Zwar bezieht sich insbesondere § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. d EStG auf die inländische Verwertung inländischer und ausländischer Darbietungen, jedoch stellt § 50a Abs. 1 Nr. 1 EStG selbst nur auf inländische Darbietungen ab, während bei der inländischen Verwertung ausländischer Darbietungen das Veranlagungsverfahren anzuwenden ist. Insofern ist die Unterscheidung zwischen inländischen und ausländischen Darbietungen und bei gemischten Leistungen entsprechend die Aufteilung einer Gesamtvergütung auf diese Darbietungen für den Quellensteuerabzug von besonderer Bedeutung.4

8.186

Der Klammerzusatz in § 50a Abs. 1 Nr. 2 EStG („§ 49 Absatz 1 Nummer 2 bis 4 und 6“) legt abschließend die Einkunftsarten i.S. der beschränkten Steuerpflicht fest, bei denen ein Steuerabzug vorzunehmen ist. Im Übrigen bleibt ggf. die Steuererhebung im Veranlagungswege. Für Erträge aus Immaterialgüterrechten relevant sind sämtliche der in Bezug genommenen Einkunftsarten, ein Praxisschwerpunkt liegt jedoch auf § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. d und f EStG, auf § 49 Abs. 1 Nr. 3 EStG und auf § 49 Abs. 1 Nr. 6 EStG.

8.187

1 Dazu Wied in Blümich, § 50a EStG Rz. 54; etwas zweifelnd wohl Loschelder in Schmidt30, § 50a EStG Rz. 12. 2 So Loschelder in Schmidt30, § 50a EStG Rz. 12. 3 Doppelter Inlandsbezug, so treffend Loschelder in Schmidt30, § 50a EStG Rz. 12. 4 Vgl. z.B. BMF v. 9.1.2009 – IV C 3-S 2300/07/10002, BStBl. I 2009, 362 zum Steuerabzug von Einkünften beschränkt steuerpflichtiger Fotomodelle und zur Aufteilung von Gesamtvergütungen.

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Kap. 8: Geistiges Eigentum und beschränkte Steuerpflicht

c) § 50a Abs. 1 Nr. 3 EStG (Know-how)

8.188

Nach § 50a Abs. 1 Nr. 3 EStG wird die Einkommensteuer bei beschränkt Steuerpflichtigen im Wege des Steuerabzugs erhoben bei Einkünften, die aus Vergütungen für die Überlassung der Nutzung oder des Rechts auf Nutzung von Rechten, insbesondere von Urheberrechten und gewerblichen Schutzrechten, von gewerblichen, technischen, wissenschaftlichen und ähnlichen Erfahrungen, Kenntnissen und Fertigkeiten, zum Beispiel Plänen, Mustern und Verfahren, herrühren, sowie bei Einkünften, die aus der Verschaffung der Gelegenheit erzielt werden, einen Berufssportler über einen begrenzten Zeitraum vertraglich zu verpflichten (§ 49 Abs. 1 Nr. 2, 3, 6 und 9 EStG). Im Hinblick auf Immaterialgüterrechte unterliegen damit insbesondere die an im Ausland ansässige Künstler1, Filmhersteller, Autoren, Komponisten, Übersetzer, usw. gezahlten Vergütungen dem Steuerabzug, sofern der Zahlung vertraglich eine Überlassung der Nutzung oder des Rechts auf Nutzung der genannten Rechte zugrunde liegt.

8.189

Der Wortlaut der Vorschrift ist im Wesentlichen an § 49 Abs. 1 Nr. 9 EStG und damit die Überlassung von Know-how an Dritte angelehnt, jedoch ist auch die Erfüllung jedes anderen im Klammerzusatz („§ 49 Absatz 1 Nummer 2, 3, 6 und 9“) genannten Tatbestands der beschränkten Steuerpflicht erforderlich, aber ausreichend. Unter den Begriff Rechte i.S. des § 50a EStG fallen entsprechend insbesondere die nach Maßgabe des UrhG (z.B. an Werken, Literatur, Computerprogrammen, Kunst, Filmwerken einschließlich der Werke, die ähnlich wie Filmwerke geschaffen werden; s. § 2 UrhG) oder nach anderen gewerblichen Schutzgesetzen (z.B. Geschmacksmustergesetz, Patentgesetz, Markengesetz, Gebrauchsmustergesetz) geschützten Rechte.2 Hierzu können auch sonstige Rechte zählen, wenn sie dem UrhG oder den gewerblichen Schutzrechten vergleichbar sind, insbesondere wenn sie eine rechtliche Ausformung in einem Schutzgesetz erfahren haben. Dies ist z.B. bei der Überlassung von Persönlichkeitsrechten eines Künstlers oder Sportlers zu Werbezwecken der Fall (Recht an Namen, Wort, Bild, Ton usw.).3

8.190

§ 50a Abs. 1 Nr. 3 EStG reduziert die genannten Tatbestände jedoch dahingehend, dass eine Veräußerung von Rechten ungeachtet der beschränkten Steuerpflicht nicht dem Steuerabzug unterliegt.4 Für die Vornahme eines Steuerabzugs nach § 50a Abs. 1 Nr. 3 EStG ist entsprechend zwischen der (zeitlich begrenzten5) Überlassung eines Rechts zur Nutzung (z.B. als Verwertungsrecht oder als Lizenz) und der endgültigen 1 Zur Abgrenzung zwischen § 50a Abs. 1 Nr. 1 und 3 EStG vgl. Holthaus, ZKF 2010, 151; zur Abgrenzung zwischen § 50a Abs. 1 Nr. 2 und 3 EStG vgl. u.a. Schlotter, FR 2010, 651. 2 Dazu bereits unter Rz. 8.113. 3 BMF v. 25.11.2010 – IV C 3-S 2303/09/10002, BStBl. I 2010, 1350 Rz. 22. 4 Dazu Loschelder in Schmidt30, § 50a EStG Rz. 13. 5 Vgl. dazu sowie zum Streitstand die Nachweise bei Loschelder in Schmidt30, § 50a EStG Rz. 13.

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Haase

C. Abzugsbesteuerung nach § 50a EStG

Überlassung (Rechtekauf) zu unterscheiden.1 Ein Steuerabzug nach § 50a Abs. 1 Nr. 3 EStG kommt nur bei der Überlassung eines Rechts zur Nutzung in Betracht, nicht hingegen bei einer endgültigen Rechteüberlassung (Rechtekauf). Eine zeitlich begrenzte Überlassung von Rechten liegt insoweit vor, wenn das Nutzungsrecht dem durch Vertrag Berechtigten nicht endgültig verbleibt, sein Rückfall kraft Gesetzes oder Vertrags nicht ausgeschlossen ist oder eine vollständige Übertragung, wie bei urheberrechtlich geschützten Rechten, nicht zulässig ist (§ 29 Absatz 1 UrhG).2 Ein nicht dem Steuerabzug unterliegender Rechtekauf liegt wirtschaftlich auch dann vor, wenn mit einer Nutzungsüberlassung das wirtschaftliche Eigentum an dem Recht endgültig übergeht, z.B. weil sich das Recht während der eingeräumten Nutzung vollständig verbraucht. Sind hingegen eine Übertragung und ein „Verbrauch“ des Rechts schon der Sache nach ausgeschlossen, kann regelmäßig von einer Nutzungsüberlassung ausgegangen werden (z.B. bei einem Verbreitungsrecht an dem Werk eines Dichters oder Komponisten). Dies gilt selbst dann, wenn die Vertragsparteien eine zeitlich unbefristete Nutzung des Rechts vereinbaren. Bei der Überlassung von Persönlichkeitsrechten handelt es sich insofern um eine zeitlich befristete und keine endgültige Rechteüberlassung. Diese Persönlichkeitsrechte bestehen beim Überlassenden fort, sodass die erforderlichen Voraussetzungen für eine Veräußerung – wie etwa der Verbrauch des Rechts oder dessen Aufgabe beim Überlassenden – nicht eintreten können.3

8.191

Aufgrund der Notwendigkeit einer bereits bestehenden beschränkten Steuerpflicht nach § 49 Abs. 1 Nr. 2, 3, 6 oder 9 EStG wird auf die entsprechenden Erläuterungen verwiesen. Welcher dieser Tatbestände im Einzelfall erfüllt ist, kann im Konkurrenzfall dahinstehen, solange nur ein Nutzungsentgelt (meist als Lizenzgebühr bezeichnet) gezahlt wird. Die Zahlung einer Vergütung ist zwingende Voraussetzung für den Steuerabzug nach § 50a Abs. 1 Nr. 3 EStG. Ob und in welcher Form der Vergütungsschuldner das überlassene Recht nutzt oder nutzen kann, ist hingegen für den Steuerabzug einerlei.4

8.192

IV. Einzelheiten/Besteuerungsverfahren 1. Steuersatz a) Grundregeln Das Gesetz regelt den Steuerabzug in § 50a Abs. 2 und Abs. 3 Satz 4 EStG. Die Höhe des Steuerabzugs richtet sich nach dem jeweiligen Steu1 Vgl. zu gemischten Verträgen und zum Steuerabzug nach § 50a Abs. 1 Nr. 3 EStG Kowallik, IWB 2010, 48. 2 BMF v. 25.11.2010 – IV C 3-S 2303/09/10002, BStBl. I 2010, 1350 Rz. 23. 3 BMF v. 25.11.2010 – IV C 3-S 2303/09/10002, BStBl. I 2010, 1350 Rz. 24 f. 4 So auch Wied in Blümich, § 49 EStG Rz. 58.

Haase

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8.193

Kap. 8: Geistiges Eigentum und beschränkte Steuerpflicht

erabzugstatbestand i.S. des § 50a Abs. 1 EStG und variiert nach Einkunftsarten. Zudem bestehen Unterschiede beim Steuerabzug in Abhängigkeit davon, ob Betriebsausgaben bzw. Werbungskosten bereits beim Steuerabzug geltend gemacht werden oder nicht. Hierzu nachstehend im Einzelnen.

8.194

Für die Aufsichtsratsvergütungen des § 50a Abs. 1 Nr. 4 EStG ist im Grundsatz nach § 50a Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 EStG eine Quellensteuer von 30 % vorgesehen, während bei § 50a Abs. 1 Nr. 1–3 EStG eine Steuer von 15 % erhoben wird1 (§ 50a Abs. 2 Satz 1 Halbs. 1 EStG).2 Für jedwede Erträge aus Immaterialgüterrechten gilt damit stets der Steuersatz von 15 %. Zwar ermöglicht es § 50a Abs. 3 Satz 1 EStG u.U. auch schon beim Steuerabzug, Betriebsausgaben oder Werbungskosten des beschränkt Steuerpflichtigen zu berücksichtigen. Jedoch führt dies zu zusätzlichem administrativen Aufwand und zu einem erhöhten Haftungsrisiko des Vergütungsschuldners. In Fällen, in denen die Einkünfte oder die Aufwendungen geringfügig sind, kann dies zu einem unangemessenen Aufwand führen. Deshalb eröffnet die Regelung des § 50a Abs. 2 EStG auch weiterhin die Möglichkeit der Vornahme des einfacheren, bisherigen Bruttosteuerabzugs, bei dem die Betriebsausgaben oder Werbungskosten in pauschalierter Form bei der Bemessung des Steuersatzes berücksichtigt werden. Der Steuersatz von 15 % gewährleistet, dass dieser Steuerabzug in den meisten Fällen auch ohne den Abzug von Aufwendungen zu einem angemessenen Ergebnis führt.

8.195

Bei dem Steuerabzug nach § 50a Abs. 1 Nr. 1 EStG (dieser verweist auf § 49 Abs. 1 Nr. 2–4 sowie Nr. 9 EStG) wird gänzlich auf den Steuerabzug verzichtet, wenn die Einnahmen je3 Darbietung 250 Euro nicht übersteigen, § 50a Abs. 2 Satz 3 EStG (Freigrenze). Die Bezugnahme auf die „Darbietung“ kann m.E. nur bedeuten, dass ungeachtet des Generalverweises auf § 50a Abs. 1 Nr. 1 EStG nur Einkünfte i.S. des § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. d und Nr. 9 EStG gemeint sein können. Das Tatbestandsmerkmal „Darbietung“ findet sich in den anderen in Bezug genommenen Tatbeständen des § 49 Abs. 1 Nr. 2–4 EStG4 (mit Ausnahme des § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. d EStG) nicht wieder.

8.196

M.E. sollte sich die Freigrenze trotz der auf Darbietungen beschränkten Gesetzesformulierung auch auf Vergütungen für Leistungen erstrecken, 1 Jeweils zzgl. Solidaritätszuschlag (§ 3 Abs. 1 Nr. 6 SolZG), vgl. BMF v. 25.11. 2010 – IV C 3-S 2303/09/10002, BStBl. I 2010, 1350 Rz. 52. 2 Dazu Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 5.263 ff. 3 Dies soll auch dann gelten, wenn derselbe Veranstalter mehrere Darbietungen organisiert, vgl. Loschelder in Schmidt30, § 50a EStG Rz. 18 und Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 5.266; a.A. noch BMF v. 4.6.2002 – IV A 5 - S 2411 - 33/02, BStBl. I 2002, 709 (jetzt aber wohl anders BMF v. 25.11.2010 – IV C 3-S 2303/09/10002, BStBl. I 2010, 1350 Rz. 55). 4 Einkünfte i.S. des § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG können bereits a priori nicht gemeint sein, weil bei inländischen Betriebsstätteneinkünften eine Steuerveranlagung durchzuführen ist, § 50 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 EStG.

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C. Abzugsbesteuerung nach § 50a EStG

die i.S. des § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. d EStG als mit Darbietungen zusammenhängende Leistungen anzusehen sind1 (das können z.B. Verwertungshandlungen in Bezug auf Immaterialgüterrechte sein). Dies ergibt sich aus dem Regelungszweck des § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. d EStG sowie aus der Tatsache, dass auch die Nebenleistungen in § 50a Abs. 1 Nr. 1 EStG ausdrücklich dem Steuerabzug unterworfen werden. Eine Einschränkung der Freigrenze auf Vergütungen für Darbietungen wäre vor diesem Hintergrund unverständlich und würde zudem eine weitere Aufteilung einer Gesamtvergütung2 erforderlich machen, was im Einzelfall zu erheblichen praktischen Problemen führen kann. § 50a Abs. 2 Satz 2 EStG enthält eine Spezialregelung für Reisekosten.3 Danach gehören vom Vergütungsschuldner ersetzte oder übernommene Reisekosten nur insoweit zu den Einnahmen, als die Fahrt- und Übernachtungsauslagen die tatsächlichen Kosten und die Vergütungen für Verpflegungsmehraufwand die Pauschbeträge nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 EStG übersteigen.4

8.197

b) Steuersatz bei Geltendmachung von Aufwendungen § 50a Abs. 3 Satz 4 EStG trifft eine Sonderregelung für den Fall der Geltendmachung von Aufwendungen bereits im Steuerabzugsverfahren. Da Aufwendungen in pauschalierter Form auch bei der bisherigen Regelung des Steuerabzugs und der Regelung des neuen § 50a Abs. 2 EStG durch den Ansatz eines niedrigen Steuersatzes (15 % nach § 50a Abs. 2 EStG) Berücksichtigung gefunden haben, muss der Abzug tatsächlicher Ausgaben nach Ansicht des Gesetzgebers5 auch zu einer Erhöhung des Steuersatzes führen. Dadurch soll eine angemessene Besteuerung gewährleistet werden, die in Bezug auf den Steuersatz der Besteuerung eines unbeschränkt Steuerpflichtigen (i.S. des § 1 Abs. 1 EStG, § 2 Nr. 1 KStG) nahe kommt, ohne jedoch schon für die Vornahme des Steuerabzugs eine Veranlagung voraussetzen oder spätere Einkünfte berücksichtigen zu müssen.6 Das gilt jedoch nur, wenn der beschränkt Steuerpflichtige Staatsangehöriger eines Mitgliedstaats der EU/des EWR ist und im Hoheitsgebiet eines dieser Staaten seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt hat (§ 50a Abs. 3 Satz 2 EStG).

1 A.A. aber BMF v. 25.11.2010 – IV C 3-S 2303/09/10002, BStBl. I 2010, 1350 Rz. 53 für Verwertungshandlungen und damit vermutlich auch für Nebenleistungen. 2 Zur Notwendigkeit der Aufteilung von Gesamtvergütungen bereits Rz. 8.75. 3 Dazu Holthaus, DStR 2008, 741 (744). 4 Die Übernahme der Kosten muss aus den jeweiligen Verträgen ersichtlich bzw. nachvollziehbar sein, vgl. zutreffend Wied in Blümich, § 50a EStG Rz. 28. 5 BT-Drucks. 16/10189, 82. 6 Zudem wird eine doppelte Berücksichtigung von Betriebsausgaben bzw. Werbungskosten verhindert, vgl. Gosch in Kirchhof10, § 50a EStG Rz. 26; Kahle/ Schulz, RIW 2009, 140 (146).

Haase

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489

8.198

Kap. 8: Geistiges Eigentum und beschränkte Steuerpflicht

8.199

Da für den Vergütungsschuldner aus Gründen der Rechtssicherheit und -klarheit bereits im Zeitpunkt der Auszahlung der Vergütung, jedenfalls aber im Zeitpunkt der Steuerentstehung feststehen muss, welcher Steuersatz anzuwenden ist, kommt für die Nettobesteuerung nur ein bestimmter, einheitlicher Steuersatz in Betracht. Er soll nach § 50a Abs. 3 Satz 4 Nr. 1 EStG bei natürlichen Personen 30 % betragen, da dieser Steuersatz der Mitte des Spektrums der Steuersätze bei unbeschränkt Steuerpflichtigen (15 % bis 45 %) entspricht, wenn bei beschränkt Steuerpflichtigen der Grundfreibetrag außer Betracht gelassen wird. Bei beschränkt steuerpflichtigen Körperschaften hingegen beträgt der Steuersatz nach § 50a Abs. 3 Satz 4 Nr. 2 EStG auch von den Nettoeinnahmen 15 %, weil aufgrund des 15 % betragenden linearen Steuertarifs des § 23 Abs. 1 KStG ein höherer Nettosteuersatz aus europarechtlichen Gründen nicht in Betracht kommt. 2. Stufenverhältnisse

8.200

Der Steuerabzug nach § 50a EStG ist, wenn eine Vergütung vom beschränkt steuerpflichtigen Gläubiger an einen weiteren beschränkt Steuerpflichtigen weitergereicht wird (Beispiel: ein Veranstalter zahlt eine Vergütung an eine beschränkt steuerpflichtige Konzertagentur, die ihrerseits den Künstler vergütet), grundsätzlich auf jeder Stufe vorzunehmen.1 Dies ist erforderlich, weil die Einkommen- und Körperschaftsteuer wie bei unbeschränkter Steuerpflicht auch subjektbezogen erhoben werden. Wird der Steuerabzug entsprechend der Regelung in § 50a Abs. 3 Satz 4 EStG von den Nettoeinnahmen vorgenommen, ist die Vornahme des Steuerabzugs auf jeder Stufe gerechtfertigt, weil die weitergereichten Vergütungen regelmäßig als Betriebsausgaben oder Werbungskosten abgezogen werden können. Erfolgt die Weiterleitung der Vergütung zu einem späteren Zeitpunkt, kann eine Steueranmeldung nachträglich korrigiert werden, um diesen Aufwand zu berücksichtigen.

8.201

Wird der Steuerabzug jedoch gemäß der Grundregel des § 50a Abs. 2 EStG nach den Bruttoeinnahmen vorgenommen, kann es aufgrund eines Kaskadeneffekts zu einer unangemessenen Erhöhung der Bemessungsgrundlage des Steuerabzugs kommen, wenn die Weiterleitung der Vergütung wiederum dem Steuerabzug unterliegt.2 Dies wird durch die Regelung des § 50a Abs. 4 Satz 1 EStG vermieden, die es dem Vergütungsschuldner „auf zweiter Stufe“ erlaubt, vom Steuerabzug abzusehen, wenn eine Vergütung bereits einmal3 dem Bruttosteuerabzug unterlegen hat.4 Wird die 1 Vgl. dazu BMF v. 25.11.2010 – IV C 3-S 2303/09/10002, BStBl. I 2010, 1350 Rz. 35 ff. 2 So BT-Drucks. 16/1089, 84. 3 Die Regelung des § 50a Abs. 4 EStG hat auch Rückwirkungen auf den Steuerabzug auf erster Stufe, nämlich wenn der Vergütungsschuldner auf dieser ersten Stufe sich vom Vergütungsgläubiger eine Vollmacht erteilen lässt, den Erstattungsanspruch beim Bundeszentralamt für Steuern geltend zu machen, vgl. Wied in Blümich, § 50a EStG Rz. 102. 4 Dazu Jahn, PIStB 2009, 143 (146); Rüping, IStR 2008, 575 (578).

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C. Abzugsbesteuerung nach § 50a EStG

Steuer in einem solchen Fall im Nachhinein ganz oder teilweise erstattet1 oder beantragt der Vergütungsgläubiger eine Veranlagung2, bei der die weitergeleitete Vergütung als Betriebsausgaben oder Werbungskosten3 berücksichtigt werden kann, lebt die Verpflichtung zur Abführung des Steuerabzugsbetrags jedoch wieder auf, um die Einmalbesteuerung der Einnahmen sicherzustellen, § 50a Abs. 4 Satz 2 Halbs. 1 EStG.4 Eine Sonderregelung für Stufen- bzw. Dreiecksverhältnisse ist in § 50a Abs. 6 EStG enthalten. Die Bundesregierung kann danach durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrats bestimmen, dass bei Vergütungen für die Nutzung oder das Recht auf Nutzung von Urheberrechten (§ 50a Abs. 1 Nr. 3 EStG), die nicht unmittelbar an den Gläubiger, sondern an einen Beauftragten geleistet werden, anstelle des Schuldners der Vergütung der Beauftragte die Steuer einzubehalten und abzuführen hat und für die Einbehaltung und Abführung haftet. In diesem Zusammenhang ist § 73f EStDV erlassen worden. Der Schuldner der Vergütungen für die Nutzung oder das Recht auf Nutzung von Urheberrechten i.S. des § 50a Abs. 1 Nr. 3 EStG braucht danach den Steuerabzug nicht vorzunehmen, wenn er diese Vergütungen auf Grund eines Übereinkommens nicht an den beschränkt steuerpflichtigen Gläubiger (Steuerschuldner), sondern an die Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte (GEMA) oder an einen anderen Rechtsträger5 abführt und die obersten Finanzbehörden der Länder mit Zustimmung des BMF einwilligen, dass dieser andere Rechtsträger an die Stelle des Schuldners tritt.6 In diesem Fall hat die GEMA oder der andere Rechtsträger den Steuerabzug vorzunehmen.

8.202

3. Abgeltungswirkung Nach § 50 Abs. 2 Satz 1 EStG gilt die Einkommensteuer für Einkünfte, die dem Steuerabzug vom Arbeitslohn oder vom Kapitalertrag7 oder dem Steuerabzug aufgrund des § 50a EStG unterliegen, bei beschränkt Steuerpflichtigen als abgegolten. Die im Abzugswege erhobene Steuer wird für den Steuerpflichtigen im Grundsatz zu einer definitiven Belastung, die nicht mehr im Wege der nachgelagerten Veranlagung korrigiert werden kann oder muss. 1 Z.B. aufgrund des § 50d Abs. 1 EStG. 2 Z.B. nach § 50 Abs. 2 Satz 2 Nr. 5 EStG, dazu sogleich. 3 Im Einzelfall kann durch die Berücksichtigung von Betriebsausgaben oder Werbungskosten bei natürlichen Personen als Vergütungsgläubigern eine höhere Gesamtsteuerbelastung entstehen, vgl. Holthaus, DStZ 2008, 741 mit Beispielen. 4 Entsprechendes gilt für die Haftungsvorschriften, vgl. zutreffend Wied in Blümich, § 50a EStG Rz. 103. 5 Das sind andere Verwertungsgesellschaften wie etwa die VG Wort, die Gesellschaft zur Verwertung von Leistungsschutzrechten (GVL) oder die Bild-Kunst, vgl. BMF v. 18.4.1974 – IV B 4 - S 2303 - 4/74, BStBl. I 1974, 360. 6 Zur Bemessungsgrundlage in diesen Fällen BFH v. 26.6.1964 – I 166/61, BStBl. III 1964, 544. 7 Vgl. auch § 43 Abs. 5 Satz 1 EStG, § 32d EStG sowie § 32 Abs. 1 Nr. 2 KStG.

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8.203

Kap. 8: Geistiges Eigentum und beschränkte Steuerpflicht

8.204

Die Abgeltungswirkung des Steuerabzugs hat insbesondere im Grundsatz (für die Ausnahme vgl. § 50a Abs. 3 Satz 1 EStG) zur Folge, dass mit den Einnahmen im Zusammenhang stehende Betriebsausgaben und Werbungskosten nicht abgezogen werden können. Diesem Umstand jedoch sollte, bei natürlichen Personen, gerade durch die Absenkung des regulären Quellensteuersatzes von 20 % auf 15 % Rechnung getragen werden. Der Quellensteuerabzug setzt also bei den Einnahmen (nicht: Einkünften) zzgl. Umsatzsteuer1 an, es handelt sich als Regelfall um eine sog. Bruttobesteuerung.2

8.205

Vor allem bei Lizenzgebühren für die Überlassung von Urheberrechten und weiteren Schutzrechten i.S. des § 49 Abs. 1 Nr. 6 und 9 EStG führt die Abgeltungswirkung zu einem Verstoß gegen das Europäische Gemeinschaftsrecht sowie gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG, weil bei diesen Vergütungen die Ausnahme des § 50a Abs. 3 Satz 1 EStG (dazu sogleich) nicht eingreift.3 Sachlich nicht zu rechtfertigen ist vor allem die Ungleichbehandlung mit Einkünften i.S. des § 50a Abs. 1 Nr. 1, 2 und 4 EStG (Ausübung oder Verwertung einer künstlerischen, sportlichen, usw. Tätigkeit). Vor diesem Hintergrund wird m.E. zu Recht die Bemühung des Steuererlasses nach den §§ 163, 227 AO gefordert.4 4. Ausnahmen von der Abgeltungswirkung

8.206

Bei einigen Einkünften beschränkt Steuerpflichtiger sieht das Gesetz Ausnahmen von dem Grundsatz vor, dass dem Quellensteuerabzug eine Abgeltungswirkung zukommt, vgl. § 50 Abs. 2 Satz 2 EStG. In diesen Fällen wird das gewöhnliche Veranlagungsverfahren durchgeführt, bei dem die Einkünfte (nicht: Einnahmen) zur Besteuerung herangezogen werden.

8.207

Es handelt sich bei natürlichen Personen5 um die folgenden Fälle: (1) Die Einkünfte sind Einkünfte eines inländischen Betriebs, § 50 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 EStG. Dies ist z.B. der Fall, wenn Erträge aus Immaterialgüterrechten i.S. des § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG in einer inländischen Betriebsstätte vereinnahmt oder über einen inländischen ständigen Vertreter6 er1 Dazu BMF v. 25.11.2010 – IV C 3-S 2303/09/10002, BStBl. I 2010, 1350 Rz. 45 sowie BFH v. 24.4.2007 – I R 39/04, BStBl. II 2008, 95; Ausnahme: Anwendung des sog. reverse-charge-Verfahrens nach § 13b UStG, vgl. dazu BMF v. 4.6.2002 – IV A 5 - S 2411 - 33/02, BStBl. I 2002, 709 sowie Lüdicke, IStR 2002, 18 und Wied in Blümich, § 50a EStG Rz. 27. 2 Zum Dualismus von Nettobesteuerung und Bruttobesteuerung und seinen verfassungsrechtlichen Implikationen vgl. Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 5.109 ff. 3 Grams/Schön, IStR 2008, 656; a.A. Wied in Blümich, § 50a EStG Rz. 32. 4 Vgl. Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 5.256 unter Hinweis auf BVerfG v. 5.9.1975 – 1 BvR 219/75, HFR 1975, 540; BFH v. 25.1.1989, BStBl. I 1990, 687. 5 Für Körperschaften gilt ergänzend § 32 KStG. 6 Dies folgt nicht aus § 50 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 EStG, sondern aus der alternativen Anknüpfung in § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG, vgl. BFH v. 23.10.1991 – I R

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C. Abzugsbesteuerung nach § 50a EStG

zielt werden. (2) Es wird nachträglich festgestellt, dass die Voraussetzungen der unbeschränkten Einkommensteuerpflicht i.S. des § 1 Abs. 2 oder Abs. 3 EStG oder des § 1a EStG nicht vorgelegen haben, § 50 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 EStG.1 (3) Im betrachteten VZ findet ein Wechsel zwischen unbeschränkter und beschränkter Steuerpflicht i.S. des § 2 Abs. 7 Satz 3 EStG statt, § 50 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 EStG. Dies ist nur folgerichtig, weil in diesen Fällen für den gesamten VZ ohnehin eine Veranlagung stattfindet. (4) Es liegen besondere Konstellationen bei Einkünften aus unselbstständiger Tätigkeit i.S. des § 49 Abs. 1 Nr. 4 EStG vor, d.h. wenn aufgrund des § 39d Abs. 2 EStG eine Eintragung2 auf der Bescheinigung i.S. des § 39d Abs. 1 Satz 3 EStG erfolgt ist oder wenn nach § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG die Veranlagung zur Einkommensteuer beantragt wird, § 50 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 Buchst. a und b3 EStG. (5) Es liegen Einkünfte i.S. des § 50a Abs. 1 Nr. 1, 2 oder 4 EStG vor und der Steuerpflichtige beantragt die Veranlagung4, § 50 Abs. 2 Satz 2 Nr. 5 EStG. Hinzu tritt der Fall des Steuerabzugs auf Anordnung des Finanzamts, § 50a Abs. 7 Satz 4 EStG. Aufgrund seiner unklaren Formulierung ließe sich das Gesetz in § 50 Abs. 2 Satz 2 EStG so verstehen, dass in den Fällen des § 50 Abs. 2 Satz 2 EStG dem Quellensteuerabzug nicht nur keine abgeltende Wirkung zukommt, sondern dass auch bereits kein Steuerabzug vorzunehmen ist. Es käme also so verstanden nicht erst zu einem Steuerabzug ohne Abgeltungswirkung und sodann zu einer Veranlagung, sondern Steuerabzug und Veranlagung schlössen sich gegenseitig aus.5 Eine solche Interpretation ginge aber fehl. Zwar ist es richtig, dass selbst in den Fällen, in denen der Steuerabzug – ganz gleich, aus welchem Grund – unterblieben ist, eine Veranlagung zur Einkommensteuer nicht in Betracht kommt, wenn und soweit der Steuerpflichtige ausschließlich Einkünfte erzielt hat, die an sich dem Steuerabzug unterliegen. Es ist ferner richtig, dass ein unterlassener Steuerabzug nicht im Veranlagungsverfahren nachgeholt werden kann.6 Jedoch belegt § 36 Abs. 2 Nr. 2 EStG, dass der Steuerabzug auch in

1

2 3

4 5 6

86/89, BStBl. II 1992, 185; zustimmend Herkenroth/Striegel in H/H/R, § 50 EStG Rz. 324; Strunk in Korn, § 50 EStG Rz. 41. Die Regelung betrifft in der Hauptsache Arbeitnehmer, die auf Basis einer vermeintlichen unbeschränkten Steuerpflicht Steuervorteile (z.B. Splitting-Tarif) genossen haben. Wegen § 39 Abs. 5a EStG ist in diesen Fällen eine Nachforderung von Lohnsteuer möglich, vgl. BFH v. 23.9.2008 – I R 65/07, BStBl. II 2009, 666. Dabei kann es sich um die Eintragung von Werbungskosten i.S. des § 9 EStG, von Sonderausgaben gemäß § 10 EStG oder des Freibetrags bzw. des Hinzurechnungsbetrags nach § 39a Abs. 1 Nr. 7 EStG handeln. Diese Variante gilt nur für Staatsangehörige eines EU- oder EWR-Mitgliedsstaats, vgl. § 50 Abs. 2 Satz 7 EStG; zum diesbezüglichen Verstoß gegen die abkommensrechtlichen Diskriminierungsverbote (Art. 24 OECD-MA) Gosch, DStR 2007, 1553 (1560); a.A. Rust in Vogel/Lehner5, Art. 24 OECD-MA Rz. 53 f. Diese erfolgt durch das Bundeszentralamt für Steuern, § 50 Abs. 2 Satz 8 EStG. So wohl Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 5.241. BFH v. 26.4.1978 – I R 97/76, BStBl. II 1978, 628; v. 5.12.1990 – I R 19/89, BFH/NV 1991, 805. Ggf. ist eine Steuererhebung aber durch Haftungsbescheid nach § 73g EStDV möglich.

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8.208

Kap. 8: Geistiges Eigentum und beschränkte Steuerpflicht

den Fällen des § 50 Abs. 2 Satz 2 EStG vorzunehmen, die einbehaltene Steuer jedoch auf die im Zuge des Veranlagungsverfahrens festgesetzte Einkommensteuer anzurechnen ist.1

8.209

Vor allem im gewerblichen Bereich erzwingt § 50 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 EStG in Bezug auf Lizenzgebühren für die Überlassung gewerblicher Schutzrechte Gestaltungen, um die Abgeltungswirkung des § 50 Abs. 2 Satz 1 EStG zu umgehen.2 So entstehen nicht selten Dreieckssachverhalte, die zwar die Abgeltungswirkung zu vermeiden helfen (etwa durch Einbringung von Immaterialgüterrechten in inländische Betriebsstätten), jedoch sind die immateriellen Wirtschaftsgüter dann im Inland steuerverhaftet. 5. Entstehung der Steuer

8.210

Die Quellensteuer entsteht in allen den Fällen des § 50a Abs. 1 EStG in dem Moment, in dem die Vergütung dem Vergütungsgläubiger (das ist der Steuerpflichtige) zufließt, § 50a Abs. 5 Satz 1 EStG. In diesem Zeitpunkt hat der Vergütungsschuldner (das ist im Fall des hier interessierenden § 50a Abs. 1 Nr. 1–3 EStG der jeweilige inländische Vertragspartner des Steuerpflichtigen) den Steuerabzug für Rechnung des ausländischen Vergütungsgläubigers vorzunehmen, § 50a Abs. 5 Satz 2 EStG. Steuerschuldner ist aber stets der Steuerpflichtige. Lediglich die Verpflichtung zur Einbehaltung und Abführung der Quellensteuer wird auf den Vergütungsschuldner überwälzt.

8.211

Der Zuflusszeitpunkt wird in § 73c EStDV näher konkretisiert. Danach fließen die Vergütungen i.S. des § 50a Abs. 1 EStG dem Gläubiger (1) im Fall der Zahlung, Verrechnung oder Gutschrift bei Zahlung, Verrechnung oder Gutschrift, (2) im Fall der Hinausschiebung der Zahlung wegen vorübergehender Zahlungsunfähigkeit des Schuldners bei Zahlung, Verrechnung oder Gutschrift und (3) im Fall der Gewährung von Vorschüssen bei Zahlung, Verrechnung oder Gutschrift der Vorschüsse zu.

8.212

Nach § 50a Abs. 5 Satz 3 EStG hat der Vergütungsschuldner die innerhalb eines Kalendervierteljahres einbehaltene Steuer jeweils bis zum zehnten des dem Kalendervierteljahr folgenden Monats an das Bundeszentralamt für Steuern abzuführen. Der Vergütungsschuldner ist nach § 50a Abs. 5 Satz 6 EStG ferner verpflichtet, dem Gläubiger auf Verlangen nach amtlich vorgeschriebenem Muster (1) den Namen und die Anschrift des Gläubigers, (2) die Art der Tätigkeit und Höhe der Vergütung in Euro, (3) den Zahlungstag und (4) den Betrag der einbehaltenen und abgeführten Steuer 1 So auch BMF v. 25.11.2010 – IV C 3-S 2303/09/10002, BStBl. I 2010, 1350 Rz. 3, wonach der Steuerabzug nach § 50a EStG auch dann vorzunehmen ist, wenn die Einnahmen im Rahmen einer inländischen Betriebsstätte des Vergütungsgläubigers anfallen oder dieser auf Antrag mit seinen inländischen Einkünften i.S. des § 49 EStG als unbeschränkt steuerpflichtig behandelt wird; vgl. zur Anrechnungsverpflichtung ferner Rz. 9 des vorgenannten BMF-Schr. 2 So etwa, wenn Forschungs- und Entwicklungskosten als Betriebsausgaben absetzbar sein sollen, vgl. Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 5.258.

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C. Abzugsbesteuerung nach § 50a EStG

nach § 50a Abs. 2 oder Abs. 3 EStG zu bescheinigen. Nicht zufällig korrespondiert diese Verpflichtung mit den Aufzeichnungspflichten nach § 73d Abs. 1 Satz 2 EStDV. Danach müssen aus den Aufzeichnungen des Vergütungsschuldners ersichtlich sein: (1) Name und Wohnung des beschränkt steuerpflichtigen Gläubigers, (2) Höhe der Vergütungen in Euro, (3) Höhe und Art der von der Bemessungsgrundlage des Steuerabzugs abgezogenen Betriebsausgaben oder Werbungskosten, (4) der Tag, an dem die Vergütungen dem Steuerschuldner zugeflossen sind und (5) Höhe und Zeitpunkt der Abführung der einbehaltenen Steuer. Mit der o.g. Abführungsverpflichtung nach § 50a Abs. 5 Satz 3 EStG1 geht die Anmeldungsverpflichtung nach § 73e Satz 2 EStDV einher. Bezogen auf die innerhalb eines Kalendervierteljahres einbehaltene Steuer hat danach der Vergütungsschuldner jeweils bis zum zehnten des dem Kalendervierteljahr folgenden Monats dem Bundeszentralamt für Steuern eine Steueranmeldung über den Gläubiger, die Höhe der Vergütungen i.S. des § 50a Abs. 1 des Gesetzes, die Höhe und Art der von der Bemessungsgrundlage des Steuerabzugs abgezogenen Betriebsausgaben oder Werbungskosten und die Höhe des Steuerabzugs zu übersenden. Die Steueranmeldung ist nach amtlich vorgeschriebenem Vordruck auf elektronischem Weg nach Maßgabe der Steuerdaten-Übermittlungsverordnung2 zu übermitteln, § 73 Satz 4 EStDV.3

8.213

Anzumelden ist die tatsächlich einbehaltene Steuer, nicht diejenige Steuer, die aufgrund der §§ 49 ff. EStG eigentlich hätte einbehalten werden sollen.4

8.214

Die Verpflichtung zur Steueranmeldung nach § 73e Satz 2 EStDV hat insbesondere zur Folge, dass § 168 AO zur Anwendung kommt.5 Die Steueranmeldung steht danach einer Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gleich.6 Entsprechend kann die Steueranmeldung nach den allgemeinen abgabenrechtlichen Regeln mit Einspruch und Klage angegriffen werden, und zwar sowohl durch den Vergütungsschuldner7 als auch im Wege der Drittanfechtung durch den Vergütungsgläubiger.8

8.215

1 Ebenso § 73e Satz 1 EStDV. 2 Verordnung v. 28.11.2003 (BGBl. I 2003, 139), geändert durch die Verordnung v. 20.12.2006 (BGBl. I 2003, 3380), in der jeweils geltenden Fassung. 3 Auf Antrag kann das Finanzamt zur Vermeidung unbilliger Härten auf eine elektronische Übermittlung verzichten. In diesem Fall ist die Steueranmeldung vom Schuldner oder von einem zu seiner Vertretung Berechtigten zu unterschreiben (§ 73e EStDV), vgl. BMF v. 25.11.2010 – IV C 3-S 2303/09/10002, BStBl. I 2010, 1350 Rz. 67. 4 BFH v. 25.11.2002 – I B 69/02, BStBl. II 2003, 189; dazu m.w.N. Wied in Blümich, § 50a EStG Rz. 111 („zeitraumbezogene Anmeldung“). 5 Zum Ganzen Dörr, BB 2008, 599. 6 Dazu BFH v. 17.5.1995 – I B 183/94, BStBl. II 1995, 781. 7 BFH v. 28.1.2004 – I R 73/02, BStBl. II 2005, 550; Schauhoff, IStR 2006, 607 (708 f.); Gosch in Kirchhof10, § 50a EStG Rz. 39. 8 BFH v. 13.8.1997 – I B 30/97, BStBl. II 1997, 700; v. 7.11.2007 – I R 19/04, BStBl. II 2008, 228; kritisch Cordewener, IStR 2006, 158 (161 f.); zur mittelbaren Drittwirkung der Steueranmeldung auch dazu Wied in Blümich, § 50a EStG Rz. 111.

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Kap. 8: Geistiges Eigentum und beschränkte Steuerpflicht

6. Berücksichtigung von Aufwendungen a) Historie

8.216

Eine Berücksichtigung von Betriebsausgaben und Werbungskosten war im Rahmen des § 50a EStG lange Zeit ausgeschlossen. Das JStG 20091 hat in Umsetzung jüngerer EuGH-Rechtsprechung erhebliche systematische Änderungen herbeigeführt. Hier setzt die Regelung des neuen Abs. 3 des § 50a EStG das EuGH-Urteil in der Rs. FKP Scorpio Konzertproduktionen GmbH2 um. In diesem Urteil hat der EuGH festgestellt, dass es mit dem AEUV (seinerzeit: EG-Vertrag) nicht vereinbar ist, wenn im Steuerabzugsverfahren für beschränkt Steuerpflichtige die im unmittelbaren Zusammenhang mit der inländischen Tätigkeit stehenden Betriebsausgaben des beschränkt Steuerpflichtigen, die er dem Vergütungsschuldner mitgeteilt hat, nicht geltend gemacht werden können. b) Unmittelbare Aufwendungen

8.217

Vor diesem Hintergrund sieht die gesetzliche Regelung vor, dass Betriebsausgaben oder Werbungskosten in den Fällen des § 50a Abs. 1 Nr. 1, 2 und 4 EStG von der Steuerbemessungsgrundlage abgezogen werden können, § 50a Abs. 3 Satz 1 EStG, so dass der Steuerabzug im Ergebnis auf Nettobasis vorgenommen wird. Mit der Abzugsfähigkeit der Aufwendungen korrespondiert die entsprechende Erhöhung des Steuersatzes in § 50a Abs. 3 Satz 4 Nr. 1 und 2 EStG (dazu bereits Rz. 8.198), sofern nur der beschränkt Steuerpflichtige Staatsangehöriger eines Mitgliedstaats der Europäischen Union oder eines anderen EWR-Staats ist und er im Hoheitsgebiet eines dieser Staaten seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt hat.

8.218

§ 50a Abs. 3 Satz 1 EStG ermöglicht es dem Vergütungsschuldner, von den Einnahmen mit diesen in unmittelbarem3 wirtschaftlichem Zusammenhang stehende Betriebsausgaben oder Werbungskosten (damit sind nicht erfasst: allgemeine Personal- und Verwaltungskosten4) abzuziehen, die ihm ein beschränkt Steuerpflichtiger in einer für das Bundeszentralamt für Steuern nachprüfbaren Form nachgewiesen5 hat oder die vom Schuldner der Vergütung übernommen worden sind.6 Satz 3 der Norm er1 JStG 2009 v. 19.12.2008, BGBl. I 2008, 2794. 2 EuGH v. 3.10.2006 – C-290/04, EuGHE I 2006, 9461. 3 Der allgemeine Veranlassungszusammenhang des § 50 Abs. 1 Satz 1 EStG reicht daher nicht aus, vgl. BFH v. 24.4.2007 – I R 93/03, BStBl. II 2008, 132 sowie Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 5.267 m.w.N.; vgl. zum unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang auch BFH v. 20.10.2004 – I R 11/03, BStBl. II 2005, 581 sowie BMF v. 25.11.2010 – IV C 3-S 2303/09/10002, BStBl. I 2010, 1350 Rz. 47. 4 Dazu Gosch in Kirchhof10, § 50a EStG Rz. 23; Hartmann, DB 2009, 197 (199); Cordewener/Grams/Molenaar, IStR 2006, 739 (741). 5 Vgl. §§ 73d (v.a. Satz 3), 73e EStDV. 6 Wegen § 73d Satz 3 EStDV ist in diesem Fall ein Nachweis entbehrlich, vgl. auch Loschelder in Schmidt30, § 50a EStG Rz. 24.

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C. Abzugsbesteuerung nach § 50a EStG

weitert den Anwendungsbereich der Norm auf beschränkt steuerpflichtige Körperschaften, Personenvereinigungen oder Vermögensmasse i.S. des § 32 Abs. 4 KStG. Betriebsausgaben oder Werbungskosten werden im Zeitpunkt der Vornahme des Steuerabzugs nur insoweit berücksichtigt, als es sich bei diesen um tatsächlich geleistete Aufwendungen handelt. Soweit die Betriebsausgaben oder Werbungskosten bereits entstanden oder veranlasst, aber noch nicht abgeflossen sind, mindern sie die für den Steuerabzug maßgeblichen Einkünfte nicht. Die insoweit noch nicht abziehbaren Betriebsausgaben oder Werbungskosten können durch Korrektur der Steueranmeldung bzw. im Wege der Veranlagung zur Einkommen- oder Körperschaftsteuer nachträglich berücksichtigt werden.1

8.219

Die Anforderungen des Gesetzgebers gehen m.E. eindeutig über die Vorgaben des EuGH hinaus.2 In den Tz. 47 ff. des Urteils in der Rs. FKP Scorpio Konzertproduktionen GmbH3 verlangt das Gericht lediglich, dass die mit den Einnahmen in unmittelbarem wirtschaftlichem Zusammenhang stehenden Betriebsausgaben oder Werbungskosten dem Vergütungsschuldner „mitgeteilt“ werden müssen. Ein Nachweis in einer für das Bundeszentralamt für Steuern nachprüfbaren Form wird ausdrücklich nicht verlangt, so dass die Regelung in § 50a Abs. 3 Satz 1 EStG nach wie vor als gemeinschaftsrechtswidrig anzusehen ist.

8.220

Nach ständiger Rechtsprechung des EuGH können nationale Regelungen des Aufnahmemitgliedstaats für Dienstleistende Dienstleistungen von in anderen Mitgliedstaaten ansässigen Personen oder Unternehmen unterbinden, behindern oder weniger attraktiv machen, sofern sie zusätzliche administrative und wirtschaftliche Kosten und Belastungen verursachen.4 Der Nachweis in einer nachprüfbaren Form ist weit mehr als eine bloße Mitteilung.5 Er verursacht zudem Kosten und andere Belastungen, schon weil – anders als bei einer reinen Mitteilung – beispielsweise Belege und Beweise für Grund und Höhe der Betriebsausgaben bzw. Werbungskosten beizubringen sind.6

8.221

7. Sicherung des Steueranspruchs Ergänzend zu den vorgenannten Regelungen sieht § 50a Abs. 7 Satz 1 EStG die Möglichkeit vor, dass das zuständige7 Finanzamt des Vergütungsgläubigers nach pflichtgemäßem Ermessen vor Zahlung der Ver1 2 3 4

BMF v. 25.11.2010 – IV C 3-S 2303/09/10002, BStBl. I 2010, 1350 Rz. 48. A.A. Wied in Blümich, § 50a EStG Rz. 35. EuGH v. 3.10.2006 – C-290/04, EuGHE I 2006, 9461. Vgl. nur EuGH v. 15.3.2001 – C-165/98 (Mazzoleni und ISA), EuGHE I 2001, 2189 sowie EuGH v. 25.10.2001 – C-49, 50, 52-54, 68-71/98 (Finalarte u.a.), EuGHE I 2001, 7831. 5 Ähnlich Holthaus, IStR 2008, 95 (97) und Hartmann, DB 2009, 197 (200). 6 Vgl. BMF v. 25.11.2010 – IV C 3-S 2303/09/10002, BStBl. I 2010, 1350 Rz 49. 7 §§ 19 Abs. 2, 20 Abs. 2 AO.

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8.222

Kap. 8: Geistiges Eigentum und beschränkte Steuerpflicht

gütung1 anordnen2 kann, dass der Schuldner der Vergütung für Rechnung des Gläubigers (Steuerschuldner) die Einkommensteuer von beschränkt steuerpflichtigen Einkünften, soweit diese nicht bereits dem Steuerabzug unterliegen, im Wege des Steuerabzugs einzubehalten und abzuführen hat, wenn dies zur Sicherung des Steueranspruchs zweckmäßig3 ist. In diesem Fall beträgt die Quellensteuer regelmäßig4 25 %, bei Steuersubjekten i.S. des KStG jedoch 15 %, vgl. § 50a Abs. 7 Satz 2 EStG. Die abgezogene Steuer wird ausnahmsweise auf die festzusetzende Steuer angerechnet, vgl. § 50a Abs. 7 Satz 4 EStG, d.h. der Steuerabzug hat keine abgeltende Wirkung. § 50a Abs. 7 EStG hat in der Praxis keine große Bedeutung erlangt. 8. Haftung

8.223

Die Verpflichtung zum Steuereinbehalt wird nach § 50a Abs. 5 Satz 4 EStG ergänzt durch die Haftung des Vergütungsschuldners für die Einbehaltung und Abführung der Quellensteuer, während daneben auch der Vergütungsgläubiger5 (Steuerschuldner) als Haftungsschuldner in Anspruch genommen werden kann (§ 50a Abs. 5 Satz 5 EStG), wenn der Vergütungsschuldner den Steuerabzug nicht vorschriftsmäßig vorgenommen hat. Entsprechend bezieht sich die Haftung nicht auf die Steuerschuld des Vergütungsgläubigers, sondern richtet sich nach der Entrichtungsschuld des Vergütungsschuldners.6

8.224

Bisher war es dagegen Voraussetzung für die Inanspruchnahme des Steuerschuldners, dass der beschränkt steuerpflichtige Gläubiger weiß, dass der Schuldner die einbehaltene Steuer nicht vorschriftsmäßig abgeführt hat, und dies dem Finanzamt nicht unverzüglich mitgeteilt hat. Nunmehr kann das Finanzamt den Vergütungsschuldner und den beschränkt steuer1 Eine rückwirkende Anordnung kommt nicht in Betracht, vgl. BFH v. 26.5.1965 – I 11/62, U, BStBl. III 1965, 643. 2 Die Anordnung ist ein Steuerverwaltungsakt, der sowohl vom Vergütungsschuldner als auch vom Vergütungsgläubiger mit dem Einspruch angefochten werden kann, vgl. BFH v. 23.3.1999 – I B 113/98, BFH/NV 1999, 1314; vgl. auch BMF v. 2.8.2002 – IV A 5 - S 2411 - 27/02, BStBl. I 2002, 710 sowie die Nachweise bei Wied in Blümich, § 50a EStG Rz. 143 ff. 3 Die Zweckmäßigkeit erstreckt sich insbesondere auf das Abkommensrecht. Wenn abkommensrechtlich kein deutsches Besteuerungsrecht besteht, scheidet der Steuerabzug nach § 50a Abs. 7 EStG aus, vgl. Gosch in Kirchhof10, § 50a EStG Rz. 41; Maßbaum in H/H/R, § 50a EStG Rz. 170 ff.; zum Ganzen Müller, DB 1984, 2221 sowie Wied in Blümich, § 50a EStG Rz. 135 ff. 4 Ggf. kann nach § 50a Abs. 7 Satz 2 EStG ein niedrigerer Satz angeordnet werden, wenn der Vergütungsgläubiger eine im Ergebnis niedrigere Einkommensteuerbelastung glaubhaft macht. 5 Zur Inanspruchnahme des Vergütungsgläubigers durch sog. Nachforderungsbescheid vgl. § 73g Abs. 1 Alt. 2 EStDV; dazu BFH v. 18.5.1994 – I R 21/93, BStBl. II 1994, 697. Nach BMF v. 25.11.2010 – IV C 3-S 2303/09/10002, BStBl. I 2010, 1350 Rz. 58 ist die Inanspruchnahme des Vergütungsgläubigers durch Nachforderungsbescheid nicht davon abhängig, ob ihm die nicht ordnungsgemäße Einbehaltung oder Abführung der Abzugsteuer bekannt war. 6 BFH v. 22.10.1986 – I R 216/82, BStBl. II 1987, 171.

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C. Abzugsbesteuerung nach § 50a EStG

pflichtigen Steuerschuldner nach Ansicht der Finanzverwaltung künftig nach pflichtgemäßem Ermessen in gleicher Weise1 für die Steuer in Anspruch nehmen (Gesamtschuldnerschaft i.S. des § 44 Abs. 1 AO), wenn der Steuerabzug nicht vorschriftsmäßig vorgenommen worden ist. Hier darf die meist gegebene schlechtere Greifbarkeit des ausländischen Vergütungsgläubigers m.E. bei der Auswahl zulasten der vorrangigen Inanspruchnahme des Vergütungsschuldners berücksichtigt werden, weil dies gerade dem Zweck der Haftung entspricht.2 Die Haftungsinanspruchnahme, die mit Einspruch und Klage angefochten werden kann3, erfolgt im Wege eines Haftungsbescheids nach § 73g EStDV.4 Sie kann erfolgen, wenn gar keine oder eine zu niedrige Steuer erhoben wurde.5 Alternativ kommen ein Nachforderungsbescheid6 i.S. des § 167 Abs. 1 Satz 1 AO oder in Sonderfällen eine Nacherhebung ohne Bescheid7 in Betracht.

8.225

9. Steuererlass und Pauschalierung Nach § 50 Abs. 4 EStG können die obersten Finanzbehörden der Länder oder die von ihnen beauftragten Finanzbehörden mit Zustimmung des BMF die Einkommensteuer bei beschränkt Steuerpflichtigen ganz oder zum Teil erlassen oder in einem Pauschbetrag festsetzen, wenn dies im besonderen öffentlichen Interesse liegt; ein besonderes öffentliches Interesse besteht insbesondere (1) an der inländischen Veranstaltung international bedeutsamer kultureller und sportlicher Ereignisse, um deren Ausrichtung ein internationaler Wettbewerb stattfindet, oder (2) am inländischen Auftritt einer ausländischen Kulturvereinigung, wenn ihr Auftritt wesentlich aus öffentlichen Mitteln gefördert wird.

1 Bzw. des Gesetzgebers, vgl. BT-Drucks. 16/10189, 85. Das pflichtgemäße Ermessen kann im Einzelfall auf Null reduziert werden. So muss beispielsweise der Vergütungsschuldner in Anspruch genommen werden, wenn er die Abzugsteuer zwar einbehalten, aber nicht abgeführt hat. Eine Inanspruchnahme des Vergütungsgläubigers wäre dann ermessensfehlerhaft, vgl. Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 5.274 m.w.N. 2 So auch BFH v. 5.11.1992 – I R 41/92, BStBl. II 1993, 407. 3 Dies gilt sowohl für den Vergütungsschuldner als auch für den Vergütungsgläubiger, vgl. BFH v. 24.4.2007 – I R 39/04, BStBl. II 2008, 95; ebenso Loschelder in Schmidt30, § 50a EStG Rz. 40. 4 Die Haftung als solche ist europarechtlich nicht zu beanstanden, vgl. § BFH v. 22.8.2007 – I R 46/02, BStBl. II 2008, 190. 5 So beispielsweise, wenn die Voraussetzungen des § 50a Abs. 3 Satz 1 EStG vorgelegen haben und der Steuersatz gleichwohl nicht nach § 50a Abs. 1 Satz 4 EStG, sondern nach § 50a Abs. 2 EStG bemessen wurde. 6 BFH v. 13.9.2000 – I R 61/99, BStBl. II 2001, 67 m.w.N. sowie BMF v. 25.11.2010 – IV C 3-S 2303/09/10002, BStBl. I 2010, 1350 Rz. 57. 7 So etwa bei einer Nacherklärung im Wege einer förmlichen Steueranmeldung oder bei schriftlichem Anerkenntnis der Steuerschuld, vgl. FG Hamburg v. 17.6. 1996 – II 40/96, EFG 1997, 17.

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8.226

Kap. 8: Geistiges Eigentum und beschränkte Steuerpflicht

8.227

Die Vorschrift ist im Zusammenhang mit Erträgen aus Immaterialgüterrechten bislang kaum praktisch geworden, jedoch deutet das Tatbestandsmerkmal „insbesondere“ den Charakter der Vorschrift als Generalklausel1 an.2 So ist es beispielsweise vorstellbar, dass ein Steuererlass oder eine Pauschalierung in Betracht kommt, wenn im Inland die Rechte an einer inländischen Veranstaltung international bedeutsamer kultureller und sportlicher Ereignisse verwertet werden.

V. Korrespondierende Regelungen in § 50 EStG 8.228

Die genannten, durch das JStG 20093 bedingten Änderungen werden flankiert durch Änderungen auch in § 50 EStG. Die bisher in § 50 Abs. 3 Satz 2 EStG a.F. enthaltene Regelung eines Mindeststeuersatzes von 25 % für beschränkt Steuerpflichtige widersprach nach dem Urteil des EuGH in der Rs. Gerritse4 in den Fällen dem AEUV, in denen ein beschränkt Steuerpflichtiger auch dann mit dem Steuersatz von 25 % besteuert wird, wenn sich aus der Anwendung des progressiven Steuertarifs auf sein Einkommen zuzüglich eines Betrags in Höhe des Grundfreibetrags tatsächlich ein niedrigerer Steuersatz ergeben würde. Auf Grund des mittlerweile deutlich unter 25 % liegenden Eingangssteuersatzes könnte sich infolgedessen bei einer zunehmenden Zahl von Steuerpflichtigen bei Anwendung dieser Regelung eine den Grundfreiheiten des AEUV zuwiderlaufende Besteuerung ergeben, wenn nicht auf Grund des BMF-Schreibens v. 10.9.20045 in diesen Fällen die vom EuGH in der Entscheidung Gerritse vorgesehene Vergleichsrechnung erfolgen würde.6

8.229

Der bisherige Mindeststeuersatz von 25 % wurde daher durch eine Regelung in § 50 Abs. 1 Satz 2 EStG n.F. ersetzt, nach der sich die Einkommensteuer bei beschränkt Steuerpflichtigen durchgängig nach dem Tarif für unbeschränkt Steuerpflichtige bemisst. Hierbei bleibt jedoch der 1 BFH v. 7.3.2007 – I R 98/05, BStBl. II 2008, 186. 2 Die Finanzverwaltung hatte den Anwendungsbereich der Norm über den Wortlaut hinaus auf wettbewerbs-, kultur- und sportpolitische Zwecke ausgedehnt, bis durch das JStG 2009 die längst erwartete Änderung erfolgte, vgl. BMF v. 23.1. 1996 – IV B 4 - S 2303 - 14/96, BStBl. I 1996, 89 Rz. 1.4; vgl. zur Privilegierung des Kulturaustauschs im Internationalen Steuerrecht BMF v. 20.7.1983 – IV B 4 - S 2303 - 34/83, BStBl. I 1983, 382 und dazu Haase, INF 2005, 389. 3 JStG 2009 v. 19.12.2008, BGBl. I 2008, 2794. 4 EuGH v. 12.6.2003 – C-234/01, EuGHE I 2003, 5933; vgl. auch BMF v. 10.9.2004 – IV A 5 - S 2301 - 10/04, BStBl. I 2004, 860 sowie zur weiteren Umsetzung des Gerritse-Urt. BMF v. 3.11.2003 – IV A 5 - S 2411 - 26/03, BStBl. I 2003, 553; vgl. ferner EuGH v. 14.2.2007 – C 345/04 (Centro Equestre), EuGHE I 2007, 1425, in dem der Gerichtshof zu § 50a Abs. 4 Nr. 1, Abs. 5 Satz 4 Nr. 3 EStG befand, dass diese Vorschriften nur insoweit eine Verletzung der Dienstleistungsfreiheit bedeuteten, als sie die „Erstattung der betreffenden Steuer an diesen Steuerpflichtigen von der Voraussetzung abhängig“ machen würden, dass „die genannten Betriebsausgaben die Hälfte der erwähnten Einnahmen übersteigen“. 5 BMF v. 10.9.2004 – IV A 5 - S 2301 - 10/04, BStBl. I 2004, 860. 6 Zum Ganzen Wied in Blümich, § 50 EStG Rz. 15 ff.

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D. Missbrauchsvermeidung

Grundfreibetrag im Einklang mit der EuGH-Rechtsprechung ausnahmslos unberücksichtigt. Dies gilt nunmehr auch für beschränkt Steuerpflichtige mit höheren Einkommen, bei denen bislang auf Grund der regelungstechnischen Einarbeitung des Grundfreibetrags in den allgemeinen Tarif, ungeachtet der Zielrichtung der Regelung zum Mindeststeuersatz, der Grundfreibetrag im Ergebnis Berücksichtigung gefunden hat. Die Neuregelung gilt nicht nur für beschränkt Steuerpflichtige aus EU- oder EWR-Staaten, sondern für alle beschränkt Steuerpflichtigen.

D. Missbrauchsvermeidung I. Allgemeine Kontrollmechanismen 1. Steuerabzug als Grundregel Besonderes Augenmerk im Zusammenhang mit dem Quellensteuerabzug bei beschränkt Steuerpflichtigen verdient § 50d EStG. Es handelt sich letztlich um eine spezielle Missbrauchsvermeidungsvorschrift, die dem Steuerpflichtigen bestimmte Verpflichtungen auferlegt, wenn er „auf der zweiten Stufe“1 Steuervorteile (insbesondere) nach einem DBA in Anspruch nehmen möchte.2 Die von Deutschland abgeschlossenen DBA sehen hinsichtlich der vom Steuerabzug des § 50a EStG erfassten Erträge i.d.R. Steuervorteile vor, die im Wesentlichen in einem im Verhältnis zu § 50a EStG reduzierten Quellensteuersatz (Beschränkung des deutschen Besteuerungsrechts) oder in einem Ausschluss des deutschen Besteuerungsrechts bestehen können (dazu Rz. 9.1 ff.).3

8.230

Einen solchen Ausschluss oder eine solche Beschränkung möchte die deutsche Finanzverwaltung freilich nur akzeptieren, wenn das jeweilige DBA tatsächlich eine solche Rechtsfolge vorsieht.4 Ob und in welchem Umfang dies der Fall ist, muss der Steuerpflichtige und Steuerschuldner (hier der Vergütungsgläubiger) nach der allgemeinen abgabenrechtlichen Beweislastregel, wonach er ihm günstige Tatsachen darlegen und ggf. beweisen muss, vorbringen. Sodann möchte sich die Finanzverwaltung vorbehalten, die Sachlage eingehend zu prüfen und erst bei feststehendem Ergebnis von ihrem nationalen Besteuerungsanspruch abrücken.5

8.231

1 So Wagner in Blümich, § 50d EStG Rz. 11 und BMF v. 7.5.2002 – IV B 4 - S 2293 26/02, BStBl. I 2002, 521. 2 Dazu BMF v. 25.11.2010 – IV C 3-S 2303/09/10002, BStBl. I 2010, 1350 Rz. 74 ff. 3 Die hier verwendete Terminologie des „Ausschlusses“ und der „Beschränkung“ des deutschen Besteuerungsrechts ist exemplarisch angelehnt an § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG. 4 Warum ein deutsches Besteuerungsrecht besteht, ist nach BMF v. 25.11.2010 – IV C 3-S 2303/09/10002, BStBl. I 2010, 1350 Rz. 78 irrelevant. 5 Vgl. daher auch § 73e Satz 3 EStDV.

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Kap. 8: Geistiges Eigentum und beschränkte Steuerpflicht

8.232

Vor diesem Hintergrund bestimmt § 50d Abs. 1 Satz 1 EStG zur Sicherung des Steueraufkommens1, dass der Quellensteuerabzug gemäß § 50a EStG auch für den Fall des Bestehens eines DBA bzw. für den Fall der Einschränkung oder des Verbots eines Quellensteuerabzugs aufgrund europarechtlich vorgegebener Vorschriften (§§ 43b, 50g EStG) durchzuführen ist, sog. treaty override.2 Eine endgültige Verletzung des DBA und damit des Völkerrechts wird jedoch durch § 50d Abs. 1 Satz 2 EStG verhindert, wonach der Anspruch des beschränkt Steuerpflichtigen auf völlige oder teilweise Erstattung der zu seinen Lasten abgeführten Steuer unberührt bleibt.3 Im Ergebnis wird damit den DBA bzw. der Zins-/Lizenzgebühren-Richtlinie zur Durchsetzung verholfen, jedoch wird gewissermaßen ein Sicherungsmechanismus in Gestalt des vorherigen Steuerabzugs eingezogen.

8.233

Um den eben genannten Anspruch des Steuerpflichtigen nach § 50d Abs. 1 Satz 2 EStG4 durchzusetzen, stehen ihm das Erstattungsverfahren und das Freistellungs- bzw. Kontrollmeldeverfahren offen. Hierzu nachstehend kurz im Einzelnen. 2. Erstattungsverfahren

8.234

Um seinen Erstattungsanspruch geltend zu machen, muss der Steuerpflichtige (Vergütungsgläubiger) nach amtlich vorgeschriebenem Vordruck innerhalb einer 4-Jahres-Frist5 einen Erstattungsantrag beim Bundeszentralamt für Steuern stellen, § 50d Abs. 1 Satz 3 EStG.6 Der Erstattungsantrag unterliegt den formalen Voraussetzungen des § 50d Abs. 4 EStG (Ansässigkeitsbescheinigung).

8.235

Die Erstattung erfolgt rechtstechnisch auf Grundlage eines sog. Freistellungsbescheids i.S. des § 155 Abs. 1 Satz 3 AO (§ 50d Abs. 1 Sätze 3 und 4 EStG). Es ist zu beachten, dass das Erstattungsverfahren ein von dem Steuerabzugsverfahren, das sich an den Vergütungsschuldner richtet, verwaltungstechnisch getrenntes Verfahren ist: Das Erstattungsverfahren richtet sich allein an die Person des Vergütungsgläubigers,7 § 50d Abs. 1 Sätze 3 und 6 EStG, während der Vergütungsschuldner aus der abkom1 So bereits Gosch in Kirchhof10, § 50d EStG Rz. 1. 2 Dazu im hier interessierenden Zusammenhang Gosch in Kirchhof10, § 50d EStG Rz. 1, 24; Klein in H/H/R, § 50d EStG Rz. 6. 3 Der Vermeidung von Zinsverlusten dient § 50d Abs. 1a EStG (Verzinsung von Erstattungen). 4 I.V.m. § 37 Abs. 2 AO. 5 Nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Vergütungen bezogen wurden, § 50a Abs. 1 Satz 7 EStG. Die Frist endet aber nicht vor Ablauf von sechs Monaten nach dem Zeitpunkt der Entrichtung der Steuer, § 50d Abs. 1 Satz 8 EStG, vgl. dazu Klein in H/H/R, § 50d EStG Rz. 23. 6 Dazu Rz. 2 des BMF-Schr. v. 7.5.2002 – IV B 4 - S 2293 - 26/02, BStBl. I 2002, 521. 7 Ausnahme: Rechtsbehelfe gegen eine verweigerte Freistellungsbescheinigung, vgl. BFH v. 4.3.2009 – I R 6/07, BFH/NV 2009, 1195 und Loschelder in Schmidt30, § 50d EStG Rz. 21. Zur Prüfung der Abkommensberechtigung des Vergütungsgläubigers durch das Bundeszentralamt für Steuern in diesem Zusammenhang vgl. BFH v. 16.12.1987 – I R 350/83, BStBl. II 1988, 600.

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D. Missbrauchsvermeidung

mensrechtlichen Stellung des Gläubigers wegen § 50a Abs. 1 Satz 10 EStG keine eigenen Ansprüche geltend machen kann. Dies ist auch sachgerecht, weil der Schuldner durch § 50a EStG selbst nicht wirtschaftlich belastet wird. Gleichwohl können im Erstattungsverfahren auch Haftungsfragen geklärt werden. In Fällen, in denen der Vergütungsschuldner zur Vermeidung eines eigenen Haftungsrisikos bereits bei Zweifeln an der steuerrechtlichen Beurteilung des Sachverhalts berechtigterweise den Steuerabzug vornimmt, kann der Vergütungsgläubiger die Zweifelsfrage nur in einem Besteuerungsverfahren, das die Festsetzung einer Steuerschuld ihm gegenüber zum Gegenstand hat, klären lassen. Ein solches Verfahren kann, insbesondere in Fällen, in denen eine Veranlagung nicht vorgesehen ist, durch den Antrag auf Erlass eines Freistellungsbescheids in Gang gesetzt werden. Ist dagegen ein Veranlagungsverfahren möglich, z.B. nach § 50 Abs. 2 Satz 2 Nr. 5 EStG, so geht dieses dem Antrag auf Erlass eines Freistellungsbescheids nach § 155 AO vor.1

8.236

Unerlässliche Voraussetzung des Erstattungsverfahrens ist die vorherige Durchführung einer Steueranmeldung nach § 73e EStG.2 Die Erstattung darf nur auf Basis der §§ 43b, 50g EStG oder eines DBA in Betracht kommen. Gründe, die im Übrigen eine Steuerpflicht des ausländischen Vergütungsgläubigers ausschließen oder beschränken, sind außerhalb des Verfahrens nach § 50d EStG geltend zu machen.3

8.237

3. Freistellungs- und Kontrollmeldeverfahren Alternativ zum Erstattungsverfahren kann der Vergütungsschuldner im Fall der §§ 43b, 50a Abs. 4, 50g EStG bzw. für den Fall des Bestehens eines DBA nach § 50d Abs. 2 Satz 1 EStG beim Bundeszentralamt für Steuern den Antrag4 stellen, den Quellensteuerabzug a priori nicht vornehmen zu müssen (sog. Freistellungsverfahren).5 Wird dem Antrag entsprochen,6 wird eine sog. Freistellungsbescheinigung7 erteilt. Sie kann dem Ver1 2 3 4

Dazu BMF v. 25.11.2010 – IV C 3-S 2303/09/10002, BStBl. I 2010, 1350 Rz. 11. BFH v. 17.5.1995 – I B 183/94, BStBl. II 1995, 781. Wagner in Blümich, § 50d EStG Rz. 24. Über den Antrag ist nach § 50a Abs. 2 Satz 6 EStG innerhalb von 3 Monaten zu entscheiden. 5 Dazu ausführlich Wagner in Blümich, § 50d EStG Rz. 42 ff. sowie BMF v. 7.5. 2002 – IV B 4 - S 2293 - 26/02, BStBl. I 2002, 521 Rz. 3. 6 Ggf. unter Auflagen, Bedingungen oder einem Widerrufsvorbehalt, § 50d Abs. 2 Satz 2 EStG. 7 Das ist ein Steuerverwaltungsakt, der nach den allgemeinen Vorschriften (§§ 139, 131 AO) geändert oder angefochten (§ 347 AO; § 40 FGO) werden kann, vgl. Klein in H/H/R, § 50d EStG Rz. 40 sowie BFH v. 13.4.1994 – I B 212/93, BStBl. II 1994, 835. Rechtsbehelfe gegen eine verweigerte Freistellungsbescheinigung kann jedoch auch der Vergütungsschuldner geltend machen, weil er sonst ggf. der Gefahr einer Haftung ausgesetzt ist, vgl. BFH v. 4.3.2009 – I R 6/07, BFH/NV 2009, 1195 und Loschelder in Schmidt30, § 50d EStG Rz. 21.

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8.238

Kap. 8: Geistiges Eigentum und beschränkte Steuerpflicht

gütungsschuldner einmalig (sog. Einmalfreistellung) oder dauerhaft (sog. Dauerfreistellung) und damit höchstens für drei Jahre erteilt werden, § 50d Abs. 2 Satz 4 EStG. Die Verpflichtung zur Steueranmeldung bleibt indes unberührt, vgl. § 73e Satz 3 EStDV.

8.239

Das Freistellungsverfahren hat eine erhebliche praktische Bedeutung, insbesondere auch für grenzüberschreitend gezahlte Lizenzvergütungen. Zentral ist die Erkenntnis, dass das Freistellungsverfahren nur für die Zukunft wirkt. Nach § 50d Abs. 2 Satz 4 EStG erlangt die Freistellungsbescheinigung frühestens an dem Tag ihre Geltung, an dem der Antrag beim Bundeszentralamt für Steuern eingeht.

8.240

Das Kontrollmeldeverfahren1 des § 50d Abs. 5 und 6 EStG hat demgegenüber nahezu keine praktische Relevanz. Die Ermächtigung, den Steuerabzug zu unterlassen oder nach einem niedrigeren Steuersatz vorzunehmen (Kontrollmeldeverfahren; § 50d Abs. 5 Satz 2 EStG), kann ausschließlich in Fällen geringer steuerlicher Bedeutung erteilt und mit Auflagen2 verbunden werden. Die Finanzverwaltung interpretiert diese Bestimmung im Hinblick auf Erträge aus Immaterialgüterrechten und insbesondere die Zahlung von Lizenzgebühren nach § 50a Abs. 1 Nr. 3 EStG so, dass Einzelzahlungen bis zu 5 000 Euro und Gesamtzahlungen bis zu 40 000 Euro erfasst werden.3

II. § 50d Abs. 3 EStG 1. Historie/Zwecksetzung

8.241

Eine spezielle Missbrauchsvorschrift ist im Hinblick auf die Anwendung von DBA § 50d Abs. 3 EStG. Eine im Ausland ansässige natürliche Person A, die Lizenzgebühren von der in Deutschland ansässigen X-GmbH vereinnahmt, könnte beispielsweise versucht sein, zwischen sich und die X-GmbH eine ausländische Kapitalgesellschaft zu schalten, um von einem günstigeren DBA-Quellensteuersatz zu profitieren. Diese ausländische Kapitalgesellschaft würde von A vorzugsweise in einem DBA-Staat etabliert werden, dessen DBA mit Deutschland die niedrigste Quellensteuer für Lizenzgebühren vorsieht (sog. treaty shopping). Innerhalb der Europäischen Union wäre zudem die Zins-/Lizenzgebühren-Richtlinie vorrangig, so dass gar keine Quellensteuer zu erheben wäre (sog. directive shopping).4 1 Dazu BMF v. 7.5.2002 – IV B 4 - S 2293 - 26/02, BStBl. I 2002, 521 Rz. 4 sowie BMF v. 18.12.2002 – IV B 4 - S 2293 - 54/02, BStBl. I 2002, 1386. 2 Inhalt der Auflage kann die Angabe des Namens, des Wohnorts oder des Orts des Sitzes oder der Geschäftsleitung des Schuldners und des Gläubigers, der Art der Vergütung, des Bruttobetrags und des Zeitpunkts der Zahlungen sowie des einbehaltenen Steuerbetrags sein, § 50 Abs. 5 Satz 4 EStG. Mit dem Antrag auf Teilnahme am Kontrollmeldeverfahren gilt die Zustimmung des Gläubigers und des Schuldners zur Weiterleitung der Angaben des Schuldners an den Wohnsitz- oder Sitzstaat des Gläubigers als erteilt, § 50d Abs. 5 Satz 5 EStG. 3 BMF v. 18.12.2002 – IV B 4 - S 2293 - 54/02, BStBl. I 2002, 1386. 4 Dazu ausführlich Wagner in Blümich, § 50d EStG Rz. 53 ff. m.w.N.

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Haase

E. Vermeidung der Doppelbesteuerung

2. Tatbestand Gestaltungen dieser Art vermeidet § 50d Abs. 3 EStG.1 Satz 1 der Norm stellt klar, dass in DBA oder den §§ 34b, 50g EStG2 enthaltene Vergünstigungen durch eine ausländische Gesellschaft nicht in Anspruch genommen werden können, soweit Personen an ihr beteiligt sind, denen die Erstattung oder Freistellung nicht zustände, wenn sie die Einkünfte unmittelbar erzielten, und wenn (1) für die Einschaltung der ausländischen Gesellschaft wirtschaftliche oder sonst beachtliche Gründe fehlen oder (2) die ausländische Gesellschaft nicht mehr als 10 % ihrer gesamten Bruttoerträge des betreffenden Wirtschaftsjahres aus eigener Wirtschaftstätigkeit erzielt oder3 (3) die ausländische Gesellschaft nicht mit einem für ihren Geschäftszweck angemessen eingerichteten Geschäftsbetrieb am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr teilnimmt.

8.242

Um anerkannt zu werden, muss daher in der ausländischen Gesellschaft ausreichend Substanz vorhanden sein. Nach § 50d Abs. 3 Satz 2 EStG kommt es allein auf die Verhältnisse bei der ausländischen Gesellschaft selbst,4 nicht aber auf die Verhältnisse bei nahe stehenden Personen (etwa Schwestergesellschaften) an. Satz 3 bestimmt zudem, dass es an einer eigenen Wirtschaftstätigkeit fehlt, soweit die ausländische Gesellschaft ihre Bruttoerträge aus der Verwaltung von Wirtschaftsgütern erzielt oder ihre wesentlichen Geschäftstätigkeiten auf Dritte überträgt (Outsourcing). Satz 4 enthält eine Ausnahme für börsennotierte Gesellschaften. Zu weiteren Einzelheiten des § 50d Abs. 3 EStG vgl. Rz. 9.144 ff.

8.243

E. Vermeidung der Doppelbesteuerung I. Grundprinzipien § 34c EStG greift ausweislich seines eindeutigen Wortlauts nur bei unbeschränkt Steuerpflichtigen ein. Es handelt sich mithin um eine Situation, in der die Bundesrepublik Deutschland der Wohnsitzstaat, der Quellenstaat jedoch ein ausländischer Staat ist. Bei der beschränkten Steuer1 Dazu R 50.2 EStR 2 Zu Einzelheiten von § 50g EStG vgl. Rz. 10.14 ff. 3 Wortlaut zuvor: „und“; Neufassung mit Wirkung v. 1.1.2007 durch das JStG 2007 v. 13.12.2006, BGBl. I 2006, 2878. Die Neufassung war eine Reaktion des Gesetzgebers auf die sog. Hilversum-Fälle, die die Untergerichte und den BFH in jüngerer Zeit beschäftigt hatten, vgl. vor allem zu „Hilversum II“ BFH v. 31.5. 2005 – I R 74, 88/04, BStBl. II 2006, 118 und den Nichtanwendungserlass durch BMF v. 30.1.2006 – IV B 1 - S 2411 - 4/06, BStBl. I 2006, 166. Vgl. sodann auch „Hilversum III“, Vorlage des FG Köln v. 16.3.2006 – 2 K 1139/02, EFG 2006, 896 und die Entscheidung des BFH v. 26.1.2008 – I R 26/06, DStRE 2008, 812. Zum Ganzen ausführlich Strunk/Haase, Anti-Avoidance Measures, 19 ff. 4 Zur Entlastungsberechtigung ausländischer Gesellschaften in mehrstöckigen Beteiligungsstrukturen vgl. BMF v. 4.7.2007 – IV B 1-S 2411/07/0002, IStR 2007, 555 mit Anmerkung Lüdicke.

Haase

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8.244

Kap. 8: Geistiges Eigentum und beschränkte Steuerpflicht

pflicht aber ist die Bundesrepublik Deutschland umgekehrt der Quellenstaat, so dass es Aufgabe des ausländischen Wohnsitzstaats des Steuerpflichtigen ist, eine etwaige Doppelbesteuerung zu vermeiden oder zu vermindern.1 Unilaterale Methoden zur Vermeidung der Doppelbesteuerung sind daher bei der beschränkten Steuerpflicht grundsätzlich nicht vorgesehen.

8.245

Es kann jedoch auch bei der beschränkten Steuerpflicht (§ 1 Abs. 4 EStG; § 2 KStG) strukturell eine Situation entstehen, die der unbeschränkten Steuerpflicht hinsichtlich bestimmter Einkünfte im wirtschaftlichen Ergebnis zumindest angenähert ist, so dass sich die Frage stellt, ob nicht auch die Methoden zur Vermeidung der Doppelbesteuerung in entsprechender Weise angewendet werden müssten.

8.246

Wir wollen annehmen, die ausländische X-Limited (Sitz und Geschäftsleitung im ausländischen Staat A) unterhält im Inland eine Betriebsstätte. Diese Betriebsstätte soll annahmegemäß Lizenzgebühren vereinnahmen, weil die X-Limited im Inland über ihre Betriebsstätte eine Marke registriert und der ebenfalls ausländischen Y-Limited (Sitz und Geschäftsleitung im ausländischen Staat B) zur Nutzung überlassen hat. Zahlt nun die Y-Limited die Lizenzgebühren aus und erhebt der Staat B auf die Zahlungen eine Quellensteuer, ist zivilrechtlicher Empfänger zwar die X-Limited. Die Dividenden gehen jedoch im Rahmen der beschränkten Steuerpflicht (§§ 2 Nr. 1, 8 Abs. 1 KStG i.V.m. § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG) in das handels- und steuerrechtliche Betriebsstättenergebnis der X-Limited im Inland ein. Jedenfalls wenn auf den Betriebsstättengewinn aus der Sicht des Staats A die Freistellungsmethode angewendet wird (Regelfall bei Bestehen eines DBA), wird der Wohnsitzstaat A kaum jemals unilateral für eine Vermeidung der Doppelbesteuerung sorgen, weil er auch die Lizenzgebühren nicht besteuern darf. In dieser Situation ist Deutschland hinsichtlich der Lizenzgebühren „quasi der Wohnsitzstaat“ und der Staat B der Quellenstaat, so dass insoweit ungeachtet der fehlenden unbeschränkten Steuerpflicht die Vermeidung der Doppelbesteuerung ausnahmsweise der Bundesrepublik Deutschland obliegt.

8.247

In Fällen wie diesen sind daher gemäß § 50 Abs. 3 EStG die Steueranrechungsmethode nach § 34c Abs. 1 EStG sowie die Steuerabzugsmethoden nach § 34c Abs. 2 und 3 EStG entsprechend anzuwenden. Mangels einer Verweisung nicht anwendbar sind die Steuerpauschalierungs- und die Steuererlassmethode (§ 34c Abs. 5 EStG). § 50 Abs. 4 EStG enthält jedoch eine vergleichbare Regelung.

8.248

§ 26 Abs. 6 Satz 1 KStG verhilft für Körperschaften ausdrücklich § 50 Abs. 3 EStG zur Geltung.2 Bei beschränkt Steuerpflichtigen i.S. des § 2 1 Dies greift auch die Gesetzesbegründung auf, vgl. BT-Drucks. 8/3648, 22. 2 Zur Anwendung des § 50 Abs. 3 EStG bei Qualifikationskonflikten mit ausländischen Personengesellschaften vgl. die Beispiele bei Wied in Blümich, § 50 EStG Rz. 118.

506

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Haase

E. Vermeidung der Doppelbesteuerung

Nr. 1 KStG sind daher die Methoden zur Vermeidung der Doppelbesteuerung in gleicher Weise anzuwenden wie bei der Einkommensteuer. Es wird auf die vorstehenden Ausführungen verwiesen. Zu beachten ist, dass das Körperschaftsteuerrecht eine dem § 50 Abs. 4 EStG entsprechende Regelung vermissen lässt. Die Steuerpauschalierungs- und die Steuererlassmethode sind daher bei beschränkt steuerpflichtigen Körperschaften nicht anzuwenden.

II. § 50 Abs. 3 EStG 1. Tatbestand Die entsprechende, vorstehend beschriebene Anwendung der unilateralen Methoden zur Vermeidung der Doppelbesteuerung unterliegt mehreren Einschränkungen. Sie kommt zunächst nur für die Gewinneinkunftsarten und damit namentlich bei Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft (§ 49 Abs. 1 Nr. 1 EStG), bei Einkünften aus Gewerbebetrieb (§ 49 Abs. 1 Nr. 2 EStG) und bei Einkünften aus selbstständiger Arbeit (§ 49 Abs. 1 Nr. 3 EStG) in Betracht. In Bezug auf Erträge aus Immaterialgüterrechten dürften in der Praxis im Regelfall Einkünfte aus Gewerbebetrieb vorliegen, die in eine inländische Betriebsstätte einbezogen werden,1 jedoch ist auch eine Verwirklichung der anderen beiden Einkunftsarten denkbar.

8.249

Ferner wird vorausgesetzt, dass für diese Einkünfte im Inland ein Betrieb unterhalten wird. Gemeint ist das Vorliegen einer inländischen Betriebsstätte i.S. des § 12 AO.2 Sodann muss der Steuerpflichtige Einkünfte aus einem ausländischen Staat beziehen, die dem inländischen Betrieb wirtschaftlich zuzurechnen und daher im Betriebsstättenergebnis der Land- und Forstwirtschaft, des Gewerbebetriebs oder der selbstständigen Arbeit enthalten sind. Aus dem Halbs. 2 des § 50 Abs. 3 EStG folgt, dass es sich bei den Einkünften „aus einem ausländischen Staat“ um Drittstaateneinkünfte handeln muss. Einkünfte aus einem oder mehreren Wohnsitzstaaten des Steuerpflichtigen qualifizieren nicht für die Anwendung der Methoden zur Vermeidung der Doppelbesteuerung, sofern nur der Steuerpflichtige dort in einem der unbeschränkten Einkommensteuerpflicht ähnlichen Umfang zur Be-

1 Berechtigte Kritik daran bei Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 5.254, der bemängelt, dass die Einbeziehung von Lizenzgebühren, Zinsen oder Dividenden aus ausländischen Quellen in das inländische Betriebsstättenergebnis unnötig kollisionsbegründend wirkt. 2 Nach zutreffender Ansicht ist ein inländischer ständiger Vertreter wegen der alternativen Anknüpfung in § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG gleichbedeutend, vgl. Wied in Blümich, § 50 EStG Rz. 117; a.A. Strunk in Korn, § 50 EStG Rz. 61. Infolgedessen sind auch im Ausland ansässige Gesellschafter einer inländischen Personengesellschaft zur Inanspruchnahme des § 34c Abs. 1–3 EStG berechtigt, sofern die Personengesellschaft im Inland eine Betriebsstätte unterhält.

Haase

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507

8.250

Kap. 8: Geistiges Eigentum und beschränkte Steuerpflicht

steuerung herangezogen wird.1 Anderenfalls ist aus deutscher Sicht der ausländische Staat für die Vermeidung der Doppelbesteuerung zuständig. 2. Rechtsfolge

8.251

Die Voraussetzungen des § 34c Abs. 1–3 EStG sind auch im Rahmen des § 50 Abs. 3 EStG zu prüfen und müssen vollständig vorliegen. Es handelt sich mithin um eine Rechtsgrundverweisung, aufgrund derer ausländische Steuern zur Anrechnung gebracht werden können. Die Berücksichtigung ausländischer Steuern erfolgt ausschließlich im Steuerveranlagungsverfahren. Wegen § 50 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 EStG2 muss aber im Regelfall seitens des ausländischen Vergütungsgläubigers keine gesonderte Beantragung der Veranlagung nach § 50 Abs. 2 Satz 2 Nr. 5 EStG erfolgen.

8.252

§ 50 Abs. 3 EStG greift unabhängig davon ein, ob mit dem ausländischen Staat, der nicht der Wohnsitzstaat des Steuerpflichtigen ist, ein DBA besteht, weil nicht auf § 34c Abs. 6 EStG verwiesen wird. Ebenso ist es unerheblich, ob der ausländische Staat dem Steuerpflichtigen (obgleich dieser dort nicht unbeschränkt steuerpflichtig ist) ausnahmsweise eine Möglichkeit zur Vermeidung der Doppelbesteuerung eröffnet.

1 Die Einkünfte müssen in dem ausländischen Staat jedoch grundsätzlich steuerpflichtig sein, vgl. Wied in Blümich, § 50 EStG Rz. 118. 2 Dies wird der Regelfall im Rahmen des § 50 Abs. 3 EStG sein.

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Haase

Kapitel 9 Geistiges Eigentum im DBA-Recht Literatur: Blümich, Kommentar zum EStG – KStG – GewStG, Loseblatt; Boller/Eilinghoff/ Schmidt, § 50d Abs. 10 EStG i.d.F. des JStG 2009 – ein zahnloser Tiger?, IStR 2009, 109; Boller/Schmidt, § 50d Abs. 10 EStG ist doch ein zahnloser Tiger – Replik zu Frotscher, IStR 2009, 852; Brändel, Verrechnungspreise bei grenzüberschreitender Lizenzierung von Marken im Konzern, Diss., Berlin 2010; Frotscher, Treaty Override und § 50d Abs. 10 EStG, IStR 2009, 593; Gebhardt, § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 EStG in der europa- und verfassungsrechtlichen Kritik, IStR 2011, 58; Gosch, Über das Treaty Overriding – Bestandsaufnahme – Verfassungsrecht – Europarecht, IStR 2008, 413; Gosch/Kroppen/Grotherr (Hrsg.), DBA-Kommentar, Herne 1997; Fezer, Markenrecht, 4. Aufl., München 2009; Fischer/Kleineidam/Warneke, Internationale Betriebswirtschaftliche Steuerlehre, 5. Aufl., Berlin 2005; Haase (Hrsg.), Außensteuergesetz Doppelbesteuerungsabkommen, Heidelberg 2009; Haase, Steueranrechnung bei divergierender Einkünftezurechnung und Qualifikationskonflikten, IStR 2010, 45; Haase/Brändel, Funktionale Zuordnung von Kapitalgesellschaftsbeteiligungen – Quo Vadis?, Ubg 2010, 859; Haase/Brändel, Überlegungen zur Theorie der betriebsstättenlosen Einkünfte, StuW 2011, 49; Haase/Brändel, DBA und Personengesellschaften – Irrungen und Wirrungen im Notenwechsel zum DBA-Spanien, IStR 2011, 255; Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung, 7. Aufl., München 2011; Jansen/Weidmann, Treaty Overriding und Verfassungsrecht, IStR 2010, 596; Linn, Generalthema I: Steuerumgehung und Abkommensrecht, IStR 2010, 542; Mössner, Steuerrecht international tätiger Unternehmen, 3. Aufl., Köln 2005; Schaumburg, Internationales Steuerrecht, 3. Aufl., Köln 2011; Schmidt, Einkommensteuergesetz Kommentar, 30. Aufl., München 2011; Vogel/Lehner (Hrsg.), Doppelbesteuerungsabkommen Kommentar, 5. Aufl., München 2008.

A. Überblick Immaterialgüterrechte wie Know How und Markenrechte entfalten auch im Abkommensrecht eine entscheidende Bedeutung. Sie können sowohl Gegenstand von beschränkten Rechtsübertragungen in Form von Nutzungsüberlassungen wie von Lizenzen als auch von unbeschränkten Rechtsübertragungen und damit Gegenstand von Kaufverträgen sein.

9.1

Sind derartige Verträge Teil der Outboundtätigkeit inländischer Unternehmen oder der Inboundtätigkeit ausländischer Unternehmen und besteht zwischen den Ansässigkeitsstaaten der abkommensberechtigten Vertragsparteien bzw. dem Quellenstaat ein Doppelbesteuerungsabkommen, so ist – vorausgesetzt die weiteren Anwendungsvoraussetzungen sind erfüllt – das jeweilige DBA anzuwenden.

9.2

Mit der Anwendung des jeweiligen Abkommens sind zahlreiche Fragen verbunden. Sie reichen von der abkommensrechtlichen Definition immaterieller Wirtschaftsgüter über die Bestimmung des zur Anwendung kommenden Artikels sowie die Frage der Anwendbarkeit der in dem Abkommen enthaltenen Betriebsstättenvorbehalte bis hin zur Frage der Vermei-

9.3

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509

Kap. 9: Geistiges Eigentum im DBA-Recht

dung der Doppelbesteuerung. Diese Fragen sollen im nachfolgenden Kapitel auf Grundlage des OECD-MA untersucht werden. Soweit bestimmte Abkommen nennenswerte Sondervorschriften vorsehen, wird auf diese hingewiesen.

B. Relevante Einkunftsartikel I. Grundlagen 9.4

Immaterialgüterrechte können entgeltlich zur Nutzung überlassen oder aber veräußert werden. Dabei gehen mit der Überlassung von Rechten oder Vermögenspositionen sowie mit ihrer endgültigen Rechtsübertragungen abkommensrechtlich unterschiedliche Konsequenzen einher. Sie führen zur Anwendbarkeit verschiedener Abkommensartikel, welche die Besteuerungsrechte an den Entgelten voneinander abweichend verteilen. So weist Art. 13 OECD-MA beispielsweise im Grundsatz dem Ansässigkeitsstaat des Veräußerers das Besteuerungsrecht zu, wobei die Art. 12 OECD-MA vergleichbaren Artikel i.d.R. auch dem Quellenstaat ein Besteuerungsrecht an den Lizenzgebühren zuweisen.

9.5

Die für die sachgerechte Anwendung des Abkommens entscheidende Frage ist jene nach dem Rechtsgehalt der vertraglichen Beziehung. Ihre Beantwortung stellt auf die Einordnung der vertraglichen Beziehung als endgültige Rechtsübertragung durch eine Veräußerung oder die zeitlich beschränkte Nutzungsüberlassung beispielsweise in Gestalt eines Lizenzvertrags ab. Diese zentrale Frage ist Gegenstand des ersten zu betrachtenden Artikels 13 OECD-MA (Rz. 9.36).

9.6

Führt die Prüfung dieser Frage zu dem Ergebnis, dass es sich um eine endgültige Rechtsübertragung handelt, so kommen für die steuerliche Behandlung der Entgelte und die damit verbundene Frage der Verteilung der Besteuerungsrechte vornehmlich die Art. 13, 7 und 21 OECD-MA in Betracht.

9.7

Handelt es sich nach den Ergebnissen hingegen um eine Überlassung der Rechte oder Vermögenspositionen, so kommen die Anwendungen der Art. 12 OECD-MA über Lizenzgebühren, Art. 7 über Unternehmensgewinne, Art. 10 über Dividenden, Art. 11 über Zinsen, Art. 15 über Einkünfte aus unselbständiger Arbeit, Art. 17 über die Einkünfte von Künstlern und Sportlern sowie Art. 21 über sonstige Einkünfte für die Verteilung der Besteuerungsrechte in Frage. Die nachfolgende Abbildung zeigt ein vereinfachtes Schema für die Anwendung der relevanten Einkunftsartikel bei einer Nutzungsüberlassung auf.

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B. Relevante Einkunftsartikel

(1)

Nutzungsüberlassung

Lizenzgebühren i.S.d. Art. 12 Abs. 2 OECD-MA? ja

nein (2)

Art. 12 Abs. 1 OECD-MA erfüllt?

Unternehmensgewinne?

ja

nein

Art. 12 Abs. 3 OECD-MA? ja

Art. 21 OECD-MA nein

Art. 7 OECD-MA

nein

ja

Art. 7 OECD-MA

(3)

Art. 12 Abs. 1 OECD-MA

(1) Setzt Abgrenzung zur Übertragung voraus. (2) Weitere Abgrenzungen notwendig (z.B. Art. 15, 16, 17 OECD-MA) (3) Nur, wenn Art. 21 Abs. 2 OESCD-MA erfüllt.

Abbildung 1: Vereinfachtes Schema zur Prüfung der relevanten Einkunftsartikel bei Nutzungsüberlassung immaterieller Güter.

Art. 22 OECD-MA regelt die Fragen der einkünfteunabhängigen Besteuerung des Vermögens, die sich nur dann stellen, wenn einer der beiden Vertragsstaaten eine Vermögensteuer erhebt.

9.8

II. Gewinne aus Veräußerungen (Art. 13 OECD-MA) 1. Überblick Art. 13 OECD-MA findet auf die Gewinne aus der Veräußerung von Vermögen Anwendung. Danach sollen die Einkünfte aus der Veräußerung grundsätzlich von dem Staat besteuert werden, der auch die laufenden Einkünfte aus dem Vermögen besteuern darf. Eine Besteuerung kommt nach dem Wortlaut des Abkommens nur bei Erzielung eines Gewinns in Betracht. Dorn

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9.9

Kap. 9: Geistiges Eigentum im DBA-Recht

9.10

Eine Definition des Begriffes „Veräußerung“ enthält Art. 13 OECD-MA nicht. Diese ist nach Auffassung der OECD-MA auch entbehrlich. Die Verwendung dieses Begriffes soll jedoch verdeutlichen, dass insbesondere die Gewinne aus einer Veräußerung, einem Tausch, einer Enteignung, Einbringung in eine Gesellschaft und (auf den ersten Blick überraschenderweise) auch unentgeltliche Übertragungen sowie der Übergang von Todes wegen erfasst werden (Rz. 9.14 ff.). Einzelheiten bestimmen die innerstaatlichen Regelungen der jeweiligen Anwendestaaten.1

9.11

Art. 13 OECD-MA umfasst fünf Absätze. Absatz 1–4 enthalten die Grundregel, wonach die Besteuerung der Veräußerung des Vermögens grundsätzlich dort stattfindet, wo es belegen ist. Dies gilt für unbewegliches Vermögen, für bewegliches Vermögen einer Betriebsstätte, Gewinne aus der Veräußerung von Seeschiffen sowie Gewinne aus der Veräußerung bestimmter Gesellschaftsanteile. An den übrigen Veräußerungsgewinnen steht nach Abs. 5 dem Ansässigkeitsstaat des Veräußerers das Besteuerungsrecht zu.

9.12

Die endgültige Übertragung immaterieller Werte kann sowohl dem Anwendungsbereich des Art. 13 Abs. 1, 2, 4 als auch des Abs. 5 OECD-MA unterfallen. Handelt es sich bei den Rechten oder Vermögenspositionen um unbewegliches Vermögen, so findet Abs. 1, um bewegliches Vermögen einer Betriebsstätte, Abs. 2, um die Veräußerung von Anteilen an einer bestimmten Verwertungs- oder Verwaltungsgesellschaft, die hauptsächlich unbewegliches Vermögen hält, Abs. 4, und in allen übrigen Fällen Absatz 5 Anwendung. In allen Fällen ist es Voraussetzung, dass es sich um keine Nutzungsüberlassung der immateriellen Werte handelt. Daher kommt dieser Abgrenzung besondere Bedeutung zu (Rz. 9.36). 2. Anwendungsvoraussetzungen a) Gegenstandsbereich

9.13

Art. 13 OECD-MA findet Anwendung auf die Gewinne aus der Veräußerung von Vermögen. b) Veräußerung

9.14

Art. 13 OECD-MA stellt jene Regelung des Abkommens dar, welche die Besteuerungsrechte an den Veräußerungsgewinnen verteilt. Sie findet im Zweifel damit stets dann Anwendung, wenn ein der Veräußerung vergleichbarer Sachverhalt vorliegt, und zwar unabhängig davon, unter welche Einkünfte die Anwendestaaten diese Einkünfte nach ihrem nationalen Recht subsumieren.2 Nur dann, wenn es sich bei dem Sachverhalt nach wirtschaftlichen oder rechtlichen Gesichtspunkten um eine Nutzungsüberlassung von unbeweglichem Vermögen handelt, findet sie 1 Vgl. Musterkommentar zum OECD-MA zu Art. 13, MK 4 ff. 2 Vgl. Reimer in Vogel/Lehner, DBA5, Art. 13 Rz. 15.

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B. Relevante Einkunftsartikel

keine Anwendung. Diese unterstehen dem Anwendungsbereich des Art. 6 OECD-MA (Rz. 9.88 f.). Bei der Veräußerung handelt es sich um die Übertragung der wirtschaftlichen Verfügungsmacht über das Recht oder den Vermögenswert auf eine andere Person, die keiner zeitlichen Beschränkung unterliegt. Sie geht mit dem Wechsel des Subjekts einher, was nach der Übertragung über den Vermögensgegenstand oder Teile davon verfügen kann.1

9.15

Typische Anwendungsfälle sind der Verkauf, d.h. der rechtliche Übertragungsakt gegen Entgelt, der Tausch, bei dem der Veräußerer bzw. der Tauschende als Entgelt einen anderen Vermögenswert erhält, der einen vergleichbaren wirtschaftlichen Wert hat, sowie die Einbringung in eine Gesellschaft als besondere Form des Tauschs, bei welcher der Einbringende als Gegenleistung für die Übertragung Gesellschaftsrechte von gleichem Wert erhält.

9.16

Als weitere Anwendungsfälle nennt der Musterkommentar die Enteignung, bei der die Übertragung wie bei einem Verkauf gegen Entgeltzahlung (Entschädigung), aber zwangsweise erfolgt, sowie die Gewinne aus der unentgeltlichen Übertragung und dem Übergang von Todes wegen.2 Damit sind wohl die Fälle gemeint, in denen der bisherige Erwerber durch die unentgeltliche Übertragung einen Gewinn erzielt. So könnte beispielsweise die Schenkung von Betriebsvermögen darunter fallen, weil dieses vor der unentgeltlichen Übertragung erst aus dem Betriebsvermögen entnommen werden muss, wodurch die darin enthaltenen stillen Reserven aufgedeckt werden und der Schenker einen Entnahmegewinn erzielen kann.

9.17

Über diese abkommensautonome Definition der Veräußerung hinaus bestimmt das jeweilige innerstaatliche Recht des jeweiligen Anwendestaates den Anwendungsbereich des Art. 13 OECD-MA. So gilt beispielsweise nach deutscher Rechtsauffassung auch der Verbrauch einmalig ausübbarer Rechte wie von Pfandrechten oder Vorkaufsrechten als Übertragung. Auch das Verbringen eines Wirtschaftsguts wird nach deutschem Rechtsverständnis wie eine Veräußerung behandelt.3 Deswegen fallen die Entstrickungsfälle ebenfalls in den Anwendungsbereich des Art. 13 OECDMA.4

9.18

Die Überlassungen der Rechte oder Vermögenspositionen stellen im Regelfall keine Veräußerungen dar (Rz. 9.36 und 9.53).

9.19

1 2 3 4

Vgl. Reimer in Vogel/Lehner, DBA5, Art. 13 Rz. 15. Vgl. Musterkommentar zum OECD-MA zu Art. 13, MK 5. Vgl. Reimer in Vogel/Lehner, DBA5, Art. 13 Rz. 20. Die Entnahme wird nach innerstaatlichem Recht wie eine Veräußerung behandelt, weswegen sie ebenfalls in den Anwendungsbereich des Art. 13 OECD-MA fällt. Dies gilt auch für die Betriebsaufgabe. Vgl. dazu Wassermeyer in Debatin/ Wassermeyer, Art. 13 Rz. 42.

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513

Kap. 9: Geistiges Eigentum im DBA-Recht

c) Vermögen (Anwendungsbereiche) aa) Überblick

9.20

Nach dem Sinn und Zweck der Regelung des Art. 13 OECD-MA sollen alle Veräußerungsgewinne dieser Norm unterfallen. Dabei unterscheidet das Abkommen unterschiedliche Vermögensgruppen. Sie sind Gegenstände der jeweiligen Absätze des Art. 13 OECD-MA. Die Fälle des Abs. 3 werden vorliegend nicht näher betrachtet, weil es sich bei der Veräußerung immaterieller Werte nicht um Seeschiffe oder Luftfahrzeuge handeln kann. bb) Unbewegliches Vermögen (Abs. 1)

9.21

Abs. 1 erfasst die Gewinne aus der Veräußerung unbeweglichen Vermögens einer in einem Vertragsstaat ansässigen Person, das im anderen Vertragsstaat belegen ist. Durch den direkten Verweis auf die Regelung des Art. 6 OECD-MA über die laufenden Einkünfte aus unbeweglichen Vermögen gilt die darin enthaltene Begriffsdefinition des Abs. 2 entsprechend. Danach bestimmt sich der Begriff des unbeweglichen Vermögens grundsätzlich nach dem Recht des jeweiligen Anwendestaates, wobei bestimmte in dem Absatz explizit genannte Vermögenswerte abkommensrechtlich als unbewegliches Vermögen gelten. Ob es sich bei diesem um Vermögen eines Unternehmens handelt oder nicht, ist dafür irrelevant.

9.22

So stellen Rechte nach dem nationalen Recht der meisten Anwendestaaten bewegliches Vermögen dar. Dies gilt auch dann, wenn sie grundpfandrechtlich gesichert sind. Hingegen gelten nach dem Abkommensrecht bestimmte Rechte als unbeweglich. Dies gilt für die Nutzungsrechte an unbeweglichem Vermögen wie Erbbaurechte sowie Rechte auf veränderliche oder feste Vergütungen für die Ausbeutung oder das Recht auf Ausbeutung von Mineralvorkommen, Quellen und anderen Bodenschätzen. Nicht zum unbeweglichen Vermögen gehören nach Auffassung des BFH Kaufoptionsrechte an Grundstücken1 sowie nach allgemeiner Auffassung die Anteilsrechte an einer Kapitalgesellschaft. Hingegen können die Anteile an einer Personengesellschaft oder ein Teil davon aufgrund der transparenten Betrachtung der Personengesellschaft, wonach das Eigentum den Gesellschaftern nach § 39 Abs. 1 Nr. 2 AO zur gesamten Hand gehört, zum unbeweglichem Vermögen zählen, wenn die Gesellschaft über Grundbesitz verfügt.2 Abs. 4 ergänzt diesbezüglich die Regelung des Abs. 1 (Rz. 9.26). cc) Bewegliches Vermögen einer Betriebsstätte (Abs. 2)

9.23

Art. 13 Abs. 2 OECD-MA erscheint nur dann anwendbar, wenn Art. 13 Abs. 1 OECD-MA keine Anwendung finden kann, weil es sich beim Ver1 Vgl. BFH v. 19.5.1982 – I R 257/78, BStBl. II 1982, 768 zitiert bei Wassermeyer in Debatin/Wassermeyer, Art. 13 Rz. 41. 2 Vgl. Schütte in Haase, AStG/DBA, Art. 12 Rz. 58 f.

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B. Relevante Einkunftsartikel

mögen nicht um unbewegliches Vermögen i.S. des Art. 6 Abs. 2 OECDMA handelt. Überdies findet die Regelung jedoch nur dann Anwendung, wenn das bewegliche Vermögen nach der funktionalen Betrachtungsweise einer Betriebsstätte des Unternehmens zuzurechnen ist, die nicht in dem Ansässigkeitsstaat des Veräußerers belegen ist. Unter welchen Voraussetzungen die Rechte oder Vermögensvorteile wie der Firmenwert, die Anteile an einer Kapitalgesellschaft, die Rechte auf Fruchtziehung1 oder die Lizenzrechte der im anderen Staat belegenen Betriebsstätte zugerechnet werden können, kann mangels Attraktionsprinzip nur einzelfallbezogen beurteilt werden, vgl. dazu Rz. 9.99 ff. sowie Rz. 9.175 ff. Auf die Belegenheit der einzelnen Vermögenswerte kommt es dabei nicht an.2 Ist die funktionale Zuordnung zu verneinen, findet Art. 13 Abs. 2 (ebenso wie Abs. 1) OECD-MA keine Anwendung. Im Regelfall verbleibt nur die Anwendung der Auffangregelung des Abs. 5 (Rz. 9.28 f.). Ist sie hingegen zu bejahen, so ist für Anteile an bestimmten Gesellschaften wie für Immobiliengesellschaften die Anwendung des Abs. 4 zu überprüfen, die der Regelung des Abs. 2 als Spezialregelung vorgeht.3

9.24

Die Regelung des Art. 13 Abs. 2 OECD-MA findet (aufgrund des Anwendungsvorrangs des Abs. 1 und 4 ggf. anteilig) auch auf die Veräußerung oder Aufgabe der gesamten Betriebsstätte Anwendung.

9.25

dd) Anteile an bestimmten Gesellschaften (Abs. 4) Art. 13 Abs. 4 OECD-MA ergänzt die Regelung des Abs. 2, wonach das Belegenheitsprinzip insbesondere für die Veräußerung von Anteilen an Immobiliengesellschaften gilt. Diese fallen tatbestandlich nicht unter Abs. 1, weil es sich bei diesen um bewegliches Vermögen handelt, ggf. aber unter Abs. 2, wobei danach der Betriebsstättenstaat und nicht zwangsläufig der Belegenheitsstaat des Vermögens die Besteuerungsrechte an den Veräußerungsgewinnen erhält. Die Regelung des Abs. 4 geht allen anderen Regelungen des Art. 13 OECD-MA sowie beispielsweise Art. 7 OECD-MA als lex specialis vor.4

9.26

Voraussetzung für die Anwendung ist, dass Gesellschaftsanteile veräußert werden, deren Wert zu mindestens 50 % unmittelbar oder mittelbar auf unbeweglichem Vermögen beruht, das nicht in dem Vertragsstaat, in dem der Veräußerer ansässig ist, belegen ist, sondern im anderen Vertragsstaat. Daher unterfällt dem Anwendungsbereich des Abs. 4 auch die

9.27

1 Werden die Rechte ohne das Stammrecht veräußert, so bildet der Anspruch auf Fruchtziehung keinen unselbstständigen Bestandteil des Stammrechts. Die Besteuerung der Entgelte richtet sich dann ebenfalls nach Art. 13 OECD-MA (vgl. Wassermeyer in Debatin/Wassermeyer, Art. 13 Rz. 29). 2 Vgl. Reimer in Vogel/Lehner, DBA5, Art. 13 Rz. 72. 3 Vgl. Reimer in Vogel/Lehner, DBA5, Art. 13 Rz. 73. 4 Vgl. Reimer in Vogel/Lehner, DBA5, Art. 13 Rz. 118, 121.

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Kap. 9: Geistiges Eigentum im DBA-Recht

Veräußerung von Gesellschaftsanteilen, wenn die Gesellschaft im genannten Umfang beispielsweise Erbbaurechte sowie Rechte zur Ausbeutung von Grundvermögen oder andere Vermögenspositionen hält und verwaltet, die unbeweglich i.S. des Art. 6 Abs. 2 OECD-MA sind. Die Rechtsfolge greift für den gesamten Veräußerungsgewinn. ee) Übriges Vermögen (Abs. 5)

9.28

Art. 13 Abs. 5 OECD-MA fungiert als „Auffangnorm“ für alle Veräußerungsgewinne, die nicht dem Anwendungsbereich der anderen Absätze des Art. 13 OECD-MA unterfallen. So erfasst er beispielsweise die Veräußerung von unbeweglichem Vermögen, das nicht im anderen Vertragsstaat belegen ist, von beweglichem Privatvermögen sowie Betriebsvermögen, das nicht der im anderen Staat belegenen Betriebsstätte, sondern ggf. dem Stammhaus zugerechnet werden kann, sowie Gesellschaftsanteilen, deren Wert zu weniger als 50 % auf unbeweglichem Vermögen basiert.

9.29

Im Ergebnis werden die meisten Rechte und Vermögenspositionen aufgrund ihrer Einordnung als „bewegliches Vermögen“ wie auch Anteile an Kapitalgesellschaften, Markenrechte oder Patente dem Anwendungsbereich des Art. 13 Abs. 5 OECD-MA unabhängig davon unterstehen, ob sie sich im Privat- oder Betriebsvermögen des Veräußerers befinden. Eine Ausnahme gilt nur für diejenigen immateriellen Werte, die einer im anderen Vertragsstaat belegenen Betriebsstätte funktional zugerechnet werden können. d) Gewinne (Besteuerungsgrundlage)

9.30

Art. 13 OECD-MA spricht ausschließlich von Gewinnen aus der Veräußerung von Vermögen. Damit lässt der Abkommenstext selbst Veräußerungsverluste unberücksichtigt. Deren steuerliche Berücksichtigung richtet sich nach dem Steuerrecht des jeweiligen Anwendestaates.

9.31

Zur Ermittlung der Gewinne, zur dafür ggf. notwendigen Bewertung der Vermögensgegenstände, zur Berücksichtigung von Ausgaben oder Werbungskosten, zum Zeitpunkt der Besteuerung und zu den Besteuerungsmodalitäten enthält das Abkommen ebenfalls keine Angaben. Auch dafür ist das Steuerrecht der jeweiligen Anwendestaaten maßgeblich. Aus deutscher Sicht ermittelt sich der Gewinn entweder aus den Einnahmen in Geld oder Geldeswert (Veräußerungserlös) über die Ausgaben (ggf. die fortgeführten Anschaffungs- oder Herstellungskosten) oder als Überschuss der Einnahmen über die Werbungskosten. Seine Besteuerung erfolgt entweder nach dem Realisations- oder dem Zuflussprinzip. Auf die Zahlungsweise kommt es regelmäßig nicht an.1 1 Ausnahmen gelten nach R 16 Abs. 11 EStR auf Antrag unter bestimmten Voraussetzungen für die Veräußerung des gesamten Betriebs gegen wiederkehrende Bezüge.

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B. Relevante Einkunftsartikel

3. Abgrenzungen a) Ansässigkeits-, Belegenheits- und Betriebsstättenstaat Sinn und Zweck der Regelung des Art. 13 OECD-MA ist die Zuweisung des Besteuerungsrechts an den Gewinnen aus der Veräußerung des Vermögens an den Staat, dem das Besteuerungsrecht an den laufenden Einkünften aus diesem Vermögen zusteht.

9.32

Dabei geht die Regelung von dem Ansässigkeitsstaat des Veräußerers bzw. des Unternehmens aus, das im anderen Staat eine Betriebsstätte unterhält. Welcher der Vertragsstaaten dies ist, bestimmt sich nach der Regelung des Art. 4 Abs. 1 OECD-MA. Danach ist Ansässigkeitsstaat i.d.R.1 derjenige, in dem der Veräußerer aufgrund seines Wohnsitzes, gewöhnlichen Aufenthalts, Sitzes oder seiner Geschäftsleitung unbeschränkt steuerpflichtig ist. Das Unternehmen wird nach Art. 3 Abs. 1 Buchst. c und d OECD-MA dem Staat zugerechnet, in dem die Person ansässig ist, die dieses betreibt.

9.33

Belegenheitsstaat ist derjenige Staat, in dessen geographischen Grenzen sich das unbewegliche Vermögen befindet. Indizien für die Belegenheit können beispielsweise die Eintragungen in das Grundbuch des jeweiligen Staates sein.2 Betriebsstättenstaat ist dabei derjenige Staat, in dessen Hoheitsbereich die Geschäftstätigkeit durch eine Betriebsstätte i.S. des Art. 5 OECD-MA vom Unternehmen ausgeübt wird, also die Betriebsstätte belegen ist.

9.34

Für die Anwendung des Art. 13 OECD-MA ist Voraussetzung, dass der Belegenheitsstaat und der Ansässigkeitsstaat des Veräußerers bzw. des die Betriebsstätte betreibenden Unternehmens nicht übereinstimmen.

9.35

b) Übertragung vs. Nutzungsüberlassung Wesensmerkmal einer Veräußerung ist, dass die wirtschaftliche Verfügungsmacht an dem Vermögensgegenstand ohne zeitliche Beschränkung auf eine andere Person übergeht, so dass eine endgültige Rechtsübertragung stattfindet. Dahingehend handelt es sich lediglich um eine Überlassung der Rechte oder Vermögensposition, wenn die immateriellen Werte lediglich für eine begrenzte Zeit einem anderen zur Nutzung zur Verfügung gestellt werden, ohne dass der Überlassende, d.h. i.d.R. der rechtliche Eigentümer, das wirtschaftliche Eigentum an dem Vermögensgegenstand verliert. Im Regelfall geht die Übertragung, nicht aber die Überlassung mit einem Eigentümerwechsel einher.3 Für die Frage, ob ein 1 Eine Ausnahme gilt nur dann, wenn die sog. Tie-Breaker-Rule zur Anwendung kommt. Diese bestimmt den Staat für die Anwendung des Abkommens als Ansässigkeitsstaat, zu dem die Person engere Beziehungen hat. 2 Vgl. Wassermeyer in Debatin/Wassermeyer, Art. 6 Rz. 42. 3 Eine Überlassung liegt nach dem wirtschaftlichen Gehalt der Transaktion auch dann vor, wenn zwar das rechtliche Eigentum auf den Erwerber übergeht, aber das wirtschaftliche Eigentum bei dem Veräußerer verbleibt.

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9.36

Kap. 9: Geistiges Eigentum im DBA-Recht

solcher Rechtsträgerwechsel stattgefunden hat oder nicht, ist grundsätzlich eine Veränderung des rechtlichen Eigentums erforderlich, jedoch für die Abgrenzung zwischen beiden Transaktionen die Beurteilung des wirtschaftlichen Eigentums entscheidend.1 So liegt trotz Übergangs des rechtlichen Eigentums keine Veräußerung, sondern eine Überlassung der Rechte vor, wenn das wirtschaftliche Eigentum an den Rechten bei dem Veräußerer verbleibt. Zur in der Praxis schwierigen Abgrenzung zwischen Lizenzgebühren und Veräußerungsgewinnen s. Rz. 9.88 f. c) Zu anderen Vorschriften des Abkommens

9.37

Grundsätzlich steht Art. 13 OECD-MA in keinem Konkurrenzverhältnis zu anderen Normen des Abkommens, weil die Verteilung der Besteuerungsrechte an allen Veräußerungsgewinnen allein in diesem Artikel geregelt wird. Dies gilt unabhängig davon, ob es sich bei dem veräußerten Vermögen um bewegliches oder unbewegliches Vermögen des Privatoder des Betriebsvermögens handelt, das einer Betriebsstätte zugerechnet werden kann oder nicht.

9.38

Eine Ausnahme gilt jedoch für Einkünfte i.S. der Art. 15 sowie 16 OECDMA, denen beiden ein Anwendungsvorrang zukommt. Veräußert also ein Arbeitnehmer oder ein Mitglied des Aufsichtsrats beispielsweise die ihnen in dieser Funktion eingeräumten Aktienoptionen, so erzielen sie keine Einkünfte i.S. des Art. 13 Abs. 5 OECD-MA.2 Eine weitere Einschränkung dieses Grundsatzes gilt für jene Abkommen, welche die Veräußerungsgewinne an Rechten und Vermögenspositionen i.S. des Art. 12 Abs. 2 OECD-MA abweichend vom Musterabkommen einheitlich mit den Fällen ihrer Nutzungsüberlassung regeln. In diesen Fällen ist Art. 12 OECD-MA als lex specialis gegenüber Art. 13 OECD-MA vorrangig anzuwenden. Folglich steht das Besteuerungsrecht nach Art. 12 Abs. 1 OECD-MA dem Ansässigkeitsstaat des Veräußerers oder nach Abs. 3 dem Belegenheitsstaat zu, in dem sich die Betriebsstätte befindet, der die Rechte oder Vermögenspositionen zuzurechnen sind (Rz. 9.99 ff. und 9.175 ff.). 4. Verteilung der Besteuerungsrechte a) Ausgangspunkt

9.39

Die Besteuerung der Veräußerungsgewinne basiert entweder auf dem Belegenheits- oder auf dem Wohnsitzstaatprinzip. Voraussetzung für ihre Anwendung ist die Identifikation des Ansässigkeits- und des Belegenheitsstaates (Rz. 9.32 f.). 1 Nach Auffassung des BFH ist unter einer Veräußerung ausschließlich die Übertragung des wirtschaftlichen Eigentums zu verstehen (u.a. BFH v. 21.10.1976 – IV R 210/72, BStBl. II 1976, 154, zitiert bei Wassermeyer in Debatin/Wassermeyer, Art. 13 Rz. 22). 2 Vgl. Musterkommentar zum OECD-MA zu Art. 13, MK 32.

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B. Relevante Einkunftsartikel

b) Grundsatz: Belegenheitsprinzip Nach Art. 13 OECD-MA erhält grundsätzlich der Belegenheitsstaat das Besteuerungsrecht an den Veräußerungsgewinnen. Dies gilt nach Abs. 1 für die Veräußerung von unbeweglichem Vermögen, nach Abs. 2 ggf. eingeschränkt für die Veräußerung von Betriebsstättenvermögen sowie nach Abs. 4 für die Veräußerung von Gesellschaftsanteilen, deren Wert zu mindestens 50 % auf unbeweglichem Vermögen basiert. Hinsichtlich der Gewinne aus Vermögenswerten einer Betriebsstätte bzw. der Betriebsstätte wird das Belegenheitsprinzip ggf. nicht vollständig umgesetzt, da es für die Zuweisung des Besteuerungsrechts nicht auf die Belegenheit der Vermögenswerte selbst, sondern auf die der Betriebsstätte ankommt. Im Ergebnis erhält der Betriebsstättenstaat als Belegenheitsstaat der Betriebsstätte das Besteuerungsrecht an den Veräußerungsgewinnen, wenn Art. 13 Abs. 2 OECD-MA greift. Findet die Auffangregelung des Art. 13 Abs. 5 OECD-MA Anwendung, so erfolgt die Besteuerung nicht nach dem Belegenheitsstaat, sondern ausnahmsweise nach dem Wohnsitzprinzip (Rz. 9.42).

9.40

Zur Besteuerung der Einkünfte im Ansässigkeitsstaat des Veräußerers macht die Verteilungsnorm keine Aussagen. Ob er diese Einkünfte von seiner Besteuerung ggf. unter Progressionsvorbehalt freizustellen hat oder die Einkünfte in seine Besteuerung unter Anrechnung der ausländischen Steuer einbeziehen darf, bestimmt der Methodenartikel des jeweiligen Abkommens (Art. 23A und 23B OECD-MA). I.d.R. erfolgt eine Freistellung im Ansässigkeitsstaat.1

9.41

c) Ausnahme: Wohnsitzprinzip Die Anwendung der Auffangregelung des Art. 13 Abs. 5 OECD-MA führt dazu, dass nicht das Belegenheits-, sondern das Wohnsitzprinzip zur Anwendung kommt. Danach erhält in allen Fällen, in denen Art. 13 Abs. 1–4 OECD-MA nicht anwendbar erscheinen, der Ansässigkeitsstaat des Veräußerers bzw. des Unternehmens das Besteuerungsrecht an den Veräußerungsgewinnen zugewiesen. Der Belegenheitsstaat erhält kein Quellenbesteuerungsrecht. Da es sich um eine vollständige Verteilungsnorm handelt, erübrigt sich die Anwendung der Methodenartikel. Einige Abkommen sehen abweichend vom Musterabkommen ein Besteuerungsrecht für den Quellenstaat beispielsweise für Gewinne aus der Veräußerung von Anteilen an Kapitalgesellschaften vor.2

9.42

5. Hinweise zur deutschen Abkommenspraxis Lediglich das mit Australien abgeschlossene DBA enthält keine dem Art. 13 OECD-MA vergleichbare Regelung. Alle anderen Abkommen enthalten 1 Vgl. Schütte in Haase, AStG/DBA, Art. 13 Rz. 34. 2 Ein solches Quellenbesteuerungsrecht behält sich beispielsweise Japan bei Veräußerung von wesentlichen Beteiligungen an Kapitalgesellschaften vor. Vgl. Musterkommentar zum OECD-MA, Vorbehalte zu Art. 13, MK 42.

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9.43

Kap. 9: Geistiges Eigentum im DBA-Recht

einen Artikel über Gewinne aus der Veräußerung von Vermögen, der i.d.R. weitestgehend (zumindest von seinen Ergebnissen her) mit dem Musterabkommen übereinstimmt. Die neueren Abkommen enthalten meist noch keine Regelung über die Veräußerung von Gesellschaftsrechten an Immobiliengesellschaften (Art. 13 Abs. 4 OECD-MA). Einige Abkommen wie beispielsweise jenes mit Frankreich oder den Niederlande enthalten für Veräußerungsgewinne aus Anteilen an Kapitalgesellschaften spezielle Regelungen, wonach der Ansässigkeitsstaat das Besteuerungsrecht erhält.1

III. Lizenzartikel (Art. 12 OECD-MA) 1. Überblick

9.44

Lizenzgebühren sind als Gegenleistung für die Nutzungsüberlassung immaterieller Wirtschaftsgüter für eine bestimmte vertraglich festgelegte Dauer an den Lizenzgeber2 zu entrichten. Nach dem OECD-MA soll das Besteuerungsrecht grundsätzlich dem Ansässigkeitsstaat des Lizenzgebers zustehen, wenn dieser nicht in dem anderen Staat, in dem der ansässige Lizenznehmer die immateriellen Wirtschaftsgüter verwertet, eine Betriebsstätte unterhält und dieser die immateriellen Wirtschaftsgüter zuzurechnen sind (Betriebsstättenvorbehalt). Damit enthält die Regelung des Art. 12 OECD-MA ein Regel-Ausnahmeverhältnis, nach dem nach Art. 12 Abs. 1 OECD-MA grundsätzlich der Ansässigkeitsstaat des Lizenzgebers und nur in Ausnahmefällen nach Art. 12 Abs. 3 OECD-MA der Betriebsstättenstaat das Besteuerungsrecht an den Lizenzgebühren erhält. Diese Regelungen der Abs. 1–3 erscheinen sachgerecht, weil sie einen Ausgleich für die in dem jeweiligen Staat geltend gemachten Entwicklungskosten des Lizenzgebers darstellen sollen. In diesem Zusammenhang sollte auch die in Abs. 1 enthaltene Voraussetzung betrachtet werden, wonach dieser Grundsatz nur dann gilt, wenn derjenige, der die Lizenzgebühren erhält, tatsächlich der Nutzungsberechtigte der Lizenzgebühr ist. Damit greift die vollständige Verteilungsnorm des Art. 12 Abs. 1 OECD-MA und gleichzeitig auch der Betriebsstättenvorbehalt des Art. 12 Abs. 3 OECD-MA dann nicht, wenn sog. Mittelspersonen die Lizenzgebühren erhalten. Auch auf sog. Dreieckssachverhalt findet die Vorschrift keine Anwendung.

9.45

Zahlreiche Staaten wie Australien, Japan, Portugal oder auch Spanien behalten sich in den meisten von ihnen mit anderen Staaten abgeschlossenen DBA ein Quellenbesteuerungsrecht vor.3 Im Regelfall ist der Quellensteuersatz der Höhe nach auf 10 % beschränkt. 1 Vgl. dazu u.a. Schütte in Haase, AStG/DBA, Art. 13 Rz. 98 ff. Für eine detaillierte Auflistung der jeweiligen Abkommen vgl. Reimer in Vogel/Lehner, DBA5, Art. 13 Rz. 56 ff., 89 ff., 107 ff., 149 ff., 255 ff. 2 Dieser wird in dem Abkommen als Nutzungsberechtigter der Lizenzgebühr bezeichnet. Der Begriff des Nutzungsberechtigten wird an anderer Stelle detailliert untersucht (Rz. 9.67 ff.). 3 Vgl. Pöllath/Lohbeck in Vogel/Lehner, DBA5, Art. 12 Vorbehalte zum Kommentar Abs. 1.

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B. Relevante Einkunftsartikel

Art. 12 OECD-MA umfasst vier Absätze. Abs. 1 beinhaltet den bereits dargestellten Grundsatz, wonach das Besteuerungsrecht im Regelfall dem Ansässigkeitsstaat des Lizenzgebers zustehen soll. Abs. 3 enthält den Betriebsstättenvorbehalt als Ausnahme zu diesem Grundsatz. Die Bedeutung des Ausdrucks „Lizenzgebühren“ ist in Abs. 2 enthalten. Abs. 4 beschränkt den Anwendungsbereich der Norm auf die unter Berücksichtigung des Fremdvergleichs dem Grunde und der Höhe nach angemessenen Lizenzgebühren für die Fälle, in denen die Lizenzgebühren zwischen verbundenen Unternehmen gezahlt werden.

9.46

2. Anwendungsvoraussetzungen a) Grundlagen Art. 12 OECD-MA kann nur dann zur Anwendung kommen, wenn es sich bei dem Entgelt um Lizenzgebühren i.S.d. Art. 12 Abs. 2 OECD-MA handelt, die aus einem Vertragsstaat stammen und an den im anderen Staat ansässigen nutzungsberechtigten Lizenzgeber gezahlt werden. Nur unter diesen engen Voraussetzungen findet der Lizenzartikel Anwendung. Sie sind erfüllt, wenn es sich bei den Zahlungen um Lizenzgebühren i.S.d. Abkommens handelt, diese „aus einem Vertragsstaat stammen“, an einen im anderen Staat ansässigen und nutzungsberechtigten Lizenzgeber gezahlt werden.

9.47

b) Abkommensrechtliche Bedeutung des Begriffs „Lizenzgebühren“ Nach dem Abkommenstext bedeutet der in Art. 12 OECD-MA verwendete Ausdruck Lizenzgebühren Vergütungen jeder Art, die für die Benutzung oder für das Recht auf Benutzung von Urheberrechten an literarischen, künstlerischen oder wissenschaftlichen Werken, einschließlich kinematographischer Filme, von Patenten, Marken, Mustern oder Modellen, Plänen, geheimen Formeln oder Verfahren oder für die Mitteilung gewerblicher, kaufmännischer oder wissenschaftlicher Erfahrungen gezahlt werden.

9.48

Der Begriff der Lizenzgebühren ist abkommensrechtlich autonom auszulegen. Dabei geht das in Art. 12 Abs. 2 OECD-MA enthaltene Begriffsverständnis dem nationalen Begriffsverständnis voraus. Es gilt vorrangig vor dem des nationalen Rechts. Da das Abkommen den Begriff der Lizenzgebühren explizit erklärt, kann Art. 3 Abs. 2 OECD-MA keine Anwendung finden. Etwas anderes gilt für die in der Definition selbst enthaltenen Begriffe wie Marken, Patente oder Muster, weil diese nicht in dem Abkommen definiert werden.1 Für ihre Definition ist nach Art. 3 Abs. 2 OECD-MA auf die nationalen Regelungen zurückzugreifen, wenn der Zusammenhang nichts anderes erfordert. Folglich legen beide Anwendestaaten die Norm autonom aus, weil sie ihr nationales Steuerrecht ergänzend einbeziehen. Dies kann zu Qualifikationskonflikten führen.2

9.49

1 Von Pannwitz in Haase, AStG/DBA, Art. 12 Rz. 58 f. 2 Diese Qualifikationskonflikte können zu sog. „weißen“ Einkünften führen, vgl. dazu Rz. 9.203.

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Kap. 9: Geistiges Eigentum im DBA-Recht

9.50

Diese Definition erfasst Lizenzgebühren als eine Zahlung für die Benutzung oder das Recht auf Benutzung bestimmter, explizit genannter Immaterialgüterrechte in Gestalt von Urheberrechten, gewerblichen Schutzrechten und Erfahrungen. Daher sind die Wesensmerkmale der Definition die Zahlung, die beispielhaft in Art. 12 Abs. 2 OECD-MA genannten immateriellen Vermögensgegenstände sowie die Nennung der Benutzung oder des Rechts auf ihre Nutzung als Zahlungsgrund.

9.51

Die Zahlung ist ein Wesensmerkmal der abkommensrechtlichen Definition der Lizenzgebühren. Die Verwendung dieses Begriffs impliziert, dass für die Zahlung ein bestimmter Zahlungsgrund vorhanden sein muss, weil der Schuldner ohne die Verpflichtung zur Zahlung eine solche nicht leisten würde, da er sie nicht leisten müsste.1

9.52

Lizenzgebühren stellen eine Vergütung für die Benutzung oder das Recht auf die Nutzung der in Art. 12 Abs. 2 OECD-MA explizit genannten immateriellen Werte dar (sog. Zahlungsgrund). Sie stellen damit eine wirtschaftliche Gegenleistung dar, die durch die Verwendung des Begriffs der Vergütung in dem MK zum OECD-MA sowohl in einer Geld- als auch in einer Sachleistung erfolgen kann. Deswegen fallen auch Schadensersatzleistungen für die unbefugte Nutzung der immateriellen Werte sowie Entgelte für die Unterlassung einer Lizenzierung unter den Begriff der Lizenzgebühren.2

9.53

Die Angabe des Zahlungsgrunds ermöglicht zugleich eine Abgrenzung der Entgelte, die beispielsweise als wirtschaftliche Gegenleistung für eine unbeschränkte Rechtsübertragung z.B. infolge eines Kaufs entrichtet werden. Eine Zahlung für die Benutzung oder das Recht auf die Nutzung immaterieller Werte besteht ja nur dann, wenn der durch den Lizenzvertrag zur Nutzung Berechtigte und der rechtliche Eigentümer des immateriellen Werts zwei unterschiedliche Rechtssubjekte sind sowie der Nutzungsberechtigte tatsächlich der Erlaubnis des Eigentümers des immateriellen Werts bedarf. Neben der Abgrenzung zu den Veräußerungsgewinnen ermöglicht die Angabe des Zahlungsgrunds auch eine Abgrenzung zu den Dienstleistungen. Denn das Entgelt wird für die Nutzung der immateriellen Werte durch den anderen Vertragspartner und nicht für die Arbeitsergebnisse des Eigentümers der immateriellen Werte gezahlt, die dieser aufgrund seiner eigenen Nutzung der immateriellen Werte leisten kann. Würde der Eigentümer die immateriellen Werte also selbst nutzen, würde er ein Entgelt für seine Arbeitsergebnisse oder Dienste und nicht für die Nutzung oder das Recht auf die Nutzung durch den Schuldner der Vergütung erhalten. Dadurch fallen beispielsweise typische Beratungsleistungen eines Steuerberaters, Architekten oder Rechtsanwalts nicht unter den Art. 12 OECD-MA, sondern als Unternehmensgewinne regelmäßig unter Art. 7 OECD-MA.3 Dabei verursacht diese Unterscheidung 1 Vgl. Musterkommentar zum OECD-MA zu Art. 12, MK 8.3. 2 Vgl. von Pannwitz in Haase, AStG/DBA, Art. 12 Rz. 62 f. sowie Musterkommentar zum OECD-MA zu Art. 12 OECD-MA, MK 8. 3 Vgl. von Pannwitz in Haase, AStG/DBA, Art. 12 Rz. 69 ff.

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B. Relevante Einkunftsartikel

besondere praktische Schwierigkeiten in Zusammenhang mit Know How. Der Musterkommentar zum OECD-MA stellt für diese Abgrenzung unter der Textziffer 11.3 Kriterien zur Verfügung. Danach betreffen die Verträge über Know How das Wissen, das weder patentiert ist noch unter eine andere Kategorie des geistigen Eigentums fällt und dabei im Allgemeinen nicht der Öffentlichkeit zugänglich, aber schon vorhanden ist, sowie Wissen dieser Art nach seiner Entwicklung oder Schaffung. Dabei enthalten solche Verträge stets besondere Bestimmungen über die Geheimhaltung des Wissens. Des Weiteren würde der Übertragende des Know How in den meisten Fällen nach der Know How Überlassung keine weiteren Tätigkeiten mehr erbringen müssen. Im Fall eines Dienstleistungsvertrags hingegen würde die Erbringung der Vertragsleistung weitere Aufwendungen verlangen.1 Die wirtschaftliche Gegenleistung für die Nutzungsüberlassung kann eine Vergütung jeder Art sein. Die Gestaltung der Zahlungsmodalitäten unterliegt grundsätzlich keinem Maßstab, so dass sie als Geld- oder Sachleistung beispielsweise individuell, pauschal oder gewinnabhängig vereinbart werden kann.2 Etwas anderes gilt nur dann, wenn die Angemessenheitsgrenze des Art. 12 Abs. 4 OECD-MA überschritten ist (Rz. 9.124 ff.).

9.54

Zur Frage des Besteuerungszeitpunkts macht das Abkommen keine Angaben. Für die Beantwortung dieser Frage ist das nationale Steuerrecht der Anwendestaaten maßgeblich. Sollte das jeweilige Abkommen abweichend von dem Musterabkommen Beschränkungen enthalten, so gehen diese natürlich dem nationalen Recht vor.3 Für die Frage, wem das Besteuerungsrecht zufällt, kommt dem Zahlungszeitpunkt keine Bedeutung zu.

9.55

Art. 12 OECD-MA erfasst nur die Nutzungsüberlassung immaterieller Wirtschaftsgüter, die als mögliche Lizenzgegenstände abschließend in Art. 12 Abs. 2 OECD-MA genannt sind. Zu dieser Aufzählung möglicher immaterieller Werte gehören der Kernbestand der absolut geschützten Immaterialgüterrechte wie Urheberrechte, Patente und Marken, die minderen Ausschließlichkeitsrechte wie Muster, Modelle und Pläne, das relativ geschützte Geheimwissen wie geheime Formeln und Verfahren sowie das ungeschützte Know How wie gewerbliche, kaufmännische und wissenschaftliche Erfahrungen.4

9.56

Urheberrechte an literarischen, künstlerischen oder wissenschaftlichen Werken sind Rechte, die auf Grundlage gesetzlicher Vorschriften geschützt werden können, sowie sog. Leistungsschutzrechte der Ausführenden wie beispielsweise die von Musikern. Zu ihnen gehören nach dem Zivilrecht zahlreicher Staaten und nach dem Musterkommentar zum OECD-MA auch Computer Software. Ob die Vergütung in Bezug auf die-

9.57

1 2 3 4

Vgl. dazu den Musterkommentar zum OECD-MA zu Art. 12, MK 11.3 und 11.4. Vgl. Pöllath/Lohbeck in Vogel/Lehner, DBA5, Art. 12 Rz. 46 f. Vgl. Pöllath/Lohbeck in Vogel/Lehner, DBA5, Art. 12 Rz. 25. Vgl. Pöllath/Lohbeck in Vogel/Lehner, DBA5, Art. 12 Rz. 60.

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Kap. 9: Geistiges Eigentum im DBA-Recht

ses Urheberrecht1 jedoch unter den Anwendungsbereich des Art. 12 OECD-MA fällt oder nicht, ist letztlich davon abhängig, ob der Anwendestaat diese Rechte den künstlerischen oder wissenschaftlichen Werken zuordnet. Erfolgt dies nicht und enthält das jeweilige anzuwendende Abkommen keine entsprechende Regelung, wonach die Software explizit als Lizenzgegenstand i.S. der Vorschrift anzusehen ist, können Qualifikationskonflikte entstehen, die eine Doppel- oder Keinmalbesteuerung zur Folge haben könnten.

9.58

Zu der schwierigen Frage, unter welchen Bedingungen die Vergütungen in Bezug auf Software in den Anwendungsbereich des Art. 12 OECD-MA fallen, nimmt der Musterkommentar zu Art. 12 OECD-MA ausführlich Stellung. Danach ist Software als ein Programm oder eine Folge von Programmen mit Befehlen für datenverarbeitende Anlagen zu verstehen, die entweder als sog. Systemprogramme für deren operationelle Prozesse selbst oder als sog. Anwendungsprogramme für die Durchführung anderer Aufgaben benötigt werden. So gehören beispielsweise Betriebssysteme zu den Systemprogrammen, weil ohne diese die Hardware nicht einsatzfähig wäre. Anwendungsprogramme können in Standard- und Individualsoftware unterschieden werden. Ist die Software für einen großen Anwenderkreis nutzbar, weil sie abstrakt für eine gleichartige Problemstellung dieses Anwenderkreises entwickelt wurde, so handelt es sich um eine Standardsoftware, anderenfalls um eine Individualsoftware.2

9.59

Die Übertragung oder Überlassung von Software kann durch unterschiedliche Medien erfolgen, so zum Beispiel durch CD-ROM, auf Magnetbändern oder -platten sowie auf elektronischem Wege.3 In den Anwendungsbereich des Art. 12 OECD-MA kann eine derartige Übertragung nur dann fallen, wenn es sich bei der Übertragung nicht um eine Vollrechtsübertragung handelt, sondern maximal um eine Teilrechtsübertragung, bei der „die Software eine geistige Leistung verkörpert, die dem Erwerber zur Nutzung überlassen werden soll“.4 Im Ergebnis unterfällt die Überlassung von Standardsoftware nicht, hingegen die von Individualsoftware dem Anwendungsbereich des Art. 12 Abs. 2 OECD-MA,5 weil bei der Überlassung von Standardsoftware die urheberrechtlich geschützte Position regelmäßig in den Hintergrund rückt und das wirtschaftliche Eigentum an der Software auf den Erwerber übergeht.6 Dies gilt vor allem für solche Verträge, die eine zeitlich unbegrenzte Überlassung vorsehen.7 Geht das 1 Es wird zwischen dem Urheberrecht an dem Programm selbst und an der Software als Kopie des geschützten Programms unterschieden, das sich als Recht auf den allgemeinen persönlichen oder betrieblichen Gebrauch einer oder mehrerer Kopien des Programmes darstellt (vgl. von Pannwitz in Haase, AStG/DBA, Art. 12 Rz. 92). 2 Vgl. von Pannwitz in Haase, AStG/DBA, Art. 12 Rz. 86. 3 Vgl. dazu den Musterkommentar zum OECD-MA zu Art. 12, MK 12.1. 4 Wassermeyer in Debatin/Wassermeyer, Art. 12 Rz. 63. 5 Vgl. Wassermeyer in Debatin/Wassermeyer, Art. 12 Rz. 63. 6 Vgl. von Pannwitz in Haase, AStG/DBA, Art. 12 Rz. 96. 7 Vgl. von Pannwitz in Haase, AStG/DBA, Art. 12 Rz. 87.

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B. Relevante Einkunftsartikel

wirtschaftliche Eigentum hingegen im Zuge der Überlassung einer Programmkopie nicht über, sondern verbleibt bei dem Eigentümer, liegt weder ein Lizenz- noch ein Veräußerungsfall vor.1 Dies gilt beispielsweise für Standort-, Betriebs- oder Netzwerklizenzen, bei denen der Erwerber das Recht erhält, für seinen Betrieb eine Vielzahl an Kopien zu fertigen. Da sich das Recht des Erwerbers jedoch ausschließlich auf die Benutzung der Software bezieht, behält der Überlasser das wirtschaftliche Eigentum, weswegen in diesen Fällen regelmäßig Art. 7 oder Art. 21 OECD-MA (Rz. 9.159 ff. oder 9.187 ff.) Anwendung findet.2 Dabei ist jeder Fall nach Maßgabe seiner besonderen Umstände zu behandeln. Im Allgemeinen werden die Vergütungen nach Auffassung der OECD jedoch eher Unternehmensgewinne i.S. des Art. 7 oder Veräußerungsgewinne i.S. des Art. 13 OECD-MA als Lizenzgebühren i.S. des Art. 12 OECD-MA sein.3 Bei gemischten Verträgen ist ggf. auf Grundlage der Vertragsangaben eine Aufteilung des Gesamtentgelts möglich, die eine unterschiedliche steuerliche Behandlung der Teilentgelte ermöglicht. Eine solche Vorgehensweise ist beispielsweise vorzunehmen, wenn datenverarbeitende Anlagen mit eingebauter Software verkauft oder Rechte auf die Benutzung von Software im Zusammenhang mit Dienstleistungen eingeräumt werden.4 Die dargestellten Grundsätze gelten nach dem Musterkommentar auch für Bilder, Töne und Texte, die im Wege des E-Commerce vertrieben werden. So liegt auch in diesen Fällen keine Lizenzgebühr vor, wenn das Entgelt im Wesentlichen für den Erwerb der Daten und nicht für das Recht gezahlt wird, das Urheberrecht an dem heruntergeladenen Produkt zu erwerben. So liegt eine Lizenzgebühr regelmäßig nicht vor, wenn Produkte wie Software, Bilder, Filme, Töne oder Texte einmalig heruntergeladen werden, hingegen schon, wenn ein Buchverleger das Recht zur Vervielfältigung eines urheberrechtlich geschützten Bildes erwirbt, um dieses beispielsweise auf einem Buchcover zu veröffentlichen.5

9.60

Neben den Urheberechten gehören die Patente und Marken zu den absolut geschützten Immaterialgüterrechten. Für beide Begriffe enthält das Musterabkommen keine Definitionen, so dass auf Grundlage der Vorschrift des § 3 Abs. 2 OECD-MA auf das nationale Recht zurückzugreifen ist.

9.61

Danach werden Patente nach dem Patentgesetz (PatG) für Erfindungen auf allen Gebieten der Technik gem. § 1 PatG erteilt, wenn sie neu sind, auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhen und gewerblich anwendbar sind. Wird das Entgelt als wirtschaftliche Gegenleistung für die Einräumung des Nutzungsrechts an dem Patent oder eine zeitlich begrenzte

9.62

1 Vgl. von Pannwitz in Haase, AStG/DBA, Art. 12 Rz. 99. 2 Vgl. von Pannwitz in Haase, AStG/DBA, Art. 12 Rz. 96 sowie den Musterkommentar zum OECD-MA zu Art. 12, MK 14.2. 3 Vgl. dazu den Musterkommentar zum OECD-MA zu Art. 12, MK 12.1. 4 Vgl. dazu den Musterkommentar zum OECD-MA zu Art. 12, MK 17. 5 Vgl. von Pannwitz in Haase, AStG/DBA, Art. 12 Rz. 100 f. sowie den Musterkommentar zum OECD-MA zu Art. 12, MK 17, 17.3 und 17.4.

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Kap. 9: Geistiges Eigentum im DBA-Recht

Überlassung gezahlt, so unterfällt diese Gebühr dem Anwendungsbereich des Art. 12 OECD-MA.1

9.63

Marken werden nach dem deutschen Markengesetz (MarkenG) als Zeichen definiert, die geeignet sind, die Dienstleistung oder das Produkt eines Unternehmens von denen anderer Unternehmen zu unterscheiden. Zu diesen produktidentifizierenden Unterscheidungszeichen gehören nach § 3 Abs. 1 MarkenG insbesondere Wörter, Abbildungen, Buchstaben, Zahlen, dreidimensionale Gestaltungen einschließlich der Form einer Ware oder ihrer Verpackung sowie sonstige Aufmachungen inklusive Farben und Farbzusammenstellungen. Durch die Eintragung dieses Zeichens in das Markenregister erhält der Markeninhaber neben positiven Benutzungsrechten auch Verbietungsrechte,2 die es ihm ermöglichen, jeden anderen von der Benutzung des Zeichens auszuschließen. Die positiven Benutzungsrechte, zu denen das Produktmarkierungs-, Werbe- und Vermarktungsrecht gehören, können Gegenstand von zeitlich begrenzten Nutzungsüberlassungen i.S. des § 30 MarkenG sein. Die als Gegenleistung für diese Markenlizenzen gezahlten Vergütungen unterfallen dem Anwendungsbereich des Art. 12 OECD-MA.

9.64

Muster (in Flächenform) und Modelle (in Raumform) werden durch das Geschmacksmustergesetz (GeschmMG) geschützt, wenn sie gem. § 2 GeschmMG neu sind und eine Eigenart haben. Dabei sind unter Muster zwei- und Modellen dreidimensionale Erscheinungsformen eines Erzeugnisses, d.h. des industriellen oder handwerklichen Gegenstands oder Teils davon zu verstehen, die sich vor allem aus den Merkmalen der Linien, Konturen, Farben, der Gestalt, Oberflächenstruktur oder der Werkstoffe des Erzeugnisses selbst oder seiner Verzierung ergeben. Der Schutz des Musters bzw. Modells entsteht grundsätzlich erst durch Eintragung ins Musterregister, im Ausnahmefall genügt dafür die Anmeldung. Werden vorher Lizenzverträge abgeschlossen, können sich diese ausschließlich auf die Nutzung geheimer Pläne, Formeln oder Verfahren beziehen.3

9.65

Pläne, Formeln oder Verfahren stellen Betriebsgeheimnisse dar, die als sog. Know How i.e.S. ebenso wie das ungeschützte Know How wie gewerbliche, kaufmännische und wissenschaftliche Erfahrungen als sog. Know How i.w.S. unter den Begriff des Know How fallen. Dieses kann als „Gesamtheit des Außenstehenden nicht zugänglich gemachten tech1 Vgl. von Pannwitz in Haase, AStG/DBA, Art. 12 Rz. 102 ff. 2 In diesen Fällen liegt eine sog. Registermarke vor. Der Markenschutz kann jedoch auch durch die Erlangung der Verkehrsgeltung des Zeichens durch dessen Nutzung im geschäftlichen Verkehr (sog. Benutzungsmarke) oder durch die Erlangung der notorischen Bekanntheit des Unterscheidungszeichens gem. Art. 6bis der Pariser Verbandsübereinkunft (sog. Notorietätsmarke) entstehen. Durch die Eintragung erlangt der Markeninhaber ein formelles, ohne Eintragung, durch die entsprechende Benutzung oder die notorische Bekanntheit, ein materielles Markenrecht. Diese Rechte schließen sich nicht gegenseitig aus, sondern können kumulativ nebeneinander bestehen (vgl. Fezer, MarkenG4, § 4 Rz. 9 ff.). 3 Vgl. Pöllath/Lohbeck in Vogel/Lehner, DBA5, Art. 12 Rz. 70.

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B. Relevante Einkunftsartikel

nischen Wissens, das nicht unbedingt patentfähig zu sein braucht und das zur gewerblichen Nachahmung eines Erzeugnisses oder eines Verfahrens unter denselben Bedingungen notwendig ist“ definiert werden.1 Da dieses ausschließlich auf Erfahrungen beruht, kann es durch alleinige Betrachtung und Untersuchung des Endprodukts nicht von außen erkannt werden.2 Es stellt vielmehr das öffentlich nicht zugängliche Wissen dar, das durch praktische Beratung einem anderen überlassen werden kann und nur durch seine Geheimhaltung für den Wissenden einen Vermögenswert darstellt. Somit fallen alle Kenntnisse, die offenkundig und der Allgemeinheit zugänglich sind, nicht unter den Begriff des Know How.3 In einem Know How Vertrag verpflichtet sich der Erfahrungsinhaber ausschließlich dazu, der anderen Vertragspartei das dieser bislang nicht zugängliche Wissen für ihre eigenen Zwecke zur Verfügung zu stellen. Die Anwendung dieses Wissens ist ebenso wie das Schulden eines bestimmten Ergebnisses oder Werks nicht Gegenstand des Vertrags. Andernfalls würde es sich um keinen Know How-, sondern um einen Dienstleistungsvertrag handeln.4 Liegt ein gemischter Vertrag vor, der sowohl Dienstleistungen als auch Know How-Überlassungen enthält, so ist das Gesamtentgelt grundsätzlich nach einem geeigneten Maßstab aufzuteilen. Etwas anderes kann nur dann gelten, wenn eines der Elemente den Hauptteil der Leistung darstellt.5 Da die Überlassung von Know How nicht rückgängig gemacht werden kann, weil das Know How der anderen Vertragspartei im Zuge der Überlassung bekannt wird und ihr bei Ablauf der Vertragslaufzeit nicht wieder weggenommen werden kann, ist die Abgrenzung zwischen einer Nutzungsüberlassung und einer Veräußerung von Know How besonders problematisch. Da der Erfahrungsinhaber im Zuge der Vermittlung seines Wissens dieses selbst nicht verliert, sondern weiterhin nutzen und verwerten kann, ist von einer Überlassung auszugehen. Nur, wenn er seine Rechte an diesem Wissen vollständig übertragen würde, müsste von einer Veräußerung ausgegangen werden.6

9.66

c) Abkommensrechtliche Bedeutung des Begriffs „Nutzungsberechtigter“ Auf den ersten Blick meint man, dass unter dem Begriff des „Nutzungsberechtigten“ („beneficial owner“) im Zusammenhang mit der Lizenzie1 2 3 4 5

Musterkommentar zum OECD-MA zu Art. 12, MK 12.1. Vgl. Musterkommentar zum OECD-MA zu Art. 12, MK 12.1. Vgl. von Pannwitz in Haase, AStG/DBA, Art. 12 Rz. 117 f. Vgl. Musterkommentar zum OECD-MA zu Art. 12, MK 11.6. Vgl. Musterkommentar zum OECD-MA zu Art. 12, MK 11.1, 11.2. Bei einem Dienstleistungsvertrag wendet der Erfahrungsinhaber das Wissen selbst an, bei einem Know How Vertrag überlässt er es dem anderen, damit dieser es nutzen kann. Leistungen, die nicht als Übermittlung von Know How angesehen werden, sind beispielsweise die Vergütungen für die Leistungen im Rahmen des Kundendiensts, Leistungen, die im Rahmen von Garantien erbracht werden, oder für die rein technische Hilfe (vgl. Musterkommentar zum OECD-MA zu Art. 12, MK 11.4). 6 Vgl. von Pannwitz in Haase, AStG/DBA, Art. 12 Rz. 177 ff.

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9.67

Kap. 9: Geistiges Eigentum im DBA-Recht

rung immaterieller Wirtschaftsgüter derjenige zu verstehen sei, der infolge der Lizenzvergabe bzw. ihrer Hereinnahme zur Nutzung des immateriellen Wirtschaftsguts berechtigt ist. Abkommensrechtlich stellt die Verwendung des Begriffs „Nutzungsberechtigter“ jedoch auf denjenigen ab, der grundsätzlich über die Nutzung des immateriellen Wirtschaftsguts verfügen darf.

9.68

Durch den Bezug auf den Eigentümer der immateriellen Wirtschaftsgüter wird zugleich sichergestellt, dass die Vorschrift des Art. 12 OECD-MA nur dann zur Anwendung kommt, wenn derjenige, der die Zahlung erhält, auch derjenige ist, der über den Lizenzgegenstand und seine Nutzung grundsätzlich entscheiden darf. Damit soll klargestellt werden, dass er keine Anwendung findet, wenn die Zahlung an eine sog. Mittelsperson erfolgt. Denn dieser gegenüber ist der Quellenstaat aufgrund ihrer Ansässigkeit in dem anderen Staat, mit dem der Quellenstaat ein DBA abgeschlossen hat, nicht verpflichtet, auf sein Besteuerungsrecht zu verzichten. Die Weiterleitung der erhaltenen Entgelte an den eigentlichen Nutzungsberechtigten führt ja letztlich dazu, dass die Mittelsperson in ihrem Ansässigkeitsstaat keiner Besteuerung als Nutzungsberechtigter unterliegt, die eine Doppelbesteuerung begründen könnte. Einer solchen, in dem Musterkommentar als Durchlaufgesellschaft bezeichneten Mittelsperson,1 stehe regelmäßig keine Steuerermäßigung oder Steuerbefreiung zu. Alles andere widerspräche dem Sinn und Zweck der DBA.2

9.69

Nutzungsberechtigter i.S. des Abkommens ist damit der Lizenzgeber, wenn es sich bei diesem nicht um eine Mittelsperson handelt. Die Entlastung soll auf diese Weise nur dem wirtschaftlichen Eigentümer der Lizenzgebühren zukommen, also der Person, die entweder über die Hingabe des Rechts selbst oder über die Verwendung der Lizenzgebühren entscheiden kann. Als solche gelten insbesondere Banken, Treuhänder, Vertreter, Beauftragte, Durchlaufgesellschaften und Zwischengesellschaften nicht.3

9.70

Auch das innerstaatliche Recht stellt im Zusammenhang mit der Regelung des § 2 Abs. 1 EStG für die Zurechnung der Einkünfte auf die Person ab, welche die Lizenzgebühren erzielt. Dies ist im Regelfall der Gläubiger der Forderung, die Grundlage für die Entstehung der Lizenzgebühren ist, und zwar unabhängig davon, wem die Zahlung zivilrechtlich zusteht und letztlich zugeflossen ist. Deswegen können die innerstaatlichen Begriffe „Empfänger der Lizenzgebühren“, „Nutzungsberechtigter“ sowie „Forderungsgläubiger“ und der abkommensrechtliche Begriff „Nutzungsberechtigter“ synonym verwendet werden.4

1 2 3 4

Mittelsperson ist der formal berechtigte Lizenzgeber. Vgl. Musterkommentar zum OECD-MA zu Art. 12, MK 4 und 4.1. Vgl. von Pannwitz in Haase, AStG/DBA, Art. 12 Rz. 41. Vgl. Wassermeyer in Debatin/Wassermeyer, Art. 12 Rz. 33.

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B. Relevante Einkunftsartikel

d) Abkommensrechtliche Bedeutung von „aus einem Vertragsstaat stammend“ Nach dem OECD-MA erhält ausschließlich der Ansässigkeitsstaat des Gläubigers der Lizenzgebühren, wenn dieser Nutzungsberechtigter i.S. des Abkommens ist, das Besteuerungsrecht an den Lizenzzahlungen. Der Quellenstaat selbst erhält nicht einmal ein Quellenbesteuerungsrecht. Für die Anwendung des Art. 12 OECD-MA erscheint damit die Bestimmung des Quellenstaates von geringerer Bedeutung als beispielsweise für die Anwendung des Art. 11 OECD-MA.1 Vielmehr müssen die Lizenzgebühren aus dem anderen Staat stammen, damit der Anwendungsbereich des DBA erfüllt ist, weil ein grenzüberschreitender Sachverhalt vorliegt, der eine Doppelbesteuerung auslösen könnte.

9.71

Bei dem anderen Staat, aus dem die Lizenzgebühren stammen, handelt es sich also um den Quellenstaat. Aus dem Abkommenstext selbst geht jedoch nicht hervor, ob es sich bei dem Quellenstaat um jenen handelt, in dem der Schuldner der Lizenzgebühren ansässig ist, oder um denjenigen, aus dem die Zahlung getätigt und dort als Betriebsausgabe gebucht oder als Verbindlichkeit bilanziert wurde. Für die Klärung dieser Frage bietet der Wortlaut „stammen“ wenig Anhaltspunkte. In der Literatur überwiegt die Auffassung in Übereinstimmung zu der Regelung des Art. 11 OECD-MA, die sich ebenfalls auf Einkünfte aus einer vermögensverwaltenden Tätigkeit bezieht, allein auf die Ansässigkeit des Schuldners der Lizenzgebühren und beispielsweise nicht auf den Ort der Zahlung oder die Zahlungsstelle oder das Vorhandensein und die Zuordnung des Nutzungsrechts zu einer Betriebsstätte des Lizenznehmers2 abzustellen. Dies

9.72

1 Vgl. Pöllath/Lohbeck in Vogel/Lehner, DBA5, Art. 12 Rz. 20a. Dies scheint auch die Ursache dafür zu sein, dass in dem Abkommen eine Definition bzw. eine detaillierte Regelung zur Bestimmung des Herkunftslands fehlt (so Wassermeyer in Debatin/Wassermeyer, Art. 12 Rz. 28). 2 Im Gegensatz zu Art. 12 OECD-MA enthält Art. 11 OECD-MA mit seinem Abs. 5 eine explizite Regelung zur Bestimmung des Staates, aus dem die Zinsen stammen. Dabei berücksichtigt diese für die Bestimmung des Quellenstaates auch das Vorhandensein einer Betriebsstätte des Darlehensnehmers. Da Art. 12 OECD-MA keine entsprechende Regelung und auch keinen Verweise auf die Regelung des Art. 11 Abs. 5 Satz 2 OECD-MA enthält, kommt der Staat, in dem der Lizenznehmer eine Betriebsstätte unterhält und der das Nutzungsrecht funktional zuzuordnen ist, nicht als Quellenstaat in Betracht. Dahingehend enthält das UN-MA in Art. 12 UN-MA eine Quellensteuerdefinition, die Art. 11 Abs. 5 OECD-MA entspricht (vgl. Wassermeyer in Debatin/Wassermeyer, Art. 12 Rz. 28). Nach der Auffassung von Wassermeyer bestehen gegen eine entsprechende Anwendung des gesamten Art. 11 Abs. 5 OECD-MA keine Bedenken, auch wenn in diesen Fällen das OECD-MA und nicht das UN-MA zur Anwendung kommt. Damit würde als Staat, aus dem die Lizenzgebühren stammen, neben dem Ansässigkeitsstaat des Lizenznehmers auch der Betriebsstättenstaat in Betracht kommen. Diese Auffassung ist durchaus vertretbar, weil die Lizenzgebühren dann aus diesem Staat stammen. Sie ist allerdings nicht durch einen Rückgriff auf die Regelung des Art. 11 Abs. 5 OECD-MA abzuleiten, weil der Abkommenstext selbst einen solchen Rückgriff nicht ermöglicht. Grützner spricht sich ebenfalls für eine entsprechende Anwendung des Art. 11 Abs. 5 OECD-MA

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Kap. 9: Geistiges Eigentum im DBA-Recht

gilt auch dann, wenn die Zahlung von einer Mittelsperson wie zum Beispiel von einer Zwischengesellschaft erfolgt.1

9.73

Alternativ bzw. zusätzlich wäre auch eine Berücksichtigung des Orts möglich, an dem der Lizenznehmer den Lizenzgegenstand verwertet. Damit würden die Lizenzgebühren aus dem Staat stammen, in dem der Lizenznehmer eine Betriebsstätte unterhält, der die Nutzungsrechte nach Art. 7 Abs. 2 OECD-MA funktional zugerechnet und bei der die mit der Lizenzhereinnahme verbundenen Ausgaben als Betriebsausgaben steuerlich berücksichtigt werden.2 Denn es ist – eine § 49 Abs. 1 Nr. 6 EStG vergleichbare Vorschrift vorausgesetzt – wahrscheinlich, dass die Verwertung des Nutzungsrechts in einer in diesem ausländischen Staat belegenen Betriebsstätte die beschränkte Steuerpflicht des in einem anderen Staat ansässigen nutzungsberechtigten Lizenzgebers begründet. In diesen Fällen könnte die Doppelbesteuerung am besten verhindert werden, indem sich der Betriebsstättenstaat als derjenige Staat betrachtet, der aufgrund des Art. 7 Abs. 1 OECD-MA zwar das Besteuerungsrecht an den Betriebsstätteneinkünften, jedoch unter Beachtung des Art. 7 Abs. 7 i.V.m. Art. 12 Abs. 1 OECD-MA nicht an den Lizenzgebühren hat. Da dieses Ergebnis auch über die Regelung des Art. 21 OECD-MA erreicht würde, erlangt die Bestimmung des Staates, aus dem die Lizenzgebühren stammen, keine weitere Bedeutung.3

9.74

Gegen diese Auffassung spricht jedoch der eindeutige Wortlaut des Musterkommentars, wonach Art. 12 Abs. 1 OECD-MA nur dann zur Anwendung kommt, wenn die Lizenzgebühren aus dem einen Vertragsstaat stammen und der nutzungsberechtigte Lizenzgeber in dem anderen Vertragsstaat ansässig ist, hingegen nicht für Lizenzgebühren aus einem weiteren Staat (Drittstaat). Danach kann es sich nur dann um Drittstaateneinkünfte handeln, wenn diese weder aus dem Ansässigkeitsstaat des Liaus. Er leitet diese Möglichkeit jedoch aus dem Umstand ab, dass sich Vertreter von 6 Staaten in dem Musterkommentar zum OECD-MA zu Art. 12, MK 48 für eine entsprechende Anwendung ausgesprochen haben (vgl. Grützner in Gosch/ Kroppen/Grotherr, Art. 12 Rz. 31). Die Zustimmung scheint sich nur auf den Art. 11 Abs. 5 Satz 1 OECD-MA und nicht auf den Satz 2 dieser Norm zu beziehen. 1 Vgl. Pöllath/Lohbeck in Vogel/Lehner, DBA5, Art. 12 Rz. 20b. Dies gilt auch dann, wenn die Zahlung von einer Zwischengesellschaft erfolgt. 2 Diese Auffassung würde jedoch der Auffassung der OECD widersprechen. In ihrem Musterkommentar stellt sie ausdrücklich klar, dass sich die Regelung des Art. 12 OECD-MA nur auf die beiden Vertragsstaaten bezieht und somit keine Drittstaateneinkünfte erfasst. Sie findet damit nur dann Anwendung, wenn die Lizenzgebühren aus dem einen Vertragsstaat stammen und der nutzungsberechtigte Zahlungsempfänger in dem anderen Vertragsstaat ansässig ist. Vgl. Musterkommentar zum OECD-MA zu Art. 12, MK 5. Aus diesem Grund lehnen zahlreiche Autoren diese Auffassung ab, so u.a. Grützner in Gosch/Kroppen/Grotherr, Art. 12 Rz. 31. 3 Wassermeyer hat gegen eine derartige Auslegung keine Bedenken. Wie bereits dargestellt, begründet er diese unter Rückgriff auf die Norm des Art. 11 Abs. 5 OECD-MA (vgl. Wassermeyer in Debatin/Wassermeyer, Art. 12 Rz. 28).

