Finanzielle Solidarität im Bundesstaat: Der horizontale Länderfinanzausgleich des Grundgesetzes und die bundesstaatliche Solidargemeinschaft [1 ed.] 9783428550784, 9783428150786

Seit Gründung der Bundesrepublik Deutschland ist die Ausgestaltung des horizontalen Länderfinanzausgleichs in Politik un

150 118 2MB

German Pages 222 Year 2017

Report DMCA / Copyright

DOWNLOAD FILE

Polecaj historie

Finanzielle Solidarität im Bundesstaat: Der horizontale Länderfinanzausgleich des Grundgesetzes und die bundesstaatliche Solidargemeinschaft [1 ed.]
 9783428550784, 9783428150786

Citation preview

Schriften zum Öffentlichen Recht Band 1342

Finanzielle Solidarität im Bundesstaat Der horizontale Länderfinanzausgleich des Grundgesetzes und die bundesstaatliche Solidargemeinschaft

Von

Christina Federer-Meyer

Duncker & Humblot · Berlin

CHRISTINA FEDERER-MEYER

Finanzielle Solidarität im Bundesstaat

Schriften zum Öffentlichen Recht Band 1342

Finanzielle Solidarität im Bundesstaat Der horizontale Länderfinanzausgleich des Grundgesetzes und die bundesstaatliche Solidargemeinschaft

Von

Christina Federer-Meyer

Duncker & Humblot · Berlin

Die Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn hat diese Arbeit im Jahr 2016 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten

© 2017 Duncker & Humblot GmbH, Berlin

Fremddatenübernahme: Textforma(r)t Daniela Weiland, Göttingen Druck: CPI buchbücher.de gmbh, Birkach Printed in Germany ISSN 0582-0200 ISBN 978-3-428-15078-6 (Print) ISBN 978-3-428-55078-4 (E-Book) ISBN 978-3-428-85078-5 (Print & E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde von der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn im Wintersemester 2015/2016 als Dissertation angenommen. Sie entstand während meiner Zeit als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl von Prof. Dr. Klaus F. Gärditz und ist auf dem Stand von Januar 2016. Allen voran möchte ich ganz herzlich meinem Doktorvater Prof. Dr. Klaus F. Gärditz danken. Seine vielfältige Förderung und stete Unterstützung haben diese Arbeit erst ermöglicht. Ein besonderer Dank gilt ebenso Prof. Dr. Dr. Wolfgang Durner, nicht allein für die rasche Erstellung des Zweitgutachtens, sondern ins­besondere für viele wertvolle Anmerkungen und positiven Zuspruch. Ferner möchte ich Prof. em. Andrea Amatucci danken, der bereits früh mein Interesse an der Wissenschaft und der Beschäftigung mit dem Finanzverfassungsrecht geweckt hat. In der Entstehung der vorliegenden Arbeit haben mich Familie, Freunde, Kolleginnen und Kollegen begleitet und unterstützt. Ihnen allen gebührt mein herzlichster Dank. Ganz besonders möchte ich mich bei Dr. Marei Wilfert und ­Maria ­Geismann für die vielen anregenden Diskussionen bedanken. Für den steten Zuspruch und einen spannenden interdisziplinären Austausch danke ich ­Fabienne Gilbertz, Laura Grießer, Elena Kreitsch, Insa Braun, Sung Un Gang sowie Dr. Thomas Kreitsch. Meiner Familie danke ich vor allem für die motivierenden Worte und die vielfältige Unterstützung. Für unzählige wertvolle Anregungen sowie immerwährenden Zuspruch möchte ich mich von ganzem Herzen bei Yannic Han Biao Federer bedanken. Ohne ihn wäre diese Arbeit eine andere. Bonn, 25. August 2016

Christina Federer-Meyer

Inhaltsverzeichnis Erkenntnisinteresse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 A. Der angemessene Finanzkraftausgleich nach Art. 107 Abs. 2 S. 1, 2 GG und die bundesstaatliche Solidargemeinschaft der Länder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 I. Die Angemessenheit von Finanzkraftunterschieden zwischen den Ländern als Zielvorgabe des horizontalen Länderfinanzausgleichs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 II. Das Bundesverfassungsgericht und die bundesstaatliche Solidargemeinschaft der Länder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 1. Die Funktion der bundesstaatlichen Solidargemeinschaft der Länder in Bezug auf die Auslegung des Art. 107 Abs. 2 S. 1 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 2. Verfassungsdogmatische Relevanz des Urteils . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 a) Rechtliche Geltungskraft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 b) Rechtliche Bindungswirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 c) Faktische Bindungswirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 3. Kritische Beleuchtung der Judikatur des Bundesverfassungsgerichts im Hinblick auf die bundesstaatliche Solidargemeinschaft der Länder . . . . . . . . . . . 34 a) Inhaltliche Konkretisierung des Auslegungsmaßstabes der bundesstaatlichen Solidargemeinschaft durch das Gericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 aa) Die Entscheidung zum Finanzausgleichsgesetz (1952) . . . . . . . . . . . . 35 bb) Die Entscheidungen zum Länderfinanzausgleich II (1992) und III (1999) 37 cc) Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 b) Überschreitung verfassungsrechtlicher Grenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 aa) Materielle Schranken der Verfassungsgerichtsbarkeit . . . . . . . . . . . . . 40 (1) Die Bindung der Judikative an Gesetz und Recht . . . . . . . . . . . . . 40 (2) Die Gesetzesbindung nach Art. 97 Abs. 1 GG . . . . . . . . . . . . . . . 45 (a) Art. 106 Abs. 4 GG (1949) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 (b) Art. 107 Abs. 2 GG (1955) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 (c) Art. 107 Abs. 2 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 (d) Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 (3) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 bb) Methodische Schranken der Verfassungsgerichtsbarkeit . . . . . . . . . . . 55 (1) Gegenstandsbezogene Zuordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 (2) Verwendungsbezogene Zuordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 cc) Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59

8

Inhaltsverzeichnis 4. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 III. Inhaltliche Konkretisierung  – Möglicher Gehalt des Auslegungsmaßstabes der bundesstaatlichen Solidargemeinschaft der Länder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 1. Die Bedeutung gliedstaatlicher Solidargemeinschaften im Rahmen ausgewähl­ ter Bundesstaatstheorien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 a) Die République fédérative . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 b) Der amerikanische Bundesstaat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 c) Die Bundestheorie Carl Schmitts zum Deutschen Bund von 1815 . . . . . . 67 d) Die bundesstaatstheoretische Spiegelung des Deutschen Reichs von 1871 70 e) Die Bundesstaatstheorie Hans Kelsens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 f) Der unitarische Bundesstaat des Grundgesetzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 g) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 2. Eine rechtswissenschaftliche Deutung des Solidaritätsbegriffs . . . . . . . . . . . . 75 a) Die Problematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 b) Solidarität als Rechtsbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 c) Solidarität auf Verfassungsebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 aa) Faktischer Zustand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 bb) Vorrechtliches Phänomen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 cc) Moralischer Rechtsbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 dd) Schlussfolgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 d) Möglicher Gehalt einer Solidaritätsnorm zwischen den Bundesländern . . 93 aa) Bedarfsdeckende Umverteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 bb) Reziprok-kooperative Unterstützung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 cc) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 e) Rückführung des Solidaritätsbegriffs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 3. Die Solidaritätsnorm im bundesstaatlichen Kontext . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 a) Das Bundesstaatsprinzip des Grundgesetzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 b) Bundesstaatliche Implikationen auf die Solidargemeinschaft der Länder . . 114 c) Zusammenfassung und These . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 IV. Auswirkung der bundesstaatlichen Solidargemeinschaft auf die Auslegung des horizontalen Länderfinanzausgleichs nach Art. 107 Abs. 2 GG . . . . . . . . . . . . . . 117 V. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120

B. Die bundesstaatliche Solidargemeinschaft der Länder im grundgesetzlichen Verfassungsgefüge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 I. Auswirkungen eines bundesstaatlich-solidarischen Finanzausgleichs auf die bundesstaatliche Ordnung des Grundgesetzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 1. Das Demokratieprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125

Inhaltsverzeichnis

9

a) Das Demokratieprinzip des Grundgesetzes und sein Verhältnis zum Bundesstaatsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 b) Demokratie- und Bundesstaatsprinzip innerhalb der Finanzverfassung . . 133 c) Das Demokratieprinzip und der horizontale Länderfinanzausgleich nach Art. 107 Abs. 2 S. 1, 2 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 d) Der bundesstaatlich-solidarische Finanzausgleich zwischen Demokratieund Bundesstaatsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 e) Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 2. Das Sozialstaatsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 a) Der soziale Bundesstaat des Grundgesetzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 b) Sozial- und Bundesstaatsprinzip im horizontalen Länderfinanzausgleich nach Art. 107 Abs. 2 S. 1, 2 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 c) Der bundesstaatlich-solidarische Finanzausgleich und das soziale Verfassungsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 d) Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 3. Das Rechtsstaatsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 a) Das Rechtsstaatsprinzip und die bundesstaatliche Ordnung des Grundgesetzes 161 b) Das Verhältnis der beiden Verfassungsprinzipien innerhalb der Regelung des horizontalen Ausgleichsmechanismus nach Art. 107 Abs. 2 S. 1, 2 GG 164 c) Der bundesstaatlich-solidarische Finanzausgleich im grundgesetzlichen Rechtsstaat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 d) Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 4. Die Gewaltengliederung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 a) Der Gewaltenteilungsgrundsatz innerhalb der bundesstaatlichen Ordnung des Grundgesetzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 b) Der Gewaltengliederungsgrundsatz und das Bundesstaatsprinzip im Gefüge des horizontalen Länderfinanzausgleichs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 c) Der bundesstaatlich-solidarische Finanzausgleich im System der Gewalten­ gliederung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 d) Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 5. Das republikanische Prinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 6. Zusammenfassung und Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 II. Funktionale Modifikation des Art. 107 Abs. 2 S. 1, 2 GG durch die Maßgabe einer bundesstaatlichen Solidargemeinschaft der Länder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 1. Die Funktion des horizontalen Länderfinanzausgleichs nach Art. 107 Abs. 2 S. 1, 2 GG im Vergleich zu anderen finanziellen Unterstützungsmechanismen 177 2. Implikationen einer bundesstaatlichen Solidargemeinschaft . . . . . . . . . . . . . . 181 3. Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 III. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182

10

Inhaltsverzeichnis

C. Der horizontale Länderfinanzausgleich des Grundgesetzes und die bundesstaatliche Solidargemeinschaft – Gesamtergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 D. Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221

Erkenntnisinteresse Die Umsetzung und Ausgestaltung des horizontalen Länderfinanzausgleichs war seit Gründung der Bundesrepublik Deutschland immer wieder Anlass für Streitigkeiten zwischen Politikern und Regierungsvertretern von Bund und Ländern – sowohl auf dem politischen Parkett als auch vor dem Bundesverfassungsgericht.1 So hatte sich das Bundesverfassungsgericht bereits kurze Zeit nach seiner Konstituierung im ersten abstrakten Normenkontrollverfahren seiner Rechtsprechungstätigkeit mit der Frage der Verfassungsmäßigkeit der bundesgesetzlichen Umsetzung des Länderfinanzausgleichsmechanismus zu befassen.2 Während sich das Gericht im Rahmen dieser ersten Entscheidung zum Länderfinanzausgleich mit grundsätzlichen Aussagen zu den verfassungsrechtlichen Vorgaben und Implikationen zur Umsetzung des horizontalen Länderfinanzausgleichs, der zu dieser Zeit in Art. 106 Abs. 4 GG 1949 geregelt war, noch vergleichsweise zurückhielt, bediente es sich in seinem nachfolgenden Urteil im Jahr 1986 apodiktisch einer eigenständigen Begriffskonstruktion, um das Vorliegen eines angemessenen Finanzkraftunterschiedes zwischen den Ländern – und damit das entscheidende Tatbestandsmerkmal des grundgesetzlichen Länderfinanzausgleichs  – näher zu bestimmen: Der bundesstaatlichen Solidargemeinschaft der Länder. „Der horizontale Finanzausgleich des Art. 107 Abs. 2 GG korrigiert dann noch einmal die Ergebnisse der primären Steuerverteilung unter den Bundesländern, soweit diese auch unter Berücksichtigung der Eigenstaatlichkeit der Länder aus dem bundesstaatlichen Gedanken der Solidargemeinschaft heraus unangemessen sind.“3 1 Antragsteller des ersten Verfahrens vor dem Bundesverfassungsgericht zum Länder­ finanz­ausgleich (Urteil vom 20.02.1952) waren die Regierungen der Länder Württemberg-­ Baden und der Senat der Hansestadt Hamburg, vgl. BVerfGE 1, 117; im Urteil vom 24.06.1986 waren es die Landesregierungen von Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg, Hessen, die Regierung des Saarlandes sowie die Senate der Hansestadt Bremen und der Hansestadt Hamburg, vgl. BVerfGE 72, 330; im Urteil vom 27.05.1992 waren die Hansestädte Bremen und Hamburg sowie die Regierung des Saarlandes und die Landesregierung Schleswig-Holstein Antragsteller, vgl. BVerfGE  86, 146; im vorerst letzten Urteil vom 11.11.1999 klagten die Regierung des Landes Baden-Württemberg, die Bayerische Staatsregierung, die Hessische Landesregierung, der Senat der Hansestadt Bremen und die Landesregierungen Niedersachsens und Schleswig-Holsteins, vgl. BVerfGE 101, 158. Derzeit ist erneut eine Klage der Länder Bayern und Hessen gegen den horizontalen Länderfinanzausgleich beim Bundesverfassungsgericht anhängig, vgl. Az. 2 BvF 1/13. Überblick über die bisherige Rechtsprechung bei Geske, Der bundesstaatliche Finanzausgleich in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, Der Staat 46 (2007), S. 203 ff.; Dörfer, S. 198 ff. Zu den aktuellen Reformvorschlägen vgl. insbesondere Reimer, Die künftige Ausgestaltung der bundesstaatlichen Finanzordnung, VVDStRL 73 (2014) S. 153 ff. (177 f.). 2 Häde, Solidarität im Bundesstaat, DÖV 1993, S. 461 ff. (461). 3 BVerfGE 72, 330 (386). Zweite Hervorhebung durch d. Verf.

12

Erkenntnisinteresse

Dem Gericht zufolge bestimmt sich die Angemessenheit potentieller Finanzkraftunterschiede nach Art. 107 Abs. 2 S. 1 GG damit gerade aus dem Gedanken einer bundesstaatlichen Solidargemeinschaft der Länder. Die besondere bundesstaatliche Relevanz dieser Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zeigt sich mit Blick auf die Eigenart des horizontalen Länderfinanzausgleichsmechanismus innerhalb der bundesstaatlichen Ordnung des Grundgesetzes. Der horizontale Länderfinanzausgleich nach Art.  107 Abs.  2 S. 1 GG stellt die dritte und zugleich vorletzte Stufe eines Verteilungs- und Ausgleichssystems dar, nach welchem das Steueraufkommen im Bundesstaat zwischen Bund und Ländern verteilt werden soll.4 Diese Zuweisung des Finanzaufkommens erfolgt in dem Bestreben, sowohl dem Bund als auch den Ländern eine selbstständige und eigenverantwortliche Aufgabenwahrnehmung zu ermöglichen5 und damit letztlich die bundesstaatliche Ordnung des Grundgesetzes zu sichern. Auf der einen Seite ermöglicht der horizontale Länderfinanzausgleich die erforderliche Eigenständigkeit und Eigenverantwortlichkeit der Länder im Bundesstaat, während er sich auf der anderen Seite gleichsam als Gefährdung eben dieser darstellt. Denn indem die ausgleichspflichtigen den ausgleichsberechtigten Ländern einen Anteil ihrer eigenen Finanzausstattung zukommen lassen, vermag der horizontale Finanzkraftausgleichsmechanismus gerade zu einer Schwächung der finanziellen Leistungsfähigkeit und somit zu einer Einbuße an finanziellem Handlungsspielraum der ausgleichsverpflichteten Länder zu führen. Die Verfassungsnorm des Art. 107 Abs. 2 S. 1, 2 GG offenbart damit ein äußerst ambivalentes Verhältnis zum föderalen Element des bundesstaatlichen Prinzips – sie bewirkt sowohl dessen Stärkung wie auch dessen Schwächung. Aufgrund dieser widersprüchlichen Bedeutung des horizontalen Länderfinanzausgleichs für die bundesstaatliche Ordnung des Grundgesetzes knüpft das rechtswissenschaftliche Erkenntnisinteresse der vorliegenden Arbeit an die verfassungsgerichtliche Maßgabe einer bundesstaatlichen Solidargemeinschaft an und versucht, sowohl deren potentielle Auswirkungen auf die Verfassungsnorm des horizontalen Länderfinanzausgleichsmechanismus nach Art. 107 Abs. 2 S. 1, 2 GG sowie auf das bundesstaatliche Verfassungsgefüge insgesamt zu bestimmen. Im ersten Teil der Arbeit soll zunächst auf die Bedeutung der Figur einer bundesstaatlichen Solidargemeinschaft der Länder für die Auslegung der Verfassungsnorm des Art. 107 Abs. 2 S. 1, 2 GG eingegangen werden. Ziel ist es dabei zu klären, ob und inwiefern die bundesstaatliche Solidargemeinschaft das verfassungsrechtliche Merkmal der Angemessenheit etwaiger Finanzkraftunterschiede zwischen den Ländern zu konkretisieren vermag und damit unmittelbar auf den länderinternen Finanzausgleichsmechanismus einwirkt. Als Ausgangspunkt der 4

Vgl. hierzu etwa Maunz, Art. 107, in: ders./Dürig, Grundgesetz Kommentar, Rn. 1 ff. Vgl. BVerfGE 72, 330 (383). Vgl. hierzu auch Rennert, Der deutsche Föderalismus in der gegenwärtigen Debatte um eine Verfassungsreform, Der Staat 32 (1993), S. 269 ff. (267). 5

Erkenntnisinteresse

13

Überlegungen dient die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahre 1986. Der Fokus ist dabei nicht allein auf den Inhalt sowie die Funktion zu richten, sondern zugleich auf die rechtliche Verbindlichkeit der verfassungsgerichtlichen Entscheidung. Aufgrund der Abstraktheit des Topos einer bundesstaatlichen Solidargemeinschaft liegt des Weiteren der Verdacht nahe, das Gericht könnte hier seine funktionalen Grenzen überschritten haben, was in der Konsequenz dazu führen müsste, dass der Entscheidung des Gerichts in Bezug auf die bundesstaatliche Solidargemeinschaft dem Grunde nach keinerlei verfassungsrechtliche Er­ heblichkeit zukommen dürfte. Vor einer inhaltlichen Untersuchung sind daher sowohl die Bedenken im Hinblick auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, als auch dessen verfassungsrechtliche Verbindlichkeit zu überprüfen. Stellt sich heraus, dass der Entscheidung des Gerichts im Hinblick auf die bundesstaatliche Solidargemeinschaft rechtliche oder auch nur faktische Bindungswirkung zukommt und sie letztlich von verfassungsdogmatischer Relevanz ist, ist eine umfassende inhaltliche Untersuchung des Gedankens für das Verständnis des horizontalen Länderfinanzausgleichs nach Art. 107 Abs. 2 S. 1, 2 GG sowie dessen Bedeutung für den deutschen Bundesstaat unentbehrlich. Mangels ausführlicher verfassungsrechtlicher Untersuchungen bietet sich zur inhaltlichen Bestimmung zunächst der Rekurs auf bundesstaatstheoretische Überlegungen an. Sollten sich diese als unergiebig erweisen, bleibt der Versuch einer terminologischen Bedeutungsbestimmung der Figur einer bundesstaatlichen Solidargemeinschaft der Länder. Die hieraus resultierende These wird nachfolgend in den Kontext der Verfassungsnorm des Art.  107 Abs.  2 S.  1,  2 GG zu setzen sein, wobei von besonderem Interesse sein wird, inwiefern die bundesstaatliche Ordnungsidee in Gestalt der bundesstaatlichen Solidargemeinschaft Einfluss auf den horizontalen Länderfinanzausgleich nach Art. 107 Abs. 2 S. 1, 2 GG nimmt und so den Inhalt dieser positiven Verfassungsnorm konkretisiert resp. modifiziert. Schließlich lässt sich im ersten Teil das konkrete Bild eines horizontalen Länderfinanzausgleichs unter Maßgabe der bundesstaatlichen Solidargemeinschaft der Länder skizzieren. Im zweiten Teil  der Arbeit wird der bislang konkret normbezogene Untersuchungsfokus auf das bundesstaatliche Verfassungsgepräge des Grundgesetzes insgesamt ausgeweitet, um mögliche Konsequenzen des horizontalen Länderfinanzausgleichs unter Maßgabe der zuvor konzipierten bundesstaatlichen Solidargemeinschaft auf das verfassungsstrukturelle Gepräge der deutschen Bundesstaatlichkeit insgesamt aufzeigen zu können. Denn nicht allein vermag der Gedanke der bundesstaatlichen Solidargemeinschaft den horizontalen Länderfinanzausgleich zu prägen, zugleich vermag der horizontale Länderfinanzausgleich unter Maßgabe einer bundesstaatlichen Solidargemeinschaft auf die bundesstaatliche Ordnung des Grundgesetzes insgesamt einzuwirken. Um etwaige Wechselwirkungen aufzeigen zu können, ist zunächst eine Skizze der strukturellen Grundbeziehungen zwischen dem Bundesstaatsprinzip und den

14

Erkenntnisinteresse

übrigen unabänderlichen Verfassungsprinzipien des Grundgesetzes aus Art. 20 GG anzufertigen. Diese Skizze dient in der Folge als Vergleichsmaßstab für eine Gegenüberstellung des horizontalen Länderfinanzausgleichs mit und ohne Maßgabe der zuvor konkretisierten Figur einer bundesstaatlichen Solidargemeinschaft. Die Vergleichsskizze illustriert nicht allein die verfassungsstrukturelle Konformität resp. Nonkonformität des horizontalen Länderfinanzausgleichs unter Maßgabe einer bundesstaatlichen Solidargemeinschaft, sondern zugleich etwaige strukturelle Spannungen innerhalb der bundesstaatlichen Ordnung des Grund­gesetzes durch die positive Verfassungsnorm des Art.  107 Abs.  2 S.  1,  2 GG und wie diese durch die Maßgabe einer bundesstaatlichen Solidargemeinschaft ver­ändert werden. Ein besonderes Augenmerk wird auf das Verhältnis der bundesstaatlichen Ordnungsidee zum Demokratieprinzip wie auch zum Sozialstaatsprinzip des Grundgesetzes zu legen sein, da dieses mit Blick auf den horizontalen Finanzausgleichsmechanismus nicht unproblematisch zu sein scheint. Im Anschluss an die strukturelle Untersuchung stellt sich freilich die Frage nach etwaigen funktionalen Modifikationen des horizontalen Länderfinanzausgleichs durch die Maßgabe einer bundesstaatlichen Solidargemeinschaft im Hinblick auf die bundesstaatliche Ordnung des Grundgesetzes. Im zweiten Teil der Arbeit werden so die möglichen strukturelle sowie funktionale Veränderungen der bundesstaatlichen Ordnung des Grundgesetzes den Auslegungsmaßstab einer bundesstaatlichen Solidargemeinschaft der Länder offengelegt. Im Gesamtergebnis zeigt die Arbeit ein detailliertes Bild des horizontalen Länderfinanzausgleichs unter Maßgabe des Gedankens einer bundesstaatlichen Solidargemeinschaft entsprechend der hier vorgeschlagenen Konkretisierung und dessen potentielle Bedeutung sowohl für die Verfassungsnorm des Art. 107 Abs. 2 S. 1, 2 GG als auch für das bundesstaatliche Verfassungsgefüge des Grundgesetzes im Ganzen.

A. Der angemessene Finanzkraftausgleich nach Art. 107 Abs. 2 S. 1, 2 GG und die bundesstaatliche Solidargemeinschaft der Länder A. Finanzkraftausgleich und Solidargemeinschaft der Länder

I. Die Angemessenheit von Finanzkraftunterschieden zwischen den Ländern als Zielvorgabe des horizontalen Länderfinanzausgleichs Innerhalb bundesstaatlich organisierter Staaten gestaltet sich die Verteilung der hoheitlichen Finanzerträge wesentlich aufwendiger als in Einheitsstaaten, da sowohl der Zentralstaat als auch die Gliedstaaten jeweils mit eigenen Finanzmitteln ausgestattet werden müssen,1 mit welchen diese ihre jeweiligen hoheitlichen Aufgaben zu bewältigen haben. In jedem Bundesstaat ist daher eine Aufteilung der Einnahmequellen resp. der hoheitlich generierten Erträge2 zwischen dem Zentralstaat auf der einen sowie den Gliedstaaten auf der anderen Seite obligatorisch.3 Eine primäre Steuerertragsverteilung zwischen Bund und Ländern normiert das Grundgesetz in den Art. 106–107 Abs. 1 GG. Im Anschluss an diese Ertragsverteilung sieht das Grundgesetz eine weitere, bundesstaatlich nicht zwingend erforderliche4 und im internationalen Vergleich gar ungewöhnliche5 Verteilungsstufe vor – den (sekundären) horizontalen Länderfinanzausgleich nach Art. 107 Abs. 2 S. 1, 2 GG: (2) Durch das Gesetz ist sicherzustellen, daß die unterschiedliche Finanzkraft der Länder angemessen ausgeglichen wird; hierbei sind die Finanzkraft und der Finanzbedarf der Gemeinden (Gemeindeverbände)  zu berücksichtigen. Die Voraussetzungen für die Ausgleichsansprüche der ausgleichsberechtigten Länder und für die Ausgleichsverbindlichkeiten der ausgleichspflichtigen Länder sowie die Maßstäbe für die Höhe der Ausgleichs­ leistungen sind in dem Gesetz zu bestimmen.

1 Vgl. Pagenkopf, S. 31, 42; Tappe/Wernsmann, Öffentliches Finanzrecht, Rn. 310 f. Vgl. auch Popitz, Der künftige Finanzausgleich zwischen Reich, Ländern und Gemeinden, S. 3 f.; ders., Der Finanzausgleich, in: Gerloff/Meisel (Hrsg.), HFW II, S. 338 ff. (346). Wobei angemerkt sei, dass der Finanzausgleich kein Phänomen allein bundesstaatlicher Ordnungen sei, vgl. hierzu Korioth, Der Finanzausgleich zwischen Bund und Ländern, S. 37 f. 2 Zu diesen beiden Optionen vgl. Tappe/Wernsmann, Öffentliches Finanzrecht, Rn. 310. 3 Heintzen, Art. 107, in: von Münch/Kunig, Grundgesetz Kommentar6 II, Rn. 5. 4 Vgl. Pagenkopf, S.  74; Maunz, Finanzverfassung im Rahmen der Staatsverfassung, VVDStRL 14 (1956), S. 37 ff. (53). 5 Korioth, Der Finanzausgleich zwischen Bund und Ländern, S. 127. So auch Heintzen, Art. 107, in: von Münch/Kunig, Grundgesetz Kommentar6 II, Rn. 5.

16

A. Finanzkraftausgleich und Solidargemeinschaft der Länder 

Systematisch ist der horizontale Verteilungsmechanismus aus Landesmitteln als dritte Stufe6 in das ausdifferenzierte System zur Verteilung des hoheitlichen Finanzaufkommens im deutschen Bundesstaat eingebettet.7 Innerhalb des bundesstaatlichen Finanzausgleichssystems des Grundgesetzes bildet dieser Mechanismus nicht allein wegen seiner horizontalen Ausrichtung8 eine Besonderheit, Gegenstand der Verteilung auf dieser Stufe ist zugleich nicht lediglich die individuelle Steuerkraft, sondern die umfassend zu verstehende Finanzkraft9 eines jeden Bundeslandes. Letztlich geht es nicht um eine additionale Verteilung von Steuererträgen, sondern um eine potentiell nicht unerhebliche Umverteilung von Finanzmassen zwischen den Ländern.10 Die Rechtsprechung und ein Großteil der Literatur nehmen daher zu Recht eine Trennung zwischen dem primären und dem sekundären Finanzausgleich vor.11 Art. 107 Abs. 2 S. 1, 2 GG fungiert innerhalb des bundesstaatlichen Ausgleichssystems folglich als subsidiärer Korrektur­mechanismus in Bezug auf die Ergebnisse der primären Steuerertragsverteilung,12 wobei sich der maßgebliche Anknüpfungspunkt auf die umfassende Finanzkraft eines jeden Landes und nicht lediglich auf die zugeteilten Steuer­ erträge bezieht.

6 Tappe/Wernsmann, Öffentliches Finanzrecht, Rn.  320; Kube, Art.  107, in: Epping/­ Hillgruber, Grundgesetz, Rn.  15; Huber, Art.  107, in: von Mangoldt/Klein/Starck, Grund­ gesetz Kommentar6 III, Rn. 88; Wendt, Der Finanzausgleich im föderalen System der BRD, in: Härtel (Hrsg.), Handbuch Föderalismus II, § 41 Rn. 20. Von der vierten Stufe des bundesstaatlichen Finanzausgleichs spricht hingegen Carl, S. 47. 7 Kisker, Der bergrechtliche Förderzins im bundesstaatlichen Finanzausgleich, S. 32; Hidien, Handbuch Länderfinanzausgleich, S. 33. Vgl. hierzu A. Jung, S. 47 f.; Maunz, Art. 107, in: ders./Dürig, Grundgesetz-Kommentar, Rn. 1 ff. Wobei dieser den bundesstaatlichen Finanzausgleich noch nicht abschließt. Auf der vierten und letzten Stufe sind vertikal ausgerichtete Ergänzungszuweisungen aus Bundesmitteln nach Art. 107 Abs. 2 S. 3 GG vorgesehen. 8 So ist der horizontale Länderfinanzausgleich keineswegs zwingende Folge der bundesstaatlichen Ordnungsidee, vgl. Maunz, Art. 107, in: ders./Dürig (Hrsg.), Grundgesetz-Kommen­ tar, Rn. 8. Anderer Ansicht wohl Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland II, S. 1165 f. 9 Kisker, Der bergrechtliche Förderzins im bundesstaatlichen Finanzausgleich, S. 34. 10 Meyer, Der Finanzausgleich, KritV 91 (2008), S. 132 ff. (139). 11 Heun, Art. 107, in: H. Dreier (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar2 III, Rn. 22. Vgl. etwa­ Hidien, Handbuch Länderfinanzausgleich, S. 34; Henneke, Art. 107, in: Schmidt-Bleibtreu/ Hofmann/ders., Kommentar zum Grundgesetz13, Rn. 49. Gegen eine Trennung Korioth, Der Finanzausgleich zwischen Bund und Ländern, S. 421, 544. So auch Heun, Art. 107, in: H. Dreier (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar2 III, Rn. 22. 12 So u. a. Oeter, S. 348; Häde, Solidarität im Bundesstaat, DÖV 1993, S. 461 ff.; A. Jung, S. 47; Hidien, Handbuch Länderfinanzausgleich, S. 29; Wendt, Der Finanzausgleich im föderalen System der BRD, in: Härtel (Hrsg.), Handbuch Föderalismus II, § 41 Rn. 15; H ­ uber, Art. 107, in: von Mangoldt/Klein/Starck, Kommentar zum Grundgesetz6 III, Rn. 126; H ­ enneke, Art. 107, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/ders., Kommentar zum Grundgesetz13 Rn. 49. Anderer Ansicht wohl Korioth, Der Finanzausgleich zwischen Bund und Ländern, S. 544. Der­ horizontale Länderfinanzausgleich sei vielmehr Fortführung und Ergänzung der primären Steuerverteilung, nicht hingegen dessen Korrektur.

I. Die Angemessenheit von Finanzkraftunterschieden

17

Während die Verfassungsnorm des Art.  107 Abs.  2 S.  2 GG dem Bundesgesetzgeber formelle Direktiven zur Ausgestaltung des horizontalen Länder­ finanzausgleichs vorgibt, normiert Satz 1 im Gegensatz dazu materielle Vorgaben.13 Materielle Aufgabe des Bundesgesetzgebers ist es demnach, mittels Gesetz einen angemessenen Ausgleich von Finanzkraftunterschieden zwischen den einzelnen Bundesländern herzustellen. Schlüsselbegriff dieses Regelungsauftrages ist – neben dem der Finanzkraft – die Angemessenheit etwaiger Finanzkraftunterschiede.14 Der Gesetzgeber hat durch die einfachgesetzliche Regelung des horizontalen Länderfinanzausgleiches nicht einen beliebigen Ausgleich herbeizuführen, sondern gerade einen angemessenen Ausgleich. Der verfassungsrechtlich legitimierte Umfang wird folglich durch das Tatbestandsmerkmal der Angemessenheit determiniert.15 In dieser inhaltlichen Vorgabe manifestiert sich denn zugleich die verfassungsrechtliche Grundproblematik des horizontalen Länderfinanzausgleichs: Ab wann sind Unterschiede zwischen der Finanzkraft der Länder verfassungsrechtlich unangemessen und welche Ausgleichsintensität ist erforderlich, damit diese als angemessen bezeichnet werden können? Weitgehende Einigkeit besteht zumindest dahingehend, dass es sich bei dem abstrakten Tatbestandsmerkmal der Angemessenheit nicht etwa um eine Carte blanche des Gesetzgebers handelt.16 Dem Gesetzgeber wird bei der einfach­gesetz­ lichen Ausgestaltung zwar ein nicht unerheblicher Ermessensspielraum zugestanden,17 doch hat dieser gleichwohl normative Vorgaben zu beachten.18 Das unbestimmte Merkmal der Angemessenheit impliziert damit eine gewisse Freiheit des Gesetzgebers bei der Umsetzung, schließt eine verfassungsgerichtliche Nach­

13

Vgl. Korioth, Der Finanzausgleich zwischen Bund und Ländern, S. 610. Vgl. Selmer/Brodersen, Finanzverfassungsrechtliche Grundfragen, S. 7; Korioth, Der Finanzausgleich zwischen Bund und Ländern, S. 610. Vgl. ähnlich Schuppert/Dahrendorf, Verfassungsrechtliche und finanzwissenschaftliche Aspekte des Länderfinanzausgleichs, S. 11. 15 Vgl. Heun, Art. 107, in: H. Dreier (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar2 III, Rn. 25; Henneke, Art. 107, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/ders. (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz13, Rn. 53. Ähnlich auch P. Kirchhof, Der Verfassungsauftrag zum Länderfinanzausgleich, S. 8. 16 Vgl. Hidien, Handbuch Länderfinanzausgleich, S.  290 f. Ältere Ansichten gehen noch vermehrt von einem umfassenden Gestaltungsauftrag an den Gesetzgeber aus, der verfassungsgerichtlich kaum nachzuprüfen sei. So etwa Ossenbühl, Verfassungsrechtliche Grundfragen des Länderfinanzausgleichs, S. 80, 83; Schuppert/Dahrendorf, Verfassungsrechtliche und finanzwissenschaftliche Aspekte des Länderfinanzausgleichs, S.  21. So zu verstehen auch Kisker, Der bergrechtliche Förderzins im bundesstaatlichen Finanzausgleich, S. 38. Eine Übersicht hierzu bei Häde, Finanzausgleich, S. 219 ff. Vgl. auch Selmer, Grundsätze der Finanzverfassung im vereinten Deutschland, VVDStRL 2 (1993), S. 10 ff. (49 f.). 17 Vgl. Korioth, Der Finanzausgleich zwischen Bund und Ländern, S. 612; Häde, Finanzausgleich, S.  233; Tappe/Wernsmann, Öffentliches Finanzrecht, Rn.  322; A. Jung, S.  136; Maunz, Art. 107, in: ders./Dürig, Grundgesetz-Kommentar, Rn. 47; Huber, Art. 107, in: von Mangoldt/Klein/Starck, Kommentar zum Grundgesetz6 III, Rn. 125. 18 BVerfGE  72, 330 (390); Korioth, Der Finanzausgleich zwischen Bund und Ländern, S. 611 f.; Häde, Finanzausgleich, S. 233; Hidien, Handbuch Länderfinanzausgleich, S. 290 f.; Huber, Art. 107, in: von Mangoldt/Klein/Starck, Kommentar zum Grundgesetz6 III, Rn. 125. 14

18

A. Finanzkraftausgleich und Solidargemeinschaft der Länder 

kontrolle indessen nicht aus.19 Es stellt sich die Frage, welche verfassungsrechtlichen Direktiven vom Merkmal der Angemessenheit konkret ausgehen.20 Seitdem das Bundesverfassungsgericht 1986 in seiner Entscheidung21 zum Länderfinanzausgleich den bundesstaatlichen Gedanken der Solidargemeinschaft zur Präzisierung eines angemessenen Finanzkraftunterschiedes angeführt hat,22 lässt sich diese abstrakte Figur sowohl in der Rechtsprechung23 als auch der Literatur24 zum horizontalen Länderfinanzausgleich wiederfinden. Es scheint, als sei die Vorstellung einer bundesstaatlichen Solidargemeinschaft der Länder sowohl von der Rechtswissenschaft als auch der Praxis weitgehend als eine Zielvorgabe des Art. 107 Abs. 2 S. 1 GG angenommen worden. Auf den ersten Blick gibt der abstrakte Gedanke einer bundesstaatlichen Solidargemeinschaft der Länder jedoch nicht weniger inhaltliche Fragen auf, als der zu konkretisierende Begriff der Angemessenheit. Im Folgenden wird daher der Versuch unternommen, den Topos einer bundesstaatlichen Solidaritätsbezie 19

Vgl. hierzu grundsätzlich Fischer-Menshausen, Unbestimmte Rechtsbegriffe im bundesstaatlichen Finanzverfassung, in: Dreißig (Hrsg.), Probleme des Finanzausgleichs I, S. 135 ff. (136 f.). Dagegen von einer Beschränkung der verfassungsgerichtlichen Kontrolle auf Feststellung evidenter Verfassungsverstöße ausgehend Schuppert/Dahrendorf, Verfassungsrechtliche und finanzwissenschaftliche Aspekte des Länderfinanzausgleichs, S. 21. 20 Weitgehende Einigkeit besteht zumindest dahingehend, dass die Forderung nach einem angemessenen Ausgleich einen umfänglichen, nivellierenden Ausgleich ausschließt. Vgl. u. a. P. Kirchhof, Der Verfassungsauftrag zum Länderfinanzausgleich, S.  8; Ossenbühl, Verfassungsrechtliche Grundfragen des Länderfinanzausgleichs, S. 23, 82; Selmer/Brodersen, Finanzverfassungsrechtliche Grundfragen, S.  37; Häde, Finanzausgleich, S.  238 f.; Korioth, Der Finanzausgleich zwischen Bund und Ländern, S. 613; Hidien, Handbuch Länderfinanzausgleich, S. 302; A. Jung, Maßstäbegerechtigkeit im Länderfinanzausgleich, S. 128 f.; Hey, Finanzautonomie und Finanzverflechtung, VVDStRL 66 (2007), S.  277 ff. (295); Tappe/­ Wernsmann, Öffentliches Finanzrecht, Rn. 369. 21 Urteil vom 24.06.1986 – 2 BvF 1, 5, 6/83, 1/84 und 1, 2/85, (Länderfinanzausgleich I). Vgl. hierzu auch Geske, Der bundesstaatliche Finanzausgleich in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, Der Staat 46 (2007), S. 203 ff. (206 ff.). 22 Vgl. BVerfGE 72, 330 (330), 1. Leitsatz. Wohl übernommen aus den für das Verfahren angefertigten Gutachten von Paul Kirchhof (1982), Gunter Kisker (1983), Peter Selmer und Carsten Brodersen (1984) sowie Fritz Ossenbühl (1984). Vgl. P. Kirchhof, Der Verfassungsauftrag zum Länderfinanzausgleich, S. 5; Kisker, Der bergrechtliche Förderzins im bundesstaatlichen Finanzausgleich S. 33; Selmer/Brodersen, Finanzverfassungsrechtliche Grundfragen, S. 9; Ossenbühl, Verfassungsrechtliche Grundfragen des Länderfinanzausgleichs, S. 22. 23 So hat das Verfassungsgericht diesen Gedanken auch in seinen nachfolgenden Entscheidungen beibehalten, vgl. BVerfGE 86, 148 (214, 255); 101, 158 (221). 24 Vgl. etwa Korioth, Der Finanzausgleich zwischen Bund und Ländern, S.  543; Hidien, Handbuch Länderfinanzausgleich, S. 33; Oeter, S. 348; Carl, S. 47; A. Jung, S. 47; Hey, Finanzautonomie und Finanzverflechtung, VVDStRL 66 (2007), S. 277 ff. (295); Wendt, Der Finanzausgleich im föderalen System der BRD, in: Härtel (Hrsg.), Handbuch Föderalismus II, § 41 Rn. 42; Waldhoff, Reformperspektiven im Finanzrecht, Die Verwaltung 2006, S. 155 ff. (166); Huber, Art. 107, in: von Mangoldt/Klein/Starck, Kommentar zum Grund­gesetz6 III, Rn. 126; Maunz, Art. 107, in: ders./Dürig, Grundgesetz-Kommentar, Rn.  44; ­Henneke, Art.  107, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/ders., Kommentar zum Grundgesetz13, Rn. 49.

II. Das Bundesverfassungsgericht

19

hung zwischen den Ländern inhaltlich hinreichend zu konkretisieren, so dass sich­ hieraus konkrete Vorgaben für die Präzisierung eines angemessenen Ausgleichs nach Art. 107 Abs. 2 S. 1 GG ableiten lassen. Als Ausgangspunkt für die Untersuchung des Gedankens einer bundesstaatlichen Solidargemeinschaft und seiner Auswirkung auf den horizontalen Länderfinanzausgleich soll die grundlegende Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahre 1986 dienen.

II. Das Bundesverfassungsgericht und die bundesstaatliche Solidargemeinschaft der Länder In seiner zweiten Entscheidung zum Länderfinanzausgleich hatte sich das Bundesverfassungsgericht mit der Verfassungsmäßigkeit der §§ 5 Abs. 1 und Abs. 2 S.  4 des Gesetzes über die Steuerberechtigung und die Zerlegung bei der Einkommensteuer und Körperschaftsteuer in der Fassung vom 25. Februar 1971 (Zerlegungs­gesetz) sowie der Verfassungsmäßigkeit des zweiten Abschnittes des Gesetzes über den Finanzausgleich zwischen Bund und Ländern vom 28. August 1969 (Finanzausgleichsgesetz) zu befassen.25 Die Antragsteller des Normen­ kontrollverfahrens26 beanstandeten insbesondere die Unvereinbarkeit der einfachgesetzlichen Aus­gestaltung des horizontalen Länderfinanzausgleichs mit dessen verfassungsrechtlichen Vorgaben nach Art. 107 Abs. 1 und 2 GG. Im Rahmen seiner Urteilsbegründung führt das Gericht zunächst erläuternd aus, der horizontale Länderfinanzausgleich sei Teil eines ausdifferenzierten Verteilungssystems und müsse daher stets im Zusammenhang mit den verschiedenen Stufen dieses Systems gesehen werden.27 Aufgabe des allgemeinen bundesstaatlichen Finanzausgleichs nach Art. 106–107 GG sei die Verteilung des Finanzaufkommens im Bundesstaat.28 Diese Zielsetzung richte sich insbesondere auf eine angemessene Verteilung der Finanzmittel zwischen dem Bund und den Ländern, welche jedem bundesstaatlichen Akteur eine selbständige Aufgabenwahrnehmung ermöglichen solle.29 Der horizontale Finanzausgleich unter den Ländern nach Art. 107 Abs. 2 GG stelle im finanzverfassungsrechtlichen Verteilungssystem der Art. 106–107 GG jedoch lediglich eine subsidiäre Korrektur der primären Steuerverteilung dar.30 Da es sich somit nicht um eine Fortsetzung der vertikalen Steuer­ 25 Urteil des Zweiten Senats vom 24.06.1986 – 2 BvF 1, 5, 6/83, 1/84 und 1, 2/85 – BVerfGE 72, 330 ff. (Länderfinanzausgleich I). 26 Die Landesregierung des Landes Nordrhein-Westfalen, die Regierung des Landes Baden-­ Württemberg, die Hessische Landesregierung, die Regierung des Saarlandes sowie der Senat der Freien und Hansestadt Hamburg. 27 Vgl. BVerfGE 72, 330 (383). So auch in den nachfolgenden Entscheidungen des Gerichts zum Länderfinanzausgleich BVerfGE 86, 146 (213); BVerfGE 101, 158 (214). 28 Vgl. BVerfGE 72, 330 (383). 29 Vgl. BVerfGE 72, 330, (388). 30 BVerfGE 72, 330 (386).

20

A. Finanzkraftausgleich und Solidargemeinschaft der Länder 

verteilung handle,31 folge diese Stufe des Verteilungssystems abweichenden Zielvorgaben.32 Während die primäre Steuerertragsaufteilung die Zuteilung einer aufgabenorientierten Finanzausstattung des Bundes sowie der Länder nach bestimmten Verteilungskriterien anstrebe,33 beabsichtige der horizontale Länderfinanzausgleich eine sekundäre Umverteilung der Länderfinanzen im Wege eines angemessenen Ausgleichs der unterschiedlichen Finanzkraft der Länder.34 Auf Grundlage der Vorgaben des Art. 107 Abs. 2 S. 1, 2 GG wird ein Teil der den Ländern grundgesetzlich zugeteilten Finanzausstattung noch einmal neu verteilt. Der horizontale Länderfinanzausgleich wird daher vom Bundesverfassungsgericht folgerichtig als eine Umverteilung aus Eigenem35 charakterisiert. Diese Umverteilung bedarf allerdings eines konkreten Auslösers – einer Unangemessenheit der unterschiedlichen Finanzkraft der Länder: „Der horizontale Finanzausgleich des Art. 107 Abs. 2 GG korrigiert dann noch einmal die Ergebnisse der primären Steuerverteilung unter den Bundesländern, soweit diese auch unter Berücksichtigung der Eigenstaatlichkeit der Länder aus dem bundesstaatlichen Gedanken der Solidargemeinschaft heraus unangemessen sind.“36

Die Erforderlichkeit eines horizontalen Finanzausgleichs ergibt sich folglich erst auf Grund eines unangemessenen Ergebnisses der primären Steuerverteilung.37 Zur Feststellung dieses angemessenen Finanzkraftunterschiedes zieht das Gericht keine allgemeinen Abwägungskriterien wie etwa das rechtsstaatliche Über­ maßverbot resp. das Verhältnismäßigkeitsgebot heran.38 Die Angemessenheit der Finanzkraftunterschiede zwischen den Bundesländern wird von dem Gericht vielmehr spezifisch aus dem bundesstaatlichen Gedanken einer Solidargemeinschaft bestimmt.39 Finanzkraftunterschiede zwischen den Bundesländern sind der Ent 31

BVerfGE 72, 330 (386). Vgl. BVerfGE 72, 330 (383). 33 Vgl. BVerfGE 72, 330 (383 ff.). 34 Vgl. BVerfGE 72, 330 (386). 35 Vgl. BVerfGE 72, 330 (386). 36 BVerfGE 72, 330 (386). Zweite Hervorhebung d. Verf. 37 Vgl. Kirchhof, Der Verfassungsauftrag zum Länderfinanzausgleich, S. 8. „Angemessene“ Finanzausstattung als Mindest- und Höchstanforderung. 38 Vgl. hierzu BVerfGE 81, 310 (338) „Aus dem Rechtsstaatsprinzip abgeleitete Schranken für Einwirkungen des Staates in den Rechtskreis des Einzelnen sind im kompetenzrechtlichen Bund-Länder-Verhältnis nicht anwendbar. Das gilt insbesondere für den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit; ihm kommt eine die individuelle Rechts- und Freiheitssphäre verteidigende Funktion zu.“ Bereits vor der Entscheidung des Gerichts aus dem Jahre 1986 konstatierte ­Ossen­bühl, dass die Anwendung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zur Bestimmung des Tatbestandsmerkmals der Angemessenheit ausscheide, vgl. Ossenbühl, Verfassungsrechtliche Grundfragen des Länderfinanzausgleichs, S. 91. Anderer Ansicht A. Jung, S. 157 f. Für die Inanspruchnahme des steuerlichen Halbteilungsgrundsatzes als Vorgabe über die Höhe der Aus­gleichs­pflichten Arndt, Finanzausgleich und Verfassungsrecht, S. 20 ff. Kritik bei ­Helbig, S. 123 ff. 39 Vgl. BVerfGE 72, 330 (387) „Seine Zielrichtung ist, solche Unterschiede in der Finanzkraft der Länder, die […] im Hinblick auf die bundesstaatliche Solidargemeinschaft als unangemessen gelten müssen, in gewissem Umfang, wenn auch nicht voll auszugleichen.“ Hervorhebung d. Verf. 32

II. Das Bundesverfassungsgericht

21

scheidung des Gerichts zufolge erst dann unangemessen, sofern die bundesstaatliche Solidaritätsverpflichtung zwischen den Ländern eine finanzielle Umverteilung gebietet. Dem Gedanken der bundesstaatlichen Solidargemeinschaft wird durch das Gericht so eine maßgebliche Bedeutung im System des bundesstaatlichen Länderfinanzausgleichs zugewiesen.40 Die Bedeutung des Topos der bundesstaatlichen Solidargemeinschaft erhöht sich, bedenkt man, inwiefern das Tatbestandsmerkmal der Angemessenheit der­ Finanzautonomie der Bundesländer Grenzen zu setzen vermag.41 Je nach Aus­ legung des Merkmals, kann die verfassungsrechtliche Pflicht zur finanziellen Hilfsleistung gegenüber finanziell leistungsschwachen Ländern aus eigenen Finanzmitteln dazu führen, dass die grundgesetzlich gewährleistete Finanzautonomie42 der leistungsstarken Länder tangiert oder möglicherweise gar in den Kernbereich ihrer verfassungsrechtlich garantierten Eigenstaatlichkeit43 eingegriffen wird.44 Der Gedanke der bundesstaatlichen Solidargemeinschaft dient damit nicht einzig der Bestimmung eines Tatbestandsmerkmals, er vermag zugleich – je nach Auslegungsinhalt – einen nicht unerheblichen Eingriff in die verfassungsrechtlich garantierte Kompetenzzuschreibung der leistungsstarken Bundesländer zu rechtfertigen. Eine nähere Untersuchung der Judikatur des Bundesverfassungsgerichts erscheint angesichts der potentiellen verfassungsrechtlichen Implikationen – sowohl auf die einzelnen Länder, wie auch auf die bundesstaatliche Ordnung des Grundgesetzes insgesamt – unerlässlich. Zunächst gilt es festzustellen, in welcher konkreten Funktion sich das Gericht dem Gedanken der bundesstaatlichen Solidargemeinschaft im Hinblick auf den horizontalen Länderfinanzausgleich bedient und inwiefern von dieser Entscheidung verfassungsdogmatische Relevanz für die Auslegung und Anwendung des Art. 107 Abs. 2 S. 1 GG ausgeht. Sollte sich eine solche Relevanz feststellen lassen, wird vor einer inhaltlichen Begriffsauslegung kritisch zu reflektieren sein, ob das Gericht im Rahmen seiner Entscheidungsfindung seine verfassungsrechtlichen 40

Vgl. BVerfGE 72, 330 (386 f.). BVerfGE 72, 330 (386). Finanzautonomie wird oftmals als auf Grundlage ausreichender Finanzen eröffnete politische Handlungsspielräume, nicht hingegen als Autonomie zu eigenverantwortlicher Finanzpolitik verstanden. Kritisch hierzu Waldhoff, Finanzautonomie und Finanzverflechtung, VVDStRL 66 (2007), S. 216 ff. (226). Vgl. hierzu auch Hey, Finanz­ autonomie und Finanzverflechtung, VVDStRL 66 (2007), S. 277 ff. (280). 42 Wobei den Ländern Finanzautonomie lediglich für ihre Ausgabenwirtschaft, kaum hingegen für ihre Einnahmenwirtschaft zukommt, Waldhoff, Finanzautonomie und Finanzverflechtung, VVDStRL 66 (2007), S. 216 ff. (226). 43 So das Bundesverfassungsgericht in ständiger Rechtsprechung, vgl. grundlegend BVerfGE 1, 14 (18, 34). Staatsqualität besitzen die Länder zumindest im staatsrechtlichen Sinne, vgl. Sommer­mann, Art. 20 Abs. 1, in: von Mangoldt/Klein/Starck, Kommentar zum Grundgesetz6 II, Rn. 26. 44 Vgl. BVerfGE 72, 330 (386 f.). Zur Bedeutung der Kontrolle und Verteilung der Staatsfinanzen vgl. Haltern, Die künftige Ausgestaltung der bundesstaatlichen Finanzordnung, VVDStRL 73 (2014), S. 103 ff. (118 f.). 41

22

A. Finanzkraftausgleich und Solidargemeinschaft der Länder 

Grenzen überschritten hat, indem es den abstrakten Gedanken der bundesstaatlichen Solidargemeinschaft zur Maßgabe der Angemessenheit von Finanzkraftunterschieden zwischen den Ländern nach Art. 107 Abs. 2 S. 1 GG erhoben hat. 1. Die Funktion der bundesstaatlichen Solidargemeinschaft der Länder in Bezug auf die Auslegung des Art. 107 Abs. 2 S. 1 GG Terminologisch betrachtet setzt sich die Figur der bundesstaatlichen Solidargemeinschaft der Länder maßgeblich aus den Begrifflichkeiten Bundesstaat und Solidarität zusammen, wobei die adjektivische Verwendung des Bundes­ staats­begriffs darauf schließen lässt, dass die bundesstaatliche Ordnungsidee des Grundgesetzes maßgeblichen Einfluss auf den konkreten Inhalt des Gedankens nimmt. Gegebenenfalls lassen sich daher aus der funktionalen Verwendung des Bundesstaatsprinzips durch das Bundesverfassungsgericht Parallelen zur funktionalen Verwendung des – zumindest vom Bundesstaatsprinzip beeinflussten – Gedankens der bundesstaatlichen Solidargemeinschaft ziehen. In einer detaillierten Untersuchung zum Bundesstaatsprinzip hat Edin Šarčević dessen funktionale Verwendung durch die verfassungsgerichtliche Judikatur eingehend analysiert.45 Das Bundesverfassungsgericht verwende das Bundesstaatsprinzip insbesondere in zwei verschiedenen Funktionen: Einer Stützungs- 46 sowie einer Auslegungsfunktion47. Stützend fungiere das bundesstaatliche Prinzip, sofern es neben der einschlägigen, positiven Verfassungsnorm als zusätzliche Legitimationsquelle zur Unterstützung des positiven Norminhalts herangezogen werde.48 Dabei begründe das Prinzip selbst kein neues Rechtsverhältnis, sondern rechtfertige oder modifiziere lediglich ein bereits bestehendes Rechtsverhältnis.49 Zugleich bediene sich das Gericht des Bundesstaatsprinzips als eines Auslegungsmaßstabes positiver Verfassungsnormen.50 In dieser Funktion vermittle es selbst den entscheidungserheblichen Rechtsgehalt einer positiven Rechtsnorm.51 Dem bundesstaatlichen Prinzip komme hierbei mithin erhebliche und insbesondere eigenständige Bedeutung im Hinblick auf die Gesetzesauslegung zu.52 Überträgt man diese Funktionsdifferenzierung auf die Verwendung der Figur der bundesstaatlichen Solidargemeinschaft der Länder durch das Bundesverfassungsgericht, zeigt sich, dass die bundesstaatliche Solidargemeinschaft weniger stützend, 45

Šarčević, S. 139 ff. Šarčević, S. 148 f. 47 Šarčević, S. 162 f. 48 Vgl. Šarčević, S. 148 f. Hier zur Verwendung des bündischen Prinzips des Einstehens füreinander durch das Bundesverfassungsgericht. 49 Šarčević, S. 157 f. 50 Šarčević, S. 161. 51 Ebda. 52 Ebda. 46

II. Das Bundesverfassungsgericht

23

sondern vielmehr als Auslegungsmaxime53 herangezogen wird: Das Gericht verwendet die bundesstaatliche Solidargemeinschaft als entscheidenden Maßstab zur Bestimmung des Merkmals der Angemessenheit in Art. 107 Abs. 2 S. 1 GG und ­ orminhalts. nicht etwa zum Zwecke einer additionalen Unterstützung des N Deutlich wird die Auslegungsfunktion ferner im Vergleich zu dem vom Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung gleichermaßen herangezogenen bundes­ staatlichen Subprinzip54  – dem bündischen Prinzip des Einstehens füreinander. Das Gericht bemerkt in Bezug auf Art. 107 Abs. 2 GG: „In dieser Bestimmung verwirklicht sich also ein bündisches Prinzip des Einstehens füreinander; […]“55

Verwirklicht sich das bündische Prinzip des Einstehens füreinander innerhalb der positiven Verfassungsnorm, so dient dieses lediglich als zusätzliche Rechtsquelle zur Absicherung des geschriebenen Normgehalts. Es kreiert kein eigenständiges, von der Norm losgelöstes Rechtsverhältnis, da dieses bereits durch den positiven Gehalt der Verfassungsnorm des Art. 107 Abs. 2 S. 1 GG vorgegeben wird. Das Bundesverfassungsgericht führt weiter aus: „In diesem sie rechtfertigenden Grund ist zugleich auch die Grenze dieser Hilfeleistungspflicht angelegt.“56

Das Gericht macht damit explizit, dass aus dem bündischen Prinzip des Einstehens füreinander sowohl Rechtfertigung als auch Grenze der positiv normierten Hilfeleistungspflicht des Art.  107 Abs.  2 S.  1 GG zu folgern sind. Hierin illustriert sich im Besonderen die dienende Stützungsfunktion. Das bundesstaatliche Subprinzip rechtfertigt und konkretisiert lediglich das bestehende Rechtsverhältnis zwischen den Bundesländern auf Grundlage des Art. 107 Abs. 2 GG, begründet aber kein selbständiges Rechtsverhältnis.57 Die bundesstaatliche Solidargemeinschaft dient dagegen gerade nicht als zusätzliche Rechtfertigung der Norm des Art. 107 Abs. 2 S. 1 GG. Sie soll primär das Merkmal der Angemessenheit der Finanzkraftunterschiede bestimmen und fungiert damit als konkreter Aus-

53

Vgl. allgemein zu Auslegungsnormen Hoerster, Was kann die Rechtswissenschaft?, Rechtstheorie  41 (2010), S.  13 ff. (16). Zutreffend erschiene auf den ersten Blick auch eine Charakterisierung der Figur der bundesstaatlichen Solidargemeinschaft als ein „Leitbild“ der Verfassung. Aufgrund der unterbliebenen inhaltlichen Präzisierung des Gedankens durch das Bundesverfassungsgericht sowie der nicht unerheblichen Unklarheit hinsichtlich Funktion, Wesen und normativem Status innerhalb des Verfassungsrechts, soll von einer solchen jedoch abgesehen werden. Vgl. hierzu ausführlich Volkmann, Leitbildorientierte Verfassungsanwendung, AöR 134 (2009), S. 157 ff. 54 So etwa Šarčević, S.  169 f.; Jestaedt, Bundesstaat als Verfassungsprinzip, in: Isensee/ Kirchhof (Hrsg.), HStR3 II, § 29 Rn. 29; Dörfer, S. 209 f. 55 BVerfGE 72, 330 (386). 56 BVerfGE 72, 330 (387). 57 Vgl. hierzu Jestaedt, Bundesstaat als Verfassungsprinzip, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR3 II, § 29 Rn. 29.

24

A. Finanzkraftausgleich und Solidargemeinschaft der Länder 

legungsmaßstab.58 Freilich wird durch die funktionale Verwendung als Auslegungsmaßstab des den Finanzausgleich auslösenden Tatbestandsmerkmals mittelbar zugleich Voraussetzung und Begrenzung determiniert, doch liegt der Fokus der Verwendung auf dem eines Auslegungsmaßstabes. In dieser Funktion legt sie dem horizontalen Länderfinanzausgleich ein eigenständiges Rechtsverhältnis zwischen den Ländern zugrunde, aus welchem die Angemessenheit potentieller Finanzkraftunterschiede zwischen den Ländern zu folgern ist. Gegen diese Funktionsanalyse ließe sich möglicherweise der enge Zusammenhang einwenden, in welchem die bundesstaatliche Solidargemeinschaft und das bündische Prinzip des Einstehens füreinander durch das Gericht verwendet werden.59 So wird mitunter der Anschein erweckt, es könne sich bei den Termini letztlich um Synonyme handeln,60 dass folglich das bündische Prinzip des Einstehens füreinander und die bundesstaatliche Solidargemeinschaft denselben Inhalt ­teilten: „[…] kommt ihm die Aufgabe zu, die Ergebnisse dieser primären Steuerverteilung unter den Ländern zu korrigieren, soweit sie auch unter Berücksichtigung der Eigenstaatlichkeit der Länder aus dem bundesstaatlichen Gedanken der Solidargemeinschaft, des bündischen Einstehens füreinander, unangemessen erscheinen.“61

Es ist hingegen terminologisch genau zu differenzieren: So geht es in dieser Passage nicht um das bündische Prinzip des Einstehens füreinander, sondern lediglich um ein bündisches Einstehen füreinander. Dieser Textauszug bezieht sich also nicht explizit auf das bundesstaatliche Prinzip des Grundgesetzes. Dem mag freilich entgegnet werden, das Verfassungsgericht habe sich hinsichtlich seiner Wortwahl nicht derart tiefgründige Gedanken gemacht. Es ist daher auch ein anderes, weitaus gewichtigeres Argument, welches gegen eine Identität der beiden Figuren spricht: Ihre unterschiedliche funktionale Verwendungsweise. Wie bereits dar­gestellt, wird das bündische Prinzip des Einstehens füreinander in einer stützenden Funktion verwendet, während die bundesstaatliche Solidargemeinschaft als Auslegungsmaxime fungiert. Zwar beziehen sich beide Figuren auf denselben Gegenstand, den horizontalen Finanzausgleichsmechanismus zwischen den Ländern, doch obliegen ihnen diesbezüglich unterschiedliche Aufgaben. Trotz des engen Zusammenhanges zwischen beiden Aspekten des Länderfinanzausgleichs müssen sie aufgrund ihrer divergierenden Funktionalität differenziert betrachtet werden. So lässt sich das bündische Prinzip des Einstehens füreinander als verfassungsrechtliche Konsequenz der bundesstaatlichen Solidargemeinschaft

58

Vgl. Šarčević, S. 161 f. Vgl. BVerfGE 72, 330 (386 f.); BVerfGE 86, 148 (214, 264 f.). 60 So (miss-)verstanden u. a. von Sommermann, Art. 20 Abs. 1, in: von Mangoldt/Klein/ Starck, Kommentar zum Grundgesetz6 II, Rn. 41; Dörfer, S. 210: „Darüber hinaus ist die Proklamation des Einstehens füreinander die sinnbildliche Entsprechung des zuvor eingeführten Gedankens der Solidargemeinschaft der Länder“. 61 BVerfGE 86, 148 (214). 59

II. Das Bundesverfassungsgericht

25

verstehen. Besteht aus Sicht der bundesstaatlichen Solidargemeinschaft eine Un­ angemessenheit der unterschiedlichen Finanzkraft der Länder, resultiert daraus eine finanzielle Ausgleichsverpflichtung nach dem bündischen Prinzip des Einstehens füreinander. Das Bundesverfassungsgericht verwendet die Figur der bundesstaatlichen Solidargemeinschaft im Ergebnis nicht in stützender Funktion, sondern als einen eigenständigen Auslegungsmaßstab zur Bestimmung der Angemessenheit etwaiger Finanzkraftunterschiede zwischen den Ländern nach Art. 107 Abs. 2 S. 1 GG. Aufgrund dieser, für die Anwendung des horizontalen Länderfinanzausgleichs gewichtigen Funktionsweise, stellt sich insbesondere die Frage nach dem konkreten Inhalt des verfassungsbezogenen Auslegungsmaßstabes. Vor einer inhaltlichen Präzisierung des Rechtsverhältnisses ist hingegen zunächst zu klären, inwiefern die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts und damit der Auslegungsmaßstab der bundesstaatlichen Solidargemeinschaft allgemein rechtswissenschaftliche Bindungswirkung auf sich vereinen kann und damit von verfassungsdogmatischer Relevanz ist. 2. Verfassungsdogmatische Relevanz des Urteils Ausgehend von dem Ergebnis der vorangehenden Untersuchung, nach welcher die bundesstaatlichen Solidargemeinschaft der Länder vom Bundesverfassungsgericht in der Funktion eines Auslegungsmaßstabes im Hinblick auf die Verfassungsnorm des Art. 107 Abs. 2 GG verwendet wird und ihr damit – trotz fehlender Fixierung im Verfassungstext – eine maßgebliche Bedeutung beigemessen wird, stellt sich die Frage, inwiefern der Entscheidung des Gerichts auch verfassungsrechtliche Relevanz hinsichtlich der Auslegung und Anwendung des horizontalen Länderfinanzausgleichs zukommt oder ob die Zugrundelegung des Gedankens einer bundesstaatlichen Solidargemeinschaft letztlich ohne rechtsdogmatische Erheblichkeit für die Auslegung der Verfassungsnorm bleibt. Auch wenn sich eine verfassungstheoretische Untersuchung von den Anwendungsbezügen und dem Anwendungszwang des positiven Verfassungsrechts distanzieren darf – und sogar muss –, so geht ihr Beschreibungs- und Deutungsangebot doch an der zu beschreibenden und zu deutenden normativen Verfassungsrealität vorbei, wendet sie sich der Erkenntnis verfassungsdogmatisch unerheblicher Konzepte zu.62 Wäre die Maßgabe der bundesstaatlichen Solidargemeinschaft der Länder für die Auslegung und Anwendung der positiven Verfassung unbeachtlich, so ginge eine weitergehende rechtswissenschaftliche Untersuchung dieser Figur schlicht am rechtswissenschaftlichen Forschungsinteresse vorbei. Es ist daher von entscheidender Bedeutung, ob und inwiefern die Entscheidung des Bundesverfas-

62

Vgl. im Ergebnis gleichlaufend Jestaedt, Die Verfassung hinter der Verfassung, S. 80.

26

A. Finanzkraftausgleich und Solidargemeinschaft der Länder 

sungsgerichts für die Verfassungsdogmatik erhebliche Bindungswirkungen entfaltet. Erst wenn festgestellt werden kann, dass vom Topos der bundesstaatlichen Solidargemeinschaft eine Relevanz für die Auslegung des positiven Verfassungsrechts ausgeht, erscheint eine inhaltliche Untersuchung der Entscheidung des Gerichts überhaupt geboten. a) Rechtliche Geltungskraft Bevor die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts inhaltlich bewertet werden kann, ist zunächst zu untersuchen, ob und inwiefern der verfassungsgerichtlichen Entscheidung im Hinblick auf die Figur der bundesstaatlichen Solidargemeinschaft verfassungsrechtliche Erheblichkeit zukommt. Denn ohne erkennbaren Einfluss auf das geltende Verfassungsrecht ginge eine weitergehende Untersuchung jedenfalls am Fokus der Verfassungsdogmatik und damit zugleich an dem der Verfassungstheorie vorbei. Grundsätzlich ist die Judikative als rechtsprechende Gewalt63, welche gemäß Art. 92 GG auch durch das Bundesverfassungsgericht ausgeübt wird,64 nach der grundgesetzlichen Verfassungskonzeption zur verbindlichen Klärung von Rechtsstreitigkeiten durch individuelle Streitentscheidung berufen.65 Mit der Kompetenz zur rechtlichen Streitentscheidung im Einzelfall geht indessen unweigerlich auch eine Kompetenz zur Setzung konkret-individueller Rechtsnormen einher.66 Die Judikative fungiert, indem sie die abstrakt-generellen Normen der Legislative für den konkreten Einzelfall verbindlich präzisiert, als letzte Stufe eines hoheitlichen Rechtserzeugungsprozesses  – eines Verfahrens steter Konkretisierung von der obersten Stufe der Verfassung bis hin zum individualisierten Rechtsanwendungsbefehl.67 Aus dieser Kompetenz der Judikative zur Setzung konkret-individueller Rechtsnormen lässt sich sogleich ihre Funktion im System der grundgesetzlichen

63

Vgl. hierzu Wilke, Die rechtsprechende Gewalt, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR3 V, § 112 Rn. 2. 64 Vgl. auch Roellecke, Aufgabe und Stellung des Bundesverfassungsgerichts in der Gerichtsbarkeit, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR3 III, § 68 Rn. 1. 65 Schönberger, Höchstrichterliche Rechtsfindung und Auslegung gerichtlicher Entscheidungen, VVDStRL 71 (2012), S. 296 ff. (302). Vgl. hierzu auch Wilke, Die rechtsprechende Gewalt, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR3 V, § 112 Rn. 56 ff. Ähnlich auch Schlaich, Verfassungsgerichtsbarkeit im Gefüge der Staatsfunktionen, VVDStRL 39 (1981), S. 99 ff. (127). 66 Vgl. Kelsen, Wesen und Entwicklung der Staatsgerichtsbarkeit (Auszüge), in: Häberle (Hrsg.), Verfassungsgerichtsbarkeit, S. 77 ff. (80). Vgl. ähnlich auch Schönberger, Höchstrichterliche Rechtsfindung und Auslegung gerichtlicher Entscheidungen, VVDStRL  71 (2012), S. 296 ff. (301). 67 Vgl. Kelsen, Wesen und Entwicklung der Staatsgerichtsbarkeit, in: ders., Wer soll Hüter der Verfassung sein?, S. 1 ff. (2 f.). Die klassische Entgegensetzung von Judikative und Legislative als Rechtsanwendung und Rechtsetzung ist folglich nicht ganz zutreffend, da die Judikative nicht nur Recht anwendet, sondern zugleich Recht setzt. Vgl. Schönberger, Höchstrich-

II. Das Bundesverfassungsgericht

27

Gewaltenteilung bzw. Gewaltengliederung ableiten: Die Kontrolle der Anwendung der abstrakt-generellen Normen mittels Konkretisierung in Bezug auf den individuellen Einzelfall68 zum Zwecke der Gewährleistung der Gesetzesbindung, zum Schutz des demokratischen Gesetzgebers und damit letztlich zum Schutz des einzelnen Bürgers.69 Legt man den Fokus auf das Normverwerfungsmonopol aus Art.  93 Abs.  1 Nr. 2 GG sowie Art. 100 Abs. 1 GG, gelangt man rasch zu der Erkenntnis, das Bundesverfassungsgericht müsse besonderen Regeln unterworfen sein.70 Art.  93 GG zufolge erstreckt sich die Kompetenz des Bundesverfassungsgerichts primär auf die verbindliche Entscheidung von Verfassungsrechtsstreitigkeiten. Damit verbunden ist denn auch unabwendbar die Kompetenz des Gerichts zur letztverbindlichen Konkretisierung der grundgesetzlichen Verfassungsnormen. Wird die Rechtsprechungstätigkeit als letzte Stufe des Rechtsetzungsprozesses erkannt, folgt hieraus, dass auch das Bundesverfassungsgericht konkret-individuelle Rechtsnormen erzeugt, nur eben Verfassungsrechtsnormen. Diese Kompetenz ist hingegen grundsätzlich auf den Anlass des konkreten Einzelfalls beschränkt.71 Das Gericht kann mithin weder von sich aus tätig werden, noch ist es vorgesehen, dass – über die Erforderlichkeit im Einzelfall hinaus – Normen der Verfassung allgemein konkretisiert werden. Die Rechtsprechungstätigkeit des Verfassungsgerichts unterscheidet sich an diesem Punkt, aufgrund eines höherrangigen Prüfungsmaßstabes sowie der Erzeugung konkret-individueller Verfassungsrechtsnormen, lediglich ebenenspezifisch von der Tätigkeit der übrigen ­Gerichte.

terliche Rechtsfindung und Auslegung gerichtlicher Entscheidungen, VVDStRL  71 (2012), S. 296 ff. (301). Die Differenz zwischen den beiden Gewalten ist mit Hinblick auf die Rechtsetzungskompetenz damit nicht prinzipieller oder absoluter, sondern lediglich gradueller Natur – entsprechend des Grades der Konkretisierung der jeweiligen Rechtsnorm. Vgl. Kelsen, Wesen und Entwicklung der Staatsgerichtsbarkeit (Auszüge), in: Häberle (Hrsg.), Verfassungsgerichtsbarkeit, S. 77 ff. (80). Vgl. auch Gusy, Staatsrechtlicher Positivismus, JZ 1989, S. 505 ff. (515). 68 Vgl. zur Kontrolle der Exekutive durch die Judikative Wilke, Die rechtsprechende Gewalt, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR3 V, § 112 Rn. 47. Eine Kontrollkompetenz hinsichtlich Legislativakten kann die Judikative allgemein nur für vorkonstitutionelle Gesetze für sich beanspruchen. Das Verwerfungsmonopol hinsichtlich nachkonstitutioneller Gesetze obliegt ausschließlich dem Bundesverfassungsgericht, Art. 100 Abs. 1 GG, vgl. Wilke, Die rechtsprechende Gewalt, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR3 V, § 112 Rn. 30. Zur Kontrollkompetenz auch Di Fabio, Gewaltenteilung, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR3 II, § 27 Rn. 26. 69 Vgl. Di Fabio, Gewaltenteilung, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR3 II, § 27 Rn. 29. 70 Vgl. zur Sonderstellung des Bundesverfassungsgerichts Roellecke, Aufgabe und Stellung des Bundesverfassungsgerichts in der Gerichtsbarkeit, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR3 III, § 68 Rn. 4 ff. 71 Vgl. Lerche, Stil und Methode der verfassungsgerichtlichen Entscheidungspraxis, in: Badura/H.  Dreier (Hrsg.), FS 50 Jahre BVerfG  I, S.  333 ff. (336). Vgl. auch Lepsius, Zur Bindungswirkung von Bundesverfassungsgerichtsentscheidungen, in: Scholz/u. a. (Hrsg.), Realitätsprägung durch Verfassungsrecht, S.  103 ff. (104); Böckenförde, Sondervotum zu BVerfGE 93, 121 (151).

28

A. Finanzkraftausgleich und Solidargemeinschaft der Länder 

Eine kompetenzielle Sonderstellung des Bundesverfassungsgerichts lässt sich daran erkennen, dass dem Entscheidungstenor verfassungsgerichtlicher Entscheidungen gemäß Art. 94 Abs. 2 GG i. V. m. § 31 Abs. 2 BVerfGG in bestimmten Fällen Gesetzeskraft erga omnes zukommt.72 Das Gericht ist in diesen Fällen befugt, nicht lediglich konkret-individuelle, sondern abstrakt-generelle Rechtsnormen zu setzen. Diese Gesetzeskraft erstreckt sich indes ausschließlich auf die Tenorierung von Normenkontrollverfahren. Mitsamt der Normverwerfungskompetenz werden dem Verfassungsgericht additiv Legislativkompetenzen übertragen – die Kompetenz eines negativen Gesetzgebers.73 Denn die Verwerfung einer positiven Rechtsnorm bedeutet letztlich nichts anderes als die negative Setzung einer Rechtsnorm.74 In beiden Fällen wird eine abstrakt-generelle Rechtsnorm gesetzt, die Differenz besteht einzig in den jeweiligen Vorzeichen.75 In der Konsequenz nimmt das Bundesverfassungsgericht sowohl Judikativ- als auch ­negative Legislativkompetenzen wahr.76 Jedoch kann das Gericht eine ihm zur Prüfung vorgelegte Gesetzesnorm entweder bestätigen oder verwerfen,77 es kann eine abstrakt-generelle Rechtsnorm nicht selbst kreieren. Ihm obliegt es folglich nicht, abstrakt-generellen Rechtsnormen in einem schöpferischen Akt positiv-rechtliche Geltungskraft originär zuzumessen. Die Funktion eines positiven Gesetzgebers bleibt ausschließlich dem demokratisch unmittelbar legitimierten Parlament vorbehalten.78 Wie auch den übrigen Organen der Judikative obliegen auch dem Bundesverfassungsgericht keinerlei positive Legislativkompetenzen. Es ist verfassungsrechtlich

72 Vgl. u. a. Schlaich, Verfassungsgerichtsbarkeit im Gefüge der Staatsfunktionen, VVDStRL  39 (1981), S.  99 ff. (133); Lepsius, Zur Bindungswirkung von Bundesverfassungsgerichtsentscheidungen, in: Scholz/u. a. (Hrsg.), Realitätsprägung durch Verfassungsrecht, S. 103 ff. (107); Isensee, Verfassungsgerichtsbarkeit in Deutschland, in: Wieser/Stolz (Hrsg.), Verfassungsrecht und Verfassungsgerichtsbarkeit an der Schwelle zum 21. Jahrhundert, S. 15 ff. (26). 73 Marcic, Die Deutung der Natur des Verfassungsgerichts, in: Häberle (Hrsg.), Verfassungsgerichtsbarkeit, S. 314 ff. (317 f.). Grundlegend hierzu Kelsen, Wesen und Entwicklung der Staatsgerichtsbarkeit, in: ders., Wer soll Hüter der Verfassung sein?, S. 1 ff. (23 ff.). Ähnlich auch Starck, Die Bindung des Richters an Gesetz und Verfassung, VVDStRL 34 (1976), S. 43 ff. (74). Anderer Ansicht hingegen Schlaich, Verfassungsgerichtsbarkeit im Gefüge der Staatsfunktionen, VVDStRL 9 (1981), S. 99 ff. (132). 74 Kelsen, Wesen und Entwicklung der Staatsgerichtsbarkeit, in: ders., Wer soll Hüter der Verfassung sein?, S. 1 ff. (25). 75 Vgl. ebda. 76 Vgl. Böckenförde, Sondervotum zu BVerfGE  93, 121 (152); Friesenhahn, Die Funktion der Verfassungsgerichtsbarkeit, in: Häberle (Hrsg.), Verfassungsgerichtsbarkeit, S. 355 ff. (357); Alexy, S. 496 ff. Das Bundesverfassungsgericht wird daher teils als die eklatante Durchbrechung des Grundsatzes der Gewaltenteilung bezeichnet, vgl. Häberle, Grundprobleme der Verfassungsgerichtsbarkeit, in: ders. (Hrsg.), Verfassungsgerichtsbarkeit, S. 1 ff. (12). Folgerichtig ist dies hingegen nur unter der Prämisse einer strikten Trennung der Staatsgewalten. 77 Vgl. § 31 Abs. 2 S. 3 BVerfGG. 78 Vgl. ähnlich Ehmke, Prinzipien der Verfassungsinterpretation (Auszüge), in: Häberle (Hrsg.), Verfassungsgerichtsbarkeit, S. 304 ff. (306 f.); Friesenhahn, Die Funktion der Verfassungsgerichtsbarkeit, in: Häberle (Hrsg.), Verfassungsgerichtsbarkeit, S. 355 ff. (357).

II. Das Bundesverfassungsgericht

29

darauf beschränkt, abstrakt-generelle Verfassungsnormen im Rechtserzeugungsprozess zu individualisieren oder gegebenenfalls negativ zu setzen. Nur so kann das Gericht seiner Aufgabe gerecht werden, die Grundform der Verfassung zu bewahren.79 Eine verfassungsrechtliche Positivierung der Figur der bundesstaatlichen Solidargemeinschaft durch das Bundesverfassungsgericht ist aus kompetenzrechtlichen Gründen ausgeschlossen. Ein bundesstaatliches Solidaritätsverhältnis zwischen den Ländern konnte durch das Verfassungsgericht mangels entsprechender Kompetenz folglich nicht als (ungeschriebene)  Verfassungsnorm positiv gesetzt werden. b) Rechtliche Bindungswirkung Über die generelle Rechtskraftwirkung aller gerichtlichen Entscheidungen hinaus geht die rechtliche Bindungswirkung der verfassungsgerichtlichen Entscheidungen nach § 31 Abs. 1 BVerfGG, verfassungsrechtlich abgesichert durch Art. 94 Abs. 2 S. 1 GG.80 Bei dieser Regelung handelt es sich um eine spezifische Rechtsfolgenregelung, durch welche die Verfassungsorgane des Bundes und der Länder sowie alle Gerichte und Behörden – folglich auch der Bundestag, dem der Auftrag der einfach-gesetzlichen Umsetzung des horizontalen Ausgleichsmechanismus obliegt –, an die Entscheidung des Gerichts gebunden werden.81 Ziel dieser Rechtsfolgenregelung ist letztlich der Schutz der allgemeinen Rechtssicherheit.82 Umstritten ist allerdings, wieweit diese verfassungsgerichtliche Bindungswirkung letztlich reicht.83 Das Gericht selbst geht jedenfalls davon aus, dass nicht­ allein der Entscheidungsausspruch, sondern auch die diesen tragenden Entscheidungsgründe an der Bindungswirkung teilhaben.84 Doch selbst unter der Prämisse, 79 Zur Position der Verfassungsgerichtsbarkeit vgl. Schneider, Zur Problematik der Gewaltenteilung im Rechtsstaat der Gegenwart, AöR 43 (1957), S. 1 ff. (15 f.). 80 Vgl. Wiederin, Die Gesetzeskraft der Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts, in: Brenner/P. M. Huber/Möstl (Hrsg.), Der Staat des Grundgesetzes, S. 605 ff. (605). 81 Aufgrund des prozessualrechtlichen Charakters der Norm gilt dies grundsätzlich selbst dann, sollte sich die Entscheidung des Gerichts als fehlerhaft erweisen, vgl. Gärditz, C Art. 20 (6. Teil), in: Friauf/Höfling (Hrsg.), Berliner Kommentar zum Grundgesetz, Rn. 64. 82 Gärditz, C Art. 20 (6. Teil), in: Friauf/Höfling (Hrsg.), Berliner Kommentar zum Grundgesetz, Rn. 64. 83 Vgl. Schulze-Fielitz, Wirkung und Befolgung verfassungsgerichtlicher Entscheidungen, in: Badura/H. Dreier (Hrsg.), FS 50 Jahre BVerfG I, S. 385 ff. (388 f.). 84 Grundlegend BVerfGE  1, 14 (37). So auch Isensee, Verfassungsgerichtsbarkeit in Deutschland, in: Wieser/Stolz (Hrsg.), Verfassungsrecht und Verfassungsgerichtsbarkeit an der Schwelle zum 21.  Jahrhundert, S.  15 ff. (26). Kritisch hierzu Schulze-Fielitz, Wirkung und Befolgung verfassungsgerichtlicher Entscheidungen, in: Badura/H.  Dreier (Hrsg.), FS 50 Jahre BVerfG  I, S.  385 ff. (390 ff.); Schlaich, Verfassungsgerichtsbarkeit im Gefüge der Staatsfunktionen, VVDStRL 39 (1981), S. 99 ff. (138).

30

A. Finanzkraftausgleich und Solidargemeinschaft der Länder 

dass die tragenden Entscheidungsgründe an der Bindungswirkung teilhätten, träfe die Beurteilung, ob der Auslegungsmaßstab der bundesstaatlichen Solidargemeinschaft tragender Entscheidungsgrund ist, auf erhebliche faktische Schwierigkeiten. So bliebe zu differenzieren, wann ein Argument einen tragenden Grund und wann lediglich ein obiter dictum darstellt.85 Für eine Qualifizierung des Gedankens der bundesstaatlichen Solidargemeinschaft als tragenden Entscheidungsgrund spräche seine Aufführung in den Leitsätzen der Entscheidung.86 Hieraus lässt sich zwar eine maßgebliche Relevanz für die Entscheidungsfindung des Gerichts folgern, doch dürfen Leitsätze auch nicht schlicht mit den tragenden Entscheidungsgründen gleichgesetzt werden.87 Es ist vielmehr konkret auf den jeweiligen Inhalt und seine Bedeutung für die Entscheidungsfindung abzustellen. Unter dieser Maßgabe bestehen indes erhebliche Zweifel, ob den Ausführungen des Gerichts zur Auslegung des Merkmals der Angemessenheit durch den Gedanken einer bundesstaatlichen Solidargemeinschaft eine für die Entscheidungsfindung grundlegende Bedeutung zukäme. So dienen diese im konkreten Urteil nicht unmittelbar dazu, die Verfassungswidrigkeit der zu prüfenden Gesetze festzustellen.88 Damit würde der Auslegungsmaßstab der bundesstaatlichen Solidargemeinschaft der Länder, selbst unter Einbeziehung der tragenden Entscheidungsgründe, nicht an der rechtlichen Bindungswirkung nach § 31 Abs.  1 BVerfGG teilhaben. c) Faktische Bindungswirkung Wie sich bereits seit längerer Zeit beobachten lässt, geht von Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts – unabhängig von deren rechtlicher Geltungs- und Bindungskraft  – eine umfassende faktische Bindungswirkung aus.89 So konstatierte Rudolf Smend bereits 1962: 85 Vgl. Isensee, Verfassungsgerichtsbarkeit in Deutschland, in: Wieser/Stolz (Hrsg.), Verfassungsrecht und Verfassungsgerichtsbarkeit an der Schwelle zum 21. Jahrhundert, S. 15 ff. (26); Schulze-Fielitz, Wirkung und Befolgung verfassungsgerichtlicher Entscheidungen, in: Badura/H. Dreier (Hrsg.), FS 50 Jahre BVerfG I, S. 385 ff. (390). 86 Vgl. BVerfGE 72, 330 (330). Es handelt sich sogar um den ersten Leitsatz. 87 Vgl. Isensee, Verfassungsgerichtsbarkeit in Deutschland, in: Wieser/Stolz (Hrsg.), Verfassungsrecht und Verfassungsgerichtsbarkeit an der Schwelle zum 21. Jahrhundert, S. 15 ff. (26). 88 Vgl. BVerfGE 72, 330 (383). Die Ausführungen zur bundesstaatlichen Solidargemeinschaft der Länder finden sich allesamt im Abschnitt „C. I.“, in welchem das Gericht regelmäßig Verfassungsnormen und ihre Auslegung lehrbuchartig darstellt. Kritisch demgegenüber u. a. Lepsius, Die maßstabsetzende Gewalt, in: Jestaedt/u. a. (Hrsg.), Das entgrenzte Gericht, S. 159 ff. (168 ff.). 89 Vgl. u. a. Schlink, Die Entthronung der Staatsrechtswissenschaft durch die Verfassungsgerichtsbarkeit, Der Staat  28 (1989), S.  161 ff. (162); Schulze-Fielitz, Wirkung und Befolgung verfassungsgerichtlicher Entscheidungen, in: Badura/H.  Dreier (Hrsg.), FS 50 Jahre BVerfG I, S. 385 ff. (390); Jestaedt, Die Verfassung hinter der Verfassung, S. 38 f.; Ridder, Die

II. Das Bundesverfassungsgericht

31

„Das Grundgesetz gilt nunmehr praktisch so, wie es das Bundesverfassungsgericht auslegt, und die Literatur kommentiert es in diesem Sinne.“ 90

Diese faktische Bindungswirkung beruht zum einen auf einer spezifischen Begründungstechnik in Bezug auf verfassungsgerichtliche Entscheidungen,91 zum anderen, und wohlmöglich weitaus wesentlicher, auf einer außergewöhnlichen, rechtsüberschießend entstandenen Autorität92 des Bundesverfassungsgerichts. Die besondere Entscheidungstechnik des Gerichts zeichnet sich insbesondere durch eine strategische Aufspaltung der Begründetheitserwägungen in zwei Teile aus.93 Während das Gericht im ersten Teil  (C. I.) oftmals umfangreiche, grundlegende Ausführungen zum geltenden Verfassungsrecht macht, bringt es erst im zweiten Teil (C. II.) die Normen des Verfassungsrechts mit dem konkreten Sachverhalt in Verbindung.94 Dadurch wird die Auslegung des Verfassungsrechts sowie deren Ergebnisse von den konkreten Umständen des Einzelfalls isoliert,95 wodurch der Eindruck einer generellen Verbindlichkeit entsteht.96 So liest sich der erste Teil, von Oliver Lepsius treffend als „Maßstäbeteil“ bezeichnet,97 soziale Ordnung des Grundgesetzes, S. 50; Lepsius, Zur Bindungswirkung von Bundesverfassungsgerichtsentscheidungen, in: Scholz/u. a. (Hrsg.), Realitätsprägung durch Verfassungsrecht, S. 103 ff. (111); Kranenpohl, Die Bedeutung von Interpretationsmethoden und Dogmatik in der Entscheidungspraxis des Bundesverfassungsgerichts, Der Staat 48 (2009), S. 287 ff. (409); Lepsius, Die maßstabsetzende Gewalt, in: Jestaedt/u. a. (Hrsg.), Das entgrenzte Gericht, S. 159 ff. (165). 90 Smend, Das Bundesverfassungsgericht (1962), in: ders., Staatsrechtliche Abhandlungen und andere Aufsätze2, S. 581 ff. (582). 91 Lepsius, Zur Bindungswirkung von Bundesverfassungsgerichtsentscheidungen, in: Scholz/u. a. (Hrsg.), Realitätsprägung durch Verfassungsrecht, S.  103 ff. (111). Vgl. hierzu zur Interpretationsmacht der Verfassungsgerichtsbarkeit Böckenförde, Verfassungsgerichtsbarkeit, NJW 1999, S. 9 ff. (12 f.). Vgl. zur Funktion des Selbstzitates Jestaedt, Autorität und Zitat, in: Detterbeck/Rozek/von Coelln (Hrsg.), Recht als Medium der Staatlichkeit, S. 513 ff. (530). 92 So, wenngleich nicht näher ausführend, Jestaedt, Die Verfassung hinter der Verfassung, S. 38. 93 Vgl. Jestaedt, Phänomen Bundesverfassungsgericht, in: ders./u. a. (Hrsg.), Das entgrenzte Gericht, S. 77 ff. (147 f.); Lepsius, Die maßstabsetzende Gewalt, in: Jestaedt/u. a. (Hrsg.), Das entgrenzte Gericht, S.  159 ff. (168 ff.). Ähnlich auch Lerche, Stil und Methode der verfassungsgerichtlichen Entscheidungspraxis, in: Badura/H. Dreier (Hrsg.), FS 50 Jahre BVerfG I, S. 333 ff. (345). 94 Lepsius, Die maßstabsetzende Gewalt, in: Jestaedt/u. a. (Hrsg.), Das entgrenzte Gericht, S. 159 ff. (168 ff.); Jestaedt, Phänomen Bundesverfassungsgericht, in: ders./u. a. (Hrsg.), Das entgrenzte Gericht, S. 77 ff. (147 f.). 95 Lepsius, Die maßstabsetzende Gewalt, in: Jestaedt/u. a. (Hrsg.), Das entgrenzte Gericht, S. 159 ff. (170). 96 Vgl. etwa Kranenpohl, Die Bedeutung von Interpretationsmethoden und Dogmatik in der Entscheidungspraxis des Bundesverfassungsgerichts, Der Staat 48 (2009), S. 287 ff. (409). 97 Lepsius, Die maßstabsetzende Gewalt, in: Jestaedt/u. a. (Hrsg.), Das entgrenzte Gericht, S. 159 ff. (170). Vgl. hierzu auch Hwang, Das Bundesverfassungsgericht im Schnittpunkt zwischen Recht und Politik, Rechtstheorie 46 (2015), S. 179 ff. (183 ff.).

32

A. Finanzkraftausgleich und Solidargemeinschaft der Länder 

nicht selten wie ein rechtswissenschaftliches Lehrbuch.98 Das Gericht skizziert folglich eine verfassungsdogmatische Auslegungsmatrix, welche es im nachfolgenden Entscheidungspart dem konkreten Sachverhalt zugrunde legt. Resultat dieser argumentativen Vorgehensweise ist die Konstituierung auslegungssteuernder Zwischenvorstellungen99 oder Zwischenkonkretisierungen, welche Entscheidungserwartungen stabilisieren, aber nicht allgemein garantieren.100 Diese verfassungsgerichtlichen Schöpfungen101 sind normtheoretisch auf einer Zwischenebene in diffus generell-individuellem Bereich zu verorten.102 Sie sind maßstabsetzende Zwischennormen.103 Diese besondere Entscheidungstechnik per se lässt indes noch nicht die faktische Bindungswirkung der so entstandenen Zwischennormen erklären. So ist dem Verfassungsgericht keinerlei Zwangsmittel an die Hand gegeben, um eine tatsächliche Übernahme ihrer Maßstäbe zu bewirken.104 Auch das Kassations­ risiko vermag die faktische Bindungswirkung allein nicht begründen, da sich dieses als zu abstrakt erweist. Schließlich kann das Gericht nicht von sich aus tätig werden, sondern muss darauf warten, dass ihm ein zulässiger Antrag zur Entscheidung vorgelegt wird. Die faktische Bindungswirkung verfassungs­ gerichtlicher Entscheidungen ist daher maßgeblich vor dem Hintergrund der besonderen Autorität des Gerichts zu erklären.105 Prägendes Kennzeichen von Autorität ist Hannah Arendt zufolge die fraglose Anerkennung seitens derer, denen Gehorsam abverlangt wird.106 Sie bedarf weder des Zwanges noch der Überredung.107 Diese Autorität, durch welche die faktische Bindungswirkung überhaupt erst ermöglicht wird, ist der Verfassungsgerichtsbarkeit nicht schlicht inhärent, sondern gründet auf der Verfassung und leitet sich aus jener

98

Vgl. Lepsius, Die maßstabsetzende Gewalt, in: Jestaedt/u. a. (Hrsg.), Das entgrenzte Gericht, S. 159 ff. (168 f., 200). 99 Lerche, Stil und Methode der verfassungsgerichtlichen Entscheidungspraxis, in: Badura/ H. Dreier (Hrsg.), FS 50 Jahre BVerfG I, S. 333 ff. (343). 100 Lepsius, Zur Bindungswirkung von Bundesverfassungsgerichtsentscheidungen, in: Scholz/u. a. (Hrsg.), Realitätsprägung durch Verfassungsrecht, S.  103 ff. (114); Lepsius, Die maßstabsetzende Gewalt, in: Jestaedt/u. a. (Hrsg.), Das entgrenzte Gericht, S. 159 ff. (173). 101 Lerche, Stil und Methode der verfassungsgerichtlichen Entscheidungspraxis, in: Badura/ H. Dreier (Hrsg.), FS 50 Jahre BVerfG I, S. 333 ff. (344). 102 Vgl. hierzu ausführlich Lepsius, Die maßstabsetzende Gewalt, in: Jestaedt/u. a. (Hrsg.), Das entgrenzte Gericht, S. 159 ff. (175 ff.). 103 Vgl. Lepsius, Die maßstabsetzende Gewalt, in: Jestaedt/u. a. (Hrsg.), Das entgrenzte Gericht, S. 159 ff. (174 ff.). 104 Vgl. generell zu fehlenden physischen Durchsetzungsmitteln der Gerichte Möllers, Legalität, Legitimität und Legitimation des Bundesverfassungsgerichts, in: Jestaedt/u. a. (Hrsg.), das entgrenzte Gericht, S. 281 ff. (303). 105 Ähnlich zu verstehen auch Möllers, wobei dieser den Begriff der Akzeptanz benutzt. Vgl. ebda, S. 297. 106 Arendt, Macht und Gewalt23, S. 46. 107 Ebda. Vgl. hierzu auch Schulze Wessel, Über Autorität, in: Vorländer (Hrsg.), Die Deutungsmacht der Verfassungsgerichtsbarkeit, S. 57 ff. (62).

II. Das Bundesverfassungsgericht

33

ab.108 Die Autorität des Verfassungsgerichts wurzelt zugleich in der Unverfügbarkeit – der Bindung an die Verfassungsnorm – wie auch der Kontingenz der Verfassung – der Interpretation und Auslegung – und bezieht hieraus ihre besondere Macht.109 Die faktische Bindungswirkung maßstabsetzender Zwischennormen besteht folglich aus zwei Elementen: Der vom Bundesverfassungsgericht beeinflussbaren und gewillkürten Entscheidungsmethodik110 sowie der dem Gericht selbst unverfügbaren Autorität, die sich unmittelbar aus dem Grundgesetz ableitet. Zwar darf keinesfalls die geltungstheoretische Differenz111 zwischen der rechtlichen Geltung positiver Verfassungsnormen und der faktischen Geltung der verfassungsgerichtlichen Zwischennormen verkannt werden, doch hat sich die Verfassungsdogmatik dem Bundesverfassungsgerichtspositivismus weitgehend ergeben.112 An dieser faktischen Bindungswirkung hat auch der Auslegungsmaßstab der bundesstaatlichen Solidargemeinschaft der Länder teil. Dieser stellt keine geschriebene Gesetzesnorm des Verfassungsrechts dar, und dennoch hat er – als maßstabsetzende Zwischennorm – Einfluss auf den verfassungsrechtlichen Diskurs sowie die konkrete Anwendung des horizontalen Länderfinanzausgleichs nach Art. 107 Abs. 2 S. 1 GG. Die faktische Bindungswirkung der Entscheidung des Gerichts hinsichtlich der bundesstaatlichen Solidargemeinschaft zeigt sich sowohl in seiner Rezeption durch die rechtswissenschaftliche Literatur113 wie auch in der Übernahme des Auslegungsmaßstabes in dem 2001 verabschiedeten Maß­stäbegesetz des Bundesgesetzgebers zum horizontalen Länderfinanzaus-

108 Vgl. Jestaedt, Phänomen Bundesverfassungsgericht, in: ders./u. a. (Hrsg.), Das entgrenzte Gericht, S. 77 ff. (84 f.). Zur Herleitung der Autorität des US-amerikanischen Supreme Court aus der Verfassung der Vereinigten Staaten vgl. Arendt, Über die Revolution3, S. 256 ff. 109 Vgl. Schulze Wessel, Über Autorität, in: Vorländer (Hrsg.), Die Deutungsmacht der Verfassungsgerichtsbarkeit, S. 57 ff. (64). 110 Vgl. hierzu auch Hwang, Das Bundesverfassungsgericht im Schnittpunkt zwischen Recht und Politik, Rechtstheorie 46 (2015), S. 179 ff. (186). 111 Vgl. Lepsius, Die maßstabsetzende Gewalt, in: Jestaedt/u. a. (Hrsg.), Das entgrenzte Gericht, S. 159 ff. (163). 112 Vgl. Isensee, Verfassungsgerichtsbarkeit in Deutschland, in: Wieser/Stolz (Hrsg.), Verfassungsrecht und Verfassungsgerichtsbarkeit an der Schwelle zum 21. Jahrhundert, S. 15 ff. (18). Vgl. hierzu auch Lepsius, Rechtswissenschaft in der Demokratie, Der Staat 52 (2013), S.  157 ff. (165); Schönberger, Bundesverfassungsgerichtspositivismus, in: Nolte/Poscher/­ Wolter (Hrsg.), Die Verfassung als Aufgabe von Wissenschaft, Praxis und Öffentlichkeit, S. 41 ff. 113 Vgl. Maunz, Art.  107 GG, in: ders./Dürig, Grundgesetz Kommentar, Rn.  44; Tappe, Die künftige Ausgestaltung der bundesstaatlichen Finanzordnung, DVBl.  2013, S.  1079 ff. (1086). Ohne explizite Bezugnahme auf die bundesstaatliche Solidargemeinschaft der Länder, im Ergebnis aber gleichlaufend Hidien, Handbuch Länderfinanzausgleich, S.  33 ff.; Tappe/­ Wernsmann, Öffentliches Finanzrecht, Rn. 364, 369; Heun, Art. 107, in: H. Dreier (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar2 III, Rn. 31.

