Entsendungsrechte in der Aktiengesellschaft [1 ed.] 9783428548576, 9783428148578

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Entsendungsrechte in der Aktiengesellschaft [1 ed.]
 9783428548576, 9783428148578

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Abhandlungen zum Deutschen und Europäischen Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht Band 94

Entsendungsrechte in der Aktiengesellschaft

Von Alexander N. Klausmann

Duncker & Humblot · Berlin

ALEXANDER N. KLAUSMANN

Entsendungsrechte in der Aktiengesellschaft

Abhandlungen zum Deutschen und Europäischen Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht Herausgegeben von Professor Dr. Holger Fleischer, LL.M., Hamburg Professor Dr. Hanno Merkt, LL.M., Freiburg Professor Dr. Gerald Spindler, Göttingen

Band 94

Entsendungsrechte in der Aktiengesellschaft

Von Alexander N. Klausmann

Duncker & Humblot · Berlin

Die Rechtswissenschaftliche Fakultät der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg i. Br. hat diese Arbeit im Sommersemester 2015 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

D 25 Alle Rechte vorbehalten

© 2016 Duncker & Humblot GmbH, Berlin

Fremddatenübernahme: Konrad Triltsch GmbH, Ochsenfurt Druck: buchbücher.de gmbh, Birkach Printed in Germany ISSN 1614-7626 ISBN 978-3-428-14857-8 (Print) ISBN 978-3-428-54857-6 (E-Book) ISBN 978-3-428-84857-7 (Print & E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Meinen Eltern

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Sommersemester 2015 von der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg als Dissertation angenommen und befindet sich auf dem Stand vom 30. April 2015. Sie entstand während meiner Tätigkeit am dortigen Institut für ausländisches und internationales Privatrecht, Abt. II, unter der Leitung von Professor Dr. Hanno Merkt, LL.M. Die Arbeit wurde von der Fakultät mit dem Carl von Rotteck-Preis 2015 ausgezeichnet, verbunden mit einem von der Kanzlei Gleiss Lutz gestifteten Förderbetrag, wofür ich mich sehr herzlich bedanke. Meinem verehrten Doktorvater, Herrn Professor Dr. Hanno Merkt, LL.M., verdanke ich nicht nur die Idee zum Thema der vorliegenden Arbeit, die auf ein Seminar zum deutschen und europäischen Unternehmens- und Kapitalmarktrecht im Sommersemester 2011 zurückgeht. Er hat mir zudem viele wertvolle Hinweise und Impulse für die Bearbeitung gegeben und mir zugleich alle inhaltlichen Freiheiten gelassen. Dafür sowie auch für die außerordentlich schnelle Verfassung des Erstgutachtens bin ich ihm zu tiefstem Dank verpflichtet. Ebenfalls herzlich danken möchte ich Herrn Professor Dr. Uwe Blaurock für die nicht minder zügige Erstellung des Zweitgutachtens. Für die Aufnahme der Arbeit in die AGK-Schriftenreihe danke ich ferner den Herausgebern, Herrn Professor Dr. Holger Fleischer, LL.M., Herrn Professor Dr. Hanno Merkt, LL.M., und Herrn Professor Dr. Gerald Spindler. Der rechtsvergleichende Teil der Arbeit entstand während eines Forschungsaufenthaltes am Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht in Hamburg. Auch den dortigen Verantwortlichen sei an dieser Stelle für die Möglichkeit der Bibliotheksnutzung herzlich gedankt. Darüber hinaus danke ich allen meinen Kolleginnen und Kollegen am Institut für ausländisches und internationales Privatrecht, Abt. II, für die stets angenehme und freundschaftliche Zusammenarbeit. An meine Zeit am Lehrstuhl werde ich mich immer gerne zurückerinnern. Insbesondere den Herren Ferdinand Dreher, LL.M., und Dr. Thilo Schülke danke ich für viele erhellende Diskussionen und wertvolle kritische Anmerkungen. Der größte Dank gilt indes meinen Eltern, denen diese Arbeit gewidmet ist. Sie haben mir nicht nur das Studium und die Promotion ermöglicht, sondern mich auch während des Entstehens dieser Arbeit vorbehaltlos unterstützt und nicht zuletzt die zweifellos sehr mühselige Aufgabe des Korrekturlesens übernommen. Hamburg, im Februar 2016

Alexander N. Klausmann

Inhaltsverzeichnis Einleitung

25

A. Problemaufriss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 B. Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27

Kapitel 1 Grundlagen, historische Entwicklung und Zwecke des Entsendungsrechts

29

A. Begriff und Grundlagen der Entsendung nach § 101 Abs. 2 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . 30 I. Der Begriff der Entsendung im Aktienrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 II. Abgrenzung des Entsendungsrechts von ähnlichen Instrumenten . . . . . . . . . . . . 31 1. Stimmbindungsverträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 2. Vorschlagsrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 3. Mehrstimmrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 4. Sonstige . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 III. Die Abberufung als Gegenstück zur Entsendung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 IV. Rechtliche Grundlagen des Entsendungsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 1. Rechtsnatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 2. Erscheinungsformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 a) Aktionärsgebundenes bzw. persönliches Entsendungsrecht . . . . . . . . . . . . 38 b) Aktiengebundenes bzw. inhabergebundenes Entsendungsrecht . . . . . . . . . 40 c) Exkurs: Schuldrechtliche Vereinbarungen über die Begründung bzw. Übertragung von Entsendungsrechten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 3. Normimmanente Beschränkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 a) Satzungsmäßige Grundlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 b) Aktionärseigenschaft des Begünstigten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 c) Begrenzung auf ein Drittel der Anteilseignervertreter . . . . . . . . . . . . . . . . 44 d) Weitere Einschränkungen durch die Satzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 4. Rechtsstellung entsandter Aufsichtsratsmitglieder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 a) Organstellung und Weisungsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 b) Machterweiternde Satzungsgestaltungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49

10

Inhaltsverzeichnis 5. Rechtsstellung und Haftung des Entsendungsberechtigten . . . . . . . . . . . . . . . 51 a) Stellung des Entsendungsberechtigten im Organisationsgefüge der Aktiengesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 b) Ausübung des Entsendungsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 c) Haftung des Entsendungsberechtigten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 aa) Haftung für eigenes Verschulden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 bb) Haftung für fremdes Verschulden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55

B. Die historische Entwicklung des aktienrechtlichen Entsendungsrechts . . . . . . . . . . . . 57 I. Entsendungsrechte vor dem AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 1. Vorläufer der Aktiengesellschaft und frühe Kodifikationen . . . . . . . . . . . . . . 58 2. ADHGB und erste Aktienrechtsnovelle 1870 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 3. Zweite Aktienrechtsnovelle 1884 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 4. HGB 1897 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 5. Rechtsprechung des Reichsgerichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 6. Entsendungsgestaltungen in der Praxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 7. Reformbestrebungen der 20er und 30er Jahre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 a) Reformkräfte und Diskussion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 b) Aktiengesetzentwurf 1930 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 c) Aktiengesetzentwurf 1931 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 8. Rechtsprechungsänderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 9. Entsendung bzw. Wahl von Arbeitnehmervertretern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 II. Kodifizierung im AktG 1937 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 1. Entsendung von Aufsichtsratsmitgliedern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 2. Bestellung des Vorstands . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 3. Mehrstimmrechtsaktien und ähnliche Instrumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 4. Bewertung der Neuerungen und Würdigung nationalsozialistischer Einflüsse 75 a) Entsendungsrecht gem. § 88 AktG 1937 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 b) Vorstandsbestellung gem. § 75 Abs. 1 AktG 1937 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 c) Verbot von Mehrstimmrechten gem. § 12 Abs. 2 S. 1 AktG 1937 . . . . . . . 79 III. Entwicklung seit 1945 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 1. Übernahme des Entsendungsrechts im AktG 1965 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 2. Entsendung von Arbeitnehmervertretern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 3. Spezialgesetzliches Entsendungsrecht bei der Volkswagen AG . . . . . . . . . . . 84 4. Bestellung des Vorstands . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 5. Mehrstimmrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 a) Regelung im AktG 1965 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 b) Weitgehende Abschaffung durch das KonTraG 1998 . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 IV. Schlussfolgerungen aus der historischen Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 1. Ambivalenz des deutschen Aktienrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 2. Gesetzgeberische Zielrichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90

Inhaltsverzeichnis

11

3. Bekenntnis statt Abschaffung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 C. Zwecke des Entsendungsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 I. Erweiterung und Absicherung der Einflussnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 1. Öffentlich-rechtliche Anteilseigner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 2. Unternehmensgründer, Gründerfamilien und Stiftungen . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 3. Herrschende Unternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 4. Venture-Capital-Geber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 5. Ankeraktionäre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 II. Übernahmeabwehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98

Kapitel 2 Entsendungsrechte im nationalen und internationalen Vergleich

100

A. Aktuelle Nutzung aktienrechtlicher Entsendungsrechte in der Praxis . . . . . . . . . . . . . 100 I. Gegenstand und Methode der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 1. Untersuchungsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 2. Untersuchungsmethode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 II. Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 1. Verbreitung von Entsendungsrechten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 2. Ausgestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 a) Umfang, Form und Voraussetzungen der Entsendungsrechte . . . . . . . . . . . 104 b) Entsendungsberechtigte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 3. Exkurs: Publizitätsaspekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 a) Entsprechenserklärung nach § 161 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 b) Lagebericht nach § 289 HGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 c) Erklärung zur Unternehmensführung nach § 289a HGB . . . . . . . . . . . . . . 111 III. Zusammenfassung und Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 B. Die Entsendung in anderen deutschen Gesellschaftsformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 I. GmbH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 1. Entsendung von Geschäftsführern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 a) Zulässigkeit von Entsendungsrechten für Gesellschafter . . . . . . . . . . . . . . 113 b) Abberufung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 c) Weisungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 2. Entsendung von Aufsichtsratsmitgliedern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 a) Zulässigkeit von Entsendungsrechten für Gesellschafter . . . . . . . . . . . . . . 117 b) Abberufung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 3. Sonderproblem: Entsendung durch Dritte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 a) Geschäftsführer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121

12

Inhaltsverzeichnis b) Aufsichtsrat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 4. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 II. SE . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 1. Entsendungsrechte in der dualistischen SE . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 2. Entsendungsrechte in der monistischen SE . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 3. Exkurs: Beschlussfähigkeit und Beschlussfassung der Organe . . . . . . . . . . . . 134 4. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 III. KGaA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137

C. Entsendungsrechte im ausländischen Aktienrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 I. USA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 1. Organisationsverfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 2. Entsendung von Mitgliedern des board of directors . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 a) Grundsatz der Wahl durch die shareholders . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 b) Gattungswahlrechte (class voting rights) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 aa) Grundsätzliche Zulässigkeit und Wirkungsweise . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 bb) Abberufungskompetenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 cc) Zulässigkeitsschranken für börsennotierte Gesellschaften . . . . . . . . . . 147 c) Stimmbindungsverträge und Stimmrechtskonsortien . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 d) Cumulative Voting . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 e) Vorschlagsrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 3. Entsendung von officers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 4. Zusammenfassung und Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 II. England und Wales . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 1. Organisationsverfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 2. Entsendung von Mitgliedern des board of directors . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 a) Grundsatz der Satzungsautonomie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 b) Bestellung durch Aktionäre oder Dritte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 c) Abberufung durch das general meeting (s. 168 CA 2006) . . . . . . . . . . . . . 161 aa) Grundsatz und Unabdingbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 bb) Umgehungsmöglichkeit nach Bushell v Faith . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 cc) Umgehungsmöglichkeit durch shareholders’ agreements . . . . . . . . . . 164 dd) Keine Umgehungsmöglichkeit durch class rights . . . . . . . . . . . . . . . . 164 d) Zulässigkeitsschranken für börsennotierte Gesellschaften . . . . . . . . . . . . . 165 e) Sonderfall: Community Interest Companies . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 3. Zusammenfassung und Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 III. Frankreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 1. Organisationsverfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 2. Entsendung in der société anonyme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 a) Strenger Grundsatz der Wahl durch die Hauptversammlung . . . . . . . . . . . 170

Inhaltsverzeichnis

13

b) Vertretungsregelungen durch Wählbarkeitsklauseln . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 c) Stimmbindungsverträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 d) Wahl von juristischen Personen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 e) Besonderheit: Treuestimmrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 f) Entsendung von censeurs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 3. Entsendung in der société par actions simplifiée . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 4. Spezialgesetzliche Sonderrechte der öffentlichen Hand . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 a) Entsendungsrechte nach Art. 10 Privatisierungsgesetz 1986 . . . . . . . . . . . 178 b) Nominierungsrecht nach Art. 139 NRE-Gesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 5. Zusammenfassung und Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 IV. Österreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 1. Organisationsverfassung und Vorstandsbestellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 2. Entsendung von Aufsichtsratsmitgliedern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 a) Grundsatz der Wahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 b) Entsendungsrecht für Aktionäre (§ 88 öAktG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 c) Nominierungs- bzw. Vorschlagsrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 d) Syndikatsvertragliche Entsendungsrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 e) Wahl von Minderheitenvertretern (§ 87 Abs. 4 öAktG) . . . . . . . . . . . . . . . 186 f) Verhältniswahl (§ 87 Abs. 5) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 3. Zusammenfassung und Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 V. Schweiz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 1. Organisationsverfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 2. Entsendung von Verwaltungsratsmitgliedern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 a) Grundsatz der Wahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 b) Entsendungsrecht für öffentlich-rechtliche Körperschaften (Art. 762 OR) 190 c) Vertretung von Aktionärskategorien und -gruppen (Art. 709 OR) . . . . . . . 193 d) Vertretung von Partizipanten (Art. 656e OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 e) Aktionärsbindungsverträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 f) Stimmrechtsaktien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 g) Keine Vertretungsrechte für Dritte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 3. Entsendung von Mitgliedern der Revisionsstelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 4. Zusammenfassung und Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 VI. Andere Rechtsordnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 1. Niederlande . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 2. Schweden, Dänemark, Finnland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 3. Italien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 4. Polen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 VII. Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205

14

Inhaltsverzeichnis Kapitel 3 Die Vereinbarkeit von Entsendungsrechten mit sonstigem nationalen Recht, Grundgesetz und Europarecht

208

A. Einführung: Entsendungsrechte in der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 I. Die golden share-Rechtsprechung des EuGH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209 II. Der Fall „ThyssenKrupp“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 B. Vereinbarkeit mit sonstigem Aktienrecht und nationalem Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . 211 I. § 53a AktG – Gleichbehandlungsgrundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 1. Ungleichbehandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 2. Rechtfertigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213 a) Verzicht auf Gleichbehandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213 b) Anwendung auf satzungsändernde Beschlüsse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214 c) Gesetzlich gebilligte Ungleichbehandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 d) Abweichende Beurteilung im Vereins- und GmbH-Recht . . . . . . . . . . . . . 216 3. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 II. § 12 AktG – Verbot von Mehrstimmrechten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 III. § 136 Abs. 1 AktG – Stimmverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 IV. § 111 Abs. 1 AktG – Überwachungsfunktion des Aufsichtsrats . . . . . . . . . . . . . 220 1. Entsendungsrecht eines Vorstandsmitglieds . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220 2. Entsendungsrecht eines Aufsichtsratsmitglieds . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 V. § 243 Abs. 2 AktG – Anfechtbarkeit wegen Sondervorteils . . . . . . . . . . . . . . . . 224 VI. §§ 124, 131 AktG – Bekanntmachung der Tagesordnung und Auskunftspflicht auf der Hauptversammlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 VII. §§ 33, 33a WpÜG – Verhinderungsverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 VIII. § 5 BörsZulV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 IX. Exkurs: Entsendungsrechte und Konzernrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230 1. Abhängigkeit durch Entsendungsrechte (§ 17 Abs. 1 AktG) . . . . . . . . . . . . . . 230 2. Unabhängigkeit durch Entsendungsrechte (§ 17 Abs. 2 AktG) . . . . . . . . . . . . 232 X. Exkurs: Entsendungsrechte und Geschlechterquote . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234 1. Regelung des Regierungsentwurfs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 2. Kritische Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 C. Vereinbarkeit mit dem Grundgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237 I. Art. 14 GG – Eigentumsgarantie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237 1. Anwendbarkeit und Schutzbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238 2. Reichweite und Inhalt des Schutzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239 3. Schlussfolgerungen für Entsendungsrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241 II. Art. 3 Abs. 1 GG – Gleichheitssatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242

Inhaltsverzeichnis

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D. Vereinbarkeit mit europäischem Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 I. Art. 63 Abs. 1 AEUV – Kapitalverkehrsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246 1. Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246 a) Begriff des Kapitalverkehrs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246 b) Beschränkungsverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247 2. Entsendungsrechte als Beschränkung des freien Kapitalverkehrs . . . . . . . . . . 248 a) Gesetzliche Entsendungsrechte: Der Fall „Volkswagen“ . . . . . . . . . . . . . . 249 b) Satzungsmäßige Entsendungsrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250 3. Bindungswirkung der Kapitalverkehrsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 252 a) Spezialgesetzliche staatliche Entsendungsrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 252 b) Satzungsmäßige Entsendungsrechte zugunsten staatlicher Aktionäre . . . . 253 aa) Grundsatz des effet utile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254 bb) Rechtsprechung des EuGH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254 cc) Bindung des Staates im Rahmen von § 101 Abs. 2 AktG . . . . . . . . . . 255 (1) Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255 (2) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256 dd) Voraussetzungen der Grundfreiheitenbindung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259 c) Satzungsmäßige Entsendungsrechte zugunsten privater Aktionäre . . . . . . 260 aa) Deutsche Rechtsprechung im Fall „ThyssenKrupp“ . . . . . . . . . . . . . . . 260 bb) Bewertung im Schrifttum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261 cc) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263 (1) Unmittelbare Drittwirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263 (2) Mittelbare Drittwirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266 (3) Bedeutung für private Entsendungsrechte nach § 101 Abs. 2 AktG 267 d) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 270 4. Rechtfertigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271 5. Exkurs: Kein Vorrang des Sekundärrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 272 II. Art. 49 AEUV – Niederlassungsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 274 E. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 276

Kapitel 4 Entsendungsrechte als „Ewigkeitsrechte“

277

A. Der „Ewigkeitscharakter“ der Entsendung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 277 I. Die Qualifizierung des Entsendungsrechts im Schrifttum . . . . . . . . . . . . . . . . . . 277 II. Begriff der Sonderrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 278 1. Begriffsmerkmale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 278 2. Definition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 282 3. Subsumtion und Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 282

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Inhaltsverzeichnis III. Die Unentziehbarkeit von Sonderrechten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283 1. Zustimmungserfordernis als Rechtsfolge des § 35 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . 283 2. Anwendbarkeit des § 35 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 284 a) Meinungsstand in Literatur und Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 284 b) Stellungnahme: Prüfung in drei Schritten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 285 c) Grundsätzliche Anwendbarkeit des Vereinsrechts auf die AG . . . . . . . . . . 285 aa) Die AG als (wirtschaftlicher) Verein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 285 bb) Die vereinsrechtlichen Vorschriften als lex generalis der Körperschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 287 cc) Unterschiede im Recht der Personengesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . 288 d) Keine Verdrängung des § 35 BGB durch speziellere Vorschriften . . . . . . . 289 e) Tatbestandsmäßigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 291 f) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 291 3. Reichweite des Zustimmungserfordernisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 291 4. Zulässigkeit von Abweichungen durch die Satzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 292 a) Anwendbarkeit des § 40 BGB in der Aktiengesellschaft . . . . . . . . . . . . . . 293 b) Teleologische Reduktion des § 35 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 294 c) Einwilligung in die Beeinträchtigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 295 aa) Anforderungen an die Einwilligung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 296 bb) Unwiderruflichkeit der Einwilligung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 297 cc) Erklärung der Einwilligung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 298 d) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 298 IV. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 299

B. Durchbrechungen des „Ewigkeitscharakters“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 299 I. Aufhebung durch Verkleinerung des Aufsichtsrats . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 299 1. Grundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 299 2. Sonderfall: Kapitalherabsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 300 II. Aufhebung durch Umwandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 303 III. Aufhebung durch Auflösung der Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 307 IV. Aufhebung durch Squeeze-out . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 308 V. Aufhebung nach § 33b WpÜG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 311 1. Reichweite des § 33b Abs. 2 S. 1 Nr. 3 WpÜG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 312 a) Suspendierung von Entsendungsrechten in der Hauptversammlung . . . . . . 312 b) Weitergehende Suspendierung für die Dauer der Amtszeit . . . . . . . . . . . . . 313 c) Endgültige Abschaffung durch Satzungsänderung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . 313 2. Zustimmungserfordernis zum „Opt-in“? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 316 3. Entschädigung für den Rechtsverlust . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 317 VI. Auswirkung eines Insolvenzverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 319 1. Fremdverwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 320 2. Eigenverwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 321

Inhaltsverzeichnis

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3. Insolvenzplanverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 323 a) Eingriff in Anteils- und Mitgliedschaftsrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 324 b) Formelle Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 327 c) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 328 VII. Entziehung aus wichtigem Grund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 328 1. Meinungsstand im GmbH- und Vereinsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 328 2. Geltung spezieller Abberufungsvorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 330 3. Teleologische Reduktion des § 35 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 331 4. Formelle Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 332 5. Materielle Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 333 6. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 334 VIII. Weitere Gründe für die Aufhebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 334 C. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 334

Kapitel 5 Entsendungsrechte und Corporate Governance

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A. Grundlagen der Corporate Governance und Implikationen für Entsendungsrechte . . . 336 I. Begriff und Zielsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 336 II. Implikationen für Entsendungsrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 338 B. Die Vorgaben des Deutschen Corporate Governance Kodex . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 339 I. Regelungen zur Aufsichtsratsbestellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 340 II. Regelungen zum Stimmrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 342 III. Unabhängigkeit gem. Ziff. 5.4.2. DCGK . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 343 1. Der Unabhängigkeitstatbestand bei entsandten Aufsichtsratsmitgliedern . . . . 344 a) Bezugssubjekte der Unabhängigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 344 aa) Kontrollierender Aktionär . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 344 bb) Organe der Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 346 b) Persönliche oder geschäftliche Beziehungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 346 c) Weitere ungeschriebene Fälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 347 d) Wesentlicher und dauerhafter Interessenkonflikt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 350 e) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 350 2. Exkurs: Relevanz für die Auslegung des § 100 Abs. 5 AktG . . . . . . . . . . . . . 351 3. Vollständige Unabhängigkeit als allgemeine Zielsetzung der Corporate Governance? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 352 IV. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 355

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Inhaltsverzeichnis

C. Entsendungsrechte und Managementkontrolle durch den Aufsichtsrat . . . . . . . . . . . . 356 I. Personelle Anforderungen an effiziente Aufsichtsräte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 356 1. Qualifikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 357 2. Heterogenität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 358 3. Unabhängigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 359 II. Auswirkung von Entsendungsrechten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 359 1. Entsendungsmandate als Fremdkörper . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 359 2. Zur Überwachungsqualität entsandter Mitglieder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 360 3. Vorschläge zur Verbesserung des Auswahlverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 363 III. Sonderfall: Staatlicher Einfluss auf den Aufsichtsrat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 364 IV. Sonderfall: Entsendung durch Vorstände und Aufsichtsratsmitglieder . . . . . . . . 366 1. Entsendungsrecht eines Vorstandsmitglieds . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 366 2. Entsendungsrecht eines Aufsichtsratsmitglieds . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 368 D. Entsendungsrechte und Managementkontrolle durch die Aktionäre . . . . . . . . . . . . . . . 369 I. Stärkung des Aktionärseinflusses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 369 II. Aktionärs-Aktivismus, Ankeraktionäre und Langfristorientierung . . . . . . . . . . . 371 1. Das Konzept des Aktionärs-Aktivismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 371 2. Ankeraktionäre und der controlling shareholder tradeoff . . . . . . . . . . . . . . . . 373 3. Entsendungsrechte als Anreiz für aktives Engagement . . . . . . . . . . . . . . . . . . 375 E. Aktionärsdemokratie, Gleichbehandlung und das Prinzip one share, one vote . . . . . . 377 I. Das one share, one vote-Prinzip im europäischen und internationalen Kontext 378 1. Ursprünge und Entwicklung in Europa . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 379 2. Entwicklung in den USA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 380 3. Europäische Reformbestrebungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 381 II. Entsendungsrechte als einflusserweiternde Instrumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 382 III. Verbreitung und wissenschaftliche Fundierung von one share, one vote . . . . . . 384 1. Internationale Verbreitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 384 2. Ökonomische Wirkung und rechtspolitische Zweckmäßigkeit . . . . . . . . . . . . 385 IV. Stellungnahme und Anwendung auf Entsendungsrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 387 V. Hauptversammlungsrealität bei der Wahl von Aufsichtsräten . . . . . . . . . . . . . . . 391 F. Entsendungsrechte, Übernahmen und der Markt für Unternehmenskontrolle . . . . . . . 393 I. Das Konzept des Marktes für Unternehmenskontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 394 II. Behinderungswirkung von Entsendungsrechten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 396 III. Kritik und Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 396 IV. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 400 G. Der „Ewigkeitscharakter“ des Entsendungsrechts als spezielles Governance-Problem 401 H. Entsendungsrechte in der nichtbörsennotierten Aktiengesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . 403

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I. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 406 Schlussbetrachtung

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A. Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 408 I. Historische Entwicklung und Zwecke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 408 II. Rechtspraxis und Rechtsvergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 409 III. Vereinbarkeit mit deutschem und europäischem Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 410 IV. „Ewigkeitscharakter“ und Durchbrechungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 410 V. Corporate Governance . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 411 B. Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 412 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 414 Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 455

Abkürzungsverzeichnis a.A. a.a.O. ABl. ABL Abs. AcP ADHGB a.E. AEUV a.F. AG AG-Report AktG Am.J.Comp.L. Anh. Anm. AnwBl. AR ArbVG Art. ASL Aufl. BayObLG BB begr. Begr. Begr. RegE Belgr.L.Rev. Bem. BGB BGBl. BGE BGH BGHZ BörsZulV BT-Drucks. Bull. civ. Bus.L.Rev. BVerfG BVerfGE

anderer Ansicht am angegebenen Ort Amtsblatt aktiebolagslagen (Schwedisches Aktiengesetz) Absatz Archiv für die civilistische Praxis Allgemeines Deutsches Handelsgesetzbuch am Ende Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union alte Fassung Aktiengesellschaft / Die Aktiengesellschaft (Zeitschrift) / Amtsgericht Die Aktiengesellschaft (Zeitschrift) – AG-Report Aktiengesetz American Journal of Comparative Law Anhang Anmerkung Anwaltsblatt Der Aufsichtsrat (Zeitschrift) Arbeitsverfassungsgesetz (Österreich) Artikel Aktieselskabsloven (Dänisches Aktiengesetz) Auflage Bayerisches Oberstes Landesgericht Betriebs-Berater begründet Begründer / Begründung Begründung zum Regierungsentwurf Annals of the Faculty of Law in Belgrade – Belgrade Law Review (international edition) Bemerkung Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts Bundesgerichtshof Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen Börsenzulassungs-Verordnung Bundestagsdrucksache Bulletin des arrêts de la Cour de cassation, chambres civiles Business Law Review Bundesverfassungsgericht Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts

Abkürzungsverzeichnis BVerwGE BW II bzw. CA Cal.L.Rev. Cardozo L.Rev. Cass. com. CC CCom C. const. CF CIC Col.L.Rev. Comp.Law. Corp.Gov.Int.Rev. DAX DB DCGK Del. Ch. ders. DGCL dies. DJT DrittelbG DStR DZWIR EBLR EBOR ECFR ECGI ECL Econ.Pol. EGAktG EGBGB EGHGB Einl. ESUG EU EuGH EUV EuZW EWiR EWS f. / ff. FAZ FCA Fn. FS

Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts Burgerlijk Wetboek Boek 2 beziehungsweise Cour d‘appel / Companies Act California Law Review Cardozo Law Review Cour de cassation, chambre civile, section commerciale Codice civile Code de commerce Conseil constitutionnel Corporate Finance (Zeitschrift) Community Interest Company Columbia Law Review The Company Lawyer Corporate Governance: An International Review Deutscher Aktienindex Der Betrieb Deutscher Corporate Governance Kodex Delaware Court of Chancery derselbe Delaware General Corporation Law dieselbe(n) Deutscher Juristentag Drittelbeteiligungsgesetz Deutsches Steuerrecht Deutsche Zeitschrift für Wirtschafts- und Insolvenzrecht European Business Law Review European Business Organization Law Review European Company and Financial Law Review European Corporate Governance Institute European Company Law Economic Policy Einführungsgesetz zum Aktiengesetz Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch Einführungsgesetz zum Handelsgesetzbuch Einleitung Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen Europäische Union Europäischer Gerichtshof Vertrag über die Europäische Union Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht Entscheidungen zum Wirtschaftsrecht Europäisches Wirtschafts- und Steuerrecht folgende Frankfurter Allgemeine Zeitung Financial Conduct Authority Fußnote Festschrift

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22 GbR gem. Geo.Wash.L.Rev. Ger.L.J. GesRZ GG ggf. GmbH GmbHG GmbHR GS GWR Harv.Bus.L.Rev. Harv.L.Rev. HGB h.M. hrsg. Hrsg. Hs. i. d. F. i.E. InsO i.R.d. i.S.d. ISS i.S.v. i.V.m. JBL J.Corp.Fin. J.Corp.L. JCP JCP E J.Fin. J.Fin.Econ. J.Fin.Intermed. J.Law Econ. J.Pol.Econ. Journ. soc. Jura JZ Kap. KGaA KGJ KonTraG KSH

Abkürzungsverzeichnis Gesellschaft bürgerlichen Rechts gemäß The George Washington Law Review German Law Journal Der Gesellschafter (Zeitschrift) Grundgesetz gegebenenfalls Gesellschaft mit beschränkter Haftung GmbH-Gesetz GmbH-Rundschau Gedächtnisschrift Gesellschafts- und Wirtschaftsrecht (Zeitschrift) Harvard Business Law Review Harvard Law Review Handelsgesetzbuch herrschende / herrschenden / herrschender Meinung herausgegeben Herausgeber Halbsatz in der Fassung im Ergebnis Insolvenzordnung im Rahmen der / des im Sinne der / des Institutional Shareholder Services im Sinne von in Verbindung mit The Journal of Business Law Journal of Corporate Finance The Journal of Corporation Law Juris-Classeur périodique, La semaine juridique Juris-Classeur périodique, La semaine juridique, édition entreprise et affaires The Journal of Finance Journal of Financial Economics Journal of Financial Intermediation Journal of Law and Economics Journal of Political Economy Journal des sociétés Juristische Ausbildung Juristenzeitung Kapitel Kommanditgesellschaft auf Aktien Jahrbuch für Entscheidungen des Kammergerichts in Sachen der freiwilligen Gerichtsbarkeit Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich kodeks spółek handlowych (Polnisches Handelsgesetzbuch)

Abkürzungsverzeichnis KTS LG lit. LQR LSE LZ MDR MitbestErgG MitbestG MLR MontanMitbestG m.w.N. NJW Nr. NVwZ NYSE NZG NZI öAktG öBGBl. OGH oHG ÖJT OLG OR OVG OYL Pub.Int. RabelsZ RdW Rec. S. RegE Rev.Fin. Rev. soc. RGBl. RGZ RIW RJDA RL RMBCA Rn. s. S. SA SAS SE SEAG

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Zeitschrift für Insolvenzrecht (früher: Konkurs-, Treuhand- und Schiedsgerichtswesen) Landgericht littera The Law Quarterly Review London Stock Exchange Leipziger Zeitschrift für Deutsches Recht Monatsschrift für Deutsches Recht Mitbestimmungsergänzungsgesetz Mitbestimmungsgesetz The Modern Law Review Montan-Mitbestimmungsgesetz mit weiteren Nachweisen Neue Juristische Wochenschrift Nummer Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht New York Stock Exchange Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht Neue Zeitschrift für Insolvenz- und Sanierungsrecht Aktiengesetz (Österreich) Bundesgesetzblatt (Österreich) Oberster Gerichtshof (Österreich) offene Handelsgesellschaft Österreichischer Juristentag Oberlandesgericht Obligationenrecht (Schweiz) Oberverwaltungsgericht Osakeyhtiölaki (Finnisches Aktiengesetz) The Public Interest Rabels Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht Österreichisches Recht der Wirtschaft Recueil Sirey, Jurisprudence Regierungsentwurf Review of Finance Revue des sociétés Reichsgesetzblatt Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen Recht der Internationalen Wirtschaft Revue de jurisprudence de droit des affaires Richtlinie Revised Model Business Corporation Act Randnummer(n) section Seite(n) / Satz société anonyme société par actions simplifiée Europäische Aktiengesellschaft (Societas Europaea) SE-Ausführungsgesetz

24 SEC SE-VO SJ Slg. sog. SpA Tz. u. a. UAbs. U.Chi.L.Rev. U.Ill.L.Rev. U.Miami Bus.L.Rev. UmwG U.Pa.L.Rev. Urt. v. vgl. VW-Gesetz WiRO WM WpHG WpÜG WuB Yale J.Reg. z. B. ZEV ZG ZGB ZGR ZHR Ziff. ZIP ZVglRWiss

Abkürzungsverzeichnis Securities and Exchange Commission SE-Verordnung Solicitor’s Journal Sammlung sogenannte / sogenannten / sogenannter società per azioni Textziffer(n) und andere / unter anderem Unterabsatz The University of Chicago Law Review University of Illinois Law Review University of Miami Business Law Review Umwandlungsgesetz University of Pennsylvania Law Review Urteil von / vom vergleiche Volkswagen-Gesetz Wirtschaft und Recht in Osteuropa Wertpapier-Mitteilungen Wertpapierhandelsgesetz Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz Entscheidungssammlung zum Wirtschafts- und Bankrecht The Yale Journal on Regulation zum Beispiel Zeitschrift für Erbrecht und Vermögensnachfolge Zeitschrift für Gesetzgebung Zivilgesetzbuch (Schweiz) Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht Zeitschrift für das gesamte Handelsrecht und Wirtschaftsrecht Ziffer(n) Zeitschrift für Wirtschaftsrecht Zeitschrift für Vergleichende Rechtswissenschaft

Einleitung A. Problemaufriss Der Aufsichtsrat ist das Überwachungsorgan der deutschen Aktiengesellschaft. Zu seinen wesentlichen Aufgaben gehören die Bestellung und Abberufung der Vorstandsmitglieder1 und die Überwachung der Geschäftsführung.2 Die Bestellung des Aufsichtsrats ist deshalb zweifellos eine der bedeutendsten Entscheidungen in der Aktiengesellschaft und hat maßgeblichen Einfluss auf ihre unternehmerische Ausrichtung.3 Entsendungsrechte4 ermöglichen es einzelnen Aktionären, über die Besetzung von Aufsichtsratsposten autonom zu entscheiden. Sie sind im deutschen Aktienrecht in § 101 Abs. 1 und 2 AktG ausdrücklich vorgesehen. Zwei sehr prominente Beispiele sind auch einer breiteren Öffentlichkeit bekannt geworden, namentlich das Entsendungsrecht des Landes Niedersachsen bei der Volkswagen AG sowie das Entsendungsrecht der Alfried Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftung („Krupp-Stiftung“) bei der ThyssenKrupp AG.5 Im Mittelpunkt des rechtswissenschaftlichen Interesses standen Entsendungsrechte indes nur selten.6 Dabei stellen sie in mehrfacher Hinsicht eine Besonderheit dar. Sie bilden zunächst eine gesetzlich anerkannte Ausnahme zur üblichen Form der Bestellung von Aufsichtsräten in der Aktiengesellschaft, nämlich zur Wahl durch die Hauptversammlung. Dies allein ist bemerkenswert, stellt doch die Stimmabgabe bei der Aufsichtsratswahl eines der wesentlichen Mitwirkungsrechte des Aktionärs dar. Durch die Statuierung von Entsendungsrechten wird dieses Wahlrecht geschmälert, da es sich nur noch auf die verbliebenen, nicht zu entsendenden Aufsichtsratsmitglieder bezieht. Sie greifen

1

§ 84 Abs. 1 S. 1 und Abs. 3 S. 1 AktG. § 111 Abs. 1 AktG. 3 Möslein, AG 2007, 770. 4 In der Literatur wird vielfach auch der Begriff „Entsenderecht“ verwendet, siehe etwa Neumann/Ogorek, NZG 2008, 893; Seeling/Zwickel, BB 2008, 622. Eine einheitliche oder auch nur überwiegende Bezeichnung lässt sich nicht erkennen. Der Gesetzgeber hat allerdings in § 101 Abs. 2 S. 2 und 4 AktG, in § 103 Abs. 2 S. 2 AktG und in der neueren Vorschrift des § 33b WpÜG den Begriff „Entsendungsrecht“ gewählt. Dieser Formulierung schließt sich die vorliegende Arbeit an. 5 Vgl. etwa FAZ v. 25. 11. 2009, S. 15: „Vorrechte für Großaktionäre bleiben erhalten“. 6 Siehe monografisch insbesondere die 1939 erschienene Arbeit von P. W. Vogel, Entsendung, passim. Die meisten Zeitschriftenbeiträge aus jüngerer Zeit beschäftigen sich speziell mit der Frage der europarechtlichen Zulässigkeit, siehe insb. Verse, ZIP 2008, 1754 ff.; Neumann/Ogorek, NZG 2008, 893 ff.; Seeling/Zwickel, BB 2008, 622 ff.; Möslein, AG 2007, 770 ff. 2

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Einleitung

somit in nicht unerheblichem Maße in die Autonomie der Hauptversammlung ein7 und kollidieren mit dem Grundsatz der Gleichbehandlung der Aktionäre sowie dem Postulat one share, one vote.8 Zudem handelt es sich bei Entsendungsrechten – als einzigem Anwendungsfall im Aktienrecht9 – nach praktisch einhelliger Ansicht um Sonderrechte i.S.d. § 35 BGB.10 Dies hat zur Folge, dass sie, einmal in der Satzung verankert, nur mit Zustimmung des Berechtigten wieder entzogen werden können und deshalb auch als „Ewigkeitsrechte“11 bezeichnet werden. Angesichts dieser Sonderstellung verwundert es nicht, dass Einräumung und Ausübung von Entsendungsrechten vielfältige Probleme mit sich bringen. In jüngerer Zeit erregte insbesondere die Frage ihrer Zulässigkeit vor dem Hintergrund der europäischen Kapitalverkehrsfreiheit eine gewisse Aufmerksamkeit. Dabei standen zunächst nicht die grundsätzlich jedem Aktionär zur Verfügung stehenden Entsendungsrechte nach § 101 Abs. 2 AktG im Fokus, sondern spezialgesetzliche Sonderrechte der öffentlichen Hand (sog. goldene Aktien bzw. golden shares). In seiner umfangreichen golden share-Rechtsprechung hat sich der EuGH eingehend mit solchen staatlichen Privilegien befasst und in der „Volkswagen“-Entscheidung12 aus dem Jahr 2007 auch die in § 4 Abs. 1 VW-Gesetz a.F. dem Land Niedersachsen eingeräumten Entsendungsrechte als unzulässigen Eingriff in die Kapitalverkehrsfreiheit angesehen. Die Frage der Zulässigkeit rein privater, satzungsmäßiger Entsendungsrechte ist hiervon jedoch strikt zu trennen. Sie beschäftigte die Rechtsprechung erstmals in der Folgezeit. Im Fall „ThyssenKrupp“13 bestätigte der BGH 2009 die Einschätzung der Vorinstanzen, wonach die angefochtenen Entsendungsrechte zugunsten der Krupp-Stiftung verfassungsrechtlich wie europarechtlich zulässig seien. Es ist allerdings offen, ob die Auslegung des BGH auch derjenigen der europäischen Rechtsprechung entspricht. Auch ist unklar, inwieweit satzungsmäßige Entsendungsrechte zugunsten staatlicher Akteure weiterhin zulässig sind. Die Vorschrift des § 101 Abs. 2 AktG wirft daneben zahlreiche weitere Fragen auf: Welche Rolle spielen Entsendungsrechte in der deutschen Unternehmenspraxis? Existieren vergleichbare Konstrukte im ausländischen Aktienrecht? Wie sind diese im Einzelnen ausgestaltet und inwiefern unterscheiden sie sich vom Modell des § 101 Abs. 2 AktG? Interessant erscheint dabei auch der Blick auf Rechtsordnungen, die ein monistisches Modell der Unternehmensführung vorsehen. Dort könnte durch die Entsendung von Verwaltungsratsmitgliedern ein noch weiter gehender Einfluss ausgeübt werden. Daneben empfiehlt sich auch ein Vergleich mit anderen nationalen 7

Simons, in: Hölters, AktG, § 101 Rn. 24. Vgl. Seeling/Zwickel, BB 2008, 622, 623 f.; Verse, ZIP 2008, 1754, 1755 ff. 9 Vgl. Hopt/M. Roth, in: Großkomm AktG, § 101 Rn. 108. 10 Siehe ausführlich unten Kap. 4, A. I., insb. die Nachweise in Fn. 4 und 5. 11 Seeling/Zwickel, BB 2008, 622; ähnlich Möslein, AG 2007, 770, 771 („Ewigkeitscharakter“). 12 EuGH, C-112/05 (Volkswagen), Slg. 2007, I-8995. 13 BGH, ZIP 2009, 1566; OLG Hamm, ZIP 2008, 1530; LG Essen, AG 2007, 797. 8

B. Gang der Untersuchung

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Kapitalgesellschaftsformen, in denen entsprechende Rechte denkbar sind. Hierbei interessieren neben der SE sowie der KGaA insbesondere die möglichen Gestaltungen in der weit verbreiteten GmbH. Weitere Probleme ergeben sich aus der Qualifizierung des Entsendungsrechts als Sonderrecht i.S.d. § 35 BGB. Es werden verschiedene Konstellationen diskutiert, in denen ein Entsendungsrecht ausnahmsweise auch ohne Zustimmung des Berechtigten entziehbar sein soll. Dies sind insbesondere die Fälle einer Kapitalherabsetzung oder Umwandlung sowie die Übernahmesituation einer Zielgesellschaft, bei der die europäische Durchbrechungsregel nach § 33b WpÜG zur Anwendung kommt. Ebenfalls unklar ist etwa das Schicksal von Entsendungsrechten in der Insolvenz der Gesellschaft. Die Behandlung dieser Fälle ist bislang im Einzelnen noch nicht geklärt worden. Sie ist aber für den „Ewigkeitscharakter“ des Entsendungsrechts und die damit verbundene Eignung als Übernahmehindernis von erheblicher Bedeutung. Schließlich werfen Entsendungsrechte verschiedene Fragen unter dem Blickwinkel der Corporate Governance auf, manifestieren sie doch die Machtposition einzelner Aktionäre und die Vertretung von Partikularinteressen. Ob sie deshalb zwangsläufig modernen Vorstellungen guter Unternehmensführung widersprechen, bedarf noch der Klärung. Schließlich können Großaktionäre ihren Einfluss in der Regel auch bei der Wahl von Aufsichtsräten entscheidend gelten machen oder ihre Interessen auf anderem Wege durchsetzen. Auch ist vor dem Hintergrund verschiedener Ansätze zur Stärkung des Aktionärseinflusses und insbesondere dem von der EU-Kommission propagierten14 Konzept des „Aktionärs-Aktivismus“ zu fragen, ob Entsendungsrechte nicht sogar ein durchaus sinnvolles Mittel darstellen können, um die Überwachung durch interessierte Aktionäre zu fördern und damit letztlich zu einer verbesserten Corporate Governance beizutragen.

B. Gang der Untersuchung Die vorliegende Arbeit verfolgt das Ziel, das Phänomen aktienrechtlicher Entsendungsrechte anhand fünf großer Themenkomplexe umfassend zu erschließen. Dazu werden in Kapitel 1 zunächst die für das Verständnis erforderlichen rechtlichen Grundlagen von Entsendungsrechten nach § 101 Abs. 2 AktG dargestellt. Anschließend wird ihre rechtsgeschichtliche Entwicklung in Deutschland nachvollzogen und analysiert, bevor auf die wesentlichen Zwecke des Entsendungsrechts eingegangen wird. Kapitel 2 widmet sich sodann rechtstatsächlichen sowie rechtsvergleichenden Fragestellungen. Zunächst werden hier die Ergebnisse einer im Rahmen der Bear14 Siehe insbesondere das Grünbuch Europäischer Corporate Governance-Rahmen, KOM (2011) 164, S. 3 f., 13.

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Einleitung

beitung durchgeführten rechtstatsächlichen Untersuchung dargestellt, die Aufschluss über die Verbreitung und Ausgestaltung von Entsendungsrechten in der deutschen Rechtspraxis börsennotierter Gesellschaften geben soll. Im Anschluss wird im Rahmen eines Binnenrechtsvergleichs ein Überblick über entsprechende Gestaltungsmöglichkeiten in anderen Formen der Kapitalgesellschaft in Deutschland gegeben, namentlich der GmbH, der SE sowie der KGaA. Schließlich werden in einem umfassenden Rechtsvergleich dem Entsendungsrecht entsprechende oder zumindest ähnliche Gestaltungen in ausgewählten ausländischen Rechtsordnungen untersucht. Einen weiteren Schwerpunkt der Arbeit bildet die Prüfung der Vereinbarkeit von Entsendungsrechten mit nationalem und insbesondere europäischem Recht in Kapitel 3. Im Vordergrund stehen hier die möglichen Schranken, die sich aus der europäischen Kapitalverkehrsfreiheit ergeben. Dabei werden die Rechtsprechung des BGH und des EuGH sowie die zahlreichen Stellungnahmen im Schrifttum umfassend berücksichtigt und ausgewertet. Weitere wesentliche Prüfungspunkte sind der aktienrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz sowie die grundgesetzliche Eigentumsgarantie. Daran anschließend wird in Kapitel 4 der vermeintliche „Ewigkeitscharakter“ der Entsendung ausführlich untersucht. Dabei wird zunächst der Frage nachgegangen, worauf die Qualifizierung als Sonderrecht beruht und ob diese dogmatisch zwingend ist. Sodann werden zahlreiche Fallkonstellationen überprüft, in denen die Abschaffung von bestehenden Entsendungsrechten auch ohne Zustimmung des Berechtigten ausnahmsweise möglich sein könnte. Kapitel 5 behandelt schließlich die Vereinbarkeit von Entsendungsrechten mit modernen Grundsätzen der Corporate Governance. Hierbei geht es insbesondere um ihre Auswirkungen auf die Überwachung des Managements, die Aktionärskontrolle, den Grundsatz one share, one vote und den sog. Markt für Unternehmenskontrolle. Auch wird geklärt, ob insofern eine Differenzierung zwischen börsennotierten und nichtbörsennotierten Gesellschaften angezeigt ist. Abschließend wird dazu Stellung bezogen, ob die Abschaffung oder Beschränkung des § 101 Abs. 2 AktG de lege ferenda geboten erscheint. Die Arbeit schließt mit einer Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse und einem kurzen Ausblick auf die weitere Rechtsentwicklung.

Kapitel 1

Grundlagen, historische Entwicklung und Zwecke des Entsendungsrechts Das deutsche Aktienrecht folgt traditionell dem sog. dualistischen Leitungsmodell, wonach die Leitung der Aktiengesellschaft zwingend auf zwei Organe mit unterschiedlichen Kompetenzbereichen verteilt ist: Das Geschäftsführungsorgan (Vorstand) einerseits und das Überwachungsorgan (Aufsichtsrat) andererseits. Zu den wesentlichen Aufgaben des Überwachungsorgans zählt dabei gem. § 84 Abs. 1 AktG die Bestellung des Vorstands. Da es sich hierbei um eine exklusive Kompetenz handelt, die aufgrund der sog. Satzungsstrenge des Aktienrechts nach § 23 Abs. 5 AktG zwingend dem Aufsichtsrat zugewiesen ist, besteht für die Entsendung von Vorstandsmitgliedern durch einzelne Anteilseigner oder dritte Personen kein Raum.1 Entsendungsrechte können sich deshalb in der deutschen Aktiengesellschaft allein auf das Überwachungsorgan Aufsichtsrat beziehen.2 Entsendungsrechte in den Aufsichtsrat haben in § 101 Abs. 1 und Abs. 2 AktG eine ausdrückliche gesetzliche Regelung erfahren. Trotz ihres geringen Umfangs sind die einschlägigen Vorschriften durchaus komplex und werfen zahlreiche grundlegende Fragen auf. Sie sind zudem das Ergebnis einer längeren Entwicklung. Im Folgenden werden deshalb zunächst die begrifflichen und rechtlichen Grundlagen des aktienrechtlichen Entsendungsrechts in seiner heutigen Form dargestellt. Sodann wird seine historische Entwicklung nachvollzogen und analysiert, bevor abschließend auf die mit dem Entsendungsrecht verfolgten Zwecke eingegangen wird.

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Dies entspricht allgemeiner Ansicht, siehe Spindler, in: MünchKomm AktG, § 84 Rn. 12 ff.; Mertens/Cahn, in: KölnKomm AktG, § 84 Rn. 7 ff.; Kort, in: Großkomm AktG, § 84 Rn. 27 ff.; Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 84 Rn. 9 f.; Seibt, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 84 Rn. 8; Koch, in: Hüffer, AktG, § 84 Rn. 5; M. Weber, in: Hölters, AktG, § 84 Rn. 5; Vedder, in: Grigoleit, AktG, § 84 Rn. 8; Beuthien/Gätsch, ZHR 157 (1993), 483, 502; May, Sicherung des Familieneinflusses, S. 89 ff. 2 Zur Klarstellung sei darauf hingewiesen, dass der Abschlussprüfer im deutschen Recht nach heute wohl allgemeiner Auffassung nicht als Gesellschaftsorgan anzusehen ist, siehe statt vieler Ebke, in: MünchKomm HGB, § 316 Rn. 32 ff.; Habersack/Schürnbrand, in: Großkomm HGB, Vor § 316 Rn. 16 f.; Merkt, in: Baumbach/Hopt, HGB, § 318 Rn. 2. Entsprechend bleibt er im Rahmen dieser Arbeit unberücksichtigt.

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Kap. 1: Grundlagen, historische Entwicklung, Zwecke des Entsendungsrechts

A. Begriff und Grundlagen der Entsendung nach § 101 Abs. 2 AktG Die Bestellung der Aufsichtsratsmitglieder ist in § 101 AktG geregelt. Nach der Ausgangsregelung des § 101 Abs. 1 S. 1 AktG werden die Mitglieder des Aufsichtsrats von der Hauptversammlung gewählt, soweit sie nicht in den Aufsichtsrat zu entsenden oder als Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer nach Mitbestimmungsregeln zu wählen sind. Dieser Formulierung kann bereits entnommen werden, dass es sich im Grundsatz um eine Kompetenz der Hauptversammlung handelt, die nur ausnahmsweise durch Entsendungsrechte anderen zugewiesen werden kann.3 Gleichzeitig macht das Gesetz aber schon an dieser Stelle ausdrücklich deutlich, dass Entsendungsrechte möglich sind. Die näheren Voraussetzungen sowie Formen und Grenzen der Entsendung regelt sodann die zentrale Vorschrift des § 101 Abs. 2 AktG. Danach können Entsendungsrechte durch die Satzung bestimmten Aktionären oder den Inhabern bestimmter Aktien eingeräumt werden, jedoch höchstens für ein Drittel der Aufsichtsratsmitglieder der Aktionäre.4

I. Der Begriff der Entsendung im Aktienrecht Der Begriff der Entsendung5 wird weder in § 101 AktG, noch an anderer Stelle gesetzlich definiert. Nach Maßgabe des § 101 Abs. 2 AktG kann die aktienrechtliche Entsendung umschrieben werden als autonome Auswahlentscheidung eines oder mehrerer Aktionäre über die Besetzung eines Aufsichtsratspostens, die bei Annahme durch den Benannten6 korporationsrechtlich7 unmittelbar zu dessen Bestellung als Aufsichtsratsmitglied führt. Die Entsendung wird ausgeübt durch empfangsbedürftige Willenserklärung gegenüber der Gesellschaft, vertreten durch den Vorstand.8 Es handelt sich um eine Form der Bestellung, die – wie bereits dargelegt 3

Seeling/Zwickel, BB 2008, 622 („Ausnahmecharakter“). Die zweite Ausnahme nach § 101 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 Alt. 2 AktG bezieht sich auf die deutsche Besonderheit der unternehmerischen Mitbestimmung der Arbeitnehmer. Sie folgt eigenen, spezialgesetzlichen Regeln, die im Folgenden weitgehend ausgeklammert bleiben. 4 Zu diesen Voraussetzungen im Einzelnen unten IV. 3. 5 Noch Anfang des 20. Jahrhunderts waren Bezeichnungen wie „Delegation“ oder „Abordnung“ gebräuchlicher, siehe etwa KGJ 32 A 136; RGZ 83, 377, 382; Junck, LZ 1914, 1642. Seit der Kodifikation in § 88 AktG 1937 (siehe dazu unten B. II. 1.) hat sich jedoch im Einklang mit dem Gesetzeswortlaut der Begriff der Entsendung durchgesetzt. 6 Das Erfordernis der Annahme als konstitutives Merkmal einer wirksamen Entsendung entspricht der heute ganz herrschenden Meinung, siehe Hopt/M. Roth, in: Großkomm AktG, § 101 Rn. 138. 7 Dieses Merkmal dient der Abgrenzung zu neben dem korporationsrechtlichen Rechtsverhältnis eventuell bestehenden Vertragsverhältnissen, beispielsweise Anstellungsverträgen. 8 So die heute ganz herrschende Auffassung, siehe etwa Hopt/M. Roth, in: Großkomm AktG, § 101 Rn. 136; Mertens/Cahn, in: KölnKomm AktG, § 101 Rn. 66; Habersack, in:

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wurde – die Ausnahme zur regelmäßigen Bestellungsform der Wahl durch die Hauptversammlung bildet. Damit können im geltenden Aktienrecht die Wahl durch die Hauptversammlung einerseits und die Entsendung andererseits klar voneinander abgegrenzt werden.9 Der Begriff der Entsendung soll auch im Rahmen der folgenden Ausführungen in diesem technischen Sinne verstanden werden: Eine Entsendung liegt nur dann vor, wenn der Auswahlentscheidung und der Bestellung in formeller Hinsicht keine Wahl durch die Hauptversammlung „zwischengeschaltet“ ist. Vielmehr muss die Bestellung ohne ihr Zutun wirksam werden. Zuweilen wird der Begriff der Entsendung auch in einem weiteren Sinne gebraucht, so etwa dann, wenn eine Gesellschaft eine ihrer eigenen Leitungspersonen in den Aufsichtsrat einer anderen Gesellschaft wählt, an der sie mehrheitlich beteiligt ist.10 Da es sich dabei aber lediglich um eine gewöhnliche Wahl nach § 101 Abs. 1 S. 1 Hs. 1 AktG handelt, liegt keine Entsendung im hier behandelten Sinne vor. Dies gilt auch dann, wenn keine Mehrheitsbeteiligung besteht, dafür aber Stimmbindungsvereinbarungen eingesetzt werden, um den Wahlausgang zu beeinflussen. Der letztgenannte Fall kommt einem Entsendungsrecht allerdings funktional nahe. Deshalb werden derartige Konstruktionen im Folgenden stellenweise ebenfalls berücksichtigt, insbesondere im Rahmen der rechtsvergleichenden Untersuchung. Gleiches gilt für bindende Vorschlagsrechte, Gattungswahlrechte und ähnliche Instrumente. Auch auf die Wahl von Arbeitnehmervertretern, die zuweilen auch als Entsendung bezeichnet wird,11 wird nur am Rande eingegangen.

II. Abgrenzung des Entsendungsrechts von ähnlichen Instrumenten Das Entsendungsrecht ist funktional abzugrenzen von ähnlichen Instrumenten, die ebenfalls der überproportionalen, also vom Kapitalanteil unabhängigen Einflussnahme auf die Organbesetzung, der Einflusssicherung oder der Abwehr von Fremdeinflüssen dienen. Dazu gehören insbesondere Stimmbindungsvereinbarungen, Vorschlagsrechte sowie Mehrstimmrechte.

MünchKomm AktG, § 101 Rn. 44. Eine ältere Auffassung will auch die Erklärung gegenüber dem Aufsichtsratsvorsitzenden ausreichen lassen, siehe etwa Meyer-Landrut, in: Großkomm AktG, 3. Aufl., § 101 Anm. 17; S. Wilhelmi, in: Godin/Wilhelmi, AktG, § 101 Anm. 3. 9 Vgl. auch Bollweg, Wahl des Aufsichtsrats, S. 502. 10 Vgl. Dierdorf, Herrschaft und Abhängigkeit, S. 201 ff.; Fleischer, RIW 2004, 13, 18 für den conseil d’administration einer französischen société anonyme; Druey/Glanzmann, in: Druey, Gesellschafts- und Handelsrecht, § 13 Rn. 33 für den Verwaltungsrat einer schweizerischen Aktiengesellschaft. 11 Vgl. etwa E. Foerster, Entsendung von Arbeitnehmervertretern, passim. Dies dürfte auf eine entsprechende Formulierung im Betriebsrätegesetz von 1920 zurückgehen, siehe dazu unten B. I. 9.

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Kap. 1: Grundlagen, historische Entwicklung, Zwecke des Entsendungsrechts

1. Stimmbindungsverträge Auch Stimmbindungsverträge stellen eine Möglichkeit dar, die Vertretung einzelner Aktionäre oder Aktionärsgruppen im Aufsichtsrat zu gewährleisten. So können sich Aktionäre untereinander vertraglich verpflichten, ihr Stimmrecht in einer bestimmten Weise auszuüben, also etwa bei den Aufsichtsratswahlen ihre Stimmen stets für den oder die Kandidaten des Vertragspartners abzugeben. Derartige Verträge sind nach heute wohl allgemeiner Ansicht grundsätzlich zulässig und wirksam.12 Lediglich die Stimmbindung gegenüber gesellschaftsfremden Dritten wird teilweise als unzulässig angesehen;13 die überwiegende Meinung erkennt jedoch auch solche Abreden zumindest im Grundsatz an.14 Stimmbindungsverträge entfalten jedoch generell keine Außenwirkung gegenüber der Gesellschaft, sondern lediglich schuldrechtliche Wirkung zwischen den beteiligten Vertragsparteien. Abredewidrig abgegebene Stimmen sind daher gültig und auf dieser Basis getroffene Wahlbeschlüsse grundsätzlich nicht anfechtbar.15 Allenfalls bei omnilateralen Stimmbindungsverträgen, an denen sämtliche Gesellschafter beteiligt sind, kann ausnahmsweise eine Anfechtungsklage in Betracht kommen.16 Abgesehen davon kann der Gläubiger einer Stimmbindungsvereinbarung, anders als der Inhaber eines Entsendungsrechts, seinen Anspruch nicht unmittelbar gegenüber der Gesellschaft durchsetzen. Er ist stets auf die Geltendmachung der Stimmverpflichtung gegenüber seinem Vertragspartner beschränkt. Nach h.M. sollen dabei zwar sowohl eine Leistungsklage auf Erfüllung der Stimmpflicht als auch die Zwangsvollstreckung nach § 894 ZPO möglich sein, wobei das rechtskräftige Urteil die Stimme des Beklagten ersetzt, die dann als im Sinne des Stimmbindungsvertrags abgegeben gilt.17 Allerdings kann ein bereits ergangener, gültiger und unanfechtbarer Beschluss hiervon nicht mehr berührt werden, weswegen der gerichtlichen 12

BGHZ 48, 163, 166 ff.; BGH, NJW 1983, 1910, 1911; BGH, NJW 1987, 1890, 1892; zuletzt BGHZ 179, 13, 18 f., Tz. 12; Grundmann, in: Großkomm AktG, § 136 Rn. 71; Schröer, in: MünchKomm AktG, § 136 Rn. 64; Hirschmann, in: Hölters, AktG, § 133 Rn. 40; Spindler, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 136 Rn. 36; Koch, in: Hüffer, AktG, § 133 Rn. 27; Priester, in: FS Werner, S. 657, 658; Noack, Gesellschaftervereinbarungen, S. 66 ff.; Büssemaker, Stimmbindungsverträge, S. 28 ff.; Gündel, Interessenwahrung, S. 218 ff. 13 Habersack, in: MünchKomm AktG, § 101 Rn. 14; Flume, Juristische Person, § 7 VI, S. 240 ff.; zumindest in Bezug auf Satzungsänderungen auch Priester, in: FS Werner, S. 657, 671 ff. 14 Schröer, in: MünchKomm AktG, § 136 Rn. 71 ff.; Grundmann, in: Großkomm AktG, § 136 Rn. 84; Spindler, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 136 Rn. 37; Rieckers, in: Spindler/Stilz, AktG, § 136 Rn. 50; Hirschmann, in: Hölters, AktG, § 133 Rn. 41; Holzborn, in: Bürgers/ Körber, AktG, § 136 Rn. 23; Dürr, in: Wachter, AktG, § 136 Rn. 25; Koch, in: Hüffer, AktG, § 133 Rn. 27; vgl. auch BGH, ZIP 1983, 432 f., OLG Karlsruhe, OLGR 1999, 358. 15 RGZ 119, 386; Hirschmann, in: Hölters, AktG, § 133 Rn. 37; Koch, in: Hüffer, AktG, § 133 Rn. 26; Grundmann, in: Großkomm AktG, § 136 Rn. 85. 16 So BGH, NJW 1983, 1910; BGH, NJW 1987, 1890 (jeweils zur GmbH); Schröer, in: MünchKomm AktG, § 136 Rn. 87. 17 BGHZ 48, 163; Schröer, in: MünchKomm AktG, § 136 Rn. 89; Grundmann, in: Großkomm AktG, § 136 Rn. 87; Hirschmann, in: Hölters, AktG, § 133 Rn. 39; Spindler, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 136 Rn. 49.

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Durchsetzung von Stimmbindungsvereinbarungen in der Praxis auch kaum Bedeutung zukommt.18 Inwieweit einstweilige Verfügungen in diesem Bereich zulässig sind, ist umstritten.19 In der mangelnden bzw. zumindest äußerst ungewissen Durchsetzbarkeit der Stimmbindung ist folglich ein deutlicher Nachteil gegenüber einem Entsendungsrecht zu sehen. In der börsennotierten Gesellschaft können Stimmbindungsvereinbarungen zudem Zurechnungstatbestände nach § 22 Abs. 2 WpHG, § 30 Abs. 2 WpÜG („acting in concert“) und Meldepflichten nach § 21 WpHG auslösen. Überdies müssen die Beteiligten den übrigen Aktionären unter Umständen ein Pflichtangebot nach § 35 Abs. 1 WpÜG unterbreiten.20 Dagegen mag ein Vorteil aus Sicht der Beteiligten darin gesehen werden, dass Stimmbindungsvereinbarungen abgesehen von den genannten Fällen nicht offengelegt werden müssen. Während die Existenz und auch die Ausgestaltung von Entsendungsrechten stets unmittelbar der Satzung zu entnehmen ist, können Wahlvereinbarungen grundsätzlich „im Stillen“ geschlossen werden. Im Übrigen gewähren Stimmbindungsverträge größere Flexibilität, da spätere Anpassungen nicht an die Vorschriften über Satzungsänderungen gebunden sind. Dennoch ist zu konstatieren, dass Stimmbindungsverträge niemals eine derart starke Rechtsposition gewähren wie ein Entsendungsrecht. Die Wahl der gewünschten Kandidaten in den Aufsichtsrat ist stets vom Abstimmungsverhalten bzw. der Vertragstreue des Verpflichteten abhängig und unterliegt damit erheblichen Risiken, die auch durch die grundsätzlich mögliche Klag- und Vollstreckbarkeit der Stimmpflicht, die drohende Schadensersatzpflicht oder die Vereinbarung von Vertragsstrafen21 kaum ausgeräumt werden können. Hinzu kommt, dass schuldrechtliche Stimmrechtsabreden naturgemäß vom Gesellschafterbestand abhängig sind und damit keinesfalls ein „Ewigkeitsrecht“ begründen können. 2. Vorschlagsrechte Vorschlagsrechte berechtigen im Verbandsrecht allgemein dazu, eigene Kandidaten für einen Organposten zu nominieren. Dabei ist zwischen unverbindlichen und bindenden Vorschlagsrechten zu unterscheiden. Unverbindliche Vorschlagsrechte ermöglichen zwar die Nominierung eines Kandidaten; das jeweilige Wahlorgan muss diesen jedoch nicht wählen, sondern kann in freiem Ermessen von dem Vorschlag abweichen. Ein unverbindliches Vorschlagsrecht gewährt damit nur eine schwache Rechtsposition, die zur Sicherung des eigenen Einflusses völlig unge18 Vgl. Schröer, in: MünchKomm AktG, § 136 Rn. 89, 91; Grundmann, in: Großkomm AktG, § 136 Rn. 87; Koch, in: Hüffer, AktG, § 133 Rn. 30. 19 Siehe zu den Einzelheiten Schröer, in: MünchKomm AktG, § 136 Rn. 92 ff.; Grundmann, in: Großkomm AktG, § 136 Rn. 88. 20 Hirschmann, in: Hölters, AktG, § 133 Rn. 36. 21 Dazu Schröer, in: MünchKomm AktG, § 136 Rn. 87; Grundmann, in: Großkomm AktG, § 136 Rn. 89.

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eignet ist. Bindende Vorschlagsrechte sind dagegen für das jeweilige Wahlorgan insofern verbindlich, als dieses den nominierten Kandidaten allenfalls bei Vorliegen sachlicher oder wichtiger Gründe ablehnen darf.22 Ansonsten ist es verpflichtet, den vorgeschlagenen Kandidaten oder zumindest einen von mehreren vorgeschlagenen Kandidaten zu wählen. Diese Form des Vorschlagsrechts, die etwa im GmbH-Recht bekannt ist,23 kommt in seiner Wirkung einem Entsendungsrecht sehr nahe. Die Wahl durch das entsprechende Organ, welches nur noch einen stark eingeschränkten Entscheidungsspielraum besitzt, hat nur noch formellen Charakter.24 In der Aktiengesellschaft sind bindende Vorschlagsrechte für die Wahlen zum Aufsichtsrat indes generell unzulässig.25 Dies folgt aus § 101 Abs. 1 S. 2 AktG, wonach die Hauptversammlung an Wahlvorschläge – mit Ausnahme der Regelungen des MontanMitbestG – nicht gebunden ist. Das Gesetz sieht insofern als Ausnahme zur freien Wahl durch die Hauptversammlung lediglich das Entsendungsrecht nach § 101 Abs. 2 AktG vor.26 Entsprechend darf die Satzung auch die an die Aufsichtsratsmitglieder zu stellenden persönlichen Voraussetzungen i.S.v. § 100 Abs. 4 AktG nicht derart eng fassen, dass sich das Wahlrecht de facto auf bestimmte Personen beschränkt.27 Darüber hinaus werden vielfach sogar unverbindliche Vorschlagsrechte für Dritte als unzulässig angesehen, da auch damit die Auswahlfreiheit der Hauptversammlung zumindest faktisch eingeschränkt werde.28 Diese Strenge erscheint indes überzogen, da der Aufsichtsrat nach § 124 Abs. 3 S. 1 AktG grundsätzlich zur Unterbreitung von Vorschlägen verpflichtet bleibt.29 Es steht daher nicht zu befürchten, dass sich die Auswahlentscheidung der Hauptversammlung auf die von dem Dritten vorgeschlagenen Kandidaten verengt. Aktionäre können im Übrigen ohnehin vor und auch noch in der Hauptversammlung unverbindliche Vorschläge für die Aufsichtsratswahl unterbreiten (vgl. § 127 AktG).30 Einer be22

Vgl. Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 46 Rn. 25. Siehe zu den verschiedenen Formen von Vorschlagsrechten in der GmbH näher unten Kap. 2, B. I. 1. a). 24 Vgl. Wißmann, NJW 1982, 423, 425 (zu mitbestimmungsrechtlichen Vorschlagsrechten). 25 Hopt/M. Roth, in: Großkomm AktG, § 101 Rn. 21; Habersack, in: MünchKomm AktG, § 101 Rn. 11; Drygala, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 101 Rn. 4; Spindler, in: Spindler/Stilz, AktG, § 101 Rn. 18 f. 26 Vgl. Habersack, in: MünchKomm AktG, § 101 Rn. 10; Spindler, in: Spindler/Stilz, AktG, § 101 Rn. 19. 27 Drygala, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 101 Rn. 4; Habersack, in: MünchKomm AktG, § 101 Rn. 10. 28 Habersack, in: MünchKomm AktG, § 101 Rn. 11; Hopt/M. Roth, in: Großkomm AktG, § 101 Rn. 21; Mertens/Cahn, in: KölnKomm AktG, § 101 Rn. 24; i.E. auch Bollweg, Wahl des Aufsichtsrats, S. 160 f. 29 Vgl. Habersack, in: MünchKomm AktG, § 101 Rn. 15; Bollweg, Wahl des Aufsichtsrats, S. 155 f. 30 Vgl. Habersack, in: MünchKomm AktG, § 101 Rn. 8, 15 f.; Hopt/M. Roth, in: Großkomm AktG, § 101 Rn. 69 f.; Bollweg, Wahl des Aufsichtsrats, S. 157 ff. 23

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sonderen Vereinbarung oder Satzungsregelung bedarf es hierfür nicht. Gleichwohl sind zusätzliche Vorschlagsrechte als zulässig anzusehen.31 3. Mehrstimmrechte Auch Mehrstimmrechte, die einem Aktionär in der Hauptversammlung mehr Stimmen verschaffen, als ihm aufgrund seiner Kapitalbeteiligung nach § 134 Abs. 1 S. 1 AktG zustehen würden, stellen ein Instrument der überproportionalen Einflussnahme auf die Gesellschaft dar.32 Je nach dem Grad der Vervielfachung des Stimmrechts und der jeweils erforderlichen Mehrheit können Mehrstimmrechte ihrem Inhaber die Durchsetzung seiner Vorstellungen bei der Beschlussfassung33 oder zumindest die Verhinderung ihm nicht genehmer Beschlüsse durch eine Sperrminorität ermöglichen.34 Entsprechend wurden Mehrstimmrechtsaktien in früherer Zeit vielfach zur Absicherung der Herrschaft in Aktiengesellschaften genutzt. Seit der Änderung des § 12 Abs. 2 AktG im Jahr 1998 ist ihre Neuschaffung jedoch strikt verboten, weswegen sie in der deutschen Aktiengesellschaft heute praktisch kaum noch eine Rolle spielen dürften.35 Als Alternative zu Entsendungsrechten kommen sie insofern nicht mehr in Betracht. 4. Sonstige Schließlich stellen auch Höchststimmrechte und stimmrechtslose Aktien36 Mittel zur Sicherung des eigenen Einflusses bzw. der Begrenzung fremden Einflusses dar. Zudem handelt es sich auch bei ihnen um Abweichungen vom Grundsatz one share, one vote.37 Dabei geht es jedoch, anders als bei Entsendungsrechten, nicht um eine unmittelbare Vergrößerung der eigenen Einflussmacht, sondern lediglich um die Begrenzung der Einflussmacht anderer. Diese Gestaltungen bleiben deshalb im Folgenden weitgehend außer Betracht. Festzuhalten ist, dass Höchststimmrechte seit der Änderung des AktG durch das KonTraG38 1998 nur noch in nichtbörsennotierten 31

Ausführlich Gündel, Interessenwahrung, S. 141 ff. Vgl. Vatter, in: Spindler/Stilz, AktG, § 12 Rn. 16 f.; Solveen, in: Hölters, AktG, § 12 Rn. 11; Koch, in: Hüffer, AktG, § 12 Rn. 8. 33 Vatter, in: Spindler/Stilz, AktG, § 12 Rn. 17. 34 Vgl. Heider, in: MünchKomm AktG, § 12 Rn. 38; Solveen, in: Hölters, AktG, § 12 Rn. 12. 35 Siehe zur Entwicklung ausführlich unten B. II. 3. und III. 5. 36 Die Ausgabe stimmrechtsloser Aktien ermöglicht die Aufnahme zusätzlichen Eigenkapitals ohne damit einhergehende Auswirkungen auf die Stimmrechtsverhältnisse und den unternehmerischen Einfluss der Stammaktionäre, vgl. Schröer, in: MünchKomm AktG, § 139 Rn. 2 f. 37 Dazu ausführlich unten Kap. 5, E. 38 Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich vom 27. 4. 1998 (BGBl. I 1998, S. 786). 32

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Gesellschaften zulässig sind (§ 134 Abs. 1 S. 2 AktG). Stimmrechtslose Aktien dürfen dagegen in Form von Vorzugsaktien auch von börsennotierten Gesellschaften ausgegeben werden, allerdings nur bis zur Hälfte des Grundkapitals und unter Gewährung einer Vorzugsdividende39 (§ 139 Abs. 1 und 2 AktG).

III. Die Abberufung als Gegenstück zur Entsendung Das Recht zur autonomen Auswahl eines Aufsichtsratsmitglieds wäre weitgehend sinn- und wertlos, wenn die Hauptversammlung den Benannten ohne weiteres wieder abwählen könnte. Entsprechend gilt die umfassende Abberufungsmöglichkeit der Hauptversammlung nach § 103 Abs. 1 AktG nur für die von ihr gewählten Aufsichtsratsmitglieder. § 101 Abs. 2 AktG wird dagegen flankiert von § 103 Abs. 2 S. 1 AktG, der allein dem Entsendungsberechtigten das Recht zugesteht, den von ihm Entsandten jederzeit wieder abzuberufen. Eine Abwahl durch die Hauptversammlung kommt gem. § 103 Abs. 2 S. 2 AktG nur dann in Betracht, wenn die satzungsmäßigen Voraussetzungen des Entsendungsrechts weggefallen sind.40 Daneben besteht allerdings stets die gerichtliche Abberufungsmöglichkeit aus wichtigem Grund gem. § 103 Abs. 3. Für entsandte Aufsichtsratsmitglieder ist hier die Sondervorschrift des § 103 Abs. 3 S. 3 AktG zu beachten, wonach der Antrag auf Abberufung auch von einer Aktionärsminderheit gestellt werden kann, sofern diese mindestens 10 % des Grundkapitals oder Anteilseigentum im Wert von mindestens einer Million Euro hält. Der Entsendungsberechtigte kann sein jederzeitiges Abberufungsrecht aus § 103 Abs. 2 S. 1 AktG nach freiem Ermessen ausüben; es bedarf dazu nach zutreffender und absolut herrschender Ansicht insbesondere keines wichtigen oder auch nur sachlichen Grundes.41 Dafür spricht neben dem Gesetzeswortlaut, dass der Entsendungsberechtigte auch in seiner Auswahlentscheidung grundsätzlich frei ist und ferner zur Ausübung des Entsendungsrechts nicht verpflichtet ist.42 Die Besetzung 39

Zum Begriff näher Schröer, in: MünchKomm AktG, § 139 Rn. 8. Hierbei können sich Unklarheiten ergeben, wenn ein Entsendungsberechtigter mehrere Aufsichtsratsmitglieder entsandt hat. Fällt etwa nach einer Kapitalmaßnahme aufgrund einer satzungsmäßigen Mindestanteilsklausel eines von drei Entsendungsrechten desselben Aktionärs weg [wie kürzlich im Falle der ThyssenKrupp AG, siehe näher unten Kap. 2, A. II. 2. a)], so stellt sich die Frage, welches der drei entsandten Mitglieder von der Hauptversammlung abberufen werden kann. Hier kommen verschiedene Lösungen in Betracht, etwa die Abberufung des Mitglieds mit der geringsten verbliebenen Amtszeit oder die Abberufung des zeitlich zuletzt entsandten Mitglieds. Die Frage ist freilich nur von begrenzter Bedeutung, da der Entsendungsberechtigte selbst jederzeit ein anderes Mitglied abberufen und die von ihm bevorzugte Person auf dessen Posten wieder einsetzen kann. 41 Habersack, in: MünchKomm AktG, § 103 Rn. 23; Hopt/M. Roth, in: Großkomm AktG, § 103 Rn. 29; Simons, in: Hölters, AktG, § 103 Rn. 20; Spindler, in: Spindler/Stilz, AktG, § 103 Rn. 19; Drygala, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 101 Rn. 8; Koch, in: Hüffer, AktG, § 103 Rn. 7; für Erfordernis eines Sachgrundes zumindest in öffentlichen Unternehmen allerdings Schwintowski, NJW 1995, 1316, 1320 unter Verweis auf OVG Münster, NVwZ 1990, 791. 42 Siehe dazu unten IV. 5. b). 40

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des jeweiligen Aufsichtsratspostens liegt mithin insgesamt in seiner Verantwortung. Entsprechend muss auch das Schicksal eines von ihm entsandten Mitglieds – ebenso wie bei den von der Hauptversammlung gewählten Mitgliedern – allein vom Fortbestehen seines Vertrauens abhängen.43 Allerdings unterliegt der Entsendungsberechtigte auch bei der Abberufung nach § 103 Abs. 2 S. 1 AktG gewissen Bindungen aus der mitgliedschaftlichen Treuepflicht. Er darf das Abberufungsrecht daher nicht missbrauchen und ist gegebenenfalls zur Abberufung eines untragbar gewordenen Aufsichtsratsmitglieds verpflichtet.44

IV. Rechtliche Grundlagen des Entsendungsrechts Zahlreiche Eigenschaften und Grenzen des Entsendungsrechts ergeben sich bereits unmittelbar aus § 101 Abs. 2 AktG. Auch darüber hinaus sind die wesentlichen Grundzüge des Entsendungsrechts seit langem weitestgehend anerkannt. Da sie für das Verständnis dieser Arbeit von elementarer Bedeutung sind, werden sie im Folgenden gleichwohl dargestellt. Soweit einzelne Fragen noch nicht abschließend geklärt sind, wird dazu Stellung bezogen. 1. Rechtsnatur Nach ganz herrschender, wenn nicht allgemeiner Ansicht handelt es sich bei einem Entsendungsrecht nach § 101 Abs. 1 S. 2 AktG um ein Sonderrecht i.S.d. § 35 BGB, das nur mit Zustimmung des Berechtigten aufgehoben, entzogen oder eingeschränkt werden kann.45 Diese Prämisse wird an späterer Stelle noch eingehend zu untersuchen sein, ebenso wie die zahlreichen diskutierten Ausnahmen zur grundsätzlichen Unentziehbarkeit.46

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Vgl. Simons, in: Hölters, AktG, § 103 Rn. 20; Habersack, in: MünchKomm AktG, § 103 Rn. 23. 44 Habersack, in: MünchKomm AktG, § 103 Rn. 25 f.; Hopt/M. Roth, in: Großkomm AktG, § 103 Rn. 34, 39; Mertens/Cahn, in: KölnKomm AktG, § 101 Rn. 20, 24; Spindler, in: Spindler/Stilz, AktG, § 103 Rn. 20. 45 Habersack, in: MünchKomm AktG, § 101 Rn. 31; Spindler, in: Spindler/Stilz, AktG, § 101 Rn. 50; Koch, in: Hüffer, AktG, § 101 Rn. 10; Mertens/Cahn, in: KölnKomm AktG, § 101 Rn. 51, 76; Drygala, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 101 Rn. 13; Hoffmann-Becking, in: MünchHdb AG, § 30 Rn. 23a; Simons, in: Hölters, AktG, § 101 Rn. 24; Vetter, in: MarschBarner/Schäfer, Hdb börsennotierte AG, § 25 Rn. 27; Bürgers/Israel, in: Bürgers/Körber, AktG, § 101 Rn. 10; Schick, in: Wachter, AktG, § 101 Rn. 8; Breuer/Fraune, in: Heidel, Aktienrecht, § 101 AktG Rn. 10; für analoge Anwendung des § 35 BGB Hopt/M. Roth, in: Großkomm AktG, § 101 Rn. 108. 46 Siehe unten Kap. 4.

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Kap. 1: Grundlagen, historische Entwicklung, Zwecke des Entsendungsrechts

2. Erscheinungsformen Nach § 101 Abs. 2 S. 1 AktG kann ein Entsendungsrecht entweder für bestimmte Aktionäre oder für die jeweiligen Inhaber bestimmter Aktien begründet werden. Das Gesetz unterscheidet damit zwischen zwei möglichen Formen des Entsendungsrechts: Dem aktionärsgebundenen bzw. persönlichen Entsendungsrecht einerseits und dem aktiengebundenen bzw. inhabergebundenen Entsendungsrecht andererseits.47 a) Aktionärsgebundenes bzw. persönliches Entsendungsrecht Gemäß § 101 Abs. 2 S. 1, 1. Alt. AktG kann ein Entsendungsrecht für bestimmte Aktionäre begründet werden. Der Begünstigte wird dabei namentlich in der Satzung bezeichnet. Neben natürlichen Personen können auch juristische Personen48 und rechtsfähige Personengesellschaften zur Entsendung berechtigt werden.49 Zudem kann das Recht nach ganz herrschender Ansicht nicht nur einem einzelnen Aktionär, sondern auch einer Gruppe von Aktionären eingeräumt werden.50 Für die Ausübung des Entsendungsrechts einer Aktionärsgruppe gilt nach heute ganz überwiegender Meinung mangels abweichender Satzungsregelungen das Recht der Bruchteilsgemeinschaft (§§ 741 ff. BGB) und damit das Mehrheitsprinzip des § 745 BGB.51 Das persönliche Entsendungsrecht setzt keine bestimmte Form der Aktie voraus und kann deshalb auch dem Inhaber einer Inhaberaktie eingeräumt werden. Die Einschränkung des § 101 Abs. 2 S. 2 AktG betrifft nur das aktiengebundene bzw. inhabergebundene Entsendungsrecht.52 Grundsätzlich kann das aktionärsgebundene Entsendungsrecht nach allgemeiner Auffassung nicht rechtsgeschäftlich übertragen werden.53 Dies ergibt sich bereits 47

Die jeweiligen Terminologien sind gleichermaßen gebräuchlich, vgl. Hopt/M. Roth, in: Großkomm AktG, § 101 Rn. 110 ff.; Habersack, in: MünchKomm AktG, § 101 Rn. 33; Mertens/Cahn, in: KölnKomm AktG, § 101 Rn. 52. 48 Vgl. Spindler, in: Spindler/Stilz, AktG, § 101 Rn. 49; Mertens/Cahn, in: KölnKomm AktG, § 101 Rn. 55; Drygala, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 101 Rn. 16. 49 Vgl. Habersack, in: MünchKomm AktG, § 101 Rn. 38. 50 Habersack, in: MünchKomm AktG, § 101 Rn. 35; Mertens/Cahn, in: KölnKomm AktG, § 101 Rn. 57; Hopt/M. Roth, in: Großkomm AktG, § 101 Rn. 118; Spindler, in: Spindler/Stilz, AktG, § 101 Rn. 56. 51 Hopt/M. Roth, in: Großkomm AktG, § 101 Rn. 119; Habersack, in: MünchKomm AktG, § 101 Rn. 35; Mertens/Cahn, in: KölnKomm AktG, § 101 Rn. 57; Spindler, in: Spindler/Stilz, AktG, § 101 Rn. 56; Drygala, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 101 Rn. 18. Dagegen fordert MeyerLandrut, in: Großkomm AktG, 3. Aufl., § 101 Anm. 14 noch Einstimmigkeit, da das Gesetz für das Zustandekommen der Beschlüsse der Gruppe keine Regelungen enthalte. 52 Begr. RegE AktG 1965, abgedruckt bei: Kropff, AktG, S. 138; Habersack, in: MünchKomm AktG, § 101 Rn. 34; Hopt/M. Roth, in: Großkomm AktG, § 101 Rn. 114; Mertens/Cahn, in: KölnKomm AktG, § 101 Rn. 52. 53 Mertens/Cahn, in: KölnKomm AktG, § 101 Rn. 52; Habersack, in: MünchKomm AktG, § 101 Rn. 34; Hopt/M. Roth, in: Großkomm AktG, § 101 Rn. 110; Koch, in: Hüffer, AktG, § 101 Rn. 10; Simons, in: Hölters, AktG, § 101 Rn. 25; Bausch, NZG 2007, 574.

A. Begriff und Grundlagen der Entsendung nach § 101 Abs. 2 AktG

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daraus, dass das Entsendungsrecht nur durch die Satzung und nur für die dort ausdrücklich bezeichnete Person begründet werden kann. Entsprechend kann der Inhaber über das Recht nicht in der Weise disponieren, dass es künftig einem Dritten zustehen soll, ohne dass dieser in der Satzung benannt ist. Nach ganz überwiegender Meinung ist auch die Vererblichkeit eines persönlichen Entsendungsrechts grundsätzlich ausgeschlossen. Sie soll indes durch ausdrückliche Satzungsbestimmung zugelassen werden können.54 Fragwürdig erscheint es allerdings, dass die wohl überwiegende Auffassung55 eine Vererblichkeitsklausel auch dann zulässt, wenn der jeweilige Erbe nicht namentlich benannt ist.56 Dem Erfordernis der Bestimmtheit i.S.d. § 101 Abs. 2 S. 1, 1. Alt. AktG kann dies kaum genügen. Zum Zeitpunkt der Aufnahme der entsprechenden Klausel in die Satzung ist keineswegs ersichtlich, wer Erbe sein wird und wem damit das Entsendungsrecht nach dem Tod des Berechtigten zustehen soll. Dies ergibt sich vielmehr erst aus dessen letztwilligen Verfügungen. Derartige Unklarheiten dürften der gesetzlichen Anforderung der Bestellung „für bestimmte Aktionäre“ aber nicht mehr entsprechen. Die besondere Bindung an eine Person wird vielmehr ersetzt durch die Bindung an die jeweiligen Aktien, die der (unbenannte) Erbe im Wege der Gesamtrechtsnachfolge erwirbt. Damit werden jedoch die Grenzen zwischen den beiden in § 101 Abs. 2 S. 1 AktG vorgesehenen Erscheinungsformen verwischt. Ist eine derart weitgehende Möglichkeit der Übertragung gewollt, sollte stattdessen ein aktiengebundenes Entsendungsrecht eingeräumt werden. Geht man mit der überwiegenden Ansicht davon aus, dass die Satzung die Vererblichkeit des aktionärsgebundenen Entsendungsrechts vorsehen kann, so fällt es dagegen schwer zu begründen, warum dies nicht auch für die rechtsgeschäftliche Übertragbarkeit gelten soll.57 Die Satzung sollte insofern ebenso bestimmen können, dass das Recht auf einen anderen, ebenfalls namentlich benannten Aktionär übertragen werden kann.58 Damit ist keine größere Rechtsunsicherheit verbunden als mit dem Übergang des Entsendungsrechts auf einen oder mehrere Erben. Warum diese Möglichkeit auf den Todesfall beschränkt bleiben soll, ist nicht ersichtlich. Zuzugeben ist allerdings, dass eine derartige Ausgestaltung eher theoretischer Natur ist

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Hopt/M. Roth, in: Großkomm AktG, § 101 Rn. 111; Habersack, in: MünchKomm AktG § 101 Rn. 37; Mertens/Cahn, in: KölnKomm AktG, § 101 Rn. 53; Spindler, in: Spindler/Stilz, AktG, § 101 Rn. 58; Drygala, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 101 Rn. 16; a.A. wohl Henssler, in: Henssler/Strohn, GesR, AktG § 101 Rn. 8. 55 Habersack, in: MünchKomm AktG § 101 Rn. 37; Hopt/M. Roth, in: Großkomm AktG, § 101 Rn. 111 i.V.m. Fn. 478. 56 Dies ablehnend auch Spindler, in: Spindler/Stilz, AktG, § 101 Rn. 58; ebenso bereits Geßler, in: Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, AktG, § 101 Rn. 65. 57 Ausdrücklich ablehnend aber Hopt/M. Roth, in: Großkomm AktG, § 101 Rn. 110; Mertens/Cahn, in: KölnKomm AktG, § 101 Rn. 54. 58 So auch Kalss, in: MünchKomm AktG, § 101 Rn. 131 für das österreichische Recht. Ebenso auch schon Möhring/Schwartz/Rowedder/Haberlandt, Aktiengesellschaft, S. 129.

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Kap. 1: Grundlagen, historische Entwicklung, Zwecke des Entsendungsrechts

und in der Praxis kaum eine Rolle spielen dürfte. Eine Übertragbarkeitsklausel ohne konkrete Bezeichnung des Erwerbers ist dagegen freilich als unzulässig anzusehen.59 In seiner Grundform kann das aktionärsgebundene Entsendungsrecht damit als höchstpersönliches Recht bezeichnet werden,60 da es weder übertragbar noch vererblich ist. Sieht die Satzung dagegen konkrete Ausnahmen hinsichtlich Vererblichkeit oder Übertragbarkeit vor, ist diese Begrifflichkeit unzutreffend.61 b) Aktiengebundenes bzw. inhabergebundenes Entsendungsrecht Nach § 101 Abs. 2 S. 1, 2. Alt. AktG kann ein Entsendungsrecht auch für die jeweiligen Inhaber bestimmter Aktien begründet werden. Aktien und Entsendungsrecht bilden dann eine Einheit.62 Diese Form ist gem. § 101 Abs. 2 S. 2 AktG jedoch nur zulässig, wenn die Aktien, an die das Recht gebunden werden soll, auf Namen lauten und ihre Übertragung an die Zustimmung der Gesellschaft gebunden ist. Es muss sich also um vinkulierte Namensaktien i.S.d. § 68 Abs. 2 AktG handeln.63 Durch diese Beschränkung soll der rein spekulative Aktienbesitz von der Einflussnahme mittels Entsendungsrecht ausgeschlossen werden.64 Die betreffenden Aktien müssen in der Satzung mit Nummer und ggf. nach Gattung und Serie bezeichnet sein.65 Gehört eine entsendungsberechtigte Aktie mehreren Aktionären, so können diese das Entsendungsrecht gemäß § 69 Abs. 1 AktG nur durch einen gemeinschaftlichen Vertreter ausüben.66 Die rechtsgeschäftliche Übertragung des aktiengebundenen Entsendungsrechts ist zusammen mit der Aktie möglich, aber stets von der Zustimmung der Gesellschaft abhängig.67 Werden die Aktien wirksam auf einen neuen Inhaber übertragen, erwirbt 59 So auch Mertens/Cahn, in: Kölner Komm AktG, § 101 Rn. 54, die allerdings von der generellen Unzulässigkeit von Übertragbarkeitsklauseln ausgehen, obwohl sie sich maßgeblich auf das Argument der mangelnden Bestimmtheit berufen, das bei einer Begrenzung der Übertragbarkeit auf genau bezeichnete Personen nicht greift. 60 So pauschal Hopt/M. Roth, in: Großkomm AktG, § 101 Rn. 110. 61 In dieser Hinsicht differenzierend auch Mertens/Cahn, in: KölnKomm AktG, § 101 Rn. 53. 62 Koch, in: Hüffer, AktG, § 101 Rn. 10; Habersack, in: MünchKomm AktG, § 101 Rn. 33; Simons, in: Hölters, AktG, § 101 Rn. 26. 63 Habersack, in: MünchKomm AktG, § 101 Rn. 39; Spindler, in: Spindler/Stilz, AktG, § 101 Rn. 60. 64 Begründung zum AktG 1937, abgedruckt bei: Matthes, Aktienrecht, S. 186; Hopt/ M. Roth, in: Großkomm AktG, § 101 Rn. 115; siehe dazu auch unten B. II. 1. 65 Vgl. Hopt/M. Roth, in: Großkomm AktG, § 101 Rn. 115; Drygala, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 101 Rn. 17. 66 Hopt/M. Roth, in: Großkomm AktG, § 101 Rn. 118; Habersack, in: MünchKomm AktG, § 101 Rn. 40; Mertens/Cahn, in: KölnKomm AktG, § 101 Rn. 57; Drygala, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 101 Rn. 18. 67 Hopt/M. Roth, in: Großkomm AktG, § 101 Rn. 115; Mertens/Cahn, in: KölnKomm AktG, § 101 Rn. 52.

A. Begriff und Grundlagen der Entsendung nach § 101 Abs. 2 AktG

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dieser ohne gesonderten Übertragungsakt auch das Entsendungsrecht, während der Veräußerer es verliert.68 Nach § 68 Abs. 2 S. 2 AktG wird die erforderliche Zustimmung grundsätzlich durch den Vorstand erteilt, was im Falle eines aktiengebundenen Entsendungsrechts allerdings problematisch erscheint, da der Vorstand auf diese Weise Einfluss auf die Besetzung des ihn überwachenden Aufsichtsrats erlangt.69 Es ist jedenfalls vorzugswürdig, die Erteilung der Zustimmung in der Satzung dem Aufsichtsrat oder der Hauptversammlung anzuvertrauen.70 Da sich die Vinkulierung nach heute wohl allgemeiner Ansicht ausschließlich auf die rechtsgeschäftliche Übertragung bezieht,71 bedarf es für die Gesamtrechtsnachfolge im Erbfall keiner Zustimmung, sodass das Entsendungsrecht stets zusammen mit der jeweiligen Aktie auf den oder die Erben übergeht.72 Entsprechendes gilt im Falle der Verschmelzung.73 Nur für das aktiengebundene Entsendungsrecht von Bedeutung ist § 101 Abs. 2 S. 3 AktG, wonach die Aktien der Entsendungsberechtigten nicht als besondere Gattung i.S.d. § 11 AktG gelten.74 Damit erübrigt sich die Durchführung gesonderter Abstimmungen, die anderenfalls etwa nach § 179 Abs. 3, § 182 Abs. 2 oder § 222 Abs. 2 AktG erforderlich wären.75 Das Zustimmungserfordernis nach § 35 BGB im Falle des Entzugs oder der Beeinträchtigung des Entsendungsrechts soll davon unberührt bleiben.76

68

Habersack, in: MünchKomm AktG, § 101 Rn. 39. Ablehnend deshalb Hopt/M. Roth, in: Großkomm AktG, § 101 Rn. 115; an der Zulässigkeit zumindest zweifelnd auch Semler, in: MünchKomm AktG, 2. Aufl., § 101 Rn. 91. Siehe zur Parallelproblematik bezüglich der Zulässigkeit von Entsendungsrechten für Vorstandsmitglieder mit Aktienbesitz unten Kap. 3, B. IV. 1. und Kap. 5, C. IV. 1. 70 Vgl. Habersack, in: MünchKomm AktG, § 101 Rn. 39; Simons, in: Hölters, AktG, § 101 Rn. 26. 71 Merkt, in: Großkomm AktG, § 68 Rn. 270; Bayer, in: MünchKomm AktG, § 68 Rn. 52; Lutter/Drygala, in: KölnKomm AktG, § 68 Rn. 6, 107; Koch, in: Hüffer, AktG, § 68 Rn. 11; Solveen, in: Hölters, AktG, § 68 Rn. 12; Bezzenberger, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 68 Rn. 22; Cahn, in: Spindler/Stilz, AktG, § 68 Rn. 32 f. 72 Habersack, in: MünchKomm AktG, § 101 Rn. 41; Spindler, in: Spindler/Stilz, AktG, § 101 Rn. 60. 73 Vgl. Habersack, in: MünchKomm AktG, § 101 Rn. 41. 74 Die Aktien eines Aktionärs, dem ein persönliches Entsendungsrecht zusteht, fallen ohnehin nicht unter § 11, da ein persönliches Entsendungsrechts gerade nicht durch die jeweilige Aktie gewährt wird, sondern von dieser unabhängig ist, vgl. Habersack, in: MünchKomm AktG, § 101 Rn. 43; Hopt/M. Roth, in: Großkomm AktG, § 101 Rn. 121; Simons, in: Hölters, AktG, § 101 Rn. 30; wohl anders allerdings die Begr. RegE AktG 1965, abgedruckt bei: Kropff, AktG, S. 138. Die Frage ist indes rein dogmatischer Natur und hat keinerlei praktische Auswirkungen. 75 Simons, in: Hölters, AktG, § 101 Rn. 30; Hopt/M. Roth, in: Großkomm AktG, § 101 Rn. 121; Habersack, in: MünchKomm AktG, § 101 Rn. 43. 76 Habersack, in: MünchKomm AktG, § 101 Rn. 43; Hopt/M. Roth, in: Großkomm AktG, § 101 Rn. 121. Siehe dazu näher unten Kap. 4, A. III. 2. d). 69

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Kap. 1: Grundlagen, historische Entwicklung, Zwecke des Entsendungsrechts

c) Exkurs: Schuldrechtliche Vereinbarungen über die Begründung bzw. Übertragung von Entsendungsrechten Im Zusammenhang mit der Übertragbarkeit von Entsendungsrechten stellt sich die Frage, inwieweit die durch § 101 Abs. 2 AktG vorgegebenen Grenzen durch schuldrechtliche Vereinbarungen umgangen werden können. Unzweifelhaft ist nach § 101 Abs. 1 S. 1 AktG zunächst, dass Entsendungsrechte nur durch Satzungsbestimmung, nicht aber durch Vertrag begründet werden können.77 Es ist aber denkbar, dass sich Aktionäre untereinander verpflichten, in der Hauptversammlung für die Einräumung eines Entsendungsrechts im Wege der Satzungsänderung zu stimmen. Dies dürfte grundsätzlich unproblematisch sein, solange die Verpflichtung nur gegenüber bestimmten Aktionären besteht, denen das Entsendungsrecht eingeräumt werden soll.78 Problematisch erscheinen aber Vereinbarungen, durch die sich Aktionäre verpflichten, bei Übertragung der Aktien des Vertragspartners für die Begründung eines Entsendungsrechts zugunsten des Erwerbers zu stimmen. Teilweise wird auch eine solche Gestaltung als zulässig erachtet.79 Bausch hat jedoch zutreffend darauf hingewiesen, dass derartige Abreden faktisch auf die Begründung von Entsendungsrechten für noch unbestimmte Aktionäre hinauslaufen und damit das Bestimmtheitserfordernis des § 101 Abs. 2 S. 1 AktG umgehen.80 Vereinbarungen, die eine Verpflichtung gegenüber zum Zeitpunkt ihres Abschlusses noch nicht feststehenden Personen beinhalten, sind folglich unwirksam.81 Dasselbe hat zu gelten, wenn eine Stimmbindung im Falle aktiengebundener Entsendungsrechte den Zweck verfolgt, die Vinkulierung der betreffenden Aktien zu umgehen.82 3. Normimmanente Beschränkungen § 101 Abs. 2 AktG ermöglicht ausdrücklich die Begründung von Entsendungsrechten, enthält jedoch gleichzeitig elementare Beschränkungen des Sonderrechts. Bei diesen Vorgaben handelt es sich um zwingendes, nicht dispositives Recht.83 Dies ergibt sich aus § 101 Abs. 2 i.V.m. § 23 Abs. 5 S. 1 AktG, da Abweichungen nicht vorgesehen sind.

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Vgl. Spindler, in: Spindler/Stilz, AktG, § 101 Rn. 50; Hopt/M. Roth, in: Großkomm AktG, § 101 Rn. 108; Simons, in: Hölters, AktG, § 101 Rn. 24. Siehe dazu unten 3. a). 78 Vgl. Bausch, NZG 2007, 574, 575. 79 Mertens/Cahn, in: KölnKomm AktG, § 101 Rn. 54. 80 Bausch, NZG 2007, 574, 576. 81 Bausch, NZG 2007, 574, 575 f. 82 Vgl. Bausch, NZG 2007, 574, 576; siehe zu vinkulierungsumgehenden Stimmbindungsverträgen auch Merkt, in: Großkomm AktG, § 68 Rn. 531 f.; Koch, in: Hüffer, AktG, § 68 Rn. 12; Bayer, in: MünchKomm AktG, § 68 Rn. 116 f. 83 Vgl. Simons, in: Hölters, AktG, § 101 Rn. 53.

A. Begriff und Grundlagen der Entsendung nach § 101 Abs. 2 AktG

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a) Satzungsmäßige Grundlage Nach § 101 Abs. 2 S. 1 AktG können Entsendungsrechte nur durch die Satzung begründet werden. Wie bereits angesprochen, sind rein vertragliche bzw. allgemein schuldrechtliche Vereinbarungen über Entsendungsrechte damit ausgeschlossen.84 Auch einfache Hauptversammlungsbeschlüsse sind nicht ausreichend.85 Für ein wirksames Entsendungsrecht ist vielmehr stets eine ausdrückliche und hinreichend bestimmte Satzungsregelung erforderlich.86 Die Kompetenz zur Gewährung von Entsendungsrechten kann auch durch die Satzung nicht auf andere Organe oder sonstige Personen übertragen werden.87 Ein Entsendungsrecht kann folglich nur durch die Gesellschaftsgründer in die Ursprungssatzung aufgenommen werden oder durch nachträgliche Satzungsänderung geschaffen werden, wofür ein entsprechender Beschluss der Hauptversammlung erforderlich ist.88 Dieser bedarf nach § 179 Abs. 2 S. 1 AktG grundsätzlich der Mehrheit von drei Vierteln des vertretenen Grundkapitals, sofern die Satzung nicht nach § 179 Abs. 2 S. 2 AktG eine geringere Mehrheit ausreichen lässt. Die zwingende Verankerung des Entsendungsrechts in der Satzung ist Grundlage für seine Qualifikation als Sonderrecht89 und gewährleistet zudem die umfassende Publizität entsprechender Gestaltungen. Freilich ist aufgrund des Mehrheitserfordernisses nach § 179 Abs. 2 S. 1 AktG die nachträgliche Einführung von Entsendungsrechten in der Regel erheblich erschwert. Sofern die Satzung allerdings eine durch § 179 Abs. 2 S. 2 AktG ermöglichte Erleichterung vorsieht, können Entsendungsrechte auch mit einfacher Mehrheit eingeführt werden. b) Aktionärseigenschaft des Begünstigten Entsendungsrechte können nach § 101 Abs. 2 S. 1 AktG ausschließlich Aktionären der Gesellschaft eingeräumt werden, wobei der Besitz einer einzigen Aktie grundsätzlich ausreichend ist.90 Die Anteilseignerschaft des Begünstigten ist insofern unabdingbare Voraussetzung für die Begründung des Rechts. Dies gilt uneingeschränkt auch für Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder, Arbeitnehmer, Be-

84 Vgl. Spindler, in: Spindler/Stilz, AktG, § 101 Rn. 50; Hopt/M. Roth, in: Großkomm AktG, § 101 Rn. 108; Simons, in: Hölters, AktG, § 101 Rn. 24. Siehe bereits oben 2. c). 85 Simons, in: Hölters, AktG, § 101 Rn. 24. 86 Zu Beispielen aus der Praxis siehe unten Kap. 2, A. II. 2. 87 Vgl. Hopt/M. Roth, in: Großkomm AktG, § 101 Rn. 108. 88 Vgl. Habersack, in: MünchKomm AktG, § 101 Rn. 31; Simons, in: Hölters, AktG, § 101 Rn. 27. 89 Vgl. nur Spindler, in: Spindler/Stilz, AktG, § 101 Rn. 50; Drygala, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 101 Rn. 13; siehe dazu ausführlich unten Kap. 4, A. II. 90 Hopt/M. Roth, in: Großkomm AktG, § 101 Rn. 105; Geßler, in: Geßler/Hefermehl/ Eckardt/Kropff, AktG, § 101 Rn. 67; Lieder, ZHR 172 (2008), 306, 323.

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Kap. 1: Grundlagen, historische Entwicklung, Zwecke des Entsendungsrechts

triebsräte und Gewerkschaften sowie Komplementäre in der KGaA.91 Eine Satzungsbestimmung, nach der Nichtaktionären ein Entsendungsrecht eingeräumt werden soll, wäre nichtig,92 wobei sich diese Rechtsfolge dogmatisch auf § 241 Nr. 3 AktG stützen lässt.93 Nicht unproblematisch ist das Zusammentreffen von Aktionärseigenschaft und Vorstandsamt eines Entsendungsberechtigten. Schließlich erscheint es fragwürdig, ein Vorstandmitglied selbständig über die Person seines eigenen Kontrolleurs entscheiden zu lassen.94 Dieses Problem wird an anderer Stelle noch zu diskutieren sein.95 c) Begrenzung auf ein Drittel der Anteilseignervertreter Eine weitere bedeutsame Beschränkung enthält § 101 Abs. 2 S. 4 AktG, wonach Entsendungsrechte höchstens für ein Drittel der sich aus dem Gesetz oder der Satzung ergebenden Zahl der Aufsichtsratsmitglieder der Aktionäre eingeräumt werden können. Die Beschränkung knüpft ausweislich des Wortlauts auch in mitbestimmten Gesellschaften nur an die Zahl der Aktionärsvertreter an, während von den Arbeitnehmern gewählte Mitglieder unberücksichtigt bleiben. Ferner stellt die Formulierung klar, dass dabei nicht die Zahl der tatsächlich vorhandenen Aktionärsvertreter („Ist-Zahl“) maßgeblich ist, sondern die durch Gesetz oder Satzung vorgeschriebene Höchstzahl („Soll-Zahl“). Somit kann der Anteil der entsandten Vertreter im Einzelfall über ein Drittel der „Ist-Zahl“ hinausgehen, sofern nicht alle Anteilseignersitze vergeben sind.96 Mit der Beschränkung wollte der Gesetzgeber sicherstellen, dass die Mehrheit der Aktionärsvertreter stets von der Hauptversammlung gewählt wird und einzelne Aktionäre eine Gesellschaft nicht allein über Entsendungsrechte kontrollieren können.97 Allerdings hat zumindest in (quasi-)paritätisch98 mitbestimmten Gesellschaften bereits 91 Habersack, in: MünchKomm AktG, § 101 Rn. 32; Hopt/M. Roth, in: Großkomm AktG, § 101 Rn. 109. 92 Hopt/M. Roth, in: Großkomm AktG, § 101 Rn. 113; Spindler, in: Spindler/Stilz, AktG, § 101 Rn. 49. 93 Habersack, in: MünchKomm AktG, § 101 Rn. 32; Simons, in: Hölters, AktG, § 101 Rn. 25. 94 Vgl. Hopt/M. Roth, in: Großkomm AktG, § 101 Rn. 109. 95 Siehe unten Kap. 3, B. IV. 1. und Kap. 5, C. IV. 1. 96 Habersack, in: MünchKomm AktG, § 101 Rn. 54; Spindler, in: Spindler/Stilz, AktG, § 101 Rn. 65. 97 Siehe näher unten B. II. 1. und III. 1. 98 In Gesellschaften, die dem MitbestG, dem MontanMitbestG und dem MitbestErgG unterliegen, wird der Aufsichtsrat paritätisch mit Vertretern der Aktionäre und der Arbeitnehmer besetzt. Nach dem MitbestG kommt allerdings in Pattsituationen dem im Regelfall den Anteilseignervertretern angehörenden Aufsichtsratsvorsitzenden die ausschlaggebende Stimme zu, weswegen hier auch von einer nur „quasi-paritätischen“ Mitbestimmung (vgl. etwa Raabe, Mitbestimmung im Aufsichtsrat, S. 19, 28) gesprochen werden kann. Unter dem MontanMitbestG und dem MitbestErgG, die die Wahl eines gesonderten neutralen Mitglieds

A. Begriff und Grundlagen der Entsendung nach § 101 Abs. 2 AktG

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ein Entsendungsrecht für nur ein einziges Aufsichtsratsmandat zur Folge, dass die von der Aktionärsmehrheit gewählten Mitglieder durch die Arbeitnehmervertreter und das entsandte Mitglied überstimmt werden können.99 In diesen Konstellationen führen Entsendungsrechte folglich trotz der Begrenzung des § 101 Abs. 2 S. 4 AktG zum Verlust der gesicherten Herrschaft eines Mehrheitsaktionärs.100 Derselbe Effekt kann je nach Aufsichtsratsgröße in Gesellschaften eintreten, die dem DrittelbG unterliegen, sofern die Höchstgrenze des § 101 Abs. 2 S. 4 AktG ausgeschöpft wird.101 Hinsichtlich der Rechtsfolgen von Verstößen gegen die Höchstzahlbegrenzung ist zu differenzieren: Wird diese bereits bei Gründung der Gesellschaft oder durch die erstmalige Einführung von Entsendungsrechten durch Satzungsänderung überschritten, sind sämtliche betreffenden Satzungsbestimmungen nichtig. Lediglich in dem Fall, dass alle Rechte nur einer einzigen Person eingeräumt sind, ist ausnahmsweise ihre Anzahl auf das zulässige Maß zu reduzieren. Tritt hingegen der Verstoß erst durch die nachträgliche Einräumung weiterer Entsendungsrechte ein, so ist grundsätzlich nur der entsprechende Hauptversammlungsbeschluss nichtig und die Satzungsänderung unwirksam, während die ursprüngliche Satzungsbestimmung bestehen bleibt.102 Aufgrund der zwingenden gesetzlichen Begrenzung auf ein Drittel der Anteilseignervertreter kann eine Verkleinerung des Aufsichtsrats zum Erlöschen von Entsendungsrechten führen und damit bereits entsandten Mitgliedern den rechtlichen Boden entziehen. In diesem Fall ist fraglich, inwieweit wegen des Sonderrechtscharakters des Entsendungsrechts jeweils eine Zustimmung des Berechtigten erforderlich ist.103 d) Weitere Einschränkungen durch die Satzung Neben den Beschränkungen des Entsendungsrechts aus § 101 Abs. 2 AktG ist auf die Möglichkeit hinzuweisen, weitere Einschränkungen durch die Satzung zu stavorsehen, gilt dagegen der Grundsatz der vollen Parität. Siehe zum Ganzen etwa Habersack, in: MünchKomm AktG, § 96 Rn. 4 ff.; Spindler, in: Spindler/Stilz, AktG, § 96 Rn. 3 ff. 99 Verse, ZIP 2008, 1754. 100 Hopt/M. Roth, in: Großkomm AktG, § 101 Rn. 130; Habersack, in: MünchKomm AktG, § 101 Rn. 53. Zur Vereinbarkeit dieser Situation mit dem Eigentumsrecht der Aktionäre aus Art. 14 GG siehe unten Kap. 3, C. I.; zu Auswirkungen auf den Abhängigkeitstatbestand nach § 17 AktG siehe unten Kap. 3, B. IX. 101 So können etwa in einem neunköpfigen Aufsichtsrat, in dem drei Mitglieder von den Arbeitnehmern gewählt werden, zwei weitere Aktionärsvertreter entsandt werden. Die vier übrigen, vom Mehrheitsaktionär gewählten Mitglieder befinden sich dann in der Minderheit, sodass es auch hier an einem beherrschenden Einfluss fehlt. Entsprechende Konstellationen sind in 15-, 18- und 21-köpfigen Aufsichtsräten möglich, nicht dagegen in solchen mit 3, 6 oder 12 Sitzen. 102 Drygala, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 101 Rn. 20; Hopt/M. Roth, in: Großkomm AktG, § 101 Rn. 131; Habersack, in: MünchKomm AktG, § 101 Rn. 55; Mertens/Cahn, in: KölnKomm AktG, § 101 Rn. 60; Spindler, in: Spindler/Stilz, AktG, § 101 Rn. 66. 103 Siehe dazu ausführlich unten Kap. 4, B. I.

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Kap. 1: Grundlagen, historische Entwicklung, Zwecke des Entsendungsrechts

tuieren. Da das Entsendungsrecht durch die Satzung begründet wird, kann diese es grundsätzlich auch beliebig einschränken oder von weiteren Voraussetzungen abhängig machen.104 Allerdings sind bestimmte Einschränkungen anerkanntermaßen unzulässig, etwa die Bindung der Auswahl des zu entsendenden Mitglieds an die Zustimmung des Vorstands oder eines Dritten.105 Dagegen kann die Satzung gemäß § 100 Abs. 4 AktG besondere persönliche Voraussetzungen für entsandte Mitglieder fordern, z. B. die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Familie.106 Auch das Erfordernis bestimmter persönlicher Voraussetzungen in der Person des Entsendungsberechtigten, etwa ein Mindestanteilsbesitz, ist zulässig.107 Gleiches gilt für sachliche Einschränkungen, beispielsweise eine zeitliche Befristung.108 Ebenfalls möglich ist im Übrigen die Statuierung einer Entsendungspflicht.109 4. Rechtsstellung entsandter Aufsichtsratsmitglieder a) Organstellung und Weisungsfreiheit Durch die Benennung seitens des Berechtigten und die Annahme der Entsendung durch die benannte Person wird zwischen ihr und der Gesellschaft ein korporationsrechtliches Rechtsverhältnis begründet. Die Rechtsstellung des Entsandten als Organmitglied unterscheidet sich insofern nicht von derjenigen der übrigen Aktionärsvertreter im Aufsichtsrat, weswegen entsandten Mitgliedern die gleichen Rechte und Pflichten zukommen wie gewählten Mitgliedern.110 Dies hat insbesondere zur Folge, dass sie bei der Wahrnehmung ihrer Organfunktionen in vollem Umfang dem Unternehmensinteresse verpflichtet sind. Sie haben mithin vorrangig die Interessen

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Hopt/M. Roth, in: Großkomm AktG, § 101 Rn. 122. Mertens/Cahn, in: KölnKomm AktG, § 101 Rn. 58; Drygala, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 101 Rn. 13; Habersack, in: MünchKomm AktG, § 101 Rn. 60. 106 Hoffmann-Becking, in: MünchHdb AG, § 30 Rn. 12 f.; Habersack, in: MünchKomm AktG, § 101 Rn. 58; Spindler, in: Spindler/Stilz, AktG, § 101 Rn. 51. 107 Habersack, in: MünchKomm AktG, § 101 Rn. 59; Hopt/M. Roth, in: Großkomm AktG, § 101 Rn. 123; Mertens/Cahn, in: KölnKomm AktG, § 101 Rn. 58; Simons, in: Hölters, AktG, § 101 Rn. 28. 108 Habersack, in: MünchKomm AktG, § 101 Rn. 60; Mertens/Cahn, in: KölnKomm AktG, § 101 Rn. 58; Hopt/M. Roth, in: Großkomm AktG, § 101 Rn. 124. 109 Mertens/Cahn, in: KölnKomm AktG, § 101 Rn. 58, 81; Hopt/M. Roth, in: Großkomm AktG, § 101 Rn. 124, 167; Hoffmann-Becking, in: MünchHdb AG, § 30 Rn. 25. 110 Habersack, in: MünchKomm AktG, § 101 Rn. 50; Hopt/M. Roth, in: Großkomm AktG, § 101 Rn. 141, 145; Koch, in: Hüffer, AktG, § 101 Rn. 12; Spindler, in: Spindler/Stilz, AktG, § 101 Rn. 75. Daher müssen auch entsandte Aufsichtsratsmitglieder die in §§ 100, 105 AktG aufgestellten persönlichen Voraussetzungen erfüllen. Liegen diese nicht vor, ist die Entsendung nichtig, was im Wege der allgemeinen Feststellungsklage geltend gemacht werden kann; vgl. Hopt/M. Roth, in: Großkomm AktG, § 101 Rn. 128. 105

A. Begriff und Grundlagen der Entsendung nach § 101 Abs. 2 AktG

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der Gesellschaft und nicht die des Entsendungsberechtigten zu wahren.111 Anderenfalls droht ihnen eine Haftung aus §§ 116 S. 1, 93 AktG.112 Hieraus sowie aus dem Grundsatz der höchstpersönlichen Amtsführung (§ 111 Abs. 5 AktG) ergibt sich, dass entsandte Mitglieder nicht an die Weisungen des Entsendungsberechtigten gebunden sind.113 Im Schrifttum wird dies allerdings teilweise in der Form relativiert, dass nur solche Weisungen unzulässig und damit unverbindlich sein sollen, die mit den Interessen der Gesellschaft kollidieren.114 Das ist jedoch nicht überzeugend, da angesichts der Unbestimmtheit des Begriffs des Unternehmensinteresses und des damit verbundenen Beurteilungsspielraums des Entsandten schon keine klare Abgrenzung möglich erscheint.115 Die eigenverantwortliche Aufgabenwahrnehmung der Aufsichtsratsmitglieder und damit die effektive Überwachung des Vorstands wären bei der Anerkennung von bindenden Weisungen nicht mehr gewährleistet,116 auch wenn die Weisungen im Einzelfall mit dem Unternehmensinteresse vereinbar sind und das vorgegebene Abstimmungsverhalten daher innerhalb des dem Aufsichtsratsmitglied zustehenden Ermessensspielraums liegt.117 Insofern sollte allerdings klar zwischen den Fragen der Zulässigkeit von Weisungen einerseits und ihrer Bindungswirkung andererseits unterschieden werden.118 Selbstverständlich kann der Entsandte im Einzelfall nach dem ausdrücklich geäußerten Wunsch des Entsen111 BGHZ 36, 296, 306; Habersack, in: MünchKomm AktG, § 101 Rn. 51; Mertens/Cahn, in: KölnKomm AktG, § 101 Rn. 69; Säcker, in: FS Rebmann, S. 781, 785; Mutter, AR 2012, 58; vgl. auch bereits RGZ 165, 68, 79. 112 Zur Möglichkeit der Haftungsübernahme durch den Entsender siehe unten 5. c) bb). 113 BGHZ 36, 296, 306; 90, 381, 398; BGH, ZIP 2006, 2077, 2079; Habersack, in: MünchKomm AktG, § 101 Rn. 51; Koch, in: Hüffer, AktG, § 101 Rn. 12; Spindler, in: Spindler/ Stilz, AktG, § 101 Rn. 79; Hoffmann-Becking, in: MünchHdb AG, § 30 Rn. 25; Säcker, in: FS Rebmann, S. 781, 783 ff.; Altmeppen, NJW 2003, 2561, 2564; Lutter, ZIP 2007, 1991; Schön, ZGR 1996, 429, 449 ff.; Raiser, ZGR 1978, 391, 399 ff. 114 Hopt/M. Roth, in: Großkomm AktG, § 101 Rn. 147 f.; wohl auch Mertens/Cahn, in: KölnKomm AktG, § 101 Rn. 69; U. H. Schneider, ZGR 1977, 335, 339 ff. (bezüglich „interner Weisungen“); P. W. Vogel, Entsendung, S. 41; jedenfalls für öffentliche Unternehmen ferner Schwintowski, NJW 1995, 1316, 1319. 115 Vgl. Habersack, in: MünchKomm AktG, § 101 Rn. 51. 116 Spindler, in: Spindler/Stilz, AktG, § 101 Rn. 79; Schwintowski, NJW 1995, 1316, 1318; vgl. auch Lutter, ZIP 2007, 1991; Schön, ZGR 1996, 429, 450; Säcker, in: FS Rebmann, S. 781, 786 f. 117 Schön, ZGR 1996, 429, 449 f. stellt insofern einen Vergleich zum verwaltungsrechtlichen Ermessensfehlgebrauch an, bei dem innerhalb des vorgegebenen Handlungsrahmens eine zweckwidrige Entscheidung getroffen wird. Man könnte jedoch auch eine Parallele zum Ermessensnichtgebrauch ziehen, denn eine bindende Weisung verhindert die Ermessensausübung per se. 118 Ähnlich Raiser, ZGR 1977, 391, 395 ff., der insofern allerdings terminologisch zwischen unverbindlichen „Empfehlungen“ einerseits und verbindlichen „Weisungen“ andererseits differenziert. Dies erscheint allerdings nicht zwingend und kann ferner zu Missverständnissen führen. Auch eine Weisung, die (gesellschaftsrechtlich) keine verbindliche Wirkung entfaltet, bleibt eine Weisung. Äußert etwa ein Entsendungsberechtigter, welches Abstimmungsverhalten er erwartet, so geht dies über eine „Empfehlung“ hinaus.

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Kap. 1: Grundlagen, historische Entwicklung, Zwecke des Entsendungsrechts

dungsberechtigten abstimmen, wenn dies nicht mit dem Gesellschaftsinteresse in Konflikt gerät;119 er muss es aber eben nicht. Sieht man letzteres anders, so entlässt man das Aufsichtsratsmitglied aus seiner Eigenverantwortlichkeit und gibt ihm die Möglichkeit, sich stets auf die Weisungen des Entsendungsberechtigten zu berufen, um seine eigene Verantwortung abzuwälzen. Dies kann kaum im Sinne einer effizienten Aufsichtsratstätigkeit sein und wird der Stellung als Organmitglied in der Aktiengesellschaft120 nicht gerecht.121 Andererseits würde es jedoch zu weit gehen, jegliche Weisungen per se als unzulässig anzusehen mit der Folge, dass der Entsendungsberechtigte bereits beim Versuch der Einflussnahme eine Pflichtverletzung gegenüber der Gesellschaft begehen würde.122 § 101 Abs. 2 AktG wäre sonst weitgehend sinnlos, da die damit bezweckte Repräsentation einzelner Aktionäre ohne eine gewisse Einflussnahme gar nicht vorstellbar ist.123 Im Übrigen ist die Vorstellung der Unterbindung jeglicher Einflüsse auf ein Aufsichtsratsmitglied schlicht unrealistisch.124 Lediglich solche Weisungen, die mit den Interessen der Gesellschaft kollidieren, verstoßen gegen die mitgliedschaftliche Treuepflicht des Entsendungsberechtigten und sind deshalb bereits unzulässig. Richtig erscheint somit folgende Differenzierung zur Klarstellung: (1) Die Erteilung von Weisungen an den Entsandten ist grundsätzlich zulässig, es sei denn, sie laufen dem Gesellschaftsinteresse zuwider. (2) Unabhängig davon sind Weisungen für den Entsandten aber generell nicht verbindlich.125 Diese Grundsätze haben auch in kommunalen oder gemischt-wirtschaftlichen Aktiengesellschaften zu gelten, wo Beamte oder sonstige Angehörige des öffentlichen Dienstes von einer Gebietskörperschaft in den Aufsichtsrat entsandt werden. Auf das öffentlich-rechtliche Innenverhältnis kommt es insofern nicht an.126 119 Vgl. Spindler, in: Spindler/Stilz, AktG, § 101 Rn. 79; insoweit auch Mertens/Cahn, in: KölnKomm AktG, § 101 Rn. 69. 120 Vgl. Altmeppen, NJW 2003, 2561, 2564, der allgemein auf die aktienrechtliche Organisationsverfassung hinweist. 121 Ähnlich bereits im Zuge der Vorarbeiten für das AktG 1937 Kißkalt, Zweiter Bericht des Vorsitzenden des Ausschusses für Aktienrecht, abgedruckt bei: Schubert, Akademie für Deutsches Recht, S. 506. 122 Anders wohl Habersack, in: MünchKomm AktG, § 116 Rn. 83, wonach ein „Recht zur Einflussnahme auf das Aufsichtsratsmitglied“ dem Gebot des § 111 Abs. 5 widerspreche. An anderer Stelle weist dieser allerdings zutreffend darauf hin, dass faktische Einflüsse grundsätzlich zulässig und mit rechtlichen Mitteln ohnehin kaum zu unterbinden sind, vgl. Habersack, a.a.O., § 111 Rn. 138. 123 Vgl. Raiser, ZGR 1978, 391, 396, 397 f.; P. W. Vogel, Entsendung, S. 41. 124 Raiser, ZGR 1978, 391, 395; vgl. auch Ulmer, in: FS Stimpel, S. 705, 708 f. 125 Im Ergebnis ebenso Raiser, ZGR 1978, 391, 395 ff. 126 Spindler, in: Spindler/Stilz, AktG, § 101 Rn. 79; Habersack, in: MünchKomm AktG, § 101 Rn. 51; Koch, in: Hüffer, AktG, § 101 Rn. 12; Lutter, ZIP 2007, 1991; Altmeppen, NJW 2003, 2561, 2564; Säcker, in: FS Rebmann, S. 781, 790 ff.; Schön, ZGR 1996, 429, 449 ff.; R. Fischer, AG 1982, 85, 90 ff.; Raiser, ZGR 1978, 391, 402 ff.; gegen eine Sonderbehandlung öffentlicher Körperschaften auch Hopt/M. Roth, in: Großkomm AktG, § 101 Rn. 149; Mertens/ Cahn, in: KölnKomm AktG, § 101 Rn. 69; Früchtl, Aktiengesellschaft der öffentlichen Hand, S. 134 f.; R. Schäfer/Roreger, Kommunale Aufsichtsratsmitglieder, S. 165 ff.; wohl auch

A. Begriff und Grundlagen der Entsendung nach § 101 Abs. 2 AktG

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Freilich sollten die praktischen Auswirkungen der gesamten Problematik nicht überbewertet werden. Der Entsendungsberechtigte kann den Entsandten nämlich nach § 103 Abs. 2 S. 1 AktG ohnehin jederzeit und grundlos abberufen.127 Richtet sich der Entsandte nicht nach den Wünschen des Entsendungsberechtigten, riskiert er folglich den Amtsverlust, ohne dass es dabei auf die rechtliche Bindungswirkung der Weisungen ankäme.128 Ein faktischer Einfluss auf das Abstimmungsverhalten auch jenseits rechtlich bindender Weisungen ist deshalb kaum von der Hand zu weisen.129 b) Machterweiternde Satzungsgestaltungen Es stellt sich die Frage, ob und inwieweit die Stellung entsandter Aufsichtsratsmitglieder durch die Satzung gestärkt werden kann. So wäre es grundsätzlich denkbar, diesen besondere Veto- oder Mehrstimmrechte bei der Beschlussfassung einzuräumen. Ebenso könnte die Statuierung erhöhter Mehrheitserfordernisse für Beschlüsse des Aufsichtsrats dazu führen, dass die entsandten Mitglieder sämtliche Entscheidungen blockieren können.130 Damit könnten der durch ein Entsendungsrecht vermittelte Einfluss und die damit verbundene Machtposition entscheidend vergrößert werden.131 Derartige Gestaltungen begegnen allerdings tiefgreifenden Bedenken. Obwohl § 108 AktG keine detaillierten Regelungen zur Beschlussfassung im Aufsichtsrat enthält, geht man allgemein davon aus, dass hierbei einige ungeschriebene Grundsätze zu beachten sind. Dazu gehört insbesondere das Prinzip der Gleichwertigkeit aller Stimmen, wonach jedes Aufsichtsratsmitglied das gleiche Stimmrecht besitzt.132 Aus diesem Grund kann auch die Satzung einzelnen Mitgliedern keine Mehrstimmrechte, Vorzugsstimmrechte oder Vetorechte einräumen, was uneingeSchwintowski, NJW 1995, 1316, 1318 f. Auch in BVerwGE 140, 300, 301 ff. wird die Geltung des Grundsatzes der Weisungsfreiheit im Aktienrecht gerade nicht bestritten, sondern lediglich seine Ausweitung auf die GmbH. Anders wird dies allerdings von Teilen des öffentlichrechtlichen Schrifttums beurteilt, vgl. etwa Ipsen, JZ 1955, 593, 597 f., 599; Stober, NJW 1984, 449, 455. 127 Siehe dazu bereits oben III. 128 Vgl. Hoffmann-Becking, in: MünchHdb AG, § 30 Rn. 25; Mertens/Cahn, in: KölnKomm AktG, § 101 Rn. 69; Mutter, AR 2012, 58. 129 Vgl. Hopt, ZGR 2004, 1, 33 („faktisch abhängig“); Seibt, in: FS Hopt, S. 1363, 1377; Raiser, ZGR 1978, 391, 395 ff.; Hoffmann-Becking, NZG 2014, 801, 807; Schaub, ZEV 1995, 82, 87; Schürmann/Körfgen, Familienunternehmen, S. 90 f.; P. W. Vogel, Entsendung, S. 53; ähnlich Ulmer, in: FS Stimpel, S. 705, 708 f. sowie, wenn auch zurückhaltender, bereits BGHZ 36, 296, 307 („Eine solche Einflußnahme ist […] nie ganz auszuschließen“). 130 Dies wäre etwa der Fall, wenn ein Beschluss eine Dreiviertelmehrheit erfordert, ein Drittel der Aufsichtsratsmitglieder entsandt worden sind und es sich um eine mitbestimmungsfreie Gesellschaft handelt. 131 Vgl. Lieder, ZHR 172 (2008), 306, 326. 132 Habersack, in: MünchKomm AktG, § 108 Rn. 28; Hopt/M. Roth, in: Großkomm AktG, § 108 Rn. 51; Koch, in: Hüffer, AktG, § 108 Rn. 9.

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Kap. 1: Grundlagen, historische Entwicklung, Zwecke des Entsendungsrechts

schränkt auch für entsandte Aufsichtsratsmitglieder gilt.133 Im Hinblick auf die Beschlussfähigkeit des Aufsichtsrats erlaubt § 108 Abs. 2 S. 1 AktG ausdrücklich eine Regelung durch die Satzung. Gleichwohl ist es nach heute wohl allgemeiner Ansicht ebenfalls unzulässig, die Beschlussfähigkeit von der Anwesenheit bestimmter Mitglieder abhängig zu machen.134 Dies würde de facto einem Vetorecht gleichkommen und damit wiederum gegen das Prinzip der Gleichwertigkeit des Stimmrechts verstoßen.135 Auch auf diese Weise kann das „Gewicht“ eines entsandten Mitglieds also nicht erhöht werden. Es verbleibt somit allenfalls die Möglichkeit, höhere Mehrheitserfordernisse für die Beschlüsse des Aufsichtsrats zu statuieren. Auch dies ist allerdings nur eingeschränkt zulässig. In (quasi-)paritätisch mitbestimmten Gesellschaften gelten zunächst die zwingenden Beschlussquoren nach MitbestG, MontanMitbestG und MitbestErgG.136 Für alle übrigen Aktiengesellschaften sehen lediglich § 103 Abs. 3 S. 2 und § 111 Abs. 3 S. 2 AktG in den dort geregelten Einzelfällen einen Beschluss mit einfacher Mehrheit vor. Dennoch geht die ganz herrschende Ansicht davon aus, dass erhöhte Mehrheitsanforderungen darüber hinaus für alle gesetzlich vorgeschriebenen Beschlussfassungen des Aufsichtsrats unzulässig sind.137 Die Satzung dürfe die Erfüllung der dem Aufsichtsrat gesetzlich auferlegten Aufgaben138 bzw. seiner Funktionen im Rahmen des „Selbstorganisationsprozesses“ der AG nicht erschweren139 und die Funktionsfähigkeit des Aufsichtsrats nicht beeinträchtigen.140 In jüngerer Zeit hat allerdings Jürgenmeyer darauf hingewiesen, dass die Gewährleistung der Funktionsfähigkeit der Gesellschaft und ihrer Organe nicht formelhaft und generell als Zuläs133 Hopt/M. Roth, in: Großkomm AktG, § 108 Rn. 51; Habersack, in: MünchKomm AktG, § 108 Rn. 28. 134 BGHZ 83, 151, 155 ff. (für den Aufsichtsratsvorsitzenden); Mertens/Cahn, in: KölnKomm AktG, § 108 Rn. 80; Hopt/M. Roth, in: Großkomm AktG, § 108 Rn. 75; Habersack, in: MünchKomm AktG, § 108 Rn. 38; Spindler, in: Spindler/Stilz, AktG, § 108 Rn. 42; HoffmannBecking, in: MünchHdb AG, § 31 Rn. 56; Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, Rn. 720; Hambloch-Gesinn/Gesinn, in: Hölters, AktG, § 108 Rn. 44; Bürgers/ Israel, in: Bürgers/Körber AktG, § 108 Rn. 6; Lieder, ZHR 172 (2008), 306, 330. 135 Hopt/M. Roth, in: Großkomm AktG, § 108 Rn. 75; Mertens/Cahn, in: KölnKomm AktG, § 108 Rn. 80; Habersack, in: MünchKomm AktG, § 108 Rn. 38; Spindler, in: Spindler/ Stilz, AktG, § 108 Rn. 42. 136 Habersack, in: MünchKomm AktG, § 108 Rn. 23; Mertens/Cahn, in: KölnKomm AktG, § 108 Rn. 62. Dies sind insbesondere die §§ 27, 29, 31 und 32 MitbestG, § 8 MontanMitbestG und die §§ 5, 15 MitbestErgG. 137 Hopt/M. Roth, in: Großkomm AktG, § 108 Rn. 36; Habersack, in: MünchKomm AktG, § 108 Rn. 24; Koch, in: Hüffer, AktG, § 108 Rn. 8; Mertens/Cahn, in: KölnKomm AktG, § 108 Rn. 62; Spindler, in: Spindler/Stilz, AktG, § 108 Rn. 22; Hoffmann-Becking, in: MünchHdb AG, § 31 Rn. 65; Drygala, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 108 Rn. 29; Bürgers/Israel, in: Bürgers/ Körber AktG, § 108 Rn. 10; Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, Rn. 733; Lieder, ZHR 172 (2008), 306, 331. 138 Hopt/M. Roth, in: Großkomm AktG, § 108 Rn. 36. 139 Mertens/Cahn, in: KölnKomm AktG, § 108 Rn. 62. 140 Hopt/M. Roth, in: Großkomm AktG, § 108 Rn. 38.

A. Begriff und Grundlagen der Entsendung nach § 101 Abs. 2 AktG

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sigkeitsschranke herangezogen werden kann.141 Aus der Rechtsprechung von BVerfG und BGH ergebe sich vielmehr, dass gewisse faktische Erschwerungen der Entscheidungsprozesse nicht zwangsläufig zur Funktionsunfähigkeit führen müssen.142 So soll nach Ansicht des BGH etwa das Erfordernis einer Dreiviertelmehrheit für die Aufsichtsratswahlen in der Hauptversammlung noch nicht dazu führen, dass die Funktionsfähigkeit der Gesellschaft unter gewöhnlichen Verhältnissen in Frage gestellt wäre.143 Es ist kaum ersichtlich, wieso für den Aufsichtsrat etwas anderes gelten sollte,144 zumal auch hier diverse Schutzmechanismen bestehen, etwa das Erfordernis der Einberufung einer Hauptversammlung zum Wohle der Gesellschaft (§ 111 Abs. 3 AktG) oder die Abberufung eines Aufsichtsratsmitglieds aus wichtigem Grund (§ 103 Abs. 3 AktG).145 Vorzugswürdig gegenüber einem generellen Verbot qualifizierter Mehrheitserfordernisse bei der gesetzlich zugewiesenen Aufgabenwahrnehmung dürfte daher eine Beurteilung der Zulässigkeit im jeweiligen Einzelfall sein.146 Allerdings könnte das Erfordernis einer Dreiviertelmehrheit die Funktionsunfähigkeit des Aufsichtsrats in dem speziellen Fall erwarten lassen, dass die Höchstgrenze für Entsendungsrechte nach § 101 Abs. 2 S. 4 AktG ausgeschöpft worden ist und die entsandten Mitglieder damit jegliche Beschlüsse blockieren könnten. So käme jedenfalls einem Aktionär, der sich selbst in einen dreiköpfigen Aufsichtsrat entsendet, bei entsprechender Satzungsgestaltung eine effektive Blockadeposition zu, was höchst bedenklich erscheint. Der Begrenzung von Entsendungsmandaten auf ein Drittel nach § 101 Abs. 2 S. 4 AktG kann die Wertung entnommen werden, dass den von der Hauptversammlung gewählten Mitgliedern im Aufsichtsrat gegenüber den Entsandten das Übergewicht und damit die Letztentscheidungsgewalt zukommen sollen.147 Folglich ist das Erfordernis einer Dreiviertelmehrheit im konkreten Fall als unzulässig anzusehen. 5. Rechtsstellung und Haftung des Entsendungsberechtigten a) Stellung des Entsendungsberechtigten im Organisationsgefüge der Aktiengesellschaft Der Entsendungsberechtigte nimmt bei der Ausübung seines Sonderrechts Funktionen wahr, die nach § 101 Abs. 1 S. 1 AktG üblicherweise von der Haupt141

Jürgenmeyer, ZGR 2007, 112, 132; ähnlich bereits Rittner, DB 1980, 2492, 2499. Jürgenmeyer, ZGR 2007, 112, 131. 143 BGHZ 76, 191, 193 f. 144 So auch Pühler, in: Happ/Groß, Aktienrecht, Muster 1.01 Anm. 59.1. 145 Vgl. Jürgenmeyer, ZGR 2007, 112, 132 f. 146 Gegen ein generelles Verbot im Ergebnis auch Jürgenmeyer, ZGR 2007, 112, 142 f.; wohl auch Pühler, in: Happ/Groß, Aktienrecht, Muster 1.01 Anm. 59.1; für Satzungsautonomie auch schon Möhring/Schwartz/Rowedder/Haberlandt, Aktiengesellschaft, S. 147. 147 Etwas anderes gilt allenfalls im Zusammenhang mit der unternehmerischen Mitbestimmung, siehe dazu ausführlich unten Kap. 3, C. I. 142

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Kap. 1: Grundlagen, historische Entwicklung, Zwecke des Entsendungsrechts

versammlung und damit einem Organ der Gesellschaft ausgeübt werden. Teilweise wird deshalb vertreten, der Entsendungsberechtigte werde zu einem „Kreationsorgan“148 bzw. zum „Bestellungsorgan der Gesellschaft“.149 Andere lehnen diese Interpretation jedoch ausdrücklich ab.150 Richtig ist jedenfalls, dass es beim aktienrechtlichen Entsendungsrecht nach § 101 Abs. 2 AktG als einem mitgliedschaftlichen Sonderrecht, das ausschließlich Aktionären zustehen kann, darauf nicht ankommt. Die aus der vermeintlichen Organstellung hergeleiteten Bindungen des Entsendungsberechtigten bei der Ausübung seines Rechts ergeben sich vielmehr bereits unmittelbar aus der mitgliedschaftlichen Treuepflicht.151 Die Frage nach einer Organstellung ist damit im Ergebnis nur terminologischer Natur. Zur Vermeidung von Missverständnissen sollte auf die Bezeichnung des Entsendungsberechtigten als Organ verzichtet werden.152 Anders ist dies im Rahmen von Entsendungsbefugnissen für gesellschaftsfremde Dritte in der GmbH zu beurteilen.153 Vertragliche Beziehungen bestehen zwischen dem Entsendungsberechtigten und der Gesellschaft grundsätzlich nicht.154 Auch die Annahme einer „vertragsähnlichen Vertrauensbeziehung“155 erscheint konstruiert und angesichts der allgemeinen Treuepflichtbindung unnötig.156

148 So Mertens/Cahn, in: KölnKomm AktG, § 101 Rn. 82; Natzel, AG 1959, 93, 99. Der Begriff des Kreationsorgans geht zurück auf Feine, in: Ehrenberg, Hdb HandelsR 3 III, S. 474 f. 149 So Hopt/M. Roth, in: Großkomm AktG, § 101 Rn. 162, allerdings mit der Einschränkung, er sei dabei kein „echtes Organ im organisationsrechtlichen Sinne“. 150 Schürnbrand, Organschaft, S. 73 f.; Semler, in: MünchKomm AktG, 2. Aufl., § 101 Rn. 70. 151 Schürnbrand, Organschaft, S. 74; Habersack, in: MünchKomm AktG, § 101 Rn. 48. 152 Schürnbrand, Organschaft, S. 74, der allerdings selbst zumindest von der Ausübung einer „organschaftlichen Funktion“ spricht. Diese Formulierung findet sich ebenfalls bei Habersack, in: MünchKomm AktG, § 101 Rn. 45. 153 Siehe dazu unten Kap. 2, B. I. 3. Darin liegt kein Widerspruch zum soeben Gesagten, da zwischen mitgliedschaftlichen Befugnissen und solchen für Dritte klar unterschieden werden muss; vgl. insofern etwa Zöllner, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 46 Rn. 94 ff.; Herfs, Einwirkung Dritter, S. 110 f.; Bürkle, Rechte Dritter, S. 60. 154 BGHZ 36, 296, 309; Habersack, in: MünchKomm AktG, § 101 Rn. 48; Hopt/M. Roth, in: Großkomm AktG, § 101 Rn. 162. 155 So noch Mertens, in: KölnKomm AktG, 2. Aufl., § 101 Rn. 63; Semler, in: MünchKomm AktG, 2. Aufl., § 101 Rn. 105. Bei Mertens/Cahn, in: KölnKomm AktG, § 101 Rn. 78 ist allerdings nur noch von einem „gesetzlichen Schuldverhältnis“ die Rede, womit wiederum die gesellschaftsrechtliche Treuepflichtbindung gemeint sein dürfte. 156 Vgl. Habersack, in: MünchKomm AktG, § 101 Rn. 48; Drygala, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 101 Rn. 26; Hopt/M. Roth, in: Großkomm AktG, § 101 Rn. 162; Bürgers/Israel, in: Bürgers/Körber, AktG, § 101 Rn. 13.

A. Begriff und Grundlagen der Entsendung nach § 101 Abs. 2 AktG

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b) Ausübung des Entsendungsrechts In der Ausübung seines Entsendungsrechts ist der berechtigte Aktionär grundsätzlich frei.157 Er ist nach heute allgemeiner Ansicht insbesondere nicht verpflichtet, von dem Entsendungsrecht Gebrauch zu machen,158 sofern eine entsprechende Pflicht nicht in der Satzung statuiert wird.159 Wird das Recht nicht ausgeübt, kann der betreffende Aufsichtsratsposten nicht durch Wahl der Hauptversammlung besetzt werden.160 Nicht vollständig geklärt ist, inwieweit sich der Entsendungsberechtigte gegenüber anderen Aktionären oder Dritten zur Ausübung seines Rechts in einem bestimmten Sinne schuldrechtlich verpflichten kann. Die hier vertretenen Ansichten spiegeln den Meinungsstand in Bezug auf die Zulässigkeit von Stimmbindungsverträgen gegenüber Nichtgesellschaftern wider.161 Soweit formuliert wird, der Entsendungsberechtigte könne sich nicht wirksam den Weisungen eines Dritten unterwerfen,162 ist dies insofern zutreffend, als entsprechende schuldrechtliche Vereinbarungen keinerlei Wirkung gegenüber der Gesellschaft entfalten163 und der Entsendungsberechtigte aufgrund seiner mitgliedschaftlichen Treuepflicht den Belangen der Gesellschaft Vorrang einzuräumen hat.164 Richtigerweise wird man vertragliche Bindungen gegenüber anderen Aktionären, aber auch gegenüber Dritten jedoch nicht per se als unzulässig ansehen können.165 Die Annahme eines generellen Verbotes jeglicher Verpflichtungen gegenüber Nichtaktionären166 dürfte zu weit gehen. Nicht mit § 101 Abs. 2 AktG vereinbar und deshalb unwirksam sind allein solche langfristigen Vereinbarungen mit Dritten, die faktisch auf eine unzulässige Übertragung des Entsen-

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Vgl. Habersack, in: MünchKomm AktG, § 101 Rn. 45: „Entsendungsfreiheit“ als Gegenstück zur Wahlfreiheit der Hauptversammlung. 158 Hopt/M. Roth, in: Großkomm AktG, § 101 Rn. 167; Habersack, in: MünchKomm AktG, § 101 Rn. 44; Mertens/Cahn, in: KölnKomm AktG, § 101 Rn. 80; Hoffmann-Becking, in: MünchHdb AG, § 30 Rn. 25; Spindler, in: Spindler/Stilz, AktG, § 101 Rn. 71; Koch, in: Hüffer, AktG, § 101 Rn. 12; Drygala, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 101 Rn. 27. 159 Siehe zu dieser Möglichkeit bereits oben 3. d). 160 Der Ausschluss eines solchen Ersatzwahlrechts folgt bereits aus § 101 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 AktG, siehe die Begr. RegE AktG 1965, abgedruckt bei: Kropff, AktG, S. 137; Hopt/M. Roth, in: Großkomm AktG, § 101 Rn. 168; Habersack, in: MünchKomm AktG, § 101 Rn. 44. Etwas anderes soll nur dann gelten, wenn der Berechtigte ausdrücklich auf die Ausübung seines Rechts verzichtet hat, vgl. Spindler, in: Spindler/Stilz AktG, § 101 Rn. 71. 161 Siehe dazu bereits oben II. 1. 162 So Mertens/Cahn, in: KölnKomm AktG, § 101 Rn. 82. 163 Vgl. Hopt/M. Roth, in: Großkomm AktG, § 101 Rn. 170. 164 Vgl. Spindler, in: Spindler/Stilz, AktG, § 101 Rn. 70 („in den Grenzen der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht“). 165 Vgl. Hopt/M. Roth, in: Großkomm AktG, § 101 Rn. 170; Mertens/Cahn, in: KölnKomm AktG, § 101 Rn. 82; Spindler, in: Spindler/Stilz, AktG, § 101 Rn. 70. 166 So Habersack, in: MünchKomm AktG, § 101 Rn. 45; Simons, in: Hölters, AktG, § 101 Rn. 31.

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Kap. 1: Grundlagen, historische Entwicklung, Zwecke des Entsendungsrechts

dungsrechts hinauslaufen.167 Anerkannt ist im Übrigen, dass sich der Entsendungsberechtigte nicht gegenüber dem Entsandten selbst verpflichten kann.168 Dem Entsendungsberechtigten steht es grundsätzlich frei, auf die Ausübung des Entsendungsrechts einseitig zu verzichten.169 Problematisch erscheint allerdings ein dauerhafter und unwiderruflicher Verzicht, der in seiner Wirkung einer „schleichenden“ Satzungsänderung gleichkäme und daher unwirksam sein dürfte.170 Der einseitige Verzicht kann nämlich keinesfalls zum Erlöschen des Entsendungsrechts führen, da hierfür – als actus contrarius zu seiner Begründung – grundsätzlich eine Satzungsänderung erforderlich ist.171 c) Haftung des Entsendungsberechtigten aa) Haftung für eigenes Verschulden Der Entsendungsberechtigte unterliegt bei der Ausübung seines Rechts bereits in seiner Eigenschaft als Aktionär der gesellschaftsrechtlichen (mitgliedschaftlichen) Treuepflicht.172 Verletzt er diese, kann er der Gesellschaft zum Schadensersatz verpflichtet sein. Die Frage, ob er überdies als Bestellungs- oder Kreationsorgan anzusehen ist,173 spielt insofern keine entscheidende Rolle.174 Dasselbe gilt für die Höhe seiner Beteiligung, da im Grundsatz richtigerweise jeder Aktionär als Adressat der Treuepflicht anzusehen ist.175 Allein Inhalt und Intensität der Treuepflicht können im Einzelfall fraglich sein. Dass der Entsendungsberechtigte als Inhaber eines weitreichenden Sonderrechts bei dessen Ausübung gesteigerten Rücksicht167

Vgl. Hopt/M. Roth, in: MünchKomm AktG, § 101 Rn. 170. Anders als dort angedeutet kommt es hierbei jedoch nicht auf die Qualifikation des Entsendungsberechtigten als Bestellungsorgan an. Vgl. zur Zulässigkeit von Stimmbindungsverträgen über die Begründung von Entsendungsrechten auch oben 2. c). 168 Mertens/Cahn, in: KölnKomm AktG, § 101 Rn. 71; Hopt/M. Roth, in: Großkomm AktG, § 101 Rn. 170; Habersack, in: MünchKomm AktG, § 101 Rn. 45, 66; Drygala, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 101 Rn. 24; Simons, in: Hölters, AktG, § 101 Rn. 31. 169 Seeling/Zwickel, BB 2008, 622, 626; vgl. auch Drygala, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 101 Rn. 27; Spindler, in: Spindler/Stilz, AktG, § 101 Rn. 71. In diesem Fall soll der Hauptversammlung ausnahmsweise ein Ersatzwahlrecht zukommen, vgl. Hopt/M. Roth, in: Großkomm AktG, § 101 Rn. 168. 170 Seeling/Zwickel, BB 2008, 622, 627. 171 Habersack, in: MünchKomm AktG, § 101 Rn. 31; Spindler, in: Spindler/Stilz, AktG, § 101 Rn. 50; Drygala, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 101 Rn. 13; Seeling/Zwickel, BB 2008, 622, 626. 172 Habersack, in: MünchKomm AktG, § 101 Rn. 48; Hopt/M. Roth, in: Großkomm AktG, § 101 Rn. 162; Drygala, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 101 Rn. 26; Spindler, in: Spindler/Stilz, AktG, § 101 Rn. 70; Simons, in: Hölters, AktG, § 101 Rn. 32; Grigoleit/Tomasic, in: Grigoleit, AktG, § 101 Rn. 21. 173 Siehe dazu bereits oben a). 174 Habersack, in: MünchKomm AktG, § 101 Rn. 48. 175 Vgl. Cahn/v. Spannenberg, in: Spindler/Stilz, AktG, § 53a Rn. 47.

A. Begriff und Grundlagen der Entsendung nach § 101 Abs. 2 AktG

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nahmepflichten unterliegt, dürfte indes außer Zweifel stehen.176 Bei der Treuepflicht geht es zwar in erster Linie um die Kontrolle der Einwirkungsmöglichkeiten der Mehrheit, sie bindet aber auch Minderheiten, jedenfalls soweit ihnen kontrollbedürftige Einflusspositionen zukommen.177 Der Entsendungsberechtigte hat daher bei der Auswahl, der Abberufung und – sofern man dies für zulässig erachtet – bei der Erteilung von Weisungen178 stets auf die Belange der Gesellschaft Rücksicht zu nehmen.179 So kann er grundsätzlich haftbar gemacht werden, wenn er wissentlich eine offenkundig ungeeignete oder nicht ausreichend befähigte Person in den Aufsichtsrat entsendet (Haftung für Auswahlverschulden).180 Einem Urteil des Reichsgerichts zufolge soll die Entsendung einer für einen Konkurrenten der Gesellschaft tätigen Person allerdings nicht per se unzulässig sein.181 Im Übrigen dürften der Eintritt eines Schadens und insbesondere die erforderliche Kausalität in der Praxis kaum nachweisbar und derartige Fälle deshalb äußerst selten sein. Daneben unterliegt der Entsendungsberechtigte wie auch jeder Dritte den allgemeinen Haftungsvorschriften des § 117 AktG sowie des § 826 BGB.182 Auch Fälle der vorsätzlichen Schädigung der Gesellschaft durch den Entsendungsberechtigten dürften aber in der Praxis kaum eine Rolle spielen. bb) Haftung für fremdes Verschulden Schon aufgrund seines freien Auswahlermessens stellt sich die Frage, ob der Entsendungsberechtigte gegenüber der Gesellschaft auch für „sein“ Aufsichtsratsmitglied haftet. Allerdings ist weder in der aktiengesetzlichen Regelung des § 101 Abs. 2 AktG, noch anderswo im Gesetz eine ausdrückliche Haftung des Entsendungsberechtigten für Fehlverhalten der von ihm entsandten Person vorgesehen.183 Der Entsandte kann auch nicht als Erfüllungsgehilfe im Sinne des § 278 BGB oder als Verrichtungsgehilfe im Sinne des § 831 BGB angesehen werden.184 Lediglich in 176 Vgl. Grigoleit/Tomasic, in: Grigoleit, AktG, § 101 Rn. 21 („gesteigerte Treuepflichtbindung“). 177 Koch, in: Hüffer, AktG, § 53a Rn. 21; vgl. auch Fleischer, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 53a Rn. 56 f. 178 Siehe dazu bereits oben 4. a). 179 Habersack, in: MünchKomm AktG, § 101 Rn. 45, 49. 180 Vgl. Habersack, in: MünchKomm AktG, § 101 Rn. 45; Hopt/M. Roth, in: Großkomm AktG, § 101 Rn. 162. 181 RGZ 165, 68, 79 ff. 182 BGHZ 36, 296, 312; Hopt/M. Roth, in: Großkomm AktG, § 101 Rn. 65; Mertens/Cahn, in: KölnKomm AktG, § 101 Rn. 78. 183 Habersack, in: MünchKomm AktG, § 101 Rn. 49. Anders ist dies etwa in der Schweiz, wo Art. 762 Abs. 4 des Obligationenrechts eine unmittelbare Haftung der entsendungsberechtigten Körperschaften vorsieht; siehe dazu unten Kap. 2, C. V. 2. b). 184 BGHZ 36, 296, 309; Spindler, in: Spindler/Stilz, AktG, § 101 Rn. 73; Mertens/Cahn, in: KölnKomm AktG, § 101 Rn. 78; Habersack, in: MünchKomm AktG, § 101 Rn. 49.

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Kap. 1: Grundlagen, historische Entwicklung, Zwecke des Entsendungsrechts

Fällen, in denen er von einer juristischen Person oder Personengesellschaft entsandt wird, befürwortet ein Teil der Literatur eine Haftung nach § 31 BGB (analog).185 Die Gegenansicht lehnt jedoch auch dies unter Verweis auf die eigenverantwortliche und weisungsfreie Amtsausübung der Aufsichtsratsmitglieder ab.186 Tatsächlich hat bereits der Gesetzgeber des AktG 1937 aus eben diesem Grund auf die Einführung einer Haftungsregelung bewusst verzichtet.187 Diese gesetzgeberische Entscheidung, die auch der Gesetzgeber des AktG 1965 in Kenntnis des Problems nicht revidiert hat, sollte durch eine extensive Anwendung des § 31 BGB nicht überspielt werden.188 Im Übrigen ist kaum einzusehen, wieso entsendungsberechtigte Körperschaften für Fehlverhalten des Entsandten haften sollten, natürliche Personen jedoch nicht.189 Ein zumindest faktisches Abhängigkeitsverhältnis des Entsandten besteht aufgrund der jederzeitigen Abberufungsmöglichkeit in beiden Fällen gleichermaßen.190 Eine gesetzliche Haftung des Entsendungsberechtigten für Verschulden des Entsandten ist mithin insgesamt abzulehnen. Ob eine Haftungsübernahme durch Satzungsbestimmung statuiert oder durch besonderen Vertrag mit der Gesellschaft vereinbart werden kann, ist ebenfalls umstritten. Teilweise wird dies unter Verweis auf die genannte gesetzgeberische Entscheidung gegen eine Haftungsregelung und die damit zum Ausdruck gebrachte Eigenverantwortlichkeit des Aufsichtsratsmitglieds verneint.191 Die Gegenansicht sieht die Vereinbarung einer Haftungsübernahme als zulässig an.192 Die Rechtsstellung des Ent185

Mestmäcker, Konzerngewalt, S. 258 ff.; Ulmer, in: FS Stimpel, S. 705 ff.; einschränkend auch Mertens/Cahn, in: KölnKomm AktG, § 76 Rn. 76 und § 101 Rn. 78; Hopt/M. Roth, in: Großkomm AktG, § 101 Rn. 164; Schürnbrand, Organschaft, S. 327 ff. (Haftung nur dann, wenn der Entsandte das Interesse der entsendenden Körperschaft vorsätzlich dem der AG überordnet). 186 BGHZ 36, 296, 309 ff.; 90, 381, 397 f.; Habersack, in: MünchKomm, § 101 Rn. 49 und § 116 Rn. 82 f.; Spindler, in: Spindler/Stilz, AktG, § 101 Rn. 73; im Ergebnis auch HoffmannBecking, in: MünchHdb AG, § 33 Rn. 65a; Drygala, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 101 Rn. 26. 187 Vgl. Kißkalt, Zweiter Bericht des Vorsitzenden des Ausschusses für Aktienrecht, abgedruckt bei: Schubert, Akademie für Deutsches Recht, S. 506 f.; Schlegelberger/Quassowski/ Herbig/Geßler/Hefermehl, AktG 1937, § 88 Rn. 17; siehe auch unten B. II. 1. 188 Vgl. Habersack, in: MünchKomm AktG, § 116 Rn. 83; Spindler, in: Spindler/Stilz, AktG, § 101 Rn. 73. 189 Diese Erwägung findet sich bereits bei Kißkalt, Zweiter Bericht des Vorsitzenden des Ausschusses für Aktienrecht, abgedruckt bei: Schubert, Akademie für Deutsches Recht, S. 506. Auch Mestmäcker, Konzerngewalt, S. 261, 263 weist darauf hin, dass nach § 31 BGB eine juristische Person in gleicher Weise haften soll wie eine natürliche Person. Dagegen allerdings Ulmer, in: FS Stimpel, S. 705, 716 f., wonach § 31 BGB keine Gleichstellung der Haftung bezwecke, sondern auch eine Schlechterstellung juristischer Personen bewirken könne. 190 Vgl. Hopt, ZGR 2004, 1, 33; siehe bereits oben 4. a). 191 Mertens/Cahn, in: KölnKomm AktG, § 101 Rn. 79; Habersack, in: MünchKomm AktG, § 101 Rn. 49; Bürgers/Israel, in: Bürgers/Körber, AktG, § 101 Rn. 13; i.E. auch Simons, in: Hölters, AktG, § 101 Rn. 32. 192 Hopt/M. Roth, in: Großkomm AktG, § 101 Rn. 163; i.E. ebenso bereits Schlegelberger/ Quassowski/Herbig/Geßler/Hefermehl, AktG 1937, § 88 Rn. 17; Semler, in: MünchKomm AktG, 2. Aufl., § 101 Rn. 104; wohl auch Drygala, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 101 Rn. 26.

B. Die historische Entwicklung des aktienrechtlichen Entsendungsrechts

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sandten und insbesondere sein freies Mandat würden durch eine Haftungsübernahme nicht beeinträchtigt.193 Dies überzeugt indes nicht, soweit die Haftungsübernahme zu einer Freistellung des Entsandten führt. Wird dessen Haftung vollständig auf den Entsender verlagert, muss die verantwortliche Aufgabenwahrnehmung des Entsandten ernstlich bezweifelt werden. Das Haftungsrisiko dient insofern auch der Disziplinierung der Organmitglieder, die dadurch zu sorgfaltsgemäßem und loyalem Verhalten angehalten werden sollen.194 Zwar wird es wohl allgemein als zulässig angesehen, Regress- und Schadensersatzansprüche des Entsandten gegen den Entsendungsberechtigten vertraglich zu vereinbaren.195 Es besteht aber auch im Hinblick auf die Präventionswirkung der Haftung ein wesentlicher Unterschied zwischen einer Rückgriffsvereinbarung im Innenverhältnis, bei der der Entsandte immerhin noch das Rechtsdurchsetzungs- und Insolvenzrisiko trägt, und einer satzungsmäßigen Haftungsfreistellung durch die Gesellschaft.196 Anders sind dagegen Klauseln zu beurteilen, die eine Haftung des Entsenders neben dem Entsandten statuieren. Die disziplinierende Wirkung der Haftung für den Entsandten bleibt hier erhalten, und auch eine entgegenstehende gesetzgeberische Wertung ist nicht ersichtlich. Dass von einer gesetzlichen Entsenderhaftung abgesehen wurde, bringt lediglich zum Ausdruck, dass eine solche aufgrund der eigenverantwortlichen und weisungsfreien Aufgabenwahrnehmung durch den Entsandten nicht zu rechtfertigen wäre und insofern einen gesetzlichen Wertungswiderspruch darstellen würde.197 Einer freiwilligen Haftungsübernahme steht dies aber nicht entgegen, denn privatautonome Vereinbarungen bedürfen grundsätzlich keiner Rechtfertigung. Eine Haftungsübernahme ist folglich als zulässig anzusehen, wenn der Entsender neben und nicht an Stelle des Entsandten haften soll.

B. Die historische Entwicklung des aktienrechtlichen Entsendungsrechts Das Entsendungsrecht in der heutigen Form des § 101 Abs. 2 AktG geht unmittelbar zurück auf die Vorgängervorschrift des § 88 AktG 1937.198 Das Prinzip der 193

Hopt/M. Roth, in: Großkomm AktG, § 101 Rn. 163. Habersack, in: MünchKomm AktG, § 116 Rn. 2. 195 Vgl. Mertens/Cahn, in: KölnKomm AktG, § 101 Rn. 75; Habersack, in: MünchKomm AktG, § 101 Rn. 47; Hopt/M. Roth, in: Großkomm AktG, § 101 Rn. 163. 196 Vgl. Habersack, in: MünchKomm AktG, § 116 Rn. 74. 197 Vgl. Kißkalt, Zweiter Bericht des Vorsitzenden des Ausschusses für Aktienrecht, abgedruckt bei: Schubert, Akademie für Deutsches Recht, S. 506: „Vor allem aber sprach gegen die Einführung einer solchen Haftung, daß es sodann dem vertretenen Unternehmen gestattet sein müßte, dem von ihm entsandten Aufsichtsratsmitglied Weisungen zu erteilen.“ Man war also der Meinung, eine Haftung könne nur als Korrelat zur Weisungsbindung angeordnet werden, welche aber nicht intendiert war. 198 Hopt/M. Roth, in: Großkomm AktG, § 101 Rn. 3. 194

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Kap. 1: Grundlagen, historische Entwicklung, Zwecke des Entsendungsrechts

Entsendung war jedoch bereits in früherer Zeit bekannt. Im Folgenden werden die geschichtliche Entwicklung von Entsendungsrechten im deutschen Aktienrecht und speziell die Normhistorie des § 101 AktG näher untersucht. Sie sind für das Verständnis von Sinn und Zweck der heutigen Regelung von grundlegender Bedeutung. Es wird dabei sowohl auf die Entsendung von Aufsichtsratsmitgliedern, als auch auf die Entsendung von Vorständen eingegangen, die in früherer Zeit noch möglich war. Die Darstellung beschränkt sich im Wesentlichen auf die moderne Aktienrechtsgeschichte ab dem frühen 19. Jahrhundert.199

I. Entsendungsrechte vor dem AktG 1. Vorläufer der Aktiengesellschaft und frühe Kodifikationen Bereits im 17. Jahrhundert entstanden mit den Handelskompanien Assoziationsformen, die gemeinhin als Vorläufer der modernen Aktiengesellschaft angesehen werden.200 Auch das Konzept der Entsendung als autonome Entscheidung einzelner Gesellschafter über die Besetzung von Verwaltungsämtern lässt sich bis in diese Zeit zurückverfolgen. So gewährte etwa das Statut der Brandenburgisch-Ostindischen Kompanie von 1651 Anteilseignern ab einer gewissen Beteiligung das Recht, einen Direktor zu stellen, also in das Leitungsorgan zu entsenden.201 Auch in anderen Handelskompanien war dies nicht unüblich.202 Die Gesetzgebungsgeschichte der modernen Aktiengesellschaft beginnt im frühen 19. Jahrhundert.203 Als frühe Kodifikationen des Aktienrechts mit Geltung in einzelnen deutschen Staaten sind der französische Code de Commerce von 1807204 und das preußische Aktiengesetz von 1843205 zu nennen. Diese sahen zwar bereits Grundzüge einer einheitlichen Organisationsverfassung vor, enthielten jedoch kei-

199 Zu Begriff und Bedeutung der „vormodernen“ Aktienrechtsgeschichte siehe Cordes/ Jahntz, in: Bayer/Habersack, Aktienrecht im Wandel I, S. 3 ff. 200 Siehe dazu sowie zu noch früheren Formen Assmann, in: Großkomm AktG, Einl. Rn. 13 ff.; Bösselmann, Entwicklung des deutschen Aktienwesens, S. 49 ff.; Lieder, Aufsichtsrat, S. 39 f. 201 Art. 18 des Oktrois für eine Brandenburgisch-Ostindische Kompanie vom 10. 8. 1651, abgedruckt bei: Schück, Brandburg-Preußens Kolonial-Politik I, Teil 2, S. 23 ff.; Cordes/ Jahntz, in: Bayer/Habersack, Aktienrecht im Wandel I, S. 21. 202 Vgl. Lieder, Aufsichtsrat, S. 46. 203 Vgl. Cordes/Jahntz, in: Bayer/Habersack, Aktienrecht im Wandel I, S. 3; Wagner, in: Coing, Privatrechtsgeschichte III/3, S. 3005. 204 Zur Geltung des Code de Commerce in Deutschland siehe Deutsch, in: Bayer/Habersack, Aktienrecht im Wandel I, S. 91 ff. 205 Siehe dazu sowie zu den Gesellschaftsformen des preußischen Allgemeinen Landrechts von 1794 Hadding/Kießling, in: FS Hattenhauer, S. 159 ff.; zu Letzteren auch Wagner, in: Coing, Privatrechtsgeschichte III/3, S. 2979 f.