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B. Relevante Einkunftsartikel

zenznehmers noch aus dem des Lizenzgebers stammen.1 Unter Berücksichtigung dieser Auslegung können die Einkünfte nicht aus dem Betriebsstättenstaat stammen. Im Verhältnis zu diesem Drittstaat ist die Anwendbarkeit des Art. 12 OECD-MA bzw. einer vergleichbaren Norm zu prüfen.2 Bedeutung erlangt die Bestimmung des Quellenstaates jedoch dann, wenn das Abkommen dem Quellenstaat ein Besteuerungsrecht an der Quelle gewährt, sowie für die Anrechnung ausländischer Steuern unter Berücksichtigung des Art. 23B OECD-MA, und damit nur dann, wenn das jeweilige DBA vom Musterabkommen abweicht, indem es dem Quellenstaat ein Besteuerungsrecht an den Lizenzgebühren gewährt, und die Anrechnung auch abkommensrechtlich unter Beachtung der per country-limitation3 zu erfolgen hat.4

9.75

Stammen die Zahlungen nicht aus dem anderen Vertragsstaat, so unterfallen die Lizenzgebühren nicht dem Anwendungsbereich des Art. 12 OECD-MA. Für sie ist die Anwendung des Art. 21 OECD-MA zu prüfen, der alle in den vorgehenden Artikeln nicht behandelten Einkünfte erfasst (Rz. 9.187 ff.). Dies gilt zum Beispiel dann, wenn die Lizenzgebühren aus einem Drittstaat stammen, also weder aus dem Ansässigkeitsstaat des Lizenznehmers noch aus dem des Lizenzgebers.5

9.76

e) Ansässigkeitsvoraussetzung des Nutzungsberechtigten Art. 12 Abs. 1 OECD-MA kann nur dann zur Anwendung kommen, wenn die Zahlung der aus einem Vertragsstaat stammenden Lizenzgebühren an einen im anderen Vertragsstaat ansässigen, i.S. des Abkommens nutzungsberechtigten Lizenzgeber erfolgt. Dieser ist eine im anderen Ver1 Vgl. Musterkommentar zum OECD-MA zu Art. 12, MK 5. 2 Vgl. von Pannwitz in Haase, AStG/DBA, Art. 12 Rz. 32. 3 BFH v. 20.12.1995 – I R 57/94, BStBl. II 1996, 261 bejahte die Anwendung der per country-limitation. Danach sind für die Anrechnung ausländischer Quellensteuern und die Ermittlung des Anrechnungshöchstbetrags die gesamten Einkünfte zusammenzurechnen, die nach dem Abkommenstext aus einem Staat stammen oder für die der Quellenstaat nach dem Abkommen ein Quellenbesteuerungsrecht erhält. Die im Ausland nicht besteuerten Einkünfte sind jedoch nicht in die Berechnung des Höchstbetrags einzubeziehen. Dies stellt die Einfügung des Satzes 3 in § 34c Abs. 1 i.V.m. § 34c Abs. 6 EStG klar. Somit erlangt die Bestimmung des Quellenstaates nur noch dann eine Bedeutung, wenn dem Quellenstaat auch ein Besteuerungsrecht zusteht, weil andernfalls die Einkünfte nicht mehr in die Ermittlung des Höchstbetrags einzubeziehen sind. Das zurzeit bei Wassermeyer in Debatin/Wassermeyer, Art. 12 Rz. 28 angeführte Beispiel ist daher nicht mehr zutreffend. 4 Vgl. Wassermeyer in Debatin/Wassermeyer, Art. 12 Rz. 28. 5 Vgl. Pöllath/Lohbeck in Vogel/Lehner, DBA5, Art. 12 Rz. 22. Dies gilt nach Auffassung der Autoren auch dann, wenn die Zahlungen aus dem Ansässigkeitsstaat des Lizenzgebers stammen. Fraglich ist, inwieweit in diesen Sachverhaltsgestaltungen eine Doppelbesteuerung möglich und der Anwendungsbereich des DBA eröffnet ist.

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9.77

Kap. 9: Geistiges Eigentum im DBA-Recht

tragsstaat ansässige Person, wenn er in diesem Staat die Voraussetzungen des Art. 4 Abs. 1 i.V.m. Art. 3 Abs. 1 Buchst. a OECD-MA erfüllt.

9.78

Dafür muss es sich bei dem nutzungsberechtigten Lizenzgeber um eine Person i.S. des Art. 3 Abs. 1 Buchst. a OECD-MA, also um eine natürliche Person, eine Gesellschaft oder um eine andere Personenvereinigung handeln, die i.S. des Art. 12 OECD-MA nutzungsberechtigt ist.

9.79

Ansässig und damit abkommensberechtigt ist diese Person nach Art. 4 Abs. 1 OECD-MA in dem Staat, in dem sie nach dem Recht dieses Staates aufgrund ihres Wohnsitzes, ihres ständigen Aufenthalts, ihres Orts der Geschäftsleitung oder eines ähnlichen Kriteriums unbeschränkt steuerpflichtig ist. Dabei erscheint für die Beurteilung der Ansässigkeit des nutzungsberechtigten Lizenzgebers im Hinblick auf die Anwendung des Art. 12 OECD-MA ausschließlich das Recht des Staates maßgeblich, aus dem die Lizenzgebühren gerade nicht stammen.

9.80

Danach ist Deutschland der Ansässigkeitsstaat des Empfängers der Zahlung, wenn eine Kapitalgesellschaft ihren Sitz oder ihre Geschäftsleitung im Inland hat und kein Fall der doppelten Ansässigkeit vorliegt, in dem der andere Staat als Ansässigkeitsstaat i.S. des Abkommens gilt, weil sich in diesem der Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung befindet.

9.81

Dies gilt auch dann, wenn eine natürliche Person der nutzungsberechtigte Lizenzgeber ist und diese ihren Wohnsitz und im Fall eines Doppelwohnsitzes den Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen im Inland hat. Hat der Lizenzgeber in keinem Staat einen Wohnsitz oder in mehreren Staaten einen Wohnsitz und kann der Mittelpunkt seiner Lebensinteressen nicht bestimmt werden, so kann er nur dann abkommensrechtlich in Deutschland ansässig sein, wenn er seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat.

9.82

Ob Deutschland auch der Ansässigkeitsstaat des nutzungsberechtigten Lizenzgebers ist, wenn eine inländische Personengesellschaft Zahlungsempfänger der Lizenzentgelte i.S. des Art. 12 Abs. 1 OECD-MA ist, hängt aus deutscher Rechtssicht allein von der jeweiligen Ansässigkeit der einzelnen Gesellschafter der Personengesellschaft ab. Erfüllen die Gesellschafter die bereits genannten Voraussetzungen für eine Ansässigkeit im Inland, so gilt Deutschland für die der natürlichen oder juristischen Person aus ihrer Beteiligung an der Personengesellschaft zugerechneten Einkünfte als Ansässigkeitsstaat. Die Personengesellschaft selbst kann nicht in Deutschland ansässig und damit auch nicht abkommensberechtigt sein, weil sie aus deutscher Rechtssicht transparent betrachtet wird und daher keiner unbeschränkten Einkommen- oder Körperschaftsteuerpflicht unterliegt.

9.83

Betrachtet das im jeweiligen Einzelfall anzuwendende DBA Personengesellschaften abweichend vom OECD-MA ausdrücklich als in einem Vertragsstaat ansässige Personen, so ist wohl für die Bestimmung des Ansäs532

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B. Relevante Einkunftsartikel

sigkeitsstaats allein die Ansässigkeit der Personengesellschaft maßgeblich. So betrachtet das DBA Deutschland-Belgien auch deutsche Personengesellschaften nach seinem Art. 4 Abs. 1 grundsätzlich in dem Staat als ansässig, in dem sich der Ort ihrer tatsächlichen Geschäftsleitung befindet. Ist dieser beispielsweise in Belgien, so ist der nutzungsberechtigte Lizenzgeber in Belgien ansässig. Zu welchen weiteren Konsequenzen die daneben (aus deutscher Rechtssicht) bestehende Abkommensberechtigung der einzelnen Personengesellschafter führt, ist bislang ungeklärt. Da die Personengesellschaft aus deutscher Rechtssicht ungeachtet ihrer Abkommensberechtigung weiterhin als steuerlich transparent behandelt wird,1 erfolgt die Besteuerung der Einkünfte auf Ebene ihrer Gesellschafter, die ggf. im Inland ansässig und auch abkommensberechtigt sind. Für die aufgrund der transparenten Betrachtungsweise aus ihrer Beteiligung an der Personengesellschaft zuzurechnenden Einkünfte wäre dann aber ggf. Deutschland der Ansässigkeitsstaat.

9.84

3. Verhältnis zu anderen Vorschriften a) Verhältnis zu anderen Vorschriften des OECD-MA aa) Überblick Durch die Nutzungsüberlassung immaterieller Wirtschaftsgüter erzielt der nutzungsberechtigte Lizenzgeber Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung, die nach innerstaatlichem Recht gegenüber den Gewinneinkunftsarten subsidiär sind. Abkommensrechtlich hingegen zählen diese zu denjenigen Einkünften, die wie auch Zinsen und Dividenden in den sog. Spezialvorschriften geregelt sind und gegenüber allen anderen Einkünften wie denen aus Unternehmensgewinnen vorrangig sind.

9.85

Zu einem Durchbruch dieses Prinzips kommt es jedoch dann, wenn der in Art. 12 Abs. 3 OECD-MA enthaltene Betriebsstättenvorbehalt zur Anwendung kommt. Nach diesem gehen die Einkünfte i.S. des Art. 7 OECD-MA denen i.S. des Art. 12 OECD-MA vor, wenn der Lizenzgegenstand tatsächlich zur Betriebsstätte des nutzungsberechtigten Lizenzgebers gehört, die dieser in dem Ansässigkeitsstaat des Lizenznehmers unterhält. Mit diesem Vorrang der Verteilungsnorm des Art. 7 OECD-MA verbunden ist die Frage, unter welchen Voraussetzungen der Lizenzgegenstand unter Beachtung der sog. funktionalen Betrachtungsweise tatsächlich zu dieser Betriebsstätte gehören kann.2

9.86

Darüber hinaus gehen mit der Anwendung des Art. 12 OECD-MA zahlreiche weitere Abgrenzungsfragen einher, die letztlich über die Frage entscheiden, welche Verteilungsnorm in dem entsprechenden Sachverhalt

9.87

1 Selbst diese Frage ist in der Literatur umstritten. Vgl. dazu u.a. Haase/Brändel, IStR 2011, 255 ff. 2 Vgl. Wassermeyer in Debatin/Wassermeyer, Art. 12 Rz. 8.

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Kap. 9: Geistiges Eigentum im DBA-Recht

Anwendung findet. Dies gilt beispielsweise für gemischte Verträge, in denen die Nutzungsüberlassung von Know How mit der Erbringung von Dienstleistungen einhergeht. Die im Zusammenhang mit der Vermietung und Verpachtung von immateriellen Wirtschaftsgütern voneinander abzugrenzenden Artikel sind insbesondere Art. 6 über Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen, Art. 7 über Unternehmensgewinne, Art. 10 über Dividenden, Art. 11 über Zinsen, Art. 13 über Veräußerungsgewinne sowie Art. 21 OECD-MA über sonstige Einkünfte. Für diese Abgrenzung ist vor allem die Frage entscheidend, ob überhaupt Lizenzgebühren vorliegen (Rz. 9.48 ff.). bb) Art. 6 OECD-MA

9.88

Immaterielle Wirtschaftsgüter wie Rechte oder Marken gehören abkommensrechtlich im Regelfall1 nicht zum unbeweglichen Vermögen i.S. des Art. 6 Abs. 2 OECD-MA, so dass es sich bei den Entgelten für ihre Nutzungsüberlassungen nicht um Einkünfte i.S. des Art. 6 Abs. 1 OECD-MA handeln kann.

9.89

Werden die Entgelte hingegen für die Nutzung oder Ausbeutung unbeweglichen Vermögens entrichtet, so findet für diese Lizenzgebühren (sog. „mineral royalties“) hingegen Art. 6 und gerade nicht Art. 12 OECD-MA Anwendung. Die Verteilungsnorm über Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen geht der über Lizenzgebühren vor, die Musterkommentierung zu Art. 12 OECD-MA stellt dies ausdrücklich klar.2 Dabei kommt dem Ausdruck „unbewegliches Vermögen“ abkommensrechtlich grundsätzlich die Bedeutung zu, die ihm der Belegenheitsstaat des unbeweglichen Vermögens beimisst.3 In jedem Fall gehören zu diesem Vermögen die in Art. 6 Abs. 2 Satz 2 OECD-MA genannten Vermögenswerte. So unterfallen beispielsweise die Vergütungen für die Rechte auf veränderliche oder feste Vergütungen für die Ausbeutung oder das Recht auf Ausbeutung von Mineralvorkommen, Quellen und andere Bodenschätzen in jedem Fall der Verteilungsnorm des Art. 6 OECD-MA.

9.90

Danach können diese Einkünfte, die eine in einem Vertragsstaat ansässige Person aus unbeweglichem Vermögen i.S. des Abkommens erzielt, dass im anderen Staat belegen ist, auch in diesem anderen Staat besteuert werden. Damit greift in diesen Fällen das Belegenheits- bzw. Quellenprinzip, das nach Art. 12 Abs. 1 OECD-MA gerade nicht zur Anwendung 1 Ausnahmen sind möglich, weil nach Art. 6 Abs. 2 Satz 1 OECD-MA für die Auslegung des Begriffs „unbewegliches Vermögen“ das Recht des jeweiligen Belegenheitsstaates maßgeblich ist. Nach deutschem Recht gehören immaterielle Wirtschaftsgüter i.d.R. nicht zum unbeweglichen Vermögen. 2 Vgl. Musterkommentar zum OECD-MA zu Art. 12, MK 19. 3 Für die steuerliche Behandlung der Einkünfte ist damit grundsätzlich die Rechtssicht des Belegenheitsstaates maßgeblich. Eine Ausnahme gilt nur für die explizit in Satz 2 genannte abkommensautonome Begriffsbestimmung. Vgl. Reimer in Vogel/Lehner, DBA5, Art. 6 Rz. 64.

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B. Relevante Einkunftsartikel

kommt, wenn nicht der Betriebsstättenvorbehalt des Art. 12 Abs. 3 OECD-MA greift. Sollte Art. 6 Abs. 1 OECD-MA nicht zur Anwendung kommen, weil das unbewegliche Vermögen beispielsweise in einem Drittstaat belegen ist, so weist die „Auffangregelung“ des Art. 21 Abs. 1 OECD-MA das Besteuerungsrecht dem Ansässigkeitsstaat des Lizenzgebers zu (Rz. 9.187 ff.). cc) Art. 7 OECD-MA Die Verteilungsnorm des Art. 7 OECD-MA erfasst Unternehmensgewinne, zu denen auch die Entgelte für die Nutzungsüberlassungen immaterieller Wirtschaftsgüter gehören können, wenn diese Bestandteil der Geschäftstätigkeit eines Unternehmens sind. Für die Verteilung der damit verbundenen Besteuerungsrechte stellt Art. 7 Abs. 7 OECD-MA ausdrücklich klar,1 dass für die Verteilung der Besteuerungsrechte an den Lizenzgebühren auch dann Art. 12 OECD-MA maßgeblich ist, wenn die Lizenzgebühren zu den Unternehmensgewinnen i.S. des Art. 7 OECD-MA gehören.2 1 Fraglich ist, ob dieser Vorrang auch dann gilt, wenn das anzuwendende DBA eine solche Norm nicht enthält. Verneint man den Vorrang des Art. 12 OECD-MA, so führt dies zu keiner abweichenden Verteilung der Besteuerungsrechte, weil das Besteuerungsrecht an den Unternehmensgewinnen nach Art. 7 Abs. 1 OECD-MA grundsätzlich dem Staat zusteht, in dem das Unternehmen betrieben wird, wenn die Einkünfte nicht einer Betriebsstätte des Unternehmens in dem anderen Staat zuzurechnen sind. Zu diesem Ergebnis kommt man schließlich auch über die Verweisungsnorm des Art. 7 Abs. 7 OECD-MA. Bejaht man die Frage, weil man der Auffassung folgt, dass es sich bei Art. 12 OECD-MA um eine Spezialnorm handelt, die der allgemeinen Regelung des Art. 7 OECD-MA vorgeht, obwohl das Abkommen dies nicht nochmal explizit in Art. 7 Abs. 7 OECD-MA festschreibt, so ändert sich im Vergleich zu den Fällen nichts, in denen eine der Regelung des Art. 7 Abs. 7 OECD-MA vergleichbare Norm in dem jeweiligen Abkommen enthalten ist. Dieser Auffassung folgend u.a. Hemmelrath in Vogel/Lehner, DBA5, Art. 7 Rz. 181 für die Abkommen, die beispielsweise Irland, Luxemburg und die Niederlande abschließen und die keine Regelung über die Abgrenzung der gewerblichen Einkünfte von den anderen Einkünften enthalten. 2 Wie bereits dargestellt, unterliegen die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung abkommensrechtlich keiner Subsidiarität, wie sie das deutsche Steuerrecht für die Überschusseinkunftsarten gegenüber den Gewinneinkunftsarten kennt (beispielsweise in § 21 Abs. 3 oder § 20 Abs. 8 EStG festgeschrieben). Vielmehr gehen die spezielleren Artikel den allgemeinen Regelungen im Abkommensrecht vor (sog. Prinzip der Spezialität). Dies bedeutet jedoch nicht, dass es zu einer Umqualifizierung der Einkünfte kommt, wie sie das nationale Steuerrecht kennt, sondern nur, dass für die Verteilung der Besteuerungsrechte eine andere Verteilungsnorm maßgeblich ist. So handelt es sich bei den Lizenzgebühren trotz des Anwendungsvorrangs des Art. 12 OECD-MA (vorbehaltlich der Anwendung des Art. 12 Abs. 3 OECD-MA) um Unternehmensgewinne. Es liegen somit Unternehmensgewinne und gleichzeitig Lizenzgebühren vor (vgl. Wassermeyer in Debatin/Wassermeyer, Art. 7 Rz. 356). Diese Auffassung vertritt auch die OECD in ihrem Kommentar zum Musterabkommen (vgl. Musterkommentar zum OECD-MA zu Art. 7, MK 62). Auf ihr basiert auch die Rspr. des BFH, vgl. u.a. BFH v. 30.8.1995 – I R 112/94, BStBl. II 1996, 563, das zum DBA DeutschlandSchweiz ergangen ist. Dieser Auffassung folgt die deutsche Finanzverwaltung insbesondere für die Verteilung der Besteuerungsrechte an Sondervergütungen

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9.91

Kap. 9: Geistiges Eigentum im DBA-Recht

9.92

Das Gesagte gilt jedoch nicht, wenn es sich beispielsweise bei der Überlassung von Know How nicht um einen Lizenz-, sondern um einen Dienstleistungsvertrag handelt oder die Nutzungsüberlassung der immateriellen Wirtschaftsgüter zwar Gegenstand eines gemischten Vertrags ist, jedoch hinsichtlich ihrer wirtschaftlichen Bedeutung deutlich hinter die andere, darin geregelte Leistung rückt. In diesen Fällen liegen Unternehmensgewinne vor, für die grundsätzlich dem Staat das Besteuerungsrecht zusteht, in dem dieses Unternehmen betrieben wird, wenn es nicht in dem anderen Staat eine Betriebsstätte unterhält, der die in Frage stehenden Unternehmensgewinne tatsächlich zuzuordnen sind. Der Grund dafür ist, dass es sich dann abkommensrechtlich nicht um Lizenzgebühren handelt, für welche die Spezialnorm des Art. 12 OECD-MA über den in Art. 7 Abs. 7 OECD-MA festgeschriebenen Anwendungsvorrang greift.

9.93

Der Vorrang der Spezialnorm des Art. 12 OECD-MA endet dann, wenn der nutzungsberechtigte Lizenzgeber in dem Ansässigkeitsstaat des Lizenznehmers eine Betriebsstätte unterhält, welcher der Lizenzgegenstand unter Beachtung der funktionalen Betrachtungsweise des Art. 7 Abs. 2 OECD-MA tatsächlich zuzuordnen ist. In diesen Fällen schreibt der Betriebsstättenvorbehalt des Art. 12 Abs. 3 OECD-MA den Anwendungsvorrang des Art. 7 OECD-MA vor. Damit findet unter den genannten Voraussetzungen die Verteilungsnorm über Unternehmensgewinne Anwendung, wonach dem Betriebsstättenstaat das Besteuerungsrecht an den Lizenzgebühren zusteht. Eine Anwendung des Art. 12 Abs. 1 OECD-MA scheidet damit aus, obwohl seine Anwendungsvoraussetzungen erfüllt sind.

9.94

Voraussetzung für die Anwendung des Betriebsstättenvorbehalts des Art. 12 Abs. 3 OECD-MA ist, dass der in dem einen Vertragsstaat ansässige nutzungsberechtigte Lizenzgeber in dem anderen Vertragsstaat, aus dem die Lizenzgebühren stammen, d.h. nach dem bereits Dargestellten, in dem der Lizenznehmer ansässig ist, eine Geschäftstätigkeit durch eine dort belegene Betriebsstätte ausübt und dieser Betriebsstätte der Lizenzgegenstand auch tatsächlich, d.h. nach den abkommensrechtlichen Grundsätzen der funktionalen Zuordnung, zuzurechnen ist.1

9.95

Dieser Regelung des Art. 12 Abs. 3 OECD-MA kommt keine sog. Attraktivkraft der Betriebsstätte zu. Sie führt nicht dazu, dass allein das Zufließen der Lizenzgebühren aus dem einen Staat an eine in dem anderen Staat nicht, die ein inländischer Gesellschafter z.B. für die Hingabe eines Darlehens von seiner ausländischen Gesellschaft erhält. Ungeachtet der in den Abkommen enthaltenen, dem Art. 7 Abs. 7 OECD-MA vergleichbaren Norm, besteuert sie diese ausschließlich als Unternehmensgewinne entweder unter Anwendung einer der Art. 7 Abs. 1 Satz 1 oder Satz 2 OECD-MA vergleichbaren Regelung. Sie ignoriert damit, dass es sich bei den jeweiligen Sondervergütungen um Unternehmensgewinne und beispielsweise Lizenzen oder Zinsen handelt. Als Legitimation betrachtet sie die Regelung des § 50d Abs. 10 EStG. Vgl. dazu u.a. Hemmelrath in Vogel/Lehner, DBA5, Art. 7 Rz. 173 f. 1 Der Betriebsstättenvorbehalt kann demnach nur dann Anwendung finden, wenn die Norm des Art. 12 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 OECD-MA erfüllt ist.

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B. Relevante Einkunftsartikel

ansässige Person eine Betriebsstätte in dem Quellenstaat aufgrund einer gesetzlichen Vermutung oder einer Fiktion begründet. Vielmehr führt diese Regelung dazu, dass, wenn der Nutzungsberechtigte eine Betriebsstätte unterhält und dieser die Rechte oder Vermögenswerte auch tatsächlich zuzurechnen sind, die Spezialnorm des Art. 12 Abs. 1 OECD-MA durch die allgemeinere Norm des Art. 7 OECD-MA wieder verdrängt wird, obwohl Art. 7 Abs. 7 OECD-MA vorher zur Anwendung kam. Eine Beantwortung der Frage, ob der nutzungsberechtigte Lizenzgeber eine Betriebsstätte in dem anderen Vertragsstaat unterhält oder nicht, aus dem die Lizenzgebühren stammen und in dem der Lizenznehmer ansässig ist, ermöglicht ausschließlich die Prüfung der in Art. 5 OECD-MA festgeschriebenen Kriterien. Danach bedeutet der Ausdruck „Betriebsstätte“ eine feste Geschäftseinrichtung, durch welche die Tätigkeit eines Unternehmens ganz oder teilweise ausgeübt wird. Folglich kann eine Betriebsstätte nur dann vorliegen, wenn der Lizenzgeber ein Unternehmen i.S. des Abkommens betreibt.

9.96

In allen anderen Fällen, in denen es sich bei den Lizenzgebühren um keine Unternehmensgewinne i.S. des Art. 7 OECD-MA handelt, kann der Betriebsstättenvorbehalt keine Anwendung finden. So z.B., wenn jemand seine zu seinem Privatvermögen gehörenden Erkenntnisse ausschließlich im Rahmen einer vermögensverwaltenden Tätigkeit einem anderen gegen Entgelt zur Nutzung überlässt. Da in diesem Fall keine gewerblichen Einkünfte i.S. des § 15 Abs. 2 EStG und damit keine Unternehmensgewinne i.S. des Art. 7 i.V.m. Art. 3 Abs. 2 OECD-MA1 vorliegen, betreibt der Lizenzgeber auch abkommensrechtlich kein Unternehmen, weswegen Art. 12 Abs. 3 OECD-MA nicht zur Anwendung kommen kann.2

9.97

Liegen hingegen Unternehmensgewinne i.S. des Art. 7 OECD-MA vor, weil die Erfahrungen beispielsweise zum Betriebsvermögen gehören und Art. 3 Abs. 2 OECD-MA anwendbar ist, so liegt eine Betriebsstätte dann vor, wenn der Lizenzgeber die damit verbundene Geschäftstätigkeit ganz oder teilweise in einer festen Geschäftseinrichtung ausübt. Dafür muss das Unternehmen in diesem Staat durch die Gesamtheit der dem Betrieb dienenden Sachen physisch präsent sein, sich in der Verfügungsmacht des Unternehmens befinden und die Unternehmenstätigkeit auch dort über eine gewisse Dauer ausgeübt werden.3 Nach Art. 5 Abs. 2 OECD-MA gehören deswegen zu den Betriebsstätten insbesondere der Ort der Leitung, die Niederlassungen, eine Geschäfts- oder Fabrikationsstätte, Werkstätte oder beispielsweise ein Bergwerk. Denn diese Stätten des Betriebs erfüllen

9.98

1 Die innerstaatliche Rechtssicht kann nur dann über Art. 3 Abs. 2 OECD-MA zur Anwendung kommen, wenn das Abkommen selbst keine entsprechende Definition verlangt oder der Abkommenszusammenhang kein von der innerstaatlichen Definition abweichendes Verständnis verlangt. 2 Diese Betrachtung gilt natürlich nur aus deutscher Rechtssicht in den Fällen, in denen Deutschland Anwendestaat des Abkommens ist. 3 Vgl. Görl in Vogel/Lehner, DBA5, Art. 5 Rz. 12 ff.

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Kap. 9: Geistiges Eigentum im DBA-Recht

im Regelfall1 die genannten Voraussetzungen. Ausdrücklich nicht zu den Betriebsstätten gehören Bauausführungen, deren Dauer zwölf Monate unterschreitet, sowie alle in dem abschließenden Negativkatalog des Art. 5 Abs. 4 OECD-MA genannten Tatbestände wie Einrichtungen, die ausschließlich zur Lagerung, Ausstellung oder Auslieferung von Gütern oder Waren benutzt werden, und Einrichtungen, die ausschließlich für die Zwecke unterhalten werden, für das Unternehmen Güter oder Waren einzukaufen. Damit unterliegen insbesondere unterstützende sowie vorbereitende Geschäftstätigkeiten nicht dem Betriebsstättenvorbehalt und die damit verbundenen Einkünfte nicht der Besteuerung im Quellenstaat.2

9.99

Unterhält der nutzungsberechtigte Lizenzgeber nach dem Gesagten in dem anderen Staat eine Betriebsstätte, so ist in einem zweiten Schritt für die Anwendung des Betriebsstättenvorbehalts des Art. 12 Abs. 3 OECD-MA zu überprüfen, ob das Recht oder der Vermögenswert, für den die Lizenzgebühr gezahlt wird, auch tatsächlich zu dieser Betriebsstätte gehört. Dabei ist das Wort „tatsächlich“ nicht als Gegensatz zu „rechtlich“, sondern i.S. von „wirklich“ zu verstehen.3 Dafür ist zu prüfen, ob das jeweilige Wirtschaftsgut weniger aus der rechtlichen Perspektive als vielmehr in seiner wirtschaftlichen Substanz zum Vermögen der Betriebsstätte gehört und es dabei geeignet ist, die wirtschaftliche Kraft des unselbstständigen Unternehmensteils zu stärken.4 Die für diese Beurteilung maßgebliche Betrachtungsweise ist die sog. funktionale Betrachtungsweise, die in Art. 7 Abs. 2 OECD-MA niedergeschrieben und entsprechend anzuwenden ist, obwohl Art. 12 Abs. 3 OECD-MA nicht direkt auf diese Norm verweist.5 Sie basiert auf der Frage, ob das jeweilige Wirtschaftsgut für die Ausübung der Funktion der Betriebsstätte tatsächlich von Bedeutung ist oder die Geschäftstätigkeit in diesem Teil des Unternehmens ohne Beeinträchtigung ausgeführt werden könnte, wenn das in Frage stehende Recht oder die Vermögensposition nicht zur Betriebsstätte gehören 1 Natürlich ist es denkbar, dass beispielsweise eine Zweigniederlassung keine Betriebsstätte i.S. des Art. 5 Abs. 1 OECD-MA ist, weil diese feste Einrichtung nicht auf Dauer dem Unternehmen dienen soll. In solchen Fällen liegt keine Betriebsstätte und damit eine Ausnahme zu dem Regelfall vor. Bei der Aufzählung in Art. 5 Abs. 2 OECD-MA handelt es sich ausschließlich um Beispiele. Sie hat weder einen abschließenden Charakter noch macht sie die Überprüfung der in Abs. 1 aufgeführten Kriterien entbehrlich. Vgl. dazu u.a. Görl in Vogel/Lehner, DBA5, Art. 5 Rz. 36 f. 2 Vgl. Görl in Vogel/Lehner, DBA5, Art. 5 Rz. 85 f. 3 Vgl. u.a. Vogel in Vogel/Lehner, DBA5, Vor Art. 10–12 Rz. 40 unter Verweis auf die Nr. 3 des Memorandums v. 18.10.1965 zum Protokoll 1965 DBA USA 1954, DStR 1966, 558. 4 Vgl. Wassermeyer in Debatin/Wassermeyer, Art. 12 Rz. 102. 5 Die sog. funktionale Betrachtungsweise ist ausschließlich in Art. 7 Abs. 2 OECD-MA festgeschrieben. Sie ist für alle Betriebsstättenvorbehalte, wie z.B. den in Art. 10 Abs. 4, 11 Abs. 4 und Art. 21 Abs. 2 OECD-MA enthaltenen, einheitlich auszulegen (so auch Wassermeyer in Debatin/Wassermeyer, Art. 12 Rz. 103).

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B. Relevante Einkunftsartikel

würde. Für die Konkretisierung der funktionalen Betrachtungsweise ist die Formal- und Sachdienlichkeit des Wirtschaftsguts entscheidend. Danach können der Betriebsstätte grundsätzlich keine Wirtschaftsgüter zugerechnet werden, die ausschließlich verlustbringend oder für die von ihr auszuübenden Funktionen nicht notwendig sind.1 In seinem Urteil zum DBA Deutschland-Schweiz vom 29.11.20002 hat der BFH die Voraussetzungen der funktionalen Zuordnung des Rechts weit ausgelegt, unter denen das zur Nutzung überlassene Wirtschaftsgut einer Betriebsstätte zugerechnet werden kann. Danach gehören die Lizenzgebühren „nur dann zu den Unternehmensgewinne i.S. des Art. 7 DBASchweiz, wenn es sich um Nebenerträge handelt, die nach der Verkehrsauffassung zu der Tätigkeit gehören, bei der das Schwergewicht der in der Betriebsstätte ausgeübten Unternehmenstätigkeit liegt“. In diesem Streitfall bejahte der BFH die funktionale Zuordnung zur Betriebsstätte, weil der Handel mit Verwertungsrechten eine Nebentätigkeit des Verlegers sei, die dieser neben den klassischen Grundfunktionen der Auswahl des zu verlegenden Werks sowie der wirtschaftlichen Ausnutzung der vom Rechtsinhaber übertragenen Rechte ausübt.

9.100

Aus diesem Urteil kann m.E. abgeleitet werden, dass die zusätzliche Verwertung eines Rechts oder einer Vermögensposition, das bzw. die beispielsweise als Patent oder Marke tatsächlich in der jeweiligen Betriebsstätte für die Ausübung von deren Betrieb verwendet wird, wohl zu der Betriebsstätte gehört. Fraglich ist jedoch, ob dies beispielsweise auch für die Erfahrungen oder Erfindungen gelten kann, die aus der Haupttätigkeit der Betriebsstätte resultieren, aber nicht für deren Durchführung notwendig erscheinen. So gehören beispielsweise die Zinsen, die als Gegenleistungen für Geldmittel gezahlt werden, die aus Gewinnen bzw. Überschüsse einer Betriebsstätte resultieren, regelmäßig nicht zu den Einkünften der Betriebsstätte, sondern zu denen des Stammhauses, das insoweit als „Sammelbecken“3 dient. Sie werden diesem zugerechnet, weil die Forderung für die Erfüllung der Hauptfunktion der Betriebsstätte nicht notwendig ist.4 In Analogie dazu dürften die Vergütungen für die genannten Erfahrungen nicht zu dem Betriebsstättenvermögen gehören.5

9.101

1 Zur Sach- und Formalzieldienlichkeit vgl. u.a. Fischer/Kleineidam/Warneke, Internationale Besteuerung, 676 ff. 2 Vgl. BFH v. 29.11.2000 – I R 84/99, IStR 2001, 185. 3 Von einer solchen „Sammelbeckenfunktion“ des Stammhauses geht seit jeher auch die Finanzverwaltung in BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99, BStBl. I 1999, 1076 ff. („Betriebsstättenerlass“), sog. Zentralfunktion des Stammhauses, aus. 4 Diese Betrachtungsweise liegt dem Betriebsstättenvorbehalt des Art. 11 Abs. 4 OECD-MA zugrunde. Auch in diesen Fällen entfaltet die Betriebsstätte keine Attraktivkraft. Eine Zurechnung der Zinsen zur Betriebsstätte dürfte nur ausnahmsweise in Betracht kommen, wenn – so die Auffassung des BFH – die Betriebsstätte den Zinsertrag auch selbst erwirtschaftet hat (vgl. u.a. Wenz/Linn in Haase, AStG/DBA, Art. 10 Rz. 93). 5 Zu diesem Ergebnis dürfte auch die deutsche Finanzverwaltung kommen. Nach ihrer Auffassung sind dem Stammhaus die liquiden Mittel bzw. Finanzmittel zu-

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Kap. 9: Geistiges Eigentum im DBA-Recht

9.102

Etwas anderes gilt für ausländische Personengesellschaften, die lediglich über ein Stammhaus verfügen, das aus Sicht Deutschlands als Anwendestaat und der damit verbundenen transparenten Betrachtungsweise regelmäßig als einzige Betriebsstätte anzusehen ist. In diesen Fällen ist grundsätzlich keine Einkünfteabgrenzung zwischen Stammhaus und Betriebsstätte notwendig. In diesen Fällen gilt – zumindest wenn die Personengesellschaft nicht kraft ausdrücklicher Regelung in dem Abkommen abkommensberechtigt ist – aus deutscher Rechtssicht der einzelne Gesellschafter der Personengesellschaft als Nutzungsberechtigter, der eine in Deutschland ansässige Person ist, wenn er dort unbeschränkt steuerpflichtig ist. Übt die Personengesellschaft jedoch ihre Geschäftstätigkeit über eine in dem anderen Staat belegene Betriebsstätte aus, so ist dem Betriebsstättenvermögen zwingend das Recht oder die Vermögensposition zuzurechnen, wenn der Gesellschafter im Inland keine Stammhausfunktionen übernimmt. Anderenfalls ist zu überprüfen, welcher Betriebsstätte das Recht oder die Vermögensposition zuzurechnen ist.1

9.103

Stehen jedoch Lizenzzahlungen in Frage, die als Sondervergütungen i.S. des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 Halbs. 2 EStG zwischen der Personengesellschaft und dem Gesellschafter gezahlt werden, so entscheidet über die Zurechnung der Rechte oder Vermögensposition allein, wo der Gesellschafter die Forderung über die Vergütung verwaltet. Möglich erscheint eine Zuordnung zu der Betriebsstätte, welche die Personengesellschaft ihrem Gesellschafter abkommensrechtlich aufgrund der transparenten Betrachtungsweise vermittelt (sog. Mitunternehmerbetriebsstätte), sowie zu der Stätte, in der er seinen Sonderbetrieb betreibt (sog. SonderbetriebBetriebsstätte).2

9.104

Dabei muss die tatsächliche Zugehörigkeit in dem Zeitpunkt gegeben sein, an dem der Besteuerungsanspruch auf die Lizenzgebühren entsteht. Dies ist der Entstehungszeitpunkt der Zahlungsforderung des nutzungsberechtigten Lizenzgebers.3 zurechnen, die nicht für die Absicherung der Geschäftstätigkeit der Betriebsstätte notwendig erscheinen oder nicht der Finanzierung der in absehbarer Zeit vorgesehenen Investitionen dienen sollen. Vgl. dazu BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 1300 - 111/99, BStBl. I 1999, 1076 Rz. 2.4. 1 Diese Darstellung basiert auf der Annahme, dass eine ausländische Personengesellschaft im Regelfall nur ein Stammhaus haben wird, das abkommensrechtlich zugleich als einzige Betriebsstätte der Gesellschaft betrachtet wird. Dadurch ist keine Einkünfteabgrenzung zwischen Stammhaus und Betriebsstätte möglich. Etwas anderes gilt natürlich dann, wenn der inländische Mitunternehmer im Inland tatsächlich ein Stammhaus unterhält. Denn dann bildet dieses die „erste Betriebsstätte“ und die ihm abkommensrechtlich unter Berücksichtigung der transparenten Betrachtungsweise zugerechnete Betriebsstätte die „zweite Betriebsstätte“ (vgl. dazu Haase/Brändel, StuW 2011, 49, 55). In diesen Fällen ist dann eine Einkünftezurechnung unter Beachtung der funktionalen Betrachtungsweise notwendig. Es dürften die oben bereits dargestellten Grundsätze gelten. 2 Vgl. Haase/Brändel, StuW 2011, 49, 55. 3 Vgl. Wassermeyer in Debatin/Wassermeyer, Art. 12 Rz. 102.

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B. Relevante Einkunftsartikel

Weitere Voraussetzung für die Anwendung des Betriebsstättenvorbehalts ist, dass die Betriebsstätte in dem Staat belegen ist, aus dem die Lizenzgebühren stammen. Dies ist nach h.M. der Ansässigkeitsstaat des Lizenznehmers. In diesem darf jedoch der nutzungsberechtigte Zahlungsempfänger nicht ansässig sein. Ist eine dieser Voraussetzungen nicht erfüllt, weil beispielsweise der nutzungsberechtigte Lizenzgeber zwar eine Betriebsstätte unterhält, der die Rechte oder Vermögensrechte auch funktional zuzurechnen sind, jedoch diese nicht in dem Staat belegen ist, aus dem die Zahlung stammt, so scheidet die Anwendung des Betriebsstättenvorbehalts aus. Es bleibt damit bei der Anwendung des Art. 12 Abs. 1 OECD-MA.

9.105

dd) Art. 10 und 11 OECD-MA Die Art. 10–12 OECD-MA regeln die Einkünfte, die aus der Nutzungsüberlassung bestimmter Wirtschaftsgüter, insbesondere von privatem oder unternehmerischem Kapital, resultieren. Auch sie stehen grundsätzlich in keinem Konkurrenzverhältnis zueinander.

9.106

Zu Abgrenzungsproblemen zwischen der Anwendung von Art. 12 und Art. 10 OECD-MA kann es grundsätzlich nur dann kommen, wenn Lizenzgebühren zwischen Personen gezahlt werden, zwischen denen eine mittelbare oder unmittelbare gesellschaftsrechtliche Beziehung besteht, die Voraussetzung für den Bezug von Dividendenzahlungen ist. Sollten die Lizenzgebühren der Höhe nach angemessen sein, so findet Art. 12 OECD-MA Anwendung, wenn alle weiteren Voraussetzungen erfüllt sind. Übersteigt die Höhe der Lizenzgebühren jene Höhe, die zwischen unverbundenen Unternehmen gezahlt werden oder würden, so findet Art. 12 auf den angemessenen Teil und Art. 10 OECD-MA auf den unangemessenen Teil der Vergütung Anwendung. Unterschreitet die Höhe jedoch ein vergleichbares, dem Grunde und der Höhe nach angemessenes Entgelt, so findet Art. 12 OECD-MA zwar auf die gezahlte Lizenzgebühr, nicht hingegen auf den zu niedrigen, nicht entrichteten Betrag Anwendung. Der Korrekturbetrag führt bei dem Empfänger entweder zu einem Beteiligungsertrag oder wird als einlageähnlicher Tatbestand behandelt.1

9.107

Ebenfalls die Einkünfte aus Kapital regelt Art. 11 OECD-MA. Dabei findet dieser nur dann Anwendung, wenn Kapital zur Nutzung überlassen wird. Ebenso wie Art. 12 OECD-MA weist er das Besteuerungsrecht dem Ansässigkeitsstaat des Überlassers zu, wenn die weiteren Anwendungsvoraussetzungen erfüllt sein sollten.

9.108

ee) Art. 13 OECD-MA Grundsätzlich stehen die Verteilungsnormen des Art. 12 und des Art. 13 OECD-MA zueinander in keinem Konkurrenzverhältnis. Vielmehr 1 Vgl. Wassermeyer in Debatin/Wassermeyer, Art. 12 Rz. 12, 116, 132.

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9.109

Kap. 9: Geistiges Eigentum im DBA-Recht

schließt die Anwendbarkeit der einen Norm die der anderen aus. Da jedoch die Beurteilung ihrer jeweiligen Anwendungsvoraussetzungen und die damit verbundene Abgrenzungsfrage zwischen der Überlassung und der endgültigen Übertragung immaterieller Wirtschaftsgüter nicht immer zweifelsfrei möglich ist, erscheint die Beantwortung der Frage, welche von beiden Normen zur Anwendung kommt, schwierig. Im Grunde entscheidet über diese Frage allein die rechtliche Beurteilung, ob es sich um eine zeitlich begrenzte Überlassung oder um eine endgültige Übertragung der Nutzungsrechte an dem immateriellen Wirtschaftsgut handelt. Liegt demnach eine Verwertung der Substanz der Vermögensposition und damit ein Wechsel der Eigentumsverhältnisse vor, so findet Art. 13 OECDMA, andernfalls bei einer zeitlich begrenzten Teilrechtsübertragung, bei welcher der Lizenzgeber auch wirtschaftlicher Eigentümer bleibt, Art. 12 OECD-MA Anwendung.1

9.110

Für die Verteilung der Besteuerungsrechte ist diese Abgrenzung i.d.R. von geringer Bedeutung. Denn beide Normen weisen das Besteuerungsrecht grundsätzlich dem Ansässigkeitsstaat des Lizenzgebers bzw. Veräußerers oder dem Betriebsstättenstaat zu, wenn der Betriebsstättenvorbehalt des Art. 12 Abs. 3 oder des Art. 13 Abs. 2 OECD-MA greift (Rz. 9.23 ff. sowie 9.94 ff.). Etwas anderes gilt natürlich dann, wenn dem Quellenstaat abweichend von dem OECD-MA ein Besteuerungsrecht an den Lizenzgebühren zugewiesen würde. In diesen Fällen ist die Aufteilung für die zutreffende Besteuerung unter Berücksichtigung des jeweiligen Abkommens entscheidend.

9.111

In zahlreichen Abkommen, wie sie beispielsweise Frankreich, Großbritannien, die Niederlande, Irland oder Luxemburg abschließen, werden die Veräußerungsgewinne und die Nutzungsüberlassung immaterieller Vermögenspositionen einheitlich in einem Artikel geregelt,2 so dass die für die Verteilung der Besteuerungsrechte notwendigen, aber durchaus schwierigen und nicht immer zweifelsfrei möglichen Abgrenzungen zwischen der Überlassung und Übertragung solcher Vermögenspositionen abkommensrechtlich zu keinen steuerlichen Konsequenzen führen können. ff) Art. 15 OECD-MA

9.112

Die Zahlung von Lizenzgebühren kann auch im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses erfolgen. Erhält ein Arbeitnehmer von seinem Arbeitgeber während seines Dienstverhältnisses für sog. Arbeitnehmererfindungen Lizenzzahlungen als Arbeitsentgelt, so unterfallen diese Einkünfte dem Anwendungsbereich des Art. 15 OECD-MA. Sie gelten damit nicht als Lizenzgebühren i.S. des Art. 12 OECD-MA, sondern als Einkünfte aus un1 Der OECD-MK nimmt zu dieser Frage nur im Zusammenhang mit der Know How Überlassung ausführlich Stellung, vgl. dazu bereits die Ausführungen unter Rz. 9.36 sowie Musterkommentar zum OECD-MA zu Art. 12, MK 19. 2 Vgl. von Pannwitz in Haase, AStG/DBA, Art. 12 Rz. 177.

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B. Relevante Einkunftsartikel

selbstständiger Arbeit.1 Nach Auffassung der deutschen Finanzverwaltung fallen unter Art. 15 OECD-MA auch die Vergütungen für Filmschauspieler.2 Nach Auffassung von Pöllath/Lohbeck gilt der Anwendungsvorrang des Art. 15 OECD-MA jedoch nur dann, wenn die Vergütungen ausschließlich während des laufenden Arbeitsverhältnisses gezahlt werden. Erfolgt eine Vergütung hingegen über die Vertragslaufzeit hinweg, so unterfallen alle – und damit auch die während des Arbeitsverhältnisses gezahlten – Lizenzgebühren der Regelung des Art. 12 OECD-MA.3

9.113

Im Regelfall erhält der Staat, in dem die unselbstständige Arbeit ausgeübt wird, das Besteuerungsrecht an den daraus erzielten Vergütungen. Ausnahmen von dieser allgemeinen Regelung gelten nur für Ruhegelder i.S. des Art. 18 OECD-MA, für Vergütungen und Ruhegelder im öffentlichen Dienst i.S. des Art. 19 OECD-MA sowie für Vergütungen von Mitgliedern von Aufsichtsräten. Unter bestimmten in Art. 15 Abs. 2 OECD-MA abschließend genannten Voraussetzungen erhält jedoch der Ansässigkeitsstaat das Besteuerungsrecht an den Einkünften aus unselbstständiger Arbeit. Diese Regelung dürfte jedoch nur ausnahmsweise auf die Vergütungen von Künstlern oder Sportlern Anwendung finden.

9.114

gg) Art. 17 OECD-MA Auch zwischen Art. 17 und Art. 12 OECD-MA besteht grundsätzlich kein Konkurrenzverhältnis. So erfasst Art. 17 OECD-MA als lex specialis gegenüber Art. 12 OECD-MA4 die Vergütungen, die ein in einem Vertragsstaat ansässiger Künstler oder Sportler für die im anderen Vertragsstaat persönlich ausgeübte Tätigkeit bezieht, hingegen Art. 12 OECD-MA jene Vergütungen, die ein Künstler oder Sportler für die Überlassung der in Art. 12 Abs. 2 OECD-MA genannten Rechte erhält. So dürften beispielsweise die Vergütungen für musikalische Darbietungen eines Künstlers sowie ggf. die Vergütungen für die Direktübertragungen im Rundfunk nach Art. 17 OECD-MA zu behandeln sein. Sollte die musikalische Darbietung hingegen aufgezeichnet werden und der Künstler aufgrund seines Urheberrechts an den Tonaufnahmen laut Vertrag Entgelte für den Verkauf und/oder das öffentliche Abspielen der CDs oder Schallplatten erhal1 Wassermeyer begründet diesen Vorrang durch den Verweis auf BMF v. 23.1.1996 – IV B 4 - S 2303 - 14/96, BStBl. I 1996, 89 Rz. 5.4 Buchst. c, das zur Frage der Abzugsteuer bei künstlerischen, sportlichen, artistischen oder ähnlichen Darbietungen gemäß § 50a Abs. 4 EStG ergangen ist. Nach diesem Schreiben werden die Zahlungen, die ein Filmschauspieler erhält, regelmäßig für seine künstlerische Tätigkeit gezahlt. 2 Vgl. BMF v. 23.1.1996 – IV B 4 - S 2303 -14/96, BStBl. I 1996, 89 Rz. 5.4 Buchst. c. Hingegen werden die Zahlungen an die Filmverleihgesellschaften als Gegenleistung für die Überlassung von Filmkopien für die Aufführung in Kinos als Lizenzgebühren behandelt. Vgl. Grützner in Gosch/Kroppen/Grotherr, Art. 12 Rz. 96. 3 Vgl. Pöllath/Lohbeck in Vogel/Lehner, DBA5, Art. 12 Rz. 10. 4 Vgl. Wassermeyer in Debatin/Wassermeyer, Art. 12 Rz. 14.

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9.115

Kap. 9: Geistiges Eigentum im DBA-Recht

ten, so dürften diese Vergütungen Lizenzgebühren i.S. des Art. 12 OECDMA sein.1 Solche liegen auch dann vor, wenn die Herstellung eines Tonträgers im Studio und damit ohne öffentlichen Auftritt erfolgt.2

9.116

Gleichwohl erscheint die Abgrenzung zwischen den beiden Vergütungen und die damit verbundene Frage der Anwendung von Art. 17 oder Art. 12 OECD-MA in der Praxis schwierig. Dies gilt vor allem dann, wenn die Vergütungen für die persönliche Tätigkeit und jene für die Verwertung der Ergebnisse der Tätigkeit des Künstlers oder Sportlers gemeinsam in einem gemischten Vertrag geregelt werden.3 Erfolgt auch die Zahlung der beiden Vergütungen einheitlich, so ist nach Auffassung der OECD eine Aufteilung des Entgelts notwendig.4 Die deutsche Finanzverwaltung behandelt in solchen Fällen ein Drittel des Entgelts als Vergütung für die persönliche Tätigkeit und die verbleibenden Zweidrittel als Lizenzgebühren i.S. des Art. 12 OECD-MA.5 Nach Auffassung der OECD ist jedoch die Anwendung eines anderen Aufteilungsmaßstabs nicht ausgeschlossen.6

9.117

Eine weitere Besonderheit gilt dann, wenn das Recht an der Tonaufnahme nicht dem Künstler gehört, sondern demjenigen, für den der Künstler seine Leistungen erbringt, oder einem Dritten. In diesen Fällen unterliegen die Einkünfte Art. 7 oder 17 OECD-MA und nicht Art. 12 OECDMA. Dies gilt wohl auch dann, wenn sich die Vergütung nach der Zahl der verkauften Platten bestimmt.7

9.118

Handelt es sich nach dem Gesagten um Einkünfte i.S. des Art. 17 OECD-MA und nicht um Lizenzgebühren i.S. des Art. 12 OECD-MA oder Unternehmensgewinne i.S. des Art. 7 OECD-MA, so erhält der Tätigkeitsstaat an diesen Einkünften das Besteuerungsrecht, und zwar unabhängig davon, ob es sich um eine selbstständig oder unselbstständig ausgeübte Tätigkeit handelt. hh) Art. 21 OECD-MA

9.119

Art. 21 OECD-MA erfasst alle anderen Einkünfte einer im anderen Vertragsstaat ansässigen Person, die in den vorstehenden Artikeln des Abkommens (Art. 6–20 OECD-MA) nicht behandelt wurden, und weist das Besteuerungsrecht ausschließlich dem Ansässigkeitsstaat der Person zu, welche die Einkünfte erzielt.8 Ausnahmen gelten nur für die in Art. 21 1 Vgl. Musterkommentar zum OECD-MA zu Art. 12, MK 18. Dieser Auffassung folgt auch die deutsche Finanzverwaltung, vgl. BMF v. 23.1.1996 – IV B 4 - S 2303 - 14/96, BStBl. I 1996, 89 Rz. 5.4 Buchst. a. 2 Vgl. Grützner in Gosch/Kroppen/Grotherr, Art. 12 Rz. 97. 3 Vgl. Grützner in Gosch/Kroppen/Grotherr, Art. 12 Rz. 17/1. 4 Vgl. Musterkommentar zum OECD-MA zu Art. 12, MK 18. 5 Vgl. BMF v. 23.1.1996 – IV B 4 - S 2303 - 14/96, BStBl. I 1996, 89 Rz. 5.4 Buchst. b. 6 Vgl. Grützner in Gosch/Kroppen/Grotherr, Art. 12 Rz. 97. 7 Vgl. Musterkommentar zum OECD-MA zu Art. 12, MK 18. 8 Damit sind die Rechtsfolgen der Art. 12 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 und Art. 21 Abs. 1 OECD-MA identisch.

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B. Relevante Einkunftsartikel

Abs. 2 OECD-MA genannten Einkünfte. Danach erhält der Quellenstaat grundsätzlich über Art. 7 OECD-MA das Besteuerungsrecht an den Einkünften, wenn die Person im anderen Staat eine Betriebsstätte hat, der die Einkünfte auch tatsächlich zuzurechnen sind. Dieser Betriebsstättenvorbehalt greift nicht für Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen i.S. des Art. 6 OECD-MA. Lizenzgebühren unterfallen damit immer dann dem Anwendungsbereich des Art. 21 OECD-MA, wenn es sich um Gegenleistungen für die Nutzungsüberlassung der in Art. 12 Abs. 2 OECD-MA genannten Art handelt, aber die weiteren Anwendungsvoraussetzungen des Art. 12 Abs. 1 OECD-MA nicht erfüllt sind. So unterfallen beispielsweise diejenigen Lizenzgebühren Art. 21 OECD-MA, die nicht aus dem Ansässigkeitsstaat des Lizenznehmers stammen, also aus Drittstaaten oder dem Ansässigkeitsstaat des Lizenzgebers, oder diejenigen, die an einen nicht nutzungsberechtigten Lizenzgeber, wie beispielsweise über Lizenzverwertungsgesellschaften, gezahlt werden. Da die Rechtsfolgen der Art. 12 und 21 OECD-MA im Grundsatz die Gleichen sind, weil grundsätzlich der Ansässigkeitsstaat des Zahlungsempfängers oder aufgrund des Betriebsstättenvorbehalts der Quellenstaat das Besteuerungsrecht an den Zahlungen erhält, erlangt die Abgrenzung zwischen Art. 21 und Art 12 OECD-MA kaum praktische Bedeutung. Dies gilt vor allem für die Frage, ob aus abkommensrechtlicher Sicht Lizenzgebühren i.S. des Art. 12 Abs. 2 OECD-MA vorliegen oder nicht. Denn auch die Zahlungen, die nicht als Lizenzgebühren qualifiziert werden, werden von der Auffangnorm des Art. 21 OECD-MA erfasst. Die Abgrenzung erlangt jedoch dann besondere Bedeutung, wenn das jeweilige DBA dem Quellenstaat nach Art. 12 Abs. 1 DBA ein Quellenbesteuerungsrecht zugesteht.1

9.120

b) Verhältnis zu Regelungen der EU Zu einer Kollision zwischen den Regelungen der EU und der Regelung des Art. 12 OECD-MA kommt es grundsätzlich nicht. Etwas anderes kann jedoch dann gelten, wenn die Regelung des jeweils anzuwendenden DBA über die Lizenzgebühren von der des Musterabkommens abweicht und dem Quellenstaat ein Besteuerungsrecht zuweist. Denn durch die Umsetzung der Richtlinie über eine gemeinsame Steuerregelung für Zahlungen von Zinsen und Lizenzgebühren zwischen verbundenen Unternehmen (sog. Zins- und Lizenzgebühren-Richtlinie)2 verschiedener Mitgliedsstaaten der Europäischen Union ins nationale Gesetz haben sich alle Mitgliedstaaten verpflichtet, in bestimmten Konstellationen auf eine Be1 Art. 21 OECD-MA wird ab Rz. 9.187 detailliert betrachtet. 2 RL 2003/49/EG v. 3.6.2003, ABl. EU v. 26.6.2003 Nr. L 157/49. Der persönliche Anwendungsbereich der RL wurde durch die RL v. 29.4.2004 – 2004/76/EG, Abl. EU v. 2.6.2004 L 195/33 auch auf die nach dem 1.5.2004 beigetretenen Mitgliedstaaten erweitert. Die Umsetzung dieser RL erfolgte durch das sog. EG-Amtshilfe-Anpassungsgesetz v. 2.12.2005, BGBl. I 2005, 3112. Vgl. Grützner in Gosch/ Kroppen/Grotherr, Art. 12 Rz. 21 und 22.

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9.121

Kap. 9: Geistiges Eigentum im DBA-Recht

steuerung als Quellenstaat zu verzichten. Die Umsetzung in nationales Gesetz erfolgte durch die Regelung des § 50g EStG.

9.122

Damit können die Staaten vom dem ihnen abkommensrechtlich zugesicherten Quellensteuerrecht keinen Gebrauch machen, wenn die Zahlung der Lizenzgebühren i.S. des Art. 2 Buchst. b der Richtlinie an eine in einem anderen Mitgliedsstaat ansässige Person erfolgt und es sich bei dem Zahlenden und dem Zahlungsempfänger um verbundene Unternehmen handelt, die beide eine in dem Anhang zur Richtlinie enthaltene, nach dem Recht eines Mitgliedstaates errichtete und dort auch ansässige Gesellschaft sind sowie eine Gesellschaft an der anderen Gesellschaft zu mindestens 25 % beteiligt ist. Dabei stimmen die Begriffe der Lizenzgebühren i.S. der Richtlinie und des Art. 12 Abs. 2 OECD-MA grundsätzlich überein. Darüber hinaus subsumiert die Richtlinie auch Vergütungen für die Überlassung von Software und Entgelte für die Benutzung oder das Recht auf Benutzung gewerblicher, kaufmännischer oder wissenschaftlicher Ausrüstungen, d.h. Mobilien Leasing, unter den Begriff der Lizenzgebühren.1

9.123

Das zwischen der EU und der Schweiz abgeschlossene Zinsbesteuerungsabkommen sieht eine der Zins- und Lizenzgebühren-Richtlinie vergleichbare Regelung vor. Gem. Art. 15 Abs. 2 des Zinsbesteuerungsabkommens unterliegen die Lizenzgebühren zwischen verbundenen Gesellschaften und ihren Betriebsstätten keiner Besteuerung im Quellenstaat. Für die Definition der Lizenzgebühren ist die in der Zins- und LizenzgebührenRichtlinie enthaltene Begriffsbestimmung maßgeblich, weil das Abkommen selbst keine Festlegung enthält, aber auf der Richtlinie basiert.2 4. Einschränkung des sachlichen Anwendungsbereichs (Art. 12 Abs. 4 OECD-MA)

9.124

Art. 12 Abs. 4 OECD-MA schränkt den sachlichen Anwendungsbereich der Norm über Lizenzgebühren ein. Danach findet Art. 12 OECD-MA, obwohl die Anwendungsvoraussetzungen der Art. 12 Abs. 1 und Abs. 2 OECD-MA erfüllt sind, nur Anwendung, soweit Abs. 4 dieser nicht entgegensteht. Deswegen ist der in Abs. 4 enthaltene Anwendungsvorbehalt für alle Lizenzgebühren i.S. des Art. 12 Abs. 2 OECD-MA zu überprüfen, die aus dem Ansässigkeitsstaat des Lizenznehmers stammen und der nutzungsberechtigte Lizenzgeber erzielt. Greift diese Norm, so findet Art. 12 OECD-MA entweder für die gesamten Lizenzgebühren oder für einen Teil des Lizenzentgelts keine Anwendung. Für die Verteilung der Besteuerungsrechte an diesen Einkünften ist dann eine andere Norm maßgeblich.

9.125

Art. 12 Abs. 4 OECD-MA kann grundsätzlich nur dann zur Anwendung kommen, wenn zwischen dem Schuldner und dem Gläubiger der Lizenz1 Vgl. Grützner in Gosch/Kroppen/Grotherr, Art. 12 Rz. 21. 2 Vgl. Pöllath/Lohbeck in Vogel/Lehner, DBA5, Art. 12 Rz. 14.

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B. Relevante Einkunftsartikel

zahlungen oder zwischen beiden und einem Dritten besondere Beziehungen bestehen. Zudem müssen diese besonderen Beziehungen Grund dafür sein, dass die gezahlten Lizenzgebühren von dem Betrag abweichen, den die Beteiligten, wie beispielsweise verbundene Unternehmen, ohne die zwischen ihnen bestehende Beziehung gezahlt hätten. Besondere Beziehungen bestehen ganz allgemein in wirtschaftsrechtlicher, persönlicher oder mitgliedschaftsrechtlicher Art1 zwischen sog. Interessensgemeinschaften, die beispielsweise aufgrund von verwandtschaftlichen oder gesellschaftsrechtlichen Beziehungen entstehen können und neben dem eigentlichen Rechtsverhältnis bestehen. Sie liegen damit insbesondere dann vor, wenn die Lizenzzahlungen an eine natürliche oder juristische Person gezahlt werden, die entweder selbst den Lizenzgeber beherrscht oder von diesem beherrscht wird oder aber in einem Abhängigkeitsverhältnis zu einem Konzern steht. Daher findet Art. 12 Abs. 4 OECD-MA vornehmlich auf sog. verbundene Unternehmen i.S. des Art. 9 OECD-MA,2 d.h. auf Mutter- und Tochtergesellschaften sowie Gesellschaften unter gemeinsamer Kontrolle, Anwendung.3

9.126

Zwischen den besonderen Beziehungen und der Höhe der gezahlten Lizenzgebühren muss des Weiteren ein Veranlassungszusammenhang bestehen, der sich in einer Ursachen-Wirkungsbeziehung ausdrückt. Er besteht, wenn ausschließlich die besonderen Beziehungen die Ursache dafür sind, dass die Lizenzzahlungen nicht denen entsprechen, die zwischen fremden Vertragsparteien entweder tatsächlich gezahlt worden sind oder theoretisch unter vergleichbaren wirtschaftlichen Bedingungen gezahlt worden wären. Sind für die Wirkung, d.h. die vom Vergleichswert abweichende Lizenzgebühren, andere Ursachen als die besonderen Beziehungen kausal, so z.B. wirtschaftliche Gründe wie unterschiedliche Absatzmärkte oder Zahlungskonditionen, so besteht der geforderte Veranlassungszusammenhang nicht.

9.127

Voraussetzung für das Abweichen der Höhe ist dabei, dass der Zahlungsschuldner die Lizenzgebühren in einer anderen Höhe geleistet hätte, wenn keine besonderen Beziehungen zwischen den Vertragsparteien bestehen würden. Dabei können die Lizenzgebühren der Höhe nach den Vergleichswert sowohl über- als auch untersteigen. Als Vergleichswert kommen in erster Linie markt- oder branchenübliche Gebühren in Betracht, die auf dem freien Markt unter vergleichbaren Umständen wie der Bekanntheit der Marke oder den Besonderheiten des jeweiligen Absatz-

9.128

1 Vgl. Wassermeyer in Debatin/Wassermeyer, Art. 12 Rz. 125. 2 Unter Berücksichtigung der innerstaatlichen Grundsätze liegen besondere Beziehungen stets dann vor, wenn es sich bei den Beteiligten um nahestehende Personen i.S. des § 1 AStG handelt. Die Grundsätze sind insoweit übertragbar (Wassermeyer in Debatin/Wassermeyer, Art. 12 Rz. 125). 3 Für diese Begriffsdefinitionen vgl. Musterkommentar zum OECD-MA zu Art. 12, MK 22–24 sowie zu Art. 9, MK 1. Für weitere Einzelheiten zu Art. 9 OECD-MA vgl. beispielsweise Eigelshoven in Vogel/Lehner, DBA5, Art. 9 oder Becker in Haase, AStG/DBA, Art. 9.

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Kap. 9: Geistiges Eigentum im DBA-Recht

marktes gezahlt werden.1 Dabei ist die Ermittlung des Vergleichswerts für die Lizenzierung von immateriellen Wirtschaftsgütern besonders problematisch, weil entweder die Höhen der zwischen unverbundenen Unternehmen gezahlten Lizenzgebühren nicht öffentlich bekannt und zugänglich sind oder die Vergleichbarkeit der Entgelte nicht durch Anpassungsrechnungen hergestellt werden kann oder aber zwischen unverbundenen Unternehmen vergleichbare vertragliche Beziehungen nicht bestehen. So besteht der Vorteil zahlreicher immaterieller Werte, wie von Erfindungen, gerade in ihrer Einmaligkeit,2 weswegen sie eben nicht Gegenstand mehrerer Patente oder von Verträgen zwischen unverbundenen Unternehmen sind. Daher verbleibt für die Ermittlung der gemessen an der zugrunde liegenden Leistung angemessenen Lizenzgebühr im Regelfall nur die Durchführung eines hypothetischen Fremdvergleichs, weil der tatsächliche Fremdvergleich (abkommensrechtlich auch als dealing at arm’s lengthGrundsatz bezeichnet) nur ausnahmsweise zur Anwendung kommen wird. Ergebnis des hypothetischen Fremdvergleichs soll jene Höhe der Lizenzgebühr sein, welche die Vertragsparteien vereinbart hätten, wenn zwischen ihnen keine besonderen Beziehungen bestehen würden. Weicht der so ermittelte Wert (bei verbundenen Unternehmen der sog. Verrechnungspreis) von der tatsächlich gezahlten Lizenzgebühr ab, so liegt jene Wirkung vor, die Art. 12 Abs. 4 OECD neben den besonderen Beziehungen und dem Veranlassungszusammenhang als Tatbestandsmerkmale voraussetzt.3

9.129

Liegen diese drei Bedingungen vor, so findet Art. 12 OECD-MA auf den Teil der Zahlung keine Anwendung, der von dem ermittelten Vergleichswert abweicht. Sollte der Fremdvergleich zu dem Ergebnis führen, dass fremde Dritte in einer vergleichbaren Situation keine Lizenzgebühren gezahlt hätten, so findet der Lizenzartikel gar keine Anwendung. Ansonsten betrifft der Anwendungsvorbehalt des Art. 12 Abs. 4 OECD-MA nur den unangemessenen Teil der Zahlung.

9.130

Übersteigt die Lizenzgebühr den Vergleichswert der Höhe nach, so ist der übersteigende Betrag genau zu quantifizieren und anschließend unter Beachtung der Umstände des Einzelfalls als Schenkung oder als Einnahme innerhalb einer Einkunftsart von dem jeweiligen Anwendestaat zu charakterisieren.4 Die Besteuerung des unangemessenen Teils der Zahlung kann nach Art. 12 Abs. 4 Satz 2 OECD-MA nach dem Recht eines jeden Staates und unter Berücksichtigung der Regelungen des Abkommens besteuert werden. Dies gilt natürlich nicht, wenn die Zahlung als Schen1 Vgl. Pöllath/Lohbeck in Vogel/Lehner, DBA5, Art. 12 Rz. 101. 2 Vgl. Wassermeyer in Debatin/Wassermeyer, Art. 12 Rz. 127. 3 Bei diesem Vergleichswert handelt es sich regelmäßig um einen sog. Verrechnungspreis. Für die Ermittlung der Verrechnungspreise bei immateriellen Wirtschaftsgütern vgl. Rz. 11.1 ff. sowie für die konzerninterne Verrechnung von Marken Rz. 11.202 ff. sowie ausführlich Brändel, Verrechnungspreise bei grenzüberschreitender Lizenzierung von Marken im Konzern, 2010. 4 Vgl. Wassermeyer in Debatin/Wassermeyer, Art. 12 Rz. 115.

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B. Relevante Einkunftsartikel

kung zu qualifizieren ist. Deutschland als Anwendestaat wird die Einkünfte regelmäßig als Unternehmensgewinne i.S. des Art. 7 OECD-MA und als Beteiligungserträge i.S. des Art. 10 OECD-MA charakterisieren, wenn nach nationalem Verständnis eine verdeckte Gewinnausschüttung vorliegt. Subsumieren die Anwendestaaten den übersteigenden Betrag der Zahlung nicht unter denselben Artikel, so kann für die Lösung eines solchen Qualifikationskonflikts die Einleitung eines Verständigungsverfahrens erforderlich sein.1 Das Gesagte gilt nach dem Rechtsgedanken des Art. 12 Abs. 4 OECD-MA auch dann, wenn die Lizenzgebühr der Höhe nach zwar den Vergleichswert unterschreitet, der Zahlungsgläubiger jedoch weitere Leistungen als Gegenleistung für die Nutzungsüberlassung erhält und der Gesamtwert der Gegenleistung den Vergleichswert überschreitet.2

9.131

Unterschreitet die Lizenzgebühr den Vergleichswert, so findet Art. 12 Abs. 1 und 3 OECD-MA uneingeschränkt Anwendung. Löst der jeweilige Sachverhalt eine Einkünftekorrektur nach den Grundsätzen einer verdeckten Gewinnausschüttung oder einer verdeckten Einlage aus, so findet Art. 12 OECD-MA auf den Korrekturbetrag trotzdem keine Anwendung. Dies gilt auch dann, wenn die Vertragsparteien unter Beachtung des Fremdvergleichsgrundsatzes eine höhere Lizenzgebühr verrechnen dürften als sie tatsächlich verrechnet haben. Der Korrekturbetrag ist entweder als Beteiligungsertrag oder als einlageähnlicher Vorgang zu beurteilen und nach dem Abkommen entsprechend zu behandeln.3 Dies gilt ungeachtet dessen, dass der Wortlaut des Art. 12 Abs. 4 OECD-MA ausschließlich auf den überhöhten Teil der Lizenzzahlungen abstellt.

9.132

5. Verteilung der Besteuerungsrechte a) Grundsätze Nach Art. 12 Abs. 1 OECD-MA steht das Besteuerungsrecht grundsätzlich nur dem Ansässigkeitsstaat des Nutzungsberechtigten zu, wenn die Lizenzgebühren aus einem Vertragsstaat stammen und deren Nutzungsberechtigter eine im anderen Vertragsstaat ansässige Person ist. Damit greift die vollständige Verteilungsnorm nicht, wenn keine Lizenzgebühr i.S. des Art. 12 Abs. 2 OECD-MA vorliegt, eine andere Person die Lizenzgebühr erhält oder ein sog. Dreieckssachverhalt vorliegt. Ein Besteuerungsrecht für den Quellenstaat, d.h. für den Ansässigkeitsstaat des Lizenznehmers, sieht das Musterabkommen nicht vor. Unterhält der nutzungsberechtigte Lizenzgeber in dem Ansässigkeitsstaat des Lizenznehmers eine Betriebsstätte, der das Nutzungsrecht tatsächlich zuzurechnen ist, so greift der Betriebsstättenvorbehalt des Art. 12 Abs. 3 OECD-MA. 1 Vgl. Musterkommentar zum OECD-MA zu Art. 12, MK 26. Das Verständigungsverfahren ist in Art. 25 OECD-MA geregelt. 2 Vgl. Wassermeyer in Debatin/Wassermeyer, Art. 12 Rz. 131. 3 Vgl. Wassermeyer in Debatin/Wassermeyer, Art. 12 Rz. 132.

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9.133

Kap. 9: Geistiges Eigentum im DBA-Recht

Durch diesen erhält der Betriebsstättenstaat das uneingeschränkte Besteuerungsrecht an den Lizenzgebühren. Sollten zwischen dem Nutzungsberechtigten und Lizenznehmer besondere Beziehungen bestehen, gilt das Vorgesagte nur für den angemessenen Teil der vereinbarten Lizenzgebühren. Der übersteigende Betrag unterfällt nach Art. 12 Abs. 4 OECD-MA nicht dem Anwendungsbereich des Art. 12 OECD-MA. b) Besteuerung im Ansässigkeitsstaates des Nutzungsberechtigten

9.134

Auf die Verteilung der Besteuerungsrechte findet Art 12 Abs. 1 OECD-MA nur dann Anwendung, wenn Lizenzgebühren i.S.d. Art. 12 Abs. 2 OECD-MA, die aus dem Ansässigkeitsstaat des Lizenznehmers stammen, an den im anderen Staat ansässigen nutzungsberechtigten Lizenzgeber gezahlt werden und der Betriebsstättenvorbehalt des Art. 12 Abs. 3 OECD-MA nicht greift. Zu diesen engen Voraussetzungen siehe bereits unter Rz. 9.47 ff.

9.135

Als Rechtsfolge sieht Art. 12 Abs. 1 OECD-MA ein ausschließliches Besteuerungsrecht des Ansässigkeitsstaates des nutzungsberechtigten Lizenzgebers vor. Damit erhält der Quellenstaat, d.h. der Ansässigkeitsstaat des Lizenznehmers, überhaupt kein Besteuerungsrecht an den Lizenzgebühren. Die vollständige Verteilungsnorm hindert den Quellenstaat an einer Besteuerung. Sie macht zugleich die Anwendung eines Methodenartikels (Art. 23A und Art. 23B OECD-MA) abkömmlich. Gleichzeitig enthält diese Norm jedoch auch keine Aussage darüber, inwieweit der Ansässigkeitsstaat des Lizenznehmers berechtigt ist oder nicht, einen Abzug der Besteuerungsgrundlagen bei der Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen des Lizenznehmers zu versagen.

9.136

Die Besteuerung erfolgt damit ohne Einschränkungen nach dem Steuerrecht des Anwendestaates, in dem der nutzungsberechtigte Lizenzgeber ansässig ist. Nach diesem bestimmen sich auch die Bemessungsgrundlage sowie der Besteuerungszeitpunkt der Lizenzgebühren.

9.137

Ist Deutschland der Ansässigkeitsstaat und erhält das Besteuerungsrecht an den Lizenzgebühren, so bildet nicht die Lizenzgebühr als Bruttogröße die steuerliche Bemessungsgrundlage, sondern die Einkünfte aus der Nutzungsüberlassung der in Art. 12 Abs. 2 OECD-MA genannten Lizenzgegenstände als Nettogröße. Die Besteuerung richtet sich nach den allgemeinen Regelungen für unbeschränkt Einkommen- oder Körperschaftsteuerpflichtige. Danach bestimmt sich der Besteuerungszeitpunkt in Abhängigkeit von der vorliegenden Einkunftsart entweder nach dem sog. Realisations- oder nach dem Zuflussprinzip. Werden die Lizenzgebühren im Rahmen eines Betriebs erwirtschaftet, für den der Gewinn durch Bestandsvergleich nach §§ 4 Abs. 1, 5 EStG zu ermitteln ist, so erfolgt die Besteuerung bereits bei Entstehung der Zahlungsforderung. Kommt hingegen nicht das Realisations-, sondern das Zuflussprinzip zur Anwendung, so unterliegen die Einkünfte aus der Lizenzierung erst bei Zahlung der Besteuerung im Inland. 550

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B. Relevante Einkunftsartikel

Nach Auffassung der OECD ist es im Einzelfall nicht auszuschließen, dass die Vertragsstaaten die Zuweisung des ausschließlichen Besteuerungsrechts davon abhängig machen, dass eine Besteuerung der Lizenzgebühren im Ansässigkeitsstaat des nutzungsberechtigten Lizenzgebers auch tatsächlich erfolgt.1

9.138

c) Besteuerung im Quellenstaat Die in dem Musterabkommen vorgesehene vollständige Verteilungsnorm des Art. 12 Abs. 1 OECD-MA2 gewährt dem Quellenstaat kein Besteuerungsrecht an der Quelle und hindert ihn an einer Besteuerung der Lizenzgebühren i.S. des Art. 12 Abs. 2 OECD-MA, wenn der Betriebsstättenvorbehalt nicht erfüllt ist.3 Die Regelung ist ausschließlich an den Ansässigkeitsstaat des nutzungsberechtigten Lizenzgebers adressiert, stellt dabei jedoch klar, dass dem Quellenstaat kein Besteuerungsrecht an den Lizenzgebühren zusteht. Gleichzeitig verbietet die Regelung des Art. 12 Abs. 1 OECD-MA es dem Quellenstaat jedoch nicht, einen Abzug der aus seinem Staat stammenden Lizenzgebühren von den nach seinem Recht zu ermittelnden Besteuerungsgrundlagen zu versagen.

9.139

Ungeachtet dessen nimmt Deutschland als Ansässigkeitsstaat des Lizenznehmers4 eine Besteuerung der Lizenzgebühren an der Quelle nach innerstaatlichem Recht gem. § 50a Abs. 1 Nr. 3 EStG vor, wenn der Lizenzgeber nach deutschem Steuerrecht beschränkt steuerpflichtig ist.5 Der Steuerabzug beträgt nach § 50a Abs. 2 Satz 1 EStG 15 % der gesamten Einnahmen,6 wobei eine Berücksichtigung der damit in wirtschaftlichem Zusammenhang stehenden Ausgaben nach § 50a Abs. 3 EStG ausdrücklich nicht möglich ist.7 Dabei erfolgt der Quellensteuerabzug ungeachtet

9.140

1 Vgl. Musterkommentar zum OECD-MA zu Art. 12, MK 6. 2 Davon abweichend sieht das UN-MA ein der Höhe nach beschränktes Besteuerungsrecht für den Quellenstaat vor, vgl. u.a. Pöllath/Lohbeck in Vogel/Lehner, DBA5, Art. 12 Rz. 16. 3 Ist der Betriebsstättenvorbehalt erfüllt, so steht dem Quellenstaat ein Besteuerungsrecht an den der Betriebsstätte zuzurechnenden Einkünften zu, weil Art. 12 Abs. 3 OECD-MA nur dann Anwendung findet, wenn die Betriebsstätte in dem Staat belegen ist, aus dem die Lizenzgebühren stammen, mithin aus dem Ansässigkeitsstaat des Lizenznehmers. 4 Nach den Anwendungsvoraussetzungen des Art. 12 OECD-MA ist Deutschland immer dann Quellenstaat, wenn der Lizenznehmer im Inland ansässig ist, weil dann die Lizenzgebühren aus Deutschland stammen, vgl. dazu bereits unter Rz. 9.71 ff. 5 Vgl. dazu bereits ausführlich unter Rz. 8.32 ff.. Die Steuerpflicht kann sich entweder aus § 49 Abs. 1 Nr. 2, 3, 6 oder 9 EStG ergeben. 6 Zu den Einnahmen zählt auch die gezahlte Umsatzsteuer, vgl. FinMin NRW v. 10.7.1968 – 2305 - 5 - VB 1, zitiert bei Pöllath/Lohbeck in Vogel/Lehner, DBA5, Art. 12 Rz. 30. Nur in dem DBA-Kanada ist ausdrücklich vereinbart, dass die Umsatzsteuer nicht dem Quellensteuerabzug unterliegt. 7 Dies ist europarechtlich durchaus problematisch. Nach Auffassung des BFH ist die sog. Gerritse-Entscheidung des EuGH v. 12.6.2003 – C-234/01 (BStBl. II 2003, 859) auch auf den Steuerabzug bei Lizenzgebühren anwendbar (vgl. BFH v. 28.1.

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Kap. 9: Geistiges Eigentum im DBA-Recht

der Regelungen des jeweiligen Abkommens, d.h. auch dann, wenn Deutschland als Ansässigkeitsstaat des Lizenznehmers nach der ausschließlichen Verteilungsnorm überhaupt kein Quellenbesteuerungsrecht zusteht. § 50d Abs. 1 Satz 1 EStG stellt dies ausdrücklich klar. Danach ist der Steuerabzug nach § 50a EStG ungeachtet der Regelungen des anzuwendenden DBA vorzunehmen.1 Als Gegenleistung erhält der nutzungsberechtigte Lizenznehmer nach § 50d Abs. 1 Satz 2 EStG für die unter Berücksichtigung des Abkommens zu Unrecht einbehaltenen Steuern einen Vergütungsanspruch. Die Erstattung der Quellensteuer erfolgt dabei entweder auf Grundlage eines Freistellungsbescheids oder eines Antrags, der beim zuständigen Bundeszentralamt für Steuern zu stellen ist. Liegen jedoch die Anwendungsvoraussetzungen des § 50d Abs. 3 EStG vor, so hat die ausländische Gesellschaft keinen Anspruch auf Erstattung der Quellensteuern.2

9.141

Ein Besteuerungsrecht steht dem Quellenstaat nach dem OECD-MA grundsätzlich nur dann zu, wenn der Betriebsstättenvorbehalt des Art. 12 Abs. 3 OECD-MA erfüllt ist.3 Ansonsten ist eine abkommenskonforme Besteuerung der Lizenzgebühren im Quellenstaat nur möglich, wenn das jeweils anzuwendende DBA in dieser Hinsicht von dem Musterabkommen abweicht und dem Quellenstaat ein Besteuerungsrecht an den Zahlungen zuweist. Zahlreiche von Deutschland oder von Kanada, Australien, Japan, Korea, Spanien und der Türkei abgeschlossene DBA enthalten eine solche Klausel.4 Danach kann der Quellenstaat, in dem der Lizenznehmer ansässig ist, eine Besteuerung der an den in dem anderen Staat ansässigen nutzungsberechtigten Lizenzgeber gezahlten Lizenzgebühren vornehmen. Die meisten DBA begrenzen das Quellenbesteuerungsrecht der Höhe nach auf einen bestimmten Prozentsatz. So sehen die meisten von Deutschland abgeschlossenen DBA beispielsweise einen Satz von 10 % als Quellensteuer vor. Erhält der Quellenstaat ein Besteue-

1

2 3 4

2004 – I R 73/02, BStBl. II 2005, 550). Danach soll eine Übermaßbesteuerung durch Abzug der Ausgaben verhindert werden. Dies kann der Steuerpflichtige für andere Einkünfte, die dem Steuerabzug unterliegen, nach § 50a Abs. 3 EStG beantragen. In diesen Fällen erhöht sich der Steuersatz bei natürlichen Personen auf 30 %. Durch diese Vorgehensweise erkennt Deutschland letztlich das Verbot einer Quellenbesteuerung an, wenn nicht § 50d Abs. 3 EStG einer Erstattung der Quellensteuer entgegenstehen sollte. Zwar verbiete das Abkommen die Erhebung einer Quellensteuer, es lässt jedoch offen, ob bereits der Steuerabzug rechtswidrig oder ob als Folge des Art. 12 OECD-MA die Quellensteuer zu erstatten sei. Vgl. dazu Wassermeyer in Debatin/Wassermeyer, Art. 12 Rz. 3 unter Hinweis u.a. auf BFH v. 24.11.1967 – VI B 55/67, BFHE 90, 297; v. 22.10.1986 – I R 261/82, BStBl. II 1987, 171 sowie v. 20.7.1988 – I R 61/85, BStBl. II 1989, 99. Zu den Voraussetzungen und Rechtsfolgen, vgl. Rz. 9.144. Siehe dazu unter Rz. 9.93 ff. Vgl. dazu Pöllath/Lohbeck in Vogel/Lehner, DBA5, Art. 12 Rz. 29. An der genannten Stelle findet sich auch eine Übersicht über die Höhe der vereinbarten Quellensteuersätze. So beträgt der Quellensteuersatz nach dem DBA mit Australien 10 %, der im DBA mit Bulgarien 5 % und der im DBA mit USA beispielsweise 0 %.

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B. Relevante Einkunftsartikel

rungsrecht, so handelt es sich bei dem Artikel über Lizenzgebühren um eine unvollständige Verteilungsnorm. Für die Vermeidung der Doppelbesteuerung sind die Methodenartikel anzuwenden. Sie werden regelmäßig den Ansässigkeitsstaat des Lizenzgebers zur Anrechnung der im anderen Staat erhobenen Quellensteuer verpflichten, soweit diese in Übereinstimmung mit dem Abkommen tatsächlich erhoben wurde. Die Besteuerung erfolgt nach den gesetzlichen Regelungen des Quellenstaates, in dem der nutzungsberechtigte Lizenzgeber i.d.R. mit seinen Einkünften aus der Lizenzierung beschränkt steuerpflichtig ist. Besteuerungsgrundlage sind dabei regelmäßig die Lizenzgebühren als Bruttogröße, nicht hingegen die Einnahmen abzüglich der damit in wirtschaftlichem Zusammenhang stehenden Ausgaben.

9.142

Stammen die Lizenzzahlungen aus Deutschland, weil der Lizenznehmer im Inland unbeschränkt steuerpflichtig und damit abkommensrechtlich in Deutschland ansässig ist, so erfolgt die Besteuerung der Lizenzgebühren nach den innerstaatlichen Regelungen zur beschränkten Steuerpflicht. Der im Inland nicht ansässige nutzungsberechtigte Lizenzgeber ist mit seinen inländischen Einkünften nach § 1 Abs. 4 EStG bzw. §§ 2 i.V.m. § 8 Abs. 1 KStG i.V.m. § 49 EStG beschränkt steuerpflichtig. Die Besteuerung erfolgt ohne Veranlagung durch einen Steuerabzug von 15 % von den Lizenzgebühren,1 d.h. ohne Berücksichtigung der damit in wirtschaftlichem Zusammenhang stehenden Ausgaben,2 und hat abgeltende Wirkung. Dabei erfolgt der Steuerabzug ungeachtet der Regelungen des DBA und eines darin ggf. der Höhe nach beschränkten Quellenbesteuerungsrechts. Als Ausgleich erhält der Lizenzgeber einen Erstattungsanspruch, den er durch Vorlage eines Freistellungsbescheids3 oder durch Antrag bei dem zuständigen Bundeszentralamt für Steuern geltend machen kann.4 Ebenfalls unbeachtet bleibt die Regelung des § 50g EStG. Danach ist Deutschland als Quellenstaat verpflichtet, die Quellensteuer auf 0 % zu reduzieren, wenn die Voraussetzungen der sog. Zins- und Lizenzgebühren-Richtlinie5 erfüllt sind. Die Voraussetzungen sind erfüllt, wenn

9.143

1 Voraussetzung dafür ist es natürlich, dass es sich bei den abkommensrechtlichen Lizenzgebühren auch um Lizenzgebühren i.S. des § 50a Abs. 1 Nr. 3 EStG handelt. 2 Etwas anderes gilt nach § 50 Abs. 2 Satz 2 EStG für die Einkünfte eines inländischen Betriebs, d.h. wenn der Lizenzgeber im Inland eine Betriebsstätte unterhält. Dieser Sachverhalt wird unter Rz. 9.145 betrachtet. 3 Das Freistellungsverfahren ist in § 50d Abs. 2 EStG geregelt. Danach kann der Schuldner der Vergütung von dem Einbehalt der Quellensteuer absehen, wenn der Gläubiger ihm eine Freistellungsbescheinigung vorlegt, die er zuvor beim zuständigen Bundeszentralamt für Steuern auf Antrag erhalten hat. 4 Alternativ kann auch das Kontrollmeldeverfahren nach § 50d Abs. 5 EStG genutzt werden. Durch dieses wird der Schuldner der Vergütungen unter den dort genannten Bedingungen von der Verpflichtung zum Einbehalt der Quellensteuer befreit. Dafür muss der Lizenznehmer einen Antrag beim zuständigen Bundeszentralamt für Steuern stellen. 5 Vgl. zu dieser Regelung bereits die Darstellung unter Rz. 9.121.

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Kap. 9: Geistiges Eigentum im DBA-Recht

die Lizenzgebühren von einem Unternehmen der Bundesrepublik Deutschland oder einer dort gelegenen Betriebsstätte eines Unternehmens eines anderen Mitgliedstaates der Europäischen Union als Schuldner an ein Unternehmen eines anderen Mitgliedstaates der Europäischen Union oder an eine in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union gelegene Betriebsstätte eines Unternehmens eines Mitgliedstaates der Europäischen Union als Gläubiger1 gezahlt werden und der Gläubiger der Lizenzgebühren ein mit dem Schuldner der Vergütungen verbundenes Unternehmen2 ist. Auch wenn diese Voraussetzungen erfüllt sind, nimmt Deutschland ungeachtet der Verpflichtung, die Quellensteuer auf null zu reduzieren, als Quellenstaat einen Steuerabzug nach § 50a EStG vor und gewährt dem Lizenzgeber als Ausgleich einen Erstattungsanspruch.

9.144

Beide in § 50d Abs. 1 Satz 2 EStG festgeschriebenen Erstattungsansprüche sollen dem Lizenzgeber jedoch nicht zustehen, wenn die Voraussetzungen des § 50d Abs. 3 EStG erfüllt sind. Die Regelung dient der Missbrauchsvermeidung, der nach dem Wortlaut des Gesetzes dann vorliegt, wenn an einer Gesellschaft Personen beteiligt sind, denen der Erstattungsanspruch nach § 50d Abs. 1 EStG nicht zustände, wenn sie die Zahlungen direkt von dem Zahlungsschuldner erhalten würden (sog. treaty shopping, Rz. 9.199, oder directive-shopping3) und es entweder für die Zwischenschaltung der Gesellschaft keine wirtschaftlichen oder sonst beachtlichen Gründe gibt oder die ausländische Gesellschaft nicht mehr als 10 % ihrer gesamten Bruttoerträge des jeweiligen Wirtschaftsjahres aus eigener Wirtschaftstätigkeit erzielt oder diese Gesellschaft mit keinem für ihren Geschäftszweck angemessen eingerichteten Geschäftsbetrieb am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr teilnimmt. Ein solcher Missbrauch wäre beispielsweise dann gegeben, wenn der nutzungsberechtigte 1 Der Ausdruck „Unternehmen eines Vertragsstaates“ bedeutet nach § 50g Abs. 3 Nr. 5 Buchst. a EStG jedes Unternehmen, das eine der in Anlage 3 Nr. 1 zum EStG aufgeführten Rechtsformen aufweist und nach dem Steuerrecht eines Mitgliedstaates in diesem Mitgliedstaat ansässig ist und nicht nach einem zwischen dem betreffenden Staat und einem Staat außerhalb der Europäischen Union geschlossenen DBA von Einkünften für steuerliche Zwecke als außerhalb der Gemeinschaft ansässig gilt und einer der in Anlage 2 Nr. 2 zum EStG aufgeführten Steuern unterliegt und nicht von ihr befreit ist. 2 „Verbundenes Unternehmen“ ist gem. § 50d Abs. 3 Nr. 5 Buchst. b EStG jedes Unternehmen, das dadurch mit einem zweiten Unternehmen verbunden ist, dass das erste Unternehmen unmittelbar mindestens zu 25 Prozent an dem Kapital des zweiten Unternehmens beteiligt ist oder das zweite Unternehmen unmittelbar mindestens zu 25 Prozent an dem Kapital des ersten Unternehmens beteiligt ist oder ein drittes Unternehmen unmittelbar mindestens zu 25 Prozent an dem Kapital des ersten Unternehmens und dem Kapital des zweiten Unternehmens beteiligt ist. Dabei dürfen für die Anwendung des § 50g EStG die Beteiligungen nur zwischen Unternehmen bestehen, die in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union ansässig sind. 3 Beim directive-shopping steht nicht die Ausnutzung eines Abkommens, sondern die der Mutter-Tochter-Richtlinie im Vordergrund, durch deren Anwendung eine Reduzierung der Quellensteuer herbeigeführt werden soll. Vgl. Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 16.160.

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B. Relevante Einkunftsartikel

Lizenzgeber in einem Staat ansässig ist, mit dem Deutschland ein dem OECD-MA vergleichbares DBA abgeschlossen hat, in welchem dem Quellensteuerstaat Deutschland kein Besteuerungsrecht zukäme, jedoch der an dem Lizenzgeber beteiligte Gesellschafter in einem Nicht-DBAStaat oder einem anderen Land ansässig ist, dessen mit Deutschland abgeschlossenes DBA einen Quellensteuersatz von 10 % vorsieht. Denn würde der Gesellschafter selbst die Lizenz erteilen, käme er nicht in den Genuss einer Erstattung der Quellensteuer in voller Höhe. Dies gilt allerdings nur, wenn für die Zwischenschaltung keine wirtschaftlichen oder sonst beachtlichen Gründe bestünden.1 Dabei soll diese Regelung nach Auffassung der deutschen Finanzverwaltung nur dann nicht zur Anwendung kommen, wenn das jeweilige Abkommen eine abschließende Regelung über die Nichtanwendung weiterer Missbrauchsvermeidungsvorschriften enthält. Der BFH2 hingegen vertritt die Auffassung, dass diese Norm keine Anwendung findet, wenn das Abkommen selbst ausdrücklich Anti-Missbrauchsregelungen oder einschränkende Sonderregelungen enthält und Missbrauchsfälle abschließend erfassen soll (z.B. Art. 28 DBA-USA; Art. 23 DBA-Schweiz).3 d) Besteuerung im Betriebsstättenstaat Der Quellenstaat erhält ein vollständiges Besteuerungsrecht für die Lizenzgebühren i.S. des Art. 12 Abs. 2 OECD-MA, wenn der Betriebsstättenvorbehalt des Art. 12 Abs. 3 OECD-MA erfüllt ist. Die aus dem Ansässigkeitsstaat des Lizenznehmers stammenden Lizenzgebühren dürfen danach nicht in dem Ansässigkeitsstaat des Lizenzgebers besteuert werden. Der Betriebsstättenvorbehalt verhindert damit die Anwendung des Art. 12 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 OECD-MA, obwohl seine Anwendungsvoraussetzungen erfüllt sind. Gleichwohl setzt auch der Betriebsstättenvorbehalt des Art. 12 Abs. 3 OECD-MA voraus, dass die genannten Voraussetzungen des Art. 12 Abs. 1 und 2 OECD-MA erfüllt sind und die Forderung über die Lizenzgebühren darüber hinaus auch tatsächlich dieser Betriebsstätte zuzurechnen ist (Rz. 9.99 ff.). Als Betriebsstättenstaat kommt deswegen ausschließlich der Ansässigkeitsstaat des Lizenznehmers in Betracht, aus dem die Lizenzgebühren stammen. Nur dieser Staat kann der „andere Staat“ i.S. des Betriebsstättenvorbehalts sein.4 1 In dem Musterkommentar zum OECD-MA stellt die OECD es ebenfalls in Frage, ob es gerechtfertigt ist, solchen Basis- oder privaten Kapitalanlagegesellschaften eine Quellensteuerreduktion auf Null zu gewähren. Sie stellt es den Vertragsstaaten dabei frei, entsprechende Regelungen in das jeweilige Abkommen aufzunehmen (vgl. Musterkommentar zum OECD-MA zu Art. 12, MK 7). Damit würde der Missbrauch bereits auf Abkommensebene verhindert. 2 So beispielsweise entschieden mit BFH v. 19.12.2007 – I R 21/07, BStBl. II 2008, 619 zum DBA Deutschland-Schweiz. 3 Vgl. Wagner in Blümich, § 50d EStG Rz. 56. 4 In ihrem Musterkommentar zum Art. 12 OECD-MA stellt die OECD ausdrücklich klar, dass eine Anwendung des Art. 12 OECD-MA auch dann nicht in Betracht kommt, wenn die Lizenzgebühren aus einem Staat stammen und der Be-

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9.145

Kap. 9: Geistiges Eigentum im DBA-Recht

9.146

Bei diesen Lizenzgebühren handelt es sich um Unternehmensgewinne i.S. des Art. 7 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 OECD-MA, die grundsätzlich nur in dem Staat besteuert werden dürfen, in dem das Unternehmen betrieben wird. Dies ist prinzipiell der Ansässigkeitsstaat des Lizenzgebers. Etwas anderes gilt, wenn dieser in dem anderen Staat eine Betriebsstätte unterhält. Denn diese Einkünfte dürfen nach Art. 7 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 OECD-MA in dem anderen Staat besteuert werden, in dem die Betriebsstätte belegen ist. Nach Art. 7 Abs. 7 OECD-MA greift diese allgemeine Regelung jedoch nicht für die Lizenzgebühren, die auch Unternehmensgewinne sind, weil diese in einer Spezialnorm des Abkommens geregelt werden, die wie vorliegend im Fall ihrer Anwendbarkeit der allgemeinen Regel vorgeht. Der Anwendungsvorrang des Art. 12 Abs. 1 und 2 OECD-MA endet jedoch dann, wenn der in der Spezialnorm enthaltene Betriebsstättenvorbehalt greift und die allgemeine Regelung des Art. 7 OECD-MA wieder für anwendbar erklärt.

9.147

Die Besteuerung der Lizenzgebühren, die zugleich als Unternehmensgewinne dem Betriebsstättenvorbehalt des Art. 12 Abs. 3 OECD-MA unterliegen, richtet sich also nach der Regelung des Art. 7 OECD-MA. Der Betriebsstättenstaat wird die Lizenzgebühren damit als Teil des Betriebsstättengewinns als Nettogröße besteuern, die sich aus der Differenz der Lizenzgebühren und der damit in wirtschaftlichem Zusammenhang stehenden Ausgaben ergibt.

9.148

Deutschland als Betriebsstättenstaat nimmt von Lizenzgebühren im Rahmen der beschränkten Steuerpflicht des Lizenzgebers einen Steuerabzug von 15 % auf die Lizenzgebühren vor, der allerdings keine abgeltende Wirkung entfaltet. Da es sich bei diesen Einkünften um Einkünfte eines inländischen Betriebs handelt, weil im Inland zumindest eine Betriebsstätte belegen ist, erfolgt die Besteuerung nicht im Wege des Steuerabzugs, sondern im Wege der Veranlagung durch das zuständige Betriebsstättenfinanzamt. Dadurch werden nicht die gesamten Lizenzgebühren besteuert, sondern nur die Einnahmen abzüglich der damit verbundenen Ausgaben. Der Steuersatz bestimmt sich nach der allgemeinen Regelung des § 32a EStG, wobei die Einkünfte der beschränkt Steuerpflichtigen um den Grundfreibetrag des § 32a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 EStG zu erhöhen sind. Danach kommt der progressive Steuersatz zur Anwendung. Auf die danach zu erhebende tarifliche Einkommensteuer ist der Steuerabzug anzurechnen.

9.149

Deutschland als Ansässigkeitsstaat des Lizenzgebers erhält nach Art. 12 Abs. 3 i.V.m. Art. 7 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 OECD-MA kein Besteuerungsrecht an den Gewinnen, wenn diese der im anderen Staat belegenen Betriebsstätte tatsächlich zuzurechnen sind. Gleichwohl wendet Deutschland i.d.R. die Verteilungsnorm des Art. 23A oder 23B OECD-MA an, wonach es eine Freistellung der Einkünfte nur dann vornimmt, wenn der ggf. triebsstätte eines in diesem Staat ansässigen Unternehmens in einem anderen Staat zuzurechnen sind, Musterkommentar zum OECD-MA zu Art. 12, MK 5.

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B. Relevante Einkunftsartikel

in dem Abkommen enthaltene Aktivitätsvorbehalt erfüllt ist, oder nur dann gewährt, wenn der Betriebsstättenstaat die Lizenzgebühren tatsächlich besteuert. Andernfalls nimmt Deutschland einen switch over zur Anrechnungsmethode vor und besteuert die Einkünfte im Rahmen der unbeschränkten Steuerpflicht des Lizenzgebers unter Anrechnung der im Ausland tatsächlich gezahlten Steuer.1 Ebenfalls gängige Abkommenspraxis ist die Vermeidung der Doppelbesteuerung durch Freistellung der Einkünfte im Ansässigkeitsstaat, allerdings nur unter Progressionsvorbehalt. Dabei bezieht Deutschland die nach einem DBA von der inländischen Bemessungsgrundlage freizustellenden Einkünfte auch dann in die Ermittlung des besonderen Steuersatzes2 ein, wenn das jeweilige Abkommen keine Regelung über den Progressionsvorbehalt vorsieht. Als Legitimation dient § 32b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EStG. Seine Anwendung ist nur dann ausgeschlossen, wenn § 32b Abs. 1 Satz 2 EStG greift3 oder das Abkommen seine Anwendung ausdrücklich ausschließt.4 e) Besteuerungsrecht bei Einsatz von Mittelspersonen Die Verwendung des Begriffs „Nutzungsberechtigter“ (Rz. 9.67) soll die Anwendung des Art. 12 Abs. 1 OECD-MA beim Einsatz sog. Mittelspersonen verhindern und vermeiden, dass der Quellenstaat beispielsweise zugunsten einer privaten Kapitalanlage-, Briefkasten- oder Basisgesellschaft (Rz. 1.197) auf sein Besteuerungsrecht verzichtet. Diese Vorgehensweise soll es also ermöglichen, dass der Quellenstaat nur gegenüber demjenigen Staat auf sein Besteuerungsrecht verzichtet, in dem der Lizenzgeber seine mit der Entstehung des Rechts oder der Vermögensposition verbundenen Forschungs- und Entwicklungskosten auch steuerwirksam geltend gemacht hat. Die Verteilung der Besteuerungsrechte richtet sich dann nach den anderen Artikeln des Abkommens, vor allem aber nach Art. 7 und Art. 21 OECD-MA.

9.150

Die Verwendung des Begriffs des „Nutzungsberechtigten“ kann jedoch dann keinen Missbrauch in diesem Sinne vermeiden, wenn der Zahlungs-

9.151

1 Die Anrechnung erfolgt nach § 34c EStG. 2 Der besondere Steuersatz ergibt sich, indem der Steuersatz berechnet wird, der sich für die gesamten Einkünfte des Steuerpflichtigen ergäbe. In seine Ermittlung werden also auch die nach einem DBA im Inland steuerfreien Einkünfte einbezogen. Anwendung findet er dann allerdings nur auf die im Inland steuerpflichtigen Einkünfte. 3 Diese Regelung erfasst eine Vielzahl von Einkünften, die innerhalb der europäischen Union oder des Europäischen Wirtschaftsraums (jene aus Norwegen, Island, allerdings in diesem Fall nicht jene aus Liechtenstein) erzielt werden. Im Regelfall sollen damit nur noch die sog. Drittstaateneinkünfte dem Progressionsvorbehalt unterliegen. 4 Nach Rechtsprechung des BFH findet der Progressionsvorbehalt auch dann nach § 32b EStG Anwendung, wenn er nicht in dem Abkommen vereinbart worden ist. Etwas anderes gilt nur dann, wenn seine Anwendung in dem Abkommen ausdrücklich ausgeschlossen worden ist. Vgl. dazu Heinicke in Schmidt30, § 32b EStG Rz. 33 u.a. unter Hinweis auf BFH v. 10.12.2008 – I B 60/08, BFH/NV 2009, 769.

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Kap. 9: Geistiges Eigentum im DBA-Recht

empfänger der Lizenzgebühren nutzungsberechtigt i.S. des Abkommens ist. In diesen Fällen findet Art. 12 Abs. 1 OECD-MA also Anwendung. Deswegen hat sich die OECD in ihrem Musterabkommen explizit dafür ausgesprochen, dass es in Einzelfällen durchaus gerechtfertigt sein kann, bestimmten Gesellschaften keine Quellensteuerreduktion auf 0 % zu gewähren. Als Beispiel nennt sie private Kapitalanlagegesellschaften und Basisgesellschaften, deren Kapital in anderen Staaten ansässigen Gesellschaften gehört, sie selbst jedoch keine Gewinne ausschüttet und steuerliche Begünstigungen erhält.1 f) Besteuerungsrecht in Dreieckssachverhalten

9.152

Dreieckssachverhalte liegen nur dann vor, wenn neben dem Ansässigkeitsstaat des Lizenznehmers und dem des Lizenzgebers ein weiterer Staat in die Besteuerung der Lizenzgebühren involviert ist. Derartige Sachverhalte können sich nur dann einstellen, wenn die Lizenzgebühren nicht aus dem Ansässigkeitsstaat des Lizenznehmers stammen (Fallgruppe 1) oder aber der Lizenznehmer in mehreren Staaten ansässig (Fallgruppe 2) ist. Sollten die Lizenzgebühren beispielsweise einer im anderen Staat belegenen Betriebsstätte des im selben Land wie der Lizenznehmer ansässigen Lizenzgebers zuzurechnen sein, so findet Art. 12 OECD-MA keine Anwendung, weil dann seine engen Anwendungsvoraussetzungen nicht erfüllt sind.

9.153

Ein Sachverhalt der Fallgruppe 1 ist nach dem OECD-MA nur dann denkbar, wenn für die Anwendung des Art. 12 Abs. 1 OECD-MA nicht nur Art. 11 Abs. 5 Satz 1 OECD-MA, sondern auch sein Satz 2 für entsprechend anwendbar erklärt wird. Danach könnten die Lizenzgebühren auch aus dem Betriebsstättenstaat und nicht nur aus dem Ansässigkeitsstaat des Lizenznehmers stammen. Diese Auffassung ist wie bereits dargestellt durchaus vertretbar, wobei nach dem Musterabkommen vieles für ihre Ablehnung spricht (Rz. 9.67 ff.). Folgender Dreieckssachverhalt ist dann vorstellbar: Der im Staat A ansässige Lizenzgeber überlässt dem im Land B ansässigen Lizenznehmer ein Recht zur Nutzung, das dieser in seiner im Land C belegenen Betriebsstätte verwertet. Wird auf diesen Sachverhalt die Regelung des Art. 11 Abs. 5 OECD-MA analog angewendet, so stammen die Lizenzgebühren nach Satz 1 aus dem Ansässigkeitsstaat des Lizenznehmers (Land B) sowie nach Satz 2 aus dem Betriebsstättenstaat (Land C). Das Besteuerungsrecht erhält nach Art. 12 Abs. 1 OECD-MA weiterhin der Ansässigkeitsstaat des Lizenzgebers, für den sich die Frage stellt, ob er – sofern die jeweiligen DBA dem Quellenstaat ein Besteuerungsrecht zugestehen – die ggf. in beiden Staaten erhobenen Steuern anrechnen muss. Davon ist wohl auszugehen, wenn die Voraussetzungen für eine Anwendung des § 34c Abs. 6 i.V.m. Abs. 1–5 EStG erfüllt sind.2 Stammen die Lizenzgebühren nach Ansicht der jeweiligen Anwendestaa1 Vgl. Musterkommentar zum OECD-MA zu Art. 12, MK 7. 2 Vgl. Wassermeyer in Debatin/Wassermeyer, Art. 12 Rz. 138 ff.

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B. Relevante Einkunftsartikel

ten aus unterschiedlichen Staaten, so können sich voneinander abweichende Steuerfolgen einstellen. Diese ergeben sich aus den anzuwendenden DBA und den darin enthaltenen Regelungen beispielsweise über die Quellensteuerbefugnis, die Höhe der Quellensteuer, oder die Herkunft der Lizenzgebühren. Verneint man diese Auffassung, so stammen die Lizenzgebühren grundsätzlich aus dem Staat, in dem der Lizenznehmer ansässig ist. Ist dieser in mehreren Staaten ansässig, so liegt ein Sachverhalt der Fallgruppe 2 vor. Da in diesem Fall unterschiedliche DBA zur Anwendung kommen, wird die Doppelansässigkeit nicht zugunsten eines Staates über Art. 4 Abs. 2 OECD-MA aufgelöst, so dass die Lizenzgebühren aus Sicht beider anzuwendender Abkommen jeweils aus dem Ansässigkeitsstaat des Lizenznehmers (also Land A sowie Land B) stammen. Sollten diese Abkommen dem Quellenstaat ein Besteuerungsrecht gewähren, so hat der Ansässigkeitsstaat des Lizenzgebers beide Quellensteuern im Rahmen der Anrechnung der ausländischen Steuer zu berücksichtigen.1

9.154

6. Hinweise zur deutschen Abkommenspraxis Mehr als die Hälfte2 der von Deutschland abgeschlossenen DBA gewähren dem Quellenstaat ein der Höhe nach begrenztes Besteuerungsrecht. Dabei liegen die vereinbarten Steuersätze zwischen 3 und 10 %, in einigen Abkommen variiert die Höhe des Steuersatzes nach der Art des Lizenzgegenstands.3 Andere Abkommen wie die mit Israel, Kanada, Trinidad und Tobago sowie Zypern sehen nur für einige Arten von Lizenzgebühren eine Quellensteuer vor.4

9.155

Mit der Gewährung eines Besteuerungsrechts zugunsten des Quellenstaates eng verbunden sind die Fragen nach der Herkunft der Lizenzgebühren sowie der Bemessungsgrundlage für den Steuerabzug. Diese entspricht i.d.R. einem Bruttobetrag,5 der nach Auffassung Deutschlands auch die in

9.156

1 Vgl. Wassermeyer in Debatin/Wassermeyer, Art. 12 Rz. 142 ff. 2 Kein Quellenbesteuerungsrecht enthalten die DBA mit Belgien, Dänemark, Frankreich, Griechenland, Großbritannien, Irland, Malta, den Niederlanden, Norwegen, Österreich, Schweden, Ungarn, der Schweiz, den USA sowie der Russischen Föderation (vgl. von Pannwitz in Haase, AStG/DBA, Art. 12 Rz. 169 f.). 3 Einen unterschiedlichen Quellensteuersatz sehen beispielsweise die DBA mit China, Indien und Japan vor. Sie sehen grundsätzlich einen Steuersatz von 10 % vor, China hingegen für gewerbliche, kaufmännische oder wissenschaftliche Ausrüstungen einen Satz von 7 %. Die DBA mit Bulgarien, Finnland, Italien, Luxemburg, Polen, Slowenien, Spanien, der Tschechischen Republik und Zypern setzen den Steuersatz auf 10 % fest. Das DBA mit Rumänien sieht eine Begrenzung auf 3 % vor. Vgl. dazu von Pannwitz in Haase, AStG/DBA, Art. 12 Rz. 162 ff. 4 Vgl. Pöllath/Lohbeck in Vogel/Lehner, DBA5, Art. 12 Rz. 35. 5 Dies erscheint in Anbetracht der sog. Gerritse-Entscheidung des EuGH v. 12.6. 2003 – C-234/01, BStBl. II 2003, 859 europarechtlich problematisch (vgl. dazu Pöllath/Lohbeck in Vogel/Lehner, DBA5, Art. 12 Rz. 31b). Denn nach Auffassung des BFH soll diese Rechtsprechung des EuGH auch auf den Steuerabzug bei

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Kap. 9: Geistiges Eigentum im DBA-Recht

dem Entgelt enthaltene Umsatzsteuer umfasst.1 Davon abweichend enthält das DBA-Kanada eine Regelung, wonach die Umsatzsteuer kein Bestandteil der Bemessungsgrundlage ist, das DBA-Luxemburg einen Artikel, wonach die Nettoeinkünfte Besteuerungsgrundlage sind, sowie das DBA-Brasilien und DBA-Großbritannien eine Sonderregelung zum Betriebsausgabenabzug.2 Für den Quellensteuerabzug kommt der Frage nach der Herkunft der Lizenzgebühren eine hohe Bedeutung zu. Daher enthalten einige von Deutschland abgeschlossene Abkommen wie beispielsweise das mit Belgien, Bulgarien, Estland, Finnland, Indien, Italien, Japan, Lettland, Litauen, Österreich, Polen, Portugal, Rumänien, der Russischen Föderation, Slowenien, Spanien und Ungarn eine explizite Regelung, welche die Frage nach dem „stammen aus einem Vertragsstaat“ klärt. Die meisten dieser Regelungen orientieren sich an Art. 11 Abs. 5 OECD-MA, wonach die Lizenzgebühren nach Satz 1 grundsätzlich aus dem Ansässigkeitsstaat des Lizenznehmers und/oder nach Satz 2 aus dem Staat stammen, in dem der Lizenznehmer eine Betriebsstätte unterhält, der das Nutzungsrecht auch zuzurechnen ist.

9.157

Einige von Deutschland abgeschlossene Abkommen enthalten eine von dem Musterabkommen abweichende Definition der Lizenzgebühren. So erfassen eine Vielzahl der Abkommen auch die gewerblichen, kaufmännischen oder wissenschaftlichen Ausrüstungen3 sowie neuere Abkommen Namen, Bilder oder sonstig vergleichbare Persönlichkeitsrechte als mögliche Lizenzgegenstände.4 Andere Abkommen subsumieren unter die Definition der Lizenz auch Veräußerungsfälle, was eine Abgrenzung zwischen der Überlassung und Übertragung immaterieller Werte entbehrlich macht,5

1

2 3

4 5

Lizenzgebühren anwendbar sein (vgl. BFH v. 28.1.2004 – I R 73/02, BStBl. II 2005, 550). Danach soll eine Übermaßbesteuerung durch Abzug der Ausgaben verhindert werden. Dies kann der Steuerpflichtige für andere Einkünfte, die dem Steuerabzug unterliegen, nach § 50a Abs. 3 EStG beantragen. In diesen Fällen erhöht sich der Steuersatz für natürliche Personen auf 30 %. Vgl. FinMin NRW v. 10.7.1968 – 2305 - 5 - VB 1, zitiert in Pöllath/Lohbeck in Vogel/Lehner, DBA5, Art. 12 Rz. 30. Dies wirkt sich nur dann aus, wenn der Leistungsempfänger nicht die Umsatzsteuer trägt (sog. Reverse-Charge-Verfahren, § 13b UStG). Die deutsche Finanzverwaltung behandelt sogar erstattete Reisekosten als Bestandteil der Lizenzgebühr (vgl. Pöllath/Lohbeck in Vogel/Lehner, DBA5, Art. 12 Rz. 31a). Vgl. Pöllath/Lohbeck in Vogel/Lehner, DBA5, Art. 12 Rz. 30. DBA Belgien, Bulgarien, China, Estland, Indien, Japan (ohne Container), Finnland, Frankreich, Griechenland, Großbritannien, Irland, Italien, Lettland, Litauen, Luxemburg, Niederlande, Polen, Portugal, Russische Föderation, Schweiz, Spanien, Tschechische Republik und Zypern. Regelmäßig geht diese Erweiterung mit einem unterschiedlichen Quellensteuersatz einher. So beispielsweise beim DBA mit China, Estland, Litauen und Lettland. Vgl. von Pannwitz in Haase, AStG/DBA, Art. 12 Rz. 175 f. Zu den Lizenzgebühren gehören dann auch die Entgelte der Sportler und Künstler, die diese durch Fernsehen und Rundfunk erzielen. Eine solche Erweiterung enthalten bereits die Abkommen mit Polen, Rumänien und Slowenien. Dies gilt beispielsweise für die DBA mit Frankreich, Großbritannien, Irland, Luxemburg und den Niederlanden (vgl. von Pannwitz in Haase, AStG/DBA, Art. 12 Rz. 177).

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B. Relevante Einkunftsartikel

oder auch technische Dienstleistungen, was wiederum die Abgrenzung zu den Dienstleistungen abkömmlich macht.1 Während alle von Deutschland abgeschlossenen Abkommen einen Betriebsstättenvorbehalt enthalten, fehlt in einigen wenigen Abkommen eine Art. 12 Abs. 4 OECD-MA vergleichbare Regelung.2

9.158

IV. Unternehmensgewinne (Art. 7 OECD-MA) 1. Überblick Art. 7 OECD-MA findet nur für Unternehmensgewinne Anwendung. Sie können nur in dem Vertragsstaat besteuert werden, in dem das Gewinne erwirtschaftende Unternehmen betrieben wird. Ausnahmen gelten nach dem sog. Betriebsstättenvorbehalt nur für die Unternehmensgewinne, die in einer Betriebsstätte des Unternehmens erwirtschaftet werden, die im anderen Vertragsstaat belegen ist.

9.159

Dieser Grundsatz greift jedoch dann nicht, wenn der Anwendungsvorrang des Art. 7 Abs. 7 OECD-MA erfüllt ist. Danach findet Art. 7 OECD-MA keine Anwendung auf die in den Gewinnen enthaltenen Einkünfte, die in anderen Artikeln des Abkommens behandelt werden. Dabei gilt dieser Anwendungsvorrang insbesondere für Veräußerungsgewinne i.S. des Art. 13 OECD-MA sowie Lizenzgebühren i.S. des Art. 12 OECD-MA. Somit fallen Unternehmensgewinne, die zugleich Veräußerungsgewinne i.S. des Art. 13 OECD-MA oder zugleich Lizenzgebühren i.S. des Art. 12 Abs. 2 OECD-MA sind, grundsätzlich nicht in den Anwendungsbereich des Art. 7 OECD-MA. Etwas anderes gilt selbstverständlich dann, wenn der in dem jeweiligen Artikel enthaltene Betriebsstättenvorbehalt (Art. 13 Abs. 2 sowie Art. 12 Abs. 3 OECD-MA) greift und für die Verteilung der Besteuerungsrechte wiederum Art. 7 OECD-MA für anwendbar erklärt.

9.160

Art. 7 OECD-MA findet damit nur dann Anwendung, wenn es sich bei den Entgelten um Unternehmensgewinne, aber gerade nicht um Veräußerungsgewinne i.S. des Art. 13 OECD-MA oder um Lizenzgebühren i.S. des Art. 12 Abs. 2 OECD-MA handelt oder der in dem jeweiligen Artikel enthaltene Betriebsstättenvorbehalt greift.3 Der Artikel über Unternehmens-

9.161

1 So z.B. im DBA-Indien sowie in den DBA mit einigen Entwicklungsländern (vgl. von Pannwitz in Haase, AStG/DBA, Art. 12 Rz. 178). 2 Eine entsprechende Regelung fehlt bei den Abkommen mit Finnland, Frankreich, Luxemburg und der Niederlande (vgl. von Pannwitz in Haase, AStG/DBA, Art. 12 Rz. 182). 3 Der zuletzt genannte Fall des Betriebsstättenvorbehalts des Art. 12 Abs. 3 OECD-MA ist nicht Gegenstand der Betrachtung dieses Abschnitts. Dieser wurde bereits im Rahmen des Lizenzartikels betrachtet, vgl. dazu die Rz. 9.94 ff. Dies gilt natürlich nicht für den Betriebsstättenvorbehalt des Art. 7 Abs. 1 OECD-MA, dieser ist selbstverständlich Gegenstand der nachfolgenden Betrachtung.

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Kap. 9: Geistiges Eigentum im DBA-Recht

gewinne greift deswegen nicht, wenn Unternehmensgewinne die Voraussetzungen für Veräußerungsgewinne i.S. des Art. 13 OECD-MA oder für Lizenzgebühren i.S. des Art. 12 Abs. 2 OECD-MA erfüllen, jedoch die Voraussetzungen für die Anwendung der Verteilungsnorm des Art. 12 Abs. 1 OECD-MA nicht erfüllt sind, weil der Lizenzgeber beispielsweise nicht als nutzungsberechtigt i.S. des Abkommens erscheint. Da es sich im letztgenannten Fall trotzdem um Unternehmensgewinne und Lizenzgebühren handelt, kann Art. 7 OECD-MA keine Anwendung finden, da diese Einkünfte in einem anderen Artikel geregelt werden. Für die Besteuerung dieser Lizenzgebühren findet i.d.R. die Auffangregelung des Art. 21 OECD-MA Anwendung. Nach dieser kann Art. 7 OECD-MA jedoch dann wieder greifen, wenn die Vermögenspositionen oder Rechte einer in einem anderen Staat als dem Ansässigkeitsstaat des Entgeltempfängers belegenen Betriebsstätte zuzurechnen sind.

9.162

Für die Prüfung der Anwendung der Art. 12, 7 und 21 OECD-MA kann das Schema der Abbildung 1 (Rz. 9.7) verwendet werden. 2. Anwendungsvoraussetzungen a) Regelungsbereich

9.163

Art. 7 OECD-MA kann nur dann Anwendung finden, wenn es sich abkommensrechtlich um Unternehmensgewinne des in einem Vertragsstaat betriebenen Unternehmens handelt, das auch Gewinne im anderen Staat erwirtschaftet. Für beide Anwendestaaten geht mit der Anwendung des Art. 7 OECD-MA die Frage einher, wer diese gewerblichen Einkünfte besteuern darf. In Betracht käme einerseits der Quellenstaat, in dem die Gewinne durch eine Geschäftstätigkeit erzielt werden, aber auch der Ansässigkeitsstaat des Unternehmers, der das Unternehmen betreibt. Das Abkommen spricht sich für ein grundsätzliches Besteuerungsrecht des Ansässigkeitsstaates aus, was seine Grenze dann findet, wenn das Unternehmen seine Geschäftstätigkeit im anderen Staat durch eine dort belegene Betriebsstätte ausübt (Betriebsstättenprinzip). Die für diese Ausnahme zentrale Frage ist natürlich, unter welchen Bedingungen der im anderen Vertragsstaat ansässige Unternehmer im Quellenstaat eine derartige Stätte des Betriebs unterhält. Die für ihre Beantwortung maßgebliche Norm ist Art. 5 OECD-MA. Wird diese Frage bejaht, so stellt sich eine weitere entscheidende Frage nach der Höhe der Gewinne, die das Unternehmen in dieser Betriebsstätte erwirtschaftet hat und wie diese Gewinne unter Beachtung der Methodenartikel des Abkommens besteuert werden. Verneint man die Frage nach der Belegenheit einer Betriebsstätte im Quellenstaat, so erhält ausschließlich der Ansässigkeitsstaat des Unternehmers die Besteuerungsrechte an den Unternehmensgewinnen zugewiesen.

9.164

Des Weiteren gehen mit der Belegenheit einer Betriebsstätte stets die Fragen nach der funktionalen Zuordnung der Wirtschaftsgüter zur Betriebsstätte oder zum Stammhaus einher. Damit können sich auch Ent- und Verstrickungsfragen ergeben. 562

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B. Relevante Einkunftsartikel

b) Unternehmensgewinne Der Begriff der „Unternehmensgewinne“ ist abkommensautonom auszulegen. Da die meisten Abkommen diesen Begriff jedoch nicht ausreichend definieren, greifen die jeweiligen Anwendestaaten auf ihre nationalen Grundsätze nach Art. 3 Abs. 2 OECD-MA zurück, soweit der Abkommenszusammenhang nichts anderes erfordert.

9.165

Die Auslegung der Begrifflichkeit nach deutschem Steuerrecht findet ihre Grenzen in dem Subsidiaritätsprinzip, welches das deutsche Steuerrecht, jedoch nicht das Abkommensrecht kennt. Denn im Abkommensrecht werden die Überschusseinkünfte i.S. des deutschen Steuerrechts nach dem Prinzip des Vorrangs der spezielleren Einkunftsnorm behandelt. Deswegen führt die gewerbliche Prägung i.S. des § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG abkommensrechtlich nicht zu Unternehmensgewinnen.1 In diesen Fällen können also die nationalen Regelungen nicht auf das Abkommensrecht übertragen werden.2 So hat der BFH in seinem Urteil v. 28.4.2010 entschieden, dass eine nach deutschem Steuerrecht gewerblich geprägte USPartnership abkommensrechtlich keine Unternehmensgewinne erzielt, sondern Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen. Aus diesem Grund könne auch der Betriebsstättenvorbehalt des Art. 11 Abs. 3 DBA-USA 1989 a.F. keine Anwendung finden, weil die Gesellschaft mangels gewerblicher Tätigkeit kein Unternehmen i.S. des Abkommens betreibt.3 So erzielt zum Beispiel ein Erfinder, der seine Erkenntnisse ausschließlich in seinem Privatvermögen erzielt hat, infolge ihrer Nutzungsüberlassung keine Unternehmensgewinne.

9.166

In allen Fällen, in denen ein Unternehmen jedoch einer originären gewerblichen Tätigkeit i.S. des § 15 Abs. 2 EStG oder einer selbstständigen Tätigkeit i.S. des § 18 EStG4 nachgeht sowie der Abfärbetheorie des § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG untersteht oder eine Betriebsaufspaltung5 vorliegt, er-

9.167

1 Vgl. Wassermeyer in Debatin/Wassermeyer, Art. 7 Rz. 16a. 2 Die deutsche Finanzverwaltung teilt diese Auffassung in BMF v. 24.9.1999 – IV D 3 - S 1301 Ung - 5/99, IStR 2000, 627 nicht. In BMF v. 16.4.2010 – IV B 2-S 1300/09/10003, BStBl. I 2010, 354 zur Anwendung der DBA auf Personengesellschaften hält sie an dieser Auffassung fest. 3 Vgl. BFH v. 28.4.2010 – I R 81/09, IStR 2010, 525 (525 ff.). 4 § 15 Abs. 2 EStG versteht eine gewerbliche Tätigkeit als eine selbstständige, nachhaltige Tätigkeit, die in Gewinnerzielungsabsicht ausgeübt wird, sich mit einer Beteiligung am allgemeinem wirtschaftlichen Verkehr darstellt und keine land- und Forstwirtschaftliche Tätigkeit, selbstständige Tätigkeit oder vermögensverwaltende Tätigkeit darstellt. Abkommensrechtlich zählen die Einkünfte aus der selbstständigen Tätigkeit nach der Streichung des Art. 14 OECD-MA a.F. zu den Unternehmensgewinnen. Vgl. Wassermeyer in Debatin/ Wassermeyer, Art. 7 Rz. 15 ff. 5 Nach Auffassung von Wassermeyer schlägt die Betriebsaufspaltung grundsätzlich auch abkommensrechtlich durch (vgl. Wassermeyer in Debatin/Wassermeyer, Art. 7 Rz. 34). Auch in diesem Zusammenhang ist der Anwendungsvorrang des Art. 6 OECD-MA sowie das bereits angesprochene Prinzip der Spezialität zu beachten. Liegt also die Vermietung und Verpachtung unbeweglichen Ver-

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Kap. 9: Geistiges Eigentum im DBA-Recht

zielt es auch abkommensrechtlich Unternehmensgewinne. Dies gilt auch für Mitunternehmer i.S. des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG und die von ihnen aus der Beteiligung an der Personengesellschaft erzielten Einkünfte, d.h. sowohl für den Gewinnanteil als auch für die Sondervergütungen.1 c) Unternehmen eines Vertragsstaates (Ansässigkeitsstaat)

9.168

Der Abkommenstext stellt für die Verteilung der Besteuerungsrechte auf das „Unternehmen eines Vertragsstaates“ ab. Nach Art. 3 Abs. 1 Buchst. c und d OECD-MA ist unter dem Begriff Unternehmen eine Geschäftstätigkeit zu verstehen, die dem Vertragsstaat zuzurechnen ist, in dem die Person ansässig2 ist, die dieses Unternehmen betreibt. So ist das von einer im Inland unbeschränkt steuerpflichtigen und damit dort abkommensrechtlich ansässigen Person betriebene Unternehmen ein „deutsches Unternehmen“. Gleiches gilt i.d.R. für eine Personengesellschaft, die ausschließlich von abkommensrechtlich in Deutschland ansässigen Personen betrieben wird.

9.169

Der andere Staat, auf den Art. 7 Abs. 1 OECD-MA für die Anwendung des Betriebsstättenvorbehalts abstellt, ist damit der Quellenstaat der Unternehmensgewinne, in dem die Betriebsstätte belegen ist. d) Betriebsstätte im anderen Staat

9.170

Das Vorhandensein einer Betriebsstätte im Quellenstaat begründet das Besteuerungsrecht des Quellenstaates an den Unternehmensgewinnen. Es dient dem Betriebsstättenstaat damit als Berechtigung.

9.171

Wann und unter welchen Bedingungen dieser Anspruch begründet wird, bestimmt sich allein danach, ob die Voraussetzungen des Art. 5 OECD-MA erfüllt sind. Dieser enthält eine allgemeine Regelung zur Betriebsstätte. Danach ist diese als eine feste Geschäftseinrichtung wie ein mögens vor, dürften Art. 6 OECD-MA zur Anwendung kommen und Unternehmensgewinne zu verneinen sein. Gleiches gilt ggf. für die Betriebsverpachtung, aus der abkommensrechtlich ggf. ebenfalls keine Unternehmensgewinne resultieren, wenn sich diese auf die Vermietungs- und Verpachtungstätigkeiten beschränkt (so Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 16.236; er verneint jedoch, dass gleichzeitig Unternehmensgewinne und spezielle Einkünfte wie Zinsen vorliegen können. Diese Auffassung wird vorliegend nicht geteilt). 1 Insofern greift die deutsche Betrachtungsweise auch auf das Abkommensrecht durch. Dies schließt jedoch nicht aus, dass es sich bei diesen Einkünften zugleich um Zinsen oder Dividenden handelt kann. 2 Die Frage der abkommensrechtlichen Ansässigkeit regelt Art. 4 OECD-MA. Dabei ist eine Person grundsätzlich dort ansässig, wo sie aufgrund ihres Wohnsitzes, ihrer Geschäftsleitung, ihres Sitzes oder ihres gewöhnlichen Aufenthalts unbeschränkt steuerpflichtig ist. Trifft dies auf beide Anwendestaaten zu, so kommt die sog. Tie-Breaker-Rule (Art. 4 Abs. 2 für natürliche Personen oder Art. 4 Abs. 3 OECD-MA für juristische Personen) zur Anwendung. Danach wird als Ansässigkeitsstaat einer der beiden Staaten bestimmt, zu dem die Person engere Beziehungen hat.

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B. Relevante Einkunftsartikel

Büro oder eine maschinelle Anlage zu verstehen, die sich an einem bestimmten Ort für eine bestimmte Dauer befindet, in welcher der Unternehmer seine Geschäftstätigkeit ausübt und über welche er auch tatsächlich verfügen kann.1 Typische Anwendungsfälle sind Zweigniederlassungen oder Fabrikationsstätten.2 Keine Betriebsstätten stellen hingegen die im Negativkatalog des Art. 5 Abs. 4 OECD-MA aufgeführten Sachverhalte wie die Einrichtungen dar, die ausschließlich Lagerzwecken dienen.3 3. Abgrenzungsfragen a) Abgrenzung zu anderen Vorschriften Art. 7 OECD-MA ist zusammen mit Art. 8 und 9 OECD-MA zu betrachten, wobei Art. 8 OECD-MA als speziellerer Artikel über die Einkünfte aus der Seeschifffahrt, Binnenschifffahrt und Luftfahrt der allgemeineren Regelung über Unternehmensgewinne vorgeht und Art. 9 OECD-MA die Anwendung von Art. 7 OECD-MA ausschließt, wenn die Beziehungen zwischen den verbundenen Unternehmen unter Beachtung des Fremdvergleichs unangemessen sein sollten. In gleicher Weise tritt die Anwendung des Art. 7 OECD-MA für bestimmte Unternehmensgewinne hinter die anderer Spezialvorschriften zurück, in denen bestimmte Einkünfte wie Lizenzgebühren (Art. 12 OECD-MA), Zinsen (Art. 11 OECD-MA), Dividenden (Art. 10 OECD-MA) und Veräußerungsgewinne (Art. 13 OECDMA) separat geregelt werden. Art. 7 Abs. 7 OECD-MA stellt diesen Anwendungsvorrang der anderen Normen ausdrücklich klar.

9.172

So findet beispielsweise auf Unternehmensgewinne, die aus der Nutzungsüberlassung von Marken resultieren und daher Lizenzgebühren i.S. des Art. 12 Abs. 2 OECD-MA darstellen, gerade nicht Art. 7 OECD-MA, sondern Art. 12 OECD-MA über Lizenzgebühren Anwendung. Im Umkehrschluss stellen Einkünfte für die Benutzung oder die Gewährung des Rechts auf Benutzung von gewerblichen, kaufmännischen oder wissenschaftlichen Ausrüstungen (Leasing) gerade keine Lizenzgebühren i.S. des Art. 12 Abs. 2 OECD-MA dar, weswegen der Anwendungsvorrang der Spezialnorm nicht greift und Art. 7 OECD-MA auf die Unternehmensgewinne anzuwenden ist.4 Liegen jedoch Lizenzgebühren i.S. des Art. 12 Abs. 2 OECD-MA vor und kann Art. 12 Abs. 1 OECD-MA gleichwohl keine Anwendung finden, so richtet sich die Frage nach den Besteuerungsfolgen trotzdem nicht nach Art. 7 OECD-MA. Dass die Einkünfte

9.173

1 Vgl. dazu den Musterkommentar zum OECD-MA Art. 7, MK 1 ff. 2 Diese sind im sog. Beispielskatalog des Art. 5 Abs. 2 OECD-MA enthalten. Sie gelten jedoch nur dann als Betriebsstätten, wenn sie die genannten Voraussetzungen erfüllen. Wird zum Beispiel eine Zweigniederlassung nur für eine sehr kurze Zeit begründet, so stellt diese keine Betriebsstätte dar, weil die Voraussetzungen des Art. 5 Abs. 1 OECD-MA nicht erfüllt sind. 3 Zu weiteren Einzelheiten zu Art. 5 OECD-MA vgl. Rz. 9.96 ff., Haase in Haase, AStG/DBA, Art. 5 Rz. 47 ff., Wassermeyer in Debatin/Wassermeyer, Art. 5 Rz. 26 ff. 4 Vgl. Hemmelrath in Vogel/Lehner, DBA5, Art. 7 Rz. 8 f.

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Kap. 9: Geistiges Eigentum im DBA-Recht

„in einer anderen Verteilungsnorm der Einkunftsart nach“1 behandelt werden, genügt für den Ausschluss der Anwendung des Art. 7 OECD-MA über seinen Abs. 7. Eine „Rückfallklausel“ sieht das Abkommensrecht nicht vor. Deswegen ist für die Verteilung der Besteuerungsrechte an solchen Unternehmensgewinnen Art. 21 OECD-MA maßgeblich.2

9.174

Dem Anwendungsvorrang der Spezialartikel entgegen steht der Betriebsstättenvorbehalt, den die einzelnen Abkommensartikel i.d.R. enthalten (Art. 10 Abs. 4, Art. 11 Abs. 4, Art. 12 Abs. 3, Art. 13 Abs. 2 OECD-MA). Sind diese trotz fehlender Attraktivkraft3 erfüllt, weil beispielsweise der Lizenzgeber im Quellenstaat, aus dem die Lizenzgebühren stammen, eine Betriebsstätte unterhält, der die zur Nutzung überlassenen Rechte nach der funktionalen Betrachtungsweise zuzuweisen sind, so erklären sie Art. 7 OECD-MA wieder für anwendbar. b) Funktionale Zuordnung der Wirtschaftsgüter

9.175

Damit der Betriebsstättenvorbehalt des Art. 7 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 OECD-MA greifen kann, müssen die Rechte oder Vermögenspositionen, die Grundlage der Entgeltforderung sind, ebenso wie die Forderung selbst der Betriebsstätte auch tatsächlich zuzuordnen sein. Der für diese Beurteilung entscheidende Maßstab ist die sog. funktionale Zuordnung. Nach diesem Kriterium können der Betriebsstätte nur diejenigen Wirtschaftsgüter zugerechnet werden, die sie unter Beachtung der Formal- und Sachzieldienlichkeit4 zur Ausübung ihrer Funktion auch tatsächlich benötigt. Alle anderen Wirtschaftsgüter, die diese Anforderungen nicht erfüllen, sind hingegen – sofern ein solches besteht5 – dem Stammhaus als „Sammelbecken“6 zuzurechnen.7 1 Rust zitiert in Hemmelrath in Vogel/Lehner, DBA5, Art. 7 Rz. 169. 2 Dem Ergebnis zustimmend Hemmelrath in Vogel/Lehner, DBA5, Art. 7 Rz. 170. 3 Die fehlende Attraktivkraft führt dazu, dass dem Quellenstaat nicht automatisch die Besteuerungsrechte an den Einkünften, die aus seinem Staat stammen, zugewiesen werden. Voraussetzung dafür ist vielmehr, dass der Zahlungsempfänger in diesem Staat eine Betriebsstätte unterhält, der die Rechte auch tatsächlich zuzuordnen sind. 4 Vgl. u.a. Fischer/Kleineidam/Warneke, Internationale Steuerlehre5, 597 ff. 5 Ein solches Stammhaus kann fehlen, wenn das Unternehmen in der Rechtsform einer Personengesellschaft betrieben wird. Da dieses aufgrund der transparenten Betrachtungsweise (vorausgesetzt sie erfüllt die Voraussetzungen einer Betriebsstätte) als Betriebsstätte gilt, entspricht diese Betriebsstätte dem Stammhaus, so dass eine Abgrenzung zwischen Stammhaus und Betriebsstätte nicht notwendig erscheint. 6 Von einer solchen „Sammelbeckenfunktion“ des Stammhauses geht seit jeher auch die Finanzverwaltung in BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99, BStBl. I 1999, 1076 ff. („Betriebsstättenerlass“), sog. Zentralfunktion des Stammhauses, aus. 7 Im Ergebnis muss jedes Wirtschaftsgut (mindestens) einer Betriebsstätte zugerechnet werden, wobei im Zweifel eine Zurechnung zum sog. Stammhaus erfolgt. Daher kann es keine betriebsstättenlose Einkünfte geben. Diese Auffassung bejahend u.a. Haase/Brändel, StuW 2011, 49 ff.

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B. Relevante Einkunftsartikel

Ob beispielsweise die Entgeltforderung als Gegenleistung für die Benutzung oder die Gewährung des Rechts auf Benutzung von gewerblichen, kaufmännischen oder wissenschaftlichen Ausrüstungen (Leasing) tatsächlich der Betriebsstätte zuzuordnen ist, kann nur einzelfallbezogen beantwortet werden. Dabei kommt es entscheidend darauf an, ob die Forderung für die Erfüllung der Haupt- oder Nebenfunktion der Betriebsstätte notwendig ist.1 Eine Zuordnung ist beispielsweise zu bejahen, wenn die Betriebsstätte speziell für das Leasing im anderen Staat vor Ort errichtet wurde, sie für die Vertragsbeziehungen in dem jeweiligen Staat sowie für die Verwaltung der Verträge und der Forderungen zuständig ist, jedoch zu verneinen, wenn die Nutzungsüberlassungen lediglich Nebenzweck der Betriebsstätte sind. Etwas anderes gilt wohl dann, wenn die Entgelte Nebenerträge der Haupttätigkeit sind.2

9.176

Überlässt der Mitunternehmer einer deutschen Personengesellschaft,3 die im anderen Staat eine Betriebsstätte unterhält, eine Nutzungsüberlassung, so ist diese Entgeltforderung im Regelfall nicht der ausländischen Betriebsstätte zuzurechnen. Denn die Forderung selbst stellt aus Sicht der Gesellschaft eine Verbindlichkeit dar. Ob die Forderung dennoch einer im Ausland belegenen Betriebsstätte des Gesellschafters zuzurechnen ist (sog. Sonderbetrieb-Betriebsstätte), aus dessen Sicht es sich tatsächlich um eine Forderung handelt, kann ebenfalls nur unter Beachtung der Besonderheiten des Einzelfalls beantwortet werden. Dafür ist entscheidend, wo der Gesellschafter das zur Nutzung überlassene Recht bzw. die Vermögensposition und diese Entgeltforderung tatsächlich hält und verwaltet. Danach kann sich die Betriebsstätte im Inland (ggf. in seinem Wohnzimmer) oder ebenfalls im Ausland (ggf. am Ort der Betriebsstätte, die ihm durch seine Beteiligung an der Personengesellschaft vermittelt wird, sog. Mitunternehmer-Betriebsstätte) befinden.4

9.177

c) Hinweise zur Gewinnermittlung Besteuerungsgrundlage sind die Unternehmensgewinne, d.h. die Differenz zwischen den Einnahmen und den damit in wirtschaftlichem Zusammenhang stehenden Ausgaben.5 Für die Ermittlung des Gewinnes ist 1 Diese Betrachtungsweise liegt dem Betriebsstättenvorbehalt des Art. 11 Abs. 4 OECD-MA zugrunde. Auch in diesen Fällen entfaltet die Betriebsstätte keine Attraktivkraft. Eine Zurechnung der Zinsen zur Betriebsstätte dürfte nur ausnahmsweise in Betracht kommen, wenn – so die Auffassung des BFH – die Betriebsstätte den Zinsertrag auch selbst erwirtschaftet hat (vgl. u.a. Wenz/Linn in Haase, AStG/DBA, Art. 10 Rz. 93). 2 Zu weiteren Einzelheiten zur funktionalen Betrachtungsweise vgl. unter Rz. 9.99 ff. sowie 9.175 ff. sowie stellvertretend für viele Haase/Brändel, Ubg 2010, 859, Malinski/Wassermeyer in Debatin/Wassermeyer, Art. 7 Rz. 240 ff. 3 Die Personengesellschaft ist „deutsch“, weil die sie betreibenden Personen im Inland ansässig sind, vgl. dazu Rz. 9.168. 4 Vgl. dazu Haase/Brändel, StuW 2011, 49, 55. 5 Dies gilt auch dann, wenn eine Besteuerung durch den Betriebsstättenstaat erfolgt. Auch dieser besteuert grundsätzlich Unternehmensgewinne, und zwar den Teil, welcher der Betriebsstätte zuzurechnen ist.

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9.178

Kap. 9: Geistiges Eigentum im DBA-Recht

das Recht des Staates anzuwenden, dem das Unternehmen abkommensrechtlich als „Unternehmen des Vertragsstaates“ zuzuordnen ist.1

9.179

Sollte das Wirtschaftsgut nach der funktionalen Betrachtungsweise der im anderen Staat belegenen Betriebsstätte zuzurechnen sein, so stellen sich Fragen der Gewinnabgrenzung zwischen Stammhaus und Betriebsstätte. Dabei erfolgt die Gewinnermittlung für das Stammhaus und die Betriebsstätte nach dem Recht des jeweiligen Anwendestaates, so dass eine zweifache Gewinnermittlung2 vorzunehmen sein wird. Die Gewinnzurechnung zur Betriebsstätte erfolgt unter Berücksichtigung des sog. Fremdvergleichs, wobei die Betriebsstätte gem. Art. 7 Abs. 2 OECD-MA wie ein selbstständiges Unternehmen (sog. separate entity approach) behandelt wird. Dabei sind ihr die Gewinne zuzurechnen, die auf ihre Aktivitäten zurückzuführen oder durch ihre wirtschaftliche Tätigkeit veranlasst sind. Im deutschen Steuerrecht erfolgt die Gewinnzurechnung nach der direkten oder indirekten Methode.3 d) Ent- und Verstrickungsfragen

9.180

Die funktionale Zuordnung von Wirtschaftsgütern zur ausländischen Betriebsstätte kann mit einer Entstrickung und im umgekehrten Fall der Zuordnung zur inländischen Betriebsstätte eines im Ausland belegenen Stammhauses mit der Verstrickung der Rechte oder Vermögenswerte im Inland einhergehen.

9.181

Eine Entstrickung liegt nach der Einfügung des Satzes 4 in § 4 Abs. 1 EStG durch das JStG 20104 insbesondere durch den Ausschluss oder die Beschränkung des Besteuerungsrechts hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung eines Wirtschaftsguts dann vor, wenn ein bisher einer inländischen Betriebsstätte des Steuerpflichtigen zuzuordnendes Wirtschaftsgut einer ausländischen Betriebsstätte zuzuordnen ist. Mit dieser Gesetzesänderung reagiert der Gesetzgeber (ggf. für die Finanzverwaltung) auf die Rechtsprechungsänderung des BFH durch Aufgabe der sog. „Theorie der finalen Entnahme“. Der BFH betrachtete die Zuordnung zur ausländischen Betriebsstätte gerade nicht als Ausschluss oder Einschränkung des Besteuerungsrechts, die eine „fiktive“ Entnahme des Besteuerungsrechts zum gemeinen Wert nach § 4 Abs. 1 Satz 3 i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 4 EStG rechtfertige.5 Durch die Änderung des EStG kommt es nun im Zuge 1 Natürlich würde die Gewinnermittlung aus Sicht des anderen Anwendestaates auf Grundlage seines Steuerrechts erfolgen. 2 Vgl. Niehaves in Haase, AStG/DBA, Art. 7 Rz. 42. 3 Bei der direkten Methode wird für die Betriebsstätte eine eigene Buchführung geführt, während bei der indirekten Methode eine Aufteilung der Einnahmen und Ausgaben unter Anwendung eines sachgerechten Maßstabs erfolgt (vgl. Niehaves in Haase, AStG/DBA, Art. 7 Rz. 49 ff.) 4 Vgl. JStG 2010 v. 8.12.2010, BGBl. I 2010, 1768. 5 Vgl. BFH v. 17.7.2008 – I R 77/06, BStBl. II 2009, 464. Grund dafür ist nach Auffassung des BFH, dass die Zuordnung des Wirtschaftsguts zur ausländischen Betriebsstätte Deutschland nicht daran hindere, die stillen Reserven, die bis zur

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B. Relevante Einkunftsartikel

der Überführung zur Aufdeckung und Besteuerung der stillen Reserven.1 Gehörte das Wirtschaftsgut zum Anlagevermögen des Steuerpflichtigen, so kommt ggf. § 4g EStG zur Anwendung, der die Bildung eines Ausgleichspostens ermöglicht. Eine Verstrickung liegt hingegen dann vor, wenn das Besteuerungsrecht Deutschlands an dem Gewinn aus dem jeweiligen Wirtschaftsgut begründet wird, weil das Recht oder der Vermögenswert beispielsweise einer inländischen Betriebsstätte zugeordnet wird. Solche Verstrickungsfälle werden nach § 4 Abs. 1 Satz 7 Halbs. 2 EStG als Einlage behandelt und nach § 6 Abs. 1 Nr. 5 EStG im Regelfall mit dem gemeinen Wert bewertet.2 Nach der Gesetzesänderung des § 4 Abs. 1 Satz 4 EStG dürfte eine Verstrickung auch im Zuge der Rücküberführung des entstrickten Wirtschaftsguts vorliegen.

9.182

4. Verteilung der Besteuerungsrechte a) Grundregel: Ansässigkeitsstaat des Unternehmens Betreibt eine in einem Staat ansässige Person ein Unternehmen, so können die daraus erzielten Gewinne nur in dem Staat (Ansässigkeitsstaat des Unternehmers) besteuert werden. Dabei gewährt diese vollständige Verteilungsnorm dem Quellenstaat kein Besteuerungsrecht, sie lässt es damit völlig unberücksichtigt, wo diese Gewinne erwirtschaftet wurden. Eine Anwendung der Verteilungsnormen der Art. 23A und/oder 23B OECD-MA erübrigt sich daher.

9.183

b) Ausnahme: Betriebsstättenprinzip Für die Einkünfte, die nach Art. 7 Abs. 2 OECD-MA der im anderen Staat belegenen Betriebsstätte tatsächlich zuzurechnen sind, steht das Besteuerungsrecht nach Art. 7 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 OECD-MA vorrangig dem Betriebsstättenstaat als Quellenstaat zu. Dabei lässt es dieser Betriebsstättenvorbehalt offen, wie diese Einkünfte im Ansässigkeitsstaat des Unternehmens besteuert werden können. Ob sie von diesem ebenfalls unter Anrechnung der ausländischen Steuer besteuert werden können oder aber von der Besteuerung unter bestimmten Voraussetzungen freizustellen sind, bestimmen die sog. Methodenartikel des jeweiligen Abkommens (Art. 23A und 23B OECD-MA).3 In einigen Abkommen erfolgt die FreiÜberführung entstanden sind, zu besteuern. Dem stehe auch nicht die Freistellungsmethode entgegen. 1 Die Frage ist, ab wann diese Änderung gilt. Da es sich nach Auffassung der deutschen Finanzverwaltung lediglich um eine Klarstellung handelt, wird sie auch alle Wirtschaftsgüter, die vor dem 31.12.2010 überführt werden, entsprechend als „entstrickt“ behandeln. 2 So Wied in Blümich, § 4 EStG Rz. 514. Er verweist für die Bewertung auf § 6 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. a EStG. So auch Heinicke in Schmidt30, § 4 EStG Rz. 346. 3 Vgl. Hemmelrath in Vogel/Lehner, DBA5, Art. 7 Rz. 16.

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9.184

Kap. 9: Geistiges Eigentum im DBA-Recht

stellung ausschließlich unter Progressionsvorbehalt1 und/oder nur dann, wenn tatsächlich eine Besteuerung im Betriebsstättenstaat erfolgt und/ oder der in dem Abkommen enthaltene Aktivitätsvorbehalt2 erfüllt ist. Liegen die letztgenannten Bedingungen nicht vor, so kommt es zu einem switch over zur Anrechnungsmethode, die stets dazu führt, dass die ausländischen Einkünfte mindestens mit dem inländischen Steuerniveau besteuert werden und so die Steuervorteile der grenzüberschreitenden Investition vom deutschen Fiskus aufgesogen werden. Daher sehen einige Abkommen eine Anrechnung fiktiver Steuern vor.3 5. Hinweise zur deutschen Abkommenspraxis

9.185

Die Mehrzahl der von Deutschland abgeschlossenen Abkommen entspricht Art. 7 OECD-MA. In einige Abkommen wird dabei nicht der Begriff „Unternehmensgewinne“, sondern „Einkünfte aus gewerblichen Unternehmen“ oder „gewerbliche Einkünfte eines Unternehmens“ verwendet. Zudem enthalten einige Abkommen explizite Aussagen zur Abkommensberechtigung von Personengesellschaften und spezielle Regelungen zu den Sondervergütungen.4

9.186

Die Vermeidung der Doppelbesteuerung erfolgt traditionell nach der Freistellungsmethode, wobei im Regelfall der Progressionsvorbehalt zur Anwendung kommt, wenn diesem nicht § 32b Abs. 1 Satz 2 EStG entgegensteht. Die neueren Abkommen enthalten jedoch regelmäßig Aktivitätsvorbehalte, wonach nur bestimmte Einkünfte von der inländischen Besteuerungsgrundlage ausgenommen werden. In anderen Abkommen wird eine Doppelbesteuerung ausschließlich durch die Anrechnungsmethode verhindert.5

1 Den Progressionsvorbehalt sehen zahlreiche Abkommen vor. Er findet jedoch auch dann Anwendung, wenn er nicht im Abkommen vorgesehen sein sollte. § 32b Abs. 1 Nr. 3 EStG gilt dann als lex specialis. Etwas anderes gilt nur dann, wenn in dem Abkommen die Anwendung des Progressionsvorbehalts explizit ausgeschlossen wurde. Vgl. dazu Heinicke in Schmidt30, § 32b EStG Rz. 33 u.a. unter Hinweis auf das BFH v. 10.12.2008 – I B 60/08, BFH/NV 2009, 769. Aufgrund der Regelung des § 32b Abs. 1 Satz 2 EStG findet der besondere Steuersatz i.d.R. nur noch in sog. Drittstaatensachverhalten Anwendung. 2 So enthalten die meisten mit den osteuropäischen Staaten abgeschlossenen DBA einen solchen Aktivitätsvorbehalt (z.B. Tschechien, Ungarn, Slowakei). 3 Dies gilt für die meisten von Deutschland mit Entwicklungsstaaten abgeschlossenen Abkommen. Die Anrechnung fiktiver Steuern sehen beispielsweise die DBA mit Indonesien, Indien und der Mongolei vor. Eine vollständige Übersicht vgl. Vogel in Vogel/Lehner, DBA5, Art. 23 Rz. 191. 4 Vgl. Niehaves in Haase, AStG/DBA, Art. 7 Rz. 206 ff. 5 Eine Abkommensübersicht enthält u.a. Hemmelrath in Vogel/Lehner, DBA5, Art. 7 Rz. 48.

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B. Relevante Einkunftsartikel

V. Sonstige Einkünfte (Art. 21 OECD-MA) 1. Überblick Die nachfolgende Darstellung zu Art. 21 OECD-MA beinhaltet eine Betrachtung zu dem Anwendungsbereich und den Anwendungsvoraussetzungen, zur Verteilung der Besteuerungsrechte sowie zur deutschen Abkommenspraxis. Da es sich bei dieser Regelung um eine Auffangnorm handelt, deren Anwendungsbereich auch aus dem bereits Dargestellten resultiert, ist diese Darstellung bewusst kurz gehalten.

9.187

2. Anwendungsbereich und Anwendungsvoraussetzungen Art. 21 OECD-MA fungiert für die Verteilung der Besteuerungsrechte als „Auffangnorm“. Er weist für alle Einkünfte einer in einem Vertragsstaat ansässigen Person1, die in den vorstehenden Artikeln des Abkommens nicht behandelt wurden, das Besteuerungsrecht ohne Beachtung der Herkunft der Einkünfte dem Ansässigkeitsstaat des Entgeltempfängers zu. Unterhält dieser jedoch in dem Quellenstaat eine Betriebsstätte, so findet Art. 7 OECD-MA dann wiederum Anwendung, wenn die Rechte oder Vermögenspositionen der Betriebsstätte des Zahlungsempfängers nach der funktionalen Betrachtungsweise zuzurechnen sind (Betriebsstättenvorbehalt).

9.188

Damit greift Art. 21 OECD-MA nicht für die Sachverhalte, in denen eine endgültige Übertragung der immateriellen Vermögenswerte mit Übergang des wirtschaftlichen Eigentums stattgefunden hat, weil der Artikel über die Gewinne aus der Veräußerung von Vermögen selbst mit Art. 13 Abs. 5 OECD-MA eine Auffangklausel enthält (Rz. 9.28). Daher sind keine Sachverhalte vorstellbar, in denen tatsächlich eine Veräußerung i.S. des Art. 13 OECD-MA vorliegt, die jedoch nicht dem Anwendungsbereich dieses Artikels untersteht. Etwas anderes gilt natürlich für jene Fälle, in denen die Regelungen des jeweiligen Abkommens von denen des Musterabkommens abweichen. So können beispielsweise Veräußerungen von beweglichen Vermögenswerten des Privatvermögens unter Art. 21 OECD-MA fallen, wenn das jeweilige Abkommen keine Art. 13 Abs. 5 OECD-MA vergleichbare Regelung enthält.2

9.189

Für die Nutzungsüberlassung immaterieller Wirtschaftsgüter greift die Regelung des Art. 21 OECD-MA nur dann, wenn es sich entweder um keine Lizenzgebühren i.S. des Art. 12 Abs. 2 OECD-MA handelt und die

9.190

1 Die Ansässigkeit der Person bestimmt sich nach Art. 4 OECD-MA, vgl. dazu bereits Rz. 9.77. 2 Dies gilt zum Beispiel für das DBA mit Australien, das überhaupt keine dem Art. 13 OECD-MA vergleichbare Regelung enthält, oder z.B. für das DBA mit Frankreich oder Luxemburg. Sie enthalten ausschließlich Sonderregelungen für die Veräußerung von Beteiligungen an Kapitalgesellschaften. Vgl. dazu die Auflistung aller von Deutschland abgeschlossener DBA bei Reimer in Vogel/Lehner, DBA5, Art. 13 Rz. 225.

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Kap. 9: Geistiges Eigentum im DBA-Recht

gezahlten Entgelte auch unter keine andere Regelung des Abkommens fallen (insbesondere keine Unternehmensgewinne darstellen) oder es sich um Lizenzgebühren i.S. des Art. 12 Abs. 2 OECD-MA handelt, die aber die engen Voraussetzungen des Art. 12 Abs. 1 OECD-MA nicht erfüllen. Damit fallen insbesondere die Sachverhalte, in denen Mittelspersonen zum Einsatz kommen oder Dreiecks- bzw. Drittstaatensachverhalte1 vorliegen, unter Art. 21 Abs. 1 OECD-MA. Dabei gelten als „nicht behandelt“ auch die Einkünfte, die zwar „in einer anderen Verteilungsnorm der Einkunftsart nach“2 betrachtet wurden, jedoch nicht unter den jeweiligen Artikel subsumiert werden konnten.3

9.191

Sind die Anwendungsvoraussetzungen der Auffangregelung erfüllt, so ist die Anwendbarkeit des Betriebsstättenvorbehalts zu prüfen. Dieser findet nach dem Wortlaut des Abkommens keine Anwendung auf Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen i.S. des Art. 6 Abs. 2 OECD-MA und erscheint nur dann anwendbar, wenn der Zahlungsempfänger Unternehmensgewinne und damit gewerbliche Einkünfte erzielt. Er kann daher nur dann zur Anwendung kommen, wenn der Zahlungsempfänger Lizenzgebühren i.S. des Art. 12 Abs. 2 OECD-MA erzielt,4 die aufgrund des in Art. 7 Abs. 7 OECD-MA manifestierten Anwendungsvorrangs vor Art. 7 OECD-MA grundsätzlich nach Art. 12 Abs. 1 OECD-MA zu betrachten wären, dessen Anwendungsvoraussetzungen aber nicht erfüllt sind. Da Art. 12 Abs. 1 OECD-MA nicht anwendbar ist, kann auch der in dem Abs. 3 enthaltene Betriebsstättenvorbehalt – auch wenn er wie vorliegend erfüllt ist – keine Anwendung finden. Folglich findet Art. 21 Abs. 1 OECD-MA Anwendung, weil die Lizenzgebühren unter keinen anderen Artikel subsumiert werden konnten.5 Sind die zur Nutzung überlassenen Rechte oder Vermögenspositionen nach der funktionalen Betrachtungsweise einer Betriebsstätte zuzurechnen, die eine in einem Staat ansässige Person im anderen Staat6 unterhält, so findet die Verteilungsnorm des Art. 21 Abs. 2 OECD-MA Anwendung (s. auch Abbildung 1, Rz. 9.7). Weitere Anwendungsfälle sind nicht denkbar.

1 Ist diesen Fällen ist stets das mit dem dritten Staat bestehende Abkommen zusätzlich zu berücksichtigen. 2 Rust zitiert bei Hemmelrath in Vogel/Lehner, DBA5, Art. 7 Rz. 169. 3 Zustimmend Lehner in Vogel/Lehner, DBA5, Art. 21 Rz. 11. 4 Damit ist ausgeschlossen, dass es sich um Nutzungsüberlassungen an unbeweglichem Vermögen handelt. Diese unterliegen nicht Art. 12 Abs. 2 und auch nicht Art. 21 Abs. 2 OECD-MA. Findet für diese Einkünfte Art. 6 Abs. 1 OECD-MA keine Anwendung, so unterstehen sie Art. 21 Abs. 1 OECD-MA. 5 Die Nichtanwendbarkeit des Art. 12 Abs. 1 OECD-MA führt nicht zur Rückverweisung an Art. 7 OECD-MA. 6 Der Betriebsstättenstaat und der Quellenstaat der Einkünfte werden im Regelfall übereinstimmen. Abweichungen sind jedoch denkbar. So könnten die Lizenzgebühren beispielsweise auch aus dem Ansässigkeitsstaat des Lizenzgebers oder einem Drittstaat stammen, aber der im anderen Staat belegenen Betriebsstätte zuzurechnen sein.

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B. Relevante Einkunftsartikel

3. Verteilung der Besteuerungsrechte a) Regelfall: Ansässigkeitsstaat Art. 21 Abs. 1 OECD-MA weist dem Ansässigkeitsstaat das alleinige Besteuerungsrecht an den anderen Einkünften zu. Eine Besteuerung im anderen Staat ist ausgeschlossen. Davon abweichend sehen einige Abkommen ein Besteuerungsrecht für den Quellenstaat vor. So besteuern beispielsweise Australien, Portugal und Kanada alle Einkünfte, die aus Quellen ihrer Staaten stammen.1 Die Besteuerung erfolgt nach den nationalen Regelungen des jeweiligen Anwendestaates.

9.192

b) Ausnahme: Betriebsstättenstaat Greift der Betriebsstättenvorbehalt, so findet für die Verteilung der Besteuerungsrechte Art. 7 OECD-MA mit der Folge Anwendung, dass der Betriebsstättenstaat die Einkünfte besteuern darf, die der in seinem Staat belegenen Betriebsstätte zuzurechnen sind. Ob der Ansässigkeitsstaat des Lizenzgebers diese Einkünfte ebenfalls besteuern darf oder nicht und wie eine Doppelbesteuerung vermieden werden soll, bestimmt nicht Art. 7 OECD-MA, sondern die jeweiligen Methodenartikel des Abkommens (Art. 23A und 23B OECD-MA). Für weitere Erläuterungen vgl. die Darstellungen zu Art. 7 OECD-MA (insbesondere Rz. 9.159 ff.).

9.193

4. Hinweise zur deutschen Abkommenspraxis Mit Ausnahme der Abkommen mit Griechenland, Irland, Sri Lanka und Thailand enthalten alle von Deutschland abgeschlossenen Abkommen eine Art. 21 OECD-MA inhaltlich vergleichbare Regelung. Nur die Hälfte dieser Regelungen über „andere Einkünfte“ oder auch als „nicht ausdrücklich erwähnte“ bezeichnete Einkünfte enthalten auch einen dem Art. 21 Abs. 2 OECD-MA vergleichbaren Betriebsstättenvorbehalt. Zahlreiche Abkommen sehen für bestimmte Einkünfte wie Unterhaltsleistungen oder Zahlungen an Studenten oder Praktikanten Sonderregelungen vor. In vielen Abkommen wird dem Quellenstaat ein der Höhe nach begrenztes oder sogar für die Einkünfte aus seinem Staat unbegrenztes Besteuerungsrecht gewährt.2 Andere Abkommen wiederum machen die Freistellung im Quellenstaat von der tatsächlichen Besteuerung im Ansässigkeitsstaat abhängig.3

1 Vgl. Musterkommentar zum OECD-MA zu Art. 21, MK 13. 2 Vgl. dazu Schütte in Haase, AStG/DBA, Art. 21 Rz. 58 ff. 3 Vgl. Lehner in Vogel/Lehner, DBA5, Art. 21 Rz. 32. Eine Auflistung über alle von Deutschland abgeschlossenen Abkommen enthält u.a. Lehner in Vogel/Lehner, DBA5, Art. 21 Rz. 26, 55.

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9.194

Kap. 9: Geistiges Eigentum im DBA-Recht

VI. Vermögen (Art. 22 OECD-MA) 9.195

Obwohl Deutschland zurzeit keine Vermögensteuer erhebt, enthalten die meisten von Deutschland abgeschlossenen Abkommen eine Art. 22 OECD-MA vergleichbare Regelung für die Besteuerung des Vermögens. So müssen diese Abkommen, wenn Deutschland wieder oder für die Staaten, die bereits eine Vermögensteuer erheben oder auch wieder erheben sollten, nicht geändert werden.1

9.196

Art. 22 OECD-MA regelt ausschließlich die Steuern auf Vermögen, nicht aber die Erbschaft- oder Schenkungsteuern sowie andere Steuern, die durch die Übertragung von Vermögen entstehen. Diese Gelder stehen nach dieser Regelung grundsätzlich dem Staat zu, der auch die laufenden Einkünfte aus diesem Vermögen besteuern darf. So sehen die Abs. 1–3 eine Umsetzung des Belegenheitsprinzips vor, wonach der Belegenheitsstaat grundsätzlich das in seinem Staat belegene Vermögen der im anderen Vertragsstaat ansässigen Person besteuern darf, wenn es sich bei diesem um unbewegliches Vermögen i.S. des Art. 6 Abs. 2 OECD-MA (Abs. 1) oder um bewegliches Vermögen einer in seinem Staat belegenen Betriebsstätte (Abs. 2) bzw. um Seeschiffe (Abs. 3) handelt. In allen anderen Fällen greift das Wohnsitzstaatprinzip, wonach das Besteuerungsrecht dem Ansässigkeitsstaat der Person zusteht, der das Vermögen gehört.