34

A. Finanzkraftausgleich und Solidargemeinschaft der Länder 

gleich.114 Eine verfassungsdogmatische Relevanz kann dem bundesstaatlichen Solidaritätsgebot trotz möglicherweise fehlender verfassungsrechtlicher Positivierung115 und der damit verbundenen Bedenken116 nicht abgesprochen werden. 3. Kritische Beleuchtung der Judikatur des Bundesverfassungsgerichts im Hinblick auf die bundesstaatliche Solidargemeinschaft der Länder Das angeführte Urteil des Bundesverfassungsgerichts wurde seitens der rechtswissenschaftlichen Literatur erstaunlich selten kritisch reflektiert. So unterstellt Šarčević der Heranziehung des Bundesstaatsprinzips als Auslegungsmaßstab des Art. 107 Abs. 2 S. 1 GG zwar eine „eigenartige Planlosigkeit“117. Aus dem Mangel an systematischer Verwendung des grundgesetzlichen Bundesstaatsprinzips resultiere eine konträre Doppelfunktion des Prinzips: Zur Unterstützung und Absicherung der Länderstaatlichkeit auf der einen sowie zugleich zur Relativierung derselben auf der anderen Seite.118 Diese Kritik betrifft indes die Verwendung des Bundesstaatsprinzips im Allgemeinen, nicht speziell den Gedanken einer bundesstaatlichen Solidargemeinschaft als maßgeblichen Auslegungsmaßstab des Länderfinanzausgleichsmechanismus. Eine ausführliche Auseinandersetzung mit der apodiktisch anmutenden Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist im Hinblick auf eine etwaige bundesstaatliche Solidarbeziehung zwischen den Ländern bislang unterblieben. Dabei stechen insbesondere zwei Aspekte hervor, die einer kritischen Reflexion bedürfen: Zum einen das Maß an inhaltlicher Konkretisierung der bundesstaatlichen Solidargemeinschaft sowie deren verfassungskonforme Inanspruchnahme durch das Gericht.

114 Vgl. § 6 S. 2 sowie § 9 S. 2 Maßstäbegesetz vom 09.09.2001 (BGBl. I S. 2302), zuletzt geändert durch Artikel 8 des Gesetzes vom 29.05.2009 (BGBl. I S. 1170). Zum Einfluss des Bundesverfassungsgerichts auf den bundesstaatlichen Länderfinanzausgleich vgl. Geske, Der bundesstaatliche Finanzausgleich in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, Der Staat 46 (2007), S. 203 ff. (207 f.). 115 Durch das Maßstäbegesetz wurde die bundesstaatliche Solidargemeinschaft der Länder freilich nur einfach-gesetzlich positiviert. Aufgrund des Stufenbaus der Rechtsordnung vermag eine einfach-gesetzliche Regelung per se noch keine Norm von Verfassungsrang zu determinieren. 116 Deutlich Lepsius, Die maßstabsetzende Gewalt, in: Jestaedt/u. a. (Hrsg.), Das entgrenzte Gericht, S. 159 ff. (178 ff.). Vgl. auch Jestaedt, Verfassungsgerichtspositivismus, in: Depenheuer/u. a. (Hrsg.), Nomos und Ethos, S. 183 ff. (184 ff.); Schlink, Die Entthronung der Staatsrechtswissenschaft durch die Verfassungsgerichtsbarkeit, Der Staat  28 (1989), S.  161 ff. (169 f.); Isensee, Verfassungsgerichtsbarkeit in Deutschland, in: Wieser/Stolz (Hrsg.), Verfassungsrecht und Verfassungsgerichtsbarkeit an der Schwelle zum 21. Jahrhundert, S. 15 ff. (17 ff.). 117 Šarčević, S. 168. 118 Ebda.

II. Das Bundesverfassungsgericht

35

a) Inhaltliche Konkretisierung des Auslegungsmaßstabes der bundesstaatlichen Solidargemeinschaft durch das Gericht Das Bundesverfassungsgericht misst der bundesstaatlichen Solidargemeinschaft der Länder nicht nur funktional eine zentrale Bedeutung bei, sondern führt diese gar im ersten Leitsatz zur Entscheidung auf. Trotz der Relevanz des Auslegungsmaßstabes lässt sich der konkrete Inhalt des Gedankens aus diesem Urteil weder materiell noch strukturell hinreichend präzisieren, als dass hieraus die konkrete Gestaltung dieser Rechtsbeziehungen zwischen den Ländern gefolgert werden könnte. Anhand der engen Verbindung zum horizontalen Länderfinanzausgleich des Grundgesetzes lässt sich einzig aufzeigen, dass der Gedanke einer bundesstaatlichen Solidargemeinschaft eine besondere, vom Bundesstaatsprinzip beeinflusste Beziehung der Bundesländer zueinander umfasst, auf Grundlage derer Länder aus eigenen Finanzmitteln finanzielle Zuschüsse an andere Länder leisten. Damit stehen die Akteure und das Mittel zwar fest, Anlass und Umfang der finanziellen Zuschüsse bleiben unbestimmt. Was genau das Gericht unter der bundesstaatlichen Solidaritätsnorm versteht, bleibt im Rahmen seiner Entscheidung vom 24. Juni 1986 im Abstrakten verborgen. Es stellt sich daher die Frage, ob das Bundesverfassungsgericht das hintergründige Konzept möglicherweise in seiner vorherigen resp. in seinen nachfolgenden Entscheidungen zum horizontalen Länderfinanzausgleich präzisiert hat. Diese sollen daher kurz beleuchtet werden. aa) Die Entscheidung zum Finanzausgleichsgesetz (1952) Anlässlich seiner ersten Entscheidung zum horizontalen Länderfinanzausgleich vom 20. Februar 1952119 rekurriert das Gericht noch allgemein auf das bundesstaatliche Prinzip und seinen pflichtenbegründenden Charakter,120 ohne hingegen den horizontalen Ausgleichsmechanismus mit dem Gedanken einer bundesstaatlichen Solidargemeinschaft der Länder in Beziehung zu setzen.121 Blickt man auf die Argumentation des Gerichts, lässt sich gar feststellen, dass das initiale Verständnis eines horizontalen Länderfinanzausgleichsmechanismus 119

Urteil des Ersten Senats vom 20.02.1952 – 1 BvF 2/51 – BVerfGE 1, 117 ff. (Finanzausgleichsgesetz). Vgl. hierzu auch Geske, Der bundesstaatliche Finanzausgleich in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, Der Staat 46 (2007), S. 203 ff. (204 ff.). 120 BVerfGE 1, 117 (131). Vgl. hierzu Häde, Finanzausgleich, S. 218: „Dieses Urteil verankerte den Finanzausgleich unter den Ländern im bundesstaatlichen Prinzip und legte damit die Grundlagen für die späteren Entscheidungen“. 121 Anderer Ansicht wohl Dörfer, S.  201. Das Bundesverfassungsgericht habe bereits die Norm des Art. 106 Abs. 4 GG (1949) im Sinne einer Solidargemeinschaft der Länder interpretiert.

36

A. Finanzkraftausgleich und Solidargemeinschaft der Länder 

im Vergleich zu den nachfolgenden Konzeptionen oftmals nicht übereinstimmt. So hätte nach Auffassung des Gerichts auch der Bund den Finanz- und Lasten­ ausgleich mittels Bundeszuweisungen bewirken können, ohne dass hierdurch die horizontale Ausrichtung verloren ginge.122 Ein horizontaler Finanzausgleich könne letztlich auf drei verschiedene Arten erzielt werden: „durch Übernahme von Lasten, die besonders starke Verschiedenheiten bei den Ländern aufweisen, auf den Gesamtstaat; durch Finanzzuweisungen des Gesamtstaates an die Länder je nach ihrem Bedarf; durch Verteilung der den Ländern zufließenden Steuern nach anderen Schlüsseln als denen des örtlichen Aufkommens.“123

Diese Aussage des Gerichts lässt sich unterschiedlich deuten, je nachdem von welcher bundesstaatstheoretischen Konstruktion ausgegangen wird.124 Legt man das Verständnis eines zweigliedrigen Bundesstaates zugrunde, welcher aus dem Bund sowie der Ländergesamtheit als zwei Gliedern besteht, die in einem prinzipiellen Subordinationsverhältnis zueinander stehen, so kann sich die horizontale Perspektive lediglich auf das Resultat des Ausgleichs beziehen, mithin auf eine ausschließlich auf die Länderbelastungen bezogene Ausgleichswirkung mit dem Ziel der Sicherung der Leistungsfähigkeit der steuerschwachen Länder im Wege des Finanz- und Lastenausgleichs. Demzufolge wäre der horizontale Ausgleichsmechanismus mittels ausschließlicher Länderfinanzierung aus Eigenem gerade kein prägendes, sondern ein lediglich optionales Element eines horizontalen Länderfinanzausgleichssystems. Für die horizontale Struktur entscheidend wäre allein, ob  – ergebnisbezogen  – die unterschiedliche Belastung der Länder ausgeglichen sowie die Leistungsfähigkeit der steuerschwachen Länder gesichert wird. Legt man der Entscheidung hingegen das Verständnis eines dreigliedrigen Bundesstaates zugrunde,125 stünden der Bund und die Länder als gleichgeordnete Glieder nebeneinander. Ausgleichsleistungen des Bundes im Rahmen des Lasten- und Finanzausgleichs würden damit nicht nur ergebnisbezogen, sondern auch in der Ausgangssituation eine horizontale Ausrichtung aufweisen. Welche Bundesstaatskonstruktion diesem frühen Urteil des Bundesverfassungsgerichts zugrunde liegt, lässt sich zwar nicht klären, es verbleibt jedoch auch unter Zugrundelegung des dreigliedrigen Bundesstaatsmodells ein konzeptioneller Unterschied im Vergleich zu den nachfolgenden Entscheidungen des Gerichts. So entfaltet der horizontale Ausgleichsmechanismus nicht ausschließlich innerhalb der bundesstaatlichen Ebene der Bundesländer, sondern stets unter Mitwirkung des Bundes 122

Vgl. BVerfGE 1, 117 (120). BVerfGE 1, 117 (120). 124 Zum bundesstaatstheoretischen Streit, ob der Bundesstaat eine zweigliedrige oder dreigliedrige Gestalt annimmt vgl. Herzog, Bundes- und Landesstaatsgewalt im deutschen Bundesstaat, DÖV  1962, S.  81 ff.; Rudolf, Die Bundesstaatlichkeit in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, in: Starck (Hrsg.), Bundesverfassungsgericht und Grundgesetz II, S. 233 ff. (236 ff.). 125 Grundlegend zur dreigliedrigen Bundesstaatstheorie Kelsen, Allgemeine Staatslehre, S. 207 ff.; Nawiasky, Allgemeine Staatslehre III, S. 151 ff. 123

II. Das Bundesverfassungsgericht

37

Wirkung. Ob diesem Urteil nun eine zwei- oder dreigliedrige Konzeption des Bundesstaates zugrunde liegt, ist damit letztlich unerheblich, da sich in beiden Fällen ein Paradigmenwechsel im Vergleich zu dem späteren Verständnis eines horizontalen Länderfinanzausgleichs vermuten lässt. Dem nachfolgenden Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 1986 liegt eine grundsätzlich veränderte Sicht auf den horizontalen Länderfinanzausgleich zugrunde, sodass sich aus der ersten Entscheidung des Gerichts keinerlei Schlussfolgerungen oder Parallelen ergeben, die auf den Inhalt einer bundesstaatlichen Solidargemeinschaft schließen ließen. bb) Die Entscheidungen zum Länderfinanzausgleich II (1992) und III (1999) Die nachfolgenden Urteile des Bundesverfassungsgerichts zum Länderfinanzausgleich vom 27. Mai 1992126 sowie 11. November 1999127 übernehmen zwar den Auslegungsmaßstab der bundesstaatlichen Solidargemeinschaft, jedoch finden sich auch hier in keiner der Entscheidungen weiterführende inhaltliche Konkretisierungen oder Spezifizierungen des bundesstaatlichen Solidaritätsverhältnisses zwischen den Ländern. In seinen Entscheidungen greift das Gericht zwar kontinuierlich auf den Auslegungsmaßstab der bundesstaatlichen Solidargemeinschaft zurück,128 es verzichtet gleichwohl auf eine präzisierende Erläuterung. Das Bundesverfassungsgericht hat es folglich bis dato schlicht unterlassen, seine Vorstellung einer bundesstaatlichen Solidargemeinschaft im Rahmen der bisherigen Judikatur zum horizontalen Länderfinanzausgleich näher zu entfalten. cc) Bewertung Angesichts der funktionalen Bedeutung des Gedankens einer bundesstaatlichen Solidargemeinschaft der Länder für die Auslegung des Art. 107 Abs. 2 S. 1 GG sowie seiner zumindest faktischen Bindungswirkung erscheint es kaum zu verantworten, dass das Bundesverfassungsgericht in keiner seiner Entscheidungen zum Länderfinanzausgleich den Versuch unternommen hat, den von ihm mit Bestimmtheit eingebrachten Auslegungsmaßstab inhaltlich hinreichend zu präzisieren. So lässt sich aus den Entscheidungen lediglich eine vom bundesstaatlichen 126

Urteil des Zweiten Senats vom 27.05.1992 – 2 BvF 1, 2/88, 1/89 und 1/90 – BVerfGE 86, 146 ff. (Länderfinanzausgleich II). Vgl. hierzu Dörfer, S. 218 ff.; Geske, Der bundesstaatliche Finanzausgleich in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, Der Staat 46 (2007), S. 203 ff. (212 ff.). 127 Urteil des Zweiten Senats vom 11.11.1999 – 2 BvF 2, 3/98, 1, 2/99 – BVerfGE 101, 158 ff. (Länderfinanzausgleich III). Vgl. hierzu Dörfer, S. 225 ff.; Geske, Der bundesstaatliche Finanzausgleich in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, Der Staat  46 (2007), S. 203 ff. (217 f.). 128 So etwa BVerfGE 86, 146 (214 f., 255); BVerfGE 101, 158 (221, 232).

38

A. Finanzkraftausgleich und Solidargemeinschaft der Länder 

Prinzip beeinflusste Beziehung zwischen den Bundesländern individualisieren, welche finanzielle Zuschüsse aus Landesmitteln zwischen den Ländern fordert. Die bundesstaatliche Solidargemeinschaft gleicht so vielmehr einer abstrakten Vorstellung als einem konkreten Auslegungsmaßstab zur Bestimmung eines angemessenen Finanzkraftunterschiedes nach Art. 107 Abs. 2 S. 1 GG. Letztlich ist mehr als eine Zuordnung zur bundesstaatlichen Ordnungsidee und der Hinweis auf eine finanzielle Solidarität der Bundesländer untereinander erforderlich, um das zugrundeliegende Rechtsverhältnis zwischen den Ländern erfassen zu können. Insbesondere der Solidaritätsbezug bleibt ohne weitere Konkretisierung inhaltlich zu abstrakt, als dass sich hieraus ein aussagekräftiger Maßstab ableiten ließe. Die Entscheidung des Gerichts aus dem Jahre 1986 erscheint damit geradezu als Taschenspielertrick: Anstatt einen konkreten verfassungsnormativen Rahmen vorzugeben, bedient es sich eines hülsenhaften Terminus, um den unbestimmten Rechtsbegriff der Angemessenheit im Sinne des Art. 107 Abs. 2 S. 1 GG auszulegen. Ohne Offenlegung des hintergründigen Konzeptes können indes jedwede Rechtsfolgen als Konsequenz einer bundesstaatlichen Solidargemeinschaft begründet werden. Inhaltlich führen die Entscheidungen keinen Schritt weiter: Ein unbestimmter Begriff wird schlicht durch einen anderen ersetzt. Wann etwaige Finanzkraftunterschiede zwischen den Ländern als angemessen zu bewerten sind, bleibt nach wie vor offen. Denn was genau das Gericht unter einer – hier bislang fingierten – bundesstaatlichen Solidaritätsnorm versteht, lässt sich seinen Entscheidungen nicht entnehmen. b) Überschreitung verfassungsrechtlicher Grenzen Gerade auf Grundlage des Befundes der inhaltlichen Untersuchung erscheint es angebracht, kritisch zu hinterfragen, ob das Bundesverfassungsgericht seine ihm durch das Grundgesetz vorgegebenen Grenzen überschritten haben könnte, indem es die abstrakte Begriffskonstruktion einer bundesstaatlichen Solidargemeinschaft der Länder zum maßgeblichen Auslegungsmaßstab des Art.  107 Abs.  2 S. 1 GG erhoben hat. Aufgrund seiner kompetenziellen Ausrichtung auf die hoheitlichen Aufgaben der Rechtsprechung konnte das Gericht eine bundesstaatliche Solidaritätsnorm nicht als abstrakt-generelle Rechtsnorm positiv setzen. Indes wird das Gericht nicht ausschließlich durch dessen Kompetenzzuschreibung beschränkt. So bezieht das Bundesverfassungsgericht als Hüter der Verfassung129 aus dem Grund­ gesetz nicht allein seine institutionelle sowie kompetenzielle Legitimation, sondern gleichwohl unmittelbare Grenzen in Bezug auf die ihm übertragene Aufgabe 129 Vgl. u. a. BVerfGE 1, 184 (196); 40, 88 (93 f.); 119, 247 (258). Vgl. auch Smend, Festvortrag, in: Häberle (Hrsg.), Verfassungsgerichtsbarkeit, S. 329 ff. (335).

II. Das Bundesverfassungsgericht

39

der Rechtsprechung in verfassungsrechtlichen Streitigkeiten.130 Dem Gericht obliegt demnach die Aufgabe, die Verfassung zu schützen,131 nicht hingegen, über diese nach eigenem Belieben zu disponieren. Wie die übrigen (Verfassungs-132) Organe, ist ebenso das Bundesverfassungsgericht lediglich Diener des Grund­ gesetzes und daher zwingend dessen Regeln unterworfen.133 Würde das Gericht die ihm auferlegten verfassungsrechtlichen Schranken überschreiten, würde es das Grundgesetz nicht mehr in seinem Kernbestand – zu dem auch die verfassungs­ gerichtlichen Schranken zählen  – schützen und bewahren, sondern sich in der Konsequenz gerade über die Verfassung stellen. Denn ohne verfassungsnormative Bindungen könnte es frei über den abstrakten Gehalt der positiven Verfassungsnormen verfügen, indem es seine Entscheidungen an Stelle der Entscheidungen der Verfassung selbst setzen würde.134 So ist denn Richten ohne Maßstab kein Richten mehr, sondern schöpferische Rechtsgestaltung oder gar Willkür.135 Die demokratische Selbstbestimmung der Staatsangehörigen bestünde lediglich unter formalen Gesichtspunkten, während es materiell das Bundesverfassungsgericht wäre, welches über die Ausgestaltung der Rechtsordnung bestimmen könnte. Das Gericht würde so vom Hüter zum Herrscher der grundgesetzlichen Ordnung mutieren.136 Die Bindung des Bundesverfassungsgerichts an und durch das Grund­gesetz ist daher von entscheidender Bedeutung für die konkrete Gestalt der nationalen Rechtsordnung. 130 Vgl. ähnlich Möllers, Legalität, Legitimität und Legitimation des Bundesverfassungsgerichts, in: Jestaedt/u. a. (Hrsg.), Das entgrenzte Gericht, S. 281 ff. (289). Mit einer Einschränkung für den Fall einer Normenkontrolle so auch Roellecke, Institutionelle Gewähr der Verfassung, in: Depenheuer/Grabenwarter (Hrsg.), Verfassungstheorie, § 14 Rn. 30. Ähnlich auch Kelsen, Wesen und Entwicklung der Staatsgerichtsbarkeit, in: ders., Wer soll Hüter der Verfassung sein?, S. 1 ff. (36). 131 Vgl. Friesenhahn, Die Funktion der Verfassungsgerichtsbarkeit, in: Häberle (Hrsg.), Verfassungsgerichtsbarkeit, S. 355 ff. (357); Böckenförde, Verfassungsgerichtsbarkeit, NJW 1999, S. 9 ff. (13). 132 Während dies dem Grundgesetz nicht zu entnehmen ist, bezeichnet sich das Bundesverfassungsgericht selbst als fünftes Verfassungsorgan, vgl. BVerfGE 7, 1 (14). Kritisch hierzu u. a. Schlaich, Verfassungsgerichtsbarkeit im Gefüge der Staatsfunktionen, VVDStRL  39 (1981), S. 99 ff. (101, 133). 133 Vgl. Schlaich, Verfassungsgerichtsbarkeit im Gefüge der Staatsfunktionen, VVDStRL 39 (1981), S. 99 ff. (103). 134 Vgl. hierzu G. Müller, Die Bedeutung der Verfassungsgerichtsbarkeit für das Verständnis des Grundgesetzes, in: Häberle (Hrsg.), Verfassungsgerichtsbarkeit, S. 398 ff. (408 f.). Vgl. ähnlich Hillgruber, Theorie der Verfassungsinterpretation, in: Depenheuer/Grabenwarter (Hrsg.), Verfassungstheorie, § 15 Rn. 24. 135 Stein, Die verfassungsrechtlichen Grenzen der Rechtsfortbildung durch die Rechtsprechung, NJW 1964, S. 1745 ff. (1748). 136 Bezogen auf die Selbsterfindung des Gerichts als maßstabsetzende Gewalt, vgl. Lepsius, Die maßstabsetzende Gewalt, in: Jestaedt/u. a. (Hrsg.), Das entgrenzte Gericht, S. 159 ff. (180). Ähnlich auch Jestaedt, Autorität und Zitat, in: Detterbeck/u. a. (Hrsg.), Recht als Medium der Staatlichkeit, S. 513 ff. (529). Vgl. auch Würtenberger, Zur Legitimität des Verfassungsrichterrechts, in: Guggenberger/ders. (Hrsg.), Hüter der Verfassung oder Lenker der Politik?, S. 57 ff. (57).

40

A. Finanzkraftausgleich und Solidargemeinschaft der Länder 

Angesichts der inhaltlichen Unbestimmtheit sowie der Abstraktheit der Figur erscheint es für eine weitergehende Untersuchung zunächst unerlässlich zu prüfen, ob das Bundesverfassungsgericht im konkreten Fall die inhaltlichen und methodischen Grenzen im Hinblick auf seine Rechtsprechungstätigkeit überschritten hat. Denn sollte eine Grenzüberschreitung festgestellt werden, dürfte dem Aus­legungsmaßstab der bundesstaatlichen Solidargemeinschaft keinerlei verfassungsrechtliche Relevanz beigemessen werden, um die Präponderanz der demokratischen Ordnung des Grundgesetzes nicht zu unterminieren. Ausgehend von Art. 20 Abs. 3 GG lässt sich zunächst auf die inhaltlichen Schranken der rechtsprechenden Gewalt abstellen. aa) Materielle Schranken der Verfassungsgerichtsbarkeit Angesichts der fehlenden verfassungstextlichen Fixierung des Begriffs der bundesstaatlichen Solidargemeinschaft und der unterbliebenen Offenlegung des zugrunde liegenden Verständnisses durch das Bundesverfassungsgericht stellt sich aus rechtspositivistischer Sicht die Frage, ob sich das Gericht nicht außerhalb des ihm vom Grundgesetz vorgegebenen materiellen Rahmens bewegt und mit der bundesstaatlichen Solidargemeinschaft der Länder eine überpositive Rechtsnorm oder gar eine metarechtliche Konzeption in die Verfassungsdogmatik überführt haben könnte. Prämisse einer materiellen Grenzüberschreitung durch das Gericht wäre freilich eine dem Grundgesetz zugrundeliegende rechtspositivistische Konzeption, welche zwischen positivierten und nicht-positivierten Rechtsnormen sowie anderen Normen differenziert und nur ersteren normative Geltungskraft zuspricht. Zugleich müsste es sich bei der Figur der bundesstaatlichen Solidargemeinschaft um eine nicht-positivierte Rechtsnorm oder eine nicht-rechtliche Konzeption handeln. Bevor untersucht werden kann, ob es hinsichtlich der Figur der bundesstaatlichen Solidargemeinschaft zu einer solchen Grenzüberschreitung durch das Gericht gekommen sein mag und welche Konsequenzen hieraus zu ziehen wären, sind zunächst die materiellen Schranken aufzuzeigen, denen das Bundesverfassungsgericht im Rahmen seiner Rechtsprechungstätigkeit verfassungsrechtlich unterliegt. (1) Die Bindung der Judikative an Gesetz und Recht Vom Wortlaut des Art. 20 Abs. 3 GG ausgehend, sind Exekutive und Judikative nicht nur an das Gesetz, sondern zugleich an das Recht gebunden. So simpel die Formulierung zunächst klingt, so kontrovers wird bis heute über ihren Bedeutungsgehalt diskutiert.137 Seit Inkrafttreten des Grundgesetzes ist die Rechtsbin 137

Vgl. R. Dreier, Der Rechtsstaat im Spannungsverhältnis zwischen Gesetz und Recht, JZ 1985, S. 353 ff. (354 ff.).

II. Das Bundesverfassungsgericht

41

dung nach Art. 20 Abs. 3 GG zum Gegenstand zahlloser wissenschaftlicher Ausführungen geworden.138 Bei den hieraus resultierenden Kontroversen geht es meist nicht lediglich um hermeneutische Auslegungs- und Interpretationsfragen, sondern um das Grundverständnis der Rechtsordnung selbst: Folgt das Grundgesetz einer gesetzespositivistischen Konzeption  – auf Grundlage derer das Bundesverfassungsgericht die bundesstaatliche Solidargemeinschaft nur dann als Auslegungsmaßstab hätte heranziehen können, sofern diese einen Bestandteil der positiven Verfassungsnormen darstellt – oder hält es eine Öffnung für überpositive Gerechtigkeitsvorstellungen vor, wodurch sich das Gericht auch eines nicht-positivierten Auslegungsmaßstabes bedienen könnte? Welches Grundverständnis der grundgesetzlichen Rechtsordnung zugrunde liegt, ist für die Frage, ob das Bundesverfassungsgericht durch die Inanspruchnahme der bundesstaatlichen Solidar­ gemeinschaft möglicherweise materielle Grenzen überschritten haben könnte, folglich essentiell. So vielfältig und verschieden die Thesen zur grundsätzlichen Konstruktion des grundgesetzlichen Rechtssystems, so breit stellt sich entsprechend das Meinungsspektrum hinsichtlich der Diskussion zum Verständnis der Bindung an Gesetz und Recht nach Art. 20 Abs. 3 GG dar. Die Thesen zur Gesetzes- und Rechtsbindung reichen dabei von einer bloß tautologischen Bedeutung der Formulierung des Art.  20 Abs.  3 GG139 und damit von einem streng gesetzespositivistischen Verständnis des Grundgesetzes, bis hin zur Annahme eines prinzipiellen Spannungsverhältnisses140 zwischen dem positiven Gesetz und einer naturrechtlich verstandenen Rechtsidee.141 Geht man davon aus, dass es sich bei der kumulativen Aufzählung nicht um ein schlichtes Redaktionsversehen des Verfassungsgebers handelt,142 so muss beiden Begriffen ein je eigener Bedeutungskern zugeschrieben und die These einer bloß tautologischen Bedeutung abgelehnt werden.143 Der Zusatz „und Recht“ wäre anderenfalls schlicht überflüssig.144 Die überwiegende Meinung schlussfolgert 138

Vgl. m. w. N. Schulze-Fielitz, Art. 20 (Rechtsstaat), in: H.  Dreier (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar2 II, Rn. 94; Grzeszick, Art. 20 Abs. 3, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz Kommentar, Rn. 65 ff. 139 Roellecke, Die Bindung des Richters an Gesetz und Recht, VVDStRL 34 (1976), S. 7 ff. (31 f.). 140 R. Dreier, Der Rechtsstaat im Spannungsverhältnis zwischen Gesetz und Recht, JZ 1985, S. 353 ff. (354 f.). 141 So etwa Kaufmann, Gesetz und Recht, in: Würtenberger/Maihofer/Hollerbach (Hrsg.), Existenz und Ordnung, S. 357 ff. (383). 142 Vgl. Kaufmann, Gesetz und Recht, in: Würtenberger/Maihofer/Hollerbach (Hrsg.), Existenz und Ordnung, S.  357 ff. (359 f.). So etwa auch Gärditz, C Art.  20 (6. Teil), in: Friauf/­ Höfling (Hrsg.), Berliner Kommentar zum Grundgesetz, Rn. 67. 143 So die überwiegende Auffassung, vgl. etwa Neuner, S.  83; Schnorr, Die Rechtsidee im Grundgesetz, AöR 85 (1960), S. 121 ff. (124); Hoffmann, S. 127; Kaufmann, Gesetz und Recht, in: Würtenberger/Maihofer/Hollerbach (Hrsg.), Existenz und Ordnung, S. 357 ff. (381). So auch das Bundesverfassungsgericht in BVerfGE 34, 269 (287). 144 Gusy, Der Vorrang des Gesetzes, JuS 1983, S. 189 ff. (193).

42

A. Finanzkraftausgleich und Solidargemeinschaft der Länder 

daher, dass sich „Recht“ zumindest nicht zwangsläufig und ausschließlich in den geschriebenen Gesetzen widerspiegeln müsse145 und lehnt damit eine streng-gesetzespositivistische Konzeption des Grundgesetzes ab.146 Maßgeblich für das Verständnis der grundgesetzlichen Rechtsordnung und für die Frage, ob das Bundesverfassungsgericht auch eine nicht-positivierte Rechtsnorm zur Auslegung eines angemessenen Finanzkraftunterschiedes nach Art. 107 Abs. 2 S. 1 GG hätte heranziehen können, ist mithin, was konkret unter dem Terminus des Rechts verstanden werden kann. Die Vertreter eines gemäßigten Rechtspositivismus sehen in der Formulierung des Art.  20 Abs.  3 GG die Differenz zwischen verschiedenen Erscheinungsformen des positiven Rechts: Etwa zwischen dem geschriebenen positiven Recht und dem ungeschriebenen positiven Recht – wie dem Gewohnheitsrecht147 – oder dem einfachen Gesetz und der positiven Verfassungsordnung des Grundgesetzes.148 Damit werden Gesetz und Recht zwar nicht synonym verwendet, doch bleibt der Bedeutungsgehalt des Rechts weiterhin der positiven Rechtsordnung verhaftet. Nach rechtspositivistischem Verständnis ist die Rechtsidee der grundgesetzlichen Rechtsordnung immanent, so dass sich ein Rekurs etwa auf naturrechtliche oder moralische Grundsätze und Wertvorstellungen verbieten würde. Die bundesstaatliche Solidargemeinschaft könnte demnach, obwohl nicht ausdrücklich im Verfassungstext fixiert, einen Bestandteil der positiven Rechtsordnung b­ ilden, sofern sie als ungeschriebene Rechtsnorm der positiven Rechtsordnung des Grundgesetzes inhärent ist. Sollte sich hinter der Figur hingegen eine nicht-positivierte Norm oder gar außerrechtliche Konzeption verbergen, bliebe es dem Bundesverfassungs­ gericht hingegen verwehrt, diese zum auslegungserheblichen Maßstab des positiven Verfassungsrechts zu erheben. In diesem Fall hätte das Gericht im Rahmen seiner Entscheidung zum Länderfinanzausgleich  I deutlich die materiellen Schranken der Verfassung überschritten.

145 Redeker, Legitimation und Grenzen richterlicher Rechtsetzung, NJW 1972, S. 409 ff. (411). So auch BVerfGE 34, 269 (286); Kaufmann, Gesetz und Recht, in: Würtenberger/Maihofer/ Hollerbach (Hrsg.), Existenz und Ordnung, S. 357 ff. (360 f.). 146 Šarčević, S. 135. Ein funktionierender Gesetzespositivismus hätte eine lückenlose positive Rechtsordnung zur Bedingung, von der die Realität jedoch weit entfernt ist, vgl. BVerfGE 43, 269 (286 f.). Ebenso bereits Smend, Das Bundesverfassungsgericht, in: ders. (Hrsg.), Staatsrechtliche Abhandlungen und andere Aufsätze2, S.  581 ff. (593). Vgl. hierzu auch Larenz, S.  352 f. Treffende Kritik gegenüber dem in der Weimarer Staatsrechtslehre herrschenden Staatsrechtspositivismus u. a. bei Hwang, Die Grundrechtsbindung des Gesetzgebers aus der Sicht Hans Kelsens, Der Staat 54 (2015), S. 213 ff. (220). 147 Vgl. hierzu F. Müller, Richterrecht, S.  118. Vgl. Ipsen, Richterrecht und Verfassung, S. 118 f.; Hoffmann, S. 136 f. So wohl auch Thieme, „Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus“, JZ 1955, S. 657 ff. (657). 148 Vgl. Gusy, Der Vorrang des Gesetzes, JuS 1983, S. 189 ff.; ähnlich auch Merten, Die Bindung des Richters an Gesetz und Verwaltung, DVBl.  1975, S.  677 ff. (680); Stein, Die verfassungsrechtlichen Grenzen der Rechtsfortbildung durch die Rechtsprechung, NJW  1964, S. 1745 ff. (1748).

II. Das Bundesverfassungsgericht

43

Anlässlich der Soraya-Entscheidung  1973 hat das Bundesverfassungsgericht seine eigene Ansicht über den Bedeutungsgehalt sowie das Verhältnis von Gesetz und Recht nach Art. 20 Abs. 3 GG dargelegt und somit zugleich seine eigenen inhaltlichen Schranken determiniert. Demnach sei es insbesondere Aufgabe der Rechtsprechung, „Wertvorstellungen, die der verfassungsmäßigen Rechtsordnung immanent, aber in den Texten der geschriebenen Gesetze nicht oder nur unvollkommen zum Ausdruck gelangt sind, in einem Akt des bewertenden Erkennens, dem auch willenhafte Elemente nicht fehlen, ans Licht zu bringen und in Entscheidungen zu realisieren.“149

Grundsätzlich sieht sich das Bundesverfassungsgericht, als Teil  der Judikative, im Rahmen seiner Rechtsfindung nicht ausschließlich auf die geschriebenen Gesetzesnormen der geltenden Rechtsordnung beschränkt.150 Es könne zugleich die grundlegenden Wertentscheidungen des Grundgesetzes zur Entscheidung verfassungsrechtlicher Streitigkeiten heranziehen. Damit fungiert der Begriff des Rechts keineswegs als Ermächtigung des Gerichts zur Rechtsetzung, vielmehr beschreibt dieser eine verpflichtende Methodenanweisung.151 Prämisse für eine verfassungsgemäße Entscheidung des Gerichts zum Länderfinanzausgleich wäre demnach, dass sich die bundesstaatliche Solidargemeinschaft als eine der Verfassung immanente Rechtsnorm darstellt und nicht etwa von außen herangetragen wurde. Am Beispiel der Figur der bundesstaatlichen­ Solidargemeinschaft illustriert sich indes deutlich, dass eine Abgrenzung zu transzendierenden Wertvorstellungen mitunter nur schwer erreicht werden kann. Aufgrund der Tatsache, dass es sich terminologisch um eine äußerst abstrakte Begriffskonstruktion handelt und es das Gericht zudem unterlassen hat, das hintergründige Verständnis dieser Figur offenzulegen, ließe sich diese in der Folge kaum mit dem Verfassungsgepräge des Grundgesetzes abgleichen. Wesentlich unkomplizierter würde die Ausgangsfrage hingegen von Vertretern der Naturrechtslehre im weiteren Sinne beantwortet werden. Ihrer Ansicht nach manifestieren sich in Art. 20 Abs. 3 GG Existenz und normative Relevanz nichtpositivierter, naturrechtlicher Gerechtigkeits- resp. Wertvorstellungen.152 Dem 149

BVerfGE 34, 269 (287). Vgl. BVerfGE 3, 225 (232). 151 So auch bei der parallelen Problematik im europäischen Recht hinsichtlich Art. 6 Abs. 3 EUV sowie Art.  340 Abs.  2 AEUV. Vgl. F. Müller/Christensen, Juristische Methodik3  II, Rn.  517. Vgl. hierzu auch Gärditz, C Art.  20 (6. Teil), in: Friauf/Höfling (Hrsg.), Berliner Kommentar zum Grundgesetz, Rn. 71. 152 Vgl. hierzu Schnorr, Die Rechtsidee im Grundgesetz, AöR  85 (1960), S.  121 ff. (124); R. Dreier, Der Rechtsstaat im Spannungsverhältnis zwischen Gesetz und Recht, JZ  1985, S. 353 ff. (355). Kritisch hierzu insbesondere Merten, Die Bindung des Richters an Gesetz und Verwaltung, DVBl. 1995, S. 677 ff. (678 ff.); Doehring, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland3, S. 185 f.; Klein, Richterrecht und Gesetzesrecht, DRiZ 1972, S. 333 ff. (338); Rupp, Grundfragen der heutigen Verwaltungsrechtslehre, S. 190; Kelsen, Wesen und Entwicklung der Staatsgerichtsbarkeit, in: ders., Wer soll Hüter der Verfassung sein?, S. 1 ff. (38 ff.). Vgl. auch Welzel, S. 241 f.; E. Schmidt, Gesetz und Richter, S. 17 f.; ders., Die Sache der Justiz, S. 42 f. 150

44

A. Finanzkraftausgleich und Solidargemeinschaft der Länder 

zufolge wäre es dem Bundesverfassungsgericht verfassungsrechtlich durchaus gestattet, nicht-positive Maßstäbe zur Konkretisierung von Verfassungsrecht heranzuziehen. Sollte die bundesstaatliche Solidargemeinschaft der positiven Verfassungsordnung folglich nicht immanent sein, könnte sie dieser Ansicht nach dennoch als Auslegungsmaßstab des positiven Verfassungsrechts dienen. Eine detaillierte Auseinandersetzung mit den verschiedenen Deutungsansätzen ist indes entbehrlich, da alle Überlegungen letztlich an demselben Zirkelschluss kranken. So beschreibt Gerhard Schnorr zutreffend: „Der Übelstand aller dieser Lösungsversuche scheint mir darin zu liegen, daß in dem Begriffspaar „Gesetz und Recht“ des Art. 20 Abs. 3 GG zu sehr eine verbindliche Aussage über ein qualitatives Wertverhältnis gesehen wird.“153

Der Zirkelschluss liege darin, dass die Deutung des zur Problemlösung heran­ gezogenen Art. 20 Abs. 3 GG jeweils einem bestimmten Erwartungshorizont entspreche.154 Das Resultat entspricht stets den jeweiligen Prämissen des Interpreten im Hinblick auf das Verständnis der grundgesetzlichen Rechtsordnung. Die Formel von Gesetz und Recht dient damit einzig dazu, das jeweilige Verständnis der grundgesetzlichen Rechtsordnung zu legitimieren sowie verfassungsrechtlich unangreifbar zu machen. Angesichts dieser Schwäche ist es überzeugender, Art. 20 Abs. 3 GG nicht materiell mit prinzipiellen Aussagen zur Rechtsordnung zu überladen, sondern ihn im Zusammenhang mit den restlichen Absätzen des Art. 20 GG zu lesen.155 So werden die Begrifflichkeiten Demokratie, Sozialstaat sowie Bundesstaat des Art. 20 Abs. 1 GG nicht in einem spezifischen, detaillierten Sinne angeführt.156 Es erscheint daher nur folgerichtig, wenn auch die Bedeutung der Bindung an Gesetz und Recht in Art. 20 Abs. 3 GG nicht in Detailweisungen, sondern im Grundsätzlichen gesehen wird.157 Sein Gehalt sei vielmehr das undifferenzierte Bekenntnis zum Rechtsstaatsprinzip,158 als denn konkreter Maßstab für die inhaltlichen Grenzen richterlicher Rechtsfindung. Ob das Bundesverfassungsgericht die Figur der bundesstaatlichen Solidargemeinschaft zur Rechtsfindung hat heranziehen dürfen oder ob es hierdurch materielle Grenzen der Verfassung überschritten hat, lässt sich gerade nicht aus einem undifferenzierten Bekenntnis zum Rechtsstaatsprinzip ableiten. Für diese Lesart des Art. 20 Abs. 3 GG spricht zudem, dass hierdurch das oftmals als Antinomie wahrgenommene Verhältnis zu Art. 97 Abs. 1 GG schlüssig erklärt werden könnte.159 Normiert nämlich Art. 20 Abs. 3 GG nur allgemein den 153

Schnorr, Die Rechtsidee im Grundgesetz, AöR 85 (1960), S. 121 ff. (128). So auch J. Ipsen, S.  119, mit Verweis auf Schnorr, Die Rechtsidee im Grundgesetz, AöR 85 (1960), S. 121 ff. (128). 155 Vgl. Schnorr, Die Rechtsidee im Grundgesetz, AöR 85 (1960), S. 121 ff. (128). 156 Ebda. 157 J. Ipsen, S. 120. 158 Ebda. Vgl. zurückhaltender Schnorr, Die Rechtsidee im Grundgesetz, AöR 85 (1960), S. 121 ff. (128). 159 Vgl. Schnorr, Die Rechtsidee im Grundgesetz, AöR 85 (1960) S. 121 ff. (147 f.). 154

II. Das Bundesverfassungsgericht

45

Grundsatz der Rechtsstaatlichkeit, handelt es sich bei Art. 97 Abs. 1 GG um seine verfassungsrechtliche Konkretisierung und zugleich die Entscheidung des Verfassungsgebers für eine ausschließliche Gesetzesbindung der Judikative. Die beiden Normen des Grundgesetzes stünden folglich in keinerlei Widerspruch zueinander. Die Frage nach den materiellen Grenzen der Rechtsprechungstätigkeit des Bundesverfassungsgerichts im Hinblick auf den Gedanken einer bundesstaatlichen Solidargemeinschaft ist demnach anhand der die für die Judikative spezielleren Verfassungsnorm des Art. 97 Abs. 1 GG zu beurteilen.160 (2) Die Gesetzesbindung nach Art. 97 Abs. 1 GG Art. 97 Abs. 1 GG bindet die Rechtsprechung ausdrücklich und – im Gegensatz zu Art. 20 Abs. 3 GG – ausschließlich an das Gesetz. Das Bundesverfassungsge­ richt als Teil der Judikative hat folglich allein die abstrakt-generellen Normen der positiven Rechtsordnung zur Entscheidung heranzuziehen und auszulegen.161 Damit ist der „Positivismus als bedingungsloser Gehorsam gegenüber dem Gesetz“ weder überwunden, geschweige denn der Richter von diesem entbunden.162 Aus der zuvörderst demokratisch gebotenen Gesetzesbindung des Richters163 lassen sich konkrete Grenzen richterlicher Rechtsprechungstätigkeit ableiten. So hat das Gericht seine Entscheidung auf Grundlage positiver Rechtsnormen zu treffen.164 Dem Grunde nach bedeutet richterliche Rechtsanwendung damit Herleitung einer konkreten Rechtsnorm aus einer anderen, abstrakten Rechtsnorm des positiven Rechts.165 Die Bindung an das positive Recht ist indes keineswegs als bloßer Formalismus abzuwerten, welcher gesetzliches Unrecht beflügeln könne. Im Gegenteil, es ist gerade die strenge Gesetzesbindung, die den Bürger vor undemokratischen Rechtsnormen schützt. Diese Schutzfunktion des positiven Rechts zeigt sich mit besonderer Deutlichkeit am Beispiel des Bundesverfassungsgerichts. Wird die Verfassung mit letztgültiger Verbindlichkeit ausgelegt und wäre es dem Bundesverfassungsgericht gestattet, auf überpositive, in Existenz und Umfang nur schwer zu fassende Normen zurückzugreifen, so würde die grundgesetzliche Rechtsord 160

Vgl. abstrakter, aber im Ergebnis gleichlaufend J. Ipsen, S. 121. Im Ergebnis ähnlich Gärditz, C Art.  20 (6. Teil), in: Friauf/Höfling (Hrsg.), Berliner Kommentar zum Grundgesetz, Rn. 73. 162 So postuliert von Hirsch, Zwischenruf, ZRP 2006, S. 161. 163 Vgl. Böckenförde, Demokratie als Verfassungsprinzip, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR3 II, § 24 Rn. 24; Hillgruber, Art. 97 GG, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz Kommentar, Rn. 63 [m. w. N.]. Scheinbar für die Möglichkeit einer Rechtsprechung contra legem aufgrund von Gerechtigkeitserwägungen Zippelius, S. 67. 164 Vgl. so etwa Doehring, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland3, S. 187; ­Kelsen, Wesen und Entwicklung der Staatsgerichtsbarkeit, in: ders., Wer soll Hüter der Verfassung sein?, S. 1 ff. (36 f.); Friesenhahn, Die Funktion der Verfassungsgerichtsbarkeit, in: Häberle (Hrsg.), Verfassungsgerichtsbarkeit, S. 355 ff. (357, 363). 165 Gusy, Staatsrechtlicher Positivismus, JZ 1989, S. 505 ff. (515). 161

46

A. Finanzkraftausgleich und Solidargemeinschaft der Länder 

nung praktisch determiniert durch die subjektive Rechtsauffassung des Bundesverfassungsgerichts.166 Es bestünde die Gefahr, dass sich das Gericht entgegen der verfassungsrechtlichen Konzeption positive Legislativfunktionen zu­eignen und sich damit auf eine Stufe mit dem (verfassungsändernden) Gesetzgeber stellen könnte.167 Daher ist, wie Bernd Rüthers zutreffend konstatiert, „die gläubige Berufung auf ein nicht präzise definiertes „überpositives Recht“, dessen Schöpfer und authentische Interpreten im Ungewissen bleiben, das aber die Richter (woher?) zu kennen glauben, mit Vorsicht zu genießen.“168

So ist denn das Bundesverfassungsgericht weder zur positiven Gesetzgebung verfassungsrechtlich legitimiert, noch ist es prozedural überhaupt dazu geeignet, abstrakt-generelle Rechtsnormen in einem auf einen konkret-individuellen Sachverhalt ausgerichteten Gerichtsverfahren zu setzen. Problematisch erscheint dabei nicht allein die anzunehmende faktische „Überforderung“ des Gerichts, vom konkreten Einzelfall ausgehend allgemein verbindliche Rechtsnormen abstrakt zu setzen. Aus verfassungsrechtlicher Perspektive bestehen insbesondere Zweifel im Hinblick auf die demokratische Legitimation derartiger „Judikativ-Gesetze“. So sind die Richter des Bundesverfassungsgerichts zwar mittelbar demokratisch legitimiert, doch reicht eine mittelbare demokratische Legitimation keineswegs aus, um abstraktgenerelle (Verfassungs-)Rechtsnormen verbindlich zu setzen – eine Aufgabe, die das Grundgesetz primär dem unmittelbar legitimierten Parlament zugesteht. Am Prozess der Gesetzgebung wären damit lediglich die mittelbar demokratisch legitimierten Verfassungsrichter sowie die jeweiligen Parteien und deren Vertreter im konkreten Streitverfahren beteiligt. In der Folge würden die im Gerichtsverfahren beteiligten Parteien in einem verfassungs­gerichtlichen Gesetzgebungsprozess ein demokratisch nicht zu rechtfertigendes Übergewicht bei der Einflussnahme auf die zu setzende Rechtsnorm auf sich vereinen. Die Idee der demokratischen Repräsentation des gesamten Volkes aus Art. 20 Abs. 2 S. 2 GG liefe letztlich ins Leere. Zudem lässt sich die Entscheidungsfähigkeit des unabhängigen Verfassungsrichters kaum mit der des parlamentarischen Gesetz­gebers vergleichen.169 Die verfassungsgerichtlichen Verhandlungen erfüllen daher auch nicht die gleiche Funktion wie eine Anhörung im parlamentarischen Gesetz­gebungsprozess: „Der Gesetzgeber kann sich Druck beugen, der Verfassungsrichter darf und braucht das 166 Hierbei ist anzumerken, dass natürlich jede richterliche Rechtsfindung zu einem gewissen Teil subjektive Schöpfung des konkret entscheidenden Spruchkörpers ist, auch die schlichte Gesetzesauslegung. Entscheidend ist jedoch der Grad der Intensität, vgl. Larenz, S. 351. 167 Vgl. u. a. Smend, Das Bundesverfassungsgericht, in: ders. (Hrsg.), Staatsrechtliche Abhandlungen und andere Aufsätze2, S.  581 ff. (582); Denninger, Verfassungsrecht und Solidarität, KritV  78, S.  7 ff. (22). Zur institutionellen Wirkung des Vorrangs der Verfassung vgl. ­L epsius, Die maßstabsetzende Gewalt, in: Jestaedt/u. a. (Hrsg.), Das entgrenzte Gericht, S. 159 ff. (163 f.). Vgl. zur Problematik des „Richterrechts“ als dritter Rechtsquelle Redeker, Legitimation und Grenzen richterlicher Rechtsetzung, NJW 1972, S. 409 ff. 168 Rüthers, Zwischenruf aus der methodischen Wüste, JZ 2006, S. 958 ff. (960). 169 Schlaich, Verfassungsgerichtsbarkeit im Gefüge der Staatsfunktionen, VVDStRL  39 (1981), S. 99 ff. (114).

II. Das Bundesverfassungsgericht

47

nicht.“170 Das verfassungsgerichtliche Verfahren bildet damit auch funktional kein Äquivalent zum Prozess parlamentarischer ­Gesetzgebung.171 Ob die Grenzen des Art.  97 Abs.  1 GG durch das Bundesverfassungsgericht im Fall der bundesstaatlichen Solidargemeinschaft der Länder verletzt worden sind, lässt sich nicht schlicht mit dem Hinweis beantworten, die Figur der bundesstaatlichen Solidargemeinschaft sei selbst nicht im Normtext des Art. 107 Abs. 2 S. 1, 2 GG aufgeführt. Denn zum einen ist der Wortlaut nicht der einzig maßgebliche Anknüpfungspunkt zur Bestimmung des konkreten Norminhalts.172 Sprache und Schriftzeichen sind stets interpretationsfähig sowie -bedürftig und daher fundamental uneindeutig.173 In der Konsequenz bedarf es grundsätzlich der Anwendung verschiedener rechtswissenschaftlicher Auslegungsmethoden, um den Inhalt einer Rechtsnorm, insbesondere im Fall der oftmals äußerst abstrakt formulierten Verfassungsnormen,174 erfassen zu können.175 Zum anderen darf Positivierung einer Rechtsnorm nicht gleichgesetzt werden mit ihrer Verschriftlichung. Maß­ geblicher Anknüpfungspunkt für die Positivierung einer Rechtsnorm ist nicht deren schriftliche Fixierung, sondern eine Setzung der Norm im, von der Rechtsordnung vorgesehenen, Entscheidungsverfahren.176 Eine positive Rechtsnorm kann, muss hingegen nicht verschriftlicht werden.177 Entscheidend ist allein, dass die Rechtsnorm gesetzt wurde, was einen bewussten Entscheidungsprozess  – einen Willensakt178 – impliziert. Die Gesetzesbindung aus Art. 97 Abs. 1 GG umfasst daher den Gesamtbestand des positiven Rechts,179 folglich auch ungeschriebene Rechtsnormen, sofern diese positiviert wurden. Eine etwaige Grenzüberschreitung läge vor, hätte das Bundesverfassungsgericht zur Konkretisierung eines angemessenen Finanzkraftunterschiedes nach Art. 107 Abs. 2 GG auf eine nicht-positive (Rechts-)Norm oder außerrechtliche Figur zurückgegriffen. Es ist daher entscheidend, ob die Figur der bundesstaatlichen So-

170 Vgl. Schlaich, Verfassungsgerichtsbarkeit im Gefüge der Staatsfunktionen, VVDStRL 39 (1981), S. 99 ff. (114). 171 Ebda. 172 Vgl. hierzu Larenz, S. 351. Ähnlich auch Jestaedt, Die Verfassung hinter der Verfassung, S. 78 Fn. 124. 173 Haltern, Verfassungsgerichtsbarkeit, Demokratie und Mißtrauen, S. 219. Ähnlich auch Jestaedt, Grundrechtsentfaltung im Gesetz, S.  266; Hoerster, Was kann die Rechtswissenschaft?, Rechtstheorie 41 (2010), S. 13 ff. (15). 174 Merten, Die Bindung des Richters an Gesetz und Verwaltung, DVBl. 1975, S. 677 ff. (678). 175 Vgl. Hillgruber, Theorie der Verfassungsinterpretation, in: Depenheuer/Grabenwarter (Hrsg.), Verfassungstheorie, § 15 Rn.  1. Zur Methodenrelevanz vgl. Gusy, Staatsrechtlicher Positivismus, JZ 1998, S. 505 ff. (514 f.) 176 Vgl. Kelsen, Reine Rechtslehre2, S. 201; Kelsen, Allgemeine Theorie der Normen, S. 94. Ähnlich auch Luhmann, Legitimation durch Verfahren9, S. 20. 177 Zu positiven, gewohnheitsrechtlichen Rechtsnormen Kelsen, Reine Rechtslehre2, S. 9. 178 Kelsen, Allgemeine Theorie der Normen, S. 4. Vgl. auch Gusy, Staatsrechtlicher Positivismus, S. 505 ff. (507). 179 Hillgruber, Art. 97 GG, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz Kommentar, Rn. 35 f.

48

A. Finanzkraftausgleich und Solidargemeinschaft der Länder 

lidargemeinschaft der Länder eine positive Rechtsnorm der grundgesetzlichen Rechtsordnung verkörpert. Aufschluss hierüber könnten unter anderen die begleitenden und erläuternden Materialien zur Verfassungsgebung sowie den nachfolgenden Verfassungsänderungen des horizontalen Länderfinanzausgleichs geben. (a) Art. 106 Abs. 4 GG (1949) Art. 106 GG (1949) (4) Um die Leistungsfähigkeit auch der steuerschwachen Länder zu sichern und eine unterschiedliche Belastung der Länder mit Ausgaben auszugleichen, kann der Bund Zuschüsse gewähren und die Mittel hierfür bestimmten, den Ländern zufließenden Steuern entnehmen. Durch Bundesgesetz, welches der Zustimmung des Bundesrates bedarf, wird bestimmt, welche Steuern hierbei herangezogen werden und mit welchen Beträgen und nach welchem Schlüssel die Zuschüsse an die ausgleichsberechtigten Länder verteilt werden; die Zuschüsse sind den Ländern unmittelbar zu überweisen.

Mit dem Inkrafttreten des Grundgesetzes fand zum ersten Mal in der deutschen Geschichte ein horizontaler Finanzausgleichsmechanismus eine verfassungsrechtliche Normierung. Der Wortlaut des Art. 106 Abs. 4 S. 1 GG (1949) selbst gibt dies hingegen nur schwerlich zu erkennen, da der verwendete Ausdruck Zuschüsse des Bundes primär an vertikale Hilfsleistungen des Bundes an die Länder denken lässt.180 Zieht die Zentralinstanz eines Bundesstaates Finanzmittel an sich, um diese so dann nach eigenem Verteilungsschlüssel und damit nach eigenem Ermessen an die Länder zu verteilen, liegt diesem Ausgleich offensichtlich ein vertikales Verteilungssystem zugrunde. Es sei allerdings nicht möglich, Art. 106 Abs. 4 GG (1949) allein aus seinem Wortlaut heraus zu verstehen. So konstatiert Hermann Höpker Aschoff, dass die Norm des Art. 106 Abs. 4 GG (1949) in Verbindung mit ihrer Entstehungsgeschichte gesehen werden müsse, um ihren Telos erfassen zu können.181 Die Entstehungsgeschichte des Art. 106 Abs. 4 GG (1949) kann in der Tat als holprig bezeichnet werden: Die ersten Entwürfe des Grundgesetzes sahen einen Finanz- und Lastenausgleich zwischen den Bundesländern nicht als Verfassungsnorm, sondern nur auf Grundlage eines Bundesgesetzes vor.182 Intendiert war eine Aufteilung des vereinnahmten Steuerertrages zwischen Bund und Ländern sowie den Ländern untereinander durch Bundeshand. Der Finanzausschuss des Parlamentarischen Rates beabsichtigte damit, an den Regelungsmechanismus 180 So etwa auch Dörfer, S. 202; Oeter, S. 175. Die Vorschrift im wörtlichen Sinne verstehend Görg, Die gegenseitige Treuepflicht, in: Schwinge (Hrsg.), FG Herrfahrdt, S. 73 ff. (77). 181 Höpker Aschoff, Das Finanz- und Steuersystem des Bonner Grundgesetzes, AöR  36 (1949), S. 306 ff. (326). Vgl. auch BVerfGE 1, 117 (127). Ähnlich auch Fischer-Menshausen, Die Länder im künftigen Finanzausgleich, DÖV 1949, S. 401 ff. (401 f.). 182 Vgl. etwa Art.  122  b Abs.  2 im Grundgesetzentwurf vom 10.02.1949 (3.  Lesung im Hauptausschuss), Der Parlamentarische Rat VII, Dok. Nr. 8, S. 433: „Das Nähere regelt das Finanzausgleichsgesetz. Es hat einem angemessenen Lastenausgleich Rechnung zu tragen“.

II. Das Bundesverfassungsgericht

49

des ­Finanz- und Lastenausgleichs der Weimarer Republik anzuknüpfen.183 Die Alliier­ten hingegen wiesen die Wünsche des Parlamentarischen Rates nach einem Finanzausgleich aus Sorge, der Bund könne zu mächtig werden und einen beherrschenden Einfluss über die Länder gewinnen,184 zunächst entschieden zurück.185 Der Wendepunkt wurde erst nach einer Besprechung von Mitgliedern des Parla­ mentarischen Rates mit Vertretern der alliierten Verbindungsstäbe und Finanzexperten im März 1949186 erreicht, nachdem zunächst begriffliche Missverständnisse ausgeräumt werden konnten. Im Rahmen dieser Besprechung bemühten sich die anwesenden Mitglieder des Parlamentarischen Rates inständig darum, die Alliierten von der Notwendigkeit eines finanziellen Ausgleichs zwischen steuerschwachen und steuerstarken Ländern zu überzeugen.187 Die von den Alliierten vorgegebene föderale Struktur des deutschen Staates wurde geschickt instrumentalisiert, um die eigenen Vorstellungen eines Finanzausgleichs unter den Ländern durchzusetzen: Der Länderfinanzausgleich als unabdingbare Prämisse einer funktionierenden deutschen Bundesstaatlichkeit.188 Die angeführten Argumente machen hingegen deutlich, dass der Wunsch nach finanziellem Ausgleich zwischen den Bundesländern keineswegs auf einem horizontalen System, ausschließlich auf Länderebene, sondern letztlich auf einem vertikalen Verteilungsmechanismus gründete.189 Ein finanzieller Ausgleichsmechanismus zwischen steuerschwachen 183

Vgl. Görg, Die gegenseitige Treuepflicht, in: Schwinge (Hrsg.), FG Herrfahrdt, S. 73 ff. (82); Höpker Aschoff, Das Finanz- und Steuersystem des Bonner Grundgesetzes, AöR  36 (1949), S. 306 ff. (322). 184 Vgl. Memorandum der Militärgouverneure vom 22.11.1948, Der Parlamentarische Rat VIII, Dok. Nr. 18, S. 37 ff. (38). Deutlich auch Besprechung von Mitgliedern des Parlamentarischen Rates mit Vertretern der alliierten Verbindungsstäbe und Finanzexperten in Bonn 09.03.1949, Der Parlamentarische Rat VIII, Dok. Nr. 52, S. 158 ff. (166 f.) Vgl. auch Höpker Aschoff, Das Finanz- und Steuersystem des Bonner Grundgesetzes, AöR 36 (1949), S. 306 ff. (323). Vgl. auch Hofmann, Die Entwicklung des Grundgesetzes von 1949 bis 1990, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR3 I, § 9 Rn. 74. 185 Vgl. Memorandum der Militärgouverneure vom 02.03.1949, Der Parlamentarische Rat VIII, Dok. Nr. 47, S. 131 ff. (133 f.); Sir Eric Coates, Besprechung von Mitgliedern des Parlamentarischen Rates mit Vertretern der alliierten Verbindungsstäbe und Finanzexperten in Bonn am 09.03.1949, Der Parlamentarische VIII, Dok. Nr. 53, S. 176 ff. (183). 186 Besprechung von Mitgliedern des Parlamentarischen Rates mit Vertretern der alliierten Verbindungsstäbe und Finanzexperten in Bonn 09.03.1949, Der Parlamentarische Rat VIII, Dok. Nr. 52, S. 158 ff. 187 So wurde versucht, mittels verschiedener rhetorischer Mittel ein zwingendes Erfordernis einer finanziellen Hilfe, um den Zusammenbruch einiger Länder und letztlich das Ende der Bundesstaatlichkeit Deutschlands zu verhindern, zu betonen. 188 Vgl. Höpker Aschoff, Besprechung von Mitgliedern des Parlamentarischen Rates mit Vertretern der alliierten Verbindungsstäbe und Finanzexperten in Bonn 09.03.1949, Der Parlamentarische Rat VIII, Dok. Nr. 52, S. 158 ff. (166 f.). 189 So wurde der Vergleich zu den Vereinigten Staaten von Amerika sowie der Schweiz angestrengt und betont, dass das vorgeschlagene Ausgleichssystem ersichtlich auch in anderen Bundesstaaten üblich sei. Ausgleichszahlungen erfolgten zu dieser Zeit allerdings sowohl in den Vereinigten Staaten von Amerika als auch in der Schweizer Eidgenossenschaft auf Grundlage eines vertikalen Systems, vgl. Dörfer, S. 201.

50

A. Finanzkraftausgleich und Solidargemeinschaft der Länder 

und steuerstarken Ländern ohne Intervention des Bundes war vom Parlamentarischen Rat damit ursprünglich so nicht intendiert. Den Mitgliedern des Parlamentarischen Rates gelang es schließlich, die Alliier­ ten von der Notwendigkeit eines Länderfinanzausgleichs zu überzeugen,190 doch nur unter der Bedingung, dass dieser horizontal auf Länderebene vollzogen würde.191 In diesem Kompromiss vereinen sich die Wünsche des Parlamentarischen Rates nach einem finanziellen Ausgleichsmechanismus zwischen den Ländern mit den Bedenken der Besatzungsmächte vor einer zu großen Einflussnahme des Bundes auf die Länder.192 Anlässlich der letzten Besprechung mit den Militärgouverneuren kam es unerwartet zu einer Reformulierung des Absatzes, die einige Verwirrung auslöste und den missverständlichen Wortlaut des Art.  106 Abs. 4 GG (1949) zum Ergebnis hatte.193 Auslöser dafür war ein zuvor von den Außenministern Frankreichs, Großbritanniens und der Vereinigten Staaten von Amerika verfasstes Schreiben, welches dem Bund erlaubte, mittels Zuschüssen bestimmte, von den Ländern finanzierte Zwecke zu unterstützen.194 Nach ­einigen Diskussionen über diese für die Vertreter des Parlamentarischen Rates als unverständlich empfundene Kehrtwende der Besatzungsmächte,195 einigten sich die Anwesenden schließlich auf die Beibehaltung des horizontalen Finanzausgleichsystems unter gleichzeitiger Beibehaltung der Begrifflichkeit der Zuschüsse.196 Art. 106 Abs. 4 GG (1949) konstituiert damit, trotz des missverständlichen Wortlauts, den ersten horizontalen Finanzausgleichsmechanismus zwischen deutschen Gliedstaaten. Die Materialien zur Verfassungsgebung zeigen deutlich, dass der horizontale Länderfinanzausgleich nicht nur kein etwaiges solidarisches Rechtsverhältnis zwischen den Ländern der Bundesrepublik widerspiegeln sollte – er in seiner endgültigen Form vielmehr eine schlichte Kompromisslösung darstellt. So war ursprünglich 190 Wobei es letztlich der französische Finanzsachverständige Paul Leroy-Beaulieu war, der die alliierten Finanzsachverständigen Sir Eric Coates und Jo Fisher-Freeman am 10.03.1949 überzeugen konnte. Vgl. Zwanzigste Sitzung des Ausschusses für Finanzfragen 07.04.1949, Der Parlamentarische Rat XII, Dok. Nr. 23, S. 534 ff. (545 f., Fn. 26). 191 Vgl. Stellungnahme Höpker Aschoff, Zwanzigste Sitzung des Ausschusses für Finanz­ fragen 07.04.1949, Der Parlamentarische Rat XII, Dok. Nr. 23, S. 534 ff. (545 f.). 192 Vgl. Heun, Vorb. zu Art.  104a–115 GG, in: H.  Dreier (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar2 III, Rn. 6. 193 Vgl. Besprechung von Vertretern des Parlamentarischen Rates mit den Militärgouver­neu­ ren in Frankfurt/Main am 25.04.1949, Der Parlamentarische Rat XIII, Dok. Nr. 73, S. 248 ff. (252 ff.). 194 Mitteilung der Außenminister von Frankreich, England und den Vereinigten Staaten vom 22.04.1949, Der Parlamentarische Rat XIII, Dok. Nr. 71, S. 244 ff. (244). 195 Vgl. Höpker Aschoff, Besprechung von Vertretern des Parlamentarischen Rates mit den Militärgouverneuren in Frankfurt/Main am 25.04.1949, Der Parlamentarische Rat XIII, Dok. Nr. 73, S. 248 ff. (254). 196 Vgl. General Clay und Konrad Adenauer, Besprechung von Vertretern des Parlamentarischen Rates mit den Militärgouverneuren in Frankfurt/Main am 25.04.1949, Der Parlamentarische Rat XIII, Dok. Nr. 73, S. 248 ff. (255 f.).

II. Das Bundesverfassungsgericht

51

weder intendiert, die Länder untereinander zu finanziellen Ausgleichsleistungen zu verpflichten, noch wurde davon ausgegangen, dass sie gemeinsam zu einer bundesstaatlichen Solidargemeinschaft verbunden seien.197 Im Gegenteil, die Mitglieder des Parlamentarischen Rates nahmen die horizontale Ausrichtung des Länderfinanzausgleichsmechanismus nur widerstrebend in den Verfassungsentwurf zum Grundgesetz auf. Ihren Vorstellungen entsprach es vielmehr, einen Länderfinanzausgleich durch Mittel des Bundes zu etablieren – einen vertikalen und damit väterlichen Länderfinanzausgleich. Allein die Bedenken der Alliierten führten zu einer Normierung eines brüderlichen Finanzhilfeinstruments. Die Vorstellung einer bundesstaatlichen Solidargemeinschaft zwischen den einzelnen Bundesländern lag der Verfassungsgebung gerade nicht zugrunde. Von einer Positivierung der Figur durch den Verfassungsgeber kann folglich nicht ausgegangen werden. (b) Art. 107 Abs. 2 GG (1955) Art. 107 GG (1955) (2) Durch Bundesgesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, ist ein angemessener finanzieller Ausgleich zwischen leistungsfähigen und leistungsschwachen Ländern sicherzustellen; hierbei sind die Finanzkraft und der Finanzbedarf der Gemeinden (Gemeindeverbände)  zu berücksichtigen. Dieses Gesetz bestimmt, daß aus Beiträgen leistungsfähiger Länder (Ausgleichsbeiträgen) leistungsschwachen Ländern Ausgleichszuweisungen gewährt werden; in dem Gesetz sind die Voraussetzungen für die Ausgleichsansprüche und die Ausgleichsverbindlichkeiten sowie die Maßstäbe für die Höhe der Ausgleichsleistungen zu bestimmen. Das Gesetz kann auch bestimmen, daß der Bund aus seinen Mitteln leistungsschwachen Ländern Zuweisungen zur ergänzenden Deckung ihres allgemeinen Finanzbedarfs (Ergänzungszuweisungen) gewährt.

Eine deutliche terminologische Umgestaltung und seinen heutigen Platz im Grundgesetz erhielt die verfassungsrechtliche Regelung des horizontalen Länderfinanzausgleichs durch das erste Finanzreformgesetz von 1955. Die Notwendigkeit einer so frühzeitigen Finanzreform ergab sich aus dem provisorischen Charakter des Art. 106 GG (1949) und dem damit verbundenen Auftrag des Art. 107 GG (1949), welcher dem Bundesgesetzgeber auferlegt hatte, über die endgültige Verteilung der Finanzen zwischen Bund und Ländern bis zum 31. Dezember 1952 durch Bundesgesetz mit Zustimmung des Bundesrates zu beschließen.198 Die Ausführungen und Berichte zu dem vorgelegten Entwurf eines Finanzverfassungsgesetzes199 lassen zunächst keine explizite Bezugnahme auf den 197

Vgl. im Ergebnis ähnlich Dörfer, S. 201 f. Vgl. Bericht der Studienkommission, Neuordnung des bundesstaatlichen Finanzausgleichs, BT-Drs. 2/480, Anlage 1, S. 139. Wobei nicht unumstritten war, ob damit zugleich eine Neuregelung des Länderfinanzausgleichs intendiert war. 199 BT-Drs.  2/480. Aufgrund einer Fristverlängerung wurde dieser erst im Frühjahr 1954 von der damaligen Bundesregierung vorgelegt. 198

52

A. Finanzkraftausgleich und Solidargemeinschaft der Länder 

Gedanken einer bundesstaatlichen Solidargemeinschaft der Länder erkennen. Allerdings findet sich in der Gesetzesbegründung u. a. der Ausdruck eines Gedankens „der föderativen Zusammengehörigkeit aller Glieder eines Gesamtverbandes“, welcher im Finanzausgleich unter den Ländern seinen sinnfälligen Ausdruck finde.200 Ob dieser Begriff der föderativen Zusammengehörigkeit ein Synonym für den einer bundesstaatlichen Solidarität darstellt oder ob es sich hier um eine schlichte bundesstaatliche Zuordnungsbeschreibung handelt, lässt sich allein semantisch nicht beurteilen. Eine nähere Untersuchung der Begründung des verfassungsändernden Gesetzes zeigt indes, dass hier unterschiedliche Modelle eines Länderfinanzausgleichs adressiert werden und die Termini damit keineswegs­ synonym verstanden werden können. So ist die horizontale Ausgestaltung des Länderfinanzausgleichs im Gesetzesentwurf zum Finanzverfassungsgesetz lediglich optional vorgesehen und daher gerade kein prägendes Strukturmerkmal des Ausgleichsmechanismus. Es sei unerheblich, „ob der Finanzausgleich als eine Aufgabe des Bundes zu betrachten und mit Bundesmitteln zu verwirklichen ist oder ob er als Gemeinschaftsaufgabe der Länder zu gelten hat und durch Umschichtung ihrer Mittel vollzogen wird“.201

Ein Länderfinanzausgleich, der sowohl horizontal als auch vertikal ausgestaltet werden kann, lässt sich hingegen konzeptionell nicht vergleichen mit einem ausschließlich horizontal ausgestalteten Ausgleichsmechanismus. Dem Bundesverfassungsgericht zufolge ist schließlich gerade die Leistung der finanzstarken Länder aus Eigenem das entscheidende Merkmal des horizontalen Länderfinanzausgleichs202 und damit einer bundesstaatlichen Solidargemeinschaft. Untermauert wird diese Deutung durch den eindeutig sozialen Funktionsbezug, welcher in den Gesetzgebungsmaterialien zum Ausdruck kommt.203 Die bundesstaatliche Solidargemeinschaft der Länder hingegen steht im unmittelbaren Kontext zum Bundesstaatsprinzip des Grundgesetzes204 und nicht zum Sozialstaatsprinzip. Auch dies verdeutlicht, dass der Länderfinanzausgleich im Zeichen einer bundesstaatlichen Solidargemeinschaft in erheblichem Maße zu den Vorstellungen eines sozialen Länderfinanzausgleichs im Rahmen der ersten Finanzreform differiert. Es kann daher nicht davon ausgegangen werden, dass eine Verbindung zwischen Art. 107 Abs. 2 S. 1, 2 GG und der Figur der bundesstaatlichen Solidargemeinschaft durch den verfassungsändernden Gesetzgeber von 1955 vorgesehen war und durch diesen im Rahmen des Gesetzgebungsprozesses bewusst positiviert wurde. 200

BT-Drs. 2/480, S. 79 Rn. 119. BT-Drs. 2/480, S. 79 Rn. 119. 202 Vgl. BVerfGE 72, 330 (386). 203 Vgl. BT-Drs. 2/480, S. 79 Rn. 119: „Mit der Aufgabe, die der Ländergesamtheit zu Verfügung stehenden Mittel bedarfsgerecht und wirtschaftlich auf die einzelnen Länder zu verteilen, erfüllt somit der Finanzausgleich eine bedeutsame soziale Funktion; der Gedanke der föderativen Zusammengehörigkeit aller Glieder des Gesamtverbandes findet hier seinen sinnfälligen Ausdruck“. Hervorhebung d. Verf. 204 Vgl. BVerfGE 72, 330 (386 ff.). 201

II. Das Bundesverfassungsgericht

53

(c) Art. 107 Abs. 2 GG Art. 107 GG (2) Durch das Gesetz ist sicherzustellen, daß die unterschiedliche Finanzkraft der Länder angemessen ausgeglichen wird; hierbei sind die Finanzkraft und der Finanzbedarf der Gemeinden (Gemeindeverbände)  zu berücksichtigen. Die Voraussetzungen für die Ausgleichsansprüche der ausgleichsberechtigten Länder und für die Ausgleichsverbindlichkeiten der ausgleichspflichtigen Länder sowie die Maßstäbe für die Höhe der Ausgleichsleistungen sind in dem Gesetz zu bestimmen. Es kann auch bestimmen, daß der Bund aus seinen Mitteln leistungsschwachen Ländern Zuweisungen zur ergänzenden Deckung ihres allgemeinen Finanzbedarfs (Ergänzungszuweisungen) gewährt.

Die aktuelle Fassung des horizontalen Länderfinanzausgleichs wurde im Rahmen der großen Finanzreform von 1969 verabschiedet. Grundlage für den von der Bundesregierung eingebrachten Gesetzesentwurf eines Finanzreformgesetzes zur Änderung der Verfassung war das in Auftrag gegebene Gutachten der Kommission für die Finanzreform, der sogenannten Troeger-Kommission.205 Der Bericht dieser Kommission deutet hinsichtlich der Reformierung des horizontalen Länderfinanzausgleichs von 1955 zunächst auf eine Kontinuität hin. So wird folgende Passage fast wörtlich aus den Erläuterungen zum Finanzreformgesetz von 1955 übernommen: „Es gehört deshalb zu den verfassungsmäßigen Pflichten eines sozialen Bundesstaates (Art. 20 Abs. 1, Art. 28 GG), auch seinen leistungsschwachen Gliedern eine Lebenshaltung zu ermöglichen, die den berechtigten Mindestanforderungen genügt.“206

Gleichzeitig hebt die Kommission jedoch hervor, dass sich der Finanzausgleich den bundesstaatlichen Strukturprinzipien anpassen müsse.207 Könnte man hier zunächst auf einen Paradigmenwechsel hin zum Konstrukt einer bundesstaatlichen Solidargemeinschaft denken, so zerstreut sich dieser Gedanke spätestens aufgrund der begleitenden Ausführungen zum eingebrachten Finanzreformentwurf. Hier wird nach wie vor die sozialstaatlich ausgerichtete Zielsetzung des horizontalen Länderfinanzausgleichs betont, welche auf die Wahrung der Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse im Bundesstaat zielt.208 Damit lassen sich auch den Gesetz­ gebungsmaterialien zur Finanzreform von 1969 keinerlei Anhaltspunkte einer­ Positivierung der Figur der bundesstaatlichen Solidargemeinschaft entnehmen.

205 Vgl. Kommission für die Finanzreform, Gutachten über die Finanzreform in der Bundesrepublik Deutschland2; BT-Drs. 5/2861, S. 11 Rn. 7. 206 BT-Drs. 2/480, S. 79 Rn. 118 sowie Kommission für die Finanzreform, Gutachten über die Finanzreform in der Bundesrepublik Deutschland2, S. 70. 207 Kommission für die Finanzreform, Gutachten über die Finanzreform in der Bundesrepublik Deutschland2, S. 70. 208 Vgl. BT-Drs. 5/2861, S. 12 Rn. 12.

54

A. Finanzkraftausgleich und Solidargemeinschaft der Länder 

(d) Zwischenfazit Abschließend lässt sich festhalten, dass sowohl die Väter und Mütter des Grundgesetzes als auch die verfassungsändernden Gesetzgeber von 1955 und 1969 mit der Normierung des horizontalen Länderfinanzausgleichs jedenfalls weder von einer bestehenden – wie auch immer konkret ausgestalteten – bundesstaatlichen Solidargemeinschaft der Länder ausgingen, noch die Positivierung einer solchen intendierten. So zeigt sich bereits anhand der Entstehungsgeschichte des ersten horizontalen Länderfinanzausgleichs in Art.  106 Abs.  4 GG  (1949), dass die Konstituierung eines horizontalen Finanzausgleichsmechanismus zwischen den Ländern vom Parlamentarischen Rat ursprünglich weder beabsichtigt, noch gewollt war. Es handelte sich um eine schlichte Kompromisslösung, um letztlich überhaupt eine finanzielle Angleichung der Länderfinanzen zu ermöglichen. Selbst die verfassungsrechtliche Konsequenz einer bundesstaatlichen Solidargemeinschaft lag der Verfassungsgebung folglich nicht zugrunde. Im Rahmen der Neufassung des ­ horizontalen Länderfinanzausgleichs durch die Finanzreform 1955 zeigt sich ebenso eine erhebliche Abweichung zum Gedanken einer bundesstaatlichen Solidar­gemeinschaft. Zwar wurde die horizontale Ausrichtung nicht weiter in Frage gestellt, doch lag der Verfassungsänderung eindeutig ein sozialer Funk­ tionsbezug zugrunde. Es ging dem verfassungsändernden Gesetzgeber von 1955 nicht darum, ein Instrument bundesstaatlicher Solidarität zu implementieren, sondern dem Sozialstaatsprinzip des Grundgesetzes finanzverfassungsrechtlichen Ausdruck zu verleihen. Ähnliches ist auch den Motiven des verfassungs­ändern­ den Gesetzgebers von 1969 zu entnehmen. Im Vordergrund stand auch hier der sozialstaatliche Funktionsbezug. Die hintergründigen Motive zur Gestaltung des horizontalen Länderfinanzausgleichs beziehen sich anlässlich der beiden Finanzreformen damit primär auf eine sozialstaatliche Matrix und nicht etwa auf ein vom Bundesstaatsprinzip beeinflusstes solidarisches Verhältnis zwischen den­ Bundesländern. Sowohl aus den hintergründigen Ideen zur Verfassungsgebung als auch aus­ denen zu den späteren Verfassungsänderungen lassen sich letztlich keinerlei Anhaltspunkte für eine Positivierung des Gedankens der bundesstaatlichen Solidargemeinschaft im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens ableiten. (3) Fazit Die materiellen Schranken der Rechtsprechungstätigkeit des Bundesverfassungs­ gerichts manifestieren sich weniger in Art. 20 Abs. 3 GG als in der für die Judikative spezifischen Gesetzesbindung des Art. 97 Abs. 1 GG. Demnach ist auch das Bundesverfassungsgericht bei seiner Entscheidungsfindung auf die Normen der positiven Rechtsordnung des Grundgesetzes verwiesen. Von einer bewussten

II. Das Bundesverfassungsgericht

55

rechtlichen Positivierung des Gedankens der bundesstaatlichen Solidargemeinschaft der Länder lässt sich auf Grundlage der Gesetzestexte sowie der begleitenden Gesetzesmaterialien zum horizontalen Länderfinanzausgleich indes nicht­ ausgehen. Die bundesstaatliche Solidargemeinschaft könnte der bundesstaatlichen Ordnung des Grundgesetzes dennoch als ungeschriebenes Verfassungsrecht inhärent sein.209 Ob und inwiefern dies der Fall sein könnte, lässt sich mangels hin­ reichender Konkretisierung des Auslegungsmaßstabes durch das Gericht nicht beurteilen. Zur Beurteilung einer potentiellen Grenzüberschreitung bleibt daher ausschließlich die Überprüfung der methodischen Schranken, die das Grund­ gesetz dem Bundesverfassungsgericht auferlegt. bb) Methodische Schranken der Verfassungsgerichtsbarkeit Weitere Schranken mögen sich für die Verfassungsgerichtsbarkeit aus den methodischen Anforderungen an ihre Rechtsprechungstätigkeit ergeben. Wie bereits angemerkt, obliegt dem Gericht grundsätzlich die Aufgabe, anlässlich eines konkreten verfassungsrechtlichen Streits mittels Auslegung der relevanten positiven Normen des Verfassungsrechts über deren konkreten Inhalt im Einzelfall zu entscheiden.210 Welchen methodischen Beschränkungen das Bundesverfassungs­ gericht im Hinblick auf die Auslegung der Verfassungsnormen unterliegt, wird unterschiedlich beurteilt.211 Weitgehende Einigkeit besteht jedenfalls dahin­gehend, dass die Verfassungsauslegung nicht den Vorgaben der üblichen juristischen Auslegungsmethoden unterliegt.212 So sei die Verfassungsinterpretation mit den wichtigsten Annahmen der herrschenden Methodenlehre kaum kompatibel.213 Sie sei vom methodischen Zugriff her etwas anderes als bloße Gesetzesauslegung.214 Bei näherer Betrachtung zeigt sich, dass die Entscheidungsfindung durch das Bundesverfassungsgericht zumindest in eine Richtung deutlich auf methodische Schranken trifft: So obliegt es dem Gericht in keinem Fall, verfassungsgerichtlichen Entscheidungen verfassungstheoretische Erwägungen entscheidungserheblich zu Grunde zu legen und damit selbst Verfassungstheorie zu betreiben.215 209

Ausführlich zum Nachweis von ungeschriebenem Verfassungsrecht vgl. Isensee, Subsidiaritätsprinzip und Verfassungsrecht2, S. 106 ff. 210 Vgl. Lepsius, Zur Bindungswirkung von Bundesverfassungsgerichtsentscheidungen, in: Scholz/u. a. (Hrsg.), Realitätsprägung durch Verfassungsrecht, S. 103 ff. (104). 211 Vgl. etwa Würtenberger, Zur Legitimität des Verfassungsrichterrechts, in: Guggenberger/ders. (Hrsg.), Hüter der Verfassung oder Lenker der Politik?, S. 47 ff. (62 f.). 212 Vgl. Jestaedt, Phänomen Bundesverfassungsgericht, in: ders./u. a. (Hrsg.), Das entgrenzte Gericht, S. 77 ff. (141). 213 Roellecke, Prinzipien der Verfassungsinterpretation, in: Starck (Hrsg.), Bundesverfassungsgericht und Grundgesetz II, S. 22 ff. (33). 214 Jestaedt, Phänomen Bundesverfassungsgericht, in: ders./u. a. (Hrsg.), Das entgrenzte Gericht, S. 77 ff. (141). 215 Vgl. hierzu Jestaedt, Warum in die Ferne schweifen, wenn der Maßstab liegt so nah?, Der Staat 48 (2009), S. 497 ff. (499). Ähnlich auch Lepsius, Rechtswissenschaft in der Demokratie,

56

A. Finanzkraftausgleich und Solidargemeinschaft der Länder 

Genau dieser Verdacht drängt sich im Hinblick auf die bundesstaatliche Solidargemeinschaft allerdings auf. Blickt man auf die Abstraktionshöhe der Begriffskonstruktion, die unterbliebene Offenlegung des zugrundeliegenden Verständnisses sowie die bislang weder anhand des Gesetzestextes noch der Motive des verfassungsgebenden resp. -ändernden Gesetzgebers nachzuweisende Positivierung des Gedankens, erscheint der Gedanke jedenfalls nicht fernliegend, dass sich das Bundesverfassungsgericht in seiner Urteilsfindung zum Länderfinanzausgleich I einer metapositiven und damit verfassungstheoretischen Konstruktion bedient haben könnte. Mangels einer bisher noch nicht erreichten, abschließenden Klärung der wissenschaftlichen Essenz einer Verfassungstheorie,216 ist das zugrunde gelegte Verständnis dieser Disziplin zunächst zu präzisieren. Verfassungstheorie soll hier verstanden werden als rechtswissenschaftliche Disziplin, welche den Untersuchungsgegenstand der Verfassung abstrakt reflektiert.217 Sie ist Meta-Disziplin im Kontext der Verfassungsrechtswissenschaft.218 Kennzeichnend ist insbesondere die besondere Beziehung zur rechtswissenschaftlichen Disziplin der Verfassungsdogmatik, welche als komplementär219 oder arbeitsteilig220 beschrieben werden kann. So beziehen sich die beiden Disziplinen auf jeweils unterschiedliche Abstraktionshöhen der Verfassungsrechtswissenschaft: Während die Verfassungsdogmatik als Teilnehmerdisziplin221 das geltende Verfassungsrecht mittels Dekontextualisierung, Systematisierung und Konkretisierung anwendungsorientiert in eine Deutungsmatrix transformiert,222 welche die Rechtspraxis bei der Rechtskonkretisierung unterstützen und somit deren Überschaubarkeit und Sicherheit fördern soll,223 fungiert die Verfassungstheorie als Beobachterdisziplin,224 welche das geltende Recht am Maßstab der metapositiven, über den positiven Verfassungsnormen stehenden Verfassungsstrukturen zu reflektieren vermag.225 So befasst sich diese im Gegensatz zur Verfassungsdogmatik insbesondere mit Konzepten und Ideen, die hinter den geschriebenen Verfassungsnormen stehen und sich in diesen verwirklichen.226 Entsprechend des hohen Abstraktionsniveaus der VerfassungsDer Staat  52 (2013), S.  157 ff. (165). Vgl. hierzu auch Möllers, Der vermisste Leviathan, S. 106; Voßkuhle, Die Staatstheorie des Bundesverfassungsgerichts, Beiheft zu Der Staat 21 (2013), S. 371 ff. (371 f.). 216 Vgl. Jestaedt, Die Verfassung hinter der Verfassung, S. 11 f. oder auch allgemein zur Disziplin der Rechtstheorie R. Dreier, Recht – Moral – Ideologie, S. 17 ff. [m. w. N.]. 217 Vgl. Morlok, S. 43. 218 Vgl. Heinig, Der Sozialstaat im Dienst der Freiheit, S. 77. 219 Jestaedt, Die Verfassung hinter der Verfassung, S. 19 f. 220 Morlok, S. 43. 221 Jestaedt, Die Verfassung hinter der Verfassung, S. 19. 222 Jestaedt, Phänomen Bundesverfassungsgericht, in: ders./u. a. (Hrsg.), Das entgrenzte Gericht, S. 77 ff. (131 ff.). 223 Wolf, Erziehung zu einer Freirechtsbewegung?, JuS 1972, S. 111 f. (112). 224 Jestaedt, Die Verfassung hinter der Verfassung, S. 19. 225 Vgl. Jestaedt, Die Verfassung hinter der Verfassung, S. 56 f. 226 Jestaedt, Die Verfassung hinter der Verfassung, S. 56.

II. Das Bundesverfassungsgericht

57

theorie ist diese folglich auch nicht in gleicher Weise wie die Verfassungsdogmatik an die positiven Verfassungsnormen gebunden.227 Sie zeichnet daher methodisch die Aufrechterhaltung einer besonderen Distanz zu ihrem Untersuchungsgegenstand aus, welche es ihr ermöglicht, sich von einer Anwendungsorientierung zu lösen228 und insbesondere die Verfassung in ihrer Potentialität zu untersuchen.229 Gleichwohl bleibt die Verfassungstheorie als Bestandteil der Rechtswissenschaft normativ ausgerichtet und ist insofern gerade nicht interdisziplinär angelegt.230 Die Judikative hingegen beobachtet nicht lediglich Rechtsnormen, sondern hat diese auf den Einzelfall bezogen zu individualisieren und konkret anzuwenden. So kann Rechtsprechung nicht vom konkreten Einzelfall und der positiven Rechtsnorm distanziert über mögliche Lesarten der Verfassung reflektieren.231 Mittels verfassungstheoretischer Methodik lassen sich lediglich abstrakte Auslegungslegungs­ hypothesen und damit Auslegungshilfen, niemals aber konkrete Aus­ regeln generieren.232 Da aber unverbindliche Hypothesen verfassungsrechtliche Streitigkeiten nicht verbindlich entscheiden können, kann es den rechtsprechenden Organen auf Grundlage ihrer Aufgabenbeschreibung nicht gestattet sein, verfassungstheoretische Argumente, die möglicherweise nur hintergründig von der Verfassung positiviert wurden, zur maßgeblichen Grundlage ihrer Entscheidungen zu erheben. Die methodische Untersuchungsperspektive des Gerichts sollte nicht die eines Beobachters werden, sondern die eines Teilnehmers am Rechtsgewinnungsprozess bleiben.233 Gerichte sollen entscheiden, nicht ­theoretisieren. Nach der hier vertretenen Auffassung mag dem Bundesverfassungsgericht aufgrund der Dogmatiklastigkeit234 seiner Entscheidungsfindung durchaus eine Sonderstellung innerhalb der Judikative zukommen, doch geht diese nicht soweit, als dass dem Gericht die Befugnis zu einer verfassungstheoretischen Begründung seiner Urteile zugesprochen werden könnte. Die primäre Funktion des Gerichtes

227

Morlok, S. 43. Ebda. 229 Vgl. Jestaedt, Die Verfassung hinter der Verfassung, S. 70. 230 Heinig, Der Sozialstaat im Dienst der Freiheit, S. 80. Vgl. hierzu auch Jestaedt, Die Verfassung hinter der Verfassung, S. 68. 231 Vgl. Volkmann, Zur heutigen Situation einer Verfassungstheorie, Der Staat  51 (2012), S. 600 ff. (609). 232 Vgl. Jestaedt, Die Verfassung hinter der Verfassung, S. 91. Vgl. ähnlich auch Heinig, Der Sozialstaat im Dienst der Freiheit, S. 81 „Der Verfassungsbezug der Verfassungstheorie führt nicht dazu, daß die so gewonnenen Aussagen am Verbindlichkeitsanspruch der Verfassung selbst Anteil haben“. 233 Vgl. Jestaedt, Die Verfassung hinter der Verfassung, S. 19, 29; Jestaedt, Phänomen Bundesverfassungsgericht, in: ders./u. a. (Hrsg.), Das entgrenzte Gericht, S. 77 ff. (131). 234 Jestaedt, Phänomen Bundesverfassungsgericht, in: ders./u. a. (Hrsg.), Das entgrenzte Gericht, S. 77 ff. (148). Das Gericht nutzt nicht lediglich die wissenschaftlichen Erkenntnisse der Dogmatik für die eigene Entscheidungsbegründung, es generiert selbst Verfassungsdogmatik, durch welche das unmittelbar geltende positive Verfassungsrecht anwendungsorientiert beleuchtet und für die Praxis aufbereitet wird. 228

58

A. Finanzkraftausgleich und Solidargemeinschaft der Länder 

bleibt die verbindliche Entscheidung über die Auslegung der lex lata aus Anlass verfassungsrechtlicher Streitigkeiten und nicht etwa eine abstrakte rechtswissenschaftliche Reflexion der Verfassung und ihrer Potentialität. Um beurteilen zu können, ob das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung zum horizontalen Länderfinanzausgleich 1986 eine Figur der Verfassungstheorie zum entscheidungserheblichen Maßstab erhoben und ihm damit eine Überschreitung seiner Funktionsgrenzen vorgeworfen werden kann, muss die bundesstaatliche Solidargemeinschaft der Länder zunächst disziplinarisch zugeordnet werden. Hierzu bieten sich potentiell zwei unterschiedliche Anknüpfungspunkte an: Gegenstand und Verwendungsweise. (1) Gegenstandsbezogene Zuordnung Gegenständlich ist eine Abgrenzung zwischen verfassungsdogmatischen sowie verfassungstheoretischen Figuren nur schwerlich zu erreichen, da Untersuchungsgegenstand beider rechtswissenschaftlicher Disziplinen letztlich die Verfassung ist. Während die Verfassungsdogmatik auf die Auslegung des geltenden positiven Verfassungsrechts beschränkt ist, vermag sich die Verfassungstheorie als Komplementärdisziplin von dessen Anwendungsbezügen gerade zu lösen.235 Daraus ergibt sich als mögliches Differenzierungsmerkmal die positive Normierung des Untersuchungsgegenstands. Hierdurch lässt sich belegen, ob es sich zumindest potentiell um eine verfassungsdogmatische Figur handeln könnte. Lässt sich keine Positivierung nachweisen, so kann es sich folglich nicht um eine verfassungsdogmatische Rechtsfigur handeln. Der Positivierungsnachweis wird daher auch als LackmusTest für verfassungsdogmatische Figuren, Konzepte und Begriffe bezeichnet.236 Wie bereits festgestellt, lassen sich weder aus den Motiven zur Verfassungs­ gebung noch aus späteren Verfassungsänderungen mögliche Anhaltspunkte für eine implizite Positivierung dieser Figur im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens ableiten. Mit dieser Feststellung ist jedoch noch nicht bestätigt, dass es sich bei der bundesstaatlichen Solidargemeinschaft zwingend um eine verfassungstheoretische Konstruktion handelt. Fest steht allein, dass das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung mit der bundesstaatlichen Solidargemeinschaft auf keine bis dato bekannte Figur der Verfassungsdogmatik rekurriert. Der Positivierungsnachweis ist für die Verifizierung verfassungstheoretischer Konzepte hingegen weder positiv noch negativ Voraussetzung.237 Die gegenständliche Unter­ suchung ist damit für die Frage, ob das Bundesverfassungsgericht im konkreten Fall eine verfassungstheoretische Figur zum entscheidungserheblichen Maßstab erhebt, im Ergebnis unergiebig. 235

Vgl. Jestaedt, Die Verfassung hinter der Verfassung, S. 52 f. Vgl. Jestaedt, Die Verfassung hinter der Verfassung, S. 78. 237 Jestaedt, Die Verfassung hinter der Verfassung, S. 79. 236

II. Das Bundesverfassungsgericht

59

(2) Verwendungsbezogene Zuordnung Letztlich bleibt damit der modus operandi als mögliches Abgrenzungskriterium zwischen Verfassungstheorie und Verfassungsdogmatik. Matthias ­Jestaedt zufolge könne der Unterschied zwischen den beiden rechtswissenschaftlichen Disziplinen nicht schlicht gegenstandsbezogen begriffen werden, sondern sei anhand der jeweiligen normativen Modalität zu erkennen.238 Stelle sich diese im Falle der Verfassungsdogmatik als normativer Realis dar, so sei es im Falle der Verfassungstheorie der normative Potentialis.239 Verfassungsdogmatik untersucht mithin die positiven Normen der geltenden Verfassung, während sich die Verfassungstheorie mit deren normativen Möglichkeiten befasst. Hier manifestiert sich der perspektivische Unterschied zwischen Teilnehmer- und Beobachterdisziplin in einer Differenz der konkreten Verwendungsweise. Das Bundesverfassungsgericht führt das bundesstaatliche Solidaritätsgebot in seiner Entscheidung nicht als eine potentielle Auslegungsvariante des Kriteriums der Angemessenheit der Finanzkraftunterschiede zwischen den Ländern an, sondern verwendet es wesentlich als konkret-normativen Auslegungsmaßstab. Das bundesstaatliche Solidaritätsgebot wird zum realen Auslegungsgebot und damit zur Auslegungsregel erhoben. Der Modus der Entscheidungsfindung stellt sich nicht als ein verfassungstheoretischer, sondern als ein verfassungsdogmatischer dar. Obwohl die bundesstaatliche Solidargemeinschaft der Länder zum Zeitpunkt der Entscheidung kein nachweisbarer Bestandteil der Verfassungsrechtsdogmatik ist, wird es vom Bundesverfassungsgericht dennoch als ein verfassungsdogmatisches Modell verwendet. Letztlich bedient sich das Gericht weder gegenständlich nachweisbar einer Figur der Verfassungstheorie, noch verwendet es die Figur in einem verfassungstheoretischen Modus. cc) Bewertung Festzuhalten bleibt, dass die Ausrichtung des horizontalen Länderfinanzausgleichs auf den abstrakten Auslegungsmaßstab einer bundesstaatlichen Solidar­ gemeinschaft der Länder zwar den Verdacht einer Überschreitung der funktionalen Grenzen der Verfassungsgerichtsbarkeit nahelegen mag, ein solcher aber jedenfalls nicht positiv nachweisbar ist. Dem Gericht spielt dabei freilich die unterlassene Offenlegung des hintergründigen Konzeptes eines bundesstaatlichen Solidaritätsgebots in die Hände, welche eine weitergehende Untersuchung einer möglichen Schrankenverletzung letztlich inhibiert. Entsprechend der inhaltlichen Offenheit des Auslegungsmaßstabes er-

238

Jestaedt, Die Verfassung hinter der Verfassung, S. 77. Jestaedt, Die Verfassung hinter der Verfassung, S. 77.