B. Die historische Entwicklung des aktienrechtlichen Entsendungsrechts

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nerlei Vorschriften zur Art der Bestellung von Organmitgliedern.206 Daher unterlagen gesellschaftsvertragliche Gestaltungen, die einzelnen Personen und insbesondere den Gesellschaftsgründern Entsendungsrechte gewährten, zunächst keinen gesetzlichen Beschränkungen und waren im 19. Jahrhundert weit verbreitet.207 2. ADHGB und erste Aktienrechtsnovelle 1870 Die ersten einheitlichen gesetzlichen Regelungen für die Aktiengesellschaft in Deutschland finden sich im Allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuch (ADHGB), das ab 1861 in den Gebieten des Deutschen Bundes und ab 1871 im Deutschen Reich galt.208 Es sah zunächst noch ein sog. Konzessionssystem vor: Nach Art. 208 ADHGB 1861 konnten Aktiengesellschaften nur mit staatlicher Genehmigung errichtet werden. Die erste Aktienrechtsnovelle 1870209 ersetzte dies durch das sog. Normativsystem nach englischem und französischem Vorbild, wie es noch heute besteht.210 Bereits das ADHGB 1861 ordnete an, dass jede Aktiengesellschaft über einen Vorstand und eine Generalversammlung verfügen müsse und regelte in Art. 225 erstmals einen zumindest fakultativen Aufsichtsrat als Überwachungsorgan.211 Mit der ersten Aktienrechtsnovelle wurde der Aufsichtsrat zum obligatorischen Gesellschaftsorgan erhoben.212 Er sollte nach den Vorstellungen des Gesetzgebers als Ersatz für die entfallene staatliche Aufsicht im ehemaligen Konzessionssystem dienen, um die Wahrnehmung der Aktionärsinteressen zu gewährleisten.213 Das ADHGB enthielt allerdings auch nach 1870 keinerlei Regelungen für die Bestellung von Vorstands- und Aufsichtsratsmitgliedern. Die Bestimmung der Zusammensetzung des Vorstands und der Art seiner Bestellung wurden gem. Art. 209 Nr. 8 ADHGB 1870 vielmehr dem Gesellschaftsvertrag überlassen. Auch Art. 209 206 Assmann, in: Großkomm AktG, Einl. Rn. 31 und 59; Deutsch, in: Bayer/Habersack, Aktienrecht im Wandel I, S. 65 ff.; Lieder, Aufsichtsrat, S. 49 f. 207 R. Fischer, AG 1982, 85; zu ähnlichen Gestaltungen vor Erlass des ADHGB auch Lieder, Aufsichtsrat, S. 58. 208 Pahlow, in: Bayer/Habersack, Aktienrecht im Wandel I, S. 241; Hadding/Kießling, in: FS Hattenhauer, S. 159, 189. Das ADHGB galt allerdings nur für Aktiengesellschaften, die ein Handelsgewerbe betrieben. 209 Gesetz, betreffend die Kommanditgesellschaften auf Aktien und die Aktiengesellschaften vom 11. 6. 1870 (BGBl. des Norddeutschen Bundes 1870, S. 375); aktienrechtliche Vorschriften des ADHGB in der Fassung dieses Gesetzes auch abgedruckt bei: Schubert/ Hommelhoff, Hundert Jahre Aktienrecht, S. 106 ff. 210 Lieder, in: Bayer/Habersack, Aktienrecht im Wandel I, S. 321 ff.; Hadding/Kießling, in: FS Hattenhauer, S. 159, 189; Bösselmann, Entwicklung des deutschen Aktienwesens, S. 73 f. 211 Pahlow, in: Bayer/Habersack, Aktienrecht im Wandel I, S. 268 ff. 212 Lieder, in: Bayer/Habersack, Aktienrecht im Wandel I, S. 357 f.; Wiedemann, GesR I, S. 26. 213 So rückschauend die spätere Begründung zum Entwurf der Aktienrechtsnovelle 1884, abgedruckt bei: Schubert/Hommelhoff, Hundert Jahre Aktienrecht, S. 459; siehe auch Assmann, in: Großkomm AktG, Einl. Rn. 80; Schubert, ZGR 1981, 285, 306.

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Kap. 1: Grundlagen, historische Entwicklung, Zwecke des Entsendungsrechts

Nr. 6 ADHGB 1870 verlangte lediglich die Bestellung eines Aufsichtsrates „von mindestens drei, aus der Zahl der Aktionäre zu wählenden Mitgliedern“, wobei keinerlei Modalitäten für diese Wahl vorgeschrieben wurden. Somit hatten die Gründer einer Aktiengesellschaft bei der Gestaltung im Gesellschaftsvertrag weitgehend freie Hand und konnten sich den maßgeblichen Einfluss auf die Organbestellung beispielsweise mittels Entsendungsrechten sichern.214 3. Zweite Aktienrechtsnovelle 1884 Angesichts der sog. Gründerkrise ab 1873, in der zahlreiche Aktiengesellschaften Konkurs anmelden mussten und nicht wenige Anleger ihr gesamtes Vermögen verloren,215 sah der Gesetzgeber einen derartigen Freiraum bald als problematisch an. Mit der zweiten Aktienrechtsnovelle 1884216 sollten die Missstände beseitigt und der Schutz der Aktionäre verbessert werden.217 Hierfür sollte insbesondere die Position der Generalversammlung gestärkt werden, der in wesentlichen Angelegenheiten der Gesellschaft die exklusive Entscheidungsbefugnis zugewiesen wurde.218 Im Zuge dessen wurde auch die Möglichkeit ausgeschlossen, die Bestellung der Aufsichtsratsmitglieder auf einzelne Personen oder andere Organe zu delegieren, da hierbei nicht selten „unlautere Einflüsse“ geltend gemacht worden seien.219 Nach Art. 224 i.V.m. 191 ADHGB 1884 waren die Aufsichtsratsmitglieder nunmehr von der Generalversammlung zu wählen. Der Aufsichtsrat sollte dadurch insbesondere dem Einfluss der Gesellschaftsgründer entzogen werden.220 Die Bestellung des Aufsichtsrats war von nun an zwingend und ausschließlich der Generalversammlung zugewiesen, und zwar als einzige Wahlentscheidung in der Aktiengesellschaft.221 Für Entsendungsrechte in den Aufsichtsrat blieb somit nach der gesetzlichen Regelung, 214 R. Fischer, AG 1982, 85; Hommelhoff, in: Schubert/Hommelhoff, Hundert Jahre Aktienrecht, S. 86; dies andeutend auch Schubert, ZGR 1981, 285, 306. 215 Hofer, in: Bayer/Habersack, Aktienrecht im Wandel I, S. 389; Hommelhoff, in: Schubert/Hommelhoff, Hundert Jahre Aktienrecht, S. 55 f. 216 Gesetz, betreffend die Kommanditgesellschaften auf Aktien und die Aktiengesellschaften vom 18. 7. 1884 (RGBl. 1884, S. 123; auch abgedruckt bei: Schubert/Hommelhoff, Hundert Jahre Aktienrecht, S. 560 ff.). 217 Begründung zum Entwurf 1884, abgedruckt bei: Schubert/Hommelhoff, Hundert Jahre Aktienrecht, S. 415; siehe auch Hofer, in: Bayer/Habersack, Aktienrecht im Wandel I, S. 398. 218 Begründung zum Entwurf 1884, abgedruckt bei: Schubert/Hommelhoff, Hundert Jahre Aktienrecht, S. 464; siehe auch Wiedemann, GesR I, S. 27. 219 Begründung zum Entwurf 1884, abgedruckt bei: Schubert/Hommelhoff, Hundert Jahre Aktienrecht, S. 458, 464. 220 Begründung zum Entwurf 1884, abgedruckt bei: Schubert/Hommelhoff, Hundert Jahre Aktienrecht, S. 458; siehe auch Assmann, in: Großkomm AktG, Einl. Rn. 97. Ein weiteres Anliegen der Novelle war daneben die Präzisierung der Überwachungsfunktion des Aufsichtsrats, siehe hierzu Hommelhoff, in: Schubert/Hommelhoff, Hundert Jahre Aktienrecht, S. 91 ff. 221 Gareis/Fuchsberger, ADHGB, S. 443 f. (Bem. 256), 468 f. (Bem. 315).

B. Die historische Entwicklung des aktienrechtlichen Entsendungsrechts

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ebenso wie für sonstige Formen der Delegation oder Kooptation, kein Raum mehr.222 Sie konnten weder durch Generalversammlungsbeschluss, noch mittels Satzungsbestimmung eingeführt werden.223 Die Bestellungsmodalitäten des Vorstands wurden demgegenüber allerdings weiterhin dem Gesellschaftsvertrag überlassen. Der Gesetzgeber war der Ansicht, dass die zwingende Übertragung dieser Personalentscheidung, bei der es insbesondere auf die „technische Befähigung“ der Kandidaten ankomme, auf die Generalversammlung nicht zweckmäßig sei.224 Es blieb damit zulässig, diese von jedweder Mitwirkung bei der Bestellung des Vorstands auszuschließen.225 Die Entsendung von Vorstandsmitgliedern war damit auch nach der zweiten Aktienrechtsnovelle 1884 weiterhin möglich. 4. HGB 1897 Das ADHGB wurde schließlich abgelöst durch das 1897 erlassene und am 1. Januar 1900 in Kraft getretene HGB226, welches die Aktiengesellschaft in den §§ 178 – 319 regelte. Die Organisationsverfassung der Aktiengesellschaft blieb dabei unberührt.227 Abgesehen von einigen redaktionellen Änderungen im Rahmen der systematischen Neuordnung228 wurden die Vorschriften zu Vorstand und Aufsichtsrat weitgehend übernommen. So bestimmte nun § 243 Abs. 1 HGB 1897, dass der Aufsichtsrat aus mindestens drei von der Generalversammlung zu wählenden Mitgliedern bestehen musste. Inhaltlich brachte das HGB in diesem Bereich mithin keinerlei Veränderungen mit sich. Die Bestellung der Aufsichtsratsmitglieder war weiterhin ein ausschließliches Recht der Generalversammlung,229 das sich trotz des etwas unklaren Wortlauts nicht nur auf die gesetzliche Mindestzahl von drei Mitgliedern bezog, sondern Entsendung, Delegation oder Kooptation auch bei größeren Aufsichtsräten schlechthin entgegenstand.230 Auch am Fehlen einer entsprechenden Regelung für die Vorstandsbestellung änderte sich nichts; § 231 HGB 1897 stellte

222

Hommelhoff, in: Schubert/Hommelhoff, Hundert Jahre Aktienrecht, S. 87. Gareis/Fuchsberger, ADHGB, S. 468 f. (Bem. 315). 224 Begründung zum Entwurf 1884, abgedruckt bei: Schubert/Hommelhoff, Hundert Jahre Aktienrecht, S. 458. 225 Gareis/Fuchsberger, ADHGB, S. 448 (Bem. 267). Zu beachten waren allerdings die durch die Rechtsprechung festgelegten Grenzen der Fremdbestimmung, siehe unten 5. 226 Handelsgesetzbuch vom 10. 05. 1897 (RGBl. 1897, S. 219). 227 Assmann, in: Großkomm AktG, Einl. Rn. 119. 228 Im HGB wurden die Regelungen über die Aktiengesellschaft denen über die Kommanditgesellschaft auf Aktien vorangestellt, wodurch die Verweise auf die KGaA entfielen; siehe hierzu Pahlow, in: Bayer/Habersack, Aktienrecht im Wandel I, S. 417 f. 229 R. Fischer, AG 1982, 85. 230 Staub, HGB, 6./7. Aufl., § 243 Anm. 1; Bergmann, Einflussnahme öffentlicher Körperschaften, S. 8 ff.; Ahls, Entsendung von Beamten, S. 3. 223

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Kap. 1: Grundlagen, historische Entwicklung, Zwecke des Entsendungsrechts

hierfür keinerlei Vorgaben auf. Satzungsbestimmungen, die die Entsendung von Vorständen – auch durch Dritte – vorsahen, blieben damit zulässig.231 5. Rechtsprechung des Reichsgerichts Die Rechtsprechung legte die Normen über die Aufsichtsratsbestellung sowie auch sonstige Gesetzesvorschriften und Satzungsbestimmungen, die eine Wahl durch die Generalversammlung vorsahen, zunächst äußerst restriktiv aus. So stand nach dem Reichsgericht die alleinige Wahlkompetenz der Generalversammlung nicht nur abweichenden Satzungsbestimmungen und insbesondere Entsendungsrechten entgegen, die deshalb unwirksam sein sollten.232 Auch bloße schuldrechtliche Vereinbarungen zwischen einzelnen Gesellschaftern über ein bestimmtes Wahlverhalten oder etwa die Nichtannahme einer Wahl wurden als nichtig angesehen.233 Die freie Wahlentscheidung der Generalversammlung sollte in keinerlei Weise beeinträchtigt werden. Nach Ansicht des Reichsgerichts sollte gerade der Aufsichtsrat den Interessen der Gesamtheit aller Gesellschafter dienen und nur durch eine freie Wahl das Vertrauen der Mehrheit der Gesellschafter in das gewählte Aufsichtsratsmitglied bekundet werden können. Eine entgegenstehende Abrede im Interesse einzelner Gesellschafter sollte nicht nur gegen die jeweiligen gesetzlichen oder satzungsmäßigen Wahlbestimmungen, sondern „geradezu gegen die guten Sitten“ verstoßen.234 Die Entsendung von Vorstandsmitgliedern war dagegen, wie bereits dargestellt, sowohl unter dem ADHGB als auch dem HGB grundsätzlich zulässig. Zu beachten ist allerdings, dass das Reichsgericht bereits 1881 auch in diesem Bereich gewisse Grenzen der Fremdbestimmung festgelegt hatte. Danach sollte die Einsetzung eines von den Beschlüssen der Gesellschaft gänzlich unabhängigen, allein durch einen Dritten zu bestellenden und abzuberufenden Vorstands unzulässig sein.235 Durch Dritte entsandte Vorstände mussten mithin zumindest den Weisungen der Generalversammlung nach Art. 231 ADHGB 1870/1884 bzw. § 235 HGB 1897 unterliegen. Zudem konnten auch sie von der Generalversammlung abberufen werden, jedenfalls solange dies nicht willkürlich geschah.236

231 Staub, HGB, 6./7. Aufl., § 231 Anm. 17; Bondi, in: FS Liebmann, S. 278, 283 f. Zu Grenzen der Fremdbestimmung siehe 5. 232 RGZ 83, 377, 382; 133, 90, 94 (jeweils für die Aktiengesellschaft); RGZ 152, 273, 275 (für die Genossenschaft, aber unter direkter Bezugnahme auf die aktienrechtliche Norm des § 243 HGB 1897); ebenso auch schon das Kammergericht, KGJ 32 A 136. 233 RGZ 57, 205, 208 für die Aufsichtsratswahl in der GmbH; RGZ 131, 179, 183 für die Bestellung des GmbH-Geschäftsführers. 234 RGZ 57, 205, 208. 235 RGZ 3, 123, 129 ff.; Staub, HGB, 6./7. Aufl., § 231 Anm. 14. 236 Bondi, in: FS Liebmann, S. 278, 283 f.; Staub, HGB, 6./7. Aufl., § 231 Anm. 15.

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6. Entsendungsgestaltungen in der Praxis Angesichts der restriktiven Rechtsprechung überrascht es, dass schuldrechtliche Vereinbarungen, die faktisch eine Entsendungsmöglichkeit in den Aufsichtsrat begründen sollten, weiterhin üblich blieben und vielfach genutzt wurden.237 Offenbar bestand in der Praxis schlicht ein Bedürfnis, einzelnen Aktionären die Entscheidungsbefugnis über die Besetzung von Aufsichtsratsposten zu gewähren.238 Trotz der höchstrichterlich festgestellten Nichtigkeit entsprechender Stimmrechtsverträge verließ man sich auf diese und ähnliche Gestaltungen, um die Vorschrift des § 243 Abs. 1 HGB 1897 zu umgehen. Anscheinend wurden diese Abreden in der Rechtspraxis größtenteils auch eingehalten.239 Selbst in der rechtswissenschaftlichen Literatur wurden auf diese Weise durchgesetzte Entsendungen spätestens seit Mitte der 20er Jahre zumindest hingenommen, wenn nicht gar anerkannt.240 Jedenfalls standen große Teile des Schrifttums der strikten Rechtsprechung des Reichsgerichts zu schuldrechtlichen Stimmabreden kritisch gegenüber.241 Besonders dringend scheint das Bedürfnis, Aufsichtsratsmitglieder entsenden zu können, bei Aktiengesellschaften mit staatlicher Beteiligung gewesen zu sein. Während des ersten Weltkriegs hatte der Staat mit einer verstärkten wirtschaftlichen Betätigung insbesondere im Bereich des Aktienwesens begonnen und diese aktive Beteiligungspolitik auch nach Kriegsende fortgesetzt.242 An die Stelle öffentlicher Unternehmen in Privatrechtsform traten dabei nach und nach vermehrt gemischtwirtschaftliche Unternehmen, die von öffentlich-rechtlichen Körperschaften und privaten Trägern mit gemeinsamer Kapitalbeteiligung und in gemeinsamer Verwaltung be-

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Vgl. Junck, LZ 1914, 1642 („Delegationen in den Aufsichtsrat sind sehr häufig.“); P. W. Vogel, Entsendung, S. 3 f.; Bergmann, Einflussnahme öffentlicher Körperschaften, S. 16 (zu bindenden Vorschlagsrechten) und S. 25 (zu Stimmrechtsabreden); Ahls, Entsendung von Beamten, S. 3 ff.; Goldschmit, Recht des Aufsichtsrats, S. 65. 238 R. Fischer, AG 1982, 85, 86; Bergmann, Einflussnahme öffentlicher Körperschaften, S. 24 f.; Bondi, in: FS Liebmann, S. 278 f. 239 Junck, LZ 1914, 1642; R. Fischer, AG 1982, 85, 86. 240 So die Schlussfolgerung von R. Fischer, AG 1982, 85, 86. Tatsächlich werden Entsendungen von Teilen der zeitgenössischen Literatur anscheinend als selbstverständlich vorausgesetzt, siehe etwa Jacusiel, LZ 1924, 362, 363; Friedländer, Konzernrecht, S. 281 („Praktisch hat die Bank etc. ein durch Konsortialverträge gesichertes Präsentationsrecht.“), 282 und 283. Äußerst kritisch hierzu allerdings Bergmann, Einflussnahme öffentlicher Körperschaften, S. 25, Fn. 19 („[…] es ist allerdings recht gefährlich, aus der Häufigkeit der Vereinbarungen und aus der Tatsache ihrer Anerkennung in der Praxis zu folgern, daß sie nicht gegen die guten Sitten verstoße[n] […]“). 241 So etwa Friedländer, Konzernrecht, S. 175; Bondi, in: FS Liebmann, S. 278, 284 f.; Ahls, Entsendung von Beamten, S. 3 ff.; siehe auch die ausführliche Darstellung bei Bergmann, Einflussnahme öffentlicher Körperschaften, S. 23 ff. m.w.N. (allerdings die herrschende Literaturauffassung ablehnend). 242 Lieder, Aufsichtsrat, S. 297; Wiedemann, GesR I, S. 29; Spindler, in: Bayer/Habersack, Aktienrecht im Wandel I, S. 445 f.

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Kap. 1: Grundlagen, historische Entwicklung, Zwecke des Entsendungsrechts

trieben wurden.243 Durch die Entsendung von Staatsbediensteten in die Aufsichtsräte sollte dabei ein maßgeblicher Einfluss auf die Unternehmensleitung sichergestellt werden, um die Berücksichtigung besonderer staatlicher Interessen zu gewährleisten.244 Teilweise wurde dies auch durch Satzungsvorschriften erreicht, nach denen nur bestimmte Personen oder nur von gewissen Personen vorgeschlagene Kandidaten gewählt werden durften.245 Ferner sicherte sich die öffentliche Hand ihren Einfluss vereinzelt durch spezialgesetzliche Ausnahmevorschriften.246 Die Tatsache, dass gerade der Staat auf diese Weise vorging und sich großzügige Ausnahmeregelungen einräumen ließ, dürfte zur Anerkennung von Entsendungsgestaltungen in der Rechtspraxis trotz der restriktiven Rechtsprechung durchaus beigetragen haben. Auch im rein privatwirtschaftlichen Bereich gab es zu Anfang des 20. Jahrhunderts allerdings Bedarf für die Möglichkeit der Entsendung. So waren insbesondere die Großbanken als Kapitalgeber der Industrieunternehmen daran interessiert, über die Aufsichtsräte Einfluss auf die Gesellschaften auszuüben, mit denen sie kooperierten.247 Die Entsendung von Vorständen durch einzelne Aktionäre oder Dritte war dagegen in der Praxis nicht sehr verbreitet, obwohl diesbezüglich keine gesetzlichen Schranken existierten und auch die Rechtsprechung nur extremen Formen der Fremdbestimmung gewisse Grenzen setzte.248 Vielmehr war es bereits unter dem ADHGB und später dem HGB weithin üblich, die Bestellung des Vorstands durch Satzungsbestimmung dem Aufsichtsrat zu übertragen.249 7. Reformbestrebungen der 20er und 30er Jahre a) Reformkräfte und Diskussion Die Zeit der Weimarer Republik war geprägt von umfangreichen Diskussionen und gesetzgeberischen Vorhaben zur Reform des Aktienrechts, die sich nicht zuletzt aus den Erfahrungen der Inflationszeit nach dem ersten Weltkrieg speisten. Wichtige Katalysatoren dieser Reform waren die Deutschen Juristentage 1924 und 1926 sowie der ebenfalls 1926 geschaffene Ausschuss zur Untersuchung der Erzeugungs- und

243

Bergmann, Einflussnahme öffentlicher Körperschaften, S. 1. Lieder, Aufsichtsrat, S. 297; R. Fischer, AG 1982, 85, 86; für Beispiele derartiger Satzungsbestimmungen siehe Bergmann, Einflussnahme öffentlicher Körperschaften, S. 10 f., Fn. 12. 245 Pinner, in: Staub, HGB, 14. Aufl., § 243 Anm. 2d. Hiernach waren derartige Gestaltungen bei Kriegsgesellschaften und gemischtwirtschaftlichen Unternehmen häufig anzutreffen, aber als unzulässig anzusehen. 246 Bergmann, Einflussnahme öffentlicher Körperschaften, S. 9 f., Fn. 10. 247 Pahlow, in: Bayer/Habersack, Aktienrecht im Wandel I, S. 436 f. 248 Siehe dazu oben 5. 249 Staub, HGB, 6./7. Aufl., § 231 Anm. 17; Bayer/Engelke, in: Bayer/Habersack, Aktienrecht im Wandel I, S. 648; Lieder, Aufsichtsrat, S. 390 m.w.N. 244

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Absatzbedingungen der deutschen Wirtschaft (sog. Enquête-Kommission).250 Die Vorarbeiten mündeten schließlich in die Aktiengesetzentwürfe des Reichsjustizministeriums von 1930251 und 1931252 und eine Notverordnung des Reichspräsidenten von Hindenburg aus dem Jahr 1931.253 In den Reformüberlegungen spielten neben zahlreichen anderen Aspekten auch die Organisationsverfassung der Aktiengesellschaft und die Organbestellung eine Rolle. Gerade die Bestellungsmodalitäten und damit die Zusammensetzung des Aufsichtsrats standen in der Kritik, weswegen verschiedenste Reformvorschläge diskutiert wurden, darunter auch die Einführung einer Entsendungsmöglichkeit durch Satzungsbestimmung.254 Auch beschäftigte man sich mit der Frage, ob die Wahl juristischer Personen in den Aufsichtsrat zugelassen werden sollte.255 Dies konnte sich letztlich aber nicht durchsetzen. Dagegen schloss sich die durch den Deutschen Juristentag 1926 eingesetzte Kommission zur Prüfung der Reform des deutschen Aktienrechts den Überlegungen bezüglich eines Entsendungsrechts an und schlug vor, die Einführung eines solchen durch den Gesellschaftsvertrag zu ermöglichen, allerdings nur zugunsten öffentlich-rechtlicher Körperschaften in gemischtwirtschaftlichen Unternehmen. Durch die Gewährleistung einer Vertretung im Aufsichtsrat auch ohne Aktienmehrheit wollte man die Bildung derartiger Unternehmen erleichtern.256 Das Reichsjustizministerium stellte diesen Vorschlag sodann in seinen Fragebögen an die Spitzenverbände, Gewerkschaften und Rechtswissen250

Wiedemann, GesR I, S. 29; Schubert, in: ders., Quellen zur Aktienrechtsreform I, S. 13 ff.; Spindler, in: Bayer/Habersack, Aktienrecht im Wandel I, S. 446 f. 251 Entwurf eines Gesetzes über Aktiengesellschaften und Kommanditgesellschaften auf Aktien, aufgestellt durch das Reichsjustizministerium (1930), abgedruckt bei: Schubert, Quellen zur Aktienrechtsreform II, S. 847 ff. 252 Entwurf eines Gesetzes über Aktiengesellschaften und Kommanditgesellschaften auf Aktien, aufgestellt durch das Reichsjustizministerium (1931), abgedruckt bei: Schubert/ Hommelhoff, Aktienrechtsreform, S. 849 ff. 253 Verordnung des Reichspräsidenten über Aktienrecht, Bankenaufsicht und über eine Steueramnestie vom 19. 9. 1931 (RGBl. I 1931, S. 493); aktenrechtliche Vorschriften auch abgedruckt bei: Schubert/Hommelhoff, Aktienrechtsreform, S. 833 ff. Zu weiteren Notverordnungen und Durchführungsordnungen mit aktienrechtlicher Relevanz siehe Assmann, in: Großkomm AktG, Einl. Rn. 147. 254 Siehe überblicksartig Lieder, Aufsichtsrat, S. 294 ff. Ein Entsendungsrecht konkret gefordert hatte bereits 1920 etwa Bondi, in: FS Liebmann, S. 278, 287 f. Siehe dazu auch Bergmann, Einflussnahme öffentlicher Körperschaften, S. 108 m.w.N. 255 Bericht der III. Unterkommission der Kommission des Deutschen Juristentages zur Prüfung der Reform des Deutschen Aktienrechts (1926 – 1928), abgedruckt bei: Schubert, Quellen zur Aktienrechtsreform I, S. 71 f.; Protokolle über die kommissarischen Beratungen im Reichsjustizministerium (1930 – 1931), abgedruckt bei: Schubert, Quellen zur Aktienrechtsreform II, S. 997 f. Nach der damals herrschenden Ansicht sollte dies unter der geltenden Rechtslage unzulässig sein, siehe Friedländer, Konzernrecht, S. 281. 256 Bericht der durch den 34. Juristentag zur Prüfung einer Reform des Aktienrechts eingesetzten Kommission (1928), abgedruckt bei: Schubert, Quellen zur Aktienrechtsreform I, S. 182.

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Kap. 1: Grundlagen, historische Entwicklung, Zwecke des Entsendungsrechts

schaftler zur Diskussion.257 Das grundlegende Konzept wurde vielfach begrüßt, wobei allerdings die ausschließliche Privilegierung der öffentlichen Hand258 und das Fehlen eines Mindestanteilserfordernisses259 kritisiert wurden. Vereinzelt begegnete der Vorschlag jedoch auch grundsätzlicher Ablehnung. So wurde geäußert, ein entsprechendes Bedürfnis sei in der Wirtschaftspraxis nicht vorhanden.260 b) Aktiengesetzentwurf 1930 Der Aktiengesetzentwurf 1930 griff schließlich die Forderungen nach einem satzungsmäßig begründbaren Entsendungsrecht auf, reagierte dabei aber wenigstens teilweise auch auf die geäußerte Kritik. Nach § 74 Abs. 5 war es erstmals ausdrücklich möglich, im Gesellschaftsvertrag einer Minderheit von Aktionären das Recht auf Entsendung von Mitgliedern in den Aufsichtsrat einzuräumen. Die Begrenzung auf eine Aktionärsminderheit ist auffällig. Sie ist freilich vor dem Hintergrund zu sehen, dass in der damaligen Reformdiskussion und den daraus hervorgegangenen Entwürfen der Minderheitenschutz ein wesentliches Anliegen darstellte.261 Dies zeigte sich auch an den Überlegungen hinsichtlich der Einführung eines Verhältniswahlrechts bei der Aufsichtsratswahl.262 Insofern kann man § 74 Abs. 5 des Entwurfs 1930 als eine Art Kompromissvorschlag verstehen, der gleichzeitig die gesteigerte Einflussnahme bestimmter Einzelaktionäre und die Vertretung von Minderheiten ermöglichen sollte. Weitere Beschränkungen des Entsendungsrechts, etwa eine zahlenmäßige Begrenzung der maximal zu entsendenden Mitglieder oder die zuvor debattierte Beschränkung auf gemischtwirtschaftliche Unternehmen, waren indes nicht vorgesehen.263 Dennoch sollte mit der Vorschrift ausweislich der Begründung der Entwurfsverfasser „insbesondere für öffentlich-rechtliche Körperschaften, die an Aktiengesellschaften kapitalmäßig beteiligt sind, eine Handhabe geschaffen werden, durch die sie ohne besondere Wahlabmachungen ihren Einfluss verstärkt geltend machen können“.264 Die 257 Fragebögen des Reichsjustizministerium zur Reform des Aktienrechts (1929), Fragebogen III, Frage 55, abgedruckt bei: Schubert, Quellen zur Aktienrechtsreform I, S. 237. 258 Antworten des Centralverbandes des Deutschen Bank- und Bankiergewerbes, Referat Hartmann, abgedruckt bei: Schubert, Quellen zur Aktienrechtsreform I, S. 341 f. 259 Antworten des Deutschen Anwaltvereins, abgedruckt bei: Schubert, Quellen zur Aktienrechtsreform I, S. 517 f. 260 Antworten des Deutschen Industrie- und Handelstages, abgedruckt bei: Schubert, Quellen zur Aktienrechtsreform II, S. 681. Unklar erscheint dagegen die Stellungnahme des Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbundes und Allgemeinen Freien Angestelltenbundes, abgedruckt bei: Schubert, Quellen zur Aktienrechtsreform II, S. 697, wonach öffentliche Körperschaften dieses Recht bereits hätten, ohne dass es einer besonderen Satzungsbestimmung bedürfe. 261 Spindler, in: Bayer/Habersack, Aktienrecht im Wandel I, S. 514. 262 Siehe dazu Lieder, Aufsichtsrat, S. 299 ff. 263 Vgl. Lieder, Aufsichtsrat, S. 301 f. 264 Erläuternde Bemerkungen zum Entwurf 1930, abgedruckt bei: Schubert, Quellen zur Aktienrechtsreform II, S. 942 f.

B. Die historische Entwicklung des aktienrechtlichen Entsendungsrechts

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Neuregelung war also faktisch stark auf staatliche Interessen zugeschnitten und entsprach damit der bereits beschriebenen extensiven Beteiligungspolitik der öffentlichen Hand.265 Von einer Beschränkung des Entsendungsrechts auf öffentlich-rechtliche Körperschaften sah man dennoch ab, da man eine derartige Ungleichbehandlung offenbar dogmatisch nicht zu begründen vermochte.266 Indes kam es den Entwurfsverfassern insbesondere darauf an, der bisherigen Praxis der Wahlvereinbarungen bzw. Stimmbindungsverträge ein Ende zu bereiten und eine satzungsmäßige Regelung zu ermöglichen.267 c) Aktiengesetzentwurf 1931 Im revidierten Aktiengesetzentwurf von 1931 war das Entsendungsrecht nunmehr in § 77 geregelt. Es handelte sich um eine detailliertere Regelung als noch im Vorentwurf. Nach § 77 Abs. 1 S. 1 konnte die Satzung bestimmten Aktionären oder den Inhabern bestimmter Aktien das Recht einräumen, Mitglieder in den Aufsichtsrat zu entsenden. Die Formulierung weist bereits eine starke Ähnlichkeit zum heutigen § 101 Abs. 2 S. 1 AktG auf. Weggefallen war gegenüber dem Entwurf von 1930 die Beschränkung auf Aktionärsminderheiten als Entsendungsberechtigte.268 Gleichzeitig sollte das Entsendungsrecht nicht mehr einer unbestimmten Zahl von Aktionären gewährt werden können, sondern nur konkret bezeichneten oder zumindest anhand ihres Aktienbesitzes konkretisierbaren Anteilseignern.269 Zudem ergänzte § 77 Abs. 1 S. 1 a.E. nunmehr, dass die entsandten Aufsichtsratsmitglieder „neben die gewählten Mitglieder treten“. Daraus kann geschlossen werden, dass durch die entsandten Mitglieder offenbar keine ansonsten durch Wahl zu besetzenden Posten substituiert werden sollten, sondern sich die Gesamtzahl der Aufsichtsratsmitglieder im Falle der Einräumung und Ausübung eines Entsendungsrechts entsprechend vergrößert hätte.270 Ebenfalls neu war die Vorschrift des § 77 Abs. 3, wonach die Hauptversammlung entsandte Mitglieder abberufen konnte, wenn die Voraussetzungen des Entsendungsrechts weggefallen waren. Dies entspricht dem heutigen § 103 Abs. 1 S. 2 AktG. Wie sich aus den Bemerkungen zum Entwurf ergibt, sollte die Hauptversammlung 265 Dies zeigen auch die Ausführungen des Entwurfsverfassers Schmölder, JW 1930, 2623, 2627, der sich bei seiner Begründung des neuen § 74 ausschließlich auf öffentlich-rechtliche Körperschaften als Nutznießer der Norm bezieht. 266 Schmölder, JW 1930, 2623, 2627 („auf die öffentliche Körperschaft als solche abzustellen, ist ein Grund nicht vorhanden“); Lieder, Aufsichtsrat, S. 302. 267 Vgl. Schmölder, JW 1930, 2623, 2627. 268 Dafür war nun in § 76 ein Minderheitswahlrecht vorgesehen, siehe dazu Hommelhoff, in: Schubert/Hommelhoff, Aktienrechtsreform, S. 87 f.; Lieder, Aufsichtsrat, S. 302 f. 269 Erläuternde Bemerkungen des Reichsjustizministeriums zum Entwurf von 1931, abgedruckt bei: Schubert/Hommelhoff, Aktienrechtsreform, S. 913. 270 Dies entsprach der damaligen Rechtslage hinsichtlich der Entsendung von Arbeitnehmervertretern nach dem Betriebsrätegesetz, siehe dazu unten 9.

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Kap. 1: Grundlagen, historische Entwicklung, Zwecke des Entsendungsrechts

außerhalb dieser Fälle nicht zur Abberufung oder zur Beseitigung des Entsendungsrechts ermächtigt sein. Die Entwurfsverfasser gingen bereits davon aus, dass es sich um ein Sonderrecht handele, das nur mit Zustimmung des Berechtigten entzogen werden könne.271 Das Entsendungsrecht wurde wiederum insbesondere mit den Bedürfnissen öffentlich-rechtlicher Körperschaften begründet. Die Regeln zur Aufsichtsratsbestellung sollten insgesamt eine „sachgemäße und den Interessen aller Beteiligten möglichst gerecht werdende Zusammensetzung des Aufsichtsrats“ ermöglichen.272 8. Rechtsprechungsänderung Angesichts der überwiegenden Billigung von Stimmbindungsabreden in der Literatur und der aktienrechtlichen Reformbestrebungen, die sogar auf die Anerkennung eines satzungsmäßigen Entsendungsrechts de lege ferenda hinauszulaufen schienen, gab auch das Reichsgericht schließlich seine restriktive Rechtsprechung wenigstens teilweise auf. Obwohl Entsendungsrechte kraft Satzungsbestimmung nach dem geltenden Recht weiterhin unzulässig sein sollten, wurden Wahl- bzw. Stimmabreden bei der Aufsichtsratswahl vom II. Zivilsenat nicht mehr ohne weiteres als nichtig angesehen.273 Weder Wortlaut, Sinn und Zweck des § 243 HGB 1897, noch allgemein die Stellung des Aufsichtsrats im Organisationsgefüge der Aktiengesellschaft stünden entsprechenden Verträgen entgegen. Die Wahlfreiheit der Generalversammlung sei nicht angetastet, da der einzelne Aktionär in seinem Abstimmungsverhalten gegenüber der Gesellschaft frei bleibe und lediglich seinem Vertragspartner haften könne.274 Bezeichnend ist, dass es bei dem Sachverhalt, den der II. Zivilsenat zu entscheiden hatte, um ein gemischtwirtschaftliches Unternehmen ging, was das Gericht in seiner Urteilsbegründung ausdrücklich hervorhebt. So hätten auch „sachliche und wirtschaftliche Gesichtspunkte“ für die Zulässigkeit derartiger Stimmabreden bei der Aufsichtsratswahl gesprochen.275 9. Entsendung bzw. Wahl von Arbeitnehmervertretern Eine Sonderstellung nimmt das Entsendungsrecht für Betriebsräte und Gewerkschaften im Rahmen der unternehmerischen Arbeitnehmermitbestimmung ein, 271 Erläuternde Bemerkungen des Reichsjustizministeriums zum Entwurf von 1931, abgedruckt bei: Schubert/Hommelhoff, Aktienrechtsreform, S. 913; Protokolle über die kommissarischen Beratungen im Reichsjustizministerium, abgedruckt bei: Schubert, Quellen zur Aktienrechtsreform II, S. 1000. Siehe ausführlich zum Sonderrechtscharakter unten Kap. 4, A. 272 Erläuternde Bemerkungen des Reichsjustizministeriums zum Entwurf von 1931, abgedruckt bei: Schubert/Hommelhoff, Aktienrechtsreform, S. 913. 273 RGZ 133, 90, 93 ff. Bereits zuvor hatte der II. Zivilsenat andere Stimmbindungsverträge als zulässig erachtet, siehe RGZ 107, 67, 69 ff.; 119, 386, 387 ff. 274 RGZ 133, 90, 95. Dies stand im ausdrücklichen Gegensatz zur erst einige Monate zuvor ergangenen Entscheidung des VII. Zivilsenats in RGZ 131, 179, 183 (zur GmbH). 275 RGZ 133, 90, 96.

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die hier aber nur am Rande Erwähnung finden soll.276 Während die Einführung von Entsendungsrechten für Aktionäre in der Weimarer Zeit nur diskutiert wurde, schuf der Gesetzgeber bereits 1920 eine Vorschrift über die Entsendung von Arbeitnehmervertretern: Nach § 70 des Betriebsrätegesetzes (BRG)277 wurden in Unternehmen, in denen ein Aufsichtsrat bestand und nicht bereits auf Grund anderer Gesetze eine Vertretung der Arbeitnehmer vorgesehen war, ein oder zwei Betriebsratsmitglieder in den Aufsichtsrat entsandt, um die Interessen und Forderungen der Arbeitnehmer zu vertreten. Konkretisiert wurde die Regelung später durch ein Ausführungsgesetz278 und eine Wahlordnung,279 die unter anderem die Wahl der zu entsendenden Mitglieder durch einen von den Betriebsräten gebildeten Wahlkörper vorsahen.280 Hieran zeigt sich, dass es sich trotz der damaligen Bezeichnung als „Entsendung“ eigentlich um eine Wahl von Arbeitnehmervertretern durch ein spezielles Wahlgremium handelte.281 Die Arbeitnehmervertreter traten neben die von der Hauptversammlung gewählten Aufsichtsratsmitglieder der Anteilseigner, sodass es auch hier zu einer Vergrößerung des Aufsichtsrats kam.282 Die Neuregelungen waren unter dem prägenden Einfluss sozialistischer Tendenzen in der politischen Krise der Nachkriegszeit entstanden283 und trugen später möglicherweise auch zur Billigung des Entsendungsrechts für Aktionäre in der Reformdiskussion bei.284 Sie bestanden allerdings nur bis zum Jahr 1934, in dem sämtliche Bestimmungen über die Arbeitnehmermitbestimmung durch Gesetz285 aufgehoben wurden.

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Siehe zur unternehmerischen Arbeitnehmermitbestimmung allgemein etwa Oetker, in: Großkomm AktG, Vorbemerkungen zur Mitbestimmung der Arbeitnehmer Rn. 1 ff.; Wiedemann, GesR I, S. 584 ff.; Reichelt, Institution des Aufsichtsrats, S. 80 ff.; zu ihrer Entwicklung in der Weimarer Zeit auch Lieder, Aufsichtsrat, S. 273 ff.; Raabe, Mitbestimmung im Aufsichtsrat, S. 45 ff.; zur betrieblichen Mitbestimmung in der Weimarer Zeit ausführlich Plumpe, Betriebliche Mitbestimmung, S. 37 ff. 277 Betriebsrätegesetz vom 4. 2. 1920 (RGBl. 1920, S. 147). 278 Gesetz über die Entsendung von Betriebsratsmitgliedern in den Aufsichtsrat vom 15. 2. 1922 (RGBl. 1922, S. 209). 279 Wahlordnung zum Gesetz über die Entsendung von Betriebsratsmitgliedern in den Aufsichtsrat vom 23. 3. 1922 (RGBl. I. 1922, S. 307). 280 Oetker, in: Großkomm AktG, Vorbemerkungen zur Mitbestimmung der Arbeitnehmer Rn. 5. 281 Heute wird die Wahl von Arbeitnehmervertretern gemeinhin nicht mehr als Entsendung bezeichnet. Entsprechend bleiben die entsprechenden Vorschriften im Rahmen der vorliegenden Arbeit weitgehend unberücksichtigt. 282 Reichelt, Institution des Aufsichtsrats, S. 83. 283 Wiedemann, GesR I, S. 588 f.; Lieder, Aufsichtsrat, S. 273. 284 Vgl. Lieder, Aufsichtsrat, S. 299. 285 § 65 Nr. 1 und 3 des Gesetzes zur Ordnung der nationalen Arbeit vom 20. 1. 1934 (RGBl. I 1934, S. 45).

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Kap. 1: Grundlagen, historische Entwicklung, Zwecke des Entsendungsrechts

II. Kodifizierung im AktG 1937 Mit Ausnahme der Notverordnungen von 1931, die jedoch keine wesentlichen Regelungen zur Organisationsverfassung der Aktiengesellschaft beinhalteten, erlangte keines der aktienrechtlichen Gesetzgebungsvorhaben der Weimarer Republik Gesetzeskraft. Erst Jahre später, nach der Machtergreifung durch die Nationalsozialisten, wurde mit dem Aktiengesetz 1937286 eine umfassende und in einem eigenständigen Gesetz verselbständigte Neuregelung des Aktienrechts erlassen. Bezüglich der Entsendung von Organmitgliedern brachte das AktG 1937 zwei grundlegende Neuerungen: Zum einen die ausdrückliche Anerkennung satzungsmäßiger Entsendungsrechte in den Aufsichtsrat, zum anderen die zwingende Bestellung des Vorstands durch den Aufsichtsrat. 1. Entsendung von Aufsichtsratsmitgliedern Das AktG 1937 sah in § 88 Abs. 1 die Möglichkeit vor, in der Satzung bestimmten Aktionären oder den Inhabern bestimmter Aktien das Recht einzuräumen, Mitglieder in den Aufsichtsrat zu entsenden. Die Formulierung war insoweit wortgetreu aus dem Aktiengesetzentwurf 1931 übernommen worden. Gestrichen worden war allerdings der Passus, wonach die entsandten Mitglieder neben die von der Generalversammlung gewählten traten. Die Entsendung nach § 88 AktG 1937 führte mithin nicht zu einer Vergrößerung des Aufsichtsrats; vielmehr wurde durch jedes eingeräumte Entsendungsrecht die Zahl der nach § 87 Abs. 1 S. 1 AktG 1937 durch die Hauptversammlung zu wählenden Mitglieder entsprechend verringert.287 Dies entsprach dem Anliegen des Gesetzgebers, die Aufsichtsgröße insgesamt zu begrenzen, um eine effiziente Aufgabenwahrnehmung des Gremiums zu gewährleisten.288 Dagegen entsprach § 88 Abs. 3 AktG 1937, wonach Aktien, deren Inhabern das Entsendungsrecht zustand, keine besondere Gattung darstellten, inhaltlich vollständig dem Entwurf von 1931. Auch § 88 Abs. 5 AktG 1937 war unmittelbar übernommen worden. Danach konnte die Hauptversammlung – wie die frühere Generalversammlung nunmehr genannt wurde – entsandte Mitglieder abberufen, wenn die Voraussetzungen des Entsen-

286 Gesetz über Aktiengesellschaften und Kommanditgesellschaften auf Aktien (Aktiengesetz) vom 30. 1. 1937 (RGBl. I 1937, S. 107). 287 Schlegelberger/Quassowski/Herbig/Geßler/Hefermehl, AktG 1937, § 88 Rn. 11; Baumbach, AktG 1937, § 88 Rn. 1. Die Vorschrift des § 87 Abs. 1 S. 1 AktG 1937 war insofern unklar formuliert; erst im AktG 1965 wurde dies korrigiert, siehe unten III. 1. 288 Vgl. die Begründung zum Aktiengesetz 1937, abgedruckt bei: Matthes, Aktienrecht, S. 184. Entsprechend legte § 86 Abs. 1 AktG 1937 nunmehr gestaffelte Höchstmitgliederzahlen fest. Eine Begrenzung der Aufsichtsratsgröße auf maximal 30 Mitglieder war allerdings bereits durch Art. VIII Abs. 3 der Notverordnung von 1931 eingeführt worden. Siehe zum Ganzen auch Lieder, Aufsichtsrat, S. 359 ff.; Schlegelberger/Quassowski/Herbig/Geßler/Hefermehl, AktG 1937, § 86 Rn. 1.

B. Die historische Entwicklung des aktienrechtlichen Entsendungsrechts

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dungsrechts entfallen waren.289 Begründet wurde die Einführung des Entsendungsrechts wie bereits in der Weimarer Zeit in erster Linie mit den Belangen öffentlichrechtlicher Anteilseigner in gemein- und gemischtwirtschaftlichen Unternehmen.290 Im Übrigen sollte damit, wie es schon 1930 beabsichtigt gewesen war,291 auf die weithin üblichen schuldrechtlichen Wahlvereinbarungen reagiert werden, deren Wirksamkeit im Einzelfall zweifelhaft war.292 § 88 AktG 1937 enthielt aber auch Neuerungen, die in den Entwürfen der Weimarer Zeit noch nicht vorgesehen waren. Besonders hervorzuheben ist hier § 88 Abs. 1 S. 2 AktG 1937, der die Gesamtzahl entsandter Mitglieder auf höchstens ein Drittel aller Aufsichtsratsmitglieder beschränkte. Diese Regelung besteht noch heute in § 101 Abs. 2 S. 4 AktG. Es wurde damit ausgeschlossen, dass einzelne Aktionäre ohne entsprechende Stimmrechtsmehrheit in der Hauptversammlung eine Gesellschaft allein mit Hilfe von Entsendungsrechten kontrollieren können. Die Mehrheit der Aufsichtsratsmitglieder musste weiterhin von der Hauptversammlung gewählt werden, wodurch die Stellung des Aufsichtsrats als Vertrauensorgan aller Aktionäre gewährleistet bleiben sollte.293 Ebenso bedeutsam war die neue Vorschrift des § 88 Abs. 2 AktG 1937. Danach konnten aktien- bzw. inhabergebundene Entsendungsrechte294 ausschließlich für solche Aktien begründet werden, die auf Namen lauteten und deren Übertragung an die Zustimmung der Gesellschaft gebunden war. Durch die Beschränkung auf vinkulierte Namensaktien sollte „rein spekulativer Aktienbesitz von der Einflussnahme ausgeschlossen“ werden.295 Auf eine Mindestbeteiligung als Voraussetzung für das Entsendungsrecht, wie sie etwa vom Deutschen Anwaltverein in seinen Antworten auf die Fragebögen des Justizministeriums 1929 gefordert worden war,296 verzichtete der Gesetzgeber indes. Als weitere Neuerung stellte § 88 Abs. 4 S. 1 AktG 1937 klar, dass die entsandten Mitglieder jederzeit von den Entsendungsberechtigten abberufen und ersetzt werden konnten. Zudem ermöglichte es § 88 Abs. 4 S. 2 AktG 1937 nunmehr einer Aktionärsminderheit von mindestens 10 % des Grundkapitals, die gerichtliche Abberufung entsandter Mitglieder aus wichtigem Grund zu beantragen. Entsprechende Vorschriften finden sich heute in § 103 Abs. 2 und Abs. 3 AktG. Flankiert wurden die Begrenzungen des Entsendungsrechts durch die neue Vorschrift des § 101 AktG 1937, nach welcher der Entsendungsberechtigte haftbar gemacht werden konnte, wenn er zur Erlangung gesellschaftsfremder Vorteile 289 Hier wurde gegenüber § 77 Abs. 3 Aktiengesetzentwurf 1931 einzig ergänzt, dass der Beschluss zur Abberufung mit einfacher Mehrheit gefällt werden konnte. 290 Begründung zum AktG 1937, abgedruckt bei: Matthes, Aktienrecht, S. 185. 291 Siehe oben I. 7. b). 292 Vgl. Schlegelberger/Quassowski/Herbig/Geßler/Hefermehl, AktG 1937, § 88 Rn. 1 ff. 293 Schlegelberger/Quassowski/Herbig/Geßler/Hefermehl, AktG 1937, § 88 Rn. 3, 10. 294 Siehe zu dieser Form des Entsendungsrechts bereits oben A. IV. 2. b). 295 Begründung zum AktG 1937, abgedruckt bei: Matthes, Aktienrecht, S. 186. 296 Antworten des Deutschen Anwaltvereins, abgedruckt bei: Schubert, Quellen zur Aktienrechtsreform I, S. 517 f.

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Kap. 1: Grundlagen, historische Entwicklung, Zwecke des Entsendungsrechts

der Gesellschaft Schaden zufügte.297 Eine Haftung des Entsendungsberechtigten für seine entsandten Vertreter wurde dagegen zwar diskutiert, aber letztlich angesichts der gesetzgeberischen Konzeption der Aufsichtsratstätigkeit als freies Mandat ohne Weisungsbindung abgelehnt. Im Übrigen sah man die Eigenhaftung wegen vorsätzlicher Schädigungen nach § 101 AktG 1937 und § 826 BGB als ausreichend an.298 Abgesehen von der Einführung des Entsendungsrechts erteilte der Gesetzgeber ähnlichen Reformvorschlägen der Weimarer Republik aber eine deutliche Absage. So stellte § 86 Abs. 2 S. 1 AktG 1937 nunmehr ausdrücklich klar, dass juristische Personen nicht Mitglied des Aufsichtsrats sein konnten. Ferner war – wie die Gesetzesbegründung betonte – von einer obligatorischen Minderheitsvertretung im Aufsichtsrat durch gesonderte Wahl oder Entsendung abgesehen worden.299 2. Bestellung des Vorstands Im Hinblick auf die Entsendung von Vorstandsmitgliedern schlug das AktG 1937 den entgegengesetzten Weg ein: Mit der neuen Vorschrift des § 75 Abs. 1 S. 1 AktG 1937, wonach die Vorstandsmitglieder vom Aufsichtsrat zu bestellen waren, bestand für eine Entsendung durch einzelne Aktionäre oder Dritte kein Raum mehr. Damit wies der Gesetzgeber die Bestellung des Vorstands zwingend demjenigen Gesellschaftsorgan zu, dem diese Funktion in der Praxis bereits zuvor regelmäßig durch Satzungsgestaltung übertragen worden war.300 Der Aufsichtsrat erschien den Verfassern für die Auswahlentscheidung geeigneter als die Hauptversammlung.301 Das Bestellungsrecht sollte auch durch die Satzung nicht auf die Hauptversammlung oder bestimmte Einzelpersonen übertragen werden können; entsprechende Gestaltungen sollten vielmehr nichtig sein.302 Mit dem AktG 1937 fand die Entsendung von Vorstandsmitgliedern durch einzelne Aktionäre oder gesellschaftsfremde Personen, die zwar auch zuvor nicht unbedingt üblich war, aber doch in Einzelfällen praktiziert und weitgehend für zulässig erachtet wurde,303 ein Ende. Die Bestellung des Vorstands wurde zu einer der Kernkompetenzen des Aufsichtsrats, woran sich bis heute nichts geändert hat. Hintergrund der Neuregelung war, dass man dem Aufsichtsrat eine größere Expertise 297

Begründung zum AktG 1937, abgedruckt bei: Matthes, Aktienrecht, S. 186. Vgl. Kißkalt, Zweiter Bericht des Vorsitzenden des Ausschusses für Aktienrecht, abgedruckt bei: Schubert, Akademie für Deutsches Recht, S. 506 f. 299 Begründung zum AktG 1937, abgedruckt bei: Matthes, Aktienrecht, S. 185. 300 Begründung zum AktG 1937, abgedruckt bei: Matthes, Aktienrecht, S. 177; Schlegelberger/Quassowski/Herbig/Geßler/Hefermehl, AktG 1937, § 75 Rn. 1; Godin/Wilhelmi, AktG 1937, § 75 Tz. II 1; siehe zur Rechtspraxis bereits oben I. 6., insb. die Nachweise in Fn. 249. 301 Schlegelberger/Quassowski/Herbig/Geßler/Hefermehl, AktG 1937, § 75 Rn. 1. 302 Schlegelberger/Quassowski/Herbig/Geßler/Hefermehl, AktG 1937, § 75 Rn. 3; Godin/ Wilhelmi, AktG 1937, § 75 Tz. II 1; Baumbach, AktG 1937, § 88 Rn. 2. 303 Siehe dazu bereits oben I. 5. und 6. 298

B. Die historische Entwicklung des aktienrechtlichen Entsendungsrechts

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und Besonnenheit bei der Auswahl geeigneter Unternehmensleiter zutraute. Die Hauptversammlung sah man dagegen nicht in der Lage, etwa Anstellungsverträge auszuhandeln und abzuschließen.304 Im Übrigen sollte die Bestellungs- und Abberufungskompetenz eine effektivere Überwachung des Vorstands durch den Aufsichtsrat gewährleisten, der nunmehr auf Fehlentwicklungen auch mit unmittelbaren personellen Konsequenzen reagieren konnte.305 Zu beachten ist allerdings, dass die vorzeitige Abberufung eines Vorstandsmitglieds durch den Aufsichtsrat gem. § 75 Abs. 3 AktG 1937 einen wichtigen Grund erforderte, wofür beispielhaft grobe Pflichtverletzungen oder die Unfähigkeit zur ordnungsmäßigen Geschäftsführung genannt wurden.306 Damit sollte wiederum ein allzu starkes Abhängigkeitsverhältnis des Vorstands gegenüber dem Aufsichtsrat vermieden werden.307 Der Vorstand sollte dem Aufsichtsrat zwar rechenschaftspflichtig sein, dabei aber stets eigenverantwortliches Leitungsorgan der Gesellschaft bleiben.308 3. Mehrstimmrechtsaktien und ähnliche Instrumente Bislang nicht dargestellt wurde die historische Entwicklung von anderen aktienrechtlichen Instrumenten, die – ähnliche wie Entsendungsrechte – einen in Relation zum Anteilseigentum überproportionalen Einfluss auf die Verwaltung der Gesellschaft ermöglichen. Dazu gehören insbesondere Mehrstimmrechtsaktien, die ein mehrfaches Stimmrecht pro Aktie verbriefen und damit den Gleichlauf zwischen Kapitalaufbringung und Herrschaftsmacht durchbrechen.309 Eine umfassende Darstellung ihrer Entwicklung wäre hier fehl am Platz.310 Soweit der Gesetzgeber in diesem Bereich jedoch explizite Regelungen getroffen hat, wird darauf eingegangen, um einen Vergleich mit den Vorschriften über das Entsendungsrecht zu ermöglichen. Das AktG 1937 stellte insofern einen wesentlichen Wendepunkt dar. Mehrstimmrechtsaktien waren nach dem Ersten Weltkrieg zu einem in der Praxis gängigen Instrument der Absicherung der Herrschaft in Aktiengesellschaften ge-

304 Kißkalt, Bericht des Vorsitzenden des Ausschusses für Aktienrecht, abgedruckt bei: Schubert, Akademie für Deutsches Recht, S. 487. 305 Vgl. Lieder, Aufsichtsrat, S. 391. 306 Dies entspricht der heutigen Vorschrift des § 84 Abs. 3 AktG. 307 Begründung zum AktG 1937, abgedruckt bei: Matthes, Aktienrecht, S. 178. 308 Vgl. Lieder, Aufsichtsrat, S. 392. Kißkalt, Bericht des Vorsitzenden des Ausschusses für Aktienrecht, abgedruckt bei: Schubert, Akademie für Deutsches Recht, S. 489 bemüht hierfür in geradezu typischer nationalsozialistischer Rhetorik folgenden Vergleich: „Der Grundsatz des preußischen Heeres war, Autorität des Führers nach unten, Verantwortlichkeit nach oben.“ 309 Spindler, in: Bayer/Habersack, Aktienrecht im Wandel I, S. 459. Siehe dazu bereits oben A. II. 3. sowie unten Kap. 3, B. II. und Kap. 5, E. 310 Insofern sei verwiesen auf die Darstellungen etwa bei Vogl-Mühlhaus, Mehrfachstimmrechtsaktien, S. 133 ff. und Windorfer, Mehrstimmrechtsaktien, S. 8 f.

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Kap. 1: Grundlagen, historische Entwicklung, Zwecke des Entsendungsrechts

worden.311 Sie wurden zur Zeit der Inflation, in der ständige Kapitalerhöhungen erforderlich waren, insbesondere mit dem Schutz vor äußerer und innerer „Überfremdung“ von Gesellschaften begründet.312 Zu diesem Zweck wurden Mehrstimmrechtsaktien häufig auch als vinkulierte Namensaktien ausgegeben.313 Daneben erhoffte man sich von ihnen eine gewisse Stabilität und Kontinuität der Geschäftsführung, die nicht von Zufallsmehrheiten abhängig sein sollte.314 Ihre rechtliche Grundlage hatten Mehrstimmrechtsaktien in § 252 Abs. 1 S. 4 HGB 1897, wonach der Gesellschaftsvertrag einzelnen Aktiengattungen ein höheres Stimmrecht als anderen beimessen konnte.315 Von dieser Vorschrift wurde in der Wirtschaftspraxis aber erst ab 1919 Gebrach gemacht.316 Häufige Nutznießer von Mehrstimmrechtsaktien waren Gründerfamilien sowie die öffentliche Hand.317 Während das Konzept der Mehrstimmrechtsaktie in der zeitgenössischen Literatur immer wieder auf Kritik stieß, sah die Rechtsprechung des Reichsgerichts318 ihre Einführung ab 1923 als grundsätzlich zulässig an.319 Mit dem AktG 1937 wurde diese Praxis zwar nicht endgültig beendet, aber doch erheblich eingeschränkt. Der neue § 12 Abs. 2 S. 1 AktG 1937 bestimmte explizit, dass Mehrstimmrechte unzulässig sind. Damit war allerdings keine vollständige Abschaffung verbunden, da bereits bestehende Mehrstimmrechtsaktien ihre Gültigkeit nicht automatisch verloren und die Schaffung neuer Aktien gem. § 12 Abs. 2 S. 2 AktG 1937 ausnahmsweise durch ministerielle Genehmigung zugelassen werden konnte, wenn „das Wohl der Gesellschaft oder gesamtwirtschaftliche Belange“ dies erforderten.320 Dennoch handelte es sich im Kern um ein Verbot der 311 Spindler, in: Bayer/Habersack, Aktienrecht im Wandel I, S. 454; siehe auch VoglMühlhaus, Mehrfachstimmrechtsaktien, S. 133 ff. 312 Brändel, in: Großkomm AktG, § 12 Rn. 2; Zöllner, in: KölnKomm AktG, 2. Aufl., § 12 Rn. 8; Windorfer, Mehrstimmrechtsaktien, S. 11 f. 313 Vogl-Mühlhaus, Mehrfachstimmrechtsaktien, S. 137 f. 314 Windorfer, Mehrstimmrechtsaktien, S. 12. 315 Spindler, in: Bayer/Habersack, Aktienrecht im Wandel I, S. 458; vgl. aus dem zeitgenössischen Schrifttum auch Staub, HGB, 6./7. Aufl., § 252 Anm. 4. 316 Generalbericht des Ausschusses zur Untersuchung der Erzeugungs- und Absatzbedingungen der deutschen Wirtschaft („Enquête-Kommission“), I. Unterausschuß, 3. Arbeitsgruppe: Wandlungen in den wirtschaftlichen Organisationsformen; Wandlungen in der aktienrechtlichen Gestaltung der Einzelunternehmen und Konzerne (1930), abgedruckt bei: Schubert, Quellen zur Aktienrechtsreform II, S. 755; Windorfer, Mehrstimmrechtsaktien, S. 9. 317 Vogl-Mühlhaus, Mehrfachstimmrechtsaktien, S. 151 ff. 318 Siehe etwa RGZ 107, 67, 70 f.; 108, 322, 327 f.; 119, 248, 252 ff. 319 Siehe jeweils m.w.N. Zöllner, in: KölnKomm AktG, 2. Aufl., § 12 Rn. 8; Brändel, in: Großkomm AktG, § 12 Rn. 2; Spindler, in: Bayer/Habersack, Aktienrecht im Wandel I, S. 456 ff.; Vogl-Mühlhaus, Mehrfachstimmrechtsaktien, S. 186 ff. 320 Bayer/Engelke, in: Bayer/Habersack, Aktienrecht im Wandel I, S. 654; siehe zu bestehenden Mehrstimmrechtsaktien § 9 EGAktG 1937. Hinsichtlich der praktischen Auswirkungen der Neuregelungen stark relativierend auch Vogl-Mühlhaus, Mehrfachstimmrechtsaktien, S. 190, wonach die Genehmigungspflicht keine allzu hohe Hürde darstellte.

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Mehrstimmrechtsaktie.321 Der Gesetzgeber begründete die Neuregelung damit, dass die Bevorzugung einzelner Aktionäre im Stimmrecht „wirtschaftlich unberechtigt und gefährlich“ sei. Man wollte „die mit den Mehrstimmrechtsaktien getriebenen Missbräuche“ unterbinden, mit der Ausnahmeregelung aber gleichzeitig gewährleisten, dass „ihr gesunder Kern im Interesse der Gesellschaft und der Gesamtwirtschaft erhalten bleibt“.322 Bereits im Ausschuss für Aktienrecht der Akademie für Deutsches Recht war die Abschaffung der Mehrstimmrechtsaktie befürwortet worden, allerdings unter gleichzeitiger Einführung eines Verwaltungsstimmrechts für Vorstand und Aufsichtsrat in Höhe von 10 – 20 %.323 Dies wurde im AktG 1937 aber nicht umgesetzt. Ebenso unberücksichtigt blieben etwa Vorschläge zur Einführung eines doppelten „Treuestimmrechts“ für ins Aktienbuch eingetragene Aktionäre nach französischem Vorbild324 oder zur Zweiteilung des Aktienbestands in stimmberechtigte Verwaltungsaktien und stimmrechtslose Aktien.325 Allerdings entschied sich der Gesetzgeber in §§ 12 Abs. 1 S. 2, 115 – 117 AktG 1937 zur Anerkennung von Vorzugsaktien ohne Stimmrecht, dessen Wegfall durch eine Vorzugsdividende ausgeglichen werden musste. Hiermit sollte die Kapitalbeschaffung erleichtert und gleichzeitig den Interessen von Anlegern entsprochen werden, denen es allein um eine möglichst hohe Rendite ging.326 4. Bewertung der Neuerungen und Würdigung nationalsozialistischer Einflüsse a) Entsendungsrecht gem. § 88 AktG 1937 Bei der Darstellung und Bewertung einer in der Zeit des Nationalsozialismus eingeführten Gesetzesnorm muss die Frage nach der ideologischen Durchdringung gestellt werden. Auf den ersten Blick mag man geneigt sein, die Einführung eines Sonderrechts, das ausweislich der Gesetzesbegründung vor allem den Einfluss öffentlich-rechtlicher Körperschaften sichern sollte, als typische Ausprägung der nationalsozialistischen Staats- und Wirtschaftsideologie zu interpretieren, die auf eine 321

Rn. 8. 322

Brändel, in: Großkomm AktG, § 12 Rn. 2; Zöllner, in: KölnKomm AktG, 2. Aufl., § 12

Begründung zum AktG 1937, abgedruckt bei: Matthes, Aktienrecht, S. 160 f. Kißkalt, Bericht des Vorsitzenden des Ausschusses für Aktienrecht, abgedruckt bei: Schubert, Akademie für Deutsches Recht, S. 483. Dieser Vorschlag ging wiederum auf die Verhandlungen zum 34. DJT 1926 zurück, vgl. Bayer/Engelke, in: Bayer/Habersack, Aktienrecht im Wandel I, S. 630, Fn. 50. 324 Siehe hierzu die Protokolle über die Sitzungen des Ausschusses für Aktienrecht der Akademie für Deutsches Recht, Bericht über die Sitzung vom 25. 10. 1934, abgedruckt bei: Schubert, Akademie für Deutsches Recht, S. 254. Siehe zum französischen Treuestimmrecht unten Kap. 2, C. III. 2. e). 325 Siehe hierzu Bayer/Engelke, in: Bayer/Habersack, Aktienrecht im Wandel I, S. 628 f. 326 Bayer/Engelke, in: Bayer/Habersack, Aktienrecht im Wandel I, S. 655; siehe auch die Begründung zum AktG 1937, abgedruckt bei: Matthes, Aktienrecht, S. 160. 323

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Kap. 1: Grundlagen, historische Entwicklung, Zwecke des Entsendungsrechts

zunehmende staatliche Lenkung der Wirtschaft gerichtet war.327 Dieser Eindruck wird durch die allgemeine Einleitung zur Gesetzesbegründung verstärkt, in der es heißt, die Erneuerung des Aktienrechts sei „vor allem deshalb erforderlich, um den nationalsozialistischen Grundsätzen auch auf dem Gebiete der Wirtschaft zum Durchbruch zu verhelfen“.328 Es ist hier nicht der Ort, die grundsätzliche Sinnhaftigkeit derartiger Typisierungen zu diskutieren.329 Jedenfalls kann aber eine Aussage dazu getroffen werden, welche Einflüsse und Überlegungen den historischen Gesetzgeber zur Schaffung einer bestimmten Norm bewegten. Anhand der Vorschrift über das Entsendungsrecht zeigt sich, dass das AktG 1937 letztendlich weit mehr von den Vorarbeiten der Weimarer Republik geprägt war, als es den anfänglichen Vorstellungen der radikalen nationalsozialistischen Reformer entsprach.330 Zumindest die Vorschrift des § 88 AktG 1937 geht zweifellos auf die Reformentwürfe der Weimarer Republik zurück und wurde lediglich in einzelnen Punkten verändert oder ergänzt. Ausschlaggebend dürften dabei praktische ökonomische Erwägungen und Erfahrungen aus den vorherigen Jahrzehnten gewesen sein, auch wenn sich das Ergebnis ohne weiteres mit nationalsozialistischen Prinzipien vereinbaren ließ.331 So war von zahlreichen der für die Gesetzesreform verantwortlichen Kräfte beabsichtigt worden, die Kompetenzen der Hauptversammlung massiv zu beschneiden und stattdessen das „Führerprinzip“ auch in der Aktiengesellschaft durchzusetzen.332 Aus dieser Position heraus erscheint es nur nachvollziehbar, der Hauptversammlung auch bei der Aufsichtsratsbestellung Einfluss zu entziehen und diesen stattdessen wirkmächtigen Aktionären einzuräumen. Zu beachten ist indes, dass die Entmachtung der Hauptversammlung im endgültigen Gesetz keineswegs so weit ging, wie dies ursprünglich geplant gewesen war. Sie behielt zahlreiche Kernkompetenzen, darunter auch die grundsätzliche Zuständigkeit für die Wahl und Abberufung des Aufsichtsrats.333 Mit der Einräu327

Vgl. Assmann, in: Großkomm AktG, Einl. Rn. 169 f. Begründung zum AktG 1937, abgedruckt bei: Matthes, Aktienrecht, S. 155. 329 Grundlegend kritisch zur Unterscheidung von typischem und nichttypischem nationalsozialistischem Recht Schubert, in: ders., Akademie für Deutsches Recht, S. XVIII. Hattenhauer, in: NS-Recht in historischer Perspektive, S. 9 f. bemerkt, es sei schwer oder „sogar unmöglich, das spezifisch Nationalsozialistische im Recht zu bestimmen“. 330 So auch die zusammenfassenden Bewertungen von Assmann, in: Großkomm AktG, Einl. Rn. 152, 168 f.; Schubert, in: ders., Akademie für Deutsches Recht, S. XLVI und Lieder, Aufsichtsrat, S. 406; ebenso bereits A. Hueck, Gedanken zur Reform des Aktienrechts, S. 16 ff. sowie die Begr. RegE AktG 1965, abgedruckt bei: Kropff, AktG, S. 13. Zur Ablehnung der Weimarer Reformvorschläge nach 1933 siehe Schubert, a.a.O., S. XXV f.; Assmann, a.a.O., Einl. Rn. 151; Bayer/Engelke, in: Bayer/Habersack, Aktienrecht im Wandel I, S. 624 m.w.N. 331 Vgl. Lieder, Aufsichtsrat, S. 406. 332 Bayer/Engelke, in: Bayer/Habersack, Aktienrecht im Wandel I, S. 631, 641. Zum „Führerprinzip“ auch eingehend Kißkalt, Bericht des Vorsitzenden des Ausschusses für Aktienrecht, abgedruckt bei: Schubert, Akademie für Deutsches Recht, S. 484 ff. 333 Bayer/Engelke, in: Bayer/Habersack, Aktienrecht im Wandel I, S. 652 f.; A. Hueck, Gedanken zur Reform des Aktienrechts, S. 17 f. 328

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mung von Entsendungsrechten nach § 88 AktG 1937 wurde ihr das Wahlrecht zwar insoweit entzogen. Durch die Begrenzung der Entsendungsmöglichkeit auf maximal ein Drittel der Mitglieder wurde aber gleichzeitig sichergestellt, dass über die Mehrheit im Aufsichtsrat weiterhin die Hauptversammlung zu entscheiden hatte. Diese Beschränkung entstammte gerade nicht den Gesetzesentwürfen der Weimarer Zeit, sondern war eine echte Neuerung des AktG 1937. Lieder interpretiert indes gerade die neuen Schutzvorschriften in Bezug auf das Entsendungsrecht offenbar als Ausprägungen einer spezifisch nationalsozialistischen Ideologie mit dem Ziel, das Eindringen anonymer Kräfte in die Aktiengesellschaft zu verhindern.334 Dies war zweifellos ein Ziel der nationalsozialistischen Reformer. Die Anonymität des Aktionärs gegenüber der Gesellschaft implizierte für sie mangelnde Verantwortung und schien daher mit den Grundsätzen nationalsozialistischer Wirtschaftsführung in Widerspruch zu stehen.335 Dennoch erscheint es fragwürdig, gerade den Beschränkungen des Entsendungsrechts eine spezifisch nationalsozialistische Prägung zuzuschreiben. Die Begrenzung der Höchstzahl der entsandten Mitglieder auf ein Drittel hat keinerlei Bezüge zur Anonymität in der Aktiengesellschaft. Sie verhindert vielmehr, dass sich einzelne Aktionäre mittels Entsendungsrechten die Kontrolle über eine Gesellschaft verschaffen können – eine Schutznorm, die auch der Macht des Staates in gemischtwirtschaftlichen Unternehmen Grenzen setzt. Derartige Begrenzungen waren bereits von frühen Verfechtern einer Entsendungsmöglichkeit für nötig erachtet worden.336 Mit der Beschränkung auf vinkulierte Namensaktien verhält es sich freilich anders. Hiermit wird in der Tat verhindert, dass anonyme Investoren durch den Ankauf der jeweiligen Aktien ohne jegliche Mitsprache oder Kenntnis der Gesellschaft Entsendungsrechte erhalten können. Das Bestreben, Sonderrechte zur überproportionalen Einflussnahme dem Zugriff rein kurzfristig orientierter und der Gesellschaft sowie den übrigen Aktionären nicht bekannter Anleger zu entziehen, erscheint allerdings unter funktionalen Gesichtspunkten unabhängig von jeder Ideologie nachvollziehbar. Entsprechend ließ auch der Gesetzgeber des AktG 1965 das Erfordernis vinkulierter Namensaktien unangetastet.337 Bei einem derart weitreichenden Sonderrecht erscheint es unabdingbar, dass eindeutig bestimmt oder wenigstens bestimmbar ist, wem es zustehen soll. In den Reformdiskussionen der Weimarer Zeit scheint dieser Aspekt schlicht noch nicht bedacht worden zu sein. Letztlich lässt sich also konstatieren, dass die Einführung des Entsendungsrechts im AktG 1937 nur schwerlich als Ausprägung einer spezifisch nationalsozialistischen Staats- und Wirtschaftsräson angesehen werden kann. Es wurde in diesem Punkt 334

Lieder, Aufsichtsrat, S. 371 f. Kißkalt, Bericht des Vorsitzenden des Ausschusses für Aktienrecht, abgedruckt bei: Schubert, Akademie für Deutsches Recht, S. 475. 336 So bereits 1920 etwa von Bondi, in: FS Liebmann, S. 278, 288: „Natürlich dürfte dies nur in mäßigem Umfange geschehen, so daß der wesentliche Charakter des Aufsichtsrates als eines Vertrauensausschusses der Aktionäre gewahrt bliebe.“ 337 Vgl. Begr. RegE AktG 1965, abgedruckt bei: Kropff, AktG, S. 138. 335

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vielmehr an die Vorarbeiten der Weimarer Zeit angeknüpft und eine Rechtsfigur anerkannt, die bereits seit Jahrzehnten Gegenstand der rechtswissenschaftlichen Diskussion gewesen war. Das Entsendungsrecht wie auch seine Begrenzungen dürften in erster Linie ökonomisch, nicht aber politisch motiviert gewesen sein.338 b) Vorstandsbestellung gem. § 75 Abs. 1 AktG 1937 Gleiches gilt für die Übertragung der Bestellungskompetenz für den Vorstand auf den Aufsichtsrat und den damit verbundenen Ausschluss der Entsendung von Vorstandsmitgliedern. Zwar könnte man auch hier geneigt sein, eine einseitige Stärkung der Verwaltung bei gleichzeitiger Schwächung der Hauptversammlung und damit letztlich der Aktionäre erkennen zu wollen, die wiederum eine nationalsozialistisch motivierte Durchsetzung des Führerprinzips nahelegen würde. Hier muss allerdings beachtet werden, dass dies im Rahmen einer umfassenden Neuregelung der Organisationsverfassung der Aktiengesellschaft geschah, die insgesamt ein durchaus ausgewogenes Machtverhältnis schuf, an dem das deutsche Aktienrecht bis heute im Wesentlichen festhält.339 Die Position des Vorstands wurde dabei zweifellos erheblich gestärkt, da er gem. § 70 Abs. 1 AktG 1937 an Weisungen der Hauptversammlung nicht länger gebunden war und die Gesellschaft in eigener Verantwortung zu leiten hatte.340 Gleichzeitig wurde er aber der verstärkten Überwachung durch den Aufsichtsrat unterstellt, der seinerseits als Vertrauensorgan der Aktionäre fungieren sollte.341 Diese Prämisse, nämlich eine Stärkung der Verwaltung bei gleichzeitiger schärferer Kontrolle, hatte sich bereits in der Weimarer Reformdiskussion durchgesetzt.342 Es ist daher keineswegs zwingend, die Motivation zur Stärkung des Vorstands einzig in der Durchsetzung des Führerprinzips zu sehen. Vorbild könnte hier ebenso das Aktienrecht der USA gewesen sein.343 Im Übrigen behielt die Hauptversammlung ihre Zuständigkeit für Grundlagenentscheidungen wie Satzungsänderungen und Sanierungsmaßnahmen, wurde also keineswegs vollständig entmachtet.344 Dass sie das Bestellungsrecht für den Vorstand einbüßte, spielte praktisch kaum eine Rolle, da dies ohnehin schon zuvor meist dem Aufsichtsrat überlassen worden war. Das AktG 1937 zementierte damit allenfalls die bereits in der Weimarer Zeit gängige Praxis. Die Beweggründe hierfür dürften vor allem prag338 Dies erkennt freilich auch Lieder, Aufsichtsrat, S. 406 zusammenfassend für die meisten Neuerungen des AktG 1937 an. 339 Vgl. Begr. RegE AktG 1965, abgedruckt bei: Kropff, AktG, S. 13, 15, wonach die grundsätzlich starke Stellung des Vorstands nach wie vor durch wirtschaftliche Gesichtspunkte gerechtfertigt ist. 340 Bayer/Engelke, in: Bayer/Habersack, Aktienrecht im Wandel I, S. 647. 341 Vgl. Schlegelberger/Quassowski/Herbig/Geßler/Hefermehl, AktG 1937, § 88 Rn. 3 und 10. 342 Schubert, in: ders., Akademie für Deutsches Recht, S. XLVI. 343 Schubert, in: ders., Akademie für Deutsches Recht, S. XLVII. 344 Bayer/Engelke, in: Bayer/Habersack, Aktienrecht im Wandel I, S. 652 f.

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matischer Natur gewesen sein, da man das relativ kleine Gremium des Aufsichtsrats eher dazu in der Lage sah, geeignete Kandidaten für den Vorstand auszuwählen.345 Auch diese Überlegung war keine Schöpfung der Nationalsozialisten. Bereits der Gesetzgeber der Zweiten Aktienrechtsnovelle 1884 hatte es als nicht zweckmäßig angesehen, diese Personalentscheidung der Generalversammlung zuzuweisen.346 Dass bei der Neuregelung der Bestellungskompetenz auch die Entsendung von Vorständen ausgeschlossen wurde, ist mit Blick auf den Wegfall der Weisungsbindung nachvollziehbar: Solange Vorstandsmitglieder die Weisungen der Hauptversammlung zu befolgen hatten, war es hinnehmbar, dass sie durch einzelne Aktionäre oder sogar dritte Personen entsandt wurden, da die Hauptversammlung stets den entscheidenden Einfluss ausüben konnte. Schon im späten 19. Jahrhundert hatte das Reichsgericht aber festgestellt, dass eine Bestellung von weisungsunabhängigen Vorständen durch Dritte unzulässig sein sollte, da anderenfalls eine Fremdbestimmung der Gesellschaft möglich wäre.347 Mit der Abschaffung der Weisungsbindung im AktG 1937 waren sämtliche Vorstände in ihrer Geschäftsführung nunmehr unabhängig und eigenverantwortlich. Indem der Gesetzgeber auch die Entsendungsmöglichkeit in den Vorstand beseitigte, knüpfte er mithin nur konsequent an Erwägungen an, die das Reichsgericht bereits über 55 Jahre zuvor angestellt hatte. Man wollte auch hier ausschließen, dass Gesellschaften durch Einzelaktionäre oder Dritte kontrolliert werden konnten, ohne dass diese dafür eine Mehrheit des Aktienkapitals besitzen mussten. Diesem Bestreben kann schwerlich eine nationalsozialistische Gesinnung unterstellt werden. c) Verbot von Mehrstimmrechten gem. § 12 Abs. 2 S. 1 AktG 1937 Das grundsätzliche Verbot von Mehrstimmrechtsaktien im AktG 1937 mag zunächst befremdlich erscheinen, auch wenn damit nicht die vollständige Abschaffung dieser Instrumente verbunden war. Schließlich wurde gleichzeitig das Entsendungsrecht anerkannt, das ebenfalls eine gegenüber der Kapitalbeteiligung gesteigerte Einflussnahme auf die Verwaltung der Aktiengesellschaft ermöglicht. Es stellt sich die Frage, weshalb der Gesetzgeber ein Sonderrecht einführte, während er ein anderes weitgehend abschaffte. Bei der Entscheidung zum grundsätzlichen Verbot von Mehrstimmrechtsaktien dürfte den Gesetzgeber nicht zuletzt die anhaltende Kritik an der Mehrstimmrechtsaktie in der Rechtswissenschaft beeinflusst haben.348 Zwar waren auch Entsendungsrechte nie unumstritten, sie polarisierten aber insgesamt weniger als Mehrstimmrechte. Hier mögen auch die Dimensionen in der Praxis eine Rolle ge345

Vgl. Lieder, Aufsichtsrat, S. 390. Begründung zum Entwurf 1884, abgedruckt bei: Schubert/Hommelhoff, Hundert Jahre Aktienrecht, S. 458; siehe auch bereits oben I. 3. 347 RGZ 3, 123, 129 ff. 348 Bayer/Engelke, in: Bayer/Habersack, Aktienrecht im Wandel I, S. 654, Fn. 205; Zöllner, in: KölnKomm AktG, 2. Aufl., § 12 Rn. 8. 346

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Kap. 1: Grundlagen, historische Entwicklung, Zwecke des Entsendungsrechts

spielt haben: Im Jahr 1925 hatten 54 % aller börsennotierten Aktiengesellschaften Mehrstimmrechtsaktien ausgegeben. Immerhin 25 % aller Börsengesellschaften wurden allein durch Mehrstimmrechte beherrscht.349 Die Zahl der Gesellschaften mit Mehrstimmrechtsaktien hatte bis 1929 zwar abgenommen, lag aber noch immer bei etwa 48 %.350 Das Prinzip dürfte damit in der Wirtschaftspraxis weitaus verbreiteter gewesen sein als die Entsendung von Aufsichtsräten. Die Mehrstimmrechtsaktie war keineswegs mehr nur eine im Einzelfall angewandte Ausnahme, sondern geradezu ein Massenphänomen. Dementsprechend dürfte sich auch der Missbrauch351 derartiger Stimmrechte als ein weitaus dringlicheres Problem dargestellt und dazu beigetragen haben, dass die Gesetzesbegründung diese Bevorzugungen recht drastisch als „gefährlich“ bezeichnete.352 Zudem war mit Mehrstimmrechten zweifellos eine viel weitgehendere Beherrschung einer Gesellschaft möglich als mit den neu geschaffenen Entsendungsrechten. Dies liegt zum einen an der unmittelbaren Einflussnahme auf das Abstimmungsergebnis bei gewichtigen Einzelentscheidungen wie etwa Kapitalmaßnahmen oder Satzungsänderungen gegenüber der nur mittelbaren Einflussnahme auf die Geschäftsführung über den Aufsichtsrat. Zum anderen hatte der Gesetzgeber die Entsendung auf maximal ein Drittel aller Aufsichtsratsmitglieder beschränkt und damit der Beherrschung durch Entsendungsrechte vorgebeugt. Freilich hätte er sich auch bei der Mehrstimmrechtsaktie anstelle des grundsätzlichen Verbotes für eine weniger einschneidende Begrenzung entscheiden können. Andererseits ist auch die Lösung des AktG 1937 letztlich als Kompromiss zu verstehen, da sie eben nicht zur gänzlichen Beseitigung von Mehrstimmrechten führte, sondern Ausnahmen im gesamtwirtschaftlichen Interesse oder im Interesse einzelner Gesellschaften ermöglichen sollte.353 In jedem Fall offenbart das grundsätzliche Verbot der Mehrstimmrechtsaktie einmal mehr, dass das AktG 1937 keineswegs in erster Linie der nationalsozialistischen Wirtschaftsideologie Vorschub leisten sollte, sondern vielmehr weitgehend auf pragmatischen Erwägungen beruhte. Anders ist es kaum zu erklären, dass gerade hiermit das Ende eines aktienrechtlichen Instruments eingeläutet wurde, das vornehmlich dem Schutz vor äußerer Überfremdung durch ausländische Kapitalanleger gedient hatte.

349

Bayer/Engelke, in: Bayer/Habersack, Aktienrecht im Wandel I, S. 654 m.w.N. Siehe die Statistiken im Generalbericht des Ausschusses zur Untersuchung der Erzeugungs- und Absatzbedingungen der deutschen Wirtschaft („Enquête-Kommission“), I. Unterausschuß, 3. Arbeitsgruppe: Wandlungen in den wirtschaftlichen Organisationsformen; Wandlungen in der aktienrechtlichen Gestaltung der Einzelunternehmen und Konzerne (1930), abgedruckt bei: Schubert, Quellen zur Aktienrechtsreform II, S. 758. 351 Siehe dazu Vogl-Mühlhaus, Mehrfachstimmrechtsaktien, S. 140 ff. Genannt wird hier etwa der Missbrauch durch das Management zum Selbstschutz vor Mehrheitsentscheidungen der Eigentümer. 352 Begründung zum AktG 1937, abgedruckt bei: Matthes, Aktienrecht, S. 161. 353 Vgl. Begründung zum AktG 1937, abgedruckt bei: Matthes, Aktienrecht, S. 161. 350

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III. Entwicklung seit 1945 1. Übernahme des Entsendungsrechts im AktG 1965 Obwohl bereits kurze Zeit nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs Forderungen nach einer Reform des Aktienrechts geäußert wurden,354 dauerte es knapp zwanzig Jahre, bis 1965 das neue Aktiengesetz355 verabschiedet wurde. Im Laufe der langwierigen Reformüberlegungen war teilweise gefordert worden, die Kompetenzverteilung des AktG 1937 rückgängig zu machen und insbesondere die Hauptversammlung wieder zum obersten Willensorgan der Aktiengesellschaft zu machen. Sie sollte wie in früherer Zeit dem Vorstand Weisungen erteilen dürfen und diesen – sofern es die Satzung vorsah – auch wählen können.356 Derartige Forderungen konnten sich aber nicht durchsetzen. Das AktG 1965 hielt an der bisherigen grundlegenden Organisationsverfassung der Aktiengesellschaft und der strikten Trennung der Organe Vorstand, Aufsichtsrat und Hauptversammlung fest.357 Der Gesetzgeber war der Ansicht, die Zuständigkeitsabgrenzung der einzelnen Organe habe sich „im großen und ganzen bewährt“.358 Punktuell sollten jedoch die Befugnisse des Vorstands zugunsten des Aufsichtsrats und der Hauptversammlung abgeschwächt werden.359 Das Entsendungsrecht in den Aufsichtsrat wurde in § 101 Abs. 2 AktG weitgehend unverändert übernommen. Redaktionelle Änderungen ergaben sich daraus, dass die einzelnen Regelungen über die Aufsichtsratsbestellung in der zentralen Vorschrift des § 101 AktG zusammengefasst wurden, ergänzt durch die Vorschriften zur Abberufung in § 103 AktG.360 § 101 Abs. 1 AktG sah nunmehr die Wahl der Mitglieder durch die Hauptversammlung vor, soweit sie nicht zu entsenden waren;361 Abs. 2 konkretisierte die Voraussetzungen und Grenzen der Entsendung. Inhaltlich entsprach die Vorschrift weitestgehend § 88 Abs. 1 – 3 AktG 1937. Die Beibehaltung des satzungsmäßigen Entsendungsrechts wurde damit begründet, dass es insbesondere bei gemischtwirtschaftlichen Unternehmen weiterhin einem praktischen

354

Kropff, in: Bayer/Habersack, Aktienrecht im Wandel I, S. 687. Aktiengesetz vom 6. 9. 1965 (BGBl. I 1965, S. 1089). 356 So die Arbeitsgemeinschaft der Schutzvereinigungen für Wertpapierbesitz, Denkschrift zur Reform des Aktienrechts, S. 14 ff.; siehe hierzu auch Kropff, in: Bayer/Habersack, Aktienrecht im Wandel I, S. 688; Assmann, in: Großkomm AktG, Einl. Rn. 187. 357 Reichelt, Institution des Aufsichtsrats, S. 78. 358 Begr. RegE AktG 1965, abgedruckt bei: Kropff, AktG, S. 95. 359 Begr. RegE AktG 1965, abgedruckt bei: Kropff, AktG, S. 95; Reichelt, Institution des Aufsichtsrats, S. 78. 360 Vgl. Begr. RegE AktG 1965, abgedruckt bei: Kropff, AktG, S. 137 f. 361 Damit wurde zum einen die ungenaue Formulierung des § 87 Abs. 1 S. 1 AktG 1937 präzisiert, die Ausnahmen zur Wahl nicht berücksichtigt hatte. Zum anderen sollte klargestellt werden, dass die Hauptversammlung kein Ersatzwahlrecht besitzt, sofern ein Entsendungsrecht nicht ausgeübt wird, vgl. Begr. RegE AktG 1965, abgedruckt bei: Kropff, AktG, S. 138. Siehe dazu auch oben A. IV. 5. b). 355

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Kap. 1: Grundlagen, historische Entwicklung, Zwecke des Entsendungsrechts

Bedürfnis entspreche.362 Im Vordergrund stand mithin abermals die Privilegierung öffentlich-rechtlicher Anteilseigner, auch wenn das Sonderrecht nach wie vor jedem Aktionär eingeräumt werden konnte.363 Eine geringfügige Änderung mit klarstellender Funktion wurde in § 101 Abs. 2 S. 4 AktG vorgenommen, der inhaltlich § 88 Abs. 1 S. 2 AktG 1937 entsprach. Während die Vorgängervorschrift noch angeordnet hatte, dass die Gesamtzahl der entsandten Mitglieder „den dritten Teil aller Aufsichtsratsmitglieder“ nicht übersteigen durfte, legte § 101 Abs. 2 S. 4 AktG nunmehr eine Höchstgrenze von einem Drittel „der sich aus dem Gesetz oder der Satzung ergebenden Zahl der Aufsichtsratsmitglieder der Aktionäre“ fest. Damit begegnete der Gesetzgeber zwei Streitständen im zeitgenössischen Schrifttum. Zum einen sollte mit Blick auf die neuen Vorschriften zur Arbeitnehmermitbestimmung klargestellt werden, dass bei der Berechnung des Drittels lediglich von der Zahl der Aktionärsvertreter auszugehen ist. Zum anderen sollte geklärt werden, dass es bei der Berechnung auf die gesetzlich oder satzungsmäßig festgelegte Aufsichtsratsgröße, nicht aber auf die Zahl der tatsächlich vorhandenen Mitglieder ankommt.364 Mit der Übernahme der Höchstzahlregelung wandte sich der Gesetzgeber klar gegen die vereinzelt erhobene Forderung,365 die Begrenzung auf ein Drittel gänzlich aufzugeben, um die Gründung deutscher Aktiengesellschaften unter Beteiligung ausländischen Kapitals zu erleichtern.366 Der völlige Ausschluss der Hauptversammlung von der Aufsichtsratsbestellung, der damit möglich gewesen wäre, erschien dem Gesetzgeber unvertretbar. Die Hauptversammlung sollte stets den überwiegenden Teil des Aufsichtsrats nach ihrem Ermessen besetzen können. Im Übrigen war man der Ansicht, dass dem Interesse an weitergehender Einflussnahme etwa bei Gemeinschaftsgründungen durch Abstimmungsvereinbarungen hinreichend Rechnung getragen werden könne.367 Im Verlauf der Reformdebatte in der Nachkriegszeit war daneben erneut diskutiert worden, ob eine Minderheitsvertretung im Aufsichtsrat geschaffen werden sollte, etwa durch die Einführung des Verhältniswahlrechts.368 Der Gesetzgeber lehnte dies aber entschieden ab, da er darin einen Verstoß gegen das geltende Mehrheitsprinzip er362

Begr. RegE AktG 1965, abgedruckt bei: Kropff, AktG, S. 138. Lieder, Aufsichtsrat, S. 372. 364 Begr. RegE AktG 1965, abgedruckt bei: Kropff, AktG, S. 139. 365 Siehe etwa Bundesverband der Deutschen Industrie u. a., Anlageband zur gemeinsamen Denkschrift zum Referentenentwurf, S. 27, wonach die Beschränkung der Satzungsautonomie in dieser Hinsicht unbegründet sei und die Höchstzahlregelung ersatzlos gestrichen werden solle. 366 Begr. RegE AktG 1965, abgedruckt bei: Kropff, AktG, S. 138. 367 Begr. RegE AktG 1965, abgedruckt bei: Kropff, AktG, S. 138 f. 368 Dafür etwa C. E. Fischer, NJW 1958, 1265; Eckardt, NJW 1958, 1945, 1949; für eine gesonderte Wahl von Minderheitsvertretern auch Flume, Der Referentenentwurf eines Aktiengesetzes, S. 37 f.; siehe auch Lieder, Aufsichtsrat, S. 440 f. m.w.N. 363

B. Die historische Entwicklung des aktienrechtlichen Entsendungsrechts

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blickte.369 Dagegen befürworteten auch Teile des Rechtsausschusses sowie des Wirtschaftsausschusses des Bundestags eine Minderheitsvertretung. Der Rechtsausschuss entschied sich letztlich aber mehrheitlich gegen das Konzept,370 ebenso wie das Plenum des Bundestags.371 Damit blieb das satzungsmäßige Entsendungsrecht die einzige Ausnahme zur Aufsichtsratswahl durch die Mehrheit der Hauptversammlung. Die auf das Entsendungsrecht bezogenen Abberufungsvorschriften in § 103 Abs. 2 und 3 AktG entsprachen ebenfalls beinahe vollständig denen des § 88 Abs. 4 und 5 AktG 1937. Als einzige inhaltliche Änderung wurden die Anforderungen an die Minderheit, die die gerichtliche Abberufung eines entsandten Mitglieds beantragen konnte, erleichtert: Neben einem zehnprozentigen Anteil am Grundkapital war nunmehr auch ein Anteil mit einem absoluten Nennbetrag in Höhe von zwei Millionen Mark ausreichend.372 2. Entsendung von Arbeitnehmervertretern Nach Kriegsende kehrte man in der Bundesrepublik rasch zum Prinzip der unternehmerischen Arbeitnehmermitbestimmung zurück.373 Zunächst bestand dabei seit Einführung des MitbestErgG 1956374, der sog. Holdingnovelle, auch ein spezialgesetzliches Entsendungsrecht:375 Nach § 7 S. 1 MitbestErgG a.F. wurden drei der sieben Arbeitnehmervertreter des aus insgesamt 15 Mitgliedern bestehenden Aufsichtsrats einer Obergesellschaft der Montanindustrie von den Spitzenorganisationen der in den Betrieben der Konzernunternehmen vertretenen Gewerkschaften entsandt.376 Dies hatte in Absprache mit den Betriebsräten zu erfolgen; eine Ver369

Begr. RegE AktG 1965, abgedruckt bei: Kropff, AktG, S. 138. Ausschussbericht, abgedruckt bei: Kropff, AktG, S. 140. 371 Siehe dazu und zu den Beratungen Lieder, Aufsichtsrat, S. 442 f. 372 Vgl. Begr. RegE AktG 1965, abgedruckt bei: Kropff, AktG, S. 142. 373 Siehe ausführlich Reichelt, Institution des Aufsichtsrats, S. 86 ff.; Raabe, Mitbestimmung im Aufsichtsrat, S. 47 ff. 374 Gesetz zur Ergänzung des Gesetzes über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer in den Aufsichtsräten und Vorständen der Unternehmen des Bergbaus und der Eisen und Stahl erzeugenden Industrie vom 7. 8. 1956 (BGBl. I 1956, S. 707). 375 Unzutreffenderweise wird zuweilen auch von einem Entsendungsrecht der Gewerkschaften nach § 6 Abs. 3 MontanmitbestG 1951 a.F. gesprochen, vgl. etwa Rittner, in: FS Werner, S. 729, 739; Velten, Gewerkschaftsvertreter im Aufsichtsrat, S. 33; Wißmann, NJW 1982, 423, 425. Dabei handelte es sich indes nur um ein Vorschlagsrecht der Gewerkschaften. Das Wahlorgan war an die Vorschläge zwar gebunden, konnte jedoch durch die Nichtvornahme der „Vorschlagswahl“ zumindest eine gerichtliche Entscheidung herbeiführen. Daher kann das Vorschlagsrecht mit einem Entsendungsrecht nicht gleichgesetzt werden, vgl. Kötter, MitbestErgG, § 7 Anm. 5. 376 Nach dem später eingeführten § 5 Abs. 1 S. 2 MitbestErgG sind auch Aufsichtsräte mit 21 Mitgliedern möglich. Bei diesen wurden vier Arbeitnehmervertreter entsandt, siehe MeyerLandrut, in: Großkomm AktG, 3. Aufl., § 101 Anm. 11; Geßler, in: Geßler/Hefermehl/ Eckardt/Kropff, AktG, § 101 Rn. 58. 370

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letzung dieser Beratungspflicht sollte allerdings nicht zur Unwirksamkeit der Entsendung führen, da die Entsendungsberechtigten ohnehin nicht an das Ergebnis der Beratungen gebunden waren.377 Anders als das aktienrechtliche Entsendungsrecht gemäß § 88 AktG 1937 bzw. § 101 Abs. 2 AktG wurzelte das Sonderrecht der Gewerkschaften nicht in der Satzung, sondern wurde unmittelbar kraft Gesetzes begründet. Es konnte deshalb auch nicht durch die Satzung beschränkt oder an besondere Voraussetzungen geknüpft werden.378 Das Entsendungsrecht der Spitzenorganisationen der Gewerkschaften wurde 1981 aufgehoben.379 Der Grund dafür dürfte in dem wachsenden Misstrauen gegenüber den Organisationen der Gewerkschaften und ihren Funktionären sowie dem Wunsch nach einer stärker dezentralen Unternehmens- und Wirtschaftsordnung zu sehen sein. Dem entspricht die in der späteren Mitbestimmungsgesetzgebung insgesamt erkennbare Tendenz weg von der gewerkschaftlichen Mitbestimmung und hin zur echten Mitbestimmung der Arbeitnehmer.380 Seither werden folglich alle Arbeitnehmervertreter auch im Aufsichtsrat der Montanholding durch die Betriebsräte oder durch Wahlmänner gewählt.381 Den Gewerkschaften verblieb nur ein Vorschlagsrecht.382 Entsprechend wurde die Erwähnung dieses Sonderrechts der Gewerkschaften in § 101 Abs. 2 S. 1 AktG a.F. 1985 im Zuge einer Gesetzesänderung gestrichen.383 Damit bestehen de lege lata nur noch Entsendungsrechte für Aktionärsvertreter im Aufsichtsrat.384 3. Spezialgesetzliches Entsendungsrecht bei der Volkswagen AG Einen Sonderfall stellte das spezialgesetzliche Entsendungsrecht dar, das seit 1960 bei der Volkswagen AG bestand. Dieses bildete einen Teil der aktienrechtlichen Sonderbestimmungen des VW-Gesetzes385 zur Privatisierung der nach Kriegsende der 377

Kötter, MitbestErgG, § 7 Anm. 3. Kötter, MitbestErgG, § 7 Anm. 1. 379 Art. 2 Nr. 3 des Gesetzes zur Änderung des Montan-Mitbestimmungsgesetzes und des Mitbestimmungsergänzungsgesetzes vom 21. 5. 1981 (BGBl. I 1981, S. 441). Siehe zu diesem Gesetz auch Wißmann, NJW 1982, 423. 380 Rittner, in: FS Werner, S. 729, 739 f. Beim MitbestG konnten sich die Gewerkschaften mit ihrem Wunsch nach einem Entsendungsrecht für die nach § 7 Abs. 2 MitbestG zu wählenden Gewerkschaftsvertreter von Anfang an nicht durchsetzen, siehe Gach, in: MünchKomm AktG, § 9 MitbestG Rn. 3. 381 Mertens/Cahn, in: KölnKomm AktG, § 101 Rn. 3; Rittner, in: FS Werner, S. 729, 739. 382 Rittner, in: FS Werner, S. 729, 739. 383 Art. 2 Nr. 11 des Gesetzes zur Durchführung der Vierten, Siebenten und Achten Richtlinie des Rates der Europäischen Gemeinschaften zur Koordinierung des Gesellschaftsrechts (Bilanz-Richtlinien-Gesetz – BiRiLiG) vom 19. 12. 1985 (BGBl. I 1985, S. 2355). 384 Hopt/M. Roth, in: Großkomm AktG, § 101 Rn. 3. 385 Gesetz über die Überführung der Anteilsrechte an der Volkswagenwerk Gesellschaft mit beschränkter Haftung in private Hand vom 21. 7. 1960 (BGBl. I 1960, S. 585). 378

B. Die historische Entwicklung des aktienrechtlichen Entsendungsrechts

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Bundesrepublik übergebenen und vom Land Niedersachsen verwalteten Gesellschaft.386 § 4 Abs. 1 VW-Gesetz a.F. räumte dem Bund und dem Land Niedersachsen ein Entsendungsrecht für je zwei Aufsichtsratsmitglieder ein, solange ihnen Aktien der Gesellschaft gehörten. Flankiert wurde das Entsendungsrecht u. a. durch eine Höchststimmrechtsregelung (§ 2 VW-Gesetz a.F.) sowie eine erleichterte Sperrminorität (§ 4 Abs. 3 VW-Gesetz),387 wodurch der Einfluss der staatlichen Anteilseigner umfassend abgesichert wurde. Daneben bestanden verstärkte Mitspracherechte der Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat.388 Der Bund gab seinen Aktienbesitz 1988 auf, sodass seitdem nur noch das Land Aufsichtsratsmitglieder entsenden konnte.389 Im Laufe der Zeit gab es mehrfach Bestrebungen, das VW-Gesetz aufzuheben, welche jedoch stets scheiterten.390 Erst ein Vertragsverletzungsverfahren der Europäischen Kommission läutete das Ende zumindest einiger zentraler Vorschriften des Gesetzes ein. In seinem Urteil aus dem Jahr 2007 stellte der EuGH fest, dass die Höchststimmregelung, die Sperrminorität sowie das Entsendungsrecht eine Verletzung der Kapitalverkehrsfreiheit darstellen.391 Der deutsche Gesetzgeber reagierte mit der Aufhebung des Höchststimmrechts und des gesetzlichen Entsendungsrechts sowie mit der Streichung des 1976 eingefügten § 101 Abs. 2 S. 5 AktG a.F., wonach die Sonderregelung des VW-Gesetzes von der aktienrechtlichen Vorschrift unberührt blieb.392 Die Sperrminoritätsklausel wurde dagegen nicht aufgehoben, da der Gesetzgeber davon ausging, dass sich eine Verletzung der Kapitalverkehrsfreiheit nur aus dem Zusammenspiel aller Sonderregelungen ergebe.393 Ein von der Europäischen Kommission eingeleitetes weiteres Vertragsverletzungsverfahren394 blieb ohne Erfolg, da sich der EuGH in seinem Urteil vom 22. 10. 2013 den Erwägungen der Bundesrepublik

386 Wellige, EuZW 2003, 427, 428; Krause, NJW 2002, 2747, 2748; Seibert, AG 2013, 904 f.; ausführlich zur Geschichte des VW-Gesetzes Kleinschmit, Volkswagengesetz, S. 114 ff. 387 Habersack, in: MünchKomm AktG, Einl. Rn. 189; Wellige, EuZW 2003, 427, 428; Werner, Der Konzern 2009, 336, 339 f. 388 Werner, Der Konzern 2009, 336, 340; Krause, NJW 2002, 2747, 2748. So verlangt § 4 Abs. 2 VW-Gesetz noch heute für die Errichtung und Verlegung von Produktionsstätten einen Zustimmungsbeschluss des Aufsichtsrats mit einer Mehrheit von zwei Dritteln der Mitglieder. Die Arbeitnehmervertreter können ein solches Vorhaben damit blockieren. 389 Wellige, EuZW 2003, 427, 428. 390 Habersack, in: MünchKomm AktG, Einl. Rn. 188. 391 EuGH, C-112/05 (Volkswagen), Slg. 2007, I-8995. Siehe zu diesem Urteil und seinen Implikationen für satzungsmäßige Entsendungsrechte ausführlich unten Kap. 3, D. I. 392 Art. 1 Nr. 2 und Art. 2 des Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Überführung der Anteilsrechte an der Volkswagenwerk Gesellschaft mit beschränkter Haftung in private Hand (VWGÄndG) vom 8. 12. 2008 (BGBl. I 2008, S. 2369). Siehe zum Ganzen Simons, in: Hölters, AktG, § 101 Rn. 33; Mertens/Cahn, in: KölnKomm AktG, § 101 Rn. 3; Seibert, AG 2013, 904, 907 ff. 393 Begr. RegE VWGÄndG, BT-Drucks. 16/10389 vom 25. 9. 2008, S. 6; Rapp-Jung/ Bartosch, BB 2009, 2210, 2211; Werner, Der Konzern 2009, 336, 340. 394 Dazu Rapp-Jung/Bartosch, BB 2009, 2210; Werner, Der Konzern 2009, 336, 340; Seibert, AG 2013, 904, 910 ff.

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Kap. 1: Grundlagen, historische Entwicklung, Zwecke des Entsendungsrechts

anschloss und das geänderte VW-Gesetz für zulässig befand.395 Nach der Aufhebung des gesetzlichen Entsendungsrechts wurde im Dezember 2009 ein entsprechendes Recht nach § 101 Abs. 2 AktG zugunsten des Landes Niedersachsen in der Satzung der Volkswagen AG verankert.396 Gesetzliche Entsendungsrechte existieren im deutschen Recht dagegen nicht mehr. 4. Bestellung des Vorstands An den Regelungen des AktG 1937 zur Bestellung des Vorstands hielt der Gesetzgeber des AktG 1965 fast unverändert fest und erteilte damit zwischenzeitlich erhobenen Forderungen nach einer Kompetenzübertragung auf die Hauptversammlung eine Absage.397 Gemäß § 84 Abs. 1 S. 1 AktG werden die Vorstandsmitglieder weiterhin vom Aufsichtsrat bestellt. Die Vorschrift gestattet ausweislich der Gesetzesbegründung keine satzungsmäßige Übertragung der Bestellungskompetenz.398 Entsendungsrechte in den Vorstand sind damit im deutschen Aktienrecht nach wie vor ausgeschlossen. Die Übernahme der Bestellungsvorschriften wurde erneut damit begründet, dass der Aufsichtsrat das geeignetste Organ zur Auswahl von Vorstandsmitgliedern sei. Überdies wurde nunmehr aber auch das Mitspracherecht der Arbeitnehmervertreter als Argument ins Feld geführt, das nicht durch eine Rechtsänderung beeinträchtigt werden sollte.399 5. Mehrstimmrechte a) Regelung im AktG 1965 Der Regierungsentwurf des AktG 1965 hatte, als Verschärfung der Regelung des AktG 1937, ein ausnahmsloses Verbot von Mehrstimmrechtsaktien vorgesehen. Zu diesem Zweck sollte die Ermächtigung zur Zulassung von Ausnahmen gänzlich gestrichen werden.400 Der Rechtsausschuss und der Wirtschaftsausschuss des Bundestags sahen dies jedoch als zu weitgehende Einschränkung an.401 Deshalb wurde in den Entwurf der Passus des späteren § 12 Abs. 2 S. 2 AktG a.F. eingefügt, wonach die obersten für Wirtschaft zuständigen Landesbehörden, wie bereits nach der alten

395

EuGH, C-95/12 (Volkswagen II), ZIP 2013, 2103. Simons, in: Hölters, AktG, § 101 Rn. 33; Holle, AG 2012, 14, 19 f.; Seibert, AG 2013, 904, 911 f. 397 Vgl. Lieder, Aufsichtsrat, S. 463 m.w.N. 398 Begr. RegE AktG 1965, abgedruckt bei: Kropff, AktG, S. 105. 399 Begr. RegE AktG 1965, abgedruckt bei: Kropff, AktG, S. 105. 400 Begr. RegE AktG 1965, abgedruckt bei: Kropff, AktG, S. 25. Zum vorangegangenen Verfahren siehe Kropff, in: Bayer/Habersack, Aktienrecht im Wandel I, S. 779 ff. 401 Ausschussbericht, abgedruckt bei: Kropff, AktG, S. 25 f. 396

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Rechtslage, Ausnahmen zulassen konnten.402 Die Anforderungen an eine Ausnahmegenehmigung wurden aber immerhin insoweit erhöht, als diese nunmehr zur Wahrung überwiegender gesamtwirtschaftlicher Belange erforderlich sein musste.403 Diese Fassung wurde schließlich im Plenum des Bundestags mehrheitlich angenommen.404 Durchaus bemerkenswert ist, dass die Erwägungen, die zur Beibehaltung der Ausnahmeregelung führten, jenen sehr stark ähneln, die immer wieder für das Entsendungsrecht angeführt wurden. Zum einen sollten Mehrstimmrechtsaktien in Familiengesellschaften weiterhin zum Einsatz kommen können, um den Gründerfamilien einen ihrer Leistung angemessenen Einfluss zu sichern.405 Zum anderen wurden die Pläne zur gänzlichen Abschaffung insbesondere aus Kreisen der Versorgungswirtschaft massiv kritisiert. Gerade im Bereich der Energieversorgung sollte der überwiegende Einfluss der öffentlichen Hand auf kommunale und gemischtwirtschaftliche Unternehmen erhalten bleiben.406 b) Weitgehende Abschaffung durch das KonTraG 1998 Noch Mitte der Achtziger Jahre stellte Zöllner fest, Mehrstimmrechte würden tendenziell nicht mehr derart kritisch beurteilt wie 20 Jahre zuvor.407 In den frühen 90er Jahren entflammte die Diskussion über Mehrstimmrechtsaktien und auch Höchststimmrechte im rechtswissenschaftlichen Schrifttum jedoch erneut.408 Die Kritik sollte diesmal nicht unerhört bleiben: Mit dem KonTraG 1998409 läutete der Gesetzgeber endgültig die weitgehende Abschaffung von Mehrstimmrechtsaktien ein.410 Durch Art. 1 Nr. 3 KonTraG wurde § 12 Abs. 2 S. 2 AktG a.F. ersatzlos gestrichen. Damit können Mehrstimmrechtsaktien nunmehr auch nicht mehr mit ministerieller Sondergenehmigung geschaffen werden. Des Weiteren wurde durch Art. 11 KonTraG die Vorschrift des § 5 EGAktG für bestehende Mehrstimmrechtsaktien komplett neu gefasst. Nach der neuen Übergangsregelung sind sämtliche bereits bestehenden Mehrstimmrechte am 1. 6. 2003 erloschen, sofern nicht zuvor die Hauptversammlung mit einer Mehrheit von drei Vierteln des vertretenen 402 Zum Verfahrung und zu den Diskussionen in den Ausschüssen siehe Kropff, in: Bayer/ Habersack, Aktienrecht im Wandel I, S. 782 ff. 403 Diese Begrenzung hatte durchaus praktische Auswirkungen, vgl. Vogl-Mühlhaus, Mehrfachstimmrechtsaktien, S. 191 f. 404 Kropff, in: Bayer/Habersack, Aktienrecht im Wandel I, S. 793 f. 405 Siehe Kropff, in: Bayer/Habersack, Aktienrecht im Wandel I, S. 780 m.w.N. 406 Kropff, in: Bayer/Habersack, Aktienrecht im Wandel I, S. 780 ff. 407 Zöllner, in: KölnKomm AktG, 2. Aufl., § 12 Rn. 8. 408 Siehe etwa die harsche Kritik von Adams, AG 1990, 63 ff. sowie die Replik von Zöllner/ Noack, AG 1991, 117 ff. Vgl. auch Heider, in: MünchKomm AktG, § 12 Rn. 1 m.w.N. 409 Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich vom 27. 4. 1998 (BGBl. I 1998, S. 786). 410 Im Übrigen beschränkte er die Zulässigkeit von Höchststimmrechten auf die nichtbörsennotierte Aktiengesellschaft (vgl. § 134 Abs. 1 S. 2 AktG).

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Kap. 1: Grundlagen, historische Entwicklung, Zwecke des Entsendungsrechts

Grundkapitals – unter Ausschluss der Inhaber der Mehrstimmrechtsaktien – ihre Fortgeltung beschlossen hat. Aufgrund verfassungsrechtlicher Bedenken411 wurde in § 5 Abs. 3 EGAktG n.F. eine Entschädigungsregelung eingefügt. Es besteht damit nunmehr ein striktes Verbot der Neuschaffung von Mehrstimmrechtsaktien ohne Genehmigungsvorbehalt.412 Zur gänzlichen Abschaffung der Mehrstimmrechtsaktie ist es zwar erneut nicht gekommen, da es betroffenen Gesellschaften ermöglicht wurde, das Erlöschen ihrer bestehenden Mehrstimmrechtsaktien per Beschluss zu verhindern. Obwohl einige solcher Fortgeltungsbeschlüsse gefasst wurden, dürfte die Zahl von Gesellschaften mit noch bestehenden Mehrstimmrechten sehr gering sein. Börsennotierte Aktiengesellschaften mit Mehrstimmrechtsaktien dürfte es heute kaum noch geben.413 Daher kann konstatiert werden, dass § 12 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 AktG heute zumindest im Grundsatz das Prinzip one share, one vote, also den Gleichlauf von Kapitalrisiko und Stimmrechtseinfluss festlegt.414 Zur Begründung der strengen Neuregelung führte der Gesetzgeber an, dass Mehrstimmrechte „seit jeher rechtspolitisch äußerst umstritten“ gewesen seien. Die Einräumung von Einfluss ohne entsprechendes Anteilseigentum entspreche nicht den Erwartungen des Kapitalmarktes und schwäche die Eigentümerkontrolle. Durch die Zurückdrängung von satzungsmäßigen Stimmrechtsdifferenzierungen, die der Markt nicht effektiv bewerten könne, sollte die weitere Standardisierung der Aktie als Anlagepapier vorangetrieben werden. Daneben berief sich der Gesetzgeber ausdrücklich auf die Europäische Kommission, die in ihrem Vorschlag für die zweite Änderung der Strukturrichtlinie die ausnahmslose Unzulässigkeit von Mehrstimmrechten vorgesehen habe.415 Es wurde freilich auch auf den Widerstand seitens der „kommunalen Mehrstimmrechtsaktionäre“ gegen die Neuregelung hingewiesen.416 Tatsächlich stellten Energiewirtschaftsunternehmen mit kommunaler oder sonstiger öffentlich-rechtlicher Beteiligung die Mehrzahl der 19 Gesellschaften, an

411

Siehe dazu Heider, in: MünchKomm AktG, § 12 Rn. 42 m.w.N. Dauner-Lieb, in: KölnKomm AktG, § 12 Rn. 14; Franz, in: Wachter, AktG, § 12 Rn. 14. Von einem ausnahmslosen Verbot lässt sich indes nicht sprechen, da unter gewissen Umständen die Entstehung neuer Mehrstimmrechtsaktien im Rahmen einer Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln nach § 216 Abs. 1 AktG möglich sein soll. Siehe dazu Milde-Büttcher, BB 1999, 1073, 1074 f.; Vatter, in: Spindler/Stilz, AktG, § 12 Rn. 20. 413 Vatter, in: Spindler/Stilz, AktG, § 12 Rn. 23. Es kann sich hierbei jedoch um nicht mehr als eine Vermutung handeln, da es verlässliches Zahlenmaterial nicht gibt, vgl. Koch, in: Hüffer, AktG, § 12 Rn. 8. 414 Dauner-Lieb, KölnKomm AktG, § 12 Rn. 3 ff., 14; Ziemons, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 12 Rn. 1; Solveen, in: Hölters, AktG, § 12 Rn. 1; Heider, in: MünchKomm AktG, § 12 Rn. 5, 8; Vatter, in: Spindler/Stilz, AktG, § 12 Rn. 1. Siehe auch unten Kap. 3, B. II. 415 Begr. RegE KonTraG, BT-Drucks. 13/9712, S. 12. Siehe zu späteren Bestrebungen der EU-Kommission, das Prinzip one share, one vote auf europäischer Ebene durchzusetzen ausführlich unten Kap. 5, E. I. 3. 416 Begr. RegE KonTraG, BT-Drucks. 13/9712, S. 13. 412

B. Die historische Entwicklung des aktienrechtlichen Entsendungsrechts

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die zwischen 1966 und 1989 Ausnahmegenehmigungen erteilt worden waren.417 Deren Widerstand gegen das Verbot vermochte sich im Gegensatz zu früheren Reformvorhaben diesmal aber nicht durchzusetzen.

IV. Schlussfolgerungen aus der historischen Entwicklung 1. Ambivalenz des deutschen Aktienrechts Aus der Betrachtung der rechtsgeschichtlichen Entwicklung ergibt sich eine ambivalente Haltung des deutschen Aktienrechts zum Prinzip der Entsendung, und zwar in zweierlei Hinsicht. Zum einen hat die Entsendung eine äußerst wechselhafte Geschichte: Zunächst war sie weithin üblich, dann wurde sie streng verboten und schließlich wieder ausdrücklich anerkannt. Zum anderen war sie zunächst für sämtliche Verwaltungsämter zulässig, später für Vorstände, nicht aber für Aufsichtsräte, und schließlich – umgekehrt – für Aufsichtsräte, nicht aber für Vorstände. Die wechselhafte Entwicklung der Entsendung ist eng mit den wirtschaftlichen Verhältnissen der jeweiligen Perioden verknüpft. Im 19. Jahrhundert zunächst weit verbreitet und offenbar nicht als problematisch angesehen, wurde die alleinige Entscheidungsbefugnis einzelner Personen und insbesondere der Gesellschaftsgründer über die Besetzung von Verwaltungsämtern nach der Gründerkrise als eine von mehreren Ursachen der allgemeinen Missstände ausgemacht. Interessanterweise wurde 1884 aber nur die Entsendung in den Aufsichtsrat ausgeschlossen, während Vorstände weiterhin entsandt werden konnten. Hierin zeigt sich das damalige Verständnis des Aufsichtsrats als eine Art Hilfsorgan der Generalversammlung. Dagegen stellte der Vorstand nach der damaligen Organisationsverfassung nicht das wichtigste und oberste Organ der Gesellschaft dar, war er doch noch umfassend an die Weisungen der Generalversammlung gebunden. In der Entsendung von Vorstandsmitgliedern erblickte man insofern wohl ein kleineres Übel. Mit dem AktG 1937 kehrte sich diese Situation um: Die Entsendung von Aufsichtsräten wurde wieder ausdrücklich ermöglicht, während die Vorstandsmitglieder von nun an zwingend vom Aufsichtsrat bestellt werden mussten. Mit der Stärkung des Vorstands innerhalb des Organisationsgefüges der Aktiengesellschaft ging die Erkenntnis einher, dass die Besetzung dieses wohl wichtigsten Postens nicht einzelnen, womöglich sogar außerhalb der Gesellschaft stehenden Personen übertragen werden durfte. Dafür war der Vorstand als unabhängiges Leitungsorgan schlicht zu wichtig geworden.

417

Brändel, in: Großkomm AktG, § 12 Rn. 31.

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Kap. 1: Grundlagen, historische Entwicklung, Zwecke des Entsendungsrechts

2. Gesetzgeberische Zielrichtung Was die Anerkennung des Entsendungsrechts in den Aufsichtsrat betrifft, so standen für den Gesetzgeber stets die Belange von öffentlich-rechtlichen Anteilseignern in gemischtwirtschaftlichen Unternehmen im Vordergrund. Offensichtlich sah man es als legitim an, dass sich der Staat überproportionalen Einfluss auf Gesellschaften sichert, an denen er beteiligt ist. Dies ist sicherlich vor dem Hintergrund zu verstehen, dass man einer aktiven staatlichen Einmischung in das Wirtschaftsleben zur damaligen Zeit weitgehend unkritisch gegenüberstand. Staatliches Engagement wurde als der Gesamtwirtschaft dienlich angesehen und musste deshalb auch rechtlich abgesichert werden können. Umso erstaunlicher ist es freilich, dass man das Entsendungsrecht nicht von vornherein auf gemischtwirtschaftliche Unternehmen beschränkte, was zwischenzeitlich diskutiert und gefordert worden war. Stattdessen führte man eine umfassende Entsendungsmöglichkeit für alle Aktionäre ein, die dafür durch die Höchstzahlregelung begrenzt wurde. Damit fand man letztlich einen Kompromiss, der den praktischen Bedürfnissen gerecht werden konnte, dabei aber nicht die Gefahr von Missbräuchen durch die weitgehende Alleinherrschaft einzelner Aktionäre in sich barg, mit der man während der Gründerkrise einschneidende Erfahrungen gemacht hatte. Bei der Revision des Aktienrechts im AktG 1965 wurden die Regelungen zur Entsendung dann auch beibehalten, so wie auch sonst an der Organisationsverfassung der Aktiengesellschaft, die das AktG 1937 geschaffen hatte, weitgehend festgehalten wurde. Offenbar gab es für den Gesetzgeber keinerlei Anlass, an den Vorschriften über das Entsendungsrecht zu zweifeln. 3. Bekenntnis statt Abschaffung Freilich stellt sich die Frage, wie es zu erklären ist, dass der Gesetzgeber Mehrstimmrechtsaktien schon früh weitaus kritischer gegenüberstand und sich 1998 sogar zu einem weitgehenden Verbot durchringen konnte, während das satzungsmäßige Entsendungsrecht unangetastet blieb. Schließlich handelt es sich auch bei letzterem um ein Beherrschungsmittel bzw. ein Mittel zur Begrenzung von Fremdeinflüssen, das bereits vor dem Verbot der Mehrstimmrechtsaktie vielfach an deren Stelle eingesetzt wurde.418 Hierfür dürften mehrere Gründe eine Rolle gespielt haben. Zunächst gehörten Entsendungsrechte zumindest seit ihrer gesetzlichen Anerkennung nicht mehr zu den hochumstrittenen Instituten des Aktienrechts, während Mehrstimmrechte immer wieder harsch kritisiert wurden. Zudem dürften sie auch in der Praxis nie eine derart weite Verbreitung gefunden haben wie Mehrstimmrechtsaktien. Im Übrigen ist die mit Entsendungsrechten verbundene Machterweiterung von vornherein gesetzlich begrenzt und daher weit weniger missbrauchsanfällig. Nicht auszuschließen ist überdies, dass sich die Beurteilungen der beiden 418

Vgl. Brändel, in: Großkomm AktG, § 12 Rn. 32.

C. Zwecke des Entsendungsrechts

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Sonderrechte gegenseitig beeinflusst haben. So könnte die Abschaffung der Mehrstimmrechtsaktie gerade für die Beibehaltung des Entsendungsrechts gesprochen haben, damit insbesondere in gemischtwirtschaftlichen Unternehmen wenigstens ein einflusserweiterndes Instrument weiterhin zur Verfügung steht. Letztlich muss man jedoch feststellen, dass sich eine klare gesetzgeberische Linie kaum ausmachen lässt. Im Grundsatz wurde one share, one vote mittlerweile im deutschen Aktienrecht implementiert. Es wäre daher aus der Perspektive des Gesetzgebers zumindest konsequent gewesen, auch das Entsendungsrecht abzuschaffen, das nunmehr erst recht wie ein Fremdkörper erscheint.419 Die Tatsache, dass dies nicht geschehen ist, lässt sich dagegen durchaus als gesetzgeberisches Bekenntnis zum Prinzip der Entsendung deuten.

C. Zwecke des Entsendungsrechts Das Entsendungsrecht nach § 101 Abs. 2 AktG kann zu den sog. control enhancing mechanisms (CEMs),420 den einflusserweiternden421 Instrumenten gezählt werden. Ihr Zweck besteht darin, bestimmten Aktionären einen in Relation zu ihrem Anteilsbesitz überproportionalen Einfluss auf die Gesellschaft zu verschaffen. Die begünstigten Aktionäre können damit eine stärkere Kontrolle über die Aktiengesellschaft ausüben, als es ihnen ihr Anteil am Kapital der Gesellschaft und die daraus folgenden Stimmrechte in der Hauptversammlung ermöglichen würden. Mit der Erweiterung des Einflusses einzelner wird dabei zwangsläufig der Einfluss anderer zurückgedrängt. Kehrseite der Begünstigung ist somit die Benachteiligung anderer Gesellschafter, weswegen sich einflusserweiternde Instrumente im Allgemeinen und Entsendungsrechte im Besonderen auf Grund ihrer abschreckenden Wirkung auch als Übernahmehindernisse eignen können.

I. Erweiterung und Absicherung der Einflussnahme Ein Entsendungsrecht nach § 101 Abs. 2 AktG erweitert den Einfluss des entsendungsberechtigten Aktionärs. Er kann, zusätzlich zu seiner Stimmabgabe in der Hauptversammlung, ein oder mehrere Aufsichtsratsmitglieder unmittelbar und 419 Ob dies de lege ferenda sinnvoll wäre, wird im weiteren Verlauf der Arbeit noch zu klären sein. Siehe insbesondere unten Kap. 5. 420 Diesen Begriff verwendet insbesondere die von der Europäischen Kommission in Auftrag gegebene Studie von ISS Europe/Shearman & Sterling/ECGI, Report on the Proportionality Principle, S. 7 ff.; siehe dazu näher unten Kap. 5, E. I. 3. und II. 421 Man könnte ebenso von „kontrollerweiternden“ Instrumenten sprechen. Allerdings setzt das Entsendungsrecht keinen bestimmten Anteilsbesitz voraus, kann also auch Aktionären zustehen, die im Übrigen keinerlei Kontrolle über die Gesellschaft ausüben. Daher ist es treffender, von der Erweiterung des „Einflusses“ anstatt der „Kontrolle“ zu sprechen.

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Kap. 1: Grundlagen, historische Entwicklung, Zwecke des Entsendungsrechts

völlig autonom bestimmen. Damit wird es einzelnen Aktionären ermöglicht, den Aufsichtsrat wenigstens teilweise mit Personen ihres Vertrauens zu besetzen,422 von denen sie die Vertretung ihrer Interessen erwarten.423 Auf diese Weise können sie sich dauerhaft einen unmittelbaren Einfluss auf die Zusammensetzung des Aufsichtsrats und zumindest einen mittelbaren Einfluss auf die Unternehmensleitung verschaffen.424 Schließlich überwacht der Aufsichtsrat nicht nur die Geschäfte der Gesellschaft (§ 111 Abs. 1 AktG), sondern bestellt insbesondere auch den Vorstand (§ 84 Abs. 1 S. 1 AktG). Hierdurch wird die unternehmerische Ausrichtung der Gesellschaft maßgeblich beeinflusst.425 Neben der Erweiterung des Einflusses dienen Entsendungsrechte auch dessen langfristiger Absicherung.426 In dieser Funktion sind sie auch für Aktionäre interessant, die bereits über die Stimmrechtsmehrheit verfügen und den Aufsichtsrat somit ohnehin nach ihren Vorstellungen besetzen können. Ein Entsendungsrecht kann hier zur Sicherung des Einflusses eingesetzt werden, etwa wenn der Anteilsbesitz in Zukunft verringert werden soll. Die Einflussnahme ist freilich nicht unbegrenzt. Abgesehen von der zahlenmäßigen Begrenzung der Entsendungsrechte auf maximal ein Drittel der Anteilseignervertreter im Aufsichtsrat ist eine „Steuerung“ des entsandten Mitglieds durch den Entsendungsberechtigten nur eingeschränkt möglich, da – wie bereits gezeigt – die ganz überwiegende Ansicht ihm kein bindendes Weisungsrecht zubilligt. Der Entsendungsberechtigte muss sich mithin darauf verlassen, dass das von ihm entsandte Mitglied im Einzelfall auch in seinem Sinne abstimmt. Dabei darf allerdings nicht unterschätzt werden, dass ihm auch jenseits rechtlich bindender Weisungen genügend Möglichkeiten zur Verfügung stehen werden, um Druck auf das entsandte Mitglied auszuüben – insbesondere dadurch, dass er dieses gem. § 103 Abs. 2 S. 1 AktG ohne Angabe eines wichtigen Grundes jederzeit abberufen kann.427 Somit bezweckt das Entsendungsrecht insgesamt eine deutliche Privilegierung des berechtigten Aktionärs. Ein derartiges Recht wird man in aller Regel nur solchen Anteilseignern einräumen, die ein besonderes Interesse an der Gesellschaft haben und mit ihr auf enge Weise verbunden sind.428 Häufig wird das Entsendungsrecht dabei ein Korrelat zu bestimmten überobligatorischen Sonderleistungen des begünstigten Gesellschafters bilden.429 Wer der Gesellschaft Leistungen erbringt, die über die Kapitaleinlage hinausgehen und sich somit gegenüber den übrigen Aktionären in beson-

422

Seeling/Zwickel, BB 2008, 622. Vgl. die Begründung zum AktG 1937, abgedruckt bei: Matthes, Aktienrecht, S. 185. 424 Simons, in: Hölters, AktG, § 101 Rn. 2; Drygala, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 101 Rn. 1; Lieder, ZHR 172 (2008), 306, 322. 425 Möslein, AG 2007, 770. 426 Vgl. Mutter, AR 2012, 58. 427 Siehe zum Ganzen bereits oben A. IV. 4. a). 428 Vgl. Seeling/Zwickel, BB 2008, 622; May, Sicherung des Familieneinflusses, S. 127 f. 429 Möslein, AG 2007, 770, 771; Seeling/Zwickel, BB 2008, 622. 423

C. Zwecke des Entsendungsrechts

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derer Weise engagiert, kann insofern mit einem Entsendungsrecht „belohnt“ werden.430 Der damit verbundene Einfluss auf die Unternehmensführung ermöglicht dem begünstigten Aktionär eine gesteigerte Mitbestimmung über die Verwendung seiner Leistungen oder doch zumindest eine gewisse Kontrolle. Zwingend ist diese Verwendung des Entsendungsrechts als „Gegenleistung“ freilich nicht. Als Entsendungsberechtigte kommen folglich verschiedene Typen von Aktionären in Betracht. Einige von ihnen werden im Folgenden zusammen mit ihrer Rolle in der Gesellschaft dargestellt. 1. Öffentlich-rechtliche Anteilseigner Wie die Untersuchung der historischen Entwicklung des aktienrechtlichen Entsendungsrechts gezeigt hat, bezweckten die Verfasser der Aktiengesetzentwürfe der Weimarer Republik, der Gesetzgeber des AktG 1937 sowie auch der Gesetzgeber des AktG 1965 mit der Anerkennung dieses Sonderrechts insbesondere die Privilegierung öffentlich-rechtlicher Körperschaften in gemein- oder gemischtwirtschaftlichen Unternehmen.431 Seitdem der Staat damit begonnen hatte, selbst Unternehmen in privatrechtlicher Form zu betreiben, musste er sicherstellen, diese auch effektiv kontrollieren zu können. Problematisch war und ist dies vor allem bei sog. gemischtwirtschaftlichen Unternehmen (auch Private Public Partnerships oder Public Private Partnerships), an denen die öffentliche Hand sowie private Investoren beteiligt sind.432 Insbesondere in Fällen, in denen die öffentlich-rechtliche Körperschaft keine die Kontrolle gewährleistende Mehrheitsbeteiligung hält, soll es mittels Entsendungsrechten ermöglicht werden, den Einfluss der öffentlichen Hand auch über deren Kapitalbeteiligung hinaus zu sichern.433 Entsprechend finden sich in §§ 394 f. AktG Sonderregelungen zur Lockerung der Verschwiegenheitspflicht von Aufsichtsratsmitgliedern, die von Gebietskörperschaften gewählt oder entsandt worden sind. Diesem Anwendungsfall dürfte auch heute noch zentrale Bedeutung zukommen.434 In kommunalen Unternehmen sichern sich die Gebietskörperschaften ihren Einfluss häufig über Entsendungsrechte.435 Teilweise ist dies in den Gemeindeord430 Siehe zum Entsendungsrecht als Anreiz für eine aktive Überwachungstätigkeit auch unten Kap. 5, D. II. 3. 431 Siehe dazu oben B. I. 7. b) und c), II. 1. sowie III. 1. 432 Zu den Begriffen Früchtl, Aktiengesellschaft der öffentlichen Hand, S. 9; Habersack, ZGR 1996, 544, 545 f.; Kiethe, NZG 2006, 45, 46; Schmidt-Aßmann, BB 1990, Beilage 34, S. 2 f.; Wiedemann, GesR I, S. 126. 433 Möslein, AG 2007, 770, 771; in Bezug auf andere Instrumente auch Wiedemann, GesR I, S. 126. 434 Spindler, in: Spindler/Stilz, AktG, § 101 Rn. 49; Simons, in: Hölters, AktG, § 101 Rn. 24; Lieder, ZHR 172 (2008), 306, 323; Bayer/Hoffmann, AG-Report 2009, R347 ff. 435 Möslein, AG 2007, 770, 771; Bayer/Hoffmann, AG-Report 2009, R347 ff. mit Beispielen aus der Praxis.

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Kap. 1: Grundlagen, historische Entwicklung, Zwecke des Entsendungsrechts

nungen einzelner Bundesländer sogar ausdrücklich vorgesehen.436 Allerdings wird für kommunale Unternehmen weitaus häufiger auf die Rechtsform der GmbH zurückgegriffen, die keiner Satzungsstrenge unterliegt und daher flexiblere Gestaltungen zulässt.437 Daneben sind aber vor allem Bund und Länder vielfach auch an Aktiengesellschaften beteiligt, insbesondere im Zusammenhang mit der Privatisierung öffentlicher Aufgaben.438 Derartige gemischtwirtschaftliche Unternehmen finden sich in diversen Wirtschaftsbereichen, insbesondere bei der Daseinsvorsorge (Strom-, Gas und Wasserversorgungsunternehmen), dem Wohnungsbau und dem öffentlichen Verkehr.439 Gerade in diesen Bereichen, für die der Staat früher weitgehend allein verantwortlich war und die für das Allgemeininteresse von erheblicher Bedeutung sind, haben öffentliche Träger nach wie vor ein gesteigertes Interesse daran, ihren Einfluss auf die mit der Aufgabenerfüllung betrauten privatrechtlichen Unternehmen langfristig abzusichern. Hierfür sind Entsendungsrechte, freilich innerhalb der durch § 101 Abs. 2 AktG gesetzten Grenzen, sehr geeignet. Der staatliche Anteilseigner kann die Sonderrechte problemlos in der Satzung der Gesellschaft verankern, solange er noch über eine entsprechende Mehrheit verfügt, und seinen Anteilsbesitz in der Folgezeit im Zuge der voranschreitenden Privatisierung verkleinern. Auf Grund des Sonderrechtscharakters des Entsendungsrechts440 sichert ihm dieses seinen Einfluss auch für die Zukunft, solange er nur irgendeinen Anteil am Kapital der Gesellschaft behält. Entsendungsrechte sind hier auch deshalb bedeutsam, weil Mehrstimmrechtsaktien, wie sie beispielsweise von Unternehmen der Versorgungswirtschaft früher häufig ausgegeben wurden,441 grundsätzlich nicht mehr zur Verfügung stehen. Auch ehemalige öffentliche Unternehmen, die im Übergang zur Vollprivatisierung begriffen sind und teilweise sogar an der Börse notiert sind, wie die Deutsche Post AG oder die Deutsche Telekom AG, vereinen staatlichen Anteilsbesitz und privaten Streubesitz.442 Zumindest bei den beiden letztgenannten Unternehmen hat der Staat von der Einräumung eines Entsendungsrechts aber keinen Gebrauch gemacht.443 Der Einsatz von Entsendungsrechten zugunsten öffentlich-rechtlicher Anteilseigner ist heute nicht mehr unproblematisch. Insbesondere muss spätestens seit dem „Volkswagen“-Urteil des EuGH444 die Frage aufgeworfen werden, ob nicht die Fortentwicklung des europäischen Rechts und insbesondere der europäischen 436 Siehe R. Schäfer/Roreger, Kommunale Aufsichtsratsmitglieder, S. 144 ff.; Bayer/ Hoffmann, AG-Report 2009, R347 f. mit einigen Beispielen. 437 Zu Entsendungsrechten im GmbH-Recht siehe unten Kap. 2, B. I. 438 Schürnbrand, in: MünchKomm AktG, Vor § 394 Rn. 4. 439 Schürnbrand, in: MünchKomm AktG, Vor § 394 Rn. 5. Siehe auch die Praxisbeispiele bei Bayer/Hoffmann, AG-Report 2009, R347, R348. 440 Siehe dazu ausführlich unten Kap. 4, A. 441 Vgl. Kropff, in: Bayer/Habersack, Aktienrecht im Wandel I, S. 780 ff. 442 Schürnbrand, in: MünchKomm AktG, Vor § 394 Rn. 7. 443 Vgl. die Ergebnisse der rechtstatsächlichen Untersuchung, unten Kap. 2, A. II. 444 EuGH, C 112/05 (Volkswagen), Slg. 2007, I-8995.

C. Zwecke des Entsendungsrechts

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Grundfreiheiten die überkommene Zielrichtung der staatlichen Privilegierung überholt hat.445 2. Unternehmensgründer, Gründerfamilien und Stiftungen Familiengesellschaften zeichnen sich durch die dominierende Stellung einer oder mehrerer (Gründer-)Familien aus, deren Mitglieder häufig selbst als Geschäftsführer bzw. Vorstände der Gesellschaft tätig sind.446 Auch Gesellschaften in der Hand einer einzelnen Gründerperson werden diesem Begriff zugeordnet.447 Zumeist weisen diese Gesellschaften gerade in ihrem Anfangsstadium einen nach außen abgeschlossenen Charakter auf, öffnen sich jedoch häufig im Zuge des Unternehmenswachstums einem breiteren Gesellschafterkreis und teilweise auch dem Kapitalmarkt.448 Als Gesellschaftsform für derartige Unternehmen kommt, gerade aufgrund der letztgenannten Möglichkeit sowie teilweise auch schlicht aus Image-Gründen, neben der GmbH auch die AG in Betracht.449 Die Unternehmensgründer (Einzelperson oder Familie) werden dabei regelmäßig darauf bedacht sein, sich einen dauerhaften und vom eigenen Kapitalanteil möglichst unabhängigen Einfluss auf die Unternehmensleitung zu sichern und gleichzeitig Fremdeinflüsse abzuwehren.450 Im Hinblick auf die Besetzung des Aufsichtsrats kann dies bis zu einem gewissen Grad über die Statuierung von Entsendungsrechten erreicht werden,451 wovon in der Praxis vielfach Gebrauch gemacht wird.452 Generell sind Mitglieder einer Unternehmerfamilie oder einer solchen nahestehende Personen in den Aufsichtsgremien mittelständischer Unternehmen stark vertreten.453 Vereinzelt bringen Unternehmensgründer bzw. deren Nachfahren ihr Vermögen in eine Stiftung ein, die ihr unternehmerisches Vermächtnis bewahren soll. Die Stiftung hält dann die früheren Anteile des Gründers an der jeweiligen Gesellschaft 445

Siehe dazu ausführlich unten Kap. 3, D. May, Sicherung des Familieneinflusses, S. 1; vgl. auch Ulrich, DB 2013, 1315 f. (mit Abgrenzung zum Begriff der mittelständischen Unternehmen); Hennerkes/May, NJW 1988, 2761. 447 Seibert, in: Seibert/Kiem/Schüppen, Hdb kleine AG, Rn. 1.32. 448 May, Sicherung des Familieneinflusses, S. 1. 449 Vgl. Seibert, in: Seibert/Kiem/Schüppen, Hdb kleine AG, Rn. 1.28 ff. 450 Vgl. Schaub, ZEV 1995, 82 ff. Zur Eignung von Entsendungsrechten zur Übernahmeabwehr siehe unten II. 451 Schaub, ZEV 1995, 82, 87; Simon, GmbHR 1999, 256, 259; May, Sicherung des Familieneinflusses, S. 127 ff.; Schürmann/Körfgen, Familienunternehmen, S. 90 f. Hiervon abratend allerdings Hennerkes/May, NJW 1988, 2761, 2762, da Interessenkonflikte durch Entsendungsrechte „lediglich auf eine andere Ebene transponiert“ würden. 452 Simons, in: Hölters, AktG, § 101 Rn. 24; Hopt/M. Roth, in: Großkomm AktG, § 101 Rn. 102; Lieder, ZHR 172 (2008), 306, 323; Simon, GmbHR 1999, 257, 259. Zu derartigen Gestaltungen bei börsennotierten Gesellschaften in der Praxis siehe unten Kap. 2, A. II. 453 Ulrich, DB 2013, 1315, 1317. 446

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Kap. 1: Grundlagen, historische Entwicklung, Zwecke des Entsendungsrechts

und ist durch ihre Satzung regelmäßig in besonderem Maße dem Fortbestand des Unternehmens verpflichtet. Aus diesem Grund kommen derartige Stiftungen auch als Inhaber von Entsendungsrechten in Frage, mit denen ein dauerhafter Einfluss auf die Gesellschaft sichergestellt werden kann. Bekanntestes Beispiel ist die KruppStiftung als größter Aktionär der ThyssenKrupp AG.454 3. Herrschende Unternehmen Auch innerhalb von Konzernstrukturen können Entsendungsrechte eingesetzt werden,455 um den Einfluss des herrschenden Unternehmens auf eine abhängige Gesellschaft zu gewährleisten. Handelt es sich um ein in Mehrheitsbesitz stehendes Unternehmen gem. § 16 Abs. 1 AktG, kann die Muttergesellschaft bei bestehender Stimmrechtsmehrheit den Aufsichtsrat bereits im Rahmen der Wahl nach ihren Vorstellungen besetzen. Entsendungsrechte können hier aber der zusätzlichen Absicherung des Einflusses dienen, etwa wenn die Kapitalbeteiligung später reduziert werden soll. Besteht lediglich eine Minderheitsbeteiligung, können Entsendungsrechte eingesetzt werden, um im Zusammenspiel mit der bestehenden Stimmrechtsmacht und gegebenenfalls weiteren Instrumenten einen beherrschenden Einfluss zu begründen.456 Auch können sich Minderheitsaktionäre, die gleichzeitig Kreditgeber der Gesellschaft sind, Entsendungsrechte als eine Art Sicherheit einräumen lassen.457 Entsprechend finden sich Entsendungsrechte bei abhängigen Gesellschaften besonders häufig.458 4. Venture-Capital-Geber Entsendungsrechte können auch in Start-Up-Unternehmen eingesetzt werden, um Venture-Capital-Gebern einen stärkeren Einfluss auf die Gesellschaft zu ermöglichen.459 Als „Venture-Capital“ bezeichnet man zumeist in der Anfangsphase eines Start-Up-Unternehmens der Technologiebranche außerbörslich gewährtes Eigenkapital.460 Venture-Capital-Gebern wird häufig eine Vertretung im Aufsichtsrat der Gesellschaft gewährt.461 In derartigen Fällen wird die Funktion des Entsendungsrechts als eine Art Gegenleistung für besondere Gesellschafterleistungen deutlich. Wer als Wagniskapitalgeber durch seine Finanzierungsleistung ein hohes wirtschaftliches Risiko eingeht, kann ein Entsendungsrecht quasi als Sicherheit verlangen, um auf die 454 455 456 457 458 459 460 461

Siehe zur satzungsmäßigen Ausgestaltung in diesem Fall unten Kap. 2, A. II. 2. a). Vgl. Möslein, AG 2007, 770, 771. Siehe dazu ausführlich unten Kap. 3, B. IX. 1. Möslein, AG 2007, 770, 771. C. W. Vogel, Aktienrecht und Aktienwirklichkeit, S. 140; siehe auch unten Kap. 2, A. Vgl. Bayer/Hoffmann, AG-Report 2009, R347, R348; Möslein, AG 2007, 770, 771. Weitnauer, NZG 2001, 1065. Weitnauer, NZG 2001, 1065, 1071; Möslein, AG 2007, 770, 771.

C. Zwecke des Entsendungsrechts

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weitere Entwicklung des Unternehmens eine gewissen Einfluss nehmen zu können.462 Offenbar werden derartige Gestaltungen bei Start-Up-Unternehmen aber ungern in der Satzung verankert, sondern bevorzugt in den jeweiligen Beteiligungsverträgen geregelt, um ihre Offenlegung zu vermeiden.463 Dies ist allerdings in der Aktiengesellschaft problematisch, da § 101 Abs. 2 AktG für Entsendungsrechte zwingend eine Satzungsregelung vorschreibt.464 Venture-Capital-Geber in Start-Ups in der Rechtsform der AG sind deshalb gut beraten, ihre Entsendungsrechte in der Satzung verankern zu lassen, da die Vereinbarungen anderenfalls unwirksam wären. Möglich bleibt freilich stets eine vertragliche Stimmbindungsabrede, die in ihrer Wirkung einem Entsendungsrecht nahe kommt. Ferner können zumindest „Bemühensverpflichtungen“ des Vorstands465 oder „Benennungsrechte“ gegenüber dem Aufsichtsrat vertraglich vereinbart werden, die diesen verpflichten, durch den Begünstigten benannte Personen der Hauptversammlung zur Wahl vorzuschlagen.466 5. Ankeraktionäre Als Ankeraktionäre werden gemeinhin Investoren bezeichnet, die größere Minderheitsbeteiligungen an einem Unternehmen halten und eine mittel- oder langfristige Anlagestrategie verfolgen.467 Sie sind zumeist daran interessiert, sich in die Unternehmensführung und insbesondere die strategische Ausrichtung des Unternehmens einzubringen und zu diesem Zwecke langfristige Partnerschaften mit der Unternehmensleitung einzugehen.468 In jüngerer Zeit scheint für viele Gesellschaften wieder ein Bedürfnis nach derartigen Investoren zu bestehen, um den Aktionärskreis zu stabilisieren und sich vor feindlichen Übernahmen zu schützen.469 In der Tagespresse ist insofern gar von einer „neuen Deutschland AG“ die Rede.470 Auch wenn dies überzogen erscheint, lässt sich doch ein gewisser Trend erkennen. Die übliche Beteiligungsquote eines Ankeraktionärs liegt im Bereich zwischen 5 % und knapp unter 30 % der Stimmrechte, wobei diese Obergrenze zur Vermeidung eines

462

Vgl. Möslein, AG 2007, 770, 771. Weitnauer, NZG 2001, 1065, 1071; Möslein, AG 2007, 770, 771. 464 Vgl. Kiem, AG 2009, 301, 309 zu entsprechenden Abreden in Investorenvereinbarungen; siehe zum Erfordernis der Satzungsregelung bereits oben Kap. 1, A. IV. 3. a). 465 Seibt/Wunsch, Der Konzern 2009, 195, 204 ff.; Schockenhoff/Culmann, ZIP 2015, 297, 301. 466 Weber-Rey/Reps, ZGR 2013, 597, 625. Dabei soll es dem Aufsichtsrat aber stets möglich bleiben, die benannten Kandidaten aus Gründen des Unternehmensinteresses abzulehnen. Ähnlich auch Kiem, AG 2009, 301, 309; Schockenhoff/Culmann, ZIP 2015, 297, 301. 467 Weber-Rey/Reps, ZGR 2013, 597, 602 f.; Schiessl, AG 2009, 385. 468 Vgl. Weber-Rey/Reps, ZGR 2013, 597, 603. 469 Schiessl, AG 2009, 385; Seibt/Wunsch, Der Konzern 2009, 195, 198 f. 470 Handelsblatt v. 24. 11. 2014, S. 1. 463

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Kap. 1: Grundlagen, historische Entwicklung, Zwecke des Entsendungsrechts

Pflichtangebots nach § 35 WpÜG in der Regel nicht überschritten wird.471 Als Ankeraktionäre kommen verschiedenste Großinvestoren in Frage, etwa wohlhabende Privatpersonen und Unternehmerfamilien, Stiftungen, Industrieunternehmen, Staatsfonds, Versicherungsgesellschaften und Kreditinstitute, aber auch Beteiligungsgesellschaften und Private-Equity-Fonds.472 Diese werden regelmäßig daran interessiert sein, durch eine Vertretung in den Organen unmittelbaren Einfluss auf die Gesellschaft nehmen zu können, insbesondere über den Aufsichtsrat.473 Auch wenn es bislang eher unüblich zu sein scheint und aufgrund der erforderlichen Dreiviertelmehrheit für eine Satzungsänderung eine hohe Zustimmungsrate im Kreis der übrigen Aktionäre voraussetzt,474 kann sich die Einräumung von Entsendungsrechten nach § 101 Abs. 2 AktG hierfür durchaus anbieten. Dies gilt insbesondere deshalb, weil für rechtlich bindende Abreden über die Aufsichtsratsbesetzung in den weithin üblichen Investorenvereinbarungen nur ein begrenzter Spielraum besteht.475 Auf die Rolle entsendungsberechtigter Ankeraktionäre unter Gesichtspunkten der Corporate Governance wird noch einzugehen sein.476

II. Übernahmeabwehr Die Erweiterung des eigenen Einflusses hat als Kehrseite zwangsläufig die Begrenzung fremder Einflüsse zur Folge. Soweit Entsendungsrechte also der Erweiterung des Einflusses einzelner Aktionäre dienen, bezwecken sie dabei stets auch die Abwehr von Fremdeinflüssen. Entsendungsrechte können insofern als Mittel zur Abwehr von Übernahmen eingesetzt werden: Durch sie wird verhindert, dass ein Übernahmeinteressent bzw. Bieter i.S.d. § 2 Abs. 4 WpÜG den Aufsichtsrat der Zielgesellschaft gänzlich nach seinen Vorstellungen neu besetzen kann, also zumindest sämtliche Anteilseignervertreter selbst bestimmen kann.477 Damit kann die 471

Weber-Rey/Reps, ZGR 2013, 597, 603. Nach Schiessl, AG 2009, 385 liegt die Größenordnung zwischen 10 % und 25 %. 472 Siehe Weber-Rey/Reps, ZGR 2013, 597, 603 f. und Schiessl, AG 2009, 385, 386 mit jeweils zahlreichen Beispielen aus der Praxis. 473 Kiem, AG 2009, 301, 303; Weber-Rey/Reps, ZGR 2013, 597, 624. 474 Vgl. Weber-Rey/Reps, ZGR 2013, 597, 624 f. („kaum je praktikabel“). Etwas anderes gilt freilich, wenn in der jeweiligen Gesellschaft von § 179 Abs. 2 S. 2 AktG Gebrauch gemacht wurde und das Mehrheitserfordernis für Satzungsänderungen herabgesetzt ist. 475 Vgl. Kiem, AG 2009, 301, 309 f.; Seibt/Wunsch, Der Konzern 2009, 195, 204 ff. Siehe auch bereits oben A. II. 1., IV. 2. c) und 3. a). Insbesondere kann ein echtes Entsendungsrecht nicht vertraglich vereinbart werden. Auch Vorschlagsrechte oder Benennungsrechte gegenüber dem Aufsichtsrat sind rechtlich nicht unproblematisch. Absprachen über die Besetzung des Aufsichtsrats haben daher zumeist nur faktische Wirkung, vgl. Weber-Rey/Reps, ZGR 2013, 597, 625. 476 Siehe unten Kap. 5, D. II. 477 Kießwetter, Abwehr von Übernahmen, S. 110; M. Herrmann, Zivilrechtliche Abwehrmaßnahmen, S. 80; Ulbricht, Abwehrmaßnahmen, S. 297; Möslein, AG 2007, 770, 772.

C. Zwecke des Entsendungsrechts

99

Umsetzung seiner unternehmerischen Absichten zumindest erschwert werden.478 Darüber hinaus kann bei einer (quasi-)paritätisch mitbestimmten Zielgesellschaft bereits das Bestehen eines einzigen Entsendungsrechts zugunsten eines die Übernahme ablehnenden Aktionärs den Einfluss des Bieters auf die Entscheidungsfindung im Aufsichtsrat und insbesondere die Vorstandsbesetzung vollständig ausschließen.479 Die entsandten Mitglieder können dann gemeinsam mit den Arbeitnehmervertretern den Vorstand der Zielgesellschaft gegen den Willen des Bieters neu besetzen, was einen besonders hohen Abschreckungseffekt haben dürfte.480 Zur Abwehr von Übernahmen soll es auch möglich sein, Entsendungsrechte unter der aufschiebenden Bedingung der Abgabe eines Übernahmeangebotes einzuräumen.481 Als geeignete Inhaber von Entsendungsrechten zum Zwecke der Übernahmeabwehr kommen neben den vorstehend genannten Aktionärstypen etwa auch Zulieferer oder Abnehmer der Zielgesellschaft sowie Versicherungsunternehmen in Betracht.482 Auch das der Krupp-Stiftung im Jahr 2007 eingeräumte Entsendungsrecht soll feindliche Übernahmen der ThyssenKrupp AG erschweren.483 Nach Möslein dienen Entsendungsrechte in börsennotierten Gesellschaften sogar allein der Übernahmeabwehr, da hier „kein Bedarf für eine leistungsgerechte Umverteilung von Einflussmacht“ bestehe.484 Ob dies zutrifft, darf angesichts der vielfältigen Gründe, die für einen erweiterten Einfluss bestimmter Aktionäre auch in der börsennotierten AG sprechen können,485 bezweifelt werden. Gleichwohl ist die Bedeutung des Entsendungsrechts als Übernahmehindernis nicht von der Hand zu weisen. Entsprechend wird die Zulässigkeit von Entsendungsrechten unter übernahmerechtlichen Gesichtspunkten und vor dem Hintergrund des sog. Marktes für Unternehmenskontrolle noch zu erörtern sein.486

478 Assmann/Bozenhardt, in: Assmann/Basaldua/Bozenhardt/Peltzer, Übernahmeangebote, S. 1, 138. 479 Kießwetter, Abwehr von Übernahmen, S. 110 f.; Ulbricht, Abwehrmaßnahmen, S. 298 f.; M. Herrmann, Zivilrechtliche Abwehrmaßnahmen, S. 80 f.; Assmann/Bozenhardt, in: Assmann/Basaldua/Bozenhardt/Peltzer, Übernahmeangebote, S. 1, 138 f.; vgl. auch Röh/Vogel, in: Haarmann/Schüppen, WpÜG, Vor §§ 33 ff. Rn. 73; Krause, AG 2002, 133, 142. 480 Ulbricht, Abwehrmaßnahmen, S. 298 f. 481 M. Herrmann, Zivilrechtliche Abwehrmaßnahmen, S. 81. Tatsächlich wird die bedingte oder befristete Einräumung von Entsendungsrechten für zulässig gehalten, siehe etwa Habersack, in: MünchKomm AktG, § 101 Rn. 60. 482 Vgl. M. Herrmann, Zivilrechtliche Abwehrmaßnahmen, S. 81. 483 Vgl. Bayer/Hoffmann, AG-Report 2009, R347; Möslein, AG 2007, 770, 772 f. 484 Möslein, AG 2007, 770, 772. 485 Vgl. dazu bereits oben I. sowie unten Kap. 5, D. II. 486 Siehe dazu unten Kap. 3, B. VII. und Kap. 5, F.

Kapitel 2

Entsendungsrechte im nationalen und internationalen Vergleich Entsendungsrechte bilden nach der Systematik des AktG eine Ausnahme vom Grundsatz der Wahl. Es stellt sich die Frage, inwieweit dies auch für ihre Verwendung in der Rechtspraxis gilt. Darüber soll eine rechtstatsächliche Untersuchung Aufschluss geben, deren Ergebnisse im Folgenden dargestellt werden. Anschließend wird der Frage nachgegangen, ob es sich bei Entsendungsrechten um ein spezifisches Phänomen des deutschen Aktienrechts handelt. Zu diesem Zweck werden entsprechende Gestaltungen bei der Organbestellung in anderen Formen der Kapitalgesellschaft in Deutschland sowie im ausländischen Aktienrecht dargestellt und mit der Regelung des § 101 Abs. 2 AktG verglichen.

A. Aktuelle Nutzung aktienrechtlicher Entsendungsrechte in der Praxis Über die Verbreitung von Entsendungsrechten in der Rechtspraxis gibt es bislang kaum belastbare Angaben. In der Literatur wird häufig konstatiert, ihre praktische Bedeutung sei gering.1 Andererseits findet sich die Aussage, Entsendungsrechte seien bei Familiengesellschaften durchaus verbreitet2 und kämen auch bei großen börsennotierten Unternehmen vor, wobei auf das Beispiel ThyssenKrupp verwiesen wird.3 Möslein hat gar die Vermutung geäußert, nach der Aufnahme von Entsendungsrechten in die Satzung der ThyssenKrupp AG im Jahr 2007 sei im Segment der börsennotierten Unternehmen ein „Boom“ zu erwarten.4 Es zeigt sich, dass über die Verwendung von Entsendungsrechten in der Aktienrechtspraxis weitgehende Unklarheit herrscht. Die vorliegende Arbeit verfolgt deshalb das Ziel, durch eine rechtstatsächliche Untersuchung genauere Erkenntnisse zu gewinnen. 1 von der Linden, in: Wilsing, DCGK, Präambel Rn. 32; ähnlich v. Werder, in: Ringleb/ Kremer/Lutter/v. Werder, DCGK, Präambel Rn. 107 („relativ selten“); Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, Rn. 14 („selten“); Schuster, Feindliche Übernahmen, S. 240 („in der Praxis nicht sehr häufig“). 2 Simons, in: Hölters, AktG, § 101 Rn. 24; ähnlich Hopt/M. Roth, in: Großkomm AktG, § 101 Rn. 102; Lieder, ZHR 172 (2008), 306, 323; Simon, GmbHR 1999, 257, 259. 3 Simons, in: Hölters, AktG, § 101 Rn. 24. 4 Möslein, AG 2007, 770, 772.

A. Aktuelle Nutzung aktienrechtlicher Entsendungsrechte in der Praxis

101

Die Verbreitung von Entsendungsrechten in der Praxis war Ende der 70er Jahre ein Gegenstand der empirischen Untersuchung deutscher Aktiengesellschaften durch C. W. Vogel.5 Nach der von ihm durchgeführten Umfrage, bei der Fragebögen an die Vorstände von ca. 600 Aktiengesellschaften mit 200 bis 2000 Arbeitnehmern gerichtet wurden,6 kannten 30 % aller Aktiengesellschaften ein satzungsmäßiges Entsendungsrecht. Besonders häufig waren sie hiernach in abhängigen Gesellschaften (46 %) und gemischtwirtschaftlichen Unternehmen (43 %); dagegen kannten – durchaus überraschend – nur 21 % der befragten Familiengesellschaften ein Entsendungsrecht.7 Der Aussagegehalt dieses 30 Jahre alten Zahlenmaterials ist heute freilich begrenzt. Eine neuerliche Untersuchung der tatsächlichen Gegebenheiten erscheint daher gerechtfertigt. Einige Rechtstatsachen zur Ausgestaltung von Entsendungsrechten finden sich ferner bei Bayer und Hoffmann,8 die allerdings lediglich einige ausgewählte Beispiele aus der Praxis darstellen.

I. Gegenstand und Methode der Untersuchung 1. Untersuchungsgegenstand Auch wenn Entsendungsrechte in geschlossenen Gesellschaften mutmaßlich am häufigsten vorkommen dürften, erscheint eine umfassende rechtstatsächliche Untersuchung – angesichts der etwa 16000 Aktiengesellschaften in Deutschland9 – kaum durchführbar. Denkbar wäre hier allenfalls eine stichprobenartige Umfrage unter ausgewählten Gesellschaften, wie sie auch von C. W. Vogel durchgeführt wurde. Abgesehen davon, dass der Aussagegehalt einer derartigen Erhebung bezweifelt werden darf und der damit verbundene Aufwand in keinem Verhältnis zum Wert einer solchen Erhebung stehen dürfte, würde eine derart aufwendige Herangehensweise den Rahmen der vorliegenden Arbeit sprengen. Die rechtstatsächliche Untersuchung bleibt daher auf die Auswertung der Satzungen der 160 größten deutschen börsennotierten Unternehmen beschränkt, also der im DAX, MDAX, TecDAX und SDAX gelisteten Werte. Für die Gruppe dieser wirtschaftlich besonders bedeutsamen Gesellschaften10 lassen sich verlässliche Aussagen über die Häufigkeit und Ausgestaltung von Entsendungsrechten treffen. Diese dürften bereits deshalb von Interesse sein, weil die Zulässigkeit von Entsen5

C. W. Vogel, Aktienrecht und Aktienwirklichkeit, insb. S. 139 ff. C. W. Vogel, Aktienrecht und Aktienwirklichkeit, S. 7. 7 C. W. Vogel, Aktienrecht und Aktienwirklichkeit, S. 140. Die Auswertung erfolgte auf Grundlage der Antworten von 295 Aktiengesellschaften. 8 Bayer/Hoffmann, AG-Report 2009, R347 ff. 9 Kornblum, GmbHR 2014, 694, 695 (Stand der Untersuchung: 1. 1. 2014). 10 Es handelt sich hierbei überwiegend, aber keineswegs ausschließlich um Aktiengesellschaften, siehe unten 2., Tabelle 1. 6

102

Kap. 2: Entsendungsrechte im nationalen und internationalen Vergleich

dungsrechten vor dem Hintergrund der europäischen Kapitalverkehrsfreiheit gerade im Bereich der börsennotierten Gesellschaften kontrovers diskutiert wird.11 2. Untersuchungsmethode Im Rahmen der rechtstatsächlichen Untersuchung wurden die Satzungen der insgesamt 160 im DAX, MDAX, TecDAX und SDAX gelisteten Gesellschaften eingesehen. Da Entsendungsrechte nach § 101 Abs. 2 AktG zwingend in der Satzung verankert werden müssen, lassen sich auf diese Weise eindeutige Aussagen zu ihrer Existenz innerhalb der Untersuchungsgruppe treffen.12 Tabelle 1 Untersuchungsgruppe Index

DAX

MDAX

TecDAX

SDAX

Gesamt

Anzahl Gesellschaften

30

50

30

50

160

AG

23

40

22

40

125

SE

3

7

4

6

20

KGaA

4*

-

1**

1***

6

AG (Schweiz)

-

-

1

-

1

AG (Österreich)

-

-

-

1

1

N.V. (Niederlande)

-

1

1

-

2

davon

plc (England)

-

-

1

1

2

S.A. (Luxemburg)

-

2

-

1

3

* Davon eine KGaA mit einer natürlichen Person als Komplementär, zwei AG & Co. KGaA und eine SE & Co. KGaA. – ** AG & Co. KGaA. – *** Stiftung & Co. KGaA (Stand: 31. 1. 2014).

Die Satzungen der betreffenden Gesellschaften lassen sich zum allergrößten Teil in digitalisierter Form auf den Internetseiten der jeweiligen Unternehmen einsehen, wo sie zumeist unter den Rubriken „Investor Relations“ oder „Corporate Governance“ zum Download angeboten werden.13 Wo dies nicht der Fall ist, wurden die betreffenden Unternehmen direkt kontaktiert und um die Übersendung ihrer aktuellen Satzungen zum Zwecke der beschriebenen Untersuchung gebeten. Durchgeführt wurde die Untersuchung im Zeitraum von Oktober 2013 bis einschließlich Januar 2014. Nachdem sämtliche nicht frei verfügbaren Satzungen 11

Siehe dazu ausführlich unten Kap. 3, D. I. Teilweise wird auch in der Entsprechenserklärung, dem Lagebericht oder der Erklärung zur Unternehmensführung auf Entsendungsrechte hingewiesen. Dies wird allerdings uneinheitlich gehandhabt und ist deshalb kaum verlässlich. Siehe zu den rechtlichen Anforderungen an die Offenlegung unten II. 3. 13 Dies trifft auf etwa 150 der 160 untersuchten Unternehmen zu. 12

A. Aktuelle Nutzung aktienrechtlicher Entsendungsrechte in der Praxis

103

eingegangen waren, wurden alle übrigen Satzungen erneut überprüft. Die nachfolgend dargestellten Ergebnisse stellen damit den Stand vom 31. Januar 2014 dar.

II. Ergebnisse 1. Verbreitung von Entsendungsrechten Die Auswertung der 160 untersuchten Satzungen hat bezüglich der Verbreitung satzungsmäßiger Entsendungsrechte folgendes Bild ergeben: Tabelle 2 Gesellschaften mit Entsendungsrechten Index

DAX

MDAX

TecDAX

SDAX

Gesamt

Anzahl Gesellschaften

30

50

30

50

160

davon Gesellschaften mit Entsendungsrechten

3

1

1

4

9

davon AG

2

1

1

3

7

SE

-

-

-

1

1

KGaA

1

-

-

-

1

Stand: 31. 1. 2014.