C. Ausnutzung des internationalen Steuergefälles I. Grundfragen 9.197

DBA dienen als bilaterale Maßnahmen hauptsächlich der Vermeidung der Doppelbesteuerung durch die Freistellung der Einkünfte in einem der beiden Staaten oder Anrechnung der ausländischen Steuer in dem anderen Vertragsstaat (Wohnsitzstaat). Obwohl die meisten abgeschlossenen Abkommen dem OECD-MA2 oder UN-MA folgen, sind nur wenige Abkommen inhaltlich identisch. Vielmehr besteht ein internationales Regelungsgefälle, das den Steuerpflichtigen über die optimale Vermeidung der Doppelbesteuerung hinaus Raum für Steuergestaltungen bietet. Eine Ausnutzung dieser Regelungsgefälle erscheint möglich – durch treaty shopping (Rz. 9.199), bei dem einer nicht abkommensberechtigten Person nur aufgrund der Zwischenschaltung einer abkommensberechtigten Person, wie beispielsweise einer sog. stepping stone Gesellschaft (Rz. 9.200) wie Lizenzverwertungs- und Patentverwertungsgesellschaften (Rz. 9.200), Abkommensvorteile gewährt werden, 1 Vgl. Stockmann in Vogel/Lehner, DBA5, Art. 22 Rz. 18. 2 So folgen beispielsweise die meisten von Deutschland abgeschlossenen Abkommen mit Industriestaaten dem Musterabkommen der OECD. Vgl. Tillmanns/ Mössner in Mössner, Steuerrecht international tätiger Unternehmen3, Rz. B 397.

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C. Ausnutzung des internationalen Steuergefälles

– durch rule shopping (Rz. 9.202), bei dem die Einkünfte durch vertragliche Gestaltung nicht mehr unter den einen, sondern unter einen für den Steuerpflichtigen günstigeren anderen Artikel des Abkommens subsumiert werden, – durch die Ausnutzung von Qualifikationskonflikten (Rz. 9.203), die zu „weißen Einkünften“ führen können, die weder in dem einen noch in dem anderen Vertragsstaat besteuert werden,1 sowie – durch Standortwahl (Rz. 9.206) für Holding- sowie Lizenzverwertungsund Patentverwertungsgesellschaften (Rz. 9.200), bei der die abkommensrechtlichen Regelungen des jeweiligen Staates beachtet werden.2 Die Grenze finden diese Steuergestaltungsmöglichkeiten in den nationalen und abkommensrechtlichen Missbrauchsvermeidungsnormen (Rz. 9.209), die verhindern, dass die Abkommen entgegen ihrem eigentlichen Zweck nicht zur Vermeidung der Doppelbesteuerung, sondern zur Steuerumgehung oder Steuerhinterziehung genutzt werden.3 So dienen DBA auch der Verhinderung von Steuerumgehung und -hinterziehung.4

9.198

II. Treaty Shopping Als treaty shopping werden jene Gestaltungen bezeichnet, in denen eine nicht abkommensberechtigte Person durch die Zwischenschaltung einer anderen, aber abkommensberechtigten Person Abkommensvorteile erzielt, die sie ohne Zwischenschaltung nicht erlangt hätte, weil sie eben nicht in dem gewünschten Vertragsstaat ansässig ist.5 Damit das treaty shopping seine Wirkung entfalten kann, müssen die Einkünfte auf die dazwischengeschaltete Person verlagert werden, die natürlich in einem Staat ansässig sein muss, mit dem der Quellenstaat der Einkünfte entweder im Vergleich zum Ansässigkeitsstaat der zwischenschaltenden Person überhaupt ein DBA oder aber ein für sie günstigeres Abkommen abgeschlossen hat. Eine solche Möglichkeit bietet der Einsatz sog. stepping stone Gesellschaften.

9.199

Im Zusammenhang mit Immaterialgüterrechten sind als stepping stone Gesellschaften insbesondere sog. Lizenzverwertungs- oder Patentverwertungsgesellschaften geeignet. Als solche werden in der Literatur Gesell-

9.200

1 Vgl. Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 16.236. 2 Natürlich sind neben dem „Abkommensnetz“ des in Betracht kommenden Standorts zahlreiche weitere Faktoren (nationaler Steuersatz, Marktbedingungen etc.) für die Standortentscheidung kausal. 3 Vgl. Wassermeyer in Debatin/Wassermeyer, Art. 1 Rz. 56. 4 Vgl. Musterkommentar zum OECD-MA, MK 7 zu Anhang zu Art. 1 OECD-MA. 5 Vgl. Prokisch in Vogel/Lehner, DBA5, Art. 1 Rz. 101. Die nicht abkommensberechtigte Person ist also nicht in dem Staat ansässig, der mit dem entsprechenden Quellenstaat ein Abkommen abgeschlossen hat, von dessen Schutzwirkung er jedoch profitieren möchte. Bei seinem Ansässigkeitsstaat kann es sich um einen DBA- oder einen Nicht-DBA-Staat handeln.

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Kap. 9: Geistiges Eigentum im DBA-Recht

schaften bezeichnet, die ausschließlich die mit den immateriellen Werten verbundenen Transaktionen wie beispielsweise deren Verkauf oder Lizenzierung betreuen und dabei i.d.R. lediglich als Dienstleister in Erscheinung treten,1 welche die Rechte, Nutzungsrechte oder die Vermögensvorteile verwalten.2 So können Lizenzverwertungsgesellschaften beispielsweise erst im Zuge der Vergabe von Unterlizenzen in Erscheinung treten. Der Vorteil ihrer Zwischenschaltung hängt maßgeblich von den Regelungen des Abkommens ab, das zwischen dem Ansässigkeitsstaat der stepping stone Gesellschaft und dem Quellenstaat besteht, aus dem beispielsweise die Lizenzgebühren stammen. Zu denken ist dabei an die Regelung des Art. 12 Abs. 1 OECD-MA, die dem Quellenstaat grundsätzlich kein Besteuerungsrecht gewährt, aber einen Besteuerungsverzicht zugunsten des Wohnsitzstaates des Lizenzgebers davon abhängig macht, ob dieser auch tatsächlich nutzungsberechtigt i.S. des Abkommens ist. Unterscheidet sich das Abkommen zwischen dem Ansässigkeitsstaat des rechtlichen Eigentümers und dem Quellenstaat nun von dem Musterabkommen, weil dieses beispielsweise ein Besteuerungsrecht für den Quellenstaat vorsieht, so kann diese Steuerbelastung durch die Zwischenschaltung der Gesellschaft verhindert werden. Besteht zwischen dem Ansässigkeitsstaat der Lizenzverwertungsgesellschaft und dem des Eigentümers der Rechte oder Vermögensvorteile ein DBA, das beispielsweise eine ausschließliche Besteuerung im Quellenstaat oder die Anrechnung fiktiver Steuern vorsieht, lassen sich weitere Vorteile realisieren. Auf die steuerliche Behandlung der Lizenzverwertungsgesellschaft in ihrem Ansässigkeitsstaat kommt es dabei weniger an, weil sie die Lizenzgebühren aufgrund von Unterlizenzverträgen an den in einem anderen Staat ansässigen Lizenzgeber weiterleitet. In ihrem Ansässigkeitsstaat wird dann lediglich die Dienstleistungsgebühr versteuert. Etwas anderes gilt natürlich dann, wenn der Eigentümer in diesem Staat eine Betriebsstätte unterhält, der die Rechte nach der funktionalen Betrachtungsweise zuzurechnen sind, weil dann die Lizenzgebühren im Regelfall, wenn das zur Anwendung kommende Abkommen keine davon abweichende Regelung vorsieht, im Betriebsstättenstaat besteuert werden.

9.201

Neben der Zwischenschaltung einer abkommensberechtigten Person können die Ziele des treaty shopping auch durch die Einbringung bzw. Einlage der immateriellen Rechte oder Vermögensvorteile in eine abkommensberechtigte Person erreicht werden. So werden beispielsweise zielge1 In diesen Fällen sind die Vergütungen zwischen den Gesellschaften unter Beachtung des Fremdvergleichsgrundsatzes zu verrechnen. Vgl. dazu Rz. 11.18 ff. 2 Vor allem innerhalb eines Konzernverbunds sind aber auch Gestaltungen denkbar, in denen diese Gesellschaften insbesondere aus Gründen der Risikostreuung und der zentralen Verwaltung die immateriellen Werte als rechtlicher Eigentümer halten und verwalten. Darüber hinaus sind auch Treuhänderlösungen denkbar, die beispielsweise mit einem Umlagemodell in der Praxis vorzufinden sind (vgl. dazu u.a. Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung7, 1149 ff.).

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C. Ausnutzung des internationalen Steuergefälles

richtet auf eine Quellensteuerreduktion Anteile an Kapitalgesellschaften von natürlichen Personen in andere Kapitalgesellschaften eingebracht bzw. eingelegt, weil denen selbst keine Quellensteuerreduktion nach Art. 10 Abs. 2 Buchst. a OECD-MA auf 5 %, sondern nach Buchst. b lediglich auf 15 % zusteht. Ein ähnliches Ziel verfolgen sog. Quintett-Lösungen. Bei diesen Gestaltungsvarianten werden Anteile an Kapitalgesellschaften gepoolt, damit sie steuerlich wie Schachtel- (Beteiligungen an Kapitalgesellschaften über mindestens 25 %) und nicht wie Streubesitzbeteiligungen behandelt werden und die umfangreichere Quellensteuerreduktion in Anspruch nehmen können.1 Aber auch im Zusammenhang mit anderen immateriellen Werten kann diese Strategie zum treaty shopping eingesetzt werden. So können beispielsweise Markenrechte (natürlich auch aus nicht steuerlichen Gründen wie der Risikostreuung und einer besseren Verwaltung der Bündel an nationalen Markenrechten) in konzerninterne Lizenzverwertungsgesellschaften eingebracht, eingelegt oder auch verkauft werden, damit diese die Markenrechte selbst halten und verwalten sowie Lizenzen beispielsweise an die lokalen konzerngebundenen Produktions- oder Vertriebsgesellschaften vergeben. Auch in diesen Fällen handelt es sich um Lizenzverwertungsgesellschaften, die im Gegensatz zu den oben genannten i.d.R. nutzungsberechtigt i.S.d. Art. 12 Abs. 1 OECD-MA sein werden. Da es in solchen Fällen nicht zu einer Weiterverrechnung der Lizenzgebühren kommen wird, entfaltet der Standort der Gesellschaft eine höhere Bedeutung (Rz. 9.206 ff.) als im Fall ausschließlicher stepping stone Gesellschaften (Rz. 9.199 ff.). Darüber hinaus gehen mit solchen Gestaltungen schwierige Verrechnungspreisfragen einher (Rz. 11.202 ff.).

III. Rule Shopping Die Abkommensregelungen können für Zwecke der Steuerplanung auch auf die Weise genutzt werden, dass durch gezielte vertragliche Gestaltungen die Einkünfte nicht unter die Regelungen der eigentlich für die Verteilung der Besteuerungsrechte zuständige Norm, sondern unter die einer anderen, für die abkommensberechtigte Person günstigere Regelung subsumiert werden. Die aus dem sog. rule shopping erzielten Vorteile resultieren aus den zur Anwendung kommenden Verteilungsnormen, die abweichend vom eigentlichen Ergebnis beispielsweise eine Quellensteuerreduktion auf null oder eine ausschließliche Besteuerung im Betriebsstättenstaat vorsehen. So kann es beispielsweise für den Inhaber der Rechte oder Vermögensvorteile von Vorteil sein, diese nicht direkt an den gewünschten Erwerber zu veräußern, sondern im Zuge eines Mietkaufs auf diesen zu übertragen, oder aber im Fall der Lizenzierung der Nutzungsrechte diese Rechte unter Beachtung der Grundsätze der funktionalen Betrachtungsweise dem Vermögen der Betriebsstätte zuzuordnen. Folglich würde im ersten Fall nicht Art. 13 (Rz. 9.9 ff.), sondern Art. 12 1 Vgl. Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 16.127.

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9.202

Kap. 9: Geistiges Eigentum im DBA-Recht

OECD-MA (Rz. 9.44 ff.) und im zweiten Beispiel nicht Art. 12 Abs. 1, sondern über Art. 12 Abs. 3 die Regelung des Art. 7 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 OECD-MA (Rz. 9.159 ff., insbesondere Rz. 9.184) zur Anwendung kommen und daraus die Freistellung im Wohnsitzstaat resultieren.

IV. Qualifikationskonflikte 9.203

Die unterschiedliche steuerliche Behandlung identischer Sachverhalte durch die Vertragsstaaten birgt einerseits die Gefahr der Doppelbesteuerung1 und andererseits die Chance auf internationale Minderbesteuerung beispielsweise durch Erzielung niedrig besteuerter oder „weißer“ Einkünfte.2 Die Ausnutzung solcher als Qualifikationskonflikte bezeichneter verschiedener steuerrechtlicher Regelungen, die zur unterschiedlichen Anwendung des Abkommens durch die Anwendestaaten führt, bietet eine weitere Möglichkeit zur Steuergestaltung. Dieser treten die Vertragsstaaten ggf. durch switch over-Regelungen nach Möglichkeit entgegen, die entweder im Abkommen selbst (Rz. 9.211) oder im innerstaatlichen Recht (Rz. 9.227) verankert sind.

9.204

Typischerweise gehen Qualifikationskonflikte mit dem Einsatz von Personengesellschaften einher, die zwar nach deutschem Steuerrecht transparent, jedoch nach ausländischem Steuerrecht entweder intransparent oder aber abweichend transparent besteuert werden, weil die meisten Staaten ein der Mitunternehmerschaft vergleichbares Konzept und daher die damit verbundene Behandlung der Sondervergütungen i.d.R. nicht kennen. Überlässt beispielsweise ein im Inland ansässiger Mitunternehmer der ausländischen Personengesellschaft, an der er beteiligt ist, ein bislang zu seinem Privatvermögen gehörendes Patent, so gehören die Lizenzgebühren nach Auffassung der deutschen Finanzverwaltung i.d.R. zur ausländischen Betriebsstätte,3 die dem Gesellschafter durch die Personengesellschaft vermittelt wird, hingegen nach ausländischem Recht weiterhin zum Privatvermögen des Gesellschafters. Da der ausländische Staat das Besteuerungsrecht i.d.R. nach Art. 12 Abs. 1 OECD-MA dem Wohnsitzstaat Deutsch1 Führen Qualifikationskonflikte zur Doppelbesteuerung, so steht dem betroffenen Steuerpflichtigen die Durchführung eines Verständigungsverfahrens offen. Dieses regelt Art. 25 OECD-MA. Kann dieses die Doppelbesteuerung nicht beseitigen, so verbleibt dem Steuerpflichtigen ausschließlich ein Antrag auf eine Billigkeitsmaßnahme in seinem Wohnsitzstaat (vgl. Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung7, 900). 2 Vgl. zu dieser Definition Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung7, 1300. Eine weitere Möglichkeit der internationalen Minderbesteuerung bieten die doppelte Aufwandsverrechnung, Betriebsausgabenabzug ohne Berücksichtigung des Korrespondenzprinzips, das einen steuerwirksamen Abzug nur dann zulässt, wenn auch die Betriebseinnahmen besteuert werden, oder durch die unterschiedliche Periodisierung von Aufwendungen und Erträgen. 3 Die Zuordnung zur Betriebsstätte, welche die Personengesellschaft im Ausland betreibt, ist keinesfalls zwingend. Vgl. dazu u.a. Haase/Brändel, StuW 2011, 49, 55 ff.

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C. Ausnutzung des internationalen Steuergefälles

land, hingegen Deutschland über Art. 7 Abs. 1, Abs. 7, 12 Abs. 1 und Abs. 3, 7 Abs. 1 Satz 1 2. Halbs. OECD-MA1 dem Quellen- bzw. Betriebsstättenstaat zuweist, entstehen weiße Einkünfte, weil beide Staaten sich nach dem anzuwendenden DBA an einer Besteuerung gehindert sehen. Deutschland verwehrt die Freistellung der Einkünfte jedoch über § 50d Abs. 9 und 10 EStG und führt einen unilateralen switch over zur Anrechnungsmethode im Zuge eines treaty override durch (Rz. 9.227 ff.). Weitere Anwendungsfälle von Qualifikationskonflikten sind vorstellbar, wenn die Vertragsstaaten unterschiedlicher Auffassung über die Zuordnung des immateriellen Werts zur Betriebsstätte des Lizenzgebers sind. Differieren die Vertragsstaaten hinsichtlich der Frage der funktionalen Zuordnung und kommen dabei zu unterschiedlichen Ergebnissen, so könnten wiederum weiße Einkünfte entstehen. Auch aus der Abgrenzungsfrage zwischen der endgültigen Nutzungsübertragung und der zeitlich begrenzten Nutzungsüberlassung können Qualifikationskonflikte resultieren. So können die sog. double dip Modelle in den Fällen des grenzüberschreitenden Leasing zur doppelten Verrechnung der Aufwendungen führen, indem die Wirtschaftsgüter sowohl dem Leasingnehmer als auch dem Leasinggeber zugerechnet werden und beide eine Abschreibung steuerlich geltend machen können.2

9.205

V. Standortwahl Holdinggesellschaften können allgemein als Gesellschaften bezeichnet werden, die sich an rechtlich selbstständigen Unternehmen beteiligen. Dabei können sie nach ihren Funktionen als geschäftsleitende, Führungs-, Finanz-, Management- oder Vermögensholding bezeichnet werden, wenn sie entsprechend agieren.3 In vergleichbarer Weise können auch Lizenz- und Patentverwertungsgesellschaften aus außersteuerlichen Gründen wie der Risikostreuung oder zentralen Verwaltung und Steuerung sowie aus steuerlichen Gründen beispielsweise als Landes-, Auslands- oder EU-Gesellschaften errichtet werden. Ihr Einsatz ermöglicht vor allem steuerliche Vorteile wie die Reduzierung von Quellensteuern, die Umleitung der Einkünfte wie beispielsweise der Dividendenströme oder Lizenzgebühren, die Konsolidierung der positiven und negativen Ergebnisse, die vor allem mit der Forschungs- und Entwicklungstätigkeit immaterieller Werte einhergehen können, sowie die steuerwirksame Finanzierung des Beteiligungsportfolios, die Reduzierung der Besteuerung von Veräußerungsgewinnen, die Nutzung der Steuergefälle, die Umfor1 Die deutsche Finanzverwaltung kommt zu demselben Ergebnis, will dabei allerdings nur Art. 7 OECD-MA anwenden. Als Legitimation dient ihr § 50d Abs. 10 EStG. 2 Vgl. Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung7, 1308 ff. 3 Zum Entscheidungstatbestand der Holdingstruktur vgl. auch Fischer/Kleineidam/Warneke, Internationale Steuerlehre5, 597 ff.

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9.206

Kap. 9: Geistiges Eigentum im DBA-Recht

mung von Einkünften, die Nutzung der Kapitalgesellschaftsprivilegien und die Vermeidung ausländischer Erbschaftsteuern.1

9.207

An welchem Standort die jeweilige Gesellschaft letztlich errichtet wird, welche die immateriellen Werte hält und verwaltet, hängt neben den außersteuerlichen Gründen wie der politischen und rechtlichen Stabilität sowie den rechtlichen Rahmenbedingungen wie dem Schutz der Immaterialgüterrechte (vor allen der Marken und Patente) maßgeblich von dem Steuerrecht des potentiellen Ansässigkeitsstaates sowie dem DBA-Netz ab, über das dieser Staat verfügt. So gehören zu den wichtigen steuerlichen Einflussfaktoren die Frage der Quellensteuern für abfließende Lizenzgebühren, die steuerliche Behandlung der Gewinne der Gesellschaft sowie die mit der Ermittlung der Einkünfte zusammenhängenden Fragen der Berücksichtigung der Ausgaben, die mit der Forschung und Entwicklung in Zusammenhang stehen, der Teilwertabschreibungen, der Behandlung von Verlustvorträgen sowie die Regelung der Abkommen, die mit den Quellenstaaten der Dividenden oder Lizenzgebühren abgeschlossen sind. Aufgrund der Vielfältigkeit der Faktoren und der unterschiedlichen Zielsetzungen der Unternehmen gibt es nicht den geeigneten Standort. Es zeigt sich jedoch, dass die als Steueroasen bezeichneten Länder wie die Bahamas oder Cayman Islands aufgrund ihres geringen Abkommensnetzes vor allem mit den Industriestaaten i.d.R. keine geeigneten Holdingstandorte darstellen. Vielmehr kommen für deutsche Konzerne Luxemburg, Spanien oder auch Malta als mögliche Standorte in Betracht. Steht jedoch die Quellensteuerreduktion für die abgebenden Lizenzgebühren im Vordergrund, so könnten Dänemark, Irland oder auch Luxemburg geeignete Standorte sein.2 Gleichwohl sollten in die Entscheidung für einen bestimmten Standort neben den positiven Steuerwirkungen auch die gegenläufigen Steuereffekte einbezogen werden. Zu diesen zählen insbesondere die steuerlichen Folgen, die insbesondere mit der Errichtung einer solchen Gesellschaft durch die Übertragung der immateriellen Werte ggf. auch über die Grenze einhergehen, sowie die mit ihrem Einsatz verbundenen Verrechnungspreisfragen und die mit der Errichtung und der Unterhaltung der Gesellschaft verbundenen Kosten.3

9.208

Die Standortwahl sollte unter Beachtung der nationalen und bilateralen Missbrauchsvermeidungsnormen erfolgen, die insbesondere den Einsatz sog. Basis- oder Zwischengesellschaften vermeiden möchten, um unerwartete steuerliche Konsequenzen für die Unternehmen zu verhindern. Für im Inland ansässige Gesellschafter sollten zudem die Regelungen der Hinzurechnungsbesteuerung in die Betrachtung einbezogen werden. Finden die Vorschriften des AStG Anwendung, so kann die Gesellschaft keine Abschirmwirkung entfalten, auch wenn die Voraussetzungen einer

1 Vgl. dazu ausführlich Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung7, 1022 ff. 2 Vgl. Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung7, 1042 ff. 3 Vgl. Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung7, 1058 ff.

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C. Ausnutzung des internationalen Steuergefälles

Missbrauchsvermeidungsnorm des Abkommens oder des nationalen Rechts nicht erfüllt sind.1

VI. Missbrauchsvermeidungsnormen 1. Überblick Die in einem Abkommen enthaltenen Missbrauchsvermeidungsnormen gehen den nationalen Regelungen im Grundsatz vor. Sehen die nationalen Gesetze jedoch sog. treaty override-Regelungen2 vor, die in bestimmen Sachverhalten der Anwendung des Abkommens entgegenstehen, so erhalten sie Anwendungsvorrang.3 So kommt die allgemeine Regelung des § 42 AO nachrangig, jedoch die spezielle Regelung des § 50d Abs. 3 EStG vorrangig vor den Missbrauchsvermeidungsnormen des jeweiligen Abkommens zur Anwendung.4 Enthält das Abkommen jedoch keine derartige Regelung, so finden die nationalen Missbrauchsvermeidungsnormen desjenigen Staates über Art. 3 Abs. 2 OECD-MA Anwendung,5 aus dessen Sicht eine missbräuchliche Gestaltung vorliegt.6

9.209

2. Missbrauchsklauseln der DBA DBA enthalten i.d.R. entweder allgemeine Regelungen über die Missbrauchsvermeidung, die den Missbrauch selbst regeln, wie beispielsweise die in wenigen Abkommen enthaltenen treaty-shopping-Klauseln, oder 1 Zur Hinzurechnungsbesteuerung vgl. u.a. Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung7, 1068 ff. sowie Haase (Hrsg.), AStG/DBA, 2009. 2 Als treaty override werden solche nationalen Regelungen bezeichnet, die jene Rechtsfolgen, die sich aus der Anwendung des Abkommens zwingend ergeben, unberücksichtigt lassen und eine davon abweichende Rechtsfolge vorschreiben. Durch ihre Anwendung wird der grundsätzliche Anwendungsvorrang des Abkommens, wie ihn § 2 AO deklaratorisch vorsieht, übergangen. 3 Derzeit verfügt ausschließlich das DBA mit den USA über eine Regelung, die der Anwendung des § 50d Abs. 3 EStG entgegensteht, vgl. Linn, IStR 2010, 542, 543. Schaumburg hingegen vertritt die Auffassung, dass § 50d Abs. 3 EStG dennoch zur Anwendung komme, weil die Norm den Anwendungsvorrang hinreichend deutlich anordnet (vgl. Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 16.136). 4 Die deutsche Finanzverwaltung wendet diese Regelung (insb. § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 EStG) unabhängig davon an, ob in dem jeweiligen Abkommen ein Vorbehalt enthalten ist oder nicht, der ausdrücklich einen solchen treaty override erlaubt. Sie betrachtet die Regelung ausschließlich als klarstellend. Kritisch dazu beispielsweise Gosch, IStR 2008, 413 ff. (vgl. Loschelder in Schmidt30, § 50d EStG Rz. 56). Grundsätzlich kann ein solcher DBA-Vorbehalt auch eine Aktivitätsklausel (wie häufig für Betriebsstätteneinkünfte) oder eine sog. switch overRegelung enthalten, bei der der Ansässigkeitsstaat unter bestimmen Bedingungen von der im Abkommen vereinbarten Freistellungsmethode zur Anrechnungsmethode übergehen darf. 5 Diese Auffassung ist in der Literatur durchaus umstritten. Vgl. dazu ausführlich Prokisch in Vogel/Lehner, DBA5, Art. 1 Rz. 103 ff. 6 In Betracht kommt dabei das Steuerrecht des Quellen- sowie des Wohnsitzstaates. I.d.R. wird der Missbrauch nur aus Sicht eines Staates zu bejahen sein.

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9.210

Kap. 9: Geistiges Eigentum im DBA-Recht

spezielle Regelungen, welche die nationalen Missbrauchsvermeidungsnormen explizit in die abkommensrechtlichen Regelungen einbeziehen.

9.211

Die OECD selbst trifft bezüglich der nationalen Missbrauchsklauseln in dem Musterabkommen keine Aussage, spricht sich jedoch in ihrem Musterkommentar gegen einen Widerspruch zwischen den nationalen und abkommensrechtlichen Regelungen aus,1 weswegen deren Anwendung grundsätzlich als zulässig betrachtet wird.2 Zudem weist sie in ihrem Musterkommentar darauf hin, dass einige Staaten die „künstlichen Gestaltungen“ gerade nicht als Missbrauch der nationalen Regelungen, sondern des Abkommens betrachten. Letztlich aber stimmen beide Auffassung insoweit überein, als sie einen Abkommensmissbrauch als solchen nicht zulassen möchten und daher die Abkommensvorteile in Missbrauchsfällen nicht gewähren müssen, wenn Hauptzweck der vertraglichen Gestaltung und deren steuerliche Beurteilung dem Sinn und Zweck der einschlägigen Vorschrift widersprechen würde. Über die Anwendung allgemeiner Missbrauchsbekämpfungsvorschriften kann die Aufnahme spezieller Missbrauchsklauseln in das Abkommen insbesondere dann sinnvoll sein, wenn eine bestimme Steuerumgehungstechnik von den Vertragsstaaten beobachtet wird oder einer der Vertragsstaaten keine nationalen Missbrauchsvermeidungsnormen kennt, aber die erstgenannte Auffassung vertritt, wonach der Abkommensmissbrauch durch die Anwendung nationaler Regeln verhindert werden soll.3 Im OECD-MK sind Vorschläge für spezielle Missbrauchsvermeidungsnormen enthalten. So zum Beispiel – Transparenzklauseln zur Erfassung von Missbräuchen im Zusammenspiel mit sog. Durchlaufgesellschaften,4 wonach diese Gesellschaften die Abkommensvorteile nur dann erhalten sollen, wenn die hinter ihnen stehenden Personen in einem der Vertragsstaaten ansässig sind, – Subject-to-tax-Klauseln (oder Rückfallklauseln) zur Vermeidung „weißer Einkünfte“, wonach der Wohnsitzstaat die Freistellung nur dann gewährt, wenn die Einkünfte tatsächlich im Quellenstaat einer Besteuerung unterlagen; diese Klauseln werden auch als switch over-Methode bezeichnet, weil von der Freistellungs- zur Anrechnungsmethode übergegangen wird; sie können zwar ausgereifte Steuerumgehungstechniken im Zusammenspiel mit stepping stone Gesellschaften nicht vermeiden, dienen jedoch der Verhinderung weißer Einkünfte im Zuge von Qualifikationskonflikten (Rz. 9.203 ff.), 1 Vgl. Henkel in Mössner u.a., Besteuerung international tätiger Unternehmen3, Rz. F 155. 2 Vgl. Musterkommentar zum OECD-MA zum Anhang zu Art. 1 OECD-MA, MK 9.2. 3 Vgl. Musterkommentar zum OECD-MA zum Anhang zu Art. 1 OECD-MA, MK 9.2 ff. 4 Die OECD bezeichnet in ihrem Musterkommentar die oben erwähnten Lizenzverwertungs- und Patentverwertungsgesellschaften, die ausschließlich zwischen den eigentlichen Lizenzgeber und Lizenznehmer geschaltet werden, als Durchlaufgesellschaften.

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C. Ausnutzung des internationalen Steuergefälles

– Ausschlussklauseln, wonach beispielsweise für bestimmte rechtlich abgrenzbare Gesellschaften, niedrig besteuerte Gesellschaften oder bestimmte nach dem Abkommen als nicht berechtigt zu erfassende Gesellschaften die ihnen aufgrund ihrer Ansässigkeit eigentlich zu gewährenden Abkommensvorteile nicht erhalten, – Durchlaufklauseln, die genau definieren, was abkommensrechtlich hinter dieser Gestaltung zu verstehen ist, und auf die Verhinderung des Abkommensmissbrauchs mit stepping stone Gesellschaften abstellen.1 Sie sollen jedoch auch Ausnahmen enthalten, wonach die Missbrauchsregelungen bei tatsächlicher wirtschaftlicher Aktivität der Gesellschaft nicht zur Anwendung kommen (sog. „bona-fide-Klauseln“). – Eine allgemeine „bona-fide-Klausel“ verhindert die Annahme eines Missbrauchs für die Fälle, in denen zwar eine auf den ersten Blick rechtlich missbräuchliche Gestaltung vorliegt, jedoch aus wirtschaftlicher Betrachtung kein Missbrauch gegeben ist. Dieses Ziel verfolgen auch – Aktivitätsklauseln, wonach die Missbrauchsvermeidungsnormen nicht zur Anwendung kommen, wenn die Gesellschaft bestimmten sog. aktiven Tätigkeiten nachgeht, – Steuerbetragsklauseln, wonach kein Missbrauch vorliegt, wenn die Steuerentlastungen in dem einen Staat nicht die Steuern übersteigen, die in dem Ansässigkeitsstaat der Gesellschaft erhoben werden, – Börsenklauseln, wonach eine Gesellschaft, deren Aktien an einer anerkannten Börse eines Vertragsstaates gehandelt werden, nicht unter die Missbrauchsklausel fällt, oder – alternative Entlastungsbestimmungen, die beispielsweise jenes DBA mit in die Betrachtung einbeziehen, das zwischen dem Ansässigkeitsstaat der zwischengeschalteten Gesellschaft und dem Sitzstaat der im Drittstaat ansässigen Gesellschaft besteht.2 – Auch die Einleitungen und Durchführungen von Verständigungsverfahren können der Vermeidung von Missbräuchen dienen. Eine spezielle Missbrauchsklausel enthält Art. 12 Abs. 1 OECD-MA, wonach der Quellenstaat der Lizenzgebühren nicht auf sein Besteuerungsrecht verzichten muss,3 wenn die Zahlungen an einen nicht nutzungsberechtigten Lizenzgeber erfolgen (sog. Beneficiary Klausel). Mit dieser Regelung soll ein treaty shopping verhindert werden, wonach durch die Zwischenschaltung sog. Lizenz- und Patentverwertungsgesellschaften als stepping stone Gesellschaften Abkommensvorteile erzielt werden sollen (Rz. 9.199 ff.). 1 Solche Regelungen enthalten beispielsweise die von der Schweiz abgeschlossenen Abkommen. 2 Vgl. Musterkommentar zum OECD-MA zum Anhang zu Art. 1 OECD-MA, MK 13 ff. 3 Einen vergleichbaren Vorbehalt enthält auch Art. 10 OECD-MA. Auch dieser stellt auf den Nutzungsberechtigten ab. Vgl. dazu u.a. Henkel in Mössner u.a., Steuerrecht international tätiger Unternehmen3, Rz. E 233 f.

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9.212

Kap. 9: Geistiges Eigentum im DBA-Recht

9.213

Eines der wenigen von Deutschland abgeschlossenen Abkommen, das über zahlreiche Missbrauchsvermeidungsnormen verfügt, ist das 2010 unterzeichnete neue DBA-Großbritannien. Dieses enthält neben den bereits etablierten Vermeidungsnormen wie Aktivitätsklauseln zusätzlich Vorbehalte in den Spezialartikeln, mit Art. 21 Abs. 2 eine Vorschrift zu den Trusts und mit Art. 23 Abs. 1 Buchst. a eine subject-to-tax-Klausel sowie in einer Joint Declaration einen allgemeinen Missbrauchsvorbehalt, der vor allem darlegt, was unter einer missbräuchlichen Inanspruchnahme des Abkommens zu verstehen ist.1 3. Nationale Missbrauchsklauseln a) Verhältnis zum DBA-Recht

9.214

Die nationalen Missbrauchsklauseln können zur Anwendung kommen, wenn das Abkommen ihrer Anwendung nicht entgegensteht.2 Fraglich ist, ob ein Missbrauch nach nationalem Recht auch dann vorliegen kann, wenn die spezielle Missbrauchsklausel des DBA einen solchen verneint. Eine zusätzliche Anwendung des § 42 AO ist wohl ausgeschlossen, wenn das Abkommen eine detaillierte Regelung zur Frage des Missbrauchs enthält, die auf eine abschließende Regelung für die Nichtanerkennung bestimmter Gestaltungen abstellt. Etwas anderes gilt wohl dann, wenn die Regelungen lediglich auf die Verhinderung des Missbrauchs in Einzelfällen abstellen. Im Ergebnis wird man eine Gestaltung, die von einer Spezialregelung des Abkommens nicht als Missbrauch gewertet wird, auch nicht nach § 42 AO als Missbrauch werten können. Neben der allgemeinen Missbrauchsregelung des § 42 AO kennt das Steuerrecht mit § 50d Abs. 3 EStG und § 50 Abs. 9 EStG3 weitere spezielle Missbrauchsvermeidungsvorschriften. b) § 42 AO

9.215

Die allgemeine nationale Missbrauchsvermeidungsnorm ist § 42 AO. Danach können die Steuergesetze durch Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten nicht umgegangen werden. Liegt nach dieser Vorschrift ein Missbrauch vor, der nicht den Tatbestand einer anderen nationalen, aber spezielleren Missbrauchsvermeidungsnorm erfüllt, so erfolgt die Besteuerung des Sachverhalts so, wie er bei einer unter Beachtung der wirtschaftlichen Vorgänge angemessenen Gestaltung erfolgt wäre. Im Ergebnis er1 Vgl. Linn, IStR 2010, 542 (546). 2 Aufgrund des Abkommensnetzes, über das die Bundesrepublik Deutschland verfügt, verhindert Deutschland Abkommensmissbräuche in der Praxis fast ausschließlich durch die Anwendung unilateraler Missbrauchsklauseln. Zu diesem Ergebnis kam der 64. IFA-Kongress, vgl. dazu Linn, IStR 2010, 542 (546). 3 Fraglich ist, ob § 50d Abs. 9 EStG ebenfalls als Missbrauchsvermeidungsnorm anzusehen ist. Sie vermeidet die Entstehung weißer Einkünfte, die nicht nur aus Missbrauch, sondern auch aus der unterschiedlichen Anwendung des Abkommens resultieren können.

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C. Ausnutzung des internationalen Steuergefälles

folgt die steuerliche Beurteilung des Sachverhalts nicht auf Grundlage der gewählten rechtlichen Struktur, sondern auf Grundlage ihrer wirtschaftlichen Betrachtungsweise. Daher bezeichnet die OECD solche Normen als substance over form-Regelungen.1 Diese allgemeinen Missbrauchsvermeidungsnormen werden in dem OECD-MA nicht angesprochen und bleiben daher von diesem unberührt, weswegen die Normen grundsätzlich in keinem Konflikt zueinander stehen. Vielmehr erfolgt die Anwendung des Abkommens unter Berücksichtigung des § 42 AO, weil dieser bereits auf Ebene der Sachverhaltsermittlung und nicht erst auf Ebene der Abkommensanwendung eingreift.2 Die Anwendung des § 42 AO findet jedoch dann ihre Grenze, wenn das Abkommen selbst spezielle Missbrauchsvermeidungsnormen für den jeweiligen Sachverhalt enthält. So ist eine von Art. 12 Abs. 1 OECD-MA abweichende Zurechnung der Lizenzgebühren an einen anderen als den nach dem Abkommen Nutzungsberechtigen nach § 42 AO nicht möglich.3

9.216

Gleichfalls kann § 42 AO dann keine Anwendung finden, wenn die Tatbestandsvoraussetzungen einer spezielleren nationalen Missbrauchsvermeidungsvorschrift erfüllt sind. So hat der BFH in einem Streitfall4 entschieden, dass ein Fall des § 42 AO dann nicht vorliegen könne, wenn das AStG diese Sachverhaltsgestaltung ausdrücklich nicht als Missbrauch betrachtet.5 Dies gilt auch dann, wenn ein Missbrauch nach § 50d Abs. 3 EStG zu verneinen ist.6 § 42 Abs. 1 Satz 2 AO stellt dies eigentlich ausdrücklich klar.7

9.217

1 Diese Normen werden auch als „Substanz gegen Form“ oder in Bezug auf das deutsche Steuerrecht lediglich als Missbrauchsvermeidungsnormen bezeichnet. 2 Vgl. Musterkommentar zum OECD-MA zum Anhang zu Art. 1 OECD-MA, MK 22 ff. 3 Fraglich ist, ob auch der andere Vertragsstaat eine entsprechende Norm kennen muss, wenn die nationalen Missbrauchsvermeidungsnormen auf die Anwendung des Abkommens durchgreifen. Ebenfalls fraglich ist, ob beide Vertragsstaaten stillschweigend von einer Erlaubnis der Anwendung der nationalen Normen ausgehen können, wenn das Abkommen darüber keine Aussagen enthält. Im Ergebnis sei das Abkommen nach der Substanz und nicht nach der Form des Sachverhalts anzuwenden, wobei dieser Grundsatz nur in Ausnahmefällen zur Anwendung kommen soll. Vgl. dazu die Auffassung der OECD, die bereits unter Rz. 9.219 dargestellt wurde, sowie Prokisch in Vogel/Lehner, DBA5, Art. 1 Rz. 116 und 117. Wassermeyer ist der Auffassung, dass die innerstaatlichen Regelungen nur insoweit zur Anwendung kommen können, wie die Vertragsstaaten beide einen Missbrauch annehmen. Er ist zudem der Auffassung, dass § 42 AO nur dann zur Anwendung kommen kann, wenn das Abkommen explizit deutsches Steuerrecht für anwendbar erklärt (vgl. Wassermeyer in Debatin/Wassermeyer, Art. 1 Rz. 57). 4 BFH v. 23.10.1991 – I R 40/89, BStBl. II 1992, 1026. 5 Vgl. Prokisch in Vogel/Lehner, DBA5, Art. 1 Rz. 113. 6 Zustimmend Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung7, 1063, 1074 sowie Linn, IStR 2010, 542. Dies hat zuletzt BFH v. 29.1.2008 – I R 26/06, BStBl. II 2008, 978 bestätigt. 7 In BMF v. 3.4.2007 – IV B 1-S 2411/07/0002, BStBl. I 2007, 446 Rz. 12 geht die Finanzverwaltung davon aus, dass auch im Fall der Nichtanwendbarkeit des

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Kap. 9: Geistiges Eigentum im DBA-Recht

9.218

§ 42 AO kann hingegen das treaty shopping durch Zwischenschaltung der stepping stone Gesellschaften im Inland nicht verhindern (Rz. 9.199 ff.), weil in diesen Fällen eine Steuerpflicht im Inland begründet, nicht aber verhindert oder vermieden wird. Eine Verhinderung des Missbrauchs ist damit nur durch die abkommensrechtlichen Regelungen möglich (beispielsweise durch den Bezug in Art. 12 Abs. 1 OECD-MA auf den Nutzungsberechtigten [Rz. 9.67]) sowie ggf. nach den nationalen Regelungen des Quellenstaates. So stellt die Regelung des § 50d Abs. 3 EStG auf die Zwischenschaltung ausländischer Gesellschaften ab und würde im umgekehrten Fall, in dem Deutschland der Quellenstaat wäre, ggf. einen Missbrauch vermeiden (Rz. 9.219).1 c) § 50d Abs. 3 EStG

9.219

Zahlreiche DBA sehen für bestimmte Dividenden oder Lizenzgebühren eine Reduzierung des Quellensteuersatzes auf null oder einen der Höhe nach begrenzten Quellensteuersatz vor. Auf welche Weise die Vertragsstaaten die Quellensteuerreduktion vornehmen, bleibt dem einzelnen Vertragsstaat überlassen.2 So hat sich Deutschland nicht dafür entschieden, den abkommensrechtlich vereinbarten Quellensteuersatz bereits bei Besteuerung an der Quelle anzuwenden, sondern für ein zweistufiges Verfahren. Ungeachtet der Regelungen des zur Anwendung kommenden DBA wird die Quellenbesteuerung im ersten Schritt ausschließlich nach den nationalen Regelungen vorgenommen und dem beschränkt Steuerpflichtigen im zweiten Schritt ein Erstattungs- bzw. Vergütungsanspruch gewährt.3 Im Ergebnis wird damit die abkommensrechtlich vorgesehene Quellensteuerreduktion erreicht.

9.220

§ 50d Abs. 3 EStG4 durchbricht jedoch diese Vorgehensweise, indem die Norm unter bestimmten Bedingungen (Rz. 9.144 sowie 9.221 ff.) eine Erstattung der unter Berücksichtigung der Abkommensregelungen nach deutschem Steuerrecht zu viel einbehaltenen Quellensteuer verhindert.

1 2 3 4

§ 50d Abs. 3 EStG ein Missbrauch nach § 42 AO zu prüfen ist. Dieser Auffassung ist grundsätzlich zuzustimmen. Allerdings findet diese Vorgehensweise dort ihre Grenzen, wo nach § 50d Abs. 3 EStG ein Missbrauch zu verneinen ist. Durch den Anwendungsvorrang der spezielleren Missbrauchsvermeidungsnorm kann ein Missbrauch über die allgemeine Norm des § 42 AO i.S. des § 50d Abs. 3 EStG nicht wieder bejaht werden. Unberührt davon kann jedoch aus anderen Gründen ein Missbrauch bejaht werden. Vgl. Henkel in Mössner u.a., Besteuerung international tätiger Unternehmen3, Rz. F 154. Die im Inland errichteten Gesellschaften werden als „conduit companies“ bezeichnet. Die OECD stellt dies ausdrücklich in dem Musterkommentar zum OECD-MA klar. Die gesetzliche Regelung enthält § 50d Abs. 1 Satz 1 und 2 EStG. Aufgrund dieser Regelung wurde gegen Deutschland am 18.3.2010 ein Vertragsverletzungsverfahren (IP/10/298) eingeleitet, weil gegen die europarechtliche Kompatibilität dieser Norm Bedenken bestehen. Vgl. dazu Linn, IStR 2010, 542 (543).

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C. Ausnutzung des internationalen Steuergefälles

Da in diesen Fällen die abkommensrechtlich vereinbarte Quellensteuerreduktion von Deutschland als Quellenstaat nicht umgesetzt wird, handelt es sich bei dieser Norm um einen treaty override,1 der eine spezielle nationale Missbrauchsvermeidungsnorm darstellt.2 Sie soll die Abkommensvergünstigungen bestimmter Gesellschaften vermeiden, die lediglich als stepping stone Gesellschaften bzw. Zwischengesellschaften fungieren. Dabei stellt § 50d Abs. 3 EStG für die Frage, ob ein Gestaltungsmissbrauch vorliegt oder nicht, allein auf die wirtschaftlichen Verhältnisse der zwischengeschalteten Gesellschaft ab. Deswegen werden die Steuergestalter versuchen, der Gesellschaft eine eigene Wirtschaftstätigkeit zuzuordnen, damit es für ihre Zwischenschaltung wirtschaftliche oder sonst beachtliche Gründe gibt und die stepping stone Gesellschaft gerade nicht die gesetzlich in § 50d Abs. 3 Satz 1 Nr. 1–3 EStG festgeschriebenen Kriterien erfüllt.3 Unter welchen Voraussetzungen sie diese Kriterien aus Sicht der deutschen Finanzverwaltung nicht erfüllt, kann dem BMFSchreiben v. 3.4.2007 entnommen werden.4 Darin nimmt die Finanzverwaltung ausführlich dazu Stellung, unter welchen Bedingungen die ausländische Gesellschaft keinen Anspruch auf Erstattung der Quellensteuer hat. Auf der ersten Stufe der Missbrauchsprüfung ist für jede einzelne an der ausländischen Gesellschaft5 beteiligte Person zu überprüfen, ob diese die Steuerentlastung nach dem DBA, also die Quellensteuerreduktion, auch dann beanspruchen könnte, wenn sie die Einkünfte unmittelbar beziehen würde.6 Ist diese Frage der fiktiven Steuerentlastungsberechtigung für jede einzelne Personen zu bejahen, weil die Beteiligten jeweils abkommensberechtigte, aber nicht im Inland unbeschränkt steuerpflichtige Personen sind und die im Abkommen enthaltene Steuerentlastung aus demselben oder eine vergleichbare Entlastung aus einem anderen Abkommen 1 Diese Normen verbieten unter bestimmten Voraussetzungen eine Inanspruchnahme des Abkommens (vgl. Wassermeyer in Debatin/Wassermeyer, Art. 1 Rz. 56a). 2 Zu Treaty Overriding und Verfassungsrecht vgl. Jansen/Weidmann, IStR 2010, 596 ff. Sie kommen zu dem Ergebnis, dass solche Regelungen verfassungsrechtlich zulässig sind, wenn sie auf die Vermeidung von Missbräuchen oder Keinmalbesteuerung abzielen und der Herstellung von Besteuerungsgleichheit dienen. 3 Vgl. Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung7, 1071 ff. 4 BMF v. 3.4.2007 – IV B 1-S 2411/07/0002, BStBl. I 2007, 446. 5 Ausländische Gesellschaften sind alle juristische Personen sowie Rechtsträger, die für ihre Besteuerung wie juristische Personen besteuert werden, und ihren Sitz sowie ihre Geschäftsleitung nicht im Inland haben. Die Beurteilung richtet sich nach den Vorschriften des jeweiligen DBA, so dass auch Personengesellschaften, die in ihrem Sitzstaat wie Kapitalgesellschaften behandelt werden, ausländische Gesellschaften i.S. des § 50d Abs. 3 EStG sein können. Vgl. BMF v. 3.4.2007 – IV B 1-S 2411/07/0002, BStBl. I 2007, 446 Rz. 3. Die Anwendung der Missbrauchsvorschrift setzt natürlich voraus, dass die Gesellschaft selbst die Abkommensvorteile in Anspruch nehmen kann. 6 Sollten weitere Gesellschaften, die ebenfalls unter § 50d Abs. 3 EStG fallen, dazwischengeschaltet sein, so stellt die Prüfung auf die dahinterstehenden Personen ab (vgl. Wagner in Blümich, § 50d EStG Rz. 68).

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Kap. 9: Geistiges Eigentum im DBA-Recht

beanspruchen könnten,1 so liegt insgesamt kein Missbrauch vor.2 Erfüllen alle Beteiligten, weil sie beispielsweise in Nicht-DBA-Staaten ansässig sind, oder nur einzelne Personen diese Voraussetzung nicht, weil sie beispielsweise ihren Wohnsitz im Inland oder in einem DBA-Staat haben, dessen mit Deutschland abgeschlossenes DBA keine vergleichbare Regelung enthält, so liegt insoweit ein Missbrauch vor, als eine der weiteren Stufen der Missbrauchsprüfung nicht erfüllt ist. Im Ergebnis müssen daher die Ausnahmetatbestände des § 50d Abs. 3 Satz 1 Nr. 1–3 EStG kumulativ erfüllt sein, um einen Missbrauch zu verneinen.

9.222

Auf der zweiten Stufe ist zu überprüfen, ob es für die Zwischenschaltung der ausländischen Gesellschaft über die steuerlichen Vorteile des treatyshopping hinaus andere wirtschaftliche oder andere beachtliche Gründe gibt, die eine Abstandnahme von der Vermutung des Missbrauchs nach § 50d Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 EStG rechtfertigen könnten. Satz 2 der Regelung stellt dabei klar, dass ausschließlich die Verhältnisse der ausländischen Gesellschaft maßgeblich sind und alle organisatorischen, wirtschaftlichen sowie sonst beachtlichen Gründe der dieser nahestehenden Personen nicht in die Betrachtung einbezogen werden können. Welche Gründe eine solche Ausnahme rechtfertigen könnten, kann dem Gesetzeswortlaut jedoch nicht entnommen werden. Die deutsche Finanzverwaltung verlangt unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BFH Gründe, die deren Einschaltung rechtfertigen und nicht nur rein formaler Natur sind. Die überwiegende Sicherung von Inlandsvermögen in Krisenzeiten oder die Einschaltung der Gesellschaft für eine künftige Erbregelung oder den Aufbau der Alterssicherung der Gesellschafter genügen als wirtschaftliche Gründe nicht. Dies gilt wohl ebenfalls für alle Umstände, die sich wie beispielsweise die Organisation und die gesamtunternehmerische Konzeption aus den Verhältnissen des Konzernverbunds ergeben und nicht im Einsatz der einzelnen Gesellschaft begründet sind. Etwas anderes gilt beispielsweise für rechtliche, politische oder religiöse Gründe, die grundsätzlich beachtlich i.S. der gesetzlichen Ausnahmeregelung sein können.3 Im Ergebnis stellt diese Prüfung auf die Überprüfung der allgemeinen Missbrauchsregelung des § 42 AO ab. Daher sind in die Prüfung die dazu bereits entwickelten Grundsätze einzubeziehen.4

9.223

Bestehen für den Einsatz beachtliche oder5 wirtschaftliche Gründe, weil die Gesellschaft selbst einer wirtschaftlichen Tätigkeit nachgeht, so ist 1 Vgl. Wagner in Blümich, § 50d EStG Rz. 68. 2 Die Beweislast trägt die Gesellschaft aufgrund ihrer Mitwirkungspflichten i.S. des § 90 Abs. 2 AO (vgl. Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 16.164). 3 Vgl. BMF v. 3.4.2007 – IV B 1-S 2411/07/0002, BStBl. I 2007, 446 Rz. 5 unter Hinweis auf BFH v. 24.2.1976 – VIII R 155/71, BStBl. II 1976, 265 sowie v. 20.3.2002 – I R 38/00, BStBl. II 2002, 819. 4 So Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 16.165 unter Verweis auf die Darstellung von Flick, IStR 1994, 223 ff., in der ein positiv und negativ Katalog wirtschaftlicher sowie sonst beachtlicher Gründe enthalten ist. 5 Nach Wagner spricht einiges dafür, dass sowohl wirtschaftliche als auch sonstige beachtliche Gründe vorliegen müssen, damit diese Prüfung bejaht werden kann.

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C. Ausnutzung des internationalen Steuergefälles

auf der dritten Stufe nach § 50d Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 EStG zu überprüfen, ob die ausländische Gesellschaft mehr als 10 % ihrer gesamten Bruttoerträge in dem zu betrachtenden Wirtschaftsjahr aus eigener Wirtschaftstätigkeit erzielt hat. Dabei gilt die Verwaltung von Wirtschaftsgütern nach § 50d Abs. 3 Satz 3 EStG nicht als eigene Wirtschaftstätigkeit, weswegen beispielsweise Lizenzverwertungs- oder reine Holdinggesellschaften als bloße Verwaltungsgesellschaften ggf. unter die Missbrauchsregelung fallen werden, wenn sie nicht noch andere, von der Finanzverwaltung als „wirklich wirtschaftliche Tätigkeit“1 bezeichnete Aktivitäten ausüben. Als solche gilt beispielsweise die Erbringung von Dienstleistungen gegenüber anderen Konzerngesellschaften, wenn diese gegen ein gesondertes Entgelt erfolgt. Hält und verwaltet die Lizenzverwertungsgesellschaft damit die Wirtschaftsgüter im Auftrag der anderen Gesellschaften und erbringt damit dem Grunde und der Höhe nach separat zu verrechnende Dienstleistungen wie gegenüber fremden Dritten,2 so dürfte sie nicht unter die Regelung des § 50d Abs. 3 EStG fallen. Dies gilt ebenso für Holdinggesellschaften, die gegenüber den Gesellschaften, deren Anteile sie halten und verwalten, geschäftsleitende Funktionen erbringen und damit eine sog. aktive Beteiligungsverwaltung betreiben.3 Zu diesen zählen alle Führungsentscheidungen, die nicht kurzfristig und ausführungsbezogen wie beispielsweise die Lizenzverwaltung oder die Kreditgewährung sind, sondern sich durch ihren langfristigen Charakter, ihre Grundsätzlichkeit und Bedeutung auszeichnen, die sie für den Bestand der geleiteten Gesellschaft haben. Der ausländischen Gesellschaft fehlt es nach Satz 3 ebenfalls an einer Wirtschaftstätigkeit, wenn sie ihre wesentlichen Geschäftstätigkeiten im Wege des Outsourcing auf Dritte wie Anwalts- oder Managementgesellschaften überträgt und von diesen ausführen lässt. Die Finanzverwaltung möchte eine eigene Wirtschaftstätigkeit der Gesellschaft auch dann nicht anerkennen, wenn diese nicht in dem Sitzstaat der ausländischen Gesellschaft ausgeübt wird, sondern beispielsweise durch eine Betriebsstätte in einem anderen Staat.4 Eine gesetzliche Grundlage für diese Annahme ist nicht ersichtlich. Der Höhe nach müssen die aktiven Tätigkeiten der Gesellschaft mehr als 10 % der gesamten Tätigkeit ausmachen, damit diese gegenüber den passiven Tätigkeiten nicht als unwesentlich erscheinen. Für die Gegenüberstellung sind die

1 2 3

4

Der Gesetzeswortlaut sei insoweit missverständlich. Vgl. Wagner in Blümich, § 50d EStG Rz. 70. BMF v. 3.4.2007 – IV B 1-S 2411/07/0002, BStBl. I 2007, 446 Rz. 6.1. Vgl. BMF v. 3.4.2007 – IV B 1-S 2411/07/0002, BStBl. I 2007, 446 Rz. 6.1. Vgl. BMF v. 3.4.2007 – IV B 1-S 2411/07/0002, BStBl. I 2007, 446 Rz. 6.2 unter Hinweis auf BFH v. 9.12.1980 – VIII R 11/77, BStBl. II, 339. Von dieser ist die sog. passive Beteiligungsverwaltung zu unterscheiden. Eine solche liegt vor, wenn die Gesellschaft nur Anteile an einer oder mehreren Tochtergesellschaften hält und sich ihre Tätigkeit auf die Ausübung der Gesellschafterrechte beschränkt. Eine aktive Beteiligungsverwaltung setzt nach Auffassung der deutschen Finanzverwaltung eine tatsächliche Einflussnahme auf das Geschäft der jeweiligen Gesellschaft voraus. Vgl. BMF v. 3.4.2007 – S 2411/07/0002, BStBl. I 2007, 446, Rz. 6.4.

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Kap. 9: Geistiges Eigentum im DBA-Recht

Bruttoerträge i.S. des § 9 AStG des betreffenden Wirtschaftsjahres maßgeblich. Dabei gehören zu den aktiven Tätigkeiten auch die von den geleiteten Gesellschaften erhaltenen Dividenden und Zinsen. Ein Unterschreiten der Grenze ist nicht schädlich, wenn die Gesellschaft die Grenze in den letzten drei Jahren erfüllt hat, oder im Wirtschaftsjahr einer Neugründung nicht erfüllt, aber die Grenze voraussichtlich in den nächsten drei folgenden Wirtschaftsjahren erfüllt wird.1

9.224

Fällt auch die Prüfung dieser Stufe positiv aus, so ist auf der vierten Stufe der Missbrauchsprüfung zu untersuchen, ob die ausländische Gesellschaft mit einem – gemessen an ihrem Gesellschaftszweck – angemessen eingerichteten Geschäftsbetrieb ausgestattet ist und mit diesem am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr teilnimmt. Dafür muss die Gesellschaft „greifbar Vorhandensein“, weil sie beispielsweise über qualifiziertes Personal, Geschäftsräume und technische Kommunikationsmittel und so über eine konkrete Ausstattung mit Personal- und Sachgütern verfügt.2

9.225

Sind alle Prüfungsschritte erfüllt, so erhält die ausländische Gesellschaft die steuerentlastende Wirkung, die das Abkommen für sie vorsieht. Soweit die Voraussetzungen jedoch nicht erfüllt sind, weil beispielsweise an der Gesellschaft nicht ausschließlich abkommensberechtigte Personen beteiligten sind oder die Gesellschaft keiner eigenen wirtschaftlichen Tätigkeit nachgeht, findet § 50d Abs. 3 EStG mit der Rechtsfolge Anwendung, dass der ausländischen Gesellschaft die steuerentlastende Wirkung nicht zuteil kommt. Die Erstattung der ihr eigentlich nach dem Abkommen zu erstattenden Quellensteuer, die nach innerstaatlichem Recht ungeachtet der im Abkommen vorgesehene Quellensteuerreduzierung erhoben wurde, erfolgt im Zuge des treaty override nicht. Vielmehr werden die jeweiligen Gesellschafter so behandelt, als ob zwischen sie und die Einkunftsquelle keine ausländische Gesellschaft geschaltet wäre. Dies bedeutet natürlich auch, dass ihnen die Quellensteuerreduktion zu gewähren ist, die sie unter Anwendung des DBA erhalten hätten, das zwischen ihrem Wohnsitzstaat und dem Quellenstaat Deutschland besteht.3

9.226

Diese Regelungen gelten nach § 50d Abs. 3 Satz 4 EStG nicht für börsennotierte Unternehmen, deren Aktien an einer anerkannten Börse regelmäßig gehandelt werden, und auch nicht für ausländische Gesellschaften, die unter das Investmentsteuergesetz fallen. Dabei gelten als anerkannte Börsen nach Auffassung der deutschen Finanzverwaltung organisierte Märkte i.S. des § 2 Abs. 5 Wertpapierhandelsgesetz sowie vergleichbare Märkte, die ihren Sitz außerhalb der Europäischen Union und des Europäischen Wirtschaftsraums haben.4 1 Vgl. BMF v. 3.4.2007 – IV B 1-S 2411/07/0002, BStBl. I 2007, 446 Rz. 7. 2 Vgl. BMF v. 3.4.2007 – IV B 1-S 2411/07/0002, BStBl. I 2007, 446, Rz. 8 sowie Wagner in Blümich, § 50d EStG Rz. 73. 3 Vgl. Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 16.168. 4 Vgl. BMF v. 3.4.2007 – IV B 1-S 2411/07/0002, BStBl. I 2007, 446 Rz. 10.1.

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C. Ausnutzung des internationalen Steuergefälles

d) § 50d Abs. 9 EStG In der Abkommenspraxis erlangen die sog. Rückfall- bzw. switch over Klauseln zunehmend an Bedeutung. Gleichwohl enthalten derzeit nur wenige Abkommen eine entsprechende Regelung. Daher hat sich der deutsche Gesetzgeber dafür entschieden, die gezielte Entstehung von weißen Einkünften durch die Ausnutzung von Qualifikationskonflikten unilateral durch § 50d Abs. 9 EStG und ggf. im Zusammenspiel mit § 50d Abs. 10 EStG zu vermeiden.1 In diesen Fällen erscheint diese Norm ausschließlich als Missbrauchsvermeidungsnorm.

9.227

Ein Übergang von der aus deutscher Rechtssicht als Wohnsitzstaat nach dem zur Anwendung kommenden DBA gebotenen Freistellungs- zur Anrechnungsmethode ist nach der Regelung des § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 EStG im Wege eines treaty override2 nur dann möglich, wenn der andere Vertragsstaat als Quellenstaat die Abkommensregelungen so anwendet, dass entweder die Einkünfte in diesem von der Besteuerung auszunehmen sind oder nur zu einem durch das Abkommen begrenzten Steuersatz besteuert werden können.3 Voraussetzung ist also, dass ein Qualifikationskonflikt vorliegt, der seine Ursache in der unterschiedlichen Abkommensanwendung durch die beiden Vertragsstaaten hat und dazu führt, dass der Quellenstaat aus Sicht des Wohnsitzstaates unter Berücksichtigung von dessen Abkommensanwendung zu einem „falschen“ Ergebnis kommt, was schließlich zu einer unerwünschten Minderbesteuerung führt, wenn der Wohnsitzstaat die Freistellung gewähren würde. Ursache für solche negativen Qualifikationskonflikte4 könnten unterschiedliche Sachverhaltsbeurteilungen sowie die Anwendung voneinander verschiedener Begriffsdefinitionen über Art. 3 Abs. 2 OECD-MA sein,5 welche die Anwendestaaten ihrer jeweiligen Abkommensanwendung zugrunde legen, die im Ergebnis dazu führen, dass die Vertragsstaaten für ein und denselben Sachverhalt unterschiedliche Abkommensregelungen anwenden und im Ergebnis zur unterschiedlichen Verteilung der Besteuerungsrechte kommen. Dabei könnten die Qualifikationskonflikte gezielt beispielsweise durch Rule Shopping oder aber durch unterschiedliche Steuersys-

9.228

1 Vgl. auch Loschelder in Schmidt30, § 50d EStG Rz. 55. Auch der OECD (Musterkommentar zum OECD-MA zu Art. 23, MK 32.6 folgt der Auffassung, dass die Freistellungsverpflichtung des Wohnsitzstaates dann entfällt, wenn der Quellenstaat keine Besteuerung der Einkünfte vornimmt. Denn dann besteht keine Gefahr der Doppelbesteuerung, die durch das Abkommen verhindert werden müsste bzw. könnte. 2 Über das Treaty Overriding – Bestandsaufnahme – Verfassungsrecht – Europarecht vgl. Gosch, IStR 2008, 413 ff. 3 Zur europa- und verfassungsrechtlichen Kritik dieser Norm vgl. Gebhardt, IStR 2011, 58 ff. 4 Negativ ist ein Qualifikationskonflikt dann, wenn er zur Minder- und Nichtbesteuerung führt. Im Fall einer Doppelbesteuerung wird er als positiver Qualifikationskonflikt bezeichnet. 5 So könnte der eine Vertragsstaat beispielsweise von einer Veräußerung, der andere hingegen von einer Lizenzierung ausgehen oder beide Vertragsstaaten unterschiedliche Betriebsstättendefinitionen anwenden.

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Kap. 9: Geistiges Eigentum im DBA-Recht

teme herbeigeführt werden. Unter den Anwendungsbereich des § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 EStG fallen jedoch nicht die Steuerfreistellungen, die nach innerstaatlichem Recht des anderen Staates gewährt werden, weil sie nicht auf der Anwendung der Bestimmungen des Abkommens basieren und somit ein wesentlicher Tatbestand der Regelung nicht erfüllt ist.1 Zu einem switch over kommt es nach der Regelung des § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 2 EStG auch dann, wenn der Quellenstaat die Besteuerung mangels persönlicher Steuerpflicht der einkünfteerzielenden Person nicht vornehmen kann, obwohl die Einkünfte grundsätzlich steuerpflichtig wären. Eine solche Besteuerungslücke liegt beispielsweise dann vor, wenn die Regelungen über die Besteuerung von beschränkt und unbeschränkt Steuerpflichtigen voneinander abweichen, weil die Einkünfte zwar bei unbeschränkt, nicht aber bei beschränkt Steuerpflichtigen besteuert werden können.2 In diesen Fällen liegt der Grund für die Nichtbesteuerung nicht an der unterschiedlichen Abkommensanwendung, sondern an den Regelungen des Quellenstaates. Daher werden diese Sachverhalte nicht von § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 EStG erfasst, sondern nur jene, bei denen die Freistellung auf Art. 23A OECD-MA basiert.3 Ebenfalls nicht unter den Anwendungsbereich dieser Norm fallen nach § 50d Abs. 9 Satz 2 EStG Dividenden, soweit diese nicht bei der Ermittlung des Gewinns der Gesellschaft von deren Besteuerungsgrundlage abgezogen wurden.

9.229

Des Weiteren kann es über die Regelung des § 50d Abs. 10 Satz 2 EStG zu einer Anwendung der Regelung des Abs. 9 für Sondervergütungen als Unternehmensgewinne kommen, weil § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 EStG von dessen Anwendung unberührt bleibt. Diese Anwendungsfälle setzen voraus, dass die Vertragsstaaten hinsichtlich der Verteilung der Sondervergütungen i.S. des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 Halbs. 2 oder Nr. 3 EStG zu einem unterschiedlichen Ergebnis kommen, auch weil das anzuwendende Abkommen diese nicht ausdrücklich behandelt. Zugleich stellt diese Regelung klar, dass Deutschland als Anwendestaat unabhängig von den Regelungen des jeweiligen Abkommens diese Sondervergütungen 1 Vgl. auch Loschelder in Schmidt30, § 50d EStG Rz. 57 unter Hinweis u.a. auf BFH v. 5.3.2008 – I R 54, 55/07, BFH/NV 2008, 1487, bestätigt durch BFH v. 2.9. 2009 – I R 90/08, BStBl. II 2010, 394. 2 So werden beispielsweise die Einkünfte aus Kapitalvermögen i.d.R. nicht vollumfänglich von der beschränkten Steuerpflicht erfasst. Nach deutschem Steuerrecht zeigt dies der Vergleich zwischen den Regelungen zur beschränkten Steuerpflicht (§ 1 Abs. 4 i.V.m. § 49 Abs. 1 Nr. 5 EStG), die beispielsweise bestimmte Voraussetzungen wie die Besicherung eines Darlehens mit inländischem Grundbesitz voraussetzt, und denen zur unbeschränkten Steuerpflicht (§ 1 Abs. 1 i.V.m. § 20 EStG) sehr deutlich. Weiterer Anwendungsfall ist die Besteuerung des in Deutschland ansässigen Flugpersonals nach dem deutsch-britischen sowie dem deutsch-irischen DBA, vgl. dazu das BMF v. 12.11.2008 – IV B 5-S 1300/07/10080, BStBl. I 2008, 988. 3 Im Ergebnis findet § 50d Abs. 9 EStG damit nur dann Anwendung, wenn es sich um eine unvollständige Verteilungsnorm handelt, die für die Verteilung der Besteuerungsrechte einer Anwendung des Art. 23 OECD-MA bedarf. Vgl. Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 16.526.

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C. Ausnutzung des internationalen Steuergefälles

ausschließlich als Unternehmensgewinne behandelt, wenn die Einkünfte nicht ausdrücklich als Sondervergütungen einer anderen Behandlung nach dem Wortlaut des Abkommens unterfallen. Damit versucht der Gesetzgeber, die Regelung des Art. 7 Abs. 7 OECD-MA und den Anwendungsvorrang der Spezialartikel über Zinsen, Lizenzgebühren und Dividenden zu verdrängen, weswegen auch diese Norm eine in der Literatur zu Recht kritisierte treaty override Regelung darstellt.1 Der BFH tritt insbesondere der vom Gesetzgeber gewünschten rückwirkenden Anwendung der erst durch das JStG 20092 eingeführten Regelung auf alle bis dahin noch offenen Fälle entschieden entgegen, bezweifelt dabei, dass sie verfassungskonform sei, und legt sie keinesfalls so einschränkend aus, wie es die Finanzverwaltung wünscht.3 Insbesondere liest der BFH aus dem Gesetzestext des § 50d Abs. 10 EStG nicht, dass eine Anwendung des Art. 7 Abs. 7 OECD-MA unmöglich erscheint.4 Kommt es nach dem Dargestellten zu einem switch over von der Freistellungs- zur Anrechnungsmethode, so können die ggf. im Ausland gezahlten Quellensteuern nach § 34c Abs. 6 Satz 5 EStG auf die inländische Steuer angerechnet bzw. zum Abzug gebracht werden, wenn die weiteren Voraussetzungen des § 34c EStG erfüllt sind.5

9.230

Die Anwendung anderer, in ihren Rechtsfolgen weitergehender Missbrauchsvermeidungsnormen eines DBA oder der Regelungen des § 50d Abs. 8 EStG oder des § 20 Abs. 2 AStG bleiben von der Anwendung des § 50d Abs. 9 EStG unberührt, der Satz 3 dieser Regelung stellt dies ausdrücklich klar.

9.231

1 Vgl. dazu u.a. Boller/Eilinghoff/Schmidt, IStR 2009, 109; Frotscher, IStR 2009, 593 sowie die Reaktion darauf von Boller/Schmidt, IStR 2009, 852. 2 Vgl. JStG 2009 v. 19.12.2008, BStBl. I 2009, 74. 3 Die Finanzverwaltung legt ihre diesbezügliche Auffassung in ihrem Schreiben über die Anwendung von Doppelbesteuerungsabkommen auf Personengesellschaften (BMF v. 16.12.2003 – IV B 2-S 1300/09/10003, BStBl. I 2004, 40) dar. Sie will insbesondere nicht die Regelung des Art. 7 Abs. 7 OECD-MA und damit nicht die Spezialartikel anwenden, die im Regelfall dem Ansässigkeitsstaat des Gesellschafters das Besteuerungsrecht gewähren. Zugleich ordnet die Finanzverwaltung die der Entgeltforderung zugrunde liegenden Rechte stets der Betriebsstätte der Personengesellschaft zu. Dies sichert Deutschland als Betriebsstättenstaat das Besteuerungsrecht. 4 Vgl. dazu insbesondere BFH v. 8.11.2010 – I R 106/09, BFHE 231, 206 und v. 8.9. 2010 – I R 74/09, BFHE 231, 84. Anmerkungen zu dem letzten Urt. vgl. u.a. Häck, IStR 2011, 71. 5 Zur Steueranrechnung bei divergierender Einkünftezurechnung und Qualifikationskonflikten vgl. Haase, IStR 2010, 45.

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Kapitel 10 Geistiges Eigentum und EU-Recht Literatur: Cordewener/Dörr, Die ertragsteuerliche Behandlung von Lizenzgebühren an ausländische Lizenzgeber: Grundzüge des deutschen Steuersystems (nationale und bilaterale Regelungen), GRUR Int 2005, 674; Cordewener/Dörr, Die ertragsteuerliche Behandlung von Lizenzgebühren an ausländische Lizenzgeber: Aktuelle Einflüsse des europäischen Gemeinschaftsrechts, GRUR Int 2006, 447; Dautzenberg, Europäische „Agenda“ für das Ertragsteuerrecht im Jahr 2004: Die Richtlinien vom Juni 2003, BB 2004, 17; Distaso/Russo, The EC Interest and Royalties Directive – A Comment, ET 2004, 143; Dörr, Praxisfragen zur Umsetzung der Zins- und Lizenzrichtlinie in § 50g EStG, IStR 2005, 109; Dörr/Fehling, Europarechtliche Aspekte der Unternehmensteuerreform 2008 – Gesetzesänderungen im Lichte des Gemeinschaftsrechts, NWB F. 2, 9375; Frotscher, EStG-Kommentar, Loseblattwerk, Freiburg; Führich, Auswirkungen der Zins- und Lizenzrichtlinie auf Abzugsbeschränkungen im deutschen Steuerrecht, Ubg 2009, 30; Goebel/Jacobs, Replik zum Aufsatz von Dr. Hartmut Hahn (IStR 2009,. 346), IStR 2009, 349; Goebel/Jacobs, Unmittelbare Anwendbarkeit der ZLRL trotz Umsetzung in § 50g EStG?, IStR 2009, 87; Hahn, § 8 Nr. 1 GewStG verstößt nicht gegen die Zinsen- und Lizenzgebühren-Richtlinie – eine Erwiderung auf den Beitrag von Goebel und Jacobs, IStR 2009, 346; Hidien, § 8 Nr. 1 GewStG n.F. verstößt gegen die europäische Zins-/Lizenzgebühren-Richtlinie!; DStZ 2008, 131; Kempf/Straubinger, Nochmals: Die EU-Zins-/Lizenzrichtlinie und § 8 Nr. 1 GewStG, IStR 2005, 773; Kessler/Eicker/ Schindler, Hinzurechnung von Dauerschuldzinsen nach § 8 Nr. 1 GewStG verstößt gegen die Zins-/Lizenzgebühren-Richtlinie, IStR 2004, 678; Köhler, Aktuelles Beratungs-Know-how Internationales Steuerrecht, IStR 2005, 227; Meiisel/Bokeloh, Neuere Erkenntnisse für die Anwendung primären und sekundären EU-Rechts aus der Rechtssache Burda?, DB 2008, 2160; Meilicke, Die Hinzurechnung von Dauerschuldzinsen nach § 8 Nr. 1 GewStG – Ein Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot nach Marks & Spencer, IStR 2006, 130; Rainer, Gewerbesteuerliche hälftige Hinzurechnung von Dauerschuldzinsen und EG Zins- und Lizenzgebühren-Richtlinie, Anmerkungen zu FG Münster v. 22.2.2008 – 9 K 5143/06 G, IStR 2008, 375; Sedemund, EuGH: § 28 Abs. 4 KStG 1996 – kein Verstoß gegen die Mutter-Tochterrichtlinie, kein Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit, Anmerkung zu EuGH v. 26.6.2008 – C-284/06 (Burda), BB 2008, 1830.

A. Vorbemerkung Hinsichtlich des Europarechts ist zu unterscheiden zwischen europäischem Primär- und Sekundärrecht. Zusammen mit dem Gründungsvertrag über die Europäische Union (EUV) bildet der Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) das europarechtliche Primärrecht. Das europäische Sekundärrecht leitet sich aus dem europäischen Primärrecht ab und besteht aus den von den Organen der Europäischen Union erlassenen Rechtsakten. Art. 288 AEUV (Art. 249 EGV) sieht als Rechtsakte Verordnungen, Richtlinien, Beschlüsse, Empfehlungen und Stellungnahmen vor, die sich hinsichtlich ihrer Verbindlichkeit unterscheiden. Während Verordnungen unmittelbare Geltung besitzen, bedürfen Richtlinien der Umsetzung in nationales Recht. Beschlüsse sind als verbindliSteierberg

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10.1

Kap. 10: Geistiges Eigentum und EU-Recht

che Regelung im Einzelfall nur für den oder die Adressanten verbindlich. Empfehlungen und Stellungnahmen entfalten keine rechtliche Bindungswirkung. Europäisches Sekundärrecht schließlich darf nach h.M. bekanntlich nicht gegen Primärrecht verstoßen.

B. Primärrecht I. Grundfreiheiten 10.2

Im Bereich des Steuerrechts sind insbesondere die im Primärrecht verankerten europarechtlichen Grundfreiheiten von Bedeutung. Gegenstand der steuerrechtlichen Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) sind daher oftmals Fragen zur Auslegung der Warenverkehrsfreiheit (Art. 34, 35 AEUV; Art. 28, 29 EGV), der Niederlassungsfreiheit (Art. 49 AEUV; Art. 43 EGV), der Dienstleistungsfreiheit (Art. 56 AEUV, Art. 49 EGV) sowie der Kapitalverkehrsfreiheit (Art. 63 AEUV; Art. 56 EGV).

10.3

Die fehlende Körperlichkeit der Immaterialgüterrechte schließt die Anwendbarkeit der Warenverkehrsfreiheit aus.1 Aus gleichem Grund dürfte für die Übertragung oder Überlassung von Immaterialgüterrechten auch die Kapitalverkehrsfreiheit nicht zur Anwendung kommen.2 Allein sofern es die vollständige Übertragung von Immaterialgüterrechten zwischen Rechtsträgern betrifft, kann die Grundfreiheit der Kapitalverkehrsfreiheit (z.B. bei grenzüberschreitenden Kaufpreiszahlungen) betroffen sein. Nachstehend werden die wichtigsten, bisher in der Rechtsprechung bekannt gewordenen Fallkonstellationen einer kurzen kritischen Würdigung unterworfen.

II. Niederlassungsfreiheit 10.4

Betrachtet man das Unternehmenssteuerrecht, stellt sich die Frage, ob die Niederlassungsfreiheit beschränkt wird, indem (grenzüberschreitende) Lizenzzahlungen nicht oder nur anteilig zum Abzug als Betriebsausgabe zugelassen werden. Die Beschränkung der Niederlassungsfreiheit kann sich dadurch ergeben, dass grenzüberschreitende Lizenzzahlungen zwischen EU-ausländischer Muttergesellschaft und inländischer Tochtergesellschaft im Verhältnis zu vergleichbaren Inlandssachverhalten ungleich behandelt werden.

10.5

Bei der in Frage stehenden Regelung handelt es sich um die Vorschrift des § 8 Nr. 1 Buchst. f GewStG. Hiernach ist zur Bestimmung des Gewerbeertrags, d.h. der gewerbesteuerlichen Bemessungsgrundlage, ein Sech1 Cordewener/Dörr, GRUR Int 2006, 447, 450 m.w.N. 2 Cordewener/Dörr, GRUR Int 2006, 447, 450.

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B. Primärrecht

zehntel der Summe der Aufwendungen für die zeitlich befristete Überlassung von Rechten dem Gewinn aus Gewerbetrieb wieder hinzuzurechnen, soweit die Summe der Hinzurechnungen nach § 8 Nr. 1 GewStG den Betrag von 100 000 Euro übersteigt. Die Regelung könnte dann gegen die Niederlassungsfreiheit verstoßen, wenn zwischen zahlenden und empfangenden Unternehmen die Voraussetzungen zur Begründung einer ertragsteuerlichen Organschaft vorliegen. Die in der Literatur vertretene Auffassung1 begründet sich auf der Tatsache, dass im Fall einer anerkannten inländischen ertragsteuerlichen Organschaft Zahlungen zwischen Organträger und Organgesellschaft vom Gebot der gewerbesteuerlichen Hinzurechnung ausgenommen werden.2 Das zu bildende Vergleichspaar enthält hierbei auf der einen Seite den reinen Inlandssachverhalt, d.h. Lizenzzahlungen innerhalb eines ertragsteuerlichen Organkreises zwischen Mutter- und Tochtergesellschaft, und auf der anderen Seite die grenzüberschreitende Zahlung von Lizenzvergütungen zwischen Mutter- und Tochtergesellschaft.

10.6

Lizenzzahlungen innerhalb eines Organkreises gelten für gewerbesteuerliche Zwecke nicht als Aufwendungen i.S. des § 8 Nr. 1 GewStG. Als Folge unterliegen sie nicht der gewerbesteuerlichen Hinzurechnung und vermindern somit bei der zahlenden Gesellschaft den Gewerbeertrag. Die Ungleichbehandlung entsteht aus der Tatsache, dass die Begründung einer ertragsteuerlichen Organschaft weiterhin nur zwischen im Inland unbeschränkt steuerpflichtigen Kapitalgesellschaften möglich ist.3 Da eine ertragsteuerliche Organschaft zwischen einer EU-ausländischen Mutterkapitalgesellschaft und ihrer inländischen Tochtergesellschaft (bislang) ausgeschlossen ist, können Lizenzzahlungen zwischen inländischer Tochtergesellschaft und EU-ausländischer Muttergesellschaft den maßgebenden Gewerbeertrag aufgrund der Hinzurechnung nicht mindern. Bisher hatte die Rechtsprechung keine Gelegenheit, diese Frage zu entscheiden. Vor dem Hintergrund der Entscheidungen des EuGH in der 1 Meilicke, IStR 2006, 130. 2 R 7.1 Abs. 5 GewStR 2009. 3 § 14 Abs. 1 Satz 1, § 17 KStG kodifiziert den sog. doppelte Inlandsbezug zur Begründung ertragsteuerlicher Organschaften, d.h. eine Kapitalgesellschaft kann nur dann Organgesellschaft innerhalb eines Organkreises sein, wenn sie sowohl Sitz als auch Geschäftsleitung im Inland hat. Unbeschränkt steuerpflichtig sind Körperschaften gem. § 1 Abs. 1 KStG jedoch schon dann, wenn sie entweder Sitz oder Geschäftsleitung im Inland haben. Auf das diesbezüglich durch die Europäische Kommission eingeleitete Vertragsverletzungsverfahren (Nr. 2008/4909) hat die Finanzverwaltung mit BMF v. 28.3.2011 – IV C 2-S 2770/09/10001 (BStBl. I 2011, 300) reagiert. Zukünftig sollen – entgegen dem unveränderten Gesetzeswortlaut des § 14 Abs. 1 Satz 1, § 17 KStG – ertragsteuerliche Organschaften auch mit ausländischen Kapitalgesellschaften anerkannt werden können, die ihren Sitz oder ihre Geschäftsleitung im Inland haben.Die im Inland eingetragene Zweigniederlassung einer ausländischen Muttergesellschaft kann unter bestimmten Voraussetzungen Organträger inländischer Organgesellschaften sein, § 18 KStG.

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10.7

Kap. 10: Geistiges Eigentum und EU-Recht

Rechtsache Oy AA1 sowie X-Holding2 erscheint es jedoch fraglich, ob der EuGH einen ungerechtfertigten Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit sehen könnte. Im Verfahren Oy AA erkannte der EuGH die Beschränkungen der finnischen Gruppenbesteuerung auf inländische Gruppenträger zwar als Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit, sah die fraglichen Regelungen jedoch als geeignete Maßnahme an, den Steuerpflichtigen an einem beliebigen Verschieben der steuerlichen Bemessungsgrundlage innerhalb Europas zu hindern. Die Versagung der Bildung einer steuerlichen Einheit mit einer gebietsansässigen Tochtergesellschaft lag der Entscheidung des EuGH in der Rs. X-Holding zu Grunde. Der EuGH erkannte in der fraglichen Regelung eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit, sah diese jedoch ebenfalls als geeignetes Mittel zur Wahrung der Aufteilung der Besteuerungsbefugnisse an. Es erscheint daher unwahrscheinlich, dass der EuGH den Ausschluss ausländischer Muttergesellschaften, die lediglich einer beschränkten Quellensteuerpflicht unterliegen, von der Möglichkeit der Begründung einer ertragsteuerlichen Organschaft als einen Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht ansehen könnte.

10.8

Grenzüberschreitende Lizenzzahlungen zwischen verbundenen Unternehmen sind darüber hinaus durch die Zins- und Lizenzgebühren-Richtlinie3 geschützt. Zur Frage, ob die Regelungen des § 8 Nr. 1 Buchst. a und f GewStG gegen die Zins- und Lizenzgebühren-Richtlinie verstoßen, s. Rz. 10.37 ff.

C. Sekundärrecht I. Vorbemerkung 10.9

Folgende Richtlinien des europäischen Sekundärrechts sind steuerrechtlich von Bedeutung: – Mehrwertsteuerrichtlinie4 – Mutter-Tochter-Richtlinie5 1 EuGH v. 18.7.2007 – Rs. C-231/05 (Oy AA), EuGHE 2007, I-6373. 2 EuGH v. 25.2.2010 – Rs. C-337/08 (X-Holding), DStR 2010, 427. 3 RL 2003/49/EG des Rates v. 3.6.2003 über eine gemeinsame Steuerregelung für Zahlungen von Zinsen und Lizenzgebühren zwischen verbundenen Unternehmen verschiedener Mitgliedstaaten (ABl. EU Nr. L 157, 49) i.d.F. der RL 2006/ 98/EG des Rates v. 20.11.2006 (ABl. EU Nr. L 363, 129). 4 RL 2006/112/EG des Rates v. 28.11.2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem i.d.F. der RL 2010/88/EU des Rates v. 7.12.2010, ABl. EU 2010, Nr. L 326, 1. 5 RL 90/435/EWG des Rates v. 23.7.1990 über das gemeinsame Steuersystem der Mutter- und Tochtergesellschaften verschiedener Mitgliedstaaten (ABl. EG Nr. L 225, 6, Nr. L 266, 20, 1997 Nr. L 16, 98) i.d.F. der RL 2006/98/EG des Rates v. 20.11.2006 (ABl. EU Nr. L 363, 129).

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C. Sekundärrecht

– Fusionsrichtlinie1 – Zins- und Lizenzgebühren-Richtlinie.2

II. Mehrwertsteuerrichtlinie Die Übertragung oder Überlassung von Immaterialgüterrechten können als Lieferung oder sonstige Leistung grundsätzlich in den Anwendungsbereich der Mehrwertsteuerrichtlinie fallen. Sie unterliegen insoweit den allgemeinen Regelungen.

10.10

Das gemeinsame Mehrwertsteuersystem gilt für die Herstellung und den Vertrieb von Gegenständen und die Erbringung von Dienstleistungen, die zu Verbrauchszwecken in der EU erworben und verkauft werden. Um unabhängig von der Zahl der Umsätze die steuerliche Neutralität zu gewährleisten, können die Mehrwertsteuerpflichtigen von ihrem Mehrwertsteuerkonto den Mehrwertsteuerbetrag abziehen, den sie an andere Steuerpflichtige entrichtet haben. Die Mehrwertsteuer wird letztendlich vom Endverbraucher in Form eines prozentualen Aufschlags auf den Endpreis des Gegenstands oder der Dienstleistung getragen.

III. Mutter-Tochter-Richtlinie Die Mutter-Tochter-Richtlinie wurde geschaffen, um steuerliche Hemmnisse bei grenzüberschreitenden Gewinnausschüttungen innerhalb von Unternehmensgruppen zu beseitigen. Dieses soll auf zweifache Weise geschehen: Zum einen sind Gewinnausschüttungen zwischen verbundenen Gesellschaften aus verschiedenen Mitgliedstaaten von der Quellensteuer befreit. Zum anderen soll eine Doppelbesteuerung von Gewinnen, die an die Muttergesellschaft ausgezahlt wurden, vermieden werden. Da sich die Regelungen der Mutter-Tochter-Richtlinie ausschließlich auf grenzüberschreitende Gewinnausschüttungen von Tochter- an Muttergesellschaften beziehen, kommt sie im Bereich der Immaterialgüterrechte nicht zur Anwendung.

10.11

IV. Fusionsrichtlinie Die am 23.7.1990 verabschiedete Richtlinie 90/434/EWG über das gemeinsame Steuersystem für Fusionen, Spaltungen, die Einbringung von 1 RL 90/434/EWG des Rates v. 23.7.1990 über das gemeinsame Steuersystem für Fusionen, Spaltungen, die Einbringung von Unternehmensteilen und den Austausch von Anteilen, die Gesellschaften verschiedener Mitgliedstaaten betreffen (ABl. EG Nr. L 225, 1) i.d.F. der RL 2005/19/EG des Rates v. 17.2.2005 (ABl. EU Nr. L 58, 19). 2 RL 2003/49/EG des Rates v. 3.6.2003 über eine gemeinsame Steuerregelung für Zahlungen von Zinsen und Lizenzgebühren zwischen verbundenen Unternehmen verschiedener Mitgliedstaaten (ABl. EU Nr. L 157, 49) i.d.F. der RL 2006/ 98/EG des Rates v. 20.11.2006 (ABl. EU Nr. L 363, 129).

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10.12

Kap. 10: Geistiges Eigentum und EU-Recht

Unternehmensteilen und den Austausch von Anteilen, die Gesellschaften verschiedener Mitgliedstaaten betreffen, die sog. Fusionsrichtlinie, hat zum Ziel, Hindernisse bei grenzüberschreitenden Umstrukturierungen, bei denen in zwei oder mehr Mitgliedstaaten ansässige Unternehmen beteiligt sind, zu beseitigen. Sie findet Anwendung auf die im Anhang zur Richtlinie aufgeführten Gesellschaftsformen. Die Gesellschaften müssen ohne Wahlrecht der Körperschaftsteuer unterliegen und für Steuerzwecke in der Gemeinschaft als ansässig angesehen werden. Die Fusionsrichtlinie erfasst Umwandlungsvorgänge in der Form einer Fusion, einer Spaltung, der Einbringung von Unternehmensteilen, die das Kriterium des Teilbetriebs erfüllen, der Übertragung von Betriebsstätten sowie den Anteilstausch zur Erlangung einer Mehrheitsbeteiligung. Als Rechtsfolge sieht die Fusionsrichtlinie für diese Vorgänge eine Steuerstundung hinsichtlich des Veräußerungsgewinns für die Übertragung der Anteile auf Ebene der Gesellschafter der einbringenden oder aufnehmenden Gesellschaft vor. Da sich der Anwendungsbereich der Fusionsrichtlinie auf bestimmte Umwandlungsvorgänge bezieht, hat sie für Immaterialgüterrechte nur insoweit Bedeutung, als diese im Rahmen einer erfassten Umwandlung übertragen werden.

V. Zins- und Lizenzgebühren-Richtlinie 1. Zweck

10.13

In Bezug auf Immaterialgüterrechte im Steuerrecht ist die Zins- und Lizenzgebühren-Richtlinie die wohl bedeutendste Richtlinie. Am 3.6.2003 nahm der Rat die Richtlinie 2003/49/EG über eine gemeinsame Steuerregelung für Zahlungen von Zinsen und Lizenzgebühren zwischen verbundenen Unternehmen verschiedener Mitgliedstaaten an. Ziel der Zins- und Lizenzgebühren-Richtlinie ist es, steuerliche Hindernisse i.V.m. der grenzüberschreitenden konzerninternen Zahlung von Zinsen und Lizenzgebühren zu beseitigen. Daher sieht die Richtlinie die Eliminierung von Quellensteuer auf Einkünfte in Form von Lizenzgebühren bzw. in Form von Zinsen innerhalb der Europäischen Union vor. Einkünfte aus Zinsen und Lizenzgebühren sind in dem Staat der Zahlung von jeglicher Besteuerung zu befreien, wenn der wirtschaftliche Eigentümer der Zahlungen ein Unternehmen oder eine Betriebsstätte in einem anderen Mitgliedstaat ist. In den persönlichen Anwendungsbereich der Richtlinie fallen nur Unternehmen, die eine im Anhang der Richtlinie genannte Rechtsform aufweisen, in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union ansässig sind und der Körperschaftsteuer unterliegen.

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C. Sekundärrecht

2. Umsetzung in § 50g EStG Die Zins- und Lizenzgebühren-Richtlinie wurde durch das EG-AmtshilfeAnpassungsgesetz v. 2.12.20041 in § 50g EStG umgesetzt. Da die Richtlinie zum 1.1.2004 in nationales Recht umzusetzen war, bestimmt § 52 Abs. 59b EStG i.d.F. des AG-Amtshilfe-AnpG, dass die Vorschrift des § 50g EStG erstmals auf Zahlungen anzuwenden ist, die nach dem 31.12. 2003 erfolgen. Grundsätzlich unterliegen Zahlungen von Zinsen und Lizenzgebühren der beschränkten Steuerpflicht im Inland und werden mittels abgeltenden Quellensteuerabzugs erhoben, § 49 Abs. 1, § 50 Abs. 5 EStG (vgl. Rz. 8.111). Für Zahlungen von Zinsen und Lizenzgebühren zwischen verbundenen Unternehmen bzw. deren Betriebsstätten innerhalb der EU werden aufgrund des § 50g EStG ab dem 1.1.2004 keine Quellensteuerabzüge mehr vorgenommen.2

10.14

§ 26 Abs. 6 Sätze 3–8 KStG setzen die Regelungen des Art. 6 Abs. 2, 3 der Zins- und Lizenzgebühren-Richtlinie zur Anrechnung ausländischer Quellensteuern auf erhaltene Zins- und Lizenzgebührenzahlungen in nationales Recht um. Durch StÄndG 2007 19.7.20063 wurde § 50g EStG dahingehend geändert, dass bei Zahlungen von Zinsen und Lizenzgebühren zwischen Schwestergesellschaften innerhalb der EU die Vorschrift nur anwendbar ist, wenn auch die gemeinsame Muttergesellschaft in der EU ansässig ist.4 Dies entspricht der bereits in der Literatur vertretenen Auffassung.5 Der Anwendungsbereich der Vorschrift wurde auf in der Schweiz ansässige Unternehmen und dort gelegene Betriebsstätten erweitert.6

10.15

3. Persönlicher Anwendungsbereich Der persönliche Anwendungsbereich des § 50g EStG erfasst sowohl den Gläubiger als auch den Schuldner der Zins- und Lizenzgebührenzahlungen. Grundsätzlich unterliegen Lizenzgebührenzahlungen eines deutschen Schuldners an einen ausländischen Gläubiger dem Quellensteuerabzug gem. § 49, 50a EStG (vgl. Rz. 8.111). Sofern die Voraussetzungen des § 50g EStG erfüllt werden, ist der Quellensteuerabzug nach § 50a EStG durch den Schuldner der Zahlungen nicht mehr vorzunehmen. Auf Seiten des beschränkt steuerpflichtigen Gläubigers werden die Lizenzzahlungen aus der beschränkten Steuerpflicht ausgeschieden.

10.16

Als Schuldner der Zahlungen werden von § 50g EStG in der Bundesrepublik ansässige Unternehmen oder eine in Deutschland belegene Betriebs-

10.17

1 2 3 4 5

BGBl. I 2004, 3112. Vgl. Dautzenberg, BB 2004, 17; Dörr, IStR 2005, 109. BStBl. I 2006, 432. § 50g Abs. 3 Nr. 5 Buchst. b Satz 2 EStG. Vgl. Dörr, IStR 2005, 109 (116) für § 50g EStG und Distaso/Russo, ET 2004, 47 (52) für die Zins- und Lizenzgebühren-Richtlinie. 6 § 50g Abs. 6 EStG.

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Kap. 10: Geistiges Eigentum und EU-Recht

stätte eines Unternehmens aus einem EU-Mitgliedstaat erfasst. Zur Definition des Begriffs „Unternehmen“ verweist § 50g Abs. 3 Nr. 5 EStG auf die in Anlage 3 zum EStG wiedergegebene Anlage zur Zins- und Lizenzgebühren-Richtlinie. Als deutsche Gesellschaftsform werden die AG, die KGaA und die GmbH genannt. Ebenfalls begünstig sind Gesellschaften, die nach ausländischem Recht gegründet wurden und in der Bundesrepublik ansässig sind, sofern ihre Rechtsform in der Anlage 3 genannt ist, wie z.B. eine britische Limited.

10.18

Die Ansässigkeit eines Unternehmens ist gem. § 50g Abs. 3 Nr. 5 Satz 2 EStG anhand des innerstaatlichen Steuerrechts eines Mitgliedstaates zu bestimmen. Hiernach gilt ein Unternehmen als in Deutschland ansässig, wenn es hier der unbeschränkten Steuerpflicht unterliegt. Eine Besteuerung im Rahmen einer beschränkten Steuerpflicht führt nicht zur Ansässigkeit in diesem Staat. Dieses Verständnis zur Bestimmung der Ansässigkeit entspricht Art. 4 Abs. 1 OECD-MA. Die Zins- und Lizenzgebühren-Richtlinie enthält zwar keine entsprechende Definition der Ansässigkeit, eine europarechtswidrige Abweichung von der Richtlinie kann hierin dennoch nicht gesehen werden.1

10.19

Bei den von § 50g EStG erfassten Betriebsstätten eines Unternehmens eines EU-Mitgliedstaates muss das ausländische Stammhaus ebenfalls eine der in der Anlage 3 zum EStG aufgeführte Rechtsform haben. Das Gesetz behandelt somit Unternehmen und Betriebsstätten von Unternehmen gleich. Dies ist im Vergleich zum Abkommensrecht eine bedeutende Erweiterung, da Betriebsstätten nach einem DBA selbst nicht abkommenberechtigt sind.

10.20

Räumlich beschränkt sich der Geltungsbereich des § 50g EStG auf das Gemeinschaftsgebiet. Der Schuldner der Zins- und Lizenzgebühren muss ein in Deutschland ansässiges Unternehmen sein. Sofern der Schuldner eine Betriebsstätte ist, muss diese in Deutschland belegen sein und das Stammhaus im EU-Ausland ansässig sein. Unternehmen des Europäischen Wirtschaftsraum (EWR)2 sind nicht einbezogen. Der Gläubiger der Vergütungen muss im EU-Ausland ansässig sein. Ist der Gläubiger eine Betriebsstätte im EU-Ausland, kann das Stammhaus auch im Inland ansässig sein.3

10.21

Nicht begünstigt sind Zahlungen an eine EU-Betriebsstätte eines nicht in der EU ansässigen Unternehmens, an eine Nicht-EU-Betriebsstätte eines EU-Unternehmens, an ein in der Bundesrepublik Deutschland ansässiges Unternehmen oder an eine in der Bundesrepublik Deutschland belegene Betriebsstätte eines EU-Unternehmens. 1 Vgl. Frotscher in Frotscher, § 50g EStG Rz. 33. 2 Neben den Staaten der EU sind Norwegen, Island, Liechtenstein Mitgliedstaaten des EWR. 3 Vgl. Dörr, IStR 2005, 109 (112); Frotscher in Frotscher, § 50g Rz. 10.

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C. Sekundärrecht

Es existieren keine gesonderten Regelungen für hybride Gesellschaftsformen, d.h. Gesellschaften, die in einem Mitgliedstaat als transparent und in einem anderen Mitgliedstaat als intransparent betrachtet werden. Zur Beantwortung der Frage, ob Zins- und Lizenzzahlungen an oder von hybriden Gesellschaften ebenfalls durch § 50g EStG begünstigt werden, sind die allgemeinen Grundsätze heranzuziehen. Voraussetzung für eine Begünstigung nach § 50g EStG ist daher auch für Sachverhalte, in denen hybride Gesellschaften involviert sind, dass die Gesellschaften eine Rechtsform, die in Anlage 3 zum EStG aufgeführt ist, aufweisen, sie der unbeschränkten Steuerpflicht in einem Mitgliedstaat der EU unterliegen und es sich um verbundene Unternehmen handelt.

10.22

Handelt es sich bei einem Unternehmen um eine Gesellschaft, die aus deutscher Sicht als transparent angesehen wird und deren Rechtsform nicht in Anlage 3 zum EStG aufgeführt ist, so vermittelt diese Gesellschaft den Gesellschaftern jeweils eine Betriebsstätte. Es ist daher im nächsten Schritt zu prüfen, ob die Gesellschafter die Voraussetzungen des § 50g EStG im Hinblick auf die Unternehmensform und das Erfordernis der Steuerpflicht erfüllen. 4. Sachlicher Anwendungsbereich Sachlich ist die Vorschrift auf Zinsen und Lizenzgebühren anwendbar, wie sie in § 50g Abs. 3 Nr. 4 Buchst. a und b EStG definiert werden. In Abweichung zum innerstaatlichen Recht sind Zahlungen für die Nutzung gewerblicher, kaufmännischer oder wissenschaftlicher Ausrüstung als Lizenzgebühren i.S. des § 50g EStG anzusehen. Nach innerstaatlichem Recht qualifizieren sie als Miet- und Pachtzinsen.

10.23

Damit ist nur der Steuerabzug nach § 50a Abs. 1 Nr. 3 EStG von der Regelung des § 50g EStG erfasst, nicht der Abzug nach § 50a Abs. 4 Nr. 1 und 2 EStG, da es sich hierbei nicht um Lizenzen i.S. des § 50g Abs. 3 Nr. 4 Buchst. b EStG handelt. Bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 50g EStG entfällt der abgeltende Quellensteuerabzug in Höhe von 15 %. 5. Entlastungsverfahren Der Vergütungsschuldner hat zunächst einen Antrag auf Freistellung von der Verpflichtung zum Quellensteuerabzug zu stellen, um einen Abzug unterlassen zu können. Das Verfahren richtet sich nach § 50d Abs. 1, 1a, 2 und 4 EStG. Auf Antrag und bei Vorliegen der Voraussetzungen erteilt das Bundeszentralamt für Steuern dem Vergütungsschuldner eine Freistellungsbescheinigung. Hierfür ist erforderlich, dass der Vergütungsgläubiger eine Ansässigkeitsbescheinigung beibringt. Ohne Freistellungsbescheinigung hat der Vergütungsschuldner den Quellensteuereinbehalt weiterhin vorzunehmen. Dem Vergütungsgläubiger Steierberg

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10.24

Kap. 10: Geistiges Eigentum und EU-Recht

steht dann die Möglichkeit offen, die Erstattung der einbehaltenen Quellensteuer zu beantragen. Nach § 50d Abs. 1a EStG ist der Erstattungsbetrag zu verzinsen. Die Möglichkeit, zunächst eine Quellensteuer einzubehalten und im Rahmen eines Antragsverfahrens zu erstatten, wird dem Quellenstaat eröffnet durch Art. 1 Abs. 15, 16 Zins- und Lizenzgebühren-Richtlinie. 6. Missbrauchsverhinderung

10.25

Die Regelung des § 50g Abs. 2 EStG enthält eine Reihe von Ausnahmen und trägt somit den Charakter einer Missbrauchsverhinderungsvorschrift. Die Möglichkeit, bestimmte Fälle aus dem Anwendungsbreich der Steuerfreistellung herauszunehmen, wird durch Art. 4 Abs. 1 Zins- und Lizenzgebühren-Richtlinie eröffnet. Die Bundesrepublik hat hiervon pauschalierend Gebrauch gemacht. Von der Steuerfreistellung ausgeschlossen werden nach § 50g Abs. 2 EStG Gestaltungen, bei denen materiell keine Zinsen oder Lizenzgebühren vorliegen, diese aber als solche ausgegeben werden. Erfasst werden Zinszahlungen, die als verdeckte Gewinnausschüttungen anzusehen sind.1 Für (verdeckte) Gewinnausschüttungen greift in den meisten Fällen jedoch § 43b EStG, der die Mutter-Tochter-Richtlinie umsetzt, so dass auch hier tatsächlich kein Quellensteuerabzug entsteht. Ebenfalls nicht unter die Begünstigung des § 50g EStG fallen Zinsen auf Forderungen, die einen Anspruch auf Beteiligung am Gewinn des Schuldners begründen.2 Dies erfasst Zinsen aus partiarischen Darlehen, Gewinnobligationen, Beteiligungen als typisch stiller Gesellschafter an einem Handelsgewerbe und aus darlehensähnlichen Genussrechten.

10.26

Die Zins- und Lizenzgebühren-Richtlinie sieht einen Ausschluss von der Quellensteuerbefreiung nur vor für – Zahlungen die nach dem Recht des Quellenstaats als Gewinnausschüttung oder als Zurückzahlung von Kapital behandelt werden3 oder – Zahlungen aus Forderungen, die einen Anspruch auf Beteiligung am Gewinn des Schuldners begründen.4 Nach der Gesetzesbegründung5 liegt der Ausnahmeregelung des § 50g Abs. 2 EStG jedoch ein sehr weites Verständnis zugrunde. Als Beteiligung am Gewinn werden aus deutscher Sicht alle Vergütungen verstanden, die nicht nach einem festen Prozentsatz des hingegebenen Kapitals bemessen 1 § 50g Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a, der auf Art. 4 Abs. 1 Buchst. a der Zins- und Lizenzgebühren-Richtlinie beruht. 2 § 50g Abs. 2 Nr. 1 Buchst. b, der auf Art. 4 Abs. 1 Buchst. b der Zins- und Lizenzgebühren-Richtlinie beruht. 3 Art. 4 Abs. 1 Buchst. a der Zins- und Lizenzgebühren-Richtlinie. 4 Art. 4 Abs. 1 Buchst. b der Zins- und Lizenzgebühren-Richtlinie. 5 BT-Drucks. 15/3679, 20.

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C. Sekundärrecht

werden. Insbesondere betroffen sind umsatzabhängige Vergütungen und Wandelanleihen. Es ist zweifelhaft, ob dieses Verständnis dem Regelungsgehalt des Art. 4 Abs. 1 Buchst. a Zins- und Lizenzgebühren-Richtlinie entspricht. Im Einzelfall kann diese Regelung zu europarechtswidrigen Folgen führen.1 Die Bestimmung des § 50g Abs. 2 Nr. 2 EStG, wonach der Teil der Vergütungen, der nicht dem arm’s-length-Prinzip entspricht, nicht durch § 50g EStG begünstigt ist, findet ihre Entsprechung in Art. 4 Abs. 2 der Zins- und Lizenzgebühren-Richtlinie. Vergütungen zwischen verbundenen Unternehmen, die über den Drittvergleich hinausgehen, sind verdeckte Gewinnausschüttungen, sofern sie an einen (mittelbaren) Anteilseigner fließen, bzw. stellen verdeckte Einlagen dar, sofern sie an eine abhängige Gesellschaft gezahlt werden. Da verdeckte Gewinnausschüttungen an ein verbundenes Unternehmen innerhalb der EU durch § 43b EStG begünstigt werden, entfaltet § 50g Abs. 2 Nr. 2 EStG nur für verdeckte Einlagen eine tatsächliche Rechtswirkung.2

10.27

Eine weitere Missbrauchsverhinderungsvorschrift ist in § 50g Abs. 4 EStG enthalten. Sofern der hauptsächliche Beweggrund für die Geschäftsbeziehungen die Vermeidung von Steuerzahlungen sein sollte, wird die Entlastung von der Quellenbesteuerung ebenfalls versagt. Diese Regelung entspricht Art. 5 Abs. 2 der Zins- und Lizenzgebühren-Richtlinie. Im Vergleich zu § 42 AO ist die Regelung des § 50g Abs. 4 insoweit weiter gefasst, weil nicht jeder wirtschaftliche Grund für den Geschäftsvorfall fehlen muss. Für eine Anwendung von § 42 AO neben § 50g Abs. 4 EStG dürfte kein Raum sein.

10.28

Daneben ist § 50d Abs. 3 EStG ebenfalls anzuwenden. In Bezug auf Zinsund Lizenzgebühren findet § 50d Abs. 3 EStG seine Berechtigung in Art. 5 Abs. 1 der Zins- und Lizenzgebühren-Richtlinie. 7. Begriffsdefinitionen a) Nutzungsberechtigter Die Begriffsdefinitionen sind in § 50g Abs. 3 EStG enthalten. Diese entsprechen im Wesentlichen den in Art. 1–3 der Zins- und LizenzgebührenRichtlinie enthaltenen Definitionen. Der Begriff des Nutzungsberechtigten wird für Unternehmen3 und Betriebsstätten4 getrennt definiert. Ein Unternehmen ist dann Nutzungsberechtigter, wenn es die Einkünfte i.S. von § 2 Abs. 1 EStG erzielt. Ausschlaggebend ist, ob dem Unternehmen die Vergütungen wirtschaftlich 1 2 3 4

Frotscher in Frotscher, § 50g EStG Rz. 18. So auch Dörr, IStR 2005, 109 (114). § 50g Abs. 3 Nr. 1 Buchst. a EStG. § 50g Abs. 3 Nr. 1 Buchst. b EStG.

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10.29

Kap. 10: Geistiges Eigentum und EU-Recht

nach den Grundsätzen des § 39 AO zuzurechnen sind. Daher ist ein Unternehmen dann nicht Nutzungsberechtigter, wenn es lediglich Treuhänder, Sicherungseigentümer oder Vertreter ist. Dies entspricht der Definition in Art. 1 Abs. 4 Zins- und Lizenzgebühren-Richtlinie. Die Definition der Betriebsstätte als Nutzungsberechtigter entspricht der Definition in Art. 1 Abs. 2 der Zins- und Lizenzgebühren-Richtlinie. Die Betriebsstätte ist dann Nutzungsberechtigter der Vergütungen, wenn die Forderung bzw. das Recht, für das die Vergütungen gezahlt werden, tatsächlich zu der Betriebsstätte gehören, d.h. dem Betriebsvermögen der Betriebsstätte zuzuordnen sind,1 und die Vergütungen in dem EU-Betriebsstättenstaat einer der in § 50g Abs. 3 Nr. 1 Satz 2 Buchst. b Doppelbuchst. bb bzw. Abs. 3 Nr. 5 Buchst. a Doppelbuchst. cc EStG aufgeführten Steuern unterworfen werden. Ergänzende Regelungen in Bezug auf die Schuldnerschaft einer Betriebsstätte sind in § 50g Abs. 3 Nr. 2 und 3 enthalten und beruhen auf Art. 1 Abs. 3 bzw. Abs. 6 der Zins- und Lizenzgebühren-Richtlinie. b) Verbundenes Unternehmen

10.30

Die Definition des verbundenen Unternehmens ist in § 50g Abs. 3 Nr. 5 Buchst. b EStG enthalten. Ausschließlich Zins- und Lizenzgebührenzahlungen zwischen verbundenen Unternehmen werden nach § 50g EStG vom Quellensteuerabzug befreit. In Übereinstimmung mit der Zins- und Lizenzgebühren-Richtlinie wird in § 50g EStG ein enges Verständnis hinsichtlich des Begriffs des verbundenen Unternehmens zugrunde gelegt.

10.31

Maßgebend zur Bestimmung, ob ein verbundenes Unternehmen vorliegt, ist die Beteiligung am Kapital, hierbei gilt eine Mindestbeteiligungshöhe von 25 %. Alternativ ermöglicht die Zins- und Lizenzgebühren-Richtlinie in Art. 3 Buchst. b eine Orientierung an der Höhe der Stimmrechte. Hiervon hat der deutsche Gesetzgeber im Rahmen der Umsetzung der Zinsund Lizenzgebühren-Richtlinie in deutsches Recht keinen Gebrauch gemacht. Damit gelten zwei Unternehmen als verbundene Unternehmen, wenn zwischen ihnen eine unmittelbare Beteiligung von 25 % besteht. Unerheblich ist, ob der Schuldner oder der Gläubiger das herrschende Unternehmen ist. Eine mittelbare Beteiligung ist nicht ausreichend.

1 Zu beachten ist hierbei das von der deutschen Finanzverwaltung vertretene Konzept der „Zentralfunktion des Stammhauses“, wonach Wirtschaftsgüter, insbesondere Finanzmittel, die nicht für den Betrieb der Betriebsstätte benötigt werden, dem Stammhaus zuzuordnen sind.

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C. Sekundärrecht

Eine Beteiligung über eine EU-Betriebsstätte ist aufgrund der mangelnden Rechtsträgereigenschaft der Betriebsstätte als unmittelbare Beteiligung anzusehen.1 Verbundene Unternehmen liegen gem. § 50g Abs. 5 Nr. 5 Buchst. a Doppelbuchst. cc auch dann vor, wenn ein gemeinsames Mutterunternehmen an den jeweiligen Schwestergesellschaften zu mindestens 25 % am Kapital beteiligt ist. Die Schwestergesellschaften sind in diesem Fall verbundene Unternehmen mit der Folge, dass Zins- und Lizenzzahlungen zwischen ihnen bei Vorliegen der weiteren Voraussetzungen von der Quellensteuer zu befreien sind. Diese Regelung greift nicht bei tiefer gestaffelten Konzernstrukturen.

10.32

Bis zur Änderung der Vorschrift durch das StÄndG 2007 v. 19.7.20062 forderte § 50g EStG, dass nur die Schwestergesellschaften in einem Mitgliedstaat der EU ansässig sind. Der Wortlaut des Art. 3 Buchst. b der Zinsund Lizenzgebühren-Richtlinie fordert hingegen, dass alle Unternehmen in der EU ansässig sind und damit auch die Muttergesellschaft. Da die Richtlinie insoweit nicht richtig umgesetzt war, wurde die Vorschrift durch StÄndG 2007 geändert und an die Richtlinienerfordernisse angepasst. Nach Auffassung des Gesetzgebers3 handelte es sich bei dieser Änderung um eine Klarstellung, die auf alle Zahlungen nach dem 30.6.2005 anzuwenden sei. Da das Gesetz erst am 25.7.2006 in Kraft getreten ist, stellt dies jedoch dann eine verfassungswidrige Rückwirkung dar, wenn es sich nicht um eine klarstellende, sondern um eine konstitutive Gesetzesänderung handelt.4 Der deutsche Gesetzgeber hat im Rahmen der Umsetzung der Zins- und Lizenzgebühren-Richtlinie keinen Gebrauch von der Option zur Einführung einer Mindesthaltedauer gem. Art. 1 Abs. 10 der Zins- und Lizenzgebühren-Richtlinie gemacht. Daher gewährt Deutschland die Steuerbefreiung ohne Berücksichtigung einer Mindesthaltedauer von 2 Jahren.

10.33

c) Zinsen und Lizenzgebühren Die Definition der Begriffe „Zinsen“ und „Lizenzgebühren“ ist in § 50g Abs. 3 Nr. 4 Buchst. a und b EStG enthalten. Sie entspricht der Definition, wie sie in Art. 2 der Zins- und Lizenzgebühren-Richtlinie enthalten ist. Es handelt sich hierbei um Legaldefinitionen, die allerdings ausschließlich für Zwecke des § 50g EStG Geltung besitzen. Der Begriff der Zinsen umfasst nach § 50g Abs. 3 Nr. 4 Buchst. a EStG Einkünfte aus Forderungen jeder Art. Erfasst sind damit auch Zinseinnahmen aus grundpfandrechtliche gesicherten Kapitalüberlassungen, Zinsen aus öffentlichen Anleihen und Obligationen sowie Aufgelder. Nicht er1 2 3 4

Ebenso Dörr, IStR 2005, 109 (115); Frotscher in Frotscher, § 50g EStG Rz. 30. BStBl. I 2006, 432. BT-Drucks. 16/1545, 16. So Frotscher in Frotscher, § 50g EStG Rz. 31.

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10.34

Kap. 10: Geistiges Eigentum und EU-Recht

fasst sind, abweichend von dem durch Art. 4 Abs. 1 Buchst. b der Zinsund Lizenzgebühren-Richtlinie eingeräumten Optionsrecht, Vergütungen aus Forderungen, die mit einer Beteiligung am Gewinn des Schuldners verbunden sind.

10.35

Die Definition der Lizenzgebühren in § 50g Abs. 3 Nr. 4 Buchst. b EStG entspricht inhaltlich vollständig Art. 2 Buchst. b der Zins- und Lizenzgebühren-Richtlinie. Hiernach sind alle Vergütungen, die für die Nutzung oder das Recht auf Nutzung von geschützten oder ungeschützten immateriellen Wirtschaftsgütern gezahlt werden, als Lizenzgebühren anzusehen. Nicht erfasst werden Vergütungen für die Übertragung des Immaterialgüterrechts, da die Vorschrift lediglich die Überlassung der Nutzung solcher Rechte erfasst. d) Verhältnis zu Doppelbesteuerungsabkommen

10.36

§ 50g EStG enthält im Gegensatz zu § 43b EStG eine Regelung, die das Verhältnis der Vorschrift zu DBA regelt. Nach § 50g Abs. 6 EStG, der auf Art. 9 der Zins- und Lizenzgebühren-Richtlinie beruht, lässt die Vorschrift des § 50g EStG weitergehende Regelungen eines DBA unberührt. Somit kann der Steuerpflichtige die jeweils günstigere Regelung für sich in Anspruch nehmen. 8. Verstoß des nationalen Rechts gegen die Zins- und LizenzgebührenRichtlinie

10.37

Fraglich war, ob die gewerbesteuerliche Hinzurechnung von grenzüberschreitenden Zins- und Lizenzgebührenzahlungen zwischen verbundenen Unternehmen gem. § 8 Nr. 1 GewStG1 gegen die Bestimmungen der Zinsund Lizenzgebühren-Richtlinie verstößt. Grundsätzlich sind Zins- und Lizenzzahlungen durch die Zins- und Lizenzgebühren-Richtlinie2 geschützt.

10.38

Art. 1 Abs. 1 der Zins- und Lizenzgebühren-Richtlinie schreibt vor, dass in einem Mitgliedstaat angefallene Einkünfte in Form von Zinsen oder Lizenzgebühren von allen in diesem Staat darauf erhebbaren Steuern zu befreien sind, unabhängig davon, ob sie an der Quelle abgezogen oder durch Veranlagung erhoben werden. Voraussetzung ist zum einen, dass der Nutzungsberechtigte der Zinsen oder Lizenzgebühren ein Unternehmen3 eines anderen Mitgliedstaats oder eine in einem anderen Mitgliedstaat bele1 Zur Frage, ob § 8 Nr. 1 GewStG gegen die Niederlassungsfreiheit verstößt s. Rz. 10.4 ff. 2 RL 2003/49/EG des Rates v. 3.6.2003 über eine gemeinsame Steuerregelung für Zahlungen von Zinsen und Lizenzgebühren zwischen verbundenen Unternehmen verschiedener Mitgliedstaaten (ABl. EU Nr. L 157, 49) i.d.F. der RL 2006/98/EG des Rates v. 20.11.2006 (ABl. EU Nr. L 363, 129). 3 Unternehmen in diesem Sinne ist jedes Unternehmen, das eine in der Liste im Anhang der Zins- und Lizenzgebühren-Richtlinie aufgeführte Rechtsform aufweist.

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C. Sekundärrecht

gene Betriebsstätte eines Unternehmens eines Mitgliedstaats ist und zum anderen, dass der Zahlende ein verbundenes Unternehmen des Nutzungsberechtigten ist. Unternehmen gelten nach Art. 3 Buchst. b der Zins- und Lizenzgebühren Richtlinie als verbunden i.S. der Richtlinie, wenn Zahlender und Zahlungsempfänger entweder unmittelbar zu mindestens 25 % aneinander beteiligt sind oder eine gemeinsame Muttergesellschaft unmittelbar mindestens 25 % am zahlenden Unternehmen und am Zahlungsempfänger hält. Die Richtlinie war von den Mitgliedstaaten bis zum 1.1.2004 umzusetzen. Die deutsche Umsetzungsregelung ließ die gewerbesteuerliche Hinzurechnung unberührt.1 Umstritten war, ob die Zins- und Lizenzgebühren-Richtlinie der gewerbesteuerlichen Hinzurechnung von Finanzierungsanteilen entgegensteht. Bis zur Änderung durch das Unternehmensteuerreformgesetz 20082 ordnete § 8 Nr. 1 GewStG a.F. für Zeiträume bis einschließlich Erhebungszeiträume 2007 an, dass die Hälfte der gewinnmindernd berücksichtigten Dauerschuldzinsen3 dem Gewerbeertrag hinzugerechnet werden. Für Erhebungszeiträume ab 2008 sieht § 8 Nr. 1 GewStG i.d.F. des UntStRefG eine Hinzurechnung von 25 % der Finanzierungsanteile vor, sofern insgesamt der Betrag von 100 000 Euro überschritten wird. Als Finanzierungsanteile gelten per Legaldefinition u.a. nach § 8 Nr. 1 Buchst. f GewStG 25 % der Aufwendungen für die zeitlich befristete Überlassung von Rechten, insbesondere Lizenzen. Im Ergebnis wird somit die Abzugsfähigkeit der gezahlten Lizenzgebühren für gewerbesteuerliche Zwecke teilweise versagt. Es war fraglich, ob dies als unzulässige Besteuerung der Zahlungen für Lizenzgebühren und damit als Verstoß gegen die Zins- und Lizenzgebühren Richtlinie gesehen werden musste.4

10.39

Im Rahmen eines Verfahrens, in dem die Regelung des § 8 Nr. 1 GewStG a.F. zur Hinzurechnung von Dauerschuldzinsen strittig war, hat der BFH mit Beschluss5 v. 27.5.2009 dem EuGH folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

10.40

„1. Steht Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 2003/49/EG des Rates vom 3. Juni 2003 über eine gemeinsame Steuerregelung für Zahlungen von Zinsen und Lizenzgebühren zwischen verbundenen Unternehmen verschiedener Mitgliedstaaten (ABlEU Nr. L 157, 49) – EU-Zins- und Lizenzrichtlinie (ZLR) – einer Regelung entgegen, wonach die von einem Unternehmen eines Mitgliedstaates an ein verbundenes Unternehmen eines anderen Mitgliedstaates gezahlten Darlehenszinsen bei dem erstgenannten Unternehmen der Bemessungsgrundlage für die Gewerbesteuer hinzugerechnet werden? 2. Falls die erste Frage bejaht wird: Ist Art. 1 Abs. 10 ZLR dahin auszulegen, dass es den Mitgliedstaaten auch dann freisteht, die Richtlinie nicht anzuwenden, wenn die in Art. 3 Buchst. b ZLR genannten Voraussetzungen für das Vorliegen eines 1 2 3 4 5

Siehe hierzu EG-Amtshilfe-Anpassungsgesetz v. 2.12.2004, BGBl. I 2004, 3112. BGBl. I 2007, 1912. Zum Begriff der Dauerschuldzinsen vgl. Abschn. 45 ff. GewStR 1998. So Kessler/Eicker/Schindler, IStR 2004, 678; Köhler, DStR 2005, 227 (231). BFH v. 27.5.2009 – I R 30/08, BFH/NV 2009, 2059.

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verbundenen Unternehmens zum Zeitpunkt der Zinszahlung noch nicht während eines ununterbrochenen Zeitraums von mindestens zwei Jahren erfüllt waren? Können sich die Mitgliedstaaten in diesem Fall gegenüber dem zahlenden Unternehmen unmittelbar auf Art. 1 Abs. 10 ZLR berufen?“

Das Verfahren war beim EuGH als Rs. C-397/091 unter der Bezeichnung „Scheuten Solar Technology“ anhängig.

10.41

Zwar war in dem Verfahren die Hinzurechnung von Dauerschuldzinsen gem. § 8 Nr. 1 GewStG a. F strittig. Sollte hierin jedoch ein Verstoß gegen sekundäres Gemeinschaftsrecht gesehen werden können, so muss dieses Ergebnis auch auf die Hinzurechnungen von Schuldzinsen nach § 8 Nr. 1 Buchst. a GewStG sowie auf die Hinzurechnung von Lizenzgebühren nach § 8 Nr. 1 Buchst. f GewStG nach der ab Erhebungszeitraum 2008 geltenden Gesetzesfassung übertragbar sein, denn Wirkungsweise und Regelungstechnik sind nach der Gesetzesänderung unverändert.2

10.42

Die Hinzurechnung nach § 8 Nr. 1 GewStG führt durch Erhöhung der gewerbesteuerlichen Bemessungsgrundlage unmittelbar zu einer Gewerbesteuerbelastung. Fraglich ist, ob die Gewerbesteuer als solche Regelungsgegenstand der Zins- und Lizenzgebühren-Richtlinie ist. Zwar zählt die Richtlinie in Art. 3 Buchst. a der Zins- und LizenzgebührenRichtlinie lediglich die in den einzelnen Mitgliedstaaten erhobenen Formen der Körperschaftsteuer auf, der objektive Anwendungsbereich erstreckt sich nach herrschender Literaturmeinung aber auch auf die Gewerbesteuer.3

10.43

Die gewerbesteuerliche Hinzurechnung der Finanzierungsanteile stellt keine Erhebung einer Quellensteuer i.S. der Zins- und LizenzgebührenRichtlinie dar.4 Hierfür ist erforderlich, dass der Empfänger der Zahlung auch der Steuerschuldner ist. Dies ist im Rahmen der gewerbesteuerlichen Hinzurechnungen jedoch nicht der Fall, da die steuerliche Belastung aus der teilweisen Nichtabzugsfähigkeit der Zahlungen resultiert. Herleiten lässt sich dies Verständnis zum Quellensteuerbegriff i.S. der Zins- und Lizenzgebühren-Richtlinie aus der Rechtsprechung des EuGH zum Quellensteuerbegriff der Mutter- Tochter-Richtlinie. Sowohl die Mutter-Tochter-Richtlinie als auch die Zins- und Lizenzgebühren-Richtlinie verwenden zur Bestimmung ihres objektiven Anwendungsbereichs den Begriff des Steuerabzugs an der Quelle. Für ein identisches Verständnis des Quellensteuerbegriffs spricht, dass sowohl Mutter-Tochter-Richtlinie als auch die Zins- und Lizenzgebühren-Richtlinie die Besteuerung von Einkünften innerhalb eines Gesellschaftsverbunds zum Gegenstand 1 ABl. EU 2009, Nr. C 312, 22. 2 Gl.A. Hidien, DStZ 2008, 131; Dörr/Fehling, NWB F. 2, 9375 (9385); Rainer, IStR 2008, 375 (376). 3 Vgl. u.a. Dautzenberg, BB 2004, 17 (19); Kessler/Eicker/Schindler, IStR 2004, 678 (679); Hidien, DStZ 2008, 131 (132). 4 Vgl. Sedemund, BB 2008, 1830 (1831); Meiisel/Bokeloh, DB 2008, 2160 (2161 f.); Führich, Ubg 2009, 30 (33).

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haben und bereits der erste Vorschlag1 für eine Zins- und LizenzgebührenRichtlinie einen einheitlichen Anwendungsbereich vorsah. In der Rechtssache Burda2 hat der EuGH ausführlich Stellung zum Verständnis des Quellensteuerbegriffs i.S. der Mutter-Tochter-Richtlinie genommen und ausgeführt, dass Quellensteuer nur vorliege, wenn auslösender Tatbestand der Steuer die Zahlung von Dividenden sei, die Bemessungsgrundlage dieser Steuer die Erträge dieser Wertpapiere seien und der Steuerpflichtige der Inhaber dieser Wertpapiere sei.3 Das von der Kommission4 im Rahmen des Verfahrens vorgebrachte Argument, die Besteuerung der Tochtergesellschaft durch Herstellung der Ausschüttungsbelastung nach Ausschüttung aus dem EK 02 entspreche ihrer wirtschaftlichen Wirkung nach der Besteuerung der Muttergesellschaft, hat der EuGH ausdrücklich zurückgewiesen und betont, dass Steuerschuldner einer Quellensteuer auf Gewinnausschüttungen nach Maßgabe der Mutter-TochterRichtlinie die Muttergesellschaft sein müsse.5 Die Zins- und Lizenzgebühren-Richtlinie untersagt jedoch nicht nur die Erhebung von Quellensteuern, sondern auch die Steuererhebung im Wege der Veranlagung. Daher stellte sich die Frage, ob die die anteilige Hinzurechnung der gezahlten Finanzierungsanteile, wie z.B. von Lizenzgebühren für die zeitlich befristete Überlassung von Rechten, eine von der Richtlinie untersagte Veranlagungssteuer darstellt.

10.44

Dagegen spricht zunächst, dass in der deutschen Sprachfassung der Zinsund Lizenzgebühren-Richtlinie von „Einkünften in Form von Zinsen oder Lizenzgebühren“ gesprochen wird. Einkünfte aus solchen Zahlungen kann jedoch nur der Zahlungsempfänger und nicht der Zahlende haben. Bei einer solchen Auslegung ist jedoch zu beachten, dass sowohl die englische Fassung („interest or royalty payments“) als auch die französische Fassung („les paiements d’intérêts et de redevances échus“) nicht auf Einkünfte abstellen, sondern auf die Zahlung als solche. Eine Einschränkung des Tatbestandsmerkmals „Steuererhebung im Wege der Veranlagung“ aufgrund der Formulierung schien nicht geboten.6

10.45

Des Weiteren muss unterschieden werden, ob der Begriff „Veranlagungssteuer“ nur Objektsteuern (also Steuern, die die Zins- bzw. Lizenzgebührenzahlungen als solche betreffen) erfasst,7 oder auch echte Ertragsteuern, deren Besteuerungssubjekt der Zahlende ist, vom Begriff der Veranlagungssteuer erfasst werden.

10.46

1 2 3 4 5 6

KOM (1998) 67 endg. 98/0087 (CNS) v. 4.3.1998. EuGH v. 26.6.2008 – Rs. C-284/06, EuGHE 2008, I-4571. EuGH v. 26.6.2008 – Rs. C-284/06, EuGHE 2008, I-4571 Rz. 52. EuGH v. 26.6.2008 – Rs. C-284/06, EuGHE 2008, I-4571 Rz. 58. EuGH v. 26.6.2008 – Rs. C-284/06, EuGHE 2008, I-4571 Rz. 61. So auch Rainer, IStR 2008, 375; Goebel/Jacobs, IStR 2009, 88 f.; Hahn, IStR 2009, 346 f. 7 So Hahn, IStR 2009, 346 (347).

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Eine „Veranlagung“ kann zwar im Hinblick auf Zins- bzw. Lizenzgebührenzahlungen grundsätzlich auch durch Besteuerung des Empfängers der Zahlung stattfinden, wenn im Zusammenhang mit der Zahlung stehende Betriebsausgaben vom Quellenstaat mit berücksichtigt werden. Der Quellenstaat wird i.d.R. die Besteuerung der Zahlungen im Abzugsverfahren vornehmen und dabei an den Bruttobetrag der gezahlten Zinsen anknüpfen.1 Soll dem Tatbestandsmerkmal der „Erhebung von Steuern durch Veranlagung“ im Kontext der Zins- und Lizenzgebühren-Richtlinie eigenständige Bedeutung zukommen, ist deshalb eher anzunehmen, dass das Verbot der Steuererhebung im Wege der Veranlagung sich auch und insbesondere auf die Person des Zahlenden bezieht.

10.47

Die Überlegung findet eine Stütze in der Entstehungsgeschichte der Richtlinie. Das alleinige Verbot der Quellensteuererhebung wurde offensichtlich als nicht ausreichend angesehen, um das angestrebte Ziel der Zins- und Lizenzgebühren-Richtlinie, die Beseitigung der Doppelbesteuerung von Zinszahlungen, zu erreichen. Eine Doppelbesteuerung kann sich grundsätzlich sowohl durch die Besteuerung des Empfängers (rechtliche Doppelbesteuerung) als auch durch die Beschränkung der Abzugsfähigkeit als Betriebsausgabe beim Zahlenden (wirtschaftliche Doppelbesteuerung) durch den Quellenstaat ergeben. Soweit der EuGH in der Rechtssache „Burda“ einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise (und damit einer extensiven Auslegung) der Mutter-Tochter-Richtlinie eine Absage erteilt hat (vgl. Rz. 10.43), ist anzumerken, dass dies im Rahmen der Auslegung des Begriffs der „Quellensteuer“ erfolgt ist und der Begriff der „Steuererhebung durch Veranlagung“ einer eigenständigen Auslegung bedarf. Für eine „wirtschaftliche Betrachtungsweise“ spricht auch, dass die Richtlinie die Erhebung von „allen in diesem Staat erhebbaren Steuern“2 untersagt. Dies deutet darauf hin, dass der Richtliniengeber die Doppelbesteuerung von Zinszahlungen umfassend vermeiden wollte. Die Beschränkung der Abzugsfähigkeit der Zinszahlungen läuft aber auf eine mittelbare Besteuerung einer solchen Zinszahlung hinaus, da die Belastungswirkung einer solchen Maßnahme die gleiche ist wie die Wirkung einer direkten Besteuerung des Empfängers.

10.48

Dagegen spricht das von Teilen der Literatur vorgebrachte Argument, die Hinzurechnung nach § 8 Nr. 1 GewStG könne keine „Steuer“ i.S. der Richtlinie sein, da es sich vielmehr um eine Gewinnermittlungsvorschrift handele.3

10.49

Mit Urteil v. 21.7.20114 hat der EuGH in der Rs. Scheuten Solar Technology GmbH entschieden, dass Art. 1 Abs. 1 der Zins- und Lizenzgebühren-Richtlinie dahingehend auszulegen ist, dass die Vorschrift nicht einer 1 Tz. 7.1. des MK zu Art. 11 OECD-MA. 2 Vgl. Goebel/Jacobs, IStR 2009, 87. 3 Vgl. Kempf/Straubinger, IStR 2005, 774; im Ergebnis auch Hahn, IStR 2009, 346 (347); Führich, Ubg 2009, 30 (41). 4 EuGH v. 21.7.2011 – Rs. C-397/09, IStR 2011, 590.

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nationalen Regelung entgegensteht, wonach die Darlehenszinsen, die ein Unternehmen mit Sitz in einem Mitgliedstaat an ein verbundenes Unternehmen zahlt, der Bemessungsgrundlage der Gewerbesteuer hinzugerechnet werden. Nach Ansicht des EuGH erfasst Art. 1 Abs. 1 der Zins- und Lizenzgebühren-Richtlinie ausschließlich die steuerliche Situation des Zinsgläubigers und gilt somit nicht für den Schuldner der Zinsen oder Lizenzgebühren.1 Ein Richtlinienverstoß war nach Auffassung des EuGH durch die Hinzurechnung von Dauerschuldzinsen beim Schuldner der Zahlung nicht gegeben, da Zweck des Art. 1 Abs. 1 der Zins- und Lizenzgebühren-Richtlinie die Verhinderung einer rechtlichen Doppelbesteuerung der grenzüberschreitenden Zins- oder Lizenzgebührenzahlungen bei Zahlungsempfänger ist.2 Die Vorschrift des § 8 Nr. 1 GewStG a.F. bezieht sich jedoch ausschließlich auf die Berechnung der Bemessungsgrundlage der Gewerbesteuer des Zahlenden und führt daher nicht zu einer Verringerung der Einkünfte des Gläubigers.3

1 EuGH v. 21.7.2011 – Rs. C-397/09, IStR 2011, 590 Rz. 28 f. 2 EuGH v. 21.7.2011 – Rs. C-397/09, IStR 2011, 590 Rz. 28. 3 EuGH v. 21.7.2011 – Rs. C-397/09, IStR 2011, 590 Rz. 30.

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Kapitel 11 Geistiges Eigentum und Verrechnungspreise Literatur: Andresen, Grundsätzliche Grundfreiheitskompatibilität des § 1 AStG definiert gleichzeitig Freiräume des BFH, dessen Grundfreiheitswidrigkeit über § 1 Abs. 3 Satz 9 AStG hinaus festzustellen – zugleich ergänzende Anmerkungen zum Urteil des EuGH in der Rechtssache „SGI“, IStR 2010, 289; Battersby/Grimes, Licensing Royalty Rates, 2000; Baumhoff, Lizenzzahlungen bei Identität von Firmennamen und Markenrecht, IStR 1999, 533; Baumhoff, Die Verrechnung von Leistungen zwischen verbundenen Unternehmen mit Hilfe von Konzernumlagen (Teil I), IStR 2000, 693; Baumhoff, Die Verrechnung von Leistungen zwischen international verbundenen Unternehmen mit Hilfe von Konzernumlagen (Teil II), IStR 2000, 731; Baumhoff/Ditz/Greinert, Grundsätze der Dokumentation internationaler Verrechnungspreise nach der Gewinnabgrenzungsaufzeichnungsverordnung (GAufzV), DStR 2004, 157; Baumhoff/Ditz/Greinert, Auswirkungen des Unternehmensteuerreformgesetzes 2008 auf die Ermittlung internationaler Verrechnungspreise, DStR 2007, 1461; Baumhoff/Ditz/Greinert, Auswirkungen des Unternehmensteuerreformgesetzes 2008 auf die Besteuerung grenzüberschreitender Funktionsverlagerungen, DStR 2007, 1649; Baumhoff/Ditz/Greinert, Die Besteuerung von Funktionsverlagerungen nach der Funktionsverlagerungsverordnung vom 12.8.2008, DStR 2008, 1945; 544; Baumhoff/Ditz/Greinert, Die Besteuerung von Funktionsverlagerungen nach den Änderungen des § 1 Abs. 3 AStG durch das EU-Umsetzungsgesetz, DStR 2010, 1309; Baumhoff/Greinert, Angemessene Lizenzsätze bei grenzüberschreitenden Funktionsverlagerungen, Ubg 2009, Bernhardt/van der Ham/Kluge, Die Expansion deutscher Unternehmen ins Ausland: Steuerliche Implikation der Gründung von Vertriebstochtergesellschaften – Die Besteuerung von Funktionsverlagerungen im Fall von „Vertriebsabspaltungen“, IStR 2008, 1; Beyer/ Mackenstedt, Grundsätze zur Bewertung immaterieller Vermögenswerte (IDW S 5), Wpg 2008, 338; Blumers, Funktionsverlagerung per Transferpaket, BB 2007, 1757; Blumers, Funktionsverlagerung und ihre Grenzen, DStR 2010, 17; Bodenmüller, Steuerplanung bei Funktionsverlagerungen ins Ausland, Düsseldorf 2004; Bodenmüller/Hülster, Handlungsalternativen bei der Bewertung von Transferpaketen – Besonderheiten bei erzwungenen Funktionsverlagerungen und bei der Verlagerung von Verlustfunktionen, IStR 2010, 650; Bopp/Beckert/von Drygalski, Formularbuch Recht und Steuern, 6. Aufl., München 2008; Borstell, Funktionsverdoppelungen, IStR 2009, 329; Brandenberg, Aktuelle Entwicklungen im internationales Steuerrecht, BB 2008, 864; Braun/Hof, Die Verrechnungspreisdokumentation vor dem Hintergrund der Verwaltungsgrundsätze-Verfahren, IStR 2005, 69; Brem/ Tucha, Dokumentation von Verrechnungspreisen: zur Strukturierung der Angemessenheitsanalyse, IStR 2006, 499; Bruhn, Was ist eine Marke? – Aktualisierung der Markendefinition, Jahrbuch der Absatz- und Verbraucherforschung 2004, 4; Brändel, Verrechnungspreise bei grenzüberschreitender Lizenzierung von Marken im Konzern, Diss., Berlin 2010; Brändel, Verrechnungspreise bei grenzüberschreitender Lizenzierung von Marken im Konzern, Der Konzern 2010, 606; Burkert, Funktionsverlagerung im internationales Konzern – Management der Steuerfolgen in Deutschland – Teil I, IStR 2003, 320; Castedello/Klingbeil/Schröder, IDW RS HFA 16: Bewertung bei der Abbildung von Unternehmenserwerben und bei Werthaltigkeitsprüfungen nach IFRS, Wpg 2006, 1028; Crüger/Riedl, Funktionsbewertung unter Berücksichtigung des Standards des IDW, IWB 2011, 320; Ditz, Übertragung von Geschäftschancen bei Funktionsverlagerungen ins Ausland, DStR 2006, 1625; Ditz/Schneider, Verrechnungspreise; Rechtsprechung, DB 2011, 779; Dörschell/Ihlau/Lackum, Die Wertermittlung für kundenorientierte immaterielle Vermögenswerte, Wpg 2010, 978; Dürrfeld/Wingendorf, Lizenzierung von Marken-

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rechten im Konzern, IStR 2005, 464; Ebering, Wann sind Preisanpassungsklauseln bei Funktionsverlagerungen i. S. von § 1 Abs. 3 Satz 9 AStG fremdüblich?, IStR 2011, 418; Eigelshoven/Kratzer, Rechtsverordnung zu Aufzeichnungspflichten bei der Bestimmung angemessener Verrechnungspreise, IStR 2004, 30; Fezer, Kommentar zum Markenrecht, 4. Aufl., München 2009; Finsterwalder, Bemessung von Verrechnungspreisen bei grenzüberschreitenden Know-how-Überlassungen im Konzern, IStR 2006, 355; Fischer/Looks/im Schlaa, Dokumentationspflichten für Verrechnungspreise – Bisherige Erfahrungen mit der Betriebsprüfung und aktuelle Entwicklungen, BB 2007, 918; Fischer/Scholz, IP-Optionen – Gestaltungsalternative für F&E-Projekte, BB 2007, 139; Freudenberg/Ludwig, Funktionsverlagerungen im Lichte des OECD Business Restructuring-Berichts, BB 2011, 215; Freudenberg/ Peters, Steuerliche Allokation von Restrukturierungsaufwendungen im Kontext von Funktionsverlagerungen, BB 2008, 1424; Freudenberg/Peters, Identifizierung von unbeabsichtigten Funktionsverlagerungen als Ergebnis operativer Geschäftsentwicklung, BB 2009, 822; Frotscher, Internationales Steuerrecht, 3 Aufl., München 2009; Goldscheider/Jarosz/Mulhern, Use of the 25 per cent Rule in Valuing IP, les Nouvelles 2002, 123; Greil, Das Gewinnpotential als manifestierte Geschäftschance, IStR 2009, 202; Greil, Die Preisanpassung nach § 1 Abs. 3 Satz 11 und 12 AStG i.V.m. der Funktionsverlagerungsverordnung, IStR 2009, 567; Greinert, Steuerliche Besonderheiten bei der Bewertung immaterieller Wirtschaftsgüter im Rahmen von grenzüberschreitenden Transaktionen im Konzern, Ubg 2010, 101; Greinert/Reichl, Einfluss von Besteuerungseffekten auf die Verrechnungspreisermittlung bei Funktionsverlagerungen, BB 2011, 1182; Groll, Ermittlung des Cash-flows anhand von Zahlen der Bilanz, DB 1995, 1725; Grotherr, Handbuch der internationalen Steuerplanung, 3. Aufl., Herne 2011, Groß/Rohrer, Lizenzgebühren, 2. Aufl., Frankfurt a.M. 2007; Grützner, Dokumentationspflichten bei Auslandsbeziehungen, StuB 2003, 1108; Hahn/Suhrbier-Hahn, Mitwirkungspflichten bei Auslandssachverhalten europarechtswidrig – Neukonzeption der §§ 90 Abs. 3 und 162 Abs. 3 AO im SteVAG, IStR 2003, 84; Henn, Patent- und Know-how-Lizenzvertrag, 5. Aufl., Heidelberg 2003; Hervé/Stock, Steuerliche Dokumentation von Funktionsverlagerungen ins Ausland, BC 2006, 229; IDW, Grundsätze zur Bewertung immaterieller Vermögenswerte, 2010; Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung, 7. Aufl., München 2011; Jäger/Himmel, Die Fair Value-Bewertung immaterieller Vermögenswerte vor dem Hintergrund der Umsetzung internationaler Rechnungslegungsstandards, BFuP 2003, 417; Janke, Periodisierung, Objektivierung und Vorsicht bei Vermögensgegenständen und Schulden, StuW 1994, 214; Joecks/Kaminski, Dokumentations- und Sanktionsvorschriften für Verrechnungspreise in Deutschland, IStR 2004, 65; Kahle/Franke, Überführung von Wirtschaftsgütern in ausländische Betriebsstätten, IStR 2009, 406; Kainz/Lieber/ Puszkajler, Die „Münchner Formel“ – oder: Berechnung des Vertragshändlerausgleichs in der Autobranche, BB 1999, 434; Kaminski, Umlagen bei konzerninternen Leistungen, IWB 2000, Fach 3 Deutschland, Gruppe 2, 891; Kaminski/Strunk, Funktionsverlagerung in und von ausländischen Betriebsstätten und Personengesellschaften: Überlegungen zur (Nicht-)Anwendbarkeit der Grundsätze zum sog. Transferpaket, DB 2008, 2501; Klein/Stihl/Wassermeyer, Unternehmen Steuern: Festschrift für Hans Flick zum 70. Geburtstag, Köln 2007; Knoppe, Lizenzverträge und verdeckte Gewinnausschüttung, BB 1967, 1112; Knoppe, Die Besteuerung der Lizenz- und Know-how-Verträge, 2 Aufl., Köln 1972; Kohl/Schilling, Die Bewertung immaterieller Vermögenswerte nach IDW S 5, StuB 2007, 541; Kraft, Außensteuergesetz, Kommentar, München 2009; Kroppen, Handbuch internationale Verrechnungspreise, Kommentar, Loseblatt, Köln; Kroppen/Rasch, Anmerkungen zu den Verwaltungsgrundsätzen Funktionsverlagerung vom 13.10.2010, IWB 2010, 824; Kroppen/Rasch/Eigelshofen, Unternehmensteuerreform, IWB 2007, Gruppe 1 Fach 3, 2201; Kuckhoff/Schreiber, Die neuen Verwaltungsgrundsätze zu den Umlageverträgen (Teil I), IStR 2000, 346; Kuckhoff/Schreiber, Die neuen Verwaltungs-

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grundsätze zu den Umlageverträgen (Teil II), IStR 2000, 373; Kümmel, Der Ausgleichanspruch des Kfz-Vertragshändlers, DB 1998, 2407; 2053; Kußmaul, Sind Nutzungsrechte Vermögensgegenstände bzw. Wirtschaftsgüter?, BB 1987, 2053; Kußmaul/Ruiner, Die sog. Standardmethoden zur Ermittlung fremdvergleichskonformer Verrechnungspreise: Preisvergleichsmethode, Wiederverkaufspreismethode und Kostenaufschlagsmethode, IStR 2010, 605; Lenz/Fischer/Schmidt, Verwaltungsgrundsätze-Verfahren – Konsequenzen für die Dokumentation von Verrechnungspreisen, BB 2005, 1255; Levey/Herksen/Schnorberger/Breckenridge/Taguchi/ Dougherty/Russo, The Quest of Marketing Intangibles, Intertax 2006, 1; Looks/ Köhler, Hypothetischer Fremdvergleich und Funktionsverlagerungen, StB 2009, 317; Looks/Steinert/Müller, Der Fremdvergleichsgrundsatz – Zur Frage der Maßgeblichkeit des § 1 AStG für andere Berichtigungsvorschriften, BB 2009, 2348; Lühn, Verrechnungspreise: Schätzung der Einkünfte bei im Wesentlichen unverwertbarer Dokumentation, PStB 2009, 287; Möbus, Neue Dokumentationspflichten bei Transferpreisen, BB 2003, 1413; Moser/Goddar, Grundlagen der Bewertung immaterieller Vermögenswerte am Beispiel patentgeschützter Technologien, FB 2007, 594; Mössner/Fuhrmann, Außensteuergesetz, Kommentar, 2. Aufl., Herne 2011; Nebel/Schulz/Flohr, Das Franchise System, 4. Aufl., München 2008; Nestler, Die Bewertung von immateriellen Vermögensgegenständen, Betriebswirtschaftliche Mandantenbetreuung 2003, 71; Nestler, Ermittlung von Lizenzentgelten, BB 2008, 2002; Nestler/Schaflitzel, Praktische Anwendungsfragen für die Bewertung bei Funktionsverlagerungen nach dem neuen BMF-Schreiben, BB 2011, 235; OCED, Transferpricing Guidelines 1995, Verrechnungsgrundsätze für Multinationale Unternehmen und Steuerverwaltungen; OECD, 2010 Report on the Attribution of Profits to Permanent Establishments; OECD, Transfer Pricing and Intangibles: Scope of the OECD project, 25. Januar 2011; Oestreicher, Die (reformbedürftigen) Regelungen zur Ermittlung der Verrechnungspreise in Fällen der Funktionsverlagerung, Ubg 2009, 80; Oestreicher/Hundeshagen, Bewertung von Transferpaketen bei Funktionsverlagerungen, DB 2008, 1693; Oestreicher/Wilcke, Die Einzelbewertung des Firmenwerts – Verrechnungspreise in Fällen einer Funktionsverlagerung nach dem Gesetz zur Umsetzung steuerlicher EU-Vorgaben sowie zur Änderung steuerlicher Vorschriften, Ubg 2010, 225; Oestreicher/Wilcke, Funktionsverlagerung, Grenzpreise und Preisanpassungen, DB 2010, 1713; Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, Kommentar, 70. Aufl., München 2010; Parr, Royalty Rates for Licensing Intellectual Property, 1. Aufl., 2007; Peter/Wehnert/Koch/Peter, Änderung bei der Besteuerung von Funktionsverlagerungen durch das EU-Vorgaben-Umsetzungsgesetz – echte Erleichterung oder Fata Morgana in der Steuerwüste?, IStR 2011, 180; Piltz/Schaumburg, Internationale Einkünfteabgrenzung, Köln 2003; Prinz, Besteuerungsfragen inländischer Vertriebsmodelle bei international tätigen Unternehmen, FR 1996, 479; Prinz, Steueroptimierte Vertriebsstrukturen im OutboundGeschäft, FR 1997, 517; Rasch/Rettinger, Aktuelle Fragen der Verrechnungspreisdokumentation: Unternehmenscharakterisierung und Methodenwahl in den Verwaltungsgrundsätze-Verfahren, BB 2007, 353; Reilly/Schweihs, Valuing intangible assets, 1998; Richter/Welling, 25. Berliner Steuergespräch „Funktionsverlagerung“, Tagungsbericht, 2007; Schaumburg/Piltz, Besteuerung von Funktionsverlagerungen – Neuausrichtung?, Köln 2010; Schmidt, Münchener Kommentar zum HGB, Band 1, 2. Aufl., München 2005; Schütze/Weipert, Münchner Vertragshandbuch, Band 3, Wirtschaftsrecht II, 6. Aufl. München 2009; Schreiber, Funktionsverlagerungen im Konzern, Ubg 2008, 433; Serg, Die Behandlung von Geschäftschancen bei grenzüberschreitenden Funktionsverlagerungen, DStR 2005, 1916; Skaupy, der Franchise-Vertrag – ein neuer Vertragstyp, BB 1969, 113; Smith/Parr, Valuation of Intellectual Property and Intangible Assets, 3. Aufl. 2000; Steinmann, Marken entstehen im Kopf des Verbrauchers – eine kritische Analyse, München 2002; Stock/Kaminski, Anmerkungen zum Gewinnaufschlag bei Konzernumlagen, IStR 1998, 7; Vögele, Prüfungsgrundsätze für Umlageverträge international verbundener

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Unternehmen, DB 2000, 297; Vögele, Bewertung von Transferpaketen bei der Funktionsverlagerung, DStR 2010, 1757; Vögele, Verrechnungspreise, 3. Aufl., München 2011; Vögele/Freytag, Kernbereiche der neuen Prüfungsgrundsätze zu Kostenumlagen, IStR 2000, 249; Wassermeyer, Das Wettbewerbsverbot des Gesellschafters und des Gesellschafter-Geschäftsführers einer GmbH, GmbHR 1993, 329; Wassermeyer, Einkünftekorrekturnorm im Steuersystem, IStR 2001, 633; Wehnert, Generalthema I: Verrechnungspreise und immaterielle Wirtschaftsgüter, IStR 2007, 558; Wehnert/Brüningshaus/Marx/Andresen/Hülster/Beck/Bodenmüller/Wolff, Ausgewählte Aspekte der Verwaltungsgrundsätze-Verfahren – Teil II: Dokumentation von Verrechnungspreislisten, IStR 2005, 749; Wellens, Dokumentation von Verrechnungspreisen, IStR 2004, 655; Wellens, Fremdvergleichsgrundsatz nach OECD und nach deutschem Recht – Gleichzeitig Vorstellung des Diskussionsentwurfs der OECD hinsichtlich der Überarbeitung der Kapitel I und III der OECD-Verrechnungspreisrichtlinie, IStR 2010, 153; Wöhe, Einführung in die allgemeine Betriebswirtschaftslehre, 23. Aufl., München 2008; Wöhrle, Außensteuergesetz, Kommentar, Loseblatt, Stuttgart; Wolter/Pitzal, Der Begriff „Funktion“ in den neuen Regelungen zur Funktionsverlagerung in § 1 Abs. 3 AStG, IStR 2008, 793; Zech, Funktionsverlagerung durch Zusammenlegung von Produktion und Vertreib? Praxisfall aus der Betriebsprüfung, IStR 2009, 418; Zech, Verrechnungspreise und Funktionsverlagerungen 2009, Mannheim 2009.

A. Vorbemerkung 11.1

Da ein Großteil des weltweiten Handels von bzw. zwischen international verbundenen Unternehmen ausgeführt wird, sind Verrechnungspreise ein zentrales Thema bei der Unternehmensbesteuerung.1 Immaterielle Wirtschaftsgüter bilden einen wesentlichen Faktor bei diesen grenzüberschreitenden Transaktionen.2 Auf Grund ihrer Einzigartigkeit und damit verbundenen Hochwertigkeit stellt die Ermittlung von Verrechnungspreisen für immaterielle Wirtschaftsgüter eine der komplexesten Aufgaben im Bereich der Verrechnungspreise dar.3 Sowohl bei der Gestaltung als auch bei der Dokumentation von immateriellen Wirtschaftsgütern wird eine Vielzahl von Fragestellungen aufgeworfen. Bereits die Beurteilung, ob durch gewisse Tätigkeiten und hierdurch entstandene Kosten ein immaterielles Wirtschaftsgut geschaffen wurde, z.B. im Rahmen von kostenintensiven F&E-Tätigkeiten4, sowie die Abgrenzung, z.B. im Rahmen von technischen Dienstleistungen oder materiellen Wirtschaftsgütern, die im1 Vgl. Ditz/Schneider, DB 2011, 779; Wehnert, IStR 2007, 558. 2 Vgl. Baumhoff in F/W/B, § 1 AStG Rz. 693 (Stand: November 2000). 3 Vgl. Engler/Freytag/Herda in Vögele/Borstell/Engler, Verrechnungspreise3, Immaterielle Wirtschaftsgüter, Rz. 1 ff. 4 Vgl. OECD, Transfer Pricing Guidelines 2010, Verrechnungspreisgrundsätze für Multinationale Unternehmen und Steuerverwaltungen (nachfolgend: OECDLeitlinien 2010), Rz. 6.6. Zum 22.7.2011 sind die Kapitel I–III der OECD-Leitlinien überarbeitet und ein neues Kapitel IX („Business Restructuring“) eingeführt worden. Somit beziehen sich alle nachfolgenden Verweise bezüglich Kapitel I–III und IX der OECD-Leitlinien auf diese Fassung. Alle anderen Verweise (Kapitel IV–VIII) beziehen sich auf die Fassung der OECD-Leitlinien von 1995. Im Folgenden wird einheitlich auf die „OECD-Leitlinien 2010“ verwiesen.

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materielle Wirtschaftsgüter umfassen1, stellt Steuerpflichtige und Fisci vor Schwierigkeiten. Darüber hinaus sind Besonderheiten bei den für immaterielle Wirtschaftsgüter in Frage kommenden Verrechnungspreismethoden dem Grunde und der Höhe nach zu beachten. Da immaterielle Wirtschaftsgüter auf verschiedene Weise entwickelt und verwertet werden können, hängt insbesondere von der Art der Nutzung der immateriellen Wirtschaftsgüter auch deren Bepreisung ab. Abhängig von den jeweils involvierten immateriellen Wirtschaftsgütern sind weitere Besonderheiten zu berücksichtigen, die Steuerpflichtige bei der Bestimmung von angemessenen Verrechnungspreisen, die dem Fremdvergleichsgrundsatz entsprechen, vor extrem hohe Herausforderungen stellen.2 Von daher ist es nicht verwunderlich, dass insbesondere die Bewertung von immateriellen Wirtschaftsgütern zu einer Vielzahl von Auseinandersetzungen zwischen dem Steuerpflichtigen und den beteiligten Fisci führt. Zur Prävention von potenziellen Doppelbesteuerungen ist folglich eine fundierte Dokumentation zu den immateriellen Wirtschaftsgütern für Compliance-Zwecke unerlässlich.

11.2

B. Grundlagen I. Kategorisierung für Verrechnungspreiszwecke Die OECD unterteilt kommerzielle immaterielle Wirtschaftsgüter (Commercial Intangibles) in die beiden Kategorien Marketing Intangibles und Trade Intangibles.3 Trade Intangibles werden meistens mittels kostenintensiver und risikoreicher F&E-Aktivitäten entwickelt.4 F&E-Projekte können mittels Eigenforschung, Auftragsforschung oder Gemeinschaftsforschung umgesetzt werden. Die dabei entwickelten Trade Intangibles, z.B. Patente, ermöglichen erst die Herstellung von Waren bzw. die Erbringung von Dienstleistungen, in deren unmittelbarem Zusammenhang sie verkauft oder genutzt werden.5

11.3

Demgegenüber zielen Marketing Intangibles darauf ab, bei der kommerziellen Verwertung, d.h. bei der Absatzwerbung von Waren oder Dienstleistungen zu unterstützen.6 Der formalrechtliche Schutz und somit die Schaffung eines Marketing Intangibles, z.B. eines Warenzeichens und Produktnamens, ist per se nicht annähernd so teuer wie die Entwicklung und der Schutz eines Trade Intangibles, z.B. eines Patents.7 Vielmehr muss der

11.4

1 Vgl. Engler in Vögele/Borstell/Engler, Verrechnungspreise3, Immaterielle Wirtschaftsgüter, Rz. 1. 2 Vgl. Wehnert, IStR 2007, 558. 3 Vgl. OECD-Leitlinien 2010, Rz. 6.3 f. 4 Vgl. OECD-Leitlinien 2010, Rz. 6.9. 5 Vgl. OECD-Leitlinien 2010, Rz. 6.8. 6 Vgl. OECD-Leitlinien 2010, Rz. 6.4, 6.8. 7 Vgl. OECD-Leitlinien 2010, Rz. 6.8 f.

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Kap. 11: Geistiges Eigentum und Verrechnungspreise

Wert des Marketing Intangibles erst durch kostspielige Marketing-Kampagnien und andere Werbeanstrengungen geschaffen werden.1

11.5

Der Wert von Marketing Intangibles hängt von einer Vielzahl von Faktoren ab. So werden beispielsweise die Reputation und Vertrauenswürdigkeit eines Warenzeichens oder Produktnamens von den Produkteigenschaften und den damit zusammenhängenden Dienstleistungen beeinflusst.2 Die Produkteigenschaften wiederum korrelieren stark mit den jeweiligen F&E-Tätigkeiten. Im Fall außergewöhnlicher Qualität, die ganz erheblich auf ein Patent zurückzuführen ist, kann dies eine enorme Marketingwirkung entfalten, ähnlich einem Warenzeichen. Konsequenterweise müssen Zahlungen für das Recht zur Nutzung eines solchen Patents im gleichen Licht gesehen werden wie Zahlungen für das Recht, ein Warenzeichen zu nutzen.3

11.6

Da im Gegensatz zu den Marketing Intangibles die Entwicklung von Trade Intangibles mit sehr kostenintensiven und risikoreichen F&E-Aktivitäten verbunden sein kann, die konzernintern auf verschiedenste Weise ausgeübt werden können, wird auf dieses Thema noch einmal separat im nachfolgenden Kapitel (Rz. 11.11 ff.) eingegangen. Indes ergeben sich bei den anschließenden Gestaltungsmöglichkeiten bezüglich der Verwertung von Trade Intangibles und Marketing Intangibles keine wesentlichen Unterschiede, so dass dieses Thema aus Verrechnungspreissicht einheitlich dargestellt werden kann.

11.7

Von weiterer Bedeutung ist das sog. nicht geschützte geistige Eigentum. Hierzu zählt neben Handelsgeheimnissen insbesondere Know-how, das in Art. 12 OECD-MA wie folgt definiert ist: „Know-how ist die Gesamtheit des Außenstehenden nicht zugänglich gemachten technischen Wissens, das nicht unbedingt patentierfähig zu sein braucht und das für die sofortige und unter gleichen Bedingungen stattfindende Nachbildung eines Produktes oder eines Verfahrens notwendig ist.“ Know-how und Handelsgeheimnisse spielen bei der Geschäftstätigkeit multinationaler Konzerne häufig eine bedeutende Rolle. Insbesondere beim Know-how ist in der Fachliteratur umstritten, ob eine zeitlich befristete Überlassung an ein anderes Konzernunternehmen möglich ist.4 Sofern das nicht geschützte Eigentum bereits als Wirtschaftsgut zu qualifizieren ist, ist es je nach Eigenart als Trade oder Marketing Intangible einzuordnen.5

11.8

Im deutschen Steuerrecht existiert bisher keine Legaldefinition für den Begriff des Wirtschaftsguts.6 Der BFH plädiert für eine Auslegung anhand 1 2 3 4

Vgl. OECD-Leitlinien 2010, Rz. 6.9. Vgl. OECD-Leitlinien 2010, Rz. 6.4. Vgl. OECD-Leitlinien 2010, Rz. 6.9. Vgl. Engler in Vögele/Borstell/Engler, Verrechnungspreise3, Immaterielle Wirtschaftsgüter, Rz. 14. 5 Vgl. OECD-Leitlinien 2010, Rz. 6.5. 6 Vgl. Janke, StuW 1994, 214.

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B. Grundlagen

der wirtschaftlichen Betrachtungsweise.1 So sind nach ständiger Rechtsprechung des BFH unter positiven bzw. aktiven Wirtschaftsgütern nicht nur Gegenstände i.S. des bürgerlichen Rechts (Sachen und Rechte), sondern auch tatsächliche Zustände und konkrete Möglichkeiten zu verstehen, die als selbstständige Vermögenswerte greifbar sind.2 Buciek fasst die Voraussetzungen zur Wirtschaftsguteigenschaft wie folgt zusammen: „Es muss sich um eine objektiv werthaltige Position handeln, die 1. einzeln oder zusammen mit dem Betrieb übertragen werden kann […] und 2. in dem Sinne als Einzelheit ins Gewicht fällt, dass sie aus der Sicht eines potentiellen Erwerbers einen eigenständigen Wert hat (Einzelbewertbarkeit […]).“3 Im Gegensatz zum handelsrechtlichen Begriff des Vermögensgegenstands, bei dem konkrete Einzelveräußerbarkeit, d.h. selbständige Verkehrsfähigkeit und Bewertbarkeit, zwingende Voraussetzung ist, reicht für steuerliche Zwecke die abstrakte selbstständige Bewertungsfähigkeit aus.4 Demzufolge liegt ein Wirtschaftsgut bereits dann vor, wenn ein greifbarer Vermögensvorteil vorliegt.5

11.9

Die Beurteilung, ob ein greifbarer Vermögensvorteil vorliegt, ist allerdings gerade bei immateriellen Wirtschaftsgütern teilweise äußerst schwierig. So kommt es häufig vor, dass nicht geschütztes Eigentum auf Grund der schwierigen Greifbarkeit noch kein konkretes immaterielles Wirtschaftsgut darstellt, sondern lediglich als ein sonstiger Vorteil einzustufen ist. Wie noch aufzeigt wird, kommt wegen dieser Abgrenzungsthematik dem nicht geschützten Eigentum eine ganz entscheidende Rolle im Rahmen von Funktionsverlagerungen und deren Bewertung für Besteuerungszwecke zu (vgl. Rz. 11.307 ff.).

11.10

II. Formen der Entwicklung von immateriellen Wirtschaftsgütern Die OECD erkennt diverse Methoden an, mittels derer Konzernunternehmen ihre F&E-Aktivitäten strukturieren und somit immaterielle Wirtschaftsgüter, insbesondere Trade Intangibles, entwickeln können:6 – Eigenforschung und -entwicklung, – Auftragsforschung und -entwicklung, 1 Vgl. BFH v. 7.8.2000 – GrS 2/99, BStBl. II 2000, 632 (635); v. 6.11.2008 – IV B 126/07, BStBl. II 2009, 156 (159). 2 Vgl. BFH v. 7.8.2000 – GrS 2/99, BStBl. II 2000, 632 (635); v. 2.9.1988 – III R 38/84, BStBl. II 1989, 160 (161). 3 Buciek in Blümich, § 5 EStG Rz. 304 ff. 4 Vgl. BFH v. 28.5.1979 – IR I/76, BStBl. II 1979, 734 (737). 5 Vgl. BFH v. 16.2.1990 – IIIB 90/88, BStBl. II 1990, 794 (795); v. 28.5.1979 – IR I/76, BStBl. II 1979, 734 (737); Kußmaul, BB 1987, 2053. 6 Vgl. OECD-Leitlinien 2010, Rz. 6.3.