239

60

A. Finanzkraftausgleich und Solidargemeinschaft der Länder 

scheint eine verfassungskonforme Verwendung des Auslegungsmaßstabes durch das Bundesverfassungsgericht zumindest nicht ausgeschlossen. 4. Zwischenergebnis Das Bundesverfassungsgericht hat im Rahmen seiner Entscheidung zum horizontalen Länderfinanzausgleich den Gedanken eines bundesstaatlichen Solidaritätsgebots zwischen den Ländern funktional als Auslegungsmaßstab zur Bestimmung der Angemessenheit der Finanzkraftunterschiede zwischen den Ländern herangezogen. Auf Grundlage der Entscheidung des Gerichts wird dieser Auslegungsmaßstab zur maßstabsetzenden Zwischennorm. Diese stellt zwar keine geschriebene Norm des positiven Verfassungsrechts dar, doch entfaltet die bundesstaatliche Solidargemeinschaft  – aufgrund der faktischen Bindungswirkung verfassungsgerichtlicher Entscheidungen – dennoch verfassungsdogmatische Relevanz. Potentielle Zweifel an der Einhaltung der verschiedenen verfassungsrechtlichen Beschränkungen des Bundesverfassungsgerichts im Rahmen seiner Entscheidungsfindung konnten letztlich nicht bestätigt werden. Kritisch zu bewerten bleibt allerdings die unterbliebene inhaltliche Konkretisierung durch das Gericht. Aus diesem Grunde erscheint es rechtswissenschaftlich geboten, den poten­ tiellen Inhalt sowie Auswirkungen dieser Zwischennorm auf die positive Verfassungsnorm des Art. 107 Abs. 2 GG näher zu untersuchen. Im Folgenden ist zunächst auf den möglichen Inhalt einer bundesstaatlichen Solidargemeinschaft einzugehen. Denn soll das spezifische Solidaritätsgebot als entscheidender Indikator eines angemessenen Finanzkraftunterschiedes und damit mittelbar als Auslöser des horizontalen Länderfinanzausgleichs fungieren, so ist es unumgänglich, die maßstabsetzende Zwischennorm inhaltlich zu determinieren. Nachfolgend ist die Figur einer bundesstaatlichen Solidargemeinschaft der Länder auf Möglichkeiten einer verfassungsbezogenen Konkretisierung sowie deren Auswirkungen auf den horizontalen Länderfinanzausgleich nach Art. 107 Abs. 2 S. 1, 2 GG hin zu untersuchen.

III. Inhaltliche Konkretisierung – Möglicher Gehalt des Auslegungsmaßstabes der bundesstaatlichen Solidargemeinschaft der Länder Soll der abstrakte Gedanke einer bundesstaatlichen Solidargemeinschaft der Länder verfassungsrechtliche Direktiven im Hinblick auf die Anwendung des horizontalen Länderfinanzausgleichs formulieren können, so ist eine nähere inhaltliche Konkretisierung dieser Auslegungsmaxime unerlässlich. In diesem Abschnitt soll daher untersucht werden, welcher normative Kerngehalt einer bundesstaatlichen Solidargemeinschaft zugeordnet werden kann. Die Untersuchung fokussiert sich in einem ersten Schritt darauf zu prüfen, inwiefern der Gedanke

III. Inhaltliche Konkretisierung

61

einer bundesstaatlichen Solidargemeinschaft bereits Gegenstand bundesstaatstheoretischer Erwägungen gewesen sein mag, aus welchen sich sodann Schlussfolgerungen über den Inhalt dieses spezifischen Solidaritätsgebots ziehen lassen könnten. Dabei wird zu beachten sein, dass eine allgemeine Bundesstaatstheorie weder existiert noch es eine solche geben kann.240 Primär ist dies darauf zurückzuführen, dass sich kein universelles Modell eines Bundesstaates finden lässt. Jeder Bundesstaat ist in seiner geschichtlichen und kulturellen Prägung ein einzigartiges und nicht verallgemeinerungsfähiges Modell – ein Unikat.241 „Es gibt nur Bundesstaaten als jeweils individuelle, raum-zeitlich gültige, historisch real existierende Organisationen eines Gemeinwesens.“242

Bundesstaaten sind nicht Produkt von Theoriegebilden, sondern spezifischer historisch-geographischer Umstände und gesellschaftlicher Bedürfnisse. Es sind die verschiedenen Bundesstaatstheorien, welche – vice versa – den Bundesstaat in seiner Kontingenz abstrakt reflektieren und ihm nachträglich eine metarechtliche Substanz verleihen. Bundesstaatstheorien, welche sich auf einen anderen regionalen oder geschichtlichen Kontext beziehen, können folglich nicht unreflektiert auf den Bundesstaat des Grundgesetzes übertragen werden.243 Es erscheint hingegen methodisch vertretbar, diese nicht auf die Bundesrepublik Deutschland bezogenen Bundestheorien für gedankliche Anleihen heranzuziehen. Sollte sich das Modell einer bundesstaatlichen Solidargemeinschaft der Gliedstaaten in einer der zu untersuchenden Bundesstaatstheorien wiederfinden, könnte dies möglicherweise zu dessen inhaltlicher Klärung beitragen. Da eine Untersuchung aller Bundesstaatstheorien kaum möglich – und insbesondere nicht zielführend – wäre, beschränkt sich die vorliegende Arbeit auf eine repräsentative Auswahl der markantesten bundesstaatstheoretischen Strömungen. Sollte das Resultat die Möglichkeit eines Rekurses auf die ausgewählten Bundesstaatstheorien negieren resp. ein solcher keine hinreichende inhaltliche Präzisierung vorhalten, so wird, in einem nächsten Schritt, die Bedeutung einer Solidargemeinschaft terminologisch zu untersuchen sein.

240 Isensee, Der Föderalismus und der Verfassungsstaat, AöR 115 (1990), S. 248 ff. (252); Isensee, Idee und Gestalt des Föderalismus, in: ders./Kirchhof (Hrsg.), HStR 3 VI, § 126 Rn. 5. Ausführlich zur allgemeinen Bundesstaatstheorie Kimminich, Der Bundesstaat, in: Isensee/ Kirchhof (Hrsg.), HStR I, § 26 Rn. 8 ff. 241 Isensee, Der Föderalismus und der Verfassungsstaat, AöR 115 (1990), S. 248 ff. (252); Bauer, Die Bundestreue, S.  18. So auch Korioth, Der Finanzausgleich zwischen Bund und Ländern, S. 94; Ossenbühl, Landesbericht BRD, in: ders. (Hrsg.), Föderalismus und Regionalismus in Europa, S. 117 ff. (124). 242 Ossenbühl, Landesbericht BRD, in: ders. (Hrsg.), Föderalismus und Regionalismus in Europa, S. 117 ff. (124). Vgl. ähnlich auch Korioth, Der Finanzausgleich zwischen Bund und Ländern, S. 94. 243 Vgl. Hesse, Der unitarische Bundesstaat, S. 4 f.

62

A. Finanzkraftausgleich und Solidargemeinschaft der Länder 

1. Die Bedeutung gliedstaatlicher Solidargemeinschaften im Rahmen ausgewählter Bundesstaatstheorien a) Die République fédérative Die Ursprünge der föderativen Idee finden sich bei Charles de Montesquieu. In seinem Werk „Vom Geist der Gesetze“ beschreibt er 1748 die République fédérative244 als eine Gesellschaft von Gesellschaften. Nach Ansicht Montesquieus sei die République fédérative die einzige Regierungsform, welche die Vorzüge einer Republik mit der äußeren Stärke einer Monarchie verbinde.245 Sinn und Zweck eines vertraglichen Zusammenschlusses einzelner Republiken zu einer République fédérative sei es, aufgrund der so erreichten Größe, Sicherheit vor Übergriffen anderer Staaten zu erlangen,246 ohne dabei jedoch die durch die Volksherrschaft vermittelte Freiheit im Inneren aufzugeben.247 Ein föderativer Zusammenschluss fungiert mithin als Mittel zur Existenzsicherung der sich zusammenschließenden Republiken.248 Dass mit einer solchen reinen Zweckgemeinschaft noch keinerlei Verpflichtung der einzelnen Republiken zu einem solidarischen Verhalten verbunden ist, wird insbesondere dadurch deutlich, dass die verbundenen Republiken sich zwar bei der Beseitigung von Missständen oder der Beilegung von Aufständen in einer Teilrepublik beteiligen können,249 sie zu derlei Handlungen hin­gegen nicht verpflichtet sind. Montesquieu konstatiert im Hinblick auf die République fédérative: „Ein solcher Staat kann auf der einen Seite verderben, ohne auf der anderen davon berührt zu werden; […]“.250

So ist ein etwaiges Ungleichgewicht zwischen den einzelnen Republiken für die République fédérative gerade unschädlich. Hieraus ergibt sich in der Folge denn auch kein Bedürfnis eines solidarischen füreinander Einstehens der Teil­ republiken anlässlich einer Notlage einer der Teilrepubliken. Ein innerer Zusammenhalt oder eine solidarische Beziehung der Teilrepubliken untereinander gehören gerade nicht zu den konstitutiven Vorzügen der Grundidee einer République ­fédérative, weshalb sich aus dieser Konstruktion auch keinerlei Folgerungen für eine mögliche Ausgestaltung einer bundesstaatlichen Solidarbeziehung zwischen den Gliedstaaten ableiten lassen. Der Idee einer République fédérative liegt noch kein konkret existierender Bundesstaat zugrunde, weshalb sich die Überlegungen Montesquieus letztlich auf 244

Montesquieu, Vom Geist der Gesetze I, Neuntes Buch, Kapitel 1, S. 180. Ebda. Vgl. hierzu auch Scheuner, Struktur und Aufgabe des Bundesstaates, DÖV 1962, S. 641 ff. (642). 246 Scheuner, Struktur und Aufgabe des Bundesstaates, DÖV 1962, S. 641 ff. (642). 247 Vgl. Deuerlein, S. 42. 248 Deuerlein, S. 42. 249 Montesquieu, Vom Geist der Gesetze I, Neuntes Buch, Kapitel 1, S. 181 f. 250 Montesquieu, Vom Geist der Gesetze I, Neuntes Buch, Kapitel 1, S. 182. 245

III. Inhaltliche Konkretisierung

63

die grundsätzliche Vorteilhaftigkeit eines solchen Bundes beschränken. Die Verwirklichung des föderativen Gedankens und damit verbunden eine ausführlichere­ theoretische Auseinandersetzung mit der Bundesstaatsidee erfolgt erst mit Blick auf die Konstituierung des ersten Bundesstaates der Geschichte, den Vereinigten Staaten von Amerika. b) Der amerikanische Bundesstaat Die ersten detaillierteren theoretischen Reflexionen hinsichtlich Bedeutung und Organisation eines föderalen Staates kamen im 18. und 19. Jahrhundert im Zusammenhang mit dem amerikanischen Bundesstaat auf. Der Gedanke Montesquieus einer République fédérative wurde insbesondere durch Alexander Hamilton und James Madison im Rahmen ihrer 1787–1788 veröffentlichten Essays im Vorfeld der amerikanischen Bundesstaatsgründung, welche heute unter der Bezeichnung Federalists Papers bekannt sind, aufgegriffen251 und weiter ausdifferenziert.252 Es bleibt zwar bei einer primären Ausrichtung des Zusammenschlusses der amerikanischen Staaten zum Zwecke der Verteidigung und zum Schutz vor äußeren Feinden,253 doch setzen Madison und Hamilton zugleich einen neuen Schwerpunkt: Die konkrete Verteilung der Staatsgewalt zwischen dem Gesamtstaat und den Gliedstaaten.254 Hamilton erkannte insbesondere die folgenschwere Problematik der Finanzverteilung im Bundesstaat und stellte hierzu erste grundsätzliche Überlegungen an.255 Sollte die angestrebte Bundesverfassung einen eigenständigen Staat konstituieren, so müsse der Zentralstaat über ausreichende und vor allem originäre Finanz­ quellen verfügen. Denn erst ausreichende finanzielle Mittel ermöglichten es einer politischen Körperschaft, seine wichtigsten Funktionen zu erfüllen.256 Würde der Zentralstaat eines Bundesstaates nicht über eine eigene Kompetenz zur Erhebung von Finanzmitteln verfügen, stünde er lediglich unter einer Art Vormundschaft

251

Vgl. Brunhöber, S. 67. Insbesondere wird hier das erste Mal die Differenzierung zwischen Staatenbund und Bundesstaat diskutiert, vgl. Hamilton, The Federalist Nr. 9, S. 54 f. Vgl. auch Scheuner, Struktur und Aufgabe des Bundesstaates in der Gegenwart, DÖV 1962, S. 641 ff. (643). 253 Vgl. dazu Jay, The Federalist Nr. 3, S. 14; Nr. 4, S. 20 f.; Hamilton, The Federalist Nr. 25, S. 158; Nr. 29, S. 181. 254 Vgl. u. a. Hamilton, The Federalist Nr. 24, 25, 26, 29, 31, 32, 34, 35, 36; Madison, The Federalist Nr. 41, 42, 43, 44, 47, 48, 49, 50. Hierzu auch Mayer, Republikanischer und monarchischer Bundesstaat, AöR  18 (1930), S.  337 ff. (357). Neben der Verteilung der Staats­ gewalt liegt der Fokus insbesondere auch auf dem Schutz vor Gefahren, welche von den Staaten selbst ausgehen und auf Handelsvorteilen, vgl. hierzu Hamilton, The Federalist Nr. 23, S. 146 f. 255 Vgl. Deuerlein, S. 52. 256 Vgl. Hamilton, The Federalist Nr. 30, S. 188. 252

64

A. Finanzkraftausgleich und Solidargemeinschaft der Länder 

der Einzelstaaten.257 Hamilton entwickelte daher ein System, nach welchem die Finanzquellen zwischen Gesamt- und Gliedstaaten strikt aufzuteilen waren.258 Die so vorgesehene Aufteilung der Kompetenzen zur Erhebung von Steuern zwischen den verschiedenen Ebenen sollte die politische Existenz sowohl des Zentral­staates als auch der Gliedstaaten finanziell sicherstellen.259 Das Erfordernis einer Aufteilung der Steuerquellen zwischen den staatlichen Einheiten wurde demnach schon frühzeitig erkannt. Die Vorstellung eines bundesstaatlichen Finanzausgleichsystems, durch welches die hoheitlichen Steuererträge zwischen Bund und Ländern sowie den Ländern untereinander aufgeteilt werden, war den Autoren der Federalists Papers indes noch fremd. Entsprechend lassen sich keinerlei Anhaltspunkte für die Idee einer finanziellen Solidarbeziehung zwischen den einzelnen Gliedstaaten im amerikanischen Bundesstaat finden. Der Fokus der Federalists liegt letztlich vorrangig darauf, die essentiellen Grund­bedingungen für das Funktionieren eines Bundesstaates zu diskutieren, zu denen im Besonderen die formale Zuteilung der Kompetenzen sowie die Verfahrensordnung gehören. Die materiellen Beziehungen der Gliedstaaten untereinander waren demgegenüber von sekundärem Interesse. So sah auch Madison, in Anknüpfung an Montesquieu, einen der bundesstaatlichen Vorteile darin, dass es den Einzelstaaten eines Bundesstaates möglich sei, sich gegenseitig bei der Bekämpfung etwaiger Volksaufstände zu unterstützen.260 Doch ist hier weder von einer allgemeinen Pflicht zur Hilfsleistung die Rede noch betrifft die Unterstützung finanzielle Hilfszahlungen. Im Gegen­ amilton teil: In Bezug auf finanzielle Leistung zwischen Einzelstaaten spricht H indes von einer Unruhe stiftenden Wirkung, sollten Staaten zu finanziellen Beiträgen für eine gemeinsame Sache verpflichtet werden, welche ihnen keine gleichförmigen Vorteile bringen würden.261 Der Gedanke einer solidargemeinschaftlichen Verbundenheit zwischen den Einzelstaaten, welche sich in einer gegenseitigen finanziellen Ausgleichspflicht manifestiert, würde innerhalb der amerikanischen Bundesstaatstheorie der Federalists geradezu einen Fremdkörper bilden. Die amerikanische Bundesstaatstheorie hat auch das staatsrechtliche Denken Deutschlands im 19.  Jahrhundert nachhaltig beeinflusst.262 In „Das Wesen des Bundesstaates“ unternimmt etwa Georg Waitz 1852 den Versuch, das Proprium

257

Hamilton, The Federalist Nr. 30, S. 190. Vgl. Hamilton, The Federalist Nr.  30 –36. Vgl. zum Finanzwesen des amerikanischen Bundesstaates auch Hensel, S. 41 ff. 259 Deuerlein, S. 54. 260 Madison, The Federalist Nr. 43, S. 295. 261 Hamilton, The Federalist Nr. 7, S. 42. 262 Deuerlein, S. 91. 258

III. Inhaltliche Konkretisierung

65

eines Bundesstaates zu erfassen,263 wobei er sich umfassend auf die Interpretation der amerikanischen Verfassung durch Alexis de Tocqueville264 bezieht.265 In seiner Beschreibung des amerikanischen Bundesstaats zeigen sich inhaltlich denn auch kaum Differenzen zu den bundesstaatlichen Vorstellungen, welche den Federalists zu Grunde lagen. Wie Hamilton266 misst auch Waitz der Verteilung der Finanzgewalt im Bundesstaat eine besondere Bedeutung bei. So sei es zwingend erforderlich, dass der Zentralstaat selbst über ausreichend finanzielle Mittel verfüge, er demnach nicht von Beiträgen der Einzelstaaten abhängig sein dürfe.267 Als essentiell wird damit zugleich die Verteilung der zur Verfügung stehenden Finanzquellen angesehen, um eine originäre Staatlichkeit auch des Zentralstaates zu garantieren.268 Die Fokussierung sowohl Waitz’ als auch der frühen amerikanischen Bundesstaatstheorie der Federalists auf die Verteilung der Staatsgewalt zwischen Gesamt- und Einzelstaaten zeigt deutlich eine Konzentration auf die formale Zuordnung von Staatsgewalt in der Vertikalen, mithin zwischen den bundesstaatlichen Ebenen. Der Beziehung der Gliedstaaten untereinander kommt hingegen keinerlei dezisive Relevanz zu. Horizontale Elemente sind sowohl der Bundesstaatskonzeption der Federalists als auch der durch diese maßgeblich geprägten Bundesstaatstheorie Waitz’ grundsätzlich von untergeordneter Bedeutung. Eine diametrale theoretische Betrachtung des amerikanischen Bundesstaates findet sich demgegenüber bei dem britischen Rechtswissenschaftler Albert Venn Dicey. Dicey untersucht ebenfalls den amerikanischen Bundesstaat,269 welchen er nicht primär als Moment gleichzeitiger Gesamt- und Einzelstaatlichkeit, sondern als zusammenführendes Moment versteht, welches unterschiedliche Gemeinschaften zu einer Nation zu vereinen vermag.270 Als fundamentale Voraussetzung eines Bundesstaates stellt Dicey das Empfinden der Einwohner der Einzelstaaten in den Vordergrund. So müssten die Einwohner zum einen der Überzeugung sein, die einzelnen Staaten verkörperten eine gemeinsame Nation, während zum ande-

263 Waitz, Das Wesen des Bundesstaates, Allgemeine Monatsschrift für Wissenschaft und Literatur 1853, S. 494 ff. 264 Tocqueville, Über die Demokratie in Amerika2. 265 Vgl. Waitz, Das Wesen des Bundesstaates, Allgemeine Monatsschrift für Wissenschaft und Literatur 1853, S. 494 ff. (500 f., 504 f., 510). Deuerlein, S. 91. Vgl. auch Harbich, S. 21 f. 266 Hamilton, The Federalist Nr. 30, S. 188. 267 Waitz, Das Wesen des Bundesstaates, Allgemeine Monatsschrift für Wissenschaft und Literatur 1853, S. 494 ff. (517 f.). 268 Interessant ist hierbei auch die im Vergleich zur Diskussion um den Finanzausgleich innerhalb der Bundesrepublik Deutschland verschobene Perspektive. Während hier die „Staatlichkeit“ des Gesamtstaates ermöglicht werden soll, geht es in der Bundesrepublik umgekehrt stets um die Garantie der „Staatlichkeit“ der Länder, und nicht um die des Bundes. Die „Staatlichkeit“ des Bundes erscheint in der deutschen Diskussion vielmehr als S ­ elbstverständlichkeit. 269 Vgl. Dicey, Einführung in das Studium des Verfassungsrechts10, S. 229. 270 Dicey, A Leap In The Dark or Our New Constitution, S. 163.

66

A. Finanzkraftausgleich und Solidargemeinschaft der Länder 

ren der Wunsch nach politischer Einheitlichkeit bestehen müsse.271 Diese beiden grundlegenden Voraussetzungen determinierten zugleich Sinn und Zweck einer bundesstaatlichen Verbindung.272 Der Bundesstaat stellt mithin auch nach Dicey primär eine Zweckgemeinschaft dar, welche hingegen nicht die Sicherung der staatlichen Existenz, sondern die Realisierung eines konkreten Bedürfnisses der Einwohner der Einzelstaaten verfolgt. Anders als die bereits untersuchten Bundesstaatstheorien zum amerikanischen Bundesstaat wird hier die Staatsgewalt folglich auch nicht detailliert zwischen den unterschiedlichen bundesstaatlichen Ebenen aufgeteilt. Dicey legt der Verteilung vielmehr ein allgemeines Prinzip zu Grunde, nach welchem alles, was die Nation als Ganzes betreffe, der Kompetenz der Gesamtregierung unterstehe, während die übrigen Kompetenzen weiterhin bei den Einzelstaaten verblieben.273 Spezifische Aussagen darüber, wie konkret eine Kompetenzverteilung im Bereich des Finanzwesens zu erfolgen habe, lassen sich der Bundesstaatstheorie Diceys daher nicht entnehmen. Entgegen der Erwartung lassen sich auch keine grundsätzlichen Aussagen über eine mögliche solidarische Beziehung der Gliedstaaten untereinander finden. So geht Dicey vielmehr von unter den Einzelstaaten bestehenden, in der Natur der Sache liegenden Neidern aus, die letztlich zu einer Schwächung eines jeden Bundesstaates führen würden.274 Das grundsätzliche Verhältnis der Einzelstaaten unter­einander stellt sich demnach – trotz des beschriebenen Wunsches der Bevölkerung nach politischer Einheitlichkeit – als ein solches negativer Prägung dar. Etwaige gegenseitige finanzielle Ausgleichspflichten, welche sich aus einer besonderen solidarischen Beziehung der Einzelstaaten untereinander ergeben könnten, stehen damit auch der Bundesstaatskonzeption Diceys entgegen. Hinsichtlich der untersuchten Bundesstaatstheorien des 18. und 19. Jahrhunderts zum amerikanischen Bundesstaat lässt sich festhalten, dass sich diese im Wesentlichen auf die formale Verteilung der Staatsgewalt zwischen dem Zentralstaat und den Gliedstaaten konzentrieren. So wird weder ein hypothetisches Erfordernis eines finanziellen Ausgleichs zwischen den Einzelstaaten erkannt noch das grundsätzliche Verhältnis der Einzelstaaten untereinander zwingend als ein positives betrachtet. Der Gedanke einer gliedstaatlichen Verbundenheit außerhalb der gemeinsamen Bundesebene erscheint den bundesstaatlichen Theoremen dieser Zeit gar 271 Dicey, A Leap In The Dark or Our New Constitution, S. 6; Dicey, Einführung in das­ Studium des Verfassungsrechts10, S. 230 f. Dicey differenziert dabei strikt zwischen dem Verlangen nach politischer Einheitlichkeit und dem Wunsch nach politischer Einheit, letzterer würde in einem Bundesstaat gerade nicht bestehen. 272 Dicey, Einführung in das Studium des Verfassungsrechts10, S. 232. Sinn und Zweck einer bundesstaatlichen Verfassungsordnung liege in der Realisierung des Wunsches der Einwohner nach nationaler Einheitlichkeit, ohne dabei jedoch einen Zustand nationaler Einheit zu schaffen. 273 Dicey, Einführung in das Studium des Verfassungsrechts10, S. 232. 274 Ebda.

III. Inhaltliche Konkretisierung

67

fremd. Zu einer inhaltlichen Präzisierung der Figur einer bundesstaatlichen Solidargemeinschaft vermögen diese mithin auch dem Grunde nach nicht beizutragen. c) Die Bundestheorie Carl Schmitts zum Deutschen Bund von 1815 Die bundestheoretischen Überlegungen Carl Schmitts in seiner „Verfassungslehre des Bundes“ von 1928 knüpfen an das historische Modell des Deutschen Bundes von 1815 an.275 In das Zentrum seiner Untersuchung stellt Schmitt den Begriff des Bundes, unter welchem er sowohl Staatenbund als auch Bundesstaat versteht.276 Konstitutive Grundbedingung eines jeden Bundes sei die Homogenität­ aller Bundesmitglieder in Form einer substanziellen Gleichartigkeit.277 „Wo die Homogenität aber vorliegt, ist ein Bund rechtlich und politisch möglich und gehört die substanzielle Homogenität als wesentliche Voraussetzung zu jedem Verfassungssatz. Wo sie fehlt, ist die Verabredung eines „Bundes“ ein nichtiges und irreführendes Schein­ geschäft.“278

Diese Homogenität oder auch substanzielle Gleichheit begründe eine konkrete, seinsmäßige Übereinstimmung der Gliedstaaten,279 welche sich aus zwei essentiellen Elementen zusammensetze: Einer Gleichartigkeit des politischen Prinzips sowie einer Gleichartigkeit der Bevölkerung.280 Im Fall des gleichartigen politischen Prinzips rekurriert Schmitt auf die Untersuchungen Montesquieus, wonach die République fédérative aus gleichartigen Staaten, insbesondere solchen republikanischer Natur, zusammengesetzt sein müsse.281 Mitglied des Bundes könne nur ein solcher Staat werden, dessen Staatsform rein formal der Staatsform der übrigen Bundesmitglieder gleiche. Das erste Element bezieht sich mithin auf die rechtliche Ausgestaltung des politischen Systems eines Staates und knüpft damit formal an das positive Recht an. Das zweite Homogenitätskriterium hingegen verlangt nach einer seinsmäßigen Verwandtschaft und damit nach einer materiellen Beziehung zwischen den Bundesmitgliedern.282 Diese könne sich sowohl in einer nationalen als auch in einer religiösen, zivilisatorischen, sozialen, klassenmäßigen oder einer anderen Gleichartigkeit der Bevölkerung ausdrücken.283 Hier ließen sich Über­ legungen dahingehend anstellen, ob der Gedanke einer solidarischen Beziehung zwischen den Gliedern eines Bundesstaates den Ausdruck einer solchen seins­ 275

Hesse, Der unitarische Bundesstaat, S. 4. Vgl. Schmitt, Verfassungslehre 4, S. 389. Hier bezeichnet Schmitt sowohl Staatenbund als auch Bundesstaat als „echten Bund“. 277 Schmitt, Verfassungslehre4, S. 375 ff. 278 Schmitt, Verfassungslehre4, S. 379. 279 Schmitt, Verfassungslehre4, S. 376. 280 Ebda. 281 Montesquieu, Vom Geist der Gesetze I, Neuntes Buch, Kapitel 2, S. 182 f. 282 Vgl. Schmitt, Verfassungslehre4, S. 377. 283 Schmitt, Verfassungslehre4, S. 376. 276

68

A. Finanzkraftausgleich und Solidargemeinschaft der Länder 

mäßigen Verwandtschaft darstellen könnte, da Schmitt hierdurch Aussagen über die (horizontale) Beziehung der Gliedstaaten zueinander tätigt. Dagegen muss jedoch zunächst die terminologische Konstruktion des Homogenitätserfordernisses eingewendet werden. Schmitt verbindet in dem Begriff der Homogenität der Bundesglieder zwei Antagonismen, die formale Gleichartigkeit der Staatsform und die materielle Gleichartigkeit der Bevölkerung. Hier zeigt sich deutlich die Methode der gegensatzaufhebenden Begriffsbildung, mittels derer eine höhere Form von Erkenntnis generiert werden soll.284 Auch in der Beschreibung der Homogenität als einer konkreten, seinsmäßigen Übereinstimmung wird deutlich, wie Schmitt ein konkretes, faktisches Element und ein seinsmäßiges, metaphysisches Element in deren Übereinstimmung gleichzuschalten versucht. Eine solche Verschmelzung von Gegensätzen zu einem neuen Terminus hat indes eine Verobjektivierung subjektiver Werte und damit eine Funktionalisierung als Rechtsidee zur Folge.285 Im Fall des Homogenitätserfordernisses kippt die Methode der gegensatzaufhebenden Begriffsbildung jedoch in einen immanenten Widerspruch. Wenn Schmitt näher ausführt, wie die erforderliche seinsmäßige Verwandtschaft der Mitgliedstaaten einerseits so eng sei, dass zwischen den Staaten keinerlei kollidierende Interessen und Überlegungen mehr bestünden und mithin Feindschaften der Eventualität nach bereits ausgeschlossen seien,286 und andererseits Interventionen des Bundes in Angelegenheiten seiner Mitglieder keine fremde Einmischung dar­ stellten,287 so stellt sich die Frage nach der verbleibenden Eigensubstanz der Gliedstaaten. Soll deren politische Existenz nicht bloß als eine rein formale verstanden werden, muss sie folglich verneint werden. Der Bund generiert damit einen inneren Widerspruch, da dessen Zweck nach Schmitt ja gerade in der Erhaltung der politischen Existenz aller Mitgliedstaaten zu sehen sei.288 Die Grundprämissen eines jeden Bundes entziehen somit dessen Zweckausrichtung den Boden.289 Im Übrigen eignet sich bereits das materielle Homogenitätselement der Gleichartigkeit der Bevölkerung nicht für eine Präzisierung einer bundesstaatlichen Solidargemeinschaft. Als Modell einer Gleichartigkeit der Bevölkerung, einer seinsmäßigen Verwandtschaft, führt Schmitt Staaten mit einer national gleichartigen und gleich 284

Vgl. Lepsius, Die gegensatzaufhebende Begriffsbildung, S. 147. Lepsius, Die gegensatzaufhebende Begriffsbildung, S.  150. Zugleich wird hierbei der Eigenwert demokratischer Verfahren verkannt, welcher gerade darin besteht, das erforderliche Maß an Homogenität im Staat kontinuierlich selbst zu generieren. 286 Schmitt, Verfassungslehre4, S. 377 f. 287 Schmitt, Verfassungslehre4, S. 378. 288 Vgl. Schmitt, Verfassungslehre4, S. 368. Die Konsistenz dieser Bundestheorie würde lediglich dann erhalten bleiben, sollte das Verständnis der politischen Existenz der Staaten lediglich auf eine rein formale Konstruktion abzielen. 289 Übrig bleibt dann lediglich eine Art „Wesens“-Gemeinschaft der Bundesglieder, nicht hingegen eine Zweckgemeinschaft. 285

III. Inhaltliche Konkretisierung

69

gesinnten Bevölkerung an. Der Staat selbst sei gleichzusetzen mit der politischen Form der „konkreten Wirklichkeit der verschieden gearteten Völker“290. Als Staat ist demzufolge die Summe der seinsmäßigen Besonderheiten291 der Bevölkerung zu verstehen. Die Problematik liegt hier ganz offensichtlich in der seinsmäßigen Charakterisierung der Bevölkerung. Die Bedeutung des Seinsmäßigen erschöpft sich nicht allein in einer Gegenüberstellung von Sein und Sollen292, sondern geht darüber hinaus.293 Erkannt werden soll der innerste Kern der Wirklichkeit.294 Schmitt versucht, der Bevölkerung der verschiedenen Staaten intrinsische Eigenheiten zuzuschreiben, welche sich seiner Ansicht nach in dem jeweiligen Staat manifestierten.295 Damit werden die Grundvoraussetzungen eines Bundes auf eine nicht zu determinierende, metaphysische Ebene verlagert, welche indes juristisch unmöglich zu fassen ist. Meta­ physische soziale Merkmale taugen nicht als Anknüpfungspunkte einer N ­ orm­ wissenschaft.296 Die Bevölkerung eines Staates kann zudem lediglich in ihrer konkreten, heterogenen Struktur umschrieben werden, ihr liegt keinerlei apriorische Bestimmung zugrunde.297 Wenn damit bereits eine seinsmäßige Bestimmung der Bevölkerung eines Staates unmöglich ist, so läuft folglich erst recht die Feststellung einer Homogenität der Bevölkerung mehrerer Staaten auf eine reine Fiktion hinaus. Die Bundestheorie zum Deutschen Bund von 1815 schreibt erstmals auch horizontalen Elementen im Bundesstaat einen konstitutiven Charakter zu. So beschreibt die Homogenität als eine zwingende Voraussetzung des Bundes ebenso wie die bundesstaatliche Solidargemeinschaft der Länder die Beziehung zwischen den einzelnen Gliedstaaten. Indes machen sowohl die metaphysische Überladung des materiellen Homogenitätselements der Gleichartigkeit der Bevölkerung als auch dessen konstruktive Inkonsistenz der Homogenitätsbedingung insgesamt die Bundestheorie Schmitts für die rechtswissenschaftliche Bestimmung einer bundesstaatlichen Solidargemeinschaft gänzlich unbrauchbar. 290

Schmitt, Verfassungslehre4, S. 377. Ebda. 292 Eine Untersuchung zu Sein und Sollen bei Schmitt findet sich bei Kokott, Der Begriff ‚politisch‘, ZaöRV 1991, S. 603 ff. (621 ff.). 293 Zu den Anstrengungen in der Weimarer Zeit, den Sein-Sollens-Gegensatz durch neue philosophische Konstruktionen zu überwinden vgl. Lepsius, Die gegensatzaufhebende Begriffsbildung, S. 239 ff. 294 Hier fällt die Parallele zu Martin Heidegger auf, der seinsmäßiges Dasein als das „Wie seines eigensten Seins“ beschreibt, Heidegger, Frühe Freiburger Vorlesung Sommersemester 1923, Gesamtausgabe, Band 63, S. 7. Eine wechselbezügliche Betrachtung von Heidegger, Schmitt und Jünger findet sich bei Krockow. 295 Vgl. hierzu auch Krockow, S. 95. 296 Vgl. Lepsius, Die gegensatzaufhebende Begriffsbildung, S. 14. 297 Vgl. hierzu ebda.; Kelsen, Vom Wesen und Wert der Demokratie, in: ders., Verteidigung der Demokratie, S. 154 ff. (170). Vgl. hierzu auch Lübbe-Wolff, Homogenes Volk, ZAR 2007, S. 121 ff. (123 f.). 291

70

A. Finanzkraftausgleich und Solidargemeinschaft der Länder 

d) Die bundesstaatstheoretische Spiegelung des Deutschen Reichs von 1871 Um eine theoretische Erfassung des Deutschen Reichs von 1871 bemüht sich Rudolf Smend in seinem Aufsatz zum „Wesen des Bundesstaates“298.299 Im Zentrum seiner verfassungstheoretischen Betrachtungen steht die Integration als staatliche Lebenswirklichkeit.300 Der Kern der bundesstaatlichen Integration liege in der Betrachtung der Einzelstaaten nicht nur als Integrationsobjekt, sondern vor­ allem als Integrationsmittel.301 Interessant ist im Besonderen die Betonung einer Verpflichtung von Gesamtund Gliedstaaten zur Einigkeit und einem steten Suchen und Herstellen eines guten bundesstaatlichen Verhältnisses,302 welche das Verhältnis der staatlichen Ebenen zueinander positiv auszurichten versucht. Dieser Verpflichtung liege ein all­gemeiner bündischer Rechtssatz der bundesfreundlichen Haltung zugrunde.303 Ein solcher bündischer Rechtssatz lässt zunächst an die Konzeption finanzieller Solidarität zwischen den Gliedstaaten im Bundesstaat denken. Bei näherer Betrachtung zeigt sich indes, dass dieser Rechtssatz lediglich das Verhältnis zwischen Gesamt- und Gliedstaat betrifft. Die ausschließliche Betroffenheit der Gliedstaaten und damit die horizontale Ausrichtung der solidarischen Beziehung ist hingegen prägendes Element der bundesstaatlichen Solidargemeinschaft der Länder. Aussagen über vertikale Beziehungsmuster zwischen Bund und Glied­ staaten lassen sich daher nicht ohne weiteres auf die Länderebene übertragen. Der Gedanke einer solidarischen Gemeinschaft ausschließlich der Länder lässt sich somit auch im Rahmen der Integrationslehre Smends nicht erkennen. e) Die Bundesstaatstheorie Hans Kelsens Im Jahre 1925 stellte Hans Kelsen umfassende Überlegungen zu Gestalt und Bedeutung des Bundesstaates an.304 Wie in älteren Bundesstaatstheorien wird der Bundesstaat auch hier anhand einer Gegenüberstellung zum Staatenbund zu bestimmen versucht. Die Differenzierung erfolgt hingegen nicht mittels einer Zuord 298 Smend, Verfassung und Verfassungsrecht, in: ders. (Hrsg.), Staatsrechtliche Abhandlungen und andere Aufsätze2, S. 119 ff. (223 ff.). 299 Hesse, Der unitarische Bundesstaat, S. 4. 300 Vgl. Smend, Verfassung und Verfassungsrecht, in: ders. (Hrsg.), Staatsrechtliche Abhand­ lungen und andere Aufsätze2, S. 119 ff. (225). Zur Begrifflichkeit der Integration bei Smend eingehend Lepsius, Die gegensatzaufhebende Begriffsbildung, S. 195 ff. 301 Smend, Verfassung und Verfassungsrecht, in: ders. (Hrsg.), Staatsrechtliche Abhandlungen und andere Aufsätze2, S. 119 ff. (225). 302 Smend, Verfassung und Verfassungsrecht, in: ders. (Hrsg.), Staatsrechtliche Abhandlungen und andere Aufsätze2, S. 119 ff. (271). 303 Ebda. 304 Vgl. Kelsen, Allgemeine Staatslehre, S. 207 ff.

III. Inhaltliche Konkretisierung

71

nung zu prinzipiellen Kategorien.305 Bundesstaat und Staatenbund stellten keine Gegensätze, sondern lediglich unterschiedliche Stufen einer Dezentralisation dar, welche kontinuierlich ineinander übergingen.306 Maßgeblich für den jeweiligen Grad der Zentralisation resp. Dezentralisation sei keine qualitative, sondern eine quantitative Differenz.307 Kelsen steht mit seiner Bundesstaatstheorie den Theorien Schmitts und Smends folglich diametral entgegen. Kelsen erblickt das primäre Unterscheidungsmerkmal in der Kompetenzverteilung in Bezug auf die inneren Angelegenheiten im Bundesstaat. Je mehr Kompetenzen der Zentralinstanz eingeräumt und je größer damit die Rechtsgemeinsamkeiten, desto wahrscheinlicher liege ein Bundesstaat vor.308 Dies zeige sich insbesondere im Bereich des Finanzwesens. Während der Staatenbund keine Möglichkeit habe, Staatsbürger unmittelbar finanziell in Anspruch zu nehmen und mithin auf Matrikularbeiträge der Staaten angewiesen sei, stehe der Zentralgewalt im Bundesstaat diese Kompetenz gerade zu.309 Der Bund könne sowohl unmittelbare Steuergesetze erlassen als auch die konkrete Erhebung der Steuern durch eigene Bundesorgane veranlassen.310 In diesem Fall bedürfe es jedoch einer Aufteilung der Steuerquellen zwischen dem Oberstaat und den Gliedstaaten.311 Wie bereits Hamilton und Waitz stellt auch Kelsen damit eine Aufteilung der Steuerquellen im Bundesstaat in den Vordergrund. Im Vergleich zu den älteren Bundesstaatstheorien geht Kelsen jedoch einen Schritt weiter, indem er erstmals die Möglichkeit eines sekundären Finanzausgleichs vorsieht: Sollten die den Gliedstaaten überlassenen Steuerquellen nicht ausreichen, um deren Ausgaben zu decken, so würden die Gliedstaaten Zuwendungen aus den Mitteln des Oberstaates erhalten – eine Art Umkehrung des Prinzips der Matrikularbeiträge.312 Kelsens Theorie sieht damit eine zweite Stufe des Finanzausgleichs vor, durch welche finanzschwache Gliedstaaten finanzielle Unterstützungsleistungen erhalten können. Der so vorgesehene sekundäre Finanzausgleich, der für eine Korrektur der Ergebnisse der primären Steueraufteilung sorgen soll, ist auf den ersten Blick ausschließlich vertikal  – mithin zwischen dem Oberstaat und den Gliedstaaten  – angelegt. Dieser ersten Bewertung muss hingegen das dreigliedrige Bundesstaatsverständnis Kelsens zugrunde gelegt werden. Der Terminus des Staates erschöpfe sich in der Rechtsganzheit,313 der Rechtsordnung. Auf dieser Grundlage sei im Bundesstaat, als Rechtsordnung mit unterschiedlichen territorialen Geltungsbe 305

Kelsen, Allgemeine Staatslehre, S. 194. Kelsen, Allgemeine Staatslehre, S. 195. 307 Ebda. 308 Kelsen, Allgemeine Staatslehre, S. 207. 309 Kelsen, Allgemeine Staatslehre, S. 215. 310 Ebda. 311 Ebda. 312 Kelsen, Allgemeine Staatslehre, S. 215. 313 Kelsen, Allgemeine Staatslehre, S. 194. 306

72

A. Finanzkraftausgleich und Solidargemeinschaft der Länder 

reichen, grundsätzlich zwischen drei Normkreisen zu differenzieren:314 Der Gesamtverfassung und zwei weiteren Normenkreisen, denen auf Grundlage der Gesamtverfassung jeweils unterschiedliche räumliche Geltungsbereiche zustehen. Der Oberstaat mit räumlicher Geltung für das Gesamtgebiet sowie die Gliedstaaten mit räumlicher Geltung für die jeweiligen Teilgebiete.315 Demnach sei der Oberstaat den Gliedstaaten keineswegs übergeordnet, vielmehr stünden beide Teilordnungen gleichrangig – unter dem Gesamtstaat – nebeneinander.316 Unter der Prämisse, dass zwischen Oberstaat und den Gliedstaaten kein Subordinationsverhältnis besteht, kann sich das Bild eines sekundären Finanzausgleiches mit vertikaler Ausrichtung nicht behaupten. Sind Oberstaat und Gliedstaat gleichgeordnet, so handelt es sich bei den finanziellen Zuschüssen vom Oberstaat an die Gliedstaaten vielmehr um einen horizontalen Finanzausgleich der Gliedstaaten. Die Grundidee eines horizontalen Finanzausgleichs lässt sich mithin in der Bundesstaatstheorie Kelsens wiederfinden. Jedoch stimmt auch der horizontale Finanzausgleich im Sinne Kelsens nicht mit der vom Bundesverfassungsgericht vorgegebenen Grundstruktur einer bundesstaatlichen Solidargemeinschaft überein. Denn wenn Kelsen einen horizontalen Korrekturmechanismus hinsichtlich der primären Finanzverteilung im Bundesstaat vorsieht, so bewirkt dieser gerade finanzielle Zuschüsse aus dem Haushalt des Oberstaates. Die Finanzmittel werden indes nicht  – wie nach Art.  107 Abs.  2 S.  1,  2 GG  – durch die Gliedstaaten aus Eigenem bereitgestellt und an die finanzschwachen Gliedstaaten verteilt. Letztlich liegt beiden Vorstellungen eines horizontalen Finanzausgleichsmechanismus damit eine divergierende Konzeption zugrunde. Einzig aufgrund der organisationsrechtlichen Gleichordnung von Oberstaat und Gliedstaaten gestaltet sich der Länderfinanzausgleich in beiden Varianten horizontal. Die Tatsache, dass der Länderfinanzausgleich nach Kelsen nicht ausschließlich durch die Gliedstaaten bewirkt wird, sondern der Oberstaat hier maßgeblich beteiligt wird, zeigt zugleich, dass dieser Vorstellung gerade keine exklusive Solidargemeinschaft der Länder zugrunde liegen kann. Dem horizontalen Finanzausgleichsmechanismus im Sinne Kelsens lassen sich damit keine Anhaltspunkte für eine Konkretisierung des dem grundgesetzlichen Länderfinanzausgleich potentiell zugrundeliegenden Gedankens einer solidarischen Beziehung ausschließlich zwischen den Gliedstaaten eines Bundesstaates entnehmen.

314

Kelsen, Allgemeine Staatslehre, S. 199. Kelsen, Allgemeine Staatslehre, S. 200. 316 Ebda. Vgl. dazu auch Hesse, Der unitarische Bundesstaat, S. 5. 315

III. Inhaltliche Konkretisierung

73

f) Der unitarische Bundesstaat des Grundgesetzes Konrad Hesse diagnostizierte 1962 der Bundesrepublik Deutschland das Fehlen einer adäquaten Bundesstaatstheorie.317 Die daraufhin angestellten Anstrengungen, den Bundesstaat des Grundgesetzes in seiner Ganzheit318 verständlich zu machen, veranlassten ihn schließlich zu der Feststellung eines Paradigmenwechsels innerhalb der Bundesstaatstheorie des Grundgesetzes hin zu einem unitarischen Bundesstaat.319 Der unitarische Bundesstaat stelle eine neue und eigentümliche Form bundesstaatlicher Gestaltung dar.320 Diese neue Form der Bundesstaatlichkeit sei keineswegs dessen Negierung, sondern zeichne sich vielmehr als wesentliche Ergänzung der demokratischen und rechtsstaatlichen Ordnung des Grund­gesetzes aus.321 Hesse bemüht sich im Rahmen seiner Untersuchung, den Bundesstaat nicht lediglich in seiner formalen Konstruktion zu beschreiben, sondern sein sachliches Wesen zu erfassen.322 Doch auch einer Bundesstaatstheorie zum Grundgesetz fehlt es entgegen der Erwartung an expliziten Reflektionen oder gar Anhaltspunkten für implizite Ableitungen im Hinblick auf den Gedanken einer bundesstaatlichen Solidargemeinschaft der Länder. Die attestierte Akzentverlagerung im Sinne einer Abkehr von der integrierenden Funktion des Bundesstaates323 erschöpft sich in der Feststellung der Bedeutung heutiger Bundesstaatlichkeit für die Gewaltenteilung sowie der inneren Ordnung der Parteien.324 Hesse widmet sich zwar ausführlich dem faktischen Phänomen der Selbstkoordinierung der Länder und dessen Folgerungen für die verbleibenden Möglichkeiten eigener Gestaltung durch die Länder, doch lassen sich hieraus keinerlei Aussagen über die verfassungsrechtlichen Beziehungen der Gliedstaaten untereinander ableiten. Denn Beobachtungen der Verfassungswirklichkeit führen noch nicht zu positiv-rechtlicher Verbindlichkeit und vermögen damit auch nicht die verfassungsrechtlichen Beziehungen der Länder zu determinieren.325 Somit führen auch die vornehmlich auf der Verfassungswirklichkeit 317

Hesse, Der unitarische Bundesstaat, S. 1 ff. Hesse, Der unitarische Bundesstaat, S. 2. 319 Oeter, S. 252. 320 Hesse, Der unitarische Bundesstaat, S. 25. Diese neue bundesstaatliche Form dürfe nach Hesse insbesondere nicht mit einem dezentralisierten Einheitsstaat gleichgesetzt werden. 321 Hesse, Der unitarische Bundesstaat, S. 32; ders., Bundesstaatsreform und Grenzen der Verfassungsänderung, AöR 98 (1973), S. 1 ff. (12 ff.). 322 Vgl. Hesse, Der unitarische Bundesstaat, S. 3 f. Die rein formale Konstruktion kritisiert Hesse an der älteren Bundesstaatslehre Paul Labands, da diese die entscheidenden Fragen unbeantwortet lasse. 323 Hesse, Der unitarische Bundesstaat, S. 26. Auch hier zeigt sich deutlich, wie Hesse die Integrationstheorie Smends als Ausgangspunkt nimmt. Zum Verhältnis Hesses zu seinem akademischen Lehrer Smend ausführlich Oeter, S. 249 ff. 324 Hesse, Der unitarische Bundesstaat, S. 27 ff., 32; Hesse, Bundesstaatsreform und Grenzen der Verfassungsänderung, AöR 98 (1973), S. 1 ff. (12 ff.). Ausführlich hierzu Oeter, S. 257 f. 325 Zur Trennung von Verfassungswirklichkeit und Verfassungsrecht vgl. Hillgruber, Theorie der Verfassungsinterpretation, in: Depenheuer/Grabenwarter (Hrsg.), § 15 Rn. 28 [m. w. N.]. 318

74

A. Finanzkraftausgleich und Solidargemeinschaft der Länder 

basierenden Überlegungen der Bundesstaatstheorie des unitarischen Bundesstaates nicht zu einer Präzisierung der verfassungsrechtlichen Bedeutung einer bundesstaatlichen Solidargemeinschaft der Länder. g) Fazit Im Ergebnis lässt sich festhalten, dass keine der untersuchten Bundesstaatstheorien eine bundesstaatliche Solidargemeinschaft der Länder zum Gegenstand hat oder auch nur die Überlegungen im Hinblick auf mögliche inhaltliche Pflichtenbeziehungen der Gliedstaaten untereinander anstellt. Zwar lassen sich Ansätze finden, die ein möglicherweise solidarisches Verhältnis zwischen dem Bund und den Gliedstaaten andeuten, doch lassen sich hieraus aufgrund der konzeptionellen Differenz letztlich keine Folgerungen für die konkrete Gestalt einer finanziellen Solidaritätsbeziehung allein zwischen den Ländern des Grundgesetzes ableiten. Während die Bundesstaatstheorien des 18. und 19. Jahrhunderts zum amerikanischen Bundesstaat den Fokus auf die formale Aufteilung der Staatsgewalt richteten und infolgedessen zwar das Bedürfnis nach einer Steuerkompetenzverteilung zwischen Oberstaat und Gliedstaaten erkannten, waren die materiellen Beziehungen der Gliedstaaten untereinander von sekundärer Relevanz und wurden letztlich kaum thematisiert. Die ersten interessanten Ansätze in Richtung einer bundesstaatlichen Solidargemeinschaft lassen sich in der Weimarer Zeit in den bundesstaatstheoretischen Überlegungen Schmitts, Smends und Kelsens finden. Sah die Integrationstheorie Smends eine Verpflichtung zu bundesfreundlichem Verhalten vor, welche auf eine Solidargemeinschaft hätte hindeuten können, so war diese auf die Beziehung zwischen dem Gesamtstaat und den Gliedstaaten, mithin auf die Vertikale gerichtet. Das prägende horizontale Element einer gliedstaatlichen Solidarbeziehung fehlt hier folglich. Schmitt untersuchte hingegen auch die horizontale Ebene der Gliedstaaten, indem er sowohl formale als auch inhaltliche Voraussetzungen an das Verhältnis der Gliedstaaten zueinander stellte, doch sieht auch die Bundestheorie Schmitts, abgesehen von der bereits geäußerten Kritik, keinerlei finanzielle Beistandspflichten der Gliedstaaten untereinander vor. Kelsen erkannte zwar die Möglichkeit eines horizontalen Finanzausgleichs der Gliedstaaten, doch aufgrund der Dreigliedrigkeit seines Bundesstaatsmodells war auch ihm der Gedanke einer finanziellen Solidargemeinschaft ausschließlich der Gliedstaaten untereinander unbekannt. Die neueren Bundesstaatstheorien rücken den wissenschaftlichen Fokus zwar verstärkt ab von einer formalen Kompetenzverteilung und blicken somit auch auf inhaltliche Beziehungen im Bundesstaat, doch führen auch diese nicht zu einer inhaltlichen Konkretisierung des Gedankens einer bundesstaatlichen Solidargemeinschaft der Länder, welche sich in einem finanziellen Ausgleichmechanismus manifestiert.

III. Inhaltliche Konkretisierung

75

Letztlich vermag selbst die das Grundgesetz reflektierende Theorie des unitarischen Bundesstaates keinerlei Antwort auf die Frage nach der inhaltlichen Gestaltung einer bundesstaatlichen Solidargemeinschaft vorzuhalten. So legt Hesse zwar einen verstärkten Fokus auf die Beziehungen der Länder untereinander, doch basieren seine Überlegungen überwiegend auf Beobachtungen der Verfassungswirklichkeit, nicht hingegen auf der Reflektion des positiven Verfassungsrechts. Damit lässt sich auch mittels der Theorie des unitarischen Bundesstaates keine Präzisierung bewirken. Da sich eine inhaltliche Präzisierung der Figur der bundesstaatlichen Solidargemeinschaft mittels eines Rekurses auf die untersuchten Bundesstaatstheorien mithin nicht erreichen lässt, wird in einem nächsten Schritt eine terminologische Untersuchung vorzunehmen sein, welche sich zunächst der Bedeutung des Solidaritätsbegriffs zuwendet. Die Ergebnisse der begrifflichen Analyse sollen darauf folgend mit der bundesstaatlichen Ordnungsidee des Grundgesetzes verknüpft werden, so dass die Umrisse des Auslegungsmaßstabes der bundesstaatlichen Solidargemeinschaft der Länder erkennbar werden. Denn das bundesstaatliche Solidaritätsgebot erweist sich nur dann rechtswissenschaftlich operabel, sofern dieses einen hinreichend determinierten Inhalt hat. Andernfalls bliebe die bundesstaatliche Solidargemeinschaft so abstrakt, dass sich mit dem Rekurs auf sie ein jedes beliebige politische Resultat erzielen ließe. Allein unter dieser Voraussetzung ließe sich aus dem Solidaritätsgebot potentiell ein Mehrwert für die verfassungsdogmatische Diskussion des horizontalen Länderfinanzausgleichs nach Art. 107 Abs. 2 S. 1, 2 GG ableiten. 2. Eine rechtswissenschaftliche Deutung des Solidaritätsbegriffs a) Die Problematik „‚Solidarität‘ hat Konjunktur. Das Wort ist in aller Munde, […]“.326

Dieses Zitat von Erhard Denninger ist zwar nunmehr bereits 20 Jahre alt, doch trifft seine Aussage noch heute zu.327 Vielleicht sogar mehr denn je. Nicht nur ist „Solidarität“ Forschungsgegenstand unterschiedlicher wissenschaftlicher Disziplinen, es sind zudem Politik und Medien, die sich des Solidaritätsbegriffes ausgiebig bedienen.328 Augenfällig ist dabei, dass das zugrundeliegende Verständnis 326

Denninger, Verfassungsrecht und Solidarität, KritV 78 (1995), S. 7 ff. (7). Schaut man allein auf die Berichterstattung in der Tagespresse, so erscheint der Begriff der Solidarität kaum mehr wegzudenken. Vgl. etwa Müller, Integration durch Solidarität, FAZ vom 15.05.2012, S. 10; Hank, Das Drama der Solidarität, FAS vom 12.06.2011, S. 33; Schenken­becher, Selbstwert durch Solidarität, FAS vom 18.01.2015, S. 53; Kirchner, Flucht aus der Solidarität, SZ vom 22.07.2015, S. 4. 328 Bayertz, Vorwort, in: ders. (Hrsg.), Solidarität, S. 9 f. (9); Depenheuer, Solidarität im Verfassungsstaat, S. 14; Isensee, Nachwort, in: ders. (Hrsg.), Solidarität in Knappheit, S. 97 ff. (97 f.). 327

76

A. Finanzkraftausgleich und Solidargemeinschaft der Länder 

von „Solidarität“ hingegen nur selten präzisiert wird.329 Verwendet wird der Begriff oftmals mehr als moralischer Appell,330 denn als inhaltlich klar determiniertes Programm. So bleiben die entscheidenden und zugleich interessantesten Fragen meist unbeantwortet: Ist Solidarität altruistisch oder utilitaristisch motiviert? Setzt sie eine hierarchische Beziehung zwischen den Beteiligten voraus? Oder will sie eine solche gerade überwinden? In welcher Form zeigt sich Solidarität? Als immaterieller Beistand oder Zuweisung materieller Güter? Handelt es sich um spezifisch begrenzte Hilfsleistungen, die eine konkrete Not lindern sollen, oder etwa um einen allgemeinen materiellen Umverteilungsmechanismus? Wie bereits angedeutet ist „Solidarität“ nicht nur terminologischer Spielball der Tagespolitik und der medialen Berichterstattung, sondern auch Gegenstand unterschiedlichster wissenschaftlicher Disziplinen, im Besonderen der politischen Philosophie, der Soziologie, der katholischen Soziallehre sowie der Geschichts- und Rechtswissenschaften. In Bezug auf die Wissenschaft offenbart der Begriff eine differierende Problematik. So mangelt es hier weniger an theoretischer Reflexion und inhaltlicher Präzision, vielmehr erscheint der Solidaritätsbegriff als Homonym verschiedener wissenschaftlicher Disziplinen und ihrer Kontexte. „Die Bedeutung von „Solidarität“ changiert und passt sich dem jeweiligen Kontext an.“331

Seinen Ursprung findet der Solidaritätsbegriff als obligatio in solidum im Römischen Recht332 und stellt sich hier als eine zivilrechtliche Gläubiger- oder Schuldnermehrheit dar,333 im Rahmen derer ein Gläubiger die volle Leistung – in solidum  – von jedem Mitglied einer Schuldnergemeinschaft fordern resp. jedes Mitglied einer Gläubigergemeinschaft die gesamte Forderung beim Schuldner geltend machen kann.334 Die Bedeutung des Zusatzes „in solidum“ beschränkt sich in diesem Kontext lediglich auf eine Haftung auf das Ganze. Die Gesamtschuldner haften damit nicht proportional auf je einen Teil, sondern jeder auf die gesamte Schuld. Die römisch-rechtliche obligatio in solidum umschreibt indes kein in sich geschlossenes Rechtsinstitut, sondern vielmehr ein formales Lösungskonstrukt 329

Vgl. Bayertz, Die Solidarität und die Schwierigkeit ihrer Begründung, Rechtsphilosophische Hefte IV, S. 9 ff. (9). Ähnlich auch Jaeger, Die Reform der gesetzlichen Sozialversicherung im Spiegel der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, NZS 2003, S. 225 ff. (227). 330 Vgl. Bayertz, Die Solidarität und die Schwierigkeit ihrer Begründung, Rechtsphilosophische Hefte IV, S. 9 ff. (9). Solidarität wurde innerhalb der letzten Jahre auch zum „catch-word“ für Ad-hoc-Rettungsmaßnahmen im Rahmen der europäischen Finanzkrise, vgl. Kirste/u. a., Introduction, AVR 52 (2014), S. 1 ff. (2). Vgl. auch Schlegel, Solidarität, in: Hohmann-­Dennhardt/ Masuch/Villiger (Hrsg.), Grundrechte und Solidarität, S. 331 ff. (331). 331 Isensee, Nachwort, in: ders. (Hrsg.), Solidarität in Knappheit, S. 97 ff. (98). Ähnlich auch Sommermann, Some Reflections, AVR 52 (2014), S. 10 ff. (10): „It is a widespread idea with quite different facets“. 332 Vgl. u. a. Brunkhorst, S. 10; Isensee, Nachwort, in: ders. (Hrsg.), Solidarität in Knappheit, S. 97 ff. (97); Metz, Solidarität und Geschichte. Institutionen und sozialer Begriff der Solidarität in Westeuropa im 19. Jahrhundert, in: Bayertz (Hrsg.), Solidarität, S. 172 ff. (172). 333 Vgl. Kaser/Knütel, Römisches Privatrecht20, § 56 Rn. 4. 334 Vgl. ebda.; Sacconi, S. 1 ff.

III. Inhaltliche Konkretisierung

77

für den rechtlichen Umgang mit Schuldner- oder Gläubigermehrheiten.335 Im Vordergrund steht hierbei letztlich die gemeinsame Verpflichtung Mehrerer auf die je vollständige Begleichung der Schuld eines Einzelnen.336 Die Politisierung und Moralisierung des traditionell juristischen Solidaritäts­ begriffs hin zu einem Gedanken des Zusammenhalts unter Gleichen beginnt erst mit Ausbruch der Französischen Revolution.337 „Solidarität“ wurde radikal um­ interpretiert und aus dem Kontext einer juristischen Haftungsgemeinschaft in den der Gesellschaft gestellt.338 Als gesellschaftliches Phänomen wurde Solidarität so zu einem primären Forschungsschwerpunkt der Soziologie. Emile Durkheim befasste sich als einer der ersten Gesellschaftswissenschaftler 1893 mit der sozialen Solidarität und beschrieb diese als eine durch und durch moralische Erscheinung,339 welche das oberste Prinzip der Sozialordnung darstelle.340 Diese sei das entscheidende, interpersonale Bindeglied einer jeden Gesellschaft.341 Durkheim differenziert dabei zwischen organischer, die sich der Arbeitsteilung verdankt, und mechanischer, aus Ähnlichkeiten abgeleiteter, Solidarität,342 welche für verschiedene Typen von Gesellschaften stehen soll.343 Dieser gesellschaftlich-moralische Solidaritätsbegriff beschreibt die Anerkennung einer wechselseitigen Abhängigkeit der einzelnen Individuen einer hochgradig arbeitsteiligen Gesellschaft344 und damit zugleich die Notwendigkeit seiner Existenz für die Entwicklung einer Gesellschaft. Solidarität, als das die Gesellschaft einigende Band, existiert demgemäß unmittelbar zwischen den einzelnen Mitgliedern der Gesellschaft, mithin horizontal, und wird nicht erst hierarchisch vermittelt.345 Eine weitere Politisierung erfährt der Solidaritätsbegriff als Vehikel zur Lösung der sozialen Frage346 infolge der Arbeiterbewegung des 19. Jahrhunderts. „Solida 335

Steiner, S. 1 f. Wobei der konkrete Umgang mit diesem Lösungskonstrukt bis heute nicht abschließend rekonstruiert werden konnte. 336 Vgl. Depenheuer, Solidarität und Freiheit, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR3 IX, § 194 Rn. 12 „kollektive genossenschaftliche Verantwortung für die Schuld eines einzelnen“. 337 Metz, Solidarität und Geschichte. Institutionen und sozialer Begriff der Solidarität in Westeuropa im 19. Jahrhundert, in: Bayertz (Hrsg.), Solidarität, S. 172 ff. (172 f.); Brunkhorst, S. 9. 338 Brunkhorst, S. 85. 339 Durkheim, S. 111; Luhmann, Arbeitsteilung und Moral, in: Durkheim, Über soziale Arbeitsteilung2, S. 19 ff. (24). 340 Grimm, Solidarität als Rechtsprinzip, S. 40. 341 Luhmann, Arbeitsteilung und Moral, in: Durkheim, Über soziale Arbeitsteilung2, S. 19 ff. (29). 342 Vgl. Durkheim, S. 156, 182 f. 343 Vgl. Durkheim, S. 181 ff. 344 Metz, Solidarität und Geschichte, in: Bayertz (Hrsg.), Solidarität, S. 172 ff. (179). 345 Gleichwohl das Studium der Solidarität, als sozialer Tatsache, nach Durkheim ausschließlich soziologisch betrieben werden könne, sei diese erst in den Ausprägungen des Rechts sichtbar und einer wissenschaftlichen Analyse zugänglich. Vgl. Durkheim, S. 112 ff. Vgl. hierzu auch Grimm, Solidarität als Rechtsprinzip, S. 40; kritisch Volkmann, Solidarität, S. 53, 55 f. 346 Schmelter, S. 29.

78

A. Finanzkraftausgleich und Solidargemeinschaft der Länder 

rität“ steht hier sowohl für eine Lebensform wie auch ein politisches Programm,347 für kämpferisches Gruppenbewusstsein sowie zugleich für eine Form sozialer Beziehung.348 Im Mittelpunkt der Arbeiterbewegung stand die gemeinsame Losung „Einer für alle und alle für einen“.349 Das Solidaritätsverständnis wird in diesem Kontext maßgebend geprägt durch eine kollektive Interessenlage, bei wechselseitiger Abhängigkeit und gemeinsamen Ziel.350 Eine demgegenüber gegenläufige Konzeption des Solidaritätsverständnisses findet sich in der katholischen Soziallehre, der Gesellschaftswissenschaft der katholischen Kirche. Der Wissenschaftler Gustav Gundlach351 beschreibt das Soli­ daritätsprinzip, ähnlich wie auch Durkheim,352 als inneres Aufbauprinzip der Gesellschaft.353 Die im Kern des Solidaritätsprinzips enthaltene Solidarität unterscheide sich allerdings grundlegend von allen sonstigen Solidaritätsverständnissen, welche allesamt keine Strukturprinzipien der Gesellschaft zeichneten.354 Das Solidaritätsprinzip müsse als formaler Seinsgrund gesellschaftlicher Verbundenheit verstanden werden,355 dessen innere Struktur ihr ontologisches Fundament im Wesen des Menschen als Geistperson  – als Bild Gottes  – selbst habe356 und daher nicht im Sinne einer utilitaristischen Gesellschaftsauffassung interpretiert werden dürfe.357 Eine solidarische Gemeinhaftung sei allein aufgrund des­ Seinsprinzips der inneren Verbundenheit der Individuen erforderlich.358 Das Solidaritätsverständnis der katholischen Soziallehre ist folglich rein ontologisch begründet und beruht nicht auf der freien Entscheidung von Individuen.359 347

Volkmann, Solidarität, S. 138. Wildt, Begriffs- und Ideengeschichte, Rechtsphilosophische Hefte IV, S. 37 ff. (42). 349 Vgl. Volkmann, Grundrechte und Sozialismus, in: Merten/Papier (Hrsg.), HGR I, § 12 Rn. 11. 350 Vgl. Depenheuer, Solidarität und Freiheit, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR3 IX, § 194 Rn. 12. Vgl. auch Bayertz, Die Solidarität und die Schwierigkeit ihrer Begründung, Rechtsphilosophische Hefte IV, S. 9 ff. (12). 351 Schmelter, S. 140. Gundlachs Solidaritätsprinzip basiert auf dem System des Solidarismus, welches um 1900 von Heinrich Pesch begründet wurde. 352 Vgl. Luhmann, Arbeitsteilung und Moral, in: Durkheim, Über soziale Arbeitsteilung, S. 19 ff. (29). 353 Vgl. Gundlach, S. 164. Vgl. hierzu Heinze, Solidarität im System der sozialen Gerechtigkeit, in: Isensee (Hrsg.), Solidarität in Knappheit, S. 67 ff. (68 f.). 354 Vgl. Gundlach, S. 164 f. 355 Gundlach, S. 166. Vgl. hierzu auch Schwarte, Die Auseinandersetzung mit dem Sozialismus bei Gustav Gundlach, JCSW 16 (1975), S. 83 ff. (87 f.). Die Prämisse einer seinsmäßigen Verbundenheit der Gesellschaft erinnert freilich an die Homogenitätsthese Schmitts, siehe A. III. 1. c). 356 Gundlach, S. 166. 357 Gundlach, S. 76. 358 Schmelter, S. 132; Gundlach, S. 166. 359 Wobei angemerkt sei, dass sich Gundlach deutlich von einem „religiösen Sozialismus“ abgegrenzt hat, da dieser den Menschen in seiner Individualität nicht miteinschließe. Vgl. Schwarte, Die Auseinandersetzung mit dem Sozialismus bei Gundlach, JCSW  16 (1975), S. 83 ff. (87 f.). So sei nach Gundlach die Voraussetzung des Solidaritätsprinzips zugleich das Subsidiaritätsprinzip, wodurch sich dieses dem Kollektivismus gerade entgegenstellt, vgl. 348

III. Inhaltliche Konkretisierung

79

Anhand dieser kurzen, bewusst nur oberflächlich gehaltenen Skizzierung verschiedener wissenschaftlicher Ansätze zeigt sich deutlich, dass eine disziplinübergreifende Bestimmung des Solidaritätsbegriffes nicht möglich erscheint, da sich kein kongruentes Verständnis nachweisen lässt. Wechselt die Disziplin, wechselt zugleich der Tenor.360 Aufgrund der starken inhaltlichen Varianz soll der Fokus daher primär auf ein rechtswissenschaftliches Begriffsverständnis mit seinen Kriterien der Normativität sowie der Positivität gelegt werden, sofern ein solches existiert. b) Solidarität als Rechtsbegriff Die Frage, die sich zunächst stellt, ist die, ob es dem Grund nach möglich ist, „Solidarität“ zumindest auch als Rechtsbegriff zu erfassen oder ob sich der Begriff hingegen nicht von einem vorrechtlichen, politischen oder moralischen Kontext lösen lässt. Denn geht man davon aus, dass Gegenstand der Rechtswissenschaft nur Rechtsnormen, deren Inhalt oder durch diese bestimmte Rechtsverhältnisse sein können,361 ist die Zuordnung des Solidaritätsbegriffs zur Rechtsordnung essentielle Voraussetzung für die weitere rechtswissenschaftliche Untersuchung des Begriffs. „Gleich welche Mega-, Hyper-, Superwerte in Rede stehen: zu juristisch relevanter Materie werden sie erst, sobald sie durch juristische Anstrengungen zu Rechtsmaterial verarbeitet sind.“362

Nicht wenige Rechtswissenschaftler ordnen den Solidaritätsbegriff der Kategorie des Moralischen oder Sozialethischen zu. So versteht beispielsweise Denninger Solidarität als ausschließlich ethisches Postulat,363 welches in einem fundamentalen Widerspruch zur Rechtspflicht stehe.364 Sowohl Motivation als auch inhaltliche Begrenzbarkeit der beiden Sphären divergierten in erheblichem Maße.365 Solidarität könne seiner Untersuchung entsprechend unmöglich Rechtspflicht sein. Heinze, Solidarität im System der sozialen Gerechtigkeit, in: Isensee (Hrsg.), Solidarität in Knappheit, S. 67 ff. (70 f.). Vgl. hierzu auch Isensee, Nachwort, in: ders. (Hrsg.), Solidarität in Knappheit, S. 97 ff. (115 f.). 360 Vgl. zum Begriff des Rechts Luhmann, Das Recht der Gesellschaft, S. 14. Von der Existenz eines festen Begriffskerns geht hingegen Depenheuer aus, vgl. Depenheuer, Solidarität und Freiheit, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR3 IX, § 194 Rn. 13. Dieser soll ein „wechselseitiges Einstehen aus spezifischer Verbundenheit im Rahmen einer Personengesamtheit“ ausdrücken. Dagegen ist jedoch einzuwenden, dass dieser Begriffskern schon nicht mit dem Solidaritätsverständnis der katholischen Soziallehre übereinstimmt, welche beispielsweise in der Wechselseitigkeit gerade kein konstitutives Element von Solidarität erblickt. Vgl. auch B ­ ayertz, Die Solidarität und die Schwierigkeit ihrer Begründung, Rechtsphilosophische Hefte IV, S. 9 ff. (12 f.). 361 Vgl. Kelsen, Reine Rechtslehre2, S. 72; Jestaedt, Die Verfassung hinter der Verfassung, S. 22 f. 362 Lahusen, S. 56. 363 Vgl. Denninger, Verfassungsrecht und Solidarität, KritV 78 (1995), S. 7 ff. (8 f.). 364 Denninger, Verfassungsrecht und Solidarität, KritV 78 (1995), S. 7 ff. (21). 365 Vgl. ebda.

80

A. Finanzkraftausgleich und Solidargemeinschaft der Länder  „Handeln aus Solidarität und Handeln aus Rechtspflicht sind nach Motivation und inhaltlicher Begrenzung so verschieden wie Feuer und Wasser. […] Eine ‚Zwangssolidarität‘ (U. K. Preuß) ist hölzernes Eisen.“366

Denninger ordnet das Phänomen der Solidarität damit eindeutig dem Normkreis der Moral zu, wobei er von einer strukturellen und unüberwindbaren Differenz zwischen den Normen des Rechts und denen der Moral ausgeht, weshalb er folgerichtig den Solidaritätsbegriff dem Rechtskreis insgesamt entzieht. Kritisch ist indes die ausschließliche Fokussierung auf soziologische und gesellschaftsphilosophische Untersuchungsansätze zu bewerten,367 auf deren Grundlage letztlich die Unvereinbarkeit von Recht und Solidarität gefolgert wird. Es wird nicht versucht, einen rechtswissenschaftlichen Bedeutungsinhalt des Solidaritätsbegriffs zu erfassen. So kann es denn auch nicht verwundern, dass „Solidarität“ im soziologischphilosophischen Verständnis einer potentiell unbegrenzten und unerfüllbaren Pflicht zu positivem Tun368 in einen nicht zu überwindenden, disziplinarisch bedingten Widerspruch zur positiven Rechtsordnung gelangt. Die Frage nach der bloßen Möglichkeit, Solidarität auch als rechtswissenschaftliches Phänomen betrachten und mithin auch untersuchen zu können, lässt sich anhand eines Blickes auf die verschiedenen Ebenen der Rechtsordnung beantworten und damit auch die These einer strukturellen Unvereinbarkeit von Recht und Solidarität widerlegen. Auf internationaler369 und im Besonderen auf europäischer Ebene ist „Solidarität“ bereits seit längerem etabliertes Rechtsprinzip.370 Seit der damalige französische Außenminister Robert Schuman das Erfordernis einer „solidarité de fait“ erklärte,371 lässt sich die Aufforderung zu solidarischem Verhalten der Vertragsstaaten untereinander in den zentralen europäischen Verträgen wiederfinden.372 Die Judikatur hat das europäische Solidaritätsprinzip längst aufgenommen und spricht seit 1973 von einer konkreten Pflicht zur Solidarität zwischen den Mitgliedstaaten.373 Als allgemeines Rechtsprinzip dient es auf europäischer Ebene

366

Denninger, Verfassungsrecht und Solidarität, KritV 78 (1995), S. 7 ff. (21). Vgl. Denninger, Verfassungsrecht und Solidarität, KritV 78 (1995), S. 7 ff. (10 ff.). 368 Denninger, Verfassungsrecht und Solidarität, KritV 78 (1995), S. 7 ff. (21). 369 Zum Rechtsbegriff der „internationalen Solidarität“ vgl. Sauer, S. 116 ff. 370 Vgl. Sommermann, Some Reflections, AVR  52 (2014), S.  10 ff. (19 ff., 23); Kotzur/ Schmalen­bach, Solidarity Among Nations, AVR  52 (2014), S.  68 ff. (72 ff.). So zu verstehen auch Bieber, Solidarität als Verfassungsprinzip der Europäischen Union, in: Bogdandy/­ Kadelbach (Hrsg.), Solidarität und Europäische Integration, S. 41 ff. (43, 48). 371 Robert Schuman, Deklaration vom 09.05.1950. 372 So beispielsweise in den Präambeln des Vertrages der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS), des Vertrages zur Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) sowie des Maastricht-Vertrages. Später auch im Vertragstext selbst, vgl. Art.  2 EUV. Vgl. hierzu Bieber, Solidarität als Verfassungsprinzip der Europäischen Union, in: Bogdandy/­ Kadelbach (Hrsg.), Solidarität und Europäische Integration, S. 41 ff. (43 f.). 373 Vgl. EuGH, Urteil vom 07.02.1973, C-39/72, Rn. 25. 367

III. Inhaltliche Konkretisierung

81

primär der Auslegung und Lückenfüllung der europäischen Verträge, kann aber auch herangezogen werden, um etwaige Verstöße gegen Unionsrecht festzustellen.374 Das europäische Prinzip der Solidarität statuiert damit konkrete Rechte und Pflichten und normiert mithin juridisches Sollen, nach welchem die einzelnen Vertragsstaaten ihr Handeln auszurichten haben. Auf nationaler, einfach-gesetzlicher Ebene stößt man ebenfalls auf einen rechtlichen Solidaritätsbegriff, so beispielsweise im Kontext des Arbeits-375 und Steuerrechts376 sowie insbesondere der gesetzlichen Krankenversicherung, welche in § 1 Satz 1 SGB V sogar expressis verbis als Solidargemeinschaft bezeichnet wird. Das Solidaritätsprinzip, das in der Sozialversicherung einen spezifischen Sinngehalt aufweise und dem entscheidend eine Gruppendefinition vorausliegt377, diene als einfachrechtliche Konkretisierung des Sozialstaatsgebots.378 Nun lassen sich die Erkenntnisse hinsichtlich der internationalen oder der einfach-gesetzlichen Solidaritätsnorm nicht ohne weiteres auf einen verfassungsspezifischen Solidaritätsbegriff übertragen.379 Zwischen den verschiedenen Ebenen der Rechtsordnung ist aufmerksam zu differenzieren. Das Erfordernis, zwischen den verschiedenen Ebenen zu unterscheiden, ergibt sich in Bezug auf den Solidaritätsbegriff bereits aus den divergierenden Bezugspunkten und Zielen. So steht der spezifische Sinngehalt der einfachgesetzlichen Solidarnorm der Sozialversiche­ rung, welches insbesondere die finanziellen Beitragspflichten der versicherungspflichtigen Bürger untereinander im Sinne des Sozialstaatsprinzips gestaltet, einer pauschalen Übertragung auf den Auslegungsmaßstab der bundesstaatlichen Solidargemeinschaft im Kontext des horizontalen Länderfinanzausgleichs deutlich entgegen. Soll hier eine soziale Gemeinschaftsverpflichtung der Bürger unter­ einan­der realisiert werden, liegt dort das Gewicht auf dem Bundesstaatsprinzip, welches das Verhältnis der Bundesländer untereinander sowie zum Bund bestimmt. Die einfachgesetzliche Solidarnorm liegt damit quer zur bundesstaatlichen Ordnung und erfasst nur einen Teil der Staatsbürger. Es unterscheiden sich sowohl die Bezugspunkte als auch die Zielvorstellungen. Auf europäischer oder internationaler Ebene sind die Bezugspunkte des Solidaritätsbegriffs zwar ebenso Staaten, hier zeigt sich folglich eine Parallele, doch wird Solidarität auch auf internationaler Ebene primär durch den sozialen Aspekt und nicht durch ein bundesstaatliches Verhältnis geprägt. So mögen sich zwar elementare Übereinstimmungen 374

Bieber, Solidarität als Verfassungsprinzip der Europäischen Union, in: Bogdandy/Kadelbach (Hrsg.), Solidarität und Europäische Integration, S. 41 ff. (48). 375 Vgl. hierzu Völker, passim. 376 Beispielsweise der Solidaritätszuschlag zur Einkommen- und Körperschaftssteuer auf Grundlage des Solidaritätszuschlagsgesetzes (SolG) vom 24.06.1991, BGBl. I 1991, S. 1318. 377 Vgl. Heinze, Solidarität im System der sozialen Gerechtigkeit, in: Isensee (Hrsg.), Solidarität in Knappheit, S. 67 ff. (76). 378 Schlegel, Solidarität, in: Hohmann-Dennhardt/Masuch/Villiger (Hrsg.), Grundrechte und Solidarität, S. 331 ff. (336). 379 Ähnlich auch Volkmann, Solidarität, S. 409.

82

A. Finanzkraftausgleich und Solidargemeinschaft der Länder 

finden lassen, doch ist auch zwischen nationaler und internationaler Solidarität zu differenzieren.380 Anhand der völker- und europarechtlichen als auch der einfach-gesetzlichen Ebene wird deutlich, dass der Solidaritätsbegriff potentiell Bestandteil des nationalen Verfassungsrechts sein kann. Solidarität ist damit nicht ausschließlich dem Normkreis des Moralischen oder der Sphäre des Politischen verhaftet, sondern kann als Rechtsbegriff zugleich auf der Ebene des Verfassungsrechts fungieren. Ob und inwiefern „Solidarität“ verfassungsspezifische Rechtswirkungen entfaltet, wird im Folgenden zu untersuchen sein. c) Solidarität auf Verfassungsebene Bevor ein etwaiger rechtlicher Inhalt diskutiert werden kann, ist zunächst zu klären, wie sich das Verhältnis zwischen Solidarität und Verfassungsrecht konkret ausgestaltet: Ob Solidarität als verfassungsspezifische Rechtsnorm fungiert oder ob sie auf dieser Ebene ausschließlich als moralisches, vorrechtliches Postulat oder gar faktischer Zustand begriffen werden muss? aa) Faktischer Zustand Der französische Rechtswissenschaftler Léon Duguit beschäftigte sich bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts, die Forschung des Soziologen Durkheims aufgreifend,381 mit dem Phänomen der Solidarität382 und erhebt diesen zunächst sozialphilosophischen Begriff zur konstitutiven Grundlage der objektiven Rechtsordnung.383 Die solidarité sociale hält für Duguit die Antwort auf die Frage vor, wie sich der Mensch, der nicht nur als individuelles, sondern zugleich als soziales Wesen verstanden werden müsse,384 als Teil einer sozialen Gemeinschaft zu verhalten habe, auf dass sich diese bewahre und fortentwickle.385 Diese solidarité sociale bestehe aus zwei Elementen: einer mechanischen Solidarität, welche der Ver 380

Vgl. ähnlich Bieber, Solidarität als Verfassungsprinzip der Europäischen Union, in:­ Bogdandy/Kadelbach (Hrsg.), Solidarität und Europäische Integration, S. 41 ff. (46). 381 Duguit übernimmt in großen Teilen Durkheims Differenzierung zwischen mechanischer und organischer Solidarität, welche gemeinsam die solidarité sociale bilden. Vgl. Duguit, Traité de droit constitutionnel2 I, S. 22 f. 382 Duguit, Traité de droit constitutionnel2 I, S. 22 „Ici apparait le grand fait de la solidarité ou interdépendance sociale“. 383 Vgl. Grimm, Solidarität als Rechtsprinzip, S. 38 ff. Ähnlich auch Sommermann, Some Reflections, AVR 52 (2014), S. 10 ff. (13 f.). 384 Duguit, Traité de droit constitutionnel2  I, S.  21 f. Ähnlich geht auch Böckenförde von einer Gemeinschaftsgebundenheit des menschlichen Lebens aus, vgl. Böckenförde, Staat Nation Europa, S. 236. 385 Duguit, Traité de droit constitutionnel2 I, S. 22.

III. Inhaltliche Konkretisierung

83

wirklichung gemeinsamer Bedürfnisse diene, sowie einer organischen Solidarität, welche individuelle Bedürfnisse mittels Arbeitsteilung befriedige, wobei eine individuelle Autonomie des Einzelnen essenzielle Bedingung sei.386 Die solidarité oder interdépendance sociale387 stelle das grundlegende Prinzip der norme sociale dar.388 Dabei umfasse die norme sociale selbst nicht nur ökonomische und moralische Normen, sondern zugleich Rechtsnormen.389 Sie stellt sich mithin als Oberbegriff für das gesamte gesollte Verhalten innerhalb zwischenmenschlicher Beziehungen dar. Die solidarité als Fundament der norme sociale sei selbst jedoch nicht normativ,390 sondern als rein empirisch zu erfassendes und unveränderliches Faktum einer jeden sozialen Gemeinschaft zu verstehen: „Le fait de la solidarité sociale n’est pas contesté et à vrai dire ne peut pas l’être: il est un fait d’observation […] la solidarité est un fait permanent, […] l’élément constitutif irréductible de tout groupement social.“391

Das faktische Phänomen der solidarité bilde folglich das grundlegende Prinzip der verbindlichen norme sociale und damit auch der Rechtsnormen in ihrer Gesamtheit als Rechtsordnung.392 Aufgrund dieser Faktizität lässt sich Solidarität zu dem Maßstab erheben, anhand dessen sich die Rechtsordnung zu orientieren habe sowie beurteilt werden kann und soll. Die Rechtsordnung dient damit ausschließlich der Gewährleistung der solidarité sociale, welche gleichsam alternativlos wird.393 Letztlich werden menschliche Handlungen rechtlich gesollt, die dem faktischen Sein der Solidarität entsprechen.394 Aus dem konkreten Sein wird ein abstraktes Sollen abgeleitet.395 Denn ist Solidarität als faktisches Sein die entscheidende Grundlage der normativ gesollten Rechtsordnung, so wird die Frage nach dem Geltungsgrund der Norm mit dem Fakt der Solidarität beantwortet. In der Konsequenz würde der Gegenstand der Rechtswissenschaft nicht an Normen, sondern an Seinstatsachen ausgerichtet, welchen diese entsprechen müssten.396 Normen stünden folglich in einer Geltungskontinuität zum Sein, wodurch das Recht als solches kein autonomes und von äußeren Einflüssen unabhängiges System397 mehr konstituieren könnte. 386

Duguit, Traité de droit constitutionnel2 I, S. 23. Solidarität erscheint nach der Darstellung Duguits als Synonym für eine soziale Abhängigkeit, vgl. Duguit, Traité de droit constitutionnel2 I, S. 22. 388 Vgl. Duguit, Traité de droit constitutionnel2 I, S. 24. 389 Duguit, Traité de droit constitutionnel2 I, S. 26. 390 Wie Durkheim, der Solidarität als ausschließlich moralischen Begriff versteht. Vgl. Durkheim, S. 111. Vgl. hierzu auch Volkmann, Solidarität, S. 54. 391 Duguit, Traité de droit constitutionnel2 I, S. 23. 392 Vgl. Duguit, Traité de droit constitutionnel2 III, S. 595. 393 Vgl. Volkmann, Solidarität, S. 56. 394 Vgl. Duguit, L’État, S. 86 f.; vgl. Grimm, Solidarität als Rechtsprinzip, S. 41 f. 395 Vgl. Grimm, Solidarität als Rechtsprinzip, S. 42. 396 Lepsius, Die gegensatzaufhebende Begriffsbildung, S. 377. 397 Vgl. Kelsen, Das Problem der Souveränität und die Theorie des Völkerrechts2, Vorrede zur 1. Aufl. (1920), S. VII. 387

84

A. Finanzkraftausgleich und Solidargemeinschaft der Länder 

Geht man indes davon aus, dass Sollen nur von einem anderen Sollen abgeleitet werden kann und dass zwischen Sein und Sollen ein „unversöhnlicher Dualismus“398 besteht, so ist der Ansatz Duguits methodisch nicht haltbar.399 „Der Geltungsgrund einer Norm kann nur die Geltung einer anderen Norm sein.“400

Dem Grunde nach handelt es sich um eine Variante der Naturrechtslehre.401 Rechtswissenschaft als Normwissenschaft verstanden hat ihren Erkenntnisgegenstand hingegen zwingend und ausschließlich auf die Normen des geltenden Rechts auszurichten.402 Die Erkenntnis möglicher Seinstatsachen und präexistenter Normen überlässt sie anderen wissenschaftlichen Disziplinen. bb) Vorrechtliches Phänomen Solidarität wird derweilen auch als der Verfassung vorausliegend403 oder vorrechtlich charakterisiert404. Ein solches Verständnis von Solidarität lässt sich u. a. bei Otto Depenheuer finden. Nach diesem Ansatz ergebe sich aus dem solidarischen Verteilungsprinzip ein originärer Anspruch auf Teilhabe an den Gütern der Gemeinschaft im Sinne einer Umverteilung.405 Dem solidarischen Verteilungsprinzip komme somit eine legitimationsstiftende Schlüsselfunktion zur Rechtfertigung von Umverteilung zu.406 Wird jedoch der moderne Staat seinsgesetzlich als Umverteilung verstanden407 und fungiert Solidarität als Schlüsselbegriff für die Rechtfertigung von Umverteilung, so ist daraus zu folgern, dass Solidarität als Legitimationsfigur nicht nur im 398

Vgl. Kelsen, Allgemeine Staatslehre, S. 34. Trotz dieses Methodensynkretismus sind die Ansätze Duguits und Durkheims im Übrigen jedoch inhaltlich weiterhin von Bedeutung, wird ihnen doch ein entscheidender Einfluss auf die Entwicklung des Solidaritätsgedankens im Kontext der Europäischen Integration zugeschrieben. Vgl. Sommermann, Some Reflections, AVR 52 (2014), S. 10 ff. (10, 12). So soll sich Robert Schuman im Rahmen seiner Erklärung vom 09.05.1950 auf Durkheim bezogen haben: „L’Europe ne se fera pas d’un coup, ni dans une construction d’ensemble: elle se fera par des réalisations concrètes créant d’abord une solidarité de fait.“ 400 Kelsen, Reine Rechtslehre2, S. 196. 401 Kelsen, Reine Rechtslehre2, S. 233. 402 Vgl. Lepsius, Die gegensatzaufhebende Begriffsbildung, S. 378; Kelsen, Reine Rechtslehre2, S. 108. So auch Larenz, S. 171. 403 Depenheuer, Solidarität im Verfassungsstaat, S. 353. Ähnlich auch Ruland, Solidarität, NJW 2002, S. 3518 f. (3518): Solidarität als „Verfassungserwartung“ oder auch „verfassungsrechtlichen Grundwert“. 404 Vgl. so auch Isensee, Nachwort, in: ders. (Hrsg.), Solidarität in Knappheit, S. 97 ff. (120). 405 Depenheuer, Solidarität im Verfassungsstaat, S. 158. Unklar bleibt dabei freilich, welche Güter als solche der Gemeinschaft klassifiziert werden können und wann eine Bedürftigkeit vorliegt. 406 Depenheuer, Solidarität im Verfassungsstaat, S. 14. 407 Depenheuer, Solidarität im Verfassungsstaat, S. 183. 399

III. Inhaltliche Konkretisierung

85

Hinblick auf die Umverteilung von Gütern innerhalb des Staates, sondern auf den modernen Staat selbst herangezogen wird. Es ist nicht der Staat, der solidarische Verteilung legitimiert, sondern vice versa: Es ist die Solidarität der Grund moderner Staatlichkeit. Der Staat als Solidargemeinschaft408 werde durch eine apriorische, vorrechtliche Solidaritätspflichtigkeit der Bürger begründet.409 Damit erscheint Solidarität als vorrechtliches, die Verfassung legitimierendes Phänomen, nicht hingegen als Bestandteil der Rechtsordnung. Der Rechtfertigung der positiven Verfassung aus der Existenz eines höherrangigen, vorrechtlichen Sollens steht zum einen das faktische Problem der Beweisbarkeit dieser apriorischen Norm im Wege einer wissenschaftlich anerkannten Methodik entgegen.410 Da eine solche aber fehlt, kann es sich hier nur um eine subjektive These unter dem Deckmantel einer Wahrheit beanspruchenden Norm handeln. Die Existenz der vorrechtlichen Solidaritätspflicht wird letztlich­ fiktionalisiert. Zum anderen ist gegen ein den Staat legitimierendes Solidaritätsverständnis einzuwenden, dass derlei Begründungsversuche zwingend auf nicht-rechtswissenschaftliche Elemente rekurrieren.411 „Der Grund fällt, zufolge des bloßen Denkens eines Grundes, außerhalb des Begründeten; […]“.412

Den allesamt metarechtlichen Legitimationsmotiven einer Verfassung, sei es die staatstheoretische Figur des pouvoir constituant, eine etwaige apriorische Solidaritätspflichtigkeit, das göttliche Gebot, die Natur oder ein sonstiges Moment, kommen daher keinerlei positivrechtliche Relevanz zu.413 Diese legitimierenden 408 Die Argumentation läuft auf ein Staatsverständnis hinaus, welches „Staat“ mit einer Solidargemeinschaft gleichsetzt. Vgl. Depenheuer, Solidarität im Verfassungsstaat, S. 162: „ist das Wesen des Staates als Solidargemeinschaft“. 409 Vgl. Depenheuer, Solidarität im Verfassungsstaat, S. 353 f. 410 Luhmann, Grundrechte als Institutionen4, S. 27 f. 411 Vgl. Luhmann, Grundrechte als Institutionen4, S.  26 f. So auch Isensee, Das Volk als Grund der Verfassung, S. 75, 80. 412 Fichte, Erste Einleitung in die Wissenschaftslehre, in: ders., Ausgewählte Werke  III, S. 1 ff. (8). 413 Vgl. Gärditz, Der Bürgerstatus im Lichte von Migration und europäischer Integration, VVDStRL  72 (2013), S.  49 ff. (112); Lepsius, Staatstheorie und Demokratiebegriff in der Weimarer Republik, in: Gusy (Hrsg.), Demokratisches Denken in der Weimarer Republik, S.  366 ff. (368): „Die Souveränitätsfrage hat sich erledigt, solange die verfasste Rechtsordnung in Kraft bleibt“. Vgl. auch Isensee, Grundrechte und Demokratie, Der Staat 20 (1981), S.  161 ff. (163). Kritisch gegenüber der Figur der verfassungsgebenden Gewalt des Volkes­ Jestaedt, Warum in die Ferne schweifen, wenn der Maßstab liegt so nah?, Der Staat 48 (2009), S. 497 ff. (513); ders., Demokratieprinzip und Kondominialverwaltung, S. 157; Isensee, Das Volk als Grund der Verfassung, S. 73. Hierzu auch Maus, S. 17 f. Zum „Mythos der vorpolitischen Einheit von Volk bzw. Nation“ auch Peters, S. 656 f.

86

A. Finanzkraftausgleich und Solidargemeinschaft der Länder 

Motive entziehen sich den rechtswissenschaftlichen Erkenntnismöglichkeiten.414 Doch entziehen sich diese nicht nur gegenständlich der Rechtswissenschaft, sie würden auch zu einer systemfremden Beeinflussung führen. Die Verfassung als höchste positive Rechtsnorm kann nicht gerechtfertigt415 und damit von außerrechtlichen Motiven abhängig gemacht werden.416 Die Rechtsordnung funktioniert als geschlossenes, selbstreferenzielles System, welches seine Geltung selbst erzeugt und dabei nicht auf außerrechtliche Phänomene angewiesen ist.417 Aus rechtspositivistischer Sicht muss das Recht daher „frei gehalten werden von den als unhaltbar verworfenen metaphysisch-transzendenten und empirisch-kausalen­ Geltungsbegründungen“.418 Grundsätzlich wird auch die Aufgabe der Rechtswissenschaft verkannt, wird der Versuch unternommen, Recht und Staat zu legitimieren. Der Jurisprudenz obliegt allein die Erkenntnis und Beschreibung der normativen Ordnung, nicht hingegen deren Legitimation.419 Die Frage nach der Letztbegründung des Staates als Rechtsordnung ist der (Rechts-)Philosophie vorbehalten.420 Ein Solidaritätsverständnis, welches der Verfassung vorausgeht, ihr nicht immanent ist, sondern vielmehr den Staat als Rechtsordnung421 zu legitimieren versucht, ist einer rechtswissenschaftlichen Untersuchung mithin gegenständlich nicht zu zugänglich. Aus positivistischer Sichtweise würde der Solidaritätsbegriff nach diesem Ansatz auf Verfassungsebene keinerlei Rechtswirkungen erzeugen, sondern lediglich als außerrechtlicher Bezugspunkt fungieren können, dessen nähere wissenschaftliche Untersuchung der Rechtswissenschaft vorenthalten bliebe.

414 Vgl. Lepsius, Staatstheorie und Demokratiebegriff in der Weimarer Republik, in: Gusy (Hrsg.), Demokratisches Denken in der Weimarer Republik, S. 366 ff. (368). 415 Roellecke, Beobachtung der Verfassungstheorie, in: Depenheuer/Grabenwarter (Hrsg.), Verfassungstheorie, § 14 Rn. 33 ff. 416 Vgl. ähnlich Habermas, 1989 im Schatten von 1945, in: ders., Die Normalität einer Berliner Republik, S. 167 ff. (180). 417 Vgl., mit Bezug auf Kelsens Grundnorm, Jestaedt, Geltung des Systems und Geltung im System, JZ 2013, S. 1009 ff. (1014 f.). So auch Gusy, Staatsrechtlicher Positivismus, S. 505 ff. (511). 418 Jestaedt, Geltung des Systems und Geltung im System, JZ 2013, S. 1009 ff. (1015). 419 Vgl. hierzu Kelsen, Reine Rechtslehre2, S. 71. Zur Gefahr eines „Widerstandsrechts“ gegen positive Normen Luhmann, Das Recht der Gesellschaft, S. 38. 420 Vgl. Jestaedt, Geltung des Systems und Geltung im System, JZ 2013, S. 1009 ff. (1010). 421 Staat selbst ist weder metaphysische oder mystische Gemeinschaft noch natürliches Gebilde oder politische Existenz, sondern erschöpft sich allein im Verständnis einer relativ zentralisierten Rechtsordnung, vgl. Kelsen, Allgemeine Staatslehre, S.  45. Im Unterschied zur Gerechtigkeit, welche eine Forderung der Politik darstellt. Vgl. auch Kelsen, Reine Rechtslehre2, S. 289 ff.