Danach bestehen lediglich in neun der 160 größten deutschen börsennotierten Gesellschaften Entsendungsrechte, was einem Anteil von weniger als 6 % entspricht. Es handelt sich dabei um sieben Aktiengesellschaften (5,6 % aller 125 AG), eine SE (5 % der 20 SE) sowie eine KGaA (16,7 % der sechs KGaA, gleichzeitig die einzige Gesellschaft mit einer natürlichen Person als Komplementär).14 Drei dieser Gesellschaften sind im DAX gelistet, womit der Anteil von Gesellschaften mit Entsendungsrechten innerhalb des wichtigsten deutschen Aktienindex immerhin 10 % beträgt. Auf den MDAX entfällt lediglich eine Gesellschaft (2 %), ebenso wie auf den TecDAX (3 %). Von den 50 im SDAX gelisteten Gesellschaften kennen vier ein satzungsmäßiges Entsendungsrecht (8 %). Fünf der neun Gesellschaften mit Entsendungsrechten unterliegen der unternehmerischen Mitbestimmung der Arbeitnehmer. In vier Gesellschaften gilt die (quasi-)paritätische Mitbestimmung nach dem MitbestG und in einer Gesellschaft das DrittelbG.15 Insbesondere in den vier (quasi-)paritätisch mitbestimmten Gesellschaften können die Entsendungsrechte im Einzelfall erhebliche Bedeutung er14

Siehe zu den einzelnen Gesellschaften auch unten 2. a), insb. Tabelle 3. Unter das MitbestG fallen die Merck KGaA, die ThyssenKrupp AG, die Volkswagen AG und die Jungheinrich AG. Für die Biotest AG gilt das DrittelbG. 15

104

Kap. 2: Entsendungsrechte im nationalen und internationalen Vergleich

langen, da die Arbeitnehmervertreter zusammen mit den entsandten Mitgliedern die Vertreter der Kapitalmehrheit überstimmen können.16 Die Zahlen belegen mithin die Einschätzung, dass Entsendungsrechte zumindest im Segment der börsennotierten Gesellschaften eher eine Seltenheit darstellen. Sie bleiben damit auch quantitativ eine Ausnahme vom ganz überwiegend gültigen Grundsatz der Wahl durch die Hauptversammlung. Gleichzeitig ist ihr Anteil aber nicht so verschwindend gering, dass man davon sprechen könnte, Entsendungsrechte kämen bei börsennotierten Gesellschaften praktisch nicht vor. Offensichtlich gibt es auch in diesem Bereich durchaus Bedarf für derartige Instrumente. Von einem „Boom“, wie ihn Möslein noch vor einigen Jahren prophezeit hat,17 kann allerdings keine Rede sein.18 2. Ausgestaltung a) Umfang, Form und Voraussetzungen der Entsendungsrechte Im Folgenden werden einige Merkmale der in der Rechtspraxis bestehenden Entsendungsrechte dargestellt, insbesondere der jeweilige Anteil der entsandten Vertreter im Aufsichtsrat der betreffenden Gesellschaften sowie Form und Voraussetzungen der Entsendungsrechte. Zu beachten ist, dass sich die angegebenen Zahlen, soweit nicht anders vermerkt, allein auf die Lage nach den zum Zeitpunkt der Untersuchung geltenden Satzungen beziehen. Inwieweit die bestehenden Entsendungsrechte auch ausgeübt wurden, findet in der Darstellung grundsätzlich keine Berücksichtigung. Auffällig ist zunächst, dass es sich ganz überwiegend um persönliche Entsendungsrechte handelt, bei denen ein bestimmter Aktionär als Berechtigter in der Satzung namentlich benannt wird.19 Lediglich bei der Merck KGaA und der Jungheinrich AG ist das Entsendungsrecht an die Inhaberschaft besonderer Namensaktien

16

Siehe dazu bereits oben Kap. 1, C. II.; zur Frage der Zulässigkeit solcher Konstellationen vor dem Hintergrund des Art. 14 GG unten Kap. 3, C. I.; zur Auswirkung auf den konzernrechtlichen Abhängigkeitstatbestand unten Kap. 3, B. IX. 17 Möslein, AG 2007, 770, 772. 18 Im Gegenteil haben manche Gesellschaften der Untersuchungsgruppe ehemals bestehende Entsendungsrechte mittlerweile abgeschafft. So besteht etwa nach der Umwandlung der früheren CEWE AG in die CEWE Stiftung & Co. KGaA im Jahr 2013 das ehemalige Entsendungsrecht für zwei Aufsichtsratsmitglieder nicht mehr. 19 Siehe § 9 Abs. 2 Satzung der ThyssenKrupp AG (Fassung vom 3. 12. 2013); § 11 Abs. 1 S. 2 Satzung der Volkswagen AG (Fassung vom Oktober 2013); § 8 Abs. 6 Satzung der Rational AG (Fassung vom 8. 5. 2013); § 8 Abs. 1 S. 2 Satzung der United Internet AG (Fassung vom 8. 2. 2013); § 9(a) Satzung der Biotest AG (Fassung vom 26. 6. 2013); § 9 Abs. 2 Satzung der Hawesko Holding AG (Fassung vom 14. 6. 2010); § 10 Abs. 1 S. 3 Satzung der Sixt SE (Fassung vom 20. 6. 2013).

A. Aktuelle Nutzung aktienrechtlicher Entsendungsrechte in der Praxis

105

Tabelle 3 Ausgestaltung der Entsendungsrechte Gesellschaft

Index

davon Aufsichtsrats- Aktionärs- davon Art des Entsenmitglieder vertreter entsandt dungsrechts

Merck KGaA

DAX

16

8

2*

aktiengebunden

ThyssenKrupp AG

DAX

20

10

3**

aktionärsgebunden

Volkswagen AG

DAX

20

10

2

aktionärsgebunden

Rational AG

MDAX 3

3

1

aktionärsgebunden

United Internet AG

TecDax 3

3

1

aktionärsgebunden

Biotest AG

SDAX

4

1***

aktionärsgebunden

6

Hawesko Holding AG

SDAX

6

6

2*

aktionärsgebunden

Jungheinrich AG

SDAX

12

6

2

aktiengebunden

Sixt SE

SDAX

3

3

1

aktionärsgebunden

* Laut Satzung wird „ein Drittel der Aufsichtsratsmitglieder“ entsandt. Bei sechs bzw. acht Aktionärsvertretern sind dies zwei Mitglieder. – ** Die Anzahl der entsandten Vertreter ist abhängig vom Kapitalanteil. Infolge einer Kapitalerhöhung dürfen seit Dezember 2013 nur noch zwei Aufsichtsratsmitglieder entsandt werden. – *** Die Anzahl der entsandten Vertreter ist abhängig vom Kapitalanteil und der Gesamtgröße des Aufsichtsrats. Wird dieser vergrößert, darf ggf. ein zweiter Vertreter entsandt werden (Stand: 31. 1. 2014).

geknüpft.20 Die überwiegende Verwendung persönlicher Entsendungsrechte deckt sich mit den Beobachtungen von Bayer und Hoffmann.21 In quantitativer Hinsicht wird die Höchstgrenze des § 101 Abs. 2 AktG zumeist voll ausgeschöpft: In acht der neun betreffenden Gesellschaften kann bis zu ein Drittel der Anteilseignervertreter entsandt werden. Besonderheiten bestehen aber etwa bei der ThyssenKrupp AG, wo die Zahl der zu entsendenden Aufsichtsratsmitglieder vom Anteilsbesitz der entsendungsberechtigten Krupp-Stiftung abhängig ist. Diese darf mit einem Kapitalanteil von 10 % ein Mitglied, mit 15 % zwei Mitglieder und mit 25 % drei Mitglieder des Aufsichtsrats entsenden.22 Zum Zeitpunkt der Untersuchung bestand dabei ferner die besondere Situation, dass der Anteilsbesitz der Stiftung infolge einer Kapitalerhöhung im Dezember 2013 auf 23 % gesunken war. Damit kann die Stiftung zukünftig nur noch zwei Aufsichtsratsmitglieder entsenden.23 Da auf der Hauptversammlung Anfang 2014 aber keiner ihrer

20

Siehe § 6 Abs. 5 Satzung der Merck KGaA (Fassung vom 26. 4. 2013); §§ 7 Abs. 3, 11 Abs. 1 S. 2 Satzung der Jungheinrich AG (Fassung vom 15. 6. 2011). 21 Vgl. Bayer/Hoffmann, AG-Report 2009, R347, R348. 22 § 9 Abs. 2 Satzung der ThyssenKrupp AG. Damit wird das Entsendungsrecht „gewissermaßen proportionalisiert“, so Bayer/Hoffmann, AG-Report 2009, R347, R350. 23 Siehe FAZ v. 4. 12. 2013, S. 12.

106

Kap. 2: Entsendungsrechte im nationalen und internationalen Vergleich

Vertreter abberufen wurde, verfügte die Stiftung weiterhin über drei Sitze im Aufsichtsrat.24 Auch die Entsendungsrechte des Landes Niedersachsen in der Volkswagen AG setzen laut Satzung voraus, dass das Land mindestens 15 % der Stammaktien der Gesellschaft hält. Hier können allerdings maximal zwei Anteilseignervertreter entsandt werden,25 während § 101 Abs. 2 AktG drei erlauben würde.26 Ähnliche Mindestanteilsquoten als Voraussetzung des Entsendungsrechts enthalten die Satzungen der United Internet AG (25 % des stimmberechtigten Grundkapitals)27 und der Hawesko Holding AG (10 % des gesamten Grundkapitals);28 bei der Merck KGaA, der Rational AG, der Jungheinrich AG und der Sixt SE bestehen dagegen keine Mindestanteilsvoraussetzungen.29 Wo derartige Klauseln existieren, werden der „Ewigkeitscharakter“ des Entsendungsrechts und damit seine besonders umfassende Wirkung durch die Satzung relativiert.30 Eine flexible Regelung besteht auch in der im SDAX notierten Biotest AG, bei der die Höchstzahl der zu entsendenden Aufsichtsratsmitglieder zum einen vom Kapitalanteil der berechtigten GmbH und zum anderen von der Gesamtgröße des Aufsichtsrats abhängig ist.31 Zudem setzt das Entsendungsrecht voraus, dass die berechtigte GmbH von der namentlich bezeichneten Gründerfamilie beherrscht wird.32 Ungewöhnlich ist ferner die Satzungsklausel, wonach die Verringerung der Aufsichtsratsgröße durch satzungsändernden Beschluss nicht der Zustimmung der entsendungsberechtigten GmbH bedarf.33 Hiermit wird der nach ganz h.M. bestehende Zustimmungsvorbehalt des Entsendungsberechtigten34 ausdrücklich abbedungen. Ob dies zulässig ist, wird noch zu klären sein.35 24 Erst mit der Hauptversammlung 2015 wurde die Besetzung angepasst: Ein entsandtes Mitglied, dessen Amtszeit endete, wurde von der Krupp-Stiftung erneut entsandt, während ein weiteres entsandtes Mitglied sein Amt niederlegte. Dieses wurde allerdings von der Hauptversammlung erneut in den Aufsichtsrat gewählt, vgl. ThyssenKrupp AG, Einladung zur HV 2015, S. 6 f. sowie Abstimmungsergebnisse, S. 4. 25 § 11 Abs. 1 S. 2 Satzung der Volkswagen AG. 26 Dass dieser Rahmen nicht ausgeschöpft wird, dürfte mit dem Entfallen des früheren, weiteren Entsendungsrechts der Bundesrepublik Deutschland zusammenhängen. Siehe dazu oben Kap. 1, B. III. 3. 27 § 8 Abs. 1 S. 5 Satzung der United Internet AG. 28 § 9 Abs. 2 Satzung der Hawesko Holding AG. 29 Vgl. § 6 Abs. 5 Satzung der Merck KGaA; § 8 Abs. 6 Satzung der Rational AG; §§ 7 Abs. 3, 11 Abs. 1 S. 2 Satzung der Jungheinrich AG; § 10 Abs. 1 S. 3 Satzung der Sixt SE. 30 Bayer/Hoffmann, AG-Report 2009, R347, R350. 31 § 9(a) Abs. 1 und 2 Satzung der Biotest AG. Siehe zu diesem Beispiel auch Bayer/ Hoffmann, AG-Report 2009, R347, R350, wo auch die entsprechenden Satzungsklauseln abgedruckt sind. 32 § 9(a) Abs. 4 Satzung der Biotest AG. 33 § 9(a) Abs. 3 Satzung der Biotest AG. 34 Mertens/Cahn, in: KölnKomm AktG, § 101 Rn. 61; Habersack, in: MünchKomm AktG, § 101 Rn. 57; Hopt/M. Roth, in: Großkomm AktG, § 101 Rn. 134; Drygala, in: Schmidt/Lutter,

A. Aktuelle Nutzung aktienrechtlicher Entsendungsrechte in der Praxis

107

Eine Ausnahme stellen auch die Satzungsbestimmungen der Merck KGaA und der Jungheinrich AG dar, wonach nicht nur ein Entsendungsrecht, sondern ausdrücklich auch eine Entsendungspflicht besteht.36 Ferner wird das Entsendungsrecht bei Merck für den Fall ausgeschlossen, dass der Inhaber der betreffenden Namensaktie zugleich ein persönlich haftender Gesellschafter der KGaA ist.37 Die Satzung orientiert sich damit an der ganz überwiegenden Ansicht, die eben diese Konstellation als unzulässig ansieht.38 b) Entsendungsberechtigte Die Untersuchung bestätigt, dass Entsendungsrechte in aller Regel nur der Gesellschaft besonders eng verbundenen Aktionären eingeräumt werden. Das bekannteste Beispiel dürfte das in der ThyssenKrupp AG bestehende Sonderrecht der Krupp-Stiftung sein.39 Besonders häufig stehen Entsendungsrechte daneben Unternehmensgründern bzw. deren Nachkommen oder langjährigen (Familien-)Gesellschaftern zu, wie etwa bei der Merck KGaA, der Rational AG, der United Internet AG, der Biotest AG, der Hawesko Holding AG, der Jungheinrich AG und der Sixt SE. Dies stützt die These, dass das Entsendungsrecht ein besonders beliebtes Gestaltungsinstrument bei Familiengesellschaften darstellt.40 Die Begünstigung öffentlichrechtlicher Anteilseigner wie bei der Volkswagen AG stellt dagegen die Ausnahme

AktG, § 101 Rn. 21; Spindler, in: Spindler/Stilz, AktG, § 101 Rn. 67. Siehe dazu auch unten Kap. 4, B. I. 1. 35 Siehe ausführlich unten Kap. 4, A. III. 4. 36 § 6 Abs. 5 S. 1 Satzung der Merck KGaA; § 7 Abs. 3 Satzung der Jungheinrich AG. Eine solche Entsendungspflicht besteht nach h.M. qua Gesetz gerade nicht, kann aber statuiert werden, siehe nur Habersack, in: MünchKomm AktG, § 101 Rn. 44, 60. Bayer/Hoffmann, AGReport 2009, R347, R350 beobachteten dies lediglich bei gemein- und gemischtwirtschaftlichen Gesellschaften. Offensichtlich besteht aber auch bei privaten Gesellschaften vereinzelt ein Bedürfnis hierfür. 37 § 6 Abs. 5 S. 2 Satzung der Merck KGaA. 38 Statt vieler Assmann/Sethe, in: Großkomm AktG, § 287 Rn. 6; siehe ausführlich unten B. III., insb. Fn. 243 und 244 m.w.N. 39 Diese soll gemäß ihrer Satzung „bei Entscheidungen, die sich auf ihre Beteiligung an der das Unternehmen Fried. Krupp fortführenden Kapitalgesellschaft beziehen, im Geiste des Stifters und seiner Vorfahren darauf achten, daß die Einheit dieses Unternehmens möglichst gewahrt und seine weitere Entwicklung gefördert wird.“ Siehe die Website der Krupp-Stiftung (http://www.krupp-stiftung.de), Die Stiftung, Stiftung und Firma (zuletzt abgerufen am 27. 4. 2015). 40 Die Untersuchung von C. W. Vogel, Aktienrecht und Aktienwirklichkeit, S. 140 hatte zwar einen unterdurchschnittlichen Anteil von Familiengesellschaften mit Entsendungsrechten ergeben (21 % gegenüber 30 % aller Gesellschaften). Der relativ hohe Durchschnittswert ergab sich hier jedoch aufgrund der großen Anteile von abhängigen und gemischtwirtschaftlichen Gesellschaften.

108

Kap. 2: Entsendungsrechte im nationalen und internationalen Vergleich

dar.41 Zuweilen steht mehreren Aktionären ein gemeinsames Entsendungsrecht zu, etwa bei der Rational AG.42 Auffällig ist, dass in mindestens vier der neun relevanten Gesellschaften der Inhaber des Entsendungsrechts zum Zeitpunkt der Untersuchung gleichzeitig Mitglied des Vorstands war.43 Dies erscheint zumindest nicht unproblematisch, da somit ein Vorstandmitglied über die Person seines eigenen Kontrolleurs entscheidet.44 Nach der herrschenden Auffassung soll dies indes zulässig sein.45 Auf das Problem wird an anderer Stelle noch einzugehen sein.46 3. Exkurs: Publizitätsaspekte Die Publizität von Entsendungsrechten ist jedenfalls insofern gewährleistet, als diese gem. § 101 Abs. 2 AktG ausdrücklich in der Satzung verankert sein müssen. Wie bereits dargestellt, sind die Satzungen der 160 untersuchten Gesellschaften mit Börsennotierung zum allergrößten Teil auf den offiziellen Internetseiten der Unternehmen verfügbar und können damit problemlos eingesehen werden. Wo dies nicht der Fall ist, wurden die Satzungen auf Anfrage in den meisten Fällen umgehend zur Verfügung gestellt; im Übrigen verbleibt stets die Möglichkeit der Einsichtnahme im Handelsregister. Fraglich ist darüber hinaus jedoch, inwieweit das Bestehen von Entsendungsrechten bei börsennotierten Gesellschaften auch anderweitig offengelegt werden muss. Hierfür kommen vor allem die Entsprechenserklärung nach § 161 AktG, der Lagebericht gem. § 289 HGB sowie die mit dem Lagebericht zu veröffentlichende Erklärung zur Unternehmensführung nach § 289a HGB in Betracht. Betrachtet man jedoch die veröffentlichen Berichte und Erklärungen von Gesellschaften, in denen Entsendungsrechte bestehen, so muss man feststellen, dass Hinweise auf die Exis-

41 Ein weiteres Beispiel hierfür, das allerdings bei Abschluss der Untersuchung nicht mehr zur Untersuchungsgruppe gehörte, ist die MVV Energie AG, die bis Dezember 2013 im SDAX gelistet war. Hier entsendet die Stadt Mannheim laut Satzung den Oberbürgermeister und den zuständigen Fachdezernenten in den 20-köpfigen Aufsichtsrat, siehe § 9 Abs. 1 S. 2 Satzung der MVV Energie AG (Fassung vom März 2013). 42 § 8 Abs. 6 S. 1 Satzung der Rational AG. 43 So in der Rational AG, der United Internet AG, der Hawesko Holding AG und der Sixt SE. 44 Vgl. Hopt/M. Roth, in: Großkomm AktG, § 101 Rn. 109, 125; Henssler, in: Henssler/ Strohn, GesR, AktG § 101 Rn. 9. 45 OLG Hamm, ZIP 2008, 1530, 1533; Habersack, in: MünchKomm AktG § 101 Rn. 32; Spindler, in: Spindler/Stilz, AktG, § 101 Rn. 49; Mertens/Cahn, in: KölnKomm AktG, § 101 Rn. 58; Simons, in: Hölters, AktG, § 101 Rn. 25; Seeling/Zwickel, BB 2008, 622, 624; wohl auch Drygala, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 101 Rn. 13. 46 Siehe unten Kap. 3, B. IV. 1. und Kap. 5, C. IV. 1.

A. Aktuelle Nutzung aktienrechtlicher Entsendungsrechte in der Praxis

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tenz von Entsendungsrechten in der Praxis offenkundig völlig uneinheitlich gehandhabt werden.47 a) Entsprechenserklärung nach § 161 AktG Der Entsprechenserklärung zum Deutschen Corporate Governance Kodex (DCGK), die gem. § 161 Abs. 1 AktG für börsennotierte Gesellschaften verpflichtend ist, kommt unter Publizitätsgesichtspunkten schon deshalb besondere Bedeutung zu, weil sie nach § 161 Abs. 2 AktG auf der Internetseite der Gesellschaft öffentlich zugänglich gemacht werden muss.48 Sofern also Entsendungsrechte hier erwähnt werden müssten, würde dies ein besonders hohes Maß an Publizität gewährleisten. Fraglich ist jedoch, ob sich aus § 161 AktG ein derartiges Erfordernis ergibt. Nach der Konzeption des DCGK als „comply or explain“-Modell haben Vorstand und Aufsichtsrat in der Entsprechenserklärung darzulegen, ob und in welchem Umfang die Empfehlungen des DCGK befolgt werden bzw. wurden.49 Gemäß § 161 Abs. 1 S. 1 AktG muss insbesondere erklärt werden, welche Empfehlungen nicht angewendet werden; die Abweichungen sind zudem zu begründen. Eine Offenlegung von Entsendungsrechten wäre mithin nur dann erforderlich, wenn ihr Bestehen den Empfehlungen des DCGK zuwiderläuft. Im Ergebnis ist dies indes nicht der Fall; zur Begründung sei auf die ausführliche Untersuchung an späterer Stelle verwiesen.50 Folglich müssen Entsendungsrechte in der Entsprechenserklärung nicht offengelegt werden. b) Lagebericht nach § 289 HGB Bei börsennotierten Gesellschaften besteht jedoch gem. § 289 Abs. 4 Nr. 4 HGB (bzw. bei Konzern-Mutterunternehmen gem. § 315 Abs. 4 Nr. 4 HGB) eine Pflicht zur Angabe der „Inhaber von Aktien mit Sonderrechten, die Kontrollbefugnisse verleihen“ im Lagebericht.51 Die Sonderrechte sind außerdem zu beschreiben. Unter 47

So finden sich entsprechende Hinweise teilweise in der Entsprechenserklärung und teilweise in der Erklärung zur Unternehmensführung. Zuweilen werden Entsendungsrechte in diesen Veröffentlichungen aber auch gar nicht erwähnt, obwohl sie laut Satzung bestehen. Noch problematischer erscheint, dass in einigen Erklärungen von einem von der Hauptversammlung gewählten Aufsichtsrat die Rede ist, obwohl dessen Mitglieder zum Teil entsandt werden. 48 Daneben ist sie als Bestandteil der Erklärung zur Unternehmensführung (§ 289a Abs. 2 Nr. 1 HGB) in den Lagebericht aufzunehmen und gem. § 325 HGB im Bundesanzeiger zu veröffentlichen, siehe Goette, in: MünchKomm AktG, § 161 Rn. 81. 49 Goette, in: MünchKomm AktG, § 161 Rn. 35. 50 Siehe unten Kap. 5, B. 51 Der auf die Bilanzrichtlinie zurückgehende Lagebericht ist nicht nur gem. § 170 Abs. 1 AktG dem Aufsichtsrat vorzulegen und gem. § 175 Abs. 2 AktG zur Einsicht der Aktionäre auszulegen (oder auf der Internetseite zugänglich zu machen), sondern auch beim Betreiber des Bundesanzeigers einzureichen und dort zu veröffentlichen (§ 325 Abs. 1 und 2 AktG), siehe Palmes, Lagebericht, S. 19 ff.; Lange, in: MünchKomm HGB, § 289 Rn. 43 ff.

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diese Vorschrift werden insbesondere Entsendungsrechte nach § 101 Abs. 2 AktG gefasst.52 Allerdings wirft der Wortlaut der Vorschrift („Inhaber von Aktien mit Sonderrechten“) die Frage auf, ob neben aktiengebundenen auch aktionärsgebundene bzw. persönliche Entsendungsrechte erfasst sind.53 Bei diesen ist das Sonderrecht nämlich nicht an eine oder mehrere bestimmte Aktien gebunden, sondern unmittelbar an die Person des Berechtigten. Sofern man § 289 Abs. 4 Nr. 4 HGB so versteht, dass die Sonderrechte zwingend mit bestimmten Aktien verbunden sein müssen,54 dürften persönliche Entsendungsrechte strenggenommen nicht unter die Norm fallen. Es findet sich in der Literatur jedoch auch die Formulierung, die Sonderrechte müssten mit „bestimmten Aktien oder bestimmten Aktieninhabern“ verbunden sein.55 Da auch die Inhaber eines persönlichen Entsendungsrechts in jedem Fall Aktionäre der Gesellschaft und damit „Aktieninhaber“ sein müssen, ließe sich bei diesem Verständnis auch diese Form des Entsendungsrechts unter § 289 Abs. 4 Nr. 4 subsumieren. Der Wortlaut der der Vorschrift zugrunde liegenden Übernahmerichtlinie56 hilft insofern nicht weiter.57 Eine enge Auslegung erscheint jedenfalls nicht zwingend, denn die knappe Formel „mit Sonderrechten“ kann sich nicht nur auf die „Aktien“, sondern auch insgesamt auf die „Inhaber von Aktien“ beziehen. Ein weites Verständnis entspricht auch dem Zweck der Übernahmerichtlinie, Abwehrstrukturen und -mechanismen umfassend offenzulegen.58 Insofern ist schlicht kein Grund ersichtlich, warum bei der Offenlegung von Entsendungsrechten zwischen aktiengebundenen und aktionärsgebundenen Rechten unterschieden werden sollte. Damit sind Entsendungsrechte gleich welcher Form unter Angabe der jeweils Berechtigten im Lagebericht anzugeben.

52 Begr. RegE Übernahmerichtlinie-Umsetzungsgesetz, BT-Drucks. 16/1003, S. 25; Lange, in: MünchKomm HGB, § 289 Rn. 142; Kleindiek, in: MünchKomm BilR, § 289 Rn. 123; Grottel, in: BeckBilKomm, § 289 Rn. 128; für den Konzernlagebericht auch Baetge/ Brüggemann/Haenelt, BB 2007, 1887, 1890 f. 53 Dies ist von erheblicher Relevanz, zumal in den untersuchten börsennotierten Gesellschaften mehrheitlich persönliche Entsendungsrechte bestehen, siehe oben 2. a). 54 Vgl. insofern etwa die Formulierung bei Merkt, in: Baumbach/Hopt, HGB, § 289 Rn. 4: „Inhaber von Sonderrechtsaktien, die Kontrollbefugnisse verleihen“. 55 Grottel, in: BeckBilKomm, § 289 Rn. 128. Dies ist wohl auch gemeint bei Lange, in: MünchKomm HGB, § 289 Rn. 142, wo von „bestimmten Aktien oder Aktieninhalten“ die Rede ist. Ein weites Verständnis suggeriert auch die Formulierung bei Kleindiek, in: MünchKomm BilR, § 289 Rn. 123: „Soweit Aktionären Sonderrechte zustehen, durch die sie Kontrollmöglichkeiten besitzen, ist dies […] anzugeben.“ 56 RL 2004/25/EG vom 21. 4. 2004 (ABl. EU L 241/12). 57 Auch hier ist in Art. 10 Abs. 1 lit. d von „Inhaber[n] von Wertpapieren mit besonderen Kontrollrechten“ bzw. in der englischsprachigen Fassung von „holders of any securities with special control rights“ die Rede. 58 Vgl. Erwägungsgrund 18 zur Übernahmerichtlinie; Palmes, Lagebericht, S. 71 ff.

A. Aktuelle Nutzung aktienrechtlicher Entsendungsrechte in der Praxis

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c) Erklärung zur Unternehmensführung nach § 289a HGB Die durch das BilMoG eingeführte Erklärung zur Unternehmensführung ist gem. § 289a Abs. 1 S. 1 HGB als gesonderter Abschnitt in den Lagebericht aufzunehmen. Alternativ kann sie nach § 289a Abs. 1 S. 2 HGB auf der Internetseite der Gesellschaft öffentlich zugänglich gemacht werden. Der erforderliche Inhalt der Erklärung zur Unternehmensführung ergibt sich aus § 289a Abs. 2 HGB. Neben der Erklärung gem. § 161 AktG hat sie danach „relevante Angaben zu Unternehmensführungspraktiken“ (§ 289a Abs. 2 Nr. 2 HGB) sowie „eine Beschreibung der Arbeitsweise von Vorstand und Aufsichtsrat sowie der Zusammensetzung und Arbeitsweise von deren Ausschüssen“ (§ 289a Abs. 2 Nr. 3 HGB) zu enthalten. Der Begriff „Unternehmensführungspraktiken“ bezieht sich dabei insbesondere auf solche Informationen, die auch ein unternehmensinterner Kodex ausfüllen könnte, etwa Ethik-, Arbeits- und Sozialstandards.59 Teilweise werden darunter auch Anforderungen an Unabhängigkeit und Qualifikation von Organmitgliedern gefasst.60 Die Modalitäten der Bestellung des Aufsichtsrats sowie dessen Zusammensetzung dürften jedoch nicht unter den Begriff der Unternehmensführungspraktiken fallen. Bei einem Entsendungsrecht handelt es sich nicht um eine bloße „Praxis“, sondern um eine grundlegende Organisationsvorschrift auf Satzungsebene.61 Ebenso wenig dürfte § 289a Abs. 2 Nr. 3 HGB einschlägig sein: Der Begriff der „Arbeitsweise“ erfasst typische Arbeitsabläufe und Verfahrensregelungen, insbesondere Geschäftsordnungen von Vorstand und Aufsichtsrat.62 Die Bestellung eines Organs ist aber von seiner tatsächlichen Arbeit klar abzugrenzen. Eine Beschreibung der Zusammensetzung wird gerade nicht für den gesamten Vorstand bzw. Aufsichtsrat verlangt, sondern lediglich für deren Ausschüsse. Die Zusammensetzung der Organe selbst ist dagegen bereits nach § 285 Nr. 10 HGB im Anhang zu veröffentlichen.63 Dieser wiederum verlangt aber lediglich eine Nennung der Mitglieder mit Namen, Beruf und Mitgliedschaft in weiteren Kontrollgremien, jedoch keine Angaben zu ihrer Bestellung. Weder aus § 285 Nr. 10 HGB, noch aus § 289a Abs. 2 Nr. 3 HGB ergibt sich folglich eine Pflicht zur Offenlegung von Entsendungsrechten. Festzuhalten bleibt damit: In börsennotierten Gesellschaften sind Entsendungsrechte im Lagebericht nach § 289 HGB bzw. im Konzernlagebericht nach § 315 59 Kleindiek, in: MünchKomm BilR, § 289a Rn. 17; Grottel/Röhm-Kottmann, in: BeckBilKomm, § 289a Rn. 19; Merkt, in: Baumbach/Hopt, HGB, § 289a Rn. 3; Bachmann, ZIP 2010, 1517, 1518. 60 Grottel/Röhm-Kottmann, in: BeckBilKomm, § 289a Rn. 19; Merkt, in: Baumbach/Hopt, HGB, § 289a Rn. 3. 61 Es können zwar Praktiken erfasst sein, die „aufgrund von Satzungsvorgaben gelten“, so Lange, in: MünchKomm HGB, § 289a Rn. 10. Eine Satzungsregelung selbst und eine diese ausfüllende Praxis sind aber klar zu unterscheiden. 62 Kleindiek, in: MünchKomm BilR, § 289a Rn. 21; Bachmann, ZIP 2010, 1517, 1520. 63 Kleindiek, in: MünchKomm BilR, § 289a Rn. 22; Merkt, in: Baumbach/Hopt, HGB, § 289a Rn. 4.

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Kap. 2: Entsendungsrechte im nationalen und internationalen Vergleich

HGB offenzulegen. Hier besteht folglich ein gegenüber der ohnehin gegebenen Satzungspublizität nochmals erhöhtes Maß an Transparenz.

III. Zusammenfassung und Würdigung Insgesamt hat die rechtstatsächliche Untersuchung gezeigt, dass Entsendungsrechte in börsennotierten (Aktien-)Gesellschaften selten sind, aber doch bei einer nicht zu vernachlässigenden Minderheit der Gesellschaften existieren. Es wäre mithin verfehlt, § 101 Abs. 2 AktG in diesem Segment jegliche praktische Relevanz abzusprechen. Zugleich kann jedoch kaum ein Trend zur Begründung von Entsendungsrechten bei börsennotierten Gesellschaften festgestellt werden. In beinahe 95 % der untersuchten Gesellschaften bleibt es beim Grundsatz, dass die Aktionärsvertreter im Aufsichtsrat von der Hauptversammlung gewählt werden. Auffällig ist die Verbreitung von Entsendungsrechten bei Unternehmen, die etwa durch Familien beherrscht werden oder unter dem maßgeblichen Einfluss ihrer Gründer stehen. Dies dürfte wiederum dafür sprechen, dass Entsendungsrechte bei kleineren und jüngeren Gesellschaften häufiger anzutreffen sind. Bei der Ausgestaltung der bestehenden Entsendungsrechte geht eine knappe Mehrheit der Gesellschaften über die gesetzlichen Mindestvoraussetzungen des § 101 Abs. 2 AktG hinaus und knüpft die Sonderrechte an zusätzliche Erfordernisse, insbesondere einen bestimmten Kapitalanteil. Zuweilen wird durch die Satzung auch eine zum Entsendungsrecht korrespondierende Entsendungspflicht statuiert. Diverse Gesellschaften belassen es jedoch bei der gesetzlichen Konzeption des § 101 Abs. 2 AktG.

B. Die Entsendung in anderen deutschen Gesellschaftsformen Entsendungsrechte kommen nicht nur in der Aktiengesellschaft, sondern auch in anderen Kapitalgesellschaftsformen zur Anwendung. Um Unterschiede und Gemeinsamkeiten aufzuzeigen, wird im Folgenden ein Überblick über die wesentlichen Regelungen der Entsendung in der GmbH, der KGaA und der SE gegeben.

I. GmbH Das GmbH-Recht kennt keinen dem § 23 Abs. 5 AktG entsprechenden Grundsatz der Satzungsstrenge. Vielmehr besteht nach dem gesetzlichen Leitbild der GmbH

B. Die Entsendung in anderen deutschen Gesellschaftsformen

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eine weitgehende inhaltliche Gestaltungsfreiheit.64 Danach können die Gesellschafter bzw. die Gesellschaftsgründer den Inhalt des GmbH-Gesellschaftsvertrags weitgehend frei bestimmen, mit Ausnahme einiger zwingender Vorgaben wie den Mindesterfordernissen nach § 3 Abs. 1 GmbHG oder den Vorschriften über die Kapitalaufbringung und -erhaltung (insb. §§ 5, 19, 30 – 32 GmbHG).65 Entsprechend existiert im GmbHG keine dem § 101 Abs. 2 AktG entsprechende Vorschrift, die Entsendungsrechte ausdrücklich zulässt, da es einer solchen aufgrund der weitgehenden Flexibilität und Disponibilität des GmbH-Rechts nicht bedarf. Anders als in der AG kommt daher in der GmbH sowohl die Entsendung von Geschäftsführern, als auch von Aufsichtsratsmitgliedern in Betracht. Ferner stellt sich hier die Frage, inwieweit auch gesellschaftsfremden Dritten Entsendungsrechte eingeräumt werden können. 1. Entsendung von Geschäftsführern a) Zulässigkeit von Entsendungsrechten für Gesellschafter Nach § 6 Abs. 3 S. 2 GmbHG können die GmbH-Geschäftsführer grundsätzlich auf zweierlei Art bestellt werden, nämlich entweder unmittelbar „im Gesellschaftsvertrag“ oder „nach Maßgabe der Bestimmungen des dritten Abschnitts“.66 Die erste Alternative bezieht sich vornehmlich auf die Berufung der ersten Geschäftsführer67 und ist rechtlich nichts anderes als ein einstimmiger Bestellungsbeschluss der Gesellschaftsgründer.68 Die zweite Alternative verweist auf § 46 Nr. 5 GmbHG, wonach im Regelfall die Gesellschafterversammlung für die Bestellung der Geschäftsführer zuständig ist.69 Wie sich aus § 45 Abs. 2 GmbHG ergibt, gilt dies jedoch nur, soweit der Gesellschaftsvertrag nicht anderes bestimmt.70 Daher kann die Bestellungskompetenz auch abweichend geregelt werden und nach allgemeiner Ansicht neben anderen Gesellschaftsorganen insbesondere auch einzelnen Gesellschaftern zugewiesen werden.71 Die Einräumung von Entsendungsrechten für ein64 Wicke, in: MünchKomm GmbHG, § 3 Rn. 1, 148; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/ Schmidt-Leithoff, GmbHG, § 3 Rn. 1. 65 Wicke, in: MünchKomm GmbHG, § 3 Rn. 1, 148 ff.; Fastrich, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 3 Rn. 4; Ulmer, in: FS Werner, S. 911. 66 Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, GmbHG, § 6 Rn. 35. 67 Goette, in: MünchKomm GmbHG, § 6 Rn. 56; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, GmbHG, § 6 Rn. 62. 68 Paegfen, in: Großkomm GmbHG, § 6 Rn. 64. 69 Goette, in: MünchKomm GmbHG, § 6 Rn. 60; Paefgen, in: Großkomm GmbHG, § 6 Rn. 72; Fastrich, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 6 Rn. 28; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, GmbHG, § 6 Rn. 59. 70 Fastrich, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 6 Rn. 28, 30; Oetker, in: Henssler/Strohn, GesR, GmbHG § 6 Rn. 50. 71 BGH, GmbHR 1973, 279 = WM 1973, 1295; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 46 Rn. 23; Goette, in: MünchKomm GmbHG, § 6 Rn. 60; Paefgen, in: Großkomm GmbHG,

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zelne Gesellschafter oder Gesellschaftergruppen ist also ohne weiteres möglich.72 Hierin liegt ein wesentlicher Unterschied zur Rechtslage in der AG, wo die Entsendung von Vorstandsmitgliedern schlechthin ausgeschlossen ist. Auch bei den GmbH-rechtlichen Entsendungsrechten soll es sich um Sonderrechte handeln, die nur mit Zustimmung des Berechtigten wieder entzogen werden können.73 Sie können als anteilsgebundene oder personengebundene Rechte ausgestaltet werden.74 Anders als nach § 101 Abs. 2 AktG besteht keine zahlenmäßige Begrenzung der Entsendungsmandate. So kann bestimmten Gesellschaftern die Bestellung einzelner, aber auch aller Geschäftsführer übertragen werden.75 Die Entsendungsrechte müssen jedoch auch bei der GmbH im Gesellschaftsvertrag verankert sein (vgl. § 45 Abs. 2 GmbHG), da es anderenfalls bei der Kompetenzregelung des § 46 Nr. 5 GmbHG verbleibt.76 Eine Besonderheit besteht im GmbHRecht bei der nachträglichen Einführung von Entsendungsrechten: Da hierdurch zwangsläufig das Stimmrecht verkürzt wird, soll die Zustimmung sämtlicher benachteiligter (also stimmberechtigter) Gesellschafter erforderlich sein.77 Neben Entsendungsrechten können auch Vorschlagsrechte mit abgestufter Bindungswirkung für die Gesellschafterversammlung eingeräumt werden, namentlich Benennungsrechte (Ablehnung des Vorgeschlagenen nur aus sachlichem Grund) und

§ 6 Rn. 79 f.; Fastrich, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 6 Rn. 30; Tebben, in: Michalski, GmbHG, § 6 Rn. 61; Oetker, in: Henssler/Strohn, GesR, GmbHG § 6 Rn. 51; C. Schäfer, in: Bork/Schäfer, GmbHG, § 6 Rn. 16; Cramer, NZG 2011, 171. 72 Vgl. Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, GmbHG, § 6 Rn. 59, der als einer der wenigen den Begriff Entsendungsrechte verwendet. Zumeist werden entsprechende Rechte in der GmbH als Bestellungs-, Bestimmungs- oder Ernennungsrechte bezeichnet, vgl. etwa Cramer, NZG 2011, 171; U. H. Schneider/S. H. Schneider, in: Scholz, GmbHG, § 6 Rn. 79; Paegfen, in: Großkomm GmbHG, § 6 Rn. 81; Aker, Sonderrechte, S. 194 ff. Dies lässt sich wohl damit erklären, dass im GmbH-Recht, anders als im AktG, keine klare Unterscheidung der Bestellungsformen „Wahl“ und „Entsendung“ getroffen wird. In der Sache besteht jedoch kein Unterschied, vgl. Aker, Sonderrechte, S. 49 (mit Fn. 263) sowie die obige Begriffsbestimmung unter Kap. 1, A. I. 73 Vgl. U. H. Schneider/S. H. Schneider, in: Scholz, GmbHG, § 6 Rn. 79, 85; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, GmbHG, § 6 Rn. 59, 66. Zurückhaltender allerdings Tebben, in: Michalski, GmbHG, § 6 Rn. 61 und Paefgen, in: Großkomm GmbHG, § 6 Rn. 80: Danach kann es sich um Sonderrechte handeln, was aber im Einzelfall durch Satzungsauslegung zu ermitteln ist. Siehe dazu auch unten Kap. 4, A. II. 3. 74 U. H. Schneider/S. H. Schneider, in: Scholz, GmbHG, § 6 Rn. 79. 75 Paefgen, in: Großkomm GmbHG, § 6 Rn. 80; Fastrich, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 6 Rn. 30; Goette, in: MünchKomm GmbHG, § 6 Rn. 60. 76 Oetker, in: Henssler/Strohn, GesR, GmbHG § 6 Rn. 50. 77 Für Entsendungsrechte in den Aufsichtsrat Spindler, in: MünchKomm GmbHG; § 52 Rn. 128; Heermann, in: Großkomm GmbHG, § 52 Rn. 42; U. H. Schneider, in: Scholz, GmbHG, § 52 Rn. 220; Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 52 Rn. 42; Simon, GmbHR 1999, 257, 259. Für Entsendungsrechte in die Geschäftsführung kann insofern nichts anderes gelten. Siehe zu dieser Frage auch unten Kap. 3, B. I. 2. d).

B. Die Entsendung in anderen deutschen Gesellschaftsformen

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sog. Präsentationsrechte (Ablehnung nur aus wichtigem Grund i.S.d. § 38 Abs. 2 GmbHG).78 Zu beachten ist, dass die dargelegten Grundsätze nicht in Gesellschaften gelten, die dem MitbestG oder der Montan-Mitbestimmung unterliegen. Hier sind die Geschäftsführer, wie auch in der AG, zwingend durch den Aufsichtsrat zu bestellen (§ 31 MitbestG, § 12 Montan-MitbestG, § 13 MitbestErgG). Entsendungsrechte sind damit ausgeschlossen. Für Gesellschaften mit fakultativem Aufsichtsrat und solche im Anwendungsbereich des DrittelbG gelten dagegen keine Einschränkungen.79 b) Abberufung Neben der Bestellungskompetenz kann auch die Abberufungskompetenz, die ansonsten ebenfalls der Gesellschafterversammlung zusteht, auf einzelne Gesellschafter übertragen werden.80 Betrifft eine Klausel im Gesellschaftsvertrag ausdrücklich nur die Bestellung, so wird vermutet, dass die Kompetenzzuweisung auch für die Abberufung gilt.81 Im Zweifel ist ein entsendungsberechtigter Gesellschafter danach auch zur Abberufung des Entsandten zuständig.82 Die freie Abberufbarkeit durch die Gesellschafterversammlung ist dagegen ausgeschlossen, da anderenfalls das Entsendungsrecht leer laufen würde.83 Zu beachten ist allerdings, dass in bestimmten Fällen auch bei ausdrücklicher Kompetenzübertragung eine Ersatzzuständigkeit der Gesellschafterversammlung verbleibt. Dies ist anerkanntermaßen dann der Fall, wenn das mit der Abberufung betraute Organ handlungsunfähig wird.84 Umstritten ist dagegen, ob die Gesellschafterversammlung darüber hinaus stets zur Abberufung aus wichtigem Grund befugt bleibt. Teile der Literatur gehen auch hier generell von einer zwingenden Ersatzzuständigkeit der Gesellschafterversammlung 78 Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 46 Rn. 25; Paefgen, in: Großkomm GmbHG, § 6 Rn. 80; Aker, Sonderrechte, S. 189 ff.; Cramer, NZG 2011, 171. 79 Oetker, in: Henssler/Strohn, GesR, GmbHG § 6 Rn. 48 f.; Fastrich, in: Baumbach/ Hueck, GmbHG, § 6 Rn. 29; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 6 Rn. 24. 80 OLG Düsseldorf, GmbHR 1990, 219 = NJW 1990, 1122; Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 38 Rn. 3; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, GmbHG, § 38 Rn. 12; Koppensteiner/Gruber, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, GmbHG, § 38 Rn. 5 f.; Jacoby, in: Bork/ Schäfer, GmbHG, § 38 Rn. 11; Aker, Sonderrechte, S. 200. 81 Jacoby, in: Bork/Schäfer, GmbHG, § 38 Rn. 11; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, GmbHG, § 38 Rn. 12; Koppensteiner/Gruber, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, GmbHG, § 38 Rn. 6. 82 Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 38 Rn. 3. Da es an einer § 103 Abs. 1 und 2 AktG entsprechenden ausdrücklichen Regelung fehlt, empfiehlt es sich dennoch, den Gleichlauf von Bestellungs- und Abberufungskompetenz im Gesellschaftsvertrag zur Sicherheit klarzustellen. 83 Vgl. Oetker, in: Henssler/Strohn, GesR, GmbHG § 38 Rn. 13. 84 BGHZ 12, 337, 340 = NJW 1954, 799; BGH, DB 1970, 389, 390 = WM 1970, 249, 251; Jacoby, in: Bork/Schäfer, GmbHG, § 38 Rn. 12; Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 38 Rn. 3.

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Kap. 2: Entsendungsrechte im nationalen und internationalen Vergleich

aus.85 Die Gegenansicht differenziert: Soweit es um die Übertragung der Abberufungskompetenz auf ein bestimmtes Gesellschaftsorgan geht (z. B. Aufsichtsrat oder Beirat), soll diesem auch die Entscheidung über das Vorliegen eines wichtigen Grundes zustehen.86 Dies wird teilweise damit begründet, dass die Gesellschafter das Bestellungsorgan notfalls im Wege der Satzungsänderung wieder abschaffen könnten.87 Im Falle mitgliedschaftlicher Sonderrechte einzelner Gesellschafter wollen jedoch auch die Vertreter dieser Ansicht das Recht zur Abberufung aus wichtigem Grund der Gesellschafterversammlung vorbehalten.88 Somit scheint es allgemeiner Auffassung zu entsprechen, dass die Gesellschafterversammlung auch bei Bestehen eines Entsendungsrechts das unabdingbare Recht zur Abberufung sämtlicher Geschäftsführer aus wichtigem Grund behält. Das Entsendungsrecht ist mithin in dieser Hinsicht geringfügig „schwächer“ ausgestaltet als dasjenige in der AG, wo die Abberufung entsandter Aufsichtsratsmitglieder aus wichtigem Grund zumindest einen gerichtlichen Beschluss erfordert (§ 103 Abs. 3 AktG). c) Weisungsrecht Anders als der Vorstand der AG (vgl. § 76 Abs. 1 AktG) unterliegen GmbHGeschäftsführer nach § 37 Abs. 1 GmbHG umfassend den Weisungen der Gesellschafter.89 Insofern machen Entsendungsrechte faktisch nur dann Sinn, wenn diese Weisungskompetenz der Gesellschaftermehrheit ebenfalls abbedungen werden kann. Anderenfalls wäre es entsandten Geschäftsführern kaum möglich, im Konfliktfall die Interessen des Entsendungsberechtigten zu vertreten. Nach wohl allgemeiner Ansicht kann indes auch das Weisungsrecht an andere Organe oder Personen delegiert werden.90 Somit ist es grundsätzlich möglich, ein Entsendungsrecht 85 Koppensteiner/Gruber, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, GmbHG, § 38 Rn. 17; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, GmbHG, § 38 Rn. 13; Flume, Juristische Person, § 7 I 2, S. 192. 86 Jacoby, in: Bork/Schäfer, GmbHG, § 38 Rn. 12; Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 38 Rn. 25; Paefgen, in: Großkomm GmbHG, § 38 Rn. 151; Kleindiek, in: Lutter/ Hommelhoff, GmbHG, § 38 Rn. 16; U. H. Schneider/S. H. Schneider, in: Scholz, GmbHG, § 38 Rn. 23; Terlau, in: Michalski, GmbHG, § 38 Rn. 18; differenzierend Stephan/Tieves, in: MünchKomm GmbHG, § 38 Rn. 31. 87 Paefgen, in: Großkomm GmbHG, § 38 Rn. 151. 88 U. H. Schneider/S. H. Schneider, in: Scholz, GmbHG, § 38 Rn. 23; Paefgen, in: Großkomm GmbHG, § 38 Rn. 152; Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 38 Rn. 25; Terlau, in: Michalski, GmbHG, § 38 Rn. 16. Im Ergebnis auch Stephan/Tieves, in: MünchKomm GmbHG, § 38 Rn. 31, wonach sich die Gesellschafterversammlung „der Möglichkeit der Abberufung aus wichtigem Grund nicht völlig begeben“ darf. Kleindiek, in: Lutter/ Hommelhoff, GmbHG, § 38 Rn. 16, und Jacoby, in: Bork/Schäfer, GmbHG, § 38 Rn. 12, äußern sich in dieser Hinsicht nicht. 89 Jacoby, in: Bork/Schäfer, GmbHG, § 37 Rn. 10; U. H. Schneider/S. H. Schneider, in: Scholz, GmbHG, § 37 Rn. 37. 90 Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 37 Rn. 19; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, GmbHG, § 37 Rn. 15; Koppensteiner/Gruber, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, GmbHG, § 37 Rn. 30.

B. Die Entsendung in anderen deutschen Gesellschaftsformen

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im Gesellschaftsvertrag mit einem entsprechenden Weisungsrecht des entsendungsberechtigten Gesellschafters zu kombinieren. Die entscheidende Frage ist jedoch, ob damit gleichzeitig das Weisungsrecht der übrigen Gesellschafter verdrängt wird. Teilweise wird dies ausdrücklich für zulässig gehalten.91 Bei einer Klausel, die die Weisungskompetenz überträgt, sei durch Auslegung zu ermitteln, inwieweit die Verdrängung der Zuständigkeit der Gesellschafterversammlung intendiert ist.92 Es wird jedoch gleichzeitig darauf hingewiesen, dass es dem Grundsatz der Verbandssouveränität widerspräche, den Gesellschaftern jeglichen Einfluss auf die Geschäftsführung dauerhaft zu entziehen.93 Entsprechend wird teilweise vertreten, den Gesellschaftern müsse ein subsidiäres Weisungsrecht erhalten bleiben oder aber die Übertragung durch einfachen Beschluss revidiert werden können.94 Sofern das Weisungsrecht einem einzelnen Gesellschafter – im Gegensatz zu einem gesellschaftsfremden Dritten – zusteht, dürfte der Grundsatz der Verbandssouveränität allerdings gar nicht berührt sein, da dieser den Selbstschutz der Gesellschaft vor Außeneinflüssen verwirklicht.95 Es zeigt sich dennoch, dass die Grenzen der Gestaltungsfreiheit und damit Reichweite und faktische Effektivität von Entsendungsrechten im Einzelnen unklar sind. 2. Entsendung von Aufsichtsratsmitgliedern a) Zulässigkeit von Entsendungsrechten für Gesellschafter In der mitbestimmungsfreien GmbH ist ein Aufsichtsrat als Überwachungsorgan nur dann zu bestellen, wenn der Gesellschaftsvertrag dies vorsieht. § 52 Abs. 1 GmbHG verweist für den fakultativen Aufsichtsrat zwar gerade nicht auf § 101 Abs. 2 AktG; die Aufzählung ist jedoch angesichts der Gestaltungsfreiheit im Gesellschaftsvertrag nicht abschließend, weswegen auch der Rückgriff auf andere Normen zulässig ist.96 Entsprechend sind auch Entsendungsrechte einzelner Gesellschafter in den fakultativen GmbH-Aufsichtsrat zulässig.97 Hierbei gilt mangels 91

Paefgen, in: Großkomm GmbHG, § 37 Rn. 35; Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 37 Rn. 26; Stephan/Tieves, in: MünchKomm GmbHG, § 37 Rn. 114. 92 Jacoby, in: Bork/Schäfer, GmbHG, § 37 Rn. 11; Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 37 Rn. 19. 93 Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 37 Rn. 19; Jacoby, in: Bork/Schäfer, GmbHG, § 37 Rn. 11. 94 Für die Übertragung des Weisungsrechts auf einen Beirat Konzen, NJW 1989, 2977, 2980; siehe auch U. H. Schneider/S. H. Schneider, in: Scholz, GmbHG, § 37 Rn. 40 m.w.N. 95 Vgl. Wiedemann, in: FS Schilling, S. 105, 111. Siehe zum Sonderfall der Entsendung durch Dritte unten 3. 96 Koppensteiner/Schnorbus, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, GmbHG, § 52 Rn. 7. 97 Spindler, in: MünchKomm GmbHG, § 52 Rn. 128; U. H. Schneider, in: Scholz, GmbHG, § 52 Rn. 220; Heermann, in: Großkomm GmbHG, § 52 Rn. 42; Lutter, in: Lutter/ Hommelhoff, GmbHG, § 52 Rn. 6; Rieble, in: Bork/Schäfer, GmbHG, § 52 Rn. 98; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, GmbHG, § 52 Rn. 10; Aker, Sonderrechte, S. 198 f.

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Kap. 2: Entsendungsrechte im nationalen und internationalen Vergleich

Verweis in § 52 Abs. 1 GmbHG nicht die Höchstgrenze des § 101 Abs. 2 S. 4 AktG, sodass auch für mehr als ein Drittel der Aufsichtsratssitze Entsendungsrechte begründet werden können98 und sogar sämtliche Mitglieder entsandt werden können.99 Das Entsendungsrecht kann wie üblich als anteilsgebundenes oder personengebundenes Recht ausgestaltet werden.100 Wird es nachträglich eingeführt, soll angesichts der damit einhergehenden Verkürzung des Stimmrechts die Zustimmung aller benachteiligten Gesellschafter erforderlich sein.101 Dies wird für aktienrechtliche Entsendungsrechte von der ganz herrschenden Meinung nicht gefordert.102 Im Bereich mitbestimmter Gesellschaften muss differenziert werden: Fällt eine GmbH unter das MitbestG, so gelten die obigen Ausführungen uneingeschränkt auch bezüglich der Anteilseignervertreter im obligatorischen Aufsichtsrat nach § 6 MitbestG.103 Dagegen verweist § 1 Abs. 1 Nr. 3 DrittelbG auf die §§ 95 bis 114 AktG und damit auch auf § 101 Abs. 2 AktG. Teilweise wird deshalb vertreten, für den obligatorischen Aufsichtsrat nach dem DrittelbG gelte die Höchstgrenze des § 101 Abs. 2 S. 4 AktG, sodass Entsendungsrechte für maximal ein Drittel der Anteilseignervertreter begründet werden könnten.104 Überwiegend wird dies allerdings nicht für zwingend erachtet, da die unternehmerische Mitbestimmung hierdurch nicht beeinträchtigt sei und die Rechtslage nach dem DrittelbG nicht strenger sein könne als unter dem MitbestG.105 MontanMitbestG und MitbestErgG spielen für die GmbH praktisch keine Rolle.106 Obwohl der Sonderrechtscharakter eines Entsendungsrechts in den GmbHAufsichtsrat unbestritten sein dürfte,107 wird in der GmbH-rechtlichen Literatur allgemein vertreten, dass das Sonderrecht auch ohne Zustimmung des Berechtigten

98 Heermann, in: Großkomm GmbHG, § 52 Rn. 42; U. H. Schneider, in: Scholz, GmbHG, § 52 Rn. 221; Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 52 Rn. 42; Giedinghagen, in: Michalski, GmbHG, § 52 Rn. 90. 99 Simon, GmbHR 1999, 257, 263. 100 Giedinghagen, in: Michalski, GmbHG, § 52 Rn. 91; Heermann, in: Großkomm GmbHG, § 52 Rn. 42; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, GmbHG, § 52 Rn. 10. 101 Spindler, in: MünchKomm GmbHG; § 52 Rn. 128; Heermann, in: Großkomm GmbHG, § 52 Rn. 42; U. H. Schneider, in: Scholz, GmbHG, § 52 Rn. 220; Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 52 Rn. 42; Simon, GmbHR 1999, 257, 259. 102 Siehe dazu näher unten Kap. 3, B. I. 2. d). 103 Vgl. Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 52 Rn. 290; Spindler, in: MünchKomm GmbHG, § 52 Rn. 150; U. H. Schneider, in: Scholz, GmbHG, § 52 Rn. 239. 104 Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 52 Rn. 177. 105 Koppensteiner/Schnorbus, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, GmbHG, § 52 Rn. 60; Spindler, in: MünchKomm GmbHG, § 52 Rn. 145; U. H. Schneider, in: Scholz, GmbHG, § 52 Rn. 232; Giedinghagen, in: Michalski, GmbHG, § 52 Rn. 97a; wohl auch Heermann, in: Großkomm GmbHG, § 52 Rn. 186. 106 Vgl. Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 52 Rn. 309 ff. 107 Giedinghagen, in: Michalski, GmbHG, § 52 Rn. 91; Spindler, in: MünchKomm GmbHG, § 52 Rn. 128; U. H. Schneider, in: Scholz, GmbHG, § 52 Rn. 220.

B. Die Entsendung in anderen deutschen Gesellschaftsformen

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ausnahmsweise entzogen werden könne, wenn ein wichtiger Grund vorliegt.108 Diese Ansicht scheint ihren Ursprung in der Problematik von Sonderrechten auf unmittelbare Organstellung zu haben, bei denen der Sonderrechtscharakter mit der Abberufungskompetenz der Gesellschafterversammlung aus wichtigem Grund in Konflikt gerät.109 Ob dies in dem Sinne verallgemeinert werden kann, dass nicht nur entsandte Mitglieder aus wichtigem Grund abberufen werden können,110 sondern auch das Entsendungsrecht ohne Zustimmung abgeschafft werden kann, erscheint zumindest fraglich.111 Auf die Frage wird im Rahmen der Untersuchung des Sonderrechtscharakters aktienrechtlicher Entsendungsrechte zurückzukommen sein.112 b) Abberufung Nach ganz herrschender Ansicht sollen entsandte Aufsichtsratsmitglieder auch in der GmbH vom Entsendungsberechtigten jederzeit abberufen werden können, was sich aus einer entsprechenden Anwendung des § 103 Abs. 2 S. 1 AktG ergebe.113 Eine Analogie ist indes mangels Regelungslücke in § 52 Abs. 1 GmbHG nur schwer zu begründen.114 Überzeugender erscheint daher der Gedanke einer ergänzenden Satzungsauslegung,115 da es mangels anderslautender Klauseln dem Willen der Gesellschafter entsprechen dürfte, sich zumindest an den grundlegenden entsen-

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Heermann, in: Großkomm GmbHG, § 52 Rn. 42; Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 52 Rn. 42; allgemein für Sonderrechte auch Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, GmbHG, § 52 Rn. 21; Raiser, in: Großkomm GmbHG, § 14 Rn. 34; Seibt, in: Scholz, GmbHG, § 14 Rn. 27; Reichert/Weller, in: MünchKomm GmbHG, § 14 Rn. 110; Ebbing, in: Michalski, GmbHG, § 14 Rn. 87; Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, GmbHG, § 14 Rn. 36; Fastrich, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 14 Rn. 19; Flume, Juristische Person, § 7 I 2, S. 192; Wolany, Rechte und Pflichten, S. 180 f.; Rücker, Entziehung von Sonderrechten, S. 90 ff.; Aker, Sonderrechte, S. 254 ff. 109 Vgl. etwa Raiser, in: Großkomm GmbHG, § 14 Rn. 34. 110 Siehe dazu im Rahmen der Entsendung von Geschäftsführern bereits oben 1. b). 111 Bezeichnend ist insofern auch, dass die entsprechende Ansicht sich auf die Entscheidung OLG Düsseldorf, GmbHR 1990, 219 = NJW 1990, 1122 beruft, in der es überhaupt nicht um den Entzug eines Sonderrechts geht, sondern lediglich um die Abberufung eines aufgrund eines Präsentationsrechts gewählten Geschäftsführers. Entsprechend kommt es hier teilweise zu Ungenauigkeiten bzw. Missverständnissen. Vgl. etwa Giedinghagen, in: Michalski, GmbHG, § 52 Rn. 91 a.E., wo auf die Zustimmung des entsandten Mitglieds selbst abgestellt wird, auf die es – außer im Falle der Personenidentität mit dem Berechtigten – jedoch keinesfalls ankommen kann. 112 Siehe dazu unten Kap. 4, B. VII. 113 Spindler, in: MünchKomm GmbHG, § 52 Rn. 130; U. H. Schneider, in: Scholz, GmbHG, § 52 Rn. 225; Heermann, in: Großkomm GmbHG, § 52 Rn. 53; Altmeppen, in: Roth/ Altmeppen, GmbHG, § 52 Rn. 15. 114 Entsprechend soll nach h.M. etwa die Einschränkung des § 101 Abs. 2 S. 4 AktG gerade nicht (analog) anwendbar sein, siehe oben a), insb. die Nachweise in Fn. 98 und 99. Warum bei § 103 Abs. 2 AktG etwas anderes gelten soll, ist nicht ersichtlich. 115 So Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 52 Rn. 49.

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Kap. 2: Entsendungsrechte im nationalen und internationalen Vergleich

dungsrechtlichen Vorschriften des AktG zu orientieren, unter die auch die Abberufungsregelungen zu fassen sind. Eine differenzierende Auffassung vertritt dagegen Simon: Sofern ein Mitglied auf unbestimmte Zeit entsandt sei, könne es vom Berechtigten jederzeit abberufen werden, was allerdings ohne Rückgriff auf das Aktienrecht aus dem Entsendungsrecht selbst folge. Dieses sei nämlich durch einmalige Ausübung nicht verbraucht; es könne aber nur erhalten bleiben, wenn der Berechtigte das Mitglied jederzeit abberufen und ein neues entsenden könne.116 Etwas anderes soll jedoch für solche Mitglieder gelten, die auf bestimmte Zeit entsandt sind. Hier sei der Entsendungsberechtigte an das dem Entsandten ausgesprochene Vertrauen für die Dauer der Bestellung gebunden.117 Allerdings erscheint fraglich, wieso mit einer zeitlich begrenzten Entsendung größeres Vertrauen bzw. größere Unabhängigkeit zum Ausdruck kommen soll als mit einer unbefristeten Entsendung. Soweit man um die Funktionsfähigkeit des Aufsichtsrats besorgt ist,118 kann es zudem auf die Dauer der Entsendung nicht maßgeblich ankommen – vielmehr müsste die grundlose Abberufung dann generell ausgeschlossen werden. Derartige Bedenken erscheinen indes ohnehin überzogen. Zumindest im Ergebnis ist deshalb der herrschenden Ansicht zu folgen. Auch bezüglich entsandter Aufsichtsratsmitglieder wird vielfach vertreten, dass diese von der Gesellschafterversammlung aus wichtigem Grund abberufen werden können, wofür überwiegend eine Dreiviertelmehrheit gefordert wird.119 Dies auf eine Analogie zu § 103 Abs. 2 AktG zu stützen,120 der diese Möglichkeit gar nicht vorsieht, ist aber wenig überzeugend. Entsprechend wird von anderen Stimmen in der Literatur die Ansicht vertreten, der Entsendungsberechtigte selbst sei aufgrund seiner Treuepflicht zur Abberufung verpflichtet, wenn ein wichtiger Grund vorliegt. Die Gesellschaft habe gegen ihn einen entsprechenden Anspruch, den sie gerichtlich durchsetzen könne.121 In dogmatischer Hinsicht kann dies überzeugen. Allerdings muss man sich fragen, wieso die Abberufung entsandter Aufsichtsratsmitglieder aus wichtigem Grund anders behandelt werden sollte als die von entsandten Geschäftsführern.122

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Simon, GmbHR 1999, 257, 261. Simon, GmbHR 1999, 257, 263. 118 Vgl. Simon, GmbHR 1999, 257, 263. 119 Heermann, in: Großkomm GmbHG, § 52 Rn. 54; Spindler, in: MünchKomm GmbHG, § 52 Rn. 130; U. H. Schneider, in: Scholz, GmbHG, § 52 Rn. 225. 120 Vgl. Spindler, in: MünchKomm GmbHG, § 52 Rn. 130; U. H. Schneider, in: Scholz, GmbHG, § 52 Rn. 225. 121 Simon, GmbHR 1999, 257, 261 f.; Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 52 Rn. 49; Koppensteiner/Schnorbus, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, GmbHG, § 52 Rn. 19. 122 Jene können nach wohl allgemeiner Ansicht bei Vorliegen eines wichtigen Grundes von der Gesellschafterversammlung abberufen werden, siehe oben 1. b). 117

B. Die Entsendung in anderen deutschen Gesellschaftsformen

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3. Sonderproblem: Entsendung durch Dritte Bislang ausgeklammert wurde die Frage, inwieweit neben Gesellschaftern auch gesellschaftsfremden Dritten Entsendungsrechte sowohl in die Geschäftsführung, als auch in den Aufsichtsrat eingeräumt werden können. Dies betrifft grundsätzliche Probleme des Fremdeinflusses auf Gesellschaften sowie insbesondere das Prinzip der Verbandsautonomie bzw. Verbandssouveränität123 und ist deshalb im GmbHRecht höchst umstritten. Auch wenn sich diese Frage in der AG aufgrund der insofern eindeutigen Vorschrift des § 101 Abs. 2 S. 1 AktG de lege lata nicht stellt, wird sie im Folgenden – auch im Hinblick auf eventuelle Reformvorschläge für das Aktienrecht – näher untersucht. a) Geschäftsführer Die Bestellung von GmbH-Geschäftsführern durch gesellschaftsfremde Dritte und die Statuierung entsprechender Rechte im Gesellschaftsvertrag werden von der wohl überwiegenden Ansicht grundsätzlich für zulässig gehalten.124 Entscheidend soll es dabei darauf ankommen, dass den Gesellschaftern einerseits die Möglichkeit verbleibt, das Bestellungs- bzw. Entsendungsrecht durch Satzungsänderung jederzeit wieder abzuschaffen und damit die Kompetenz wieder an sich zu ziehen, und ihnen andererseits – nach ganz überwiegender Auffassung125 – eine unabdingbare Auffangkompetenz zur Abberufung entsandter Geschäftsführer aus wichtigem Grund zukommt. Durch diese letztentscheidenden Einflussmöglichkeiten der Gesellschafterversammlung sei der Grundsatz der Verbandsautonomie bzw. der Selbstorganisation der Gesellschaft hinreichend gewahrt.126 Dass die dafür erforderlichen Verfahren regelmäßig erhebliche Zeit in Anspruch nehmen, wird dabei in Kauf genommen.127 Manche Vertreter dieser Ansicht gehen davon aus, der entsendungsberechtigte Dritte werde durch die Satzungsregelung unmittelbar zum Organ bzw. „Kreationsorgan“128 der Gesellschaft.129 123 Dazu grundlegend Wiedemann, in: FS Schilling, S. 105, 111 ff.; Schubel, Verbandssouveränität, S. 1 ff.; Flume, Juristische Person, § 7, S. 189 ff. 124 Fastrich, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 6 Rn. 31; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, GmbHG, § 6 Rn. 59; Paefgen, in: Großkomm GmbHG, § 6 Rn. 81; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, GmbHG, § 6 Rn. 39; Tebben, in: Michalski, GmbHG, § 6 Rn. 63; Oetker, in: Henssler/Strohn, GesR, GmbHG § 6 Rn. 52; Goette, in: MünchKomm GmbHG, § 6 Rn. 61; Herfs, Einwirkung Dritter, S. 117 ff.; C. Weber, Privatautonomie und Außeneinfluss, S. 333 f.; Flume, Juristische Person, § 7 I 2, S. 191; Fleck, ZGR 1988, 104, 121 f.; Beuthien/ Gätsch, ZHR 157 (1993), 483, 493 f.; Hammen, WM 1994, 765 ff. 125 Siehe dazu bereits oben 1. b). 126 Vgl. Paefgen, in: Großkomm GmbHG, § 6 Rn. 81; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, GmbHG, § 6 Rn. 59; Goette, in: MünchKomm GmbHG, § 6 Rn. 61; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, GmbHG, § 6 Rn. 39; Fleck, ZGR 1988, 104, 121 f. 127 Goette, in: MünchKomm GmbHG, § 6 Rn. 61. 128 Der Begriff geht zurück auf Feine, in: Ehrenberg, Hdb HandelsR 3 III, S. 474 f.

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Kap. 2: Entsendungsrechte im nationalen und internationalen Vergleich

Nach anderer Auffassung können Nichtgesellschaftern jedenfalls ad personam keine Bestellungs- bzw. Entsendungsrechte im Gesellschaftsvertrag eingeräumt werden.130 Dieser sei als Organisationsvertrag, der lediglich die Grundlagen der GmbH und die Beziehungen zu ihren Gesellschaftern regelt, für die Statuierung von Drittrechten ungeeignet.131 Ferner genüge die Möglichkeit der Gesellschafterversammlung, die Bestellungskompetenz wieder an sich zu ziehen, nicht zur Wahrung des Grundsatzes der Selbstorganisation.132 Der Dritte werde aber auch nicht ohne weiteres zum (Kreations-)Organ der Gesellschaft, solange er nicht anderweitig in deren Organisation integriert sei.133 Zunächst ist festzustellen, dass sich diese Ansichten nicht in jeder Hinsicht unvereinbar gegenüberstehen und sich teilweise nur scheinbar widersprechen. So gehen auch die Vertreter der wohl überwiegenden Ansicht mehrheitlich davon aus, dass die „Entsendungsrechte“ nicht als der dritten Person unmittelbar zustehende Individualrechte begründet werden, sondern vielmehr als organschaftliche Rechte.134 Dies wiederum wird allerdings unterschiedlich verstanden: Manche meinen, der Dritte werde selbst unmittelbar zum Organ der Gesellschaft,135 während andere davon ausgehen, im Gesellschaftsvertrag werde ein besonderes Bestellungsorgan geschaffen und der Dritte lediglich als dessen Mitglied, also als Organwalter bestellt.136 Die Frage, ob der Dritte selbst Organ oder lediglich Organwalter wird, spielt eine entscheidende Rolle. Während ein Organ nämlich nur durch Satzungsänderung abgeschafft werden kann, ist die Abberufung eines Organwalters grundsätzlich mit einfacher Mehrheit möglich.137 129 Paefgen, in: Großkomm GmbHG, § 6 Rn. 81; Tebben, in: Michalski, GmbHG, § 6 Rn. 63; Flume, Juristische Person, § 7 I 2, S. 190; wohl auch Fastrich, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 6 Rn. 31; dagegen Herfs, Einwirkung Dritter, S. 63 ff. 130 U. H. Schneider/S. H. Schneider, in: Scholz, GmbHG, § 6 Rn. 87; Bayer, in: Lutter/ Hommelhoff, GmbHG, § 6 Rn. 23; C. Schäfer, in: Bork/Schäfer, GmbHG, § 6 Rn. 16; K. Schmidt, in: Scholz, GmbHG, § 46 Rn. 72; ders., GesR, § 5 I 3 c), S. 87; Zöllner, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 46 Rn. 34a; Hüffer/Schürnbrand, in: Großkomm GmbHG, § 46 Rn. 86; A. Teichmann, Gestaltungsfreiheit, S. 196 f.; Ulmer, in: FS Werner, S. 911, 922 ff.; ders., in: FS Wiedemann, S. 1297 ff. 131 Ulmer, in: FS Werner, S. 911, 922 ff. 132 U. H. Schneider/S. H. Schneider, in: Scholz, GmbHG, § 6 Rn. 87; ähnlich Wiedemann, in: FS Schilling, S. 105, 117. 133 K. Schmidt, in: Scholz, GmbHG, § 46 Rn. 72; Ulmer, in: FS Werner, S. 911, 923; ähnlich auch Schürnbrand, Organschaft, S. 73 f.; 223 ff.; A. Teichmann, Gestaltungsfreiheit, S. 196 f. 134 Vgl. Flume, Juristische Person, § 7 I 2, S. 190; Paefgen, in: Großkomm GmbHG, § 6 Rn. 81; Tebben, in: Michalski, GmbHG, § 6 Rn. 63; Fastrich, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 6 Rn. 31; Beuthien/Gätsch, ZHR 157 (1993), 483, 486; Hammen, WM 1994, 765 ff. 135 So Paefgen, in: Großkomm GmbHG, § 6 Rn. 81; Tebben, in: Michalski, GmbHG, § 6 Rn. 63; Flume, Juristische Person, § 7 I 2, S. 190. 136 So Beuthien/Gätsch, ZHR 157 (1993), 483, 486; U. H. Schneider/S. H. Schneider, in: Scholz, GmbHG, § 6 Rn. 88 f.; Bürkle, Rechte Dritter, S. 69 f. 137 Vgl. Ulmer, in: FS Wiedemann, S. 1297, 1307 f.

B. Die Entsendung in anderen deutschen Gesellschaftsformen

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Richtig ist in jedem Fall, dass außenstehenden Dritten keinesfalls Sonderrechte im Sinne des § 35 BGB eingeräumt werden können. Bei diesen handelt es sich vielmehr um mitgliedschaftliche Rechte, was ganz überwiegend anerkannt ist.138 Auch die Begründung satzungsmäßig garantierter und insofern Sonderrechten angenäherter Rechte einzelner gesellschaftsfremder Personen bereitet aber dogmatisch erhebliche Probleme, und zwar unabhängig davon, ob man diese als Individualrechte oder als organschaftliche Rechte charakterisiert. Ein Dritter könnte eigene Rechte – auch solche auf eine Organstellung – aus dem Gesellschaftsvertag, an dem er selbst nicht beteiligt ist, allenfalls über § 328 BGB erlangen. Ulmer hat jedoch zutreffend dargelegt, dass ein Rückgriff auf diese Norm nicht überzeugend ist, da sie lediglich die Begründung schuldvertraglicher Ansprüche bei Dritten ermöglicht. Auf verbandsrechtliche Mitverwaltungs- bzw. Organschaftsrechte, mit denen regelmäßig auch Pflichten einhergehen, kann sie dagegen nicht ohne weiteres angewandt werden.139 Ein weiteres, kaum zu leugnendes Problem stellt die mangelnde Durchsetzbarkeit eines satzungsmäßigen „Rechts“ seitens des begünstigten Dritten dar. Dieser hat nämlich selbst keinerlei Befugnis, Beschlüsse anzufechten, die gegen sein „Recht“ verstoßen.140 Ein echtes Drittrecht lässt sich mithin dogmatisch nicht überzeugend begründen. Dieses Problem kann nicht einfach als „formal-begrifflich“ abgetan werden und lässt sich nicht dadurch umgehen, die „eigentliche Fragestellung“ in den zulässigen Grenzen der Gestaltungsfreiheit zu erblicken.141 Sämtliche Hinweise der herrschenden Meinung auf verbleibende Einflussmöglichkeiten der Gesellschafter betreffen insofern nur das „Wie“ der Drittrechtsbegründung, verkennen aber, dass bereits das „Ob“ nicht überzeugend bejaht werden kann.142 Es verbleibt damit als in dogmatischer Hinsicht einzig überzeugende Lösung die Konstruktion, wonach ein „Entsendungsrecht“ zugunsten Dritter so auszulegen ist, dass im Gesellschaftsvertrag ein gesondertes Bestellungsorgan statuiert wird, zu 138 Vgl. Beuthien/Gätsch, ZHR 157 (1993), 483, 484 f.; Paefgen, in: Großkomm GmbHG, § 6 Rn. 81; Hadding, in: Soergel, BGB, § 35 Rn. 10; Schöpflin, in: Bamberger/Roth, BGB, § 35 Rn. 6; Bürkle, Rechte Dritter, S. 50 f., 60, 157; Aker, Sonderrechte, S. 59 ff. Etwas anderes wird – anders als zuweilen behauptet – auch nicht vertreten von Feine, in: Ehrenberg, Hdb HandelsR 3 III, S. 474 f. Abweichend allerdings Herfs, Einwirkung Dritter, S. 110 ff. (bei Bestehen eines qualifizierten Rechtsverhältnisses). Siehe dazu auch unten Kap. 4, A. II. 1. 139 Ulmer, in: FS Wiedemann, S. 1297, 1312 ff.; in dieser Hinsicht ebenso Paefgen, in: Großkomm GmbHG, § 6 Rn. 81; Tebben, in: Michalski, GmbHG, § 6 Rn. 63; Flume, Juristische Person, § 9 II, S. 327, insb. Fn. 51; ähnlich zudem bereits RGZ 169, 65, 82 f. Die gegenteilige Ansicht vertritt Hammen, WM 1994, 765 ff., der § 328 BGB auch im Gesellschaftsrecht umfassend anwenden will. 140 Ulmer, in: FS Wiedemann, S. 1297, 1318 f. Auch die Statuierung von Anfechtungsrechten für Dritte wird ganz überwiegend abgelehnt, vgl. Raiser, in: Großkomm GmbHG, Anh. § 47 Rn. 182; K. Schmidt, in: Scholz, GmbHG, § 45 Rn. 135. 141 So aber C. Weber, Privatautonomie und Außeneinfluss, S. 169. 142 Vgl. Ulmer, in: FS Werner, S. 911, 923. Vgl. zum Ganzen auch die Ausführungen zur Rechtslage in der englischen company, wo entsprechende Drittrechte zwar möglich sein sollen, zu ihrer Durchsetzung aber einer zusätzlichen einzelvertraglichen Regelung bedürfen, siehe unten C. II. 2. b).

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Kap. 2: Entsendungsrechte im nationalen und internationalen Vergleich

dessen (einzigem) Mitglied die benannte Person gleichzeitig bestellt wird.143 Diese Bestellung ist, wie die Rechtslage beim aktienrechtlichen Aufsichtsrat zeigt, ein einseitiger korporationsrechtlicher Akt seitens der Gesellschaft, der lediglich die Annahme durch den Dritten erfordert, welcher dann unmittelbar die in der Satzung geregelten organschaftlichen Rechte und Pflichten erlangt.144 Einer Heranziehung des § 328 BGB bedarf es hierfür nicht.145 Soweit vertreten wird, für eine Organstellung müssten zusätzliche materielle Kriterien wie die Bindung an das Gesellschaftsinteresse erfüllt sein,146 so muss dies nicht zwingend gegen die Annahme einer Organwalterstellung des Dritten sprechen. Vielmehr ist im Sinne einer Rechtsfolge davon auszugehen, dass sich ein „entsendungsberechtigter“ Dritter diesen Kriterien unterwirft, er also insbesondere (auch) dem Gesellschaftsinteresse verpflichtet ist, sobald er die Bestellung zum Organwalter angenommen hat.147 Die (konkludente) Annahme kann in der Ausübung des „Entsendungsrechts“, also der Benennung eines oder mehrerer Geschäftsführer erblickt werden. Spätestens damit ist der „Dritte“ als Organmitglied in die Organisation der Gesellschaft integriert.148 Insofern wird – hier entgegen der Ansicht Ulmers149 – etwa auch eine Hausbank ohne Anteilsbesitz, die sich ein „Entsendungsrecht“ einräumen lässt und dieses ausübt, zum Organwalter der Gesellschaft.150 Folgt man der hier vertretenen Lösung, so hat dies freilich zur Konsequenz, dass die Stellung des „Dritten“ in der Gesellschaft keinen Satzungsrang genießt. Als bestelltes Organmitglied kann er grundsätzlich durch mehrheitlichen Beschluss der Gesellschafter wieder abberufen werden, ohne dass es dafür einer Satzungsänderung bedarf. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus § 6 Abs. 3 S. 2, 1. Alt. GmbHG, da die Bestellung von Geschäftsführern „im Gesellschaftsvertrag“ nach ganz herrschender Ansicht151 im Zweifel lediglich einen in der Satzung verlautbarten Ge-

143 So Beuthien/Gätsch, ZHR 157 (1993), 483, 486; U. H. Schneider/S. H. Schneider, in: Scholz, GmbHG, § 6 Rn. 89; Bürkle, Rechte Dritter, S. 69 f. 144 Vgl. etwa Habersack, in: MünchKomm AktG, § 101 Rn. 67. 145 Vgl. Bürkle, Rechte Dritter, S. 71. 146 Vgl. Herfs, Einwirkung Dritter, S. 63 ff.; Schürnbrand, Organschaft, S. 223 ff. 147 Vgl. U. H. Schneider/S. H. Schneider, in: Scholz, GmbHG, § 6 Rn. 89; Beuthien/ Gätsch, ZHR 157 (1993), 483, 486 f.; ähnlich Bürkle, Recht Dritter, S. 50. Dieser Annahme liegt freilich ein im Kern formeller Organbegriff zugrunde, vgl. Wiedemann, in: FS Schilling, S. 105, 109. Gegen die Annahme einer Unterwerfung unter die Verbandsinteressen C. Weber, Privatautonomie und Außeneinfluss, S. 168, der dies als „zweifelhafte Fiktion“ bezeichnet. 148 Eine solche Integration fordert K. Schmidt, in: Scholz, GmbHG, § 46 Rn. 72 für die Organstellung, meint jedoch, dass sie bei einem Dritten grundsätzlich fehle. 149 Ulmer, in: FS Werner, S. 911, 923. 150 Dies erscheint schon deshalb nicht abwegig, weil dasselbe unstreitig für jeden von der Bank entsandten Geschäftsführer gilt, obwohl auch dieser regelmäßig ihre Interessen vertreten soll. 151 Goette, in: MünchKomm GmbHG, § 6 Rn. 66; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, GmbHG, § 6 Rn. 62; Paefgen, in: Großkomm GmbHG, § 6 Rn. 64; Tebben, in: Michalski,

B. Die Entsendung in anderen deutschen Gesellschaftsformen

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sellschafterbeschluss, also einen formellen Satzungsbestandteil darstellt und damit eine Abberufung der benannten Geschäftsführer auch ohne Satzungsänderung möglich ist.152 Andererseits ist allerdings zu beachten, dass mit der angestrebten Einräumung eines Bestellungs- oder Entsendungsrechts seitens der Gesellschafter eine starke Stellung des „Dritten“ bezweckt wird. Daher ist eine entsprechende Regelung im Gesellschaftsvertrag sinnvollerweise so auszulegen, dass die Abberufung des „Dritten“ als Mitglied des neu geschaffenen Organs nur aus wichtigem Grund erfolgen kann.153 Die Stellung des „Dritten“ kann durch die Gesellschafter dann entweder auf diese Weise oder durch Abschaffung des Bestellungsorgans im Wege der Satzungsänderung beseitigt werden. Dies entspricht in etwa den Möglichkeiten, die zur Abschaffung eines echten Drittrechts bestehen würden, und genügt im Übrigen den Anforderungen der herrschenden Ansicht an die den Gesellschaftern verbleibenden Einflussmöglichkeiten. Abschließend sei angemerkt, dass dem „Dritten“ als Organmitglied durchaus auch die Anfechtungsbefugnis für solche Gesellschafterbeschlüsse zugesprochen werden kann, die die Organkompetenz zur Geschäftsführerbestellung vereiteln. So sollen nach teilweise vertretener Auffassung Organmitglieder dann zur Anfechtung berechtigt sein, wenn der Beschluss in ihre durch Gesetz oder Satzung anerkannten Interessen eingreift.154 Auch wird vertreten, Organmitglieder müssten zumindest Beschlüsse über ihre Abberufung aus wichtigem Grund anfechten können.155 Lehnt man dies ab, verbleibt jedenfalls noch die Möglichkeit, Organmitgliedern in der Satzung konkrete Anfechtungsrechte einzuräumen.156 Die Stellung des „Dritten“ als Organwalter der Gesellschaft kann somit durch eine entsprechende Regelung im Gesellschaftsvertrag erheblich gestärkt werden.157 Der Andeutung Ulmers, dass der „Dritte“ durch Konstruktionen wie die hier vertretene letztlich nichts gewinnen GmbHG, § 6 Rn. 49; U. H. Schneider/S. H. Schneider, in: Scholz, GmbHG, § 6 Rn. 78; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, GmbHG, § 6 Rn. 36. 152 Vgl. Ulmer, in: FS Wiedemann, S. 1297, 1310. 153 Vgl. U. H. Schneider/S. H. Schneider, in: Scholz, GmbHG, § 6 Rn. 89, die allerdings nur darauf hinweisen, dass die Abberufbarkeit auf wichtige Gründe beschränkt werden kann. 154 Leinekugel, in: BeckOK GmbHG, Beschlussanfechtung Rn. 137; ähnlich Raiser, in: Großkomm GmbHG, Anh. § 47 Rn. 179. Dagegen allerdings Koppensteiner/Gruber, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, GmbHG, § 47 Rn. 147; Wertenbruch, in: MünchKomm GmbHG, § 47 Anh. Rn. 175; Römermann, in: Michalski, GmbHG, Anh. § 47 Rn. 427 ff.; Casper, in: Bork/Schäfer, GmbHG, § 47 Rn. 79. 155 Römermann, in: Michalski, GmbHG, Anh. § 47 Rn. 437 f.; Koppensteiner/Gruber, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, GmbHG, § 47 Rn. 119; K. Schmidt, in: Scholz, GmbHG, § 45 Rn. 134. 156 Raiser, in: Großkomm GmbHG, Anh. § 47 Rn. 181; K. Schmidt, in: Scholz, GmbHG, § 45 Rn. 135; Casper, in: Bork/Schäfer, GmbHG, § 47 Rn. 79; Bürkle, Rechte Dritter, S. 151 ff., 156 ff. 157 Vgl. Bürkle, Rechte Dritter, S. 156 ff. Zumindest denkbar wäre es auch, bei einer satzungsmäßigen Kompetenzdelegation auf Dritte die Statuierung einer derartigen Anfechtungsbefugnis zu fingieren. Dies dürfte indes zu weit gehen, weswegen die Anfechtungsbefugnis im Gesellschaftsvertrag ausdrücklich normiert werden sollte.

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Kap. 2: Entsendungsrechte im nationalen und internationalen Vergleich

würde,158 kann daher durchaus widersprochen werden. Allerdings ist zuzugeben, dass die Stellung eines zum Organwalter bestellten „Dritten“ aufgrund seiner Abberufbarkeit aus wichtigem Grund sowie der Möglichkeit der Satzungsänderung nicht mit der Inhaberschaft eines echten (mitgliedschaftlichen) Entsendungsrechts vergleichbar ist. b) Aufsichtsrat Anders als bei der Geschäftsführerbestellung werden Entsendungsrechte gesellschaftsfremder Dritter in den fakultativen Aufsichtsrat im Schrifttum ganz überwiegend für zulässig gehalten.159 Die Einschränkung des § 101 Abs. 2 S. 1 AktG sei bereits mangels Verweis in § 52 Abs. 1 GmbHG nicht anwendbar. Zudem behielten die Gesellschafter die Kompetenz-Kompetenz, insbesondere also die Möglichkeit zum jederzeitigen Entzug des Entsendungsrechts durch Satzungsänderung.160 Überdies sei nicht einzusehen, weshalb Nichtgesellschafter in den Aufsichtsrat berufen werden und damit Organfunktionen wahrnehmen könnten, andererseits aber nicht selbst zur Entsendung von Aufsichtsratsmitgliedern befugt sein sollten.161 Wie bei der Geschäftsführerbestellung wird zum Teil vertreten, der gesellschaftsfremde Entsendungsberechtigte trete unmittelbar in ein organschaftliches Rechtsverhältnis zur Gesellschaft ein und unterliege deshalb gewissen Treuepflichten.162 Teilweise wird jedoch auch hier argumentiert, die Gesellschafter richteten tatsächlich ein gesondertes Bestellungsorgan ein und bestellten den Nichtgesellschafter zu dessen Mitglied.163 Die Gegenansicht hält die Entsendung von Aufsichtsratsmitgliedern durch Dritte dagegen für unzulässig.164 Teilweise wird dabei argumentiert, § 101 Abs. 2 S. 1 AktG bringe ein körperschaftliches Strukturprinzip zum Ausdruck, das auch in der GmbH Geltung beanspruche.165 158

Vgl. Ulmer, in: FS Wiedemann, S. 1297, 1311. Spindler, in: MünchKomm GmbHG, § 52 Rn. 129; Lutter, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 52 Rn. 6; Heermann, in: Großkomm GmbHG, § 52 Rn. 43; U. H. Schneider, in: Scholz, GmbHG, § 52 Rn. 223; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, GmbHG, § 52 Rn. 12; Koppensteiner/Schnorbus, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, GmbHG, § 52 Rn. 17; Giedinghagen, in: Michalski, GmbHG, § 52 Rn. 92; Schürnbrand, Organschaft, S. 160 f. 160 Spindler, in: MünchKomm GmbHG, § 52 Rn. 129; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, GmbHG, § 52 Rn. 12; Giedinghagen, in: Michalski, GmbHG, § 52 Rn. 92 f. Beim Entsendungsrecht eines Dritten handelt es sich nicht um ein Sonderrecht, das die Zustimmung des Dritten erfordern würde, siehe bereits oben a). 161 Heermann, in: Großkomm GmbHG, § 52 Rn. 43. 162 Heermann, in: Großkomm GmbHG, § 52 Rn. 43; Giedinghagen, in: Michalski, GmbHG, § 52 Rn. 92. 163 U. H. Schneider, in: Scholz, GmbHG, § 52 Rn. 223. 164 Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 52 Rn. 43; Ulmer, in: FS Werner, S. 911, 921 ff.; ders., in: FS Wiedemann, S. 1297 ff. 165 Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 52 Rn. 43. 159

B. Die Entsendung in anderen deutschen Gesellschaftsformen

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Zumindest dieses Argument ist indes nicht überzeugend. Der Geltungsbereich einer aktienrechtlichen Sondervorschrift, die die Einschaltung gesellschaftsfremder Dritter bei der Aufsichtsratsbestellung verbietet, kann nicht ohne weiteres auf andere Formen der Kapitalgesellschaft erweitert werden. Es ist kaum davon auszugehen, dass der Gesetzgeber hiermit auch eine Regelung für die GmbH treffen wollte.166 Anderenfalls hätte er die Vorschrift des § 101 Abs. 2 AktG nicht gerade von der Verweisung in § 52 Abs. 1 GmbHG ausgenommen. Ebenso ist zu beachten, dass der Regierungsentwurf eines neuen GmbHG im Zuge der geplanten GmbH-Reform Anfang der 70er Jahre Entsendungsrechte nicht nur für Gesellschafter, sondern auch für Dritte ausdrücklich vorsah.167 Auch wenn dieser Entwurf niemals Gesetz geworden ist, so spricht er doch maßgeblich gegen die Annahme, der Gesetzgeber habe mit der Beschränkung des Entsendungsrechts auf Aktionäre in § 101 Abs. 2 AktG ein allgemeines körperschaftliches Prinzip zum Ausdruck bringen wollen.168 Im Übrigen lässt sich ein derartiges Prinzip auch rechtsvergleichend nicht nachweisen, da die Entsendung von Organmitgliedern der Aktiengesellschaft durch Dritte in zahlreichen Rechtsordnungen zulässig ist.169 Dessen ungeachtet müssen die im Rahmen der Geschäftsführerbestellung vorgebrachten dogmatischen Einwände gegen echte Drittrechte170 freilich auch bei der Frage nach Entsendungsrechten in den Aufsichtsrat berücksichtigt werden. Insofern gilt auch hier, dass solche Satzungsbestimmungen als Schaffung eines Bestellungsorgans bei gleichzeitiger Bestellung des Dritten als dessen Mitglied, also als Organwalter auszulegen sind.171 Für den obligatorischen Aufsichtsrat nach dem DrittelbG ist die Situation ebenfalls umstritten. Aufgrund des Verweises auf § 101 Abs. 2 S. 1 AktG in § 1 Abs. 1 Nr. 3 DrittelbG geht hier aber ein größerer Teil der Literatur davon aus, dass Entsendungsrechte Dritter unzulässig sind.172 Gleichwohl wird ebenso vertreten,

166 Auch die Begründungen zu den Aktiengesetzentwürfen der Weimarer Republik, dem AktG 1937 und dem AktG 1965 liefern hierfür keinerlei Anhaltspunkte. 167 § 100 Abs. 2 RegE GmbHG 1971 (BT-Drucks. VI/3088). 168 Vgl. Schürnbrand, Organschaft, S. 160; U. H. Schneider, in: Scholz, GmbHG, § 52 Rn. 223. 169 So etwa in England und Wales, der Schweiz, Schweden, Polen sowie den Niederlanden. Siehe dazu ausführlich unten C. II. 2. b), III. 2. b), VI. 1., 2. und 4. Schürnbrand, Organschaft, S. 161, weist ferner zutreffend darauf hin, dass auch das Europarecht die Entsendung durch Dritte grundsätzlich zulässt, was sich aus Art. 47 Abs. 4 SE-VO ergibt. 170 Siehe oben a). 171 So ausdrücklich U. H. Schneider, in: Scholz, GmbHG, § 52 Rn. 223. Siehe ausführlich zu dieser Konstruktion oben a). 172 Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 52 Rn. 177; Lutter, in: Lutter/ Hommelhoff, GmbHG, § 52 Rn. 41; Heermann, in: Großkomm GmbHG, § 52 Rn. 186.

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Kap. 2: Entsendungsrechte im nationalen und internationalen Vergleich

dass die Verweisung für die Arbeitnehmermitbestimmung nicht zwingend sei und Drittrechte deshalb auch unter der Geltung des DrittelbG möglich seien.173 4. Zwischenergebnis Entsendungsrechte sowohl in die Geschäftsführung, als auch in den fakultativen Aufsichtsrat sind im GmbH-Recht – vorbehaltlich mitbestimmungsrechtlicher Sonderregelungen – umfassend möglich. Eine quantitative Begrenzung existiert hier nicht. Allerdings können entsandte Geschäftsführer und nach verbreiteter Ansicht auch entsandte Aufsichtsratsmitglieder zumindest bei Vorliegen eines wichtigen Grundes von der Gesellschafterversammlung abberufen werden, während es dafür in der AG einer gerichtlichen Entscheidung bedarf. Stark umstritten sind die Grenzen der Zulässigkeit drittbegünstigender Entsendungsrechte. Richtigerweise kann es sich hierbei jedenfalls nicht um echte Drittrechte, sondern allenfalls um organschaftliche Rechte handeln, die jederzeit wieder entzogen werden können.

II. SE Die Europäische Aktiengesellschaft (Societas Europaea, SE) ist als supranationale Rechtsform durch die SE-Verordnung (SE-VO)174 nur unvollständig geregelt, weswegen sie ausschließlich in ihren jeweiligen nationalen Ausprägungen existiert.175 Die folgenden Ausführungen beziehen sich allein auf die SE mit Sitz in Deutschland, für deren Verfassung neben der SE-VO insbesondere das SE-Ausführungsgesetz (SEAG)176 sowie subsidiär die Vorschriften des AktG maßgeblich sind.177 Anders als bei der deutschen Aktiengesellschaft können die Gründer einer SE gem. Art. 38 lit. b SE-VO bezüglich der Organisationsverfassung der Gesellschaft zwischen dem dualistischen System mit Leitungs- und Aufsichtsorgan und dem monistischen System mit zentralem Verwaltungsorgan wählen.178 Somit kommen in 173 Koppensteiner/Schnorbus, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, GmbHG, § 52 Rn. 60; Spindler, in: MünchKomm GmbHG, § 52 Rn. 145; U. H. Schneider, in: Scholz, GmbHG, § 52 Rn. 234; Giedinghagen, in: Michalski, GmbHG, § 52 Rn. 97a. 174 Verordnung (EG) Nr. 2157/2001 des Rates über das Statut der Europäischen Gesellschaft (SE) vom 8. Oktober 2001 (ABl. EG L 294, S. 1). 175 Vgl. Casper, in: Spindler/Stilz, AktG, SE-VO Vor Art 1 Rn. 1 f.; Huizinga, Machtbalance, S. 7 f. 176 Gesetz zur Ausführung der Verordnung (EG) Nr. 2157/2001 des Rates über das Statut der Europäischen Gesellschaft (SE) vom 8. Oktober 2001, eingeführt durch das Gesetz zur Einführung der Europäischen Gesellschaft (SEEG) vom 22. Dezember 2004 (BGBl. I 2004, S. 3675). 177 Vgl. Casper, in: Spindler/Stilz, AktG, SE-VO Vor Art 1 Rn. 3. 178 Vgl. Schwarz, SE-VO, Art. 38 Rn. 1.

B. Die Entsendung in anderen deutschen Gesellschaftsformen

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der SE auch Entsendungsrechte in den der deutschen AG unbekannten Verwaltungsrat in Betracht. 1. Entsendungsrechte in der dualistischen SE Die Organisationsverfassung der dualistischen deutschen SE mit Leitungs- und Aufsichtsorgan entspricht – abgesehen von der unterschiedlichen Bezeichnung der Organe – im Wesentlichen der der AG.179 Trotz der sich unmittelbar aus der SE-VO ergebenden Regelungen und der Sondervorschriften der §§ 15 – 19 SEAG besteht ein weitgehender Gleichlauf zwischen SE und AG.180 Einschlägige Vorschrift für die Bestellung des Leitungsorgans ist Art. 39 Abs. 2 SE-VO. Nach Art. 39 Abs. 2 S. 1 SE-VO werden die Mitglieder des Leitungsorgans vom Aufsichtsorgan bestellt und abberufen, was der Regelung in der deutschen AG entspricht. Nur ausnahmsweise kann – sofern das nationale Recht eines Mitgliedstaats dies vorsieht – die Bestellungskompetenz der Hauptversammlung übertragen werden (Art. 39 Abs. 2 S. 2 SE-VO).181 Diese Kompetenzregelung ist abschließend.182 Entsprechend sind abweichende Zuständigkeitsregelungen wie die Kooptation, die Einrichtung besonderer Bestellungsorgane oder die Übertragung an Außenstehende schlechthin unzulässig.183 Dies gilt ebenfalls für Entsendungsrechte.184 Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus Art. 47 Abs. 4 SE-VO, wonach einzelstaatliche Rechtsvorschriften, die die Bestellung eines Teils der Organmitglieder durch eine Aktionärsminderheit oder andere Personen erlauben, unberührt bleiben. Zwar steht diese Norm im Abschnitt über „gemeinsame Vorschriften für das monistische und das dualistische Modell“. Art. 39 Abs. 2 SE-VO verweist aber nicht auf sie, anders als die entsprechenden Bestellungsvorschriften zum Aufsichtsorgan und zum Verwaltungsorgan. Es entspricht deshalb ganz herrschender Ansicht, dass Art. 47 Abs. 4 SE-VO auf das Leitungsorgan im dualistischen System nicht an-

179 Reichert/Brandes, in: MünchKomm AktG, SE-VO Art. 38 Rn. 9. Die Bezeichnungen sind im Übrigen nicht zwingend, sodass die Satzung auch die Organe „Vorstand“ und „Aufsichtsrat“ vorsehen kann, vgl. Paefgen, in: KölnKomm AktG, Art. 39 SE-VO Rn. 15. Hier werden indes die Terminologien der SE-VO verwendet, die auch der deutsche Gesetzgeber in den §§ 15 ff. SEAG übernommen hat. 180 Reichert/Brandes, in: MünchKomm AktG, SE-VO Art. 38 Rn. 10; Eberspächer, in: Spindler/Stilz, AktG, SE-VO Art. 39 Rn. 2; Austmann, in: MünchHdb AG, § 85 Rn. 3. 181 Für die deutsche SE besteht diese Möglichkeit indes nicht, vgl. Seibt, in: Lutter/ Hommelhoff, SE, Art. 39 SE-VO Rn. 15. 182 Vgl. Huizinga, Machtbalance, S. 262. 183 Paefgen, in: KölnKomm AktG, Art. 39 SE-VO Rn. 38; Eberspächer, in: Spindler/Stilz, AktG, SE-VO Art. 39 Rn. 6. 184 Huizinga, Machtbalance, S. 262; C. Teichmann, in: Lutter/Hommelhoff, SE, Art. 47 SE-VO Rn. 27.

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Kap. 2: Entsendungsrechte im nationalen und internationalen Vergleich

wendbar ist.185 Im Übrigen existiert im deutschen Recht ohnehin keine Vorschrift, die Entsendungsrechte in das Leitungsorgan gestatten würde. Demgegenüber sind Entsendungsrechte in das Aufsichtsorgan einer deutschen SE nach wohl allgemeiner Ansicht zulässig.186 Art. 40 Abs. 2 SE-VO sieht zwar grundsätzlich die Bestellung der Mitglieder durch die Hauptversammlung vor, verweist aber in S. 3 ausdrücklich auf Art. 47 Abs. 4 SE-VO der – wie bereits dargestellt – abweichende nationale Bestellungsvorschriften für einen Teil der Organmitglieder zulässt.187 Demnach soll § 101 Abs. 2 AktG in der dualistischen deutschen SE anwendbar sein.188 Art. 47 Abs. 4 SE-VO wird insofern von der ganz herrschenden Meinung im Schrifttum als Verweisungsnorm verstanden.189 Dieses Verständnis kann zwar dem Wortlaut der Norm, der lediglich davon spricht, dass einzelstaatliche Rechtsvorschriften „unberührt“ bleiben, nicht ohne weiteres entnommen werden. Für die Annahme einer Verweisung spricht allerdings der Zweck der Vorschrift, besondere Bestellungsrechte des mitgliedstaatlichen Aktienrechts auch in der SE zu ermöglichen.190 Die Geltung derartiger Normen für die SE folgt aber mangels Regelungsoffenheit nicht bereits aus Art. 9 Abs. 1 lit. c Nr. ii SE-VO, da die Kompetenz zur Bestellung des Aufsichtsorgans in der SE-VO nicht nur teilweise geregelt ist.191 Für SE-spezifische Bestellungsrechte hat der nationale Gesetzgeber daneben – außer in den Fällen der §§ 39 Abs. 5, 43 Abs. 4 SE-VO – keine Regelungskompetenz.192 Insofern ist der herrschenden Ansicht darin zuzustimmen, dass 185 Huizinga, Machtbalance, S. 262; Schwarz, SE-VO, Art. 47 Rn. 49; C. Teichmann, in: Lutter/Hommelhoff, SE, Art. 47 SE-VO Rn. 27; i.E. auch Eberspächer, in: Spindler/Stilz, AktG, SE-VO Art. 47 Rn. 9. 186 Reichert/Brandes, in: MünchKomm AktG, SE-VO Art. 40 Rn. 35; Paefgen, in: KölnKomm AktG, Art. 40 SE-VO Rn. 40; Drygala, in: Lutter/Hommelhoff, SE, Art. 40 SE-VO Rn. 6; Schwarz, SE-VO, Art. 40 Rn. 43; Eberspächer, in: Spindler/Stilz, AktG, SE-VO Art. 40 Rn. 6; Drinhausen, in: Van Hulle/Maul/Drinhausen, Hdb SE, S. 127 f.; Huizinga, Machtbalance, S. 261 f. 187 Vgl. Schwarz, SE-VO, Art. 40 Rn. 43; Paefgen, in: KölnKomm AktG, Art. 40 SE-VO Rn. 40. 188 C. Teichmann, in: Lutter/Hommelhoff, SE, Art. 47 SE-VO Rn. 26; Schwarz, SE-VO, Art. 47 Rn. 57; Reichert/Brandes, in: MünchKomm AktG, SE-VO Art. 40 Rn. 35; Drinhausen, in: Van Hulle/Maul/Drinhausen, Hdb SE, S. 127 f.; Huizinga, Machtbalance, S. 262. 189 Vgl. Schwarz, SE-VO, Art. 47 Rn. 52; Siems, in: KölnKomm AktG, Art. 47 SE-VO Rn. 34; C. Teichmann, in: Lutter/Hommelhoff, SE, Art. 47 SE-VO Rn. 24; Drinhausen, in: Van Hulle/Maul/Drinhausen, Hdb SE, S. 127 f.; Huizinga, Machtbalance, S. 262; wohl auch Manz, in: Manz/Mayer/Schröder, SE, Art. 47 SE-VO Rn. 10, 20. 190 Vgl. Huizinga, Machtbalance, S. 261 f.; Siems, in: KölnKomm AktG, Art. 47 SE-VO Rn. 34. 191 Vgl. Schwarz, SE-VO, Art. 47 Rn. 52. Allein aufgrund des Hinweises auf mögliche Abweichungen in Art. 40 Abs. 2 S. 3 SE-VO wird man nicht von einer nur teilweisen Regelung der Bestellungskompetenz sprechen können, da diese grundsätzlich klar der Hauptversammlung zugewiesen ist. Nicht geregelt ist dagegen die Durchführung der Wahlen in der Hauptversammlung; insofern kommt das Aktienrecht über Art. 9 Abs. 1 lit. c Nr. ii zur Anwendung. 192 Vgl. Schwarz, SE-VO, Art. 47 Rn. 52, 54.

B. Die Entsendung in anderen deutschen Gesellschaftsformen

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der europäische Gesetzgeber mit Art. 47 Abs. 4 SE-VO sinnvollerweise nur eine Verweisung auf sonstige nationale, insbesondere aktienrechtliche Vorschriften bezweckt haben kann. Hierbei kann es wiederum nicht darauf ankommen, ob es sich um gesetzliche Entsendungsrechte oder lediglich durch Gesetz zugelassene satzungsmäßige Entsendungsrechte handelt.193 Unabhängig von teleologischen Erwägungen bietet bereits der Wortlaut des Art. 47 Abs. 4 SE-VO194 keinerlei Anhaltspunkte für eine Einschränkung auf gesetzliche Entsendungsrechte.195 An der Geltung des § 101 Abs. 2 AktG für das Aufsichtsorgan der dualistischen SE mit Sitz in Deutschland kann somit im Ergebnis kein Zweifel bestehen. Für sämtliche Einzelheiten der Entsendung sei auch hier auf die obigen Ausführungen zur AG verwiesen.196 Da die SE häufig durch den Zusammenschluss mehrerer Unternehmen oder die Gründung gemeinsamer Tochterunternehmen entsteht, können Entsendungsrechte hier insbesondere von Interesse sein, um dem „kleineren Partner“ einen dauerhaften Einfluss zu sichern.197 Nicht in der SE-VO geregelt ist die Abberufung von Mitgliedern des Aufsichtsorgans, weswegen über Art. 9 Abs. 1 lit. c Nr. ii SE-VO bzw. über Art. 52 S. 2 SE-VO die Vorschriften des AktG zur Anwendung kommen.198 Somit gilt auch § 103 Abs. 2 S. 1 AktG, wonach ein entsandtes Mitglied nur vom Entsendungsberechtigten jederzeit abberufen werden kann.199 2. Entsendungsrechte in der monistischen SE Auch in der monistischen SE werden die Mitglieder des Verwaltungsorgans – in der deutschen SE als Verwaltungsrat bezeichnet (vgl. § 20 SEAG) – nach Art. 43 Abs. 3 S. 1 SE-VO grundsätzlich von der Hauptversammlung bestellt. Wie die entsprechende Vorschrift zum Aufsichtsorgan im dualistischen System enthält jedoch auch Art. 43 Abs. 3 S. 3 SE-VO einen ausdrücklichen Verweis auf Art. 47 Abs. 4 SE-VO, wonach abweichende nationale Sonderregelungen zulässig sind. 193

Siems, in: KölnKomm AktG, Art. 47 SE-VO Rn. 34; Huizinga, Machtbalance, S. 261 f. „Einzelstaatliche Rechtsvorschriften, die auch einer Minderheit von Aktionären oder anderen Personen oder Stellen die Bestellung eines Teils der Organmitglieder erlauben, bleiben von dieser Verordnung unberührt.“ (Hervorhebung durch den Verfasser.) Ebenso die englische Fassung: „This Regulation shall not affect national law permitting a minority of shareholders or other persons or authorities to appoint some of the members of a company organ.“ 195 Wieso mit einer „Erlaubnis“ nicht auch die Erlaubnis einer entsprechenden Satzungsgestaltung gemeint sein sollte, ist nicht ersichtlich. 196 Siehe oben Kap. 1, A. IV. 197 Siems, in: KölnKomm AktG, Art. 47 SE-VO Rn. 33; Manz, in: Manz/Mayer/Schröder, SE, Art. 47 SE-VO Rn. 10. 198 Schwarz, SE-VO, Art. 40 Rn. 62, 64; Reichert/Brandes, in: MünchKomm AktG, SE-VO Art. 40 Rn. 57 ff.; Drinhausen, in: Van Hulle/Maul/Drinhausen, Hdb SE, S. 128. 199 Paefgen, in: KölnKomm AktG, Art. 40 SE-VO Rn. 82; Schwarz, SE-VO, Art. 40 Rn. 65; i.E. ebenso Reichert/Brandes, in: MünchKomm AktG, SE-VO Art. 40 Rn. 60; Drygala, in: Lutter/Hommelhoff, SE, Art. 40 SE-VO Rn. 11. 194

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Kap. 2: Entsendungsrechte im nationalen und internationalen Vergleich

Entsprechend sieht § 28 Abs. 2 SEAG, der auf der Ermächtigung des Art. 43 Abs. 4 SE-VO zur Einführung von Vorschriften über ein monistisches System beruht,200 die Geltung des § 101 Abs. 2 AktG ausdrücklich vor.201 Somit können auch Mitglieder des Verwaltungsrats in der monistischen SE durch einzelne Aktionäre entsandt werden.202 Es gelten die Vorgaben des § 101 Abs. 2 AktG, sodass Entsendungsrechte insbesondere nur für Aktionäre, nur durch die Satzung und höchstens für ein Drittel der Aktionärsvertreter im Verwaltungsrat begründet werden können.203 Die Amtszeit eines entsandten Mitglieds kann der Entsendungsberechtigte in den Grenzen des Art. 46 SE-VO frei bestimmen, auch wenn die Satzung eine bestimmte Amtszeit für die Verwaltungsratsmitglieder festlegt.204 Der Verwaltungsrat der monistischen SE unterscheidet sich wesentlich vom Aufsichtsrat der AG. Er leitet selbst – wenn auch unter Einschaltung sogenannter geschäftsführender Direktoren (§ 40 SEAG), die allerdings umfassend an die Weisungen des Verwaltungsrats gebunden sind (§ 44 Abs. 2 SEAG) – die Gesellschaft und trägt die Letztverantwortung für die Unternehmenspolitik. Damit kommen ihm sowohl Geschäftsführungs-, als auch Überwachungsfunktionen zu.205 Die Stellung als Verwaltungsratsmitglied ist folglich mit deutlich umfassenderen Kompetenzen verbunden als die eines Aufsichtsratsmitglieds. Entsprechend ermöglicht die Entsendung von Mitgliedern des Verwaltungsrats eine weitaus größere und insbesondere unmittelbare Einflussnahme auf die unternehmerische Ausrichtung der Gesellschaft. Im Ergebnis vermitteln Entsendungsrechte in der monistischen SE damit trotz der auch hier geltenden zahlenmäßigen Begrenzung des § 101 Abs. 2 S. 4 AktG einen deutlich weiter reichenden Einfluss als in der Aktiengesellschaft.206 Dabei ist auch zu beachten, dass der Gesetzgeber das Entsendungsrecht bei der monistischen SE nicht etwa auf nichtgeschäftsführende Verwaltungsratsmitglieder beschränkt hat. Auch entsandte Mitglieder können also nach der Grundregel des § 40 Abs. 1 S. 2 SEAG zu geschäftsführenden Direktoren bestellt werden, solange die Mehrheit des Verwaltungsrats aus nichtgeschäftsführenden Mitgliedern besteht. 200

Rn. 7.

Vgl. C. Teichmann, in: Lutter/Hommelhoff, SE, Anh. Art. 43 SE-VO (§ 28 SEAG)

201 Vgl. C. Teichmann, in: Lutter/Hommelhoff, SE, Art. 47 SE-VO Rn. 28; Schwarz, SE-VO, Art. 43 Anh. Rn. 139. Hier spielt daher die oben unter 1. diskutierte Frage, ob Art. 47 Abs. 4 SE-VO eine Verweisung auf das deutsche Aktienrecht enthält, keine Rolle. 202 Reichert/Brandes, in: MünchKomm AktG, SE-VO Art. 43 Rn. 38; C. Teichmann, in: Lutter/Hommelhoff, SE, Art. 43 SE-VO Rn. 45; Drinhausen, in: Van Hulle/Maul/Drinhausen, Hdb SE, S. 135; Schwarz, SE-VO, Art. 43 Anh. Rn. 139; Eberspächer, in: Spindler/Stilz, AktG, SE-VO Art. 43 Rn. 31; Huizinga, Machtbalance, S. 263. 203 C. Teichmann, in: Lutter/Hommelhoff, SE, Anh. Art. 43 SE-VO (§ 28 SEAG) Rn. 8. 204 Reichert/Brandes, in: MünchKomm AktG, SE-VO Art. 43 Rn. 39. 205 Drinhausen, in: Van Hulle/Maul/Drinhausen, Hdb SE, S. 134; vgl. auch Austmann, in: MünchHdb AG, § 85 Rn. 1, 8, 13 ff. 206 Zu weiteren Gestaltungsmöglichkeiten, die den Effekt von Entsendungsrechten in der SE möglicherweise noch verstärken können, siehe unten 3.

B. Die Entsendung in anderen deutschen Gesellschaftsformen

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Etwas anderes lässt sich den gesetzlichen Regelungen nicht entnehmen. Soweit vielfach vertreten wird, dass Arbeitnehmervertreter im Verwaltungsrat nicht zu geschäftsführenden Direktoren bestellt werden könnten,207 lässt sich die hinter dieser Erwägung stehende Argumentation, wonach es anderenfalls zu einer „eklatanten Ausweitung der Mitbestimmung“ käme,208 auf entsandte Mitglieder nicht übertragen – abgesehen davon, dass diese Einschränkung auf Aktionärsvertreter von der Gegenansicht209 mangels gesetzlicher Grundlage zu Recht abgelehnt wird.210 Es stellt sich in diesem Zusammenhang die Frage, ob die Entsendung eines Verwaltungsratsmitglieds auch seine Bestellung zum geschäftsführenden Direktor umfassen kann, ob also mit anderen Worten auch geschäftsführende Direktoren entsandt werden können. Dies ist jedoch klar zu verneinen. Die Bestellungskompetenz ist in § 40 Abs. 1 S. 1 SEAG ausschließlich dem Verwaltungsrat zugewiesen. Hiervon kann die Satzung nicht abweichen;211 die Bestellung kann weder an einen Ausschuss, noch an Dritte delegiert werden.212 Da eine dem § 28 Abs. 2 SEAG entsprechende Verweisungsnorm auf § 101 Abs. 2 AktG fehlt, ist die Entsendung von geschäftsführenden Direktoren durch Aktionäre ebenfalls unzulässig. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus Art. 47 Abs. 4 SE-VO: Selbst wenn man von der Organqualität der geschäftsführenden Direktoren ausgeht213 und damit die grundsätzliche Anwendbarkeit dieser Norm bejaht, so lässt sich durch sie doch unmöglich die Geltung des § 101 Abs. 2 AktG auf geschäftsführende Direktoren erstrecken. Zwar handelt es sich bei Art. 47 Abs. 4 SE-VO um eine Verweisungsnorm,214 diese kann jedoch lediglich auf für die SE „passendes“ nationales Recht verweisen. Die Ausdehnung nationaler Rechtsvorschriften auf SE-spezifische Organe, die dem nationalen Aktienrecht unbekannt sind, ist mit der Vorschrift nicht bezweckt worden. Dies muss insbesondere dann gelten, wenn der nationale Gesetzgeber von der Ermächtigung der Art. 39 Abs. 5 bzw. Art. 43 Abs. 4 SE-VO Gebrauch gemacht und originär SE-rechtliche Normen erlassen hat. Die Regelungen in § 28 Abs. 2 und § 40 Abs. 1 S. 1 SEAG können insofern keinesfalls durch eine ausufernde Ausdehnung 207

Manz, in: Manz/Mayer/Schröder, SE, Art. 43 SE-VO Rn. 131; Kallmeyer, ZIP 2003, 1531, 1534; Ihrig/Wagner, BB 2004, 1749, 1758; Seibt, in: Lutter/Hommelhoff, Die Europäische Gesellschaft, S. 67, 83; wohl auch Eberspächer, in: Spindler/Stilz, AktG, SE-VO Art. 43 Rn. 36, sowie Schwarz, SE-VO, Art. 43 Anh. Rn. 269. 208 Ihrig/Wagner, BB 2004, 1749, 1758. 209 Siems, in: KölnKomm AktG, Anh. Art. 51 SE-VO (§ 40 SEAG) Rn. 21. 210 Ein entsprechender Antrag der CDU/CSU-Fraktion wurde vom Bundestag gerade nicht angenommen, vgl. Siems, in: KölnKomm AktG, Anh. Art. 51 SE-VO (§ 40 SEAG) Rn. 4. Insofern lässt sich kaum unterstellen, die Einschränkung entspreche dem Willen des Gesetzgebers. 211 C. Teichmann, in: Lutter/Hommelhoff, SE, Anh. Art. 43 SE-VO (§ 40 SEAG) Rn. 7. 212 Schwarz, SE-VO, Art. 43 Anh. Rn. 273. 213 So Schwarz, SE-VO, Art. 43 Anh. Rn. 265; Reichert/Brandes, in: MünchKomm AktG, SE-VO Art. 43 Rn. 8, 15; dagegen Siems, in: KölnKomm AktG, Anh. Art. 51 SE-VO (§ 40 SEAG) Rn. 7; Kallmeyer, ZIP 2003, 1531. 214 Siehe bereits oben 1.

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Kap. 2: Entsendungsrechte im nationalen und internationalen Vergleich

des Art. 47 Abs. 4 SE-VO umgangen werden. Somit bleibt es dabei, dass in der monistischen SE nur Entsendungsrechte in den Verwaltungsrat begründet werden können. Soll ein entsandtes Mitglied auch als geschäftsführender Direktor tätig werden, bedarf es dafür eines entsprechenden Bestellungsbeschlusses des Verwaltungsrats. Für den Verwaltungsrat hat der deutsche Gesetzgeber auch die Abberufung der Organmitglieder in § 29 SEAG ausdrücklich geregelt. Die Vorschrift entspricht inhaltlich und wörtlich § 103 Abs. 1 – 3, 5 AktG.215 Somit können auch entsandte Verwaltungsratsmitglieder nur vom Entsendungsberechtigten jederzeit abberufen und durch andere ersetzt werden (§ 29 Abs. 2 S. 1 SEAG). Die Hauptversammlung ist gem. § 29 Abs. 2 S. 2 SEAG zur Abberufung nur befugt, wenn die satzungsmäßigen Voraussetzungen des Entsendungsrechts weggefallen sind.216 Ferner kann eine Aktionärsminderheit (10 % des Grundkapitals oder eine Million Euro) einen Antrag auf gerichtliche Abberufung aus wichtigem Grund stellen (§ 29 Abs. 3 S. 3 SEAG). 3. Exkurs: Beschlussfähigkeit und Beschlussfassung der Organe Im Zusammenhang mit Entsendungsrechten in der SE stellt sich die Frage, inwieweit die Wirkung dieser Rechte als Instrument der Einflussnahme auf die Gesellschaft möglicherweise noch verstärkt werden kann. Hierfür kommt vor allem die Statuierung besonderer Satzungsregelungen zur Beschlussfähigkeit und zur Beschlussfassung von Aufsichtsorgan und Verwaltungsrat in Betracht.217 Der Regelungsgehalt des einschlägigen Art. 50 SE-VO entspricht zwar im Wesentlichen dem des § 108 AktG;218 allerdings erlaubt die europäische Vorschrift ausdrücklich nicht nur die Regelung der Beschlussfähigkeit, sondern auch der Beschlussfassung durch die Satzung der SE (Art. 50 Abs. 1 SE-VO). Aufgrund dieser bewussten Offenheit gegenüber abweichenden Satzungsregelungen können die in der deutschen AG bestehenden Grenzen der Gestaltungsfreiheit219 zumindest nicht ohne weiteres auf die SE übertragen werden.220 Insbesondere ist der nationale Gesetzgeber nicht be-

215 Vgl. Siems, in: KölnKomm AktG, Anh. Art. 51 SE-VO (§ 29 SEAG) Rn. 4. Es fehlt der in § 103 Abs. 4 enthaltene Hinweis auf das deutsche Mitbestimmungsrecht; im Übrigen wurde lediglich das Wort „Aufsichtsrat“ durch „Verwaltungsrat“ ersetzt. 216 Schwarz, SE-VO, Art. 43 Anh. Rn. 151. 217 Vgl. Reichert, in: FS K. Schmidt, S. 1341, 1350, wonach in der SE die Einräumung einer „Vetoposition“ durch die Kombination von Entsendungsrechten und Beschlussmehrheitsregelungen möglich sein soll. 218 Reichert/Brandes, in: MünchKomm AktG, SE-VO Art. 50 Rn. 1. 219 Siehe dazu oben Kap. 1, A. IV. 4. b). 220 Vgl. Seibt, in: Lutter/Hommelhoff, Die Europäische Gesellschaft, S. 67, 76 ff.; Reichert/Brandes, in: MünchKomm AktG, SE-VO Art. 50 Rn. 5, 26; Drinhausen, in: Van Hulle/ Maul/Drinhausen, Hdb SE, S. 131; Bachmann, ZGR 2008, 779, 793.

B. Die Entsendung in anderen deutschen Gesellschaftsformen

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fugt, die Satzungsfreiheit in diesem Bereich zu begrenzen oder gar auszuschließen.221 Gleichwohl wird auch die von der SE-VO gewährte Satzungsautonomie zumeist nicht als grenzenlose Gestaltungsfreiheit verstanden. So sollen etwa das Kollegialprinzip und die grundsätzliche Gleichberechtigung aller Organmitglieder auch bei der satzungsmäßigen Ausgestaltung der SE zu beachten sein.222 Im Einzelnen ist die Zulässigkeit entsprechender Satzungsgestaltungen höchst umstritten.223 Wohl überwiegend für möglich gehalten wird die Statuierung erhöhter Mehrheitserfordernisse auch für solche Beschlüsse, mit denen das Organ einer gesetzlichen Pflicht nachkommt.224 Danach könnte die Satzung für sämtliche Beschlüsse eine Dreiviertelmehrheit vorschreiben. Dies würde es entsandten Organmitgliedern – sofern deren erlaubter Anteil von einem Drittel ausgeschöpft wird und keine Arbeitnehmervertreter hinzukommen – erlauben, jegliche Beschlussfassungen zu blockieren. In ähnlicher Weise wäre es denkbar, entsandten Organmitgliedern durch die Satzung Vetorechte bei der Beschlussfassung einzuräumen. Auch die Zulässigkeit derartiger Gestaltungen für das Aufsichtsorgan und den Verwaltungsrat ist allerdings streitig: Während Vetorechte nach einer Ansicht dem Charakter eines Kollegialorgans widersprechen,225 hält sie die Gegenansicht für unbedenklich.226 Ebenso unklar ist, ob die Satzung die Beschlussfähigkeit von Aufsichtsorgan oder Verwaltungsrat von der Anwesenheit eines bestimmten – also etwa eines entsandten – Mitglieds abhängig machen kann. Dies wird teilweise als Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung aller Organmitglieder angesehen und deshalb abgelehnt,227 teilweise aber auch für zulässig gehalten.228 Gleiches gilt für die Frage, 221 Siems, in: KölnKomm AktG, Art. 50 SE-VO Rn. 4; Manz, in: Manz/Mayer/Schröder, SE, Art. 50 SE-VO Rn. 13; Bachmann, ZGR 2008, 779, 793. 222 C. Teichmann, in: Lutter/Hommelhoff, SE, Art. 50 SE-VO Rn. 7; ablehnend allerdings Bachmann, ZGR 2008, 779, 793; Siems, in: KölnKomm AktG, Art. 50 SE-VO Rn. 14. 223 Der folgende Überblick bezieht sich allein auf die mitbestimmungsfreie SE; mitbestimmungsrechtliche Besonderheiten werden nicht berücksichtigt. 224 Reichert/Brandes, in: MünchKomm AktG, SE-VO Art. 50 Rn. 26; Siems, in: KölnKomm AktG, Art. 50 SE-VO Rn. 14; Seibt, in: Lutter/Hommelhoff, Die Europäische Gesellschaft, S. 67, 77; dagegen allerdings Eberspächer, in: Spindler/Stilz, AktG, SE-VO Art. 50 Rn. 10. 225 Reichert/Brandes, in: MünchKomm AktG, SE-VO Art. 50 Rn. 33 f.; Eberspächer, in: Spindler/Stilz, AktG, SE-VO, Art. 50 Rn. 10; Seibt, in: Lutter/Hommelhoff, Die Europäische Gesellschaft, S. 67, 78, 81 f.; für Vetorechte des Vorsitzenden ebenso Schwarz, SE-VO, Art. 50 Rn. 32. 226 Siems, in: KölnKomm AktG, Art. 50 SE-VO Rn. 14; einschränkend auch C. Teichmann, in: Lutter/Hommelhoff, SE, Art. 50 SE-VO Rn. 8; für Vetorechte des Vorsitzenden ebenso Bachmann, ZGR 2008, 779, 793. 227 Eberspächer, in: Spindler/Stilz, AktG, SE-VO Art. 50 Rn. 5; Seibt, in: Lutter/Hommelhoff, Die Europäische Gesellschaft, S. 67, 82; bezogen auf den Vorsitzenden wohl auch C. Teichmann, in: Lutter/Hommelhoff, SE, Art. 50 SE-VO Rn. 8, Fn. 11; Reichert/Brandes, in: MünchKomm AktG, SE-VO Art. 45 Rn. 24. 228 Für den Organvorsitzenden Schwarz, SE-VO, Art. 50 Rn. 19; Eder, NZG 2004, 544, 545; Bachmann, ZGR 2008, 779, 793.

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Kap. 2: Entsendungsrechte im nationalen und internationalen Vergleich

ob die SE-Satzung Mehrstimmrechte bei der Beschlussfassung vorsehen kann229 bzw. bestimmen kann, dass einzelne Organmitglieder bei Meinungsverschiedenheiten Entscheidungen gegen die Mehrheit treffen können.230 Der knappe Überblick zeigt, dass die Grenzen der Satzungsautonomie in der SE bislang vollkommen unklar sind. Eine ausführliche Diskussion sämtlicher Probleme würde den Rahmen der vorliegenden Arbeit sprengen. Zuzustimmen ist jedenfalls der überwiegend anerkannten231 Prämisse, dass eine unbesehene Übertragung von für die deutsche AG entwickelten Grundsätzen auf die SE nicht möglich ist. Die Frage nach der Zulässigkeit einzelner Satzungsgestaltungen zu Beschlussfähigkeit und Beschlussfassung ist vielmehr einheitlich auf europarechtlicher Ebene zu beantworten.232 Gleichwohl kann die durch Art. 50 Abs. 1 SE-VO grundsätzlich gewährte Satzungsfreiheit nicht bedeuten, dass wesentliche Strukturprinzipien wie das Erfordernis funktionsfähiger Gesellschaftsorgane, das Gebot einer effektiven Aufsicht und insbesondere die Gleichberechtigung der Organmitglieder willkürlich ausgehebelt werden dürfen.233 Gerade Satzungsgestaltungen, die entsandte Organmitglieder zusätzlich mit Mehrstimmrechten, Alleinentscheidungsbefugnissen oder unüberwindbaren Vetorechten ausstatten, dürften daher auch in der SE problematisch sein. Freilich ist zu beachten, dass sämtliche derartige Klauseln mangels Sonderrechtscharakter234 ohnehin durch Satzungsänderung wieder abgeschafft werden könnten. 4. Zwischenergebnis Entsendungsrechte sind sowohl für den Aufsichtsrat der dualistischen SE, als auch für den Verwaltungsrat der monistischen SE zulässig. In beiden Fällen gelten die Begrenzungen des § 101 Abs. 2 AktG, sodass sich gegenüber der AG keine Besonderheiten ergeben. Zu bedenken ist allerdings, dass die Entsendung von Verwaltungsratsmitgliedern eine unmittelbare und damit weiter reichende Einflussnahme auf die Leitung der Gesellschaft ermöglicht. Inwieweit die Wirkung von Entsendungsrechten in der SE durch Satzungsregelungen zur Beschlussfähigkeit und 229 Dafür Siems, in: KölnKomm AktG, Art. 50 SE-VO Rn. 14; dagegen Reichert/Brandes, in: MünchKomm AktG, SE-VO Art. 50 Rn. 35; Eberspächer, in: Spindler/Stilz, AktG, SE-VO Art. 50 Rn. 9; wohl auch Schwarz, SE-VO, Art. 50 Rn. 13. 230 Dafür Drinhausen, in: Van Hulle/Maul/Drinhausen, Hdb SE, S. 131; dagegen Eberspächer, in: Spindler/Stilz, AktG, SE-VO Art. 50 Rn. 9; Reichert/Brandes, in: MünchKomm AktG, SE-VO Art. 50 Rn. 27. 231 Siehe die Nachweise in Fn. 220. 232 Vgl. Seibt, in: Lutter/Hommelhoff, Die Europäische Gesellschaft, S. 67, 77 f.; ähnlich Bachmann, ZGR 2008, 779, 781, 794 („Gewinnung SE-spezifischer Rechtssätze“). 233 Vgl. Seibt, in: Lutter/Hommelhoff, Die Europäische Gesellschaft, S. 67, 78, 81 f. 234 Dies gilt auch für eventuelle Vetorechte oder Mehrstimmrechte bei der Beschlussfassung, da auch diese an die Organstellung anknüpfen, nicht aber an die mitgliedschaftliche Stellung des Entsendungsberechtigten.

B. Die Entsendung in anderen deutschen Gesellschaftsformen

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Beschlussfassung des jeweiligen Organs zusätzlich erweitert werden kann, ist noch weitgehend ungeklärt.

III. KGaA In der KGaA bestehen drei zwingende Organe: Der oder die persönlich haftenden Gesellschafter (Komplementär), die Hauptversammlung sowie der Aufsichtsrat.235 Der Komplementär ist dabei für die Aufgaben der Geschäftsführung und Vertretung zuständig und übernimmt somit die Funktion des Vorstands in der AG.236 Damit sind in der KGaA – abgesehen von fakultativen Organen,237 auf die hier nicht eingegangen wird – nur Entsendungsrechte in den Aufsichtsrat denkbar. Die Kompetenzen des Aufsichtsrats der KGaA sind insgesamt begrenzter als in der AG. Insbesondere fehlt ihm die Personalkompetenz, also das Recht zur Bestellung des Leitungsorgans. Dagegen hat er nach § 287 Abs. 1 AktG grundsätzlich die Beschlüsse der Kommanditaktionäre auszuführen. Im Übrigen kommt ihm, wie auch in der AG, die Funktion der Überwachung der Geschäftsführung zu.238 Obwohl § 287 Abs. 2 AktG die Vertretung der Kommanditaktionäre durch den Aufsichtsrat besonders herausstellt, ist dieser nach ganz überwiegender Ansicht dennoch nur Organ der Gesellschaft und nicht auch der Gesamtheit der Kommanditaktionäre.239 Aufgrund der Verweisung in § 278 Abs. 3 AktG richten sich Bestellung und Zusammensetzung des Aufsichtsrats nach den allgemeinen aktienrechtlichen Vorschriften.240 § 101 Abs. 2 AktG ist damit vollumfänglich anwendbar, sodass Entsendungsrechte in den KGaA-Aufsichtsrat innerhalb der dort vorgegebenen Grenzen zulässig sind.241 Es gelten mithin wie bei der AG die Beschränkung des Entsendungsrechts auf (Kommandit-)Aktionäre, das Erfordernis einer Satzungsregelung sowie die zahlenmäßige Begrenzung der Entsendungsmandate auf ein Drittel der 235

Perlitt, in: MünchKomm AktG, Vor § 287 Rn. 44; Bachmann, in: Spindler/Stilz, AktG, § 278 Rn. 17. 236 Bachmann, in: Spindler/Stilz AktG, § 278 Rn. 17; Müller-Michaels, in: Hölters, AktG, § 278 Rn. 8. 237 Deren Schaffung ist in der KGaA mangels Geltung des § 23 Abs. 5 AktG zulässig, siehe Müller-Michaels, in: Hölters, AktG, § 278 Rn. 8; Assmann/Sethe, in: Großkomm AktG, Vor § 278 Rn. 65; K. Schmidt, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 287 Rn. 1. 238 Assmann/Sethe, in: Großkomm AktG, § 287 Rn. 1; Perlitt, in: MünchKomm AktG, Vor § 278 Rn. 57 ff. 239 Assmann/Sethe, in: Großkomm AktG, § 287 Rn. 31; K. Schmidt, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 287 Rn. 2; Perlitt, in: MünchKomm AktG, § 287 Rn. 5; Bachmann, in: Spindler/Stilz, AktG, § 287 Rn. 1; Herfs, in: MünchHdb AG, § 78 Rn. 46; anders allerdings Müller-Michaels, in: Hölters, AktG, § 287 Rn. 1. 240 Perlitt, in: MünchKomm AktG, § 287 Rn. 17. 241 BGHZ 165, 192, 199; Assmann/Sethe, in: Großkomm AktG, § 287 Rn. 6; Perlitt, in: MünchKomm AktG, § 287 Rn. 18; K. Schmidt, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 287 Rn. 4; Herfs, in: MünchHdb AG, § 78 Rn. 48; Hoffmann-Becking/Herfs, in: FS Sigle, S. 273, 289.

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Kap. 2: Entsendungsrechte im nationalen und internationalen Vergleich

Aktionärsvertreter. Im Übrigen sei auf die obigen Ausführungen zu den rechtlichen Grundlagen des Entsendungsrechts in der AG verwiesen.242 Es besteht allerdings in der KGaA eine entscheidende Besonderheit: Nach wohl allgemeiner Ansicht sind Entsendungsrechte zugunsten von Komplementären der KGaA unzulässig243 bzw. können von diesen nicht ausgeübt werden,244 auch wenn sie gleichzeitig Kommanditaktionäre der Gesellschaft sind. Dies ergebe sich aus einer analogen Anwendung des § 285 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 AktG, wonach für den Komplementär der KGaA bei der Wahl des Aufsichtsrats ein zwingendes Stimmverbot besteht.245 Teilweise wird zusätzlich der Ausschluss des Komplementärs von der Aufsichtsratstätigkeit nach § 287 Abs. 3 AktG herangezogen246 oder allgemein auf den sich aus den genannten Vorschriften ergebenden strikten Grundsatz der Ämtertrennung verwiesen.247 Auffallend ist, dass damit in der KGaA strengere Maßstäbe angelegt werden als in der AG, wo Entsendungsrechte zumindest nach überwiegender Ansicht auch von Aktionären ausgeübt werden können, die gleichzeitig Mitglieder des Vorstands sind.248 Begründet wird dieser Unterschied damit, dass der KGaA-Aufsichtsrat neben der Wahrnehmung von Kontrollfunktionen nach der gesetzlichen Konzeption insbesondere auch zur Vertretung der Kommanditaktionäre berufen sei. Insofern gehe es hier um die Machtverteilung zwischen zwei Gesellschaftergruppen, nämlich den persönlich haftenden Gesellschaftern einerseits und den Kommanditaktionären andererseits.249 Neben natürlichen Personen können allerdings auch juristische Personen250 bzw. allgemein Handelsgesellschaften251 Komplementäre einer KGaA sein, was sich seit 1998 auch aus § 279 Abs. 2 AktG ergibt.252 Im Falle einer solchen „atypischen“ oder 242

Siehe oben Kap. 1, A. IV. Assmann/Sethe, in: Großkomm AktG, § 287 Rn. 6; Hoffmann-Becking/Herfs, in: FS Sigle, S. 273, 289; Herfs, in: MünchHdb AG, § 78 Rn. 48. 244 OLG München, AG 2004, 151, 155; Perlitt, in: MünchKomm AktG, § 287 Rn. 20; Bachmann, in: Spindler/Stilz, AktG, § 287 Rn. 4; K. Schmidt, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 287 Rn. 4; Ihrig/Schlitt, in: Ulmer, GmbH & Co KGaA, S. 33, 45; wohl auch A. Kessler, NZG 2005, 145, 150; offen gelassen in BGHZ 165, 192, 201. 245 OLG München, AG 2004, 151, 155; A. Kessler, NZG 2005, 145, 150; Hoffmann-Becking/Herfs, in: FS Sigle, S. 273, 289. 246 Assmann/Sethe, in: Großkomm AktG, § 287 Rn. 6. 247 Vgl. Bachmann, in: Spindler/Stilz, AktG, § 287 Rn. 4; ähnlich auch Perlitt, in: MünchKomm AktG, § 285 Rn. 26. 248 Siehe dazu ausführlich unten Kap. 3, B. IV. 1. und Kap. 5, C. IV. 1. 249 Vgl. Perlitt, in: MünchKomm AktG, § 278 Rn. 324; Assmann/Sethe, in: Großkomm AktG, § 287 Rn. 7. 250 BGHZ 134, 392 für die GmbH; Bachmann, in: Spindler/Stilz, AktG, § 278 Rn. 3; Ihrig/ Schlitt, in: Ulmer, GmbH & Co KGaA, S. 33, 34 f. 251 Perlitt, in: MünchKomm AktG, § 278 Rn. 19 ff.; Assmann/Sethe, in: Großkomm AktG, Vor § 278 Rn. 64. 252 Vgl. BGHZ 165, 192, 197; Müller-Michaels, in: Hölters, AktG, § 279 Rn. 3. 243

B. Die Entsendung in anderen deutschen Gesellschaftsformen

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„kapitalistischen“253 KGaA ist das dargelegte Entsendungsverbot nach wiederum ganz herrschender Meinung auf die Geschäftsführer der Komplementärgesellschaft und die an dieser wesentlich beteiligten bzw. herrschenden Gesellschafter zu übertragen.254 Anderenfalls könnte der einer Komplementärgesellschaft selbst versagte Einfluss mittelbar durch diese Personen wahrgenommen werden.255 Der BGH hat dies zwar offen gelassen,256 gleichzeitig aber angedeutet, dass er die Ausdehnung des § 287 Abs. 3 AktG auf derartige Personen billigt.257 Aufgrund des Gleichlaufs dieser Vorschrift mit § 285 Abs. 1 AktG kann für die Begründung bzw. Wahrnehmung von Entsendungsrechten kaum etwas anderes gelten.258 Sonstige Gesellschafter der Komplementärgesellschaft, die weder Leitungsfunktionen, noch einen bestimmenden Einfluss ausüben, unterliegen dagegen keinem Entsendungsverbot.259 Aus diesen Erwägungen ergibt sich ein wesentliches Hindernis für Entsendungsrechte in Familiengesellschaften, für welche die KGaA grundsätzlich eine attraktive Rechtsform darstellt, um Zugang zum Kapitalmarkt zu erlangen, gleichzeitig aber den Familieneinfluss zu erhalten.260 Da die Familiengesellschafter üblicherweise gemeinsam die Komplementärgesellschaft beherrschen, dürften Entsendungsrechte regelmäßig für keinen von ihnen zulässig sein, und zwar unabhängig von der jeweiligen Beteiligungsquote der einzelnen Familienmitglieder.261 Dieses Problem lässt sich in der Praxis allerdings dadurch vermeiden, dass bei einem aktiengebundenen Entsendungsrecht die entsprechenden Namensaktien an eine der Familie nahestehende Person ohne Anteilsbesitz übertragen werden, wobei die erforderliche Zustimmung der Gesellschaft durch den geschäftsführungsbefugten Komplementär erteilt werden kann.262 Ein solches Vorgehen hat der BGH ausdrücklich für zulässig befunden und jedenfalls dann nicht als Umgehungsgeschäft eingestuft, wenn der Erwerber über die Entsendung frei entscheiden kann und nicht 253

Bachmann, in: Spindler/Stilz, AktG, § 278 Rn. 3. Assmann/Sethe, in: Großkomm AktG, § 287 Rn. 7; Perlitt, in: MünchKomm AktG, § 278 Rn. 323; Herfs, in: MünchHdb AG, § 78 Rn. 48; Bachmann, in: Spindler/Stilz, AktG, § 287 Rn. 4; K. Schmidt, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 287 Rn. 4, 9; Hoffmann-Becking/Herfs, in: FS Sigle, S. 273, 289; A. Kessler, NZG 2005, 145, 150; für Alleingesellschafter auch OLG München, AG 2004, 151, 155; für sämtliche Gesellschafter Ihrig/Schlitt, in: Ulmer, GmbH & Co KG, S. 33, 45. 255 Assmann/Sethe, in: Großkomm AktG, § 287 Rn. 7. 256 BGHZ 165, 192, 201. 257 Vgl. BGHZ 165, 192, 197 f. 258 Vgl. Dürr, EWiR 2006, 193, 194; A. Kessler, NZG 2005, 145, 150. 259 Vgl. BGHZ 165, 192, 198; Herfs, in: MünchHdb AG, § 78 Rn. 48; anders allerdings Ihrig/Schlitt, in: Ulmer, GmbH & Co KGaA, S. 33, 45. 260 Vgl. Herfs, in: MünchHdb AG, § 75 Rn. 5; Perlitt, in: MünchKomm AktG, Vor § 278 Rn. 2; Ihrig/Schlitt, in: Ulmer, GmbH & Co KGaA, S. 33, 37 ff. 261 Hoffmann-Becking/Herfs, in: FS Sigle, S. 273, 289; zurückhaltend allerdings BGHZ 165, 192, 200 f., wonach die Annahme gleichgerichteter Interessen innerhalb einer Gesellschafterfamilie nicht ohne weiteres möglich sein soll. 262 Hoffmann-Becking/Herfs, in: FS Sigle, S. 273, 289 f. 254

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Kap. 2: Entsendungsrechte im nationalen und internationalen Vergleich

den Weisungen des Komplementärs unterliegt.263 Entsprechend kann danach freilich auch ein persönliches Entsendungsrecht von vornherein einem dem Komplementär nahestehenden Kommanditaktionär eingeräumt werden.

C. Entsendungsrechte im ausländischen Aktienrecht Im deutschen Schrifttum gibt es bislang nur wenige belastbare Angaben über die Zulässigkeit von Entsendungsrechten oder diesen ähnelnden Sonderrechten in anderen Rechtsordnungen.264 Im Folgenden wird deshalb untersucht, inwieweit entsprechende oder zumindest vergleichbare Rechtsinstitute im Aktienrecht ausgewählter ausländischer Rechtsordnungen existieren und wie diese im Einzelnen ausgestaltet sind. Die Auswahl umfasst verschiedene Rechtskreise bzw. Rechtsfamilien. So drängt sich eine Untersuchung des US-amerikanischen Aktienrechts als besonders prominentem Vertreter des anglo-amerikanischen Rechtskreises auf, hat dieses doch in der Vergangenheit oftmals eine Vorreiterrolle eingenommen und zahlreiche Entwicklungen des deutschen Aktienrechts vorweggenommen.265 Auch das englische Recht bietet sich als interessantes Vergleichsobjekt an, stellt es doch einerseits den historischen Ursprung des common law dar,266 während es andererseits, wie auch das deutsche Recht, mehr und mehr durch die europäische Gesetzgebung beeinflusst wird.267 Die europäische Perspektive wird ebenfalls abgedeckt durch die Untersuchung des Aktienrechts Frankreichs, einem Vertreter des romanischen Rechtskreises.268 Hiermit wird insbesondere ein europäischer Mitgliedstaat einbezogen, in dem staatliche Wirtschaftslenkung und aktive „Industriepolitik“ traditionell eine wichtige Rolle spielen.269 Schließlich werden mit Österreich und der Schweiz zwei weitere deutschsprachige Rechtsordnungen in den Blick genommen, die in vielerlei Hinsicht eine enge Verwandtschaft mit dem deutschen Recht aufweisen und entsprechend dem deutschen Rechtskreis zugeordnet werden können.270 Abschließend wird überblicksartig auf Vorschriften in einigen weiteren europäischen 263 BGHZ 165, 192, 202 f.; zustimmend Dürr, EWiR 2006, 193, 194; siehe auch Perlitt, in: MünchKomm AktG, § 278 Rn. 323; Bachmann, in: Spindler/Stilz, AktG, § 287 Rn. 4. 264 Genannt seien beispielhaft die knappen Darstellungen zu Entsendungsrechten im englischen Recht bei M. Herrmann, Zivilrechtliche Abwehrmaßnahmen, S. 203 ff., sowie Ulbricht, Abwehrmaßnahmen, S. 299 ff.; zum Gattungswahlrecht im US-Recht etwa Rothärmel, Gestaltungsfreiheit, S. 254 f. Eine Übersicht über zahlreiche Normen, die die Entsendung von Geschäftsleitern ermöglichen, findet sich zudem bei Möslein, Grenzen unternehmerischer Leitungsmacht, S. 57, Fn. 318 f. 265 Vgl. etwa Merkt, ZVglRWiss 103 (2004), 263, 264 f. 266 Vgl. Will, in: David/Grasmann, Rechtssysteme der Gegenwart, Tz. 282. 267 Vgl. de Cruz, Comparative Law, S. 166. 268 Vgl. Zweigert/Kötz, Rechtsvergleichung, S. 73 ff. 269 Siehe dazu etwa Sonnenberger/Dammann, Französisches WirtR, Rn. III 1 ff. 270 Vgl. Zweigert/Kötz, Rechtsvergleichung, S. 130 ff.

C. Entsendungsrechte im ausländischen Aktienrecht

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Staaten hingewiesen, die wie § 101 Abs. 2 AktG Entsendungsrechte ausdrücklich ermöglichen.

I. USA Das Recht der Vereinigten Staaten von Amerika ist zweifellos ein besonders bedeutsamer Vertreter des anglo-amerikanischen Rechtskreises. Dies lässt sich zuvorderst mit der politischen und wirtschaftlichen Führungsrolle der USA erklären, aber auch mit der in weiten Teilen eigenständigen Entwicklung gegenüber dem englischen common law.271 Zu beachten ist freilich, dass die Vereinigten Staaten als föderalistischer Staat nicht über ein einheitliches Recht verfügen, sondern zahlreiche Rechtsgebiete durch die einzelnen Bundesstaaten geregelt werden,272 darunter auch das Gesellschaftsrecht. Entsprechend handelt es sich beim US-amerikanischen Aktienrecht weitgehend um state law, mit Ausnahme etwa des Sonderrechts der börsennotierten Gesellschaften.273 Die folgenden Ausführungen beziehen sich auf die Rechtslage im besonders bedeutsamen Inkorporationsstaat Delaware274 sowie die Rechtslage nach dem Revised Model Business Corporation Act (RMBCA), den diverse Bundesstaaten übernommen haben.275 Die Grundform der Kapitalgesellschaft und wichtigste Gesellschaftsform in den USA bildet die business corporation (auch stock corporation oder kurz corporation). Es lassen sich die Varianten der closely held oder close corporation einerseits und der publicly held bzw. public corporation andererseits unterscheiden, wobei die public corporation als Publikumsgesellschaft mit frei übertragbaren und breit gestreuten Anteilen der deutschen Aktiengesellschaft entspricht, während die close corporation am ehesten mit der GmbH vergleichbar ist.276 Eine klare Unterscheidung wird in den jeweiligen Gesetzeswerken allerdings nicht vorgenommen, die lediglich einzelne Spezialvorschriften zur close corporation enthalten.277 Deshalb beziehen sich die 271

Zweigert/Kötz, Rechtsvergleichung, S. 233 f.; siehe zur unterschiedlichen Entwicklung und Struktur auch Will, in: David/Grasmann, Rechtssysteme der Gegenwart, Tz. 377 ff. 272 Vgl. de Cruz, Comparative Law, S. 108, 115 ff. 273 Merkt, US GesR, Rn. 196, 216; Beyer, Minderheitsvertreter, S. 48 ff.; Bauman/Stevenson, Corporations, S. 71 f. 274 Zur Bedeutung Delawares als Inkorporationsstaat gerade für große börsennotierte Unternehmen, siehe Bauman/Stevenson, Corporations, S. 86, 90 f.; Merkt, US GesR, Rn. 24 ff.; Rothärmel, Gestaltungsfreiheit, S. 21; Beyer, Minderheitsvertreter, S. 49 f. 275 Dazu Merkt, US GesR, Rn. 249 ff. 276 Merkt, US GesR, Rn. 194 f.; A. Kindler, Der amerikanische Aufsichtsrat, S. 6 ff.; Dooley, Corporation Law, S. 21 ff. 277 A. Kindler, Der amerikanische Aufsichtsrat, S. 6. Im Übrigen kann die close corporation nicht mit der deutschen GmbH gleichgesetzt werden, sie weist vielmehr auch Ähnlichkeiten mit der personalistisch strukturierten „kleinen“ AG auf, siehe Beyer, Minderheitsvertreter, S. 58 ff.; Rothärmel, Gestaltungsfreiheit, S. 24.

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Kap. 2: Entsendungsrechte im nationalen und internationalen Vergleich

folgenden Ausführungen auf die corporation im Allgemeinen, wobei auf Unterschiede gegebenenfalls hingewiesen wird. 1. Organisationsverfassung Die US-amerikanische corporation folgt dem monistischen Leitungsmodell: Neben den shareholders und ihrem Willensbildungsorgan, der Hauptversammlung (shareholders’ meeting), existiert nach der traditionellen Grundstruktur der corporation ein zentrales Verwaltungsorgan, das board of directors.278 Hinzu kommen jedoch, zumindest in der public corporation, in aller Regel die executive officers (auch schlicht officers), also die leitenden Angestellten der Gesellschaft, denen die eigentliche Geschäftsführung obliegt.279 Sie sind indes kein obligatorisches Organ der corporation, sondern unterliegen gem. § 142(a) Delaware General Corporation Law (DGCL) und § 8.40(a) RMBCA den Bestimmungen der bylaws.280 Dagegen muss jede corporation zwingend über ein board of directors verfügen (§ 141(a) DGCL und § 8.01(a) RMBCA), wobei ein einziger director ausreichend ist.281 Eine Ausnahme besteht lediglich in der close corporation, wo die Satzung282 oder auch ein shareholder agreement auf ein board verzichten und die Leitung der Gesellschaft unmittelbar den Gesellschaftern übertragen kann.283 Das board of directors verfügt als zentrales Verwaltungsorgan über umfassende Kompetenzen,284 sodass die Entsendung von Mitgliedern einen weitreichenden Einfluss auf die Leitung der Gesellschaft ermöglichen würde.

278

Pinto/Gevurtz, in: Fleckner/Hopt, Comparative Corporate Governance, S. 1054; Beyer, Minderheitsvertreter, S. 51; Lorenz, Zuständigkeit der Hauptversammlung, S. 125; Häuser, Unabhängigkeit des Aufsichtsratsmitglieds, S. 40; Merkt, US GesR, Rn. 200; Leyens, RabelsZ 67 (2003), 57, 69; v. Hein, RIW 2002, 501, 502; Escher-Weingart, ZVglRWiss 99 (2000), 387, 395. 279 Merkt, US GesR, Rn. 200, 609; R. Herrmann, Funktion, Kontrolle und Haftung, S. 31. Eine besonders starke Position nimmt dabei der chief executive officer (CEO) ein, siehe dazu v. Hein, RIW 2002, 501 ff. 280 Vgl. Bauman/Stevenson, Corporations, S. 342; Merkt, US GesR, Rn. 661; Aurich, Managementkontrolle, S. 35. Vorgeschrieben ist lediglich, dass eine Person die Funktionen des secretary wahrnehmen muss, vgl. Rothärmel, Gestaltungsfreiheit, S. 255. 281 Allen/Kraakman/Subramanian, Business Organization, S. 156; Rothärmel, Gestaltungsfreiheit, S. 252. 282 Soweit im Folgenden von „Satzung“ die Rede ist, sind die articles of incorporation, also die grundlegende Verfassung der Gesellschaft gemeint. Die bylaws, denen die Ausgestaltung der Kompetenzordnung im Einzelnen und im Rahmen der Vorgaben durch die articles of incorporation obliegt, werden dagegen als solche bezeichnet. Siehe zu den Begrifflichkeiten J. Kessler, RIW 1998, 602, 609. 283 § 351 DGCL; § 7.32(a)(1) RMBCA; Henn/Alexander, Laws of Corporations, § 623, S. 717; Dooley, Corporation Law, S. 1011, 1016 ff.; Beyer, Minderheitsvertreter, S. 58; Rothärmel, Gestaltungsfreiheit, S. 252. 284 Vgl. Dooley, Corporation Law, S. 181 f.; Merkt, US GesR, Rn. 625.

C. Entsendungsrechte im ausländischen Aktienrecht

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Innerhalb des board unterscheidet man zwischen inside directors, also solchen, die gleichzeitig officers der Gesellschaft sind und damit aktiv an der Geschäftsführung teilnehmen, und outside directors (bzw. independent directors), die nicht anderweitig für die corporation tätig sind.285 Grundsätzlich sind corporations in der Bestimmung über die Zusammensetzung ihres board frei. Allerdings verlangen die Börsenzulassungsregeln etwa der New York Stock Exchange (NYSE) mittlerweile die mehrheitliche Besetzung des board mit independent directors, um eine effektivere Überwachung des Managements zu gewährleisten.286 Eine obligatorische Vertretung der Arbeitnehmer im board of directors ist dem US-amerikanischen Recht dagegen gänzlich unbekannt.287 2. Entsendung von Mitgliedern des board of directors a) Grundsatz der Wahl durch die shareholders Die Bestellung der Mitglieder des board of directors obliegt im US-amerikanischen Aktienrecht grundsätzlich den shareholders.288 Entsprechend wählen sie die directors in der Hauptversammlung,289 und zwar grundsätzlich im jährlichen Turnus, was sich aus § 211(b) DGCL und § 8.03(c) RMBCA ergibt. Es handelt sich um eine ausschließliche Kompetenz der shareholders bzw. der Hauptversammlung.290 Ausnahmen sind nur zulässig, soweit sie gesetzlich vorgesehen sind. So ist die Neubesetzung einzelner vakanter Sitze durch das board selbst im Wege der Kooptation möglich.291 Auf diese Weise können aber lediglich Ersatzmitglieder bestellt werden, deren Amtszeit mit der Wahl eines Nachfolgers durch die shareholders bzw. mit der

285 Dooley, Corporation Law, S. 182 f.; Bauman/Stevenson, Corporations, S. 29; Leyens, RabelsZ 67 (2003), 57, 72; Escher-Weingart, ZVglRWiss 99 (2000), 387, 395; J. Kessler, RIW 1998, 602, 609. Der Begriff des independent director ist allerdings enger als der des outside director, vgl. Aurich, Managementkontrolle, S. 68; Bauman/Stevenson, Corporations, S. 637. Ausführlich zum Begriffsverständnis in den USA auch Häuser, Unabhängigkeit des Aufsichtsratsmitglieds, S. 55 ff. 286 § 303 A.01 NYSE Listed Company Manual; Bauman/Stevenson, Corporations, S. 633, 637; Merkt, US GesR, Rn. 625; Aurich, Managementkontrolle, S. 70. 287 Lorenz, Zuständigkeit der Hauptversammlung, S. 135; Rothärmel, Gestaltungsfreiheit, S. 252; zu entsprechenden Forderungen ausführlich Merkt, US GesR, Rn. 120 ff. 288 Jones, in: Fletcher Cyclopedia of Corporations, § 283; Henn/Alexander, Laws of Corporations, § 203, S. 550; Spellman, Corporate Directors, S. 53 f.; Hillyer, Corporate Management, § 632, S. 802; Merkt, US GesR, Rn. 610, 613. 289 Dooley, Corporation Law, S. 174; Leyens, RabelsZ 67 (2003), 57, 70; J. Kessler, RIW 1998, 602, 609. 290 Bauman/Stevenson, Corporations, S. 477. 291 § 223(a)(1) DGCL; § 8.10(a)(2) RMBCA; Bauman/Stevenson, Corporations, S. 477; Cox/Hazen, Law of Corporations, § 9:13, S. 84 ff.; Henn/Alexander, Laws of Corporations, § 205, S. 557.

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Kap. 2: Entsendungsrechte im nationalen und internationalen Vergleich

nächsten ordentlichen Hauptversammlung endet.292 Daneben können die ersten directors unmittelbar in der Gründungssatzung bestimmt werden.293 Im Übrigen ist jedoch seit langem anerkannt, dass die Gesellschaft den shareholders ihre Kompetenz zur Wahl der Mitglieder des board of directors weder durch Hauptversammlungsbeschlüsse oder Verträge, noch durch Satzungsbestimmungen entziehen kann.294 So ist etwa eine Satzungsregelung unzulässig, die bestimmten Personen eine lebenslange Stellung als director garantiert.295 Dasselbe gilt für eine Vereinbarung durch Vertrag oder bylaws, die Anleihegläubigern (bondholders) das Stimmrecht bei den Wahlen zum board of directors verleiht.296 Der Wahl der directors durch die shareholders kommt im US-amerikanischen Recht insgesamt eine überragende Bedeutung zu, wird sie doch als wichtigster Fall des Stimmrechts,297 wesentliches Eigentumsrecht298 und eine der wenigen Möglichkeiten der Einflussnahme auf die Gesellschaft angesehen,299 welche insgesamt durch eine besonders starke Stellung des board und des Managements geprägt ist.300 Aus diesen Grundsätzen ergibt sich, dass jedenfalls Entsendungsrechte zugunsten gesellschaftsfremder Dritter in der US-amerikanischen corporation unzulässig sind. Die Wahlkompetenz der shareholders kann diesen außerhalb der gesetzlich vorgesehenen Ausnahmen nicht entzogen werden, auch nicht in Bezug auf einzelne Sitze im board of directors. Aber auch Satzungsbestimmungen, die, wie es § 101 Abs. 2 292 Für Delaware ergibt sich dies aus § 141(b) S. 5 DGCL (Amtszeit aller directors endet mit Amtsantritt des Nachfolgers); deutlicher insofern § 8.05(d) RMBCA (Amtszeit eines zur Füllung einer Vakanz bestellten Mitglieds endet mit der nächsten Hauptversammlung, auf der directors gewählt werden); vgl. Jones, in: Fletcher Cyclopedia of Corporations, § 286; Merkt, US GesR, Rn. 627. 293 Henn/Alexander, Laws of Corporations, § 205, S. 556. 294 So bereits Brewster v. Hartley, 37 Cal. 15, 99 Am.Dec. 237 (1869); In re Estate of Johnson, 339 Ill. App. 110, 88 N.E.2d 886 (1949); Hillyer, Corporate Management, § 632, S. 802. 295 State ex rel. Ross v. Anderson, 31 Ind. App. 34 (1903); Spellman, Corporate Directors, S. 58. 296 Durkee v. People, 155 Ill. 354 (1895); Luthy v. Ream, 270 Ill. 170, 177 f. (1915); Spellman, Corporate Directors, S. 58 f., 93. 297 Vgl. Allen/Kraakman/Subramanian, Business Organization, S. 156 („the foundational – and mandatory – voting right“). 298 Vgl. Jones, in: Fletcher Cyclopedia of Corporations, § 283. 299 Vgl. Stokes v. Continental Trust Co., 186 N.Y. 285, 296 (1906): „This right to vote for directors, and upon propositions to increase the stock or mortgage the assets, is about all the power the stockholder has.“ In jüngerer Zeit wird allerdings oftmals kritisiert, dass auch das Wahlrecht zu einer bloßen Formalität verkümmert sei, da aufgrund der regelmäßigen Aufstellung der Kandidaten durch das amtierende board keine echte Auswahl durch die shareholders stattfinde, vgl. ausführlich Bauman/Stevenson, Corporations, S. 647 ff. Die eigentliche Auswahl trifft damit in der Regel bereits das nominating committee des board, vgl. Merkt, US GesR, Rn. 94, 823. 300 Vgl. R. Herrmann, Funktion, Kontrolle und Haftung, S. 32 f.; Fleischer, in: FS Schwark, S. 137, 143 f.

C. Entsendungsrechte im ausländischen Aktienrecht

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AktG ermöglicht, die Entsendung durch einzelne Aktionäre ohne jegliche Mitwirkung der Hauptversammlung vorsehen, verstoßen mangels gesetzlicher Legimitation gegen die allgemeine Bestellungskompetenz der Gesamtheit der shareholders.301 b) Gattungswahlrechte (class voting rights) aa) Grundsätzliche Zulässigkeit und Wirkungsweise Das Recht der corporation stellt jedoch ein Instrument zur Verfügung, mit dem eine dem Entsendungsrecht nach § 101 Abs. 2 AktG entsprechende Einflussnahme auf die Besetzung des board of directors erreicht werden kann: Das sog. Gattungswahlrecht (class voting right).302 In Delaware kann gem. § 141(d) S. 3 DGCL die Satzung einer corporation den Inhabern einer Aktiengattung (class of stock)303 das ausschließliche304 Recht zur Wahl eines oder mehrerer Mitglieder des board of directors einräumen und auch deren Amtsdauer und Stimmrechtsmacht frei ausgestalten. Aus § 141(d) S. 4 DGCL ergibt sich, dass diese directors durch separate Abstimmung der Inhaber der jeweiligen Aktiengattung gewählt werden und durch die Satzung auch mit einem mehrfachen Stimmrecht ausgestattet werden können. Eine entsprechende Ermächtigung enthält § 8.04 RMBCA, wonach die Satzung den Inhabern einer oder mehrerer Aktiengattungen sogar die Wahl sämtlicher directors erlauben kann. Im Falle der Besetzung vakanter Posten durch das board selbst ist die Abstimmung jeweils auf die übrigen directors der jeweiligen Gattung beschränkt,305 da das Gattungswahlrecht anderenfalls ausgehöhlt werden könnte. Von der Möglichkeit des class voting wird vor allem in der close corporation Gebraucht gemacht, um die Repräsentation bestimmter Aktionäre oder Aktionärsgruppen im board of directors zu gewährleisten.306 Auch strategische Großinvestoren lassen sich zuweilen durch die Schaffung einer neuen Aktiengattung derartige Vorrechte einräumen, wenn sie Anteile an einem Unternehmen erwerben.307 Die einzelnen Gattungen müssen dabei nicht die gleiche Anzahl an Aktien umfassen. Es ist sogar möglich, eine Gattung aus nur einer einzigen Aktie zu bilden und dieser das

301

S. 254. 302

Vgl. Finley, U.Miami Bus.L.Rev. 10 (2002), 15, 21; Rothärmel, Gestaltungsfreiheit,

Vgl. Rothärmel, Gestaltungsfreiheit, S. 254 f. Dasselbe gilt, sofern eine Aktiengattung in weitere Serien (series of stock) unterteilt ist, für die Inhaber einer Serie; siehe zu dieser Unterform der Gattung Henn/Alexander, Laws of Corporations, § 160, S. 403 f.; Merkt, US GesR, Rn. 517 f. 304 Vgl. Dooley, Corporation Law, S. 174. 305 § 223(a)(2) DGCL; § 8.10(b) RMBCA; vgl. auch Auer v. Dressel, 118 N.E.2d 590 (N.Y. 1954); Merkt, US GesR, Rn. 627. 306 Vgl. Bauman/Stevenson, Corporations, S. 150, 386; Gevurtz, Corporation Law, S. 518 f. 307 Vgl. Finley, U.Miami Bus.L.Rev. 10 (2002), 15, 34 ff. 303

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Kap. 2: Entsendungsrechte im nationalen und internationalen Vergleich

Recht einzuräumen, einen oder mehrere directors zu wählen.308 So hat der Supreme Court of Delaware die Bildung einer neuen Aktiengattung durch Ausgabe einer einzigen Aktie gebilligt, die keine Anteils- oder Dividendenrechte verbriefte, dafür aber das Recht, einen von fünf directors der Gesellschaft zu bestellen.309 Gattungswahlrechte können mithin unabhängig vom Kapitalanteil ihrer Inhaber statuiert werden und unterliegen hinsichtlich der Anzahl der durch die Gattung zu wählenden directors keinen gesetzlichen Beschränkungen.310 Da sie zudem ein höheres Stimmrecht der Gattungsvertreter vorsehen können und im Übrigen durch die Kombination mit erhöhten Mehrheitserfordernissen bei der Beschlussfassung im board eine Vetoposition begründen können,311 vermögen diese Rechte deutlich mehr Einfluss zu verleihen als Entsendungsrechte nach § 101 Abs. 2 AktG. Die von den Inhabern einer bestimmten Aktiengattung gewählten directors haben die gleichen Treue- bzw. Fürsorgepflichten (fiduciary duties) wie alle anderen Mitglieder des board, und zwar gegenüber sämtlichen shareholders.312 Jede Satzungsänderung, die die Rechte einer Aktiengattung beeinflusst, bedarf gem. § 242(b)(2) DGCL bzw. § 10.04 RMBCA der mehrheitlichen Zustimmung der Inhaber der jeweiligen Gattung.313 Damit sind die Inhaber von class voting rights gegen den Entzug ihrer Sonderrechte durch die Mehrheit der übrigen shareholders geschützt, was dem Sonderrechtcharakter des Entsendungsrechts nach § 101 Abs. 2 AktG entspricht. bb) Abberufungskompetenz Die Wirkung eines Gattungswahlrechts wäre aber wie auch beim Entsendungsrecht begrenzt, wenn die Mehrheit der shareholders das von den Inhabern der Gattung gewählte Mitglied jederzeit abberufen könnte. Nach dem common law steht den shareholders auch ohne gesetzliche Regelung oder entsprechende Satzungsbestimmungen grundsätzlich das Recht zu, directors aus begründetem Anlass abzuberufen (removal for cause).314 Für die grundlose Abberufung (removal without 308 Bauman/Stevenson, Corporations, S. 386; Henn/Alexander, Laws of Corporations, § 265, S. 719. 309 Lehrman v. Cohen, 43 Del. Ch. 222, 222 A.2d 800 (1966). 310 Vgl. Rothärmel, Gestaltungsfreiheit, S. 254 f. Für ein weiteres Bespiel aus der Rechtsprechung siehe etwa Insituform of North America, Inc. v. Chandler, 534 A.2d 257 (Del. Ch. 1987). 311 Vgl. Finley, U.Miami Bus.L.Rev. 10 (2002), 15, 16, 25; Gevurtz, Corporation Law, S. 535. 312 Phillips v. Insituform of North America, Inc., 1987 Del. Ch. LEXIS 474 (*30); Finley, U.Miami Bus.L.Rev. 10 (2002), 15, 26; Allen/Kraakman/Subramanian, Business Organization, S. 165. 313 Vgl. Gevurtz, Corporation Law, S. 120 f.; Merkt, US GesR, Rn. 1587. 314 Campbell v. Loew’s, Inc., 134 A.2d 852, 857 f. (Del. Ch. 1957); Auer v. Dressel, 118 N.E.2d 590, 593 (N.Y. 1954); ähnlich Pardue v. Citizens Bank & Trust Co., 247 So.2d 368, 376 f.