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11.11

Kap. 11: Geistiges Eigentum und Verrechnungspreise

– Gemeinschaftsforschung und -entwicklung. Wenn ein einzelnes Konzernunternehmen im eigenen Namen und auf eigene Rechnung F&E-Aktivitäten betreibt und die F&E-Ergebnisse z.B. mittels Lizenz oder Verkauf anderen Konzernunternehmen zum Marktwert zur Verfügung stellt, wird dies als Eigenforschung und -entwicklung bezeichnet. Im Fall der Eigenforschung und -entwicklung trägt die F&E-Gesellschaft alle Gewinnchancen sowie Risiken eines Misserfolgs aus den F&E-Aktivitäten. Konsequenterweise wird die F&E-Gesellschaft auch rechtlicher und wirtschaftlicher Eigentümer der auf diese Weise selbst geschaffenen immateriellen Wirtschaftsgüter sein.1

11.12

Sofern die F&E-Gesellschaft weder Einnahmen aus der Verwertung von vorangegangenen F&E-Aktivitäten, z.B. aus Lizenzerträgen oder aus dem Verkauf von Produkten, noch aus anderen Tätigkeiten erzielt, führen die aktuellen F&E-Aktivitäten isoliert betrachtet zunächst zu einem Verlust bei der F&E-Gesellschaft.2 Folglich ergibt sich für die F&E-Gesellschaft ein erheblicher Finanzierungsbedarf.3 Da keine anderen Konzernunternehmen an der Forschung und Entwicklung beteiligt sind, ergibt sich insofern in diesem Stadium keine Verrechnungspreisthematik. Erst, sobald die F&E-Aktivitäten erfolgreich waren und die F&E-Ergebnisse konzernintern verwertet werden sollen, ist zu prüfen, welche Verwertungsmöglichkeiten sich bieten (z.B. Lizenz oder Einbettung in die Produktpreise, zu Einzelheiten vgl. Rz. 11.106 ff.) und wie dementsprechend eine marktkonforme Bepreisung zu gestalten ist.

11.13

Unter Auftragsforschung und -entwicklung wird verstanden, dass ein Konzernunternehmen auf Vertragsbasis im Namen eines anderen Konzernunternehmens F&E-Aktivitäten erbringt, wobei nicht das forschende Unternehmen, sondern das auftraggebende Unternehmen Eigentümer der F&E-Ergebnisse wird.4 Im Fall der Auftragsforschung und -entwicklung wird die F&E-Gesellschaft von einem anderen Konzernunternehmen, häufig eine IP-Holding (sog. Entrepreneur, zur Definition vgl. Rz. 11.47 ff.), mit konkreten F&E-Aktivitäten beauftragt.5 Im Rahmen dieser als PrinzipalStruktur bezeichneten Gestaltungsvariante übt die F&E-Gesellschaft als Routineunternehmen (zur Definition vgl. Rz. 11.47 ff.) für den Entrepreneur (häufig auch als Strategieträgerunternehmen oder Prinzipal bezeichnet)6 die zwischen den Parteien vereinbarten Funktionen aus und erhält hierfür eine Vergütung, die typischerweise die entstanden Kosten abgelten

1 Vgl. OECD-Leitlinien 2010, Rz. 6.3. 2 Vgl. Fischer/Scholz, BB 2007, 129. 3 Vgl. Engler in Vögele/Borstell/Engler, Verrechnungspreise3, Immaterielle Wirtschaftsgüter, Rz. 64. 4 Vgl. BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83, BStBl. I 1983, 218 Rz. 5.3. 5 Vgl. Fischer/Scholz, BB 2007, 129. 6 Vgl. Engler in Vögele/Borstell/Engler, Verrechnungspreise3, Immaterielle Wirtschaftsgüter, Rz. 65.

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B. Grundlagen

und darüber hinaus der F&E-Gesellschaft einen fremdüblichen Gewinn zusichern soll.1 Der Hintergrund hierfür ist, dass die F&E-Ergebnisse nicht dem forschenden, sondern dem auftraggebenden Unternehmen zustehen,2 das auch alle hiermit verbundenen Gewinnchancen sowie Risiken eines Misserfolgs aus den F&E-Tätigkeiten trägt. Insofern sind dem auftraggebenden Unternehmen auch alle wichtigen Entscheidungen zu den Einzelheiten der F&E-Tätigkeiten vorbehalten.3 Für die F&E-Gesellschaft ist bei der Auftragsforschung und -entwicklung vorteilhaft, dass keine Vorfinanzierung notwendig ist, sondern eine direkte Kostenerstattung zuzüglich eines Gewinnaufschlags erfolgt.

11.14

Die Auftragsforschung und -entwicklung ist nicht nur für einen, sondern auch für mehrere Auftraggeber denkbar. Wenn dabei der entgeltliche Erwerb eines immateriellen Wirtschaftsguts durch mehrere Auftraggeber dem Geschäft das Gepräge gibt und der F&E-Gesellschaft – wie im Fall der Auftragsforschung und -entwicklung für einen Auftraggeber – die F&E-Ergebnisse nicht zustehen, liegt ein sog. Nachfrage-Pool vor.4 In diesem Fall erhält die F&E-Gesellschaft wie bei der Auftragsforschung für einen Auftraggeber eine marktgerechte Vergütung, die sich typischerweise mangels Preisvergleichs nach der Kostenaufschlagsmethode richtet.5

11.15

Beide Fälle – die Auftragsforschung und -entwicklung für einen oder für mehrere Auftraggeber – fokussieren auf die Entwicklung von immateriellen Wirtschaftsgütern, wobei nicht die F&E-Gesellschaft, sondern der bzw. die Auftraggeber Eigentümer der F&E-Ergebnisse werden. Hiervon unabhängig können im zweiten Schritt die erfolgreich entwickelten immateriellen Wirtschaftsgüter auf verschiedenste Weise (z.B. Lizenz oder Einbettung in die Produktpreise, zu Einzelheiten vgl. Rz. 11.106 ff.) verwertet werden.

11.16

Hiervon abzugrenzen ist die Gemeinschaftsforschung und -entwicklung, bei der die F&E-Gesellschaft neben den anderen beteiligten Konzernunternehmen ebenfalls sowohl Miteigentümer der F&E-Ergebnisse wird als auch mit an der Verwertung der erfolgreich entwickelten immateriellen Wirtschaftsgüter interessiert und beteiligt ist.6 Die Gemeinschaftsforschung und -entwicklung kann entweder als Konzernumlage nach dem

11.17

1 Vgl. OECD-Leitlinien 2010, Rz. 2.55 i.V.m. 2.40; BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83, BStBl. I 1983, 218 Rz. 5.3. 2 Vgl. BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83, BStBl. I 1983, 218 Rz. 5.3. 3 Vgl. Engler in Vögele/Borstell/Engler, Verrechnungspreise3, Immaterielle Wirtschaftsgüter, Rz. 112. 4 Vgl. Engler in Vögele/Borstell/Engler, Verrechnungspreise3, Immaterielle Wirtschaftsgüter, Rz. 66. 5 Vgl. OECD-Leitlinien 2010, Rz. 2.55; BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83, BStBl. I 1983, 218 Rz. 5.3. 6 Vgl. OECD-Leitlinien 2010, Rz. 8.6.

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Leistungsaustauschprinzip oder als Kostenumlage nach dem Poolkonzept erfolgen.1 Da bei der Konzern- und Kostenumlage auch die Verwertung der F&E-Ergebnisse unter gemeinschaftlicher Nutzung erfolgt, wird hierauf detailliert bei der Verwertung von immateriellen Wirtschaftsgütern eingegangen (vgl. Rz. 11.106 ff.).

III. Fremdvergleichsgrundsatz 1. Begriffsbestimmung nach nationalem und DBA-Recht

11.18

Als international anerkannter Standard für die Bestimmung von Verrechnungspreisen für grenzüberschreitende Geschäftsbeziehungen zwischen verbundenen Unternehmen gilt der Fremdvergleichsgrundsatz.2 Er besagt, dass Geschäftsvorfälle zwischen verbundenen Unternehmen steuerlich danach zu beurteilen sind, ob sich die Beteiligten wie voneinander unabhängige Dritte verhalten haben und bei ihrer Einkünfteermittlung dieselben Bedingungen und Preise zu Grunde gelegt haben, wie sie voneinander unabhängige Dritte unter gleichen oder vergleichbaren Verhältnissen vereinbart hätten.3

11.19

Die normative Grundlage des Fremdvergleichsgrundsatzes findet sich im OECD-MA, das die Ausgangsbasis für die Verhandlung bilateraler DBA insbesondere zwischen OECD-Mitgliedstaaten bildet. Art. 9 Abs. 1 OECD-MA definiert den Fremdvergleichsgrundsatz indirekt durch die Folgen bei Verstoß dagegen: „Wenn die beiden verbundenen Unternehmen in ihren kaufmännischen oder finanziellen Beziehungen an vereinbarte oder auferlegte Bedingungen gebunden sind, die von denen abweichen, die unabhängige Unternehmen miteinander vereinbaren würden, so dürfen die Gewinne, die eines der Unternehmen ohne die Bedingungen erzielt hätte, wegen dieser Bedingungen aber nicht erzielt hat, den Gewinnen dieses Unternehmens zugerechnet und entsprechend besteuert werden.“

11.20

Im deutschen Steuerrecht existiert erst seit der Neufassung des § 1 AStG im Rahmen der Unternehmenssteuerreform 2008 eine Legaldefinition des Fremdvergleichsgrundsatzes. In der ausschließlich auf außersteuerliche Sachverhalte anwendbaren Korrekturvorschrift sind die steuerlichen Konsequenzen bei Nichteinhalten des Fremdvergleichsgrundsatzes, konkret bei Einkünfteminderung des deutschen verbundenen Unternehmens, wie folgt in § 1 Abs. 1 Satz 1 AStG normiert: „Werden Einkünfte eines Steuerpflichtigen aus einer Geschäftsbeziehung zum Ausland mit einer ihm nahe stehenden Person dadurch gemindert, dass er seiner Einkünfteermittlung andere Bedingungen, insbesondere Preise (Verrechnungspreise), 1 Vgl. Engler in Vögele/Borstell/Engler, Verrechnungspreise3, Immaterielle Wirtschaftsgüter, Rz. 67–70. 2 Vgl. OECD-Leitlinien 2010, Rz. 1.1. 3 Vgl. OECD-Leitlinien 2010, Rz. 1.6 ff. und 1.15.

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B. Grundlagen

zugrunde legt, als sie voneinander unabhängige Dritte unter gleichen oder vergleichbaren Verhältnissen vereinbart hätten (Fremdvergleichsgrundsatz), sind seine Einkünfte unbeschadet anderer Vorschriften so anzusetzen, wie sie unter den zwischen voneinander unabhängigen Dritten vereinbarten Bedingungen angefallen wären.“ Nicht umfasst von § 1 AStG ist indes die Möglichkeit der Korrektur im Fall der Einkünfteerhöhung beim deutschen verbundenen Unternehmen durch Nichteinhalten des Fremdvergleichsgrundsatzes. Darüber hinaus sieht § 1 Abs. 3 Satz 5 AStG einen speziellen, auf internationaler Ebene in dieser Form weitgehend unbekannten hypothetischen Fremdvergleich – sog. Fremdvergleich durch Nachdenken – vor, bei dem ein fiktiver Einigungsbereich zu bestimmen ist (zu Einzelheiten vgl. Rz. 11.60 ff. und 11.307 ff.). Die OECD-Leitlinien sehen vor, dass grundsätzlich alle Methoden anwendbar und fremdvergleichskonform sind, die die möglichen Handlungsalternativen unabhängiger Dritte und deren Einfluss auf die Höhe der Verrechnungspreise beachten.1 Solange der hypothetische Fremdvergleich diese Bedingungen erfüllt, kann er als Fremdvergleich durch Nachdenken im weitesten Sinne als im Einklang mit den OECD-Leitlinien angesehen werden.2

11.21

Indes sind die Konsequenzen der OECD-Leitlinien nicht so weitreichend wie die des hypothetischen Fremdvergleichs im Fall von Funktionsverlagerungen. So ist im Fall von Funktionsverlagerungen der hypothetische Fremdvergleich mittels Transferpaketbetrachtung gem. § 1 Abs. 3 Satz 9 i.V.m. Satz 5 ff. AStG durchzuführen. Die Besteuerung von Funktionsverlagerungen verfolgt den Zweck, die mit den im Inland geschaffenen immateriellen Wirtschaftsgütern in Verbindung stehenden Gewinnpotenziale – z.B. noch nicht hinreichend konkretisierte Vorteile, die nicht als greifbarer Vermögensvorteil einzustufen sind und deswegen nicht als immaterielles Wirtschaftsgut zu qualifizieren sind – zur Besteuerung heranzuziehen.3 Auf internationaler Ebene befindet sich ein ähnliches Konstrukt zur Transferpaketbewertung in den OECD-Leitlinien, Kapitel IX („Report on the Transfer Pricing Aspects of Business Restructurings“). Ähnlich zum hypothetischem Fremdvergleich gem. § 1 Abs. 3 Satz 5 AStG sind jedoch auch hier die Begrifflichkeiten nicht deckungsgleich, zumal die Konsequenzen nach § 1 Abs. 3 Satz 9 ff. AStG deutlich weiterreichend sind.4

11.22

Wie noch aufgezeigt wird (vgl. Rz. 11.307 ff.), muss i.d.R. der Mittelwert aus den inländischen und ausländischen Gewinnerwartungen (Gewinnpotenzialen) – und somit auch ausländische Standortvorteile und weitere Synergieeffekte (§ 3 Abs. 2 Satz 1 FVerlV und § 7 Abs. 4 Satz 2 FVerlV) –

11.23

1 2 3 4

Vgl. OECD-Leitlinien 2010, Rz. 1.35. Hierzu kritisch Wellens, IStR 2010, 153 (155). Vgl. BT-Drucks., 16/4841, 84. Vgl. zum neuen Kapitel IX der OECD-Leitlinien auch Freudenberg/Ludwig, BB 2011, 215.

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der deutschen Besteuerung zu Grunde gelegt werden. Im Ergebnis wird dadurch das hälftige zusätzliche ausländische Gewinnpotenzial aus der übertragenen Funktion im Inland besteuert. Diese Erfassung des ausländischen Steuersubstrats widerspricht dem international üblichen Territorialitätsprinzip.1 Deshalb kann davon ausgegangen werden, dass der ausländische Fiskus den Transferpaketansatz auf Grund des ihm unbekannten hypothetischen Fremdvergleichs i.d.R. nicht akzeptieren wird, sondern nur den Wertansatz auf Basis des OECD-Fremdvergleichsgrundsatzes zulassen wird (zu Einzelheiten vgl. Rz. 11.26 ff.). Als Konsequenz ergibt sich zwingend eine Doppelbesteuerung zu Lasten des Steuerpflichtigen.2

11.24

In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass § 1 AStG in seiner derzeitigen Fassung nur Anwendung auf Geschäftsbeziehungen zwischen nahestehenden Personen, also rechtlich selbständigen Einheiten, findet. In der Literatur wurde kontrovers diskutiert, ob und inwieweit die Grundsätze zum Transferpaket nach § 1 Abs. 3 Satz 9 i.V.m. Satz 5 ff. AStG auch im Verhältnis zwischen dem Stammhaus und seinen Betriebsstätten anzuwenden sind. Nach der h.M. kann § 1 AStG grundsätzlich nicht für Vorgänge zwischen Stammhaus und Betriebsstätte angewendet werden.3 Zum einen handelt es sich bei der rechtlichen Einheit aus Stammhaus und Betriebsstätte nur um eine Person, während § 1 Abs. 3 AStG i.V.m. § 1 Abs. 1 AStG zwei Personen voraussetzt. Zum anderen erfordert § 1 Abs. 5 AStG eine schuldrechtliche Beziehung, die zwischen Stammhaus und Betriebsstätte wegen des Verbots von In-Sich-Geschäften (§ 181 BGB) schlicht unmöglich ist.

11.25

Wie aus Diskussionen mit Vertretern der Finanzverwaltung zu hören ist, beabsichtigt der deutsche Gesetzgeber jedoch eine wesentliche Änderung des § 1 AStG. Zum einen soll eine Klarstellung der Regelungen zur Gewinnabgrenzung von Betriebsstätten erfolgen, wobei eine deutliche Annäherung an den sog. functionally separate entity-Ansatz der OECD angestrebt wird.4 Gem. Art. 7 Abs. 2 OECD-MA sind der Betriebsstätte diejenigen Gewinne zuzurechnen, die diese Betriebsstätte hätte erzielen können, wenn sie eine gleiche oder ähnliche Geschäftstätigkeit unter gleichen oder ähnlichen Bedingungen als selbständiges Unternehmen ausgeübt hätte. Dem functionally separate entity-Ansatz zufolge soll die Betriebstätte wie ein unabhängiges und selbständiges Unternehmen betrachtet werden, das eigene Funktionen ausübt, selbst Wirtschaftsgüter besitzt und eigene Risiken übernimmt.5 Zum anderen soll über die Neu1 Vgl. Frotscher, Internationales Steuerrecht3, Rz. 640. 2 Vgl. Blumers, BB 2007, 1757 (1760). 3 Vgl. Andresen, IStR 2010, 291; Kahle/Franke, IStR 2009, 410; Kaminski/Strunk, DB 2008, 2502 f. 4 Vgl. OECD, 2010 Report on the Attribution of Profits to Permanent Establishments, Rz. 8 ff. 5 Vgl. OECD, 2010 Report on the Attribution of Profits to Permanent Establishments, Rz. 8.

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B. Grundlagen

fassung des § 1 AStG erreicht werden, dass sowohl der tatsächliche als auch der hypothetische Fremdvergleich –und somit auch die Transferpaketbetrachtung im Fall von Funktionsverlagerungen – zur Beurteilung der Fremdüblichkeit von Geschäftsvorfällen zwischen dem Stammhaus und seiner Betriebsstätte zur Anwendung kommen. 2. Verhältnis und Folgen der Korrekturnormen Neben der Korrekturnorm des § 1 AStG existieren noch weitere Rechtsinstitute im EStG und KStG: Rechtsinstitut

Norm

11.26

Wertansatz

Fremdvergleichsgrundsatz

§ 1 Abs. 1 Satz 1 AStG

Fremdvergleichspreis

Hypothetischer Fremdvergleich

§ 1 Abs. 3 Satz 5 ff. AStG

Hypothetischer Fremdvergleichspreis

Funktionsverlagerung

§ 1 Abs. 3 Satz 9 i.V.m. Satz 5 ff. AStG

Transferpaket

verdeckte Gewinnausschüttung

§ 8 Abs. 3 Satz 2 KStG

gemeiner Wert

Entnahme

§ 4 Abs. 1 Satz 1 und 2 EStG i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 Halbs. 1 EStG

Teilwert

fiktive Veräußerung

§ 12 Abs. 1 KStG

gemeiner Wert

fiktive Entnahme

§ 4 Abs. 1 Satz 3 und 4 EStG i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 Halbs. 2 EStG

gemeiner Wert

verdeckte Einlage

§ 8 Abs. 3 Satz 3 KStG

Teilwert

Einlage

§ 4 Abs. 1 Satz 8 Halbs. 1 EStG i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 5 EStG

Teilwert

fiktive Einlage für körperschaftsteuerpflichtige Personen

§ 8 Abs. 1 Satz 1 KStG i.V.m. § 4 Abs. 1 Satz 8 Halbs. 2 EStG i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 5a EStG

gemeiner Wert

fiktive Einlage für einkommensteuerpflichtige Personen

§ 4 Abs. 1 Satz 8 Halbs. 2 EStG i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 5a EStG

gemeiner Wert

Vor der Neufassung des § 1 AStG im Rahmen der Unternehmenssteuerreform 2008 war das Verhältnis von § 1 AStG zu den übrigen Korrekturnormen nicht gesetzlich geregelt und wurde kontrovers diskutiert.1 § 1 Abs. 1 Satz 3 AStG regelt das Verhältnis nun wie folgt: „Führt die Anwen1 Vgl. Wassermeyer, IStR 2001, 633.

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11.27

Kap. 11: Geistiges Eigentum und Verrechnungspreise

dung des Fremdvergleichsgrundsatzes zu weitergehenden Berichtigungen als die anderen Vorschriften, sind die weitergehenden Berichtigungen neben den Rechtsfolgen der anderen Vorschriften durchzuführen.“ Demzufolge wird zwar den anderen Korrekturnormen explizit der Vorrang eingeräumt, weitergehende Berichtigungen sind jedoch nach § 1 AStG möglich. Da dem Gesetzeswortlaut zufolge Korrekturmöglichkeiten i.S. des § 1 AStG nur in eine Richtung erfolgen können, und zwar nur bei Einkünfteminderung – nicht indes bei Einkünfteerhöhung – des deutschen verbundenen Unternehmens, kommt dieser Vorschrift eine Meistbegünstigung der deutschen Finanzverwaltung gleich.1

11.28

Wie anhand der Übersicht zu den Korrekturnormen ersichtlich wird, erfolgt der Wertansatz ausschließlich bei § 1 Abs. 1 Satz 1 AStG zum Fremdvergleichspreis, wohingegen die anderen Korrekturnormen nach dem EStG und KStG auf den Teilwert oder gemeinen Wert abstellen. Laut Auffassung der deutschen Finanzverwaltung soll der gemeine Wert regelmäßig dem Fremdvergleichspreis entsprechen.2 Der gemeine Wert ist nach § 9 Abs. 2 BewG definiert als der im gewöhnlichen Geschäftsverkehr bei einer Veräußerung zu erzielende Preis, der i.d.R. auch ein Gewinnelement enthält.3 Hierbei sind alle Umstände zu berücksichtigen, die geeignet sind, eine Preisbeeinflussung zu induzieren (§ 9 Abs. 2 Satz 2 BewG). In diesem Zeitpunkt bereits eingetretene dauernde Wertminderungen sollen entsprechend berücksichtigt werden.

11.29

Wird dementsprechend bei grenzüberschreitenden Geschäftsvorfällen zwischen verbundenen Unternehmen der Fremdvergleichspreis nach OECD-Grundsätzen zu Grunde gelegt, muss dieser Wert theoretisch alle hiermit im Zusammenhang stehenden, von den beiden Transaktionspartnern ausgeübten Funktionen und übernommenen Risiken berücksichtigen. Unter dieser Prämisse wird der gemeine Wert dem Fremdvergleichsgrundsatz nach Art. 9 Abs. 1 OECD-MA bei der Preisfestsetzung gerecht (ex ante-Betrachtung). Im Gegensatz zum Fremdvergleichspreis sind jedoch ungewöhnliche und persönliche Verhältnisse (z.B. Verfügungsbeschränkungen) bei der Bewertung zum gemeinen Wert nicht zu berücksichtigen (§ 9 Abs. 2 Satz 3 BewG). Dies kann ggf. zu einer Abweichung des gemeinen Werts einerseits und des Fremdvergleichspreises nach Art. 9 Abs. 1 OECD-MA andererseits führen. In diesem Fall wäre der nach OECD-Grundsätzen ermittelte Wert vorrangig (§ 2 AO) und würde das deutsche Besteuerungsrecht insoweit einschränken.

11.30

Des Weiteren stellt sich die Frage, wie bei nachträglichen bzw. nachträglich notwendig erscheinenden Korrekturen des Verrechnungsentgelts zu verfahren ist, die bei der ursprünglichen Bewertung zum gemeinen Wert nicht zu Grunde gelegt werden konnten (ex post-Betrachtung). In Anbe1 Vgl. Looks/Steinert/Müller, BB 2009, 2348 (2349 f.). 2 Vgl. BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341 - 1/05, BStBl. I 2005, 570 Rz. 5.3.1; v. 25.8. 2009 – IV B 5-S 1341/07/10004, BStBl. I 2009, 888 m.w.N. 3 Vgl. Frotscher, Internationales Steuerrecht3, Rz. 298.

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B. Grundlagen

tracht des Fremdvergleichsgrundsatzes spricht m.E. viel dafür, nachträgliche Korrekturen des Verrechnungsentgelts zuzulassen, wenn auch im Verhältnis zu unabhängigen Lieferanten und Abnehmern eine nachträgliche Korrektur typischerweise gewährt wird, z.B. durch Bonus- oder Rabattregelungen und aus anderen Gründen erteilte nachträgliche Preisermäßigungen bei dauerhaften Lieferbeziehungen. Dasselbe gilt für exogene Einflüsse auf das Absatzpreisniveau, sofern auch fremde Dritte nachträglich die Möglichkeit hätten, Preisanpassungen zu bewirken. Da somit die ursprüngliche Bewertung zum gemeinen Wert nicht mehr mit dem Fremdvergleichsgrundsatz nach Art. 9 Abs. 1 OECD-MA in Einklang stehen würde, muss auf ex post-Basis zwingend der tatsächliche Fremdvergleichspreis zu Grunde gelegt werden. Dieser nach OECDGrundsätzen ermittelte Wert wäre im Zweifelsfall vorrangig (§ 2 AO) und würde das deutsche Besteuerungsrecht insoweit einschränken.

11.31

Kommt nun anstelle des gemeinen Werts (z.B. bei verdeckter Gewinnausschüttung) der Teilwert (z.B. bei verdeckter Einlage) zur Anwendung, ergibt sich bereits ex ante ein erheblicher Wertunterschied zum Fremdvergleichspreis. Der Teilwert ist nach § 10 Satz 2 BewG sowie § 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 Halbs. 1 EStG definiert als der Betrag, den ein Erwerber des ganzen Unternehmens im Rahmen des Gesamtkaufpreises für das einzelne Wirtschaftsgut ansetzen würde. Hierbei ist davon auszugehen, dass der Erwerber das Unternehmen fortführt (§ 10 Satz 3 BewG sowie § 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 Halbs. 2 EStG). Im Gegensatz zum Fremdvergleichspreis und gemeinen Wert, die einen Gewinnaufschlag enthalten, richtet sich der Teilwert nach der Rechtsprechung des BFH nach den Wiederbeschaffungskosten.1 Folglich wird der Teilwert i.d.R. unter dem Wert liegen, der sich nach dem Fremdvergleichsgrundsatz ergibt.

11.32

Wie ersichtlich wird, reicht die Korrekturnorm des § 1 Abs. 1 Satz 1 AStG beim Wertansatz der Höhe nach gegenüber den Berichtigungsvorschriften im EStG und KStG i.d.R. weiter. Da der Fremdvergleichspreis nach § 1 Abs. 1 Satz 1 AStG grundsätzlich dem Fremdvergleichspreis nach Art. 9 Abs. 1 OECD-MA entsprechen soll, werden bei Einhaltung des Fremdvergleichsgrundsatzes oder bilateraler Korrektur auf den Fremdvergleichspreis die Einkünfte der beteiligten inländischen und ausländischen Transaktionspartner jeweils entsprechend dem inländischen Wertschöpfungsprozess nur im Inland sowie entsprechend dem ausländischen Wertschöpfungsprozess nur im Ausland einmal besteuert.

11.33

Demgegenüber geht die Korrekturnorm des hypothetischen Fremdvergleichs in Form des Transferpaketansatzes, der grundsätzlich im Fall von Funktionsverlagerungen gem. § 1 Abs. 3 Satz 9 i.V.m. Satz 5 ff. AStG anzuwenden ist, deutlich weiter, als es der Fremdvergleichsgrundsatz nach

11.34

1 Vgl. BFH v. 13.4.1988 – I R 104/86, BStBl. II 1988, 892; v. 6.7.1995 – IV R 30/93, BStBl. II 1995, 831.

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Kap. 11: Geistiges Eigentum und Verrechnungspreise

Art. 9 Abs. 1 OECD-MA vorsieht.1 Dies ist insofern problematisch, als hierdurch zwangsweise eine Doppelbesteuerung hervorgerufen wird. So wird der Transferpaketwert i.d.R. über dem Fremdvergleichspreis nach § 1 Abs. 1 Satz 1 AStG bzw. Art. 9 Abs. 1 OECD-MA liegen (zu Einzelheiten vgl. Rz. 11.307 ff.). Das bedeutet, dass der deutsche Fiskus mehr besteuern wird, als ihm nach Art. 9 Abs. 1 OECD-MA zusteht. Zwar erachtet die deutsche Finanzverwaltung den hypothetischen Fremdvergleich in Form des Transferpaketansatzes als im Einklag mit Art. 9 Abs. 1 OECDMA.2 Dieser Auffassung wird jedoch mit erheblicher Kritik in der Literatur begegnet, da der ausländische Transaktionspartner beim Transferpaket für etwas zahlen soll, das er erst in Zukunft auf eigenes Risiko erwirtschaften kann.3

11.35

Zum Verhältnis der deutschen Korrekturnormen zu DBA gilt grundsätzlich, dass die DBA die Berichtigungsmöglichkeiten des nationalen Steuerrechts absichern und den Grundsatz des Fremdverhaltens als Berichtigungsmaßstab festlegen.4 Die grenzüberschreitenden Geschäftsvorfälle zwischen verbundenen Unternehmen sind nach deutschem Steuerrecht unter Beachtung des Grundsatzes des Fremdverhaltens zu überprüfen.5

11.36

Nach Auffassung der deutschen Finanzverwaltung kommt der Grundsatz des Fremdverhaltens nach Art. 9 Abs. 1 OECD-MA im (hypothetischen) Fremdvergleich und folglich auch im Transferpaketansatz zum Ausdruck. Von daher werden Steuerpflichtige insbesondere im Fall von Funktionsverlagerungen vor die Problematik gestellt, wie sich eine Doppelbesteuerung vermeiden lässt, wenn sowohl der deutsche als auch der ausländische Fiskus jeweils für sich in Anspruch nehmen, den Fremdvergleichsgrundsatz – aus inländischer Sicht der Transferpaketansatz und aus ausländischer Sicht ein möglicherweise deutlich niedrigerer Fremdvergleichspreis – gewahrt zu haben und daher keinen Spielraum für eine Anpassung zu Lasten des eigenen Steuersubstrats sehen.6 3. Vergleichbarkeitsanalyse: Vorgehensweise bei der Anwendung a) Ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter

11.37

Dem Fremdvergleichsgrundsatz zufolge sollen bei Geschäftsbeziehungen zwischen einem inländischen und ausländischen verbundenen Unternehmen die Verrechnungspreise so angesetzt werden, wie es voneinander unabhängige Dritte unter gleichen oder vergleichbaren Verhältnissen vereinbart hätten. Um der Problematik vorzubeugen, welche Verhältnisse be1 2 3 4 5 6

Vgl. Frotscher, Internationales Steuerrecht3, Rz. 640. Vgl. Frotscher, Internationales Steuerrecht3, Rz. 640. Vgl. Frotscher, Internationales Steuerrecht3, Rz. 640. Vgl. BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341 - 1/05, BStBl. I 2005, 570 Rz. 6.1.1. Vgl. BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83, BStBl. I 1983, 218 Rz. 1.1.2–1.2.2. Vgl. Wassermeyer/Baumhoff/Greinert in F/W/B, Vorabkommentierung zu § 1 Abs. 3 AStG Rz. V 105.

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B. Grundlagen

kannt sein mussten und welche Fakten der Steuerpflichtige indes nicht kennen konnte oder auch nicht kennen musste, hat der deutsche Gesetzgeber in § 1 Abs. 1 Satz 2 AStG Folgendes festgeschrieben: „Für die Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes ist davon auszugehen, dass die voneinander unabhängigen Dritten alle wesentlichen Umstände der Geschäftsbeziehung kennen und nach den Grundsätzen ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter handeln.“ Zwar liegt einerseits die Intention des Gesetzgebers auf der Hand zu vermeiden, dass der Steuerpflichtige im Zeitpunkt der Verrechnungspreissetzung (sog. Setting oder ex ante-Betrachtung) nicht belastbare günstigere Verhältnisse in Betracht ziehen könnte als der Betriebsprüfer, der erst Jahre später nachweislich ungünstigere Fakten bei der Verrechnungspreisüberprüfung (sog. Testing oder ex post-Betrachtung) einbeziehen kann. Andererseits ist ein allwissender Geschäftsleiter gerade nicht mit dem Grundsatz des Fremdverhaltens in Einklang zu bringen, da fremde Dritte üblicherweise nicht vollständige Informationstransparenz über die Verhältnisse ihrer Kontrahenten haben.1 Somit kommt auch dieser Vorschrift eine Meistbegünstigung der deutschen Finanzverwaltung gleich: Sollte der Steuerpflichtige seine Verrechnungspreise mangels besseren Wissens zu niedrig ansetzen, würde der Wertansatz im Rahmen einer Betriebsprüfung über § 1 Abs. 1 Satz 1 AStG nach oben korrigiert werden. Falls indes der Steuerpflichtige seine Verrechnungspreise nachweislich zu hoch ansetzen würde, verbliebe es im Rahmen einer Betriebsprüfung bei diesem Wertansatz, da § 1 Abs. 1 Satz 1 AStG nur bei Einkünfteminderung im Inland zur Anwendung kommt.

11.38

Maßgebend für den Fremdvergleich sollen stets die tatsächlichen Verhältnisse nach ihrem wirtschaftlichen Gehalt sein.2 Dabei sollen die verkehrsübliche Sorgfalt ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter gegenüber fremden Dritten sowie die Verhältnisse des freien Wettbewerbs, d.h. die Preise des Marktes, auf dem fremde Dritte die Geschäftsbedingungen aushandeln würden, zu Grunde gelegt werden.3 Für diese Zwecke soll eine Vergleichbarkeitsanalyse durchgeführt werden, da die Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes darauf beruht, dass die Bedingungen eines Geschäfts zwischen verbundenen Unternehmen mit den Bedingungen eines Geschäfts zwischen unabhängigen Unternehmen verglichen werden können.4

11.39

1 Vgl. Wassermeyer/Baumhoff/Geinert in F/W/B, Vorabkommentierung zu § 1 Abs. 3 AStG Rz. V 105. 2 Vgl. BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83, BStBl. I 1983, 218 Rz. 2.1.3 und 2.4.6; BFH v. 30.7.1965 – VI – 288/63 U, BStBl. III 1965, 613; v. 26.2.1970 – I R 63/68, BStBl. II 1970, 419; v. 15.1.1974 – VIII R 63/68, BStBl. II 1974, 606. 3 Vgl. BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341 - 1/05, BStBl. I 2005, 570 Rz. 3.4.10.2; v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83, BStBl. I 1983, 218 Rz. 2.1.1; BFH v. 16.3.1967 – I 261/63, BStBI. III 1967, 626; v. 10.5.1967 – I 187/64, BStBl. III 1967, 498. 4 Vgl. OECD-Leitlinien 2010, Rz. 1.33–1.37; BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341 1/05, BStBl. I 2005, 570 Rz. 3.4.12.7.

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Kap. 11: Geistiges Eigentum und Verrechnungspreise

11.40

In der Praxis werden Steuerpflichtige bei der Vergleichbarkeitsanalyse jedoch vor enorme Herausforderungen gestellt: Zum einen ergibt sich hier wieder die Problematik des ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters nach § 1 Abs. 1 Satz AStG, der alle wesentlichen Umstände der Geschäftsbeziehung kennen und danach handeln soll. Auch die OECD verlangt für Vergleichbarkeitszwecke, dass Fremdpreise für die Nutzung immaterieller Wirtschaftsgüter die Sichtweise von beiden Transaktionspartnern berücksichtigen müssen.1

11.41

In diesem Zusammenhang konzediert die OECD zumindest, dass die Anwendung des tatsächlichen Fremdvergleichsgrundsatzes bei der Ermittlung von konzerninternen Verrechnungspreisen für immaterielle Wirtschaftsgüter schwierig sein kann.2 So können immaterielle Wirtschaftsgüter besondere Merkmale aufweisen, die die Suche nach vergleichbaren Transaktionen und deren Wertermittlung im Zeitpunkt des grenzüberschreitenden Geschäftsvorfalls zwischen den verbundenen Unternehmen (Intercompany-Transaktion) erschweren.3

11.42

Zum anderen ist problematisch, dass durch die Vergleichbarkeitsanalyse eine gewisse Vergleichbarkeit suggeriert und dies auch für die Bestimmung eines angemessenen Verrechnungspreises erwartet wird. Wie bereits aufgezeigt, zeichnen sich insbesondere immaterielle Wirtschaftsgüter durch ihre Einzigartigkeit aus. Je einzigartiger und somit wertvoller also ein immaterielles Wirtschaftsgut ist, desto schwieriger wird es konsequenterweise sein, Vergleichbarkeit herzustellen. Die OECD merkt daher zu Recht an, dass die Suche nach Vergleichsdaten kompliziert und in einigen Fällen die Wertermittlung zum Zeitpunkt des Geschäftsvorfalls erschwert sein kann.4

11.43

Da somit bei der Ermittlung von konzerninternen Verrechnungspreisen für wertvolle, einzigartige immaterielle Wirtschaftsgüter i.d.R. eine hohe Unsicherheit hinsichtlich des Wertansatzes besteht, stellt sich die Frage, wie eine fremdvergleichskonforme Preisgestaltung zu erfolgen kann. Die OECD gibt hierzu den weisen, aber praktisch schwierig umsetzbaren Ratschlag, dass sich sowohl der Steuerpflichtige als auch der Fiskus daran orientieren sollen, wie unabhängige Unternehmen unter vergleichbaren Verhältnissen gehandelt hätten, um den Unsicherheitsfaktor bei der Preisgestaltung für das Geschäft zu berücksichtigen.5

11.44

Ein praxisfreundlicher Ansatz zur Lösung dieser Problematik findet sich indes in den OECD-Leitlinien nicht. Zwar wurden die im Jahre 1995 veröffentlichten OECD-Leitlinien für multinationale Unternehmen und Steuerverwaltungen zum 22.7.2010 erstmals umfassend überarbeitet. Im 1 2 3 4 5

Vgl. OECD-Leitlinien 2010, Rz. Vgl. OECD-Leitlinien 2010, Rz. Vgl. OECD-Leitlinien 2010, Rz. Vgl. OECD-Leitlinien 2010, Rz. Vgl. OECD-Leitlinien 2010, Rz.

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6.14. 6.13. 6.28. 6.13. 6.28.

B. Grundlagen

Wesentlichen wurde der Fokus bei den Kapiteln I–III hinsichtlich der anwendbaren Verrechnungspreismethoden auf Anforderungen zur Datenvergleichbarkeit und auf immaterielle Wirtschaftsgüter verstärkt.1 Gleichzeitig wurden die OECD-Leitlinien um das Kapitel IX erweitert, das auf dem Diskussionsentwurf der OECD über Verrechnungspreisaspekte bei Konzernstrukturänderungen basiert. Allerdings enthalten auch die überarbeiteten OECD-Leitlinien keine konkreten Lösungsansätze für Geschäfte mit wertvollen, einzigartigen immateriellen Wirtschaftsgütern. Erfreulicherweise hat die OECD im Rahmen des OECD-Projekts „Verrechnungspreisaspekte bei Konzernstrukturänderungen“ den akuten Handlungsbedarf bei konzerninternen Verrechnungspreisen für immaterielle Wirtschaftsgüter erkannt.2 Das OECD-Komitee für steuerliche Angelegenheiten hat daher entschieden, ein neues Projekt zu starten: Die OECD-Arbeitsgruppe Nr. 6 soll in enger Zusammenarbeit mit Interessenvertretern aus der Wirtschaft die Verrechnungspreisaspekte bei immateriellen Wirtschaftsgütern untersuchen und Leitlinien zur Umsetzung erarbeiten.3

11.45

In der Zwischenzeit sollen die Kapitel I, II und III der OECD-Leitlinien hinsichtlich der Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes auch für die Ermittlung von konzerninternen Verrechnungspreisen für Geschäfte mit immateriellen Wirtschaftsgütern gelten.4 Demzufolge soll bei der weiteren Prüfung jeweils bezogen auf die zu Grunde liegende Geschäftsbeziehung eine Unternehmenscharakterisierung vorgenommen werden, bei der die Funktionen der einzelnen verbundenen Unternehmen, beispielsweise die Struktur, Organisation, Aufgabenteilung und Risikoverteilung in Konzernen sowie die Zurechnung von Wirtschaftsgütern, von erheblicher Bedeutung sind.5

11.46

b) Unternehmenskategorisierung Neben den bereits genannten Kriterien ist zu überprüfen, welche Unternehmen die jeweiligen Funktionen, beispielsweise Forschung und Entwicklung oder Marketing, erfüllen und in welcher Eigenschaft sie dies tun, beispielsweise Eigenforschung und -entwicklung oder Auftragsforschung und -entwicklung.6 Ziel dieser Analyse ist es, Aufschluss darüber 1 Vgl. OECD-Leitlinien 1995, Kapitel I–III gegenüber OECD-Leitlinien 2010, Kapitel I–III. 2 Vgl. OECD, Transfer Pricing Aspects of Intangibles, unter: http://www.oecd.org/ department/0,3355,en_2649_45675105_1_1_1_1_1,00.html, Stand: 31.5.2011. 3 Vgl. zu Einzelheiten OECD, Transfer Pricing Aspects of Intangibles, unter: http://www.oecd.org/department/0,3355,en_2649_45675105_1_1_1_1_1,00. html, Stand: 31.5.2011. 4 Vgl. OECD-Leitlinien 2010, Rz. 6.13. 5 Vgl. OECD-Leitlinien 2010, Rz. 1.42 ff.; BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341 - 1/05, BStBl. I 2005, 570 Rz. 3.4.10.2; v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83, BStBl. I 1983, 218 Rz. 2.1.3. 6 Vgl. BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83, BStBl. I 1983, 218 Rz. 2.1.3.

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11.47

Kap. 11: Geistiges Eigentum und Verrechnungspreise

zu erhalten, ob und welches der beteiligten verbundenen Unternehmen Routinefunktionen ausübt, welches das wesentliche Unternehmensrisiko trägt und welches mehr als nur Routinefunktionen ausübt, ohne die wesentlichen Risiken zu tragen.1

11.48

Unter Verwendung dieser Funktions- und Risikoanalyse unterteilt die deutsche Finanzverwaltung unter Hinweis auf die OECD-Leitlinien2 Unternehmen in folgende drei Kategorien:3 – Unternehmen mit Routinefunktionen: Ein Unternehmen, das lediglich Routinefunktionen ausübt (beispielsweise konzerninterne Dienstleistungen erbringt, die ohne weiteres am Markt auch bei Dritten in Auftrag gegeben werden könnten) und nur in geringem Umfang Wirtschaftsgüter einsetzt und nur geringe Risiken trägt, soll bei üblichem Geschäftsablauf keine Verluste, sondern regelmäßig geringe, aber relativ stabile Gewinne erzielen. – Entrepreneur oder Strategieträger: Einem Unternehmen, das über die zur Durchführung von Geschäften wesentlichen materiellen und immateriellen Wirtschaftsgüter verfügt, die wesentlichen, für den Unternehmenserfolg entscheidenden Funktionen ausübt und die wesentlichen Risiken übernimmt, soll regelmäßig (ggf. zusammen mit anderen Unternehmen, die eine Entrepreneur-Funktion ausüben) das betreffende Konzernergebnis zustehen, das nach Abgeltung von Funktionen anderer nahestehender Unternehmen verbleibt. Da mangels vergleichbarer Unternehmen regelmäßig keine Fremdvergleichsdaten festgestellt werden können; soll einem Entrepreneur die Residualgröße zustehen; dieses Ergebnis kann sowohl positiv als auch negativ sein. – Hybridunternehmen: Ein Unternehmen, das unter Berücksichtigung der von ihm ausgeübten Funktionen, eingesetzten Wirtschaftsgüter und übernommenen Risiken weder als Unternehmen mit Routinefunktionen noch als der Entrepreneur anzusehen ist, soll, soweit für seine Geschäftsvorfälle keine Fremdpreise feststellbar sind, seine Verrechnungspreise auf Grund von Planrechnungen ermitteln, wobei es den Eintritt der prognostizierten Ergebnisse zu überwachen und ggf. auf Abweichungen zu reagieren hat.

11.49

Unternehmen, die über wertvolle, einzigartige immaterielle Wirtschaftsgüter verfügen und diese bei Intercompany-Transaktionen einsetzen, werden also i.d.R. als Entrepreneur zu qualifizieren sein. Diese Einstufung ist von erheblicher Bedeutung bei der späteren Bestimmung der anwendbaren Verrechnungspreismethode (zu Einzelheiten vgl. Rz. 11.60 ff.).

1 Vgl. OECD-Leitlinien 2010, Rz. 1.42 ff.; BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341 - 1/05, BStBl. I 2005, 570 Rz. 3.4.10.2. 2 Vgl. OECD-Leitlinien 2010, Rz. 1.42 bis 1.51. 3 Vgl. BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341 - 1/05, BStBl. I 2005, 570 Rz. 3.4.10.2.

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B. Grundlagen

c) Ermittlung von Fremdvergleichsdaten Grundsätzlich sollen zur Ermittlung von Fremdvergleichspreisen solche Daten herangezogen werden, die auch Grundlage für die Preisbildung zwischen fremden Dritten im Markt sind. Nach Auffassung der deutschen Finanzverwaltung sind bei der Bemessung von Fremdvergleichspreisen insbesondere zu berücksichtigen:1

11.50

– Börsenpreise, branchenübliche Preise, die auf dem maßgeblichen Markt ermittelt sind (Marktpreise), sowie sonstige Informationen über den Markt; – Preise, die der Steuerpflichtige, der ihm Nahestehende oder Dritte tatsächlich für entsprechende Lieferungen oder Leistungen auf dem maßgeblichen Markt vereinbart haben; – Gewinnaufschläge, Kalkulationsverfahren oder sonstige betriebswirtschaftliche Grundlagen, die im freien Markt die Preisbildung beeinflussen (betriebswirtschaftliche Daten). Für eine uneingeschränkte Vergleichbarkeit müssen nach Auffassung der deutschen Finanzverwaltung folgende zwei Voraussetzungen gegeben sein:2

11.51

1. Geschäftsbedingungen (alternativ): a. Die Geschäftsbedingungen sind identisch. b. Die Unterschiede bei den Geschäftsbedingungen haben keine wesentliche Auswirkung auf die Preisgestaltung. c. Unterschiede in den Geschäftsbedingungen (z.B. unterschiedliche Zahlungsziele) sind durch hinreichend genaue Anpassungen beseitigt worden. 2. Datenqualität: Die ermittelten Daten sind qualitativ zuverlässig. Je einzigartiger und wertvoller die eingesetzten immateriellen Wirtschaftsgüter bei konzerninternen Transaktionen sind, desto komplizierter gestaltet sich die Suche nach Vergleichsdaten.3 Im Fall von immateriellen Wirtschaftsgütern wäre beispielsweise Voraussetzung für eine uneingeschränkte Vergleichbarkeit, dass dasjenige verbundene Unternehmen, das über die bei der konzerninternen Geschäftsbeziehung eingesetzten immateriellen Wirtschaftsgüter verfügt, eine absolut identische Geschäftsbeziehung zu einem fremden dritten Unternehmen unterhält. Da jedoch gerade die wertvollen, einzigartigen immateriellen Wirtschaftsgüter vornehmlich nur konzernintern verwendet werden, z.B. aus Wettbewerbsgründen oder zum Schutz der rechtlichen Position, wird sich in der Praxis bei immateriellen Wirtschaftsgütern nur in den seltensten Fällen eine uneingeschränkte Vergleichbarkeit herstellen lassen. 1 Vgl. BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83, BStBl. I 1983, 218 Rz. 2.1.6. 2 Vgl. BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341 - 1/05, BStBl. I 2005, 570 Rz. 3.4.12.7. 3 Vgl. OECD-Leitlinien 2010, Rz. 6.13.

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11.52

Kap. 11: Geistiges Eigentum und Verrechnungspreise

11.53

Sofern keine vollständige, uneingeschränkte Vergleichbarkeit vorliegt, ist zu prüfen, ob eine eingeschränkte Vergleichbarkeit möglich ist. Zu diesem Zweck sollen die Daten angemessen berichtigt werden, um sie an abweichende Bedingungen des jeweils vorliegenden Geschäfts anzupassen, die für die Bemessung des Fremdvergleichspreises von Bedeutung sind.1 Für die Vergleichbarkeitsprüfung2 sollen alle Faktoren herangezogen werden, die sich auf die Preisgestaltung auswirken könnten.3 Die nach Auffassung der OECD fünf bestimmenden Faktoren für die Vergleichbarkeit sind: – die Merkmale und Besonderheiten der betreffenden Wirtschaftsgüter (z.B. physische Eigenschaften, Qualität, Art immaterieller Wirtschaftsgüter, Zuverlässigkeit, Verfügbarkeit, Liefermenge) und der Dienstleistungen,4 – eine Funktionsanalyse mit den ausgeübten Funktionen, übernommenen Risiken sowie den eingesetzten Wirtschaftsgütern,5 – die vertraglichen Bedingungen (z.B. Laufzeit von Verträgen, Zahlungsfristen),6 – die wirtschaftlichen Umstände im maßgeblichen Markt,7 – die Geschäftsstrategie.8

11.54

Speziell für immaterielle Wirtschaftsgüter sollen einige besondere Faktoren hinsichtlich der Vergleichbarkeit zwischen konzerninternen Geschäften und Fremdgeschäften berücksichtigt werden. Die OECD zählt hierzu:9 – die erwarteten Vorteile aus den immateriellen Vermögenswerten, – eine Eingrenzung des geographischen Gebiets, in dem die Rechte ausgeübt werden können, – Exportbeschränkungen für Waren, die auf Grund der überlassenen Rechte erzeugt werden, – der ausschließliche oder nicht ausschließliche Charakter der überlassenen Rechte, – das investierte Kapital (für die Errichtung neuer Anlagen oder für den Kauf von Spezialmaschinen), – Anlaufkosten und die auf dem Markt erforderliche Entwicklungsarbeit, 1 Vgl. BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83, BStBl. I 1983, 218 Rz. 2.1.7. 2 Zur typischen Vorgehensweise bei der Vergleichbarkeitsanalyse in neun Schritten vgl. OECD-Leitlinien 2010, Rz. 3.4. 3 Vgl. BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341 - 1/05, BStBl. I 2005, 570 Rz. 3.4.12.7. 4 Vgl. OECD-Leitlinien 2010, Rz. 1.39 ff. 5 Vgl. OECD-Leitlinien 2010, Rz. 1.42 bis 1.51. 6 Vgl. OECD-Leitlinien 2010, Rz. 1.52 ff. 7 Vgl. OECD-Leitlinien 2010, Rz. 1.55 bis 1.58. 8 Vgl. OECD-Leitlinien 2010, Rz. 1.59 bis 1.64. 9 Vgl. OECD-Leitlinien 2010, Rz. 6.20.

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B. Grundlagen

– die Möglichkeit der Vergabe von Unterlizenzen, – das Vertriebsnetz des Lizenznehmers, – die Frage, ob der Lizenznehmer berechtigt ist, an der Weiterentwicklung der Vermögenswerte des Lizenzgebers teilzunehmen. Bei Patenten sind der OECD zufolge weitere Faktoren in die Vergleichbarkeitsanalyse einzubeziehen, beispielsweise:1

11.55

– die Art des Patents (z.B. Produktpatent oder Verfahrenspatent), – das Ausmaß und Dauer des Schutzes, – der Wert, den das Endprodukt oder eine Einzelkomponente durch das Patent erhält, – die Produkt- und Umwelthaftung. Werden Marketing Intangibles, z.B. Warenzeichen, konzernintern eingesetzt, sind laut OECD u.a. folgende Faktoren zu berücksichtigen:2

11.56

– die durch das Warenzeichen hervorgerufene Wertsteigerung, – die Akzeptanz durch den Konsumenten, – die geographische Bedeutung, – die Marktanteile, – die Höhe des Umsatzes. Ob letztlich bei konzerninternen Verrechnungspreisen für immaterielle Wirtschaftsgüter zumindest Daten für eingeschränkte Vergleichbarkeit vorliegen, hängt im Wesentlichen von den eingesetzten immateriellen Wirtschaftsgütern sowie der Art der konzerninternen Nutzung ab. Pauschal lässt sich festhalten: Umso einzigartiger ein immaterielles Wirtschaftsgut ist, desto schwieriger wird es sein, selbst eingeschränkte Vergleichbarkeit herzustellen. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, inwieweit noch von eingeschränkter Vergleichbarkeit oder von Unvergleichbarkeit ausgegangen werden muss, und wie zu verfahren ist, wenn nicht einmal eingeschränkte Vergleichbarkeit möglich ist.

11.57

Nach Auffassung der deutschen Finanzverwaltung soll Unvergleichbarkeit gegeben sein, wenn Geschäftsbedingungen, die eine wesentliche Auswirkung auf den Preis bzw. den Gewinn haben, sich so erheblich voneinander unterscheiden, dass die Unterschiede durch Anpassungsrechnungen nicht beseitigt werden können.3 Gleiches soll gelten, wenn die Fremdvergleichsdaten so lückenhaft, unüberprüfbar (Massedaten mehrerer hundert oder tausend Unternehmen ohne Vergleichbarkeitsanalyse) oder im Hinblick auf die Qualität relevanter Daten so unzuverlässig sind, dass ihnen keine Aussagekraft beigemessen werden kann. Darüber hinaus

11.58

1 Vgl. OECD-Richtlinien 2010, Rz. 6.21 f. 2 Vgl. OECD-Leitlinien 2010, Rz. 6.24. 3 Vgl. BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341 - 1/05, BStBl. I 2005, 570 Rz. 3.4.12.7.b.

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Kap. 11: Geistiges Eigentum und Verrechnungspreise

soll Unvergleichbarkeit insbesondere gegeben sein, wenn spezielle, besonders wertvolle immaterielle Wirtschaftsgüter von Bedeutung sind oder sich die maßgeblichen Funktionen oder Risiken erheblich unterscheiden. Hier stellt sich die Frage der Abgrenzung, wann von speziellen, besonders wertvollen immateriellen Wirtschaftsgütern auszugehen ist und wann dies nicht der Fall ist und wie dann verfahren werden soll.

11.59

In den OECD-Leitlinien findet sich kein Lösungsansatz zu dieser Problematik. Die OECD kennt lediglich den direkten Fremdvergleich, der auf uneingeschränkter Vergleichbarkeit basiert,1 und den indirekten Fremdvergleich, der auf eingeschränkter Vergleichbarkeit fußt.2 Der deutsche Gesetzgeber hat hierauf im Rahmen der Unternehmenssteuerreform 2008 reagiert und mit der Neufassung des § 1 AStG den sog. hypothetischen Fremdvergleich eingeführt. Gem. § 1 Abs. 3 Satz 5 AStG hat der Steuerpflichtige für seine Einkünfteermittlung einen hypothetischen Fremdvergleich durchzuführen, wenn weder uneingeschränkt noch eingeschränkt vergleichbare Fremdvergleichswerte festgestellt werden können. Wie aufgezeigt, lässt sich bei konzerninternen Geschäften mit immateriellen Wirtschaftsgütern – insbesondere bei speziellen, besonders wertvollen immateriellen Wirtschaftsgütern – nach Auffassung der deutschen Finanzverwaltung i.d.R. keine Vergleichbarkeit herstellen, so dass der hypothetische Fremdvergleich zum Tragen kommt. Die genaue Logik dahinter sowie die Konsequenzen hieraus werden im folgenden Kapitel (Rz. 11.60 ff.) dargestellt.

IV. Verrechnungspreismethoden 1. Überblick

11.60

Im Folgenden werden grundsätzlich geeignete Verrechnungspreismethoden für grenzüberschreitende Geschäfte mit immateriellen Wirtschaftsgütern zwischen verbundenen Unternehmen (Intercompany-Transaktionen) dargestellt. Zudem werden die Unterschiede zwischen den von der OECD anerkannten und den im nationalen Recht normierten Verrechnungspreismethoden aufgezeigt. Die aus den verschiedenen Verwertungsmöglichkeiten von immateriellen Wirtschaftsgütern resultierenden Besonderheiten, die Auswirkung auf die Bestimmung von geeigneten Verrechnungspreismethoden haben, werden in Rz. 11.106 ff. näher beleuchtet. 2. OECD-Leitlinien zu Verrechnungspreisen a) Standardmethoden

11.61

Der direkteste und verlässlichste Lösungsansatz zur Feststellung, ob die zwischen verbundenen Unternehmen vereinbarten oder auferlegten Be1 Vgl. OECD-Leitlinien 2010, Rz. 2.13. 2 Vgl. OECD-Leitlinien 2010, Rz. 2.14.

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B. Grundlagen

dingungen fremdvergleichskonform sind, besteht darin, die konzernintern angesetzten Verrechnungspreise mit den Werten zu vergleichen, die bei vergleichbaren Geschäften zwischen unabhängigen Unternehmen verrechnet werden.1 Da häufig keine vergleichbaren Geschäfte am Markt beobachtbar sind, können andere indirekte Lösungsansätze notwendig werden, z.B. der Vergleich von Bruttogewinnspannen. Die OECD kennt hierfür drei sog. geschäftsfallbezogene Standardmethoden: die Preisvergleichsmethode, die Wiederverkaufspreismethode und die Kostenaufschlagsmethode.2 Daneben gibt es sog. gewinnorientierte Methoden. Als die beiden einzigen fremdvergleichskonformen Gewinnmethoden erachtet die OECD die TNMM (Transactional Net Margin Method) und die Gewinnaufteilungsmethode.3 Grundsätzlich soll die für den jeweiligen Fall geeignetste Methode zur Anwendung kommen.4 Da sich mithilfe der geschäftsfallbezogenen Standardmethoden am direktesten feststellen lässt, ob die kaufmännischen und finanziellen Beziehungen zwischen verbundenen Unternehmen dem Fremdvergleich standhalten, sollen diese traditionellen Methoden insgesamt gegenüber den gewinnorientierten Methoden vorrangig angewendet werden.5 Zudem soll der Preisvergleichsmethode der Vorzug gegeben werden, wenn sich mehrere Methoden als gleich zuverlässig erweisen.6

11.62

Bei der Preisvergleichsmethode (Comparable Price Method) wird der bei einem konzerninternen Geschäft verrechnete Waren- oder Dienstleistungspreis mit dem Preis verglichen, der bei einem vergleichbaren Geschäft zwischen unabhängigen Unternehmen unter vergleichbaren Verhältnissen verrechnet wird.7 Die Preisvergleichsmethode ist vorwiegend anwendbar bei homogenen Gütern und Waren wie beispielsweise Rohstoffen, die an Warenbörsen gehandelt werden, so dass Marktpreise in Form von Börsen- oder Listenpreisen bekannt sind.8 Auf Grund der Einzigartigkeit von immateriellen Wirtschaftsgütern ist die Preisvergleichsmethode bei solchen Geschäften nur in begrenztem Umfang anwendbar.

11.63

Ein äußerer Preisvergleich, bei dem vergleichbare Geschäfte zwischen fremden Dritten identifiziert werden können, ist lediglich bei Lizenzen

11.64

1 Vgl. OECD-Leitlinien 2010, Rz. 2.3. 2 Vgl. OECD-Leitlinien 2010, Rz. 2.13 ff., 2.21 ff. und 2.39 ff.; BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341 - 1/05, BStBl. I 2005, 570 Rz. 3.4.10.3.a. 3 Vgl. OECD-Leitlinien 2010, Rz. 2.57. 4 Vgl. OECD-Leitlinien 2010, Rz. 2.2. 5 Vgl. OECD-Leitlinien 2010, Rz. 2.3; BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341 - 1/05, BStBl. I 2005, 570 Rz. 3.4.10.3. a und 3.4.10.3. b Umkehrschluss. 6 Vgl. OECD-Leitlinien 2010 Rz. 2.3. 7 Vgl. OECD-Leitlinien 2010, Rz. 2.13 ff. mit weiteren Einzelheiten zur Preisvergleichsmethode und Rz. 2.17 ff. mit Beispielen für die Anwendung der Preisvergleichsmethode. 8 Vgl. Kußmaul, IStR 2010, 605 (606) m.w.N.; BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 4/83, BStBl. I 1983, 218 Rz. 2.2.2.

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Kap. 11: Geistiges Eigentum und Verrechnungspreise

denkbar,1 für die anhand von diversen Datenbanken (z.B. RoyaltySource, RoyaltyStat und IPResearch)2 vergleichbare Lizenzvereinbarungen bzw. -raten ermittelt werden können (zu weiteren Einzelheiten vgl. Rz. 11.156 ff.). Für andere Verwertungsformen scheidet der äußere Preisvergleich regelmäßig aus.3 Lediglich im Rahmen des inneren Preisvergleichs, bei dem der Steuerpflichtige vergleichbare Geschäfte (unter Einbezug immaterieller Wirtschaftsgüter) sowohl mit einem verbundenen als auch einem fremden Unternehmen durchführt, kann die Preisvergleichsmethode angewendet werden, wobei auch hier die Anwendung regelmäßig auf Lizenzierungsfälle beschränkt ist.4

11.65

Die Wiederverkaufspreismethode (Resell Price Method) setzt voraus, dass ein Produkt von einem verbundenen Unternehmen gekauft und an ein unabhängiges Unternehmen weiterveräußert wird. Dieser Wiederverkaufspreis an das unabhängige Unternehmen wird um eine angemessene Bruttomarge (Handelsspanne) reduziert und stellt den Betrag dar, aus dem ein Wiederverkäufer zum einen seine Aufwendungen für den Vertrieb und sonstige betriebliche Aufwendungen zu bestreiten hat und zum anderen für die ausgeübten Funktionen und übernommenen Risiken einen angemessenen Gewinn zu erzielen versucht.5

11.66

Allerdings ist besondere Vorsicht bei Anwendung der Wiederverkaufspreismethode erforderlich, wenn der Wiederverkäufer wesentlich zur Schaffung oder Erhaltung von mit dem Produkt verbundenen immateriellen Wirtschaftsgütern (z.B. Warenzeichen) beiträgt, die im Eigentum eines verbundenen Unternehmens stehen. In solchen Fällen kann der Wertbeitrag des ursprünglichen (No-Name-)Produkts im Verhältnis zum Gesamtwert des End(marken)produkts nicht einfach zahlenmäßig bestimmt werden.6 Deswegen ist die Wiederverkaufspreismethode bei Geschäften mit immateriellen Wirtschaftsgütern im Grunde nur in Lizenzierungsfällen denkbar, bei denen eine Hauptlizenz konzernintern im Wege einer Unterlizenzierung weitergegeben wird, z.B. beim Vertrieb von Software.7 Ansonsten kommt der Wiederverkaufspreismethode bei Geschäften mit immateriellen Wirtschaftsgütern praktisch keine Bedeutung zu.8 1 Vgl. Baumhoff in F/W/B, § 1 AStG Rz. 700.2. 2 Siehe RoyaltySource, unter: http://www.royaltysource.com/; RoyaltyStat, unter: http://www.royaltystat.com/; IPResearch unter: http://ipresearch.com. 3 Vgl. Kußmaul, IStR 2010, 605 (607) m.w.N. 4 Vgl. Kußmaul, IStR 2010, 605 (607); Engler in Vögele/Borstell/Engler, Verrechnungspreise3, Immaterielle Wirtschaftsgüter, Rz. 447. 5 Vgl. OECD-Leitlinien 2010, Rz. 2.21 ff. mit weiteren Einzelheiten zur Wiederverkaufspreismethode und Rz. 2.36 ff. mit Beispielen für die Anwendung der Wiederverkaufspreismethode. 6 Vgl. OECD-Leitlinien 2010, Rz. 2.29 und Rz. 2.31 f. 7 Vgl. Kußmaul, IStR 2010, 605 (608 f.); Baumhoff in F/W/B, § 1 AStG Rz. 448; Engler in Vögele/Borstell/Engler, Verrechnungspreise3, Immaterielle Wirtschaftsgüter, Rz. 507; BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83, BStBl. I 1983, 218 Rz. 5.2.3. 8 Vgl. Vögele/Raab/Diessner in Vögele/Borstell/Engler, Verrechnungspreise3, Methoden, Rz. 101.

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B. Grundlagen

Bei der Kostenaufschlagsmethode (Cost Plus Method) werden die Kosten zu Grunde gelegt, die bei einem Lieferanten oder Erbringer der Dienstleistung bei einem konzerninternen Geschäft für Lieferungen oder Dienstleistungen entstehen. Zu den Herstellungskosten wird ein angemessener Kostenaufschlag (Gewinnaufschlag) hinzugerechnet, der insgesamt dem Betrag entsprechen soll, den ein fremder Dritter für die ausgeübten Funktionen unter Beachtung der Marktbedingungen als Gewinn zu erzielen versucht.1 Die Kostenaufschlagsmethode kommt regelmäßig zur Anwendung, wenn es sich um nicht marktfähige bzw. nicht marktgängige Waren und Güter, insbesondere Vorprodukte oder Halbfabrikate handelt, für die keine Marktpreise zur Verfügung stehen.2 Darüber hinaus wird sie zur Vergütung von Lieferungen und Leistungen seitens verbundener Lohnfertiger herangezogen.3

11.67

Bei konzerninternen Geschäften mit immateriellen Wirtschaftsgütern kommt die Kostenaufschlagsmethode typischerweise im Fall der Auftragsforschung und -entwicklung zur Anwendung.4 Der Hintergrund hierfür ist, dass die F&E-Ergebnisse nicht dem forschenden, sondern dem auftraggebenden Unternehmen zustehen, das auch alle hiermit verbundenen Gewinnchancen sowie Risiken eines Misserfolges aus den F&E-Tätigkeiten trägt. Zu diesem Zweck müssen zum einen sämtliche Forschungskosten, auf die sich die Parteien geeinigt haben, abgegolten werden. Der zusätzliche Kosten- bzw. Gewinnaufschlag kann sich daran bemessen, wie innovativ und komplex die F&E-Tätigkeiten sind.5

11.68

Darüber hinaus soll nach Auffassung der Finanzverwaltung die Kostenaufschlagsmethode bei konzerninternen Geschäften mit immateriellen Wirtschaftsgütern, z.B. im Fall der Nutzungsüberlassung von Patenten, Know-how oder anderen immateriellen Wirtschaftsgütern, nur in Ausnahmefällen bei Einzelabrechnung in Betracht kommen.6 M.E. ist dagegen für die Anwendung der Kostenaufschlagsmethode zu unterscheiden, ob es sich um eine exklusive oder nicht-exklusive Nutzungsüberlassung handelt. Erhält der Lizenzgeber seinerseits die Lizenz von einem anderen Lizenzgeber, womit er im ersten Schritt selbst zum Lizenznehmer wird, und handelt es sich um eine nicht-exklusive Lizenz, z.B. für Software, so wäre die Anwendung der Kostenaufschlagsmethode bei immateriellen Wirtschaftgütern denkbar und m.E. auch angemessen. In diesem Fall be-

11.69

1 Vgl. OECD-Leitlinien 2010, Rz. 2.39 ff. mit weiteren Einzelheiten zur Kostenaufschlagsmethode und Rz. 2.53 ff. mit Beispielen für die Anwendung der Kostenaufschlagsmethode. 2 Vgl. OECD-Leitlinien 2010, Rz. 2.39, BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83, BStBl. I 1983, 218 Rz. 3.1.3 Beispiel 2. 3 Vgl. Baumhoff in F/W/B, § 1 AStG Rz. 587; BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 4/83, BStBl. I 1983, 218 Rz. 3.1.3 Beispiel 3. 4 Vgl. OECD-Leitlinien 2010, Rz. 2.55; ebenso BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 4/83, BStBl. I 1983, 218 Rz. 5.3. 5 Vgl. OECD-Leitlinien 2010, Rz. 2.55. 6 Vgl. BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83, BStBl. I 1983, 218 Rz. 5.2.4.

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Kap. 11: Geistiges Eigentum und Verrechnungspreise

lastet der Lizenzgeber die selbst gezahlten Lizenzgebühren zuzüglich eines angemessenen Gewinnaufschlags an den endgültigen Lizenznehmer.

11.70

Im Zusammenhang mit der Weitergabe von nicht-exklusiven Lizenzen ist m.E. ebenso denkbar, dass der Lizenzgeber die Lizenz durch eine Einmalzahlung erwirbt und diese dann zumindest „gedanklich“ aktiviert. Die vom Lizenzgeber dann wiederrum ausgebende Lizenz kann sich dann auf Basis dieses Aktivierungsbetrags zuzüglich eines Gewinnaufschlags in Höhe des gewogenen durchschnittlichen Kapitalkosten (Weighted Average Cost of Capital, kurz WACC) errechnen. b) Gewinnorientierte Methoden

11.71

Wie aufgezeigt, wird es umso schwieriger sein, vergleichbare Fremdgeschäfte zu finden, je einzigartiger und wertvoller die eingesetzten immateriellen Wirtschaftsgüter sind. Die OECD konzediert daher zu Recht, dass es schwierig sein kann, bei komplexen wirtschaftlichen Sachverhalten die traditionellen Standardmethoden anzuwenden.1 Seit der umfassenden Überarbeitung der OECD-Leitlinien zum 22.7.2010 dürfen daher in solchen Fällen die sog. geschäftsfallbezogenen Gewinnmethoden angewendet werden.2

11.72

Bei den geschäftsfallbezogenen Gewinnmethoden werden die Gewinne untersucht, die aus bestimmten konzerninternen Geschäften erzielt werden.3 Da nach Auffassung der OECD fremde Unternehmen üblicherweise Geschäfte tätigen, bei denen der Preis und eben nicht der Gewinn zu Grunde gelegt wird, dürfen die Gewinnmethoden nur unter sehr engen Voraussetzungen angewendet werden.4 So untersagt die OECD beispielsweise deren automatische Anwendung für Fälle, in denen lediglich die Beschaffung von Fremdvergleichsdaten schwierig, aber nicht unmöglich ist.5

11.73

Die geschäftsfallbezogene Nettomargenmethode (Transactional Net Margin Method; kurz: TNMM) untersucht die Nettogewinnspanne, z.B. in Bezug auf Kosten, Umsatz oder Kapital, die ein Steuerpflichtiger aus einem konzerninternen Geschäft oder aus zulässigerweise zusammenfassbaren Geschäftsvorfällen erzielt, und vergleicht diese mit den Nettorenditenkennzahlen aus vergleichbaren Geschäften mit fremdem Unterneh1 Vgl. OECD-Leitlinien 1995, Rz. 3.2 und OECD-Leitlinien 2010, Rz. 2.4. 2 Vgl. OECD-Leitlinien 2010, Rz. 2.1 ff. Vor Revision der OECD-Leitlinien durften nur ausnahmsweise die geschäftsfallbezogenen Gewinnmethoden angewendet werden, vgl. OECD-Leitlinien 1995, Rz. 3.1 ff. Da dies jedoch insbesondere bei konzerninternen Geschäften mit immateriellen Wirtschaftsgütern im Laufe der Jahre praktisch vielmehr zur Regel als die Ausnahme wurde, sah sich die OECD veranlasst, die Leitlinien entsprechend anzupassen. 3 Vgl. OECD-Leitlinien 2010, Rz. 2.57. 4 Vgl. OECD-Leitlinien 2010, Rz. 2.68 ff. und 2 115 ff. zu detaillierten Anwendungshinweisen. 5 Vgl. OECD-Leitlinien 2010, Rz. 2.5.

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B. Grundlagen

men.1 Die TNMM funktioniert im Prinzip ähnlich wie die Wiederverkaufspreismethode oder die Kostenaufschlagsmethode2 und stellt daher den Steuerpflichtigen bei Geschäften mit immateriellen Wirtschaftsgütern regelmäßig vor dieselben Schwierigkeiten wie bei den Standardmethoden. So übt beispielsweise bei vielen Geschäftsvorfällen eines der Unternehmen nur routinemäßige Funktionen aus und verwendet dabei keine besonderen immateriellen Wirtschaftgüter, oder es führt standardisierte Unternehmensprozesse durch oder nutzt marktübliches Know-how. In diesen Fällen ist sowohl die Anwendung der Standardmethoden als auch die der TNMM möglich, da angenommen werden kann, dass vergleichbare Unternehmen einen vergleichbaren Mix an Gütern und Prozessen verwenden.3 Sobald jedoch einzigartige immaterielle Wirtschaftsgüter einen wesentlichen Wertbeitrag leisten, scheidet eine Anwendung dieser Methoden regelmäßig aus. Dies wird daran deutlich, dass die Standardmethoden und die TNMM von der OECD als einseitige Methoden qualifiziert werden, da nur die Preise oder Margen eines verbundenen Unternehmens beurteilt werden.4 Darüber hinaus erschweren fehlende oder nicht verwendbare Vergleichsdaten hinsichtlich der Bruttomargen die Anwendung von Standardmethoden.5

11.74

Die Gewinnaufteilungsmethode (Profit Split Method) wird erstmals in den zum 22.7.2010 überarbeiteten OECD-Leitlinien forciert und ausführlicher dargelegt.6 Sie versucht, die bei einem konzerninternen Geschäft vereinbarten oder auferlegten besonderen Bedingungen auf den Gewinn zu beseitigen, indem eine Teilung jener Gewinne vorgenommen wird, die unabhängige Unternehmen aus einem solchen Geschäft erwartet hätten.7 Ein großer Vorteil der Gewinnaufteilungsmethode ist deren Flexibilität: So werden die bei verbundenen Unternehmen besonderen, möglicherweise sogar einzigartigen Umstände berücksichtigt, wobei gleichzeitig dem Fremdvergleichsgrundsatz gefolgt wird, indem die gleichen Grundsätze gelten sollen, wie dies bei unabhängigen Unternehmen unter vergleichbaren Verhältnissen der Fall ist.8

11.75

Im Gegensatz zu den einseitigen Standardmethoden und der ebenfalls einseitigen TNMM wird die Gewinnaufteilungsmethode als zwei- oder

11.76

1 Vgl. OECD-Leitlinien 2010, Rz. 2.58 ff. mit weiteren Einzelheiten zur Nettomargenmethode und Rz. 2 105 ff. mit Beispielen für die Anwendung der Nettomargenmethode. 2 Vgl. OECD-Leitlinien 2010, Rz. 2.58. 3 Vgl. OECD-Leitlinien 2010, Rz. 2.60. 4 Vgl. OECD-Leitlinien 2010, Rz. 2.59 und 2.63. 5 Vgl. OECD-Leitlinien 2010, Rz. 2.4. 6 Vgl. OECD-Leitlinien 1995, Kapitel III gegenüber OECD-Leitlinien 2010, Kapitel II, Teil III. 7 Vgl. OECD-Leitlinien 2010, Rz. 2.108 ff. mit weiteren Einzelheiten zur Gewinnaufteilungsmethode. 8 Vgl. OECD-Leitlinien 2010, Rz. 2.109 f.

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Kap. 11: Geistiges Eigentum und Verrechnungspreise

mehrseitige Methode qualifiziert, weil bei ihr insoweit die Finanzdaten aller an der Wertschöpfungskette beteiligten verbundenen Unternehmen in die Beurteilung einzubeziehen sind.1 Dies ist insbesondere bei Geschäften vorteilhaft, bei denen beide verbundenen Unternehmen einzigartige und wertvolle Beiträge leisten (z.B. durch die Nutzung werthaltiger immaterieller Wirtschaftsgüter) oder wenn sich die Beiträge der einzelnen Unternehmen nicht eindeutig voneinander trennen lassen. Die Anwendung der Gewinnaufteilungsmethode basiert auf dem Gedanken, die jeweiligen Wertbeiträge der verbundenen Unternehmen über den Gesamtwertschöpfungsprozess zu analysieren, um den Gesamtgewinn entsprechend aufzuteilen. Darüber hinaus ermöglicht die Gewinnaufteilungsmethode durch ihre Zweiseitigkeit einen ganzheitlichen Ansatz, da die Geschäftsbeziehungen zwischen den verbundenen Unternehmen aus den jeweiligen Perspektiven und somit von einem internationalen Standpunkt aus beleuchtet werden.2 Hierdurch kann i.d.R. Doppelbesteuerung vermieden werden, da nur die tatsächlichen Gewinne aufgeteilt werden.3

11.77

Die Gewinnaufteilungsmethode ist dann anwendbar, wenn sich die Standardmethoden nicht verlässlich anwenden lassen und die Abgrenzung von Einzelbeiträgen einer Transaktion nicht möglich ist.4 In diesem Fall kann der Gesamtgewinn aus der Transaktion zwischen den verbundenen Unternehmen aufgeteilt werden. Laut OECD-Leitlinien soll die Gewinnaufteilungsmethode insbesondere bei konzerninternen Geschäften zur Anwendung kommen, bei denen wertvolle, immaterielle Wirtschaftsgüter involviert sind.5 Durch die zweiseitige Betrachtung der geschäftsvorfallbezogenen Gewinnaufteilungsmethode kann der Fremdvergleich sichergestellt werden, da auch unabhängige Unternehmen eine Aufteilung des Gesamtgewinns der Transaktion anhand der jeweiligen Wertbeiträge vereinbaren würden.6 Die Anwendung einer anderen Methode wäre auf Grund der Einzigartigkeit der Transaktion bzw. der involvierten immateriellen Wirtschaftsgüter nicht angemessen, da entsprechende Vergleichsdaten regelmäßig nicht verlässlich ermittelbar sind.

11.78

Die OECD-Leitlinien definieren nicht eindeutig, ob der Zeitpunkt der Verrechnungspreissetzung (sog. Setting oder ex ante-Betrachtung) oder der Zeitpunkt der Verrechnungspreisüberprüfung (sog. Testing oder ex post-Betrachtung) entscheidend für die Auswahl der geeigneten Verrechnungspreismethode sein soll. Im Grundsatz lassen die OECD-Leitlinien beide Ansätze zu, sehen jedoch auf Grund dieser unterschiedlichen Ansätze auch die Gefahr einer potentiellen Doppelbesteuerung, die mit Hilfe 1 Vgl. OECD-Leitlinien 2010, Rz. 2.109. 2 Vgl. Vögele/Witt in Vögele/Borstell/Engler, Verrechnungspreise, Ergebnisorientierte Methoden, Rz. 543. 3 Vgl. Engler in Vögele/Borstell/Engler, Verrechnungspreise, Immaterielle Wirtschaftsgüter, Rz. 543. 4 Vgl. BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341 - 1/05, BStBl. I 2005, 570 Rz. 3.4.10.3.c. 5 Vgl. OECD-Leitlinien 2010, Rz. 6.26. 6 Vgl. OECD-Leitlinien 2010, Rz. 2.109.

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B. Grundlagen

von Verständigungsverfahren gem. Art. 25 OECD-MA gelöst werden soll.1 Auch in Bezug auf die Gewinnaufteilungsmethode unterscheidet die OECD zwischen zwei unterschiedlichen Ansätzen zur Gewinnaufteilung. Aus Sicht der OECD ist diese Unterscheidung notwendig, da die Bestimmung des gesamten Gewinns und die Gewinnaufteilungsfaktoren stark davon abhängen, ob die Gewinnaufteilungsmethode im Zeitpunkt der Verrechnungspreissetzung oder im Zeitpunkt der Verrechnungspreisüberprüfung angewendet wird.2 Obwohl diese grundsätzlich Unterscheidung vorgenommen wird, gehen die OECD-Leitlinien in den weiteren Ausführungen lediglich auf die ex ante-Betrachtung ausführlicher ein: So wird zum einen hervorgehoben, dass die die Gewinnaufteilungsfaktoren im Vorhinein zu bestimmen sind.3 Gleiches soll auch für die Gewinndefinition selbst gelten, wobei es dem Steuerpflichtigen überlassen wird, ob schlussendlich der Plan- oder Ist-Gewinn aufgeteilt wird.4 Vielmehr muss im Vorhinein die Gewinndefinition festgelegt sein, und es sollen auch nur Informationen in die Gewinnbestimmung und -verteilung einfließen können, die zum Zeitpunkt der Verhandlungen über die Gewinnverteilung bereits vorlagen.

11.79

Den Ausführungen in den OECD-Leitlinien ist m.E. vor allem zu entnehmen, dass die Gewinnaufteilungsmethode nur dann korrekt angewendet und umgesetzt werden kann, wenn anhand von Rentabilitätskennzahlen im Vorhinein bestimmt wird, wie der zukünftige Gewinn zwischen den beteiligten Transaktionspartnern verteilt werden kann und soll. Da Fremdvergleichswerte i.d.R. fehlen, können eingeschränkt vergleichbare Referenzwerte nach Vornahme sachgerechter Anpassungen zugrunde gelegt werden (zu weiteren Einzelheiten zur Gewinnaufteilungsmethode vgl. Rz. 11.88 ff.).

11.80

Dagegen ist die nachträgliche Verrechnungspreisüberprüfung (Testing) bei der Gewinnaufteilungsmethode problematisch, zumal die OECD auf eine mögliche Anwendung auch nicht weiter eingeht. Dies ist vor allem dadurch begründet, dass die Gewinnaufteilungsmethode gerade dann angewendet wird, wenn zwei Entrepreneure involviert und die Leistungsbeziehungen so verquickt sind, dass eine Separierung und einzelne Bepreisung nicht möglich ist. In solchen Fällen können daher auch keine Vergleichswerte mithilfe von Benchmark-Studien ermittelt werden, da diese grundsätzlich nur zur Ermittlung von Renditekennziffern für Routineunternehmen vorgesehen sind.

11.81

Die Anwendung der Gewinnaufteilungsmethode schränkt zudem die Wahrscheinlichkeit einer unangemessenen Gewinnverteilung ein, da beide Parteien in Betracht gezogen werden. Dieser Aspekt kommt ins-

11.82

1 2 3 4

Vgl. OECD-Leitlinien 2010, Rz. Vgl. OECD-Leitlinien 2010, Rz. Vgl. OECD-Leitlinien 2010, Rz. Vgl. OECD-Leitlinien 2010, Rz.

3.71. 2.116. 2.117. 2.127 f.

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Kap. 11: Geistiges Eigentum und Verrechnungspreise

besondere in solchen Fällen zum Tragen, wenn die Beiträge der verbundenen Unternehmen anhand des Einsatzes von immateriellen Wirtschaftsgütern beurteilt werden. Darüber hinaus ermöglicht die zweiseitige Betrachtung eine Gewinnaufteilung basierend auf Synergieeffekten oder anderen Effizienzsteigerungen, die durch beide Parteien gemeinsam geschaffen wurden.1

11.83

Bei komplexen wirtschaftlichen Sachverhalten, bei denen regelmäßig immaterielle Wirtschaftsgütern involviert sind, oder auch bei konzerninternen Transaktionen mit einzigartigen, wertvollen immateriellen Wirtschaftsgütern wird daher die Anwendung der Gewinnaufteilungsmethode von der OECD als die am meisten angemessene Methode empfohlen.2 Bei derartigen Sachverhalten handelt es sich bei den beteiligten Unternehmen typischerweise um Entrepreneure (zu Einzelheiten vgl. Rz. 11.47 ff.). Sofern an der Transaktion auch ein Routine- oder Hybridunternehmen beteiligt ist, empfiehlt es sich, bei der Anwendung der Gewinnaufteilungsmethode von dem Gesamtunternehmensgewinn zunächst sog. Routinegewinne abzuspalten, mit denen die Routinefunktionen abgegolten werden. Die hieraus resultierende Residualgröße steht dann dem bzw. den Entrepreneuren zu und ist entsprechend zu allokieren.

11.84

Zu beachten ist hierbei, dass sich bei immateriellen Wirtschaftgütern bereits eine Problematik hinsichtlich ihrer Identifikation und Beurteilung ergibt, da nicht alle immateriellen Wirtschaftgüter rechtlich geschützt und in den Bilanzen aufgeführt sind. Daher sollen im Rahmen der Gewinnaufteilungsanalyse die immateriellen Wirtschaftgüter der Geschäftsparteien zunächst identifiziert und anschließend vor dem Hintergrund der Transaktion bewertet werden.3 c) Andere Methoden

11.85

Die OECD versagt anderen Methoden, die eine globale formelhafte Gewinnaufteilung als Ziel haben, die Anerkennung.4 Unter anderem sollen die Gewinnvergleichsmethode5, die insbesondere in den USA vorherrschend von der US-Betriebsprüfung angewendet wird, oder sog. modifizierte Kostenaufschlags- und Wiederverkaufspreismethoden nur insoweit 1 2 3 4 5

Vgl. OECD-Leitlinien 2010, Rz. 2.113. Vgl. OECD-Leitlinien 2010, Rz. 2.4. Vgl. OECD-Leitlinien 2010, Rz. 2.137. Vgl. OECD-Leitlinien 2010, Rz. 1.21 ff. Im Mittelpunkt steht bei der Gewinnvergleichsmethode nicht die einzelne Geschäftstransaktion, sondern der aus beobachtbaren Geschäftsbeziehungen resultierende Betriebsgewinn, der mit Hilfe eines umfangreichen Kennzahlenvergleichs mit Gewinnen unabhängiger, in der gleichen Branche tätiger Unternehmen verglichen wird. Die Gewinnvergleichsmethode beruht auf der Annahme, dass vergleichbare Steuerpflichtige über mehrere Jahre vergleichbare Nettogewinne erzielen. Die Gewinnindikatoren werden aus öffentlichen Datenbanken abgeleitet und mit den geprüften Unternehmen verglichen.

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B. Grundlagen

akzeptabel sein, als sie mit den OECD-Leitlinien übereinstimmen.1 Der im deutschen Recht mit der Neufassung des § 1 AStG ab 2008 normierte hypothetische Fremdvergleich, insbesondere in Form des Transferpaketansatzes, findet keine explizite Erwähnung in den OECD-Leitlinien, die erst jüngst umfassend überarbeitet wurden. Die OECD-Leitlinien sehen vor, dass grundsätzlich alle Methoden anwendbar und fremdvergleichskonform sind, die die möglichen Handlungsalternativen unabhängiger Dritte und deren Einfluss auf die Höhe der Verrechnungspreise beachten.2 Solange der hypothetische Fremdvergleich diese Bedingungen erfüllt, kann er als Fremdvergleich durch Nachdenken im weitesten Sinne als im Einklang mit den OECD-Leitlinien angesehen werden.3 Indes sind die Konsequenzen der OECD-Leitlinien nicht so weitreichend wie die des hypothetischen Fremdvergleichs im Fall von Funktionsverlagerungen. So ist im Fall von Funktionsverlagerungen der hypothetische Fremdvergleich mittels Transferpaketbetrachtung gem. § 1 Abs. 3 Satz 9 i.V.m. Satz 5 ff. AStG durchzuführen. Dieser Ansatz widerspricht offensichtlich dem Rational der Verrechnungspreismethoden gem. OECD-Leitlinien. Folglich ist der hypothetische Fremdvergleich im Form des Transferpaketansatzes kein tatsächlicher Fremdvergleich und steht somit nicht im Einklang mit dem OECD-Fremdvergleichsgrundsatz, der auf bilateraler Ebene durch Art. 9 Abs. 1 OECD-MA normiert wird.

11.86

3. Nationales Recht a) Standardmethoden Mit der Neufassung des § 1 AStG im Rahmen der Unternehmenssteuerreform 2008 wurde gesetzlich ein Stufenverhältnis zur Anwendung der möglichen Verrechnungspreismethoden festgeschrieben. Bei Geschäftsbeziehungen i.S. des § 1 Abs. 1 AStG ist der Verrechnungspreis vorrangig nach der Preisvergleichsmethode, der Wiederverkaufspreismethode oder der Kostenaufschlagsmethode zu bestimmen, wenn Fremdvergleichswerte ermittelt werden können, die nach Vornahme sachgerechter Anpassungen im Hinblick auf die ausgeübten Funktionen, die eingesetzten Wirtschaftsgüter und die übernommenen Chancen und Risiken (Funktionsanalyse) für diese Methoden uneingeschränkt vergleichbar sind (§ 1 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 1 AStG). Können mehrere uneingeschränkte Vergleichswerte ermittelt werden, bilden solche Werte eine Bandbreite (§ 1 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 2 AStG). Liegt der vom Steuerpflichtigen angesetzte Verrechnungspreis außerhalb dieser Bandbreite, ist bei einer Einkünftekorrektur der Median maßgeblich (§ 1 Abs. 3 Satz 4 AStG). Aus der Neufassung des § 1 AStG folgt mithin, dass bei uneingeschränkt vergleichbaren Fremdvergleichswerten zwingend eine der Standardmethoden angewendet werden muss. Eine Anwendung anderer Methoden soll nicht mehr möglich sein. 1 Vgl. OECD-Leitlinien 2010, Rz. 2.56. 2 Vgl. OECD-Leitlinien 2010, Rz. 1.35. 3 Hierzu kritisch Wellens, IStR 2010, 153 (155).

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11.87

Kap. 11: Geistiges Eigentum und Verrechnungspreise

b) Gewinnorientierte Methoden

11.88

Sind keine uneingeschränkten Vergleichswerte verfügbar, sind in einem zweiten Schritt eingeschränkte Vergleichswerte nach Vornahme sachgerechter Anpassungen der Anwendung einer geeigneten Verrechnungspreismethode zu Grunde zu legen (§ 1 Abs. 3 Satz 2 AStG). Können mehrere eingeschränkte Vergleichswerte ermittelt werden, ist die sich ergebende Bandbreite einzuengen (§ 1 Abs. 3 Satz 3 AStG). Liegt der vom Steuerpflichtigen angesetzte Verrechnungspreis außerhalb dieser eingeengten Bandbreite, ist bei einer Einkünftekorrektur der Median maßgeblich (§ 1 Abs. 3 Satz 4 AStG).

11.89

Wie im Rahmen der Vergleichbarkeitsanalyse aufgezeigt wurde (vgl. Rz. 11.37 ff.), können uneingeschränkte Vergleichswerte aus eingeschränkt vergleichbaren Werten abgeleitet werden.1 Der Gesetzgeber hat auch keine explizite Unterscheidung getroffen, in welchen Fällen die Werte noch als eingeschränkt vergleichbar gelten sollen und wann sie indes als unvergleichbar zu qualifizieren sind. Vielmehr soll eine Einzelfallbewertung auf Basis einer Funktions- und Risikoanalyse des eigenen und der Vergleichsunternehmen erfolgen.2

11.90

Grundsätzlich wird „ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsführer […] für seine steuerlichen Verrechnungspreise oder seine Ergebnisermittlung die Methode auswählen, die seinen Verhältnissen am besten gerecht wird; in Zweifelsfällen wird er sich an der Methode orientieren, für die erwartet werden kann, dass sich Fremdvergleichswerte bestmöglicher Vergleichbarkeit und Zuverlässigkeit im Sinne der Datenqualität ermitteln lassen […].“3 Die deutsche Finanzverwaltung vertritt die Auffassung, dass der Steuerpflichtige zu einer Verprobung seiner Ergebnisse nach anderen Methoden nicht verpflichtet sein soll.4 Ebenso muss der Steuerpflichtige nicht begründen, warum er andere Methoden für weniger geeignet hält (§ 2 Abs. 2 Satz 3 GAufzV5).6

11.91

Allerdings verlangt die deutsche Finanzverwaltung zur Überprüfung, ob Fremdwerte zumindest eingeschränkt vergleichbar sind, dass der Steuerpflichtige darlegt und aufzeichnet, welche Anpassungsrechnungen im Hinblick auf die Unterschiede vorgenommen wurden bzw. warum Anpas1 2 3 4

Vgl. Nientimp in Mössner/Fuhrmann, § 1 AStG Rz. 168. Vgl. BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341 - 1/05, BStBl. I 2005, 570 Rz. 3.4.12.7.c. BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341 - 1/05, BStBl. I 2005, 570 Rz. 3.4.10.1. Vgl. BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341 - 1/05, BStBl. I 2005, 570 Rz. 3.4.10.1 und 3.4.18.a. 5 GAufzV v. 13.11.2003, BGBl. I 2003, 2296, zuletzt geändert am 14.8.2007, BGBl. I 2007, 1912. 6 In diesem Zusammenhang ist die sog. Best Method Rule (Verpflichtung, die ökonomisch vernünftigste Methode zu verwenden) in den USA zu erwähnen: Anders als für deutsche steuerliche Zwecke reicht eine Beschreibung der ausgewählten Verrechnungspreismethode mit der Begründung für ihre Wahl nicht aus. Vielmehr müssen zusätzlich die übrigen zugelassenen Verrechnungspreismethoden mit der Begründung ihrer Ablehnung beschrieben werden.

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B. Grundlagen

sungsrechnungen unterlassen wurden oder nicht möglich waren, und weshalb trotz unterbliebener Anpassungsrechnungen eine zumindest eingeschränkte Vergleichbarkeit angenommen werden kann.1 Diese Vorgehensweise ist insofern kritisch zu betrachten, als durch das Stufenverhältnis des § 1 Abs. 3 AStG keine Rangfolge der Methoden festgelegt wird, sondern nur ein Vorgehen hinsichtlich der Datenvergleichbarkeit gesetzlich verankert wird. Dies ist jedoch insofern problematisch, als die Datenvergleichbarkeit als solche nicht präzise definiert, jedoch unabdingbare Voraussetzung für die rechtmäßige Anwendbarkeit einer adäquaten Verrechnungspreismethode ist. So besteht insbesondere bei eingeschränkt vergleichbaren Fremdvergleichswerten für den Steuerpflichtigen die Gefahr, dass die Daten durch die Finanzverwaltung als unvergleichbar verworfen werden. Wie noch aufgezeigt wird, wäre die zwingende Folge hieraus die Anwendung des hypothetischen Fremdvergleichs. Allerdings sind aus Gründen der Rechtssicherheit sehr hohe Anforderungen an den Vorwurf der Unverwertbarkeit von Vergleichswerten zu stellen. So darf die Finanzverwaltung die Daten nur verwerfen, wenn die Unterschiede hinsichtlich der Vergleichbarkeit nicht im geringsten durch Anpassungsrechnungen beseitigt werden können oder wenn die Fremdvergleichsdaten absolut lückenhaft und unüberprüfbar sind.2

11.92

Zu den anderen Methoden, die von der OECD akzeptiert sind und auch von der deutschen Finanzverwaltung zugelassen werden, zählen die TNMM (Transactional Net Margin Method) und die Gewinnaufteilungsmethode.3 Die TNMM soll nach Auffassung der Finanzverwaltung nur auf Unternehmen mit Routinefunktionen oder auf abgrenzbare Routinefunktionen eines Entrepreneurs anwendbar sein.4 Auf Unternehmen, die mehr als Routinefunktionen ausüben, ohne Entrepreneur zu sein, soll die TNMM nicht anwendbar sein und stattdessen sollen Planrechnungen in Betracht kommen, die die fremdübliche Festsetzung der Verrechnungspreise geschäftsfallbezogen begründen.5

11.93

Bei konzerninternen Geschäften mit immateriellen Wirtschaftsgütern ist regelmäßig zumindest ein Transaktionspartner auch Eigentümer der wesentlichen immateriellen Wirtschaftsgütern und somit als Entrepreneur zu qualifizieren. Demzufolge kommt die TNMM nur in Frage, wenn zumindest ein Transaktionspartner hiermit in Zusammenhang stehende Routinefunktionen ausübt. Übt indes keiner der Transaktionspartner Routinefunktionen aus, kann diese Methode nicht angewendet werden.

11.94

1 Vgl. BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341 - 1/05, BStBl. I 2005, 570 Rz. 3.4.12.7.c. 2 Siehe hierzu auch BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341 - 1/05, BStBl. I 2005, 570 Rz. 3.4.12.7.b. 3 Vgl. BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341 - 1/05, BStBl. I 2005, 570 Rz. 3.4.10.7.c. 4 Vgl. BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341 - 1/05, BStBl. I 2005, 570 Rz. 3.4.10.3.b i.V.m. 3.4.10.2.a. 5 Vgl. BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341 - 1/05, BStBl. I 2005, 570 Rz. 3.4.10.3.b i.V.m. 3.4.10.2. c und 3.4.12.6.

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Kap. 11: Geistiges Eigentum und Verrechnungspreise

11.95

Die geschäftsfallbezogene Gewinnaufteilungsmethode soll insbesondere bei der Gewinnabgrenzung von grenzüberschreitenden Geschäftsbeziehungen zwischen mehreren Konzernunternehmen mit Entrepreneurfunktion angewendet werden, bei denen beide verbundenen Unternehmen einzigartige und wertvolle Beiträge leisten (z.B. durch die Nutzung werthaltiger immaterieller Wirtschaftsgüter), oder wenn sich die Beiträge der einzelnen Unternehmen nicht eindeutig voneinander trennen lassen.1 Gerade im Zusammenhang mit Geschäftsbeziehungen, bei denen jede Partei wertvolle, einzigartige Wertschöpfungsbeiträge beisteuert, stellt sich jedoch die Frage, inwieweit und im Hinblick worauf die gem. § 1 Abs. 3 Satz 2 i.V.m. Satz 1 AStG geforderte Datenvergleichbarkeit hergestellt werden kann und auch muss. Die Crux daran ist, dass die Einzigartigkeit der betrachteten Transaktion bzw. der Wertschöpfungsbeiträge regelmäßig dazu führen wird, dass lediglich nicht hinreichend vergleichbare oder keine Daten vorliegen. Allerdings soll aus genau eben diesen Gründen gem. § 1 Abs. 3 Satz 2 AStG die Gewinnaufteilungsmethode – anstelle der Standardmethoden gem. § 1 Abs. 3 Satz 1 AStG, bei denen Datenvergleichbarkeit vorliegt – zur Anwendung kommen.2

11.96

Diesen Zirkelschluss hat offensichtlich auch die Finanzverwaltung bereits vor Neufassung des § 1 Abs. 3 AStG erkannt und lässt zu diesem Zweck fremdübliche Gewinnaufteilungsmaßstäbe zu.3 Demzufolge wird bei der Gewinnaufteilungsmethode nicht auf beobachtete Preise, sondern vielmehr auf vergleichbare Referenzwerte, z.B. Kosten- oder Ertragsstrukturen, abgestellt.4 Bei der Ermittlung von Verrechnungspreisen im Rahmen der Gewinnaufteilungsmethode ist daher davon auszugehen, dass zumindest eingeschränkt vergleichbare Werte nach § 1 Abs. 3 Satz 2 AStG vorliegen, da sich die Preissetzung stets nach internen oder externen Referenzwerten richtet, die im Zweifelsfall einem Drittvergleich standhalten müssen.

11.97

Gerade bei der Gewinnaufteilungsmethode wird darüber hinaus deutlich, dass eine mögliche Datenvergleichbarkeit stark vom Zeitpunkt der Verrechnungspreissetzung bzw. -überprüfung abhängt. Laut OECD-Leitlinien soll die Gewinnaufteilungsmethode insbesondere bei konzerninternen Geschäften zur Anwendung kommen, bei denen wertvolle, immaterielle Wirtschaftsgüter involviert sind.5 Die OECD-Leitlinien definieren indes nicht eindeutig, ob der Zeitpunkt der Verrechnungspreissetzung (sog. Setting oder ex ante-Betrachtung) oder der Zeitpunkt der Verrechnungspreisüberprüfung (sog. Testing oder ex post-Betrachtung) entscheidend für die Auswahl der geeigneten Verrechnungspreismethode sein soll. Auch § 1 Abs. 3 Satz 1 AStG definiert nur, nach welcher Methode der Verrech1 Vgl. BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341 - 1/05, BStBl. I 2005, 570 Rz. 3.4.10.3.c i.V.m. BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83, BStBl. I 1983, 218 Rz. 2.4.6. 2 Vgl. OECD-Leitlinien 2010, Rz. 3.39. 3 Vgl. BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341 - 1/05, BStBl. I 2005, 570 Rz. 3.4.10.3.c. 4 Vgl. Frotscher, Internationales Steuerrecht, 265. 5 Vgl. OECD-Leitlinien 2010, Rz. 6.26.

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B. Grundlagen

nungspreis vorrangig „zu bestimmen“ ist. Ebenso ergibt sich aus § 1 Abs. 3 Satz 2 AStG lediglich, dass eingeschränkt vergleichbare Werte einer geeigneten Verrechnungspreismethode „zugrunde zu legen“ sind. Anhand der zu den gewinnorientierten Methoden nach OECD gemachten Ausführungen wird jedoch deutlich, dass die Gewinnaufteilungsmethode nur sinnvoll zum Zeitpunkt der Verrechnungspreissetzung (Setting) angewendet werden kann. So kann die Gewinnaufteilungsmethode nur dann korrekt umgesetzt werden, wenn anhand von Rentabilitätskennzahlen im Vorhinein bestimmt wird, wie der zukünftige Gewinn zwischen den beteiligten Transaktionspartnern verteilt werden kann und soll (zu Einzelheiten vgl. Rz. 11.71 ff.). Da Fremdvergleichswerte i.d.R. fehlen, können eingeschränkt vergleichbare Referenzwerte nach Vornahme sachgerechter Anpassungen im Zeitpunkt der Verrechnungspreissetzung zugrunde gelegt werden.1

11.98

Ebenso wie für Zwecke der gewinnorientierten Methoden nach OECD ist auch im Rahmen von § 1 Abs. 3 Satz 2 AStG die nachträgliche Verrechnungspreisüberprüfung (Testing) bei der Gewinnaufteilungsmethode als problematisch einzustufen. So können einerseits keine Vergleichswerte mithilfe von Benchmark-Studien ermittelt werden, da diese grundsätzlich nur zur Ermittlung von Renditekennziffern für Routineunternehmen vorgesehen sind. Als Folge hieraus ist kein Testing – zumindest nicht über die Gewinnaufteilungsmethode – möglich.2 Infolge des gesetzlich vorgegebenen Stufenverhältnisses zur Anwendung der möglichen Verrechnungspreismethoden gem. § 1 Abs. 3 AStG ist jedoch andererseits die zwingende Konsequenz, dass mangels (eingeschränkt) vergleichbarer Fremdvergleichswerte zwingend der hypothetische Fremdvergleich durchzuführen ist.

11.99

Im Einklang mit der OECD lehnt auch die deutsche Finanzverwaltung die Gewinnvergleichsmethode ab, da diese keinen geschäftsfallbezogenen Ansatz verfolge, Nettogewinne von Geschäftsbereichen bzw. Unternehmen heranziehe, die sich für eine Vergleichbarkeitsprüfung nicht eignen und folglich nicht zu fremdvergleichskonformen Ergebnissen führe.3 Hinsichtlich der Anerkennung der geschäftsfallbezogenen Standardmethoden (Preisvergleichsmethode, Wiederverkaufspreismethode und Kostenaufschlags-

11.100

1 Gleiches gilt im Grundsatz auch gem. OECD-Leitlinien 2010, Rz. 1.35, 2.2, 2.144 und 2.147. 2 Als echte Ausnahme hierzu ist die Logistikbranche anzuführen: Der Verrechnungspreis wird häufig sowohl konzernintern als auch mit fremden Dritten derart festgesetzt, dass die gesamte Bruttomarge der betrachteten Wertschöpfungsbeiträge zwischen den Transaktionspartnern geteilt wird, da beide Transaktionspartner wesentlich zur Wertschöpfung beitragen (Kundenkontakt, lokale Vernetzung mit Fremddienstleistern, lokale Expertisen in Bezug auf Zollbestimmungen, rechtliche Verhältnisse etc.). Bei ex ante-Betrachtung ist diese Art der Preissetzung daher der Gewinnaufteilungsmethode am ähnlichsten. Bei ex postBetrachtung kann in diesen Fällen die Verrechnungspreisüberprüfung über die Preisvergleichsmethode erfolgen. 3 Vgl. BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341 - 1/05, BStBl. I 2005, 570 Rz. 3.4.10.3.c.

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Kap. 11: Geistiges Eigentum und Verrechnungspreise

methode) und der geschäftsfallbezogenen Gewinnmethoden (TNMM und Gewinnaufteilungsmethode) sowie auch hinsichtlich der Rangfolge (Standardmethoden gehen Gewinnmethoden vor)1 folgt die deutsche Finanzverwaltung weitestgehend den OECD-Leitlinien. c) Hypothetischer Fremdvergleich

11.101

Im Rahmen des Stufenverhältnisses des § 1 AStG kommt in einem dritten Schritt der sog. hypothetische Fremdvergleich zur Anwendung: Können keine eingeschränkt vergleichbaren Fremdvergleichswerte festgestellt werden, hat der Steuerpflichtige für seine Einkünfteermittlung einen hypothetischen Fremdvergleich durchzuführen (§ 1 Abs. 3 Satz 5 AStG). Indes wird aus dem Wortlaut des § 1 Abs. 3 Satz 5 AStG nicht ersichtlich, wie dieser hypothetische Fremdvergleich ausgestaltet werden soll. Lediglich der Verweis auf § 1 Abs. 1 Satz 2 AStG bestimmt, dass die Transaktionspartner sich wie voneinander unabhängige Dritte, die alle wesentlichen Umstände der Geschäftsbeziehung kennen und die nach den Grundsätzen ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter handeln, verhalten sollen.

11.102

Demnach wird an dieser Stelle (ungeachtet der nachfolgenden Sätze 6 ff.) keine Kalkulationsmethodik vorgegeben. Insofern könnte die Schlussfolgerung gezogen werden, dass alle Kalkulationsmethoden, die ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter anwenden würde, denkbar wären. Vorstellbar wäre beispielsweise eine kostenbasierte Kalkulation, bei der der (hypothetische) Fremdvergleichswert anhand der historischen Kosten des Wirtschaftsguts kalkuliert würde. Allerdings erscheint diese Kalkulationsmethodik unter Einbeziehung des § 1 Abs. 3 Satz 6 AStG nicht anwendbar, da an dieser Stelle explizit auf die Gewinnerwartungen des Leistenden bzw. Leistungsempfängers verwiesen wird.

11.103

So hat der Steuerpflichtige für die Durchführung des hypothetischen Fremdvergleichs gem. § 1 Abs. 3 Satz 6–8 AStG „…auf Grund einer Funktionsanalyse und innerbetrieblicher Planrechnungen den Mindestpreis des Leistenden und den Höchstpreis des Leistungsempfängers zu ermitteln (Einigungsbereich); der Einigungsbereich wird von den jeweiligen Gewinnerwartungen (Gewinnpotenzialen) bestimmt. Es ist der Preis im Einigungsbereich der Einkünfteermittlung zugrunde zu legen, der dem Fremdvergleichsgrundsatz mit der höchsten Wahrscheinlichkeit entspricht; wird kein anderer Wert glaubhaft gemacht, ist der Mittelwert des Einigungsbereichs zugrunde zu legen. Ist der vom Steuerpflichtigen zugrunde gelegte Einigungsbereich unzutreffend und muss deshalb von einem anderen Einigungsbereich ausgegangen werden, kann auf eine Ein1 Innerhalb der Standardmethoden gibt die OECD – im Gegensatz zur deutschen Finanzverwaltung – der Preisvergleichsmethode den Vorzug. Hierbei handelt es sich jedoch eher um eine akademische Diskussion, die praktisch bei fehlenden Vergleichsdaten, wie dies bei konzerninternen Geschäften mit immateriellen Wirtschaftgütern regelmäßig der Fall ist, vernachlässigt werden kann.

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C. Verwertung von immateriellen Wirtschaftsgütern

künfteberichtigung verzichtet werden, wenn der vom Steuerpflichtigen zugrunde gelegte Wert innerhalb des anderen Einigungsbereichs liegt.“ Der hypothetische Fremdvergleich soll prüfen, wie ein unabhängiger Dritter in einer vergleichbaren Situation gehandelt hätte.1 Das Prinzip des hypothetischen Fremdvergleichs sieht vor, dass ein Einigungsbereich ermittelt wird, der sich aus den mit den immateriellen Wirtschaftsgütern verbundenen Gewinnpotenzialen sowohl beim Erbringer als auch beim Empfänger des entsprechenden Geschäfts ergibt. Diese doppelte ertragsorientierte Betrachtung hat unter Berücksichtigung des § 1 Abs. 1 Satz 2 AStG zu erfolgen, der besagt, dass bei der Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes davon auszugehen ist, dass der ordentliche und gewissenhafte Geschäftsleiter alle wesentlichen Umstände der Geschäftsbeziehung kennt. Diese Annahme hat mit den Umständen zwischen fremden Dritten allerdings wenig zu tun, da jeder Geschäftsführer i.d.R. ausschließlich seine Situation kennt und aus dieser heraus einen Preis verhandelt.2

11.104

Dem hypothetischen Fremdvergleich kann insbesondere bei der Bewertung von immateriellen Wirtschaftsgütern eine entscheidende Rolle zukommen, da es in der Praxis häufig nicht möglich sein wird, vergleichbare Werte hierfür zu ermitteln und somit § 1 Abs. 3 Satz 1 und 2 AStG nicht anwendbar sind. Eine besondere Ausprägung des hypothetischen Fremdvergleichs stellt die sog. Transferpaketbewertung dar, die im Zusammenhang mit Funktionsverlagerungen gem. § 1 Abs. 3 Satz 9 AStG zum Tragen kommt (vgl. Rz. 11.307 ff.).

11.105

C. Verwertung von immateriellen Wirtschaftsgütern I. Überblick Immaterielle Wirtschaftsgüter können unter verschieden Bedingungen als alleiniger oder gemeinschaftlicher Eigentümer genutzt werden. Zur Bestimmung des wirtschaftlichen Eigentümers ist zunächst die Abgrenzung zwischen der zeitlich befristeten Überlassung und der dauerhaften Übertragung wichtig. Wie nachfolgend aufgezeigt wird, kann beim alleinigen (wirtschaftlichen) Eigentümer die Nutzungsüberlassung entweder im Wege der Lizenzierung oder mittels Einbettung in die Produktpreise erfolgen. Als klassische Formen der gemeinschaftlichen Nutzung mit mehreren anteiligen (wirtschaftlichen) Eigentümern ist die Kostenumlage zu erwähnen.

1 Vgl. Frotscher, Internationales Steuerrecht3, Rz. 573. 2 Vgl. zur Kritik Wassermeyer/Baumhoff/Greinert in F/W/B, Vorabkommentierung zu § 1 Abs. 3 AStG Rz. V8.

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11.106

Kap. 11: Geistiges Eigentum und Verrechnungspreise

II. Alleinige Nutzung 1. Ausgangspunkt

11.107

Die alleinige Nutzung von immateriellen Wirtschaftsgütern ist in Kombination mit den hierfür erforderlichen F&E-Aktivitäten in verschiedenen Konstellationen denkbar: Entweder verwertet dasjenige Konzernunternehmen, das die F&E-Aktivitäten ausübt, die hieraus resultierenden F&E-Ergebnisse (im Form eines oder mehrerer immaterieller Wirtschaftsgüter) selbst. In diesem Fall ergibt sich per se keine Verrechnungspreisthematik. Alternativ kann das F&E-Unternehmen das entwickelte immaterielle Wirtschaftsgut an ein oder mehrere Konzernunternehmen gegen ein fremdübliches Entgelt zur Verwertung überlassen. Dies ist entweder möglich in Form der zeitlich befristeten Nutzungsüberlassung, die als Lizenzierung bezeichnet wird. Hierbei bleibt das F&E-Unternehmen wirtschaftlicher Eigentümer. Soll dagegen das Verwertungsunternehmen wirtschaftlicher Eigentümer des immateriellen Wirtschaftsguts werden, muss dies im Wege des Verkaufs (Eigentumsübertragung) erfolgen. Darüber hinaus ist eine gängige Gestaltungsvariante, immaterielle Wirtschaftsgüter über den Produktpreis zu vergüten. Auch hierbei bleibt das F&E-Unternehmen wirtschaftlicher Eigentümer und behält im Gegensatz zur Lizenz die vollen Verwertungsrechte an dem immateriellen Wirtschaftsgut. 2. Zurechnung des Eigentums bei immateriellen Wirtschaftsgütern a) Abgrenzung des rechtlichen und wirtschaftlichen Eigentums

11.108

Ist ein Unternehmen durch Erwerb oder eigene Entwicklung in den Besitz eines immateriellen Wirtschaftsguts gelangt, so kann es dieses für eigene Zwecke nutzen, an andere Unternehmen veräußern oder zur Nutzung überlassen. Da sich im Rahmen der (grenzüberschreitenden) Übertragung und Nutzungsüberlassung unterschiedliche steuerliche Folgen ergeben (vgl. Rz. 11.118 ff. und 11.156 ff.), muss zunächst im Rahmen der konzerninternen Verwertung immaterieller Wirtschaftsgüter eine klare Abgrenzung zwischen der Übertragung und der Nutzungsüberlassung getroffen werden. Dabei ist zu beachten, dass nur derjenige zur Übertragung oder Überlassung berechtigt sein kann, dem das entsprechende Wirtschaftsgut für steuerliche Zwecke zuzurechnen ist. Die Entstehung von Eigentum an immateriellen Wirtschaftsgütern gestaltet sich bei international verbundenen Unternehmen oftmals komplex.1

11.109

Im deutschen Steuerrecht wird zwischen dem (zivil-)rechtlichen und dem wirtschaftlichen Eigentümer unterschieden. Diese Unterscheidung ist erforderlich, um denjenigen zu bestimmen, der die aus der Herrschaft über ein Wirtschaftsgut resultierenden Steueransprüche zu erfüllen hat.2 Gene1 Vgl. Vögele/Sedlmayr in Vögele/Borstell/Engler, Verrechnungspreise3, Ergebnisorientierte Methoden, Rz. 172. 2 Vgl. Fischer in HHSp., § 39 AO Rz. 2.

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C. Verwertung von immateriellen Wirtschaftsgütern

rell sind Wirtschaftsgüter nach § 39 Abs. 1 Satz. 1 AO dem zivilrechtlichen Eigentümer zuzuordnen, wenn dieser auch über das immaterielle Wirtschaftsgut verfügen kann. Gem. § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO kommt es jedoch zu einer anderweitigen Zurechnung des immateriellen Wirtschaftsguts, wenn ein anderer als der zivilrechtliche Eigentümer die tatsächliche Herrschaft über das Wirtschaftsgut in der Weise ausübt, dass er den Eigentümer innerhalb der gewöhnlichen Nutzungsdauer von der Einwirkung auf das Wirtschaftsgut ausschließen kann. In diesem Fall wird das immaterielle Wirtschaftsgut dem sog. wirtschaftlichen Eigentümer zugerechnet. Dies entspricht grundsätzlich der Unterscheidung zwischen rechtlichem und wirtschaftlichem Eigentum.1 Sind mehrere (verbundene) Unternehmen als wirtschaftliche Eigentümer zu qualifizieren, kommt es zu einer anteiligen Zurechnung des Wirtschaftsguts (§ 39 Abs. 2 Nr. 2 AO). Der rechtliche Eigentümer hat zwar die Verfügungsgewalt über das immaterielle Wirtschaftsgut, jedoch würde ein fremder Dritter für seine Beiträge zum Wert des Wirtschaftsguts einen wirtschaftlichen Anteil am geistigen Eigentum verlangen.2 Dies kann beispielsweise der Fall sein, wenn Marketingaktivitäten von einem Anderen als dem rechtlichen Eigentümer des Warenzeichens oder Produktnamens ausgeführt werden und die entsprechenden Aufwendungen dort getragen werden bzw. wurden.3 Dabei stellt sich die Frage, ob das mit Unterstützung anderer Unternehmen entstandene immaterielle Wirtschaftsgut durch den rechtlichen Eigentümer erstellt oder erworben wurde. Das wirtschaftliche Eigentum am immateriellen Wirtschaftsgut sollte in solchen Fällen üblicherweise danach bestimmt werden, welches Unternehmen den wesentlichen Anteil der relevanten Ausgaben und damit auch das Risiko der Fehlentwicklung getragen hat.4

11.110

Wird der Wert eines immateriellen Wirtschaftsguts auch von anderen Parteien als dem wirtschaftlichem Eigentümer beeinflusst, beispielsweise durch die Übernahme von Marketingaufwendungen in einer Routinevertriebsgesellschaft, ist bei der Bestimmung eines angemessenen Entgelts für die Übertragung oder Lizenzierung des entsprechenden immateriellen Wirtschaftsguts zu berücksichtigen, inwieweit ein Lizenznehmer oder Käufer durch eigene Beiträge zum Wert des immateriellen Wirtschaftsguts beigetragen hat.5 Sind die Eigenbeiträge erheblich, dürfte nur eine vergleichsweise geringere Lizenz- oder Ausgleichszahlung dem Fremdvergleich entsprechen.6

11.111

1 Vgl. Wehnert, IStR 2007, 558 (559). 2 Vgl. Vögele/Sedlmayr in Vögele/Borstell/Engler, Verrechnungspreise3, Ergebnisorientierte Methoden, Rz. 172. 3 Vgl. OECD-Leitlinien 2010, Rz. 6.36 ff.; Baumhoff, IStR 1999, 533. 4 Vgl. Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung7, 810. 5 Vgl. BFH v. 9.8.2000 – I R 12/99, BStBl. II 2001, 140. 6 Vgl. Sieker in Debatin/Wassermeyer, Art. 9 MA Rz. 302.

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Kap. 11: Geistiges Eigentum und Verrechnungspreise

11.112

Zur Vermeidung von Abkommensmissbräuchen hat sich auf internationaler Ebene der Begriff des „Beneficial Ownership“ (Nutzungsberechtigter) entwickelt.1 Durch das Konzept des Nutzungsberechtigten soll verhindert werden, dass die Zwischenschaltung eines formal berechtigten Empfängers von Dividenden, Zinsen oder Lizenzgebühren die Begrenzung von Steuern im Quellenstaat zur Folge hat. Abzustellen ist in solchen Fällen auf die Ansässigkeit des Nutzungsberechtigten, d.h. auf denjenigen, dem die Zahlung wirtschaftlich zusteht.2 Der Begriff des Nutzungsberechtigten ist vergleichbar mit dem deutschen Begriff des wirtschaftlichen Eigentümers bei Sicherungs- und Treuhandverhältnissen, bei denen der Treugeber nicht die formelle Rechtsstellung eines Eigentümers hat, aber die tatsächliche Sachherrschaft über das Wirtschaftsgut ausübt und zur Nutzung berechtigt ist.3 Somit wird auch auf internationaler Ebene auf eine wirtschaftliche Betrachtungsweise bei der Zuordnung von immateriellen Wirtschaftsgütern abgestellt (substance over form).4 b) Abgrenzung zwischen Übertragung und Nutzungsüberlassung

11.113

Sind zunächst im ersten Schritt die Eigentumsverhältnisse an dem zu übertragenden oder zur Nutzung zu überlassenden immateriellen Wirtschaftsgut geklärt, kann in einen zweiten Schritt die Abgrenzung der Übertragung von der Nutzungsüberlassung vorgenommen werden. Zur Beurteilung der Frage, ob eine Übertragung oder Nutzungsüberlassung vorliegt, sollte zunächst die zivilrechtliche Ausgestaltung des Vertrags zwischen den beteiligten Parteien untersucht werden. Haben die Parteien unzweifelhaft einen Kaufvertrag geschlossen, geht sowohl das zivilrechtliche als auch das wirtschaftliche Eigentum auf den Käufer über. Folglich stehen dem Käufer die aus der Verwertung des immateriellen Wirtschaftsguts resultierenden zukünftigen Einkünfte zu. Der Verkäufer wird eine fremdvergleichskonforme Vergütung für den Verzicht auf die Verwertung einfordern. Die Vereinbarung von Ratenzahlungen steht der Veräußerung nicht entgegen.5

11.114

Im Gegensatz dazu verbleibt das rechtliche Eigentum an dem immateriellen Wirtschaftsgut bei einer Nutzungsüberlassung beim Lizenzgeber. Das wirtschaftliche Eigentum richtet sich nach der Ausübung der tatsächlichen Herrschaft über das Wirtschaftsgut, wird aber regelmäßig auch beim Lizenzgeber verbleiben.6 Im Rahmen der Nutzungsüberlassung verzichtet der Lizenzgeber nicht vollends auf seine Rechtsstellung,7 sondern Vgl. Vogel in Vogel/Lehner5, Vor Art. 10–12, Rz. 12. Vgl. Wassermeyer in Debatin/Wassermeyer, Art. 10 MA Rz. 62. Vgl. Vogel in Vogel/Lehner5, Vor Art. 10–12, Rz. 14. Vgl. Fischer in HHSp., § 39 AO Rz. 182. Vgl. Engler in Vögele/Borstell/Engler, Verrechnungspreise3, Immaterielle Wirtschaftsgüter, Rz. 90, Beispiel 2. 6 Vgl. Engler in Vögele/Borstell/Engler, Verrechnungspreise3, Immaterielle Wirtschaftsgüter, Rz. 90. 7 Vgl. OECD-MK, Art. 12 Rz. 8.2,

1 2 3 4 5

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C. Verwertung von immateriellen Wirtschaftsgütern

nur auf das Recht zur Nutzung.1 Die Vereinbarung einer Einmalzahlung steht einer Nutzungsüberlassung nicht entgegen.2 Der Unterschied zwischen der Übertragung und der Nutzungsüberlassung liegt folglich im Grad der Veränderung der Zuordnung des Wirtschaftsguts.3 Schwierigkeiten bei der Abgrenzung zwischen der Übertragung und einer Nutzungsüberlassung treten jedoch auf, wenn die der Transaktion zu Grunde liegenden Bedingungen nicht eindeutig gefasst sind. Im Rahmen der Nutzungsüberlassung handelt es sich häufig um wiederkehrende Zahlungen, die auf Basis einer Bezugsgröße (z.B. Stückzahl, Umsatz) vereinbart werden.4 Die Nutzungsüberlassung begründet damit ein Dauerschuldverhältnis des Nutzungsberechtigten. Ein Indiz für die Übertragung kann dagegen die Gewährung eines Weiterveräußerungsrechts sein.5 Grundsätzlich ist im Fall von Nutzungsüberlassungen eine Weiterveräußerbarkeit ausgeschlossen.6

11.115

Das Recht auf Benutzung des immateriellen Wirtschaftsguts kann im Rahmen der Nutzungsüberlassung in verschiedener Hinsicht begrenzt werden. So ist von einer Nutzungsüberlassung auszugehen, wenn zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses der endgültige Verbleib des immateriellen Wirtschaftsguts beim Berechtigten ungewiss ist.7 Unter dem Gesichtspunkt der zeitlich begrenzten Überlassung ergibt sich jedoch die Schwierigkeit, dass der Nutzungsberechtigte das überlassene Know-how nicht wie ein physisches Gut zurückgeben kann. Zudem kann ursprünglich einzigartiges Know-how im Laufe der Zeit und des technologischen Fortschritts auch zum Allgemeingut werden, so dass sich bereits hieraus eine zeitliche Begrenzung ergibt, die einer unendlichen Vergütungspflicht entgegensteht. Indes spricht auf jeden Fall für eine Nutzungsüberlassung, wenn neben dem Berechtigen auch der Überlassende während der gesamten Nutzungsdauer über das Know-how verfügen und es zur anderweitigen Überlassung nutzen darf.8

11.116

Es kann auch Fälle geben, in denen das immaterielle Wirtschaftsgut (z.B. Technologie) gemeinsam mit anderen Vermögenswerten übergeht und im Verrechnungspreis bereits enthalten ist. In solchen Fällen besteht keine Möglichkeit, eine zusätzliche Überlassungsgebühr zu entrichten, da für

11.117

1 Vgl. Engler in Vögele/Borstell/Engler, Verrechnungspreise3, Immaterielle Wirtschaftsgüter, Rz. 90. 2 Vgl. Engler in Vögele/Borstell/Engler, Verrechnungspreise3, Immaterielle Wirtschaftsgüter, Rz. 90, Beispiel 1. 3 Vgl. Pöllath/Lohbeck in Vogel/Lehner5, Art. 12, Rz. 50. 4 Vgl. OECD-Leitlinien 2010, Rz. 6.16. 5 Vgl. Wassermeyer in Debatin/Wassermeyer, Art. 12 MA Rz. 11. 6 Vgl. Engler in Vögele/Borstell/Engler, Verrechnungspreise3, Immaterielle Wirtschaftsgüter, Rz. 91. 7 Vgl. BFH v. 23.4.2003 – IX R 57/09, BFH/NV 2003, 1311. 8 Vgl. Wassermeyer in Debatin/Wassermeyer, Art. 12 MA Rz. 87.

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Kap. 11: Geistiges Eigentum und Verrechnungspreise

die Überlassung der Technologie kein doppelter Abzug erfolgen darf.1 Bei der Würdigung, ob es sich im vorliegenden Fall um einen Überlassungsoder einen Veräußerungsvorgang handelt, sind folglich stets sämtliche Umstände des Einzelfalls zu würdigen. 3. Eigentumsübertragung a) Bewertungszwecke

11.118

Im Rahmen der Übertragung des rechtlichen und wirtschaftlichen Eigentums von immateriellen Wirtschaftsgütern ist es regelmäßig erforderlich, eine Wertermittlung für diese Wirtschaftsgüter vorzunehmen. Dies gilt sowohl für die Ermittlung von Verrechnungspreisen für Transaktionen zwischen verbundenen Unternehmen als auch für Preisverhandlungen zwischen unverbundenen Unternehmen.2 Doch nicht nur für die Preisfindung an sich sind Bewertungen nötig. Wesentliche Bedeutung kommt der Bewertung von immateriellen Wirtschaftsgütern auch in Bezug auf ihre bilanzielle Aktivierung und Abschreibung über die verbleibende Restnutzungsdauer zu.3 Dieser Aspekt ist insbesondere hinsichtlich der Übertragung von immateriellen Wirtschaftsgütern im Rahmen von Funktionsverlagerungen und einer damit einhergehenden Gesamtbewertung des Transferpakets relevant (vgl. Rz. 11.307 ff.). b) Verrechnungspreismethoden aa) Standardmethoden

11.119

Wie bereits aufgezeigt, sollen Verrechnungspreise bevorzugt nach den Standardmethoden, d.h. nach der Preisvergleichsmethode, der Wiederverkaufspreismethode oder der Kostenaufschlagsmethode ermittelt werden (vgl. Rz. 11.60 ff.). Die Preisvergleichsmethode scheidet bei der Verrechnungspreisermittlung für die Eigentumsübertragung an immateriellen Wirtschaftsgütern deshalb aus, weil immaterielle Wirtschaftsgüter im Regelfall nur konzernintern verwertet werden (kein äußerer Preisvergleich) und das Eigentum an dem Wirtschaftsgut nur einmal übertragen werden kann (kein innerer Preisvergleich).4

11.120

Die Wiederverkaufspreismethode kann dann angewendet werden, wenn ein Produkt gekauft und anschließend weiterveräußert wird. Da diese Situation aber bei immateriellen Wirtschaftsgütern ausschließlich im Rah1 Vgl. OECD-Leitlinien 2010, Rz. 6.17, BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83, BStBl. I 1983, 218 Rz. 5.1.2. 2 Vor dem Kauf bzw. Verkauf von immateriellen Wirtschaftsgütern wird ein fremder Dritter eine subjektive Bewertung des Wirtschaftsguts vornehmen, die anschließend Ausgangsbasis seiner Preisverhandlungen sein wird. 3 Vgl. Engler in Vögele/Borstell/Engler, Verrechnungspreise3, Immaterielle Wirtschaftsgüter, Rz. 288. 4 Vgl. Engler in Vögele/Borstell/Engler, Verrechnungspreise3, Immaterielle Wirtschaftsgüter, Rz. 294 f.

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C. Verwertung von immateriellen Wirtschaftsgütern

men von Nutzungsüberlassungen, nicht aber bei Eigentumsübertragungen zu erwarten ist, beschränkt sich auch die Anwendung der Wiederverkaufspreismethode auf Lizenzierungen (zur Anwendung der Wiederverkaufspreismethode vgl. Rz. 11.60 ff.; zur Anwendung im Rahmen der Lizenzierung vgl. Rz. 11.156 ff.). Die Kostenaufschlagsmethode kommt als Verrechnungspreismethode für konzerninterne Transaktionen mit immateriellen Wirtschaftsgütern grundsätzlich nicht zur Anwendung (zur einzigen Ausnahme vgl. Rz. 11.60 ff.). Dies ergibt sich daraus, dass die entstandenen Kosten nicht den zu erwartenden Nutzen des immateriellen Wirtschaftsguts am Markt widerspiegeln.1

11.121

bb) Gewinnorientierte Methoden Als gewinnorientierte Methoden werden für die Verrechnungspreisermittlung die TNMM (Transactional Net Margin Method) und die Gewinnaufteilungsmethode anerkannt.2 Diese Methoden sind als geeignete Verrechnungspreismethode i.S. des § 1 Abs. 3 Satz 2 AStG einzuordnen. Voraussetzung für ihre Anwendung ist, dass zumindest eingeschränkte Vergleichswerte vorliegen. Hierbei wird nicht auf beobachtete Preise, sondern vielmehr auf vergleichbare Kosten- und Ertragsstrukturen aus Geschäften abgestellt.3

11.122

Die TNMM vergleicht die Gewinnmargen aus konzerninternen Transaktionen mit denen aus Transaktionen zwischen unverbundenen Unternehmen.4 Auch hierbei ergibt sich das Problem, dass Vergleichsdaten in Form von Gewinnmargen erforderlich sind. Da Gewinnmargen aus der Veräußerung von immateriellen Wirtschaftsgütern jedoch regelmäßig nicht feststellbar sind, gestaltet sich die Anwendung dieser Methode in der Praxis schwierig.5 Vor allem ist die Methode aber auch deswegen nicht anwendbar, weil sie nur auf Unternehmen mit Routinefunktionen Anwendung finden darf.6 Routineunternehmen zeichnen sich dadurch aus, dass sie ausschließlich in geringem Umfang Wirtschaftsgüter einsetzen und Risiken tragen.7 Der Besitz eines immateriellen Wirtschaftsguts widerspricht somit der Klassifizierung eines Unternehmens als Routineunternehmen.

11.123

Die Gewinnaufteilungsmethode ist dann anwendbar, wenn sich die Standardmethoden nicht verlässlich anwenden lassen und die Abgrenzung

11.124

1 2 3 4

Vgl. OECD-Leitlinien 2010, Rz. 6.27. Vgl. BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341 - 1/05, BStBl. I 2005, 570 Rz. 3.4.10.3. Vgl. Frotscher, Internationales Steuerrecht3, 265. Vgl. Vögele/Fügemann in Vögele/Borstell/Engler, Verrechnungspreise3, Dokumentation der Verrechnungspreise, Rz. 155. 5 Vgl. Engler in Vögele/Borstell/Engler, Verrechnungspreise3, Immaterielle Wirtschaftsgüter, Rz. 301. 6 Vgl. BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341 - 1/05, BStBl. I 2005, 570 Rz. 3.4.10.3.b. 7 Vgl. BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341 - 1/05, BStBl. I 2005, 570 Rz. 3.4.10.3.a.

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Kap. 11: Geistiges Eigentum und Verrechnungspreise

von Einzelbeiträgen einer Transaktion nicht möglich ist.1 In diesem Fall kann der Gesamtgewinn aus der Eigentumsübertragung zwischen den beiden Vertragsparteien aufgeteilt werden. Laut OECD- Leitlinien soll die Gewinnaufteilungsmethode insbesondere bei konzerninternen Geschäften zur Anwendung kommen, bei denen wertvolle, immaterielle Wirtschaftsgüter involviert sind.2 cc) Hypothetischer Fremdvergleich

11.125

Der hypothetische Fremdvergleich ist dann anzuwenden, wenn weder uneingeschränkt noch eingeschränkt vergleichbare Werte i.S. des § 1 Abs. 3 AStG ermittelt werden können. In diesem Fall ist gem. § 1 Abs. 3 Satz 6 ff. AStG eine doppelte Betrachtungsweise zur Verrechnungspreisermittlung durchzuführen. Demnach ist eine Bewertung des Wirtschaftsguts sowohl aus Sicht des Veräußerers als auch aus Sicht des Erwerbers erforderlich. Ausgehend von einer regelmäßigen Einzigartigkeit immaterieller Wirtschaftsgüter kann dem hypothetischen Fremdvergleich in der Praxis eine wesentliche Bedeutung zukommen. Dies gilt insbesondere für die Bewertung von immateriellen Wirtschaftsgütern im Rahmen von konzerninternen Funktionsverlagerungen, für die der Transferpaketansatz maßgeblich ist (vgl. Rz. 11.307 ff.). c) Bewertung nach IDW S 5 aa) Grundlagen

11.126

Da sowohl die Gewinnaufteilungsmethode, die als geeignete Verrechnungspreismethode i.S. des § 1 Abs. 3 Satz 2 AStG angewendet werden kann, als auch der hypothetische Fremdvergleich auf den Gewinn aus immateriellen Wirtschaftsgütern abstellen, wird hierbei eine Bewertung der Ertragskraft des jeweiligen Wirtschaftsguts erforderlich. Die Bewertung immaterieller Wirtschaftsgüter anlässlich des Erwerbs oder der Veräußerung solcher bzw. von Unternehmen, deren Werthaltigkeit im Wesentlichen aus immateriellen Wirtschaftsgütern besteht, wird für handelsrechtliche Aspekte im IDW S 53 geregelt. Hierbei werden als Bewertungsobjekte insbesondere marketingbezogene, kundenorientierte, auf sonstigen vorteilhaften Verträgen oder Rechten basierende, technologiebasierte sowie kunstbezogene immaterielle Wirtschaftsgüter genannt.4

11.127

Dass die handelsrechtliche Bewertung von immateriellen Wirtschaftsgütern nach IDW S 5 auch für steuerliche Zwecke geeignet ist, ergibt sich zum einen daraus, dass die Finanzverwaltung bislang keine eigenständigen Grundsätze zur Bewertung immaterieller Wirtschaftsgüter aufgestellt 1 Vgl. BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341 - 1/05, BStBl. I 2005, 570 Rz. 3.4.10.3.c. 2 Vgl. OECD-Leitlinien 2010, Rz. 6.26. 3 IDW Standard: Grundsätze zur Bewertung immaterieller Vermögenswerte (Stand: 25.5.2010). 4 Vgl. IDW S 5, Rz. 13.

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C. Verwertung von immateriellen Wirtschaftsgütern

hat,1 und zum anderen dadurch, dass bei der Bewertung für Funktionsverlagerungen, deren wesentlicher Kern oftmals aus immateriellen Wirtschaftsgütern oder Vorteilen besteht, auf den IDW S 5 verwiesen wird.2 Im Folgenden wird auf die im IDW S 5 beschriebenen Bewertungsgrundsätze im Allgemeinen eingegangen. Wie bereits dargestellt (vgl. Rz. 11.202 ff.), nennt das IDW noch Besonderheiten im Hinblick auf die Bewertung von Marken sowie von kundenorientierten immateriellen Wirtschaftsgütern, auf die daher an dieser Stelle nicht weiter im Detail eingegangen wird.3 Der im Rahmen der Bewertung von immateriellen Wirtschaftsgütern zu ermittelnde Wert bestimmt sich aus betriebswirtschaftlicher Sicht nach dem zu erwartenden finanziellen Nutzen, den das erwerbende Unternehmen aus ihm ziehen kann.4 Die Bewertung der Wirtschaftsgüter wird in drei Verfahren unterteilt, die wiederum verschiedene Methoden zur Bewertung vorsehen, die je nach Gegebenheiten des Einzelfalls eine Bewertung der Wirtschaftsgüter ermöglichen. Im Folgenden werden die drei verschiedenen Verfahren und deren praktische Relevanz im Rahmen der Verrechnungspreisermittlung erörtert. Verfahren

Marktpreisorientiertes Verfahren

Kapitalwertorientiertes Verfahren

Kostenorientiertes Verfahren

Marktpreise auf aktivem Markt

Methode der unmittelbaren Cash Flow-Prognose

Reproduktionskostenmethode

Analogiemethoden

Methode der Lizenzpreisanalogie

Wiederbeschaffungskostenmethode

Mehtoden Residualwertmethode

Mehrgewinnmethode

1 Vgl. Kohl/Schilling, StuB 2007, 541. 2 Vgl. BMF v. 13.10.2010 – IV B 5-S1341/08/10003, BStBl. I 2010, 774 Rz. 62 ff., 87 ff. und 95. 3 Vgl. zu den Besonderheiten bei der Bewertung von Marken IDW S 5, Rz. 55–80; sowie zu den Besonderheiten bei der Bewertung von kundenorientierten immateriellen Wirtschaftsgütern Rz. 81–108. 4 Vgl. IDW S 5, Rz. 14.

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11.128

Kap. 11: Geistiges Eigentum und Verrechnungspreise

bb) Marktpreisorientiertes Bewertungsverfahren

11.129

Eine Anwendung des marktpreisorientierten Verfahrens setzt voraus, dass Marktpreise von hinreichend vergleichbaren Wirtschaftsgütern beobachtet werden können, die auf einem aktiven Markt gehandelt werden. Da sich allerdings immaterielle Wirtschaftsgüter, z.B. Markennamen, Patente oder Kundenbeziehungen, regelmäßig durch deren Einzigartigkeit auszeichnen, ist ein aktiver Markt i.d.R. nicht gegeben.1 Dementsprechend sind auch keine vergleichbaren Marktpreise zu beobachten.

11.130

Als Alternative nennt das IDW an dieser Stelle die Möglichkeit, vergleichbare Transaktionen heranzuziehen, um mittels eines Analogieschlusses einen Vergleich zwischen dem beobachteten Preis und dem gesuchten Wert für das zu bewertende immaterielle Wirtschaftsgut durchzuführen (Analogiemethode).2 Die Analogiemethode kann dann Anwendung finden, wenn direkte Marktpreise nicht, dennoch aber Marktdaten als Indikatoren für eine indirekte Preisermittlung ermittelt werden können. Hierbei wird oftmals die Multiplikatormethode angewendet.3 Die Nutzung von Transaktionsdaten in Form von Lizenzraten findet ebenfalls im Rahmen der Methode der Lizenzpreisanalogie zur Ermittlung von Zahlungsflüssen Anwendung (vgl. Rz. 11.134 ff.).

11.131

Das marktpreisorientierte Verfahren ist der Anwendung der Preisvergleichsmethode gleichzustellen. Sind Marktpreise vergleichbarer Wirtschaftsgüter zu beobachten, so läge ein Preisvergleich erster Stufe nach § 1 Abs. 3 Satz 1 AStG vor. Würden Marktpreise mithilfe der Analogiemethode ermittelt werden, so wäre von einem Preisvergleich zweiter Stufe nach § 1 Abs. 3 Satz 2 AStG, also anhand eingeschränkt vergleichbarer Werte, auszugehen. Die Rolle der Bewertung von immateriellen Wirtschaftsgütern anhand des marktpreisorientierten Verfahrens rückt im Rahmen der Verrechnungspreisermittlung schon deshalb in den Hintergrund, da beim Vorliegen von Marktpreisen nach § 1 Abs. 3 AStG bevorzugt die Preisvergleichsmethode als Standardmethode anzuwenden ist und eine Bewertung nach IDW S 5 hinfällig wird.4

1 Vgl. Castedello/Klingbeil/Schröder, Wpg 2006, 1028 (1030). 2 Vgl. IDW S 5, Rz. 21. 3 Vgl. Jäger/Himmel, BFuP 2003, 417 (428). Eine detaillierte Beschreibung des marktorientierten Verfahrens findet sich bei Reilly/Schweihs, Valuing intangible assets, 102 ff. 4 Vgl. Engler in Vögele/Borstell/Engler, Verrechnungspreise3, Immaterielle Wirtschaftsgüter, Rz. 312. Das marktpreisorientierte Verfahren hebt sich von der Preisvergleichsmethode insofern ab, als das IDW das Vorliegen eines aktiven Markts fordert. Für eine Anwendung der Preisvergleichsmethode ist es bereits genügend, wenn einzelne Vergleichspreise vorliegen. Die Preisvergleichsmethode kann demnach immer dann angewendet werden, wenn auch das marktpreisorientierte Verfahren des IDW angewendet wird. Umgekehrt gilt dies nicht.

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C. Verwertung von immateriellen Wirtschaftsgütern

cc) Kostenorientiertes Bewertungsverfahren Im Rahmen des kostenorientierten Verfahrens nennt das IDW die Reproduktionskostenmethode sowie die Wiederbeschaffungskostenmethode.1 Während bei der Reproduktionskostenmethode auf die Kosten abgestellt wird, die bei der Herstellung eines exakten Duplikats des zu bewertenden immateriellen Wirtschaftsguts anfallen, zieht die Wiederbeschaffungskostenmethode zur Bewertung die Kosten heran, die bei der Herstellung oder der Beschaffung eines nutzenäquivalenten Wirtschaftsguts entstehen würden. Das kostenorientierte Verfahren entspricht der Anwendung der Kostenaufschlagsmethode.2 Allerdings berücksichtigt das IDW keinen Kostenaufschlag (mark-up), wie es im Rahmen der Ermittlung von Verrechnungspreisen mithilfe der Kostenaufschlagsmethode üblich ist.

11.132

Da bereits aufgezeigt wurde, dass die Kosten nicht den Nutzen aus einem Wirtschaftsgut widerspiegeln, spielen die kostenorientierten Verfahren eine untergeordnete Rolle.3 Die kostenorientierten Verfahren können allerdings dazu dienen, Grenzpreise von Unternehmen im Rahmen von Transaktionen, deren Bestandteil immaterielle Wirtschaftsgüter sind, festzulegen. So wird ein rational handelnder Marktteilnehmer höchstens den Betrag für ein immaterielles Wirtschaftsgut zu zahlen bereit sein, den er für dessen Wiederbeschaffung bzw. für dessen Reproduktion aufwenden müsste.4 Im Hinblick auf die Veräußerung eines immateriellen Wirtschaftsguts wird der Veräußernde mindestens den Preis verlangen, der seine Kosten für die Entwicklung des immateriellen Wirtschaftsguts kompensiert.5

11.133

dd) Kapitalwertorientiertes Bewertungsverfahren Das kapitalwertorientierte Verfahren zielt als einziges der drei im IDW S 5 erwähnten Verfahren unmittelbar auf den finanziellen Nutzen, in Form von durch den immateriellen Vermögenswert bzw. das immaterielle Wirtschaftsgut in Zukunft zu generierenden Zahlungsflüssen, ab. Hierbei wird die Ertragskraft des zu bewertenden immateriellen Wirtschaftsguts als Kapitalwert ermittelt. Das kapitalwertorientierte Verfahren kann m.E. sowohl als gewinnorientierte Verrechnungspreismethode wie auch als hypothetischer Fremdvergleich eingeordnet werden, da auch bei diesen Methoden auf den Nutzen in Form des Gewinnpotentials abgestellt wird.

11.134

Die Vorgehensweise zur Ermittlung des zukünftig zu erwartenden finanziellen Nutzens aus einem immateriellen Wirtschaftsgut basiert auf dem aus der Unternehmensbewertung bekannten Discounted Cash Flow-Verfahren (DCF-Verfahren). Im Rahmen des DCF-Verfahrens werden die zu-

11.135

1 Vgl. IDW S 5, Rz. 48. 2 A.A.: Engler in Vögele/Borstell/Engler, Verrechnungspreisen3, Immaterielle Wirtschaftsgüter, Rz. 314. 3 Vgl. Beyer/Mackenstedt, Wpg 2008, 338 (342). 4 Vgl. Jäger/Himmel, BFuP 2003, 417 (427). 5 Zu Lizenzierungsfällen äußert sich hierzu ähnlich Baumhoff in F/W/B, § 1 AStG Rz. 707.

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Kap. 11: Geistiges Eigentum und Verrechnungspreise

künftig aus dem immateriellen Wirtschaftsgut zu erwartenden Cashflows mit einem dem Risiko des zu bewertenden immateriellen Wirtschaftsguts entsprechenden Kapitalisierungszinssatz diskontiert. Diese Kapitalisierung erfolgt über einen als Restnutzungsdauer zu ermittelnden Zeitraum. Somit ergeben sich drei Herausforderungen im Rahmen der Anwendung des DCF-Verfahrens: – die Ermittlung eines risikoadäquaten Kapitalisierungszinssatzes, – die Ermittlung des Planungszeitraums und – die Prognose der zu erwartenden und dem Wirtschaftsgut zuzurechnenden Cashflows.

11.136

Für die Diskontierung der zu erwartenden Cashflows auf den Bewertungsstichtag ist ein wirtschaftsgutspezifischer Kapitalisierungszinssatz zu ermitteln. Die Ausgangsbasis des Zinssatzes stellen die gewogenen durchschnittlichen Kapitalkosten (Weighted Average Cost of Capital, kurz WACC) des Unternehmens dar.1 Zur Ermittlung dieser Größe sind die Eigenkapital- und Fremdkapitalkosten sowie die Kapitalstruktur des Unternehmens bzw. des immateriellen Wirtschaftsguts abzuleiten.

11.137

Die Eigenkapitalkosten bestehen in Anlehnung an das Capital Asset Pricing Model (CAPM) aus einem risikolosen Basiszins und einem wirtschaftsgutspezifischen Marktrisikozuschlag.2 Der Basiszins kann aus periodenspezifischen Zerobondrenditen der aktuellen Zinsstrukturkurve mit einer der Restnutzungsdauer des zu bewertenden immateriellen Wirtschaftsguts entsprechenden Laufzeit abgeleitet werden.3 Der Marktrisikozuschlag berechnet sich durch das Produkt aus dem Beta-Faktor und einer Risikoprämie.4 Beide Werte sind bevorzugt aus Kapitalmarktdaten zu ermitteln. Liegen keine Kapitalmarktdaten vor, so sind Werte aus Kapitalmarktdaten einer Gruppe vergleichbarer börsennotierter Unternehmen (Peer Group)5 heranzuziehen. Die Bandbreite solcher Risikoaufschläge liegt in Industriestaaten meistens zwischen 4 % und 6 %.6

11.138

Die Fremdkapitalkosten sind um Steuern zu kürzen.7 Bei ihrer Ermittlung müssen Laufzeit- und Risikoäquivalenz mit dem zu bewertenden immateriellen Wirtschaftsgut gewährleistet sein.8 Wurde im Rahmen des WACC-Verfahrens der risikospezifische Kapitalisierungszinssatz ermittelt, so ist dieser an das immaterielle Wirtschaftsgut anzupassen, sofern 1 2 3 4 5

Vgl. IDW S 5, Rz. 41. Vgl. IDW S 5, Rz. 43. Vgl. IDW S 5, Rz. 43. Vgl. Beyer/Mackenstedt, Wpg 2008, 338 (346). Bei der Ermittlung einer solchen Peer Group ist darauf zu achten, dass die Vergleichsunternehmen eine weitestgehende vergleichbare operative Tätigkeit aufweisen, die Unternehmensgröße übereinstimmt, sowie zum zu bewertenden immateriellen Wirtschaftsgut gleichwertige Wirtschaftsgüter eingesetzt werden. Vgl. IDW S 5, Rz. 43. 6 Vgl. Beyer/Mackenstedt, Wpg 2008, 338 (346 Fn. 53). 7 Vgl. IDW S 5, Rz. 42. 8 Vgl. IDW S 5, Rz. 44.

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C. Verwertung von immateriellen Wirtschaftsgütern

das immaterielle Wirtschaftsgut eine Risiko- bzw. eine Kapitalstruktur aufweist, die sich von der des Unternehmens unterscheidet.1 Als für die Bewertung zugrunde zu legenden Planungszeitraum ist auf die Restnutzungsdauer des immateriellen Wirtschaftsguts abzustellen. Im Gegensatz zur unbegrenzten Nutzungsdauer bei der Bewertung von Unternehmen ist die Nutzungsdauer immaterieller Wirtschaftsgüter regelmäßig zeitlich begrenzt.2 Die zeitliche Begrenzung ergibt sich daraus, dass Patente auslaufen, Technologien durch schnelle Produktlebenszyklen veralten oder Kundenverträge zeitlich begrenzt sind.

11.139

Für die Ermittlung der Nutzungsdauer von immateriellen Wirtschaftsgütern können statistische Daten herangezogen werden.3 So kann zur Ermittlung der Restnutzungsdauer von Patenten die vom Deutschen Patentund Markenamt veröffentlichte durchschnittliche Aufrechterhaltungsdauer als Maßstab dienen.4 Bei der Ermittlung der Nutzungsdauer von kundenorientierten Wirtschaftsgütern (z.B. Kundenlisten, Auftragsbestände, Fertigungsverträge) ist auf den Zeitraum abzustellen, in dem auf Grund der Bindungen an den Leistenden finanzielle Überschüssen zu erwarten sind.5 Hierzu sind u.a. Vertragslaufzeiten, Produktlebenszyklen und voraussichtliche Handlungen von Wettbewerbern zu berücksichtigen.6

11.140

Die finanziellen Überschüsse (Cashflows) stellen den Ausgangspunkt der kapitalwertorientierten Bewertung dar. Als Cashflows eines Unternehmens gilt der Betrag an finanziellen Mitteln, den ein Unternehmen aus eigener Kraft innerhalb einer Periode erwirtschaftet und den es somit für Investitionen, zur Tilgung von Verbindlichkeiten, für Eigenkapitalentnahmen und zur Stärkung seiner Liquidität nutzen kann.7 Hinsichtlich einzelner immaterieller Wirtschaftsgüter ist hierbei auf die mit diesem immateriellen Wirtschaftsgut verbundenen Zuflüsse abzustellen.8

11.141

Zur Isolierung der Cashflows nennt das IDW vier Methoden, die gleichwertig nebeneinander stehen sollen.9 Die Methode der unmittelbaren Cashflow-Prognose kommt zur Anwendung, wenn die Cashflows unmittelbar gemessen werden können. Dies ist insbesondere dann zu erwarten,

11.142

1 Vgl. IDW S 5, Rz. 4.3. 2 Vgl. IDW S 5, Rz. 25. 3 Vgl. Engler in Vögele/Borstell/Engler, Verrechnungspreise3, Immaterielle Wirtschaftsgüter, Rz. 317. 4 Vgl. Moser/Goddar, Finanz Betrieb 2007, 594 (601). 5 Vgl. IDW S 5, Rz. 98. 6 Vgl. IDW S 5, Rz. 99. 7 Vgl. Groll, DB 1995, 1725. 8 Angemerkt sei hierbei, dass Cashflows nicht mit dem Jahresüberschuss eines Unternehmens zu verwechseln sind, da sich in dieser Größe noch nicht liquiditätswirksame Aufwendungen (z.B. Abschreibungen) und Erträge (z.B. die Auflösung von Rückstellungen) berücksichtigt sind. Der Jahresüberschuss ist um diese Posten zu berichtigen. Zur Ermittlung von Cashflows vgl. ausführlich Groll, DB 1995, 1725 ff. 9 Vgl. IDW S 5, Rz. 28.

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Kap. 11: Geistiges Eigentum und Verrechnungspreise

wenn für das immaterielle Wirtschaftsgut eine segmentierte Gewinnund Verlustrechnung vorgenommen wird. In der Praxis wird dieser Fall dann eintreten, wenn das Wirtschaftsgut im Rahmen einer Lizenzierung fremden Dritten zur Verfügung gestellt wird.1 In den Fällen, in denen das Wirtschaftsgut im Rahmen der Wertschöpfung des Unternehmens eingesetzt wird, ist eine direkte Separierung des Cashflows nicht möglich und es bedarf anderer Methoden, um seinen finanziellen Nutzen zu ermitteln.

11.143

Eine in der Praxis häufig angewandte Methode ist die Methode der Lizenzpreisanalogie (Relief from Royalty Method). Anwendung findet die Methode der Lizenzpreisanalogie insbesondere bei der Bewertung von speziellen immateriellen Wirtschaftsgütern wie Marken, Warenzeichen, Patenten, entwickelten Produktionstechnologien sowie von anderen immateriellen Wirtschaftsgütern, die regelmäßig Gegenstand von Lizenzierungen sind.2 Bei der Lizenzpreisanalogie wird auf den Betrag abgestellt, den der Inhaber eines immateriellen Wirtschaftsguts dadurch spart, dass er dieses besitzt und nicht mehr lizenzieren muss. Hierzu werden Lizenzentgelte fingiert, die aus dem Produkt einer prognostizierten Bezugsbasis und marktüblichen Lizenzraten abgeleitet wird.

11.144

Die Lizenzpreisanalogie setzt demnach voraus, dass vergleichbare Wirtschaftsgüter vorhanden sind, aus deren Lizenzierung zwischen unabhängigen Dritten sich Vergleichswerte ermitteln lassen.3 Hierbei sind die Vergleichswerte keine Marktpreise für immaterielle Wirtschaftsgüter, sondern Lizenzzahlungsvereinbarungen für vergleichbare Wirtschaftsgüter. Ermitteln lassen sich solche Lizenzraten in der Praxis in Form von Lizenzbenchmarks.4 Über Datenbanken (z.B. RoyaltySource, RoyaltyStat und IPResearch)5 können Lizenzverträge abgefragt werden, welche dann auf vergleichbare Sachverhalte, z.B. das Vorliegen von zumindest hinreichend vergleichbaren Wirtschaftsgütern und gleicher Bezugsbasis, zu untersuchen sind.

11.145

Wurden Lizenzraten ermittelt, so sind diese auf die prognostizierte Bezugsbasis anzuwenden, um die fiktiven Lizenzzahlungen zu ermitteln. Der Wert des immateriellen Wirtschaftsguts ergibt sich aus den Kapitalwerten dieser fiktiven Lizenzzahlungen, nachdem die Unternehmenssteuern6 abgezogen wurden. Ein wesentlicher Schritt im Rahmen der Methode der Lizenzpreisanalogie ist die Separierung von einer dem immate1 2 3 4

Vgl. Beyer/Mackenstedt, Wpg 2008, 338 (344). Vgl. m.w.N. Jäger/Himmel, BFuP 2003, 417 (433). Vgl. IDW S 5, Rz. 32. Die Vorgehensweise zur Ermittlung von Vergleichswerten mithilfe von Benchmark-Studien kann im Rahmen der Bewertung von immateriellen Wirtschaftsgütern kritische betrachtet werden, da Benchmark-Studien grundsätzlich nur zur Ermittlung von Renditekennziffern für Routineunternehmen vorgesehen sind. 5 Siehe RoyaltySource, unter: http://www.royaltysource.com/; RoyaltyStat, unter: http://www.royaltystat.com/; IPResearch unter: http://ipresearch.com. 6 Als Unternehmenssteuern sind die Steuern des Landes heranzuziehen, in dem die finanziellen Überschüsse versteuert werden. Vgl. IDW S 5, Rz. 45.

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C. Verwertung von immateriellen Wirtschaftsgütern

riellen Wirtschaftsgut zuzuordnenden Bezugsbasis. In der Praxis wird hierbei oftmals auf die Umsatzerlöse zurückgegriffen. Das folgende Beispiel zeigt, wie eine Wertermittlung eines immateriellen Wirtschaftsguts anhand der Methode der Lizenzpreisanalogie aussehen kann.1 2012

2013

2014

2015

Werte in Mio. Euro

150

200

300

400

Erm. Lizenzrate

4%

4%

4%

4%

6

8

12

16

./. Unternehmenssteuern 30 %

1,8

2,4

3,6

4,8

Lizenzzahlung nach Steuern

4,2

5,6

8,4

11,2

Diskontierungsfaktor (i = 10 %)

0,909

0,826

0,751

0,683

Barwert

3,82

4,63

6,31

7,65

Fiktive Lizenzzahlung

Ersparnis des Inhabers des IWG = Wert

22,41

Im Hinblick auf die ermittelten Lizenzraten, die im Rahmen des Lizenzbenchmarks aus vergleichbaren Lizenzierungstransaktionen abgeleitet wurden, ist hierbei zu beachten, dass im Rahmen von Lizenzverträgen die Nutzungsrechte des Lizenznehmers in vielen Fällen nur entsprechend den im Vertrag festgelegten Details bestehen. Sind die Nutzungsrechte eingeschränkt, so ist zu beachten, dass der ermittelte Wert nicht den vollumfänglichen Wert des immateriellen Wirtschaftsguts darstellt.2 M.E. müsste in einem solchen Fall der Wert, der für die eingeschränkte Nutzung ermittelt wurde, nach oben angepasst werden. Hierzu wäre eine Quantifizierung der beim Lizenzgeber verbleibenden Rechte (z.B. sein Gewinn durch die Eigennutzung der Lizenz bzw. aus der Lizenzierung an weitere Unternehmen) vorzunehmen. Die Kapitalwerte der sich zusätzlich daraus ergebenden Cashflows nach Steuern wären dann dem Wert des immateriellen Wirtschaftsguts aus der Kalkulation hinzuzurechnen. Ein in der Praxis auftretendes Problem ist, dass häufig keine vergleichbaren immateriellen Wirtschaftsgüter lizenziert werden. Können Vergleichswerte nicht ermittelt werden, so scheidet die Anwendung der Methode der Lizenzpreisanalogie aus.3

11.146

Die Mehrgewinnmethode (Incremental Cash Flow Method) stellt auf einen Vergleich der kapitalisierten Cashflows des Unternehmens einschließlich des zu bewertenden immateriellen Wirtschaftsguts mit einem fiktiven Unternehmen, das das Wirtschaftsgut nicht besitzt bzw. nicht nutzt, ab.4 Die Differenz der beiden Kapitalwerte der zu generierenden Cashflows stellt den Wert des immateriellen Wirtschaftsguts dar. Anwendung findet die

11.147

1 Zu einem ähnlichen Beispiel vgl. Nestler, Betriebswirtschaftliche Mandantenbetreuung 2003, 71 (75). 2 Vgl. Smith/Parr, Valuation of Intellectual Property and Intangible Assets3, 223. 3 Vgl. Engler in Vögele/Borstell/Engler, Verrechnungspreise3, Immaterielle Wirtschaftsgüter, Rz. 320. 4 Vgl. IDW S 5, Rz. 33.

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Kap. 11: Geistiges Eigentum und Verrechnungspreise

Mehrgewinnmethode insbesondere im Rahmen der Markenbewertung (zu Einzelheiten vgl. Rz. 11.202 ff.), indem durch die Marke bedingte Preis- und Mengenprämien gemessen werden, oder aber im Rahmen der Bewertung von Technologien, durch Messung von Kostenersparnissen, die auf Grund des Besitzes der Technologie erzielt werden können.1

11.148

Die Residualwertmethode (Multi-Period Excess Earnings Method) trägt als Einzige der vier im IDW S 5 erwähnten Methoden der Tatsache Rechnung, dass immaterielle Wirtschaftsgüter im Regelfall erst im Verbund mit anderen materiellen und immateriellen Wirtschaftsgütern Cashflows generieren.2 Zur Ermittlung der Cashflows des zu bewertenden immateriellen Wirtschaftsguts werden dazu die Cashflows, die aus dem gesamten Verbund von Wirtschaftsgütern erzielt werden, separiert. Anschließend wird angenommen, dass alle unterstützenden immateriellen Wirtschaftsgüter von einem fremden Dritten gemietet oder lizenziert werden.3

11.149

Die entsprechenden (fiktiven) Lizenzgebühren werden demnach von den ermittelten Cashflows abgezogen, um die jährlichen Zuflüsse des immateriellen Wirtschaftsguts zu ermitteln. Von diesen Zuflüssen werden anschließend die Unternehmenssteuern abgezogen und der Kapitalwert wird durch eine Diskontierung ermittelt. Die Residualwertmethode stellt eine Anwendung der Gewinnaufteilungsmethode, in Form der Residualgewinnaufteilung, dar. Die Wertermittlung anhand der Residualwertmethode wird im folgenden Beispiel4 vereinfacht dargestellt. Werte in Mio. Euro

2012

2013

2014

2015

Umsatz

1 500

2 000

3 000

4 000

EBITDA

390

520

780

1 040

Fiktive Miete Maschinen (12 %)

180

240

360

480

Fiktive Lizenzgebühren (4 %)

60

80

120

160

Wertbeitrag unterstützende immaterielle Wirtschaftsgüter

240

320

480

640

Ergebnis vor Steuern

150

200

300

400

./. Unternehmenssteuern (30 %)

45

60

90

120

Netto-Cashflow

105

140

210

280

Kapitalisierungsfaktor (i = 10 %)

0,91

0,83

0,75

0,68

Kapitalwerte Cashflows

95,45

115,70

157,78

191,24

Wert immaterielles Wirtschaftsgut 1 2 3 4

560,18

Vgl. Beyer/Mackenstedt, Wpg 2008, 338 (344). Vgl. IDW S 5, Rz. 37. Vgl. IDW S 5, Rz. 37. Das folgende Beispiel wurde abgewandelt von Kohl/Schilling, StuB 2007, 541 (548). Ausführliche Erläuterungen zur Anwendung der Residualwertmethode bei kundenorientierten Vermögenswerten finden sich bei Dörschell/Ihlau/Lackum, Wpg 2010, 978.

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C. Verwertung von immateriellen Wirtschaftsgütern

Die Residualwertmethode soll nur bei den immateriellen Wirtschaftsgütern angewendet, die den größten Einfluss auf die Cashflows des Unternehmens haben.1 Da für die unterstützenden immateriellen Wirtschaftsgüter Nutzungsentgelte abgezogen werden, kann im Ergebnis das Residual den wertvollen, einzigartigen immateriellen Wirtschaftsgütern zugerechnet werden. Mit der Residualwertmethode lassen sich verschiedenartige Wirtschaftsgüter, z.B. Technologien, Marken, Urheberrechte und Kundenstämme, bewerten.2

11.150

Ist ein Wert für das immaterielle Wirtschaftsgut ermittelt, so stellt dieser Wert die Ausgangsbasis des Verkaufs- bzw. des Kaufpreises dar. Anpassungen haben allerdings zu erfolgen, da sich durch die Eigentumsübertragung zahlungsflussrelevante Faktoren ergeben, die von den Parteien in die Preisfindung mit einbezogen werden müssen. Hierzu gehören beispielsweise der Abschreibungsvorteil, die Steuerbelastung auf den Veräußerungserfolg oder auch Transaktionskosten.

11.151

Wurde anhand einer der vier aufgezeigten Methoden der Kapitalwert eines immateriellen Wirtschaftsguts ermittelt, so stellt er die Basis für dessen Wert dar. Hierbei ist allerdings auch zu prüfen, ob das immaterielle Wirtschaftsgut abgeschrieben werden kann. Kann durch Abschreibungen ein steuerlicher Vorteil für den Inhaber generiert werden, so ist dieser Abschreibungsvorteil (Tax Amortization Benefit) bei der Wertermittlung zu berücksichtigen, indem er dem Kapitalwert der zukünftigen Cashflows eines immateriellen Wirtschaftsguts hinzuzurechnen ist.3

11.152

Durch die Übertragung des Eigentums auf ein anderes Unternehmen ergibt sich beim Veräußerer ein Veräußerungserfolg, der seiner laufenden Besteuerung unterliegt. Der im Rahmen des kapitalwertorientierten Verfahrens ermittelte Wert des immateriellen Wirtschaftsguts stellt einen Wert nach Unternehmenssteuern dar. Ob diese Besteuerungsfolgen mit in die Bewertung des immateriellen Wirtschaftsguts eingehen, wird im Wesentlichen von der anzuwendenden Verrechnungspreismethode abhängig sein.

11.153

Zumindest im Rahmen des hypothetischen Fremdvergleichs ist zu erwarten, dass die Berücksichtigung dieser Steuerbelastung durch eine Aufstockung (tax gross-up) des ermittelten Werts zu erfolgen hat. Dies kann daraus gefolgert werden, dass auch im Rahmen des hypothetischen Fremdvergleichs in Form der Transferpaketbewertung bei Funktionsver-

11.154

1 Vgl. IDW S 5, Rz. 40. 2 Vgl. Engler in Vögele/Borstell/Engler, Verrechnungspreise3, Immaterielle Wirtschaftsgüter, Rz. 327. 3 Vgl. IDW S 5, Rz. 47. Zur Berücksichtigung eines solchen Abschreibungsvorteils im Rahmen der Methode der Lizenzpreisanalogie vgl. Kohl/Schilling, StuB 2007, 541 (546 f.).