III. Inhaltliche Konkretisierung

87

cc) Moralischer Rechtsbegriff Nach dem Ansatz Uwe Volkmanns sind Recht und Solidarität weder konform noch unvereinbar, sondern stehen gerade in einem Komplementärverhältnis zueinander.422 Da ein Komplementärverhältnis aber grundsätzlich eine wesenseigene Verschiedenheit voraussetzt, auf Grundlage derer sich zwei Elemente überhaupt erst gegenseitig ergänzen können,423 müssen Solidarität und Recht in der Ausgangssituation unterschiedlichen Normkreisen angehören. Solidarität erkläre zwar ein bestimmtes Verhalten als gesollt und habe damit grundsätzlich normativen Charakter, doch beschränke sich diese Normativität auf das Gebiet der Moral.424 Solidarität stellt sich für Volkmann folglich als ein rein moralisches Prinzip dar. Wobei diese Zuordnung nicht per se einer gleichzeitigen Charakterisierung von „Solidarität“ auch als Rechtsprinzip entgegenstünde.425 Nach dieser Konzeption blieben moralische Solidarität und Recht nicht ohne Bezug zueinander, sondern ergänzten sich in vielerlei Hinsicht.426 Hierbei ist allerdings auffällig, dass diese Komplementierung im Ergebnis recht einseitig angelegt ist. So ist es primär das Recht, welches der Solidarität zur Durchsetzung verhelfen soll: Recht ergänze Solidarität zunächst in der Funktion einer „Ausfallbürgschaft“.427 Für den Fall, dass die „Vernunftsolidarität“428 versage, sorge die Rechtsnorm für deren Durchsetzung.429 Des Weiteren konkretisiere Recht das abstrakte Prinzip der moralischen Solidarität.430 Solidarität werde hierdurch erst hand­habbar.431 Das Recht fungiere insbesondere als Mittel der Organisation kollektiver Solidarität.432 Demnach scheint eine ausschließlich moralisch verstandene Solidarität sich des Rechts lediglich einseitig als Gehilfen zu bedienen, um abstrakten moralischen Vorstellungen Geltung zu verschaffen. Besonders deutlich wird dies an dem wie folgt beschriebenen Komplementärverhältnis: Recht und Solidarität, als Medien sozialer Integration,433 ergänzten einander dergestalt, dass 422

Volkmann, Solidarität, S. 60 ff. Vgl. Volkmann, Solidarität, S. 60. 424 Ebda. Auch die Moral setzt ein bestimmtes menschliches Verhalten als gesollt und ist daher, ebenso wie das Recht, normativ ausgerichtet. Das die beiden Normkreise unterscheidende Element ist nicht etwa das eines sozialen Bezugspunktes oder die positive Setzung der Norm, sondern der der Moral fehlende Zwangscharakter. Der Unterschied liegt folglich darin, wie die beiden Normkreise ein bestimmtes Verhalten gebieten oder verbieten. Im Gegensatz zur Moral knüpft das Recht an ein gegenteiliges Verhalten einen gesellschaftlich organisierten Zwangsakt. Vgl. grundlegend Kelsen, Reine Rechtslehre2, S. 64. 425 Volkmann, Solidarität, S. 370. 426 Vgl. Volkmann, Solidarität, S. 60 ff. 427 Vgl. ebda. 428 Volkmann, Solidarität, S. 60. 429 Vgl. ebda. 430 Vgl. Volkmann, Solidarität, S. 61. 431 Ebda. 432 Vgl. Volkmann, Solidarität, S. 61, 66. 433 Volkmann, Solidarität, S. 69. 423

88

A. Finanzkraftausgleich und Solidargemeinschaft der Länder 

Recht das Selbstverständnis einer solidarischen Gesellschaft zum Ausdruck bringen könne.434 „Es macht deutlich, daß in das Recht auch ein materialer Gehalt eingeflossen ist, der über eine bloß technisch gemeinte Zuordnung von Rechtspersonen hinausgeht. Das Recht fungiert insoweit als eine Art Fokus von Solidarität.“435

Solidarität macht sich Recht mithin nicht nur zunutze, sondern modifiziert es, lädt es inhaltlich auf.436 In einem Punkt verkehrt sich das sonst einseitige Komplementärverhältnis hin zu einer Ergänzung des Rechts durch Solidarität: Solidarität stütze die Legitimität des modernen Rechts.437 Prämisse dieser Annahme ist, dass die Legitimität des Rechts auf zwei Elementen aufbaue: „zum einen auf seiner grundsätzlichen Übereinstimmung mit den elementaren Prinzipien der Vernunft oder einer konventionellen Moral, zum anderen auf einer generalisierten Überzeugung, daß seine Normen in einem Verfahren zustande gekommen sind, das eine gleichmäßige Beteiligung aller bzw. eine gleichmäßige Interessenberücksichtigung ermöglicht.“438

Volkmann legitimiert damit letztlich, wenn auch nur zu einem Teil, Recht mithilfe außerrechtlicher Motive: Die moralische Solidarität stütze die Legitimität des Rechts. Diesem Legitimationsversuch muss aus positivistischer Sicht hingegen entschieden widersprochen werden. Auf Grundlage der strukturell zwingenden Differenz von Recht und Moral439 kann und soll dem positiven Recht die Moral zwar inhaltlich zugrunde liegen, Recht kann notabene jedoch nicht mittels moralischer Motive legitimiert werden.440 Moral kann denn schon aus Gründen ihrer inhaltlichen Relativität und Abstraktheit kein allgemeingültiger Maßstab sein, anhand dessen der Geltungsgrund des Rechts gemessen werden kann. Soll Solidarität als moralisches Prinzip das Recht in seinem Geltungsgrund stützen, so wäre diese Unterstützung abhängig von einem Konsens hinsichtlich moralischer Forderungen, die, wie Volkmann selbst treffend formuliert, „im Einzelfall höchst un­sicher sein“441 können. So existieren stark divergierende Ansichten 434

Volkmann, Solidarität, S. 69. Ebda. 436 Ob hier Moral bereits auf unzulässige Weise in das Recht hineinwirkt, oder diesem lediglich zugrunde gelegt werden soll, kann an dieser Stelle nicht mit Gewissheit beurteilt werden. 437 Vgl. Volkmann, Solidarität, S. 71. 438 Volkmann, Solidarität, S. 71, vgl. auch S. 373. 439 Vgl. hierzu auch Stein, Die verfassungsrechtlichen Grenzen der Rechtsfortbildung durch die Rechtsprechung, NJW 1964, S. 1745 ff. (1749 f.). 440 Kelsen, Reine Rechtslehre2, S. 65. Recht kann, muss aber nicht moralisch sein. Nicht moralisches Recht bleibt dadurch dennoch Recht. Moral ist nach diesem Verständnis nämlich nicht Legitimationsgrund des Rechts, sondern allein das Verfahren der Rechtsetzung. Hier liegt auch die Differenz zur Trennungsthese. Ziel ist es nicht, Recht und Moral strikt voneinander zu trennen, sondern lediglich in ihrer strukturellen Differenz wahrzunehmen und Recht nicht mittels Moral zu legitimieren. 441 Volkmann, Solidarität, S. 61. 435

III. Inhaltliche Konkretisierung

89

darüber, welches konkrete Verhalten ein Solidaritätspostulat aus moralischer Perspektive gebietet – und welches gerade nicht. Werden aber Moral und Recht dergestalt gekoppelt, dass die Moral als legitimierende Grundlage des Rechts dient, so setzt dies zunächst die Existenz absoluter Moral voraus, soll es einen festen und gleichmäßigen Maßstab für die Beurteilung von Recht und Unrecht geben.442 Die Erkenntnis absoluter Werte ist hingegen nichts weiter als menschliche Fiktion. Sie sind „Leerformeln“, mithilfe derer sich jede beliebige, subjektive Gesellschaftsvorstellung rechtfertigen ließe.443 Auch Solidarität als moralische Konzeption kann nicht absolut, sondern stets nur relativ verstanden werden, und eignet sich damit schon inhaltlich nicht als Maßstab, um die Rechtsordnung zu legitimieren. Grundsätzlich muss die Rechtsordnung in ihrer Struktur daher unabhängig sein von den Normen einer spezifischen Moralordnung.444 Denn die abstrakte Frage, ob eine Rechtsnorm gilt oder nicht, darf nicht davon abhängig gemacht werden, dass diese mit bestimmten moralischen Werten übereinstimmt. Anderenfalls wäre der Gesetzgeber inhaltlich von vornherein beschränkt auf ein spezifisches, absolute Wahrheit beanspruchendes Moralsystem. In dem auf Pluralismus und ­Toleranz gründenden demokratischen Rechtsstaat445 vermag sich das positive Recht daher allein durch das demokratische Entscheidungsverfahren zu legitimieren,446 wobei es von jeglichem Wahrheitsanspruch befreit wird: „Recht kann jetzt weder wahr noch unwahr sein, sondern nur gelten.“447

Der Rechtsnorm kommt mithin ausschließlich Geltungsanspruch zu, allein aufgrund der Tatsache, dass diese im vorgegebenen Verfahren zustande gekommen ist. Aus positivrechtlicher Perspektive kann Solidarität das Recht weder legitimieren448, noch in seiner Legitimation auch nur stützen. Betrachtet man aus dieser Perspektive das zuletzt beschriebene Komplementärverhältnis, so lässt sich feststellen, dass die Ergänzungsleistungen nicht doppelt449, sondern nur einseitig vom Recht erbracht werden. Der moralisch verstandenen Solidarität wird eine inhaltliche Präkonditionierung des Rechts ermöglicht, ohne aber, dass Solidarität dabei selbst modifiziert werden würde. Sie wird vielmehr unverändert in die Rechtsordnung hineinprojiziert. 442

Vgl. Kelsen, Reine Rechtslehre2, S. 71. Kelsen, Was ist Gerechtigkeit?, S. 27. So, zur Kuppelei-Entscheidung des Bundes­gerichts­ hofs, auch Arndt, Gesetzesrecht und Richterrecht, NJW 1963, S. 1273 ff. (1281): „Auf diesem Wege werden eigene Überzeugungen der Richter in den Rang letzter Wahrheiten erhoben“. 444 Vgl. Kelsen, Reine Rechtslehre2, S. 69. 445 Vgl. Kimminich, Die Verknüpfung der Rechtsstaatsidee mit den anderen Leitprinzipien des Grundgesetzes, DÖV 1979, S. 765 ff. (768); Gärditz, Strafbegründung und Demokratieprinzip, Der Staat 49 (2010), S. 331 ff. (343). 446 Vgl. Luhmann, Legitimation durch Verfahren9, S. 20. 447 Luhmann, Legitimation durch Verfahren9, S. 145. 448 So hingegen Depenheuer, der letztlich den Staat durch Solidarität zu legitimieren versucht, siehe A. III. 2. c) bb). 449 Volkmann, Solidarität, S. 71. 443

90

A. Finanzkraftausgleich und Solidargemeinschaft der Länder  „Solidarität als moralisches Prinzip geht insoweit in einer allgemeinen Pflicht zum Rechtsgehorsam auf: Wer sich rechtstreu verhält, verhält sich regelmäßig auch bereits soli­da­ risch.“450

Volkmann erhebt die moralische Solidarität gleichsam zum Verfassungsprinzip: Solidarität bleibe auf der einen Seite moralisches Prinzip, sei auf der anderen Seite aber auch Verfassungsprinzip und Bestandteil der Rechtsordnung.451 Der Widerspruch, der sich auf den ersten Blick ergibt, löst sich nur, stellt man die Prämisse Volkmanns zum Verhältnis von Recht und Moral voran: Zwischen beiden Normkreisen existiere keine inhaltliche oder auf ihre Wirksamkeit bezogene Differenz.452 Es bestünden zahlreiche Verbindungen und Überschneidungen der beiden Kreise, so dass einzig ein unterschiedlicher Ausgangspunkt in Bezug auf die Geltungsweise ausgemacht werden könne  – bei der moralischen Norm sei dieser das Gewissen, bei der rechtlichen Norm hingegen der Zwang.453 Im Übrigen zeichneten sich, wie bereits anhand der Solidarität dargestellt, Recht und Moral durch ein Komplementärverhältnis und eine darauf aufbauende wechselseitige Nutzbarmachung aus.454 Allein unter dieser Prämisse kann die These, Solidarität könne zugleich Rechtsbegriff sein, nicht als folgewidrig ­verstanden werden. Dieser Zuordnung von Recht und Moral ist jedoch entgegenzuhalten, dass beide Normkreise zwar durchaus Schnittmengen aufweisen und auch nicht in einem sich exkludierenden Verhältnis zueinander stehen,455 doch dürfen Recht und Moral nicht strukturell gleichgesetzt werden.456 Denn der Unterschied zwischen beiden liegt nicht lediglich in einem divergierenden Ausgangspunkt,457 sondern erstreckt sich auf die gesamte Wirkungsweise458 sowie den Entstehungsmodus.459 Recht definiert sich nicht durch eine Abwesenheit von Moral oder Werten, im Gegenteil, Recht selbst konstituiert Rechts- und damit Moralwerte, aber eben nur rela-

450

Volkmann, Solidarität, S. 72. Volkmann, Solidarität, S. 373, 369 f. 452 Volkmann, Solidarität, S. 370. 453 Vgl. Volkmann, Solidarität, S. 370. Bei der moralischen Norm sei dieser das Gewissen, bei der rechtlichen Norm hingegen der Zwang. 454 Ebda. 455 Vgl. hierzu Kelsen, Reine Rechtslehre2, S. 65. Recht soll moralisch sein, muss es jedoch nicht: „daß das Recht moralisch – in dem eben bestimmten Sinne, das heißt gerecht – sein kann, aber nicht sein muß; daß eine soziale Ordnung, die nicht moralisch, und das heißt: gerecht, dennoch Recht sein kann […]“. 456 Vgl. Kelsen, Reine Rechtslehre2, S. 61. Eine Differenzierung sei demnach erforderlich, um die methodische Reinheit der Rechtswissenschaft nicht zu gefährden. Ähnlich auch Luhmann, Legitimation durch Verfahren9, S.  145. Zur Trennung von Recht und Moral bei Kelsen und Luhmann vgl. H. Dreier, Hans Kelsen und Niklas Luhmann, Rechtstheorie 14 (1983), S. 419 ff. (434 ff.). 457 Vgl. Volkmann, Solidarität, S. 370. 458 Vgl. Kelsen, Reine Rechtslehre2, S. 64. 459 Luhmann, Legitimation durch Verfahren9, S. 145. 451

III. Inhaltliche Konkretisierung

91

tive Moralwerte.460 Dieser Rechtswert ist Ergebnis eines Entscheidungsverfahrens, durch welches die Rechtsnorm positiviert worden ist. Eine Trennung der beiden Normkreise ist erforderlich, um die positive Rechtordnung von allen außerrechtlichen Präkonditionierungen  – wie die einer absoluten Moral  – unabhängig zu­ machen.461 Geltungsgrund und damit Maßstab des positiven Rechts kann keine absolut verstandene Gerechtigkeit, sondern ausschließlich eine relative Gerechtigkeit sein,462 welche durch Entscheidungsverfahren in Kraft gesetzt wurde, und letztlich auch wieder außer Kraft gesetzt werden kann.463 Obwohl Volkmann Solidarität als Prinzip der Verfassung tituliert, entzieht seine These eines Komplementärverhältnisses von Solidarität und Recht den Solidaritätsbegriff letztlich doch dem positiven Verfassungsrecht. Der Begriff bleibt dem Normkreis der Moral verhaftet und kann folglich auf Verfassungsebene keine eigenständigen Rechtswirkungen entfalten. dd) Schlussfolgerungen Die Untersuchung der disziplinarischen Zuordnung des Solidaritätsbegriffes auf der Ebene des Verfassungsrechts führt trotz der umfassenden erkenntnistheoretischen Kritik, welche den unterschiedlichen Ansätzen aus rechts­posi­ tivistischer Perspektive gemacht werden muss, gleichwohl zu einer relevanten Feststellung. Alle Ansätze charakterisieren den Solidaritätsbegriff  – unter ih­ urkheim ren jeweiligen Prämissen – als Bestandteil des Rechts. So qualifiziert D Solidarität als grundlegendes Prinzip der Normordnung, unterstellt diese Zuordnung allerdings der Prämisse, Solidarität sei Faktum – keine Norm –, wodurch in der Folge die Geltung der normativen Ordnung aus einer faktischen Tatsache abgeleitet wird.464 Depenheuer dagegen ordnet Solidarität als Grundlage der Verfassung zwar dem Verfassungsrecht zu, operiert dabei jedoch mit einer außerrechtlichen Konstruktion, welche zu dem rechtspositivistisch nicht tragfähigen Ergebnis führt, ein vorrechtlich verstandenes Solidaritätsprinzip zum Legitimationsgrund des Staates zu erheben.465 Letztlich stellt auch Volkmann Solidarität als Programm und Prinzip der Verfassung dar. Hier ist es hingegen wiederum die synkretistische Grundprämisse, die die Grenzen zwischen Recht und Moral verwischt und Recht mittels moralischer Konzeptionen zu legitimieren versucht, welche zu einem rechtspositivistisch nicht haltbaren Ansatz 460

Kelsen, Reine Rechtslehre2, S. 68 f. Kelsen, Reine Rechtslehre2, S. 68. 462 Vgl. Kelsen, Reine Rechtslehre2, S. 68 f. 463 Vgl. Luhmann, Legitimation durch Verfahren9, S. 141. Zu den Gefahren eines extra-konstitutionellen, überpositiven Rechts vgl. auch Doehring, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland3, S. 192. 464 Siehe A. III. 2. c) aa). 465 Siehe A. III. 2. c) bb). 461

92

A. Finanzkraftausgleich und Solidargemeinschaft der Länder 

führen.466 Es sind somit erkenntnistheoretische Differenzen, welche einer Qualifizierung von „Solidarität“ als Begriff des Verfassungsrechts aus rechtspositivistischer Sicht im Wege stehen. Nach dem hier vertretenen Ansatz können Gegenstand der rechtswissenschaftlichen Disziplin als einer Normwissenschaft ausschließlich Rechtsnormen sein.467 Dies bedeutet zum einen, dass die Jurisprudenz normativ ausgerichtet ist und damit ausschließlich Erkenntnis und Beobachtung eines gesollten Wertes und nicht einer seienden Wirklichkeit verfolgt, sowie zum anderen, dass Rechtsnormen gegenüber anderen Arten von Normen notwendigerweise abzugrenzen sind, um eine strukturelle Geschlossenheit und damit zugleich inhaltliche Offenheit des Rechtssystems gewährleisten zu können. Wie ließe sich eine finanzielle Solidarbeziehung zwischen den Bundesländern nun nach diesen erkenntnistheoretischen Prämissen dem Verfassungsrecht zu­ordnen? Zunächst beschreibt der Solidaritätsbegriff nicht lediglich ein faktisches Sein, also einen empirisch feststellbaren Zustand, sondern statuiert ein normatives Sollen. So sollen sich potentielle Finanzkraftunterschiede zwischen den Ländern in einem – nach bundesstaatlich-solidarischem Maßstab – angemessenen Rahmen bewegen. Der Auslegungsmaßstab der bundesstaatlichen Solidargemeinschaft der Länder ist damit kein faktisches Phänomen, durch welches sich die Angemessenheit von Finanzkraftunterschieden empirisch feststellen ließe, sondern durch ihn soll die Angemessenheit normativ bestimmt werden.468 So ­ sollen die Länder in einer bundesstaatlich-solidarischen Beziehung unter bestimmten Bedingungen finanziell füreinander einstehen. Der in diesem Maßstab zum Ausdruck kommende Solidaritätsgedanke ist normativer und nicht faktischer Natur. Im nächsten Schritt stellt sich sodann die Frage nach der Zuordnung zum Kreis der Rechtsnormen, insbesondere in Abgrenzung zum Normenkreis der Moralordnung. Wird der Unterschied zwischen Moral- und Rechtsnorm nicht in einer etwaigen inhaltlichen Divergenz, sondern allein in ihrer Struktur gesehen,469 so liegt eine Rechtsnorm vor, wenn das gesollte Verhalten auch gegen den Willen des Betroffenen, also mittels eines „gesellschaftlich organisierten Zwangsakt[s]“470,

466

Siehe A. III. 2. c) cc). Vgl. Kelsen, Reine Rechtslehre2, S. 72. Vgl. hierzu auch Larenz, S. 171 f. 468 Die bundesstaatliche Solidargemeinschaft wird damit zur Meta-Norm, welche den Inhalt der Verfassungsnorm des Art. 107 Abs. 2 S. 1 GG zum Gegenstand hat. 469 Vgl. Kelsen, Reine Rechtslehre2, S. 64 f. 470 Ebda. Diese Prämisse ist freilich nicht unumstritten. Eine andere Ansicht findet sich etwa bei Böckenförde, der eine soziale Geltung als Wesensmerkmal des Rechts identifiziert, Böckenförde, Staat Nation Europa, S. 214 f. Eine strukturelle Abhängigkeit des Rechts von sozialer Geltung läuft im Ergebnis jedoch auf eine Ableitung des Sollens aus der Wirklichkeit, dem Sein, hinaus und verfehlt damit gerade das Wesen des Rechts. Vgl. hierzu Lepsius, Die gegensatzaufgebende Begriffsbildung, S. 377 f. 467

III. Inhaltliche Konkretisierung

93

durchgesetzt werden könnte. Es muss sich um eine institutionalisierte Sanktionierung handeln, wobei der Ursprung des Sanktionsaktes nicht die Zuordnung zum Normensystem des Rechts tangiert. Entscheidend ist – in Abgrenzung zu Handlungen eines Kriminellen, welcher auch ein Verhalten gegen den Willen des Betroffenen mittels eines Zwangsaktes durchzusetzen vermag471 – das Merkmal der gemeinschaftlichen Organisation des Zwangsaktes.472 Das Bundesverfassungsgericht hat Solidarität in Form der bundesstaatlichen Solidargemeinschaft als entscheidenden Auslegungsmaßstab der Angemessenheit der Finanzkraftverteilung zwischen den Bundesländern und damit als Auslöser des verfassungsrechtlich garantierten horizontalen Länderfinanzausgleichs herangezogen.473 Die gesollte bundesstaatlich-solidarische Beziehung zwischen den Ländern wird über die Verfassungsnorm des horizontalen Länderfinanzausgleichs nach Art.  107 Abs.  2 S.  1,  2 GG mit gemeinschaftlich organisierten Zwangsmöglichkeiten verbunden. Kommt ein finanzstarkes Bundesland seiner finanziellen Solidarpflicht gegenüber einem finanzschwachen Bundesland nicht nach, so kann die Leistungserbringung im Zweifel mit rechtlichen Mitteln bewirkt werden. Die hier thematisierte finanzielle Solidarität auf Verfassungsebene statuiert folglich ein Sollen mit Zwangscharakter – eine Rechtsnorm.474 Nachdem nun die grundlegende Qualifizierung des Solidaritätsbegriffs des Auslegungsmaßstabes der bundesstaatlichen Solidargemeinschaft als Rechtsnorm feststeht, kann im Folgenden auf den möglichen Inhalt dieser verfassungsbezogenen Solidaritätsnorm eingegangen werden. d) Möglicher Gehalt einer Solidaritätsnorm zwischen den Bundesländern In der Literatur finden sich relativ wenige wissenschaftliche Untersuchungen, die sich um eine ausführliche Präzisierung der Solidaritätsnorm auf Verfassungsebene bemühen.475 Im Besonderen stehen sich zwei inhaltlich konfligierende Ansätze gegenüber: Solidarität im Sinne einer bedarfsdeckenden Umverteilung sowie Solidarität als wechselseitige Unterstützung auf Grundlage von Kooperation.

471

Beispiel entliehen aus Dworkin, S. 51; sowie Kelsen, Reine Rechtslehre2, S. 8. Vgl. Kelsen, Reine Rechtslehre2, S. 45 ff. 473 Siehe A. II. 1. 474 Dass ein solcher Doppelcharakter möglich ist, zeigt u. a. Lepsius anhand der Begriffe der Volksherrschaft und der Demokratie, vgl. Lepsius, Staatstheorie und Demokratiebegriff in der Weimarer Republik, in: Gusy (Hrsg.), Demokratisches Denken in der Weimarer Republik, S. 366 ff. (367, 369). 475 So u. a. Korioth, Der Finanzausgleich zwischen Bund und Ländern, S. 119 ff.; Pankoke, Grenzen der Solidarität, Rechtsphilosophische Hefte IV, S. 81 ff.; Wildt, Begriffs- und Ideengeschichte, Rechtsphilosophische Hefte IV, S. 37 ff. (38 ff.). 472

94

A. Finanzkraftausgleich und Solidargemeinschaft der Länder 

aa) Bedarfsdeckende Umverteilung Das Verständnis von Solidarität als Instrument einer Umverteilung wird u. a. von Depenheuer prominent vertreten.476 In seinen Untersuchungen macht er es sich zur Aufgabe, „den Solidaritätsbegriff als einen juristisch scharf konturierten analytisch zu bestimmen“477. Inhaltlich ist der Solidaritätsbegriff nach diesem Ansatz gekennzeichnet durch eine bedarfsorientierte Umverteilung von Gütern.478 Gegenstand einer solchen Verteilung nach dem solidarischen Verteilungsprinzip sei der Bedarf der Bürger, welche das Fundament der staatlichen Solidargemeinschaft darstellten.479 Entsprechend sei auch das Ziel ausgerichtet und begrenzt auf eine schlichte Bedarfsdeckung, wobei Verschulden und Vorleistungen prinzipiell unberücksichtigt blieben.480 Fundamentale Voraussetzung der Solidargemeinschaft, und so eines jeden Staates, seien zwei Voraussetzungen: Eine materiale, substanzielle Gleichheitsbeziehung zwischen den Gemeinschaftsangehörigen, die Homogenität, sowie ein formaler Akt des Zusammenschlusses, der Bund.481 Homogenität und Bund prägten ein spezifisches Verhältnis materialer Fundierung und bündischer Bestätigung.482 Dieses Solidaritätsverständnis ist mithin essentiell auf das Vorhandensein dieser beiden Elemente angewiesen. Um ein aussagekräftiges Bild des Solidaritätsprinzips nach dem Verständnis Depenheuers zu erhalten, ist es zunächst erforderlich, genauer auf die Solidaritätsvoraussetzungen Bund und Homogenität einzugehen. Solidarität könne sowohl als „geborene Brüderlichkeit“, durch Homogenität, als auch „gekorene Brüderlichkeit“, durch Bund, vermittelt werden.483 Auch wenn dies auf den ersten Blick den Anschein erweckt, stehen Homogenität und Bund nicht 476

Depenheuer, Solidarität im Verfassungsstaat. Auch wenn das Solidaritätsverständnis Depenheuers auf eine vorrechtliche Norm und keine Rechtsnorm hinausläuft, so spricht dies nicht per se gegen eine mögliche Tauglichkeit zur inhaltlichen und strukturellen Präzisierung von Solidarität als Rechtsnorm. 477 Depenheuer, Solidarität im Verfassungsstaat, S. 14. Im Widerspruch steht dieses Vorhaben natürlich zum Solidaritätsverständnis als ein der Verfassung vorausgehendes Postulat. 478 Depenheuer, Solidarität im Verfassungsstaat, S. 353. Das solidarische Verteilungsprinzip trägt und ergänzt nach Ansicht Depenheuers das gegensätzlich strukturierte, rechtsstaatliche Verteilungsprinzip, welches seinerseits subjektive Freiheiten in Form der Grundrechte vermittle. 479 Depenheuer, Solidarität im Verfassungsstaat, S. 157. 480 Depenheuer, Solidarität im Verfassungsstaat, S. 157 f. 481 Depenheuer, Solidarität im Verfassungsstaat, S. 286. Depenheuer verwendet nicht nur ein ähnliches Vokabular, ersetzt man den Begriff des Bundes bei Schmitt, so erhält man die Solidargemeinschaft Depenheuers. Der Bund gründet nach Schmitt, ebenso wie die Solidargemeinschaft Depenheuers auf zwei fundamentalen Voraussetzungen: Auf einer Homogenität der Mitglieder und einem Zusammenschluss. Vgl. Schmitt, Verfassungslehre4, S. 366, 376; Depenheuer, Solidarität im Verfassungsstaat, S. 286. 482 Depenheuer, Solidarität im Verfassungsstaat, S. 284. 483 Vgl. Depenheuer, „Nicht alle Menschen werden Brüder“, in: Isensee (Hrsg.), Solidarität in Knappheit, S. 41 ff. (57 ff., 60 ff.).

III. Inhaltliche Konkretisierung

95

gleichrangig nebeneinander. Während Homogenität unbedingt verpflichte, sei Bund bedingt durch einen „humanitären Impuls“484. Solidarität auf der Grundlage von Homogenität – basierend auf einer vorgegebenen und unverfügbaren Gleichheitsbeziehung485 – wirkt letztlich stärker als Solidarität auf Grundlage eines bewussten Willensaktes. Homogenität ist nicht nur dominanter, sondern auch umfangreicher. Während „gekorene Brüderlichkeit“ nur partiell wirke, vermittle die „geborene Brüderlichkeit“ eine umfassende Fürsorge.486 Vorrangige Bedeutung kommt daher der Solidargemeinschaft mittels Homogenität zu. Kennzeichen von Homogenität sei eine substantielle Gleichheit.487 Rekurriert wird hier auf eine rational nicht zu begreifende488 und damit rein metaphysische Wirklichkeit, welche „Ausdruck in der Idee und der Wirklichkeit des Nationalstaates“489 finde. Die Nation wiederum basiere, entgegen dem modernen politisch-voluntativ geprägten Nationenverständnis,490 auf einem „ethischen, durch Fortpflanzungsgemeinschaft gekennzeichneten Volksbegriff“491. Die Solidargemeinschaft fungiert folglich primär als Abstammungs- und Abgrenzungsgemeinschaft.492 In der Konsequenz werden biologische Merkmale konkreten territorialen Gebietseinheiten zugeordnet und in Abhängigkeit zueinander gesetzt. Bund hingegen sei rational begründbarer, subjektiver Wille und ergänze so die „objektiv vorgegebene Homogenität“ um ein voluntatives Element.493 Ein Bund stelle jedoch mehr dar als einen schlichten Vertrag zwischen Individuen,494 es handle sich um einen grundsätzlich unauflösbaren Zusammenschluss.495 Voraussetzung eines Bundes sei zudem eine engere Beziehung zwischen dessen Mitgliedern.496 Homogenität finde hier ihre juristische Form.497 Wenn Bund aber auf Ho 484

Depenheuer, „Nicht alle Menschen werden Brüder“, in: Isensee (Hrsg.), Solidarität in Knappheit, S. 41 ff. (63). 485 Depenheuer, Solidarität im Verfassungsstaat, S. 274. 486 Depenheuer, „Nicht alle Menschen werden Brüder“, in: Isensee (Hrsg.), Solidarität in Knappheit, S. 41 ff. (63). 487 Depenheuer, Solidarität im Verfassungsstaat, S. 274. Kritisch hinsichtlich eines Homo­ge­ nitätserfordernisses als Grundbedingung einer freiheitlichen Gesellschaft u. a. Britz, S. 222 f. 488 Depenheuer, Solidarität im Verfassungsstaat, S. 284. 489 Depenheuer, Solidarität im Verfassungsstaat, S. 300. 490 Zur Differenzierung zwischen dem politisch-voluntativ und dem ethnisch-kulturell orientierten Nationalbegriff vgl. Böckenförde, Staat, Nation, Europa, S. 34 ff. 491 Depenheuer, Solidarität im Verfassungsstaat, S. 300. Kritisch hierzu Gärditz, Der Bürgerstatus im Lichte von Migration und europäischer Integration, VVDStRL 72 (2013), S. 49 ff. (107 ff.); Lepsius, Die gegensatzaufhebende Begriffsbildung, S. 14 ff. 492 Vgl. Depenheuer, Solidarität im Verfassungsstaat, S. 275, 300. Kritisch hierzu Jacobs, Volksgenossen, Myops 2010, S. 4 ff.; Peters, S. 712 f. 493 Depenheuer, Solidarität im Verfassungsstaat, S. 279. 494 Depenheuer, Solidarität im Verfassungsstaat, S. 279 f. 495 Depenheuer, Solidarität im Verfassungsstaat, S.  280 ff. Als Beispiele werden u. a. die Ewigkeitsklausel des Art. 79 Abs. 3 GG und die Ehe genannt. 496 Depenheuer, Solidarität im Verfassungsstaat, S. 284. 497 Depenheuer, Solidarität im Verfassungsstaat, S. 279, 284.

96

A. Finanzkraftausgleich und Solidargemeinschaft der Länder 

mogenität und damit auf einem metaphysischen Merkmal gründet, so relativiert sich dessen Charakterisierung als formales Element grundlegend.498 Methodisch bedient sich Depenheuer hier einer gegensatzaufhebenden Begriffsbildung.499 Unter dem Begriff des Bundes wird so nicht lediglich ein voluntatives, formales Merkmal verstanden, sondern dieser setzt vielmehr selbst bereits eine gewisse Homogenitätsdichte voraus. Der materiale Begriff der Homogenität und der formale des Bündnisses werden vereint. Der strukturelle Antagonismus wird überwunden und in der Folge kommt es zu einer Verobjektivierung subjektiver Werte.500 Besonders deutlich lässt sich hier der methodische Effekt der gegensatzaufhebenden Begriffsbildung beobachten. Obwohl mit subjektiven Wertungen aufgeladen, vermittelt der Begriff des Bundes den Anschein eines objektiven, formalen Kriteriums. Die Kritik an dieser Methodik erschöpft sich nicht in einer inhaltlichen Verschleierung der Begriffsbedeutungen, sondern geht darüber hinaus. Für die Rechtswissenschaft birgt sie das Risiko, absolut gesetzte überpositive Werte unter dem Deckmantel der Objektivität in die Rechtsordnung zu überführen, die dort nach Belieben nutzbar gemacht werden können.501 Eine menschliche Potentialität, absolute Werte im Erkenntnisprozess evident erfahren zu können, muss nicht nur grundlegend bezweifelt, zugleich muss die konkret antidemokratische Tendenz derartiger Annahmen erkannt werden.502 Denn Demokratie basiert auf einem epistemischen Relativismus,503 sie lebt von der Vielfalt menschlicher Anschauungen und Interessen,504 zwischen denen im demokratischen Verfahren vermittelt werden muss. Die beiden essentiellen Voraussetzungen dieses Solidaritätsverständnisses führen zu einer Anknüpfung an einen rein metaphysischen Gemeinschafts­begriff. Metaphysische Merkmale, wie die Homogenitätskonstruktion als eine apriorische Gleichheit, können jedoch schwerlich Gegenstand einer Rechtswissenschaft 498

Deutlich wird hier auch die Nähe zur Homogenitätsthese Schmitts. Vgl. u. a. Depenheuer, „Nicht alle Menschen werden Brüder“, in: Isensee (Hrsg.), Solidarität in Knappheit, S. 41 ff. (57 Fn. 43). Zu Schmitts Homogenitätsthese vgl. Benhabib, Democracy, Demography, and Sovereignty, Law & Ethics of Human Rights 2008, Band 2, Ausgabe 1, S. 1 ff. 499 Auffällig ist hier, dass die Konstruktion der Solidargemeinschaft unverkennbare, nicht nur begriffliche, sondern auch methodische Parallelen zur Bundestheorie Schmitts aufweist. 500 Vgl. hierzu Lepsius, Die gegensatzaufhebende Begriffsbildung, S. 150. 501 Dieses Risiko verwirklichte sich so im Nationalsozialismus: Hier musste die Terminologie der Rechtsordnung kaum geändert werden, da nationalsozialistische Wertvorstellungen in diese einfach hineingelesen werden konnten. Vgl. dazu Lepsius, Die gegensatzaufhebende Begriffsbildung, S. 124 f., 154, 381 ff. 502 Vgl. dazu Kelsen, Verteidigung der Demokratie, in: ders., Verteidigung der Demokratie, S. 229 ff. (236 f.); Kelsen, Vom Wesen und Wert der Demokratie, in: ders., Verteidigung der Demokratie, S. 154 ff. (225 f.). 503 Vgl. Kelsen, Vom Wesen und Wert der Demokratie, in: ders., Verteidigung der Demokratie, S. 154 ff. (226). Vgl. auch Gärditz, Strafbegründung und Demokratieprinzip, Der Staat 49 (2010), S. 331 ff. (343). 504 So auch Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland20, Rn. 133.

III. Inhaltliche Konkretisierung

97

als wissenschaftlicher Disziplin sein, die um Erkenntnis positiver Rechtsnormen und nicht etwaiger seinshafter Wirklichkeiten bemüht ist.505 Metaphysische und naturrechtliche Normen unterscheiden sich von positiven Rechtsnormen nicht nur im unterschiedlichen Geltungsgrund – hier eine überempirische bzw. „natürliche“ Norm, dort eine im Verfahren gesetzte Norm –, sondern zugleich durch das fehlende Zwangsmoment.506 Denn im Ideal würde eine natürliche und höhere Norm stets willentlich befolgt werden, ein Zwangselement zur Durchsetzung der Norm gegen den Willen des Normadressaten wäre mithin schlicht entbehrlich.507 Da sich die Metaphysik der Jurisprudenz aufgrund dieser strukturellen Differenzen notwendigerweise entzieht, müsste mithin auf Erkenntnisse etwa der theoretischen Philosophie als wissenschaftlicher Disziplin, welche sich primär mit metaphysischen Fragestellungen beschäftigt, rekurriert werden. Inhaltlich wird das Bild einer bedarfsabhängigen Umverteilung innerhalb des Staates skizziert, welche nicht erst auf Grundlage der Verfassung Wirkung entfaltet, sondern dieser vielmehr vorausgeht. Als Maßstab der Umverteilung bleibt das Bedarfskriterium hingegen zu vage. So bleibt offen, woran der spezifische Bedarf eines jeden Bürgers bemessen werden kann. Der Bedarf eines Menschen ist schließlich stets relativ zu verstehen, da es, aufgrund der Unterschiedlichkeit der Menschen und ihrer Lebensumstände, einen allgemeinen Bedarf nicht gibt und auch nicht geben kann. Unklar bleibt zudem das Verhältnis der Mitglieder der Solidargemeinschaft zueinander. Die Untersuchung vermag so kaum zur angekündigten, juristisch scharf konturierten Analyse des Solidaritätsbegriffs beizutragen. An den Inhalt des Solidaritätsverständnisses anknüpfend, sind weitere Einwände gegen die Homogenitätskonzeption der „geborenen Brüderlichkeit“ – welche jedenfalls auf ein völkisch-nationales Verständnis hinausläuft  – einzuwenden.508 Zunächst läuft die Gleichsetzung einer völkischen, auf Abstammung beruhenden Gemeinschaft mit einer politischen Gemeinschaft weitgehend auf eine romantische Verklärung hinaus.509 Die politische Gemeinschaft der Staats­ange­hö­ ri­gen ist keinesfalls apriorisch durch eine natürliche, völkische Gemeinschaft vor 505 Vgl. Lepsius, Die gegensatzaufhebende Begriffsbildung, S. 378. So auch Kelsen, Reine Rechtslehre2, S. 72. 506 Vgl. H.  Dreier, Hans Kelsen und Niklas Luhmann, Rechtstheorie  14 (1983), S.  419 ff. (437). 507 Vgl. ebda. 508 Ausführliche Kritik zum Volksverständnis als einer organischen Entität, vgl. Gärditz, Der Bürgerstatus im Lichte von Migration und europäischer Integration, VVDStRL 72 (2013), S.  49 ff. (107 ff.). Zur Homogenität ausführlich Lübbe-Wolff, Homogenes Volk, ZAR  2007, S. 121 ff. 509 Vgl. Gärditz, Der Bürgerstatus im Lichte von Migration und europäischer Integration, VVDStRL  72 (2013), S.  49 ff. (107 ff.): „Das Staatsangehörigkeitsrecht […] ist daher keine Projektionsfläche für eine angewandte Volksmythologie“. Möllers spricht hier von einem Zirkelschluss, vgl. Möllers, Demokratie2, S. 48 f. Rn. 60. Zur Unterscheidung und Beziehung zwischen Ethnos (Abstammungsgemeinschaft) und Demos (politische Gemeinschaft) vgl. Peters, S. 654 ff.

98

A. Finanzkraftausgleich und Solidargemeinschaft der Länder 

gegeben.510 Die inhaltliche Verknüpfung mit einem substantiellen Volksbegriff suggeriert hingegen eine solche natürliche Vorgegebenheit. Jürgen Habermas hat hierzu treffend ausgeführt: „Wohl ist die Volksnation weitgehend ein Artefakt, aber sie imaginiert sich selbst als ein organisch Gewachsenes, das sich im Gegensatz zur artifiziellen Ordnung des positiven Rechts von selbst versteht.“511

Genau diese Inszenierung einer organischen Gemeinschaft birgt im nächsten Schritt die Gefahr der Inszenierung eines gemeinsamen natürlichen Willens aller Volkszugehörigen, welcher uno actu die Möglichkeit eines hiervon abweichenden, individuellen Willens negieren muss.512 Ist ein homogenes Volk jedoch schon wissenschaftlich nicht nachweisbar,513 kann es folglich auch keinen gemeinsamen Willen generieren, respektive muss ein solcher Volkswille fiktionalisiert werden. Ein fiktiver und damit willkürlicher „gemeinsamer Wille“ eröffnet letztlich Möglichkeiten totalitärer Ausübung staatlicher Macht durch einzelne gesellschaftliche Gruppierungen.514 Ein anknüpfender Kritikpunkt betrifft die Vorstellung, Menschen würden innerhalb einer Gemeinschaft apriorisch ein diese „schicksalhaft“ verbindendes Element in sich tragen, welches sie in Bezug auf die anderen Mitglieder der Gesellschaft gleicher erscheinen ließe.515 Auch diese These ist nicht tragfähig. Gleichheit oder auch Solidarität ist einer Gesellschaft niemals „schicksalhaft“ immanent, sondern ausschließlich gewillkürt. Denn stimmt man Arendt zu,516 sind Menschen 510 Vgl. Böckenförde, Staat Nation Europa, S.  41. Zu den unterschiedlichen historischen Konzeptionen der Nation, vgl. Böckenförde, Staat Nation Europa, S. 34 ff. So sei nach dem französisch geprägten Begriff die Nation eine politische Willens- und Bekenntnisgemeinschaft. Vgl. dazu Sieyès, Politische Schriften 1788–1790, S. 250. Der deutsche Begriff rekurriere hingegen auf vorstaatliche, natürliche Merkmale, die unabhängig vom Willen seien. Der moderne Begriff der Nation sei hingegen genuin politischer Begriff, vgl. Böckenförde, Staat Nation Europa, S. 38 f. 511 Habermas, 1989 im Schatten von 1945, in: ders., Die Normalität einer Berliner Republik, S. 167 ff. (180). Zur Künstlichkeit des Volksbegriffs ähnlich auch F. Müller, Wer ist das Volk?, S. 41. Gleiches gilt freilich auch für die von Menschen geformten, nicht physisch existierenden Termini wie etwa „Recht“, „Staat“ oder „Gesellschaft“. 512 Vgl. ähnlich, allerdings allgemein in Bezug auf den Absolutheitsanspruch der Wahrheit, Luhmann, Legitimation durch Verfahren9, S. 146. 513 Siehe A. III. 1. c). 514 Zur Bedeutung von Pluralismus und Toleranz für das Wesen der Demokratie vgl. Kimminich, Die Verknüpfung der Rechtsstaatsidee mit den anderen Leitprinzipien des Grundgesetzes, DÖV 1979, S. 765 ff. (768 f.). Hinsichtlich der Gefahr eines Umschlagens emphatischer Zusammengehörigkeitsgefühle hin zu zerstörerischen nationalistischen Exzessen, vgl. Lübbe-Wolff, Volk, Demokratie, Verfassung, in: Kluth (Hrsg.), Europäische Integration und nationales Verfassungsrecht, S. 47 ff. (57). 515 Vgl. Depenheuer, Solidarität und Freiheit, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR3 IX, § 194 Rn. 17. 516 Der Rekurs auf Arendt gebietet sich hier, da Depenheuer zur Bestätigung seiner These etwaiger „geborener Solidargemeinschaften“ Arendt anführt. Nach Depenheuers Verständnis von Arendt solle „das politisch elementarste Menschenrecht darin bestehen, überhaupt Bürger

III. Inhaltliche Konkretisierung

99

mit ihrer Geburt niemals gleich, sondern stets „einzigartig, unnachahmlich, unveränderbar“517. Empirisch betrachtet, ist jeder Mensch Individuum.518 Eine etwaige Gleichheit von Menschen ist folglich keineswegs vorbestimmt oder natürlich, sondern normativ gesetzt und damit schlicht menschliches Werk: „Gleichheit ist nicht gegeben, und als Gleiche sind wir das Produkt menschlichen Handelns. Gleiche werden wir als Glieder einer Gruppe, in der wir uns kraft unserer eigenen Entscheidung gleiche Rechte gegenseitig garantieren.“519

Die Annahme eines eine Gemeinschaft schicksalhaft verbindenden Elementes kann unter dieser Prämisse nicht aufrecht gehalten werden. Die Konzeption von Solidarität im Sinne einer bedarfsdeckenden Umverteilung auf Grundlage von Homogenität und Bund vermag daher weder inhaltlich noch methodisch zu überzeugen. bb) Reziprok-kooperative Unterstützung Ein konträres Verständnis von Solidarität zeigt sich demgegenüber bei Volkmann.520 Der Solidaritätsbegriff wird nach diesem Ansatz maßgeblich durch wechselseitige Unterstützungshandlungen auf Grundlage eines Kooperationsverhältnisses gekennzeichnet. Prägend seien vier Merkmale: Eine wechselseitige Anerkennung als gleich freie Personen, das Element der Kooperation, eine wechselseitige Unterstützung und eine Form innerer Einheit, die auf Differenz basiere.521 Mit der gegenseitigen Respektierung als Individuen geht zugleich eine Abkehr vom Modell der Gemeinschaft, welche sich allein aus Abgrenzung zum „Fremden“ eines Staates zu sein: es garantiert das Aufgehobensein im staatlichen Solidarverband“, D ­ epen­ heuer, „Nicht alle Menschen werden Brüder“, in: Isensee (Hrsg.), Solidarität in Knappheit, S. 41 ff. (59). Hier zeigt sich hingegen eine Verkennung von Arendts Kritik an den Menschenrechten: Denn nach Arendt stelle das elementarste Menschenrecht gerade nicht das Recht auf Staatsbürgerschaft, sondern das Recht, Rechte zu haben dar und damit Teil eines politischen Gemeinwesens zu sein. Vgl. Arendt, Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft15, S. 613 f. Der politisch organisierte Raum ist nach Arendts Verständnis „keineswegs selbstverständlich und nicht überall anzutreffen […], wo Menschen in irgendeiner Art von Gemeinschaft zusammenleben“, Arendt, Zwischen Vergangenheit und Zukunft2, S. 207. Das politische Gemeinwesen grenzt sich gerade ab von der „Notwendigkeit des Lebens und der Sorge um seine Erhaltung“, Arendt, Zwischen Vergangenheit und Zukunft2, S. 201. „[…] weil es in der Politik niemals primär um das Leben, sondern immer um die Welt geht, die so oder anders aussehen soll, so oder anders uns überdauern soll.“, Arendt, Zwischen Vergangenheit und Zukunft2, S. 208. Arendt sieht damit die Teilhabe an einem politischen Gemeinwesen als elementarstes und einziges Menschenrecht an, nicht hingegen die Mitgliedschaft in einem staatlichen Solidarverband. 517 Vgl. Arendt, Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft15, S. 622. 518 Ähnlich auch Sieyès, der von einer Ungleichheit der Mittel spricht, vgl. Sieyès, Politische Schriften 1788–17902, S. 244. 519 Arendt, Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft15, S. 622. 520 Volkmann, Solidarität. 521 Volkmann, Solidarität, S. 407.

100

A. Finanzkraftausgleich und Solidargemeinschaft der Länder 

konstituiert,522 hin zu dem der Gesellschaft als Zusammenschluss unterschiedlicher und autonomer Individuen einher.523 Die Autonomie der Individuen und deren An­erkennung stellten einen wesentlichen Bestandteil von Solidarität dar und führten zu dem Grundgebot gegenseitiger Rücksichtnahme.524 Die Mitglieder einer Solidargemeinschaft stehen so in einem horizontalen Verhältnis zueinander. Die Unterstützungshandlung setzt folglich kein Über- resp. Unterordnungsverhältnis voraus oder konstituiert ein solches, sondern erfolgt auf Augenhöhe. Aus der Autonomie der Individuen resultiert weiter der Unterstützungsmodus der Kooperation. Solidarität müsse von den Individuen selbst erarbeitet werden. Sie sei gerade nicht Folge hierarchischer Vermittlung, sondern eines Zusammenwirkens auf freiwilliger Grundlage.525 Zeigt das erste Merkmal einen grundsätzlich überzeugenden Ansatz für ein verfassungsbezogenes Solidaritätsverständnis, so stößt man bei genauer Betrachtung der übrigen Merkmale auf Schwierigkeiten. Unter dem Merkmal der Kooperation ist nach der Konzeption Volkmanns auch die Partizipation am Prozess der demokratischen Willensbildung zu verstehen.526 Individuen sei es demnach möglich, Solidarität mittels demokratischer Willensbildung kooperativ zu organisieren. Demokratie fungiert indes keineswegs als schlichte kooperative Organisationsform unter Gleichen, sondern als Methode, um Herrschaftsverhältnisse zu legitimieren.527 Demokratie impliziert keine Freiheit von Herrschaft,528 sondern im Gegenteil – sie ist gerade Mittel zur Konstituierung von Herrschaft und damit hierarchischer Verhältnisse. Eine kooperative Organisation unter Gleichen lässt sich nicht im Wege des demokratischen Willensbildungsprozesses verwirklichen. Eine aktive Unterstützungshandlung kann grundsätzlich als fundamentales Kernelement des Solidaritätsbegriffs begriffen werden, welches als einziges Element den Solidaritätstheoremen aller Disziplinen gemeinsam ist. Zwar divergiert die konkrete Ausgestaltung, wie bereits kurz skizziert, in erheblichem Maße, doch ist der Grundgedanke überall nachzuweisen. Aufgrund dieser Relevanz erstaunt es, dass hier lediglich eine wechselseitige Unterstützung als konstitutiv er 522

Vgl. zum Abgrenzungselement des Homogenitätskriteriums Britz, S. 221. Vgl. Volkmann, Solidarität, S. 209 f. 524 Vgl. ebda. So auch bereits Duguit, Traité de droit constitutionnel2 I, S. 23. 525 Vgl. Volkmann, Solidarität, S. 211. 526 Vgl. Volkmann, Solidarität, S. 212. Die Herstellung von Solidarität durch den Staat sei zugleich eigenes Projekt der Bürger. 527 Vgl. Kelsen, Vom Wesen und Wert der Demokratie, in: ders., Verteidigung der Demokratie, S. 149 ff. (162 ff.); H. Dreier, Das Demokratieprinzip des Grundgesetzes, Jura 1997, S. 249 ff. (249 f.); Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland20, Rn. 134. 528 Vgl. Kelsen, Demokratie, in: ders., Verteidigung der Demokratie, S. 115 ff. (131), reale Demokratie unterscheide sich gerade nicht durch den Mangel, sondern vielmehr durch die Fülle der Führer von realer Autokratie. Vgl. auch Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland20, Rn. 131. 523

III. Inhaltliche Konkretisierung

101

achtet wird, ohne diese jedoch näher zu konkretisieren. Nach Volkmann werde die solidarische Unterstützungshandlung auf das „Ideal weltlicher, an gleich­mäßi­ ger Interessenberücksichtigung orientierter Gerechtigkeit“529 ausgerichtet. Nach rechtspositivistischer Sichtweise stellt Gerechtigkeit – aufgrund ihres epistemisch nicht operablen Absolutheitsanspruchs – gerade keine normativ relevante Größe dar.530 Die Anknüpfung an Gerechtigkeit gleicht vielmehr einer Problemverlagerung ins Metaphysische und folglich Transzendentale. Denn, „Gerechtigkeit hat keine ein-fache Struktur, bietet keinen vorgegebenen Inhalt, ist nicht eine naturhafte Wesenheit. […] Sie kann nicht anders, als komplex, mehrdeutig, als umstreitbar und umstritten sein.“531

Die Problematik der detaillierten Gestalt einer solidarisch gebotenen Unterstützungshandlung wird schlicht in eine andere, mittels anerkannter wissenschaftlicher Methodologie nicht greifbare Welt verschoben.532 Soll Solidarität als verfassungsrechtlicher Auslegungsmaßstab für eine konkrete Unterstützungshandlung herangezogen werden, führt diese Konzeption nicht zu ihrer Eingrenzung, sondern im Gegenteil zu einem Verweis auf den metarechtlichen Begriff der Gerechtigkeit. „Es ist wiederum der bekannte Mißbrauch […] eines theoretischen Scheinens, im Dienste politischer Absichten.“533

Diese Flucht in die Metaphysik vermag hingegen zu einem radikalen Subjektivismus zu führen.534 Denn mangels Erkenntnismöglichkeit absoluter, oder zumindest intersubjektiv objektivierbarer Gerechtigkeit535 gibt es viele subjektive, zum Teil erheblich divergierende Konzeptionen von Gerechtigkeit, nach welchen der Inhalt des Solidaritätsprinzips ausgerichtet werden könnte. Gerechtigkeit ist letztlich eine persönliche und individuell divergierende Glaubensentscheidung.536 In 529

Volkmann, Solidarität, S. 213. Vgl. Kelsen, Reine Rechtslehre2, S.  15 f.; Gärditz, Strafbegründung und Demokratieprinzip, Der Staat 49 (2010), S. 331 ff. (343 f.). Ähnlich auch Kunig, Der Rechtsstaat, in: Badura/H. Dreier (Hrsg.), FS 50 Jahre BVerfG II, S. 421 ff. (433). 531 F. Müller, Gerechtigkeit und Genauigkeit, in: ders., Essais zur Theorie von Recht und Verfassung, S. 38 ff. (38). 532 Kelsen, Was ist Gerechtigkeit?, S. 26. 533 Kelsen, Allgemeine Staatslehre, S. 38. 534 Vgl. Kelsen, Redebeitrag, VVDStRL 3 (1927), S. 53. Vgl. hierzu auch Gärditz, Strafbegründung und Demokratieprinzip, Der Staat 49 (2010), S. 331 ff. (343): „Objektive Wahrheit kann daher weder Bezugspunkt noch Ziel demokratischer Verfahren sein. Für die Herrschaftslegitimation ist dies von Vorteil, da absolut gesetzte (sprich: gedanklich objektivierte und substantialistisch hypostasierte) Wahrheitsansprüche die Wurzel des Totalitären in sich tragen“. 535 So u. a. Di Fabio, Steuern und Gerechtigkeit, JZ 2007, S. 749 ff. (749). 536 Vgl. H.  Dreier, Hans Kelsen und Niklas Luhmann, Rechtstheorie  14 (1983), S.  419 ff. (450). Ähnlich auch Arndt, Gesetzesrecht und Richterrecht, NJW  1963, S.  1273 ff. (1278): „Gerechtigkeit aber ist niemals nur behütende Gerechtigkeit und ist nicht ohne Wahrheit möglich. Die Suche nach der Wahrheit jedoch kann nicht zum Stillstand kommen und findet­ infolge der Geschichtlichkeit menschlicher Existenz immer und immer veränderte und neue Wirklichkeiten vor.“ Vgl. ähnlich auch Kriele, Das demokratische Prinzip im Grundgesetz, VVDStRL 29 (1971), S. 46 ff. (53). 530

102

A. Finanzkraftausgleich und Solidargemeinschaft der Länder 

der Folge bedeutet dies, dass es aufgrund dieser metaphysisch bedingten Subjektivität entweder keinen allgemeingültigen Inhalt geben kann, oder dass eine der zahlreichen subjektiven Konzeptionen einen Absolutheitsanspruch für sich fiktionalisieren muss. Dieser Absolutheitsanspruch ginge hingegen mit einem Wahrheitsanspruch einher, welcher anderen Möglichkeiten die Seinsqualität abspräche,537 und so auf eine Unterdrückung anderer subjektiver Ansichten, mithin eine Totalisierung hinauslaufen würde.538 „Die Bestimmung der absoluten Werte im allgemeinen und die Definition der Gerechtigkeit im besonderen, […] erweisen sich als völlig leere Formeln, durch die jede beliebige gesellschaftliche Ordnung als gerecht gerechtfertigt werden kann.“539

Aus der Verknüpfung mit dem Gerechtigkeitspostulat lassen sich inhaltlich folglich keinerlei allgemeingültige Vorgaben ableiten. Solidarität stellt sich somit als potentiell unbegrenzte Unterstützungshandlung dar, die ihre Grenzen allein im subjektiven Willen der Beteiligten findet. Eine hinreichende Präzisierung, welche geeignet wäre, dem einfachen Gesetzgeber verfassungsrechtliche Direktiven an die Hand zu geben, ist damit nicht erreicht. Ein weiterer Kritikpunkt betrifft das Merkmal der Form innerer Einheit. So sollen sich die Individuen in ihrer Unterschiedlichkeit dennoch als Teil eines gemeinsamen Projekts begreifen. Eine etwaige innere Einheit ist mit den Mitteln der Jurisprudenz weder zu erkennen noch zu generieren. Die so geforderte innere Einheit erinnert an das Homogenitätserfordernis Depenheuers resp. Schmitts.540 Einzig eine formale, äußere Einheit, wie sie durch einen bestimmten rechtlichen Status vermittelt wird, kann Merkmal einer Rechtsnorm sein.541 Die wissenschaftliche Untersuchung einer potentiellen inneren Einheit ist vom Gegenstand her anderen Disziplinen vorbehalten. Dieses Merkmal ist für eine rechtswissenschaftliche Untersuchung daher prinzipiell unbrauchbar. Solidarität als wechselseitige Unterstützungsleistung auf Grundlage von Kooperation zeigt im Ergebnis zwar überzeugende Ansätze, doch fehlt es ihr aufgrund der inhaltlichen sowie methodischen Kritikpunkte an entscheidender Stelle letztlich an der erforderlichen Präzisierung.

537

Luhmann, Legitimation durch Verfahren9, S.  146. So auch Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland2 I, S. 620. 538 Zur Frage eines Endzwecks des Staates als organisierte und institutionalisierte Macht vgl. Arendt, Macht und Gewalt23, S. 53 „Die Antwort wird sich entweder in einem Zirkel bewegen – etwa: er soll das Zusammenleben von Menschen ermöglichen – oder sie wird utopische Ideale aufstellen, das Glück der größten Zahl, die klassenlose Gesellschaft, aber auch Gerechtigkeit, Freiheit und dergleichen mehr, die, wenn man sie im Ernst zu verwirklichen versucht, unweigerlich zu einer Zwangsherrschaft führen“. 539 Kelsen, Was ist Gerechtigkeit?, S. 27. 540 Siehe A. III. 1. c) zu Schmitt sowie A. III. 2. d) aa) zu Depenheuer. 541 Vgl. hierzu Kelsen, Reine Rechtslehre2, S. 72.

III. Inhaltliche Konkretisierung

103

cc) Zusammenfassung Alle hier näher untersuchten Ansätze zur inhaltlichen Präzisierung eines Solidaritätsprinzips auf Verfassungsebene erweisen sich sowohl inhaltlich als auch methodisch als nicht unproblematisch. So stellen sich sowohl das Bedarfskriterium Depenheuers, anhand dessen eine Umverteilung erfolgen soll, als auch die aktive Unterstützungshandlung Volkmanns bei näherer Betrachtung als zu unpräzise dar, als dass sich hierdurch ein konkretes solidarisches Rechtsverhältnis zwischen den Ländern bestimmen ließe. Der Inhalt der Solidaritätsnorm bliebe unbestimmt und inhaltsleer. Die eigentliche Problematik dieser Unbestimmtheit zeigt sich, wenn die inhaltliche mit der methodischen Kritik zusammengeführt wird. Beide wissenschaftliche Untersuchungen greifen auf metaphysische Begründungsmotive zurück und begeben sich damit aus dem Normenkreis des positiven Rechts heraus. Bei Depenheuer findet sich die ­Anknüpfung an eine metaphysische Homogenitätsvorstellung, während es bei Volkmann der Rückgriff auf eine allgemeine Gerechtigkeitsformel sowie eine, der Homogenitätskonstruktion Depenheuers ähnliche, innere Einheit ist. Obgleich beide Ansätze in konzeptioneller und inhaltlicher Hinsicht stark divergieren, verläuft ihre Argumentationsmethodik im entscheidenden Punkt doch nach einem parallelen Muster: Einer „Flucht in die Metaphysik“542. Nun mag gegen diese Kritik sicherlich von der einen oder anderen Seite der Vorwurf eines rechtswissenschaftlichen Formalismus in Stellung gebracht werden. So führt etwa Schmitt an, ein voraussetzungsloser Formalismus führe dazu, dass die Verfassung ohne jede inhaltliche Beziehung zu Vernunft und Gerechtigkeit schutzlos dastehe und jede beliebige Anordnung durch Parlamentsbeschluss legal und rechtmäßig vorgenommen werden könne, was im Ergebnis zu einem rein politisch motivierten Unterwerfungsanspruch führe.543 Es müssten „Voraussetzungen“ geschaffen werden, welche die Verfassung vorkonditionierten und damit Schutz vor potentiell „ungerechten“ Gesetzen gewährten. Die so geführte Formalismuskritik geht hingegen von der Prämisse aus, dass Gerechtigkeit existiert und menschlich erfassbar ist. Sie verabsolutiert Gerechtigkeit sowie Werte im Allgemeinen, wenn sie davon ausgeht, dass es einen allgemeinen Konsens hierüber geben kann. Wie bereits ausgeführt, sind absolute Werte oder ­absolute Gerechtigkeit weder mit menschlicher Vernunft noch mit wissenschaftlicher Metho­dologie begreifbar.544 Da jeder Mensch durch seine individuelle Prägung einzigartig ist,545

542

Kelsen, Allgemeine Staatslehre, S. 38. Schmitt, Legalität und Legitimität, in: ders. (Hrsg.), Verfassungsrechtliche Aufsätze 1924–1954, S. 263 ff. (279). 544 So auch Kaufmann, Gesetz und Recht, in: Würtenberger/u. a. (Hrsg.), Existenz und Ordnung, S. 357 ff. (366): „Die absolute Gerechtigkeit wird unsere Erkenntnis nie erreichen“. 545 Vgl. Arendt, Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft15, S. 622. 543

104

A. Finanzkraftausgleich und Solidargemeinschaft der Länder 

stellen sich Werte für jeden Menschen unterschiedlich dar und können ausschließlich in dieser Relativität erfasst werden.546 Geht man davon aus, dass absolute Werte nicht existieren – oder diese für den Menschen zu­mindest nicht greifbar sind  –, wird eine Präkonditionierung der demokratischen Verfassung auf absolute Werte wie Gerechtigkeit oder Vernunft zu einer gefährlichen Schleuse für einen die Möglichkeit anderer Ansichten negierenden, dominierenden Subjektivismus. Damit kehrt sich das vorgebrachte Argument um und bestätigt vielmehr eine rechtspositivistische Herangehensweise. So ist es denn gerade die Vorkonditionierung der Verfassung durch absolute Wahrheit beanspruchende Leerformeln, welche die Gefahr birgt, jede beliebige Gesellschaftsordnung zu rechtfertigen und absolut zu setzen.547 „Das Sittliche wird […] gemessen an den sittlichen Überzeugungen der Herrschenden, die […] im schroffen Gegensatz zu denen der Beherrschten stehen können.“548

Die Ablehnung einer Vorkonditionierung der Verfassung auf absolute Werte bedeutet indes nicht den Verzicht auf Werte per se. So können und sollen Werte zum einen die gedankliche Grundlage der Rechtsordnung bilden – nur eben in ihrer Relativität.549 Mit einem Wertrelativismus ist kein Wertnihilismus verbunden.550 „Das moralische Prinzip, das einer relativistischen Wertlehre zugrunde liegt oder aus ihr gefolgert werden kann, ist das Prinzip der Toleranz, das ist die Forderung, die religiöse oder politische Anschauung anderer wohlwollend zu verstehen, auch wenn man sie nicht teilt, ja gerade, weil man sie nicht teilt, und daher ihre friedlichen Äußerungen nicht zu verhindern.“551

546 Vgl. Kelsen, Was ist Gerechtigkeit?, S. 26. Wobei sich natürlich aus dem gegenseitigen Austausch und der Integration von Individuen innerhalb sozialer Gruppierungen auch gemeinsame Werte ergeben. Diese gemeinsamen Werte verschmelzen hingegen nicht zu einem globalen Wertesystem, sondern sind auf ihre jeweiligen Gruppen bezogen, vgl. Kelsen, Was ist Gerechtigkeit?, S. 21 ff. 547 Kelsen, Was ist Gerechtigkeit?, S. 27. Ähnlich auch Rüthers, Zwischenruf aus der methodischen Wüste, JZ 2006, S. 958 ff. (959); Möllers, Erwiderung, JZ 2008, S. 188 f. (188). Deutlich auch Merten, Die Bindung des Richters an Gesetz und Verfassung, DVBl.  1975, S. 677 ff. (679): „So wurde das „inhaltlich gute Recht“ gegen die „trügerische Bindung an die verdrehbaren Buchstaben von tausend Gesetzesparagraphen“ erfolgreich ausgespielt und der bekämpfte „bürgerliche Rechtsstaat“ diskreditiert. Dieser stellte gerade das Angriffsziel des Nationalsozialismus dar und sollte mit Hilfe des politischen Dezisionismus, des Gerechtigkeits- und Wertedenkens überwältigt werden. Infolgedessen kam es im Dritten Reich zu einer Distanz vom Positivismus […]“. 548 Jellinek, Allgemeine Staatslehre3, S.  245, allerdings bezogen auf die Lehren über die Staatszwecke. 549 Vgl. Kelsen, Reine Rechtslehre2, S. 69. 550 Ebda. Vgl. hierzu auch Kimminich, Die Verknüpfung der Rechtsstaatsidee mit den anderen Leitprinzipien des Grundgesetzes, DÖV 1979, S. 765 ff. (768) „Viele unserer Politiker verwechseln offenbar Pluralismus mit Wertneutralität. Der Pluralismus gehört zum Wesen der Demokratie“. 551 Kelsen, Was ist Gerechtigkeit?, S. 50.

III. Inhaltliche Konkretisierung

105

Zum anderen darf der Geltungsgrund des Rechts nicht von der Geltung eines­ absoluten Wertes abhängig gemacht werden.552 Die rechtspositivistische Lehre ist daher nicht nur nicht unzulässig, sondern geradezu erforderlich, um das Rechtssystem vor äußeren, strukturellen Geltungsabhängigkeiten zu schützen.553 Systemfremde Prädispositionen führen im Ergebnis zu einer Einschränkung demokratischer Selbstbestimmung und damit zu einer politischen Entmachtung des von der Verfassung resp. vom Volk eingesetzten Gesetzgebers.554 „Materialismus“ ist nichts anderes als der Griff nach inhaltlicher Definitionsmacht. „Der Vorwurf des „Formalismus“ ist stets das Verteidigungsmittel einer ihre metho­dischen Grenzen überschreitenden Rechtstheorie. Und wie so oft, zeigt sich auch hier wieder als das eigentliche Motiv solcher Überschreitung des Systems eine politische Tendenz.“555

Der hypothetische Formalismus-Vorwurf würde sich selbst entkräften und liefe folglich ins Leere. Die angeführten Untersuchungen Depenheuers und Volkmanns hinsichtlich eines verfassungsbezogenen Solidaritätskonzeptes erweisen sich bei näherer Betrachtung damit weder inhaltlich als ausreichend präzise noch aus rechtspositivistischer Perspektive tragfähig. In der Literatur lassen sich zwar noch einige weitere Ansätze finden, welche den Solidaritätsbegriff auf Verfassungsebene thematisieren – so etwa Denninger556, Hans Michael Heinig557 oder Stefan Korioth558 –, doch führen auch diese Überlegungen letztlich nicht zu der erforderlichen inhaltlichen Präzisierung der Solidaritätsnorm.559 So bleibt die Frage, wie sich die Figur einer bundesstaatlichen Solidargemeinschaft der Länder unter dem Grundgesetz beschreiben ließe.

552

Vgl. Kelsen, Reine Rechtslehre2, S. 68. Mit Blick auf die Reine Rechtslehre vgl. Jestaedt, Geltung des Systems und Geltung im System, JZ 2013, 1009 ff. (1014 f.). 554 Vgl. Kelsen, Redebeitrag, VVDStRL 3 (1927), S. 53. 555 Kelsen, Allgemeine Staatslehre, S. 317. 556 Denninger, Verfassungsrecht und Solidarität, KritV 78 (1995), S. 7 ff. 557 Heinig, Der Sozialstaat im Dienst der Freiheit, S. 123 ff. 558 Korioth, Der Finanzausgleich zwischen Bund und Ländern, S. 119 ff. 559 So untersucht Denninger Solidarität als soziales Phänomen und nicht als Rechtsnorm. Heinigs Ausführungen zielen letztlich mehr auf einen ausführlichen Problemaufriss und nicht auf eine positive Konstruktion des Solidaritätsbegriffs. Bei Korioth hingegen führt die inhaltliche Präzisierung des Konzeptes einer bundesstaatlichen Solidarität zu einem nicht unerheblichen Widerspruch zu den zuvor angeführten, grundlegenden Prämissen. Demnach gründe die staatliche Existenz der Mitglieder des Bundesstaates – und damit zugleich deren Autonomie  – bereits in der gesamtstaatlichen Solidargemeinschaft. Damit konstituiert aber die Norm, welche die Beziehung zwischen den Ländern bestimmen soll, zugleich die zu organisierenden Gegenstände. Die bundesstaatliche Solidarität wird damit zugleich zur Voraussetzung der bundesstaatlichen Ordnung des Grundgesetzes. 553

106

A. Finanzkraftausgleich und Solidargemeinschaft der Länder 

Im weiteren Untersuchungsverlauf soll der Versuch unternommen werden, die finanzielle Solidaritätsnorm des Auslegungsmaßstabes der bundesstaatlichen Solidargemeinschaft im Wege einer Rückführung auf die Wurzeln des normativen Solidaritätsbegriffs mit inhaltlichen Konturen anzureichern und damit ein positives Konzept eines verfassungsbezogenen Solidaritätsbegriffs zu entwickeln. e) Rückführung des Solidaritätsbegriffs Eine inhaltliche Präzisierung lässt sich im Wege einer Rückführung zu den Wurzeln des Solidaritätsbegriffs als Konzept einer zivilrechtlichen Solidarhaftung im Römischen Recht erreichen. Wie bereits kurz thematisiert, verwendet das Römische Recht die Gesamtobligation in solidum als Lösungskonstrukt für den Umgang mit einer Schuldner- oder Gläubigermehrheit.560 Kennzeichnendes Merkmal dieses Schuldverhältnisses ist es, dass, im Fall einer Gesamtschuld, der Gläubiger seine Forderung gegen jeden Schuldner auf das Ganze – in solidum – richten kann, er die Leistung dabei aber insgesamt nur einmal fordern kann und die übrigen Schuldner in der Folge dieser Leistung frei werden.561 Das Gegenmodell zu der römisch-rechtlichen Solidarobligation ist eine anteilige Haftung eines jeden Schuldners einer Schuldnergemeinschaft pro parte oder pro rata.562 Als potentielles Hindernis einer solchen Rückführung erscheint auf den ersten Blick der zivilrechtliche Ursprung der römisch-rechtlichen Solidarhaftung. Lässt sich der Inhalt eines öffentlich-rechtlich kontextualisierten Solidaritätsbegriffs mittels Anlehnung an ein zivilrechtliches Institut zulässigerweise konkretisieren? Das Zivilrecht und das Öffentliche Recht stellen zwar selbstständige Rechts­ gebiete mit jeweils eigenen rechtswissenschaftlichen Disziplinen und einer je eigenen Methodik dar,563 doch stehen sie nicht ohne jegliche Beziehung nebeneinander.564 So hat sich das Öffentliche Recht erst aus dem ius commune entwickelt.565 Es handelt sich letztlich um eigenständige Teilbereiche, welche indes 560

Vgl. Steiner, S. 1. Kaser/Knütel, Römisches Privatrecht20, § 56 Rn. 4. 562 Vgl. Schmieder, S. 302 f. Vgl. auch Parenti, S. 35 ff. 563 Vgl. Hoke, Die Emanzipation der deutschen Staatsrechtswissenschaft von der Zivilistik im 17. Jahrhundert, Der Staat 15 (1976), S. 211 ff. (224, 230). Wobei die Unterscheidung der beiden Rechtsgebiete insbesondere auf den Einfluss der Politikwissenschaft auf das Öffentliche Recht zurückzuführen ist, vgl. Luhmann, Das Recht der Gesellschaft, S. 469 Fn. 67. 564 Vgl. Bullinger, S. 112 ff. Zur engen Beziehung des Zivilrechts zum Verfassungsrecht im 18. Jahrhundert vgl. Luhmann, Das Recht der Gesellschaft, S. 474. 565 Vgl. Wyduckel, Ius Publicum, S.  63. So auch Hoke, Die Emanzipation der deutschen Staatsrechtswissenschaft von der Zivilistik im 17. Jahrhundert, Der Staat 15 (1976), S. 211 ff. Zur Entstehung des öffentlichen Rechts in Deutschland vgl. Grimm, Zur politischen Funktion der Trennung von öffentlichem und privatem Recht, in: ders. (Hrsg.), Recht und Staat der bürgerlichen Gesellschaft, S. 84 ff. (84 f., 99). Zur fehlenden Trennung der beiden Rechtsgebiete im römischen Recht vgl. Bullinger, S. 13 ff. 561

III. Inhaltliche Konkretisierung

107

gemeinsam Bestandteile einer Rechtsordnung sind566 und sich innerhalb dieser wechselseitig beeinflussen können.567 Unter Berücksichtigung der Eigenheiten des Öffentlichen Rechts erscheint die Rezeption eines zivilrechtlichen Gedankens daher nicht per se ausgeschlossen. Problematisch erscheint vielmehr, dass es bisher nicht gelungen ist, die römi­ sche Rechtskonstruktion der Gesamtobligation abschließend zu systematisieren.568 Auch scheint das moderne Solidaritätsverständnis einen paradigmatischen Bedeutungswandel durchlaufen zu haben, so dass sich hieraus nur bedingt Schlussfolgerungen für die römisch-rechtliche Konzeption ableiten lassen. So hat sich der deutsche Gesetzgeber des Bürgerlichen Gesetzbuches bereits Ende des 19. Jahrhunderts bewusst für eine Abkehr von der römisch-rechtlichen Terminologie entschieden und die Begriffe Gesamtschuld resp. Gesamtgläubigerschaft 569 in das deutsche Zivilrecht eingeführt,570 während der italienische Codice Civile571 oder der französische Code Civil572 nach wie vor den Terminus solidarietà resp. soli­ darité nach römisch-rechtlichem Vorbild für das Rechtsinstitut der Gesamtschuld verwenden. Doch auch im italienischen und französischen Recht wurde der Grundtenor der römisch-rechtlichen obligatio in solidum nicht gänzlich auf die neueren Rechtsbegriffe übertragen.573 So hat sich das moderne Begriffsverständnis der Solidarhaftung nicht unwesentlich verändert.574 Die wissenschaftlichen Unsicherheiten im Hinblick auf das römisch-rechtliche Solidaritätsverständnis lassen sich damit auch nicht schlicht mithilfe einer Übertragung der modernen Solidaritätskonzepte ausräumen. Deutlich ist hingegen die rechtliche Ausgangssituation der obligatio in solidum: Eingebettet war die römisch-rechtliche Solidarobligation in das Recht der Schuldverhältnisse.575 Essentielles Element der Rechtsfigur war damit das Bestehen einer Schuld sowie eine konkrete Leistung auf diese. Überträgt man diesen Gedanken auf ein verfassungsbezogenes Solidaritätsverständnis, lässt sich daraus schließen, 566

Vgl. Wyduckel, Ius Publicum, S. 254. Vgl. Bullinger, S. 116. Zu den Auswirkungen der Schuldrechtsreform auf das öffentliche Recht und weiteren Verbindungen zwischen den Teilrechtsordnungen vgl. Gündling, S. 76, 80 f., 95, 114 f. 568 Finkenauer, Duo rei – Neues von der Gesamtobligation?, Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte 130 (2013), S. 164 ff. (164 ff.). So sei gerade die Annahme von einem Denkmodell der Gesamtobligationen problematisch, ebda. 569 Vgl. § 421 BGB – Gesamtschuldner; § 428 BGB – Gesamtgläubiger. 570 Hierzu ausführlich Meier, S. 68 ff., 104 f. Vgl. auch Schmieder, S. 22. 571 Vgl. Art. 1292 Codice Civile – Nozione della solidarietà. 572 Vgl. Art. 1200 Code Civil – De la solidarité de la part des débiteurs. 573 Zum französischen Recht vgl. Meier, S. 49 ff., 533 ff. 574 So konnte etwa das Regressrecht nicht ohne weiteres aus der Gesamtobligation gefolgert werden, vgl. Meier, S. 263; Kaser/Knütel, Römisches Privatrecht20, § 56 Rn. 10. Zum Wandel der römisch-rechtlichen Solidarität hin zu einem modernen Solidaritätskonzept vgl. Parenti, S. 35 ff. 575 Vgl. Kaser/Knütel, Römisches Privatrecht20, § 56 Rn. 4; Steiner, S. 4. 567

108

A. Finanzkraftausgleich und Solidargemeinschaft der Länder 

dass eine verfassungsbezogene Solidaritätsnorm keinerlei allgemeine Ausgleichspflicht oder eine allgemeine Pflicht zur Umverteilung von Gütern begründet, sondern lediglich dazu dient, eine konkrete Schuld zu begleichen. Damit wäre bereits ein Entscheidendes klargestellt: Solidarität darf nicht als Instrument allgemeiner Umverteilung und des sozialen Ausgleichs missverstanden werden. Sie dient primär der Begleichung konkreter Schulden. Das Kernelement dieses Solidaritätsverständnisses bildet folglich die anlass­ bezogene Leistungsverpflichtung. Voraussetzung für eine solidarische Leistung ist, unter Rückführung auf die römisch-rechtlichen Wurzeln, zunächst das Bestehen einer individualisierten Schuld. Auf diese konkrete Schuld richtet sich sodann das gemeinsame Interesse der Verpflichteten. Die Verpflichteten werden in einer gemeinsamen Pflichtenbeziehung materiell miteinander verbunden. Letztlich bewirkt dieses Solidaritätsverständnis zugleich eine wechselseitige Anerkennung der Verpflichteten, welche sich als selbständige und eigenverantwortliche Individuen gegenüberstehen. Aus der Rückführung resultiert folglich ein eher nüchternes Bild einer verfassungsbezogenen Solidaritätsnorm, welche keinerlei Anknüpfungspunkte für sozialromantische Charakterisierungen wie die einer abstrakten „Mitmenschlichkeits-/Gemeinsinn- Formel“576 oder aber für die Zielsetzung „faktische Egalität“577 vorhält. Doch ist es gerade dieses nüchterne Solidaritätsverständnis, welches die Funktion eines bloßen „Blankett“578-Begriffs zu überwinden vermag und als konkreter Rechtsbegriff dienen kann. 3. Die Solidaritätsnorm im bundesstaatlichen Kontext Konnte nun so eine Möglichkeit aufgezeigt werden, den Begriffsinhalt der Solidaritätsnorm näher zu konkretisieren, stellt sich im Anschluss die Frage nach etwaigen Implikationen durch deren Zuordnung zum Bundesstaatsprinzip des Grundgesetzes.579 Die bundesstaatliche Solidargemeinschaft ist mixtum com­posi­ tum aus einer Verbindung der verfassungsspezifischen finanziellen Solidaritätsnorm sowie der bundesstaatlichen Ordnungsidee des Grundgesetzes. Eine Untersuchung, welche ausschließlich das Element der Solidarität fokussieren würde, erhielte im Ergebnis ein unvollständiges Bild. Insbesondere eine potentielle Differenz im Vergleich zu anderen Formen von Solidarität, wie etwa einer so­zial­

576 Vgl. hierzu auch Ruland, Solidarität, NJW 2002, S. 3518 f. (3518); Denninger, Verfassungsrecht und Solidarität, KritV 78 (1993), S. 7 ff. (9). 577 Depenheuer, „Nicht alle Menschen werden Brüder“, in: Isensee (Hrsg.), Solidarität in Knappheit, S. 41 ff. (43). Ähnlich Lerche, Finanzausgleich und Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse, in: Blumenwitz/Randelzhofer (Hrsg.), FS Berber, S. 299 ff. (305). 578 Isensee, Nachwort, in: ders. (Hrsg.), Solidarität in Knappheit, S. 97 ff. (99). 579 Vgl. BVerfGE 72, 330 (386).

III. Inhaltliche Konkretisierung

109

staatlich geprägten Solidargemeinschaft, ließe sich nicht ausmachen. Die weitere Analyse zielt daher auf das Proprium einer bundesstaatlichen Solidargemeinschaft der Länder. a) Das Bundesstaatsprinzip des Grundgesetzes Das Bundesstaatsprinzip liegt dem Grundgesetz nicht voraus, sondern ist ihm immanent. So wie es keine allgemeine präkonstitutionelle Bundesstaatstheorie gibt, so lässt sich auch kein apriorisches Prinzip als allgemeine föderative Ordnungsidee ausmachen.580 Ein möglicher Inhalt des in Art. 20 Abs. 1 GG niedergelegten Bundesstaatsprinzips ergibt sich ausschließlich aus den positiven Verfassungsnormen des Grundgesetzes.581 Auf Grundlage dieser Prämisse kommt es jedoch nicht nur hinsichtlich des Umfangs sowie der Einzelgehalte des Prinzips zu Differenzen. Bereits die These, dass das bundesstaatliche Verfassungsprinzip überhaupt einen konkreten Inhalt habe, wird nicht selten bestritten. Jestaedt spricht etwa von einem dreifachen Verdikt, dem sich das Bundesstaatsprinzip ausgesetzt sehe. Dieses umfasse neben der Kritik normativer Ortlosigkeit und dogmatischer Funktionslosigkeit insbesondere auch die einer inhaltlichen­ Konturlosigkeit.582 Der Vorwurf inhaltlicher Konturlosigkeit basiert primär auf der Annahme, das Bundesstaatsprinzip beschreibe lediglich einen Ist-Zustand583 und weise keinen eigenständigen normativen Gehalt auf, sondern erschöpfe sich in dem positiven Gehalt der einzelnen bundesstaatlichen Verfassungsnormen.584 So gelangt etwa Šarčević zu der Überzeugung, es handle sich bei dem bundesstaatlichen Prinzip lediglich um eine schlichte Sammelbezeichnung für verschiedene, jeweils eigenständige Verfassungsgebote.585 Ähnlich urteilt auch Isensee, wenn er das bundesstaatliche Prinzip, welches sich seiner Ansicht nach lediglich aus verschiedenen Strukturen zusammensetze, die jeweils als Prinzipien a posteriori gedeutet werden könnten, in der Folge als eigentliche contradictio in adiecto beschreibt.586 Bauer gelangt gar zu der Überzeugung, das Bundesstaatsprinzip diene lediglich 580 Vgl. Jestaedt, Bundesstaat als Verfassungsprinzip, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR3 II, § 29 Rn. 38; Kimminich, Der Bundesstaat, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR I, § 26 Rn. 36; Isensee, Der Bundesstaat, in: Badura/H.  Dreier (Hrsg.), FS 50 Jahre BVerfG  II, S.  719 ff. (735 ff.). Im Ergebnis ähnlich Šarčević, S. 110. 581 Vgl. Jestaedt, Bundesstaat als Verfassungsprinzip, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR3 II, § 29 Rn. 38; Kimminich, Der Bundesstaat, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR I, § 26 Rn. 36. 582 Jestaedt, Bundesstaat als Verfassungsprinzip, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR3  II, § 29 Rn. 31. 583 Heitsch, S. 110. 584 Ebda.; Šarčević, S. 132. 585 Šarčević, S. 132. 586 Isensee, Der Bundesstaat, in: Badura/H. Dreier (Hrsg.), FS 50 Jahre BVerfG II, S. 719 ff. (735).

110

A. Finanzkraftausgleich und Solidargemeinschaft der Länder 

„als Verhüllungsformel für den direkten Rückgriff auf den Reliquienschrein der Verfassungsgeschichte“587. Doch lässt das bundesstaatliche Prinzip tatsächlich derart dekonstruieren, dass sich keinerlei inhaltlicher Mehrwert aus ihm ableiten ließe? Das Bundesstaatsprinzip als eines der Leitprinzipien des Grundgesetzes588 verkörpert indes die Idee bundesstaatlicher Ordnung, welche der faktischen Ordnung der Bundesrepublik Deutschland zugrunde liegt.589 Diese Idee mag nicht sonderlich detailliert sein, doch lässt sich auch nicht behaupten, sie sei kontur- und damit inhaltslos. Sie bietet gerade das gedankliche Grundgerüst für den bundesstaatlichen Aufbau. Da sich die bundesstaatliche Ordnungsidee in den konkreten bundesstaatlichen Normen des Grundgesetzes spiegelt, lässt sich deren Manifestation im Wege einer inhaltlichen Abstraktion hin auf die zugrundeliegende Idee der einschlägigen Normen gewinnen. Der Bundesstaat des Grundgesetzes erweist sich jedoch nicht als starr, sondern vielmehr als entwicklungs- und anpassungsfähig.590 Dies bedeutet in der Konsequenz, dass auch der Bundesstaatsidee eine gewisse Flexibilität und Wandlungsfähigkeit immanent sein muss.591 Gemeinsam mit der positiven bundesstaatlichen Ordnung des Grundgesetzes hat sich denn auch die bundesstaatliche Ordnungsidee seit 1949 kontinuierlich weiterentwickelt.592 Die Grundidee dieser Ordnung ist hingegen aufgrund ihres verfassungsrechtlichen Schutzes durch die Ewigkeitsgarantie des Art. 79 Abs. 3 GG i. V. m. Art. 20 GG seit Inkrafttreten des Grundgesetzes konstant geblieben und bildet damit den unerschütterlichen Kern grundgesetzlicher Bundesstaatlichkeit.593 Weitgehende Einigkeit besteht dahingehend, dass dieser Kern neben anderen Elementen zumindest eine Gliederung des Bundes in Länder sowie deren jeweilige Staatlichkeit umfasst.594 Der Topos der Staatlichkeit der Länder ist jedoch 587

Bauer, Die Bundestreue, S. 230. Kimminich, Der Bundesstaat, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR I, § 26 Rn. 36. 589 Vgl. Jestaedt, Bundesstaat als Verfassungsprinzip, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR3 II, § 29 Rn. 15. 590 Vgl. Ossenbühl, Föderalismus nach 40 Jahren Grundgesetz, DVBl. 1989, S. 1230 ff. (1230); Hanebeck, Der demokratische Bundesstaat des Grundgesetzes, S. 328. 591 Vgl. Hesse, Bundesstaatsreform und Grenzen der Verfassungsreform, AöR  98 (1973), S. 1 ff. (7). 592 Ähnlich auch Lerche, Föderalismus in Deutschland, in: L. Huber (Hrsg.), Bayern, Deutschland, Europa, S. 77 ff. (80). 593 Vgl. Hesse, Bundesstaatsreform und Grenzen der Verfassungsreform, AöR  98 (1973), S. 1 ff. (7). Hier ist anzumerken, dass die Schutzwirkung des Art. 79 Abs. 3 GG ausschließlich an die Geltungskontinuität des Grundgesetzes anknüpft. 594 Grundlegend BVerfGE 1, 14 (18). Vgl. u. a. Jestaedt, Bundesstaat als Verfassungsprinzip, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR3 II, § 29 Rn. 64 ff.; Isensee, Der Bundesstaat, in: Badura/ H. Dreier (Hrsg.), FS 50 Jahre BVerfG II, S. 719 ff. (735 ff.); Šarčević, S. 230; Hesse, Bundesstaatsreform und Grenzen der Verfassungsreform, AöR  98 (1973), S.  1 ff. (14 f.); Scheuner, Struktur und Aufgabe des Bundesstaates in der Gegenwart, DÖV 1962, S. 641 ff. (648). Zur Staatsqualität des Bundes und der Länder BVerfGE 36, 342 (360 f.); Herdegen, Art. 79 GG, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz Kommentar, Rn. 91. 588

III. Inhaltliche Konkretisierung

111

nur bedingt von rechtlicher Aussagekraft. Abgesehen von der unklaren Doppel­ bedeu­tung des Staatsbegriffs595 und seiner kaum geeigneten Übertragung auf den Gedanken der Bundesstaatlichkeit,596 bietet dieser im Vergleich zur materiellen Kompetenzordnung des Grundgesetzes keinen hierüber hinausgehenden Schutz der Ländersphären.597 Der Begriff der Staatlichkeit wird daher oftmals mit dem Merkmal einer unabgeleiteten Staatsgewalt in Verbindung gebracht.598 Im demokratischen Bundesstaat des Grundgesetzes, in dem nach Art. 20 Abs. 2 S. 1 GG alle Staatsgewalt vom Volke ausgeht und damit weder Bund noch die Länder über eine unabgeleitete Staatsgewalt verfügen können, kann das Merkmal der Unabgeleitetheit der Staatsgewalt letztlich nur bedeuten, dass Bund und Länder über eine je voneinander unabhängige und unabgeleitete, originäre demokratische Legitimation verfügen.599 Voraussetzung dieser These ist allerdings die Existenz rechtlich eigenständiger Landesvölker als originäre Ausgangs- und Bezugspunkte demokratischer Legitimationsstrukturen unter dem Grundgesetz. Nicht selten wird vertreten, die demokratische Konzeption des Grundgesetzes umfasse ausschließlich ein einheitliches Legitimationssubjekt, das Bundesvolk. Die Verfassung erkenne die Landesvölker lediglich als bloße Teile600 des Bundesvolks an oder spreche ihnen gar metaphorische Existenz601 zu. Daneben wird die diametral entgegengesetzte Position vertreten, dem Grundgesetz liege ein plurales Demokratieverständnis zugrunde, das auf den verschiedenen bundesstaatlichen Ebenen auch verschiedene Legitimationssubjekte zu akzeptieren vermag.602 Legt man den Fokus auf das normative Gepräge des Grundgesetzes sowie den Akt der Verfassungsgebung, erscheint die Zugrundelegung des ursprünglich französischen, national-einheitlichen Demokratiemodells für die Bundesrepublik Deutschland als nicht tragfähig.603 Das Grundgesetz kennt nicht allein das Bun 595 Lepsius, Braucht das Verfassungsrecht eine Theorie des Staates?, EuGRZ 2004, S. 370 ff. (371): „Zum einen galt Staat als eine genuin juristische Kategorie (des Völkerrechts, als Rechtssubjekt, als Zurechnungspunkt), zum anderen wurde Staat als eine geisteswissenschaftliche Kategorie verstanden, die auch soziale, historische, philosophische, ökonomische einbezieht. In moderner deutscher Terminologie gesprochen, fungiert der Begriff Staat hier als „interdisziplinärer Brückenbegriff“. 596 Vgl. Möllers, Staat als Argument, S. 361 f.; Kisker, Kooperation im Bundesstaat, S. 57 ff. 597 Vgl. hierzu Möllers, Gewaltengliederung, S. 224. 598 Möllers, Staat als Argument, S. 362. Vgl. BVerfGE 1, 14 (18); Kisker, Kooperation im Bundesstaat, S. 58 f. 599 Vgl. Möllers, Staat als Argument, S. 362 ff. So ließe sich schließlich auch die Unterscheidung zwischen Ländern und schlichten Selbstverwaltungskörperschaften schlüssig erklären, vgl. Möllers, Staat als Argument, S. 362. 600 Isensee, Der Föderalismus und der Verfassungsstaat der Gegenwart, AöR  115 (1990), S. 248 ff. (271). 601 Isensee, Idee und Gestalt des Föderalismus im Grundgesetz, in: ders./Kirchhof (Hrsg.), HStR3 VI, § 126 Rn. 47. 602 Vgl. Smith, S. 116, 154. 603 Vgl. Smith, S. 115. Zum monistischen Demokratieverständnis vgl. u. a. Unger, S. 56 ff.; Pielke, S. 77.

112

A. Finanzkraftausgleich und Solidargemeinschaft der Länder 

desvolk als Subjekt demokratischer Legitimation, sondern auch die Landesvölker als vom Bundesvolk unabhängige, originäre Legitimationskörper.604 Die Tat­sache, dass die Legitimationskörper personell teilidentisch sind, macht die Landesvölker nicht zugleich auch rechtlich zu integralen Teilen des Bundesvolkes.605 So verpflichtet das Grundgesetz nicht nur den Bund, sondern auch die Bundesländer durch Art. 28 Abs. 1 S. 1 i. V. m. Art. 20 Abs. 2 S. 1 GG auf das Prinzip der demokratischer Selbstbestimmung.606 Prämisse einer solchen Verpflichtung ist die Existenz eines eigenständigen und unabhängigen Subjektes demokratischer Legitimation.607 Damit nehmen die Landesvölker für sich in Anspruch, Inhaber und Träger staatlicher Hoheitsgewalt zu sein.608 Ausweislich seiner Verkündungsformel bezieht das Grundgesetz zudem seine eigene, originär-demokratische Legitimation nicht nur aus dem Willen des Gesamtvolkes – vermittelt durch den Parlamentarischen Rat –, sondern zugleich aus dem Willen der demokratisch gewählten Volksvertreter der deutschen Länder, mithin der Landesvölker.609 Unter Zugrundelegung eines pluralen Demokratieverständnisses soll der These Christoph Möllers gefolgt werden, wonach das Merkmal der Staatlichkeit der Länder als normative Demokratiefähigkeit im Legitimationssystem des Grundgesetzes umzudeuten sei.610 Zum Kern der bundesstaatlichen Ordnungsidee des Grundgesetzes gehört folglich die normative Demokratiefähigkeit der Länder. Weitgehende Einigkeit besteht weiter hinsichtlich der Untergliederung des Bundes in die verschiedenen Bundesländer.611 Hieraus ergibt sich das dem Bundesstaat typischerweise inhärente Spannungsverhältnis zwischen Föderalismus und Unitarismus,612 zwischen gliedstaatlicher Eigenständigkeit und gesamtstaatlicher Ein 604 Heitsch, S.  96; Böckenförde, Sozialer Bundesstaat und parlamentarische Demokratie, in: Jekewitz/Melzer/Zeh (Hrsg.), Politik als gelebte Verfassung, S. 182 ff. (190). Ausführlich hierzu Hanebeck, Der demokratische Bundesstaat des Grundgesetzes, S. 271 ff. 605 Vgl. Grawert, Die Staatlichkeit der Bundesrepublik Deutschland, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR3  II, § 16 Rn.  33; H.  Dreier, Art 20 (Demokratie), in: ders. (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar2 II, Rn. 95. Anderer Ansicht Isensee, Idee und Gestalt des Föderalismus im Grundgesetz, in: ders./Kirchhof (Hrsg.), HStR3 VI, § 126 Rn. 47. 606 Heitsch, S. 96 ff. 607 Heitsch, S. 97. So auch Hanebeck, Der demokratische Bundesstaat des Grundgesetzes, S. 272; Smith, S. 139. Anderer Ansicht u. a. Hesse, Der unitarische Bundesstaat, S. 29; Isensee, Der Föderalismus und der Verfassungsstaat der Gegenwart, AöR 115 (1990), S. 248 ff. (271); Scheuner, Struktur und Aufgabe des Bundesstaates in der Gegenwart, DÖV 1962, S. 641 ff. (646). 608 Kruis, Finanzautonomie und Demokratie im Bundesstaat, DÖV 2003, S. 10 ff. (14). 609 Vgl. Hanebeck, Der demokratische Bundesstaat des Grundgesetzes, S. 183. Das Grundgesetz vereint folglich eine doppelte demokratische Legitimation auf sich, vgl. Smith, S. 154. Vgl. auch Sommermann, Art.  20 Abs.  1, in: von Mangoldt/Klein/Starck, Kommentar zum Grundgesetz6 II, Rn. 21. 610 Möllers, Staat als Argument, S. 365. 611 Damit verbunden ist freilich eine Absage an das Modell dreigliedriger Bundesstaatlichkeit. 612 Vgl. Scheuner, Struktur und Aufgabe des Bundesstaates in der Gegenwart, DÖV 1962, S. 641 ff. (647); Jestaedt, Bundesstaat als Verfassungsprinzip, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.),

III. Inhaltliche Konkretisierung

113

heitlichkeit. Jeder Bereich grundgesetzlicher Bundesstaatlichkeit lässt eine ganz eigene Gewichtung dieses Spannungsverhältnisses erkennen, wobei mal betont unitarische, mal betont föderative Tendenzen dominieren und den einzelnen Bereichen so eine jeweils signifikante Prägung verleihen. Da die bundesstaatliche Solidargemeinschaft die verfassungsrechtlichen Beziehungen zwischen den einzelnen Ländern betrifft, ist der Fokus nicht auf die Bund-Länder-Beziehungen, sondern darauf zu legen, wie sich die horizontalen Beziehungen zwischen den Ländern im Rahmen der bundesstaatlichen Ordnung des Grundgesetzes darstellen und welche Ordnungsidee diesen Beziehungen zu Grunde liegt. Die ursprüngliche Fassung des Grundgesetzes von 1949 sah neben der Bundesebene eine Länderebene aus unverbunden nebeneinander stehenden Gliedstaaten vor.613 Aus den geschriebenen Verfassungsnormen ließen sich  – abgesehen vom horizontalen Länderfinanzausgleich – kaum Rechte und Pflichten der Länder untereinander entnehmen. In dem Bereich der horizontalen Beziehungen zwischen den Ländern dominierten ursprünglich föderative, die gliedstaatliche Eigenständigkeit der Länder betonende Tendenzen.614 Mit der Entwicklung der Bundes­repu­ blik hin zum unitarischen Bundesstaat615 hat sich zugleich der horizontale Ausbau der sog. Dritten Ebene zunehmend verstetigt und intensiviert.616 Diese in der Verfassungswirklichkeit stattfindende Koordination und Kooperation der Länderexekutiven auf dem Gebiet ihrer originären Kompetenzen bewirkte einen Wechsel vom Trennsystem hinsichtlich der Wahrnehmung von Aufgaben und Zuständigkeiten hin zu einem umfassenden Verbundsystem617 und die Entwicklung hin zum kooperativen Bundesstaat.618 Doch muss die außerrechtliche VerfassungsHStR3  II, § 29 Rn.  9. Trotz differierender Begrifflichkeit im Ergebnis gleichlaufend Oeter, S. 568; Geiger, Bedeutung und Funktion des Föderalismus in der Bundesrepublik Deutschland, BayVbl. 1964, S. 65 ff. (67). Ähnlich auch Osterloh, Der verfassungsrechtliche Gleichheitssatz, EuGRZ 2002, S 309 ff. (313). 613 Ossenbühl, Föderalismus nach 40 Jahren Grundgesetz, DVBl. 1989, S.  1230 ff. (1234); Selmer, Grundsätze der Finanzverfassung des vereinten Deutschlands, VVDStRL 52 (1993), S. 10 ff. (13). Ähnlich auch Hofmann, Die Entwicklung des Grundgesetzes von 1949 bis 1990, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR3 I, § 9 Rn. 74. 614 Frowein spricht sogar insgesamt von einer ausgeprägt föderalistischen Verfassungsordnung, vgl. Frowein, Die Konstruktion des Bundesstaates, in: Benda (Mitverf.), Probleme des Föderalismus, S. 47 ff. (51). Anderer Ansicht Bauschke, Bundesstaatsprinzip und Bundesverfassungsgericht, S. 59 f. 615 Vgl. hierzu Hesse, Der unitarische Bundesstaat, passim. 616 Vgl. Ossenbühl, Föderalismus nach 40 Jahren Grundgesetz, DVBl. 1989, S. 1230 ff. (1234); Böckenförde, Sozialer Bundesstaat und parlamentarische Demokratie, in: Jekewitz/u. a. (Hrsg.), Politik als gelebte Verfassung, S. 182 ff. (182 f.). Vgl. hierzu auch Sommermann, Art. 20 Abs. 1, in: von Mangoldt/Klein/Starck, Kommentar zum Grundgesetz6 II, Rn. 31. 617 Böckenförde, Sozialer Bundesstaat und parlamentarische Demokratie, in: Jekewitz/u. a. (Hrsg.), Politik als gelebte Verfassung, S. 182 ff. (183). 618 Vgl. hierzu Ossenbühl, Föderalismus nach 40 Jahren Grundgesetz, DVBl. 1989, S. 1230 ff. (1234 f.).