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cause) soll dies indes nicht gelten.315 Das Recht von Delaware wie auch der RMBCA erlauben jedoch mittlerweile ausdrücklich auch die jederzeitige und grundlose Abberufung durch die Mehrheit der shareholders, wobei diese Kompetenz nach RMBCA durch die Satzung wiederum auf die Abberufung for cause beschränkt werden kann.316 Ferner enthalten aber beide Gesetze zusätzliche Sonderregelungen für solche directors, die von den Inhabern einer bestimmten Aktiengattung gewählt wurden. Eindeutig ist in dieser Hinsicht der RMBCA: Nach § 8.08(b) dürfen über die Abberufung eines director, der von einer voting group gewählt worden ist, nur die Mitglieder dieser Gruppe abstimmen. Die Inhaber einer Aktiengattung, die über ein Gattungswahlrecht verfügen, stellen gem. § 8.04 S. 2 RMBCA eine solche voting group dar. Damit stehen unter dem RMBCA das Recht zur grundlosen Abberufung und sogar das Recht zur Abberufung aus begründetem Anlass ausschließlich der jeweiligen Aktiengattung zu.317 Das Recht von Delaware differenziert hingegen: Nach § 141(k)(2) S. 2 DGCL bezieht sich das Recht zur grundlosen Abberufung von durch class voting rights gewählte Mitglieder des board nur auf die Inhaber der jeweiligen Aktiengattung. Diese directors sind somit gegen eine jederzeitige Abberufung durch die Mehrheit der shareholders geschützt. Da die Ausnahmevorschrift aber ausdrücklich nur die Abberufung without cause betrifft, bleibt es hinsichtlich der Abberufung aus begründetem Anlass bei der allgemeinen Regel des § 141(k) DGCL. In Delaware können mithin auch durch class voting gewählte directors wegen eines Fehlverhaltens von der Hauptversammlung abberufen werden.318 Die Abberufungskompetenz steht dabei nicht zur Disposition der Satzung oder der bylaws.319 Damit ist ein Gattungsvertreter im board of directors zwar geringfügig schwächer geschützt als ein entsandtes Mitglied des deutschen Aufsichtsrates, das Gattungswahlrecht wird dadurch aber keinesfalls entwertet und kommt einem Entsendungsrecht sehr nahe. cc) Zulässigkeitsschranken für börsennotierte Gesellschaften Erhebliche Schranken für die Statuierung von Gattungswahlrechen ergeben sich jedoch für börsennotierte Gesellschaften aus den untergesetzlichen Börsenzulas(Ala. 1971) für die Abberufung der officers; Cox/Hazen, Law of Corporations, § 9:14, S. 86; Dooley, Corporation Law, S. 174; Eisenberg/Cox, Corporations, S. 243; Gevurtz, Corporation Law, S. 187; Spellman, Corporate Directors, S. 286; Merkt, US GesR, Rn. 618; Fleischer, RIW 2006, 481. 315 Cox/Hazen, Law of Corporations, § 9:14, S. 90; Henn/Alexander, Laws of Corporations, § 193, S. 512; Eisenberg/Cox, Corporations, S. 243; Fleischer, RIW 2006, 481 f. 316 § 141(k) DGCL; § 8.08(a) RMBCA. 317 Vgl. Cox/Hazen, Law of Corporations, § 9:14, S. 92. 318 Rohe v. Reliance Training Network, Inc., 2000 Del. Ch. LEXIS 108 (*45); Cox/Hazen, Law of Corporations, § 9:14, S. 92, Fn. 24; Dooley, Corporation Law, S. 174. Siehe zur Auslegung des § 141(k) DGCL auch Insituform of North America, Inc. v. Chandler, 534 A.2d 257, 266 f. (Del. Ch. 1987). 319 Rohe v. Reliance Training Network, Inc., 2000 Del. Ch. LEXIS 108 (*39).

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sungsregelungen.320 So lässt insbesondere das Listed Company Manual der besonders bedeutsamen New York Stock Exchange (NYSE) derartige Stimmrechtsmodifikationen nur sehr eingeschränkt zu. Die einschlägige Regelung findet sich in § 313.00(A) NYSE Listed Company Manual,321 der die Voting Rights Policy der NYSE darlegt. Danach dürfen die Stimmrechte der bereits bestehenden Aktien börsennotierter Gesellschaften nicht ungleichartig vermindert oder beschränkt werden. Durch diese Vorschrift wird die nachträgliche Einführung von Mehrstimmrechten und Gattungswahlrechten praktisch untersagt, da mit der Ausgabe derartiger Aktien stets ein Verwässerungseffekt im Stimmrecht der übrigen, nicht begünstigten Aktionäre verbunden ist.322 Zu beachten ist allerdings, dass die NYSE eine Reihe von Ausnahmen zulässt. So soll etwa im Fall einer sanierungsbedürftigen Gesellschaft die Bildung einer neuen Aktiengattung zugunsten eines Investors zumindest dann zulässig sein, wenn die Anzahl der durch diesen zu wählenden directors streng proportional zu seinem (künftigen) Kapitalanteil ist.323 Ferner gilt § 313.00 NYSE Listed Company Manual bereits vom Wortlaut her nicht im Rahmen des initial public offering (IPO), da es hier noch keine schutzbedürftigen „existing shareholders“ gibt. Bei den Ersterwerbern von Aktien wird insofern die Kenntnis der mit diesen verbundenen Stimmrechte und damit eine effiziente Preisbildung am Markt unterstellt.324 Darüber hinaus gewährt die NYSE Ausnahmen für solche Gesellschaften, in denen bei Einführung der Vorschrift bereits mehrere Aktiengattungen bestanden,325 und postuliert zudem einen allgemeinen Grundsatz der flexiblen Anwendung im Einzelfall, wobei die Zielsetzung der unterschiedlichen Stimmrechte und insbesondere ihre Rechtfertigung unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten be-

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Allgemein zu diesen Regelungen Merkt, US GesR, Rn. 279 f. Zum früheren bundesrechtlichen Verbot disproportionaler Stimmrechte bei börsennotierten Gesellschaften durch die Securities and Exchange Commission (SEC), der SEC Rule 19c-4, die später aufgrund mangelnder Gesetzgebungskompetenz für nichtig erklärt wurde, siehe Hazen, Securities Regulation, § 10.1[2], S. 344 ff.; Allen/Kraakman/Subramanian, Business Organization, S. 187; Rothärmel, Gestaltungsfreiheit, S. 194, sowie unten Kap. 5, E. I. 2. 321 Bis 2008 ergaben sich relevante Einschränkungen auch aus § 308.00 (defense tactics) sowie § 314.00 NYSE Listed Company Manual a.F., siehe dazu Finley, U.Miami Bus.L.Rev. 10 (2002), 15, 28 ff., 36 ff.; Rothärmel, Gestaltungsfreiheit, S. 193 ff., 255. Die NYSE hat diese Regelungen jedoch aufgehoben, da sie die umfassende Vorschrift des § 313.00 für ausreichend erachtet, vgl. Securities and Exchange Commission, Release No. 34 – 58303 (4. 8. 2008). 322 Vgl. Finley, U.Miami Bus.L.Rev. 10 (2002), 15, 36 ff.; Rothärmel, Gestaltungsfreiheit, S. 194, 255. 323 NYSE, § 313.00 Interpretation No. 96 – 03 (7. 7. 1996); Finley, U.Miami Bus.L.Rev. 10 (2002), 15, 28 f. (Fn. 44), 39. 324 Vgl. Finley, U.Miami Bus.L.Rev. 10 (2002), 15, 38; Gordon, Cal.L.Rev. 76 (1988), 1, 10; Allen/Kraakman/Subramanian, Business Organization, S. 186; Rothärmel, Gestaltungsfreiheit, S. 194 f., 255. 325 § 313.00 NYSE Listed Company Manual, Supplementary Material .10: Companies with Dual Class Structures. Dies betrifft allerdings nur die Ausgabe weiterer Aktien einer bereits bestehenden Gattung.

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rücksichtigt werden sollen.326 Es zeigt sich damit, dass die Einführung von Gattungswahlrechten mit der Funktion von Entsendungsrechten in der börsennotierten corporation zwar engen Grenzen unterliegt, aber keineswegs per se ausgeschlossen ist. Mit Abschaffung der §§ 308.00 und 314.00 NYSE Listed Company Manual a.F.327 wurden zusätzliche Hürden beseitigt. Gleichwohl dürften die nach wie vor vergleichsweise strengen Zulassungsregeln dazu beitragen, dass Gattungswahlrechte in börsennotierten Gesellschaften kaum vorkommen und auch allgemein in der public corporation sehr selten sind.328 c) Stimmbindungsverträge und Stimmrechtskonsortien Die Repräsentation bestimmter Anteilseigner im board of directors kann, insbesondere in der close corporation, auch mit Hilfe von Stimmbindungsverträgen (voting agreements, vote pooling agreements oder allgemein shareholder agreements) gesichert werden, in denen sich die Parteien zur Wahl bestimmter Personen verpflichten.329 Solche Absprachen zwischen shareholders über die Ausübung ihres Stimmrechts sind gem. § 218(c) DGCL und § 7.31(a) RMBCA grundsätzlich zulässig.330 Sie dürfen allerdings nicht in die Kompetenzen anderer Gesellschaftsorgane, insb. des board, eingreifen.331 Probleme können sich ferner ergeben, wenn sie einem Aktionär zu Lasten der übrigen shareholders einen einseitigen Vorteil verschaffen oder ein Fall des Stimmenkaufs (vote buying) vorliegt, wobei letzterer mittlerweile nicht mehr stets als unzulässig angesehen wird.332 Inhaltlich nicht beanstandet wurde von der Rechtsprechung etwa eine Vereinbarung über die Stimmrechtsausübung zwischen zwei Gesellschaftsgründern, nach der beide jeweils zu gleichen Teilen im board vertreten sein sollten.333 Die Durchsetzbarkeit und damit die Wirkung von Stimmbindungsvereinbarungen ist im US-amerikanischen Recht nicht einheitlich geregelt: So soll nach der überwiegenden Rechtsprechung auch die

326

Vgl. § 313.00(A) NYSE Listed Company Manual; Finley, U.Miami Bus.L.Rev. 10 (2002), 15, 40. 327 Siehe dazu oben Fn. 321. 328 Vgl. Allen/Kraakman/Subramanian, Business Organization, S. 186. 329 Henn/Alexander, Laws of Corporations, § 265, S. 719; Eisenberg/Cox, Corporations, S. 464; Jones, in: Fletcher Cyclopedia of Corporations, § 2063.80; Gevurtz, Corporation Law, S. 508; ebenso bereits Spellman, Corporate Directors, S. 154. 330 Jones, in: Fletcher Cyclopedia of Corporations, § 2063.80; Bauman/Stevenson, Corporations, S. 389; Eisenberg/Cox, Corporations, S. 464; Merkt, US GesR, Rn. 744 f.; Rothärmel, Gestaltungsfreiheit, S. 196. 331 Vgl. Henn/Alexander, Laws of Corporations, § 267, S. 725 ff.; Merkt, US GesR, Rn. 745. 332 Vgl. Allen/Kraakman/Subramanian, Business Organization, S. 181 ff.; Merkt, US GesR, Rn. 748; Rothärmel, Gestaltungsfreiheit, S. 196 f. 333 Rosenmiller v. Bordes, 607 A.2d 465 (Del Ch. 1991); Jones, in: Fletcher Cyclopedia of Corporations, § 2064.

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Kap. 2: Entsendungsrechte im nationalen und internationalen Vergleich

Erfüllung der Primärpflicht gerichtlich durchgesetzt werden können,334 was im Einzelfall zur Folge haben kann, dass abredewidrig abgegebene Stimmen dennoch im Sinne des voting agreements zu zählen sind.335 Auch der RMBCA sieht in § 7.31 (b) die Vollstreckbarkeit von voting agreements ausdrücklich vor. Im Recht von Delaware können abredewidrig abgegebene Stimmen dagegen nach der Leitentscheidung Ringling Bros.-Barnum & Bailey Combined Shows v. Ringling336 lediglich für unwirksam erklärt werden, was die Wirkung eines voting agreements wiederum begrenzt.337 Unabhängig davon verbleibt, wie auch im deutschen Recht, im Einzelfall ein erhebliches Durchsetzungsrisiko. Die Einhaltung eines Stimmbindungsvertrags kann allerdings auch durch die Erteilung einer unwiderruflichen Stimmrechtsvollmacht (irrevocable proxy) gesichert werden.338 Von der formlosen Stimmbindungsvereinbarung ist das Stimmrechtskonsortium (voting trust) zu unterscheiden, das das Stimmrecht der beteiligten Aktionäre treuhänderisch ausübt. Während voting trusts im common law lange Zeit verboten waren, werden sie heute in allen Bundesstaaten durch gesetzliche Regelungen unter bestimmten Voraussetzungen zugelassen339 und sollen im Übrigen nur noch bei missbräuchlicher Verwendung unwirksam sein.340 Bei dieser Gestaltung kann eine abredewidrige Stimmrechtsausübung nahezu ausgeschlossen werden.341 Die Aktien der beteiligten shareholders werden auf das Konsortium übertragen und können daher auch nicht durch diese veräußert werden.342 Zudem können voting trust agreements während ihrer Laufzeit nicht ohne weiteres von einer Partei widerrufen werden.343 Voting trusts sind daher ein geeignetes Instrument, bestimmten Aktionären eine Vertretung im board of directors zu sichern, und zwar auch im Falle eines Übernahmeversuchs.

334

Vgl. Snyder v. Freeman, 266 S. E.2d 593 (N.C. 1980); Lane v. Abel-Bey, 418 N.Y.S.2d 25 (1979), affirmed, 407 N.E.2d 1337 (1980); Neuman v. Pike, 591 F.2d 191 (U.S. App. 1979); siehe auch Eisenberg/Cox, Corporations, S. 465 mit weiteren Beispielen aus der Rechtsprechung. 335 Merkt, US GesR, Rn. 747; Rothärmel, Gestaltungsfreiheit, S. 198. 336 53 A.2d 441 (Del. Ch. 1947). 337 Vgl. Bauman/Stevenson, Corporations, S. 390 ff.; Merkt, US GesR, Rn. 747. 338 Bauman/Stevenson, Corporations, S. 388 f.; Merkt, US GesR, Rn. 747; ausführlich Eisenberg/Cox, Corporations, S. 465 ff.; Gevurtz, Corporation Law, S. 511 ff.; Rothärmel, Gestaltungsfreiheit, S. 199 ff. 339 Siehe insbesondere § 218(a) DGCL und § 7.30(a) RMBCA. 340 Vgl. Merkt, US GesR, Rn. 751 f.; ausführlich Jones, in: Fletcher Cyclopedia of Corporations, §§ 2078 ff. 341 Rothärmel, Gestaltungsfreiheit, S. 202. 342 Vgl. Bauman/Stevenson, Corporations, S. 387; Rothärmel, Gestaltungsfreiheit, S. 202. Lediglich die voting trust certificates, die der shareholder für die Übertragung seiner Aktien erhält, sind in der Regel frei veräußerlich. 343 Jones, in: Fletcher Cyclopedia of Corporations, § 2087.

C. Entsendungsrechte im ausländischen Aktienrecht

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Allen diesen Gestaltungen ist wiederum gemein, dass sie bei börsennotierten corporations in Konflikt mit den Börsenzulassungsregeln geraten können. Allerdings wurden die in diesem Zusammenhang zumeist genannten Vorschriften des NYSE Listed Company Manual, insbesondere § 308.00 a.F., der voting trusts und irrevocable proxies ausdrücklich ablehnte,344 mittlerweile aufgehoben.345 Ob und inwieweit Stimmbindungsvereinbarungen unter § 313.00 NYSE Listed Company Manual fallen, erscheint zumindest unklar.346 d) Cumulative Voting Zwar kein Entsendungsrecht, aber doch zumindest die Vertretung gewichtiger Aktionärsminderheiten im board of directors ermöglicht das Institut der Stimmrechtskumulierung (cumulative voting). Normalerweise verleiht jede Aktie ihrem Inhaber bei den Wahlen zum board eine Stimme für jeden einzelnen zu besetzenden Posten (sog. straight voting). Die Kapitalmehrheit hat daher bei der Abstimmung über jeden einzelnen Posten auch die Stimmenmehrheit und kann das gesamte board nach ihren Wünschen besetzen.347 Beim cumulative voting wird es den shareholders dagegen ermöglicht, die ihnen bezüglich aller zu wählenden Mitglieder des board insgesamt zur Verfügung stehenden Stimmen auf einen Kandidaten zu kumulieren. Sind etwa fünf Posten zu besetzen, so kann der Inhaber einer Aktie nicht nur für jeden Posten eine Stimme abgeben, sondern auch seine fünf Stimmen für einen einzigen Kandidaten abgeben. Shareholders mit einer größeren Minderheitsbeteiligung können auf diese Weise gegebenenfalls wenigstens einem oder auch mehreren Kandidaten ihrer Wahl zum Sieg verhelfen und damit einen oder mehrere Posten im board besetzen.348 In Delaware und unter dem RMBCA kann cumulative voting gem. § 214 DGCL bzw. § 7.28(b) RMBCA im Rahmen eines opt-in-Modells durch die Satzung zuge-

344

S. 198. 345

Vgl. Finley, U.Miami Bus.L.Rev. 10 (2002), 15, 29 f.; Rothärmel, Gestaltungsfreiheit,

Siehe dazu oben Fn. 321. Denkbar wäre es freilich, auch hier von einer verbotenen ungleichartigen Beschränkung des Stimmrechts auszugehen. Problematisch ist dabei jedoch, dass der Wortlaut des § 313.00 NYSE Listed Company Manual nur Beschränkungen durch die Gesellschaft erfasst („[…] through any corporate action or issuance“). Ob hierunter Vereinbarungen zwischen einzelnen Aktionären gefasst werden können, erscheint fraglich. 347 Vgl. Eisenberg/Cox, Corporations, S. 235 f.; Merkt, US GesR, Rn. 620; Beyer, Minderheitsvertreter, S. 122 f. 348 Siehe zum Verfahren und zur Berechnung der erforderlichen Stimmanteile Bauman/ Stevenson, Corporations, S. 384 f.; Eisenberg/Cox, Corporations, S. 236 f.; Gevurtz, Corporation Law, S. 503 ff.; Merkt, US GesR, Rn. 621; ausführlich Beyer, Minderheitsvertreter, S. 123 ff. 346

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Kap. 2: Entsendungsrechte im nationalen und internationalen Vergleich

lassen werden.349 In diesem Fall gelten zum Schutz der so gewählten Mitglieder auch besondere Abberufungsvorschriften.350 Auf diese Weise ist es mithin möglich, gewichtigen Aktionärsminderheiten eine Vertretung im board zu gewährleisten, was das Bedürfnis nach Gattungswahlrechten und ähnlichen Instrumenten schmälern dürfte.351 Allerdings kann die Wirksamkeit des cumulative voting etwa durch die Verringerung der Mitgliederzahl des board sowie die Staffelung der Amtszeiten der Mitglieder (sog. staggered board) beeinträchtigt werden.352 e) Vorschlagsrechte Neben Wahlrechten können einzelnen Aktiengattungen – oder in diesem Fall auch namentlich bestimmten Anteilseignern – durch die Satzung Vorschlags- bzw. Nominierungsrechte für die Wahlen zum board of directors eingeräumt werden.353 Grundsätzlich kann zwar in der corporation, wie auch in der deutschen AG, jeder Aktionär auf der Hauptversammlung Kandidaten für die Wahl vorschlagen, dies bleibt aber ohne Aufnahme der Vorschläge in die proxy materials der Gesellschaft praktisch wirkungslos.354 Die Satzung kann insofern zusätzlich das Recht einräumen, eine Nominierung vorzunehmen, die auch Aussicht auf Erfolg hat. Ebenfalls kann ein ausschließliches Vorschlagsrecht statuiert werden, sodass eine Nominierung von Gegenkandidaten für den betreffenden Posten nicht in Frage kommt.355 Das Bestehen satzungsmäßiger Nominierungsrechte hindert den Berechtigten nicht daran, im Rahmen der allgemeinen Vorschriften zusätzliche Vorschläge für die Besetzung weiterer board-Posten einzubringen.356 3. Entsendung von officers Die (executive) officers einer corporation werden üblicherweise vom board of directors bestellt, was sich schon dadurch erklärt, dass sie gemeinhin als dessen

349 Vgl. Bauman/Stevenson, Corporations, S. 385. In manchen Bundesstaaten besteht dagegen ein opt-out-Modell, während wiederum in anderen das cumulative voting sogar zwingend vorgeschrieben ist, siehe Merkt, US GesR, Rn. 622; Beyer, Minderheitsvertreter, S. 127 ff. 350 Siehe § 141(k)(2) S. 1 DGCL und § 8.08(c) RMBCA. 351 So kann das cumulative voting etwa auch als Übernahmehindernis fungieren, vgl. ausführlich Beyer, Minderheitsvertreter, S. 226 ff. 352 Bauman/Stevenson, Corporations, S. 385 f.; Merkt, US GesR, Rn. 623. Siehe zum staggered board etwa Eisenberg/Cox, Corporations, S. 233 ff. 353 Harrah’s Entertainment, Inc. v. JCC Holding Co., Inc., 802 A.2d 294 (Del Ch. 2002); Rothärmel, Gestaltungsfreiheit, S. 253 f. 354 Vgl. Meder, RIW 2007, 28 f.; siehe zu diesem Problem auch Bauman/Stevenson, Corporations, S. 677 ff.; Merkt, US GesR, Rn. 107, 876 ff. 355 Vgl. Rothärmel, Gestaltungsfreiheit, S. 253 f. 356 Harrah’s Entertainment, Inc. v. JCC Holding Co., Inc., 802 A.2d 294 (Del Ch. 2002).

C. Entsendungsrechte im ausländischen Aktienrecht

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Vertreter behandelt werden.357 Ihre Befugnisse erlangen sie ausschließlich im Wege der Kompetenzdelegation durch das board.358 Oftmals werden executive officers sogar in Abgrenzung zu sonstigen employees als solche leitenden Angestellten definiert, die unmittelbar vom board of directors bestellt werden.359 Diese Bestellungsregelung ist indes keineswegs zwingend, da sowohl § 142(b) DGCL als auch § 8.40(a) RMBCA die Ausgestaltung ausdrücklich den bylaws der Gesellschaft überlassen.360 Daher soll insbesondere die Wahl von officers durch die shareholders zulässig sein.361 Ist eine derartige Kompetenzregelung vorgesehen, so spricht wohl nichts dagegen, die oben dargestellten Vorschriften über die Zulässigkeit von Gattungswahlrechten bei der Wahl der directors im Wege eines Erst-recht-Schlusses analog auch auf die Wahl der officers anzuwenden.362 Damit könnte auch die Wahl einzelner officers exklusiv den Inhabern einer Aktiengattung zugewiesen werden. Ebenso sind bei der Wahl durch die shareholders wiederum Stimmbindungsvereinbarungen und voting trusts möglich. Für Vorschlagsrechte dürfte nichts anderes gelten.363 Ob darüber hinaus auch die Übertragung der Bestellungskompetenz durch die Satzung oder die bylaws auf Dritte zulässig wäre, erscheint äußerst fraglich, ist jedoch durch den weiten Wortlaut von § 142(b) DGCL und § 8.40(a) RMBCA zumindest nicht ausgeschlossen. Allerdings kann jedenfalls das board of directors seine Kompetenz zur Bestellung der officers als solche nicht vertraglich auf Dritte übertragen.364 Im Übrigen ist zu beachten, dass eine Entsendungsmöglichkeit sinnvollerweise in der Satzung geregelt werden müsste, da die bylaws in der Regel der Änderung durch das board of directors unterliegen.365 Der Wortlaut des § 8.40(b) S. 1 RMBCA, wonach das board of directors einen oder mehrere officers berufen kann, dürfte einer Kompetenzzuweisung etwa an die shareholders zwar nicht generell im Wege stehen, spricht allerdings dafür, dass stets

357 Vgl. Bauman/Stevenson, Corporations, S. 29, 341 f.; Henn/Alexander, Laws of Corporations, § 219, S. 586; Dooley, Corporation Law, S. 182; Merkt, US GesR, Rn. 619, 662. 358 Vgl. Bauman/Stevenson, Corporations, S. 341 ff.; Dooley, Corporation Law, S. 182 f.; Henn/Alexander, Law of Corporations, § 219, S. 586. 359 Merkt, US GesR, Rn. 661; J. Kessler, RIW 1998, 602, 610. Teilweise wird jedoch auch die Schaffung des Postens unmittelbar durch Satzung oder bylaws sowie die Wahl durch directors oder shareholders für entscheidend gehalten, vgl. Jones, in: Fletcher Cyclopedia of Corporations, § 266. 360 Vgl. Rothärmel, Gestaltungsfreiheit, S. 255. Wenn auch nicht ausdrücklich vorgesehen, sollte damit erst recht eine Ausgestaltung in der höherrangigen Satzung möglich sein. 361 Vgl. Jones, in: Fletcher Cyclopedia of Corporations, §§ 266, 285; Henn/Alexander, Laws of Corporations, § 210, S. 571; Gevurtz, Corporation Law, S. 180; Rothärmel, Gestaltungsfreiheit, S. 255 f. 362 Vgl. Rothärmel, Gestaltungsfreiheit, S. 256. 363 Vgl. Rothärmel, Gestaltungsfreiheit, S. 256. 364 Vgl. In re Estate of Johnson, 339 Ill. App. 110, 88 N.E.2d 886 (1949). 365 Vgl. § 109(a) DGCL; § 10.20(b) RMBCA; J. Kessler, RIW 1998, 602, 609; Dooley, Corporation Law, S. 175.

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Kap. 2: Entsendungsrechte im nationalen und internationalen Vergleich

zumindest ein officer zwingend durch das board zu bestellen ist.366 Damit dürfte unter Geltung des RMBCA dem board die Bestellungskompetenz zumindest nicht vollständig entzogen werden können. Problematisch ist hier ferner, dass § 8.43(b) RMBCA eine unbeschränkte Abberufungskompetenz des board of directors statuiert, die mit Bestellungsrechten anderer Organe bzw. Personen in Konflikt geraten würde. Insofern dürfte auch kein Raum für eine analoge Anwendung der Abberufungsregelung des § 8.08(b) RMBCA im Falle von Gattungswahlrechten bestehen. Zu konstatieren ist freilich ohnehin, dass derartige Gestaltungen ausgesprochen unüblich sein dürften. In den allermeisten Fällen wird es bei der Grundkonzeption bleiben, dass das board of directors die officers bestellt, auf die es seine Managementkompetenzen delegiert. 4. Zusammenfassung und Würdigung In der monistischen corporation spielt die Besetzung des board of directors als zentralem Verwaltungsorgan eine noch bedeutsamere Rolle als die des Aufsichtsrats in der deutschen Aktiengesellschaft. Entsprechend wird der Wahl der directors durch die shareholders ein besonders hoher Stellenwert eingeräumt. Dennoch erlauben gesetzliche Vorschriften Ausnahmen zur allgemeinen Wahl durch die Mehrheit der Anteilseigner. Auch wenn dabei ausdrücklich keine Entsendungsrechte vorgesehen sind, ermöglicht das Instrument der class voting rights faktisch die Entsendung auch durch einzelne Aktionäre. Dabei bestehen keine gesetzlichen Grenzen, sodass auch die Mehrheit der directors auf diesem Wege bestellt werden kann. Ferner haben class voting rights, ebenso wie deutsche Entsendungsrechte, aufgrund des Zustimmungsvorbehalts im Falle ihrer Änderung „Ewigkeitscharakter“. Eine faktische Entsendungsmöglichkeit kann ebenso auf vertraglicher Basis geschaffen werden, wobei die Absicherung durch unwiderrufliche Vollmachten sowie insbesondere die Einrichtung von voting trusts, mit denen Wahlabsprachen institutionalisiert werden können, zumindest in der close corporation nicht unüblich sind. Die Vertretung gewichtiger Minderheiten im board kann im Übrigen durch Einführung des cumulative voting gewährleistet werden. Entsprechende Gestaltungen sind auch bei der Bestellung der leitenden Angestellten möglich, bei der die Gesetze der Einzelstaaten weitgehende Flexibilität gewähren. Die Bestellung der officers auf andere Weise als durch das board of directors ist allerdings absolut unüblich. Allgemein sind Entsendungsgestaltungen vorwiegend in der close corporation anzutreffen, während public corporations in aller Regel am Grundsatz der allgemeinen und ungebundenen Wahl festhalten. Dies gilt vor allem für börsennotierte Gesellschaften, denen aufgrund restriktiver Börsenzulassungsregeln insbesondere 366 Rothärmel, Gestaltungsfreiheit, S. 256; vgl. auch Jones, in: Fletcher Cyclopedia of Corporations, § 289.

C. Entsendungsrechte im ausländischen Aktienrecht

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der Einsatz von Gattungswahlrechten nur sehr eingeschränkt zur Verfügung steht. Dennoch scheint es in jüngerer Zeit bei Börsengängen von Unternehmen etwa im Bereich innovativer Technologien und neuer Medien vermehrt die Bestrebung zu geben, durch die Schaffung verschiedener Aktiengattungen den Einfluss der Unternehmensgründer von vornherein abzusichern.367

II. England und Wales Im Recht von England und Wales368 werden die Kapitalgesellschaften unter dem Begriff companies zusammengefasst, in Abgrenzung zu den partnerships, die den Personengesellschaften entsprechen.369 Die wichtigste gesetzliche Regelung bildet der Companies Act 2006 (CA 2006), der auch in Schottland und Nordirland gilt. Daneben spielt jedoch auch das Richterrecht des traditionellen common law weiterhin eine bedeutende Rolle.370 Aus dem Companies Act 2006 ergibt sich, dass die company eine einheitliche Kapitalgesellschaftsform darstellt; es existieren aber verschiedene Typen.371 Die wichtigsten typologischen Unterscheidungen bestehen zwischen limited und unlimited companies (vgl. s. 3 CA 2006) sowie zwischen private und public companies (vgl. s. 4 CA 2006). Auch wenn sie sich inhaltlich nicht gänzlich entsprechen, weist die deutsche Aktiengesellschaft die größte Ähnlichkeit mit der public company limited by shares372 (vgl. s. 4(2) CA 2006) auf.373 Die folgenden Ausführungen beziehen sich aufgrund der einheitlichen gesetzlichen Regelung überwiegend auf alle Typen der company, wobei die Besonderheiten bei der public company berücksichtigt werden.

367 Vgl. Allen/Kraakman/Subramanian, Business Organization, S. 186, wo etwa das Beispiel Google genannt wird. Zur Verbreitung von dual class plans in der Medienindustrie siehe auch Merkt, US GesR, Rn. 1501. Zu ihrer zunehmenden Verbreitung in den 1980er Jahren, vgl. Gordon, Cal.L.Rev. 76 (1988), 1 ff. 368 Im Folgenden wird vereinfachend nur vom „englischen Recht“ gesprochen. 369 Ringe/Otte, in: Triebel/Illmer/Ringe/Vogenauer/Ziegler, Englisches WirtR, Kap. V Rn. 1. 370 Ringe/Otte, in: Triebel/Illmer/Ringe/Vogenauer/Ziegler, Englisches WirtR, Kap. V Rn. 5 f.; ausführlich Mayson/French/Ryan, Company Law, S. 11 ff. 371 Vgl. Ringe/Otte, in: Triebel/Illmer/Ringe/Vogenauer/Ziegler, Englisches WirtR, Kap. V Rn. 28 f.; zum früheren Recht Hohloch, in: ders., EU-Hdb GesR, Vereinigtes Königreich, Rn. 122. 372 Im Folgenden „public company“. Gebräuchlich ist auch die Bezeichnung mit dem Rechtsformzusatz „plc“ (vgl. s. 58 CA 2006). Die GmbH ähnelt dagegen am stärksten der private company limited by shares (im Folgenden „private company“). 373 Ringe/Otte, in: Triebel/Illmer/Ringe/Vogenauer/Ziegler, Englisches WirtR, Kap. V Rn. 29 ff.; Hohloch, in: ders., EU-Hdb GesR, Vereinigtes Königreich, Rn. 123; Köster, Ziele der Aktiengesellschaft, S. 3.

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Kap. 2: Entsendungsrechte im nationalen und internationalen Vergleich

Hinzuweisen ist vorab auf das umfangreiche „soft law“,374 welches das zwingende Gesetzesrecht ergänzt und ausfüllt. Neben dem UK Corporate Governance Code375 spielen hier vor allem die Companies (Model Articles) Regulations 2008 eine bedeutsame Rolle. Sie wurden gemäß der Ermächtigung in s. 19 CA 2006 vom Secretary of State erlassen und enthalten Mustersatzungen (model articles), die für alle Gesellschaften gelten, die keine eigene bzw. keine abweichende Satzung aufstellen.376 Diese Regelungen stellen aber als solche keine verbindlichen Gesetzesnormen dar, weswegen sich die folgenden Ausführungen weitgehend auf das zwingende Recht des Companies Act 2006 sowie des common law beschränken. 1. Organisationsverfassung Das englische Recht folgt dem monistischen System der Unternehmensführung mit nur einem einheitlichen Leitungsorgan (board of directors377) und ohne ein dem deutschen Aufsichtsrat entsprechendes gesondertes Kontrollorgan.378 Allerdings wird dies durch den Companies Act 2006 nicht zwingend vorausgesetzt, sodass es durchaus möglich ist, die eigentlichen Leitungsfunktionen durch das board of directors auf ein gesondertes „management board“ zu delegieren. Üblich ist dies freilich nicht; in aller Regel bleibt es beim einheitlichen board.379 Innerhalb des board setzt sich jedoch bei public companies zunehmend die auch durch den UK Corporate Governance Code vorgeschlagene Zweiteilung in geschäftsführende executive directors und nicht-geschäftsführende non-executive directors durch. Dabei nehmen die non-executive directors in erster Linie Überwachungsfunktionen wahr, die denen des deutschen Aufsichtsrates entsprechen.380 Gleichwohl würde ein Entsendungsrecht in das board einen direkten Einfluss auf die Geschäftsführung der Gesellschaft vermitteln, was im deutschen Aktienrecht nicht möglich ist.381

374

Vgl. Davies/Worthington, Company Law, Rn. 14 – 63. Siehe dazu Hannigan, Company Law, Rn. 5 – 4 ff.; Moore, in: Fleckner/Hopt, Comparative Corporate Governance, S. 916 ff. 376 Mayson/French/Ryan, Company Law, S. 75 f.; Ringe/Otte, in: Triebel/Illmer/Ringe/ Vogenauer/Ziegler, Englisches WirtR, Kap. V Rn. 63. 377 Im Folgenden auch vereinfachend „board“. 378 Davies/Worthington, Company Law, Rn. 14 – 64 f.; Moore, in: Fleckner/Hopt, Comparative Corporate Governance, S. 920; Ringe/Otte, in: Triebel/Illmer/Ringe/Vogenauer/ Ziegler, Englisches WirtR, Kap. V Rn. 290; Hohloch, in: ders., EU-Hdb GesR, Vereinigtes Königreich, Rn. 173; Köster, Ziele der Aktiengesellschaft, S. 13. 379 Davies/Worthington, Company Law, Rn. 14 – 65; vgl. auch Moore, in: Fleckner/Hopt, Comparative Corporate Governance, S. 916. 380 Ringe/Otte, in: Triebel/Illmer/Ringe/Vogenauer/Ziegler, Englisches WirtR, Kap. V Rn. 20 ff.; Hannigan, Company Law, Rn. 5 – 22 ff. Eine Gleichstellung verbietet sich dennoch aufgrund der zahlreichen Unterschiede, vgl. Pennington, in: FS Sanders, S. 151, 154. 381 Vgl. Ulbricht, Abwehrmaßnahmen, S. 299. 375

C. Entsendungsrechte im ausländischen Aktienrecht

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Eine Vertretung der Arbeitnehmer innerhalb des board of directors ist im englischen Gesellschaftsrecht nicht vorgesehen, mit Ausnahme der durch das Europarecht zwingend vorgegeben Regelungen für die SE sowie für grenzüberschreitende Verschmelzungen.382

2. Entsendung von Mitgliedern des board of directors a) Grundsatz der Satzungsautonomie Im englischen Recht bestehen kaum zwingende Regeln über die Bestellung der directors. Der Companies Act 2006 legt nicht fest, durch wen oder in welcher Weise die Bestellung zu erfolgen hat.383 Vielmehr wird dies der Satzung (constitution bzw. articles of association)384 überlassen, in der vielfältige Bestellungsformen geregelt werden können. Das Gesetz erfordert insbesondere keine Wahl der directors durch die Anteilseigner (shareholders) in der Hauptversammlung (general meeting).385 Vielmehr ist es etwa auch möglich und in der Praxis sogar durchaus üblich, die Bestellungskompetenz qua Satzungsbestimmung dem board selbst zu übertragen, sodass dieses seine zukünftigen Mitglieder im Wege der Kooptation eigenständig bestimmt.386 Es besteht mithin eine weitreichende Satzungsautonomie387 und, anders als im deutschen Aktienrecht, kein allgemeiner Grundsatz oder gar ein Vorrang der Wahl durch die Hauptversammlung. Von einem derartigen Grundsatz kann lediglich insofern gesprochen werden, als nach der Rechtsprechung die Bestellungskompetenz dem general meeting zukommt, sofern die Satzung keine anderslautenden Regelungen enthält.388 Damit besteht also eine Art Auffangkompetenz der Hauptversammlung, die aber regelmäßig durch Satzungsbestimmungen verdrängt wird.389 382

Davies/Worthington, Company Law, Rn. 14 – 68; Triebel/Jenner, in: Triebel/Illmer/ Ringe/Vogenauer/Ziegler, Englisches WirtR, Kap. IV Rn. 118 ff.; Köster, Ziele der Aktiengesellschaft, S. 13. 383 Vgl. Andenas/Wooldridge, European Comparative Company Law, S. 268; Davies/ Worthington, Company Law, Rn. 14 – 23; Morse, Palmer’s Company Law, Rn. 8.506. 384 Der Oberbegriff constitution umfasst gemäß s. 17 CA 2006 die articles of association als Gründungssatzung sowie nachträgliche Satzungsänderungen, vgl. Ringe/Otte, in: Triebel/ Illmer/Ringe/Vogenauer/Ziegler, Englisches WirtR, Kap. V Rn. 61, 99. 385 Davies/Worthington, Company Law, Rn. 14 – 24. 386 Griffiths, in: Mortimore, Company Directors, Rn. 6.42; Mayson/French/Ryan, Company Law, S. 429 ff.; Hannigan, Company Law, Rn. 6 – 3. Die Kooptation ist sogar in s. 20(2) der model articles for public companies als mögliche Bestellungsform ausdrücklich vorgesehen. 387 Ringe/Otte, in: Triebel/Illmer/Ringe/Vogenauer/Ziegler, Englisches WirtR, Kap. V Rn. 193, 215. 388 Munster v Cammell Co (1882) 21 Ch D 183; Isle of Wight Railway Co v Tahourdin (1883) 25 Ch D 320, 333, 335, CA; Barron v Potter [1914] 1 Ch 895; Worcester Corsetry Ltd v Witting [1936] Ch 640, CA; Griffiths, in: Mortimore, Company Directors, Rn. 6.39, 6.46, 6.59; Hale/Woodburn, in: Boxell, Duties and Responsibilities, S. 27; Mayson/French/Ryan, Company Law, S. 429; Pennington, Company Law, S. 649.

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Kap. 2: Entsendungsrechte im nationalen und internationalen Vergleich

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus s. 160(1) CA 2006, wonach bei der public company die Wahlen mehrerer Kandidaten in der Hauptversammlung als Einzelwahlen durchzuführen sind, sofern nicht zuvor einstimmig die gemeinsame Abstimmung über alle Kandidaten beschlossen worden ist. Dieser Vorschrift könnte die Wertung entnommen werden, dass das Gesetz bei der public company die Wahl durch das general meeting voraussetzt. Im englischen Schrifttum wird die Norm jedoch nicht in dieser Weise ausgelegt. Vielmehr wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass sie nicht anwendbar sein soll, wenn die directors auf andere Weise als durch die Hauptversammlung bestellt werden.390 Daher sollen auch bei der public company andere Bestellungsformen wie etwa die Kooptation zulässig sein.391 Dafür spricht freilich auch s. 160(4) CA 2006, wonach die Vorschrift nicht für Hauptversammlungsbeschlüsse gilt, durch die die Satzung der Gesellschaft geändert wird.392 Zu beachten ist, dass Principle B.7.1. des UK Corporate Governance Code für börsennotierte Gesellschaften (listed companies) besondere Regelungen aufstellt. Danach sollen die directors von Gesellschaften, die im FTSE 350-Index gelistet sind, jährlich durch die shareholders wiedergewählt werden, die directors sonstiger börsennotierter Gesellschaften zumindest alle drei Jahre. Hierbei handelt es sich jedoch – wie auch beim DCGK – lediglich um unverbindliche Empfehlungen im Rahmen eines comply or explain-Modells, von denen die betroffenen Gesellschaften abweichen können.393 Die Empfehlung dürfte dennoch dazu beitragen, dass abweichende Gestaltungen bei börsennotierten Gesellschaften extrem selten sind.394 b) Bestellung durch Aktionäre oder Dritte Da das Gesetz für die Bestellung keine Kompetenzzuweisung vornimmt, kann die Satzung vielfältige Regelungen aufstellen. So kann sie bestimmen, dass directors etwa von einzelnen Aktionären oder Aktionärsgruppen, von Anleihegläubigern (debenture holders) oder auch von sonstigen gesellschaftsfremden Dritten bestellt werden.395 Entsendungsrechte sind mithin ohne weiteres möglich.396 Ebenso können

389

Vgl. Griffiths, in: Mortimore, Company Directors, Rn. 6.46. Arden/Prentice/Richards, Buckley on the Companies Acts, Kap. 3 Rn. 308; Birds/ Hildyard/Miles, Annotated Companies Acts, Rn. 10.160.02. 391 Griffiths, in: Mortimore, Company Directors, Rn. 6.58. Auch die model articles for public companies sehen dies in s. 20(b) ausdrücklich vor. 392 Vgl. Hale/Woodburn, in: Boxell, Duties and Responsibilities, S. 28. 393 Vgl. Hannigan, Company Law, Rn. 5 – 7 ff.; Griffiths, in: Mortimore, Company Directors, Rn. 6.67, 6.77. 394 Vgl. Davies/Worthington, Company Law, Rn. 14 – 48. 395 British Murac Syndicate Ltd v Alperton Rubber Co Ltd [1915] 2 Ch 186; Davies/ Worthington, Company Law, Rn. 14 – 24; Morse, Palmer’s Company Law, Rn. 8.520; Pennington, Company Law, S. 648 f. 396 Vgl. Huizinga, Machtbalance, S. 267. 390

C. Entsendungsrechte im ausländischen Aktienrecht

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– wie auch in der US-amerikanischen corporation397 – zwei oder mehr Aktiengattungen gebildet werden, wobei den Inhabern jeder Gattung das Recht zukommt, eine bestimmte Anzahl von directors zu bestellen. Diese Gattungsrechte (class rights) können gem. s. 630 CA 2006 nur mit Zustimmung der jeweiligen Inhaber geändert werden.398 Aktiengebundene Entsendungsrechte begründen aber auch ohne eine ausdrückliche Aufteilung eine eigene Aktiengattung, sodass s. 630 CA 2006 hier stets Anwendung findet.399 Aufgrund der weiten Auslegung in der Rechtsprechung400 dürfte dies auch für aktionärsgebundene Entsendungsrechte gelten.401 Zumindest in private companies mit einzelnen Großaktionären sind derartige Sonderrechte keineswegs unüblich. Als Beispiele werden etwa Gesellschaften ehemaliger Einzelkaufleute, Joint Venture-Gesellschaften und Tochtergesellschaften genannt.402 In der Rechtsprechung und im englischen Schrifttum werden die auf diese Weise von einzelnen Personen oder Gruppen entsandten Mitglieder des board als nominee directors bezeichnet. Es kann sich dabei sowohl um geschäftsführende als auch um nicht-geschäftsführende directors handeln. Sie werden im Übrigen den sonstigen Mitgliedern gleichgestellt und sind in erster Linie der Gesellschaft verpflichtet.403 Die entsprechenden Entsendungsrechte können entweder durch ausdrückliche Satzungsbestimmung oder aber durch Stimmbindungsverträge bzw. Gesellschaftervereinbarungen (shareholders’ agreements) konstituiert werden.404 Letzteres ist etwa bei Joint Venture-Gesellschaften absolut üblich, um sicherzustellen, dass die Mitglieder entsprechend ihrer Beteiligung im board repräsentiert

397

Siehe dazu oben I. 2. b). Griffiths, in: Mortimore, Company Directors, Rn. 6.50; Mayson/French/Ryan, Company Law, S. 429, 434. 399 Vgl. Ulbricht, Abwehrmaßnahmen, S. 300. 400 Cumbrian Newspapers Group Ltd v Cumberland and Westmoreland Newspaper and Printing Co Ltd [1987] Ch 1. 401 Vgl. M. Herrmann, Zivilrechtliche Abwehrmaßnahmen, S. 203, 205; Davies/Worthington, Company Law, Rn. 19 – 40 f. Für Bestellungsrechte gesellschaftsfremder Dritter gilt das Gesagte allerdings nicht. 402 Hale/Woodburn, in: Boxell, Duties and Responsibilities, S. 28; Griffiths, in: Mortimore, Company Directors, Rn. 6.50 ff.; Rutabanzibwa, Comp.Law. 17 (1996), 194, 195. 403 Scottish Co-Operative Wholesale Society Ltd v Meyer [1959] AC 324, HL; Hale/ Woodburn, in: Boxell, Duties and Responsibilities, S. 71; Griffiths, in: Mortimore, Company Directors, Rn. 6.53; Davies/Worthington, Company Law, Rn. 16 – 63; Pickering, LQR 81 (1965), 248, 254; ausführlich Ahern, LQR 127 (2011), 118. 404 Hale/Woodburn, in: Boxell, Duties and Responsibilities, S. 28. Dagegen kann das board mit einem Dritten grundsätzlich kein vertragliches Bestellungsrecht vereinbaren, da es ohne entsprechende Satzungsgrundlage nicht über eine Kompetenz der shareholders disponieren kann. Möglich ist dies allenfalls, soweit die Satzung die Bestellung durch das board selbst vorsieht oder eine entsprechende Ermächtigung zur Delegation der Bestellungskompetenz enthält, vgl. James v Eve (1873) LR 6 HL 335; British Murac Syndicate Ltd v Alperton Rubber Co Ltd [1915] 2 Ch 186; Sealy/Worthington, Company Law, S. 280 f.; Pennington, Company Law, S. 651; Pickering, LQR 81 (1965), 248, 254; Ulbricht, Abwehrmaßnahmen, S. 299. 398

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Kap. 2: Entsendungsrechte im nationalen und internationalen Vergleich

werden.405 Handelt es sich um Satzungsbestimmungen, kann die Hauptversammlung grundsätzlich eine Satzungsänderung herbeiführen.406 Besonderheiten gelten aber zum einen, wie bereits dargestellt, bei class rights und zum anderen im Falle einer provision for entrenchment im Sinne von s. 22 CA 2006, mit der die Änderung der konkreten Satzungsbestimmung an erhöhte Voraussetzungen geknüpft und damit das Entsendungsrecht zusätzlich abgesichert werden kann.407 Ebenfalls möglich, wenn auch äußerst unüblich, ist die Entsendung von directors durch außergesellschaftliche Dritte. Eine Satzungsbestimmung, die einem Dritten ein entsprechendes Recht einräumt, wäre nicht unzulässig. Zu beachten ist allerdings, dass die articles of association lediglich verbindliche Wirkung für die Gesellschaft und ihre shareholders entfalten. Sie verleihen dritten Parteien aber grundsätzlich keine Rechte, die gegenüber der Gesellschaft unmittelbar durchsetzbar wären (vgl. s. 6(2) Contracts (Rights of Third Parties) Act 1999). Deshalb muss ein außenstehender Dritter, der ein durchsetzbares Entsendungsrecht erlangen möchte, zusätzlich eine vertragliche Vereinbarung mit den Gesellschaftern schließen, in welcher diese sich verpflichten, seine Auswahlentscheidung auch umzusetzen.408 Im Übrigen werden Dritte nicht durch s. 630 CA 2006 geschützt. In welchem Umfang einzelnen Aktionären oder Dritten Entsendungsrechte eingeräumt werden können, ist bislang nicht geklärt worden. Gesetzliche Grenzen bestehen jedenfalls nicht. Allerdings wurde in der Rechtsprechung zumindest angezweifelt, ob die Entsendung der Mehrheit der directors durch einzelne Personen noch zulässig und gerichtlich durchsetzbar wäre.409 Diese Erwägung hat jedoch im Schrifttum sowie in der späteren Rechtsprechung keine Bestätigung gefunden; teilweise wird sie als unbegründet und unlogisch kritisiert.410 Insofern ist wohl davon 405 Rutabanzibwa, Comp.Law. 17 (1996), 194, 195; Ahern, LQR 127 (2011), 118. Stimmbindungsverträge sind im englischen Recht weitestgehend zulässig, siehe ausführlich Büssemaker, Stimmbindungsverträge, S. 255 ff.; Rodemann, Stimmbindungsvereinbarungen, S. 327 ff. Auch die gerichtliche Durchsetzbarkeit der Stimmbindung ist mittlerweile anerkannt, vgl. Büssemaker, Stimmbindungsverträge, S. 260 f. Grundsätzlich sind auch voting trusts möglich, die allerdings in England weniger üblich sind als in den USA, vgl. Davies/Worthington, Company Law, Rn. 19 – 54. 406 Griffiths, in: Mortimore, Company Directors, Rn. 6.39. 407 Dazu B. Davies, Bus.L.Rev. 30 (2009), 184; Griffiths, in: Mortimore, Company Directors, Rn. 6.50. 408 Hale/Woodburn, in: Boxell, Duties and Responsibilities, S. 33; Griffiths, in: Mortimore, Company Directors, Rn. 6.49. 409 British Murac Syndicate Ltd v Alperton Rubber Co Ltd [1915] 2 Ch 186, 196. Hierbei handelte es sich jedoch lediglich um ein obiter dictum des Richters, da die Frage im konkreten Fall nicht entschieden werden musste. Sie wurde zudem keineswegs klar verneint: „It is not as if the plaintiff syndicate had a power of nominating an absolute majority of the board of directors. To a contract of that kind, there might possibly be objections inasmuch it would be putting the control of the company in the power of an outsider, but that is not the case with which I have to deal.“ 410 Pennington, Company Law, S. 651 f.; Pickering, LQR 81 (1965), 248, 254 f., Fn. 80.

C. Entsendungsrechte im ausländischen Aktienrecht

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auszugehen, dass auch die Entsendung der Mehrheit zulässig ist; die Rechtslage bleibt in diesem Punkt aber unklar.411 c) Abberufung durch das general meeting (s. 168 CA 2006) aa) Grundsatz und Unabdingbarkeit Problematisch ist bei der englischen company weniger die Einräumung eines Entsendungsrechts, als vielmehr dessen Wert. Dies resultiert aus der Norm des s. 168 (1) CA 2006, wonach die company einen director durch Hauptversammlungsbeschluss jederzeit abberufen kann. Diese Abberufungskompetenz erfordert keinen wichtigen Grund412 und gilt für sämtliche directors, unabhängig davon, wie sie bestellt wurden. Das general meeting kann mithin auch Mitglieder abberufen, die aufgrund eines Entsendungsrechts in das board of directors gelangt sind.413 Anders als im deutschen Recht ist die grundlose Abberufungskompetenz der Hauptversammlung nicht auf die von ihr gewählten Mitglieder beschränkt. Entscheidend für die Effektivität eines Entsendungsrechts ist daher die Frage, ob es Möglichkeiten gibt, s. 168(1) CA 2006 abzubedingen oder zu umgehen. Die Vorgängervorschrift (s. 303(1) Companies Act 1985) bestimmte noch ausdrücklich, dass dieses Recht der Hauptversammlung nicht durch anderslautende Satzungsbestimmungen ausgeschaltet werden kann. Obwohl dies in der Fassung des CA 2006 nicht mehr ausdrücklich klargestellt wird, soll die Unabdingbarkeit der Vorschrift durch die Satzung nach ganz herrschender Ansicht weiterhin gelten, da der Gesetzgeber keine inhaltliche Änderung beabsichtigt habe.414 Dies dürfte sich auch aus der Entscheidung Russel v Northern Bank Development Corporation Ltd415 ergeben, wonach eine übermäßige Beschränkung ihrer gesetzlich garantierten Kompetenzen und Rechte durch eine Gesellschaft selbst unzulässig ist.416 Somit ist es nicht 411

Vgl. auch Ulbricht, Abwehrmaßnahmen, S. 299 f. Ringe/Otte, in: Triebel/Illmer/Ringe/Vogenauer/Ziegler, Englisches WirtR, Kap. V Rn. 221. 413 Arden/Prentice/Richards, Buckley on the Companies Acts, Kap. 3 Rn. 708; Underhill/ Austmann, in: Payne, Takeovers in English and German Law, S. 100; M. Herrmann, Zivilrechtliche Abwehrmaßnahmen, S. 204; Huizinga, Machtbalance, S. 268; vgl. auch Pennington, in: FS Sanders, S. 151, 157; Griffiths, in: Mortimore, Company Directors, Rn. 6.49. Allenfalls könnte der Inhaber eines Bestellungsrechts bei völlig grundloser Abberufung ein gerichtliches Einschreiten beantragen, etwa unter dem Gesichtspunkt der unfair prejudice nach s. 994 CA 2006, vgl. Davies/Worthington, Company Law, Rn. 14 – 51. Die Erfolgsaussichten in einem solchen Verfahren wären aber gerade in einer public company äußerst zweifelhaft. 414 Vgl. Cockerill/Mendelsohn, SJ 152(2) (2008), 20, 22; Davies/Worthington, Company Law, Rn. 14 – 49, Fn. 115; Mayson/French/Ryan, Company Law, S. 436; Hale/Woodburn, in: Boxell, Duties and Responsibilities, S. 59; Brown, in: Mortimore, Company Directors, Rn. 7.11; Birds/Hildyard/Miles, Annotated Companies Acts, Rn. 10.168.03; Morse, Palmer’s Company Law, Rn. 8.1319. 415 [1992] 3 All ER 161. 416 Hale/Woodburn, in: Boxell, Duties and Responsibilities, S. 34, 59. 412

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Kap. 2: Entsendungsrechte im nationalen und internationalen Vergleich

möglich, die Anwendbarkeit von s. 168(1) CA 2006 in der Satzung auszuschließen, um ein wirkungsvolles Entsendungsrecht ohne Abberufungsmöglichkeit der Hauptversammlung zu begründen. Entsprechend wird teilweise geäußert, Entsendungsrechte seien im englischen Recht praktisch nicht umsetzbar.417 bb) Umgehungsmöglichkeit nach Bushell v Faith Allerdings bestehen gewisse Möglichkeiten, die Vorschrift des s. 168(1) CA 2006 zu umgehen. Dabei spielt zunächst die Entscheidung des House of Lords in der Rechtssache Bushell v Faith418 eine entscheidende Rolle. Danach soll eine Satzungsbestimmung zulässig sein, die einem director einer private company, der gleichzeitig Gesellschafter ist, für den Fall einer Abstimmung über seine Abwahl ein dreifaches Mehrstimmrecht gewährt, wodurch dieser die Abwahl mit seinen eigenen Stimmen stets verhindern kann. Die Mehrheit der Richter sah in dieser Konstruktion keinen Verstoß gegen die im Wesentlichen gleichlautende Vorgängervorschrift des heutigen s. 168(1) CA 2006, da der Gesetzgeber die Freiheit der Gesellschaften bei der Ausgestaltung des Stimmrechts nicht habe antasten wollen.419 Obwohl diese Entscheidung teilweise scharf kritisiert wurde,420 stellt sie nach wie vor geltendes Recht dar, das durch die Neufassung der Vorschrift in s. 168(1) CA 2006 nicht berührt wird.421 Dies hat zur Folge, dass jedenfalls in der private company die Abberufung von directors durch die Hauptversammlung faktisch ausgeschlossen werden kann.422 Nach den Grundsätzen von Bushell v Faith kann hier also durchaus ein „vollwertiges“ Entsendungsrecht konstruiert werden, indem ein satzungsmäßiges Bestellungsrecht mit Mehrstimmrechten bei der Abberufung kombiniert wird. Es ist kein Grund ersichtlich, warum es nicht auch möglich sein sollte, die Mehrstimmrechte nicht dem Gesellschafter-Geschäftsführer selbst, sondern dem entsendungsberechtigten shareholder einzuräumen.423 Nur dieser könnte dann über Bestellung 417 Underhill/Austmann, in: Payne, Takeovers in English and German Law, S. 100 („practically unworkable“). 418 [1970] AC 1099. 419 Bushell v Faith [1970] AC 1099, insb. ausgeführt von Lord Upjohn, S. 1109. 420 Siehe bereits das Minderheitsvotum in Bushell v Faith [1970] AC 1099 von Lord Morris of Borth-y-Gest, S. 1106 („this would be to make a mockery of the law“); ebenso Schmitthoff, JBL 1970, 1; kritisch auch Baker, LQR 86 (1970), 155, 156; Prentice, MLR 32 (1969), 693, 696; Andenas/Wooldridge, European Comparative Company Law, S. 269. 421 Brown, in: Mortimore, Company Directors, Rn. 7.13; Hale/Woodward, in: Boxell, Duties and Responsibilities, S. 35, 60; Davies/Worthington, Company Law, Rn. 14 – 51; Mayson/French/Ryan, Company Law, S. 436; Arden/Prentice/Richards, Buckley on the Companies Acts, Kap. 3 Rn. 710 – 715. 422 Vgl. Pennington, in: FS Sanders, S. 151, 157; McGlynn, Comp.Law. 15 (1994), 301, 305; Brown, in: Mortimore, Company Directors, Rn. 7.12. 423 Nicht offen steht diese Möglichkeit dagegen außergesellschaftlichen Dritten, die über keinerlei Stimmrecht verfügen. Dritten können allenfalls Bestellungsrechte eingeräumt werden und mit Mehrstimmrechten zugunsten des jeweils Entsandten verbunden werden. Dies setzt freilich voraus, dass zumindest der Entsandte Anteile an der Gesellschaft hält.

C. Entsendungsrechte im ausländischen Aktienrecht

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und Abberufung des director entscheiden. Die jeweiligen Satzungsbestimmungen können durch provisions for entrenchment (s. 22 CA 2006) zusätzlich gegen Änderungen geschützt werden, indem sie diese an erhöhte Voraussetzungen knüpfen. Zudem dürfte es möglich sein, dass sich der Entsendungsberechtigte Mehrstimmrechte ebenfalls für den Fall einräumen lässt, dass über die Änderung der ihn begünstigenden Satzungsbestimmungen abgestimmt wird.424 Damit ließe sich sogar eine faktisch unentziehbare Rechtsposition425 begründen, die einem Entsendungsrecht nach § 101 Abs. 2 AktG in nichts nachstünde. Die entscheidende Frage lautet jedoch, ob diese Grundsätze auf die public company übertragen werden können. Bereits in der Entscheidung Bushell v Faith wies Lord Donovan darauf hin, dass vor allem kleine Gesellschaften und Familiengesellschaften, die strukturell einer partnership nahe stünden, ein berechtigtes Bedürfnis nach flexiblen Satzungsgestaltungen zur Vertretung im board of directors hätten.426 Dieses Argument wird vielfach aufgegriffen; das House of Lords habe letztlich einen größeren Spielraum für Sonderregeln bei der private company ermöglichen wollen.427 Entsprechend wird im Schrifttum überwiegend vertreten, dass die Rechtsprechung bezogen auf die public company bzw. auf größere Gesellschaften nicht zu rechtfertigen sei.428 Teilweise wird jedoch lediglich konstatiert, entsprechende Satzungsgestaltungen seien in der Praxis auf kleinere private companies beschränkt und in public companies sehr selten,429 womit nichts über die grundsätzliche Zulässigkeit ausgesagt wird. Manche Stimmen weisen dagegen ausdrücklich darauf hin, dass die in Bushell v. Faith aufgestellten Grundsätze, unabhängig vom konkreten Fall, auf sämtliche Gesellschaften anwendbar seien.430 Tatsächlich lässt sich aus der Entscheidung nicht zweifelsfrei folgern, die Rechtsprechung habe die Zulässigkeit von Mehrstimmrechten zur Umgehung von s. 168(1) CA 2006 auf die private company beschränkt. Ebenso könnte angenommen werden, dass die genannten Erwägungen lediglich zur unterstützenden Argumentation im konkreten Fall herangezogen wurden. Zudem ist zu beachten, dass auch in der public company der Gesellschafterkreis überschaubar sein kann. Hinzu kommt, dass der Gesetzgeber mehrfach Gelegenheit hatte, durch eine ausdrückliche gesetzliche Regelung der Rechtsprechung den Boden zu entziehen; dies hat er jedoch nicht getan. Grundsätzlich sind Mehrstimmrechte im englischen Recht nach wie vor 424

Vgl. Hale/Woodburn, in: Boxell, Duties and Responsibilities, S. 60. Vgl. B. Davies, Bus.L.Rev. 30 (2009), 184, 186 („virtually unassailable“). 426 Bushell v Faith [1970] AC 1099, 1110 f. 427 Schmitthoff, in: FS Sanders, S. 183, 189; ähnlich Davies/Worthington, Company Law, Rn. 14 – 51; Birds/Hildyard/Miles, Annotated Companies Acts, Rn. 10.168.05, Fn. 1; wohl auch Andenas/Wooldridge, European Comparative Company Law, S. 269. 428 Doyle, SJ 141(2) (1997), 822; Rutabanzibwa, Comp.Law. 17 (1996), 194, 198; Davies/ Worthington, Company Law, Rn. 14 – 51; Morse, Palmer’s Company Law, Rn. 8.1320 f.; wohl auch Andenas/Wooldridge, European Comparative Company Law, S. 269. 429 Brown, in: Mortimore, Company Directors, Rn. 7.13. 430 McGlynn, Comp.Law. 15 (1994), 301, 305. 425

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Kap. 2: Entsendungsrechte im nationalen und internationalen Vergleich

zulässig, auch wenn sie in der Praxis eine Seltenheit darstellen.431 Die Zulässigkeit von Bushell v Faith-Gestaltungen in der public company bleibt insofern unklar. cc) Umgehungsmöglichkeit durch shareholders’ agreements Es bietet sich indes eine weitere Möglichkeit an, die grundlose Abwahl entsandter Mitglieder des board of directors durch die Hauptversammlung zu verhindern: Der Inhaber eines satzungsmäßigen oder vertraglichen Bestellungsrechts kann mit den Anteilseignern der Gesellschaft ein shareholders’ agreement schließen, in dem diese sich verpflichten, ihre Abwahlkompetenz nach s. 168(1) CA 2006 nicht auszuüben, solange der Berechtigte nicht zustimmt.432 Die Rechtsprechung hat eine ähnliche Abrede im Rahmen eines joint venture agreement als bindend erachtet.433 Derartige Gestaltungen sollen grundsätzlich zulässig und wirksam sein, solange sie lediglich zwischen einzelnen Gesellschaftern geschlossen werden und sich die company ihrer gesetzlichen Rechte nicht vollständig begibt.434 Dies hat freilich den Nachteil, dass lediglich eine vertragliche Verpflichtung der beteiligten Gesellschafter besteht, nicht aber eine Bindung der Gesellschaft selbst. Insofern ist eine derartige Vereinbarung vom Gesellschafterbestand abhängig und bietet für sich genommen im Falle der Übernahme der Gesellschaft keinerlei Sicherheit, da sie neu eintretende Gesellschafter nicht bindet.435 Es lässt sich mithin durch die Kombinierung eines Bestellungsrechts mit einem shareholders’ agreement über die Ausübung des Stimmrechts bei der Abwahl des jeweiligen director ein praktikables Entsendungsrecht konstruieren, dass aber keine derart starke Rechtsposition gewährt wie ein Recht nach § 101 Abs. 2 AktG. dd) Keine Umgehungsmöglichkeit durch class rights Teilweise wird konstatiert, dass das Ziel der Umgehung von s. 168(1) CA 2006 auch durch die Schaffung verschiedener Aktiengattungen erreicht werden könne, die jeweils zur Bestellung eines oder mehrerer directors berechtigen. Die Inhaber seien dann durch die Regeln über class rights geschützt.436 Gemeint ist offenbar, dass die Abberufung der bestellten directors in diesem Fall nur mit ihrer Zustimmung zu431

Hannigan, Company Law, Rn. 2 – 27; Ringe/Otte, in: Triebel/Illmer/Ringe/Vogenauer/ Ziegler, Englisches WirtR, Kap. V Rn. 123. 432 Hale/Woodburn, in: Boxell, Duties and Responsibilities, S. 34 f., 60; Brown, in: Mortimore, Company Directors, Rn. 7.11; Mayson/French/Ryan, Company Law, S. 436; Morse, Palmer’s Company Law, Rn. 8.1319; Büssemaker, Stimmbindungsverträge, S. 270 ff. 433 Thomas and others v York Trustees Ltd [2001] All ER (D) 179. 434 Vgl. Russel v Northern Bank Development Corporation Ltd [1992] 3 All ER 161; Mayson/French/Ryan, Company Law, S. 436. 435 Vgl. Hale/Woodburn, in: Boxell, Duties and Responsibilities, S. 34 f.; Davies/Worthington, Company Law, Rn. 3 – 31. 436 Sealy/Worthington, Company Law, S. 287.

C. Entsendungsrechte im ausländischen Aktienrecht

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lässig sei. Diese Prämisse ist allerdings fragwürdig. Class rights können zwar nicht gegen den Willen ihrer Inhaber abgewandelt oder entzogen werden (vgl. s. 630 CA 2006), jedoch geht es hier nicht um den Entzug des einmal eingeräumten Bestellungsrechts durch eine Satzungsänderung.437 Auch wenn die Abwahl nach s. 168(1) CA 2006 das Bestellungsrecht weitgehend leerlaufen lässt, fällt es schwer, hierin eine Abwandlung oder einen Entzug des class right zu erblicken.438 Schließlich kann die Satzung das Bestellungsrecht nach ganz herrschender Ansicht auch nach neuem Recht ja gerade nicht derart ausgestalten, dass mit ihm gleichzeitig die Abwahlmöglichkeit nach s. 168(1) CA 2006 ausgeschlossen wird.439 Es kann kaum im Sinne des Gesetzgebers sein, s. 630 CA 2006 heranzuziehen, um dies doch zu erreichen. Das Bestellungsrecht und damit das class right besteht deshalb in der Satzung von Anfang an nur innerhalb des gesetzlich zulässigen Rahmens und damit bedingt durch s. 168(1) CA 2006. Durch die Ausübung dieser Kompetenz durch die shareholders wird es inhaltlich nicht verändert. d) Zulässigkeitsschranken für börsennotierte Gesellschaften Für börsennotierte public companies gilt es zu beachten, dass einzelne listing rules, die die Zulassung zum regulierten Börsenhandel regeln, Entsendungsrechte, Gattungswahlrechte und Mehrstimmrechte wie jene im Fall Bushell v Faith verbieten können.440 Eine deutliche Einschränkung der Zulässigkeit ergibt sich insbesondere aus den Listing Rules der Financial Conduct Authority (FCA).441 Listing Rule 7.2.1.A enthält mit den Premium Listing Principles die Voraussetzungen für ein premium listing und damit für die Aufnahme etwa in das Premium Segment der London Stock Exchange (LSE).442 Nach Principle Nr. 3 müssen alle Aktien innerhalb einer Gattung das gleiche Stimmrecht besitzen. Principle Nr. 4 verlangt, dass bei Bestehen mehrerer Gattungen der Stimmrechtsanteil jeder Gattung ungefähr ihrem Anteil am Gesamtkapital entsprechen muss. Diese Regelungen verwirklichen einen weitge437 Mit „variations“ im Sinne von s. 630 CA 2006 dürften aber Satzungsänderungen gemeint sein, vgl. Davies/Worthington, Company Law, Rn. 19 – 25. 438 Vgl. etwa die Urteile des Court of Appeal in Greenhalgh v Arderne Cinemas Ltd [1946] 1 All ER 512 und White v Bristol Aeroplane Co [1953] Ch 65, in denen klar zwischen einer Änderung, die lediglich die Effektivität eines class right betrifft, und einer Änderung des class right selbst unterschieden wird, wobei ein Schutz nur gegen letztere bestehen soll. Auf diese Rechtsprechung weisen auch Sealy/Worthington, Company Law, S. 564, 571 ff. ausdrücklich hin. 439 Siehe bereits oben aa). 440 Vgl. Brown, in: Mortimore, Company Directors, Rn. 7.13 („prohibited in many sets of listing rules“). 441 Bis 1. April 2013 Financial Services Authority (FSA), die die Listing Rules als UK Listing Authority (UKLA) veröffentlichte; siehe dazu Hannigan, Company Law, Rn. 19 – 100. Siehe zu den Listing Rules auch Mayson/French/Ryan, Company Law, S. 208 ff., allerdings noch ohne Berücksichtigung der jüngsten Änderungen im Mai 2014. 442 Zu den verschiedenen listing segments siehe Hannigan, Company Law, Rn. 19 – 100; Ringe/Otte, in: Triebel/Illmer/Ringe/Vogenauer/Ziegler, Englisches WirtR, Kap. V Rn. 135 f.

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Kap. 2: Entsendungsrechte im nationalen und internationalen Vergleich

henden Gleichlauf von Stimmrecht und Kapitalanteil und damit das Prinzip one share, one vote.443 Entsendungsrechte, Gattungswahlrechte und Mehrstimmrechte, die sich nicht am Kapitalanteil orientieren, sind somit im Premium Segment unzulässig. Im Umkehrschluss ergibt sich allerdings, dass eine Aufnahme in das Standard Segment der LSE möglich bleibt.444 e) Sonderfall: Community Interest Companies Nicht unerwähnt bleiben soll das besondere gesetzliche Entsendungsrecht bei sog. Community Interest Companies (CICs). Hierbei handelt es sich um Gesellschaften, die zwar rechtlich nicht als gemeinnützig (charitable) eingestuft werden, aber regelmäßig öffentlichen Interessen zu dienen bestimmt sind. Sie können grundsätzlich auch Privatinteressen verfolgen, dürfen dabei aber nicht profitorientiert sein.445 CICs finden sich etwa im Bildungswesen, im Gesundheitswesen und im Bereich der Sozialarbeit.446 Nach s. 45(1) Companies (Audit, Investigations and Community Enterprise) Act 2004 (CA 2004) kann der sog. Regulator, eine durch den Secretary of State eingesetzte Behörde,447 in einer CIC jeweils einen director bestellen. Dieses Recht besteht unabhängig von den Regelungen der jeweiligen Satzung (s. 45(3)(b) CA 2004); der Entsandte tritt mithin neben die anderweitig bestellten directors. Entsandt werden kann jedwede Person außerhalb der Behörde (s. 45(2) CA 2004), die Mitgliedschaft in der betreffenden Gesellschaft wird nicht vorausgesetzt (s. 45 (3)(b) CA 2004). Der entsandte director kann gemäß s. 45(7) CA 2004 nicht von der Gesellschaft abberufen werden, sondern ausschließlich durch den Regulator. Es handelt sich mithin um ein echtes, „vollwertiges“ Entsendungsrecht.448 Der Zweck der Regelung dürfte darin bestehen, dem Regulator ein zusätzliches Instrument an die Hand zu geben, um die Gemeinwohlorientierung der CIC dauerhaft überprüfen zu können.449

443

Siehe dazu ausführlich unten Kap. 5, E. Zu weit geht deshalb die Aussage, Satzungsgestaltungen wie in Bushell v Faith seien bei Gesellschaften mit Börsennotierung generell unzulässig; so aber Morse, Palmer’s Company Law, Rn. 8.1321, und Sealy/Worthington, Company Law, S. 285 f. 445 Davies/Worthington, Company Law, Rn. 1 – 7. 446 Yeoh, Bus.L.Rev. 33 (2012), 232, 242. 447 Vgl. s. 27 CA 2004. 448 Kein gesetzliches Entsendungsrecht ergibt sich dagegen aus s. 156 CA 2006. Danach kann der Secretary of State eine Gesellschaft, die nicht über die erforderliche Zahl von directors verfügt, lediglich anweisen, einen director zu bestellen. Die Bestellung erfolgt aber auch in diesem Fall durch die Gesellschaft selbst, siehe Griffiths, in: Mortimore, Company Directors, Rn. 6.35. 449 Zu dieser Aufsichtsfunktion Yeoh, Bus.L.Rev. 33 (2012), 232, 242 f. 444

C. Entsendungsrechte im ausländischen Aktienrecht

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3. Zusammenfassung und Würdigung Das englische Recht gibt keine bestimmte Bestellungsform für die Mitglieder des board of directors vor und weist diese Kompetenz auch keinem Gesellschaftsorgan zwingend zu. Daher kann die Bestellung einzelner und möglicherweise sogar aller directors nicht nur im Wege der Kooptation durch das board selbst erfolgen, sondern auch einzelnen Aktionären, den Inhabern bestimmter Aktiengattungen sowie gesellschaftsfremden Dritten überantwortet werden. Derartige Gestaltungen können im Wege des entrenchment zudem derart in der Satzung verankert werden, dass sie nur unter erschwerten Bedingungen wieder geändert werden können. Zumindest insoweit sind mithin in der englischen public company individuelle Bestellungsrechte im Sinne eines Entsendungsrechts möglich. Ein wesentlicher Unterschied zum deutschen Recht besteht in der qua Gesetz vorgesehenen jederzeitigen Abberufungsmöglichkeit aller directors durch Beschluss des general meeting. Diese Abberufungskompetenz kann in der Satzung nicht abbedungen werden und hindert deshalb grundsätzlich die Effektivität eines Entsendungsrechts erheblich. Die Frage, inwieweit die Vorschrift zumindest umgangen werden kann, ist bislang nicht vollständig geklärt. Möglich ist dies jedenfalls durch die Kombination des Entsendungsrechts mit einem shareholders’ agreement, in welchem sich die übrigen Aktionäre zur Nichtausübung ihrer Abberufungskompetenz in Bezug auf das entsandte Mitglied verpflichten. Darüber hinaus kann zumindest in der private company nach der äußerst umstrittenen Rechtsprechung ein Bestellungsrecht mit einem Mehrstimmrecht verbunden werden, wodurch die Abberufung des bestellten director faktisch ausgeschlossen wird. Ob diese Rechtsprechung auf die public company übertragen werden kann, erscheint nach wie vor unklar. Insgesamt ergibt sich ein ambivalentes Bild des englischen Rechts, das einerseits bei der Bestellung ein hohes Maß an Satzungsautonomie gewährt, bei der Abberufung jedoch zwingende Vorgaben aufstellt. Die größere Flexibilität bei der Besetzung des board wird durch die unabdingbare Abberufungskompetenz der Hauptversammlung aufgewogen, die rechtlich fragwürdige Umgehungsgestaltungen erforderlich macht. Demgegenüber enthält das deutsche Aktienrecht klare Vorgaben für die Vorstands- und Aufsichtsratsbestellung, lässt dabei innerhalb eindeutiger Grenzen aber auch Raum für Ausnahmen wie das Entsendungsrecht. Dieser Ansatz erscheint aufgrund seiner Stringenz und Rechtsklarheit insgesamt überzeugender. Es muss freilich konstatiert werden, dass Entsendungsgestaltungen und sonstige Sonderrechte wie etwa Mehrstimmrechte in der public company ohnehin äußerst unüblich sind. Dies gilt jedenfalls für große Unternehmen, die regelmäßig einen breit gestreuten Anteilsbesitz und eine kapitalmarktfreundliche Ausrichtung aufweisen, weswegen ihnen individuelle Einflussrechte weitestgehend fremd sind.450 Für die 450 Vgl. Hannigan, Company Law, Rn. 2 – 27; Ringe/Otte, in: Triebel/Illmer/Ringe/Vogenauer/Ziegler, Englisches WirtR, Kap. V Rn. 123. Siehe auch Davies/Worthington, Company

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Kap. 2: Entsendungsrechte im nationalen und internationalen Vergleich

rund 6.500 nicht bei der FCA gelisteten public companies sowie die etwa 2,3 Millionen private companies mag sich jedoch ein anderes Bild ergeben.451

III. Frankreich Das französische Pendant zur deutschen Aktiengesellschaft ist die société anonyme (SA), die in den Art. L. 225 – 1 bis L. 225 – 270 des Code de commerce (CCom) geregelt ist. Die SA entspricht zwar strukturell der deutschen AG, ist jedoch in der Praxis weitaus verbreiteter und dient traditionell auch als Rechtsform für zahlreiche kleinere Gesellschaften und Familienunternehmen.452 Neben der SA existiert seit 1994 eine vereinfachte Aktiengesellschaft, die société par actions simplifiée (SAS). Sie wurde ursprünglich eingeführt, um eine geeignete Rechtsform für Gemeinschaftsunternehmen bzw. Joint Ventures zur Verfügung zu stellen, deckt seit einer Gesetzesänderung im Jahr 1999 jedoch einen breiteren Anwendungsbereich ab453 und hat sich seitdem zu einer äußerst beliebten Gesellschaftsform entwickelt.454 Insbesondere kleinere und mittelständische Unternehmen sowie Tochtergesellschaften werden nunmehr häufig in der Rechtsform der SAS betrieben.455 Im Folgenden wird daher sowohl auf die klassische SA, als auch auf die SAS eingegangen.456 Zu beachten ist, dass in der französischen Wirtschaftspraxis eine große Anzahl öffentlicher und halböffentlicher Unternehmen existiert, die zwar zum Teil in PriLaw, Rn. 14 – 48, die darauf hinweisen, dass die Seltenheit von Gestaltungen, die den Einfluss der Hauptversammlung beschränken, auf die Erwartungen des Marktes zurückzuführen ist, nicht aber auf rechtliche Schranken. 451 Zahlen nach Hannigan, Company Law, Rn. 1 – 39, 1 – 50: Danach waren 2011 etwa 2.279.700 private companies und 7.600 public companies in England und Wales registriert, aber lediglich 1.070 britische Gesellschaften bei der FSA gelistet. 452 Sonnenberger/Dammann, Französisches WirtR, Rn. III 10 f.; Stucki, DB 1999, 2622, 2623; Tillmanns, in: Hohloch, EU-Hdb GesR, Frankreich, Rn. 202. 453 Azarian, Société par actions simplifiée, Tz. 2; Sonnenberg/Dammann, Französisches WirtR, Rn. III 227, S. 205; Stucki, DB 1999, 2622. 454 Nach Sonnenberg/Dammann, Französisches WirtR, Rn. III 11, S. 94, hat die SAS der SA zahlenmäßig mittlerweile sogar den Rang abgelaufen (Stand: 2006). Nach den Statistiken bei Azarian, Société par actions simplifiée, Tz. 5 liegt die SA jedoch weiterhin vor der SAS (Stand: Januar 2007). 455 Sonnenberger/Dammann, Französisches WirtR, Rn. III 228. 456 Die SAS wird zum Teil als völlig neue Gesellschaftsform und nicht etwa als Unterfall der Aktiengesellschaft angesehen, so etwa Guyon, ZGR 1994, 551, 553. Neben ihrer Bezeichnung als vereinfachte Aktiengesellschaft rechtfertigen jedoch ihre Regelungstechnik und ihre Verwendung in der Praxis die Behandlung der SAS im Rahmen der Darstellung des französischen Aktienrechts. Die société à responsabilité limitée (SARL) wird dagegen hier nicht besprochen, da sie der deutschen GmbH entspricht, der sie auch nachempfunden wurde, vgl. Sonnenberger/Dammann, Französisches WirtR, Rn. III 10; Arlt, Französische Aktiengesellschaft, S. 41.

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vatrechtsform geführt werden, dabei aber häufig Sonderstatuten unterliegen und durch das öffentliche Recht überlagert werden.457 Eine umfassende Darstellung der Sonderregeln dieser Unternehmen, die insbesondere bei teilprivatisierten ehemaligen Staatsunternehmen zuweilen klassische golden shares verbriefen,458 erscheint an dieser Stelle kaum möglich. Auf sie wird daher nur am Rande hingewiesen. Vorschriften über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer, deren Umfang sehr begrenzt und mit dem deutschen Modell nicht vergleichbar ist, bleiben ausgeklammert.459 1. Organisationsverfassung Die französische SA folgt traditionell dem monistischen Modell der Unternehmensleitung, in dem neben der Hauptversammlung (assemblée générale oder assemblée des actionnaires) nur ein zentraler Verwaltungsrat existiert, der conseil d’administration (Art. L. 225 – 17 CCom). Eine starke Stellung kommt dabei dessen Präsidenten (président) zu. Für die eigentliche Geschäftsführung und die Vertretung der Gesellschaft nach außen ist jedoch der directeur général zuständig, der allerdings mit dem président des conseil d’administration personenidentisch sein kann, sofern die Satzung dies zulässt (Art. L. 225 – 51 – 1 CCom).460 Alternativ steht in der SA seit 1966 jedoch auch das dualistische Modell deutscher Prägung mit einem Geschäftsführungs- und einem Aufsichtsorgan zur Verfügung. Sofern die Satzung sich für diese Organisationsverfassung entscheidet, kommen die Art. L. 225 – 57 ff. CCom zur Anwendung. Die Geschäftsführung liegt dann beim sog. directoire (Art. L. 225 – 58 CCom), während die Kontrollfunktion dem conseil de surveillance zukommt (Art. L. 225 – 68 CCom).461 In der SAS erlaubt das Gesetz weitgehende Flexibilität bei der Ausgestaltung der Organisationsverfassung der Gesellschaft. Die Regeln über die Organisation der SA sind von der Verweisungsnorm des L. 227 – 1 Abs. 3 CCom ausdrücklich ausge-

457

Siehe zum Ganzen Sonnenberger/Dammann, Französisches WirtR, Rn. III 1 ff. Siehe einführend Weiss, Goldene Aktien, S. 63 ff. 459 Siehe dazu etwa Germain/Magnier, Sociétés commerciales, Tz. 2341 ff.; Sonnenberger/Dammann, Französisches WirtR, Rn. III 61 ff.; Arlt, Französische Aktiengesellschaft, S. 203 ff. Zu jüngsten Reformen aus dem Jahr 2013, siehe Cozian/Viandier/Deboissy, Droit des sociétés, Tz. 862. 460 Cozian/Viandier/Deboissy, Droit des sociétés, Tz. 529 f.; Guyon, Droit des affaires I, Tz. 315 f.; Sonnenberger/Dammann, Französisches WirtR, Rn. III 167, III 202; Stucki, DB 1999, 2622, 2623; Tillmanns, in: Hohloch, EU-Hdb GesR, Frankreich, Rn. 223. 461 Germain/Magnier, Sociétés commerciales, Tz. 2246; Conac, in: Fleckner/Hopt, Comparative Corporate Governance, S. 453 f.; Sonnenberger/Dammann, Französisches WirtR, Rn. III 167 f., III 213 f.; Stucki, DB 1999, 2622, 2624; Hirschmann, Neue Gestaltungsfreiheit, S. 43 ff. In beiden Modellen sind zudem Abschlussprüfer (commissaires aux comptes) zu ernennen, auf die hier aber nicht näher eingegangen wird; siehe dazu Le Cannu/Dondero, Droit des sociétés, Rn. 508 ff.; Artl, Französische Aktiengesellschaft, S. 128 ff. 458

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nommen.462 Nach Art. L. 227 – 5 CCom werden die Modalitäten der Leitung der SAS vielmehr in ihrer Satzung festgelegt. Einzige zwingende Voraussetzung ist, dass die Gesellschaft durch einen président nach außen vertreten wird, Art. L. 227 – 6 CCom.463 2. Entsendung in der société anonyme a) Strenger Grundsatz der Wahl durch die Hauptversammlung In einer SA mit monistischem Leitungsmodell werden die Mitglieder des conseil d’administration nach Art. L. 225 – 18 Abs. 1 CCom von der Hauptversammlung gewählt.464 Art. L. 225 – 18 Abs. 3 CCom stellt ausdrücklich klar, dass jede hiervon abweichende Ernennung nichtig ist, mit Ausnahme der Bestimmung des Art. L. 225 – 24 CCom. Nach dieser Vorschrift kann der conseil d’administration einen vakanten Posten vorläufig im Wege der Kooptation besetzen. Spätestens auf der nächsten ordentlichen Hauptversammlung muss die Bestellung des jeweiligen neuen Mitglieds jedoch von der Mehrheit der Aktionäre bestätigt werden.465 Im Übrigen gilt der Grundsatz der Wahl durch die Hauptversammlung nicht für die ersten administrateurs, die gem. Art. L. 225 – 16 CCom in der Gründungssatzung namentlich benannt werden, sowie für die Vertreter der Arbeitnehmer. Hierbei handelt es sich um die einzigen gesetzlich vorgesehenen Ausnahmen.466 Aus Art. L. 225 – 18 Abs. 1 i.V.m. Abs. 3 CCom ergibt sich, dass die Bestellung der administrateurs durch die Hauptversammlung in allen anderen Fällen zwingend und unabdingbar ist. Satzungsmäßige Entsendungsrechte in den conseil d‘administration sind damit unzulässig und können in der SA nicht begründet werden.467

462 Vgl. P. Didier/Ph. Didier, Droit commercial II, Tz. 965; Sonnenberger/Dammann, Französisches WirtR, Rn. III 227. 463 Azarian, Société par actions simplifiée, Tz. 198; Hirschmann, Neue Gestaltungsfreiheit, S. 101. Daneben ist auch in der SAS stets ein Abschlussprüfer (commissaire aux comptes) zu ernennen, siehe Stucki, DB 1999, 2622, 2624. 464 Cozian/Viandier/Deboissy, Droit des sociétés, Tz. 541; Basdevant/Charvériat/Monod, Guide de l’administrateur, Tz. 16; P. Didier/Ph. Didier, Droit commercial II, Tz. 789; Le Cannu/Dondero, Droit des sociétés, Rn. 693; Sonnenberger/Dammann, Französisches WirtR, Rn. III 203. 465 Guyon, Droit des affaires I, Tz. 322; Germain/Magnier, Sociétés commerciales, Tz. 2184; Basdevant/Charvériat/Monod, Guide de l’administrateur, Tz. 17; Arlt, Französische Aktiengesellschaft, S. 89 f. 466 Vgl. Guyon, Droit des affaires I, Tz. 322. 467 Eine Ausnahme gilt für solche Sonderrechte, die auf spezialgesetzlichen golden shares der öffentlichen Hand beruhen. Diese werden zuweilen zusätzlich in den Satzungen der betreffenden Unternehmen verankert, vgl. Weiss, Goldene Aktien, S. 91, Fn. 379. Sie geben dann aber lediglich die Bestimmungen der jeweiligen Dekrete wieder, durch welche die Sonderrechte begründet werden. Siehe zum Ganzen unten 4. a).

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Im Übrigen kann die Hauptversammlung gem. Art. L. 225 – 18 Abs. 2 S. 2 CCom sämtliche administrateurs jederzeit abberufen, wobei sie hierzu keines wichtigen Grundes bedarf.468 Auch diese weitgehende Abberufungskompetenz, die als ordre public nicht durch die Satzung abbedungen werden kann,469 steht einem wirksamen Entsendungsrecht entgegen. Ebenso wenig können der président des conseil d’administration, der directeur général oder die übrigen directeurs généraux délégués von einzelnen Aktionären oder Dritten entsandt werden, da sie vom conseil d’administration selbst zu bestellen sind. Für den président ergibt sich dies aus Art. L. 225 – 47 Abs. 1 CCom, für den directeur général aus Art. L. 225 – 51 – 1 Abs. 1 CCom und für die directeurs généraux délégués aus Art. L. 225 – 53 Abs. 1 CCom. Auch wenn es hier an einer Klarstellung fehlt, dass abweichende Ernennungen nichtig sind, so werden diese Bestimmungen dennoch als zwingend angesehen.470 Auch die Wahl des dualistischen Leitungsmodells eröffnet insofern keine weitergehenden Gestaltungsmöglichkeiten. Für die Bestellung des conseil de surveillance bleibt es in diesem Fall ebenfalls bei der zwingenden Wahlkompetenz der Hauptversammlung, Art. L. 225 – 75 CCom.471 Das directoire wird gem. Art. L. 225 – 59 Abs. 1 CCom, wie auch der Vorstand im deutschen Aktienrecht, wiederum vom Aufsichtsorgan selbst bestellt. Für Entsendungsrechte in eines der beiden Organe besteht damit auch in der dualistischen SA kein Raum. b) Vertretungsregelungen durch Wählbarkeitsklauseln Es besteht allerdings eine andere Möglichkeit, die Sitze im conseil d’administration bzw. im conseil de surveillance unter verschiedenen Aktionärsgruppen aufzuteilen, wodurch etwa Risikokapitalgebern oder anderen Großaktionären eine Vertretung im jeweiligen Organ zugesichert werden kann.472 Dabei werden zumeist zwei oder mehr Aktionärsgruppen bzw. Aktiengattungen gebildet, denen in der Satzung jeweils die Vertretung im conseil in einem bestimmten Umfang garantiert

468 Cass. com., 3. 1. 1985, Defrénois 1987, 620; Germain/Magnier, Sociétés commerciales, Tz. 2210; P. Didier/Ph. Didier, Droit commercial II, Tz. 790; Fleischer, RIW 2006, 481, 482. 469 Vgl. Le Cannu/Dondero, Droit des sociétés, Rn. 722; Deboissy/Wicker, Code des sociétés, CCom Art. L. 225 – 18 Tz. 5; Germain/Magnier, Sociétés commerciales, Tz. 2210; Fleischer, RIW 2006, 481, 482 f. 470 Vgl. für die Ernennung des président CA Paris, 4. 5. 1960, Rec. S. 1961, 12; Deboissy/ Wicker, Code des sociétés, CCom Art. L. 225 – 47 Tz. 1; für die Ernennung des directeur général Cozian/Viandier/Deboissy, Droit des sociétés, Tz. 589. 471 Die Vorschrift entspricht derjenigen über die Zusammensetzung des conseil d’administration und sieht in Abs. 3 ebenfalls die Nichtigkeit jeglicher abweichenden Bestellungen vor. 472 Vgl. Le Cannu/Dondero, Droit des sociétés, Rn. 697, 843; Germain/Magnier, Sociétés commerciales, Tz. 2181; Gourlay, Conseil d’administration, Tz. 243.

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wird.473 Da die Wahlkompetenz der Hauptversammlung nicht abbedungen werden kann und auch Mehrstimmrechtsaktien nicht zur Verfügung stehen,474 wird die Aufteilung (répartition) der Mandate rechtstechnisch durch Wählbarkeitsklauseln erreicht, in denen die erforderlichen Eigenschaften der Kandidaten und damit die Wählbarkeit zum conseil d’administration bzw. zum conseil de surveillance geregelt werden. So kann die Satzung etwa verlangen, dass die Hälfte der administrateurs Inhaber der Aktiengattung A und die andere Hälfte Inhaber der Gattung B sein müssen.475 Derartige Gestaltungen sind jedoch nur in relativ engen Grenzen zulässig, die von der Rechtsprechung ausgeformt wurden. Zunächst bleibt es dabei, dass sämtliche administrateurs stets vom Plenum der Hauptversammlung zu wählen sind.476 Eine gesonderte Wahl der einzelnen Aktiengattungen ist, anders als etwa im US-amerikanischen Recht,477 nicht zulässig. Die Aufteilung der Verwaltungssitze muss ferner im wohlverstandenen Interesse der Gesellschaft erfolgen.478 Dies könnte etwa dann der Fall sein, wenn eine Gruppe zur Sanierung der Gesellschaft beiträgt, dabei hohe finanzielle Risiken eingeht und im Gegenzug eine Vertretung im conseil beansprucht.479 Die Vertretung völlig willkürlich ausgewählter Aktionäre dürfte dagegen unzulässig sein.480 Von entscheidender Bedeutung ist zudem die Prämisse, dass der Hauptversammlung ein ausreichender Spielraum bzw. eine echte Wahlmöglichkeit verbleiben muss. Sie darf nicht zur Wahl eines bestimmten Kandidaten gezwungen werden.481 Nicht zulässig ist daher etwa eine Satzungsbestimmung, wonach vier Vertreter einer Aktiengattung zu wählen sind, der aber lediglich vier Aktionäre

473 Vgl. Guyon, Droit des affaires I, Tz. 319; Basdevant/Charvériat/Monod, Guide de l’administrateur, Tz. 340 ff.; Bosvieux, Journ. soc. 1963, 65, 66; siehe auch bereits Wahl, Journ. soc. 1913, 337, 342 ff. 474 Siehe zu Letzteren unten e). 475 Vgl. Douai, 24. 5. 1962, JCP 1962 II, 12871; Gourlay, Conseil d’administration, Tz. 251; Bosvieux, Journ. soc. 1963, 65, 66 ff. 476 Guyon, Rev. soc. 1988, 234, 235. 477 Siehe dazu oben I. 2. b). 478 Paris, 17. 12. 1954, Journ. soc. 1955, 338; Bosvieux, Journ. soc. 1963, 66, 78; Gourlay, Conseil d’administration, Tz. 249. 479 Vgl. Gourlay, Conseil d’administration, Tz. 243; Rodemann, Stimmbindungsvereinbarungen, S. 209. 480 Die Orientierung am Gesellschaftsinteresse erscheint allerdings insgesamt nur schwer handhabbar, da es sich im Einzelfall kaum prognostizieren lassen dürfte, inwieweit die stärkere Bindung eines Aktionärs oder einer Aktionärsgruppe an die Gesellschaft letztlich deren Interesse dient. Möglicherweise genügt beim Vorhandensein mehrerer Großaktionäre aber bereits die Intention, deren Beziehungen untereinander zu harmonisieren und damit das reibungslose Funktionieren der Gesellschaft zu gewährleisten, vgl. Bosvieux, Journ. soc. 1963, 65; Büssemaker, Stimmbindungsverträge, S. 219; Rodemann, Stimmbindungsvereinbarungen, S. 209 f. 481 Paris, 17. 12. 1954, Journ. soc. 1955, 338; Douai, 24. 5. 1962, JCP II, 12781; Bosvieux, Journ. soc. 1963, 65, 80 ff.; Basdevant/Charvériat/Monod, Guide de l’administrateur, Tz. 345.

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angehören, die als Kandidaten zur Verfügung stehen.482 Ferner darf auch eine Vertretungsregelung in der Satzung das Recht der Hauptversammlung zur jederzeitigen Abberufung eines jeden administrateur nicht beschneiden.483 Hierin unterscheidet sich das Vertretungsrecht deutlich von einem Entsendungsrecht im Sinne des § 101 Abs. 2 AktG. Schließlich ergibt sich eine erhebliche Einschränkung der Gestaltungsfreiheit aus einem Urteil des Conseil constitutionnel,484 das sich mit spezialgesetzlichen Vertretungsregelungen im Kontext der Privatisierung der Crédit Agricole befasste, aber auf das allgemeine Aktienrecht zu übertragen sein dürfte.485 Danach darf eine Vertretungsregelung nicht zur Folge haben, dass eine Aktionärsgruppe stets die Mehrheit der Mitglieder des conseil d’administration stellen kann, während den übrigen Aktionären unabhängig von ihrem Kapitalanteil nur eine Minderheitsvertretung verbleibt. Dies gehe über das zur Berücksichtigung der Sonderstellung bestimmter Aktionäre erforderliche Maß hinaus und verstoße deshalb gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung der Aktionäre.486 Trotz der zahlreichen Vorgaben verbleiben erhebliche Unklarheiten. So hat der Conseil constitutionnel lediglich festgestellt, dass Vertretungsregelungen unzulässig sind, die einer Aktionärsgruppe dauerhaft die Mehrheit im Verwaltungsorgan garantieren. Die zulässigen Grenzen des Einflusses sind darüber hinaus jedoch völlig unklar. Eine Besetzung, die sich streng proportional an den Kapitalanteilen der einzelnen Aktionärsgruppen orientiert, dürfte nicht verlangt werden.487 Welchen Umfang eine von der Beteiligung unabhängige minderheitliche Vertretung im conseil haben darf, bleibt jedoch offen. c) Stimmbindungsverträge Grundsätzlich lässt sich eine anteilige Besetzung der Verwaltungsorgane auch mittels Aktionärsvereinbarungen (pactes d’actionnaires) in Form der Stimmbindungsverträge (conventions de vote) konstruieren.488 Die Zulässigkeit derartiger Abreden war allerdings im französischen Recht, nicht zuletzt auf Grund einer 482 Douai, 24. 5. 1962, JCP 1962 II, 12781. Zu beachten ist, dass dieses Urteil noch zur alten Rechtslage erging, wonach die Aktionärseigenschaft eine zwingende gesetzliche Voraussetzung für die Wahl zum administrateur darstellte. Heute dürfte es dagegen beispielsweise möglich sein, der Aktionärsgruppe ein Vorschlagsrecht für eine ausreichend große Zahl von Kandidaten einzuräumen, aus denen die Hauptversammlung dann die vier Vertreter wählt. 483 Vgl. Paris, 17. 12. 1954, Journ. soc. 1955, 338; Bastian, JCP 1962 II, 12781. 484 C. const., 7. 1. 1988, Rev. soc. 1988, 229. 485 Guyon, Rev. soc. 1988, 234, 235; Le Cannu/Dondero, Droit des sociétés, Rn. 697. 486 C. const., 7. 1. 1988, Rev. soc. 1988, 229. Damit dürfte es nunmehr erst recht nicht mehr möglich sein, die Wählbarkeit insgesamt auf eine von mehreren Gruppen zu beschränken und damit die anderen Gruppen gänzlich vom conseil auszuschließen (so noch Wahl, Journ. soc. 1913, 337, 343 f.; Gourlay, Conseil d’administration, Tz. 244). 487 Guyon, Rev. soc. 1988, 234, 236. 488 Vgl. Cozian/Viandier/Deboissy, Droit des sociétés, Tz. 766.

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Kap. 2: Entsendungsrechte im nationalen und internationalen Vergleich

wechselhaften Gesetzgebungsgeschichte, lange Zeit umstritten.489 Auch wenn die Literatur heute überwiegend von ihrer grundsätzlichen Zulässigkeit ausgeht, verbleiben Zweifel bezüglich ihrer Voraussetzungen und Grenzen.490 Nicht zuletzt auf diese Unklarheiten reagierte der Gesetzgeber mit der Schaffung der SAS.491 Die Voraussetzungen entsprechen weitgehend jenen für Wählbarkeitsklauseln: Unzulässig sind nach Ansicht der Rechtsprechung insbesondere Wahlabreden, in denen sich Aktionäre zur Stimmabgabe für einen bestimmten Kandidaten bei den Wahlen zum conseil d’administration verpflichten.492 Lediglich die Eingrenzung der Wahl auf Kandidaten einer bestimmten Gruppe oder mit gewissen Eigenschaften soll möglich sein, solange dies nicht faktisch auf die Verpflichtung zur Wahl eines einzigen Kandidaten hinausläuft.493 Auch vertragliche Vereinbarungen zur anteiligen Besetzung von Verwaltungsposten müssen dem Interesse der Gesellschaft dienen.494 Insgesamt erscheint die Rechtslage hier ebenso unklar wie im Falle entsprechender Satzungsbestimmungen. Im Übrigen binden, wie auch im deutschen Recht, selbst gültige Verträge lediglich die beteiligten Parteien, begründen aber keine Rechtsfolgen für die Gesellschaft, weswegen abredewidrig abgegebene Stimmen und damit zustande gekommene Beschlüsse gültig sind.495 Insbesondere können unter Missachtung eines Stimmbindungsvertrags gewählte administrateurs nicht gerichtlich abberufen werden.496 d) Wahl von juristischen Personen Hinzuweisen ist ferner auf die Möglichkeit der Wahl von juristischen Personen in die Verwaltungsorgane der SA. Während dies in der deutschen Aktiengesellschaft

489 Vgl. Germain/Magnier, Sociétés commerciales, Tz. 2154; Büssemaker, Stimmbindungsverträge S. 161 ff.; Rodemann, Stimmbindungsvereinbarungen, S. 181 ff. 490 Vgl. Germain/Magnier, Sociétés commerciales, Tz. 2156; Cozian/Viandier/Deboissy, Droit des sociétés, Tz. 766; Büssemaker, Stimmbindungsverträge, S. 191, 206 ff.; Rodemann, Stimmbindungsvereinbarungen, S. 197 ff. 491 Vgl. Sonnenberger/Dammann, Französisches WirtR, Rn. III 233. 492 Cass. com., 14. 3. 1950, JCP 1950 II, 5694; Cass. com., 24. 4.1950, Bull. civ. 1950 2. 97, Nr. 139; Germain/Magnier, Sociétés commerciales, Tz. 2156; Guyon, Droit des affaires I, Tz. 322; Rodemann, Stimmbindungsvereinbarungen, S. 206 f.; kritisch Büssemaker, Stimmbindungsverträge, S. 218. 493 Cass. com., 19. 12. 1983, Rev. soc. 1985, 105; Büssemaker, Stimmbindungsverträge, S. 218 f.; Rodemann, Stimmbindungsvereinbarungen, S. 206 f. 494 Cass. com., 19. 12. 1983, Rev. soc. 1985, 105; CA Paris, 18. 6. 1986, Rev. soc. 1986, 422; Rodemann, Stimmbindungsvereinbarungen, S. 207 f.; Büssemaker, Stimmbindungsverträge, S. 219 f. 495 Germain/Magnier, Sociétés commerciales, Tz. 2157; Cozian/Viandier/Deboissy, Droit des sociétés, Tz. 766; Rodemann, Stimmbindungsvereinbarungen, S. 229 f. 496 CA Paris, 8. 11. 2011, RJDA 3/2012, Nr. 303; Cozian/Viandier/Deboissy, Droit des sociétés, Tz. 766.

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sowohl für den Vorstand, als auch für den Aufsichtsrat ausgeschlossen ist,497 lassen Art. L. 225 – 20 und Art. L. 225 – 76 CCom die Wahl von juristischen Personen in den conseil d’administration und, im dualistischen Modell, den conseil de surveillance ausdrücklich zu.498 Vor allem in Konzernen ist es eine verbreitete Praxis, dass sich eine Muttergesellschaft selbst in den conseil d’administration der Tochtergesellschaft wählt.499 Die gewählte juristische Person hat sodann einen ständigen Vertreter (représentant permanent) zu bestimmen, der das Mandat für sie wahrnimmt. Dieser hat grundsätzlich die gleichen Rechte und Pflichten wie die übrigen administrateurs und haftet für Pflichtverletzungen solidarisch neben der juristischen Person.500 Die Auswahl des ständigen Vertreters steht im alleinigen Ermessen der juristischen Person, sodass zumindest insoweit von einer Entsendung gesprochen werden kann.501 Allerdings kann die Hauptversammlung aufgrund der Vorschrift des Art. L. 225 – 18 Abs. 2 S. 2 CCom die juristische Person jederzeit abberufen, wodurch diese ihre Auswahlmöglichkeit verliert. Es besteht daher keinesfalls eine dem deutschen Entsendungsrecht vergleichbare Rechtsposition. e) Besonderheit: Treuestimmrecht Ein faktisches Entsendungsrecht kann in der SA auch nicht etwa dadurch begründet werden, dass einem Aktionär bei der Wahl zum conseil d’administration ein deutlich überproportionales Mehrstimmrecht eingeräumt wird, das ihm die Wahl eines jeden „seiner“ Kandidaten ermöglichen würde. Das französische Aktienrecht geht vom Prinzip der Proportionalität des Stimmrechts zum Kapitalanteil aus, also dem Grundsatz one share, one vote,502 was sich aus Art. L. 225 – 122 CCom ergibt.503 Mehrstimmrechtsaktien (actions à vote plural) sind wie auch im deutschen Aktienrecht grundsätzlich unzulässig.504 Eine bedeutende Ausnahme bildet allerdings das 497 Dies stellen § 76 Abs. 3 S. 1 und § 100 Abs. 1 S. 1 AktG ausdrücklich klar, wonach ausschließlich natürliche Personen Mitglied des Vorstands und des Aufsichtsrats sein können. 498 Für das directoire im dualistischen System gilt dies allerdings nicht: Nach Art. L. 225 – 59 Abs. 3 CCom müssen die Mitglieder zwingend natürliche Personen sein, vgl. Fleischer, RIW 2004, 16, 18. 499 Fleischer, RIW 2004, 16, 18. 500 Germain/Magnier, Sociétés commerciales, Tz. 2189; Guyon, Droit des affaires I, Tz. 318; P. Didier/Ph. Didier, Droit commercial II, Tz. 701; Arlt, Französische Aktiengesellschaft, S. 87; Fleischer, RIW 2004, 16, 17 f. 501 Vgl. Arlt, Französische Aktiengesellschaft, S. 87: „Die juristische Person verfügt quasi über ein Entsendungsrecht.“ Fleischer, RIW 2004, 16, 18 weist allerdings darauf hin, dass viele Gesellschaften mittlerweile dazu übergehen, von vornherein nicht sich selbst, sondern eine ihrer Führungskräfte in den conseil d’administration wählen zu lassen, und spricht auch in diesem Zusammenhang von einer „Entsendung“. 502 Siehe dazu ausführlich unten Kap. 5, E. 503 Cozian/Viandier/Deboissy, Droit des sociétés, Tz. 725; Guyon, Droit des affaires I, Tz. 307; Germain/Magnier, Sociétés commerciales, Tz. 2109, 2153. 504 Arlt, Französische Aktiengesellschaft, S. 150.

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Doppelstimmrecht nach Art. L. 225 – 123 CCom, das auch als „Treuestimmrecht“505 bezeichnet wird: Danach kann die Satzung eingetragenen Namensaktien, die seit mindestens zwei Jahren vom selben Aktionär gehalten werden, ein doppeltes Stimmrecht einräumen. Das Treuestimmrecht ist nicht auf natürlich Personen beschränkt, kann aber gem. Art. L. 225 – 123 Abs. 3 CCom solchen Aktionären vorbehalten werden, die die französische Staatsbürgerschaft oder die Staatsbürgerschaft eines anderen EU-Mitgliedstaates besitzen.506 Darüber hinaus ist es aber nicht möglich, das Treuestimmrecht qua Satzung nur einzelnen Aktionären einzuräumen, obwohl auch andere Anteilseigner über entsprechende Aktien verfügen. Wird eine Bestimmung nach Art. L. 225 – 123 CCom in die Satzung aufgenommen, so profitieren hiervon vielmehr sämtliche Aktionäre, die die Voraussetzungen erfüllen.507 Die Gesellschaft hat hier mithin nur einen begrenzten Gestaltungsspielraum, um einzelne Aktionäre gezielt zu bevorzugen. So kann sie die Mindesthaltefrist festlegen, die das Doppelstimmrecht auslösen soll.508 Gibt es nur einen Aktionär, der seine Aktien über den in der Satzung bestimmten Zeitraum gehalten hat, so profitiert nur dieser vom Doppelstimmrecht – allerdings nur solange, bis andere Aktionäre die Haltefrist ebenfalls erreicht haben. Eine dauerhafte einseitige Begünstigung dürfte sich allenfalls erzielen lassen, wenn es nur eine einzige Namensaktie gibt oder sämtliche Namensaktien der Gesellschaft von einem Aktionär gehalten werden. f) Entsendung von censeurs Eine Besonderheit stellen im französischen Recht die sog. censeurs dar. Es handelt sich dabei um kontrollierende Berater, die keine Organfunktionen wahrnehmen.509 Sie dienen vornehmlich der Repräsentation einzelner Aktionärsgruppen im conseil d’administration, an dessen Sitzungen sie teilnehmen können. Sie sind jedoch keine Mitglieder des Organs und haben entsprechend bei Abstimmungen auch kein Stimmrecht. Obwohl das Gesetz keinerlei Vorschriften über censeurs enthält, sollen Satzungsregelungen über ihre Bestellung und ihre Anwesenheit im

505 Habersack, Gutachten E zum 69. DJT, S. E 90; Bachmann, AG 2012, 565, 576. Vielfach findet sich auch die Formulierung, das Doppelstimmrecht stelle einen „Treuebonus“ („prime de fidelité“) dar, siehe etwa P. Didier/Ph. Didier, Droit commercial II, Tz. 652; Arlt, Französische Aktiengesellschaft, S. 150. 506 Guyon, Droit des affaires I, Tz. 307. 507 P. Didier/Ph. Didier, Droit commercial II, Tz. 652; Germain/Magnier, Sociétés commerciales, Tz. 2091. 508 Diese Möglichkeit der Gesellschaft ergibt sich aus der Formulierung von Art. L. 225 – 123 Abs. 1 CCom, wonach die Aktien mindestens zwei Jahre („depuis deux ans au moins“) gehalten werden müssen; siehe Guyon, Droit des affaires I, Tz. 307; P. Didier/Ph. Didier, Droit commercial II, Tz. 652; Germain/Magnier, Sociétés commerciales, Tz. 2090. 509 Sonnenberger/Dammann, Französisches WirtR, Rn. III 215; Le Cannu/Dondero, Droit des sociétés, Rn. 892.

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conseil zulässig sein.510 Die Satzung kann daher vorsehen, dass ein bestimmter Aktionär oder eine bestimmte Aktionärsgruppe das Recht haben soll, einen oder mehrere censeurs zu entsenden. Dabei dürfen den censeurs jedoch keine Befugnisse eingeräumt werden, die nach der gesetzlichen Regelung zwingend den Gesellschaftsorganen zugewiesen sind.511 Ihr rechtlicher Einfluss in der SA ist daher äußerst begrenzt. Allerdings dürfte ihr tatsächlicher Einfluss ungleich größer sein: Bei den censeurs handelt es sich häufig um verdiente und angesehene Personen, die durchaus eine gewisse Kontrollfunktion innerhalb der Gesellschaft wahrnehmen.512 3. Entsendung in der société par actions simplifiée Unproblematisch ist die Situation in der SAS, die durch eine weitgehende Satzungsautonomie geprägt ist. Die Leitung der Gesellschaft ist gem. Art. L. 227 – 5 CCom durch die Satzung zu regeln, ebenso wie die Bestellung des président als einzigem vorgeschriebenen Leitungsorgan (Art. L. 227 – 6 Abs. 1 S. 1 CCom) und gegebenenfalls die Bestellung eines directeur général sowie weiterer directeurs généraux délégués (Art. L. 227 – 6 Abs. 3 CCom). Darüber hinaus kann die Satzung auch einen zusätzlichen conseil d’administration, einen conseil de surveillance oder sonstige Beiräte, Ausschüsse und andere Organ vorsehen.513 In all diesen Fällen ist die Bestellung der Organmitglieder nicht etwa der assemblée générale vorbehalten, da der abschließende Katalog zwingender Hauptversammlungskompetenzen des Art. L. 227 – 9 Abs. 2 CCom hierzu schweigt.514 Deshalb ist es zulässig, das Recht zur Bestellung der Organmitglieder einzelnen Gesellschaftern oder auch Dritten zuzuweisen, etwa einer kreditgewährenden Bank oder der Muttergesellschaft eines Gesellschafters.515 Ebenso kann die Kompetenz zur Abberufung von Organmitgliedern

510 Vgl. Germain/Magnier, Sociétés commerciales, Tz. 2217; Basdevant/Charvériat/ Monod, Guide de l’administrateur, Tz. 22, 348; Andenas/Wooldridge, European Comparative Company Law, S. 288; Sonnenberger/Dammann, Französisches WirtR, Rn. III 215. 511 Germain/Magnier, Sociétés commerciales, Tz. 2217; Basdevant/Charvériat/Monod, Guide de l’administrateur, Tz. 22. 512 Vgl. Andenas/Wooldridge, European Comparative Company Law, S. 288, Fn. 102. 513 P. Didier/Ph. Didier, Droit commercial II, Tz. 965; Germain/Magnier, Sociétés commerciales, Tz. 2604; Cozian/Viandier/Deboissy, Droit des sociétés, Tz. 965 f.; Guyon, Droit des affaires I, Tz. 471 – 6; Azarian, Société par actions simplifiée, Tz. 202; Stucki, DB 1999, 2622, 2624; Arlt, Französische Aktiengesellschaft, S. 193. 514 Vgl. Azarian, Société par actions simplifiée, Tz. 205; Hirschmann, Neue Gestaltungsfreiheit, S. 108; Stucki, DB 1999, 2622, 2624. Etwas anderes gilt nur für die Wahl der Abschlussprüfer (commissaires aux comptes). 515 Azarian, Société par actions simplifiée, Tz. 205; P. Didier/Ph. Didier, Droit commercial II, Tz. 974; Germain/Magnier, Sociétés commerciales, Tz. 2605; Hirschmann, Neue Gestaltungsfreiheit, S. 108; Peter, Société par actions simplifiée, S. 133; Arlt, Französische Aktiengesellschaft, S. 192.

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Kap. 2: Entsendungsrechte im nationalen und internationalen Vergleich

durch die Satzung beliebig geregelt werden.516 Satzungsmäßige Entsendungsrechte sind mithin in der SAS ohne weiteres möglich, und zwar ohne zahlenmäßige Begrenzungen oder sonstige Einschränkungen. Entsandt werden können nicht nur der président der Gesellschaft, sondern auch die directeurs sowie die Mitglieder anderer denkbarer Organe. Daneben wird durch Art. L. 227 – 9 Abs. 1 CCom auch die Art und Weise der Beschlussfassung der Regelung durch die Satzung anheimgestellt, weswegen in der SAS im Gegensatz zur SA auch Mehrstimmrechte, Vetorechte und ähnliche Instrumente ohne Einschränkung möglich sind.517 Da die SAS der Börsennotierung nicht zugänglich ist (Art. L. 227 – 2 CCom),518 bestehen auch keine kapitalmarkt- oder börsenzulassungsrechtlichen Schranken. 4. Spezialgesetzliche Sonderrechte der öffentlichen Hand Außerhalb des allgemeinen Aktienrechts bestehen in Frankreich Sondervorschriften für öffentliche oder gemischtwirtschaftliche Unternehmen sowie privatisierte Staatsunternehmen, die die Bestellungsmodalitäten für Organmitglieder in derartigen Gesellschaften zugunsten des Staates modifizieren. Im Folgenden werden exemplarisch zwei bedeutsame Normen dieser Art knapp dargestellt. a) Entsendungsrechte nach Art. 10 Privatisierungsgesetz 1986 Im Zuge der Reprivatisierung ehemaliger Staatsunternehmen in Frankreich wurde im Privatisierungsgesetz 1986519 das Rechtsinstitut der action spécifique eingeführt, einer sog. goldenen Aktie, die in erster Linie die Übernahme von privatisierten Gesellschaften verhindern sollte.520 Art. 10 Privatisierungsgesetz 1986 erlaubte die Umwandlung von durch den Staat gehaltenen Aktien in actions spécifiques mit verschiedenen Sonderrechten. Durch Art. 7 Privatisierungsgesetz 1993521 wurde der Katalog der Sonderrechte, die an die goldene Aktie gekoppelt werden können, erweitert.522 Seitdem ermöglicht Art. 10 Abs. 1 Nr. 2 Privatisierungsgesetz 1986, eine action spécifique mit einem Entsendungsrecht auszustatten, das es dem Staat erlaubt, per Dekret ein bis zwei Vertreter in den conseil d’administration bzw. den conseil de 516

Germain/Magnier, Sociétés commerciales, Tz. 2607; Cozian/Viandier/Deboissy, Droit des sociétés, Tz. 967; P. Didier/Ph. Didier, Droit commercial II, Tz. 965; Peter, Société par actions simplifiée, S. 133; Arlt, Französische Aktiengesellschaft, S. 192. 517 Sonnenberger/Dammann, Französisches WirtR, Rn. III 232; Azarian, Société par actions simplifiée, Tz. 279. 518 P. Didier/Ph. Didier, Droit commercial II, Tz. 956; Peter, Société par actions simplifiée, S. 29; Sonnenberger/Dammann, Französisches WirtR, Rn. III 227. 519 Loi n8 86 – 912 du 6 août 1986 relative aux modalités des privatisations. 520 Vgl. Weiss, Goldene Aktien, S. 63; Sonnenberger/Dammann, Französisches WirtR, Rn. III 3. 521 Loi n8 93 – 923 du 19 juillet 1993 de privatisation. 522 Weiss, Goldene Aktien, S. 63.

C. Entsendungsrechte im ausländischen Aktienrecht

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surveillance zu entsenden.523 Die Staatsvertreter verfügen allerdings bei Beschlussfassungen über kein Stimmrecht. Sie dienen mithin vor allem der Information des zuständigen Ministeriums über gesellschaftsinterne Vorgänge.524 Entsprechend wird durch das Entsendungsrecht die Bestellungskompetenz der assemblée générale nicht beschnitten; die entsandten Mitglieder treten vielmehr zu den gewählten Mitgliedern hinzu.525 Eine direkte Einflussnahme ist dem Staat über die entsandten Vertreter mithin nicht möglich. Zudem ist zu beachten, dass die Einführung einer action spécifique eine Erforderlichkeit zum Schutz nationaler Interessen voraussetzt.526 b) Nominierungsrecht nach Art. 139 NRE-Gesetz Eine weitere Sondervorschrift enthält etwa das Gesetz über neue wirtschaftliche Regelungen (nouvelles régulations économiques, NRE-Gesetz).527 Art. 139 Abs. 1 NRE-Gesetz gewährt dem Staat in Gesellschaften, an denen er mit mindestens 10 % beteiligt ist, ein Vertretungsrecht im conseil d’administration bzw. im conseil de surveillance. Die Staatsvertreter müssen jedoch nach Art. 139 Abs. 1 UAbs. 2 NREGesetz vom zuständigen Gesellschaftsorgan bestellt, in der SA also von der Hauptversammlung gewählt werden. Die nach öffentlichem Recht zuständigen Ministerien haben lediglich ein Vorschlagsrecht, an das die assemblée générale nicht gebunden ist.528 5. Zusammenfassung und Würdigung In der französischen SA stellt sich die Rechtslage zunächst eindeutig dar: Für Entsendungsrechte in die Leitungs- und Kontrollorgane besteht grundsätzlich keinerlei Raum, da die zwingenden Regelungen über die Bestellungskompetenzen eine Entsendung nicht zulassen. Gleichwohl behilft man sich in Frankreich mit anderen Konstruktionen, insbesondere der Statuierung von Wählbarkeitsvoraussetzungen, 523 Hiervon wurde in der Vergangenheit etwa in dem Mineralölunternehmen Elf Aquintaine (SA, mittlerweile fusioniert mit TotalFina zur Total SA) und dem Rüstungsunternehmen Thales (SA) Gebrauch gemacht, vgl. Chérot, Droit public économique, Tz. 446; Weiss, Goldene Aktien, S. 91; Pießkalla, Goldene Aktien, S. 5. 524 Chérot, Droit public économique, Tz. 446; Grundmann/Möslein, ZVglRWiss 102 (2003), 289, 307. 525 Vgl. Weiss, Goldene Aktien, S. 91; Pießkalla, Goldene Aktien, S. 34. 526 Chérot, Droit public économique, Tz. 445; Weiss, Goldene Aktien, S. 64. 527 Loi n8 2001 – 420 du 15 mai 2001 relative aux nouvelles régulations économiques. Dieses Reformgesetz hat u. a. aufgrund seiner Auswirkungen auf die Verwaltung der SA Aufmerksamkeit erregt, vgl. etwa Couret, JCP E 2001, 1660; Conac, in: Fleckner/Hopt, Comparative Corporate Governance, S. 447; Schnier/Puttfarken, RIW 2004, 192 m.w.N. Der Sondervorschrift des Art. 139 NRE-Gesetz ist dabei aber kaum Beachtung geschenkt worden. 528 Sonnenberger/Dammann, Französisches WirtR, Rn. III 203.

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Kap. 2: Entsendungsrechte im nationalen und internationalen Vergleich

um eine Aufteilung der Sitze im conseil d’administration bzw. im conseil de surveillance unter verschiedenen Aktionärsgruppen zu erreichen. Hiermit lassen sich grundsätzlich ähnliche Ergebnisse erzielen wie mit einem deutschen Entsendungsrecht, nämlich die Repräsentation einzelner Aktionäre unabhängig von ihrer Kapitalbeteiligung. Zu beachten ist jedoch, dass die Grenzen der noch zulässigen Einflussnahme weitgehend unklar sind und daher eine erhebliche Rechtsunsicherheit besteht. Dies gilt auch für Stimmbindungsverträge, die zum Zwecke der überproportionalen Einflussnahme grundsätzlich ebenfalls in Frage kommen. Daneben steht das unabdingbare Abberufungsrecht der Hauptversammlung für sämtliche Mitglieder des conseil jedenfalls der Begründung einer mit dem Entsendungsrecht nach § 101 Abs. 2 AktG vergleichbaren Rechtsposition im Wege. Es zeigen sich hier einmal mehr die Vorteile einer klaren gesetzlichen Regelung. Möglich ist dagegen die Entsendung von censeurs, die als stimmrechtslose Berater fungieren und in dieser Konzeption der deutschen AG fremd sind. Zumindest in faktischer Hinsicht kann hiermit ein nicht zu unterschätzender Einfluss ausgeübt werden. Der öffentlichen Hand stehen daneben spezialgesetzliche Sondervorschriften zur Verfügung, die in öffentlichen und gemischtwirtschaftlichen Unternehmen sowie ehemaligen Staatsunternehmen zur Anwendung kommen und etwa die Entsendung beratender Organmitglieder ermöglichen. Hier besteht ein wesentlicher Unterschied zur Lage in Deutschland, wo gesetzliche Entsendungsrechte heute nicht mehr existieren und deshalb die allgemeine Vorschrift des § 101 Abs. 2 AktG zur Anwendung kommt. Da die französischen golden shares nur die Entsendung stimmrechtsloser Organmitglieder erlauben, sind sie in ihrer Wirkung begrenzter, was angesichts der aktiven Rolle des Staates innerhalb des französischen Wirtschaftssystems durchaus bemerkenswert erscheint. Völlig anders stellt sich die Situation in der SAS dar: Hier unterliegen satzungsmäßige Entsendungsrechte in die Leitungsorgane der Gesellschaft praktisch keinerlei Schranken und können umfassend statuiert werden. Dies überrascht auch nicht, wollte der französische Gesetzgeber mit der SAS doch gerade eine flexible Alternative zur starren Struktur der SA zur Verfügung stellen, die in vielen Bereichen eher der deutschen GmbH als der AG nahe kommt. Die Zahlen belegen, dass diese Konzeption in der französischen Wirtschaftspraxis offenbar sehr gut angenommen wird.

IV. Österreich In Österreich ist das Aktienrecht in einem eigenständigen Aktiengesetz (öAktG) geregelt, das eine erheblich Ähnlichkeit mit den Regelungen des deutschen Aktienrechts aufweist und nur in Einzelheiten von diesem abweicht. Die enge Verwandtschaft ist historisch bedingt: Ab 1938 galt in Österreich das deutsche AktG 1937. Erst mit dem öAktG 1965 bekam Österreich wieder eine eigene Kodifikation.

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Diese war jedoch lediglich das Ergebnis einer „kleinen“ Reform und stimmt noch heute in weiten Teilen mit dem deutschen AktG 1937 überein.529 1. Organisationsverfassung und Vorstandsbestellung Dementsprechend bestehen bezüglich der grundlegenden Verfassung der Aktiengesellschaft in Österreich keinerlei Unterschiede zum deutschen Recht: Es handelt sich um ein dualistisches Modell der Unternehmensführung mit Vorstand und obligatorischem Aufsichtsrat.530 Zudem besteht in Österreich ebenfalls ein System der unternehmerischen Mitbestimmung, weswegen sich der Aufsichtsrat regelmäßig aus Aktionärs- und Arbeitnehmervertretern zusammensetzt.531 Entsprechende Regelungen bleiben im Folgenden indes ausgeklammert. Nach § 75 Abs. 1 öAktG werden die Vorstandsmitglieder durch den Aufsichtsrat bestellt. Zu beachten ist allerdings zunächst, dass es im österreichischen Aktienrecht an einer dem deutschen § 23 Abs. 5 AktG entsprechenden Vorschrift und damit an einer Kodifizierung des Grundsatzes der Satzungsstrenge fehlt.532 Zwar wird auch in Österreich das Aktienrecht grundsätzlich als zwingend angesehen, jedoch müssen hier abweichende Satzungsbestimmungen nicht stets ausdrücklich durch das Gesetz erlaubt sein.533 Die Zulässigkeit von Abweichungen ist durch Auslegung zu ermitteln. Soweit diese ergibt, dass es sich um eine zwingende Vorschrift handelt, sollen abweichende Satzungsbestimmungen jedoch ebenfalls unwirksam sein.534 Die Vorstandsbestellung durch den Aufsichtsrat gem. § 75 Abs. 1 öAktG wird als zwingende Kompetenznorm angesehen, sodass andere Bestellungsformen oder etwa die Delegation an ein anderes Organ unzulässig sind.535 Entsendungsrechte in den Vorstand sind damit wie auch nach deutschem Recht ausgeschlossen.536 529

Jabornegg, in: Jabornegg/Strasser, öAktG, Einl. A Rn. 3. Vgl. Kalss, in: Kalss/Nowotny/Schauer, Österreichisches GesR, Rn. 3/454; Kusznier, in: Van Hulle/Gesell, European Corporate Law, Part 2 I. Rn. 44, S. 62. 531 In Österreich schreibt § 110 ArbVG eine drittelparitätische Mitbestimmung im Aufsichtsrat für alle Aktiengesellschaften vor, in denen ein Betriebsrat besteht. Siehe näher dazu etwa Windisch-Graetz, in: Neumayr/Reissner, Zeller Kommentar Arbeitsrecht, § 110 ArbVG Rn. 1 ff.; Gahleitner, in: Kalss/Kunz, Hdb Aufsichtsrat, Kap. 7 Rn. 1 ff.; Kalss, in: Kalss/Nowotny/Schauer, Österreichisches GesR, Rn. 3/506 ff. 532 Gruber/Foglar-Deinhardstein, GesRZ 2014, 73, 77, 86. 533 Doralt/Diregger, in: MünchKomm AktG, § 23 Rn. 211; Heidinger/Schneider, in: Jabornegg/Strasser, öAktG, § 17 Rn. 5. 534 Vgl. Heidinger/Schneider, in: Jabornegg/Strasser, öAktG, § 17 Rn. 5. 535 Kalss, in: MünchKomm AktG, § 84 Rn. 253; dies., in: Kalss/Nowotny/Schauer, Österreichisches GesR, Rn. 3/257; Nowotny, in: Doralt/Nowotny/Kalss, öAktG, § 75 Rn. 6; Strasser, in: Jabornegg/Strasser, öAktG, §§ 75, 76 Rn. 12. 536 Daran dürfte auch die jüngste Lockerung des Grundsatzes der Satzungsstrenge durch die Rechtsprechung nichts ändern, vgl. OGH, GesRZ 2013, 212; Gruber/Foglar-Deinhardstein, GesRZ 2014, 73 ff. 530

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Kap. 2: Entsendungsrechte im nationalen und internationalen Vergleich

2. Entsendung von Aufsichtsratsmitgliedern a) Grundsatz der Wahl Die Aufsichtsratsmitglieder werden nach § 87 Abs. 1 S. 1 öAktG von der Hauptversammlung gewählt. Da diese Vorschrift die Verfassung der Gesellschaft betrifft, wird man sie, wie auch § 75 Abs. 1 S. 1 öAktG, als zwingende Kompetenznorm ansehen müssen, von der nicht beliebig abgewichen werden kann.537 Die Wahl der Aufsichtsratsmitglieder durch Mehrheitsbeschluss in der Hauptversammlung bildet daher die Grundform bzw. den Regelfall der Bestellung.538 Das Gesetz lässt hiervon jedoch einige Ausnahmen und Modifikationen zu. b) Entsendungsrecht für Aktionäre (§ 88 öAktG) Auch das österreichische Aktienrecht sieht die Möglichkeit statutarischer Entsendungsrechte in § 88 öAktG ausdrücklich vor. Die Vorschrift gleicht – entsprechend der Entstehungsgeschichte des öAktG – weitgehend § 88 AktG 1937 und entspricht inhaltlich im Wesentlichen auch den heutigen deutschen Regelungen in § 101 Abs. 2 sowie § 103 Abs. 2 und 3 AktG. So kann das Entsendungsrecht nur durch die Satzung (§ 88 Abs. 1 S. 1 öAktG) und nur für bestimmte Aktionäre oder die Inhaber vinkulierter Namensaktien (§ 88 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 öAktG) begründet werden. Auch die Abberufungsmöglichkeiten (§ 88 Abs. 4 und 5 öAktG) unterscheiden sich kaum von denen des § 103 Abs. 2 und 3 AktG. Für Einzelheiten kann deshalb auf die Ausführungen zum deutschen Recht verwiesen werden.539 Dennoch bestehen einige Unterschiede. Eine bemerkenswerte Abweichung von der deutschen Regelung findet sich seit 2004540 in § 88 Abs. 1 S. 3 öAktG: Während früher wie in § 101 Abs. 2 S. 4 AktG eine pauschale Höchstgrenze für Entsendungsrechte von einem Drittel der Aufsichtsratsmitglieder vorgesehen war, wird nunmehr eine Differenzierung vorgenommen. Die Drittel-Regelung nach § 88 Abs. 1 S. 2 öAktG gilt nur noch für börsennotierte Gesellschaften, während in nichtbörsennotierten Aktiengesellschaften nach neuem Recht die Hälfte der Mitglieder des Aufsichtsrats entsandt werden kann. Mit der neuen Regelung soll geschlossenen Gesellschaften eine größere Flexibilität ermöglicht werden.541 Ausweislich der Gesetzesbegründung entsprach die Änderung einem „Wunsch der Wirtschaft“.542 Damit hat der österreichische Gesetzgeber im Bereich der Entsen537

Vgl. Kalss, in: Doralt/Nowotny/Kalss, öAktG, § 87 Rn. 15. Temmel, Aufsichtsrat, S. 27. 539 Siehe oben Kap. 1, A. III. und IV. 540 Änderung durch Art. II Nr. 7 Gesellschaftsrechtsänderungsgesetz 2004 (öBGBl. I Nr. 67/2004). 541 Kalss, in: MünchKomm AktG, § 101 Rn. 127. 542 Materialien zur Regierungsvorlage des Gesellschaftsrechtsänderungsgesetzes 2004, 466 Beilagen XXII. GP, S. 35. 538

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dung die grundsätzliche Forderung nach mehr Gestaltungsfreiheit für „kleine“ Aktiengesellschaften umgesetzt, die auch in der deutschen Rechtswissenschaft erhoben wird.543 Wie im deutschen Recht werden bei der Bestimmung der Gesamtzahl die Arbeitnehmervertreter nicht mitgezählt.544 Im Übrigen ist auch hier nicht die tatsächliche, sondern die gesetzlich oder satzungsmäßig vorgesehene Zahl der Aktionärsvertreter maßgeblich, obwohl es an einer entsprechenden Klarstellung im Gesetz fehlt.545 Demgegenüber werden einige durch das Gesetz nicht ausdrücklich geregelte Fragen im österreichischen Schrifttum anders beurteilt als in Deutschland. So soll etwa die Höchstbestellungsdauer nach § 87 Abs. 7 öAktG nicht für entsandte Aufsichtsratsmitglieder gelten; diese sollen vielmehr auch auf unbestimmte Dauer bzw. lebenslang entsandt werden können.546 Dagegen wird im deutschen Schrifttum die allgemeine Vorschrift des § 102 AktG auch auf entsandte Aufsichtsratsmitglieder angewendet.547 Da hier aber nach Ablauf der Amtszeit eine erneute Entsendung uneingeschränkt zulässig ist,548 hat diese Frage kaum praktische Auswirkungen. Anders als im neueren deutschen Schrifttum wird es im österreichischen Recht auch ausdrücklich für zulässig gehalten, ein persönliches Entsendungsrecht rechtsgeschäftlich zu übertragen, sofern dies in der Satzung vorgesehen ist und die zukünftigen Erwerber namentlich bestimmt sind.549 Auch im Bereich des Rechtsentzugs werden in der österreichischen Literatur einige Fragen anders beurteilt. Wie im deutschen Recht geht man allgemein vom Sonderrechtscharakter des Entsendungsrechts aus, das nur mit Zustimmung des Inhabers entzogen werden könne.550 Das Zustimmungserfordernis wird dabei in Grenzfällen jedoch noch strenger gehandhabt. So soll etwa auch im Falle einer Kapitalherabsetzung und damit einhergehender Verkleinerung des Aufsichtsrats stets eine Zustimmung des Entsendungsberechtigten erforderlich sein, da hierdurch in dessen Sonderrecht eingegriffen 543 Bezogen auf Entsendungsrechte Bayer, Gutachten E zum 67. DJT, S. E 110, E 114; allgemein etwa Hommelhoff, AG 1995, 529 ff. Siehe dazu auch unten Kap. 5, H. 544 Kalss/Linder, Minderheits- und Einzelrechte, S. 55; Kalss, in: MünchKomm AktG, § 101 Rn. 127, 134; C. Fritz, Gesellschafts- und Unternehmensformen, Rn. 3832. 545 Strasser, in: Jabornegg/Strasser, öAktG, §§ 87 – 89 Rn. 15; Temmel, Aufsichtsrat, S. 30. 546 Kalss, in: MünchKomm AktG, § 101 Rn. 142; dies., in: Doralt/Nowotny/Kalss, öAktG, § 88 Rn. 25; Strasser, in: Jabornegg/Strasser, öAktG, §§ 87 – 89 Rn. 52; M. Doralt, in: Kalss/ Kunz, Hdb Aufsichtsrat, Kap. 6 Rn. 144; Temmel, Aufsichtsrat, S. 36. 547 Habersack, in: MünchKomm AktG, § 101 Rn. 66; Hopt/M. Roth, in: Großkomm AktG, § 101 Rn. 153; Mertens/Cahn, in: KölnKomm AktG, § 101 Rn. 71; Hoffmann-Becking, in: MünchHdb AG, § 30 Rn. 47. 548 Vgl. Mertens/Cahn, in: KölnKomm AktG, § 101 Rn. 71; Hopt/M. Roth, in: Großkomm AktG, § 101 Rn. 153. 549 Kalss, in: MünchKomm AktG, § 101 Rn. 131; dies., in: Doralt/Nowotny/Kalss, öAktG, § 88 Rn. 11; siehe dazu bereits oben Kap. 1, A. IV. 2. a). 550 Kalss, in: MünchKomm AktG, § 101 Rn. 129; Kalss/Linder, Minderheits- und Einzelrechte, S. 55; Strasser, in: Jabornegg/Strasser, öAktG, §§ 87 – 89 Rn. 19; Temmel, Aufsichtsrat, S. 30; M. Doralt, in: Kalss/Kunz, Hdb Aufsichtsrat, Kap. 6 Rn. 134.

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Kap. 2: Entsendungsrechte im nationalen und internationalen Vergleich

werde.551 Bei der Verschmelzung oder Spaltung der Gesellschaft soll dies ebenfalls gelten, sofern nicht dem Entsendungsberechtigten in der übernehmenden Gesellschaft ein gleichwertiges Recht eingeräumt wird.552 Die Verbreitung von satzungsmäßigen Entsendungsrechten in der Praxis wird auch im österreichischen Schrifttum als eher gering eingeschätzt; weitaus häufiger seien stimmbindungsvertragliche Regelungen.553 Insbesondere wird auch darauf hingewiesen, dass die vom Gesetzgeber vorgesehene Nutzung durch öffentlichrechtliche Gesellschafter in Österreich nicht angenommen worden sei und keine praktische Bedeutung erlangt habe.554 c) Nominierungs- bzw. Vorschlagsrechte Im Schrifttum wird darauf hingewiesen, dass es ebenfalls zulässig sei, Nominierungs- bzw. Vorschlagsrechte in der Satzung zu verankern. Auf diesem Wege könne einzelnen Aktionären das Recht eingeräumt werden, der Hauptversammlung eine Person zur Wahl für den Aufsichtsrat vorzuschlagen. Die Hauptversammlung sei an den Vorschlag allerdings nicht gebunden, sondern in ihrer Entscheidung völlig frei. Bei dem Vorschlagsrecht soll es sich ebenfalls um ein Sonderrecht handeln, für das die Grenzen nach § 88 öAktG aber nicht gelten.555 Fraglich erscheint allerdings, welchen Zweck ein solches statutarisches Vorschlagsrecht konkret erfüllen soll. Wahlvorschläge können nämlich grundsätzlich ohnehin von jedem (stimmberechtigten) Aktionär eingebracht werden, ohne dass es dafür einer satzungsmäßigen Bestimmung bedarf (vgl. § 119 öAktG).556 Lediglich in der börsennotierten Gesellschaft ist diese Möglichkeit seit der Aktienrechtsreform 2009557 auf Aktionäre beschränkt, die mindestens 1 % des Grundkapitals halten, was sich aus dem Zusammenspiel von § 87 Abs. 6 und § 110 Abs. 1 öAktG ergibt.558 Der Nutzen eines statutarischen Vorschlagsrechts ohne Bindungswirkung erscheint daher äußerst

551 Kalss, in: Doralt/Nowotny/Kalss, öAktG, § 88 Rn. 19; dies., in: MünchKomm AktG, § 101 Rn. 137; M. Doralt, in: Kalss/Kunz, Hdb Aufsichtsrat, Kap. 6 Rn. 134 (mit Fn. 182). Allerdings soll auch hiernach im Einzelfall eine Zustimmungspflicht aufgrund der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht bestehen. 552 Kalss, in: MünchKomm AktG, § 101 Rn. 133; dies., Verschmelzung – Spaltung – Umwandlung, § 221 AktG Rn. 17; wohl auch Hügel, ecolex 1996, 527, 542. 553 Kalss, in: Doralt/Nowotny/Kalss, öAktG, § 88 Rn. 1. 554 Kalss, in: Doralt/Nowotny/Kalss, öAktG, § 88 Rn. 1; Nowotny, RdW 1999, 283, 286. 555 M. Doralt, in: Kalss/Kunz, Hdb Aufsichtsrat, Kap. 6 Rn. 152 ff.; Kalss, in: MünchKomm AktG, § 101 Rn. 147. 556 Vgl. Temmel, Aufsichtsrat, S. 29; Strasser, in: Jabornegg/Strasser, öAktG, §§ 87 – 89 Rn. 11; Kalss, in: Kalss/Nowotny/Schauer, Österreichisches GesR, Rn. 3/478. 557 Aktienrechtsänderungsgesetz 2009 (öBGBl. I Nr. 71/2009). 558 Bachner, in: Doralt/Nowotny/Kalss, öAktG, § 110 Rn. 14.

C. Entsendungsrechte im ausländischen Aktienrecht

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begrenzt. Ein darüber hinausgehendes bindendes Vorschlagsrecht soll jedoch ausdrücklich unzulässig sein.559 d) Syndikatsvertragliche Entsendungsrechte Auch im österreichischen Aktienrecht sind schuldrechtliche Vereinbarungen unter Gesellschaftern über die Ausübung des Stimmverhaltens in der Hauptversammlung, die sog. Syndikatsverträge, grundsätzlich zulässig.560 So können sich Aktionäre vertraglich verpflichten, bei der Wahl zum Aufsichtsrat für den von einem Mitaktionär vorgeschlagenen Kandidaten zu stimmen. Diese Gestaltung wird in Österreich als „syndikatsvertragliches Entsendungsrecht“ bezeichnet.561 Trotz dieser Terminologie handelt es um nichts anderes als einen (schuldrechtlichen) Stimmbindungsvertrag, der lediglich das Verhältnis der beteiligten Gesellschafter untereinander betrifft und keine Bindung der Gesellschaft selbst erzeugt. Die „Entsendung“ ist hier kein körperschaftlicher Rechtsakt; vielmehr bleibt es bei der korporationsrechtlichen Bestellung durch Wahl in der Hauptversammlung.562 Entsprechend gelten für derartige Stimmabreden nicht die Grenzen des § 88 öAktG.563 Da Syndikatsverträge keine Außenwirkung entfalten, sind vertragswidrig abgegebene Stimmen gültig und wirksam; der Vertragspartner hat grundsätzlich lediglich Ansprüche im Innenverhältnis.564 Unklar ist jedoch, ob und in welchen Fällen Gesellschafterbeschlüsse angefochten werden können, die nur durch vertragswidrige Stimmabgaben zustande gekommen sind. Grundsätzlich wird dies abgelehnt; der österreichische OGH hat jedoch in Anlehnung an die Rechtsprechung des BGH die Anfechtbarkeit im GmbH-Recht ausnahmsweise für möglich gehalten, sofern eine Stimmbindung lediglich die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht konkretisiert oder der Syndikatsvertrag von sämtlichen Gesellschaftern eingegangen wurde.565 Dennoch kann festgehalten werden, dass das „syndikatsvertragliche Entsendungsrecht“

559

Kalss, in: Doralt/Nowotny/Kalss, öAktG, § 87 Rn. 15. OGH, GesRZ 2003, 290, 294; Strasser, in: Jabornegg/Strasser, öAktG, §§ 87 – 89 Rn. 12; Tichy, Syndikatsverträge, S. 33; Schauer, in: Fleischer/Kalss/Vogt, Aktuelle Entwicklungen, S. 205. 561 Tichy, Syndikatsverträge, S. 56 f.; Kalss, in: Doralt/Nowotny/Kalss, öAktG, § 88 Rn. 42; M. Doralt, in: Kalss/Kunz, Hdb Aufsichtsrat, Kap. 6 Rn. 155. 562 M. Doralt, in: Kalss/Kunz, Hdb Aufsichtsrat, Kap. 6 Rn. 157; Tichy, Syndikatsverträge, S. 56 f. 563 OGH, GesRZ 2003, 290, 295 f.; Tichy, Syndikatsverträge, S. 56; Kalss, in: Doralt/ Nowotny/Kalss, öAktG, § 88 Rn. 43; dies., in: MünchKomm AktG, § 101 Rn. 149; M. Doralt, in: Kalss/Kunz, Hdb Aufsichtsrat, Kap. 6 Rn. 157. 564 Vgl. OGH, GesRZ 2003, 290, 294; Strasser, in: Jabornegg/Strasser, öAktG, §§ 87 – 89 Rn. 12; Kalss, in: Kalss/Nowotny/Schauer, Österreichisches GesR, Rn. 3/623. 565 OGH, RdW 1996, 165, 166; OGH, RdW 1999, 721, 722; Kalss, in: Kalss/Nowotny/ Schauer, Österreichisches GesR, Rn. 3/649. Ausführlich zum Ganzen Tichy, Syndikatsverträge, S. 150 ff.; Schauer, in: Fleischer/Kalss/Vogt, Aktuelle Entwicklungen, S. 208 ff. 560

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Kap. 2: Entsendungsrechte im nationalen und internationalen Vergleich

auch in der österreichischen Aktiengesellschaft keine derart gefestigte Rechtsposition zu begründen vermag wie ein statutarisches Entsendungsrecht nach § 88 öAktG. e) Wahl von Minderheitenvertretern (§ 87 Abs. 4 öAktG) Eine Modifizierung der üblichen Wahl durch die Hauptversammlung stellt die Wahl des Minderheitenvertreters dar. Anders als im deutschen Recht ist in der österreichischen Aktiengesellschaft eine Minderheitenvertretung im Aufsichtsrat gesetzlich vorgesehen. Bei der 1965 aufgenommenen Bestimmung handelt sich um eine spezifisch österreichische Regelung,566 wenngleich ähnliche Konzepte auch in Deutschland im Rahmen der Reformdebatte der Weimarer Republik sowie im Vorfeld der Aktienrechtsreform 1965 diskutiert wurden.567 Sie findet sich heute in § 87 Abs. 4 öAktG. Danach ist, sofern dieselbe Hauptversammlung mindestens drei Aufsichtsratsmitglieder zu wählen hat, bei der Abstimmung über die letzte zu besetzende Stelle diejenige Person als gewählt zu erklären, die bei den vorangegangenen Abstimmungen mindestens ein Drittel aller abgegebenen Stimmen auf sich vereint hat, aber nicht gewählt wurde. Die Regelung wird flankiert von § 87 Abs. 3 öAktG, der eine gesonderte Abstimmung über jede zu besetzende Stelle vorschreibt.568 Nach § 87 Abs. 4 S. 2 öAktG ist die Vorschrift nicht anzuwenden, solange sich im Aufsichtsrat bereits ein auf diese Weise gewählter Vertreter befindet. Das Gesetz sieht also stets nur einen Minderheitenvertreter im Aufsichtsrat vor. Daneben soll das Minderheitenrecht aber auch durch ein Entsendungsrecht zugunsten derselben Minderheit konsumiert werden.569 Im Übrigen setzt § 87 Abs. 4 S. 1 öAktG voraus, dass mindestens drei Aufsichtsratsmitglieder in derselben Hauptversammlung gewählt werden. Daher soll es möglich sein, durch eine Staffelung der Aufsichtsratsbesetzung („staggered board“) die Anwendbarkeit der Vorschrift zu verhindern.570 Hieran zeigt sich, dass es sich letztlich um ein relativ schwaches Minderheitenrecht handelt, das leicht umgangen werden kann.571 Entsprechend hat die

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Kalss, in: MünchKomm AktG, § 101 Rn. 104. Siehe dazu oben Kap. 1, B. I. 7. b) und c) sowie III. 1. 568 Bei der nicht börsennotierten Gesellschaft ist gem. Abs. 3 S. 3 allerdings auch ein einheitlicher Abstimmungsvorgang zulässig, sofern kein Aktionär widerspricht. 569 Kalss, in: Doralt/Nowotny/Kalss, öAktG, § 87 Rn. 28; dies., in: MünchKomm AktG, § 101 Rn. 110; M. Doralt, in: Kalss/Kunz, Hdb Aufsichtsrat, Kap. 6 Rn. 90; Strasser, in: Jabornegg/Strasser, öAktG, §§ 87 – 89 Rn. 13. Dagegen soll das Vorhandensein eines sog. unechten Minderheitenvertreters, der vom Mehrheitsaktionär gewählt wird und die Interessen des Streubesitzes vertreten soll, der Bestellung nach § 87 Abs. 4 öAktG im Regelfall nicht entgegenstehen, vgl. M. Doralt, in: Kalss/Kunz, Hdb Aufsichtsrat, Kap. 6 Rn. 101. 570 Kalss, in: Doralt/Nowotny/Kalss, öAktG, § 87 Rn. 28; M. Doralt, in: Kalss/Kunz, Hdb Aufsichtsrat, Kap. 6 Rn. 89. Es werden dann bei keinem Wahltermin mehr als zwei Mitglieder gewählt. Dies wird trotz der abweichenden Intention des historischen Gesetzgebers für möglich gehalten. 571 Vgl. Kalss/Linder, Minderheits- und Einzelrechte, S. 80. 567

C. Entsendungsrechte im ausländischen Aktienrecht

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Vorschrift kaum praktische Bedeutung erlangt; nur wenige Aufsichtsratsmitglieder werden nach diesem Modus bestellt.572 f) Verhältniswahl (§ 87 Abs. 5) Nach § 87 Abs. 5 öAktG ist die Einführung eines Verhältniswahlsystems durch die Satzung ausdrücklich zulässig. Ein solches Wahlsystem ist konzeptionell minderheitenfreundlich, da sich die Wähler bei der Mandatsverteilung grundsätzlich im Verhältnis ihrer Stimmen durchsetzen, während beim üblichen Mehrheitswahlrecht allein die Mehrheit entscheidet.573 Möglich ist die Ausgestaltung als Listenwahl, aber auch das sog. cumulative voting, bei dem jede Aktie die den zu besetzenden Stellen entsprechende Zahl an Stimmen vermittelt, die auch auf einen Kandidaten kumuliert werden können.574 Die Einführung eines Verhältniswahlsystems kann neben dem Zweck einer allgemein minderheitenfreundlichen Gestaltung der Wahl auch auf die Sicherung des Einflusses einer bestimmten Aktionärsgruppe abzielen. Es kommt dann wirtschaftlich bzw. funktional betrachtet einem Entsendungsrecht durchaus nahe.575 Es stellt sich auch die Frage, ob es in diesem Fall den Charakter eines Sonderrechts hat. Dies dürfte aber bereits deshalb abzulehnen sein, weil das Verhältniswahlrecht keinem bestimmten Inhaber konkret zugeordnet werden kann, sondern ab dem Zeitpunkt seiner Einführung für alle Aktionäre gleichermaßen Geltung beansprucht. Die bloße Tatsache, dass ein Aktionär oder eine Aktionärsgruppe von der Ausgestaltung des Wahlsystems faktisch mehr profitiert als andere, vermag dieses noch nicht als Sonderrecht zu charakterisieren.576 3. Zusammenfassung und Würdigung Das österreichische Aktienrecht sieht ein statutarisches Entsendungsrecht vor, dessen Ausgestaltung mit dem deutschen Entsendungsrecht des § 101 Abs. 2 AktG weitestgehend übereinstimmt. Aufgrund ihres gemeinsamen historischen Ursprungs in § 88 AktG 1937 ist die starke Übereinstimmung der Vorschriften nicht überraschend. Dennoch hat sich das österreichische Recht nach 1945 eigenständig entwickelt und dabei den Abstand zum deutschen Recht vergrößert. Den gewichtigsten Unterschied beim satzungsmäßigen Entsendungsrecht stellt die Tatsache dar, dass das österreichische Recht zwischen börsennotierten und nicht börsennotierten Gesellschaften differenziert, sodass in letzteren bis zur Hälfte der Aktionärsvertreter im Aufsichtsrat entsandt werden können. Damit kann in geschlossenen Gesellschaften 572

Strasser, in: Jabornegg/Strasser, öAktG, §§ 87 – 89 Rn. 13; Kalss, in: Doralt/Nowotny/ Kalss, öAktG, § 87 Rn. 29. 573 M. Doralt, in: Kalss/Kunz, Hdb Aufsichtsrat, Kap. 6 Rn. 109. 574 Kalss, in: Doralt/Nowotny/Kalss, öAktG, § 87 Rn. 35. Siehe zu diesem Prinzip in der US-amerikanischen corporation bereits oben I. 2. d). 575 M. Doralt, in: Kalss/Kunz, Hdb Aufsichtsrat, Kap. 6 Rn. 119. 576 So im Ergebnis auch M. Doralt, in: Kalss/Kunz, Hdb Aufsichtsrat, Kap. 6 Rn. 119.

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Kap. 2: Entsendungsrechte im nationalen und internationalen Vergleich

ein weitaus größerer Einfluss durch einzelne Aktionäre ausgeübt werden. Eine derartige Flexibilität wird auch von Teilen des deutschen Schrifttums für wünschenswert gehalten.577 Allerdings ist ebenfalls zur Kenntnis zu nehmen, dass statutarische Entsendungsrechte offenbar auch in Österreich keine große praktische Bedeutung erlangt haben. Bei der Ausgestaltung und Bewertung von vertraglichen Vereinbarungen zwischen Aktionären über das Stimmverhalten bestehen, abgesehen von der abweichenden Terminologie, kaum Unterschiede zum deutschen Recht. Auch in Österreich können derartige Konstruktionen genutzt werden, um den eigenen Einfluss wenigstens in begrenzter Form abzusichern. Es lässt sich damit aber keine einem echten Entsendungsrecht vergleichbare Rechtsposition begründen. Anders als in der deutschen Aktiengesellschaft ist im österreichischen Recht zusätzlich zur Möglichkeit des Entsendungsrechts ein Minderheitenvertreter im Aufsichtsrat vorgesehen. Dies gilt unmittelbar kraft Gesetzes ohne gesonderte Satzungsbestimmung, kann aber durch Einführung einer gestaffelten Aufsichtsratsbesetzung ohne weiteres ausgehebelt werden. Im Übrigen gewährt das Gesetz nur einen einzigen Minderheitenvertreter, sodass der Einfluss der Minderheit selbst bei Anwendung der entsprechenden Vorschriften äußerst gering bleibt. Größere Auswirkungen kann dagegen die Einführung eines Verhältniswahlsystems haben, dass einem größeren Minderheitsaktionär eine seinem Kapital- bzw. Stimmrechtsanteil entsprechende Vertretung im Aufsichtsrat ermöglicht. Eine überproportionale Vertretung und damit eine Erweiterung des Einflusses über den Kapitalanteil hinaus ist hiermit aber ebenso wenig möglich wie die dauerhafte Sicherung des Einflusses.

V. Schweiz Das schweizerische Aktienrecht ist im 26. Titel des Obligationenrechts (OR) in den Art. 620 – 763 geregelt; daneben finden allgemeine Vorschriften des Zivilgesetzbuchs (ZGB) über juristische Personen Anwendung.578 OR und ZGB stellen formell betrachtet jeweils eigenständige Erlasse dar, was historisch bedingt ist und die eigenständige Artikelzählung des OR erklärt. Sie sind jedoch materiell als Einheit anzusehen, wobei das OR den fünften Teil des ZGB bildet.579

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Siehe zu entsprechenden Reformvorschlägen auch unten Kap. 5, H. Forstmoser/Meier-Hayoz/Nobel, Schweizerisches Aktienrecht, § 6 Rn. 2; Wittibschlager, Einführung in das schweizerische Recht, Rn. 636, 649. 579 Wittibschlager, Einführung in das schweizerische Recht, Rn. 123; Zweigert/Kötz, Rechtsvergleichung, S. 168. 578

C. Entsendungsrechte im ausländischen Aktienrecht

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1. Organisationsverfassung Die schweizerische Aktiengesellschaft verfügt über drei obligatorische Organe: Die Generalversammlung (Art. 698 – 706b OR), den Verwaltungsrat (Art. 707 – 726 OR) und die Revisionsstelle (Art. 727 – 731 OR).580 Dennoch verfolgt das schweizerische Recht ein im Kern monistisches Leitungsmodell, in dem kein eigentliches Aufsichtsorgan vorgesehen ist.581 Die Revisionsstelle erfüllt diese Funktion nicht umfassend, da sie lediglich die Rechtmäßigkeit der Buchführung, der Jahresrechnung und des Gewinnverwendungsantrags des Verwaltungsrates prüfen kann. Angemessenheit und Zweckmäßigkeit der Geschäftsführung hat sie dagegen nicht zu beurteilen.582 Sie wird – anders als der Abschlussprüfer im deutschen Recht – gleichwohl als Gesellschaftsorgan angesehen583 und deshalb im Folgenden mitberücksichtigt. Der Verwaltungsrat bildet demgegenüber das Exekutivorgan der Gesellschaft, das grundsätzlich für die Geschäftsführung und die Vertretung der AG nach außen zuständig ist.584 Möglich ist es allerdings auch, dass der Verwaltungsrat aufgrund einer satzungsmäßigen Ermächtigung die Geschäftsführung an eine gesonderte Direktion oder Geschäftsleitung überträgt (Art. 716b OR) und sich selbst in erster Linie auf deren Aufsicht konzentriert.585 Diese Gestaltung ist heute bei den meisten größeren Aktiengesellschaften in der Schweiz üblich, weswegen auch von einem „Mischsystem“ in Abgrenzung zum klassischen board-Modell gesprochen wird.586 Dennoch verbleiben dem Verwaltungsrat stets die in Art. 716a OR genannten unübertragbaren Aufgaben, insbesondere die „Oberleitung der Gesellschaft“ (Art. 716a Abs. 1 Nr. 1 OR), sodass eine vollständige Trennung von Geschäftsführungs- und Überwachungsaufgaben wie im deutschen Aktienrecht nicht möglich ist.587 2. Entsendung von Verwaltungsratsmitgliedern a) Grundsatz der Wahl Nach Art. 698 Abs. 2 Nr. 2 OR ist die Wahl der Verwaltungsratsmitglieder unübertragbare Befugnis der Generalversammlung. Diese ist also zwingend für die 580

Bauen/Bernet, Schweizer Aktiengesellschaft, S. 138. Forstmoser/Meier-Hayoz/Nobel, Schweizerisches Aktienrecht, § 20 Rn. 4; Bauen/ Venturi, Verwaltungsrat, Rn. 4. 582 Meier, Aktiengesellschaft, Rn. 10.9. 583 Dazu ausführlich Pfiffner, Revisionsstelle, Rn. 1030 ff. 584 Bauen/Bernet, Schweizer Aktiengesellschaft, S. 138. 585 Forstmoser/Meier-Hayoz/Nobel, Schweizerisches Aktienrecht, § 20 Rn. 5; Druey/ Glanzmann, in: Druey, Gesellschafts- und Handelsrecht, § 13 Rn. 11. 586 Böckli, Schweizer Aktienrecht, § 13 Rn. 950, 956; Bauen/Venturi, Verwaltungsrat, Rn. 6; Bühler, Regulierung, Rn. 451. 587 Forstmoser/Meier-Hayoz/Nobel, Schweizerisches Aktienrecht, § 20 Rn. 5; Böckli, Schweizer Aktienrecht § 13 Rn. 957 f. 581

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Kap. 2: Entsendungsrechte im nationalen und internationalen Vergleich

Bestellung der Mitglieder zuständig.588 Auch die Satzung (Statuten) kann der Generalversammlung ihre Eigenschaft als oberstes Wahlorgan nicht entziehen.589 Gesellschaftsfremden Dritten können daher weder Vorschlags- noch Vetorechte eingeräumt werden.590 Ausnahmen sind, wie auch im deutschen Aktienrecht, lediglich möglich, soweit sie gesetzlich vorgesehen sind. Anderenfalls sind abweichende Satzungsbestimmungen nichtig.591 b) Entsendungsrecht für öffentlich-rechtliche Körperschaften (Art. 762 OR) Eine gesetzlich vorgesehene Ausnahme, durch die der Grundsatz der Wahl durch die Generalversammlung durchbrochen wird,592 findet sich in der Sondervorschrift des Art. 762 OR.593 Nach Abs. 1 dieser Bestimmung kann einer Körperschaft des öffentlichen Rechts in den Statuten der Gesellschaft das Recht eingeräumt werden, Vertreter in den Verwaltungsrat oder die Revisionsstelle abzuordnen, auch wenn sie nicht Aktionärin ist. Es handelt sich hierbei um ein echtes Entsendungsrecht.594 Die Sondervorschrift stammt aus der Eisenbahngesetzgebung und wurde 1936 in das OR übernommen. Ursprünglich sollte es damit ermöglicht werden, öffentlich-rechtlichen Körperschaften, die privaten Eisenbahngesellschaften in der Krise Unterstützung gewährten, Einfluss auf deren Geschäftsführung zu ermöglichen, ohne dass sich die Körperschaft als Aktionär beteiligen musste.595 Bei der Aktienrechtsrevision 1991 wurde die Norm inhaltlich unverändert beibehalten.596 Sie wird teilweise als Fremdkörper angesehen597 und trotz ihrer Stellung im Aktienrecht materiell dem öffentlichen Recht zugeordnet.598

588 Bauen/Bernet, Schweizer Aktiengesellschaft, Rn. 449; Meier, Aktiengesellschaft, Rn. 9.62. 589 Böckli, Schweizer Aktienrecht, § 13 Rn. 48; Bauen/Venturi, Verwaltungsrat, Rn. 35. 590 Forstmoser/Meier-Hayoz/Nobel, Schweizerisches Aktienrecht, § 27 Rn. 22. 591 Frey, Statutarische Drittrechte im Schweizerischen Aktienrecht, S. 108 f. 592 Forstmoser/Meier-Hayoz/Nobel, Schweizerisches Aktienrecht, § 27 Rn. 17; Böckli, Schweizer Aktienrecht, § 13 Rn. 49; Druey/Glanzmann, in: Druey, Gesellschafts- und Handelsrecht, § 12 Rn. 11. 593 Ausführlich dazu Stämpfli, Gemischtwirtschaftliche Aktiengesellschaft, S. 104 ff. 594 Böckli, Schweizer Aktienrecht, § 13 Rn. 86; Forstmoser/Meier-Hayoz/Nobel, Schweizerisches Aktienrecht, § 27 Rn. 17. 595 Wernli/Rizzi, in: Basler Kommentar OR, Art. 762 Rn. 3; ausführlich zur Entstehungsgeschichte Stämpfli, Gemischtwirtschaftliche Aktiengesellschaft, S. 106 ff. 596 Böckli, Schweizer Aktienrecht, § 13 Rn. 86; Wernli/Rizzi, in: Basler Kommentar OR, Art. 762 Rn. 2. 597 Frey, Statutarische Drittrechte im Schweizerischen Aktienrecht, S. 135. 598 Bürgi/Nordmann-Zimmermann, in: Zürcher Kommentar ZGB, Art. 762 OR Rn. 2; Wernli/Rizzi, in: Basler Kommentar OR, Art. 762 Rn. 4.