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Kap. 11: Geistiges Eigentum und Verrechnungspreise

lagerungen eine solche Aufstockung vorzunehmen ist.1 Dieser Aufschlag wird durch Multiplikation des ermittelten Werts mit dem Faktor 1/(1–s) vorgenommen, wobei s die prozentuale Steuerbelastung des Unternehmens darstellt.2 Anknüpfend an das Beispiel zur Wertermittlung mithilfe der Residualwertmethode würde sich folgender Veräußerungspreis ergeben. Werte in Mio. Euro

11.155

Wert auf Basis des kapitalwertorientierten Verfahrens

560,18

Unternehmenssteuern

30 %

Aufstockungsfaktor (1/1-s)

1,4286

Mindestpreis des Veräußerers

800,26

In der Praxis können die kapitalwertorientierten Bewertungsverfahren häufig nicht in ihrer reinen Form angewendet werden, weil teilweise nicht alle Daten im Unternehmen vorliegen bzw. in Erfahrung gebracht werden können. In solchen Fällen sind die einzelnen kapitalwertorientierten Methoden auch in Mischform, d.h. in Kombination mit einer weiteren kapitalwertorientierten Methode denkbar. 4. Lizenzierung a) Überblick

11.156

Die Lizenzierung von immateriellen Wirtschaftsgütern ist allgemein unter den Oberbegriff „Überlassung von immateriellen Wirtschaftsgütern“ zu fassen, die vorliegt, wenn3 – eine Partei sich verpflichtet, eigene immaterielle Wirtschaftsguter, die Außenstehenden nicht zugänglich sind, der anderen Partei zu deren Zwecken zur Verfügung zu stellen, und – die Partei, die das immaterielle Wirtschaftsgut zur Verfügung stellt, bei der Verwertung des immateriellen Wirtschaftsguts nicht selbst mitwirkt, und

1 Vgl. BMF v. 13.10.2010 – IV B 5-S 1341/05/10003, BStBl. I 2010, 774 Rz. 116 ff. Kritisch zur Berücksichtigung von Besteuerungseffekten der handelnden Parteien bei der Transferpaketbewertung äußern sich Greinert/Reichl, nach deren Auffassung diese Vorgehensweise nicht von Gesetz und Verordnung gedeckt sei, vgl. Greinert/Reichl, BB 2011, 1182. 2 Zur Berücksichtigung einer solchen Aufstockung bei der Ermittlung des Mindestpreise eines funktionsverlagernden Unternehmens vgl. Oestreicher/Wilcke, DB 2010, 1714. 3 Vgl. OECD-MK zu Art. 12 MA, Rz. 11.1; Engler in Vögele/Borstell/Engler, Verrechnungspreise3, Immaterielle Wirtschaftsgüter, Rz. 96. Im Rahmen der geplanten Neufassung von Kapitel VI der OECD-Leitlinien (vgl. OECD, Transfer Pricing and Intangibles: Scope of the OECD project, 25.1.2011, Rz. 12) ist es geplant, eine Definition von „Intangibles“ in Kapitel VI der OECD-Leitlinien aufzunehmen.

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C. Verwertung von immateriellen Wirtschaftsgütern

– die Partei, die das immaterielle Wirtschaftsgut zur Verfügung stellt, nicht für die erfolgreiche Nutzung des immateriellen Wirtschaftsguts garantiert. Die Art und Weise, wie die Überlassung eines immateriellen Wirtschaftsguts durchgeführt wird, kann unterschiedlich ausgestaltet sein und ist von der Art, der Werthaltigkeit und der Bestimmbarkeit des immateriellen Wirtschaftsguts abhängig. Zum einen können immaterielle Wirtschaftsgüter in Form einer Lizenzierung ausgestaltet sein, bei der der Lizenzgeber dem Lizenznehmer gestattet, ein immaterielles Wirtschaftsgut gegen Entgelt zu nutzen (§ 15 Abs. 2 Satz 1 PatG). Eine andere Form stellt dagegen die Einbettung des Werts der immateriellen Wirtschaftsgüter in die Produktpreise dar (vgl. Rz. 11.198 ff.).

11.157

Unabhängig von der Ausgestaltung der Überlassung ist die Erbringung von technischen Dienstleistungen, auch im Zusammenhang mit den überlassenden immateriellen Wirtschaftsgütern, keine Überlassung von immateriellen Wirtschaftsgütern, sondern lediglich eine Überlassung von technischem Fachwissen.1 Die Verrechnung von technischen Dienstleistungen darf grundsätzlich nicht über Lizenzgebühren erfolgen, sondern ist separat anhand der üblichen Verrechnungspreismethoden vorzunehmen.2 Gleiches gilt auch bei der Einbettung des Werts der immateriellen Wirtschaftsgüter in die Produktpreise, wobei es schwierig ist, die Höhe der Vergütung präzise zu bestimmen, wenn es sich beim Verrechnungspreis um einen Gesamtpaketpreis handelt.3 Unter einem Gesamtpaketpreis ist ein einheitlicher Preis für das Produkt selbst als auch für die immateriellen Wirtschaftsgüter zu verstehen.

11.158

Ähnliche Abgrenzungsschwierigkeiten treten im Übrigen auch bei der Lizenzierung auf, wenn fälschlicherweise in der Lizenzvergütung die Vergütung der technischen Dienstleistung enthalten ist.4 Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, wie technische Dienstleistungen entsprechend der deutschen Doppelbesteuerungspraxis zu würdigen sind. Zumindest in einigen neueren DBA werden sie den Lizenzgebühren gleichgestellt und begründen dadurch auch keine Betriebsstätte.5 Bezüglich möglicher Quellenbesteuerung wird auf Rz. 11.196 f. verwiesen.

11.159

1 Vgl. OECD-MK zu Art. 12 MA, Rz. 11–11.6; OECD-Leitlinien 2010, Rz. 6.17 f. Eine technische Dienstleistung wird beispielsweise dann angenommen, wenn der Lizenzgeber das Know-how nicht nur vermittelt, sondern z.B. durch eigene Mitarbeiter selbst beim Lizenznehmer selbst anwendet, vgl. BFH v. 16.12.1970 – I R 44/67, BStBl. II 1977, 623. 2 Im Rahmen der geplanten Neufassung von Kapitel VI der OECD-Leitlinien (vgl. OECD, Transfer Pricing and Intangibles: Scope of the OECD project, 25.1.2011, Rz. 15) ist es geplant, eine klarere Abgrenzung zwischen technischen Dienstleistungen und der Überlassung von immateriellen Wirtschaftsgütern vorzunehmen. 3 Vgl. OECD-Leitlinien 2010, Rz. 6.17. 4 Vgl. OECD-Leitlinien 2010, Rz. 6.17. 5 Vgl. Görl in Vogel/Lehner5, Art. 5 Rz. 81. Diese Vorgehensweise ablehnend vgl. Wassermeyer in Debatin/Wassermeyer, Art. 12 MA Rz. 11; Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung7, 312.

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Kap. 11: Geistiges Eigentum und Verrechnungspreise

b) Formen von Lizenzierung

11.160

Die Ausgestaltung einer Lizenzvereinbarung ist stets von dem immateriellen Wirtschaftsgut abhängig, das zur Nutzung überlassen wird. In der Praxis häufig beobachtete Lizenzarten sind die Herstellungs-, Vertriebs- und Markenlizenz. Die Lizenzart ist davon abhängig, ob ein Trade Intangible oder ein Marketing Intangible (zur Abgrenzung vgl. Rz. 11.3 ff.) überlassen wird. Nachfolgend wird die Lizenzierung von immateriellen Wirtschaftsgütern im Allgemeinen dargestellt. Besonderheiten insbesondere in Bezug auf die Marketing Intangibles werden in Rz. 11.202 ff. vertiefend behandelt.

11.161

Auf Grund der Vertragsfreiheit und der unterschiedlichen Anforderungen an eine Lizenzierung haben sich unterschiedlichste Arten von Lizenzvergütungen herausgebildet. Die nachfolgende Liste ist nicht abschließend, gibt jedoch einen guten Überblick über die unterschiedlichsten Arten:1 – laufende Umsatzlizenzen, – laufende Stücklizenzen, – progressive oder degressive Umsatz- oder Stücklizenzen, – Vorauszahlungen mit Anrechnung auf laufende Lizenzen, – Vorabzahlung als Mindestlizenz (ohne Anrechnung auf laufende Lizenz), – Höchstlizenz (bei Umsatz- oder Stücklizenzen), – Einmallizenzgebühr oder laufende Pauschalgebühr (sog. lump-sumpayment), – Grundlizenzgebühr, – gewinnabhängige oder kostenabhängige Lizenzen, – kombinierte Umsatzlizenz mit Beteiligung am operativen Gewinn oder am Gewinn vor Ertragsteuern, – Rücklizenzen (Cross-Licensing) von Zusatzerfindungen und technischem Know-how des Lizenznehmers usw. c) Lizenzierung dem Grunde nach

11.162

Inwieweit eine Verrechnung von Lizenzen dem Grunde nach gegeben ist, hängt von vielen Faktoren ab.2 Unzweifelhaft ist ein Lizenzvertrag ein zentrales Element, wobei an dieser Stelle nicht auf den Vertragsinhalt von Lizenzverträgen eingegangen werden soll.3 Die weiteren Ausführungen 1 Vgl. Engler in Vögele/Borstell/Engler, Verrechnungspreise3, Immaterielle Wirtschaftsgüter, Rz. 414 ff. 2 Im Rahmen der geplanten Neufassung von Kapitel VI der OECD-Leitlinien (vgl. OECD, Transfer Pricing and Intangibles: Scope of the OECD project, 25.1.2011, Rz. 12) ist es geplant, klarer festzulegen, welche Faktoren bestimmen, ob ein immaterielles Wirtschaftsgütern überlassen wird oder nicht. 3 Vgl. zu vertiefenden Informationen: Bopp/Beckert/von Drygalski, Formularbuch Recht und Steuern6, 1083 ff.; Henn, Patent- und Know-how-Lizenzvertrag4, 129 ff.; Schultz-Süchting, Münchener Vertragshandbuch6, Band 3, Wirtschaftsrecht II, Vertragsmuster VIII 1 und 2, 633 ff.

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C. Verwertung von immateriellen Wirtschaftsgütern

beziehen sich auf die erforderlichen Anforderungen, damit eine Lizenzzahlung dem Grunde nach von der Finanzverwaltung anerkannt wird und als abzugsfähige Betriebsausgabe einzustufen ist. Wie diesen Anforderungen praktisch im Rahmen der Verrechnungspreisdokumentation entsprochen werden kann, ist in Rz. 11.401 ff. dargestellt. Die Verrechenbarkeit von Lizenzen dem Grunde nach ist nur dann angemessen, wenn unter fremden Dritten die Überlassung des immateriellen Wirtschaftsguts nicht bereits über den Preis der Lieferungen und Leistungen abgegolten ist1 und ein fremder Dritter für dieses immaterielle Wirtschaftsgut eine Lizenz gezahlt hätte2 (zum Fremdvergleichsgrundsatz vgl. Rz. 11.18 ff.). Darüber hinaus können keine immateriellen Wirtschaftsgüter lizenziert werden, die allgemein bekannt und zugänglich sind.3 Ebenso darf logischerweise keine Lizenzierung erfolgen, falls der Lizenznehmer bereits auf Grund von eigenen Leistungen Eigentümer der Lizenz ist.

11.163

Des Weiteren ist von zentraler Bedeutung, dass die Lizenz dem Lizenznehmer tatsächlich einen Nutzen stiftet4 und tatsächlich zur Verfügung steht.5 Demzufolge ist zur Beurteilung der Frage, ob dem Grunde nach eine Lizenzgebühr verrechnet werden darf, eine sog. Nutzenanalyse durchzuführen.6 Im Rahmen dieser Nutzenanalyse ist zu prüfen, inwiefern die Lizenz einen Nutzen stiftet oder eine Muttergesellschaft Entgelte für den Konzernrückhalt (auch als Shareholder- oder Stewardship-Kosten bezeichnet) verrechnet, die nicht Gegenstand einer Lizenz sein dürfen. Unter den Konzernrückhalt fallen im Allgemeinen jegliche „… Vorteile, die sich aus der rechtlichen, finanziellen und organisatorischen Eingliederung ergeben“7 sowie die Überlassung des Konzernamens.

11.164

Mit Urteil v. 9.8.2000 hat der BFH entschieden, dass die Überlassung des Konzernnamens an ein konzernverbundenes Unternehmen i.d.R. als Konzernrückhalt zu qualifizieren sei, für den Lizenzentgelte steuerlich nicht verrechenbar seien.8 Sofern der Konzernname jedoch zugleich als Markenname oder Markenzeichen geschützt sei, gelte etwas anderes, soweit der überlassenen Marke ein eigenständiger Wert zukomme. Hinsichtlich der

11.165

1 Vgl. BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83, BStBl. I 1983, 218 Rz. 5.1.2; OECD-Leitlinien 2010, Rz. 6.17. 2 Vgl. BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83, BStBl. I 1983, 218 Rz. 5.1.1; OECD-Leitlinien 2010, Rz. 6.13. 3 Vgl. Finsterwalder, IStR 2006, 355 (356); BGH v. 18.3.1955 – I ZR 144/53, NJW 1955, 829. Ein Gegenbeispiel wäre beispielsweise ein ausgelaufenes Patent im Arzneimittelbereich. 4 Vgl. BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83, BStBl. I 1983, 218 Rz. 5.1.1 und 5.2.1; OECD-Leitlinien 2010 Rz. 6.14. 5 Vgl. Engler in Vögele/Borstell/Engler, Verrechnungspreise3, Immaterielle Wirtschaftsgüter, Rz. 436 i.V.m. 361 f. 6 Vgl. OECD-Leitlinien 2010, Rz. 3.4.12.1. und 6.14. 7 BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83, BStBl. I 1983, 218 Rz. 6.3.2. 8 BFH v. 9.8.2000 – I R 12/99, BStBl. II 2001, 140 f.

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Kap. 11: Geistiges Eigentum und Verrechnungspreise

Verrechenbarkeit von Lizenzen dem Grunde nach ist folglich zu prüfen, ob losgelöst vom Konzernnamen ein lizenzierungsfähiges Wirtschaftsgut (z.B. Markenname oder Markenzeichen) vorliegt, für das ein steuerlich zu berücksichtigendes Lizenzentgelt gezahlt werden darf. d) Lizenzierung der Höhe nach aa) Vorbemerkung und betriebswirtschaftliche Kriterien

11.166

Zunächst ist anzumerken, dass grundsätzlich zu unterscheiden ist, ob eine Lizenz im Vorhinein ermittelt oder im Rahmen einer Verrechnungspreisdokumentation auf die Angemessenheit hin überprüft wird. M.E. thematisiert die herrschende Literatur den Unterschied zwischen der Verrechnungspreissetzung (Setting) und der Verrechnungspreisüberprüfung bzw. -verprobung (Testing) hinsichtlich Lizenzen nur unzureichend.1 Die erheblichen Unterschiede, insbesondere bei der Gewinnaufteilungsmethode, werden daher nachfolgend noch erläutert.

11.167

– Für die Überlassung von immateriellen Wirtschaftsgütern in Form einer Lizenz ist ein Fremdpreis anzusetzen.2 Grundsätzlich soll sich dieser Preis an den allgemein gültigen Regeln des Fremdvergleichsgrundsatzes orientieren.3 Sollten in einem Lizenzvertrag mehrere verschiedene immaterielle Wirtschaftgüter gebündelt und eine einheitliche Vergütung für diese vereinbart sein, so liegt eine sog. Globallizenz vor.4 Die deutsche Finanzverwaltung steht Globallizenzen skeptisch gegenüber5 und lässt nur dann eine Verrechnung von Globallizenzen im Gegensatz zu Einzellizenzen zu, wenn „… sie technisch und wirtschaftlich eine Einheit bilden“.6

11.168

– Bei der Bestimmung einer angemessenen Lizenzvergütung der Höhe nach sind diverse lizenzspezifische Besonderheiten, die einen maßgeblichen Einfluss auf die Höhe haben, zu berücksichtigen.7 Von besonderer Bedeutung sind dabei die bereits in Rz. 11.37 ff. hierzu aufgeführten Faktoren. Ob eine Lizenz beispielsweise regional begrenzt oder exklusiv ist, beeinflusst maßgeblich die Lizenzhöhe. Obwohl die Lizenz regelmäßig anhand der Anwendung einer Lizenzrate auf eine sachge1 Vgl. Engler in Vögele/Borstell/Engler, Verrechnungspreise3, Immaterielle Wirtschaftsgüter, Rz. 435 ff.; Baumhoff in F/W/B, § 1 AStG Rz. 705 ff. 2 Vgl. BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83, BStBl. I 1983, 218 Rz. 5.2; OECDLeitlinien 2010, Rz. 6.13. 3 Vgl. Kraft in Kraft, § 1 AStG Rz. 106 f.; Groß/Rohrer, Lizenzgebühren2, Rz. 717 f.; Borstell in Vögele/Borstell/Engler, Verrechnungspreise3, Internationales Recht, Rz. 59 f. 4 Vgl. Baumhoff in F/W/B, § 1 AStG Rz. 706; Engler in Vögele/Borstell/Engler, Verrechnungspreise3, Immaterielle Wirtschaftsgüter, Rz. 438 ff. 5 Vgl. Baumhoff in F/W/B, § 1 AStG Rz. 706. 6 BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83, BStBl. I 1983, 218 Rz. 5.2.1. 7 Im Rahmen der geplanten Neufassung von Kapitel VI der OECD-Leitlinien (vgl. OECD, Transfer Pricing and Intangibles: Scope of the OECD project, 25.1.2011, Rz. 12) ist geplant, klarer festzulegen, welche Vergütungshöhe für die Überlassung von immateriellen Wirtschaftsgütern angemessen ist.

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C. Verwertung von immateriellen Wirtschaftsgütern

rechte Bemessungsgrundlage (z.B. Umsatz, Menge, Einmalbetrag) berechnet wird,1 wird die Lizenzhöhe selbstverständlich auch davon beeinflusst, ob vertraglich noch weitere Vergütungsbestandteile oder sonstige Bedingungen vereinbart sind. So sind in der Praxis beispielsweise fixe Zahlungsbeträge zu Beginn oder während der Lizenzgewährung, umsatzabhängige (gestaffelte) Lizenzraten, Mindestlizenzen oder besondere Zahlungsbedingungen zu finden. Entweder beeinflussen diese Faktoren die Lizenzrate direkt, oder sie beeinflussen die tatsächlich zu zahlende Lizenzgebühr über den gesamten Lizenzierungszeitraum. Über die vorgenannten Faktoren hinaus kann die als angemessen erachtete Lizenzhöhe zwischen dem Lizenzgeber und dem Lizenznehmer unterschiedlich sein. Der Lizenzgeber wird dabei als absolute Wertuntergrenze regelmäßig den Betrag unter Anwendung einer angemessenen Rendite annehmen, den er bereits in das immaterielle Wirtschaftsgut, beispielsweise in Form von Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten, investiert hat bzw. investieren wird (Markenpflege) und den die Lizenzvergabe kostet.2 Der Lizenznehmer wird dagegen nicht bereit sein, eine Lizenz zu zahlen, die über den zu erwartenden Gewinnen aus der Lizenznutzung liegt. Hierdurch wird deutlich, dass für den Lizenzgeber vor allem die Vergangenheit und für den Lizenznehmer die Zukunftsprognose von Bedeutung bei der Bestimmung der Lizenz ist. M.E. gibt folgende Formel schematisch die regelmäßig vom Lizenznehmer jährlich zu zahlende Lizenzgebühr wieder:3

11.169

Lizenzgebühr p.a. = Bemessungsgrundlage × Lizenzrate (in %) + ggf. Einmalzahlungen Im weiteren Sinne finden bei der Bestimmung der Lizenzpreishöhe die Grundsätze des hypothetischen Fremdvergleichs Anwendung. Wie bereits in Rz. 11.101 ff. erläutert, sind gem. § 1 Abs. 3 Satz 6–8 AStG die Gewinnerwartungen des Leistenden bzw. Leistungsempfängers bei der Bestimmung des hypothetischen Fremdvergleichspreises maßgeblich. Gerade bei Lizenzen ist es allerdings auch möglich, dass aus Sicht des Lizenzgebers die Gewinnerwartungen niedriger als die bei ihm angefallenen Kosten für z.B. Forschung und Entwicklung sind. Somit würde es in diesem Fall m.E. eher dem Verhalten eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters entsprechen, die vergangenheitsbezogenen höheren Kosten zur Bestimmung des Verrechnungspreises anstelle der zukünftigen geringeren Gewinnerwartungen heranzuziehen.

11.170

Welche Bemessungsgrundlage und welche Lizenzrate im Einzelfall zum Tragen kommen, hängt von der Anwendung der nachfolgend beschriebe-

11.171

1 Vgl. BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83, BStBl. I 1983, 218 Rz. 5.2.2. 2 Vgl. Nestler, BB 2008, 37; Baumhoff in F/W/B, § 1 AStG Rz. 707. 3 So auch im Allgemeinen: Henn, Patent- und Know-how-Lizenzvertrag4, Rz. 244 ff.

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Kap. 11: Geistiges Eigentum und Verrechnungspreise

nen Verrechnungspreismethoden ab. In einer Vielzahl von Lizenzverträgen ist jedoch eine umsatzabhängige Lizenz zu beobachten.1 Besonderes Augenmerk ist auf die vertraglich vereinbarte Definition des Umsatzes zu richten. Der Nettoumsatz, das ist der um mögliche Boni, Skonti, Rabatte, Zölle, Verpackungs- und Frachtkosten sowie andere Nebenkosten geminderte Bruttoumsatz, kann unter Umständen deutlich unter dem Bruttoumsatz liegen und ist deswegen nur dann anzuwenden, wenn diese Nebenleistungen in der Lizenzrechnung ausgewiesen werden.2 Die Lizenzrate bildet nach praktischer Erfahrung dennoch in den häufigsten Fällen den Haupteinflussfaktor auf die Lizenzhöhe. bb) Standardmethoden

11.172

Wie bereits aufgezeigt, sind die Standardmethoden sowohl nach internationalem als auch nach nationalem Recht die bevorzugt anzuwendenden Verrechnungspreismethoden (zur Darstellung der Normenhierarchie sowie zu weiteren Einzelheiten zu den Methoden vgl. Rz. 11.60 ff.). Für steuerliche Zwecke gilt dies unzweifelhaft auch für Lizenzen, selbst wenn beispielsweise auf Basis des handelsrechtlichen Konzepts bei der Bewertung immaterieller Vermögenswerte (IDW S 5) den barwertorientierten Verfahren der Vorzug gewährt wird.3

11.173

Obwohl der innere Preisvergleich stets die zuverlässigsten und belastbarsten Ergebnisse liefert,4 liegen uneingeschränkt oder eingeschränkt vergleichbare Lizenzen an unverbundene Unternehmen häufig nicht vor.5 Die in Rz. 11.37 ff. bei der Anwendung beschriebenen Einflussfaktoren und der Lizenzgegenstand an sich lassen regelmäßig diesen inneren Preisvergleich nicht zu. In der Literatur wird jedoch teilweise die Ansicht vertreten, dass die Lizenzierung an ein Joint Venture einen angemessenen inneren Preisvergleich darstellt.6 Auch wenn dem nicht abschließend zugestimmt werden kann, da gem. § 1 Abs. 2 AStG dem Steuerpflichtigen eine Person nahestehend ist, wenn eine mittelbare oder unmittelbare Beteiligung von mindestens 25 % vorliegt oder wenn ein beherrschender Einfluss ausgeübt werden kann, können derartige Lizenzvereinbarungen sowohl bei der Lizenzsetzung als auch bei der Lizenzverprobung im Rahmen von Verrechnungspreisdokumentationen zumindest eine Indizwirkung für die Angemessenheit der Lizenz an verbundene Unternehmen entfalten. 1 Vgl. Engler in Vögele/Borstell/Engler, Verrechnungspreise3, Immaterielle Wirtschaftsgüter, Rz. 414 f. 2 Vgl. Engler in Vögele/Borstell/Engler, Verrechnungspreise3, Immaterielle Wirtschaftsgüter, Rz. 415. 3 Vgl. Beyer/Mackenstedt, Wpg 2008, 338 (342). 4 Vgl. zum Beispiel: Baumhoff in F/W/B, § 1 AStG Rz. 357. 5 Vgl. Nientimp in Mössner/Fuhrmann2, § 1 AStG Rz. 221; Baumhoff in F/W/B, § 1 AStG Rz. 700.2; Sinz in Wöhrle/Schelle/Gross, § 1 Abs. 2–5 AStG Rz. 67. 6 Vgl. Vögele/Witt in Vögele/Borstell/Engler, Verrechnungspreise3, Standardmethoden, Rz. 33.

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C. Verwertung von immateriellen Wirtschaftsgütern

Im Gegensatz zum inneren Preisvergleich können regelmäßig äußerere Preisvergleiche anhand von diversen Datenbanken (z.B. RoyaltySource, RoyaltyStat und IPResearch)1 ermittelt werden. In diesen Datenbanken sind u.a. auch Lizenzverträge zwischen unabhängigen Unternehmen enthalten, die als ein äußerer Preisvergleich angewendet werden können. Inwieweit dieser Preisvergleich erfolgreich ist, hängt davon ab, ob ausreichend Informationen zu den Lizenzverträgen vorliegen, die eine Vergleichbarkeitsprüfung ermöglichen. Eine perfekt vergleichbare Lizenzvereinbarung wird eher selten gefunden werden, weshalb häufig auf den sog. Benchmarking-Ansatz2 zurückgegriffen wird. Dabei wird eine Auswahl von in möglichst vielen Faktoren vergleichbaren Lizenzverträgen anhand eines Screenings ausgewählt. Sollten diese Verträge hinsichtlich der meisten Faktoren vergleichbar sein, so wäre das zu prüfende Kriterium die Lizenzrate, die annahmegemäß bei allen Verträgen auf den Umsatz anzuwenden ist.

11.174

Daneben stellen die im Schrifttum regelmäßig veröffentlichten Lizenztabellen3 ein weiteres Indiz für eine erste Verprobung der Lizenzraten dar. Allerdings geht mit diesen Tabellen das Problem einher, dass keine weiteren Informationen zu den Lizenzen vorliegen und dadurch die Vergleichbarkeit nicht gewährleistet werden kann. Aus diesem Grund ist die Anwendung insbesondere bei der erstmaligen Festsetzung von Lizenzraten nicht empfehlenswert. Indes kann bei der Angemessenheitsanalyse im Rahmen einer Verrechnungspreisdokumentation mit dem Vorliegen einer ähnlichen Lizenzrate zumindest ein erster Hinweis über die Fremdüblichkeit gewonnen werden.

11.175

Wie bereits aufgezeigt (vgl. Rz. 11.60 ff.), kommt die Wiederverkaufspreismethode bei der Lizenzierung nur zu Anwendung, wenn der Lizenznehmer eine identische Unterlizenz über dasselbe immaterielle Wirtschaftsgut an ein fremde drittes Unternehmen ausgibt4 und hierfür eine angemessene Rendite erhält. Da davon ausgegangen werden kann, dass eine Unterlizenz regelmäßig erst nach dem Erhalt der eigentlichen Lizenz vom Lizenzgeber ausgereicht werden kann, scheint diese Methode für die Festsetzung von Lizenzvergütungen ungeeignet. Ein anderes Bild ergibt sich bei der nachträglichen Überprüfung im Rahmen einer Verrechnungspreisdokumentation. Sollte die Unterlizenz bis auf die zusätzlich eingepreiste Rendite des Unterlizenzgebers identisch sein, kann diese Methode durchaus sinnvoll angewendet werden. Als weiterer Anwendungsbereich kommt die Weitervergabe von Softwarelizenzen im Konzern in Betracht.5

11.176

1 Siehe RoyaltySource, unter: http://www.royaltysource.com/; RoyaltyStat, unter: http://www.royaltystat.com/; IPResearch unter: http://ipresearch.com. 2 Siehe auch BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341 - 1/05, BStBl. I 2005, 570. 3 Vgl. Engler in Vögele/Borstell/Engler, Verrechnungspreise3, Immaterielle Wirtschaftsgüter, Rz. 471 f., 480 f., 489 und 492; Groß/Rohrer, Lizenzgebühren2, Rz. 148 und 151 ff. 4 Vgl. OECD-Leitlinien 2010, Rz. 6.23. 5 Vgl. Wehnert, IStR 2007, 558.

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Kap. 11: Geistiges Eigentum und Verrechnungspreise

11.177

Vergleichbar zur Wiederverkaufspreismethode findet auch die Kostenaufschlagsmethode nur in sehr begrenzten Fällen Anwendung. Hauptursache dafür ist das häufige Auseinanderfallen des Werts des geschaffenen immateriellen Wirtschaftsguts und der angefallenen Kosten bei der Erschaffung, insbesondere der Entwicklung, des immateriellen Wirtschaftsguts.1 Einzige Ausnahme für eine angemessene Verwendung ist die Auftragsforschung,2 da die Ergebnisse nicht dem forschenden, sondern dem auftraggebenden Unternehmen zustehen (zu Einzelheiten vgl. Rz. 11.11 ff.). cc) Gewinnorientierte Methoden

11.178

Seit der Unternehmenssteuerreform 2008 sind die gewinnorientierten Methoden durch § 1 Abs. 3 Satz 2 AStG auch gesetzlich als geeignete Verrechnungspreismethoden verankert, wobei ihre Anwendung subsidiär zu den Standardmethoden zu erfolgen hat (zu Einzelheiten vgl. Rz. 11.87 ff.). In Ermangelung von uneingeschränkten Fremdvergleichswerten, Unterlizenzen oder Auftragsforschung sind daher die gewinnorientierten Methoden anwendbar.3 Laut OECD-Leitlinien sind die gewinnorientierten Methoden ebenfalls anerkannte Verrechnungspreismethoden.4 Die Gewinnaufteilungsmethode ist zwar eine anerkannte Verrechnungspreismethode, allerdings sind bei ihrer Anwendung einige Besonderheiten zu beachten, die in Rz. 11.71 ff. erläutert werden.

11.179

Die Anwendung der TNMM (Transactional Net Margin Method) ist nach Ansicht der deutschen Finanzverwaltung5 und der OECD6 nur bei Unternehmen mit Routinefunktionen möglich, da nur bei Routineunternehmen die Renditekennziffern vergleichbar sind. In Bezug auf Lizenzen gilt diese klare Abgrenzung m.E. jedoch nur bei sehr wertvollen, einzigartigen immateriellen Wirtschaftsgütern. In diesem Fall ist der Lizenzgeber als Entrepreneur einzustufen, während der Lizenznehmer als Routineunternehmen über TNMM vergütet werden kann.

11.180

Wird dagegen nur ein unterstützendes immaterielles Wirtschaftsgut lizenziert, kann auch der Lizenzgeber über TNMM vergütet werden. Hintergrund hierfür ist, dass die vom Lizenzgeber ausgeübten Funktionen und Risiken maßgeblich dafür sind, ob dieser als Entrepreneur, Hybridoder Routineunternehmen einzustufen ist. Sofern die übrigen Funktionen und Risiken des Lizenzgebers denen eines Routineunternehmens entsprechen, kann auch die TNMM angewendet werden, da der Einfluss des un1 Vgl. OECD-Leitlinien 2010, Rz. 6.27; BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83, BStBl. I 1983, 218 Rz. 5.2.4. 2 Vgl. BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83, BStBl. I 1983, 218 Rz. 5.3. 3 So auch BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83, BStBl. I 1983, 218 Rz. 5.2.3. Dies ist mangels anderslautender Verfügung durch die Finanzverwaltung insoweit weiterhin uneingeschränkt anwendbar ist. 4 Vgl. OCED-Richtlinien 2010, Rz. 2.4 ff. 5 Vgl. BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341 - 1/05, BStBl. I 2005, 570 Rz. 3.4.10.3.b. 6 Vgl. OECD-Leitlinien 2010, Rz. 2.59.

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C. Verwertung von immateriellen Wirtschaftsgütern

terstützenden immateriellen Wirtschaftsguts auf den Gewinn nicht erheblich ist. Bei der TNMM wird die angemessene Lizenzrate indirekt über die angemessene operative Marge1 berechnet. Folgendes Beispiel soll die Systematik aufzeigen. Dabei wird angenommen, dass eine Datenbankanalyse zur Ermittlung von Unternehmen, die vergleichbare Funktionen und Risiken wie der Lizenznehmer übernehmen bzw. tragen, zu einer Interquartilsbandbreite2 von operativen Margen von 5–14 % und einem Median3 von 10 % führt. Dies bedeutet, dass eine operative Marge von 5–14 % im Beispiel als angemessen erscheint. Durch Rückrechnung ergibt sich eine umsatzabhängige Lizenzrate von 1–10 %. Werte in Mio. Euro

1. Quartil

Median

3. Quartil

Umsatz

100

100

100

Aufwand

– 85

– 85

– 85

Operative Marge vor Lizenz

15

15

15

Angemessene operative Marge

5

10

14

Angemessene operative Marge (in %) Lizenz

5% 10 10 % von Umsatz

11.181

10 %

14 %

5 5 % von Umsatz

1 1 % von Umsatz

Das vorgenannte Beispiel geht nicht darauf ein, ob TNMM angewendet wird, um im Vorwege die Lizenzgebühr zu ermitteln oder im Rahmen einer Verrechnungspreisdokumentation die Angemessenheit der Lizenzgebühr mithilfe der TNMM zu überprüfen. Dieser Unterschied wird im folgenden Schaubild dargestellt:

1 Die operative Marge errechnet sich, indem der operative Gewinn (der Gewinn vor Zins- und Steuerbelastungen) durch den Umsatz dividiert wird. 2 Die Interquartilsbandbreite ist definiert als die Differenz zwischen dem dritten (oberen) und ersten (unteren) Quartil einer Verteilung und wird als eingeschränkte Bandbreite bezeichnet. Dabei liegen beim ersten (unteren) Quartil 25 % der gesamten Beobachtungswerte unterhalb dieses Werts. Beim dritten (oberen) Quartil liegen 75 % der gesamten Beobachtungswerte oberhalb dieses Werts. 3 Der Median stellt den Wert dar, der eine Verteilung in zwei gleich große Teile teilt. Dabei sind die 50 % der Werte größer und die 50 % der Werte kleiner als der Median.

Gehri

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679

11.182

Kap. 11: Geistiges Eigentum und Verrechnungspreise

S

Vertragliche Ausgestaltung der Marge

E T T I N

Median

Bandbreite

Tatsächliche Marge nach vereinbarter Lizenzzahlung

Tatsächliche Marge nach vereinbarter Lizenzzahlung

G O P E R A T I V E

Median

U M S E T Z U N G

Keine Ausgleichszahlung

Ja

Median

T E

Abweichung zum Median

Innherhalb Bandbreite

Nein

Nicht Median aber Bandbreite

Außerhalb Bandbreite

Innerhalb der Bandbreite

Keine Ausgleichszahlung

Ja

Median oder Bandbreite

Außerhalb der Bandbreite

grundsätzliche Ausgleichszahlung

Nein

Marge nach vereinbarter Lizenz außerhalb der Bandbreite

S

Ja

Zahlung

Marge nach vereinbarter Lizenz und Ausgleichszahlung innerhalb der Bandbreite

T I Zu Gunsten von Deutschland

N G Keine Anpassung

11.183

Wohl keine Anpassung

Zu Lasten von Deutschland

Anpassung auf Median

Keine Anpassung

Erläuterung des Schaubilds: Wird TNMM im Rahmen der Verrechnungspreissetzung (Setting) angewendet, kann vertraglich entweder festgelegt werden, ob eine Marge innerhalb der Bandbreite des Benchmarks oder der Median des Benchmarks vereinbart wird. Am Ende des jeweiligen Wirtschaftsjahres ist dann bei der operativen Umsetzung zu prüfen, inwiefern die tatsächliche operative Marge des Lizenznehmers mit der vertraglich vereinbarten Marge über680

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C. Verwertung von immateriellen Wirtschaftsgütern

einstimmt. Liegt die operative Marge innerhalb der Bandbreite oder entspricht dem Median, ist keine Ausgleichszahlung notwendig und im Rahmen einer Verrechnungspreisdokumentation droht durch die Finanzverwaltung keine Anpassung der Einkünfte (siehe unteren linken Block bei „Testing“). Eine Anpassung der Einkünfte droht ebenfalls nicht, wenn eine Ausgleichszahlung, die das Ergebnis des Lizenznehmers auf den Median oder auf einen Wert innerhalb der Bandbreite anpasst (vgl. weißen Block „Zahlung“ zwischen „Operative Umsetzung“ und „Testing“), tatsächlich vorgenommen wird. Anders gelagert ist der Fall, wenn eine Ausgleichzahlung nicht erfolgt und somit der Lizenznehmer nach Zahlung der Lizenz außerhalb der Bandbreite angemessener Vergleichsdaten liegt. Sollte es dann im Rahmen einer Verrechnungspreisdokumentation zu einer Überprüfung der Angemessenheit der Lizenz über die TNMM kommen, ist eine Anpassung der Einkünfte durch die Finanzverwaltung wahrscheinlich. Gem. § 1 Abs. 3 Satz 4 AStG wird die Finanzverwaltung im Grundsatz stets auf den Median der eingeengten Bandbreite anpassen.1 Es ist allerdings anzunehmen, dass die Finanzverwaltung keine Anpassung zu Gunsten des Steuerpflichtigen vornehmen wird.

11.184

Anhand des vorgenannten Beispiels wird deutlich, dass die Anwendung der TNMM vom Vorliegen von Vergleichsdaten abhängig ist. Wie in den OECD-Leitlinien2 erörtert wird, wird die Anwendung der Methode dadurch erschwert, dass häufig nicht genügend Informationen über die Umsätze, Aufwendungen und Gewinne sowie über deren Zusammensetzung vorliegen. Im Rahmen der Verrechnungspreisdokumentation kann mithilfe der TNMM nur überprüft werden, inwieweit die erzielte operative Marge der operativen Marge von vergleichbaren Unternehmen entspricht.

11.185

Die (transaktionsbezogene) Gewinnaufteilungsmethode ist immer dann heranzuziehen, wenn die Standardmethoden und die TNMM nicht angewendet werden können.3 Dies ist regelmäßig bei Geschäftsbeziehungen zwischen zwei als Entrepreneur einzustufenden Unternehmen der Fall4, bei denen jede Partei wertvolle, einzigartige Wertschöpfungsbeiträge beisteuert. Darüber hinaus kommt die Gewinnaufteilungsmethode in Frage, um die anhand von anderen Methoden erzielten Ergebnisse zu plausibilisieren.5

11.186

Bei Anwendung der Gewinnaufteilungsmethode wird im Gegensatz zu den anderen Methoden keine Lizenzgebühr auf Basis von Umsätzen oder

11.187

1 Bis zur Unternehmenssteuerreform 2008 hat die Finanzverwaltung akzeptiert, dass eine Einpassung stets auf den für den Steuerpflichtigen günstigsten Preis innerhalb der Bandbreite erfolgen sollte; vgl. BFH v. 17.10.2001 – I R 103/00, DB 2001, 2474 Rz. 3.4.12.7. 2 Vgl. OECD-Leitlinien 2010, Rz. 2.65. 3 Vgl. BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341 - 1/05, BStBl. I 2005, 570 Rz. 3.4.10.3.c. 4 Vgl. BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341 - 1/05, BStBl. I 2005, 570 Rz. 3.4.10.3.c. 5 Vgl. OECD-Leitlinien 2010, Rz. 2.11.

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Kap. 11: Geistiges Eigentum und Verrechnungspreise

sonstigen Bezugsgrößen berechnet, sondern über die Aufteilung der Gewinne zwischen dem Lizenzgeber und dem Lizenznehmer. In Anlehnung an das oben dargestellte Beispiel wird die Gewinnaufteilungsmethode im Folgenden kurz rechnerisch dargestellt. Im Unterschied zum Beispielsfall wird hier jedoch angenommen, dass der Lizenznehmer als Hybridunternehmen1 einzustufen ist und eine operative Marge von 15 % erzielt. Wie der Gewinn, in diesem Fall 15 Euro, zwischen dem Lizenznehmer und Lizenzgeber aufgeteilt wird, hängt von dem angemessenen Verteilungsschlüssel (im Beispiel 40 % Lizenznehmer und 60 % Lizenzgeber) ab. Ein möglicher Schlüssel könnten beispielsweise die beim Lizenznehmer bzw. Lizenzgeber angefallenen Kosten für die immateriellen Wirtschaftsgüter sein. Im Grundsatz ist der Schlüssel so zu wählen, dass die Funktionsund Risikoverteilung zwischen dem Lizenznehmer und dem Lizenzgeber und somit der Beitrag des Lizenznehmers zum Gewinn widergespiegelt wird.2 Werte in Mio. Euro Umsatz

100

Aufwand

– 85

Operative Marge

15

Aufteilung der Marge: z.B. 40 % Lizenznehmer

6

z.B. 60 % Lizenzgeber

9 Implizite Lizenzgebühr Umsatzabhängige Lizenzgebühr: 9 %

11.188

In der Praxis wird die Gewinnaufteilungsmethode häufig als Residualgewinnmethode angewendet. Bei dieser Methode wird in einem ersten Schritt die Routinefunktion der beteiligten Unternehmen vergütet und dann in einem zweiten Schritt der danach übrige Gewinn verteilt. Zur Darstellung dieser Methode wird auf das bereits beschriebene Beispiel aufgebaut und zudem angenommen, dass der Lizenznehmer neben einer Routinefunktion, für die eine Datenbankanalyse einen angemessen Vollkostenaufschlag3 von 10 % ergibt, auch als Entrepreneur tätig ist.

1 Das Unternehmen übt zum einen Routinetätigkeiten aus und zum anderen ist es als Entrepreneur einzustufen. 2 Vgl. Finsterwalder, IStR 2006, 355. 3 Dabei handelt es sich um eine Profitabilitätskennzahl, die im Rahmen der Kostenaufschlagsmethode angewendet wird, und die sich ermittelt als: Gewinn/ Vollkosten; s. vertiefend Vögele/Witt in Vögele/Borstell/Engler, Verrechnungspreise3, Standardmethoden, Rz. 139 ff.

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C. Verwertung von immateriellen Wirtschaftsgütern

Werte in Mio. Euro Umsatz

100

Aufwand

– 85

Operative Marge

15

Angemessener Vollkostenaufschlag (10 % von 85)

8,5

Residualgewinn

6,5

Aufteilung des Residualgewinns: z.B. 40 % Lizenznehmer

2,6

z.B. 60 % Lizenzgeber

3,9 Implizite Lizenzgebühr Umsatzabhängige Lizenzgebühr: 3,9 %

Die vorgenannten Ausführungen und die Beispiele sind von theoretischer Natur und unterscheiden nicht, ob die Gewinnaufteilungsmethode angewendet wird, um im Vorwege – indirekt über die Gewinnaufteilung – die Lizenzgebühr zu ermitteln oder im Rahmen einer Verrechnungspreisdokumentation die Angemessenheit der Lizenzgebühr über die Gewinnaufteilungsmethode zu überprüfen. In § 1 Abs. 3 Satz 2 AStG wird angeführt, dass bei fehlenden Fremdvergleichswerten eingeschränkt vergleichbare Werte nach Vornahme sachgerechter Anpassungen anzuwenden sind. Bei der Ermittlung von Verrechnungspreisen im Rahmen der Gewinnaufteilungsmethode ist davon auszugehen, dass zumindest eingeschränkt vergleichbare Werte vorliegen, da sich die Preissetzung stets an Referenzpunkten, die im Zweifel einem Drittvergleich standhalten, richtet.

11.189

Dagegen ist bei der Gewinnaufteilungsmethode die nachträgliche Verrechnungspreisüberprüfung (sog. Testing oder ex post-Betrachtung) der Angemessenheit anhand von uneingeschränkten oder eingeschränkten Vergleichswerten problematisch. Dies ist vor allem dadurch begründet, dass die Gewinnaufteilungsmethode gerade dann angewendet wird, wenn zwei Entrepreneure involviert und die Leistungsbeziehungen so verquickt sind, dass eine Separierung und einzelne Bepreisung nicht möglich ist. In solchen Fällen können daher auch keine Vergleichswerte mithilfe von Benchmark-Studien ermittelt werden, da diese grundsätzlich nur zur Ermittlung von Renditekennziffern für Routineunternehmen vorgesehen sind (zu Einzelheiten vgl. Rz. 11.71 ff.).

11.190

Im Schrifttum haben sich in der Vergangenheit diverse pauschale Gewinnaufteilungsmethoden herausgebildet, die unabhängig von den Besonderheiten beim Lizenznehmer bzw. beim Lizenzgeber beiden jeweils einen pauschalen Anteil am Gewinn zuordnen. Laut der sog. Knoppe-Formel wird es als angemessen erachtet, wenn dem Lizenzgeber ein Anteil von 25–33,3 % des vorkalkulieren Gewinns zugeschrieben wird.1 Aller-

11.191

1 Vgl. Knoppe, Die Besteuerung der Lizenz- und know-how-Verträge2, 102.

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Kap. 11: Geistiges Eigentum und Verrechnungspreise

dings definiert Knoppe den Begriff des „vorkalkulierten Gewinns“ nicht näher. Aus dem Gesamtkontext ist zu entnehmen, dass es sich um den Gewinn des Lizenznehmers handeln muss. Bei komplexen Wertschöpfungsketten erscheint dieses Vorgehensweise als nicht angemessen, da sich die Lizenz auf den Gesamtgewinn der Wertschöpfungskette beziehen müsste, anhand derer dann eine angemessene Lizenz für den entsprechenden Transaktionspartner zu bestimmen wäre.

11.192

Obwohl Knoppe bereits darauf hingewiesen hat, dass die Pauschalierung regelmäßig nur einen „… völlig unverbindlichen und vagen Anhaltspunkt für die Angemessenheit der Lizenzgebühr im konkreten Fall bietet… [und, dass] … größere Abweichungen nach oben und unten …“1 möglich sind, ist die sog. Knoppe-Formel als Pauschalregelung verbreitet und wird von der Finanzverwaltung angewendet. Kritisiert wird vor allem, dass sie willkürlich ist, wirtschaftlich nicht begründet,2 die Spanne viel zu eng ist und schwankende äußere Bedingungen sowie individuelle Leistungsbeiträge nicht angemessen berücksichtigt werden.3 Daher kann die KnoppeFormel nur dann zur vereinfachten Verprobung eingesetzt werden, wenn lediglich zwei Transaktionspartner involviert sind und somit keine komplexen Wertschöpfungsketten vorliegen.

11.193

Ein ähnlicher Wert, und zwar 25 %, wird indes auch von Goldscheider4 und weiterer US-Literatur5 als angemessen beurteilt. Folgendes Beispiel illustriert die Anwendung der pauschalen Gewinnaufteilungsmethoden nach der Knoppe-Formel bzw. nach der Goldscheider-Rule. Hierbei wird in Anlehnung an das vorherige Beispiel ein Gewinn des Lizenznehmers von 10 Mio. Euro angenommen.

1 Knoppe, Die Besteuerung der Lizenz- und know-how-Verträge2, 102; Knoppe, BB 1967, 1117. 2 Knoppe erläutert nur, dass ihm die in Rede stehende Bandbreite aus einer Vielzahl von Einzelfällen (aus den 1970ern) bekannt ist (vgl. Knoppe, BB 1967, 101 oder 102). Genauere Einzelheiten werden nicht genannt. 3 Vgl. Engler in Vögele/Borstell/Engler, Verrechnungspreise3, Immaterielle Wirtschaftsgüter, Rz. 528; Baumhoff in F/W/B, § 1 AStG Rz. 715.2. 4 Vgl. Goldscheider/Jarosz/Mulhern, les Nouvelles 2002, 123. 5 Vgl. u.a. Smith/Parr, Valuation of Intellectual Property and intangible Assets3, 366 f.; Battersby/Grimes, Licencing Royalty Rates, 2005 Edition.

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C. Verwertung von immateriellen Wirtschaftsgütern

Werte in Mio. Euro Gewinn

10

Aufteilung des Gewinns von 10 Euro nach Knoppe-Formel (untere Bandbreite) bzw. Goldscheider-Rule 75 % Lizenznehmer

7,5

25 % Lizenzgeber

2,5 Implizite Lizenzgebühr Umsatzabhängige Lizenzgebühr: 2,5 %

Aufteilung des Gewinns von 10 Euro nach Knoppe-Formel (obere Bandbreite) 66,7 % Lizenznehmer

6,7

33,3 % Lizenzgeber

3,3 Implizite Lizenzgebühr Umsatzabhängige Lizenzgebühr: 3,3 %

Nachteil dieser pauschalen Methoden ist, dass erst nach Ermittlung des Jahresergebnisses, das die finale Bemessungsgrundlage darstellt, abschließend die Höhe der Lizenz berechnet werden kann. Als Ausweg können Planungsrechnungen1 oder Vorjahreswerte als Bemessungsgrundlage verwendet werden, wodurch jedoch eine gewisse Unschärfe vorliegt. Dieser Nachteil ist zwar auch bei der TNMM gegeben, doch ist dieser dabei nicht ganz so erheblich, da die Bemessungsgrundlage hierbei regelmäßig der Umsatz ist und dieser leichter zu ermitteln ist als der Gewinn. Daher sind die Pauschalregelungen eher zur nachträglichen Verprobung von Lizenzvergütungen angemessen, also bei der Verrechnungspreisüberprüfung und nicht bei der Verrechnungspreissetzung. Eine weitere Anwendung liegt bei der Verprobung der Höhe des Transferpakts vor (zu Einzelheiten vgl. Rz. 11.401 ff.).

11.194

Darüber hinaus kommt häufig auch die Discounted Cash Flow-Methode bei der Festsetzung von Lizenzgebühren zum Einsatz.2 Sie eignet sich weniger als eine Methode zur Überprüfung der Angemessenheit der Lizenzgebühren, sondern vielmehr zur Kalkulation bei der Verrechnungspreissetzung. Im Grundsatz entspricht die Discounted Cash Flow-Methode dem hypothetischen Fremdvergleich gem. § 1 Abs. 3 Satz 5 AStG, da sie sich auf die Gewinnerwartungen bezieht (vgl. hierzu auch Rz. 11.101 ff.). In den OECD-Leitlinien wird diese Methode zwar erwähnt3, jedoch nur insoweit,

11.195

1 Gem. BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341 - 1/05, BStBl. I 2005, 570 Rz. 3.4.12.1 i.V.m. 3.4.12.6 können Planrechnungen angewendet werden. 2 Vgl. Smith/Parr, Valuation of Intellectual Property and Intangible Assets3, 370 ff. 3 Vgl. OECD-Leitlinien 2010, Rz. 6.20 („… die erwarteten Vorteile aus den immateriellen Vermögenswerten …“); Diskussion, ob eigenständige Gewinnaufteilungsmethode (OECD-Leitlinien 2010, Rz. 3.22) oder als andere Methode (s. auch Engler in Vögele/Borstell/Engler, Verrechnungspreise3, Immaterielle Wirtschaftsgüter, Rz. 553).

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Kap. 11: Geistiges Eigentum und Verrechnungspreise

als dass die zukünftigen Überschüsse des Lizenznehmers ein Faktor von vielen ist, der die Lizenzhöhe beeinflusst. Auf Ebene der OECD wird allerdings erfreulicherweise im Rahmen der Neufassung des Kapitels 6 der OECD-Leitlinie überprüft, inwiefern der Discounted Cash Flow-Methode zukünftig – auch hinsichtlich der Preissetzung – eine höhere Bedeutung eingeräumt werden soll.1 e) Quellensteuer

11.196

An dieser Stelle wird die Thematik von Quellensteuern nur insofern aufgezeigt, als Besonderheiten in Bezug auf Lizenzen und Verrechnungspreise vorliegen (zu Einzelheiten vgl. Rz. 9.1 ff., insbesondere Rz. 9.4 ff.). Viele DBA kodifizieren im Einklang mit Art. 12 Abs. 1 OECD-MA, dass nur der Ansässigkeitsstaat des Lizenzgebers, nicht aber der Staat des Lizenznehmers eine Besteuerung vornehmen kann. „Bestehen zwischen dem Schuldner und dem Nutzungsberechtigten oder zwischen jedem von ihnen und einem Dritten besondere Beziehungen und übersteigen deshalb die Lizenzgebühren, gemessen an der zugrunde liegenden Leistung, den Betrag, den Schuldner und Nutzungsberechtigter ohne diese Beziehungen vereinbart hätten,…“ so gilt diese Quellenbesteuerungsbefreiung jedoch laut Art. 12 Abs. 4 OECD-MA und einigen neueren DBA2 nicht für den übersteigenden Betrag.

11.197

Die Kernaussage ist somit, dass nur die aus Verrechnungspreissicht angemessene Lizenzgebühr von einer Quellensteuer befreit ist.3 Ob dabei die Sichtweise des Lizenzgebers oder des Lizenznehmers einzunehmen ist, ist nicht kodifiziert. Allerdings wird in der Literatur die Meinung vertreten, dass die Angemessenheit aus der Sichtweise des Landes des Lizenznehmers zu betrachten ist.4 Bei erheblichen Uneinigkeiten zwischen Ansässigkeits- und Quellenstaat über die Höhe der angemessenen Lizenzhöhe kann ein Verständigungsverfahren zwischen den beteiligten Staaten eingeleitet werden, das mögliche Doppelbesteuerungen aufheben soll.5 5. Einbettung in Produktpreise

11.198

Die Art und Weise, wie die Überlassung eines immateriellen Wirtschaftsguts durchgeführt wird, kann unterschiedlich ausgestaltet sein und ist 1 Vgl. OECD, Transfer Pricing and Intangibles: Scope of the OECD project, 25.1. 2011, Rz. 32. 2 So z.B. DBA UK 2010. 3 Vgl. Wassermeyer in Debatin/Wassermeyer, Art. 12 MA Rz. 134. 4 Vgl. Wassermeyer in Debatin/Wassermeyer, Art. 12 MA Rz. 127. Im Grundsatz wird stets der Anwenderstaat die Angemessenheit der Lizenzhöhe bestimmen. Der Anwenderstaat ist dabei stets der Staat des Lizenznehmers, da in diesem Staat durch eine unangemessen hohe Lizenzvergütung eine Einkommensreduzierung droht. Dieser Grundsatz gilt allerdings nur solange, wie im Staat des Lizenzgebers keine besonderen Bedingungen für Lizenzeinnahmen gelten. 5 Vgl. OECD-MK zu Art. 12 MA Rz. 26.

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C. Verwertung von immateriellen Wirtschaftsgütern

von der Art, der Werthaltigkeit und der Bestimmbarkeit des immateriellen Wirtschaftsguts abhängig. Zum einen können immaterielle Wirtschaftsgüter in Form einer Lizenzierung (vgl. Rz. 11.156 ff.) ausgestaltet sein, bei der der Lizenzgeber dem Lizenznehmer gestattet, ein immaterielles Wirtschaftsgut gegen Entgelt zu nutzen (§ 15 Abs. 2 Satz 1 PatG). Eine andere Form stellt dagegen die Einbettung des Werts der immateriellen Wirtschaftsgüter in die Produktpreise dar. Laut OECD-Leitlinien können Produktpreise bereits die Vergütung für die Nutzung immaterieller Vermögensgegenstände enthalten, „… wenn beispielsweise ein Unternehmen an ein anderes halbfertige Produkte verkauft und gleichzeitig seine Erfahrungen für den weiteren Produktionsablauf zur Verfügung stellt.“1 Ist die Überlassung des immateriellen Wirtschaftsguts in dem Produktpreis enthalten, ist die Zahlung einer separaten Lizenzgebühr nicht angemessen.2

11.199

In der Praxis werden Produktpreise häufig auf Basis der Kostenaufschlagsmethode kalkuliert. Da aber die Anwendung der Kostenaufschlagsmethode in Bezug auf die Überlassung von immateriellen Wirtschaftsgütern schwierig ist und nur in Ausnahmefällen (z.B. Auftragsforschung, vgl. Rz. 11.11 ff.) vorgenommen wird, ist auch die Einpreisung in die Produktpreise nicht einfach.

11.200

Ein möglicher Ansatz zur Einpreisung der Überlassung von immateriellen Wirtschaftsgütern in die Produktpreise wäre nach folgendem Modell denkbar: Die zu zahlende Lizenz pro Jahr wird mit Hilfe einer anerkannten Verrechnungspreismethode ermittelt. Des Weiteren ist durch Planung die voraussichtliche Menge der jährlichen Produktverkäufe zwischen den beiden verbundenen Unternehmen zu schätzen. In einem nächsten Schritt kann nun die jährliche Lizenzgebühr je verkauftes Produkt errechnet werden. Der aufgezeigte Ansatz kommt m. E in der Praxis eher bei Trade Intangibles als bei Marketing Intangibles zur Anwendung, da bei letzteren häufig die Entwicklungskosten nicht klar identifiziert und definiert werden können (zur Abgrenzung vgl. Rz. 11.3 ff.). Dagegen kann bei Trade Intangibles in der Praxis eher die Einpreisung mittels eines kostenbasierten Ansatzes über den Gewinnaufschlag vorgenommen werden.

11.201

6. Markenrechte a) Grundlagen Markenrechte stellen die bekannteste Ausprägung der immateriellen Marketingwerte dar.3 Sie können als gesetzlich geschützte Unterschei1 OECD-Leitlinien 2010, Rz. 6.17. 2 Vgl. OECD-Leitlinien 2010, Rz. 6.17. 3 Eine exakte Definition der Immateriellen Marketingwerte oder Marketing Intangibles fehlt bislang. Sie werden i.d.R. durch beispielhafte Aufzählung möglicher Werte beschrieben.

Dorn

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11.202

Kap. 11: Geistiges Eigentum und Verrechnungspreise

dungszeichen (sog. Marke im rechtlichen Sinne)1 sowohl Gegenstand von endgültigen Rechtsübertragungen (s. Veräußerung Rz. 11.207) als auch zeitlich begrenzten Nutzungsüberlassungen (s. Lizenzierung Rz. 11.215) sein.2 Unabhängig von der Bezeichnung des Vertrags liegt eine Übertragung immer dann vor, wenn es zu einer Veränderung der Zuordnung des Rechts kommt, die Marke im rechtlichen Sinne also nicht mehr dem bisherigen, sondern das wirtschaftliche und rechtliche Eigentum einem neuen Inhaber zugerechnet wird.3

11.203

Hingegen entstehen Marken in den Köpfen der Verbraucher4, wenn sie eine markierte Leistung, also bspw. ein mit einer Marke im rechtlichen Sinne markiertes Produkt,5 als Marke anerkennen und diese markierte Leistung bei ihnen eine bestimmte, sog. verhaltensbezogene Reaktion auslöst, die aus Sicht der Anbieter im Idealfall zum Kauf oder zur Zahlung eines Mehrpreises führt (sog. Mengen- und Preiseffekt). Die Entstehung einer Marke setzt also eine markierte Leistung voraus, die bei den Nachfragern zu bestimmten, sog. verhaltensbezogenen Wirkungen und gleichzeitig bei den Anbieter zu sog. ökonomischen Markenwirkungen führt.6 Damit auf Seiten der Nachfrager die verhaltensbezogenen Wirkungen wie das Markenimage und die Markenbekanntheit ausgelöst werden, unternehmen die Anbieter sog. markenpolitische Maßnahmen wie die Markierung der Leistung, Schaltung von Werbung oder Gestaltung der Verpackung der Leistung. Die Marke ist somit das Ergebnis des Wirkungszusammenhangs zwischen den Maßnahmen der anbietenden Seite, den daraus resultierenden Wirkungen bei den Nachfragern und den erst dadurch möglichen ökonomischen Wirkungen auf Seiten der Anbieter.

11.204

Eine Marke ist also eine markierte Leistung, die infolge der markenpolitischen Bemühungen auf Seiten der Anbieter bei den Nachfragern be1 Die Marke im rechtlichen Sinne entsteht in dem Zeitpunkt, in dem sie durch das Gesetz eines Staates geschützt wird. Das deutsche Markengesetz schützt sog. Registermarken, die durch Anmeldung des Unterscheidungszeichens beim zuständigen Markenregister, Benutzungsmarken, die durch die Erlangung der sog. Verkehrsgeltung, sowie Notorietätsmarken, die durch Erlangung der notorischen Bekanntheit entstehen. 2 Diese Darstellung basiert im Wesentlichen auf der Doktorarbeit der Verfasserin zu diesem Thema, vgl. Brändel, Verrechnungspreise bei grenzüberschreitender Lizenzierung von Marken im Konzern, Diss., Berlin 2010, passim. Alle darin enthaltenen und weiteren Quellen werden explizit genannt. 3 Vgl. Baumhoff in F/W/B, § 1 AStG Rz. 700.1. 4 Steinmann, Marken, 7. 5 Der Begriff der Leistung wird als Synonym für das materielle Produkt oder das immaterielle Produkt (Dienstleistung) verwendet. Hier wird aber nur die Markierung einer materiellen Leistung betrachtet. 6 Diese Definition der Marke basiert auf der sog. integrierten verhaltens- und erfolgsbezogenen Betrachtungsweise der Marke. Danach wird eine markierte Leistung erst dann als Marke verstanden, wenn einerseits die Nachfrager sie als solche anerkennen und sie andererseits ökonomische Markenwirkungen erzielt (vgl. Bruhn, Was ist eine Marke – Aktualisierung der Markendefinition, Jahrbuch der Absatz- und Verbraucherforschung 2004, 4 ff. [28]).

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Dorn

C. Verwertung von immateriellen Wirtschaftsgütern

stimmte verhaltensbezogene Reaktionen hervorruft und zu bestimmten ökonomischen Markenwirkungen in Form von Mehreinnahmen führt.1 Die Markierung der Leistung erfolgt mit dem gesetzlich geschützten Unterscheidungszeichen, der Marke im rechtlichen Sinne. Diese Marke im rechtlichen Sinne (im rechtlichen Sinne) ist nach dem SOR-Paradigma der Stimulus(S), der auf die Nachfrager (Organismen, O) wirkt und die gewünschte Reaktion (R) hervorruft. Kann die Marke im rechtlichen Sinne die gewünschten ökonomischen Wirkungen hervorrufen, so ist die Marke im rechtlichen Sinne wirtschaftlich werthaltig, weil durch ihren Einsatz infolge der Markierung der Leistung zusätzliche2 Einnahmen auf Anbieterseite realisiert werden können. In jedem Fall ist die Marke im rechtlichen Sinne rechtlich werthaltig3, weil sie gesetzlich geschützt ist, weswegen der Markeninhaber jeden anderen von der Benutzung des Unterscheidungszeichens ausschließen kann. Gegenstand der Rechtsübertragungen bzw. -überlassungen sind stets die Marken im rechtlichen Sinne, also die positiven Benutzungs- und ggf. negativen Verbietungsrechte des Markeneigners an dem rechtlich geschützten Unterscheidungszeichen. Im Regelfall stellen die vertraglichen Gestaltungen jedoch auf die wirtschaftliche Werthaltigkeit der Marke im rechtlichen Sinne ab, die durch die Markierung einer Leistung mit der Marke im rechtlichen Sinne unter den genannten Voraussetzungen erzielt werden kann. Daher können in Einzelfällen auch Markenkonzepte Bestandteil der Vereinbarungen sein (s. Markenlizenz i.w.S. Rz. 11.217), damit der Erwerber oder Lizenznehmer entsprechende Maßnahmen durchführen kann, welche die gewünschten verhaltensbezogenen und ökonomischen Markenwirkungen bereits hervorgerufen haben und ggf. weiterhin können.

11.205

Sind die Vertragsparteien verbundene Unternehmen, so werden die vereinbarten Preise steuerlich nur dann anerkannt, wenn sie fremdvergleichskonform sind. Eine der wohl schwierigsten Aufgaben der Gestaltung internationaler Verrechnungspreise geht mit der Nutzungsüberlassung immaterieller Wirtschaftsgüter einher.4 Für die Lizenzierung von Marken gilt dies besonders. Erschwert wird die Verrechnung von Markenlizenzen im Konzern sowohl dadurch, dass unzählige, in ihrer Ausgestaltung höchst unterschiedliche Sachverhalte innerhalb eines Unternehmens mit der Lizenzierung einer Marke verbunden sein können, als auch

11.206

1 Diese Unterscheidung basiert auf dem sog. Markenerfolgskettenansatz von Bruhn mit den Elementen der Marke im rechtlichen Sinne, der markierten Leistung und der Marke (vgl. Bruhn, Was ist eine Marke – Aktualisierung der Markendefinition, Jahrbuch der Absatz- und Verbraucherforschung 2004, 4 ff. [28]). 2 Diese Einnahmen können neben den sog. leistungsbezogenen Einnahmen erzielt werden. 3 Die rechtliche Werthaltigkeit der Marke entsteht allein durch ihren gesetzlichen Schutz. Im Fall einer sog. Registermarke entsteht sie durch ihre Anmeldung beim zuständigen Markenregister. 4 Vgl. Damji/Raab, Sturmwarnung, 1 (1), OECD-Verrechnungspreisgrundsätze, Anm. 6.2.

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Kap. 11: Geistiges Eigentum und Verrechnungspreise

dadurch, dass die Marke während der Nutzungsüberlassung ihren Wert verändern und für diese Wertveränderung auch der Wertbeitrag des Lizenznehmers verantwortlich sein kann.1 Komplexe Verrechnungspreisfragen entstehen dabei vor allem dann, wenn nicht nur der Markeninhaber oder Lizenzgeber, sondern auch andere konzerngebundene Unternehmen Marketingaktivitäten ausüben und zur Entstehung oder Steigerung des immateriellen Marketingwerts2 der Marke beitragen.3 Der Streitfall zwischen dem Unternehmen GlaxoSmithKline und dem amerikanischen Finanzamt hat eindrucksvoll aufgezeigt, zu welchen wirtschaftlichen Konsequenzen eine unangemessene Verrechnung der Markenlizenzen innerhalb des Konzerns führen kann.4 b) Veräußerung

11.207

Veräußerungen von Marken sind innerhalb eines Konzerns eher die Ausnahme. Sie können jedoch beispielsweise bei Schließung eines Auslandsunternehmens oder Gründung von Lizenzverwertungsgesellschaften auftreten. In jedem Fall müssen die Kaufverträge wie zwischen fremden Dritten abgeschlossen werden.

11.208

Für die Verrechnung der dem Grunde nach steuerlich entgeltpflichtigen Übertragung der Markenrechte der Höhe nach können grundsätzlich sowohl die Standard- als auch die gewinnorientierten Verrechnungspreismethoden zur Anwendung kommen, wenn deren Anwendungsvoraussetzungen erfüllt sein sollten. Die Verrechnungspreisgrundsätze der deutschen Finanzverwaltung enthalten für die Verrechnungspreisbildung der endgültigen Rechtsübertragung keinerlei Hinweise.

11.209

Grundsätzlich genießen die sog. Standardmethoden Anwendungsvorrang, wobei von der Preisvergleichs-, Wiederverkaufspreis- und Kostenaufschlagsmethode wiederum die erstgenannte Anwendungsvorrang vor den weiteren genießt, sofern sie anwendbar erscheint.5

11.210

Die Preisvergleichsmethode kann nur in Ausnahmefällen zur Anwendung kommen, weil ihre Anwendungsvoraussetzungen im Regelfall nicht erfüllt sein können. Markenrechte sind grundsätzlich nur einmal veräußerbar, weswegen ein innerer Preisvergleich scheitern muss. Zudem unterscheiden sich die Preise für die Markenrechte aufgrund der wirt1 Vgl. Brändel, Der Konzern 2010, 606 (606). 2 In diesem Zusammenhang wird immer wieder der Begriff der „Immateriellen Marketingwerte“ bzw. „Marketing Intangibles“ verwendet. Dabei erscheinen Marken als bekannteste Ausprägung dieser Werte, die bislang nur durch Aufzählungen beispielhaft definiert werden. 3 Vgl. OECD-Verrechnungspreisgrundsätze, Anm. 6.1 f. 4 Bei diesem mittlerweile beigelegten Streitfall handelt es sich wohl um den bisher größten Streitfall der Steuergeschichte. Er endete mit einer Steuernachforderung von 5,2 Mrd. US-Dollar zugunsten des amerikanischen Finanzamts. Vgl. Damji/ Raab, Sturmwarnung, 1 (1). 5 Vgl. § 1 Abs. 3 Satz 1 AStG, Sieker in Debatin/Wassermeyer, MA Art. 9 Rz. 304.

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C. Verwertung von immateriellen Wirtschaftsgütern

schaftlichen Werthaltigkeit der jeweiligen Marke im rechtlichen Sinne in den meisten Fällen. Nur in wenigen Einzelfällen werden die preisdeterminierenden Faktoren, die den Wert der Marke im rechtlichen Sinne bestimmen, übereinstimmen oder annähernd vergleichbar sein und eine Anpassungsrechnung ermöglichen. Grund dafür sind u.a. die markenstrategischen Optionen, wie z.B. die eines Markentransfers, bei dem die Marke im rechtlichen Sinne für die Markierung einer anderen Leistung (sachlicher Markentransfer) und/oder für die Vermarktung in einem bisher nicht bedienten Markt (räumlicher Markentransfer) genutzt wird, weil diese Optionen und deren Erfolgswahrscheinlichkeit den wirtschaftlichen Wert der Marke wesentlich beeinflussen (s. dazu die Bewertung der Marke Rz. 6.36 ff.). Ausnahmsweise könnte der äußere Preisvergleich beispielsweise Anwendung finden, wenn ausschließlich rechtlich werthaltige Marken im rechtlichen Sinne veräußert werden. In Einzelfällen kann sich jedoch auch in diesen Sachverhalten der Preis der jeweiligen Marke im rechtlichen Sinne deutlich unterscheiden. So zum Beispiel, wenn der Markeninhaber die Markenrechte für ein bestimmtes Gebiet innehat, in dem der Markeninhaber der identischen Marke im rechtlichen Sinne diese nun ebenfalls zu einer Marke aufbauen möchte. Ursache für eine solche Marktsituation ist, dass es keine globalen Markenrechte, sondern nur Bündel an nationalen Markenrechten gibt. Eine Ausnahme bildet die sog. Gemeinschaftsmarke, die zumindest für den gesamten europäischen Raum beim zuständigen Markenamt in Alicante angemeldet werden kann.1 In wenigen Ausnahmefällen können Veröffentlichungen aus der Presse Informationen für einen äußeren Preisvergleich entnommen werden.2 Die Wiederverkaufspreismethode kann Anwendung finden, wenn das konzerngebundene Unternehmen die Marke im rechtlichen Sinne erst von einem fremden oder anderen verbundenen Unternehmen als „Zwischenhändler“ erworben hat und nun weiterveräußert. Im Regelfall erscheint sie nicht anwendbar, weil die immateriellen Werte im Konzern nicht gehandelt werden.3

11.211

Die Kostenaufschlagsmethode findet als ultimo ratio vor allem für die Verrechnung von Dienstleistungen Anwendung und ist daher grundsätzlich nicht für die Bepreisung von Kaufverträgen geeignet, weil sich der Wert der Marke im rechtlichen Sinne im Regelfall nicht an den Entwicklungskosten, sondern an den zu erwartenden Erträgen orientiert.4 Eine Ausnahme kann jedoch dann gelten, wenn der Verkäufer bislang wie ein Dienstleistungsunternehmen agiert hat, weil er beispielsweise das Unterscheidungs-

11.212

1 Durch die Anmeldung der Gemeinschaftsmarke entsteht ein gemeinschaftsweites, übernationales und einheitliches Markenrecht. Die für die Umsetzung der Gemeinschaftsmarkenverordnung notwendigen Anpassungen sind im dritten Abschnitt des fünften Teils des Markengesetzes enthalten. 2 Vgl. Engler in Vögele/Borstell/Engler, Verrechnungspreise3, Immaterielle Wirtschaftsgüter, Rz. 296. 3 Vgl. Baumhoff in F/W/B, § 1 AStG Rz. 700.2. 4 Vgl. Baumhoff in F/W/B, § 1 AStG Rz. 700.2.

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Kap. 11: Geistiges Eigentum und Verrechnungspreise

zeichen für den jetzigen Erwerber beim zuständigen Markenamt angemeldet hat. Kommt es nach erfolgreicher Registrierung der Marke durch eine solche Lizenzverwertungsgesellschaft zum Verkauf der ausschließlich rechtlich werthaltigen Marken im rechtlichen Sinne, kann die Verrechnung mittels der Kostenaufschlagsmethode durchaus sachgerecht sein.

11.213

Die gewinnorientierten Methoden sind ebenfalls grundsätzlich nicht für die Verrechnung des Verkaufs der Marke im rechtlichen Sinne geeignet. Da die Gewinnaufteilungsmethode im Regelfall auf eine Aufteilung des Gesamtgewinns abstellt, setzt sie eine Interaktion zwischen den beteiligten Vertragsparteien voraus, die im Fall des Verkaufs nicht gegeben sein wird, wenn die Marke im rechtlichen Sinne nicht vorher Gegenstand einer Nutzungsüberlassung war. Nur in diesen Fällen ist es realistisch, dass der jetzige Erwerber einen Beitrag geleistet hat, der für den wirtschaftlichen Wert der zu verkaufenden Marke verantwortlich sein kann. Die transaktionsbezogene Nettomargenmethode kann hingegen i.d.R. nicht angewendet werden, weil die Gewinnspanne des Veräußerungsgeschäfts mit den Bandbreiten vergleichbarer Rechtsgeschäfte desselben Veräußerers oder zwischen unabhängigen Vertragsparteien verglichen werden müsste. Da solche Rechtsgeschäfte jedoch selten und/oder die Vergleichsdaten nur schwer zugänglich sind, wird auch eine solche Vergleichsbasis nur ausnahmsweise vorhanden sein.1

11.214

Da im Regelfall kein tatsächlicher Fremdvergleich möglich und der Anwendungsbereich der bereits genannten Methoden nicht eröffnet sein wird, sollte der Verkauf der Marke im rechtlichen Sinne unter Berücksichtigung anderer geeigneter Methoden der Höhe nach verrechnet werden.2 Dadurch dürfte im Regelfall am besten den Bedingungen entsprochen werden, unter denen fremde Dritte die Marke im rechtlichen Sinne veräußert und den Preis dafür festgesetzt hätten. Im Ergebnis kann für die Ermittlung des Veräußerungs- bzw. Kaufpreises der Marke im rechtlichen Sinne nur der wirtschaftliche Wert der Marke im rechtlichen Sinne entscheidend sein. Denn dieser spiegelt die ökonomischen Wirkungen wider, auf die einerseits der Verkäufer in Zukunft verzichtet und die der Käufer andererseits in Zukunft erzielen kann. Damit der Verkäufer diesen Wert als Preisuntergrenze und der Käufer als Preisobergrenze für die Preisverhandlungen festsetzen kann, haben beide Vertragsparteien die Marke zu bewerten. Wie bereits unter Rz. 6.37 ff. dargestellt,3 sind dafür unter1 Vgl. Engler in Vögele/Borstell/Engler, Verrechnungspreise3, Immaterielle Wirtschaftsgüter, Rz. 300. 2 Nach Auffassung von Engler kommt der hypothetische Fremdvergleich i.S. des § 1 Abs. 3 Satz 5 AStG erst dann zur Anwendung, wenn keine andere geeignete Methode zur Anwendung kommen kann. Als solche nennt er die Bewertung der immateriellen Wirtschaftsgüter (vgl. Engler in Vögele/Borstell/Engler, Verrechnungspreise3, Immaterielle Wirtschaftsgüter, Rz. 300). Grundsätzlich müssen die Ergebnisse aller Methoden fremdvergleichskonform sein. 3 Die bereits dargestellten Bewertungsverfahren stellen allesamt auf die Ermittlung des gemeinen Werts, also des Einzelveräußerungspreises aus Sicht des Verkäufers (gemeinen Wert) ab.

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C. Verwertung von immateriellen Wirtschaftsgütern

schiedliche Methoden mit ganz unterschiedlichen Anwendungsproblemen vorhanden.1 In jedem Fall sollten jedoch monetäre Bewertungsverfahren eingesetzt werden, die nach Möglichkeit auf der integrierten anbieter- und nachfragerorientierten Betrachtungsweise der Marke basieren. Im Regelfall führt die Bewertung der Marke auf Seiten des präsumtiven Verkäufers und Käufers zu einem unterschiedlichen Ergebnis. Der festzusetzende Preis ist im Regelfall das Ergebnis eines Preisverhandlungsprozesses, der im vorliegenden Fall des hypothetischen Fremdvergleichs simuliert werden müsste. Ggf. könnte diese Simulation, die stets willkürliche Elemente enthalten wird, durch eine einheitliche Bewertung der Marke aus Sicht des Käufers und Verkäufers vermieden werden. c) Lizenzierung aa) Lizenzarten Gegenstand einer Markenlizenz i.S. des § 30 Markengesetz sind die positiven Benutzungsrechte an der Marke im rechtlichen Sinne. Mit ihrer Überlassung ist der Lizenznehmer befugt, die Leistung mit dem Unterscheidungszeichen des Markeninhabers bzw. Lizenzgebers zu markieren, die Marke im rechtlichen Sinne für die Vermarktung der Leistung zu benutzen und sie auf seinen Geschäftspapieren anzubringen.

11.215

Überlässt der Lizenzgeber dem Lizenznehmer alle genannten Rechte, so liegt eine sog. Einheitliche Markenlizenz vor. Beschränkt er die Nutzungserlaubnis auf das Recht zur Produktmarkierung, so liegt eine Produktmarkierungslizenz, beschränkt er sie auf das Recht zur Vermarktung der markierten Leistung, so eine Vermarktungslizenz vor. Diese Arten der sog. Markenlizenz i.e.S. enthalten ausschließlich die positiven Benutzungsrechte an der Marke im rechtlichen Sinne sowie marken- und leistungsbezogene Restriktionen.2

11.216

Sollte sich der Gegenstand der Markenlizenz hingegen nicht auf einen solchen Inhalt beschränken, so liegt eine sog. Markenlizenz i.w.S. vor. Diese Markenlizenzen beinhalten ein Leistungspaket, das dem Lizenznehmer zur Verfügung gestellt wird, damit er die markierte Leistung in seinem Lizenzgebiet nach den Vorstellungen oder dem Markenkonzept des Lizenzgebers zu einer Marke entwickeln kann. Die Vergabe einer Markenlizenz i.w.S. stellt damit auf die Reproduktion der markierten Leistung ab, welche die Nachfrager als Marke anerkennen.3 Dafür wird dem Lizenznehmer ein Leistungspaket zur Verfügung gestellt, das neben

11.217

1 Denkbare Bewertungsmethoden sind die Lizenzpreisanalogiemethode sowie die marktpreis-, kapitalwert- und kostenorientierten Verfahren. 2 Im Regelfall werden die Markenlizenzen i.e.S leistungsbezogene Restriktionen beinhalten, die beispielsweise für die Leistung (das materielle oder immaterielle Produkt) bestimmte Qualitätsanforderungen vorsehen, sowie markenbezogene Bestimmungen, die z.B. vorschreiben, wie und wo das Unterscheidungszeichen an der Leistung oder ihrer Verpackung angebracht werden darf. 3 Für die Erklärung der verwendeten Begriffe s Rz. 11.184 ff.

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Kap. 11: Geistiges Eigentum und Verrechnungspreise

einer Hersteller- und einer Markenlizenz i.e.S. ggf. die Lieferung der materiellen Leistung sowie die Erbringung von Dienstleistungen umfasst. Diese Gestaltungen sind mit dem (Marken-)Franchising vergleichbar und können in Gestalt eines Produkt-, Dienstleistungs- oder Vertriebsfranchising vorliegen.1

11.218

Damit können innerhalb des Konzerns Markenlizenzen i.e.S. in Gestalt einer einheitlichen Lizenz, einer Produktmarkierungs- und einer Vermarktungslizenz sowie Markenlizenzen i.w.S. vergeben werden. Welche Lizenzart letztlich zu vergeben sein wird, bestimmt der jeweilige Einzelfall. So benötigt die Vertriebsgesellschaft, welche die markierte Leistung vertreiben soll, eine Vermarktungslizenz, die Produktionsgesellschaft, welche die von ihr hergestellte Leistung ausschließlich mit der Marke im rechtlichen Sinne markieren soll, eine Produktmarkierungslizenz, und das Unternehmen, welches seine eigene Leistung herstellt, aber mit der Marke im rechtlichen Sinne eines anderen markieren und als markierte Leistung vertreiben möchte, eine einheitliche Markenlizenz. Möchte oder soll der Lizenznehmer beispielsweise eine bestimmte Leistung herstellen und diese nach dem Markenkonzept des Lizenzgebers markieren und vertreiben, so ist die Vergabe einer Markenlizenz i.w.S. notwendig.

11.219

Unabhängig von der vorliegenden Art der Markenlizenz erfordert die Vergabe einer Markenlizenz i.e.S. oder i.w.S. stets die fremdvergleichskonforme Verrechnung der Erlaubnis zur Nutzung der Marke im rechtlichen Sinne Die Vergabe einer Produktmarkierungs- und Vermarktungslizenz setzt darüber hinaus voraus, dass die Leistung des Lizenznehmers verrechnet wird, die dieser im Auftrag des Lizenzgebers durch die Herstellung und Markierung bzw. die Vermarktung der materiellen Leistung erbringt. Insoweit wird davon ausgegangen, dass der Lizenznehmer durch die Vergabe der Lizenz implizit mit diesen Aufgaben von dem Lizenzgeber beauftragt wird. Liefert der Lizenzgeber im Fall der Vermarktungslizenz auch die materielle Leistung an den Lizenznehmer, so ist auch diese dem Grunde und der Höhe nach unter Beachtung des Fremdvergleichsgrundsatzes zu verrechnen. Die Vergabe einer Markenlizenz i.w.S. kann die Verrechnung von drei Entgelten notwendig machen, wenn der Lizenzgeber dem Lizenznehmer die immateriellen Wirtschaftsgüter (Marke im rechtlichen Sinne, Markenkonzept, Herstellerlizenz) zur Nutzung über1 Letztlich ist Gegenstand des Leistungspakets alles, was der Lizenznehmer benötigt, um die markierte Leistung zu reproduzieren, daher alles, was er für ihre Herstellung bis hin zu ihrem Vertrieb braucht. Diese Bestandteile beziehen sich einerseits auf die Leistung, also das Produkt selbst, und andererseits auf die Marke. Die markenbezogenen Bestandteile beinhalten u.a. auch das Markenkonzept des Lizenzgebers. Dieses kann sich beispielsweise auch auf die Verpackung der Leistung beziehen, ihre Farbgebung, ihre Qualitätsmerkmale etc., soweit diese Bestandteil dieses Konzepts sind. Diese Bestandteile der materiellen Leistung werden als funktional nicht notwendige bezeichnet, weil sie auf die Erzielung eines emotionalen Nutzens abstellen. Die anderen Bestandteile der markierten Leistung hingegen sind funktional notwendig, weil sie für die Erfüllung der Grundfunktion der Leistung erforderlich sind.

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C. Verwertung von immateriellen Wirtschaftsgütern

lasst, darüber hinaus die materielle Leistung liefert und zusätzlich Dienstleistungen erbringt. Bei der Verrechnung dieser Entgelte ist jedoch zu berücksichtigen, dass der Lizenzgeber den Lizenznehmer ggf. mit der Herstellung, Vermarktung der Leistung und Entwicklung der markierten Leistung zu einer Marke beauftragt. bb) Verrechnung dem Grunde nach (1) Darstellungsweise Die nachfolgende Betrachtung erfolgt getrennt für die Markenlizenz i.e.S und i.w.S.

11.220

(2) Markenlizenz i.e.S Die Verrechnung der Markenlizenz i.e.S dem Grunde nach setzt einen zivilrechtlich wirksamen Lizenzvertrag1 über die Benutzung einer rechtlich werthaltigen Marke im rechtlichen Sinne voraus,2 wobei diese auf Grund ihres gesetzlichen Schutzes per Definition die genannte Bedingung erfüllt (s Rz. 11.204).

11.221

Allerdings ist die Nutzungserlaubnis der Marke im rechtlichen Sinne nur dann steuerlich entgeltpflichtig, wenn die Markenrechte des Markeneigners noch nicht erschöpft sind,3 weswegen der Lizenznehmer tatsächlich der Nutzungserlaubnis des Markeneigners bedarf, weil er ansonsten dessen Benutzung der Marke im rechtlichen Sinne zur Produktmarkierung und Vermarktung der markierten Leistung nicht verbieten könnte.

11.222

Etwas anderes gilt dann, wenn die Marke im rechtlichen Sinne als Konzernname bzw. Firma und als produktidentifizierendes Unterscheidungszeichen zugleich verwendet wird.4 Da die Nutzungsüberlassung des Konzernnamens als sog. Rückhalt im Konzern ihre Ursache im gesellschaftsrechtlichen Verhältnis der Vertragspartner hat,5 ist diese steuerlich nicht entgeltfähig. Daher erscheint die Nutzungsüberlassung der Marke im rechtlichen Sinne nur dann dem Grunde nach unter den genannten Voraussetzungen steuerlich entgeltpflichtig, wenn der Firmenname in seiner

11.223

1 Vgl. Dürrfeld/Wingendorf, IStR 2005, 464 (464). 2 Vgl. BFH v. 9.8.2000 – I R 12/99, BStBl. II 2001, 140 f. 3 Hat der Markeneigner oder ein von ihm befugter Dritter beispielsweise die markierte Leistung schon in den Verkehr verbracht, weil er sie an Vertriebshändler veräußert hat, so kann er diesen die (ordnungsgemäße) Benutzung seiner Marke im rechtlichen Sinne nicht mehr verbieten. Seine Markenrechte haben sich insoweit erschöpft. Nach h.M. führen konzerninterne Veräußerungen nicht zur Erschöpfung der Markenrechte, weil die Leistung nicht in den Verkehr gebracht wird. Vgl. zu diesem Thema insbesondere Fezer, Markenecht4, Kommentierung zu § 24 Markengesetz. 4 In diesen Fällen werden die Rechte, die Marke im rechtlichen Sinne als Firmenname und als produktidentifizierendes Zeichen zu verwenden, als zwei autonom verwertbare Rechte betrachtet. 5 Vgl. BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 – 4/83, BStBl. I 1983, 213 ff. Rz. 6.3.2.

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Kap. 11: Geistiges Eigentum und Verrechnungspreise

wirtschaftlichen Funktion hinter die des produktidentifizierenden Zeichnens tritt. Ansonsten ist das Entgelt in einen verrechenbaren und nicht verrechenbaren Anteil aufzuteilen.1 (3) Markenlizenz i.w.S.

11.224

Die Markenlizenz i.w.S. kann als Leistungsbündel lizenziert und durch eine einheitliche Globallizenzgebühr verrechnet werden, wenn die dem Franchisenehmer überlassenen und von ihm genutzten Wirtschaftsgüter eine technische oder wirtschaftliche Einheit darstellen und die Notwendigkeit für eine Aufteilung des Gesamtentgelts nicht besteht.2 Dabei ist die Verrechnung einer einheitlichen Gebühr grundsätzlich nur dann möglich, wenn der Lizenzgeber dem Lizenznehmer ausschließlich die auf die Entwicklung der markierten Leistung zu einer Marke gerichteten immateriellen Wirtschaftsgüter zur Nutzung überlässt und diesem weder die materielle Leistung liefert noch für diesen Dienstleistungen erbringt.3 Andernfalls sind die dafür zu entrichtenden Entgelte separat zu verrechnen, weil sie nicht als Gegenleistung für die Nutzungsüberlassung der immateriellen Wirtschaftsgüter gezahlt werden und damit keine Lizenzgebühren darstellen.

11.225

Etwas anderes gilt allerdings für jene Fälle, in denen Einzellizenzen verrechnet werden oder die Finanzbehörden für die Angemessenheitsprüfungen die Aufspaltung des Gesamtentgelts in die einzelnen Komponenten verlangen.4 Dann sind insbesondere die Rezepturen, Patente, technischen Verfahren sowie das technische und betriebswirtschaftliche Know-how separat hinsichtlich ihrer Verrechenbarkeit dem Grunde nach zu überprüfen (Rz. 11.460 ff.). cc) Verrechnung der Höhe nach (1) Darstellungsweise

11.226

Die Verrechnung der Höhe nach wird für die unterschiedlichen Lizenzarten dargestellt.

1 Vgl. BFH v. 9.8.2000 – I R 12/99, BStBl. II 2001, 140. 2 Vgl. Böcker, Internationale Lizenzen, 157 f. Eine solche Notwendigkeit ergibt sich zum Beispiel im Falle der Anwendung eines Abkommens zur Vermeidung der Doppelbesteuerung, wenn Dienstleistungen Bestandteil des Leistungspaketes sind, da die dafür bezahlten Entgelte keine Lizenzgebühren sind. 3 Die Lieferung der materiellen Leistung sowie die Erbringung der Dienstleistungen sind steuerlich entgeltpflichtig, wenn die Dienstleistung auf schuldrechtlicher Basis erbracht wird und für das leistungsempfangende Unternehmen einen wirtschaftlichen Wert schafft, der seine eigene Geschäftsposition stärkt, und die Lieferung der materiellen Leistung im betrieblichen Eigeninteresse des Franchisenehmers auf schuldrechtlicher Basis erfolgt. 4 Vgl. Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung7, 821 ff., VWG-Einkunftsabgrenzung 1983, Rz. 5.1.2.

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C. Verwertung von immateriellen Wirtschaftsgütern

(2) Einheitliche Markenlizenz (a) Überblick Die Verrechnung der Höhe nach erfolgt unter Berücksichtigung des Fremdvergleichsgrundsatzes aus Sicht zweier ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter, die beide mit Gewinnerzielungsabsicht agieren, sich dabei aber vernünftig verhalten. Deswegen kann unterstellt werden, dass sie an einer verursachungsgerechten Aufteilung der Gewinne1 interessiert sind, die ausschließlich durch den Einsatz der Marke im rechtlichen Sinne2 resultieren, sowie das beauftragende Unternehmen anerkennt, dass der Beauftragte nur in Gewinnerzielungsabsicht handeln darf,3 und der Lizenzgeber stets akzeptiert, dass sich der Lizenznehmer nicht allein durch die Lizenzhereinnahme wirtschaftlich verschlechtern darf.

11.227

Daraus können drei Regeln für die Verrechnung der Höhe nach abgeleitet werden: Erstens erfolgt eine verursachungsgerechte Aufteilung,4 allerdings zweitens nur für die markenbezogenen Einnahmen, in deren Anschluss die markenbezogenen Ausgaben berücksichtigt werden und drittens werden bestimmte Grenzen (Mindest- und Maximalwert der Lizenz) beachtet, damit Sonderfälle eingefangen werden können.5

11.228

Grundsätzlich soll dabei nur derjenige die zusätzlichen Einnahmen vereinnahmen, die durch den Einsatz der Marke im rechtlichen Sinne verwirklicht werden können, dessen Wertbeitrag für deren Entstehung ursächlich ist. Die damit verbundene Aufteilung der Einnahmen erfolgt da-

11.229

1 Grundsätzlich sind sie an einer Aufteilung des durch die Marke realisierbaren Mehrerlöses oder wirtschaftlichen Vorteils interessiert. Letztlich möchte jeder von ihnen mindestens den Anteil für sich beanspruchen, für dessen Verwirklichung sein eigener Wertbeitrag ursächlich ist. 2 Nachfolgend wird stets nur auf den Einsatz des Unterscheidungszeichens abgestellt. Eigentlich besteht die „Marke“ aus weiteren materiellen Bestandteilen wie einer originellen Verpackung, einem Markenlogo, Slogan, Jingle, einer eigenen Farbgebung etc. Sie alle sind Bestandteil der sog. Ganzheit der Marke. Sie alle sind die funktional nicht notwendigen Bestandteile der markierten Leistung, weil sie auf die Erzielung des emotionalen Nutzens abstellen. 3 So kann beispielsweise bei der Vergabe einer Vermarktungs- oder einer Produktmarkierungslizenz im Regelfall unterstellt werden, dass ihre Vergabe implizit mit der Beauftragung des Lizenznehmers zum Vertrieb oder Herstellung der Marke einhergeht. Diese Betrachtungsweise führt dazu, dass ihnen entweder eine Vergütung für den Vertrieb (Vertriebsgewinn) oder für die Herstellung der Leistung zu verrechnen ist. Dies erfolgt neben der Verrechnung der Markenlizenz, steht aber in unmittelbarem Zusammenhang mit ihrer Vergabe. Deren Verrechnung ist Gegenstand der leistungsbezogenen Einnahmenveränderung und Einnahmenzurechnung. 4 Diese erfolgt einheitlich für beide Geschäftsleiter aus Sicht eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters. Eine unterschiedliche Bewertung der Marke von den Vertragsparteien wird damit ausgeschlossen. 5 Diese Grundregeln werden im Rahmen der Gewinnaufteilungsmethode näher erläutert.

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Kap. 11: Geistiges Eigentum und Verrechnungspreise

her unter Berücksichtigung der Ursachen-Wirkungsbeziehung zwischen den Maßnahmen der anbietenden Seite (Lizenznehmer und/oder Lizenzgeber), den daraus resultierenden verhaltensbezogenen Wirkungen (wie Markenbekanntheit und Markenimage) und den erst dadurch möglichen ökonomischen Markenwirkungen (markenbezogenen Einnahmen, s. Rz. 11.203 ff.). Werden im Anschluss an diese Aufteilung die markenbezogenen Ausgaben des Lizenznehmers berücksichtigt, die diesem für die Einnahmen entstanden sind, die aber dem Lizenzgeber zuzurechnen sind, kann die Lizenzgebühr verrechnet werden. Dabei behält sich der Lizenznehmer ggf. eine Rücklizenz in Höhe der verbleibenden Einnahmen1 zurück. Im Ergebnis können beide Beteiligten einen Gewinn verwirklichen, und zwar (fast) unabhängig voneinander. Damit kann der Problematik der sog. Marketing Intangibles2 begegnet werden, weil der Wertbeitrag des Lizenznehmers durch die Rücklizenz sachgerecht berücksichtigt wird und er ggf. auch einen Gewinn verwirklichen kann.

11.230

Durch die Verwendung dieser Regeln können alle denkbaren Sachverhaltsgestaltungen verrechnet werden. Sie können in 8 Fälle untergliedert werden (Auflistung s. Tabelle). Denn Gegenstand der Markenlizenz i.e.S ist stets die Marke im rechtlichen Sinne, die zum Zeitpunkt der Lizenzvergabe in dem jeweiligen Lizenzgebiet stets rechtlich werthaltig ist (ansonsten würde der Lizenznehmer keine Erlaubnis benötigen). Sie kann zu diesem Zeitpunkt bereits wirtschaftlich werthaltig sein (Fall 1, 2, 5, 6, d.h. WB 1 = X), was bedeutet, dass der Lizenznehmer ohne weiteres Zutun allein durch die Markierung seiner Leistung Mehreinnahmen realisieren kann (sog. Wertbeitrag 1 [WB 1]). Sie muss aber nicht wirtschaftlich werthaltig sein (Fall 3, 4, 5, 8, d.h. WB 1 = 0). Sodann kann sich in beiden Fällen der Wert der Marke über die Lizenz in dem Sinne verändern (Fälle 1–5, 7), dass ihre wirtschaftliche Werthaltigkeit steigt, sie also zu höheren Einnahmen beitragen kann als noch zum Zeitpunkt der Lizenzvergabe. Für diese Mehreinnahmen kann sowohl der Wertbeitrag des Lizenznehmers (Fall 1, 3, 4, 5) (sog. Wertbeitrag 3 [WB 3]) als auch der des Lizenzgebers 1 Diese ergeben sich aus der Differenz zwischen den gesamten markenbezogenen Einnahmen und den an den Lizenzgeber gezahlten Einnahmen in Form der Lizenzgebühr. 2 Für Marketing Intangibles gibt es derzeit noch keine exakte Definition. Sie werden i.d.R. durch eine Aufzählung verschiedener Werte wie brands, trademarks, the local market position, know-how that surrounds a trademark (vgl. Levey/ Herksen/Schnorberger/Breckenridge/Taguchi/Dougherty/Russo, The Quest of Marketing Intangibles, Intertax 2006, 1 ff. [2]) definiert, die letztlich das Ergebnis der Marketing-Aktivität einer Unternehmung sind (vgl. OECD-Verrechnungspreisgrundsätze, Anm. 6.2). Die Marke ist die bekannteste Ausprägung dieser immateriellen Marketingwerte. Vorliegend entsprechen sie den Werten, die der Nachfrager mit der Marke im rechtlichen Sinne verbindet und die auf die Markenpolitik der anbietenden Seite zurückzuführen sind. Sie haften dem Unterscheidungszeichen an (sog. Sogwirkung der Marke). Letztlich verbirgt sich hinter der damit verbundenen Problematik, dass der Lizenznehmer für seinen Wertbeitrag zur Entstehung oder Steigerung der immateriellen Marketingwerte angemessen vergütet wird. Dies wird durch die Rücklizenz gewährleistet.

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C. Verwertung von immateriellen Wirtschaftsgütern

(Fall 1, 2, 3, 4) (sog. Wertbeitrag 2 [WB 2]) maßgeblich sein, ggf. sind sie es beide (Fall 1, 3). Es ist auch möglich, dass die Marke ihren Wert nicht verändert (Fall 6 und 8).1 Im Ergebnis kann die aus der Nutzung der Marke resultierende Einnahmenveränderung auf drei Wertbeiträge zurückzuführen sein. Wertbeitrag 1 ist (außer in den Fällen der Vertragsverlängerung) dem Lizenzgeber zuzurechnen, weil der Lizenznehmer zur Nutzung der Marke im rechtlichen Sinne vor Lizenzerteilung nicht befugt war. Er entspricht den Einnahmen, die allein aufgrund der verhaltensbezogenen Markenwirkungen realisiert werden können, die zum Zeitpunkt der Lizenzvergabe in dem Lizenzgebiet bereits vorhanden sind. Die Wertbeiträge 2 und 3 basieren auf denen, die über die Lizenzdauer erst erwirkt werden und dadurch zusätzliche Einnahmen ermöglichen. Sie sind entweder auf den Beitrag des Lizenznehmers (WB 3) oder des Lizenzgebers (WB 2) zurückzuführen und daher diesen zuzurechnen.2 Fälle

1

2

3

4

5

6

7

8

WB 1

X

X

O

O

X

X

O

O

WB 2

X

X

X

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O

O

X

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WB 3

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0

X

X

X

O

O

O

Die dargestellten Sachverhalte werden nun unter Anwendung der Verrechnungspreismethoden verrechnet. Im Zuge der Anwendung der Gewinnaufteilungsmethode werden die oben angerissenen Regeln weiter erläutert.

11.231

(b) Anwendung der Verrechnungspreismethoden Die Anwendung der Preisvergleichsmethode ist i.d.R. nicht möglich, weil diese als Vergleichsbasis Preise voraussetzt, die zwischen fremden Dritten auf dem Markt vereinbart worden sind. Gerade daran fehlt es i.d.R. Sollten derartige Vergleichswerte ausnahmsweise vorhanden sein, so ist dieser Methode der Vorrang einzuräumen.

11.232

Die Wiederverkaufspreismethode wäre anwendbar, wenn der Lizenznehmer ausschließlich Unterlizenzen an unverbundene Unternehmen vergeben würde. In diesen Fällen wäre die Lizenz zwischen dem konzern-

11.233

1 Nicht betrachtet wird der Fall, dass ihr Wert über die Dauer der Lizenz sinkt. Da die Verrechnungspreise ex ante zu bemessen sind, würde eine solche Annahme voraussetzen, dass die Vertragsparteien davon ausgehen, dass sich ihr Wert verringert. Die Hereinnahme der Lizenz wäre aus Sicht des Lizenznehmers unvernünftig. 2 Solche Sachverhalte sind insbesondere dann vorstellbar, wenn der Lizenznehmer eine von vielen mit der Marke im rechtlichen Sinne markierte Leistung vertreibt und der Lizenzgeber die anderen bewirbt. So profitiert der Lizenznehmer, der beispielsweise das „Nimm Zwei Eis“ verkauft, von den Marketingmaßnahmen, die der Lizenzgeber selbst für die Vermarktung der „Nimm Zwei Bonbons“ unternimmt (WB 3) und bereits unternommen hat (WB 1).

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Kap. 11: Geistiges Eigentum und Verrechnungspreise

internen Lizenznehmer und Lizenzgeber unter Abzug eines angemessenen Abschlags von der Lizenz, die der Dritte zahlt, zu verrechnen.

11.234

Die Kostenaufschlagsmethode kann in bestimmten Einzelsachverhalten Anwendung finden. Voraussetzung dafür ist, dass der Lizenznehmer oder Lizenzgeber nicht für die wirtschaftliche Werthaltigkeit der Marke im rechtlichen Sinne verantwortlich ist. Dies ist zum Beispiel dann denkbar, wenn der Lizenzgeber als Lizenzverwaltungsgesellschaft im Auftrag des Lizenznehmers agiert (denkbar in den Fällen 3 und 8). In diesen Fällen erbringt ausnahmsweise der Lizenzgeber eine dem Grunde nach steuerlich entgeltpflichtige Dienstleistung an den Lizenznehmer. Dieser Sachverhalt ist einer der genannten Sonderfälle. In diesem Fall entspricht die Markenlizenz dem Mindestwert in Höhe der Kosten des Lizenzgebers für die Verwaltung und das Halten des Markenrechts, erhöht um einen angemessenen Gewinnaufschlag. Dies gilt unabhängig davon, dass ausschließlich der Lizenznehmer für den wirtschaftlichen Wert der Marke verantwortlich ist und eigentlich diesem die Einnahmen ausschließlich zuzurechnen wären.

11.235

Für alle noch nicht gelösten Sachverhalte verbleibt nur die Anwendung einer gewinnorientierten Methode. Wie bereits angedeutet, findet die Gewinnaufteilungsmethode in einer modifizierten Form Anwendung. Diese Idee basiert auf der Annahme, dass grundsätzlich sowohl der Wertbeitrag des Lizenznehmers als auch der des Lizenzgebers für die markenbezogenen Einnahmen (Einnahmenveränderung auf Seiten des Lizenznehmers) verantwortlich sein können und diese für sich vereinnahmen möchten. Folglich muss auch jeder seine damit verbundenen Ausgaben tragen. Jeder trägt damit grundsätzlich die Ausgaben für die Maßnahmen, die er auf eigenes Risiko übernimmt, weil er von diesen auch alleine im Zuge der Einnahmenzurechnung profitieren möchte.

11.236

Eine Ausnahme muss auf Seiten des Lizenznehmers jedoch für die Ausgaben gelten, die ihm für die Einnahmen entstehen, für die der Wertbeitrag des Lizenzgebers kausal ist und die deswegen diesem zuzurechnen sind. Zu diesen sog. obligatorischen markenbezogenen Ausgaben gehören insbesondere jene, die dem Lizenznehmer entstehen, weil der Lizenzgeber ihn beispielsweise zur Markierung der Leistung oder Erfüllung bestimmter Mindestanforderungen an die Qualität der Leistung vertraglich verpflichtet. Würden diese Ausgaben des Lizenznehmers nicht im Rahmen der Aufteilung der markenbezogenen Einnahmen berücksichtigt, so liefe der Lizenznehmer Gefahr, sich allein durch die Hereinnahme der Lizenz wirtschaftlich schlechter zu stellen, als wenn er auf ihre Hereinnahme verzichten würde, und sich dadurch unvernünftig zu verhalten, wenn er nicht für den wirtschaftlichen Wert der Marke verantwortlich ist und keine markenbezogenen Einnahmen für sich beanspruchen könnte (so im Fall 6).

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C. Verwertung von immateriellen Wirtschaftsgütern

Dies ist der zweite zu beachtende Sonderfall, der durch den sog. Maximalwert der Lizenz berücksichtigt wird. Kommt er zur Anwendung, zahlt der Lizenznehmer eine Lizenz in Höhe der von ihm vereinnahmten markenbezogenen Einnahmen, vermindert um die markenbezogenen obligatorischen Ausgaben. Derartige Sachverhalte sind vor allem bei ausgereiften Marken vorstellbar, wenn beispielsweise die Marke Nike einem Schuhhersteller in Amerika erlauben würde, dessen Schuh mit ihrem Markenzeichen zu vermarkten und zu vertreiben. Da der Lizenznehmer in diesem Fall nicht für die Entstehung und Wirkung der Marke ursächlich sein wird, kann er keine Einnahmen für sich beanspruchen, gleichwohl trägt er die Ausgaben der Markierung. Deswegen kann die Lizenzgebühr maximal den Einnahmen entsprechen, die der Lizenznehmer aufgrund der Markierung seiner Leistung vereinnahmen kann, abzüglich der Ausgaben, die er letztlich für den Lizenzgeber trägt (so auch im Fall 7).

11.237

Dieser Sachverhalt zeigt die weitere Bedeutung des Maximalwerts der Lizenz auf. Denn für den Hersteller ist die Hereinnahme der Lizenz trotzdem von Vorteil, weil (bzw. wenn) er seinen Schuh, also die markierte Leistung, viel häufiger verkaufen kann, als wenn er sie als nicht markierte Leistung am Markt anbieten würde. Auch dies verwirklicht der Maximalwert der Lizenz. Denn er darf maximal der Differenzgröße aus den gesamten Einnahmen, dem leistungsbezogenem Wertbeitrag (Einnahmen) und den bereits erläuterten obligatorischen markenbezogenen Ausgaben entsprechen. Dadurch wird einerseits sichergestellt, dass die Lizenznehmer einheitlicher Markenlizenzen sowie der Vermarktungslizenzen stets für die Herstellung und/oder den Vertrieb der Leistung einen angemessenen (Vertriebs-)gewinn realisieren können, und andererseits, dass die Marke im rechtlichen Sinne stets nur zusätzlicher Bestandteil einer Leistung ist. Dies entspricht dem markenrechtlichen Verständnis, wonach eine Marke (im rechtlichen Sinne) nur ein zusätzlicher, funktional nicht notwendiger Bestandteil der Leistung ist, der für die Ausübung der Grundfunktion der mit ihr markierten Leistung nicht notwendig ist. Diese Betrachtungsweise der Marke ermöglicht zugleich die Abgrenzung der leistungs- und markenbezogenen Einnahmen, weil erstere ausschließlich aus dem Verkauf einer nicht markierten Leistung resultieren, die nur aus funktional notwendigen Bestandteilen besteht. Dabei umfassen diese gerade nicht die Bestandteile, wie eine aufwendig gestaltete Verpackung, die auf die Erzielung eines emotionalen Nutzens gerichtet sind. Denn die Leistung umfasst alles, was für die Erzielung des funktionalen Nutzens der Leistung maßgeblich ist, die Marke hingegen, was für die Verwirklichung des emotionalen Nutzens notwendig ist.1 Daher ist die Leistung mit einer nicht markierten Leistung gleichzusetzen, die nur aus Bestandteilen bzw. Mate-

11.238

1 Eigentlich müsste an dieser Stelle der Begriff der Ganzheit der Leistung verwendet werden, da der Begriff der Leistung im Grunde das materielle Produkt meint, das auch Elemente der Ganzheit der Marke umfasst, zu der beispielsweise auch anteilig die Verpackung gehört, weil diese auf die Erfüllung eines emotionalen Nutzens abstellt. Da es insoweit zu Überschneidungen kommt, ist die Abgrenzung notwendig.

Dorn

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Kap. 11: Geistiges Eigentum und Verrechnungspreise

rialien besteht, die zwingend für die Erzielung des funktionalen Nutzens notwendig erscheinen. Dazu gehörte gerade nicht beispielsweise die aufwendig gestaltete Verpackung, weil diese über den Zweck, die Leistung für den Vertrieb zu schützen, hinaus, zumindest anteilig auf die Beeinflussung des Nachfragers abstellt. Für Verbraucher stellen die Leistungen Problemlösungen dar, die sie kaufen, um ihre Wünsche und Bedürfnisse zu befriedigen. Sie kaufen einen Bohrer, um ein Loch in die Wand zu machen, und Schuhe, um ihre Füße beim Laufen zu schützen, und nicht Schuhe, weil auf diesen Nike steht, sondern kaufen die Schuhe, die von Nike sind. Ist der Lizenznehmer also nicht für den Wert der Marke ursächlich, so kommt der Maximalwert der Lizenz zur Anwendung (möglich in den Fällen 2, 5, 7, 8).

11.239

In den anderen noch nicht gelösten Sachverhalten erfolgt die Verrechnung wie folgt: Die markenbezogenen Einnahmen sind im Rahmen der sog. Einnahmenveränderung zu bewerten (sog. Markenlizenzwert1). Dafür sind diese als zusätzliche Einnahmen zu verstehen, die über die leistungsbezogenen Einnahmen hinaus infolge der Markierung der Leistung durch die in den Nachfragern ausgelösten verhaltensbezogenen Wirkungen vereinnahmt werden können. Sie stellen die Einnahmenveränderung dar, die sich auf Seiten des Lizenznehmers durch die Nutzung der Marke im rechtlichen Sinne einstellt. Da für diese Reaktionen die Maßnahmen des Lizenznehmers oder -gebers wie die Werbung, Gestaltung der Verpackung, Namensgebung, Gestaltung des Logos verantwortlich sind, kann eine UrsachenWirkungsbeziehung hergestellt werden (s. Rz. 11.203 ff.). Diese besteht zwischen den Maßnahmen, den daraus resultierenden verhaltensbezogenen Markenwirkungen und den wiederum dadurch erzielbaren, ökonomischen Markenwirkungen in Gestalt der Mehreinnahmen. Ihre Identifikation ist Aufgabe einer Markenanalyse, aus deren Ergebnissen eine Übersicht erarbeitet werden kann, in der die gesamten ökonomischen Markenwirkungen anteilig (a) auf die identifizierten (f) Erfolgsfaktoren (E) der Marke, alle Erfolgsfaktoren auf die gesamten (z) Maßnahmen (M), die anteilig (m) für ihre jeweilige Entstehung notwendig sind, und die Maßnahmen jeweils anteilig (á und â) auf die Beteiligten, d.h. den Lizenzgeber (LG) und den Lizenznehmer (LN), denen ihre Durchführung zuzurechnen ist, aufgeteilt werden können. Grafisch könnte diese wie folgt ausgestaltet werden:

1 Der Markenlizenzwert beinhaltet die markenbezogenen Einnahmen, die der Lizenznehmer im Rahmen der Lizenzierung verwirklichen kann. Er ist also ein an die rechtlichen Rahmenbedingungen der Lizenz angepasster Markenwert. Für seine Ermittlung sollten erfolgsbezogene Ansätze verwendet werden, die anerkennen, dass Voraussetzung für deren Verwirklichung die verhaltensbezogenen Wirkungen sind. Dadurch scheiden verhaltensbezogene Bewertungsansätze aus.

702

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C. Verwertung von immateriellen Wirtschaftsgütern



Ökonomische Markenwirkungen

a1

a2

ae

Erfolgsfaktoren (E)



Maßnahmen der Markenpolitik (M)

E1

E2

Me1

me1

Ee

af

Ee+1

LG

αej

Mej

mej

Me(j+1)

me(j+1) ae+1



Ursächlichkeit der Beteiligten

LN

βej

Mez

mez

Ef

Markenbildungsanalyse



Markenbeitragsanalyse



⎭ ⎫



⎭ ⎫





Markenerfolgsfaktorenanalyse f

mit: ∑αe = 1, e=1 z

∑mej = 1, ∀ für e = 1, ..., f,

j=1

αej + βej = 1, ∀ für e = 1, ..., f und j = 1, ..., z

Abbildung: Darstellung der Ergebnisse der Analyse der Marke.

Die Markenanalyse besteht aus drei Elementen. Das erste Element ist die Markenbildungsanalyse, bei der untersucht wird, wer für die Entstehung der Marke auf Seite der Anbieter verantwortlich ist. Dies meint besonders, wer welche Maßnahmen durchführt, diese konzeptionell erarbeitet und finanziell verantwortet, weil er die daraus resultierenden Ausgaben auch im Fall eines Misserfolgs trägt. Im Ergebnis werden die einzelnen Maßnahmen dem Lizenznehmer, Lizenzgeber oder beiden anteilig zugerechnet.1 1 Grundsätzlich sollen die Maßnahmen demjenigen zugerechnet werden, der sie konzeptionell erarbeitet, operativ durchführt und finanziell verantwortet. Erfüllt diese Bedingungen keine der beiden Parteien allein, so ist eine anteilige Zurechnung notwendig. So zum Beispiel, wenn der Lizenznehmer die Maßnahmen allein plant, entwickelt und durchführt, der Lizenzgeber aber die Ausgaben trägt. Durch die anteilige Zurechnung kann gewährleistet werden, dass auch der konzeptionellen Ebene der Markenpolitik Beachtung geschenkt wird. Denn für be-

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703

11.240

Kap. 11: Geistiges Eigentum und Verrechnungspreise

11.241

Das zweite Element der Markenerfolgsfaktorenanalyse untersucht die Marke aus Sicht der Nachfrager. Sie zielt auf die Identifikation der Erfolgsfaktoren der Marke ab, also der Gründe dafür, warum sich die Nachfrager für die markierte Leistung entschieden haben (Verpackung, Farbe, Bekanntheit). Auf dieser Grundlage wird ihnen ein Anteil am ökonomischen Erfolg der Marke zugerechnet. Im dritten Element der Markenbeitragsanalyse wird die Verbindung zwischen den den Beteiligten zugerechneten Maßnahmen und den für den Erfolg der Marke identifizierten Erfolgsfaktoren hergestellt, indem die Erfolgsfaktoren den für ihre Entstehung kausalen Maßnahmen zugerechnet werden.

11.242

Die Ergebnisse der Markenbeitragsanalyse können zu dem Faktor der Ursächlichkeit (u) zusammengefasst werden, der einen Wert zwischen 0 und 1 annehmen kann. Dabei ergibt die Summe aus dem Faktor der Ursächlichkeit des Wertbeitrags des Lizenznehmers (LN) und dem des Lizenzgebers (LG) stets eins, so dass im Ergebnis die auf Grundlage der ermittelten Faktoren aufzuteilenden Einnahmen entweder dem Lizenznehmer oder dem Lizenzgeber zugerechnet werden. Der Faktor der Ursächlichkeit bildet die Grundlage für die Einnahmenzurechnung, d.h. für die verursachungsgerechte Aufteilung der Einnahmenveränderung. Die nachfolgende Abbildung zeigt eine mögliche Aufteilung auf.

11.243

Erläuterungen zur Abbildung: Gegenstand der Einnahmenzurechnung ist die gesamte, auf den Zeitpunkt der Lizenzvergabe abgezinste markenbezogene Einnahmenveränderung des Lizenznehmers (EMt ), die dieser über die Lizenzdauer vereinnahmen kann. Außer in den Fällen der Vertragsverlängerung kann der Lizenznehmer nicht für die markenbezogene Einnahmenveränderung ursächlich sein, die er ausschließlich durch die Markierung seiner Leistung mit der Marke im rechtlichen Sinne erzielen kann, weil er bis zu diesem Zeitpunkt noch keine Maßnahmen unternehmen konnte, die für die Einnahmenveränderung ursächlich sein könnten. Diese Einnahmen (WB 1) sind daher i.d.R. dem Lizenzgeber zuzurechnen. Daher bezieht sich der Faktor der bereinigten Ursächlichkeit (uber ) nur LN=LG auf die Differenz zwischen den gesamten markenbezogenen Einnahmen und den Einnahmen, für die der Lizenznehmer ursächlich sein kann (EMt ! E0t ). Der Mindestwert der Lizenz entspricht den Ausgaben, die dem Lizenzgeber für das Halten und Verwalten der Marke entstanden sind, erhöht um einen angemessenen Gewinnaufschlag (s. Rz. 11.234). Die Residualgröße entspricht den Einnahmen, die sich der Lizenznehmer für die Herstellung und die Vermarktung der Leistung sowie die ihm entstandenen markenbezogenen obligatorischen Ausgaben zurückbehält, wenn der Maximalwert der Lizenz zur Anwendung kommt (s. Rz. 11.237 f.).

stimmte Marken ist das auf diese Weise erarbeitete Markenkonzept (Selbstbild der Marke) der Schlüssel zum Erfolg.

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C. Verwertung von immateriellen Wirtschaftsgütern



–t

G



Residualgröße

n

∑E t *(1 + i)

t=1





n

⎫ ⎬ ⎭ ⎫

–t

∑(Et – E0 )*(1 + i)

⎬ t=1

M

M

⎬ ⎭ ⎫

⎭ n

∑E ⎬ t=1

⎫ ⎬ ⎭

Mindestwert

M

0

uLN ber

uLG ber

⎫ ⎬ ⎭ ⎫

WB 3



WB 2

⎭ ⎫ ⎬

–t

*(1 + i)



WB 1



n

Mindestwert: ∑At *(1 + GA LG )*(1 + i) HVW

–t

HVW

t=1 n

Residualgröße: ∑(A t + At *(1 + GAt))*(1 + i) MO

L

L

–t

t=1

Abbildung: Aufteilung der markenbezogenen Einnahmenveränderung unter Berücksichtigung der Ursächlichkeit der Wertbeiträge des Lizenznehmers und Lizenzgebers.

Im Anschluss an die Aufteilung sind die markenbezogenen Ausgaben in die Betrachtung einzubeziehen. Dabei trägt grundsätzlich jeder der Beteiligten seine Ausgaben selbst. Eine Ausnahme gilt nur für die obligatorischen markenbezogenen Ausgaben des Lizenznehmers, wenn er diese ausschließlich auf Grund der vertraglichen Verpflichtung übernimmt oder ihm diese für die Einnahmen entstehen, die im unmittelbaren Zusammenhang mit den Einnahmen stehen, die nach den Ergebnissen der Analyse der Marke dem Lizenzgeber zuzurechnen sind.1 Die weiteren markenbezogenen Ausgaben des Lizenznehmers (beispielsweise für seine eigenen Maßnahmen wie Werbung) oder die des Lizenzgebers sind nicht in die Betrachtung einzubeziehen. Diese Ausgaben beeinflussen also

1 Methodisch erfolgt dies, indem sich der Lizenznehmer neben dem WB 3 Einnahmen in dieser Höhe zurechnet. Die verbleibenden markenbezogenen Einnahmen können dann als Lizenzgebühr an den Lizenzgeber verrechnet werden (s. Rz. 11.226).

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705

11.244

Kap. 11: Geistiges Eigentum und Verrechnungspreise

nicht direkt1 die Verrechnung der Lizenzgebühr, sie entscheiden erst darüber, ob die beteiligten Vertragsparteien einen Gewinn oder Verlust aus dieser Geschäftstransaktion erzielen.

11.245

Im Ergebnis entspricht die Lizenzgebühr nach Berücksichtigung der Entgeltform und Zahlungsmodalitäten2 den markenbezogenen Einnahmen, für die der Wertbeitrag (WB 1 und 2) des Lizenzgebers ursächlich i.S. der Analyse der Marke ist, abzüglich der obligatorischen markenbezogenen Ausgaben des Lizenznehmers. Etwas anderes gilt nur dann, wenn der ermittelte Wert der Lizenz den Maximalwert über- oder den Mindestwert unterschreitet (Rz. 11.234 und 11.237 f.).

11.246

Ob der Lizenzgeber aus der Nutzungsüberlassung der Marke einen Gewinn erzielen kann, ist von der Höhe seiner Ausgaben abhängig, die bei der Verrechnung der Lizenzgebühr nicht berücksichtigt werden. Dem Lizenznehmer verbleiben nach Zahlung der Lizenzgebühren markenbezogene Einnahmen in Höhe seiner obligatorischen markenbezogenen Ausgaben sowie eine sog. Rücklizenz in Höhe der Einnahmen, für die sein Wertbeitrag nach den Ergebnissen der Analyse der Marke verantwortlich ist. Die Rücklizenz, deren Zahlungsrichtung entgegen der der eigentlichen Lizenzgebühr verläuft, vergütet dem Lizenznehmer seinen Wertbeitrag (WB 3) zur Steigerung der wirtschaftlichen Werthaltigkeit der Marke. Durch ihre Berücksichtigung kann der Problematik der Marketing Intangibles entsprochen werden, indem der Lizenznehmer für die Steigerung des immateriellen Marketingwerts der Marke vergütet wird. Auch die Frage, ob der Lizenznehmer einen markenbezogenen Gewinn erzielen kann, ist von der Höhe seiner weiteren markenbezogenen Ausgaben abhängig.3 Im Ergebnis können damit sowohl der Lizenznehmer als auch der Lizenzgeber, und zwar (fast) unabhängig voneinander, einen Gewinn und/ oder Verlust erzielen, wobei im Rahmen der Verrechnung der Höhe nach nur eine Einnahmenzurechnung und keine Gewinnaufteilung erfolgt. 1 Sie beeinflussen die Aufteilung der markenbezogenen Einnahmen indirekt, weil im Rahmen der Markenanalyse (Markenbeitragsanalyse) die finanzielle Ebene der Markenpolitik in diesem Sinne berücksichtigt wird, da die Zurechnung der Maßnahmen davon abhängig ist, wer die Ausgaben für die Maßnahmen insbesondere im Fall ihres Scheiterns trägt. 2 Die Bewertung der Einnahmenveränderung und die Einnahmenzurechnung erfolgen auf Grundlage des Lizenzwerts, d.h. der auf den Bewertungsstichtag abgezinsten markenbezogenen Einnahmen. Für die Ausgestaltung des Entgelts sind zahlreiche Vergütungsformen wie laufende Umsatz- und Stück-, Mindest-, Höchst- und Grundlizenzen sowie gewinn- und kostenabhängige Lizenzen denkbar. Nach dem Dargestellten empfiehlt sich jedoch eine umsatzabhängige Lizenz. Die Zahlung wird i.d.R. gleichmäßig über die Lizenzdauer erfolgen, was die Anwendung des Annuitätenfaktors voraussetzt. Dieser Faktor gibt an, wie hoch die jährliche Rente ist, die aus dem Gegenwartswert der Lizenz gezahlt werden kann. 3 Für diese Frage sind die markenbezogenen Ausgaben des Lizenznehmers relevant, die für ihn nicht obligatorisch sind, weil die obligatorischen Ausgaben durch die anteilige Einnahmenzurechnung gedeckt sind.

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C. Verwertung von immateriellen Wirtschaftsgütern

(3) Produktmarkierungslizenz Adressaten einer Produktmarkierungslizenz sind die konzerngebundenen Produktionsunternehmen, die aufgrund der Hereinnahme der Lizenz das Unterscheidungszeichen i.S. des § 3 MarkenG auf der materiellen Leistung, ihrer Aufmachung und Verpackung anbringen und dadurch eine körperliche Verbindung zwischen der Marke im rechtlichen Sinne und der Leistung herstellen, jedoch die von ihnen markierte Leistung nicht vertreiben dürfen. Daher setzt die Vergabe einer Produktmarkierungslizenz stets die bewusste Entscheidung des Markeneigners für eine getrennte Verwertung seines Produktmarkierungs- und Vermarktungsrechts voraus.

11.247

Die Vergabe einer Produktmarkierungslizenz kann innerhalb des Konzerns mit zwei unterschiedlichen Sachverhaltskonstellationen einhergehen. In dem ersten Fall ist die Erteilung der Nutzungserlaubnis mit der Beauftragung der konzerninternen Produktionsgesellschaft zur Herstellung und Markierung der materiellen Leistung verbunden, weil entweder die Vertriebsgesellschaft oder der Markeneigner diese in ihrer Funktion als Strategieträger damit beauftragen und ihr dadurch das damit verbundene Markt- und Absatzrisiko abnehmen. In dem zweiten Sachverhalt hingegen geht mit der Erteilung der Produktmarkierungslizenz implizit eine Beauftragung des Markeneigners mit dem Halten und Verwalten des Schutzrechts einher, weil die vollwertige Produktionsgesellschaft als Entrepreneur und der Lizenzgeber lediglich in Funktion einer Lizenzverwaltungsgesellschaft agieren. Deswegen ist in dem ersten Fall dem Auftragsbzw. Lohnfertiger und im zweiten dem Lizenzgeber für die jeweils von ihnen übernommenen Funktionen und die damit verbundenen Risiken ein angemessenes Entgelt zu verrechnen.

11.248

Allerdings ist eine darüber hinaus gehende Berücksichtigung der ökonomischen Markenwirkungen, wie sie hinsichtlich der Vergabe einer einheitlichen und einer Vermarktungslizenz notwendig erscheinen kann, bei der Vergabe einer Produktmarkierungslizenz in keinem der beiden Fälle notwendig. Denn weder können die Produktionsgesellschaft im ersten Sachverhalt und der Markeneigner im zweiten Fall von den ökonomischen Wirkungen der Marke profitieren, noch einen eigenen Wertbeitrag für ihre Entstehung und Wirkung leisten, der unter Berücksichtigung der operativen, finanziellen und konzeptionellen Ebene der Markenpolitik in Anbetracht der Ursächlichkeit ihres Wertbeitrags eine anteilige Zurechnung der ökonomischen Markenwirkungen rechtfertigt. Demzufolge erwartet die auftrags- bzw. lohnfertigende Produktionsgesellschaft durch die Lizenzhereinnahme keinen wirtschaftlichen Vorteil infolge der Verwertung der Marke, weil sie die mit dem rechtlich geschützten Unterscheidungszeichen markierte Leistung nicht selbst vermarkten darf, die Marke im rechtlichen Sinne nicht als Stimulus auf die potentiellen Nachfrager wirken und die damit verbundenen ökonomischen Wirkungen erzielen kann. Da ihr Tätigkeitsbereich eben nicht den Absatz als die betriebliche Hauptfunktion aller Aktivitäten umfasst, die auf die Leistungsverwertung durch das Angebot und die Veräußerung der eigenen Leistung

11.249

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Kap. 11: Geistiges Eigentum und Verrechnungspreise

gerichtet sind,1 und die Erwartung eines derartigen Nutzens als Voraussetzung für die Bereitschaft des Lizenznehmers zur Zahlung einer Lizenzgebühr sowie als Indiz für ein eigenes betriebliches Interesse angesehen wird,2 kann das herstellende Unternehmen in Anbetracht der Handlungsmaxime eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters nicht zur Zahlung eines Entgelts als Gegenleistung für die Produktmarkierungslizenz bereit sein. Dementsprechend ist die in diesen Fällen dem Grunde nach steuerlich entgeltpflichtige Nutzungserlaubnis der Höhe nach mit einer Lizenzgebühr von Null zu verrechnen.3 (4) Vermarktungslizenz

11.250

Durch die Erteilung einer Vermarktungslizenz erhält der Lizenznehmer als berechtigter Dritter die Erlaubnis, die mit der Marke im rechtlichen Sinne markierte Leistung unter Verwendung des Unterscheidungszeichens anzubieten, in den Verkehr zu bringen oder sie zu den genannten Zwecken zu besitzen sowie die materielle Leistung unter diesem Zeichen sowohl ein- als auch auszuführen. Dabei verfügt der Lizenznehmer selbst über keine zu markierende Leistung, sondern übernimmt im Zuge der Hereinnahme der Vermarktungslizenz die Vermarktung einer bereits markierten materiellen Leistung, weswegen diese vertraglichen Gestaltungen mit der Überlassung eines Vertriebsrechts oder dem Abschluss eines Vertragshändlerverhältnisses vergleichbar sind.4

11.251

Die Vergabe einer Vermarktungslizenz an ein verbundenes Unternehmen ist innerhalb des Konzerns immer dann notwendig, wenn die konzerninterne Gestaltung der Vertriebsstruktur nicht den Direktvertrieb der materiellen markierten Leistung über die Produktionsgesellschaft selbst oder über eine ihrer Vertriebsbetriebsstätten, sondern mittels rechtlich selbstständiger Konzerneinheiten vorsieht.5 Beweggrund dafür kann die Sicherung der unternehmerischen Einflussnahme auf die Eroberung und Verteidigung internationaler Märkte sein.6 Demnach sind die konzerngebundenen Vertriebsgesellschaften Adressaten der konzerninternen Vermarktungslizenz, die rechtlich sowohl als Handelsvertreter, als Kommissionär als auch als Eigenhändler ausgestaltet sein können.7 Daher geht die 1 Vgl. Wöhe, Einführung in die allgemeine Betriebswirtschaftslehre24, 379 f. 2 Vgl. BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83, BStBl. I 1983, 218 Rz. 5.1.1 und OECD (Verrechnungspreisgrundsätze), Anm. 6.14. 3 Dies gilt auch dann, wenn argumentiert werden würde, dass die Produktionsgesellschaft prinzipiell durch die Beauftragung zur Herstellung der markierten Leistung und die damit verbundene Vergütung von der Marke profitieren kann. Denn in diesen Fällen wird sie ausschließlich für ihren leistungsbezogenen Wertbeitrag vergütet. 4 Vgl. Vögele/Brem in Vögele/Borstell/Engler, Verrechnungspreise3, Immaterielle Wirtschaftsgüter, Rz. 388 ff. 5 Vgl. dazu Borstell, Verrechnungspreispolitik bei konzerninternen Lieferungsbeziehungen, 331 ff. 6 Vgl. Gundel, FS Flick, 781 (782). 7 Vgl. u.a. Prinz, FR 1996, 479 (482 ff.) sowie Prinz, FR 1997, 517 (519 ff.).

708

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C. Verwertung von immateriellen Wirtschaftsgütern

Vergabe einer Vermarktungslizenz im Regelfall mit der Lieferung der materiellen, bereits markierten Leistung einher. Die Verrechnung der Vermarktungslizenz der Höhe nach geht daher i.d.R. mit der Verrechnung der Lieferung der materiellen, bereits markierten Leistung einher, weswegen im Ergebnis ein leistungsbezogenes und ein markenbezogenes Entgelt ermittelt werden muss. Da die Finanzverwaltung in den Fällen, in denen der Lizenzgeber auch die materielle Leistung an den Lizenznehmer liefert, die Verrechnung einer gesonderten Lizenzgebühr nicht anerkennen möchte, erfolgt in diesen Fällen die Verrechnung nur eines Entgelts. Dafür wird die ermittelte Lizenzgebühr als preisbildender Faktor bei der Verrechnung des leistungsbezogenen Entgelts für die materielle Leistung berücksichtigt.1

11.252

Die Ermittlung des leistungsbezogenen Entgelts erfolgt nach den bekannten Grundsätzen unter Berücksichtigung der Unternehmenskategorisierung des Lizenznehmers als Routine-, Hybridunternehmen oder Strategieträger und der rechtlichen Ausgestaltung der Vertriebsgesellschaft als Handelsvertreter, Kommissionär oder Eigenhändler. Auch sie basiert auf einer Bewertung der Einnahmenveränderung und Einnahmenzurechnung, wobei die Bewertung der Einnahmenveränderung auf die Ermittlung der leistungsbezogenen Einnahmen abstellt, die der Lizenznehmer ausschließlich auf Grundlage der funktional notwendigen Bestandteile der Leistung und gerade nicht auf Grundlage der Marke vereinnahmen kann (s. Rz. 11.237 f.). Die Einnahmenzurechnung zielt anschließend auf die verursachungsgerechte Aufteilung dieser leistungsbezogenen Einnahmen ab, wie sie zwischen der Vertriebsgesellschaft und dem lieferenden Unternehmen üblich ist.2

11.253

Die Marke selbst nimmt keinen Einfluss auf die Ermittlung dieses Entgelts. Sie wird erst anschließend im Rahmen der markenbezogenen Bewertung der Einnahmenveränderung und Einnahmenzurechnung berücksichtigt, die nach den identischen Grundsätzen wie die Verrechnung der einheitlichen Markenlizenz erfolgt (Rz. 11.227 ff.). In Abhängigkeit von dem jeweiligen Sachverhalt ist dabei u.a. zu entscheiden, ob für die Aufteilung der markenbezogenen Einnahmen eine Analyse der Marke notwendig erscheint. Von einer umfangreichen Analyse der Marken kann

11.254

1 Vgl. BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83, BStBl. I 1983, 218 Rz. 3.1.2.3. Mit Urt. v. 27.7.1988 hat der BFH die Lizenzgebühr in einem Fall als zusätzliche Warenanschaffungskosten qualifiziert (vgl. Böcker, Internationale Lizenzen, 157 unter Verweis auf BFH v. 27.7.1988 – I R 130/84, BStBl. II 1989, 101). 2 Die Aufteilung der leistungsbezogenen Einnahmenveränderung hat dabei so zu erfolgen, dass die Vertriebsgesellschaft einen angemessenen Totalperiodengewinn erzielen kann. Sie sollte daher auf Grundlage der Ausgaben der Vertriebsgesellschaft erfolgen, die um einen in Anbetracht des Funktions- und Risikoumfangs der Vertriebsgesellschaft angemessenen Gewinnaufschlag zu erhöhen sind. Etwas anderes gilt, wenn die Vertriebsgesellschaft als Strategieträger agiert, weil ihr selbst dann ausschließlich die Residualgröße aus den gesamten Einnahmen und der fremdbezogenen Leistungen zusteht.

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Kap. 11: Geistiges Eigentum und Verrechnungspreise

wohl abgesehen werden, wenn der Lizenznehmer als Routineunternehmen zu charakterisieren ist. Gleiches gilt auch dann, wenn der Lizenzgeber als Routineunternehmen charakterisiert werden kann und kein Fall der Vertragsverlängerung vorliegt, weil die Beteiligten in beiden Fällen aufgrund ihrer eingeschränkten Funktions- und Risikoausgestaltung nicht in der Lage sind, einen Wertbeitrag zu erbringen, der für die wirtschaftliche Werthaltigkeit der Marke ursächlich sein kann und ihre Beteiligung an den daraus resultierenden markenbezogenen Einnahmen rechtfertigen könnte. In beiden Fällen ist die Anwendung des Maximal- und Mindestwerts der Lizenz zu prüfen. Die Verrechnung der beiden Entgelte bzw. des einen Entgelts setzt die Berücksichtigung der Entgeltform und der Zahlungsmodalitäten voraus.

11.255

Die getrennte Ermittlung der beiden Entgelte bzw. des leistungs- und markenbezogenen Entgeltbestandteils ermöglicht eine Vergütung des leistungs- und des markenbezogenen Wertbeitrags des Lizenznehmers. Ob er aus der Vermarktung der markierten materiellen Leistung letztlich einen Gewinn erzielen kann, hängt – wie im Fall einer einheitlichen Markenlizenz – vor allem von den markenbezogenen Ausgaben ab, die ihm über die obligatorischen markenbezogenen Ausgaben hinaus für seinen markenbezogenen Wertbeitrag entstehen (s. Rz. 11.246). (5) Markenlizenz i.w.S. (Markenfranchising)

11.256

Im Allgemeinen bezeichnet der Begriff des Franchising ein „besondere[s] System für den Vertrieb von Waren und Dienstleistungen“1; Markenfranchising im Speziellen das besondere System für den Vertrieb von markierten Leistungen, wobei durch deren Markierung mit einem rechtlich geschützten Unterscheidungszeichen, der Marke im rechtlichen Sinne, und anschließender Vermarktung unter Verwendung eines systematischen Absatzkonzepts eine Marke entwickelt werden soll. So bedeutet Franchising im Allgemeinen die Reproduktion einer Idee2 und Markenfranchising die Reproduktion einer Marke, mit welcher der Franchisegeber i.d.R. einen räumlichen Transfer der markierten Leistung auf andere, bisher nicht bediente, internationale3 Märkte anstrebt. Damit ein solcher räumlicher Markentransfer gelingen kann, stellt der Franchisegeber dem Franchisenehmer4 im Zuge der Vergabe einer Markenlizenz i.w.S. einerseits ein Leistungspaket zur Verfügung, das neben der Markenlizenz i.e.S, der Herstellerlizenz und dem systematischen Absatzkonzept des Franchisegebers ggf. die Lieferung der materiellen Leistung sowie die Erbringung von Dienstleistungen umfasst, und verpflichtet ihn andererseits zur Erbrin1 Skaupy, BB 1969, 113 (113). 2 Vgl. Kieser in Nebel/Schulz/Flohr, Das Franchise-System4, 112. 3 Nachfolgend wird davon ausgegangen, dass dieser über die nationalen Grenzen hinweg erfolgt, folglich ein internationaler Markentransfer bzw. eine internationale Markenstrategie vorliegt. 4 Die Begriffe Franchisenehmer und -geber werden vorliegend synonym zu Lizenznehmer und -geber verwendet.

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C. Verwertung von immateriellen Wirtschaftsgütern

gung bestimmter Leistungen. So verpflichtet sich der Franchisenehmer in Abhängigkeit von der vorliegenden Art des Markenfranchising mit Hereinnahme der Markenlizenz i.w.S. implizit zur Herstellung und Markierung der materiellen Leistung sowie anschließenden Vermarktung der markierten Leistung (Produktfranchising) bzw. ausschließlich zur Erbringung der immateriellen Leistung (Dienstleistungsfranchising) oder Vermarktung der nicht von ihm selbst hergestellten, sondern von dem Franchisegeber oder einem anderen Unternehmen bezogenen materiellen Leistung (Vertriebsfranchising), wofür der Franchisenehmer insbesondere die Marke im rechtlichen Sinne sowie das systematische Absatzkonzept des Franchisegebers nutzt. Da der Franchisegeber dem Franchisenehmer einerseits das Leistungspaket zur Verfügung stellt und ihn anderseits mit der Herstellung, Markierung und Vermarktung sowie ggf. zur Entwicklung der markierten Leistung zu einer Marke beauftragt, ist er einerseits verpflichtet, dem Franchisenehmer als dem von ihm beauftragten Unternehmen eine angemessene Vergütung für die von diesem erbrachten Leistungen zu entrichten, und andererseits berechtigt, für die von ihm selbst erbrachten Leistungen ein angemessenes Entgelt von diesem zu verlangen. Denn weder darf der Franchisenehmer als ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter dieses Dauerschuldverhältnis ohne eine seinem Wertbeitrag entsprechende Gewinnerzielungsabsicht eingehen noch der Franchisegeber dem konzerngebundenen Franchisenehmer einen wirtschaftlichen Vorteil unentgeltlich gewähren, den er fremden Dritten nur gegen eine angemessene Vergütung ermöglicht. Daher erfolgt die Ermittlung der Entgeltforderung des Franchisegebers einerseits auf Grundlage der Bewertung des wirtschaftlichen Vorteils, den der Franchisenehmer infolge der Lizenzhereinnahme in Form einer Einnahmenveränderung durch die Vermarktung der markierten Leistung erzielt, und andererseits auf Grundlage der Einnahmenzurechnung, die gewährleistet, dass der Franchisenehmer zugleich u.a. für den von ihm im Auftrag des Franchisegebers erbrachten Wertbeitrag einen angemessenen Gewinn erzielt, der ihm insbesondere nach Zahlung der Entgelte für die Markenlizenz i.w.S. verbleibt.1

11.257

Durch diese Berücksichtigung des Wertbeitrags des Franchisenehmers im Rahmen der Entgeltforderungen des Franchisegebers wird die Höhe seiner

11.258

1 Die Höhe der von ihm als Gegenleistung für die Vergabe der Markenlizenz i.w.S. einzufordernden Gebühr bemisst sich auf Grundlage seines Wertbeitrags zur Veränderung der Einnahmensituation des Franchisenehmers. Sie umfasst die Einnahmen, die dieser nur auf Grund des ihm von dem Franchisegeber überlassenen Leistungspakets, d.h. der zur Nutzung überlassenen immateriellen Wirtschaftsgüter, ggf. der gelieferten materiellen Leistungen sowie der erbrachten Dienstleistungen verwirklichen kann. Gleichzeitig darf das vom Franchisenehmer über die gesamte Vertragsdauer zu entrichtende Entgelt unter Berücksichtigung der mit dem Markenfranchising verbundenen Ausgaben und eines in Anbetracht dessen Risiko- und Funktionsbereichs angemessenen Gewinns dessen leistungs- und markenbezogenen Einnahmen nicht übersteigen, weil der Franchisenehmer andernfalls ohne Gewinnerzielungsabsicht fremdvergleichswidrig handeln würde.

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Kap. 11: Geistiges Eigentum und Verrechnungspreise

Entgeltforderung an die Gewinnerwartung des Franchisenehmers gekoppelt, indem ihm als Auftraggeber ausschließlich die Residualgröße aus den gesamten Einnahmen abzüglich derer verbleibt, die dem auftragnehmenden Franchisenehmer zuzurechnen sind, um daraus einen angemessenen Gewinn nach Abzug aller fremdbezogener Leistungen erzielen zu können. Diese Vorgehensweise berücksichtigt die Sichtweise des Franchisenehmers zutreffend, der sich durch die Markenlizenz i.w.S. zur Vermarktung der markierten Leistung sowie regelmäßig zu ihrer Entwicklung zur Marke und ggf. zur Herstellung bzw. Erbringung der Leistung verpflichtet.1 Als ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter kann er ein solches Dauerschuldverhältnis nur in Erwartung eines angemessenen Totalperiodengewinns eingehen, der ihm nach Abzug aller Ausgaben für die fremdbezogenen Leistungen von den leistungs- und markenbezogenen Einnahmen als Ergebnis seiner erfolgsverursachenden Tätigkeiten verbleibt. Dabei ist der Begriff des angemessenen Gewinnes als die prinzipielle Absicht des ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters zu verstehen, durch seine eigene erfolgsverursachende Tätigkeit unter Einsatz seiner eigenen Erfolgsfaktoren einen Totalperiodengewinn zu erzielen. Erfolgsverursachende Tätigkeiten des Franchisenehmers sind insbesondere die Herstellung und/oder Vermarktung der markierten Leistung sowie die Entwicklung der Leistung zur Marke und die Steigerung der wirtschaftlichen Werthaltigkeit der Marke im rechtlichen Sinne. Damit der Franchisegeber nicht von den Erfolgsfaktoren des Franchisenehmers profitieren und gleichzeitig einen angemessenen Gewinn für seine erfolgsverursachende Tätigkeiten erzielen kann, basiert die Ermittlung der Entgelte als Gegenleistung für das Leistungspaket auf der Bewertung der Einnahmenveränderung und der Einnahmenzurechnung. Dabei umfasst die Einnahmenveränderung alle leistungs- und markenbezogenen Einnahmen, die der Franchisenehmer infolge der Lizenzhereinnahme durch die Vermarktung der materiellen Leistung vereinnahmen kann. Werden von dieser Einnahmenveränderung die Ergebnisse der Einnahmenzurechnung abgezogen, die auf der Bewertung des Wertbeitrags des Franchisenehmers basieren, so ergibt sich die Einnahmenveränderung, die Grundlage der Entgeltforderung des Franchisegebers ist. Im Anschluss kann diese unter Berücksichtigung der Entgeltform und Zahlungsmodalitäten zu maximal drei verschiedenen Entgelten verdichtet werden, die der Franchisenehmer im Fall eines Produkt- oder Vertriebsfranchising als Entgelt für die Nutzungsüberlassung der Gesamtheit der immateriellen Wirtschaftsgüter, zu denen die Benutzungsrechte an dem rechtlich geschützten Unterscheidungszeichen, das leistungs- und markenbezogene Know-how, die Patente sowie Technologien gehören (Hersteller- und Markenlizenz i.e.S), sowie ggf. für die Lieferung der materiellen Leistung 1 Dadurch unterscheidet sich die Vergabe der Vermarktungslizenz von der der Markenlizenz i.w.S. Denn beim Markenfranchising wird der Franchisenehmer mit der Vermarktung der Leistung und i.d.R. mit der Entwicklung der markierten Leistung zur Marke beauftragt. Bei der Vermarktungslizenz beinhaltet der Auftrag ausschließlich die Vermarktung der Leistung.

712

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C. Verwertung von immateriellen Wirtschaftsgütern

und für die Erbringung von Dienstleistungen sowie im Fall eines Dienstleistungsfranchising maximal für die erste und letzte Leistung des Franchisegebers zu entrichten hat. Durch deren Verrechnung kann der Franchisegeber einen Gewinn erzielen, wenn diese Entgelte seine mit dem Markenfranchise verbundenen Ausgaben nicht übersteigen. Die Verrechnung der Lieferung der materiellen Leistung der Höhe nach erfolgt nach den allgemeinen Grundsätzen. Besonderheiten ergeben sich nur dann, wenn der Franchisegeber die Leistung liefert, weil in diesen Fällen das Entgelt um die Lizenzgebühren für die Marke zu erhöhen ist, da die Finanzverwaltung eine separate Verrechnung der beiden Entgelte nicht anerkennen wird (Rz. 11.252).1 Gleichwohl kann die Ermittlung der beiden Entgeltbestandteile nur separat erfolgen.

11.259

Die Verrechnung der Dienstleistungen kann grundsätzlich unter Anwendung der Kostenaufschlagsmethode erfolgen, wobei die Gewährung eines Gewinnaufschlags von dem Zweck der Dienstleistung abhängig gemacht werden sollte. Handelt es sich bei diesen um franchisespezifische Dienstleistungen des Franchisegebers, die dieser als unterstützende Leistung im Rahmen des Markenfranchising erbringt, kann von der Gewährung eines Gewinnaufschlags abgesehen werden. Alle anderen Dienstleistungen, die nicht in direktem Zusammenhang mit dem Markenfranchising stehen, sollten unter Gewährung eines Gewinnaufschlags verrechnet werden, wenn sie dem Grunde nach steuerlich entgeltpflichtig sind.2

11.260

Die Verrechnung der Nutzungsüberlassung der immateriellen Wirtschaftsgüter erfolgt nach den bereits für die Verrechnung der Einheitlichen Markenlizenz sowie der Vermarktungslizenz dargestellten Grundsätze (s. Rz. 11.227 ff. und 11.253). Besonderheiten ergeben sich für die Markenlizenz i.w.S. jedoch, weil der Franchisegeber dem Franchisenehmer nun sein Markenkonzept mit zur Nutzung überlässt. Im Ergebnis kann dies dazu führen, dass zahlreiche Maßnahmen, die der Franchisenehmer auf eigenes Risiko durchführt, aber der Franchisegeber auf konzeptioneller Ebene erarbeitet hat, zumindest anteilig dem Franchisegeber aufgrund der Berücksichtigung der konzeptionellen Ebene der Markenpolitik im Zuge der Analyse der Marke zuzurechnen sind. Im Extremfall kann dies dazu führen, dass der Franchisenehmer die markierte Leistung zu einer Marke in dem Lizenzgebiet entwickelt, ohne für die markenbezoge-

11.261

1 Vgl. BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83, BStBl. I 1983, 218 Rz. 3.1.2.3. Mit Urt. v. 27.7.1988 hat der BFH die Lizenzgebühr in einem Fall als zusätzliche Warenanschaffungskosten qualifiziert (vgl. Böcker, Internationale Lizenzen, 157 unter Verweis auf BFH v. 27.7.1988 – I R 130/84, BStBl. II 1989, 101). 2 Als franchisespezifische Dienstleistungen werden nur diejenigen Leistungen verstanden, die mit der Überlassung des Marken- und Leistungskonzepts der Franchisegebers in unmittelbarem Zusammenhang stehen, wobei der Franchisenehmer ohne deren Erbringung die markierte Leistung nicht i.S. des Markeneigners zu einer Marke entwickeln könnte. Als andere Leistungen kommen vor allem die Leistungen in Betracht, die der Franchisenehmer auch von dritten Unternehmen beziehen könnte.

Dorn

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Kap. 11: Geistiges Eigentum und Verrechnungspreise

nen Einnahmen ursächlich i.S. der Analyse der Marke zu sein. In diesen Fällen sollte der Franchisenehmer für die von ihm erbrachte Leistung wie ein Auftragnehmer vergütet werden, weil er letztlich eine Dienstleistung für den Franchisegeber erbringt.1 Dieses Entgelt wird dann im Rahmen des Maximalwerts der Lizenz berücksichtigt (Rz. 11.237 f.).

III. Gemeinschaftliche Nutzung 1. Grundfragen

11.262

Wie aufgezeigt, kann bei der alleinigen Nutzung im ersten Schritt die Forschung und Entwicklung von immateriellen Wirtschaftsgütern völlig losgelöst von der späteren Verwertung der erfolgreich entwickelten immateriellen Wirtschaftsgüter erfolgen. Im Gegensatz dazu ist Voraussetzung für die gemeinschaftliche Nutzung, dass neben der Verwertung bereits die Forschung und Entwicklung auf gemeinschaftlicher Basis zwischen zwei oder mehreren Konzernunternehmen erfolgt. Bei einem F&E-Umlagevertrag, den zwei oder mehrere Unternehmen zu diesem Zweck vertraglich miteinander vereinbaren, werden folgende Ziele verfolgt: 1. Forschung und Entwicklung eines immateriellen Wirtschaftsguts auf gemeinschaftlicher Basis, 2. Schaffung anteiliger Eigentumsrechte an dem erfolgreich entwickelten immateriellen Wirtschaftsgut, 3. Nutzung bzw. Verwertung des immateriellen Wirtschaftsguts.2

11.263

Grundsätzlich haben F&E-Umlageverträge sowohl nach dem Poolkonzept als auch nach dem Leistungsaustauschkonzept denselben Fokus: Es sollen im gemeinsamen Interesse, über einen längeren Zeitraum, durch Zusammenwirken Leistungen erbracht bzw. erlangt werden.3 Ein F&E-Umlagevertrag wird demnach begründet, wenn sich zwei oder mehrere Unternehmen zusammenschließen, um gewisse Kosten und Risiken für die Entwicklung, Produktion oder Beschaffung von materiellen oder immateriellen Wirtschaftsgütern, Dienstleistungen oder Rechten aufzuteilen.4 Dabei ist laut OECD der Kostenumlagevertrag der wohl am häufigsten abgeschlossene Typ zur Vereinbarung über die gemeinsame Entwicklung eines immateriellen Wirtschaftsguts, bei der jede Partei anteilig Rechte an dem geschaffenen immateriellen Wirtschaftsgut erhält.5

1 Dieses Entgelt erzielt der Lizenznehmer (Franchisenehmer) ggf. zusätzlich zu der Gegenleistung für die Herstellung und/oder Vermarktung der Leistung. 2 Vgl. Engler in Vögele/Borstell/Engler, Verrechnungspreise3, Immaterielle Wirtschaftsgüter, Rz. 67. 3 Vgl. BMF v. 30.12.1999 – IV B 4 - S 1341 - 14/99, BStBl. I 1999, 1122 Rz. 1.1. 4 Vgl. OECD-Leitlinien 2010, Rz. 8.3. 5 Vgl. OECD-Leitlinien 2010, Rz. 8.6.

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C. Verwertung von immateriellen Wirtschaftsgütern

2. Abgrenzung zwischen der Kostenumlage und Leistungsumlage a) Bedeutung Hinsichtlich der Frage, ob die im Rahmen der F&E-Tätigkeiten angefallenen Kosten ohne oder mit Gewinnkomponente zwischen den Beteiligten umzulegen sind, unterscheidet die deutsche Finanzverwaltung streng zwischen der Kostenumlage einerseits und der Konzern- bzw. Leistungsumlage andererseits. Im Gegensatz zur deutschen Finanzverwaltung gibt die OECD keinen konkreten Hinweis auf die Frage, ob dem Leistungsaustauschgedanken (Vergütung zu Marktpreisen) oder dem Poolkonzept (Umlage der Kosten ohne Gewinnkomponente) gefolgt werden soll.

11.264

b) Regelungen zur Kostenumlage Die Kostenumlage nach dem Poolkonzept basiert auf dem gesellschaftsrechtlichen Verhältnis und räumt dem Pool eine untergeordnete Hilfsfunktion ein. Anders als bei der Konzernumlage, der der Leistungsaustauschgedanke zugrunde liegt, findet beim Pool kein Leistungsaustausch statt. Vielmehr wird insoweit eine Innengesellschaft begründet, die nicht als Betriebsstätte zu qualifizieren ist, da es für die Begründung einer Betriebsstätte sowohl an der Verfolgung eines Erwerbszwecks als auch an der Gewinnerzielungsabsicht mangelt.1 Ebenso wenig liegt eine Mitunternehmerschaft vor, da die Poolmitglieder die möglichen Risiken aus den F&E-Tätigkeiten lediglich anteilig tragen und von daher kein alleiniges unternehmerisches Risiko haben.2 Aus diesen Gründen sind die Beiträge der Poolmitglieder als gesellschaftsrechtlich bedingte Eigenleistungen einzustufen.3

11.265

Kostenumlageverträge nach dem Poolkonzept sind sowohl von der OECD (vgl. Cost Contribution Arrangements)4 als auch der deutschen Finanzverwaltung (vgl. Verwaltungsgrundsätze-Umlageverträge)5 anerkannt. Letztere basieren weitgehend auf Kapitel VIII der OECD-Leitlinien zu Kostenumlageverträgen. Im Gegensatz zu den Verwaltungsgrundsätzen-Umlageverträge ist Kapitel VIII der OECD-Leitlinien weiter gefasst und befasst sich neben dem Poolkonzept (ohne Gewinnkomponente) auch mit der Auslagerung von F&E-Tätigkeiten, für die Marktpreise angesetzt werden sollen.6 Die OECD schließt demnach Gewinnaufschläge nicht explizit aus. Die Verwaltungsgrundsätze-Umlageverträge gelten dagegen nur für Kostenumlagen nach dem Poolkonzept, bei dem kein Leistungsaustausch zwischen den Parteien vorliegt.7

11.266

1 2 3 4 5 6 7

Vgl. BMF v. 30.12.1999 – IV B 4 - S 1341 - 14/99, BStBl. Vgl. BMF v. 30.12.1999 – IV B 4 - S 1341 - 14/99, BStBl. Vgl. Baumhoff, IStR 2000, 693 (694). Vgl. OECD-Leitlinien 2010, Kapitel VIII. Vgl. BMF v. 30.12.1999 – IV B 4 - S 1341 - 14/99, BStBl. Vgl. OECD-Leitlinien 2010, Rz. 8.12. Vgl. BMF v. 30.12.1999 – IV B 4 - S 1341 - 14/99, BStBl.

I 1999, 1122 Rz. 1.1. I 1999, 1122 Rz. 2.2. I 1999, 1122. I 1999, 1122 Rz. 1.1 ff.

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Kap. 11: Geistiges Eigentum und Verrechnungspreise

11.267

Nach Auffassung der deutschen Finanzverwaltung dürfen wegen des fehlenden unternehmerischen Risikos und des gemeinsam verfolgten Zwecks im Rahmen des Pools nur Kosten ohne Gewinnaufschlag umgelegt werden.1 Inwieweit auch die OECD diese Auffassung vertritt, ist in der Literatur umstritten.2 So soll für den Fall, dass der Pool seine F&E-Tätigkeiten auf eine rechtlich selbstständige Gesellschaft auslagert, der Fremdvergleichspreis inklusive eines Gewinnaufschlags angewendet werden.3 Dies wird in der Literatur als ein Indiz für die Anerkennung des Leistungsaustauschgedankens gewertet.4 M.E. ist diese Aussage jedoch als Ausnahme zu den übrigen Ausführungen der OECD zu verstehen, wonach die Berücksichtigung eines Gewinnaufschlags stets unzulässig ist, wenn der Pool die F&E-Tätigkeiten selbst ausübt und eben nicht auslagert. c) Regelungen zur Leistungsumlage

11.268

Bei der Konzernumlage wird das Leistungsaustauschkonzept in den Vordergrund gestellt. Zur Fremdüblichkeit ist daher auf die umgelegten Kosten zwingend ein Gewinnaufschlag anzuwenden. So sollen „… im Rahmen eines schuldrechtlichen Leistungsaustausches zwischen einem (zentralen) verbundenen Auftragnehmer und mehreren verbundenen Auftraggebern die für die Erbringung dieser Leistungen entstehenden Kosten gesammelt, um einen Gewinnaufschlag erhöht und dann im Wege einer Umlage – möglichst leistungsentsprechend – auf die leistungsempfangenden Gesellschaften verteilt“5 werden. Dementsprechend handelt es sich beim Konzernumlagevertrag um ein schuldrechtliches Leistungsaustauschverhältnis, das in der deutschen Fachliteratur auch als Leistungsumlage bezeichnet wird.6

11.269

Nach Auffassung der deutschen Finanzverwaltung ist eine (Leistungs-)Umlage als indirekte Methode der pauschalen Einzelabrechnung zur Vereinfachung zulässig, wenn eine direkte Einzelabrechnung der Leistungen zwischen verbundenen Unternehmen nicht oder zumindest nicht wirtschaftlich sinnvoll möglich ist.7 Damit soll ausschließlich praktischen Erfordernissen Rechnung getragen werden, indem mit Hilfe der indirekten Methode eine vereinfachte Abrechnungsform zugelassen wird.8 Folglich handelt es sich hierbei um eine besondere Form der Verrechnungspreisermittlung: Mangels Preisvergleichs wird typischerweise die 1 Vgl. BMF v. 30.12.1999 – IV B 4 - S 1341 - 14/99, BStBl. I 1999, 1122 Rz. 2.2. 2 Vgl. Engler/Elbert in Vögele/Borstell/Engler, Verrechnungspreise3, Dienstleistungen, Rz. 402. 3 Vgl. OECD-Leitlinien 2010, Rz. 8.12 i.V.m. 1.47. 4 Vgl. Borstell in Vögele/Borstell/Engler, Verrechnungspreise3, Internationales Recht, Rz. 131 und Konzernumlage, Rz. 179. 5 Baumhoff, IStR 2000, 693 (694). 6 Vgl. Engler in Vögele/Borstell/Engler, Verrechnungspreise3, Dienstleistungen, Rz. 281. 7 Vgl. BMF v. 30.12.1999 – IV B 4 - S 1341 - 14/99, BStBl. I 1999, 1122 Rz. 1; v. 23.2. 1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83, BStBl. I 1983, 218 Rz. 6.4. 8 Vgl. Stock/Kaminski, IStR 1998, 7 (9).

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C. Verwertung von immateriellen Wirtschaftsgütern

Kostenaufschlagsmethode in modifizierter Form, bei der die Kosten pauschal ermittelt und verteilt sowie um einen Gewinnaufschlag ergänzt werden, zugrunde gelegt.1 Während in Deutschland Konzernumlageverträge nach dem Leistungsaustauschprinzip weder gesetzlich noch durch Verwaltungsvorschriften2 geregelt sind, wird in den OECD-Leitlinien sowohl auf die Anwendung einer indirekten Verrechnungspreismethode3 als auch auf die Auftragsforschung für mehrere Nutzungsberechtigte eingegangen.4 Mit Hilfe dieser Regelungen wird deutlich, „… dass anstelle eines Nachfragepools auch die Gestaltung einer Auftragsforschung mit mehreren Auftraggebern im Wege des Kostenumlagevertrags anzuerkennen ist.“5

11.270

Im Vergleich zu Kostenumlageverträgen werden in der Praxis Konzernumlageverträge nach dem Leistungsaustauschkonzept eher selten im Bereich der gemeinsamen Forschung, Entwicklung und Verwertung von immateriellen Wirtschaftsgütern abgeschlossen. Klassischerweise sind Konzernumlageverträge im Bereich der administrativen, technischen, finanziellen und kaufmännischen Dienstleistungen vorzufinden und können auch Management-, Koordinations- und Kontrollfunktionen für den ganzen Konzern umfassen.6

11.271

Folgende Kriterien sind m.E. wesentlich zur Abgrenzung der Leistungsumlage von der Kostenumlage nach dem Poolkonzept:

11.272

Kostenumlage

Leistungsumlage

Verhältnis

gesellschaftsrechtliche bzw. innerbetrieblich bedingte Eigenleistung

schuldrechtlich

Leistungskomponente

kein Leistungsaustausch

Leistungsaustausch

Kostenumlage

ohne Gewinnelement

mit Gewinnelement

Funktion

Hilfsfunktion

Hauptfunktion

1 Vgl. Baumhoff, IStR 2000, 693 (694); Kaminski, IWB 2000, Fach 3 Deutschland, Gruppe 2, 891 (896). 2 Die pauschale (indirekte) Einzelabrechnung lässt sich nur ansatzweise aus den Verwaltungsgrundsätzen 1983 (vgl. BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83, BStBl. I 1983, 218 Rz. 6.4) und den Verwaltungsgrundsätzen-Umlageverträge (vgl. BMF v. 30.12.1999 – IV B 4 - S 1341 - 14/99, BStBl. I 1999, 1122 Rz. 1) ableiten; vgl. zu weiteren Einzelheiten Baumhoff, IStR 2000, 693 (694 ff.). 3 Vgl. OECD-Leitlinien 2010, Rz. 7.23 ff. 4 Vgl. OECD-Leitlinien 2010, Rz. 6.3. Zudem wird im Kapitel VIII zu Kostenumlageverträgen darauf eingegangen, dass die Mitglieder eines Kostenumlagevertrags nach dem Poolkonzept Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten auf ein außenstehendes F&E-Unternehmen auslagern können, das hierfür dann fremdvergleichskonform zu vergüten ist, vgl. OECD-Leitlinien 2010, Rz. 8.12. 5 Engler in Vögele/Borstell/Engler, Verrechnungspreise3, Immaterielle Wirtschaftsgüter, Rz. 133. 6 Vgl. OECD-Leitlinien 2010, Rz. 7.2.

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Kap. 11: Geistiges Eigentum und Verrechnungspreise

11.273

Da außer den oben aufgezeigten Aspekten die übrigen Kriterien bei der Kostenumlage nach dem Poolkonzept und der Leistungsumlage weitestgehend deckungsgleich sind, wird nachfolgend wegen der praktischen Relevanz für immaterielle Wirtschaftsgüter nur auf die Kostenumlage eingegangen. Die Ausführungen hierzu können i.d.R. analog auf die Leistungsumlage angewendet werden. 3. Kostenumlage (nach dem Poolkonzept) a) Grundlagen der Kostenumlage

11.274

Ein Kostenumlagevertrag wird von zwei oder mehreren Unternehmen vertraglich miteinander vereinbart, um gewisse Kosten und Risiken für die Entwicklung, Produktion oder Beschaffung von Wirtschaftsgütern, Dienstleistungen oder Rechten aufzuteilen sowie um Art und Umfang der Anteile von jeder teilnehmenden Partei hieran zu bestimmen.1 Laut OECD liegt dem Kostenumlagevertrag ein erhoffter Nutzen zugrunde, um den sich jede Partei mit ihrem Beitrag bemühen wird.2 Dabei soll grundsätzlich der Anteil von jeder Partei an den insgesamt zu erbringenden Beiträgen mit dem Anteil an den insgesamt zu erwartenden Vorteilen übereinstimmen.3 Unabhängig davon, ob das Eigentum an einem geschaffenen immateriellen Wirtschaftsgut formalrechtlich nur bei einer der Parteien liegt, wird im Rahmen des Kostenumlagevertrags jede Partei berechtigt, ihren Anteil aus den F&E-Ergebnissen wie ein tatsächlicher Eigentümer und nicht nur wie ein Lizenznehmer zu verwerten, ohne für ihren Anteil an eine andere Partei Lizenzgebühren oder Vergütungen zahlen zu müssen.4

11.275

In Übereinstimmung mit der OECD lässt sich wohl im Allgemeinen sagen, dass Unternehmen immaterielle Wirtschaftsgüter lieber für eigene Zwecke als in einer gemeinsamen Tätigkeit mit anderen Unternehmen nutzen.5 Dem steht m.E. insbesondere der Vorteil gegenüber, im Rahmen der vorgelagerten gemeinsamen F&E-Tätigkeiten auch die hiermit verbundenen und zu Beginn häufig ungewissen Kosten und Risiken zu teilen, wie dies insbesondere in der Pharmaindustrie der Fall ist. Von daher ist es nicht erstaunlich, dass der laut OECD wohl am häufigsten abgeschlossene Typ eines Kostenumlagevertrags die Vereinbarung über die gemeinsame Entwicklung eines immateriellen Wirtschaftsguts ist, bei der jede Partei anteilig Rechte an dem geschaffenen immateriellen Wirtschaftsgut erhält.6

11.276

Damit der Pool für deutsche steuerliche Zwecke anerkannt wird, ist es erforderlich, dass die einzelnen Poolmitglieder gleichgerichtete Interessen 1 2 3 4 5 6

Vgl. OECD-Leitlinien 2010, Rz. Vgl. OECD-Leitlinien 2010, Rz. Vgl. OECD-Leitlinien 2010, Rz. Vgl. OECD-Leitlinien 2010, Rz. Vgl. OECD-Leitlinien 2010, Rz. Vgl. OECD-Leitlinien 2010, Rz.