114

A. Finanzkraftausgleich und Solidargemeinschaft der Länder 

wirklichkeit bei der Erkenntnis des Verfassungsrechts unberücksichtigt bleiben.619 Schaut man ausschließlich auf die verfassungsrechtliche Normstruktur, wirken auch im kooperativen Bundesstaat die föderativen Tendenzen in Bezug auf die horizontalen Beziehungen verfassungsrechtlich nach wie vor dominierend. Die verfassungsrechtlich nicht normierte Koordination und Kooperation gründet letztlich auf einer verfassungsrechtlich zugeschriebenen Eigenständigkeit und Unabhängigkeit der Gliedstaaten unter- resp. voneinander, ohne die den Ländern keine selbstständige Verhandlungs- und Entscheidungskompetenz zukäme. Das Grundgesetz sieht denn so ausdrücklich auch kaum verfassungsrechtliche Pflichten zum Zusammenwirken der Länder vor.620 Aus dieser diachronen Betrachtung lässt sich schlussfolgern, dass auch die der verfassungsrechtlichen Ordnung zugrunde liegende bundesstaatliche Ordnungsidee auf dem Gebiet der reinen Länder-Beziehungen von einer vornehmlichen Gewichtung des Elements der gliedstaatlichen Autonomie, und damit primär von der Eigenständigkeit und Eigenverantwortlichkeit der Länder ausgeht und die gesamtstaatliche Einheitlichkeit prinzipiell in den Hintergrund rücken lässt. b) Bundesstaatliche Implikationen auf die Solidargemeinschaft der Länder Welche konkreten Auswirkungen das Bundesstaatsprinzip auf die Solidar­ gemein­schaft der Länder hat, zeigt sich auf der Grundlage der parallelen Spannungslage der beiden Elemente. Sowohl das bundesstaatliche Prinzip als auch die verfassungsspezifische Solidaritätsnorm weisen eine vergleichbare, ihnen jeweils inhärente Spannungslage auf: Gliedstaatliche resp. individuelle Selbständigkeit und Eigenverantwortlichkeit auf der einen Seite sowie gesamtstaatliche Einheitlichkeit resp. gemeinschaftliche Leistungsverpflichtung auf der anderen Seite.621 Beiden ist damit eine concordantia discors, eine Übereinstimmung des Mannigfaltigen immanent.622 Aufgrund dieser strukturellen Übereinstimmung lässt sich darauf schließen, dass die Verknüpfung mit dem bundesstaatlichen Prinzip des 619

Hillgruber, Theorie der Verfassungsinterpretation, in: Depenheuer/Grabenwarter (Hrsg.), Verfassungstheorie, § 15 Rn. 28 [m. w. N.]. 620 Ausnahme ist freilich der horizontale Länderfinanzausgleich selbst. Auch die durch Verfassungsänderung das Grundgesetz ergänzenden „Gemeinschaftsaufgaben“ nach Art. 91a – Art. 91e GG sehen keine verfassungsrechtliche Verpflichtung der Zusammenarbeit zwischen den Ländern vor. Vgl. Sommermann, Art. 20 Abs. 1, in: von Mangoldt/Klein/Starck, Kommentar zum Grundgesetz6 II, Rn. 47. 621 Oftmals wird dem horizontalen Länderfinanzausgleich ein Spannungsverhältnis zwischen staatlicher Eigenständigkeit und bundesstaatlicher Solidargemeinschaft attestiert. Vgl. so etwa BVerfGE 73, 330 (398); 101, 158 (222); Tappe/Wernsmann, Öffentliches Finanzrecht, Rn. 364. Diese Deutung übersieht allerdings, dass das eigentliche Spannungsverhältnis bereits in dem Gedanken der bundesstaatlichen Solidargemeinschaft der Länder enthalten ist. 622 In Bezug auf den Bundesstaat Isensee, Idee und Gestalt des Föderalismus im Grund­ gesetz, in: ders./Kirchhof (Hrsg.), HStR3 VI, § 126 Rn. 4.

III. Inhaltliche Konkretisierung

115

Grundgesetzes, welches in den horizontalen Beziehungen eine starke Betonung der föderativen Tendenzen vorsieht, mit der materiellen Solidaritätsnorm zu einer parallelen Gewichtung des Elements individueller resp. gliedstaatlicher Selbständigkeit und Eigenverantwortung innerhalb des Gedankens der bundesstaatlichen Solidargemeinschaft führt. Das der bundesstaatlichen Solidargemeinschaft inhärente Spannungsverhältnis ist folglich gekennzeichnet durch eine Akzentuierung und Vorrangigkeit des Elements Selbständigkeit gegenüber dem Element gemeinschaftlicher Leistungsverpflichtung. Die bundesstaatliche Solidargemeinschaft der Länder intendiert keine unbegrenzte, all­gemeine Umverteilung von Gütern, sondern begründet – die gliedstaatliche Eigenständigkeit und Eigenverantwortung betonend – lediglich eine gemeinschaftliche Leistungsverpflichtung, auf Grundlage derer nicht mehr zu leisten ist als für die Begleichung der konkreten Schuld erforderlich. Dies impliziert zugleich einen Vorrang der Eigenleistung im Verhältnis zwischen den Ländern,623 welcher sowohl die Eigenverantwortung als auch Eigenständigkeit der Verpflichteten betont. Zugleich wird die bundesstaatliche Solidargemeinschaft der Länder geprägt durch den Status der Gleichrangigkeit der beteiligten Gliedkörperschaften. So umfasst die Solidargemeinschaft ausschließlich die Bundesländer, nicht hingegen den Bund. Damit liegt dieser spezifischen Solidargemeinschaft kein Sub­ ordi­na­tions­verhältnis zugrunde, sondern ein Gleichheitsverhältnis. Die Konkretisierung der Solidarleistung bedingt folglich eine gleichförmige Beteiligung aller Länder. Eine weitere entscheidende Implikation ergibt sich dadurch, dass die grundgesetzlich gewährleistete Autonomie der Länder eine immanente Grenze für den horizontalen Länderfinanzausgleichsmechanismus nach Maßgabe der bundesstaatlichen Solidargemeinschaft bildet. So begründet die bundesstaatliche Solidargemeinschaft nicht unbegrenzte Leistungspflichten der Bundesländer. Der Umfang ist vielmehr begrenzt durch die jeweils eigene gliedstaatliche Selbstständigkeit und Eigenverantwortlichkeit der Länder. So können auf der einen Seite ausgleichsberechtigte Länder nicht mehr einfordern, als zwingend erforderlich, während zugleich die ausgleichsverpflichteten Länder nicht ihre gliedstaatliche Eigenständigkeit substantiell schwächen oder gar unterminieren dürfen.624

623 Vgl. im Ergebnis gleichlaufend Ossenbühl, Verfassungsrechtliche Grundfragen des Länderfinanzausgleichs, S. 28. 624 Im Ergebnis gleichlaufend BVerfGE 1, 117 (131); 72, 330 (398), 101, 158 (222). Vgl. zum Nivellierungsverbot u. a. P. Kirchhof, Der Verfassungsauftrag zum Länderfinanzausgleich, S. 8; Ossenbühl, Verfassungsrechtliche Grundfragen des Länderfinanzausgleichs, S. 23, 82; Selmer/Brodersen, Finanzverfassungsrechtliche Grundfragen, S. 37; Häde, Finanzausgleich, S. 238 ff.; Korioth, Der Finanzausgleich zwischen Bund und Ländern, S. 613; Hidien, Handbuch Länderfinanzausgleich, S. 302; A. Jung, S. 128 f.; Hey, Finanzautonomie und Finanzverflechtung, VVDStRL 66 (2007), S. 277 ff. (295); Tappe/Wernsmann, Öffentliches Finanzrecht, Rn. 369; Dörfer, S. 203 f.

116

A. Finanzkraftausgleich und Solidargemeinschaft der Länder 

Damit erfährt die bundesstaatliche Solidargemeinschaft eine entscheidende Prägung. So sind ihr die aufgezeigten Schranken gerade immanent, sie würde folglich in ihrem Wesenskern verletzt, würden diese überschritten. Dies ist letztlich ein entscheidender Unterschied zu anderen Formen von Solidarität, wie etwa einer sozialstaatlichen Solidargemeinschaft. Würde die Schranke der Eigenständigkeit lediglich extern auferlegt werden, so ließe sich eine Überschreitung dieser Schranke potentiell durch andere Verfassungsnormen rechtfertigen. Eine interne Schranke hingegen zeigt sich als strukturell unüberwindbare Grenze. c) Zusammenfassung und These Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die Zuordnung der materiellen Solidaritätsnorm zum Bundesstaatsprinzip des Grundgesetzes entscheidende Auswirkungen auf die Beziehung zwischen den Ländern hat. Die Solidaritätsverpflichtung zwischen den Ländern folgt zunächst der die gliedstaatliche Eigenständigkeit und Selbstverantwortlichkeit betonenden Gewichtung der bundesstaatlichen Ordnungsidee im Bereich der horizontalen Beziehungen und übernimmt diese im parallel gelagerten, eigenen Spannungsverhältnis. Zusätzlich bewirkt die Verknüpfung mit dem bundesstaatlichen Prinzip des Grundgesetzes eine der solidarischen Leistungsverpflichtung immanente Grenze: die gliedstaatliche Selbständigkeit und Eigenverantwortung. Aber nicht nur hat das bundesstaatliche Prinzip einen entscheidenden Einfluss auf die finanzielle Solidaritätsbeziehung zwischen den Ländern, auch diese wirkt wiederum auf das Bundesstaatsprinzip zurück. So kann das Proprium der verfassungsbezogenen Solidaritätsnorm ins­ besondere darin gesehen werde, dass hierdurch der Formalität der bundesstaatlichen Kompetenz- und Verfahrensordnung im demokratischen Bundesstaat ein materielles Element entgegengesetzt wird. Es verbindet die Gliedstaaten des Bundesstaates, insofern es die gemeinsame Verpflichtung der Länder konstituiert, eine konkrete Schuld zu begleichen. Die Beziehungen der Länder untereinander werden folglich nicht allein formell, sondern zugleich materiell determiniert. Aus den Untersuchungsergebnissen ergibt sich im Hinblick auf einen möglichen rechtswissenschaftlichen Inhalt des Auslegungsmaßstabes der bundesstaatlichen Solidargemeinschaft der Länder folgende These: Die bundesstaatliche Solidargemeinschaft der Länder lässt sich skizzieren als anlassbezogener Unterstützungsmechanismus zwischen den Bundesländern, der sich durch eine vorrangige Ausrichtung auf den Erhalt und die Bewahrung der individuellen Selbständigkeit der einzelnen Länder kennzeichnet und damit einen reinen Hilfsmechanismus im Hinblick auf eine konkrete Schuld, die vom ausgleichsberechtigten Land nicht beglichen werden kann, begründet. Damit stehen nicht allein die Akteure und das Mittel, sondern zugleich der Anlass sowie der Umfang möglicher Ausgleichspflichten im Rahmen einer bundesstaatlichen Solidargemeinschaft fest.

IV. Auswirkung der bundesstaatlichen Solidargemeinschaft

117

Das gleichrangige Verhältnis zwischen den Ländern sowie das plurale Verständnis des Bundesstaates setzen zugleich eine demokratische Selbstverpflichtung der Länder für die Konstituierung der konkreten Unterstützungspflicht voraus. Die bundesstaatliche Solidargemeinschaft kann den Ländern folglich nicht oktroyiert, sondern muss durch diese wesentlich mitbestimmt werden. Durch die Verknüpfung mit der bundesstaatlichen Ordnungsidee ergibt sich zudem eine­ absolute Grenze solidarischer Unterstützungshandlungen: Während kein Bundesland mehr fordern kann, als für die Begleichung seiner konkreten Schulden erforderlich, hat kein Land aufgrund bundesstaatlicher Solidarverpflichtungen eine Selbstständigkeit und Eigenverantwortung unterminierende Beschränkung hinzunehmen. Die so gezeichnete finanzielle Solidarität zwischen den Bundesländern setzt damit ein horizontales Verhältnis der Länder zueinander theoretisch voraus und stellt dieses zugleich faktisch her.

IV. Auswirkung der bundesstaatlichen Solidargemeinschaft auf die Auslegung des horizontalen Länderfinanzausgleichs nach Art. 107 Abs. 2 GG Welche Auswirkungen zeigen sich nun, wenn der theoretisch so konstruierte Maßstab einer bundesstaatlichen Solidargemeinschaft mit der positiven Verfassungsnorm des Art. 107 Abs. 2 S. 1 GG verbunden wird? Aus der vorangehenden Untersuchung der Figur einer bundesstaatlichen Solidargemeinschaft der Länder resultiert eine konkrete Auslegungshypothese, durch welche die Angemessenheit etwaiger Finanzkraftunterschiede zwischen den Ländern bestimmt werden kann. Hierbei ist jedoch zu beachten, dass die bundesstaatliche Solidargemeinschaft den horizontalen Länderfinanzausgleich nicht gänzlich in ihrem Sinne modifiziert. So hat sie lediglich Einfluss auf das Merkmal der Angemessenheit, nicht hingegen auf die übrige Ausgestaltung des horizontalen Länderfinanzausgleichs. Die verfassungsrechtlich determinierte Umsetzung des horizontalen Länderfinanzausgleichs bleibt von ihren Implikationen unberührt. Der Einfluss der bundesstaatlichen Solidargemeinschaft beschränkt sich folglich auf das Erfordernis einer konkret vorliegenden Schuld, womit zugleich eine Absage an einen allgemeinen umverteilenden Ausgleichsautomatismus verbunden ist. Eine unterschiedliche Finanzkraft zwischen den Ländern kann unter Zugrundelegung der bisherigen Untersuchungsergebnisse als unangemessen bezeichnet werden, sollte ein Land nicht mehr in der Lage sein, auf Grundlage der im Wege der primären Finanzverteilung grundgesetzlich zugeteilten Finanzausstattung seine Schulden selbstständig zu begleichen. Damit wäre die Ausgangssituation für die Ausgleichsleistung der übrigen Länder determiniert. Dies führt freilich zu der Fragestellung, was unter Schulden in diesem Zusammenhang zu verstehen ist. Fallen hierunter jedwede Zahlungsverpflichtungen, die

118

A. Finanzkraftausgleich und Solidargemeinschaft der Länder 

einem Bundesland obliegen, gleichgültig welche Verpflichtungen hiermit erfüllt werden sollen oder gegenüber wem diese bestehen? Oder muss genauer differenziert werden und nur bestimmte Verpflichtungen können hier Berücksichtigung finden? Da die erste Variante zu einer vollständigen Entkoppelung der staatlichen Haushaltsführung von der Eigenverantwortlichkeit der Länder führen würde, kann die Antwort nur in ihrer Alternative liegen. Es ist mithin zu differenzieren. Als eine Möglichkeit, die Zahlungsverpflichtungen eines Landes auf einen Kern zu begrenzen, welcher als primäre Schuld bezeichnet werden könnte, ist nach seinem Zweck resp. seinen verfassungsrechtlichen Aufgaben zu fragen. Die Suche nach Erkenntnis etwaiger Staatszwecke ist ebenso alt wie die dazu aufgeworfenen Theorien zahlreich.625 Weitgehende Einigkeit besteht heute zumindest dahingehend, dass Staatszwecke, als legitimierende und limitierende Konstanten,626 jedenfalls nicht absolut, mithin nicht allgemeingültig für alle Staaten, sondern – wenn überhaupt – lediglich relativ, anhand der jeweiligen Ausgestaltung des konkreten Staates, erfasst werden können.627 Staatszwecke dürfen indes nicht so verstanden werden, dass diese als Maßstab für die Beurteilung der Existenz oder Nichtexistenz eines Staates herangezogen werden, sondern lediglich die Zwecke ausdrücken, welche sich der konkrete Staat zu fördern verpflichtet hat.628 Es zeigt sich, dass die modernen Demokratien ein gemeinsamer Staatszweck verbindet: Sie sind Mittel zur Verwirklichung demokratischer Selbstbestimmung der Staatsbürger.629 Die rechtsstaatliche Demokratie findet in ihm sowohl Grund als 625 Vgl. hierzu umfassend Jellinek, Allgemeine Staatslehre3, S.  230 ff. Jellinek unterteilt die Zwecktheorien in drei Gruppen. Die expansiven Zwecktheorien (S. 242 ff.), bei denen der Staatszweck zu einer potenziell unbegrenzten Machterweiterung führen kann. Die limitierenden Zwecktheorien (S. 246 ff.), welche die Macht des Staates mittels Zweckbindung an Sicherheit, Freiheit oder Recht zu begrenzen versuchen. Und letztlich die relativen Zwecktheorien (S. 250 ff.), welche sich auf eine empirisch-historische Untersuchung des konkreten Staates beschränken. 626 Link, Staatszwecke im Verfassungsstaat, VVDStRL 48 (1989), S. 7 ff. (51). Ähnlich auch Ress, Staatszwecke im Verfassungsstaat, VVDStRL 48 (1989), S. 56 ff. (112 f.). 627 Zur Theorie der relativen Staatszwecke Jellinek, Allgemeine Staatslehre3, S. 250 ff. Zustimmend u. a. Herzog, Ziele, Vorbehalte und Grenzen der Staatstätigkeit, in: Isensee/­K irchhof (Hrsg.), HStR3 IV, § 72 Rn. 22; Link, Staatszwecke im Verfassungsstaat, VVDStRL 48 (1989), S. 7 ff. (11, 50). 628 Vgl. Kelsen, Allgemeine Staatslehre, S. 40. So auch Jellinek, Allgemeine Staatslehre3, S. 237 Fn. 1. 629 So etwa Isensee, Subsidiaritätsprinzip und Verfassungsrecht2, S. 271 f. Vgl. in Bezug auf die Bundesrepublik Deutschland sowie die Vereinigten Staaten von Amerika Möllers, Gewaltengliederung, S.  28 ff. Dagegen von einer stärkeren Individualorientierung ausgehend Haltern, Die künftige Ausgestaltung der bundesstaatlichen Finanzordnung, VVDStRL  73 (2014), S. 103 ff. (120 f.). Der demokratische Verfassungsstaat dient jedenfalls nicht der Verwirklichung einer gefährlich konturlosen, metaphysischen Gemeinwohlidee. So aber Sieyès, der vom Glück der Partner eines gesellschaftlichen Zusammenschlusses spricht, vgl. Sieyès,­ Poli­ti­sche Schriften 1788–1790, S. 245. Vgl. zum Unterschied von Demokratie und Liberalismus Kelsen, Vom Wesen und Wert der Demokratie, in: ders., Verteidigung der Demokratie, S. 149 ff. (159 f.).

IV. Auswirkung der bundesstaatlichen Solidargemeinschaft

119

auch Grenzen. Der demokratische Staat dient damit primär der Umsetzung des – notabene im demokratischen Verfahren konstituierten – ­Bürgerwillens. Der Bund und die Länder als Zentren demokratisch legitimierter Hoheitsgewalt sind allein ihren Bürgern verpflichtet und unmittelbar verantwortlich,630 insbesondere sind sie nicht bloßer Selbstzweck.631 Die für eine solidarische Hilfeleistungspflicht der Länder maßgeblichen Leistungsverpflichtungen können hiernach nur solche sein, die ein Land unmittelbar gegenüber seinen demokratischen Bezugssubjekten, seinen Bürgern hat.632 Kann ein Land diesen unmittelbaren Hoheitspflichten gegenüber seinen Bürgern nicht nachkommen, so kann es finanzielle Ausgleichsleistungen der übrigen Länder in Anspruch nehmen. Demnach sind es allein bürgerbezogene Leistungsverpflichtungen, die im Rahmen einer bundesstaatlichen Solidargemeinschaft der Länder Berücksichtigung finden können.633 Andere Schulden müssen bei der Bewertung eines angemessenen Finanzkraftunterschieds unberücksichtigt bleiben. Auf diese Weise können solidarische Hilfsleistungen nur dort in Anspruch genommen werden, wo es um unmittelbare Leistungspflichten der Länder gegenüber ihren Landesbürgern geht. Die demokratische Verantwortlichkeit der einzelnen Länder für ihre eigene Politik bleibt so zu einem großen Teil erhalten, da sich sonstige, auf die individuelle Landespolitik bezogene Schulden gerade nicht umverteilen lassen. Die bundesstaatliche Solidargemeinschaft der Länder markiert, als Konkretisierung eines angemessenen Ausgleichs, aber nicht nur die Ausgangssituation und damit den Anlass des horizontalen Hilfsmechanismus, sondern begrenzt mittelbar zugleich dessen Umfang. Die Grenze eines angemessenen Ausgleichs wäre 630

Ähnlich auch P. Kirchhof, Freiheitlicher Wettbewerb und staatliche Autonomie, ORDO 56 (2005), S. 39 ff. (40); ders., Der Verfassungsauftrag zum Länderfinanzausgleich, S. 15. Herzog spricht von der Vorstellung vom „anthropozentrischen“ Charakter des modernen Rechtsstaates, welche sich in der verfassungsrechtlichen Schutzpflicht zugunsten der Menschenwürde zu erkennen gibt, Herzog, Ziele, Vorbehalte und Grenzen der Staatstätigkeit, in: Isensee/­ Kirchhof (Hrsg.), HStR3 IV, § 72 Rn. 31, 70. Vgl. hierzu auch Link, Staatszwecke im Verfassungsstaat, VVDStRL 48 (1989), S. 7 ff. (16). 631 So behauptet von der organischen Theorie, vgl. etwa Preuß, S.  281. Vgl. hierzu auch Jellinek, Allgemeine Staatslehre3, S. 232, 241. Vgl. hierzu auch Kelsen, Allgemeine Staatslehre, S. 40. Staat sei immer nur das Mittel zur Realisierung eines sozialen Zweckes, er selbst verfolge keinen spezifischen Zweck. Den Staat als Selbstzweck begreift etwa Smend, der seine Staatstheorie auf die Philosophie Hegels stützt, vgl. Isensee, Die Staatlichkeit der Verfassung, in: Depenheuer/Grabenwarter (Hrsg.), Verfassungstheorie, § 6 Rn. 22 f. „Staat“ als handelnde Person ist hingegen keine Realität, sondern lediglich Hilfskonstruktion juristischen Denkens, Kelsen, Reine Rechtslehre2, S. 294. 632 Vgl. hierzu auch P. Kirchhof, Freiheitlicher Wettbewerb und staatliche Autonomie, ORDO 56 (2005), S. 39 ff. (40). 633 Mit anderem Ansatz, im Ergebnis aber gleichlaufend P. Kirchhof, Der Verfassungsauftrag zum Länderfinanzausgleich, S. 23, 27. Ähnlich auch Selmer, Grundsätze der Finanzverfassung im vereinten Deutschland, VVDStRL 52 (1993), S. 10 ff. (44, 50 f.).

120

A. Finanzkraftausgleich und Solidargemeinschaft der Länder 

nach der hier vertretenen bundesstaatlichen Solidaritätskonstruktion erreicht, sobald die Länder die unmittelbar ihren Bürgern gegenüber bestehenden, primären Schulden begleichen könnten. Die entscheidenden Bezugspunkte für die Feststellung eines angemessenen Finanzkraftunterschiedes zwischen den Ländern nach Art. 107 Abs. 2 S. 1 GG wären damit die hoheitlich verbürgten Verpflichtungen der Länder gegenüber ihren Landesbürgern sowie deren Erfüllbarkeit.634 Hieraus ergibt sich ferner das Erfordernis einer vorherigen Feststellung konkreter Hilfs­bedürf­tig­keit. Ein finanzieller Ausgleich nach Art. 107 Abs. 2 S. 1 GG würde unter Maßgabe der bundesstaatlichen Solidargemeinschaft der Länder erst dann vorgenommen werden können, sofern ein Land seinen bürgerbezogenen Verpflichtungen im konkreten Fall nicht mehr nachkommen könnte. Damit wären generell ausgleichende Mechanismen ausgeschlossen. Gegen die Inanspruchnahme der bundesstaatlichen Solidargemeinschaft als Auslegungsmaßstab zur Bestimmung eines angemessenen Finanzkraftunterschiedes zwischen den Ländern nach Art. 107 Abs. 2 S. 1 GG ließe sich vorbringen, dass eine bundesstaatliche Solidarbeziehung zwischen den Ländern gar nicht entstanden sein könne, da Art. 107 Abs. 2 S. 1 GG verfassungsrechtlich vorgebe, dass die Umsetzung des Hilfsmechanismus durch Bundesgesetz zu erfolgen habe und damit keine Möglichkeit einer demokratischen Selbstbestimmung der Länder normiert. Zwar wird die Umsetzung des horizontalen Länderfinanzausgleichs dem Bund überantwortet, doch haben die Länder der Ursprungsnorm des horizontalen Länderfinanzausgleichs – Art. 106 Abs. 4 GG (1949) – bei der Grundgesetzgebung und damit einem horizontalen Hilfsmechanismus und seiner Verwaltung durch den Bund zugestimmt. Der hypothetische Einwand, dass bereits die Voraussetzung einer bundesstaatlichen Solidargemeinschaft nicht vorläge, liefe damit ins Leere. Allerdings ist festzuhalten, dass das kooperative Element durch die Verknüpfung mit Art. 107 Abs. 2 S. 1 GG bei der Umsetzung des Länderfinanzausgleichsmechanismus durchaus eine einschneidende Beschränkung erfährt, indem den Ländern von Verfassungs wegen hierbei lediglich eine Mitwirkungsmöglichkeit durch den Bundesrat eröffnet wird.

V. Zwischenergebnis Den Ausgangspunkt der Untersuchung bildet das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 24.  Juni  1986, insofern hierdurch die Auslegung der Verfassungsnorm des horizontalen Länderfinanzausgleichs nach Art.  107 Abs.  2 S. 1, 2 GG maßgeblich beeinflusst wird. So bedient sich das Gericht des Gedankens einer bundesstaatlichen Solidargemeinschaft der Länder für die Beurteilung des entscheidenden Merkmals der Angemessenheit von Finanzkraftunterschie 634 Hier sei angemerkt, dass die Landesbürger nicht als konkrete Menschen mit individuellen Bedürfnissen erfasst werden können, sondern als Rechtssubjekt, mithin als „Komplex von Rechtsnormen“. Vgl. Kelsen, Allgemeine Staatslehre, S. 63.

V. Zwischenergebnis

121

den zwischen den Bundesländern. Es stellt den horizontalen Finanzausgleichsmechanismus folglich in eine unmittelbare Abhängigkeit zu dem Gedanken einer bundesstaatlichen Solidaritätsbeziehung zwischen den Ländern. Obgleich der erheblichen Bedeutung für die Auslegung der Norm des Art. 107 Abs. 2 S. 1 GG hält sich das Gericht mit Ausführungen über den konkreten Inhalt des Auslegungsmaßstabes zurück. Die Untersuchung hat gezeigt, dass nicht nur das Bundesverfassungsgericht zum Inhalt der bundesstaatlichen Solidaritätsnorm schweigt, auch bundesstaatstheoretische Ansätze greifen diesen Aspekt nicht auf. Um eine hinreichende Präzisierung des Maßstabes zu erreichen, ist es daher erforderlich, eine rechtswissenschaftliche Analyse des Solidaritätsbegriffs und seine konkrete Inbezugsetzung zur bundesstaatlichen Ordnungsidee des Grundgesetzes vorzunehmen. Hierbei dient eine Rückführung auf die römisch-rechtlichen Wurzeln des­ Solidaritätsbegriffs, auf die obligatio in solidum, dazu, die verfassungsspezifische Solidaritätsnorm genauer zu skizzieren. Es zeigt sich so das Bild einer gemeinschaftlichen Leistungsverpflichtung zur Begleichung konkreter Schulden eines Mitgliedes der Gemeinschaft. Auf Grundlage dieses Solidaritätsverständnisses unter Verknüpfung mit der bundesstaatlichen Ordnungsidee des Grundgesetzes lässt sich die bundesstaatliche Solidargemeinschaft verfassungstheoretisch soweit konkretisieren, dass sich ein Maßstab für die Bestimmung der Angemessenheit etwaiger Finanzkraftunterschiede zwischen den Ländern i. S. d. Art. 107 Abs. 2 S. 1 GG erkennen lässt. Hier trifft nun die verfassungstheoretische Auslegungsmaxime auf das positive­ Verfassungsrecht: Angemessen sind Finanzkraftunterschiede, sofern jedes Land in der Lage ist, seine primären und unmittelbaren Verpflichtungen gegenüber seinen Landesbür­ gern zu erfüllen. Die Landesbürger werden zur entscheidenden Bezugsgröße des horizontalen Länderfinanzausgleichs. Sonstige Schulden müssen nach diesem Verständnis außen vor bleiben, da dies anderenfalls die Eigenverantwortlichkeit der Länder für die von ihnen getroffenen Finanzentscheidungen unterminieren würde. Zugleich lässt sich dem Auslegungsmaßstab der bundesstaatlichen Solidargemeinschaft entnehmen, dass ein horizontaler Ausgleichs­mecha­nismus erst nach Feststellung einer konkreten Bedürftigkeit eines Landes – und damit weder provisorisch noch automatisch – durchgeführt werden kann. Die bundes­staatlich-­ solidarische Ausgleichspflicht der übrigen Länder endet zugleich, sobald das betroffene Land in die Lage versetzt wird, seine primären Verpflichtungen gegenüber seinen Einwohnern zu erfüllen resp. die verfassungsrechtliche Selbständigkeit und Eigenverantwortlichkeit der leistenden Länder wesentlich beschränkt werden würde. Die Auslegungsmaxime der bundesstaatlichen Solidargemeinschaft grenzt damit sowohl den Anlass wie auch den Umfang einer bundesstaatlichen Finanzausgleichspflicht entscheidend ein. Anstatt nun aus dem Vorhergehenden rechtspolitische Empfehlungen für die Umsetzung und Ausgestaltung des horizontalen Länderfinanzausgleichs abzuleiten,

122

A. Finanzkraftausgleich und Solidargemeinschaft der Länder 

soll im zweiten Teil der Arbeit der beobachtende Fokus nun von der Untersuchung der Figur einer bundesstaatlichen Solidargemeinschaft der Länder und dessen poten­tielle Auswirkung auf die Auslegung und Anwendung der Verfassungsnorm des Art. 107 Abs. 2 S. 1, 2 GG abgewandt und dem bundesstaatlichen Verfassungs­ gefüge des Grundgesetzes im Ganzen zugewandt werden.

B. Die bundesstaatliche Solidargemeinschaft der Länder im grundgesetzlichen Verfassungsgefüge Die besonderen Auswirkungen der Verknüpfung des horizontalen Länderfinanzausgleichs mit der bundesstaatlichen Solidargemeinschaft der Länder – nachfolgend bundesstaatlich-solidarischer Finanzausgleich  – zeigen sich insbesondere mit Blick auf die konkrete Ausgestaltung der deutschen Bundesstaatlichkeit,1 welche sich primär aus den positiven Einzelnormen der bundesstaatlichen Verfassung ergibt.2 Denn würde eine der tragenden Normen der bundesstaatlichen Ordnung modifiziert, könnten sich hieraus potentiell Auswirkungen auf die bundesstaatliche Ordnungsgefüge im Ganzen ergeben.3 So beschreibt Herbert Fischer-Menshausen, wie etwa Tatbestände, die auf die vertikale Verteilung des bundesstaatlichen Finanzbedarfs einwirken, normative Kraft entfalten und das bundesstaatliche Gefüge umzugestalten vermögen.4 Die Normen der grundgesetzlichen Finanzverfassung werden zu Recht als tragende Pfeiler der bundesstaatlichen Ordnung des Grundgesetzes bezeichnet,5 wodurch der horizontale Länderfinanzausgleich – als Bestandteil der bundesstaatlichen Finanzverfassung – eine dieser die bundesstaatliche Ordnung tragenden Normen bildet. Es muss folglich davon ausgegangen werden, dass der Einfluss der bundesstaatlichen Solidargemeinschaft auf den horizontalen Ausgleichsmechanismus des Art.  107 Abs.  2 S. 1 GG zugleich die bundesstaatliche Ordnung des Grundgesetzes zu modifizieren vermag. Die Problematik der Judikatur des Bundesverfassungsgerichts zum Länder­ finanzausgleich offenbart sich so in ihrer ganzen Dimension: Das Gericht hat eine maßstabsetzende Zwischennorm zum entscheidenden Auslegungsmaßstab einer Verfassungsnorm erhoben, nicht nur ohne diese hinreichend zu präzisieren, sondern zugleich ohne die daraus resultierenden Konsequenzen für das bundesstaatliche Konstrukt des Grundgesetzes zu reflektieren. 1 Vgl. zur Mitwirkung des Bundesverfassungsgerichts an der Entwicklung des Föderalismus Isensee, Der Bundesstaat – Bestand und Entwicklung, in: Badura/H. Dreier (Hrsg.), FS 50 Jahre BVerfG II, S. 719 ff. (726). 2 Isensee, Idee und Gestalt des Föderalismus, in: ders./Kirchhof (Hrsg.), HStR3 VI, § 126 Rn. 6; Bauer, Die Bundestreue, S. 17. 3 Vgl. zur wechselseitigen Beeinflussung zwischen dem Bundesstaatsprinzip und den dieses konkretisierenden Normen Isensee, Der Bundesstaat  – Bestand und Entwicklung, in:­ Badura/H. Dreier (Hrsg.), FS 50 Jahre BVerfG II, S. 719 ff. (733). Ähnlich auch Tappe, Die künftige Ausgestaltung der bundesstaatlichen Finanzordnung, DVBl. 2013, S. 1079 ff. (1079). 4 Fischer-Menshausen, Die Abgrenzung der Finanzverantwortung zwischen Bund und Ländern, DÖV 1952, 673 ff. (673). 5 BVerfGE 72, 330 (388).

124

B. Die bundesstaatliche Solidargemeinschaft der Länder

Um untersuchen zu können, welche potentiellen Folgen die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum horizontalen Länderfinanzausgleich in Bezug auf das Proprium des deutschen Bundesstaates mit sich bringt, ist die im ersten Teil erarbeitete verfassungstheoretische Hypothese im Folgenden in den Kontext der spezifisch-bundesstaatlichen Ordnung des Grundgesetzes zu setzen und auf seine sowohl strukturelle sowie funktionale Konformität resp. Nonkonformität zu untersuchen.6 Der Fokus wendet sich mithin von norminternen Implikationen der bundesstaatlichen Solidargemeinschaft ab und dem bundesstaatlichen Verfassungsgefüge des Grundgesetzes insgesamt zu.

I. Auswirkungen eines bundesstaatlich-solidarischen Finanzausgleichs auf die bundesstaatliche Ordnung des Grundgesetzes Im folgenden Abschnitt soll die strukturelle Vereinbarkeit des bundesstaatlich-solidarischen Finanzausgleichs mit dem Grundgefüge der bundesstaatlichen Ordnung des Grundgesetzes insgesamt untersucht werden. Dabei widmet sich die Arbeit zunächst der Frage, inwiefern der bundesstaatlich-solidarische Finanzausgleich mit der bundesstaatlichen Ordnung des Grundgesetzes harmoniert oder ob dieser hier möglicherweise einen Fremdkörper bildet. Eine Vereinbarkeit mit dem bundesstaatlichen Ordnungsgefüge ergibt sich indes nicht schlicht aus einer klassischen Untersuchung der Verfassungsmäßigkeit des bundesstaatlich-solidarischen Finanzausgleichs. Das Bundesstaatsgefüge muss zunächst einmal in seinen Grundstrukturen determiniert werden. Das grundgesetzliche Bundesstaatsgefüge zeigt sich insbesondere in den jeweils spezifischen Verhältnissen der bundesstaatlichen Ordnungsidee zu den übrigen Verfassungsprinzipien des Grundgesetzes. Aus den antinomischen, konfliktiven, neutralen oder auch harmonischen Beziehungen bezieht diese ihre spezifische Prägung und bundesstaatliche Eigentümlichkeit. Um die Komplexität der Untersuchung zu verringern, sollen die verfassungsstrukturellen Beziehungen der Verfassungsprinzipien des Art. 20 GG zum grundgesetzlichen Bundesstaatsprinzip differenziert betrachtet werden. So wird für jedes Verfassungsprinzip zunächst dessen Verhältnis zum grundgesetzlichen Bundesstaatsprinzip ausgelotet, welches im Folgenden als verfassungsstrukturelle Vergleichsskizze dient. Im zweiten Schritt wird jeweils analysiert, in welchem Verhältnis sich die jeweiligen Verfassungsprinzipien in der positiven Verfassungsnorm des Art. 107 Abs. 2 S. 1, 2 GG auf der einen Seite­ sowie im bundesstaatlich-solidarischen Finanzausgleich auf der anderen Seite begegnen. Das Ergebnis wird sodann mit der verfassungsstrukturellen Skizze verglichen, woraus sich erkennen lässt, inwiefern eine jeweilige Übereinstimmung 6 Vgl. hierzu Hesse, Bundesstaatsreform und Grenzen der Verfassungsänderung, AöR 98 (1973), S. 1 ff. (10).

I. Auswirkungen auf die bundesstaatliche Ordnung des Grundgesetzes

125

mit dem bundesstaatlichen Verfassungsgepräge oder aber eine strukturelle Modifizierung vorliegt. Werden so alle strukturprägenden Verfassungsprinzipien des Art. 20 GG in ihrem Verhältnis zum Bundesstaatsprinzip erfasst, lässt sich in der Schlussbetrachtung darauf schließen, inwiefern der horizontale Länderfinanzausgleich nach Art. 107 Abs. 2 S. 1, 2 GG sowie der bundesstaatlich-solidarische Finanzausgleich mit der bundesstaatlichen Ordnung des Grundgesetzes insgesamt harmonieren resp. inwiefern die Maßgabe der bundesstaatlichen Solidargemeinschaft der Länder die Norm des Art. 107 Abs. 2 S. 1 GG unter bundesstaatlicher Perspektive moduliert. 1. Das Demokratieprinzip a) Das Demokratieprinzip des Grundgesetzes und sein Verhältnis zum Bundesstaatsprinzip Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat – so proklamiert es Art. 20 Abs. 1 des Grundgesetzes. Mit dieser Grundentscheidung für die Demokratie7 ist allerdings noch nicht viel über die verfassungsrechtliche Ausgestaltung der demokratischen Bundesrepublik Deutschland gesagt. Unter dem Begriff der Demokratie versammeln sich letztlich die verschiedensten Vorstellungen, Konzepte und Erwartungen.8 So konstatiert etwa Schmitt, Demokratie sei zu einem allgemeinen Idealbegriff geworden, der mit allem Schönen, Idealen und Sympathischen verbunden werde.9 Um normative Fehlschlüsse zu vermeiden, erscheint es daher unabdingbar, ausschließlich die grundgesetzlichen Normen als Ausgangspunkt für die Erkenntnis des Demokratieprinzips des Grundgesetzes heranzuziehen.10 Das Demokratieprinzip wandelt sich damit von einer inhaltlichen Ziel- und Legitimitätskategorie zu einem formalen Organisations- und Legitimationsprinzip.11 Die Kernaussagen des grundgesetzlichen Demokratieprinzips finden sich in den beiden Sätzen des Art. 20 Abs. 2 GG.12 So verpflichtet Art. 20 Abs. 2 S. 1 GG die 7

Unger, S. 26. Vgl. so etwa Jestaedt, Demokratieprinzip und Kondominialverwaltung, S. 139; H. Dreier, Art. 20 (Demokratie), in: ders. (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar2 II, Rn. 66, 146; ders., Das Demokratieprinzip des Grundgesetzes, Jura 1997, S. 249 ff. (249). 9 Schmitt, Verfassungslehre4, S. 225. 10 Vgl. H. Dreier, Das Demokratieprinzip des Grundgesetzes, Jura 1997, S. 249 ff. (249). So im Ergebnis auch Jestaedt, Demokratieprinzip und Kondominialverwaltung, S. 145, 149, 152; Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland20, Rn. 127; Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland2 I, S. 600; J. Schmidt, S. 30. 11 Jestaedt, Demokratieprinzip und Kondominialverwaltung, S. 173. Vgl. hierzu auch Kelsen, Vom Wesen und Wert der Demokratie, in: ders., Verteidigung der Demokratie, S. 149 ff. (223). Ähnlich H. Dreier, Das Demokratieprinzip des Grundgesetzes, Jura 1997, S. 249 ff. (249 f.). 12 Vgl. Jestaedt, Demokratieprinzip und Kondominialverwaltung, S. 155. 8

126

B. Die bundesstaatliche Solidargemeinschaft der Länder

Bundesrepublik Deutschland zunächst auf die Idee demokratischer Selbstbestimmung.13 Das Volk, als rechtlicher Verbund der Staatsangehörigen,14 wird zum ausschließlichen Träger staatlicher Hoheitsgewalt erkoren.15 Bezugsgröße und Prämisse der demokratischen Herrschaftsorganisation ist das Individuum und dessen individuelle und gleiche Freiheit als Staatsbürger.16 Demokratische Selbstbestimmung folgt letztlich aus der individuellen Selbstbestimmung des Bürgers.17 Das Prinzip demokratischer Selbstbestimmung schreibt indes keinen konkreten (hoheitliche Allzuständigkeit begründenden) Kompetenztitel zu Gunsten des Volkes fest, sondern ist vielmehr als Legitimations- und Verantwortungsprinzip zu verstehen.18 Jede Ausübung staatlicher Herrschaftsmacht muss auf dessen Inhaber, das Volk, zurückgeführt und durch ihn legitimiert werden.19 Das Volk fungiert damit als ausschließliche Legitimationsquelle20 und bildet den Ausgangs- und Bezugspunkt der Verantwortlichkeit staatlicher Herrschaft.21 Das zweite maßgebende Grundelement des verfassungsrechtlichen Demokratieprinzips wird durch Art. 20 Abs. 2 S. 2 GG determiniert – das Prinzip der Repräsentation.22 Das Grundgesetz macht deutlich, dass das Volk als Inhaber und 13 Vgl. etwa Möllers, Gewaltengliederung, S. 30. Zur Metamorphose des Freiheitsgedankens vgl. Kelsen, Vom Wesen und Wert der Demokratie, in: ders., Verteidigung der Demokratie, S. 149 ff. (157 f.). Die herrschende Meinung verwendet den Terminus der Volkssouveränität, vgl. u. a. Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland2 I, S. 604; Sachs, Art. 20, in: ders. (Hrsg.), Grundgesetz7, Rn. 27; Grzeszick, Art. 20 – Demokratie, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz Kommentar, Rn. 12; H. Dreier, Demokratische Repräsentation und vernünftiger Allgemeinwille, AöR 113 (1988), S. 450 ff. (453). 14 Vgl. Gärditz/Hillgruber, Volkssouveränität und Demokratie ernst genommen, JZ 2009, S. 872 ff. (873). Der Volksbegriff rekurriert hier folglich nicht auf eine etwaige präexistente völkisch-nationale Einheit. Vgl. hierzu Möllers, Demokratische Ebenengliederung, in: Appel/ Hermes/Schönberger (Hrsg.), Öffentliches Recht im offenen Staat, S. 759 ff. (769 ff.). 15 Hofmann, Art. 20, in: Schmidt-Bleibtreu/ders./Henneke, Kommentar zum Grundgesetz13, Rn. 39. 16 Vgl. Kruis, Finanzautonomie und Demokratie im Bundesstaat, DÖV 2003, S. 10 ff. (13); ähnlich auch Waldhoff, Finanzautonomie und Finanzverflechtung, VVDStRL  66 (2007), S. 216 ff. (231). 17 Vgl. Kelsen, Allgemeine Staatslehre, S. 326. So auch Gärditz, Strafbegründung und Demokratieprinzip, Der Staat 49 (2010), S. 331 ff. (342). Ähnlich Haverkate, S. 7. Vgl. hierzu auch Möllers, Dogmatik der grundgesetzlichen Gewaltengliederung, AöR 132 (2007), S. 493 ff. (504 f.). 18 Grawert, Die Staatlichkeit der Bundesrepublik Deutschland, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR3 II, § 16 Rn. 30. So auch H. Dreier, Das Demokratieprinzip des Grundgesetzes, Jura 1997, S. 249 ff. (250). 19 Vgl. Böckenförde, Demokratie als Verfassungsprinzip, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStrR3 II, § 24 Rn. 5. So auch Waldhoff, Finanzautonomie und Finanzverflechtung, VVD­ StRL 66 (2007), S. 216 ff. (231). 20 Vgl. Jestaedt, Demokratieprinzip und Kondominialverwaltung, S. 159; Sachs, Art. 20, in: ders. (Hrsg.), Grundgesetz7, Rn. 27. 21 Vgl. ähnlich H. Dreier, Das Demokratieprinzip des Grundgesetzes, Jura 1997, S. 249 ff. (250). 22 Vgl. u. a. Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland2 I, S. 604; Grzeszick, Art. 20 – Demokratie, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz Kommentar, Rn. 12; H. Dreier, Demokratische Repräsentation und vernünftiger Allgemeinwille, AöR 113 (1988), S. 450 ff. (453).

I. Auswirkungen auf die bundesstaatliche Ordnung des Grundgesetzes

127

Träger staatlicher Herrschaftsgewalt diese nicht selbst und unmittelbar, sondern lediglich mittelbar durch die Wahl der Herrschaftsausübenden sowie Abstimmungen ausübt.23 Art. 20 Abs. 2 S. 2 GG konkretisiert folglich den Grundsatz der demokratischen Selbstbestimmung, indem es auf ein parlamentarisches Regierungssystem verweist.24 Das Prinzip der Repräsentation darf allerdings nicht dahingehend fehlgedeutet werden, dass dem Parlament die Aufgabe obliege, einen im Volk vorbefindlichen, allgemeinen Willen zu formulieren und schlicht widerzuspiegeln.25 Der konkrete Staatswille wird erst durch das vom Volk demokratisch gewählte Kollegialorgan nach Maßgabe des Mehrheitsprinzips gebildet.26 Wenn auch der Parlamentarismus durch diese Feststellung den Anschein einer minderen Demokratie27 erhalten mag, so ist er die letztlich einzige Form realisierbarer Demokratie in modernen Staaten.28 Die Idee der demokratischen Repräsentation umfasst nicht ausschließlich den punktuellen Wahlakt als Legitimierung staatlicher Herrschaftsausübung durch das Parlament,29 sondern enthält zusätzlich konstant 23

Jestaedt, Demokratieprinzip und Kondominialverwaltung, S. 271. BVerfGE 83, 69 (71); Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland2 I, S. 599. Vgl. auch H.  Dreier, Art.  20 (Demokratie), in: ders. (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar2  II, Rn. 97. 25 Hofmann/H.  Dreier, Repräsentation, Mehrheitsprinzip und Minderheitenschutz, in: Schneider/Zeh (Hrsg.), Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, S.  165 ff. (172); H.  Dreier, Demokratische Repräsentation und vernünftiger Allgemeinwille, AöR 113 (1988), S. 450 ff. (457). Ähnlich auch Möllers, Demokratische Ebenengliederung, in: Appel/Hermes/Schön­ berger (Hrsg.), Öffentliches Recht im offenen Staat, S. 759 ff. (776). 26 H. Dreier, Demokratische Repräsentation und vernünftiger Allgemeinwille, AöR  113 (1988), S. 450 ff. (457). Vgl. auch Kelsen, Vom Wesen und Wert der Demokratie, in: ders., Verteidigung der Demokratie, S. 149 ff. (175); J. Schmidt, S. 30. Die auf den Volkswillen gerichteten parlamentarischen Repräsentationstheorien sind daher nichts weiter als eine Fiktion, mit dem Ziel zu verschleiern, dass Herrscher und Beherrschte im Ergebnis eben nicht identisch sind und parlamentarische Demokratie damit keine Freiheit von Herrschaft bedeuten kann, vgl. Kelsen, Demokratie, in: ders., Verteidigung der Demokratie, S. 115 ff. (131), reale Demokratie unterscheide sich gerade nicht durch den Mangel, sondern durch die Fülle der Führer von realer Autokratie. Vgl. auch H. Dreier, Art. 20 (Demokratie), in: ders. (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar2 II, Rn. 68; Kimminich, Die Verknüpfung der Rechtsstaatsidee mit den anderen Leitprinzipien des Grundgesetzes, DÖV 1979, S. 765 ff. (770). Zur demokratischen Identitätsthese vgl. Schmitt, Verfassungslehre4, S. 234 ff. Kritik u. a. bei H. Dreier, Art. 20 (Demokratie), in: ders. (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar2 II, Rn. 69. Zur Fiktion der demokratischen Repräsentationstheorien, vgl. Kelsen, Demokratie, in: ders., Verteidigung der Demokratie, S. 115 ff. (122). Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland2 I, S. 604. Vgl. auch Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland20, Rn. 131. 27 So etwa Böckenförde, Mittelbare/repräsentative Demokratie als eigentliche Form der Demokratie, in: G. Müller/u. a. (Hrsg.), Staatsorganisation und Staatsfunktionen im Wandel, S. 301 ff. (305). 28 Kelsen, Demokratie, in: ders., Verteidigung der Demokratie, S. 115 ff. (121); Kelsen, Vom Wesen und Wert der Demokratie, in: ders., Verteidigung der Demokratie, S. 149 ff. (175). So auch Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland20, Rn. 131; Böckenförde, Mittelbare/repräsentative Demokratie als eigentliche Form der Demokratie, in: G. Müller/u. a. (Hrsg.), Staatsorganisation und Staatsfunktionen im Wandel, S. 301 ff. (305). 29 Vgl. H. Dreier, Das Demokratieprinzip des Grundgesetzes, Jura 1997, S. 249 ff. (255 f.); Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland20, Rn. 149 ff. 24

128

B. Die bundesstaatliche Solidargemeinschaft der Länder

rückanbindende Elemente der Herrschaftskontrolle,30 wie die demokratische Verantwortlichkeit der Herrschaftsausübenden.31 Parlamentarische Verantwortlichkeit ist damit essentielles Element repräsentativer Demokratie.32 Ermöglicht wird eine kontinuierliche Form demokratischer Rückbindung durch die Publizität des politischen Prozesses sowie die grundrechtliche Gewährleistung der Meinungsund Pressefreiheit.33 Im Ergebnis statuiert Art. 20 Abs. 2 GG für die demokratische Ausgestaltung der Bundesrepublik Deutschland, dass Träger und rechtlich verfasster Legitimationsgrund34 staatlicher Hoheitsgewalt zwar ausschließlich das Volk sein könne, eine unmittelbare Ausübung der vom Volk getragenen bzw. legitimierten Herrschaftsmacht ist ihm hingegen verwehrt. Sie erfolgt nach Art. 20 Abs. 2 S. 2 GG lediglich mittelbar, durch ein nach demokratischen Prinzipien gewähltes Repräsentationsorgan. Damit sind freilich nur die Eckpunkte der demokratischen Ordnung des Grundgesetzes erfasst. Aus diesen lassen sich gleichwohl Grundlinien des Organisations- und Legitimationsprinzips der grundgesetzlichen Demokratie ableiten, welche über das Homogenitätsgebot des Art. 28 Abs. 1 S. 1 GG auch für die rechtliche Ausgestaltung der Bundesländer Geltung beanspruchen.35 Als primäres Anliegen des demokratischen Prinzips lässt sich daraus die Konstituierung und Sicherung einer Wechselbezüglichkeit36 von staatlicher Herrschaftsausübung durch die besonderen Organe der Legislative, Exekutive und Judikative sowie dem von der Ausübung der Herrschaftsmacht tangierten Volk beschreiben.37 Die Beziehung zwischen beiden Bezugspunkten darf weder abbrechen, indem etwa das Volk keinen Einfluss mehr auf die Herrschaftsausübung hat oder vice versa die Herrschaftsausübung das Volk überhaupt nicht berührt, noch dürfen beide dergestalt ineinander aufgehen, dass sich das Volk und die staatliche Herrschafts 30 Ähnlich Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland2 I, S. 604 f. Vgl. auch Karpen, Demokratie und Parlamentarisches System in der Bundesrepublik Deutschland, JA  1986, S.  585 ff. (587). So wohl auch Böckenförde, Mittelbare/repräsentative Demokratie als eigentliche Form der Demokratie, in: G. Müller/u. a. (Hrsg.), Staatsorganisation und Staatsfunktionen im Wandel, S. 301 ff. (314 f.). 31 Demokratische Verantwortlichkeit ist dabei nicht als materiales, sondern als formales Kontrollinstrument zu verstehen, vgl. Gärditz, Demokratische und rechtsstaatliche Verantwortlichkeit bei öffentlichen Großvorhaben, ZSE 2015, S. 4 ff. (6). 32 J. Schmidt, S. 38. 33 Vgl. Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland20, S. 149 ff. 34 Jestaedt, Demokratieprinzip und Kondominialverwaltung, S. 159. 35 Vgl. Heitsch, S. 98 f., 132 f.; H. Dreier, Art. 28, in: ders. (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar2 II, Rn. 59, 62, 64. So werden die Länder auf die demokratischen Grundsätze der Volkssouveränität, der Mehrheitsregel, der zeitlichen Limitierung von Herrschaft, der freien Willensbildung sowie der demokratischen Legitimation staatlichen Handelns verpflichtet. 36 Vgl. Waldhoff, Finanzautonomie und Finanzverflechtung, VVDStRL 66 (2007), S. 216 ff. (231). Ähnlich H.  Dreier, Das Demokratieprinzip des Grundgesetzes, Jura  1997, S.  249 ff. (256). 37 Vgl. Waldhoff, Finanzautonomie und Finanzverflechtung, VVDStRL 66 (2007), S. 216 ff. (231).

I. Auswirkungen auf die bundesstaatliche Ordnung des Grundgesetzes

129

macht im Sinne einer unmittelbaren Herrschaft des Volkes vereinen. Der demokratische Bundesstaat des Grundgesetzes muss so ausgestaltet sein, dass die vom Volk legitimierte Ausübung der Staatsgewalt mittels eines demokratischen Verantwortungsbezuges konstant an dieses zurückgebunden und durch dieses kontrolliert werden kann. Sowohl Organisations- als auch Legitimationsfunktion des Demokratieprinzips zielen folglich auf eine kontinuierliche Verknüpfung zwischen dem Legitimationssubjekt, dem Volk, und dem Legitimationsobjekt, der Ausübung von Staatsgewalt.38 Von diesem Demokratieverständnis ausgehend stellt sich die Frage, in welchem Verhältnis die grundgesetzlichen Organisations- resp. Ordnungsprinzipien39 der Bundesrepublik Deutschland, das Demokratieprinzip und das Bundesstaatsprinzip, grundsätzlich zueinanderstehen – sich ergänzend, gegenseitig fördernd und damit harmonierend oder aber sich gegenseitig beschränkend und kollidierend. Die Ansichten hinsichtlich einer prinzipiellen Vereinbarkeit resp. Unvereinbarkeit der grundgesetzlichen Verfassungsprinzipien der Demokratie und des Bundesstaates haben sich im Laufe der Zeit grundlegend gewandelt.40 Während vor der Gründung der Bundesrepublik Deutschland meist von einem antinomischen Verhältnis ausgegangen wurde,41 wird heute überwiegend die These einer Vereinbarkeit beider Prinzipien vertreten.42 Grundlegend für die heute verbreitete Vereinbarkeitsthese sind die Untersuchun­ gen Hesses zum grundgesetzlichen Bundesstaat aus dem Jahre 1962.43 Funktion und Wesen des gewandelten unitarischen Bundesstaates seien nicht länger aus dem föderalistischen Gedanken der Bewahrung gliedstaatlicher Individualität heraus zu verstehen,44 sondern lägen in einer wesentlichen Ergänzung der demokratischen und rechtsstaatlichen Ordnung.45 Der bundesstaatliche Aufbau sei geradezu unentbehrlich für die freiheitliche demokratische Ordnung des Grund­gesetzes ge 38 Jestaedt, Demokratieprinzip und Kondominialverwaltung, S. 265. Ähnlich auch M ­ öllers, Der parlamentarische Bundesstaat, in: Aulehner (Hrsg.), Föderalismus, S. 81 ff. (100). 39 Zum Bundesstaatsprinzip vgl. Loebenstein, Der Föderalismus, in: Fischer/u. a. (Hrsg.), Dimensionen des Rechts II, S. 827 ff. (828). Zum Demokratieprinzip vgl. H. Dreier, Art. 20 (Demokratie), in: ders. (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar2 II, Rn. 68; Böckenförde, Demokratie als Verfassungsprinzip, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStrR3 II, § 24 Rn. 9 f. 40 Ausführlich hierzu Smith, S. 57 ff. Ähnlich auch Estel, S. 72 f. 41 So etwa Schmitt, Verfassungslehre 4, S.  389, demzufolge ein demokratischer Bundesstaat seine bündische Grundlage verliere und nicht mehr Bundesstaat sein könne. Von einem grundsätzlichen Spannungsverhältnis zwischen Demokratie und Föderalismus geht 1948 auch Grewe aus, vgl. Grewe, Antinomien des Föderalismus, S. 15. Wobei Grewe letztlich auch Möglichkeiten einer Auflösung der von ihm diagnostizierten Antinomien bereithält, vgl. ebda, S. 28. Hierzu ausführlich Smith, S. 58 ff. 42 Vgl. Smith, S. 57, 63 ff.; Estel, S. 73. Vgl. auch von Simons, Das demokratische Prinzip im Grundgesetz, VVDStRL 29 (1971), S. 3 ff. (20). 43 Hesse, Der unitarische Bundesstaat. Vgl. hierzu ausführlich Möllers, Der parlamentarische Bundesstaat, in: Aulehner (Hrsg.), Föderalismus, S. 81 ff. (92 ff.); Smith, S. 71. 44 Vgl. Hesse, Der unitarische Bundesstaat, S. 31. 45 Hesse, Der unitarische Bundesstaat, S. 32.

130

B. Die bundesstaatliche Solidargemeinschaft der Länder

worden.46 Diese das demokratische Prinzip ergänzende und verstärkende Funktion47 lasse sich insbesondere unter dem Blickwinkel einer Einbindung der politischen Opposition in die demokratische Ordnung,48 den damit verbundenen Minderheitenschutz49 sowie der erweiterten Mitwirkungs- und Einflussnahmemöglichkeiten der Bevölkerung auf politische Entscheidungsfindung50 ­erkennen. Der Bundesstaat wird nach unitarischem Verständnis letztlich auf die Position eines Hilfs- oder Zubringerprinzips für das Demokratie- sowie das Rechtsstaatsprinzip verwiesen51 und steht so unselbständig in dessen Schatten. Die bundesstaatliche Ordnung des Grundgesetzes erfährt demnach ihre Rechtfertigung einzig unter der Prämisse einer Ergänzung und Verstärkung des demokratischen sowie des rechtsstaatlichen Verfassungsprinzips.52 Dies bedeutet in der Konsequenz, dass der Bundesstaat seine verfassungsrechtliche Legitimation verlieren würde, geriete er in ein widersprüchliches Verhältnis zu den Verfassungsprinzipien der Demokratie und des Rechtsstaates. Problematisch ist Hesses Beschreibung des unitarischen Bundesstaates nicht nur im Hinblick auf die aufgezeigte inhaltliche Prämisse, sondern zugleich unter methodischen Gesichtspunkten. So wird der Bundesstaat und sein Verhältnis zur Demokratie nicht auf Grundlage 46

Hesse, Der unitarische Bundesstaat, S. 32. Hesse, Bundesstaatsreform und Grenzen der Verfassungsänderung, AöR 98 (1973), S. 1 ff. (12); Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland20, S.  224. Vgl. hierzu auch Liebrecht, Zur Rechtfertigung des Föderalismus heute, DVBl. 1969, S. 97 ff. (99); Ossenbühl, Föderalismus nach 40 Jahren Grundgesetz, DVBl. 1989, S. 1230 ff. (1236); P. Kirchhof, Der Verfassungsauftrag zum Länderfinanzausgleich, S. 13; Loebenstein, Der Föderalismus, in: Fischer/u. a. (Hrsg.), Dimensionen des Rechts II, S. 827 ff. (828); Estel, S. 73. 48 Hesse, Der unitarische Bundesstaat, S. 30; Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland20, S. 226; Hesse, Bundesstaatsreform und Grenzen der Verfassungsänderung, AöR 98 (1973), S. 1 ff. (13). Ähnlich Isensee, Idee und Gestalt des Föderalismus im Grundgesetz, in: ders./Kirchhof (Hrsg.), HStR3 VI, § 126 Rn. 273. 49 Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland20, S.  225; Hesse, Bundesstaatsreform und Grenzen der Verfassungsänderung, AöR  98 (1973), S.  1 ff. (13). Ähnlich Kimminich, Der Bundesstaat, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR I, § 26 Rn. 46. Vgl. hierzu auch Liebrecht, Zur Rechtfertigung des Föderalismus heute, DVBl. 1969, S. 97 ff. (99 f.). 50 Hesse, Der unitarische Bundesstaat, S. 31; Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland20, S. 224, 228; Hesse, Bundesstaatsreform und Grenzen der Verfassungsänderung, AöR 98 (1973), S. 1 ff. (13). Ähnlich Isensee, Idee und Gestalt des Föderalismus im Grundgesetz, in: ders./Kirchhof (Hrsg.), HStR3 VI, § 126 Rn. 272; P. Kirchhof, Der Verfassungsauftrag der Länder zum Länderfinanzausgleich, S. 13; Isensee, Der Föderalismus und der Verfassungsstaat der Gegenwart, AöR 115 (1990), S. 248 ff. (270); Rennert, Der deutsche Föderalismus in der gegenwärtigen Debatte um eine Verfassungsreform, Der Staat 32 (1993), S. 269 ff. (274), die demokratische Repräsentation werde durch das Bundesstaatsprinzip gefördert. Ähnlich auch Oeter, S. 570. 51 Vgl. Isensee, Der Föderalismus und der Verfassungsstaat der Gegenwart, AöR 115 (1990), S. 248 ff. (260); Smith, S. 80. Vgl. auch Lerche, Föderalismus als nationales Ordnungsprinzip, VVDStRL 21 (1964), S. 66 ff. (80). 52 Vgl. Isensee, Der Föderalismus und der Verfassungsstaat der Gegenwart, AöR 115 (1990), S. 248 ff. (260). 47

I. Auswirkungen auf die bundesstaatliche Ordnung des Grundgesetzes

131

positiver Verfassungsnormen untersucht. Bezugsobjekt der Untersuchung stellt vielmehr die vorgefundene Verfassungswirklichkeit dar.53 Wesen und Funktion des Bundesstaatsprinzips als Verfassungsnorm versucht Hesse aus dem Sein der Verfassungswirklichkeit abzuleiten und dementsprechend eine faktische Beobachtung zu normativieren.54 Um sich nicht dem Vorwurf eines Methodensynkretismus auszusetzen, kann die rechtswissenschaftliche Bewertung der strukturellen Beziehung zwischen den verschiedenen Verfassungsprinzipien aber ausschließlich normativ, anhand des positiven Verfassungsrechts erfolgen. Eine Untersuchung dahingehend, ob und inwieweit die normative Beschreibung mit den tatsächlichen Gegebenheiten der Bundesrepublik kongruiert, ist zwar von Relevanz, die Beobachtungen Hesses zur deutschen Bundesstaatlichkeit sind hingegen für eine Bestimmung des normativen Verhältnisses zwischen dem Bundesstaats- und dem Demokratieprinzip nicht aussagekräftig. Mit dem Fokus auf die positiven Verfassungsnormen kann zunächst davon ausgegangen werden, dass die strukturprägenden Verfassungsprinzipien des Grundgesetzes nicht beziehungslos nebeneinanderstehen, sondern sich wechselseitig beeinflussen.55 Wie genau Bundesstaats- und Demokratieprinzip verfassungsrechtlich zueinander stehen, wird sehr unterschiedlich bewertet. Mitunter wird das strukturelle Verhältnis zwischen Demokratie- und Bundesstaatsprinzip negativ – zu Lasten des Demokratieprinzips – charakterisiert.56 Der Grund für diese negativen Untersuchungsergebnisse verbirgt sich oftmals hinter der normativen Analyse – in dem jeweiligen demokratischen Vorverständnis des Interpreten. Wilhelm Grewe brachte in Anlehnung an Pierre-Joseph Proudhon bereits vor dem Inkrafttreten des Grundgesetzes zum Ausdruck, dass ein antinomisches Verhältnis zwischen Föderalismus und Demokratie primär darauf zurückzuführen sei, „daß die Forderung nach einer föderativen Lösung der deutschen Frage heute im Namen und auf der Grundlage einer politischen Ideologie erhoben wird, die ihrem Wesen nach unitarisch und zentralistisch ist, nämlich im Namen und auf der Grundlage der nationalen Demokratie, der Idee von 1789.“57

Die Idee des Föderalismus habe sich gerade im Widerspruch zu den verfassungspolitischen Ideen der Französischen Revolution entwickelt, weshalb die Verknüpfung von Föderalismus und nationaler Demokratie zwangsläufig Spannungen und 53

Möllers, Der parlamentarische Bundesstaat, in: Aulehner (Hrsg.), Föderalismus, S. 81 ff. (96); Smith, S. 64. 54 Vgl. Smith, S. 64. 55 Kimminich, Der Bundesstaat, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR I, § 26 Rn. 43. Spezifisch zum Verhältnis zwischen Bundesstaat und Demokratie Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland2 I, S. 622. 56 Vgl. hierzu ausführlich Smith, S. 58 ff. 57 Grewe, Antinomien des Föderalismus, S. 14.

132

B. Die bundesstaatliche Solidargemeinschaft der Länder

verfassungspolitische Gefahren impliziere.58 Denselben Gedanken greift knapp 50 Jahre später auch Stefan Oeter auf und bestätigt damit seine anhaltende Gültigkeit unter dem Grundgesetz: „Nur soweit man Demokratie unter dem Grundgesetz in den Kategorien der französischen Demokratievorstellung der „république une et indivisible“ versteht, das Verfassungssystem der Bundesrepublik im Gefolge in ein unitarisches Gefüge auf das Gesamtvolk bezogener demokratischer Rückkoppelung und über hierarchische Steuerung vermittelter demokratischer Legitimation auch der Verwaltung auflöst, besteht ein Spannungsverhältnis zwischen Demokratie und Bundesstaat.“59

Der These einer strukturellen Unvereinbarkeit von Demokratie und Bundesstaatlichkeit liegt meist ein monistisches, auf das Bundesvolk als al­leiniges demokratisches Legitimationssubjekt gerichtetes Demokratieverständnis zugrunde.60 Maßgeblich ist folglich, ob die demokratische Konzeption des Grundgesetzes von einem einheitlichen Legitimationssubjekt ausgeht, oder ob dem Grundgesetz ein plurales Demokratieverständnis zugrunde liegt. Legt man den Fokus auf die normativen Bestimmungen und Prämissen des Grundgesetzes sowie den Akt der Verfassungsgebung, erscheint die Zugrunde­ legung des französischen, national-einheitlichen Demokratiemodells für die Bundesrepublik Deutschland nicht tragfähig.61 Nicht allein das Bundesvolk ist Subjekt demokratischer Legitimation, sondern auch die Landesvölker, als vom Bundesvolk rechtlich unabhängige, originäre Legitimationskörper.62 Vor diesem Hintergrund erscheinen die auf einem monistischen Demokratieverständnis beruhenden Thesen einer Unvereinbarkeit resp. eines antinomischen Verhältnisses zwischen dem Bundesstaats- und Demokratieprinzip unter Geltung des Grund­ gesetzes­ anachronistisch. Damit ist freilich noch immer keine Aussage darüber getroffen, wie das plural verstandene Demokratieprinzip des Grundgesetzes und dessen bundesstaatliche Ordnungsidee zueinanderstehen. Dass sich Bundesstaats- und Demokratieprinzip in einem verfassungsrechtlichen Sinn überhaupt in irgendeiner Art und Weise grundsätzlich zueinander verhalten, wird in der Literatur zum Teil  bezweifelt. Bundesstaatlichkeit gliedere lediglich die demokratisch legitimierte Gewalt, wobei sich die drei Staatsfunktionen auf Bundes- und Landesebene schlicht wiederholten.63 Eine allgemeingültige verfassungsrechtliche Theorie über das Verhältnis zwischen diesen beiden Staatsstrukturprinzipien aufzustellen, sei daher schlicht 58

Grewe, Antinomien des Föderalismus, S. 15. Oeter, S. 569. 60 Smith, S. 114. 61 Vgl. Smith, S. 115. Zum monistischen Demokratieverständnis vgl. u. a. Unger, S. 56 ff.; Pielke, S. 77. 62 Siehe A. III. 3. a). 63 Möllers, Der parlamentarische Bundesstaat, in: Aulehner (Hrsg.), Föderalismus, S. 81 ff. (101). 59

I. Auswirkungen auf die bundesstaatliche Ordnung des Grundgesetzes

133

nicht möglich.64 Ob Möllers mit dieser These richtig liegt, mag bezweifelt werden, im Ergebnis überzeugt es jedoch, den Untersuchungsfokus weg von der Verfassung als einem Gesamtkomplex, hin zu den spezifischen verfassungsrechtlichen Teilgebieten und Institutionen, zu lenken. Denn stimmt es, dass die Finanzverfassung Spiegelbild des modernen Staates ist,65 müsste sich das Verhältnis der beiden Verfassungsprinzipien anhand dieses Teilbereichs deutlich erkennen lassen. b) Demokratie- und Bundesstaatsprinzip innerhalb der Finanzverfassung Obwohl die Annahme, die Finanzverfassung sei Spiegel der Staatsverfassung und müsse daher mit dieser strukturell homogen, mindestens aber kompatibel sein,66 auf breite Zustimmung trifft, finden sich doch relativ wenige rechtswissenschaftliche Ausführungen zu den demokratischen Prämissen und Grundlinien im Hinblick auf das grundgesetzliche Finanzwesen.67 Dies erstaunt, da die Finanzverfassung für grundlegende verfassungstheoretische und -dogmatische Untersuchungen geradezu prädestiniert erscheint, bedenkt man allein die Bedeutung des Finanzwesens im modernen Staat68 oder sieht man im 10. Abschnitt des Grund­ gesetzes den Versuch, eine neue Art Grundrechte der Gemeinschaft zu konstituieren.69 Die Finanzverfassung verbindet nach dieser Sichtweise staatsorganisationsrechtliche Vorgaben mit grundrechtlichen Freiheits- und Gleichheitsansprüchen.70 So betont auch das Bundesverfassungsgericht in ständiger Rechtsprechung die auf den Bürger bezogene, abwehrrechtliche „Begrenzungs- und Schutzfunktion der Finanzverfassung“.71 Die für den Bürger gravierenden, freiheitsbeschränkenden 64

Möllers, Der parlamentarische Bundesstaat, in: Aulehner (Hrsg.), Föderalismus, S. 81 ff. (101). 65 Vgl. Wendt, Der Finanzausgleich im föderalen System der BRD, in: Härtel (Hrsg.), Handbuch Föderalismus II, § 41 Rn. 2; Ronellenfitsch, S. 184; F. Kirchhof, Grundsätze der Finanzverfassung, VVDStRL 52 (1993), S. 71 ff. (80); Tappe, Die künftige Ausgestaltung der bundesstaatlichen Finanzordnung, DVBl. 2013, S. 1079 ff. (1079 f.). In Bezug auf die grund­ gesetzliche Bundesstaatskonzeption Oeter, S. 507. 66 Heun, Vorbemerkungen zu Art. 104a–115 GG, in: H. Dreier (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar2 III, Rn. 20; Schoch, Rechtliche Rahmenbedingungen, in: Henneke (Hrsg.), Verantwortungsteilung, S. 21 ff. (32); F. Kirchhof, Empfehlen sich Maßnahmen, DJT 61 (1996), Gutachten D, 51. 67 Kruis, Finanzautonomie und Demokratie im Bundesstaat, DÖV 2003, S. 10 ff. (14). 68 Vgl. hierzu u. a. Kruis, Finanzautonomie und Demokratie im Bundesstaat, DÖV 2003, S. 10 ff. (14); Kesper, S. 33 ff.; Hummel, S. 43 f.; Di Fabio, Steuern und Gerechtigkeit, JZ 2007, S. 749 ff. (750); Haltern, Die künftige Ausgestaltung der bundesstaatlichen Finanzordnung, VVDStRL 73 (2014), S. 103 ff. (118 f.). 69 So Strickrodt, Die Finanzverfassung des Bundes als politisches Problem, S. 8. Ähnlich auch Waldhoff, Finanzautonomie und Finanzverflechtung, VVDStRL 66 (2007), S.  216 ff. (236). 70 Vgl. Waldhoff, Finanzautonomie und Finanzverflechtung, VVDStRL 66 (2007), S. 216 ff. (236 f.). 71 BVerfGE 108, 1 (17).

134

B. Die bundesstaatliche Solidargemeinschaft der Länder

Wirkungen einer Steuerinzidenz72 erfordern schließlich zwingend demokratisch legitimierte Entscheidungen.73 Das demokratische Prinzip des Grundgesetzes darf das Finanzwesen folglich nicht ökonomischer Rationalität überlassen. Seine freiheits- und gleichheitsschützende Funktion muss sich gerade in diesem Abschnitt der Verfassung manifestieren. Dabei ist nicht nur die Erhebung von Steuern, sondern zugleich deren Verwendung demokratisch rechtfertigungsbedürftig.74 Eine umfassende Untersuchung der demokratischen Strukturen innerhalb der grundgesetzlichen Finanzverfassung kann an dieser Stelle zwar nicht geleistet werden, doch soll im Folgenden der Versuch unternommen werden, die groben Verbindungslinien aufzuzeigen und hieraus eine demokratische Grundmatrix der grundgesetzlichen Finanzverfassung abzuleiten. Der zehnte Abschnitt des Grundgesetzes umfasst grundsätzlich zwei getrennt voneinander zu bewertende Regelungskomplexe: Die Finanzverfassung im engeren Sinne, Art.  104a–108 GG, sowie die Haushaltsverfassung, Art.  109–115 GG.75 Letztlich liegt dieser Gliederung die Differenzierung zwischen Einnahmen- und Ausgabenseite der staatlichen Finanzwirtschaft zugrunde.76 Die Finanzverfassung i. e. S. regelt neben der Ausgabenverteilung (Art. 104a GG) die einnahmen­ relevanten Steuergesetzgebungs- (Art. 105 GG), Steuerverwaltungs- (Art. 108 GG) und die im Bundesstaat besonders wichtigen Ertragsverteilungskompetenzen (Art. 106–107 GG). Ihre Funktion liegt darin, Bund und Länder hinreichend am Gesamtertrag der Volkswirtschaft zu beteiligen.77 Die Haushaltsverfassung stellt dagegen Vorgaben und Grundsätze für die hoheitliche Haushalts- resp. Ausgabenwirtschaft von Bund und Ländern auf.78 An der Spitze des ersten Regelungskomplexes – der Finanzverfassung im en­ ge­ren Sinne – steht das Konnexitätsprinzip nach Art. 104a Abs. 1 GG. Es dient als Ausgangspunkt für die grundsätzliche Zuordnung hoheitlicher Finanzierungs 72

Vgl. F. Kirchhof, Grundsätze der Finanzverfassung, VVDStRL 52 (1993), S. 71 ff. (79). Vgl. Kruis, Finanzautonomie und Demokratie im Bundesstaat, DÖV 2003, S. 10 ff. (14). 74 Vgl. Waldhoff, Finanzautonomie und Finanzverflechtung, VVDStRL 66 (2007), S. 216 ff. (237 f.). 75 Waldhoff, Reformperspektiven im Finanzrecht, Die Verwaltung 2006, S. 155 ff. (156 f.); Henneke, Vorb. v. Art. 104a, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/ders., Kommentar zum Grundgesetz13, Rn. 2; Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland II, S. 1050. Eine andere Einteilung mit Bezug auf die verschiedenen Regelungsadressaten der Finanzverfassung findet sich bei Maunz, Art. 104a, in: ders./Dürig, Grundgesetz Kommentar, Rn. 1. Maunz unterscheidet zwei Regelungskomplexe: Art. 104a–109 GG, der das Bund-Länder-Verhältnis in Bezug auf das Finanzwesen regelt sowie Art. 110–115 GG der den Themenkreis der Bundesfinanzorganisation betrifft. 76 Waldhoff, Reformperspektiven im Finanzrecht, Die Verwaltung 2006, S. 155 (157). 77 Henneke, Vorb. v. Art.  104a, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/ders., Kommentar zum Grundgesetz13, Rn. 6. 78 Vgl. Henneke, Vorb. v. Art.  104a, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/ders., Kommentar zum Grundgesetz13, Rn. 2. 73

I. Auswirkungen auf die bundesstaatliche Ordnung des Grundgesetzes

135

kompetenzen – als Recht und Pflicht, die Ausgaben für eine bestimmte hoheitliche Tätigkeit zu tragen – und ist damit von erheblicher Bedeutung für die gesamte Finanzverfassung.79 Nach dieser Grundregel wird die hoheitliche Finanzierungsverantwortung der Verantwortung für die staatliche Aufgabenwahrnehmung nachfolgend zugeordnet, durch welche die konkreten Ausgaben entstanden sind. Es entsteht eine kausale Verknüpfung zwischen Aufgabenerledigung und Ausgaben­ last.80 Die Aufteilung der Aufgabenverantwortung zwischen Bund und Ländern wird auf die Finanzverfassung gespiegelt und bildet deren Grundlage. Art. 104a Abs. 1 GG orientiert sich dabei nicht an Sachgebieten, sondern an den verschiedenen Staatsfunktionen.81 Ausgehend von der Überlegung, dass der Verwaltung die Entscheidung zukommt, wann und in welcher Höhe staatliche Ausgaben getätigt werden und sie insofern unmittelbar über die konkrete hoheitliche Ausgaben­ praxis bestimmt,82 sind Aufgaben im Sinne des Art. 104a Abs. 1 GG als Verwaltungsaufgaben zu verstehen.83 Der Grundgedanke des Konnexitätsprinzips ist im Veranlassungs- oder Kausalitätsprinzip zu sehen, welchem die Vorstellung zugrunde liegt, dass der Veranlasser eines konkreten Finanzierungsbedarfs diesen auch selbst zu tragen habe.84 So soll verhindert werden, dass eine bundesstaatliche Ebene mit den Kosten für die Wahrnehmung einer hoheitlichen Aufgabe durch eine andere Ebene belastet wird,85 oder sich eine bundesstaatliche Ebene durch die (Mit-)Finanzierung einer fremden hoheitlichen Aufgabe Einfluss außerhalb des jeweiligen Kompetenzbereiches gleichsam erkaufen kann.86 Der all­ gemeine Lastenverteilungsgrundsatz des Art. 104a Abs. 1 GG ist damit wesentliches Element der Machtverteilung im Bundesstaat.87 Zugleich sei der Ursprung der Verknüpfung von Entscheidungshoheit und Finanzierungslast unmittelbar dem 79 So u. a. Ossenbühl, Föderalismus nach 40 Jahren Grundgesetz, DVBl. 1989, S. 1230 ff. (1232); Maunz, Art. 104a, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz Kommentar, Rn. 10; Heun, Art. 104a, in: H. Dreier (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar2 III, Rn. 11. 80 Tappe/Wernsmann, Öffentliches Finanzrecht, Rn. 102. 81 Vgl. Ossenbühl, Föderalismus nach 40 Jahren Grundgesetz, DVBl. 1989, S. 1230 ff. (1232). 82 Vgl. Korioth, Klare Verantwortungsteilung von Bund, Ländern und Kommunen?, DJT 65 (2004), Referat P, 89 ff. (101). So auch bereits Fischer-Menshausen, Die Länder im künftigen Finanzausgleich, DÖV 1948, S. 10 ff. (12). 83 Vgl. Pielke, S. 8; Heun, Art. 104a, in: H. Dreier (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar2 III, Rn. 12. Vgl. zum Prinzip der Durchführungskonnexität Tappe/Wernsmann, Öffentliches Finanzrecht, Rn. 115 ff. 84 Vgl. Pielke, S. 57. Wobei die Regelung des Art. 104a Abs. 1 GG nicht das Kausalitätsprinzip begründet, vgl. Heun, Art. 104a, in: H. Dreier (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar2 III, Rn. 11, 15.  85 Vgl. Wieland, Einen und Teilen, DVBl. 1992, S. 1181 ff. (1185). 86 Vgl. abstrakt bezogen auf die Wirkung von Finanzen Kruis, Finanzautonomie und Demokratie im Bundesstaat, DÖV 2003, S. 10 ff. (14): „Die Finanzen sind für die Organisation und die Lenkung der laufenden Staatstätigkeit unverzichtbar; sie ermöglichen darüber hinaus lenkende Einflussnahme“. 87 Heun, Art. 104a, in: H. Dreier (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar2 III, Rn. 11. Ähnlich auch Starck, Die Bundesstaatlichkeit im Spiegel der Finanzverfassung, StuW 1974, S. 271 ff. (272 f.).

136

B. Die bundesstaatliche Solidargemeinschaft der Länder

Demokratieprinzip des Grundgesetzes zuzuordnen.88 Legt man dem Demokratieprinzip des Grundgesetzes ein plurales Demokratieverständnis zugrunde und erkennt damit sowohl die Landesvölker als voneinander unabhängige Legitimationssubjekte als auch die Länder als originäre Zentren demokratischer Legitimation an,89 so ergibt sich in der demokratischen Mehr-Ebenen-Rechtsordnung90 des Grundgesetzes entsprechend das Erfordernis, Aufgabenwahrnehmung und Ausgabenverantwortung auf der jeweils betroffenen Ebene miteinander zu verbinden. Im Bundesstaat hätte das Fehlen einer solchen Verknüpfung eine Verzerrung des demokratischen Verantwortungszusammenhanges zur Konsequenz.91 Das Bestehen wirksamer parlamentarischer Verantwortlichkeitszusammenhänge ist hingegen wesentlicher Bestandteil des Systems repräsentativer Demokratie.92 Ebenso wie die demokratische Legitimation die initiale Berechtigung zur Ausübung von Staatsgewalt vom Volk herleitet, vermittelt die Zurechenbarkeit von Verantwortung diese vice versa zum Volk zurück.93 Die Entscheidung über Staatsaufgaben ist im demokratischen Bundesstaat daher grundsätzlich mitsamt der daraus folgenden finanziellen Verantwortung in eine Hand zu legen.94 In der Folge ergibt sich aus Art. 104a Abs. 1 GG ein grundsätzliches Verbot der Fremd- oder Mischfinanzierung zwischen Bund und Ländern.95 Das die gesamte Finanzverfassung durchdringende Konnexitätsprinzip nach Art.  104a Abs.  1 GG ist im Ergebnis somit nicht nur bundesstaatlicher, sondern zugleich demokratischer Provenienz. In diesem Prinzip manifestieren sich deutlich die demokratischen und bundesstaatlichen Grundstrukturen der Finanzverfassung im engeren Sinne. Im Übrigen spiegelt sich die dem Grundgesetz zugrundeliegende föderative Trennung von Gesetzgebung und Verwaltung auch auf den Komplex der Finanzverfassung im engeren Sinne. So obliegt die Gesetzgebungskompetenz hinsicht 88

Vgl. F. Kirchhof, Empfehlen sich Maßnahmen, DJT 61 (1996), Gutachten D, 55. Siehe A. III. 3. a). 90 Ausführlich zum Begriff der Mehr-Ebenen-Rechtsordnung vgl. Möllers, Demokratische Ebenengliederung, in: Appel/Hermes/Schönberger (Hrsg.), Öffentliches Recht im offenen Staat, S. 759 ff. (761 ff.); ders. Gewaltengliederung, S. 210 ff., insb. Fn 1. 91 Vgl. F. Kirchhof, Empfehlen sich Maßnahmen, DJT 61 (1996), Gutachten D, 54, allerdings generell auf die Finanzverantwortung bezogen. 92 J. Schmidt, S. 38. Vgl. auch F. Kirchhof, Empfehlen sich Maßnahmen, DJT 61 (1996), Gutachten  D, 54; Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland20, Rn. 138; Böckenförde, Mittelbare/repräsentative Demokratie als eigentliche Form der Demokratie, in: G. Müller/u. a. (Hrsg.), Staatsorganisation und Staatsfunktionen im Wandel, S. 301 ff. (315). 93 Vgl. J. Schmidt, S. 38; F. Kirchhof, Empfehlen sich Maßnahmen, DJT 61 (1996), Gutachten D, 54. Zur Zurechenbarkeit demokratischer Verantwortung vgl. Waldhoff, Finanzautonomie und Finanzverflechtung, VVDStRL 66 (2007), S. 216 ff. (238 f.). 94 Pielke, S. 75; vgl. F. Kirchhof, Empfehlen sich Maßnahmen, DJT 61 (1996), Gutachten D, 54 f. So im Ergebnis auch Hey, Finanzautonomie und Finanzverflechtung, VVDStRL  66 (2007), S. 277 ff. (288). 95 Tappe/Wernsmann, Öffentliches Finanzrecht, Rn. 123 f. Wobei darauf hingewiesen sei, dass die Art. 104a Abs. 2, 3, Art. 91a–91e, Art. 104b, Art. 120, Art. 106a, Art 106 Abs. 8 GG nicht wenige Ausnahmen vom Konnexitätsprinzip vorsehen. Ebda, Rn. 126 ff. 89

I. Auswirkungen auf die bundesstaatliche Ordnung des Grundgesetzes

137

lich des materiellen Steuerrechts zur Vereinnahmung von Steuern als Mittel allgemeiner Staatsfinanzierung faktisch fast ausschließlich dem Bund,96 Art.  105 Abs.  2 i. V. m. Art.  106 GG, während die Verwaltung der gesetzlich festgesetzten Steuern überwiegend den Ländern überantwortet wird, vgl. Art. 108 GG. Die Artikel 105 und 108 Abs. 1–5, 7 GG sind insoweit jeweils leges speciales zu den Art.  70 ff. bzw. 83 ff. GG.97 Wie auch in anderen Bereichen des Grundgesetzes sind die demokratischen Legitimationsstränge von Bund und Ländern hier oftmals miteinander verflochten und es wirken beide Ebenen im Verbund zusammen.98 Aus dieser bundesstaatlichen Kompetenzverteilung im Hinblick auf die Steuergesetzgebungskompetenz resultiert eine erhebliche Beschränkung der gliedstaatlichen Finanzautonomie99 und damit ihrer demokratischen Selbstbestimmung.100 Die bundesstaatliche Kompetenzverteilung bewirkt folglich eine empfindliche Einschränkung des demokratischen Prinzips im Hinblick auf die Steuerautonomie der Länder. Auf Grundlage dieser groben Skizzierung der Finanzverfassung im engeren Sinne zeigt sich zwar ein deutlicher Einfluss des demokratischen Prinzips des Grundgesetzes, gleichzeitig ergibt sich aus der bundesstaatlichen Kompetenzverteilung im Hinblick auf die Steuergesetzgebung eine erhebliche Beeinträchtigung des demokratischen Prinzips. Die finanzrechtliche Ausprägung der bundesstaatlichen Ordnungsidee geht damit innerhalb der Finanzverfassung im engeren Sinn deutlich zu Lasten des grundgesetzlichen Demokratieprinzips. Es offenbart sich letztlich ein nicht unerhebliches Spannungsverhältnis zwischen den Verfassungsprinzipien der Demokratie und des Bundesstaates. Ein gegenteiliges Resultat manifestiert sich im zweiten Regelungskomplex der Finanzverfassung, der Haushaltsverfassung. Art.  109 Abs.  1 GG statuiert zunächst den Grundsatz der Selbständigkeit und Unabhängigkeit der Haushaltswirtschaft von Bund und Ländern sowie der Länder untereinander.101 Dieser Grundsatz 96

Vgl. Hanebeck, Der demokratische Bundesstaat des Grundgesetzes, S. 342; Oeter, S. 511; Maunz, Art. 105, in: ders./Dürig, Grundgesetz Kommentar, Rn. 1. 97 Vgl. Heun, Art. 105, in: H. Dreier (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar2 III, Rn. 45; ders., Art. 108, in: H. Dreier (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar2 III, Rn. 29; Maunz, Art. 108, in: ders./Dürig, Grundgesetz Kommentar, Rn. 6. 98 Vgl. Osterloh, Der verfassungsrechtliche Gleichheitssatz, EuGRZ 2002, S. 309 ff. (313). Zur Entwicklung vom Trennsystem hin zum Verbundsystem vgl. Wissenschaftlicher Beirat beim Bundesministerium der Finanzen, Gutachten zum Länderfinanzausgleich in der Bundesrepublik Deutschland, S. 9 ff. 99 Vgl. Glaser, Steuerwettbewerb in föderalen Staaten in rechtsvergleichender Perspektive, JöR 58 (2010), S. 251 ff. (259). 100 Vgl. Kruis, Finanzautonomie und Demokratie im Bundesstaat, DÖV 2003, S. 10 ff. (10). Ähnlich auch Oeter, S. 513. Zur Finanzautonomie vgl. auch Hey, Finanzautonomie und Finanzverflechtung, VVDStRL 66 (2007), S. 277 ff. (280). 101 Vgl. Ossenbühl, Verfassungsrechtliche Grundfragen des Länderfinanzausgleichs, S. 21; Kube, Art.  109, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz Kommentar, Rn.  30; Heun, Art.  109, in: H. Dreier (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar2 III, Rn. 18; Tappe/Wernsmann, Öffentliches Finanzrecht, Rn. 532.

138

B. Die bundesstaatliche Solidargemeinschaft der Länder

wird oftmals primär als Ausprägung und Konkretisierung des Bundesstaatsprinzips verstanden, der zum Kernbereich der Staatlichkeit von Bund und Ländern gehöre.102 Ob und inwiefern Art.  109 Abs.  1 GG zudem das grundgesetzliche Demokratieprinzip konkretisiert, wird hingegen selten untersucht. Bei dem haushaltsrechtlichen Trennungsgrundsatz handelt es sich indes nicht lediglich um eine Ausprägung der bundesstaatlichen Ordnung des Grundgesetzes, sondern zugleich um eine „finanzielle“ Ausprägung des Demokratieprinzips.103 So ermöglicht erst eine Verselbständigung der Haushalte, demokratische Finanzierungsverantwortung auf allen Ebenen der bundesstaatlichen Mehr-Ebenen-Rechtsordnung unabhängig voneinander zu begründen. Die durch Art. 109 Abs. 1 GG ermöglichte und auf den Haushalt bezogene Finanzautonomie als Recht zur Selbstbestimmung in finanziellen Angelegenheiten104 geht folglich einher mit demokratischer Rück­koppelung und Herstellung von Transparenz.105 Die haushaltswirtschaftliche Eigenverantwortung erfordert, dass jede staatliche Stelle für die finanziellen Folgen der von ihr getroffenen Haushalts-Entscheidungen auch einzustehen hat.106 Würden die Haushalte der verschiedenen bundesstaatlichen Akteure rechtlich nicht prinzipiell getrennt behandelt werden,107 hätte dies zur Konsequenz, dass die konkrete Zurechnung von Ausgabenverantwortung und damit sowohl die finanzielle Verantwortungslinie als auch die demokratische Legitimationskette108 hinsichtlich der hoheitlichen Mittelverwendung unterminiert werden würden. Die gewählten Repräsentanten könnten sich durch Überwälzung der Finanzierungslast auf eine andere bundesstaatliche Ebene ihrer demokratischen Finanzierungsverantwortung schlicht entziehen. Auch hier konkretisiert sich das demokratische Kausalitätsprinzip als Verbindung von Entscheidungsgewalt und Finanzierungslast.109 Der haushaltswirtschaftliche Trennungsgrundsatz des Art. 109 Abs. 1 GG ist damit nicht nur Folge des Bundesstaatsprinzips, sondern zugleich Essenz der 102 Vgl. etwa Ossenbühl, Verfassungsrechtliche Grundfragen des Länderfinanzausgleichs, S. 21; Starck, Die Bundesstaatlichkeit im Spiegel der Finanzverfassung, StuW 1974, S. 271 ff. (271); Kube, Art. 109, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz Kommentar, Rn. 28; Heun, Art. 109, in: H. Dreier (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar2 III, Rn. 14 [m. w. N]. 103 Vgl. F. Kirchhof, Empfehlen sich Maßnahmen, DJT 61 (1996), Gutachten D, 53 Fn. 215. Zustimmend Waldhoff, Finanzautonomie und Finanzverflechtung, VVDStRL  66 (2007), S. 216 ff. (238). 104 Vgl. Hey, Finanzautonomie und Finanzverflechtung, VVDStRL  66 (2007), S.  277 ff. (280). 105 Vgl. im Ergebnis ähnlich Waldhoff, Reformperspektiven im Finanzrecht, Die Verwaltung 2006, S. 155 ff. (164). 106 Vgl. F. Kirchhof, Empfehlen sich Maßnahmen, DJT  61 (1996), Gutachten  D, 54. Vgl. auch Heun, Art. 109, in: H. Dreier (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar2 III, Rn. 19. 107 Hier sei angemerkt, dass der Trennungsgrundsatz keine strikte Trennung der Haushalte statuiert. Dies ergibt sich bereits aus den Einschränkungen in Art.  109 Abs.  2–4 GG. Die Haushaltsautonomie wird folglich nicht schrankenlos gewährleistet. Vgl. Heun, Art. 109, in: H.  Dreier (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar2  III Rn.  11. Hierzu kritisch Strickrodt, Die Finanzverfassung des Bundes als politisches Problem, S. 14 f. 108 Vgl. F. Kirchhof, Empfehlen sich Maßnahmen, DJT 61 (1996), Gutachten D, 54. 109 Vgl. F. Kirchhof, Empfehlen sich Maßnahmen, DJT 61 (1996), Gutachten D, 55.

I. Auswirkungen auf die bundesstaatliche Ordnung des Grundgesetzes

139

demokratischen Ordnung in Bund und Ländern. Das Bundesstaats- und das Demokratieprinzip stehen hier in einem harmonischen Verhältnis zueinander. Neben dem Haushaltstrennungsgrundsatz ist das Budgetrecht des Parlaments ein weiteres, die grundgesetzliche Haushaltsverfassung prägendes Element. So ist es nach Art. 110 Abs. 1 S. 1 und Abs. 2 S. 1 GG Aufgabe des Bundestages als Legislativorgan, über Einnahmen und Ausgaben der öffentlichen Hand in Form eines parlamentarischen Gesetzes zu beschließen.110 Das Bundesverfassungs­gericht beschreibt das für den Bund in Art. 110 GG verankerte Budgetrecht als eines der wesentlichen Instrumente parlamentarischer Regierungskontrolle, welches die rechtsstaatliche Demokratie entscheidend präge.111 Es handle sich um ein zentrales Element demokratischer Willensbildung.112 Erst jüngst konstatierte das Gericht in seiner Entscheidung zur Griechenlandhilfe vom 07. September 2011, dass auch in einem System intergouvernementalen Regierens die Repräsentanten des Volkes die Kontrolle über grundlegende haushaltspolitische Entscheidungen behalten müssten.113 Das Parlament müsse letztlich der Ort bleiben, an dem eigenverantwortlich über Einnahmen und Ausgaben entschieden wird.114 Anderenfalls geriete das Parlament in die Rolle des bloßen Nachvollzuges und könnte die haushaltspolitische Gesamtverantwortung im Rahmen seines Budgetrechts nicht wahrnehmen.115 Dieser hohe Stellenwert des parlamentarischen Haushaltsbewilligungsrechts lässt sich zunächst historisch ableiten. Das Budgetrecht war das erste elementare Recht einer Volks- oder Ständevertretung, um dessentwillen die Demokratie erstritten worden ist.116 Aufgrund dieses im frühen 19.  Jahrhundert errungenen haushaltswirtschaftlichen Steuerungsinstruments des Parlaments gegenüber dem monarchischen Souverän wird das parlamentarische Budgetrecht oftmals als das Königsrecht des Parlaments bezeichnet.117 Mit der Entwicklung hin zum parlamentarischen Verfassungsstaat und der daraus resultierenden Veränderung des Verhältnisses von Staat und Gesellschaft hat sich die Funktion der Budgethoheit 110 Kube, Art.  110, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz Kommentar, Rn.  1. Ähnlich auch BVerfGE 130, 318 (343). 111 BVerfGE 70, 324 (356); 55, 274 (303). 112 BVerfGE 70, 324 (356); 79, 311 (329); 129, 124 (177); 130, 318 (343); 132, 195 (239). 113 BVerfGE 129, 124 (178). Freilich bezogen auf den Deutschen Bundestag und seine Mitgliedschaft in der Europäischen Union. 114 BVerfGE  129, 124 (178); 132, 195 (239). Entscheidend sei, dass wesentliche haushalt­ politische Fragen mit konstitutiver Zustimmung des Bundestages entscheiden und überstaatliche Rechtspflichten mit entsprechender Willensentscheidung des Bundestages begründet würden. Vgl. BVerfGE 132, 195 (240). 115 BVerfGE 129, 124 (179); 132, 195 (240). 116 P. Kirchhof, Demokratie ohne parlamentarische Gesetzgebung?, NJW 2001, S. 1332 ff. (1333). Vgl. auch P. M. Huber, Verfassungsstaat und Finanzkrise, S. 52; Voigt, Haushaltsrecht zwischen Parlament und Regierung, BayVBl. 1978, S. 101 ff. (101); Blankart, Öffentliche Finanzen in der Demokratie8, S. 469. 117 Kube, Nationale Budgethoheit und Europäische Union, AöR 137 (2012), S. 205 ff. (206); F. Kirchhof, Grundsätze der Finanzverfassung, VVDStRL 53 (1993), S. 71 ff. (85).