C. Entsendungsrechte im ausländischen Aktienrecht

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Die Vorschrift des Art. 762 Abs. 1 OR ähnelt jedenfalls insoweit stark der deutschen Regelung des § 101 Abs. 2 AktG, als sie die Möglichkeit eröffnet, Entsendungsrechte durch Satzungsbestimmung einzuräumen. Ähnlich wie auch im deutschen Recht (§ 103 Abs. 2 S. 1 AktG) bestimmt Art. 762 Abs. 2 OR, dass das Recht zur Abberufung entsandter Mitglieder nur der entsendungsberechtigten Körperschaft selbst zusteht. Dies gilt auch dann, wenn für eine Abberufung wichtige Gründe vorliegen.599 Eine ausnahmsweise Abberufung bei Wegfallen der satzungsmäßigen Voraussetzungen oder eine gerichtliche Abberufung auf Antrag einer Minderheit entsprechend den deutschen Regelungen des § 103 Abs. 2 S. 2 und § 103 Abs. 3 AktG sind im OR nicht vorgesehen. Nach Ansicht der Rechtsprechung soll die Gesellschaft jedoch beim Vorliegen wichtiger Gründe von der entsendenden Körperschaft die Abberufung verlangen können.600 Dieser Anspruch kann mittels Klage gegen die Körperschaft auf Abgabe einer entsprechenden Willenserklärung durchgesetzt werden.601 Ein wesentlicher Unterschied gegenüber der deutschen Regelung besteht darin, dass das Entsendungsrecht ausschließlich einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft eingeräumt werden kann. Exemplarisch werden hier Bund, Kantone, Bezirke oder Gemeinden genannt. Entsendungsrechte zugunsten privater Aktionäre werden von Art. 762 OR eindeutig nicht ermöglicht. Anders als § 101 Abs. 2 AktG ist die Sondervorschrift des schweizerischen Aktienrechts ausschließlich auf die Privilegierung der öffentlichen Hand zugeschnitten.602 Wie Art. 762 Abs. 1 OR ausdrücklich klarstellt, ist dabei die Aktionärseigenschaft der Körperschaft nicht erforderlich. Somit kann etwa einer an der Gesellschaft gänzlich unbeteiligten Gemeinde ein Entsendungsrecht in den Verwaltungsrat eingeräumt werden, sofern sie irgendein „öffentliches Interesse“ i.S.v. Art. 762 Abs. 1 OR an der Gesellschaft hat.603 Auch hierin besteht ein wesentlicher Unterschied zum deutschen Aktienrecht, das keine Entsendungsrechte zugunsten gesellschaftsfremder Dritter vorsieht. Freilich kann das Entsendungsrecht des Art. 762 OR auch mit einer Aktionärsstellung verbunden sein.604

599

Böckli, Schweizer Aktienrecht, § 13 Rn. 49. BGE 51 II 330, 340; 59 II 264, 288. 601 Wernli/Rizzi, in: Basler Kommentar OR, Art. 762 Rn. 16. 602 Der deutsche Gesetzgeber sah dies ebenfalls als wesentlichen Zweck des Entsendungsrechts an. Er entschied sich aber bewusst gegen eine Vorschrift, die ausschließlich öffentlich-rechtliche Körperschaften begünstigt. Siehe dazu oben Kap. 1, B. I. 7. b), II. 1. und III. 1. 603 Stämpfli, Gemischtwirtschaftliche Aktiengesellschaft, S. 105. An dieses Interesse werden keine allzu hohen Anforderungen gestellt. Eine bloß finanzielle Beteiligung genügt allein jedoch nicht, vgl. Wernli/Rizzi, in: Basler Kommentar OR, Art. 762 Rn. 8; Bürgi/ Nordmann-Zimmermann, in: Zürcher Kommentar ZGB, Art. 762 OR Rn. 6. 604 Forstmoser/Jaag, Der Staat als Aktionär, S. 19; Frey, Statutarische Drittrechte im Schweizerischen Aktienrecht, S. 138 f. Dies soll wohl auch mit der Formulierung „sowie bei gemischtwirtschaftlichen Unternehmungen“ in Art. 762 Abs. 2 OR klargestellt werden. 600

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Kap. 2: Entsendungsrechte im nationalen und internationalen Vergleich

Eine Höchstzahlbegrenzung wie die des deutschen § 101 Abs. 2 S. 4 AktG ist im schweizerischen Aktienrecht nicht vorgesehen. Auch gesetzliche Vorgaben zur Größe des Verwaltungsrates bestehen nicht. Art. 707 Abs. 1 OR bestimmt lediglich, dass der Verwaltungsrat aus einem oder mehreren Mitgliedern besteht. Grundsätzlich können daher beliebig viele Verwaltungsratsmitglieder durch öffentlich-rechtliche Körperschaften entsandt werden.605 Ob die Satzung auch die Entsendung der Mehrheit der Verwaltungsratsmitglieder vorsehen darf, erscheint fraglich, denn damit würde die Stellung der Generalversammlung als oberstes Wahlorgan faktisch beseitigt. Entsprechend wird vereinzelt vorgebracht, ein überparitätisches Entsendungsrecht ohne entsprechende Kapital- bzw. Stimmrechtsmehrheit in der Generalversammlung sei mit den Grundprinzipien des Aktienrechts nicht zu vereinbaren.606 Demgegenüber hält die herrschende Meinung auch die Entsendung der Mehrheit der Verwaltungsratsmitglieder für zulässig. Wesentlich seien insofern das Fehlen einer gesetzlichen Begrenzung sowie der Charakter des Art. 762 OR als Ausnahmevorschrift.607 Ebenfalls umstritten ist, ob das einmal eingeführte Entsendungsrecht auch ohne Zustimmung der berechtigten Körperschaft wieder abgeschafft werden kann. Vor allem im älteren Schrifttum wird dies unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung608 überwiegend verneint, da es sich beim Entsendungsrecht nach Art. 762 OR um ein sog. wohlerworbenes Recht handele, das nicht ohne Zustimmung des Berechtigten entzogen werden könne.609 In der neueren Literatur wird aber zunehmend die Ansicht vertreten, dass die Abschaffung des Entsendungsrechts wie auch seine Einführung durch bloßen Mehrheitsbeschluss der Generalversammlung möglich sei.610 Die angeführte Rechtsprechung sei nicht verallgemeinerungsfähig; zudem werde der Begriff des wohlerworbenen Rechts seit der Aktienrechtsrevision 1991 im Gesetz nicht mehr verwendet.611 Eine weitere Besonderheit stellt die Vorschrift des Art. 762 Abs. 4 OR dar, der eine unmittelbare Haftung der öffentlichen Körperschaft für die von ihr entsandten Mitglieder gegenüber der Gesellschaft, ihren Aktionären sowie den Gläubigern 605

Wernli/Rizzi, in: Basler Kommentar OR, Art. 762 Rn. 11. v. Greyerz, in: v. Steiger, Schweizerisches Privatrecht VIII/2, S. 309, 312; Trigo Trindade, Conseil d’administration, S. 108, Fn. 386. 607 BGE 71 I 187, 189; Wernli/Rizzi, in: Basler Kommentar OR, Art. 762 Rn. 11; Bürgi/ Nordmann-Zimmermann, in: Zürcher Kommentar ZGB, Art. 762 OR Rn. 13; Schucany, Kommentar zum Schweizerischen Aktienrecht, Art. 762 Rn. 1. 608 BGE 51 II 330, 342; 59 II 264, 288 ff. 609 F. v. Steiger, Recht der Aktiengesellschaft, S. 201; Stämpfli, Gemischtwirtschaftliche Aktiengesellschaft, S. 127, Fn. 466. 610 Wernli/Rizzi, in: Basler Kommentar OR, Art. 762 Rn. 26; Forstmoser/Meier-Hayoz/ Nobel, Schweizerisches Aktienrecht, § 63 Rn. 20; Trigo Trindade, Conseil d’administration, S. 112 f.; ebenso auch schon Bürgi/Nordmann-Zimmermann, in: Zürcher Kommentar ZGB, Art. 762 OR Rn. 30 f. 611 Wernli/Rizzi, in: Basler Kommentar OR, Art. 762 Rn. 26. 606

C. Entsendungsrechte im ausländischen Aktienrecht

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statuiert. Auch hierin besteht ein wesentlicher Unterschied zum deutschen Recht, wo eine Haftung des Entsendungsberechtigten für Fehlverhalten des Entsandten nicht vorgesehen ist.612 Die primäre Haftung der entsendenden Körperschaft nach Art. 762 Abs. 4 OR tritt an die Stelle der Eigenhaftung des Verwaltungsratsmitglieds; Voraussetzungen und Umfang der Haftung richten sich allerdings nach den allgemeinen Vorschriften der Art. 754 ff. OR.613 Wie Art. 762 Abs. 3 OR klarstellt, haben entsandte Verwaltungsratsmitglieder im Übrigen die gleichen Rechte und Pflichten wie gewählte Mitglieder.614 Entsprechend ist auch im schweizerischen Schrifttum umstritten, ob und inwieweit der entsendenden Körperschaft ein Weisungsrecht gegenüber ihren Vertretern zukommt.615 Auf Grund der Direkthaftung der entsendungsberechtigten Körperschaft nach Art. 762 Abs. 4 OR ist die Frage nach einem Weisungsrecht im Innenverhältnis bei der Entsendung allerdings nur von geringer Bedeutung.616 c) Vertretung von Aktionärskategorien und -gruppen (Art. 709 OR) Eine weitere Sondervorschrift, die die allgemeine Wahl der Verwaltungsratsmitglieder durch die Generalversammlung modifiziert, findet sich in Art. 709 OR. Abs. 1 dieser Norm ordnet an, dass, sofern in einer Gesellschaft verschiedene Aktienkategorien bestehen, durch die Statuten den Aktionären jeder Kategorie die Wahl mindestens eines Vertreters im Verwaltungsrat zu sichern ist. Verschiedene Aktienkategorien bilden dabei etwa Stimmrechts- und Vorzugsaktien, nicht aber Inhaber- und Namensaktien. Auch Unterschiede im Nominalwert oder der Übertragbarkeit begründen keine eigene Aktienkategorie i.S.v. Art. 709 Abs. 1 OR.617 Wie die Vertretung der Kategorien sichergestellt werden soll, wird im Gesetz nicht ausgeführt. Es entspricht jedoch wohl allgemeiner Ansicht, dass damit nicht etwa ein Entsendungsrecht begründet werden kann, da es beim Grundsatz der Wahl durch die 612

Vgl. Stämpfli, Gemischtwirtschaftliche Aktiengesellschaft, S. 115 f. Siehe dazu bereits oben Kap. 1, A. IV. 5. c) bb). 613 Forstmoser/Jaag, Der Staat als Aktionär, S. 27, 49, 63 f.; Wernli/Rizzi, in: Basler Kommentar OR, Art. 762 Rn. 20; Forstmoser/Meyer-Hayoz/Nobel, Schweizerisches Aktienrecht, § 27 Rn. 18, Fn. 12. 614 Dies steht allerdings in einem gewissen Widerspruch zur Direkthaftung der Körperschaft nach Art. 762 Abs. 4 OR, weswegen Einzelheiten umstritten sind, vgl. Stämpfli, Gemischtwirtschaftliche Aktiengesellschaft, S. 105, 113 ff. 615 Vgl. Wernli/Rizzi, in: Basler Kommentar OR, Art. 762 Rn. 23; Stämpfli, Gemischtwirtschaftliche Aktiengesellschaft, S. 128 ff. 616 Wernli/Rizzi, in: Basler Kommentar OR, Art. 762 Rn. 24; vgl. auch Stämpfli, Gemischtwirtschaftliche Aktiengesellschaft, S. 129 ff. 617 Forstmoser/Meier-Hayoz/Nobel, Schweizerisches Aktienrecht, § 27 Rn. 80; Böckli, Schweizer Aktienrecht, § 13 Rn. 73 f.; Wernli/Rizzi, in: Basler Kommentar OR, Art. 709 Rn. 9. Der Begriff der Aktienkategorie entspricht damit demjenigen der Aktiengattung nach § 11 AktG.

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Kap. 2: Entsendungsrechte im nationalen und internationalen Vergleich

Generalversammlung nach Art. 698 Abs. 2 Nr. 2 OR bleibt. Die Aktionäre einer Kategorie haben daher lediglich ein Vorschlagsrecht, das aber für die Generalversammlung grundsätzlich verbindlich ist, sodass ein Kandidat nur aus wichtigen Gründen abgelehnt werden kann.618 Die Gruppenvertreter sind zwar zur Berücksichtigung der Interessen ihrer jeweiligen Gruppe angehalten, haben im Übrigen aber die gleichen Rechte und Pflichten wie alle anderen Verwaltungsratsmitglieder.619 Eine Haftung der Gruppe für ihre Vertreter ist im Gesetz, anders als beim Entsendungsrecht nach Art. 762 OR, nicht vorgesehen. Das Vertretungsrecht ist nach herrschender Ansicht auch kein wohlerworbenes Recht und auch kein unentziehbares Recht im Sinne von Art. 706b OR; es erlischt etwa dann, wenn die Generalversammlung die Aktienkategorie aufhebt.620 In der Praxis sollen entsprechende Satzungsgestaltungen trotz des zwingenden Charakters der Norm äußerst selten sein.621 Der Anspruch auf Vertretung einer jeden Kategorie ergibt sich allerdings ohnehin direkt aus Art. 709 Abs. 1 OR.622 Eine Möglichkeit, neben Aktienkategorien auch einzelnen Aktionärsgruppen Einflussrechte zu sichern, ergibt sich aus Art. 709 Abs. 2 OR. Danach können die Statuten besondere Bestimmungen zum Schutz von Minderheiten oder einzelnen Gruppen von Aktionären vorsehen. Aus der systematischen Stellung der Norm wird gefolgert, dass es auch hierbei um die Vertretung im Verwaltungsrat geht. Vorgesehen werden kann beispielsweise die zwingende Wahl irgendeines Aktionärs der jeweiligen Gruppe sowie ein unverbindliches oder auch ein bindendes Vorschlagsrecht der Aktionärsminderheit.623 Möglich, wenn auch bislang unüblich ist auch die Einführung eines Proporzwahlverfahrens oder einer Stimmenkumulierung etwa nach dem Vorbild des US-amerikanischen cumulative voting.624 Wie bei Abs. 1 ist jedoch die Einführung eines echten Entsendungsrechts unzulässig.625 Art. 709 Abs. 2 OR ermöglicht durch die Einführung eines bindenden Vorschlagsrechts dennoch die Schaffung einer besonderen Rechtsposition, die in ihrer 618 BGE 66 II 43, 50 ff.; 107 II 179, 183 ff.; 120 II 47, 50 f.; Böckli, Schweizer Aktienrecht, § 13 Rn. 68; Forstmoser/Meier-Hayoz/Nobel, Schweizerisches Aktienrecht, § 27 Rn. 81; Bauen/Venturi, Verwaltungsrat, Rn. 53; Druey/Glanzmann, in: Druey, Gesellschafts- und Handelsrecht, § 12 Rn. 11. 619 Wernli/Rizzi, in: Basler Kommentar OR, Art. 709 Rn. 18; Böckli, Schweizer Aktienrecht, § 13 Rn. 72. 620 BGE 120 II 47, 50; Böckli, Schweizer Aktienrecht, § 13 Rn. 71; Wernli/Rizzi, in: Basler Kommentar OR, Art. 709 Rn. 17; a.A. Schucany, Kommentar zum Schweizerischen Aktienrecht, Art. 646 Rn. 6 lit. q (zu Art. 708 Abs. 4 OR a.F.). 621 Wernli/Rizzi, in: Basler Kommentar OR, Art. 709 Rn. 8; Homburger, in: Zürcher Kommentar ZGB, Art. 709 OR Rn. 194. 622 Vgl. Böckli, Schweizer Aktienrecht, § 13 Rn. 68a. 623 Forstmoser/Meier-Hayoz/Nobel, Schweizerisches Aktienrecht, § 27 Rn. 88 f. 624 Homburger, in: Zürcher Kommentar ZGB, Art. 709 OR Rn. 196; Böckli, Schweizer Aktienrecht, § 13 Rn. 80 ff. Siehe dazu oben I. 2. d). 625 Böckli, Schweizer Aktienrecht, § 13 Rn. 76; Wernli/Rizzi, in: Basler Kommentar OR, Art. 709 Rn. 26.

C. Entsendungsrechte im ausländischen Aktienrecht

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Wirkung einem Entsendungsrecht durchaus nahe kommt. Die Begriffe „Minderheit“ und „Aktionärsgruppe“ werden hier eher weit ausgelegt; genannt werden etwa Privataktionäre, Groß- und Kleinaktionäre, Angehörige von Gründerfamilien bzw. Familienstämmen oder deren Erben sowie Mitarbeiter der Gesellschaft.626 Auch bei der Gründung eines Joint Ventures soll den beteiligten Gesellschaften über Art. 709 Abs. 2 OR das Recht auf eine bestimmte Anzahl von Verwaltungsratssitzen eingeräumt werden können.627 Es können mithin ähnliche Zwecke verfolgt werden wie mit der Einräumung eines Entsendungsrechts nach § 101 Abs. 2 AktG. Sogar ein einzelner Aktionär soll als Minderheit berechtigt werden können.628 Die Ausdehnung des Vertretungsrechts auf beliebige Aktionäre wird von manchen Stimmen in der Literatur aber auch als problematisch angesehen.629 Allerdings ist die Gestaltungsfreiheit durch den Gleichbehandlungsgrundsatz ohnehin stark begrenzt, da die Einräumung von Vertretungsrechten hiernach an sachliche Kriterien geknüpft werden muss.630 Nicht geklärt worden ist bislang, wie einmal gewährte und in der Satzung verankerte Vertretungsrechte wieder abgeschafft bzw. entzogen werden können. Anders als beim Entsendungsrecht nach Art. 762 OR wird hier eine Zustimmung der jeweiligen Gruppe oder Minderheit kaum gefordert; lediglich im älteren Schrifttum wird das Minderheitenrecht vereinzelt als wohlerworbenes Recht klassifiziert.631 Vielmehr soll das Vertretungsrecht von der Generalversammlung jederzeit wieder abgeschafft werden können, und zwar mit der gleichen Mehrheit, mit der es eingeführt wurde.632 Teilweise werden jedoch strenge Anforderungen an die Erforderlichkeit des Entzugs des Minderheitenrechts gestellt, sodass dieser nur selten zulässig wäre.633 Die Abwahl eines Gruppen- oder Minderheitsvertreters soll im Übrigen nur dann möglich sein, wenn die jeweilige Gruppe selbst einen entsprechenden Antrag gestellt hat oder ein wichtiger Grund gegeben ist.634 Insofern ist das Vertretungsrecht auch gegen eine Aushöhlung durch willkürliche Abberufungen durch die Mehrheit der Generalversammlung geschützt. 626 Wernli/Rizzi, in: Basler Kommentar OR, Art. 709 Rn. 24; Böckli, Schweizer Aktienrecht, § 13 Rn. 77; Forstmoser/Meier-Hayoz/Nobel, Schweizerisches Aktienrecht, § 27 Rn. 92. 627 Homburger, in: Zürcher Kommentar ZGB, Art. 709 OR Rn. 197. 628 Wernli/Rizzi, in: Basler Kommentar OR, Art. 709 Rn. 23 („Minderheiten oder Aktionärsgruppen bestehen aus einem oder mehreren Aktionären“). 629 Vgl. etwa Böckli, Schweizer Aktienrecht, § 13 Rn. 77. 630 Wernli/Rizzi, in: Basler Kommentar OR, Art. 709 Rn. 25; Bauen/Venturi, Verwaltungsrat, Rn. 54; Krneta, Praxiskommentar Verwaltungsrat, Rn. 377. 631 Schucany, Kommentar zum Schweizerischen Aktienrecht, Art. 646 Rn. 6 lit. q (zur früheren Vorschrift des Art. 708 Abs. 6 OR a.F.). 632 Wernli/Rizzi, in: Basler Kommentar OR, Art. 709 Rn. 21; Trigo Trindade, Conseil d’administration, S. 113. 633 Böckli, Schweizer Aktienrecht, § 13 Rn. 78. 634 Böckli, Schweizer Aktienrecht, § 13 Rn. 84; Wernli/Rizzi, in: Basler Kommentar OR, Art. 709 Rn. 17.

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Kap. 2: Entsendungsrechte im nationalen und internationalen Vergleich

Auch von der durch Art. 709 Abs. 2 OR eröffneten Möglichkeit wird in der Praxis offenbar nur sehr begrenzt Gebrauch gemacht. Insbesondere bei börsennotierten Gesellschaften seien derartige Bestimmungen kaum zu finden; sie kämen allenfalls bei kleineren Familiengesellschaften vor.635 Weitaus üblicher sei es, eine Minderheitenvertretung mittels Aktionärsbindungsverträgen zu konstruieren.636 d) Vertretung von Partizipanten (Art. 656e OR) Stimmrechtslose Aktien werden im schweizerischen Aktienrecht als Partizipationsscheine bezeichnet, Art. 656a OR.637 Deren Inhabern, den sog. Partizipanten, kann gem. Art. 656e OR durch die Satzung ebenfalls ein Anspruch auf einen Vertreter im Verwaltungsrat eingeräumt werden. Eine besondere Vertretung der Partizipanten ist damit nicht verpflichtend, wird aber durch das Gesetz ermöglicht. Macht die Satzung hiervon Gebrauch und räumt den Anspruch ein, entspricht er inhaltlich dem des Art. 709 Abs. 1 OR und gewährt folglich ebenfalls ein verbindliches Vorschlagsrecht.638 Trotz des Gesetzeswortlauts können den Partizipanten auf diesem Wege auch mehrere Sitze im Verwaltungsrat eingeräumt werden.639 Aus der Vorschrift des Art. 656e OR ergibt sich, dass die Partizipanten im Übrigen keine Kategorie bzw. Gruppe im Sinne des Art. 709 OR bilden.640 Auch nach dieser Vorschrift steht ihnen deshalb ohne entsprechende Satzungsbestimmung kein Anspruch auf eine Vertretung im Verwaltungsrat zu. In dieser Hinsicht sind die Partizipanten entgegen der Grundregel des Art. 656a Abs. 2 OR den Aktionären nicht gleichgestellt.641 Ein beachtenswerter Unterschied zum Vertretungsrecht von Aktionärsgruppen besteht bei der nachträglichen Abschaffung eines einmal gewährten Anspruchs: Art. 656 f Abs. 4 OR bestimmt, dass die statutarischen Mitwirkungsrechte von Partizipanten grundsätzlich nur mit Zustimmung einer besonderen Versammlung der Betroffenen eingeschränkt oder aufgehoben werden können. Hierunter fällt insbesondere das Vertretungsrecht gem. Art. 656e OR.642 Für den Entzug von Minder635 Bauen/Venturi, Verwaltungsrat, Rn. 54; Wernli/Rizzi, in: Basler Kommentar OR, Art. 709 Rn. 28. 636 Böckli, Schweizer Aktienrecht, § 13 Rn. 79; Forstmoser/Meier-Hayoz/Nobel, Schweizerisches Aktienrecht, § 27 Rn. 95; Krneta, Praxiskommentar Verwaltungsrat, Rn. 282. Siehe dazu unten e). 637 Vgl. Hess/Rampini/Spillmann, in: Basler Kommentar OR, Art. 656a Rn. 1; Meier, Aktiengesellschaft, Rn. 5.71. 638 Forstmoser/Meier-Hayoz/Nobel, Schweizerisches Aktienrecht, § 27 Rn. 96 f.; Krneta, Praxiskommentar Verwaltungsrat, Rn. 387. 639 Hess/Rampini/Spillmann, in: Basler Kommentar OR, Art. 656e Rn. 2. 640 Böckli, Schweizer Aktienrecht, § 13 Rn. 73a. 641 Hess/Rampini/Spillmann, in: Basler Kommentar OR, Art. 656e Rn. 1; Böckli, Schweizer Aktienrecht, § 5 Rn. 46 f. 642 Hess/Rampini/Spillmann, in: Basler Kommentar OR, Art. 656 f Rn. 5.

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heitenrechten nach Art. 709 Abs. 2 OR ist eine derartige Zustimmung dagegen nicht erforderlich. Allerdings gilt die Regelung des Art. 656 f Abs. 4 OR ausdrücklich nur dann, wenn „die Statuten nichts anderes bestimmen“. Ob diese Formulierung auch den vollständigen Ausschluss des Zustimmungserfordernisses durch die Satzung ermöglicht, ist umstritten.643 e) Aktionärsbindungsverträge Auch in der Schweiz können gegenseitige Rechte und Pflichten der Aktionäre untereinander in schuldrechtlichen Vereinbarungen geregelt werden, den sog. Aktionärsbindungsverträgen. Ihre grundsätzliche Zulässigkeit ist heute unbestritten. Derartige Verträge spielen in der Rechtspraxis eine erhebliche Rolle und sind weit verbreitet.644 Nach Rechtsprechung und Literatur sollen insbesondere Stimmbindungsvereinbarungen bzw. Abstimmungsverpflichtungen grundsätzlich zulässig sein.645 Diese werden in kleineren und mittleren Aktiengesellschaften, aber auch in Publikumsgesellschaften eingesetzt, um etwa die Stimmrechte von Gründerfamilien oder Investorengruppen zu bündeln und ihren Einfluss gegenüber den in Streubesitz befindlichen Aktien zu sichern. So können sich beispielsweise die Gründer einer Gesellschaft verpflichten, einander gegenseitig in den Verwaltungsrat zu wählen.646 Ebenso können sich aber auch sonstige Aktionäre verpflichten, den von einem bestimmten Mitaktionär oder einer Aktionärsgruppe vorgeschlagenen Kandidaten zu wählen.647 Auf diese Weise wird in der Praxis häufig die Vertretung von bedeutsamen Minderheiten im Verwaltungsrat sichergestellt.648 Ansprüche aus derartigen Vereinbarungen sind klagbar, bestehen aber freilich nur gegenüber den beteiligten Vertragsparteien. Deshalb werden Aktionärsbindungsverträge zuweilen auch mit Satzungsregelungen nach Art. 709 Abs. 2 OR kombiniert, um eine Wirkung gegenüber sämtlichen Aktionären zu erreichen.649 Ist dies nicht der Fall, besteht keine 643 Dafür Hess/Rampini/Spillmann, in: Basler Kommentar OR, Art. 656 f Rn. 5; wohl auch Forstmoser/Meier-Hayoz/Nobel, Schweizerisches Aktienrecht, § 26 Rn. 24; dagegen Böckli, Schweizer Aktienrecht, § 5 Rn. 37 (Ausnahmen nur unter bestimmten Bedingungen bzw. klaren Voraussetzungen). 644 Forstmoser/Meier-Hayoz/Nobel, Schweizerisches Aktienrecht, § 39 Rn. 146 ff. 645 BGE 88 II 172, 174; 109 II 43, 45; Forstmoser/Meier-Hayoz/Nobel, Schweizerisches Aktienrecht, § 39 Rn. 202; Bauen/Bernet, Schweizer Aktiengesellschaft, Rn. 329. 646 Bauen/Bernet, Schweizer Aktiengesellschaft, Rn. 329; vgl. auch Druey/Glanzmann, in: Druey, Gesellschafts- und Handelsrecht, § 11 Rn. 85. 647 Vgl. Homburger, in: Zürcher Kommentar ZGB, Art. 709 OR Rn. 197. 648 Böckli, Schweizer Aktienrecht, § 13 Rn. 79; Krneta, Praxiskommentar Verwaltungsrat, Rn. 382; Bauen/Venturi, Verwaltungsrat, Rn. 55. Darüber hinaus wird darauf hingewiesen, dass es bei börsennotierten Gesellschaften üblich sei, Minderheitsaktionären ab einer Beteiligung von etwa 10 – 15 % eine Vertretung im Verwaltungsrat „zuzuerkennen“, siehe etwa Krneta, Praxiskommentar Verwaltungsrat, Rn. 385; Bauen/Venturi, Verwaltungsrat, Rn. 56. Dies geschieht offenbar ohne vertragliche Abreden. 649 Bauen/Venturi, Verwaltungsrat, Rn. 55; Wernli/Rizzi, in: Basler Kommentar OR, Art. 709 Rn. 28; Krneta, Praxiskommentar Verwaltungsrat, Rn. 383.

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Kap. 2: Entsendungsrechte im nationalen und internationalen Vergleich

Möglichkeit der Durchsetzung gegenüber der Gesellschaft.650 Bindungswidrig abgegebene Stimmen sind vielmehr gültig und auch nicht anfechtbar.651 Über Aktionärsbindungsverträge lässt sich der Einfluss auf die Besetzung des Verwaltungsrates mithin nur zu einem gewissen Grad absichern. Die Wirkung eines echten Entsendungsrechts kann damit, wie auch in der deutschen Aktiengesellschaft, nicht erzielt werden. f) Stimmrechtsaktien Nicht unerwähnt bleiben soll, dass im schweizerischen Recht nach wie vor auch Mehrstimmrechte in Form der sog. Stimmrechtsaktien zulässig sind (Art. 693 OR). Sie sind stimmrechtsmäßig indirekt privilegiert, da ihnen trotz geringerem Nennwert die gleiche Stimmkraft zukommt wie Stammaktien.652 Die Stimmkraft kann damit in Relation zum Nennwert auf das maximal Zehnfache erhöht werden (vgl. Art. 693 Abs. 2 S. 2 OR).653 In der Schweiz sind derartige Gestaltungen weit verbreitet, insbesondere in Familiengesellschaften und als Abwehrmittel gegen Übernahmen.654 Auch auf diese Weise kann bei den Wahlen zum Verwaltungsrat der maßgebliche Einfluss bestimmter Aktionäre sichergestellt werden. Die Stammaktionäre haben allerdings nach Art. 709 Abs. 1 OR Anspruch auf mindestens einen Vertreter im Verwaltungsrat.655 g) Keine Vertretungsrechte für Dritte Mit Ausnahme des Entsendungsrechts für öffentlich-rechtliche Körperschaften ist allen Sonderregelungen gemein, dass sie keine Vertretungsrechte für gesellschaftsfremde Dritte ermöglichen. Die Vertretung privater Nichtaktionäre im Verwaltungsrat ist im schweizerischen Recht nicht vorgesehen, entsprechende Sonderrechte sind unzulässig.656 Dies gilt auch für die Vertretung von Arbeitnehmern ohne Aktienbesitz,657 denen allenfalls (unverbindliche) Vorschlagsrechte eingeräumt

650

Böckli, Schweizer Aktienrecht, § 13 Rn. 79. Forstmoser/Meier-Hayoz/Nobel, Schweizerisches Aktienrecht, § 39 Rn. 159 f.; Druey/ Glanzmann, in: Druey, Gesellschafts- und Handelsrecht, § 11 Rn. 86. 652 Druey/Glanzmann, in: Druey, Gesellschafts- und Handelsrecht, § 10 Rn. 23; Böckli, Schweizer Aktienrecht, § 4 Rn. 131. 653 Druey/Glanzmann, in: Druey, Gesellschafts- und Handelsrecht, § 10 Rn. 25; Böckli, Schweizer Aktienrecht, § 4 Rn. 138. 654 Druey/Glanzmann, in: Druey, Gesellschafts- und Handelsrecht, § 10 Rn. 24. 655 Böckli, Schweizer Aktienrecht, § 4 Rn. 144. 656 Forstmoser/Meier-Hayoz/Nobel, Schweizerisches Aktienrecht, § 27 Rn. 20, 100; Bauen/Venturi, Verwaltungsrat, Rn. 61. 657 Bauen/Venturi, Verwaltungsrat, Rn. 61; Forstmoser/Meier-Hayoz/Nobel, Schweizerisches Aktienrecht, § 27 Rn. 20. 651

C. Entsendungsrechte im ausländischen Aktienrecht

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werden können.658 Ein dem deutschen Mitbestimmungsrecht vergleichbares Modell ist dem schweizerischen Recht fremd. 3. Entsendung von Mitgliedern der Revisionsstelle Für die Mitglieder der Revisionsstelle gelten die Ausführungen zu den Verwaltungsratsmitgliedern entsprechend. Auch sie werden grundsätzlich durch die Generalversammlung gewählt;659 die Sondervorschrift des Art. 762 OR bezieht sich jedoch ausdrücklich auch auf die Revisionsstelle. Damit können auch ihre Mitglieder bei Vorliegen einer entsprechenden Satzungsbestimmung teilweise durch öffentlichrechtliche Körperschaften entsandt werden. Zu beachten ist allerdings, dass seit der Neufassung des Aktienrechts 1991 ein Entsendungsrecht nur noch alternativ entweder in den Verwaltungsrat oder in die Revisionsstelle bestehen kann.660 Ein Kategorien- oder Minderheitenvertretungsrecht nach Art. 709 OR ist für die Revisionsstelle nicht vorgesehen. Art. 709 Abs. 1 OR regelt ausdrücklich nur die Wahl von Verwaltungsratsmitgliedern. Bei Art. 709 Abs. 2 OR wird aus der systematischen Stellung der Vorschrift allgemein geschlossen, dass auch sie sich nur auf die Vertretung im Verwaltungsrat bezieht.661 Ebenso gilt die Möglichkeit der Vertretung von Partizipanten nach Art. 656e OR ausdrücklich nur für den Verwaltungsrat und nicht für die Revisionsstelle. Demgegenüber sind Aktionärsbindungsverträge bei Abstimmungen in der Generalversammlung allgemein zulässig und können damit auch bei der Wahl der Mitglieder der Revisionsstelle zum Einsatz kommen. Mehrstimmrechte aus Stimmrechtsaktien entfalten gem. Art. 693 Abs. 3 Nr. 1 OR allerdings keine Wirkung. 4. Zusammenfassung und Würdigung Das schweizerische Aktienrecht kennt wie das deutsche Recht eine Entsendungsmöglichkeit, die jedoch entscheidende Unterschiede aufweist. Das Entsendungsrecht kann hier ausschließlich öffentlich-rechtlichen Körperschaften, nicht aber privaten Aktionären eingeräumt werden, hat also einen deutlich geringeren Anwendungsbereich. Im Bereich der öffentlichen Körperschaften bestehen dagegen weitere Gestaltungsmöglichkeiten, da für ein Entsendungsrecht keine Aktionärseigenschaft vorausgesetzt wird und nach herrschender Meinung keinerlei zahlenmäßige Begrenzung für entsandte Organmitglieder existiert. Dafür hat der schweizerische Gesetzgeber eine Direkthaftung der entsendenden Körperschaft in die ak658

Wernli/Rizzi, in: Basler Kommentar OR, Art. 709 Rn. 26a. Pfiffner, Revisionsstelle, Rn. 1061. 660 Wernli/Rizzi, in: Basler Kommentar OR, Art. 762 Rn. 2; Forstmoser/Meier-Hayoz/ Nobel, Schweizerisches Aktienrecht, § 63 Rn. 6. 661 Böckli, Schweizer Aktienrecht, § 13 Rn. 75; Forstmoser/Meier-Hayoz/Nobel, Schweizerisches Aktienrecht, § 27 Rn. 88. 659

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Kap. 2: Entsendungsrechte im nationalen und internationalen Vergleich

tienrechtliche Vorschrift aufgenommen. Durchaus bemerkenswert ist, dass in der Schweiz der Sonderrechtscharakter des Entsendungsrechts in jüngerer Zeit überwiegend in Frage gestellt wird. Im deutschen Schrifttum wird dies hingegen nahezu einhellig bejaht. Diese Prämisse wird an anderer Stelle noch zu überprüfen sein.662 Privaten Aktionären können dagegen allenfalls bindende Vorschlagsrechte nach Art. 709 Abs. 2 OR eingeräumt werden, die in ihrer Wirkung einem Entsendungsrecht zwar nahe kommen, jedoch nach herrschender Ansicht auch ohne Zustimmung wieder entzogen werden können und damit für eine dauerhafte Einflussnahme ungeeignet sind. Bei den Wahlen zum Verwaltungsrat können daneben Mehrstimmrechte zum Einsatz kommen, um den maßgeblichen Einfluss bestimmter Aktionäre zu gewährleisten. Im Übrigen müssen private Aktionäre auf Stimmbindungsvereinbarungen zurückgreifen, um sich einen überproportionalen Einfluss auf die Gesellschaft zu sichern. Damit werden sie auf intransparente und nur schwer durchsetzbare Gestaltungen verwiesen, obwohl das Aktienrecht grundsätzlich eine statutarische Entsendungsmöglichkeit vorsieht. Die deutsche Regelung des § 101 Abs. 2 AktG erscheint demgegenüber insgesamt ausgewogener, da sie den Kreis möglicher Entsendungsberechtigter bewusst offen gestaltet, dabei aber durch die ausdrückliche Höchstzahlregelung gleichzeitig Grenzen der Einflussnahme zieht.

VI. Andere Rechtsordnungen In zahlreichen weiteren Rechtsordnungen bestehen Vorschriften, die eine starke Ähnlichkeit mit § 101 Abs. 2 AktG aufweisen und die Einräumung satzungsmäßiger Entsendungsrechte erlauben. Eine umfassende Behandlung der jeweiligen Bestellungsmodalitäten würde den Rahmen dieser Arbeit sprengen. Dennoch wird im Folgenden ein kurzer Überblick über entsprechende Vorschriften im Aktienrecht weiterer ausgewählter Staaten gegeben, ohne dabei ausführlich auf die jeweilige Organisationsverfassung oder sonstige Bestellungsformen einzugehen. 1. Niederlande In der niederländischen Aktiengesellschaft (naamloze vennootschap, NV) ermöglicht Art. 143 S. 1 des 2. Buches des Bürgerlichen Gesetzbuches (Burgerlijk Wetboek Boek 2, BW II) die Entsendung von Mitgliedern des grundsätzlich fakultativen Aufsichtsrates (raad van commissarissen): Danach kann die Satzung vorsehen, dass ein oder mehrere Aufsichtsratsmitglieder nicht durch die Hauptversammlung, sondern durch andere Personen ernannt werden.663 Die Zahl der entsandten Mitglieder darf dabei ein Drittel der Gesamtzahl nicht überschreiten, was der 662

Siehe unten Kap. 4, A. Slagter, Ondernemingsrecht, S. 338; Muller, Corporate Law in the Netherlands, S. 133; Sanders, Dutch Company Law, S. 98; Huizinga, Machtbalance, S. 263. 663

C. Entsendungsrechte im ausländischen Aktienrecht

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Begrenzung im deutschen Recht entspricht. Anders als § 101 Abs. 2 AktG spezifiziert Art. 143 S. 1 BW II die anderweitige Ernennung aber nicht weiter und setzt insbesondere keine Aktionärseigenschaft des Ernennenden voraus, sodass auch außergesellschaftlichen Dritten ein Entsendungsrecht eingeräumt werden kann, etwa Banken oder der öffentlichen Hand.664 Die grundlose Abberufung steht gem. Art. 144 Abs. 1 BW II nur dem Entsendungsberechtigten zu.665 Art. 143 S. 1 BW II gilt gem. Art. 143 S. 2 i.V.m. Art. 158, 159 BW II allerdings nicht in der sog. Strukturgesellschaft (structuurvennootschap),666 bei der der Aufsichtsrat obligatorisch ist667 und zwingend durch die Hauptversammlung zu besetzen ist. Der Anwendungsbereich der Regelung ist damit erheblich eingeschränkt. Auch die Möglichkeit, der niederländischen Regierung ein Entsendungsrecht in der Strukturgesellschaft einzuräumen (Art. 158 Abs. 12 BW II a.F.),668 besteht seit der Neufassung der Strukturregelungen im Jahr 2004 nicht mehr.669 Bei der Bestellung des Vorstands (bestuur) sieht das Gesetz keine Entsendungsmöglichkeit vor. Werden die Vorstandsmitglieder von der Hauptversammlung gewählt, kann die Satzung nach Art. 133 Abs. 1 BW II jedoch ein Vorschlagsrecht einräumen, dessen grundsätzlich bindende Wirkung allerdings durch eine qualifizierte Hauptversammlungsmehrheit durchbrochen werden kann (Art. 133 Abs. 2 BW II).670 2. Schweden, Dänemark, Finnland In der schwedischen Aktiengesellschaft (aktiebolag) ist es gem. Kap. 8 § 8 des schwedischen Aktiengesetzes (aktiebolagslagen, ABL) ebenfalls möglich, ein oder mehrere Mitglieder des Verwaltungsrates (styrelse) auf andere Weise als durch die 664 Vgl. Slagter, Ondernemingsrecht, S. 268, 338; Sanders, Dutch Company Law, S. 98; Lennarts, in: Bulten/Leijten/Lennarts, Ondernemingsrecht, Art. 143 BW II; Huizinga, Machtbalance, S. 263. 665 Vgl. Slagter, Ondernemingsrecht, S. 338 f.; Sanders, Dutch Company Law, S. 101; Muller, Corporate Law in the Netherlands, S. 136. 666 Die Strukturregelung dient in erster Linie der Mitbestimmung der Arbeitnehmer. Eine NV fällt grundsätzlich unter die Regelungen über Strukturgesellschaften, wenn ihr Kapital mindestens 16 Millionen E beträgt, sie mindestens 100 Arbeitnehmer in den Niederlanden beschäftigt und ein Betriebsrat besteht, siehe Muller, Corporate Law in the Netherlands, S. 111 ff.; Slagter, Ondernemingsrecht, S. 343 ff. 667 Folgt eine NV allerdings dem monistischen Leitungsmodell, was seit dem 1. 1. 2013 möglich ist, lässt das Gesetz gem. Art. 164a BW II anstelle eines Aufsichtsrates auch die Wahl von nichtgeschäftsführenden Direktoren zu, siehe Muller, Corporate Law in the Netherlands, S. 109 ff. 668 Sanders, Dutch Company Law, S. 194 f.; Weiss, Goldene Aktien, S. 90. 669 Vgl. Lennarts, in: Bulten/Leijten/Lennarts, Ondernemingsrecht, Art. 158 BW II Tz. 1, 13. 670 Vgl. Muller, Corporate Law in the Netherlands, S. 96; Sanders, Dutch Company Law, S. 71 f.; Huizinga, Machtbalance, S. 264.

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Kap. 2: Entsendungsrechte im nationalen und internationalen Vergleich

Hauptversammlung zu wählen, sofern die Satzung dies vorsieht. Folglich können hier Entsendungsrechte in der Satzung verankert werden.671 Nach früherem Recht konnte damit die Bestellung des Verwaltungsrates der Hauptversammlung vollständig entzogen werden.672 Seit einer Reform im Jahr 1999 ist dies jedoch nur noch begrenzt möglich. So kann in einer Publikums-Aktiengesellschaft (publika aktiebolag) nunmehr lediglich eine Minderheit der Mitglieder entsandt werden, während die Mehrheit von der Hauptversammlung gewählt werden muss (Kap. 8 § 8 i.V.m. § 47 ABL).673 In der Privat-Aktiengesellschaft (privata aktiebolag) gilt jedoch die alte Rechtslage fort, wonach sämtliche Mitglieder des Verwaltungsrates entsandt werden können.674 Das Entsendungsrecht kann auch gesellschaftsfremden Dritten eingeräumt werden,675 beispielsweise einer Gemeinde676 oder einer kreditgewährenden Bank.677 Die Abberufung eines entsandten Mitglieds steht ausschließlich dem Entsendungsberechtigten zu.678 Aufgrund der engen Verwandtschaft der Aktiengesetze der skandinavischen Staaten, die auf einer länderübergreifenden Zusammenarbeit bei der Gesetzgebung beruht,679 existieren ähnliche Regelungen auch in Dänemark, Finnland, Norwegen und Island.680 So kann etwa in der dänischen Aktiengesellschaft (Aktieselskab) gem. § 49 Abs. 2 S. 2 i.V.m. Abs. 6 S. 1 des dänischen Aktiengesetzes (Aktieselskabsloven, ASL) die Satzung bestimmen, dass ein oder mehrere Mitglieder des Verwaltungsrates von Behörden oder anderen Personen entsandt werden, während die Mehrheit zwingend durch die Hauptversammlung zu wählen ist.681 Eine entsprechende Vorschrift findet sich ferner in Kap. 6 § 9 des finnischen Aktiengesetzes (Osakeyhtiölaki, OYL), wonach weniger als die Hälfte der Verwaltungsratsmit671

Vgl. Skog/Fäger, Swedish Companies Act, Tz. 5.1.1; A. Foerster, RIW 1992, 803, 807. Kedner/Roos/Skog, Aktiebolagslagen I, Kap. 8 § 1 Tz. 4; A. Foerster/Strempel, RIW 1999, 33, 36. 673 Skog/Fäger, Swedish Companies Act, Tz. 5.1.1; A. Foerster/Strempel, RIW 1999, 33, 36. Dabei soll jedoch auch die getrennte Wahl einzelner Mitglieder durch jeweils verschiedene Aktiengattungen zulässig sein, siehe Nerep/Samuelsson, Aktiebolagslagen I, Kap. 8 § 8 Tz. 8.3. 674 A. Foerster/Strempel, RIW 1999, 33, 36. Zu beachten ist, dass das schwedische Recht nur die Aktiengesellschaft als einzige Kapitalgesellschaftsform kennt, siehe A. Foerster, RIW 1992, 803; Fischler, ZHR 112 (1949), 53, 54. Die Ausprägung als Privat-Aktiengesellschaft entspricht daher eher der deutschen GmbH, vgl. Neher, Innergesellschaftliche Haftung, S. 34. 675 A. Foerster, RIW 1992, 803, 807. 676 Nerep/Samuelsson, Aktiebolagslagen I, Kap. 8 § 8 Tz. 8.2. 677 Skog/Fäger, Swedish Companies Act, Tz. 5.1.1; Hansen, Nordic Company Law, Tz. 5.1.2. 678 Vgl. Kap. 8 § 14 Abs. 1 S. 1 ABL; Nerep/Samuelsson, Aktiebolagslagen I, Kap. 8 § 8 Tz. 8.2. 679 A. Foerster/Dejmek, ZVglRWiss 101 (2002), 309, 310 f.; A. Foerster, RIW 1999, 33. 680 Hansen, Nordic Company Law, Tz. 5.1.2. 681 Hansen, in: Andersen/Clausen/Skog, Shareholder Conflicts, S. 69, 70 f. Dies gilt gem. § 59 Abs. 1 ASL entsprechend für den Aufsichtsrat, sofern ein solcher vorgesehen ist. Letzteres ist in Dänemark seit 2010 möglich, siehe Neher, Innergesellschaftliche Haftung, S. 33. 672

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203

glieder auch auf andere Weise als durch Wahl in der Hauptversammlung bestellt werden können. Auch diese Vorschrift, die gem. Kap. 6 § 24 OYL ebenso für den fakultativen Aufsichtsrat gilt, ermöglicht mithin die Einführung satzungsmäßiger Entsendungsrechte.682 3. Italien Der italienische Codice civile (CC) enthält in Art. 2449 Sondervorschriften zum Zwecke der staatlichen Einflussnahme auf Gesellschaften. Halten der Staat oder eine öffentlich-rechtliche Körperschaft Anteile an einer Aktiengesellschaft (società per azioni, SpA), so kann ihnen die Satzung gem. Art. 2449 Abs. 1 CC das Recht einräumen, ein oder mehrere Mitglieder des Verwaltungsrats (consiglio di amministrazione), des Kontrollrats (collegio sindacale) oder des Aufsichtsrats (consiglio di sorveglianza)683 zu entsenden.684 Die Anzahl der maximal zu entsendenden Mitglieder muss dabei allerdings im Verhältnis zur Beteiligung am Kapital der Gesellschaft stehen.685 Zudem gilt die Vorschrift nur für Aktiengesellschaften, die sich nicht des Risikokapitalmarktes bedienen.686 Wird ein Entsendungsrecht eingeräumt, steht auch das Recht zur Abberufung ausschließlich der entsendenden Körperschaft zu (Art. 2449 Abs. 2 S. 1 CC). Die Vorschrift des Art. 2450 CC a.F., wonach derartige satzungsmäßige Sonderrechte zugunsten der öffentlichen Hand selbst dann möglich waren, wenn diese keine Beteiligung an der Gesellschaft hielt, und wonach ferner im Falle der Entsendung von Staatsvertretern der Präsident des Kontrollrats

682

57 ff.

Vgl. Helminen, in: Van Hulle/Gesell, European Corporate Law, Part 2 VII. Rn. 18 f.,

683 Zu den drei möglichen Modellen der Organisationsverfassung der SpA seit der Reform des italienischen Aktienrechts 2003, siehe Oelkers, Italienische Aktiengesellschaft, S. 203 ff.; Hilpold/Brunner, in: Hilpold/Perathoner/Steinmair, Reform des italienischen GesR, S. 3, 11 ff.; M. Hofmann, GesR in Italien, S. 43 ff. Entgegen dem Wortlaut von Art. 2449 Abs. 1 CC können auch Mitglieder des Vorstands (consiglio di gestione) im dualistischen System entsandt werden, da Art. 2409novies Abs. 3 CC auf Art. 2449 CC verweist, siehe Magliano, in: Bonfante u. a., Codice commentato delle società, Art. 2449 Rn. 3; Pernazza, Corporations in Italy, Tz. 274; Oelkers, Italienische Aktiengesellschaft, S. 218. 684 Ausführlich hierzu Donativi, La Nomina pubblica, S. 1 ff. 685 Hierin besteht ein wesentlicher Unterschied gegenüber der bis 2008 geltenden Fassung der Norm, die keine derartige Begrenzung vorsah. Nach altem Recht sollte grundsätzlich auch die Entsendung der Mehrheit der Organmitglieder zulässig sein, siehe Cavazza, in: Maffei Alberti, Commentario breve, Art. 2449 Rn. IV 1. Siehe zur Reformgesetzgebung Donativi, La nomina pubblica, S. 5 ff. 686 Auch diese Einschränkung wurde erst 2008 eingeführt, siehe Simone, in: Grippo, Commentario delle società, Art. 2449 Tz. 1. Zur Kategorie der sich am Risikokapitalmarkt finanzierenden SpA, die weiter gefasst ist als die der börsennotierten Aktiengesellschaft, siehe Oelkers, Die italienische Aktiengesellschaft, S. 104 f.

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Kap. 2: Entsendungsrechte im nationalen und internationalen Vergleich

aus deren Mitte zu wählen war, wurde 2007 aufgehoben, nachdem die EU ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Italien eingeleitet hatte.687 Eine weitere Sonderregelung findet sich seit der Aktienrechtsreform 2003 in Art. 2351 Abs. 5 CC: Danach kann den Inhabern besonderer Finanzierungsinstrumente (Art. 2346 Abs. 6, 2349 Abs. 2 CC) durch die Satzung ein Entsendungsrecht für ein unabhängiges Mitglied des Verwaltungs-, Kontroll- oder Aufsichtsrates eingeräumt werden.688 Die Möglichkeit der Entsendung ist damit nicht mehr nur auf Staatsvertreter beschränkt. Im Übrigen ist die satzungsmäßige Übertragung der Bestellungskompetenz auf Dritte jedoch unzulässig.689 Hinweisen ist schließlich darauf, dass in börsennotierten Aktiengesellschaften mindestens ein Mitglied des Kontrollrates bzw. des Aufsichtsrates durch die Aktionärsminderheit gewählt werden muss.690 4. Polen Die Organisationsverfassung der polnischen Aktiengesellschaft (spółka akcyjna) folgt dem dualistischen Modell, wobei der Vorstand (zarza˛d) gem. Art. 368 § 4 des Handelsgesellschaftengesetzbuchs (kodeks spółek handlowych, KSH) nicht zwingend vom Aufsichtsrat (rada nadzorcza) bestellt werden muss. Die Satzung kann diese Kompetenz vielmehr auch anderen Organen bzw. Personen übertragen.691 Für die Bestellung der Aufsichtsratsmitglieder, die grundsätzlich von der Hauptversammlung gewählt werden, wird dies durch Art. 385 § 2 KSH ebenfalls ermöglicht. Art. 354 § 1 KSH sieht ausdrücklich vor, dass einzelnen Aktionären als „persönliches Recht“ ein Entsendungsrecht für eine bestimmte Anzahl von Mitgliedern des Vorstands oder des Aufsichtsrates eingeräumt werden kann, wobei keine zahlen-

687 Magliano, in: Bonfante u. a., Codice commentato delle società, Art. 2449 Rn. 1; Donativi, La nomina pubblica, S. 8. 688 Pernazza, Corporations in Italy, Tz. 181; Oelkers, Italienische Aktiengesellschaft, S. 160. Auch das Abberufungsrecht kommt dann ausschließlich den Inhabern der Finanzierungsinstrumente zu, siehe Simonetti, in: Bonfante u. a., Codice commentato delle società, Art. 2351 Rn. 8. Wie bei Art. 2449 CC können entgegen dem Wortlaut auch Entsendungsrechte in den Vorstand statuiert werden, was sich aus dem Verweis in Art. 2409novies Abs. 3 CC ergibt, vgl. Oelkers, Italienische Aktiengesellschaft, S. 213; Pernazza, Corporations in Italy, Tz. 274. 689 P. Kindler, Italienisches WirtR, Rn. 190. 690 Art. 138 Abs. 2 und Abs. 4-bis des Gesetzes über die Regelung von Finanzvermittlungen (Testo unico in materia di intermediazione finanziaria, T.U.I.F.); siehe Pernazza, Corporations in Italy, Tz. 264; Oelkers, Italienische Aktiengesellschaft, S. 223; P. Kindler, Italienisches WirtR, Rn. 202. 691 Liebscher/Oplustil, WiRO 2008, 97 f.; Rener, RIW 2010, 829, 830; Oplustil/Radwan, in: Jessel-Holst/Kulms/Trunk, Private Law in Eastern Europe, S. 445, 473; Gotlihowska/Kieza/ Mlot, in: Brodecki, Polish Business Law, S. 132 f.

C. Entsendungsrechte im ausländischen Aktienrecht

205

mäßige Begrenzung der entsandten Mitglieder besteht.692 Darüber hinaus können aber auch Aktionärsgruppen und sogar gesellschaftsfremde Dritte zur Bestellung ermächtigt werden.693 Problematisch ist allerdings, dass der Hauptversammlung gem. Art. 368 § 4 S. 2, 386 § 2 KSH stets die Abberufungskompetenz für sämtliche Organmitglieder verbleibt.694 Dieses Problem wird indes dadurch entschärft, dass die Satzung die Abberufung zumindest vom Vorliegen wichtiger Gründe abhängig machen kann.695 Ob Entsendungsrechte nach Art. 354 § 1 KSH auch in der börsennotierten AG zulässig sind, ist in der polnischen Literatur umstritten.696 Hinzuweisen ist daneben auf eine Besonderheit des polnischen Rechts, die sogenannte Gruppenwahl nach Art. 385 §§ 3 – 9 KSH. Danach können Aktionäre die gesonderte Wahl der einzelnen Aufsichtsratsmitglieder durch Gruppen verlangen.697 Jede Gruppe hat zudem gem. Art. 390 § 2 KSH das Recht, eines der von ihr gewählten Aufsichtsratsmitglieder mit der Wahrnehmung einer „ständigen individuellen Überwachung“ zu betrauen, sodass dieses u. a. mit beratender Stimme an den Sitzungen des Vorstands teilnehmen darf.698

VII. Ergebnisse Die rechtsvergleichende Bestandsaufnahme hat gezeigt, dass gesetzliche Vorschriften, die wie § 101 Abs. 2 AktG satzungsmäßige Entsendungsrechte ausdrücklich zulassen, im Aktienrecht zahlreicher Staaten existieren, namentlich Österreichs, der Schweiz, der Niederlande, der skandinavischen Staaten, Italiens und Polens. Teilweise sind die Sonderrechte dabei allerdings staatlichen Anteilseignern vorbehalten, wie etwa in der Schweiz und in Italien. Auch das US-amerikanische Gattungswahlrecht entspricht funktional einem Entsendungsrecht. Im englischen Aktienrecht existiert keinerlei Kompetenzregelung für die Bestellung der Organ692

Liebscher/Oplustil, WiRO 2008, 97, 98, 100; Kuper, Aktiengesellschaft in Polen, S. 58; Brockhuis/Schnell, GesR in Polen, S. 76; Fabisch, Aufsichtsrat der börsennotierten AG, S. 106. 693 Liebscher/Oplustil, WiRO 2008, 97, 98, 100; Oplustil/Radwan, in: Jessel-Holst/Kulms/ Trunk, Private Law in Eastern Europe, S. 445, 477. 694 Rener, RIW 2010, 829, 833; Liebscher/Oplustil, WiRO 2008, 97, 98, 100; Kuper, Aktiengesellschaft in Polen, S. 59; Gotlihowska/Kieza/Mlot, in: Brodecki, Polish Business Law, S. 133. 695 Vgl. Oplustil/Radwan, in: Jessel-Holst/Kulms/Trunk, Private Law in Eastern Europe, S. 445, 473 f.; Liebscher/Oplustil, WiRO 2008, 97, 98; Rener, RIW 2010, 829, 833; Brockhuis/ Schnell, GesR in Polen, S. 79, 81; Fabisch, Aufsichtsrat der börsennotierten AG, S. 154 f. 696 Fabisch, Aufsichtsrat der börsennotierten AG, S. 106 f., Fn. 468 m.w.N. 697 Ausführlich Fabisch/Oplustil, RIW 2010, 823; Kuper, Aktiengesellschaft in Polen, S. 109 ff. 698 Fabisch/Oplustil, RIW 2010, 823, 827; Oplustil/Radwan, in: Jessel-Holst/Kulms/ Trunk, Private Law in Eastern Europe, S. 445, 478 f. Tatsächlich wird dies als „Delegation“ bzw. „Entsendung“ bezeichnet, was jedoch irreführend ist, da es sich um ein bereits gewähltes Organmitglied handelt, dass lediglich mit zusätzlichen Befugnissen ausgestattet wird.

206

Kap. 2: Entsendungsrechte im nationalen und internationalen Vergleich

mitglieder, sodass hier Entsendungen auch ohne ausdrückliche gesetzliche Regelung zulässig sind. Die deutsche Vorschrift ist damit keinesfalls ein „Exot“ im internationalen Vergleich. Selbst in Frankreich, wo grundsätzlich keine derartigen Sonderrechte zugelassen werden und ein strenger Grundsatz der Wahl durch die Hauptversammlung vorgesehen ist, lässt sich die Vertretung einzelner Aktionärsgruppen in den Verwaltungsorganen der Gesellschaft durch die Aufstellung von Wählbarkeitsvoraussetzungen realisieren, wenn auch nur innerhalb enger Grenzen. Im Übrigen kommen praktisch überall Stimmbindungsverträge zum Einsatz. Gewisse Gestaltungsmöglichkeiten, um einen vom Kapitalanteil unabhängigen Einfluss auf die Besetzung der Verwaltungsorgane zu nehmen, bestehen in jeder der untersuchten Rechtsordnungen. Der zulässige Umfang satzungsmäßiger Entsendungsrechte ist dagegen in zahlreichen Rechtsordnungen unklar. So ergeben sich etwa in den USA und England Begrenzungen nicht aus dem Gesetz, sondern allein aus Börsenzulassungsvorschriften sowie aus der Rechtsprechung. Letztere ist allerdings zumeist nicht eindeutig, was zu erheblicher Rechtsunsicherheit führt. Der in Deutschland, Österreich, den Niederlanden und einigen skandinavischen Staaten beschrittene Weg, Entsendungsrechte ausdrücklich anzuerkennen, dabei aber klare gesetzliche Grenzen vorzugeben, die eine Entsendung der Mehrheit der Organmitglieder ausschließen, bietet insofern immerhin größtmögliche Rechtssicherheit bei dennoch nicht unerheblicher Flexibilität. Zu beachten ist, dass in zahlreichen Staaten eine Unterscheidung zwischen Gesellschaften mit und ohne Börsennotierung getroffen wird, die in § 101 Abs. 2 AktG nicht vorgesehen ist. Teilweise betrifft dies nur die Höchstzahl der zu entsendenden Organmitglieder, wie etwa in Österreich und Schweden. Teilweise ist die Möglichkeit der Entsendung in börsennotierten Gesellschaften aber auch gänzlich ausgeschlossen oder zumindest auf Ausnahmefälle begrenzt, wie etwa in Italien, den USA und – jedenfalls im Premium-Börsensegment – England. Eine Sonderstellung nehmen in dieser Hinsicht die Niederlande ein, die für die Zulässigkeit nicht an die Börsennotierung, sondern an die Arbeitnehmermitbestimmung anknüpfen. Soweit satzungsmäßige Entsendungsrechte möglich sind, sind sie in den meisten betrachteten Rechtsordnungen nach ihrer Einräumung gegen eine spätere Entziehung geschützt, was dem „Ewigkeitscharakter“ des deutschen Entsendungsrechts entspricht.699 Ohne Zustimmung der Berechtigten können entsprechende Sonderbzw. Gattungsrechte jedenfalls in den USA, England und Österreich grundsätzlich nicht entzogen werden. Dagegen wird diese Prämisse in der Schweiz in jüngerer Zeit vermehrt angezweifelt. Neben Entsendungsrechten kennen einige Rechtsordnungen andere Formen der Minderheitenvertretung. So ist in der österreichischen Aktiengesellschaft eine obligatorische Minderheitenvertretung vorgesehen, ebenso wie in der börsennotierten 699

Siehe dazu ausführlich unten Kap. 4, A.

C. Entsendungsrechte im ausländischen Aktienrecht

207

SpA in Italien. In der Schweiz müssen einzelne Aktiengattungen jeweils im Verwaltungsrat vertreten sein. Darüber hinaus ermöglichen zahlreiche Staaten fakultative Vertretungsregelungen sowie das minderheitenfreundliche cumulative voting. Diese Instrumente ermöglichen jedoch in der Regel keine vom Kapitalanteil unabhängige Vertretung.

Kapitel 3

Die Vereinbarkeit von Entsendungsrechten mit sonstigem nationalen Recht, Grundgesetz und Europarecht Die Einräumung eines Entsendungsrechts nach § 101 Abs. 2 AktG hat sowohl für die Gesellschaft, als auch für die Mitaktionäre durchaus weitreichende Folgen. Sie modifiziert das Organisationsgefüge der AG und verschafft dem begünstigten Aktionär eine privilegierte Sonderstellung gegenüber den übrigen Anteilseignern, die aufgrund der Sonderrechtseigenschaft des Entsendungsrechts1 zudem nicht ohne weiteres wieder beseitigt werden kann. Es stellt sich die Frage, inwieweit diese Privilegierung mit anderen Vorschriften und Grundprinzipien des deutschen und europäischen Rechts vereinbar ist. Neben einfachgesetzlichen Normen des AktG sowie des WpÜG erscheint insbesondere die Vereinbarkeit mit verfassungsrechtlichen Grundsätzen wie der Eigentumsgarantie des Art. 14 GG und europarechtlichen Prinzipien wie der Kapitalverkehrsfreiheit nach Art. 63 AEUV problematisch. Gerade letztere Frage wurde in jüngerer Vergangenheit ausführlich diskutiert.2 Im Folgenden werden denkbare Schranken für die Begründung und Ausübung von Entsendungsrechten im Einzelnen untersucht.

A. Einführung: Entsendungsrechte in der Rechtsprechung In den vergangenen Jahren haben sich deutsche wie auch europäische Gerichte wiederholt mit der Zulässigkeit von Entsendungsrechten befassen müssen. Anhand dieser Fälle lässt sich anschaulich nachvollziehen, welch vielfältige Fragestellungen die Begründung von Entsendungsrechten aufwerfen kann. Daher wird hier zunächst die maßgebliche Rechtsprechung knapp dargestellt.

1

Siehe dazu ausführlich unten Kap. 4, A. Siehe etwa Verse, ZIP 2008, 1754 ff.; Neumann/Ogorek, NZG 2008, 893 ff.; Lieder, ZHR 172 (2008), 306 ff.; Seeling/Zwickel, BB 2008, 622 ff.; Möslein, AG 2007, 770 ff. 2

A. Einführung: Entsendungsrechte in der Rechtsprechung

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I. Die golden share-Rechtsprechung des EuGH Auf europäischer Ebene standen bislang nicht die gem. § 101 Abs. 2 AktG als Teil des allgemeinen aktienrechtlichen Instrumentariums grundsätzlich jedermann zur Verfügung stehenden Entsendungsrechte im Fokus, sondern der öffentlichen Hand spezialgesetzlich eingeräumte Sonderrechte gleichen Inhalts. Derartige Sonderrechte stellen ein typisches Beispiel sog. goldener Aktien bzw. golden shares dar, mit denen der Staat sich in bestimmten Wirtschaftsbereichen einen maßgeblichen Einfluss auf die Leitung ehemals staatlicher Unternehmen zu sichern versucht.3 Die Einflusssicherung kann dabei entweder durch eine mit besonderen Rechten verbundene Kapitalbeteiligung – hier kann man von goldenen Aktien im engeren Sinn4 sprechen – oder unmittelbar durch Rechts- bzw. Verwaltungsvorschriften begründet werden.5 Seit 2002 hat sich der EuGH in seiner umfangreichen golden shareRechtsprechung6 eingehend mit solchen staatlichen Privilegien befasst und ihnen dabei enge Grenzen gesetzt.7 So befand der Gerichtshof etwa ein portugiesisches Gesetz für mit der Kapitalverkehrsfreiheit unvereinbar, das die Festlegung von Höchstwerten für ausländische Beteiligungen an privatisierten Unternehmen per Dekret erlaubte.8 Ebenso wurde ein französisches Dekret zur Schaffung staatlicher Sonderaktien an der Société nationale Elf-Aquitaine, die mit gewissen Zustimmungsvorbehalten der französischen Regierung verbunden waren, als unzulässig angesehen.9 Ähnliche, allerdings satzungsmäßig verankerte Zustimmungsrechte bei

3 Zum Begriff der goldenen Aktie Weiss, Goldene Aktien, S. 26 ff.; Pießkalla, Goldene Aktien, S. 6 ff.; Grundmann/Möslein, ZVglRWiss 102 (2003), 289, 292, 295. Es handelt sich dabei nicht um einen rechtlichen terminus technicus, sondern eher um ein Schlagwort bzw. einen Überbegriff für diverse Formen von Einflussrechten, vgl. Pießkalla, a.a.O., S. 6, 8, 20; van Bekkum/Kloosterman/Winter, ECL 5 (2008), 6, 8. 4 Pießkalla, Goldene Aktien, S. 12. 5 Weiss, Goldene Aktien, S. 28; Pießkalla, Goldene Aktien, S. 12; van Bekkum/Kloosterman/Winter, ECL 5 (2008), 6, 8. 6 EuGH, C-367/98 (Goldene Aktien Portugal), Slg. 2002, I-4731; C-483/99 (Goldene Aktien Frankreich), Slg. 2002, I-4781; C-503/99 (Goldene Aktien Belgien), Slg. 2002, I-4809; C-463/00 (Goldene Aktien Spanien), Slg. 2003, I-4581; C-98/01 (Goldene Aktien Vereinigtes Königreich), Slg. 2003, I-4641; C-174/04 (Goldene Aktien Italien), Slg. 2005, I-4933; C-282/ 04 und C-283/04 (Goldene Aktien Niederlande), Slg. 2006, I-9141; C-112/05 (Volkswagen), Slg. 2007, I-8995; C-463/04 und C-464/04 (Federconsumatori), Slg. 2007, I-10419; C-171/08 (Goldene Aktien Portugal II), Slg. 2010, I-6817; C-543/08 (Goldene Aktien Portugal III), Slg. 2010, I-11241; C-212/09 (Goldene Aktien Portugal IV), Slg. 2011, I-10889; C-244/11 (Goldene Aktien Griechenland), EuZW 2013, 29; C-95/12 (Volkswagen II), ZIP 2013, 2103. Siehe zu zahlreichen Sachverhalten überblicksartig auch Demirakou, Kapitalverkehrsfreiheit, S. 169 ff.; Frenz, EWS 2011, 125 ff. 7 Holle, AG 2010, 14, 15. 8 EuGH, C-367/98 (Goldene Aktien Portugal), Slg. 2002, I-4731; zu Inhalt und Umsetzung der gesetzlichen Regelung auch Weiss, Goldene Aktien, S. 181 f. 9 EuGH, C-483/99 (Goldene Aktien Frankreich), Slg. 2002, I-4781. Das gesetzliche Entsendungsrecht für zwei Mitglieder des Verwaltungsrats zugunsten der französischen Re-

210

Kap. 3: Entsendungsrechte und nationales Recht, Grundgesetz, Europarecht

der ehemals staatlichen niederländischen Post wurden vom Gerichtshof ebenfalls als Verstoß gegen die Kapitalverkehrsfreiheit eingestuft.10 Mit Entsendungsrechten befasste sich der EuGH im Verfahren gegen Belgien,11 in dem die entsprechenden Regelungen nicht beanstandet wurden, im Fall „Federconsumatori“12 sowie eingehend im Verfahren um das deutsche Volkswagen-Gesetz.13 Im hierzu ergangenen Urteil qualifizierte der Gerichtshof die in § 4 Abs. 1 VW-Gesetz a.F. dem Land Niedersachsen eingeräumten Entsendungsrechte als unzulässigen Eingriff in die Kapitalverkehrsfreiheit.14 Die Unzulässigkeit spezialgesetzlicher Entsendungsrechte zugunsten der öffentlichen Hand wurde damit durch die europäische Rechtsprechung ausdrücklich festgestellt. Hierauf wird an späterer Stelle noch genauer einzugehen sein.15

II. Der Fall „ThyssenKrupp“ Die Zulässigkeit satzungsmäßiger Entsendungsrechte nach § 101 Abs. 2 AktG beschäftigte die deutsche Rechtsprechung erstmals im Fall „ThyssenKrupp“.16 Vor dem LG Essen klagten Aktionäre der ThyssenKrupp AG gegen einen am 19. Januar 2007 gefassten satzungsändernden Hauptversammlungsbeschluss, durch den der Alfried Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftung („Krupp-Stiftung“) ein Recht zur Entsendung von bis zu drei Mitgliedern in den Aufsichtsrat der Gesellschaft eingeräumt wurde.17 Eine besondere Brisanz erhielt das Entsendungsrecht hier dadurch, dass es sich bei der ThyssenKrupp AG um eine dem MitbestG und damit der (quasi-) paritätischen Mitbestimmung unterliegende Gesellschaft handelt, deren Aufsichtsrat jeweils zur Hälfte mit Aktionärsvertretern und Arbeitnehmervertretern besetzt ist.18 In einer solchen Konstellation ist es den entsandten Mitgliedern zusammen mit den Arbeitnehmervertretern möglich, die von der Hauptversammlung gewählten Mitglieder zu überstimmen und damit Beschlüsse gegen den Willen der Vertreter der gierung wurde dagegen nicht in den Klageantrag aufgenommen, vgl. Weiss, Goldene Aktien, S. 183. 10 EuGH, C-282/04 und C-283/04 (Goldene Aktien Niederlande), Slg. 2006, I-9141; Bayer/Schmidt, BB 2008, 454, 459. 11 EuGH, C-503/99 (Goldene Aktien Belgien), Slg. 2002, I-4809; zur Ausgestaltung der golden shares auch Weiss, Goldene Aktien, S. 183 ff. Hier ging es allerdings um die Entsendung von Verwaltungsratsmitgliedern mit lediglich beratender Stimme. 12 EuGH, C-463/04 und C-464/04 (Federconsumatori), Slg. 2007, I-10419. 13 EuGH, C-112/05 (Volkswagen), Slg. 2007, I-8995. 14 EuGH, C-112/05 (Volkswagen), Slg. 2007, I-8995, 9038 ff., Rn. 59 ff. 15 Siehe insb. unten D. I. 2. a) und 4. 16 BGH, ZIP 2009, 1566; OLG Hamm, ZIP 2008, 1530; LG Essen, AG 2007, 797. 17 LG Essen, AG 2007, 797. Zur näheren Ausgestaltung des nach wie vor bestehenden Entsendungsrechts bei der ThyssenKrupp AG siehe bereits oben Kap. 2, A. II. 2. a). 18 Vgl. LG Essen, AG 2007, 797 (insb. die dort abgedruckte Satzungsbestimmung der ThyssenKrupp AG zur Zusammensetzung des Aufsichtsrats).

B. Vereinbarkeit mit sonstigem Aktienrecht und nationalem Recht

211

Aktionärsmehrheit durchzusetzen. Damit kann der zumindest mittelbare Einfluss der Aktionärsmehrheit auf Vorstandbesetzung und Unternehmensstrategie faktisch ausgeschlossen werden,19 worin die Kläger einen Verstoß gegen Art. 14 GG sahen.20 Zudem wurden insbesondere Verletzungen des Gleichbehandlungsgrundsatzes nach § 53a AktG und der europäischen Kapitalverkehrsfreiheit gerügt.21 Sowohl das LG Essen als auch das OLG Hamm wiesen jedoch sämtliche Argumente der Klägerseite zurück und befanden das Entsendungsrecht insgesamt für rechtmäßig. Dem schloss sich schließlich auch der BGH an.22 Von einer Vorlage an den EuGH wurde dabei trotz der europarechtlichen Bedenken abgesehen; eine hiergegen gerichtete Verfassungsbeschwerde hat das BVerfG nicht zur Entscheidung angenommen.23 Die Erwägungen der Rechtsprechung sowie weitere denkbare Schranken für die Begründung und Ausübung von Entsendungsrechten werden im Folgenden unter Berücksichtigung der zahlreichen Stimmen aus dem Schrifttum überprüft.

B. Vereinbarkeit mit sonstigem Aktienrecht und nationalem Recht Bevor auf verfassungs- und europarechtliche Fragestellungen eingegangen wird, soll zunächst die Vereinbarkeit von Entsendungsrechten nach § 101 Abs. 2 AktG mit anderen aktienrechtlichen Prinzipien sowie sonstigem nationalen Recht untersucht werden.24 Die folgenden Normen als Prüfungsmaßstab des Entsendungsrechts wurden zum großen Teil in der Rechtsprechung zum Fall „ThyssenKrupp“ behandelt, teils aber auch im Schrifttum thematisiert. Die zwingenden normimmanenten Schranken, die sich bereits unmittelbar aus § 101 Abs. 2 AktG selbst ergeben, wurden bereits im Zusammenhang mit den rechtlichen Grundlagen des Entsendungsrechts dargestellt.25

19

Vgl. Möslein, AG 2007, 770, 772. Siehe dazu auch bereits oben Kap. 1, C. II. Vgl. OLG Hamm, ZIP 2008, 1530, 1533. 21 Vgl. LG Essen, AG 2007, 797, 798. 22 BGH, ZIP 2009, 1566. 23 BVerfG, Beschl. v. 30. 10. 2009 – 1 BvR 1892/09 (unveröffentlicht); siehe dazu die redaktionelle Anmerkung in ZIP 2010, 36 sowie FAZ v. 25. 11. 2009, S. 15. 24 Auch wenn hier freilich keine Normhierarchie besteht, stellt sich die Frage der Vereinbarkeit mit sonstigen einfachgesetzlichen Vorschriften doch zumindest vor dem Hintergrund der Einheit bzw. Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung, vgl. dazu K. Röhl/H. C. Röhl, Allgemeine Rechtslehre, S. 153 ff., 451 ff. Konkret muss es um die Frage gehen, ob sich aus den im Folgenden angesprochenen Normen Schranken für die Anwendung des § 101 Abs. 2 AktG ergeben. 25 Siehe oben Kap. 1, A. IV. 3. 20

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Kap. 3: Entsendungsrechte und nationales Recht, Grundgesetz, Europarecht

I. § 53a AktG – Gleichbehandlungsgrundsatz Im Fall „ThyssenKrupp“ beriefen sich die klagenden Aktionäre u. a. darauf, dass die nachträgliche Einführung des Entsendungsrechts einen Verstoß gegen § 53a AktG darstelle.26 Nach dieser Vorschrift, die i.R.d. Umsetzung von Art. 42 der europäischen Kapitalrichtlinie27 in das AktG eingefügt wurde,28 sind Aktionäre unter gleichen Voraussetzungen gleich zu behandeln. Es handelt sich lediglich um eine Klarstellung des schon zuvor geltenden29 Gleichbehandlungsgrundsatzes, mit der eine sachliche Änderung des geltenden Rechts nicht beabsichtigt war.30 Die Vorschrift verlangt keine absolute, sondern nur eine relative Gleichbehandlung, was sich aus der Formulierung „unter gleichen Voraussetzungen“ ergibt.31 Insofern wird § 53a AktG allgemein als Willkürverbot verstanden, das Differenzierungen zulässt, sofern hierfür sachliche Gründe vorliegen.32 1. Ungleichbehandlung Zunächst ist zu klären, ob überhaupt eine relevante Ungleichbehandlung vorliegt. Dies ist indes eindeutig zu bejahen. Die Einführung eines Entsendungsrechts nach § 101 Abs. 2 AktG bedeutet zwangsläufig eine Ungleichbehandlung zugunsten des Berechtigten und zulasten aller übrigen Aktionäre.33 Dem begünstigten Aktionär wird ein Sonderrecht eingeräumt, das ihn gegenüber seinen Mitaktionären bevorrechtigt und ihm unabhängig von seiner Kapitalbeteiligung Mitverwaltungsbefugnisse verleiht, die den übrigen Anteilseignern nicht zukommen. Gleichzeitig wird das Recht der übrigen Aktionäre an der Mitwirkung bei der Wahl der Aufsichtsratsmitglieder in der Hauptversammlung durch das Entsendungsrecht geschmälert,34 da diese nur noch die verbliebenen Aufsichtsratsposten besetzen können. Am Vorliegen einer Ungleichbehandlung können damit keine Zweifel bestehen.

26

LG Essen, AG 2007, 797, 798; OLG Hamm, ZIP 2008, 1530, 1532. RL 77/91/EWG vom 13. 12. 1976 (ABl. EG L 26/1). 28 Bungeroth, in: MünchKomm AktG, § 53a Rn. 1; Drygala, in: KölnKomm AktG, § 53a Rn. 1; Laubert, in: Hölters, AktG, § 53a Rn. 1. 29 Ausführlich G. Hueck, Grundsatz der gleichmäßigen Behandlung, S. 2 ff., 44 ff. 30 Bungeroth, in: MünchKomm AktG, § 53a Rn. 2; Henze/Notz, in: Großkomm AktG, § 53a Rn. 3; Drygala, in: KölnKomm AktG, § 101 Rn. 2; Koch, in: Hüffer, AktG, § 53a Rn. 1. 31 Fleischer, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 53a Rn. 3; Henze/Notz, in: Großkomm AktG, § 53a Rn. 68 f.; Drygala, in: KölnKomm AktG, § 53a Rn. 16. 32 BGHZ 120, 141, 150; Cahn/v. Spannenberg, in: Spindler/Stilz, AktG, § 53a Rn. 8, 18; Bungeroth, in: MünchKomm AktG, § 53a Rn. 14; Koch, in: Hüffer, AktG, § 53a Rn. 4. 33 Verse, ZIP 2008, 1754, 1755; ebenso bereits P. W. Vogel, Entsendung, S. 21 f. 34 Seeling/Zwickel, BB 2008, 622, 623. 27

B. Vereinbarkeit mit sonstigem Aktienrecht und nationalem Recht

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2. Rechtfertigung Dies hätte grundsätzlich zur Folge, dass die Begründung eines satzungsmäßigen Entsendungsrechts im Einzelfall nur bei Vorliegen eines sachlichen Grundes zulässig wäre.35 Im Fall „ThyssenKrupp“ haben das LG Essen und das OLG Hamm jedoch unabhängig davon einen Verstoß gegen § 53a durch die nachträgliche Einführung eines Entsendungsrechts aus verschiedenen Gründen ausgeschlossen,36 was der BGH im Ergebnis gebilligt hat.37 Dies hat in der Literatur überwiegend Zustimmung gefunden, allerdings zumeist ohne eingehende Diskussion.38 Im Folgenden werden daher die Ausführungen der Rechtsprechung zur Vereinbarkeit mit § 53a näher untersucht. a) Verzicht auf Gleichbehandlung In erster Instanz hat das LG Essen die Anwendung des § 53a mit der Begründung verworfen, die Norm sei dispositives Recht und die Hauptversammlung habe durch Beschlussfassung ihre Rechte aufgegeben.39 Als Nachweis wird eine Stelle in der Kommentarliteratur bei Hüffer angeführt, wonach der einzelne Aktionär auf sein Gleichbehandlungsrecht verzichten könne, indem er etwa einem entsprechenden Beschluss zustimme.40 Zwar entspricht dies insoweit der allgemeinen Ansicht.41 Wie aber Verse zu Recht betont, überzeugt die Argumentation des LG Essen dennoch nicht, da im Fall „ThyssenKrupp“ keineswegs von einem wirksamen Gleichbehandlungsverzicht ausgegangen werden kann.42 Ein solcher bedarf nämlich nach herrschender Ansicht der Zustimmung aller benachteiligten Aktionäre,43 nach anderer Ansicht zumindest eines mit qualifizierter Mehrheit gefassten Sonderbe-

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Vgl. Verse, ZIP 2008, 1754, 1755. LG Essen, AG 2007, 797, 798; OLG Hamm, ZIP 2008, 1530, 1532. 37 BGH, ZIP 2009, 1566. 38 Vgl. Habersack, in: MünchKomm AktG, § 101 Rn. 31; Drygala, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 101 Rn. 13; Simons, in: Hölters, AktG, § 101 Rn. 24; Breuer/Fraune, in: Heidel, Aktienrecht, § 101 AktG Rn. 10; Ogorek/von der Linden, BB 2008, 1139, 1140; Seeling/ Zwickel, BB 2008, 622, 623 f. 39 LG Essen, AG 2007, 797, 798. 40 Nunmehr Koch, in: Hüffer, AktG, § 53a Rn. 5 (unverändert gegenüber der im Urteil zitierten Altauflage). 41 Bungeroth, in: MünchKomm AktG, § 53a Rn. 19 f.; Henze/Notz, in: Großkomm AktG, § 53a Rn. 93 f.; Drygala, in: KölnKomm AktG, § 53a Rn. 34; Fleischer, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 53a Rn. 37; Laubert, in: Hölters, AktG, § 53a Rn. 8. 42 Verse, ZIP 2008, 1754, 1757 f. 43 G. Hueck, Grundsatz der gleichmäßigen Behandlung, S. 261 f.; Bungeroth, in: MünchKomm AktG, § 53a Rn. 20; wohl auch Henze/Notz, in: Großkomm AktG, § 53a Rn. 59, 96; Drygala, in: KölnKomm AktG, § 53a Rn. 34 f.; zum Meinungsstand auch Verse, Gleichbehandlungsgrundsatz, S. 323 f. 36

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Kap. 3: Entsendungsrechte und nationales Recht, Grundgesetz, Europarecht

schlusses der benachteiligten Aktionäre.44 Bei ThyssenKrupp lag aber keine dieser Voraussetzungen vor, da die durch das Entsendungsrecht begünstigte Krupp-Stiftung an der Abstimmung teilgenommen hatte und nur durch ihre Stimmen die satzungsändernde Mehrheit erreicht wurde.45 In solch einem Fall kann die Ungleichbehandlung keinesfalls mit einem Gleichbehandlungsverzicht der benachteiligten Aktionäre gerechtfertigt werden. b) Anwendung auf satzungsändernde Beschlüsse Entsprechend wurde diese Argumentation in zweiter Instanz auch nicht mehr herangezogen. Das OLG Hamm stützt den Ausschluss von § 53a AktG dagegen u. a. auf die Erwägung, dass die Satzung den Maßstab der Gleichbehandlung ändern könne, weswegen das Gleichbehandlungsgebot nur das Verhalten von Gesellschaftsorganen unterhalb der Satzungsebene betreffe.46 Hierbei beruft sich das Gericht wiederum auf Hüffer.47 Während Verse noch davon ausgeht, dass die zitierte Kommentierung nicht in diesem Sinne zu verstehen sei,48 findet sich an entsprechender Stelle49 nunmehr ein Verweis auf das Urteil, was wohl nur als Zustimmung zu den Ausführungen des OLG Hamm gewertet werden kann. Nach dieser Ansicht wäre § 53a AktG bei der Begründung eines Entsendungsrechts durch Satzungsänderung folglich nicht anwendbar. Die ganz überwiegende Auffassung geht dagegen davon aus, dass der Gleichbehandlungsgrundsatz grundsätzlich auch auf die nachträgliche Einführung von Satzungsbestimmungen Anwendung findet.50 Dies überzeugt. Lediglich in der Gründungssatzung können Modifikationen des Gleichbehandlungsgebots unproblematisch vorgenommen werden, weil hier die allseitige Zustimmung der Gründungsgesellschafter an dessen Stelle tritt.51 Es ist indes nicht ersichtlich, weshalb § 53a AktG auf mehrheitlich, aber eben nicht einstimmig gefasste Satzungsänderungen keine Anwendung finden sollte. Gerade bei so weitreichenden Entscheidungen wie der Änderung der Verfassung der Gesellschaft darf die Schutzfunktion des Gleichbehandlungsgrundsatzes nicht kategorisch ausgeschlossen werden. Da Ungleichbehandlungen durch sachliche Gründe des Unterneh44

Verse, Gleichbehandlungsgrundsatz, S. 327 ff.; ders., ZIP 2008, 1754, 1758. Verse, ZIP 2008, 1754, 1758. 46 OLG Hamm, ZIP 2008, 1530, 1532; zustimmend Ogorek/von der Linden, BB 2008, 1139, 1140. 47 Hüffer, AktG, 8. Aufl., § 11 Rn. 2. 48 Verse, ZIP 2008, 1754, 1755 (Fn. 11). 49 Koch, in: Hüffer, AktG, § 11 Rn. 2. 50 Cahn/v. Spannenberg, in: Spindler/Stilz, AktG, § 53a Rn. 23; Bungeroth, in: MünchKomm AktG, § 53a Rn. 23; Drygala, in: KölnKomm AktG, § 53a Rn. 30 f.; Henze/Notz, in: Großkomm AktG, § 53a Rn. 89 ff.; Fleischer, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 53a Rn. 33; Verse, Gleichbehandlungsgrundsatz, S. 229 f.; ders., ZIP 2008, 1754, 1755; vgl. auch BGHZ 33, 175, 186 ff. 51 Vgl. Cahn/v. Spannenberg, in: Spindler/Stilz, AktG, § 53a Rn. 23; Bungeroth, in: MünchKomm AktG, § 53a Rn. 23; Verse, ZIP 2008, 1754, 1755. 45

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mensinteresses gerechtfertigt werden können, stellt die Anwendung der Norm auch keine übermäßige Einschränkung der Entscheidungsautonomie der satzungsändernden Hauptversammlung dar. Folglich ist die nachträgliche Begründung von Entsendungsrechten richtigerweise auch nicht unter diesem Gesichtspunkt vom Anwendungsbereich des § 53a AktG ausgeschlossen.52 c) Gesetzlich gebilligte Ungleichbehandlung Schließlich führt das OLG Hamm an, dass es sich bei dem in § 101 Abs. 2 AktG ausdrücklich vorgesehenen Entsendungsrecht um eine gesetzlich gebilligte Ungleichbehandlung handele, die vom Anwendungsbereich des § 53a ausgenommen sei.53 Dieser Argumentation haben sich diverse Stimmen in der Literatur ohne nähere Begründung angeschlossen.54 Einzig Verse hat sich hiermit eingehender auseinandergesetzt und unter Bezugnahme auf die zur Einführung eines Höchststimmrechts nach § 134 Abs. 1 S. 2 – 6 AktG ergangenen BGH-Entscheidungen „Mannesmann“55 und „Kali und Salz“56 als Voraussetzung für die Annahme einer gesetzlich gebilligten Ungleichbehandlung gefordert, dass der Gesetzgeber die ungleichmäßigen Auswirkungen des § 101 Abs. 2 AktG tatsächlich berücksichtigt und die erforderliche Abwägung der widerstreitenden Interessen bereits selbst vorgenommen hat.57 Diese Voraussetzungen dürften indes vorliegen. Da jede Einführung eines Entsendungsrechts zwangsläufig eine Ungleichbehandlung mit sich bringt und der Gesetzgeber diese Möglichkeit ausdrücklich eröffnet hat, können an der Berücksichtigung der ungleichmäßigen Auswirkungen keine ernsthaften Zweifel bestehen.58 Wie bereits dargestellt,59 sollte mit der Schaffung der Norm insbesondere die öffentliche Hand gegenüber sonstigen Aktionären privilegiert werden, was spiegelbildlich deren Benachteiligung bedingt. Daneben zeigt insbesondere die Begrenzung des § 101 Abs. 2 S. 4 AktG, die sicherstellt, dass die Ungleichbehandlung nicht uferlos wird, dass bereits der Gesetzgeber eine Abwägung zwischen den Interessen des Entsendungsberechtigten einerseits und den Interessen der übrigen Aktionäre andererseits vorgenommen hat. Es kann folglich davon ausgegangen werden, dass die Einräumung eines Entsendungsrechts eine gesetzlich gebilligte Ungleichbehandlung dar52

So auch Drygala, in: KölnKomm AktG, § 53a Rn. 30; Verse, ZIP 2008, 1754, 1755. OLG Hamm, ZIP 2008, 1530, 1532. 54 Habersack, in: MünchKomm AktG, § 101 Rn. 31; Drygala, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 101 Rn. 13; Simons, in: Hölters, AktG, § 101 Rn. 24; Seeling/Zwickel, BB 2008, 622, 624. 55 BGHZ 70, 117. 56 BGHZ 71, 40; siehe zu dieser Rechtsprechung und ihrer Beurteilung im Schrifttum auch Bungeroth, in: MünchKomm AktG, § 53a Rn. 24; Verse, Gleichbehandlungsgrundsatz, S. 210 ff. 57 Verse, ZIP 2008, 1754, 1756; ebenso nunmehr Drygala, in: KölnKomm AktG, § 53a Rn. 31 (allgemein für nachträgliche Satzungsänderungen). 58 Verse, ZIP 2008, 1754, 1756. 59 Siehe oben Kap. 1, B. II. 1. und III. 1. sowie C. I. 1. 53

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stellt und § 101 Abs. 2 AktG insofern als lex specialis gegenüber § 53a AktG zu verstehen ist.60 Auch die Tatsache, dass der Gleichbehandlungsgrundsatz durch europäische Richtlinien vorgegeben ist, steht dieser Bewertung nicht im Wege. Entsendungsrechte fallen nicht in den Anwendungsbereich der einschlägigen Richtlinien (Kapitalrichtlinie,61 Transparenzrichtlinie62 und Aktionärsrechterichtlinie63), sodass eine Bindung des deutschen Gesetzgebers in diesem Bereich nicht besteht.64 d) Abweichende Beurteilung im Vereins- und GmbH-Recht Zu beachten ist, dass die Vereinbarkeit von Entsendungsrechten und sonstigen Sonderrechten mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz im vereinsrechtlichen und GmbH-rechtlichen Schrifttum abweichend beurteilt wird. So ist für die GmbH allgemein anerkannt, dass die nachträgliche Einführung von Entsendungsrechten aufgrund der damit einhergehenden Verkürzung des Stimmrechts stets der Zustimmung aller benachteiligten Gesellschafter bedarf.65 Auch für die Begründung von Sonderrechten im bürgerlich-rechtlichen Verein wird eine solche Zustimmung überwiegend verlangt.66 Vereinzelt findet sich diese Forderung auch für das aktienrechtliche Entsendungsrecht nach § 101 Abs. 2 AktG.67 Wie soeben dargestellt, verlangen die aktienrechtliche Rechtsprechung sowie die ganz herrschende Meinung im aktienrechtlichen Schrifttum dagegen nicht die Zustimmung der benachteiligten Aktionäre,68 und zwar aus guten Gründen. Abgesehen davon, dass nach allgemeiner Gleichbehandlungsdogmatik eine Ungleichbehandlung rechtsformübergreifend nicht nur durch die Zustimmung der Benachteiligten, 60

Verse, ZIP 2008, 1754, 1756 f. RL 77/91/EWG vom 13. 12. 1976 (ABl. EG L 26/1). 62 RL 2004/109/EG vom 15. 12. 2004 (ABl. EU L 390/38). 63 RL 2007/36/EG vom 11. 7. 2007 (ABl. EU L 184/17). 64 Verse, ZIP 2008, 1754, 1757. 65 Spindler, in: MünchKomm GmbHG; § 52 Rn. 128; Heermann, in: Großkomm GmbHG, § 52 Rn. 42; U. H. Schneider, in: Scholz, GmbHG, § 52 Rn. 220; Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 52 Rn. 42; Simon, GmbHR 1999, 257, 259. Siehe dazu auch bereits oben Kap. 2, B. I. 1. a) und 2. a). 66 Hadding, in: Soergel, BGB, § 35 Rn. 9; Weick, in: Staudinger, BGB, § 35 Rn. 8; Schöpflin, in: Bamberger/Roth, BGB, § 35 Rn. 5; Beuthien, ZGR 2014, 24, 36; Löffler, NJW 1989, 2656, 2659; differenzierend Reuter, in: MünchKomm BGB, § 35 Rn. 6. 67 Grigoleit/Tomasic, in: Grigoleit, AktG, § 101 Rn. 18 (unter Verweis auf das vereinsrechtliche Schrifttum, aber ohne Begründung); ebenso für das Entsendungsrecht nach § 88 AktG 1937 bereits P. W. Vogel, Entsendung, S. 22 (dogmatisch gestützt auf § 35 BGB). 68 BGH, ZIP 2009, 1566; OLG Hamm, ZIP 2008, 1530, 1532; Habersack, in: MünchKomm AktG, § 101 Rn. 31; Drygala, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 101 Rn. 13; Simons, in: Hölters, AktG, § 101 Rn. 24; Verse, ZIP 2008, 1754, 1755 ff.; Ogorek/von der Linden, BB 2008, 1139, 1140; Seeling/Zwickel, BB 2008, 622, 623 f. 61

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sondern auch durch das Vorliegen sachlicher Gründe gerechtfertigt werden kann,69 ist die Situation im Aktienrecht eine andere als im Vereins- und GmbH-Recht. Für das aktienrechtliche Entsendungsrecht stellt § 101 Abs. 2 AktG eine ausdrückliche, differenzierte Sonderregelung auf, die, wie soeben gezeigt, eine gesetzliche Billigung der Ungleichbehandlung zum Ausdruck bringt. Entsendungsrechte werden damit von vornherein stark begrenzt und deshalb vom Anwendungsbereich des § 53a AktG ausgenommen. Im Vereins- und GmbH-Recht existieren keine derartigen Vorschriften und Begrenzungen, weswegen Sonderrechte dort in weitaus größerem Umfang begründet werden können. Eine strenge Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes mag dort insofern durchaus angezeigt sein. Das Aktienrecht kann hierauf aber verzichten, ohne dass darin ein Wertungswiderspruch liegen würde.70 3. Zwischenergebnis Es ist somit festzuhalten, dass die Begründung von aktienrechtlichen Entsendungsrechten mit dem in § 53a AktG normierten Grundsatz der Gleichbehandlung der Aktionäre vereinbar ist. Dies gilt unabhängig vom Umfang der Kapitalbeteiligung des Entsendungsberechtigten, da § 101 Abs. 2 AktG die Einräumung von Entsendungsrechten im Verhältnis zum Anteilseigentum gerade nicht verlangt.71 Auch auf eine sachliche Rechtfertigung oder gar die Zustimmung aller nicht begünstigten Aktionäre kommt es nicht an.

II. § 12 AktG – Verbot von Mehrstimmrechten Die Kläger im Fall „ThyssenKrupp“ beriefen sich vor dem LG Essen auch auf einen Verstoß gegen § 12 AktG.72 Dieser normiert durch das Postulat des Stimmrechts für jede Aktie in Abs. 1 S. 1 und das Verbot von Mehrstimmrechten in Abs. 2 das Prinzip one share, one vote,73 wonach jede Aktie gleiches Stimmrecht gewährt.74 Freilich handelt es sich bei Entsendungsrechten nach § 101 Abs. 2 AktG nicht um Mehrstimmrechte i.S.d. § 12 Abs. 2 AktG. Dennoch werde, so die Kläger, durch die mit dem Entsendungsrecht verbundene überproportionale Erhöhung des Einflusses 69

Vgl. Verse, ZIP 2008, 1754, 1757. Verse, ZIP 2008, 1754, 1757. 71 OLG Hamm, ZIP 2008, 1530, 1532. 72 LG Essen, Urt. v. 29. 6. 2007 – 45 O 15/07, juris, Rn. 11 (nur dort im Volltext, Klägervortrag nicht abgedruckt in AG 2007, 797). 73 Ziemons, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 12 Rn. 1; Westermann, in: Bürgers/Körber, AktG, § 12 Rn. 1; Goslar, in: Wilsing, DCGK, Ziff. 2.1.2 Rn. 1. Siehe dazu auch unten Kap. 5, E. 74 Dauner-Lieb, in: KölnKomm AktG, § 12 Rn. 3; Vatter, in: Spindler/Stilz, AktG, § 12 Rn. 1; Koch, in: Hüffer, AktG, § 12 Rn. 1; Lange, in: Henssler/Strohn, GesR, AktG § 12 Rn. 1. Siehe zu Mehrstimmrechten auch bereits oben Kap. 1, A. II. 3., zur Normhistorie des § 12 AktG oben Kap. 1, B. II. 3. und III. 5. 70

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der Stiftung der Grundsatz one share, one vote verletzt. Das Gericht geht auf diese Beanstandung nicht einmal näher ein. Auch vor dem OLG Hamm wurde diese Frage nicht mehr thematisiert. In der Literatur äußern sich lediglich Seeling und Zwickel knapp zur Vereinbarkeit von Entsendungsrechten mit § 12 AktG.75 Da es bei der Entsendung nicht um eine Abstimmung gehe, sei das Stimmrecht nicht betroffen und die Norm daher schon nicht einschlägig. Daneben werden die im Rahmen des § 53a AktG diskutierten Argumente des Verzichts durch die Hauptversammlung (hier auf das Wahlrecht) sowie der ausdrücklichen Zulassung von Entsendungsrechten durch das Gesetz vorgebracht.76 Zumindest letzteres überzeugt: Selbst wenn man in der Tatsache, dass der Entsendungsberechtigte nicht nur für jede seiner Aktien eine Stimme bei der Wahl des Aufsichtsrats in der Hauptversammlung hat, sondern daneben auch das Entsendungsrecht ausüben kann, eine unter das Verbot von Mehrstimmrechten fallende Konstellation sieht, so muss doch § 12 AktG durch die Regelung in § 101 Abs. 2 AktG verdrängt werden. Die Annahme einer lex specialis ist hier ebenso naheliegend wie im Zusammenhang mit dem Gleichbehandlungsgebot.77 Der Gesetzgeber hat insofern die Möglichkeit des Entsendungsrechts in Ergänzung zum Stimmrecht in der Hauptversammlung ausdrücklich vorgesehen und dies auch bewusst beibehalten, während er gleichzeitig die Zulässigkeit von Mehrstimmrechtsaktien mehr und mehr eingeschränkt und mit dem KonTraG 1998 nahezu vollständig ausgeschlossen hat.78 Eine Einschränkung von Entsendungsrechten war damit aber nicht beabsichtigt. An ihrer Vereinbarkeit mit § 12 AktG können folglich keine Zweifel bestehen.

III. § 136 Abs. 1 AktG – Stimmverbot Nach § 136 Abs. 1 AktG besteht für eine Person ein Stimmverbot, wenn darüber Beschluss gefasst wird, ob sie zu entlasten oder von einer Verbindlichkeit zu befreien ist oder ob die Gesellschaft ihr gegenüber einen Anspruch geltend machen soll. Auch wenn die Norm nach ihrem Wortlaut nicht auf eine Abstimmung zur Einräumung eines Entsendungsrechts anzuwenden ist, meinten die Kläger im Fall „ThyssenKrupp“, es sei hier eine analoge Anwendung geboten, um ein Stimmverbot der entsendungsberechtigten Stiftung zu begründen.79 Dieser Argumentation hat das OLG Hamm zu Recht eine deutliche Absage erteilt.80

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Seeling/Zwickel, BB 2008, 622, 624. Vgl. Seeling/Zwickel, BB 2008, 622, 624. 77 Siehe dazu oben I. 2. c). 78 Siehe dazu bereits Kap. 1, B. II. 3. und III. 5. 79 OLG Hamm, ZIP 2008, 1530, 1531. 80 OLG Hamm, ZIP 2008, 1530, 1531 f.; zustimmend Spindler, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 136 Rn. 32; Schröer, in: MünchKomm AktG, § 136 Rn. 21; Rieckers, in: Spindler/Stilz, AktG, § 136 Rn. 15; Verse, ZIP 2008, 1754, 1758. 76

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Die herrschende Meinung in Rechtsprechung und Literatur geht davon aus, dass es sich bei § 136 Abs. 1 AktG in seiner kasuistischen Fassung um eine zumindest insgesamt nicht analogiefähige Vorschrift handelt, die aufgrund der bewussten Begrenzung durch den Gesetzgeber keine generelle Erweiterung auf andere Interessenkollisionen zulässt.81 Die Abstimmung über die Begründung eines Entsendungsrechts stellt aber auch keinen den geregelten Situationen qualitativ und quantitativ vergleichbaren Fall dar, sodass auch eine grundsätzlich für möglich gehaltene Einzelanalogie82 hier nicht in Frage käme. Danach wäre eine analoge Anwendung bereits von vornherein ausgeschlossen. Zwar wird davon abweichend teilweise vertreten, § 136 Abs. 1 AktG sei Ausfluss allgemeiner gesellschaftsrechtlicher Grundsätze, namentlich des Verbots von Insichgeschäften und des Verbots des Richtens in eigener Sache. Somit sei die Norm erweiterungsfähig, da die Geltung dieser Grundsätze zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen ggf. durch Rechtsfortbildung durchgesetzt werden müsse.83 Jedoch fallen auch nach dieser Ansicht unter ein hier denkbares Stimmverbot wegen Insichgeschäfts nicht sog. Organisations- bzw. Sozialakte, über die alle Mitglieder notwendig gemeinsam entscheiden sollen.84 So soll insbesondere bei Organwahlen kein Stimmverbot gelten85 und entsprechend auch die Selbstwahl als bloße Ausübung eines eigenen Rechts zulässig sein.86 Auch die Begründung eines Entsendungsrechts stellt einen solchen Organisationsakt dar, bei dem der Aktionär folglich auch zu seinen eigenen Gunsten abstimmen darf.87 Somit scheidet ein Stimmverbot nach allgemeiner Ansicht aus. § 136 Abs. 1 AktG bildet demnach keine Schranke für die Begründung von Entsendungsrechten.

81 BGHZ 68, 107, 109; 97, 28, 33 (jeweils zur entsprechenden Vorschrift des § 47 Abs. 4 GmbHG); OLG Düsseldorf, AG 2006, 202, 206; Koch, in: Hüffer, AktG, § 136 Rn. 18; Spindler, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 136 Rn. 29; Schröer, in: MünchKomm AktG, § 136 Rn. 21; Grundmann, in: Großkomm AktG, § 136 Rn. 40; Rieckers, in: Spindler/Stilz, AktG, § 136 Rn. 15. 82 Vgl. BGHZ 68, 107, 109 f.; 97, 28, 33 f.; Schröer, in: MünchKomm AktG, § 136 Rn. 22 ff.; Spindler, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 136 Rn. 30; Rieckers, in: Spindler/Stilz, AktG, § 136 Rn. 16; Grundmann, in: Großkomm AktG, § 136 Rn. 39. 83 K. Schmidt, GesR, § 21 II 2 b, S. 610 f.; ähnlich Wilhelm, Rechtsform und Haftung, S. 66 ff. 84 K. Schmidt, GesR, § 21 II 2 a aa, S. 609; kritisch zu dieser Unterscheidung, aber i.E. ebenso Wilhelm, Rechtsform und Haftung, S. 87 ff. (Tatbestand des Insichgeschäfts nicht erfüllt); Flume, Juristische Person, § 7 V 6, S. 229 ff. (keine Interessenkollision). 85 Wilhelm, Rechtsform und Haftung, S. 88 f.; Flume, Juristische Person, § 7 V 6, S. 230 f.; K. Schmidt, GesR, § 21 II 2 a aa, S. 609. 86 Wilhelm, Rechtsform und Haftung, S. 89; Spindler, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 136 Rn. 32; Rieckers, in: Spindler/Stilz, AktG, § 136 Rn. 15; Schröer, in: MünchKomm AktG, § 136 Rn. 21. 87 OLG Hamm, ZIP 2008, 1530, 1531 f.; Spindler, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 136 Rn. 32; Schröer, in: MünchKomm AktG, § 136 Rn. 21; Rieckers, in: Spindler/Stilz, AktG, § 136 Rn. 15.

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IV. § 111 Abs. 1 AktG – Überwachungsfunktion des Aufsichtsrats 1. Entsendungsrecht eines Vorstandsmitglieds In bestimmten Konstellationen erscheint es denkbar, dass Entsendungsrechte mit der in § 111 Abs. 1 AktG normierten Überwachungsfunktion des Aufsichtsrats kollidieren. Eben dies wurde von den Klägern im Fall „ThyssenKrupp“ gerügt, und zwar insbesondere deshalb, weil der Vorstandsvorsitzende der ThyssenKrupp AG später Mitglied des Kuratoriums der entsendungsberechtigten Stiftung wurde. Damit könne, so die Argumentation, der Vorstand Einfluss auf die Person der Aufsichtsräte nehmen und mittelbar seine eigenen Kontrolleure bestimmen.88 Ob eine solche Möglichkeit im speziellen Fall der Krupp-Stiftung überhaupt bestand, sei dahingestellt. Probleme ergeben sich aber jedenfalls dann, wenn es sich bei dem entsendungsberechtigten Aktionär um eine natürliche Person handelt, die zugleich im Vorstand der Gesellschaft sitzt.89 Nach einer in der Literatur teilweise vertretenen Ansicht soll eben diese Konstellation unzulässig sein, da es nicht den Organisationsprinzipien der AG und insbesondere der Kontrollfunktion des Aufsichtsrats entspräche, wenn ein Vorstand über seine eigenen Kontrolleure entscheiden könne. Das Entsendungsrecht eines Aktionärs, der gleichzeitig Vorstandmitglied der AG ist, müsse daher während seiner Mitgliedschaft im Vorstand ruhen.90 Die ganz überwiegende Ansicht, der sich auch das OLG Hamm angeschlossen hat, sieht demgegenüber weder Bedarf noch Raum für eine derartige Einschränkung.91 Das Entsendungsrecht unterscheide sich nicht vom Wahlrecht in der Hauptversammlung, das Aktionären, die gleichzeitig im Vorstand sitzen, ebenfalls zustehe.92 In Ermangelung einer der Regelung des § 285 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 AktG entsprechenden Vorschrift, wonach in der KGaA der Komplementär bei der Aufsichtsratswahl einem Stimmverbot unterliegt, ließe sich die Unzulässigkeit eines Entsendungsrechts für Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder nicht herleiten.93 Im 88

Vgl. OLG Hamm, ZIP 2008, 1530, 1533. Diese Konstellation ist in der Praxis nicht selten anzutreffen, siehe dazu bereits oben Kap. 2, A. II. 2. b). 90 Hopt/M. Roth, in: Großkomm AktG, § 101 Rn. 109, 125; zustimmend Henssler, in: Henssler/Strohn, GesR, AktG § 101 Rn. 9. 91 OLG Hamm, ZIP 2008, 1530, 1533; Habersack, in: MünchKomm AktG § 101 Rn. 32; Spindler, in: Spindler/Stilz, AktG, § 101 Rn. 49; Mertens/Cahn, in: KölnKomm AktG, § 101 Rn. 58; Simons, in: Hölters, AktG, § 101 Rn. 25; Seeling/Zwickel, BB 2008, 622, 624; wohl auch Drygala, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 101 Rn. 13. 92 Semler, in: MünchKomm AktG, 2. Aufl., § 101 Rn. 73; ähnlich OLG Hamm, ZIP 2008, 1530, 1533. 93 Habersack, in: MünchKomm AktG, § 101 Rn. 32; ähnlich Spindler, in: Spindler/ Stilz, AktG, § 101 Rn. 49 (Fn. 160: „mangels gesetzlicher Grundlage“). Zur Vorschrift des § 285 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 AktG und ihrer analogen Anwendung auf Entsendungsrechte siehe bereits oben Kap. 2, B. III. 89

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Übrigen sei eine Verletzung der aktienrechtlichen Kompetenzverteilung und Organisationsverfassung nicht zu befürchten, da alle Aufsichtsratsmitglieder ihre Aufgaben ohnehin unter Beachtung der Sorgfaltspflichten und Verantwortlichkeit nach §§ 116, 93 AktG erfüllen müssten.94 Die Ausübung des Entsendungsrechts soll daher auch während der Mitgliedschaft im Vorstand zulässig sein. Soweit das letztgenannte Argument auf die eigenverantwortliche Aufgabenwahrnehmung der Aufsichtsratsmitglieder und damit auf die nach ganz herrschender Meinung bestehende Weisungsfreiheit auch der entsandten Mitglieder95 abzielt, ist indes zu bedenken, dass eine erhebliche faktische Einflussnahme auch jenseits rechtlich bindender Weisungen möglich ist, insbesondere wegen der jederzeitigen Abberufbarkeit entsandter Mitglieder.96 Die Annahme, der Vorstands-Aktionär könne das von ihm entsandte Aufsichtsratsmitglied ohnehin nicht beeinflussen, erscheint daher eher realitätsfern. Auch die Behauptung, zwischen einem Entsendungsrecht und der Stimmabgabe bei der Aufsichtsratswahl in der Hauptversammlung bestehe keinerlei Unterschied, kann nur bedingt überzeugen. Zwar ist es zutreffend, dass ein Mehrheitsaktionär, der gleichzeitig Vorstandsmitglied ist, sogar sämtliche Aktionärsvertreter im Aufsichtsrat wählen kann, da er insofern nach wohl allgemeiner Ansicht keinem Stimmverbot unterliegt.97 Das Entsendungsrecht geht jedoch tatsächlich und rechtlich weiter als das bloße Wahlrecht.98 Dies zeigt sich bereits daran, dass ein Entsendungsberechtigter den Entsandten nach § 103 Abs. 2 S. 1 AktG jederzeit abberufen kann, während der gewöhnliche Mehrheitsaktionär hierfür zumindest eine Hauptversammlung einberufen muss, welche die Abberufung zudem grundsätzlich mit Dreiviertelmehrheit beschließen muss (§ 103 Abs. 1 AktG). Einem entsendungsberechtigten Vorstandsmitglied wäre es dagegen möglich, ein Aufsichtsratsmitglied umgehend auszutauschen, wenn von ihm ein missliebiges Abstimmungsverhalten droht. Gleichwohl ist der herrschenden Ansicht letztlich zuzustimmen. Denn auch wenn sich das Entsendungsrecht vom Wahlrecht des (Mehrheits-)Aktionärs unterscheidet, lässt sich doch nicht leugnen, dass das Fehlen eines gesetzlichen Stimmverbots bei der Aufsichtsratswahl eine gewisse gesetzgeberische Wertung zum Ausdruck bringt. Die Tatsache, dass mit § 285 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 AktG ein Stimmverbot für den KGaAKomplementär geregelt wurde, für Vorstandsmitglieder der Aktiengesellschaft jedoch nicht, lässt erkennen, dass der Gesetzgeber die Möglichkeit der Einflussnahme von Vorstandsmitgliedern auf die Aufsichtsratsbesetzung zumindest nicht als mit der Organisationsverfassung der AG schlechthin unvereinbar ansieht. Der Grund für die 94

OLG Hamm, ZIP 2008, 1530, 1531. Siehe dazu bereits oben Kap. 1, A. IV. 4. a). 96 Siehe auch dazu bereits Kap. 1, A. IV. 4. a), insb. die Nachweise in Fn. 129. 97 Ein solches ergibt sich insbesondere nicht aus § 136 AktG analog, da diese Vorschrift einer Gesamtanalogie bei jeglichen Formen der Interessenkollision nicht zugänglich ist, siehe dazu bereits oben III. 98 Hopt/M. Roth, in: Großkomm AktG, § 101 Rn. 109. 95

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Kap. 3: Entsendungsrechte und nationales Recht, Grundgesetz, Europarecht

unterschiedliche Behandlung des Problems kann darin gesehen werden, dass der KGaA-Aufsichtsrat insbesondere zur Vertretung der Kommanditaktionäre berufen ist und folglich in der KGaA die Machtverteilung zwischen zwei Gesellschaftergruppen, nämlich den persönlich haftenden Gesellschaftern einerseits und den Kommanditaktionären andererseits, betroffen ist.99 Die Überwachungsfunktion des AG-Aufsichtsrats genügt dagegen allein weder für die Begründung eines Stimmverbots, noch für die Unzulässigkeit eines Entsendungsrechts des Vorstands-Aktionärs. Man wird hier trotz der bedenklichen Einflussmöglichkeiten auch nicht so weit gehen können, die Entsendung eines Aufsichtsratsmitglieds durch ein Vorstandsmitglied als mit dem Wesen der AG schlechthin unvereinbar anzusehen.100 Zwar besteht in dieser Konstellation die abstrakte Gefahr, dass die entsandten Mitglieder ihre Überwachungsfunktion nach § 111 Abs. 1 AktG vernachlässigen könnten. Generell unterstellt werden kann dies aber nicht, zumal entsandte Aufsichtsratsmitglieder den gleichen Pflichten wie alle anderen Mitglieder unterliegen101 und im Falle einer Pflichtverletzung nach §§ 116, 93 Abs. 2 S. 1 AktG haften.102 Eine solche Haftung kommt insbesondere dann in Betracht, wenn ein Mitglied seinen Kontrollpflichten nicht ausreichend nachgekommen ist.103 Für die Geltendmachung derartiger Ansprüche ist zwar grundsätzlich der Vorstand zuständig, er kann jedoch nach § 147 Abs. 1 AktG durch Beschluss der Hauptversammlung hierzu verpflichtet werden.104 Angesichts dieses Haftungsrisikos kann kaum allgemein unterstellt werden, durch Vorstands-Aktionäre entsandte Aufsichtsratsmitglieder würden ihre Überwachungspflichten nicht wahrnehmen.105 Deshalb ist im Ergebnis und im Einklang mit dem geltenden Aktienrecht davon auszugehen, dass auch die Ausübung von Entsendungsrechten durch Aktionäre, die zugleich Mitglieder des Vorstands sind, rechtlich zulässig ist. Der Mindermeinung ist allerdings zuzugeben, dass es zumindest unter Corporate Governance-Gesichtspunkten bedenklich ist, wenn der Vorstand Einfluss auf die Zusammensetzung des Aufsichtsrats nimmt, was

99 Vgl. Perlitt, in: MünchKomm AktG, § 278 Rn. 324; Assmann/Sethe, in: Großkomm AktG, § 287 Rn. 7. 100 Dies hält Semler, in: MünchKomm AktG, 2. Aufl., § 101 Rn. 91 in Bezug auf ein Zustimmungsrecht des Vorstands für die Übertragung von vinkulierten Namensaktien, an die Entsendungsrechte gebunden sind, für vorstellbar. Die Entsendung durch ein Vorstandsmitglied wird allerdings ausdrücklich für zulässig befunden, vgl. Semler, a.a.O., Rn. 73. 101 Siehe dazu bereits oben Kap. 1, A. IV. 4. a). 102 Vgl. Hambloch-Gesinn/Gesinn, in: Hölters, AktG, § 116 Rn. 8; Habersack, in: MünchKomm AktG, § 116 Rn. 10, 67 ff. 103 Vgl. Hopt/M. Roth, in: Großkomm AktG, § 116 Rn. 280. 104 Vgl. Habersack, in: MünchKomm AktG, § 116 Rn. 72. Hinzu kommt die – wenn auch sehr begrenzte – Möglichkeit der Geltendmachung durch einzelne Aktionäre nach § 148 AktG. 105 So dürften auch die Ausführungen des OLG Hamm, ZIP 2008, 1530, 1533 zu verstehen sein.

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auch von Vertretern der herrschenden Ansicht eingeräumt wird.106 Hierauf wird an späterer Stelle zurückzukommen sein.107 2. Entsendungsrecht eines Aufsichtsratsmitglieds Anders als bei der soeben behandelten Frage entsprach es bislang wohl allgemeiner Ansicht, dass die Entsendung durch einen Aktionär, der zugleich selbst Mitglied des Aufsichtsrats ist, zulässig ist. Dies wird von sämtlichen Stimmen, die auch die Entsendung durch Vorstands-Aktionäre zulassen, als unproblematisch angesehen.108 Auch Hopt und M. Roth beschränken sich in ihren abweichenden Ausführungen auf die Vereinbarkeit mit dem Vorstandsamt.109 Lediglich Henssler will neuerdings ein Ruhen des Entsendungsrechts auch dann annehmen, wenn der berechtigte Aktionär Mitglied des Aufsichtsrats ist.110 Dies kann aber nicht überzeugen. Zunächst steht es jedem entsendungsberechtigten Aktionär frei, sich auch selbst in den Aufsichtsrat zu entsenden.111 Hat er daneben das Recht zur Entsendung weiterer Mitglieder, so kann er hiervon Gebrauch machen. Dass dadurch Probleme bei der Arbeit des Aufsichtsrats entstehen sollten, ist nicht ersichtlich. Hier ist abermals auf die individuelle Verantwortlichkeit und Haftung der Aufsichtsratsmitglieder nach §§ 116, 93 AktG abzustellen. Im Übrigen fehlt es auch hier an einer gesetzlichen Vorschrift, aus der sich ein Stimmverbot für Aktionäre mit Aufsichtsratsmandat ergeben würde. Probleme könnten sich allenfalls in dem Fall ergeben, dass ein entsendungsberechtigter Aktionär von der Hauptversammlung in den Aufsichtsrat gewählt wird und daneben sein Entsendungsrecht ausüben möchte. In dieser Konstellation könnte der Aktionär einen über die Drittel-Grenze des § 101 Abs. 2 S. 4 AktG hinausgehenden Einfluss auf den Aufsichtsrat ausüben. Dies wird man indes hinzunehmen haben, da das Aktiengesetz diesbezüglich keinerlei Inkompatibilitätsregelungen vorsieht. § 101 Abs. 2 S. 4 AktG soll lediglich verhindern, dass ein Aktionär den Aufsichtsrat

106 Habersack, in: MünchKomm AktG, § 101 Rn. 32; vgl. auch Hopt/M. Roth, in: Großkomm AktG, § 101 Rn. 125. 107 Siehe unten Kap. 5, C. IV. 1. 108 Habersack, in: MünchKomm AktG § 101 Rn. 32; Spindler, in: Spindler/Stilz, AktG, § 101 Rn. 49; Mertens/Cahn, in: KölnKomm AktG, § 101 Rn. 58; Simons, in: Hölters, AktG, § 101 Rn. 25; Seeling/Zwickel, BB 2008, 622, 624; wohl auch Drygala, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 101 Rn. 13. 109 Vgl. Hopt/M. Roth, in: Großkomm AktG, § 101 Rn. 109, 125. 110 Henssler, in: Henssler/Strohn, GesR, AktG § 101 Rn. 9. Dabei verweist dieser allerdings auf Habersack, in: MünchKomm AktG, § 101 Rn. 32, der gerade die gegenteilige Meinung vertritt. Da auch eine Begründung fehlt, darf insofern zumindest bezweifelt werden, ob hiermit tatsächlich eine abweichende Ansicht begründet werden soll. 111 Habersack, in: MünchKomm AktG, § 101 Rn. 45; Grigoleit/Tomasic, in: Grigoleit, AktG, § 101 Rn. 17.

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allein durch Entsendungsrechte „beherrschen“ kann.112 Eine darüber hinausgehende Einflussnahme ist zulässig, solange sie durch eine entsprechende Stimmrechtsausübung in der Hauptversammlung legitimiert ist. Deshalb steht es auch einem Mehrheitsaktionär generell frei, sich selbst Entsendungsrechte einzuräumen und diese auszuüben; in diesem Fall kann er dennoch auch die übrigen Aufsichtsratsposten durch Wahl in der Hauptversammlung besetzen.

V. § 243 Abs. 2 AktG – Anfechtbarkeit wegen Sondervorteils Eine weitere Norm, die von den Klägern im Fall „ThyssenKrupp“ herangezogen wurde, ist § 243 Abs. 2 AktG. Danach sind Beschlüsse der Hauptversammlung anfechtbar, wenn ein Aktionär mit der Ausübung seines Stimmrechts für sich oder einen Dritten Sondervorteile zum Schaden der Gesellschaft oder der anderen Aktionäre zu erlangen suchte und der jeweilige Beschluss geeignet ist, diesem Zweck zu dienen. Die Einräumung des Entsendungsrechts und die damit verbundene überproportionale Repräsentation der berechtigten Stiftung sei ein Sondervorteil, der weder dem Interesse der Gesellschaft, noch dem der übrigen Aktionäre diene.113 Diese Argumentation kann indes keinesfalls überzeugen. Nach allgemeiner Ansicht setzt ein Sondervorteil i.S.d. § 243 Abs. 2 AktG eine sachwidrige, mit den Interessen der Gesellschaft oder ihrer Aktionäre unvereinbare Bevorzugung voraus.114 Dies lässt sich dahingehend konkretisieren, dass der erstrebte Vorteil rechtlich zu missbilligen sein muss.115 Darüber hinaus muss der Sondervorteil zum Schaden der AG oder der anderen Aktionäre erstrebt werden, wobei es ausreicht, dass der Beschluss zur Herbeiführung einer künftigen Schädigung geeignet ist.116 Die bloße Abstimmung für die Einführung eines Entsendungsrechts erfüllt diese Voraussetzungen nicht. Ein im Gesetz ausdrücklich vorgesehenes Rechtsinstitut wie das Entsendungsrecht nach § 101 Abs. 2 AktG, dessen Erlangung hier den angestrebten Vorteil darstellt, kann

112 Die Vorschrift betrifft insofern lediglich die Kompetenzabgrenzung zwischen Entsendungsberechtigten und Hauptversammlung, welche stets die Mehrheit der Mitglieder bestellen soll, vgl. Begr. RegE AktG 1965, abgedruckt bei: Kropff, AktG, S. 138 f. Wen die Hauptversammlung bestellt, ist aber allein ihr überlassen. 113 Vgl. OLG Hamm, ZIP 2008, 1530, 1532 f. 114 BGHZ 138, 71, 80 f.; Hüffer, in: MünchKomm AktG, § 243 Rn. 75 ff.; Würthwein, in: Spindler/Stilz, AktG, § 243 Rn. 197 ff.; K. Schmidt, in: Großkomm AktG, § 243 Rn. 55; Schwab, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 243 Rn. 21; Englisch, in: Hölters, AktG, § 243 Rn. 56, 60. 115 Schwab, in: Spindler/Stilz, AktG, § 243 Rn. 21; Hüffer, in: MünchKomm AktG, § 243 Rn. 79; Seeling/Zwickel, BB 2008, 622, 624. 116 Vgl. Würthwein, in: Spindler/Stilz, AktG, § 243 Rn. 202; Schwab, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 243 Rn. 21, 23; K. Schmidt, in: Großkomm AktG, § 243 Rn. 57; Koch, in: Hüffer, AktG, § 243 Rn. 33.

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weder als sachwidrig, noch als rechtlich missbilligt angesehen werden.117 Andernfalls könnte die Hauptversammlung die ihr ausdrücklich zustehende Kompetenz zur Einräumung von Entsendungsrechten nicht wahrnehmen und die Norm würde faktisch leer laufen.118 Dafür spricht auch das heutige Verständnis des § 243 Abs. 2 AktG als spezielle Ausprägung der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht.119 Es kann keinesfalls per se gegen die Treuepflicht verstoßen, von einer gesetzlich ausdrücklich zugelassenen Gestaltungsmöglichkeit Gebrauch zu machen. Des Weiteren sieht § 101 Abs. 2 AktG keine Entschädigungspflicht für die in der Schmälerung ihres Wahlrechts liegende Benachteiligung der übrigen Aktionäre durch ein Entsendungsrecht vor, woraus geschlossen werden kann, dass der Gesetzgeber hierin gerade keinen ausgleichspflichtigen Schaden erblickt.120 Es fehlt mithin auch an der Eignung des Beschlusses zur Herbeiführung einer Schädigung. Damit ist eindeutig festzuhalten, dass ein Beschluss über die Einführung eines Entsendungsrechts grundsätzlich nicht nach § 243 Abs. 2 AktG anfechtbar ist.

VI. §§ 124, 131 AktG – Bekanntmachung der Tagesordnung und Auskunftspflicht auf der Hauptversammlung Nur der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass im Fall „ThyssenKrupp“ bezüglich der Abstimmung über das Entsendungsrecht zudem die nicht ordnungsgemäße Bekanntmachung der Tagesordnung gem. § 124 Abs. 4 AktG und die Verletzung der Auskunftspflicht des Vorstands aus § 131 AktG gerügt wurden. Bedeutung und Reichweite des Entsendungsrechts seien in der Bekanntmachung der Tagesordnung nicht hinreichend dargelegt und auch auf der Hauptversammlung durch den Vorstand nicht angemessen erläutert worden.121 Nach dieser Rechtsauffassung müssten folglich für die Beschlussfassung über die Einräumung eines Entsendungsrechts gesteigerte Informationspflichten bestehen. Diesem Ansatz haben das LG Essen122 und das OLG Hamm123 jedoch zu Recht eine deutliche Absage erteilt. 117

Vgl. Seeling/Zwickel, BB 2008, 622, 624; ähnlich Verse, ZIP 2008, 1754, 1758, der sich hier auf die Argumentation zu § 53a AktG stützt, neben dem § 243 Abs. 2 AktG ohnehin redundant sei. 118 Seeling/Zwickel, BB 2008, 622, 624. 119 Vgl. Würthwein, in: Spindler/Stilz, AktG, § 243 Rn. 190; Schwab, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 243 Rn. 20; Englisch, in: Hölters, AktG, § 243 Rn. 52; K. Schmidt, in: Großkomm AktG, § 243 Rn. 52. 120 OLG Hamm, ZIP 2008, 1530, 1533. 121 Vgl. OLG Hamm, ZIP 2008, 1530 f. 122 LG Essen, Urt. v. 29. 6. 2007 – 45 O 15/07, juris, Rn. 24 (nur teilweise abgedruckt in AG 2007, 797). 123 OLG Hamm, ZIP 2008, 1530 f.

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§ 124 Abs. 2 S. 2 AktG verlangt für die Bekanntmachung von Beschlussfassungen über Satzungsänderungen lediglich, dass der Wortlaut der vorgeschlagenen Satzungsänderung wiederzugeben ist. Eine erläuternde Begründung für den vorgeschlagenen Wortlaut oder eine zusätzlich Wiedergabe des wesentlichen Inhalts der Satzungsänderung ist darüber hinaus nicht erforderlich.124 Dass speziell für den Vorschlag der Einführung eines Entsendungsrechts etwas anderes gelten soll, ist nicht ersichtlich. Der Abdruck der zur Abstimmung gestellten Satzungsnorm über das Entsendungsrecht genügt vielmehr auch hier.125 Er allein ist für die ordnungsmäßige Bekanntmachung maßgeblich, auch wenn ihm ein Einleitungstext vorangestellt wird, der sprachliche Ungenauigkeiten oder wertende Aussagen enthält.126 Die Informationspflicht nach § 131 Abs. 1 und 2 AktG verlangt, dass auf entsprechende Fragen in der Hauptversammlung hin erteilte Auskünfte vollständig, zutreffend und sachgemäß sind.127 Der Vorstand muss insofern alles offenbaren, was im Zusammenhang mit der gestellten Frage als bedeutsam anzusehen ist.128 Diese Voraussetzungen sind als erfüllt anzusehen, soweit die maßgeblichen Tatsachen vorgetragen werden.129 Dies betrifft etwa die Person des Entsendungsberechtigten, die Zahl der zu entsendenden Vertreter und die Zahl der weiterhin zu wählenden Aufsichtsratsmitglieder. Sofern es dem Aktionär um weitergehende rechtliche Konsequenzen geht, muss er dies durch gezielte Rückfragen konkretisieren.130 Auch dann ist aber insbesondere hinsichtlich des „Ewigkeitscharakters“ eines Entsendungsrechts131 eine umfassende Rechtsaufklärung und Rechtsberatung durch den Vorstand nicht zu leisten, da dies den Rahmen der Hauptversammlung sprengen würde.132 Erforderlich, aber gleichzeitig ausreichend muss insofern die Information sein, dass das Entsendungsrecht grundsätzlich nur mit Zustimmung des Berechtigten wieder entzogen werden kann.133 Weitergehende Auskunftspflichten wird man aus 124 Kubis, in: MünchKomm AktG, § 124 Rn. 14; Werner, in: Großkomm AktG, § 124 Rn. 35; Rieckers, in: Spindler/Stilz, AktG, § 124 Rn. 16. 125 Der Wortlaut einer solchen Regelung dürfte ohnehin auch für rechtliche Laien weitestgehend selbsterklärend sein. Eine vollkommen unmissverständliche Formulierung wäre zum Beispiel folgende: „Der Aufsichtsrat besteht aus drei Mitgliedern, von denen zwei von der Hauptversammlung gewählt werden und eines von Person XYentsandt wird.“Auch aus anderen Formulierungen ergibt sich aber in aller Regel unproblematisch der wesentliche Inhalt der Regelung, vgl. etwa die entsprechende Satzungsnorm der ThyssenKrupp AG, abgedruckt bei: LG Essen, AG 2007, 797. 126 Vgl. OLG Hamm, ZIP 2008, 1530, 1531. 127 Decher, in: Großkomm AktG, § 131 Rn. 243; Kersting, in: KölnKomm AktG, § 131 Rn. 265; Kubis, in: MünchKomm AktG, § 131 Rn. 77; Siems, in: Spindler/Stilz, AktG, § 131 Rn. 69; Koch, in: Hüffer, AktG, § 131 Rn. 21. 128 Kersting, in: KölnKomm AktG, § 131 Rn. 265. 129 Seeling/Zwickel, BB 2008, 622, 624. 130 Vgl. OLG Hamm, ZIP 2008, 1530, 1531. 131 Siehe dazu ausführlich unten Kap. 4, A. 132 Seeling/Zwickel, BB 2008, 622, 624. 133 OLG Hamm, ZIP 2008, 1530, 1531.

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§ 131 AktG nicht herleiten können. Insbesondere obliegt die Bewertung dieser Rechtsfolge und ihrer Implikationen für die Gesellschaft dem einzelnen Aktionär, der sich notfalls selbst rechtskundig machen muss.134 Weder aus § 124 AktG, noch aus § 131 AktG ergeben sich mithin besondere Erfordernisse für die Beschlussfassung über Entsendungsrechte, die über die üblichen Bekanntmachungs- und Auskunftsmodalitäten hinausgehen.

VII. §§ 33, 33a WpÜG – Verhinderungsverbot Nach Auffassung von Verse sind bei der Begründung von Entsendungsrechten während eines laufenden Übernahmeverfahrens „Einschränkungen“ aus dem übernahmerechtlichen Verhinderungsverbot zu beachten.135 Dieses ist in § 33 Abs. 1 S. 1 WpÜG normiert, wonach der Vorstand der Zielgesellschaft nach Veröffentlichung der Entscheidung zur Abgabe eines Angebots bis zur Veröffentlichung des Ergebnisses keine Handlungen vornehmen darf, durch die der Erfolg des Angebotes verhindert werden könnte. Alternativ kann die Satzung einer Gesellschaft im Rahmen des sog. „Opt in“ nach § 33a Abs. 1 WpÜG vorsehen, dass stattdessen das strengere und damit bieterfreundlichere europäische Verhinderungsverbot gemäß § 33a Abs. 2 WpÜG Anwendung findet.136 Eine Einschränkung für die Einräumung von Entsendungsrechten ergibt sich indes aus beiden Formen des Verhinderungsverbots nicht. Zwar eignen sich Entsendungsrechte grundsätzlich als Abwehrmaßnahmen gegen Übernahmen137 und fallen damit in den sachlichen Anwendungsbereich von § 33 Abs. 1 S. 1 bzw. § 33a Abs. 2 WpÜG. Adressaten der Verbotstatbestände sind jedoch lediglich der Vorstand sowie gegebenenfalls der Aufsichtsrat der Zielgesellschaft.138 Dagegen richten sich nach wohl einhelliger Auffassung im Schrifttum weder das „einfache“, noch das europäische Verhinderungsverbot an die Hauptversammlung.139 Neben dem Wortlaut von § 33 Abs. 1 bzw. § 33a Abs. 2 134

Vgl. LG Essen, Urt. v. 29. 6. 2007 – 45 O 15/07, juris, Rn. 24. Verse, ZIP 2008, 1754. 136 Vgl. Stephan, in: Assmann/Pötzsch/Schneider, WpÜG, § 33a Rn. 1; Schlitt/Ries, in: MünchKomm AktG, § 33a WpÜG Rn. 1. 137 Siehe dazu bereits oben Kap. 1, C. II. 138 Im Rahmen des § 33 WpÜG soll über den Wortlaut hinaus neben dem Vorstand auch der Aufsichtsrat erfasst sein, soweit er ausnahmsweise als Verwaltungs- bzw. Geschäftsführungsorgan tätig wird, vgl. Schlitt/Ries, in: MünchKomm AktG, § 33 WpÜG Rn. 59 ff.; Hirte, in: KölnKomm WpÜG, § 33 Rn. 45 ff.; Grunewald, in: Baums/Thoma, WpÜG, § 33 Rn. 22; Steinmeyer, in: ders., WpÜG, § 33 Rn. 13; Röh, in: Haarmann/Schüppen, WpÜG, § 33 Rn. 34; a.A. Krause/Pötzsch/Stephan, in: Assmann/Pötzsch/Schneider, WpÜG, § 33 Rn. 74 ff. Beim europäischen Verhinderungsverbot ist dagegen auch der Aufsichtsrat nach § 33a Abs. 2 WpÜG ausdrücklich und damit stets erfasst, vgl. nur Kiem, in: Baums/Thoma, WpÜG, § 33a Rn. 32. 139 Für § 33 WpÜG Krause/Pötzsch/Stephan, in: Assmann/Pötzsch/Schneider, WpÜG, § 33 Rn. 80; Hirte, in: KölnKomm WpÜG, § 33 Rn. 46; Schlitt/Ries, in: MünchKomm AktG, § 33 WpÜG Rn. 63; Steinmeyer, in: ders., WpÜG, § 33 Rn. 13; Ekkenga, in: Ehricke/Ekkenga/ Oechsler, WpÜG, § 33 Rn. 5, 24; Glade, in: Heidel, Aktienrecht, § 33 WpÜG Rn. 4. Für § 33a 135

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WpÜG ergibt sich dies – jedenfalls für § 33a WpÜG – unmissverständlich aus den Gesetzesmaterialien.140 Darüber hinaus erlauben es sowohl § 33 Abs. 2 S. 1 als auch § 33a Abs. 2 S. 2 Nr. 1 WpÜG der Hauptversammlung ausdrücklich, den Vorstand zur Vornahme von Handlungen zur Verhinderung einer Übernahme zu ermächtigen.141 Insofern wäre es vollkommen widersinnig, wenn das Gesetz ihr gleichzeitig den Beschluss „eigener“ Abwehrmaßnahmen untersagen wollte.142 Das Verhinderungsverbot dient vielmehr dem Schutz der Entscheidungsfreiheit der Aktionäre der Zielgesellschaft hinsichtlich der Annahme oder Nichtannahme des Angebots.143 Diese Entscheidung soll durch Abwehrmaßnahmen des Vorstands oder des Aufsichtsrats nicht beeinträchtigt werden.144 Der Beschluss einer Abwehrmaßnahme durch die Hauptversammlung und damit durch die Aktionäre selbst muss jedoch ebenso wie die Ablehnung des Angebots zulässig sein, da auch dies durch ihre Entscheidungsfreiheit legitimiert ist, die das Verhinderungsverbot gerade schützen will. Da Entsendungsrechte ausnahmslos nur durch die Satzung und somit durch entsprechenden Beschluss der Hauptversammlung begründet werden können, ist ihre Einräumung vom Verbot der §§ 33, 33a WpÜG folglich nicht erfasst. Etwas anderes gilt auch nicht hinsichtlich der Einberufung einer Hauptversammlung zur Beschlussfassung über die Einführung eines Entsendungsrechts oder der Unterbreitung eines entsprechenden Beschlussvorschlags durch den Vorstand. Dieser darf nach der Veröffentlichung eines Übernahmeangebots eine Hauptversammlung einberufen (vgl. § 16 Abs. 3 WpÜG), etwa zur Beschlussfassung über Ad hoc-Ermächtigungen für Abwehrmaßnahmen.145 Da das Gesetz dem Vorstand diese Handlungsmöglichkeit ausdrücklich eröffnet, kann darin kaum gleichzeitig ein

WpÜG Stephan, in: Assmann/Pötzsch/Schneider, WpÜG, § 33a Rn. 33; Kiem, in: Baums/ Thoma, WpÜG, § 33a Rn. 33; Schlitt/Ries, in: MünchKomm AktG, § 33a WpÜG Rn. 28; Noack/Zetzsche, in: Schwark/Zimmer, KapMarktR, § 33a WpÜG Rn. 13; Hirte, in: KölnKomm WpÜG, § 33a Rn. 15. 140 Begr. RegE zu § 33a WpÜG, BT-Drucks. 16/1003, S. 19 („Die Hauptversammlung einer Zielgesellschaft unterliegt nicht dem Verhinderungsverbot“); vgl. auch Schlitt/Ries, in: MünchKomm AktG, § 33a WpÜG Rn. 28; Hirte, in: KölnKomm WpÜG, § 33a Rn. 15; Noack/ Zetzsche, in: Schwark/Zimmer, KapMarktR, § 33a WpÜG Rn. 13. 141 § 33 Abs. 2 S. 1 WpÜG betrifft zwar ausdrücklich nur Ermächtigungen vor der Veröffentlichung der Entscheidung zur Abgabe eines Übernahmeangebots. Auch Ad-hoc-Ermächtigungen in der konkreten Übernahmesituation sind aber nach allgemeiner Ansicht zulässig, vgl. nur Schlitt/Ries, in: MünchKomm AktG, § 33 WpÜG Rn. 189 m.w.N. 142 Vgl. Krause/Pötzsch/Stephan, in: Assmann/Pötzsch/Schneider, WpÜG, § 33 Rn. 80; Hirte, in: KölnKomm WpÜG, § 33 Rn. 46; Schlitt/Ries, in: MünchKomm AktG, § 33 WpÜG Rn. 63. 143 Kiem, in: Baums/Thoma, WpÜG, § 33a Rn. 33; vgl. auch Kainer, ZHR 168 (2004), 542, 549. 144 Schlitt/Ries, in: MünchKomm AktG, § 33a WpÜG Rn. 28. 145 Schlitt/Ries, in: MünchKomm AktG, § 33 WpÜG Rn. 125, 189 ff.; Krause/Pötzsch/ Stephan, in: Assmann/Pötzsch/Schneider, WpÜG, § 33 Rn. 124.

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Verstoß gegen das Verhinderungsverbot gesehen werden.146 Hinzu kommt, dass allein durch die Einberufung einer Hauptversammlung den Aktionären das Letztentscheidungsrecht über Annahme oder Ablehnung des Angebots nicht genommen wird.147 Die gilt ebenso für die Unterbreitung eines Beschlussvorschlags über eine entsprechende Satzungsänderung, die deshalb ebenfalls zulässig sein muss.148 Über die Begründung des Entsendungsrechts entscheidet letztlich stets die Hauptversammlung, die – wie soeben gezeigt – gerade nicht an das Verhinderungsverbot gebunden ist und deshalb jederzeit Abwehrmaßnahmen beschließen darf. Auch auf vorgeschaltete bzw. vorbereitende Maßnahmen des Vorstands kann insofern nicht abgestellt werden, da anderenfalls die Entscheidungsfreiheit der Aktionäre auf diesem Umweg letztlich doch eingeschränkt würde.149

VIII. § 5 BörsZulV Für börsennotierte Aktiengesellschaften könnte sich eine Einschränkung der Zulässigkeit von Entsendungsrechten schließlich aus § 5 Abs. 1 der Börsenzulassungs-Verordnung (BörsZulV) ergeben. Danach müssen Wertpapiere frei handelbar sein, um zum regulierten Markt zugelassen zu werden. Ihre Übertragung darf deshalb grundsätzlich keinen rechtlichen oder faktischen Schranken unterliegen.150 Bei der Frage, ob sich hieraus Beschränkungen für Entsendungsrechte ergeben, ist zu differenzieren: Persönliche Entsendungsrechte sind allein an die Person des Aktionärs gebunden und beeinträchtigen die Übertragbarkeit der Aktie nicht. Für sie bestehen folglich keinerlei Schranken. Aktiengebundene Entsendungsrechte sind dagegen nach § 101 Abs. 2 S. 2 AktG nur zulässig, wenn es sich um vinkulierte Namensaktien handelt. Die Vinkulierung behindert aber grundsätzlich die freie Übertragbarkeit nach § 5 Abs. 1 BörsZulV, sodass es hier zu Problemen kommen könnte.151 Allerdings können gem. § 5 Abs. 2 Nr. 2 BörsZulV auch vinkulierte Aktien zum Handel 146 Krause/Pötzsch/Stephan, in: Assmann/Pötzsch/Schneider, WpÜG, § 33 Rn. 124; Schlitt/Ries, in: MünchKomm AktG, § 33 WpÜG Rn. 125. 147 Krause/Pötzsch/Stephan, in: Assmann/Pötzsch/Schneider, WpÜG, § 33 Rn. 124. 148 Vgl. Hopt, ZGR 1993, 534, 559 (in Bezug auf die allgemeine Neutralitätspflicht des Vorstands). Ein bloßer Beschlussvorschlag ist insofern vergleichbar mit Werbemaßnahmen des Vorstands gegen ein Übernahmeangebot. Solche Werbemaßnahmen sollen nach überwiegender Ansicht ebenfalls zulässig sein, siehe Krause/Pötzsch/Stephan, in: Assmann/Pötzsch/Schneider, WpÜG, § 33 Rn. 122; Hirte, in: KölnKomm WpÜG, § 33 Rn. 63; Schlitt/Ries, in: MünchKomm AktG, § 33 WpÜG Rn. 120; Steinmeyer, in: ders., WpÜG, § 33 Rn. 17; Ekkenga, in: Ehricke/Ekkenga/Oechsler, WpÜG, § 33 Rn. 94; a.A. allerdings Röh, in: Haarmann/ Schüppen, WpÜG, § 33 Rn. 59; Möslein, Grenzen unternehmerischer Leitungsmacht, S. 504. 149 Vgl. Ekkenga, in: Ehricke/Ekkenga/Oechsler, WpÜG, § 33 Rn. 28; Hopt, ZGR 1993, 534, 559. 150 Vgl. Willamowski, in: Heidel, Aktienrecht, § 5 BörsZulV Rn. 1; Groß, KapMarktR, §§ 1 – 12 BörsZulV Rn. 9. 151 Dies dürfte ein Grund dafür sein, dass bei börsennotierten Gesellschaften persönliche Entsendungsrechte weitaus häufiger anzutreffen sind, siehe oben Kap. 2, A. II. 2. a).

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zugelassen werden, wenn das Zustimmungserfordernis nicht zu einer Störung des Börsenhandels führt. Darüber hinaus ist es nach § 7 Abs. 1 S. 2 BörsZulV zumindest unter bestimmten Voraussetzungen möglich, einzelne Aktien von der Zulassung auszunehmen.152 Dies gilt ohnehin, wenn es sich bei den entsendungsberechtigten Aktien um eine besondere Gattung handelt.153 Dennoch dürfte für börsennotierte Gesellschaften die Statuierung persönlicher Entsendungsrechte sicherer und deshalb empfehlenswert sein.

IX. Exkurs: Entsendungsrechte und Konzernrecht Entsendungsrechte finden sich nicht selten in Konzernstrukturen, insbesondere bei abhängigen Gesellschaften.154 Sie können hier etwa Minderheitsaktionären als eine Art Sicherheit eingeräumt werden155 oder einem herrschenden Unternehmen zur zusätzlichen Absicherung der Einflussmacht dienen. Im konzernrechtlichen Kontext ergeben sich einige besondere Fragen. Von Interesse erscheint insbesondere, welche Auswirkungen das Bestehen von Entsendungsrechten auf den für das Aktienkonzernrecht zentralen156 Tatbestand der Abhängigkeit nach § 17 AktG haben kann. 1. Abhängigkeit durch Entsendungsrechte (§ 17 Abs. 1 AktG) Es stellt sich zunächst die Frage, ob aufgrund von Entsendungsrechten zugunsten eines beteiligten Unternehmens ein beherrschender Einfluss und damit eine Abhängigkeit i.S.v. § 17 Abs. 1 AktG begründet werden kann. Beherrschender Einfluss ist in aller Regel gleichbedeutend mit der „Personalentscheidungsgewalt“157 bzw. „Personalhoheit“158, also der Möglichkeit, über die personelle Besetzung der Verwaltungsorgane unmittelbar (Aufsichtsrat) oder zumindest mittelbar (Vorstand) bestimmen zu können.159 Diese wird regelmäßig durch eine Mehrheitsbeteiligung 152

Dazu näher Heidelbach, in: Schwark/Zimmer, KapMarktR, § 7 BörsZulV Rn. 2 ff. Vgl. Groß, KapMarktR, §§ 1 – 12 BörsZulV Rn. 12. Zwar gelten die Aktien der Entsendungsberechtigten nach § 101 Abs. 2 S. 3 AktG nicht als besondere Gattung. Es dürfte aber möglich sein, sie abgesehen vom Entsendungsrecht mit weiteren besonderen Rechten auszustatten und etwa als Vorzugsaktie auszugestalten. 154 C. W. Vogel, Aktienrecht und Aktienwirklichkeit, S. 140. Siehe dazu bereits oben Kap. 2. A. 155 Möslein, AG 2007, 770, 771. 156 Vgl. Bayer, in: MünchKomm AktG, § 17 Rn. 2; Fett, in: Bürgers/Körber, AktG, § 17 Rn. 1; Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 3 Rn. 15; Kuhlmann/Ahnis, Konzern- und UmwR, Rn. 46. 157 Bayer, in: MünchKomm AktG, § 17 Rn. 26 f. 158 Emmerich, in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, § 17 Rn. 36. 159 Bayer, in: MünchKomm AktG, § 17 Rn. 26; Emmerich, in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, § 17 Rn. 6 f.; Vetter, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 17 Rn. 6; Koch, in: Hüffer, AktG, § 17 Rn. 5; Kuhlmann/Ahnis, Konzern- und UmwR, Rn. 68. 153

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und damit verbundener Stimmrechtsmehrheit in der Hauptversammlung gewährleistet sein, da es einem Mehrheitsaktionär im deutschen Aktienrecht grundsätzlich frei steht, den Aufsichtsrat ausschließlich mit Personen seines Vertrauens zu besetzen.160 Soweit ein Unternehmen also bereits aufgrund einer Mehrheitsbeteiligung über die Stimmrechtsmehrheit verfügt und deshalb „herrschendes Unternehmen“ i.S.d. § 17 Abs. 1 AktG ist, bedarf es zusätzlicher Entsendungsrechte grundsätzlich nicht. Diese können allenfalls dazu dienen, den Einfluss zusätzlich abzusichern, insbesondere für den Fall einer zukünftigen Verringerung des Aktienbestandes. Für den Abhängigkeitstatbestand des § 17 AktG spielen Entsendungsrechte von Mehrheitsaktionären aber keine entscheidende Rolle. Lediglich in Fällen, in denen ein beteiligtes Unternehmen nicht über die Stimmrechtsmehrheit verfügt, können zu seinen Gunsten bestehende Entsendungsrechte relevant werden. Es ist insofern allerdings weitgehend anerkannt, dass allein durch das Bestehen von Entsendungsrechten nach § 101 Abs. 2 AktG keine Abhängigkeit i.S.d. § 17 Abs. 1 AktG begründet werden kann.161 Dem ist uneingeschränkt zuzustimmen. Aufgrund der Begrenzung auf ein Drittel der Aktionärsvertreter nach § 101 Abs. 2 S. 4 AktG sind Entsendungsrechte in der Aktiengesellschaft für sich betrachtet nicht geeignet, einen herrschenden Einfluss zu vermitteln, da stets nur eine Minderheit der Aufsichtsratsmitglieder entsandt werden kann.162 Allein damit kann nicht einmal die Tätigkeit des Aufsichtsrats und folglich erst recht nicht die Geschäftsführung der Gesellschaft entscheidend beeinflusst werden.163 Auf eine Differenzierung im Einzelfall164 kommt es insofern nicht an, da Entsendungsrechte allein niemals zur Abhängigkeitsbegründung ausreichen. Anders ist dies dagegen zu beurteilen, wenn Entsendungsrechte mit sonstigen Beherrschungsmitteln eines Minderheitsaktionärs zusammentreffen. Insofern können sie einerseits einen bereits bestehenden Einfluss, etwa auf Grund einer erfahrungsgemäß niedrigen Hauptversammlungspräsenz, „verstärken“.165 Andererseits können sie in Kumulation mit weiteren Faktoren aber auch entscheidend zur Ent160

Vgl. Bayer, in: MünchKomm AktG, § 17 Rn. 26; Dierdorf, Herrschaft und Abhängigkeit, S. 45. 161 Koppensteiner, in: KölnKomm AktG, § 17 Rn. 50; Bayer, in: MünchKomm AktG, § 17 Rn. 41; Schall, in: Spindler/Stilz, AktG, § 17 Rn. 26; Krieger, in: MünchHdb AG, § 68 Rn. 46; Koch, in: Hüffer, AktG, § 17 Rn. 9; Grigoleit, in: Grigoleit, AktG, § 17 Rn. 14; Dierdorf, Herrschaft und Abhängigkeit, S. 153; vgl. auch BGH, AG 2012, 594, 596; OLG Düsseldorf, AG 1993, 36, 39. Auch die Ausführungen von Vetter, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 17 Rn. 40 dürften nicht anders zu verstehen sein, da dieser sich nur auf durch Entsendungsrechte „mitbedingte Dominanz“ im Zusammenwirken mit personellen Verflechtungen bezieht; siehe dazu sogleich. Anders aber wohl P. W. Vogel, Entsendung, S. 48 f. (zu § 15 Abs. 2 AktG 1937). 162 Vgl. Koppensteiner, in: KölnKomm AktG, § 17 Rn. 50. 163 Dierdorf, Herrschaft und Abhängigkeit, S. 153. 164 So neuerdings Emmerich, in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, § 17 Rn. 19 („maßgebend sind die Umstände des Einzelfalles“). 165 BGHZ 135, 107, 114 f.; BGH, AG 2012, 594, 595; Krieger, in: MünchHdb AG, § 68 Rn. 46; Koch, in: Hüffer, AktG, § 17 Rn. 9.

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Kap. 3: Entsendungsrechte und nationales Recht, Grundgesetz, Europarecht

stehung eines beherrschenden Einflusses beitragen.166 So ist einem Entsendungsberechtigten gegebenenfalls die mehrheitliche Besetzung des Aufsichtsrats möglich, wenn neben dem Entsendungsrecht Stimmbindungsabreden mit anderen Aktionären bestehen.167 Kann beispielsweise ein Unternehmen mit Minderheitsbeteiligung zwei von sechs Aufsichtsräten entsenden und hat es gleichzeitig Stimmbindungsverträge abgeschlossen, die ihm die Wahl zweier weiterer, von ihm vorgeschlagener Kandidaten in der Hauptversammlung garantieren, so kann es faktisch über die Mehrheit der Aufsichtsratsmandate entscheiden und damit beherrschenden Einfluss auf die Gesellschaft ausüben. Gleiches kann sich ergeben, wenn neben den Entsendungsmandaten weitere personelle Verflechtungen im Aufsichtsrat bestehen168 oder sonstige, auch rein tatsächliche Umstände die Möglichkeit der Einflussnahme nahe legen.169 Entscheidend kommt es hier stets auf das Zusammenwirken mit anderweitigen besonderen Umständen an, die neben dem Entsendungsrecht zu einer Minderheitsbeteiligung hinzutreten müssen. Auch eine bedeutende Minderheitsposition genügt in Verbindung mit einem Entsendungsrecht im Grundsatz noch nicht für einen beherrschenden Einfluss, solange sie nicht die Möglichkeit gewährt, auch auf die Wahl in der Hauptversammlung oder zumindest das Abstimmungsverhalten gewählter Aufsichtsratsmitglieder entscheidenden Einfluss zu nehmen. Es müssen neben dem Entsendungsrecht stets noch weitere Faktoren hinzukommen, die zur Begründung der Abhängigkeit i.S.v. § 17 Abs. 1 AktG beitragen. 2. Unabhängigkeit durch Entsendungsrechte (§ 17 Abs. 2 AktG) Umgekehrt ist zu fragen, ob das Bestehen von Entsendungsrechten für Minderheitsaktionäre im Falle eines in Mehrheitsbesitz stehenden Unternehmens die Abhängigkeitsvermutung des § 17 Abs. 2 AktG zu widerlegen vermag. Hält ein Unternehmen eine Mehrheitsbeteiligung an einem anderen Unternehmen, so begründet dies nach § 17 Abs. 2 i.V.m. § 16 Abs. 1 AktG eine Vermutung für ein Abhängigkeitsverhältnis. Diese Vermutung kann aber widerlegt werden, wenn nachgewiesen wird, dass aufgrund besonderer Umstände trotz Anteils- bzw. Stimmrechtsmehrheit keine Herrschaftsmacht begründet wird, also kein beherrschender Einfluss ausgeübt werden kann.170 Dies kann sich etwa aus Satzungsklauseln, die qualifizierte Mehrheitserfordernisse aufstellen, oder aus Entherrschungsverträgen ergeben.171 166 Fett, in: Bürgers/Körber, AktG, § 17 Rn. 13; Emmerich, in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, § 17 Rn. 19; Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 3 Rn. 31. 167 Fett, in: Bürgers/Körber, AktG, § 17 Rn. 13. 168 Vgl. Vetter, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 17 Rn. 40. 169 Vgl. BGHZ 135, 107, 114 f.; BGH, AG 2012, 594, 595; ferner OLG Düsseldorf, AG 2008, 859, 861 für eine öffentliche Anstalt. 170 Vgl. Bayer, in: MünchKomm AktG, § 17 Rn. 91; Krieger, in: MünchHdb AG, § 68 Rn. 58; Fett, in: Bürgers/Körber AktG, § 17 Rn. 28.

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Stehen nun einem anderen Aktionär als dem mehrheitlich beteiligten Unternehmen Entsendungsrechte nach § 101 Abs. 2 AktG zu, so ist fraglich, ob auch dies die Widerlegung der Abhängigkeitsvermutung ermöglicht. Die Mehrheitsbeteiligung gewährleistet dann nicht die Besetzung der gesamten Anteilseignerbank im Aufsichtsrat. In der Aktiengesellschaft bedeutet beherrschender Einfluss aber gerade, über Wahl und Abwahl des Aufsichtsrats entscheiden zu können172 und damit mittelbar die Zusammensetzung des Vorstands bestimmen zu können.173 Gleichwohl genügen Entsendungsrechte grundsätzlich nicht zur Widerlegung der Vermutung des § 17 Abs. 2 AktG.174 Aufgrund der Begrenzung des § 101 Abs. 2 S. 4 AktG kann höchstens ein Drittel der Anteilseignervertreter entsandt werden, sodass das mehrheitlich beteiligte Unternehmen weiterhin die Aufsichtsratsmehrheit wählen175 und damit insbesondere auf die Wahl des Vorstands mittelbar Einfluss nehmen kann. Seine Herrschaftsmacht wird durch Entsendungsrechte folglich nicht entscheidend beeinträchtigt. Noch weitgehend ungeklärt ist indes, ob dies auch in einer mitbestimmten Gesellschaft gilt.176 Zwar ist selbst die paritätische Montan-Mitbestimmung nach zutreffender Ansicht für sich genommen nicht geeignet, die Abhängigkeitsvermutung zu widerlegen.177 Bestehen daneben Entsendungsrechte von Minderheitsgesellschaftern, wird man die Frage aber anders beantworten müssen.178 Die Kombination aus (quasi-)paritätischer Mitbestimmung und Entsendungsrechten hat zur Folge, dass ein mehrheitlich beteiligtes Unternehmen nur noch eine Minderheit der Aufsichtsratsmitglieder wählen kann. Insbesondere bei der Vorstandswahl können diese Mitglieder jederzeit von den Arbeitnehmervertretern und den entsandten Mitgliedern überstimmt werden.179 Die Mehrheitsbeteiligung gewährleistet folglich keine Personalhoheit und damit keinen beherrschenden Einfluss;180 vielmehr ist die Möglichkeit der Einflussnahme vom Abstimmungsverhalten Dritter abhängig, die dem 171

Krieger, in: MünchHdb AG, § 68 Rn. 60 ff.; Bayer, in: MünchKomm AktG, § 17 Rn. 98 ff.; Emmerich, in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, § 17 Rn. 37 ff.; Koch, in: Hüffer, AktG, § 17 Rn. 21 f. 172 Vgl. Krieger, in: MünchHdb AG, § 68 Rn. 60. 173 Emmerich, in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, § 17 Rn. 36; Windbichler, in: Großkomm AktG, § 17 Rn. 71. 174 Bayer, in: MünchKomm AktG, § 17 Rn. 98. 175 Vgl. Dierdorf, Herrschaft und Abhängigkeit, S. 45, Fn. 136. 176 Vgl. Bayer, in: MünchKomm AktG, § 17 Rn. 98 („noch offen“). 177 Schall, in: Spindler/Stilz, AktG, § 17 Rn. 54; Bayer, in: MünchKomm AktG, § 17 Rn. 92; Vetter, in: Spindler/Stilz, AktG, § 17 Rn. 55; Koch, in: Hüffer, AktG, § 17 Rn. 11; a.A. allerdings Koppensteiner, in: KölnKomm AktG, § 17 Rn. 120; Windbichler, in: Großkomm AktG, § 17 Rn. 84. 178 So auch Vetter, in: Spindler/Stilz, AktG, § 17 Rn. 55. 179 Siehe zu dieser Konstellation bereits oben Kap. 1, A. IV. 3. c). Zu den Implikationen für das Eigentumsgrundrecht der (Mehrheits-)Aktionäre, siehe unten C. I. 180 Vgl. Hopt/M. Roth, in: Großkomm AktG, § 101 Rn. 130; Habersack, in: MünchKomm AktG, § 101 Rn. 53.

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Kap. 3: Entsendungsrechte und nationales Recht, Grundgesetz, Europarecht

Druckmittel der Abwahl durch das mehrheitlich beteiligte Unternehmen nicht ausgesetzt sind. Im Unterschied zu unabhängigen Aufsichtsratsmitgliedern181 sind entsandte Mitglieder auch keineswegs auf die Kontrolle der Geschäftspolitik beschränkt, sondern können eigene, vom Interesse des Mehrheitsgesellschafters abweichende unternehmenspolitische Ziele verfolgen. Damit schließen Entsendungsrechte von Minderheitsaktionären in der (quasi-)paritätisch mitbestimmten Aktiengesellschaft die verlässliche Einflussnahmemöglichkeit182 eines mehrheitlich beteiligten Unternehmens im Grundsatz aus.183 Selbiges kann je nach Aufsichtsratsgröße in Gesellschaften gelten, die dem DrittelbG unterliegen, wenn die Höchstgrenze des § 101 Abs. 2 S. 4 AktG ausgeschöpft wird.184 Sofern keine anderweitigen Beherrschungsmittel bestehen,185 muss dies zur Widerlegung der Abhängigkeitsvermutung nach § 17 Abs. 2 AktG ausreichen.

X. Exkurs: Entsendungsrechte und Geschlechterquote Schon seit geraumer Zeit gibt es Bestrebungen, den Anteil weiblicher Mitglieder in den Aufsichtsräten großer börsennotierter Unternehmen deutlich zu erhöhen. Zu diesem Zweck hat die Bundesregierung am 20. 1. 2015 einen Gesetzesentwurf186 in das Gesetzgebungsverfahren eingebracht, der eine verbindliche 30 %-Quote für börsennotierte, (quasi-)paritätisch mitbestimmte Gesellschaften vorsieht. Dabei ist der Mindestanteil durch Aktionäre und Arbeitnehmer grundsätzlich gemeinsam zu erfüllen, sofern nicht eine Seite der Gesamterfüllung widerspricht; ferner ist stets zur vollen Personenzahl auf- oder abzurunden.187 Dieser Entwurf ist mittlerweile von Bundestag und Bundesrat angenommen worden und steht kurz vor der Ausfertigung.188 Die Quote soll ab dem 1. 1. 2016 zu beachten sein.189 Eine grundlegende

181

Vgl. Schall, in: Spindler/Stilz, AktG, § 17 Rn. 55. Siehe zum Erfordernis der Verlässlichkeit etwa Vetter, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 17 Rn. 12, 52. 183 Vetter, in: Spindler/Stilz, AktG, § 17 Rn. 55. 184 Siehe dazu bereits oben Kap. 1, A. IV. 3. c), insb. Fn. 101. 185 Nach h.M. muss auch dies unter Beweis gestellt werden, vgl. Koch, in: Hüffer, AktG, § 17 Rn. 19 f.; Emmerich, in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, § 17 Rn. 39; Bayer, in: MünchKomm AktG, § 17 Rn. 95; Fett, in: Bürgers/Körber, AktG, § 17 Rn. 29. 186 Entwurf der Bundesregierung eines Gesetzes für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern an Führungspositionen in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst, BT-Drucks. 18/3784. Siehe näher zum Entwurf C. Teichmann/Rüb, BB 2015, 259 ff.; zum vorangegangenen Referentenentwurf Redenius-Hövermann/Strenger, Der Konzern 2014, 373 ff. 187 § 96 Abs. 2 AktG-E i. d. F. des RegE vom 20. 1. 2015, BT-Drucks. 18/3784, S. 28; siehe dazu auch C. Teichmann/Rüb, BB 2015, 259, 260. 188 Vgl. FAZ v. 7. 3. 2015, S. 1 und FAZ v. 28. 3. 2015, S. 20. 182

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Bewertung wäre hier fehl am Platz; es soll aber zumindest knapp darauf eingegangen werden, wie die Quote rechtstechnisch verwirklicht werden soll und wie Entsendungsrechte in diesem Zusammenhang behandelt werden sollen. 1. Regelung des Regierungsentwurfs Nach dem Regierungsentwurf sollen eine Wahl der Mitglieder des Aufsichtsrats durch die Hauptversammlung und eine Entsendung in den Aufsichtsrat unter Verstoß gegen das Mindestanteilsgebot von 30 % nichtig sein.190 Nach der Vorstellung der Entwurfsverfasser sind folglich auf der Anteilseignerseite auch entsandte Mitglieder in die Berechnungsgrundlage für die Einhaltung der Quote einzubeziehen.191 Die Quote ist „gemeinsam zu erfüllen“, was zur Folge hätte, „dass die jeweils zeitlich zuerst stattfindende Handlung (entweder Entsendung oder Wahl eines Aufsichtsratsmitglieds) die andere Handlung beeinflusst.“192 Betont wird zudem, dass, sofern die Wahlen in der Hauptversammlung vorangegangen sind, gegebenenfalls „eine Frau als Mitglied entsandt werden muss“.193 Theoretisch sind damit sowohl die Hauptversammlung als auch die Inhaber von Entsendungsrechten an die Quote gebunden.194 2. Kritische Würdigung An dieser Regelungstechnik ist bereits in der Vergangenheit berechtigte Kritik geübt worden. So wird argumentiert, dass eine allein vom zeitlichen Entscheidungsmoment abhängige wechselseitige Beeinflussung zwischen Hauptversammlung und Entsendungsberechtigten willkürlich sei.195 Darüber hinaus sei eine Anrechnungs- bzw. Einbeziehungslösung, wie sie auch der Regierungsentwurf verfolgt, schlicht nicht praktikabel. Aufgrund seiner jederzeitigen Abberufungsbefugnis könne ein Entsendungsberechtigter die Quote „platzen“ lassen, wofür in der Folge 189 § 25 Abs. 2 EGAktG-E i. d. F. des RegE vom 20. 1. 2015, BT-Drucks. 18/3784, S. 30; siehe auch C. Teichmann/Rüb, BB 2015, 259, 261; Redenius-Hövermann/Strenger, Der Konzern 2014, 373, 374. 190 § 96 Abs. 2 S. 6 AktG-E i. d. F. des RegE vom 20. 1. 2015, BT-Drucks. 18/3784, S. 28. 191 So ausdrücklich die Begr. RegE vom 20. 1. 2015, BT-Drucks. 18/3784, S. 121. 192 Begr. RegE vom 20. 1. 2015, BT-Drucks. 18/3784, S. 121. 193 Begr. RegE vom 20. 1. 2015, BT-Drucks. 18/3784, S. 121. 194 Dies war so nicht vorgesehen im Gesetzesentwurf der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vom 13. 10. 2010, BT-Drucks. 17/3296, S. 3, 8. Danach sollten entsandte Mitglieder auf die Mindestquote angerechnet werden, die Verpflichtung zur Einhaltung der Quote aber wohl nur die Hauptversammlung treffen. Der Gesetzesantrag des Landes Nordrhein-Westfalen vom 11. 2. 2011, BR-Drucks. 87/11, S. 2, 37 f. enthielt eine nochmals differenzierende Regelung: Eine Anrechnung entsandter Mitglieder war danach nur für den Fall vorgesehen, dass diese bereits vor der Wahl entsandt wurden. Kritisch dazu Brandt, Gleichstellungsquote, S. 47 und S. 200 ff. 195 Brandt, Gleichstellungsquote, S. 200 f.

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Kap. 3: Entsendungsrechte und nationales Recht, Grundgesetz, Europarecht

die Gesellschaft sanktioniert werden würde. Auch sei im Falle einer der Wahl nachfolgenden Entsendung völlig unklar, wie viele Mitglieder welchen Geschlechts die Hauptversammlung wählen darf. Daraus resultierten eine erhebliche Rechtsunsicherheit sowie ein offensichtliches Missbrauchspotenzial.196 Weniger überzeugt dagegen die Argumentation, durch die Bindung der Inhaber von Entsendungsrechten an die Geschlechterquote werde deren Rechtsposition übermäßig beeinträchtigt.197 Weder die Bedeutung des Entsendungsrechts für seinen Inhaber, noch der Sonderrechtscharakter sprechen per se dagegen, ein solches Recht durch Gesetz an zusätzliche Voraussetzungen zu knüpfen. Die Kritik, ein (männlicher) entsendungsberechtigter Aktionär könne sich bei Bindung an die Quote möglicherweise nicht einmal mehr selbst in den Aufsichtsrat entsenden,198 trägt schon deshalb nicht, weil dies bereits nach geltendem Recht der Fall sein kann: Entsandte Aufsichtsratsmitglieder müssen nämlich wie alle anderen die allgemeinen Bestellungsvoraussetzungen erfüllen, die sich aus dem Gesetz und gegebenenfalls der Satzung ergeben.199 Sieht die Satzung etwa eine Höchstaltersgrenze für Aufsichtsratsmitglieder vor,200 so kann sich ein Entsendungsberechtigter, der diese überschreitet, auch nicht selbst entsenden. Darin liegt aber keinesfalls eine unangemessene Einschränkung des Entsendungsrechts. Vielmehr ist es geradezu eine Selbstverständlichkeit, dass auch die Inhaber von Entsendungsrechten allgemeine Vorgaben des Aktienrechts oder der Satzung zu beachten haben. Zweifellos muss die Einführung einer verbindlichen Quote insgesamt unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten überprüft werden;201 entsendungsberechtigte Aktionäre genießen hier aber nicht zwingend einen weitergehenden Schutz.