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8.3. 8.4. 8.3. 8.3 f. und 8.6. 8.6. 8.6.

C. Verwertung von immateriellen Wirtschaftsgütern

verfolgen, d.h. die Leistungen für die Interessengemeinschaft in wirtschaftlich gleicher Weise nutzen.1 In der Praxis kann das gleich gerichtete Interesse zwischen den Poolmitgliedern durch eine Funktions- und Risikoanalyse nachgewiesen werden,2 die dann auch im Rahmen der Dokumentation verwertet werden kann. Darüber hinaus lässt die deutsche Finanzverwaltung die Kostenumlage nur für Hilfsfunktionen zu.3 Zur Abgrenzung gegenüber einer Hauptfunktion sind insbesondere der Stellenwert und die Wesentlichkeit der Leistung im Rahmen der gesamten Unternehmenstätigkeit hilfreich.4 So liegt z.B. dann keine Hilfsfunktion vor, wenn die F&E-Tätigkeit (fast) die einzige betriebliche Tätigkeit dieses Unternehmens ist und folglich sowohl (fast) ausschließlich zum Gesamtumsatz beiträgt als auch (fast) die gesamte Wertschöpfung dieses Unternehmens darstellt.

11.277

b) Abgrenzung zwischen Poolmitgliedern und Nachfragepool Wie bereits erwähnt, können Mitglieder einer steuerlich anzuerkennenden Kostenumlage nur Unternehmen sein, die gleichgerichtete Interessen verfolgen bzw. die aus dem Pool hervorgehenden Leistungen in wirtschaftlich gleicher Weise nutzen.5 Demnach sollen die Poolmitglieder von der Zusammenlegung ihrer Ressourcen oder Fähigkeiten wechselseitig Nutzen ziehen. Folglich ist der Pool als eine Interessengemeinschaft wirtschaftlich gleichberechtigter Partner zu verstehen, die mittels der gemeinsamen F&E-Aktivitäten Synergieeffekte zu realisieren versuchen. Hierbei erbringen die Poolmitglieder Leistungen an den Pool, nutzen diese Leistungen aber auch selber.6 Dementsprechend verfolgt der Pool als Interessengemeinschaft per se keine Gewinnerzielungsabsicht.7

11.278

Im Rahmen des Pools können die Leistungen von einen, mehreren oder allen Poolmitgliedern erbracht werden.8 Das bedeutet, dass als Poolmitglieder auch Unternehmen in Betracht kommen können, die keine Leistungen an den Pool erbringen. Andersherum ist es jedoch nicht möglich, als reiner Leistungserbringer ohne eigenen Nutzen an den Ergebnissen als Poolmitglied anerkannt zu werden.9 Entscheidend zur Qualifikation als

11.279

1 Vgl. BMF v. 30.12.1999 – IV B 4 - S 1341 - 14/99, BStBl. I 1999, 1122 Rz. 1.2. 2 Vgl. Engler/Freytag in Vögele/Borstell/Engler, Verrechnungspreise3, Immaterielle Wirtschaftsgüter, Rz. 179. 3 Vgl. BMF v. 30.12.1999 – IV B 4 - S 1341 - 14/99, BStBl. I 1999, 1122 Rz. 1.1. 4 Zu weiteren Einzelheiten vgl. Engler/Freytag in Vögele/Borstell/Engler, Verrechnungspreise3, Immaterielle Wirtschaftsgüter, Rz. 181. 5 Vgl. BMF v. 30.12.1999 – IV B 4 - S 1341 - 14/99, BStBl. I 1999, 1122 Rz. 1.2. Das Poolkonzept eignet sich auf Grund der Voraussetzung gleichartiger Interessen grundsätzlich eher im horizontalen (mehrere Produktionsunternehmen) als für den vertikalen Verbund (Mutter- und Tochtergesellschaft), vgl. hierzu Vögele, DB 2000, 297. 6 Vgl. BMF v. 30.12.1999 – IV B 4 - S 1341 - 14/99, BStBl. I 1999, 1122 Rz. 1.2. 7 Vgl. BMF v. 30.12.1999 – IV B 4 - S 1341 - 14/99, BStBl. I 1999, 1122 Rz. 1.1. 8 Vgl. BMF v. 30.12.1999 – IV B 4 - S 1341 - 14/99, BStBl. I 1999, 1122 Rz. 1.4. 9 Vgl. BMF v. 30.12.1999 – IV B 4 - S 1341 - 14/99, BStBl. I 1999, 1122 Rz. 1.2.

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Kap. 11: Geistiges Eigentum und Verrechnungspreise

Poolmitglied sind nicht die erbrachten Leistungen, sondern die erwarteten Vorteile für alle Poolteilnehmer, z.B. durch Ersparnis von Aufwand oder Steigerung der Erlöse.1 Jedes Poolmitglied muss also die tatsächliche Möglichkeit haben, seinen Anteil an den gemeinsamen F&E-Tätigkeiten bzw. F&E-Ergebnissen zu nutzen.2

11.280

Die im Rahmen der Kostenumlage entwickelten immateriellen Wirtschaftsgüter, z.B. Patente oder technisches Know-how, werden primär für Produktionszwecke zur Herstellung von Waren eingesetzt.3 In solchen Fällen handelt es sich um die Forschung und Entwicklung sowie Verwertung von Trade Intangibles (zu Einzelheiten vgl. Rz. 11.3 ff.). Wie bei der alleinigen Nutzung eines immateriellen Wirtschaftsguts aufgezeigt, kann das Verwertungsrecht hieran im ersten Schritt im Wege der Herstellungsund Vertriebslizenz vergeben werden kann (vgl. Rz. 11.156 ff.), während auf den nachgelagerten (Vertriebs-)Stufen die Vergütung hierfür zwingend über den Produktpreis erfolgt (vgl. Rz. 11.198 ff.). Dasselbe Prinzip gilt auch bei der Kostenumlage, bei der eine Doppelbelastung – zum einen über die Kostenumlage und zum anderen über den Herstellerbezugspreis – zu vermeiden ist. Nach herrschender Literaturauffassung darf daher ein Vertriebsunternehmen grundsätzlich nicht als Auftraggeber an einer Kostenumlage beteiligt werden.4

11.281

Eine Ausnahme hierzu könnte lediglich dann in Betracht kommen, wenn die Kostenumlage auch die Entwicklung und Verwertung neuer Marketing Intangibles, z.B. eines Warenzeichens und Produktnamens, umfasst und eine Doppelbelastung auf Ebene des bzw. der Produktions- und Vertriebsunternehmen ausgeschlossen werden kann.5 In diesem Fall dürfte ein Vertriebsunternehmen einbezogen werden, soweit die Kosten weder an die Produktionsunternehmen belastet würden noch in dem Herstellerbezugspreis für die Vertriebsunternehmen enthalten wären.6 Entscheidend für die Frage, ob eine Kostenweiterbelastung im Rahmen einer Umlage erfolgen darf, ist demnach: – im Fall der erfolgreichen Entwicklung von immateriellen Wirtschaftsgütern: der bzw. die tatsächliche(n) Nutzer der F&E-Ergebnisse, – im Fall der fehlgeschlagenen Entwicklung von immateriellen Wirtschaftsgütern: die Partei(en), die einen Nutzen bzw. Vorteil erwartet hatte(n).7 1 Vgl. BMF v. 30.12.1999 – IV B 4 - S 1341 - 14/99, BStBl. I 1999, 1122 Rz. 1.1. 2 Vgl. Baumhoff, IStR 2000, 693 (698). 3 Vgl. Engler in Vögele/Borstell/Engler, Verrechnungspreise3, Immaterielle Wirtschaftsgüter, Rz. 137; Baumhoff, IStR 2000, 693 (698). 4 Vgl. hierzu analog Engler in Vögele/Borstell/Engler, Verrechnungspreise3, Immaterielle Wirtschaftsgüter, Rz. 137 f.; Baumhoff, IStR 2000, 693 (699) m.w.N. 5 Vgl. hierzu analog OECD-Leitlinien 2010, Rz. 6.17. 6 Vgl. hierzu analog Engler in Vögele/Borstell/Engler, Verrechnungspreise3, Immaterielle Wirtschaftsgüter, Rz. 139; Baumhoff, IStR 2000, 693 (699) m.w.N. 7 Vgl. hierzu analog BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83, BStBl. I 1983, 218 Rz. 6.2.2 und OECD-Leitlinien 2010, Rz. 8.10 f.

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C. Verwertung von immateriellen Wirtschaftsgütern

In diesem Zusammenhang ist anzumerken, dass die Entwicklung von Trade Intangibles mit sehr kostenintensiven und risikoreichen F&E-Aktivitäten verbunden ist, und bis zum formalrechtlichen Schutz des Trade Intangible viel Zeit vergehen kann (zu Einzelheiten vgl. Rz. 11.3 ff.). Im Gegensatz dazu ist der formalrechtliche Schutz und somit die Schaffung eines Marketing Intangible, z.B. eines Warenzeichens und Produktnamens, per se nicht annähernd so teuer wie die Entwicklung und der Schutz eines Trade Intangible, z.B. eines Patents.1 Vielmehr muss der Wert des Marketing Intangible erst durch kostspielige Marketing-Kampagnien und andere Werbeanstrengungen geschaffen werden.2

11.282

Von daher muss die Frage aufgeworfen werden, inwiefern im Rahmen eines Pools ein neues Marketing Intangible überhaupt sinnvoll entwickelt werden kann. M.E. kommen für die gezielte Entwicklung von immateriellen Wirtschaftsgütern im Rahmen eines Pools nur Trade Intangibles in Frage. Aus langjährigen F&E-Tätigkeiten zur Schaffung von Trade Intangibles kann zwar durchaus auch ein Marketing Intangible hervorgehen. Dies wird dann jedoch i.d.R. ein Kuppelprodukt sein, d.h. der Bekanntheitsgrad des Trade Intangible am Markt führt über eine gewisse Zeit zur Verselbständigung als Marketing Intangible.3 So kann z.B. außergewöhnliche Produktqualität, die ganz erheblich auf ein Patent zurückzuführen ist, eine enorme Marketingwirkung entfalten. Konsequenterweise müssen die Zahlungen für das Recht zur Nutzung dieses Patents (Trade Intangible) im gleichen Licht gesehen werden wie das Recht zur Nutzung des hierdurch entstandenen Marketing Intangible.4

11.283

Vom Pool selbst ist der sog. Nachfragepool abzugrenzen. Grundsätzlich kann der Pool auch Leistungen von einem außerhalb des Pools stehenden verbundenen Unternehmen beziehen (Nachfragepool), z.B. im Wege der Auftragsforschung.5 Die Leistungen dieses Unternehmens sind zu Fremdpreisen an den Pool zu verrechnen.6 Fehlen geeignete Fremdpreise, sind die Leistungen regelmäßig nach der Kostenaufschlagsmethode zu berechnen.7 Der an den Pool insgesamt verrechnete Betrag ist dann im Wege der Umlage auf die Poolmitglieder aufzuteilen.8

11.284

c) Umlagefähiger Betrag Zur Bestimmung des umlagefähigen Betrags muss zunächst geprüft werden, welche im Pool erbrachten Leistungen dem Grunde nach umlage1 2 3 4 5 6 7

Vgl. OECD-Leitlinien 2010, Rz. 6.8 f. Vgl. OECD-Leitlinien 2010, Rz. 6.9. Siehe hierzu auch OECD-Leitlinien 2010, Rz. 6.4. Vgl. OECD-Leitlinien 2010, Rz. 6.9. Vgl. BMF v. 30.12.1999 – IV B 4 - S 1341 - 14/99, BStBl. I 1999, 1122 Rz. 1.7. Vgl. BFH v. 23.6.1993 – I R 72/92, BStBl. II 1993, 801. Vgl. OECD-Leitlinien 2010, Rz. 2.55; BMF v. 30.12.1999 – IV B 4 - S 1341 - 14/99, BStBl. I 1999, 1122 Rz. 1.7; v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83, BStBl. I 1983, 218 Rz. 5.3. 8 Vgl. BMF v. 30.12.1999 – IV B 4 - S 1341 - 14/99, BStBl. I 1999, 1122 Rz. 1.7.

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11.285

Kap. 11: Geistiges Eigentum und Verrechnungspreise

fähig sind. So müssen beispielsweise Kosten für Leistungen, die von einem Poolmitglied an eine außerhalb des Pools stehende Konzerngesellschaft erbracht werden, von den umlagefähigen Kosten abgegrenzt werden.1 Anschließend kann der Wert der Höhe nach ermittelt werden.

11.286

Laut Verwaltungsgrundsätze-Umlageverträge stellen die „tatsächlichen direkten und indirekten Aufwendungen, die im wirtschaftlichen Zusammenhang mit den erbrachten und zu erbringenden Leistungen stehen“2, die Ausgangsbasis für den umlagefähigen Betrag dar. Dem Wortlaut zufolge müsste demnach zur Ermittlung der Aufwendungen auf die Daten der Buchführung zurückgegriffen werden. Die Vorschriften zur Dokumentation des Leistungsempfängers hingegen stellen auf eine „Auflistung des Gesamtaufwands nach Kostenstellen“3 ab, was wiederum zu einer Einbeziehung der Daten aus der internen Kostenrechnung führt. Hieran wird deutlich, dass die Finanzverwaltung keine Trennung der betriebswirtschaftlich grundlegend unterschiedlichen Begriffe „Aufwendungen“ und „Kosten“ vornimmt.

11.287

Dem Fremdvergleichsgrundsatz zufolge sollte sich die umlagefähige Masse im Rahmen von Umlageverträgen jedoch am Kostenbegriff orientieren, da fremde Dritte ihre Kostenkalkulation bei der Preisfindung ebenfalls an die Kostenträgerrechnung anlehnen.4 Hierbei ist zu beachten, dass die Finanzverwaltung solche Kostenelemente nicht in der Kostenbasis akzeptiert, die steuerrechtlich nicht als Betriebsausgaben berücksichtigt werden dürfen.5

11.288

Der Ermittlung der Aufwendungen liegen grundsätzlich die Rechnungslegungsvorschriften des Ansässigkeitsstaats des Leistungserbringers zugrunde. Handelt es sich dabei um mehr als ein Unternehmen in unterschiedlichen Ansässigkeitsstaaten, „so können die Aufwendungen nach den Rechnungslegungsvorschriften eines Staats oder den Grundsätzen, die für die Aufstellung einer konsolidieren Bilanz der Unternehmen gelten“6, berechnet werden.

11.289

Des Weiteren sind die Aufwendungen um Erträge, die mit den Aufwendungen in einem wirtschaftlichen Zusammenhang stehen, zu kürzen. Gleiches gilt für Sondervergünstigungen und aus dem Pool resultierende Lizenzeinnahmen.7 Darüber hinaus begründen Poolmitglieder durch eingebrachte Sachleistungen keine Übertragung, sondern eine Nutzungsüberlassung, deren Wert nach den entstandenen Aufwendungen zu be1 Vgl. Engler/Freytag in Vögele/Borstell/Engler, Verrechnungspreise3, Immaterielle Wirtschaftsgüter, Rz. 196. 2 BMF v. 30.12.1999 – IV B 4 - S 1341 - 14/99, BStBl. I 1999, 1122 Rz. 2.1. 3 BMF v. 30.12.1999 – IV B 4 - S 1341 - 14/99, BStBl. I 1999, 1122 Rz. 5.1.4. 4 Vgl. Engler/Freytag in Vögele/Borstell/Engler, Verrechnungspreise3, Immaterielle Wirtschaftsgüter, Rz. 204. 5 Vgl. BMF v. 30.12.1999 – IV B 4 - S 1341 - 14/99, BStBl. I 1999, 1122 Rz. 2.1. 6 BMF v. 30.12.1999 – IV B 4 - S 1341 - 14/99, BStBl. I 1999, 1122 Rz. 2.1. 7 Vgl. BMF v. 30.12.1999 – IV B 4 - S 1341 - 14/99, BStBl. I 1999, 1122 Rz. 2.1.

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C. Verwertung von immateriellen Wirtschaftsgütern

messen ist. Bei immateriellen Wirtschaftsgütern soll eine Schätzung mittels einer angemessenen Lizenzgebühr abzüglich eines angemessenen Gewinnanteils genügen.1 Letztlich kann eine Verzinsung des eingesetzten Eigenkapitals nach dem Habenzinssatz vorgenommen werden. Bei der Verrechnung von Aufwendungen für unterschiedliche Leistungskategorien im Rahmen eines Umlagevertrags sind die Aufwendungen für jede Leistungskategorie separat zu ermitteln.2 d) Allokationsmechanismus Die Umlage der entstehenden Aufwendungen ist auf Basis des Nutzens3 vorzunehmen, den jedes Poolmitglied für sich erwartet. Im Einzelnen liegt die Bestimmung des jeweils sachgerechtesten Umlageschlüssels im Ermessen der Vertragsparteien.4 Durch die Kostenumlage sollen insbesondere längerfristige Leistungsbeziehungen abgegolten werden. Dementsprechend ist der Umlageschlüssel so auszuwählen, dass die umlagefähigen Kosten längerfristig im Verhältnis zu ihrer jeweiligen Leistungsinanspruchnahme auf die Poolmitglieder verteilt werden.5

11.290

Da F&E-Projekte regelmäßig über einen längeren Zeitraum angelegt sind, muss der anteilige zukünftige Nutzen geschätzt werden, z.B. aus dem Verhältnis des Nettobarwerts der zukünftigen operativen Gewinne. Um Fehlschätzungen und damit verbundene Anpassungen durch die Finanzverwaltung im Rahmen von Betriebsprüfungen zu vermeiden, ist es für den Steuerpflichtigen ratsam, konkrete und zuverlässige Planungen zugrunde zu legen. Dies ist jedoch insbesondere dann schwierig, wenn mit hoher Wahrscheinlichkeit auch mit fehlgeschlagenen F&E-Projekten zu rechnen ist, beispielsweise in der Pharmaindustrie. Wenn davon ausgegangen werden kann, dass das gegenwärtige Umsatzverhältnis der beteiligten Unternehmen auch in Zukunft erhalten bleibt, kann Engler zufolge in solchen Fällen der gegenwärtige Umsatz als Aufteilungsschlüssel verwendet werden.6 Analog zum Kostenumlagevertrag ist m.E. der Aufteilungsschlüssel für die weitere Vertragsdauer anzupassen, wenn sich zwischenzeitlich wesentliche Änderungen hinsichtlich der Schätzung des voraussichtlichen Nutzens ergeben.7

11.291

1 Vgl. BMF v. 30.12.1999 – IV B 4 - S 1341 - 14/99, BStBl. I 1999, 1122 Rz. 2.1. 2 Vgl. BMF v. 30.12.1999 – IV B 4 - S 1341 - 14/99, BStBl. I 1999, 1122 Rz. 2.1. 3 Der Nutzen berechnet sich auf Basis betriebswirtschaftlicher Grundsätze und unter Berücksichtigung aller Umstände und Entwicklungen, die zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses absehbar sind, vgl. BMF v. 30.12.1999 – IV B 4 - S 1341 14/99, BStBl. I 1999, 1122 Rz. 3.1. 4 Vgl. Engler/Freytag in Vögele/Borstell/Engler, Verrechnungspreise3, Immaterielle Wirtschaftsgüter, Rz. 218. 5 Vgl. Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung7, 807. 6 Engler in Vögele/Borstell/Engler, Verrechnungspreise3, Immaterielle Wirtschaftsgüter, Rz. 145. 7 So auch Engler in Vögele/Borstell/Engler, Verrechnungspreise3, Immaterielle Wirtschaftsgüter, Rz. 146, vgl. BMF v. 30.12.1999 – IV B 4 - S 1341 - 14/99, BStBl. I 1999, 1122 Rz. 3.3.

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Kap. 11: Geistiges Eigentum und Verrechnungspreise

11.292

In diesem Zusammenhang ist anzumerken, dass kritisch zu prüfen ist, welcher Umsatz bzw. welches Umsatzverhältnis zugrunde gelegt wird. So kann es Fälle geben, in denen zur Ermittlung der Bemessungsgrundlage auch nicht an der Kostenumlage beteiligte Vertriebsunternehmen einzubeziehen sind, um Vergleichbarkeit herzustellen. Das ist z.B. der Fall, wenn der Produzent teilweise an verbundene Unternehmen verkauft, zum Teil aber auch selbst vertreibt. Um den mit der Kostenumlage zusammenhängenden Nutzen für alle hieran beteiligten Produzenten vergleichbar zu machen, ist auf die erzielten Umsätze mit allen Vertriebsunternehmen abzustellen. Dabei ist jedoch auch zu berücksichtigen, dass das verbundene Vertriebsunternehmen nur einmal mit den im Rahmen der Kostenumlage angefallenen Kosten belastet werden darf.

11.293

Neben dem Umsatz als Umlageschlüssel werden von der OECD weitere Möglichkeiten (direkte und indirekte Methode) zur Bestimmung des Umlageschlüssels exemplarisch aufgezeigt. Die direkte Methode basiert auf den von den Poolmitgliedern erwarteten Gewinnzuwächsen oder Kosteneinsparungen, aus denen anschließend der erwartete Gesamtnutzen sowie der Umlageschlüssel abgeleitet werden können.1 Bei der indirekten Methode hingegen ergibt sich der Umlageschlüssel unmittelbar aus konkreten Schlüsselgrößen, aus denen sich in einem zweiten Schritt der Nutzen ergibt. Die hierzu verwendeten Schlüsselgrößen können „u.a. die eingesetzten, hergestellten, verkauften oder zu erwartenden Einheiten einer Produktlinie, der Materialaufwand, die Maschinenstunden, die Anzahl der Arbeitnehmer die Lohnsumme, die Wertschöpfung, das investierte Kapital, der Betriebsgewinn und der Umsatz“2 sein.

11.294

Auf Grund der Anwendungsvoraussetzungen für Umlagen kommt der direkte Fremdvergleich, beispielsweise mittels Vergleich der umgelegten Kosten für ein bestimmtes immaterielles Wirtschaftsgut mit üblichen Marktpreisen, nicht in Frage. Infolgedessen soll zur Feststellung der Fremdüblichkeit geprüft werden, ob die vereinbarte Kostenerfassung und -verteilung sachgerecht und angemessen ist, oder mit anderen Worten, ob ein fremder Dritter in Erwartung der zukünftigen Vorteile oder des zu erwartenden Nutzens bereit gewesen wäre, die vereinbarten Beiträge zu zahlen (sog. Nutzenanalyse).3 Auf weitere Besonderheiten zur Prüfung und Darlegung der Fremdüblichkeit bei der Kostenumlage wird in Rz. 11.401 ff. eingegangen. e) Zuordnung von Eigentums- und Verwertungsrechten

11.295

Während nach deutschem Recht die jeweilige F&E-Gesellschaft rechtliche Eigentümerin wird, steht den anderen Parteien das wirtschaftliche 1 Vgl. OECD-Leitlinien 2010, Rz. 8.19. 2 BMF v. 30.12.1999 – IV B 4 - S 1341 - 14/99, BStBl. I 1999, 1122 Rz. 3.2. 3 Vgl. OECD-Leitlinien 2010, Rz. 8.8; BMF v. 30.12.1999 – IV B 4 - S 1341 - 14/99, BStBl. I 1999, 1122 Rz. 3.1; Baumhoff, IStR 2000, 693 (695 f.); Kuckhoff/Schreiber, IStR 2000, 373.

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C. Verwertung von immateriellen Wirtschaftsgütern

Eigentum mit der hiermit verbundenen schuldrechtlichen Verwertungsbefugnis zu.1 Daraus folgt, dass unabhängig davon, ob das Eigentum an einem geschaffenen immateriellen Wirtschaftsgut formalrechtlich nur bei einer der Parteien liegt, im Rahmen des Kostenumlagevertrags jede Partei berechtigt ist, ihren Anteil aus den F&E-Ergebnissen wie ein tatsächlicher Eigentümer und nicht nur wie ein Lizenznehmer zu verwerten, ohne für ihren Anteil an eine andere Partei Lizenzgebühren oder Vergütungen zahlen zu müssen.2 Da die Umlage nicht als Lizenz einzustufen ist, unterliegt sie nach deutschem Recht nicht dem Quellensteuerabzug.3 Werden indes durch den Pool Nutzungsrechte im Wege der Lizenzierung an außenstehende Dritte vergeben, wird hierauf regelmäßig Quellensteuer nach Art. 12 OECD-MA erhoben. Die erhobene Quellensteuer kann nur anteilig von den einzelnen Poolmitgliedern zwecks Anrechnung geltend gemacht werden. Soweit das Poolmitglied, dem formal die Rechte an den immateriellen Wirtschaftgütern gehören, die gesamte ausländische Quellensteuer bei seiner Besteuerung geltend macht, muss gegenüber den anderen Poolmitgliedern ein Ausgleich erfolgen.4

11.296

f) Eintritts- und Austrittszahlungen Bei global agierenden Konzernen kommt es immer häufiger zu Umstrukturierungen, die eindeutige Regelungen im Rahmen von Kostenumlageverträgen erfordern.5 Die deutsche Finanzverwaltung hat diese Problematik als Sonderfälle in den Verwaltungsgrundsätzen-Umlageverträge aufgegriffen. Diese Sonderfälle behandeln den späteren Eintritt bzw. früheren Austritt von Poolmitgliedern, sowie die vorzeitige Beendigung und Systemumstellung der Kostenumlage.

11.297

Sofern sich Unternehmen erst zu einem späteren Zeitpunkt an einem bestehenden Pool beteiligen, und die bisherigen Poolmitglieder dem eintretenden Unternehmen materielle und immaterielle Ergebnisse überlassen, ist durch das eintretende Unternehmen eine Eintrittszahlung zu leisten.6 Bei den zu vergütenden Ergebnissen kann es sich z.B. um immaterielle Wirtschaftsgüter handeln. Ebenso kommen angefangene Arbeiten oder Kenntnisse in Betracht, die bei den vorangegangenen Tätigkeiten erworben worden sind, z.B. Erfahrungen aus fehlgeschlagenen Forschungstätigkeiten. Demnach hat das eintretende Unternehmen immer dann, wenn

11.298

1 Ebenso möglich sind länderspezifische Regelungen, nach denen alle Parteien als rechtliche Miteigentümer qualifiziert werden; vgl. zu Einzelheiten Engler in Vögele/Borstell/Engler, Verrechnungspreise3, Immaterielle Wirtschaftsgüter, Rz. 149. 2 Vgl. OECD-Leitlinien 2010, Rz. 8.3 f. und 8.6. 3 Vgl. BMF v. 30.12.1999 – IV B 4 - S 1341 - 14/99, BStBl. I 1999, 1122 Rz. 4.4. 4 Vgl. BMF v. 30.12.1999 – IV B 4 - S 1341 - 14/99, BStBl. I 1999, 1122 Rz. 4.4. 5 Vgl. Vögele, DB 2000, 297. 6 Vgl. BMF v. 30.12.1999 – IV B 4 - S 1341 - 14/99, BStBl. I 1999, 1122 Rz. 4.1.

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Kap. 11: Geistiges Eigentum und Verrechnungspreise

auch ein fremder Dritter für die Erkenntniszuwächse ein Entgelt gefordert bzw. entrichtet hätte, eine Ausgleichszahlung zu leisten.1

11.299

Die Eintrittszahlung ist nach den allgemeinen Grundsätzen des Fremdvergleichs zu bestimmen2 und kann auch in Form von Sachleistungen oder der Übertragung von Know-how erbracht werden.3 Die bisherigen Poolmitglieder übertragen im Gegenzug einen Teil ihrer jeweiligen Anteile an den aus der bisherigen Tätigkeit stammenden Ergebnissen. Folglich handelt es sich hierbei um einen für den Erwerber aktivierungspflichtigen Vorgang.4 Anders verhält es sich, wenn das eintretende Unternehmen einen annähernd gleichen Wissensstand wie die bisherigen Poolmitglieder einbringt. In einem solchen Fall wird regelmäßig ein Ausgleich nicht geboten sein.5 Eintrittszahlungen bei dienstleistungsbezogenen Umlageverträgen werden sowohl von der OECD6 als auch von der deutschen Finanzverwaltung grundsätzlich abgelehnt.7

11.300

Die Feststellung der Höhe der Eintrittszahlung erweist sich in der Praxis jedoch regelmäßig als besonders schwierig, da die bis zum Zeitpunkt des Eintritts angefallenen Forschungskosten für die verwertbaren Forschungsergebnisse bzw. halbfertigen Forschungsprojekte nur in den seltensten Fällen als Indikator in Betracht gezogen werden können. Dementsprechend bemisst sich die Höhe am Wert der bereits geschaffenen Forschungsergebnisse und dem daraus resultierenden subjektiven Nutzen des eintretenden Unternehmens.8

11.301

Scheidet im umgekehrten Fall ein Poolmitglied vorzeitig aus und kann es aus den bisher erzielten Ergebnissen zusätzliche Vorteile ziehen, z.B. durch Drittverwertung, oder bürdet es den verbleibenden Poolmitgliedern zusätzliche Belastungen auf, so kommt ebenfalls eine nach den allgemeinen Grundsätzen des Fremdvergleichs zu definierende Austrittszahlung an die verbleibenden Poolmitglieder in Betracht.9 Das soll nach Auffassung der Finanzverwaltung immer dann der Fall sein, wenn der Austritt des Poolmitglieds zu einer identifizierbaren und quantifizierbaren Verminderung des Werts des fortgeführten Umlagevertrags führt, weil die verbleibenden Poolmitglieder z.B. bis dahin bestehende Rechte an immateriellen Vermögenswerten, halbfertigen Arbeiten oder Kenntnissen, die im Rahmen des Umlagevertrags geschaffen wurden, dem ausscheidenden Partner überlassen bzw. abtreten.10 1 Vgl. Baumhoff, IStR 2000, 731. 2 Vgl. OECD-Leitlinien 2010, Rz. 8.31. 3 Vgl. Engler/Freytag in Vögele/Borstell/Engler, Verrechnungspreise3, Immaterielle Wirtschaftsgüter, Rz. 234. 4 Vgl. BMF v. 30.12.1999 – IV B 4 - S 1341 - 14/99, BStBl. I 1999, 1122 Rz. 4.1. 5 Vgl. Vögele/Freytag, IStR 2000, 249 (252). 6 Vgl. OECD-Leitlinien 2010, Rz. 8.36, BMF v. 30.12.1999 – IV B 4 - S 1341 14/99, BStBl. I 1999, 1122 Rz. 4.1. 7 Vgl. BMF v. 30.12.1999 – IV B 4 - S 1341 - 14/99, BStBl. I 1999, 1122 Rz. 4.1. 8 Vgl. Baumhoff, IStR 200, 731 f. 9 Vgl. BMF v. 30.12.1999 – IV B 4 - S 1341 - 14/99, BStBl. I 1999, 1122 Rz. 4.2. 10 Vgl. BMF v. 30.12.1999 – IV B 4 - S 1341 - 14/99, BStBl. I 1999, 1122 Rz. 4.2.

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C. Verwertung von immateriellen Wirtschaftsgütern

Hinsichtlich der Höhe der Ausgleichzahlung sei jedoch zu beachten, dass dem ausscheidenden Unternehmen aus seiner Poolmitgliedschaft ein Anteil am Ergebnis und am Gesamtwert des Pools zusteht. Dieser Wert ist mit den Ausgleichzahlungen von dem austretenden Unternehmen an die weiteren Poolmitglieder zu verrechnen.1 Indes werden Austrittszahlungen regelmäßig entfallen, wenn der Umlagevertrag nur Dienstleistungen zum Gegenstand hat, die die Poolmitglieder gemeinsam erwerben und für die sie fortlaufend zahlen, es sei denn, durch die Dienstleistungen werden Wirtschaftsgüter oder Rechte geschaffen.2

11.302

Soweit nach Austritt eines Poolmitglieds das bisher Geschaffene nur den verbleibenden Poolmitgliedern zugutekommt, kann eine Ausgleichszahlung an das ausscheidende Poolmitglied gerechtfertigt sein. Dies ist immer dann der Fall, wenn das ausscheidende Unternehmen seine Vermögensrechte am Umlagevertrag an die verbleibenden Poolmitglieder überträgt.3 Beenden alle Beteiligten den Umlagevertrag, so steht ihnen jeweils der Anteil an den Ergebnissen des Pools zu, der den Beiträgen entspricht, die während der Vertragslaufzeit in Form von Eintritts- oder Ausgleichszahlungen an den Pool geleistet worden sind.4

11.303

g) Formale Kriterien Für die Anerkennung einer F&E-Kostenumlage nach dem Poolkonzept müssen folgende Voraussetzungen kumulativ erfüllt sein:5 – Zusammenwirken der Konzernunternehmen, – Verfolgung gemeinsamer Interessen, – bei allen Poolmitgliedern muss ein Vorteil (z.B. in Form von Kosteneinsparungen) zu erwarten sein, – die Tätigkeit darf bei dem leistungserbringenden Unternehmen nur eine Hilfsfunktion und nicht den Hauptgegenstand des Unternehmens darstellen und – es muss ein schriftlicher Umlagevertrag (Poolvertrag) vorliegen, der im Vorhinein klar und eindeutig abgeschlossen wurde.6 Fehlt eines der genannten Merkmale, kann für deutsche steuerliche Zwecke kein Pool anerkannt werden. Als Folge sind die Leistungen entweder zu Marktpreisen (Preisvergleichsmethode) oder im Wege des Kostenauf1 2 3 4 5

Vgl. Vögele/Freytag, IStR 2000, 249 (253). Vgl. BMF v. 30.12.1999 – IV B 4 - S 1341 - 14/99, BStBl. I 1999, 1122 Rz. 4.2. Vgl. Vögele/Freytag, IStR 2000, 249 (252). Vgl. BMF v. 30.12.1999 – IV B 4 - S 1341 - 14/99, BStBl. I 1999, 1122 Rz. 4.2. Vgl. Engler in Vögele/Borstell/Engler, Verrechnungspreise3, Dienstleistungen, Rz. 286. 6 Vgl. BMF v. 30.12.1999 – IV B 4 - S 1341 - 14/99, BStBl. I 1999, 1122 Rz. 1.3; kritisch zum Erfordernis eines schriftlichen Vertrags äußern sich Engler/Freytag in Vögele/Borstell/Engler, Verrechnungspreise3, Immaterielle Wirtschaftsgüter, Rz. 243 m.w.N.

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11.304

Kap. 11: Geistiges Eigentum und Verrechnungspreise

schlagsverfahrens mit Gewinnelement (Kostenaufschlagsmethode) abzurechnen.1

11.305

Im Rahmen eines F&E-Kostenumlagevertrags sollte typischerweise Folgendes geregelt werden:2 – Benennung der Vertragsparteien, – Bestimmung der leistungserbringenden Unternehmen, – Bestimmung der Unternehmen, denen ein Anspruch auf die Nutzung des zu entwickelnden immateriellen Wirtschaftsguts einzuräumen ist, – Beschreibung der zu erbringenden Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten nach Art und Umfang, – Bestimmung über die Ermittlungsart der umlagerelevanten direkten und indirekten Kosten (dazu zählen beispielsweise Erträge aus der Lizenzierung an Dritte, nicht jedoch staatliche Subventionen), – Festlegung eines zuverlässigen Aufteilungsschlüssels zur verursachungsgerechten Zuordnung der Kosten zwischen den Unternehmen, die einen (anteiligen) Nutzen erwarten, – Beschreibung der den Parteien jeweils zustehenden unentgeltlichen Verwertungsrechte und -beschränkungen, – Regelung, ob und inwiefern ein Verkauf oder eine Lizenzierung der erfolgreich entwickelten immateriellen Wirtschaftsgüter an nicht am Konzernumlagevertrag beteiligte Unternehmen zulässig ist, – Angaben über die sach- und leistungsgerechte Beitragsermittlung und -abrechnung, – Bestimmung über die Laufzeit und Kündigungsmöglichkeiten des Vertrags.

11.306

Auf die inhaltlichen und formalen Mindestanforderungen, die nach Auffassung der deutschen Finanzverwaltung zwingend zur Anerkennung des Umlagevertrags erfüllt werden müssen,3 wird in Rz. 11.401 ff. noch ausführlich eingegangen. Hinsichtlich des Zeitpunkts des Vertragsabschlusses existiert die klare und eindeutige Vorgabe der Finanzverwaltung, dass sich der Umlagevertrag ausschließlich auf Leistungen beziehen darf, die nach Vertragsabschluss erbracht werden. Ein nachträglicher Vertragsabschluss über bereits vollzogene Leistungen soll dagegen nicht zulässig sein.4

1 2 3 4

Vgl. Kuckhoff/Schreiber, IStR 2000, 346 ff. Zu weiteren Einzelheiten vgl. OECD-Leitlinien 2010, Kapitel VII und VIII. Vgl. BMF v. 30.12.1999 – IV B 4 - S 1341 - 14/99, BStBl. I 1999, 1122 Rz. 5.1.1. Vgl. BMF v. 30.12.1999 – IV B 4 - S 1341 - 14/99, BStBl. I 1999, 1122 Rz. 1.3.

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D. Funktionsverlagerung

D. Funktionsverlagerung I. Zwecke Mit der Globalisierung und Öffnung der weltweiten Märkte einhergehend befinden sich international verbundene Unternehmen in einem zunehmend verschärften Wettbewerb und werden dadurch dazu gedrängt, in der Vergangenheit getroffene Standortentscheidungen zu überprüfen.1 Als Folge davon kommt es vermehrt zur Verlagerung von betrieblichen Funktionen mit deren Wertschöpfung von Deutschland in andere Länder, die eine bessere Standortlage für die Ausübung der Funktion aufweisen. Wichtigste Motive für eine solche Verlagerung sind der Zugang zu neuen Märkten, die Senkung von Kosten sowie die Nutzung von Steuer- und Förderanreizen.2

11.307

Dieser Tatsache war sich auch die Bundesregierung beim Entwurf des Unternehmensteuerreformgesetzes 2008, bewusst, das durch die Neufassung von § 1 AStG eine langfristige Sicherung des Steuersubstrats im Inland gewähren sollte.3 Insbesondere geht es hierbei um die Besteuerung bei Verlagerungen von selbst geschaffenen immateriellen Wirtschaftsgütern, die nicht bilanziert werden dürfen, und von nicht in Erscheinung tretenden immateriellen Wirtschaftsgütern (z.B. nicht patentiertes Wissen) sowie des Geschäftswerts, der mit Funktionen verbunden ist.4 Die Besteuerung von Funktionsverlagerungen verfolgt den Zweck, die mit den im Inland geschaffenen immateriellen Wirtschaftsgütern in Verbindung stehenden Gewinnpotenziale, die bei Unterbleiben einer Funktionsverlagerung im Inland realisiert worden wären, zur Besteuerung heranzuziehen.5

11.308

II. Funktionsverlagerung dem Grunde nach 1. Tatbestandsvoraussetzungen einer Funktionsverlagerung Eine Funktionsverlagerung i.S. des § 1 Abs. 3 Satz 9 AStG liegt vor, wenn „… eine Funktion einschließlich der dazugehörigen Chancen und Risiken und der mit übertragenen oder überlassenen Wirtschaftsgüter und sonstigen Vorteile …“ auf ein nahestehendes Unternehmen i.S. des § 1 Abs. 2 AStG übertragen oder zur Nutzung überlassen wird. Die Definition wird konkretisiert durch § 1 Abs. 2 Satz 1 FVerlV, wonach die Funktion auf Grund der Verlagerung beim verlagernden Unternehmen aufgegeben oder zumindest eingeschränkt werden muss. 1 Vgl. Oestreicher, Ubg 2009, 80. 2 Vgl. Statistisches Bundesamt, Verlagerung wirtschaftlicher Aktivitäten, Ergebnisse der Piloterhebung, 2008, 9. 3 Vgl. BT-Drucks. 16/4841, 1. 4 Vgl. Schreiber in Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise, Allg. Vorbemerkungen FVerlV Rz. 1. 5 Vgl. BT-Drucks. 16/4841, 84.

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11.309

Kap. 11: Geistiges Eigentum und Verrechnungspreise

11.310

Als Funktion definiert § 1 Abs. 1 FVerlV „…eine Geschäftstätigkeit, die aus einer Zusammenfassung gleichartiger betrieblicher Aufgaben besteht, die von bestimmten Stellen oder Abteilungen eines Unternehmen erledigt werden“ und die einen organischen Teil des Unternehmens darstellt, ohne dass ein Teilbetrieb1 im steuerlichen Sinne vorliegen muss. Als Beispiele werden Geschäftstätigkeiten genannt, die zur Geschäftsleitung, zur Forschung und Entwicklung oder zur Produktion gehören.2

11.311

Während im Schrifttum die Meinung vertreten wird, dass Geschäftstätigkeiten im engeren Sinne erst vorliegen, wenn Leistungen an externe Marktteilnehmer erbracht werden,3 geht die deutsche Finanzverwaltung auch dann von einer Geschäftstätigkeit aus, wenn Leistungen der Geschäftstätigkeiten nur innerhalb des Konzerns erbracht werden.4 Damit vertritt sie eine weite Auslegung des Geschäftstätigkeitsbegriffs. Hierdurch stellt die Finanzverwaltung sicher, dass nahezu jede Tätigkeit in einem Konzern vom Funktionsbegriff erfasst werden kann, unabhängig davon, ob diese Tätigkeit extern oder intern erbracht wird.5 Dadurch wird ein frühzeitiges Scheitern der Qualifizierung einer Verlagerung als Funktionsverlagerung per Definition vermieden.

11.312

Aus den Verwaltungsgrundsätzen-Funktionsverlagerung6 geht hervor, dass eine Funktion immer auch eine Geschäftstätigkeit ist, eine Geschäftstätigkeit jedoch nicht immer auch eine Funktion i.S. der Definition.7 Eine Funktion kann erst dann vorliegen, wenn die Geschäftstätigkeit aus einer Zusammenfassung gleichartiger betrieblicher Aufgaben besteht, die gemeinsam verlagert werden können und deren Gewinnauswirkungen abgrenzbar sind.8 Diese „… Aufgaben müssen nicht sämtliche, für die Wertschöpfung wichtigen Elemente umfassen.“9 Die Beschreibung „nicht sämtliche“ lässt darauf schließen, dass eine Funktion im vorliegenden Sinne jedoch Teil des Wertschöpfungsprozesses sein muss und sich nicht auf reine Verwaltungsaufgaben beschränken darf, da solche nicht mit Chancen und Risiken verbunden sind.10

11.313

Demgegenüber steht die Tatsache, dass nach Auffassung der Finanzverwaltung auch Geschäftstätigkeiten der Verwaltung vom Funktionsbegriff 1 Teilbetrieb ist ein organisch geschlossener Unternehmensteil, der eigenständig lebensfähig ist; vgl. Borstell/Wehnert in Vögele/Borstell/Engler, Verrechnungspreise3, Funktions- und Geschäftsverlagerung, Rz. 47. 2 Vgl. BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003, BStBl. I 2010, 774 Rz. 15. 3 Vgl. z.B. Schreiber in Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise, § 1 Abs. 1 FVerlV Rz. 43; Frischmuth, StuB 2008, 864 (865). 4 Vgl. BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003, BStBl. I 2010, 774 Rz. 17. 5 Vgl. Oestreicher, Ubg 2009, 80 (82). 6 Die Bezeichnung Verwaltungsgrundsätze-Funktionsverlagerung bezieht sich auf BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003, BStBl. I 2010, 774. 7 Vgl. BMF v. 13.10.2010 – IV B 5-S 1341/08/10003, BStBl. I 2010, 774 Rz. 14.ff. 8 Vgl. BMF v. 13.10.2010 – IV B 5-S 1341/08/10003, BStBl. I 2010, 774 Rz. 16; BRDrucks. 352/08, 10. 9 BMF v. 13.10.2010 – IV B 5-S 1341/08/10003, BStBl. I 2010, 774 Rz. 14. 10 Vgl. zur Kritik Blumers, BB 2007, 1757.

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D. Funktionsverlagerung

erfasst werden sollen.1 So sei ein unmittelbarer Beitrag zur Wertschöpfung des Unternehmens keine Voraussetzung zum Vorliegen einer Funktion. Eine Funktion soll dann einen organischen Teil des Unternehmens darstellen, wenn sie über eine gewisse Eigenständigkeit verfügt, die eine Zuordnung von Erträgen und Aufwendungen zulässt.2 Diese Definition ist insofern problematisch, da klassische Funktionen innerhalb eines Konzerns, z.B. Geschäftstätigkeiten wie Finanzierung, Forschung und Entwicklung, Einkauf, Produktion oder Vertrieb, häufig eine Vielzahl von Nebenfunktionen umfassen, die im Extremfall auf den Tätigkeitsbereich einer einzelnen Person herunter gebrochen werden können. Es wird somit eine Atomisierung der Funktion vorgenommen, wonach nahezu jede Geschäftstätigkeit das Funktionskriterium erfüllen kann.3 Darüber hinaus vertritt die Finanzverwaltung die Auffassung, dass bereits die Produktion eines bestimmten Produkts oder einer Produktgruppe oder der Vertrieb eines bestimmten Produkts bzw. einer Produktgruppe eine Funktion darstelle.4 Dies ist insofern problematisch, da zur Erzielung von Skaleneffekten im internationalen Konzern häufig eine Aufgabenteilung erfolgt. So kann es durchaus sein, dass Geschäftstätigkeiten, die im Inland nicht mehr vermarktbar sind, an ein verbundenes ausländisches Unternehmen übertragen werden, gleichzeitig jedoch beim übertragenden inländischen Unternehmen neue Kapazitäten für im Inland vermarktungsfähige Geschäftstätigkeiten geschaffen werden. In diesem Zusammenhang stellt sich regelmäßig die Frage, ob eine im Inland obsolete Geschäftstätigkeit unter die Funktionsverlagerungsbesteuerung fällt.

11.314

Da die Finanzverwaltung selbst eine Atomisierung der Funktionen vornimmt, ist diese Fragestellung m.E. wie folgt zu lösen:

11.315

– Wurde die für den inländischen Markt obsolete Geschäftstätigkeit bereits aus dem Inland heraus für ausländische Absatzmärkte erbracht, und wird entweder die Produktion und/oder der Vertrieb für diese Geschäftstätigkeit auf ein ausländisches verbundenes Unternehmen übertragen, liegt eine Funktionsverlagerung vor. – Wurde die für den inländischen Markt obsolete Geschäftstätigkeit noch nicht aus dem Inland heraus für ausländische Absatzmärkte erbracht, und wird entweder die Produktion und/oder der Vertrieb für diese Geschäftstätigkeit erstmals von einem ausländischen verbundenen Unternehmen ausgeführt, liegt dagegen keine Funktionsverlagerung vor. Eine Unterscheidung auf Basis der Absatzmärkte erscheint allerdings nur sinnvoll, wenn wesentliche Unterschiede in den Produkten bzw. Produkt1 Vgl. BMF v. 13.10.2010 – IV B 5-S 1341/08/10003, BStBl. I 2010, 774 Rz. 14 ff. 2 Vgl. BMF v. 13.10.2010 – IV B 5-S 1341/08/10003, BStBl. I 2010, 774 Rz. 18; BRDrucks. 352/08, 10. 3 Vgl. Kroppen/Rasch, IWB 2010, 824 (825). 4 Vgl. BMF v. 13.10.2010 – IV B 5-S 1341/08/10003, BStBl. I 2010, 774 Rz. 16.

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11.316

Kap. 11: Geistiges Eigentum und Verrechnungspreise

gruppen auf den verschiedenen Märkten existieren. In diesem Fall wäre die Unterscheidung durch den Markt verursacht und es würden so viele verschiedene Funktionen wie Märkte existieren.1 Solange jede dieser einzelnen Funktionen noch nicht im Inland ausgeübt wurde, kann folglich auch keine Funktionsverlagerung vorliegen. Demnach stellen sog. Greenfield-Aktivitäten im Ausland regelmäßig keine Funktionsverlagerung dar. Für den Steuerpflichtigen ist es daher ratsam, vor Aufnahme von Geschäftstätigkeiten im Ausland o.g. Faktoren bei seiner Entscheidung als mögliche Gestaltungselemente zu berücksichtigen. 2. Abgrenzung des Gewinnpotenzials von Geschäftschancen

11.317

Wie bereits aus der gesetzlichen Definition zur Funktionsverlagerung hervorgeht, wird neben der eigentlichen Funktion auch das Vorhandensein damit verbundener Chancen, Risiken sowie übertragener oder überlassener Wirtschaftsgüter und sonstiger Vorteile vorausgesetzt (§ 1 Abs. 3 Satz 9 AStG). Dementsprechend löst eine alleinige Verlagerung einer Funktion ohne die Verlagerung von Chancen, Risiken, sonstigen Vorteilen oder Wirtschaftsgütern keine Funktionsverlagerung i.S. des § 1 Abs. 3 AStG aus.2 Die Frage, ob Wirtschaftsgüter vorliegen und verlagert werden, wird sich bei einem oder mehreren materiellen Wirtschaftsgütern relativ schnell beantworten lassen. Dagegen gestaltet sich die Beantwortung dieser Frage gerade bei immateriellen Wirtschaftsgütern auf Grund der schwierigen Greifbarkeit, z.B. insbesondere bei nicht in Erscheinung tretenden immateriellen Wirtschaftsgütern (z.B. nicht patentiertes Wissen), teilweise extrem komplex.

11.318

So ist u.a. zu prüfen, ob bereits eine zu einem immateriellen Wirtschaftsgut erstarkte Geschäftschance verlagert wird. Die Beantwortung dieser Frage ist von grundlegender Bedeutung im Rahmen der ersten und dritten Escape-Klausel (zu Einzelheiten vgl. Rz. 11.377 ff.): Diese kommen nur zur Anwendung, wenn entweder kein wesentliches immaterielles Wirtschaftsgut (erste Escape-Klausel) oder mindestens ein wesentliches immaterielles Wirtschaftsgut übertragen wird (dritte Escape-Klausel).

11.319

Darüber hinaus ist zu hinterfragen, was die Finanzverwaltung mit den Begriffen sonstige Vorteile sowie Chancen und Risiken erfassen will, mit denen sie in der Definition die Verrechnungspreisermittlung bei einer Funktionsverlagerung einleitet. Hierzu wird in den VerwaltungsgrundsätzenFunktionsverlagerung Folgendes ausgeführt: „Vorteile, die im Rahmen einer Einzelpreisbestimmung für die übertragenen bzw. zur Nutzung überlassenen Wirtschaftsgüter häufig nur schwer erkennbar sind, können auf Grund der Betrachtung der insgesamt übergehenden Funktion mit ihren Chancen und Risiken identifiziert werden. Fremde Dritte wären bereit, ein Entgelt unter angemessener Berücksichtigung dieser Vorteile zu vereinbaren, ohne dass sich diese bereits zu einem Wirtschaftsgut konkre1 Vgl. Zech, IStR 2009, 418 (420 ff.). 2 Vgl. Wolter/Pitzal, IStR 2008, 793 (795).

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D. Funktionsverlagerung

tisiert haben müssen. Entsprechende Vorteile können z.B. geschäftswertbildende Faktoren wie guter Ruf, gut ausgebildete Arbeitnehmer oder eine eingespielte Betriebsorganisation sein“1 In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, wie die sonstigen Vorteile, Chancen und Risiken vom Begriff der Geschäftschance abzugrenzen sind. Die Finanzverwaltung setzt in den Verwaltungsgrundsätzen-Funktionsverlagerung die Geschäftschance ohne weitere Differenzierung mit einem Wirtschaftsgut gleich und führt lediglich aus, dass die Geschäftschance vom restlichen Gewinnpotenzial innerhalb des Transferpakets zu unterscheiden sei.2 Diese automatische Schlussfolgerung ist m.E. jedoch nicht korrekt, da nicht jede Geschäftschance per se als Wirtschaftsgut qualifiziert werden kann.3

11.320

Vor diesem Hintergrund wird nachfolgend der Begriff der Geschäftschance4 und die Qualifizierung als Wirtschaftsgut, d.h. unter welchen Voraussetzungen eine Geschäftschance zu einem Wirtschaftsgut erstarken kann, hinterfragt. In der Literatur wird zwischen den sog. singulären Geschäftschancen und den unternehmerischen Geschäftschancen unterschieden.5 Singuläre Geschäftschancen beziehen sich auf einen konkreten Sachverhalt, während unternehmerische Geschäftschancen weiter gefasst sind.

11.321

Eine singuläre Geschäftschance liegt vor, wenn sich ein Sachverhalt zu einem konkreten künftigen wirtschaftlichen Vorteil verdichtet hat.6 Die Geschäftschance bestimmt sich sowohl sachlich als auch zeitlich nach Umfang der Chancen der übertragenen Funktion und der übernommenen Risiken, bzw. der mit der Funktion übernommenen Verantwortungen.7 Diese Risiken müssen dabei von den Chancen so weit überwogen werden, dass „… Aussicht auf eine vergleichsweise risikolose zukünftige Gewinnerzielung …“8 – also ein konkretes Gewinnpotenzial9 – besteht und somit

11.322

1 BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003, BStBl. I 2010, 774 Rz. 29. 2 Vgl. BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003, BStBl. I 2010, 774 Rz. 37. 3 Die Frage, ob eine Geschäftschance als Wirtschaftsgut qualifiziert werden kann, wurde bisher von der höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht abschließend geklärt, vgl. BFH v. 6.12.1995 – I R 40/95, BB 1996, 1419 (1420). 4 In der Literatur wird eine Geschäftschance regelmäßig als „konkrete Möglichkeit, künftig einen Vermögensvorteil aus einem noch abzuschließenden Geschäft zu erzielen, der jedoch noch keiner besonderen Bewertung zugänglich und daher noch nicht zu einem Wirtschaftsgut erstarkt ist“ definiert, Serg, DStR 2005, 1916. Dementsprechend liegt per Definition zunächst kein Wirtschaftsgut vor. 5 Vgl. Bodenmüller, Steuerplanung bei Funktionsverlagerungen ins Ausland, 292; Baumhoff/Bodenmüller in Grotherr, Handbuch der internationalen Steuerplanung3, 585. 6 Vgl. Bernhardt/van der Ham/Kluge, IStR 2008, 1 (4); Ditz, DStR 2006, 1625 (1627). 7 Vgl. Blumers, DStR 2010, 17 (19). 8 Ditz, DStR 2006, 1625 (1627). 9 Dieses Gewinnpotenzial stellt gem. § 1 Abs. 3 Satz 9 AStG die Basis für die Ermittlung eines Verrechnungspreises für die Funktion dar.

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Kap. 11: Geistiges Eigentum und Verrechnungspreise

beide Parteien bereit wären, das Geschäft abzuschließen (Theorie des doppelten ordentlichen Geschäftsleiters,1 vgl. § 1 Abs. 1 Satz 2 AStG).

11.323

In diesem Zusammenhang kommt dem Geschäftsleiter des übernehmenden Unternehmens eine entscheidende Rolle zu, da zu prüfen ist, ob dieser bereit wäre, für die Geschäftschance ein Entgelt zu zahlen, das den Wert der übrigen verlagerten Wirtschaftsgüter übersteigt.2 Die Geschäftschance begründet somit eine konkrete Aussicht auf Gewinn, die dem Geschäftsleiter die Möglichkeit gewährt, bei identischem Risiko und Mitteleinsatz einen höheren Gewinn zu erzielen als derjenige, der die Geschäftschance nicht hat.3 Wenn die genannten Voraussetzungen erfüllt sind, verkörpert die Geschäftschance einen greifbaren wirtschaftlichen Vorteil,4 der verkehrsfähig und eigenständig bewertbar ist, so dass die Geschäftschance zu einem immateriellen Wirtschaftsgut erstarkt.5

11.324

Diese Voraussetzungen sind beispielsweise dann erfüllt, wenn ein bestimmter Kundenkreis übertragen wird, und die Geschäftschance hinreichend konkretisiert wird, um sie als immaterielles Wirtschaftgut einzustufen.6 In einem solchen Fall ist konsequenterweise die ausgleichsfähige Geschäftschance als ein Wirtschaftsgut zu qualifizieren und im Rahmen der Bewertung, z.B. bei der ersten und dritten Escape-Klausel, wie ein solches zu berücksichtigen.

11.325

Hiervon abzugrenzen ist die nicht hinreichend konkretisierte unternehmerische Geschäftschance. So kann bereits die Möglichkeit, aus der Ausübung einer betrieblichen Funktion dauerhaft Gewinne zu erzielen, als unternehmerische Geschäftschance anzusehen sein.7 Es handelt sich hierbei folglich um geschäftswertbildende Faktoren, die im Rahmen des § 1 Abs. 3 Satz 9 AStG bei den sonstigen Vorteilen zu subsumieren sind. Unter die sonstigen Vorteile fällt z.B. die Überlassung von Fachpersonal, die Übertragung von Rechten oder Branchenkenntnissen8, aber auch der Ruf eines Unternehmens, Marktanteile oder die Qualifikation des Managements.9

11.326

Die Vorteile müssen zwar soweit konkretisiert sein, dass fremde Dritte dafür ein Entgelt verlangen bzw. bezahlen würden.10 Mangels eines hinreichenden, konkret greifbaren, verkehrsfähigen und eigenständig bewert1 2 3 4 5 6 7 8 9 10

Vgl. BFH v. 17.5.1995 – I R 147/93, BStBl. II 1996, 204. Vgl. Ditz, DStR 2006, 1625 (1627). Vgl. Rödder StbJb. 1997/98, 125. Vgl. Baumhoff in Piltz/Schaumburg, Internationale Einkünfteabgrenzung, 86. Vgl. Serg, DStR 2005, 1916 (1917); Wehnert, IStR 2007, 558 (559); Greil, IStR 2009, 202; a.A.: Bodenmüller, Steuerplanung bei Funktionsverlagerungen ins Ausland, 307. Vgl. Wassermeyer, GmbHR 1993, 329 (332). Vgl. Ditz, DStR 2006, 1625 (1626). Vgl. Micker in Mössner/Fuhrmann2, § 1 AStG Rz. 396. Vgl. Oestreicher, Ubg 2009, 80 (83). Vgl. Micker in Mössner/Fuhrmann2, § 1 AStG Rz. 396.

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D. Funktionsverlagerung

baren wirtschaftlichen Vorteils sind die unternehmerischen Geschäftschancen bzw. die sonstigen Vorteile jedoch nicht als Wirtschaftsgut zu qualifizieren (zur Definition des Begriffs Wirtschaftsgut vgl. Rz. 11.3 ff.). Im Rahmen der Transferpaketbewertung haben sie zwar sehr wohl Auswirkung auf das gesamte Gewinnpotenzial. Im Rahmen der ersten und dritten Escape-Klausel können sie jedoch nicht wie ein Wirtschaftgut berücksichtigt werden. 3. Bagatellregelung bei Funktionsverdopplung Zum Vorliegen einer Funktionsverlagerung muss die Funktion eingeschränkt werden. Indikator für die Einschränkung von Funktionen beim übertragenenden Unternehmen ist der Umsatz, den das Unternehmen mit der verlagerten Funktion erzielt.1 Eine Einschränkung des Umsatzes ist dann gegeben und auch von Bedeutung, wenn dieser Umsatz innerhalb eines fünfjährigen Beobachtungszeitraums in einem Wirtschaftsjahr um mindestens 1 000 000 Euro zurückgeht und der Rückgang in wirtschaftlichem Zusammenhang mit der Funktionsverlagerung steht.2 Das Kriterium der Funktionseinschränkung impliziert, dass das funktionsabgebende Unternehmen die Funktion vor der Verlagerung innegehabt und ausgeübt haben muss (§ 1 Abs. 2 Satz 1 FVerlV).

11.327

Trotz Erfüllung aller übrigen Tatbestandmerkmale einer Funktionsverlagerung liegt demnach keine Funktionsverlagerung vor, wenn die Verlagerung der Funktion nicht zu einer Einschränkung der durch das übertragende Unternehmen ausgeübten Funktionen innerhalb von fünf Jahren nach Aufnahme der Funktion führt (Funktionsverdopplung) oder das übertragende Unternehmen nachweisen kann, dass die Einschränkung der Funktion nicht durch die Funktionsverlagerung verursacht wurde oder mit dieser in keinem wirtschaftlichen Zusammenhang steht (§ 1 Abs. 6 FVerlV). Die Frage, ob eine Funktionsverlagerung wirtschaftlich vergleichbar mit einer Funktionsverdopplung ist, ist in der Literatur umstritten.3

11.328

Der deutsche Fiskus betrachtet die Funktionsverdopplung lediglich als eine Variante der Funktionsverlagerung unter aufschiebender Bedingung. Soweit und solange keine bzw. lediglich eine geringfügige Einschränkung der ausgeübten Funktion im Inland vorliegt, entfällt die Anwendung der Regelungen für Funktionsverlagerungen nach § 1 Abs. 3 Satz 9 AStG.4

11.329

1 Vgl. BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003, BStBl. I 2010, 774 Rz. 23 und 43. 2 Siehe mit Beispiel BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003, BStBl. I 2010, 774 Rz. 48 f. 3 Vgl. Borstel/Wehnert in Vögele/Borstell/Engler, Verrechnungspreise3, Funktionsund Geschäftsverlagerung, Rz. 69 ff.; Schreiber in Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise, § 1 Abs. 6 FVerlV Rz. 83 ff. 4 BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 – S 1341/08/10003, BStBl. I 2010, 774 Rz. 48 f.

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Kap. 11: Geistiges Eigentum und Verrechnungspreise

Soweit dagegen die (spätere) Einschränkung der betroffenen Funktion durch dasselbe Ereignis, d.h. durch die ursprüngliche Funktionsverdoppelung, verursacht worden ist, fordert die Finanzverwaltung die entsprechende Anwendung der Regelungen nach § 1 Abs. 3 Satz 9 AStG.1

11.330

Diese Ansicht wird in der Literatur erheblich kritisiert: So vertritt z.B. Schwenke die Meinung, dass eine Funktionsverdopplung – im Gegensatz zu einer Funktionsverlagerung – keinen Einfluss auf den bestehenden Zustand des inländischen Unternehmens hat und es somit an einem wesentlichen Element der Definition einer Funktionsverlagerung mangelt. Beispielhaft nennt er hierbei die Lizenzierung geistigen Eigentums, das auf einem bisher nicht erschlossenen Markt angewendet wird.2

11.331

Strittig ist außerdem, ob eine Funktionsverlagerung oder -verdopplung vorliegt, wenn Produktion und Vertrieb eines Produkts für einen ganz bestimmten Absatzmarkt an ein verbundenes Unternehmen übergeht, gleichzeitig jedoch beim übertragenden Unternehmen neue Kapazitäten für Produktion und Vertrieb des gleichen Produkts, allerdings für einen anderen Absatzmarkt geschaffen wurden und der Umsatz entweder konstant bleibt oder sich sogar erhöht. Infolge der Anwendung der Bagatellregelung3 würde in diesem Fall grundsätzlich keine Funktionsverlagerung vorliegen, da es trotz Erfüllung der übrigen Voraussetzungen nach § 1 Abs. 2 Satz 1 FVerlV zu keiner Einschränkung der Ausübung der betreffenden Funktion bei dem übertragenden Unternehmen kommt.

11.332

Soweit marktbezogene immaterielle Wirtschaftsgüter eingesetzt werden, ist allerdings zu beachten, dass die Bagatellregelung nur greift, wenn der betroffene Markt so klein ist, dass die Umsätze nicht um mehr als 1 000 000 Euro zurückgehen. Hieran wird deutlich, dass entscheidend ist, wie die betreffende Funktion definiert wird (Funktionskriterium) und inwieweit sich diese auf einzelne Märkte herunterbrechen lässt (Atomisierung der Funktion). So ist m.E. eine Unterscheidung auf Basis des Marktes nur sinnvoll, wenn wesentliche Unterschiede in den Produkten auf den verschiedenen Märkten existieren. Wenn dies der Fall ist, liegen als zwingende Folge entsprechend viele Mikrofunktionen vor, die für Zwecke der Funktionsverlagerungsbesteuerung nach § 1 Abs. 3 Satz 9 AStG isoliert voneinander zu betrachten und zu beurteilen sind. Dies kann dazu führen, dass mehrere Mikrofunktionen „verlagert“ werden, für die jeweils separat die Bagatellregelung zur Anwendung kommen muss.

11.333

Beispiel: Unternehmen D-GmbH produziert im inländischen Werk bei voller Kapazitätsauslastung auf Deutsch programmierte Taschenrechner und vertreibt diese in 1 BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003, BStBl. I 2010, 774 Rz. 47 f. 2 Vgl. Richter/Welling, 25. Berliner Steuergespräch „Funktionsverlagerung“, Tagungsbericht, 19.11.2007. 3 Siehe mit Beispiel BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003, BStBl. I 2010, 774 Rz. 48 f.

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D. Funktionsverlagerung

Deutschland und in Österreich. In Österreich wird eine Tochtergesellschaft gegründet, die von D-GmbH die Produktion und den Vertrieb der Taschenrechner für den österreichischen Markt übernimmt. Gleichzeitig wendet sich D-GmbH weiterhin bei voller Kapazitätsauslastung der Produktion und dem Vertrieb von Taschenrechnern für den deutschsprachigen Teil in der Schweiz zu. Hiermit kann der weggebrochene Umsatz bei D-GmbH zu 100 % kompensiert werden. Lösung: Das Produkt kann ohne jegliche Modifikationen im Inland weiter produziert werden. Anstatt nach Österreich liefert D-GmbH nun in die Schweiz. Ohne Berücksichtigung möglicher Mikrofunktionen ist dieser ganzheitliche Vorgang wirtschaftlich betrachtet als Funktionsverdopplung einzustufen. Wenn der Umsatz von D-GmbH innerhalb eines fünfjährigen Beobachtungszeitraums in einem Wirtschaftsjahr nicht um mehr als 1 000 000 Euro zurückgeht, müsste grundsätzlich auch die Bagatellregelung zur Anwendung kommen. Demgegenüber steht die Auffassung der Finanzverwaltung, wonach infolge der Atomisierung der Funktion (Vertrieb österreichischer Markt versus Vertrieb schweizerischer Markt) die Funktionsverlagerungsbesteuerung wohl grundsätzlich zum Tragen kommt. Soweit allerdings innerhalb des fünfjährigen Beobachtungszeitraums der Umsatzrückgang bei D-GmbH aus dem ursprünglichen Vertrieb für Österreich nicht mehr als 1 000 000 Euro beträgt, kommt auch hier die Bagatellregelung zur Anwendung.1 Soweit allerdings der Umsatzrückgang mehr als 1 000 000 Euro beträgt, stellt sich die Frage, ob die Mikrofunktion „Vertrieb österreichischer Markt“ mit der Mikrofunktion „Vertrieb schweizerischer Markt“ kompensiert werden darf. Da diese Fallgestaltung in den Verwaltungsgrundsätzen-Funktionsverlagerung nicht eindeutig geklärt ist, kann davon ausgegangen werden, dass die Finanzverwaltung dies zu ihren Gunsten lösen und somit zumindest eine Vergütung für den von D-GmbH an die österreichische Tochtergesellschaft übertragenen Kundenstamm fordern wird.

11.334

Abwandlung 1 zum Beispiel: Nach Gründung der österreichischen Tochtergesellschaft übernimmt diese die komplette Produktion und den Vertrieb für Österreich sowie auch für Deutschland. D-GmbH produziert stattdessen bei voller Kapazitätsauslastung auf Englisch programmierte Taschenrechner und vertreibt diese in diverse englischsprachige Länder. Da die englischsprachigen Taschenrechner für einen höheren Preis am Markt verkauft werden können, kann hiermit der weggebrochene Umsatz bei D-GmbH um ein Zigfaches kompensiert werden. Lösung: Das Produkt kann nur mit erheblichen Modifikationen im Inland weiter produziert werden. Wie bereits aufgezeigt, erfolgt durch die Finanzverwaltung bei der Definition der Funktion eine Atomisierung, wonach nahezu jede Geschäftstätigkeit das Funktionskriterium erfüllen kann.2 Die ursprüngliche Intention des Gesetzgeber bei der Besteuerung von Funktionsverlagerungen war indes, die mit den im Inland geschaffenen immateriellen Wirtschaftsgütern in Verbindung stehenden Gewinnpotenziale, die bei Unterbleiben einer Funktionsverlagerung im Inland realisiert worden wären, zur Besteuerung heranzuziehen.3 Im vorliegenden Fall hätte das deutsche Unternehmen jedoch nur alternativ die deutschsprachigen oder englischsprachigen Taschenrechner produzieren können. Folglich hätten – ohne Investitio1 Vgl. BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003, BStBl. I 2010, 774 Rz. 49. 2 Vgl. Kroppen/Rasch, IWB 2010, 824 (825). 3 Vgl. BT-Drucks. 16/4841, 84.

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Kap. 11: Geistiges Eigentum und Verrechnungspreise

nen und Kapazitätsausbau – keine weiteren Gewinnpotenziale im Inland realisiert werden können. Aus diesem Grund müsste auch dieser Fall als eine Funktionsverdopplung einzustufen sein, für die grundsätzlich die Bagatellregelung zur Anwendung kommen müsste. Genauso wie im ursprünglichen Beispiel ist allerdings auch hier zu befürchten, dass die Finanzverwaltung das Funktionskriterium zu ihren Gunsten auslegen und die Funktionsverlagerungsbesteuerung anwenden wird.

11.335

Abwandlung 2 zum Beispiel: Anstelle einer österreichischen Tochtergesellschaft gründet D-GmbH die Tochtergesellschaft UK-Ltd in Großbritannien. D-GmbH produziert weiterhin im inländischen Werk bei voller Kapazitätsauslastung auf Deutsch programmierte Taschenrechner und vertreibt diese nach wie vor in Deutschland und in Österreich. UK-Ltd nimmt die Produktion für auf Englisch programmierte Taschenrechner auf und vertreibt diese in diversen englischsprachigen Ländern. Lösung: Bei der Funktion Produktion und Vertrieb des deutschsprachigen Produkts ändert sich nichts. Es erfolgt weder eine Einschränkung noch eine Verlagerung dieser Funktion. Die Funktion Produktion und Vertrieb des englischsprachigen Produkts wird dagegen erstmals im Ausland ausgeübt. Da die Funktion im Inland nicht existent war, kann sie auch nicht verlagert worden sein. Konsequenterweise ist im vorliegenden Fall keine Funktionsverlagerung gegeben.

4. Negativabgrenzung zur Funktionsverlagerung

11.336

Wie bereits erwähnt, stellt sich bei Funktionsverdopplungen nach § 1 Abs. 6 FVerlV die Frage, ob bereits dem Grunde nach keine Funktionsverlagerung vorliegt, oder ob eine Funktionsverlagerung zu bejahen ist, diese aber mangels Einschränkung nicht der Funktionsverlagerungsbesteuerung unterliegt. Neben dieser eher akademischen Diskussion enthält § 1 Abs. 6 FVerlV weitere Ausnahmen von der Funktionsverlagerungsbesteuerung. Hierbei handelt es sich um Sachverhalte, bei denen das Vorliegen einer Funktionsverlagerung bereits dem Grunde nach verneint wird. Danach liegt keine Funktionsverlagerung vor, wenn ausschließlich Wirtschaftsgüter übertragen oder zur Nutzung (im Zweifel entgeltspflichtig) überlassen, Dienstleistungen erbracht oder Mitarbeiter entsendet werden, ohne dass damit Chancen und Risiken übergehen (Vgl. § 1 Abs. 6 FVerlV).

11.337

Ein klassisches Beispiel ist das des ausländischen Lohn- oder Auftragsfertigers: Hierbei beauftragt ein inländisches Unternehmen (Funktionsinhaber) ein ausländisches verbundenes Unternehmen mit der Ausübung bestimmter Geschäftstätigkeiten (Produktion), für die das funktionsausübende Unternehmen auf Basis der Kostenaufschlagsmethode vergütet wird. In diesem Fall sind die Chancen des funktionsausübenden Unternehmens auf den prozentualen Gewinnaufschlag begrenzt. Insbesondere der Lohnfertiger, der gegenüber dem Auftragsfertiger nicht das Kapazitätsrisiko übernehmen muss, trägt so gut wie keine Risiken, da die Kosten immer erstattet werden. Nach Auffassung der deutschen Finanzverwaltung, die auch der der OECD entspricht, werden durch einen Lohn- oder 738

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D. Funktionsverlagerung

Auftragsfertiger bei üblichem Geschäftsablauf keine Verluste, sondern regelmäßig geringe, aber stabile Gewinne erzielt.1 Indes bleibt der inländische verbundene Auftraggeber Inhaber der Funktion und der hiermit verbundenen immateriellen Wirtschaftsgüter, z.B. Know-how. Nach Abgeltung des funktionsausübenden Unternehmens sind sämtliche Residualgrößen beim Funktionsinhaber zu allokieren: So stehen ihm zum einen die Chancen und hiermit verbundenen, über den ausländischen Gewinnaufschlag hinausgehenden Gewinnpotenziale zu. Ebenso hat der inländische Funktionsinhaber aber auch die überwiegenden Risiken zu tragen. Demzufolge sind mehrere Tatbestandsmerkmale des § 1 Abs. 3 Satz 9 AStG nicht erfüllt, so dass eine Funktionsverlagerung dem Grunde nach zu verneinen ist. Dies ist auch in den übrigen Fällen des § 1 Abs. 7 FVerlV der Fall, wenn die Funktion ausschließlich gegenüber dem inländischen Unternehmen ausgeübt und per Kostenaufschlag vergütet wird, da in diesen Fällen keine Chancen und Risiken auf das ausländische verbundene Unternehmen übergehen.2

11.338

Darüber hinaus kennt § 1 Abs. 3 Satz 10 AStG Ausnahmen, bei denen zwar dem Grunde nach eine Funktionsverlagerung vorliegt, jedoch eine Ausnahme der Höhe nach zugelassen wird. Gem. § 1 Abs. 3 Satz 10 AStG sind den Fällen des § 1 Abs. 3 Satz 9 AStG „… die Bestimmung von Einzelverrechnungspreisen für alle betroffenen Wirtschaftsgüter und Dienstleistungen nach Vornahme sachgerechter Anpassungen anzuerkennen, wenn der Steuerpflichtige glaubhaft macht, – dass keine wesentlichen immateriellen Wirtschaftsgüter und Vorteile Gegenstand der Funktionsverlagerung waren, oder – dass die Summe der angesetzten Einzelverrechnungspreise, gemessen an der Bewertung des Transferpakets als Ganzes, dem Fremdvergleichsgrundsatz entspricht“, oder – dass zumindest ein wesentliches immaterielles Wirtschaftsgut Gegenstand der Funktionsverlagerung ist und dieses genau bezeichnet.

11.339

Daneben können nach § 8 Satz 1 FVerlV gesetzliche oder vertragliche Schadensersatz-, Entschädigungs- und Ausgleichsansprüche sowie Ansprüche, die voneinander unabhängigen Dritten zustünden, wenn ihre Handlungsmöglichkeiten vertraglich oder tatsächlich ausgeschlossen würden, der Besteuerung einer Funktionsverlagerung zugrunde gelegt werden, wenn das funktionsabgebende Unternehmen glaubhaft macht, dass solche Dritte unter ähnlichen Umständen in vergleichbarer Art und Weise verfahren wären.

11.340

Voraussetzung ist hierfür allerdings, dass keine wesentlichen immateriellen Wirtschaftsgüter und Vorteile übertragen oder zur Nutzung überlas-

11.341

1 Vgl. BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341 - 1/05, BStBl. I 2005, 570 Rz. 3.4.10.2 Buchst. a; vgl. OECD-Leitlinien 2010, Rz. 2.39 ff. i.V.m. Rz. 2.54. 2 Vgl. Baumhoff/Ditz/Greinert, DStR 2008, 1945 (1947); Brandenberg, BB 2008, 864 f.

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Kap. 11: Geistiges Eigentum und Verrechnungspreise

sen worden sind, es sei denn, die Übertragung oder Überlassung ist zwingende Folge von solchen Ansprüchen (§ 8 Satz 2 FVerlV). Der Gedanke hinter § 8 FVerlV ergibt sich aus den OECD-Leitlinien zum Business Restructuring, wonach auch voneinander unabhängige Dritte unter vergleichbaren Umständen Schadensersatz-, Entschädigungs- und/oder Ausgleichsansprüche erheben würden, um beispielsweise die durch eine Restrukturierung entstehenden Kosten oder den Verlust von Gewinnpotenzialen auszugleichen.1

11.342

Auch bei § 8 FVerlV liegt dem Grunde nach eine Funktionsverlagerung vor, für die allerdings eine Ausnahme von der Transferpaketbetrachtung zugelassen wird. Folglich haben sowohl § 1 Abs. 3 Satz 10 AStG als auch § 8 FVerlV keine Auswirkungen auf den Funktionsverlagerungstatbestand als solchen. Vielmehr haben diese Regelungen nur Auswirkungen auf die Bewertung, d.h. die Funktionsverlagerung der Höhe nach. Auf weitere Einzelheiten wird daher in Rz. 11.377 ff. eingegangen.

III. Funktionsverlagerung der Höhe nach 1. Vorbemerkungen

11.343

Das Ziel der deutschen Regelungen zu Funktionsverlagerungen soll nach Auffassung der deutschen Finanzverwaltung nicht sein, eine Ausweitung des nationalen Besteuerungsrechts zu erwirken, sondern vielmehr ein Vollzugsdefizit bei der Besteuerung von immateriellen Wirtschaftsgütern zu beseitigen.2 Insbesondere geht es hierbei um selbst geschaffene und nicht gesondert in Erscheinung tretende immaterielle Wirtschaftsgüter sowie um den Geschäftswert.3 So soll vermieden werden, dass immaterielle Wirtschaftsgüter, die im Inland mit Hilfe deutscher Infrastruktur erschaffen wurden, durch eine Verlagerung in ausländische Steuerjurisdiktionen der inländischen Besteuerung entzogen werden.4

11.344

Aus § 2 Abs. 1 FVerlV ergibt sich, dass auch im Fall von Funktionsverlagerungen das Stufenverhältnis der Verrechnungspreismethoden gilt (zum Stufenverhältnis vgl. Rz. 11.87). Die Finanzverwaltung nimmt allerdings an, dass die Verlagerung der jeweiligen Funktionen so einzigartig ist, dass regelmäßig der hypothetische Fremdvergleich anzuwenden ist.5 Der hypothetische Fremdvergleich sieht die Ermittlung eines Einigungsbereichs vor, der im Fall einer Funktionsverlagerung auf Basis eines Transferpakets zu ermitteln ist (§ 1 Abs. 3 Satz 9 AStG).

1 2 3 4 5

Vgl. OECD-Leitlinien 2010, Rz. 9 100 i.V.m. 9 116 ff. Vgl. Schreiber, Ubg 2008, 434. Vgl. Schreiber, Ubg 2008, 434. Vgl. BT-Drucks. 16/4841, 84. Vgl. BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S1341/08/10003, BStBl. I 2010, 774 Rz. 62.

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D. Funktionsverlagerung

2. Transferpaket a) Parameter bei der Ermittlung der Grenzpreise Das Transferpaket besteht gem. § 1 Abs. 3 FVerlV aus der Funktion und den mit ihr zusammenhängenden Chancen und Risiken, den Wirtschaftsgütern und Vorteilen sowie den Dienstleistungen, die im Rahmen der Verlagerung erbracht werden. Im Rahmen der Transferpaketbewertung wird die Funktion als Ganzes betrachtet und alle hiermit verbundenen Vermögenswerte zusammengefasst. Die Betrachtung der Funktion als Transferpaket führt i.d.R. zu einer höheren Bewertung als der Wert der Summe der einzelnen Wirtschaftsgüter, da hierdurch die darin enthaltenen Vorteile, z.B. Standortvorteile und Synergieeffekte beim ausländischen übernehmenden Unternehmen, vollständig berücksichtigt werden (§ 1 Abs. 3 Satz 9 i.V.m. Satz 5 und 6 AStG).

11.345

Unter Standortvorteilen oder -nachteilen des übernehmenden Unternehmens versteht die Finanzverwaltung z.B. „… Unterschiede bei Lohn- oder Materialkosten, Finanzierungskonditionen, die Qualität der Infrastruktur oder die Zuverlässigkeit und Qualifizierung des Personals und der Materiallieferungen …“1 Des Weiteren sind laut Auffassung der Finanzverwaltung auch Steuerbelastungsunterschiede und Investitionshilfen in die Transferpaketbewertung einzubeziehen.2 Dies ist m.E. jedoch als höchst kritisch zu beurteilen. Da der Begriff „sonstige Vorteile“ gem. § 1 Abs. 3 Satz 9 nicht gesetzlich definiert und die Aufzählung in den Verwaltungsgrundsätzen-Funktionsverlagerung auch nicht abschließend ist, muss vermutet werden, dass dies als große Öffnungsklausel zu Gunsten der Finanzverwaltung zu verstehen ist. Über den schwammigen Begriff „sonstige Vorteile“ kann die Finanzverwaltung letztlich alles in die Transferpaketbesteuerung einbeziehen, was nicht explizit ausgeschlossen werden kann.

11.346

Wie bereits aufgezeigt, hat die Transferpaketbewertung auf Grundlage eines Einigungsbereichs zu erfolgen. Hierzu sind als Grenzpreise die Preise zu ermitteln, die das verlagernde Unternehmen mindestens fordern und das übernehmende Unternehmen höchstens zahlen würde (§ 1 Abs. 3 Satz 6 AStG). Bei der Ermittlung der Grenzpreise ist § 1 Abs. 1 Satz 2 AStG zu berücksichtigen, wonach die beiden Geschäftsleiter so handeln sollen, als würden sie alle wesentlichen Umstände der Geschäftsbeziehung kennen.

11.347

Die Grenzpreise des Einigungsbereichs werden durch die jeweiligen Gewinnpotenziale bestimmt (§ 1 Abs. 3 Satz 9 i.V.m. Satz 5 und 6 AStG). Diese Gewinnpotenziale sind die Barwerte der zukünftig aus der Funktion zu erwartenden Reingewinne nach Steuern, die ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter aus Sicht des verlagernden Unternehmens

11.348

1 BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S1341/08/10003, BStBl. I 2010, 774 Rz. 93. 2 Vgl. BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S1341/08/10003, BStBl. I 2010, 774 Rz. 93.

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Kap. 11: Geistiges Eigentum und Verrechnungspreise

vergütet haben wollte bzw. aus Sicht des übernehmenden Unternehmens zu zahlen bereit wäre (§ 1 Abs. 4 FVerlV). Dadurch wird eine Besteuerung zukünftiger, noch unsicherer Gewinne bereits in der Gegenwart ausgelöst.1

11.349

Grundsätzlich kann eine solche Bewertung der Gewinnpotenziale auf Basis der kapitalwertorientierten Verfahren des IDW S 1 oder IDW S 5 erfolgen.2 Bei der Entscheidung, ob ein Bewertungsverfahren nach IDW S 1 oder IDW S 5 zur Ermittlung des Einigungsbereichs zu wählen ist, ist auf den Charakter bzw. auf die Bedeutung der verlagerten Funktion abzustellen.3 Der IDW S 1 regelt die Grundsätze zur Bewertung von ganzen Unternehmen. Demnach ist eine Bewertung nach diesem Standard nur dann zu wählen, wenn die Funktion ein Unternehmen oder einen Betriebsteil darstellt, der eigenständig lebensfähig ist.

11.350

Liegt dagegen eine Funktion vor, die vor allem immaterielle Wirtschaftsgüter enthält, ist auf eine Anwendung des IDW S 5 abzustellen. Im Folgenden wird schwerpunktmäßig auf die Bewertung nach IDW S 1 unter Beachtung der deutschen Funktionsverlagerungsregelungen eingegangen, da die kapitalwertorientierte Bewertung von immateriellen Wirtschaftsgütern nach IDW S 5 bereits ausführlich dargestellt wurde (vgl. Rz. 11.118 ff.).

11.351

Nach IDW S 1 kommen das Ertragswertverfahren sowie das DCF-Verfahren in Betracht, die beide auf der gleichen konzeptionellen Grundlage beruhen: dem Kapitalwertkalkül, bei dem der Barwert zukünftiger finanzieller Überschüsse ermittelt wird.4 Im Rahmen der Bewertung nach den kapitalwertorientierten Verfahren stellen sich drei wesentliche Herausforderungen: – die Prognose des zukünftig zu erwartenden Cashflows, – die Ermittlung eines funktions- und risikoadäquaten Kapitalisierungszinssatzes, – die Ermittlung des Kapitalisierungszeitraums.

11.352

Die Gewinnpotenziale basieren auf den zu erwartenden Reingewinnen nach Steuern. Als Reingewinne nach Steuern bezeichnet die Finanzverwaltung die finanziellen Überschüsse nach Fremdkapitalkosten und Steuern, die während der erwarteten Nutzungsdauer der Funktion in den Verfügungsbereich des ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters gelangen. Diese Überschussgröße ist für den funktionsspezifischen Kapitalisierungszeitraum zu ermitteln. Während bereits die Prognose der Zahlungsflüsse der Funktion in der Praxis eines der wesentlichen Probleme der Unternehmensbewertung darstellt, bereitet die Ermittlung von Zahlungsflüssen einer einzelnen Funktion oftmals noch größere Probleme.5 1 2 3 4 5

Vgl. BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S1341/08/10003, BStBl. I 2010, 774 Rz. 48 f. Vgl. BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S1341/08/10003, BStBl. I 2010, 774 Rz. 87. Vgl. BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S1341/08/10003, BStBl. I 2010, 774 Rz. 89. Vgl. IDW S 1, Rz. 101. Vgl. Oestreicher/Wilcke, Ubg 2010, 226.

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D. Funktionsverlagerung

Besteht die Funktion im Wesentlichen aus immateriellen Wirtschaftsgütern und ist somit eine Bewertung nach IDW S 5 sachgerecht, so kann auf die dort vorgesehenen Methoden zur Ermittlung von Cashflows zurückgegriffen werden (vgl. Rz. 11.118 ff.). Bei der Ermittlung der Gewinnpotentiale sind alle sich den Unternehmen bietenden Handlungsalternativen zu beachten (§ 3 Abs. 2 Satz 1 FVerlV). Demnach ist nicht davon auszugehen, dass beide Unternehmen nur zwei Handlungsmöglichkeiten haben. Ergeben sich für die Unternehmen weitere Möglichkeiten, so sollen diese in den Preisfindungsprozess einbezogen werden.1

11.353

Des Weiteren sind bei der Preisermittlung Standortvorteile oder -nachteile sowie Synergieeffekte zu berücksichtigen (§ 3 Abs. 2 Satz 1 FVerlV). Auch in diesem Fall sind die Reingewinne nach Steuern als Zahlungsgröße über die Nutzungsdauer zu diskontieren. Dadurch werden sogar ausländische Steuervorteile, soweit solche durch die Verlagerung generiert werden, in die Bewertung einbezogen und somit im Inland besteuert. Folglich wird nicht nur inländisches Steuersubstrat für die deutsche Besteuerung gesichert, sondern darüber hinaus werden Standortvorteile, Synergieeffekte und Steuervorteile, die im Inland niemals generiert worden wären, im inländischen Steuersubstrat erfasst.2 Dies stellt einen klaren Verstoß gegen die international übliche Gewinnabgrenzung nach dem Territorialitätsprinzip3 dar und wird zwangsläufig zur Doppelbesteuerung der Einkünfte, die das übernehmende Unternehmen in der Zukunft mit der Funktion erzielt, führen.4

11.354

Die Separierung der Zahlungsflüsse einer Funktion kann auf direktem oder indirektem Wege erfolgen. Die direkte Methode erlaubt die Analyse der zukünftigen Zahlungsflüsse anhand von Daten, die sich aus einem funktionseigenen Rechnungswesen, Segmentberichterstattung, Profit Center oder sonstigen Posten ergeben.5 Diese Eigenschaften sind bei Funktionen vorstellbar, die zumindest das Teilbetriebskriterium erfüllen. Bei Funktionen, die aus einem wesentlichen immateriellen Wirtschaftsgut bestehen, scheint eine direkte Separierung dagegen unwahrscheinlich. Bei der indirekten Separierung sind sowohl für das verlagernde als auch für das übernehmende Unternehmen Bewertungen vor und nach der Funktionsverlagerung vorzunehmen, um aus den sich ergebenden Differenzen den Funktionswert zu ermitteln (§ 3 Abs. 2 Satz 1 FVerlV).6

11.355

Der Kapitalisierungszinssatz basiert auf einem risikolosen Basiszinssatz und einem funktions- und risikoadäquaten Risikozuschlag. Der Basiszinssatz kann mit Hilfe von laufzeitäquivalenten öffentlichen Anleihen be-

11.356

1 Zu den Einflüssen der Handlungsalternativen auf die Grenzpreise vgl. Bodenmüller/Hülster, IStR 2010, 650 ff. 2 Vgl. Wassermeyer/Baumhoff/Greinert in F/W/B, § 1 Abs. 3 AStG n.F. Rz. V 60. 3 Vgl. Frotscher, Internationales Steuerrecht3, Rz. 640. 4 Vgl. Blumers, BB 2007, 1757 (1760). 5 Vgl. dazu Vögele, DStR 2010, 418 (420). 6 Vgl. BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S1341/08/10003, BStBl. I 2010, 774 Rz. 32.

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Kap. 11: Geistiges Eigentum und Verrechnungspreise

stimmt werden.1 Hierbei ist zu beachten, dass die Laufzeit der zur Ermittlung herangezogenen öffentlichen Anleihe äquivalent zur Lebensdauer der Funktion bzw. zur Nutzungsdauer der wesentlichen immateriellen Wirtschaftsgüter ist.2 Zur Ermittlung des Risikozuschlags dient auch hier das CAPM (vgl. Rz. 11.118 ff.). Hierbei wird auf den risikolosen Basiszinssatz ein wirtschaftsgutspezifischer Marktrisikozuschlag hinzugerechnet. Diese Marktrisikoprämie berechnet sich durch das Produkt aus dem unternehmensspezifischen Beta-Faktor und der Verzinsung des Marktportfeuilles.3

11.357

Als Kapitalisierungszeitraum nimmt die deutsche Finanzverwaltung grundsätzlich einen unbegrenzten Zeitraum an und lässt einen begrenzten Nutzungszeitraum nur zu, wenn dieser glaubhaft gemacht werden kann (§ 6 FVerlV). Ein unbegrenzter Zeitraum sollte in der Praxis jedoch nur dann zur Anwendung kommen, wenn die Funktion eigenständig lebensfähig ist.4 Durch Produktlebenszyklen, technische Entwicklungen, Bedarfswandlungen am Markt oder auch durch die befristete Laufzeit von Verträgen und Patenten ist allerdings ein unbegrenzter Zeitraum in vielen Fällen weder gegeben noch praktisch möglich.5 Die Nutzungsdauer einer Funktion wird sich regelmäßig auf einen kürzeren Zeitraum begrenzen.6 Wird der Funktionsbewertung ein zeitlich begrenzter Nutzungszeitraum zugrunde gelegt, so ist jedoch gegebenenfalls der Wert der Funktion als zukünftige Ausgangsbasis für weitergehende technische Entwicklungen zu ermitteln und den erwarteten Gewinnpotenzialen hinzuzuaddieren.7

11.358

Basierend auf den Kapitalwerten der Gewinnpotenziale, die das verlagernde und das übernehmende Unternehmen aus der Funktion erwarten können, sind die Grenzpreise beider Unternehmen zu bestimmen. Hierbei sind allerdings weitere Faktoren zu beachten. Als Mindestpreis des verlagernden Unternehmens ist der Preis zu ermitteln, bei dem nach Abzug aller Kosten der Übertragung exakt die Ertragskraft der Funktion verbleibt, so dass eine Indifferenz zwischen Verlagerung und Fortführung der Funktion besteht.8 Der Barwert der zukünftigen finanziellen Überschüsse aus der Funktion stellt die Basis dieses Preises dar. Dieses Gewinnpoten1 2 3 4 5 6 7

8

Vgl. BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S1341/08/10003, BStBl. I 2010, 774 Rz. 104. Vgl. BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S1341/08/10003, BStBl. I 2010, 774 Rz. 105. Vgl. analog hierzu Beyer/Mackenstedt, Wpg 2008, 338 (346). Vgl. BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S1341/08/10003, BStBl. I 2010, 774 Rz. 109; Oestreicher/Hundeshagen, DB 2008, 1693. Vgl. Wassermeyer/Baumhoff/Greinert in F/W/B, § 1 Abs. 3 AStG n.F., V. 85. Im Schrifttum wird davon ausgegangen, dass die Nutzungsdauer in vielen Fällen zwischen drei und fünf Jahren liegt; vgl. Baumhoff in F/W/B, § 1 AStG Rz. 593; Vögele, DStR 2010, 418 (423). Vgl. Vögele, DStR 2010, 418 (423). Auch die Finanzverwaltung verlangt bei einem endlichen Kapitalisierungszeitraum die Prüfung, ob die immateriellen Wirtschaftsgüter weiter verwendet werden bzw. auf welcher Basis das übernehmende Unternehmen weiter arbeitet. Vgl. BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S1341/08/10003, BStBl. I 2010, 774 Rz. 113. Vgl. Oestreicher/Hundeshagen, DB 2008, 1693 (1698).

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D. Funktionsverlagerung

zial ist ggf. um Kosten zu erhöhen, die mit der Schließung der Funktion beim verlagernden Unternehmen verbunden sind (§ 7 Abs. 1 Satz 1 FVerlV). Die deutsche Finanzverwaltung begründet dieses Vorgehen damit, dass eine Verlagerung der Funktion aus Sicht eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters betriebswirtschaftlich nicht sinnvoll wäre, wenn diese Kosten nicht dem Gewinnpotenzial hinzugerechnet würden.1 Gleiches soll für die Steuerbelastung gelten, die sich aus der Veräußerung der Funktion ergibt. Demnach ist auch diese Steuerbelastung bei der Ermittlung des Mindestpreises zu berücksichtigen.2 Sofern eine Funktion verlagert wird, die beim verlagernden Unternehmen zu Verlusten führt (Verlustfunktion), kann sich praktisch auch ein negativer Mindestpreis beim verlagernden Unternehmen ergeben.

11.359

Im Grundsatz gilt auch im Verlustfall, dass die für das funktionsabgebende Unternehmen beste zu realisierende Handlungsalternative als Mindestpreis anzusetzen ist. Im ersten Schritt wird der Mindestpreis auf das Minimum aus den negativen Schließungskosten und den zukünftig zu erwartenden Verlusten begrenzt (§ 7 Abs. 3 Satz 1 FVerlV). Besteht jedoch faktisch die Handlungsalternative der Unternehmensfortführung nicht, so stellt der Liquidationswert den Mindestpreis dar (§ 7 Abs. 2 FVerlV). In allen anderen Fällen wird der Mindestpreis durch folgende drei Faktoren und das Verhältnis dieser zueinander beeinflusst:3

11.360

– die Höhe der Schließungskosten, die beim funktionsabgebenden Unternehmen durch die Funktionsverlagerung entstehen, – die Höhe der Schließungskosten, die beim funktionsabgebenden Unternehmen durch die endgültige Stilllegung der Funktion entstehen, wenn keine Verlagerung stattfindet, – die Verlusterwartungen beim funktionsabgebenden Unternehmen. Entstehen die Schließungskosten für das funktionsabgebende Unternehmen unabhängig davon, ob die Funktion tatsächlich verlagert wird oder nicht, so hängt die Höhe des Mindestpreises einzig von der Höhe der Verlusterwartungen ab. Sind die Verlusterwartungen absolut höher (z.B. –10 Mio. Euro) als die Schließungskosten (z.B. –5 Mio. Euro), ist davon auszugehen, dass das funktionsabgebende Unternehmen indifferent gegenüber einer Funktionsverlagerung ist, da durch die Funktionsverlagerung keine Kosten eingespart werden können. Folglich würde das funk1 Vgl. BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S1341/08/10003, BStBl. I 2010, 774 Rz. 116. 2 Vgl. BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S1341/08/10003, BStBl. I 2010, 774 Rz. 118. Kritisch zur Berücksichtigung von Besteuerungseffekten der handelnden Parteien bei der Transferpaketbewertung äußern sich Greinert/Reichl, nach deren Auffassung diese Vorgehensweise nicht von Gesetz und Verordnung gedeckt sei, vgl. Greinert/Reichl, BB 2011, 1182. 3 Vgl. vertiefend und anhand von Beispielen Bodenmüller/Hülster, IStR 2010, 650 (654 ff.) und Borstell/Wehnert in Vögele/Borstell/Engler, Verrechnungspreise3, Neuregelung der Besteuerung von Funktionsverlagerung, Rz. 500 ff.

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11.361

Kap. 11: Geistiges Eigentum und Verrechnungspreise

tionsabgebende Unternehmen auch keinen Preis für die Funktion vom aufnehmenden Unternehmen verlangen und der Mindestpreis betrüge 0 Euro.

11.362

Sind dagegen die Verlusterwartungen (z.B. –10 Mio. Euro) absolut niedriger als die Schließungskosten (z.B. –15 Mio. Euro), so wäre die Funktionsfortführung für das funktionsabgebende Unternehmen günstiger als die Schließung bzw. Verlagerung. Folglich würde sich das funktionsabgebende Unternehmen zumindest die Differenz zwischen den Verlusterwartungen und den Schließungskosten (hier 5 Mio. Euro) vergüten lassen. Der Mindestpreis betrüge dann im Beispiel 5 Mio. Euro.

11.363

Sollten die Schließungskosten, die beim funktionsabgebenden Unternehmen durch die Funktionsverlagerung entstehen, weniger belastend sein (z.B. –25 Mio. Euro) als die Verlusterwartungen bei Fortführung der Funktion (z.B. –40 Mio. Euro) bzw. die Schließungskosten, die durch die endgültige Schließung entstehen (z.B. –60 Mio. Euro), so ist gem. § 7 Abs. 3 Satz 2 FVerlV das funktionsabgebende Unternehmen bereit, eine Ausgleichszahlung in Höhe der Differenz zwischen den Schließungskosten, die beim funktionsabgebenden Unternehmen durch die Funktionsverlagerung entstehen, und den Verlusterwartungen (in diesem Fall –15 Mio. Euro) bzw. den Schließungskosten, die durch die endgültige Schließung entstehen würden (in diesem Fall –35. Mio. Euro), zu zahlen. Diese Ausgleichszahlung ist gleichbedeutend mit einem negativen Mindestpreis von –15 Mio. Euro bzw. –35 Mio Euro. Wie Kroppen1 bereits richtigerweise festgestellt hat, sind diese beschriebenen Fallkonstellationen wenig praxisrelevant, da grundsätzlich die Unabhängigkeit der Schließungskosten von der Funktionsverlagerung anzunehmen ist.

11.364

Der Höchstpreis des übernehmenden Unternehmens setzt sich zusammen aus dem Gewinnpotenzial zuzüglich des Abschreibungsvorteils, der sich ergibt, wenn der Verrechnungspreis steuerlich geltend gemacht werden kann. Die Finanzverwaltung geht hierbei offensichtlich davon aus, dass die Anerkennung von Abschreibungsvorteilen stets in voller Höhe der Gewinnpotenziale gegeben ist.2 Dass eine Anerkennung in voller Höhe allerdings in der Praxis nur in Ausnahmefällen zu erwarten ist, kann aus der Betrachtung der Verrechnungspreisregeln anderer Länder geschlossen werden.3 So lässt insbesondere die Tatsache, dass durch die Bewertung aus Sicht des ausländischen Unternehmens ein Eingriff in das Steuersubstrat des ausländischen Staats erfolgt, darauf schließen, dass eine Anerkennung in voller Höhe praktisch ausgeschlossen ist.

1 Vgl. Kroppen in Kroppen, § 7 Abs. 1 FVerlV Rz. 164. 2 Vgl. hierzu das Beispiel 1 Fall B und C, BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 S1341/08/10003, BStBl. I 2010, 774 Anlage. 3 Zu den Regelungen für Funktionsverlagerungen in anderen Staaten vgl. Borstell/ Wehnert in Vögele/Borstell/Engler, Verrechnungspreise3, Funktions- und Geschäftsverlagerung, Rz. 804 ff.

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D. Funktionsverlagerung

Folglich ist nicht zu erwarten, dass andere Staaten auf die deutschen Transferpaketregelungen mit einem Steuerverzicht reagieren.1 Denn eine Anerkennung des deutschen Verrechnungspreises würde auf Grund der Mittelwertbetrachtung beim Transferpaket eben genau einen solchen Verzicht des ausländischen Steuersubstrats im Ausland darstellen. Folglich stellt die Ermittlung des Abschreibungsvorteils den Steuerpflichtigen in der Praxis regelmäßig vor unüberwindbare Herausforderungen.

11.365

b) Ermittlung des Preises innerhalb des Einigungsbereichs Wurde durch die beiden Grenzpreise ein Einigungsbereich festgelegt, so ist innerhalb dieses Einigungsbereichs der Wert zu wählen, der dem Fremdvergleichsgrundsatz mit der höchsten Wahrscheinlichkeit entspricht; im Zweifelsfall ist dies der Mittelwert (§ 1 Abs. 3 Satz 7 AStG). Sollen andere Werte als der Mittelwert als Verrechnungspreis im Einigungsbereich angesetzt werden, so sind diese Werte vom Steuerpflichtigen glaubhaft zu machen.

11.366

Als Methode für eine solche Glaubhaftmachung wird einzig die zweite Öffnungsklausel des § 1 Abs. 3 Satz 10 AStG genannt. Demnach ist die Ermittlung von Einzelverrechnungspreisen anzuerkennen, wenn der Steuerpflichtige glaubhaft macht, dass die Summe dieser, gemessen an der Bewertung des Transferpakets als Ganzes, dem Fremdvergleichsgrundsatz entspricht. Hierbei kann durch die Summe der Einzelverrechnungspreise ein Wert abweichend vom Mittelwert argumentiert werden. Ob diese Methode sich hierfür eignet, bleibt auf Grund des mit ihrer Anwendung verbundenen enormen Zusatzaufwands allerdings fraglich (zu Einzelheiten vgl. Rz. 11.377 ff.).

11.367

Wie im Schrifttum bereits aufgezeigt wurde, sind Abweichungen vom Mittelwert des Einigungsbereichs bei Funktionsverlagerungen auch mithilfe von spieltheoretischen Modellen begründbar.2 Grundsätzlich gilt jeder Preis im Einigungsbereich als fremdvergleichskonform, da er den Grenzpreis des verlagernden Unternehmens nicht unterschreitet und den Grenzpreis des übernehmenden Unternehmens nicht überschreitet. Jeder Preis in diesem Bereich könnte demnach auch zwischen unabhängigen Dritten vereinbart werden.

11.368

Ein im Schrifttum immer wieder kritisierter Tatbestand der deutschen Gesamtbewertung ist die Tatsache, dass im Rahmen der Paketbetrachtung regelmäßig geschäftswertbildende Faktoren in die Bewertung eingehen. Anhand von Urteilen des BFH lassen sich hinsichtlich des Geschäftswerts folgende Aussagen treffen: Der Geschäftswert ist der Mehrwert, der über die Substanzwerte der einzelnen immateriellen und materiellen Wirtschaftsgüter eines Unternehmens hinausgeht3 und sich in der Mehr-

11.369

1 Vgl. Blumers, BB 2007, 1757. 2 Vgl. Looks/Köhler, StB 2009, 317. 3 Vgl. BFH v. 27.3.1996 – I R 60/95, BStBl. II 1996, 576.

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Kap. 11: Geistiges Eigentum und Verrechnungspreise

zahlung des Käufers ausdrückt.1 Er wird durch Gewinnaussichten des ihn innehabenden Unternehmens bestimmt,2 ist an den (Teil-) Betrieb gebunden und kann nur mit diesem zusammen veräußert oder entnommen werden.3 Nur in Fällen, in denen ein für sich lebensfähiger Betriebsteil verlagert wird, ist eine Gesamtbewertung und somit der Ansatz eines Geschäftswerts gerechtfertigt.4

11.370

Gerade bei Funktionsverlagerungen handelt es sich dagegen häufig nicht um die Verlagerung eines Teilbetriebes. Durch die Neufassung des § 1 AStG im Rahmen der Unternehmenssteuerreform 2008 wird somit die bisherige Rechtsprechung des BFH auf bedenkliche Weise konterkariert.

11.371

Im Rahmen der Bewertung von Funktionsverlagerungen, die wesentliche immaterielle Wirtschaftsgüter und Vorteile enthalten, und bei denen eine erhebliche Abweichung der tatsächlichen Gewinne von den bei der Verrechnungspreisermittlung zugrunde gelegten Prognosen erfolgt, wird qua Gesetz widerlegbar vermutet, dass zum Zeitpunkt des Geschäftsabschlusses Unsicherheiten bestanden, so dass unabhängige Dritte in einer solchen Situation sachgerechte Anpassungsregelungen hinsichtlich der Gewinnentwicklung der übertragenen Funktion getroffen hätten (§ 1 Abs. 3 Satz 11 AStG).

11.372

Wurde vom Steuerpflichtigen keine eigene Preisanpassungsklausel vereinbart, so ermächtigt § 1 Abs. 3 Satz 12 AStG die Finanzverwaltung dazu, innerhalb eines zehnjährigen Zeitraums Anpassungen des vereinbarten Verrechnungspreises vorzunehmen, wenn eine erhebliche Gewinnabweichung vorliegt. Eine erhebliche Abweichung soll immer dann vorliegen, wenn der Verrechnungspreis, der sich bei Kenntnis der tatsächlichen Gewinnentwicklung ergeben hätte, außerhalb des ursprünglich ermittelten Einigungsbereichs liegt (§ 10 Satz 1 FVerlV).

11.373

Der Gesetzeswortlaut stellt hinsichtlich der Gewinnabweichungen nicht auf den Zeitpunkt der Verrechnungspreisfestsetzung ab, sondern auf die tatsächliche Gewinnentwicklung, die erst zu einem späteren Zeitpunkt (z.B. im Rahmen der Betriebsprüfung) beobachtbar ist. Daraus zu schließen, dass im Zeitpunkt der Verlagerung bereits Unsicherheiten bestanden haben müssen, widerspricht der Systematik einer stichpunktbezogenen Bewertung. So wurden die im Zeitpunkt der Funktionsverlagerung vorliegenden Unsicherheiten eben aus diesen Gründen auch bereits im Bewertungskalkül fremdüblich berücksichtigt, z.B. über die Bildung von Erwartungswerten und risikoadjustierten Zinssätzen.

11.374

Darüber hinaus ist die Anpassungsklausel auch deshalb kritisch zu sehen, da die Nutzungsdauer von Funktionen regelmäßig weniger als zehn Jahre 1 2 3 4

Vgl. Weber-Grellet in Schmidt, Einkommensteuergesetz30, § 5 EStG Rz. 221. Vgl. BFH v. 18.8.1993 – II R 102/90, BStBl. II 1994, 9. Vgl. BFH v. 30.3.1994 – I R 52/93, BStBl. II 1994, 903. Vgl. Baumhoff/Ditz/Greinert, DStR 2010, 1309 (1313).

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D. Funktionsverlagerung

beträgt. Der Anpassungsmechanismus innerhalb der zehnjährigen Frist könnte somit auch zum Einsatz kommen, wenn das übernehmende Unternehmen durch besondere betriebliche oder organisatorische Maßnahmen den Gewinnverlauf erheblich verbessern kann.1 Hierbei ist allerdings zu beachten, dass die zehnjährige Anpassungsklausel nach § 1 Abs. 3 Satz. 12 AStG subsidiär gegenüber einer vom Steuerpflichtigen in Einklag mit § 1 Abs. 3 Satz 11 AStG getroffenen Klausel wirkt, so dass durch eigene Anpassungsvereinbarungen sowohl die Höhe als auch der Zeitraum einer Anpassung begrenzt werden können.2 Daraus folgt, dass eine tatsächlich vereinbarte Anpassungsklausel, bei der ein kürzerer Zeitraum als zehn Jahre zugrunde legt wird, anzuerkennen ist, wenn sie dem Fremdvergleichsgrundsatz entspricht. Dies ist m.E. dann der Fall, wenn der zwischen dem funktionsabgebenden und dem funktionsübernehmenden Unternehmen vereinbarte Zeitraum der Lebensdauer der Funktion entspricht. In diesem Fall eröffnet sich auch der Anwendungsbereich von § 1 Abs. 3 Satz 12 AStG nicht. Mittels Vereinbarung einer fremdüblichen Preisanpassungsklausel kann somit die nachträgliche Anpassung des Verrechnungspreises verhindert werden.

11.375

Fraglich bleibt allerdings, ob dieser Anpassungsmechanismus nicht grundsätzlich gegen den Fremdvergleichsgrundsatz verstößt, da hierdurch impliziert wird, dass der Verkäufer sich für einen zukünftigen Zeitraum von den strategischen Entscheidungen des Käufers abhängig macht. Unter fremden Dritten ist ein derartiges Verhalten eher marktuntypisch.3 Daher wird in der Praxis eine nachträgliche Anpassung zu Doppelbesteuerungsproblemen führen, da auf diese Weise ein Eingriff in das Steuersubstrat des Ansässigkeitsstaats des funktionsübernehmenden Unternehmens erfolgt.

11.376

3. Einzelbewertung Um in gewissen Situationen dem Steuerpflichtigen eine Ausnahme von der Gesamtbewertung zu gewähren, hat der Gesetzgeber drei sog. Öffnungsklauseln (Escape-Klauseln) in § 1 Abs. 3 Satz 10 AStG etabliert. Da eine Gesamtbewertung offenbar auch seitens des Gesetzgebers für aufwendig und ungewohnt erachtet wird,4 ermöglicht dieser dem Steuerpflichtigen in Ausnahmefällen, den Verrechnungspreis für das Transferpaket durch die Summe der Einzelverrechnungspreise für die Bestandteile des Transferpakets zu ermitteln, sofern bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind (§ 1 Abs. 3 Satz 10 AStG).

11.377

Die erste Escape-Klausel erlaubt eine Einzelverrechnungspreisbewertung dann, wenn vom Steuerpflichtigen glaubhaft gemacht wird, dass keine wesentlichen immateriellen Wirtschaftsgüter oder Vorteile Gegenstand

11.378

1 2 3 4

Vgl. Greil, IStR 2009, 567 (569). Vgl. Greil, IStR 2009, 567 (572). Vgl. dazu Frotscher, Internationales Steuerrecht3, Rz. 639. Vgl. BT-Drucks. 17/939, 16; BR-Drucks. 352/08, 16; BT-Drucks. 16/4841, 86.

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Kap. 11: Geistiges Eigentum und Verrechnungspreise

der Funktionsverlagerung sind. In diesem Fall ist eine Ausnahme von der Gesamtbewertung vorgesehen und Einzelverrechnungspreise sind anzuerkennen. Diese Ausnahmeregelung dient dem Zweck, dass insbesondere bei der Verlagerung von Hilfsfunktionen, mit denen keine honorierbaren immateriellen Wirtschaftsgüter und Geschäftschancen übergehen,1 eine in diesem Fall ungerechtfertigte Gesamtbewertung vermieden wird.2

11.379

Die Wesentlichkeit von immateriellen Wirtschaftsgütern richtet sich gem. § 1 Abs. 5 FVerlV danach, ob das Wirtschaftsgut für die Funktion erforderlich ist (qualitativer Maßstab) und ob es mindestens 25 % der Summe aller Einzelverrechnungspreise für Wirtschaftsgüter und Vorteile des Transferpakets beträgt (quantitativer Maßstab). In diesen Fällen erscheint die Vereinbarung einer Preisanpassungsklausel verzichtbar, da kein wesentliches immaterielles Wirtschaftsgut übertragen wird. Hier eröffnet sich m.E. die erweiterte Anpassungsmöglichkeit des § 1 Abs. 3 Satz 12 AStG nicht.

11.380

Die zweite Escape-Klausel stellt keine Ausnahme, sondern eine Ergänzung zur Transferpaketbewertung dar. Im Rahmen der Anwendung dieser Klausel muss der Steuerpflichtige glaubhaft machen, dass die Summe der Einzelverrechnungspreise gemessen am Transferpaketwert dem Fremdvergleich entspricht. Das bedeutet, dass sowohl ein Einigungsbereich im Rahmen der Transferpaketbewertung als auch die Einzelverrechnungspreise zu ermitteln sind (§ 2 Abs. 3 Satz 1 FVerlV). Die Finanzverwaltung bezeichnet die Klausel als Möglichkeit, einen Wert im Einigungsbereich abweichend vom Mittelwert glaubhaft zu machen.3 Auf Grund des doppelten Bewertungsaufwands stellt diese Escape-Klausel allerdings keine wirkliche Erleichterung für den Steuerpflichtigen dar.4

11.381

Macht der Steuerpflichtige glaubhaft, dass zumindest ein wesentliches immaterielles Wirtschaftsgut Gegenstand der Verlagerung ist, sieht die dritte Escape-Klausel eine Ausnahme von der Transferpaketbewertung und stattdessen eine Einzelverrechnungspreisbestimmung vor. Die Tatsache, dass zumindest ein wesentliches immaterielles Wirtschaftsgut gefordert wird, ermöglicht die Anwendung dieser Klausel auch bei mehreren wesentlichen immateriellen Wirtschaftsgütern. Die Finanzverwaltung weist ausdrücklich darauf hin, dass die Klausel auch auf Funktionsverlagerungen, die einen Betrieb oder Teilbetrieb betreffen, angewendet werden kann.5 Bei Anwendung dieser Klausel fordert die Finanzverwaltung eine Einzelbewertung aller Bestandteile des Transferpakets, d.h. auch für einen tatsächlich enthaltenen Geschäftswert.6 Dass die Finanzverwaltung 1 2 3 4

Vgl. Burkert, IStR 2003, 320 (324). Vgl. BR-Drucks. 352/08, 16. Vgl. BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S1341/08/10003, BStBl. I 2010, 774 Rz. 72. Vgl. Wassermeyer/Baumhoff/Greinert in F/W/B, § 1 Abs. 3 AStG n.F., Rz. V 89; Borstell/Wehnert in Vögele/Borstell/Engler, Verrechnungspreise3, Funktionsund Geschäftsverlagerung, Rz. 580. 5 Vgl. BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S1341/08/10003, BStBl. I 2010, 774 Rz. 79. 6 Vgl. BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S1341/08/10003, BStBl. I 2010, 774 Rz. 79.

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D. Funktionsverlagerung

von einem tatsächlich enthaltenen Geschäftswert ausgeht, spricht m.E. dafür, dass ein solcher nur bei Anwendung der Escape-Klausel auf die Bewertung eines (Teil-)Betriebs anzusetzen ist. In allen anderen Fällen wäre der Ansatz eines Geschäftswerts nicht gerechtfertigt.1 Ist eine der drei Escape-Klauseln anzuwenden, darf eine Einzelverrechnungspreisbewertung für alle Bestandteile des Transferpakets erfolgen. Da allerdings immaterielle Wirtschaftsgüter oftmals einzigartig sind, wird es demzufolge regelmäßig nicht möglich sein, uneingeschränkte oder eingeschränkte Vergleichswerte zu ermitteln. Aus diesem Grund kann es bei einer Anwendung der Öffnungsklauseln dennoch notwendig sein, eine Preisermittlung über den hypothetischen Fremdvergleich durchzuführen. So weist die Finanzverwaltung selbst darauf hin, dass im Rahmen der Anwendung einer Öffnungsklausel der hypothetische Fremdvergleich gleich für mehrere immaterielle Wirtschaftsgüter anzuwenden ist.2 Dies würde allerdings für den Steuerpflichtigen einen immensen Bewertungsaufwand bedeuten.

11.382

In Ermangelung von Fremdvergleichswerten kann der hypothetische Fremdvergleich für die Einzelbewertung der immateriellen Wirtschaftsgütern auf Basis eines kapitalwertorientierten Bewertungsverfahrens durchgeführt werden.3 Hierzu dient bei immateriellen Wirtschaftsgütern der IDW S 5 (zur Bewertung nach IDW S 5 vgl. Rz. 11.118 ff.). Probleme treten allerdings auf, wenn der Geschäftswert bewertet werden soll. Dieser ergibt sich als Residual des Gesamtwerts abzüglich der verbleibenden Wirtschaftsgüter, so dass sich eine Gesamtbewertung auch bei Anwendung der dritten Escape-Klausel nicht vermeiden ließe. In diesen Fällen würde die geplante Erleichterung für den Steuerpflichtigen ins Leere laufen und eine Gesamtbewertung weiterhin erforderlich sein.4

11.383

Folglich bleiben die Vorteile aus der Anwendung der Öffnungsklauseln mehr als fraglich, da eine Einzelbewertung mehrerer immaterieller Wirtschaftsgüter mit einem kapitalwertorientierten Verfahren grundsätzlich mehr Aufwand hervorruft. Dies gilt insbesondere dann, wenn der hypothetische Fremdvergleich anzuwenden ist und somit diese Bewertung doppelt vorgenommen werden muss. Eine Anwendung der Öffnungsklauseln wird daher in der Praxis eher die Ausnahme sein.5

11.384

Entscheidet sich der Steuerpflichtige dennoch für eine Einzelbewertung der Bestandteile des Transferpakets, ist Folgendes zu beachten: Lassen sich nicht für alle Bestandteile des Transferpakets zumindest eingeschränkt vergleichbare Fremdvergleichswerte finden, so ist für jedes einzelne Wirtschaftsgut der hypothetische Fremdvergleich anzuwenden. Im

11.385

1 2 3 4 5

Vgl. Baumhoff/Ditz/Greinert, DStR 2010, 1309 (1313). Vgl. BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S1341/08/10003, BStBl. I 2010, 774 Rz. 79. Vgl. BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S1341/08/10003, BStBl. I 2010, 774 Rz. 69. Vgl. Peter/Wehnert/Koch/Peter, IStR 2011, 180 (184). Vgl. Crüger/Riedl, IWB 2011, 203.

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Kap. 11: Geistiges Eigentum und Verrechnungspreise

Fall der dritten Escape-Klausel, bei der zumindest ein wesentliches immaterielles Wirtschaftsgut Gegenstand der Funktionsverlagerung ist, sind – anders als bei der ersten Escape-Klausel, bei der keine wesentlichen immateriellen Wirtschaftsgüter involviert sind – alle Tatbestandsvoraussetzungen des § 1 Abs. 3 Satz 11 AStG erfüllt. Folglich kann bei der dritten Escape-Klausel auch die widerlegbare Vermutung einer Preisanpassungsklausel nach § 1 Abs. 3 Satz 12 AStG ausgelöst werden. 4. Lizenzierung

11.386

Als Alternative zur Übertragung von Funktionen räumt die Finanzverwaltung dem Steuerpflichtigen in § 4 Abs. 2 FVerlV das Recht ein, eine Funktionsverlagerung auf Antrag als Nutzungsüberlassung (Lizenzierung) zu gestalten, sofern Zweifel hinsichtlich der wirtschaftlichen Gestaltung der Verlagerung bestehen. Dadurch kann der Steuerpflichtige die Sofortbesteuerung von ggf. erheblichen stillen Reserven vermeiden, die zu Liquiditätsproblemen führen kann.1

11.387

Bei der Unterscheidung zwischen Überlassung und Übertragung ist auf den Übergang des Eigentums an der Funktion bzw. am Transferpaket abzustellen. Von einer Lizenzierung ist dann auszugehen, wenn das rechtliche und wirtschaftliche Eigentum beim funktionsverlagernden Unternehmen verbleiben (zu Einzelheiten vgl. Rz. 11.108 ff.). Die Zuordnung des wirtschaftlichen Eigentums an immateriellen Wirtschaftsgütern bereitet jedoch regelmäßig Schwierigkeiten.2 Demnach ist das Wahlrecht bei bestehenden Zweifeln als Erleichterung für den Steuerpflichtigen zu begrüßen. Bei der Betrachtung des wirtschaftlichen Eigentums ist auf das Transferpaket als Ganzes abzustellen. Von einer Überlassung kann auch ausgegangen werden, wenn im Rahmen einer Funktionsverlagerung Maschinen und sonstige Wirtschaftsgüter übertragen werden, die immateriellen Wirtschaftsgüter allerdings überlassen werden.3

11.388

Wie eine Ermittlung der zu zahlenden Entgelte für die Überlassung der Nutzungsrechte an der Funktion zu erfolgen hat, wird indes von der Finanzverwaltung nicht geregelt. Es ist allerdings anzunehmen, dass die Finanzverwaltung keine finanziellen Einbußen hinsichtlich der für die Verlagerung gezahlten Entgelte hinnehmen wird, da die Möglichkeit der Lizenzierung einzig eine Sofortbesteuerung der stillen Reserven, nicht aber die Besteuerung an sich vermeiden soll.4 Dafür sprechen auch die Tatsa1 Vgl. BR-Drucks. 352/08, 20. 2 Vgl. Baumhoff in Schaumburg/Piltz, Besteuerung von Funktionsverlagerungen – Neuausrichtung?, 152; Vögele/Fügemann in Vögele/Borstell/Engler, Verrechnungspreise3, Ergebnisorientierte Methoden, Rz. 257. 3 Vgl. hierzu Kroppen in Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise, § 4 Abs. 2 FVerlV Rz. 147. Kroppen weist darauf hin, dass immaterielle Wirtschaftsgüter den Kern von Funktionsverlagerungen darstellen und somit im Zweifelsfall auf diese abzustellen ist. 4 Vgl. hierzu Kroppen in Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise, § 4 Abs. 2 FVerlV Rz. 147.

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D. Funktionsverlagerung

che, dass die Finanzverwaltung in § 4 Abs. 2 FVerlV von einer Überlassung des Transferpakets spricht, sowie ein Beispiel1 in den Verwaltungsgrundsätzen-Funktionsverlagerung, bei dem die Finanzverwaltung den Wert der jährlich zu entrichtenden Lizenzzahlungen aus dem Transferpaketwert ableitet. Allerdings sprechen sowohl wirtschaftliche als auch rechtliche Gründe dafür, dass die Anwendung des Transferpaketansatzes im Lizenzierungsfall nicht zu vertreten ist. Als Hauptargument gegen den Transferpaketansatz bei einer Funktionsüberlassung werden im Schrifttum die unterschiedlichen Nutzenerwartungen der an der Verlagerung beteiligten Unternehmen angeführt.2 Während bei einer Übertragung die gesamten Rechte an der Funktion in rechtlicher und wirtschaftlicher Hinsicht auf das übernehmende Unternehmen übergehen, sind die Nutzungsrechte im Rahmen von Lizenzierungen regelmäßig in den Lizenzverträgen begrenzt (zu Einzelheiten vgl. Rz. 11.108 ff. und 11.156 ff.).

11.389

Demzufolge ergeben sich für beide Parteien unterschiedliche Nutzenerwartungen, da das verlagernde Unternehmen wirtschaftlicher Eigentümer der Funktion bleibt und diese somit grundsätzlich weiterhin verwerten kann, und das übernehmende Unternehmen die Funktion nicht vollumfänglich nutzen darf.3 Der sich aus beiden Transaktionen ergebende unterschiedliche Nutzen ist auch bei Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes bei Transaktionen zu berücksichtigen, deren Gegenstand immaterielle Wirtschaftsgüter sind oder bei denen immaterielle Wirtschaftsgüter involviert sind.4

11.390

Ein weiteres Argument gegen den Transferpaketansatz zur Bestimmung eines Lizenzentgelts ist der Übergang des Geschäftswerts, der im Rahmen einer Gesamtbewertung anhand von Gewinnpotenzialen regelmäßig Teil dieser Bewertung ist. Mit Urteil v. 2.9.2008 hat der BFH entschieden, dass die Wirtschaftsgüter und sonstigen Vorteile, die den Geschäftswert bilden, auf einer vertraglichen Grundlage überlassen werden müssen, deren „… Nutzung auf Dauer angelegt ist … [und bei der] … gegen den Rechtsträger des nutzenden Unternehmens auch kein Rechtsanspruch auf Rückgabe dieser Wirtschaftsgüter besteht“.5

11.391

Beides ist aber bei einer Lizenzierung zu verneinen, da der Lizenzvertrag schon deshalb befristet sein muss, da sonst das wirtschaftliche Eigentum auf den Lizenznehmer übergeht. Stattdessen müssen jedoch regelmäßig die Nutzungsrechte an den Inhaber bei Vertragsende zurückgegeben werden. Ein Geschäftswert darf demnach nicht in die Berechnung des Ver-

11.392

1 S. Beispiel 1 Abwandlung zu Fall A, BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S1341/08/10003, BStBl. I 2010, 774, Anlage. 2 Vgl. Greinert, Ubg 2010, 109; Baumhoff/Greinert, Ubg 2009, 544. 3 Vgl. Greinert, Ubg 2010, 109. 4 Vgl. OECD-Leitlinien 2010, Rz. 6.20. 5 Vgl. BFH v. 2.9.2008 – X R 32/05, BStBl. II 2009, 634. Dazu auch Greinert, Ubg 2010, 109.

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Kap. 11: Geistiges Eigentum und Verrechnungspreise

rechnungspreises bei Lizenzierung eingehen. Dies gilt nach höchstrichterlicher Rechtsprechung auch dann, wenn die geschäftswertbildenden Faktoren im Rahmen der Lizenzierung tatsächlich verbraucht werden.1

11.393

Im Hinblick auf die Preisfindung ist zu konstatieren, dass die Übertragung und die Überlassung jeweils unterschiedliche Nutzenerwartungen widerspiegeln und dass ihnen demnach auch unterschiedliche Preise zugrunde zu legen sind. Hierbei wird der Verrechnungspreis für eine Lizenzierung regelmäßig unterhalb des Verrechnungspreises für eine Übertragung liegen, da die Nutzungsrechte bei der Lizenzierung eingeschränkt sind. Da insbesondere der Geschäftswert nach der Rechtsprechung des BFH nicht dem Lizenzpreis zugrunde gelegt werden darf,2 ist m.E. der Transferpaketansatz im Fall einer Lizenzierung sehr kritisch zu betrachten.

11.394

In der Praxis werden zur Überprüfung der Gewinnverteilung von Lizenzgeschäften oftmals Daumenregeln wie die Knoppe-Formel oder die Goldscheider 25 %-Rule herangezogen. Die Knoppe-Formel3 wird trotz ihrer konzeptionellen Schwäche häufig zur Überprüfung der Angemessenheit von Lizenzgebühren verwendet.4 Der Knoppe-Formel zufolge werden dem Lizenzgeber 25–33,3 % des kalkulierten Gewinns aus der Verwendung des überlassenen immateriellen Wirtschaftsguts zugesprochen. Dementsprechend steht dem Lizenznehmer ein Anteil von 66,7–75 % zu, jedoch ohne die eigentliche Lizenzgebühr in Betracht zu ziehen. Diese Verteilung kann lediglich dann als angemessen betrachtet werden, wenn der Lizenznehmer innerhalb dieser Transaktionen alle wesentlichen Funktionen übernimmt und Risiken trägt (z.B. Marketing- oder Investitionsrisiken).5

11.395

Eine ähnliche Gewinnverteilung sieht auch die 25 %-Rule vor, die von Goldscheider, Jarosz und Mulhern auf Basis einer Auswertung von 1 533 Lizenzverträgen empirisch bestätigt wurde.6 Die 25 %-Rule besagt, dass dem Lizenznehmer mit 75 % der Großteil des aus dem Lizenzgeschäft entstehenden Gewinns zusteht und rechtfertigt diese Verteilung ebenfalls mit der Übernahme der Mehrheit der Risiken des Lizenznehmers.7 Zu beachten ist hierbei, dass sich die Untersuchung, aus der sich die durchschnittliche Gewinnverteilung von einem Viertel ergab, aus Lizenzgeschäften verschiedener Branchen zusammensetzt und die Ergebnisse zwischen den Branchen teilweise erheblich divergieren.8 Eine Anwendung der Regel ohne Anpassungen erscheint demnach sehr pauschal. 1 2 3 4 5 6

Vgl. BFH v. 2.9.2008 – X R 32/05, BStBl. II 2009, 634. Vgl. BFH v. 2.9.2008 – X R 32/05, BStBl. II 2009, 634. Vgl. Knoppe, Die Besteuerung der Lizenz- und know-how-Verträge2, 102. Vgl. Zech, IStR 2009, 419 bis 423. Vgl. Baumhoff/Greinert, Ubg 2009, 544 (547). Zu weiteren Details vgl. Goldscheider/Jarosz/Mulhern in Parr, Royalty Rates for Licensing Intellectual Property, 31; Goldscheider/Jarosz/Mulhern, les novelles 2002, 123. 7 Vgl. Goldscheider/Jarosz/Mulhern, les nouvelles 2002, 123 (124). 8 Siehe Ergebnisse der Auswertung in Goldscheider/Jarosz/Mulhern, les nouvelles 2002, 123 (129).

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D. Funktionsverlagerung

Inwieweit solche Daumenregeln sich auch für die Verrechnungspreissetzung bei Funktionsverlagerungen eignen, bleibt fraglich. Die Gewinnverteilungen beziehen sich auf Lizenzgeschäfte, deren Gegenstand immaterielle Wirtschaftsgüter sind, nicht aber auf ganze Funktionen. Werden im Rahmen einer Funktionsverlagerung mehrere wesentliche immaterielle Wirtschaftsgüter lizenziert, so kann m.E. eine Gewinnverteilung, die dem Lizenzgeber einen höheren Anteil des Gesamtgewinns zuweist, angemessen sein. Fraglich bleibt auch, inwieweit eine Verrechnungspreissetzung ohne Ermittlung eines Einigungsbereichs von der Finanzverwaltung akzeptiert wird, da auch im Lizenzierungsfall regelmäßig der hypothetische Fremdvergleich anzuwenden sein wird.

11.396

Dass eine Anwendung einer Daumenregel zu Schwierigkeiten führen kann, zeigt folgendes Beispiel: Im Rahmen einer Transferpaketbewertung für eine Funktionsverlagerung ergab sich ein Einigungsbereich zwischen 5 und 10 Mio. Euro. Sowohl die Knoppe-Formel (2,5–3,33 Mio. Euro) als auch die 25 %-Rule (2,5 Mio. Euro) führen zu Ergebnissen, die außerhalb des ursprünglich ermittelten Einigungsbereichs liegen und die somit nach Auffassung der Finanzverwaltung nicht fremdvergleichskonform sind. In solchen Fällen ist zu erwarten, dass der Verrechnungspreis nicht dem Fremdvergleich standhält und somit eine Anpassung von Seiten der Finanzverwaltung vorgenommen würde.

11.397

Vielmehr kann aber eine solche Daumenregel genutzt werden, um einen Wert im ermittelten Einigungsbereich als Verrechnungspreis zu argumentieren, der unterhalb des Mittelwerts liegt, wie das folgende Beispiel zeigt: Zur Ermittlung eines angemessenen Verrechnungspreises für die Überlassung der Funktion wird nur innerhalb des gleichen Einigungsbereichs (5 bis 10 Mio. Euro) statt des Mittelwerts ein Wert nach der Daumenregel angewendet. Hieraus ergibt sich anstelle von 7,5 Mio. Euro ein Verrechnungspreis zwischen 6,25 Mio. Euro und 6,65 Mio. Euro.

11.398

Für eine Argumentation eines Werts innerhalb des Einigungsbereichs stellen die Daumenregeln m.E. eine gute Alternative dar, da sie die unterschiedliche Nutzenerwartung bei einer Lizenzierung gegenüber der Übertragung mit Mittelwertansatz zum Ausdruck bringen und gleichzeitig innerhalb des geforderten Einigungsbereichs liegen. Fraglich bleibt allerdings, inwiefern der Einigungsbereich der Transferpaketbewertung anzuwenden ist, da die Unverhältnismäßigkeit dieser Anwendung in einigen Fällen bereits aufgezeigt wurde.

11.399

Ein weiterer Vorteil der Lizenzierung ist, dass eine umsatz- oder gewinnabhängige Lizenzvereinbarung im Rahmen einer Funktionsverlagerung gem. § 9 FVerlV als Preisanpassungsregelung i.S. des § 1 Abs. 3 Satz 11 und 12 AStG gilt und somit Doppelbesteuerungen durch nachträgliche Preisanpassungen verhindert. Schlussfolgernd kann daher festgestellt werden, dass die Lizenzierung dem Steuerpflichtigen die Möglichkeit bietet, eine Sofortbesteuerung von hohen Verrechnungspreisen für Funktionsverlagerungen zu vermeiden und die Steuerlast über die Lizenzdauer

11.400

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Kap. 11: Geistiges Eigentum und Verrechnungspreise

zu verteilen. Zusätzlich kann die Lizenzierung in vielen Fällen auch zum Ansatz niedrigerer Verrechnungspreise führen und Unsicherheiten wie eine rückwirkende Preisanpassung, vermeiden. Abzuwarten bleibt allerdings, ob die Finanzverwaltung Abstriche in Hinsicht auf das in Deutschland verbleibende Steuersubstrat machen wird.

E. Dokumentation I. Allgemeine Dokumentationspflichten 1. Ausgangspunkt

11.401

Im Besteuerungsverfahren ist das Verhältnis zwischen der deutschen Finanzverwaltung und den deutschen Steuerpflichtigen vom Amtsermittlungsgrundsatz nach § 88 AO geprägt. Da die Besteuerung regelmäßig an Sachverhalte anknüpft, die dem Wissensbereich des Steuerpflichtigen zuzurechnen sind, wurden in § 90 Abs. 1 AO allgemeine Mitwirkungspflichten kodifiziert. Auf Grund der begrenzten Möglichkeiten für die Finanzbehörden, Sachverhalte mit Auslandsbezug aufzuklären, ordnet § 90 Abs. 2 AO an, dass der Steuerpflichtige den Sachverhalt aufzuklären, die Beweismittel zu benennen und zu beschaffen hat, wenn der Sachverhalt mit Auslandsbezug als beweiswürdig angesehen wird.

11.402

Aus § 90 Abs. 1 und 2 AO ergeben sich jedoch keine besonderen Dokumentationspflichten für internationale Verrechnungspreise.1 Diese allgemeinen Mitwirkungspflichten der Beteiligten beschränken sich lediglich auf vorhandene Bücher, Aufzeichnungen und Geschäftsunterlagen. Im Rahmen des Steuervergünstigungsabbaugesetzes (StVergAbG)2 wurde deswegen § 90 AO um einen Absatz 3 ergänzt. Mit der Einführung sollte vor allem eine mögliche Prüfung der Einkunftsabgrenzung zwischen international verbundenen Unternehmen durch die Finanzverwaltung gesichert werden.3

11.403

Nach § 90 Abs. 3 Satz 1 AO hat der Steuerpflichtige für Wirtschaftsjahre, die nach dem 31.12.2002 beginnen, über Art und Inhalt seiner Geschäftsbeziehungen mit nahestehenden Personen i.S. des § 1 Abs. 2 AStG Aufzeichnungen zu erstellen (Sachverhaltsdokumentation). § 90 Abs. 3 Satz 2 AO erweitert die Aufzeichnungspflichten um die wirtschaftlichen und rechtlichen Grundlagen für eine den Grundsatz des Fremdvergleichs beachtende Vereinbarung von Preisen und anderen Geschäftsbedingungen mit Nahestehenden (Angemessenheitsdokumentation).

11.404

Ergänzt und inhaltlich ausgefüllt werden die Bestimmungen des § 90 Abs. 3 AO durch die auf Basis des § 90 Abs. 3 Satz 5 AO ergangene 1 Vgl. BFH v. 10.5.2001 – I S 3/01, BFH/NV 2001, 957 (958 f.). 2 Vgl. StVergAbG v. 16.5.2003, BGBl. I 2003, 660. 3 Vgl. BT-Drucks. 15/119, 52.

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E. Dokumentation

Rechtsverordnung (nachfolgend GAufzV).1 Diese wurde mit den Verwaltungsgrundsätze-Verfahren2 aus Sicht der Finanzverwaltung weiterhin präzisiert. Hierbei ist zu beachten, dass die Ausführungen der Verwaltungsgrundsätze-Verfahren zwar die Finanzverwaltung, nicht jedoch die Steuerpflichtigen, Berater oder Richter binden. Jedoch dienen diese als gute Orientierungshilfe für den Steuerpflichtigen zur Vermeidung von Diskussionen und Sanktionen in der Betriebsprüfung. In der Verschärfung der Mitwirkungspflichten bei grenzüberschreitenden Sachverhalten mit nahestehenden Personen oder Betriebsstätten wurde in der Literatur eine rechtsstaatswidrige faktische Umkehr der Beweislast3 im Besteuerungsverfahren gesehen und deren Europarechtswidrigkeit aufgezeigt.4 In der Regierungsbegründung zu § 1 GAufzV heißt es jedoch, dass die Verpflichtungen des § 90 Abs. 3 AO und der GAufzV die Beweislast nicht zu Lasten des Steuerpflichtigen umkehren dürfen. Daher obliegt es den Finanzbehörden, die Fremdüblichkeit der Verrechnungspreise bzw. das Gegenteil zu beweisen, der Steuerpflichtige hat lediglich eine Begründung für die Angemessenheit zu liefern.5

11.405

2. Anwendungsbereich Die besonderen Aufzeichnungspflichten des § 90 Abs. 3 AO gelten für unbeschränkt einkommen- oder körperschaftsteuerpflichtige Personen, für Mitunternehmerschaften, die Geschäftsbeziehungen mit nahestehenden Personen i.S. des § 1 Abs. 2 AStG im Ausland unterhalten, sowie für Zwecke der grenzüberschreitenden Gewinnaufteilung zwischen Stammhäusern und ihren Betriebsstätten. Dabei bezieht sich die Aufzeichnungspflicht auch gem. § 1 Abs. 1 Satz 3 GAufzV auch auf solche Transaktionen, die keinen Leistungsaustausch zum Gegenstand haben (z.B. internationale Mitarbeiterentsendungen oder Poolvereinbarungen). Nicht erfasst werden hingegen gesellschaftsvertragliche Vereinbarungen (§ 1 Abs. 5 AStG). Da es im internationalen Einheitsunternehmen keine Geschäftsbeziehungen i.S. des § 1 Abs. 5 AStG zwischen Stammhaus und Betriebsstätte geben kann, beschränken sich die Dokumentationspflichten auf solche Transaktionen, bei denen steuerlich ein Gewinn angesetzt werden kann (§ 7 GAufzV).6

11.406

Erleichterungen bestehen für Steuerpflichtige mit Überschusseinkünften (§ 6 Abs. 1 GAufzV) und sog. kleinere Unternehmen, deren Entgelte für

11.407

1 Vgl. GAufzV v. 13.11.2003, BGBl. I 2003, 2296, zuletzt geändert am 14.8.2007, BGBl. I 2007, 1912. 2 Vgl. BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341 - 1/05, BStBl. I 2005, 570. 3 Vgl. Möbus, BB 2003, 1413; Wellens, IStR 2004, 655 (656). 4 Vgl. Joecks/Kaminski, IStR 2004, 65. 5 Vgl. Vögele/Fügemann in Vögele/Borstell/Engler, Verrechnungspreise3, Dokumentation der Verrechnungspreise, Rz 46; Söhn in HHSp, § 90 AO Rz. 196. 6 Hierunter fallen insbesondere solche Transaktionen, die dem Hauptgeschäftszweck der Betriebsstätte dienen.

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Kap. 11: Geistiges Eigentum und Verrechnungspreise

Güter und Waren aus Geschäftsbeziehungen mit nahestehenden Personen 5 Mio. Euro nicht übersteigen und deren Summe für Vergütungen für andere Leistungen mit nahestehenden Personen 500 000 Euro unterschreitet (§ 6 Abs. 2 GAufzV). Da als Größenkriterium ausschließlich auf die Umsätze eines Wirtschaftsjahres mit ausländischen nahestehenden Unternehmen abgestellt wird, können auch große inländische Unternehmen, die geringe Auslandsvolumina aus Geschäftsbeziehungen mit nahestehenden Personen verwirklichen, hiervon profitieren.1 Eine Über- bzw. Unterschreitung dieser Umsatzschwellen wirkt sich stets auf das kommende Wirtschaftsjahr aus.

11.408

Die Vorschriften gelten erstmalig für Wirtschaftsjahre, die nach dem 31.12.2002 begonnen haben (Art. 97 § 22 Satz 1 EGAO). Hinsichtlich gewöhnlicher Geschäftsvorfälle besteht keine Vorgabe zum Erstellungszeitpunkt.2 Die Dokumentation ist erst auf Anfrage der Finanzverwaltung3 (eigenständiger Verwaltungsakt) binnen 60 Tagen vorzulegen. Allerdings empfiehlt es sich auf Grund der schwindenden Informationsverfügbarkeit im Zeitablauf, dennoch einen kontinuierlichen Dokumentationsprozess zu installieren. Dies sieht der Gesetzgeber offenbar ähnlich, da außergewöhnliche Geschäftsvorfälle4 zeitnah zu dokumentieren sind. Zeitnah bedeutet in diesem Zusammenhang binnen sechs Monaten nach Abschluss des Geschäftsjahres, in dem sich der Geschäftsvorfall ereignet hat (§ 3 Satz 2 GAufzV). Bezogen auf die Vorlagepflichten auf Anfrage der Finanzverwaltung für Zwecke der Betriebsprüfung gilt entsprechend für außergewöhnliche Geschäftsvorfälle auch eine verkürzte Vorlagefrist von lediglich 30 Tagen. 3. Folgen der Verletzung der Dokumentationspflichten

11.409

Verletzt der Steuerpflichtige seine Dokumentationspflichten, indem er keine Aufzeichnungen vorlegt oder die vorgelegte Dokumentation im Wesentlichen unverwertbar ist oder nicht zeitnah erstellt wurde, wird gem. § 162 Abs. 3 AO widerlegbar vermutet, dass seine inländischen steuerpflichtigen Einkünfte höher sind als die von ihm erklärten Einkünfte. Die deutsche Finanzverwaltung erachtet die Dokumentation für verwertbar, wenn ein sachverständiger Dritter innerhalb angemessener Zeit feststellen und prüfen kann, welche Sachverhalte der Steuerpflichtige verwirklicht und ob er dabei den Fremdvergleichsgrundsatz beachtet hat.5 Die Aufzeichnungen sollen hingegen unverwertbar sein, wenn wesentliche Teile davon nicht nachvollziehbar oder unvollständig sind, oder wenn 1 2 3 4

Vgl. Seer in T/K, § 90 AO Rz. 55. Vgl. Baumhoff/Ditz/Greinert, DStR 2004, 157; Grützner, StuB 2003, 1108. Vgl. Fischer/Looks/im Schlaa, BB 2007, 918. Geschäftsvorfälle sind außergewöhnlich, wenn sie gegenüber dem Tagesgeschäft des Steuerpflichtigen im Hinblick auf Art, Inhalt, Zweck und Umfang oder Risiko Ausnahmecharakter und erhebliche Bedeutung für die Höhe der Einkünfte des Steuerpflichtigen haben. 5 Vgl. BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341 - 1/05, BStBl. I 2005, 570 Rz. 3.4.19.a.

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E. Dokumentation

zur Bestimmung des Verrechnungspreises eine ungeeignete Verrechnungspreismethode angewendet wurde.1 Die Dokumentation darf jedoch nicht allein deshalb unverwertbar sein, weil der Außenprüfer hinsichtlich der Beachtung des Fremdvergleichsgrundsatzes eine andere Ansicht als der Steuerpflichtige vertritt.2 Es ist allerdings kritisch anzumerken, dass die Einzelfallprüfung3 durch die Finanzverwaltung sowie die Ausführungen im Rahmen der Verwaltungsgrundsätze-Verfahren für wenig Rechtssicherheit sorgen.4 Sollte die Finanzbehörde im Zuge der Außenprüfung feststellen, dass die Aufzeichnungen im Wesentlichen unverwertbar sind, hat sie den Steuerpflichtigen darauf hinzuweisen und ihm die Möglichkeit zur Nachbesserung einzuräumen bzw. eigenständig die Verwertbarkeit herbeizuführen.5

11.410

Kommt der Steuerpflichtige seinen Aufzeichnungspflichten nicht nach, kann die Finanzverwaltung Verrechnungspreise durch Schätzung ermitteln. Die sich im Rahmen der Verrechnungspreisbestimmung ergebende Preisspanne kann dabei zu Ungunsten des Steuerpflichtigen ausgenutzt werden (§ 162 Abs. 3 Satz 2 AO). Um die Richtigkeit der erklärten Einkünfte zu beweisen, wird demnach der Steuerpflichtige verpflichtet, die hierzu erforderlichen Daten zu beschaffen. Die Unrichtigkeitsvermutung kann vom Steuerpflichtigen widerlegt werden, wenn er nach Ablauf der in § 90 Abs. 3 AO normierten Frist eine Verrechnungspreisdokumentation nachreicht, welche die Angemessenheit des angesetzten Verrechnungspreises bestätigt.6 Die Finanzverwaltung beschränkt sich indes darauf, die vom Steuerpflichtigen erbrachten Beweise zu würdigen.7 Insoweit kehrt sich dadurch die Beweislast zu Ungunsten des Steuerpflichtigen um.

11.411

Neben der Verrechnungspreiskorrektur sehen § 162 Abs. 4 Satz 1 und 2 AO einen Strafzuschlag bei Verletzung der Aufzeichnungen nach § 162 Abs. 3 Satz 1 AO vor. Die Korrektur- und Sanktionsmöglichkeiten lassen sich anhand folgender Kategorisierung zusammenfassend abbilden:8

11.412

1 2 3 4 5 6 7 8

Vgl. Eigelshoven/Kratzer, IStR 2004, 30 (31); a.A. Lühn, PStB 2009, 287 (290). Vgl. Frotscher in Schwarz, § 162 AO Rz. 33. Vgl. BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341 - 1/05, BStBl. I 2005, 570 Rz. 3.4.19.c. Vgl. Braun/Hof, IStR 2005, 69 (72). Vgl. BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341 - 1/05, BStBl. I 2005, 570 Rz. 3.4.20. Vgl. Seer in T/K, § 162 AO Rz. 68. Vgl. Frotscher in Schwarz, § 162 AO Rz. 35. Vgl. Hahn/Suhrbier-Hahn, IStR 2003, 84; Engler/Elbert in Vögele/Borstell/Engler, Verrechnungspreise3, Verfahren, Rz. 91.

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Kap. 11: Geistiges Eigentum und Verrechnungspreise

Voraussetzung Nachteilige Schätzung

– Nichtvorlage oder – im Wesentlichen unverwertbar oder – für außergew. Geschäftsvorfälle nicht zeitnah erstellt

Sanktion – Widerlegbare Vermutung, dass die Einkünfte höher sind als erklärt fi Schätzungsrahmen kann zu Lasten des Steuerpflichtigen ausgeschöpft werden

Zuschlag – Nichtvorlage oder (Kategorie 1) – im Wesentlichen unverwertbar

– Mindestens 5 % des Berichtigungsbetrags – Höchtens: 10 % des Berichtigungsbetrags – Absolute Untergrenze: 5 000 Euro

Zuschlag Verspätete Vorlage verwert(Kategorie 2) barer Aufzeichnungen

– Mindestens: 100 Euro pro Tag der Fristüberschreitung – Höchstens: 1 000 000 Euro

4. Inhalt der Dokumentation

11.413

Die Aufzeichnungen müssen einem sachverständigen Dritten ermöglichen, innerhalb angemessener Zeit zu beurteilen, welche Sachverhalte verwirklicht wurden und inwieweit dabei der Fremdvergleichsgrundsatz beachtet wurde (§ 2 Abs. 1 Satz 3 GAufzV). Prinzipiell ergeben sich die Bestandteile einer Verrechnungspreisdokumentation aus §§ 4 und 5 GAufzV. Demnach sollen im Rahmen der Sachverhaltsdarstellung zunächst allgemeine Informationen über Beteiligungsverhältnisse, Geschäftsbetrieb und Organisationsaufbau erfolgen.1 Darüber hinaus können die Geschäftsstrategie sowie das Markt- und Wettbewerbsumfeld einen erheblichen Einfluss auf die Verrechnungspreise haben.

11.414

Die deutsche Finanzverwaltung folgt dabei im Wesentlichen den Ausführungen der OECD2 und verlangt im Rahmen der Sachverhaltsdokumentation Informationen bezüglich der Wettbewerbsposition, Wettbewerbsintensität, der Größe des Marktes sowie Hinweise auf eventuell bestehende rechtliche Beschränkungen.3 Weiterhin sollen Erläuterungen bezüglich der gewählten Geschäftsstrategie (Kostenführerschaft, Spezialisierung, Diversifikation, Marktführerschaft) enthalten sein.4

11.415

Kernaspekte der Sachverhaltsdokumentation sind die Beschreibung der Geschäftsbeziehungen mit nahestehenden Personen sowie die Funktionsund Risikoanalyse. Hierbei kommt immateriellen Wirtschaftgütern eine wesentliche Bedeutung zu. Die Identifikation und Allokation der in den Geschäftsbeziehungen mit verbundenen Unternehmen eingesetzten Wirtschaftsgüter ist entscheidend für die Unternehmenscharakterisie1 2 3 4

Kritisch hierzu Eigelshoven/Kratzer, IStR 2004, 30 (34). Vgl. OECD-Leitlinien 2010, Rz. 1.55 bis 1.63. Vgl. BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341 - 1/05, BStBl. I 2005, 570 Rz. 3.4.11.4. f. Vgl. BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341 - 1/05, BStBl. I 2005, 570 Rz. 3.4.11.4.e.

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E. Dokumentation

rung.1 Wie bereits dargestellt (zu Einzelheiten vgl. Rz. 11.47 ff.) untergliedert die Finanzverwaltung zwischen sog. Routineunternehmen, Entrepreneuren und Hybridunternehmen. Dabei ist auch zu beachten, dass das rechtliche und wirtschaftliche Eigentum an dem Wirtschaftgut auseinanderfallen können.2 Neben den daraus resultierenden Auswirkungen auf die Anwendbarkeit bestimmter Verrechnungspreismethoden und der Annahmen bezüglich der Angemessenheit bestimmter Gewinngrößen hat die Einordnung in eine der genannten Gruppen auch erhebliche Auswirkungen auf die zu erstellende Verrechnungspreisdokumentation. Da Routineunternehmen per Definition über keine wesentlichen immateriellen Wirtschaftsgüter verfügen und auch nur in geringem Umfang Funktionen ausüben und Risiken übernehmen, können die Ausführungen im Rahmen der Funktions- und Risikoanalyse diesbezüglich deutlich komprimiert werden.3 Allerdings eröffnet sich gerade an dieser Stelle die Frage nach potentiellen Abgrenzungsproblemen zwischen Routine- und Hybridunternehmen.

11.416

So wäre aus Sicht des Steuerpflichtigen in vielen Fällen die Klassifizierung als Routineunternehmen wünschenswert.4 Gerade im Fall inländischer Routineunternehmen könnte die deutsche Finanzverwaltung jedoch die Einstufung des Steuerpflichtigen verwerfen und somit beispielsweise die Anwendbarkeit der TNMM verneinen (zu Einzelheiten vgl. Rz. 11.87 ff.). Gerade in diesen Grenzfällen empfiehlt es sich, bereits im Rahmen der Sachverhaltsanalyse streng zu unterscheiden und die Dokumentation auf den Einzelfall passgenau zuzuschneiden.

11.417

Für Entrepreneure und Hybridunternehmen ist hinsichtlich der Konsistenz der zu erstellenden Dokumentation entscheidend, dass die im Rahmen der Angemessenheitsdokumentation vorgebrachten Argumente bzw. die zur Darstellung der Angemessenheit gewählte Vorgehensweise nicht auf Grund einer unsauberen Zuordnung der immateriellen Wirtschaftsgüter in der Sachverhaltsdarstellung angreifbar werden. Somit ergibt sich für Unternehmen, die auf Grund der wirtschaftlichen Zuordnung von immateriellen Wirtschaftsgütern mehr als nur Routinetätigkeiten ausüben, ein erheblicher Mehraufwand bereits im Rahmen der Sachverhaltsdokumentation. Gerade die Identifizierung5 von immateriellen Wirtschaftsgütern, die in konzerninternen Transaktionen eingesetzt werden, sowie deren Zuordnung zu den beteiligten Unternehmen erfordern häufig besondere Aufmerksamkeit.

11.418

Die deutsche Finanzverwaltung hat nachfolgenden, nicht abschließenden Katalog von hierbei als wesentlich erachteten Informationen erstellt.6 An-

11.419

1 Vgl. Rasch/Rettinger, BB 2007, 353. 2 Vgl. Vögele/Sedlmayr in Vögele/Borstell/Engler, Verrechnungspreise3, Ergebnisorientierte Methoden, Rz. 172. 3 Vgl. Rasch/Rettinger, BB 2007, 353 (355). 4 Vgl. Rasch/Rettinger, BB 2007, 353 (355). 5 Vgl. Wehnert, IStR 2007, 558 (559). 6 Vgl. BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341 - 1/05, BStBl. I 2005, 570 Rz. 3.4.11.4.a–d.

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Kap. 11: Geistiges Eigentum und Verrechnungspreise

hand der von der Finanzverwaltung überwiegend aufgezählten immateriellen Wirtschaftsgüter wird die Bedeutung dieser für eine den Mindestanforderungen genügenden Dokumentation ersichtlich: – Bei der Forschung und Entwicklung: Funktionen: Grundlagenforschung, Produktentwicklung, Produktdesign, Lizenzierung, Patententwicklung Eingesetzte Wirtschaftsgüter: z.B. Patente, Lizenzen Risiken: fehlgeschlagene Forschung, Substitutionsrisiko, Marktrisiko, Patentstreitigkeiten, Ausscheiden von qualifizierten Mitarbeitern – Bei der Herstellung von Produkten: Funktionen: Fertigung, Verpackung, Montage, Qualitätssicherung Eingesetzte Wirtschaftsgüter: Lizenzen, Produkt- und/oder ProzessKnow-how, Marken, Grundstücke, Fertigungsanlagen Risiken: Fehlinvestitionen, Überkapazitäten, Forderungsausfälle, Produktion von Ausschussware, Umweltrisiken, Qualitätsrisiko, Produkthaftung, staatliche Eingriffe – Im Vertrieb: Funktionen: Beschaffung, Lagerhaltung, Werbung, Verkauf, Finanzierung, Transport, Verzollung, Montage, technische Unterstützung, Kundendienst Eingesetzte Wirtschaftsgüter: Vertriebsrecht, Markenrecht, Kundenstamm, Fahrzeuge, Lagervorrichtung Risiken: Absatzrisiko, Preisverfall, Gewährleistungsrisiko, Forderungsausfälle, Wechselkursveränderungen, Transportrisiko, Lagerrisiko – In der Unternehmensverwaltung: Funktionen: Leitung, Koordination, Strategieentwicklung, Controlling, Finanzierung, Rechnungslegung, Mitarbeitersuche und -schulung Eingesetzte Wirtschaftsgüter: Spezifische Software, Grundstücke, Gebäude Risiken: z.B. Geschäftsrisiko, Liquiditätsrisiko, Logistik

11.420

Einen weiteren Pflichtbestandteil der Sachverhaltsdokumentation stellt die Wertschöpfungskettenanalyse dar (§ 4 Nr. 3b GAufzV). Dabei soll der Steuerpflichtige seinen eigenen Wertschöpfungsbeitrag vor dem Hintergrund der gesamten Wertschöpfung der Gruppe darstellen.1 Die Wertschöpfungskette beinhaltet den gesamten Leistungserstellungsprozess, der mit der Forschung und Entwicklung beginnt und mit dem Verkauf beim Endkonsumenten endet. Hintergrund ist die Ermittlung des jeweiligen Wertschöpfungsbeitrags der agierenden Unternehmen im Verhältnis zum Gesamtergebnis, um daraus angemessene Verrechnungspreise ableiten zu können.

1 Vgl. BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341 - 1/05, BStBl. I 2005, 570 Rz. 3.4.11.5.

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E. Dokumentation

Die Finanzverwaltung vollzieht m.E. insoweit einen Zirkelschluss, wenn sie annimmt, dass der Wertschöpfungsbeitrag des Steuerpflichtigen bereits aus der Funktions- und Risikoanalyse sowie der dazugehörigen Angemessenheitsdokumentation ersichtlich sei.1 Wenn die Angemessenheit der Verrechnungspreise ohne dezidierte Wertschöpfungskettenanalyse dargelegt werden könnte, müsste diese vor dem Hintergrund des Verhältnismäßgkeitsgrundsatzes theoretisch verzichtbar sein.2 Dies ist aber nicht der Fall, weil auf Basis der Analyse der Wertschöpfungskette der Wertbeitrag des dokumentierenden Unternehmens innerhalb der Gesamtwertschöpfung der Gruppe dargestellt werden soll, um daraus das Herleiten von Preisen, Aufschlägen oder Margen zu verdeutlichen. Somit folgt die Angemessenheit der Verrechnungspreise dem Wertbeitrag und der Wertschöpfungskettenanalyse des dokumentierenden Unternehmens und nicht umgekehrt.

11.421

Im Rahmen der Wertschöpfungskettenanalyse stellt sich allerdings die Frage, inwieweit insbesondere dokumentierende Routineunternehmen am Ende einer Wertschöpfungskette (z.B. Routinevertriebsgesellschaften) an die für eine solche Analyse notwendigen Informationen der anderen Gruppenunternehmen kommen sollen, sofern sie keinen gesellschaftsrechtlichen Zugriff haben.3 Führt das dokumentierende Unternehmen jedoch Non-Routinetätigkeiten aus, z.B. weil ihm die für die Gesamtwertschöpfung der Gruppe wesentlichen immateriellen Wirtschaftsgüter zugeordnet werden, ist auf jeden Fall eine detaillierte Wertschöpfungskette erforderlich.

11.422

Unternehmen, die als Entrepreneure zu charakterisieren sind (zu Einzelheiten vgl. Rz. 11.47 ff.) und deren Ergebnis daher mangels Vergleichsdaten nicht anhand eines Fremdvergleichs überprüft werden kann,4 steht das aus der Gesamtwertschöpfung entstandene Residual nach Vergütung sämtlicher Routinetätigkeiten zu. Daher ist die Dokumentation der Angemessenheit des Verrechnungspreissystems nicht ohne die vorherige Berücksichtigung der Wertbeiträge sämtlicher anderen beteiligten Unternehmen möglich.5

11.423

Auch die Anwendung der Gewinnaufteilungsmethode erfordert im Rahmen der Dokumentation eine quantitative Aussage in Bezug auf die Wertbeiträge der Unternehmen. Die Angemessenheit der Gewinnaufteilung ergibt sich entsprechend aus den in der Wertschöpfungskettenanalyse ermittelten Beiträgen der Unternehmen.6

11.424

1 Vgl. BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341 - 1/05, BStBl. I 2005, 570 Rz. 3.4.12. 2 Vgl. Lenz/Fischer/Schmidt, BB 2005, 1255 (1257). 3 Vgl. Vögele/Fügemann in Vögele/Borstell/Engler, Verrechnungspreise3, Dokumentation der Verrechnungspreise, Rz 131. 4 Vgl. BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341 - 1/05, BStBl. I 2005, 570 Rz. 3.4.10.2. 5 Vgl. Brem/Tucha, IStR 2006, 499 (504). 6 Vgl. Vögele/Fügemann in Vögele/Borstell/Engler, Verrechnungspreise3, Dokumentation der Verrechnungspreise, Rz 132.

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Kap. 11: Geistiges Eigentum und Verrechnungspreise

11.425

§ 90 Abs. 3 AO erlegt dem Steuerpflichtigen auch Mitwirkungspflichten zur Beurteilung der Angemessenheit der Verrechnungspreise auf. Die Angemessenheitsdokumentation muss das ernsthafte Bemühen des Steuerpflichtigen belegen, seine Geschäftsbeziehungen zu nahestehenden Personen unter Beachtung des Fremdvergleichsgrundsatzes zu gestalten (§ 1 Abs. 1 Satz 2 GAufzV). Einen Nachweis, dass er den Fremdvergleich tatsächlich beachtet hat, hat er auf Grund des Amtsermittlungsgrundsatzes nicht zu erbringen.1

11.426

Um einem sachverständigen Dritten zu ermöglichen, die Fremdvergleichbarkeit zu prüfen, soll in einem ersten Schritt die zur Anwendung kommende Verrechnungspreismethode dargestellt sowie deren Geeignetheit zur Ermittlung fremdüblicher Verrechnungspreise vor dem Hintergrund der zu beurteilenden Transaktion begründet werden (Angemessenheit dem Grunde nach).2 Dabei braucht der Steuerpflichtige nur die von ihm tatsächlich in der Preissetzung (Setting) angewandte Verrechnungspreismethode darzustellen und zu begründen.3 Im Gegensatz zu anderen Ländern (z.B. den USA) sind für eine den deutschen Anforderungen genügende Dokumentation nicht alle anderen Methoden und die Gründe für deren Ablehnung aufzuzeichnen (sog. Best Method Rule).

11.427

Auf Grund der in § 1 Abs. 3 AStG angelegten Methodenhierarchie sind im Rahmen des Settings vorrangig die sog. Standardmethoden anwendbar (zu Einzelheiten vgl. Rz. 11.87 ff.). Abweichend davon kann eine Verprobung der Angemessenheit der Verrechnungspreise (Testing) für Dokumentationszwecke anhand einer anderen Verrechnungspreismethode oder durch Nachkalkulationen erfolgen (vgl. Rz. 11.343 ff.). Beispielsweise könnte die Angemessenheit einer Dienstleistungsgebühr, die per Kostenaufschlag ermittelt wurde, anhand nachträglich bekannt gewordener Preisvergleichsdaten gestützt werden.4

11.428

Nach § 1 Abs. 3 Satz 2 GAufzV ist der Steuerpflichtige dazu verpflichtet, für seine Aufzeichnungen Vergleichsdaten heranzuziehen (Angemessenheit der Höhe nach), soweit solche zum Zeitpunkt der Transaktion bei ihm oder der nahestehenden Person vorhanden sind oder soweit er diese mit zumutbarem Aufwand aus ihm frei zugänglichen Quellen beschaffen kann.5 Dabei wird allerdings verkannt, dass die ausländische nahestehende Person nicht den Mitwirkungspflichten im Inland unterliegt und der Steuerpflichtige nicht zwangsläufig eine gesellschaftsrechtliche Zugriffsmöglichkeit auf diese Informationen hat.6 Die Finanzverwaltung ge1 Vgl. Vögele/Fügemann in Vögele/Borstell/Engler, Verrechnungspreise3, Dokumentation der Verrechnungspreise, Rz 137 ff.; Wassermeyer, DStR 2003, 1535 (1538); Lühn, PIStB 2009, 287 (292). 2 Vgl. BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341 - 1/05, BStBl. I 2005, 570 Rz. 3.4.12.1. 3 Vgl. Seer in T/K, § 90 AO Rz. 43. 4 Vgl. BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341 - 1/05, BStBl. I 2005, 570 Rz. 3.4.12.1. 5 Vgl. Seer in T/K, § 90 AO Rz. 43. 6 Vgl. Baumhoff/Ditz/Greinert, DStR 2007, 1461 (1467).