140

B. Die bundesstaatliche Solidargemeinschaft der Länder

indes grundlegend gewandelt.118 Seine Bedeutung aus Sicht des Parlaments im Verfassungsstaat bezieht es nicht mehr aus einer Steuerungs- oder Führungsfunktion, sondern überwiegend aus einer Kontroll-119 sowie einer öffentlichen Diskursfunktion.120 Unter dem Grundgesetz wird das Budgetrecht daher nach wie vor zu den wesentlichen Funktionen der Legislative gezählt.121 Art. 110 GG bezieht sich zwar ausschließlich auf den Bundeshaushalt, doch erstreckt sich das parlamentarische Budgetrecht als formalisierte Ausprägung des Demokratieprinzips122 auch auf die Landeshaushalte. Denn als Grundlage demokratischer Selbstbestimmung im Verfassungsstaat123 steht die Budgethoheit folgerichtig auch den demokratisch organisierten Bundesländern zu. Hoheitliche Haushalts­entscheidungen im Bundesstaat werden über das parlamentarische Budgetrecht der unmittelbar demokratisch legitimierten Parlamente an die jeweiligen Legitimationssubjekte Bundes- oder Landesvolk zurückgebunden.124 Voraussetzung einer effektiven demokratischen Herrschaftsordnung ist der Einfluss der jeweiligen parlamentarischen Volksvertretungen – mittels Bewilligungs- und Kontrollrechten  – auf die Aufgabenwahrnehmung sowie deren Verantwortlichkeit gegenüber den jeweils betroffenen Bürgern.125 Das parlamentarische Budgetrecht bringt damit im Wesentlichen das Demokratieprinzip des Grundgesetzes zur ­Geltung. Konträr zur Finanzverfassung im engeren Sinn lässt sich aus der Haushaltsverfassung daher auf eine harmonische Grundstruktur schließen: Bundesstaatsprin 118

Vgl. Kichler, S. 133 f. Isensee, Budgetrecht des Parlaments zwischen Schein und Sein, JZ 2005, S. 971 ff. (980). Die Kontrollfunktion bestätigend BVerfGE 129, 124 (177); J. Schmidt, S.  86; Hebeler, Die Budgetierung und das Budgetrecht, VR 2002, S. 76 ff. (77); Blankart, Öffentliche Finanzen in der Demokratie8, S. 469; Tappe/Wernsmann, Öffentliches Finanzrecht, Rn. 64. Eine andere Wertung nimmt Kichler vor, der einen Wandel des Budgetrechts vom Vertrauensvotum hin zu einem primär technischen Mittel der Planung sieht, Kichler, S. 134. 120 Vgl. zur Funktion eines öffentlichen Diskurses BVerfGE 85, 386 (403 f.); 95, 267 (307 f.); 108, 282 (312). Vgl. auch Gärditz, Demokratische und rechtsstaatliche Verantwortlichkeit bei öffentlichen Großvorhaben, ZSE 2015, S. 4 ff. (20). 121 Jestaedt, Demokratieprinzip und Kondominialverwaltung, S.  291; Gärditz, Demokratische und rechtsstaatliche Verantwortlichkeit bei öffentlichen Großvorhaben, ZSE  2015, S.  4 ff. (20). Vgl. auch Hettlage, Die Finanzverfassung im Rahmen der Staatsverfassung, VVDStRL 14 (1956), S. 2 ff. (10): „Entwicklung des vordemokratischen Steuerbewilligungsrechts zum volldemokratischen Haushaltsbewilligungsrecht“. 122 Deumeland, Auswirkungen der Rechte des Parlaments auf den Haushaltsvollzug, DöH 1996, S. 93 ff. (95). 123 Vgl. Brockmeyer, Art. 110, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke, Kommentar zum Grundgesetz13, Rn. 2. Vgl. hierzu auch Isensee, Budgetrecht des Parlaments zwischen Schein und Sein, JZ 2005, S. 971 ff. (972 f.); Bergmoser, Zweckgerichtete Vitalisierung des Budgetrechts der Legislative, S. 153 f. Vgl. auch Hummel, S. 61. 124 Vgl. Bergmoser, Zweckgerichtete Vitalisierung des Budgetrechts der Legislative, S. 153. Als „Verfassungsfolklore“ bezeichnet hingegen O. Jung unter Bezug auf Naumann die Etat­ hoheit der Landesparlamente, O. Jung, Unverdient höchster Segen, NVwZ 2002, S. 41 ff. (42). 125 Vgl. Kesper, S. 42. 119

I. Auswirkungen auf die bundesstaatliche Ordnung des Grundgesetzes

141

zip und Demokratieprinzip erfahren in den haushaltsverfassungsrechtlichen Normen des Grundgesetzes eine gleichförmige Ausprägung, wobei das demokratische Prinzip durch das parlamentarische Budgetrecht letztlich deutlich stärker ausgeprägt ist. Auf Grundlage dieser Ergebnisse muss eine differenzierte Bilanz gezogen werden. Im gesamten zehnte Abschnitt des Grundgesetzes manifestiert sich nicht nur die bundesstaatlichen Ordnungsidee, sondern zugleich das demokratische Prinzip.126 Während sich die Grundstruktur der Finanzverfassung des Grundgesetzes im Regelungskomplex der Haushaltsverfassung durch eine grundsätzlich harmonische Ausprägung beider Verfassungsprinzipien auszeichnet, weist der Regelungskomplex der Finanzverfassung im engeren Sinne dagegen ein zu Lasten des Demokratieprinzips angelegtes Spannungsverhältnis auf. c) Das Demokratieprinzip und der horizontale Länderfinanzausgleich nach Art. 107 Abs. 2 S. 1, 2 GG Nachdem die Beziehung des grundgesetzlichen Demokratie- und des Bundesstaatsprinzips in Bezug auf die finanzverfassungsrechtlichen Grundlinien skizziert werden konnte, bleibt zu untersuchen, wie sich dieses Verhältnis konkret in Bezug auf die verfassungsrechtliche Regelung des horizontalen Länderfinanzausgleichs nach Art. 107 Abs. 2 S. 1, 2 GG zeigt. Der Einfluss des Bundesstaatsprinzips auf den horizontalen Länderfinanzausgleich kann unproblematisch bestimmt werden. Nach fast einhelliger Meinung wird der Länderfinanzausgleich unmittelbar beeinflusst durch das bundesstaatliche Prinzip des Grundgesetzes.127 Auch ohne die Verknüpfung des Art. 107 Abs.  2 S.  1 GG mit der Maßgabe einer bundesstaatlichen Solidargemeinschaft der Länder zeigt sich in dieser Norm deutlich die bundesstaatliche Ordnungsidee. Wesentlich komplexer erscheint es dagegen, einen etwaigen Einfluss des grundgesetzlichen Demokratieprinzips auf die Norm des Art.  107 Abs.  2 S.  1,  2 GG zu bestimmen. Für eine folgerichtige Bewertung ist zunächst die Zuordnung des horizontalen Länderfinanzausgleichs zu einem der finanzverfassungsrechtlichen Regelungskomplexe erforderlich, da die Ausprägung des demokratischen Prinzips – und damit die maßgebliche Vergleichsskizze der nachfolgenden Erwägungen – in den beiden Teilbereichen der Finanzverfassung erheblich variiert.128 Aus dem Versuch einer Zuordnung ergibt sich indes eine initiale Problematik. Systematisch ist der horizontale Länderfinanzausgleich unzweifelhaft eingebettet in die 126

Vgl. F. Kirchhof, Grundsätze der Finanzverfassung, VVDStRL 52 (1993), S. 71 ff. (85). Vgl. BVerfGE 1, 117 (131). Bestätigend u. a. Ossenbühl, Verfassungsrechtliche Grundfragen des Länderfinanzausgleichs, S. 21 f. 128 Siehe B. I. 1. b). 127

142

B. Die bundesstaatliche Solidargemeinschaft der Länder

Normen des bundesstaatlichen Finanzausgleichs nach Art. 106–107 GG, mithin in die Finanzverfassung im engeren Sinne. Unter funktionalen Gesichtspunkten erscheint eine Zuordnung auch zum Regelungskomplex der Haushaltsverfassung sachgemäß, sofern die von Art. 107 Abs. 2 S. 1 GG vorgegebene Umverteilung aus Eigenem haushaltstechnisch als Ausgabe und nicht als Modifizierung der primären Ertragszuteilung verstanden wird.129 In der rechtswissenschaftlichen Literatur wird häufig konstatiert, dass es sich bei dem Instrument des horizontalen Länderfinanzausgleichs nicht um eine schlichte Fortsetzung der primären Steuerverteilung handle,130 sondern um eine länderfinanzierte, sekundäre Umverteilung im Anschluss an die erfolgte Ertragsverteilung.131 Die denklogische Konsequenz, dass damit zugleich die Haushalte der Länder berührt sein könnten, wird hingegen kaum diskutiert.132 Für eine funktionale Zuordnung des bundesstaatlichen Ausgleichsmechanismus auch zum Regelungskomplex der Haushaltsverfassung spricht sich  – wenn auch nicht explizit, so doch zumindest implizit – das Bundesverfassungsgericht in seinen Entscheidungen zum Länderfinanzausgleich aus den Jahren 1952, 1986, 1992 und 1999 aus. Obwohl das Gericht den Finanzausgleichsmechanismus unter den Ländern dem bundesstaatlichen Finanzausgleich zuordnet,133 enthalten jene verfassungsgerichtlichen Entscheidungen gleichwohl die Folgerung, dass die durch Art. 107 Abs. 2 S. 1 GG begründeten Ausgleichsansprüche und -verbindlichkeiten die Haushaltswirtschaften der Länder berühren. So spricht das Gericht bereits 1952 davon, dass der Bund die Finanzmittel für den Ausgleich den Ländern „– und nicht seinen eigenen Einnahmen –“134 entnehmen könne. Die Finanzmittel sind demzufolge aus den Einnahmen der Länder zu entnehmen und müssen folgerichtig als Ausgaben qualifiziert werden. Dabei bliebe „die kassenmäßige Durchführung der Zahlungen den Ländern im Rahmen ihrer haushaltsrechtlichen

129

Vgl. ähnlich H.-W. Arndt, Finanzausgleich und Verfassungsrecht, S. 22. BVerfGE  72, 330 (386); 86, 148 (214); 101, 158 (222). Vgl. auch Wendt, Der Finanzausgleich im föderalen System der BRD, in: Härtel (Hrsg.), Handbuch Föderalismus II, § 41 Rn. 23; H.-W. Arndt, Finanzausgleich und Verfassungsrecht, S. 15. 131 BVerfGE  72, 330 (386); 86, 148 (214 f.); 101, 158 (221). Vgl. auch Vogel, Grundzüge des Finanzrechts des Grundgesetzes, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR 2  IV, § 87 Rn.  35; P. Kirchhof, Der Verfassungsauftrag zum Länderfinanzausgleich als Ergänzung fehlender und Garant vorhandener Finanzautonomie, S. 11; Wendt, Der Finanzausgleich im föderalen System der BRD, in: Härtel (Hrsg.), Handbuch Föderalismus II, § 41 Rn. 15, 21 f.; Meyer, Der Finanzausgleich, KritV 91 (2008), S. 132 ff. (139). 132 Ansätze bei Korioth, Der Finanzausgleich zwischen Bund und Ländern, S. 278, 422; Tappe, Die künftige Ausgestaltung der bundesstaatlichen Finanzordnung, DVBl.  2013, S.  1079 ff. (1082). So zu verstehen auch F. Kirchhof, Finanztransfers aus Separathaushalten im Bundesstaat, in: Maurer (Hrsg.), Das akzeptierte Grundgesetz, S. 447 ff. (448). 133 Art. 107 Abs. 2 S. 1, 2 GG stellt dem Gericht zufolge die dritte Stufe des bundesstaatlichen Finanzausgleichs nach Art.  106, 107 GG dar. Vgl. BVerfGE  72, 330 (386); 86, 148 (214). 134 BVerfGE 1, 117 (136). 130

I. Auswirkungen auf die bundesstaatliche Ordnung des Grundgesetzes

143

Vorschriften überlassen“135. Das Gericht geht offenkundig davon aus, dass die Haushaltswirtschaften der Länder durch den horizontalen Finanzausgleichsmechanismus berührt werden. In seiner Entscheidung aus dem Jahre 1986 konstatiert das Gericht weiter, die Finanzausstattung der einzelnen Länder stehe mit dem Abschluss der primären Ertragszuteilung nach Art. 107 Abs. 1 GG fest.136 Der darauf folgende horizontale Länderfinanzausgleich nach Art. 107 Abs. 2 S. 1, 2 GG sei lediglich eine subsidiäre Korrektur auf Grundlage der zuvor zugeteilten, originären Finanzausstattung der Länder.137 Die Erwägungen des Bundesverfassungsgerichts sind auch insofern zutreffend, als dass von einer Umverteilung denklogisch nur dann gesprochen werden kann, wenn zuvor eine abschließende Verteilung der umzuverteilenden Mittel bereits stattgefunden hat. Anderenfalls würde es dem Art. 107 Abs. 2 S. 1 GG bereits an einer Basis für die Beurteilung einer angemessenen Finanzkraftausstattung der Länder fehlen. Eine finanzielle Umverteilung ohne vorhergehende abschließende Zuteilung von Finanzmitteln würde letztlich ihre Sinnhaftigkeit verlieren. Geht das Gericht davon aus, dass die Finanzausstattung bereits vor dem Ausgleichsmechanismus des Art. 107 Abs. 2 S. 1 GG feststeht, so folgt daraus nicht nur, dass der Ausgleich aus eigenen Finanzmitteln bewirkt wird, sondern auch, dass dieser haushaltstechnisch eine Ausgabe darstellt. Diese Konsequenz legt das Gericht insbesondere der Begründung der Erforderlichkeit eines Maßstäbegesetzes138 im Rahmen seiner letzten Entscheidung zum horizontalen Länderfinanzausgleich zugrunde. So heißt es hier, der Gesetzgeber „darf aber nicht allein in der Rechtfertigung eines Mehrheitswillens zu Lasten einer Minderheit auf fremde Haushalte zugreifen oder Ausgleichsansprüche vereiteln“139.

Alle vier verfassungsgerichtlichen Entscheidungen bestärken die conclusio, der horizontale Länderfinanzausgleich greife in die Länderhaushalte ein und entfalte seine Wirkung nicht allein auf Einnahmen-, sondern zugleich auf Ausgabenseite.140 Funktional betrachtet setzt der horizontale Länderfinanzausgleich eine eigene Finanzausstattung als Berechnungsgrundlage möglicher horizontaler Ausgleichspflichten unter den Ländern voraus.141 Er bewirkt in den Haushalten der ausgleichsberechtigten Länder einen Zuwachs an Einnahmen, während er zugleich bei den ausgleichsverpflichteten Ländern eine haushaltswirksame Ausgaben­

135

BVerfGE 1, 117 (136). BVerfGE 72, 330 (385). So später auch BVerfGE 86, 148 (214); 101, 158 (221). 137 Vgl. BVerfGE 72, 330 (386). 138 Vgl. zum Maßstäbegesetz allgemein A. Jung, passim. Kritisch u. a. Waldhoff, Reform­ perspektiven im Finanzrecht, Die Verwaltung  2006, S.  155 ff. (163 f.); Tappe, Die künftige Ausgestaltung der bundesstaatlichen Finanzordnung, DVBl. 2013, S. 1079 ff. (1083 f.). 139 BVerfGE 101, 158 (219). Hervorhebung d. Verf. 140 Dies gilt ebenso für die nicht näher thematisierte Entscheidung aus dem Jahre 1992, vgl. BVerfGE 86, 148 (214): „Den Ländern werden gegebenenfalls, bezogen auf ihre eigene Finanzausstattung, föderale Ausgleichspflichten auferlegt oder Ausgleichsansprüche zuerkannt“. 141 Vgl. P. Kirchhof, Die Steuerung des Verwaltungshandelns durch Haushaltsrecht und Haushaltskontrolle, NVWZ 1983, S. 505 ff. (508). 136

144

B. Die bundesstaatliche Solidargemeinschaft der Länder

verpflichtung vorsieht.142 Folgerichtig veranschlagen daher die ausgleichsverpflichteten Länder ihre jeweiligen Ausgleichsleistungen als Ausgabeposten im Rahmen ihrer Haushaltsaufstellung.143 Art.  107 Abs.  2 S.  1 GG als länderfinanziertes Umverteilungsinstrument aus originären Finanzmitteln ist kein Mechanismus, welcher ausschließlich die Einnahmenseite der Länderhaushalte berührt. Der horizontale Länderfinanzausgleich tangiert zugleich die Ausgabenseite der ausgleichsverpflichteten Länder und stellt damit funktional ein normatives Regelungsinstrument im Hinblick auf die Haushaltsverfassung der Länder dar. Auf Grundlage dieser Feststellung soll Art. 107 Abs.  2 S.  1,  2 GG gerade im spezifischen Zusammenhang mit den demokratischen Grundstrukturen des haushaltsverfassungsrechtlichen Regelungskomplexes betrachtet werden. Anhand des horizontalen Ausgleichsmechanismus zwischen den Ländern offenbart sich ein nicht unproblematisches Verhältnis zum demokratischen Budgetrecht der Landesparlamente. Aufgrund des nach Art. 28 Abs. 1 S. 1 GG in den Ländern verbindlichen Demokratieprinzips144 wird auch den Landtagen die Budget­hoheit hinsichtlich ihrer jeweiligen Landeshaushalte verfassungsrechtlich garantiert.145 Ebenso wie auf Bundesebene müssen demnach auch auf Länderebene dem Grunde nach alle Einnahmen und Ausgaben durch die Landesparlamente in Form eines Haushaltsgesetzes beschlossen werden. So macht das Bundesverfassungsgericht in seiner Griechenland-Entscheidung deutlich, der Bundestag werde seiner Budget­ verantwortung u. a. nur dann gerecht, sofern jede ausgabenwirksame solidarische Hilfsmaßnahme des Bundes größeren Umfanges im internationalen oder unionalen Bereich vom Bundestag im Einzelnen bewilligt werde.146 Dieser Gedanke müsste dem Grund nach auch auf die Landesparlamente in der bundesstaatlichen MehrEbenen-Rechtsordnung des Grundgesetzes übertragen werden können. Innerhalb der grundgesetzlichen Ordnung sieht der horizontale Länderfinanzausgleich in Art. 107 Abs. 2 S. 2 hingegen vor, dass Voraussetzungen und Höhe der ausgleichsbezogenen Ansprüche und Verbindlichkeiten durch zustimmungs­ bedürftiges Bundesgesetz zu bestimmen sind. Damit entscheidet das Legislativ­ 142

So auch Korioth, Der Finanzausgleich zwischen Bund und Ländern, S. 422. Tappe hingegen spricht hier von einem rein psychologischen Effekt, vgl. Tappe, Die künftige Ausgestaltung der bundesstaatlichen Finanzordnung, DVBl. 2013, S. 1079 ff. (1082): „Nur der sekundäre-horizontale Finanzausgleich gem. Art. 107 Abs. 2 S. 1 GG (der Finanzausgleich i. e. S.) führt hierbei zu echten ‚Verlusten‘, die psychologisch schwerer wiegen als ein nur relativer entgangener Gewinn“. 143 Staatshaushalt Baden-Württemberg 2015–2016, Kapitel 1204 Titel 612 01; Landeshaushalt Bayern 2015/2016, Kapitel 1303 Titel 612 01–6; Landeshaushalt Hessen 2015, Kapitel 1702 Titel 612 01 820. 144 Vgl. hierzu etwa Henneke, Art. 28, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/ders., Kommentar zum Grundgesetz13, Rn. 13. 145 Vgl. Kube, Art. 110, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz Kommentar, Rn. 4. 146 BVerfGE 129, 124 (125). Vgl. zum Urteil des Bundesverfassungsgerichts Kube, Nationale Budgethoheit und Europäische Integration, AöR 137 (2012), S. 205 ff. (215 f.).

I. Auswirkungen auf die bundesstaatliche Ordnung des Grundgesetzes

145

organ des Bundes über haushaltswirksame Ausgaben der Länder, wobei den Landesparlamenten jede Einflussmöglichkeit auf die sie betreffenden Ausgleichszahlungen verwehrt bleibt. Was dem Bund innerhalb der europäischen MehrebenenRechtsordnung verfassungsrechtlich untersagt ist, erscheint im Hinblick auf die Länder verfassungsrechtlich möglich. Hieraus folgt, dass die Landesparlamente die Ausgleichsleistungen für den Länderfinanzausgleich zwar in ihren jeweiligen Landeshaushalten als Ausgaben veranschlagen und bei der Verabschiedung ihrer Landes-Haushaltsgesetze formal ihr parlamentarisches Budgetrecht ausüben,147 doch sie die mit dem parlamentarischen Budgetrecht verbundenen Kontrollfunktionen letztlich nicht ausüben können. Hiergegen ließe sich vorbringen, dass die Länder über die Mitwirkung des Bundesrates an der Bundesgesetzgebung ihren Einfluss auf die Ausgestaltung des Länderfinanzausgleichs geltend machen können. Ein solcher Einwand ginge am Problem vorbei, bedenkt man, dass im Bundesrat ausschließlich Vertreter der Länderexekutiven, nicht hingegen Vertreter der Länderparlamente mitwirken. Die Mitwirkung des Bundesrates vermag eine unterbundene Wahrnehmung von originären Parlamentsrechten gerade nicht zu kompensieren.148 Umso mehr gilt dies für das demokratisch bedeutsame Budgetrecht des Parlaments.149 So hat etwa das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung zum Neunergremium EFSF betont, was die Feststellung des Haushaltsplans angehe, komme dem Parlament im Verhältnis zu den anderen beteiligten Verfassungsorganen eine hervorgehobene verfassungsrechtliche Stellung zu. Denn über Einnahmen und Ausgaben der öffentlichen Hand entscheide das Parlament in Verantwortung gegenüber dem Volk.150 Zum anderen lässt sich ganz allgemein parlamentarische Selbstbestimmung nur unzureichend durch Mitbestimmung kompensieren.151 Das parlamentarische Budgetrecht kann daher nur dann effektiv ausgeübt werden, wenn die demokratische Verantwortlichkeit für die hoheitlichen Einnahmen und Ausgaben bei demselben Parlament liegt.152 Dieses Erfordernis zeigt sich insbesondere unter dem Gesichtspunkt der demokratischen Verantwortungszusammen­ 147

Parallele Problematik bei den Gemeinschaftsaufgaben, vgl. Laufer, Föderatives System und Finanzordnung, in: Commager/u. a. (Hrsg.), FS Loewenstein, S. 279 ff. (290). 148 Vgl. Edling, Entwicklungstendenzen im bundesdeutschen Föderalismus, DÖV  1987, S. 579 ff. (585). Ähnlich Hesse, Bundesstaatsreform und Grenzen der Verfassungsänderung, AöR 98 (1973), S. 1 ff. (29 f.); Isensee, Der Föderalismus und der Verfassungsstaat der Gegenwart, AöR 115 (1990), S. 248 ff. (257). 149 Zum Teil gar als sakrosanktes Element der Verfassungsordnung bezeichnet, vgl. Isensee, Budgetrecht des Parlaments zwischen Schein und Sein, JZ 2005, S. 971 ff. (972). 150 BVerfGE 130, 318 (342 f.). Freilich bezogen auf den Deutschen Bundestag. 151 Vgl. Isensee, Der Föderalismus und der Verfassungsstaat der Gegenwart, AöR 115 (1990), S. 248 ff. (257); Waldhoff, Reformperspektiven im Finanzrecht, Die Verwaltung 2006, S. 155 ff. (170); Kisker, Kooperation im Bundesstaat, S. 294. Edling spricht gar von einer Fremdbestimmung der Länder, die den Abschlüssen im Bundestag nicht zustimmen, vgl. Edling, Entwicklungstendenzen im bundesdeutschen Föderalismus, DÖV 1987, S. 579 ff. (585). 152 Vgl. P. Kirchhof, Der Verfassungsauftrag zum Länderfinanzausgleich, S. 14.

146

B. Die bundesstaatliche Solidargemeinschaft der Länder

hänge innerhalb der Länder. Wie bereits erläutert, fordert das Demokratieprinzip des Grundgesetzes nicht nur die demokratische Legitimation jeder Ausübung von Staatsgewalt, sondern zudem die Rückbindung durch demokratische Verantwortlichkeit der Handelnden gegenüber den Bürgern.153 Dadurch, dass die von den ausgabenwirksamen Ausgleichsverbindlichkeiten betroffenen Landesbürger den Träger der Entscheidungsgewalt über Höhe und Voraussetzung dieser Verbindlich­ keiten, den Bundestag, nicht unmittelbar zur Verantwortung ziehen können, bewirkt Art. 107 Abs. 2 S. 1, 2 GG eine Entkoppelung der demokratischen Finanzierungsverantwortung. Das grundgesetzliche Demokratieprinzip fordert, dass der betroffene Bürger das die (finanzwirtschaftliche)  Entscheidung treffende Parlament zur Verantwortung ziehen kann.154 Die Möglichkeit zur Herstellung demokratischer Verantwortung erschöpft sich nicht einzig in dem regelmäßigen Gang zur Wahlurne – es muss insbesondere eine kontinuierliche effektive Einflussnahme des Volks auf die repräsentative Ausübung seiner Staatsgewalt gewährleistet sein.155 Diese Einflussnahme wird erst durch die Publizität des politischen Prozesses sowie die daraus folgenden politischen Entscheidungen ermöglicht.156 Aufgrund der Entkoppelung der Finanzverantwortung für den horizontalen Länderfinanzausgleich mittels Bundesgesetz wird nicht nur eine unmittelbare Einflussnahme der Landesbürger durch Wahlen unterbunden,157 es leidet zugleich die Publizität des demokratischen Entscheidungsprozesses. So bleibt unklar, wer die Verantwortung für den Ausgleichsmechanismus des Art. 107 Abs. 2 S. 1 GG trägt, der Bundestag158 oder die Landesregierungen über den Bundesrat159.160 Den Landesbürgern 153

Siehe B. I. 1. a). P. Kirchhof, Der Verfassungsauftrag zum Länderfinanzausgleich, S.  14; F. Kirchhof, Empfehlen sich Maßnahmen, DJT 61 (1996), Gutachten D, 54. Ähnlich auch A. Jung, S. 48 f. 155 Vgl. Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland20, Rn. 149. So auch Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland2 I, S. 617 f. Ähnlich Kube, Nationale Budgethoheit und Europäische Union, AöR 137 (2012), S. 205 ff. (221 f.). 156 Vgl. Heitsch, S.  125 ff.; Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland20, Rn.  152; Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland2  I, S.  610. Vgl. zum demokratischen Erfordernis der Öffentlichkeit Häberle, Struktur und Funktion der Öffentlichkeit im demokratischen Staat, Politische Bildung 1970, Heft 3, S. 3 ff. (8 ff.). 157 Sieht man in dem Landesvolk ein rechtlich vom Bundesvolk zu unterscheidendes, lediglich personell teilidentisches Legitimationssubjekt, so legitimieren die Landesvölker ausschließlich die Landesparlamente, das Bundesvolk hingegen legitimiert das Bundesparlament. 158 So etwa Heun, Art. 107, in: H. Dreier (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar2 III, Rn. 31; Henneke, Art. 107, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/ders., Kommentar zum Grundgesetz13, Rn. 53. 159 Von einem Übergewicht des Bundesrates bei der Gesetzgebung des Finanzausgleichsgesetzes ausgehend etwa Schuppert/Dahrendorf, Verfassungsrechtliche und finanzwissenschaftliche Aspekte des Länderfinanzausgleichs, S. 17 f.; Hanebeck, Der demokratische Bundesstaat des Grundgesetzes, S. 334. Vgl. hierzu auch Geske, Der bundesstaatliche Finanzausgleich in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, Der Staat 46 (2007), S. 203 ff. (207). 160 Vgl. zur Finanzordnung generell Haltern, Die künftige Ausgestaltung der bundesstaatlichen Finanzordnung, VVDStRL 73 (2014), S. 103 ff. (128). Allgemein zur Problematik der Verantwortungszurechnung in Kooperationsgeflechten vgl. Di Fabio, Das Recht offener Staaten, S. 126; Sturm, S. 19. 154

I. Auswirkungen auf die bundesstaatliche Ordnung des Grundgesetzes

147

verbleiben letztlich weder demokratische Kontroll- noch Einwirkungsmöglichkeiten, einzig verbleibt damit die „Exit“-Option161 – der Umzug in ein anderes Bundesland.162 Zugleich agiert der Bundestag im verantwortungsfreien Raum, denn das Bundesvolk, dem der Bundestag gegenüber verantwortlich ist, wird durch den horizontalen Ausgleichsmechanismus nicht ausgabenwirksam tangiert, wodurch es an dem erforderlichen Interesse der Bürger fehlt.163 Mangels rechtlicher Betroffenheit des Bundesvolkes fehlt der Bezugspunkt des demokratischen Verantwortungszusammenhanges. Der verfassungsrechtlich gestattete Durchgriff des Bundes auf die Landeshaushalte tangiert damit materiell das demokratische Budgetrecht der Landesparlamente sowie zugleich deren durch Art. 109 Abs. 1 GG allgemein gewährleistete Haushaltsautonomie.164 Die Problematik dieser Beschränkung des demokratischen Prinzips zeigt sich besonders deutlich, bedenkt man, dass den Ländern demokratische Finanzautonomie lediglich für ihre Ausgabenwirtschaft, kaum hingegen für ihre Einnahmenwirtschaft zukommt.165 Die Entkoppelung der demokratischen Verantwortungszusammenhänge führt zu gravierenden Konflikten zwischen dem bundesstaatlichen Ausgleichsinstrument des Art. 107 Abs. 2 S. 1, 2 GG und dem demokratischen Prinzip des Grundgesetzes. Der horizontale Ausgleich der Länderfinanzkraft schlägt deutlich zu Lasten des grundgesetzlichen Demokratieprinzips. So werden die demokratische Finanzierungsverantwortung sowie in der Folge die Haushaltsautonomie der Länder in Teilen ausgehebelt resp. umgangen. Es manifestiert sich ein deutlich konfliktives Verhältnis zwischen dem bundesstaatlichen Länderfinanzausgleich und dem demokratischen Prinzip des Grundgesetzes, welches allgemein zu Lasten demo­k ratischer Verantwortungszusammenhänge geht.

161

Zur demokratischen Teilhabe in föderalen Rechtsordnungen über „Voice and Exit“ vgl. Glaser, Föderaler Steuerwettbewerb, ORDO 61 (2010), S. 205 ff. (210 f.). Vgl. zum politischen Charakter der Exit-Option Gärditz, Der Bürgerstatus im Lichte von Migration und euro­ päischer Integration, VVDStRL 72 (2013), S. 49 ff. (105). 162 Wobei dies freilich eine Option ist, die nur theoretisch allen Landesbürgern möglich ist. In der Lebenswirklichkeit ist die Exit-Option – sowohl aus finanziellen als auch sozialen Gründen – wohl nur für die wenigsten Landesbürger eine reale Option. 163 Vgl. hierzu Hey, Finanzautonomie und Finanzverflechtung, VVDStRL 66 (2007), S. 277 ff. (288). 164 Freilich ist diese Beschränkung aufgrund der Normierung des horizontalen Länder­ finanzausgleichs in Art. 107 Abs. 2 GG verfassungsgemäß. Zur Beschränkung der Haushaltsautonomie vgl. Kube, Art. 109, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz Kommentar, Rn. 42. 165 Vgl. Waldhoff, Finanzautonomie und Finanzverflechtung, VVDStRL 66 (2007), S. 216 ff. (226) [m. w. N.].

148

B. Die bundesstaatliche Solidargemeinschaft der Länder

d) Der bundesstaatlich-solidarische Finanzausgleich zwischen Demokratie- und Bundesstaatsprinzip Wie bereits erörtert, hat die bundesstaatliche Ordnungsidee prägende Auswirkungen auf den Auslegungsmaßstab der bundesstaatlichen Solidargemeinschaft der Länder.166 So lassen sich aus ihm nicht nur die Grenzen des solidarischen Hilfsmechanismus, sondern zugleich eine tendenziell vorrangige Gewichtung individueller resp. gliedstaatlicher Selbständigkeit im Verhältnis zu gemeinschaftlicher Unterstützung resp. gesamtstaatlicher Einheitlichkeit ableiten. Innerhalb des Gedankens der bundesstaatlichen Solidargemeinschaft findet nicht nur das bundesstaatliche, sondern auch das demokratische Prinzip des Grundgesetzes Berücksichtigung. So betont das bundesstaatliche Solidaritätsgebot die Eigenständigkeit und Selbstverantwortlichkeit der Bundesländer, während die horizontale Ausrichtung der Solidargemeinschaft die Gleichheit der beteiligten Gliedkörperschaften und damit deren Selbstverpflichtung voraussetzt. Aufgrund des pluralen Verständnisses des demokratischen Bundesstaates wird demokratische Selbstbestimmung der Länder zur Prämisse der Konstituie­rung einer bundesstaatlichen Solidargemeinschaft. Die demokratische Selbstbestimmung der Landesvölker wird, dem repräsentativen System des Grundgesetzes entsprechend, durch die jeweiligen Landesparlamente vermittelt. Insofern die Landesparlamente über konkrete Ausgleichsleistungen an ausgleichsberechtigte Länder entscheiden, üben diese zugleich ihr demokratisches Budgetrecht aus. Durch die Prämisse demokratischer Selbstbestimmung bleiben die demokratischen Verantwortungs­ zusammenhänge innerhalb der Länder sichtbar, wodurch den betroffenen Landesbürgern ihre demokratischen Kontroll- und Einwirkungsmöglichkeiten erhalten bleiben. Die bundesstaatliche Solidargemeinschaft berücksichtigt damit nicht allein die bundesstaatliche, sondern auch die demokratische Ordnungsidee des Grundgesetzes, indem sie beide Verfassungsprinzipien harmonisch zueinander in Beziehung setzt. In ihr manifestiert sich ein zum haushaltsverfassungsrechtlichen Vergleichsschema synchrones Verhältnis zwischen Bundesstaats- und Demokratieprinzip. Die bundesstaatliche Solidargemeinschaft der Länder ist per se damit verfassungskonformer Ausdruck des demokratischen Bundesstaates des Grundgesetzes. Dient die bundesstaatliche Solidargemeinschaft hingegen lediglich als Auslegungsmaßstab eines angemessenen Finanzkraftunterschiedes nach Art.  107 Abs.  2 S.  1 GG, erfährt ihre Ausgestaltung in Bezug auf die konkrete Umsetzung des Ausgleichsmechanismus eine empfindliche Beschränkung. Die Umsetzung des horizontalen Länderfinanzausgleichs erfolgt daher nicht auf Grundlage demokratischer Selbstbestimmung der Länder, sondern weiterhin durch Bundesgesetz. Die verfassungsrechtlich determinierte Umsetzung des horizontalen Län 166

Siehe A. III. 3. b).

I. Auswirkungen auf die bundesstaatliche Ordnung des Grundgesetzes

149

derfinanzausgleichs bleibt von den Implikationen der bundesstaatlichen Solidargemeinschaft folglich unberührt. Insofern bleibt es bei dem zuvor festgestellten Spannungsverhältnis zwischen Bundesstaats- und Demokratieprinzip. Der Einfluss der bundesstaatlichen Solidargemeinschaft auf das Merkmal der Angemessenheit von Finanzkraftunterschieden zwischen den Ländern bewirkt durch die Eingrenzung auf das Vorliegen einer konkreten, bürgerbezogenen Schuld und die damit verbundene Absage an einen Umverteilungsautomatismus gleichwohl eine Stärkung der demokratischen Verantwortungsstrukturen innerhalb des horizontalen Finanzausgleichsmechanismus. Indem der bundesstaatlichsolidarische Finanzausgleich ein Instrument ultima ratio bleibt, werden Haushaltsautonomie und die demokratischen Verantwortungsstrukturen in erhöhtem Maße verschont. Der bundesstaatlich-solidarische Finanzausgleich entspricht dadurch zwar nicht dem demokratisch-bundesstaatlichen Gefüge des Grundgesetzes, doch wird die Spannungslage des Art. 107 Abs. 2 S. 1, 2 GG zum demokratischen Prinzip des Grundgesetzes zumindest abgemildert, indem sie Anlass und Umfang der Ausgleichspflichten begrenzt. e) Bewertung Das Demokratieprinzip des Grundgesetzes und das Bundesstaatsprinzip spiegeln sich in den Grundlinien des Haushaltsverfassungsrechts in einer prinzipiell harmonisch-ergänzenden Weise wider. Dagegen begegnen sich beide Verfassungsprinzipien auf die Verfassungsnorm des horizontalen Länderfinanzausgleichs nach Art. 107 Abs. 2 S. 1, 2 GG bezogen in einem kollisionsgeneigten Verhältnis zu Lasten des Demokratieprinzips. Die dem Bundesstaatsprinzip oftmals attestierte, inhärente Spannungslage zwischen Eigenständigkeit, Eigenverantwortlichkeit und Individualität der Länder sowie einer solidargemeinschaftlichen Mitverantwortung für Existenz und Eigenständigkeit der Bundesgenossen167 stellt sich im Hinblick auf den horizontalen Länderfinanzausgleich als Spannungslage zwischen Demokratieprinzip und Bundesstaatsprinzip dar. Die Verfassungsnorm des horizontalen Länderfinanzausgleichs fügt sich damit nicht in die demokratischbundesstaatliche Grundstruktur der Finanzverfassung ein.168 Im Gegensatz dazu passt sich die Zwischennorm der bundesstaatlichen Solidargemeinschaft der Länder ohne weitere Spannungen der finanzverfassungsrechtlichen Skizze des Verhältnisses von Demokratie- und Bundesstaatsprinzip und 167 BVerfGE  72, 330 (398). So auch Ossenbühl, Verfassungsrechtliche Grundfragen des Länderfinanzausgleichs, S. 22; P. Kirchhof, Der Verfassungsauftrag zum Länderfinanzausgleich, S. 1; Hidien, Handbuch Länderfinanzausgleich, S. 34 f.; A. Jung, S. 48. 168 Aus den konstatierten Beschränkungen des grundgesetzlichen Demokratieprinzips soll notabene nicht die Verfassungswidrigkeit des horizontalen Länderfinanzausgleichs gefolgert werden, schließlich war die Maßgabe eines horizontalen Länderfinanzausgleichsmechanismus bereits im Grundgesetz von 1949 vorgesehen.

150

B. Die bundesstaatliche Solidargemeinschaft der Länder

damit der demokratischen Grundstruktur der Finanzverfassung an. Beide Verfassungsprinzipien stehen hier harmonisch nebeneinander, ohne sich wechselseitig zu beschränken. In der Funktion als Auslegungsmaßstab eines angemessenen Finanzkraftunterschiedes nach Art. 107 Abs. 2 S. 1 GG vermag die bundesstaatliche Solidar­ gemeinschaft die im Hinblick auf Art. 107 Abs. 2 S. 1 GG festgestellte Spannungslage zwischen Demokratie- und Bundesstaatsprinzip zwar nicht aufzuheben, aber zumindest abzuschwächen. Scheint die Verfassungsnorm des Art.  107 Abs.  2 S.  1 GG strukturell einen Fremdkörper innerhalb der bundesstaatlich-demokratischen Ordnung des Grundgesetzes zu bilden, so fügt sich die bundesstaatliche Solidargemeinschaft in diese ohne Schwierigkeit ein. Die In­anspruchnahme der bundesstaatlichen Solidargemeinschaft als Auslegungsmaßstab der Angemessenheit des Art. 107 Abs. 2 S. 1 GG bewirkt zwar eine Verbesserung des Verhältnisses zum demokratischen Prinzip des Grundgesetzes, doch bleibt auch der bundesstaatlich-solidarische Finanzausgleich eine Zäsur im demokratischen Gefüge des grundgesetzlichen Bundesstaates. 2. Das Sozialstaatsprinzip a) Der soziale Bundesstaat des Grundgesetzes Gemäß Art. 20 Abs. 1 des Grundgesetzes ist die Bundesrepublik Deutschland nicht nur demokratischer, sondern zugleich sozialer Bundesstaat. Das soziale Bekenntnis des Grundgesetzes wiederholt sich noch ein weiteres Mal im Homogenitätsgebot des Art. 28 Abs. 1 S. 1 GG – diesmal hingegen als sozialer Rechtsstaat –, wodurch dieses auch für die Länder Verbindlichkeit erlangt. In dieser zweimaligen adjektivistischen Verwendung des Wortes „sozial“ manifestiert sich nach (mittlerweile169) herrschender Meinung ein eigenständiges Verfassungsprinzip170, das­ Sozialstaatsprinzip.

169 Die Qualifikation des sozialen Prinzips als rechtlich verbindliche Verfassungsnorm war nach Inkrafttreten des Grundgesetzes zunächst umstritten. So vertrat etwa Grewe die These, das Sozialstaatsprinzip sei vielmehr als „substanzloser Blankettbegriff“ zu verstehen, vgl. Grewe, Das bundesstaatliche System des Grundgesetzes, DRZ  1949, S.  349 ff. (351), vgl. hierzu auch Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland2 I, S. 688; Heinig, Der­ Sozialstaat im Dienst der Freiheit, S. 14 f. Erste juristische Verdeutlichung mit der Feststellung Hans Peter Ipsens, es handele sich um eine „rechtsgrundsätzliche Zielbestimmung eines Sozialstaates“, vgl. H. P. Ipsen, Über das Grundgesetz, in: Forsthoff (Hrsg.), Rechtsstaatlichkeit und Sozialstaatlichkeit, S. 16 ff. (23); so Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland2 I, S. 886 f. 170 Vgl. ähnlich Grzeszick, Art. 20 – Die Sozialstaatlichkeit, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz Kommentar, Rn. 17; Ridder, Die soziale Ordnung des Grundgesetzes, S. 46.

I. Auswirkungen auf die bundesstaatliche Ordnung des Grundgesetzes

151

Als unabänderliche171 Staatszielbestimmung172 formuliert das Verfassungsprinzip einen verbindlichen Auftrag173 an die Träger staatlicher Hoheitsgewalt, die Bundesrepublik Deutschland in der Gestalt eines Sozialstaates zu verwirklichen. Die sich im Anschluss aufdrängenden Fragen, was generell unter einem Sozialstaat zu verstehen und wie ein solcher konkret umzusetzen sei, lässt das Grundgesetz hingegen weitgehend unbeantwortet.174 Aufgrund dieser mangelnden expliziten Konkretisierung sowie einer wenig ergiebigen Entstehungsgeschichte175, erweist sich eine inhaltliche Bestimmung des Sozialstaatsprinzips als äußerst schwierig.176 In der Konsequenz wird dem grundgesetzlichen Sozialstaat oftmals eine betont pragmatische Vorstellung zugrunde gelegt, welche primär den demokratisch legitimierten Gesetzgeber in der Verantwortung sieht, die Zielvorstellung eines sozialen Staates zu konkretisieren und zu verwirklichen.177 Demzufolge entspräche 171

Vgl. etwa Zacher, Das soziale Staatsziel, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR3 II, § 28 Rn. 95; Grzeszick, Art. 20 – Die Sozialstaatlichkeit, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz Kommentar, Rn. 17. 172 Vgl. etwa Isensee, Subsidiaritätsprinzip und Verfassungsrecht2, S.  192; Hahn, S.  114; Scheuner, Staatszielbestimmungen, in: Schnur (Hrsg.), FS Forsthoff, S. 325 ff. (340 f.); Grzeszick, Art. 20 – Die Sozialstaatlichkeit, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz Kommentar, Rn. 18; Sommermann, Art.  20 Abs.  1, in: von Mangoldt/Klein/Starck, Kommentar zum Grundgesetz6 II, Rn. 98, 103. 173 Vgl. Isensee, Subsidiaritätsprinzip und Verfassungsrecht2, S. 192; Münch, Sozialpolitik und Föderalismus, S. 94; Hahn, S. 114; Scholz, Sozialstaat zwischen Wachstums- und Rezessionsgesellschaft, S. 4; ders., Das grundgesetzliche Sozialstaatsprinzip und seine Konkretisierung im Bundesstaat, in: Borchard/Margedant (Hrsg.), Sozialer Bundesstaat, S. 11 ff. (16);­ Zacher, Das soziale Staatsziel, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR3 II, § 28 Rn. 3. 174 Vgl. Heinig, Der Sozialstaat im Dienst der Freiheit, S. 13; Zacher, Das soziale Staatsziel, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR3 II, § 28 Rn. 2; Enders, Sozialstaatlichkeit im Spannungsfeld von Eigenverantwortlichkeit und Fürsorge, VVDStRL 64 (2005), S. 7 ff. (13); Bull, Die Staatsaufgaben nach dem Grundgesetz, S. 167; Forsthoff, Begriff und Wesen des sozialen Rechtsstaates, in: ders. (Hrsg.), Rechtsstaatlichkeit und Sozialstaatlichkeit, S. 165 ff. (184 f.). 175 Suhr, Rechtsstaatlichkeit und Sozialstaatlichkeit, Der Staat 9 (1970), S. 67 ff. (74); Schnapp, Art. 20, in: von Münch/Kunig, Grundgesetz6 I, Rn. 49. Vgl. hierzu auch Münch, Sozialpolitik und Föderalismus, S. 93. Christian-Friedrich Menger sieht in der Entscheidung des parlamentarischen Rates zumindest eine rechtsgrundsätzliche Entscheidung gegen eine wohlfahrtsstaatliche Ausgestaltung, Menger, Der Begriff des sozialen Rechtsstaates im Bonner Grundgesetz, in: Forsthoff (Hrsg.), Rechtsstaatlichkeit und Sozialstaatlichkeit, S. 42 ff. (63 f.). Christoph Enders hingegen folgert aus dem Schweigen des Grundgesetzgebers, dass dieser auf etwas historisch Selbstverständliches rekurriere, Enders, Sozialstaatlichkeit im Spannungsfeld von Eigenverantwortlichkeit und Fürsorge, VVDStRL 64 (2005), S. 7 ff. (14). Hier ist allerdings zu bezweifeln, dass sich bezüglich der inhaltlichen Ausgestaltung eines Sozialstaates jemals ein allgemeiner Konsens entwickelt hat, der als Selbstverständlichkeit betrachtet werden könnte. 176 Zur Gefahr, die von der Vieldeutigkeit des Terminus „sozial“ ausgeht, vgl. Forsthoff, Verfassungsprobleme des Sozialstaats, in: ders. (Hrsg.), Rechtsstaatlichkeit und Sozialstaatlichkeit, S. 145 ff. (163): „Kein Wort ist vieldeutiger und dem Mißbrauch leichter zugänglich wie das Wort sozial. Kein Staat ist mehr in Gefahr, im Dienste der jeweils Mächtigen instrumentalisiert zu werden wie der Sozialstaat“. 177 So zu verstehen u. a. das Bundesverfassungsgericht, vgl. BVerfGE 1, 97 (105); 29, 221 (235); 59, 231 (263). Vgl. zum pragmatischen Sozialstaatsverständnis Heinig, Der Sozialstaat im Dienst der Freiheit, S. 17 ff.

152

B. Die bundesstaatliche Solidargemeinschaft der Länder

eine hoheitliche Maßnahme, welche der einfache Gesetzgeber als sozial erachtet, zugleich dem Verfassungsgebot des Sozialstaates. Wenn indes „das pragmatische Sozialstaatsverständnis die Bestimmung des Wesens und Auftrags des Sozialstaates weitestgehend an den Gesetzgeber delegiert, führt dies zu einer radikalisierten Untercodierung, die aus Sicht des Verfassungsrechts nicht überzeugen kann.“178

Freilich kann nicht bestritten werden, dass dem Sozialstaatsprinzip eine gewisse Offenheit179 und Dynamik180 inhärent ist, doch darf Offenheit nicht verwechselt werden mit inhaltlicher Beliebigkeit.181 Der verfassungsrechtliche Terminus „sozial“ ist gerade nicht definiens indefinibilis.182 Sollte denn das Sozialstaatsprinzip keine rechtliche Verbindlichkeit für sich in Anspruch nehmen können sowie sich aus dem Prinzip keine inhaltliche Vorgabe für die Ausgestaltung der grund­ gesetzlichen Verfassungsordnung ableiten lassen, bedürfte es auch keiner Inklusion des Prinzips in die Ewigkeitsklausel des Art. 79 Abs. 3 GG.183 Das Sozialstaatsprinzip des Grundgesetzes ist zwar konkretisierungsbedürftig,184 indes keine Carte blanche des Gesetzgebers.185 Blickt man auf das strukturelle Grundverhältnis zwischen den beiden Verfassungsprinzipien des Sozialstaats und des Bundesstaats, wird dieses häufig als antinomisch oder zumindest konfliktiv beschrieben.186 Dieser These liegt oftmals die Vorstellung zugrunde, der Sozialstaat sei auf Einheitlichkeit und Gleichheit ausgerichtet, während der Bundesstaat auf Vielfalt und Individualität dränge.187 178

Heinig, Der Sozialstaat im Dienst der Freiheit, S. 20. So etwa Axer, Soziale Gleichheit, VVDStRL 68 (2009), S. 177 ff. (195); Zacher, Das soziale Staatsziel, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR3 II, § 28 Rn. 95; Scholz, Das grundgesetzliche Sozialstaatsprinzip und seine Konkretisierung im Bundesstaat, in: Borchard/Margedant (Hrsg.), Sozialer Bundesstaat, S. 11 ff. (16 f.); Gröschner, Art. 20 (Sozialstaat), in: H. Dreier (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar2 II, Rn. 37. 180 Scholz, Sozialstaat zwischen Wachstums- und Rezessionsgesellschaft, S. 24; Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland2 I, S. 892; Sommermann, Art. 20 Abs. 1, in: von Mangoldt/Klein/Starck, Kommentar zum Grundgesetz6 II, Rn. 103. 181 Vgl. Suhr, Rechtsstaatlichkeit und Sozialstaatlichkeit, Der Staat 9 (1970), S. 67 ff. (73). 182 Vgl. Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland2 I, S. 891. Im Kontrast zu Forsthoff, Verfassungsprobleme des Sozialstaats, in: ders. (Hrsg.) Rechtsstaatlichkeit und Sozialstaatlichkeit, S. 145 ff. (146). 183 Vgl. Ridder, Die soziale Ordnung des Grundgesetzes, S. 48. 184 Scholz, Das grundgesetzliche Sozialstaatsprinzip und seine Konkretisierung im Bundesstaat, in: Borchard/Margedant (Hrsg.), Sozialer Bundesstaat, S. 11 ff. (17); Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland2 I, S. 713, 914. Vgl. auch Hahn, S. 115. 185 Heinig, Der Sozialstaat im Dienst der Freiheit, S. 20. 186 Oeter, S.  570; Münch, Sozialpolitik und Föderalismus, S.  94 f. Vgl. hierzu etwa von Münch, Grundrechte im Bundesstaat, S.  61 ff. (63); Isensee, Idee und Gestalt des Föderalismus im Grundgesetz, in: ders./Kirchhof (Hrsg.), HStR3  VI, § 126 Rn.  269; Depenheuer, Soziales Staatsziel und Angleichung der Lebensverhältnisse, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR IX, § 204 Rn. 28 ff.; Brenner, Das Verfassungsprinzip sozialer Bundesstaat im Grundgesetz, in: Borchard/Margedant (Hrsg.), Sozialer Bundesstaat, S. 59 ff. (59). 187 So etwa Brenner, Das Verfassungsprinzip sozialer Bundesstaat im Grundgesetz, in:­ Borchard/Margedant (Hrsg.), Sozialer Bundesstaat, S. 59 ff. (59). 179

I. Auswirkungen auf die bundesstaatliche Ordnung des Grundgesetzes

153

Letztlich handelt es sich hierbei um eine sehr verkürzte Darstellung, welche weder dem Bundesstaat noch dem Sozialstaat in ihrer jeweiligen Komplexität gerecht wird. So ist dem Bundesstaat nicht ausschließlich das Element der Vielfalt und Unterschiedlichkeit, sondern zugleich das der Einheitlichkeit inhärent.188 Charakteristikum der bundesstaatlichen Ordnungsidee ist gerade das besondere innere Verhältnis zwischen Einheit und Vielfalt, zwischen Staat und Bund, Gleichheit und Individualität. Die Gedanken der Einheit und Gleichheit sind dem Bundesstaat daher keineswegs fremd. Sie sind vielmehr wesentliche Bestandteile seiner Erscheinung.189 Wie ein Bundesstaat ohne das Element der Vielfalt nicht existieren kann, so gilt dies zugleich für das Element der Einheit. Freilich ist das Verhältnis zwischen Einheit und Vielfalt nicht spannungsfrei190 und in antinomischen Widerstreit verwickelt, doch kann eine Seite niemals gänzlich obsiegen, ohne dass damit zugleich die bundesstaatliche Ordnungsidee unterminiert werden würde. Damit kann das generelle Verhältnis zwischen dem Sozialstaats- und dem Bundesstaatsprinzip nur als antinomisch charakterisiert werden, sofern das Konzept des Sozialstaates auf eine umfassende Egalisierung hinauslaufen würde, durch welche föderale Unterschiede im Verhältnis zwischen den Bundesgliedern ein­ geebnet würden.191 Wird der Sozialstaat nicht streng-egalitär verstanden, besteht kein struktureller Widerspruch zwischen den beiden Verfassungsprinzipien. Etwaige Vereinheitlichungstendenzen würden lediglich zu einer stärkeren Gewichtung des dem Bundesstaat immanenten Gedankens der gesamtstaatlichen Einheit führen.192 Von entscheidender Bedeutung ist damit die Perspektive auf den Sozialstaat und welche materiellen Vorgaben dem Sozialstaatsprinzip des Grundgesetzes entnommen werden können. In Rechtsprechung und Literatur finden sich verschiedene Ansätze, das soziale Verfassungsprinzip inhaltlich näher zu bestimmen. So wird zuweilen auf das Solidaritätsprinzip193 oder das Prinzip sozialer Gerechtigkeit194 abgestellt,195 um h­ ieraus 188 Vgl. etwa Anschütz, Der deutsche Föderalismus in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, VVDStRL 1 (1925), S. 11 ff. (11); Kisker, Der bergrechtliche Förderzins im bundesstaatlichen Finanzausgleich, S.  33; Sommermann, Art.  20 Abs.  1, in: von Mangoldt/Klein/ Starck, Kommentar zum Grundgesetz6 II, Rn. 29. 189 Vgl. hierzu u. a. Deuerlein, S. 81; Jestaedt, Bundesstaat als Verfassungsprinzip, in: Isensee/ Kirchhof (Hrsg.), HStR3  II, § 29 Rn.  9; Kimminich, Der Bundesstaat, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR I, § 26 Rn. 10. 190 Vgl. Selmer, Grundsätze der Finanzverfassung der vereinten Deutschlands, VVDStRL 52 (1993), S. 10 ff. (20). 191 Vgl. Boysen, S. 276; ähnlich Oeter, S. 570. 192 Vgl. ähnlich Zacher, Das soziale Staatsziel, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR3 II, § 28 Rn. 98. 193 So etwa Depenheuer, Solidarität im Verfassungsstaat, S. 16; Sommermann, Art. 20 Abs. 1, in: von Mangoldt/Klein/Starck, Kommentar zum Grundgesetz6 II, Rn. 104. Ähnlich auch Volkmann, Solidarität, S. 335 f.; von Münch, Urlaub im Sozialstaat, NJW 1996, S. 2349 ff. (2349 f.). 194 So etwa Badura, Der Sozialstaat, DÖV 1989, S. 491 ff. (492, 495); Isensee, Subsidiaritätsprinzip und Verfassungsrecht2, S. 193; Butzer, S. 391. 195 Vgl. hierzu ausführlich Heinig, Der Sozialstaat im Dienst der Freiheit, S. 120 ff.

154

B. Die bundesstaatliche Solidargemeinschaft der Länder

Schlussfolgerungen hinsichtlich des materiellen Gehaltes des Sozialstaates abzuleiten. Beide Ansätze stellen sich bei näherem Blick jedoch als problembehaftet dar. So kann der Topos der Solidarität als normativer Leitgedanke erst dann aussagekräftig herangezogen werden, sofern dieser selbst zuvor hinreichend präzisiert wurde.196 Im ersten Teil der Arbeit wurde bereits dargestellt, wie jedes Bemühen um Präzisierung des Solidaritätsbegriffs unter den divergierenden Konzepten und Vorstellungen der verschiedenen Disziplinen leidet und welche Schwierig­ keiten es bereitet, eine spezifisch rechtswissenschaftliche Konzeption von Solida­ rität einzufangen.197 Ein ähnliches Problem lässt sich auch für den Topos der sozialen Gerechtigkeit feststellen. Denn mangels Existenz intersubjektiv objektivierbarer Gerechtigkeitsvorstellungen ist Gerechtigkeit in einer pluralistischen Gesellschaft zwangsläufig subjektiv und damit ausschließlich relativ.198 Im demokratischen Verfassungsstaat kann (relative)  Gerechtigkeit einzig im demokratischen Verfahren, nach den Vorstellungen der jeweils herrschenden Mehrheit, bestimmt,199 nicht hingegen als allgemeiner Maßstab vorausgesetzt werden. Sowohl der Gedanke der Solidarität als auch der einer sozialen Gerechtigkeit können in ihrer Allgemeinheit damit kaum zu einer inhaltlichen Eingrenzung des verfassungsrechtlichen Sozialstaatsprinzips beitragen. Überzeugender erscheint das Unterfangen, das Sozialstaatsprinzip aus dem Gefüge der grundgesetzlichen Verfassungsordnung heraus zu bestimmen,200 wodurch dieses nicht nur eine konkretere inhaltliche Ausrichtung, sondern zugleich eine Limitierung erfährt. Unter Berücksichtigung der demokratisch-rechtsstaatlichen Konzeption des Grundgesetzes lässt sich der Sozialstaat als ein der Freiheit dienender Sozialstaat201 skizzieren. Mag das resultierende, freiheitsfunktionale Bild des Sozialstaates auch einige Unschärfen aufweisen, letztlich gewinnt das Sozialstaatsprinzip hierdurch mehr verfassungsrechtliche Konturen als durch allgemeine Abwägungs- resp. Leerformeln.202 So umfasst der freiheitsfunktionale Begründungsansatz eine deutliche Absage an ein streng-egalitäres Sozialstaatsverständnis.203 Die Vorstellung eines primär umverteilenden Sozialstaates, dem die Aufgabe zukommt, für Chancengleichheit und umfassende Verteilungsgerechtigkeit 196

Vgl. Heinig, Der Sozialstaat im Dienst der Freiheit, S. 127. Siehe A. III. 2. a). 198 Vgl. u. a. H. Dreier, Hans Kelsen und Niklas Luhmann, Rechtstheorie 14 (1983), S. 419 ff. (450); Sommermann, Art. 20 Abs. 1, in: von Mangoldt/Klein/Starck, Kommentar zum Grundgesetz6  II, Rn.  105. Ähnlich auch Bieback, Sozialstaatsprinzip und Grundrechte, EuGRZ 1985, S. 657 ff. (665). 199 Ähnlich, auf das Gemeinwohl im demokratischen Staat bezogen, vgl. Gärditz, Demokratische und rechtsstaatliche Verantwortlichkeit bei öffentlichen Großvorhaben, ZSE 2015, S. 4 ff. (5). 200 So Heinig, Der Sozialstaat im Dienst der Freiheit, S. 42 ff. Ähnlich auch Sommermann, Art. 20 Abs. 1, in: von Mangoldt/Klein/Starck, Kommentar zum Grundgesetz6 II, Rn. 107. 201 Heinig, Der Sozialstaat im Dienst der Freiheit, S. 171. 202 Vgl. Heinig, Der Sozialstaat im Dienst der Freiheit, S. 583. 203 Heinig, Der Sozialstaat im Dienst der Freiheit, S. 171. 197

I. Auswirkungen auf die bundesstaatliche Ordnung des Grundgesetzes

155

zu sorgen,204 widerspricht gerade der betont freiheitlich ausgerichteten Grundkonzeption des Grundgesetzes.205 So bedeutet staatliche Umverteilung nicht nur ein erhebliches Maß an staatlichem Zwang gegenüber den Staatsbürgern, der Einzelne wird in seiner Individualität und seiner Eigenverantwortung geradezu negiert.206 Dem Grundgesetz liegt das Bild eines freien und selbstverantwortlichen Menschen zugrunde.207 Nach dem freiheitsfunktionalen Sozialstaatsverständnis sind egalisierende staatliche Maßnahmen zwecks Angleichung der Lebensverhältnisse zwar nicht dem Grunde nach ausgeschlossen, doch bedürfen sie einer freiheitsrechtlichen Rechtfertigung.208 Der grundgesetzliche Sozialstaat kann folglich nicht als vorrangig egalisierende Staatszielbestimmung verstanden werden,209 weshalb unter der Prämisse eines freiheitsfunktionalen Sozialstaates das soziale Verfassungsprinzip und die bundesstaatliche Ordnungsidee nicht in einem antinomischen Verhältnis zueinander stehen. Zwar positioniert sich das freiheitsfunktionale Sozialstaatsverständnis deutlich gegen eine streng egalisierende Funktion des Sozialstaates, doch ist damit nicht eine generelle Absage an freiheitsbeschränkende staatliche Intervention verbunden. Der Sozialstaat, verstanden als Bedingung grundgesetzlicher Freiheit, stellt sich zugleich als Bedrohung eben dieser dar.210 Denn indem der Staat die Bedingungen individueller Freiheit schafft, greift er in die Freiheit der einzelnen Bürger ein.211 Der Grund dieser Aporie liegt in dem zugrunde gelegten doppelten Freiheitsverständnis. Freiheit sei nicht nur negativ – als Abwehr von freiheitsbeschrän 204

So etwa Depenheuer, Soziales Staatsziel und Angleichung der Lebensverhältnisse, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR IX, § 204 Rn. 75 f. 205 Vgl. Heinig, Paternalismus im Sozialstaat, in: Anderheiden/u. a. (Hrsg.), Paternalismus und Recht, S. 157 ff. (162 f.). Vgl. ähnlich auch Menger, Der Begriff des sozialen Rechtsstaates im Bonner Grundgesetz, in: Forsthoff (Hrsg.), Rechtsstaatlichkeit und Sozialstaatlichkeit, S. 42 ff. (64). 206 Vgl. Heinig, Der Sozialstaat im Dienst der Freiheit, S. 170. 207 Vgl. Menger, Der Begriff des sozialen Rechtsstaates im Bonner Grundgesetz, in: Forsthoff (Hrsg.), Rechtsstaatlichkeit und Sozialstaatlichkeit, S. 42 ff. (64). Ähnlich auch Zacher, Das soziale Staatziel, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR3 II, § 28 Rn. 27. 208 Heinig, Paternalismus im Sozialstaat, in: Anderheiden/u. a. (Hrsg.), Paternalismus und Recht, S. 157 ff. (163). 209 So auch Sommermann, Art. 20 Abs. 1, in: von Mangoldt/Klein/Starck, Kommentar zum Grundgesetz6 II, Rn. 108; Gröschner, Art. 20 (Sozialstaat), in: H. Dreier (Hrsg.), Grund­gesetz Kommentar2 II, Rn. 39; Grzeszick, Art. 20 – Die Sozialstaatlichkeit, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz Kommentar, Rn.  31. Anderer Ansicht Depenheuer, Soziales Staatsziel und Angleichung der Lebensverhältnisse, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR IX, § 204 Rn. 76. 210 Heinig, Der Sozialstaat im Dienst der Freiheit, S. 262. 211 Vgl. Bieback, Sozialstaatsprinzip und Grundrechte, EuGRZ 1985, S. 657 ff. (661). Die Freiheitsbeschränkung durch den Sozialstaat zeigt sich besonders deutlich in dessen paternalistischem Potential, vgl. hierzu ausführlich Heinig, Paternalismus im Sozialstaat, in: Anderheiden/u. a. (Hrsg.), Paternalismus und Recht, S. 157 ff. (164 ff.); Heinig, Der Sozialstaat im Dienst der Freiheit, S.  259 ff. Zur Freiheitsgefährdung durch den Sozialstaat vgl. auch­ Scheuner, Die Funktion des Gesetzes im Sozialstaat, in: H. Huber (Hrsg.), Recht als Prozess und Gefüge, S. 127 ff. (134).

156

B. Die bundesstaatliche Solidargemeinschaft der Länder

kenden Einflüssen –, sondern positiv – als Ermög­lichung einer Inanspruchnahme individueller Freiheiten – zu verstehen.212 Die Bedingungen individueller Freiheit sollen durch den sozialen Staat positiv geschaffen resp. gesichert werden.213 Normative Vorgabe des freiheitsfunktionalen Sozialstaates ist folglich die Sicherung sowohl privater wie auch öffentlicher Autonomie als Ausdruck individueller und demokratischer Selbstbestimmung.214 Nach diesem Verständnis strebt der grundgesetzliche Sozialstaat als Ziel­ bestimmung keine Vereinheitlichung der Gesellschaft an. Seine Funktion liegt ausschließlich in der privaten und öffentlichen Autonomiesicherung, nicht im sozialen Ausgleich resp. in der Herstellung sozialer Gleichheit.215 Indessen geht von den Mitteln, die herangezogen werden, um die autonomiesichernde Funktion zu verwirklichen, eine vereinheitlichende – oder zutreffender formuliert – eine angleichende216 Wirkung aus. So hat der soziale Staat des Grundgesetzes insbesondere einen ökonomischen, edukativen und gesundheitlichen Mindeststandard innerhalb der Bevölkerung als Grundlage individueller Freiheit zu gewährleisten.217 Mit diesem elementaren Mindeststandard ist zwangsläufig ein gewisses Mindestmaß einer gesellschaftlichen Angleichung – eine limitierte Vereinheitlichung, bezogen auf den gesellschaftlichen Mindeststandard – verbunden, welches mit der Schaffung substan 212

Heinig, Der Sozialstaat im Dienst der Freiheit, S. 177 f. Vgl. Heinig, Der Sozialstaat im Dienst der Freiheit, S.  311. Im Ergebnis ähnlich auch Axer, Soziale Gleichheit, VVDStRL  69 (2009), S.  177 ff. (194); Enders, Sozialstaatlichkeit im Spannungsfeld von Eigenverantwortlichkeit und Fürsorge, VVDStRL 64 (2005), S. 7 ff. (48); Sommermann, Art. 20 Abs. 1, in: von Mangold/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz6 II, Rn. 112. Die Konzeption der Grundrechte als Gewährleistung negativer wie auch positiver Freiheiten ist keinesfalls selbstverständlich. Ein rein negatives Verständnis der Grundrechte greift hingegen zu kurz, vgl. Heinig, Der Sozialstaat im Dienst der Freiheit, S. 452. Es verkennt etwa die positiven Teilhaberechte an der staatlichen Willensbildung, vgl. Jellinek, System der subjektiven öffentlichen Rechte2, S. 87, 159 ff. 214 Vgl. Heinig, Der Sozialstaat im Dienst der Freiheit, S. 277, 292. 215 So hingegen Depenheuer, Soziales Staatziel und Angleichung der Lebensverhältnisse, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR  IX, § 204 Rn.  89; Badura, Der Sozialstaat, DÖV  1989, S.  491 ff. (493); Brenner, Das Verfassungsprinzip sozialer Bundesstaat im Grundgesetz, in: Borchard/Margedant (Hrsg.), Sozialer Bundesstaat, S.  59 ff. (62); Denninger, Das soziale Staatziel  – zwischen Recht und Politik, in: Hufen (Hrsg.), Verfassungen  – Zwischen Recht und Politik, S. 57 ff. (64); Gröschner, Art. 20 (Sozialstaat), in: H. Dreier (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar2 II, Rn. 37. Vgl. ähnlich auch Zacher, Das soziale Staatsziel, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR3 II, § 28 Rn. 25. 216 So auch Hettlage, Die Finanzverfassung im Rahmen der Staatsverfassung, VVDStRL 14 (1956), S. 2 ff. (29). 217 Vgl. Heinig, Der Sozialstaat im Dienst der Freiheit, S.  451, 457. Im Ergebnis ähnlich auch Heitsch, S. 149; Selmer, Grundsätze der Finanzverfassung des vereinten Deutschlands, VVDStRL 52 (1993), S. 10 ff. (50 f.). Wobei anzumerken ist, dass dieser Mindeststandard keine feste Größe bildet, sondern an den demokratischen Prozess gekoppelt ist, vgl. Sommermann, Art. 20 Abs. 1, in: von Mangoldt/Klein/Starck, Kommentar zum Grundgesetz6 II, Rn. 123. Kritisch hierzu Bieback, Sozialstaatsprinzip und Grundrechte, EuGRZ 1985, S. 657 ff. (666). 213

I. Auswirkungen auf die bundesstaatliche Ordnung des Grundgesetzes

157

tieller Gleichheit indes nicht zu vergleichen ist.218 Diese soziale Angleichung ist nicht Selbstzweck oder Zielvorstellung, sondern dient gerade der Entfaltung individueller Freiheit der Bürger.219 Diese unmittelbar im jeweiligen Staat – Bürger – Verhältnis zu beobachtende angleichende Wirkung wirkt sich mittelbar auf das Verhältnis zwischen den Bundesgliedern aus. Insofern Bund und Länder in ihrer autonomiesichernden Funktion einen sozialstaatlichen Mindeststandard der jeweiligen Bürger ermöglichen, erfolgt dies nach annähernd gleichförmigen Kriterien. Hierdurch wirkt das Sozialstaatsprinzip nicht nur auf die bundes­staatliche Ordnung in der Vertikalen, sondern mittelbar zugleich auf die Hori­zontale. Letztlich bleibt festzuhalten, dass die beiden Verfassungsprinzipien des Sozialund Bundesstaates nicht prinzipiell im Widerspruch zueinanderstehen, sondern dass durch die angleichende Wirkung der sozialen Staatszielbestimmung lediglich das dem Bundesstaat inhärente Element der Einheitlichkeit stärkeres Gewicht erhält. Der konträre Pol des bundesstaatlichen Spannungsverhältnisses, die föderale Vielfalt und Divergenz zwischen den verschiedenen Bundesländern, wird im sozialen Bundesstaat des Grundgesetzes weder vertikal noch horizontal in Frage gestellt. b) Sozial- und Bundesstaatsprinzip im horizontalen Länderfinanzausgleich nach Art. 107 Abs. 2 S. 1, 2 GG Der Wortlaut sowie die Entstehungsgeschichte220 des Art. 107 Abs. 2 S. 1, 2 GG erwecken zunächst den Eindruck, im Verfassungsgebot des horizontalen Länderfinanzausgleichs verwirkliche sich primär das sozialstaatliche Verfassungsprinzip221 in einer unmittelbar horizontalen Ausprägung zwischen den einzelnen Bundesländern, wodurch eine zusätzliche dimensionale Ausrichtung des Sozialstaates begründet werde. Zunächst ist der Modus des freiheitsfunktionalen Sozialstaatsprinzips vergleich­ bar mit dem des horizontalen Länderfinanzausgleichs: Der Finanzausgleichs-

218

Vgl. Boysen, S. 278. Zum Verhältnis von Freiheit und Gleichheit im demokratischen Verfassungsstaat vgl. Kelsen, Demokratie, in: ders., Verteidigung der Demokratie, S. 115 ff. (139): „Der Freiheitswert und nicht der Gleichheitswert ist es, der die Idee der Demokratie in erster Linie bestimmt. Gewiß spielt auch der Gedanke der Gleichheit in der demokratischen Ideologie seine Rolle; doch nur in einem durchaus negativen, formalen und sekundären Sinne. Weil alle möglichst und sohin gleich frei sein sollen, sollen alle an der Bildung des staatlichen Willens beteiligt und sohin in gleichem Maße beteiligt sein“. 220 Siehe A. II. b) aa) (1) (a–d). 221 So weist etwa Isensee auf die analogen Züge zwischen der bundesstaatlichen Solidar­ gemeinschaft und der Solidargemeinschaft des Sozialstaates hin. Vgl. Isensee, Idee und Gestalt des Föderalismus im Grundgesetz, in: ders./Kirchhof (Hrsg.), HStR3 VI, § 126 Rn. 156. Vgl. bezogen auf den bundesstaatlichen Finanzausgleich im Allgemeinen Pagenkopf, S. 41. 219

158

B. Die bundesstaatliche Solidargemeinschaft der Länder

mechanismus bewirkt einen angemessenen Ausgleich  – eine Angleichung der unterschiedlichen Finanzkraft zwischen den Ländern – und damit einen Mindeststandard gliedstaatlicher Finanzausstattung. Im Hinblick auf die Intention der Angleichung zeigt sich zunächst eine dimensionale Divergenz. Während das grundgesetzliche Sozialstaatsprinzip die Sicherung individueller Autonomie der Bürger anstrebt, dient der Länderfinanzausgleich dazu, die Länder in ihrer grundgesetzlich gewährleisteten Autonomie zu sichern.222 Aus der Verfassungsnorm des Art. 107 Abs. 2 S. 1, 2 GG ließe sich eine unmittelbare Verbindlichkeit des grundgesetzlichen Sozialstaatsprinzips für den zwischenstaatlichen Bereich ableiten: Auch den Bundesländern ist ein sozialstaatlicher, autonomiesichernder Mindeststandard zu gewähren. Doch kann sich dieser Mindeststandard bei näherer Betrachtung nicht auf die Länder selbst, sondern muss sich auf deren jeweilige Landesbürger beziehen.223 Die Länder sollen in die Lage versetzt werden, ihre sozialstaatliche autonomiesichernde Funktion gegenüber ihren Landesbürgern erfüllen zu können. Denn allein eine ausreichende Finanzgewalt ermöglicht die Verwirklichung des Sozialstaates.224 Die Gewährleistung der Autonomie der einzelnen Länder ist lediglich Mittel zum Zweck. Auch der durch den horizontalen Länderfinanzausgleich bewirkte Mindeststandard gliedstaatlicher Finanzkraft zielt somit weiterhin auf das vertikale Staat – Bürger-Verhältnis und begründet keine unmittelbar-horizontale Dimension des grundgesetzlichen Sozial­staatsprinzips. Blickt man auf die dominante sozialstaatliche Funktion des horizontalen Finanzausgleichsmechanismus, stellt sich die Frage nach dem Verbleib des bundesstaatlichen Elements föderaler Vielfalt. Art. 107 Abs. 2 S. 1 GG richtet sich zwar nicht gegen bundesstaatliche Diversität und Divergenz – der durch den Zusatz der Angemessenheit des Ausgleichs zum Ausdruck gebrachte Vorbehalt lässt erkennen, dass eine Egalisierung durch den Ausgleichsmechanismus gerade nicht in­ tendiert ist225 –, doch bleibt deren Einfluss durch die verstärkte Gewichtung eines einheitlichen Mindestniveaus letztlich gering. Die grundgesetzlichen Verfassungsprinzipien des Bundes- sowie des Sozialstaates stehen somit in der Verfassungsnorm des Art. 107 Abs. 2 S. 1, 2 GG ebenfalls in keinem antinomischen Verhältnis zueinander. Im horizontalen Länder­ finanzausgleich realisieren sich sowohl bundesstaatliche als auch sozialstaatliche 222

Siehe A. I. Schließlich sind die Länder nicht Selbstzweck, sondern dienen der demokratischen Selbstbestimmung ihrer Landesbürger, siehe A. IV. 224 Hettlage, Die Finanzverfassung im Rahmen der Staatsverfassung, VVDStRL 14 (1956), S. 2 ff. (5). 225 Zum fehlenden Vereinheitlichungsauftrag so auch P. Kirchhof, Der Verfassungsauftrag zum Länderfinanzausgleich, S. 18; Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland II, S. 1167. Vgl. auch Ossenbühl, Verfassungsrechtliche Grundfragen des Länderfinanzausgleichs, S. 28. Wobei der Vorbehalt der Angemessenheit freilich nicht näher konkretisiert wird, so dass dem Gesetzgeber durch den Wortlaut der Verfassungsnorm grundsätzlich ein weiter Einschätzungsspielraum zugestanden wird. 223

I. Auswirkungen auf die bundesstaatliche Ordnung des Grundgesetzes

159

Funktionen.226 Ähnlich zur Vergleichsskizze zeigt sich hier durch den sozialstaatlichen Gedanken eine deutliche Verstärkung des einheitlichen Elementes im Bundesstaat. Diese Präponderanz ist indes in einem so erheblichen Maße angelegt, dass die auf föderale Vielfalt ausgerichtete Seite des bundesstaatlichen Prinzips kaum zum Ausdruck gelangt. Damit manifestiert sich eine nicht unerhebliche Abweichung vom strukturellen Grundverhältnis der beiden Verfassungsprinzipien. c) Der bundesstaatlich-solidarische Finanzausgleich und das soziale Verfassungsprinzip Wird der horizontale Länderfinanzausgleich nach Art.  107 Abs.  2 S.  1 GG im Gedanken der bundesstaatlichen Solidargemeinschaft der Länder interpretiert, verstärken sich deutlich die bundesstaatlichen Elemente föderaler Diversität und Divergenz. Die Bestimmung des Merkmals der Angemessenheit der Finanzkraftunterschiede obliegt zwar nach wie vor dem Bundesgesetzgeber, doch wird dieser an die Maßgabe der bundesstaatlichen Solidargemeinschaft stärker ge­ bunden, wodurch insbesondere das bundesstaatliche Prinzip vermehrten Einfluss auf die Ausgestaltung des horizontalen Ausgleichsmechanismus der Länder erlangt. Der sich innerhalb der bundesstaatlichen Solidargemeinschaft manifestierende Schwerpunkt gliedstaatlicher Selbständigkeit und Eigenverantwortung sowie die durch das Bundesstaatsprinzip bestimmten immanenten Grenzen übertragen sich folglich auf den horizontalen Finanzausgleichsmechanismus des Art. 107 Abs. 2 S. 1 GG, wodurch die sozialstaatliche Betonung des Elements gesamtstaatlicher Einheitlichkeit spürbare Begrenzung erfährt.227 Diese Implikationen reichen freilich nicht so weit, die sozialstaatliche Funktion des horizontalen Länderfinanzausgleichs zu unterminieren. Denn, wie bereits dargestellt,228 findet der Gedanke der bundesstaatlichen Solidargemeinschaft allein Ausdruck in der Bestimmung einer etwaigen Angemessenheit der unterschiedlichen Finanzkraft der Länder. Die verfassungsrechtliche Ausgestaltung des Länderfinanzausgleichs im Übrigen vermag dieser Gedanke nicht zu beeinflussen. Da aber die Angemessenheit etwaiger Finanzkraftunterschiede sowohl als Voraussetzung als auch Grenze des horizontalen Ausgleichsmechanismus fungiert, kann der Einfluss der bundesstaatlichen Solidargemeinschaft auch nicht als unwesentlich bezeichnet werden.

226 Vgl. Selmer, Grundsätze der Finanzverfassung des vereinten Deutschlands, VVDStRL 52 (1993), S.  10 ff. (26); Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland  II, S.  1166 f. So zu verstehen auch Heun, Strukturprobleme des Finanzausgleichs, Der Staat  31 (1992), S. 205 ff. (221 f., 229). 227 Ulrich Haltern spricht dagegen von der bundesstaatlichen Solidargemeinschaft als einer Chiffre für Unitarisierung und Verflechtung, vgl. Haltern, Die künftige Ausgestaltung der bundesstaatlichen Finanzordnung, VVDStRL 73 (2014), S. 103 ff. (138 f.). 228 Siehe A. IV.

160

B. Die bundesstaatliche Solidargemeinschaft der Länder

Damit liegt das strukturelle Verhältnis der bundes- und sozialstaatlichen Verfassungsprinzipien innerhalb des horizontalen Länderfinanzausgleichs unter Maßgabe der bundesstaatlichen Solidargemeinschaft der Länder parallel zu dem generellen Verhältnis der beiden Prinzipien im Grundgesetz. Sowohl Sozialstaats- als auch Bundesstaatsprinzip finden hier ihren Ausdruck. So wird der sozialstaatliche Mindeststandard in der Vertikalen gewährleistet, während darüber hinaus in der Horizontalen die föderale Divergenz verstärkt geschützt wird. Im Rahmen eines angemessenen horizontalen Finanzkraftausgleichs gehört die Akzeptanz autonomer politischer Finanzpolitik der einzelnen Länder zu den Konsequenzen einer bundesstaatlichen Ordnung.229 Zwar zeigt sich auch hier die durch das Sozialstaatsprinzip bewirkte Präponderanz des unitarischen Elements grundgesetzlicher Bundesstaatlichkeit, der Gedanke der bundesstaatlichen Solidar­ gemeinschaft bewirkt jedoch, dass das bundesstaatliche Element föderativer Vielfalt im Rahmen des bundesstaatlich-solidarischen Länderfinanzausgleichs nicht unbeachtet bleibt. d) Bewertung Die häufig beschriebene grundsätzliche Antinomie zwischen dem grundgesetz­ lichen Sozialstaatsprinzip und der bundesstaatlichen Ordnungsidee hat sich bei näherer Betrachtung als substanzlos erwiesen. Einzig, wird der Sozialstaat als streng egalisierende Konzeption verstanden, kann die These eines antinomischen Verhältnisses zwischen den beiden Verfassungsprinzipien aufrechterhalten werden. Eine solche Deutung des Sozialstaatsprinzips ließe sich mit den freiheitlichen Grundprämissen der grundgesetzlichen Verfassungsordnung nicht vereinbaren.230 Die vom freiheitlichen Sozialstaat ausgehenden, angleichenden Wirkungen sind mit dem Bundesstaatsprinzip weder unvereinbar, noch sind sie diesem fremd. Im Gegenteil: Das Bundesstaatsprinzip umfasst nicht allein das Element gliedstaatlicher Divergenz, ihm ist zugleich das Element gesamtstaatlicher Einheitlichkeit inhärent. Die grundgesetzliche Sozialstaatlichkeit steht zur bundesstaatlichen Ordnungsidee daher in einem prinzipiell harmonischen Verhältnis. Das Zusammenwirken beider Verfassungsprinzipien bewirkt lediglich, dass es innerhalb der bundesstaatlichen Ordnung des Grundgesetzes zu einer stärkeren Gewichtung des bundesstaatlichen Elements der Einheitlichkeit kommt. Insbesondere im Staat – Bürger-Verhältnis fordert der Sozialstaat durch die Gewährleistung eines Mindeststandards von Bund und Ländern oftmals gleich­ förmiges Handeln, welches mittelbar zu einer unitarisierenden Wirkung auch­ zwischen den Ländern führt.

229 Vgl. Selmer, Grundsätze der Finanzverfassung des vereinten Deutschlands, VVDStRL 52 (1993), S. 10 ff. (47). 230 Vgl. Boysen, S. 276.

I. Auswirkungen auf die bundesstaatliche Ordnung des Grundgesetzes

161

Der horizontale Länderfinanzausgleich nach Art. 107 Abs. 2 S. 1, 2 GG scheint auf den ersten Blick vorrangig vom sozialstaatlichen Gedanken beeinflusst, doch finden auch hier beide Verfassungsprinzipien ihren Ausdruck, wobei die Gewichtung der gesamtstaatlichen Einheitlichkeit wesentlich stärker ausgeprägt ist. Zwar lässt sich noch nicht von einer Zäsur sprechen, doch zeigt sich zumindest eine Abweichung von der vorgezeichneten bundesstaatlich-sozialstaatlichen Grundstruktur. Verbindet sich der horizontale Länderfinanzausgleich hingegen mit dem Gedanken der bundesstaatlichen Solidargemeinschaft, erlangt die bundesstaatliche Ordnungsidee des Grundgesetzes wieder mehr Gewicht. Im Ergebnis entspricht damit die Ausrichtung des Art.  107 Abs.  2 S.  1 GG auf die Maßgabe der bundesstaatlichen Solidargemeinschaft wieder der grundgesetzlichen Grundstruktur eines sozialen Bundesstaates. Die bundesstaatliche Solidargemeinschaft bewirkt folglich eine Korrektur des Art. 107 Abs. 2 S. 1 GG hin zum strukturellen Gefüge der bundesstaatlichen Ordnung. 3. Das Rechtsstaatsprinzip a) Das Rechtsstaatsprinzip und die bundesstaatliche Ordnung des Grundgesetzes Über das Grundgesetz verteilt lassen sich nicht wenige Normen rechtsstaatlichen Ursprungs ausfindig machen, so beispielsweise Art. 20 Abs. 2 S. 2, Art. 97, Art. 101 oder auch Art. 103 Abs. 2 GG. Ob das Grundgesetz über diese konkreten Verfassungsnormen hinaus zusätzlich ein eigenständiges, allgemeines Rechtsstaatsprinzip normiert, wird in der Literatur mitunter bezweifelt.231 So sei der Rechtsstaatsbegriff des Grundgesetzes lediglich summativ als Sammelbezeichnung zu verstehen, die keinen signifikanten, über den Inhalt der geschriebenen Einzelgewährleistungen hinausgehenden Eigengehalt aufweise.232 Würde indes die Existenz eines allgemeinen, grundgesetzlichen Rechtsstaatsprinzips negiert, ergäbe sich nicht zuletzt die Problematik der Herleitung ungeschriebener rechtsstaatlicher Gebote wie etwa das der Rechtssicherheit oder der Verhältnismäßigkeit. Zudem würde die Bedeutung der Reservefunktion des allgemeinen Rechtsstaatsprinzips für rechtsstaatliche Anforderungen an das Organisations- und Verfahrensrecht sowie die Lösung neuer Problemstellungen verkannt.233 Das Rechtsstaatsprinzip dient folglich nicht lediglich als deklaratorische Kurzform für die verschiedenen rechtsstaatlichen Verfassungsnormen, sondern konstituiert zu 231 Vgl. Kunig, Das Rechtsstaatsprinzip, S. 463. Vgl. hierzu Grzeszick, Art. 20 – allgemeine Rechtsstaatlichkeit, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz Kommentar, Rn. 42 f. 232 Kunig, Das Rechtsstaatsprinzip, S. 458, 463. Zum geschichtlichen Hintergrund der Untersuchung Kunigs vgl. Di Fabio, Das Recht offener Staaten, S. 54. 233 Schulze-Fielitz, Art. 20 (Rechtsstaat), in: H. Dreier (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar2 II, Rn. 45. Di Fabio betont die Bedeutung des Rechtsstaatsprinzips für die inneren Konsistenzanforderungen des Rechts, Di Fabio, Das Recht offener Staaten, S. 55.

162

B. Die bundesstaatliche Solidargemeinschaft der Länder

sätzlich einen eigenen Gehalt, welcher sich mittels Abstraktion und Systematisierung der konkreten Rechtsstaatsnormen ermitteln lässt.234 Das allgemeine Rechtsstaatsprinzip stellt die gesamte Verfassungsordnung des Grundgesetzes unter die Herrschaft des Rechts235  – verstanden als positive Rechtsnorm.236 Zielvorstellung dieser umfassenden Bindung der gesamten Staatsgewalt an das spezifische Ordnungsmedium des Rechts237 ist der Schutz individueller Freiheit sowie darauf aufbauend die Gewährleistung der Menschenwürde.238 Das spezifische Mittel, diese materiellen Zielvorgaben zu erreichen, ist dagegen primär formeller Natur.239 Es sind verbindliche, formale Vorgaben für die Ausübung der Staatsgewalt unter dem Grundgesetz, so etwa das Gebot der Rechtsklarheit, der Vorbehalt des Gesetzes, rechtsstaatliche Anforderungen an Rechtsetzung und -anwendung oder an Organisation und Verfahren öffentlicher Gewalt.240 Auf den ersten Blick erscheint das Verhältnis zwischen dem allgemeinen Rechtsstaatsprinzip und der bundesstaatlichen Ordnungsidee unproblematisch.241 Aufgrund des Homogenitätsgebots des Art. 28 Abs. 1 S. 1 GG werden auch die Landesverfassungen auf die rechtsstaatlichen Grundsätze des Grundgesetzes verpflichtet. Das Rechtsstaatsprinzip entfaltet damit sowohl auf Bundes- als auch Landesebene Wirkung. Abgesehen von dieser Doppelwirkung des Rechtsstaatsprinzips wird der föderalen Gliederung eine eigenständige rechtsstaatliche Di 234 Schmidt-Aßmann, Der Rechtsstaat, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR3 II, § 26 Rn. 9. Im Ergebnis so auch Grzeszick, Art. 20 – allgemeine Rechtsstaatlichkeit, in: Maunz/­Dürig, Grundgesetz Kommentar, Rn. 43; Jarass, Art. 20 Rechtsstaatsprinzip, in: ders./Pieroth (Hrsg.), Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, Rn. 28. 235 Vgl. Kimminich, Die Verknüpfung der Rechtsstaatsidee mit den anderen Leitprinzipien des Grundgesetzes, DÖV 1979, S. 765 ff. (766); Schmidt-Aßmann, Der Rechtsstaat, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR3  II, § 26 Rn.  1; Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland2 I, S. 781; Schachtschneider, Prinzipien des Rechtsstaates, S. 19. 236 Denn nur positives Recht kann Geltung beanspruchen, vgl. Di Fabio, Das Recht offener Staaten, S. 56 f. unter Rekurs auf Luhmann. Vgl. auch Gärditz, C Art. 20 (6. Teil), in: Friauf/ Höfling (Hrsg.), Berliner Kommentar zum Grundgesetz, Rn. 2. 237 Schmidt-Aßmann, Der Rechtsstaat, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR3 II, § 26 Rn. 1; Gärditz, C Art.  20 (6. Teil), in: Friauf/Höfling (Hrsg.), Berliner Kommentar zum Grund­ gesetz, Rn. 1. 238 Vgl. Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland2 I, S. 781, wobei Stern zusätzlich die Zielvorgaben Gerechtigkeit und Rechtssicherheit benennt. Diese können letztlich jedoch als Derivate der Grundidee individueller Freiheit erkannt werden. Ähnlich auch ­Hettlage, Die Finanzverfassung im Rahmen der Staatsverfassung, VVDStRL 14 (1956), S. 2 ff. (4). 239 Im Hinblick auf die formellen und materiellen Elemente des Rechtsstaatsprinzips, vgl. Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland2  I, S.  782; Schmidt-Aßmann, Der Rechtsstaat, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR3 II, § 26 Rn. 18; Gärditz, C Art. 20 (6. Teil), in: Friauf/Höfling (Hrsg.), Berliner Kommentar zum Grundgesetz, Rn. 3 ff.; Schulze-Fielitz, Art. 20 (Rechtsstaat), in: H. Dreier (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar2 II, Rn. 48. 240 Vgl. Schulze-Fielitz, Art. 20 (Rechtsstaat), in: H. Dreier (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar2 II, Rn. 105, 128, 170, 199. 241 Oeter, S. 571. Ähnlich auch Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland2 I, S. 870.

I. Auswirkungen auf die bundesstaatliche Ordnung des Grundgesetzes

163

mension attestiert: Elementares Anliegen des Rechtsstaates sei der Einzelne in seiner Individualität.242 Durch die föderale Gliederung werde in differenzierten Lebensräumen somit die Identifikation mit der näheren Umwelt, die ihre eigene Individualität besitzt, erleichtert.243 Diese Einschätzung des Verhältnisses der Verfassungsprinzipien Bundes- und Rechtsstaat beruht allerdings auf der Annahme einer außerrechtlichen Differenz zwischen den Lebensräumen der verschiedenen Bundesländer, weshalb Rückschlüsse für die Bewertung des verfassungsrechtlichen Verhältnisses aus dieser Betrachtung letztlich nicht gezogen werden­ können. Betrachtet man die einzelnen bundesstaatlichen Ebenen und deren jeweilige Beeinflussung durch das Rechtsstaatsprinzip, so berühren sich Bundesstaats- und Rechtsstaatsprinzip letztlich kaum. Beide Prinzipien wirken meist ungestört nebeneinander. Spannungspotential ergibt sich erst auf den zweiten Blick. Sowohl das Gebot der Rechtsgleichheit als auch das der Rechtsklarheit können einer­ föderalen Gliederung und der damit verbundenen normativen Vielfalt entgegenwirken.244 Innerhalb der bundesstaatlichen Ordnung des Grundgesetzes besteht die Möglichkeit, dass die verschiedenen Gesetzgebungsorgane von Bund und Ländern sich widersprechende Regelungen erlassen, welche jeweils Geltung beanspruchen. Kommt es zwischen Bundesrecht und Landesrecht zur Kollision, wird diese durch Art.  31 GG gelöst. Die Meta-Norm des Art.  31 GG entspricht nicht nur dem rechtsstaatlichen Gebot der Rechtsklarheit,245 sondern ist zugleich Ausdruck föderaler Selbstverständlichkeit.246 Im Verhältnis zwischen Bund und den Ländern ergeben sich hieraus folglich keine Spannungen. Diese treten erst aufgrund von widersprüchlichen Regelungen zwischen den einzelnen Ländern auf. In dieser Perspektive zeigen sich zwar für gewöhnlich deutlich weniger Kolli­sions­fälle, doch vermögen divergierende Rechtspflichten und Gebote innerhalb des Bundesgebietes dennoch ein Anpassungs- und Nivellierungsbedürfnis zu generieren, welchem entweder durch Koordination der Länder oder einheitliche Bundesregelung nach Art. 72 Abs. 2 GG entsprochen werden kann. Ebenso wie das Gebot der Rechtsklarheit drängt auch rechtsstaatliche Rechtsgleichheit auf ein erhöhtes Maß föderaler Homogenität,247 welche bundesstaatlicher Differenz entgegenwirkt. Diese beiden Ausprägungen des Rechtsstaatsprinzips bieten zumindest das Potential, die bundesstaatliche Ordnungsidee des Grundgesetzes zu beschränken.

242

Vgl. Schmidt-Aßmann, Der Rechtsstaat, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR3  II, § 26 Rn. 26. 243 Ebda. 244 Vgl. Schmidt-Aßmann, Der Rechtsstaat, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR3  II, § 26 Rn.  94. Vgl. auch Achterberg, Antinomien verfassungsgestaltender Grundentscheidungen, Der Staat 8 (1969), S. 159 ff. (173). 245 Vgl. Korioth, Art. 31, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz Kommentar, Rn. 1. 246 Vitzthum, Die Bedeutung gliedstaatlichen Verfassungsrechts in der Gegenwart, VVDStRL 46 (1988), S. 7 ff. (30). 247 Schmidt-Aßmann, Der Rechtsstaat, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR3 II, § 26 Rn. 94.

164

B. Die bundesstaatliche Solidargemeinschaft der Länder

Ein weiteres potentielles Spannungsverhältnis zeigt sich im Hinblick auf die Gesetzesbindung der Verwaltung. Die bundesstaatliche Ordnung des Grundgesetzes siedelt die schwerpunktmäßige Wahrnehmung der Verwaltungsaufgaben bei den Ländern an, Art. 83 GG. Wird nun infolge einer übersteigerten rechtsstaatlichen Gesetzesbindung die Eigenständigkeit der Verwaltung gegenüber der Legislative negiert, so vermag auch dies die Länder in ihrer verfassungsrechtlichen Kompetenzzuschreibung zu bedrohen.248 Damit lässt sich festhalten, dass das Verhältnis zwischen den Verfassungsprinzipien der Bundes- und der Rechtsstaatlichkeit zwar konfliktiv zu Lasten des Bundesstaatsprinzips angelegt ist, sich diese Spannungen jedoch als lediglich potentielle Kollisionen beschreiben lassen. b) Das Verhältnis der beiden Verfassungsprinzipien innerhalb der Regelung des horizontalen Ausgleichsmechanismus nach Art. 107 Abs. 2 S. 1, 2 GG Art. 107 Abs. 2 S. 1 GG sieht vor, dass die Unterschiede in der Finanzkraft der Länder mittels Bundesgesetz angemessen auszugleichen sind. Im darauffolgenden Satz werden sodann weitere Vorgaben hinsichtlich der inhaltlichen Ausgestaltung dieses Gesetzes formuliert. Hierdurch findet nicht nur der rechtsstaatliche Vorbehalt des Gesetzes, sondern im Wege der Ausgestaltung des horizontalen Ausgleichsmechanismus zugleich die wesentlichen rechtsstaatlichen Gebote der Rechtssicherheit Berücksichtigung. Innerhalb des horizontalen Länderfinanzausgleichs nach Art. 107 Abs. 2 S. 1, 2 GG gelangen damit sowohl das Bundesstaatsals auch das Rechtsstaatsprinzip zur Entfaltung, wobei keinerlei Spannungen oder Konflikte zwischen diesen festgestellt werden können. Die beiden Verfassungsprinzipien wirken hier harmonisch nebeneinander. c) Der bundesstaatlich-solidarische Finanzausgleich im grundgesetzlichen Rechtsstaat Die bundesstaatliche Solidargemeinschaft der Länder sieht einen konkreten Unterstützungsmechanismus zwischen den Ländern vor. Maßgeblich ist hierbei insbesondere, dass Konstituierung sowie Umsetzung einer bundesstaatlichen Solidargemeinschaft auf demokratischer Selbstbestimmung der Länder beruhen. Rechtsstaatliche Bedenken könnten sich indes ergeben, blickt man auf den Einfluss der maßstabsetzenden Zwischennorm der bundesstaatlichen Solidargemeinschaft auf die Verfassungsnorm des Art. 107 Abs. 2 S. 1 GG. Werden nicht-positivierte Rechtsnormen zum Maßstab des positiven Rechts erhoben, vermag dies die 248

Oeter, S. 571 f.