196

Brandt, Gleichstellungsquote, S. 202; ganz ähnlich bereits der Bericht der Länderarbeitsgruppe „Teilhabe von Frauen in Führungs- und Kontrollgremien der Wirtschaft“, S. 181 ff. An der praktischen Umsetzung zweifelnd auch Jung, DStR 2014, 960, 962. 197 So aber Brandt, Gleichstellungsquote, S. 201 f., jedenfalls für den Fall, dass durch eine vorweggenommene Wahl der Hauptversammlung der Entsendungsberechtigte ausschließlich auf ein Geschlecht beschränkt ist; ebenso Lange, in: Stiftung Familienunternehmen, Gesetzliche Frauenquote, S. 31, der Zweifel an der Vereinbarkeit mit dem grundrechtlichen Eigentumsschutz des Entsendungsberechtigten anmeldet; ähnlich auch Windthorst, in: Stiftung Familienunternehmen, Geschlechterquote für die Privatwirtschaft, S. 11. Im Bericht der Länderarbeitsgruppe „Teilhabe von Frauen in Führungs- und Kontrollgremien der Wirtschaft“, S. 181 wird gar konstatiert, die Bindung von Entsendungsberechtigten an die Quote dürfte „nicht in Betracht kommen“ bzw. „auf jeden Fall ausscheiden.“ 198 So Brandt, Gleichstellungsquote, S. 202. 199 Habersack, in: MünchKomm AktG, § 101 Rn. 58; Mertens/Cahn, in: KölnKomm AktG, § 101 Rn. 65. 200 Dies ist nach allgemeiner Ansicht zulässig, vgl. Hopt/M. Roth, in: Großkomm AktG, § 100 Rn. 104; Habersack, in: MünchKomm AktG, § 100 Rn. 54; Mertens/Cahn, in: KölnKomm AktG, § 100 Rn. 46; Spindler, in: Spindler/Stilz, AktG, § 100 Rn. 41. 201 Zahlreiche Stimmen im Schrifttum halten die Verfassungsmäßigkeit des Entwurfs für zweifelhaft, siehe etwa Habersack/Kersten, BB 2014, 2819, 2828 ff.; Hohenstatt/Willemsen/ Naber, ZIP 2014, 2220, 2221 ff.; C. Teichmann/Rüb, BB 2015, 259, 261 f.

C. Vereinbarkeit mit dem Grundgesetz

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Gleichwohl kann die Einbeziehungslösung des Regierungsentwurfs nicht überzeugen. Es erscheint völlig unklar, wie das Abstellen auf die „zeitlich zuerst stattfindende Handlung“202 praktisch funktionieren soll. Da der Entsendungsberechtigte sein Recht jederzeit ausüben kann, könnte es ihm ermöglicht werden, der Bindung an die Quote zu entgehen, sodass im Ergebnis allein die Hauptversammlung belastet wäre. Auch ist fraglich, wie die im Entwurf vorgesehene Nichtigkeitsfolge („leerer Stuhl“203) bei Verstoß gegen die Quote bestimmt werden soll: Wenn sowohl die Hauptversammlung als auch der Entsendungsberechtigte die Quote nicht beachten, welche Sitze bleiben dann konkret „leer“?204 Die Anrechnungslösung birgt insofern erhebliche Rechtsunsicherheit und dürfte in der Praxis zu Problemen führen. Dessen sind sich offenbar auch die Entwurfsverfasser bewusst, denn sie betonen, dass eine Aufteilung der jeweils an Männer oder Frauen zu vergebenden Mandate zwischen entsandten und gewählten Mitgliedern in der Satzung geregelt werden könne.205 Freilich ist dies kein Ersatz für eine praktikable gesetzliche Regelung.

C. Vereinbarkeit mit dem Grundgesetz Inwieweit Entsendungsrechte nach § 101 Abs. 2 AktG mit dem Grundgesetz vereinbar sind, ist bislang im Schrifttum kaum untersucht worden. Dabei stellt sich hier insbesondere die Frage, ob Entsendungsrechte nicht im Einzelfall das Anteilseigentum der übrigen Aktionäre verletzen und damit gegen die Eigentumsgarantie des Art. 14 GG verstoßen könnten. Auch ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG kommt – neben dem bereits erörterten aktienrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz aus § 53a AktG – zumindest in Betracht.

I. Art. 14 GG – Eigentumsgarantie Eine Schranke für die Begründung von Entsendungsrechten nach § 101 Abs. 2 AktG könnte sich aus der Eigentumsgarantie des Art. 14 GG ergeben. Ein Verstoß hiergegen wurde von den Klägern im Fall „ThyssenKrupp“ unter Bezugnahme auf das sog. Mitbestimmungsurteil des BVerfG206 gerügt, vom OLG Hamm jedoch verneint.207 Die Stellungnahmen in der Literatur gehen auf diese Problematik kaum 202

Begr. RegE vom 20. 1. 2015, BT-Drucks. 18/3784, S. 121. Begr. RegE vom 20. 1. 2015, BT-Drucks. 18/3784, S. 121; dazu auch Jung, DStR 2014, 960, 962; Redenius-Hövermann/Strenger, Der Konzern 2014, 373, 376 ff. 204 Diese Frage wirft auch Jung, DStR 2014, 960, 962 auf. Die dort vorgeschlagene Lösung, eine Rangliste der Kandidaten zu bilden und entsandte Personen an deren Spitze zu stellen, führt aber zu einer einseitigen Belastung der Hauptversammlung. 205 Begr. RegE vom 20. 1. 2015, BT-Drucks. 18/3784, S. 121. 206 BVerfGE 59, 290. 207 OLG Hamm, ZIP 2008, 1530, 1533 f. 203

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Kap. 3: Entsendungsrechte und nationales Recht, Grundgesetz, Europarecht

ein.208 Dennoch erscheint es aufgrund der besonderen Bedeutung des Art. 14 GG geboten, dies einer genaueren Prüfung zu unterziehen. 1. Anwendbarkeit und Schutzbereich Art. 14 GG gewährleistet das Privateigentum zum einen als Rechtsinstitut, zum anderen als subjektiv-öffentliches Abwehrrecht des einzelnen Eigentümers gegen staatliche Eingriffe.209 Bei der Anwendung privatrechtlicher Vorschriften ist darüber hinaus eine Ausstrahlungswirkung der Norm anerkannt, sodass Art. 14 GG bei der Auslegung und Anwendung des einfachen Rechts zu berücksichtigen ist.210 Insofern könnte die gesetzliche Grundlage des § 101 Abs. 2 AktG selbst sowie auch ihre Anwendung im Einzelfall in das Eigentumsgrundrecht eingreifen. In den Schutzbereich des Art. 14 GG fällt grundsätzlich jede vermögenswerte Rechtsposition, die dem Berechtigten zur privaten Nutzung und zur eigenen Verfügung zugeordnet ist, sodass die damit verbundenen Befugnisse nach eigenverantwortlicher Entscheidung ausgeübt werden dürfen.211 Geschützt ist mit anderen Worten jedes private Vermögensrecht dinglichen und schuldrechtlichen Charakters.212 Nach ständiger Rechtsprechung des BVerfG und der ganz überwiegenden Ansicht im Schrifttum ist hierunter auch das etwa in einer Aktie verkörperte Anteilseigentum zu fassen.213 Der Schutz erstreckt sich dabei sowohl auf die mitgliedschaftliche Stellung bzw. die mitgliedschaftlichen Mitverwaltungsrechte, als auch auf die vermögensrechtlichen Ansprüche, die das Anteilseigentum vermittelt.214 Folglich können sich Aktionäre grundsätzlich auf Art. 14 GG berufen. Eine Verletzung durch Entsendungsrechte nach § 101 Abs. 2 AktG ist zumindest in Gesellschaften denkbar, die der Mitbestimmung unterliegen. Denn hier kann die 208 Vgl. etwa Verse, ZIP 2008, 1754 (Fn. 4); Möslein, AG 2007, 770, 773. Etwas ausführlicher lediglich die Urteilsanmerkung von Ogorek/von der Linden, BB 2008, 1139, 1140. 209 Papier, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 14 Rn. 1; Wendt, in: Sachs, GG, Art. 14 Rn. 9 f. 210 Wendt, in: Sachs, GG, Art. 14 Rn. 15; H. Hofmann, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/ Henneke, GG, Art. 14 Rn. 12. 211 Vgl. BVerfGE 79, 174, 191; 83, 201, 208 f.; Wieland, in: Dreier, GG, Art. 14 Rn. 57; Wendt, in: Sachs, GG, Art. 14 Rn. 22 f.; C. Hofmann, in: FS Hopt, S. 833, 840 f. 212 H. Hofmann, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke, GG, Art. 14 Rn. 14; vgl. auch Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 14 Rn. 7. 213 BVerfGE 14, 263, 276 f.; 25, 371, 407; 50, 290, 341 f.; 100, 289, 301; 132, 99, 119; zuletzt erneut BVerfG, ZIP 2014, 464 f.; Wieland, in: Dreier, GG, Art. 14 Rn. 60; Papier, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 14 Rn. 195; Depenheuer, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 14 Rn. 142; Wendt, in: Sachs, GG, Art. 14 Rn. 24, 68; Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 14 Rn. 9; Stumpf, NJW 2003, 9, 10; Zöllner/Hanau, AG 1997, 206, 207 f.; a.A. allerdings Mülbert/ Leuschner, ZHR 170 (2006), 615 ff.; Leuschner, NJW 2007, 3248, 3249 f. (Schutz der Mitgliedschaft nur durch Art. 2 Abs. 1 GG). Ausführlich zum Begriff des Anteilseigentums Bergbach, Anteilseigentum, S. 195 ff. 214 BVerfGE 132, 99, 119; Papier, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 14 Rn. 195; Mülbert, in: FS Hopt, S. 1039, 1052; Zöllner/Hanau, AG 1997, 206, 207 f.

C. Vereinbarkeit mit dem Grundgesetz

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Begründung von Entsendungsrechten zur Folge haben, dass die Ausübung der im Anteilseigentum verbrieften Verfügungsrechte, wie z. B. die Besetzung von Vorstandsämtern, dauerhaft gegen den Willen der Aktionärsmehrheit durchgesetzt werden könnte.215 Es besteht insofern die Gefahr, dass die entsandten Mitglieder in einem paritätisch besetzten Aufsichtsrat zusammen mit den Stimmen der Arbeitnehmervertreter die von der Hauptversammlung gewählten Aufsichtsratsmitglieder überstimmen und damit Beschlüsse fassen, die dem Mehrheitswillen auf Anteilseignerseite widersprechen. Auch in drittelmitbestimmten Aufsichtsräten ist dies, je nach der Mitgliederzahl, möglich.216 Durch eine derartige „Fremdbestimmung“217 der Gesellschaft könnten die mitgliedschaftsrechtlichen Befugnisse der nicht entsendungsberechtigten Anteilseigner, die durch Art. 14 GG garantiert werden, betroffen sein.218 2. Reichweite und Inhalt des Schutzes Fraglich erscheint indes, ob allein diese Möglichkeit bereits eine rechtlich relevante Struktur- oder Substanzveränderung des Anteilseigentums darstellt.219 Dies hängt maßgeblich davon ab, wie weit der durch Art. 14 GG garantierte Schutz mitgliedschaftlicher Anteilsrechte reicht. Für den Bereich der Mitverwaltungsrechte und insbesondere den Einfluss auf den Aufsichtsrat ergibt sich dies in erster Linie aus der Rechtsprechung des BVerfG im sog. Mitbestimmungsurteil.220 Wie das BVerfG schon im sog. Feldmühle-Urteil221 festgestellt und auch im Mitbestimmungsurteil bekräftigt hat, handelt es sich bei Anteilseigentum in seinem mitgliedschaftsrechtlichen und seinem vermögensrechtlichen Element um gesellschaftsrechtlich vermitteltes Eigentum.222 Obwohl diese Formel teilweise für überholt bzw. entbehrlich gehalten wird,223 sind die durch sie beschriebenen Grundsätze weitestgehend anerkannt.224 Die Grundlage dafür ist in Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG zu sehen, wonach Inhalt und Schranken des Eigentums durch das einfache Gesetzes-

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OLG Hamm ZIP 2008, 1530, 1533; Möslein, AG 2007, 770, 773. Siehe dazu bereits oben Kap. 1, A. IV. 3. c), insb. Fn. 101. 217 BVerfGE 50, 290, 345; Möslein, AG 2007, 770, 773. 218 Vgl. BVerfGE 99, 367, 392. 219 Vgl. BVerfGE 50, 290, 345 f. 220 BVerfGE 50, 290; ausführlich dazu Bergbach, Anteilseigentum, S. 356 ff. 221 BVerfGE 14, 263. 222 BVerfGE 14, 263, 276; 25, 371, 407; 50, 290, 342; zuletzt BVerfG, ZIP 2014, 464, 465; Wieland, in: Dreier, GG, Art. 14 Rn. 60; Papier, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 14 Rn. 195; Depenheuer, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 14 Rn. 143; Mülbert, in: FS Hopt, S. 1039, 1044; ähnlich auch Suhr, Aktieneigentum, S. 83 ff., 141 ff. („mediatisiertes Eigentum“). 223 Kritisch etwa Bergbach, Anteilseigentum, S. 216 ff. 224 Vgl. Mülbert, in: FS Hopt, S. 1039, 1053. 216

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Kap. 3: Entsendungsrechte und nationales Recht, Grundgesetz, Europarecht

recht bestimmt werden.225 Insbesondere das Anteilseigentum steht in einem sozialen Bezug und einer sozialen Funktion; seine Nutzung und Verfügung berühren neben der Sphäre des Eigentümers stets auch die Belange Dritter.226 So stehen den Interessen der Anteilseigner etwa solche der Arbeitnehmer gegenüber.227 Gleichzeitig muss zwischen den einzelnen Gesellschaftern selbst ein gerechter Ausgleich hergestellt werden.228 Der Gesetzgeber hat deshalb im Gesellschaftsrecht die Rechte der Anteilseigner so bestimmt und beschränkt, dass diese ihr Eigentum regelmäßig nicht unmittelbar nutzen und die mit ihm grundsätzlich verbundenen Verfügungsbefugnisse nicht unmittelbar wahrnehmen können. Abgesehen von der Veräußerung oder Belastung des Anteilsrechts selbst stehen ihnen die Verfügungsrechte nur mittelbar über die Organe der Gesellschaft zu.229 Gewisse Beschränkungen des Eigentums und des damit verbundenen grundrechtlichen Schutzanspruchs ergeben sich somit bereits aus dem Gesellschafterverhältnis.230 Es gehört deshalb nicht zu den Strukturmerkmalen des Anteilseigentums, dass es dem einzelnen Rechtsinhaber stets die autonome Durchsetzung seines Willens ermöglicht.231 Vielmehr unterwirft sich der Aktionär bei Eintritt in die Gesellschaft insofern dem Mehrheitswillen.232 In der Konsequenz bedeutet dies, dass sich die Minderheit grundsätzlich dem Willen der Mehrheit beugen muss, ohne dass damit eine Verletzung des Anteilseigentums einherginge.233 Daran ändert sich nach dem Mitbestimmungsurteil auch dann nichts, wenn – wie im Falle der unternehmerischen Mitbestimmung im Aufsichtsrat – zu der überstimmenden Mehrheit Nicht-Anteilseigner gehören können.234 Entscheidend wird darauf abgestellt, dass der Anteilseignerseite grundsätzlich ein Übergewicht zukommt, auch wenn sie dieses bei Zusammengehen einer Minderheit mit der Arbeitnehmerseite im Einzelfall verlieren kann.235 Selbst eine „Fremdbestimmung“ gegen den Willen der Mehrheit der Ak225 Vgl. OLG Hamm, ZIP 2008, 1530, 1533; C. Hofmann, in: FS Hopt, S. 833, 841; Wieland, in: Dreier, GG, Art. 14 Rn. 27 f.; H. Hofmann, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/ Henneke, GG, Art. 14 Rn. 4. 226 Wieland, in: Dreier, GG, Art. 14 Rn. 60. 227 BVerfGE 99, 367, 392. 228 Papier, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 14 Rn. 195. 229 BVerfGE 50, 290, 342; BVerfG, ZIP 2014, 464, 465; Wieland, in: Dreier, GG, Art. 14 Rn. 60; Papier, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 14 Rn. 195. 230 Vgl. Stumpf, NJW 2003, 9, 10. 231 BVerfGE 50, 290, 345. 232 Vgl. C. Hofmann, in: FS Hopt, S. 833, 835 ff. 233 OLG Hamm, ZIP 2008, 1530, 1533. 234 BVerfGE 50, 290, 345. 235 BVerfGE 50, 290, 346; Ogorek/von der Linden, BB 2008, 1139, 1140. Zum Teil wird selbst dieses „Übergewichtsprinzip“ für die Verfassungsmäßigkeit nicht als zwingend angesehen, vgl. etwa Wendeling-Schröder/Spieker, NJW 1981, 145, 146. Nach dem BVerfG sind Mitbestimmungsvorschriften aber jedenfalls dann zulässig, wenn der Anteilseignerseite insgesamt das Übergewicht zukommt.

C. Vereinbarkeit mit dem Grundgesetz

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tionäre hält das BVerfG folglich nicht für eine rechtlich relevante Struktur- oder Substanzveränderung des Anteilseigentums und somit für unbedenklich.236 3. Schlussfolgerungen für Entsendungsrechte Überträgt man diese Grundsätze auf die Begründung von Entsendungsrechten, so ist dem OLG Hamm zuzustimmen, dass darin keine Verletzung des Art. 14 GG besteht.237 Im Mitbestimmungsurteil fordert das BVerfG nicht, dass die Hauptversammlungsmehrheit stets dominierenden Einfluss im Aufsichtsrat haben muss.238 Ohne zwischen gewählten und entsandten Mitgliedern zu differenzieren, stellt das Gericht allein darauf ab, dass der Anteilseignerseite gegenüber der Arbeitnehmerseite insgesamt ein Übergewicht zukommt. An diesem Übergewicht ändert ein Entsendungsrecht schon deshalb nichts, weil es ausschließlich einem Aktionär eingeräumt werden kann und somit das Kräfteverhältnis zwischen Anteilseignern und Arbeitnehmern nicht berührt.239 Zudem besteht die Möglichkeit, dass sich einzelne Aufsichtsratsmitglieder gegen die Mehrheitsposition stellen und zusammen mit den Arbeitnehmervertretern Beschlüsse durchsetzen, unabhängig davon, ob diese Mitglieder durch die Hauptversammlung gewählt oder entsandt worden sind. Auch gewählte Mitglieder bilden im Aufsichtsrat keine homogene Fraktion, bei der stets ein gleichgerichtetes Abstimmungsverhalten gewährleistet wäre. Dies zeigt sich schon daran, dass der Aufsichtsrat der Aktiengesellschaft eben kein imperatives, also weisungsgebundenes Mandat kennt.240 Eine Gewährleistung dafür, dass die Anteilseignervertreter stets den Willen der Aktionärsmehrheit umsetzen, bietet das Aktieneigentum insofern ohnehin nicht. Die durch Art. 14 GG garantierten Verfügungsrechte werden daher auch durch die Existenz von Entsendungsrechten nicht entscheidend geschmälert. Ferner ist zu berücksichtigen, dass Entsendungsrechte nach § 101 Abs. 2 AktG nur mit Zustimmung aller Gründer oder mit satzungsändernder Mehrheit begründet werden können.241 Ihre Einführung beruht damit gerade auf dem Willen der Aktionärsmehrheit und stellt insofern selbst eine Ausübung eigentumsrechtlicher Befugnisse dar. Freilich können sich die Mehrheitsverhältnisse in der Folge verändern, sodass bestehende Entsendungsrechte nicht mehr dem Willen späterer Mehrheitseigentümer entsprechen. Aufgrund des Sonderrechtscharakters des Entsendungs236

BVerfGE 50, 290, 345 f. So auch Ogorek/von der Linden, BB 2008, 1139, 1140; i.E. auch Drygala, in: Schmidt/ Lutter, AktG, § 101 Rn. 14; Mertens/Cahn, in: KölnKomm AktG, § 101 Rn. 50; Grigoleit/ Tomasic, in: Grigoleit, AktG, § 101 Rn. 19; Breuer/Fraune, in: Heidel, Aktienrecht, § 101 AktG Rn. 10; Verse, ZIP 2008, 1554 (Fn 4). 238 Ogorek/von der Linden, BB 2008, 1139, 1140. 239 OLG Hamm, ZIP 2008, 1530, 1534; Ogorek/von der Linden, BB 2008, 1139, 1140. 240 Siehe dazu oben Kap. 1, A. IV. 4. a). 241 Mertens/Cahn, in: KölnKomm AktG, § 101 Rn. 50. 237

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Kap. 3: Entsendungsrechte und nationales Recht, Grundgesetz, Europarecht

rechts können sie dann auch nicht ohne weiteres abgeschafft werden.242 Es entspricht aber wiederum der Eigenart des Anteilseigentums, dass es dem einzelnen Rechtsinhaber und unter Umständen sogar einem Mehrheitseigentümer keine jederzeitige Durchsetzung des eigenen Willens ermöglicht.243 Aus den Vorgaben des BVerfG ergibt sich insofern keineswegs, dass das Gesellschaftsrecht der Mehrheit in der Hauptversammlung stets die Möglichkeit zur entscheidenden Einflussnahme auf die Besetzung der Organe und die Leitung der Gesellschaft einräumen muss.244 Die Möglichkeit einer abweichenden Gestaltung im Rahmen der Bestimmung von Inhalt und Schranken des Anteilseigentums steht nach alledem vielmehr zur Disposition des Gesetzgebers, wovon dieser in § 101 Abs. 2 AktG Gebrauch gemacht hat.245 Die Regelung ist insofern eine zulässige Inhalts- und Schrankenbestimmung des aktienrechtlichen Anteilseigentums. Sie genügt dabei auch dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit,246 da sie insbesondere eine satzungsändernde Mehrheit für die nachträgliche Begründung eines Entsendungsrechts voraussetzt, auf Aktionäre beschränkt ist und eine zahlenmäßige Begrenzung enthält. Auch im Zusammenwirken mit den Vorschriften der Arbeitnehmermitbestimmung stellt ein Entsendungsrecht folglich keinen unzulässigen Eingriff in das durch Art. 14 GG garantierte Eigentumsrecht der Aktionäre dar.

II. Art. 3 Abs. 1 GG – Gleichheitssatz Möglicherweise könnte durch Entsendungsrechte der allgemeine Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG betroffen sein. Es wurde bereits festgestellt, dass Entsendungsrechte nach § 101 Abs. 2 AktG eine Ungleichbehandlung i.S.d. § 53a AktG darstellen, die allerdings als gesetzlich gebilligt anzusehen ist.247 Die Frage nach der Betroffenheit des Art. 3 Abs. 1 GG ist hiervon klar zu unterscheiden, da es sich bei § 53a AktG nach zutreffender Auffassung nicht um eine einfachgesetzliche Ausprägung des verfassungsrechtlichen Gleichheitssatzes handelt.248 Art. 3 Abs. 1 GG bindet wie alle Grundrechte in erster Linie die Staatsgewalt, was sich bereits aus Art. 1 Abs. 3 GG ergibt. Dies umfasst die Legislative und insbe-

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Siehe dazu ausführlich unten Kap. 4, A. Vgl. BVerfGE 50, 290, 345. 244 OLG Hamm, ZIP 2008, 1530, 1534. 245 Vgl. OLG Hamm, ZIP 2008, 1530, 1534. 246 An diesen ist der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung des Eigentums stets gebunden, vgl. BVerfGE 110, 1, 28; BVerfG, ZIP 2014, 464, 465; Stumpf, NJW 2003, 9, 12. 247 Siehe dazu oben B. I. 248 Vgl. Verse, Gleichbehandlungsgrundsatz, S. 83 ff.; Koch, in: Hüffer, AktG, § 53a Rn. 3; Henze/Notz, in: Großkomm AktG, § 53a Rn. 9 ff.; Westermann, in: Bürgers/Körber, AktG, § 53a Rn. 2. 243

C. Vereinbarkeit mit dem Grundgesetz

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sondere auch den Zivilrechtsgesetzgeber.249 Möglicher Anknüpfungspunkt für eine Ungleichbehandlung ist mithin die Norm des § 101 Abs. 2 AktG als Akt der Legislative. Es erscheint allerdings zweifelhaft, ob sich unmittelbar daraus überhaupt eine relevante Ungleichbehandlung ergibt. Die Norm unterscheidet lediglich zwischen Aktionären und Nichtaktionären als möglichen Inhabern eines Entsendungsrechts, das nur Aktionären eingeräumt werden kann. Hierin dürfte aber schon keine Ungleichbehandlung gleicher Personen- bzw. Vergleichsgruppen bestehen, da die Unterscheidung zwischen Mitgliedern und Nichtmitgliedern im Verbandsrecht derart elementar ist, dass kaum von „wesentlich gleichen“250 Personen gesprochen werden kann. Schließlich gehört es gerade zum Wesen des Verbands, dass sich aus diesem nur Rechte und Pflichten für seine Mitglieder ergeben, nicht aber für sonstige Dritte. Es fehlt mithin bereits an einer Ungleichbehandlung von wesentlich Gleichem. Wollte man dies anders sehen, so müsste man die Differenzierung zwischen Verbandsmitgliedern und Nichtmitgliedern doch jedenfalls als sachlich gerechtfertigt ansehen.251 Schon im Grundsatz können Dritte keinen grundrechtlichen Anspruch auf Teilhabe und Mitverwaltung in einem Verband haben, dem sie selbst nicht angehören. Auch im konkreten Fall des § 101 Abs. 2 AktG lässt sich die Beschränkung auf Aktionäre ohne weiteres durch die Erwägung rechtfertigen, dass die Bestellung von Organmitgliedern grundsätzlich den Gesellschaftern vorbehalten sein soll, die das Gesellschaftsvermögen aufbringen und deshalb zumindest mittelbar über die Geschicke der Gesellschaft bestimmen sollen.252 Dagegen ergibt sich die Ungleichbehandlung zwischen entsendungsberechtigten und nicht entsendungsberechtigten Aktionären nicht unmittelbar aus der Norm des § 101 Abs. 2 AktG, sondern erst dadurch, dass die Gründer oder die Hauptversammlungsmehrheit von dieser Norm Gebrauch machen und einzelnen Aktionären Entsendungsrechte einräumen. Das Gesetz selbst behandelt Aktionäre insofern nicht ungleich, da es die Fähigkeit, Inhaber eines Entsendungsrechts zu sein, grundsätzlich allen Aktionären zuspricht. Es ermöglicht lediglich eine Ungleichbehandlung durch Private im Einzelfall. Darin ist aber keine der Staatsgewalt zurechenbare Ungleichbehandlung durch das Gesetz zu sehen. Da die Ungleichbehandlung vielmehr erst durch eine Entscheidung der Gründer bzw. der Aktionärsmehrheit herbeigeführt wird, geht es hier letztlich um eine Drittwirkungsfrage. Entscheidend muss es also darauf ankommen, ob Art. 3 Abs. 1 GG auch im Verhältnis zwischen Privatrechtssubjekten Geltung beansprucht. 249

Vgl. H. Krieger, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke, GG, Art. 3 Rn. 18; Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 3 Abs. 1 Rn. 290. 250 Vgl. H. Krieger, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke, GG, Art. 3 Rn. 23 f. 251 Man kann diese Differenzierung als selbstverständlich bezeichnen, ebenso wie jene zwischen Mehrheits- und Minderheitsgesellschaftern. Vgl. insofern BVerfGE 14, 263, 295: „Daß Mehrheit und Minderheit im Gesellschaftsrecht durch den Gesetzgeber verschieden behandelt werden dürfen, braucht nicht näher erörtert zu werden.“ 252 Freilich wird dieser Grundsatz durch das dualistische System der Aktiengesellschaft und die unternehmerische Mitbestimmung der Arbeitnehmer modifiziert.

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Kap. 3: Entsendungsrechte und nationales Recht, Grundgesetz, Europarecht

Eine unmittelbare Drittwirkung der Grundrechte und insbesondere des Art. 3 Abs. 1 GG im Rechtsverkehr zwischen Privaten wird indes ganz überwiegend abgelehnt.253 Dem ist uneingeschränkt zuzustimmen, denn anderenfalls käme es zu einer Aufhebung der grundsätzlichen Freiheit der Privatrechtssubjekte und damit der Privatautonomie, wodurch das Privatrecht insgesamt illusorisch würde254 und das freiheitliche Gemeinwesen des Grundgesetzes in Frage gestellt würde.255 Weder die Anteilseigner einer AG, noch die Gesellschaft selbst sind deshalb unmittelbar an den verfassungsrechtlichen Gleichheitssatz gebunden. Allerdings soll zumindest den grundgesetzlichen Freiheitsrechten nach der Rechtsprechung des BVerfG256 und der herrschenden Ansicht im Schrifttum257 auch eine Schutzpflichtenfunktion zukommen, aus der sich eine mittelbare Drittwirkung der Grundrechte ergibt. Der Staat ist danach verpflichtet, die Schutzgüter der Grundrechte auch aktiv gegen Übergriffe Privater zu schützen.258 Ob auch der Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG eine Schutzpflicht enthält und damit eine mittelbare Drittwirkung entfaltet, ist indes umstritten.259 Selbst wenn man dies bejaht, wird man aber dem Gesetzgeber – wie auch in Bezug auf andere grundrechtliche Schutzpflichten – einen weiten Einschätzungs- und Gestaltungsspielraum gewähren müssen.260 Aus Art. 3 Abs. 1 GG ergäbe sich insofern allenfalls eine Verpflichtung 253 Vgl. BVerfGE 92, 26, 51, wonach eine „faktische Ungleichbehandlung“ durch die bloße Ausnutzung von „rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten“ nicht am Maßstab des Art. 3 Abs. 1 GG zu messen ist; ebenso Dürig/Scholz, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 3 Abs. 1 Rn. 505; Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 3 Abs. 1 Rn. 291; Heun, in: Dreier, GG, Art. 3 Rn. 70; Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 3 Rn. 13; Verse, Gleichbehandlungsgrundsatz, S. 83; allgemein ablehnend auch Isensee, in: Isensee/Kirchhof, Hdb StaatsR VII, § 150 Rn. 109; Canaris, AcP 184 (1984), 201, 202 ff., 245; E. Klein, NJW 1989, 1633, 1639 f. 254 Vgl. Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 3 Abs. 1 Rn. 291; Dürig/Scholz, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 3 Abs. 1 Rn. 505; Heun, in: Dreier, GG, Art. 3 Rn. 70; Boysen, in: v. Münch/Kunig, GG, Art. 3 Rn. 50; Ruffert, Vorrang der Verfassung, S. 175 f. 255 Vgl. E. Klein, NJW 1989, 1633, 1640. 256 Vgl. etwa BVerfGE 14, 263, 283 (zu Art. 14 Abs. 1 GG); 39, 1, 42 ff. (zu Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG); 81, 242, 256 (zu Art. 12 Abs. 1 GG). 257 Di Fabio, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 2 Rn. 61; Isensee, in: Isensee/Kirchhof, Hdb StaatsRVII, § 150 Rn. 110 ff.; Müller-Franken, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke, GG, Vor Art. 1 GG Rn. 23; Verse, Gleichbehandlungsgrundsatz, S. 84; Canaris, AcP 184 (1984), 201, 225 ff., 245; E. Klein, NJW 1989, 1633, 1639 f. 258 Verse, Gleichbehandlungsgrundsatz, S. 84. 259 Dafür etwa H. Krieger, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke, GG, Art. 3 Rn. 13; Dürig/Scholz, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 3 Abs. 1 Rn. 509 ff.; einschränkend auch Osterloh, in: Sachs, GG, Art. 3 Rn. 67 f. („nur eine flankierende Schutzfunktion“, die „bisher von praktisch geringer Bedeutung geblieben“ sei); Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 3 Rn. 13 („gewisse Ausstrahlungswirkung“); Heun, in: Dreier, GG, Art. 3 Rn. 70 f.; dagegen Boysen, in: v. Münch/ Kunig, GG, Art. 3 Rn. 47 ff.; Ruffert, Vorrang der Verfassung, S. 175 f.; Erichsen, Jura 1997, 85, 87; zweifelnd auch Verse, Gleichbehandlungsgrundsatz, S. 85. 260 Vgl. BVerfGE 56, 54, 80 f.; 77, 170, 214 f.; 79, 174, 202; 85, 191, 212 (jeweils zu Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG); Di Fabio, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 2 Rn. 61; Verse, Gleichbehandlungsgrundsatz, S. 85 f.; Canaris, AcP 184 (1984), 201, 227 f., 245.

D. Vereinbarkeit mit europäischem Recht

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zum Schutz vor besonders gravierenden Diskriminierungen durch Private.261 Eine solche Wirkung kann man Entsendungsrechten nach § 101 Abs. 2 AktG kaum zuschreiben, da sie durch die gesetzlichen Beschränkungen, insbesondere die des § 101 Abs. 2 S. 4 AktG, von vornherein begrenzt sind. Zudem wird ihre Einführung vom Mehrheitswillen abhängig gemacht, dem sich Minderheiten im Gesellschaftsrecht grundsätzlich beugen müssen;262 die Regelung ist folglich nur ein Ausfluss der gesetzgeberischen Grundkonzeption, die das Verhältnis zwischen Mehrheit und Minderheit aber keineswegs willkürlich gestaltet.263 Im Übrigen können für die mit einem Entsendungsrecht verbundene Bevorzugung einzelner Aktionäre sachliche Gründe bestehen, deren Nachweis im Einzelfall allerdings nicht erforderlich ist.264 Da es bereits an einer gravierenden Diskriminierung fehlt, bewegt sich der Gesetzgeber mit der Schaffung des § 101 Abs. 2 AktG und der Ermöglichung von Entsendungsrechten in der Aktiengesellschaft innerhalb des ihm zustehenden Gestaltungsspielraums. Wie § 53a AktG zeigt, wird der Schutz der Gleichheit der Aktionäre im Grundsatz gewährleistet. Einzelne Abweichungen mit geringer Intensität bewegen sich dabei im Bereich des Zulässigen. Sofern man folglich von einer staatlichen Schutzpflicht aus Art. 3 Abs. 1 GG ausgeht, wird diese durch Art. 101 Abs. 2 AktG jedenfalls nicht verletzt. Nach alledem sind sowohl die Norm des § 101 Abs. 2 AktG, als auch auf ihr beruhende Entsendungsrechte mit dem Gleichheitsgebot des Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar.

D. Vereinbarkeit mit europäischem Recht Den Schwerpunkt der Diskussion über die Zulässigkeit von Entsendungsrechten bildet in der neueren Literatur die europarechtliche Komponente. Auch im Fall „ThyssenKrupp“ hielten die Kläger das der Krupp-Stiftung eingeräumte Entsendungsrecht sowie die Vorschrift des § 101 Abs. 2 AktG für europarechtswidrig.265 Nach dem nicht kodifizierten, aber durch den EuGH begründeten und heute allgemein anerkannten Grundsatz vom sog. Anwendungsvorrang des Europarechts266 261 Verse, Gleichbehandlungsgrundsatz, S. 85; vgl. auch Canaris, AcP 184 (1984), 201, 228, 245 („Untermaßverbot“). 262 Siehe dazu bereits oben I. 2. in Bezug auf Art. 14 Abs. 1 GG. 263 Vgl. BVerfGE 14, 263, 285. 264 Aufgrund des gesetzgeberischen Spielraums ist eine strenge Rechtfertigungsprüfung gerade nicht angezeigt. Der Gesetzgeber durfte in § 101 Abs. 2 AktG die Entscheidung zur Einführung von Entsendungsrechten und damit zu einer begrenzten Ungleichbehandlung dem Mehrheitswillen überlassen. Welche Gründe die Aktionärsmehrheit im Einzelfall zu ihrer Entscheidung bewogen haben, spielt für Art. 3 Abs. 1 GG keine Rolle. 265 Vgl. LG Essen, AG 2007, 797, 798; OLG Hamm, ZIP 2008, 1530, 1534. 266 Grundlegend EuGH, 6/64 (Costa/ENEL), Slg. 1964, 1251; Ruffert, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, AEUV Art. 1 Rn. 16 ff.; Nettesheim, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Recht der EU,

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Kap. 3: Entsendungsrechte und nationales Recht, Grundgesetz, Europarecht

wäre die Bestimmung in diesem Fall nicht anwendbar.267 In Betracht kommt vor allem eine Kollision mit der in Art. 63 Abs. 1 AEUV normierten Kapitalverkehrsfreiheit. Daneben ist auch ein Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit gem. Art. 49 AEUV denkbar.

I. Art. 63 Abs. 1 AEUV – Kapitalverkehrsfreiheit Die Kapitalverkehrsfreiheit nach Art. 63 Abs. 1 AEUV (ex-Art. 56 Abs. 1 EGV) ist eine der vier europäischen Grundfreiheiten, die der Verwirklichung des europäischen Binnenmarktes dienen, in dem Personen, Waren, Dienstleistungen und Kapital frei zirkulieren können.268 Bei den Grundfreiheiten handelt es sich um unmittelbar anwendbares269 Primärrecht der Europäischen Union, das als solches Anwendungsvorrang vor nationalem Recht genießt.270 1. Anwendungsbereich a) Begriff des Kapitalverkehrs Nach Art. 63 AEUV sind grundsätzlich alle Beschränkungen des Kapital- und Zahlungsverkehrs zwischen den Mitgliedstaaten der EU sowie zwischen Mitgliedstaaten und Drittstaaten verboten. Der Begriff des Kapitalverkehrs, der in Art. 63 Abs. 1 AEUV vorausgesetzt wird, ist dabei europarechtlich nicht definiert.271 Im Sinne einer möglichst effektiven Kapitalallokation innerhalb des europäischen Binnenmarktes ist von einem weiten Begriffsverständnis auszugehen.272 Danach lässt sich der Kapitalverkehr allgemein als über die Grenzen eines EU-Mitgliedstaats AEUV Art. 1 Rn. 71 ff.; Schroeder, in: Streinz, EUV/AEUV, AEUV Art. 288 Rn. 40 ff.; Haratsch/Koenig/Pechstein, Europarecht, Rn. 179 ff.; Streinz, Europarecht, Rn. 203 ff. Auch das BVerfG erkennt den Anwendungsvorrang als „Vorrang kraft verfassungsrechtlicher Ermächtigung“ durch Art. 23 GG an, vgl. BVerfGE 123, 267, 397 (Lissabon). 267 Vgl. Ruffert, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, AEUV Art. 1 Rn. 18; Nettesheim, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Recht der EU, AEUV Art. 1 Rn. 79; Streinz, Europarecht, Rn. 220; Seeling/Zwickel, BB 2008, 622. 268 Vgl. Haratsch/Koenig/Pechstein, Europarecht, Rn. 813; Kilian, Europäisches WirtR, Rn. 225 ff. 269 Vgl. Streinz, Europarecht, Rn. 848; für die Kapitalverkehrsfreiheit Sedlaczek/Züger, in: Streinz, EUV/AEUV, AEUV Art. 63 Rn. 15. 270 Haratsch/Koenig/Pechstein, Europarecht, Rn. 819. Zum Vorrang des Sekundärrechts im Falle einer abschließenden Harmonisierung siehe unten 5. 271 Sedlaczek/Züger, in: Streinz, EUV/AEUV, AEUV Art. 63 Rn. 18; Ress/Ukrow, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Recht der EU, AEUV Art. 63 Rn. 126; Pießkalla, Goldene Aktien, S. 37; Neumann/Ogorek, NZG 2008, 892, 893. 272 Vgl. Sedlaczek/Züger, in: Streinz, EUV/AEUV, AEUV Art. 63 Rn. 20; Streinz, Europarecht, Rn. 794.

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hinweg stattfindende Übertragung von Geld- oder Sachkapital zu Anlagezwecken umschreiben.273 Überwiegend anerkannt ist, dass Art. 63 Abs. 1 AEUV grundsätzlich zwei Formen von Kapitalbewegungen erfasst, nämlich sog. Direktinvestitionen und sog. Portfolioinvestitionen.274 Direktinvestitionen sind Beteiligungen an einem Unternehmen durch Besitz von Aktien, die die Möglichkeit verschaffen, sich tatsächlich an der Verwaltung der Gesellschaft und deren Kontrolle zu beteiligen. Unter Portfolioinvestitionen versteht man demgegenüber den Erwerb von Wertpapieren auf dem Kapitalmarkt als bloße Geldanlage, der nicht auf eine Einflussnahme auf die Verwaltung und eine Kontrolle des Unternehmens abzielt.275 Zu beachten ist, dass der für die Anwendbarkeit der europäischen Grundfreiheiten stets erforderliche grenzüberschreitende Bezug bereits dann gegeben ist, wenn nicht auszuschließen ist, dass potenzielle Nutzer einer Grundfreiheit aus einem anderen Mitgliedstaat ein Interesse daran haben, im Hoheitsgebiet des Mitgliedstaats, der die jeweilige Regelung getroffen hat, von der Grundfreiheit Gebrauch zu machen. Somit genügt im Ergebnis ein bloß hypothetischer grenzüberschreitender Bezug.276 b) Beschränkungsverbot Wie auch die anderen Grundfreiheiten des AEUV wird die Kapitalverkehrsfreiheit entsprechend der sog. Dassonville-Formel des EuGH277 nicht als bloßes Diskriminierungsverbot, sondern als allgemeines Beschränkungsverbot verstanden.278 Dies hat der EuGH in seiner golden share-Rechtsprechung nochmals deutlich

273 Bröhmer, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, AEUV Art 63 Rn. 8; Stöber, NZG 2010, 977, 978; ähnlich Pießkalla, Goldene Aktien, S. 47, 49; Sedlaczek/Züger, in: Streinz, EUV/ AEUV, AEUVArt. 63 Rn. 20; Ress/Ukrow, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Recht der EU, AEUV Art. 63 Rn. 131; Kilian, Europäisches WirtR, Rn. 312. 274 Ständige Rechtsprechung, siehe etwa EuGH, C-171/08 (Goldene Aktien Portugal II), Slg. 2010, I-6817, 6859 f., Rn. 49; C-282/04 und C-283/04 (Goldene Aktien Niederlande), Slg. 2006, I-9141, 9164, Rn. 19; ebenso Ress/Ukrow, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Recht der EU, AEUV Art. 63 Rn. 130; Habersack/Verse, Europäisches GesR, § 3 Rn. 31; Grundmann, Europäisches GesR, Rn. 643; Pießkalla, Goldene Aktien, S. 52 ff.; Holle, AG 2010, 14, 15; Stöber, NZG 2010, 977, 978; Verse, ZIP 2008, 1754, 1758 (mit Fn. 39); C. Teichmann/Heise, BB 2007, 2577, 2579; Käseberg/Kuhn, AG 2007, 65, 67; Spindler, RIW 2003, 850, 852. Teilweise wird allerdings vertreten, Direktinvestitionen seien ausschließlich dem Anwendungsbereich der Niederlassungsfreiheit zuzuordnen, siehe Sedlaczek/Züger, in: Streinz, EUV/AEUV, AEUV Art. 63 Rn. 34 f.; Haratsch/Koenig/Pechstein, Europarecht, Rn. 1043. Siehe dazu näher unten II. 275 EuGH, C-171/08 (Goldene Aktien Portugal II), Slg. 2010, I-6817, 6859 f., Rn. 49; C282/04 und C-283/04 (Goldene Aktien Niederlande), Slg. 2006, I-9141, 9164, Rn. 19; Holle, AG 2010, 14, 15. 276 Ress/Ukrow, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Recht der EU, AEUV Art. 63 Rn. 138. 277 Grundlegend EuGH, 8/74 (Dassonville), Slg. 1974, 837. 278 Bröhmer, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, AEUV Art. 63 Rn. 43; Ress/Ukrow, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Recht der EU, AEUVArt. 63 Rn. 158; C. Teichmann/Heise, BB 2007,

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unterstrichen: Danach sind als „Beschränkungen“ im Sinne des Art. 63 Abs. 1 AEUV alle nationalen Maßnahmen anzusehen, die geeignet sind, den Erwerb von Aktien der betreffenden Unternehmen zu verhindern oder zu beschränken.279 Dabei ist es ausreichend, wenn Investoren anderer Mitgliedstaaten davon abgeschreckt werden, in das Kapital dieser Unternehmen zu investieren,280 die Anlage also durch die Maßnahme weniger attraktiv gemacht wird.281 Erfasst sind von diesem weiten Eingriffsbegriff nicht nur Erwerbsbeschränkungen, die den Anteilserwerb selbst erschweren, sondern auch bloße Ausübungsbeschränkungen, die die Einflussmöglichkeiten auf gesellschaftsinterne Entscheidungen begrenzen.282 2. Entsendungsrechte als Beschränkung des freien Kapitalverkehrs Außer Frage steht zunächst, dass Entsendungsrechte nach § 101 Abs. 2 AktG den Bereich des Kapitalverkehrs im Sinne von Art. 63 Abs. 1 AEUV betreffen. Aktien einer deutschen Aktiengesellschaft können als Anlageobjekte sowohl Gegenstand von Direktinvestitionen, als auch von Portfolioinvestitionen sein. Auch ein zumindest hypothetischer grenzüberschreitender Bezug ist grundsätzlich gegeben, da es jedenfalls nicht ausgeschlossen ist, dass Personen aus anderen EU-Mitgliedstaaten Anteile an einer deutschen AG erwerben möchten. Dies gilt insbesondere, aber nicht ausschließlich, für börsennotierte Unternehmen.283 Nicht eindeutig erscheint dagegen, ob auch eine Beschränkung i.S.d. Art. 63 Abs. 1 AEUV vorliegt. Zu satzungsmäßigen Entsendungsrechten nach § 101 Abs. 2 AktG hat sich die europäische Rechtsprechung bislang nicht geäußert.284 Allerdings befasste sich der EuGH im Fall „Volkswagen“285 unter anderem mit dem spezialgesetzlichen Entsendungsrecht des Landes Niedersachsen nach § 4 Abs. 1 VWGesetz a.F. Deshalb werden hier zunächst die diesbezüglichen Ausführungen des

2577, 2579; Neumann/Ogorek, NZG 2008, 892, 893; Spindler, RIW 2003, 850, 852 f.; Demirakou, Kapitalverkehrsfreiheit, S. 41 ff. 279 So etwa EuGH, C-112/05 (Volkswagen), Slg. 2007, I-8995, 9027, Rn. 19. 280 EuGH, C-171/08 (Goldene Aktien Portugal II), Slg. 2010, I-6817, 6860, Rn. 50; C-282/ 04 und C-283/04 (Goldene Aktien Niederlande), Slg. 2006, I-9141, 9164, Rn. 20; C-483/99 (Goldene Aktien Frankreich), Slg. 2002, I-4781, 4802, Rn. 41; Habersack/Verse, Europäisches GesR, § 3 Rn. 31; Grundmann, Europäisches GesR, Rn. 652; Holle, AG 2010, 14, 15; kritisch hierzu Sander, EuZW 2005, 106, 107. 281 Sedlaczek/Züger, in: Streinz, EUV/AEUV, AEUV Art. 63 Rn. 9; C. Teichmann/Heise, BB 2007, 2577, 2579. 282 Möslein, AG 2007, 770, 773; Seeling/Zwickel, BB 2008, 622, 623. 283 Vgl. Pießkalla, Goldene Aktien, S. 111 ff.; Demirakou, Kapitalverkehrsfreiheit, S. 194 ff. 284 Der BGH hat im Fall „ThyssenKrupp“ von einer Vorlage an den EuGH abgesehen, vgl. BGH, ZIP 2009, 1566. Siehe dazu auch unten 3. c) aa). 285 EuGH, C-112/05 (Volkswagen), Slg. 2007, I-8995.

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Gerichtshofs dargestellt. Anschließend wird zu prüfen sein, inwieweit sich hieraus Aussagen zu satzungsmäßigen Entsendungsrechten entnehmen lassen. a) Gesetzliche Entsendungsrechte: Der Fall „Volkswagen“ Nicht nur wegen des direkten Bezugs zum deutschen Aktienrecht ist die Entscheidung des EuGH im Fall „Volkswagen“ von besonderer Relevanz. Erstmals äußerte sich der Gerichtshof hier auch explizit zur Zulässigkeit von Entsendungsrechten, die einen Teil der staatlichen Privilegierung bei der Volkswagen AG darstellten. Konkret ging es um drei Regelungen des damaligen VW-Gesetzes:286 § 2 Abs. 1 VW-Gesetz a.F. begrenzte das Stimmrecht jedes Aktionärs auf höchstens 20 % des Grundkapitals, § 4 Abs. 3 VW-Gesetz a.F. verlangte eine Mehrheit von 80 % für satzungsändernde Beschlüsse, und § 4 Abs. 1 VW-Gesetz a.F. räumte der Bundesrepublik Deutschland sowie dem Land Niedersachsen – unter der Voraussetzung, dass diese Aktien der Gesellschaft halten – ein Entsendungsrecht für je zwei Mitglieder des Aufsichtsrats spezialgesetzlich ein.287 Der EuGH verwarf alle drei Regelungen als unzulässige Beschränkungen der Kapitalverkehrsfreiheit,288 was im Schrifttum so größtenteils auch erwartet worden war.289 Zum Entsendungsrecht nach § 4 Abs. 1 VW-Gesetz a.F. führte der Gerichtshof aus, es handele sich dabei um ein von der Begrenzung des § 101 Abs. 2 S. 4 und somit vom allgemeinen Gesellschaftsrecht abweichendes Sonderrecht allein zugunsten öffentlicher Akteure.290 Dem Bund und dem Land Niedersachsen werde damit eine stärkere Beteiligung an der Tätigkeit des Aufsichtsrats ermöglicht, als es ihr Aktionärsstatus normalerweise zuließe. Die Möglichkeit anderer Aktionäre, sich effektiv an der Verwaltung und der Kontrolle der Gesellschaft zu beteiligen, sei dadurch eingeschränkt, und die Vorschrift somit geeignet, Anleger aus anderen Mitgliedstaaten von Direktinvestitionen in die Gesellschaft abzuhalten.291 Dass das Entsendungsrecht dabei nur den Aufsichtsrat als Überwachungsorgan betreffe, ändere daran angesichts dessen umfassender Befugnisse nichts. Insbesondere durch die Bestellung des Vorstands sowie die zahlreichen Zustimmungsvorbehalte komme dem Aufsichtsrat ein erheblicher Einfluss auf die Unternehmensleitung zu.292 Der 286

Siehe dazu bereits oben Kap. 1, B. III. 3. Holle, AG 2010, 14, 16; C. Teichmann/Heise, BB 2007, 2577. Da das Entsendungsrecht an den Anteilsbesitz geknüpft war und die Bundesrepublik Deutschland ihre letzten VW-Aktien Ende der 80er Jahre veräußert hatte, bestand nur noch ein Entsendungsrecht des Landes Niedersachsen. Siehe dazu bereits oben Kap. 1, B. III. 3. 288 EuGH, C-112/05 (Volkswagen), Slg. 2007, I-8995, 9026 ff., Rn. 17 ff. 289 Bayer/Schmidt, BB 2008, 454, 459; Verse, in: FS E. Klein, S. 701, 702. Vgl. insofern etwa Wellige, EuZW 2003, 427; Spindler, RIW 2003, 850, 857; Sander, EuZW 2005, 106, 109; Kleinschmit, Volkswagengesetz, S. 103 ff. (zum Entsendungsrecht). 290 EuGH, C-112/05 (Volkswagen), Slg. 2007, I-8995, 9038, Rn. 60 f. 291 EuGH, C-112/05 (Volkswagen), Slg. 2007, I-8995, 9039 f., Rn. 62 ff. 292 Vgl. EuGH, C-112/05 (Volkswagen), Slg. 2007, I-8995, 9039, Rn. 65. 287

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Gerichtshof stellte damit eine Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit konkret durch das Entsendungsrecht fest. Sodann verwarf er die von der Bundesrepublik vorgebrachten Rechtfertigungsgründe des Arbeitnehmer- und Minderheitenschutzes und bejahte dementsprechend einen Verstoß.293 Aus der „Volkswagen“-Entscheidung folgt insofern eindeutig, dass spezialgesetzliche Entsendungsrechte eine Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit im Sinne von Art. 63 Abs. 1 AEUV darstellen.294 b) Satzungsmäßige Entsendungsrechte Fraglich ist, ob sich dies ohne weiteres auch auf satzungsmäßige Entsendungsrechte nach § 101 Abs. 2 AktG übertragen lässt. Dabei soll an dieser Stelle zunächst nur die Qualifikation als Beschränkung i.S.d. Art. 63 Abs. 1 AEUV geklärt werden.295 Bereits diese Frage ist im Schrifttum umstritten. Die überwiegende Auffassung im Schrifttum geht davon aus, dass auch bei Entsendungsrechten nach § 101 Abs. 2 AktG eine Beschränkung i.S.d. Art. 63 Abs. 1 AEUV im Grundsatz vorliegt.296 Auch satzungsmäßige Entsendungsrechte würden danach zwangsläufig die relative Einflussmacht der nicht begünstigten Aktionäre auf die Zusammensetzung des Aufsichtsrats begrenzen und seien daher geeignet, potenzielle Anteilserwerber aus anderen EU-Mitgliedstaaten abzuschrecken.297 Die Begrenzung der Einflussmöglichkeit resultiere bereits daraus, dass sich neu hinzukommende Aktionäre nicht an der Wahl aller Aufsichtsratsmitglieder beteiligen könnten.298 Einzelne Stimmen in der Literatur verneinen dagegen unter Heranziehung der sog. Keck-Formel des EuGH299 bereits die Qualifizierung von Entsendungsrechten nach § 101 Abs. 2 AktG als Beschränkung i.S.v. Art. 63 Abs. 1 AEUV.300 Wenn 293

EuGH, C-112/05 (Volkswagen), Slg. 2007, I-8995, 9042 f., Rn. 74 ff. So im Ergebnis auch Kleinschmit, Volkswagengesetz, S. 103 ff.; Weiss, Goldene Aktien, S. 227; Pießkalla, Goldene Aktien, S. 102 ff.; ders., EuZW 2007, 702 f.; Seeling/Zwickel, BB 2008, 622, 623; Käseberg/Kuhn, AG 2007, 65, 68 f.; Sander, EuZW 2005, 106, 109; Wellige, EuZW 2003, 427, 429; Krause, NJW 2002, 2747, 2750. 295 Zu den Folgefragen nach dem Vorliegen einer staatlichen Maßnahme bzw. der Grundfreiheitenbindung Privater siehe sodann unten 3. b) und c). 296 Pießkalla, Goldene Aktien, S. 104; Demirakou, Kapitalverkehrsfreiheit, S. 245; Möslein, AG 2007, 770, 773 f.; Seeling/Zwickel, BB 2008, 622, 623; Verse, ZIP 2008, 1754, 1758 f.; Lieder, ZHR 172 (2008), 306, 324 f.; Frenz, EWS 2011, 125, 127; wohl auch Käseberg/Kuhn, AG 2007, 65, 68 f. 297 Möslein, AG 2007, 770, 773; ähnlich Lieder, ZHR 172 (2008), 306, 325. 298 Seeling/Zwickel, BB 2008, 622, 623. 299 Grundlegend EuGH, C-267/91 und C-268/91 (Keck und Mithouard), Slg. 1993, I-6097, 6131, Rn. 16 f. 300 Neumann/Ogorek, NZG 2008, 892, 893 f.; Ogorek/von der Linden, BB 2008, 1139, 1140; allgemein für gesellschaftsrechtliche Regelungen auch Spindler, RIW 2003, 850, 853; 294

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unterschiedslose Maßnahmen, die bloße Vertriebs- und Absatzbedingungen regeln, nicht als Beschränkung der Warenverkehrsfreiheit anzusehen seien, so müsse dies auch für die Kapitalverkehrsfreiheit gelten. Hier seien entsprechend solche nationalen Vorschriften, die lediglich „Umfeld- oder Rahmenregelungen“ für Kapitalverkehrsgeschäfte festlegen, nicht als Beschränkungen i.S.d. Art. 63 Abs. 1 AEUV zu qualifizieren. Die Regelung des Art. 101 Abs. 2 AktG sei eine derartige „Rahmenvorschrift“, da sie nicht spezifisch den grenzüberschreitenden Kapitalverkehr regele, sondern Teil der allgemeinen, durch das Aktienrecht vorgegeben Gesellschaftsverfassung sei.301 Diese Ansicht kann indes nicht überzeugen. Zwar ist es zutreffend, dass der EuGH die Anwendung der Keck-Grundsätze im Rahmen der Kapitalverkehrsfreiheit zumindest erwogen hat.302 Dabei hat er jedoch auch festgehalten, dass eine bloße Verkaufsmodalität im Sinne der Keck-Rechtsprechung nur dann gegeben ist, wenn die unterschiedslos für Gebietsansässige und Gebietsfremde geltenden Investitionsbeschränkungen die Situation des Erwerbers als solche nicht berühren und daher nicht geeignet sind, Anleger aus anderen Mitgliedstaaten von Investitionen abzuhalten und damit den Marktzugang zu beeinflussen.303 Bejaht man mithin die nach der Formel des EuGH für Beschränkungen der Kapitalverkehrsfreiheit ausreichende abschreckende Wirkung einer Maßnahme für Investoren, so schließt dies das Vorliegen einer bloßen Verkaufsmodalität bereits aus.304 Die abschreckende Wirkung eines Entsendungsrechts ergibt sich gerade aus seiner grundlegenden Konzeption, den Einfluss einzelner Aktionäre zu erweitern, während gleichzeitig die Einflussmöglichkeiten der übrigen Aktionäre und potenzieller Investoren vermindert werden. Ob dieser Effekt auf einer spezialgesetzlichen Normierung oder einer satzungsmäßigen Verankerung beruht, zu der das allgemeine Gesellschaftsrecht ermächtigt, kann für die bloße Schmälerung der Attraktivität eines Investments in die betreffende Gesellschaft und damit für die Beschränkungswirkung eines Entsendungsrechts keine Rolle spielen.305 Unter Zugrundelegung der bisherigen EuGH-

zumindest ähnlich auch Reichert, in: FS K. Schmidt, S. 1341, 1355; Bayer/Ohler, ZG 2008, 12, 29; Bayer/Schmidt, BB 2008, 454, 460. 301 Neumann/Ogorek, NZG 2008, 892, 894. 302 Siehe etwa EuGH, C-463/00 (Goldene Aktien Spanien), Slg. 2003, I-4581, 4631, Rn. 58 ff.; C-98/01 (Goldene Aktien Vereinigtes Königreich), Slg. 2003, I-4641, 4662 f., Rn. 45 ff.; siehe auch Lutter/Bayer/Schmidt, Europäisches UntKapMarktR, § 15 Rn. 10 m.w.N.; Demirakou, Kapitalverkehrsfreiheit, S. 55 ff., 186 ff. 303 Vgl. EuGH, C-463/00 (Goldene Aktien Spanien), Slg. 2003, I-4581, 4631, Rn. 61; C-98/01 (Goldene Aktien Vereinigtes Königreich), Slg. 2003, I-4641, 4663, Rn. 47; RappJung/Bartosch, BB 2009, 2210, 2214; Käseberg/Kuhn, AG 2007, 65, 67; Verse, in: FS E. Klein, S. 701, 709. 304 Ähnlich Spindler, RIW 2003, 850, 853, wonach die Differenzierung mit der Formel des EuGH „nicht einfach in Einklang zu bringen“ sei. 305 Vgl. Verse, ZIP 2008, 1754, 1758 f.

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Kap. 3: Entsendungsrechte und nationales Recht, Grundgesetz, Europarecht

Rechtsprechung sind die Keck-Grundsätze folglich nicht geeignet, satzungsmäßige Entsendungsrechte dem Schutzbereich der Kapitalverkehrsfreiheit zu entziehen.306 Die Qualifikation eines Entsendungsrechts nach § 101 Abs. 2 AktG als Beschränkung i.S.d. Art. 63 Abs. 1 AEUV ist damit im Grundsatz zu bejahen. Entsendungsrechte fallen insofern in die Kategorie der Ausübungsbeschränkungen, die die Einflussmöglichkeiten auf gesellschaftsinterne Entscheidungen begrenzen. Eine besonders abschreckende Wirkung haben sie in paritätisch mitbestimmten Gesellschaften, da potenzielle Anteilserwerber hier selbst im Falle eines Mehrheitserwerbs eine Fremdbestimmung der Gesellschaft durch Arbeitnehmer und entsendungsberechtigte Aktionäre befürchten müssen.307 3. Bindungswirkung der Kapitalverkehrsfreiheit Damit ist indes noch nicht beantwortet, ob bzw. inwieweit die Beschränkung des freien Kapitalverkehrs auch gegen das Verbot aus Art. 63 Abs. 1 AEUV verstößt. Dies hängt maßgeblich von der Bindungswirkung der Kapitalverkehrsfreiheit ab, also von der Frage, wer Adressat des in Art. 63 Abs. 1 normierten Verbots ist. Insofern muss hinsichtlich der jeweils durch ein Entsendungsrecht begünstigten Personen unterschieden werden. a) Spezialgesetzliche staatliche Entsendungsrechte Die europäischen Grundfreiheiten verpflichten nach ihrem Wortlaut und ihrer Zweckrichtung in erster Linie die EU-Mitgliedstaaten.308 Ihnen kommt insofern zunächst eine abwehrrechtliche Funktion zu: Die Mitgliedstaaten sind verpflichtet, alle Maßnahmen zu unterlassen, die den Freiverkehr innerhalb des Binnenmarktes behindern.309 Auch im Rahmen der Kapitalverkehrsfreiheit sind damit zunächst beschränkende Maßnahmen durch einen Mitgliedstaat selbst verboten, die dieser in Ausübung öffentlicher bzw. hoheitlicher, also exekutiver, legislativer oder judikativer Gewalt trifft.310 Es muss insofern eine nationale, einem Mitgliedstaat zurechenbare Maßnahme vorliegen, um einen relevanten Eingriff in Art. 63 Abs. 1 AEUV bejahen zu können. 306

Vgl. Käseberg/Kuhn, AG 2007, 65, 69 (allgemein zu Beschränkungen des Kontrollerwerbs). 307 Vgl. Möslein, AG 2007, 770, 773; Kleinschmit, Volkswagengesetz, S. 104. 308 Haratsch/Koenig/Pechstein, Europarecht, Rn. 822; Frenz, Hdb Europarecht I, Rn. 3627. 309 Vgl. Kingreen, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, AEUV Art. 36 Rn. 104; Sedlaczek/ Züger, in: Streinz, EUV/AEUV, AEUV Art. 63 Rn. 10. Zur daneben bestehenden Schutzfunktion siehe unten c) cc) (2). 310 Vgl. Ress/Ukrow, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Recht der EU, AEUV Art. 63 Rn. 109; Pießkalla, Goldene Aktien, S. 69.

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Relativ unproblematisch ist dies im Falle spezialgesetzlicher Entsendungsrechte zugunsten öffentlicher bzw. staatlicher Akteure. Räumt ein Mitgliedstaat sich selbst oder einer ihm angegliederten (Gebiets-)Körperschaft ein Entsendungsrecht unmittelbar durch Gesetz ein, so ist hierin eindeutig eine nationale Maßnahme zu sehen, die gegen das Verbot von Beschränkungen des freien Kapitalverkehrs verstößt und somit rechtfertigungsbedürftig ist. Auch das in § 4 Abs. 1 VW-Gesetz a.F. normierte Entsendungsrecht des Landes Niedersachsen bei der Volkswagen AG ist deshalb durch den EuGH ohne weiteres als Verstoß gegen die Kapitalverkehrsfreiheit qualifiziert worden.311 Dabei spielte es keine Rolle, dass das Gesetz – wie von der Bundesrepublik vorgetragen – lediglich eine in den 50er Jahren geschlossene Vereinbarung wiedergebe, die als privatrechtlicher Vertrag zu qualifizieren sei. Von einer nationalen Maßnahme ging der Gerichtshof schon deshalb aus, weil die Vereinbarung Gegenstand eines Gesetzes geworden war. Die Ausübung der Gesetzgebungskompetenz sei insofern in ganz besonderem Maße Ausdruck staatlicher Gewalt.312 Ein spezialgesetzliches Entsendungsrecht stellt insofern stets eine nationale Maßnahme dar und bedarf folglich einer Rechtfertigung vor dem Hintergrund der Kapitalverkehrsfreiheit. Derartige Entsendungsrechte bestehen seit der Änderung des VW-Gesetzes in Deutschland allerdings ohnehin nicht mehr. b) Satzungsmäßige Entsendungsrechte zugunsten staatlicher Aktionäre Staatliche Einflussnahme muss indes nicht auf spezialgesetzlichen Regelungen beruhen. Hält die öffentliche Hand Anteile an einer Aktiengesellschaft, so kann ihr wie jedem anderen Aktionär auch ein Entsendungsrecht nach § 101 Abs. 2 AktG eingeräumt werden. Die damit verbundene Privilegierung öffentlich-rechtlicher Aktionäre war eine der wesentlichen Erwägungen des deutschen Gesetzgebers für die Schaffung der entsprechenden Vorschriften.313 Auch das ehemalige gesetzliche Entsendungsrecht des Landes Niedersachsen bei der Volkswagen AG wurde nach der Aufhebung des § 4 Abs. 1 VW-Gesetz a.F. – nunmehr innerhalb der Grenzen des § 101 Abs. 2 S. 4 AktG – in der Satzung der Gesellschaft verankert.314 Fraglich ist, ob bzw. unter welchen Voraussetzungen auch darin eine nationale Maßnahme im Sinne der allgemeinen Grundfreiheitendogmatik zu sehen ist.

311

EuGH, C-112/05 (Volkswagen), Slg. 2007, I-8995, 9038 ff., Rn. 59 ff. Vgl. EuGH, C-112/05 (Volkswagen), Slg. 2007, I-8995, 9028 ff., Rn. 22 ff.; Ress/ Ukrow, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Recht der EU, AEUV Art. 63 Rn. 114; Weiss, EWS 2008, 13, 14. 313 Siehe dazu bereits oben Kap. 1, B. II. 1. und III. 1. 314 Vgl. Simons, in: Hölters, AktG, § 101 Rn. 33; Holle, AG 2010, 14, 19 f.; Bayer/Schmidt, BB 2010, 387, 394. Siehe zur Ausgestaltung auch oben Kap. 2, A. II. 2. a). 312

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aa) Grundsatz des effet utile Im Grundsatz ist überwiegend anerkannt, dass allein der Umstand, dass sich der Staat einer privatrechtlichen Gestaltung bedient, ihn nicht von der Beachtung der Grundfreiheiten entbinden kann, da andernfalls eine effektive Durchsetzung des Unionsrechts (sog. effet utile) nicht gewährleistet werden könne315 und die Gefahr einer „Flucht ins Privatrecht“ bestünde.316 Daher müsse der Staat auch dann der Bindung durch die Grundfreiheiten unterliegen, wenn er sich privatrechtlicher Handlungsformen bediene, also etwa Gestaltungsmöglichkeiten des allgemeinen Gesellschaftsrechts.317 Vereinzelt wird dies als zu weitgehend kritisiert; privatwirtschaftliches Engagement des Staates falle allein in den Anwendungsbereich des Wettbewerbsrechts.318 bb) Rechtsprechung des EuGH Allerdings hat auch der EuGH in seinem Urteil zu den goldenen Aktien der Niederlande klargestellt, dass auch satzungsmäßig begründete Sonderrechte des Staates gegen die Kapitalverkehrsfreiheit verstoßen können.319 Konkret ging es dabei um im Rahmen der Privatisierung der ehemals staatlichen niederländischen Post geschaffene vinkulierte Sonderaktien mit kraft Satzungsvereinbarung zwingenden Zustimmungsvorbehalten für zahlreiche gesellschaftsinterne Entscheidungen.320 Die Sonderaktien waren in dem früheren Staatsunternehmen („PTT NV“) durch Satzungsänderung begründet und später in die Satzungen der aus der Aufspaltung hervorgegangenen Nachfolgeunternehmen („KPN NV“ und „TPG NV“) aufgenommen worden.321 Der Gerichtshof qualifizierte die Aufnahme dieser Privilegien in die jeweiligen Satzungen ohne weiteres als staatliche Maßnahme, die in den An-

315 Lieder, ZHR 172 (2008), 306, 325; Holle, AG 2010, 14, 20; ähnlich Verse, ZIP 2008, 1754, 1759; siehe zum effet utile auch Streinz, Europarecht, Rn. 805. 316 Vgl. Frenz, Hdb Europarecht I, Rn. 326; Kingreen, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, AEUVArt. 36 Rn. 106; Ress/Ukrow, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Recht der EU, AEUVArt. 63 Rn. 112 f.; Pießkalla, Goldene Aktien, S. 75 f.; Spindler, RIW 2003, 850, 854; Rühland, in: Beiträge für Hopt, S. 501, 505; Verse, in: FS E. Klein, S. 701, 715 f. 317 Vgl. Ress/Ukrow, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, EUV/AEUV, AEUV Art. 63 Rn. 113; Sedlaczek/Züger, in: Streinz, EUV/AEUV, AEUV Art. 63 Rn. 12; Streinz, Europarecht, Rn. 805. 318 Wellige, EuZW 2003, 427, 430. 319 EuGH, C-282/04 und C-283/04 (Goldene Aktien Niederlande), Slg. 2006, I-9141; dazu auch Möslein, ZIP 2007, 208. Ebenso bereits EuGH, C-98/01 (Goldene Aktien Vereinigtes Königreich), Slg. 2003, I-4641, wo die Satzung allerdings noch vom zuständigen Minister genehmigt werden musste; vgl. dazu Rühland, in: Beiträge für Hopt, S. 501, 504 f.; Spindler, RIW 2003, 850, 853 f. 320 Möslein, ZIP 2007, 208; Holle, AG 2010, 14, 20; Bayer/Schmidt, BB 2008, 454, 459. 321 Vgl. EuGH, C-282/04 und C-283/04 (Goldene Aktien Niederlande), Slg. 2006, I-9141, 9158, Rn. 4 ff.

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wendungsbereich der Kapitalverkehrsfreiheit falle.322 Dabei erforderte die Einräumung der Sonderrechte keinen staatlichen Hoheitsakt, sondern hätte von jedem privaten Gesellschafter mit qualifizierter Mehrheit ebenso beschlossen werden können.323 Ebenso entschied der EuGH in weiteren golden share-Fällen zu satzungsmäßig verankerten Sonderrechten.324 Diese Rechtsprechung kann folglich nur so aufgefasst werden, dass nach Ansicht des EuGH eine nationale Maßnahme im Rahmen des Art. 63 Abs. 1 AEUV kein hoheitliches Handeln erfordert. Vielmehr ist jedes staatliche Tätigwerden an der Kapitalverkehrsfreiheit zu messen, unabhängig von seiner funktionalen oder rechtlichen Qualifikation.325 Dies kann kaum überraschen, da die Grundfreiheiten schon nach ihrem Wortlaut nicht zwischen unterschiedlichen Handlungsformen der Mitgliedstaaten differenzieren, sondern eine umfassende Bindung statuieren.326 cc) Bindung des Staates im Rahmen von § 101 Abs. 2 AktG Ob die genannten Grundsätze auf die Schaffung von Entsendungsrechten staatlicher Aktionäre nach § 101 Abs. 2 AktG übertragen werden können, ist im Schrifttum gleichwohl umstritten. (1) Meinungsstand Teilweise wird vertreten, die Situation der ehemaligen niederländischen Staatspost sei als Sonderfall zu bewerten, da die Sonderrechte hier im Zuge der Privatisierung staatlicherseits durchgesetzt wurden.327 Einem Recht der Einflussnahme des Staates auf Gesellschaften durch Satzungsgestaltung stehe die Entscheidung nicht generell im Wege, solange dies im Einklang mit zulässigen Gestaltungsmöglichkeiten des Gesellschaftsrechts geschehe,328 worunter auch § 101 Abs. 2 AktG gezählt werden müsste. In diesem Zusammenhang wird häufig auch auf die Formulierung 322

EuGH, C-282/04 und C-283/04 (Goldene Aktien Niederlande), Slg. 2006, I-9141, 9164 f., Rn. 22. 323 Möslein, ZIP 2007, 208, 209; Holle, AG 2010, 14, 20; Rühland, in: Beiträge für Hopt, S. 501, 505. 324 EuGH, C-463/04 und C-464/04 (Federconsumatori), Slg. 2007, I-10419; C-171/08 (Goldene Aktien Portugal II), Slg. 2010, I-6817; C-543/08 (Goldene Aktien Portugal III), Slg. 2010, I-11241. In diesen Fällen bestand allerdings die Besonderheit, dass die Satzungsnormen durch gesellschaftsrechtliche Regelungen legitimiert wurden, die ausschließlich Privilegierungen des Staates, nicht aber auch privater Aktionäre erlaubten. 325 Möslein, ZIP 2008, 208, 209; ähnlich Ringe, in: Beiträge für Hopt, S. 217, 230; Pießkalla, Goldene Aktien, S. 72 ff.; Sedlaczek/Züger, in: Streinz, EUV/AEUV, AEUV Art. 63 Rn. 12. 326 Vgl. Kingreen, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, AEUV Art. 36 Rn. 8; Pießkalla, Goldene Aktien, S. 76. 327 Neumann/Ogorek, NZG 2008, 892, 894. 328 Lutter/Bayer/Schmidt, Europäisches UntKapMarktR, § 15 Rn. 7; ähnlich Reichert, in: FS K. Schmidt, S. 1341, 1355.

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des EuGH in der „Volkswagen“-Entscheidung, der die Natur der entsprechenden Regelungen als „vom allgemeinen Gesellschaftsrecht abweichendes Sonderrecht […] allein zugunsten öffentlicher Akteure“329 betont, abgestellt.330 Hieraus wird vielfach der Schluss gezogen, dass eine Verletzung der Kapitalverkehrsfreiheit ausscheide, wenn sich der Staat allgemeiner gesellschaftsrechtlicher Instrumentarien wie § 101 Abs. 2 AktG bediene.331 Die Gegenansicht versteht die Rechtsprechung des EuGH hingegen als eindeutig: Da die Einräumung der geprüften Sonderrechte gerade keinen Hoheitsakt erforderte und nach niederländischem Gesellschaftsrecht ebenso von jedem privaten Gesellschafter mit qualifizierter Mehrheit hätte beschlossen werden können, bewerte der EuGH hier das bloße Gesellschafterhandeln des Staates als staatliche Maßnahme.332 Somit sei der Staat, auch wenn er wie eine Privatperson im Rahmen des allgemeinen Gesellschaftsrechts die Satzung einer Gesellschaft ausgestaltet, an die Kapitalverkehrsfreiheit gebunden.333 Entsprechend müssten auch staatliche Entsendungsrechte nach § 101 Abs. 2 AktG am Maßstab der Kapitalverkehrsfreiheit gemessen werden.334 (2) Stellungnahme Dass diese Frage umstritten ist, kann angesichts der scheinbar widersprüchlichen Ausführungen des EuGH kaum überraschen. Tatsächlich erscheint es schwierig, die genannten Entscheidungen in Einklang zu bringen. Denn es ist nicht von der Hand zu weisen, dass der Gerichtshof das Vorliegen einer staatlichen Maßnahme wiederholt 329

EuGH, C-112/05 (Volkswagen), Slg. 2007, I-8995, 9038, Rn. 61. Vgl. Neumann/Ogorek, NZG 2008, 892, 894; Bayer/Schmidt, BB 2008, 454, 460; Bayer/Ohler, ZG 2008, 12, 29. 331 Lutter/Bayer/Schmidt, Europäisches UntKapMarktR, § 15 Rn. 7; Bayer/Schmidt, BB 2012, 3, 13; dies., BB 2010, 387, 394; dies., BB 2008, 454, 460; Neumann/Ogorek, NZG 2008, 892, 894; einschränkend auch Reichert, in: FS K. Schmidt, S. 1341, 1355; Bayer/Ohler, ZG 2008, 12, 29 (Gestaltungen jedenfalls unbedenklich, sofern sie ohne staatlichen Zwang bzw. Einfluss zustande kommen); wohl auch Weller, in: Gebauer/Wiedmann, Zivilrecht unter europäischem Einfluss, Kap. 21 Rn. 19. 332 Möslein, ZIP 2007, 208, 209. 333 Verse, ZIP 2008, 1754, 1759; ders., in: FS E. Klein, S. 701, 715 ff.; ebenso Holle, AG 2010, 14, 20 ff.; Stöber, NZG 2010, 977, 979; Pießkalla, Goldene Aktien, S. 72 ff.; ders., EuZW 2006, 724 f.; Habersack/Verse, Europäisches GesR, § 3 Rn. 33; Grundmann, Europäisches GesR, Rn. 651; Sedlaczek/Züger, in: Streinz, EUV/AEUV, AEUVArt. 63 Rn. 12; Rühland, in: Beiträge für Hopt, S. 501, 505, 519; Ringe, in: Beiträge für Hopt, S. 217, 228 ff.; Vossestein, ECFR 5 (2008), 115, 118; van Bekkum/Kloosterman/Winter, ECL 5 (2008), 6, 8 ff.; Behme, AG 2014, 841, 851; wohl auch Ress/Ukrow, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, EUV/AEUV, AEUV Art. 63 Rn. 112 f. 334 Lieder, ZHR 172 (2008), 306, 325; Verse, ZIP 2008, 1754, 1759; ders., in: FS E. Klein, S. 701, 715 ff.; Möslein, AG 2007, 770, 774; wohl auch Habersack, in: MünchKomm AktG, § 101 Rn. 30; Koch, in: Hüffer, AktG, § 101 Rn. 9; Demirakou, Kapitalverkehrsfreiheit, S. 245 ff.; offen lassend Drygala, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 101 Rn. 14 („nicht auszuschließen“). 330

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auf das Abweichen vom allgemeinen Gesellschaftsrecht gestützt hat.335 In weiteren Entscheidungen hat er betont, die jeweils beanstandeten Sonderrechte seien „auch nicht auf eine normale Anwendung des Gesellschaftsrechts zurückzuführen“,336 was den Schluss nahelegt, eine nationale Maßnahme wäre anderenfalls zu verneinen gewesen. Im Urteil zu den goldenen Aktien der Niederlande basierte die beanstandete Satzungsregelung dagegen gerade auf einer allgemeinen Regelung des niederländischen Gesellschaftsrechts, die die Statuierung von Sonderrechten für sämtliche Anteilsinhaber erlaubte.337 Dennoch dürften das „Volkswagen“-Urteil und die weiteren genannten Entscheidungen nicht als bewusste Rechtsprechungsänderung zu verstehen sein. Aus dem EuGH-Urteil zu den golden shares der Niederlande kann letztlich nichts anderes geschlossen werden, als dass gesellschaftsrechtliches Handeln dann am Maßstab der Kapitalverkehrsfreiheit zu messen ist, wenn ein Mitgliedstaat hinter diesem Handeln steht.338 Dabei kommt es dem Gerichtshof nicht auf die rechtliche Gestaltung an, sondern auf die Gefahr, dass der Staat unter besonderen Umständen seine Sonderrechte zur Wahrung von Allgemeininteressen ausübt, die den wirtschaftlichen Interessen der Gesellschaft entgegenstehen können.339 Entsprechend ergibt sich aus der Zusammenschau mit dem „Volkswagen“-Urteil, dass der EuGH eine Sonderregelung allenfalls dann für unbedenklich hält, wenn sie auf den tatsächlichen Willen der privaten Aktionäre zurückzuführen ist.340 Dass dabei auch auf die Abweichung vom allgemeinen Gesellschaftsrecht abgestellt wird, sollte nicht überbewertet werden. Die Richter haben hier lediglich ein zusätzliches Argument herangezogen, dass die Unzulässigkeit des spezialgesetzlichen Entsendungsrechts im VW-Gesetz unterstreicht. Auch bei den anderen genannten Entscheidungen341 ging es um Satzungsregelungen, die jeweils auf gesetzlichen Vorschriften beruhten, durch die allein dem Staat derartige Klauseln eingeräumt werden konnten. Auch hier bot es sich geradezu an, herauszustellen, dass diese Möglichkeit nicht sämtlichen Aktionären zustand und damit nicht dem allgemeinen Gesellschaftsrecht entsprach. Damit ist aber noch nicht gesagt, dass die Regelungen anderenfalls zulässig gewesen wären, es dem Gerichtshof also allein auf die „Waffengleichheit“ zwischen privaten und staatlichen 335 Vgl. EuGH, C-112/05 (Volkswagen), Slg. 2007, I-8995, 9038, Rn. 60 f.; C-463/04 und C-464/04 (Federconsumatori), Slg. 2007, I-10419, 10446 f., Rn. 31, 34. 336 EuGH, C-543/08 (Goldene Aktien Portugal III), Slg. 2010, I-11241, 11267, Rn. 52; ebenso C-171/08 (Goldene Aktien Portugal II), Slg. 2010, I-6817, 6861, Rn. 55. 337 Vgl. EuGH, C-282/04 und C-283/04 (Goldene Aktien Niederlande), Slg. 2006, I-9141, 9157, Rn. 3. 338 Möslein, ZIP 2007, 208, 209; Holle, AG 2010, 14, 20. 339 Vgl. EuGH, C-282/04 und C-283/04 (Goldene Aktien Niederlande), Slg. 2006, I-9141, 9166, Rn. 30. 340 Lieder, ZHR 172 (2008), 306, 324 f. 341 EuGH, C-463/04 und C-464/04 (Federconsumatori), Slg. 2007, I-10419; C-171/08 (Goldene Aktien Portugal II), Slg. 2010, I-6817; C-543/08 (Goldene Aktien Portugal III), Slg. 2010, I-11241.

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Aktionären ankomme. Es werden nämlich daneben zahlreiche weitere Argumente ins Feld geführt, etwa die „Kontinuitätsgarantie“ eines Sonderrechts, die dem damit begünstigten Mitgliedstaat eine besonders starke und nahezu unveränderliche Stellung in der Gesellschaft verschaffe.342 Soweit der EuGH dies als bedenklich erachtet, dürfte für ein Entsendungsrecht nach § 101 Abs. 2 AktG, das als Sonderrecht praktisch unentziehbar ist,343 nichts anderes gelten. Zudem werden golden shares insbesondere deshalb beanstandet, weil sie dem Staat einen Einfluss auf die Verwaltung gewähren, „der durch den Umfang seiner Investition nicht gerechtfertigt und viel größer ist, als er ihm aufgrund seiner gewöhnlichen Beteiligung normalerweise zustünde.“344 Dies spricht dafür, dass der Gerichtshof dem Grundsatz one share, one vote zuneigt und damit jeglicher überproportionaler Einflussnahme des Staates kritisch gegenübersteht.345 Wie bereits gezeigt, spricht auch die allgemeine Grundfreiheitendogmatik für eine rein funktionale Betrachtung. Würde man nämlich staatliche Handlungen innerhalb des allgemeinen gesellschaftsrechtlichen Instrumentariums generell vom Anwendungsbereich des Art. 63 Abs. 1 AktG ausnehmen, so wären einer „Flucht ins Privatrecht“ im Bereich staatlicher golden shares Tür und Tor geöffnet. Dies kann aber kaum im Sinne einer effektiven Durchsetzung der Kapitalverkehrsfreiheit und damit des Grundsatzes vom effet utile des Europarechts sein. Auch wenn sich hieraus im Ergebnis erhebliche Beschränkungen für staatliche Beteiligungen an Unternehmen ergeben, ist folglich davon auszugehen, dass auch nach allgemeinem Gesellschaftsrecht zulässige Satzungsgestaltungen wie das Entsendungsrecht nach § 101 Abs. 2 AktG dann am Maßstab des Art. 63 Abs. 1 AEUV zu messen sind, wenn sie staatliche Anteilseigner begünstigen und der Staat auf ihre Begründung Einfluss genommen hat, sie also dem Staat zuzurechnen sind.346 Etwas anders ergibt sich auch nicht aus der jüngsten Entscheidung des EuGH im Fall „Volkswagen II“.347 Hier wurde zwar das nunmehr in der Satzung verankerte Entsendungsrecht des Landes Niedersachsen nicht beanstandet. Dies ist aber allein darauf zurückzuführen, dass die Rüge der Satzung der Volkswagen AG durch die 342

EuGH, C-463/04 und C-464/04 (Federconsumatori), Slg. 2007, I-10419, 10447, Rn. 35. Siehe dazu ausführlich unten Kap. 4. 344 EuGH, C-282/04 und C-283/04 (Goldene Aktien Niederlande), Slg. 2006, I-9141, 9165, Rn. 24; ähnlich C-112/05 (Volkswagen), Slg. 2007, I-8995, 9039, Rn. 62 f.; C-463/04 und C-464/04 (Federconsumatori), Slg. 2007, I-10419, 10445, Rn. 28. 345 Vgl. Möslein, ZIP 2007, 208, 210; Käseberg/Kuhn, AG 2007, 65, 68; Stöber, NZG 2010, 977, 978; van Bekkum/Kloosterman/Winter, ECL 5 (2008), 6, 12. 346 Lieder, ZHR 172 (2008), 306, 325; Verse, ZIP 2008, 1754, 1759; Möslein, ZIP 2007, 208, 209; Holle, AG 2012, 14, 20 f.; Stöber, NZG 2010, 977, 979; Habersack/Verse, Europäisches GesR, § 3 Rn. 33; Grundmann, Europäisches GesR, Rn. 651; ähnlich Pießkalla, Goldene Aktien, S. 72 ff.; Rühland, in: Beiträge für Hopt, S. 501, 505, 519; Ringe, in: Beiträge für Hopt, S. 217, 228 ff.; wohl auch Ress/Ukrow, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, EUV/AEUV, AEUV Art. 63 Rn. 112 f.; Habersack, in: MünchKomm AktG, § 101 Rn. 30. 347 EuGH, C-95/12 (Volkswagen II), ZIP 2013, 2103. 343

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Kommission als unzulässig zurückgewiesen wurde, da sich bereits die Ausgangsentscheidung („Volkswagen“) überhaupt nicht auf die Satzung bezogen hatte. Gegenstand beider Verfahren war damit allein das VW-Gesetz.348 Eine Aussage zur aktuellen Satzungsgestaltung ist dem Urteil damit nicht zu entnehmen. Auch die Tatsache, dass der EuGH die weiterhin bestehende Sperrminorität im VW-Gesetz als solche nicht mehr beanstandet, hat keinerlei Auswirkungen auf die obigen Erwägungen. Der Gerichtshof betont insofern nämlich, das Entsendungsrecht habe, anders als die Sperrminorität, eine selbständige Vertragsverletzung dargestellt.349 dd) Voraussetzungen der Grundfreiheitenbindung Noch nicht geklärt ist damit, unter welchen Voraussetzungen ein satzungsmäßiges Entsendungsrecht zugunsten staatlicher Aktionäre als nationale Maßnahme im Sinne des Art. 63 Abs. 1 AUEV anzusehen ist.350 Überwiegend wird für die Grundfreiheitenbindung verlangt, dass der Staat maßgeblich auf die Satzungsgestaltung Einfluss genommen hat.351 Dies ist zutreffend, denn eine nationale Maßnahme setzt zwingend ein Tätigwerden des Staates voraus, wobei die bloße Investition in eine Gesellschaft hierfür noch nicht genügen kann.352 Im Falle des § 101 Abs. 2 AktG ist eine Einflussnahme aber bereits dann gegeben, wenn der staatliche Aktionär bei der Beschlussfassung selbst für das ihn begünstigende Entsendungsrecht gestimmt hat. Durch die Ausübung des Stimmrechts hat die öffentliche Hand dann aktiv an der den Kapitalverkehr beschränkenden Maßnahme mitgewirkt.353 Dabei sollte es keine Rolle spielen, ob der Staat Mehrheits- oder gar Alleinaktionär der Gesellschaft ist und ob die erforderliche Mehrheit auch ohne seine Teilnahme zustande gekommen wäre.354 Solange er nur mit seinen Stimmen zur Begründung des Entsendungsrechts beiträgt, liegt ein dem Staat zurechenbares Verhalten vor, dass die Anwendbarkeit

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Vgl. EuGH, C-95/12 (Volkswagen II), ZIP 2013, 2103 f., Rn. 19 ff.; Merkt, WuB II Q § 260 AEUV 1.14, WuB/Februar 2014, 79, 81; Verse, in: FS E. Klein, S. 701, 704; dazu auch bereits C. Teichmann/Heise, BB 2007, 1577, 1578. 349 Vgl. EuGH, C-95/12 (Volkswagen II), ZIP 2013, 2103, 2104, Rn. 39. 350 Vgl. Merkt, WuB II Q § 260 AEUV 1.14, WuB/Februar 2014, 79, 81 f.; Verse, in: FS E. Klein, S. 701, 715 ff. 351 Grundmann, Europäisches GesR, Rn. 651; Habersack/Verse, Europäisches GesR, § 3 Rn. 33; Verse, in: FS E. Klein, S. 701, 717; Lieder, ZHR 172 (2008), 306, 325; ähnlich Stöber, NZG 2010, 977, 979; Behme, AG 2014, 841, 851. 352 Vgl. Grundmann, Europäisches GesR, Rn. 651; Verse, in: FS E. Klein, S. 701, 712; a.A. Weiss, EWS 2008, 13, 15; wohl auch Holle, AG 2010, 14, 21 (der sodann allerdings doch konkret auf das Stimmverhalten abstellt); offen lassend Merkt, WuB II Q § 260 AEUV 1.14, WuB/Februar 2014, 79, 81. 353 Holle, AG 2010, 14, 21. 354 Anders in diesem Punkt Verse, in: FS E. Klein, S. 701, 717 f., der zumindest Kausalität des staatlichen Abstimmungsverhaltens für das Zustandekommen des Beschlusses verlangt; so wohl auch Stöber, NZG 2010, 977, 979.

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des Art. 63 Abs. 1 AEUV auslöst.355 Auch eine sonstige Einflussnahme auf die satzungsändernde Entscheidung außerhalb der Hauptversammlung kann eine Zurechnung auslösen.356 Allerdings dürfte es zu weit gehen, beim Beschluss einer den Staat begünstigenden Satzungsregelung eine derartige Einflussnahme stets zu vermuten.357 Im Ergebnis folgt daraus, dass ein Entsendungsrecht zugunsten eines staatlichen Aktionärs nur dann keine nationale Maßnahme darstellt, wenn dieser bei der Beschlussfassung nicht für die Begründung gestimmt hat und auch sonst keinen Einfluss auf die Abstimmung genommen hat. Das Entsendungsrecht ist dann allein vom Willen der privaten Anteilseigner getragen.358 Ist der Beschluss zur Einführung des Entsendungsrechts dagegen mit den Stimmen des staatlichen Aktionärs zustande gekommen, so gilt für das Entsendungsrecht der strenge Maßstab der Kapitalverkehrsfreiheit. c) Satzungsmäßige Entsendungsrechte zugunsten privater Aktionäre Fraglich bleibt damit noch, ob diese Grundsätze auch auf rein private Entsendungsrechte ohne jeglichen Staatsbezug anzuwenden sind und somit auch solche den Grenzen des Art. 63 Abs. 1 AEUV unterliegen. Hierzu hat sich der EuGH bislang nicht geäußert. Die Beurteilung hängt insbesondere davon ab, ob man eine in bestimmten Bereichen anerkannte Drittwirkung der Grundfreiheiten, die bewirkt, dass auch private Rechtssubjekte durch sie verpflichtet werden, auch für die Kapitalverkehrsfreiheit annimmt. aa) Deutsche Rechtsprechung im Fall „ThyssenKrupp“ Der II. Zivilsenat des BGH hat in seinem Urteil im Fall „ThyssenKrupp“359 die Ansicht der Vorinstanzen bestätigt, wonach die Einführung eines satzungsmäßigen Entsendungsrechts nach § 101 Abs. 2 AktG keine den Kapitalverkehr beschränkende und deshalb verbotene nationale Maßnahme ist. Insbesondere aus dem „Volkswagen“-Urteil des EuGH ergebe sich, dass ein im allgemeinen Gesellschaftsrecht wurzelndes Entsendungsrecht zugunsten von nicht staatlichen oder staatlich beherrschten Anteilseignern keine Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit sei, sondern erst ein vom allgemeinen Gesellschaftsrecht abweichendes Sonderrecht.360 355 Auf die Kausalität für das Abstimmungsergebnis kommt es dabei nicht zwingend an, zumal diese im Einzelfall bisweilen schwer nachzuweisen sein wird, insbesondere bei hohem Streubesitz und unklarem Stimmverhalten der Kleinaktionäre im Falle einer Enthaltung des staatlichen Aktionärs. 356 Holle, AG 2010, 14, 22; Verse, in: FS E. Klein, S. 701, 718. 357 So aber Grundmann, Europäisches GesR, Rn. 651; Verse, in: FS E. Klein, S. 701, 718 f. 358 Siehe zur Folgefrage der Bindung Privater an Art. 63 Abs. 1 AEUV sogleich c). 359 BGH, ZIP 2009, 1566. 360 Vgl. BGH, ZIP 2009, 1566.

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Der Senat beruft sich hier also auf die oben genannte Formulierung des EuGH und meint, damit dessen Kriterien auf den konkreten Fall angewandt zu haben.361 Die Einleitung eines Vorabentscheidungsersuchens sei daher nicht veranlasst.362 Gegen das Urteil wurde in der Folge Verfassungsbeschwerde erhoben, die darauf gestützt wurde, dass die Nichtvorlage beim EuGH gegen das Recht der Beschwerdeführer auf den gesetzlichen Richter (Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG) verstoßen habe. Die Verfassungsbeschwerde wurde vom BVerfG363 jedoch ohne Begründung zurückgewiesen.364 Da keine direkte Klagemöglichkeit vor dem EuGH besteht, hat der Fall „ThyssenKrupp“ damit seinen Abschluss gefunden. Schon das OLG Hamm hatte den entscheidenden Unterschied zum Fall „Volkswagen“ darin erblickt, dass es sich bei dem Entsendungsrecht der KruppStiftung um eine ausschließlich zugunsten privater Aktionäre und auf Grundlage einer allgemeinen Norm des Gesellschaftsrechts geschaffene Satzungsbestimmung handele, während der EuGH lediglich Sonderrechte für öffentliche Körperschaften beanstande. Auch die Möglichkeit einer Drittwirkung der Kapitalverkehrsfreiheit im konkreten Fall lehnte das OLG ab, wobei es den Ermessenspielraum der Mitgliedstaaten bei der Gestaltung des Privatrechts betonte.365 In ähnlicher Weise hatte in erster Instanz das LG Essen einen Verstoß gegen die Kapitalverkehrsfreiheit abgelehnt, da das europäische Recht die Wirtschaftsteilnehmer nur vor staatlichen Eingriffen schütze, während hier die Aktionäre in eigener Sachzuständigkeit entscheiden könnten.366 bb) Bewertung im Schrifttum Zumindest im Ergebnis kann sich die Rechtsprechung auf die ganz überwiegende Auffassung in der Literatur stützen. Diese geht davon aus, dass von der Anteilseignermehrheit beschlossene Entsendungsrechte zugunsten privater Aktionäre auf Grundlage des § 101 Abs. 2 AktG und ähnliche privatautonome Satzungsgestaltungen europarechtskonform sind.367 Dabei wird von zahlreichen Vertretern dieser 361

So der vorsitzende Richter Goette, DStR 2009, 2547 unter Verweis auf den sog. acte claire-Grundsatz. 362 BGH, ZIP 2009, 1566. 363 BVerfG, Beschl. v. 30. 10. 2009 – 1 BvR 1892/09 (unveröffentlicht). 364 Vgl. die redaktionelle Anmerkung in ZIP 2010, 36 sowie FAZ v. 25. 11. 2009, S. 15. 365 Vgl. OLG Hamm ZIP 2008, 1530, 1534 f. 366 Vgl. LG Essen, AG 2007, 797, 798. 367 Verse, ZIP 2008, 1754, 1759 ff.; Neumann/Ogorek, NZG 2008, 892, 894 ff.; Bayer/ Schmidt, BB 2010, 387, 394; Bayer/Ohler, ZG 2008, 12, 29; Nikoleyczik, EWiR 2010, 103, 104; C. Teichmann/Heise, BB 2007, 2577, 2581; Lieder, ZHR 172 (2008), 306, 325 f.; Bachmann, AcP 210 (2010), 424, 464; Reichert, in: FS K. Schmidt, S. 1341, 1355; Spindler, RIW, 2003, 850, 854, 856 ff.; Rühland, in: Beiträge für Hopt, S. 501, 517 ff.; Pläster, EWS 2008, 173, 174 ff.; Weller, in: Gebauer/Wiedmann, Zivilrecht unter europäischem Einfluss, Kap. 21 Rn. 19; Lutter/Bayer/Schmidt, Europäisches UntKapMarktR, § 15 Rn. 7; Habersack/Verse, Europäisches GesR, § 3 Rn. 10, 36; Habersack, in: MünchKomm AktG, § 101 Rn. 30; Dry-

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Kap. 3: Entsendungsrechte und nationales Recht, Grundgesetz, Europarecht

Ansicht die oben besprochene Bindung privatrechtlichen, aber dem Staat zuzurechnenden Verhaltens an die Grundfreiheiten durchaus anerkannt. Abgelehnt wird jedoch eine darüber hinaus gehende unmittelbare Drittwirkung der Kapitalverkehrsfreiheit für private Rechtssubjekte.368 Einzelne Vertreter dieser Ansicht erkennen zwar eine mittelbare Drittwirkung an, d. h. eine Pflicht der Mitgliedstaaten, aktiv gegen Beeinträchtigungen der Grundfreiheiten vorzugehen, was zu einer entsprechenden Auslegung und ggf. Nichtanwendung nationaler Vorschriften durch die Gerichte führen würde. Diese könne aber durch die zu den Unionsgrundrechten zählende Privatautonomie in der konkreten Form der Gestaltungsfreiheit der Gesellschafter gerechtfertigt werden.369 Jedenfalls im Ergebnis deckt sich diese Auffassung also mit der der deutschen Rechtsprechung. Einige Stimmen in der Literatur gehen hingegen nicht davon aus, der EuGH wolle rein privatrechtlichen Sonderrechten einen Freibrief erteilen, sondern vertreten die Auffassung, dass auch privatautonom geschaffene Regelungen durch die Kapitalverkehrsfreiheit begrenzt werden.370 Insbesondere Möslein tritt für eine vollumfängliche Inhaltskontrolle von nach § 101 Abs. 2 AktG begründeten privaten Entsendungsrechten am Maßstab von Art. 63 Abs. 1 AEUV ein, die aufgrund der jedenfalls mittelbaren Drittwirkung und des damit verbundenen Untermaßverbots geboten sei.371 Anders als die herrschende Meinung misst er dem Element der Abweichung vom allgemeinen Gesellschaftsrecht keine besondere Bedeutung zu, sondern will die Behinderungswirkung einer Maßnahme europäisch-autonom bestimmen.372 Schon bei der Einräumung von Entsendungsrechten nach § 101 Abs. 2 sei folglich eine Verhältnismäßigkeitsprüfung vorzunehmen, der nach Mösleins Ansicht die Entsendungsrechte im Fall „ThyssenKrupp“ nicht standgehalten hätten.373

gala, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 101 Rn. 14; Koch, in: Hüffer, AktG, § 101 Rn. 9; Grigoleit/ Tomasic, in: Grigoleit, AktG, § 101 Rn. 19; Breuer/Fraune, in: Heidel, Aktienrecht, § 101 AktG Rn. 11; Rickford, in: FS Wymeersch, S. 61, 86 f., 90; Frenz, EWS 2011, 125, 130; wohl auch Holle, AG 2010, 14, 21 f.; Stöber, NZG 2010, 977, 979; Spindler, in: Spindler/Stilz, AktG, § 101 Rn. 53; van Bekkum/Kloosterman/Winter, ECL 5 (2008), 6, 10 ff.; differenzierend auch Seeling/Zwickel, BB 2008, 622, 623; Kainer, ZHR 168 (2004), 542, 559 f.; Engert, in: Langenbucher, Europäisches PrivWirtR, § 5 Rn. 24 f.; zumindest tendenziell auch Grundmann, Europäisches GesR, Rn. 653. 368 Vgl. etwa Habersack/Verse, Europäisches GesR, § 3 Rn. 33, 36; Verse, ZIP 2008, 1754, 1758 ff.; Lieder, ZHR 172 (2008), 306, 325 f. 369 Verse, ZIP 2008, 1754, 1759 ff. 370 Möslein, AG 2007, 770; ders., ZIP 2007, 208, 214; Grundmann/Möslein, ZGR 2003, 317, 332 ff.; Artés, EBLR 20 (2009), 457, 474 ff.; Vossestein, ECFR 5 (2008), 115, 131; Pießkalla, Goldene Aktien, S. 121 ff., insb. 152, 156, 217 ff.; Demirakou, Kapitalverkehrsfreiheit, S. 129 ff., 248; wohl auch Ringe, in: Beiträge für Hopt, S. 217, 226 f., 230 ff. 371 Möslein, AG 2007, 770, 775 ff. 372 Möslein, AG 2007, 770, 774. 373 Möslein, AG 2007, 770, 776 f.

D. Vereinbarkeit mit europäischem Recht

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cc) Stellungnahme Entscheidend für die Beurteilung privater Entsendungsrechte ist zunächst der Grad der in diesem Bereich bestehenden Grundfreiheitenbindung. Es muss folglich geklärt werden, ob von einer umfassenden, unmittelbaren Drittwirkung oder lediglich einer mittelbaren Drittwirkung der Kapitalverkehrsfreiheit auszugehen ist. (1) Unmittelbare Drittwirkung Obwohl die Grundfreiheiten nach ihrer Konzeption in erster Linie die Mitgliedstaaten verpflichten,374 hat die europäische Rechtsprechung in bestimmten Situationen auch eine unmittelbare Bindung Dritter angenommen. Im Falle einer solchen sog. unmittelbaren Drittwirkung haben auch Private in ihrem rechtsgeschäftlichen Handeln die aus den Grundfreiheiten folgenden Schranken zu beachten.375 Der EuGH hat dies bislang nur für die Personenverkehrsfreiheiten, die Dienstleistungsfreiheit und das allgemeine Diskriminierungsverbot nach Art. 18 AEUV bejaht.376 Adressaten waren in diesen Fällen zumeist sog. intermediäre Gewalten, d. h. wirkmächtige private Organisationen, insbesondere Verbände, die eigene Regelwerke aufstellen können und sich gegenüber ihren Mitgliedern in einer besonderen Machtposition befinden.377 So bejahte der Gerichtshof etwa die unmittelbare Grundfreiheitenbindung von Sportverbänden378 und Gewerkschaften.379 Darüber hinaus wurde in der Entscheidung „Angonese“ jedoch auch eine Privatbank als Verpflichteter der Arbeitnehmerfreizügigkeit angesehen.380 Hier formulierte der EuGH gar, die Arbeitnehmerfreizügigkeit als Diskriminierungsverbot gelte „für alle Verträge zwischen Privatpersonen“.381 In Bezug auf andere Grundfreiheiten ist die Rechtsprechung bislang indes deutlich zurückhaltender. So hat der Gerichtshof für die Warenverkehrsfreiheit festgestellt, diese beziehe sich „nur auf staatliche Maßnahmen und nicht auf Verhaltensweisen von Unternehmen.“382 Daraus kann geschlossen werden, dass eine

374

Siehe dazu bereits oben a). Habersack/Verse, Europäisches GesR, § 3 Rn. 9; Haratsch/Koenig/Pechstein, Europarecht, Rn. 823. 376 Leible/Streinz, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Recht der EU, AEUV Art. 34 Rn. 37. 377 Vgl. Haratsch/Koenig/Pechstein, Europarecht, Rn. 823; Habersack/Verse, Europäisches GesR, § 3 Rn. 9; Pießkalla, Goldene Aktien, S. 124 f. 378 EuGH, 36/74 (Walrave), Slg. 1974, 1405, 1419 f., Rn. 16, 19 ff.; C-415/93 (Bosman), Slg. 1995, I-4921, 5062 ff., Rn. 68 ff. 379 EuGH, C-438/05 (Viking Line), Slg. 2007, I-10779, 10823 ff., Rn. 33 ff.; C-341/05 (Laval), Slg. 2007, I-11767, 11885 ff., Rn. 96 ff. 380 EuGH, C-281/98 (Angonese), Slg. 2000, I-4139, 4171 ff., Rn. 30 ff. 381 EuGH, C-281/98 (Angonese), Slg. 2000, I-4139, 4172, Rn. 34. 382 EuGH, 311/85 (Vlaamse Reisbureaus), Slg. 1987, 3801, 3830, Rn. 30; ähnlich 65/86 (Bayer/Süllhöfer), Slg. 1988, 5249, 5285, Rn. 11 ff. 375

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Kap. 3: Entsendungsrechte und nationales Recht, Grundgesetz, Europarecht

unmittelbare Drittwirkung zwischen Privaten hier nicht besteht.383 Im Bereich der Kapitalverkehrsfreiheit ist die Frage von der Rechtsprechung bislang jedenfalls nicht ausdrücklich behandelt worden.384 Insgesamt ist die Prämisse von der unmittelbaren Drittwirkung der Grundfreiheiten im europarechtlichen Schrifttum sehr umstritten. Eine ausführliche Darstellung des Meinungsspektrums würde den Rahmen dieser Arbeit sprengen.385 Richtigerweise ist jedenfalls eine grenzenlose Ausdehnung der Grundfreiheitenbindung auf Private abzulehnen.386 Dagegen spricht bereits der völkerrechtliche Ursprung der europäischen Verträge: Die Intention der beteiligten Vertragsparteien, also der Mitgliedstaaten, neben diesen selbst auch private Rechtssubjekte durch die Grundfreiheiten zu verpflichten, ist keineswegs ersichtlich.387 Gegen einen solchen Willen der Vertragsparteien spricht insbesondere auch Art. 106 Abs. 2 AEUV, der die Geltung der Verträge für bestimmte private Unternehmen, aber eben auch nur für diese anordnet. Dies lässt durchaus den Umkehrschluss zu, dass eine umfassende Bindung Privater im Übrigen nicht beabsichtigt ist.388 Behinderungen des Binnenmarktes durch private Verhaltensweisen werden vielmehr durch die Wettbewerbsvorschriften der Art. 101 ff. AEUV geregelt.389 Entscheidend dürfte allerdings die Erwägung sein, dass die unmittelbare Bindung Privater an die Grundfreiheiten und die damit verbundene Rechtfertigungsbedürftigkeit privater Verhaltensweisen letztlich eine erhebliche Einschränkung der Privatautonomie bedeutet, deren Verwirklichung innerhalb eines freien Binnenmarktes die Grundfreiheiten doch gerade 383

Leible/Streinz, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Recht der EU, AEUV Art. 34 Rn. 37; Kingreen, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, AEUVArt. 36 Rn. 112; Frenz, Hdb Europarecht I, Rn. 346. 384 Verse, ZIP 2008, 1754, 1759; Kingreen, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, AEUV Art. 36 Rn. 112. Allerdings kann aus den Ausführungen im „Volkswagen“-Urteil wohl eine eher ablehnende Tendenz des EuGH geschlossen werden, siehe dazu unten (3). 385 Siehe überblicksartig etwa Demirakou, Kapitalverkehrsfreiheit, S. 127 ff.; ferner die zahlreichen (insb. auch monographischen) Nachweise bei Leible/Streinz, in: Grabitz/Hilf/ Nettesheim, Recht der EU, AEUVArt. 34 Rn. 37, Fn. 80 sowie bei Bachmann, AcP 210 (2010), 424, 465 f. 386 Vgl. Kingreen, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, AEUVArt. 36 Rn. 114 ff.; Frenz, Hdb Europarecht I, Rn. 358 ff.; Pießkalla, Goldene Aktien, S. 127 ff.; Habersack/Verse, Europäisches GesR, § 3 Rn. 10; Sedlaczek/Züger, in: Streinz, EUV/AEUV, AEUV Art. 63 Rn. 13; Leible/Domröse, in: Riesenhuber, Europäische Methodenlehre, § 9 Rn. 10; Streinz/Leible, EuZW 2000, 459, 460 ff.; Streinz, Europarecht, Rn. 850; Weller, in: Gebauer/Wiedmann, Zivilrecht unter europäischem Einfluss, Kap. 21 Rn. 19; Canaris, in: Symposium R. Schmidt, S. 29, 42 ff.; Bachmann, AcP 210 (2010), 424, 467 ff.; Seeling/Zwickel, BB 2008, 622, 623; Spindler, RIW 2003, 850, 854. 387 Vgl. Pießkalla, Goldene Aktien, S. 127 f. 388 Streinz/Leible, EuZW 2000, 459, 464; Habersack/Verse, Europäisches GesR, § 3 Rn. 10; kritisch zu diesem Argument indes Köndgen, in: Riesenhuber, Europäische Methodenlehre, § 7 Rn. 26; Bachmann, AcP 210 (2010), 424, 466. 389 Vgl. Frenz, Hdb Europarecht I, Rn. 366 ff.; Kingreen, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, AEUV Art. 36 Rn. 115; Canaris, in: Symposium R. Schmidt, S. 29, 43; Pießkalla, Goldene Aktien, S. 131 f.

D. Vereinbarkeit mit europäischem Recht

265

zu dienen bestimmt sind.390 Wenn aber privatautonomes Handeln der Marktteilnehmer und damit ein freier Rechtsverkehr im europäischen Binnenmarkt nicht mehr ermöglicht, sondern behindert werden, werden die Grundfreiheiten zum bloßen Selbstzweck.391 Die flexiblere und vorzugswürdige Lösung ist daher in der Annahme einer nur mittelbaren Drittwirkung durch staatliche Schutzpflichten zu sehen.392 Unabhängig davon lässt die bisherige Rechtsprechung des EuGH eine Übertragung der Grundsätze über die unmittelbare Drittwirkung auf die hier diskutierte Situation, nämlich die Ausgestaltung der Satzung einer AG durch Ausübung des Stimmrechts in der Hauptversammlung, ohnehin eher nicht erwarten. So kann eine Kapitalgesellschaft auch gegenüber ihren Gesellschaftern schwerlich als intermediäre Gewalt angesehen werden.393 Es handelt sich nicht um eine mit Berufsverbänden oder Gewerkschaften vergleichbare, wirkmächtige Organisation, deren Regelungen der Einzelne sich nicht entziehen kann. Die Beteiligung an einer AG ist vielmehr eine rein freiwillige Anlageform und kann in der Regel durch Veräußerung der jeweiligen Aktien jederzeit beendet werden. Deshalb entspricht auch die private Satzungsgebung funktional keineswegs der staatlichen Normsetzung.394 Eine über intermediäre Gewalten hinausgehende Drittwirkung hat der EuGH bislang indes nur für das aus Art. 45 AEUV folgende Diskriminierungsverbot angenommen, nicht aber für bloße Beschränkungsverbote.395 Schließlich deuten auch die Ausführungen des Gerichtshofs in der „Volkswagen“-Entscheidung396 eher auf die Ablehnung einer unmittelbaren Drittwirkung des Art. 63 AEUV hin.397 Somit ist auch nach der bisherigen europäischen Rechtsprechung nicht von einer unmittelbaren Drittwirkung

390 Vgl. Habersack/Verse, Europäisches GesR, § 3 Rn. 10; Sedlaczek/Züger, in: Streinz, EUV/AEUV, AEUV Art. 63 Rn. 13; Canaris, in: Symposium R. Schmidt, S. 29, 44 ff.; Bachmann, AcP 210 (2010), 424, 467, 471 ff. 391 Zuweilen wird gegen das Argument des „Rechtfertigungsdrucks“ angeführt, privatautonomes Handeln sei auch in anderen Bereichen, etwa dem Arbeits- und Wohnraummietrecht, rechtfertigungsbedürftig, vgl. Köndgen, in: Riesenhuber, Europäische Methodenlehre, § 7 Rn. 26. Dies ist natürlich zutreffend. Allerdings hat sich dort der Gesetzgeber aus sozialpolitischen Erwägungen bewusst für eine Regulierung des privaten Rechtsverkehrs entschieden. Die Grundfreiheiten dienen aber im Gegensatz zu den genannten Regelungsbereichen keinen sozialen Zwecken, sondern allein der Verwirklichung des Binnenmarktes. Sie dürfen deshalb nicht instrumentalisiert werden, um andere, unter den Mitgliedstaaten nicht unumstrittene rechtspolitische Ziele zu verwirklichen. 392 Vgl. Kingreen, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, AEUV Art. 36 Rn. 116; Streinz, Europarecht, Rn. 850. Dazu sogleich unter (2). 393 Neumann/Ogorek, NZG 2008, 892, 895 f.; a.A. wohl Möslein, AG 2007, 770, 774. 394 Eben dies ist aber das tragende Argument für die unmittelbare Drittwirkung bei intermediären Gewalten, vgl. Kingreen, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, AEUV Art. 36 Rn. 112. 395 Vgl. Habersack/Verse, Europäisches GesR, § 3 Rn. 9. 396 EuGH, C-112/05 (Volkswagen), Slg. 2007, I-8995, 9033, 9034 f., Rn. 40, 45. 397 Grundmann, Europäisches GesR, Rn. 653; Bachmann, AcP 210 (2010), 424, 466; C. Teichmann/Heise, BB 2007, 2577, 2581. Siehe dazu auch unten (3).

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Kap. 3: Entsendungsrechte und nationales Recht, Grundgesetz, Europarecht

der Kapitalverkehrsfreiheit auszugehen, wenn private Aktionäre von der Möglichkeit des § 101 Abs. 2 AktG Gebrauch machen.398 (2) Mittelbare Drittwirkung Damit ist allerdings nicht gesagt, dass die Kapitalverkehrsfreiheit überhaupt keine Wirkung für private Verhaltensweisen entfalten würde. Im Bereich der Warenverkehrsfreiheit hat die europäische Rechtsprechung festgestellt, dass diese den Mitgliedstaaten nicht nur eigene Handlungen verbiete, die zu Handelshemmnissen führen können, sondern sie auch dazu verpflichte, „alle erforderlichen und geeigneten Maßnahmen zu ergreifen, um in ihrem Gebiet die Beachtung dieser Grundfreiheit sicherzustellen.“399 Art. 34 AEUV könne folglich auch dann Anwendung finden, „wenn ein Mitgliedstaat nicht die erforderlichen Maßnahmen ergriffen hat, um gegen Beeinträchtigungen des freien Warenverkehrs einzuschreiten, deren Ursachen nicht auf den Staat zurückgehen.“400 Der EuGH legt mithin die Warenverkehrsfreiheit über die klassische abwehrrechtliche Kompetente hinaus auch als Schutzpflicht der Mitgliedstaaten aus.401 Diese auch als mittelbare Drittwirkung bezeichnete Schutzpflicht ist, im Gegensatz zur Prämisse von der unmittelbaren Drittwirkung der Grundfreiheiten, auch im Schrifttum weitgehend anerkannt.402 Sie wird teilweise aus Art. 4 Abs. 3 EUV (ex-Art. 10 EGV) abgeleitet,403 teilweise aber auch unmittelbar den Grundfreiheiten selbst entnommen.404 Grundgedanke ist jedenfalls, dass die Marktteilnehmer auch privatem Protektionismus bzw. von nichtstaatlichen Personen und Einrichtungen ausgehenden Verletzungen ihrer Grundfreiheiten nicht völlig schutzlos ausgeliefert sein sollen.405 Zwar hat die europäische Rechtsprechung bislang nur der Warenverkehrsfreiheit eine schutzrechtliche Wirkung zugeschrieben.406 Aufgrund der vergleichbaren 398 Vgl. Neumann/Ogorek, NZG 2008, 892, 895 f.; Ogorek/von der Linden, BB 2008, 1139, 1140; Seeling/Zwickel, BB 2008, 622, 623. 399 EuGH, C-265/95 (Kommission/Frankreich), Slg. 1997, I-6959, 6999, Rn. 32. 400 EuGH, C-112/00 (Schmidberger), Slg. 2003, I-5659, 5713, Rn. 57. 401 Vgl. Kingreen, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, AEUV Art. 36 Rn. 12 ff.; Frenz, Hdb Europarecht I, Rn. 198; Habersack/Verse, Europäisches GesR, § 3 Rn. 10; Streinz, Europarecht, Rn. 852 f.; Haratsch/Koenig/Pechstein, Europarecht, Rn. 822; Pießkalla, Goldene Aktien, S. 138 ff. 402 Vgl. Kingreen, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, AEUV Art. 36 Rn. 13; Frenz, Hdb Europarecht I, Rn. 199 ff.; Habersack/Verse, Europäisches GesR, § 3 Rn. 10; Leible/Streinz, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Recht der EU, AEUV Art. 34 Rn. 37; Streinz/Leible, EuZW 2000, 459, 465 ff.; Canaris, in: Symposium R. Schmidt, S. 29, 49 ff.; Bachmann, AcP 210 (2010), 424, 467 ff.; Verse, ZIP 2008, 1754, 1759 ff.; Pießkalla, Goldene Aktien, S. 137 ff. 403 Pießkalla, Goldene Aktien, S. 138 ff.; Seeling/Zwickel, BB 2008, 622, 623; ähnlich Leible/Streinz, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Recht der EU, AEUVArt. 34 Rn. 37; Kingreen, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, AEUV Art. 36 Rn. 12. 404 Frenz, Hdb Europarecht I, Rn. 199 ff. 405 Pießkalla, Goldene Aktien, S. 137 f.; Bachmann, AcP 210 (2010), 424, 468. 406 Vgl. Kingreen, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, AEUV Art. 36 Rn. 15.

D. Vereinbarkeit mit europäischem Recht

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Struktur und Zielrichtung dürften die Grundsätze jedoch auf andere Grundfreiheiten und insbesondere auf die Kapitalverkehrsfreiheit nach Art. 63 Abs. 1 AEUV übertragbar sein.407 Es ist kaum zu erwarten, dass der EuGH hier jegliche Drittwirkung kategorisch verneinen würde.408 Somit ist festzuhalten, dass zumindest von einer mittelbaren Drittwirkung der Kapitalverkehrsfreiheit auszugehen ist. (3) Bedeutung für private Entsendungsrechte nach § 101 Abs. 2 AktG Was aber bedeutet diese Feststellung nun für die hier zu entscheidende Frage nach der Zulässigkeit privater Entsendungsrechte gemäß § 101 Abs. 2 AktG? Aus der mittelbaren Drittwirkung der Kapitalverkehrsfreiheit könnte sich insofern eine Verpflichtung der Bundesrepublik Deutschland ergeben, gegen Entsendungsrechte, die wie gezeigt eine abschreckende Wirkung auf ausländische Investoren haben können, vorzugehen. Im Extremfall könnte daraus die Pflicht des deutschen Gesetzgebers gefolgert werden, die Norm des § 101 Abs. 2 AktG aufzuheben, was allerdings bislang – soweit ersichtlich – nicht gefordert worden ist.409 Es könnte aber zumindest eine (nachträgliche) Inhaltskontrolle von Entsendungsrechten am Maßstab des Art. 63 Abs. 1 AEUV durch die Gerichte angezeigt sein, die tatsächlich abschreckende und nicht gerechtfertigte Entsendungsrechte dann im Einzelfall aufheben müssten. Für diese Lösung tritt insbesondere Möslein ein.410 Auch diese Schlussfolgerung erscheint indes als zu weitgehend. Die Annahme einer mittelbaren Drittwirkung bedeutet in der Konsequenz nicht zwangsläufig, dass Entsendungsrechte in jedem Einzelfall einer Inhalts- und Rechtfertigungskontrolle zu unterziehen wären. Die Ausprägung der Grundfreiheiten als Schutzrecht ist ihrem Inhalt und ihrer Funktion nach unspezifischer als ein gegenüber staatlichem Handeln wirkendes Abwehrrecht.411 Auf Grund des mit dem Schutz der Grundfreiheiten verbundenen Eingriffs in die Freiheitsrechte der jeweiligen privaten Marktteilnehmer obliegt es den Mitgliedstaaten insofern, die gegenläufigen Interessen abzuwägen und mit dem Ziel der Herstellung praktischer Konkordanz aufeinander abzustimmen. Nach der Rechtsprechung des EuGH zur Warenverkehrsfreiheit412 steht den Mitgliedstaaten dabei ein weiter Ermessensspielraum zu.413 Sie müssen damit im Sinne 407

Vgl. Pießkalla, Goldene Aktien, S. 144 ff.; Verse, ZIP 2008, 1754, 1759 f.; Neumann/ Ogorek, NZG 2008, 892, 896; Möslein, AG 2007, 770, 774 f.; Sedlaczek/Züger, in: Streinz, EUV/AEUV, AEUV Art. 63 Rn. 13; Haratsch/Koenig/Pechstein, Europarecht, Rn. 822; a.A. wohl Spindler, RIW 2003, 850, 854. 408 Verse, ZIP 2008, 1754, 1760. 409 Vgl. Möslein, AG 2007, 770, 775, der ein generelles Verbot von Entsendungsrechten für börsennotierte und mitbestimmte Gesellschaften erwägt, aber als zu weitgehend ablehnt. 410 Möslein, AG 2007, 770, 775 ff. 411 Kingreen, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, AEUV Art. 36 Rn. 116. 412 EuGH, C-112/00 (Schmidberger), Slg. 2003, I-5659, 5720, Rn. 82. 413 Habersack/Verse, Europäisches GesR, § 3 Rn. 10; Verse, ZIP 2008, 1754, 1760; Streinz, Europarecht, Rn. 854; Seeling/Zwickel, BB 2008, 622, 623.

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Kap. 3: Entsendungsrechte und nationales Recht, Grundgesetz, Europarecht

eines Untermaßverbots zwingend nur besonders gravierende Beschränkungen der Grundfreiheiten durch Private unterbinden.414 Das wesentliche „Gegengewicht“ bei der Abwägung bildet dabei abermals die Privatautonomie, die zu den Unionsgrundrechten zu zählen ist415 bzw. jedenfalls von diesen vorausgesetzt wird.416 Sie genießt in der durch die EU-Verträge konstituierten Marktordnung einen besonders hohen Rang. Wie alle Grundfreiheiten dient auch die Kapitalverkehrsfreiheit letztlich dazu, die Privatautonomie über die innereuropäischen Grenzen zu erstrecken.417 Insofern kann auch im europäischen Kontext von einem grundsätzlichen Vorrang der Privatautonomie gegenüber staatlicher Reglementierung ausgegangen werden.418 Mit der Vorschrift des § 101 Abs. 2 AktG hat sich der deutsche Gesetzgeber durch die grundsätzliche Ermöglichung von Entsendungsrechten für einen Vorrang der privatautonomen Gestaltungsfreiheit entschieden. Dabei bewegt er sich innerhalb des ihm zustehenden Ermessensspielraums, da von Entsendungsrechten keine besonders schwerwiegenden Eingriffe in den freien Kapitalverkehr ausgehen. Schließlich verhindern sie trotz ihrer zweifellos abschreckenden Wirkung auch auf den Kontrollerwerb zielende Investitionen nicht schlechterdings. Zudem treffen sie in- und ausländische Investoren gleichermaßen, sodass keine diskriminierende Wirkung zu konstatieren ist.419 Sie werden überdies durch die Beschränkung auf Aktionäre der Gesellschaft, die zahlenmäßige Begrenzung nach § 101 Abs. 2 S. 4 AktG und das Erfordernis eines satzungsändernden Hauptversammlungsbeschlusses deutlich eingegrenzt.420 Hier zeigt sich, dass der deutsche Gesetzgeber die „protektionistische“ Wirkung des Sonderrechts erkannt und es deshalb nur in engen Grenzen zugelassen hat. Ebenfalls hat er sichergestellt, dass Entsendungsrechte stets durch eine qualifizierte Stimmrechtsmehrheit legitimiert sind und daher den Willen der Aktionärsmehrheit zum Ausdruck bringen. Die „Rechtfertigung“421 von Entsendungsrechten nach § 101 Abs. 2 AktG durch die Privatautonomie der Gesellschafter ist folglich bereits in der Norm angelegt und bedarf keiner Überprüfung im Einzelfall.422 Mit der Regelung wird einerseits der Kern der Privatautonomie ge414 Verse, ZIP 2008, 1754, 1760; Canaris, in: Symposium R. Schmidt, S. 29, 52 ff.; ähnlich Neumann/Ogorek, NZG 2008, 892, 897. 415 Verse, ZIP 2008, 1754, 1760; Neumann/Ogorek, NZG 2008, 892, 896 f. 416 Bachmann, AcP 210 (2010), 424, 471. 417 Neumann/Ogorek, NZG 2008, 892, 897. 418 Vgl. Kingreen, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, AEUV Art. 36 Rn. 116. 419 Vgl. Verse, ZIP 2008, 1754, 1761; ders., in: FS E. Klein, S. 701, 722. 420 Vgl. Neumann/Ogorek, NZG 2008, 892, 897. 421 Ob es sich bei der Abwägung um eine klassische Prüfung der Rechtfertigung einer Grundfreiheitenbeschränkung oder um eine Art „Vorprüfung“ zur Feststellung einer staatlichen Schutzpflicht handelt, kann letztlich dahinstehen, vgl. Bachmann, AcP 210 (2010), 424, 472 (Fn. 238). Schon aus Gründen der Übersichtlichkeit wird die Abwägung hier zusammen mit der Frage des Eingriffs behandelt. 422 Richtigerweise kann es daneben keine Rolle spielen, ob der Umfang des Entsendungsrechts – wie im Fall „ThyssenKrupp“ – an die jeweilige Kapitalbeteiligung gekoppelt ist oder welche Ziele der Entsendungsberechtigte im Einzelnen verfolgt (hierauf abstellend aber

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schützt, indem die Entscheidung über die Statuierung von Entsendungsrechten und die Beurteilung ihrer Sinnhaftigkeit den Gesellschaftern überlassen wird,423 andererseits aber auch die beschränkende Wirkung derartiger Gestaltungen auf den freien Kapitalverkehr eingegrenzt. § 101 Abs. 2 AktG bringt damit das Ergebnis einer Abwägung zum Ausdruck, die die gegenläufigen Interessen in einen angemessenen Ausgleich bringt und folglich den Anforderungen an die Mitgliedstaaten im Rahmen ihrer Schutzpflicht aus Art. 63 Abs. 1 AEUV gerecht wird. Fraglich erscheint allerdings, ob diese Grundsätze auch im Falle einer paritätisch mitbestimmten Gesellschaft gelten. Hier ist die abschreckende Wirkung eines Entsendungsrechts nochmals deutlich größer, da für einen Mehrheitserwerber die zumindest theoretische Gefahr einer „Fremdbestimmung“ des Aufsichtsrats durch die entsandten Mitglieder und die Arbeitnehmervertreter besteht. Auch ist zuzugeben, dass der deutsche Gesetzgeber diesen Effekt als Ergebnis des Zusammenspiels zwischen § 101 Abs. 2 AktG und dem Mitbestimmungsrecht bei der Schaffung der Vorschriften über das Entsendungsrecht noch nicht bedacht haben kann.424 Dennoch erscheint auch der damit verbundene Eingriff in die Kapitalverkehrsfreiheit nicht derart schwerwiegend, dass die Bundesrepublik ihn im Rahmen ihrer Schutzpflicht aus Art. 63 Abs. 1 AEUV zwingend unterbinden müsste. Die Gefahr eines dauerhaften Bündnisses der Arbeitnehmer mit einem entsendungsberechtigten Aktionär zur Aufrechterhaltung einer „Blockade“ gegenüber einem Mehrheitserwerber ist zwar potenziell gegeben, aber kaum realistisch oder gar naheliegend. Insofern wird auch in dieser Konstellation ein Kontrollerwerb nicht schlechterdings verhindert. Zudem kann hier neben der Privatautonomie auch der Arbeitnehmerschutz bzw. die Vertretung von Arbeitnehmerinteressen in die Abwägung eingestellt werden.425 Gleichzeitig würde ein Ausschluss von Entsendungsrechten in paritätisch mitbestimmten Gesellschaften den in ihrer Einflussmacht ohnehin schon eingeschränkten Anteilseignern weitere Gestaltungsmöglichkeiten verwehren. Wenn also der deutsche Gesetzgeber bislang keinen Anlass sah, Entsendungsrechte nach § 101 Abs. 2 AktG in diesem Fall zu verbieten, so bewegt er sich auch damit noch innerhalb des ihm zustehenden Gestaltungsspielraums. Unabhängig von diesen dogmatischen Überlegungen enthält das „Volkswagen“Urteil zudem tatsächlich Anhaltspunkte dafür, dass privatautonome Satzungsge-

Neumann/Ogorek, NZG 2008, 892, 897). Das Europarecht gibt weder einen ausnahmslosen one share, one vote-Grundsatz, noch bestimmte billigenswerte Unternehmensziele vor. Innerhalb der Grenzen des § 101 Abs. 2 AktG ist daher auch vor dem Hintergrund des Art. 63 Abs. 1 AEUV jedwede Gestaltung zulässig. 423 Vgl. Verse, ZIP 2008, 1754, 1761. 424 Vgl. Möslein, AG 2007, 770, 773. 425 Auch wenn die Berechtigung der unternehmerischen Mitbestimmung nach deutschem Modell keineswegs unumstritten ist, so stellt die Arbeitnehmerbeteiligung doch wenigstens im Grundsatz ein auch auf europäischer Ebene anerkanntes legitimes Interesse dar, wie etwa Art. 153 Abs. 1 lit. f AEUV zeigt.

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staltungen vom EuGH nicht beanstandet werden würden.426 Immerhin betont der Gerichtshof, dass zwischen einer den Aktionären verliehenen Befugnis, von der sie Gebrauch machen können oder auch nicht, und einer gesetzlichen Verpflichtung ein gewichtiger Unterschied besteht.427 Ebenso wird explizit auf den „Willen der Aktionäre“ abgestellt,428 was eine Billigung solcher Beschränkungen, die auf privatautonomen Mehrheitsentscheidungen beruhen, zumindest andeutet. Insofern lässt sich das oben Gesagte auch mit der bisherigen europäischen Rechtsprechung vereinbaren. Hinzu kommt, dass auch der Unionsgesetzgeber offenbar von der grundsätzlichen Zulässigkeit von Übernahmehindernissen wie Entsendungsrechten ausgeht, da er ihre Wirksamkeit in der Übernahmerichtlinie (RL 2004/25/EG) voraussetzt und lediglich eine optionale Durchbrechung in Ausnahmesituationen vorsieht.429 Der Rechtsansicht der h.M. und der nationalen Gerichte kann somit im Ergebnis zugestimmt werden. Der deutsche Gesetzgeber hat mit der Schaffung und Ausgestaltung des § 101 Abs. 2 AktG von dem ihm zustehenden Gestaltungsspielraum Gebrauch gemacht und dabei insbesondere mit den schon innerhalb der Norm vorgesehenen Schranken für die Begründung von Entsendungsrechten einen hinreichenden Schutz des freien Kapitalverkehrs gewährleistet.430 Satzungsmäßige Entsendungsrechte zugunsten Privater nach § 101 Abs. 2 AktG sind somit im Einzelfall nicht mehr anhand des Art. 63 Abs. 1 AEUV zu überprüfen. d) Zwischenergebnis Zusammenfassend kann damit festgehalten werden, dass neben spezialgesetzlichen staatlichen Entsendungsrechten auch ein nach § 101 Abs. 2 AktG begründetes Entsendungsrecht dann eine rechtfertigungsbedürftige Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit darstellt, wenn es den Staat begünstigt und dieser auf seine Einräumung Einfluss genommen hat. Satzungsmäßige Entsendungsrechte zugunsten privater Aktionäre unterliegen dagegen keiner Inhaltskontrolle anhand des Art. 63 Abs. 1 AEUV.

426 Vgl. Holle, AG 2010, 14, 22; C. Teichmann/Heise, BB 2007, 2577, 2581; Rühland, in: Beiträge für Hopt, S. 501, 518 f.; van Bekkum/Kloosterman/Winter, ECL 5 (2008), 6, 10 ff. 427 EuGH, C-112/05 (Volkswagen), Slg. 2007, I-8995, 9033, Rn. 40. 428 EuGH, C-112/05 (Volkswagen), Slg. 2007, I-8995, 9035, Rn. 45. 429 Verse, ZIP 2008, 1754, 1761. Siehe zum Sekundärrecht auch unten 5. 430 Vgl. Neumann/Ogorek, NZG 2008, 892, 897.

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4. Rechtfertigung Soweit ein staatliches431 Entsendungsrecht tatsächlich eine Beschränkung des Art. 63 Abs. 1 AEUV darstellt, dürfte eine Rechtfertigung in der Regel ausscheiden.432 Zwar können Beschränkungen des freien Kapitalverkehrs grundsätzlich aus den in Art. 65 AEUV (ex-Art. 58 EGV) genannten Gründen, insbesondere solchen der öffentlichen Ordnung und Sicherheit, sowie aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses gerechtfertigt sein.433 Insofern erkennt der EuGH durchaus auch ein grundsätzliches Bedürfnis der Mitgliedstaaten an, einen gewissen Einfluss auf ursprünglich öffentliche und später privatisierte Unternehmen zu behalten, die Dienstleistungen von allgemeinem Interesse oder strategischer Bedeutung erbringen.434 So kann etwa die Aufrechterhaltung der Energieversorgung oder der Telekommunikation eine staatliche Maßnahme rechtfertigen.435 Allerdings hat der Gerichtshof im Rahmen seiner golden share-Rechtsprechung eine strenge Haltung eingenommen und die von den nationalen Regierungen vorgebrachten Rechtfertigungsgründe in beinahe allen Fällen verworfen.436 So lehnte er etwa in der „Volkswagen“-Entscheidung die Rechtfertigungsversuche der Bundesregierung ab, die beanstandeten Regelungen des VW-Gesetzes einschließlich des Entsendungsrechts des Landes Niedersachsen bezweckten ein „austariertes Machtgleichgewicht“ innerhalb der Gesellschaft und dienten damit den Interessen von Arbeitnehmern und Minderheitsaktionären.437 Auch sonst wird es häufig an einer angemessenen ZweckMittel-Relation fehlen,438 da der Gerichtshof insbesondere an die Verhältnismäßigkeit staatlicher Sonderrechte strenge Maßstäbe anlegt.439 Insofern erscheint zweifelhaft, inwieweit Entsendungsrechte in den Aufsichtsrat etwa zur Wahrung bestimmter staatlicher Versorgungsinteressen überhaupt geeignet und erforderlich sind.440

431 Siehe zur „Rechtfertigung“ privatautonomer Entsendungsrechte im Rahmen der mittelbaren Drittwirkung der Kapitalverkehrsfreiheit bereits oben 3. c) cc) (3). 432 Vgl. Lieder, ZHR 172 (2008), 306, 325 („schwerlich zu rechtfertigen“); Verse, in: FS E. Klein, S. 701, 719 f.; Weiss, Goldene Aktien, S. 271 f. 433 So ausdrücklich etwa EuGH, C-112/05 (Volkswagen), Slg. 2007, I-8995, 9041, Rn. 72; C-463/04 und C-464/04 (Federconsumatori), Slg. 2007, I-10419, 10448, Rn. 39. 434 So etwa EuGH, C-463/00 (Goldene Aktien Spanien), Slg. 2003, I-4581, 4632 f., Rn. 66; C-463/04 und C-464/04 (Federconsumatori), Slg. 2007, I-10419, 10448 f., Rn. 41. 435 C. Teichmann/Heise, BB 2007, 2577, 2579; Lutter/Bayer/Schmidt, Europäisches UntKapMarktR, § 15 Rn. 14. 436 Vgl. Habersack/Verse, Europäisches GesR, § 3 Rn. 34; Grundmann, Europäisches GesR, Rn. 654; Lutter/Bayer/Schmidt, Europäisches UntKapMarktR, § 15 Rn. 13. 437 Vgl. EuGH, C-112/05 (Volkswagen), Slg. 2007, I-8995, 9035, Rn. 70 ff.; C. Teichmann/ Heise, BB 2007, 2577, 2578. 438 Vgl. C. Teichmann/Heise, BB 2007, 2577, 2579. 439 Lutter/Bayer/Schmidt, Europäisches UntKapMarktR, § 15 Rn. 23 ff. 440 Vgl. Weiss, Goldene Aktien, S. 256 f.

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Eine Berufung auf Art. 345 AEUV (ex-Art. 295 EGV), wonach die nationalen Eigentumsordnungen von den europäischen Verträgen unberührt bleiben, schließt der EuGH in ständiger Rechtsprechung kategorisch aus. Dieser Artikel führe nicht dazu, dass die in den Mitgliedstaaten bestehende Eigentumsordnung den Grundprinzipien der Verträge entzogen sei.441 Er kann deshalb nicht zur Rechtfertigung von Beschränkungen der Kapitalverkehrsfreiheit herangezogen werden.442 5. Exkurs: Kein Vorrang des Sekundärrechts Vereinzelt wird gegen die Prüfung satzungsmäßiger Entsendungsrechte anhand der Kapitalverkehrsfreiheit ein grundlegender Einwand erhoben: Durch die europäische Übernahmerichtlinie sei Art. 63 Abs. 1 AEUV als Prüfungsmaßstab weitgehend präkludiert, soweit es um die dort aufgeführten Übernahmehindernisse ginge.443 Insbesondere Entsendungsrechte seien nach Art. 11 Abs. 4 UAbs. 1 der Übernahmerichtlinie nur dann unwirksam, wenn die Durchbrechungsregel zur Anwendung komme. Eine Kontrolle solcher Rechte am Maßstab der Kapitalverkehrsfreiheit sei daher von Anfang an ausgeschlossen.444 Dieser Schlussfolgerung kann allerdings nicht zugestimmt werden.445 Zwar ist es zutreffend, dass der EuGH in ständiger Rechtsprechung zur Warenverkehrsfreiheit von einem Anwendungsvorrang des Sekundärrechts ausgeht, soweit der betroffene Bereich auf Unionsebene bereits abschließend harmonisiert ist.446 Dies ist als allgemeiner Grundsatz der Grundfreiheitendogmatik auch im Schrifttum weitgehend anerkannt.447 Insofern dürfte tatsächlich kein Grund ersichtlich sein, den Anwendungsvorrang des Sekundärrechts nicht auch auf die Kapitalverkehrsfreiheit zu

441 So etwa EuGH, C-483/99 (Goldene Aktien Frankreich), Slg. 2002, I-4781, 4803, Rn. 44; C-463/00 (Goldene Aktien Spanien), Slg. 2003, I-4581, 4633, Rn. 67; C-171/08 (Goldene Aktien Portugal II), Slg. 2010, I-6817, 6863, Rn. 64. 442 Sedlaczek/Züger, in: Streinz, EUV/AEUV, AEUV Art. 65 Rn. 34; Lutter/Bayer/ Schmidt, Europäisches UntKapMarktR, § 15 Rn. 12; Pießkalla, Goldene Aktien, S. 157 ff., 217; Weiss, Goldene Aktien, S. 248 ff.; Demirakou, Kapitalverkehrsfreiheit, S. 207 ff.; Lieder, ZHR 172 (2008), 306, 313; Grundmann/Möslein, ZGR 2003, 317, 338 ff.; C. Teichmann/Heise, BB 2007, 2577, 2580; a.A. allerdings Spindler, RIW 2003, 850, 853; Müller-Graff, EWS 2009, 489, 497. 443 Pläster, EWS 2008, 173, 178 ff.; Reichert, in: FS K. Schmidt, S. 1341, 1355 f. 444 Vgl. Pläster, EWS 2008, 173, 179 f. 445 Zweifelnd auch Verse, ZIP 2008, 1754, 1761 („in Anbetracht des bescheidenen Harmonisierungsgrads der Richtlinie“). 446 Siehe etwa EuGH, C-37/92 (Vanacker und Lesage), Slg. 1993, I-4947; 4978, Rn. 9; C-324/99 (DaimlerChrysler), Slg. 2001, I-9897, 9930, Rn. 32; C-421/04 (Matratzen Concord), Slg. 2006, I-2303, 2329, Rn. 20. 447 Vgl. Kingreen, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, AEUVArt. 36 Rn. 18; Leible/Streinz, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Recht der EU, AEUV Art. 36 Rn. 38; Frenz, Hdb Europarecht I, Rn. 382 ff.

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übertragen.448 Allerdings wäre die Anwendung des Art. 63 Abs. 1 AEUV nur dann ausgeschlossen, wenn die betroffene Rechtsmaterie bereits abschließend harmonisiert ist, es sich also um eine Totalharmonisierung handelt.449 Die Übernahmerichtlinie kann im Bereich satzungsmäßiger Entsendungsrechte aber gerade nicht als abschließende Harmonisierung angesehen werden. Zunächst betrifft sie nach Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 2 Abs. 1 lit. a lediglich öffentliche Übernahmeangebote, die sich an den Erwerb der Kontrolle einer Zielgesellschaft anschließen oder diesen Erwerb zum Ziel haben.450 Sie regelt damit weder jegliche grenzüberschreitenden Investitionen in Kapitalgesellschaften, noch die allgemeine Zulässigkeit einzelner gesellschaftsrechtlicher Gestaltungsformen. Auch die für Entsendungsrechte einschlägige Bestimmung, Art. 11 Abs. 4 UAbs. 1, enthält keine abschließende Regelung zur allgemeinen Zulässigkeit derartiger Sonderrechte. Diese Vorschrift bestimmt lediglich, dass „Sonderrechte der Gesellschafter zur Ernennung oder Abberufung der Mitglieder des Leitungs- bzw. Verwaltungsorgans, die in der Satzung der Zielgesellschaft vorgesehen sind“, in der Übernahmesituation unter gewissen Umständen durchbrochen werden.451 Damit ist aber keine abschließende Aussage über die grundsätzliche Zulässigkeit derartiger Rechte verbunden. Dieser Regelungsbereich wird vielmehr weiterhin den Mitgliedstaaten überlassen. Die Organisationsverfassung von Kapitalgesellschaften und die Bestellung ihrer Organe sind auf europäischer Ebene gerade nicht harmonisiert. Eine abschließende Harmonisierung satzungsmäßiger Entsendungsrechte müsste sich ausdrücklich zu Anwendungsbereich, Berechtigten und Grenzen dieser Rechte äußern. Der europäische Gesetzgeber hat dagegen lediglich die Behandlung von Entsendungsrechten in einer speziellen übernahmerechtlichen Situation geregelt. Hierin kann keineswegs eine Totalharmonisierung der Materie „satzungsmäßige Entsendungsrechte in Kapitalgesellschaften“ gesehen werden. Gegen die Annahme einer Präklusion spricht schließlich auch die Rechtsprechung des EuGH:452 In der „Federconsumatori“-Entscheidung453 vom 6. 12. 2007 sah der Gerichtshof in Art. 2449 CC a.F. einen Verstoß gegen die Kapitalverkehrsfreiheit. Diese Vorschrift ermöglichte die Einräumung satzungsmäßiger Entsendungsrechte zugunsten staatlicher Aktionäre. Zwar richtete sich die Klage gegen die Vorschrift selbst; der EuGH stellte aber auch fest, dass es keine Rolle spiele, dass dem Entsendungsrecht im Einzelfall noch ein Hauptversammlungsbeschluss vorangehen

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Vgl. Pläster, EWS 2008, 173, 178; Reichert, in: FS K. Schmidt, S. 1341, 1356. Vgl. Frenz, Hdb Europarecht I, Rn. 382 ff.; Kingreen, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, AEUV Art. 36 Rn. 18; Leible/Streinz, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Recht der EU, AEUV Art. 36 Rn. 38. 450 Vgl. Lutter/Bayer/Schmidt, Europäisches UntKapMarktR, § 30 Rn. 9 ff. 451 Siehe zu den Einzelheiten ausführlich unten Kap. 4, B. V. 452 Anders insofern Pläster, EWS 2008, 173, 178, der hier gerade keine Widersprüche sieht. 453 EuGH, C-463/04 und C-464/04 (Federconsumatori), Slg. 2007, I-10419. 449

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müsse.454 Die Tatsache, dass es sich der Sache nach um in der Satzung zu verankernde Sonderrechte handelte, hielt den Gerichtshof nicht davon ab, in vollem Umfang die Kapitalverkehrsfreiheit als Prüfungsmaßstab heranzuziehen. Art. 11 der Übernahmerichtlinie, die bereits im Mai 2004 in Kraft getreten war, wird dagegen nicht einmal erwähnt. Der Prämisse, Art. 63 Abs. 1 AEUV sei in diesem Bereich als Prüfungsmaßstab vollständig präkludiert, ist damit entschieden zu widersprechen. Damit bleibt es beim obigen Zwischenergebnis, dass zumindest satzungsmäßige Entsendungsrechte zugunsten staatlicher Aktionäre gegen die Kapitalverkehrsfreiheit verstoßen können. Zuzugeben ist aber, dass Art. 11 Abs. 4 UAbs. 1 der Übernahmerichtlinie zumindest eine gewisse gesetzgeberische Wertung entnommen werden kann, nämlich, dass satzungsmäßige Entsendungsrechte durch den europäischen Gesetzgeber jedenfalls nicht per se als unzulässig angesehen werden. Dies lässt sich als weiteres Argument dafür anführen, dass privatautonome Entsendungsrechte ohne Beteiligung staatlicher Akteure mit der Kapitalverkehrsfreiheit vereinbar sind.455

II. Art. 49 AEUV – Niederlassungsfreiheit Soweit es sich um Direktinvestitionen bzw. Kontrollbeteiligungen handelt, überschneidet sich der Anwendungsbereich der Kapitalverkehrsfreiheit mit dem der Niederlassungsfreiheit nach Art. 49 AEUV (ex-Art. 43 EGV).456 Letztere erfasst nämlich auch nationale Vorschriften, die anzuwenden sind, wenn ein Angehöriger eines Mitgliedstaats am Kapital einer Gesellschaft mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat eine Beteiligung hält, die es ihm ermöglicht, einen sicheren Einfluss auf die Entscheidungen der Gesellschaft auszuüben und deren Tätigkeit zu bestimmen.457 Eine solche Kontrollbeteiligung soll bereits bei einem Kapitalanteil von 25 % vorliegen; in Ausnahmefällen könne sogar ein noch geringerer Anteil genügen.458 Ob die Grundfreiheiten in diesem Fall nebeneinander anwendbar sind459 oder ob eine Abgrenzung vorgenommen werden muss,460 ist noch nicht abschließend

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Vgl. EuGH, C-463/04 und C-464/04 (Federconsumatori), Slg. 2007, I-10419, 10446, Rn. 30 ff. 455 Vgl. Verse, ZIP 2008, 1754, 1761. Siehe insofern bereits oben 3. c) cc) (3). 456 Vgl. Habersack/Verse, Europäisches GesR, § 3 Rn. 2, 32; Sedlaczek/Züger, in: Streinz, EUV/AEUV, AEUV Art. 63 Rn. 31, 34; Behme, AG 2014, 841, 843 f. 457 Lutter/Bayer/Schmidt, Europäisches UntKapMarktR, § 15 Rn. 3. 458 Sedlaczek/Züger, in: Streinz, EUV/AEUV, AEUV Art. 63 Rn. 34. 459 So etwa Pießkalla, Goldene Aktien, S. 59 ff., 242; Demirakou, Kapitalverkehrsfreiheit, S. 65 ff.; Weiss, Goldene Aktien, S. 241 f.; Verse, ZIP 2008, 1754, 1758 (Fn. 37). 460 So Sedlaczek/Züger, in: Streinz, EUV/AEUV, AEUV Art. 63 Rn. 33.

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geklärt. Ebenso ist offen, wonach sich die Abgrenzung richten sollte. Auch die Rechtsprechung des EuGH lässt insofern keine eindeutige Linie erkennen.461 Strittig ist insbesondere die Behandlung solcher Normen, die unterschiedslos auf Kontroll- und Minderheitsbeteiligungen anwendbar sind462 bzw. beide Investitionsformen gleichermaßen beschränken.463 Teilweise wird hier eine parallele Anwendbarkeit von Kapitalverkehrsfreiheit und Niederlassungsfreiheit angenommen,464 teilweise aber auch ein Vorrang des Art. 63 Abs. 1 AEUV.465 Wieder andere wollen nach der konkreten Beteiligungshöhe im jeweiligen Sachverhalt differenzieren und im Falle einer Kontrollbeteiligung ausschließlich Art. 49 AEUV anwenden.466 Was danach in Bezug auf § 101 Abs. 2 AktG gelten sollte, erscheint völlig unklar. Die Norm ist grundsätzlich auf alle Arten von Beteiligungen bzw. Investitionen „anwendbar“, da ihre Geltung nicht von einer bestimmten Beteiligungshöhe abhängt. Ein abschreckender Effekt und damit eine Beschränkung ergibt sich aus ihr indes nur für Direktinvestitionen, da Portfolioinvestitionen zu bloßen Anlagezwecken durch Entsendungsrechte nicht behindert werden.467 Eine Entscheidung zugunsten des Vorrangs der einen oder anderen Grundfreiheit soll hier indes nicht getroffen werden. Festzuhalten ist, dass sich der Gerichtshof in seiner golden share-Rechtsprechung in beinahe allen Fällen auf eine Prüfung anhand des Art. 63 Abs. 1 AEUV beschränkt hat, während er die Niederlassungsfreiheit entweder gar nicht erwähnt oder ihr zumindest keine weiter reichende Bedeutung zugemessen hat.468 Auch in den Entscheidungen „Volkswagen“ und „Federconsumatori“, in denen es konkret um Entsendungsrechte ging, prüfte der EuGH ihre

461 Vgl. Haratsch/Koenig/Pechstein, Europarecht, Rn. 1043; Ress/Ukrow, in: Grabitz/Hilf/ Nettesheim, Recht der EU, AEUV Art. 63 Rn. 305. 462 Vgl. Sedlaczek/Züger, in: Streinz, EUV/AEUV, AEUV Art. 63 Rn. 35. 463 Vgl. Habersack/Verse, Europäisches GesR, § 3 Rn. 32. 464 Habersack/Verse, Europäisches GesR, § 3 Rn. 32; Frenz, EWS 2011, 125, 128. 465 Ress/Ukrow, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Recht der EU, AEUV Art. 63 Rn. 318; Möslein, ZIP 2007, 208. 466 Sedlaczek/Züger, in: Streinz, EUV/AEUV, AEUV Art. 63 Rn. 35; wohl auch Bröhmer, in: Callies/Ruffert, EUV/AEUV, AEUV Art. 63 Rn. 29. 467 Für einen Investor, dem es lediglich auf die Geldanlage, aber nicht auf unternehmerischen Einfluss ankommt, werden Entsendungsrechte regelmäßig keinerlei Bedeutung und somit auch keine abschreckende Wirkung haben. Die rein theoretische Möglichkeit, dass die Abschreckung potenzieller Kontrollerwerber negative Auswirkungen auf den Aktienkurs haben könnte und deshalb auch Portfolioinvestoren betreffen könnte, erscheint nicht ausreichend. Anders allerdings Vossestein, ECFR 5 (2008), 115, 126 f.; Verse, in: FS E. Klein, S. 701, 709 f. (jeweils in Bezug auf das Volkswagen-Gesetz). 468 Vgl. Lutter/Bayer/Schmidt, Europäisches UntKapMarktR, § 15 Rn. 5; Bröhmer, in: Callies/Ruffert, EUV/AEUV, AEUV Art. 63 Rn. 22; Weiss, Goldene Aktien, S. 238 f.; Behme, AG 2014, 841, 844; Holle, AG 2010, 14, 15 (Fn. 3).

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Kap. 3: Entsendungsrechte und nationales Recht, Grundgesetz, Europarecht

Zulässigkeit anhand der Kapitalverkehrsfreiheit.469 Ebenso beschränkten sich die deutsche Rechtsprechung im Fall „ThyssenKrupp“470 wie auch die dazu ergangenen Stellungnahmen im Schrifttum weitgehend auf die Kapitalverkehrsfreiheit.471 Diesem Ansatz schließt sich die vorliegende Arbeit an. In jedem Fall führt eine Prüfung anhand der Niederlassungsfreiheit zu keinen abweichenden Ergebnissen.472 Die entscheidenden Fragen, insbesondere nach der Bindungswirkung der Grundfreiheiten sowie des Umfangs der staatlichen Schutzpflicht im Rahmen der mittelbaren Drittwirkung, sind hier ebenso zu beantworten wie in Bezug auf Art. 63 Abs. 1 AEUV. Auch auf der Rechtfertigungsebene ergeben sich keine Unterschiede. Nach hier vertretener Ansicht stünde damit auch die Niederlassungsfreiheit – sofern man sie anstelle oder neben Art. 63 Abs. 1 AEUV anwenden möchte – satzungsmäßigen Entsendungsrechten zugunsten staatlicher Aktionäre in aller Regel entgegen, privaten Entsendungsrechten dagegen nicht.

E. Zusammenfassung Festzuhalten ist, dass sich aus dem nationalen Recht keinerlei Beschränkungen für Entsendungsrechte nach § 101 Abs. 2 AktG ergeben. Sie verstoßen insbesondere weder gegen den aktienrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz aus § 53a AktG, noch gegen die Eigentumsgarantie des Art. 14 GG. Dies gilt ausnahmslos auch für Entsendungsrechte in mitbestimmten Gesellschaften. Hinsichtlich der Vereinbarkeit mit den europäischen Grundfreiheiten ist dagegen zu differenzieren: Entsendungsrechte zugunsten privater Aktionäre verstoßen mangels unmittelbarer Drittwirkung und der begrenzten Reichweite der sog. mittelbaren Drittwirkung weder gegen die Kapitalverkehrs-, noch die Niederlassungsfreiheit. Auch eine einzelfallabhängige Inhaltskontrolle ist hier nicht angezeigt. Anders verhält es sich mit Entsendungsrechten zugunsten öffentlicher bzw. staatlicher Anteilsinhaber. Bei diesen muss in den allermeisten Fällen von einer Unvereinbarkeit mit den europäischen Grundfreiheiten ausgegangen werden. Die ursprüngliche gesetzgeberische Intention, durch § 101 Abs. 2 AktG insbesondere öffentliche Aktionäre zu privilegieren, dürfte damit weitgehend hinfällig geworden sein. 469 EuGH, C-112/05 (Volkswagen), Slg. 2007, I-8995, 9038 ff., Rn. 59 ff.; EuGH, C-463/ 04 und C-464/04 (Federconsumatori), Slg. 2007, I-10419, 10443 ff., Rn. 18 ff. 470 Vgl. OLG, Hamm ZIP 2008, 1530, 1534 f. (Niederlassungsfreiheit in zwei Sätzen verworfen); BGH, ZIP 2009, 1566 (Niederlassungsfreiheit nicht mehr erwähnt). 471 Vgl. Neumann/Ogorek, NZG 2008, 892, 893 ff.; Verse, ZIP 2008, 1754, 1758 ff.; Möslein, AG 2007, 770, 773 ff.; Lieder, ZHR 172 (2008), 306, 324 f.; Seeling/Zwickel, BB 2008, 622, 623; Nikoleyczik, EWiR 2010, 103, 104. 472 Vgl. Pießkalla, Goldene Aktien, S. 253; Verse, ZIP 2008, 1754, 1758 (Fn. 37); Weiss, EWS 2008, 13, 18; Frenz, EWS 2011, 125, 128; ähnlich Habersack/Verse, Europäisches GesR, § 3 Rn. 32 („ohne nennenswerte Bedeutung“).

Kapitel 4

Entsendungsrechte als „Ewigkeitsrechte“ Entsendungsrechte werden gemeinhin als Sonderrechte i.S.v. § 35 BGB qualifiziert. Dies hat zur Folge, dass sie grundsätzlich nur mit Zustimmung des Berechtigten wieder entzogen werden können – selbst eine satzungsändernde Mehrheit in der Hauptversammlung kann daran nichts ändern, weswegen sie auch als „Ewigkeitsrechte“1 bezeichnet werden bzw. vom „Ewigkeitscharakter“2 der Entsendung gesprochen wird. Diese Rechtsnatur ist der wesentliche Grund für ihre Eignung zur Absicherung auch zukünftigen Einflusses sowie insbesondere als Übernahmehindernis in der Aktiengesellschaft.3 Es werden allerdings zahlreiche Fälle diskutiert, in denen bereits begründete Entsendungsrechte auch ohne Zustimmung des Berechtigten ausnahmsweise entziehbar sein sollen. Im Folgenden wird die Prämisse vom „Ewigkeitscharakter“ des Entsendungsrechts umfassend überprüft.

A. Der „Ewigkeitscharakter“ der Entsendung I. Die Qualifizierung des Entsendungsrechts im Schrifttum Nach nahezu einhelliger Auffassung im aktienrechtlichen Schrifttum handelt es sich bei Entsendungsrechten nach § 101 Abs. 2 AktG um Sonderrechte i.S.v. § 35 BGB.4 Hopt und M. Roth wollen § 35 BGB lediglich analog anwenden,5 was am Ergebnis freilich nichts ändert. Sie weisen gleichzeitig darauf hin, dass es sich beim 1

Seeling/Zwickel, BB 2008, 622. Möslein, AG 2007, 770, 771. 3 Siehe dazu oben Kap. 1, C. II. 4 Habersack, in: MünchKomm AktG, § 101 Rn. 31; Spindler, in: Spindler/Stilz, AktG, § 101 Rn. 50; Koch, in: Hüffer, AktG, § 101 Rn. 10; Mertens/Cahn, in: KölnKomm AktG, § 101 Rn. 51, 76; Drygala, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 101 Rn. 13; Hoffmann-Becking, in: MünchHdb AG, § 30 Rn. 23a; Simons, in: Hölters, AktG, § 101 Rn. 24; Vetter, in: MarschBarner/Schäfer, Hdb börsennotierte AG, § 25 Rn. 27; Bürgers/Israel, in: Bürgers/Körber, AktG, § 101 Rn. 10; Schick, in: Wachter, AktG, § 101 Rn. 8; Breuer/Fraune, in: Heidel, Aktienrecht, § 101 AktG Rn. 10; Verse, ZIP 2008, 1754; Lieder, ZHR 172 (2008), 306, 322; Beuthien, ZGR 2014, 24, 40; Klöhn, Abfindungsansprüche, S. 248; P. W. Vogel, Entsendung, S. 19; anders wohl Heider, in: MünchKomm AktG, § 1 Rn. 21. 5 Hopt/M. Roth, in: Großkomm AktG, § 101 Rn. 108. 2

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Kap. 4: Entsendungsrechte als „Ewigkeitsrechte“

Entsendungsrecht nach § 101 Abs. 2 AktG um den einzigen gesetzlichen Fall eines echten Sonderrechts in der Aktiengesellschaft handele.6 Einigkeit besteht jedenfalls darin, dass das Entsendungsrecht grundsätzlich nur mit Zustimmung des Berechtigten entzogen, eingeschränkt oder aufgehoben werden kann.7 Es stellt sich allerdings die Frage, worauf die Qualifizierung als echtes Sonderrecht basiert und ob diese Einschätzung sowie die Folge des Zustimmungserfordernisses zwingend sind. Die einschlägigen Kommentierungen lassen eine Begründung größtenteils vermissen.8 Allerdings gingen bereits die Verfasser des Aktiengesetzentwurfs 1931 vom Sonderrechtscharakter und damit von der Unentziehbarkeit des Entsendungsrechts aus.9 Auch die frühen Kommentierungen zum AktG 1937 betonen bereits die Unentziehbarkeit des Rechts ohne Zustimmung seines Inhabers.10 Zu diesem Ergebnis kommt auch die 1939 erschienene Monografie von P. W. Vogel, der das Entsendungsrecht ebenfalls als Sonderrecht i.S.d. § 35 BGB qualifiziert.11 Um diese Prämissen zu überprüfen, werden nachfolgend der Begriff des Sonderrechts sowie Anwendbarkeit und Rechtsfolgen von § 35 BGB herausgearbeitet.