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E. Dokumentation

steht daher dem Steuerpflichtigen erfreulicherweise die Möglichkeit zu, dass durch Vorlage des entsprechenden Schriftverkehrs diese Unmöglichkeit glaubhaft gemacht werden kann.1 Sowohl methodisch als auch vor dem Hintergrund der Zumutbarkeit ist kritisch zu hinterfragen, inwiefern korrekterweise betriebsexterne Vergleichsdaten, wie in § 4 Nr. 4 Buchst. b GAufzV gefordert, herangezogen werden können und deren Auswertung im Wege einer Anpassungsrechnung2 Sinn macht.3 Der Steuerpflichtige ist nur insoweit verpflichtet, solche Daten vorzulegen, wie diese über frei zugängliche Quellen zugänglich sind oder die Kosten der Beschaffung in einem angemessenen Verhältnis zum Umfang der verwirklichten Geschäfte und den steuerlichen Auswirkungen stehen.4 Dennoch hat der Steuerpflichtige nicht nur Unterlagen vorzulegen und tatsächliche Entscheidungen zu begründen, sondern auch die Vergleichbarkeit der herangezogenen Preise und Daten darzulegen.5

11.429

Für grenzüberschreitende Transaktionen, die immaterielle Wirtschaftsgüter betreffen, gelten grundsätzlich die gleichen Dokumentationspflichten und Anforderungen, wie sie auch für andere konzerninterne Transaktionen gelten. Besonderheiten, die bei der Dokumentation von solchen Transaktionen zu berücksichtigen sind, werden nachfolgend erläutert. Dabei wird grundlegend eine Unterteilung der Angemessenheit dem Grunde nach und der Angemessenheit der Höhe nach vorgenommen.

11.430

II. Spezielle Dokumentationspflichten bei immateriellen Wirtschaftsgütern 1. Entwicklung von immateriellen Wirtschaftsgütern a) Entwicklungskosten dem Grunde nach Zentrale Voraussetzung für die Anerkennung der im Rahmen der Übertragung oder Nutzungsüberlassung angesetzten Entgelte für immaterielle Wirtschaftsgüter ist zunächst deren Vorhandensein. Die Identifikation von immateriellen Wirtschaftsgütern ist jedoch nur insoweit unproblematisch, wie sie erworben (vgl. Rz. 11.118 ff.) oder lizensiert (vgl. Rz. 11.156 ff.) werden.6 Problematisch wird es jedoch, solche immateriellen Wirtschaftsgüter und Vorteile zu identifizieren und zu dokumentieren, die sich einer klaren und eindeutigen Zuordnung als Vermögenswert entziehen.7 Dies trifft ins1 Vgl. BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341 - 1/05, BStBl. I 2005, Rz. 3.3.2.b. 2 Vgl. Wehnert/Brüninghaus/Marx/Andresen/Hülster/Beck/Bodenmüller/Wolff, IStR 2005, 749 (750). 3 Vgl. Seer in T/K, § 90 AO Rz. 43. 4 Vgl. BR-Drucks. 583/03, 8. 5 Vgl. BR-Drucks. 583/03, 8. 6 Vgl. Engler in Vögele/Borstell/Engler, Verrechnungspreise3, Immaterielle Wirtschaftsgüter, Rz. 37. 7 Vgl. Wehnert, IStR 2007, 558 (559).

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11.431

Kap. 11: Geistiges Eigentum und Verrechnungspreise

besondere auf selbstgeschaffenes geistiges Eigentum zu, das nicht registriert wurde.

11.432

Gerade in Bezug auf die konzerninterne Entwicklung von immateriellen Wirtschaftsgütern stellt sich daher die Frage, wie die Dokumentation auszusehen hat. Zunächst einmal folgt aus § 4 Nr. 2 Buchst. b GAufzV, dass eine Liste der wesentlichen immateriellen Wirtschaftsgüter, die dem Steuerpflichtigen gehören und die er im Rahmen seiner Transaktionen mit Nahestehenden einsetzt, anzufertigen ist. Dem Wortlaut folgend sollten die in der Entwicklung befindlichen immateriellen Werte nicht eingeschlossen sein, da sie weder bereits genutzt werden noch zur Nutzung überlassen werden können.

11.433

Allerdings kann die mit der Entwicklung beauftragte F&E-Gesellschaft der Dokumentationspflicht unterliegen, sofern die Entwicklungskosten im Rahmen einer grenzüberschreitenden Geschäftsbeziehung erstattet werden. Dementsprechend greift die Dokumentationspflicht hinsichtlich der Entwicklung immaterieller Wirtschaftsgüter immer dann, wenn die F&E-Gesellschaft nicht (alleiniger) wirtschaftlicher Eigentümer des Wirtschaftsguts wird (zur Definition des wirtschaftlichen Eigentums vgl. Rz. 11.108 ff.). In diesen Fällen ist das zu entwickelnde immaterielle Wirtschaftsgut selbst Gegenstand des schuldrechtlichen Verhältnisses.1 Dies ist insbesondere in Fällen der Auftragsforschung für einen oder mehrere Auftraggeber (vgl. Rz. 11.11 ff.) sowie bei der Organisation von Forschungsprojekten mittels einer Poolumlage (vgl. Rz. 11.274 ff.) der Fall. Der Ausgangspunkt der Dokumentation ist in diesen Fällen der Auftragsforschungsvertrag bzw. der Kostenumlagevertrag.

11.434

Die Finanzverwaltung fordert im Fall von Kostenumlagen einen im Vorhinein abgeschlossenen Vertrag (vgl. Rz. 11.274 ff.).2 Aber auch im Fall der Auftragsforschung für einen oder mehrere Auftraggeber sollte ein solcher Vertrag für Zwecke der Dokumentation vorgelegt werden, der zumindest den Auftrag bzw. das Forschungsprojekt, die Vergütungsregelungen sowie Haftungsverhältnisse und Garantien beschreibt.

11.435

Im Rahmen der Dokumentation gilt der besondere Fokus der Zurechnung des wirtschaftlichen Eigentums an den immateriellen Vermögenswerten. Fremde Dritte würden die Kosten an der Entwicklung eines Wirtschaftsguts nur dann übernehmen, wenn ihnen ein zukünftiges Recht an der Nutzung hieran zusteht. Daher sind die Kosten aus der Entwicklung des immateriellen Wirtschaftsguts dem Grunde nach auch nur in solchen Fällen steuerlich abzugsfähig. Auch hierüber sollten im Vertrag eindeutige Regelungen getroffen werden. Aus der Transaktionsbeschreibung sowie der Funktions- und Risikoanalyse muss sich dementsprechend ergeben, ob die Entwicklung lediglich für eigene Produktionszwecke oder im Auf1 Vgl. BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341 - 1/05, BStBl. I 2005, 570 Rz. 3.4.11.3. 2 Vgl. BMF v. 30.12.1999 – IV B 4 - S 1341 - 14/99, BStBl. I 1999, 1122 Rz. 1.3.

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E. Dokumentation

trag eines oder mehrerer Auftraggeber erfolgt.1 Die wesentlichen Risiken2 aus der Entwicklung des immateriellen Wirtschaftsguts sollten regelmäßig dem bzw. den wirtschaftlichen Eigentümer(n) zuzurechnen sein. b) Entwicklungskosten der Höhe nach Auf Grund des zumeist hohen Spezifizierungsgrads von Forschungsaufträgen gerade hinsichtlich der Entwicklung von immateriellen Vermögenswerten scheidet die Anwendung der Preisvergleichsmethode in vielen Fällen der Auftragsforschung aus.3 Sollten jedoch interne oder externe Preisvergleichswerte (zur Datenvergleichbarkeit vgl. Rz. 11.50 ff.) verfügbar sein, kann sich die Dokumentation der Angemessenheit auch auf solche Werte stützen. Im Rahmen der Entwicklung von immateriellen Wirtschaftsgütern sollte in der Dokumentation besonderer Stellenwert darauf gelegt werden, dass es sich um die Entwicklung vergleichbarer immaterieller Wirtschaftsgüter unter identischen Bedingungen handelt (direkter Preisvergleich).4 Sollten lediglich eingeschränkte Vergleichswerte zur Verfügung stehen, sind Anpassungsrechnungen vorzunehmen und zu dokumentieren.5 Als zusätzliche Belege sollten der Finanzverwaltung die entsprechenden Rechnungen und Vergleichsverträge zur Verfügung gestellt werden.

11.436

Die Finanzverwaltung geht davon aus, dass im Fall der Auftragsforschung regelmäßig die Kostenaufschlagsmethode anzuwenden sei.6 Bei Anwendung der Kostenaufschlagsmethode müssen als wesentliche den Verrechnungspreis bestimmende Faktoren die Kostenbasis und der Kostenaufschlag dokumentiert werden.7 So sollte im Rahmen der Zumutbarkeit eine inländische F&E-Gesellschaft darstellen, dass sämtliche mit der Entwicklung des immateriellen Wirtschaftsguts angefallenen Kosten von dem bzw. den entsprechenden Auftraggeber(n) getragen werden und der F&E-Gesellschaft ein funktionsadäquater und angemessener Routinegewinn verbleibt.8

11.437

1 Vgl. Engler in Vögele/Borstell/Engler, Verrechnungspreise3, Immaterielle Wirtschaftsgüter, Rz. 55. 2 Mögliche Risiken in diesem Zusammenhang könnten in der Erfolglosigkeit des Forschungsvorhabens, der schnellen Nachahmung durch Wettbewerber, technischen Neuentwicklungen, Patentstreitigkeiten etc. gesehen werden. 3 Vgl. Engler in Vögele/Borstell/Engler, Verrechnungspreise3, Immaterielle Wirtschaftsgüter, Rz. 119. 4 Vgl. Vögele/Witt in Vögele/Borstell/Engler, Verrechnungspreise3, Standardmethoden, Rz. 29. 5 Vgl. BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83, BStBl. I 1983, 218 Rz. 2.2.2. 6 Vgl. BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83, BStBl. I 1983, 218 Rz. 5.3; ebenso OECD-Leitlinien 2010, Rz. 2.55. 7 Vgl. OECD-Leitlinien 2010, Rz. 2.43 f. 8 Vgl. OECD-Leitlinien 2010, Rz. 2.55 i.V.m. 2.40; BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83, BStBl. I 1983, 218 Rz. 5.3.

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Kap. 11: Geistiges Eigentum und Verrechnungspreise

11.438

Die Kostenbasis kann beispielsweise mittels der internen Kostenrechnung und entsprechender Kalkulationsunterlagen dargestellt werden. Zur Begründung der Fremdüblichkeit des Kostenaufschlags können im Fall der Auftragsforschung externe Vergleichsdaten aus Datenbanken oder interne Vergleichsdaten aus Transaktionen mit fremden Dritten herangezogen werden, sofern solche vorhanden sind. Obwohl die Preissetzung (Setting) im Fall der Auftragsforschung regelmäßig der Logik der Kostenaufschlagsmethode folgt, können im Rahmen des Testings auch Nettomargen (TNMM) von unabhängigen Unternehmen aus Datenbankanalysen zur Begründung der Angemessenheit angeführt werden. Dabei ist zu beachten, dass die zur Ermittlung durchgeführten Suchschritte und Ausschlusskriterien nachvollziehbar dargelegt werden.1

11.439

Sind die im Rahmen der Auftragsforschung übernommenen Arbeiten komplex und innovativ und werden limitierte Risiken übernommen oder verfügt die beauftragte F&E-Gesellschaft über eigene immaterielle Vermögenswerte in diesem Bereich, wäre TNMM nicht mehr anwendbar, da dann der F&E-Gesellschaft einen über die Routinevergütung hinausgehenden Ausgleichsanspruch erheben würde.2 In diesen Fällen könnte auch im Rahmen der Auftragsforschung die Gewinnaufteilungsmethode angewendet werden.3 Im Rahmen der Dokumentation sind in diesem Fall die aus der Wertschöpfungskettenanalyse resultierenden Wertbeiträge der beteiligten Unternehmen zu quantifizieren und das Residualergebnis nach Vergütung sämtlicher Routinetätigkeiten angemessen zu verteilen.

11.440

Im Fall von (Kosten-)Umlagen sollte im Rahmen der Dokumentation ein besonderer Stellenwert auf die Ermittlung des umlagefähigen Betrags gelegt werden. Diesbezüglich ist darzustellen, welche Kostenbestandteile umgelegt werden sollen und insbesondere auch welche Kosten nicht Bestandteil der Umlage sind inklusive der entsprechenden Begründung. Die Einzelheiten zur Dokumentation von (Kosten-)Umlagen werden in Rz. 11.465 ff. ausführlich dargestellt.

11.441

Von Bedeutung ist für die Dokumentation der Entwicklung von immateriellen Wirtschaftsgütern darüber hinaus, dass nach § 5 Nr. 6 GAufzV im Fall von Funktions- und Risikoänderungen Aufzeichnungen über Forschungsvorhaben oder laufende Forschungstätigkeiten, die im Zusammenhang mit einer Funktionsänderung stehen können, zu dokumentieren sind. Problematisch ist hierbei, dass sich die Aufzeichnungen auf solche Forschungstätigkeiten beziehen sollen, die in den drei Jahren vor der Funktionsänderung stattfanden oder abgeschlossen wurden.

11.442

Somit müssen regelmäßig forschende Unternehmen stets den genauen Gegenstand ihrer Tätigkeiten und die insgesamt angefallenen Kosten auf1 Vgl. BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341 - 1/05, BStBl. I 2005, 570 Rz. 3.4.12.4. 2 Vgl. BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341 - 1/05, BStBl. I 2005, 570 Rz. 3.4.10.3. 3 Vgl. Engler in Vögele/Borstell/Engler, Verrechnungspreise3, Immaterielle Wirtschaftsgüter, Rz. 123.

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E. Dokumentation

zeichnen, selbst wenn sie in der aktuellen Tätigkeit noch nicht mit einer grenzüberschreitenden Funktionsänderung rechnen können. Unter Beachtung der Vorlagefristen wären theoretisch Fälle denkbar, in denen die Forschungstätigkeiten im Rahmen einer Betriebsprüfung bereits in der Dokumentation enthalten sein müssten, wohingegen eine grenzüberschreitende Funktionsänderung oder Geschäftsbeziehung noch nicht stattgefunden hat, absehbar war oder erwartet werde konnte.1 2. Verwertung von immateriellen Wirtschaftsgütern a) Eigentumsübertragung aa) Übertragung dem Grunde nach Die Dokumentation der Übertragung immaterieller Wirtschaftsgüter an nahestehende Personen unterscheidet sich in ihren Grundsätzen kaum von der Übertragung von materiellen Wirtschaftsgütern. Allerdings ist die eindeutige Identifizierung des zu übertragenden immateriellen Wirtschaftsguts zum einen und die Abgrenzung zur Nutzungsüberlassung (vgl. Rz. 11.108 ff.) auf der anderen Seite in vielen Fällen mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden. Beim Verkauf immaterieller Wirtschaftsgüter ist weiterhin zu beachten, ob eine solche Übertragung rechtlich möglich ist. So ist es nach deutschem Recht nicht möglich, den Firmennamen isoliert zu verkaufen (§ 23 HGB).

11.443

Ausgangspunkt für die Dokumentation im Fall der Übertragung immaterieller Wirtschaftsgüter sollte das Vertragsverhältnis, idealerweise auf schriftlicher Basis, bilden. Im Rahmen der Sachverhaltsdokumentation sind dabei der Übertragungsgegenstand sowie die wirtschaftlichen und rechtlichen Rahmenbedingungen des Verkaufsvorgangs darzustellen.2 Insbesondere sollte auf Grund der steuerlichen Risiken der Verkaufsvorgang einzelner Wirtschaftsgüter von der Funktionsverlagerung abgegrenzt werden (zu Einzelheiten zur Transferpaketbetrachtung vgl. Rz. 11.345 ff.). Wird das immaterielle Wirtschaftsgut gemeinsam mit materiellen Wirtschaftsgütern übertragen, sollte eine eindeutige Identifizierung der im Übertragungsbündel enthaltenen materiellen und immateriellen Wirtschaftsgüter anhand der Aufzeichnungen möglich sein.

11.444

Werden jedoch Waren, die unter der Nutzung immaterieller Wirtschaftsgüter hergestellt wurden, übertragen, kann nicht gleichzeitig auch von einem Verkauf des immateriellen Wirtschaftsguts ausgegangen werden. Ebenso wird bei der Erbringung von technischen Dienstleistungen unter der Anwendung von spezifischem Know-how grundsätzlich kein Knowhow übertragen, es sei denn, die Vertragsparteien einigen sich darauf.3

11.445

1 Vgl. Fischer/Looks/im Schlaa, BB 2007, 918 (920); Baumhoff/Ditz/Greinert, IStR 2007, 1461 (1467). 2 Vgl. BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341 - 1/05, BStBl. I 2005, 570 Rz. 3.4.11.1. 3 Vgl. Engler in Vögele/Borstell/Engler, Verrechnungspreise3, Immaterielle Wirtschaftsgüter, Rz. 289.

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Kap. 11: Geistiges Eigentum und Verrechnungspreise

Eine Dokumentation der Übertragung immaterieller Wirtschaftsgüter kann auch im Rahmen von Funktionsverlagerungen (vgl. Rz. 11.307 ff.) notwendig sein. So kommt es bei Anwendung einer der Escape-Klauseln zur Einzelgutbewertung mit den entsprechenden Dokumentationserfordernissen. bb) Übertragung der Höhe nach

11.446

Im Rahmen der Angemessenheitsdokumentation sollten bei fehlenden vergleichbaren Vorgängen zwischen fremden Dritten die Überlegungen zur Findung eines angemessenen Verrechnungspreises dargelegt werden. Insbesondere eine Anwendung der Standardmethoden gestaltet sich bei der Veräußerung von immateriellen Wirtschaftsgütern oftmals schwierig.1 Auf Grund der in § 1 Abs. 3 AStG angelegten Methodenhierarchie sind diese jedoch bevorzugt im Rahmen der Preisgestaltung zwischen verbundenen Unternehmen zu beachten. Der Preisvergleich wird bei der Übertragung von immateriellen Wirtschaftsgütern regelmäßig daran scheitern, dass diese zumeist nur einmalig verkauft werden können (innerer Preisvergleich) bzw. nur selten zwischen fremden Dritten unter vergleichbaren Bedingungen veräußert werden (äußerer Preisvergleich).2

11.447

Sind jedoch zumindest eingeschränkt vergleichbare Preise vorhanden, kann anhand von geeigneten Anpassungsrechnungen die Fremdüblichkeit begründet werden, wobei die zu Grunde liegenden Annahmen und ökonomischen Auswirkungen der einzelnen Anpassungen im Rahmen der Dokumentation darzulegen sind. Dabei sollte sowohl die Perspektive des übertragenden als auch die Perspektive des übernehmenden Unternehmens beachtet werden.3 Grundsätzlich sollte dabei auch Bezug auf die vertraglichen Vereinbarungen hergestellt werden. Sämtliche den Preis beeinflussende Faktoren, die in Zusammenhang mit der Kaufpreisfindung berücksichtigt wurden, sind daher in die Angemessenheitsdokumentation aufzunehmen. Die im Fall der Bewertung getroffenen Annahmen oder Gewinnprognosen der beteiligten Unternehmen können die Angemessenheit der Vereinbarungen zusätzlich stützen.4

11.448

Nicht nur beim Setting (Festsetzung des Verrechnungspreises, ex ante-Betrachtung), sondern auch im Rahmen des Testing (Überprüfung des Verrechnungspreises, ex post-Betrachtung) wird regelmäßig die Anwendung der Wiederverkaufspreismethode daran scheitern, dass immaterielle Wirtschaftsgüter nicht am Markt gehandelt werden. Da sich der Marktwert eines immateriellen Wirtschaftsguts in vielen Fällen nicht direkt aus den mit der Entwicklung mit diesem zusammenhängenden Kosten ergibt,5 ist 1 Vgl. OECD-Leitlinien 2010, Rz. 6.13. 2 Vgl. Engler in Vögele/Borstell/Engler, Verrechnungspreise3, Immaterielle Wirtschaftsgüter, Rz. 293. 3 Vgl. OECD-Leitlinien 2010, Rz. 6.13. 4 Vgl. OECD-Leitlinien 2010, Rz. 6.14 f. 5 Vgl. OECD-Leitlinien 2010, Rz. 6.27.

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E. Dokumentation

auch die Anwendung der Kostenaufschlagsmethode zur Ermittlung eines angemessenen Verrechnungspreises eher auf Ausnahmefälle beschränkt. M.E. könnten jedoch die entstandenen Kosten oder auch ein möglicher Wiederverkaufspreis im Rahmen der Verprobung der Angemessenheit zumindest als Indiz für fremdübliches Verhalten herangezogen werden. Im Rahmen der Dokumentation wären die Bruttomargen aus den zum Vergleich herangezogenen Transaktionen anhand von Abrechnungen oder internen Kalkulationsunterlagen vorzulegen. Dabei sind in der deskriptiven Darstellung insbesondere auch die wirtschaftlichen Umstände der Vergleichstransaktionen darzustellen und die Gründe für mögliche Abweichungen zu erläutern.

11.449

Sollte keine der oben diskutierten Standardmethoden für die Verprobung der Preisfindung bei der Veräußerung von immateriellen Wirtschaftsgütern anwendbar sein, kommen die gewinnorientierten Methoden in Betracht. Wie bereits in Rz. 11.118 ff. dargelegt, wird auch die Anwendung von TNMM regelmäßig mangels vergleichbarer Gewinnspannen aus der Übertragung von immateriellen Wirtschaftsgütern zwischen fremden Dritten scheitern.1 Ebenso wenig kann die Gewinnaufteilungsmethode im Rahmen der Verrechnungspreisverprobung angewendet werden, weil hierbei im Zeitpunkt der Transaktion zwei Entrepreneure erforderlich sind. Gerade bei der Eigentumsübertragung kann jedoch das eine Unternehmen durch den Kauf bzw. Verkauf des immateriellen Wirtschaftsguts vom Routineunternehmen zum Entrepreneur werden (beim Kauf) bzw. umgekehrt (beim Verkauf).

11.450

Die Überprüfung von Verrechnungspreisen für die Eigentumsübertragung immaterieller Wirtschaftsgüter ist folglich mittels der Standardmethoden und der gewinnorientierten Methoden praktisch kaum möglich. Aus diesem Grund sollten auch andere geeignete Kalkulationsmethoden beachtet werden können, wenn diese zuverlässigere Anhaltspunkte liefern.2 Wenn jedoch, was regelmäßig der Fall sein wird, keine Vergleichsdaten vorliegen, kommt für die Verprobung eines angemessenen Entgelts zwangsweise der hypothetische Fremdvergleich gem. § 1 Abs. 3 Satz 5 AStG zur Anwendung (zu Einzelheiten vgl. Rz. 11.118 ff.). Zu beachten ist hierbei, dass entgegen § 1 Abs. 3 Satz 2 GAufzV für Zwecke der Dokumentation keine Vergleichsdaten herangezogen werden können, da diese gerade nicht vorliegen.

11.451

Dementsprechend hat der Steuerpflichtige zur Überprüfung der Angemessenheit des vereinbarten Preises innerbetriebliche Daten und Kalkulationen vorzulegen. Das IDW schlägt für Zwecke der handels- und steuerrechtlichen Bewertung von immateriellen Wirtschaftsgütern verschiedene Bewertungsmethoden vor (vgl. Rz. 11.118 ff.).3 Die vorgeschlagenen

11.452

1 Vgl. OECD-Leitlinien 2010, Rz. 6.26. 2 Vgl. BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83, BStBl. I 1983, 218 Rz. 2.4.1. ff., 218 (223 f.). 3 Vgl. IDW Standard: Grundsätze zur Bewertung immaterieller Vermögenswerte (Stand: 25.5.2010).

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Kap. 11: Geistiges Eigentum und Verrechnungspreise

Methoden können zwar den hypothetischen Fremdvergleich umsetzen. Allerdings sollte die Verrechnungspreisdokumentation zunächst begründen, warum für die zu dokumentierende Transaktion keine der klassischen Verrechnungspreismethoden verlässliche Ergebnisse liefert. Die Dokumentationserfordernisse für die Übertragung eines immateriellen Wirtschaftsguts stellen sich analog zu denen der Funktionsverlagerung dar, sodass zu allen weiteren Einzelheiten auf die dortigen Ausführungen verwiesen wird (vgl. Rz. 11.473 ff.). b) Lizenzierung aa) Überblick

11.453

Für Lizenzen gelten grundsätzlich die gleichen Dokumentationspflichten und Anforderungen wie sie auch für andere konzerninterne Transaktionen gelten. Welche Besonderheiten bei der Dokumentation von Lizenzen zu berücksichtigen sind, wird nachfolgend erläutert. Dabei wird auch darauf eingegangen, dass es auch im Rahmen der Verrechnungspreisdokumentation teilweise einen erheblichen Unterschied zwischen der Ermittlung von Verrechnungspreisen und der Überprüfung von Verrechnungspreisen gibt. bb) Lizenzierung dem Grunde nach

11.454

Bei der Angemessenheit dem Grunde nach ist im ersten Schritt der Lizenzvertrag zwischen dem Lizenzgeber und dem Lizenznehmer entscheidend. In der Regel kann davon ausgegangen werden, dass solch ein Vertrag abgeschlossen wurde. Unzweifelhaft erleichtert es die Dokumentation, wenn ein Lizenzvertrag vorliegt. Er signalisiert den Willen, tatsächlich ein Wirtschaftgut durch Lizenzierung zu überlassen und fasst die Rahmenbedingungen zusammen. Allerdings existiert für Verträge und somit auch für Lizenzverträge keine Schriftformerfordernis.1

11.455

Allgemein ist zu dokumentieren, dass ein tatsächlicher Transaktionsfluss stattgefunden hat. Wird dies nicht durch den Lizenzvertrag selbst dokumentiert, sind weitere Dokumente wie zum Beispiel unternehmensinterne Protokolle, Präsentationen, Blueprints und der Schriftverkehr der Betriebsprüfung zur Verfügung zu stellen. cc) Lizenzierung der Höhe nach

11.456

Die Angemessenheit der Lizenzen der Höhe nach ist im Rahmen der Dokumentation insbesondere nach den bedeutsamen „… Umständen in technischer Hinsicht (z.B. Beschreibung und Lebensdauer der Produkte, ggf. angefallene Kosten für Forschung und Entwicklung), in rechtlicher Hinsicht (z.B. Exklusivität, Recht zur Unterlizenzierung, Gebietsschutz, 1 Vgl. Staudinger/Hertel, § 125 BGB Rz. 3; Palandt/Ellenberger70, § 125 BGB Rz. 1; Jauernig11, § 125 BGB Rz. 1.

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E. Dokumentation

ggf. vorhandene Einschränkungen bei der Nutzung, Vertragslaufzeit, Registrierung der Patente) sowie in wirtschaftlicher Hinsicht (z.B. KostenNutzen-Analyse oder Vergleichslizenzen) darzulegen.“1 Im Grundsatz sind diese Faktoren zum einen hinsichtlich der Kalkulation der Lizenzgebühren vor Zahlung der eigentlichen Lizenz und zum anderen hinsichtlich der nachträglichen Verprobung der Lizenz zu dokumentieren. Bei der Kalkulation der Lizenzgebühr sind vor allem die Faktoren zu dokumentieren, die voraussichtlich die Grundlage für die zukünftigen Gewinne2 darstellen. Insbesondere die Kosten-Nutzen-Analyse3 ist wohl der am schwierigsten zu dokumentierende Aspekt. Im Idealfall ist zum einen zu dokumentieren, dass bereits vor Durchführung der eigentlichen Lizenzierung für den Lizenznehmer ersichtlich war, dass und welchen Nutzen er haben würde. Zum anderen ist während und nach der Lizenzierung innerhalb der Dokumentation darzulegen, dass die Lizenz auch tatsächlich nützlich war. In vielen Fällen wird diese Unterscheidung jedoch in nicht in Verrechnungspreisdokumentationen zu finden sein.

11.457

Im Rahmen der Dokumentation wird regelmäßig der äußere Preisvergleich anhand von diversen Datenbanken durchgeführt. Damit wird zwar nicht dargelegt, dass die Lizenzgebühren fremdvergleichskonform festgesetzt wurden, jedoch wird verprobt, dass die vereinbarten Lizenzgebühren im Vergleich zu vergleichbaren Lizenzen zwischen fremden Dritten in vergleichbaren Umständen zumindest nicht unüblich sind. Bezüglich der Dokumentation muss wie auch bei Benchmark-Studien selbst üblich, präzise aufgezeigt werden, wie die einzelnen Suchschritte ausgestaltet waren und welche Ausschlusskriterien angewendet wurden, um die Nachvollziehbarkeit sicherzustellen.

11.458

Wie aufgezeigt (vgl. Rz. 11.156 ff.), kann die Wiederverkaufspreismethode nur bei der Vergabe von Unterlizenzen angewendet werden. Da davon ausgegangen werden kann, dass eine Unterlizenz regelmäßig erst nach dem Erhalt der eigentlichen Lizenz vom Lizenzgeber ausgereicht werden kann, scheint diese Methode für die Festsetzung von Lizenzvergütungen ungeeignet. Jedoch ist die Wiederverkaufspreismethode beim Vorliegen von Unterlizenzen eine einfache Methode zur nachträglichen Überprüfung der angemessenen Höhe der Lizenzen. Mögliche Unterschiede in der Ausgestaltung zwischen der Lizenz und der Unterlizenz sind genauso zu dokumentieren wie die angemessene Marge des Unterlizenzgebers.

11.459

Wie bereits in Rz. 11.156 ff. dargelegt, wird die Angemessenheit im Rahmen der Dokumentation anhand der TNMM dargelegt, indem eine Benchmark-Studie durchgeführt wird und somit indirekt die angemessene Höhe der Lizenzvergütung dargelegt wird. Sollte bereits die Kalkulation der Lizenz auf einer Benchmark-Studie basieren, sollte auch diese

11.460

1 BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341 - 1/05, BStBl. I 2005, 570 Rz. 3.4.12.1. 2 Vgl. Groß/Rohrer, Lizenzgebühr, 567 und 576 ff. 3 Die Kosten-Nutzen-Analyse ist auch laut OECD erforderlich, vgl. OECD-Leitlinien 2010, Rz. 6.14.

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Kap. 11: Geistiges Eigentum und Verrechnungspreise

Studie der Dokumentation beigefügt werden. Im Rahmen der Verrechnungspreisdokumentation wird somit über die TNMM überprüft, inwieweit die erzielte operative Marge der operativen Marge von vergleichbaren Unternehmen entspricht.

11.461

Im Rahmen der Dokumentation der Gewinnaufteilungsmethode bei Lizenzen bestehen keine Besonderheiten für Lizenzen im Vergleich zu anderen Transaktionen. Allerdings ist anzunehmen, dass lediglich bei der Überlassung von immateriellen Wirtschaftsgütern die Gewinnaufteilungsmethode überhaupt zur Anwendung kommt. Dies ist vor allem dadurch begründet, dass die Gewinnaufteilungsmethode gerade dann angewendet wird, wenn zwei Entrepreneure involviert und die Leistungsbeziehungen so verquickt sind, dass eine Separierung und einzelne Bepreisung nicht möglich ist. Diese enge Verzahnung der beiden Transaktionspartner erschwert jedoch die nachträgliche Überprüfung der Angemessenheit der Ergebnisse aus der Gewinnaufteilungsmethode. Im Rahmen der Dokumentation ist daher vielmehr auf die im Vorwege angenommen Gewinneinflussfaktoren einzugehen.

11.462

Die pauschalen Gewinnaufteilungsmethoden (vgl. z.B. Knoppe-Formel in Rz. 11.156 ff.) dienen im Rahmen der Dokumentation als zusätzlicher Referenzwert, der die vorgenommenen Überlegungen zur Angemessenheit der Lizenzvergütung stützt. Daneben wurde in Rz. 11.156 ff. bereits erläutert, dass die Discounted Cash Flow-Methode im Prinzip eine Methode zur Festsetzung von Lizenzgebühren im Vorhinein ist. Wird die Discounted Cash Flow-Methode im Rahmen der Dokumentation als eine Verrechnungspreismethode dargestellt, sind geeignete Unterlagen vorzulegen, aus denen die Finanzverwaltung die Angemessenheit bei der Lizenzgebührenkalkulation nachvollziehen kann. Sollte die Finanzverwaltung dennoch Anpassungen vornehmen, erfolgen diese über den hypothetischen Fremdvergleich und somit über den Korrekturmechanismus der Anpassungsklausel in § 1 Abs. 3 Satz 11 AStG. c) Einbettung in Produktpreise

11.463

Wenn die Überlassung von immateriellen Wirtschaftsgütern im Rahmen der Verrechnungspreiskalkulation im Vorwege in die Produktpreise eingepreist wurde, sind die hierzu vorgenommenen Überlegungen zu dokumentieren und geeignete Unterlagen der Finanzverwaltung vorzulegen. Wird die Überlassung von immateriellen Wirtschaftsgütern im Rahmen der Verrechnungspreiskalkulation im Voraus nicht bewusst in die Produktpreise eingepreist, so gestaltet sich die Dokumentation schwierig. Es muss dann, soweit wie möglich, innerhalb der Dokumentation versucht werden, diesen Gesamtpaketpreis in einzelne Bestandteile zu separieren und diese Einzelteile gesondert zu betrachten.1

1 Vgl. OECD-Leitlinien 2010, Rz. 6.17 f.

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E. Dokumentation

d) Leistungsumlage Da die Konzernumlage in ihrer Systematik im Wesentlichen der Kostenumlage nach dem Poolkonzept entspricht (vgl. Rz. 11.262 ff.), erfolgt eine Dokumentation analog zu den engen von der Finanzverwaltung vorgegebenen Bestimmungen zur Dokumentation von Kostenumlagen nach dem Poolkonzept (vgl. nachfolgende Rz. 11.465 ff.). Da jedoch im Rahmen der Konzernumlage eine Gewinnkomponente berücksichtigt werden kann (vgl. Rz. 11.268 ff.), muss diese auch im Rahmen der Angemessenheitsdokumentation der Höhe nach gerechtfertigt werden. Dabei kommt typischerweise die Kostenaufschlagsmethode zur Anwendung und es kann auf die Ausführungen im Rahmen der Entwicklung von immateriellen Wirtschaftsgütern verwiesen werden (vgl. Rz. 11.11 ff.).

11.464

e) Kostenumlage (nach dem Poolkonzept) aa) Kostenumlage dem Grunde nach Bereits im Vorfeld der allgemeinen Dokumentationsanforderungen des § 90 Abs. 3 AO für grenzüberschreitende Geschäftsbeziehungen hat die Finanzverwaltung ihre Sicht zur Dokumentation von Kostenumlagen nach dem Poolkonzept in einem hierzu ergangenem BMF-Schreiben dargelegt.1 Da die Kostenumlage eine Art innerbetrieblichen Vorgang darstellt, der auf gesellschaftsrechtlicher Ebene ohne schuldrechtlichen Leistungsaustausch stattfindet,2 ist die Erfassung solcher Verrechnungen durch § 90 Abs. 3 AO, der explizit auf Geschäftsbeziehungen abzielt, fragwürdig.

11.465

Erst durch § 1 Abs. 1 Satz 3 GAufzV wird definiert, dass sich die Aufzeichnungspflicht auch auf solche Transaktionen bezieht, die keinen Leistungsaustausch zum Gegenstand haben. Somit unterliegen auch Kostenumlagen den allgemeinen Dokumentationsanforderungen. Da der Abschluss von Umlageverträgen regelmäßig ein Dauerschuldverhältnis begründet3 und gem. § 3 Abs. 2 GAufzV als außergewöhnlicher Geschäftsvorfall zu qualifizieren ist, sollten die entsprechenden Aufzeichnungen zeitnah (sechs Monate nach Ablauf des Geschäftsjahres, in dem der Vertrag geschlossen wurde) erstellt werden. Weiterhin gilt die verkürzte Vorlagefrist auf Anfrage der Finanzverwaltung (§ 90 Abs. 3 Satz 9 AO).

11.466

Die beiden Umlagekonzepte (Kostenumlage, Konzernumlage) gleichen sich in vielerlei Hinsicht. Folglich sollte in der Dokumentation solcher Transaktionen zunächst eine Abgrenzung des Sachverhalts vorgenommen werden (vgl. Rz. 11.264 ff.). Dabei sollte auf die innerbetriebliche Veranlassung und den fehlenden Leistungsaustausch eingegangen werden. Weiterhin ist für die steuerliche Akzeptanz der Kostenumlage darzustellen, dass es sich bei den im Pool gemeinsam erbrachten Leistungen um

11.467

1 Vgl. BMF v. 30.12.1999 – IV B 4 - S 1341 - 14/99, BStBl. I 1999, 1122. 2 Vgl. BMF v. 30.12.1999 – IV B 4 - S 1341 - 14/99, BStBl. I 1999, 1122 Rz. 1.4; Baumhoff, IStR 2000, 693 (694); Vögele/Freytag, IStR 2000, 249. 3 Vgl. BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341 - 1/05, BStBl. I 2005, 570 Rz. 3.4.8.3.

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Kap. 11: Geistiges Eigentum und Verrechnungspreise

sog. Hilfstätigkeiten handelt, indem eine Abgrenzung zum eigentlichen operativen Geschäft des dokumentierenden Unternehmens vorgenommen wird.

11.468

Ausgangspunkt für die Dokumentation von Kostenumlagen bildet der im Vorhinein nach den umfangreichen Mindestanforderungen ausgestaltete schriftliche Umlagevertrag mit folgenden Inhalten:1 – Benennung der Poolmitglieder und der sonstigen nahestehenden Nutznießer; – genaue Beschreibung der Leistungen, die Vertragsgegenstand sind; – Ermittlung der umzulegenden Aufwendungen, die Methode der Aufwandserfassung und etwaige Abweichungen; – Ermittlung des Nutzens, den die jeweiligen Teilnehmer erwarten; – Ermittlung des Umlageschlüssels; – Beschreibung, wie der Wert der anfänglichen und der späteren Leistungsbeiträge der Poolmitglieder ermittelt und einheitlich auf alle Poolmitglieder verrechnet wird; – Art und Umfang der Rechnungskontrolle (z.B. bei Vorkasse; Zeitpunkt); – Bestimmungen über die Anpassung an veränderte Verhältnisse; – Vertragsdauer; – Bestimmungen über die Vertragsauflösung sowie ggf. die Voraussetzungen und Folgen des Eintritts neuer Poolmitglieder und des vorzeitigen Austritts bisheriger Poolmitglieder; – Vereinbarungen über den Zugriff auf die Unterlagen und Aufzeichnungen über den Aufwand und die Leistungen des leistungserbringenden Unternehmens; – Zuordnung der Nutzungsrechte aus zentralen Aktivitäten des Pools im Fall der Forschung und Entwicklung. bb) Kostenumlage der Höhe nach

11.469

Die Kernaspekte der Angemessenheitsdokumentation einer Kostenumlage beziehen sich auf die ermittelte Umlagebasis und den zur Umlage der Kosten angewandten Schlüssel, da diese Bestandteile gemeinsam die durch das dokumentierende Unternehmen zu tragenden Kosten bzw. deren Vergütung bestimmen. Da in vielen Fällen für mehrere Leistungen ein einheitlicher Umlagevertrag geschlossen wird, erwartet die Finanzverwaltung eine detaillierte Auflistung der einzelnen vom Vertrag umfassten Leistungen und die anhand der Dokumentation nachvollziehbare Ermittlung der Umlagebasis. Eine Saldierung der aus der Teilnahme am Pool resultierenden Aufwendungen und Erträge soll nicht zulässig sein.2 1 Vgl. BMF v. 30.12.1999 – IV B 4 - S 1341 - 14/99, BStBl. I 1999, 1122 Rz. 5.1.1. 2 Vgl. BMF v. 30.12.1999 – IV B 4 - S 1341 - 14/99, BStBl. I 1999, 1122 Rz. 5.1.2.

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E. Dokumentation

Um die Ermittlung der Umlagebasis darzulegen, kann insbesondere auf die vertraglichen Vereinbarungen sowie auf innerbetriebliche Daten zurückgegriffen werden. So sollte für Zwecke der Dokumentation die Kostenrechnung eine eindeutige Abgrenzung der mit dem Pool zusammenhängenden Kosten ermöglichen. Weiterhin sollten entsprechende Planungsdaten und Unterlagen der jeweiligen Leistungsbeiträge der beteiligten Unternehmen vorgelegt werden.1 Der Kostenblock sollte im Rahmen der Dokumentation die einzelnen Kostenarten (Personalkosten, Absetzung für Abnutzung, Fremdlizenzen etc.) nach Kostenstellen aufgliedern.2

11.470

Steuerliche Aufwendungen im Zusammenhang mit Kostenumlagen werden nur in solchen Fällen akzeptiert, in denen das dokumentierende Unternehmen einen entsprechenden Nutzen aus dem Pool zu erwarten hat. Aus diesem Grund kommt der Dokumentation des erwarteten Nutzens aus Sicht der Finanzverwaltung eine besondere Bedeutung zu.3 Die Finanzverwaltung schlägt dafür Problemanalysen, Projektberichte, Zielvorgaben oder ähnliche Unterlagen vor. Da die Nutzenanalyse zukunftsorientiert zu erfolgen hat, sollten die zur Beurteilung angestellten Annahmen aus den Dokumenten ersichtlich sein. Weiterhin muss aus der Dokumentation hervorgehen, welche Leistungen das Unternehmen im Rahmen der Kostenumlage empfangen hat. Dementsprechend sollten auch solche Dokumente der Dokumentation beigefügt werden, aus denen der Projektfortschritt ersichtlich ist (beispielsweise Zwischenberichte, Schriftverkehr, Besprechungsprotokolle, Patentanmeldungen etc.).4

11.471

Der zur Anwendung kommende Verteilungsmaßstab sollte eine nutzenadäquate Allokation der Kosten gewährleisten und oben genannte Aspekte berücksichtigen. Im Rahmen der Dokumentation ist daher eine Darstellung der Überlegungen zum angewandten Umlageschlüssel erforderlich (zur Bestimmung eines angemessenen Umlageschlüssels vgl. Rz. 11.290 ff.), aus denen der Zusammenhang zwischen dem erwarteten Nutzen und dem angewandten Schlüssel nachvollziehbar wird.5 Wird im Laufe der Poolteilnahme festgestellt, dass der angewandte Schlüssel nicht mehr den tatsächlichen Nutzen der Mitglieder widerspiegelt, sollten entsprechende Anpassungen vorgenommen und die Gründe für die Umstellung in der Dokumentation dargestellt werden.6

11.472

1 Vgl. Engler/Freytag in Vögele/Borstell/Engler, Verrechnungspreise3, Immaterielle Wirtschaftsgüter, Rz. 257. 2 Vgl. BMF v. 30.12.1999 – IV B 4 - S 1341 - 14/99, BStBl. I 1999, 1122 Rz. 5.1.4. 3 Vgl. BMF v. 30.12.1999 – IV B 4 - S 1341 - 14/99, BStBl. I 1999, 1122 Rz. 5.1.3. 4 Vgl. BMF v. 30.12.1999 – IV B 4 - S 1341 - 14/99, BStBl. I 1999, 1122 Rz. 5.1.4 Nr. 5. 5 Vgl. Baumhoff, IStR 2000, 693 (703). 6 Vgl. BMF v. 30.12.1999 – IV B 4 - S 1341 - 14/99, BStBl. I 1999, 1122 Rz. 3.3.

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Kap. 11: Geistiges Eigentum und Verrechnungspreise

3. Funktionsverlagerung a) Funktionsverlagerung dem Grunde nach

11.473

Die erhöhten Mitwirkungspflichten des § 90 Abs. 3 AO gelten auch für Geschäftsvorfälle im Zusammenhang mit Funktionsverlagerungen. Da Funktionsverlagerungen regelmäßig im Zusammenhang mit grenzüberschreitenden Umstrukturierungsmaßnahmen oder der Übertragung bzw. Überlassung von Wirtschaftsgütern und Vorteilen im Zusammenhang mit wesentlichen Funktions- und Risikoänderungen stehen, stellen diese gem. § 3 Abs. 2 GAufzV regelmäßig außergewöhnliche Geschäftsvorfälle dar. Folglich sind die Aufzeichnungen zur Funktionsverlagerung zeitnah zu erstellen und es gilt die verkürzte Vorlagefrist von 30 Tagen.

11.474

Nach Ansicht der Finanzverwaltung gilt die Funktionsverlagerung in dem Jahr als verwirklicht, in dem das Verpflichtungsgeschäft1, also die Entscheidungsfindung abgeschlossen wurde. Diese Ansicht ist insbesondere in solchen Fällen problematisch, in denen sich eine Funktionsverlagerung über mehrere Jahre verwirklicht2 oder auf Anweisung einer ausländischen Muttergesellschaft vollzogen wird. Insofern ist jedoch im Hinblick auf die Erkennung von potentiellen Funktionsverlagerungstatbeständen ein entsprechendes steuerliches Monitoring ratsam, um die zeitnahe Dokumentation gewährleisten zu können.

11.475

Die Preisfindung für das übergehende Transferpaket muss regelmäßig auf Basis von Plandaten vollzogen werden.3 Daher empfiehlt sich alleine aus diesem Grund bereits eine zeitnahe Dokumentation, um möglichen steuerlichen Risiken und Sanktionsmöglichkeiten vorzubeugen (vgl. Rz. 11.409 ff.). Die Zusammenstellung von Plandaten und die Entwicklung einer entsprechenden Stichtagsbewertung anhand der zum Stichtag bekannten und bewertungsrelevanten Faktoren wird nachträglich – wenn überhaupt noch realisierbar – mit erheblichem Mehraufwand verbunden sein.4

11.476

Inhaltlich ergeben sich für die Dokumentation von Funktionsverlagerungen dem Grunde nach zwei Besonderheiten. Zum einen ist eine Beschreibung der Situation vor und nach der Verlagerung erforderlich ist.5 Dadurch entsteht für den Steuerpflichtigen ein nicht unerheblicher Mehraufwand. Ausgehend von einer Beschreibung der Situation vor der Verlagerung, der Durchführung einer entsprechenden Funktions- und Risikoanalyse und der Beschreibung der Wertschöpfungskette sollten insbesondere auch der Entscheidungsprozess und der wirtschaftliche Hintergrund der geplanten Umstrukturierung der Geschäftstätigkeit dargelegt 1 Vgl. BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341 - 1/05, BStBl. I 2005, 570 Rz. 3.4.8.2. 2 Vgl. Borstell/Wehnert in Vögele/Borstell/Engler, Verrechnungspreise3, Funktions- und Geschäftsverlagerung, Rz. 747. 3 Vgl. BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341 - 1/05, BStBl. I 2005, 570 Rz. 3.4.12.1. 4 Vgl. Nestler/Schaflitzel, BB 2011, 235 (236); Hervé/Stock, BC 2006, 229 (230). 5 Vgl. OECD-Leitlinien 2010, Rz. 9.11.

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E. Dokumentation

werden.1 Erst vor diesem Hintergrund kann die geplante Maßnahme von einem unabhängigen Dritten beurteilt werden. So kann sich durch die geänderte Aufgabenverteilung und den Übergang der wesentlichen Geschäftschancen und Risiken eine Änderung der Qualifizierung vom Entrepreneur zum Routineunternehmen ergeben, welche dem Grunde nach darzustellen ist. Unterstützend sollten die aufgeführten Szenarien in das wirtschaftliche Umfeld anhand von Markt- und Wettbewerbsanalysen eingebettet werden. Vor diesem Hintergrund kann anschließend eine Darstellung der anvisierten Zielstruktur erfolgen sowie die unterschiedlichen Handlungsalternativen dargestellt werden.2 Dabei sind die jeweiligen Bestandteile des Transferpakets zu benennen und zu beschreiben. Auch das entsprechende Vertragswerk sollte der Dokumentation beigefügt werden. Erst vor dem Hintergrund dieser Informationen kann das Vorliegen des Funktionsverlagerungstatbestands nach § 1 Abs. 3 Satz 9 AStG bzw. § 1 Abs. 2 FVerlV sinnvoll geprüft werden. Die Dokumentation des Verlagerungssachverhalts und die entsprechende Zusammenfassung der Ergebnisse in Bezug auf die Tatbestandsverwirklichung sollen für einen sachverständigen Dritten nachvollziehbar und vor dem Hintergrund der gesetzlichen Regelungen sachlogisch erscheinen.

11.477

Die andere wesentliche Besonderheit der Dokumentation von Funktionsverlagerungen dem Grunde nach ergibt sich daraus, dass zur Ermittlung des Einigungsbereichs regelmäßig auch Plandaten des aufnehmenden Unternehmens erforderlich sind (§ 1 Abs. 3 Satz 6 AStG).3 Folglich sollte der Steuerpflichtige darauf achten, dass entsprechender Schriftverkehr vorgelegt werden kann, der das ersthafte Bemühen hinsichtlich der Beschaffung von Beweismitteln aus dem Ausland belegt, sofern diese Unterlagen nicht vorgelegt werden können. Da das ausländische verbundene Unternehmen nicht zur Mitwirkung verpflichtet werden kann, sind insbesondere die Rechtsfolgen des § 162 Abs. 3 Satz 3 AO kritisch zu hinterfragen.4

11.478

Werden entsprechende Unterlagen nicht vorgelegt, sollten dennoch im Rahmen der Dokumentation entsprechende Annahmen über das wirtschaftliche Kalkül oder zumindest hinsichtlich der Nutzung des Transferpakets getroffen werden. Im Rahmen so einer Analyse kann sich durchaus herausstellen, dass es sich bei der geplanten Änderung um keine Funktionsverlagerung i.S. des § 1 Abs. 3 Satz 9 AStG handelt. Hierfür kommen insbesondere solche Geschäftsvorfälle in Betracht, bei denen es innerhalb einer Fünfjahresfrist zu keiner Einschränkung der inländischen Funktionsausübung durch die Aufnahme der Tätigkeit im Ausland kommt (Funktionsverdopplung) oder im Rahmen der Dokumentation glaubhaft gemacht werden kann, dass die Einschränkung nicht in unmittelbaren

11.479

1 2 3 4

Vgl. Freudenberg/Peters, BB 2008, 1424 (1429). Vgl. Freudenberg/Peters, BB 2008, 1424 (1429). Vgl. Zech, Verrechnungspreise und Funktionsverlagerungen 2009, 375. Vgl. Baumhoff/Ditz/Greinert, DStR 2007, 1461 (1467).

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Kap. 11: Geistiges Eigentum und Verrechnungspreise

wirtschaftlichen Zusammenhang mit der Funktionsverdopplung steht (§ 1 Abs. 6 FVerlV).

11.480

Eine weitere Konstellation, bei der es mangels Tatbestandsverwirklichung zu keiner Funktionsverlagerung kommt, sind Fälle, in denen sich die geplante Aufgabenverteilung als Routinetätigkeit gegenüber dem abgebenden Unternehmen darstellt, welche mittels Kostenaufschlagsmethode oder TNMM vergütet wird (zu Einzelheiten vgl. Rz. 11.336 ff.).1 In diesen Fällen werden regelmäßig gerade keine zur Funktion gehörenden Chancen und Risiken auf das aufnehmende Unternehmen übertragen. Dies ist im Rahmen der Funktions- und Risikoanalyse für die geplante Struktur zu dokumentieren.

11.481

Die gem. § 4 Nr. 2 GAufzV anzufertigende Liste der wesentlichen immateriellen Wirtschaftsgüter gewinnt im Rahmen der Dokumentation von Funktionsverlagerungen zusätzlich eine besondere Bedeutung. Die übertragenen immateriellen Wirtschaftsgüter bestimmen zum einen den Wert des Transferpakets oder auch die Summe der Einzelverrechnungspreise. Zum anderen sind sie Tatbestandsvoraussetzung für die Anwendung der Escape-Klauseln nach § 1 Abs. 3 Satz 10 AStG.2 Folglich hat die Auflistung erhebliche Auswirkung auf die Dokumentation der Höhe nach. Die Auflistung der übertragenden immateriellen Wirtschaftsgüter hat auch solche Werte zu erfassen, die sich bisher einer eigenständigen Bilanzierungsfähigkeit entzogen haben.3 b) Funktionsverlagerung der Höhe nach

11.482

Für die Dokumentation von Funktionsverlagerungen der Höhe nach gelten zunächst die allgemeinen Grundsätze. Hiernach hat der Steuerpflichtige die angewandte Verrechnungspreismethode darzustellen, deren Geeignetheit zu begründen und weitere Unterlagen über die Berechnung sowie entsprechende Vergleichsdaten vorzulegen (§ 4 Nr. 4 GAufzV). Dementsprechend muss auch im Rahmen der Funktionsverlagerung darauf abgestellt werden, wie der Verrechnungspreis ermittelt wurde. Dabei ist zu beachten, dass sich die Art der Preisermittlung maßgeblich aus den vorherigen Feststellungen bestimmt. So kann abweichend von der Transferpaketbetrachtung unter Anwendung einer der Escape-Klauseln oder mangels Tatbestandsverwirklichung die Einzelwertbetrachtung geeignet sein.

11.483

Die Dokumentation richtet sich grundsätzlich nach der in § 1 Abs. 3 AStG angelegten Methodenhierarchie. So sind im Fall von uneingeschränkten Vergleichswerten zunächst die sog. Standardmethoden anzuwenden (zu Einzelheiten vgl. Rz. 11.87 ff.). Allerdings wird es aus den dort aufgezeigten Gründen an vergleichbaren Daten für die besonderen immateriellen Wirtschaftsgüter fehlen. Die Einzelbewertung eröffnet jedoch insofern die Mög1 A.A. BMF v. 13.10.2010 – IV B 5- S 1341/08/1003, BStBl. I 2010, 774 Rz. 66 f. 2 Vgl. Zech, Verrechnungspreise und Funktionsverlagerungen 2009, 377. 3 Vgl. BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341 - 1/05, BStBl. I 2005, 570 Rz. 3.4.11.4.

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E. Dokumentation

lichkeit, zumindest für Bestandteile des Transferpakets eine Preisbestimmung anhand von Vergleichsdaten vorzunehmen und mit den entsprechenden Unterlagen (Rechnungen, Margenvergleiche etc.) zu dokumentieren. Liegen eingeschränkte Vergleichswerte i.S. des § 1 Abs. 3 Satz 2 AStG vor, wären grundsätzlich die gewinnorientierten Methoden anwendbar (zu Einzelheiten vgl. Rz. 11.87 ff.). Da Gewinnmargen aus der Veräußerung von immateriellen Wirtschaftsgütern jedoch regelmäßig nicht feststellbar sind, gestaltet sich die Anwendung von TNMM in der Praxis schwierig. Es verbleibt somit die Anwendung der Gewinnaufteilungsmethode, um die Angemessenheit zu dokumentieren. Da auch hierbei die Perspektive des übertragenden und des übernehmenden Unternehmens eingenommen werden muss und auf zukünftige Gewinne der beteiligten Unternehmen abgestellt wird, kann auf die nachfolgenden Ausführungen zum hypothetischen Fremdvergleich verwiesen werden.

11.484

Liegen keine eingeschränkten Vergleichswerte für das Transferpaket als Ganzes oder die verbleibenden Bestandteile des Pakets im Fall der Einzelbewertung vor, kommen andere geeignete Methoden bzw. der hypothetische Fremdvergleich zur Anwendung (§ 1 Abs. 3 Satz 5 AStG). Dabei wird eine Bewertung der Ertragskraft aus der übertragenden Funktion aus der Sicht des funktionsabgebenden Unternehmens sowie aus der Sicht des aufnehmenden Unternehmens erforderlich.

11.485

Wie bereits in Rz. 11.118 ff. erläutert, kann in der Praxis insbesondere auf die vom IDW entwickelten Methoden zu den kapitalwertorientierten Verfahren1 hinsichtlich der bilanziellen Bewertung von immateriellen Wirtschaftsgütern zurückgegriffen werden.2 Die Anwendung dieser alternativen Bewertungsmethoden geht dabei mit erhöhtem Dokumentationsaufwand einher.3 So ist im Rahmen der Geeignetheit der angewandten Verrechnungspreismethode zunächst darzulegen, warum eine Anwendung der vorrangigen Methoden nicht zielführend ist.

11.486

In der Betriebsprüfung kann es bei Abweichungen zwischen der geplanten Situation und den tatsächlichen Entwicklungen zu erheblichen Diskussionen kommen. Deshalb sollte der Fokus auf die Herleitung und Dokumentation von Planungsannahmen bereits zum Zeitpunkt der Verlagerung gelegt werden.4 Dabei sind jeweils die Perspektiven beider beteiligten Unternehmen zu berücksichtigen. In einem ersten Schritt ist die

11.487

1 Vgl. IDW S 5, Rz. 3.2. 2 Nach der hier vertretenen Auffassung sind für die Ermittlung fremdüblicher Verrechnungspreise lediglich kapitalwertorientierte Verfahren einschlägig (vgl. Rz. 11.118 ff.), daher wird nachfolgend nur auf die Dokumentation dieser eingegangen. Ebenso: BMF v. 13.10.2010 – IV B 5-S 1341/08/1003, BStBl. I 2010, 774 Rz. 87. 3 Vgl. Kroppen/Rasch/Eigelshofen, IWB 2007, Gruppe 1 Fach 3, 2215. 4 Vgl. Borstell/Wehnert in Vögele/Borstell/Engler, Verrechnungspreise3, Funktions- und Geschäftsverlagerung, Rz. 775; Freudenberg/Peters, BB 2008, 1424 (1429 f.).

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Kap. 11: Geistiges Eigentum und Verrechnungspreise

Zuordnung der zukünftigen finanziellen Überschüsse zu dokumentieren. Die hierfür angestellten Kalkulationen, Prognosen und Annahmen sowie das eingesetzte Verfahren (vgl. Rz. 11.118 ff.) und Handlungsalternativen müssen im Rahmen der Dokumentation nachvollziehbar dargelegt werden.

11.488

In diesem Zusammenhang ist auch eine Funktions- und Risikoanalyse jeweils vor und nach der Verlagerung durchzuführen und entsprechend zu dokumentieren. Ebenso sollte auf potentielle Standortvorteile oder Synergieeffekte eingegangen werden (§ 3 Abs. 2 FVerlV).1 Dabei ist zu beachten, dass auch die aus dem Transferpaket an sich erwachsenden Effekte berücksichtigt werden. Ist eine Einzelbewertung der Bestandteile des Transferpakets möglich, finden die dem Paket inhärenten Effekte und ausländische Standortvorteile und Synergieeffekte keine Berücksichtigung, da sich diese nicht in den stillen Reserven der Wirtschaftsgüter abbilden.2

11.489

Aus der Sicht des verlagernden Unternehmens sind zusätzlich zur Ermittlung des wegfallenden Gewinnpotentials auch gegebenenfalls anfallende Schließungskosten zu berücksichtigen (§ 7 Abs. 1 FVerlV). Für die Dokumentation sollten daher entsprechende Kostenvoranschläge oder innerbetriebliche Kalkulationen vorbereitet und beigefügt werden. Sollte der Liquidationswert als Preisuntergrenze des Zahlungsempfängers (§ 7 Abs. 2 FVerlV) oder eine Preisuntergrenze aus den zu erwartenden Verlusten zuzüglich Schließungskosten (§ 7 Abs. 3 FVerlV) Anwendung finden, sind die Gründe für diese Annahmen mit besonderer Sorgfalt darzulegen.3

11.490

Bei der Zuordnung von finanziellen Überschüssen geht die deutsche Finanzverwaltung grundsätzlich von einem unbegrenzten Kapitalisierungszeitraum aus (§ 6 FVerlV). Wie bereits dargelegt (vgl. Rz. 11.118 ff.), ist die Annahme eines unbegrenzten Kapitalisierungszeitraums jedoch in vielen Fällen nicht angebracht.4 Die Gründe für die Abweichung von dieser Annahme sind zu dokumentieren, beispielsweise durch Vorlage entsprechender Unterlagen (befristete Verträge, Studien zu Produktlebenszyklen etc.).

11.491

Die ermittelten finanziellen Überschüsse sind anschließend über den Kapitalisierungszeitraum mit einem angemessenem Kapitalisierungszinssatz zu diskontieren (§ 5 FVerlV). Die Höhe des angewandten Zinssatzes bestimmt maßgeblich den Wert der verlagerten Funktion.5 Für Zwecke der Dokumentation sollten daher die finanzwirtschaftlichen Überlegungen zur Ermittlung seiner Bestandteile (Basiszins und Risikoaufschlag) dargelegt werden. Dabei hat der Risikoaufschlag sowohl das funktionsspe1 Vgl. Freudenberg/Peters, BB 2009, 822. 2 Vgl. Borstell/Wehnert in Vögele/Borstell/Engler, Verrechnungspreise3, Funktions- und Geschäftsverlagerung, Rz. 115. 3 Vgl. Zech, Verrechnungspreise und Funktionsverlagerungen 2009, 381. 4 Vgl. Baumhoff/Ditz/Greinert, DStR 2007, 1651 (1653). 5 Vgl. Zech, Verrechnungspreise und Funktionsverlagerungen 2009, 383.

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E. Dokumentation

zifische Risiko als auch das der Kapitalstruktur abzudecken. Dementsprechend müssen die im Rahmen der Sachverhaltsdokumentation gemachten Angaben (Markt- und Wettbewerbsverhältnisse, Wertschöpfungsbeiträge und übernommene Risiken) aufgegriffen und deren Auswirkung auf den angewandten Zinssatz dargelegt werden.1 Nach § 1 Abs. 3 Satz 11 AStG wird in den Fällen des hypothetischen Fremdvergleichs auf Grund der bestehenden Unsicherheiten widerlegbar angenommen, dass fremde Dritte eine Preisanpassungsklausel2 vereinbart hätten. Sollte eine solche Anpassungsklausel nicht vereinbart worden sein, sind die Gründe dafür im Rahmen der Dokumentation aufzuzeigen. Da im Rahmen einer Betriebsprüfung jedoch bereits auf die tatsächliche Gewinnentwicklung abgestellt werden kann, ist die vertragliche Vereinbarung von Preisanpassungsmechanismen im Vorhinein stets ratsam und kann Nachweisproblemen vorbeugen.3

11.492

Da eine abweichende Gewinnentwicklung auch zu Gunsten des Steuerpflichtigen entstehen kann, für dessen Korrektur § 1 Abs. 1 AStG keine Rechtsgrundlage bietet,4 ist auch aus diesem Grund eine Anpassungsvereinbarung empfehlenswert. Sollte nachträglich eine Preisanpassung zu Gunsten des Steuerpflichtigen vorgenommen werden, sind die Gründe anhand der tatsächlichen Gewinnentwicklung der übertragenden Funktion in die Dokumentation aufzunehmen.

11.493

Zu beachten ist bei der Dokumentation von Funktionsverlagerungen, dass die veränderten konzerninternen Abläufe typischerweise zu neuen grenzüberschreitenden Transaktionen mit verändertem Funktions- und Risikoprofil der beteiligten Unternehmen führen. Ebenso kann es sein, dass auf Grund der Verlagerung von betrieblichen Tätigkeiten völlig neue Transaktionen entstehen. Diese unterliegen dann erneut den allgemeinen Dokumentationsanforderungen.

11.494

1 Vgl. IDW S 1, Rz. 91. 2 Vgl. BMF v. 13.10.2010 – IV B 5- S 1341/08/1003, BStBl. I 2010, 774 Rz 135. 3 Vgl. Borstell/Wehnert in Vögele/Borstell/Engler, Verrechnungspreise3, Funktions- und Geschäftsverlagerung, Rz. 589. 4 Vgl. Borstell/Wehnert in Vögele/Borstell/Engler, Verrechnungspreise3, Funktions- und Geschäftsverlagerung, Rz. 627.

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Kapitel 12 Geistiges Eigentum und Hinzurechnungsbesteuerung Literatur Baumhoff/Greinert, Angemessene Lizenzsätze bei grenzüberschreitenden Funktionsverlagerungen, Ubg 2009, 544; Bellstedt, Beteiligungen an ausländischen „Zwischengesellschaften“ nach dem Außensteuergesetz-Entwurf, FR 1972, 242; Blümich, EStG KStG GewStG, Kommentar, Loseblatt, München; Brinkmann/Maier/Brandstätter, Forschung und Entwicklung – Steueroptimierung durch Nutzung ausländischer Steueranreize, IStR 2009, 563; Brombach-Krüger, Treaty Override aus europarechtlicher und verfassungsrechtlicher Sicht, Ubg 2008, 324; Bron, Das Treaty Override im deutschen Steuerrecht vor dem Hintergrund aktueller Entwicklungen, IStR 2007, 431; Debatin/Wassermeyer, Doppelbesteuerung, Kommentar, Loseblatt, München; Dörr/Fehling, Änderung des § 42 AO – Nach weitgehenden Reformplänen doch nur maßvolle Änderung durch das Jahressteuergesetz 2008, NWB 2008, F. 2, 9671; Erle/Sauter, Heidelberger Kommentar zum Körperschaftsteuergesetz: Die Besteuerung der Kapitalgesellschaft und ihrer Anteilseigner, 3. Aufl., Heidelberg 2010; Europäische Kommission, Taxation Trends in the European Union, Luxemburg 2011; Fischer, Überlegungen zu § 42 AO i.d.F. des JStG 2008, FR 2008, 306; Flick, Vereinbarkeit des Steuerfluchtgesetzes mit den DBA, BB 1971, 250; Flick/Wassermeyer/Baumhoff/Schönfeld, Außensteuerrecht, Kommentar, Loseblatt, Köln; Gehriger/Harbeke, Schweiz: Lizenzbox (Kanton Nidwalden), IStR-LB 3/2011, 18; Goebel/Palm, Der Motivtest – Rettungsanker der deutschen Hinzurechnungsbesteuerung?, IStR 2007, 720; Gosch, Die Zwischengesellschaft nach „Hilversum I und II“, „Cadbury Schweppes“ und den Jahressteuergesetzen 2007 und 2008, in: Kirchhof, Paul (Hrsg.), Festschrift für Wolfram Reiss zum 65. Geburtstag, Köln 2008, 597; Greinert, Steuerliche Besonderheiten bei der Bewertung immaterieller Wirtschaftsgüter im Rahmen von grenzüberschreitenden Transaktionen im Konzern, Ubg 2010, 101; Großfeld, Basisgesellschaften im internationalen Steuerrecht, Tübingen 1974; Grotherr, International relevante Änderungen 2008 im Außensteuergesetz und in der AO, IWB 2008, F. 3 Gr. 1, 2259; Glanegger/Güroff, Gewerbesteuergesetz, Kommentar, 7. Aufl., München 2009; Haase, Die Verpflichtung zum Steuerabzug nach § 50a Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG bei Outbound-Lizenzvergütungen, INF 2006, 741; Haase, Außensteuergesetz Doppelbesteuerungsabkommen, Heidelberg 2009; Hahn, Das ICI-Urteil des EuGH und die Hinzurechnungsbesteuerung gemäß §§ 7 ff. AStG, IStR 1999, 609; Hahn, Erläuterungen und legislatorische Überlegungen zur EuGH-Entscheidung in der Rechtssache Cadbury Schweppes, DStZ 2007, 201; Hammerschmitt/Rehfeld, Gemeinschaftsrechtliche Bezüge der Änderungen des AStG durch das UntStRefG 2008 und das JStG 2008, IWB 2008, F. 3 Gr. 1, 2293; Lademann, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, Loseblatt, Stuttgart; Lang, CFC-Regelungen und Doppelbesteuerungsabkommen, IStR 2002, 717; Kluge, AStG und DBA, RIW/AWD 1975, 530; Köhler/Eicker, Kritische Anmerkungen zum BMF-Schreiben „Cadbury Schweppes“ vom 8.1.2007, DStR 2007, 331; Köhler/Haun, Kritische Analyse der Änderungen der Hinzurechnungsbesteuerung durch das JStG 2008, Ubg 2008, 73; Köplin/Sedemund, Das BMF-Schreiben vom 8.1.2007 – untauglich, die EG-Rechtswidrigkeit der deutschen Hinzurechnungsbesteuerung nach Cadbury Schweppes zu beseitigen!, BB 2007, 244; Korn, Einkommensteuergesetz, Kommentar, Loseblatt, Bonn; Kraft, AStG, München 2009; Kraft, Konzeptionelle und strukturelle Defizite der Hinzurechnungsbesteuerung – Reformbedarf und Reformnotwendigkeit, IStR 2010, 377; Kraft/Bron, Deutsche Hinzurechnungsbesteuerung und Europarecht – Eine Analyse vor dem Hintergrund aktueller Entwicklungen, RIW 2006, 209; Kraft/ Bron, Implikationen des Urteils in der Rechtssache „Cadbury Schweppes“ für die Fortexistenz der deutschen Hinzurechnungsbesteuerung, IStR 2006, 614; Lieber/

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Kap. 12: Geistiges Eigentum und Hinzurechnungsbesteuerung

Rasch, Mögliche Konsequenzen der Rechtssache „Cadbury Schweppes“ für die deutsche Hinzurechnungsbesteuerung, GmbHR 2004, 1572; Mack/Wollweber, § 42 AO – Viel Lärm um nichts?, DStR 2008, 182; Micker, Gemeinschaftswidrige Missbrauchsbekämpfung im deutschen Außensteuerrecht, StBW 2010, 323; Mihm, BB-Kurzkommentar zu BFH v. 7.9.2005 – I R 118/04, BB 2005, 2670; Mössner/Fuhrmann, AStG, 2. Aufl., Herne 2011; Muntendam/Chiarella, New Luxembourg Tax Regime for Intellectual Property Income, ET 2008, 223; Nijhof/Kloes, An Improved Tax Regime for Intangibles in the Netherlands, TNI 2010, 69; Rehfeld, Die Vereinbarkeit des Außensteuergesetzes mit den Grundfreiheiten des EG-Vertrages, Frankfurt am Main et. al. 2008; Rödder, Ist der Hinzurechnungsbetrag gewerbesteuerpflichtig?, IStR 2009, 873; Ruf/Wohlfahrt, Gewerbesteuerliche Folgen der Hinzurechnungsbesteuerung, Ubg 2009, 496; Schaumburg, Internationales Steuerrecht, 3. Aufl., Köln 2011; Schaumburg/Rödder, Unternehmensteuerreform 2008, München 2007; Scheidle, Die funktionale Betrachtungsweise des AStG in der Bewährungsprobe, IStR 2007, 287; Scherer, Doppelbesteuerung und Europäisches Gemeinschaftsrecht, Auswirkungen des Gemeinschaftsrechts auf die Anwendung der Doppelbesteuerungsabkommen und des Außensteuerrechts, München 1995; Scheunemann/Dennisen, Steuerliche Strukturierung von Forschung und Entwicklung im internationalen Konzern, DB 2010, 408; Schmidt (Hrsg.), Einkommensteuergesetz, 30. Aufl., München 2011; Schmidt/Schwind, Ausgewählte Änderungen des AStG durch das JStG 2008 – Reaktion auf die Rechtsprechung von EuGH und BFH, IWB 2008, F. 2, 9713; Schnitger, Änderungen der grenzüberschreitenden Unternehmensbesteuerung sowie des § 42 AO durch das geplante Jahressteuergesetz 2008 (JStG 2008), IStR 2007, 729; Schnitger, Die Niederlande als Niedrigsteuerland i.S. des § 8 Abs. 3 AStG und die gewerbesteuerliche Kürzung des Hinzurechnungsbetrags, IStR 2011, 328; Schön, Hinzurechnungsbesteuerung und Europäisches Gemeinschaftsrecht, DB 2001, 940; Schönfeld, Verweist § 8 Abs. 1 KStG auch auf § 3 Nr. 41 EStG (Steuerbefreiung von Ausschüttungen ausländischer Zwischengesellschaften)?, DStR 2006, 1216; Schönfeld, Erklärungspflicht trotz „Cadbury-Schutz“ in der Gestalt des § 8 Abs. 2 AStG – zu den Problemen im Zusammenhang mit der Anwendung des neuen § 18 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 2 AStG, IStR 2008, 763; Sedemund, Europarechtliche Bedenken gegen den neuen § 8 Abs. 2 AStG, BB 2008, 696; Sieker, Zur Beachtung des Fremdvergleichsgrundsatzes gemäß § 8 Abs. 2 Satz 5 AStG, IStR 2009, 341; Strunk/Kaminski/Köhler, Außensteuergesetz Doppelbesteuerungsabkommen, Kommentar, Loseblatt, Bonn; Thiele, Hinzurechnungsbesteuerung und Unionsrecht, Hamburg 2011; Tipke/Lang, Steuerrecht, 20. Aufl., Köln 2010; Vogel, Aktuelle Fragen des Außensteuerrechts, insbesondere des „Steueroasengesetzes“ unter Berücksichtigung des neuen Doppelbesteuerungsabkommens mit der Schweiz, BB 1971, 1185; Vogel, Schwerpunkte des Außensteuerreformgesetzes in Verbindung mit dem deutsch-schweizerischen Doppelbesteuerungsabkommen, DB 1972, 1402; Vogel/Lehner, Doppelbesteuerungsabkommen der Bundesrepublik Deutschland auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und Vermögen – Kommentar auf der Grundlage der Musterabkommen, 5. Aufl., München 2008; Wassermeyer/Schönfeld, Die Niedrigbesteuerung i.S. des § 8 Abs. 3 AStG vor dem Hintergrund eines inländischen KSt-Satzes von 15 %, IStR 2008, 496; Wienbracke, Die Genese fiskalischen Misstrauens – Von § 5 RAO 1919 zu § 42 AO i.d.F. des JStG 2008, DB 2008, 664; Winkeljohann/Weihmann, Finanzierungseinkünfte in Belgien und den Niederlanden aus Sicht deutscher Unternehmen, Ubg 2008, 161; Wöhrle/Schelle/Gross, Außensteuergesetz: Kommentar, Loseblatt, Stuttgart.

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A. Einführung

A. Einführung I. Überblick Eine Auseinandersetzung mit der Fragestellung immaterielle Wirtschaftsgüter und Hinzurechnungsbesteuerung ist immer dann erforderlich, wenn unter Verwendung von immateriellen Wirtschaftsgütern niedrigbesteuerte, passive Einkünfte erwirtschaftet werden. Zur Bestimmung der passiven Einkünfte geht das Gesetz prinzipiell tätigkeitsbezogen vor, indem in § 8 Abs. 1 AStG diejenigen Tätigkeiten einer ausländischen Gesellschaft aufgelistet sind, die zu aktiven Einkünften führen. Alle anderen Tätigkeiten bzw. die Einkünfte daraus gelten dagegen als passiv. Immaterielle Wirtschaftsgüter können für eigene Zwecke eingesetzt oder anderen zur Nutzung überlassen werden. Im Fall der Nutzung für eigene Zwecke ist für die Beurteilung, ob passive Einkünfte generiert werden, auf die Tätigkeit abzustellen, der der Einsatz des immateriellen Wirtschaftsguts dient. Insofern kann dieser Einsatz sowohl zu passiven als auch zu aktiven (unschädlichen) Einkünften führen. Die Überlassung eines immateriellen Wirtschaftsguts an andere ist hingegen grundsätzlich eine Tätigkeit, die zu passiven Einkünften führt, es sei denn, spezifische Aktivitäten für die Schaffung des immateriellen Wirtschaftsguts können nachgewiesen werden (§ 8 Abs. 1 Nr. 6 Buchst. a AStG).

12.1

Eine ausländische Gesellschaft kann mehreren Tätigkeiten i.S. des § 8 Abs. 1 AStG nachgehen. So ist es im Konzern nicht selten, dass eine Gesellschaft eine produzierende Tätigkeit ausübt und dabei Marken und Patente einsetzt, gleichzeitig aber die Rechte an der Marke und/oder dem Patent auch anderen Konzernunternehmen zur Nutzung überlässt. Vor dem Hintergrund der Hinzurechnungsbesteuerung sind die beiden Tätigkeiten – Produktion unter Nutzung von immateriellen Wirtschaftsgütern einerseits und Nutzungsüberlassung von immateriellen Wirtschaftsgütern andererseits – getrennt voneinander zu würdigen. Die Produktion von Gütern ist grundsätzlich eine aktive Tätigkeit i.S. des § 8 Abs. 1 Nr. 2 AStG und führt auch bei Einsatz von immateriellen Wirtschaftsgütern nicht zur Hinzurechnungsbesteuerung. Nichtsdestotrotz können die Einkünfte aus der Überlassung immaterieller Wirtschaftsgüter an andere Konzernunternehmen zu einer Hinzurechnungsbesteuerung – begrenzt auf diese Einkünfte – führen.

12.2

Im speziellen Fall der IP-Verwertungsgesellschaft ist zwischen solchen ohne und mit eigenen Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten zu unterscheiden. In IP-Verwertungsgesellschaften im engeren Sinne werden die aus den Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten anderer Konzerngesellschaften resultierenden immateriellen Wirtschaftsgüter und deren Verwertung gebündelt. Passive Einkünfte aus diesen Gesellschaften unterliegen nur dann nicht der Hinzurechnungsbesteuerung, wenn die Gesellschaft im EU-/EWR-Raum ansässig ist und dort einer tatsächlichen wirtschaftlichen Tätigkeit nachgeht (zum sog. Gegenbeweis gemäß § 8

12.3

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Kap. 12: Geistiges Eigentum und Hinzurechnungsbesteuerung

Abs. 2 AStG vgl. Rz. 12.58 ff.). IP-Verwertungsgesellschaften im weiteren Sinne übernehmen auch eigene Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten. Neben dem Gegenbeweis haben diese Gesellschaften auch die Möglichkeit des Entlastungsbeweises (Rz. 12.33 ff.), um der Hinzurechnungsbesteuerung zu entkommen.

12.4

Ziel einer Bündelung von immateriellen Wirtschaftsgütern in einer IP-Verwertungsgesellschaft ist die optimale Nutzung der vorhandenen Ressourcen. Da immaterielle Wirtschaftsgüter in keiner Weise örtlich gebunden sind, ist das steuerliche Umfeld im potentiellen Sitzstaat ein wichtiges Kriterium der Standortwahl für IP-Verwertungsgesellschaften. Vergleichsweise niedrige Steuersätze haben daher eine große Attraktivkraft.

12.5

Darüber hinaus haben einige EU-Mitgliedstaaten eine breitenwirksame steuerliche Förderung von Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten implementiert (Deutschland setzt auf die direkte Förderung ausgewählter Projekte). Die Fördermaßnahmen reichen dabei von der Reduzierung der steuerlichen Bemessungsgrundlage (durch erhöhten/fiktiven Betriebsausgabenabzug, Investitionsfreibetrag, Sonderabschreibungen) über die Gewährung von verrechenbaren/auszahlbaren Steuergutschriften bis hin zu reduzierten Steuersätzen und teilweisen Steuerfreistellungen für bestimmte Erträge.1 Oft werden die verschiedenen Steueranreize auch kombiniert. Im Ergebnis bewirken diese Maßnahmen eine Reduzierung der effektiven Steuersätze für Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten. Beispielhaft sei auf unsere unmittelbaren Nachbarn Niederlande2, Belgien3, Frankreich4, Luxemburg5 und die Schweiz6 hingewiesen. Aufgrund ihrer breitenwirksamen steuerlichen Förderung von Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten sind sie durchaus attraktive Sitzstaaten von IP-Verwer1 Scheunemann/Dennisen, DB 2010, 408 m.w.N. 2 Die Niederlande hat eine sog. Innovation Box geschaffen, deren Einkünfte z.T. einem effektiven Steuersatz von 5 % unterliegen. Vgl. dazu u.a. Nijhof/Kloes, TNI 2010, 69; Scheunemann/Dennisen, DB 2010, 408 (410). 3 In Belgien kann der Steuerpflichtige seine Bemessungsgrundlage mittels eines Investment-Abzugs mindern oder eine entsprechende Steuergutschrift erhalten. Darüber hinaus sind in Belgien Lizenzeinkünfte aus Patenten zu 80 % von der Steuer befreit. Vgl. dazu u.a. Scheunemann/Dennisen, DB 2010, 408 (409 f.). 4 Frankreich gewährt neben dem allgemeinen Betriebsausgabenabzug für Forschungs- und Entwicklungsaufwendungen Steuergutschriften, die von 5–50 % der Aufwendungen variieren können. Daneben unterliegen Lizenzeinnahmen einem ermäßigten Steuersatz (15,5 % inkl. Zuschlag). Vgl. dazu u.a. Scheunemann/Dennisen, DB 2010, 408 (409); Brinkmann/Maier/Brandstätter, IStR 2009, 563 (564 f.). 5 In Luxemburg werden 80 % der Einkünfte aus der Verwertung von IP von der Steuer freigestellt. Vgl. u.a. Muntendam/Chiarella, ET 2008, 223. 6 Per 1.1.2011 hat der Schweizer Kanton Nidwalden eine sog. Lizenzbox geschaffen, deren Einkünfte mit einem privilegierten kantonalen Steuersatz von derzeit einem Fünftel von 6 % (Gesamtsteuerbelastung ca. 8,84 %) besteuert werden. Die Begriff der priviligierten „Lizenz“-Erträge ist im Vergleich zu anderen Lizenzbox-Besteuerungsregimen sehr weit gefasst. Vgl. u.a. Gehriger/Harbeke, IStR-LB 3/2011, 18.

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A. Einführung

tungsgesellschaften. Verstärkt wird diese Wirkung noch, wenn der nominale Steuersatz vergleichsweise niedrig ist. Mit der Einführung der Hinzurechnungsbesteuerung 1972 sollten die nach Auffassung des deutschen Gesetzgebers ungerechtfertigten Steuervorteile beseitigt werden, die unbeschränkt Steuerpflichtige durch die Verlagerung von Besteuerungssubstrat in niedrig besteuerte, ausländische Kapitalgesellschaften erzielen können.1 Durch die niedrige Besteuerung im Ausland und die Abschirmwirkung juristischer Personen werden starke Anreize für eine Thesaurierung der Unternehmensgewinne gesetzt. Letztere werden damit auf unbestimmte Zeit der deutschen Besteuerung entzogen, weil das deutsche Besteuerungsrecht grundsätzlich erst bei der Ausschüttung an unbeschränkt steuerpflichtige Anteilseigner zum Tragen kommt. Um diesem Steuerstundungsvorteil zu begegnen, fingieren die Vorschriften der Hinzurechnungsbesteuerung eine zeitnahe Ausschüttung der Gewinne an die Anteilseigner. Entsprechend wurde als Ziel der Hinzurechnungsbesteuerung die Missbrauchsabwehr propagiert.2

12.6

Grundsätzlich kommt die Hinzurechnungsbesteuerung gemäß §§ 7 ff. AStG zur Anwendung, wenn – eine ausländische Körperschaft (§ 7 Abs. 1 AStG; Rz. 12.19 ff.), – von Inländern beherrscht ist, – d.h. in Deutschland unbeschränkt oder erweitert beschränkt Steuerpflichtige sind gemäß § 7 Abs. 1, 2 AStG unmittelbar oder mittelbar zu mehr als 50 % an der ausländischen Gesellschaft beteiligt (Rz. 12.19 ff.), – passive Einkünfte i.S. von § 8 Abs. 1 AStG erzielt, wobei die Einkünfte aus der Überlassung von immateriellen Wirtschaftsgütern passiv i.S. des § 8 Abs. 1 Nr. 6 Buchst. a AStG sind (Rz. 12.24 ff.), sofern diese nicht nachweislich aus der Auswertung eigener Forschungs- und Entwicklungsarbeit resultieren (Rz. 12.33 ff.), und – diese Einkünfte i.S. von § 8 Abs. 3 AStG niedrig besteuert sind, wenn also die Einkünfte der ausländischen Gesellschaft ertragsteuerlich mit weniger als 25 % belastet werden (Rz. 12.49 ff.).

12.7

Die deutschen Vorschriften der Hinzurechnungsbesteuerung standen schon frühzeitig im Verdacht, europarechtswidrig zu sein.3 Nach dem Urteil des EuGH in der Rs. Cadbury Schweppes4 konnte auch der deutsche

12.8

1 Leitsätze der Bundesregierung v. 17.12.1970, abgedruckt in F/W/B, § 7 AStG; bestätigt durch BR-Drucks. 544/07, 122. 2 Ausführlich zu den Zielen der Hinzurechnungsbesteuerung Thiele, Hinzurechnungsbesteuerung und Unionsrecht, 7 f. 3 So bereits Hahn, IStR 1999, 609. 4 EuGH v. 12.9.2006 – Rs. C-196/04 (Cadbury Schweppes), EuGHE 2006, I-7995. In dieser Rechtssache wurden die britischen Vorschriften der Hinzurechnungsbesteuerung geprüft. Da die britischen Vorschriften den deutschen Vorschriften weitgehend ähneln, können die Vorgaben aus der Rs. Cadbury Schweppes auf das deutsche Recht übertragen werden. Ein Vergleich der Vorschriften findet sich beispielsweise bei Kraft/Bron, IStR 2006, 614 (618 f.).

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Kap. 12: Geistiges Eigentum und Hinzurechnungsbesteuerung

Gesetzgeber daran keine Zweifel mehr haben.1 Mit der Einführung des sog. Gegenbeweises in § 8 Abs. 2 AStG durch das JStG 20082 sollten die deutschen Vorschriften der Hinzurechnungsbesteuerung daher unionsrechtskonform ausgestaltet werden. Kann der Steuerpflichtige einen solchen Gegenbeweis gemäß § 8 Abs. 2 AStG erbringen, kommen die Rechtsfolgen der Hinzurechnungsbesteuerung trotz Vorliegen der vorstehend genannten Tatbestandsvoraussetzungen nicht zur Anwendung. Die Exkulpationsmöglichkeit besteht allerdings nur, soweit eine inländisch beherrschte Gesellschaft ihren Sitz oder ihre Geschäftsleitung in einem EU-/EWR-Staat hat und sie dort nachweislich eine tatsächliche wirtschaftliche Tätigkeit ausübt (Rz. 12.58 ff.).

12.9

Liegen die Tatbestandsvoraussetzungen der Hinzurechnungsbesteuerung vor und kann der Gegenbeweis gemäß § 8 Abs. 2 AStG nicht geführt werden, so ist der Steuerpflichtige gemäß § 7 Abs. 1 AStG mit dem Teil der passiven Einkünfte steuerpflichtig, der auf seine Beteiligung am Nennkapital der ausländischen Gesellschaft entfällt. Dazu ist ein sog. Hinzurechnungsbetrag zu ermitteln (§ 10 Abs. 1, 3, 4 AStG). Der Hinzurechnungsbetrag gehört bei dem unbeschränkt steuerpflichtigen Gesellschafter zu den Einkünften aus Kapitalvermögen i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG und gilt unmittelbar nach Ablauf des Wirtschaftsjahrs der ausländischen Gesellschaft beim Steuerpflichtigen als zugeflossen (§ 10 Abs. 2 Satz 1 AStG). Auf Ebene des Steuerpflichtigen sind trotz dieser Dividendenfiktion die für Dividendeneinkünfte vorgesehenen Befreiungen bzw. speziellen Steuersätze (§§ 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. d, 32d EStG, § 8b KStG) nicht anwendbar (§ 10 Abs. 2 Satz 3 AStG). Vielmehr geht der Hinzurechnungsbetrag vollständig in die Bemessungsgrundlage ein. Neben der Einkommen- und Körperschaftsteuer sind die gewerbesteuerlichen Konsequenzen einer Hinzurechnungsbesteuerung zu bedenken.

II. Rechtliche Bedenken gegen die Hinzurechnungsbesteuerung 12.10

Auch nach der Einführung der Gegenbeweismöglichkeit des § 8 Abs. 2 AStG bestehen gegenüber den deutschen Vorschriften der Hinzurechnungsbesteuerung erhebliche unionsrechtliche Vorbehalte. Diese entzünden sich zum einen an der sehr selektiven Umsetzung der unionsrechtlichen Vorgaben aus der Entscheidung des EuGH in der Rs. Cadbury Schweppes.3 Zum anderen steht die unionsrechtliche Zulässigkeit der gesamten Konzeption der deutschen Hinzurechnungsbesteuerung in Frage (Rz. 12.104 ff.).

12.11

In der älteren Literatur wurden zudem verfassungsrechtliche4 und völkerrechtliche5 Bedenken gegenüber der Hinzurechnungsbesteuerung geäu1 2 3 4 5

Statt vieler Kraft/Bron, IStR 2006, 614 (618 ff.). BGBl. I 2007, 3150. EuGH v. 12.9.2006 – Rs. C-196/04 (Cadbury Schweppes), EuGHE 2006, I-7995. Vogel, BB 1971, 1185; Vogel, DB 1972, 1402. Großfeld, Basisgesellschaften im internationalen Steuerrecht, 180; Flick, BB 1971, 250; Kluge, RIW/AWD 1975, 530.

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A. Einführung

ßert. Ob die Vorschriften der Hinzurechnungsbesteuerung verfassungskonform sind, ist nicht abschließend geklärt. Regelmäßig wird jedoch auf die Notwendigkeit einer restriktive Auslegung der Vorschriften zur Wahrung der Verfassungskonformität hingewiesen.1 Auf eine Analyse dieser Vorbehalte soll allerdings an dieser Stelle verzichtet werden. Auch bezüglich der völkerrechtlichen Bedenken sei auf die einschlägige Kommentarliteratur verwiesen.2

III. Verhältnis der Hinzurechnungsbesteuerung zu anderen Normen 1. Verhältnis zu § 42 AO § 42 AO wurde ebenfalls mit dem JStG 20083 neu gefasst. § 42 Abs. 1 Satz 2 AO enthält eine explizite Regelung des Konkurrenzverhältnisses zwischen allgemeinen und speziellen Missbrauchsverhinderungsvorschriften. Danach gehen die speziellen Vorschriften dem allgemeinen § 42 AO vor. Die Vorschriften der Hinzurechnungsbesteuerung sind solche speziellen Missbrauchsverhinderungsnormen. Sind die Tatbestandsvoraussetzungen der Hinzurechnungsbesteuerung erfüllt, scheidet eine Anwendung des § 42 AO somit in jedem Fall aus.4 Fraglich ist jedoch, ob die Anwendung des § 42 AO ebenso ausgeschlossen ist, wenn die Vorschriften der Hinzurechnungsbesteuerung zwar prinzipiell anwendbar sind, aber ihre Tatbestandsmerkmale nicht erfüllt sind. In gefestigter Rechtsprechung zu § 42 AO a.F. hat der BFH entschieden, dass bei der Beurteilung, ob ein Missbrauch i.S. des § 42 AO vorliegt, der Gesetzeszweck der §§ 7–14 AStG zu berücksichtigen ist (sog. Wertungsvorrang der speziellen Norm).5 Deshalb kann der Umstand, dass eine Gestaltung nach den Vorschriften der Hinzurechnungsbesteuerung zu werten ist, allein nicht dazu führen, dass diese als missbräuchlich i.S. des § 42 AO eingestuft wird. Vielmehr müssen weitere Faktoren hinzutreten. Somit konnten in einem Fall, in dem die Normen der Hinzurechnungsbesteuerung grundsätzlich zu prüfen waren, die Rechtsfolgen des § 42 AO nicht ausgelöst werden. Obwohl der Gesetzgeber mit der Neufassung des § 42 Abs. 1 Satz 2 AO dieser BFH-Rechtsprechung zum Wertungsvorrang begegnen wollte, wird in der Literatur davon ausgegangen, dass der Gesetzgeber dieses Ziel nicht erreicht hat. Auch gemäß § 42 AO n.F. gilt, dass die grundsätzliche Anwendbarkeit der Hinzurechnungsbesteuerung eine 1 Wassermeyer in F/W/B, Vor §§ 7–14 AStG Rz. 72; Köhler in S/K/K, Vor §§ 7–14 AStG Rz. 74. 2 Wassermeyer in F/W/B, Vor §§ 7–14 AStG Rz. 76 f.; Köhler in S/K/K, Vor §§ 7–14 AStG Rz. 74. 3 JStG 2008 v. 20.12.2007, BGBl. I 2007, 3150. 4 Köhler in S/K/K, Vor §§ 7–14 AStG Rz. 65.1. 5 BFH v. 23.10.1991 – I R 40/89, BStBl. II 1992, 1026; v. 10.6.1992 – I R 105/89, BStBl. II 1992, 1029; v. 19.1.2000 – I R 94/97, BStBl. II 2001, 222; v. 20.3.2002 – I R 63/99, BStBl. II 2003, 50; v. 25.2.2004 – I R 42/02, BStBl. II 2005, 14; v. 7.9.2005 – I R 118/04, BStBl. II 2006, 537.

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12.12

Kap. 12: Geistiges Eigentum und Hinzurechnungsbesteuerung

Wertung als missbräuchliche Gestaltung i.S. des § 42 AO „versperrt“.1 § 42 AO kann daher weiterhin nicht dazu dienen, im Rahmen der §§ 7 ff. AStG verbliebene Lücken zu schließen.2

12.13

Aufgrund der Einführung des Gegenbeweises gemäß § 8 Abs. 2 AStG wird diskutiert, welche Konsequenzen die Erbringung desselben für das Konkurrenzverhältnis hat. Wird der Gegenbeweis erfolgreich geführt, werden die Rechtsfolgen der Hinzurechnungsbesteuerung nicht ausgelöst. Da die Hinzurechnungsbesteuerung somit nicht zur Anwendung kommt, ist fraglich, ob die Anwendung des § 42 AO tatsächlich ausgeschlossen ist. Letztlich ist diese Frage aber wiederum vor dem Hintergrund des Wertungsvorrangs der speziellen Vorschrift zu beantworten, so dass die Rechtsfolgen des § 42 AO nicht ausgelöst werden können. Diese Argumentation wird noch durch die Funktionsweise der Exkulpationsmöglichkeit erhärtet. Systematisch müssen nämlich zunächst die Tatbestandsvoraussetzungen des § 7 Abs. 1 AStG erfüllt werden, bevor die Möglichkeit des Gegenbeweises gegeben ist. Zudem stellt der Wortlaut des § 42 Abs. 1 Satz 2 AO explizit auf den „Tatbestand“ der Regelung ab. Im Ergebnis muss daher die Anwendung des § 42 AO auch bei Erbringung des Gegenbeweises ausgeschlossen bleiben.3 2. Verhältnis zu § 1 AStG

12.14

In § 1 AStG ist die Berichtigung von Einkünften geregelt, wenn ein Steuerpflichtiger seine Einkünfte aus einer Geschäftsbeziehung zum Ausland mit einer nahestehenden Person durch die Vereinbarung unangemessener (Verrechnungs-)Preise mindert. Berührungspunkte zu den in Kapitel 11 dargestellten Verrechnungspreisaspekten und den Vorschriften der Hinzurechnungsbesteuerung ergeben sich an mehreren Stellen. Dabei ist zwischen dem Transfer von immateriellen Wirtschaftsgütern in die ausländische Gesellschaft, den Geschäftsbeziehungen zwischen dem deutschen Anteilseigner und der ausländischen Gesellschaft und der Wirkung des § 1 AStG bei der Anwendung der Vorschriften der Hinzurechnungsbesteuerung zu unterscheiden. Die einzelnen Vorgänge der Übertragung von immateriellen Wirtschaftsgütern in eine ausländische Gesellschaft sind auf ihre Angemessenheit i.S. von § 1 Abs. 1 AStG zu prüfen (Rz. 11.118 ff.).4 Werden nicht nur immaterielle Wirtschaftsgüter, sondern eine ganze Funktion mitsamt ihrer Chancen und Risiken übertragen bzw. zur Nutzung überlassen, kann dieser Vorgang im Ganzen die sog. Funktionsverlagerungsbesteuerung gemäß § 1 Abs. 3 Sätze 9 ff. AStG auslösen (Rz. 11.307 ff.).5 1 Dörr/Fehling, NWB 2008, F. 2, 9671 (9675); Wienbracke, DB 2008, 664 (669); Mack/Wollweber, DStR 2008, 182 (186); Fischer, FR 2008, 306 (310). 2 So zu § 42 AO a.F. Mihm, BB 2005, 2670. 3 Köhler in S/K/K, Vor §§ 7–14 AStG Rz. 65.1 sowie § 7 AStG Rz. 15; Mössner/ Post in Mössner/Fuhrmann2, Vorbemerkungen zu §§ 7–14 AStG Rz. 101. 4 Zur steuerlichen Bewertung immaterieller Wirtschaftsgüter vgl. Greinert, Ubg 2010, 101. 5 Im Zusammenhang mit der Verlagerung einer Forschungs- und Entwicklungstätigkeit vgl. Brinkmann/Maier/Brandstätter, IStR 2009, 563 (565 f.).

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A. Einführung

Aus den Geschäftsbeziehungen zwischen der ausländischen Gesellschaft und ihrem deutschen Anteilseigner kann sich das Risiko der wirtschaftlichen Doppelbesteuerung aufgrund der parallelen Anwendung von § 1 AStG und §§ 7 ff. AStG ergeben. Dies ist z.B. der Fall, wenn der inländische Anteilseigner der ausländischen Gesellschaft eine Marke zu einem zu niedrigen Entgelt überlässt. Die Korrektur der Lizenzerträge gemäß § 1 AStG wirkt sich beim inländischen Anteilseigner einkünfteerhöhend aus; auf die ausländische Gesellschaft hat die Anwendung des § 1 AStG beim Anteilseigner hingegen keinen Einfluss. Daher wirkt sich der (unkorregierte) Lizenzvorteil bei der ausländischen Gesellschaft einkünfteerhöhend aus, da diese nur den niedrigen Lizenzaufwand geltend machen kann. Wenn für die ausländische Gesellschaft auch die Hinzurechnungsbesteuerung zur Anwendung kommt, versucht die Finanzverwaltung diese wirtschaftliche Doppelbesteuerung mithilfe einer Gegenberichtigung bei der Ermittlung des Hinzurechnungsbetrags zu verhindern (zur Ermittlung des Hinzurechnungsbetrags s. Rz. 12.88 ff.).1 Dem § 1 AStG kommt nach dieser Ansicht somit ein Vorrang vor der Hinzurechnungsbesteuerung zu, da bei der Anwendung der letzteren Vorschriften die Konsequenzen einer Verrechnungspreiskorrektur bereits berücksichtigt werden müssen.2 In der finanzgerichtlichen Rechtsprechung und in der Literatur wird zum Teil allerdings die Ansicht vertreten, dass die Nichtanwendung von § 1 AStG auf Geschäftsbeziehungen zu der Hinzurechnungsbesteuerung unterliegenden Gesellschaften die konsequentere Vermeidungsstrategie wäre.3

12.15

Bei der Anwendung der Vorschriften der Hinzurechnungsbesteuerung auf Ebene der ausländischen Gesellschaft ergeben sich Berührungspunkte zu § 1 AStG an zwei Stellen. Zum einen ist der Gegenbeweis gemäß § 8 Abs. 2 Satz 5 Alt. 2 AStG nur insoweit möglich, als den passiven, niedrig besteuerten Einkünften fremdübliche Vergütungen zugrunde liegen (Rz. 12.80 ff.). Zum anderen ist darauf hinzuweisen, dass § 1 AStG bei der Ermittlung des Hinzurechnungsbetrags nicht zur Anwendung kommt. Die Norm ist tatbestandlich nicht einschlägig, da die Gesellschaft, für deren Einkünfte der Hinzurechnungsbetrag ermittelt wird, im Ausland ansässig ist. § 1 AStG korrigiert jedoch ausschließlich die Einkünfte eines inländischen Steuerpflichtigen, dessen Einkünfte aufgrund der Geschäftsbeziehung zum Ausland im Inland gemindert werden.4

12.16

1 Schr. betr. Grundsätze für die Prüfung der Einkunftsabgrenzung bei international verbundenen Unternehmen (Verwaltungsgrundsätze), BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83, BStBl. I 1983, 218 Rz. 1.5.2.; bestätigt durch BFH v. 19.3.2002 – I R 4/01, BStBl. II 2002, 644. 2 BMF v. 14.5.2004 – IV B 4 - S 1340 -11/04, BStBl. I Sondernummer 1/2004, 3 Rz. 10.1.1.1 Satz 3. 3 Aufgrund eines tatbestandlichen Ausschlusses: FG Münster v. 7.8.1997 – 15 K 144/96, EFG 1997, 1289; Protzen in Kraft, § 7 AStG Rz. 146 f. Aufgrund einer teleologischen Reduktion: Wassermeyer in F/W/B, § 1 AStG Rz. 186 (189). 4 BMF v. 14.5.2004 – IV B 4 - S 1340 -11/04, BStBl. I Sondernummer 1/2004, 3 Rz. 10.1.1.1 Satz 2; bestätigt durch BFH v. 20.4.1988 – I R 41/82, BStBl. II 1988, 868; so auch Vogt in Blümich, Vorb §§ 7–14 AStG Rz. 44.

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Kap. 12: Geistiges Eigentum und Hinzurechnungsbesteuerung

3. Verhältnis zu den Doppelbesteuerungsabkommen

12.17

Die Vorschriften der Hinzurechnungsbesteuerung werden in der überwiegenden Zahl der DBA explizit nicht angesprochen.1 Insofern ist fraglich, unter welche Verteilungsnorm des OECD-Musterabkommens (OECDMA) der Hinzurechnungsbetrag zu subsumieren ist. Diskutiert werden dabei Art. 10, 7 und 21 OECD-MA, wobei die h.M. Art. 10 OECD-MA als einschlägige Verteilungsnorm ansieht.2 Anhand der gewählten Verteilungsnorm ist im nächsten Schritt zu prüfen, ob Deutschland das Besteuerungsrecht für den Hinzurechnungsbetrag hat. Hat Deutschland das Besteuerungsrecht nicht und wendet trotzdem die Vorschriften der Hinzurechnungsbesteuerung an, begeht Deutschland einen Vertragsbruch (sog. treaty override). Zu einem solchen treaty override kann es im Übrigen unabhängig von der Subsumtion des Hinzurechnungsbetrags unter Art. 10, 7 oder 21 OECD-MA kommen; im Hinblick auf jede dieser Verteilungsnormen sind Fälle denkbar, in denen Deutschland zwar kein Besteuerungsrecht nach dem OECD-MA hat, jedoch trotzdem die Vorschriften der Hinzurechnungsbesteuerung zur Anwendung kommen.3

12.18

Dass ein treaty override vom Gesetzgeber beabsichtigt ist, ergibt sich explizit aus § 20 Abs. 1 AStG. Danach werden die Vorschriften der Hinzurechnungsbesteuerung durch das Recht der DBA nicht berührt. Aus nationaler Perspektive ist ein treaty override zulässig: Der Gesetzgeber kann das in innerstaatliches Recht transformierte DBA durch ein abweichendes Gesetz ändern bzw. aufheben, wenn er den Vorrang des abweichenden Gesetzes vor dem Abkommen deutlich zum Ausdruck bringt.4 Mit der Einführung des § 20 Abs. 1 AStG hat der Gesetzgeber diesen Willen deutlich zum Ausdruck gebracht.5 Die speziellere Vorschrift bricht damit das jeweilige DBA-Zustimmungsgesetz. Völkerrechtlich begeht Deutschland damit Vertragsbruch. Der andere Vertragsstaat kann sich gegen den Verstoß wehren, was aber i.d.R. nicht geschieht. Der treaty override bleibt daher faktisch sanktionslos.6 Der Steuerpflichtige selbst ist kein Völkerrechtssubjekt, so dass er nicht gegen den treaty override vorgehen kann. Ebenso wenig kann er sich gegen die Änderung des DBA durch einfaches Steuergesetz wehren.7 Auch aus unionsrechtlicher Per1 Prokopf in S/K/K, § 20 AStG Rz. 37. Ein ausdrückliche Hinweis auf die Zulässigkeit der Hinzurechnungsbesteuerung findet sich z.B. in Art. 30 Abs. 1 Buchst. b DBA-Polen und in Art. 29 Abs. 2 Buchst. b DBA-Kanada. 2 Lang, IStR 2002, 717 (720 f.); Tischbirek in Vogel/Lehner5, Art. 10 OECD-MA Rz. 223 f.; Prokopf in S/K/K, § 20 AStG Rz. 41. 3 Prokopf in S/K/K, § 20 AStG Rz. 44; Wassermeyer/Schönfeld in F/W/B, § 20 AStG Rz. 27; Thiele, Hinzurechnungsbesteuerung und Unionsrecht, 43 ff. 4 BFH v. 20.3.2002 – I R 38/00, BStBl. II 2002, 819; dazu auch Bron, IStR 2007, 431 (432 f.) (m.w.N.). 5 StÄndG 1992 v. 25.2.1992, BGBl. I 1992, 297. 6 Prokopf in S/K/K, § 20 AStG Rz. 56; Wassermeyer/Schönfeld in F/W/B, § 20 AStG Rz. 41; Haun/Reiser in Wöhrle/Schelle/Gross, vor §§ 7–14 AStG Rz. 101 f. 7 Kraft in Kraft, § 20 AStG Rz. 25; Prokopf in S/K/K, § 20 AStG Rz. 53 f.; Vogt in Blümich, § 20 AStG Rz. 21.

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B. Tatbestandsvoraussetzungen der Hinzurechnungsbesteuerung

spektive ergeben sich keine Restriktionen, da sich aus dem Unionsrecht keine Verpflichtung zur Vermeidung der Doppelbesteuerung ableiten lässt. Ein treaty override an sich ist beim derzeitigen Stand der Harmonisierung im Bereich der direkten Steuern kein europarechtlich relevanter Vorgang.1 Von der grundsätzlichen Vereinbarkeit eines treaty override mit dem Unionsrecht ist jedoch die regelmäßig belastende Wirkung zu unterscheiden, die ein treaty override hervorruft. Diese kann sehr wohl grundfreiheitsrechtlich überprüft werden.2

B. Tatbestandsvoraussetzungen der Hinzurechnungsbesteuerung I. Inlandsbeherrschung einer ausländischen Gesellschaft durch unbeschränkt Steuerpflichtige 1. Grundtatbestand Der Grundtatbestand der Hinzurechnungsbesteuerung ist in § 7 Abs. 1 AStG formuliert. Danach unterliegen unbeschränkt Steuerpflichtige der Hinzurechnungsbesteuerung, wenn sie an einer ausländischen Zwischengesellschaft mehrheitlich beteiligt sind. Hinzurechnungssubjekte sind natürliche und/oder juristische Personen, die aufgrund von § 1 Abs. 1, 2, 3 EStG, § 1a EStG oder § 1 KStG im Inland unbeschränkt steuerpflichtig sind und die ausländische Gesellschaft beherrschen. Ein unbeschränkt Steuerpflichtiger gilt gemäß § 7 Abs. 3 AStG auch dann als an einer ausländischen Gesellschaft beteiligt, wenn er die Anteile unmittelbar oder mittelbar über (eine) Personengesellschaft(en) hält.

12.19

Die Hinzurechnungssubjekte sind mehrheitlich an der ausländischen Gesellschaft beteiligt, wenn ihnen allein oder zusammen mit erweitert beschränkt Steuerpflichtigen (§ 2 AStG) und/oder weisungsgebundenen Personen (§ 7 Abs. 4 AStG) mehr als 50 % der Anteile oder der Stimmrechte an der ausländischen Gesellschaft zuzurechnen sind. Die Prüfung der Beteiligungsquote erfolgt gemäß § 7 Abs. 2 AStG jeweils am Ende des Wirtschaftsjahrs der Gesellschaft. Für die Ermittlung der Quote, mit der unbeschränkt Steuerpflichtige an der ausländischen Gesellschaft beteiligt sind (sog. Beherrschungsquote), sind sowohl die unmittelbaren als auch die mittelbaren Beteiligungen der unbeschränkt Steuerpflichtigen, der erweitert beschränkt Steuerpflichtigen und der weisungsgebundenen Personen heranzuziehen.

12.20

1 EuGH v. 14.11.2006 – Rs. C-513/04 (Kerckhaert und Morres), EuGHE 2006, I-10967 Rz. 22 f.; v. 6.12.2007 – Rs. C-298/05 (Columbus Container Services), EuGHE 2007, I-10451 Rz. 45 ff.; s. auch Bron, IStR 2007, 431 (435); BrombachKrüger, Ubg 2008, 324 (326). 2 Thiele, Hinzurechnungsbesteuerung und Unionsrecht, 181.

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Kap. 12: Geistiges Eigentum und Hinzurechnungsbesteuerung

12.21

Die ausländische Gesellschaft muss gemäß § 7 Abs. 1 AStG eine Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse i.S. des KStG mit Sitz (§ 11 AO) und Geschäftsleitung (§ 10 AO) im Ausland sein, deren Einkünfte nicht nach § 3 KStG unmittelbar ihren Anteilseignern zuzurechnen wären. Die Entscheidung darüber, ob ein derartiges nicht transparentes Rechtsgebilde vorliegt, ist grundsätzlich im Wege des Rechtstypenvergleichs zu treffen. Die in § 1 Abs. 1 KStG aufgelisteten Vereinigungen können jedoch als Beispiele bzw. Typusbegriffe herangezogen werden.1

12.22

Auf Beteiligungen an Personengesellschaften sind die Vorschriften der Hinzurechnungsbesteuerung nicht anwendbar. Fallen jedoch in der ausländischen Personengesellschaft/Betriebsstätte eines unbeschränkt Steuerpflichtigen Einkünfte an, die der Hinzurechnungsbesteuerung unterliegen würden, wenn die Personengesellschaft/Betriebsstätte eine ausländische Gesellschaft i.S. des § 7 Abs. 1 AStG wäre, so wird gemäß § 20 Abs. 2 AStG eine Doppelbesteuerung der Einkünfte nicht durch die Freistellungs-, sondern durch die Anrechnungsmethode vermieden (sog. switch over-Klausel). Explizit ausgeschlossen wird jedoch die Möglichkeit des Gegenbeweises gemäß § 8 Abs. 2 AStG für Personengesellschaften/Betriebsstätten. Mit dem JStG 2008 wurde § 20 Abs. 2 AStG entsprechend ergänzt („ungeachtet des § 8 Abs. 2“).2 Auch wenn daher die Personengesellschaft/Betriebsstätte, die als Zwischengesellschaft qualifizieren würde, zeigen kann, dass sie einer tatsächlichen wirtschaftlichen Tätigkeit in ihrem Aufnahmestaat nachgeht, wird die Doppelbesteuerung nicht über die Freistellungsmethode, sondern über die Anrechnungsmethode vermieden.3 2. Erweiterte Hinzurechnungsbesteuerung

12.23

Für Zwischeneinkünfte mit Kapitalanlagecharakter (§ 7 Abs. 6a AStG) wird der Grundtatbestand der Hinzurechnungsbesteuerung in § 7 Abs. 6 AStG verschärft, indem die Mindestbeteiligungsquote von 50 % auf 1 %4 gesenkt wird. Im Unterschied zum Grundtatbestand wird allerdings auf die Beteiligung des einzelnen, unbeschränkt Steuerpflichtigen abgestellt; für die Beherrschungsquote des § 7 Abs. 1 AStG sind hingegen alle Betei1 Köhler in S/K/K, § 7 AStG Rz. 43; Protzen in Kraft, § 7 AStG Rz. 179 ff.; Wassermeyer in F/W/B, § 7 AStG Rz. 10 ff. 2 JStG 2008 v. 20.12.2007, BStBl. I 2007, 3150. In BMF v. 8.1.2007 – IV B 4 - S 1351 - 1/07, BStBl. I 2007, 99 wurde hingegen explizit eine solche Gegenbeweismöglichkeit für Personengesellschaften/Betriebsstätten gewährt. Vgl. dazu Wassermeyer/Schönfeld in F/W/B, § 20 AStG Rz. 151.5 ff. 3 § 20 Abs. 2 AStG a.F., d.h. vor Ausschluss des Gegenbeweises i.S. von § 8 Abs. 2 AStG, wurde vom BFH mit dem Schlussurt. in der Rs. Columbus Container Services (BFH v. 21.10.2009 – I R 114/08, BStBl. II 2010, 774) als unionsrechtswidrig bewertet. Zur unionsrechtlichen Beurteilung des Ausschlusses des Gegenbeweises Thiele, Hinzurechnungsbesteuerung und Unionsrecht, 233 ff. m.w.N. 4 Erzielt die ausländische Gesellschaft fast ausschließlich Zwischeneinkünfte mit Kapitalanlagecharakter, kann gemäß § 7 Abs. 6 Satz 3 AStG auch eine Beteiligung von weniger als 1 % zur Hinzurechnungsbesteuerung führen.

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B. Tatbestandsvoraussetzungen der Hinzurechnungsbesteuerung

ligungen von unbeschränkt Steuerpflichtigen, erweitert unbeschränkt Steuerpflichtigen und weisungsgebundenen Personen heranzuziehen (Rz. 12.19 ff.). In Bezug auf Zwischeneinkünfte i.S. des § 8 Abs. 1 Nr. 6 Buchst. a AStG kommt die erweiterte Hinzurechnungsbesteuerung jedoch nicht zur Anwendung, da diese keine Einkünfte aus dem Halten, der Verwaltung, der Werterhaltung oder Erhöhung von Vermögenswerten, die zu Einnahmen i.S. des § 20 EStG führen, sind.1

II. Zwischeneinkünfte 1. Passive Einkünfte a) Regelungstechnik Der Hinzurechnungsbesteuerung unterliegen ausschließlich die Zwischeneinkünfte einer ausländischen Gesellschaft; insoweit eine Gesellschaft Zwischeneinkünfte hat, ist sie gemäß § 8 Abs. 1 AStG Zwischengesellschaft. Als Zwischeneinkünfte werden niedrig besteuerte, passive Einkünfte bezeichnet (zum Aspekt der Niedrigbesteuerung s. Rz. 12.49 ff.). Die Abgrenzung der passiven von den übrigen (aktiven) Einkünften einer ausländischen Gesellschaft erfolgt durch abschließende Enumeration der aktiven Tätigkeiten in § 8 Abs. 1 AStG. Alle Einkünfte, die nicht aus diesen aktiven Tätigkeitsbereichen stammen, sind passiver Natur. Die einzelnen Tätigkeitsfelder sind mit unterschiedlichen Anforderungen kombiniert. Je leichter der Standort einer Geschäftstätigkeit verlagert werden kann, umso höhere Anforderungen werden tendenziell an die Einstufung als aktiv gestellt. Daneben enthält der Aktivkatalog in § 8 Abs. 1 Nr. 8–10 AStG Einkünfte, die unabhängig von der diesen zugrundeliegenden Tätigkeit als aktiv zu bewerten sind. Die Zuordnung der einzelnen Einkünfte der ausländischen Gesellschaft zu einer der enumerierten Tätigkeiten erfolgt auf Basis der sog. funktionalen Betrachtungsweise. Danach sind wirtschaftlich zusammenhängende Tätigkeiten einheitlich unter den Tatbestand zu subsumieren, der die Tätigkeit erfasst, auf der das wirtschaftliche Schwergewicht liegt.2

12.24

Die Anwendung der funktionalen Betrachtungsweise kann durchaus positiv für den Steuerpflichtigen wirken, da die Möglichkeiten der Widerlegung der Passivität der Einkünfte stark differieren. Im Zusammenhang mit immateriellen Wirtschaftsgütern ist die funktionale Betrachtungsweise insbesondere dann von Bedeutung, wenn die Rechte bzw. das Know-How für eigene Zwecke verwertet werden. Werden Rechte bzw. Know-How jedoch zur Nutzung überlassen, so ist es aufgrund der sehr detaillierten Aufzählung in § 8 Abs. 1 Nr. 6 Buchst. a AStG zumindest

12.25

1 Wassermeyer in F/W/B, § 7 AStG Rz. 202; Köhler in S/K/K, § 7 AStG Rz. 198; Fuhrmann in Mössner/Fuhrmann2, § 7 AStG Rz. 221; Vogt in Blümich, § 7 AStG Rz. 89. 2 Zur Anwendung der funktionalen Betrachtungsweise Scheidle, IStR 2007, 287.

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Kap. 12: Geistiges Eigentum und Hinzurechnungsbesteuerung

schwierig, den engen funktionalen Zusammenhang mit einer anderen Tätigkeit zu plausibilisieren.1

12.26

Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung sind zwar gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 6 AStG aktiver Natur. Von dieser Klassifizierung ausgenommen sind jedoch gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 6 Buchst. a AStG Einkünfte aus der „Überlassung der Nutzung von Rechten, Plänen, Mustern, Verfahren, Erfahrungen und Kenntnissen“, so dass die Einkünfte einer IP-Verwertungsgesellschaft regelmäßig als passiv zu beurteilen sind. Im Weiteren enthält § 8 Abs. 1 Nr. 6 Buchst. a AStG allerdings noch eine Rückausnahme von dieser Ausnahme. Demnach sind Einkünfte aus der Überlassung der Nutzung von Rechten etc. aktiv, sofern der Steuerpflichtige nachweist, dass die ausländische Gesellschaft die Ergebnisse eigener Forschungs- und Entwicklungsarbeit auswertet, die ohne Mitwirkung eines Hinzurechnungssubjekts oder einer diesem i.S. des § 1 Abs. 2 AStG nahestehenden Person unternommen worden ist. Für in der EU oder EWR ansässige IP-Verwertungsgesellschaften, die einen Gegenbeweis i.S. des § 8 Abs. 2 AStG erbringen können, sind jedoch im Ergebnis weder die Ausnahme noch die Gegenausnahme in § 8 Abs. 1 Nr. 6 Buchst. a AStG relevant.2 Für diese Gesellschaften kommt die Hinzurechnungsbesteuerung gemäß § 8 Abs. 2 Satz 1 AStG nicht zum Tragen. b) Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung aufgelisteter immaterieller Wirtschaftsgüter

12.27

Der Tatbestand des § 8 Abs. 1 Nr. 6 AStG lehnt sich grundsätzlich an die Begrifflichkeiten des § 21 EStG an. Unter Einkünften aus Vermietung und Verpachtung ist daher die zeitlich begrenzte bzw. durch den Rechtsinhaber begrenzbare Überlassung von Wirtschaftsgütern zur Nutzung zu verstehen.3 Eine zeitlich begrenzte Nutzungsüberlassung ist grundsätzlich auch gegeben, wenn bei Vertragsabschluss noch ungewiss ist, ob und wann die Überlassung endet.4 Die Übertragung eines Wirtschaftsguts kann dagegen prinzipiell nicht unter § 8 Abs. 1 Nr. 6 AStG subsumiert werden. Insofern ist es für die Anwendung des § 8 Abs. 1 Nr. 6 AStG entscheidend zu klären, ob das wirtschaftliche Eigentum an dem immateriellen Wirtschaftsgut übergegangen ist (= Übertragung) oder bei dem Überlassenden verbleibt (= Überlassung). Von einem Übergang des wirtschaftlichen Eigentums ist auszugehen, wenn der Empfänger die immateriellen Wirtschaftsgüter in beliebiger Weise verwenden kann.5 Die Übertragung des wirtschaftlichen Eigentums gilt steuerlich als Veräußerung. Ein zeitlich begrenzter Rechtsschutz steht der zeitlich begrenzten Nutzungsüber1 Insbesondere zum engen funktionalen Zusammenhang Wassermeyer in F/W/B, § 8 AStG Rz. 219. 2 Lehfeldt in S/K/K, § 8 AStG Rz. 113. 3 Wassermeyer in F/W/B, § 8 AStG Rz. 220; Rödel in Kraft, § 8 AStG Rz. 353. 4 Lehfeldt in S/K/K, § 8 AStG Rz. 114 mit Verweis auf BFH v. 7.12.1977 – I R 54/75, BStBl. II 1978, 355. 5 Baumhoff/Greinert, Ubg 2009, 544.

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B. Tatbestandsvoraussetzungen der Hinzurechnungsbesteuerung

lassung prinzipiell nicht entgegen. Entscheidend ist, ob bzw. inwieweit sich der Rechtsinhaber nach den vertraglichen Vereinbarungen wirtschaftlich seiner vollen Rechtsstellung entäußert hat. Erschöpft sich das Recht wirtschaftlich in der Hand des Nutzenden während der vereinbarten Nutzungsdauer, so ist von einer Übertragung des Nutzungsrechts auszugehen, andernfalls von einer Nutzungsüberlassung.1 Die Gewährung eines Alleinvertriebsrechts stellt somit üblicherweise eine Veräußerung dar.2 Werden jedoch gleichzeitig urheberrechtlich geschützte Nutzungsrechte aufgrund einer kündbaren Vereinbarung zeitlich begrenzt überlassen, kann auch in der Einräumung eines Alleinvertriebsrechts eine Nutzungsüberlassung liegen.3 Die Abgrenzungsproblematik Nutzungsüberlassung vs. Übertragung tritt regelmäßig im Zusammenhang mit der Softwarelizenzierung auf (vgl. dazu auch Rz. 4.19). Eine Nutzungsüberlassung i.S. des § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EStG und somit auch des § 8 Abs. 1 Nr. 6 Buchst. a AStG setzt voraus, dass die routinemäßige Anwendung der Software die Einräumung bestimmter Urheberrechte erfordert. Bei der Überlassung von Standardsoftware ist dies regelmäßig nicht der Fall, da die Sacheigenschaften der Software und nicht das dahinter stehende Know-How im Vordergrund stehen. Insofern ist regelmäßig von der Übertragung (Veräußerung) einer Sache i.S. des § 90 BGB und nicht von einer Nutzungsüberlassung auszugehen.4 Im Rahmen der Überlassung von Individualsoftware werden hingegen i.d.R. die damit verbundenen Urheberrechte zur Nutzung überlassen.5 Wurde die Individualsoftware allerdings auf Basis eines Werklieferungsvertrags von der ausländischen Gesellschaft erstellt, so ist Vertragsgegenstand nicht die Einräumung von Nutzungsrechten, sondern die Überlassung von Software, deren routinemäßige Anwendung keiner Einräumung von Urheberrechten bedarf.6

12.28

Unterschiede zwischen den grundsätzlichen Anwendungsbereichen des § 21 EStG und des § 8 Abs. 1 Nr. 6 AStG ergeben sich zum einen daraus,

12.29

1 Lehfeldt in S/K/K, § 8 AStG Rz. 117; Wied in Blümich, § 49 EStG Rz. 205 mit Verweis auf BFH v. 16.5.2001 – I R 64/99, BFH/NV 2002, 94; v. 28.1.2004 – I R 73/02, BStBl. II 2005, 550. 2 Strunk in Carlé/Korn/Stahl/Strahl, § 49 EStG Rz. 210; Wassermeyer in F/W/B, § 8 AStG Rz. 221; Lehfeldt in S/K/K, § 8 AStG Rz. 117 jeweils mit Verweis auf BFH v. 27.7.1988 – I R 130/84, BStBl. II 1989, 101. 3 Lehfeldt in S/K/K, § 8 AStG Rz. 117 mit Verweis auf BFH v. 27.2.2002 – I R 62/01, BFH/NV 2002, 1142. 4 Standardsoftware wird i.d.R. zeitlich unbegrenzt überlassen. Wird tatsächlich eine zeitliche begrenzte Überlassung der Standardsoftware vereinbart, so sind die daraus resultierenden Einkünfte unter § 8 Abs. 1 Nr. 6 Buchst. c AStG – Vermietung und Verpachtung beweglicher Sachen – zu subsumieren, vgl. Lehfeldt in S/K/K, § 8 AStG Rz. 116. 5 Reiche in Haase, § 8 AStG Rz. 54; Lehfeldt in S/K/K, § 8 AStG Rz. 116; Wied in Blümich, § 49 EStG Rz. 204; Haase, INF 2006, 741 (743) jeweils m.w.N. 6 Lehfeldt in S/K/K, § 8 AStG Rz. 116; Loschelder in Schmidt30, § 49 EStG Rz. 43 „Software“.

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Kap. 12: Geistiges Eigentum und Hinzurechnungsbesteuerung

dass die Subsidiaritätsklausel des § 21 Abs. 3 EStG im Rahmen des § 8 Abs. 1 Nr. 6 AStG nicht gilt. Daher werden von § 8 Abs. 1 Nr. 6 AStG sowohl Einkünfte aus vermögensverwaltender Tätigkeit als auch Einkünfte aus gewerblicher Vermietung und Verpachtung erfasst.1 Zum anderen gilt die Objektbegrenzung des § 21 EStG nicht: Während die Vermietung und Verpachtung von beweglichen Sachen nicht unter § 21 EStG subsumiert werden kann, ist der Anwendungsbereich des § 8 Abs. 1 Nr. 6 AStG auch für diesen Fall eröffnet.2 Diesem Umstand kommt jedoch bei Zwischeneinkünften i.S. des § 8 Abs. 1 Nr. 6 Buchst. a AStG keiner Bedeutung zu, da diese Einkünfte auf die Nutzungsüberlassung von immateriellen Wirtschaftsgütern zurückzuführen sind.

12.30

§ 8 Abs. 1 Nr. 6 Buchst. a AStG beinhaltet eine abschließende Aufzählung von immateriellen Wirtschaftsgütern, deren Nutzungsüberlassung zu passiven Einkünften führt. Demnach sind die Einkünfte aus der „Überlassung der Nutzung von Rechten, Plänen, Mustern, Verfahren, Erfahrungen und Kenntnissen“ passiv. Der Gesetzgeber hat sich bei dieser Auflistung offenbar an § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EStG und dem sprachlich weiter gefassten § 50a Abs. 1 Nr. 3 EStG orientiert. Der Tatbestand des § 8 Abs. 1 Nr. 6 Buchst. a AStG erfasst damit urheberrechtlich geschützte Rechte sowie nicht geschütztes Know-How.3 Die Aufzählung kann jedoch nicht mit dem Begriff immaterielles Wirtschaftsgut gleichgesetzt werden. So können Komponenten des Geschäfts- oder Firmenwerts, Kunden- und Lieferantenbeziehungen oder übernommene Auftragsbestände als immaterielle Wirtschaftsgüter qualifizieren; sie fallen aufgrund einer solchen Qualifikation jedoch nicht zwingend unter die Aufzählung des § 8 Abs. 1 Nr. 6 Buchst. a AStG.4 I.d.R. werden solche immateriellen Wirtschaftsgüter ohnehin nicht zur Nutzung überlassen, sondern zu Eigentum übertragen, so dass Leistungsbeziehungen im Zusammenhang mit diesen Wirtschaftsgütern nicht nach Maßgabe des § 8 Abs. 1 Nr. 6 Buchst. a AStG zu beurteilen wären.5 Die Nutzungsüberlassung einer Funktion i.S. des § 1 Abs. 2 Satz 1 FVerlV6 erfüllt ebenso wenig den Tatbestand des § 8 Abs. 1 Nr. 6 Buchst. a AStG, da die „Funktion“ kein aufgelistetes Wirtschaftsgut, sondern die Zusammenfassung gleichartiger betrieblicher Aufgaben ist (Rz. 11.309 ff.).7 Einkünfte aus der Überlassung der der Funktion zugrunde liegenden immateriellen Wirtschaftsgüter können jedoch solche i.S. des § 8 Abs. 1 Nr. 6 Buchst. a AStG sein.

1 Wassermeyer in F/W/B, § 8 AStG Rz. 217; Fuhrmann in Mössner/Fuhrmann2, § 8 AStG Rz. 152; Vogt in Blümich, § 8 AStG Rz. 66: Darüber hinaus wird von § 8 Abs. 1 Nr. 6 AStG grundsätzlich auch die gelegentliche Vermietung von beweglichen Wirtschaftsgütern (§ 22 Nr. 3 EStG) erfasst. 2 Wassermeyer in F/W/B, § 8 AStG Rz. 217. 3 Lehfeldt in S/K/K, § 8 AStG Rz. 116; Wassermeyer in F/W/B, § 8 AStG Rz. 220. 4 Reiche in Haase, § 8 AStG Rz. 57; Gropp in Lademann, § 8 AStG Rz. 78. 5 Wassermeyer in F/W/B, § 8 AStG Rz. 216. 6 Greinert in Schaumburg/Rödder, Unternehmensteuerreform 2008, 541 ff. 7 Reiche in Haase, § 8 AStG Rz. 57.

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B. Tatbestandsvoraussetzungen der Hinzurechnungsbesteuerung

Die Einkünfte aus einer späteren Veräußerung der zur Nutzung überlassenen immateriellen Wirtschaftsgüter sind nach der funktionalen Betrachtungsweise ebenfalls vor dem Hintergrund des § 8 Abs. 1 Nr. 6 AStG zu beurteilen. Während die Übertragung von immateriellen Wirtschaftsgütern, ohne dass diese vorher jemandem zur Nutzung überlassen wurden, eindeutig nicht vom Tatbestand des § 8 Abs. 1 Nr. 6 Buchst. a AStG erfasst wird, dürfte die Finanzverwaltung zwischen der Übertragung eines immateriellen Wirtschaftsguts im Anschluss an eine Nutzungsüberlassung desselben und der eigentlichen Nutzungsüberlassung einen engen wirtschaftlichen Zusammenhang sehen. Diese Vermutung der Finanzverwaltung kann wohl nur im Einzelfall widerlegt werden. Selbst wenn die Einkünfte aus der Veräußerung aufgrund der funktionalen Betrachtungsweise solche i.S. des § 8 Abs. 1 Nr. 6 AStG sind, finden diese im Rahmen der Hinzurechnungsbesteuerung jedoch nur Berücksichtigung, wenn die Veräußerungseinkünfte in Deutschland steuerbar wären. Die Veräußerung von immateriellen Wirtschaftsgütern aus einer gewerblichen Vermietung und Verpachtung heraus führt daher zu Einkünften, die der Hinzurechnungsbesteuerung unterliegen. Veräußerungseinkünfte vermögensverwaltender Gesellschaften wären in Deutschland hingegen nur nach Maßgabe des § 23 EStG steuerbar. Veräußerungseinkünfte, die außerhalb der in § 23 EStG statuierten Frist erzielt werden, sind somit nicht bei der Ermittlung des Hinzurechnungsbetrags zu beachten.1 Ist ein immaterielles Wirtschaftsgut teilweise aktiv und teilweise passiv vermietet worden – etwa weil nur in manchen Jahren ein Entlastungsnachweis i.S. von § 8 Abs. 1 Nr. 6 Buchst. a AStG erbracht werden konnte –, so ist für die Beurteilung der Veräußerungseinkünfte auf die zuletzt mit dem Wirtschaftsgut vorgenommene Tätigkeit abzustellen. Wurde das Wirtschaftsgut zuletzt zur Erzielung passiver Einkünfte eingesetzt, so sind auch die entsprechenden Veräußerungseinkünfte passiver Natur.2

12.31

Die Klassifikation von Lizenzeinkünften i.S. des § 8 Abs. 1 Nr. 6 Buchst. a AStG als passive Einkünfte ist im Übrigen unabhängig von der Person des Lizenznehmers. Dabei kann es sich auch um ein anderes ausländischen Konzernunternehmen oder fremde Dritte im In- oder Ausland handeln.3

12.32

c) Entlastungsnachweis Die Nutzungsüberlassung der aufgelisteten immateriellen Wirtschaftsgüter führt somit grundsätzlich zu passiven Einkünften. § 8 Abs. 1 Nr. 6 Buchst. a AStG eröffnet jedoch dem Steuerpflichtigen die Möglichkeit, ei1 Fuhrmann in Mössner/Fuhrmann2, § 8 AStG Rz. 153; Wassermeyer in F/W/B, § 8 AStG Rz. 218; Lehfeldt in S/K/K, § 8 AStG Rz. 115; Rödel in Kraft, § 8 AStG Rz. 353. 2 Gropp in Lademann, § 8 AStG Rz. 75; Fuhrmann in Mössner/Fuhrmann2, § 8 AStG Rz. 153. 3 Gropp in Lademann, § 8 AStG Rz. 79; Lehfeldt in S/K/K, § 8 AStG Rz. 116, 123; Reiche in Haase, § 8 AStG Rz. 55.

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12.33

Kap. 12: Geistiges Eigentum und Hinzurechnungsbesteuerung

nen sog. Entlastungsnachweis zu erbringen. Danach qualifiziert die Nutzungsüberlassung von Rechten und Know-How als aktive Tätigkeit, wenn der Steuerpflichtige nachweist, „daß die ausländische Gesellschaft die Ergebnisse eigener Forschungs- oder Entwicklungsarbeit auswertet, die ohne Mitwirkung eines Steuerpflichtigen, der gemäß § 7 an der Gesellschaft beteiligt ist, oder einer einem solchen Steuerpflichtigen im Sinne des § 1 Abs. 2 nahestehenden Person unternommen worden ist“. Hintergrund für diese Nachweismöglichkeit ist wohl, dass der Gesetzgeber nur dann die Einkünfte einer Hinzurechnungsbesteuerung unterwerfen wollte, wenn die geistige Leistung im Wesentlichen im Inland erbracht wurde und die damit zusammenhängenden Kosten steuerlich in Deutschland geltend gemacht wurden.1

12.34

Unter Forschungs- und Entwicklungsarbeit wird sowohl die Grundlagenforschung als auch die angewandte Forschung verstanden. Grundlagenforschung zielt auf die Gewinnung von neuen wissenschaftlichen oder technischen Erkenntnissen und Erfahrungen allgemeiner Art. Als angewandte Forschung wird die Neuentwicklung sowie die Weiterentwicklung von Erzeugnissen oder Herstellungsverfahren bezeichnet.2 Entwicklungsarbeit beinhaltet auch die Programmierung von Software sowie die Entwicklung anderer IT-Lösungen.3 Der Entlastungsnachweis ist somit für Tätigkeiten eröffnet, die auf die Schaffung der in § 8 Abs. 1 Nr. 6 Buchst. a AStG aufgelisteten immateriellen Wirtschaftsgüter abzielen.4

12.35

Unter einer Auswertung der Forschungs- und Entwicklungstätigkeit wird im Allgemeinen die Nutzbarmachung der dabei gewonnenen Ergebnisse verstanden. Die Ergebnisse können zu eigenen Zwecken der ausländischen Gesellschaft oder für fremde Zwecke verwertet werden, wobei bei Letzterem noch zwischen der (unmittelbaren) Veräußerung und der Nutzungsüberlassung zu unterscheiden ist. Die Verwertung der aufgezählten immateriellen Wirtschaftsgüter zu eigenen Zwecken sowie deren unmittelbare Veräußerung ist tatbestandsmäßig den Einkünften aus Produktionstätigkeit (§ 8 Abs. 1 Nr. 2 AStG) zu zuordnen.5 Im Rahmen des Tatbestands des § 8 Abs. 1 Nr. 6 AStG kann somit nur die Auswertung durch Nutzungsüberlassung der Ergebnisse an den Steuerpflichtigen oder einen Dritten gemeint sein.6 In der Literatur wird zudem die Entgelt1 Rödel in Kraft, § 8 AStG Rz. 358; Fuhrmann in Mössner/Fuhrmann2, § 8 AStG Rz. 157; Reiche in Haase, § 8 AStG Rz. 59. 2 Die Definition der Grundlagenforschung sowie der angewandten Forschung lehnt sich an § 51 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. u Satz 4 EStG 1988/89 an. 3 Lehfeldt in S/K/K, § 8 AStG Rz. 119. 4 Lehfeldt in S/K/K, § 8 AStG Rz. 119. 5 Wassermeyer in F/W/B, § 8 AStG Rz. 223; Rödel (in Kraft, § 8 AStG Rz. 361 f.) legt insbesondere plausibel dar, warum die Veräußerung von immateriellen Wirtschaftsgütern (die keine Sachen i.S. von § 90 BGB darstellen) unter den Produktionstatbestand zu subsumieren ist. 6 Für die Beschränkung von Fuhrmann (in Mössner/Fuhrmann2, § 8 AStG Rz. 157) auf die Überlassung an Dritte ist keine gesetzliche Grundlage ersichtlich.

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B. Tatbestandsvoraussetzungen der Hinzurechnungsbesteuerung

lichkeit der Überlassung vorausgesetzt.1 Im Ergebnis ist dieser Annahme zuzustimmen. Zwar dürften auch unentgeltliche Nutzungsüberlassungen grundsätzlich vom Tatbestand des § 8 Abs. 1 Nr. 6 AStG erfasst sein. Allerdings mangelt es zunächst an Einkünften, die der Hinzurechnungsbesteuerung unterliegen. Eine Korrektur dieser (zunächst nicht vorhandenen) Einkünfte ist gegebenenfalls aufgrund der Regelungen zur verdeckten Gewinnausschüttung (§ 8 Abs. 3 Satz 2 KStG) vorzunehmen (Rz. 11.26 ff.); § 1 AStG ist auf im Ausland ansässige Gesellschaften nicht anwendbar (Rz. 12.14 ff. sowie Rz. 12.88 ff.). Somit wird für diese Fälle die Entgeltlichkeit fingiert. Der Entlastungsnachweis kann nur für die Auswertung eigener Forschungs- und Entwicklungsarbeit erbracht werden. Eine eigene Forschung und Entwicklung der ausländischen Gesellschaft liegt jedenfalls dann vor, wenn diese Tätigkeit durch eigenes Personal und mit eigenen Mitteln durchgeführt wird.2 Darüber hinaus ist auch dann von einer eigenen Forschung und Entwicklung auszugehen, wenn die Ergebnisse mit Hilfe von Auftragsentwicklern und -forschern erzielt wurden und der ausländischen Gesellschaft die Rechte an der Auftragsentwicklung zustehen. Das zu entwickelnde immaterielle Wirtschaftsgut ist der ausländischen Gesellschaft zuzurechnen, wenn die wesentlichen Entscheidungen im Zusammenhang mit der Entwicklung von ihr getroffen werden und das wirtschaftliche Risiko der Forschung und Entwicklung bei der ausländischen Gesellschaft liegt.3,4 Um derartige Entscheidungen treffen zu können, muss die ausländische Gesellschaft über eigenes fachlich kompetentes Personal verfügen, das die Forschung und Entwicklung überwacht und gegebenenfalls Leitlinien vorgibt.5 Unter diesen Voraussetzungen ist ein outsourcing der Tätigkeit nicht schädlich.6

12.36

Die Auswertung erworbener Forschungs- und Entwicklungsergebnisse führt dagegen immer zu passiven Einkünften.7 Eine Ausnahme dürfte lediglich dann gegeben sein, wenn die zugekauften (fremden) Erzeugnisse

12.37

1 Wassermeyer in F/W/B, § 8 AStG Rz. 223; Lehfeldt in S/K/K, § 8 AStG Rz. 119; Fuhrmann in Mössner/Fuhrmann2, § 8 AStG Rz. 159. 2 Vogt in Blümich, § 8 AStG Rz. 67; Lehfeldt in S/K/K, § 8 AStG Rz. 120; Reiche in Haase, § 8 AStG Rz. 58. 3 Lehfeldt in S/K/K, § 8 AStG Rz. 120 mit Hinweis auf BMF v. 23.2.2001 – IV A 6 S 2241 - 8/01, BStBl. I 2001, 175. 4 Hinsichtlich der Bestimmung, wer das wirtschaftliche Risiko der Forschung und Entwicklung trägt, sei auf die Rz. 9.17 ff., insbesondere 9.33 der OECD-Verrechnungspreisrichtlinien 2010 hingewiesen. 5 Lehfeldt in S/K/K, § 8 AStG Rz. 120; Reiche in Haase, § 8 AStG Rz. 58. 6 Die prinzipielle Unschädlichkeit des outsourcing wird auch aus der Entscheidung des BFH v. 13.10.2010 – I R 61/09 (BStBl. II 2011, 249) ersichtlich, in der das Vorliegen eines in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetriebs für Zwecke des § 8 Abs. 1 Nr. 3 AStG beurteilt wurde. 7 Wassermeyer in F/W/B, § 8 AStG Rz. 224; Vogt in Blümich, § 8 AStG Rz. 67; Lehfeldt in S/K/K, § 8 AStG Rz. 120; Fuhrmann in Mössner/Fuhrmann2, § 8 AStG Rz. 159; Gropp in Lademann, § 8 AStG Rz. 80.

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Kap. 12: Geistiges Eigentum und Hinzurechnungsbesteuerung

in die eigene Forschungs- und Entwicklungsarbeit eingehen und die Letztere den Schwerpunkt für das finale Forschungsergebnis ausmacht.1 Grundsätzlich kann jedoch für die Auswertung erworbener Forschungsund Entwicklungsergebnisse kein Entlastungsnachweis geführt werden. In Bezug auf die erworbenen Ergebnisse ist unerheblich, von wem die Rechte bzw. immateriellen Wirtschaftsgüter gekauft wurden.2 Insbesondere die Versagung des Entlastungsnachweises für von Dritten erworbene Rechte schießt über den eigentlichen Gesetzeszweck hinaus. Wenn der Gesetzgeber der Verlagerung von Einkünften, für welche die damit zusammenhängenden Forschungs- und Entwicklungskosten im Inland geltend gemacht wurden, entgegentreten wollte, so ist dieser Beweggrund durchaus nachvollziehbar. Warum ein inländischer Anteilseigner jedoch im Inland Lizenzgebühren besteuern soll, obwohl die entsprechenden Rechte von (im Inland oder Ausland ansässigen) Dritten erworben wurden, scheint nur schwerlich mit der Gesetzesintention begründbar.3 In diesem Sinne wird zu Recht eine teleologische Reduktion des § 8 Abs. 1 Nr. 6 Buchst. a AStG auf die Fälle gefordert, in denen die ausländische Gesellschaft ein immaterielles Wirtschaftsgut verwertet, das sie von ihrem inländischen Anteilseigner oder einem diesem nahestehenden, in Deutschland Steuerpflichtigen gekauft hat.4

12.38

Für die Nutzungsüberlassung von Rechten, die nicht das Ergebnis von Forschung und Entwicklung sein können, wird der Entlastungsbeweis grundsätzlich ebenso versagt.5 Wie für die Auswertung erworbener immaterieller Wirtschaftsgüter ist auch hier zu konstatieren, dass diese Einschränkung nicht mit der Gesetzesintention vereinbar und daher die Vorschrift teleologisch zu reduzieren ist. Unabhängig davon wäre bspw. im Zusammenhang mit Marken zu diskutieren, ob für diese nicht doch eine Entwicklungsarbeit geleistet werden muss. Das Zeichen selbst ist wohl i.d.R. nicht werthaltig. Der Wert der Marke ergibt sich erst durch die Bekanntheit des Zeichens bei den potentiellen Kunden. Um aber bei den Kunden bekannt zu werden, muss ein Unternehmen die Marke im Markt präsentieren. Die „fertige“ Marke ist daher das Ergebnis einer Vielzahl von Aufbau-/Entwicklungsaktivitäten.

12.39

Know-How, das von Dritten gekauft werden muss, sollte unmittelbar von derjenigen ausländischen Gesellschaft erworben werden, die es im Rahmen ihrer (aktiven) Haupttätigkeit selbst verwertet. Beispielhaft sei nur auf erworbenes Produkt- oder Produktions-Know-How für die Produkti1 Gropp in Lademann, § 8 AStG Rz. 80. 2 Wassermeyer in F/W/B, § 8 AStG Rz. 224; Vogt in Blümich, § 8 AStG Rz. 67; Lehfeldt in S/K/K, § 8 AStG Rz. 120; Fuhrmann in Mössner/Fuhrmann2, § 8 AStG Rz. 159; Gropp in Lademann, § 8 AStG Rz. 80. 3 Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 10.105; Wassermeyer in F/W/B, § 8 AStG Rz. 224; so bereits Bellstedt, FR 1972, 242 (244). 4 Rödel in Kraft, § 8 AStG Rz. 363; Gropp in Lademann, § 8 AStG Rz. 80; a.A. Fuhrmann in Mössner/Fuhrmann2, § 8 AStG Rz. 157. 5 Vogt in Blümich, § 8 AStG Rz. 67.

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B. Tatbestandsvoraussetzungen der Hinzurechnungsbesteuerung

onstätigkeit einer ausländischen Gesellschaft hingewiesen. Der in dem Produktions- und Vertriebsgewinn enthaltene „Lizenzgewinn“ qualifiziert einheitlich als aktiv i.S. des § 8 Abs. 1 Nr. 2 AStG.1 Dieser Ansatz – die Zuordnung des erworbenen Know-Hows zu einem dieses nutzenden Unternehmen – kann auch verfolgt werden, wenn mehrere Konzerngesellschaften auf das zugekaufte Know-How zugreifen wollen. Auch wenn man nur im Einzelfall den engen funktionalen Zusammenhang der Lizenzierung des Know-How an andere Unternehmen zur Haupttätigkeit des Lizenzgebers aufzeigen kann, so wird mit Hilfe dieser Strukturierung zumindest die Hinzurechnungsbesteuerung für die „Lizenzeinkünfte“ vermieden, die aus der Überlassung des Know-How an den jetzigen Lizenzgeber resultiert hätten. Die Forschungs- und Entwicklungsarbeit muss eigenständig von der ausländischen Gesellschaft ausgeübt werden, d.h. „ohne Mitwirkung eines Steuerpflichtigen, der gemäß § 7 an der Gesellschaft beteiligt ist, oder einer einem solchen Steuerpflichtigen im Sinne des § 1 Abs. 2 nahestehenden Person“. Dem Wortlaut des Gesetzes nach muss sich die (schädliche) Mitwirkung auf die Forschungs- und Entwicklungstätigkeit beziehen; eine Mitwirkung bei Tätigkeiten, die im funktionalen Zusammenhang mit der Nutzungsüberlassung stehen, ist hingegen unschädlich (z.B. Buchhaltung).2

12.40

Unter dem Begriff „Mitwirkung“ ist im Rahmen des § 8 Abs. 1 AStG die Übernahme von Tätigkeiten zu verstehen, die Teil der Leistungsfunktion – konkret der Forschungs- und Entwicklungsfunktion – der ausländischen Gesellschaft ist.3 Bei der Definition (des Umfangs) der Leistungsfunktion legt die Finanzverwaltung grundsätzlich eine typisierende Betrachtungsweise an, im Rahmen derer sie die verkehrsüblichen Einzelfunktionen einer Forschungs- und Entwicklungstätigkeit mit dem konkreten Fall vergleicht.4 Dieser Vorgehensweise kann allerdings nicht gefolgt werden. Vielmehr ist auf die sog. individualisierende Betrachtungsweise abzustellen: Es gibt keinen objektiv feststellbaren Rahmen von Funktionen, die eine Forschungstätigkeit ausmachen, so dass für die Beurteilung der Mitwirkung auf die Durchführung der individuellen Vertragsvereinbarung abzustellen ist.5 Für die Anwendung der individualisierenden Betrachtungsweise im Rahmen des Entlastungsnachweises i.S. des § 8 Abs. 1 Nr. 6 Buchst. a AStG spricht, dass die Mitwirkung an einer innerbetrieblichen Tätigkeit und nicht an der Erbringung einer Leistung am Markt unter-

12.41

1 So auch Lehfeldt in S/K/K, § 8 AStG Rz. 121. 2 Reiche in Haase, § 8 AStG Rz. 59. 3 Wassermeyer in F/W/B, § 8 AStG Rz. 146 mit Verweis auf BT-Drucks. VI/3537 v. 19.6.1972, 35. 4 BMF v. 14.5.2004 – IV B 4 - S 1340 -11/04, BStBl. I Sondernummer 1/2004, 3 Rz. 8.1.4.3.1. 5 Lehfeldt in S/K/K, § 8 AStG Rz. 38, 122; Wassermeyer in F/W/B, § 8 AStG Rz. 147.

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Kap. 12: Geistiges Eigentum und Hinzurechnungsbesteuerung

sucht wird. Bei der Leistungserbringung am Markt kann prinzipiell aus Sicht eines Dritten bestimmt werden, welche Tätigkeit zu der geschuldeten Leistung gehört. Bei einer rein innerbetrieblichen Tätigkeit kann ein Dritter nicht beurteilen, welche Tätigkeiten zu erwarten sind, weil er nicht wissen kann, was geschuldet wird. Folglich ist bei der Beurteilung der Mitwirkung eine vereinbarte und durchgeführte interne Funktionsaufteilung anzuerkennen.1 Unschädlich – zumindest unter Anwendung der individualisierenden Betrachtungsweise – ist daher u.a. eine Funktionstrennung in Bezug auf die grundsätzliche Ebene der Forschung (z.B. Grundlagenforschung im Inland, angewandte Forschung im Ausland).2

12.42

Besondere Bedeutung kommt der internen Funktionsaufteilung zu, wenn die ausländische Gesellschaft einzelne Forschungs- und Entwicklungsprojekte an den inländischen Anteilseigner oder eine diesem nahestehende Person auslagert (outsourcing). Sofern die ausländische Gesellschaft die wesentlichen Entscheidungen in Bezug auf diese Projekte trifft und auch das Risiko von Fehlentwicklungen trägt, darf darin keine schädliche Mitwirkung liegen. Einer vorab vereinbarten und durchgeführten Funktionsaufteilung kommt dabei Nachweischarakter zu. Mit Blick auf die von der Finanzverwaltung praktizierte typisierende Betrachtungsweise ist jedoch fraglich, ob die Finanzbehörden diese Auffassung teilen.3

12.43

Eine Möglichkeit, die interne Funktionsaufteilung im Fall des outsourcing abzuleiten, ist die im Zusammenhang mit § 1 AStG bereits bekannte Funktionsanalyse (Rz. 11.50 ff.). Im Rahmen der Funktionsanalyse werden Unternehmen anhand der von ihnen übernommenen Funktionen und Risiken sowie der eingesetzten Wirtschaftsgüter als Entrepreneur, Routineunternehmen oder Mittelunternehmen charakterisiert.4 Der Entrepreneur trägt das wesentliche wirtschaftliche Risiko und die Chancen einer Leistungsbeziehung, während das Routineunternehmen lediglich als (risikobefreiter) Dienstleister für den Entrepreneur auftritt. Als Mittelunternehmen qualifiziert eine Gesellschaft, wenn sie zwar nicht die Risiken eines Entrepreneur trägt, jedoch auch nicht nur bloßer Dienstleister ist.5 Vor diesem Hintergrund muss ein outsourcing zumindest solange als unschädliche Mitwirkung eingestuft werden, wie die ausländische Gesellschaft in Bezug auf die Forschungs- und Entwicklungstätigkeit als Entrepreneur qualifiziert.

12.44

Von einer schädlichen Mitwirkung dürfte die Finanzverwaltung ausgehen, wenn ein inländischer Steuerpflichtiger oder eine diesem nahestehende Person der ausländischen Lizenz- und Patentverwertungsgesellschaft Personal oder Wirtschaftsgüter zur Verfügung stellt, die diese im Rahmen ihrer Forschungs- und Entwicklungsarbeit einsetzt. Die Fremd1 2 3 4 5

Vogt in Blümich, § 8 AStG Rz. 67; Reiche in Haase, § 8 AStG Rz. 59. Fuhrmann in Mössner/Fuhrmann2, § 8 AStG Rz. 158. Lehfeldt in S/K/K, § 8 AStG Rz. 122. BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341 - 1/05, BStBl. I 2005, 570 Rz. 3.4.10.2. Ausführlich zur Funktionsanalyse Baumhoff in F/W/B, § 1 AStG Rz. 309 ff.

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B. Tatbestandsvoraussetzungen der Hinzurechnungsbesteuerung

vergleichsüblichkeit des Entgelts für das Zurverfügungstellen von Personal und Wirtschaftsgütern ist für die Beurteilung des Mitwirkungstatbestands unerheblich. Diese Leistungen sind somit auch schädlich, wenn das dafür gezahlte Entgelt angemessen ist.1 Wirkt ein inländischer Steuerpflichtiger oder eine diesem nahestehende Person hingegen nur vereinzelt oder in geringem Maße an der Forschungsund Entwicklungsarbeit der ausländischen Gesellschaft mit, so geht auch die Finanzverwaltung von einer unschädlichen Mitwirkung aus.2 Ebenso unschädlich ist eine Mitwirkung zu beurteilen, die Ausfluss der Gesellschafterstellung (Ausübung von Überwachungs- und Mitspracherechten) oder rein verwaltungsbezogen (z.B. im Bereich EDV, Rechnungswesen) ist und somit nicht Teil der verkehrsüblichen Forschungs- und Entwicklungstätigkeit sein kann.3 Wann jedoch von einer vereinzelten, geringfügigen oder aus der Gesellschafterstellung resultierenden bzw. verwaltungsbezogenen Mitwirkung auszugehen ist, kann nur im Einzelfall geklärt werden. Insbesondere in den Fällen der aus der Gesellschafterstellung resultierenden bzw. verwaltungsbezogenen Mitwirkung sollte durch eine geeignete Dokumentation der Einschätzung als schädliche Mitwirkung vorgebeugt werden. Die Argumentation einer sachlichen Unbilligkeit der Hinzurechnungsbesteuerung im Fall der vereinzelten und geringfügigen Mitwirkung dürfte insbesondere dann Erfolg haben, wenn im Einzelfall offensichtlich keine missbräuchliche Verlagerung gegeben ist (Rz. 12.58 ff.).4

12.45

Während in den anderen Mitwirkungstatbeständen des § 8 Abs. 1 AStG auf die Mitwirkung eines unbeschränkt Steuerpflichtigen abgestellt wird, ist für den Entlastungsnachweis gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 6 Buchst. a AStG allein die Mitwirkung durch einen „Steuerpflichtigen, der gem. § 7 an der Gesellschaft beteiligt ist“ bzw. durch eine diesem nahestehende Person i.S. des § 1 Abs. 2 AStG maßgebend. Aufgrund des pauschalen Verweises auf § 7 AStG ist daher fraglich, ob auch die Mitwirkung eines erweitert beschränkt Steuerpflichtigen (§ 7 Abs. 2 AStG i.V.m. § 2 AStG) schädlich ist. Mehrheitlich wird jedoch vor dem Hintergrund des Sinn und Zwecks des Mitwirkungstatbestands sowie der Gesetzeshistorie vertreten, dass allein die Mitwirkung eines unbeschränkt Steuerpflichtigen schädlich ist.5 Der Entlastungsnachweis ist daher teleologisch zu reduzieren.6

12.46

1 Unter Rückgriff auf BMF v. 14.5.2004 – IV B 4 - S 1340 -11/04, BStBl. I Sondernummer 1/2004, 3 Rz. 8.1.5.3.2; so auch Fuhrmann in Mössner/Fuhrmann2, § 8 AStG Rz. 158. 2 BMF v. 14.5.2004 – IV B 4 - S 1340 -11/04, BStBl. I Sondernummer 1/2004, 3 Rz. 8.1.4.3.1 Satz 3, Rz. 8.1.5.3.2 Satz 3; Lehfeldt in S/K/K, § 8 AStG Rz. 41; Wassermeyer in F/W/B, § 8 AStG Rz. 146. 3 Lehfeldt in S/K/K, § 8 AStG Rz. 37; Wassermeyer in F/W/B, § 8 AStG Rz. 146. 4 Wassermeyer in F/W/B, § 8 AStG Rz. 151; Lehfeldt in S/K/K, § 8 AStG Rz. 41. 5 Fuhrmann in Mössner/Fuhrmann2, § 8 AStG Rz. 160; Rödel in Kraft, § 8 AStG Rz. 364; Gropp in Lademann, § 8 AStG Rz. 81; a.A. Wassermeyer in F/W/B, § 8 AStG Rz. 146. 6 Lehfeldt in S/K/K, § 8 AStG Rz. 123.

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Kap. 12: Geistiges Eigentum und Hinzurechnungsbesteuerung

12.47

Auch die Mitwirkung einer dem Steuerpflichtigen nahestehenden Person ist schädlich. Der Begriff der nahestehenden Person ist i.S. des § 1 Abs. 2 AStG zu verstehen. Gemäß dem Wortlaut des § 8 Abs. 1 Nr. 6 Buchst. a AStG muss die nahestehende Person keinen Inlandsbezug haben. Mit der gleichen Argumentation wie in Bezug auf den Steuerpflichtigen wird allerdings vertreten, dass eine teleologische Reduktion des Tatbestands auf im Inland steuerpflichtige nahestehende Personen angebracht ist. Die nahestehende Person sollte daher (mit den Einkünften, die im Zusammenhang mit der Forschungs- und Entwicklungstätigkeit stehen) zumindest beschränkt steuerpflichtig in Deutschland sein.1

12.48

Der Entlastungsnachweis gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 6 Buchst. a AStG ist prinzipiell unabhängig vom Gegenbeweis i.S. von § 8 Abs. 2 AStG zu sehen (Rz. 12.58 ff.). Der Gesetzessystematik folgend besteht im Fall eines positiven Entlastungsnachweises keine Notwendigkeit, einen Gegenbeweis i.S. von § 8 Abs. 2 AStG zu führen, da diese Möglichkeit erst wahrgenommen werden kann, wenn die Voraussetzungen der Hinzurechnungsbesteuerung grundsätzlich erfüllt sind. Gelingt der Entlastungsnachweis gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 6 Buchst. a AStG, hat die ausländische Gesellschaft aktive Einkünfte, so dass bereits die Voraussetzungen der Hinzurechnungsbesteuerung nicht erfüllt sind. Rein praktisch gesehen ist allerdings abzuwägen, welcher Nachweis leichter bzw. kostengünstiger erbracht werden kann. 2. Niedrigbesteuerung

12.49

Passive Einkünfte einer ausländischen Gesellschaft qualifizieren nur dann als Zwischeneinkünfte und lösen somit eine Hinzurechnungsbesteuerung aus, wenn diese Einkünfte niedrig besteuert sind. Gemäß § 8 Abs. 3 AStG liegt eine niedrige Besteuerung vor, wenn die passiven Einkünfte der ausländischen Gesellschaft rein tatsächlich mit weniger als 25 % Ertragsteuern belastet werden. Maßgebend ist nicht der nominale Steuersatz, sondern die effektive Steuerbelastung (§ 8 Abs. 3 Satz 3 AStG). Zur Bestimmung der effektiven Steuerlast sind die tatsächlich gezahlten Steuern den unter Anwendung des deutschen Steuerrechts ermittelten passiven Einkünften (§ 10 Abs. 3 Satz 1 AStG) gegenüberzustellen. Um den sog. Malta-Strukturen entgegen zu wirken, sind seit dem VZ 2011 zudem Steuererstattungs- bzw. Anrechnungsansprüche des Gesellschafters in die Berechnung der Ertragsteuerbelastung der ausländischen Gesellschaft mit einzubeziehen (§ 8 Abs. 3 Satz 2 AStG).2

12.50

In einigen Ländern ist der Körperschaftsteuersatz nicht fix, sondern „gestaffelt“ ausgestaltet. So unterliegen bspw. in den Niederlanden die ersten 1 Lehfeldt in S/K/K, § 8 AStG Rz. 39, 123; Fuhrmann in Mössner/Fuhrmann2, § 8 AStG Rz. 160; a.A. Wassermeyer in F/W/B, § 8 AStG Rz. 225. 2 § 8 Abs. 3 Satz 2 AStG ist erst in Bezug auf Einkünfte anwendbar, die in einem Wirtschaftsjahr, das nach dem 31.12.2010 beginnt, entstanden sind (§ 21 Abs. 19 Satz 1 AStG).

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B. Tatbestandsvoraussetzungen der Hinzurechnungsbesteuerung

200 000 Euro einem vergünstigten Steuersatz von 20 %. Auf alle weiteren Einkünfte ist seit dem VZ 2011 der reguläre Steuersatz von 25 % anzuwenden. Effektiv werden die Einkünfte somit immer mit weniger als 25 % belastet, so dass eine Niedrigbesteuerung i.S. der Hinzurechnungsbesteuerung gegeben ist.1 Im Zusammenhang mit IP-Verwertungsgesellschaften sind insbesondere eventuelle steuerliche Fördermaßnahmen in Bezug auf Forschung und Entwicklung zu berücksichtigen (Rz. 12.05).2 Aufgrund dieser Maßnahmen kann der effektive Steuersatz auf die Einkünfte der Gesellschaft trotz eines unkritischen nominalen Steuersatzes im Bereich der Niedrigbesteuerung liegen.

12.51

Ist eine ausländische Gesellschaft in der Konzernstruktur unterhalb eines in Deutschland unbeschränkt Steuerpflichtigen angesiedelt, sind aus der Perspektive der Hinzurechnungsbesteuerung die effektive Steuerbelastung der ausländischen Gesellschaft sowie die direkte und indirekte Beteiligungshöhe des unbeschränkt Steuerpflichtigen zu überwachen.

12.52

III. de minimis-Regel bei gemischten Einkünften Erzielt eine ausländische Gesellschaft neben den Zwischeneinkünften noch andere Einkünfte, ist die Freigrenze des § 9 AStG zu beachten. Sind die Zwischeneinkünfte im Verhältnis zu den Gesamteinkünften der ausländischen Gesellschaft von untergeordneter Bedeutung, werden diese aus Vereinfachungsgründen nicht erfasst. Von einer untergeordneten Bedeutung der Zwischeneinkünfte ist auszugehen, wenn sie nicht mehr als 10 % der gesamten Bruttoerträge der Gesellschaft ausmachen und den Betrag von 80 000 Euro auf Ebene der ausländischen Gesellschaft nicht übersteigen (gesellschaftsbezogene relative und absolute Freigrenze). Gleichzeitig dürfen die Zwischeneinkünfte eines an dieser Gesellschaft beteiligten Anteilseigner i.S. des § 7 Abs. 1 AStG aus allen seinen Beteiligungen die Freigrenze von 80 000 Euro nicht übersteigen (gesellschafterbezogene absolute Freigrenze).3 Die Höhe der absoluten Freigrenze wird weithin als niedrig eingeschätzt, da sie seit ihrer Einführung im Jahr 1972 nahezu unverändert geblieben ist. Deshalb ist die praktische Bedeutung dieser Regelung sehr gering.4

1 Schnitger, IStR 2011, 328 (329). 2 So in Bezug auf die französischen Fördermaßnahmen Brinkmann/Maier/Brandstätter, IStR 2009, 563 (566). 3 Luckey in S/K/K, § 9 AStG Rz. 4. 4 Luckey in S/K/K, § 9 AStG Rz. 5; Kraft, IStR 2010, 377 (378).