I. Auswirkungen auf die bundesstaatliche Ordnung des Grundgesetzes

165

Herrschaft des positiven Rechts und damit die Kompetenz des parlamentarischen Gesetzgebers zu unterminieren.249 Eine rechtsstaatliche Zäsur läge hingegen nicht vor, sollte sich herausstellen, dass der Gedanke der bundesstaatlichen Solidargemeinschaft der grundgesetzlichen Verfassung immanent und damit Teil der positiven Rechtsordnung ist. Der bundesstaatlich-solidarische Finanzausgleich birgt damit allenfalls ein potentielles Spannungsverhältnis zwischen Bundesstaats- als auch Rechtsstaatsprinzip, welches sich zu Lasten der Rechtsstaatlichkeit auswirken könnte. d) Bewertung Das strukturelle Verhältnis zwischen dem grundgesetzlichen Rechtsstaatsund dem Bundesstaatsprinzip verändert sich hinsichtlich der Norm des Art. 107 Abs. 2 GG – mit und ohne Maßgabe der bundesstaatlichen Solidargemeinschaft – letztlich kaum. Zwar zeigen sich, entgegen der generellen Vergleichsmatrix zwischen den beiden Verfassungsprinzipien, nicht die typischen Spannungspotentiale, doch kommen diese zum einen gerade nicht zwangsläufig zum Vorschein, eben nur potentiell, zum anderen beziehen sich diese nur auf bestimmte Konstellationen, die im horizontalen Länderfinanzausgleich gerade nicht vorliegen. Der horizontale Ausgleichsmechanismus fügt sich damit  – mit und ohne Maßgabe einer bundesstaatlichen Solidargemeinschaft  – dem Grunde nach in die allgemeine Struktur der rechtsstaatlichen Verfassungsordnung des grundgesetzlichen Bundesstaates ein. 4. Die Gewaltengliederung a) Der Gewaltenteilungsgrundsatz innerhalb der bundesstaatlichen Ordnung des Grundgesetzes Eine Mehrheit im rechtswissenschaftlichen Schrifttum geht davon aus, dass der Grundsatz der Gewaltenteilung nach Art. 20 Abs. 2 S. 2 GG einen wichtigen Bestandteil des Rechtsstaatsprinzip des Grundgesetzes bildet.250 Dies soll dem Grunde nach nicht bestritten werden, allerdings bietet es sich aufgrund der Eigensubstanz des Gewaltenteilungsgrundsatzes als tragendes Organisationsprinzip des 249

Siehe A. III. 2. d) cc). Vgl. u. a. Schmidt-Aßmann, Der Rechtsstaat, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR3 II, § 26 Rn. 4, 46 ff.; Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland2 I, S. 784; Forsthoff, Begriff und Wesen des sozialen Rechtsstaates, in: ders. (Hrsg.), Rechtsstaatlichkeit und Sozialstaatlichkeit, S. 165 ff. (175); Grzeszick, Art. 20 – allgemeine Rechtsstaatlichkeit, in: Maunz/ Dürig, Grundgesetz Kommentar, Rn. 23; Schulze-Fielitz, Art. 20 (Rechtsstaat), in: H. Dreier (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar2  II, Rn.  39. Vgl. auch Sobota, Das Prinzip Rechtsstaat, S. 70. 250

166

B. Die bundesstaatliche Solidargemeinschaft der Länder

Grundgesetzes251 an, diesen und sein Verhältnis zum Bundesstaatsprinzip getrennt vom allgemeinen Rechtsstaatsprinzip zu untersuchen.252 Wenn es um die Beziehung zwischen dem Bundesstaatsprinzip und dem Grundsatz der Gewaltenteilung geht, wird oftmals positiv bilanziert, dass die föderale Gliederung der Bundesrepublik gleichsam als zusätzliche vertikale Dimension machtgliedernder Staatlichkeit diene.253 Grundlegend für diese These konstatiert Hesse, es sei geradezu Zweckbestimmung des bundesstaatlichen Aufbaus des Grundgesetzes, die Verfassungsprinzipien der Demokratie und des Rechtsstaates zu ergänzen und zu verstärken.254 Wie bereits thematisiert, beziehen sich die Beobachtungen Hesses hingegen auf die Verfassungswirklichkeit – nicht auf das Verfassungsrecht, so dass sich diese nicht als Grundlage für eine verfassungsnormative Einordnung eignen.255 Um feststellen zu können, ob dem Bundesstaatsprinzip ein Gewaltengliederungseffekt anhaftet,256 es folglich den Gewaltenteilungsgrundsatz verfassungsrechtlich ergänzt und möglicherweise gar verstärkt,257 scheint es zunächst unabdingbar, die dem Art. 20 Abs. 2 S. 2 GG zugrunde liegenden verfassungstheoretischen Vorstellungen konkreter zu bestimmen.258 Hier zeigt sich eine nicht unerhebliche Bedeutungsvielfalt,259 schon allein, weil sich die Vorstellungen im Hinblick auf Funktion und Inhalt des Gewaltenteilungsprinzips im Laufe der Zeit grundlegend gewandelt haben:260 Von den klassischen Gedanken staatlicher Machtbegrenzung resp. Machtmäßigung und gegenseitiger Kontrolle der verschiedenen Staatsgewalten261 bis hin zum Schutz spezifischer 251 BVerfGE 3, 225 (247); Schulze-Fielitz, Art. 20 (Rechtsstaat), in: H. Dreier (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar2 II, Rn. 67 [m. w. N.]. Ähnlich auch Di Fabio, Gewaltenteilung, in: Isensee/ Kirchhof (Hrsg.), HStR3 II, § 27 Rn. 1. 252 Vgl. Grzeszick, Art.  20  – Die Verfassungsentscheidung für die Gewaltenteilung, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz Kommentar, Rn. 57. 253 Vgl. Di Fabio, Gewaltenteilung, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR3  II, § 27 Rn.  9; Schmidt-Aßmann, Der Rechtsstaat, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR3 II, § 26 Rn. 68. Ähnlich auch Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland2 II, S. 548 ff.; Schulze-­Fielitz, Art. 20 (Rechtsstaat), in: H. Dreier (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar2 II, Rn. 79; Isensee, Idee und Gestalt des Föderalismus im Grundgesetz, in: ders./Kirchhof (Hrsg.), HStR3 VI, § 126 Rn. 266; Kimminich, Der Bundesstaat, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR I, § 26 Rn. 43; von Arnauld, Gewaltenteilung jenseits der Gewaltentrennung, ZParl 32 (2001), S. 678 ff. (690 f.). 254 Hesse, Bundesstaatsreform und Grenzen der Verfassungsänderung, AöR 98 (1973), S. 1 ff. (12); Hesse, Der unitarische Bundesstaat, S. 32 ff. 255 Vgl. Hillgruber, Theorie der Verfassungsinterpretation, in: Depenheuer/Grabenwarter (Hrsg.), Verfassungstheorie, § 15 Rn. 28. 256 So etwa Schodder, Föderative Gewaltenteilung in der Bundesrepublik Deutschland, S. 25; Grzeszick, Art. 20 – Gewaltenteilung, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz Kommentar, Rn. 109. 257 So Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland2 II, S. 553. 258 Vgl. ähnlich Grzeszick, Art. 20 – Gewaltenteilung, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz Kommentar, Rn. 2. 259 Vgl. Möllers, Gewaltengliederung, S. 80. 260 Vgl. Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland2 II, S. 546 f. 261 So u. a. bei Rennert, Der deutsche Föderalismus in der gegenwärtigen Debatte um eine Verfassungsreform, Der Staat  32 (1993), S.  269 ff. (279); Kimminich, Der Bundesstaat, in:

I. Auswirkungen auf die bundesstaatliche Ordnung des Grundgesetzes

167

Kernbereiche262 und einer damit verbundenen organadäquaten Verteilung von Staatsfunktionen263. Diese Ansätze vermögen die Konzeption der grundgesetzlichen Gewaltenteilung hingegen nicht vollständig zu erfassen.264 So bezieht sich der Gedanke der Machtbegrenzung ursprünglich auf einen vordemokratischen Kontext,265 in welchem die Staatsgewalt gerade nicht vom Volk, sondern von einer vorrechtlichen politischen Gewalt ausging,266 woraus sich die Notwendigkeit ergab, diese zum Schutz der Bürger zu beschränken.267 Die originär vom Volk ausgehende, demokratische Staatsgewalt zu begrenzen, kann nicht als primäres Anliegen des Art. 20 Abs. 2 S. 2 GG betrachtet werden. Und auch der vom Bundesverfassungsgericht vorgebrachte neuere Interpretationsansatz, Art. 20 Abs. 2 S. 2 GG als Verbot einer organfremden Funktionsübernahme zu begründen, weist letztlich nicht unerhebliche Schwächen auf. So sind die maßgeblichen Termini der Effi­ zienz, Adäquanz, Richtigkeit und Funktionalität nicht näher determiniert und für sich genommen begrifflich äußerst vage.268 Alternativ zu den tradierten Vorstellungen des Gewaltenteilungsprinzips zeigt sich ein neuerer Begründungsversuch: Gewaltengliederung in SelbstbestimIsensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR I, § 26 Rn. 45; Schodder, Föderative Gewaltenteilung in der Bundesrepublik Deutschland, S. 7; Ossenbühl, Aktuelle Probleme der Gewaltenteilung, DÖV 1980, S.  545 ff. (546 f.). Vgl. hierzu Schmidt-Aßmann, Der Rechtsstaat, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR3 II, § 26 Rn. 49; Di Fabio, Gewaltenteilung, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR3 II, § 27 Rn. 9; P. Schneider, Zur Problematik der Gewaltenteilung im Rechtsstaat der Gegenwart, AöR 43 (1957) S. 1 ff. (2). 262 BVerfGE 68, 1, (1); Jarass, Art. 20 – Gewaltenteilungsprinzip, in: ders./Pieroth (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar13, Rn.  24; Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland2 II, S. 541; Schmidt-Aßmann, Der Rechtsstaat, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR3 II, § 26 Rn.  56 ff. Vgl. hierzu auch Möllers, Dogmatik der grundgesetzlichen Gewaltengliederung, AöR 132 (2007), S. 493 ff. (499). 263 BVerfGE  68, 1, (86); Ossenbühl, Aktuelle Probleme der Gewaltenteilung, DÖV  1980, S. 545 ff. (549); von Danwitz, Der Grundsatz funktionsgerechter Organstruktur, Der Staat 35 (1996), S. 329 ff. (334). Vgl. hierzu auch Lerche, Gewaltenteilung – deutsche Sicht, in: I­ sensee (Hrsg.), Gewaltenteilung heute, S. 75 ff. (76 ff.); Di Fabio, Gewaltenteilung, in: Isensee/­K irchhof (Hrsg.), HStR3 II, § 27 Rn. 10; Grzeszick, Art. 20 – Gewaltenteilung, in: Maunz/­Dürig, Grundgesetz Kommentar, Rn. 50 ff. 264 Kritik u. a. bei Möllers, Gewaltengliederung, S. 79 ff.; Grzeszick, Art. 20 – Gewaltenteilung, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz Kommentar, Rn. 29 ff. 265 Vgl. Möllers, Dogmatik der grundgesetzlichen Gewaltengliederung, AöR  132 (2007), S. 493 ff. (496). 266 Vgl. Grzeszick, Art. 20 – Gewaltenteilung, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz Kommentar, Rn. 57; Möllers, Gewaltengliederung, S. 76. 267 Zweifel hinsichtlich der Möglichkeit wirksamer Machtbeschränkung durch Gewaltentrennung bei Kelsen, Allgemeine Staatslehre, S. 256: „Auch wenn die Organe der Vollziehung von denen der Gesetzgebung völlig verschieden und unabhängig sind, bleibt es doch diesen unbenommen, mit den von ihnen zu setzenden Normen in den Bereich der individuellen Freiheit nach Belieben einzudringen, diese auf ein Minimum zu reduzieren“. 268 Vgl. Baer, Vermutungen zu Kernbereichen der Regierung und Befugnissen des Parlaments, Der Staat 40 (2001), S. 525 ff. (547); Grzeszick, Art. 20 – Gewaltenteilung, in: Maunz/ Dürig, Grundgesetz Kommentar, Rn. 56; Möllers, Gewaltengliederung, S. 74.; ders., Dogmatik der grundgesetzlichen Gewaltengliederung, AöR 132 (2007), S. 493 ff. (498).

168

B. Die bundesstaatliche Solidargemeinschaft der Länder

mung.269 Dieser Ansatz überzeugt zunächst durch eine konsequente Eingrenzung des Gegenstands der Gewaltenteilung auf die einseitige Erzeugung von Recht als spezifischem Merkmal von Trägern staatlicher Hoheitsgewalt.270 So werden Rechtsnormen nicht ausschließlich durch die Legislative gesetzt, auch Exekutive und Judikative erzeugen rechtliche Sollenssätze und sind damit Bestandteil eines umfassenden Rechtserzeugungsprozesses.271 Auf Grundlage dieser Prämisse eröffnet sich eine neue Perspektive auf Zuordnungsmodus und Zielsetzung des Art. 20 Abs. 2 S. 2 GG. Die Gewalten oder Funktionen sind durch die Bezugnahme auf den Rechtserzeugungsprozess nicht mehr absolut, sondern lediglich relativ voneinander zu unterscheiden.272 Es handelt sich um eine Stufenfolge, die an den Grad der Konkretisierung einer Rechtsnorm anknüpft.273 Die entscheidende Differenz ist die zwischen der Setzung genereller und der Setzung individueller Rechtsnormen.274 Auf der ersten Stufe steht die abstrakt-generelle Rechtsnorm der gesetzgebenden Gewalt in Form des Gesetzes. Die abstrakt-generelle Norm bedarf hingegen stets einer Individualisierung hin zum konkreten Adressaten des Rechts.275 Diese nachfolgende Konkretisierungsleistung obliegt zunächst der vollziehenden Gewalt durch individualisierte Rechtsetzung. So werden hier u. a. konkret-individuelle Gebote und Verbote ausgesprochen.276 Eine abschließende und letztverbindliche Konkretisierung der Rechtsnorm wird von der Rechtsprechung geleistet. Rechtsprechung ist damit nicht schlichte Rechtsanwendung, sondern im Wesentlichen ein Akt individualisierter Rechtsetzung.277 Die abstrakt-generelle Rechtsnorm wird mit Blick auf den konkreten Sachverhalt zur individuellen Rechtsnorm, welche durch das Gericht jedoch erst gesetzt werden muss. Gesetzgebung und Rechtsprechung bilden somit Ausgangs- und Endpunkt des Rechtserzeugungsprozesses, während sich die vollziehende Gewalt zwischen diesen bei 269

Vgl. Möllers, Gewaltengliederung, S. 81 ff. Vgl. Möllers, Gewaltengliederung, S. 83. Die Prämisse liegt hier freilich darin, den Staat als Rechtsordnung zu begreifen, vgl. Kelsen, Die Lehre von den drei Gewalten oder Funktion des Staates, in: Wieser/u. a. (Hrsg.), FS Kant, S. 214 ff. (215). 271 Vgl. Möllers, Gewaltengliederung, S.  84 f. So bereits Kelsen, Die Lehre von den drei­ Gewalten oder Funktion des Staates, in: Wieser/u. a. (Hrsg.), FS Kant, S. 214 ff. (222). 272 Kelsen, Die Lehre von den drei Gewalten oder Funktion des Staates, in: Wieser/u. a. (Hrsg.), FS Kant, S.  214 ff. (218). So u. a. auch Jestaedt, Grundrechtsentfaltung im Gesetz, S. 318. 273 Kelsen, Die Lehre von den drei Gewalten oder Funktion des Staates, in: Wieser/u. a. (Hrsg.), FS Kant, S. 214 ff. (222). Vgl. hierzu auch Jestaedt, Grundrechtsentfaltung im Gesetz, S. 317 f. 274 Vgl. Kelsen, Die Lehre von den drei Gewalten oder Funktion des Staates, in: Wieser/u. a. (Hrsg.), FS Kant, S. 214 ff. (220 ff.). 275 Vgl. Kelsen, Die Lehre von den drei Gewalten oder Funktion des Staates, in: Wieser/u. a. (Hrsg.), FS Kant, S. 214 ff. (221). 276 So etwa der Verwaltungsakt als konkret-individuelle Norm einer Behörde, § 35 S.  1 VwVfG (Bund). 277 Kelsen, Die Lehre von den drei Gewalten oder Funktion des Staates, in: Wieser/u. a. (Hrsg.), FS Kant, S. 214 ff. (222). Vgl. hierzu ausführlich Jestaedt, Grundrechtsentfaltung im Gesetz, S. 307 ff. 270

I. Auswirkungen auf die bundesstaatliche Ordnung des Grundgesetzes

169

den Polen bewegt.278 In einer dimensionalen Vorstellung der Gewaltenteilung ergibt sich weniger das Bild einer horizontalen Aufteilung, als denn einer vertikalen Gliederung, bei welcher die Staatsgewalten in gradueller Abstufung übereinanderliegen. Anstatt von einer Gewalten- oder Funktionentrennung zu sprechen, erscheint es daher zutreffender, Art. 20 Abs. 2 S. 2 GG als Gebot einer Gewaltenoder Funktionengliederung zu verstehen. Das Verständnis der Gewaltengliederung in Selbstbestimmung geht indes hierüber hinaus und sieht die Aufgabe der Gewaltengliederung darin, eine Balance zwischen individueller und demokratischer Selbstbestimmung herzustellen,279 wobei diese beiden Elemente auf jeder Stufe der staatlichen Funktionengliederung in einem je unterschiedlichen Verhältnis zueinander anzutreffen seien.280 Die Staatsgewalten werden so in den Dienst demokratischer Legitima­tions­bewäl­ti­gung gestellt.281 Die enge Verknüpfung zwischen Gewaltengliederung, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit282 erscheint hingegen nicht unproblematisch, da die Gewaltengliederung in ein grundlegendes Abhängigkeitsverhältnis zum demokratischen Prinzip des Grundgesetzes zu geraten scheint. Das Proprium der Gewaltengliederung lässt sich durch diese Verknüpfung nur schlecht erkennen, weshalb die Zielsetzung einer gegliederten Staatsgewalt zunächst abstrakter bestimmt werden soll – als eine Vergrößerung von Staatsgewalt: „Die Gewaltenteilung hat keineswegs den Zweck, den Staat ohnmächtig zu machen, um den Bürgern ein größeres Maß an Freiheit zu sichern – wo Ohnmacht herrscht, gibt es für Montesquieu keine politische Freiheit  –, wiewohl man in Europa, wo nachgerade jedermann der Meinung war, dass Zentralisierung der Macht mehr Macht erzeugt, ihn zumeist so mißverstanden hat.“283

Arendt zufolge resultiert eine Teilung von Macht nicht in deren Beschränkung oder Hemmung, sondern gerade in deren Vergrößerung. Mittels Teilung resp. Gliederung wird diese ständig erneuert und stabilisiert.284 Im Hinblick auf die demokratische Ordnung des Grundgesetzes, in der nach Art. 20 Abs. 2 S. 1 GG alle Staatsgewalt vom Volke ausgeht, kann es freilich nur die Staatsgewalt des Volkes sein, welche durch das Gebot der Gewaltengliederung vergrößert werden soll. Wird der Rechtserzeugungsprozess unter dem Grundgesetz in verschiedene Stufen gegliedert und durch verschiedene Organe wahrgenommen, so vergrößert sich damit die Rückbindung der Ausübung dieser Staatsgewalt zum Volk und seinen demokratischen Willensentscheidungen durch Wahlen und ­Abstimmungen. Jede 278

Vgl. ähnlich Möllers, Gewaltengliederung, S. 112. Möllers, Gewaltengliederung, S. 88. 280 Möllers, Gewaltengliederung, S. 93. 281 Vgl. ebda. 282 Vgl. Möllers, Gewaltengliederung, S. 88 f., 399 f.; ders., Dogmatik der grundgesetzlichen Gewaltengliederung, AöR 132 (2007), S. 493 ff. (496 f., 502 f.). 283 Arendt, Über die Revolution3, S. 198. 284 Vgl. Arendt, Über die Revolution3, S. 345. 279

170

B. Die bundesstaatliche Solidargemeinschaft der Länder

Stufe des Rechtserzeugungsprozesses muss nicht nur eine demokratische Legitimation vorweisen, sondern in graduell sich verdichtender Unabhängigkeit von der vorhergehenden Stufe eine Individualisierung der abstrakt-generellen Rechtsnorm vornehmen, in welcher sich der demokratische Wille des Volkes manifestiert. Hierdurch vergrößert sich die Staatsgewalt des Volkes im Hinblick auf die Steuerung des demokratischen Rechtserzeugungsprozesses, was im Ergebnis zu einer Vermehrung demokratischer Selbstbestimmung führt. Die Vorzüge des Verständnisses von Art. 20 Abs. 2 S. 2 GG als Gebot einer Gewaltengliederung zeigen sich in der Abkehr vom vordemokratischen Gedanken der Notwendigkeit einer Machtbeschränkung, sowie in der Bestimmbarkeit des Gliederungsmodus im Hinblick auf die Gewalten resp. Funktionen des Staates. Welche Folgerungen ergeben sich nun aus dem Gebot der Gewaltengliederung für sein Verhältnis zum bundesstaatlichen Prinzip des Grundgesetzes? Zunächst lässt sich festhalten, dass sowohl im Bund als auch in den einzelnen Ländern aufgrund des Homogenitätsgebots des Art. 28 Abs. 1 S. 1 GG das Gebot der Gewaltengliederung einheitlich zum Tragen kommt.285 Es kommt zu einer Vervielfachung der Gewaltengliederung, die hingegen nicht per se zu einer Intensivierung derselben führt.286 Möllers beschreibt im Gegenteil, dass aus der bundesstaatlichen Ordnung sogar eine deutliche Relativierung der Gewaltengliederung resultieren könne, insoweit sich eine Verbindung zwischen den föderalen Ebenen auf die jeweilige Gewaltengliederung des Bundes oder der Länder auswirke.287 Dem Grundgesetz ließen sich eine Reihe solcher Verflechtungen der föderalen Ebenen entnehmen: Etwa die Beteiligung des Bundesrats am Gesetzgebungsverfahren des Bundes oder der Vollzug von Bundesgesetzen durch die Länder.288 Eine derartige Relativierung des Gewaltengliederungsgebots ergibt sich erst aufgrund seiner engen Verknüpfung mit den Elementen der individuellen und demokra­ tischen Selbstbestimmung. Gewaltengliederung und Demokratieprinzip werden durch Möllers so eng zusammengeführt, dass ein Konflikt hinsichtlich des demo­ kratischen Prinzips des Grundgesetzes zugleich eine Beschränkung der Gewaltenteilung bedeutet.289 Blickt man lediglich auf die verschiedenen Stufen des Rechtserzeugungsprozesses und deren Differenzierung anhand des jeweiligen Konkretisierungsgrades, so führen Verflechtungen der Ebenen erst dann zu einer Beeinträchtigung, sollte eine Stufe des Konkretisierungsprozesses einer anderen föderalen Ebene und zugleich einem mit dieser Konkretisierungsleistung nicht betrauten Organ übertragen werden. Dies wäre der Fall, würden in der bundesstaatlichen Funktionenübertragung rechtliche Individualisierungsstufen ver-

285

Vgl. Möllers, Gewaltengliederung, S. 420. Ebda. 287 Möllers, Gewaltengliederung, S. 421 f.; ders., Dogmatik der grundgesetzlichen Gewaltengliederung, AöR 132 (2007), S. 493 ff. (528). 288 Möllers, Gewaltengliederung, S. 246 ff., 339 ff., 421. 289 Vgl. Möllers, Gewaltengliederung, S. 246 ff., 421 f. 286

I. Auswirkungen auf die bundesstaatliche Ordnung des Grundgesetzes

171

tauscht werden, sollte beispielsweise ein Bundesgesetz durch Landesparlamente verwaltet und damit konkretisiert werden. Werden Bundesgesetze anstelle von Bundesbehörden von Landesbehörden verwaltet, so sind die Landesbehörden zwar einer anderen föderalen Ebene zuzuordnen, sie bleiben indes besondere Organe der vollziehenden Gewalt und stehen auf der gleichen Stufe des Rechtsetzungsprozesses. Das Gebot der Gewaltengliederung wird letztlich nicht negativ tangiert. Spannungen könnten sich aus einem Zustimmungserfordernis des Bundesrates am Gesetzgebungsakt des Bundestages ergeben, da sich dieser aus Vertretern der Landesregierungen und damit der vollziehenden Gewalt zusammensetzt. Hier darf nicht übersehen werden, dass der Bundesrat als Bundesorgan im Rechts­ erzeugungsprozess auf Bundesebene eine gesetzgebende Funktion wahrnimmt und keine vollziehende. Der Bundesrat setzt als Gesetzgebungsorgan abstraktgenerelle Rechtsnormen, an der nachfolgenden Individualisierungsstufe ist er institutionell jedoch nicht beteiligt. Aus gewaltengliedernder Perspektive stellt sich die Beteiligung des Bundesrates an der Gesetzgebung des Bundes als unproblematisch dar. Indem die föderale Gliederung des Grundgesetzes eine Auswahl alternativer Organe im Rechtserzeugungsprozess gewährleistet, lässt sich, da es sich nicht um zusätzliche, sondern lediglich alternative Organe handelt, auch keine Stärkung der machtvergrößernden Wirkung der Gewaltengliederung in der Horizontalen ableiten. Es bleibt so bei einem verfassungsrechtlich neutralen Verhältnis zwischen dem Gebot der Gewaltengliederung und dem Bundesstaatsprinzip des Grundgesetzes. b) Der Gewaltengliederungsgrundsatz und das Bundesstaatsprinzip im Gefüge des horizontalen Länderfinanzausgleichs Die Verfassungsnorm des Art. 107 Abs. 2 S. 1, 2 GG zeigt sich unter dem so verstandenen Aspekt der Gewaltengliederung wenig problematisch. Durch Bundesgesetz wird die Maßgabe der Verfassung als abstrakt-generelle Rechtsnorm durch den Bundestag gesetzt, deren Umsetzung im Wege einer Individualisierung der Rechtsnorm durch das Bundesfinanzministerium erfolgt.290 Abschließende Konkretisierung wird durch das Bundesverfassungsgericht ermöglicht. Der Rechts­ erzeugungsprozess des horizontalen Länderfinanzausgleichs ist damit anhand der verschiedenen Konkretisierungsstufen der Rechtsnorm gegliedert und den zuständigen Organen zugeordnet. Insofern entfaltet das Gebot der Gewaltengliederung im Rahmen des bundesstaatlichen Finanzausgleichsmechanismus unein­ geschränkt Wirkung.

290

Vgl. §§ 12 ff. FAG.

172

B. Die bundesstaatliche Solidargemeinschaft der Länder

c) Der bundesstaatlich-solidarische Finanzausgleich im System der Gewaltengliederung Sowohl die bundesstaatliche Solidargemeinschaft per se, wie auch ein bundes­ staatlich-solidarischer Finanzausgleich zeigen sich mit Blick auf die grundgesetzliche Gewaltengliederung vergleichbar unproblematisch. Weder führt eine gewalten­ gegliederte Ausgestaltung zu einer Beschränkung des sich im Ausgleichsmechanismus manifestierenden Bundesstaatsprinzips, noch zeigt sich vice versa eine Beschränkung des Verfassungsprinzips der Gewaltengliederung aus Art. 20 Abs. 2 S. 2 GG. d) Bewertung Strukturell zeigt sich das grundgesetzliche Verhältnis zwischen der Gewaltengliederung aus Art. 20 Abs. 2 S. 2 GG und dem bundesstaatlichen Prinzip weder in einer positiven Verstärkung durch eine zusätzliche Gliederungsdimension, noch negativ durch eine etwaige Beschränkung. Dieses Verhältnis verändert sich weder in Bezug auf den bundesstaatlichen Finanzausgleichsmechanismus nach Art. 107 Abs. 2 S. 1, 2 GG, noch im Hinblick auf die bundesstaatliche Solidargemeinschaft der Länder. Insofern stellt sich der horizontale Länderfinanzausgleich – mit und ohne Maßgabe der bundesstaatlichen Solidargemeinschaft der Länder – als verfassungskonformer Bestandteil der gewaltengegliederten Ordnung des Grund­ gesetzes dar. 5. Das republikanische Prinzip Zu dem strukturellen Verhältnis zwischen dem republikanischen Verfassungsprinzip und dem Bundesstaatsprinzip des Grundgesetzes lässt sich nur wenig ausführen. Gemeinsam bilden sie einen Teil  des Staatsnamens der Bundesrepublik Deutschland, doch im Übrigen scheinen diese eher nebeneinander zu stehen als sich verfassungsrechtlich in irgendeiner Form wechselseitig zu beeinflussen. Das in Art.  20 Abs.  1 GG verankerte republikanische Prinzip besitzt nicht nur für den Bund, sondern auf Grundlage des Art. 28 Abs. 1 S. 1 GG auch für die Länder verfassungsrechtliche Verbindlichkeit.291 Nach herrschender Auffassung umfasst das Bekenntnis zur Republik jedenfalls die Absage an eine monarchische  Staatsform292 sowie an eine unbegrenzte Amtszeit des Staatsoberhaup­ 291 Vgl. hierzu etwa Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland20, Rn. 118; Dreier, Art. 20 (Republik), in: ders. (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar2 II, Rn. 16. 292 Gröschner, Die Republik, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR3  II, § 23 Rn.  2; Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland20, Rn. 122; Dreier, Art. 20 (Republik), in: ders. (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar2 II, Rn. 16 f.; Sommermann, Art. 20 Abs. 1, in: von Mangoldt/Klein/Starck, Kommentar zum Grundgesetz6 II, Rn. 13.

I. Auswirkungen auf die bundesstaatliche Ordnung des Grundgesetzes

173

tes.293 Formal verstanden erschöpft sich der Gehalt des republikanischen Verfassungsprinzips bereits in dieser Aussage, so dass die rechtlichen Implikationen hiernach insgesamt als gering einzuschätzen wären.294 In der Literatur lassen sich dagegen vereinzelt Stimmen vernehmen, welche das republikanische Prinzip nicht ausschließlich als formales Verbot der Monar­ chie bzw. der unbegrenzten Herrschaft determinieren, sondern dieses zusätzlich, basierend auf der Etymologie des Begriffs der Republik,295 material aufzuladen versuchen.296 Auffällig ist dabei, dass oftmals versucht wird, die Republik als eine am Gemeinwohl orientierte politische Ordnung zu charakterisieren.297 Eine dergestaltige Gemeinwohlorientierung des demokratischen Verfassungsstaates ist aus verfassungsrechtlicher Perspektive keinesfalls unproblematisch. Ähnlich wie der Begriff der Gerechtigkeit normiert auch das Gemeinwohl keinen absoluten resp. intersubjektiv objektivierbaren Maßstab, sondern kann nur in dem der Kontingenz unterworfenen Verfahren demokratischer Willensbildung ermittelt werden.298 Eine verfassungsrechtlich verpflichtende Ausrichtung am nicht näher konkretisierten Gemeinwohl birgt damit ein erhebliches Missbrauchspotential und kaum Rechtsklarheit.299 Einige der historischen Implikationen des Republik­ begriffs – wie etwa Selbstbestimmung, gleiche Freiheit, Repräsentation, Gewaltenteilung – haben sich zudem bereits mit den Verfassungsprinzipien der Demokratie und des Rechtsstaates verbunden, durch welche sie letztlich differenzierter und deutlicher repräsentiert werden.300 Es besteht daher verfassungsrechtlich auch kein Bedürfnis nach einem materiell aufgeladenen republikanischen Prinzip. Folgt man dem rein formalen Republikverständnis, so vermag die Entscheidung gegen die Monarchie bzw. die zeitlich unbegrenzte Staatsführung das bundesstaatliche Ordnungsprinzip nicht weiter zu beeinflussen. Insbesondere bestehen 293

Dreier, Art. 20 (Republik), in: ders. (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar2 II, Rn. 17. Ähnlich auch Sommermann, Art.  20 Abs.  1, in: von Mangoldt/Klein/Starck, Kommentar zum Grundgesetz6 II, Rn. 13. 294 Dreier, Art. 20 (Republik), in: ders. (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar2 II, Rn. 18. 295 Vgl. hierzu ausführlich Isensee, Republik, JZ 1981, S. 1 ff. (3 ff.); Gröschner, Die Republik, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR3  II, § 23 Rn.  13 ff.; Dreier, Art.  20 (Republik), in: ders. (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar2 II, Rn. 1 ff. 296 So etwa Schachtschneider, Res publica res populi, S. 11 ff.; Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland20, Rn.  120; Balzer, Republikprinzip und Berufs­beamtentum, S.  58; Sommermann, Art.  20 Abs.  1, in: von Mangoldt/Klein/Starck, Kommentar zum Grundgesetz6 II, Rn. 14. 297 Vgl. Balzer, Republikprinzip und Berufsbeamtentum, S. 63; Gröschner, Die Republik, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR3 II, § 23 Rn. 72, 74; Sommermann, Art. 20 Abs. 1, in: von Mangoldt/Klein/Starck, Kommentar zum Grundgesetz6 II, Rn. 14. 298 Vgl. Gärditz, Demokratische und rechtsstaatliche Verantwortlichkeit bei öffentlichen Großvorhaben, ZSE 2015, S. 4 ff. (5). Ähnlich auch H. Dreier, Art. 20 (Republik), in: ders. (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar2 II, Rn. 22. 299 Vgl. ebda. 300 Vgl. Isensee, Republik, JZ 1981, S. 1 ff. (8); Dreier, Art. 20 (Republik), in: ders. (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar2 II, Rn. 28.

174

B. Die bundesstaatliche Solidargemeinschaft der Länder

keinerlei Zweifel an der Vereinbarkeit der bundesstaatlichen Ordnung mit der­ republikanischen Staatsform des Grundgesetzes.301 Auch im Rahmen des hori­ zontalen Länderfinanzausgleichs nach Art.  107 Abs.  2 S.  1,  2 GG und dessen hypothetischer Beeinflussung durch die bundesstaatliche Solidargemeinschaft verändert sich dieses strukturelle Grundverhältnis zwischen den Verfassungsprinzipien der Republik und des Bundesstaates weder im Positiven noch im Negativen. 6. Zusammenfassung und Bewertung Aus der vorangehenden Untersuchung möglicher Auswirkungen der theoretisch so konstruierten Figur einer bundesstaatlichen Solidargemeinschaft auf die bundesstaatliche Ordnung des Grundgesetzes im Ganzen wird deutlich, dass diese eine nicht unwesentliche Korrektur erfährt. Während sich hinsichtlich des Rechtsstaatsprinzips, des Gewaltengliederungsgrundsatzes und des republikanischen Prinzips keine Veränderungen zeigen, lässt sich die korrigierende Wirkung deutlich mit Blick auf das Demokratie- sowie auf das Sozialstaatsprinzip beobachten. In der positivrechtlichen Regelung des horizontalen Länderfinanzausgleichs nach Art. 107 Abs. 2 S. 1, 2 GG liegt eine deutliche Zäsur innerhalb der bundesstaatlich-demokratischen Grundstruktur zu Lasten des Demokratieprinzips. Das prinzipiell harmonisch-ergänzende Verhältnis zwischen Demokratie- und Bundesstaatsprinzip wird durch die Verfassungsnorm des Art. 107 Abs. 2 S. 1, 2 GG zu Lasten des demokratischen Verfassungsprinzips beeinträchtigt. So verlangt das auch für die Länder verbindliche demokratische Budgetrecht des Parlaments als formalisierte Ausprägung des grundgesetzlichen Demokratieprinzips, dass grundsätzlich alle Einnahmen und Ausgaben durch das jeweilige Parlament in Form eines Haushaltsgesetzes beschlossen werden müssen. Diese demokratische Vorgabe wird für die Ausgabenseite durch den Grundsatz der Selbständigkeit und Unabhängigkeit der Haushaltswirtschaften von Bund und Ländern nach Art. 109 Abs. 1 GG gestützt. Durch die Vorgabe einer bundesgesetzlichen Regelung des horizontalen Ausgleichsmechanismus ist es jedoch der Bundesgesetz­ geber, der über haushaltswirksame Ausgaben der Länder entscheidet. Denn der horizontale Länderfinanzausgleich berührt nicht allein die Einnahmenseite der ausgleichsberechtigten, sondern zugleich die Ausgabenseite der ausgleichsverpflichteten Länder. Zwar bleibt das parlamentarische Budgetrecht der Länder aufgrund der haushaltstechnischen Veranschlagung der Ausgleichszahlungen in den jeweiligen Haushaltsgesetzen sowie deren Verabschiedung durch die betrof­ fenen Landesparlamente formell unberührt, doch läuft dieses wegen fehlen 301 So hat der Schöpfer der föderativen Idee diese von vornherein als einen Zusammenschluss verschiedener kleinerer Republiken verstanden, Montesquieu, Vom Geist der Gesetze I, Neuntes Buch, Kapitel 1, S. 180. Zur widersprüchlichen Charakterisierung des Deutschen Reiches als einem „monarchischen Bundesstaat“ vgl. ausführlich Mayer, Republikanischer und monarchischer Bundesstaat, AöR 18 (1903), S. 337 ff. (363 f.).

I. Auswirkungen auf die bundesstaatliche Ordnung des Grundgesetzes

175

der Einfluss- und Kontrollmöglichkeiten der betroffenen Landesparlamente faktisch ins Leere. Die parlamentarischen Vertreter der Landesbürger bleiben von den Verhandlungen zur Umsetzung des horizontalen Länderfinanzausgleichs aus­ geschlossen. Ihnen obliegt allein die Aufgabe, etwaige Ausgleichszahlungen im horizontalen Länderfinanzausgleich durch das jeweilige Haushaltsgesetz formal zu bestätigen  – ein Einwirken auf die Zahlungsverpflichtung bleibt ihnen verwehrt. Konsequenz ist insofern eine Entkoppelung der demokratischen Finanzierungsverantwortung im Bundesstaat: Die betroffenen Landesbürger können auf den Bundestag als Entscheidungsträger nicht unmittelbar demokratisch einwirken, während sich dieser weder den Landesbürgern noch den nicht unmittelbar betroffenen Bundesbürgern gegenüber demokratisch verantworten muss. Der Bundestag agiert damit letztlich im verantwortungsfreien Raum.302 Zugleich leidet die Publizität des demokratischen Prozesses. So wird nicht hinreichend deutlich, ob nun der Bundestag oder die Landesvertreter im Bundesrat die Verantwortung für die einfach-gesetzliche Ausgestaltung des horizontalen Länderfinanzausgleichs trägt.303 Blickt man dagegen abstrakt auf die Figur einer bundesstaatlichen Solidar­ gemeinschaft, so zeigt sich, dass sich diese grundsätzlich harmonisch in das demokratisch-bundesstaatliche Verfassungsgefüge integriert. Die deutliche Betonung des Elementes der Eigenständigkeit und Eigenverantwortlichkeit der demokratischen Bundesländer bedingt gerade eine Stärkung demokratischer Verantwortungszusammenhänge im Bundesstaat.304 Wird der Gedanke der bundesstaatlichen Solidargemeinschaft als Auslegungsmaxime zur Bestimmung des Merkmals der Angemessenheit i. S. d. Art.  107 Abs.  2 S.  1 GG herangezogen, kann hierdurch zwar die demokratische Spannungslage innerhalb des horizontalen Länderfinanzausgleichsmechanismus abgeschwächt werden, doch bleibt eine demokratische Zäsur bestehen.305 Denn mangels Einfluss der Auslegungsmaxime auf den übrigen Regelungsgehalt der Verfassungsnorm des Art. 107 Abs. 2 S. 1, 2 GG erfolgt die Umsetzung des Ausgleichs weiterhin aufgrund Bundesgesetzes. Die festgestellte demokratische Zäsur wird jedoch insofern abgemildert, als dass Anlass und Umfang der Ausgleichs­ leistungen eine deutliche Begrenzung erfahren und der horizontale Länderfinanzausgleich so zum Instrument ultima ratio wird. Im Hinblick auf die demokratisch-bundesstaatliche Struktur des Grundgesetzes bleibt festzuhalten, dass sich weder die positive Verfassungsnorm des Art. 107 Abs. 2 S. 1, 2 GG noch der bundesstaatlich-solidarische Finanzausgleich in diese harmonisch einfügen. Der Grund hierfür liegt nicht im Gedanken der bundesstaat-

302

Siehe B. I. 1. c). Siehe B. I. 1. c). 304 Siehe B. I. 1. d). 305 Siehe B. I. 1. e). 303

176

B. Die bundesstaatliche Solidargemeinschaft der Länder

lichen Solidargemeinschaft, sondern in der verfassungsrechtlichen Vorgabe einer bundesgesetzlichen Umsetzung des horizontalen Länderfinanzausgleichs nach Art. 107 Abs. 2 S. 2 GG. Im bundesstaatlich-solidarischen Finanzausgleich zeigt sich jedoch im Vergleich zur Verfassungsnorm des Art. 107 Abs. 2 S. 1, 2 GG eine deutliche Abschwächung der festgestellten Zäsur und damit eine korrigierende Wirkung in Richtung des vorgezeichneten bundesstaatlich-demokratischen Verfassungsgefüges. Der Einfluss des sozialen Staatszieles innerhalb der Verfassungsnorm des Art. 107 Abs. 2 S. 1, 2 GG erweist sich dagegen als so stark, dass es hier zu einer nicht unerheblichen Beeinträchtigung des bundesstaatlichen Elements gliedstaatlicher Eigenständigkeit und Divergenz kommt. Die Verfassungsprinzipien der Bundes- und der Sozialstaatlichkeit stehen sich zwar nicht, wie oftmals behauptet, antinomisch gegenüber, doch bewirkt das soziale Verfassungsprinzip eine stärkere Gewichtung des dem Bundesstaat inhärenten Elements gesamtstaatlicher Einheitlichkeit im Verhältnis zur gliedstaatlichen Eigenständigkeit.306 Innerhalb der Norm des Art. 107 Abs. 2 S. 1 GG gerät der Einfluss des sozialen Staatsziels so stark, dass sich dieses zu Lasten des bundesstaatlichen Elements gliedstaatlicher Vielfalt auswirkt. Im Rahmen des horizontalen Länderfinanzausgleichs zeigt sich so eine Abweichung vom grundsätzlich harmonischen Verhältnis des bundesstaatlichen und sozialen Verfassungsprinzips im Grundgesetz.307 Verbindet sich der horizontale Länderfinanzausgleich hingegen mit der bundesstaatlichen Solidaritätsnorm, erhält das Element gliedstaatlicher Eigenständigkeit und Eigenverantwortlichkeit aufgrund der begrenzenden Wirkung hinsichtlich Anlass und Umfang etwaiger Ausgleichspflichten wieder mehr Gewicht. Dieser Einfluss auf den horizontalen Finanzausgleichsmechanismus bewirkt eine Rückkehr zu dem prinzipiell harmonischen Grundgefüge.308 Erst der bundesstaatlichsolidarische Finanzausgleich passt sich der bundesstaatlich-sozialen Grundstruktur des Grundgesetzes an und ist mit dieser strukturell vereinbar. Im Ergebnis zeigt sich, dass die theoretisch aufbereitete Figur einer bundesstaatlichen Solidargemeinschaft der Länder als Auslegungsmaßstab der Verfassungsnorm des Art.  107 Abs.  2 S.  1 GG nicht nur mit der bundesstaatlichen Ordnungsidee des Grundgesetzes harmoniert und sich in diese unproblematisch einfügt, sondern zugleich sowohl begrenzende Wirkung hinsichtlich Anlass und Umfang des horizontalen Länderfinanzausgleichs als auch korrigierende Wirkung hinsichtlich der bundesstaatlichen Ordnung des Grundgesetzes insgesamt entfaltet.

306

Siehe B. I. 2. a). Siehe B. I. 2. b). 308 Siehe B. I. 2. c). 307

II. Funktionale Modifikation des Art. 107 Abs. 2 S. 1, 2 GG

177

II. Funktionale Modifikation des Art. 107 Abs. 2 S. 1, 2 GG durch die Maßgabe einer bundesstaatlichen Solidargemeinschaft der Länder Die vorangehende Untersuchung hat gezeigt, dass der Auslegungsmaßstab der bundesstaatlichen Solidargemeinschaft die Verfassungsnorm des Art. 107 Abs. 2 S. 1 GG nicht lediglich zu konkretisieren, sondern diese in ihren verfassungsstrukturellen Implikationen zu korrigieren vermag. Aufgrund des veränderten verfassungsstrukturellen Gepräges drängt sich die Frage auf, ob die bundesstaatliche Solidargemeinschaft zugleich eine funktionale Modifikation bewirkt, wodurch folglich sowohl Wirkungsweise als auch Bedeutung des horizontalen Länder­ finanz­ausgleichs nach Art. 107 Abs. 2 S. 1, 2 GG für die bundesstaatliche Ordnung des Grundgesetzes moduliert würden. Im Anschluss an die strukturelle Analyse sollen daher die Auswirkungen der bundesstaatlichen Solidargemeinschaft auf den horizontalen Länderfinanzausgleichsmechanismus unter funktionalen Gesichtspunkten untersucht werden. Um etwaige Modifikationen der Wirkungsweise des bundesstaatlich-solidarischen Länderfinanzausgleichs aufzeigen zu können, ist die spezifische Wirkungsweise eines horizontalen Länderfinanzausgleichs nach Art.  107 Abs.  2 S.  1,  2 GG im Vergleich zu alternativen finanziellen Unterstützungsmechanismen aufzuzeigen. Im darauffolgenden Schritt lässt sich sodann feststellen, ob und inwiefern der Auslegungsmaßstab einer bundesstaatlichen Solidargemeinschaft die Verfassungsnorm des Art. 107 Abs. 2 S. 1 GG nicht nur strukturell, sondern zugleich funktional zu verändern vermag. 1. Die Funktion des horizontalen Länderfinanzausgleichs nach Art. 107 Abs. 2 S. 1, 2 GG im Vergleich zu anderen finanziellen Unterstützungsmechanismen Dem Grunde nach ließe sich die Zielsetzung des Art. 107 Abs. 2 S. 1, 2 GG – die angemessene Angleichung der unterschiedlichen Finanzkraft der Länder – sowohl durch horizontale als auch durch vertikale Finanzzuweisungen309 bewirken.310 Während das Resultat beider Mechanismen vergleichbar ist, liegt ihr Unterschied in der Provenienz der die Angleichung bewirkenden Finanzströme: Wird die Ausgleichsmasse beim horizontalen Länderfinanzausgleich durch die Gliedstaaten 309 Unter Finanzzuweisungen sind demnach allgemein einmalige oder laufende direkte finanzielle Transfers zwischen Gebietskörperschaften zu verstehen, die ohne unmittelbare Gegenleistung und ohne Rückzahlungsverpflichtung geleistet werden, vgl. Korioth, Der Finanzausgleich zwischen Bund und Ländern, S.  277. Vgl. hierzu auch Popitz, Der künftige Finanzausgleich, S.  201; ders., Der Finanzausgleich, in: Gerloff/Meisel (Hrsg.), HFW  II, S. 338 ff. (371 f.). 310 Vgl. zur umverteilenden Wirkung von Finanzzuweisungen Pagenkopf, S. 69 f.

178

B. Die bundesstaatliche Solidargemeinschaft der Länder

aufgebracht, geschieht dies beim vertikalen Ausgleich durch den Oberstaat. Die horizontale Ausrichtung bedeutet folglich, dass Geber und Nehmer des Finanzausgleichs auf derselben bundesstaatlichen Ebene stehen311 – es besteht ein gleichrangiges Verhältnis zwischen den beteiligten Gebietskörperschaften, weshalb die den Ausgleich bewirkenden Finanzmittel auf der betroffenen Ebene verbleiben. Ein vertikaler Finanzausgleich umfasst hingegen verschiedene bundesstaatliche Ebenen in ihrem Subordinationsverhältnis und führt so nicht nur zu einer Angleichung von Finanzkraftunterschieden, sondern zugleich zu einer ebenenbezogenen Umschichtung von Finanzmitteln.312 Trotz eines vergleichbaren Endresultats – der Angleichung von Finanzkraftunterschieden –, lassen sich zwischen den beiden Ausgleichsmodi erhebliche Differenzen in der jeweiligen Wirkungsweise feststellen.313 Die Mitglieder des Parlamentarischen Rates beabsichtigten anfänglich, im Grundgesetz einen vertikalen Länderfinanzausgleich, folglich einen finanziellen Unterstützungsmechanismus durch Mittel des Bundes, zu normieren, um hierdurch die gewünschte finanzielle Angleichung der unterschiedlichen Finanzausstattungen der Bundesländer zu bewirken.314 Ausschlaggebend für die horizontale Ausrichtung des Länderfinanzausgleichs im Grundgesetz war allein die Vorgabe der alliierten Finanzsachverständigen.315 Die initialen Bedenken der Alliierten gegen einen Finanzausgleichsmechanismus richteten sich insbesondere gegen die Möglichkeit einer zu starken finanziellen Einflussnahme des Bundes und einer damit verbundenen übermäßigen Macht über die Länder.316 Es gehe darum, den Bundesländern finanzielle Unabhängigkeit gegenüber dem Bund zu garantieren.317 Der letztlich gefundenen Kompromisslösung eines horizontalen Länderfinanzausgleichs liegt entsprechend die Vorstellung zugrunde, eine horizontale Ausrichtung des grundgesetzlichen Länderfinanzausgleichs bewirke im Vergleich zu einem vertikalen Ausgleich eine Stärkung der finanziellen Unabhängigkeit der Bundes 311

Korioth, Der Finanzausgleich zwischen Bund und Ländern, S. 279. Ebda. 313 Im Hinblick auf die praktische Umsetzung lässt sich zudem vermuten, dass sich eine vertikale Umsetzung letztlich unkomplizierter realisieren lässt, da es lediglich einen und nicht mehrere Finanzgeber gibt. So wird ein Ausgleich zwischen Gliedstaaten in den meisten anderen Bundesstaaten insbesondere durch vertikale Ausgleichsmechanismen verwirklicht. Das grundgesetzliche Modell eines horizontalen Länderfinanzausgleichs sieht sich im internationalen und historischen Vergleich letztlich ohne Pendant. 314 Siehe A. II. 3. b) aa) (2) (a). 315 Vgl. Redebeitrag von Höpker Aschoff, Zwanzigste Sitzung des Ausschusses für Finanzfragen 07.04.1949, Der Parlamentarische Rat XII, Dok. Nr. 23, S. 534 ff. (546); Memorandum der Finanzsachverständigen vom 10.03.1949, Zwanzigste Sitzung des Ausschusses für Finanzfragen 07.04.1949, Der Parlamentarische Rat XII, Dok. Nr. 23, S. 534 ff. (546, Fn. 27). 316 Vgl. Redebeitrag von Fisher-Freeman, Besprechung von Mitgliedern des Parlamentarischen Rates mit Vertretern der alliierten Verbindungsstäbe und Finanzexperten in Bonn 09.03.1949, Der Parlamentarische Rat VIII, Dok. Nr. 52, S. 158 ff. (167). 317 Redebeitrag Davost, Besprechung mit alliierten Finanzexperten 09.03.1949, Der Parlamentarische Rat VIII, Dok. Nr. 53, S. 176 ff. (184). 312

II. Funktionale Modifikation des Art. 107 Abs. 2 S. 1, 2 GG

179

länder. Die Bedenken der Alliierten – und damit verbunden auch die funktionale Beschreibung eines horizontalen Finanzausgleichsmechanismus  – wurden von Mitgliedern des Parlamentarischen Rates nicht nur nicht geteilt, sondern geradezu als sinnlos qualifiziert.318 Es gilt daher zu untersuchen, ob die horizontale Variante des Länderfinanzausgleichs im Vergleich zu seiner vertikalen Alternative tatsächlich – wie von den Alliierten angenommen – als Stärkung der finanziellen Unabhängigkeit der Bundesländer fungiert oder ob das grundgesetzliche Modell eines horizontalen Länderfinanzausgleichs möglicherweise andere Aufgaben in Bezug auf die bundesstaatliche Ordnung des Grundgesetzes übernimmt. Die funktionale Charakterisierung des horizontalen Finanzausgleichsmechanismus als Instrument zur Stärkung der Länderunabhängigkeit vom Bund scheint zunächst in Johannes Popitz’ These von der Anziehungskraft des größten Etats319 Bestätigung zu finden. Die Anziehungskraft des größten Etats manifestiere sich dadurch, dass, im Falle unvorhergesehener Ereignisse, die starke Finanzmittel erforderlich machten, den Gliedstaaten die erforderliche Elastizität fehle, um die benötigten Mittel aufzubringen, weshalb ihnen nichts anderes übrig bliebe, als sich an den Zentralstaat zu wenden. Durch seine finanzielle Beteiligung werde der Zentralstaat zugleich stärker in das sachliche Aufgabengebiet der Länder hineingezogen, woraus in der Konsequenz eine Verwischung der bundesstaatlichen Aufgabenzuordnung resultiere.320 Trifft diese Zentralisierungsvermutung auf Grundlage finanzieller Unterstützungsleistungen zu, würde die verfassungsrechtliche Vorgabe einer primären Inanspruchnahme von Finanzzuweisungen allein von Seiten der Gliedstaaten diese vor einer zu großen finanziellen und sachlichen Einflussnahme durch den Bund bewahren. Denn Bundesländer, denen es an finanziellen Mitteln mangelt, hätten sich von Verfassungs wegen an die übrigen Bundesländer und damit gerade nicht an den Bund zu wenden. Die Popitzsche These der Anziehungskraft des größten Etats ist hingegen nicht unumstritten.321 So bemerkt etwa Korioth, dass es sich bei dieser These um nicht weniger als die prinzipielle Infragestellung des Sinnes von Bundesstaatlichkeit handle.322 Unabhängig von der Frage, ob die Zentralisierungsthese Popitz’ nun eine zutreffende finanzwissenschaftliche Beschreibung der vertikalen Finanz­ beziehungen im Bundesstaat darstellt, lässt sich feststellen, dass die durch den größten Haushalt ausgelöste Zentralisierungstendenz ausschließlich für den Fall eines unvorhergesehenen Ereignisses mit großen finanziellen Folgewirkungen be 318

Vgl. Redebeitrag Heinrich von Brentano, Zwanzigste Sitzung des Ausschusses für Finanzfragen 07.04.1949, Der Parlamentarische Rat XII, Dok. Nr. 23, S. 534 ff. (550): „Ein Bedenken, das meines Erachtens ganz sinnlos ist und das nur zu verstehen ist, wenn man die finanziellen und finanzpolitischen Verhältnisse in Deutschland nicht kennt“. 319 Popitz, Der Finanzausgleich, in: Gerloff/Meisel (Hrsg.), HFW II, S. 338 ff. (348). 320 Ebda. 321 Edling, Entwicklungstendenzen im bundesdeutschen Föderalismus, DÖV 1987, S. 579 ff. (579). 322 Korioth, Der Finanzausgleich im Bundesstaat, S. 188 f.

180

B. Die bundesstaatliche Solidargemeinschaft der Länder

schrieben wird, für welches Popitz das Beispiel einer militärisch-kriegerischen Auseinandersetzung mit anderen Staaten anführt.323 Die Anziehungskraft des größeren Etats zeigt sich folglich gerade nicht unter „normalen“ Umständen, sondern ausschließlich anlässlich finanzieller Ausnahmesituationen. Es kann daher nicht davon ausgegangen werden, dass es sich um eine allgemeingültige finanzwissenschaftliche Beschreibung zentralisierend wirkender Finanz­beziehungen zwischen Bund und Ländern handelt.324 Die horizontale Ausrichtung eines Länderfinanzausgleichsmechanismus wirkt einer Zentralisierung indes unter einem anderen Blickwinkel entgegen. So ist es weniger die Vermeidung etwaiger finanzieller Abhängigkeitsverhältnisse325 einzelner Länder vom Bund, sondern die Beziehung der Länder untereinander, welche im Verhältnis zum Bund gestärkt wird und so ein Gegengewicht zu diesem bildet. Indem die Länder im horizontalen Länderfinanzausgleich als ausgleichsverpflichtete und ausgleichberechtigte Gliedkörperschaften einander gegenüberstehen, wendet sich der Fokus finanziell bedürftiger Länder vom Bund ab und den einzelnen Bundesländern zu.326 Die erforderliche Offenlegung der Finanz­ lagen sowie politische Verhandlungen über die Höhe etwaiger Ausgleichsleistungen erfordern nicht nur die Übernahme finanzieller Verantwortung für den jeweils eigenen Haushalt, sondern bedingen durch die konfrontative Situation zugleich eine wechselseitige Anerkennung der Länder in ihrer jeweiligen Individualität wie auch ihrer Gemeinsamkeit gegenüber dem Bund und schaffen so eine entscheidende Verbindung zwischen ihnen.327 Letztlich wird hierdurch die Ländergemeinschaft gegenüber dem Bund gestärkt. Ein horizontaler Länderfinanzausgleichsmechanismus fungiert im Bundesstaat folglich als Stärkung der Länderebene und legt das Fundament für einen ländereigenen Schutz vor zu starker Einflussnahme durch die Bundesebene. Jedoch erscheint diese grundsätzliche Funktionszuschreibung im Rahmen der Verfassungsnorm des Art.  107 Abs.  2 S.  1,  2 GG aufgrund der bundesgesetzlichen Umsetzung und des damit verbundenen Einflusses des Bundes auf den hori­ zontalen Länderfinanzausgleich nicht unerheblich eingeschränkt. Schließlich be 323

Popitz, Der Finanzausgleich, in: Gerloff/Meisel (Hrsg.), HFW II, S. 338 ff. (348 f.). Wobei der Beitrag Popitz von 1927 auch in dem zeitlichen Kontext zwischen den beiden Weltkriegen verortet werden muss. 324 Zutreffend daher auch die Charakterisierung Popitz’ Aussage als Zentralisierungsprognose und nicht etwa als finanzwissenschaftliche Gesetzmäßigkeit. So etwa Korioth, Der Finanzausgleich zwischen Bund und Ländern, S. 190. 325 So etwa Pagenkopf, S. 70. Wobei fraglich ist, inwiefern zweckungebundene allgemeine Finanzzuweisungen überhaupt geeignet sind, ein Abhängigkeitsverhältnis zu konstituieren, vgl. hierzu Hensel, S. 154 f. 326 Vgl. zur Wirkung einer allgemeinen Regel resp. eines Gesetzes auf den normativen Status Menke, S. 35 f. 327 So wird etwa Konkurrenz hinsichtlich der Finanzwirtschaften als eine der wichtigsten Beziehungen zwischen Bund und Gliedstaaten beschrieben, vgl. Jacoby, S. 26. Entsprechendes gilt für die Beziehung der Gliedstaaten untereinander.

II. Funktionale Modifikation des Art. 107 Abs. 2 S. 1, 2 GG

181

tätigt sich der Bund hier nicht lediglich als Moderator oder „ehrlicher Makler“328 des Länderfinanzausgleichs, vielmehr obliegt ihm von Verfassungs wegen gerade die Aufgabe, den angemessenen Ausgleich herzustellen.329 Gemäß Art. 107 Abs. 2 S. 2 bestimmt der Bund mittels Bundesgesetz sowohl die Voraussetzungen als auch die Maßstäbe des Länderfinanzausgleichs und verfügt damit über ein deutliches Machtpotential gegenüber den Ländern.330 Die ländergemeinschaftsstärkende Funktion eines horizontalen Finanzausgleichmechanismus wird durch den Einfluss des Bundes im Rahmen des Art. 107 Abs. 2 S. 1, 2 GG deutlich geschwächt. Stellt man dem verfassungsrechtlichen Länderfinanzausgleichsmechanismus vergleichend die hypothetische Alternative eines vertikalen Finanzausgleichs gegenüber, manifestiert sich, wenn auch geschwächt, nach wie vor eine länderstärkende Wirkung des Art. 107 Abs. 2 S. 1, 2 GG. So begegnen sich die Länder auch hier in einer konfrontativen Verhandlungssituation, welche aufgrund der Zustimmungsbedürftigkeit des Bundesgesetzes durch die Landesvertreter im Bundesrat ausgetragen wird. Bei einem ausschließlich vertikalen Ausgleichs­ mechanismus wäre eine Beteiligung der Ländergesamtheit gerade entbehrlich.331 2. Implikationen einer bundesstaatlichen Solidargemeinschaft Zeigt sich Art. 107 Abs. 2 S. 1 GG unter der Maßgabe einer bundesstaatlichen Solidargemeinschaft als bundesstaatlich-solidarischer Finanzausgleich, lässt sich auch hier die ländergemeinschaftsstärkende Funktion feststellen. Dadurch, dass die Auslegungsmaxime der bundesstaatlichen Solidargemeinschaft lediglich Einfluss auf das Tatbestandsmerkmal der Angemessenheit nehmen kann, bleibt die bundesgesetzliche Umsetzung auch im Rahmen des bundesstaatlich-­solidarischen Finanzausgleichs erhalten.332 Die generelle Funktion eines horizontalen Länderfinanzausgleichs manifestiert sich  – durch den verfassungsrechtlich geforderten Einfluss des Bundes – auch hier lediglich in abgeschwächter Aus­prägung.

328 Vgl. hierzu BVerfGE 72, 330 (396); Henneke, Art. 107, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/ ders., Kommentar zum Grundgesetz13, Rn. 53. 329 BVerfGE 72, 330 (395 f.). Vgl. auch Heun, Art. 107, in: H. Dreier (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar2 III, Rn. 31; Henneke, Art. 107, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/ders., Kommentar zum Grundgesetz13, Rn. 53. 330 Vgl. Pagenkopf, S. 74. 331 Vgl. zur Wirkung einer Vertikalisierung des Länderfinanzausgleichs Korioth, Der deutsche Föderalismus, in: Durner/Peine/Shirvani (Hrsg.), Freiheit und Sicherheit in Deutschland und Europa, S. 133 ff. (144 f.). 332 Siehe A. IV.

182

B. Die bundesstaatliche Solidargemeinschaft der Länder

3. Bewertung Die vorangehenden Überlegungen haben gezeigt, dass die horizontale Ausgestaltung des Länderfinanzausgleichs dem Grunde nach eine wichtige Funktion in Rahmen der bundesstaatlichen Ordnung des Grundgesetzes übernimmt. Zwar gelingt es hierdurch nicht, den Einfluss des Bundes zu begrenzen, doch wird die Ländergemeinschaft zumindest gestärkt und vermag diesem gegenüber ein­ Gegengewicht zu bilden. So stärkt die Beziehung zwischen den Ländern zugleich deren Unabhängigkeit vom Bund.333 Im Ergebnis zeigt sich die länderstärkende Funktion sowohl in der grund­gesetz­ lichen Norm des Art. 107 Abs. 2 S. 1, 2 GG als auch in einem bundesstaatlich-­ soli­darischen Finanzausgleich. Letztlich bleibt die Maßgabe der bundesstaatlichen Solidargemeinschaft damit ohne modifizierenden Einfluss auf die Funktion des Art. 107 Abs. 2 S. 1, 2 GG innerhalb der bundesstaatlichen Ordnung des Grundgesetzes. Im Gegensatz zu den verfassungsstrukturellen Modifikationen zeigt sich unter funktionalen Gesichtspunkten gerade keine Veränderung des grundgesetzlichen Länderfinanzausgleichsmechanismus durch die bundesstaatliche Solidargemeinschaft der Länder.

III. Zwischenergebnis Die strukturelle und funktionale Untersuchung der im ersten Teil der Arbeit aufgestellten These komplettiert das Bild der bundesstaatlichen Solidargemeinschaft der Länder innerhalb der bundesstaatlichen Ordnung des Grundgesetzes. Anhand des verfassungsstrukturellen Vergleichs lässt sich zunächst die Vereinbarkeit des Gedankens einer bundesstaatlichen Solidargemeinschaft der Länder mit dem bundesstaatlichen Verfassungsgefüge des Grundgesetzes feststellen. Im Gegensatz zum grundgesetzlichen Länderfinanzausgleich nach Art.  107 Abs.  2 S. 1, 2 GG harmoniert die bundesstaatliche Solidargemeinschaft mit der bundesstaatlichen Ordnungsidee, ohne dass hierbei abweichende Spannungslagen fest­ gestellt werden konnten. Wirkt die bundesstaatliche Solidargemeinschaft indes als Auslegungsmaßstab eines angemessenen Ausgleichs nach Art. 107 Abs. 2 S. 1 GG, so unterliegt sie insbesondere der verfassungsrechtlichen Vorgabe einer bundesgesetzlichen Umsetzung des horizontalen Länderfinanzausgleichs. Hierdurch gelangen die Implikationen der finanziellen Solidaritätsnorm nicht vollständig zum Ausdruck. So zeigt 333 Die Stärkung der Gliedstaaten mittels Förderung der gegenseitigen Anerkennung und Akzeptanz erscheint gerade in einem Bundesstaat, der sich – wie die Bundesrepublik Deutschland – nicht aus historisch gewachsenen Einzelstaaten konstituiert, von kaum zu unterschätzender Bedeutung. Hierdurch gelingt es, die Länder in ihrer bundesstaatlich nicht nur garantierten, sondern zugleich erforderlichen Eigenverantwortung und Selbständigkeit zu stärken.

III. Zwischenergebnis

183

sich im bundesstaatlich-solidarischen Finanzausgleich eine Zäsur innerhalb der bundesstaatlich-demokratischen Verfassungsstruktur des Grund­gesetzes zu Lasten des Demokratieprinzips. Ursache dieses Bruches ist die verfassungsrechtlich vorgesehene Umsetzung des Länderfinanzausgleichs durch den Bundesgesetzgeber. Die bundesstaatliche Solidargemeinschaft der Länder mildert die demokratisch-bundesstaatliche Zäsur jedoch ab und vermag die sich im Rahmen des Art. 107 Abs. 2 S. 1, 2 GG zeigende Spannung zum Sozialstaatsprinzip sogar komplett zu beheben. Blickt man auf die Auswirkungen auf die strukturelle Gestalt des deutschen Bundesstaates, lässt sich positiv resümieren, dass die bundesstaatliche Solidargemeinschaft der Länder dem horizontalen Länderfinanzausgleich nach Art. 107 Abs. 2 S. 1, 2 GG nicht allein als Auslegungsmaßstab dient, sondern in Verbindung mit diesem zugleich als Korrekturelement zu Gunsten der bundesstaatlichen Ordnungsidee des Grundgesetzes wirkt. Im Gegensatz dazu kommt es unter funktionalen Gesichtspunkten zu keiner weiteren Modifizierung des horizontalen Länderfinanzausgleichs nach Art. 107 Abs. 2 S. 1, 2 GG durch die Maßgabe der bundesstaatlichen Solidargemeinschaft. In beiden Varianten zeigt sich die länderstärkende Funktion eines horizontalen Finanzausgleichsmechanismus zwischen Gliedstaaten, wobei diese Funktion  – aufgrund der bundesgesetzlichen Umsetzung des Länderfinanzausgleichs  – im Vergleich zu einem horizontalen Länderfinanzausgleich ohne maßgebliche Beteiligung der Bundesebene zugleich eingeschränkt wird.

C. Der horizontale Länderfinanzausgleich des Grundgesetzes und die bundesstaatliche Solidargemeinschaft – Gesamtergebnis Die Verfassungsnorm des Art. 107 Abs. 2 S. 1, 2 GG sieht vor, dass die unterschiedliche Finanzkraft der Länder angemessen auszugleichen ist, wobei die Voraussetzungen für die jeweiligen Ausgleichsansprüche und -verbindlichkeiten sowie die Maßstäbe für die Höhe der Ausgleichsleistungen durch Bundesgesetz zu bestimmen sind. Das Grundgesetz betraut folglich den Bundesgesetzgeber mit der Aufgabe, eine angemessene Angleichung der unterschiedlichen Finanzkraft der Länder aus Landesmitteln zu bewirken und so den horizontalen Länderfinanzausgleich umzusetzen. Erscheint diese verfassungsrechtliche Direktive zunächst relativ simpel, erweist sie sich bei näherer Betrachtung als die Gretchenfrage des grundgesetzlichen Finanzausgleichssystems.1 Über keine Stufe des bundesstaatlichen Finanzausgleichs wurde heftiger und langwieriger debattiert und die Meinungsverschiedenheiten dauern bis heute an.2 Bedenkt man die Notwendigkeit einer ausreichenden Finanzausstattung der Bundesländer auf der einen Seite – wodurch diese den ihnen obliegenden hoheitlichen Aufgaben erst gerecht werden können – sowie auf der anderen Seite die einschneidende Wirkung etwaiger Zahlungsverpflichtungen für finanzstarke Länder in Hinblick auf deren hoheitlichen Gestaltungsspielraum, können die kontinuierlichen Auseinandersetzungen um die konkrete Ausgestaltung des horizontalen Länderfinanzausgleichs letztlich kaum verwundern. Im Zentrum des Disputs um die konkrete Umsetzung des horizontalen Länder­ finanzausgleichs steht die verfassungsrechtliche Direktive, nicht einen beliebigen, sondern gerade einen angemessenen Finanzkraftausgleich herzustellen. Das Tatbestandsmerkmal der Angemessenheit fungiert damit gleichsam als Schlüssel zum horizontalen Finanzausgleichsmechanismus: Ein Ausgleich zwischen den Ländern ist erst geboten, sofern sich unangemessene Finanzkraftunterschiede zwischen den Ländern feststellen lassen, wobei der Ausgleich lediglich bis zu dem Grade zu bewirken ist, dass sich die Finanzkraftunterschiede zwischen den Ländern als angemessen charakterisieren lassen. Die Angemessenheit der Finanzkraftunterschiede bildet demnach sowohl Voraussetzung als auch Grenze des 1 Bezogen auf den Finanzausgleich insgesamt, vgl. Hettlage, Die Finanzverfassung im Rahmen der Staatsverfassung, VVDStRL 14 (1956), S. 2 ff. (6). 2 Angefangen bei den Diskussionen von Vertretern im Parlamentarischen Rat mit den alliierten Besatzungsmächten, bis hin zu den Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts aus den Jahren 1952, 1986, 1992, 1999 sowie voraussichtlich 2016.

C. Gesamtergebnis

185

Art. 107 Abs. 2 S. 1 GG. In der Konsequenz variieren je nach Auslegung des Tatbestandsmerkmals zugleich Intensität und Umfang der gebotenen Umsetzung des Länderfinanzausgleichs. Aufgrund dieser maßgeblichen Schlüsselwirkung sowie der damit unmittelbar verbundenen Konsequenzen für die finanzielle Selbständigkeit der Länder erscheint eine verfassungskonforme Auslegung des Angemessenheitskriteriums von entscheidender Bedeutung für den deutschen Bundesstaat. Einen Vorstoß zur tatbestandlichen Präzisierung eines angemessenen Ausgleichs nach Art. 107 Abs. 2 S. 1 GG hat 1986 das Bundesverfassungsgericht gewagt, indem es das Merkmal der Angemessenheit in den Kontext einer bundesstaatlichen Solidargemeinschaft der Länder gestellt und mit dieser inhaltlich verknüpft hat. So heißt es bereits im ersten Leitsatz der Entscheidung zum Länderfinanzausgleich I: „Art. 107 Abs. 2 GG korrigiert die Ergebnisse dieser primären Steuerverteilung, soweit sie auch unter Berücksichtigung der Eigenstaatlichkeit der Länder aus dem bundesstaatlichen Gedanken der Solidargemeinschaft heraus unangemessen sind.“3

In der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts fungiert die bundesstaatliche Solidargemeinschaft folglich als entscheidende Auslegungsmaxime für die Angemessenheit etwaiger Finanzkraftunterschiede zwischen den Ländern. Auch in den nachfolgenden Entscheidungen des Gerichts zum Länderfinanzausgleich bleibt es dieser Maßgabe treu4 und verstärkt damit die faktische Bindungswirkung, welche von dem Gedanken einer bundesstaatlichen Solidargemeinschaft der Länder ausgeht.5 Die Entscheidung bewirkt mangels entsprechender Kompetenz des Gerichts zwar weder eine rechtliche Positivierung, noch hat der Auslegungsmaßstab an der rechtlichen Bindungswirkung verfassungsgerichtlicher Entscheidungen teil, doch gehen aufgrund der besonderen Entscheidungstechnik sowie der Autorität des Gerichts von dieser doch faktische Bindungswirkungen aus, welche den rechtswissenschaftlichen, wie auch den rechtspolitischen Diskurs bisweilen nicht weniger beeinflussen. Das Bundesverfassungsgericht hat die Figur einer bundesstaatlichen Solidargemeinschaft durch sein Urteil zur maßstabsetzenden Zwischennorm erhoben. Verfassungsgerichtliche Maßstäbe sind nicht Bestandteil der positiven Verfassungsordnung, doch haben Sie einen nicht unerheblichen Einfluss auf Auslegung und Anwendung der positiven Verfassungsnormen. Diese faktische Bindungswirkung zeigt sich besonders deutlich daran, dass der Topos einer bundesstaatlichen Solidargemeinschaft nicht allein in der nachfolgenden verfassungsgerichtlichen Judikatur, sondern zugleich durch die rechtswissenschaftliche Literatur sowie in Legislativakten zur Umsetzung des horizontalen Länderfinanz­ ausgleichs rezipiert und angenommen wurde. Trotz fehlender positivrechtlicher Geltungskraft ist die bundesstaatliche Solidargemeinschaft der Länder damit gleichwohl von verfassungsdogmatischer Relevanz.6 3

BVerfGE 72, 330 (330). Hervorhebung d. Verf. Siehe A. II. 3. a) bb). 5 Siehe A. II. 2. c). 6 Siehe A. II. 2. c). 4

186

C. Gesamtergebnis

Soll der Gedanke einer bundesstaatlichen Solidargemeinschaft der Länder als Auslegungsmaßstab des angemessenen Ausgleichs nach Art. 107 Abs. 2 S. 1 GG dem Bundesgesetzgeber wirksame verfassungsrechtliche Direktiven an die Hand geben, ist eine inhaltliche Konkretisierung des – für sich genommen äußerst abstrakten – Begriffs essentiell. An diesem Punkt setzt die inhaltliche Kritik der vorliegenden Arbeit an der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts an: Es hat mit der bundesstaatlichen Solidargemeinschaft eine maßstabsetzende Zwischennorm ins Leben gerufen, ohne diese hinreichend zu präzisieren oder die dazugehörige hintergründige Konzeption offenzulegen.7 Aufgrund der Abstraktionshöhe des Gedankens führt dies in der Konsequenz dazu, dass der unbestimmte Rechtsbegriff der Angemessenheit i. S. d. Art. 107 Abs. 2 S. 1 GG durch einen weiteren unbestimmten Begriff – den der bundesstaatlichen Solidargemeinschaft – schlicht substituiert wird. Die Direktivkraft des Art. 107 Abs. 2 S. 1 GG wird hierdurch nicht nur erheblich geschmälert, sondern auch die Gefahr begründet, dass sich aufgrund der inhaltlichen Offenheit der Norm aus dieser jedwedes Ausgleichsresultat im­ Hinblick auf den horizontalen Länderfinanzausgleich ableiten ließe. Die aufgezeigte inhaltliche Kritik führt ferner zu dem Verdacht einer Über­ schreitung funktionsbezogener Schranken durch das Gericht:8 Hat das Bundesverfassungsgericht möglicherweise auf eine nicht-positivierte Norm zurückgegriffen oder etwa im Rahmen seiner Entscheidungsfindung auf eine verfassungstheoretische Methodik zurückgegriffen? Das Bundesverfassungsgericht als Teil  der Judikative ist im Rahmen seiner Rechtsprechungstätigkeit inhaltlich an das positive Verfassungsrecht gebunden.9 Aufgrund seiner spezifischen Funktionsbeschreibung als Gericht ist es ihm zudem methodisch nicht gestattet, das geltende Verfassungsrecht aus einer Beobachterperspektive metarechtlich – in seiner Potentialität – zu reflektieren. Ihm obliegt es vielmehr, das geltende Verfassungsrecht als Teilnehmer des Rechtserzeugungsprozesses zu konkretisieren.10 Die sich zunächst aufdrängenden Zweifel finden bei näherer Betrachtung indes keine eindeutige Bestätigung. So besteht zum einen die Möglichkeit, dass es sich bei der Figur der bundesstaatlichen Solidargemeinschaft um eine ungeschriebene Verfassungsnorm handeln könnte, welche gleichwohl Bestandteil der positiven Rechtsordnung des Grundgesetzes wäre, zum anderen operiert das Gericht in der konkreten Verwendungsweise der Figur letztlich im modus eines normativen Realis und nicht in dem eines normativen Potentialis, durch welche sich eine verfassungstheoretische Verwendungsweise auszeichnen würde. Es formuliert eine Auslegungsregel, keine Auslegungshypothese. Soll der abstrakte Gedanke einer bundesstaatlichen Solidargemeinschaft der Länder verfassungsrechtliche Direktiven im Hinblick auf die Anwendung des 7

Siehe A. II. 3. a) cc). Siehe A. II. 3. b). 9 Siehe A. II. 3. b) aa). 10 Siehe A. II. 3. b) bb). 8

C. Gesamtergebnis

187

Länderfinanzausgleichs formulieren, ist eine nähere inhaltliche Konkretisierung dieser Auslegungsmaxime unerlässlich. Diese Notwendigkeit, den Gedanken einer bundesstaatlichen Solidargemeinschaft der Länder rechtswissenschaftlich zu erfassen, sieht sich indes einigen nicht unerheblichen Schwierigkeiten gegenüber. Aus Wortlaut und Systematik des Art. 107 Abs. 2 GG lässt sich entnehmen, dass es sich um eine Verbundenheit zwischen den Ländern handelt, welche finanzielle Leistungspflichten zum Zweck eines angemessenen Finanzkraftausgleichs impliziert. Damit stehen die Akteure und das Mittel zwar fest, Anlass und Umfang der Solidarpflicht bleiben jedoch weiter unbestimmt. Auch ein vergleichender Blick auf verschiedene Bundesstaatstheorien erweisen sich als unergiebig.11 Insbesondere die älteren Bundesstaatstheorien des 18. und 19. Jahrhunderts konzentrieren sich primär auf eine formale Zuordnung resp. Aufteilung der Staatsgewalt zwischen Zentralstaat und Gliedstaaten. Die jüngeren Bundesstaatstheorien nehmen zwar auch die inhaltlichen Beziehungen zwischen den verschiedenen bundesstaatlichen Ebenen in den Fokus, doch liegt auch ihnen die Vorstellung eines ausschließlich auf gliedstaatlicher Ebene wirkenden und damit horizontalen Ausgleichsmechanismus nicht zugrunde. Bedenkt man, dass sich die verschiedenen Bundesstaatstheorien stets auf konkrete bundesstaatliche Ordnungen beziehen und diesen nicht als Leitbild ihrer Konstituierung dienen, sondern sie die aus historisch-gesellschaftlichen sowie geographischen Spezifika entstandenen Bundesstaaten lediglich nachträglich metarechtlich reflektieren und theoretisch begründen, überrascht die Unergiebigkeit der untersuchten Theorien, mit Ausnahme der auf die Bundesrepublik Deutschland bezogenen Theorie eines unitarischen Bundesstaates, letztlich kaum. Denn die Idee einer bundesstaatlichen Solidargemeinschaft zeigt sich gerade in der Verfassungsnorm des Art. 107 Abs. 2 S. 1, 2 GG, welche im historischen und internationalen Vergleich ohne Pendant ist.12 Fehlt eine vergleichbare verfassungsrechtliche Normierung, bedarf es folglich auch nicht einer umfassenden bundesstaatstheoretischen Reflektion eines horizontalen Finanzausgleichmechanismus im Bundesstaat. Für eine inhaltliche Bestimmung der Figur bietet sich eine terminologische Betrachtung an. So wird die Figur maßgeblich durch die Termini Solidarität und Bundesstaat geprägt. Den Problemschwerpunkt einer Konkretisierung des Gedankens der bundesstaatlichen Solidargemeinschaft bildet der Begriff der Solidarität in seiner kaum zu überblickenden Bedeutungsvarianz. Sowohl in der politischen und medialen Verwendung des Begriffs als auch zwischen den verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen zeigt sich ein äußerst breites Bedeutungsspektrum.13 Das Ausmaß dieser Varianz macht es kaum möglich, eine disziplinübergreifende Definition des Solidaritätskonzeptes zu finden, weshalb der Fokus z­ unächst auf einen möglichen rechtswissenschaftlichen Bedeutungskern zu richten ist.

11

Siehe A. III. 1. g). Siehe A. I. 13 Siehe A. III. 2. a). 12

188

C. Gesamtergebnis

Rechtswissenschaftliche Bemühungen zur inhaltlichen Bestimmung einer verfassungsrechtlichen Solidaritätsnorm lassen sich insbesondere bei Depenheuer und Volkmann finden.14 Unter rechtspositivistischer Perspektive erweisen sich beide Untersuchungen jedoch sowohl auf erkenntnistheoretischer wie auch auf inhaltlicher Ebene als nicht haltbar. Dem Ansatz Depenheuers, Solidarität zum entscheidenden vorrechtlichen Legitimationsmotiv der grundgesetzlichen Verfassung zu erheben, kann aus disziplinären Gründen nicht gefolgt werden. Mangels rechtswissenschaftlicher Erkenntnismöglichkeit von etwaigen vorrechtlichen Normen sind diese einer rechtswissenschaftlichen Untersuchung bereits gegenständlich nicht zugänglich. Volkmann zufolge handelt es sich bei Solidarität dagegen um ein moralisches Prinzip, welches auf die Verfassungsordnung einwirkt und diese in ihrem Geltungsanspruch stützt. Problembehaftet ist hier insbesondere die fehlende Differenzierung zwischen Recht und Moral als zwei strukturell verschiedenen Normkreise. Recht und Moral stehen zwar nicht unverbunden nebeneinander, doch erfährt das positive Verfassungsrecht seine Legitimation ausschließlich im Wege demokratischer Entscheidungsverfahren – nicht durch absolute Moralvorstellungen. Neben den aufgezeigten erkenntnistheoretischen Differenzen führen die untersuchten Ansätze aber auch inhaltlich nicht zu einer Präzisierung eines verfassungsrechtlichen Solidaritätsbegriffs. Beide Ansätze greifen letztlich auf metaphysische Vorstellungen wie etwa homogene Gemeinschafts- oder materielle Gerechtigkeitserwägungen zurück und führen damit zu demselben Ergebnis: Einer Flucht in die Metaphysik.15 Die besondere Problematik dieses Befundes verbirgt sich in dem unerfüllbaren Absolutheitsanspruch metaphysischer Werte und der damit verbundenen Gefahr, dass hierdurch subjektive Werte objektiviert und mit einem fiktiven Wahrheitsanspruch verbunden werden. In der Konsequenz führt dies zu einer Unterdrückung divergierender Ansichten. Die Verbannung der Metaphysik aus der Rechtswissenschaft darf indes nicht als bloßer Formalismus abgetan werden, sondern dient gerade dem Schutz der – auf epistemischem Relativismus beruhenden – demokratischen Herrschaftsordnung. Denn metaphysische Werte sind weder mit menschlicher Vernunft noch mit wissenschaftlicher Methodik absolut erkennbar. Begründen sie indes absolute Wahrheitsansprüche – bzw. suggerieren diese –, sind sie mit einer demokratischen, auf Pluralismus und Meinungsvielfalt aufbauenden Rechtsordnung schlicht unvereinbar. Als Produktiv erweist sich dagegen die Etymologie des Begriffs der Solidarität. Der Ursprung des heute äußerst vieldeutigen Solidaritätsbegriffs liegt im Römischen Recht  – bei der obligatio in solidum. Hierbei handelte es sich um ein schuldrechtliches Lösungskonstrukt zum Umgang mit Schuldner- bzw. Gläubiger­ mehrheiten.16 Zwar bestehen hinsichtlich der Rekonstruktion der obligatio in solidum nicht unerhebliche wissenschaftliche Unklarheiten, doch lassen sich bereits aus der Ausgangssituation eines konkreten Schuldverhältnisses wichtige Anhalts 14

Siehe A. III. 2. c). Siehe A. III. 2. d) cc). 16 Siehe A. III. 2. e). 15

C. Gesamtergebnis

189

punkte für die Bestimmung einer rechtlichen Solidaritätsnorm folgern. Durch den schuldrechtlichen Kontext wird deutlich, dass es sich bei der Solidaritätsnorm nicht um einen allgemeinen Unterstützungsmechanismus handelt, sondern dass Solidarleistungen auf die Erfüllung einer konkreten Schuld gerichtet sind. Die Grenze von solidarischen Leistungen liegt damit zugleich in der Erfüllung eben dieser Leistungsverpflichtung. Insgesamt zeigt sich die rechtliche Solidaritätsnorm damit nicht als allgemeiner Umverteilungsmechanismus, romantisch anmutende Loyalitätspflicht oder altruistische Hilfsleistung, sondern als rationale Leistungsverpflichtung im Hinblick auf eine konkrete Schuld.17 Nach dieser Konstruktion stellt sich Solidarität als eine Norm mit Zwangscharakter dar, welche die Betroffenen in einer konkreten Pflichtenbeziehung miteinander verbindet und ausschließlich auf die Erfüllung einer bestimmten Leistungsverpflichtung gerichtet ist. Die bundesstaatliche Solidargemeinschaft der Länder wird jedoch nicht allein durch die spezifische Solidaritätsnorm, sondern zugleich durch das bundesstaatliche Prinzip des Grundgesetzes geprägt.18 Der Einfluss des Bundesstaatsprinzips zeigt sich insbesondere durch eine Betonung der Eigenständigkeit und Eigenverantwortung der Länder im Verhältnis zueinander. Hieraus resultiert für die bundesstaatliche Solidargemeinschaft das Primat der Eigenleistung vor Fremdleistung. Die Länder tragen die primäre Verantwortung für die von ihnen getroffenen hoheitlichen Finanzentscheidungen und dürfen daher nur subsidiär auf Unterstützungsleistungen der anderen Bundesländer zurückgreifen. Die horizontale Eingrenzung der Solidargemeinschaft auf die Ländergemeinschaft setzt des Weiteren ein Verhältnis der Gleichrangigkeit zwischen den Beteiligten voraus, wodurch ein gemeinsames Zusammenwirken aller Länder konstitutiv wird. Zugleich fungiert die Verbindung mit der bundesstaatlichen Ordnungsidee als immanente Grenze einer finanziellen Solidaritätspflicht. Die Unterstützungsverpflichtung zwischen den Bundesländern darf nicht dazu führen, dass die leistenden Bundesländer hierdurch in ihrer eigenen Selbstständigkeit entscheidend geschwächt werden. Aufgrund der Immanenz dieser Grenze lässt sich eine Überschreitung folglich nicht rechtfertigen, ohne dass zugleich der Wesenskern der bundesstaatlichen Solidarmaßnahme tangiert werden würde. Für die Ausgestaltung des horizontalen Länderfinanzausgleichs ist es damit von entscheidender Bedeutung, ob eine Solidargemeinschaft der Länder unter bundesstaatlichem oder etwa sozialstaatlichem Vorzeichen steht. In der Gesamtbetrachtung zeigt sich die bundesstaatliche Solidargemeinschaft der Länder entsprechend der hier vorgeschlagenen Konkretisierung als anlassbezogene Leistungsverpflichtung der Länder, deren Bezugspunkt und Auslöser im Bestehen einer konkreten Schuld liegt, welche das betroffene Bundesland alleine nicht in der Lage ist, mit den eigenen zur Verfügung stehenden Mitteln zu­ 17 18

Siehe A. III. 2. e). Siehe A. III. 3.

190

C. Gesamtergebnis

begleichen.19 Zugleich kann ein Land nicht mehr fordern als zur Begleichung seiner Schulden zwingend erforderlich. Immanente Grenze der bundesstaatlichen Solidaritätsnorm ist eine entscheidende Schwächung der verfassungsrechtlich garantierten Selbständigkeit der leistenden Bundesländer. Die so verstandene bundesstaatliche Solidargemeinschaft der Länder bewirkt in der Konsequenz, dass die formale bundesstaatliche Kompetenz- und Zuständigkeitsordnung durch eine materielle Pflichtenbeziehung zwischen den Bundesländern ergänzt wird, welche diese horizontal miteinander verbindet. Im Anschluss an diese inhaltliche Präzisierung der bundesstaatlichen Solidaritätsnorm zwischen den Ländern stellt sich freilich die Frage nach deren Auswirkungen auf Auslegung und Anwendung der positiven Verfassungsnorm des horizontalen Länderfinanzausgleichs. Verknüpft man die Verfassungsnorm des Art.  107 Abs.  2 S.  1 GG mit der theoretisch so konstruierten Figur einer bundesstaatlichen Solidargemeinschaft, ergibt sich, dass etwaige Finanzkraftunterschiede zwischen den Ländern angemessen sind, sofern auch finanzschwache Länder noch in der Lage sind, ihre konkreten Leistungsverpflichtungen auf Grundlage ihrer jeweiligen Finanzkraft zu begleichen.20 Indes würde eine Einbeziehung aller Schulden zu einem Verlust der haushaltspolitischen Verantwortung der Länder führen, sodass eine Begrenzung auf bestimmte Leistungsverpflichtungen erforderlich ist. Auch hier zeigt sich erneut der Einfluss des bundesstaatlichen Prinzips des Grundgesetzes. Ausgehend vom maßgeblichen Bezugspunkt der demokratisch legitimierten Länder im deutschen Bundesstaat – den Landesbürgern – können im horizontalen Länderfinanzausgleich nur solche Leistungsverpflichtungen Berücksichtigung finden, welche primär und unmittelbar gegenüber den jeweiligen Landesbürgern bestehen. Andere Schulden müssen an dieser Stelle unberücksichtigt bleiben. Die Landesbürger werden zur entscheidenden­ Bezugsgröße des Länderfinanzausgleichs. Lässt sich feststellen, dass die Finanzkraft eines Landes ausreicht, um die unmittelbaren Leistungspflichten gegenüber seinen Landesbürgern zu begleichen, so ist es diesem Land verwehrt, Unterstützungszahlungen auf Grundlage des horizontalen Länderfinanzausgleichs zu beziehen. Im Falle eines bestehenden Anspruchs auf finanzielle Solidaritätsleistungen sind die Länder nur insofern zur Zahlung verpflichtet, als hierdurch ihre eigene gliedstaatliche Selbständigkeit nicht unterminiert wird. Dem horizontalen Länderfinanzausgleich unter Maßgabe der so konkretisierten bundesstaatlichen Solidargemeinschaft liegt damit kein Automatismus zugrunde, nach welchem eine nahezu vollständige und automatisierte Angleichung der Länderfinanzkraftunterschiede stattzufinden habe.21

19

Siehe A. III. 3. c). Siehe A. IV. 21 So hingegen die derzeitige Umsetzung des Art. 107 Abs. 2 S. 1, 2 GG durch § 5 FAG. Kritisch hierzu u. a. Haltern, Die künftige Ausgestaltung der bundesstaatlichen Finanzordnung, VVDStRL 73 (2014), S. 103 ff. (106 ff.). 20

C. Gesamtergebnis

191

Durch diese theoretische Konstruktion wird das Bild einer bundesstaatlichen Solidargemeinschaft entscheidend komplettiert: Anlass für die gemeinschaftliche, finanzielle Leistungsverpflichtung ist die Existenz einer konkreten Schuld, welche von dem ausgleichsberechtigten Land alleine nicht beglichen werden kann. Dabei leisten die ausgleichsverpflichteten Länder im Umfang nicht mehr, als für die Begleichung der Schuld jeweils zwingend erforderlich ist und nur soweit ihre eigene staatliche Selbständigkeit nicht unterminiert wird. Die bundesstaatliche Solidargemeinschaft der Länder wirkt sich damit in erheblichem Ausmaß auf die Verfassungsnorm des Art. 107 Abs. 2 S. 1, 2 GG aus. Zwar bleibt für die Bestimmung eines angemessenen Finanzkraftunterschiedes zwischen den Ländern nach wie vor ein nicht unerheblicher Spielraum des Gesetzgebers, doch werden sowohl Anlass als auch Umfang des Länderfinanzausgleichs durch die bundesstaatliche Solidaritätspflicht determiniert. Keinen Einfluss nimmt die bundesstaatliche Solidargemeinschaft indes auf die übrige Gestaltung des Art. 107 Abs. 2 GG. Denn als Auslegungsmaßstab des Tatbestandsmerkmals der Angemessenheit wirkt dieser freilich nicht auf die gesamte Verfassungsnorm des Art. 107 Abs. 2 GG. Insbesondere die verfassungsrechtliche Vorgabe einer bundesgesetzlichen Umsetzung des Länderfinanzausgleichsmechanismus bleibt von möglichen Implikationen unberührt.22 So wie die bundesstaatliche Solidargemeinschaft der Länder die Verfassungsnorm des Art. 107 Abs. 2 S. 1, 2 GG modelliert und aus ihr einen bundesstaatlich-solidarischen Finanzausgleich zwischen den Ländern formt, wirkt diese zugleich auf die bundesstaatliche Ordnung des Grundgesetzes im Ganzen. Nicht nur begrenzt die finanzielle Solidaritätsnorm Anlass und Umfang des horizontalen Länderfinanzausgleichs, das bundesstaatliche Verfassungsgefüge erfährt zugleich eine wesentliche Korrektur.23 Blickt man auf die bundesstaatliche Verfassungsstruktur des Grundgesetzes, zeigt sich die Verfassungsnorm des Art. 107 Abs. 2 S. 1, 2 GG hierin gleichsam als corpus alienum. Der horizontale Länderfinanzausgleich des Grundgesetzes weicht insbesondere vom generellen Verhältnis zwischen Bundesstaatsprinzip und den Verfassungsprinzipien der Demokratie sowie des Sozialstaates ab. Entgegen der harmonischen bundesstaatlich-demokratischen Grundstruktur der Finanzverfassung manifestiert sich in der Verfassungsnorm des Art. 107 Abs. 2 S. 1, 2 GG eine deutliche Zäsur zu Lasten des Demokratieprinzips.24 Das auch für die Länder verbindliche demokratische Budgetrecht des Parlaments verlangt als formalisierte Ausprägung des grundgesetzlichen Demokratieprinzips, dass alle Einnahmen und Ausgaben eines demokratischen Staates durch das jeweilige Parlament in Form eines Haushaltsgesetzes beschlossen werden müssen. Die bundesgesetzliche Umsetzung des Länderfinanzausgleichs bewirkt jedoch gerade, dass der Bun 22

Siehe A. IV. Siehe B. I. 6. 24 Siehe B. I. 1. c). 23

192

C. Gesamtergebnis

desgesetzgeber über haushaltswirksame Ausgaben der Länder entscheidet. Denn der Länderfinanzausgleich berührt nicht nur die Einnahmenseite der ausgleichs­ berechtigten Länder, sondern ebenso die Ausgabenseite der ausgleichsverpflichteten Länder. Aufgrund der haushaltstechnischen Veranschlagung der Ausgleichszahlungen im Haushaltsgesetz und dessen Verabschiedung durch die betroffenen Landesparlamente bleibt das demokratische Budgetrecht der Länder zwar formal gewahrt, läuft aber wegen fehlender Einfluss- und Kontrollmöglichkeit der betroffenen Landesparlamente faktisch ins Leere. Den Landesparlamenten bleibt letztlich ein bloßer Nachvollzug. Auch die Einflussnahme der Landesvertreter im Bundesrat bei der Gesetzgebung des zustimmungsbedürftigen Umsetzungsgesetzes kann die fehlende Einwirkungsmöglichkeit der Landesparlamente letztlich nicht kompensieren. Konsequenz ist insofern eine Entkoppelung der demokratischen­ Finanzierungsverantwortung im Bundesstaat: Die betroffenen Landesbürger können auf den Bundestag als Entscheidungsträger nicht unmittelbar demokratisch einwirken, während sich dieser weder den Landesbürgern noch den nicht unmittelbar betroffenen Bundesbürgern gegenüber demokratisch verantworten muss. Der Bundestag agiert damit im verantwortungsfreien Raum. Somit führt die einfachgesetzliche Ausgestaltung des horizontalen Länderfinanzausgleichs durch den Bundesgesetzgeber insofern zu einer Schwächung der demokratischen Verantwortungs-zusammenhänge im deutschen Bundesstaat. Eine strukturelle Abweichung ergibt sich nicht allein im Hinblick auf das bundesstaatlich-demokratische Verfassungsgefüge. Auch das Verhältnis des bundesstaatlichen Prinzips zum Verfassungsprinzip des Sozialstaates erfährt in der Verfassungsnorm des Art.  107 Abs.  2 S.  1,  2 GG eine Beeinträchtigung.25 Das prinzipiell harmonische Verhältnis zwischen den beiden Verfassungsprinzipien verkehrt sich zwar nicht komplett in sein Gegenteil, doch kommt es zu einer Beschränkung des bundesstaatlichen Elements föderaler Vielfalt und Eigenständigkeit. So ist die Zielsetzung des horizontalen Länderfinanzausgleichs  – eine Angleichung der Finanzkraftunterschiede zwischen den Ländern – zugleich Ausdruck des sozialstaatlichen Verfassungsprinzips. Der starke Einfluss des Sozialstaatsprinzips auf Art. 107 Abs. 2 S. 1, 2 GG bewirkt damit eine Verstärkung des unitarischen Elements des Bundesstaates, wodurch das föderale Element in der bundesstaatlichen Balance letztlich an Gewicht verliert. Feststellen lässt sich folglich nicht lediglich eine Abweichung vom demokratisch-­ bundesstaatlichen Gefüge, sondern zugleich von der Grundstruktur des sozialen Bundesstaates des Grundgesetzes. Damit widerspricht die Verfassungsnorm des Art. 107 Abs. 2 S. 1, 2 GG in Teilen der Grundstruktur der bundesstaatlichen Ordnungsidee des Grundgesetzes. Dagegen lässt sich die theoretische Konstruktion einer bundesstaatlichen Solidargemeinschaft der Länder – abstrakt betrachtet – harmonisch in die bundes 25

Siehe B. I. 2. b).