II. Begriff der Sonderrechte 1. Begriffsmerkmale Der Begriff des Sonderrechts12 war in früherer Zeit äußerst umstritten. Während eine Ansicht auf die bevorrechtigte Stellung des Begünstigten gegenüber den an-

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Hopt/M. Roth, in: Großkomm AktG, § 101 Rn. 108; ebenso Aker, Sonderrechte, S. 49. Vgl. nur Koch, in: Hüffer, AktG, § 101 Rn. 10; Habersack, in: MünchKomm AktG, § 101 Rn. 31; Hopt/M. Roth, in: Großkomm AktG, § 101 Rn. 108. 8 Vgl. etwa Hopt/M. Roth, in: Großkomm AktG, § 101 Rn. 108; Habersack, in: MünchKomm AktG, § 101 Rn. 31; Mertens/Cahn, in: KölnKomm AktG, § 101 Rn. 51. Nach Gündel, Interessenwahrung, S. 175 soll der Sonderrechtscharakter „eindeutig an den Bestimmungen hinsichtlich der Abberufung der entsandten Mitglieder erkennbar“ sein. Eine ähnliche Aussage findet sich bei May, Sicherung des Familieneinflusses, S. 128. Genauer erläutert wird dies indes nicht. 9 Vgl. die erläuternden Bemerkungen des Reichsjustizministeriums zum Entwurf von 1931, abgedruckt bei: Schubert/Hommelhoff, Aktienrechtsreform, S. 913; ferner die Protokolle über die kommissarischen Beratungen im Reichsjustizministerium, abgedruckt bei: Schubert, Quellen zur Aktienrechtsreform II, S. 1000. Siehe dazu auch bereits oben Kap. 1, B. I. 7. c). 10 Siehe etwa Schlegelberger/Quassowski/Herbig/Geßler/Hefermehl, AktG 1937, § 88 Rn. 11; Godin/Wilhelmi, AktG 1937, § 88 Tz. II 4. 11 P. W. Vogel, Entsendung, S. 16 ff. 12 Teilweise wird auch generell von „wohlerworbenen Rechten“ gesprochen, siehe etwa Wiedemann, GesR I, S. 380 f. Dieser Begriff ist auch in der Schweiz gebräuchlich, siehe dazu oben Kap. 2, C. V. 2. b). 7

A. Der „Ewigkeitscharakter“ der Entsendung

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deren Verbandsmitgliedern13 abstellte, stand für die Gegenansicht die Unentziehbarkeit des jeweiligen Rechts und damit seine Zuordnung zur geschützten Individualsphäre des Mitglieds im Vordergrund.14 Heute besteht jedoch Einigkeit, dass es sich bei Sonderrechten i.S.d. § 35 BGB nur um solche mitgliedschaftlichen Rechte handelt, die einzelnen Gesellschaftern oder einer Gruppe von Gesellschaftern bestimmte Vorrechte gegenüber den übrigen Gesellschaftern gewähren und damit über die allgemeinen Mitgliedsrechte hinausgehen.15 Dies legt der Begriff des „Sonderrechts“ bereits rein sprachlich nahe.16 Zudem ist der in früherer Zeit teilweise verfolgte Zweck, auch allgemeine Mitgliedsrechte in den Anwendungsbereich des § 35 BGB einzubeziehen und damit vor Verletzungen zu schützen, durch die Entwicklung anderer Institute, insbesondere der mitgliedschaftlichen Treuepflicht, des Gleichbehandlungsgrundsatzes sowie der Gesellschafterklagen, weitgehend obsolet geworden.17 Entgegen der herrschenden Auffassung18 ist die Unentziehbarkeit dagegen richtigerweise nicht als Tatbestandsmerkmal eines Sonderrechts anzusehen,19 da 13

Im Folgenden werden die Begriffe „Verband“ und „Gesellschaft“ unterschiedslos verwendet, da Sonderrechte in allen Formen privater Verbände und insbesondere in Kapitalgesellschaften möglich sind. 14 Vgl. nur Wiedemann, GesR I, S. 357 ff.; Raiser, in: Großkomm GmbH, § 14 Rn. 27; Seibt, in: Scholz, GmbHG, § 14 Rn. 19; Beuthien, ZGR 2014, 24, 27; ausführlich Rücker, Entziehung von Sonderrechten, S. 66 ff.; Aker, Sonderrechte, S. 19 ff., jeweils m.w.N. Dieser Streitstand und die einzelnen Sonderrechtstheorien sind heute nur noch von historischem Interesse, vgl. Waldenberger, GmbHR 1997, 49; Klöhn, Abfindungsansprüche, S. 249 f. 15 BGH, WM 1989, 250, 252; Raiser, in: Großkomm GmbHG, § 14 Rn. 27; Seibt, in: Scholz, GmbHG, § 14 Rn. 19; Reichert/Weller, in: MünchKomm GmbHG, § 14 Rn. 95 f.; Fastrich, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 14 Rn. 18; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, GmbHG, § 14 Rn. 21; Reuter, in: MünchKomm BGB, § 35 Rn. 3; Wiedemann, GesR I, S. 359, 380; Flume, Juristische Person, § 8 II, S. 272; Aker, Sonderrechte, S. 41, 57 f.; Beuthien, ZGR 2014, 24, 25 ff.; Waldenberger, GmbHR 1997, 49 f.; vgl. auch BGH, NJW 1969, 131; BGH, MDR 1970, 913; BGHZ 63, 14, 19; 84, 209, 218. 16 Vgl. Wiedemann, GesR I, S. 359. 17 Vgl. Raiser, in: Großkomm GmbHG, § 14 Rn. 27; Reuter, in: MünchKomm BGB, § 35 Rn. 3; Reichert/Weller, in: MünchKomm GmbHG, § 14 Rn. 96. 18 BGH, NZG 2013, 57, 61 (Tz. 37); Ellenberger, in: Palandt, BGB, § 35 Rn. 1; Schöpflin, in: Bamberger/Roth, BGB, § 35 Rn. 3; Reichert/Weller, in: MünchKomm GmbHG, § 14 Rn. 105; Hadding, in: Soergel, BGB, § 35 Rn. 11 („teleologisch von der Rechtsfolgenseite aus gesehen“); Reuter, in: MünchKomm BGB, § 35 Rn. 5; Rücker, Entziehung von Sonderrechten, S. 76, 79 f.; Aker, Sonderrechte, S. 57 f., 82; K. Schmidt, GesR, § 19 III 3 c, S. 558; Klöhn, Abfindungsansprüche, S. 250. Auch Seibt, in: Scholz, GmbHG, § 14 Rn. 23, und Raiser, in: Großkomm GmbHG, § 14 Rn. 31, sehen entziehbare Vorrechte schon gar nicht als Sonderrechte an, obwohl sie an anderer Stelle betonen, § 35 BGB sei eine Rechtsfolgenregelung und gerade keine Begriffsbestimmung (Seibt, a.a.O., Rn. 18; Raiser, a.a.O., Rn. 28). 19 Beuthien, ZGR 2014, 24, 29 ff.; van Venrooy, GmbHR 2010, 841, 842 (für Sonderrechte in der GmbH); wohl auch Wolany, Rechte und Pflichten, S. 177, 180; Wiedemann, GesR I, S. 380 f.; Fastrich, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 14 Rn. 19; Pape, Begriff der Sonderrechte, S. 33; Paul, Sonderrechte der Körperschaftsmitglieder, S. 24, 76; P. W. Vogel, Entsendung, S. 18; unklar Westermann, in: Erman, BGB, § 35 Rn. 1 f., wonach einerseits durch

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Kap. 4: Entsendungsrechte als „Ewigkeitsrechte“

anderenfalls die Vorschrift des § 35 BGB keinen wesentlichen Inhalt hätte. So wäre die Anordnung der Unentziehbarkeit als Rechtsfolge sinnlos, wenn diese bereits zu den definitionsmäßigen Tatbestandsvoraussetzungen eines Sonderrechts gehören würde.20 Es ist aber auch nicht überzeugend, die Vorschrift als reine Begriffsbestimmung zu verstehen,21 da sie in diesem Fall nur eines von mehreren Merkmalen des Sonderrechtstatbestands wiedergeben würde und damit unvollständig wäre. Überdies entspricht die gesetzliche Formulierung nicht der einer typischen Legaldefinition.22 Auch Vertreter der herrschenden Ansicht weisen auf den „tautologischen Charakter“23 des § 35 BGB hin, der sich daraus ergibt, dass diese Ansicht die Unentziehbarkeit zur tatbestandlichen Voraussetzung eines Sonderrechts erhebt. Dies wird aber in Kauf genommen, und zwar wohl zu dem Zweck, ohne Zustimmung widerrufliche Vorrechte von vornherein dem Anwendungsbereich des § 35 BGB zu entziehen.24 Damit wird aber lediglich das Problem der Unabdingbarkeit der Vorschrift auf eine andere Ebene verlagert und dadurch umgangen, was kaum überzeugend ist.25 Richtigerweise sollten auch solche Vorzugsrechte als Sonderrechte angesehen werden, die nach der Satzung entziehbar sein sollen. Die entscheidende Frage muss dann lauten, ob die Satzung die Rechtsfolge des § 35 BGB überhaupt wirksam ausschließen kann.26 Sonderrechte können insofern auch als Vorzugsrechte bezeichnet werden.27 Sie zeichnen sich gerade dadurch aus, dass sie nicht allen Gesellschaftern in gleicher Weise zustehen, sondern einen anderen Mitgesellschaftern nicht zustehenden Vorzug gewähren.28 Dabei kann es sich sowohl um eine quantitative Steigerung allgemeiner Mitgliedsrechte, als auch um zusätzliche, qualitativ andersartige Rechte eignen

Mehrheitsbeschluss auflösend bedingte Sonderrechte möglich sein sollen, andererseits das Sonderrecht als Recht bezeichnet wird, das „gegen Entziehung durch Mehrheitsbeschluss gesichert sein soll“. 20 Wiedemann, GesR I, S. 359; Beuthien, ZGR 2014, 24, 29; Seibt, in: Scholz, GmbHG, § 14 Rn. 18; ähnlich bereits Pape, Begriff der Sonderrechte, S. 33. 21 Vgl. Raiser, in: Großkomm GmbHG, § 14 Rn. 28; Seibt, in: Scholz, GmbHG, § 14 Rn. 18. 22 So heißt es in § 35 BGB gerade nicht „Sonderrechte sind mitgliedschaftliche Rechte, die […]“, sondern „Sonderrechte eines Mitglieds können nicht ohne dessen Zustimmung durch Beschluss der Mitgliederversammlung beeinträchtigt werden.“ Dies spricht dafür, dass der Begriff des Sonderrechts vorausgesetzt wird und lediglich eine Rechtsfolge angeordnet wird. 23 K. Schmidt, GesR, § 19 III 3 c, S. 558, Fn. 49; vgl. auch Rücker, Entziehung von Sonderrechten, S. 72; Flume, Juristische Person, § 8 II, S. 274. 24 Vgl. Rücker, Entziehung von Sonderrechten, S. 79 f. 25 Vgl. Beuthien, ZGR 2014, 24, 32. 26 Siehe dazu unten III. 4. 27 Reichert/Weller, in: MünchKomm GmbHG, § 14 Rn. 95; Weick, in: Staudinger, BGB, § 35 Rn. 8; ähnlich Wolany, Rechte und Pflichten, S. 177 („Vorrechte“). 28 Vgl. Beuthien, ZGR 2014, 24, 27 f., 29; Waldenberger, GmbHR 1997, 49, 50; Aker, Sonderrechte, S. 57, 63 ff.; Wolany, Rechte und Pflichten, S. 177.

A. Der „Ewigkeitscharakter“ der Entsendung

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Inhalts handeln.29 Konkret kommen einerseits Mitverwaltungsrechte, etwa Mehrstimmrechte, Vetorechte, Zustimmungsvorbehalte, Rechte auf eine Organstellung oder Rechte zur Bestellung von Organmitgliedern, und andererseits vermögensrechtliche Vorteilsrechte in Betracht.30 Sonderrechte sind dabei abzugrenzen von bloßen Gläubigerrechten, die einen grundsätzlich von der Mitgliedschaft losgelösten Anspruch begründen, der insbesondere eigenständig abgetreten oder verpfändet werden kann.31 Ferner ist Sonderrechten gemein, dass sie als dauernde Regelung des Gesellschaftsverhältnisses nur durch Aufnahme in die Satzung bzw. den Gesellschaftsvertrag begründet werden können.32 Ein schuldrechtlicher Vertrag mit der Gesellschaft ist dagegen nicht ausreichend, da über einen solchen keine gesellschaftsrechtlichen Teilhaberechte vermittelt werden können.33 Schließlich wird das Sonderrecht i.S.v. § 35 BGB ganz überwiegend als reines Mitgliedschaftsrecht und damit als untrennbarer Bestandteil der Mitgliedschaft angesehen.34 Das bedeutet, dass echte Sonderrechte nur Gesellschaftern, nicht aber gesellschaftsfremden Dritten eingeräumt werden können.35 Neben grundlegenden dogmatischen Einwänden gegen die Begründung satzungsmäßiger Drittrechte36 spricht hierfür bereits der Wortlaut des § 35 BGB.37

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Hadding, in: Soergel, BGB, § 35 Rn. 11. Hadding, in: Soergel, BGB, § 35 Rn. 12 ff.; vgl. auch Weick, in: Staudinger, BGB, § 35 Rn. 2 ff., 9; Seibt, in: Scholz, GmbHG, § 14 Rn. 21 f.; Raiser, in: Großkomm GmbHG, § 14 Rn. 29; Reichert/Weller, in: MünchKomm GmbHG, § 14 Rn. 97 ff. 31 Waldenberger, GmbHR 1997, 49, 50; vgl. auch Aker, Sonderrechte, S. 83 f. 32 BGH, MDR 1970, 913; BGHZ 63, 14, 19; Seibt, in: Scholz, GmbHG, § 14 Rn. 20; Raiser, in: Großkomm GmbHG, § 14 Rn. 31; Reichert/Weller, in: MünchKomm GmbHG, § 14 Rn. 102; Reuter, in: MünchKomm BGB, § 35 Rn. 6; Hadding, in: Soergel, BGB, § 35 Rn. 8; Flume, Juristische Person, § 8 II, S. 272; Aker, Sonderrechte, S. 66 ff.; Beuthien, ZGR 2014, 24, 25; Waldenberger, GmbHR 1997, 49. Anders allerdings van Venrooy, GmbHR 2010, 841, 844 ff. 33 Beuthien, ZGR 2014, 24, 25 f.; teilweise abweichend aber van Venrooy, GmbHR 2010, 841, 846 ff. (je nach Inhalt des Sonderrechts). 34 Vgl. Reichert/Weller, in: MünchKomm GmbHG, § 14 Rn. 118; Seibt, in: Scholz, GmbHG, § 14 Rn. 24; Raiser, in: Großkomm GmbHG, § 14 Rn. 32. 35 Hadding, in: Soergel, BGB, § 35 Rn. 10; Schöpflin, in: Bamberger/Roth, BGB, § 35 Rn. 6; Beuthien/Gätsch, ZHR 157 (1993), 483, 484 f.; Paefgen, in: Großkomm GmbHG, § 6 Rn. 81; Bürkle, Rechte Dritter, S. 50 f., 60, 157; Aker, Sonderrechte, S. 59 ff. Anders allerdings Herfs, Einwirkung Dritter, S. 110 ff. Siehe dazu bereits oben Kap. 2, B. I. 3. a). 36 Siehe dazu oben Kap. 2, B. I. 3. a). 37 „Sonderrechte eines Mitglieds“ (Hervorhebung durch den Verfasser). Diese Formulierung spricht zwar dafür, dass theoretisch auch Sonderrechte von Nichtmitgliedern denkbar sind. An solche wird aber jedenfalls nicht die entscheidende Rechtsfolge des § 35 BGB geknüpft, nämlich die Unentziehbarkeit ohne Zustimmung. 30

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Kap. 4: Entsendungsrechte als „Ewigkeitsrechte“

2. Definition Aus dem Gesagten ergibt sich zusammenfassend folgende Definition von Sonderrechten i.S.d. § 35 BGB: Sonderrechte sind einzelnen Verbandsmitgliedern oder Gruppen von Mitgliedern statutarisch eingeräumte, mitgliedschaftliche Vorzugsrechte,38 die nicht allen Mitgliedern zustehen und untrennbar mit der Mitgliedschaft verbunden sind. Sie können nur durch die Verbandssatzung und nur für Mitglieder des jeweiligen Verbands begründet werden.39

3. Subsumtion und Zwischenergebnis Nach alledem können keine Zweifel daran bestehen, dass das aktienrechtliche Entsendungsrecht nach § 101 Abs. 2 AktG ein Sonderrecht i.S.v. § 35 BGB darstellt. Es handelt sich um ein mitgliedschaftliches Vorzugsrecht gegenüber den übrigen Aktionären. Mit der autonomen Bestellung von Aufsichtsratsmitgliedern wird eine besondere, anderen Aktionären nicht zustehende Befugnis gewährt, die nicht nur qualitativ über das Stimmrecht in der Hauptversammlung hinausgeht, sondern ein Mitverwaltungsrecht eigenen Inhalts darstellt, welches sonst der Hauptversammlung als Organ vorbehalten ist. Wie § 101 Abs. 2 S. 1 AktG zudem eindeutig klarstellt, kann das Entsendungsrecht nur durch die Satzung und nur für Aktionäre begründet werden. Damit ist es sowohl von den allgemeinen Mitgliedsrechten der Aktionäre, als auch von einem bloßen Gläubigerrecht klar abgrenzbar. Dem aktienrechtlichen Schrifttum ist folglich zunächst darin zuzustimmen, dass es sich beim Entsendungsrecht nach § 101 Abs. 2 AktG um ein Sonderrecht i.S.d. § 35 BGB handelt. Insbesondere im GmbH-Recht wird vielfach darauf hingewiesen, dass das Vorliegen eines Sonderrechts im Einzelfall durch Satzungsauslegung zu ermitteln ist.40 So muss geklärt werden, ob nicht lediglich ein schuldrechtlicher Anspruch oder ein Gläubigerrecht eingeräumt werden soll.41 Insbesondere begründet die Bestellung eines GmbH-Geschäftsführers im Gesellschaftsvertrag (§ 6 Abs. 3 GmbHG) nicht stets ein Sonderrecht auf Organstellung.42 Richtigerweise sollte der Anknüpfungspunkt der Auslegung dabei die Frage sein, ob überhaupt ein Mitgliedschaftsrecht bzw. ein auf der Mitgliedschaft beruhendes Vorzugsrecht begründet werden sollte.43 Im Falle des aktienrechtlichen Entsendungsrechts bedarf es einer solchen Auslegung 38 Vgl. Seibt, in: Scholz, GmbHG, § 14 Rn. 18; ganz ähnlich auch schon P. W. Vogel, Entsendung, S. 19. 39 Vgl. auch Aker, Sonderrechte, S. 58, der allerdings zusätzlich die Unentziehbarkeit in seine Begriffsdefinition aufnimmt. 40 RGZ 170, 358, 367 f.; Raiser, in: Großkomm GmbHG, § 14 Rn. 31; Reichert/Weller, in: MünchKomm GmbHG, § 14 Rn. 105; Aker, Sonderrechte, S. 70 ff. 41 Reichert/Weller, in: MünchKomm GmbHG, § 14 Rn. 105. 42 Seibt, in: Scholz, GmbHG, § 14 Rn. 22. 43 Vgl. Seibt, in: Scholz, GmbHG, § 14 Rn. 22; Raiser, in: Großkomm GmbHG, § 14 Rn. 31; Rücker, Entziehung von Sonderrechten, S. 4 f.

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im Einzelfall allerdings nicht, da bereits die gesetzlich vorgesehene und aufgrund der aktienrechtlichen Satzungsstrenge einzig zulässige Form des Rechts eindeutig den Charakter eines Sonderrechts aufweist. Soweit bei der Auslegung danach gefragt wird, ob die Gesellschafter ein ohne Zustimmung des Berechtigten nicht aufhebbares Recht begründen wollten,44 betrifft dies nach hier vertretener Auffassung, wonach die Unentziehbarkeit kein Tatbestandsmerkmal eines Sonderrechts ist, nicht die Qualifizierung als Sonderrecht. Wird also ein Entsendungsrecht gewährt, dass nach der Satzung auch ohne Zustimmung des Berechtigten wieder abgeschafft werden kann, so handelt es sich gleichwohl um ein Sonderrecht,45 bei dem lediglich die Rechtsfolge des § 35 BGB ausgeschlossen werden soll.46 Auf die Frage, ob und inwieweit dies zulässig ist, wird noch einzugehen sein.47

III. Die Unentziehbarkeit von Sonderrechten 1. Zustimmungserfordernis als Rechtsfolge des § 35 BGB § 35 BGB bestimmt, dass Sonderrechte eines Mitglieds ohne dessen Zustimmung nicht durch Beschluss der Mitgliederversammlung beeinträchtigt werden können. Wie bereits dargestellt,48 ist hierin die Anordnung einer gesetzlichen Rechtsfolge bei Vorliegen eines (mitgliedschaftlichen) Sonderrechts im Sinne der Vorschrift zu sehen. Das Gesetz knüpft insofern eine Rechtsfolge an eine privatautonome Satzungsgestaltung. Letztlich entspricht diese Rechtsfolge lediglich dem im Schuldvertragsrecht geltenden Grundsatz „pacta sunt servanda“ bzw. dem vertragsrechtlichen Konsensprinzip, wonach ein einmal geschlossener Vertrag als gültiger Rechtstitel bindend ist und nicht einseitig aufgehoben oder geändert werden kann.49 Im Verbandsrecht werden diese Grundsätze jedoch durch das Mehrheitsprinzip modifiziert.50 Das Kapitalgesellschaftsrecht kennt insofern sogar Situationen, in denen eine bestehende Rechtsposition durch bloßen Mehrheitsbeschluss ohne Zu44

Vgl. Rücker, Entziehung von Sonderrechten, S. 76. Anders Raiser, in: Großkomm GmbHG, § 14 Rn. 31; Hadding, in: Soergel, BGB, § 35 Rn. 11; Reuter, in: MünchKomm BGB, § 35 Rn. 5; Reichert/Weller, in: MünchKomm GmbHG, § 14 Rn. 105. 46 Tatsächlich wird bei aktienrechtlichen Entsendungsrechten in der Praxis zuweilen der Zustimmungsvorbehalt jedenfalls in besonderen Situationen ausgeschlossen, siehe etwa oben Kap. 2, A. II. 2. a). Würde man nun davon ausgehen, dass dies in die Auslegung miteinzubeziehen ist, so müsste man dem jeweiligen Entsendungsrecht bereits den Sonderrechtscharakter absprechen. 47 Siehe unten III. 4. 48 Siehe oben II. 1. 49 Vgl. Beuthien, ZGR 2014, 24, 31 (mit Fn. 36); van Venrooy, GmbHR 2010, 841, 842; Hadding, in: Soergel, BGB, § 35 Rn. 1; Klöhn, Abfindungsansprüche, S. 250. 50 Hadding, in: Soergel, BGB, § 35 Rn. 1. 45

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Kap. 4: Entsendungsrechte als „Ewigkeitsrechte“

stimmung des Berechtigten beseitigt werden kann, etwa den aktienrechtlichen Squeeze-out (§§ 327a ff. AktG) oder die Einziehung von Aktien und GmbH-Geschäftsanteilen (§ 237 Abs. 1 AktG; § 34 Abs. 1 und 2 GmbHG).51 Auch genossenschaftsrechtliche Mehrstimmrechte können nach § 43 Abs. 3 S. 4 GenG ohne Zustimmung der betroffenen Mitglieder wieder abgeschafft werden.52 Daher wäre es unzutreffend zu behaupten, dass § 35 BGB lediglich eine Selbstverständlichkeit ausdrückt.53 Die Rechtsfolge des Zustimmungsvorbehalts und damit der Unentziehbarkeit greift deshalb nur, sofern der Anwendungsbereich des § 35 BGB betroffen ist. 2. Anwendbarkeit des § 35 BGB a) Meinungsstand in Literatur und Rechtsprechung Dass es sich beim Entsendungsrecht nach § 101 Abs. 2 AktG um ein Sonderrecht i.S.d. § 35 BGB handelt, wurde bereits festgestellt.54 Die Rechtsfolge des § 35 BGB, nämlich die Unentziehbarkeit des Sonderrechts ohne Zustimmung seines Inhabers, ist aber nur dann einschlägig, wenn die Vorschrift in der Aktiengesellschaft überhaupt anwendbar ist. Wie bereits gezeigt, soll dies nach ganz herrschender Ansicht jedenfalls bei Entsendungsrechten der Fall sein.55 Auch generell wird überwiegend vertreten, dass § 35 BGB als allgemeiner gesellschaftsrechtlicher Grundsatz für alle juristischen Personen des Privatrechts sowie für Personengesellschaften, deren Gesamtwille durch Mehrheitsbeschluss gefasst wird, Geltung beansprucht.56 Für die GmbH wurde dies bereits höchstrichterlich entschieden.57 In jüngster Zeit wird die direkte oder analoge Anwendung des § 35 BGB im GmbH-Recht aber vereinzelt angezweifelt.58 Auch einzelne Stimmen im aktienrechtlichen Schrifttum wenden sich ausdrücklich gegen eine Übertragung des § 35 BGB auf die Aktiengesellschaft.59 Generell sei der Begriff der Sonderrechte im 51 Die Einziehung muss freilich in der Satzung bzw. im Gesellschaftsvertrag vorgesehen sein, sodass hier von vornherein keine unbeschränkte Rechtsposition vorliegt. Für den aktienrechtlichen Squeeze-out gilt dies aber nicht. 52 Vgl. Beuthien, ZGR 2014, 24, 31. 53 In diesem Sinne aber Wiedemann, GesR I, S. 380; wohl auch Beuthien, ZGR 2014, 24, 31. 54 Siehe oben II. 3. 55 Siehe oben I., insb. die Nachweise in Fn. 4 und 5. 56 Hadding, in: Soergel, BGB, § 35 Rn. 2; Ellenberger, in: Palandt, BGB, § 35 Rn. 4; Schöpflin, in: Bamberger/Roth, BGB, § 35 Rn. 2. 57 BGH, WM 1989, 250, 252 („entsprechend anwendbar“); ebenso bereits RGZ 80, 385, 389; zumindest sinngemäß auch BGHZ 48, 141, 143; BGH, GmbHR 1962, 212. 58 Van Venrooy, GmbHR 2010, 841, 842 f. 59 Heider, in: MünchKomm AktG, § 1 Rn. 21 und § 11 Rn. 15; im Grundsatz ebenso Vatter, in: Spindler/Stilz, AktG, § 11 Rn. 4; Koch, in: Hüffer, AktG, § 11 Rn. 6. Zweifelnd auch Aker,

A. Der „Ewigkeitscharakter“ der Entsendung

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Aktienrecht unbrauchbar, irreführend und überflüssig, da besondere Rechte bereits eine eigene Aktiengattung nach § 11 AktG begründen würden und damit ausreichend gekennzeichnet seien.60 Dies trifft auf das Entsendungsrecht, wie § 101 Abs. 2 S. 3 AktG ausdrücklich klarstellt,61 allerdings gerade nicht zu. Entsprechend wollen einige der kritischen Autoren in diesem Fall wiederum eine Ausnahme machen und § 35 BGB doch anwenden.62 b) Stellungnahme: Prüfung in drei Schritten Grundsätzlich sind verallgemeinernde Aussagen zur Brauchbarkeit oder Unbrauchbarkeit des Sonderrechtsbegriffs wenig hilfreich. Dass auch in der Aktiengesellschaft mit dem Entsendungsrecht nach § 101 Abs. 2 AktG zumindest ein Recht vorgesehen ist, das als Sonderrecht zu qualifizieren ist,63 wurde bereits dargelegt.64 Zuzugeben ist, dass diese Qualifikation faktisch bedeutungslos ist, wenn man daraus nicht auch die Rechtsfolge des § 35 BGB ableiten will. Die Anwendbarkeit oder Nichtanwendbarkeit einer Rechtsnorm muss grundsätzlich dogmatisch begründet werden und sollte insofern auf mehreren Stufen geprüft werden: Zunächst ist zu fragen, ob überhaupt Anlass besteht, die vereinsrechtlichen Vorschriften des BGB auf die Aktiengesellschaft anzuwenden. Bejaht man dies, muss sodann geklärt werden, ob die konkrete Vorschrift durch spezielle aktienrechtliche Regelungen verdrängt wird. Nur wenn dies nicht der Fall ist, ist in einem dritten Schritt zu prüfen, ob auch die Tatbestandsvoraussetzungen der Norm erfüllt sind. c) Grundsätzliche Anwendbarkeit des Vereinsrechts auf die AG aa) Die AG als (wirtschaftlicher) Verein Zur Beantwortung dieser Frage muss man sich zunächst die Rechtsnatur bzw. die systematische Einordnung der Aktiengesellschaft innerhalb des Verbandsrechts vor Augen führen. Nach § 1 Abs. 1 S. 1 AktG ist die Aktiengesellschaft eine „Gesellschaft mit eigener Rechtspersönlichkeit“. Daraus wird gemeinhin gefolgert, dass es sich bei der Aktiengesellschaft um eine Form der Körperschaft und um eine jurisSonderrechte, S. 45 ff., der aber zugleich das Entsendungsrecht ausdrücklich als Sonderrecht i.S.v. § 35 BGB bezeichnet. 60 Heider, in: MünchKomm AktG, § 11 Rn. 14 ff.; Solveen, in: Hölters, AktG, § 11 Rn. 7; ähnlich Wiesner, in: MünchHdb AG, § 17 Rn. 7. Nicht nachvollziehbar ist, dass derartige Aussagen teilweise auch Wiedemann, GesR I, S. 358 ff., 380 ff. zugeschrieben werden (so aber Westermann, in: Bürgers/Körber, AktG, § 11 Rn. 5 und Dauner-Lieb, in: KölnKomm AktG, § 11 Rn. 24). 61 Siehe dazu bereits oben Kap. 1, A. IV. 2. b). 62 Vatter, in: Spindler/Stilz, AktG, § 11 Rn. 4, 15; Koch, in: Hüffer, AktG, § 11 Rn. 6. 63 Dies betont auch Beuthien, ZGR 2014, 24, 40. 64 Siehe oben II. 3.

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Kap. 4: Entsendungsrechte als „Ewigkeitsrechte“

tische Person handelt.65 Nach K. Schmidt gehört die AG damit „rechtssystematisch in die Kategorie der Vereine“.66 Ebenso deutlich ordnet Flume die Aktiengesellschaft den Vereinen des BGB bzw. den wirtschaftlichen Vereinen zu.67 Auch Raiser und Veil bezeichnen die AG als „Sonderform des bürgerlich-rechtlichen Vereins“, was sogar der allgemeinen Ansicht entsprechen soll.68 Diese systematische Einordnung beruht auf der zutreffenden Prämisse, dass der in den §§ 21 ff. BGB geregelte Verein die „Grundform der juristischen Personen“69 bzw. die „Urform aller privatrechtlichen Körperschaften“70 darstellt.71 So entwickelten sich insbesondere Aktiengesellschaften und Genossenschaften im 19. Jahrhundert als Vereine.72 Auch die Tatsache, dass das BGB und damit die vereinsrechtlichen Vorschriften erst im Jahr 1900 eingeführt wurden, während gesetzliche Regelungen etwa der AG und der GmbH bereits früher existierten, vermag diese systematische Zuordnung nicht zu widerlegen. Der BGB-Gesetzgeber wollte insofern einen allgemeinen Rahmen körperschaftlichen Zusammenwirkens auch für die bereits bestehenden gesellschaftsrechtlichen Zusammenschlüsse wie AG, KGaA und GmbH vorgeben.73 Dieses Verständnis verdeutlicht auch § 22 BGB, wonach die Rechtsfähigkeit eines wirtschaftlichen Vereins der staatlichen Verleihung bedarf, jedoch nur „in Ermangelung besonderer bundesgesetzlicher Vorschriften“. Mit diesen besonderen Vorschriften sind gerade das AktG, das GmbHG und das GenG gemeint.74 Insofern ähnelt die AG nicht nur dem (rechtsfähigen) Verein,75 sie ist vielmehr eine spezielle Form des Vereins. Dass zwischen AG und Verein zum Teil wesentliche strukturelle Unter65 Heider, in: MünchKomm AktG, § 1 Rn. 13; Brändel, in: Großkomm AktG, § 1 Rn. 4; Koch, in: Hüffer, AktG, § 1 Rn. 2, 4; K. Schmidt, GesR, § 3 I 2 a, S. 46 und § 26 I 2, S. 755. Kritisch zum Begriff der Körperschaft Raiser/Veil, KapGesR, § 3 Rn. 6 f., die allerdings an anderer Stelle (a.a.O., § 8 Rn. 2) die AG weiterhin als Körperschaft bezeichnen; ähnlich auch Dauner-Lieb, in: KölnKomm AktG, § 1 Rn. 3, die aber ebenfalls an anderer Stelle (a.a.O., Rn. 5) die „körperschaftliche Verfassung“ der AG bejaht. 66 K. Schmidt, GesR, § 26 I 2, S. 755, der insofern auch darauf hinweist, dass man die AG im 19. Jahrhundert vielfach noch als „Aktienverein“ bezeichnete; ähnlich Hadding, in: Soergel, BGB, Vor § 21 Rn. 44 („Verein im weiteren Sinne“). 67 Flume, Juristische Person, § 4 I, S. 95, 100; ähnlich Schöpflin, in: Bamberger/Roth, BGB, § 21 Rn. 6 („Verein des Handelsrechts“). 68 Raiser/Veil, KapGesR, § 8 Rn. 2. Diese Ansicht wird allerdings nicht ausnahmslos geteilt; zuweilen wird auch nur eine Ähnlichkeit zum Verein konstatiert, vgl. etwa Brändel, in: Großkomm AktG, § 1 Rn. 4 und 30. 69 Drygala/Staake/Szalai, KapGesR, § 1 Rn. 10. 70 K. Schmidt, GesR, § 23 I 1 b, S. 660. 71 Ähnlich auch Hadding, in: Soergel, BGB, Vor § 21 Rn. 44 („Grundmodell aller körperschaftlichen Personengemeinschaften“); Schöpflin, in: Bamberger/Roth, BGB, § 21 Rn. 6; Heider, in: MünchKomm AktG, § 1 Rn. 14. 72 K. Schmidt, GesR, § 23 I 1 b, S. 660. 73 Vgl. Hadding, in: Soergel, BGB, Vor § 21 Rn. 44. 74 Vgl. Flume, Juristische Person, § 4 II 1, S. 111; Hadding, in: Soergel, BGB, §§ 21, 22 Rn. 47. 75 In diesem Sinne Brändel, in: Großkomm AktG, § 1 Rn. 4 und 30.

A. Der „Ewigkeitscharakter“ der Entsendung

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schiede bestehen,76 steht dieser Einordnung nicht im Wege.77 Der Begriff des Vereins ist nach der gesetzlichen Konzeption weit gefasst und lässt damit eine Vielzahl spezieller Ausprägungen zu, solange diese eine auf einer Satzung beruhende körperschaftliche Struktur aufweisen.78 Insofern ändert auch die gesetzliche Anerkennung der Ein-Personen-AG in § 2 AktG nichts an der grundsätzlichen Qualifizierung der AG als Körperschaft und als Verein.79 bb) Die vereinsrechtlichen Vorschriften als lex generalis der Körperschaften Diesem Verständnis entsprechend stellen die §§ 21 ff. BGB nach Flume systematisch „einen Allgemeinen Teil für alle Körperschaften des Privatrechts“ dar.80 Dafür spricht auch § 163 EGBGB, wonach auf die zur Zeit des Inkrafttretens des BGB bestehenden juristischen Personen die §§ 25 – 53 und 85 – 89 BGB Anwendung finden.81 Noch deutlicher bezeichnet Wilhelm das Kapitalgesellschaftsrecht als „Ausschnitt“ aus dem Recht der (rechtsfähigen) wirtschaftlichen Vereine und entsprechend die §§ 22 ff. BGB (ohne die §§ 21, 54, 55 ff. BGB) als „lex generalis“ des Kapitalgesellschaftsrechts.82 Diese Prämisse erscheint zutreffend. Ist die Aktiengesellschaft eine Sonderform des Vereins, so gilt für sie das allgemeine Vereinsrecht des BGB, soweit es nicht – nach dem Grundsatz „lex specialis derogat legi generali“83 – durch das ihm gegenüber speziellere Aktienrecht als lex specialis verdrängt wird.84 Insofern ist in der Tat – wie bereits dargestellt – in jedem Einzelfall zu prüfen, ob die Vorschriften des AktG für eine Anwendung einzelner Regelungen der §§ 22 ff. BGB Raum lassen;85 keinesfalls ist damit der Rückgriff auf sämtliche Normen des Ver-

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Vgl. Heider, in: MünchKomm AktG, § 1 Rn. 15. So für das Verhältnis zwischen GmbH und Verein auch Rücker, Entziehung von Sonderrechten, S. 66. 78 Vgl. Hadding, in: Soergel, BGB, Vor § 21 Rn. 44. 79 Kritisch allerdings Raiser/Veil, KapGesR, § 3 Rn. 6 („keine körperschaftliche Struktur“); zweifelnd auch Dauner-Lieb, in: KölnKomm AktG, § 1 Rn. 3. 80 Flume, Juristische Person, § 4 I, S. 95; ähnlich auch Wiedemann, GesR I, S. 93: „Rahmenordnung für alle Körperschaftsarten (AG, KGaA, Gen)“. Für eine subsidiäre Anwendung im GmbH-Recht auch Rücker, Entziehung von Sonderrechten, S. 65, der dies § 13 Abs. 3 GmbHG i.V.m. § 6 Abs. 1 HGB i.V.m. Art. 2 EGHGB entnehmen will. 81 Vgl. Flume, Juristische Person, § 4 I, S. 95. 82 Wilhelm, KapGesR, Rn. 1. 83 Dazu Bydlinski, Methodenlehre und Rechtsbegriff, S. 465; K. Röhl/H. C. Röhl, Allgemeine Rechtslehre, S. 585. 84 Wilhelm, Kap GesR, Rn. 1, Fn. 1 weist insofern zutreffend darauf hin, dass aufgrund der detaillierten Regelungen des Kapitalgesellschaftsrechts nur in Einzelfällen auf die lex generalis des Vereinsrechts zurückgegriffen werden darf bzw. muss. Ähnlich Raiser/Veil, KapGesR, § 8 Rn. 2, wonach sich die §§ 21 ff. BGB nur ausnahmsweise anwenden lassen. 85 Vgl. Heider, in: MünchKomm AktG, § 1 Rn. 15; Raiser/Veil, KapGesR, § 8 Rn. 2. 77

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Kap. 4: Entsendungsrechte als „Ewigkeitsrechte“

einsrechts verbunden.86 Rechtstechnisch handelt es sich aber nach hier vertretener Ansicht um eine direkte und nicht nur ergänzende bzw. analoge Anwendung des Vereinsrechts.87 Insofern kommt es auch nicht entscheidend darauf an, ob die jeweilige Norm „das Leitbild einer juristischen Person in Form einer Kapitalgesellschaft“ verkörpert88 oder als „Ausdruck eines allgemeinen körperschaftsrechtlichen Prinzips“89 angesehen werden kann, zumal diese Kriterien kaum eindeutig zu bestimmen sein dürften. Ist eine Vorschrift des allgemeinen Vereinsrechts mangels abweichender spezialgesetzlicher Regelung im Aktien-, GmbH- und Genossenschaftsrecht anwendbar, so bringt sie freilich ein allgemeines körperschaftsrechtliches Prinzip zum Ausdruck – dies ist aber die Folge und nicht der Grund ihrer Anwendbarkeit. cc) Unterschiede im Recht der Personengesellschaften Als Argument gegen die soeben dargelegte Sichtweise könnte das Fehlen einer dem § 105 Abs. 3 HGB entsprechenden Verweisungsvorschrift im Aktienrecht herangezogen werden. Danach finden die Vorschriften des BGB über die Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) auf die offene Handelsgesellschaft (oHG) Anwendung, soweit nichts anderes vorgeschrieben ist. Entsprechend wird die oHG von der herrschenden Meinung als Gesellschaft i.S.d. § 705 BGB bzw. als Spezialfall oder qualifizierte Form der GbR angesehen.90 Das Fehlen einer solchen Verweisungsnorm im AktG könnte insofern dafür sprechen, dass der Gesetzgeber die AG gerade nicht als Sonderform des Vereins versteht und das Vereinsrecht damit nicht zu Anwendung kommen soll. Allein dem Schweigen des Gesetzes wird man indes keine derartige Aussage entnehmen können.91 Bei § 105 Abs. 3 HGB handelt es sich lediglich um eine klarstellende Vorschrift.92 Auch ohne sie wäre nach der gesetzlichen Systematik, insbesondere im Verhältnis zwischen BGB und HGB (vgl. insofern Art. 2 Abs. 1 EGHGB), davon auszugehen, dass die oHG eine Spezialform der BGB86

Vgl. Brändel, in: Großkomm AktG, § 1 Rn. 30. So aber die wohl h.M., vgl. etwa BGH, WM 1989, 250, 252; Brändel, in: Großkomm AktG, § 1 Rn. 30 f.; Heider, in: MünchKomm AktG, § 1 Rn. 15 ff.; Dauner-Lieb, in: KölnKomm AktG, § 1 Rn. 11; Drygala/Staake/Szalai, KapGesR, § 1 Rn. 10. Stellt das BGB-Vereinsrecht allerdings eine lex generalis auch für die Aktiengesellschaft dar, so besteht bereits keine Gesetzeslücke als Grundvoraussetzung für eine Analogie, vgl. insofern Bydlinski, Methodenlehre und Rechtsbegriff, S. 472 ff.; Canaris, Lücken im Gesetz, S. 25. Wie hier ausdrücklich Beuthien, ZGR 2014, 24, 39, Fn. 66 (bezogen auf § 35 BGB); eine Analogie ebenfalls ablehnend Rücker, Entziehung von Sonderrechten, S. 65, der insofern von einer „subsidiären“, an anderer Stelle (a.a.O., S. 66) allerdings auch von einer „ergänzenden“ Anwendung spricht. 88 So Heider, in: MünchKomm AktG, § 1 Rn. 15. 89 Brändel, in: Großkomm AktG, § 1 Rn. 31. 90 K. Schmidt, in: MünchKomm HGB, § 105 Rn. 4; C. Schäfer, in: Großkomm HGB, § 105 Rn. 1; Haas, in: Röhricht/Graf von Westphalen/Haas, HGB, § 105 Rn. 3. 91 Für das GmbH-Recht ebenso Rücker, Entziehung von Sonderrechten, S. 83. 92 Vgl. C. Schäfer, in: Großkomm HGB, § 105 Rn. 63. 87

A. Der „Ewigkeitscharakter“ der Entsendung

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Gesellschaft darstellt. Zudem unterscheidet sich die Regelungstechnik der oHG deutlich von der der AG, da das HGB auch ganz wesentliche Fragen nicht selbst regelt und deshalb in großem Umfang auf die Vorschriften des BGB zurückgreifen muss.93 Das AktG stellt dagegen ein weitaus umfangreicheres und detaillierteres Regelwerk zur Verfügung, weswegen daneben nur noch einige wenige Vorschriften des Vereinsrechts angewandt werden können.94 Aufgrund dieser insgesamt geringen Bedeutung des Vereinsrechts für die AG ist es durchaus nachvollziehbar, dass der Gesetzgeber des AktG auf eine allgemeine Verweisungsnorm zur Klarstellung verzichtet hat. Dass auch spezielle Verweise auf einzelne Vorschriften des BGB fehlen, könnte sich daraus erklären, dass der Gesetzgeber deren Anwendung für selbstverständlich hielt – so etwa die Geltung des § 35 BGB für das aktienrechtliche Entsendungsrecht.95 Dies wiederum spricht aber gerade für die Geltung des Vereinsrechts, soweit hierfür nach dem AktG Raum besteht. d) Keine Verdrängung des § 35 BGB durch speziellere Vorschriften Geht man von der grundsätzlichen Geltung des BGB-Vereinsrechts für die AG aus, so ist in einem zweiten Schritt zu klären, ob § 35 BGB durch spezielle aktienrechtliche Vorschriften verdrängt wird; in diesem Fall wäre er nicht anwendbar.96 § 35 BGB regelt den gesteigerten Schutz von Sonderrechten gegen nachträgliche Entziehung. Da das AktG den Begriff des Sonderrechts selbst nicht verwendet, enthält es logischerweise auch keine speziellen Vorschriften über ihre rechtliche Behandlung. Auch § 101 AktG enthält selbst keine Bestimmungen über die Entziehbarkeit bzw. den Schutz des Entsendungsrechts nach seiner Begründung. Allerdings gibt es im Aktienrecht besondere Schutzvorschriften für sog. Aktiengattungen i.S.d. § 11 AktG. Sofern die Aktien einer AG unterschiedliche Rechte gewähren, bilden jene Aktien mit gleichen Rechten jeweils eine Gattung (vgl. § 11 S. 1 und S. 2 AktG). Diese Gattungen sind gegen spätere benachteiligende Änderungen besonders geschützt, insbesondere durch die Vorschrift des § 179 Abs. 3 AktG. Danach bedarf jede Satzungsänderung zum Nachteil einer Aktiengattung der Zustimmung dieser Gattung, welche in einem Sonderbeschluss geäußert werden muss. Dieses Zustimmungserfordernis im Falle der Beeinträchtigung einer Gattung weist starke Ähnlichkeit mit der Rechtsfolge des § 35 BGB auf und bezweckt ebenso – wenn auch in abgeschwächter Form – einen Individualrechtsschutz. Allein aus Gründen der Praktikabilität wird hier die individuelle Zustimmung durch ein kollektives Schutzrecht der Gattung ersetzt.97 Insofern liegt es nahe, die §§ 11, 179 93

Vgl. die Übersicht über die anwendbaren Vorschriften des BGB bei K. Schmidt, in: MünchKomm HGB, § 105 Rn. 269. 94 Vgl. insofern Brändel, in: Großkomm AktG, § 1 Rn. 31; Heider, in: MünchKomm AktG, § 1 Rn. 16 ff. 95 Siehe dazu bereits oben I., insb. die Nachweise in Fn. 9. 96 So im Ergebnis Heider, in: MünchKomm AktG, § 11 Rn. 15. 97 Vgl. OLG Celle, AG 2003, 505, 506; Vatter, in: Spindler/Stilz, AktG, § 11 Rn. 4.

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Kap. 4: Entsendungsrechte als „Ewigkeitsrechte“

Abs. 3 AktG als eine gegenüber § 35 BGB speziellere Regelung des Aktienrechts anzusehen, die die allgemeine Vorschrift verdrängt.98 Heider weist diesbezüglich darauf hin, dass es sich bei den regelmäßig als Beispiele für Sonderrechte angeführten Mitgliedschaftsrechten „ausnahmslos um gattungsbegründende Merkmale“ handele.99 Zumindest letztere Aussage ist indes bereits unter der Prämisse unzutreffend, dass ein nicht an die Aktie, sondern unmittelbar an die Person des Aktionärs gebundenes besonderes Mitgliedschaftsrecht – wie das persönliche Entsendungsrecht nach § 101 Abs. 2 S. 1, 1. Alt. AktG – nicht unter § 11 AktG fällt und somit keine Aktiengattung begründet.100 Jedenfalls aber schließt § 101 Abs. 2 S. 3 AktG, wonach die Aktien des Entsendungsberechtigten nicht als besondere Gattung gelten, die Anwendbarkeit des § 11 AktG und damit auch des § 179 Abs. 3 AktG auf Entsendungsrechte ausdrücklich aus.101 Somit bieten die Regeln über Aktiengattungen keinesfalls einen allumfassenden Schutz für Sonderrechte in der AG. Soweit die aktienrechtlichen Spezialregelungen nicht greifen, bleibt aber der Rückgriff auf § 35 BGB grundsätzlich möglich.102 Nun wäre es allerdings denkbar, § 35 BGB dennoch als verdrängt anzusehen. Indem § 101 Abs. 2 S. 3 AktG die besonderen aktienrechtlichen Schutzvorschriften für Aktiengattungen ausschließt, könnte er auch den Rückgriff auf § 35 BGB versperren. Insofern könnte die Norm eine gesetzgeberische Wertung enthalten, wonach Entsendungsrechte eben nicht besonders gegen nachträgliche Beeinträchtigungen geschützt sein sollen. Dies ist jedoch nicht überzeugend.103 Wie bereits gezeigt, gingen bereits die Verfasser des Aktiengesetzentwurfs 1931 davon aus, dass es sich beim Entsendungsrecht um ein Sonderrecht i.S.v. § 35 BGB handelt.104 Auch regelte der Gesetzgeber bereits in § 88 Abs. 3 AktG 1937 den Ausschluss der Vorschriften über Aktiengattungen. Dies lässt sich sinnvollerweise nur so verstehen, dass man entweder die Anwendbarkeit der Sonderregeln für Aktiengattungen für überflüssig hielt, weil man das Entsendungsrecht bereits durch § 35 BGB als hinreichend ge98

In diesem Sinne Heider, in: MünchKomm AktG, § 11 Rn. 16; Vatter, in: Spindler/Stilz, AktG, § 11 Rn. 4; ebenso bereits Pape, Begriff der Sonderrechte, S. 37 (zu den entsprechenden Regelungen im HGB a.F., also vor Inkrafttreten des AktG 1937). 99 Heider, in: MünchKomm AktG, § 11 Rn. 16; ähnlich, aber zurückhaltender Vatter, in: Spindler/Stilz, AktG, § 11 Rn. 4 („regelmäßig“). 100 Siehe dazu bereits oben Kap. 1, A. IV. 2. b). Hierauf weist auch schon Pape, Begriff der Sonderrechte, S. 37 hin. 101 Hierbei handelt es sich um eine gesetzliche Fiktion, da zumindest ein aktiengebundenes Entsendungsrecht an sich ein gattungsbegründendes Merkmal darstellen würde, vgl. Spindler, in: Spindler/Stilz, AktG, § 101 Rn. 54. 102 So auch Vatter, in: Spindler/Stilz, AktG, § 11 Rn. 4, 15; Koch, in: Hüffer, AktG, § 11 Rn. 6; Klöhn, Abfindungsansprüche, S. 248 ff.; ebenso bereits Pape, Begriff der Sonderrechte, S. 37; P. W. Vogel, Entsendung, S. 20 f. 103 Ebenso bereits P. W. Vogel, Entsendung, S. 20 f. 104 Siehe oben I., insb. die Nachweise in Fn. 9.

A. Der „Ewigkeitscharakter“ der Entsendung

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schützt ansah,105 oder dass man sogar bewusst den Rückgriff auf § 35 BGB ermöglichen wollte, da dieser einen noch weiter gehenden individuellen Schutz jedes einzelnen Entsendungsberechtigten gewährt. Jedenfalls spricht nichts für die Annahme, der Gesetzgeber habe jeglichen Schutz vor Eingriffen in das Entsendungsrecht ausschließen wollen. Entsprechend geht auch das aktienrechtliche Schrifttum überwiegend davon aus, dass § 101 Abs. 2 S. 3 AktG das Zustimmungserfordernis aus § 35 BGB unberührt lässt.106 e) Tatbestandsmäßigkeit Dass das aktienrechtliche Entsendungsrecht ein Sonderrecht i.S.d. § 35 BGB darstellt, wurde bereits erörtert.107 Somit erfüllt ein Entsendungsrecht nach § 101 Abs. 2 AktG stets auch die Tatbestandsvoraussetzungen des § 35 BGB und kann als Rechtsfolge mithin nur mit Zustimmung des Berechtigten beeinträchtigt werden. f) Zwischenergebnis Es kann festgehalten werden, dass die Vorschriften des BGB-Vereinsrechts als lex generalis grundsätzlich auf die Aktiengesellschaft anwendbar sind. § 35 BGB wird jedenfalls im Bereich des Entsendungsrechts nach § 101 Abs. 2 AktG auch nicht durch speziellere Vorschriften des Aktienrechts verdrängt. Schließlich erfüllt das aktienrechtliche Entsendungsrecht den Tatbestand eines Sonderrechts und damit des § 35 BGB, sodass als dessen Rechtsfolge die Zustimmung des Berechtigten zur Beeinträchtigung des Entsendungsrechts erforderlich ist. Einer analogen Anwendung bedarf es zur Begründung dieses Ergebnisses nicht. Der ganz herrschenden Meinung im aktienrechtlichen Schrifttum ist damit im Ergebnis zuzustimmen. 3. Reichweite des Zustimmungserfordernisses Nach dem Wortlaut des § 35 BGB können Sonderrechte ohne Zustimmung des Berechtigten nicht „durch Beschluss der Mitgliederversammlung“ beeinträchtigt werden. Danach ist die Zustimmung jedenfalls bei einem satzungsändernden Beschluss der Mitgliederversammlung (bzw. der Hauptversammlung in der AG) über die Aufhebung oder Einschränkung108 des Sonderrechts erforderlich. Sonderrechte sind damit der grundsätzlichen Satzungshoheit der Mitgliederversammlung entzogen.109 Ein entsprechender Beschluss ohne die notwendige Zustimmung ist zunächst 105

So P. W. Vogel, Entsendung, S. 20 f. Habersack, in: MünchKomm AktG, § 101 Rn. 43; Hopt/M. Roth, in: Großkomm AktG, § 101 Rn. 121; Simons, in: Hölters, AktG, § 101 Rn. 30. 107 Siehe oben II. 3. 108 Vgl. Habersack, in: MünchKomm AktG, § 101 Rn. 31. 109 Flume, Juristische Person, § 8 II, S. 272. 106

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Kap. 4: Entsendungsrechte als „Ewigkeitsrechte“

schwebend unwirksam. Wird die Zustimmung verweigert, ist der Beschluss endgültig unwirksam.110 Dies gilt auch in der Aktiengesellschaft; auf die besonderen Regelungen über Nichtigkeit und Anfechtung kommt es insofern nicht an.111 Die Unwirksamkeit kann mittels Feststellungsklage nach § 256 Abs. 1 ZPO gerichtlich geltend gemacht werden.112 Nicht erforderlich ist, dass der jeweilige Beschluss unmittelbar auf die Aufhebung oder Beschränkung des Sonderrechts abzielt. Es genügt vielmehr eine mittelbare Beeinträchtigung als notwendige bzw. voraussehbare Folge des Beschlusses.113 Somit sind in der AG auch satzungsändernde Beschlüsse, die – mittelbar oder unmittelbar – eine Verkleinerung des Aufsichtsrats bewirken und damit aufgrund der Höchstzahlregelung des § 101 Abs. 2 S. 4 AktG Auswirkungen auf bestehende Entsendungsrechte haben, grundsätzlich vom Zustimmungserfordernis des § 35 BGB erfasst.114 Schließlich ist weitgehend anerkannt, dass sich das Zustimmungserfordernis nicht auf Beschlüsse der Mitgliederversammlung beschränkt, sondern sich über den Wortlaut des § 35 BGB hinaus auf alle rechtlichen und tatsächlichen Maßnahmen der Vereinsorgane erstreckt, durch die die Rechtsstellung des Sonderrechtsinhabers beeinträchtigt wird.115 4. Zulässigkeit von Abweichungen durch die Satzung Nach hier vertretener Ansicht fallen auch solche Vorrechte unter den Begriff der Sonderrechte, die nach der Satzung als ohne Zustimmung widerrufliche Rechte ausgestaltet sind.116 Danach greift aber die Rechtsfolge des § 35 BGB grundsätzlich auch dann, wenn die Unentziehbarkeit nach der Satzung nicht vorgesehen ist. Es 110 BGHZ 15, 177, 181 (für die Genossenschaft); BGHZ 48, 141, 143 (für die GmbH); Reuter, in: MünchKomm BGB, § 35 Rn. 11; Hadding, in: Soergel, BGB, § 35 Rn. 19; ebenso bereits P. W. Vogel, Entsendung, S. 23. Nach teilweise vertretener Ansicht soll es sich dabei grundsätzlich nur um eine relative Unwirksamkeit gegenüber dem Berechtigten handeln, so für die GmbH Reichert/Weller, in: MünchKomm GmbHG, § 14 Rn. 116; Seibt, in: Scholz GmbH, § 14 Rn. 28; Waldenberger, GmbHR 1997, 49, 55. 111 Flume, Juristische Person, § 8 II, S. 272; i.E. ebenso Hopt/M. Roth, in: Großkomm AktG, § 101 Rn. 169 („entfaltet […] keine Wirkung“); für die GmbH ferner Seibt, in: Scholz, GmbHG, § 14 Rn. 28; Rücker, Entziehung von Sonderrechten, S. 84. 112 Schöpflin, in: Bamberger/Roth, BGB, § 35 Rn. 10; Hadding, in: Soergel, BGB, § 35 Rn. 20; Weick, in: Staudinger, BGB, § 35 Rn. 23. 113 Hadding, in: Soergel, BGB, § 35 Rn. 16; Reuter, in: MünchKomm BGB, § 35 Rn. 9; Schöpflin, in: Bamberger/Roth, BGB, § 35 Rn. 8. 114 Vgl. Habersack, in: MünchKomm AktG, § 101 Rn. 57; Spindler, in: Spindler/Stilz, AktG, § 101 Rn. 67 f.; Hopt/M. Roth, in: Großkomm AktG, § 101 Rn. 134 f. Zu den diesbezüglich diskutierten Ausnahmen siehe unten B. I. 2. 115 Hadding, in: Soergel, BGB, § 35 Rn. 16; Schöpflin, in: Bamberger/Roth, BGB, § 35 Rn. 8; Reuter, in: MünchKomm BGB, § 35 Rn. 9, 11; Westermann, in: Erman, BGB, § 35 Rn. 2. 116 Siehe dazu oben II. 1., auch zur abweichenden herrschenden Meinung.

A. Der „Ewigkeitscharakter“ der Entsendung

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stellt sich mithin die Frage, ob es möglich ist, die Rechtsfolge der Zustimmungsbedürftigkeit durch eine entsprechende Regelung in der Satzung wirksam auszuschließen. Teilweise wird dies ohne eingehende Begründung angenommen. So heißt es etwa bei Schöpflin, die Satzung könne „ein Sonderrecht in der Weise ausgestalten, dass es durch Mehrheitsbeschluss abänderbar ist.“117 Für das aktienrechtliche Entsendungsrecht wird überwiegend vertreten, es könne durch die Satzung von vornherein unter den Vorbehalt der Verringerung der Höchstzahl der Aufsichtsratssitze gestellt werden; eine Zustimmung zu entsprechenden satzungsändernden Beschlüssen sei in diesem Fall entbehrlich.118 Folglich finden sich derartige Satzungsklauseln auch in der Praxis.119 Ein Ausschluss der Rechtsfolge des § 35 BGB erscheint indes angesichts der Norm des § 40 S. 1 BGB ausgesprochen problematisch.120 Danach können die dort genannten Vorschriften des Vereinsrechts durch die Satzung abbedungen werden. § 35 BGB ist in der Aufzählung jedoch nicht enthalten, woraus sich im Umkehrschluss ergibt, dass diese Vorschrift nach der gesetzlichen Konzeption zwingend, also unabdingbar ist.121 a) Anwendbarkeit des § 40 BGB in der Aktiengesellschaft Freilich steht die Norm des § 40 Abs. 1 BGB aktienrechtlichen Satzungsbestimmungen, die die Rechtsfolge des § 35 BGB ausschließen sollen, nur dann entgegen, wenn auch sie auf die Aktiengesellschaft Anwendung findet. Insofern könnte mit § 23 Abs. 5 AktG eine abschließende Spezialregelung des Aktienrechts vorliegen, die die allgemeine Vorschrift des Vereinsrechts als lex specialis verdrängt. Zwar haben beide Normen einen entsprechenden Regelungsinhalt, nämlich die Beschränkung der Zulässigkeit von Abweichungen von den gesetzlichen Vorschriften. § 23 Abs. 5 AktG bezieht sich aber ausdrücklich nur auf die Vorschriften „dieses Gesetzes“, also des AktG. Für das daneben grundsätzlich anwendbare allgemeine Vereinsrecht enthält er keinerlei Regelung. Soweit also einzelne Vorschriften der §§ 21 ff. BGB in der AG anwendbar sind, bleibt es für diese mangels

117

Schöpflin, in: Bamberger/Roth, BGB, § 35 Rn. 8; ähnlich bereits Paul, Sonderrechte der Körperschaftsmitglieder, S. 24, 76; Wolany, Rechte und Pflichten, S. 180. 118 Spindler, in: Spindler/Stilz, AktG, § 101 Rn. 67; Habersack, in: MünchKomm AktG, § 101 Rn. 57; Hopt/M. Roth, in: Großkomm AktG, § 101 Rn. 134 mit Fn. 563; Mertens/Cahn, in: KölnKomm AktG, § 101 Rn. 61. 119 Siehe dazu oben Kap. 2, A. II. 2. a). 120 Eben diese Problematik vermeidet die herrschende Meinung, indem sie widerrufliche Vorrechte von vornherein dem Anwendungsbereich des § 35 BGB entzieht. Eine derartige Umgehung des § 40 BGB ist jedoch nicht überzeugend, vgl. insofern Beuthien, ZGR 2014, 24, 32. Siehe zum Ganzen bereits oben II. 1. 121 Beuthien, ZGR 2014, 24, 32; Hadding, in: Soergel, BGB, § 35 Rn. 1; Weick, in: Staudinger, BGB, § 35 Rn. 22; Ellenberger, in: Palandt, BGB, § 40 Rn. 1.

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Kap. 4: Entsendungsrechte als „Ewigkeitsrechte“

vorrangiger Spezialregelung auch bei den Vorgaben des § 40 BGB.122 Damit steht fest, dass auch die Satzung der Aktiengesellschaft nicht ohne weiteres von der in § 35 BGB vorgesehenen Rechtsfolge abweichen darf. Entsprechende Satzungsklauseln wären dementsprechend grundsätzlich unwirksam. Es stellt sich indes die Frage, ob sich die Zulässigkeit widerruflicher Sonderrechte auf andere Weise begründen lässt. b) Teleologische Reduktion des § 35 BGB Beuthien schlägt insofern eine teleologische Reduktion des § 35 BGB vor.123 Nach ihrem Schutzzweck erfordere die Vorschrift nur bei der Beeinträchtigung vorbehaltlos gewährter Sonderrechte zwingend die Zustimmung des Berechtigten. Da es diesem nicht verwehrt sei, sein Vorrecht freiwillig wieder aufzugeben, müsse es ihm auch möglich sein, von vornherein in den späteren Rechtsentzug einzuwilligen. Unter Vorbehalt gewährte Sonderrechte seien vom Schutzzweck des § 35 BGB nicht erfasst und daher vom Anwendungsbereich der Vorschrift auszunehmen.124 Danach wäre die Rechtsfolge des § 35 BGB bereits nicht einschlägig, sodass es auf § 40 BGB nicht mehr entscheidend ankäme. Die Argumentation Beuthiens erscheint durchaus überzeugend. Die teleologische Reduktion dient der Einschränkung eines gegenüber der ratio legis überschießend weiten Gesetzeswortlauts.125 Sie greift dort, wo das Gesetz ungleichartige Tatbestände gleich behandelt, obwohl eine Differenzierung wertungsmäßig geboten wäre.126 Mit anderen Worten muss auch hier – wie bei der Analogie – eine Gesetzeslücke vorliegen, und zwar im Hinblick auf einen nach der ratio legis gebotenen Ausnahmetatbestand.127 Im Falle des § 35 BGB liegt der Zweck der Norm in der Begrenzung des im Vereinsrecht grundsätzlich geltenden Mehrheitsprinzips im Interesse besonders bevorrechtigter Mitglieder. Die Vorschrift dient mithin allein dem Individualschutz von Sonderrechtsinhabern.128 Entsprechend statuiert die Vorschrift auch keinen unbedingten Bestandsschutz von Sonderrechten, sondern stellt den Bestand durch das Zustimmungserfordernis dem Willen des Inhabers anheim. Begnügt sich dieser von vornherein mit einem widerruflichen Sonderrecht und verzichtet damit auf den Schutz, den ihm § 35 BGB gewährt, so besteht tatsächlich kein ersichtlicher Grund mehr für die starre Rechtsfolge des unbedingten Zustimmungserfordernisses. Eine gesetzliche Ausnahmeregelung für von Anfang an wi122

Für dieses Ergebnis spricht auch die in § 23 Abs. 5 AktG zum Ausdruck gebrachte Satzungsstrenge selbst: Angesichts der allgemein stark eingeschränkten Dispositivität des Aktienrechts wäre es widersprüchlich, dass eine Norm, die für den Verein zwingend ist, in der Aktiengesellschaft abdingbar sein sollte. 123 Beuthien, ZGR 2014, 24, 32 f. 124 Beuthien, ZGR 2014, 24, 32 f. 125 Bydlinski, Methodenlehre und Rechtsbegriff, S. 480. 126 Canaris, Lücken im Gesetz, S. 82. 127 Bydlinski, Methodenlehre und Rechtsbegriff, S. 480. 128 Hadding, in: Soergel, BGB, § 35 Rn. 1.

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derruflich ausgestaltete Sonderrechte, bei denen der Begünstigte auf den Zustimmungsvorbehalt verzichtet, wäre insofern angezeigt gewesen. Dass ein solcher fehlt, ist womöglich dem zum Zeitpunkt der Entstehung der Norm noch ungeklärten Sonderrechtsverständnis129 geschuldet. Gegen eine teleologische Reduktion ließe sich indes anführen, dass sie nicht mit der in § 40 S. 1 BGB zum Ausdruck gebrachten gesetzlichen Wertung übereinstimmt. Insofern führt letztlich auch dieser Ansatz zu einer Umgehung des § 40 S. 1 BGB, der eine Disposition nicht zulässt. Allerdings bezieht sich die Regelung nur auf Dispositionen durch die – im Übrigen selbst dem Mehrheitswillen unterliegende – Satzung. Diese soll die Anwendbarkeit des § 35 BGB nicht pauschal ausschließen können. Sieht man die Statuierung eines ohne Zustimmung widerruflichen Sonderrechts als Ausdruck eines individuellen Verzichts des Berechtigten auf den Schutz des § 35 BGB an, so besteht darin ein entscheidender wertungsmäßiger Unterschied. c) Einwilligung in die Beeinträchtigung Denkbar erscheint es danach aber auch, in der entsprechenden Satzungsbestimmung dogmatisch eine „antizipierte Zustimmung“ bzw. eine Einwilligung130 in die Beeinträchtigung des Sonderrechts i.S.d. § 35 BGB zu erblicken. Dies scheint auch Beuthien anzudeuten, wenn er davon spricht, der Sonderrechtsinhaber könne „auch von vornherein in den späteren Rechtsentzug einwilligen“.131 Einer teleologischen Reduktion bedürfte es in diesem Fall allerdings nicht. Das Erfordernis der Zustimmung wäre vielmehr in Form der Einwilligung nach § 183 BGB als erfüllt anzusehen. Der Oberbegriff der Zustimmung umfasst nach den allgemeinen Regelungen des BGB über Willenserklärungen insofern die nachträgliche (Genehmigung), aber auch die vorherige Zustimmung (Einwilligung).132 Dies gilt auch für § 35 BGB, der mit „Zustimmung“ nicht nur die zustimmende Teilnahme an der tatsächlichen Beschlussfassung in der Mitgliederversammlung meint.133 Die Zustimmung i.S.v. § 35 BGB kann grundsätzlich formfrei, konkludent und außerhalb der Mitgliederversammlung erklärt werden.134 Insbesondere kann der Betroffene die 129

Vgl. Reuter, in: MünchKomm BGB, § 35 Rn. 1. Gerade im Zusammenhang mit der sog. Kernbereichslehre wird regelmäßig der Begriff der „antizipierten Zustimmung“ zu Eingriffen in den Kernbereich der Mitgliedschaft verwendet, siehe etwa BGHZ 170, 283, 287 f.; C. Schäfer, in: MünchKomm BGB, § 709 Rn. 91 f.; K. Schmidt, ZGR 2008, 1, 17. Eine antizipierte, also vorweggenommene Zustimmung ist nach der gesetzlichen Systematik indes nichts anderes als eine Einwilligung i.S.d. § 183 BGB, vgl. C. Schäfer, GmbH-Geschäftsanteil, S. 262. 131 Beuthien, ZGR 2014, 24, 33. 132 Vgl. Bayreuther, in: MünchKomm BGB, Vor § 182 Rn. 2. 133 Vgl. Bayreuther, in: MünchKomm BGB, Vor § 182 Rn. 12; Dörner, in: Handkomm BGB, § 35 Rn. 1. 134 Schöpflin, in: Bamberger/Roth, BGB, § 35 Rn. 9; Reuter, in: MünchKomm BGB, § 35 Rn. 9; Weick, in: Staudinger, BGB, § 35 Rn. 21; Ellenberger, in: Palandt, BGB, § 35 Rn. 5. 130

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Kap. 4: Entsendungsrechte als „Ewigkeitsrechte“

Zustimmung auch bereits vor einer beeinträchtigenden Maßnahme als Einwilligung erteilen.135 Wird die Einwilligung nicht anlässlich einer konkret geplanten Einzelmaßnahme erteilt, sondern bezieht sie sich auf noch unbestimmte zukünftige Beeinträchtigungen, so lässt sich dies mit dem Begriff der „Generaleinwilligung“ umschreiben.136 aa) Anforderungen an die Einwilligung Insofern besteht eine Parallele zu anderen Zustimmungserfordernissen, etwa nach der sog. Kernbereichslehre, die insbesondere im Personengesellschaftsrecht seit langem diskutiert wird. Danach sind Rechte, die zum Kernbereich der Mitgliedschaft zählen, nur mit Zustimmung des betroffenen Gesellschafters entziehbar, was in erster Linie Folgen für die Zulässigkeit von Mehrheitsklauseln hat.137 In diesem Zusammenhang soll nach überwiegender Ansicht eine „antizipierte Zustimmung“ möglich sein, die erforderliche Zustimmung also bereits im Voraus bzw. „antizipiert“ im Gesellschaftsvertrag erklärt werden können – insbesondere in Form entsprechender Mehrheitsklauseln.138 Dabei werden jedoch überwiegend erhöhte Anforderungen an eine entsprechende, als antizipierte Zustimmung zu wertende Satzungsklausel gestellt. So wird gefordert, die Vertragsklausel müsse sich eindeutig auf einen Eingriff in den Kernbereich beziehen und Art und Ausmaß des Eingriffs exakt erkennen lassen. Eine pauschale Zulassung mehrheitlicher Eingriffe in den Kernbereich genüge dagegen nicht.139 Entsprechende Erwägungen werden zur Zustimmung nach § 53 Abs. 3 GmbH angestellt, die ebenfalls bereits im Gesellschaftsvertrag möglich sein soll.140 Es stellt sich die Frage, ob diese Einschränkungen auf die (General-) Einwilligung in die Beeinträchtigung eines Sonderrechts nach § 35 BGB übertragen werden müssen. Dies dürfte indes abzulehnen sein. Während die Kernbereichslehre den Schutz der grundlegenden Mitgliedschaftsrechte aller Verbandsmitglieder be135

Rn. 9.

Hadding, in: Soergel, BGB, § 35 Rn. 17; Schöpflin, in: Bamberger/Roth, BGB, § 35

136 Vgl. Dörner, in: Handkomm BGB, § 183 Rn. 2; C. Schäfer, GmbH-Geschäftsanteil, S. 262 f., der diese allerdings mangels eines konkretisierten Bezugsgeschäfts nicht als Fall des § 183 BGB ansieht. 137 BGH, NJW 1985, 974; BGH, NJW 1995, 194, 195; C. Schäfer, in: MünchKomm BGB, § 709 Rn. 91; Enzinger, in: MünchKomm HGB, § 119 Rn. 64; Wiedemann, GesR II, S. 302 f.; K. Schmidt, GesR, § 16 III 3 b, S. 472 f.; ders., ZGR 2008, 1, 17 ff. 138 BGH, NJW 1995, 194, 195; C. Schäfer, in: MünchKomm BGB, § 709 Rn. 91 f.; ders., GmbH-Geschäftsanteil, S. 256 ff.; K. Schmidt, ZGR 2008, 1, 17; ders., GesR, § 16 III 3 b, S. 474; Löffler, NJW 1989, 2656, 2661 f.; Mecke, BB 1988, 2258, 2263 f.; a.A. allerdings Immenga, ZGR 1974, 385, 425 (Zustimmung ist bei jeder Beschlussfassung zu aktualisieren); Enzinger, in: MünchKomm HGB, § 119 Rn. 66, 70; Wiedemann, GesR II, S. 303. 139 C. Schäfer, in: MünchKomm BGB, § 709 Rn. 92; ähnlich Mecke, BB 1988, 2258, 2263 f.; noch enger Löffler, NJW 1989, 2656, 2661 (Konkret bezeichneter Eingriff mit Angabe des Beschlussinhalts). 140 Vgl. Schnorbus, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, GmbHG, § 53 Rn. 80; C. Schäfer, GmbH-Geschäftsanteil, S. 256 ff.

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zweckt und auch § 53 Abs. 3 GmbHG die Gesellschafter allgemein vor einer ungewollten Vermehrung ihrer Leistungspflichten schützt, geht es bei der hier interessierenden Frage allein um spezifische, erst durch besondere Satzungsbestimmung begründete Vorzugsrechte, die grundsätzlich nur einzelne Mitglieder betreffen. Selbst eine Klausel, die ohne Benennung einzelner Anwendungsfälle die generelle Entziehbarkeit eines bestimmten Sonderrechts ohne Zustimmung des Berechtigten vorsieht, lässt insofern Ausmaß und Folgen möglicher Eingriffe hinreichend deutlich erkennen. Der Sonderrechtsinhaber willigt damit bewusst ein, sich mehrheitlichen Entscheidungen, die eine Schmälerung oder auch den vollständigen Entzug seines Sonderrechts zur Folge haben, zu beugen.141 Da aber von vornherein eindeutig ist, welche Rechtsposition betroffen ist und welche Folgen sich aus dem Eingriff ergeben können – nämlich bis hin zum vollständigen Verlust des Sonderrechts – ist die Benennung konkreter Beschlussgegenstände oder gar Beschlussinhalte hier nicht erforderlich.142 Für dieses Verständnis spricht auch die Tatsache, dass der BGH den Bestimmtheitsgrundsatz für Mehrheitsklauseln und auch die Kernbereichslehre im Personengesellschaftsrecht mittlerweile ausdrücklich aufgegeben hat.143 bb) Unwiderruflichkeit der Einwilligung Ein weiteres Problem bei der Annahme einer Einwilligung stellt deren grundsätzliche Widerruflichkeit bis zur Vornahme des Rechtsgeschäfts dar (§ 183 S. 1, 1. Hs. BGB). Bei freier Widerruflichkeit der Einwilligung wäre eine entsprechende Satzungsklausel weitgehend sinnlos. Allerdings bestimmt bereits § 183 S. 1, 2. Hs. BGB, dass die Einwilligung nur dann widerruflich ist, wenn sich nicht aus dem ihrer Erteilung zugrunde liegenden Rechtsgeschäft ein anderes ergibt. Insofern fällt es grundsätzlich nicht schwer, bei einer in die Satzung aufgenommenen Einwilligung auch einen konkludenten Ausschluss des Widerrufs anzunehmen. Die Verankerung auf Satzungsebene bringt insofern eine besondere Bindungswirkung der Einwilligung zum Ausdruck und steht deshalb der freien Widerruflichkeit im Einzelfall entgegen. Zu beachten ist dabei indes, dass Teile der Literatur die unwiderrufliche Erteilung einer Generaleinwilligung in Anlehnung an die Grundsätze zur General141 Es sind insofern auch an eine Generaleinwilligung keine besonderen Anforderungen zu stellen, da § 35 BGB allein dem Schutz des jeweiligen Sonderrechtsinhabers und damit des Zustimmungsberechtigten dient. Verzichtet dieser durch eine Generaleinwilligung auf den ihm zustehenden Schutz, so handelt es sich um eine bewusste Entscheidung, die ebenso wenig wie eine Zustimmung im Einzelfall die Vereitelung bzw. Aushöhlung des durch § 35 BGB bezweckten Schutzes bewirkt. Abweichend allerdings C. Schäfer, GmbH-Geschäftsanteil, S. 263 in Bezug auf Kernbereichslehre und § 53 Abs. 3 GmbHG. 142 Die Begrenzung auf bestimmte Einzelfälle ist freilich zulässig und aus Gründen der Rechtssicherheit und -klarheit durchaus empfehlenswert. So kann die Satzung etwa bestimmen, dass die Zustimmung nur in dem speziellen Fall entbehrlich ist, dass ein Beschluss die Verkleinerung des Aufsichtsrates zur Folge hat und damit ein bestehendes Entsendungsrecht schmälert. 143 BGH, NZG 2014, 1296, 1297 ff., 1300; siehe dazu auch Wertenbruch, DB 2014, 2875 ff.; C. Schäfer, NZG 2014, 1401 ff.

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Kap. 4: Entsendungsrechte als „Ewigkeitsrechte“

vollmacht für unzulässig halten.144 Dies mag bezogen auf solche Generaleinwilligungen, die die Vornahme jeglicher Art von Rechtsgeschäften im Namen des Berechtigten ermöglichen und daher einer Generalvollmacht gleichkommen, berechtigt sein, da hiermit völlig unvorhersehbare Folgen für den Berechtigten verbunden sind. Im Falle des § 35 BGB besteht diese Gefahrenlage indes nicht: Auch eine Generaleinwilligung führt hier allenfalls zum Verlust des jeweiligen Sonderrechts, während weiter reichende Folgen bzw. die Beeinträchtigung anderer Rechtsgüter des Berechtigten nicht zu befürchten sind. Sie ermöglicht keineswegs die Vornahme beliebiger Rechtsgeschäfte im Namen oder auf Kosten des Sonderrechtsinhabers. In dieser Hinsicht ist eine Generaleinwilligung i.R.d. § 35 BGB von vornherein auf durchaus absehbare Maßnahmen beschränkt. Es spricht daher wenig dagegen, auch eine solche Einwilligung nach der Grundregel des § 183 S. 1, 2. Hs. BGB unwiderruflich zu erteilen. cc) Erklärung der Einwilligung Zu klären bleibt, worin genau die Einwilligung des Berechtigten erblickt werden kann. Die entsprechende Klausel selbst als objektiver Bestandteil der Satzung kann freilich kaum als Äußerung eines subjektiven Willens angesehen werden. Insofern müsste vielmehr auf einen Akt des (künftigen) Sonderrechtsinhabers abgestellt werden. Ist das widerrufliche Sonderrecht bereits in der Gründungssatzung vorgesehen, kommt hierfür die Einigung der Gründer (und damit auch des Sonderrechtsinhabers) in Form der Feststellung der Satzung145 in Betracht. Wird das Sonderrecht erst nachträglich eingeführt, kann auf die Stimmabgabe zugunsten der Satzungsänderung abgestellt werden. Voraussetzung ist dann allerdings, dass der Berechtigte auch selbst an der Abstimmung teilgenommen hat. Geht das Sonderrecht – etwa ein aktiengebundenes Entsendungsrecht – auf einen neuen Inhaber über, so drückt dieser durch die Übernahme der entsprechenden Anteile in Kenntnis der Satzungsklausel ebenfalls konkludent seine Einwilligung in künftige Beeinträchtigungen aus. Alternativ könnte man die Einwilligung jedenfalls in der erstmaligen Ausübung des Entsendungsrechts in Kenntnis der entsprechenden Satzungsklausel erblicken. d) Zwischenergebnis Im Ergebnis ist festzuhalten, dass eine Abweichung von der starren Rechtsfolge des § 35 BGB in der Satzung trotz der Vorschrift des § 40 S. 1 BGB als zulässig anzusehen ist. In dogmatischer Hinsicht lässt sich dies mit einer teleologischen Reduktion des § 35 BGB oder mit einer Einwilligung in spätere Beeinträchtigungen durch den Sonderrechtsinhaber begründen. Letztere Möglichkeit erscheint ange144 145

C. Schäfer, GmbH-Geschäftsanteil, S. 207, 263 f.; Flume, Rechtsgeschäft, § 55, S. 897. Vgl. dazu Pentz, in: MünchKomm AktG, § 23 Rn. 10.

B. Durchbrechungen des „Ewigkeitscharakters“

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sichts der bei der teleologischen Reduktion einer gesetzlichen Norm gebotenen Zurückhaltung insgesamt vorzugswürdig.

IV. Zusammenfassung Das Entsendungsrecht nach § 101 Abs. 2 AktG ist ein Sonderrecht i.S.d. § 35 BGB, der auch in der Aktiengesellschaft Anwendung findet. Es ist damit nach seiner Begründung grundsätzlich nur mit Zustimmung des Entsendungsberechtigten entziehbar. Allerdings kann ein Entsendungsrecht durch die Satzung auch von vornherein als widerrufliches Recht ausgestaltet werden. Schweigt die Satzung, gilt dagegen stets die Rechtsfolge des § 35 BGB. Die Prämisse vom „Ewigkeitscharakter“ der Entsendung trifft damit im Grundsatz zu. Zu klären ist nunmehr, inwieweit Durchbrechungen dieser Regel anzuerkennen sind.

B. Durchbrechungen des „Ewigkeitscharakters“ Trotz des Sonderrechtscharakters und dem damit verbundenen Zustimmungserfordernis nach § 35 BGB werden im Schrifttum einige Fallgestaltungen diskutiert, in denen die Entziehung bestehender Entsendungsrechte ausnahmsweise auch ohne Zustimmung des Berechtigten möglich sein soll. Im Folgenden wird untersucht, inwieweit diese und weitere denkbare Ausnahmen tatsächlich anzuerkennen sind.

I. Aufhebung durch Verkleinerung des Aufsichtsrats 1. Grundsatz Aufgrund der Beschränkung von Entsendungsmandaten auf maximal ein Drittel der Aktionärsvertreter nach § 101 Abs. 2 S. 4 AktG müssen bei einer Verringerung der Höchstzahl der Aufsichtsratssitze auch bestehende Entsendungsrechte angepasst werden. Nach überwiegender Ansicht führt eine Verkleinerung des Aufsichtsrats durch Satzungsänderung insofern zum Erlöschen sämtlicher Entsendungsrechte, sofern sie unterschiedlichen Inhabern zustehen. Lediglich wenn alle Entsendungsrechte in einer Hand liegen oder die Satzung eine besondere Reihenfolge festlegt, erlöschen nur die nunmehr über die Höchstzahl hinausgehenden Rechte.146 In jedem Fall ist bei Beschlüssen über Satzungsänderungen, die eine Verkleinerung des 146 Habersack, in: MünchKomm AktG, § 101 Rn. 57; Mertens/Cahn, in: KölnKomm AktG, § 101 Rn. 63; Spindler, in: Spindler/Stilz, AktG, § 101 Rn. 67; Simons, in: Hölters, AktG, § 101 Rn. 29; a.A. Hopt/M. Roth, in: Großkomm AktG, § 101 Rn. 133 f. (Erlöschen aller Rechte nur bei Verringerung durch Gesetz).

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Kap. 4: Entsendungsrechte als „Ewigkeitsrechte“

Aufsichtsrats zur Folge haben, grundsätzlich die Zustimmung des oder der jeweils betroffenen Entsendungsberechtigten erforderlich.147 2. Sonderfall: Kapitalherabsetzung Umstritten ist allerdings, inwieweit dieser Grundsatz auch für Kapitalherabsetzungsbeschlüsse Geltung beansprucht. Da § 95 Abs. 1 S. 4 AktG die zulässige Höchstzahl der Aufsichtsratsmitglieder von der Höhe des Grundkapitals der Gesellschaft abhängig macht, kann eine Kapitalherabsetzung die zwingende Verringerung der Mitgliederzahl nach sich ziehen.148 Dadurch können – wie gezeigt – bestehende Entsendungsrechte erlöschen oder zumindest entwertet werden. Die Frage der Zustimmungsbedürftigkeit wird in diesem Fall unterschiedlich bewertet. Nach verbreiteter Ansicht soll die Zustimmung des Entsendungsberechtigten hier generell entbehrlich sein.149 Für das Erfordernis einer Zustimmung sei angesichts der vielfach bestehenden Notwendigkeit, Kapitalherabsetzungen durchzuführen, sowie aus Gründen der Rechtssicherheit, kein Raum.150 Zum selben Ergebnis gelangen Hopt und M. Roth, die die Rechtsfolge des Zustimmungserfordernisses von vornherein als unpassend ansehen und stattdessen stets einen angemessenen Ausgleich gewähren wollen. Als Grundlage dafür sollen die Übergangsvorschriften bezüglich der Abschaffung von Mehrstimmrechten (§ 5 Abs. 3 EGAktG) analog herangezogen werden.151 Andere Stimmen in der Literatur differenzieren dagegen: Sie halten am grundsätzlichen Zustimmungserfordernis gem. § 35 BGB fest, welches nur dann ausnahmsweise verdrängt werden solle, wenn für die Kapitalherabsetzung eine wirtschaftliche Notwendigkeit bestehe und die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht deshalb ohnehin die Zustimmung gebiete.152 Schließlich wurde zumindest im älteren 147 Mertens/Cahn, in: KölnKomm AktG, § 101 Rn. 61; Habersack, in: MünchKomm AktG, § 101 Rn. 57; Hopt/M. Roth, in: Großkomm AktG, § 101 Rn. 134; Drygala, in: Schmidt/ Lutter, AktG, § 101 Rn. 21; Spindler, in: Spindler/Stilz, AktG, § 101 Rn. 67. 148 Dies ist namentlich dann der Fall, wenn in einer Aktiengesellschaft mit 21-köpfigem Aufsichtsrat das Grundkapital auf 10 Millionen Euro oder weniger bzw. in einer Gesellschaft mit 15-köpfigem Aufsichtsrat auf 1,5 Millionen Euro oder weniger gesenkt wird. Die Aufsichtsratsgröße muss dann zwingend angepasst werden. Sonderregeln gelten allerdings in Gesellschaften, die dem MitbestG, dem MontanMitbestG oder dem MitbestErgG unterliegen, siehe dazu Habersack, in: MünchKomm AktG, § 95 Rn. 2, 15. 149 Habersack, in: MünchKomm AktG, § 101 Rn. 57; Mertens/Cahn, in: KölnKomm AktG, § 101 Rn. 61; wohl auch Simons, in: Hölters, AktG, § 101 Rn. 29; ebenso bereits S. Wilhelmi, in: Godin/Wilhelmi, AktG, § 101 Anm. 3. 150 Habersack, in: MünchKomm AktG, § 101 Rn. 57. 151 Hopt/M. Roth, in: Großkomm AktG, § 101 Rn. 135; für die Gewährung eines Ausgleichs ebenfalls Habersack, in: MünchKomm AktG, § 101 Rn. 57. 152 Spindler, in: Spindler/Stilz, AktG, § 101 Rn. 68; ähnlich Drygala, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 101 Rn. 21; Semler, in: MünchKomm AktG, 2. Aufl., § 101 Rn. 118; wohl auch Breuer/Fraune, in: Heidel, Aktienrecht, § 101 AktG Rn. 13 (mit Fn. 37). Auf die Treuepflichtbindung weisen auch Hopt/M. Roth, in: Großkomm AktG, § 101 Rn. 135 hin. Im älteren Schrifttum wurde teilweise noch genauer nach dem Zweck der Kapitalherabsetzung diffe-

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Schrifttum vertreten, die Zustimmung des Entsendungsberechtigten sei auch bei Kapitalherabsetzungsbeschlüssen stets erforderlich.153 Grundsätzlich ist bei der Begründung ungeschriebener Ausnahmen zum gesetzlichen Zustimmungserfordernis aus § 35 BGB Zurückhaltung geboten. Wie oben dargestellt, schützt die Vorschrift Sonderrechtsinhaber vor Beeinträchtigungen jedweder Art. Eine Finalität in dem Sinne, dass ein Beschluss gerade auf die Beeinträchtigung des Sonderrechts abzielen muss, ist dabei nicht erforderlich. Im Grundsatz muss daher davon ausgegangen werden, dass auch ein Kapitalherabsetzungsbeschluss, der die Verkleinerung des Aufsichtsrats und damit die Beeinträchtigung bestehender Entsendungsrechte zur Folge hat, vom Zustimmungserfordernis des § 35 BGB erfasst ist. Zuzugeben ist freilich, dass es problematisch erscheint, wirtschaftlich gebotene und eventuell sogar für den Fortbestand der Gesellschaft notwendige Kapitalmaßnahmen von der Zustimmung einzelner Entsendungsberechtigter abhängig zu machen. Derartige Bedenken rechtfertigen es jedoch nicht, für sämtliche Kapitalherabsetzungsbeschlüsse eine generelle, ungeschriebene Ausnahme von der zwingenden Rechtsfolge des § 35 BGB anzunehmen. Auch die Annahme, diese Rechtsfolge „passe“ auf die Grundsatzentscheidung der Kapitalherabsetzung nicht,154 erscheint dogmatisch kaum haltbar. Insofern ist zu beachten, dass nach § 222 Abs. 2 AktG auch jede bestehende Aktiengattung einer Kapitalherabsetzung per Sonderbeschluss zustimmen muss, selbst wenn sie durch diese nicht benachteiligt wird.155 Warum die Zustimmung nach § 35 BGB demgegenüber per se ausgeschlossen sein soll, ist nicht ersichtlich. Zutreffend ist dagegen der Hinweis auf die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht.156 Die berechtigten Bedenken gegen ein Zustimmungserfordernis lassen sich mithilfe allgemeiner Grundsätze zur Treuepflichtbindung ausräumen, ohne dass es dafür der Konstruktion besonderer, ungeschriebener Ausnahmetatbestände bedürfte. So ist weitgehend anerkannt, dass einzelne Aktionäre aufgrund der Treuepflicht unter bestimmten Umständen zur Zustimmung zu einer Kapitalmaßnahme verpflichtet sind und insbesondere nicht aus eigennützigen Gründen eine sinnvolle und mehrheitlich angestrebte Sanierung der

renziert und die Zustimmung nur für entbehrlich gehalten, wenn der Beschluss dem Ausgleich von Wertminderungen oder der Deckung von Verlusten dient, siehe etwa Geßler, in: Geßler/ Hefermehl/Eckardt/Kropff, AktG, § 101 Rn. 82. 153 Meyer-Landrut, in: Großkomm AktG, 3. Aufl., § 101 Anm. 13. Auch im österreichischen Schrifttum wird jedenfalls im Grundsatz überwiegend am Zustimmungserfordernis festgehalten, vgl. Kalss, in: Doralt/Nowotny/Kalss, öAktG, § 88 Rn. 19; dies., in: MünchKomm AktG, § 101 Rn. 137; M. Doralt, in: Kalss/Kunz, Hdb Aufsichtsrat, Kap. 6 Rn. 134 (mit Fn. 182). Siehe dazu auch bereits oben Kap. 2, C. IV. 2. b). 154 So Hopt/M. Roth, in: Großkomm AktG, § 101 Rn. 135. 155 Marsch-Barner, in: Spindler/Stilz, AktG, § 222 Rn. 32; Koch, in: Hüffer, AktG, § 222 Rn. 18. 156 Vgl. Hopt/M. Roth, in: Großkomm AktG, § 101 Rn. 135; Spindler, in: Spindler/Stilz, AktG, § 101 Rn. 68; Drygala, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 101 Rn. 21.

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Kap. 4: Entsendungsrechte als „Ewigkeitsrechte“

Gesellschaft verhindern dürfen.157 Die Blockierung einer wirtschaftlich gebotenen Kapitalherabsetzung kann mithin treuwidrig sein – wenn auch nur in besonders gelagerten Einzelfällen, in denen das Scheitern der Maßnahme unvermeidlich zum Zusammenbruch der Gesellschaft führt.158 Diese Grundsätze lassen sich ohne weiteres auf entsendungsberechtigte Aktionäre übertragen. Ebenso wie die Ausübung des Stimmrechts in einer bestimmten Weise kann auch die Zustimmung nach § 35 BGB in Einzelfällen durch die Treuepflicht geboten sein.159 Voraussetzung für eine Zustimmungspflicht ist dabei jedenfalls, dass die Kapitalherabsetzung wirtschaftlich erforderlich und geboten ist und für den Betroffenen nicht mit einer Vermehrung seiner Leistungspflichten einhergeht.160 Es muss mit anderen Worten stets der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gewahrt werden.161 Zu beachten ist, dass die hier vertretene Lösung nicht zu einer Ausnahme vom Zustimmungserfordernis aus § 35 BGB führt.162 Ergibt sich aus der Treuepflicht eine Zustimmungspflicht des Entsendungsberechtigten, so muss die Zustimmung vielmehr ebenso wie eine Stimmpflicht nach § 894 ZPO eingeklagt werden.163 Unter Umständen kann auch eine einstweilige Verfügung ergehen.164 Das damit verbundene Prozessrisiko sowie mögliche Verzögerungen geplanter Kapitalmaßnahmen sind hinzunehmen; derartige Risiken sind der besonderen Stellung entsendungsberechtigter Aktionäre geschuldet und gehen mit der Begründung von Entsendungsrechten einher. Die Prüfung, ob die Treuepflicht im Einzelfall die Zustimmung gebietet, muss jedenfalls den Gerichten obliegen. Sie darf nicht durch einen generellen Ausschluss des Zustimmungserfordernisses umgangen werden. Durchbrechungen des „Ewigkeitscharakters“ von Entsendungsrechten sind mithin auch bei Kapitalherabsetzungen nur in besonders gelagerten Einzelfällen anzuerkennen. 157 BGHZ 129, 136 („Girmes“); Oechsler, in: MünchKomm AktG, § 222 Rn. 27; MarschBarner, in: Spindler/Stilz, AktG, § 222 Rn. 28; Veil, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 222 Rn. 15; Seibt, ZIP 2014, 1909, 1910 ff. 158 Veil, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 222 Rn. 15. 159 Zutreffend Drygala, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 101 Rn. 21; in diesem Sinne wohl auch Breuer/Fraune, in: Heidel, Aktienrecht, § 101 AktG Rn. 13 (mit Fn. 37). Für das österreichische Recht ebenso Kalss, in: Doralt/Nowotny/Kalss, öAktG, § 88 Rn. 19; dies., in: MünchKomm AktG, § 101 Rn. 137; M. Doralt, in: Kalss/Kunz, Hdb Aufsichtsrat, Kap. 6 Rn. 134 (mit Fn. 182). Siehe dazu auch bereits oben Kap. 2, C. IV. 2. b). Für die Sanierungssituation ebenso Seibt, ZIP 2014, 1909, 1910 ff. 160 Drygala, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 101 Rn. 21. Zu weit dagegen Hopt/M. Roth, in: Großkomm AktG, § 101 Rn. 135, wonach die Ablehnung der Zustimmung „regelmäßig“ gegen die Treuepflicht verstoße. 161 Vgl. Kalss, in: MünchKomm AktG, § 101 Rn. 137. 162 Insofern anders Spindler, in: Spindler/Stilz, AktG, § 101 Rn. 68 (trotz entsprechender Begründung). 163 Vgl. BGHZ 148, 163; Bungeroth, in: MünchKomm AktG, Vor § 53a Rn. 41; Henze/ Notz, in: Großkomm AktG, Anh. § 53a Rn. 142. 164 Vgl. OLG Hamburg, NJW 1992, 186; OLG Frankfurt a.M., GmbHR 1993, 161; Merkt, in: MünchKomm GmbHG, § 13 Rn. 191.

B. Durchbrechungen des „Ewigkeitscharakters“

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II. Aufhebung durch Umwandlung Ähnlich wie im Falle von Kapitalherabsetzungen kann die Durchführung von Umwandlungen, insbesondere Verschmelzungen, Spaltungen, Vermögensübertragungen oder Formwechseln, den Verlust bestehender Entsendungsrechte mit sich bringen. Dieses Problem ist im aktienrechtlichen Schrifttum in Deutschland bislang nicht eingehend diskutiert worden.165 Lediglich Hopt und M. Roth weisen darauf hin, dass ein Entsendungsrecht auch Umwandlungen der Gesellschaft „nicht entgegenstehen“ könne.166 Im österreichischen Schrifttum wird die Frage dagegen ausführlicher behandelt. So soll die Zustimmung des Entsendungsberechtigten auch bei einer Verschmelzung oder Spaltung der Gesellschaft, die den Verlust des Entsendungsrechts zur Folge hat, grundsätzlich erforderlich sein. Etwas anderes soll nur dann gelten, wenn dem Entsendungsberechtigten in der übernehmenden Gesellschaft ein gleichwertiges Recht eingeräumt wird.167 Die entscheidende Frage muss indes lauten, ob im umwandlungs- bzw. verschmelzungsrechtlichen Kontext168 überhaupt ein Zustimmungsvorbehalt besteht. Zunächst wäre eine Zustimmung von vornherein entbehrlich, wenn den Inhabern von Entsendungsrechten nach § 23 UmwG stets gleichwertige Rechte in dem übernehmenden Rechtsträger zu gewähren wären. Zu einer Beeinträchtigung des Entsendungsrechts könnte es dann nicht kommen.169 Es ist jedoch weitgehend anerkannt, dass die von § 23 UmwG umfassten Rechte nicht mit Sonderrechten i.S.d. § 35 BGB gleichzusetzen sind. Die Vorschrift soll vielmehr ausschließlich für Vermögensrechte gelten, nicht aber für Sonderrechte auf Mitverwaltung bzw. Kontrollrechte.170 Die Inhaber derartiger Rechte können die Einräumung gleichwertiger Rechte beim übernehmenden Rechtsträger mithin nicht verlangen.171 Für Mitverwaltungsrechte bestehen aber andere Spezialregelungen, insb. in § 13 Abs. 2 und §§ 50 Abs. 2, 65 Abs. 2 UmwG, die ein Zustimmungserfordernis zum Verschmelzungsbeschluss für bestimmte Anteilsinhaber statuieren. § 13 Abs. 2 UmwG gilt dabei ausschließlich für 165

Vgl. Klöhn, Abfindungsansprüche, S. 253. Hopt/M. Roth, in: Großkomm AktG, § 101 Rn. 135. 167 Kalss, in: MünchKomm AktG, § 101 Rn. 133; dies., Verschmelzung – Spaltung – Umwandlung, § 221 AktG Rn. 17; wohl auch Hügel, ecolex 1996, 527, 542. Für das deutsche Recht ähnlich Klöhn, Abfindungsansprüche, S. 253. 168 Aus Gründen der Übersichtlichkeit beschränkt sich die folgende Darstellung auf die gesetzlichen Vorschriften zur Verschmelzung. Aufgrund der Verweisungsnormen der §§ 125, 176 ff. UmwG gelten die genannten Vorschriften größtenteils jedoch auch für die Spaltung sowie für die Vermögensübertragung. Für den Formwechsel sind in §§ 193 Abs. 2, 204, 240 Abs. 1, 241 Abs. 2 UmwG ebenfalls entsprechende Regelungen bzw. Verweisungen vorgesehen. 169 Vgl. Kalss, Verschmelzung – Spaltung – Umwandlung, § 221 AktG Rn. 17. 170 Marsch-Barner, in: Kallmeyer, UmwG, § 23 Rn. 2; Kalss, in: Semler/Stengel, UmwG, § 23 Rn. 8; Grunewald, in: Lutter, UmwG, § 23 Rn. 2; Drygala/Staake/Szalai, KapGesR, § 35 Rn. 35; Hüffer, in: FS Lutter, S. 1227, 1230 ff.; Klöhn, Abfindungsansprüche, S. 252 f. 171 Gehling, in: Semler/Stengel, UmwG, § 13 Rn. 46. 166

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Kap. 4: Entsendungsrechte als „Ewigkeitsrechte“

solche Anteilseigner, deren Genehmigung für die Übertragung von Anteilen erforderlich ist, also für Fälle der Vinkulierung.172 Dagegen können Entsendungsrechte ein Zustimmungserfordernis nach § 50 Abs. 2 UmwG begründen,173 der allerdings nur für die Gesellschafter einer übertragenden GmbH gilt. Für die AG statuiert § 65 Abs. 2 UmwG lediglich, dass bei Bestehen mehrerer Aktiengattungen jede Gattung dem Verschmelzungsbeschluss zustimmen muss. Aktienrechtliche Entsendungsrechte begründen jedoch keine Aktiengattung.174 Damit fällt ein Entsendungsrecht nach § 101 Abs. 2 AktG unter keine der besonderen Schutzvorschriften des UmwG. Insofern ist fraglich, ob sich für sie das Zustimmungserfordernis wie üblich aus § 35 BGB ergibt,175 oder ob die Spezialregelungen des UmwG so zu verstehen sind, dass weitere Zustimmungserfordernisse nicht bestehen, § 35 BGB mithin durch die §§ 13 Abs. 2, 50 Abs. 2, 65 Abs. 2 UmwG verdrängt wird. Teile der umwandlungsrechtlichen Literatur vertreten diesen Standpunkt: Die im UmwG enthaltenen Zustimmungsvorbehalte seien im umwandlungsrechtlichen Kontext abschließend, weswegen bei der Beeinträchtigung hiervon nicht erfasster statutarischer Sonderrechte für ein Zustimmungserfordernis aus § 35 BGB kein Raum mehr sei.176 Für diese Ansicht spricht in der Tat, dass ein Großteil der speziellen umwandlungsrechtlichen Zustimmungsvorbehalte überflüssig wäre, wenn sich diese Rechtsfolge bereits aus § 35 BGB ergeben würde. Der Gesetzgeber scheint insofern eine abschließende Spezialregelung intendiert zu haben.177 Zwar könnte die Gesetzesbegründung, die ausdrücklich auf § 35 BGB hinweist, ein anderes Verständnis zum Ausdruck bringen.178 Sie zeigt aber auch, dass der Gesetzgeber die Norm des § 35 BGB berücksichtigt und gleichwohl punktuelle Zustimmungsvorbehalte für einzelne Sonderrechte in das UmwG aufgenommen hat. Die gesetzliche Systematik spricht insofern deutlich gegen die Anwendbarkeit des § 35 BGB. Auch ist zu berücksichtigen, dass das UmwG es den Anteilsinhabern ermöglichen soll, einen übertragenden Rechtsträger durch Umwandlung ohne Abwicklung zu beenden,179 und zwar allein nach den Vorschriften dieses Gesetzes. Regelungsanliegen waren insofern die Vereinfachung und Vereinheitlichung von Umwandlungen, was nicht zuletzt

172 Vgl. Simon, in: KölnKomm UmwG, § 13 Rn. 46 ff.; Grunewald, in: Lutter, UmwG, § 13 Rn. 28 ff.; Gehling, in: Semler/Stengel, UmwG, § 13 Rn. 35. 173 Vgl. Winter/Vetter, in: Lutter, UmwG, § 50 Rn. 53 ff. 174 Siehe dazu bereits oben Kap. 1, A. IV. 2. b) und Kap. 4, A. III. 2. d). 175 So Willemsen, in: Kallmeyer, UmwG, § 5 Rn. 12. 176 Simon, in: KölnKomm UmwG, § 13 Rn. 65; im Ergebnis ebenso Gehling, in: Semler/ Stengel, UmwG, § 13 Rn. 46; wohl auch Drygala, in: Lutter, UmwG, § 13 Rn. 34. 177 Vgl. Simon, in: KölnKomm UmwG, § 13 Rn. 65. 178 Vgl. die Begr. RegE zu § 13 UmwG, BT-Drucks. 12/6699, S. 86: „Absatz 2 ist Ausdruck des allgemeinen Rechtsgedankens, daß Sonderrechte eines Anteilsinhabers nicht ohne dessen Zustimmung beeinträchtigt werden dürfen (vgl. § 35 BGB).“ 179 Gehling, in: Semler/Stengel, UmwG, § 13 Rn. 46.

B. Durchbrechungen des „Ewigkeitscharakters“

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in der rechtsformübergreifenden Konzeption des Gesetzes zum Ausdruck kommt.180 Dieser Ansatz spricht ebenfalls für den abschließenden Charakter der Spezialregelungen über Zustimmungsvorbehalte, die Umwandlungen im Wege stehen können. Nach alledem ist die lex generalis des § 35 BGB damit im Umwandlungsrecht grundsätzlich als verdrängt anzusehen. Allerdings wäre es denkbar, im Falle des aktienrechtlichen Entsendungsrechts wiederum eine Ausnahme anzunehmen. Immerhin ist auffällig, dass der Gesetzgeber im Falle einer übertragenden GmbH in § 50 Abs. 2 UmwG einen umfassenden Schutz mitgliedschaftlicher Sonderrechte auf Mitverwaltung statuiert hat. Bei der übertragenden Aktiengesellschaft ist der Zustimmungsvorbehalt nach § 65 Abs. 2 UmwG dagegen auf Aktiengattungen beschränkt. Danach sind Inhaber von Entsendungsrechten in der GmbH gegen den Entzug ihrer Rechte geschützt, in der AG jedoch nicht. Auf den ersten Blick ist kaum einzusehen, wieso inhaltsgleiche Sonderrechte je nach Rechtsform der übertragenden Gesellschaft unterschiedlich behandelt werden sollten. Man könnte hier annehmen, der Gesetzgeber habe das aktienrechtliche Entsendungsrecht als einziges im AktG vorgesehenes Sonderrecht schlicht nicht bedacht. Dann wäre es naheliegend, § 35 BGB in Bezug auf Entsendungsrechte in der Aktiengesellschaft ausnahmsweise doch anzuwenden, oder den für die GmbH geltenden § 50 Abs. 2 UmwG analog heranzuziehen.181 Es ist jedoch zweifelhaft, ob diesbezüglich tatsächlich von einer unbewussten Regelungslücke ausgegangen werden kann. So heißt es in der Gesetzesbegründung zu § 50 Abs. 2 UmwG: „Da die Beteiligung an einer GmbH anders als die Aktie keine beliebig verwertbare Vermögensanlage ist, muß der GmbH-Gesellschafter stärker als der Aktionär geschützt werden.“182 Dies entspricht dem gesetzgeberischen Anliegen, die Umwandlung von Aktiengesellschaften insgesamt zu erleichtern.183 Obwohl hiermit freilich keine Aussage speziell zu aktienrechtlichen Entsendungsrechten verbunden ist, so bringt der Gesetzgeber doch zum Ausdruck, dass er im umwandlungsrechtlichen Kontext für den Gesellschafter der – nach dem Leitbild des Gesetzes personalistisch geprägten184 und überdies nicht börsenfähigen185 – GmbH insgesamt ein höheres Schutzniveau vorgesehen hat. Angesichts dessen muss davon ausgegangen werden, dass es sich bei der Nichtberücksichtigung aktienrechtlicher Sonderrechte um eine bewusste gesetzgeberische Entscheidung handelt. Ein 180

Vgl. Drygala/Staake/Szalai, KapGesR, § 34 Rn. 6 f.; Dauner-Lieb, in: KölnKomm UmwG, Einl. A Rn. 2, 8; Hüffer, in: FS Lutter, S. 1227, 1235. 181 Für eine analoge Anwendung der entsprechenden Vorschriften im österreichischen Recht Kalss, Verschmelzung – Spaltung – Umwandlung, § 221 AktG Rn. 17; wohl auch Hügel, ecolex 1996, 527, 542. 182 Begr. RegE UmwG, BT-Drucks. 12/6699, S. 100. 183 Vgl. die Begr. RegE zu § 65 UmwG, BT-Drucks. 12/6699, S. 103. 184 Vgl. Westermann, in: Scholz, GmbHG, Einl. Rn. 2; Drygala/Staake/Szalai, KapGesR, § 3 Rn. 8. 185 Vgl. Fastrich, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, Einleitung Rn. 6; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, GmbHG, Einl. Rn. 8.

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Kap. 4: Entsendungsrechte als „Ewigkeitsrechte“

Rückgriff auf § 35 BGB oder eine analoge Anwendung des § 50 Abs. 2 UmwG ist deshalb versperrt. Es besteht damit de lege lata bei Umwandlungsbeschlüssen von vornherein kein Zustimmungsvorbehalt für entsendungsberechtigte Aktionäre. Die Rechtfertigung für diese Differenzierung erscheint indes äußerst fragwürdig. Zwar kann ein Aktionär im Gegensatz zum GmbH-Gesellschafter seinen Anteilsbesitz grundsätzlich jederzeit veräußern. Gleichwohl wird ein entsendungsberechtigter Aktionär in aller Regel ein besonderes Interesse an der Gesellschaft haben, dem mit der bloßen Möglichkeit des jederzeitigen exit nicht hinreichend Rechnung getragen wird. Da er aktiv in die Verwaltung der Gesellschaft involviert ist, steht er einem Gesellschafter in der personalistisch geprägten GmbH weitaus näher als der übliche Anlegeraktionär. Überdies ist zwar der Aktienbesitz an sich „beliebig verwertbar“,186 das daran anknüpfende Entsendungsrecht jedoch nicht.187 Für den Verlust seiner besonderen Mitverwaltungsbefugnisse erhält der Aktionär folglich auch durch die Veräußerung seiner Anteile keinerlei Kompensation. Aus diesen Gründen vermag die gesetzliche Differenzierung zwischen Sonderrechtsinhabern in der GmbH einerseits und der AG andererseits nicht zu überzeugen. Hält es der Gesetzgeber für geboten, sonderberechtigten GmbH-Gesellschaftern einen Zustimmungsvorbehalt im Falle der Umwandlung zu gewähren, so sollte er dieses Privileg gleichsam entsendungsberechtigten Aktionären zugutekommen lassen.188 Hinzu kommt, dass nach § 65 Abs. 2 UmwG auch Aktiengattungen im Umwandlungsrecht umfassend geschützt werden. Die Inhaber verschiedener Gattungen müssen danach sogar dann ihre Zustimmung per Sonderbeschluss erteilen, wenn durch die Verschmelzung nicht in ihre Rechte eingegriffen wird.189 Wieso demgegenüber den Inhabern von Entsendungsrechten keinerlei Schutz zuteilwerden soll, ist kaum ersichtlich und lässt sich insbesondere nicht allein mit der erleichterten Umwandlung von Aktiengesellschaften erklären. De lege ferenda ist deshalb für ein umwandlungsrechtliches Zustimmungserfordernis zugunsten entsendungsberechtigter Aktionäre zu plädieren. Umwandlungsbeschlüsse unterliegen allerdings auch nach geltendem Recht zumindest einer gewissen inhaltlichen Beschluss- bzw. Missbrauchskontrolle. Setzt eine qualifizierte Aktionärsmehrheit die Umwandlung missbräuchlich ein, um Entsendungsrechte einzelner Aktionäre gezielt zu umgehen bzw. auszuhebeln, so kann der entsprechende Beschluss unwirksam sein.190 186

So die Begr. RegE UmwG, BT-Drucks. 12/6699, S. 100. Im Falle eines aktiengebundenen Entsendungsrechts sind selbst die Anteile nur eingeschränkt verwertbar, da die entsprechenden Aktien nach § 101 Abs. 2 S. 2 AktG zwingend der Vinkulierung unterliegen müssen. 188 Ähnlich Klöhn, Abfindungsansprüche, S. 253. 189 Simon, in: KölnKomm UmwG, § 65 Rn. 16; Diekmann, in: Semler/Stengel, UmwG, § 65 Rn. 22; Zimmermann, in: Kallmeyer, UmwG, § 65 Rn. 23. 190 Vgl. Simon, in: KölnKomm AktG, § 13 Rn. 66; Gehling, in: Semler/Stengel, UmwG, § 13 Rn. 46; Drygala, in: Lutter, UmwG, § 13 Rn. 34. 187

B. Durchbrechungen des „Ewigkeitscharakters“

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III. Aufhebung durch Auflösung der Gesellschaft Auch die Auflösung der Aktiengesellschaft hat naturgemäß den Verlust bestehender Sonderrechte zur Folge. Nach § 262 Abs. 1 Nr. 2 AktG wird die AG aufgelöst, wenn die Hauptversammlung dies mit einer Mehrheit von mindestens drei Vierteln des vertretenen Grundkapitals beschließt. Fraglich erscheint, ob auch ein derartiger Auflösungsbeschluss im Falle des Bestehens von Entsendungsrechten die Zustimmung der Entsendungsberechtigten erfordert. Im Grundsatz wäre dies zu bejahen, da das Zustimmungserfordernis des § 35 BGB – wie bereits gezeigt191 – jegliche Arten von Beeinträchtigungen eines Sonderrechts umfasst. Allerdings kann kaum geleugnet werden, dass die Auflösung der Gesellschaft einen besonders gelagerten Einzelfall darstellt, für den möglichweise eine Ausnahme gelten muss. Diese Frage scheint bislang kaum Aufmerksamkeit gefunden zu haben. Gehling weist allerdings darauf hin, dass nicht nur im Falle der Umwandlung, sondern auch „bei jeder anderen Auflösung“ die Beendigung der Gesellschaft nicht von der Zustimmung von Sonderrechtsinhabern abhänge.192 Tatsächlich erscheint es fragwürdig, die Entscheidung über die Fortführung der Gesellschaft vom Willen einzelner entsendungsberechtigter Aktionäre abhängig zu machen. Das Entsendungsrecht wird als mitgliedschaftliches Sonderrecht erst durch die Satzung geschaffen; es gewährt eine Sonderstellung als Ausfluss der Mitgliedschaft im Verband und ist insofern von der Mitgliedschaft, aber auch von der Existenz des Verbands abhängig. Es existiert nur innerhalb der Verbandsstruktur und setzt deren Bestand denklogisch voraus. Entsprechend müssen die Befugnisse von Sonderrechtsinhabern ihre Grenze grundsätzlich in der Entscheidung über Fortbestand oder Beendigung des Verbands finden. Zwar ist es zulässig, den Beschluss über die Auflösung der Gesellschaft an die Zustimmung einzelner Aktionäre zu binden.193 Der Zweck des Entsendungsrechts besteht aber nicht darin, dem Berechtigten die Entscheidungsgewalt über den Fortbestand der Gesellschaft zu sichern. Dies gilt auch allgemein für die Vorschrift des § 35 BGB – mit Ausnahme des speziellen Falles, dass es sich gerade um ein Sonderrecht auf Zustimmung zur Auflösung handelt. Im Übrigen betrifft die Entscheidung über die Fortführung der Gesellschaft aber eine Organisationsebene, die einzelnen mitgliedschaftlichen Rechten vorgelagert ist. Deshalb ist in diesem Fall eine Ausnahme vom Zustimmungserfordernis des § 35 BGB zu machen, die Vorschrift also teleologisch zu reduzieren.

191

Siehe oben A. III. 3. Gehling, in: Semler/Stengel, UmwG, § 13 Rn. 46; gegen ein Zustimmungserfordernis bei der Auflösung ebenfalls Koppensteiner, in: FS Sigle, S. 163, 166 f. 193 Hüffer, in: MünchKomm AktG, § 262 Rn. 42; Bachmann, in: Spindler/Stilz, AktG, § 262 Rn. 25; Hirschmann, in: Hölters, AktG, § 262 Rn. 12; für den Verein Hadding, in: Soergel, BGB, § 41 Rn. 3; Reuter, in: MünchKomm BGB, § 41 Rn. 18; Weick, in: Staudinger, BGB, § 41 Rn. 6. 192

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Kap. 4: Entsendungsrechte als „Ewigkeitsrechte“

Diese Lösung steht nicht im Widerspruch zur Forderung nach einem Zustimmungsrecht im Falle der Umwandlung.194 Zwar erlaubt das UmwG die Beendigung des übertragenden Rechtsträgers, der bei Wirksamwerden der Verschmelzung, Aufspaltung oder Vollübertragung erlischt.195 Allerdings ist hier von vornherein eine Übertragung des Gesellschaftsvermögens und damit wirtschaftlich betrachtet eine Fortführung der Gesellschaft bzw. des von ihr betriebenen Unternehmens intendiert.196 Die Interessenlage ist damit eine vollkommen andere als bei der Auflösung der Gesellschaft.197 Will die Mehrheit der Aktionäre das Unternehmen der Gesellschaft in anderer Form fortführen, so hat sie dabei den Willen der Inhaber bestehender Sonderrechte auf Mitverwaltung zu beachten. Gerade Entsendungsrechte dienen insofern dem Zweck, ihren Inhabern einen mittelbaren Einfluss auf die Leitung der Gesellschaft und damit auf die Führung des von ihr betriebenen Unternehmens zu sichern. Die Möglichkeit der Umwandlung ohne Zustimmung beinhaltet eine erhebliche Gefahr der Umgehung bzw. Beseitigung derartiger Sonderrechte. Die Auflösung führt dagegen zur Abwicklung bzw. Liquidation und schließlich zur endgültigen Beendigung der Gesellschaft und des Unternehmens, sodass Einflussrechten hier keine Bedeutung mehr zukommen kann. Ein Auflösungsbeschluss ist Ausdruck der Desinvestitionsentscheidung der Aktionäre, unter denen das Vermögen der Gesellschaft nach Befriedigung der Gläubiger verteilt wird.198 Diese Entscheidung sollte von Sonderrechtsinhabern nicht blockiert werden können, da es anderenfalls zu einer „Zwangsperpetuierung“ der Gesellschaft kommen könnte.199

IV. Aufhebung durch Squeeze-out Aktienrechtliche Entsendungsrechte sind in ihrem Bestand von der Aktionärseigenschaft des Berechtigten abhängig. Wird also ein entsendungsberechtigter Minderheitsaktionär im Wege eines Squeeze-out200 aus der Gesellschaft gedrängt, 194

Siehe oben II. Vgl. Gehling, in: Semler/Stengel, UmwG, § 13 Rn. 46. 196 Vgl. Koppensteiner, in: FS Sigle, S. 163, 166; Lutter/Bayer, in: Lutter, UmwG, Einl. I Rn. 1 ff.; Dauner-Lieb, in: KölnKomm UmwG, Einl. A Rn. 11 f. 197 Vgl. Koppensteiner, in: FS Sigle, S. 163, 166. 198 Vgl. Hüffer, in: MünchKomm AktG, § 262 Rn. 11 f.; Drygala/Staake/Szalai, KapGesR, § 26 Rn. 1. 199 Koppensteiner, in: FS Sigle, S. 163, 167. 200 Grundsätzlich sind drei Arten des Squeeze-out möglich: Der aktienrechtliche Squeezeout (§§ 327a ff. AktG), der umwandlungsrechtliche Squeeze-out (§ 62 Abs. 5 UmwG i.V.m. §§ 327a ff. AktG) und der übernahmerechtliche Squeeze-out (§ 39a f. WpÜG). Der übernahmerechtliche Squeeze-out bedarf dabei keines Hauptversammlungsbeschlusses, sondern wird durch gerichtliche Entscheidung angeordnet. Hier könnte ein Zustimmungsvorbehalt allenfalls an den entsprechenden Antrag durch den Bieter anknüpfen. Die folgenden Ausführungen beschränken sich indes auf den aktienrechtlichen Squeeze-out nach §§ 327a ff. AktG. 195

B. Durchbrechungen des „Ewigkeitscharakters“

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erlöschen damit auch seine Entsendungsrechte. Diese Situation dürfte in der Praxis zwar kaum eine Rolle spielen, da Entsendungsrechte in aller Regel Großaktionären eingeräumt werden. Sie ist aber zumindest theoretisch denkbar, da für ein Entsendungsrecht grundsätzlich der Besitz einer einzigen Aktie ausreichend ist.201 Es stellt sich mithin die Frage, ob ein entsprechender Hauptversammlungsbeschluss gem. § 327a Abs. 1 AktG nach der allgemeinen Regel des § 35 BGB der Zustimmung des betroffenen Aktionärs bedarf. In diesem Fall wäre der Squeeze-out von entsendungsberechtigten Aktionären faktisch ausgeschlossen. Diese Frage scheint bislang keinerlei Beachtung gefunden zu haben.202 Es liegt insofern freilich die Annahme nahe, dass die §§ 327a ff. AktG eine lex specialis gegenüber § 35 BGB darstellen, die das Zustimmungserfordernis in diesem besonderen Fall ausschließen. Da durch das Squeeze-out-Verfahren gerade der Ausschluss von Minderheitsaktionären gegen ihren Willen ermöglicht werden soll,203 muss die Regelung sinnvollerweise auch generell bestehende Zustimmungserfordernisse verdrängen. Schließlich kann schon das Anteilseigentum selbst grundsätzlich nicht ohne Zustimmung entzogen werden, wovon die §§ 327a ff. AktG eine Ausnahme statuieren. Sie stehen insofern als spezialgesetzliche Sonderregelung Zustimmungsvorbehalten jedweder Art entgegen. Hätte der Gesetzgeber eine Gegenausnahme für Aktionäre mit Sonderrechten gewollt, so hätte er diese ausdrücklich statuieren müssen. Möglicherweise muss dieser Befund jedoch vor dem Hintergrund der Squeezeout-Regelungen und insbesondere im Hinblick auf ihre Verfassungsmäßigkeit korrigiert werden. Sie basieren nämlich maßgeblich auf der Erwägung, dass ein Minderheitsaktionär unterhalb einer bestimmten Beteiligungsschwelle – im Falle des aktienrechtlichen Squeeze-out 5 % (vgl. § 327a Abs. 1 AktG) – keinerlei Einflussmöglichkeiten mehr auf die Unternehmensführung habe; folglich gehe es hier nur noch um Vermögensinteressen, welchen durch die Gewährung einer angemessenen Barabfindung hinreichend Rechnung getragen werde.204 Diese Argumentation zieht auch das BVerfG zur Rechtfertigung des durch die §§ 327a ff. AktG ermöglichten Eingriffs in Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG heran. Durch das Quorum von 95 % sei „sichergestellt, dass nur Aktionäre ausgeschlossen werden, deren Anlageinteresse sich 201 Siehe dazu bereits oben Kap. 1, A. IV. 3. b). Vorstellbar wäre etwa der Fall, dass ein entsendungsberechtigter Aktionär seinen Aktienbestand – aus welchen Gründen auch immer – signifikant reduziert. Sofern die Satzung hier keine besondere Regelung enthält, würde sich dies auf sein Entsendungsrecht nicht auswirken. 202 Im Gegensatz etwa zur Frage nach Sonderbeschlüssen der Vorzugsaktionäre oder der Inhaber sonstiger Aktiengattungen, die entbehrlich sein sollen, vgl. Fleischer, in: Großkomm AktG, § 327a Rn. 69 f.; Fuchs, Squeeze-out, S. 144 ff. 203 Vgl. Habersack, in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, § 327a Rn. 1; Grunewald, in: MünchKomm AktG, Vor § 327a Rn. 2; Hasselbach, in: KölnKomm WpÜG, § 327a AktG Rn. 1 ff. 204 Vgl. Begr. RegE WpÜG, BT-Drucks. 14/7034, S. 32; Seiler, in: Assmann/Pötzsch/ Schneider, WpÜG, § 39a Rn. 4, 51; Hasselbach, in: KölnKomm WpÜG, § 327a AktG Rn. 17, 27.

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Kap. 4: Entsendungsrechte als „Ewigkeitsrechte“

angesichts des Fehlens realer Einwirkungsmöglichkeiten auf die Unternehmensführung auf die vermögensrechtliche Komponente konzentriert.“205 Ausdrücklich offen gelassen wird allerdings, ob etwas anderes gilt, wenn „ein Aktionär im Einzelfall ein weitergehendes, anerkennenswertes Interesse an der Beteiligung an einem Unternehmen hat“.206 Damit verweist das BVerfG auf ein früheres Urteil des OLG Hamburg, das ebenfalls im Grundsatz von der Verfassungsmäßigkeit der §§ 327a ff. AktG ausgeht, allerdings eine andere Beurteilung für möglich hält, wenn „nicht nur die Vermögensinteressen, sondern das Anteilsrecht des Aktionärs aus besonderen Gründen als schützenswert erschiene.“207 Als Beispiele nennt das OLG Hamburg Familiengesellschaften sowie Gesellschaften „mit kleinem, dem Unternehmen persönlich verbundenem Aktionärskreis.“208 Ein Entsendungsrecht vermittelt durch die Mitentscheidungsbefugnis über die Besetzung des Aufsichtsrats eine eben solche Einwirkungsmöglichkeit auf die Unternehmensführung, deren Fehlen zur Rechtfertigung des Ausschlusses von Kleinstaktionären herangezogen wird. Der Zweck des Entsendungsrechts besteht gerade darin, Aktionären mit einem besonderen Interesse an der Gesellschaft einen dauerhaften Einfluss auf die Unternehmensführung zu sichern.209 Hat ein Aktionär ein solches Recht inne, so dürfte dies allein bereits Beleg für das Vorhandensein eines besonderen, über die vermögensrechtliche Komponente hinausgehenden Interesses sein. Da das Gesetz Entsendungsrechte ausdrücklich vorsieht, wird man ein solches Interesse im Grundsatz auch als schutzwürdig ansehen müssen. Ob es sich im Einzelfall um eine Familiengesellschaft oder um eine personalistisch strukturierte AG handelt, kann dabei kaum eine Rolle spielen.210 Entscheidend ist, dass hier entgegen der gesetzlichen Konzeption ein besonderes Beteiligungsinteresse vorliegt, das mit einer Barabfindung nicht ohne weiteres kompensiert werden kann. Es bestehen damit erhebliche Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des Squeeze-out von entsendungsberechtigten Aktionären.211 205

BVerfG, AG 2007, 544, 546; ebenso bereits BVerfG, NJW 2001, 279, 280 („Moto Meter“) zur sog. übertragenden Auflösung; siehe auch Fuchs, Squeeze-out, S. 38; Quandt, Squeeze-out in Deutschland, S. 47, 49. 206 BVerfG, AG 2007, 544, 546. 207 OLG Hamburg, AG 2003, 698. 208 OLG Hamburg, AG 2003, 698. Das heißt freilich nicht, dass die Squeeze-out-Regelungen in Familiengesellschaften keine Geltung beanspruchen würden oder ihre Anwendung per se missbräuchlich wäre, vgl. BGHZ 180, 154, 163; Hasselbach, in: KölnKomm WpÜG, § 327a AktG Rn. 32; Grunewald, in: MünchKomm AktG, § 327a Rn. 25. 209 Siehe bereits oben Kap. 1, C. I. 210 So kann beispielsweise eine entsendungsberechtigte Stiftung ein ebenso starkes Interesse an dem Industrieunternehmen haben, dessen Fortbestand sie zu dienen bestimmt ist, wie ein Aktionär aus dem Familienkreis an einer Familiengesellschaft. 211 Für die Rechtmäßigkeit auch dieses Eingriffs in Art. 14 GG könnte dagegen angeführt werden, dass der Aktionär eben nur (noch) eine Kleinstbeteiligung hält und damit zum Ausdruck bringt, dass sein (möglicherweise zuvor bestehendes) Interesse an der Gesellschaft trotz des Entsendungsrechts nur (noch) begrenzt ist. Dem steht aber die gesetzliche Konzeption des

B. Durchbrechungen des „Ewigkeitscharakters“

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Fraglich ist allein, welche Schlüsse aus diesem Befund zu ziehen sind. Denkbar wäre es zunächst, § 327a AktG im Wege einer verfassungskonformen Auslegung teleologisch zu reduzieren bzw. das Zustimmungserfordernis nach § 35 BGB (ggf. analog) doch zur Anwendung zu bringen. Dann wäre der Squeeze-out von entsendungsberechtigten Aktionären faktisch ausgeschlossen. Vorzugswürdig erscheint es demgegenüber, angesichts der besonderen Interessenlage beim Bestehen von Entsendungsrechten im Einzelfall eine strenge Missbrauchskontrolle durchzuführen, die von ihrer Wirkung einer Inhaltskontrolle des jeweiligen Squeeze-out-Beschlusses gleichkäme.212 Der Squeeze-out von entsendungsberechtigten Aktionären wäre danach nur dann zulässig, wenn der Hauptaktionär ein dringendes Bedürfnis für die Maßnahme bzw. ein zu vernachlässigendes Interesse des Minderheitsaktionärs trotz des Entsendungsrechts darlegen könnte. Im Übrigen wäre die Beschlussfassung als rechtsmissbräuchliches Verhalten bzw. als Verstoß gegen den Grundsatz von Treu und Glauben213 zu qualifizieren und der entsprechende Beschluss damit anfechtbar.214 Auch dies würde im Ergebnis regelmäßig zur Unzulässigkeit des Ausschlusses entsendungsberechtigter Aktionäre führen, dabei aber Raum für die Berücksichtigung besonders gelagerter Einzelfälle lassen. Der Squeeze-out könnte beispielsweise zulässig sein, wenn der Entsendungsberechtigte sein Recht ohnehin nicht mehr ausübt oder durch sein Verhalten der Gesellschaft zu schaden droht.

V. Aufhebung nach § 33b WpÜG Eine Beeinträchtigung von Entsendungsrechten kann sich überdies in der Übernahmesituation ergeben, wenn nach der Satzung einer Zielgesellschaft die europäische Durchbrechungsregel gem. § 33b WpÜG zur Anwendung kommt. Der Zweck dieser übernahme- bzw. kapitalmarktfreundlichen Regelung besteht darin, die Wirkung von Übernahmehindernissen nach Bekanntmachung eines Übernah-

§ 101 Abs. 2 AktG entgegen, wonach das Entsendungsrecht gerade nicht von einem bestimmten Anteilsbesitz abhängig ist. Zudem würde das Entsendungsrecht als Instrument der Absicherung des eigenen, auch zukünftigen Einflusses auf die Gesellschaft entwertet. 212 Grundsätzlich soll eine solche Missbrauchs- bzw. Beschlusskontrolle angesichts der hohen Beteiligungsschwelle für den Squeeze-out nur ausnahmsweise greifen, vgl. Seiler, in: Assmann/Pötzsch/Schneider, WpÜG, § 39a Rn. 51; Fleischer, in: Großkomm AktG, § 327a Rn. 75 f.; Grunewald, in: MünchKomm AktG, § 327a Rn. 17 f.; Singhof, in: Spindler/Stilz, AktG, § 327a Rn. 24 f.; Fuchs, Squeeze-out, S. 437 ff. 213 Vgl. Seiler, in: Assmann/Pötzsch/Schneider, WpÜG, § 39a Rn. 51. 214 Eine rechtsmissbräuchliche Beschlussfassung dürfte auch beim Squeeze-out grundsätzlich nur zur Anfechtbarkeit des Beschlusses führen, vgl. BGHZ 180, 154, 160; Grunewald, in: MünchKomm AktG, § 327a Rn. 18; Habersack, in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, § 327a Rn. 27; Singhof, in: Spindler/Stilz, AktG, § 327a Rn. 25; Koch, in: Hüffer, AktG, § 327a Rn. 20; a.A. OLG München, NZG 2007, 192, 193 (Nichtigkeit).

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Kap. 4: Entsendungsrechte als „Ewigkeitsrechte“

meangebots zu begrenzen bzw. auszusetzen.215 Der deutsche Gesetzgeber hat sich diesbezüglich bei der Umsetzung der europäischen Übernahmerichtlinie216 für ein „Opt in“-Modell entschieden:217 Nach § 33b Abs. 1 WpÜG findet die in Abs. 2 näher geregelte Durchbrechungsregel nur dann Anwendung, wenn die Satzung der Zielgesellschaft dies vorsieht. In diesem Fall wird für die Behandlung von Entsendungsrechten § 33b Abs. 2 S. 1 Nr. 3 WpÜG relevant. Danach entfalten Entsendungsrechte in der ersten Hauptversammlung, die auf Verlangen des Bieters zur Änderung der Satzung oder zur Besetzung der Leitungsorgane einberufen wird, keine Wirkung, sofern der Bieter nach dem Angebot über mindestens 75 % der Stimmrechte der Gesellschaft verfügt. 1. Reichweite des § 33b Abs. 2 S. 1 Nr. 3 WpÜG a) Suspendierung von Entsendungsrechten in der Hauptversammlung Unklar ist allerdings, welche Rechtsfolgen das Gesetz intendiert, wenn es davon spricht, dass bestehende Entsendungsrechte „keine Wirkung entfalten“. Eindeutig ist insofern zunächst, dass Entsendungsrechte auf der betreffenden Hauptversammlung nicht ausgeübt werden können. Sind aufgrund bestehender Entsendungsrechte bereits Mitglieder in den Aufsichtsrat entsandt, so führt § 33b Abs. 2 S. 1 Nr. 3 WpÜG gleichwohl nicht zur automatischen Beendigung der Mandate.218 Die Entsendungsrechte werden in der Hauptversammlung lediglich als nicht existent behandelt.219 Dies hat – wie auch sonst der Wegfall zuvor bestehender Entsendungsrechte – zur Folge, dass die entsandten Mitglieder nach § 103 Abs. 2 S. 2 AktG von der Hauptversammlung mit einfacher Stimmenmehrheit abberufen und die entstehenden Vakanzen durch die Wahl neuer Mitglieder besetzt werden können.220 Dem Bieter wird damit ermöglicht, den Aufsichtsrat mit Personen seines Vertrauens zu besetzen und damit insbesondere die künftige Besetzung des Vorstands zu beeinflussen.221 Hinsichtlich der beschriebenen Beeinträchtigungen von Entsendungsrechten besteht nach dem Sinn und Zweck der Durchbrechungsregel kein Raum für ein Zustim215 Vgl. Meyer, in: Assmann/Pötzsch/Schneider, WpÜG, § 33b Rn. 1 ff.; Hirte, in: KölnKomm WpÜG, § 33b Rn. 2; Schlitt/Ries, in: MünchKomm AktG, § 33b WpÜG Rn. 1; Noack/ Zetzsche, in: Schwark/Zimmer, KapMarktR, § 33b WpÜG Rn. 1. 216 Richtlinie 2004/25/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. 4. 2004 betreffend Übernahmeangebote (ABl. EU L 142/12). 217 Vgl. Schlitt/Ries, in: MünchKomm AktG, § 33b WpÜG Rn. 1, 7; Meyer, in: Assmann/ Pötzsch/Schneider, WpÜG, § 33b Rn. 1; Merkt/Binder, BB 2006, 1285, 1288. 218 Schlitt/Ries, in: MünchKomm AktG, § 33b WpÜG Rn. 84; Harbarth, ZGR 2007, 37, 58. 219 Kiem, in: Baums/Thoma, WpÜG, § 33b Rn. 51. 220 Schlitt/Ries, in: MünchKomm AktG, § 33b WpÜG Rn. 84; Kiem, in: Baums/Thoma, WpÜG, § 33b Rn. 51; Harbarth, ZGR 2007, 37, 58. 221 Kiem, in: Baums/Thoma, WpÜG, § 33b Rn. 51; Schlitt/Ries, in: MünchKomm AktG, § 33b WpÜG Rn. 84.

B. Durchbrechungen des „Ewigkeitscharakters“

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mungserfordernis zugunsten des Entsendungsberechtigten. § 33b Abs. 2 S. 1 Nr. 3 WpÜG stellt insofern eine lex specialis gegenüber § 35 BGB dar, der folglich im Anwendungsbereich der europäischen Durchbrechungsregel verdrängt wird.222 b) Weitergehende Suspendierung für die Dauer der Amtszeit Überdies ist wohl weitgehend unbestritten, dass die Entsendungsrechte nach Abschluss der Hauptversammlung nicht sofort wieder voll wirksam werden können.223 Anderenfalls könnte die geänderte Zusammensetzung des Aufsichtsrats durch die erneute Ausübung der Entsendungsrechte im unmittelbaren Anschluss an die Hauptversammlung wieder beseitigt werden, sodass die dem Bieter durch § 33b Abs. 2 S. 1 Nr. 3 WpÜG gewährte Möglichkeit, den Aufsichtsrat nach seinen Vorstellungen zu besetzen, sinnlos wäre. Die Entsendungsrechte bleiben daher solange suspendiert, bis die erste Amtszeit der anstelle der entsandten Vertreter in den Aufsichtsrat gewählten Mitglieder endet. Erst dann kann der Entsendungsberechtigte wieder von ihnen Gebrauch machen.224 Anderes gilt nur, wenn eines der gewählten Mitglieder sein Amt vorzeitig niederlegt; in diesem Fall darf schon vorzeitig wieder ein Vertreter entsandt werden, um die vakante Position zu übernehmen.225 c) Endgültige Abschaffung durch Satzungsänderung? Problematisch und innerhalb des übernahmerechtlichen Schrifttums umstritten ist, ob die europäische Durchbrechungsregel darüber hinaus auch die endgültige Abschaffung bestehender Entsendungsrechte im Wege der Satzungsänderung ohne Zustimmung des Berechtigten ermöglicht. Eine Ansicht will § 33b Abs. 2 S. 1 Nr. 3 WpÜG diese Wirkung entnehmen.226 Teilweise wird dabei vertreten, diese Auslegung sei bereits im Wortlaut angelegt.227 Im Übrigen sei sie vor dem europarecht-

222

Vgl. Meyer, in: Assmann/Pötzsch/Schneider, WpÜG, § 33b Rn. 36; Vogel, in: Haarmann/Schüppen, WpÜG, § 33b Rn. 17; Klöhn, Abfindungsansprüche, S. 254. 223 Schlitt/Ries, in: MünchKomm AktG, § 33b WpÜG Rn. 85; Kiem, in: Baums/Thoma, WpÜG, § 33b Rn. 51; Meyer, in: Assmann/Pötzsch/Schneider, WpÜG, § 33b Rn. 36; Harbarth, ZGR 2007, 37, 58. 224 Schlitt/Ries, in: MünchKomm AktG, § 33b WpÜG Rn. 85; Meyer, in: Assmann/ Pötzsch/Schneider, WpÜG, § 33b Rn. 36; Kiem, in: Baums/Thoma, WpÜG, § 33b Rn. 51; Harbarth, ZGR 2007, 37, 58. 225 Meyer, in: Assmann/Pötzsch/Schneider, WpÜG, § 33b Rn. 36. 226 Noack/Zetzsche, in: Schwark/Zimmer, KapMarktR, § 33b WpÜG Rn. 26; Harbarth, ZGR 2007, 37, 57 f. (mit Fn. 80); Klöhn, Abfindungsansprüche, S. 254; Verse, ZIP 2008, 1754 (Fn. 2); wohl auch Vogel, in: Haarmann/Schüppen, WpÜG, § 33b Rn. 47 (mit Fn. 59); Hirte, in: KölnKomm WpÜG, § 33b Rn. 26; bezogen auf die Übernahmerichtlinie bereits ebenso Krause, BB 2004, 113, 115; wohl auch Maul, NZG 2005, 151, 154. Für die Einführung einer solchen Regelung de lege ferenda plädieren ferner Seibt/Heiser, AG 2006, 301, 314. 227 Noack/Zetzsche, in: Schwark/Zimmer, KapMarktR, § 33b WpÜG Rn. 26.

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Kap. 4: Entsendungsrechte als „Ewigkeitsrechte“

lichen Hintergrund der Vorschrift geboten.228 Dies ergebe sich aus der Intention der Übernahmerichtlinie, dem Bieter die Kontrolle zu sichern229 bzw. aus der Grundidee eines automatischen Wegfalls von Übernahmehindernissen.230 Verwiesen wird dabei auf Art. 11 Abs. 4 Übernahmerichtlinie, der zur Beseitigung sämtlicher Übernahmehindernisse auch Satzungsänderungen ermöglichen wolle, sowie auf Art. 11 Abs. 5 Übernahmerichtlinie, woraus sich ergebe, dass Sonderrechte nicht durch Zustimmungsvorbehalte, sondern nur durch Entschädigungsregelungen zu schützen seien.231 Dieses Verständnis zeige im deutschen Recht auch die entsprechende Entschädigungsregelung nach § 33b Abs. 5 WpÜG.232 Die Gegenansicht lehnt ein derart weites Verständnis der Rechtsfolge des § 33b Abs. 2 S. 1 Nr. 3 WpÜG ab.233 Weder im Gesetz, noch in der Begründung zum Regierungsentwurf finde sich irgendein Anhalt dafür, dass der Gesetzgeber den durch § 35 BGB gewährten Bestandsschutz vollständig habe ausschließen wollen. Das Schweigen des Gesetzes zu dieser Frage müsse vielmehr als beredtes Schweigen gedeutet werden, zumal es entsprechende Vorschläge aus dem Schrifttum noch während des Gesetzgebungsverfahrens gegeben habe.234 Entsprechend werde § 35 BGB durch § 33b Abs. 2 S. 1 Nr. 3 WpÜG nur für die betreffende Hauptversammlung verdrängt. Etwas anderes lasse sich auch nicht aus Art. 11 Abs. 4 Übernahmerichtlinie entnehmen, der sich ebenfalls nur auf die dort genannte Hauptversammlung beziehe.235 In der Tat fällt es schwer, der Vorschrift des § 33b Abs. 2 S. 1 Nr. 3 WpÜG eine solch weitgehende Rechtsfolge zu entnehmen. Der Wortlaut der Norm, der lediglich davon spricht, dass Entsendungsrechte in der ersten Hauptversammlung „keine Wirkung entfalten“, deutet keineswegs auf eine dauerhafte Entziehung hin, sondern vielmehr nur auf eine temporäre Suspendierung.236 Dies gilt auch für den Wortlaut des Art. 11 Abs. 4 Übernahmerichtlinie, wonach in der ersten Hauptversammlung

228 Klöhn, Abfindungsansprüche, S. 254; Noack/Zetzsche, in: Schwark/Zimmer, KapMarktR, § 33b WpÜG Rn. 26; Maul, NZG 2005, 151, 154. 229 Noack/Zetzsche, in: Schwark/Zimmer, KapMarktR, § 33b WpÜG Rn. 26. 230 Maul, NZG 2005, 151, 154 (allerdings mit dem Hinweis, dass der Richtlinientext keine ausdrückliche Regelung enthalte). 231 Klöhn, Abfindungsansprüche, S. 254; vgl. auch Seibt/Heiser, ZGR 2005, 200, 230. 232 Vgl. Noack/Zetzsche, in: Schwark/Zimmer, KapMarktR, § 33b WpÜG Rn. 26; Klöhn, Abfindungsansprüche, S. 254. 233 Kiem, in: Baums/Thoma, WpÜG, § 33b Rn. 54; Meyer, in: Assmann/Pötzsch/ Schneider, WpÜG, § 33b Rn. 36; Schlitt/Ries, in: MünchKomm AktG, § 33b WpÜG Rn. 86; Schwennicke, in: Geibel/Süßmann, WpÜG, § 33b Rn. 9; Steinmeyer, in: ders., WpÜG, § 33b Rn. 14 (mit Fn. 26). 234 Kiem, in: Baums/Thoma, WpÜG, § 33b Rn. 54; Schlitt/Ries, in: MünchKomm AktG, § 33b WpÜG Rn. 86. 235 Meyer, in: Assmann/Pötzsch/Schneider, WpÜG, § 33b Rn. 36. 236 Vgl. Seibt/Heiser, ZGR 2005, 200, 229 f.; dies., AG 2006, 301, 314.

B. Durchbrechungen des „Ewigkeitscharakters“

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Sonderrechte „nicht gelten“.237 Etwas anderes könnte sich indes aus § 33b Abs. 5 WpÜG bzw. Art. 11 Abs. 5 Übernahmerichtlinie ergeben. Hiernach soll jeweils eine Entschädigung gewährt werden, wenn Rechte nach der europäischen Durchbrechungsregel „entzogen“ werden.238 Insofern könnte hier die Möglichkeit einer auch dauerhaften Entziehung bzw. Abschaffung satzungsmäßiger Sonderrechte vorausgesetzt sein – zumal nicht eindeutig ist, für welche Fälle die Entschädigungsregelung sonst gelten soll.239 Dies bedeutet allerdings noch nicht zwangsläufig, dass eine richtlinienkonforme Auslegung des § 33b Abs. 2 S. 1 Nr. 3 WpÜG geboten ist. Einen weiteren Anhaltspunkt bietet insofern Erwägungsgrund Nr. 19 zur Übernahmerichtlinie. Danach soll einerseits jedem Bieter die Möglichkeit gewährt werden, „Mehrheitsbeteiligungen an anderen Gesellschaften zu erwerben und die vollständige Kontrolle über diese auszuüben.“ Dies könnte zunächst für die auch dauerhafte Beseitigung von Entsendungsrechten sprechen. Andererseits sollen nach Erwägungsgrund Nr. 19 zu diesem Zweck besondere Ernennungs- und Mehrfachstimmrechte „aufgehoben oder ausgesetzt“ werden.240 Hieraus kann geschlossen werden, dass der europäische Gesetzgeber die endgültige Aufhebung nicht zwingend voraussetzt, sondern auch eine temporäre Aussetzung ausreichen lässt. Hätte sich also der deutsche Gesetzgeber bewusst für diesen Weg entschieden, so wäre dies auch vor dem Hintergrund der Richtlinie nicht zu beanstanden.241 Wie bereits ausgeführt, spricht der Wortlaut des § 33b Abs. 2 S. 1 Nr. 3 WpÜG klar für dieses Verständnis. Der Versuch, dieser Norm auch die Möglichkeit einer endgültigen Abschaffung von Entsendungsrechten durch Satzungsänderung zu entnehmen, geht deutlich über den Gesetzeswortlaut hinaus und erweist sich insofern als Rechtsfortbildung.242 Dementsprechend wurde bereits während des Gesetzgebungsverfahrens im Schrifttum gefordert, den mit dem endgültigen Gesetzeswortlaut identischen Regierungsentwurf zu ändern, um die dauerhafte Entziehung von Ent237 Ebenso in der englischen Fassung: „no […] extraordinary rights of shareholders […] shall apply“. 238 Ebenso in der englischen Fassung des Art. 11 Abs. 5 Übernahmerichtlinie: „When rights are removed […]“. 239 Vgl. Seibt/Heiser, ZGR 2005, 200, 228 f. 240 In der englischen Fassung: „extraordinary appointment rights and multiple voting rights should be removed or suspended“. 241 Die Möglichkeit der „vollständigen Kontrolle“ wird aufgrund der Beschränkung nach § 101 Abs. 2 S. 4 AktG durch Entsendungsrechte in aller Regel ohnehin nicht behindert. Der Bieter kann insofern stets die Mehrheit der Anteilseignervertreter bestimmen. Dies dürfte zur „vollständigen Kontrolle“ der Gesellschaft genügen, da kaum verlangt werden kann, dass jeder einzelne Posten in den Gesellschaftsorganen durch den Bieter besetzt wird. Die einzige Ausnahme hiervon stellen paritätisch mitbestimmte Gesellschaften dar, da hier die vollständige Kontrolle allein durch eine Mehrheit unter den Anteilseignervertretern im Aufsichtsrat nicht gewährleistet ist, vgl. Kiem, in: Baums/Thoma, WpÜG, § 33b Rn. 51. Dies stellt aber eine Besonderheit des deutschen Mitbestimmungsrechts dar, welches durch die Übernahmerichtlinie auch sonst nicht berührt wird, vgl. Hirte, in: KölnKomm WpÜG, § 33b Rn. 30. 242 So auch Klöhn, Abfindungsansprüche, S. 254 („richtlinienkonforme Rechtsfortbildung“).

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Kap. 4: Entsendungsrechte als „Ewigkeitsrechte“

sendungsrechten gegen den Willen ihres Inhabers zu ermöglichen.243 Diesem Vorschlag ist der deutsche Gesetzgeber jedoch nicht gefolgt, woraus nur geschlossen werden kann, dass er diese Rechtsfolge nicht intendiert hat.244 Die Formulierung des § 33b Abs. 5 WpÜG dürfte demgegenüber lediglich darauf zurückzuführen sein, dass der Gesetzgeber den Wortlaut des Art. 11 Abs. 5 Übernahmerichtlinie unbesehen übernommen hat – zumal auch die zeitweilige Suspendierung eines Rechts als „Entzug“ bezeichnet werden kann. Da die Richtlinie bezüglich der Wirkung der Durchbrechungsregel, wie gezeigt, einen Gestaltungsspielraum gewährt, besteht auch kein Anlass, die Entscheidung des deutschen Gesetzgebers im Wege einer richtlinienkonformen Rechtsfortbildung zu korrigieren. Die endgültige Abschaffung von Entsendungsrechten durch die europäische Durchbrechungsregel gegen den Willen des Berechtigten wäre folglich allenfalls de lege ferenda möglich. Eine entsprechende Gesetzesänderung würde die Übernahmeund Kapitalmarktfreundlichkeit des deutschen Rechts weiter erhöhen, ist aber europarechtlich nicht zwingend angezeigt.245 Nach geltendem Recht führt § 33b Abs. 2 S. 1 Nr. 3 WpÜG dagegen lediglich zur temporären Suspendierung bestehender Entsendungsrechte. Für darüber hinausgehende Satzungsänderungen bleibt es nach der Grundregel des § 35 BGB beim Zustimmungsvorbehalt des Entsendungsberechtigten. 2. Zustimmungserfordernis zum „Opt-in“? Es stellt sich des Weiteren die Frage, ob § 35 BGB bereits die Zustimmung etwaiger Entsendungsberechtigter zur Einführung der europäischen Durchbrechungsregel im Wege der Satzungsänderung erfordert. Vereinzelt wird dies vertreten, da mangels einer besonderen Regelung dieser Frage durch die Übernahmerichtlinie oder das WpÜG allgemeines Aktienrecht gelte.246 Die ganz herrschende Ansicht in der Literatur hält die Zustimmung zur Einführung der europäischen Durchbrechungsregel dagegen nicht für erforderlich, da dies im Widerspruch zu den Zielen der Richtlinie und des § 33b WpÜG stehe.247 243

Seibt/Heiser, AG 2006, 301, 314; ähnlich bereits dies., ZGR 2005, 200, 230. Vgl. Kiem, in: Baums/Thoma, WpÜG, § 33b Rn. 54; Schlitt/Ries, in: MünchKomm AktG, § 33b WpÜG Rn. 86. 245 Ein wesentliches Hindernis gegen die Kontrollerlangung stellen Entsendungsrechte wie bereits angesprochen ohnehin nur in paritätisch mitbestimmten Gesellschaften dar. Der praktische Nutzen und damit auch das Bedürfnis nach einer Gesetzesänderung dürften sich daher in Grenzen halten. 246 Schüppen, BB 2006, 165, 167; offen lassend Schwennicke, in: Geibel/Süßmann, WpÜG, § 33b Rn. 3. 247 Meyer, in: Assmann/Pötzsch/Schneider, WpÜG, § 33b Rn. 13; Schlitt/Ries, in: MünchKomm AktG, § 33b WpÜG Rn. 21; Kiem, in: Baums/Thoma, WpÜG, § 33b Rn. 14; Harbarth, ZGR 2007, 37, 41; i.E. ebenso Vogel, in: Haarmann/Schüppen, WpÜG, § 33b Rn. 14; Steinmeyer, in: ders., WpÜG, § 33b Rn. 3; Seibt/Heiser, AG 2006, 301, 314. 244

B. Durchbrechungen des „Ewigkeitscharakters“

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Das Problem stellt sich richtigerweise unabhängig von der oben dargestellten Streitfrage, ob § 33b Abs. 2 S. 1 Nr. 3 WpÜG auch die endgültige Entziehung von Entsendungsrechten ermöglicht. Denn auch die durch die Vorschrift jedenfalls ermöglichte temporäre Suspendierung von Entsendungsrechten stellt bereits eine (mittelbare) Beeinträchtigung i.S.d. § 35 BGB dar.248 Dennoch vermag die Argumentation der h.M. zu überzeugen. § 33b Abs. 1 WpÜG soll es der Hauptversammlung gerade ermöglichen, mit entsprechender Mehrheit für die Einführung der Durchbrechungsregelung zu votieren, die dann innerhalb ihres (auf die erste Hauptversammlung i.S.d. § 33b Abs. 2 S. 1 Nr. 3 WpÜG begrenzten) Anwendungsbereichs § 35 BGB als lex specialis verdrängt.249 Ein Zustimmungserfordernis auf der Ebene des „Opt-in“ würde aber dazu führen, dass die europäische Durchbrechungsregel nie gegen den Willen entsendungsberechtigter Aktionäre eingeführt werden könnte und damit insgesamt leerliefe. Dies aber wäre mit dem Sinn und Zweck der Richtlinie und auch des § 33b WpÜG nicht vereinbar. 250 Daher muss auch in dieser Frage § 33b WpÜG der allgemeinen Regel des § 35 BGB als lex specialis vorgehen.251 3. Entschädigung für den Rechtsverlust Schließlich ist fraglich, ob und inwieweit für die Aussetzung von Entsendungsrechten nach § 33b Abs. 2 S. 1 Nr. 3 WpÜG eine Entschädigung geleistet werden muss. Grundsätzlich sieht § 33b Abs. 5 WpÜG in Umsetzung des Art. 11 Abs. 5 Übernahmerichtlinie vor, dass der Bieter im Falle der Entziehung von Rechten aufgrund der europäischen Durchbrechungsregel zu einer angemessenen Entschädigung in Geld verpflichtet ist, sofern die Rechte bereits vor Veröffentlichung der Entscheidung zur Angabe des Angebots begründet wurden. Umstritten ist allerdings, ob diese Entschädigungsregel auf Entsendungsrechte nach § 101 Abs. 2 AktG überhaupt anwendbar ist. Ein Teil der Literatur verneint dies, da die Durchbrechung eines Entsendungsrechts angesichts der Höchstpersönlichkeit des Aufsichtsratsmandats und dessen alleiniger Ausrichtung auf die Interessen der Gesellschaft nicht mit einer Vermögensbeeinträchtigung für den Entsendungsberechtigten verbunden sei.252 Zudem sei es dem berechtigten Aktionär praktisch unmöglich, einen Ver248 Anders insofern Steinmeyer, in: ders., WpÜG, § 33b Rn. 3; Kiem, in: Baums/Thoma, WpÜG, § 33b Rn. 14. § 35 BGB schützt aber nicht nur vor der unmittelbaren und vollständigen Entziehung eines Sonderrechts, sondern auch vor nur mittelbaren Beeinträchtigungen, siehe dazu oben A. III. 3. 249 Vgl. Meyer, in: Assmann/Pötzsch/Schneider, WpÜG, § 33b Rn. 13. 250 Kiem, in: Baums/Thoma, WpÜG, § 33b Rn. 14; Meyer, in: Assmann/Pötzsch/ Schneider, WpÜG, § 33b Rn. 13; Schlitt/Ries, in: MünchKomm AktG, § 33b WpÜG Rn. 21; Harbarth, ZGR 2007, 37, 41. 251 Schlitt/Ries, in: MünchKomm AktG, § 33b WpÜG Rn. 21. 252 Vogel, in: Haarmann/Schüppen, WpÜG, § 33b Rn. 52; Merkt/Binder, BB 2006, 1285, 1298; Mülbert, NZG 2004, 633, 640.

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Kap. 4: Entsendungsrechte als „Ewigkeitsrechte“

mögensschaden darzulegen, auch wenn die Neubesetzung des Aufsichtsrats zu einer geänderten Geschäftsstrategie der Gesellschaft führe.253 Demgegenüber will die wohl überwiegende Ansicht im Schrifttum auch im Falle von Entsendungsrechten grundsätzlich eine Entschädigung gewähren.254 Der Verlust der durch das Entsendungsrecht vermittelten Einflussmöglichkeit stelle sehr wohl eine Werteinbuße dar, die zu kompensieren sei.255 Auch wenn die Bemessung der Entschädigung dabei schwierig sei, dürfe dies nicht zu einer Umkehrung des Regel-Ausnahme-Verhältnisses der Entschädigungszahlung nach Art. 11 Abs. 5 Übernahmerichtlinie führen.256 Dieser Ansicht ist zuzustimmen. Dabei ist zunächst festzuhalten, dass grundsätzlich auch die bloß temporäre Suspendierung von Entsendungsrechten eine „Entziehung“ i.S.d. § 33b Abs. 5 WpÜG darstellen kann. Der damit verbundene Einflussverlust ist nach der Konzeption des § 33b WpÜG und der Übernahmerichtlinie, wonach die Verdrängung des Zustimmungsvorbehalts nach § 35 BGB durch die Gewährung einer Entschädigung gerechtfertigt wird,257 grundsätzlich auszugleichen. Zwar trifft es zu, dass entsandte Aufsichtsratsmitglieder den Interessen der Gesellschaft den Vorzug zu geben haben und insofern auch nicht an gegenteilige Weisungen des Entsendungsberechtigten gebunden sind.258 Dennoch gibt es zweifellos Fälle, in denen die Interessen des Entsendungsberechtigten nicht mit denen der Gesellschaft konfligieren und deshalb berücksichtigt werden dürfen.259 Überdies darf der faktische Einfluss des Entsendungsberechtigten nicht unterschätzt werden, der durch die jederzeitige Abberufungsmöglichkeit entsandter Mitglieder entsteht und insofern vom Gesetzgeber durchaus vorgesehen ist.260 Nimmt man die abweichende Ansicht beim Wort, so müsste man dem Entsendungsrecht nach § 101 Abs. 2 AktG aufgrund mangelnder Einflussmöglichkeiten letztlich jeglichen Wert absprechen, was kaum der gesetzlichen Anerkennung und Ausgestaltung dieses Rechts entspricht. Das Entsendungsrecht dient gerade der Einflussnahme des Be-

253

Vogel, in: Haarmann/Schüppen, WpÜG, § 33b Rn. 52; Diekmann, NJW 2007, 17, 18. Schlitt/Ries, in: MünchKomm AktG, § 33b WpÜG Rn. 105; Kiem, in: Baums/Thoma, WpÜG, § 33b Rn. 73, Noack/Zetzsche, in: Schwark/Zimmer, KapMarktR, § 33b WpÜG Rn. 30; Meyer, in: Assmann/Pötzsch/Schneider, WpÜG, § 33b Rn. 48, 53; Hirte, in: KölnKomm WpÜG, § 33b Rn. 16; Seibt/Heiser, AG 2006, 301, 314; zumindest für vor Inkrafttreten der Übernahmerichtlinie begründete Rechte ebenso Maul, NZG 2005, 151, 154; wohl auch Steinmeyer, in: ders., WpÜG, § 33b Rn. 18 ff. 255 Schlitt/Ries, in: MünchKomm AktG, § 33b WpÜG Rn. 105; Kiem, in: Baums/Thoma, WpÜG, § 33b Rn. 73. 256 Vgl. Noack/Zetzsche, in: Schwark/Zimmer, KapMarktR, § 33b Rn. 30. 257 Vgl. Klöhn, Abfindungsansprüche, S. 254. 258 Siehe dazu oben Kap. 1, A. IV. 4. a). 259 Vgl. Schlitt/Ries, in: MünchKomm AktG, § 33b WpÜG Rn. 105. 260 Siehe dazu bereits oben Kap. 1, A. IV. 4. a). 254

B. Durchbrechungen des „Ewigkeitscharakters“

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rechtigten; wird diese Wirkung auch nur zeitweilig eingeschränkt, so liegt darin auch ein Wertverlust.261 Zuzugeben ist freilich, dass sich die Bemessung dieses Wertverlusts und damit der angemessenen Entschädigung als ausgesprochen schwierig erweist. Es existiert insofern – schon aufgrund der stark eingeschränkten Übertragbarkeit – kein Markt für Entsendungsrechte, auf dem eine Preisbildung stattfinden könnte.262 Diese praktischen Schwierigkeiten bei der Berechnung können jedoch kaum als Argument für den pauschalen Ausschluss einer Entschädigung bei der Beeinträchtigung von Entsendungsrechten dienen.263 Im Einzelfall lässt sich gegebenenfalls auf den Mehrpreis abstellen, der bei Veräußerung einer entsendungsberechtigten Aktie gegenüber der Veräußerung sonstiger Aktien der Gesellschaft erzielt werden könnte. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Bieter zuvor ein höheres Angebot für die entsendungsberechtigten Aktien abgegeben hat.264 Im Übrigen ist notfalls eine Schätzung des Gerichts nach § 287 ZPO vorzunehmen.265 Die erhebliche Unsicherheit bezüglich der Berechnung erscheint zwar unbefriedigend, dürfte die Kautelar- bzw. Spruchpraxis jedoch nicht vor gänzlich unlösbare Aufgaben stellen. Abschließend ist darauf hinzuweisen, dass die Entschädigungspflicht richtigerweise auch für die Suspendierung solcher Entsendungsrechte gilt, die nach dem Inkrafttreten der Übernahmerichtlinie am 22. 4. 2004 begründet wurden. Allein aufgrund der Existenz der europäischen Durchbrechungsregel, die in Deutschland zudem nur im Falle des „Opt-in“ Anwendung findet, kann die Schutzwürdigkeit der Inhaber von Entsendungsrechten nicht verneint und auch ein Verzicht auf Entschädigung nicht fingiert werden.266

VI. Auswirkung eines Insolvenzverfahrens Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Aktiengesellschaft führt gem. § 262 Abs. 1 Nr. 3 AktG zu ihrer Auflösung. Das Abwicklungs261 Vgl. Kiem, in: Baums/Thoma, WpÜG, § 33b Rn. 73; Schlitt/Ries, in: MünchKomm AktG, § 33b WpÜG Rn. 105. 262 Seibt/Heiser, ZGR 2005, 200, 230; Vogel, in: Haarmann/Schüppen, WpÜG, § 33b Rn. 52. 263 Vgl. Noack/Zetzsche, in: Schwark/Zimmer, KapMarktR, § 33b WpÜG Rn. 30. 264 Vgl. Seibt/Heiser, ZGR 2005, 200, 230; Steinmeyer, in: ders., WpÜG, § 33b Rn. 20; ähnlich Maul, NZG 2005, 151, 154. Zu beachten ist allerdings, dass dies für die Berechnung der Entschädigung für eine nur temporäre Entziehung ebenfalls nur bedingt hilfreich ist. 265 Schlitt/Ries, in: MünchKomm AktG, § 33b WpÜG Rn. 105; Steinmeyer, in: ders., WpÜG, § 33b Rn. 20. 266 Kiem, in: Baums/Thoma, WpÜG, § 33b Rn. 63; Schlitt/Ries, in: MünchKomm AktG, § 33b WpÜG Rn. 95; Meyer, in: Assmann/Pötzsch/Schneider, WpÜG, § 33b Rn. 54; Harbarth, ZGR 2007, 37, 61; a.A. Maul, NZG 2005, 151, 154; für Stimmbindungsverträge ebenfalls a.A. Seibt/Heiser, ZGR 2005, 200, 228 f.; dies., AG 2006, 301, 314; Vogel, in: Haarmann/Schüppen, WpÜG, § 33b Rn. 51; Steinmeyer, in: ders., WpÜG, § 33b Rn. 18.

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Kap. 4: Entsendungsrechte als „Ewigkeitsrechte“

verfahren der §§ 264 ff. AktG findet jedoch keine Anwendung. Aufgrund des Vorrangs des Insolvenzrechts gilt stattdessen das spezielle Abwicklungsregime der InsO.267 Die AG besteht danach bis zu ihrer Vollabwicklung oder der Aufhebung des Insolvenzverfahrens als Insolvenzgesellschaft fort.268 Auch die Organstruktur der Gesellschaft bleibt dabei bestehen. Sie verfügt mithin weiterhin über Vorstand, Aufsichtsrat und Hauptversammlung, deren Kompetenzen jedoch durch die Vorschriften der InsO überlagert werden.269 Es stellt sich daher die Frage, welche Auswirkungen die Eröffnung des Insolvenzverfahrens auf bestehende Entsendungsrechte hat. Dies wird im Folgenden überblicksartig dargestellt, wobei zwischen dem in Fremdverwaltung durchgeführten Regelinsolvenzverfahren, der Eigenverwaltung und dem Insolvenzplanverfahren unterschieden wird. 1. Fremdverwaltung Grundsätzlich geht gem. § 80 Abs. 1 InsO die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens auf den Insolvenzverwalter über. Dies gilt für Gesellschaften ebenso wie für natürliche Personen.270 Damit kommt es zu einer Funktionsteilung zwischen Insolvenzverwalter und Gesellschaftsorganen, deren Zuständigkeitsbereiche voneinander abgegrenzt werden müssen.271 Hierbei wird überwiegend zwischen drei Bereichen unterschieden, nämlich dem Verdrängungsbereich mit Alleinzuständigkeit des Insolvenzverwalters, dem Schuldnerbereich mit Alleinzuständigkeit der Gesellschaftsorgane und dem Überschneidungsbereich mit gemeinsamer Zuständigkeit.272 Fiele die Bestellung des Aufsichtsrats in den Zuständigkeitsbereich des Insolvenzverwalters, so bestünde jedenfalls für die Ausübung bestehender Entsendungsrechte kein Raum mehr. Es dürfte indes allgemeiner Ansicht entsprechen, dass dem Insolvenzverwalter grundsätzlich keine Kompetenz für die Bestellung von Organen der Gesellschaft

267 Bachmann, in: Spindler/Stilz, AktG, § 264 Rn. 8; Hüffer, in: MünchKomm AktG, § 264 Rn. 33; Klöhn, NZG 2013, 81. 268 Vgl. Hüffer, in: MünchKomm AktG, § 264 Rn. 40. 269 Hüffer, in: MünchKomm AktG, § 264 Rn. 41; Bachmann, in: Spindler/Stilz, AktG, § 264 Rn. 15 f. So darf es insbesondere keinen Einfluss der gesellschaftsrechtlichen Überwachungsorgane auf die Verwaltung und Verwertung der Masse geben. Für die Eigenverwaltung ordnet dies § 276a InsO ausdrücklich an, in der Fremdverwaltung versteht es sich von selbst, vgl. Thole, Maßnahmen in der Insolvenz, Rn. 82. 270 Vgl. Ott/Vuia, in: MünchKomm InsO, § 80 Rn. 111. 271 Hüffer, in: MünchKomm AktG, § 264 Rn. 42. 272 Grundlegend F. Weber, KTS 1970, 73, 77 ff.; Hüffer, in: MünchKomm AktG, § 264 Rn. 42; Koch, in: Hüffer, AktG, § 264 Rn. 10; Bachmann, in: Spindler/Stilz, AktG, § 264 Rn. 18; Ott/Vuia, in: MünchKomm InsO, § 80 Rn. 112; Thole, Maßnahmen in der Insolvenz, Rn. 86; Klöhn, NZG 2013, 81.

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zukommt.273 Lediglich dann, wenn durch die Bestellung die Insolvenzmasse beschwert wird, soll nach teilweise vertretener Auffassung der Verwalter zu beteiligen sein.274 Wie jüngst auch das OLG Düsseldorf klargestellt hat, gehören Wahl und Abberufung der Aufsichtsratsmitglieder in der Aktiengesellschaft aber generell zum insolvenzneutralen Bereich.275 Sie führen nicht dazu, dass Ansprüche gegen die Masse entstehen können.276 Somit bleibt für die Wahl und die Abberufung der Aufsichtsratsmitglieder auch im Regelinsolvenzverfahren die Hauptversammlung zuständig.277 Ihre Kompetenzen aus § 101 Abs. 1 S. 1 und § 103 Abs. 1 S. 1 AktG bleiben von der Eröffnung des Insolvenzverfahrens unberührt. Nichts anderes kann danach für die Ausübung bestehender Entsendungsrechte gelten. Soweit die Bestellungs- und Abberufungskompetenz auf entsendungsberechtigte Aktionäre übertragen ist, können auch diese ihre Zuständigkeiten weiterhin wahrnehmen. Eine Verdrängung der Bestellungskompetenz durch den Insolvenzverwalter kommt hier ebenso wenig in Betracht wie in Bezug auf die Hauptversammlung. Die Eröffnung des in Fremdverwaltung durchgeführten Regelinsolvenzverfahrens hat folglich keinerlei Auswirkungen auf bestehende Entsendungsrechte. Erst der Abschluss der insolvenzbedingten Liquidation und die Löschung der Gesellschaft278 führen zwangsläufig zu ihrem Verlust. 2. Eigenverwaltung Nach den §§ 270 ff. InsO kann das Insolvenzverfahren auch in Eigenverwaltung des Schuldners ohne Einsetzung eines Insolvenzverwalters durchgeführt werden.279 Die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen wird dann durch den Schuldner selbst ausgeübt.280 Entsprechend behält das jeweilige Geschäftsleitungsorgan einer Gesellschaft seine Leitungs- und Geschäftsführungsbefugnis; das Problem einer Kompetenzabgrenzung stellt sich in273 BayObLG, ZIP 1988, 1119, 1120; OLG Nürnberg, AG 1991, 446, 447; Ott/Vuia, in: MünchKomm InsO, § 80 Rn. 112b; Wittkowski, in: Nerlich/Römermann, InsO, § 80 Rn. 34; Sternal, in: K. Schmidt, InsO, § 80 Rn. 65; Hüffer, in: MünchKomm AktG, § 264 Rn. 72, 79; Koch, in: Hüffer, AktG, § 264 Rn. 11; Bachmann, in: Spindler/Stilz, AktG, § 264 Rn. 19; Uhlenbruck, in: ders., InsO, § 80 Rn. 15; Ott/Brauckmann, ZIP 2004, 2117, 2120; Thole, Maßnahmen in der Insolvenz, Rn. 95. 274 Uhlenbruck, in: ders., InsO, § 80 Rn. 15. 275 OLG Düsseldorf, ZIP 2013, 1022, 1023. 276 Vgl. Thole, Maßnahmen in der Insolvenz, Rn. 189; Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, § 11 Rn. 188. 277 OLG Düsseldorf, ZIP 2013, 1022, 1023; Hüffer, in: MünchKomm AktG, § 264 Rn. 79; Koch, in: Hüffer, AktG, § 264 Rn. 11; Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, § 11 Rn. 189; Ott/ Brauckmann, ZIP 2004, 2117, 2120; Thole, Maßnahmen in der Insolvenz, Rn. 187. 278 Vgl. dazu Hüffer, in: MünchKomm AktG, § 262 Rn. 81. 279 Tetzlaff, in: MünchKomm InsO, Vor §§ 270 – 285 Rn. 2. Voraussetzung ist nach § 270 Abs. 2 Nr. 1 InsO stets ein entsprechender Antrag des Schuldners. 280 Undritz, in: K. Schmidt, InsO, Vor §§ 270 ff. Rn. 1.