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12.53

Kap. 12: Geistiges Eigentum und Hinzurechnungsbesteuerung

IV. Nachgeschaltete Zwischengesellschaften 12.54

Die Hinzurechnungsbesteuerung kann auch nicht durch die Zwischenschaltung einer nicht transparenten ausländischen Gesellschaft zwischen den inländischen Anteilseigner und die ausländische Zwischengesellschaft umgangen werden. Gemäß § 14 Abs. 1 AStG sind die Zwischeneinkünfte einer nachgeschalteten (Unter-)Gesellschaft der ausländischen Obergesellschaft zuzurechnen (sog. übertragene Zurechnung). Auf Ebene der zwischengeschalteten Obergesellschaft kommen dann die Vorschriften der Hinzurechnungsbesteuerung zur Anwendung. In tiefer gestaffelten Beteiligungsketten ermöglicht § 14 Abs. 3 AStG die übertragene Zurechnung. Demnach sind die Zwischeneinkünfte der Untergesellschaften der jeweiligen Muttergesellschaft zuzurechnen.1

12.55

Die Zurechnung der Zwischeneinkünfte setzt voraus, dass die ausländische Muttergesellschaft entweder allein oder zusammen mit unbeschränkt Steuerpflichtigen bzw. mit erweitert beschränkt Steuerpflichtigen (§ 2 AStG) gemäß § 7 AStG an der Untergesellschaft beteiligt ist. Für Zwischeneinkünfte i.S. des § 8 Abs. 1 Nr. 6 Buchst. a AStG ist daher eine Beteiligung von mehr als 50 % erforderlich. Bei der Berechnung dieser Beherrschungsquote ist nicht auf die unmittelbare Beteiligungshöhe der Obergesellschaft an der Untergesellschaft, sondern lediglich auf die „durchgerechnete“ Beteiligungshöhe abzustellen. Somit ist die Beteiligung der Obergesellschaft an der Untergesellschaft nur mit dem Anteil zu berücksichtigen, mit dem der Steuerinländer an der Obergesellschaft beteiligt ist.2 Anders als bei der Ermittlung der erforderlichen Beteiligungsvoraussetzungen erfolgt die übertragene Zurechnung jedoch nicht anhand dieser „durchgerechneten“ Beteiligungshöhe, sondern gemäß § 14 Abs. 1 Satz 1 AStG in Höhe der unmittelbaren gesellschaftsrechtlichen Beteiligung.

12.56

Eine Ausnahme von der übertragenen Zurechnung statuiert das sog. Funktionsprivileg des § 14 Abs. 1 Satz 1 letzte Alternative AStG. Danach sind diejenigen Zwischeneinkünfte von der Zurechnung auszunehmen, die auf Tätigkeiten beruhen, die in unmittelbarem Zusammenhang mit einer Tätigkeit der Obergesellschaft i.S. von § 8 Abs. Nr. 1–6 AStG stehen bzw. dieser „dienen“ und es sich dabei nicht um Zwischeneinkünfte mit Kapitalanlagecharakter handelt. Hintergrund für das Funktionsprivileg ist, dass die Auslagerung eines Teils der aktiven Tätigkeit der Obergesellschaft nicht zur Passivität der ausgelagerten Tätigkeit führen soll.3 Die Tätigkeit der Untergesellschaft dient der Obergesellschaft, wenn zwischen den Gesellschaften ein abgestimmtes Geschäft betrieben wird.4 Der 1 Hauswirth in S/K/K, § 14 AStG Rz. 1 f. 2 BMF v. 14.5.2004 – IV B 4 - S 1340 - 11/04, BStBl. I Sondernummer 1/2004, 3 Rz. 14.0.1 Satz 4; die Finanzverwaltung spricht sich somit explizit für eine teleologische Reduktion des § 14 AStG aus. So auch Hauswirth in S/K/K, § 14 AStG Rz. 20; Wassermeyer in F/W/B, § 14 AStG Rz. 48 jeweils m.w.N. 3 Uterhark in S/K/K, § 14 AStG Rz. 46. 4 BMF v. 14.5.2004 – IV B 4 - S 1340 - 11/04, BStBl. I Sondernummer 1/2004, 3 Rz. 14.1.2 Satz 3.

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B. Tatbestandsvoraussetzungen der Hinzurechnungsbesteuerung

Terminus „dienen“ ist daher als funktionale Unterordnung zu verstehen.1 Die Tätigkeit der Untergesellschaft soll einen ergänzenden Beitrag zur Tätigkeit der Obergesellschaft leisten.2 Davon ist auszugehen, wenn sich die Tätigkeit der Untergesellschaft im Rahmen der Tätigkeit der Obergesellschaft entfaltet oder ein Wirtschaftsgut im Rahmen der Tätigkeit der Obergesellschaft eingesetzt wird. Letzteres ist bspw. gegeben, wenn eine Untergesellschaft ihrer produzierenden Muttergesellschaft ein Produktionspatent zur Verfügung stellt.3 Wenn allerdings eine ausländische Gesellschaft, die Zwischeneinkünfte i.S. des § 8 Abs. 1 Nr. 6 Buchst. a AStG erwirtschaftet, nicht nur ihrer Muttergesellschaft, sondern auch anderen Konzerngesellschaften immaterielle Wirtschaftsgüter überlässt, kommt das Funktionsprivileg insoweit nicht zur Anwendung. Die ermittelten zurechenbaren Zwischeneinkünfte sind technisch jeweils in der letzten logischen Sekunde des Wirtschaftsjahrs der Untergesellschaft(en) zu „übertragen“ (§ 14 Abs. 1 Satz 1 AStG).4 Im Unterschied zur Hinzurechnung i.S. von § 7 Abs. 1 AStG werden negative Zwischeneinkünfte ebenso zugerechnet wie positive, so dass negative Zwischeneinkünfte im Rahmen des Verlustausgleichs der jeweiligen Muttergesellschaft berücksichtigt werden können.5

12.57

V. Möglichkeit des Gegenbeweises 1. Norminhalt Mit § 8 Abs. 2 AStG wird einem unbeschränkt Steuerpflichtigen, bei dem die Tatbestandsvoraussetzungen der Hinzurechnungsbesteuerung grundsätzlich erfüllt sind, seit dem 1.1.20086 die Möglichkeit gegeben, unter den im Folgenden näher erörterten Bedingungen nachzuweisen, dass seine Beteiligung an der ausländischen Gesellschaft nicht missbräuchlich ist. Die Exkulpationsmöglichkeit besteht, soweit eine inländisch beherrschte Gesellschaft ihren Sitz oder ihre Geschäftsleitung in einem EU-/EWRStaat hat und sie nachweislich „einer tatsächlichen wirtschaftlichen Tätigkeit in diesem Staat nachgeht“. Rechtsfolge eines erfolgreich geführten Nachweises ist, dass die Gesellschaft nicht als Zwischengesellschaft qualifiziert und damit die Rechtsfolgen der Hinzurechnungsbesteuerung nicht ausgelöst werden (zu den Merkmalen einer Zwischengesellschaft vgl. Rz. 12.24 ff.). 1 Hauswirth in S/K/K, § 14 AStG Rz. 49. 2 Wassermeyer in S/K/K, § 14 AStG Rz. 138; Vogt in Blümich, § 14 AStG Rz. 39. 3 Geurts in Mössner/Fuhrmann2, § 14 AStG Rz. 94; Uterhark in S/K/K, § 14 AStG Rz. 48. 4 Wassermeyer in F/W/B, § 14 AStG Rz. 87. 5 Protzen in Kraft, § 14 AStG Rz. 128 f.; Hauswirth in S/K/K, § 14 AStG Rz. 57. 6 Zum zeitlichen Anwendungsbereich im Detail s. § 21 Abs. 17 Satz 1 AStG. Für VZ vor 2008 ist § 8 Abs. 2 AStG im Wege der normerhaltenden Ergänzung der Vorschriften der Hinzurechnungsbesteuerung anzuwenden, BFH v. 21.10.2009 – I R 114/08, BStBl. II 2010, 774.

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12.58

Kap. 12: Geistiges Eigentum und Hinzurechnungsbesteuerung

12.59

§ 8 Abs. 2 AStG ist die Reaktion des deutschen Gesetzgebers auf das Urteil des EuGH in der Rs. Cadbury Schweppes1 vom 12.9.2006, das zu den britischen Vorschriften der Hinzurechnungsbesteuerung (sog. CFC-legislation; CFC = controlled foreign corporation) ergangen ist. Der deutsche Gesetzgeber hat sich bei der Formulierung der Voraussetzungen des Gegenbeweises sehr stark an den Begrifflichkeiten des EuGH in der benannten Rechtssache orientiert. Die übernommenen unbestimmten Rechtsbegriffe bedürfen der Auslegung.2 Dafür ist insbesondere auf die Gesetzesbegründung zu § 8 Abs. 2 AStG, die EuGH-Rechtsprechung im Allgemeinen und die Entscheidung zur Rs. Cadbury Schweppes abzustellen. Die Finanzverwaltung wird zudem auf das BMF-Schreiben v. 8.1.2007 rekurrieren, das in Reaktion auf das benannte EuGH-Urteil und vor der Einführung der gesetzlichen Exkulpationsmöglichkeit ergangen ist.3 Da das BMF-Schreiben zum Teil weit über die Vorgaben des EuGH hinausgeht und zudem vom Wortlaut her enger gefasst ist als der § 8 Abs. 2 AStG, ist eine daran ausgerichtete Auslegung allerdings kritisch zu hinterfragen.4 2. Sachlicher und persönlicher Anwendungsbereich

12.60

Die Möglichkeit des Gegenbeweises ist nach § 8 Abs. 2 Satz 1 AStG nur für Beteiligungen an Gesellschaften gegeben, die ihren Sitz oder ihre Geschäftsleitung in einem EU-/EWR-Staat haben. Die Anknüpfungsmerkmale an den EU-/EWR-Raum sind nicht kumulativ notwendig, so dass der Sitz oder die Geschäftsleitung in einem Drittstaat liegen könnten. Liegt jedoch die Geschäftsleitung in einem Drittstaat, dürfte es regelmäßig zu Schwierigkeiten beim Nachweis der tatsächlichen wirtschaftlichen Tätigkeit im Sitzstaat (=EU-/EWR-Staat) kommen. Darüber hinaus ist problematisch, welche Einkünfte dem Geschäftsleitungsstaat und welche dem Sitzstaat zuzurechnen sind.5 Der sachliche Anwendungsbereich wird letztlich auch durch die sog. Amtshilfebedingung weiter eingeschränkt. Danach ist der Gegenbeweis nur möglich, wenn mit dem betreffenden EU-/EWR-Staat eine gegenseitige Amtshilfe vereinbart ist (ausführlich dazu Rz. 12.72 f.).

12.61

Den Gegenbeweis dürfen nach § 8 Abs. 2 Satz 1 AStG nur Steuerpflichtige führen, die i.S. des § 7 Abs. 2 AStG an der Zwischengesellschaft beteiligt sind. Einem unbeschränkt Steuerpflichtigen muss demnach allein oder zusammen mit weiteren unbeschränkt oder erweitert beschränkt Steuerpflichtigen mehr als die Hälfte der Anteile oder Stimmrechte an der 1 EuGH v. 12.9.2006 – Rs. C-196/04 (Cadbury Schweppes), EuGHE 2006, I-7995. 2 Eine ausführliche Auslegung des § 8 Abs. 2 AStG findet sich bei Thiele, Hinzurechnungsbesteuerung und Unionsrecht, 14 ff. 3 BMF v. 8.1.2007 – IV B 4 - S 1351 - 1/07, BStBl. II 2007, 99. 4 U. a. Goebel/Palm, IStR 2007, 720 (722); Grotherr, IWB 2008, F. 3 Gr. 1, 2259 (2264); Schmidt/Schwind, IWB 2008, F. 2, 9713 (9716); Köhler/Haun, Ubg 2009, 73 (78); Gosch in FS Reiss, 597 (610). 5 Lehfeldt in S/K/K, § 8 AStG Rz. 182.17; Schönfeld in F/W/B, § 8 AStG Rz. 426.

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B. Tatbestandsvoraussetzungen der Hinzurechnungsbesteuerung

ausländischen Gesellschaft zuzurechnen sein. Auch in Bezug auf Zwischeneinkünfte mit Kapitalanlagecharakter ist demzufolge der Gegenbeweis möglich.1 Für unbeschränkt Steuerpflichtige, die an einer Gesellschaft im EU-/EWR-Ausland beteiligt sind, ist die Exkulpationsmöglichkeit für die Zwischeneinkünfte i.S. des § 8 Abs. 1 Nr. 6 Buchst. a AStG somit in jedem Fall gegeben, da die Einkünfte der Gesellschaft nur hinzugerechnet werden, wenn diese inlandsbeherrscht ist. 3. Tatsächliche wirtschaftliche Tätigkeit Kernelement der Exkulpationsklausel ist der Nachweis einer „tatsächlichen wirtschaftlichen Tätigkeit“. Das Gesetz gibt keine Anhaltspunkte, was unter diesem unbestimmten Rechtsbegriff zu verstehen ist. Der Begriff ist offensichtlich dem EuGH-Urteil in der Rs. Cadbury Schweppes entlehnt, worin von einer „wirklichen wirtschaftlichen Tätigkeit“ („genuine economic activity“) gesprochen wird.2 Da es sich bei der infrage stehenden Regelung um ein deutsches Gesetz handelt, ist grundsätzlich zunächst die Gesetzesbegründung maßgebend. Allerdings wurde die Möglichkeit des Gegenbeweises eingeführt, um die deutschen Vorschriften der Hinzurechnungsbesteuerung vor dem Hintergrund der Rs. Cadbury Schweppes an die Vorgaben des Unionsrechts anzupassen. Dies gelingt jedoch nur, wenn die Begrifflichkeiten auch im unionsrechtlichen Sinne ausgelegt werden.3 Insofern ist die Gesetzesbegründung4 sowie das in der Praxis von der Finanzverwaltung voraussichtlich angewendete BMFSchreiben5 vor dem Hintergrund des Unionsrechts kritisch zu würdigen (Rz. 12.114 ff.).

12.62

Die Gesetzesbegründung zu § 8 Abs. 2 AStG knüpft grundsätzlich stark an das genannte Urteil an und verweist zur Auslegung des Tatbestandsmerkmals auf die Niederlassungsfreiheit, die eine stabile und kontinuierliche Teilnahme am Wirtschaftsleben eines anderen Mitgliedstaats ermöglichen soll. Das Abstellen auf die Niederlassungsfreiheit impliziert, dass eine tatsächliche Ansiedlung der Gesellschaft im Aufnahmestaat bzw. die Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit mittels fester Einrichtung vorausgesetzt wird.6 Die erforderliche Teilnahme am Wirtschaftsleben des Ansässigkeitsstaats der ausländischen Gesellschaft ist dabei nicht gleichzusetzen mit einem Leistungsaustausch über den dortigen Absatzmarkt. Vielmehr kann eine Gesellschaft auch am Wirtschaftsleben des Ansässigkeitsstaats über den Beschaffungsmarkt und/oder

12.63

1 Schönfeld in F/W/B, § 8 AStG Rz. 449 m.w.N. 2 EuGH v. 12.9.2006 – Rs. C-196/04 (Cadbury Schweppes), EuGHE 2006, I-7995. 3 Schönfeld in F/W/B, § 8 AStG Rz. 461; Lehfeldt in S/K/K, § 8 AStG Rz. 182.19; Reiche in Haase, § 8 AStG Rz. 160; Thiele, Hinzurechnungsbesteuerung und Unionsrecht, 17. 4 BR-Drucks. 544/07, 123. 5 BMF v. 8.1.2007 – IV B 4 - S 1351 - 1/07, BStBl. II 2007, 99. 6 EuGH v. 12.9.2006 – Rs. C-196/04 (Cadbury Schweppes), EuGHE 2006, I-7995 Rz. 54.

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Kap. 12: Geistiges Eigentum und Hinzurechnungsbesteuerung

durch die Nutzung der vom Ansässigkeitsstaat zur Verfügung gestellten Institutionen (z.B. rechtliche Rahmenbedingungen) teilhaben.1 Von einer stabilen und kontinuierlichen Teilnahme ist auszugehen, wenn eine dauerhafte Integration im Aufnahmemitgliedstaat zumindest beabsichtigt ist.2

12.64

Die tatsächliche Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit mittels einer festen Einrichtung im (Verwaltungs-)Sitzstaat der Gesellschaft auf unbestimmte Zeit ist anhand von objektiven, von dritter Seite nachprüfbaren Anhaltspunkten nachzuweisen. Derartige Anhaltspunkte sind das Ausmaß des greifbaren Vorhandenseins der Auslandsgesellschaft bspw. in Form von Geschäftsräumen, Personal und Ausrüstungsgegenständen.3 Der EuGH belässt es bei diesen allgemeinen Substanzerfordernissen, ohne weitere Anforderungen an Art, Umfang bzw. Qualifikation zu stellen. Grundsätzlich gilt jedoch, dass die ausländische Gesellschaft so ausgestattet sein muss, dass sie ihrer vorgegebenen Tätigkeit nachkommen kann.4 Im Rahmen der Substanzmerkmale ist prinzipiell von einem quantitativen Ansatz auszugehen. Die Qualifikation des Personals ist somit unmittelbar nicht entscheidend. Mittelbar kann diese aber beim Vergleich der Unternehmensziele mit dem tatsächlichen output der Gesellschaft zum Tragen kommen. Entsprechen die tatsächlichen Leistungen nicht der vorgegebenen Funktion der Gesellschaft, so kann das auch an der mangelnden Kompetenz des Personals liegen. Der Umkehrschluss ist hingegen nicht zwingend.5

12.65

In Bezug auf Gesellschaften mit Zwischeneinkünften i.S. des § 8 Abs. 1 Nr. 6 Buchst. a AStG kommt es auf den Nachweis der tatsächlichen wirtschaftlichen Tätigkeit an, wenn nicht nachgewiesen werden kann, dass die zur Nutzung überlassenen immateriellen Wirtschaftsgüter das Resultat eigener Forschungs- und Entwicklungsarbeit ohne schädliche Mitwirkung sind (Rz. 12.33 ff.). Davon sind bspw. Fälle betroffen, in denen die immateriellen Wirtschaftsgüter erworben wurden oder die Finanzverwaltung eine schädliche Mitwirkung konstatiert. Wird bei der Gesellschaft jedoch nicht aktiv geforscht, sondern nur verwaltet, so müssen die Anforderungen an die notwendige Substanz der Gesellschaft in Bezug auf diese Tätigkeit eher gering sein. Bei IP-Verwertungsgesellschaften kann daher im Extremfall neben einer festen Einrichtung und einer minimalen Büroausstattung wohl lediglich eine Person notwendig sein, die die Geschäfte der IP-Verwertungsgesellschaft (tatsächlich) führt. Die deutsche Finanz1 Schönfeld in F/W/B, § 8 AStG Rz. 472 f.; Lehfeldt in S/K/K, § 8 AStG Rz. 182.21; Thiele, Hinzurechnungsbesteuerung und Unionsrecht, 131, 195; Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 10.140. 2 Schönfeld in F/W/B, § 8 AStG Rz. 475. 3 BR-Drucks. 544/07, 123; EuGH v. 12.9.2006 – Rs. C-196/04 (Cadbury Schweppes), EuGHE 2006, I-7995 Rz. 53, 54, 66, 67. 4 Schönfeld in F/W/B, § 8 AStG Rz. 486; Thiele, Hinzurechnungsbesteuerung und Unionsrecht, 204 f.; Lehfeldt in S/K/K, § 8 AStG Rz. 182.20. 5 Thiele, Hinzurechnungsbesteuerung und Unionsrecht, 205; Schönfeld in F/W/B, § 8 AStG Rz. 488 ff.

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B. Tatbestandsvoraussetzungen der Hinzurechnungsbesteuerung

verwaltung dürfte jedoch mit Bezug auf das BMF-Schreiben v. 8.1.2007 weitere Anforderungen an die ausländische Gesellschaft stellen (Rz. 12.69). Die Gesetzesbegründung zu § 8 Abs. 2 AStG geht indes über die zuvor diskutierten Substanzerfordernisse hinaus.1 Eine stabile und kontinuierliche Teilnahme am Wirtschaftsleben des Niederlassungsstaats soll demnach nicht gegeben sein, wenn die Kernfunktionen, welche die Gesellschaft hat, nicht von ihr selbst ausgeübt werden.2 Diese Auslegung der tatsächlichen wirtschaftlichen Tätigkeit war umschreibend schon im BMF-Schreiben v. 8.1.2007 (Tz. 2c, d, vgl. Rz. 12.69) enthalten.3 In der Praxis dürfte es vor dem Hintergrund der vielfältigen Formen wirtschaftlicher Zusammenarbeit sowie der weit verbreiteten Arbeitsteilung nicht immer leicht sein, die Kernfunktion einer bestimmten Tätigkeit zu bestimmen. Dabei ist insbesondere auf die divergierenden Ansätze der Finanzverwaltung und der Kommentarliteratur zur Bestimmung der Kernfunktionen hinzuweisen (vgl. dazu Rz. 12.41 ff.). Nicht jedes outsourcing von Funktionen ist zudem gleichbedeutend mit dem Fehlen einer wirtschaftlichen Tätigkeit.4 Solange die ausländische IP-Verwertungsgesellschaft die wesentlichen Entscheidungen bezüglich der ausgelagerten Forschungs- und Entwicklungsprojekte trifft und auch das Risiko der wirtschaftlichen Fehlentwicklung trägt, ist davon auszugehen, dass die Kernfunktionen von ihr selbst ausgeübt werden.5

12.66

Ebenso wenig geht die Gesetzesbegründung von einer stabilen und kontinuierlichen Teilnahme am Wirtschaftsleben aus, wenn sich die Funktion der Gesellschaft auf die gelegentliche Kapitalanlage oder das Verwalten von Beteiligungen ohne das gleichzeitige Ausüben von Geschäftsleitungstätigkeiten beschränkt. Zudem vertritt der Gesetzgeber die Auffassung, dass trotz Vorliegens eines in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetriebs i.S. des § 8 Abs. 1 AStG der Nachweis der tatsächlichen wirtschaftlichen Tätigkeit zu erbringen ist. Da diese Aspekte im Zusammenhang mit Zwischeneinkünften i.S. des § 8 Abs. 1 Nr. 6 Buchst. a AStG keine entscheidende Rolle spielen dürften, soll an dieser Stelle auf eine kritische Auseinandersetzung verzichtet werden.6

12.67

Positiv hervorzuheben ist jedoch, dass die Gesetzesbegründung entgegen den in § 8 Abs. 1 AStG geregelten schädlichen Mitwirkungstatbeständen auch das Tätigwerden gegenüber einem verbundenen Unternehmen als tatsächliche wirtschaftliche Tätigkeit einstuft.7 Neben der Anerkennung

12.68

So auch Fuhrmann in Mössner/Fuhrmann2, § 8 AStG Rz. 286. BR-Drucks. 544/07, 121 ff. BMF v. 8.1.2007 – IV B 4 - S 1351 - 1/07, BStBl. II 2007, 99. Köhler/Haun, Ubg 2009, 73 (79); Lehfeldt in S/K/K, § 8 AStG, Rz. 182.21. In diesem Sinne auch BFH v. 13.10.2010 – I R 61/09, BStBl. II 2011, 249. Eine kritische Würdigung findet sich u.a. bei Lehfeldt in S/K/K, § 8 AStG Rz. 182.22; Kraft in Kraft, § 8 AStG Rz. 750; Thiele, Hinzurechnungsbesteuerung und Unionsrecht, 18, 192. 7 BR-Drucks. 544/07, 123. 1 2 3 4 5 6

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Kap. 12: Geistiges Eigentum und Hinzurechnungsbesteuerung

von Konzerntätigkeiten kann daraus auch abgeleitet werden, dass auch die Geschäftstätigkeit gegenüber einem einzigen Auftraggeber nicht generell missbräuchlich ist.1 Es ist daher unschädlich, wenn eine IP-Verwertungsgesellschaft ihre immateriellen Wirtschaftsgüter ausschließlich anderen Konzerngesellschaften bzw. sogar nur einer einzigen zur Nutzung überlasst.

12.69

Bedient man sich des BMF-Schreibens v. 8.1.2007 als Auslegungshilfe für das Kriterium der tatsächlichen wirtschaftlichen Tätigkeit, so hat der Steuerpflichtige kumulativ nachzuweisen, dass a) die Gesellschaft in dem Mitgliedstaat, in dem sie ihren Sitz oder ihre Geschäftsleitung hat, am dortigen Marktgeschehen im Rahmen ihrer gewöhnlichen Geschäftstätigkeit aktiv, ständig und nachhaltig teilnimmt, b) die Gesellschaft dort für die Ausübung ihrer Tätigkeit ständig sowohl geschäftsleitendes als auch anderes Personal beschäftigt, c) das Personal der Gesellschaft über die Qualifikation verfügt, um die der Gesellschaft übertragenen Aufgaben eigenverantwortlich und selbstständig zu erfüllen, d) die Einkünfte der Gesellschaft ursächlich aufgrund der eigenen Aktivitäten der Gesellschaft erzielt werden, e) den Leistungen der Gesellschaft, sofern sie ihre Geschäfte überwiegend mit nahestehenden Personen i.S. des § 1 Abs. 2 AStG betreibt, für die Leistungsempfänger wertschöpfende Bedeutung zukommt und die Ausstattung mit Kapital zu der erbrachten Wertschöpfung in einem angemessenem Verhältnis steht.2 Diese kumulativ zu erfüllenden Kriterien des BMF-Schreibens gehen zwar weit über die unionsrechtlichen Vorgaben hinaus,3 dürften aber für den praktischen Rechtsanwender von Bedeutung sein. Zumal die Finanzverwaltung wohl den ausufernden Charakter des Schreibens erkannt hat und dieses dem Vernehmen nach mit gebotenem Augenmaß anwendet bzw. bei einem entsprechenden Nachweis kooperativ reagiert.4

12.70

Die tatsächliche wirtschaftliche Tätigkeit muss gemäß § 8 Abs. 2 Satz 1 AStG „in diesem Staat“ ausgeübt werden. Nach rein grammatikalischer Auslegung ist Bezugsstaat für das Kriterium der tatsächlichen wirtschaftlichen Tätigkeit der EU-/EWR-Staat, in dem die ausländische Gesellschaft ihren Sitz und/oder ihre Geschäftsleitung hat. Fällt eines der beiden Anknüpfungsmerkmale in einen Drittstaat, so ist für den Gegenbeweis lediglich der Nachweis für den EU-/EWR-Staat maßgeblich. Liegen Sitz und Ge1 Kraft in Kraft, § 8 AStG Rz. 750. 2 BMF v. 8.1.2007 – IV B 4 - S 1351 - 1/07, BStBl. II 2007, 99 Rz. 2. 3 U.a. Köhler/Eicker, DStR 2007, 331; Köplin/Sedemund, BB 2007, 244. Ausführlich dazu Thiele, Hinzurechnungsbesteuerung und Unionsrecht, 194 ff. 4 Schönfeld in F/W/B, § 8 AStG Rz. 462.

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B. Tatbestandsvoraussetzungen der Hinzurechnungsbesteuerung

schäftsleitung im Unionsgebiet bzw. auf dem Gebiet des Europäischen Wirtschaftsraums, aber in unterschiedlichen Staaten, so kann der Gegenbeweis nach dem Wortlaut grundsätzlich sowohl für die Einkünfte aus dem Sitzstaat als auch für die Einkünfte aus dem Geschäftsleitungsstaat geführt werden.1 Der Wortlaut des § 8 Abs. 2 Satz 1 AStG scheint jedoch die Exkulpation für Einkünfte aus EU-/EWR-Betriebsstätten, die nicht im Sitz- bzw. Geschäftsleitungsstaat liegen, auszuschließen. Der Gegenbeweis könnte somit scheitern, wenn lediglich in einem dritten Betriebsstättenstaat eine tatsächliche Ansiedlung, nicht jedoch im Sitz- bzw. Geschäftsleitungsstaat vorliegt. Diese Auslegung dürfte jedoch den Grundsätzen der Entscheidung zur Rs. Cadbury Schweppes widersprechen.2 Die Exkulpationsklausel sollte daher so auszulegen sein, dass es auf die tatsächliche wirtschaftliche Tätigkeit in dem EU-/EWR-Staat ankommt, aus dem die Zwischeneinkünfte stammen.3 Gestützt wird diese Auslegung zudem durch § 8 Abs. 2 Satz 4 AStG, der den Gegenbeweis für Einkünfte aus einer Drittstaatenbetriebsstätte ausschließt (Rz. 12.80 ff.). Im Umkehrschluss ist daher anzunehmen, dass der Gegenbeweis für Einkünfte aus EU-/EWR-Betriebsstätten grundsätzlich möglich ist.4 Gemäß § 8 Abs. 2 Satz 1 AStG ist eine ausländische Gesellschaft nur nicht Zwischengesellschaft für Einkünfte, „insoweit“ für diese der Nachweis der tatsächlichen wirtschaftlichen Tätigkeit gelingt. Entsprechend dem Gesetzeswortlaut ist der Gegenbeweis für jede einzelne Tätigkeit bzw. für jede Einkunftsquelle erforderlich (segmentierende Betrachtung; Rz. 12.80 ff.). Hat eine ausländische Gesellschaft neben den Verwertungseinkünften i.S. des § 8 Abs. 1 Nr. 6 Buchst. a AStG noch weitere Einkunftsquellen, ist daher der Gegenbeweis für jede Tätigkeit zu erbringen. Bei der Beurteilung, ob weitere Einkunftsquellen existieren, ist eine funktionale Betrachtungsweise anzulegen (Rz. 12.24 ff.).

12.71

4. Amtshilfebedingung Weitere Voraussetzung für die Zulässigkeit des Gegenbeweises ist gemäß § 8 Abs. 2 Satz 2 AStG, dass der Ansässigkeitsstaat der ausländischen Gesellschaft Deutschland die für die Besteuerung der inländischen Steuerpflichtigen notwendigen Auskünfte erteilt. Dieser Auskunftsaustausch muss entweder auf der EG-Amtshilferichtlinie oder einer vergleichbaren Auskunftsklausel in einem bi- bzw. multilateralen Vertrag beruhen.5 Der Anwendungsbereich der EG-Amtshilferichtlinie erstreckt sich auf das Gebiet der EU-Staaten. Im Verhältnis zu den EWR-Staaten ist die EG1 Köhler/Haun, Ubg 2009, 73 (80) stufen den Wortlaut als unklar ein, sprechen sich jedoch für die Exkulpationsmöglichkeit in beiden Staaten aus. 2 Köhler/Haun, Ubg 2009, 73 (80); Thiele, Hinzurechnungsbesteuerung und Unionsrecht, 205. 3 Thiele, Hinzurechnungsbesteuerung und Unionsrecht, 23. 4 Lehfeldt in S/K/K, § 8 AStG Rz. 182.25; Schönfeld in F/W/B, § 8 AStG Rz. 512. 5 Zu den möglichen Rechtsgrundlagen internationaler Informations(rechts)hilfe siehe Hendricks in D/W, Vor Art. 1 MA-InfAust Rz. 7 ff.

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12.72

Kap. 12: Geistiges Eigentum und Hinzurechnungsbesteuerung

Amtshilferichtlinie nicht anwendbar. Deshalb ist für diese Staaten primär auf die einschlägigen Klauseln in DBA bzw. auf entsprechende Auskunftsabkommen abzustellen. Um einen Informationsaustausch äquivalent zur EG-Amtshilferichtlinie zu gewährleisten, muss die Klausel einen „großen“ Auskunftsaustausch entsprechend Art. 26 OECD-MA ermöglichen.1,2 Norwegen und Island haben über ihr jeweiliges DBA einen äquivalenten großen Informationsaustausch zugesichert.3 Liechtenstein hat zwar kein DBA mit der Bundesrepublik Deutschland abgeschlossen; in 2009 wurde jedoch ein spezielles Abkommen zum Auskunftsaustausch in Steuersachen ausgehandelt.4 Das Abkommen ermöglicht einen Informationsaustausch i.S. einer großen Auskunftsklausel frühestens für Steuerjahre bzw. VZ, die am 1.1.2010 beginnen, so dass ab diesem Zeitpunkt die Voraussetzung erfüllt ist.5 Für die vorangegangenen VZ erfüllt Liechtenstein diese Tatbestandsvoraussetzung nicht, so dass der Gegenbeweis in Bezug auf Einkünfte einer Tochtergesellschaft mit Sitz oder Geschäftsleitung in Liechtenstein für diese Zeiträume ausgeschlossen bleibt.6

12.73

Nach dem Wortlaut des § 8 Abs. 2 Satz 2 AStG genügt es nicht, dass entsprechende Rechtsgrundlagen über den Auskunftsaustausch bestehen. Vielmehr müssen die Auskünfte auch tatsächlich erteilt werden. Bei manchen Staaten bestehen trotz abgeschlossener Abkommen aus den unterschiedlichsten Gründen Defizite, so dass im Einzelfall ein Gegenbeweis – ohne dass der Steuerpflichtige es beeinflussen könnte – verwehrt werden kann.7 Der Gesetzesbegründung ist jedoch zu entnehmen, dass in diesen Fällen die tatsächliche Umsetzung der Auskunftsklauseln fingiert wird.8 Entgegen dem Gesetzeswortlaut scheint es dem Gesetzgeber nicht darauf anzukommen, wie auskunftsfreudig der Aufnahmemitgliedstaat tatsächlich ist. 5. Ausschluss des Gegenbeweises

12.74

Die Exkulpationsmöglichkeit besteht gemäß § 8 Abs. 2 Satz 3 AStG nicht für Zwischeneinkünfte, die der Gesellschaft im Wege der übertragenden Zurechnung (§ 14 AStG, vgl. Rz. 12.54 ff.) von einer Untergesellschaft, die weder Sitz noch Geschäftsleitung in einem EU-/EWR-Staat hat, zugerechnet werden. Gleiches gilt für Einkünfte aus Betriebsstätten 1 BR-Drucks. 544/07, 124. 2 Zum großen und kleinen Auskunftsaustausch: BMF v. 25.1.2006 – B 1 - S 1320 11/06, BStBl. I 2006, 26 Rz. 1.5.1 (Merkblatt zur zwischenstaatlichen Amtshilfe durch Auskunftsaustausch in Steuersachen). 3 Art. 26 DBA-Norwegen bzw. Art. 26 DBA-Island; a.A. in Bezug auf Island Kraft in Kraft, § 8 AStG Rz. 762; Vogt in Blümich, § 8 AStG Rz. 157; Grotherr, IWB 2008, F. 3 Gr. 1, 2259 (2264). 4 BGBl. II 2010, 950. 5 Art. 5, 13 des Abkommens mit Liechtenstein über die Zusammenarbeit und den Informationsaustausch in Steuersachen. 6 Lehfeldt in S/K/K, § 8 AStG Rz. 182.17. 7 Schönfeld in F/W/B, § 8 AStG Rz. 527. 8 BR-Drucks. 544/07, 124.

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B. Tatbestandsvoraussetzungen der Hinzurechnungsbesteuerung

in Drittstaaten (§ 8 Abs. 2 Satz 4 AStG). Der Steuerpflichtige kann daher eine Hinzurechnungsbesteuerung nicht dadurch verhindern, dass er eine EU-/EWR-Gesellschaft zwischen sich und die im Nicht-EU-/Nicht-EWRRaum ansässige Zwischengesellschaft schaltet.1 Abgesehen von der Negierung der Exkulpationsmöglichkeit weisen die Regelungen auf die Frage hin, auf welcher Ebene der Gegenbeweis geführt werden muss bzw. kann. Der Wortlaut des § 8 Abs. 2 Satz 3 AStG scheint den Gegenbeweis lediglich für die Obergesellschaft zu ermöglichen. In die gleiche Richtung deutet auch die Gesetzessystematik der übertragenden Zurechnung, wonach der Obergesellschaft die Zwischeneinkünfte der Untergesellschaft zugerechnet werden und auf dieser Ebene der Hinzurechnungsbesteuerung unterliegen. Für die – zugerechneten und eigenen – Zwischeneinkünfte der Obergesellschaft kann der inländische Steuerpflichtige den Gegenbeweis anstrengen.2 Diese Auslegung hätte jedoch zur Folge, dass der Gegenbeweis für Einkünfte einer im EU-/EWR-Raum ansässigen Untergesellschaft allein aufgrund der Ansässigkeit der Obergesellschaft im Drittstaat nicht möglich wäre.3 Insofern steht diese im Widerspruch zur Intention des Gesetzgebers, wonach der Gegenbeweis für EU-/EWR-Gesellschaften grundsätzlich möglich sein soll.4

12.75

Im Zusammenhang mit dem Problem der Ansiedlung des Gegenbeweises steht auch die Frage, in welchem Staat die wirtschaftliche Tätigkeit nachgewiesen werden muss. Kann nur die Obergesellschaft den Gegenbeweis führen, müssen die Zwischeneinkünfte dem Gesetzeswortlaut entsprechend auf eine tatsächliche wirtschaftliche Tätigkeit im Sitz- bzw. Geschäftsleitungsstaat der Obergesellschaft zurückzuführen sein. Bei der übertragenden Zurechnung kann dies, wenn die Untergesellschaft nicht zufällig ihren Sitz bzw. ihre Geschäftsleitung im Ansässigkeitsstaat der Obergesellschaft hat, aber nie der Fall sein, so dass der Gegenbeweis für die Einkünfte nachgeschalteter Zwischengesellschaften nicht möglich wäre.5 Die Hinzurechnungsbesteuerung von Einkünften aus einem EU-/ EWR-Staat wird jedoch nur vermieden, wenn es auf die tatsächliche wirtschaftliche Tätigkeit in dem EU-/EWR-Staat ankommt, aus dem die Zwischeneinkünfte stammen.6

12.76

1 Reiche in Haase, § 8 AStG Rz. 169. 2 Lehfeldt in S/K/K, § 8 AStG Rz. 182.28; Thiele, Hinzurechnungsbesteuerung und Unionsrecht, 28; a.A. Schönfeld (in F/W/B, § 8 AStG Rz. 445) interpretiert § 14 AStG so, dass bereits auf Ebene der Untergesellschaft der Gegenbeweis zu führen ist. 3 Fuhrmann in Mössner/Fuhrmann2, § 8 AStG Rz. 297; Lehfeldt in S/K/K, § 8 AStG Rz. 182.28. 4 BR-Drucks. 544/07, 124. 5 Lehfeldt in S/K/K, § 8 AStG Rz. 182.28; Fuhrmann in Mössner/Fuhrmann2, § 8 AStG Rz. 297; wohl a.A. Schnitger, IStR 2007, 729 (732), wonach lediglich bei der Obergesellschaft eine tatsächliche wirtschaftliche Tätigkeit nachgewiesen werden muss. Sofern eine solche zu bejahen wäre, käme es für den Gegenbeweis auf die reale Tätigkeit der nachgeschalteten Gesellschaft nicht an. 6 Lehfeldt in S/K/K, § 8 AStG Rz. 182.28; Fuhrmann in Mössner/Fuhrmann2, § 8 AStG Rz. 297.

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Kap. 12: Geistiges Eigentum und Hinzurechnungsbesteuerung

12.77

Die Gesetzesformulierung des angestrebten Ausschlusses der Exkulpation für Drittstaateneinkünfte scheint daher misslungen zu sein. Systematisch sinnvoller und unionsrechtlich geboten wäre eine Auslegung, nach welcher der Gegenbeweis auf Ebene jeder Untergesellschaft zu führen ist1 und, falls dieser gelingt, die Einkünfte erst gar nicht nach § 14 AStG zugerechnet werden.2 Die Grenze der Auslegung bildet jedoch der Wortlaut des Gesetzes.

12.78

Da die Finanzverwaltung sich bislang – soweit ersichtlich – zur Frage der Ansiedlung noch nicht positioniert hat, ist zumindest im Fall der Strukturierung Vorsicht geboten. Ein Steuerpflichtiger, der sich auf den Gegenbeweis zur Abwehr der Hinzurechnungsbesteuerung berufen möchte, sollte seine Argumentation auf den telos des § 8 Abs. 2 AStG und somit auf die unionsrechtlichen Vorgaben für eine EU-konforme Hinzurechnungsbesteuerung stützen.

12.79

Gleichlaufend ist die Problematik, wenn die Zwischeneinkünfte einer Betriebsstätte, die nicht im selben Mitgliedstaat wie die ausländische Gesellschaft angesiedelt ist, zuzuordnen sind. Für Betriebsstätten in Drittstaaten verwehrt § 8 Abs. 2 Satz 4 AStG ausdrücklich den Gegenbeweis. Im Umkehrschluss könnte man ableiten, dass für Betriebsstätten in EU-/ EWR-Staaten die Exkulpation grundsätzlich möglich sein soll. Diese wäre jedoch nur sinnvoll, wenn die tatsächliche wirtschaftliche Tätigkeit nicht im Sitz-/Geschäftsleitungsstaat der Gesellschaft, sondern für den Niederlassungsstaat der Betriebsstätte nachzuweisen ist.3 6. Reichweite des Gegenbeweises

12.80

Bereits in § 8 Abs. 2 Satz 1 AStG wird deutlich, dass der Gegenbeweis nicht für die Auslandsgesellschaft im Ganzen, sondern für bestimmte Einkünfte geführt werden kann („insoweit“). Explizit weist § 8 Abs. 2 Satz 5 Alt. 1 AStG auf diese gegenständliche Zuordnung der Einkünfte hin; nur Einkünfte, die durch die tatsächliche wirtschaftliche Tätigkeit erzielt werden, sind von der Exkulpationsmöglichkeit erfasst. Die Zuordnung der Einkünfte basiert somit auf dem Gedanken der Kausalität, wobei man sich, um eine uferlose Zurechnung zu vermeiden, auf die unmittelbare Ursächlichkeit beschränken sollte.4 In der Praxis dürfte die geforderte gegenständliche Zuordnung – auch wenn man sich auf die Kausalität i.e.S. beschränkt – zu erheblichen Schwierigkeiten führen. Monokausale Ursachen-Wirkungszusammenhänge sind eher selten. Zudem sind detaillierte Kenntnisse über die innere Organisation der Auslandsgesellschaft notwendig, um Einkünfte einer bestimmten Tätigkeit zuzuordnen.5 1 Lehfeldt in S/K/K, § 8 AStG Rz. 182.28 sowie zum Unionsrecht Thiele, Hinzurechnungsbesteuerung und Unionsrecht, 210 ff. 2 In diesem Sinne Schönfeld in F/W/B, § 8 AStG Rz. 445. 3 Schönfeld in F/W/B, § 8 AStG Rz. 512. 4 Schönfeld in F/W/B, § 8 AStG Rz. 562. 5 Lehfeldt in S/K/K, § 8 AStG Rz. 182.30; Kraft in Kraft, § 8 AStG Rz. 781.

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B. Tatbestandsvoraussetzungen der Hinzurechnungsbesteuerung

Erzielt eine niedrig besteuerte EU-/EWR-Gesellschaft Einkünfte aus unterschiedlichen Tätigkeiten i.S. des § 8 Abs. 1 AStG, muss der erforderliche Nachweis der tatsächlichen wirtschaftlichen Aktivität grundsätzlich für jede dieser Tätigkeiten erbracht werden. Von dieser segmentierenden Betrachtung kann nur abgesehen werden, wenn die Einkünfte aus einer Tätigkeit als Nebenerträge einer anderen Tätigkeit zu beurteilen sind und erstere nach dem Grundsatz der funktionalen Betrachtungsweise der letztgenannten Tätigkeit zugeordnet werden.1

12.81

Nach § 8 Abs. 2 Satz 5 Alt. 2 AStG ist der Gegenbeweis darüber hinaus nur möglich, wenn die der tatsächlichen wirtschaftlichen Aktivität zugeordneten Einkünfte unter Beachtung des Fremdvergleichsgrundsatzes erzielt wurden. Zweck dieser Regelung sollte vermutlich sein, dass der Gegenbeweis nicht möglich ist für Einkünfte einer Gesellschaft, soweit sie den Betrag, der sich unter Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes ergibt, übersteigen. Mit dem Verweis auf § 1 AStG werden jedoch ausschließlich verrechnungspreisbedingte Einkünfteminderungen bekämpft, so dass sich der Gesetzeswortlaut und die Intention des Gesetzgebers widersprechen. Die Grenze der Auslegung ist der Wortsinn, so dass für Einkünfte der ausländischen Gesellschaft, die durch zu hohe Preise (im Vergleich mit dem Fremdvergleichspreis) erwirtschaftet wurden, der Gegenbeweis nicht verwehrt werden darf.2

12.82

Bei der Beurteilung der Konsequenzen dieser zusätzlichen Restriktion ist zu berücksichtigen, dass nach Auffassung des BFH3 sowie der Finanzverwaltung4 § 1 AStG vorrangig vor den Vorschriften der Hinzurechnungsbesteuerung anzuwenden ist und dass der Fremdvergleichsgrundsatz bereits bei der Ermittlung der Zwischeneinkünfte durch die Anwendung des deutschen Steuerrechts nach § 10 Abs. 3 AStG berücksichtigt wird (Rz. 12.14 ff. sowie Rz. 12.88 ff.). Im Ergebnis unterliegen ohnehin nur angemessene Einkünfte der Hinzurechnungsbesteuerung. Für die Anwendung des § 8 Abs. 2 Satz 5 Alt. 2 AStG verbleibt daher kein Raum.5 Die Gesetzesbegründung zu § 8 Abs. 2 AStG deutet allerdings darauf hin, dass § 1 AStG auch auf ausschließlich im Ausland bestehende Geschäftsbeziehungen zur Anwendung kommen soll.6 Diesem Ansatz ist jedoch entschieden entgegenzutreten, da § 1 AStG explizit ein inländisches Anknüpfungsmerkmal voraussetzt.7

12.83

1 BR-Drucks. 544/07, 124; Schönfeld in F/W/B, § 8 AStG Rz. 501; Lehfeldt in S/K/K, § 8 AStG Rz. 182.30. 2 Sieker, IStR 2009, 341 (342 f.). 3 BFH v. 20.4.1988 – I R 41/82, BStBl. II 1988, 868. 4 BMF v. 14.5.2004 – IV B 4 - S 1340 -11/04, BStBl. I Sondernummer 1/2004, 3 Rz. 10.1.1.1 Satz 2. 5 Lehfeldt in S/K/K, § 8 AStG, Rz. 182.31; Schönfeld in F/W/B, § 8 AStG Rz. 571. 6 BR-Drucks. 544/07, 124. 7 Thiele, Hinzurechnungsbesteuerung und Unionsrecht, 31 sowie 214 f. jeweils m.w.N.

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Kap. 12: Geistiges Eigentum und Hinzurechnungsbesteuerung

7. Nachweispflichten

12.84

Nach § 8 Abs. 2 Satz 1 AStG hat der Steuerpflichtige den Nachweis einer tatsächlichen wirtschaftlichen Tätigkeit zu führen; ihm wird damit in vollem Umfang die Beweislast auferlegt. Diese Abweichung vom grundsätzlich geltenden Amtsermittlungsgrundsatz (§ 88 AO) ist durch die widerlegbare Vermutung begründet, dass die Einschaltung einer ausländischen Gesellschaft für bestimmte, niedrigbesteuerte Einkünfte ein Indiz für einen Gestaltungsmissbrauch darstellt. Diese Vorgehensweise ist grundsätzlich zulässig, zumal den Steuerpflichtigen bei der Aufklärung von Auslandssachverhalten nach § 90 Abs. 2 und 3 AO erweiterte Mitwirkungspflichten treffen. Nichtsdestotrotz darf der Staat nur soweit eine Mitwirkung verlangen, wie es dem Steuerpflichtigen objektiv möglich ist, diese Forderung zu erfüllen. Ist es dem Steuerpflichtigen objektiv unmöglich, das Verlangte zu erbringen, ist die Umkehr der Beweislast unverhältnismäßig.1

12.85

Grundsätzlich fordert § 8 Abs. 2 Satz 1 AStG, dass der Nachweis von jedem an der Gesellschaft Beteiligten selbst zu erbringen ist. Die tatsächliche wirtschaftliche Tätigkeit wird jedoch in Bezug auf die Gesellschaft nachgewiesen und für diese werden auch die Besteuerungsgrundlagen für die Hinzurechnungsbesteuerung einheitlich festgestellt; dementsprechend ist die Zurechnung des von einem Steuerpflichtigen erbrachten Nachweises zu den anderen Steuerpflichtigen geboten.2 Diese Sichtweise entspricht dem Vernehmen nach auch der Interpretation der Finanzverwaltung.3

12.86

Als Beweismittel kommen insbesondere Jahresabschlüsse und Geschäftsberichte in Betracht, da der inländische Steuerpflichtige i.d.R. auch ohne Mehrheitsbeteiligung auf diese Zugriff hat. Darüber hinaus können auch interne Unternehmensunterlagen (z.B. Verträge der ausländischen Gesellschaft, betriebswirtschaftliche Auswertungen etc.), Sachverständigengutachten und Zeugenaussagen des Personals der Auslandsgesellschaft herangezogen werden. Letztlich könnte die ausländische Gesellschaft auch im Rahmen einer Amtshilfe i.S. von § 92 Satz 2 Nr. 4 AO i.V.m. §§ 98 ff. AO in Augenschein genommen werden, um die Aussagen des Steuerpflichtigen zu verifizieren. Der Maßstab, der an die zu erbringenden Nachweise angelegt wird, muss jedoch sowohl aus nationaler als auch aus unionsrechtlicher Perspektive dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz genügen.4

12.87

Der Zeitpunkt der Erbringung des Gegenbeweises ergibt sich aus § 18 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 2 AStG, wonach er zusammen mit den Erklärungen nach § 18 AStG einzureichen ist. 1 Dörr/Fehling, NWB 2008, F. 2, 9671 (9680); Seer in Tipke/Lang, Steuerrecht20, § 21 Rz. 193. 2 Schönfeld in F/W/B, § 8 AStG Rz. 447; Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 10.137. 3 Schönfeld, IStR 2008, 763 (764). 4 Schönfeld in F/W/B, § 8 AStG Rz. 458; Lehfeldt in S/K/K, § 8 AStG Rz. 182.27; Thiele, Hinzurechnungsbesteuerung und Unionsrecht, 149 f. sowie 195 ff.

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C. Rechtsfolgen der Hinzurechnungsbesteuerung

C. Rechtsfolgen der Hinzurechnungsbesteuerung I. Ermittlung des Hinzurechnungsbetrags Sind die Tatbestandsvoraussetzungen der Hinzurechnungsbesteuerung (§§ 7, 8 AStG) erfüllt, ist nach § 10 Abs. 1 AStG der Hinzurechnungsbetrag zu ermitteln. Der Hinzurechnungsbetrag i.S. der Legaldefinition ist die Summe der nach § 7 AStG steuerpflichtigen und nach § 8 Abs. 1, 3 AStG tatbestandlich definierten Zwischeneinkünfte der ausländischen Gesellschaft, vermindert um die Steuern, die von der Gesellschaft aufgrund dieser Einkünfte sowie aufgrund diesen Einkünften zugrunde liegenden Vermögens erhoben wurden.

12.88

Bei der Ermittlung der dem Hinzurechnungsbetrag zugrunde liegenden Einkünfte finden nach § 10 Abs. 3 Satz 1 AStG die Vorschriften des deutschen Steuerrechts entsprechende Anwendung. Davon ausgenommen sind jedoch die explizit in § 10 Abs. 3 Satz 4 AStG genannten Normen, die Vorschriften des UmwStG sowie diejenigen steuerliche Vergünstigungen, die einen inländischen Anknüpfungspunkt voraussetzen. Betriebsausgaben dürfen nach § 10 Abs. 4 AStG nur insoweit abgezogen werden, als sie im wirtschaftlichen Zusammenhang mit den Zwischeneinkünften stehen. Die anzuwendende Methode zur Ermittlung der Einkünfte ist abhängig von der Art der bei der ausländischen Gesellschaft erzielten Einkünfte. Erwirtschaftet die Auslandsgesellschaft Einkünfte aus Vermögensverwaltung, so sind die Zwischeneinkünfte mittels EinnahmenÜberschussrechnung (§§ 8, 9 EStG) zu ermitteln. Sind die Einkünfte der ausländischen Gesellschaft den Gewinneinkunftsarten (§ 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG) zuzuordnen, so kann zwischen der Gewinnermittlung mittels Betriebsvermögensvergleich (§§ 4 Abs. 1, 5 Abs. 1 EStG) und der Einnahmen-Überschussrechnung (§ 4 Abs. 3 EStG) gewählt werden.1

12.89

Ergeben sich auf diese Weise negative Zwischeneinkünfte, werden diese nicht bei den Steuerpflichtigen hinzugerechnet, sondern auf Ebene der ausländischen Gesellschaft analog zu § 10d EStG vor- bzw. rückgetragen (§ 10 Abs. 3 Satz 5 AStG). Bei Auslandsgesellschaften mit gemischten Einkünften können die negativen Zwischeneinkünfte nicht mit positiven aktiven Einkünften ausgeglichen werden. Eine innerperiodische Verrechnung der Verluste ist lediglich mit den nach § 14 AStG zugerechneten Zwischeneinkünften nachgeschalteter Gesellschaften möglich.2

12.90

Gemäß § 10 Abs. 1 Satz 1 AStG werden von den so ermittelten Zwischeneinkünften die für sie entrichteten Steuern und die Steuern, die auf Vermögen erhoben wurden, das im Zusammenhang mit den Zwischeneinkünften steht, abgezogen. Um den Hinzurechnungsbetrag nach § 10 Abs. 1 AStG zu erhalten, ist der sich so ergebene Betrag auf die einzelnen Hin-

12.91

1 Luckey in S/K/K, § 10 AStG Rz. 81 ff. 2 Luckey in S/K/K, § 10 AStG Rz. 109 ff.

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Kap. 12: Geistiges Eigentum und Hinzurechnungsbesteuerung

zurechnungsverpflichteten entsprechend ihrer gesellschaftsrechtlichen Beteiligung an der Zwischengesellschaft aufzuteilen. Da alternativ zum Abzug der mit den Zwischeneinkünften zusammenhängenden Steuern der einzelne Steuerpflichtige nach § 12 AStG einen Antrag auf Anrechnung stellen kann, sind ebenso die anteiligen abgezogenen Steuern zu ermitteln. Der anteilige Hinzurechnungsbetrag und die anteiligen abgezogenen Steuern sind nach § 18 Abs. 1 AStG einheitlich und gesondert festzustellen.

12.92

Davon zu unterscheiden ist der anzusetzende Hinzurechnungsbetrag (§ 10 Abs. 2 AStG), in dem ggf. zusätzlich die Modifikationen der §§ 11, 12 AStG zu berücksichtigen sind.1 § 11 AStG nimmt bestimmte Gewinne aus der Veräußerung von Gesellschaftsanteilen (oder gleichgestellten Ereignissen) vom Hinzurechnungsbetrag aus; da diese Regelung für IP-Verwertungsgesellschaften nicht von primärer Relevanz ist, soll auf eine weitere Erläuterung verzichtet werden. Anders sieht dies hingegen für die Anrechnungsmöglichkeit gemäß § 12 AStG aus. Stellt der Steuerinländer einen Antrag auf Anrechnung, so sind zudem die abgezogenen Steuern zu dem Hinzurechnungsbetrag zu addieren. Im Ergebnis erhält man den anzusetzenden Hinzurechnungsbetrag.

12.93

Ist der anzusetzende Hinzurechnungsbetrag negativ, so entfällt nach § 10 Abs. 1 Satz 3 AStG die Hinzurechnung. Die dahinter stehenden Verluste können dann nur noch über einen Vor- bzw. Rücktrag nach § 10 Abs. 3 Satz 6 i.V.m. Satz 5 AStG genutzt werden. Dafür sind die Verluste nach § 18 Abs. 1 AStG einheitlich und gesondert festzustellen.

II. Behandlung des Hinzurechnungsbetrags auf Ebene des Steuerpflichtigen 12.94

Der anzusetzende Hinzurechnungsbetrag gehört nach § 10 Abs. 2 Satz 1 AStG beim inländischen Steuerpflichtigen zu den Einkünften aus Kapitalvermögen. Der Zufluss wird unmittelbar in der logischen Sekunde nach Ablauf des Wirtschaftsjahrs der ausländischen Zwischengesellschaft fingiert. Wird die Beteiligung in einem Betriebsvermögen gehalten, so wird der Hinzurechnungsbetrag entsprechend in Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft, aus Gewerbebetrieb und aus selbstständiger Arbeit umqualifiziert.

12.95

Dem Wortlaut des § 10 Abs. 2 Satz 1 AStG entsprechend wird jedoch keine Einnahme (Dividende), sondern ein Einkünfteerhöhungsbetrag eigener Art zugerechnet.2 Auf diesen Einkünfteerhöhungsbetrag dürfen nach § 10 Abs. 2 Satz 3 AStG die für Dividenden einschlägigen Steuerbefreiungen (§ 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. d EStG, § 8b KStG) sowie der besondere Tarif für Kapitaleinkünfte (§ 32d EStG) nicht angewendet werden. Der Hinzurechnungsbetrag unterliegt daher in vollem Umfang der Einkom1 Wassermeyer/Schönfeld in F/W/B, Außensteuerrecht, § 10 AStG Rz. 141 f. 2 Wassermeyer/Schönfeld in F/W/B, § 10 AStG Rz. 144; Luckey in S/K/K, § 10 AStG Rz. 40.

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C. Rechtsfolgen der Hinzurechnungsbesteuerung

men- bzw. Körperschaftsteuer. Gehört der Hinzurechnungsbetrag zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb, ist zudem die Gewerbesteuer zu berücksichtigen.1 Eine Kürzung kommt lediglich für Gewinne aus Anteilen an einer EU-Kapitalgesellschaft, die die Voraussetzungen der Mutter-Tochter-Richtlinie (MTR)2 erfüllt, in Frage (§ 9 Nr. 7 Satz 1 Halbs. 2 GewStG).3 Liegt die ausländische Gesellschaft jedoch in einem Drittstaat oder werden die Beteiligungsvoraussetzungen der MTR nicht erfüllt, so unterliegt der Hinzurechnungsbetrag – obwohl er keinen inländischen Bezugspunkt hat – in vollem Umfang der Gewerbesteuer.4 Werbungskosten/Betriebsausgaben des Gesellschafters, die im Zusammenhang mit der Hinzurechnungsbesteuerung stehen, sind mangels Einkünfteermittlung nicht mit dem anzusetzenden Hinzurechnungsbetrag verrechenbar, sondern unterliegen den allgemeinen Regeln.5 Sie sind aufgrund ihres Zusammenhangs mit der Beteiligung als Werbungskosten/Betriebsausgaben bei der Ermittlung der (sonstigen) Einkünfte aus Kapitalvermögen bzw. der Gewinneinkünfte zu berücksichtigen. Einschränkungen ergeben sich aus § 10 Abs. 2 Satz 4 AStG, wonach § 3c Abs. 2 EStG entsprechend Anwendung findet.6

12.96

III. Tatsächliche Einkünfte aus der Beteiligung an der Zwischengesellschaft Tatsächliche Einkünfte aus der Beteiligung an der Zwischengesellschaft kann der Steuerpflichtige in Form von Dividenden und Veräußerungsgewinnen erzielen. Aufgrund ihrer wirtschaftlichen Vergleichbarkeit werden sie grundsätzlich korrespondierend behandelt. Dividenden der Zwischengesellschaft respektive Veräußerungsgewinne sind nach § 3 Nr. 41 Satz 1 Buchst. a, b EStG steuerfrei, wenn der (einkommensteuerpflichtige) Steuerpflichtige nachweist, dass diesen versteuerte Hinzurechnungs1 Kritisch dazu Wassermeyer/Schönfeld in F/W/B, § 10 AStG Rz. 186 ff.; Rödder, IStR 2009, 873 (874 ff.). 2 RL 90/435/EWG des Rates v. 23.7.1990 über das gemeinsame Steuersystem der Mutter- und Tochtergesellschaften verschiedener Mitgliedstaaten, ABl. EG 1990 L 225/6, berichtigt in ABl. EG 1990 L 266/20, zuletzt geändert durch RL 2006/98/EG des Rates v. 20.11.2006 zur Anpassung bestimmter RL im Bereich Steuerwesen anlässlich des Beitritts Bulgariens und Rumäniens, ABl. EG L 363/129. 3 Ruf/Wohlfahrt, Ubg 2009, 496 (498 f.); Gosch in Blümich, § 9 GewStG Rz. 306; Güroff in Glanegger/Güroff7, § 9 Nr. 7 GewStG Rz. 4. 4 Wassermeyer/Schönfeld in F/W/B, § 10 AStG Rz. 188; Vogt in Blümich, § 10 AStG Rz. 61; Luckey in S/K/K, § 10 AStG Rz. 42; Schnitger, IStR 2011, 328 (330 f.); Rödder, IStR 2009, 873 (876 f.); a.A., d.h. für eine Kürzung nach § 9 Nr. 3 GewStG: Edelmann in Kraft, § 10 AStG Rz. 356 ff. 5 Z.B. Aufwendungen für die Erstellung der Hinzurechnungsbilanz oder der dieser zugrunde liegenden Buchhaltung (dazu Wassermeyer/Schönfeld in F/W/B, § 10 AStG Rz. 146; Luckey in S/K/K, § 10 AStG Rz. 41, 59 ff.). 6 Ausführlich dazu u.a. Wassermeyer/Schönfeld in F/W/B, § 10 AStG Rz. 206 ff.; Luckey in S/K/K, § 10 AStG Rz. 61.

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12.97

Kap. 12: Geistiges Eigentum und Hinzurechnungsbesteuerung

beträge aus demselben Kalender- bzw. Wirtschaftsjahr oder aus den vorangegangenen sieben Kalender- bzw. Wirtschaftsjahren (sog. Sieben-JahresFrist) gegenüberstehen. Für körperschaftsteuerpflichtige Anteilseigner ist die normative Grundlage für die Steuerbefreiung für Dividenden und Veräußerungsgewinne innerhalb des 8-Jahreszeitraums nicht abschließend geklärt. Ein Teil des Schrifttums geht von einem Vorrang des § 8b Abs. 1 und 2 KStG1 aus, ein anderer Teil von einem Vorrang des § 3 Nr. 41 EStG (i.V.m. § 8 Abs. 1 KStG).2 Die Finanzverwaltung scheint letzterer Auffassung zu folgen, da Fälle bekannt sind, in denen eine Behandlung als (effektiv) vollumfänglich steuerfrei nicht beanstandet wurde.3

12.98

Betriebsausgaben, die mit der Beteiligung an der Zwischengesellschaft zusammenhängen, sind zumindest im Dividendenfall nach § 3 Nr. 41 Satz 1 Buchst. a Halbs. 2 EStG i.V.m. § 3c Abs. 2 EStG nur zu 60 % abzugsfähig. Wird die Beteiligung im Privatvermögen gehalten, kommt grundsätzlich das System der Abgeltungsteuer zum Tragen; mit der Beteiligung zusammenhängende Werbungskosten können dann nicht geltend gemacht werden. Im Veräußerungsfall können die mit der Veräußerung zusammenhängenden Aufwendungen mangels anderweitiger Bezugnahme nach § 3c Abs. 1 EStG nicht geltend gemacht werden.4 Die Abzugsfähigkeit der Betriebsausgaben eines körperschaftsteuerpflichtigen Anteilseigners sollte, auch wenn die Einnahmen nach § 3 Nr. 41 EStG vollumfänglich steuerfrei gestellt werden, nicht nach § 3c Abs. 1, 2 EStG beschränkt sein. Im Sinne einer systemkonformen Lösung sollten Betriebsausgaben aufgrund der eingreifenden Suspendierung des § 3c Abs. 1 EStG durch den § 8b Abs. 5 Satz 2 KStG in vollem Umfang abzugsfähig sein.5

12.99

Quellensteuern, die auf nach § 3 Nr. 41 Satz 1 Buchst. a EStG steuerbefreite Ausschüttungen erhoben werden, können in entsprechender Anwendung der § 34c EStG und § 26 KStG angerechnet oder abgezogen werden. Die Berücksichtigung hat in dem VZ zu erfolgen, in dem die zugrunde liegenden Zwischeneinkünfte hinzugerechnet wurden. Ist der Anrechnungshöchstbetrag durch die Steuern der ausländischen Gesellschaft bereits ausgeschöpft, bleibt für die Anrechnung der Quellensteuern kein Raum mehr. Für Quellensteuern auf Veräußerungsgewinne ist keine entsprechende Vorschrift vorgesehen; dies mag wohl damit begründet werden können, dass i.d.R. auch keine erhoben werden.6 1 Edelmann in Kraft, § 10 AStG Rz. 391 f.; Vogt in Blümich, § 10 AStG Rz. 56 f.; beide wollen jedoch die fünfprozentige Belastung aufgrund der Dividende mit dem fiktiven Ausschüttungsbetrag verrechnen. 2 Wassermeyer/Schönfeld in F/W/B, § 10 AStG Rz. 208.2; Luckey in S/K/K, § 10 AStG Rz. 9, 61. 3 Wassermeyer/Schönfeld in F/W/B, § 10 AStG Rz. 208.2. 4 Erhard in Blümich, § 3 EStG Rz. 435; Möller/Sterner in Erle/Sauter3, § 3 EStG Rz. 369 f. 5 Köhler/Haun, Ubg 2008, 73 (87); Wassermeyer/Schönfeld in F/W/B, § 10 AStG Rz. 208.3. 6 Burkert in S/K/K, § 12 AStG Rz. 24 ff.

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C. Rechtsfolgen der Hinzurechnungsbesteuerung

Werden die Anteile im gewerblichen Betriebsvermögen gehalten, sind darüber hinaus die gewerbesteuerlichen Konsequenzen der tatsächlichen Dividendenausschüttung bzw. der tatsächlichen Veräußerungseinkünfte zu bedenken. Bei einkommensteuerpflichtigen Anteilseignern sind die Dividenden bzw. Veräußerungsgewinne nach § 3 Nr. 41 EStG nicht im Gewinn aus Gewerbebetrieb enthalten. Für Dividenden verhindert § 8 Nr. 5 Satz 2 GewStG eine Hinzurechnung, für Veräußerungsgewinne existiert keine Hinzurechnungsvorschrift. Im Ergebnis fällt für diese Anteilseigner keine Gewerbesteuer an. Für körperschaftsteuerpflichtige Anteilseigner ergibt sich bei Anwendung des § 3 Nr. 41 EStG eine gleichlaufende Beurteilung.1

12.100

Werden die tatsächlichen Einkünfte erst nach Ablauf der Sieben-JahresFrist an die inländischen Anteilseigner ausgeschüttet, so unterliegen diese dem grundsätzlichen Besteuerungsregime für Dividenden und Veräußerungsgewinne.2

12.101

IV. Erklärungspflichten Nach § 18 Abs. 3 AStG hat jeder unbeschränkt und erweitert beschränkt Steuerpflichtige, der an der ausländischen Zwischengesellschaft beteiligt ist, eine Erklärung zur gesonderten Feststellung der Besteuerungsgrundlagen abzugeben. Sind mehrere Anteilseigner einer Zwischengesellschaft zur Abgabe einer solchen Steuererklärung verpflichtet, so kann auch eine gemeinsame Erklärung abgegeben werden (§ 18 Abs. 3 Satz 2 AStG). Die Erklärungspflicht bleibt auch bestehen, wenn der Steuerpflichtige den Nachweis des § 8 Abs. 2 AStG erbracht hat.3 Durch diese Regelung soll, neben einer zeitlichen und verfahrensrechtlichen Verortung des Gegenbeweises, erreicht werden, dass der Gegenbeweis für die Finanzverwaltung nachvollziehbar ist und die Entscheidung über die Anwendbarkeit der Hinzurechnungsbesteuerung bei ihr verbleibt.4

12.102

Nach § 17 Abs. 1 AStG unterliegen potentiell Hinzurechnungssteuerverpflichtete der Pflicht zur Sachverhaltsaufklärung. Der Steuerpflichtige hat die dafür notwendigen Auskünfte zu erteilen und sachdienliche Unterlagen wie die Hinzurechnungsbilanz vorzulegen. Der Steuerpflichtige wird insbesondere zur Ermittlung von Vorgängen innerhalb der Zwischengesellschaft herangezogen.5 Die Grenzen dieser extensiven Mitwirkungspflichten sind in ihrer Zumutbarkeit bzw. Unmöglichkeit zu sehen.6

12.103

1 Wassermeyer/Schönfeld in F/W/B, § 10 AStG Rz. 188 f.; Luckey in S/K/K, § 10 AStG Rz. 9. 2 Kritisch zur Anwendung der Sieben-Jahres-Frist auf Kapitalgesellschaften Schönfeld, DStR 2006, 1216. 3 Kritisch dazu Thiele, Hinzurechnungsbesteuerung und Unionsrecht, 229; Krause in Kraft, § 18 AStG Rz. 72. 4 Vogt in Blümich, § 18 AStG Rz. 23; Schönfeld, IStR 2008, 763. 5 Vogt in Blümich, § 17 AStG Rz. 11. 6 Krause in Kraft, § 17 AStG Rz. 17 f., § 18 AStG Rz. 73; Wassermeyer in F/W/B, § 17 AStG Rz. 23 ff.

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Kap. 12: Geistiges Eigentum und Hinzurechnungsbesteuerung

D. Unionrechtliche Bedenken gegenüber der Hinzurechnungsbesteuerung I. Grundsätzliche unionsrechtliche Bedenken 12.104

Mit der Einführung des § 8 Abs. 2 AStG hat der Gesetzgeber beabsichtigt, die deutschen Vorschriften der Hinzurechnungsbesteuerung an die Vorgaben des Unionsrechts anzupassen. Es bestehen jedoch weiterhin erhebliche Zweifel an der Unionsrechtskonformität der §§ 7 ff. AStG.1 Die Zweifel entzünden sich zum einen an der Konservierung der alt bekannten Tatbestandsvoraussetzungen und den daraus resultierenden Rechtsfolgen. Zum anderen ruft die konkrete Ausgestaltung der Möglichkeit des Gegenbeweises unionsrechtliche Bedenken hervor.

12.105

Zur Verdeutlichung dieser Bedenken sind zunächst die unionsrechtlichen Vorgaben überblicksartig aufzuzeigen:2 Die deutschen Vorschriften der Hinzurechnungsbesteuerung können einen Eingriff in die Niederlassungsfreiheit (Art. 49 AEUV) und in die Kapitalverkehrsfreiheit (Art. 63 AEUV) darstellen,3 da von der Hinzurechnungsbesteuerung sowohl Anteilseigner mit Kontrollbeteiligungen als auch solche mit reinen Portfoliobeteiligungen betroffen sein können. Anders als die britischen Vorschriften der Hinzurechnungsbesteuerung wird nicht die Beteiligung eines einzigen Steuerpflichtigen mit mehr als 50 % vorausgesetzt, sondern lediglich, dass inländische Steuerpflichtige (gemeinsam) mit mehr als 50 % beteiligt sind. Unstreitig ist, dass der Anwendungsbereich der Kapitalverkehrsfreiheit für Portfoliobeteiligungen (die nicht von der Niederlassungsfreiheit geschützt werden) eröffnet ist und damit auch Investitionen in Drittstaaten geschützt sind.4 Kann ein inländischer Steuerpflichtiger jedoch einen sicheren Einfluss auf die ausländische Gesellschaft ausüben, ist diese Investition grundsätzlich vom Anwendungsbereich der Niederlassungsfreiheit und der Kapitalverkehrsfreiheit erfasst. Fraglich ist jedoch, ob die Kapitalverkehrsfreiheit in einem solchen Fall einer Beteiligung mit sicherem Einfluss hinter die Niederlassungsfreiheit zurücktritt oder parallel anzuwenden ist; eine Entscheidung kann nur im konkreten Sachverhalt getroffen werden.5 Der EuGH betont zwar immer wieder, dass die Entscheidung, welche Grundfreiheit anzuwenden ist, von der Zielsetzung der in Frage stehenden Norm abhängig ist.6 Nichtsdestotrotz hat der EuGH im 1 Schönfeld in F/W/B, § 8 AStG Rz. 405 ff.; Reiche in Haase, § 7 AStG Rz. 24; Thiele, Hinzurechnungsbesteuerung und Unionsrecht, 181 ff. 2 Ausführlich dazu Thiele, Hinzurechnungsbesteuerung und Unionsrecht, 53 ff. 3 Zu den Eingriffen: Kraft/Bron, RIW 2006, 209 (211); Hahn, DStZ 2007, 201 (203 f.) jeweils m.w.N. 4 Linn/Müller, IWB 2011, 448 (453). 5 Köhler in S/K/K, Vor §§ 7–14 AStG Rz. 41 ff.; Thiele, Hinzurechnungsbesteuerung und Unionsrecht, 179, 55 ff. 6 So z.B. EuGH v. 24.5.2007 – Rs. C-157/05 (Holböck), EuGHE 2007, I-4051 Rz. 22; v. 21.1.2010 – Rs. C-311/08 (SGI), EuGHE 2010, I-487 Rz. 25.

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D. Bedenken gegenüber der Hinzurechnungsbesteuerung

Fall der normbezogenen Neutralität, aber einer tatsächlichen Kontrollbeteiligung entschieden, dass die Kapitalverkehrsfreiheit von der Niederlassungsfreiheit verdrängt wird.1 Der BFH betont hingegen das normbezogene Kriterium und wendet die Grundfreiheiten in einem solchen Fall parallel an.2 Ein Eingriff in die Grundfreiheiten kann grundsätzlich gerechtfertigt werden. In Bezug auf die Vorschriften der Hinzurechnungsbesteuerung wird regelmäßig auf das Argument der Missbrauchsverhinderung abgestellt. Eine Hinzurechnungsbesteuerung kann jedoch nur dann mit der Verhinderung von Steuerumgehungen gerechtfertigt werden, „wenn sie [die nationale Regelung] sich speziell auf rein künstliche Gestaltungen bezieht, die darauf ausgerichtet sind, der Anwendung der Rechtsvorschriften des betreffenden Mitgliedstaats zu entgehen“.3 Selbst wenn eine nationale Regelung speziell auf rein künstliche Gestaltungen zielt, muss sie darüber hinaus auch noch verhältnismäßig (d.h. geeignet, erforderlich und angemessen) ausgestaltet sein.

12.106

Aufgrund der bestehenden Tatbestandsvoraussetzungen der Hinzurechnungsbesteuerung werden jedoch nicht nur Fälle erfasst, in denen ein Missbrauch wahrscheinlich ist. Die Typisierung missbräuchlicher Auslandskapitalgesellschaften erfolgt anhand zu weit geratener Kriterien. Auf breite Kritik stößt das Festhalten an einem veralteten4 und völlig überzogenen5 Aktivkatalog. Aus unionsrechtlicher Perspektive sind die darin enthaltenen Merkmale aktiver Einkünfte häufig schlicht nicht nachvollziehbar.6 § 8 Abs. 1 Nr. 6 Buchst. a AStG suggeriert z.B. eine missbräuchliche Gestaltung, allein wenn die zur Nutzung überlassenen Rechte nicht selbst entwickelt, sondern erworben wurden. Der Erwerb von Rechten ist jedoch eine durchaus übliche Vorgehensweise, die zumindest aus unionsrechtlicher Sicht kein Indiz für eine missbräuchliche Gestaltung ist.7

12.107

Eine Niedrigbesteuerung kann als Indikator für eine missbräuchliche Gestaltung herangezogen werden. Fraglich ist jedoch, ob das Tatbestandsmerkmal der Niedrigbesteuerung i.S. des § 8 Abs. 3 AStG verhältnismäßig ausgestaltet ist. Im europäischen Vergleich ist eine Ertragsteuerbelastung von 25 % mittlerweile eher im normalen als im niedrig belasteten Bereich zu verorten; in der EU-27 liegt die durchschnittliche

12.108

1 EuGH v. 26.6.2008 – Rs. 284/06 (Burda), EuGHE 2008, I-4571 Rz. 68; aber anders EuGH v. 17.9.2009 – Rs. C-182/08 (Glaxo Wellcome), EuGHE 2009, I-8591 Rz. 49 ff. 2 BFH v. 26.11.2008 – I R 7/08, BFH/NV 2009, 849; v. 9.8.2006 – I R 95/05, BStBl. II 2007, 279. 3 EuGH v. 12.9.2006 – Rs. C-196/04 (Cadbury Schweppes), EuGHE 2006, I-7995 Rz. 51. 4 Reiche in Haase, § 7 AStG Rz. 23. 5 Köhler in S/K/K, Vor §§ 7–14 AStG Rz. 62. 6 Schönfeld in F/W/B, § 8 AStG Rz. 406; Thiele, Hinzurechnungsbesteuerung und Unionsrecht, 183 ff. m.w.N. 7 Köhler in S/K/K, Vor §§ 7–14 AStG Rz. 62.

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Kap. 12: Geistiges Eigentum und Hinzurechnungsbesteuerung

Ertragsteuerbelastung von Körperschaften in 2011 mit 23,1 % sogar unter der statuierten Niedrigbesteuerungsgrenze.1 Zudem ist die Senkung des deutschen Körperschaftsteuersatzes von 25 % auf 15 % nicht nachvollzogen worden.2 Diese Umstände tragen dazu bei, dass mit Hilfe dieser Niedrigbesteuerungsgrenze durchaus nicht nur steuerlich motivierte Verlagerungen erfasst werden.3 Wenn aber schon Fälle erfasst werden, in denen das Steuerniveau nur knapp unter 25 % liegt, so sind für diese wenigstens die Anforderungen an den Gegenbeweis zu senken.4

12.109

Auch die Beteiligungsanforderungen des § 7 AStG bewirken nicht, dass nur rein künstliche Konstruktionen erfasst werden. Sofern ein Steuerpflichtiger oder mehrere Steuerpflichtige zusammen die Zwischengesellschaft tatsächlich beherrschen, kann die Argumentationslinie der Missbrauchsverhinderung nachvollziehbar sein. Wenn jedoch die Inlandsbeherrschung durch die Summe der Beteiligungen von mehreren, einander unbekannten Steuerpflichtigen entsteht und die Hinzurechnungsverpflichteten de facto somit keinen sicheren Einfluss haben, ist die Nutzung der Zwischengesellschaft als Instrument zur künstlichen Einkünfteverlagerung eher unwahrscheinlich. Besonders deutlich wird dieser Widerspruch im Zusammenhang mit Zwischeneinkünften mit Kapitalanlagecharakter.5 Selbst wenn man die Beteiligungsanforderungen in ihrer derzeitigen Ausgestaltung als valides Indiz zur Missbrauchsverhinderung ansehen würde, so ginge die derzeitige Regelung über das erforderliche Maß hinaus und wäre damit unverhältnismäßig. Die Beweislast darf nur in einem zumutbaren Maße auf den Steuerpflichtigen übergehen. Für IP-Verwertungsgesellschaften dürfte es zwar regelmäßig zumutbar sein, die erforderlichen Unterlagen beizubringen. Im Fall von Splitterbeteiligungen dürfte dies jedoch nur schwer möglich sein.6

12.110

Die Möglichkeit des Gegenbeweises ist in der Systematik der Hinzurechnungsbesteuerung als Rückausnahme ausgestaltet, die bei Erfüllung der Tatbestandsvoraussetzungen der §§ 7 ff. AStG eingreifen kann. Diese Rangfolge ist unionsrechtlich problematisch, weil die Typisierungsmerk1 Ein Überblick über die in der EU geltenden Körperschaftsteuersätze gibt die Europäische Kommission, Taxation Trends in the European Union, 130, erhältlich im Internet: http://ec.europa.eu/taxation_customs/resources/documents/taxation/ gen_info/economic_analysis/tax_structures/2011/report_2011_en.pdf (besucht am 14.10.2011). 2 Zu den sich daraus ergebenden Verwerfungen Wassermeyer/Schönfeld, IStR 2008, 496. 3 Schönfeld in F/W/B, § 8 AStG Rz. 407; Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 10.148; Thiele, Hinzurechnungsbesteuerung und Unionsrecht, 187 f. m.w.N. 4 Vogt in Blümich, § 8 AStG Rz. 182; Kraft in Kraft, § 8 AStG Rz. 822; Schönfeld in F/W/B, § 8 AStG Rz. 407. 5 Schön, DB 2001, 940 (941); Lieber/Rasch, GmbHR 2004, 1572 (1577); Wassermeyer in F/W/B, Vor §§ 7–14 AStG Rz. 84. 6 Schönfeld in F/W/B, § 8 AStG Rz. 408; Thiele, Hinzurechnungsbesteuerung und Unionsrecht, 182.

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D. Bedenken gegenüber der Hinzurechnungsbesteuerung

male (Beteiligungsanforderungen, Aktivkatalog, Grenzwert für die Niedrigbesteuerung) nicht hinreichend konkret und daher ungeeignet sind, rein künstliche Konstruktionen zielgenau zu identifizieren. Wenn aber bereits die der Exkulpation vorgelagerten Typisierungskriterien nicht den europarechtlichen Vorgaben entsprechen, ist eine „Heilung“ nicht möglich.1 Verfahrensrechtlich bewirkt die Rangfolge, dass der Steuerpflichtige das alleinige Risiko für die Nichterweislichkeit von Tatsachen trägt. Die Beweislastverteilung geht dabei weit über eine erweiterte Mitwirkung des Steuerpflichtigen im Rahmen von Amtsermittlungspflichten der Finanzbehörden hinaus. Eine derartige Überwälzung der Beweislast setzt aber voraus, dass hinreichend Indizien für eine rein künstliche Konstruktion gegeben sind. Davon kann bei der derzeit geltenden Rechtslage nicht ausgegangen werden.2 Aus unionsrechtlicher Perspektive kann von einer missbräuchlichen Gestaltung nur ausgegangen werden, wenn neben dem objektiven Element der fehlenden echten wirtschaftlichen Tätigkeit auch das subjektive Element des Strebens nach einem Steuervorteil gegeben ist.3 Dieses subjektive Element findet sich allerdings im Gesetz nicht wieder. Auch wenn das Vorliegen einer rein künstlichen Konstruktion ein Indiz für mangelnde wirtschaftliche (außersteuerliche) Gründe ist, muss dem Steuerpflichtigen die Möglichkeit gegeben werden, nachzuweisen, dass der Zweck dieser Konstruktion nicht ausschließlich auf einen Steuervorteil gerichtet ist. Der Nachweis einer tatsächlichen wirtschaftlichen Tätigkeit durch den Steuerpflichtigen bildet deshalb nur einen Teil der unionsrechtlichen Vorgaben ab. Das vollumfängliche Fehlen eines Motivtests widerspricht den Anforderungen des Europarechts.4

12.111

Auch die Rechtsfolgen der Hinzurechnungsbesteuerung genügen nicht den unionsrechtlichen Vorgaben. Insbesondere für Splitterbeteiligungen ist fraglich, ob für diese Anteilseigner eine Ermittlung der Zwischeneinkünfte überhaupt zumutbar ist.5 Kritisch zu beurteilen ist zudem die Tatsache, dass die Ermittlung der Zwischeneinkünfte nach deutschem Recht erfolgen muss. Weniger einschneidend wäre ein Rückgriff auf die ausländischen Ermittlungsvorschriften.6 In Bezug auf die Berücksichtigung im Ausland gezahlter Steuern ist darüber hinaus die Umgestaltung des Methodenwahlrechts hin zur Anrechnung als Regelmethode aufgrund der

12.112

1 Rehfeld, Die Vereinbarkeit des Außensteuergesetzes mit den Grundfreiheiten des EG-Vertrages, 350. 2 Hammerschmitt/Rehfeld, IWB 2008, F. 3 Gr. 1, 2293 (2300 f.); Kraft in Kraft, § 8 AStG Rz. 796 ff.; Rehfeld, Die Vereinbarkeit des Außensteuergesetzes mit den Grundfreiheiten des EG-Vertrages, 357 f. 3 Thiele, Hinzurechnungsbesteuerung und Unionsrecht, 138 mit Verweisen auf die einschlägige EuGH-Rechtsprechung. 4 Ebenso Köhler/Haun, Ubg 2008, 73 (84); Kraft/Bron, IStR 2006, 614 (620). 5 Wassermeyer/Schönfeld in F/W/B, § 10 AStG Rz. 48. 6 EuGH v. 15.5.1997 – Rs. C-250/95 (Futura), EuGHE 1997, I-2471 Rz. 25 f.; Thiele, Hinzurechnungsbesteuerung und Unionsrecht, 218 f.

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Mutter-Tochter-Richtlinie1 geboten.2 Die daran anschließende Besteuerung des Hinzurechnungsbetrags beim inländischen Anteilseigner steht unter dem Verdacht der Unverhältnismäßigkeit. Dabei ist insbesondere auf das Problem der Anrechnungsüberhänge sowie die Erhebung der Gewerbesteuer auf den Hinzurechnungsbetrag hinzuweisen.3 Auch die Besteuerung der tatsächlichen Einkünfte aus der Beteiligung an der Zwischengesellschaft ist nicht frei von unionsrechtlichen Bedenken, da u.a. nach Ablauf der Sieben-Jahres-Frist eine Mehrfachbesteuerung vorgenommen wird.4 Letztlich entsprechen auch die Erklärungspflichten nicht den unionsrechtlichen Maßgaben. Im Zusammenhang mit IP-Verwertungsgesellschaften ist insbesondere darauf hinzuweisen, dass die Erklärungspflicht auch dann besteht, wenn eine tatsächliche wirtschaftliche Tätigkeit nachgewiesen wurde. Diese Forderung ist unangemessen, da die Finanzverwaltung in diesen Fällen überhaupt kein Informationsinteresse hinsichtlich der sehr aufwendig zu ermittelnden Hinzurechnungsbeträge hat.5

12.113

Da die Schweiz ein beliebter Standort für IP-Verwertungsgesellschaften ist, soll an dieser Stelle auf die (nicht vorhandenen) Möglichkeiten der Ableitung von den Grundfreiheiten vergleichbaren Rechten hingewiesen werden.6 Teilweise wird zwar davon ausgegangen, dass sich vergleichbare Rechte aus dem Freizügigkeitsabkommen7 ergeben.8 Dieser Ansicht kann jedoch nicht gefolgt werden, da lediglich die primäre Niederlassungsfreiheit (und daher nicht die Gründung einer Kapitalgesellschaft) durch das Abkommen geschützt wird. Ein der Kapitalverkehrsfreiheit vergleichbares Recht wird ebenso wenig gewährt.9

II. Ausgestaltung des Gegenbeweises 12.114

In Bezug auf die konkrete Ausgestaltung des Gegenbeweises bestehen ebenso erhebliche unionsrechtliche Bedenken. Diese werden noch dadurch verstärkt, dass der Gesetzgeber mit unbestimmten Rechtsbegriffen gearbeitet hat, deren Auslegung sich ebenfalls an europarechtlichen Vorgaben orientieren muss. Daher ist auf die Anforderungen des Unions1 Siehe S. 825 Fn. 2. 2 Wassermeyer/Schönfeld in F/W/B, § 10 AStG Rz. 43; Scherer, Doppelbesteuerungsabkommen und Europäisches Gemeinschaftsrecht, 234 ff. 3 Thiele, Hinzurechnungsbesteuerung und Unionsrecht, 224 ff. m.w.N. 4 Thiele, Hinzurechnungsbesteuerung und Unionsrecht, 226 ff. m.w.N. 5 Hammerschmitt/Rehfeld, IWB 2008, F. 3 Gr. 1, 2293 (2302, 2304); Schönfeld, IStR 2008, 763 (764); Hendricks/Schönfeld in F/W/B, § 18 AStG Rz. 442 f. 6 Eine Ausnahme ist lediglich für den Bereich des Luftverkehrs zu konstatieren, Thiele, Hinzurechnungsbesteuerung und Unionsrecht, 86 f. 7 Abkommen zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Schweizerischen Eidgenossenschaft andererseits über die Freizügigkeit, ABl. EG 2002 L 114/6. 8 Reiche in Haase, § 7 AStG Rz. 27. 9 Ausführlich dazu Thiele, Hinzurechnungsbesteuerung und Unionsrecht, 84 ff.

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D. Bedenken gegenüber der Hinzurechnungsbesteuerung

rechts bereits überwiegend bei der Auslegung dieser Begriffe eingegangen worden (Rz. 12.58 ff.). In diesem Abschnitt sollen lediglich darüber hinausgehende Aspekte herausgearbeitet werden. Der sachliche Anwendungsbereich der Exkulpationsklausel ist zu eng geraten, da lediglich Anteilseigner von Gesellschaften mit Sitz und/oder Geschäftsleitung im EU-/EWR-Raum einen Gegenbeweis führen dürfen. Die Hinzurechnungsbesteuerung muss jedoch auch den Maßstäben der Kapitalverkehrsfreiheit genügen. Insofern muss der Gegenbeweis auch für Drittstaatengesellschaften möglich sein.1 Eine (spätere) Differenzierung im Rahmen der sonstigen Voraussetzungen für den Gegenbeweis, z.B. das Bestehen einer Amtshilferegelung, ist jedoch grundsätzlich möglich.2 Auch der persönliche Anwendungsbereich ist nicht unionsrechtskonform ausgestaltet.3 Diese Tatsache ist jedoch für IP-Verwertungsgesellschaften nicht von Relevanz, da bezüglich dieser prinzipiell ein Gegenbeweis erbracht werden kann (Rz. 12.61).

12.115

In der Praxis wird die Auslegung des Begriffs der tatsächlichen wirtschaftlichen Tätigkeit durch die Finanzverwaltung im konkreten Fall entscheidend sein. Die zur Auslegung heranzuziehende Gesetzesbegründung zur Einführung des § 8 Abs. 2 AStG sowie das BMF-Schreiben v. 8.1.2007 wurden bereits in Rz. 12.62 ff. gewürdigt.4 Beide Quellen gehen über die unionsrechtlichen Anforderungen hinaus. Der EuGH zieht das Kriterium der tatsächlichen Ansässigkeit im Aufnahmestaat als Indiz für eine echte wirtschaftliche Tätigkeit heran. Eine hinreichende Ausstattung mit Räumlichkeiten, Personal und Geschäftsausrüstung soll auf eine (entgeltliche) Austauschbeziehung der Gesellschaft mit ihren Geschäftspartnern hindeuten, die den objektiven Bedürfnissen der Beteiligten entspricht.5 Die sich daraus ergebenen Anforderungen an eine wirtschaftliche Tätigkeit sind vergleichsweise niedrig.6 Entscheidend ist, ob die ausländische Gesellschaft ihrer Funktion entsprechende Leistungen erbringt.7

12.116

Die Voraussetzung einer vereinbarten großen Amtshilfe entspricht grundsätzlich unionsrechtlichen Vorgaben.8 Dies gilt vor allem im Verhältnis zu Drittstaaten. Ist im konkreten Fall zwar kein entsprechendes Amts-

12.117

1 Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 10.138. 2 Köhler/Haun, Ubg 2008, 73 (77); Sedemund, BB 2008, 696 (698); Schönfeld in F/W/B, § 8 AStG Rz. 428 ff.; Thiele, Hinzurechnungsbesteuerung und Unionsrecht, 190; für die Anwendbarkeit der Kapitalverkehrsfreiheit auch BFH v. 9.6. 2006 – I R 95/05, BStBl. II 2007, 279. 3 Hammerschmitt/Rehfeld, IWB 2008, F. 3 Gr. 1, 2293 (2301); Micker, StBW 2010, 323 (325); Thiele, Hinzurechnungsbesteuerung und Unionsrecht, 190. 4 Eine ausführliche unionsrechtliche Würdigung dieser Quellen findet sich bei Thiele, Hinzurechnungsbesteuerung und Unionsrecht, 191 ff. 5 Thiele, Hinzurechnungsbesteuerung und Unionsrecht, 191. 6 Schnitger, IStR 2007, 729 (731). 7 Thiele, Hinzurechnungsbesteuerung und Unionsrecht, 204. 8 So auch EuGH v. 28.10.2010 – Rs. C-72/09 – Rimbaud, erhältlich im Internet unter: http://curia.europa.eu.

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hilfeabkommen vereinbart und werden trotzdem (nachvollziehbare) Auskünfte erteilt, so könnte allerdings die Verhältnismäßigkeit einer zwingenden Rechtsgrundlage für die Amtshilfe hinterfragt werden.1

12.118

Der Ausschluss des Gegenbeweises für nachgeschaltete, im Drittland ansässige Zwischengesellschaften ist unionsrechtswidrig, da die Hinzurechnungsbesteuerung nicht nur den Vorgaben der Niederlassungsfreiheit, sondern auch der Kapitalverkehrsfreiheit genügen muss. Unionsrechtlich zu begrüßen ist jedoch das (vermutete) Verständnis des Gesetzgebers, dass auch mittelbare Beteiligungen an einer EU-/EWR-Gesellschaft über eine Nicht-EU-/Nicht-EWR-Gesellschaft vom Schutzbereich der Niederlassungsfreiheit erfasst sind.2 In diesem Sinne ist es zwingend, dass der Nachweis der tatsächlichen wirtschaftlichen Tätigkeit dort erbracht wird, wo die entsprechenden Zwischeneinkünfte generiert werden (Rz. 12.74 ff.). Der Ausschluss des Gegenbeweises für Betriebsstätten in Drittstaaten ist hingegen unionsrechtskonform, da in Bezug auf Betriebsstätten ausschließlich die Niederlassungsfreiheit zur Anwendung kommt.3

12.119

Aus § 8 Abs. 2 Satz 1 AStG sowie aus § 8 Abs. 2 Satz 5 Alt. 1 AStG ergibt sich, dass der Gegenbeweis nicht für die Gesellschaft im Ganzen, sondern für die einzelnen Tätigkeiten der Gesellschaft separat zu führen ist. In der Literatur ist umstritten, ob sich eine solche Segmentierung aus der EuGH-Rechtsprechung ergibt.4 Grundsätzlich ist wohl davon auszugehen, dass der EuGH einer Segmentierung nicht generell ablehnend gegenübersteht. Wird das Tätigkeitsspektrum einer Gesellschaft, die einer passiven, rein künstlichen Tätigkeit nachgeht, um eine davon unabhängige, tatsächliche wirtschaftliche Tätigkeit erweitert, ist europarechtlich eine Differenzierung zwischen diesen beiden Tätigkeiten durchaus nachvollziehbar.5 Allerdings dürfte der anzulegende Maßstab hinsichtlich einer Separierung der Aktivitäten relativ streng sein. Nur wenn die Tätigkeiten offensichtlich nichts miteinander zu tun haben, könnte eine Segmentierung europarechtskonform sein.6

12.120

Gemäß § 8 Abs. 2 Satz 5 Alt. 2 AStG ist die Exkulpationsmöglichkeit nur gegeben, soweit der Fremdvergleichsgrundsatz beachtet wurde. Unionsrechtliche Bedenken setzen an der Überlegung an, dass eine unangemessene Verrechnungspreisgestaltung nicht gleichbedeutend mit einer mangelnden Ansässigkeit bzw. einer mangelnden Realität der Aktivitäten ist. Eine tatsächliche wirtschaftliche Tätigkeit kann auch dann vorliegen, wenn die Verrechnungspreise nicht dem Fremdvergleichsgrundsatz ent1 2 3 4

Thiele, Hinzurechnungsbesteuerung und Unionsrecht, 208 ff. BR-Drucks. 544/07, 124 i.V.m. § 8 Abs. 2 Sätze 3 und 4 AStG. Thiele, Hinzurechnungsbesteuerung und Unionsrecht, 210 ff. m.w.N. Bejahend Schönfeld in F/W/B, § 8 AStG Rz. 502; a.A. Köhler/Haun, Ubg 2008, 73 (81); Winkeljohann/Weihmann, Ubg 2008, 161 (168); Grotherr, IWB 2008, F. 3 Gr. 1, 2259 (2263); Schmidt/Schwind, NWB 2008, 9713 (9717). 5 Schönfeld in F/W/B, § 8 AStG Rz. 502. 6 Thiele, Hinzurechnungsbesteuerung und Unionsrecht, 212.

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D. Bedenken gegenüber der Hinzurechnungsbesteuerung

sprechen.1 Die Vermengung von Aspekten einer angemessenen Verrechnungspreisgestaltung mit der Besteuerung von Zwischeneinkünften geht deshalb über das europarechtlich Erforderliche hinaus.2 Unionsrechtliche Zweifel entzünden sich zudem am Umfang der Nachweispflichten sowie der daraus resultierenden Beweislastverteilung. Grundsätzlich geht auch der EuGH davon aus, dass die ausländische Gesellschaft am ehesten in der Lage ist, die Beweise für ihre tatsächliche wirtschaftliche Tätigkeit zu erbringen. Es erscheint daher zumutbar, ihr die Beweislast aufzuerlegen.3 Die deutsche Hinzurechnungsbesteuerung setzt allerdings nicht an der Auslandsgesellschaft selbst, sondern an den jeweiligen Anteilseignern an. Die Nachweispflicht wird deshalb in § 8 Abs. 2 Satz 1 AStG dem steuerpflichtigen Anteilseigner zugewiesen. Die systematische Stellung des Gegenbeweises als Rückausnahme bedingt, dass der Steuerpflichtige das alleinige Risiko für die Nichterweislichkeit von Tatsachen trägt. Die Beweislast ist somit in vollem Umfang auf ihn übergegangen. Der EuGH geht hingegen im Grundsatz von der Amtsermittlungspflicht aus und fordert nur zusätzlich die Möglichkeit, dass der Steuerpflichtige den Missbrauchsvorwurf widerlegen kann.4 Eine generelle Beweislastumkehr lässt sich daraus nicht ableiten.5

12.121

III. Folgen einer Unionsrechtswidrigkeit Die potentielle Unionsrechtswidrigkeit der deutschen Vorschriften zur Hinzurechnungsbesteuerung wird im Einzelfall nur mit Hilfe der Finanzgerichtsbarkeit festgestellt werden können. Zum einen ist die aus unionsrechtlicher Perspektive ungeeignete Typisierung einer missbräuchlichen Gestaltung im Gesetz verankert. Zum anderen dürfte die Finanzverwaltung wohl kaum bereit sein, von dem erst neu gesetzlich verankerten Gegenbeweis Abstand zu nehmen bzw. diesen unionsrechtskonform auszulegen. Selbst wenn die Finanzgerichtsbarkeit im Einzelfall zu dem Ergebnis kommt, dass die Anwendung der §§ 7 ff. AStG unionsrechtswidrig ist, so bedeutet das nicht, dass die Vorschriften in Gänze nicht mehr angewendet werden dürfen. Vielmehr hat der BFH die Figur der normerhaltenden Reduktion bzw. der normerhaltenden Ergänzung entwickelt.6 Danach wären die Vorschriften grundsätzlich anzuwenden, jedoch unionsrechts1 Köhler/Eicker, DStR 2007, 331 (334); Schmidt/Schwind, NWB 2008, 9713 (9718); Lehfeldt in S/K/K, § 8 AStG Rz. 182.31. 2 Thiele, Hinzurechnungsbesteuerung und Unionsrecht, 214 f.; Kraft in Kraft, § 8 AStG Rz. 794. 3 EuGH v. 12.9.2006 – Rs. C-196/04 (Cadbury Schweppes), EuGHE 2006, I-7995 Rz. 70. 4 EuGH v. 12.9.2006 – Rs. C-196/04 (Cadbury Schweppes), EuGHE 2006, I-7995 Rz. 70 ff.; v. 13.3.2007 – Rs. C-524/04 (Test Claimants in the Thin Cap Group Litigation), EuGHE 2007, I-2107 Rz. 83 ff. 5 Thiele, Hinzurechnungsbesteuerung und Unionsrecht, 206 f.; Köhler/Eicker, DStR 2007, 331 (334); Köhler/Haun, Ubg 2008, 73 (84). 6 BFH v. 21.10.2009 – I R 114/08, BStBl. II 2010, 774 m.w.N.

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12.122

Kap. 12: Geistiges Eigentum und Hinzurechnungsbesteuerung

konform zu interpretieren. Daraus könnte z.B. resultieren, dass in Bezug auf eine Zwischengesellschaft im Drittstaat der Gegenbeweis ermöglicht wird (Ergänzung). Eine Reduktion wäre u.a. dahingehend angebracht, dass die Voraussetzung zur Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes nicht berücksichtigt wird.

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Stichwortverzeichnis

Abgeltungswirkung 8.14, 8.17 Abzugsteuern 2.126, 8.8, 8.170 – Begriff 8.14 – Lizenzgebühr 8.11 – Reisekosten 2.159 – Steuererklärung 8.15 – Stufenverhältnisse 2.163 – Werbungskosten 2.160 Aktivierungsverbot 1.53, 3.10, 3.17, 3.61, 3.77 f., 3.79, 3.90 – IFRS 3.142 Aktivierungswahlrecht 3.14, 3.16, 3.50, 3.64, 3.77 Allgemeines Persönlichkeitsrecht 2.119 Allphasen-Nettoumsatz-Steuersystem 7.95 Anbieten 2.72 Anfertigung von Mitschnitten 7.30 Angehörige 7.123 Anlagevermögen 3.15, 3.42, 3.52, 3.73, 3.90, 3.100 Ansässigkeit 7.105 Ansässigkeitsstaat 8.14 Anschaffungskosten 6.20 – entgeltlicher Erwerb 3.68, 3.144, 3.152, 3.165 – Gemeinkosten 3.58 Ansprüche auf angemessene Vergütung 2.48 Anteile an Kapitalgesellschaften 6.29, 6.64 – Bewertung Erbschaftsteuer 6.81 Anteile an Personengesellschaften 6.124 – Bewertung Erbschaftsteuer 6.86 Anteilseigner 7.124 Anwartschaft – Vererbbarkeit 5.47 Arbeitnehmererfindung 2.63, 9.112 Aufsichtsratsteuer 8.170

Aufträge – Bewertung 6.55 Auftragsbestand 6.31 Auftragsforschung 11.13 ff. – Kostenaufschlagsmethode 11.437 ff. – OECD-Leitlinien 11.270 – Preisvergleichsmethode 11.436 Aufwandspool 7.130 Ausgaben 7.86, 7.92, 7.94, 7.125 – § 15a UStG 7.93 Ausländische Einkünfte 8.29 Ausländische Kulturvereinigung 8.226 Ausländisches Vermögen 6.125 Ausweis 3.73, 3.88 Bearbeitung 2.41 Bekannte Marke 2.105 Belegenheitsprinzip 8.26 Belegenheitsstaat 8.13 Bemessungsgrundlage 7.85, 7.87 ff., 7.91, 7.94 f., 7.123, 7.125 Benutzungsmarke 2.90 Benutzungszwang bei Marken 2.107 Berichtigung des Vorsteuerabzuges 7.42 Berichtigungszeitraum 7.38, 7.42, 7.93 Beschränkte Steuerpflicht 1.66 – Abzugsbesteuerung 8.170 – Berufssportler 8.92 – DBA 8.18 – Definition von Rechten 8.111 – Einkünfte aus Gewerbebetrieb 8.82 – Einkünfte aus selbständiger Arbeit 8.102 – Einkünfteermittlung 8.163 – Einrichtung 8.124 – Fernseh-, Video-, Film-, Rundfunkaufnahmen 8.67 837

Stichwortverzeichnis

– Feste Einrichtung 8.102 – Gelegenheit 8.100 – Geltendmachung von Aufwendungen 8.198 – Haftung 8.6 – Immobilienobjektgesellschaft 8.77 – Inländische Einkünfte 8.19, 8.22 – Inlandsbezug 8.5, 8.24 – Isolierende Betrachtungsweise 8.79, 8.134, 8.155 – Know-how 8.131 – Liebhaberei 8.165 – Lizenzgebühren 8.4, 8.112 – Mindeststeuersatz 8.228 – Namens- und Bildrechte 8.68 – Objektsteuerähnlicher Charakter 8.27 – Pläne, Muster und Verfahren 8.131 – Quellensteuerabzug 8.3 f. – Schriftstellerische, künstlerische und gewerbliche Urheberrechte 8.86 – Sonstige Einkünfte 8.129 – Spielerleihe 8.91 – Steuerabzugsmethode 8.247 – Steueranrechnungsmethode 8.247 – Steuererlass 8.247 – Überlassung von Immaterialgüterrechten 8.6 – Veranlassungsprinzip 8.167 – Veräußerung von inländischem unbeweglichem Vermögen, von Sachinbegriffen oder Rechten 8.77 – Veräußerung von Personengesellschaften 8.89 – Verbrauchende Rechteüberlassung 8.87 – Vergütungsgläubiger 8.3 – Vergütungsschuldner 8.3 – Vermeidung der Doppelbesteuerung 8.244, 8.249 – Vermietung und Verpachtung 8.107 838

– Vermietung oder Verpachtung von Rechten 8.88 – Vermietungstätigkeiten 8.78 – Vermögensverwaltende Personengesellschaft 8.89 – Vermögensverwaltung 8.82 – Verschaffung einer Gelegenheit 8.92 – Völkerrecht 8.24 – Voraussetzungen 8.21 – Werbungskosten 2.163 – werkschaffende Künstler 8.171 – Zeitlich begrenzte Überlassung von Grundbesitz und Rechten 8.78 – Zeitlich begrenzte Überlassung von Rechten 8.116, 8.118 – Zufluss-/Abflussprinzip 8.167 Besteuerungsrecht 7.9 Besteuerungsverfahren 7.102, 7.107 Bestsellerparagraph 2.48 Beteiligung an Personengesellschaft 6.30 Betriebserfahrungen 8.145 Betriebsgeheimnisse 8.145 Betriebsspionage 2.116 Betriebsstätte 7.44 f., 7.47, 7.52 ff., 7.56 f., 7.105, 7.109, 7.117, 7.128, 8.33 – § 12 AO 7.49 – Anlage 8.39 – Attraktivkraft 8.55 – Aufwandsabgrenzung 8.59 – Betriebsstättenerlass 8.38 – Betriebsstättenlose Einkünfte 8.125 – Betriebsstättenvorbehalt 8.57 – Dauerhaftigkeit 8.41 – Definition 8.36 – Funktionale Zuordnung 8.54 – Geschäftseinrichtung 8.39 – Geschäftsleitungsbetriebsstätte 8.44, 8.48 – Geschäftsstelle 8.50 – Gründungsaufwand 8.169 – Handelsvertreter 8.52

Stichwortverzeichnis

– Immaterielle Wirtschaftsgüter 8.60 – Kommissionär 8.52 – Makler 8.52 – Nachträgliche Einkünfte 8.168 – Ortsbezogenheit 8.41 – Personal 8.39 – Regelbeispiele 8.36 – Sachliches Substrat 8.40 – Stammhaus 8.44 – Ständiger Vertreter 8.51 – Veranlassungsprinzip 8.168 – Verfügungsmacht 8.45 – Zweigniederlassung 8.49 Betriebsstättenprinzip 8.26, 8.33 Betriebsstättenvorbehalt 9.93, 9.141, 9.145, 9.159, 9.188 Betriebstechnische Beratung 8.145 Betriebsvermögen – gewillkürtes 3.88 – notwendiges 3.87 – Sonderbetriebsvermögen 3.89 Bewertung – Abgang 6.3, 6.7 – Bedarfsbewertung 6.75 – Einzelbewertung 6.8, 6.19, 6.76 – Folgebewertung 6.3, 6.6 – Gesamtbewertung 6.76, 6.107 – Immaterielle Wirtschaftsgüter 11.126 ff. – Tausch 6.21 – Transferpaket 11.345 ff., 11.485 f. – wirtschaftliche Einheit 6.76 – Zugangsbewertung 6.3, 6.5 Bewertungsmaßstab – Anschaffungskosten 6.5 – Buchwert 6.6 – Gemeiner Wert 6.7 – Herstellungskosten 6.5 – Teilwert 6.6 Bewertungsverfahren – Einigungsbereich 11.351 – Kapitalwertorientierte – 6.14, 11.134 ff. – Kostenorientierte – 6.13, 11.132 f.

– Lizenzpreisanalogie 11.143 ff. – Marktpreisorientierte – 6.12, 11.129 ff. – Mehrgewinnmethode 11.147 – Residualwertmethode 11.148 ff. – Unmittelbare Cashflow-Prognose 11.142 Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz 1.52, 3.9, 3.78 Bilaterale Abkommen II 1.83 Buchführungspflicht – Steuerrecht 3.74 f. Bündelpatent 2.7 Bundesfinanzhof 7.6 CadburySchweppes 12.8, 12.10, 12.59, 12.62, 12.70, 12.122 Copyright Article 1.79 Darbietungen – Ausübungstatbestand 8.66 – Gesamtvergütung 8.75 – Gesamtwürdigung 8.74 – Hauptleistungen 8.74 – Inländische 8.72 – künstlerische, sportliche, artistische, unterhaltende 8.62, 8.65 – Live-Übertragungen 8.69, 8.71 – Nebenleistungen 8.73 – Ort der Verwertung 8.72 – Personenidentität 8.74 – Signale 8.71 – Urheberrechte 8.69 – Vermittungsleistung 8.68 – Verwertender 8.72 – Verwertungstatbestand 8.66 – Werbung 8.68 DBA 1.73 – Abgrenzung der Einkunftsartikel 1.74 – Lizenzgebühren 1.76 – stepping stone-Modelle 1.81 Design 2.113 Directive Shopping 8.241 Dokumentationspflichten bei Auslandsbeziehungen – Anwendungsbereich 11.406 ff. 839

Stichwortverzeichnis

– Entrepreneure 11.418, 11.423 – Folgen der Verletzung 11.409 ff. – Forschung und Entwicklung 11.433, 11.436 ff. – Funktionsverlagerung 11.473 ff. – Hybridunternehmen 11.418 – Inhalt der Dokumentation 11.413 ff. – Kostenumlage 11.465 ff. – Mindestanforderungen 11.419 ff., 11.468 – Rechtsgrundlagen 11.401 ff. – Routineunternehmen 11.422 – Umlageschlüssel 469 ff. – Vergleichsdaten 11.428 ff. – Verrechnungspreismethoden 11.426 f. Domain – Bewertung 6.48 – Vererbbarkeit 5.47 Doppelbesteuerung 1.55, 1.69 – Abgrenzung Doppelbelastung 4.164 – Abzugsmethode 4.202 – Anrechnungsmethode 1.69, 4.183 – Arten 4.155 – Auslandtätigkkeiterlass 4.210 – Begriff 4.162 – Doppelte Ansässigkeit 4.171 – Erlass 4.204 – Formen der Vermeidung 4.160 – Freistellungsmethode 4.211 – Gründe für Vermeidung 4.176 – Inländische Doppelbelastung 4.158 – Methoden zur Vermeidung 4.179 – Pauschalierung 4.206 – Teileinkünfteverfahren 4.217 – Territorialprinzip 4.168 – Universalitätsprinzip 4.168 – Ursachen 4.167 – Vermeidung 1.69, 4.157, 4.172 – Wirtschaftliche – 4.156 Dreieckssachverhalte 2.156, 8.33 840

Drittlandsgebiet 7.46, 7.70 ff., 7.74, 7.78 f., 7.107 – 6. EG-Richtlinie 7.2, 7.5 Drittstaat 7.106, 7.109 Drittstaatenbeteiligungen 8.56 Drucktitel – IFRS 3.166 Duldungsleistung 7.14 E-Commerce 9.60 Eigenforschung 11.11 ff. Eigentumsübergang 7.12 Einbringung 7.37 Einfuhr 2.75 Einheitlichkeit der Leistung 7.19 Einigungsbereich – Abweichungen vom Mittelwert 11.347 ff., 11.366 ff. – Bewertungsmethoden 11.351 – Funktionsverlagerung 11.478 f. – Gewinnpotenzial 11.348 ff. – Grenzpreis 11.348 – Mindestpreis 11.358 ff. – Preisermittlung 11.366 ff. – Reingewinn 11.352 ff. – Schließungskosten 11.360 ff. – Verlustfall 360 ff. Einkünfte aus Gewerbebetrieb – Fiktion 8.84 Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung – Ähnliche Rechte 4.81 – Gerechtigkeiten und Gefälle 4.80 – Gewerbliche Erfahrungen 4.79 – Recht 4.75 – Subsidiarität 4.72 – Urheberrechte 4.76, 4.81 – Zeitliche Überlassung 4.71 Einkünfteermittlung – Einkünfte aus Gewerbebetrieb 8.164 – Liebhaberei 8.165 – Überschusseinkünfte 8.164 Einkunftsarten – Abgrenzung Einkünfte aus Gewerbebetrieb von Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft 4.9 f.

Stichwortverzeichnis

– Abgrenzung Einkünfte aus Gewerbebetrieb von Einkünften aus selbständiger Tätigkeit 4.9, 4.11 – Abgrenzung Einkünfte aus Gewerbebetrieb von der Vermögensverwaltung 4.12 – Arten der gewerblichen Einkünfte 4.26 – Definition des Gewerbebetriebs 4.17 – Einkünfte aus Gewerbebetrieb 4.7 – Einkünfte aus Kapitalvermögen 4.4 – Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit 4.66 – Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit 4.39 – Einkünftekatalog 4.2 – Einteilung 4.1 – Gewerbebetrieb kraft Rechtsform 4.20 – Gewerblich geprägte Personengesellschaft 4.23 – Gewerbliche Infizierung 4.24 – Gewerbliche Veräußerungsgewinne 4.34 – Land- und Forstwirtschaft 4.37 – persönliche Zurechnung gewerblicher Einkünfte 4.26 – Sonstige Einkünfte 4.82 – Zebragesellschaften 4.32 Einkunftsarten, Definition – Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung 4.70 Einkunftsquelle 8.27 Einlage – Aufwandseinlage 4.128 – Definition 4.122 – Finale Einlage 4.141 – Gegenstand 4.127 – Gewinnermittlungsart 4.126 – Handlung 4.138 – Immaterielle Wirtschaftsgüter 4.132 – Kapitalgesellschaft 4.131 – Regelungszwecke 4.91

– Zweck 4.125 – Zwischen Betriebsvermögen 4.130 Einräumung 7.2, 7.8, 7.16, 7.18, 7.25 f., 7.31, 7.72, 7.74, 7.77, 7.97 f., 7.100, 7.103, 7.107, 7.112, 7.121 Eintragungshindernisse 2.92 Einzelveräußerbarkeit 3.6 ff. Einzelverwertbarkeit 3.7 f. Endorsement 3.119 Entgelt 7.16, 7.26, 7.85, 7.87 ff., 7.92, 7.119, 7.121, 7.123, 7.125, 7.131 ff. Entnahme – Ausländische Betriebsstätte 4.16 – Betriebsfremde Zwecke 4.113, 4.115 – Bilanzielle Auswirkung 4.94 – Definition 4.96 – Entstrickungstatbestand 4.120 – Finale 4.112, 4.116, 4.118 – Folge einer 4.98 – Gegenstand 4.99, 4.101 – Geschäftswert 4.102 – Handlung 4.107, 4.109, 4.111 – Nutzungen und Leistungen 4.105 – Nutzungsänderung 4.110 – Schlüssiges Verhalten 4.108 – Selbstgeschaffene Wirtschaftsgüter 4.100 – Tatbestand 4.107 – Unterteilung 4.97 Entnahme und Einlage – Ab- und Zufluss 4.88 – Anwendungsumfang 4.92 – Ent- und Verstrickung 4.143 – Veranlassungsprinzip 4.90 – Wirtschaftsgut 4.89 Entrepreneur – Dokumentationspflichten 11.418, 11.423 Entstrickung – Beschränkung des Besteuerungsrechts 4.149 841

Stichwortverzeichnis

– EU-Recht 4.146 – Nutzung 4.150 – Rechtsfolge 4.152 – Tatbestand 4.147 – Veräußerung 4.150 Entwicklung 3.34, 3.106, 3.133 Entwicklungskosten – Dokumentation 3.34 – Entwicklungsphase 3.25 – F&E Controlling 3.35 – IFRS 3.116, 3.124 Entwicklungsphase 3.30 – IFRS 3.118, 3.121, 3.155, 3.158, 3.166 – IFRS, Nachweis 3.160 EPÜ 2.7 Erbbaurechte – Bewertung Erbschaftsteuer 6.87 Erbschaftsteuer – Abtretungsklauseln 5.31 – Abzugsbetrag 5.69 – Anrechnung ausländischer Steuer 5.84 – Anzeige 5.97 – begünstigtes Vermögen 5.65 – Behaltensfrist 5.70 – Bereicherungsprinzip 5.44 – beschränkte Steuerpflicht 5.11 – Betriebsstätte 5.13 – Bewertung 5.55 – Bewertungsstichtag 5.53 – Eintrittsklausel 5.25 – Erbanfall 5.23 – Erbanfallsteuer 5.1 – Erbbaurecht 5.6, 5.38 – Erbengemeinschaft 5.23, 5.45 – erweiterte beschränkte Steuerpflicht 5.21 – Familienstiftung 5.42 – gemischte Schenkung 5.39 – Haftung 5.83 – Inlandsvermögen 5.12 – Jahresbesteuerung 5.88 – Nachfolgeklausel 5.24 – Nachlasssteuer 5.1 – Optionsverschonung 5.71 – persönliche Freibeträge 5.77 842

– Pflichtteil 5.27 – Reinvestitionsklausel 5.70 – sachliche Steuerbefreiungen 5.57 – Schenkung 5.32 – Schenkung auf den Todesfall 5.28 – Steuererklärung 5.100 – Steuerklassen 5.75 – Steuersätze 5.79 – Steuerschuldner 5.82 – Stundung 5.93 – Unbeschränkte Steuerpflicht 5.9 – Vermächtnis 5.26 – Verschonungsregelung 5.62 – Verwaltungsvermögen 5.67 – Zuständigkeit 5.102 – Zuwendungsgegenstand 5.35 – Zweckzuwendung 5.40 Erfahrungshingabe 8.138 Erfahrungswissen 8.140 Erfinderische Tätigkeit 2.56 Erfindung 2.53, 8.112, 8.140 – Bewertung 6.45, 6.104 Ergänzender wettbewerblicher Leistungsschutz 2.116 Erschöpfungsgrundsatz 2.80, 2.107 Erstattungsverfahren 8.235 Ertragswertverfahren – Normales Ertragswertverfahren 6.120 – Vereinfachtes Ertragswertverfahren 6.82, 6.110 Erwerb – auflösend bedingt 6.78 – aufschiebend bedingt 6.78 Erzeugnispatent 2.68 EU-Durchsetzungs-Richtlinie 1.19 EU-Patentsystem 1.10 EuGH-Rechtsprechung 1.67, 1.84 Europäische Patentorganisation 1.9 Europäisches Patentübereinkommen 2.7

Stichwortverzeichnis

Europäische Union 1.8 Europäisches Patentamt 1.9 Europarecht – Dienstleistungsfreiheit 10.2 – Fusionsrichtlinie 10.9, 10.12 – Kapitalverkehrsfreiheit 10.2 f. – Mehrwertsteuerrichtlinie 10.9 f. – Mutter-Tochter-Richtlinie 10.9, 10.11, 10.25, 10.43 – Niederlassungsfreiheit 10.2, 10.4 f., 10.7 – Warenverkehrsfreiheit 10.2 f. – Zins- und Lizenzgebühren-Richtlinie 10.8 f., 10.13 f., 10.17 f., 10.24 ff., 10.27 ff., 10.35, 10.37 ff., 10.42 ff., 10.49 EU-Umsetzungsgesetz 1.62 Fabrikationsverfahren 8.145 Feste Niederlassung 7.50 f., 7.54 f., 7.105 Filme 6.33 Finanzgericht 7.6 Finanzielle Eingliederung 7.114 Finanzverwaltung 7.6, 7.15, 7.24, 7.54, 7.64, 7.66 ff., 7.71 ff., 7.101 Firma 2.86 Firmenwert 1.50 Fördermaßnahmen 12.5, 12.51 Formstein-Einwand 2.67 Forschung und Entwicklung 2.122, 12.34 ff., 12.41, 12.51 – Dokumentation 11.436 ff. – Kostenumlage 11.265 ff., 11.274 ff., 11.436 ff. – Leistungsumlage 11.268 ff. – Umlageverfahren 11.264 ff. Forschungskosten 3.22, 3.54 Forschungsphase – Grundlagenforschung 3.28 – Prototypen 3.29 Framework 3.108, 3.118, 3.125 Freistellungsbescheid 8.235 Freistellungsbescheinigung 8.173, 8.238 Freistellungsverfahren 8.238 Fremdvergleich 12.43, 12.82

Fremdvergleich, hypothetischer s. Hypothetischer Fremdvergleich Fremdvergleichsgrundsatz – Begriffsbestimmung 11.18 ff. – Datenermittlung 11.50 ff. – Gemeiner Wert 11.28 ff. – Legaldefinition 11.20 f. – Unternehmenskategorisierung 11.47 ff. – Vergleichbarkeitsanalyse 11.37 ff. Funktionaler Zusammenhang 8.56 Funktionen der Marke 2.104 Funktionsverlagerung 11.307 ff. – Bagatellregelung bei Funktionsverdopplung 11.327 ff. – Begriff 11.309 ff. – Dokumentationspflichten 11.473 ff. – Einigungsbereich 11.478 f. – Funktions- und Risikoanalyse 11.488 – Geschäftschancen 11.317 ff. – Geschäftstätigkeit 11.310 ff. – Lizenzierung 11.386 ff. – Negativabgrenzung 11.336 ff. – Preisanpassungsklausel 11.492 f. – Schließungskosten 11.489 – Tatbestandsvoraussetzungen 11.309 ff. – Transferpaket 11.481 ff. – Verrechnungspreismethoden 11.344, 11.482 ff. – Zeitpunkt 11.474 – Zwecke 11.307 f. G8-Staaten 1.2, 1.13 Gebrauchen 2.74 Gebrauchsmuster 2.112 – Übertragungsfähigkeit 5.36 – Vererbbarkeit 5.47 Gebrauchsmustergesetz 7.8 Gebrauchsmusterrecht 7.83 Geistiges Eigentum 2.1, 3.133 – allgemein 3.1 843

Stichwortverzeichnis

– Bedeutung 1.15, 1.22 – Begriff 1.35 – Betroffene Rechtsgebiete 1.37, 1.40 – Digitales Zeitalter 1.88 – Steuerrecht 1.41 – Verletzung 1.32 Geleistete Anzahlungen 3.15 – HGB 3.72 f. – IFRS 3.167 – Steuerrecht 3.104 Gemeiner Wert 6.34 – Fremdvergleichsgrundsatz 11.28 ff. Gemeinschaftsforschung 11.17 Gemeinschaftsgeschmacksmuster 2.8 Gemeinschaftsmarke 1.37, 2.8, 2.87 Gemeinschaftssortenschutz 2.8 Gemischte Leistungen 7.27 Geographische Herkunftsangabe 2.86 Gesamtbild der Verhältnisse 7.40, 7.117 Gesamtergebnisrechnung 3.126 Geschäftliche Bezeichnung 2.86 Geschäfts- oder Firmenwert 1.50, 3.15, 3.64, 3.97, 3.100, 3.103, 3.135, 3.150 f., 6.26, 6.31 – IFRS 3.120, 3.133, 3.165 – Steuerrecht 3.92, 3.94 Geschäfts- oder Firmenwert nach HGB 3.9, 3.50, 3.59 – Ansatz 3.67 – Ausweis 3.69 – Bewertung 3.70 – derivativer 3.61 – negativer 3.65 – originärer 3.61 – share deal 3.64 – Teilwert 6.64, 6.66 – Vererbbarkeit 5.48 Geschäftsanteile – Übertragungsfähigkeit 5.37 Geschäftsveräußerung im Ganzen 7.32 f., 7.35, 7.37, 7.39 ff. – § 15a UStG 7.38 844

Geschmacksmuster 2.113 – Übertragungsfähigkeit 5.36 – Vererbbarkeit 5.47 Geschmacksmusterrecht 7.84 Geschmacksmusterregister 8.122 Gesellschafter 7.123 ff. Gesetzliche Vergütungsansprüche 2.41 Gesondert geführter Betrieb 7.33 f. Gestaltungshöhe 2.24 Gewerbebetrieb – Darbietungen 8.62 Gewerbliche Anwendbarkeit der Erfindung 2.58 Gewerbliche Erfahrungen 8.112 Gewerblicher Rechtsschutz 1.36, 2.2 Gewerbliche Schutzrechte 8.113 Gewinnermittlung – direkte 8.163 Gewinnerzielungsabsicht 7.85 Gleichwertige (äquivalente) Benutzung 2.67 Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung 3.5, 3.23, 3.77 Grüner Bereich 1.33 GWB 1.39 Haftung des Vergütungsschuldners 8.223 Haftungsschuldner 8.223 Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt 1.8 Hauptleistung 7.2, 7.23 f., 7.27, 7.100, 10.49 Heiligendamm-Prozess 1.13 Herkunftsfunktion 2.104 – der Marke 2.88 Herstellen 2.70 Herstellungskosten 3.47, 3.100, 6.32 – HGB 3.9 HGB – Ähnliche Rechte und Werte 3.42

Stichwortverzeichnis

– Anlagevermögen 3.14, 3.28 – Anlagevermögen, Abgrenzung Umlaufvermögen 3.14 – Anlagevermögen, Gliederung 3.15 – Gewerbliche Schutzrechte 3.41 – Herstellungskosten 3.9, 3.16, 3.38 – Konzessionen 3.42, 3.49 – Lizenzen 3.49 – Marken 3.41 – Umlaufvermögen 3.14, 3.15, 3.28 – Umlaufvermögen, Abgrenzung Anlagevermögen 3.14 Hingabe an Zahlungs statt 7.87, 7.91 Hinzurechnungsbesteuerung – § 1 AStG 12.14, 12.82, 12.120 – § 42 AO 12.12 – Amtshilfe 12.60, 12.72, 12.86, 12.117 – Beteiligungsvoraussetzungen 12.7, 12.20, 12.23, 12.109 – Einkommen-/Körperschaftsteuer 12.9, 12.95, 12.97 – Entlastungsnachweis 12.31, 12.33 f., 12.36 f., 12.46, 12.48 – Fremdvergleich 12.120 – Funktionsprivileg 12.56 – Gegenbeweis 12.3, 12.8 f., 12.13, 12.16, 12.26, 12.48, 12.58 ff., 12.70 ff., 12.82, 12.102, 12.108, 12.115, 12.119 f., 12.122 – Gewerbesteuer 12.9, 12.95, 12.100, 12.112 – Hinzurechnungsbetrag 12.9, 12.16 f., 12.88 f., 12.91 ff., 12.112 – Mitwirkung 12.26, 12.33, 12.40 ff., 12.45 ff., 12.65, 12.84, 12.110 – Niedrigbesteuerung 12.7, 12.49 ff., 12.108, 12.110 – passive Einkünfte 12.7, 12.24, 12.32, 12.48, 12.107 – Personengesellschaft/Betriebsstätte 12.22

– treaty override 12.17 – übertragene Zurechnung 12.54 f. – Unionsrecht 12.8, 12.10, 12.104, 12.114 – Zwischeneinkünfte 12.23 f., 12.49, 12.53 ff., 12.61, 12.70, 12.74 ff., 12.79, 12.83, 12.88 ff., 12.99, 12.112, 12.118, 12.122 – Zwischeneinkünfte mit Kapitalanlagecharakter 12.23, 12.109 – Zwischengesellschaft 12.19, 12.22, 12.24, 12.54, 12.58, 12.61, 12.71, 12.74, 12.91, 12.94, 12.97 f., 12.102 f., 12.109, 12.112, 12.122 Hybridunternehmen – Dokumentationspflichten 11.418 Hypothetischer Fremdvergleich 11.101 ff., 11.125, 11.451 f. – Bewertung 11.126 ff. – Einzelverrechnungspreisbewertung 11.382 ff. – Lizenzierung 11.170 IAS 38 1.46, 1.51 f., 3.24, 3.35, 3.120, 3.124, 3.131, 3.136 f., 3.142, 3.152, 3.168 IASB 3.106 Identitätsschutz 2.102 IFRS 3.107 – Abstrakte Aktivierungsfähigkeit 3.114 – Drucktitel 3.120 – Konkrete Aktivierungsfähigkeit 3.120 – Kundenlisten 3.120 – Marken 3.120 – Verlagsrechte 3.120 Immaterialgüterrecht 2.2 – Ausschließlichkeit 1.37 – Begriff 1.35 – Betroffene Rechtsgebiete 1.36 – Bewertung 1.73 – Erträge 1.43, 1.73, 2.123 845

Stichwortverzeichnis

Immaterieller Vermögensgegenstand 1.46, 3.14 f., 3.51, 3.58 – Aktivierungsverbot 3.42 – Aktivierungswahlrecht 3.24 – allgemein 3.2 – Ansatz 3.23 – Anschaffungskosten entgeltlicher Erwerb 3.56 – Ausweis 3.33 – Drucktitel 3.19 – Einzelveräußerbarkeit 3.42 – Einzelverwertbarkeit 3.42 – entgeltlich erworbener, Ansatz 3.50 – entgeltlich erworbener, Ausweis 3.52 – Entwicklungskosten 3.25 – Entwicklungskosten, Aktivierungszeitpunkt 3.35 – Entwicklungsphase 3.26, 3.36 – Entwicklungsphase, Entwicklungsaufwendungen 3.30 – Forschungskosten 3.29 – Forschungsphase, Abgrenzung zur Entwicklungsphase 3.27 – Konzessionen 3.39 – Kundenlisten 3.21 – Marke 3.18 – Nutzungs- und Funktionszusammenhang 3.43 – Verlagsrechte 3.20 – Zugehörigkeit zum Betriebsvermögen 3.42 Immaterieller Vermögenswert 3.140 – allgemein 3.2 – Ausweis 3.166 f. – Begriff 3.133 – Beherrschung 3.141 – Bewertung 3.143 – Bewertung Erwerb durch Unternehmenszusammenschluss 3.148 – Bewertung Erwerb gegen Entgelt 3.144 – Bewertung Tausch 3.147 – einschlägige Standards 3.131 846

– Folgebewertung 3.165 – Forschungsphase IFRS 3.156 – Identifizierbarkeit 3.135 – langfristiger 3.139 f. – nicht monetär 3.145 – selbsterstellter 3.154 Immaterielles Wirtschaftsgut 3.2, 7.8, 8.60 – abstrakte Aktivierungsfähigkeit 3.80 – Aktivierung 1.49 – alleinige Nutzung 11.107 ff. – Anlagevermögen 1.51 – Ansatz 3.79 – Anschaffungskosten 3.95, 3.100 – Auftragsforschung 11.13 ff. – Bedeutung 1.1, 1.26 – Bewertung 3.100 – Bewertung nach IDW S 5 11.126 ff. – Bilanzierung 1.45 – Dokumentationspflichten 11.431 ff., 11.443 ff. – Eigenforschung 11.11 ff. – Entwicklungsphase 3.82 – Formen der Entwicklung 11.11 ff. – gemeinschaftliche Nutzung 11.262 ff. – Gemeinschaftsforschung 11.17 – Herstellungskosten 3.102 – Heterogenität 1.45 – Hypothetischer Fremdvergleich 11.105 – Innovationskraft von Staaten 1.4 – kleine und mittlere Unternehmen 1.25 – Know-how 11.7 – konkrete Aktivierungsfähigkeit 3.82 – Kundenstamm 3.98 – Lizenzierung 11.156 ff. – Marketing Intangibles 11.3 ff. – Nutzungsüberlassung 11.113 ff. – Statistisches Bundesamt 1.27

Stichwortverzeichnis

– subjektive (wirtschaftliche) Zurechenbarkeit 3.83 – Trade Intangibles 11.3, 11.6 ff. – Überlassung 2.122 – Übertragung 11.113 ff., 11.118 ff., 11.443 ff. – Umlaufvermögen 1.51 – Unternehmenswert 1.21 – Verrechnungspreise 11.1 ff. – Verwertung 11.106 ff., 11.443 ff. – Zurechnung des Eigentums 11.108 ff. Inbound-Sachverhalt 8.33, 8.77 Individualität 2.24 Inländische Betriebsstätte 7.117 Inländische Einkünfte 8.19 – Definition 8.22 – Doppelfunktionalität 8.25 – Inlandsradizierung 8.23 – Spielerleihe 8.93 – Zeitlicher Bezug 8.166 Inlandsbezug 8.5 Inlandsradizierung 8.23 Innergemeinschaftliches Verbringen 7.86 Innovationsschutz 1.23 Intellectual Property 1.3 Intellectual Property Rights 1.29, 1.31 International Accounting Standards Committee Foundation 3.105 Inverkehrbringen 2.73 IP Recommendation 1.11 IP-Charta 1.11 IP-Verwertungsgesellschaft 12.3 f., 12.26, 12.65 f., 12.68, 12.112 Isolierende Betrachtungsweise 8.30 – Anwendungsvoraussetzungen 8.161 – Besteuerungsmerkmale 8.160 – Gegenstand 8.158 – Subsidiaritätsregeln 8.159 – Umqualifizierung von Einkünften 8.159, 8.162 – Zweck 8.155

Kapitalforderungen – Bewertung Erbschaftsteuer 6.96 Kapitalgesellschaft 3.13, 3.15, 3.37, 3.52, 3.73 Kapitalisierungszinssatz 6.16, 6.121 Kapitalschulden – Bewertung Erbschaftsteuer 6.96 Kapitalverkehrsfreiheit 12.105, 12.113, 12.115, 12.118 Kleine Münze 2.24 Know How 6.31, 9.53, 9.65 – Bewertung 6.44 – Bewertung Erbschaftsteuer 6.104 – Teilwert 6.64 Know-how 1.30, 2.115, 8.131, 12.25, 12.28, 12.30, 12.33, 12.39 – Definition 8.136 – Erfahrungen, Kenntnisse und Fertigkeiten 8.136 – Fortschritt der Technik 8.145 – Nutzung im Inland 8.150 – Rechtsprechung 8.138 – Spezialwissen 8.142 – Wissen 8.141 Know-how-Geber 8.148 Know-how-Nehmer 8.148 Konstruktionen 8.145 Kontrollmeldeverfahren 8.240 Konzern 7.110, 7.129 Konzernumlagen 7.133 Konzessionen 3.92 Kostenerstattung 7.133 Kostenverrechnung 7.133 Kundenadressen 8.142 Kundenbeziehungen – Bewertung 6.53 Kundenkartei 6.31 Kundenlisten – Bewertung 6.54 – IFRS 3.133 Kundenorientierte immaterielle Werte – Bewertung 6.52 Kundenstamm 6.31 – Bewertung 6.56 847

Stichwortverzeichnis

Künstlerverleihgesellschaften 8.63 Latente Steuer 3.35 Leistungen an eine nichtunternehmerische Person 7.45 Leistungen an einen Unternehmer 7.44 Leistungen im nicht unternehmerischen Umfeld (B2C) 7.74 Leistungen zwischen Stammhaus und Betriebsstätte 7.128 Leistungen zwischen Unternehmern (B2B) 7.58 Leistungsempfänger 7.1 f., 7.12, 7.16, 7.23, 7.27 f., 7.44, 7.46, 7.54, 7.58, 7.63 f., 7.66 f., 7.71 ff., 7.78, 7.85, 7.87, 7.100, 7.103 f., 7.108 f., 7.112, 7.128, 7.132 – § 13b UStG 7.105 – § 15a UStG 7.42 Leistungsort 7.1, 7.43 f., 7.70, 7.72, 7.74, 7.102, 7.106, 7.108 Leistungsschutzrechte 2.21, 2.27, 2.29 Lesung 7.26 Lieferungen 7.9 f., 7.13, 7.15, 7.19, 7.28, 7.41, 7.57, 7.119, 7.121, 7.123 Lizenz 2.45, 2.83, 2.109, 2.120, 6.28, 7.81 – Unterlizenz 2.157 Lizenz- und Patentverwertungsgesellschaften 9.206, 9.212 Lizenzgebühren 8.4 – Abkommensrecht 9.44, 9.48 Lizenzgegenstände 2.17 Lizenzierung – Anerkennung 11.162 ff. – Angemessenheit 11.166 ff., 11.394 ff., 11.454 ff. – Betriebswirtschaftliche Kriterien 11.166 ff. – Dokumentationspflichten 11.453 ff. – Einbettung in Produktpreise 11.198 ff., 11.463 848

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Formen 11.160 f. Funktionsverlagerung 11.386 ff. Gewinnverteilung 11.394 ff. Hypothetischer Fremdvergleich 11.170 – Quellensteuer 11.196 f. – Transferpaketansatz 11.389 ff. – Vergleichbarkeitsanalyse 11.173 ff. – Verrechnungspreismethoden 11.172 ff., 11.458 ff. Lizenzverwertungs- oder Patentverwertungsgesellschaften 9.200 Marke 2.86, 3.8, 9.61, 11.203, 12.2, 12.15, 12.38 – Bewertung 6.37 Marken- und Produktpiraterie 1.13, 1.24, 1.30, 1.87 Markenfähigkeit 2.91 Markenfranchising 11.217, 11.256 Markenlizenz 11.206 – Einheitliche Markenlizenz 11.216, 11.227 – Markenlizenz i.e.S. 11.221 – Markenlizenz i.w.S. 11.217, 11.224, 11.256 – Produktmarkierungslizenz 11.216, 11.247 – Vermarktungslizenz 11.216, 11.250 – Wert 11.239 Markenrecht 7.8 – Übertragungsfähigkeit 5.36 – Vererbbarkeit 5.47 Markenregister 8.122 Markenzeichenrecht 7.82 Marketing Intangibles 1.62, 11.3 ff., 11.229, 11.246, 11.281 ff. Max-Planck-Institut 1.20 Mehrwertsteuerpaket 7.2, 7.5 Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie 7.5 f., 7.33, 7.41, 7.47, 7.49, 7.57, 7.59 ff., 7.95 f., 7.105, 10.49 – 6. EG-Richtlinie 7.50, 7.62, 10.49 – Art. 45 Satz 2 7.50

Stichwortverzeichnis

Mindestbemessungsgrundlage 7.86, 7.123, 7.126 Missbrauch 12.6, 12.12, 12.45, 12.58, 12.107 Missbrauchsvermeidung 8.230 Missbrauchsvermeidungsvorschriften 8.242 Mittelbare Patentverletzung 2.77 Mittelsperson 9.68 Mitunternehmerkonzept 4.33 – Sondervergütungen 4.33 Modelle 9.64 Nachfragepool 7.131 Nachweispflichten 7.64, 7.66, 7.73 Nahe stehende Person 7.123 Namensrecht 8.112, 8.126 Nation Branding 1.21 Nebenleistung 7.23 ff., 7.31 f., 7.100, 10.49 Neuheit 2.54 Nichtgeschütztes Spezialwissen 8.138 Niederlassungsfreiheit 12.63, 12.105, 12.113, 12.118 – gewerbesteuerliche Hinzurechnungen 10.5 – Ungleichbehandlung 10.6 – Vergleichspaar 10.6 Nießbrauch 6.28 Nutzungsart 2.46 Nutzungsrecht 2.45 Nutzungsüberlassung 12.2, 12.27 ff., 12.33, 12.35, 12.38, 12.40 – Quellensteuern 1.66 OECD 1.2, 1.6 OECD-Leitlinien – Auftragsforschung 11.270 – Transferpaketansatz 11.85 f. – Vergleichbarkeitsanalyse 11.40 ff., 11.53 ff. – Verrechnungspreismethoden 11.61 ff. OECD-Musterabkommen 1.75 OECD-Musterkommentar 1.78 Öffentliche Wiedergabe 2.37

Öffentliches Zugänglichmachen 2.39 Organgesellschaft 7.113 ff., 7.119, 7.121 Organisatorische Eingliederung 7.116 Organschaft 7.113, 7.117 ff. Organträger 7.113 ff., 7.119 ff. Outbound-Sachverhalte 8.56 Outsourcing 8.243, 12.36, 12.42 f., 12.66, 12.122 Pariser Verbandsübereinkunft 2.7 Patent Cooperation Treaty 1.10 Patentanspruch 2.51, 2.66 Patente 1.86, 6.33, 7.44, 7.83, 7.89, 9.61 – Anmeldezahlen 1.5, 1.7, 1.29 – Bewertung 6.43 – Teilwert 6.64 – Übertragungsfähigkeit 5.36 – Vererbbarkeit 5.47 Patentfähigkeit 2.52 Patentregister 8.122 Pauschbetrag 8.226 Personal 7.57, 7.123, 7.126 – § 12 AO 7.51 f. Personengesellschaft 3.13, 3.15, 3.89 Persönliche geistige Schöpfungen 2.22 Persönlichkeitsrechte 8.112, 8.125 f. Pläne, Muster und Verfahren 8.131 Poolkonzept 7.130, 11.274 ff. – Allokationsmechanismus 11.290 ff. – Austrittszahlungen 11.301 ff. – Eintrittszahlungen 11.297 ff. – Formale Kriterien 11.304 ff. – Kostenumlage 11.274 ff., 11.433 f., 11.465 ff. – Nachfragepool 11.284 – Poolmitglieder 11.278 ff. – Umlagefähiger Betrag 11.285 ff. – Zuordnung von Rechten 11.295 f. 849

Stichwortverzeichnis

Product-by-process 2.69 Produktpiraterie 1.19 Promotionauftritte 8.126 PVÜ 2.7 Qualifikationskonflikt 9.203, 9.228 Quellenprinzip 8.26 Quellenstaat 8.13 Quellensteuer 1.64 – Abgeltungswirkung 8.11, 8.17 – Anrechnung 1.70 – Ausländische 8.7, 8.12 – Begriff 8.7 – Definition 8.10, 8.12 – Effizienz der 8.16 – Haftung 8.16 – IAS 8.9 – Kodifizierung 8.8 – Lizenzen 11.196 f. – Missbrauchsvermeidung 8.230 – Steuererklärung 8.15 – Vereinfachung der Besteuerung 8.16 – Vermeidung der Doppelbesteuerung 1.70, 8.13 – Vorauszahlung Einkommensteuer 8.17 Quellensteuerabzug 1.64, 8.1 – Akzessorietät 8.20 Quintett-Lösungen 9.201 RBÜ 2.7 Rechnung 7.9, 7.77, 7.91, 7.103, 7.108 f., 7.119, 7.131 Rechnungsstellung 7.102 ff., 7.106 ff. Recht am eigenen Bild 2.119, 7.75, 8.126 Rechtsgrundverweisung 8.23, 8.137, 8.251, 8.108 Rechtsinhaber 2.30 – Marke 2.97 – Patentrecht 2.62 Rechtstypenvergleich 8.85 Registermarke 2.90 Reisekosten 2.158, 8.197 850

Reparatur 2.71 Restwertmethode 6.31 Reverse-Charge-Verfahren 7.105 f. Revidierte Berner Übereinkunft 2.7 Routineunternehmen – Dokumentationspflichten 11.422 Rücklizenz 11.229, 11.246 Rule shopping 9.202 Saatgut 7.20 Sachleistungsansprüche – Bewertung Erbschaftsteuer 6.96 Sachleistungsverpflichtungen – Bewertung Erbschaftsteuer 6.100 Schranken des Markenrechts 2.105 Schranken des Patentrechts 2.78 Schranken des Urheberrechts 2.42 Schriftsteller – Abgrenzung Gewerbebetrieb 4.64 – Erben 4.65 – Voraussetzungen 4.59 Schutz des Sportveranstalters 2.117 Schutz nicht offenbarter Informationen 2.115 Schutzbereich des Patents 2.65 Schutzdauer 2.30, 2.61, 2.96 Schutzlandprinzip 2.6 Schutzrechte 7.84 – Formelle 1.23 – Gewerbliche 1.25 Selbstständige Arbeit – Ausübungstatbestand 8.103 – Patent 8.105 – Schriftsteller, Künstler, Ingenieure, Erfinder 8.104 – Urheberrecht 8.105 – verbrauchende Rechteüberlassung 8.104 – Verwertender 8.103 – Verwertungstatbestand 8.103

Stichwortverzeichnis

Selbständige Bewertbarkeit 3.8 – Abstrakte Aktivierungsfähigkeit 3.6 Selbständige Tätigkeit – Arten geistigen Eigentums 4.44 – Erfinder 4.45 – Gebrauchskunst 4.55 – Kunst 4.51 – Künstler 4.50 – Lizenzvergabe 4.47 – Schriftsteller 4.58 – Zweckfreie Kunst 4.54 Selbsterstellte immaterielle Vermögensgegenstände 3.14 f. – Ausweis 3.37 – Bewertung 3.53 – Herstellungskosten Folgebewertung 3.55 – Herstellungskosten Gemeinkosten 3.54 Selbstgeschaffene gewerbliche Schutzrechte und ähnliche Rechte und Werte 3.16 – Aktivierungsverbot 3.16 – Aktivierungswahlrecht 3.16 Selbstgeschaffene immaterielle Wirtschaftsgüter 3.92 Senderecht 2.40 Software 3.14 f., 3.33, 3.44, 3.90, 3.132, 3.137, 3.140, 6.23, 6.32, 6.46, 9.57, 12.28, 12.34 – Anwendungssoftware 3.44 – ERP-Software 6.23 – Firmware 3.44 – Individual- und Standardprogramme 3.45 – Systemsoftware 3.44 – Trivialsoftware 3.46 Sondervergütungen 1.75 Sonstige Einkünfte – Abgrenzung Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung 4.85 – Know-how 8.131 – Nutzungsüberlassung 8.147 – Pläne, Muster und Verfahren 8.131 – Rechtsübertragung 8.147

– Subsidiarität 4.84 – Subsidiarität der Überschusseinkünfte 8.133 – Zufallserfindung 4.85 – Zuflussprinzip 8.151 Sonstige entgeltlich erworbene immaterielle Vermögensgegenstände 3.15 Sonstige Leistung 7.2, 7.15 f., 7.20, 7.26, 7.28 f., 7.31, 7.43 f., 7.46, 7.56, 7.68, 7.79, 7.89, 7.91 Sortenschutz 2.114 Sortenschutzrolle 8.122 Spezialwissen 8.142 Spielerlaubnis 6.22 Spielerleihe 8.91 Standardsoftware 7.15 Stepping stone Gesellschaften 9.199 Stepping stone-Modelle 1.81 Steuerabzug – Abführungsverpflichtung 8.213 – Abgeltungswirkung 8.203 – Anordnung des Finanzamts 8.207 – Ansässigkeitsbescheinigung 8.234 – Aufsichtsratsteuer 8.194 – Aufzeichnungspflichten 8.212 – Ausnahmen von der Abgeltungswirkung 8.206 – Autoren 8.188 – Bemessungsgrundlage 8.201 – Berufssportler 8.188 – Beschränkte Steuerpflicht 8.178 – Betriebsausgaben 2.127, 8.216 – Bruttobesteuerung 8.204 – Bruttosteuerabzug 8.194, 8.201 – Bundeszentralamt für Steuern 8.212 – Darbietungen 8.181 – DBA 8.172 – Drittanfechtung 8.215 – Einkunftsquelle 8.177 – Einräumung von Rechten 8.183 – Entstehungszeitpunkt 8.210 – Erstattungsantrag 8.234 851

Stichwortverzeichnis

– Erstattungsverfahren 8.233 – Erträge aus Immaterialgüterrechten 8.187 – EU-Recht 8.205, 8.216 – Fahrt- und Übernachtungsauslagen 8.197 – Filmhersteller 8.188 – Freigrenze 8.195 f. – Freistellungsbescheid 8.235 – Freistellungsbescheinigung 8.173 – Freistellungsverfahren 8.238 – GEMA 8.202 – Gesamtvergütung 8.186 – gewerbliche Schutzrechte 8.188 – Haftung 8.223 – Haftungsbescheid 8.225 – Haftungsschuldner 8.223 – Inländische Verwertung 8.186 – Kaskadeneffekt 8.201 – Know-how 8.171, 8.189 – Komponisten 8.188 – Kontrollmeldeverfahren 8.240 – Konzertagentur 8.200 – Künstler 8.188 – künstlerische, sportliche, artistische und ähnliche Darbietungen 8.171 – Missbrauchsvermeidung 8.230 – Mitteilung von WK/BA 8.220 – Nachforderungsbescheid 8.225 – Nebenleistungen 8.181 – Nettobasis 8.217 – Nettobesteuerung 8.199 – Nutzungsüberlassung 8.191 – Personal- und Verwaltungskosten 8.218 – Persönlichkeitsrecht 8.189 – Rechtekauf 8.190 – Rechteüberlassung 8.190 – Reisekosten 2.127, 2.158, 8.197 – rundfunk- und fernsehmäßige Verwertung 8.183 – Sicherung des Steueranspruchs 8.222 – Sonstige Einkünfte 8.172 – Steueranmeldung 8.213, 8.237 852

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Steuersatz 8.193 Steuersubjekt 8.177 Stufenverhältnisse 2.163, 8.200 Übersetzer 8.188 Unmittelbare Aufwendungen 8.217 – Urheberrecht 8.188 – Verfahrensvorschrift 8.178 – Vergütungsgläubiger 8.174 – Vergütungsschuldner 8.174 – Vermietung und Verpachtung 8.179 – Verpflegungsmehraufwand 8.197 – Verwertung inländischer Darbietungen 8.173 – Verwertung von Darbietungen 8.185 – Verwertungstatbestände 8.182 – Voraussetzungen 8.178 – Vorbehalt der Nachprüfung 8.215 – Werbungskosten 2.127, 2.160, 8.216 – Wirtschaftliches Eigentum 8.191 – Zuflusszeitpunkt 8.211 Steuerbilanz – Maßgeblichkeit der Handelsbilanz 3.76 Steuererlass 8.226 Steuerermäßigung 7.97 f., 7.100 Steuerklauseln 2.121 – Abweichung vom Zivilrecht 2.141 – Anrechnungsmethode 2.154 – Anzeige von 2.135 – Arten von 2.131 – Bedeutung von 2.122 – Beispiele für 2.143 – Beschränkte Steuerpflicht 2.145, 2.151 – Direkte Steuern 2.146 – Doppelbesteuerung 2.125 – Dreieckssachverhalte 2.156 – Drittwirkung 2.136 – Haftung 2.126, 2.162

Stichwortverzeichnis

– Inbound-Sachverhalt 2.123, 2.149 – Lizenzvertrag 2.143, 2.151 – Mehrwertsteuerklausel 2.142 – Outbound-Sachverhalt 2.123, 2.153 – Quellensteuern 2.125, 2.150 – Rechtsdurchsetzung 2.124 – Reisekosten 2.127 – Sachverhaltsgestaltende Klauseln 2.139 – Steuerdefinition 2.129 – Steuerklauseln i.e.S. 2.131 – Steuertragungsklauseln 2.131, 2.142, 2.149 – Steuervermeidung 2.138 – Steuervermeidungsklauseln 2.131 – Umsatzsteuer 2.166 – Unwirksamkeit von 2.138 – vGA 2.140 – Wirksamkeit von 2.133 – Wirksamkeitsvoraussetzungen 2.134 – Zivilrechtliche Umsetzung 2.132 – Zwecke von 2.123 – Zweckverfehlung 2.133 Steuern – Definition 2.129 Steuerrecht – Aktivierungsverbot 3.82 – Anlagevermögen 3.90 – Anschaffungskosten, entgeltlicher Erwerb 3.100 – Betriebsvermögen 3.85 – Betriebsvermögensvergleich 3.74 – Copyright Article 1.79 – EuGH-Rechtsprechung 1.67 – Gewerbesteuerliche Hinzurechnung 1.84 – Herstellungskosten 3.101 – Konzessionen 3.93 – Software 1.79 – Überschussrechnung 3.74 – Umlaufvermögen 3.90

– Zugehörigkeit zum Betriebsvermögen 3.85 Steuersatz 7.26, 7.95 f. – Aufwendungen 8.198 Steuerschuldner 7.15, 7.120 Steuervermeidung 2.138 Subjektive (wirtschaftliche) Zurechenbarkeit 3.12 Subsidiarität der Überschusseinkünfte 8.133 Subsidiaritätsprinzip 8.30, 8.153 Substanzwertverfahren 6.83, 6.122 Sukzessionsschutz 2.47, 2.110 System-/Individualsoftware 8.87 Tausch 7.87 f., 7.90 Tauschähnlicher Umsatz 7.90 Taxikonzession 6.31 Teilwert 6.60 Territorialität 2.5 Territorialitätsprinzip 2.7, 8.27 Tonträger 6.24 Trade Intangibles 11.3, 11.6 ff., 11.280 ff. Transferentschädigung – siehe Spielerlaubnis 6.22 Transferpaketansatz 11.22 ff., 11.34 ff., 11.345 ff. – Ausnahme 11.342 – Bewertung 11.345 ff., 11.485 f. – Einigungsbereich 11.347 ff., 11.380 – Einzelbewertung 11.377 ff., 11.483 – Funktionsverlagerung 11.481 ff. – Gesamtbewertung 11.369, 11.377 – Lizenzierung 11.389 ff. – Mittelwertbetrachtung 11.365 – OECD-Leitlinien 11.85 f. – Standortvorteile 11.345 f., 11.354 Transfervereinbarung 8.93 Treaty override 8.232, 9.209, 9.220, 9.228, 9.229 Treaty Shopping 8.241, 9.199 853

Stichwortverzeichnis

Triadenpatent 1.7 TRIPS-Abkommen 2.7 Überlassung 9.5 – von Rechten 8.111 – von Software 7.15 – von Urheberrechten 8.112 Überprüfung 7.69, 7.70 Übertragung 7.2, 7.8, 7.16 ff., 7.25, 7.28, 7.31 ff., 7.35 f., 7.39, 7.72, 7.74, 7.76 f., 7.82, 7.97 f., 7.103, 7.107, 7.112, 7.121, 12.14, 12.27 f., 12.31 – der Marke 2.108 – eines Patents 2.82 Übertragungsfähigkeit 5.3, 5.35 Umlaufvermögen 3.14, 3.90 – IFRS 3.126 Umsatzsteuer – Beispiele für Steuerklauseln 2.169 – Drittlandsbezug 2.168 – Geschäftsveräußerung im Ganzen 2.168 – Leistungsort 2.168 – Sonstige Leistungen 2.167 – Steuerklauseln bei ReverseCharge-Verfahren 2.171 Umsatzsteuer-Anwendungserlass 7.6, 7.66, 10.49 Umsatzsteueraufkommen 7.96 Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung 7.6 Umsatzsteuer-Identifikationsnummer 7.2, 7.44 ff., 7.54, 7.67 ff., 7.72, 7.74, 7.120, 7.121 Unentgeltliche Wertabgabe 7.86 Unentgeltliche Zuwendungen 7.129 Unentgeltlichkeit 7.92 Unionsrecht 12.8, 12.18, 12.122 Unmittelbare Verfahrenserzeugnisse 2.77 Unterlassen 7.13 f. Unterlizenz 2.156 Unternehmenskennzeichen 2.86, 2.96 854

Unternehmerbegriff 7.58, 7.60 f., 7.63 Unternehmerbescheinigung 7.71 Urheberpersönlichkeitsrecht 2.34 Urheberrecht 2.2, 2.20, 4.77, 7.8, 7.100 – Bewertung 6.46 – Bewertung Erbschaftsteuer 6.104 – Definition 8.113 – Übertragungsfähigkeit 5.36 – Vererbbarkeit 5.47 Urheberrechtsgesetz 7.80, 7.97 VDMA 1.32 – 1.30 Veranlagung 8.15 Veranlagungsverfahren 7.103, 7.108, 7.109 Veräußerung 9.5, 9.9 Verbrauchende Rechteüberlassung 8.117 Verbreitungsrecht 2.36 Vereinte Nationen 1.16 Vererbbarkeit 5.3, 5.47 Verfahren anwenden 2.76 Verfahrenspatent 2.75 Vergleichbare Rechte 7.75 Vergleichbarkeitsanalyse – Datenermittlung 11.50 ff., 11.90 ff. – Lizenzierung 11.173 ff. – OECD-Leitlinien 11.40 ff., 11.53 ff. Vergütungen für Arbeitnehmererfindungen 3.50 Vergütungsgläubiger 8.3 Vergütungsschuldner 8.3 Verhandlungsmacht 2.145 Verlagsrecht 3.133, 6.25, 6.46, 7.8, 7.75, 7.77 – IFRS 3.166 Vermietung und Verpachtung 8.107 – Definition von Rechten 8.111 – Einkunftserzielungsabsicht 8.108

Stichwortverzeichnis

– – – – – –

Einrichtung 8.124 Erfindungen 8.112 Gefälle 8.111 Gerechtigkeiten 8.111 Gewerbliche Erfahrungen 8.111 inländisches öffentliches Buch 8.121 – Inländisches Register 8.114 – Isolierende Betrachtungsweise 8.109 – Register 8.121 – Selbstvermarktung 8.120 – Überlassender 8.120 – Überlassung von Rechten 8.108 – unbewegliches Vermögen, Sachinbegriffe oder Rechte 8.107 – Urheberrecht 8.110, 8.111 – Verwertung 8.127 Vermögensgegenstand 3.4, 3.7, 3.10, 3.56, 3.60, 3.80, 3.131 – Abstrakte Aktivierungsfähigkeit 3.5 f. – Aktivierungsverbot Konkrete Aktivierungsfähigkeit 3.10 – Drucktitel 3.9, 3.11 – Einzelveräußerbarkeit 3.5 – Einzelvewertbarkeit 3.5 – Konkrete Aktivierungsfähigkeit 3.10 – Kundenlisten 3.9, 3.11 – Marken 3.9, 3.11 – Sacheinlage 3.51 – Selbständige Bewertbarkeit 3.5 – Subjektive (wirtschaftliche) Zurechenbarkeit 3.10 – Verlagsrechte 3.9, 3.11 – wirtschaftlicher Eigentümer 3.12 Vermögenswert 3.114 – Abgrenzung kurz- und langfristiger Vermögenswerte 3.126 – Aktivierungsverbot 3.120 – Ereignis der Vergangenheit 3.116 – Konkrete Aktivierungsfähigkeit 3.120 – Verfügungsmacht 3.117

– Verlässliche Bewertbarkeit 3.119 – Wirtschaftliche Zurechnung 3.125 – Zufluss wirtschaftlichen Nutzens 3.118 Verrechnungspreis 9.128 Verrechnungspreise 1.54, 7.127, 7.132, 9.128, 10.49 – Außenprüfung 1.54 – Bedeutung 11.1 – Dokumentation 1.56 – Dokumentationspflichten 11.401 ff. – Fremdüblicher Preis 1.58 – Fremdvergleichsgrundsatz 11.18 ff. – Funktions- und Risikoanalyse 1.58 – Funktionsverlagerung 1.60 – Gewinnkorrektur 1.57 – Immaterielle Wirtschaftsgüter 11.1 ff. – Korrekturnormen 11.26 ff. – Lizenzierung 11.156 ff. – Marketing Intangibles 1.62 – Methoden, s. Verrechnungspreismethoden – OECD 1.62 – Quellensteuer 11.196 f. – Transferpaketansatz 11.22 ff., 11.34 ff. – Vergleichnarkeitsanalyse 11.28 ff. – Verlagerung von Steuersubstrat 1.55 – Zukunft 1.89 Verrechnungspreismethoden 11.60 ff. – Dokumentationspflichten 11.426 f. – Funktionsverlagerung 11.344, 11.482 ff. – Geschäftsfallbezogene Nettomargenmethode 11.73 f., 11.93 ff., 11.122 f., 11.179 ff., 11.438 f., 11.450, 11.460, 11.480, 11.484 855

Stichwortverzeichnis

– Gewinnaufteilungsmethode 11.75 ff., 11.93, 11.97 ff., 11.124, 11.178, 11.187 ff., 11.461, 11.484 – Gewinnvergleichsmethode 11.85, 11.100 – Hypothetischer Fremdvergleich 11.101 ff., 11.451 f. – Knoppe-Formel 11.191 ff., 11.394 ff., 11.462 – Kostenaufschlagsmethode 11.67 ff., 11.87, 11.121, 11.176, 11.464, 11.480 – Lizenzierung 11.172 ff. – Preisvergleichsmethode 11.63 f., 11.87, 11.119 – Wiederverkaufspreismethode 11.65 f., 11.87, 11.120, 11.176, 11.459 Verschaffung der Verfügungsmacht 7.10, 7.12 Verstrickung – Gemeiner Wert 4.153 Vertragsarztzulassungen 6.31 Vertreterrecht 6.26 Vertretungsrecht 6.26 Vertriebslizenz 8.122 Vervielfältigungsrecht 2.35 Verwechslungsgefahr 2.102 Verwertung in körperlicher Form 2.34 Verwertung in unkörperlicher Form 2.36 Verwertungsgesellschaft 2.42 Verwertungsrecht 2.34, 2.45 Verwertungsrechten 2.34 Völkerrecht 8.24 Vollrechtsübertragung 7.77, 7.81 Vorführungsrecht 2.38 Vorsteuerabzug 7.42, 7.94, 7.119, 7.129 Vorsteuervergütungsverfahren 7.2 Wahrnehmbare Formgestaltung 2.23 Wahrnehmung 7.2, 7.8, 7.18, 7.25, 7.31, 7.72, 7.74, 7.77, 7.97 f., 7.103, 7.107, 7.112, 7.121 856

Weltorganisation für Geistiges Eigentum 1.12 Werbefunktion 2.104 Werke 2.22 Werkteile 2.26 Werktitel 2.86, 2.96 Wesentliche Betriebsgrundlage 7.39 Wettbewerbsbeschränkung 1.39 Wettbewerbsneutralität 7.61, 7.20 Wettbewerbsrecht 1.38 Wiederkehrende Leistungen und Nutzungen – Bewertung Erbschaftsteuer 6.92 WIPO 1.12, 1.16 – Immaterialgüterrechte 1.16 – Verträge 1.16 Wirtschaftliche Betrachtungsweise 3.83, 8.117 – substance over form 3.80, 3.83, 3.125 Wirtschaftliche Eingliederung 7.115 Wirtschaftsgut – Begriff 11.8 f. Wortsinngemäße Benutzung 2.66 WTO 1.17 – GATT 1.17 – TRIPS-Abkommen 1.17 Zentralfunktion des Stammhauses 8.57 Zins- und LizenzgebührenRichtlinie – Ansässigkeit 10.18 – Betriebsstätte 10.12 ff., 10.17, 10.19 ff., 10.29, 10.31, 10.38 – Doppelbesteuerungsabkommen 10.36 – Drittvergleich 10.27 – Entlastungsverfahren 10.24 – gewerbesteuerliche Hinzurechnung 10.5 f., 10.37, 10.39 ff., 10.48 – Gläubiger 10.16, 10.20, 10.31 – hybride Gesellschaftsformen 10.22

Stichwortverzeichnis

– Lizenzgebühren 10.8, 10.13 ff., 10.17 f., 10.20, 10.23 ff., 10.49 – Mindestbeteiligungshöhe 10.31 – Mindesthaltedauer 10.33 – Missbrauchsverhinderung 10.25, 10.28 – Nutzungsberechtigter 10.29 – persönliche Anwendungsbereich 10.16 – Sachlicher Anwendungsbereich 10.23 – Schuldner 10.16 f., 10.20, 10.31, 10.49 – Schwestergesellschaften 10.15, 10.32 – Umsetzung 10.14 – verdeckte Gewinnausschüttungen 10.25, 10.27

– Zinsen 10.13 ff., 10.23, 10.25, 10.34, 10.38, 10.45, 10.46, 10.49 Zins- und LizenzgebührenRichtlinie, 6. EG-Richtlinie 1.82, 8.232 – gewerbesteuerliche Hinzurechnung 10.37 f., 10.43, 10.49 – Verbundenes Unternehmen 10.30 Zufallserfindung 4.14, 4.16, 4.49 Zuflussprinzip 8.151 Zugehörigkeit zum Betriebsvermögen 3.13 Zusammenfassende Meldung 7.109, 7.120, 7.121 Zweckübertragungsgrundsatz 2.48, 2.81

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