C. Gesamtergebnis

193

staatliche Ordnungsidee integrieren.26 Der Einfluss der bundesstaatlichen Solidar­ gemeinschaft auf die Verfassungsnorm des Art. 107 Abs. 2 S. 1 GG reicht indes nicht so weit, die Zäsuren des horizontalen Länderfinanzausgleichs im bundesstaatlichen Verfassungsgefüge insgesamt aufzuheben, denn mangels Einfluss auf den übrigen Regelungsgehalt des Art. 107 Abs. 2 GG erfolgt die Umsetzung weiterhin durch Bundesgesetz. Die Zäsur wird jedoch abgemildert, indem sowohl Anlass als auch Umfang der finanziellen Solidarleistungen eine deutliche Begrenzung erfahren und der Länderfinanzausgleich zum Instrument ultima ratio wird.27 Der Grund für die verbleibende Abweichung liegt damit allein in der verfassungsrechtlichen Vorgabe einer bundesgesetzlichen Umsetzung des horizontalen Länderfinanzausgleichs, auf den der Auslegungsmaßstab einer bundesstaatlichen Solidargemeinschaft der Länder keinen Einfluss hat. Letztlich ist es die verfassungsrechtliche Vorgabe einer bundesgesetzlichen Bestimmung der Voraussetzungen sowie der Höhe der Ausgleichsleistungen, welche zu einem beständigen Bruch innerhalb des bundesstaatlich-demokratischen Verfassungsgefüges führt. Dieser Bruch ließe sich jedoch ausschließlich im Wege einer Verfassungsänderung unter den Voraussetzungen des Art. 79 Abs. 1, 2 GG beheben.28 Im Ergebnis bewirkt die Auslegungsmaxime einer bundesstaatlichen Solidargemeinschaft der Länder, wie sie hier entworfen wurde, jedenfalls eine deutliche Korrektur des horizontalen Länderfinanzausgleichs nach Art. 107 Abs. 2 S. 1 GG hin zum strukturellen Gesamtgefüge der bundesstaatlichen Ordnungsidee, wodurch die konkrete bundesstaatliche Ordnung des Grundgesetzes zugleich eine Stabilisierung erfährt.29 Trotz dieser strukturellen Modifikation durch die Korrekturwirkung einer bundesstaatlichen Solidaritätsnorm bleibt die Wirkungsweise eines horizontalen Länderfinanzausgleichs innerhalb des grundgesetzlichen Bundesstaates unverändert.30 Auch im Falle eines bundesstaatlich-solidarischen Finanzausgleichs bleibt es bei einer Stärkung der Ländergemeinschaft gegenüber dem Bund. Damit kommt es aufgrund des Auslegungsmaßstabes einer bundesstaatlichen Solidargemeinschaft der Länder lediglich zu einer strukturellen, nicht hingegen zu einer funktionalen Modifizierung der bundesstaatlichen Ordnung des Grundgesetzes.

26

Siehe B. I. 1. c) sowie B. I. 2. c). Siehe B. I. 1. d) sowie B. I. 2. d). 28 Aktuelle Reformvorschläge bei Kempny/Reimer, Neuordnung der Finanzbeziehungen, DJT 70 (2014). Vgl. auch Reimer, Die künftige Ausgestaltung der bundesstaatlichen Finanzordnung, VVDStRL 73 (2014), S. 153 ff. (177 f.). Zu den aktuellen Problemen der bundesstaatlichen Finanzordnung vgl. Haltern, Die künftige Ausgestaltung der bundesstaatlichen Finanzordnung, VVDStRL 73 (2014), S. 103 ff. (104 ff.). 29 Siehe B. I. 6. 30 Siehe B. II. 3. 27

194

C. Gesamtergebnis

Die vorliegende Arbeit zeichnet ein umfassendes verfassungstheoretisches Bild des Auslegungsmaßstabes einer bundesstaatlichen Solidargemeinschaft der Länder und seiner potentiellen Auswirkungen sowohl auf den horizontalen Länderfinanzausgleich nach Art.  107 Abs.  2 S.  1,  2 GG als auch auf die bundesstaatliche Ordnung im Ganzen. Bezogen auf die Verfassungsnorm des Art. 107 Abs. 2 S.  1,  2 GG bewirkt die finanzielle Solidaritätsnorm zwischen den Ländern zunächst eine Präzisierung der verfassungsrechtlichen Direktiven an den Finanzausgleichsgesetzgeber zur Herstellung eines angemessenen Finanzkraftunterschiedes. Anlass und Umfang etwaiger Ausgleichsverpflichtungen zwischen den Ländern erhalten eine entscheidende Begrenzung, wodurch der horizontale Länderfinanzausgleich zum Instrument ultima ratio wird. Doch wirkt die bundesstaatliche Solidargemeinschaft nicht nur auf die Verfassungsnorm des Art. 107 Abs. 2 S. 1 GG, sondern in Verbindung mit dieser zugleich auf die bundesstaatliche Ordnung des Grundgesetzes im Ganzen. Hier ergänzt sie nicht nur die formale Kompetenz- und Verfahrensordnung des grundgesetzlichen Bundesstaates durch ein materielles Element, sie wirkt zugleich korrigierend auf die bundesstaatliche Ordnung des Grundgesetzes im Ganzen.

D. Ausblick Im Anschluss an das Ergebnis der vorliegenden Arbeit ergeben sich freilich weitere bundesstaatlich bedeutsame Fragestellungen. Es ließe sich etwa untersuchen, ob die Figur einer bundesstaatlichen Solidargemeinschaft der Länder ein konstitutives Merkmal deutscher Bundesstaatlichkeit bildet und dieses folglich den demokratischen und sozialen Bundesstaat des Grundgesetzes nicht nur entscheidend prägt, sondern zugleich ein unabdingbares Element seines spezifischen Verfassungsgefüges konstituiert. Interessant erschiene in diesem Zusammenhang insbesondere ein Vergleich des deutschen bundesstaatlichen Solidaritätsmodells mit den finanziellen Hilfsmechanismen zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union und deren Auswirkungen im Hinblick auf eine mögliche Bundesstaatswerdung. So könnten etwa die EU-Kohäsionspolitik, der Europäische Finanzstabilitätsmechanismus EFSM1 oder auch der direkte Ankauf von Staatsanleihen hilfsbedürftiger Mitgliedstaaten durch die Europäische Zentralbank EZB Anknüpfungspunkte für ein euro­ päisches Modell finanzieller Solidarität darstellen. Dabei wäre freilich zunächst zu untersuchen, ob und inwiefern die Instrumente und Maßnahmen der Euro­ päischen Union tatsächlich vergleichbar sind mit dem deutschen Modell finanzieller Solidarität zwischen den Bundesstaaten. Ein besonderes Interesse würde in diesem Zusammenhang auf die Bedeutung des Art. 125 Satz 2 AEUV fallen, nach welchem Mitgliedstaaten der Europäischen Union nicht für Verbindlichkeiten anderer Mitgliedstaaten einzustehen haben. Hieraus ließe sich schlussfolgern, ob die Mitgliedstaaten der Europäischen Union möglicherweise bereits eine finanzielle Solidargemeinschaft bilden und inwiefern sich eine europäische Solidargemeinschaft von dem bundesstaatlich-solidarischen Länderfinanzausgleich des Grundgesetzes unterscheidet. Die Überlegungen würden im Besonderen zeigen, ob möglicherweise die Konstituierung einer bundesstaatlichen Solidargemeinschaft ein entscheidender Schritt hin zu einem europäischen Bundesstaat nach deutschem Vorbild sein könnte.

1 Europäischer Finanzstabilisierungsmechanismus, VO [EU] Nr. 407/2010 vom 11. Mai 2010, Abl. 2010 L118, S. 1 ff.

Literaturverzeichnis Achterberg, Norbert: Antinomien verfassungsgestaltender Grundentscheidungen, in: Der Staat 8 (1969), S. 159 ff. Alexy, Robert: Theorie der Grundrechte, 2. Aufl., Frankfurt am Main 1994. Anderheiden, Michael/Bürkli, Peter/Heinig, Hans Michael/Seelmann, Kurt (Hrsg.): Paternalismus und Recht, Tübingen 2006. Anschütz, Gerhard: Der deutsche Föderalismus in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer 1 (1925), S. 11 ff. Appel, Ivo/Hermes, Georg/Schönberger, Christoph (Hrsg.): Öffentliches Recht im offenen Staat. Festschrift für Rainer Wahl zum 70. Geburtstag, Berlin 2011. Arendt, Hannah: Zwischen Vergangenheit und Zukunft, 2. Auflage, München 2000. Arendt, Hannah: Macht und Gewalt, 23. Auflage, München 2013. Arendt, Hannah: Über die Revolution, 3. Auflage, München 2013. Arendt, Hannah: Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft, 15. Auflage, München 2013. Arendt, Hannah: Was ist Autorität?, in: Der Monat 89 (1956), S. 29 ff. Arnauld, Andreas von: Gewaltenteilung jenseits der Gewaltentrennung. Das gewaltenteilige System in der Verfassungsordnung der Bundesrepublik Deutschland, in: Zeitschrift für Parlamentsfragen 32 (2001), S. 678 ff. Arndt, Adolf: Gesetzesrecht und Richterrecht, in: Neue Juristische Wochenschrift 1983, S. 1273 ff. Arndt, Hans-Wolfgang: Finanzausgleich und Verfassungsrecht, Mannheim 1997. Aulehner, Josef (Hrsg.): Föderalismus – Auflösung oder Zukunft der Staatlichkeit?, München 1997. Axer, Peter: Soziale Gleichheit – Voraussetzung oder Aufgabe der Verfassung?, in: Veröffent­ lichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer 68 (2009), S. 177 ff. (zit.: Axer, Soziale Gleichheit, VVDStRL 69 (2009), S. 177 ff.). Badura, Peter: Der Sozialstaat, in: Die Öffentliche Verwaltung 1989, S. 491 ff. Badura, Peter/Dreier, Horst (Hrsg.): Festschrift 50 Jahre Bundesverfassungsgericht, 2 Bände, Tübingen 2001. Baer, Susanne: Vermutungen zu Kernbereichen der Regierung und Befugnissen des Parlaments, in: Der Staat 40 (2001), S. 525 ff. Balzer, Ralph: Republikprinzip und Berufsbeamtentum, Berlin 2009. Bauer, Hartmut: Die Bundestreue. Zugleich ein Beitrag zur Dogmatik des Bundesstaatsrechts und zur Rechtsverhältnislehre, Tübingen 1992.

Literaturverzeichnis

197

Baus, Ralf Thomas/Margedant, Udo (Hrsg.): Sozialer Bundesstaat – ein Spannungsfeld. Tagungsband zum Workshop Sozialer Bundesstaat – ein Spannungsfeld. Sozialpolitik in föderalen Staaten, 23. März bis 26. März 2006, Cadenabbia, Sankt Augustin 2006. Bauschke, Erhard: Bundesstaatsprinzip und Bundesverfassungsgericht, Dissertation, Berlin 1970. Bayertz, Kurt (Hrsg.): Solidarität. Begriff und Problem, Frankfurt am Main 1998. Bayertz, Kurt: Begriff und Problem der Solidarität, in: ders. (Hrsg.), Solidarität, S. 11 ff. Bayertz, Kurt: Vorwort, in: ders. (Hrsg.), Solidarität, S. 9 f. Bayertz, Kurt: Die Solidarität und die Schwierigkeit ihrer Begründung, in: Rechtsphilosophische Hefte, Band 4 – Solidarität, S. 9 ff. (zit.: Bayertz, Die Solidarität und die Schwierigkeit ihrer Begründung, in: Rechtsphilosophische Hefte IV, S. 9 ff.). Benda, Ernst (Mitverf.): Probleme des Föderalismus. Deutsch-Jugoslawisches Symposium, veranstaltet vom Verband für politische Wissenschaften der SR Serbien und dem Institut für politische Studien Belgrad in Zusammenarbeit mit dem Kultur- und Informationszentrum der Bundesrepublik Deutschland in Belgrad vom 19. bis 21. März 1984, Tübingen 1985. Benhabib, Seyla: Democracy, Demography, and Sovereignty, in: Law & Ethics of Human Rights 2008, Volume 2, Issue 1, S. 1 ff. Bergmoser, Ulrich: Zweckgerechte Vitalisierung des Budgetrechts der Legislative, Berlin 2011. Bieback, Karl-Jürgen: Sozialstaatsprinzip und Grundrecht, in: Europäische Grundrechte Zeitschrift 1985, S. 657 ff. Bieber, Roland: Solidarität als Verfassungsprinzip der Europäischen Union, in: Armin von­ Bogdandy/Stefan Kadelbach (Hrsg.): Solidarität und Europäische Integration, S. 41 ff. Blankart, Charles B.: Öffentliche Finanzen in der Demokratie. Eine Einführung in die Finanzwissenschaft, 8. Aufl., München 2011. Blumenwitz, Dieter/Randelzhofer, Albrecht (Hrsg.): Festschrift für Friedrich Berber zum 75. Geburtstag, München 1973. Böckenförde, Ernst-Wolfgang: Staat Nation Europa, Frankfurt am Main 1999. Böckenförde, Ernst-Wolfgang: Verfassungsgerichtsbarkeit: Strukturfragen, Organisation, Legitimation, in: Neue Juristische Wochenschrift 1999, S. 9 ff. (zit.: Böckenförde, Verfassungsgerichtsbarkeit, NJW 1999, S. 9 ff.). Böckenförde, Ernst-Wolfgang: Sozialer Bundesstaat und parlamentarische Demokratie, in: Jürgen Jekewitz/Michael Melzer/Wolfgang Zeh (Hrsg.), Politik als gelebte Verfassung, S. 182 ff. Böckenförde, Ernst-Wolfgang: Mittelbare/repräsentative Demokratie als eigentliche Form der Demokratie, in: Georg Müller/René A. Rhinow/Gerhard Schmid/Luzius Wildkaber (Hrsg.), Staatsorganisation und Staatsfunktionen im Wandel, S. 301 ff. Böckenförde, Ernst-Wolfgang: § 24 – Demokratie als Verfassungsprinzip, in: Josef Isensee/Paul Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 3. Auflage, Band 2, S. 429 ff. (zit.: Böckenförde, Demokratie als Verfassungsprinzip, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR3 II, § 24). Bogdandy, Armin von/Kadelbach, Stefan (Hrsg.): Solidarität und Europäische Integration. Kolloquium zum 65. Geburtstag von Manfred Zuleeg, Baden-Baden 2002.

198

Literaturverzeichnis

Borchard, Michael/Margedant, Udo (Hrsg.): Sozialer Bundesstaat, Sankt Augustin 2005. Boysen, Sigrid: Gleichheit im Bundesstaat, Tübingen 2005. Brenner, Michael: Das Verfassungsprinzip sozialer Bundesstaat im Grundgesetz, in: Ralf Thomas Baus/Udo Margedant (Hrsg.), Sozialer Bundesstaat – ein Spannungsfeld, S. 59 ff. Brenner, Michael/Huber, Peter M./Möstl, Markus (Hrsg.): Der Staat des Grundgesetzes – Konti­ nuität und Wandel. Festschrift für Peter Badura zum siebzigsten Geburtstag, Tübingen 2004. Britz, Gabriele: Kulturelle Rechte und Verfassung, Tübingen 2000. Brunhöber, Beatrice: Die Erfindung „demokratischer Repräsentation“ in den Federalist Papers, Tübingen 2010. Brunkhorst, Hauke: Solidarität. Von der Bürgerfreundschaft zur globalen Rechtsgenossenschaft, Frankfurt am Main 2002. Bull, Hans Peter: Die Staatsaufgaben nach dem Grundgesetz, Frankfurt am Main 1973. Bullinger, Martin: Öffentliches Recht und Privatrecht. Studien über Sinn und Funktion der Unterscheidung, Stuttgart/Berlin/Köln/Mainz 1968. Butzer, Herrmann: Fremdlasten in der Sozialversicherung, Tübingen 2001. Carl, Dieter: Bund-Länder-Finanzausgleich im Verfassungsstaat, Baden-Baden 1995. Commager, Henry Steele/Doeker, Günther/Fraenkel, Ernst/Hermes, Ferdinand/Havard, William C./Maunz, Theodor (Hrsg.): Festschrift für Karl Loewenstein. Aus Anlass seines achtzigsten Geburtstags, Tübingen 1971. Danwitz, Thomas von: Der Grundsatz funktionsgerechter Organstruktur, in: Der Staat 35 (1996), S. 329 ff. Denninger, Erhard: Verfassungsrecht und Solidarität, in: Kritische Vierteljahresschrift für Gesetzgebung und Rechtswissenschaft 78 (1995), S. 7 ff. Denninger, Erhard: Das soziale Staatsziel – zwischen Recht und Politik, in: Friedhelm Hufen (Hrsg.), Verfassungen – Zwischen Recht und Politik, S. 57 ff. Depenheuer, Otto: Solidarität im Verfassungsstaat. Grundlegung einer normativen Theorie, Norderstedt 2009. Depenheuer, Otto: § 204 – Soziales Staatsziel und Angleichung der Lebensverhältnisse, in: ­Josef Isensee/Paul Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 1. Aufl., Band 9, S. 149 ff. (zit.: Depenheuer, Soziales Staatsziel und Angleichung der Lebensverhältnisse, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR IX, § 204). Depenheuer, Otto: § 194  – Solidarität und Freiheit, in: Josef Isensee/Paul Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 3. Aufl., Band  9, S.  665 ff. (zit.: Depenheuer, Solidarität und Freiheit, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR3 IX, § 194). Depenheuer, Otto: „Nicht alle Menschen werden Brüder“. Unterscheidung als praktische Bedingung von Solidarität. Eine rechtsphilosophische Erwägung in praktischer Absicht, in: Josef Isensee (Hrsg.), Solidarität in Knappheit, S. 41 ff. Depenheuer, Otto/Grabenwarter, Christoph (Hrsg.): Verfassungstheorie, Tübingen 2010.

Literaturverzeichnis

199

Depenheuer, Otto/Heintzen, Markus/Jestaedt, Matthias/Axer, Peter (Hrsg.): Nomos und Ethos. Hommage an Josef Isensee zum 65. Geburtstag von seinen Schülern, Berlin 2002 (zit.: Depenheuer/u. a. (Hrsg.), Nomos und Ethos). Detterbeck, Steffen/Rozek, Jochen/Coelln, Christian von (Hrsg.): Recht als Medium der Staatlichkeit. Festschrift für Herbert Bethge zum 70. Geburtstag, Berlin 2009. Deuerlein, Ernst: Föderalismus. Die historischen und philosophischen Grundlagen des föderativen Prinzips, Bonn 1972. Deumeland, Klaus-Dieter: Auswirkungen der Rechte des Parlaments auf den Haushaltsvollzug, in: Der öffentliche Haushalt 1996, S. 93 ff. Deutscher Bundestag/Bundesarchiv (Hrsg.): Der Parlamentarische Rat 1948–1949. Akten und Protokolle, Band 7 – Entwürfe zum Grundgesetz, bearbeitet von Michael Hollmann, Boppard am Rhein 1995 (zit.: Dokument, Der Parlamentarische Rat VII). Deutscher Bundestag/Bundesarchiv (Hrsg.): Der Parlamentarische Rat 1948–1949. Akten und Protokolle, Band 8 – Die Beziehungen des Parlamentarischen Rates zu den Militärregierungen, bearbeitet von Michael F. Feldkamp, Boppard am Rhein 1995 (zit.: Dokument, Der Parlamentarische Rat VIII). Deutscher Bundestag/Bundesarchiv (Hrsg.): Der Parlamentarische Rat 1948–1949. Akten und Protokolle, Band 12 – Ausschuss für Finanzfragen, bearbeitet von Michael F. Feldkamp/ Inez Müller, München 1999 (zit.: Dokument, Der Parlamentarische Rat XII). Di Fabio, Udo: Das Recht offener Staaten. Grundlinien einer Staats- und Rechtstheorie, Tübingen 1998. Di Fabio, Udo: § 27 – Gewaltenteilung, in: Josef Isensee/Paul Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Band 2, 3. Aufl., S. 613 ff. (zit.: Di Fabio, Gewaltenteilung, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR3 II, § 27). Di Fabio, Udo: Steuern und Gerechtigkeit, in: Juristenzeitung 2007, S. 749 ff. Dicey, Albert Venn: A Leap In The Dark or Our New Constitution, London 1893. Dicey, Albert Venn: Einführung in das Studium des Verfassungsrechts, 10. Auflage, Baden-­ Baden 2002. Doehring, Karl: Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, 3. Aufl., Frankfurt am Main 1984. Dörfer, Bert-Sebastian: Bundesverfassungsgericht und Bundesstaat. Die Bundesstaatsverfassung im Spiegel der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, Berlin 2010. Dreier, Horst: Grundgesetz Kommentar, 2. Aufl., 3 Bände, Tübingen 2004–2008. Dreier, Horst: Hans Kelsen und Niklas Luhmann. Positivität des Rechts aus rechtswissenschaftlicher und systemtheoretischer Perspektive, in: Rechtstheorie 14 (1983), S. 419 ff. Dreier, Horst: Demokratische Repräsentation und vernünftiger Allgemeinwille, in: Archiv des öffentlichen Rechts 113 (1988), S. 450 ff. Dreier, Horst: Das Demokratieprinzip des Grundgesetzes, in: Jura 1997, S. 249 ff. Dreier, Ralf: Recht – Moral – Ideologie, Frankfurt am Main 1981.

200

Literaturverzeichnis

Dreier, Ralf: Der Rechtsstaat im Spannungsverhältnis zwischen Gesetz und Recht, in: Juristenzeitung 1985, S. 353 ff. Dreißig, Wilhelmine (Hrsg.): Probleme des Finanzausgleichs, 2 Bände, Berlin 1978. Duguit, Léon : L’État. Le droit objectif et la loi positive, Paris 1901. Duguit, Léon : Traité de droit constitutionnel, 3 Bände, 2. Aufl., Paris 1921. Durkheim, Emile: Über soziale Arbeitsteilung. Studie über die Organisation höherer Gesellschaften, 2. Aufl., Frankfurt am Main 1988. Durner, Wolfgang/Peine, Franz-Joseph/Shirvani, Foroud (Hrsg.): Freiheit und Sicherheit in Deutschland und Europa, Berlin 2013. Dworkin, Ronald: Bürgerrechte ernstgenommen, Frankfurt am Main 1984. Edling, Herbert: Entwicklungstendenzen im bundesdeutschen Föderalismus. Das Popitzsche „Gesetz“ von der „Anziehungskraft des größten Etats“, in: Die Öffentliche Verwaltung 1987, S. 579 ff. Ehmke, Horst: Prinzipien der Verfassungsinterpretation (Auszüge), in: Peter Häberle (Hrsg.), Verfassungsgerichtsbarkeit, S. 304 ff. Enders, Christoph: Sozialstaatlichkeit im Spannungsfeld zwischen Eigenverantwortung und Fürsorge, in: Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer 64 (2005), S. 7 ff. Epping, Volker/Hillgruber, Christian (Hrsg.): Grundgesetz. Kommentar, München 2009 (zit.: Bearbeiter, Artikel, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), Grundgesetz). Estel, Denise: Bundesstaatsprinzip und direkte Demokratie im Grundgesetz, Baden-Baden 2006. Fichte, Johann Gottlieb: Erste Einleitung in die Wissenschaftslehre, in: ders., Ausgewählte Werke in sechs Bänden, herausgegeben v. Fritz Medicus, Band 3, S. 1 ff. (zit.: Fichte, Erste Einleitung in die Wissenschaftslehre, in: ders., Ausgewählte Werke III, S. 1 ff.). Finkenauer, Thomas: Duo rei – Neues von der Gesamtobligation, in: Zeitschrift der SavignyStiftung für Rechtsgeschichte 130 (2013), S. 164 ff. Fischer, Michael/Jakob, Raimund/Mock, Erhard/Schreiner, Helmut (Hrsg.): Dimensionen des Rechts. Gedächtnisschrift für René Marcic, 2 Bände, Berlin 1974. Fischer-Menshausen, Herbert: Die Länder im künftigen Finanzausgleich, in: Die Öffentliche Verwaltung 1948, S. 10 ff.; 57 ff. Fischer-Menshausen, Herbert: Die Länder im künftigen Finanzausgleich, in: Die Öffentliche Verwaltung 1949, S. 401 ff. Fischer-Menshausen, Herbert: Die Abgrenzung der Finanzverantwortung zwischen Bund und Ländern, in: Die Öffentliche Verwaltung 1952, S. 673 ff. Fischer-Menshausen, Herbert: Unbestimmte Rechtsbegriffe in der bundesstaatlichen Finanzverfassung, in: Wilhelmine Dreißig (Hrsg.), Probleme des Finanzausgleichs, Band  1, S. 135 ff.

Literaturverzeichnis

201

Forsthoff, Ernst (Hrsg.): Rechtsstaatlichkeit und Sozialstaatlichkeit. Aufsätze und Essays, Darmstadt 1968. Forsthoff, Ernst: Verfassungsprobleme des Sozialstaats, in: ders. (Hrsg.), Rechtsstaatlichkeit und Sozialstaatlichkeit, S. 145 ff. Forsthoff, Ernst: Begriff und Wesen des sozialen Rechtsstaates, in: ders. (Hrsg.), Rechtsstaatlichkeit und Sozialstaatlichkeit, S. 165 ff. Friauf, Karl Heinrich/Höfling, Wolfram (Hrsg.): Berliner Kommentar zum Grundgesetz, Loseblattsammlung, München, Stand: 47. Ergänzungslieferung 2015 (zit.: Bearbeiter, Artikel, in: Friauf/Höfling (Hrsg.), Berliner Kommentar zum Grundgesetz). Friesenhahn, Ernst: Die Funktion der Verfassungsgerichtsbarkeit im Gesamtgefüge der Verfassung (Auszug), in: Peter Häberle (Hrsg.), Verfassungsgerichtsbarkeit, S.  355 ff. (zit.: Friesen­hahn, Die Funktion der Verfassungsgerichtbarkeit, in: Häberle (Hrsg.), Verfassungsgerichtsbarkeit, S. 355 ff.). Frowein, Jochen Abr.: Die Konstruktion des Bundesstaates, in: Ernst Benda (Mitverf.), Probleme des Föderalismus, S. 47 ff. Gärditz, Klaus Ferdinand: Strafbegründung und Demokratieprinzip, in: Der Staat 49 (2010), S. 331 ff. Gärditz, Klaus Ferdinand: Der Bürgerstatus im Lichte von Migration und europäischer Integration, in: Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer 72 (2013), S. 49 ff. Gärditz, Klaus Ferdinand: Demokratische und rechtsstaatliche Verantwortlichkeit bei öffentlichen Großvorhaben, in: Zeitschrift für Staats- und Europawissenschaften 2015, S. 4 ff. Gärditz, Klaus Ferdinand/Hillgruber, Christian: Volkssouveränität und Demokratie ernst genommen – Zum Lissabon-Urteil des BVerfG, in: Juristenzeitung 2009, S. 872 ff. (zit.: G ­ ärditz/ Hillgruber, Volkssouveränität und Demokratie ernst genommen, JZ 2009, S. 872 ff.). Geiger, Willi: Bedeutung und Funktion des Föderalismus in der Bundesrepublik Deutschland, in: Bayerische Verwaltungsblätter 1964, S. 65 ff.; 108 ff. Gerloff, Wilhelm/Meisel, Franz (Hrsg.): Handbuch der Finanzwissenschaft, 1. Aufl., 2 Bände, Tübingen 1926–1927. Geske, Otto-Erich: Der bundesstaatliche Finanzausgleich in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, in: Der Staat 46 (2007), S. 203 ff. Glaser, Andreas: Föderaler Steuerwettbewerb durch Recht – verfassungstheoretische Grundfragen, in: Jahrbuch für die Ordnung von Wirtschaft und Gesellschaft 61 (2010), S. 205 ff. (zit.: Glaser, Föderaler Steuerwettbewerb, ORDO 61 (2010), S. 205 ff.). Glaser, Andreas: Steuerwettbewerb in föderalen Staaten in rechtsvergleichender Perspektive, in: Jahrbuch des öffentlichen Rechts der Gegenwart 58 (2010), S. 251 ff. Görg, Hubert: Die gegenseitige Treuepflicht des Bundes und der Länder auf dem Gebiet des Finanzwesens, in: Erich Schwinge (Hrsg.), Festgabe Heinrich Herrfahrdt zum 70. Geburtstag, S.  73 ff. (zit.: Görg, Die gegenseitige Treuepflicht, in: Schwinge (Hrsg.), FG Herrfahrdt, S. 73 ff.).

202

Literaturverzeichnis

Grawert, Rolf: § 16 – Die Staatlichkeit der Bundesrepublik Deutschland, in: Josef Isensee/Paul Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Band  2, 3. Auflage, S. 107 ff. (zit.: Grawert, Die Staatlichkeit der Bundesrepublik Deutschland, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR3 II, § 16). Grewe, Wilhelm: Antinomien des Föderalismus, Schloss Bleckede a. d. Elbe 1948. Grewe, Wilhelm: Das bundesstaatliche System des Grundgesetzes, in: Deutsche Rechts-Zeitschrift 4 (1949), S. 349 ff. Grimm, Dieter: Solidarität als Rechtsprinzip. Die Rechts- und Staatslehre Léon Duguits in ­ihrer Zeit, Frankfurt am Main 1973. Grimm, Dieter: Recht und Staat der bürgerlichen Gesellschaft, Frankfurt am Main 1987. Grimm, Dieter: Zur politischen Funktion der Trennung von öffentlichem und privatem Recht in Deutschland, in: ders., Recht und Staat der bürgerlichen Gesellschaft, S. 84 ff. (zit.: Grimm, Zur politischen Funktion der Trennung von öffentlichem und privatem Recht, in: ders., Recht und Staat der bürgerlichen Gesellschaft, S. 84 ff.). Gröschner, Rolf: § 23 – Die Republik, in: Josef Isensee/Paul Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Band 2, 3. Aufl., S. 369 ff. (zit.: Gröschner, Die Republik, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR3 II, § 23). Groß, Rolf: Kooperativer Föderalismus und Grundgesetz, in: Deutsches Verwaltungsblatt 84 (1969), S. 93 ff.; 125 ff. Guggenberger, Bernd/Würtenberger, Thomas (Hrsg.): Hüter der Verfassung oder Lenker der Politik? Das Bundesverfassungsgericht im Widerstreit, Baden-Baden 1998. Gundlach, Gustav: Die Ordnung der menschlichen Gesellschaft, herausgegeben v. Katholische Sozialwissenschaftliche Zentralstelle, Band 1, Köln 1964. Gündling, Benjamin: Modernisiertes Privatrecht und öffentliches Recht. Die Auswirkungen der Schuldrechtsreform auf den Verwaltungsvertrag und weitere Verbindungen zwischen den Teilrechtsordnungen, Berlin 2006. Gusy, Christoph (Hrsg.): Demokratisches Denken in der Weimarer Republik, Baden-Baden 2000. Gusy, Christoph: Der Vorrang des Gesetzes, in: Juristische Schulung 1983, S. 189 ff. Gusy, Christoph: Staatsrechtlicher Positivismus, in: Juristenzeitung 1989, S. 505 ff. Häberle, Peter (Hrsg.): Verfassungsgerichtsbarkeit, Darmstadt 1976. Häberle, Peter: Struktur und Funktion der Öffentlichkeit im demokratischen Staat, in: Politische Bildung 1970, Heft 3, S. 3 ff. Häberle, Peter, Aktuelle Probleme des deutschen Föderalismus, in: Die Verwaltung 24 (1991), S. 169 ff. Habermas, Jürgen: 1989 im Schatten von 1945. Zur Normalität einer künftigen Berliner Republik, in: ders., Die Normalität einer Berliner Republik – Kleine politische Schriften VIII, Frankfurt am Main 1995. Häde, Ulrich: Finanzausgleich. Die Verteilung der Aufgaben, Ausgaben und Einnahmen im Recht der Bundesrepublik Deutschland und der Europäischen Union, Tübingen 1996.

Literaturverzeichnis

203

Häde, Ulrich: Solidarität im Bundesstaat. Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 27.05.1992 zum Länderfinanzausgleich (BVerfGE 86, 148), in: Die Öffentliche Verwaltung 1993, S. 461 ff. Hahn, Daniel: Staatszielbestimmungen im integrierten Bundesstaat. Normative Bedeutung und Divergenzen, Berlin 2010. Haltern, Ulrich: Verfassungsgerichtsbarkeit, Demokratie und Mißtrauen, Berlin 1998. Haltern, Ulrich: Die künftige Ausgestaltung der bundesstaatlichen Finanzordnung, in: Ver­ öffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer 73 (2014), S. 103 ff. Hamilton, Alexander: The Federalist, herausgegeben v. Jacob E. Cooke, Middletown/Connecticut 1961 (zit.: Hamilton, The Federalist Nr.). Hanebeck, Alexander: Der demokratische Bundesstaat des Grundgesetzes, Berlin 2004. Harbich, Jürgen: Der Bundesstaat und seine Unantastbarkeit, Berlin 1965. Härtel, Ines (Hrsg.): Handbuch Föderalismus, 4 Bände, Berlin/Heidelberg 2012. Haverkate, Görg: Verfassungslehre. Verfassung als Gegenseitigkeitsordnung, München 1992. Hebeler, Timo: Die Budgetierung und das Budgetrecht, in: Verwaltungsrundschau  2002, S. 76 ff. Heidegger, Martin: Gesamtausgabe, 94 Bände, Frankfurt am Main 1978–2015. Heinig, Hans Michael: Der Sozialstaat im Dienst der Freiheit, Tübingen 2008. Heinig, Hans Michael: Paternalismus im Sozialstaat. Nutzen und Grenzen des Paternalismusdis­ kurses für eine Verfassungstheorie des Sozialstaates, in: Michael Anderheiden/Peter Bürkli/ Hans Michael Heinig/Kurt Seelmann (Hrsg.), Paternalismus und Recht, S.  157 ff. (zit.: Heinig, Paternalismus im Sozialstaat, in: Anderheiden/u. a. (Hrsg.), Paternalismus und Recht, S. 157 ff.). Heinze, Meinhard: Solidarität im System der sozialen Gerechtigkeit, in: Josef Isensee (Hrsg.), Solidarität in Knappheit, S. 67 ff. Heitsch, Christian: Die Ausführung der Bundesgesetze durch die Länder, Tübingen 2001. Helbig, Petra: Der steuerverfassungsrechtliche Halbteilungsgrundsatz. Maßstab für Steuer­ belas­tung und Ausgleichsverpflichtung im Länderfinanzausgleich? Zugleich ein Valet der verfassungsrechtlichen Anbindung des Äquivalenzprinzips, Berlin 2002. Henneke, Hans-Günther (Hrsg.): Verantwortungsteilung zwischen Kommunen, Ländern, Bund und EU, Stuttgart 2001. Henneke, Hans-Günther: Kontinuität und Wandel der Finanzverfassung des Grundgesetzes, in: Deutsches Verwaltungsblatt 2009, S. 561 ff. Hensel, Albert: Der Finanzausgleich im Bundesstaat in seiner staatsrechtlichen Bedeutung, Berlin 1922. Herzog, Roman: Bundes- und Landesstaatsgewalt im demokratischen Bundesstaat, in: Die Öffentliche Verwaltung 1962, S. 81 ff.

204

Literaturverzeichnis

Herzog, Roman: § 72 – Ziele, Vorbehalte und Grenzen der Staatstätigkeit, in: Josef Isensee/Paul Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Band  4, 3. Aufl., S. 81 ff. (zit.: Herzog, Ziele, Vorbehalte und Grenzen der Staatstätigkeit, in: Isensee/ Kirchhof (Hrsg.), HStR3 IV, § 72). Hesse, Konrad: Der unitarische Bundesstaat, Karlsruhe 1962. Hesse, Konrad: Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 20. Aufl., Heidelberg 1999. Hesse, Konrad: Bundesstaatsreform und Grenzen der Verfassungsänderung, in: Archiv des öffentlichen Rechts 98 (1973), S. 1 ff. Hettlage, Karl M.: Die Finanzverfassung im Rahmen der Staatsverfassung, in: Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer 14 (1956), S. 2 ff. Heun, Werner: Strukturprobleme des Finanzausgleichs. Finanzverfassungsrechtliche Integration der neuen Bundesländer und die Frage einer Reform der grundgesetzlichen Finanz­ verfassung, in: Der Staat 31 (1992), S. 205 ff. Hey, Johanna: Finanzautonomie und Finanzverflechtung in gestuften Rechtsordnungen, in: Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer 66 (2007), S. 277 ff. (zit.: Hey, Finanzautonomie und Finanzverflechtung, VVDStRL 66 (2007), S. 277 ff.). Hidien, Jürgen W.: Handbuch Länderfinanzausgleich, Baden-Baden 1999. Hillgruber, Christian: § 15 – Theorie der Verfassungsinterpretation, in: Otto Depenheuer/Christoph Grabenwarter (Hrsg.), Verfassungstheorie, S. 505 ff. (zit.: Hillgruber, Theorie der Verfassungsinterpretation, in: Depenheuer/Grabenwarter (Hrsg.), Verfassungstheorie, § 15). Hoerster, Norbert: Was kann die Rechtswissenschaft?, in: Rechtstheorie 41 (2010), S. 13 ff. Hoffmann, Birgit: Das Verhältnis von Gesetz und Recht, Berlin 2003. Hofmann, Hasso: § 9 – Die Entwicklung des Grundgesetzes von 1949 bis 1990, in: Josef Isensee/ Paul Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Band 1, 3. Aufl., S. 355 ff. (zit.: Hofmann, Die Entwicklung des Grundgesetzes von 1949 bis 1990, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR3 I, § 9). Hofmann, Hasso/Dreier, Horst: Repräsentation, Mehrheitsprinzip und Minderheitenschutz, in: Hans Peter Schneider/Wolfgang Zeh (Hrsg.), Parlamentsrecht und Parlamentspraxis in der Bundesrepublik Deutschland, S. 165 ff. Hohmann-Dennhardt, Christine/Masuch, Peter/Villiger, Mark (Hrsg.): Grundrechte und Solidarität. Festschrift für Renate Jaeger, Kehl am Rhein 2011. Hoke, Rudolf: Die Emanzipation der deutschen Staatsrechtswissenschaft von der Zivilistik im 17. Jahrhundert, in: Der Staat 15 (1976), S. 211 ff. Höpker Aschoff, Hermann: Das Finanz- und Steuersystem des Bonner Grundgesetzes, in: Archiv des öffentlichen Rechts 75 (1949), S. 306 ff. Huber, Hans (Hrsg.): Recht als Prozess und Gefüge. Festschrift für Hans Huber zum 80. Geburtstag, Bern 1981. Huber, Ludwig (Hrsg.): Bayern Deutschland Europa. Festschrift für Alfons Goppel, Passau 1975.

Literaturverzeichnis

205

Huber, Peter M.: Verfassungsstaat und Finanzkrise, Baden-Baden 2014. Hufen, Friedhelm (Hrsg.): Verfassungen – Zwischen Recht und Politik. Festschrift zum 70. Geburtstag für Hans-Peter Schneider, Baden-Baden 2008. Hummel, Lars: Verfassungsrechtsfragen der Verwendung staatlicher Einnahmen. Zugleich ein Beitrag zum Finanz- und Haushaltsverfassungsrecht, Berlin 2008. Hwang, Shu-Perng: Die Grundrechtsbindung des Gesetzgebers aus der Sicht Hans Kelsens, in: Der Staat 54 (2015), S. 213 ff. Hwang, Shu-Perng: Das Bundesverfassungsgericht im Schnittpunkt zwischen Recht und Politik: Ein unlösbares Problem?, in: Rechtstheorie 46 (2015), S. 179 ff. Ipsen, Hans Peter: Über das Grundgesetz, in: Ernst Forsthoff (Hrsg.), Rechtsstaatlichkeit und Sozialstaatlichkeit, S. 18 ff. Ipsen, Jörn: Richterrecht und Verfassung, Berlin 1975. Isensee, Josef: Das Volk als Grund der Verfassung, Opladen 1995. Isensee, Josef: Budgetrecht des Parlaments zwischen Schein und Sein, in: Juristenzeitung 2005, S. 971 ff. Isensee, Josef (Hrsg.): Solidarität in Knappheit. Zum Problem der Priorität, Berlin 1998. Isensee, Josef (Hrsg.): Gewaltenteilung heute. Symposium aus Anlass der Vollendung des 65. Lebensjahres von Fritz Ossenbühl, Heidelberg 2000. Isensee, Josef: Subsidiaritätsprinzip und Verfassungsrecht. Eine Studie über das Regulativ des Verhältnisses von Staat und Recht, 2. Aufl., Berlin 2001. Isensee, Josef: Der Föderalismus und der Verfassungsstaat der Gegenwart, in: Archiv des öffentlichen Rechts 115 (1990), S. 248 ff. Isensee, Josef: Grundrechte und Demokratie. Die polare Legitimation im grundgesetzlichen Gemeinwesen, in: Der Staat 20 (1981), S. 161 ff. Isensee, Josef: Republik – Sinnpotential eines Begriffs, in: Juristenzeitung 1981, S. 1 ff. (zit.: Isensee, Republik, JZ 1981, S. 1 ff.). Isensee, Josef: Verfassungsgerichtbarkeit in Deutschland, in: Bernd Wieser/Armin Stolz (Hrsg.), Verfassungsrecht und Verfassungsgerichtsbarkeit an der Schwelle zum 21.  Jahrhundert, S. 15 ff. Isensee, Josef: Der Bundesstaat  – Bestand und Entwicklung, in: Peter Badura/Horst Dreier (Hrsg.), Festschrift 50 Jahre Bundesverfassungsgericht, Band 2, S. 719 ff. (zit.: Isensee, Der Bundesstaat, in: Badura/H. Dreier (Hrsg.), FS 50 Jahre BVerfG II, S. 719 ff.). Isensee, Josef: § 126 – Idee und Gestalt des Föderalismus im Grundgesetz, in: ders./Paul Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Band 6, 3. Aufl., S. 3 ff. (zit.: Isensee, Idee und Gestalt des Föderalismus, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR3 VI, § 126). Isensee, Josef: § 6 – Die Staatlichkeit der Verfassung, in: Otto Depenheuer/Christoph Grabenwarter (Hrsg.), Verfassungstheorie, S. 199 ff. (zit.: Isensee, Die Staatlichkeit der Verfassung, in: Depenheuer/Grabenwarter (Hrsg.), Verfassungstheorie, § 6).

206

Literaturverzeichnis

Isensee, Josef: Nachwort. Solidarität – Sozialethische Substanz eines Blankettbegriffs, in: ders. (Hrsg.), Solidarität in Knappheit, S. 97 ff. (zit.: Isensee, Nachwort, in: ders. (Hrsg.), Solidarität in Knappheit, S. 97 ff.). Isensee, Josef/Kirchhof, Paul (Hrsg.): Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 1. Aufl., 10 Bände, Heidelberg 1987–2000. Isensee, Josef/Kirchhof, Paul (Hrsg.): Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 3. Aufl., 13 Bände, Heidelberg 2003–2015. Jacobs, Horst Heinrich: Volksgenossen, in: Myops 2010, S. 4 ff. Jacoby, Georg: Der Finanzausgleich. Eine begriffliche Untersuchung, Münster 1930. Jaeger, Renate: Die Reform der gesetzlichen Sozialversicherung im Spiegel der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, in: Neue Zeitschrift für Sozialrecht 2003, S. 225 ff. Jarass, Hans D./Pieroth, Bodo: Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland. Kommentar, 13. Aufl., München 2014. Jay, John: The Federalist, herausgegeben v. Jacob E. Cooke, Middletown/Connecticut 1961 (zit.: Jay, The Federalist Nr.). Jekewitz, Jürgen/Melzer, Michael/Zeh, Wolfgang (Hrsg.): Politik als gelebte Verfassung. Festschrift für Friedrich Schäfer, Opladen 1980. Jellinek, Georg: Allgemeine Staatslehre, 3. Aufl., unter Verwertung des handschriftlichen Nachlasses durchgesehen und ergänzt v. Walter Jellinek, Berlin 1914. Jellinek, Georg: System der subjektiven öffentlichen Rechte, 2. Aufl., Tübingen 1919. Jestaedt, Matthias: Demokratieprinzip und Kondominialverwaltung, Berlin 1993. Jestaedt, Matthias: Grundrechtsentfaltung im Gesetz. Studien zur Interdependenz von Grundrechtsdogmatik und Rechtsgewinnungstheorie, Tübingen 1999. Jestaedt, Matthias: Das mag in der Theorie richtig sein… Vom Nutzen der Rechtstheorie für die Rechtspraxis, Tübingen 2006. Jestaedt, Matthias: Die Verfassung hinter der Verfassung. Eine Standortbestimmung der Verfassungstheorie, Paderborn/München/Wien/Zürich 2009. Jestaedt, Matthias: Geltung des Systems und Geltung im System. Wozu man die Grundnorm benötigt – und wozu nicht, in: Juristenzeitung 2013, S. 1009 ff. Jestaedt, Matthias: Warum in die Ferne schweifen, wenn der Maßstab liegt so nah? Verfassungshandwerkliche Anfragen an das Lissabon-Urteil des BVerfG, in: Der Staat 48 (2009), S. 497 ff. Jestaedt, Matthias: Verfassungsgerichtspositivismus. Die Ohnmacht des Verfassungsgesetzgebers im verfassungsgerichtlichen Jurisdiktionsstaat, in: Otto Depenheuer/Markus Heintzen/ Matthias Jestaedt/Peter Axer (Hrsg.), Nomos und Ethos, S. 183 ff. Jestaedt, Matthias: § 29 – Bundesstaat als Verfassungsprinzip, in: Josef Isensee/Paul Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Band  2, 3.  Aufl., S. 785 ff. (zit.: Jestaedt, Bundesstaat als Verfassungsprinzip, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR3 II, § 29).

Literaturverzeichnis

207

Jestaedt, Matthias: Autorität und Zitat. Anmerkungen zur Zitierpraxis des Bundesverfassungsgerichts, in: Steffen Detterbeck/Jochen Rozek/Christian von Coelln (Hrsg.), Recht als Medium der Staatlichkeit, S. 513 ff. Jestaedt, Matthias: Verfassungstheorie als Disziplin, in: Otto Depenheuer/Christoph Grabenwarter (Hrsg.), Verfassungstheorie, S. 4 ff. Jestaedt, Matthias: Phänomen Bundesverfassungsgericht. Was das Gericht zu dem macht, was es ist, in: ders./Oliver Lepsius/Christoph Möllers/Christoph Schönberger (Hrsg.), Das entgrenzte Gericht. Eine kritische Bilanz nach sechzig Jahren Bundesverfassungsgericht, S. 77 ff. (zit.: Jestaedt, Phänomen Bundesverfassungsgericht, in: ders./u. a. (Hrsg.), Das entgrenzte Gericht, S. 77 ff.). Jestaedt, Matthias/Lepsius, Oliver/Möllers, Christoph/Schönberger, Christoph (Hrsg.): Das ent­ grenzte Gericht. Eine kritische Bilanz nach sechzig Jahren Bundesverfassungsgericht, Berlin 2011. Jung, Adrian: Maßstäbegerechtigkeit im Länderfinanzausgleich. Die Länderfinanzen zwischen Autonomie und Nivellierung, Berlin 2008. Jung, Otmar: Unverdient höchster Segen. Das BVerfG folgt der (wenig überzeugenden) Rechtsprechung der Landesverfassungsgerichte zum Finanztabu bei der Volksgesetzgebung, in: Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht  2002, S.  41 ff. (zit.: O. Jung, Unverdient höchster­ Segen, NVwZ 2002, S. 41 ff.). Karpen, Ulrich: Demokratie und Parlamentarisches System in der Bundesrepublik Deutschland, in: Juristische Ausbildung 1986, S. 585 ff. Kaser, Max/Knütel, Rolf: Römisches Privatrecht, 20. Aufl., München 2014. Kaufmann, Arthur: Gesetz und Recht, in: Thomas Würtenberger/Werner Maihofer/Alexander Hollerbach (Hrsg.), Existenz und Ordnung, S. 357 ff. Kelsen, Hans: Allgemeine Staatslehre. Unveränderter, fotomechanischer Nachdruck der ersten Auflage von 1925, Bad Homburg v. d. Höhe/Berlin/Zürich 1966. Kelsen, Hans: Das Problem der Souveränität und die Theorie des Völkerrechts. Beitrag zu einer reinen Rechtslehre, 2. Aufl., Tübingen 1928. Kelsen, Hans: Reine Rechtslehre, 2. Aufl., Wien 1960. Kelsen, Hans: Allgemeine Theorie der Normen, Wien 1979. Kelsen, Hans: Was ist Gerechtigkeit? Text der Ausgabe folgt dem Erstdruck der Schrift von 1953, Stuttgart 2000. Kelsen, Hans: Wer soll Hüter der Verfassung sein? Abhandlungen zur Theorie der Verfassungsgerichtsbarkeit in der pluralistischen, parlamentarischen Demokratie, herausgegeben Robert van Ooyen, Tübingen 2008 (zit.: Kelsen, Wer soll Hüter der Verfassung sein?). Kelsen, Hans: Verteidigung der Demokratie. Abhandlungen zur Demokratietheorie, heraus­ gegeben v. Matthias Jestaedt/Oliver Lepsius, Tübingen 2006 (zit.: Kelsen, Verteidigung der Demokratie). Kelsen, Hans: Wesen und Entwicklung der Staatsgerichtsbarkeit, in: ders., Wer soll Hüter der Verfassung sein?, S. 1 ff.

208

Literaturverzeichnis

Kelsen, Hans: Die Lehre von den drei Gewalten oder Funktionen des Staates, in: Friedrich von Wieser/Leopold Wenger/Peter Klein (Hrsg.), Kant-Festschrift, S. 214 ff. Kelsen, Hans: Vom Wesen und Wert der Demokratie, in: ders., Verteidigung der Demokratie, S. 154 ff. Kelsen, Hans: Verteidigung der Demokratie (1932), in: ders., Verteidigung der Demokratie, S. 229 ff. (zit.: Kelsen, Verteidigung der Demokratie, in: ders., Verteidigung der Demokratie, S. 229 ff.). Kelsen, Hans: Demokratie (1926), in: ders., Verteidigung der Demokratie, S. 115 ff. (zit.: Kelsen, Demokratie, in: ders., Verteidigung der Demokratie, S. 115 ff.). Kelsen, Hans: Wesen und Entwicklung der Staatsgerichtsbarkeit (Auszüge), in: Peter Häberle (Hrsg.), Verfassungsgerichtsbarkeit, S. 77 ff. Kelsen, Hans: Redebeitrag, in: Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer 3 (1927), S. 53 ff. Kempny, Simon/Reimer, Ekkehart: Neuordnung der Finanzbeziehungen  – Aufgabengerechte Finanzverteilung zwischen Bund, Ländern und Kommunen, in: Verhandlungen des 70. Deutschen Juristentages (2014), Gutachten D (zit.: Kempny/Reimer, Neuordnung der Finanzbeziehungen, DJT 70 (2014), Gutachten D). Kesper, Irene: Bundesstaatliche Finanzordnung. Grundlagen, Bestand, Reform, Baden-Baden 1998. Kichler, Paul: Entwicklung und Wandlung des parlamentarischen Budgetbewilligungsrechts in Deutschland, Bonn 1957. Kimminich, Otto: Die Verknüpfung der Rechtsstaatsidee mit den anderen Leitprinzipien des Grundgesetzes, in: Die Öffentliche Verwaltung 1979, S. 765 ff. Kimminich, Otto: § 26 – Der Bundesstaat, in: Josef Isensee/Paul Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Band 1, 1. Aufl., S. 1113 ff. (zit.: ­Kimminich, Der Bundesstaat, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR I, § 26). Kirchhof, Ferdinand: Finanztransfers aus Separathaushalten im Bundesstaat, in: Hartmut Maurer (Hrsg.), Das akzeptierte Grundgesetz, S. 447 ff. Kirchhof, Ferdinand: Grundsätze der Finanzverfassung im vereinten Deutschland, in: Ver­ öffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer 52 (1993), S. 71 ff. (zit.: F. Kirchhof, Grundsätze der Finanzverfassung, VVDStRL 52 (1993), S. 71 ff.). Kirchhof, Ferdinand: Empfehlen sich Maßnahmen, um in der Finanzverfassung Aufgaben- und Ausgabenverantwortung von Bund, Ländern und Gemeinden stärker zusammenzuführen?, in: Verhandlungen des 61. Deutschen Juristentages in Karlsruhe (1996), Gutachten D (zit.: F. Kirchhof, Empfehlen sich Maßnahmen, DJT 61 (1996), Gutachten D). Kirchhof, Paul: Der Verfassungsauftrag zum Länderfinanzausgleich als Ergänzung fehlender und als Garant vorhandener Finanzautonomie, Köln 1982 (zit.: P. Kirchhof, Der Verfassungsauftrag zum Länderfinanzausgleich). Kirchhof, Paul: Die Steuerung des Verwaltungshandelns durch Haushaltsrecht und Haushaltskontrolle, in: Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht 1983, S. 505 ff.

Literaturverzeichnis

209

Kirchhof, Paul: Freiheitlicher Wettbewerb und staatliche Autonomie – Solidarität, in: Jahrbuch für die Ordnung von Wirtschaft und Gesellschaft 56, S. 39 ff. Kirchhof, Paul: Demokratie ohne parlamentarische Gesetzgebung?, in: Neue Juristische Wochenschrift 2001, S. 1332 ff. Kirste, Stephan/Puntscher-Riekmann, Sonja/Schmalenbach, Kirsten/Wydra, Doris: Introduction to the Special Issue „Transnational Solidarity – An Interdisciplinary Approach“, in: Archiv des Völkerrechts 52 (2014), S. 1 ff. (zit.: Kirste/u. a., Introduction, in: AVR 52 ( 2014), S. 1 ff.). Kisker, Gunter: Kooperation im Bundesstaat. Eine Untersuchung zum kooperativen Föderalismus in der Bundesrepublik Deutschland, Tübingen 1971. Kisker, Gunter: Der bergrechtliche Förderzins im bundesstaatlichen Finanzausgleich, München 1983. Kisker, Gunter: Kooperation zwischen Bund und Ländern in der Bundesrepublik Deutschland, in: Die Öffentliche Verwaltung 1977, S. 689 ff. Kluth, Winfried (Hrsg.): Europäische Integration und nationales Verfassungsrecht. Eine Analyse der Einwirkungen der Europäischen Integration auf die mitgliedstaatlichen Verfassungssysteme und ein Vergleich ihrer Reaktionsmodelle, Baden-Baden 2007. Kokott, Juliane: Der Begriff „politisch“ im Normenzusammenhang nationalen und internationalen Rechts, in: Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht  1991, S. 603 ff. (zit.: Kokott, Der Begriff „politisch“, in: ZaöRV 1991, S. 603 ff.). Kommission für die Finanzreform, Gutachten über die Finanzreform in der Bundesrepublik Deutschland, 2. Aufl., Stuttgart 1966. Korioth, Stefan: Der Finanzausgleich zwischen Bund und Ländern, Tübingen 1997. Korioth, Stefan: Klare Verantwortungsteilung von Bund, Ländern und Kommunen?, in: Verhandlungen des 65. Deutschen Juristentages in Bonn (2004), Referat P, 89 ff. Korioth, Stefan: Der deutsche Föderalismus – auf dem Weg zu einem dezentralisierten Einheitsstaat?, in: Wolfgang Durner/Franz-Joseph Peine/Foroud Shirvani (Hrsg.): Freiheit und Sicherheit in Deutschland und Europa, S. 133 ff. (zit.: Korioth, Der deutsche Föderalismus, in: Durner/Peine/Shirvani (Hrsg.), Freiheit und Sicherheit in Deutschland und Europa, S. 133 ff.). Kotzur, Markus Tobias/Schmalenbach, Kirsten: Solidarity Among Nations, in: Archiv des Völkerrechts 52 (2014), S. 68 ff. Kranenpohl, Uwe: Die Bedeutung von Interpretationsmethoden und Dogmatik in der Entscheidungspraxis des Bundesverfassungsgerichts, in: Der Staat 48 (2009), S. 287 ff. Kriele, Martin: Das demokratische Prinzip im Grundgesetz, in: Veröffentlichungen der Ver­ einigung der Deutschen Staatsrechtslehrer 29 (1971), S. 46 ff. Krockow, Christian Graf von: Die Entscheidung. Eine Untersuchung über Ernst Jünger, Carl Schmitt, Martin Heidegger, Stuttgart 1958. Kruis, Konrad: Finanzautonomie und Demokratie im Bundesstaat, in: Die Öffentliche Verwaltung 2003, S. 10 ff. Kube, Hanno: Nationale Budgethoheit und Europäische Integration, in: Archiv des öffentlichen Rechts 137 (2012), S. 205 ff.

210

Literaturverzeichnis

Kunig, Philip: Das Rechtsstaatsprinzip. Überlegungen zu seiner Bedeutung für das Verfassungs­ recht der Bundesrepublik Deutschland, Tübingen 1986. Kunig, Philip: Der Rechtsstaat, in: Peter Badura/Horst Dreier (Hrsg.), Festschrift 50 Jahre Bundesverfassungsgericht, Band 2, S. 421 ff. (zit.: Kunig, Der Rechtsstaat, in: Badura/H. Dreier (Hrsg.), FS 50 Jahre BVerfG II, S. 421 ff.). Lahusen, Benjamin: Rechtspositivismus und juristische Methode, Weilerswist 2011. Larenz, Karl: Methodenlehre in der Rechtswissenschaft, 4. Aufl., Berlin/Heidelberg/New York 1979. Laufer, Heinz: Föderatives System und Finanzordnung, in: Henry-Steele Commanger/Günther Doeker/Ernst Fraenkel/Ferdinand Hermes/William C. Havard/Theodor Maunz (Hrsg.), Festschrift für Karl Loewenstein, S. 279 ff. Lepsius, Oliver: Die gegensatzaufgebende Begriffsbildung. Methodenentwicklungen in der Weimarer Republik und ihr Verhältnis zur Ideologisierung der Rechtswissenschaft unter dem Nationalsozialismus, München 1994. Lepsius, Oliver: Braucht das Verfassungsrecht eine Theorie des Staates?, in: Europäische Grundrechte Zeitschrift 2004, S. 370 ff. Lepsius, Oliver: Rechtswissenschaft in der Demokratie, in: Der Staat 52 (2013), S. 157 ff. Lepsius, Oliver: Staatstheorie und Demokratiebegriff in der Weimarer Republik, in: Christoph Gusy (Hrsg.), Demokratisches Denken in der Weimarer Republik, S. 366 ff. Lepsius, Oliver: Zur Bindungswirkung von Bundesverfassungsgerichtsentscheidungen, in: Rupert Scholz/Dieter Lorenz/Christian Pestalozza/Michael Kloepfer/Hans D. Jarass/Christoph Degenhart/ders. (Hrsg.), Realitätsprägung durch Verfassungsrecht, S. 103 ff. (zit.: ­Lepsius, Zur Bindungswirkung von Bundesverfassungsgerichtsentscheidungen, in: Scholz/u. a. (Hrsg.), Realitätsprägung durch Verfassungsrecht, S. 103 ff.). Lepsius, Oliver: Die maßstabsetzende Gewalt, in: Matthias Jestaedt/ders./Christoph Möllers/ Christoph Schönberger (Hrsg.), Das entgrenzte Gericht, S. 159 ff. Lerche, Peter: Föderalismus als nationales Ordnungsprinzip, in: Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer 21 (1964), S. 66 ff. Lerche, Peter: Finanzausgleich und Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse, in: Dieter Blumenwitz/Albrecht Randelzhofer (Hrsg.), Festschrift für Friedrich Berber zum 75. Geburtstag, S. 299 ff. Lerche, Peter: Föderalismus in Deutschland, in: Ludwig Huber (Hrsg.), Bayern Deutschland Europa, S. 77 ff. Lerche, Peter: Gewaltenteilung  – deutsche Sicht, in: Josef Isensee (Hrsg.), Gewaltenteilung heute, S. 75 ff. Lerche, Peter: Stil und Methode der verfassungsrechtlichen Entscheidungspraxis, in: Peter Badura/ Horst Dreier (Hrsg.), Festschrift 50 Jahre Bundesverfassungsgericht, Band 1, S. 333 ff. (zit.: Lerche, Stil und Methode der verfassungsgerichtlichen Entscheidungspraxis, in: Badura/ H. Dreier (Hrsg.), FS 50 Jahre BVerfG I, S. 333 ff.).

Literaturverzeichnis

211

Lerche, Peter/Pestalozza, Christian: Die bergrechtliche Förderabgabe im System des horizontalen Finanzausgleichs und der Bundesergänzungszuweisungen nach Art. 107 II GG. Zur Verfassungswidrigkeit des Art. 6 Nr. 3 und 4 Haushaltsbegleitgesetz 1983 und gewisser Formen der „Berücksichtigung“ der Förderabgabe bei den Ergänzungszuweisungen, Berlin 1984 (zit.: Lerche/Pestalozza, Die bergrechtliche Förderabgabe). Liebrecht, Heinz: Zur Rechtfertigung des Föderalismus heute und zu den Grenzen zulässiger Länderkooperation. Eine Tagung in Loccum, Bericht und Betrachtung, in: Deutsches Verwaltungsblatt 1969, S. 97 ff. (zit.: Liebrecht, Zur Rechtfertigung des Föderalismus heute, DVBl. 1969, S. 97 ff.). Link, Christoph: Staatszwecke im Verfassungsstaat – nach 40 Jahren Grundgesetz, in: Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer 48 (1989), S. 7 ff. Loebenstein, Edwin: Der Föderalismus – ein Instrument im Dienste der Demokratie und des Rechtsstaates, in: Michael Fischer/Raimund Jakob/Erhard Mock/Helmut Schreiner (Hrsg.), ­ ischer/ Dimensionen des Rechts, Band 2, S. 827 ff. (zit.: Loebenstein, Der Föderalismus, in: F u. a. (Hrsg.), Dimensionen des Rechts II, S. 827 ff.). Lübbe-Wolff, Gertrude: Homogenes Volk  – Über Homogenitätspostulate und Integration, in: Zeitschrift für Ausländerrecht und Ausländerpolitik 2007, S. 121 ff. Lübbe-Wolff, Gertrude: Volk, Demokratie, Verfassung – Die „Verfassung für Europa“ als Heraus­ forderung an die Verfassungstheorie, in: Winfried Kluth (Hrsg.), Europäische Integration und nationales Verfassungsrecht, S. 47 ff. Luhmann, Niklas: Das Recht der Gesellschaft, Frankfurt am Main 1993. Luhmann, Niklas: Grundrechte als Institutionen. Ein Beitrag zur politischen Soziologie, 4. Aufl., Berlin 1999. Luhmann, Niklas: Legitimation durch Verfahren, 9. Aufl., Frankfurt am Main 2013. Luhmann, Niklas: Arbeitsteilung und Moral. Durkheims Theorie, in: Emile Durkheim, Über soziale Arbeitsteilung, 2. Aufl., S. 19 ff. Madison, James: The Federalist, herausgegeben v. Jacob E. Cooke, Middletown/Connecticut 1961 (zit.: Madison, The Federalist Nr.). Maier, Hans: Der Föderalismus  – Ursprünge und Wandlungen, in: Archiv des öffentlichen Rechts 115 (1990), S. 213 ff. Mangoldt, Hermann von/Klein, Friedrich/Starck, Christian: Kommentar zum Grundgesetz, 6.  Aufl., 3  Bände, München 2010. Begründet v. Hermann von Mangoldt; fortgeführt v. Friedrich Klein; herausgegeben v. Christian Starck (zit.: Bearbeiter, Artikel, in: von­ Mangoldt/Klein/Starck, Kommentar zum Grundgesetz6). Marcic, René: Die Deutung der Natur des Verfassungsgerichts, in: Peter Häberle (Hrsg.), Verfassungsgerichtsbarkeit, S. 314 ff. Maunz, Theodor: Die Finanzverfassung im Rahmen der Staatsverfassung, in: Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer 14 (1956), S. 37 ff. Maunz, Theodor/Dürig, Günter: Grundgesetz Kommentar, herausgegeben v. Roman Herzog/ Matthias Herdegen/Rupert Scholz/Hans D. Klein, Loseblattsammlung, Stand: 74.  Ergänzungslieferung Mai 2015. Begründet v. Theodor Maunz/Günter Dürig (zit.: Bearbeiter, Artikel, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz Kommentar).

212

Literaturverzeichnis

Maurer, Hartmut (Hrsg.): Das akzeptierte Grundgesetz. Festschrift für Günter Dürig zum 70. Geburtstag, München 1990 (zit.: Maurer (Hrsg.), Das akzeptierte Grundgesetz). Maus, Ingeborg: Über Volkssouveränität. Elemente einer Demokratietheorie, Berlin 2011. Mayer, Otto: Republikanischer und monarchischer Bundesstaat, in: Archiv des öffentlichen Rechts 18 (1903), S. 337 ff. Medicus, Fritz (Hrsg.): Johann Gottlieb Fichte, Ausgewählte Werke in sechs Bänden, 6 Bände, Darmstadt 1962. Meier, Sonja: Gesamtschulden. Tübingen 2010. Menger, Christian-Friedrich: Der Begriff des sozialen Rechtsstaates im Bonner Grundgesetz, in: Ernst Forsthoff (Hrsg.), Rechtsstaatlichkeit und Sozialstaatlichkeit, S. 42 ff. Menke, Christoph: Kritik der Rechte, Berlin 2015. Merten, Detlef: Die Bindung des Richters an Gesetz und Verfassung, in: Deutsches Verwaltungsblatt 1975, S. 677 ff. Merten, Detlef (Hrsg.): Gewaltentrennung im Rechtsstaat. Zum 300. Geburtstag von Charles de Montesquieu, Berlin 1989. Merten, Detlef/Papier, Hans-Jürgen (Hrsg.): Handbuch der Grundrechte in Deutschland und Europa, 7 Bände, Heidelberg 2004–2014. Metz, Karl H.: Solidarität und Geschichte. Institutionen und sozialer Begriff der Solidarität in Westeuropa im 19. Jahrhundert, in: Kurt Bayertz (Hrsg.), Solidarität, S. 172 ff. Meyer, Hans: Der Finanzausgleich, in: Kritische Vierteljahresschrift für Gesetzgebung und Rechtswissenschaft 91 (2008), S. 132 ff. Möllers, Christoph: Staat als Argument, München 2000. Möllers, Christoph: Gewaltengliederung. Legitimation und Dogmatik im nationalen und internationalen Rechtsvergleich, Tübingen 2005. Möllers, Christoph: Der vermisste Leviathan. Staatstheorie in der Bundesrepublik, Frankfurt am Main 2008. Möllers, Christoph: Demokratie – Zumutungen und Versprechen, 2. Aufl., Berlin 2009. Möllers, Christoph: Der parlamentarische Bundesstaat – Das vergessene Spannungsverhältnis von Parlament, Demokratie und Bundesstaat, in: Josef Aulehner (Hrsg.), Föderalismus  – Auflösung oder Zukunft der Staatlichkeit?, S.  81 ff. (zit.: Möllers, Der parlamentarische Bundesstaat, in: Aulehner (Hrsg.), Föderalismus, S. 81 ff.). Möllers, Christoph: Legalität, Legitimität und Legitimation des Bundesverfassungsgerichts, in: Matthias Jestaedt/Oliver Lepsius/ders./Christoph Schönberger (Hrsg.), Das entgrenzte Gericht, S. 281 ff. Möllers, Christoph: Demokratische Ebenengliederung, in: Ivo Appel/Georg Hermes/Christoph Schönberger (Hrsg.), Öffentliches Recht im offenen Staat, S. 759 ff. Möllers, Christoph: Dogmatik der grundgesetzlichen Gewaltengliederung, in: Archiv des öffentlichen Rechts 132 (2007), S. 493 ff. Möllers, Christoph: Erwiderung, in: Juristenzeitung 2008, S. 188 f.

Literaturverzeichnis

213

Montesquieu, Charles Louis de Secondat de: Vom Geist der Gesetze, 2 Bände, herausgegeben v. Ernst Forsthoff, Tübingen 1951 (zit.: Montesquieu, Vom Geist der Gesetze). Morlok, Martin: Was heißt und zu welchem Ende studiert man Verfassungstheorie?, Berlin 1988. Müller, Friedrich: Richterrecht. Elemente einer Verfassungstheorie Band 4, Berlin 1986 (zit.: F. Müller, Richterrecht). Müller, Friedrich, Essais zur Theorie von Recht und Verfassung, herausgegeben v. Ralph­ Christensen, Berlin 1990. Müller, Friedrich: Wer ist das Volk? Die Grundfrage der Demokratie. Elemente einer Verfassungstheorie Band 6, herausgegeben v. Ralph Christensen, Berlin 1997 (zit.: F. Müller, Wer ist das Volk?). Müller, Friedrich, Gerechtigkeit und Genauigkeit, in: ders., Essais zur Theorie von Recht und Verfassung, S. 38 ff. Müller, Friedrich/Christensen, Ralph: Juristische Methodik, Band  2, 3.  Aufl., Berlin 2012 (zit.: Müller/Christensen, Juristische Methodik3 II). Müller, Gebhard: Die Bedeutung der Verfassungsgerichtsbarkeit für das Verständnis des Grundgesetzes, in: Peter Häberle (Hrsg.), Verfassungsgerichtsbarkeit, S. 398 ff. Müller, Georg/Rhinow, René A./Schmid, Gerhard/Wildkaber, Luzius (Hrsg.): Staatsorganisation und Staatsfunktionen im Wandel. Festschrift für Kurt Eichenberger zum 60. Geburtstag, Basel/Frankfurt am Main 1982. Münch, Ingo von: Grundrechte im Bundesstaat, in: Bitburger Gespräche Jahrbuch 1995, Band 1, S. 61 ff. Münch, Ingo von: Urlaub im Sozialstaat, in: Neue Juristische Wochenschrift 1996, S. 2349 ff. Münch, Ingo von/Kunig, Philip: Grundgesetz Kommentar, 6. Aufl., München 2012. Begründet v. Ingo von Münch, herausgeben v. Philip Kunig (zit.: Bearbeiter, Artikel, in: von Münch/ Kunig, Grundgesetz Kommentar6). Münch, Ursula: Sozialpolitik und Föderalismus. Zur Dynamik der Aufgabenverteilung im sozialen Bundesstaat, Opladen 1997. Nawiasky, Hans: Allgemeine Staatsrechtslehre, 4 Bände, Einsiedeln/Zürich/Köln 1945–1958. Neuner, Jörg: Rechtsfindung contra legem, München 1992. Nolte, Jakob/Poscher, Ralf/Wolter, Henner (Hrsg.), Die Verfassung als Aufgabe von Wissenschaft, Praxis und Öffentlichkeit. Freudesgabe für Bernhard Schlink zum 70. Geburtstag, Heidelberg/München/Landsberg/Frechen/Hamburg 2014. Oeter, Stefan: Integration und Subsidiarität im deutschen Bundesstaatsrecht. Untersuchungen zur Bundesstaatstheorie unter dem Grundgesetz, Tübingen 1998. Ossenbühl, Fritz: Verfassungsrechtliche Grundfragen des Länderfinanzausgleichs gem. Art. 107 II GG, Baden-Baden 1984 (zit.: Ossenbühl, Verfassungsrechtliche Grundfragen des Länderfinanzausgleichs). Ossenbühl, Fritz (Hrsg.): Föderalismus und Regionalismus in Europa. Verfassungskongreß in Bonn vom 14.–16. September 1989, Baden-Baden 1990.

214

Literaturverzeichnis

Ossenbühl, Fritz: Landesbericht Bundesrepublik Deutschland, in: ders. (Hrsg.), Föderalismus und Regionalismus in Europa, S.  117 ff. (zit.: Ossenbühl, Landesbericht BRD, in: ders. (Hrsg.), Föderalismus und Regionalismus in Europa, S. 117 ff.). Ossenbühl, Fritz: Aktuelle Probleme der Gewaltenteilung, in: Die Öffentliche Verwaltung 1980, S. 545 ff. Ossenbühl, Fritz: Föderalismus nach 40 Jahren Grundgesetz, in: Deutsches Verwaltungsblatt 1989, S. 1230 ff. Osterloh, Lerke: Der verfassungsrechtliche Gleichheitssatz. Entwicklungslinien der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, in: Europäische Grundrechte Zeitschrift 2002, S. 309 ff. Pagenkopf, Hans: Der Finanzausgleich im Bundesstaat – Theorie und Praxis –, Stuttgart/Berlin/Köln/Mainz 1981. Pankoke, Eckart: Grenzen der Solidarität, in: Rechtsphilosophische Hefte, Band 4 – Solidarität, S. 81 ff. (zit.: Pankoke, Grenzen der Solidarität, in: Rechtsphilosophische Hefte IV, S. 81 ff.). Parenti, Lucio: In solidum obligari. Contributo allo Studio della Solidarietà da atto lecito,­ Napoli 2012. Peters, Anne: Elemente einer Theorie der Verfassung Europas, Berlin 2001. Pielke, Cora: Das Konnexitätsprinzip in der deutschen Finanzverfassung. Eine interdisziplinäre und rechtsvergleichende Analyse, Hamburg 2010. Popitz, Johannes: Der künftige Finanzausgleich zwischen Reich, Ländern und Gemeinden, Berlin 1932 (zit.: Popitz, Der künftige Finanzausgleich). Popitz, Johannes: Der Finanzausgleich, in: Wilhelm Gerloff/Franz Meisel (Hrsg.), Handbuch der Finanzwissenschaft, Band 2, S. 338 ff. (zit.: Popitz, Der Finanzausgleich, in: Gerloff/ Meisel (Hrsg.), HFW II, S. 338 ff.). Preuß, Hugo: Gemeinde, Staat, Reich als Gebietskörperschaften, Berlin 1889. Redeker, Konrad: Legitimation und Grenzen richterlicher Rechtsetzung, in: Neue Juristische Wochenschrift 1972, S. 409 ff. Reimer, Ekkehart: Die künftige Ausgestaltung der bundesstaatlichen Finanzordnung, in: Ver­ öffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer 73 (2014), S. 153 ff. Rennert, Klaus: Der deutsche Föderalismus in der gegenwärtigen Debatte um eine Verfassungsreform, in: Der Staat 32 (1993), S. 269 ff. Ress, Georg: Staatszwecke im Verfassungsstaat, in: Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer 48 (1989), S. 56 ff. Ridder, Helmut: Die soziale Ordnung des Grundgesetzes, Opladen 1975. Ridder, Helmut K. J., Finanzausgleich und Grundgesetz. Bemerkungen zum Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 20. Februar 1952, in: Archiv des öffentlichen Rechts 78 (1952), S. 237 ff. Roellecke, Gerd: Die Bindung des Richters an Gesetz und Verfassung, in: Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer 34 (1976), S. 7 ff.

Literaturverzeichnis

215

Roellecke, Gerd: Prinzipien der Verfassungsinterpretation, in: Christian Starck (Hrsg.), Bundesverfassungsgericht und Grundgesetz, Band 2, S. 22 ff. Roellecke, Gerd: § 68 – Aufgabe und Stellung des Bundesverfassungsgerichts in der Gerichtsbarkeit, in: Josef Isensee/Paul Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundes­ republik Deutschland, Band  3, 3.  Aufl., S.  1221 ff. (zit.: Roellecke, Aufgabe und Stellung des Bundesverfassungsgerichts in der Gerichtsbarkeit, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR3 III, § 68). Roellecke, Gerd: Institutionelle Gewähr der Verfassung, in: Otto Depenheuer/Christoph Graben­ warter (Hrsg.), Verfassungstheorie, S. 489 ff. Roellecke, Gerd: Beobachtung der Verfassungstheorie, in: Otto Depenheuer/Christoph Grabenwarter (Hrsg.), Verfassungstheorie, S. 57 ff. Ronellenfitsch, Michael, Die Mischverwaltung im Bundesstaat, Berlin 1975. Rudolf, Walter: Die Bundesstaatlichkeit in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, in: Christian Starck (Hrsg.), Bundesverfassungsgericht und Grundgesetz, Band 2, S. 233 ff. Ruland, Franz: Solidarität, in: Neue Juristische Wochenschrift 2002, S. 3598 ff. Rupp, Hans Heinrich: Grundfragen der heutigen Verwaltungsrechtslehre, Tübingen 1965. Rüthers, Bernd: Zwischenruf aus der methodischen Wüste: „Der Richter wird’s schon richten“ (?), in: Juristenzeitung  2006, S.  958 ff. (zit.: Rüthers, Zwischenruf aus der methodischen Wüste, JZ 2006, S. 958 ff.). Sacconi, Giuseppina: Studi sulle obbligazioni solidali da contratto in diritto romano, Milano 1973. Sachs, Michael (Hrsg.): Grundgesetz. Kommentar, 7. Aufl., München 2014 (zit.: Bearbeiter, Artikel, in: Sachs (Hrsg.) Grundgesetz Kommentar7). Šarčević, Edin: Das Bundesstaatsprinzip. Eine staatsrechtliche Untersuchung zur Dogmatik der Bundesstaatlichkeit des Grundgesetzes, Tübingen 2000. Sauer, Ernst: Souveränität und Solidarität. Ein Beitrag zur völkerrechtlichen Wertlehre, Göttingen 1954. Schachtschneider, Karl Albrecht: Res publica res populi. Grundlegung einer allgemeinen Republiklehre. Ein Beitrag zur Freiheits-, Rechts- und Staatslehre, Berlin 1994. Schachtschneider, Karl Albrecht: Prinzipien des Rechtsstaates, Berlin 2006. Scheuner, Ulrich: Struktur und Aufgabe des Bundesstaates in der Gegenwart. Zur Lehre vom Bundesstaat, in: Die Öffentliche Verwaltung 1962, S. 641 ff. Scheuner, Ulrich: Staatszielbestimmungen, in: Roman Schnur (Hrsg.), Festschrift für Ernst Forsthoff zum 70. Geburtstag, S. 325 ff. Scheuner, Ulrich: Die Funktion des Gesetzes im Sozialstaat, in: Hans Huber (Hrsg.), Recht als Prozess und Gefüge. Festschrift für Hans Huber zum 80. Geburtstag, S. 127 ff. Schlaich, Klaus: Die Verfassungsgerichtsbarkeit im Gefüge der Staatsfunktionen. Mitbericht, Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer 39 (1981), S. 99 ff.

216

Literaturverzeichnis

Schlegel, Rainer: Solidarität, in: Christine Hohmann-Dennhardt/Peter Masuch/Mark Villiger (Hrsg.), Grundrechte und Solidarität, S.  331 ff. (zit.: Schlegel, Solidarität, in: HohmannDennhardt/Masuch/Villiger (Hrsg.), Grundrechte und Solidarität, S. 331 ff.). Schlink, Bernhard: Die Entthronung der Staatsrechtswissenschaft durch die Verfassungsgerichtsbarkeit, in: Der Staat 28 (1989), S. 161 ff. Schmelter, Jürgen: Solidarität. Die Entwicklungsgeschichte eines sozialethischen Schlüssel­ begriffs, Dissertation, München 1991. Schmidt, Eberhard: Gesetz und Richter, Karlsruhe 1952. Schmidt, Eberhard: Die Sache der Justiz, Göttingen 1961. Schmidt, Jörg: Die demokratische Legitimationsfunktion der parlamentarischen Kontrolle, Berlin 2007. Schmidt-Aßmann, Eberhardt: § 26 – Der Rechtsstaat, in: Josef Isensee/Paul Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Band  2, 3. Aufl., S.  541 ff. (zit.: Schmidt-Aßmann, Der Rechtsstaat, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR3 II, § 26). Schmidt-Bleibtreu, Bruno/Hofmann, Hans/Henneke, Hans-Günther: Kommentar zum Grundgesetz, 13. Auflage, Köln 2014. Begründet v. Bruno Schmidt-Bleibtreu, herausgegeben v. Hans Hofmann/Hans-Günther Henneke (zit.: Bearbeiter, Artikel, in: Schmidt-Bleibtreu/ Hofmann/Henneke, Kommentar zum Grundgesetz13). Schmieder, Philipp: Duo rei. Gesamtobligationen im römischen Recht, Berlin 2007. Schmitt, Carl: Verfassungslehre, 4. Aufl. (unveränderter Nachdruck der ersten Auflage von 1928), Berlin 1965. Schmitt, Carl (Hrsg.): Verfassungsrechtliche Aufsätze aus den Jahren 1924–1954, Berlin 1958. Schmitt, Carl: Legalität und Legitimität, in: ders. (Hrsg.), Verfassungsrechtliche Aufsätze 1924–1954, S. 263 ff. Schneider, Hans Peter/Zeh, Wolfgang (Hrsg.): Parlamentsrecht und Parlamentspraxis in der Bundesrepublik Deutschland. Ein Handbuch, Berlin 1989. Schneider, Peter: Zur Problematik der Gewaltenteilung im Rechtsstaat der Gegenwart, in: Archiv des öffentlichen Rechts 43 (1957), S. 1 ff. Schnorr, Gerhard: Die Rechtsidee im Grundgesetz, in: Archiv des öffentlichen Rechts 85 (1960), S. 121 ff. Schnur, Roman (Hrsg.): Festschrift für Ernst Forsthoff zum 70. Geburtstag, München 1972. Schoch, Friedrich: Rechtliche Rahmenbedingungen einer Verantwortungsteilung im Mehr-­ Ebenen-System, in: Hans-Günther Henneke (Hrsg.), Verantwortungsteilung zwischen Kom­ munen, Ländern, Bund und EU, S. 21 ff. (zit.: Schoch, Rechtliche Rahmenbedingungen, in: Henneke (Hrsg.), Verantwortungsteilung, S. 21 ff.). Schodder, Thomas F. W.: Föderative Gewaltenteilung in der Bundesrepublik Deutschland. Eine Untersuchung ihrer gegenwärtigen Wirkungen und Probleme, Frankfurt am Main 1989. Scholz, Rupert: Sozialstaat zwischen Wachstums- und Rezessionsgesellschaft, Heidelberg/ Karlsruhe 1981.

Literaturverzeichnis

217

Scholz, Rupert: Das grundgesetzliche Sozialstaatsprinzip und seine Konkretisierung im Bundesstaat, in: Michael Borchard/Udo Margedant (Hrsg.), Sozialer Bundesstaat, S. 11 ff. Scholz, Rupert/Lorenz, Dieter/Pestalozza, Christian/Kloepfer, Michael/Jarass, Hans D./Degenhart, Christoph/Lepsius, Oliver (Hrsg.): Realitätsprägung durch Verfassungsrecht. Kolloquium aus Anlass des 80.  Geburtstages von Peter Lerche, Berlin 2008 (zit.: Scholz/u. a. (Hrsg.), Realitätsprägung durch Verfassungsrecht). Schönberger, Christoph: Höchstrichterliche Rechtsfindung und Auslegung gerichtlicher Entscheidungen, in: Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer 71 (2012), S. 296 ff. Schönberger, Christoph: Bundesverfassungsgerichtspositivismus  – Zu einer Erfolgsformel Bernhard Schlinks, in: Jakob Nolte/Ralf Poscher/Henner Wolter (Hrsg.): Die Verfassung als Aufgabe von Wissenschaft, Praxis und Öffentlichkeit, S. 41 ff. (zit.: Schönberger, Bundesverfassungsgerichtspositivismus, in: Nolte/Poscher/Wolter (Hrsg.), Die Verfassung als Aufgabe von Wissenschaft, Praxis und Öffentlichkeit, S. 41 ff.). Schönberger, Christoph: Die europäische Union zwischen „Demokratiedefizit“ und Bundesstaatsverbot. Anmerkungen zum Lissabon-Urteil des Bundesverfassungsgerichts, in: Der Staat 48 (2009), S. 535 ff. Schulze-Fielitz, Helmuth: Wirkung und Befolgung verfassungsgerichtlicher Entscheidungen, in: Peter Badura/Horst Dreier (Hrsg.), Festschrift 50 Jahre Bundesverfassungsgericht, Band 1, S. 385 ff. (zit.: Schulze-Fielitz, Wirkung und Befolgung verfassungsgerichtlicher Entscheidungen, in: Badura/H. Dreier (Hrsg.), FS 50 Jahre BVerfG I, S. 385 ff.). Schulze Wessel, Julia: Über Autorität, in: Hans Vorländer (Hrsg.), Die Deutungsmacht der Verfassungsgerichtsbarkeit, S. 57 ff. Schuppert, Gunnar Folke/Dahrendorf, Frank: Verfassungsrechtliche und finanzwissenschaftliche Aspekte des Länderfinanzausgleichs, Baden-Baden 1985. Schwarte, Johannes: Die Auseinandersetzung mit dem Sozialismus bei Gustav Gundlach S. J. (1892–1963), in: Jahrbuch für Christliche Sozialwissenschaften 16 (1975), S. 83 ff. Schwinge, Erich (Hrsg.): Festgabe Heinrich Herrfahrdt zum 70. Geburtstag, Marburg 1961. Selmer, Peter: Grundsätze der Finanzverfassung im vereinten Deutschland, in: Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer 52 (1993), S. 10 ff. Selmer, Peter/Brodersen, Carsten: Finanzverfassungsrechtliche Grundfragen des horizontalen Finanzausgleichs – untersucht im Hinblick auf die stadtstaatenspezifischen Bestimmungen des Finanzausgleichsgesetzes, Hamburg 1984 (zit.: Selmer/Brodersen, Finanzverfassungsrechtliche Grundfragen). Sieyès, Emmanuel Joseph: Politische Schriften 1788–1790, 2. Aufl., übersetzt und herausgegeben v. Eberhard Schmitt/Rolf Reichardt, München/Wien 1981. Simons, Werner von: Das demokratische Prinzip im Grundgesetz, in: Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer: 29 (1971), S. 3 ff. Smend, Rudolf (Hrsg.): Staatsrechtliche Abhandlungen und andere Aufsätze, 2. Aufl., Berlin 1968. Smend, Rudolf: Verfassung und Verfassungsrecht, in: ders. (Hrsg.), Staatsrechtliche Abhandlungen und andere Aufsätze, 2. Aufl., S. 119 ff.

218

Literaturverzeichnis

Smend, Rudolf: Das Bundesverfassungsgericht, in: ders. (Hrsg.), Staatsrechtliche Abhandlungen und andere Aufsätze, 2. Aufl., S. 581 ff. Smend, Rudolf: Festvortrag zur Feier des zehnjährigen Bestehens des Bundesverfassungs­ gerichts am 26. Januar 1962, in: Peter Häberle (Hrsg.), Verfassungsgerichtsbarkeit, S. 329 ff. (zit.: Smend, Festvortrag, in: Häberle (Hrsg.), Verfassungsgerichtsbarkeit, S. 329 ff.). Smith, Stephan: Konfliktlösung im demokratischen Bundesstaat, Berlin 2011. Sobota, Katharina: Das Prinzip Rechtsstaat. Verfassungs- und verwaltungsrechtliche Aspekte, Tübingen 1997. Sommermann, Karl-Peter: Some Reflections on the Concept of Solidarity and its Transformation into a Legal Principle, in: Archiv des Völkerrechts 52 (2014), S. 10 ff. (zit.: Sommermann, Some Reflections, in: AVR 52 (2014), S. 10 ff.). Starck, Christian (Hrsg.): Bundesverfassungsgericht und Grundgesetz. Festgabe aus Anlass des 25jährigen Bestehens des Bundesverfassungsgerichts, 2 Bände, Tübingen 1976. Starck, Christian: Die Bindung des Richters an Gesetz und Verfassung, in: Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer 34 (1976), S. 43 ff. Starck, Christian: Die Bundesstaatlichkeit im Spiegel der Finanzverfassung. Bemerkungen zum Bonner Kommentar, in: Steuer und Wirtschaft 1974, S. 271 ff. Stein, Erwin: Die verfassungsrechtlichen Grenzen der Rechtsfortbildung durch die Recht­ sprechung, in: Neue Juristische Wochenschrift 1964, S. 1745 ff. Steiner, Anja: Die Römischen Solidarobligationen. Eine Neubesichtigung unter aktionenrechtlichen Aspekten, München 2009. Stern, Klaus: Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, 5 Bände, 1. Aufl., München 1977–2011. Stern, Klaus: Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Band 1 – Grundbegriffe und Grundlagen des Staatsrechts, Strukturprinzipien der Verfassung, 2. Aufl., München 1984. Strickrodt, Georg: Die Finanzverfassung des Bundes als politisches System, Tübingen 1951. Strickrodt, Georg: Finanzverfassung als selbständiges Normensystem, in: Juristenzeitung 1955, S. 129 ff. Sturm, Roland: Bürgergesellschaft und Bundesstaat. Demokratietheoretische Begründung des Föderalismus und der Föderalismuskultur, Gütersloh 2004. Suhr, Dieter: Rechtsstaatlichkeit und Sozialstaatlichkeit, in: Der Staat 9 (1970), S. 67 ff. Tappe, Henning: Die künftige Ausgestaltung der bundesstaatlichen Finanzordnung, in: Deutsches Verwaltungsblatt 2013, S. 1079 ff. Tappe, Henning/Wernsmann, Rainer: Öffentliches Finanzrecht, Heidelberg 2015. Thieme, Werner: „Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus“, in: Juristenzeitung 1955, S. 657 ff. Thöne, Michael/Jacobs, Christian: Länderfinanzausgleich in Deutschland. Analyse und umsetzungsorientierte Reformmodelle, Berlin 2001. Tocqueville, Alexis de: Über die Demokratie in Amerika, 2. Aufl., München 1984. Herausgegeben v. Jacob Peter Mayer/Theodor Eschenburg/Hans Zbinden, übersetzt v. Hans Zbinden.

Literaturverzeichnis

219

Unger, Sebastian: Das Verfassungsprinzip der Demokratie, Tübingen 2008. Vitzthum, Wolfgang Graf: Die Bedeutung gliedstaatlichen Verfassungsrechts in der Gegenwart, in: Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer 46 (1988), S. 7 ff. Vogel, Klaus: § 87  – Grundzüge des Finanzrechts des Grundgesetzes, in: Josef Isensee/Paul Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Band  4, 1. Aufl., S. 3 ff. (zit.: Vogel, Grundzüge des Finanzrechts des Grundgesetzes, in: Isensee/ Kirchhof (Hrsg.), HStR2 IV, § 87). Voigt, Rüdiger: Haushaltsrecht zwischen Parlament und Regierung. Zum Notbewilligungsrecht des Bundesfinanzministers nach Art.  112 GG, in: Bayerische Verwaltungsblätter  1978, S. 101 ff. Völker, Christiane S.: Solidarität als Rechtspflicht im Arbeitsrecht, Dissertation, Würzburg 1997. Volkmann, Uwe: Solidarität – Programm und Prinzip der Verfassung, Tübingen 1998 (zit.: Volkmann, Solidarität). Volkmann, Uwe: § 12 – Grundrechte und Sozialismus, in: Detlef Merten/Hans-Jürgen Papier (Hrsg.), Handbuch der Grundrechte in Deutschland und Europa, Band  1, S.  477 ff. (zit.: Volkmann, Grundrechte und Sozialismus, in: Merten/Papier (Hrsg.), HGR I, § 12). Volkmann, Uwe: Leitbildorientierte Verfassungsanwendung, in: Archiv des öffentlichen Rechts 134 (2009), S. 157 ff. Volkmann, Uwe: Zur heutigen Situation einer Verfassungstheorie, in: Der Staat  51 (2012), S. 600 ff. Vorländer, Hans (Hrsg.): Die Deutungsmacht der Verfassungsgerichtsbarkeit, Wiesbaden 2006. Voßkuhle, Andreas: Die Staatstheorie des Bundesverfassungsgerichts, in: Beihefte zu Der Staat 21 (2013), S. 371 ff. Waitz, Georg: Das Wesen des Bundesstaates. Reden und Betrachtungen von J. v. Radowitz (Gesammelte Schriften Bd. 2), Berlin 1852, in: Allgemeine Monatsschrift für Wissenschaft und Literatur 1853, S. 494 ff. Waldhoff, Christian: Finanzautonomie und Finanzverflechtung in gestuften Rechtsordnungen, in: Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer 66 (2007), S. 216 ff. (zit.: Waldhoff, Finanzautonomie und Finanzverflechtung, VVDStRL 66 (2007), S. 216 ff.). Waldhoff, Christian: Reformperspektiven im Finanzrecht. Ein Überblick, in: Die Verwaltung 2006, S. 155 ff. Welzel, Hans: Naturrecht und materiale Gerechtigkeit, 4. Aufl., Göttingen 1962. Wendt, Rudolf: § 104  – Finanzhoheit und Finanzausgleich, in: Josef Isensee/Paul Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Band  4, 1.  Aufl., S.  1021 ff. (zit.: Wendt, Finanzhoheit und Finanzausgleich, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR IV, § 104). Wendt, Rudolf: § 41 – Der Finanzausgleich im föderalen System der Bundesrepublik Deutschland, in: Ines Härtel (Hrsg.), Handbuch Föderalismus, Band 2, S. 389 ff. (zit.: Wendt, Der Finanzausgleich im föderalen System der BRD, in: Härtel (Hrsg.), Handbuch Föderalismus II, § 41).

220

Literaturverzeichnis

Wiederin, Ewald: Die Gesetzeskraft der Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts, in: Michael Brenner/Peter M. Huber/Markus Möstl (Hrsg.), Der Staat des Grundgesetzes  – Kontinuität und Wandel, S. 605 ff. Wieland, Joachim: Einen und Teilen. Grundsätze der Finanzverfassung des vereinten Deutschlands, in: Deutsches Verwaltungsblatt 1992, S. 1181 ff. Wieland, Joachim: Finanzverfassung, Steuerstaat und föderaler Ausgleich, in: Peter Badura/ Horst Dreier (Hrsg.), Festschrift 50 Jahre Bundesverfassungsgericht, Band 2, S. 771 ff. (zit.: Wieland, Finanzverfassung, in: Badura/Dreier (Hrsg.), FS 50 Jahre BVerfG II, S. 771 ff.). Wieser, Bernd/Stolz, Armin (Hrsg.): Verfassungsrecht und Verfassungsgerichtsbarkeit an der Schwelle zum 21. Jahrhundert. Symposium aus Anlass des 60. Geburtstages von o. Univ.Prof. Dr. Richard Novak, Wien 2000. Wieser, Friedrich von/Wenger, Leopold/Klein, Peter (Hrsg.): Kant-Festschrift. Zu Kants 200. Geburtstag am 22. April 1924, Frankfurt am Main 1987 (Nachdruck). Wildt, Andreas: Bemerkungen zur Begriffs- und Ideengeschichte von „Solidarität“ und ein Definitionsvorschlag für diesen Begriff heute, in: Rechtsphilosophische Hefte, Band 4 – Solidarität, S. 37 ff. (zit.: Wildt, Begriffs- und Ideengeschichte, Rechtsphilosophische Hefte IV, S. 37 ff.). Wilke, Dieter: § 112  – Die rechtsprechende Gewalt, in: Josef Isensee/Paul Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Band  5, 3. Aufl., S.  633 ff. (zit.: Wilke, Die rechtsprechende Gewalt, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR3 V, § 112). Wissenschaftlicher Beirat beim Bundesministerium der Finanzen: Gutachten zum Länder­ finanzausgleich in der Bundesrepublik Deutschland, Bonn 1992. Wolf, Manfred: Erziehung zu einer Freirechtsbewegung? Entgegnung zu Winter, JuS 1972, 107, in: Juristische Schulung 1972, S. 111 f. Würtenberger, Thomas: Zur Legitimität des Verfassungsrichterrechts, in: Bernd Guggenberger/ ders. (Hrsg.), Hüter der Verfassung oder Lenker der Politik? Das Bundesverfassungsgericht im Widerstreit, S. 47 ff. Würtenberger, Thomas/Maihofer, Werner/Hollerbach, Alexander (Hrsg.): Existenz und Ordnung. Festschrift für Erik Wolf zum 60. Geburtstag, Frankfurt am Main 1962. Wyduckel, Dieter: Ius Publicum. Grundlagen und Entwicklung des Öffentlichen Rechts und der deutschen Staatsrechtswissenschaft, Berlin 1984. Zacher, Hans F.: § 28 – Das soziale Staatsziel, in: Josef Isensee/Paul Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Band  2, 3. Aufl., S.  659 ff. (zit.:­ Zacher, Das soziale Staatsziel, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR3 II, § 28). Zacher, Hans F.: Soziale Gleichheit. Zur Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu Gleichheitssatz und Sozialstaatsprinzip, in: Archiv des öffentlichen Rechts  93 (1968), S. 341 ff. Zippelius, Reinhold: Juristische Methodenlehre, 11. Aufl., München 2012

Sachregister Anziehungskraft des größten Etats  179 Auslegungsfunktion 22 Autorität 32

Haushaltsautonomie  137, 147 Haushaltsverfassung  134, 137, 140, 142 Homogenität  67, 68, 94, 95

Budgetrecht des Parlaments Siehe Parlamentarisches Budgetrecht Bundesstaat 15, 61, 63, 70, 112, 136, 140, 153, 179 –– Bundesstaat des Grundgesetzes 16, 110, 111, 116, 125, 129, 150 –– dreigliedriger Bundesstaat  36, 71 –– unitarischer Bundesstaat  113, 129, 130 Bundesstaatsprinzip  109, 116, 129, 131, 141, 148, 149, 153, 158, 159, 160, 162, 164, 165, 166, 170, 172, 173 Bundesstaatstheorie  61, 74 Bündisches Prinzip des Einstehens füreinander 23

Landesbürger  119, 121, 146, 158 Landesvölker  111, 148

Demokratieprinzip  125, 129, 131, 136, 138, 140, 141, 144, 146, 148, 149, 170 Federalists 63 Finanzausgleichssystem 16, 19, 36, 48, 49, 51, 53, 64, 71, 142 Finanzreform 1955  51 Finanzreform 1969  53 Formalismus 103 Gegensatzaufhebende Begriffsbildung 68, 96 Gerechtigkeit  91, 101, 103, 154 Gesetz und Recht  40, 43, 44 Gesetzesbindung  27, 45, 54, 164 Gewaltengliederung  167, 169, 170, 171, 172 Gewaltenteilungsgrundsatz  165, 166

Maßstabsetzende Zwischennorm  32 Metaphysik  96, 101 Negative Gesetzgebungskompetenz  28 Obligatio in solidum  76, 107 Parlamentarischer Rat  48, 178 Parlamentarisches Budgetrecht  139, 144, 145 Recht und Moral  88, 90 Rechtserzeugungsprozess  26, 168, 169, 170 Rechtspositivismus  86, 101, 104, 105 Rechtsstaatsprinzip  130, 161, 162, 164, 165 Republikanisches Prinzip  172, 174 République fédérative  62, 67 Solidarität  76, 79, 82, 84, 87, 93, 94, 99, 108, 117, 154 Sozialstaatsprinzip  54, 81, 150, 157, 160 Staatlichkeit der Länder  110, 138 Staatszweck 118 Troeger-Kommission 53 Verfassungsdogmatik  33, 56, 58 Verfassungstheorie  56, 58, 59 Vertikaler Finanzausgleich  49, 51, 71, 178