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Kap. 4: Entsendungsrechte als „Ewigkeitsrechte“

sofern nicht.281 Dass dennoch Auswirkungen für bestehende Entsendungsrechte denkbar sind, ist der durch das Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen (ESUG) vom 7. 12. 2011282 eingeführten Vorschrift des § 276a InsO geschuldet. Handelt es sich beim Schuldner um eine juristische Person, so haben nach § 276a S. 1 InsO der Aufsichtsrat, die Gesellschafterversammlung oder entsprechende Organe keinen Einfluss auf die Geschäftsführung. Nach einem Beschluss des AG Montabaur soll diese Norm auch der Wahl von Aufsichtsratsmitgliedern durch die Hauptversammlung entgegenstehen. Diese könne „wegen der Vorschrift des § 276a InsO nämlich weder wirksame Entscheidungen betreffend das weitere Insolvenzverfahren, noch betreffend das Vermögen der Gesellschaft oder über die Neuwahl des Aufsichtsrats treffen.“283 Folgt man dem, müsste man konsequenterweise auch die Unwirksamkeit bestehender Entsendungsrechte annehmen, da für einen Entsendungsberechtigten nichts anderes gelten kann als für die Hauptversammlung. In der Literatur wird diese Rechtsprechung jedoch bislang einhellig abgelehnt.284 Die Hauptversammlung der AG könne vielmehr weiterhin die Mitglieder des Aufsichtsrates wählen.285 Entsprechend blieben auch Entsendungsrechte von der Vorschrift des § 276a InsO unangetastet.286 Auch das OLG Düsseldorf hat sich dieser Ansicht mittlerweile angeschlossen und in einem obiter dictum festgestellt, dass die Wahlkompetenz der Hauptversammlung von § 276a InsO – der in dem zu entscheidenden Fall mangels Anordnung der Eigenverwaltung keine Rolle spielte – unberührt bleibe.287 Dieser Ansicht ist uneingeschränkt zuzustimmen. Zunächst bietet bereits der Wortlaut des § 276a S. 1 InsO keinerlei Anhaltspunkte für einen Ausschluss der Kompetenz zur Wahl des Aufsichtsrats, da die Vorschrift lediglich einem „Einfluss auf die Geschäftsführung“ entgegensteht.288 Die bloße Bestellung von Mitgliedern des Aufsichtsorgans stellt aber weder eine direkte Einflussnahme auf die Geschäftsführung dar, noch lässt sie eine indirekte Einflussnahme durch die Hauptversammlung befürchten. § 276a InsO verhindert nämlich gerade eine Einflussnahme des Aufsichtsrats auf die Geschäftsführung, sodass seine personelle Zu281

Vgl. Klöhn, NZG 2013, 82, 82. BGBl. I 2011, S. 2582. 283 AG Montabaur, ZIP 2012, 1307, 1308. 284 Klöhn, DB 2013, 41, 43; ders., NZG 2013, 81, 84; ders., in: MünchKomm InsO, § 276a Rn. 25; Undritz, in: K. Schmidt, InsO, § 276a Rn. 3; Scheibner, DZWIR 2013, 279, 280; Ströhmann/Längsfeld, NZI 2013, 271, 275; Faerber/Garbe, GWR 2013, 224; Thole, Maßnahmen in der Insolvenz, Rn. 185 ff. 285 Klöhn, NZG 2013, 81 84; Scheibner, DZWIR 2013, 279, 280; Thole, Maßnahmen in der Insolvenz, Rn. 187. 286 Klöhn, NZG 2013, 81, 84; ders., in: MünchKomm InsO, § 276a Rn. 25. 287 OLG Düsseldorf, ZIP 2013, 1022, 1023 f.; zustimmend Klöhn, EWiR 2013, 559 f.; Faerber/Garbe, GWR 2013, 224. 288 Klöhn, DB 2013, 41, 43; ders., NZG 2013, 81, 84. 282

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sammensetzung keinerlei Folgen mehr für den Vorstand hat.289 Darüber hinaus spricht aber auch der Zweck des § 276a InsO gegen eine derart extensive Auslegung. Mit der Vorschrift soll verhindert werden, dass die Überwachungsorgane im Falle der Eigenverwaltung weiter gehende Einflussmöglichkeiten behalten als bei der Bestellung eines Insolvenzverwalters.290 Zwischen Fremd- und Eigenverwaltung soll insofern ein Gleichlauf bestehen.291 Folglich bezweckt § 276a InsO keine Entziehung von Kompetenzen, die in der Fremdverwaltung unberührt bleiben.292 Die Wirkung der Vorschrift beschränkt sich vielmehr von vornherein auf den Bereich der Verwaltung und Verfügung über das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen.293 Da die Bestellung des Aufsichtsrats aber wie gezeigt allein dem insolvenzneutralen Schuldnerbereich zuzuordnen ist und daher auch im Falle der Fremdverwaltung in der Zuständigkeit der Hauptversammlung verbleibt,294 kann § 276a InsO diese Kompetenz auch in der Eigenverwaltung nicht ausschließen.295 Somit bleibt es auch hier bei der Bestellungs- und Abberufungskompetenz der Hauptversammlung nach §§ 101 Abs. 1 S. 1, 103 Abs. 1 S. 1 AktG und folglich auch bei der Wirksamkeit bestehender Entsendungsrechte, die durch den Berechtigten weiterhin ausgeübt werden können.296

3. Insolvenzplanverfahren Besonderheiten ergeben sich seit der Reform durch das ESUG im Insolvenzplanverfahren (§§ 217 ff. InsO). Der Insolvenzplan soll den Beteiligten einen Rechtsrahmen für die einvernehmliche Bewältigung der Insolvenz zur Verfügung stellen.297 Tatsächlich bezweckt die Aufstellung eines Insolvenzplans regelmäßig die Sanierung der Gesellschaft als Unternehmensträger.298 289

Vgl. Klöhn, DB 2013, 41, 43; Thole, Maßnahmen in der Insolvenz, Rn. 187. Begr. RegE ESUG, BT-Drucks. 17/5712, S. 42; Undritz, in: K. Schmidt, InsO, § 276a Rn. 3; Scheibner, DZWIR 2013, 279, 280; Ströhmann/Längsfeld, NZI 2013, 271, 275; Haas, in: FS Stürner, S. 749, 758. 291 Klöhn, in: MünchKomm InsO, § 276a Rn. 4; ders., NZG 2013, 81, 82; Thole, Maßnahmen in der Insolvenz, Rn. 143, 146. 292 Vgl. Klöhn, NZG 2013, 81, 84; ders., in: MünchKomm InsO, § 276a Rn. 25. 293 Vgl. Scheibner, DZWIR 2013, 279, 280; Undritz, in: K. Schmidt, InsO, § 276a Rn. 3; Thole, Maßnahmen in der Insolvenz, Rn. 146; Haas, in: FS Stürner, S. 749, 758. 294 Siehe oben 1. 295 Vgl. Klöhn, EWiR 2013, 559, 560. 296 Zuzugeben ist freilich, dass die Neubesetzung des Aufsichtsrats angesichts der wegen § 276a S. 1 InsO stark eingeschränkten Möglichkeit der Einflussnahme auf die Geschäftsführung weitgehend sinnlos sein dürfte, vgl. Thole, Maßnahmen in der Insolvenz, Rn. 189 f.; Faerber/Garbe, GWR 2013, 224. 297 Begr. RegE InsO, BT-Drucks. 12/2443, S. 90; Eidenmüller, in: MünchKomm InsO, Vor §§ 217 – 269 Rn. 1. 298 Vgl. Eidenmüller, in: MünchKomm InsO, Vor §§ 217 – 269 Rn. 11.; Verse, ZGR 2010, 299; Rattunde, GmbHR 2012, 455. 290

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Kap. 4: Entsendungsrechte als „Ewigkeitsrechte“

a) Eingriff in Anteils- und Mitgliedschaftsrechte Dazu können seit dem ESUG auch die Anteils- und Mitgliedschaftsrechte der an einer insolventen Gesellschaft beteiligten Personen in den Plan einbezogen werden (§ 217 S. 2 InsO); die Gesellschafter gehören folglich nunmehr zu den Planbetroffenen.299 Entsprechend ermöglicht die zentrale Vorschrift des § 225a Abs. 3 InsO weitreichende Eingriffe in die Gesellschaftsstruktur:300 Nach dieser Norm kann im Plan „jede Regelung getroffen werden, die gesellschaftsrechtlich zulässig ist“; beispielhaft wird etwa die Übertragung von Anteils- oder Mitgliedschaftsrechten genannt. § 225a Abs. 3 InsO soll darüber hinaus aber auch jedwede Form von Satzungsänderungen301 und insbesondere die Abschaffung von Sonderrechten ermöglichen.302 Somit könnten bestehende Entsendungsrechte durch eine entsprechende Regelung im Insolvenzplan entzogen werden. Noch ungeklärt ist allerdings, was unter einer „gesellschaftsrechtlich zulässigen“ Regelung i.S.v. § 225a Abs. 3 InsO zu verstehen ist. Teilweise wird dies als eine Art Gesamtverweis auf das Gesellschaftsrecht verstanden mit der Folge, dass gesellschaftsrechtliche Schutzprinzipien auch im Insolvenzplanverfahren zu beachten seien.303 Nimmt man diese Ansicht beim Wort, so müsste die Entziehung eines Entsendungsrechts auch im Insolvenzplanverfahren von der Zustimmung des Berechtigten abhängen. Denn Satzungsänderungen zur Entziehung von Sonderrechten sind nach § 35 BGB eben nur mit Zustimmung der Berechtigten zulässig. Die bislang wohl überwiegende Gegenansicht304 will die „gesellschaftsrechtliche Zulässigkeit“ indes weit auslegen. Hiermit sei lediglich ein Hinweis auf das zwingende „technische“ Gesellschaftsrecht beabsichtigt305 und damit insbesondere eine Begrenzung auf den gesellschaftsrechtlichen numerus clausus306 bzw. das gesellschaftsrechtlich zur Verfügung stehende Instrumentarium.307 Es müssten aber keineswegs sämtliche Vorgaben des Gesellschaftsrechts erfüllt werden, zumal die 299

Vgl. Spliedt, in: K. Schmidt, InsO, § 217 Rn. 3. Vgl. Thole, Maßnahmen in der Insolvenz, Rn. 209 ff.; Haas, NZG 2012, 961, 963. 301 Spliedt, in: K. Schmidt, InsO, § 225a Rn. 34. 302 Eidenmüller, in: MünchKomm InsO, § 225a Rn. 95; Thole, Maßnahmen in der Insolvenz, Rn. 231; Haas, NZG 2012, 961, 965; Spliedt, GmbHR 2012, 462, 466. 303 C. Schäfer, ZIP 2013, 2237, 2242; ähnlich ders., ZIP 2014, 2417, 2419; Müller, KTS 2012, 419, 439; nunmehr auch AG Charlottenburg, ZIP 2015, 394; zumindest für materielle Inhaltskontrolle auch Simon/Merkelbach, NZG 2012, 121, 125. 304 Thole, Maßnahmen in der Insolvenz, Rn. 232 f.; Haas, NZG 2012, 961, 965; Spliedt, in: K. Schmidt, InsO, § 225a Rn. 35; ders., GmbHR 2012, 462, 466; Eidenmüller, in: MünchKomm InsO, § 225a Rn. 76 ff.; ders., NJW 2014, 17, 18; Hölzle, ZIP 2014, 1819, 1821. 305 Thole, Maßnahmen in der Insolvenz, Rn. 232; ganz ähnlich Eidenmüller, in: MünchKomm InsO, § 225a Rn. 76 ff.; ders., NJW 2014, 17, 18; Spliedt, in: K. Schmidt, InsO, § 225a Rn. 35. 306 Thole, Maßnahmen in der Insolvenz, Rn. 232; Haas, NZG 2012, 961, 965; Hölzle, ZIP 2014, 1819, 1821. 307 Decher/Voland, ZIP 2013, 103, 106. 300

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Gläubigerversammlung ja gerade an die Stelle der an sich zuständigen Gesellschafterversammlung trete.308 Insbesondere gesellschaftsrechtliche Individual- und Minderheitsrechte blieben unberücksichtigt.309 Hiernach würde eine Satzungsänderung zur Streichung von Sonderrechten eine „gesellschaftsrechtlich zulässige“ Maßnahme darstellen; auf die Zustimmung des Berechtigten käme es dagegen nicht an. Der letztgenannten Auffassung ist jedenfalls insoweit zuzustimmen, als nicht jede gesellschaftsrechtliche Einzelregelung im Insolvenzplanverfahren Geltung beanspruchen kann. Insbesondere formelle Anforderungen werden durch die InsO grundsätzlich verdrängt.310 Gerade am Beispiel des Zustimmungserfordernisses nach § 35 BGB lässt sich dies anschaulich illustrieren: Die InsO enthält in den §§ 235 ff. eigenständige Regeln zur Abstimmung über den Insolvenzplan und dessen wirksames Zustandekommen. Diese Vorschriften setzen lediglich die mehrheitliche Zustimmung aller (Gläubiger- bzw. Beteiligten-)Gruppen voraus (§ 244 InsO), einschließlich der im Falle ihrer Betroffenheit zwingend zu bildenden Gruppe der Gesellschafter (vgl. § 222 Abs. 1 Nr. 4 InsO). Das Erfordernis der Zustimmung aller Gruppen kann zudem durch das Obstruktionsverbot nach § 245 InsO ohne allzu hohe inhaltliche Anforderungen durchbrochen werden.311 Daraus folgt, dass gesellschaftsrechtliche Maßnahmen – bis hin zur zwangsweisen Anteilsübertragung und damit einhergehendem Verlust der Mitgliedschaft – im Insolvenzplan gerade auch gegen den Willen einzelner und sogar aller Gesellschafter getroffen werden können.312 Diese Konzeption steht der Annahme eines auch im Insolvenzplanverfahren bestehenden Zustimmungsvorbehalts aus § 35 BGB diametral entgegen. Es muss vielmehr davon ausgegangen werden, dass die allgemeine Vorschrift durch die Sonderregelungen der InsO als leges speciales verdrängt wird. Dafür spricht auch § 238a Abs. 1 S. 2 InsO, wonach bei der Abstimmung über den Plan durch die Anteilseigner gesellschaftsrechtliche Sonder- und Mehrstimmrechte außer Betracht bleiben.313 Der insofern durch die InsO ausgeschlossene Schutz entsendungsberechtigter Aktionäre lässt sich – wie überhaupt die durch das ESUG eingeführten Vorschriften, die den Zugriff auf Anteils- und Mitgliedschaftsrechte erlauben – damit rechtferti308

Thole, Maßnahmen in der Insolvenz, Rn. 233. Spliedt, GmbHR 2012, 462, 466; Haas, NZG 2012, 961, 965; Decher/Voland, ZIP 2013, 103, 106. 310 Vgl. Haas, NZG 2012, 961, 964; Eidenmüller, NJW 2014, 17, 18. 311 Vgl. Spliedt, GmbHR 2012, 462, 469; K. Schmidt, BB 2011, 1603, 1607 f.; Madaus, ZGR 2011, 749, 754 f.; zu den Voraussetzungen im Einzelnen Rattunde, GmbHR 2012, 455, 457; Spliedt, in: K. Schmidt, InsO, § 245 Rn. 2, 5 ff. 312 Vgl. Simon/Merkelbach, NZG 2012, 121, 125, 127; Thole, Maßnahmen in der Insolvenz, Rn. 221; Spliedt, in: K. Schmidt, InsO, § 225a Rn. 7; Rattunde, GmbHR 2012, 455, 459; Decher/Voland, ZIP 2013, 103; Verse, ZGR 2010, 299, 320 ff., 324; a.A. Madaus, ZGR 2011, 749, 761 ff., 770 f., 775, der § 245 InsO insofern teleologisch reduzieren will. 313 Vgl. Spliedt, GmbHR 2012, 462, 466. 309

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Kap. 4: Entsendungsrechte als „Ewigkeitsrechte“

gen, dass die Rechtspositionen der Gesellschafter in der Insolvenz ohnehin stark entwertet sind. Im Regelfall bleibt als Alternative zur Sanierung mittels des Insolvenzplanverfahrens nur die Liquidation der Gesellschaft, wodurch die Gesellschafter ihre Anteile und die damit verbundenen Mitgliedschaftsrechte vollständig verlieren würden. Vor diesem Hintergrund genießen sie grundsätzlich nur noch einen stark eingeschränkten Schutz durch Art. 14 GG.314 Dass in dieser Situation auch auf bestehende Sonderrechte zugegriffen werden darf, erscheint nicht unzumutbar, zumal potenzielle Investoren, die zum Erfolg der Sanierung beitragen können, häufig ein erhebliches Interesse an der Beseitigung derartiger Individualrechte haben werden. Fraglich erscheint daneben allenfalls, ob der insolvenzrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz, der sich aus § 226 und § 245 Abs. 3 Nr. 2 InsO ergibt, der Entziehung von Entsendungsrechten entgegensteht. Nach verbreiteter Ansicht soll aufgrund dieser Vorschriften etwa die Übertragung der Anteile nur einzelner Gesellschafter in aller Regel unzulässig sein.315 Gleichsam könnte es problematisch sein, im Insolvenzplan lediglich Entsendungsrechte zu entziehen, während die Anteils- und Mitgliedschaftsrechte im Übrigen unberührt bleiben. Allerdings dürfte darin – unabhängig von der tatsächlichen Reichweite des insolvenzrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes316 – keine unzulässige Ungleichbehandlung liegen. Es findet bereits keine unterschiedliche Behandlung gleicher Rechte statt. Entsendungsberechtigten Aktionären wird lediglich ein Sonderrecht entzogen, das den übrigen Aktionären gerade nicht zusteht. Es wird folglich nur eine zuvor bestehende, gesetzlich zugelassene317 Ungleichbehandlung wieder beseitigt. Damit liegt schlicht keine unterschiedliche Behandlung i.S.v. § 226 Abs. 2 S. 1 InsO bzw. keine Besserstellung der übrigen Anteilseigner i.S.v. § 245 Abs. 3 Nr. 2 InsO vor. Umstritten ist darüber hinaus, ob für die Zulässigkeit einer gesellschaftsrechtlichen Maßnahme ein besonderer Massebezug erforderlich ist.318 Nach einer Ansicht sollen solche Maßnahmen ausgenommen sein, die nichts mit den Anteils- und Mitgliedschaftsrechten der Altgesellschafter zu tun haben, sondern Eingriffe in die Stellung anderer Organe darstellen.319 Da es sich bei Entsendungsrechten allerdings gerade um spezielle Mitgliedschaftsrechte handelt, dürfte ihre Entziehung auch nach dieser Ansicht von den §§ 217 S. 2, 225a Abs. 3 InsO gedeckt sein. Nicht in der Kompetenz der Gläubigerversammlung läge hiernach lediglich die Abberufung und Neubestellung des Aufsichtsrats selbst, da diese weiterhin nur der Hauptversamm314 Vgl. Thole, Maßnahmen in der Insolvenz, Rn. 213 ff., 222, 225 f.; Eidenmüller, in: MünchKomm InsO, § 225a Rn. 123; Spliedt, in: K. Schmidt, InsO, § 225a Rn. 11; ders., GmbHR 2012, 461, 465; Madaus, ZGR 2011, 749, 760 f.; Verse, ZGR 2010, 299, 309 f.; K. Schmidt, BB 2011, 1603, 1609; Decher/Voland, ZIP 2013, 103, 110. 315 Thole, Maßnahmen in der Insolvenz, Rn. 277 f., 302; Eidenmüller, in: MünchKomm InsO, § 225a Rn. 87; Simon/Merkelbach, NZG 2012, 121, 127 f. 316 Vgl. dazu Thole, Maßnahmen in der Insolvenz, Rn. 277. 317 Siehe dazu oben Kap. 3, B. I. 2. c). 318 Vgl. Hölzle, ZIP 2014, 1819, 1820. 319 Madaus, ZIP 2012, 2133, 2137.

B. Durchbrechungen des „Ewigkeitscharakters“

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lung obliegen würde.320 Nach der wohl herrschenden Gegenauffassung sollen dagegen auch Maßnahmen zulässig sein, die im Regelinsolvenzverfahren den Schuldnerbereich betreffen und deshalb dem Insolvenzverwalter entzogen wären. Durch die umfassende Kompetenzzuweisung an die Beteiligtenversammlung im Planverfahren entstehe insofern ein „Verdrängungsbereich II“.321 Dies überzeugt, da es kaum Sinn macht, der Gläubigerversammlung einerseits Grundlagenentscheidungen zur Gesellschaftsverfassung zu ermöglichen, ihr andererseits aber die Personalkompetenz zu verwehren.322 Damit kann im Insolvenzplan nicht nur die Entziehung von Entsendungsrechten, sondern auch die Neubesetzung der entsprechenden Aufsichtsratsposten geregelt werden. b) Formelle Voraussetzungen Die Entscheidung über die Annahme des Insolvenzplans und damit über Maßnahmen nach § 225a Abs. 3 InsO obliegt der Gläubigerversammlung.323 Wie bereits dargestellt, bedarf es hierzu nach § 244 InsO grundsätzlich der gesonderten Zustimmung jeder dort vertretenen Gruppe. Nach § 222 Abs. 1 Nr. 4 InsO bilden die Gesellschafter zwingend eine Gruppe, sofern ihre Anteils- und Mitgliedschaftsrechte in den Plan einbezogen werden. Da jede Gruppe aber nur mehrheitlich und nicht einstimmig zustimmen muss, garantiert dies entsendungsberechtigten Aktionären keinen Zustimmungsvorbehalt bei der Entziehung ihrer Sonderrechte. Etwas anderes würde nur gelten, wenn die Inhaber von Entsendungsrechten wiederum eine eigene Gruppe bilden müssten. Für eine solche Annahme bietet die gesetzliche Regelung indes keinerlei Anhaltspunkte. Die Aufzählung zwingend zu bildender Gruppen in § 222 Abs. 1 Nr. 1 – 4 InsO ist grundsätzlich abschließend.324 Auch Vorzugsaktionäre sollen insofern keine gesonderte Behandlung genießen und keine obligatorische Gruppe bilden, weil auch sie im Insolvenzverfahren grundsätzlich auf die Befriedigung aus dem Liquidationsüberschuss beschränkt sind.325 Für entsendungsberechtigte Aktionäre dürfte kaum etwas anderes gelten. Trotz ihrer besonderen mitgliedschaftlichen Stellung unterscheiden sich ihre wirtschaftlichen Interessen nicht derart von denen der übrigen Aktionäre, dass ausnahmsweise eine ungeschriebene Gruppenbildungspflicht326 anzunehmen wäre.327 Hiergegen spricht auch das ge320

Madaus, ZIP 2012, 2133, 2137. Hölzle, ZIP 2014, 1819, 1821; Thole, Maßnahmen in der Insolvenz, Rn. 237 f.; i.E. ebenso Spliedt, in: K. Schmidt, InsO, § 225a Rn. 36 („Annexkompetenz“); ders., GmbHR 2012, 462, 466; Haas, NZG 2012, 961, 965. 322 Vgl. Spliedt, in: K. Schmidt, InsO, § 225a Rn. 36. 323 Vgl. Haas, NZG 2012, 961, 964; Thole, Maßnahmen in der Insolvenz, Rn. 247 ff. 324 Spliedt, in: K. Schmidt, InsO, § 225a Rn. 5. 325 Vgl. Thole, Maßnahmen in der Insolvenz, Rn. 256 f. 326 Dazu Eidenmüller, in: MünchKomm InsO, § 222 Rn. 119 ff. 327 Unklar ist allerdings, wie sich die Gruppe der Anteilseigner zusammensetzt, wenn ausschließlich in Entsendungsrechte, aber in keine sonstigen Anteils- und Mitgliedschafts321

328

Kap. 4: Entsendungsrechte als „Ewigkeitsrechte“

setzgeberische Anliegen, Blockade- bzw. Vetoposition im Planverfahren zu begrenzen, welches insbesondere im Obstruktionsverbot nach § 245 InsO zum Ausdruck kommt.328 Danach könnte die fehlende Zustimmung ohnehin zumindest dann ersetzt werden, wenn die Gruppenangehörigen durch den Insolvenzplan nicht schlechter gestellt werden, als sie ohne einen Plan stünden, sie angemessen am wirtschaftlichen Wert beteiligt werden und die Mehrheit der abstimmenden Gruppen dem Plan zugestimmt hat. Eine effektive Vetoposition könnte den Entsendungsberechtigten damit in keinem Fall zukommen. Auch die Anwendung des § 35 BGB ist, wie bereits dargelegt, im Insolvenzplanverfahren ausgeschlossen.329 Entsendungsberechtigten Aktionären, die dem Plan nicht zustimmen, bleiben somit nur der Minderheitenschutzantrag nach § 251 InsO bzw. die sofortige Beschwerde nach § 253 InsO,330 die regelmäßig jedoch nicht zum Erfolg führen werden. c) Zusammenfassung Nach alledem können bestehende Entsendungsrechte im Insolvenzplanverfahren auch ohne Zustimmung der berechtigten Aktionäre abgeschafft werden. Entsprechende Regelungen im Insolvenzplan stehen gem. § 254a Abs. 2 S. 1 InsO in ihrer Wirkung einem Satzungsänderungsbeschluss der Hauptversammlung gleich.331

VII. Entziehung aus wichtigem Grund 1. Meinungsstand im GmbH- und Vereinsrecht Im GmbH-rechtlichen Schrifttum ist wohl allgemein anerkannt, dass Sonderrechte ausnahmsweise auch ohne Zustimmung des Berechtigten entzogen werden können, wenn ein wichtiger Grund vorliegt.332 Begründet wird dies heute zumeist mit rechte eingegriffen wird. Denkbar wäre, dass der Gruppe dann von vornherein nur die entsendungsberechtigten Aktionäre angehören, da nur in ihre Mitgliedschaftsrechte eingegriffen wird. Allerdings dürfte die Regelung eher so zu verstehen sein, dass die Mehrheit aller Anteilseigner über Strukturmaßnahmen jeglicher Art mitbestimmen soll, unabhängig davon, welche Gesellschafter im Einzelnen davon betroffen sind. Dies ergibt sich auch daraus, dass solche Maßnahmen stets mit dem Beschluss über die Fortführung des Rechtsträgers verbunden sein werden, wofür in jedem Fall die Beteiligung aller Gesellschafter erforderlich ist, vgl. Spliedt, in: K. Schmidt, InsO, § 222 Rn. 10. 328 Vgl. Drukarczyk, in: MünchKomm InsO, § 245 Rn. 1 ff.; Spliedt, in: K. Schmidt, InsO, § 245 Rn. 1; Braun/Frank, in: Braun, InsO, § 245 Rn. 1. 329 Siehe oben a). 330 Vgl. zu dieser „Schlechterstellungsprüfung“ Hölzle, ZIP 2014, 1819, 1821 ff. 331 Möglicherweise kann sich darüber hinaus bereits bei Sanierungsbemühungen im vorinsolvenzlichen Stadium eine Zustimmungspflicht entsendungsberechtigter Aktionäre aus der Treuepflicht ergeben, vgl. Seibt, ZIP 2014, 1909, 1910 ff. 332 Raiser, in: Großkomm GmbHG, § 14 Rn. 34; Seibt, in: Scholz, GmbHG, § 14 Rn. 27; Reichert/Weller, in: MünchKomm GmbHG, § 14 Rn. 110; Ebbing, in: Michalski, GmbHG,

B. Durchbrechungen des „Ewigkeitscharakters“

329

dem allgemeinen Grundsatz der Kündbarkeit von Dauerschuldverhältnissen, der auch im Gesellschaftsrecht Geltung beanspruche und in den §§ 712 Abs. 1 BGB, 117 HGB sowie 38 Abs. 2 GmbHG seinen Niederschlag gefunden habe.333 Es wird insofern eine Parallele zur Entziehung der Geschäftsführungsbefugnis aus wichtigem Grund gezogen.334 Auch wird teilweise vertreten, die Entziehung stelle gegenüber dem ansonsten allenfalls möglichen Gesellschafterausschluss aus wichtigem Grund das mildere und somit vorzugswürdige Mittel dar.335 Nach überwiegender Ansicht ersetzt der wichtige Grund nur das Zustimmungserfordernis des Betroffenen, sodass es nach wie vor eines satzungsändernden Beschlusses bedürfe.336 Ein gerichtliches Gestaltungsurteil wird dagegen zumeist nicht verlangt.337 Anders als im Recht der GmbH ist die Möglichkeit der Entziehung von Sonderrechten aus wichtigem Grund im BGB-Vereinsrecht umstritten. Eine Ansicht befürwortet auch hier ein generelles Entziehungsrecht aus wichtigem Grund.338 Die Gegenansicht lehnt dies aber ausdrücklich ab.339 Im Falle unerträglicher Belastungen greife allenfalls das außerordentliche Recht zum Ausschluss des sonderberechtigten Mitglieds.340 Eine Ausnahme soll nur bei Sonderrechten gelten, die sich unmittelbar auf eine Organstellung beziehen, insbesondere auf das Vorstandsamt. Hier ergebe sich aus der Abberufungsmöglichkeit nach § 27 Abs. 2 BGB bzw. § 117 HGB, dass auch ein Zugriff auf das Sonderrecht möglich sein müsse.341 § 14 Rn. 87; Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, GmbHG, § 14 Rn. 36; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, GmbHG, § 14 Rn. 21; Fastrich, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 14 Rn. 19; Flume, Juristische Person, § 7 I 2, S. 192; Wolany, Rechte und Pflichten, S. 180 f.; Rücker, Entziehung von Sonderrechten, S. 90 ff.; Aker, Sonderrechte, S. 254 ff. Dem hierfür zuweilen angeführten Urteil des OLG Düsseldorf, GmbHR 1990, 219 = NJW 1990, 1122 lässt sich diese Aussage jedoch nicht entnehmen; dort ging es lediglich um die Abberufung des aufgrund eines Präsentationsrechts benannten Geschäftsführers, nicht aber um die Entziehung des satzungsmäßigen Sonderrechts. 333 Vgl. Raiser, in: Großkomm GmbHG, § 14 Rn. 34; Seibt, in: Scholz, GmbHG, § 14 Rn. 27; Ebbing, in: Michalski, GmbHG, § 14 Rn. 87; Reichert/Weller, in: MünchKomm GmbHG, § 14 Rn. 111; Aker, Sonderrechte, S. 256. 334 Vgl. Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, GmbHG, § 14 Rn. 36; Seibt, in: Scholz, GmbHG, § 14 Rn. 27; Reichert/Weller, in: MünchKomm GmbHG, § 14 Rn. 111. 335 Vgl. Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, GmbHG, § 14 Rn. 21. 336 Seibt, in: Scholz, GmbHG, § 14 Rn. 27; Ebbing, in: Michalski, GmbHG, § 14 Rn. 87; Raiser, in: Großkomm GmbHG, § 14 Rn. 35; a.A. Wolany, Rechte und Pflichten, S. 181 (einfacher Mehrheitsbeschluss). 337 Seibt, in: Scholz, GmbHG, § 14 Rn. 27; Raiser, in: Großkomm GmbHG, § 14 Rn. 35; Ebbing, in: Michalski, GmbHG, § 14 Rn. 89; a.A. Rücker, Entziehung von Sonderrechten, S. 116 ff. 338 Weick, in: Staudinger, BGB, § 35 Rn. 21; Beuthien, ZGR 2014, 24, 30. 339 Hadding, in: Soergel, BGB, § 35 Rn. 18; Reuter, in: MünchKomm BGB, § 35 Rn. 10; Schöpflin, in: Bamberger/Roth, BGB, § 35 Rn. 9. 340 Reuter, in: MünchKomm BGB, § 35 Rn. 10. 341 Hadding, in: Soergel, BGB, § 35 Rn. 18; Reuter, in: MünchKomm BGB, § 35 Rn. 10; Schöpflin, in: Bamberger/Roth, BGB, § 35 Rn. 9.

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Kap. 4: Entsendungsrechte als „Ewigkeitsrechte“

Im Aktienrecht wird die Möglichkeit der Entziehung von Sonderrechten aus wichtigem Grund kaum thematisiert. Nur ganz vereinzelt wird die Frage überhaupt aufgeworfen. So weist etwa Verse darauf hin, dass diese Möglichkeit im GmbHRecht „anders als im Aktienrecht“ anerkannt sei.342 Dies wird man so verstehen dürfen, dass die Entziehung von aktienrechtlichen Entsendungsrechten auch bei Vorliegen eines wichtigen Grundes gerade nicht möglich sein soll. Unabhängig von der jeweiligen Rechtsform muss zur Klärung der Frage zunächst bei § 35 BGB angesetzt werden. Eindeutig ist zunächst, dass die Annahme der Entziehungsmöglichkeit aus wichtigem Grund im Wortlaut der Vorschrift nicht angelegt ist.343 Insofern kann sie allenfalls mit der vorrangigen Geltung speziellerer Vorschriften oder aber einer Rechtsfortbildung344 begründet werden. 2. Geltung spezieller Abberufungsvorschriften Zunächst ist zu prüfen, ob speziellere gesetzliche Vorschriften die Entziehbarkeit aus wichtigem Grund vorsehen. In diesem Zusammenhang wird regelmäßig auf die §§ 27 Abs. 2, 712 Abs. 1 BGB, 117 HGB und 38 Abs. 2 GmbHG hingewiesen.345 Alle diese Vorschriften sehen die Entziehbarkeit der Befugnis zur Geschäftsführung aus wichtigem Grund vor. Sie haben mithin allenfalls Auswirkungen auf statutarische Sonderrechte, die zur Geschäftsführung berechtigen. Wird ein entsprechend berechtigtes Verbandsmitglied nach diesen Vorschriften als Geschäftsführer abberufen und besteht der wichtige Grund weiterhin fort, so steht dies zwangsläufig auch einer erneuten Ausübung des Sonderrechts entgegen, die insofern unmöglich geworden ist.346 Dennoch ergibt sich aus den genannten Abberufungsvorschriften keine Ermächtigung zur Abschaffung des Sonderrechts auf Geschäftsführung im Wege der Satzungsänderung. Es liegt hier allerdings durchaus nahe, diese Rechtsfolge zumindest in analoger Anwendung der §§ 27 Abs. 2, 712 Abs. 1 BGB, 117 HGB, 38 Abs. 2 GmbHG zu bejahen. Schließlich besteht für den Berechtigten keinerlei schützenswertes Interesse mehr am Fortbestand seines Sonderrechts, wenn er von der Geschäftsführung ausgeschlossen ist und sein Recht daher nicht mehr wahrnehmen kann.347

342

Verse, ZIP 2008, 1754 (Fn. 1). Vgl. Rücker, Entziehung von Sonderrechten, S. 96. 344 So Raiser, in: Großkomm GmbHG, § 14 Rn. 34 (Fn. 70). 345 Vgl. Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, GmbHG, § 14 Rn. 36; Hadding, in: Soergel, BGB, § 35 Rn. 18. Siehe aus der Rechtsprechung etwa BGHZ 17, 392, 395; BGH, ZIP 2004, 2282, 2284 (jeweils für die KG). 346 Vgl. Seibt, in: Scholz, GmbHG, § 14 Rn. 27; Reichert/Weller, in: MünchKomm GmbHG, § 14 Rn. 115; Raiser, in: Großkomm GmbHG, § 14 Rn. 35. 347 Vgl. Seibt, in: Scholz, GmbHG, § 14 Rn. 27; Reichert/Weller, in: MünchKomm GmbHG, § 14 Rn. 115. 343

B. Durchbrechungen des „Ewigkeitscharakters“

331

Fraglich ist allerdings, ob diese Erwägungen auch bei aktienrechtlichen Entsendungsrechten greifen. Nach § 103 Abs. 3 AktG können Aufsichtsratsmitglieder auf Antrag gerichtlich abberufen werden, wenn in ihrer Person ein wichtiger Grund vorliegt. Hat sich also ein Entsendungsberechtigter selbst entsandt und wird nach dieser Vorschrift abberufen, so stellt dies zweifellos eine Beeinträchtigung seines Entsendungsrechts i.S.v. § 35 BGB dar, die aber gesetzlich ausdrücklich vorgesehen und daher zulässig ist. Seine Abberufung hat indes nicht zur Folge, dass er sein Recht nunmehr nicht mehr ausüben könnte. Denn es steht ihm weiterhin frei, eine andere Person an seiner Stelle in den Aufsichtsrat zu entsenden. Ein Fehlverhalten in der Funktion als Aufsichtsratsmitglied disqualifiziert den berechtigten Aktionär nicht zwangsläufig auch als Inhaber eines Entsendungsrechts. Eine analoge Anwendung des § 103 Abs. 3 AktG in der Weise, dass das Entsendungsrecht mit der gerichtlichen Abberufung entfiele, erscheint daher nicht angezeigt. 3. Teleologische Reduktion des § 35 BGB Weiterhin denkbar ist es allerdings, die Entziehungsmöglichkeit rechtsformübergreifend mit einer teleologischen Reduktion des § 35 BGB zu begründen.348 Dies könnte auf die Erwägung gestützt werden, dass die Entziehung eines Sonderrechts gegenüber einem Gesellschafterausschluss ein milderes Mittel darstellt und daher a maiore ad minus ebenfalls möglich sein muss.349 Dieser Begründungsansatz setzt allerdings den Gesellschafterausschluss aus wichtigem Grund voraus, der im Aktienrecht nicht unumstritten ist.350 Zudem erscheint fraglich, ob die Entziehung eines Sonderrechts bei im Übrigen fortbestehender Bindung an die Gesellschaft tatsächlich stets ein milderes Mittel gegenüber dem Ausschluss darstellt.351 Überzeugender erscheint es daher, den Grundsatz der Kündbarkeit von Dauerschuldverhältnissen aus wichtigem Grund heranzuziehen.352 Tatsächlich durchzieht dieses Prinzip, das heute auch in § 314 BGB kodifiziert ist,353 das gesamte Privatrecht einschließlich des Gesellschaftsrechts, wie die oben genannten Vorschriften zur Geschäftsführerabberufung zeigen.354 Ein Missbrauch von Organ- oder Gesellschafterrechten kann 348

Vgl. Rücker, Entziehung von Sonderrechten, S. 107 f., 143 (mit Fn. 1). In diesem Sinne Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, GmbHG, § 14 Rn. 21. 350 Vgl. Fleischer, in: Großkomm AktG, Vor §§ 327a–f Rn. 38; Grunewald, in: MünchKomm AktG, Vor § 327a Rn. 13; K. Schmidt, GesR, § 38 I 5 a, S. 803; Fuchs, Squeeze-out, S. 14 ff. 351 Dies verneinend Seibt, in: Scholz, GmbHG, § 14 Rn. 27; Fastrich, in: Baumbach/ Hueck, GmbHG, § 14 Rn. 19; Ebbing, in: Michalski, GmbHG, § 14 Rn. 88; Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, § 14 Rn. 36; Waldenberger, GmbHR 1997, 49, 54. 352 So Raiser, in: Großkomm GmbHG, § 14 Rn. 34; Seibt, in: Scholz, GmbHG, § 14 Rn. 27; Ebbing, in: Michalski, GmbHG, § 14 Rn. 87; Reichert/Weller, in: MünchKomm GmbHG, § 14 Rn. 111. 353 Reichert/Weller, in: MünchKomm GmbHG, § 14 Rn. 111. 354 Vgl. Raiser, in: Großkomm GmbHG, § 14 Rn. 34; Ebbing, in: Michalski, GmbHG, § 14 Rn. 87; Reichert/Weller, in: MünchKomm GmbHG, § 14 Rn. 111. 349

332

Kap. 4: Entsendungsrechte als „Ewigkeitsrechte“

insofern grundsätzlich durch ihre Entziehung sanktioniert werden.355 Auch im Aktienrecht findet sich in § 84 Abs. 3 AktG, der die jederzeitige Abberufung von Vorstandsmitgliedern aus wichtigem Grund ermöglicht, eine entsprechende Ausprägung dieses Prinzips. Es muss aber im Grundsatz auch für Sonderrechte Geltung beanspruchen, da ihr unveränderter Fortbestand trotz schwerwiegender Verfehlungen des Berechtigten für die Gesellschaft auf Dauer unzumutbar sein kann.356 Da § 35 BGB eine derartige Ausnahmeregelung nicht vorsieht, ist die Vorschrift entsprechend teleologisch zu reduzieren. 4. Formelle Voraussetzungen Allerdings ergibt sich aus § 103 Abs. 1 – 3 AktG, dass für die Abberufung entsandter Aufsichtsratsmitglieder auch bei Vorliegen eines wichtigen Grundes stets eine gerichtliche Entscheidung erforderlich ist; ein bloßer Hauptversammlungsbeschluss genügt dagegen nicht. Der Grundsatz der Kündbarkeit von Dauerschuldverhältnissen wird in diesem Bereich insofern durch das AktG modifiziert. Es liegt daher die Frage nahe, ob dies auch für die Entziehung eines Entsendungsrechts aus wichtigem Grund zu gelten hat. Dies dürfte zu bejahen sein. Wenn das AktG entsandte Aufsichtsratsmitglieder selbst bei Vorliegen eines wichtigen Grundes vor der Abberufung durch die Aktionärsmehrheit schützt, so kann für die Beseitigung der Rechtsstellung des Entsendungsberechtigten kaum etwas anderes gelten. Sonst würde für die Abberufung eines aufgrund des Sonderrechts bestellten Organmitglieds und die damit verbundene Beeinträchtigung der Ausübung des Entsendungsrechts ein strengerer Maßstab angelegt als für die in ihrer Wirkung deutlich schwerer wiegende Entziehung des Rechts selbst. Es ist deshalb davon auszugehen, dass die Entziehung eines aktienrechtlichen Entsendungsrechts aus wichtigem Grund ebenfalls nur durch gerichtliche Entscheidung möglich ist. Die Vorschrift des § 103 Abs. 3 AktG ist insofern analog heranzuziehen. Dies gilt allerdings nicht für die dort genannten Antragsrechte. Aufgrund der Schwere des möglichen Eingriffs, nämlich der Beseitigung eines satzungsmäßigen Rechts, sollte der Antrag auf Entziehung nur auf Basis eines mit satzungsändernder Mehrheit gefassten Hauptversammlungsbeschlusses gestellt werden können.357

355

S. 180. 356

Vgl. Rücker, Entziehung von Sonderrechten, S. 107, 143; Wolany, Rechte und Pflichten,

Vgl. Waldenberger, GmbHR 1997, 49, 54, der in derartigen Fällen die Unbeachtlichkeit einer verweigerten Zustimmung aus der Treuepflicht herleiten will; vgl. dazu auch Aker, Sonderrechte, S. 256 ff. 357 So für die GmbH auch Rücker, Entziehung von Sonderrechten, S. 134 ff.

B. Durchbrechungen des „Ewigkeitscharakters“

333

5. Materielle Voraussetzungen Nach dem GmbH-rechtlichen Schrifttum soll ein wichtiger Grund vorliegen, wenn die weitere Ausübung bzw. der Fortbestand des Sonderrechts für die Gesellschaft auf Dauer persönlich, wirtschaftlich oder organisatorisch unzumutbar ist.358 Es sollen insofern die Interessen des Berechtigten, der Gesellschaft und der Mitgesellschafter gegeneinander abgewogen werden,359 wobei die besondere Natur des Sonderrechts und seine Bedeutung für die Beteiligten berücksichtigt werden muss.360 Für die Bestimmung eines wichtigen Grundes zur Entziehung aktienrechtlicher Entsendungsrechte sind diese Grundsätze nur bedingt hilfreich. Hier wird man sich eher an den Anforderungen an eine Abberufung nach § 103 Abs. 3 AktG orientieren müssen. Ein wichtiger Grund könnte danach vorliegen, wenn die weitere Ausübung des Entsendungsrechts die Funktionsfähigkeit des Aufsichtsrats nicht unerheblich beeinträchtigt oder eine sonstige Schädigung der Gesellschaft erwarten lässt.361 Dies könnte etwa dann der Fall sein, wenn der Berechtigte fortwährend offensichtlich ungeeignete bzw. unqualifizierte Personen in den Aufsichtsrat entsendet362 oder durch ständige Neubesetzung der Posten die Arbeit des Gremiums behindert. Eine bloße Einflussnahme auf das entsandte Mitglied oder die Verfolgung eigener Interessen kann dagegen keinesfalls für einen wichtigen Grund genügen. Richtigerweise sind hieran hohe Anforderungen zu stellen, da die Entziehung aus wichtigem Grund nur als ultima ratio zulässig sein sollte. Sie darf beispielsweise nicht dazu genutzt werden, Entsendungsrechte eines unliebsamen, einer Übernahme der Gesellschaft kritisch gegenüberstehenden Aktionärs mit der Begründung auszuhebeln, der Fortbestand der Entsendungsrechte könnte die Übernahme vereiteln und deshalb für die Gesellschaft von Nachteil sein. Vielmehr ist stets ein grobes oder aber wiederholtes Fehlverhalten des Berechtigten im Sinne einer Treuepflichtverletzung363 zu verlangen. In der Praxis dürfte die Entziehung aus wichtigem Grund nach alledem kaum eine Rolle spielen und nur in seltenen Ausnahmefällen überhaupt in Frage kommen. Wird ein Entsendungsrecht aus wichtigem Grund entzogen, so dürfte die Gewährung einer Entschädigung für den Rechtsverlust in aller Regel nicht erforderlich sein.364 Es sind kaum Fälle denkbar, in denen ein Entsendungsberechtigter sein Recht 358

Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, GmbHG, § 14 Rn. 36; Reichert/Weller, in: MünchKomm GmbHG, § 14 Rn. 112; Ebbing, in: Michalski, GmbHG, § 14 Rn. 87; Raiser, in: Großkomm GmbHG, § 14 Rn. 35. 359 Raiser, in: Großkomm GmbHG, § 14 Rn. 35. 360 Seibt, in: Scholz, GmbHG, § 14 Rn. 27. 361 Vgl. Habersack, in: MünchKomm AktG, § 103 Rn. 39. 362 Dies stellt zugleich einen Verstoß gegen die Treuepflicht dar, vgl. Habersack, in: MünchKomm AktG, § 101 Rn. 45. 363 Vgl. zu Treuepflichtverletzungen als Entziehungsgrund auch Aker, Sonderrechte, S. 258 ff., insb. S. 264 f. 364 Vgl. Wolany, Rechte und Pflichten, S. 181; a.A. Rücker, Entziehung von Sonderrechten, S. 137 ff.

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Kap. 4: Entsendungsrechte als „Ewigkeitsrechte“

schuldlos verliert. Auch wenn die Entziehung keinen „Strafcharakter“ hat,365 so erscheint eine Entschädigung für den Rechtsentzug aufgrund eines hierzu berechtigenden, groben Fehlverhaltens nicht zwingend geboten. 6. Zusammenfassung Die Entziehung eines aktienrechtlichen Entsendungsrechts ist ausnahmsweise auch ohne Zustimmung des Berechtigten möglich, wenn ein wichtiger Grund vorliegt. Hierfür ist jedoch ein gerichtliches Gestaltungsurteil auf Antrag einer satzungsändernden Mehrheit der Aktionäre erforderlich.

VIII. Weitere Gründe für die Aufhebung Neben den diskutierten Fallgruppen gibt es weitere Situationen, in denen ein Aktionär seine mitgliedschaftliche Stellung einbüßen bzw. seinen Aktienbesitz gegen seinen Willen verlieren kann, womit stets auch der Verlust etwaiger Entsendungsrechte einhergeht. Hier sind insbesondere die Kaduzierung nach § 64 AktG, die Zwangseinziehung von Aktien nach § 237 AktG und der Ausschluss des Aktionärs aus wichtigem Grund zu nennen.366 Der Kaduzierung kommt jedoch keine große praktische Bedeutung zu,367 während die Zulässigkeit des Ausschlusses aus wichtigem Grund im Aktienrecht noch ungeklärt ist.368 Die Zwangseinziehung bedarf nach § 237 Abs. 1 S. 2 AktG in jedem Fall einer vor Zeichnung oder Übernahme der Aktien bestehenden satzungsmäßigen Grundlage, sodass die betroffenen Anteile von vornherein mit dieser Möglichkeit belastet sind.369 Daher werden diese Fälle hier nicht eingehend behandelt.

C. Zusammenfassung Das Entsendungsrecht nach § 101 Abs. 2 AktG ist ein Sonderrecht im Sinne des auch im Aktienrecht anwendbaren § 35 BGB und damit grundsätzlich nur mit Zustimmung des Berechtigten entziehbar. Die vorstehenden Ausführungen haben indes gezeigt, dass diverse Ausnahmen zum Zustimmungserfordernis bestehen. Dies gilt 365

Rücker, Entziehung von Sonderrechten, S. 137. Überblicksartig zu diesen Ausschlusstatbeständen etwa Fleischer, in: Großkomm AktG, Vor §§ 327a–f Rn. 34 ff.; Fuchs, Squeeze-out, S. 9 ff. 367 Fleischer, in: Großkomm AktG, Vor §§ 327a–f Rn. 36. 368 Vgl. Fleischer, in: Großkomm AktG, Vor §§ 327a–f Rn. 38; Grunewald, in: MünchKomm AktG, Vor § 327a Rn. 13; K. Schmidt, GesR, § 38 I 5 a, S. 803; Fuchs, Squeeze-out, S. 14 ff. 369 Vgl. Haberstock/Greitemann, in: Hölters, AktG, § 237 Rn. 13. 366

C. Zusammenfassung

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de lege lata etwa im Umwandlungsrecht, im Insolvenzplanverfahren, bei der Auflösung der Gesellschaft sowie generell bei Vorliegen eines wichtigen Grundes. In diesen Fällen ist die Entziehung von Entsendungsrechten auch ohne Zustimmung des Berechtigten möglich. Ferner kann sich bei Kapitalherabsetzungen und anderen Strukturmaßnahmen im Einzelfall eine Zustimmungspflicht aus der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht ergeben. § 33b WpÜG ermöglicht demgegenüber nach zutreffender Auffassung nur die temporäre Suspendierung, nicht aber die endgültige Abschaffung von Entsendungsrechten. Probleme bereitet der Squeeze-out von entsendungsberechtigten Minderheitsaktionären, der nach geltendem Recht möglich sein dürfte, aber unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten problematisch erscheint. Folglich kann festgehalten werden, dass die Bezeichnung des Entsendungsrechts als „Ewigkeitsrecht“ aufgrund seines Sonderrechtscharakters im Grundsatz zutreffend ist. Damit ist allerdings kein absoluter Bestandsschutz des Entsendungsrechts verbunden, da das Zustimmungserfordernis für seine Entziehung in bestimmten Situationen durchbrochen wird. Gleichwohl bestehen an der Eignung des Entsendungsrechts als Übernahmehindernis und zur Absicherung auch zukünftigen Einflusses in der Gesellschaft keine ernsthaften Zweifel, da sich die Entziehung gegen den Willen des Berechtigten auf wenige Einzelfälle beschränkt.

Kapitel 5

Entsendungsrechte und Corporate Governance Neben den bisher diskutierten, rein rechtlichen Aspekten werfen Entsendungsrechte verschiedene Fragen unter dem Blickwinkel der Corporate Governance auf. Im „ThyssenKrupp“-Prozess wurde von den Klägern vorgebracht, Entsendungsrechte würden überwiegend nicht als „gute Corporate Governance“ angesehen.1 Auch vereinzelte Stimmen aus der Rechtswissenschaft lehnen Entsendungsrechte generell ab2 oder fordern zumindest ihre Abschaffung in börsennotierten Gesellschaften.3 Im Folgenden wird deshalb untersucht, ob Entsendungsrechte zu anerkannten Corporate Governance-Grundsätzen in Widerspruch stehen und ob dem Gesetzgeber insofern eine Neuregelung oder gar Abschaffung des § 101 Abs. 2 AktG zu empfehlen wäre.

A. Grundlagen der Corporate Governance und Implikationen für Entsendungsrechte I. Begriff und Zielsetzung Der Terminus der „Corporate Governance“ hat etwa seit Mitte der 90er Jahre Einzug in die deutschsprachige Fachliteratur gefunden.4 Eine allgemeingültige Definition des relativ neuen Begriffs hat sich bislang nicht herausgebildet.5 Corporate Governance kann aber grob umschrieben werden als der rechtliche und faktische Ordnungsrahmen für die Leitung und Überwachung von Unternehmen.6 1

OLG Hamm, ZIP 2008, 1530, 1531. So insbesondere Wymeersch, in: Verhandlungen des 67. DJT II/1, S. N 97. 3 Rothärmel, Gestaltungsfreiheit, S. 311 f.; ähnlich Gündel, Interessenwahrung, S. 176 f.; wohl auch M. Roth, AnwBl. 2008, 580, 585. 4 v. Werder, in: Hommelhoff/Hopt/v. Werder, Hdb Corporate Governance, S. 4; Merkt, in: Fleckner/Hopt, Comparative Corporate Governance, S. 522; Metten, Corporate Governance, S. 7; Bühler, Regulierung, Rn. 341. 5 Vgl. Hopt, ZHR 175 (2011), 444, 448; Merkt, in: Fleckner/Hopt, Comparative Corporate Governance, S. 521 f.; Metten, Corporate Governance, S. 10 ff.; Bühler, Regulierung, Rn. 342. 6 v. Werder, in: Hommelhoff/Hopt/v. Werder, Hdb Corporate Governance, S. 4; ders., Führungsorganisation, S. 1; Welge/Eulerich, Corporate-Governance-Management, S. 1 f.; ähnlich auch Hopt, ZHR 175 (2011), 444, 448 f. und ders., in: Fleckner/Hopt, Comparative 2

A. Grundlagen der Corporate Governance / Implikationen für Entsendungsrechte 337

Auch eine einheitliche Corporate Governance-Theorie existiert bis heute nicht. Die Corporate Governance-Forschung lässt sich verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen zuordnen. Neben der Rechtswissenschaft umfassen diese die Wirtschaftswissenschaften, Politikwissenschaft, Soziologie und Philosophie.7 Die Corporate Governance geht damit über rein rechtliche Fragestellungen weit hinaus. Übergreifende Zielsetzung der Corporate Governance ist die Gewährleistung einer verlässlichen Unternehmensführung.8 Diese soll, je nach vertretenem Ansatz, dem Anteilseignerinteresse (shareholder orientation) oder auch sonstigen Bezugsgruppen des Unternehmens (stakeholder orientation) dienen.9 Dabei sollen Spielräume und Motivationen für opportunistisches Verhalten der beteiligten Akteure minimiert werden, um letztlich eine produktive Wertschöpfung und eine faire Wertverteilung zu ermöglichen.10 Ein Hauptanliegen zur Erreichung dieses Zwecks ist die Schaffung optimaler Strukturen für eine leistungsstarke unternehmensinterne Kontrolle.11 Dies betrifft vor allem die Managementkontrolle durch Aufsichtsrat und board, aber auch die Austarierung unterschiedlicher Interessen der Bezugsgruppen des Unternehmens, insbesondere der Anteilseigner und der Arbeitnehmer.12 Auch Aktionärsdemokratie, Mehrheitsherrschaft und Minderheitenschutz sind deshalb zentrale Themen der Corporate Governance.13 Diese Aspekte betreffen die Machtbalance innerhalb des Unternehmens und werden deshalb auch als interne Corporate Governance bezeichnet.14 Daneben soll aber auch den relevanten Märkten, insbesondere dem Kapitalmarkt und dem sog. Markt für Unternehmenskontrolle,15 sowie

Corporate Governance, S. 10 (englischsprachige Fassung). Stärker auf die Funktion des Interessenausgleichs abstellend Bühler, Regulierung, Rn. 365. 7 Vgl. Welge/Eulerich, Corporate-Governance-Management, S. 9. 8 Leyens, Information des Aufsichtsrats, S. 1. 9 Vgl. Hopt, ZHR 175 (2011), 444, 449; Merkt, in: Fleckner/Hopt, Comparative Corporate Governance, S. 536 f.; v. Werder, Führungsorganisation, S. 5 ff.; Metten, Corporate Governance, S. 177 ff. 10 v. Werder, in: Hommelhoff/Hopt/v. Werder, Hdb Corporate Governance, S. 14; ders., Führungsorganisation, S. 8 f. 11 Leyens, Information des Aufsichtsrats, S. 1; vgl. auch Kort, AG 2008, 137. 12 Vgl. Leyens, in: Allmendinger/Dorn/Lang/Lumpp/Steffek, Corporate Governance, S. 4. Weitere Bezugsgruppen sind Fremdkapitalgeber, Kunden und Lieferanten des Unternehmens sowie Staat und Gesellschaft, vgl. Metten, Corporate Governance, S. 17 ff. 13 Vgl. Hopt, ZHR 175 (2011), 444, 450; Leyens, in: Allmendinger/Dorn/Lang/Lumpp/ Steffek, Corporate Governance, S. 17 f. 14 Hopt, ZHR 175 (2011), 444, 449; vgl. auch Merkt, in: Fleckner/Hopt, Comparative Corporate Governance, S. 529 ff.; Bühler, Regulierung, Rn. 442. Teilweise wird das Verhältnis der Unternehmensführung zu den Anteilseignern allerdings auch der externen Corporate Governance zugeordnet, vgl. etwa v. Werder, in: Hommelhoff/Hopt/v. Werder, Hdb Corporate Governance, S. 4; ders., Führungsorganisation, S. 2 („Außensicht der Corporate Governance“). 15 Siehe dazu unten F.

338

Kap. 5: Entsendungsrechte und Corporate Governance

der Unternehmenspublizität16 eine disziplinierende Wirkung auf Unternehmensleiter zukommen. Hier spricht man gemeinhin von externer Corporate Governance.17 Einer der Kerngedanken der Corporate Governance ist die Existenz sog. principal-agent-Konflikte, die sich klassischerweise aus den unterschiedlichen Interessen der Anteilseigner (als Prinzipale) und des Managements (als ihrer Agenten) ergeben. In dieser Konstellation besteht stets die Gefahr, dass das Management in erster Linie Eigeninteressen verfolgt und dabei das Unternehmensvermögen zum Nachteil der Aktionäre verschwendet.18 Neben den klassischen principal-agentKonflikten können in Unternehmen mit mehreren Anteilseignern aber auch sog. principal-principal-Konflikte entstehen, wenn heterogene Interessen bestehen und ein Prinzipal aufgrund seiner ausgeprägten Macht- und Einflussposition die Entscheidungen und Interessen der anderen Prinzipale wirkungsvoll unterbinden kann. Dies kann zur Folge haben, dass sich diese (Minderheits-)Gesellschafter in ihrer Überwachungsfunktion übergangen fühlen und das Management nicht mehr von einer unabhängigen Instanz kontrolliert wird.19 Beide Problembereiche will die Corporate Governance so weit wie möglich begrenzen. Der Fokus der Corporate Governance liegt in aller Regel auf börsennotierten Publikumsgesellschaften. Auch ihre Bedeutung für geschlossene Kapitalgesellschaften und insbesondere Familiengesellschaften darf aber nicht unterschätzt werden.20 Die folgenden Ausführungen beziehen sich deshalb zwar vorrangig, aber keineswegs ausschließlich auf börsennotierte Aktiengesellschaften.21 Soweit sich speziell für nichtbörsennotierte Gesellschaften besondere Schlussfolgerungen ergeben, wird darauf am Ende dieses Kapitels hingewiesen.22

II. Implikationen für Entsendungsrechte Entsendungsrechte betreffen verschiedene der soeben angerissenen Aspekte der Corporate Governance. So muss gefragt werden, ob mit ihnen Auswirkungen auf die unternehmensinterne Managementkontrolle durch den Aufsichtsrat verbunden sind. 16 Der Unternehmenspublizität wird insofern eine Selbststeuerungs- und Kontrollfunktion zugeschrieben, siehe Merkt, Unternehmenspublizität, S. 338 ff. 17 Hopt, ZHR 175 (2011), 444, 450; Bühler, Regulierung, Rn. 443. 18 Vgl. v. Werder, in: Hommelhoff/Hopt/v. Werder, Hdb Corporate Governance, S. 7; Lieder, Aufsichtsrat, S. 629 f.; näher zum Ganzen Welge/Eulerich, Corporate-GovernanceManagement, S. 14 ff. 19 Welge/Eulerich, Corporate-Governance-Management, S. 21. 20 Vgl. Weller, ZGR 2012, 386, 387 ff.; Woywode/Keese/Tänzler, ZGR 2012, 418, 419 ff. 21 Freilich betreffen Einzelfragen ausschließlich börsennotierte Gesellschaften, etwa die Untersuchung des DCGK, der zumindest unmittelbar nur für börsennotierte Unternehmen gilt. Auch die Themen Aktionärsdemokratie und feindliche Übernahmen beziehen sich in erster Linie auf Publikumsgesellschaften mit Börsennotierung. 22 Siehe unten H.

B. Die Vorgaben des Deutschen Corporate Governance Kodex

339

Möglicherweise könnten von Großaktionären entsandte Mitglieder einer effizienten Aufsichtsratstätigkeit abträglich sein. In jedem Fall tangieren Entsendungsrechte die Bereiche Mehrheitsherrschaft, Minderheitenschutz und Aktionärsdemokratie, also die Gewichtung unterschiedlicher Interessen innerhalb der Bezugsgruppe der Anteilseigner. Hier wird zu klären sein, ob eine bevorrechtigte Stellung einzelner Aktionäre unter Corporate Governance-Gesichtspunkten per se als schädlich anzusehen ist. Schließlich können Entsendungsrechte als Übernahmehindernisse womöglich die disziplinierende Wirkung des Marktes für Unternehmenskontrolle behindern. Inwieweit dies negative Folgen für die Leitung einer Aktiengesellschaft haben kann, wird ebenfalls näher zu untersuchen sein. Bevor auf diese eher abstrakten Fragen eingegangen wird, soll indes zunächst geprüft werden, ob sich bereits aus den konkreten Vorgaben des Deutschen Corporate Governance Kodex (DCGK) Rückschlüsse für die Bewertung von Entsendungsrechten ziehen lassen.

B. Die Vorgaben des Deutschen Corporate Governance Kodex Der seit 2002 bestehende DCGK23 ist ein Regelwerk mit Verhaltensmaßstäben für eine gute Unternehmensleitung und -überwachung.24 Er soll zum einen über die gesetzlich vorgegebene deutsche Corporate Governance informieren und sie zum anderen durch Verhaltensempfehlungen an börsennotierte Aktiengesellschaften und ihre Organe verbessern.25 Erarbeitet wurde der Kodex von der Regierungskommission Deutscher Corporate Governance Kodex (Kodex-Kommission), die ihn regelmäßig fortschreibt. Ihre Mitglieder sind Persönlichkeiten aus Wirtschaft, Wissenschaft und öffentlichem Leben, die vom Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz berufen werden.26 Der DCGK kann damit als bedeutsame Richtschnur aktueller Vorstellungen guter Corporate Governance in Deutschland angesehen werden. Seiner Zielsetzung entsprechend enthält der Kodex einerseits rein deskriptive Darstellungen des geltenden Rechts, die dem Informationsbedürfnis vor allem ausländischer Investoren entsprechen sollen.27 Dieser Teil des Kodex entfaltet keine 23

Aktuelle Fassung vom 24. 6. 2014. Spindler, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 161 Rn. 6; zur Entstehungsgeschichte Goette, in: MünchKomm AktG, § 161 Rn. 3 ff.; Sester, in: Spindler/Stilz, AktG, § 161 Rn. 1 ff. 25 Lutter, in: Hommelhoff/Hopt/v. Werder, Hdb Corporate Governance, S. 127. 26 Goette, in: MünchKomm AktG, § 161 Rn. 22; Leyens, in: Großkomm AktG, § 161 Rn. 74. 27 Goette, in: MünchKomm AktG, § 161 Rn. 23; Lutter, in: Hommelhoff/Hopt/v. Werder, Hdb Corporate Governance, S. 127; hinsichtlich der Erreichung dieses Ziels zweifelnd Leyens, in: Großkomm AktG, § 161 Rn. 95. 24

340

Kap. 5: Entsendungsrechte und Corporate Governance

das Gesetzesrecht über- oder unterschreitende Wirkung.28 Weitaus bedeutsamer sind die sog. Empfehlungen des DCGK, die über das geltende Recht hinausgehen und als best practice-Grundsätze nach Überzeugung der Kodex-Kommission in einem gut geführten Unternehmen beachtet werden sollten.29 Sie sind gekennzeichnet durch die Verwendung des Wortes „sollen“ bzw. „soll“.30 Für diese Empfehlungen gilt das comply or explain-Prinzip31 des § 161 AktG, wonach Vorstand und Aufsichtsrat börsennotierter Gesellschaften jährlich in der Entsprechenserklärung die Befolgung oder Nichtbefolgung der Kodex-Empfehlungen darzulegen und Abweichungen zu begründen haben. Schließlich enthält der DCGK sog. Anregungen, die noch keine best practice darstellen, sich nach Ansicht der Kodex-Kommission aber in Zukunft dorthin entwickeln werden.32

I. Regelungen zur Aufsichtsratsbestellung Im DCGK finden sich keinerlei Regelungen zu Entsendungsrechten nach § 101 Abs. 2 AktG. Der Kodex enthält ausdrücklich auch weder eine Empfehlung, noch eine Anregung dazu, wie der Aufsichtsrat bzw. die Anteilseignerbank im Aufsichtsrat zu bestellen ist. Einige Bestimmungen erwähnen jedoch die Wahl des Aufsichtsrats durch die Hauptversammlung. So heißt es in der Präambel des DCGK (Abs. 6 S. 1): „Die Mitglieder des Aufsichtsrats werden von den Aktionären in der Hauptversammlung gewählt.“ Bei dem betreffenden Abschnitt handelt es sich aber lediglich um eine verkürzte Darstellung der prägenden Merkmale der Verfassung deutscher Aktiengesellschaften, die insofern das geltende Gesetzesrecht skizziert.33 Aus der Tatsache, dass Entsendungsrechte in diesem Zusammenhang keine Erwähnung finden, können keinerlei Rückschlüsse hinsichtlich ihrer Bewertung durch die Kodex-Kommission gezogen werden.34 Die Aussparung dürfte allein darauf zurückzuführen sein, dass die Prä-

28

Ringleb, in: Ringleb/Kremer/Lutter/v. Werder, DCGK, Rn. 54. Vgl. Lutter, in: Hommelhoff/Hopt/v. Werder, Hdb Corporate Governance, S. 127; Goette, in: MünchKomm AktG, § 161 Rn. 23; Leyens, in: Großkomm AktG, § 161 Rn. 96. 30 So ausdrücklich Abs. 10 S. 1 der Präambel des DCGK; siehe auch Goette, in: MünchKomm AktG, § 161 Rn. 23; Sester, in: Spindler/Stilz, AktG, § 161 Rn. 32. 31 Vgl. dazu Leyens, in: Großkomm AktG, § 161 Rn. 24 ff.; Goette, in: MünchKomm AktG, § 161 Rn. 9, 35. 32 Lutter, in: Hommelhoff/Hopt/v. Werder, Hdb Corporate Governance, S. 127. 33 von der Linden, in: Wilsing, DCGK, Präambel Rn. 1. 34 Entsprechend wird auch in den Kommentierungen zur Präambel des DCGK wertungsfrei auf Entsendungsrechte als weitere gesetzlich vorgesehene Bestellungsform eingegangen, vgl. v. Werder, in: Ringleb/Kremer/Lutter/v. Werder, DCGK, Rn. 107; von der Linden, in: Wilsing, DCGK, Präambel Rn. 32. 29

B. Die Vorgaben des Deutschen Corporate Governance Kodex

341

ambel nicht das gesamte Gesetzesrecht zur Organisationsverfassung der AG wiedergeben kann und sich daher auf wesentliche Grundregeln beschränkt.35 Eine ähnliche Formulierung findet sich in Ziff. 2.2.1 DCGK. Nach Abs. 1 S. 2 wählt die Hauptversammlung „in der Regel die Anteilseignervertreter im Aufsichtsrat“. Freilich wird hier, anders als in der Präambel, durch die Einschränkung „in der Regel“ von vornherein die Ausnahme beim Bestehen von Entsendungsrechten angedeutet.36 Insofern kommt eine wertende Aussage zur bevorzugten Form der Aufsichtsratsbestellung bei Ziff. 2.2.1 Abs. 1 S. 2 DCGK schon gar nicht in Betracht. Im Übrigen enthält die Bestimmung ohnehin keine Empfehlungen oder Anregungen, sondern gibt lediglich wesentliche, im AktG vorgesehene Hauptversammlungskompetenzen wieder, um nicht mit dem deutschen Aktienrecht vertraute Investoren entsprechend zu informieren.37 Konkrete Empfehlungen zur Aufsichtsratswahl finden sich allerdings in Ziff. 5.4.1 und 5.4.3 DCGK. So betrifft Ziff. 5.4.1 Abs. 3 – 6 DCGK die Wahlvorschläge des Aufsichtsrats an die zuständigen Wahlgremien, insbesondere an die Hauptversammlung. Im Einzelnen sollen dabei die Ziele des Aufsichtsrats für seine Zusammensetzung berücksichtigt werden (Abs. 3) sowie persönliche und geschäftliche Beziehungen der Kandidaten zum Unternehmen, den Gesellschaftsorganen und zu wesentlich beteiligten Aktionären offengelegt werden (Abs. 4). Ziff. 5.4.3 S. 1 DCGK enthält die Empfehlung, dass die Aufsichtsratswahlen in der Hauptversammlung als Einzelwahl durchgeführt werden sollen. Ziff. 5.4.3 S. 2 DCGK betrifft daneben die gerichtliche Bestellung von Aufsichtsratsmitgliedern; ein entsprechender Antrag soll bis zur nächsten Hauptversammlung befristet sein. Zur Möglichkeit der Entsendung nach § 101 Abs. 2 AktG findet sich indes auch hier keinerlei Aussage. Gleichwohl wird vereinzelt versucht, den genannten Stellen des DCGK eine Wertung dahingehend zu entnehmen, dass der Kodex Entsendungsrechten ablehnend gegenüberstehe. So rügten die Kläger im Fall „ThyssenKrupp“ vor dem LG Essen eine Aussage des Vorstands auf der Hauptversammlung, nach der das geplante Entsendungsrecht in Übereinstimmung mit dem DCGK stehe. Dem Klägervortrag zufolge sei dies gerade nicht der Fall, „da in diesem Kodex aufgenommen sei, dass die Hauptversammlung die Anteilseignervertreter in den Aufsichtsrat wählt.“ Die Einräumung des Entsendungsrechts bedeute daher einen „Verstoß gegen den Corporate Governance Kodex“.38 Die ablehnende Haltung des DCGK gegenüber Ent35

Da der deskriptive Teil des Kodex auf Allgemeinverständlichkeit ausgelegt ist, kann er die sprachliche Präzision der gesetzlichen Regelungen generell nicht erreichen, vgl. Goette, in: MünchKomm AktG, § 161 Rn. 23; Ringleb, in: Ringleb/Kremer/Lutter/v. Werder, DCGK, Rn. 54. 36 Vgl. Goslar, in: Wilsing, DCGK, Ziff. 2.2.1 Rn. 15 f. 37 Goslar, in: Wilsing, DCGK, Ziff. 2.2.1 Rn. 1; Kremer, in: Ringleb/Kremer/Lutter/ v. Werder, DCGK, Rn. 233. 38 LG Essen, Urt. v. 29. 6. 2007 – 45 O 15/07, juris, Rn. 11 (nur dort im Volltext, Klägervortrag nicht abgedruckt in AG 2007, 797).

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Kap. 5: Entsendungsrechte und Corporate Governance

sendungsrechten soll sich folglich daraus entnehmen lassen, dass dieser für die Bestellung der Anteilseignervertreter die Wahl durch die Hauptversammlung voraussetzt, ohne dabei – wie das AktG – auch die Möglichkeit der Entsendung vorzusehen. Auch das LG Essen scheint, obwohl es den Klägerantrag im konkreten Fall abgewiesen hat, dieser Interpretation zuzuneigen. So heißt es in der Urteilsbegründung: „Den Klägern ist Recht zu geben, dass im Corporate Governance Kodex Führungsgrundsätze niedergelegt sind und dass diese Richtlinien die Wahl der Aufsichtsratsmitglieder durch die Hauptversammlung vorsehen.“39 Diese Interpretation kann indes kaum überzeugen. Eine Aussage zu Entsendungsrechten lässt sich den einschlägigen Kodexbestimmungen schlicht nicht entnehmen. Wie bereits dargestellt, handelt es sich bei den allgemeinen Formeln in der Präambel sowie in Ziff. 2.2.1 DCGK lediglich um eine verkürzte Wiedergabe der geltenden aktienrechtlichen Gesetzeslage. Dass hier lediglich der allgemeine und weitaus häufigere Regelfall der Wahl genannt wird und nicht auch auf die gerade bei börsennotierten Gesellschaften seltene40 Ausnahme der Entsendung hingewiesen wird, lässt für sich keinesfalls auf eine ablehnende Haltung schließen. Auch die Empfehlungen in Ziff. 5.4.1 und 5.4.3 DCGK bezüglich einzelner Modalitäten der Aufsichtsratswahl erlauben derartige Rückschlüsse nicht. Zwangsläufig betreffen Regelungen zur Durchführung einer Wahl lediglich die Wahl selbst. Eine Regelung zu Entsendungsrechten wäre jedenfalls in diesem Zusammenhang überhaupt nicht angezeigt gewesen. Gleichzeitig wäre es der Kodex-Kommission unbenommen gewesen, eine gesonderte Empfehlung dahingehend auszusprechen, dass sämtliche Anteilseigner von der Hauptversammlung gewählt werden sollen, was aber unterblieben ist. Auch der Vorschlag der Klägervertreter im Fall „ThyssenKrupp“ an die Kodex-Kommission, ein generelles Verbot von Sonderrechten in den DCGK aufzunehmen,41 ist offenkundig auf keinerlei Resonanz gestoßen.

II. Regelungen zum Stimmrecht Gemäß Ziff. 2.1.2 S. 1 DCGK gewährt jede Aktie grundsätzlich eine Stimme. Damit unterstreicht die Bestimmung den auch in § 12 und § 134 Abs. 1 S. 1 AktG zum Ausdruck kommenden Grundsatz one share, one vote.42 Nach Ziff. 2.1.2 S. 2 DCGK bestehen ferner keine Mehrstimmrechtsaktien, Vorzugsstimmrechtsaktien („golden shares“) oder Höchststimmrechte. Hiermit werden die entsprechenden Verbote aus § 12 Abs. 2 sowie § 134 Abs. 1 S. 1 und S. 2 AktG wiedergegeben. Insgesamt referiert auch diese Bestimmung damit lediglich geltendes Gesetzesrecht, 39

797). 40

LG Essen, Urt. v. 29. 6. 2007 – 45 O 15/07, juris, Rn. 24 (nicht abgedruckt in AG 2007,

Siehe dazu oben Kap. 2, A. II. 1. Handelsblatt v. 12. 6. 2007, S. 14. 42 Goslar, in: Wilsing, DCGK, Ziff. 2.1.2 Rn. 1; Kremer, in: Ringleb/Kremer/Lutter/ v. Werder, DCGK, Rn. 208 ff. Siehe dazu bereits oben Kap. 3, B. II. sowie unten E. 41

B. Die Vorgaben des Deutschen Corporate Governance Kodex

343

um die weitgehende Umsetzung des Proportionalitätsprinzips zwischen Beteiligung und Stimmrecht zu verdeutlichen;43 eine Empfehlung wird nicht ausgesprochen.44 Entsendungsrechte finden keine Erwähnung und werden von der Regelung auch nicht erfasst.45 Einen Verstoß gegen Ziff. 2.1.2 S. 1 DCGK begründen sie schon deshalb nicht, da die Bestimmung durch die Formulierung „grundsätzlich“ gerade deutlich macht, dass Ausnahmen bestehen.46 Daneben wäre es zwar denkbar, Entsendungsrechte unter den Begriff der golden shares zu subsumieren,47 den Ziff. 2.1.2 S. 2 DCGK synonym für Vorzugsstimmrechtsaktien verwendet. Da es sich aber auch hierbei lediglich um eine referierende Bestimmung handelt, ist es fernliegend zu unterstellen, die Kodex-Kommission wolle eine Aussage zum Entsendungsrecht treffen. Eine Abweichung von gesetzlichen Vorschriften müsste in jedem Fall als solche kenntlich gemacht werden.

III. Unabhängigkeit gem. Ziff. 5.4.2. DCGK Nach Ziff. 5.4.2 S. 1 DCGK soll dem Aufsichtsrat eine nach seiner Einschätzung angemessene Zahl unabhängiger Mitglieder angehören. S. 2 benennt sodann Situationen, in denen ein Aufsichtsratsmitglied nicht als unabhängig anzusehen ist. Seit der Revision des DCGK im Jahr 2012 ist dies auch dann der Fall, wenn das Mitglied in einer persönlichen oder geschäftlichen Beziehung zu „einem kontrollierenden Aktionär oder einem mit diesem verbundenen Unternehmen steht, die einen wesentlichen und nicht nur vorübergehenden Interessenkonflikt begründen kann.“ Zuvor waren lediglich Beziehungen zur Gesellschaft und zum Vorstand erfasst, womit die deutsche Definition der Unabhängigkeit hinter der europarechtlichen zurückblieb.48 Die Neufassung orientiert sich nun stärker an der Empfehlung der EUKommission vom 15. 2. 2005 zu den Aufgaben von nicht geschäftsführenden Direktoren/Aufsichtsratsmitgliedern börsennotierter Gesellschaften sowie zu den Ausschüssen des Verwaltungs-/Aufsichtsrats.49 Danach gilt ein Mitglied als unabhängig, „wenn es in keiner geschäftlichen, familiären oder sonstigen Beziehung zu der Gesellschaft, ihrem Mehrheitsaktionär oder deren Geschäftsführung steht“;50 ein 43

Goslar, in: Wilsing, DCGK, Ziff. 2.1.2 Rn. 1. Kremer, in: Ringleb/Kremer/Lutter/v. Werder, DCGK, Rn. 208. 45 So wohl auch Goslar, in: Wilsing, DCGK, Ziff. 2.1.2 Rn. 36. Auch Kremer, in: Ringleb/ Kremer/Lutter/v. Werder, DCGK, Rn. 216 erwähnt Entsendungsrechte in diesem Zusammenhang nicht. 46 Vgl. Kremer, in: Ringleb/Kremer/Lutter/v. Werder, DCGK, Rn. 209. 47 So allgemein auch Pießkalla, Goldene Aktien, S. 17 f. 48 Wilsing, in: ders., DCGK, Ziff. 5.4.2 Rn. 11; Roth, ZHR 175 (2011), 605, 629 (jeweils zur alten Fassung); Paschos/Goslar, NZG 2012, 1361 f.; Scholderer, NZG 2012, 168, 171. Ausführlich zur Entwicklung Hoffmann-Becking, NZG 2014, 801, 805 f. 49 ABl. EU L 52/51. 50 Ziff. 13.1 der Empfehlung. 44

344

Kap. 5: Entsendungsrechte und Corporate Governance

unabhängiges Organmitglied darf folglich kein kontrollierender Aktionär sein oder einen solchen vertreten.51 Mit der Neuregelung ergeben sich für Entsendungsrechte zweierlei Fragenkomplexe: Zum einen muss geklärt werden, wie die Unabhängigkeit bei entsandten Aufsichtsratsmitgliedern zu bewerten ist und ob diese möglicherweise per se als abhängig anzusehen sind. Zum anderen stellt sich die Frage, ob die Neuregelung eine Tendenz dahingehend erkennen lässt, dass die Vertretung von Einzelinteressen im Aufsichtsrat unter Corporate Governance-Gesichtspunkten heute generell unerwünscht ist. 1. Der Unabhängigkeitstatbestand bei entsandten Aufsichtsratsmitgliedern Besondere Beziehungen, die die Unabhängigkeit ausschließen, können bei entsandten Aufsichtsratsmitgliedern ebenso bestehen wie bei gewählten Mitgliedern. Sie liegen in der jeweiligen Person begründet; die Bestellungsform spielt hierbei zunächst keinerlei Rolle. Denkbar wäre es allerdings, entsandte Aufsichtsmitglieder aufgrund ihrer besonderen Stellung bereits per se als abhängig anzusehen. Es wurde bereits dargelegt, dass entsandte Aufsichtsratsmitglieder insofern vom jeweiligen Entsendungsberechtigten „abhängig“ sind, als dieser sie nach § 103 Abs. 2 S. 1 AktG jederzeit abberufen kann, wodurch zweifellos eine gewisse Drucksituation erzeugt wird und eine Einflussnahme naheliegend erscheint.52 Fraglich ist allerdings, ob dies automatisch auch zu einer fehlenden Unabhängigkeit i.S.d. DCGK führt. Maßgeblich dafür ist der sich aus Ziff. 5.4.2 S. 2 DCGK ergebende Abhängigkeitstatbestand. a) Bezugssubjekte der Unabhängigkeit aa) Kontrollierender Aktionär Soweit es um die Abhängigkeit von Aktionären geht, ist zunächst zu beachten, dass nach Ziff. 5.4.2 S. 2 DCGK lediglich Beziehungen zu einem „kontrollierenden“ Aktionär (oder einem mit diesem verbundenen Unternehmen) die Unabhängigkeit ausschließen. Die Auslegung des Kontrollbegriffs ist in diesem Zusammenhang umstritten. Einigkeit besteht soweit ersichtlich nur dahingehend, dass der starre 30 %-Schwellenwert des § 29 Abs. 2 WpÜG hierfür ungeeignet ist.53 Nach einer Ansicht in der Literatur soll stattdessen der auch in der EU-Empfehlung vorausgesetzte bilanzrechtliche Kontrollbegriff maßgeblich sein, der im deutschen Recht in

51 Ziff. 1 lit. d des Anhangs II der Empfehlung; siehe zum Ganzen auch Kremer, in: Ringleb/Kremer/Lutter/v. Werder, DCGK, Rn. 1005. 52 Siehe bereits oben Kap. 1, A. IV. 4. a), insb. Fn. 129. 53 Stephanblome, NZG 2013, 445, 448; Paschos/Goslar, NZG 2012, 1361, 1363; Ringleb/ Kremer/Lutter/v. Werder, NZG 2012, 1081, 1088; Kremer/v. Werder, AG 2013, 340, 344; Hasselbach/Jakobs, BB 2013, 643, 648; M. Klein, AG 2012, 805, 807.

B. Die Vorgaben des Deutschen Corporate Governance Kodex

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§ 290 HGB umgesetzt wurde.54 Die Gegenansicht will dagegen auf den konzernrechtlichen Beherrschungsbegriff der §§ 15 ff. AktG zurückgreifen,55 was angesichts der gleichgerichteten Schutzrichtung und der größeren Sachnähe dieser Vorschriften durchaus naheliegend erscheint. Unterschiede zwischen diesen Kontrollbegriffen ergeben sich allerdings ohnehin nur in wenigen Einzelfällen.56 Maßgeblich sind letztlich eine Stimmrechtsmehrheit in der Hauptversammlung oder andere Umstände, die eine bestimmende bzw. beherrschende Einflussnahme auf die Gesellschaft ermöglichen.57 Eine weitere, bislang vereinzelt gebliebene Ansicht will die Kontrolle indes rein faktisch bestimmen. Kontrollierender Aktionär soll danach derjenige sein, „der die Mitglieder des Aufsichtsrats bestimmt hat.“58 Es gehe bei Ziff. 5.4.2. DCGK „um das schon durch die Einsetzung entstehende Konfliktpotential“.59 Dies wird man aber keinesfalls so verstehen können, dass ein Aktionär, der aufgrund eines Entsendungsrechts lediglich eine Minderheit der Aufsichtsratsmitglieder bestellt hat, diesen Mitgliedern gegenüber als „kontrollierender Aktionär“ gelten soll. Abgestellt wird nämlich auch nach dieser Ansicht auf die durch die mehrheitliche Bestimmung der Aufsichtsratsmitglieder verwirklichte Entscheidungsmacht und den damit verbundenen Einfluss auf das operative Geschäft.60 Ein entsendungsberechtigter Aktionär, der nicht noch weitere Mitglieder durch Wahl in der Hauptversammlung bestimmen kann, hat diesen Einfluss zweifellos nicht.61 Zudem hätte ein an die jeweiligen Bestellungsmodalitäten des einzelnen Mitglieds anknüpfender Begriff mit dem gängigen Verständnis der Kontrolle überhaupt nichts mehr zu tun. Dass die Kodex-Kommission etwas Derartiges im Sinn hatte, ist höchst unwahrscheinlich. Damit steht fest, dass keinesfalls jeder entsendende Aktionär ein kontrollierender Aktionär i.S.d. DCGK ist. Die Unabhängigkeit eines entsandten Mitglieds kann nach Ziff. 5.4.2 S. 2 DCGK allein aufgrund der Entsendung vielmehr allenfalls dann ausgeschlossen sein, wenn der entsendende Aktionär auch über die (faktische) Stimmrechtsmehrheit in der Hauptversammlung verfügt oder aufgrund anderer Umstände einen bestimmenden bzw. beherrschenden Einfluss ausüben kann. Bei Aufsichtsratsmitgliedern, die durch einen Aktionär ohne derartige Einflussposition

54 Stephanblome, NZG 2013, 445, 448; ebenso Hasselbach/Jakobs, BB 2013, 643, 648 (allerdings ohne ausdrücklichen Hinweis auf § 290 HGB). 55 Kremer, in: Ringleb/Kremer/Lutter/v. Werder, DCGK, Rn. 1013; Ringleb/Kremer/Lutter/v. Werder, NZG 2012, 1081, 1088; noch deutlicher Kremer/v. Werder, AG 2013, 340, 344; Paschos/Goslar, NZG 2012, 1361, 1363; wohl auch M. Klein, AG 2012, 805, 807 (allerdings mit dem 30 %-Schwellenwert aus § 29 Abs. 2 WpÜG als Mindestanteilsgrenze). 56 Vgl. Stephanblome, NZG 2013, 445, 449; Paschos/Goslar, NZG 2012, 1361, 1363. 57 Vgl. Stephanblome, NZG 2013, 445, 448 f. 58 Florstedt, ZIP 2013, 337, 341. 59 Florstedt, ZIP 2013, 337, 341. 60 Vgl. Florstedt, ZIP 2013, 337, 341. 61 Siehe dazu auch schon oben Kap. 3, B. IX. 1.

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Kap. 5: Entsendungsrechte und Corporate Governance

entsandt wurden, kommt dagegen eine generelle Abhängigkeit i.S.v. Ziff. 5.4.2 S. 2 DCGK nicht in Betracht. bb) Organe der Gesellschaft Einen Sonderfall bilden insofern allerdings entsendungsberechtigte VorstandsAktionäre. Die Unabhängigkeit wird nach Ziff. 5.4.2 S. 2 DCGK auch durch Beziehungen zu Organen der Gesellschaft ausgeschlossen. Hier kommen insbesondere die Mitglieder des Vorstands in Betracht.62 Ist also ein entsendungsberechtigter Aktionär zugleich Mitglied des Vorstands, kann eine abhängigkeitsrelevante Beziehung des entsandten Mitglieds zu einem Organ der Gesellschaft vorliegen. Auf den vorstehend erörterten Kontrollbegriff kommt es dann nicht an. Gleiches gilt, wenn der Entsendungsberechtigte selbst im Aufsichtsrat sitzt, da seit der Kodexreform 2012 auch Beziehungen zum Aufsichtsrat bzw. dessen Mitgliedern erfasst sind.63 b) Persönliche oder geschäftliche Beziehungen Die Unabhängigkeit wird nach Ziff. 5.4.2 S. 2 DCGK allerdings nur dann ausgeschlossen, wenn das Aufsichtsratsmitglied in „einer persönlichen oder einer geschäftlichen Beziehung“ zu einem kontrollierenden Aktionär oder einem Organ der Gesellschaft steht. Persönliche Beziehungen sind dabei nur zu natürlichen, nicht aber zu juristischen Personen möglich.64 Allerdings kann bei juristischen Personen auf die Mitglieder der Geschäftsführung abgestellt werden.65 Erfasst sind Beziehungen zu engen Familienangehörigen wie Ehegatten, Lebenspartnern und Kindern,66 nach teilweise vertretener Auffassung auch besonders enge freundschaftliche Beziehungen.67 Geschäftliche Beziehungen sind zu verstehen als ökonomische Austauschverhältnisse,68 etwa im Rahmen von Liefer-, Finanz- und Kundenbeziehungen.69 Zudem liegt eine geschäftliche Beziehung in dem praktisch bedeutsamen Fall vor, 62

Vgl. Stephanblome, NZG 2013, 445, 447; Kremer/v. Werder, AG 2013, 340, 341 f. Dazu allgemein Ringleb/Kremer/Lutter/v. Werder, NZG 2012, 1081, 1087; kritisch Paschos/Goslar, NZG 2012, 1361, 1362; Stephanblome, NZG 2013, 445, 447 (der lediglich Beziehungen zu ihrerseits abhängigen Aufsichtsratsmitgliedern erfassen will); HoffmannBecking, NZG 2014, 801, 804. Siehe zur Kritik hieran auch unten C. IV. 2. 64 Kremer, in: Ringleb/Kremer/Lutter/v. Werder, DCGK, Rn. 1015; Kremer/v. Werder, AG 2013, 340, 343. 65 Stephanblome, NZG 2013, 445, 447; Ringleb/Kremer/Lutter/v. Werder, NZG 2012, 1081, 1086. 66 Stephanblome, NZG 2013, 445, 447; Kremer/v. Werder, AG 2013, 340, 343; Kremer, in: Ringleb/Kremer/Lutter/v. Werder, DCGK, Rn. 1015. 67 Paschos/Goslar, NZG 2012, 1361, 1365; a.A. Stephanblome, NZG 2013, 445, 447. 68 Kremer/v. Werder, AG 2013, 340, 344; Stephanblome, NZG 2013, 445, 446. 69 Kremer, in: Ringleb/Kremer/Lutter/v. Werder, DCGK, Rn. 1016; Kremer/v. Werder, AG 2013, 340, 344. 63

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dass ein Organmitglied oder sonstiger Vertreter (z. B. Prokurist) des kontrollierenden Aktionärs in den Aufsichtsrat bestellt wird,70 wobei „Vertretung“ insofern eine rechtsgeschäftliche oder gesetzliche (organschaftliche) Vertretungsmacht voraussetzt.71 Handelt es sich mithin bei dem kontrollierenden Aktionär um eine juristische Person und entsendet diese eines ihrer Vorstandsmitglieder oder einen sonstigen leitenden Angestellten in den Aufsichtsrat, so wird hier in aller Regel eine Abhängigkeitsbeziehung vorliegen. Fraglich bleibt aber, ob von diesen Fällen abgesehen bereits die Entsendung an sich eine geschäftliche Beziehung i.S.v. Ziff. 5.4.2 S. 2 DCGK begründet. Dies wird man im Grundsatz ablehnen müssen, da es sich bei der Entsendung lediglich um einen korporationsrechtlichen Akt handelt, der kein Austauschverhältnis und damit für sich betrachtet auch keine geschäftliche Beziehung beinhaltet. Anderenfalls müsste strenggenommen auch die Wahl eines Aufsichtsratsmitglieds eine geschäftliche Beziehung begründen; dann wäre aber jeder mit den Stimmen eines Mehrheitsaktionärs gewählte Kandidat per se abhängig, was kaum im Sinne der differenzierten Regelung des DCGK sein dürfte.72 Entsprechend soll auch die bloße Nominierung eines Aufsichtsmitglieds durch einen kontrollierenden Aktionär keine geschäftliche Beziehung darstellen.73 Maßgeblich dürfte deshalb auch im Falle der Entsendung vielmehr das Rechtsverhältnis zwischen Entsendungsberechtigtem und Entsandtem im Einzelfall sein. Regelmäßig handelt es sich dabei entweder um ein Auftragsverhältnis (§§ 662 ff. BGB) oder – sofern der Entsandte vom Entsendungsberechtigten eine Vergütung erhält – um einen Geschäftsbesorgungsvertrag (§ 675 BGB).74 Nur im letzteren Fall wird man von einer geschäftlichen Beziehung ausgehen können. Wird der Entsandte dagegen unentgeltlich im Auftrag des Entsendungsberechtigten tätig, fehlt es am ökonomischen bzw. austauschvertraglichen Charakter. c) Weitere ungeschriebene Fälle Damit ist die Frage allerdings noch nicht abschließend beantwortet, denn zahlreiche Stimmen im Schrifttum verstehen Ziff. 5.4.2 S. 2 DCGK lediglich als eine 70

Hasselbach/Jakobs, BB 2013, 643, 647; ähnlich Kremer/v. Werder, AG 2013, 340, 344 („Repräsentanten“). 71 „Vertreter“ in diesem Sinne kann keinesfalls jede Person sein, die in irgendeiner Form dem Lager des kontrollierenden Aktionärs zuzuordnen ist. Entscheidend ist stets die Beziehung im Innenverhältnis, die wie gezeigt den Charakter einer Austauschbeziehung haben muss. Anderenfalls wäre das Erfordernis einer „geschäftlichen“ Beziehung völlig bedeutungslos. 72 Vgl. auch Stephanblome, NZG 2013, 445, 448, der zwischen „Repräsentanten“ eines kontrollierenden Aktionärs und – gleichwohl von diesem gewählten – „Dritten“ unterscheidet. 73 Hasselbach/Jakobs, BB 2013, 643, 647. 74 Habersack, in: MünchKomm AktG, § 101 Rn. 46; Hopt/M. Roth, in: Großkomm AktG, § 101 Rn. 155; Spindler, in: Spindler/Stilz, AktG, § 101 Rn. 76; Mertens/Cahn, in: KölnKomm AktG, § 101 Rn. 72.

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Zusammenstellung nicht abschließender Regelbeispiele.75 Dies ergebe sich aus der Verwendung des Wortes „insbesondere“.76 Daher könnten unter Umständen auch Beziehungen zu Aktionären ohne kontrollierende Beteiligung zur Unabhängigkeit führen.77 Ebenso wäre es denkbar, in der besonders gelagerten Situation der Entsendung auch bei fehlender geschäftlicher Beziehung von einem ungeschriebenen Fall der Abhängigkeit auszugehen.78 Eine derart erweiterte Auslegung des Abhängigkeitstatbestandes wird allerdings von einigen Autoren als bedenklich angesehen. Der Tatbestand des Kodex stelle kein bloßes Regelbeispiel dar, sondern lege die Fälle fehlender Unabhängigkeit im Kern unwiderleglich fest. Die Öffnung des Tatbestands diene lediglich der Erfassung von Einzelfällen, die sich einer Systematisierung entziehen.79 Sie dürfe die Begrenzungen in Ziff. 5.4.2 S. 2 DCGK und die dadurch zum Ausdruck kommende Grundwertung der Kodex-Kommission aber nicht aushebeln.80 Ohne diese Begrenzungen werde der Unabhängigkeitsbegriff völlig konturenlos und damit für die Praxis nicht mehr handhabbar.81 Diese Bedenken sind nicht unbegründet. Erweitert man den Abhängigkeitstatbestand zu einer offenen Generalklausel, wird es für den Aufsichtsrat im Einzelfall kaum mehr möglich sein, festzustellen, ob ein Mitglied bzw. Kandidat die Kriterien erfüllt oder nicht. Eine derartige Unsicherheit kann aber kaum im Sinne der detaillierten Regelung des Kodex sein. Deshalb ist es grundsätzlich richtig, die Öffnungsklausel in Ziff. 5.4.2 S. 2 DCGK eng auszulegen und hierüber nur ganz besonders gelagerte Einzelfälle zu erfassen. Soweit es um Aufsichtsratsmitglieder geht, die von einem nicht kontrollierenden Minderheitsaktionär ohne Vorstands- oder Aufsichtsratsamt entsandt worden sind, ist ein ungeschriebener Fall der Abhängigkeit deshalb klar abzulehnen. Die KodexKommission hat insofern drei „Beziehungsadressaten“82 festgelegt, die für die Abhängigkeit relevant sind: Dies sind die Gesellschaft, deren Organe und kontrollierende Aktionäre. Sonstige Aktionäre sind gerade nicht erfasst.83 Dies entspricht 75 Hasselbach/Jakobs, BB 2013, 643, 646 f., 648 f.; M. Klein, AG 2012, 805, 806; M. Roth, WM 2012, 1985, 1986. 76 M. Klein, AG 2012, 805, 806; M. Roth, WM 2012, 1985, 1986. 77 Hasselbach/Jakobs, BB 2013, 643, 648 f.; M. Roth, WM 2012, 1985, 1986; a.A. Paschos/Goslar, NZG 2012, 1361, 1363. 78 Nach Hasselbach/Jakobs, BB 2013, 643, 647 soll selbst die bloße Nominierung eines Kandidaten durch einen kontrollierenden Aktionär im Einzelfall zur Abhängigkeit führen können. Für die Entsendung müsste dies dann erst recht gelten. 79 Stephanblome, NZG 2013, 445, 451. 80 Stephanblome, NZG 2013, 445, 451; Paschos/Goslar, NZG 2012, 1361, 1363. 81 Paschos/Goslar, NZG 2012, 1361, 1363. 82 Kremer, in: Ringleb/Kremer/Lutter/v. Werder, DCGK, Rn. 1011 ff. 83 Zu beachten ist in diesem Zusammenhang auch, dass die ursprünglichen Änderungsvorschläge der Kodex-Kommission von Januar 2012 noch strenger gefasst waren und jeden wesentlichen Aktionär mit einer Beteiligung von 10 % der Aktien oder mehr erfassten, vgl. Scholderer, NZG 2012, 168, 172; Hoffmann-Becking, NZG 2014, 801, 805 f. Dies wurde in-

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auch der Empfehlung der EU-Kommission, an die Ziff. 5.4.2 S. 2 DCGK angelehnt ist:84 Ziff. 13.1 der Empfehlung spricht vom „Mehrheitsaktionär“, Ziff. 1 lit. d des Anhangs II zur Empfehlung vom „Anteilseigner mit einer Kontrollbeteiligung“. Beziehungen zu sonstigen Aktionären sind auch hiernach für die Unabhängigkeit schlicht irrelevant. Für diese Sichtweise lässt sich ferner Erwägungsgrund 7 zur Empfehlung anführen, der zwei Konfliktsituationen benennt, die durch die Präsenz unabhängiger Organmitglieder entschärft werden sollen: Zum einen den klassischen principal-agent-Konflikt zwischen Geschäftsführung und Anteilseignern in Gesellschaften mit breit gestreutem Anteilsbesitz, zum anderen den principal-principal-Konflikt zwischen Mehrheitsaktionär und Minderheitsaktionären in Gesellschaften mit einem kontrollierenden Anteilseigner. Im letzteren Fall besteht das Anliegen darin, „dass die Interessen der Minderheitsaktionäre hinreichend berücksichtigt werden“.85 Nach dieser Konzeption des Unabhängigkeitspostulats sind Beziehungen zu Minderheitsaktionären nicht von entscheidender Bedeutung, da sie keine der problematischen und deshalb regelungsbedürftigen Konfliktsituationen betreffen. Erwägungen im Schrifttum, auch Beziehungen zu nicht kontrollierenden Aktionären einzubeziehen,86 schießen insofern über das Ziel hinaus. Es verbleibt damit der Fall eines durch den kontrollierenden Aktionär oder einen Vorstands- bzw. Aufsichtsrats-Aktionär entsandten, aber nicht in persönlicher oder geschäftlicher Beziehung stehenden Aufsichtsratsmitglieds. Hier fällt die Beurteilung schwerer. Gegen die Annahme eines ungeschriebenen Abhängigkeitsfalles spricht die Tatsache, dass die Kodex-Kommission Ziff. 5.4.2 S. 2 DCGK zwar an die Unabhängigkeitsdefinition der EU-Kommissionsempfehlung angelehnt hat, anders als diese aber „sonstige Beziehungen“ zum kontrollierenden Anteilseigner gerade nicht mit einbezogen hat.87 Der Kodex geht hier, wie auch in anderen Punkten, bewusst „seinen eigenen Weg zu den Unabhängigkeitsfragen“.88 Gleichwohl fällt es schwer, ein entsandtes Aufsichtsratsmitglied, das von dem entsendenden Aktionär eigenhändig ausgewählt wurde und zudem jederzeit von diesem abberufen und ausgetauscht werden kann, als unabhängig einzustufen. Die Entsendung ist stets Ausdruck eines besonderen Vertrauens des Berechtigten und geht insofern über eine bloße Nominierung und Wahl in der Hauptversammlung hinaus. Ihr Zweck besteht folge der Konsultationen jedoch entschärft, worin unmissverständlich eine bewusste Entscheidung der Kodex-Kommission zum Ausdruck kommt. 84 Vgl. Stephanblome, NZG 2013, 445, 446. 85 Erwägungsgrund 7 S. 2 der Empfehlung; siehe auch Scholderer, NZG 2012, 168, 169; ferner Hasselbach/Jakobs, BB 2013, 643, 647, die dies auch als Anliegen des DCGK identifizieren. 86 Hasselbach/Jakobs, BB 2013, 643, 648 f.; M. Roth, WM 2012, 1985, 1986. 87 Vgl. Stephanblome, NZG 2014, 445, 446. Ob der Begriff der „sonstigen Beziehung“ i.S.d. EU-Empfehlung die (bloße) Entsendung als Bestellungsform erfasst, ist freilich ebenfalls offen. 88 Kremer, in: Ringleb/Kremer/Lutter/v. Werder, DCGK, Rn. 1006 (allgemein zum Verhältnis zwischen EU-Empfehlung und Kodex).

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gerade darin, die Vertretung der Interessen des Entsenders im Aufsichtsrat zu ermöglichen. In dieser besonderen Konstellation kann die Gefahr eines wesentlichen und dauerhaften Interessenkonflikts zum Schaden der Gesellschaft bzw. der Minderheitsaktionäre – und darauf muss es letztlich entscheidend ankommen – nicht ernsthaft bestritten werden, auch wenn damit freilich keineswegs ein Vorwurf verbunden ist, der Entsandte werde im Konfliktfall entgegen seiner gesetzlichen Pflicht den Interessen des Entsenders tatsächlich den Vorrang vor denen der Gesellschaft einräumen. Mangelnde Unabhängigkeit beschreibt insofern lediglich eine abstrakte Gefahr.89 Dass die Kodex-Kommission den besonderen Fall der Entsendung nicht ausdrücklich berücksichtigt hat, lässt sich zudem durchaus mit der geringen praktischen Relevanz von Entsendungsrechten in börsennotierten Gesellschaften90 erklären. Der Verzicht auf das Merkmal der „persönlichen“ oder „geschäftlichen“ Beziehung in dieser speziellen Konstellation bedeutet insofern auch keine Aushebelung einer grundlegenden Wertung der Kodex-Kommission. Im Übrigen dürfte sich die Annahme der Abhängigkeit vom Entsender auch ohne geschäftliche Beziehung mit der Sichtweise bedeutender Marktakteure decken,91 was zwar keineswegs maßgeblich ist,92 aber im Rahmen einer kapitalmarktorientierten teleologischen Auslegung93 zumindest berücksichtigt werden kann. d) Wesentlicher und dauerhafter Interessenkonflikt Die genannten Beziehungen schließen die Unabhängigkeit nach Ziff. 5.4.2. S. 2 DCGK nur aus, wenn sie einen wesentlichen und nicht nur vorübergehenden Interessenkonflikt begründen können. Diese Gefahr ist aus den genannten Gründen bei entsandten Vertretern aber generell zu bejahen, sodass es auf dieses Tatbestandsmerkmal nicht mehr entscheidend ankommt. e) Zwischenergebnis Die Unabhängigkeit entsandter Aufsichtsratsmitglieder beurteilt sich nach dem DCGK im Grundsatz nicht anders als die von gewählten Mitgliedern. Allerdings muss bei solchen Mitgliedern, die von kontrollierenden Aktionären oder Aktionären mit Sitz im Vorstand oder Aufsichtsrat entsandt worden sind, die Unabhängigkeit in aller Regel verneint werden, und zwar losgelöst von den konkreten persönlichen oder geschäftlichen Beziehungen im Innenverhältnis. Bei der Entsendung durch sonstige 89

Vgl. Scholderer, NZG 2012, 168, 171. Siehe dazu oben Kap. 2, A. II. 1. 91 Hasselbach/Jakobs, BB 2013, 643, 647 weisen insofern auf die European Proxy Voting Guidelines des international tätigen Stimmrechtsberaters Institutional Shareholder Services (ISS) hin, der bereits durch den Mehrheitsaktionär nominierte Aufsichtsratsmitglieder im Regelfall als abhängig qualifiziert. 92 Vgl. Merkt, ZVglRWiss 103 (2004), 263, 266 f. 93 Dazu Leyens, in: Großkomm AktG, § 161 Rn. 109 f. 90

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Aktionäre gilt dies jedoch nicht. Hier kann die Abhängigkeit nur beim Vorliegen anderweitiger Beziehungen zur Gesellschaft, ihren Organen oder einem kontrollierenden Aktionär angenommen werden. 2. Exkurs: Relevanz für die Auslegung des § 100 Abs. 5 AktG Auch das Aktiengesetz enthält seit 2009 eine Regelung, die auf die Unabhängigkeit von Aufsichtsratsmitgliedern Bezug nimmt. Nach § 100 Abs. 5 AktG muss bei kapitalmarktorientierten Gesellschaften mindestens ein unabhängiges Mitglied des Aufsichtsrats über Sachverstand auf den Gebieten der Rechnungslegung oder Abschlussprüfung verfügen. Die Vorschrift verlangt damit mindestens einen sog. unabhängigen Finanzexperten im Aufsichtsrat.94 Auf eine Legaldefinition der Unabhängigkeit hat der Gesetzgeber verzichtet, in der Gesetzesbegründung allerdings zumindest auf die EU-Kommissionsempfehlung sowie die Unabhängigkeitsregelung in Ziff. 5.4.2 S. 2 DCGK hingewiesen.95 Ob die Unabhängigkeit i.S.v. § 100 Abs. 5 AktG deshalb gleichlaufend auszulegen ist, ist umstritten. Dies gilt insbesondere für die Frage, ob der Aufsichtsrat kapitalmarktorientierter Tochtergesellschaften auch nach § 100 Abs. 5 AktG zwingend über ein Mitglied verfügen muss, das keine Beziehungen zum herrschenden Aktionär unterhält.96 Sofern man dies bejaht, wird man aber konsequenterweise auch die Wertungen und Begrenzungen der EUEmpfehlung sowie des DCGK für die Auslegung heranziehen müssen. Daher wären bei Aufsichtsratsmitgliedern, die durch kontrollierende Aktionäre entsandt worden sind, auch im Rahmen von § 100 Abs. 5 die oben dargelegten Grundsätze anwendbar. Für solche Mitglieder, die durch Vorstands-Aktionäre entsandt worden sind, gilt dies ohnehin, da keine Zweifel daran bestehen können, dass auch die Unabhängigkeit nach § 100 Abs. 5 AktG durch Beziehungen zu Vorstandsmitgliedern ausgeschlossen wird.97

94

Habersack, in: MünchKomm AktG, § 100 Rn. 1 f. Begr. RegE zum Gesetz zur Modernisierung des Bilanzrechts (BilMoG) vom 25. 5. 2009, BT-Drucks. 16/10067, S. 101 f.; Habersack, in: MünchKomm AktG, § 100 Rn. 3; Mertens/ Cahn, in: KölnKomm AktG, § 100 Rn. 59. 96 Dafür etwa Habersack, in: MünchKomm AktG, § 100 Rn. 68 (m.w.N.); Spindler, in: Spindler/Stilz, AktG, § 100 Rn. 44; Bayer, NZG 2013, 1, 11; Roth, ZHR 175 (2011), 605, 628 f.; wohl auch Scholderer, NZG 2012, 168, 172; dagegen Mertens/Cahn, in: KölnKomm AktG, § 100 Rn. 67 f.; Drygala, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 100 Rn. 50 (der insb. auch entsandte Mitglieder ausnimmt); Grigoleit/Tomasic, in: Grigoleit, AktG, § 100 Rn. 13, 18; Koch, in: Hüffer, AktG, § 100 Rn. 24; wohl auch Bürgers/Israel, in: Bürgers/Körber, AktG, § 100 Rn. 11b. 97 Vgl. insofern Begr. RegE BilMoG, BT-Drucks. 16/10067, S. 101; Mertens/Cahn, in: KölnKomm AktG, § 100 Rn. 72, 74. 95

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Kap. 5: Entsendungsrechte und Corporate Governance

3. Vollständige Unabhängigkeit als allgemeine Zielsetzung der Corporate Governance? Was folgt nun aus diesen Erkenntnissen? Steht hinter dem Konzept der Unabhängigkeit womöglich die Wertung, dass für eine gute Corporate Governance jedwede Vertretung von Partikularinteressen im Aufsichtsrat zu vermeiden ist? In diesem Fall müssten Instrumente wie Entsendungsrechte unter Corporate Governance-Gesichtspunkten prinzipiell abgelehnt werden, da sie genau auf eine derartige Interessenvertretung abzielen. Nach der hier vertretenen Auslegung des geltenden Unabhängigkeitsbegriffs besteht zu einer derart verallgemeinerten Folgerung schon deshalb kein Anlass, weil die Unabhängigkeit nicht durch jeden potenziellen Interessenkonflikt ausgeschlossen wird, sondern nur durch solche, bei denen das Unternehmensinteresse mit Interessen der Organmitglieder oder herrschender Aktionäre kollidiert. Zwar wird in manch ausländischer Rechtsordnung an deutlich niedrigere Schwellenwerte des Anteilsbesitzes angeknüpft, sodass auch Beziehungen zu bedeutenden, aber nicht kontrollierenden Aktionären zur Abhängigkeit führen.98 Da die Unabhängigkeit durch Beziehungen zu Minderheitsaktionären aber weder nach den Vorgaben der EU-Kommission, noch gemäß des DCGK ausgeschlossen wird, kann kaum konstatiert werden, dass die Vertretung derartiger Interessen auf breiter Basis abgelehnt wird; vielmehr scheint dies im internationalen Vergleich sehr unterschiedlich bewertet zu werden.99 Auch im Bereich der durch einen Mehrheitsaktionär kontrollierten Gesellschaften ist Zurückhaltung geboten. Zunächst ist das Postulat der Unabhängigkeit von herrschenden Aktionären – insbesondere in Deutschland mit seinen spezifischen konzern- und mitbestimmungsrechtlichen Regelungen – nach wie vor sehr umstritten. Zahlreiche Stimmen im Schrifttum halten diese Prämisse für schlicht unvereinbar mit dem deutschen Konzernrecht, das die Beherrschung einer Tochtergesellschaft durch vollständige Besetzung der Anteilseignerbank mit Vertrauenspersonen der Obergesellschaft erlaube.100 Die Ausweitung des Unabhängigkeits-

98 Vgl. Davies/Hopt, Am.J.Comp.L. 61 (2013), 301, 320 f. mit Angaben zu zahlreichen europäischen Rechtsordnungen; Ferrarini/Filippelli, ECGI Law Working Paper 258/2014, S. 16; Roth, ZHR 175 (2011), 605, 619 f.; Florstedt, RIW 2014, 719, 724. 99 Vgl. zu den sehr unterschiedlichen Sichtweisen zur Unabhängigkeit Davies/Hopt, Am.J.Comp.L. 61 (2013), 301, 317 ff. 100 So etwa Mertens/Cahn, in: KölnKomm AktG, § 100 Rn. 67; Drygala, in: Schmidt/ Lutter, AktG, § 100 Rn. 50; Grigoleit/Tomasic, in: Grigoleit, AktG, § 100 Rn. 13, 18; Hoffmann-Becking, NZG 2014, 801, 806; Langenbucher, ZGR 2007, 571, 594 ff.; besonders deutlich Peltzer, NZG 2012, 368, 370, der hier eine „Unkenntnis der internationalen Ministerialbürokratie in Brüssel in Bezug auf das deutsche Konzern- und Mitbestimmungsrecht“ ausmacht; ebenso drastisch Wilsing/von der Linden, DStR 2012, 1391, 1394, die von einer „Stigmatisierung“ sprechen und in den Neuregelungen keinen Standard guter Unternehmensführung sehen, sondern einen „störenden Fremdkörper“. Auch Hommelhoff, ZIP 2013,

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begriffs sei auch gar nicht erforderlich, da in Konzerngesellschaften den Minderheitsaktionären durch die §§ 311 ff. AktG bereits hinreichender Schutz gewährt werde.101 Im Übrigen zielten doch gerade die Interessen maßgeblich beteiligter Aktionäre auf das Wohlergehen und die Ertragskraft des Investitionsobjekts ab und seien deshalb in der Regel deckungsgleich mit dem Unternehmensinteresse.102 Ebenfalls wird kritisiert, dass mit dem vom kontrollierenden Aktionär unabhängigen Mitglied letztlich ein Minderheitenvertreter im Aufsichtsrat quasi durch die Hintertür eingeführt werde, den der deutsche Gesetzgeber seit jeher bewusst abgelehnt habe.103 Daneben wird darauf hingewiesen – und dies erscheint besonders bedeutsam – dass doch gerade die Vertreter maßgeblich beteiligter Investoren häufig über die für eine effektive Vorstandsüberwachung notwenige Expertise verfügen würden, weswegen ihre Bestellung guter Corporate Governance keineswegs per se widerspreche.104 Aus diesen Erwägungen folgt auch die Erkenntnis, dass das Ziel des Unabhängigkeitspostulats richtigerweise nicht darin bestehen kann, Aufsichtsräte zukünftig nur noch mit unabhängigen Mitgliedern zu besetzen105 – auch wenn dies in manchen Rechtsordnungen offenbar anders gesehen wird.106 Abgesehen davon, dass etwa der DCGK überhaupt keine Vorgaben hinsichtlich des wünschenswerten Anteils unabhängiger Mitglieder enthält, wird vielfach herausgehoben, dass im Aufsichtsrat generell auch Raum und sogar Bedarf für abhängige Mitglieder verbleibt. Diese seien keine „Aufsichtsratsmitglieder zweiter Klasse“, sondern leisteten mit ihren persönlichen Fähigkeiten einen ebenso bedeutenden Beitrag zur effizienten Unternehmenskontrolle wie unabhängige Mitglieder.107 Entsprechend müsse es gerade „als gute Corporate Governance angesehen werden, wenn in einem Konzern Vertreter des kontrollierenden Aktionärs in angemessener Zahl im Aufsichtsrat einer

1645 ff. hält zumindest ein Tätigwerden des Gesetzgebers zur Harmonisierung der Regelungsgebiete für zwingend erforderlich. 101 Paschos/Goslar, NZG 2012, 1361, 1362; Peltzer, NZG 2012, 368, 370; Wilsing/von der Linden, DStR 2012, 1391, 1392; Lieder, Aufsichtsrat, S. 706 f. 102 Vgl. Hoffmann-Becking, NZG 2014, 801, 806; ähnlich Lieder, Aufsichtsrat, S. 707. 103 Hommelhoff, ZIP 2013, 953, 959, 960 f. Siehe zu entsprechenden Reformvorhaben auch oben Kap. 1, B. I. 7. c) und III. 1. 104 Paschos/Goslar, NZG 2012, 1361, 1362; ähnlich Wilsing/von der Linden, DStR 2012, 1391, 1392; Kort, AG 2008, 137, 148. Siehe dazu auch unten C. II. 2. 105 Dies betont auch Butzke, in: FS Hoffmann-Becking, S. 229, 233. Dagegen lehnt Wymeersch, in: Verhandlungen des 67. DJT II/1, S. N 97 die Vertretung von Einzelinteressen und damit auch das Entsendungsrecht grundlegend ab, allerdings ohne ausdrücklichen Bezug zum Unabhängigkeitspostulat. 106 Vgl. etwa M. Roth, WM 2012, 1985, 1986, der auf Unabhängigkeitsquoten von 80 % in den USA und 75 % in den Niederlanden hinweist. 107 Kremer, in: Ringleb/Kremer/Lutter/v. Werder, DCGK, Rn. 1004.

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Kap. 5: Entsendungsrechte und Corporate Governance

börsennotierten Konzerngesellschaft vertreten sind.“108 Schließlich seien doch gerade Mehrheitsaktionäre an einer effektiven Überwachung des Vorstands interessiert.109 Auch wird betont, dass Vertreter von Großaktionären auch durch die Feststellung der Abhängigkeit keineswegs „amtsuntauglich“ würden, da es sich dabei lediglich um eine abstrakte Gefahr, nicht aber den konkreten Nachweis eines dauerhaften Interessenkonflikts handele.110 Fehlende Unabhängigkeit bringe insofern kein negatives Urteil über die individuelle Rechtschaffenheit einer Person zum Ausdruck.111 Diesen Hinweisen ist nachdrücklich beizupflichten. Sicherlich hat das aus dem angloamerikanischen Raum mit seinem monistischen Corporate Governance-System stammende112 Unabhängigkeitspostulat auch im dualistischen System der deutschen Aktiengesellschaft durchaus seine Berechtigung, zumal sich das deutsche Recht angesichts des internationalen Anpassungsdrucks diesem Prinzip langfristig wohl ohnehin nicht hätte verschließen können.113 Gleichzeitig ist aber davor zu warnen, dieses Konzept zu einer Art Allheilmittel gegen Überwachungsdefizite zu überhöhen und damit hergebrachte Governance-Strukturen vom Kopf auf die Füße zu stellen.114 Gesteigerte Unabhängigkeitsanforderungen stellen lediglich einen von zahlreichen Ansätzen dar, um die Effektivität der Überwachung zu stärken – zu nennen sind daneben etwa Professionalisierung und Aktionärs-Aktivismus.115 Die Neutralität der Aufsichtsratsmitglieder versucht das deutsche Aktienrecht in erster Linie durch ihre Weisungsfreiheit sowie ihre Verpflichtung auf das Unternehmensinteresse zu verwirklichen. Von der gesetzlichen Konzeption her sind die Aufsichtsratsmitglieder dennoch stets „Vertreter“ oder „Repräsentanten“ bestimmter stakeholder-Gruppen, nämlich zunächst entweder der Arbeitnehmer oder der Ak-

108

Kremer, in: Ringleb/Kremer/Lutter/v. Werder, DCGK, Rn. 1004; ebenso Kremer/ v. Werder, AG 2013, 340, 343; ähnlich Paschos/Goslar, NZG 2012, 1361, 1362; Wilsing/von der Linden, DStR 2012, 1391, 1392. 109 Mertens/Cahn, in: KölnKomm AktG, § 100 Rn. 67. 110 Scholderer, NZG 2012, 168, 172; ähnlich Weber-Rey, NZG 2013, 766, 767; Mertens/ Cahn, in: KölnKomm AktG, § 100 Rn. 58. 111 Kremer/v. Werder, AG 2013, 340, 342 f.; ebenso Weber-Rey, NZG 2013, 766, 767. 112 Zur Entwicklung Ferrarini/Filippelli, ECGI Law Working Paper 258/2014, S. 4 ff.; Roth, ZHR 175 (2011), 605, 609 ff.; Florstedt, RIW 2014, 719, 720 f. 113 Vgl. Paschos/Goslar, NZG 2012, 1361, 1362; Hommelhoff, ZIP 2013, 1645, 1650. Ferrarini/Filippelli, ECGI Law Working Paper 258/2014, S. 33 deuten an, dass Unabhängigkeitsvorschriften zuweilen allein aufgrund ihrer Signalwirkung für ausländische Investoren eingeführt werden. 114 Sehr pointiert insofern Bainbridge, Corporate Governance, S. 78: „Director independence is the corporate governance success story of the decade. Yet, while conventional wisdom regards director independence with near fetishistic devotion, close examination suggests that independence is no panacea for the ills of corporate governance.“ Vgl. auch Hopt, ZHR 175 (2011), 444, 474, 485 f., der darauf hinweist, dass eindeutige empirische Nachweise für die Effektivität unabhängiger Organmitglieder bisher nicht existieren. 115 Vgl. Ferrarini/Filippelli, ECGI Law Working Paper 258/2014, S. 30. Siehe dazu unten C. I. 1. und D. II.

B. Die Vorgaben des Deutschen Corporate Governance Kodex

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tionäre.116 Da die Aktionäre jedenfalls in Publikumsgesellschaften keine homogene Gruppe darstellen, ist die Vertretung einzelner Aktionäre oder Aktionärsgruppen praktisch unvermeidbar. Die Vorstellung, der Aufsichtsrat könne seine Tätigkeit frei von jeglichen äußeren Einflüssen ausüben, ist eine Utopie und schlicht realitätsfern. Ebenfalls ist zu bedenken, dass ein übersteigerter Wunsch nach Unabhängigkeit durchaus zu Lasten der Qualifikation gehen kann.117 Festzuhalten bleibt nach alledem, dass die Vertretung auch von Einzelinteressen im Aufsichtsrat keineswegs einer guten Corporate Governance widersprechen muss. Der Siegeszug der Unabhängigkeitsregelungen in der jüngeren Vergangenheit ist nicht zwangsläufig als Ausdruck einer derartigen Wertung zu begreifen. Viele grundlegende Fragen sind hier noch offen und werden früher oder später einer Klärung durch den Gesetzgeber bedürfen.118 Bis dahin stehen die Unabhängigkeitsanforderungen dem Konzept der Entsendung nicht zwingend entgegen.

IV. Zwischenergebnis Der DCGK enthält keinerlei Aussagen zu Entsendungsrechten nach § 101 Abs. 2 AktG. Folglich kann ihm eine ablehnende Haltung gegenüber diesem Rechtsinstitut nicht entnommen werden. Die Kodex-Kommission hat vielmehr davon abgesehen, eine wie auch immer geartete Empfehlung in Bezug auf Entsendungsrechte abzugeben. Zwar können entsandte Mitglieder nach dem DCGK als abhängig zu qualifizieren sein. Damit ist jedoch keine die Vertretung von Partikularinteressen im Aufsichtsrat allgemein ablehnende Wertung verbunden. Der DCGK lässt somit keinerlei Rückschlüsse auf die Bewertung von Entsendungsrechten unter Corporate Governance-Gesichtspunkten zu.

116 Vgl. insofern auch Grigoleit/Tomasic, in: Grigoleit, AktG, § 100 Rn. 18, die ebenfalls auf die „Repräsentationsfunktion“ des Aufsichtsrats hinweisen; ähnlich Hoffmann-Becking, NZG 2014, 801, 806. Vgl. ferner Decher, ZIP 1990, 277, 278 f. 117 Überaus deutlich Hoffmann-Becking, NZG 2014, 801, 809: „Übertriebene Unabhängigkeit führt […] zu Inkompetenz.“ Vgl. auch Bainbridge, Corporate Governance, S. 103 f., der darauf hinweist, dass Finanzinstitute in der jüngeren Vergangenheit aufgrund der strengen Unabhängigkeitsanforderungen bereits Schwierigkeiten gehabt hätten, ausreichend qualifizierte Kandidaten mit entsprechender Expertise zu finden. Ähnlich Davies/Hopt, Am.J.Comp.L. 61 (2013), 301, 322 f.; Hopt, ECGI Law Working Paper 207/2013, S. 60 f., 64 f. Siehe dazu auch unten C. II. 2. 118 So auch Hommelhoff, ZIP 2013, 1645 ff.; ders., ZIP 2013, 953, 961.

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Kap. 5: Entsendungsrechte und Corporate Governance

C. Entsendungsrechte und Managementkontrolle durch den Aufsichtsrat In Bezug auf den Aufsichtsrat ist eine gute Corporate Governance gleichzusetzen mit einer effizienten Überwachung des Managements, also des Vorstands.119 Dies wiederum hängt maßgeblich – wenn auch nicht ausschließlich – von der personellen Besetzung des Aufsichtsrats ab.120 Daher ist zu fragen, welche Auswirkungen Entsendungsrechte auf die Überwachungseffizienz des Aufsichtsrats haben können.

I. Personelle Anforderungen an effiziente Aufsichtsräte Welche Anforderungen die Zusammensetzung des Aufsichtsrats erfüllen muss, um eine effiziente Überwachungstätigkeit zu gewährleisten, ist nach wie vor Gegenstand intensiver Forschung auf verschiedensten Fachgebieten.121 Langenbucher identifiziert als die drei wesentlichen Prinzipien hinreichende Qualifikation, Heterogenität und Unabhängigkeit.122 Diese Begriffe werden auch im Folgenden zugrunde gelegt.123

119

Dies umfasst die Überwachung der Geschäftsführung sowie des Risikomanagements des Vorstands. Dazu und zu weiteren Aufgaben des Aufsichtsrats im Einzelnen Lutter, DB 2009, 775, 776 f.; Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, Rn. 61 ff. 120 Vgl. v. Werder, in: Hommelhoff/Hopt/v. Werder, Hdb Corporate Governance, S. 332, 344 f.; Leube, in: Grundei/Zaumseil, Aufsichtsrat im System der Corporate Governance, S. 201, 203. Weitere wesentliche Aspekte sind insbesondere die Information des Aufsichtsrats durch den Vorstand sowie eine effiziente innere Organisation des Aufsichtsrats, um die Verarbeitung der entsprechenden Informationen sicherzustellen, vgl. etwa Leyens, Information des Aufsichtsrats, S. 35 ff. Bihr/Philippsen, DStR 2011, 1133, 1134 ff., unterscheiden zwischen „Strukturqualität“ und „Prozessqualität“ des Aufsichtsrats, wobei eine gute Struktur zu guten Prozessen führen soll. Im Folgenden geht es allein um die Strukturqualität, da Entsendungsrechte keinen unmittelbaren Einfluss auf Prozesse und Abläufe innerhalb des Aufsichtsrats haben. 121 Siehe etwa die Übersicht zu verschiedenen Forschungsansätzen bei Langenbucher, ZGR 2012, 314, 315 ff. 122 Langenbucher, ZGR 2012, 314, 321; ähnlich Leube, in: Grundei/Zaumseil, Aufsichtsrat im System der Corporate Governance, S. 201, 211. Siehe zu Kritik an dieser Einteilung den Diskussionsbericht von Mylich, ZGR 2012, 382 ff. Lutter, in: Hommelhoff/Hopt/v. Werder, Hdb Corporate Governance, S. 321 ff. stellt wesentlich auf Fachkompetenz, Erfahrung und Heterogenität ab. Auf die Qualifikation als Überbegriff für verschiedenste Kompetenzen konzentriert sich v. Werder, in: Hommelhoff/Hopt/v. Werder, Hdb Corporate Governance, S. 331 ff. 123 Die Benutzung dieser Begriffe dient in erster Linie der Systematisierung und besseren Darstellbarkeit. Es ist dies nicht als Aussage dahingehend zu verstehen, dass die drei Kriterien in ihrer Bedeutung gleichwertig seien. Siehe insofern auch unten C. II. 2.

C. Entsendungsrechte und Managementkontrolle durch den Aufsichtsrat

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1. Qualifikation Jedes Aufsichtsratsmitglied muss über hinreichende Sachkunde verfügen, die es ihm erlaubt, die normalerweise anfallenden Geschäftsvorgänge auch ohne fremde Hilfe verstehen und sachgerecht beurteilen zu können.124 Insofern wird man etwa grundlegende Kenntnisse der Unternehmensfinanzierung, der Marktstellung des Unternehmens und des Aktienrechts sowie allgemeine Erfahrung in der Wirtschaft verlangen können.125 Zu einer Inkompatibilität in dem Sinne, dass die Bestellung anfechtbar oder gar nichtig wäre, führt das Fehlen dieser Eigenschaften indes nicht.126 Es kommt aber im Einzelfall eine Haftung des entsprechenden Mitglieds (Übernahmeverschulden) bzw. der Personen in Frage, die das Mitglied vorgeschlagen oder entsandt haben (Auswahlverschulden).127 Strengere Anforderungen an die Qualifikation stellt das Gesetz lediglich an den sog. unabhängigen Finanzexperten nach § 100 Abs. 5 AktG, der über Sachverstand auf den Gebieten Rechnungslegung oder Abschlussprüfung verfügen muss.128 Darüber hinaus werden im Rahmen der Corporate Governance weitere Merkmale gefordert, um eine effektive Überwachungstätigkeit zu gewährleisten. So bestimmt Ziff. 5.4.1 Abs. 1 DCGK: „Der Aufsichtsrat ist so zusammenzusetzen, dass seine Mitglieder insgesamt über die zur ordnungsgemäßen Wahrnehmung der Aufgaben erforderlichen Kenntnisse, Fähigkeiten und fachlichen Erfahrungen verfügen.“ Dies geht einerseits über die oben genannten Mindestqualifikationen hinaus, macht andererseits aber auch deutlich, dass nicht jedes Mitglied über spezielle Fachkenntnisse verfügen muss, sondern nur das Gremium in seiner Gesamtheit.129 Gleichzeitig nimmt der Kodex den Aufsichtsrat in die Pflicht, konkrete Ziele im Hinblick auf seine Zusammensetzung zu benennen (Ziff. 5.4.1 Abs. 2 DCGK) und insbesondere durch geeignete Wahlvorschläge an die Hauptversammlung (Ziff. 5.4.1 Abs. 3 DCGK) auf eine optimale Zusammensetzung hinzuwirken.130 Hierfür sollen die amtierenden Mitglieder bzw. der Nominierungsausschuss eine fachliche Idealbe-

124

BGHZ 85, 293, 295 f.; Mertens/Cahn, in: KölnKomm AktG, § 100 Rn. 10; Drygala, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 100 Rn. 30; Lutter, in: Hommelhoff/Hopt/v. Werder, Hdb Corporate Governance, S. 323; Langenbucher, ZGR 2012, 314, 325 f.; Lieder, Aufsichtsrat, S. 723. 125 Spindler, in: Spindler/Stilz, AktG, § 100 Rn. 48. 126 Langenbucher, ZGR 2012, 314, 326, 338; Spindler, in: Spindler/Stilz, AktG, § 100 Rn. 47; Habersack, in: MünchKomm AktG, § 100 Rn. 13; Drygala, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 100 Rn. 30. 127 Vgl. Habersack, in: MünchKomm AktG, § 100 Rn. 5, 13, § 101 Rn. 17, 45. Siehe dazu auch bereits oben Kap. 1, A. IV. 4. a) und 5. c) aa). 128 Spindler, in: Spindler/Stilz, AktG, § 100 Rn. 47; Langenbucher, ZGR 2012, 314, 325. 129 Vgl. Lutter, in: Hommelhoff/Hopt/v. Werder, Hdb Corporate Governance, S. 324; Bihr/ Philippsen, DStR 2011, 1133, 1134; Lieder, Aufsichtsrat, S. 725; Arbeitskreis Externe und Interne Überwachung der Unternehmung der Schmalenbach-Gesellschaft für Betriebswirtschaft e.V., DB 2006, 1625. 130 Vgl. Kremer, in: Ringleb/Kremer/Lutter/v. Werder, DCGK, Rn. 967 ff.

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Kap. 5: Entsendungsrechte und Corporate Governance

setzung des Aufsichtsrats erarbeiten.131 Insofern schlägt Lutter konkret vor, dass im Aufsichtsrat etwa Fachkompetenzen in den Bereichen Rechnungslegung, Controlling, Revision, Compliance, Abschlussprüfung, Steuern sowie Unternehmens- und Vertragsrecht vertreten sein sollten. Ferner werden Personen mit eigenen Erfahrungen als Unternehmensleiter, mit Auslandserfahrung und gegebenenfalls mit Renommee im Bereich Forschung und Entwicklung empfohlen.132 Als weitere Aspekte, auf die bei der Besetzung neben fachlichen Qualifikationen geachtet werden sollte, nennt v. Werder Lösungsorientierung, Strategiekompetenz, Veränderungskompetenz, Kommunikationsfähigkeit sowie weitere governancespezifische Kompetenzen.133 2. Heterogenität Die soeben geschilderte Idealbesetzung nach dem Vorschlag Lutters spiegelt auch das Ziel einer größtmöglichen Heterogenität wieder, soll doch hiernach der Aufsichtsrat mit Vertretern verschiedenster Fachrichtungen ausgewogen besetzt werden.134 Das Erfordernis der Heterogenität geht jedoch darüber hinaus. Hierunter fällt insbesondere der Wunsch, Aufsichtsräte vermehrt auch mit ausländischen und – wie es der DCGK in Ziff. 5.4.1 Abs. 2 S. 2 empfiehlt – weiblichen Mitgliedern zu besetzen.135 Auch das deutsche Konzept der Arbeitnehmermitbestimmung im Aufsichtsrat kann als Ausprägung des Heterogenitätsprinzips angesehen werden.136 Allgemein gesprochen soll durch eine diversifizierte Besetzung des Aufsichtsrats sog. „groupthink“- bzw. „Tunnelblick“-Phänomenen vorgebeugt werden.137 Pointiert spricht Seibert insofern auch von einem Aufbrechen des „Klüngels“ bzw. des „old boys network“ in deutschen Aufsichtsräten, also des kleinen Zirkels von Managern, die vor allem im Bereich der DAX-Unternehmen bedeutsame Posten unter sich

131 So Ziff. 11.1 der Empfehlung der EU-Kommission vom 15. 2. 2005 zu den Aufgaben von nicht geschäftsführenden Direktoren/Aufsichtsratsmitgliedern börsennotierter Gesellschaften sowie zu den Ausschüssen des Verwaltungs-/Aufsichtsrats (ABl. EU L 52/51, 56); ebenso Lutter, in: Hommelhoff/Hopt/v. Werder, Hdb Corporate Governance, S. 326. 132 Lutter, in: Hommelhoff/Hopt/v. Werder, Hdb Corporate Governance, S. 326 f.; ders., DB 2009, 775, 778; ders., EuZW 2009, 799, 801 f.; zumindest ähnlich auch Kremer, in: Ringleb/Kremer/Lutter/v. Werder, DCGK, Rn. 985; Bihr/Philippsen, DStR 2011, 1133, 1134; Lieder, Aufsichtsrat, S. 726 f. 133 v. Werder, in: Hommelhoff/Hopt/v. Werder, Hdb Corporate Governance, S. 336 ff. 134 Vgl. insofern auch Ziff. 11.1 der Empfehlung der EU-Kommission (oben Fn. 131). 135 Vgl. dazu Kremer, in: Ringleb/Kremer/Lutter/v. Werder, DCGK, Rn. 986; Seibert, DB 2009, 1167, 1170. Siehe zur künftigen gesetzlichen Geschlechterquote bereits oben Kap. 3, B. X. 136 Langenbucher, ZGR 2012, 314, 327, 338 f. 137 Dazu Langenbucher, ZGR 2012, 314, 318 m.w.N.; Leube, in: Grundei/Zaumseil, Aufsichtsrat im System der Corporate Governance, S. 201, 214 f.

C. Entsendungsrechte und Managementkontrolle durch den Aufsichtsrat

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aufteilen.138 Dass derartige Netzwerke der Objektivität und damit der Überwachungseffizienz abträglich sein können, liegt auf der Hand. 3. Unabhängigkeit Schließlich soll auch die Besetzung des Aufsichtsrats mit einer ausreichenden Anzahl unabhängiger Mitglieder zu einer Verbesserung der Überwachungseffizienz führen, da hierdurch Interessenkonflikten und Befangenheit von vornherein vorgebeugt werden könne.139 Zum Unabhängigkeitsprinzip und seinen einzelnen Ausprägungen in Ziff. 5.4.2 DCGK wurde bereits Stellung genommen.140 Während die Forderung nach einer Unabhängigkeit auch von kontrollierenden Aktionären im deutschen Recht nicht unproblematisch ist, können jedenfalls kaum Zweifel daran bestehen, dass die Effektivität der Überwachung gefährdet ist, wenn ein erheblicher Anteil der Aufsichtsratsmitglieder abhängigkeitsbegründende Beziehungen zur Gesellschaft und insbesondere zum Vorstand unterhält.141 Die sachgerechte Auswertung von Vorstandsinformationen und die Fähigkeit zur Überwachung im Allgemeinen setzen insofern eine gewisse kritische Distanz zum Vorstand voraus.142

II. Auswirkung von Entsendungsrechten 1. Entsendungsmandate als Fremdkörper Welche Bedeutung haben nun Entsendungsrechte für die hier beschriebene Idealzusammensetzung, von der man sich eine besonders effiziente Überwachung erhofft? Unzweifelhaft ist zunächst, dass Entsendungsmandate in diesem Kontext als Fremdkörper erscheinen. Die optimale Besetzung des Aufsichtsrats in der beschriebenen Form setzt insbesondere ein systematisches Auswahlverfahren voraus.143 Diese Aufgabe kommt dem Aufsichtsrat selbst bzw. dem auch in Ziff. 5.3.3 DCGK empfohlenen Nominierungsausschuss zu. Er muss bei der Erarbeitung der Beschlussvorschläge an die Hauptversammlung durch Systematisierung und Objektivierung des Auswahlprozesses darauf hinwirken, dass die genannten Grundsätze beachtet und geeignete Personen gefunden werden.144 Durch ein derartiges Auswahlverfahren kann sichergestellt werden, dass der Bestellung von Aufsichtsrats138

Seibert, DB 2009, 1167, 1171; darauf hinweisend auch Lutter, EuZW 2009, 799, 801 f. Vgl. Leyens, Information des Aufsichtsrats, S. 292, 306 ff.; Langenbucher, ZGR 2012, 314, 324 ff., 334 ff.; Bihr/Philippsen, DStR 2011, 1133, 1134. 140 Siehe ausführlich oben B. III. 141 Ähnlich Lutter, EuZW 2009, 799, 804. 142 Vgl. Bihr/Philippsen, DStR 2011, 1133, 1134; Leyens, Information des Aufsichtsrats, S. 292. 143 v. Werder, in: Hommelhoff/Hopt/v. Werder, Hdb Corporate Governance, S. 342. 144 Vgl. v. Werder, in: Hommelhoff/Hopt/v. Werder, Hdb Corporate Governance, S. 342 f. 139

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Kap. 5: Entsendungsrechte und Corporate Governance

mitgliedern ausschließlich sachliche Erwägungen zugrunde liegen145 und eine optimale Zusammensetzung des Gremiums erreicht wird. Soweit indes Entsendungsrechte bestehen, wird dieses systematische Verfahren durchbrochen. Während vom Aufsichtsrat eine gewisse Selbstbindung durch entsprechende Verfahrensregelungen und Zielbestimmungen verlangt wird, sind entsendungsberechtigte Aktionäre in ihrer Auswahlentscheidung grundsätzlich völlig frei. Abgesehen von den allgemeinen gesetzlichen Bestellungsvoraussetzungen, eventuellen Einschränkungen durch die Satzung und der mitgliedschaftlichen Treuepflicht ist der Entsendungsberechtigte an keinerlei Vorgaben gebunden.146 Er kann folglich Personen allein deshalb auswählen, weil er diesen besonderes Vertrauen entgegenbringt und erwarten kann, dass sie seine Interessen vertreten werden. Eine hinreichende Qualifikation und Unabhängigkeit oder gar eine Berücksichtigung der Diversität des Gremiums ist bei entsandten Mitgliedern dagegen grundsätzlich nicht gewährleistet. 2. Zur Überwachungsqualität entsandter Mitglieder Die Durchbrechung qualitätssichernder Auswahlverfahren durch Entsendungsrechte erscheint durchaus problematisch. Deutlich zu weit würde es allerdings gehen, entsandten Mitgliedern deshalb prinzipiell mangelnde Qualifikation, Motivation oder Sorgfalt zu unterstellen.147 Der Entsendungsberechtigte wird in aller Regel selbst ein gesteigertes Interesse daran haben, im Aufsichtsrat durch kompetente Personen vertreten zu werden. Wer schon von seinen Fähigkeiten her nicht in der Lage ist, die Informationen des Vorstands sachgerecht verarbeiten und beurteilen zu können, wird als Vertrauensperson im Aufsichtsrat zumeist erst gar nicht in Betracht kommen. Zu bedenken ist auch, dass es sich bei entsendungsberechtigten Aktionären nicht selten um Unternehmensgründer handelt, die selbst bedeutende Managementerfahrungen mitbringen und das Unternehmen so gut kennen wie kaum ein anderer. Sofern solche Aktionäre nun Vertrauenspersonen oder auch sich selbst in den Aufsichtsrat entsenden, wird man sogar von einer besonders engagierten und sorgfältigen Überwachungstätigkeit dieser Mitglieder ausgehen können. Derartige Entsendungsberechtigte haben nämlich regelmäßig ein besonderes Interesse am langfristigen Erfolg und Fortbestand des Unternehmens. Eine solche, zuweilen gar emotionale Bindung zur Gesellschaft dürfte einer engagierten Aufsichtsratstätigkeit keineswegs abträglich sein. Dasselbe lässt sich auch für die Vertreter sonstiger entsendungsberechtigter Großaktionäre sagen, die zwar keine vergleichbare persönliche Motivation, dafür aber oftmals die für eine effektive Kontrolle gerade notwendige Expertise mitbringen werden.148 So wird man erwarten können, dass gerade institutionelle Investoren nur hochqualifizierte Personen mit einem Auf145

Vgl. Bihr/Philippsen, DStR 2011, 1133, 1134. Vgl. Habersack, in: MünchKomm AktG, § 101 Rn. 45, 58. 147 In diese Richtung aber wohl Wymeersch, in: Verhandlungen des 67. DJT II/1, S. N 97. 148 Vgl. Paschos/Goslar, NZG 2012, 1361, 1362; Wilsing/von der Linden, DStR 2012, 1391, 1392. 146

C. Entsendungsrechte und Managementkontrolle durch den Aufsichtsrat

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sichtsratsmandat betrauen werden. Da eine Vertretung im Aufsichtsrat in der Regel überhaupt nur für langfristig orientierte, strategische Investoren mit signifikanter Beteiligung in Betracht kommen dürfte,149 kann auch kaum behauptet werden, dass es sich hier um eine in den Augen der Corporate Governance generell unerwünschte Einflussnahme handeln würde. Der Input solcher Investoren kann vielmehr zu einer Verbesserung der Corporate Governance führen.150 Die Berücksichtigung auch von Partikularinteressen maßgeblich beteiligter Investoren ist im pluralistischen Gremium des Aufsichtsrats insofern keineswegs systemwidrig.151 Zweifellos können sich Entsendungsberechtigte auch von anderen Kriterien leiten lassen. So kommt es zuweilen etwa vor, dass Personen des öffentlichen Lebens und insbesondere der Politik entsandt werden.152 Hier dürfte es in der Regel weniger um Qualifikation, als vielmehr um politische Verbindungen, Renommee und Strahlkraft gehen. Besonders problematisch erscheinen insofern Entsendungsrechte in der Hand des Staates.153 Bei der Entsendung durch Aktionäre, die gleichzeitig ein Vorstandamt ausüben, muss ferner bezweifelt werden, inwieweit überhaupt ein Interesse an einer effizienten Überwachungstätigkeit besteht.154 Derartige Fälle sind zweifellos kritikwürdig.155 Davon abgesehen kann aber nicht unterstellt werden, dass entsandte Mitglieder der Überwachungseffizienz grundsätzlich abträglich sind. Vielmehr können sie – auch aufgrund ihrer Unabhängigkeit von der Hauptversammlung und damit von eventuellen kurzfristigen Stimmungsschwankungen innerhalb der Aktionärsmehrheit – durchaus auch eine Bereicherung für den Aufsichtsrat und damit für die Corporate Governance der Gesellschaft darstellen. 149 Vgl. Faber, in: Hommelhoff/Hopt/v. Werder, Hdb Corporate Governance, S. 226, der allerdings auch darauf hinweist, dass dieses Bestreben nur noch schwach ausgeprägt sei, da eine Einflussnahme „von außen“ häufig einfacher sei. Allerdings scheint es in der Praxis sehr wohl ein entsprechendes Interesse seitens institutioneller Investoren zu geben: So strebte der schwedische Finanzinvestor Cevian Capital bereits seit längerem einen Posten im Aufsichtsrat der ThyssenKrupp AG an, siehe dazu Handelsblatt v. 28. 1. 2014, S. 17. Auf der Hauptversammlung 2015 wurde nun einer seiner Vertreter in den Aufsichtsrat gewählt, vgl. ThyssenKrupp AG, Einladung zur HV 2015, S. 6 f. sowie Abstimmungsergebnisse, S. 4. Siehe zu diesem Beispiel auch Schockenhoff/Culmann, ZIP 2015, 297, 299. 150 Siehe dazu auch unten D. II. 151 Vgl. Leyens, Information des Aufsichtsrats, S. 239. 152 Zu denken ist hier etwa an die Entsendung des ehemaligen nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten und Bundesfinanzministers Peer Steinbrück in den Aufsichtsrat der ThyssenKrupp AG durch die Krupp-Stiftung, siehe Handelsblatt v. 23. 11. 2009, S. 63. 153 Siehe dazu unten III. 154 Siehe zu dieser Sonderkonstellation bereits oben Kap. 3, B. IV. 1. und unten IV. 1. 155 Zu beachten ist allerdings, dass eine fragwürdige Kandidatenauswahl keineswegs ein spezielles Problem der Entsendung ist. In diesem Zusammenhang sei etwa auf die Wahl der Ehefrau Ferdinand Piëchs – einer Kindergärtnerin und Horterzieherin – in den Aufsichtsrat der Volkswagen AG hingewiesen, siehe Handelsblatt v. 24. 11. 2014, S. 5. Dass derartige Wahlvorschläge zuweilen auch in Gesellschaften ohne herrschenden Aktionär von der Hauptversammlung angenommen werden, lässt sich mit der rationalen Apathie der Aktionäre und der damit verbundenen Hauptversammlungsrealität in Deutschland erklären, siehe dazu unten E. V.

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Kap. 5: Entsendungsrechte und Corporate Governance

Soweit es um die Unabhängigkeit entsandter Mitglieder geht, wurden die wesentlichen Erwägungen bereits an anderer Stelle dargelegt.156 Die Frage, ob und inwieweit die Entsendung von Aufsichtsratsmitgliedern dem Unabhängigkeitspostulat zuwiderläuft, hängt maßgeblich vom Verständnis des Begriffs der Unabhängigkeit ab. Nach hier vertretener Ansicht sind entsandte Mitglieder keineswegs per se als abhängig anzusehen, sondern nur in bestimmten Konstellationen.157 Im Übrigen ist richtigerweise nicht zu verlangen, dass sämtliche Mitglieder des Aufsichtsrats unabhängig sind.158 Schon aufgrund der Begrenzung des § 101 Abs. 2 S. 4 AktG ist es deshalb sogar hinnehmbar, wenn ausschließlich abhängige Mitglieder entsandt werden, was freilich nicht zu empfehlen ist. Insgesamt dürfte das Kriterium der Unabhängigkeit keinesfalls der für die Überwachungseffizienz ausschlaggebende Aspekt sein. Es besteht hier gewissermaßen ein Zielkonflikt mit dem Erfordernis ausreichender Kompetenz.159 Die fachliche Qualifikation und Expertise der Mitglieder erscheint demgegenüber aber weitaus bedeutsamer und rückt auch in der internationalen Diskussion mittlerweile wieder verstärkt in den Vordergrund.160 In jedem Fall entbehren vereinzelt erhobene Behauptungen, Entsendungsrechte bedrohten die effiziente Arbeitsweise des Aufsichtsrats,161 jeglicher Grundlage. Eine angebliche Unvereinbarkeit mit der „Pflicht der Verwaltungsorgane als Treuhänder aller Aktionäre“162 besteht schon deshalb nicht, weil entsandte Mitglieder – wie alle anderen Aufsichtsratsmitglieder auch – dem Unternehmensinteresse verpflichtet sind und diesem im Konfliktfall den Vorrang einzuräumen haben.163 Anderenfalls riskieren sie eine Haftung gegenüber der Gesellschaft. Im Übrigen erscheint die Vorstellung, dass sich gewählte Mitglieder, anders als entsandte, stets als Vertreter der Gesamtheit aller Aktionäre ansehen würden, ausgesprochen realitätsfern – auch diese wissen sehr genau, wem sie ihre Wahl zu verdanken haben und sind insofern allenfalls Vertreter der Aktionärsmehrheit, gegebenenfalls in Gestalt eines herrschenden Aktionärs.164 Unzutreffend ist auch die Behauptung, die Präsenz entsandter Mitglieder widerspreche „dem Charakter eines Kollegialorgans“.165 Ein Kollegial156 157

IV. 1.

Siehe oben B. III. Zur problematischen Situation der Entsendung durch Vorstands-Aktionäre siehe unten

158 Siehe bereits oben B. III. 3. So aber wohl Wymeersch, in: Verhandlungen des 67. DJT II/ 1, S. N 97, der das Entsendungsrecht deshalb prinzipiell ablehnt. 159 Vgl. Davies/Hopt, Am.J.Comp.L. 61 (2013), 301, 322 f.; Hopt, ECGI Law Working Paper 207/2013, S. 60 f., 64 f.; ders., ZHR 175 (2011), 444, 475, 485; Bainbridge, Corporate Governance, S. 103 f.; Hoffmann-Becking, NZG 2014, 801, 809. 160 Vgl. Davies/Hopt, Am.J.Comp.L. 61 (2013), 301, 322 f., 326. 161 Wymeersch, in: Verhandlungen des 67. DJT II/1, S. N 97; ähnlich kritisch bereits P. W. Vogel, Entsendung, S. 53. 162 Wymeersch, in: Verhandlungen des 67. DJT II/1, S. N 97. 163 Siehe dazu oben Kap. 1, A. IV. 4. a). 164 In diesem Sinne bereits Mestmäcker, Konzerngewalt, S. 81. 165 Wymeersch, in: Verhandlungen des 67. DJT II/1, S. N 97.

C. Entsendungsrechte und Managementkontrolle durch den Aufsichtsrat

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organ erfordert keinesfalls eine homogene Gruppe von Mitgliedern mit völlig gleichgerichteten Interessen,166 was im Übrigen auch durch die Besetzung aller Posten durch Wahl nicht gewährleistet wäre. Der Wunsch nach mehr Heterogenität bei der Besetzung legt insofern gerade das Gegenteil nahe, ebenso wie die Tatsache, dass die fehlende Unabhängigkeit eines Organmitglieds nicht als Bestellungshindernis angesehen wird.167 Eine gewisse Interessenpluralität ist für den Aufsichtsrat typisch und führt nicht dazu, dass die Zusammenarbeit des Gremiums ernsthaft gestört würde.168 3. Vorschläge zur Verbesserung des Auswahlverfahrens Es bleibt indes dabei, dass die hinreichende Qualifikation entsandter Aufsichtsratsmitglieder nicht gewährleistet ist, sondern grundsätzlich im Ermessen des Berechtigten liegt. Der Mangel an Qualitätssicherung durch systematisierte Auswahlverfahren ist ein Defizit des Konzepts der Entsendung. Es stellt sich deshalb die Frage, wie diesem Nachteil effektiv begegnet werden könnte. Denkbar und auch zulässig ist es zunächst, besondere Anforderungen an die Qualifikation (auch) entsandter Mitglieder in der Satzung zu verankern.169 Hiermit könnte man vor allem Grundvoraussetzungen wie kaufmännische oder rechtliche Kenntnisse und Erfahrungen festlegen. Möglicherweise ließe sich auch eine Idealzusammensetzung verschiedener Fachleute im oben beschriebenen Sinne in die Satzung aufnehmen. Der Entsendungsberechtigte könnte dann dazu verpflichtet werden, eine Person mit den Spezialqualifikationen zu entsenden, die im Gremium bisher nicht repräsentiert sind. Die Festschreibung detaillierter Anforderungsprofile auf Satzungsebene wird allerdings aufgrund ihrer mangelnden Flexibilität vielfach kritisch betrachtet.170 Ebenfalls möglich ist daneben die Bindung der Entsendung an die Zustimmung des Aufsichtsrats.171 Damit könnte die Einhaltung von dessen Anforderungsprofilen gewährleistet werden. Derartige Voraussetzungen stellen allerdings einschneidende Beschränkungen des Entsendungsrechts dar. Soweit sie nicht von Anfang an in der Satzung verankert sind, wäre für ihre Einführung deshalb stets die Zustimmung des Berechtigten erforderlich. Insbesondere die Bindung der Entsendung an das Einverständnis des Aufsichtsrats oder der Hauptversammlung werden entsendungsberechtigte Aktionäre kaum akzeptieren, da ihr Entsendungsrecht damit faktisch zu 166

Vgl. insofern auch Decher, ZIP 1990, 277, 288. Siehe dazu bereits oben B. III. 3. 168 Decher, ZIP 1990, 277, 288. 169 Habersack, in: MünchKomm AktG, § 101 Rn. 60; Hopt/M. Roth, in: Großkomm AktG, § 101 Rn. 129. 170 So etwa Leyens, Information des Aufsichtsrats, S. 305; siehe zu genereller Kritik an Zielprofilen auch den Diskussionsbericht von Mylich, ZGR 2012, 382, 383. 171 Hopt/M. Roth, in: Großkomm AktG, § 101 Rn. 126; Mertens/Cahn, in: KölnKomm AktG, § 101 Rn. 58; Habersack, in: MünchKomm AktG, § 101 Rn. 60; a.A. noch Geßler, in: Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, AktG, § 101 Rn. 86. 167

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Kap. 5: Entsendungsrechte und Corporate Governance

einem bloßen Vorschlagsrecht abgewertet wird.172 Satzungsmäßige Anforderungsprofile erscheinen demgegenüber noch als der realistischere Weg. Weniger einschneidend als die genannten Klauseln wäre eine satzungsmäßige Pflicht zur Abstimmung und Offenlegung zwischen Aufsichtsrat und Entsendungsberechtigtem. So könnte etwa eine Satzungsregelung vorsehen, dass der Entsendungsberechtigte vor der Ausübung seines Rechts den oder die von ihm favorisierten Kandidaten dem Aufsichtsrat nennen muss, welcher dann zumindest Gelegenheit zur Stellungnahme hat. Ebenfalls denkbar wäre eine Regelung, wonach der Nominierungsausschuss des Aufsichtsrats dem Entsendungsberechtigten unverbindliche Vorschläge für die Entsendung vorzulegen hat. Dies scheint etwa bei ThyssenKrupp der Fall zu sein,173 wobei es sich allerdings um eine bloße Praxis ohne Satzungsrang handelt. Die Wirksamkeit derartiger Regelungen beruht indes ohnehin auf der Kooperationsbereitschaft des Entsendungsberechtigten, weswegen auf eine Verankerung in der Satzung auch verzichtet werden kann. In der Praxis dürfte es allgemein üblich sein, dass sich Aufsichtsrat, Entsendungsberechtigte sowie andere bedeutende Aktionäre im Vorfeld von Aufsichtsratswahlen und Entsendungen auf informeller Ebene über Kandidatenvorschläge austauschen und diese auch abstimmen.174 Die Regelung eines solchen Verfahrens in der Satzung kann insofern aber immerhin zu einer gesteigerten Transparenz beitragen und den Anschein von „Klüngel“ und „Vetternwirtschaft“ vermeiden.

III. Sonderfall: Staatlicher Einfluss auf den Aufsichtsrat Eine besondere Situation ist gegeben, wenn Entsendungsrechte in der Hand staatlicher bzw. öffentlich-rechtlicher Anteilseigner liegen. Wie gezeigt, war die damit einhergehende Privilegierung der öffentlichen Hand in gemischtwirtschaftlichen Unternehmen eines der Hauptanliegen des Gesetzgebers bei Einführung der Vorschriften über das Entsendungsrecht.175 Abgesehen von der insofern sehr restriktiven Haltung des EuGH176 wird eine solche staatliche Einflussnahme auch unter Corporate Governance-Gesichtspunkten heute allerdings vielfach als problematisch angesehen. So konstatiert etwa Leyens, dass gerade Erfahrungen mit Vertretern der öffentlichen Hand im Aufsichtsrat die weitgehende Unvereinbarkeit von privaten und politischen Interessen gezeigt hätten.177 Er weist dabei konkret auf den Fall der 172 Vgl. Habersack, in: MünchKomm AktG, § 101 Rn. 60; S. Wilhelmi, in: Godin/Wilhelmi, AktG, § 101 Anm. 3. 173 Vgl. FAZ v. 17. 8. 2013, S. 13: Danach hat die Krupp-Stiftung zwei „vom Aufsichtsrat ausgesuchte, unabhängige Kandidaten“ entsandt. Siehe zur Frage, inwieweit entsandte Mitglieder als unabhängig angesehen werden können, oben B. III. 1. 174 Siehe dazu auch unten E. V. 175 Siehe oben Kap. 1, B. II. 1. und III. 1. 176 Siehe dazu bereits ausführlich oben Kap. 3, A. I. und D. I. 177 Leyens, in: Allmendinger/Dorn/Lang/Lumpp/Steffek, Corporate Governance, S. 3, 20.

C. Entsendungsrechte und Managementkontrolle durch den Aufsichtsrat

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Hamburgische Electricitäts-Werke AG (HEW) hin,178 wo ein in den Aufsichtsrat entsandter Landesminister als überzeugter Atomkraftgegner auftrat und sich für einen kurzfristigen Ausstieg aus der Kernenergie einsetzte, der für die Gesellschaft eine bilanzielle Belastung in Milliardenhöhe bedeutet hätte.179 Auch Bihr und Philippsen kritisieren die Bestellung von Mitgliedern eines Aufsichtsgremiums aufgrund einer Parteizugehörigkeit und nennen als Negativbeispiel die während der Finanzkrise ab 2007 in Schieflage geratene Bayerische Landesbank (BayernLB).180 In der Tat besteht bei Staatsvertretern im Aufsichtsrat stets die Gefahr, dass diese nicht zuvorderst im Interesse des Unternehmens und seiner Aktionäre, sondern aufgrund politischer Erwägungen entscheiden. Über die in diesem Bereich bestehenden Interessenkonflikte und ihre Auflösung ist im gesellschaftsrechtlichen wie auch im öffentlich-rechtlichen Schrifttum bereits umfassend diskutiert worden, wobei das Hauptaugenmerk zumeist auf der Frage eines Weisungsrechts der im Aufsichtsrat vertretenen öffentlich-rechtlichen Körperschaft liegt.181 Es ist hier nicht der Ort, die grundsätzliche Sinnhaftigkeit staatlicher Betätigung im Bereich der Privatwirtschaft zu hinterfragen. Vielmehr muss es aus dem Blickwinkel der Corporate Governance um die konkrete Frage gehen, ob Staatsvertreter im Aufsichtsrat der Überwachungseffizienz des Gremiums abträglich sind. Dies wird sich in dieser Allgemeinheit, trotz der eben genannten Negativbeispiele, kaum beantworten lassen, zumal sich auch Beispiele für äußerst erfolgreiche Unternehmen unter staatlichem Einfluss finden.182 Zu bedenken ist in jedem Fall, dass das deutsche Aktienrecht dem Staat eine Einflussnahme über Entsendungsrechte nur in seiner Eigenschaft als Aktionär erlaubt.183 Ist der Staat aber an einer Aktiengesellschaft maßgeblich beteiligt, so muss ihm doch zumindest im Grundsatz auch die Möglichkeit offenstehen, sich an ihrer Leitung und Überwachung zu beteiligen. Das Problem scheint hier weniger in der Unterscheidung zwischen den Vertretern privater und denjenigen öffentlicher Aktionäre zu liegen, sondern vielmehr in der Auswahl der Staatsvertreter. Fragwürdig erscheint insofern die Praxis, Staats- und Verwaltungsbeamte qua

178

OLG Hamburg, ZIP 1990, 311; dazu ausführlich Decher, ZIP 1990, 277, 278 ff. Leyens, in: Allmendinger/Dorn/Lang/Lumpp/Steffek, Corporate Governance, S. 3, 20, Fn. 111; Decher, ZIP 1990, 277, 278. 180 Bihr/Philippsen, DStR 2011, 1133, 1134. Die BayernLB hat im Jahr 2012 zwei ihrer ehemaligen Verwaltungsratsmitglieder, darunter den ehemaligen Landesfinanzminister, wegen einer mit einem Milliardenverlust verbundenen Akquisition auf Schadensersatz verklagt, vgl. Handelsblatt v. 9. 2. 2012, S. 54. 181 Siehe dazu bereits oben Kap. 1, A. IV. 4. a). 182 Hier drängt sich nicht zuletzt das Beispiel der Volkswagen AG auf, in deren Aufsichtsrat – aufgrund des Entsendungsrechts des Landes Niedersachsen – derzeit der niedersächsische Ministerpräsident sowie der Minister für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr sitzen, siehe die Website der Volkswagen AG (http://www.volkswagenag.com), Investor Relations, Corporate Governance, Aufsichtsrat (zuletzt abgerufen am 27. 4. 2015). 183 Anders als etwa das schweizerische Recht, siehe dazu oben Kap. 3, C. V. 2. b). 179

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Kap. 5: Entsendungsrechte und Corporate Governance

Amt in den Aufsichtsrat zu entsenden.184 Hier können hinreichende Qualifikation, Erfahrung und wirtschaftlicher Sachverstand zumindest zweifelhaft sein, erst recht, wenn es um börsennotierte Großunternehmen geht.185 Vor allem aber muss bezweifelt werden, inwieweit solche Personen – vor allem auf höchster Regierungsebene – überhaupt Zeit und Motivation aufbringen können, um sich eingehend mit unternehmerischen Einzelfragen der Gesellschaft beschäftigen zu können. Die Entsendung von Beamten und sonstigen Staatsbediensteten in die Aufsichtsräte gemischtwirtschaftlicher Aktiengesellschaften sollte deshalb jedenfalls nicht allein an die Amtsinhaberschaft, sondern an ihre Qualifikation gebunden werden. Vorzugswürdig wäre es, wenn die öffentlichen Körperschaften externe Fachleute mit einschlägigen Branchen- und Sachkenntnissen für diese Aufsichtsratsposten gewinnen würden. Damit ließe sich nicht nur das Problem der mangelnden Qualifikation beheben, sondern auch die Gefahr konkreter Interessenkonflikte zumindest reduzieren. Privatpersonen, die lediglich im Auftrag eines staatlichen Anteilseigners tätig werden, dürften mangels dienstrechtlicher Weisungsbindung weniger anfällig sein, im Konfliktfall Entscheidungen gegen das Unternehmensinteresse zu treffen. Auf diese Weise ließe sich die Kritik an staatlicher Einflussnahme im Aufsichtsrat entschärfen. Die Entsendung von öffentlichen Amtsträgern allein aufgrund ihrer Stellung im Behördenapparat oder gar ihrer Parteizugehörigkeit ist dagegen im Sinne einer guten Corporate Governance – jedenfalls in Publikumsgesellschaften – klar abzulehnen.

IV. Sonderfall: Entsendung durch Vorstände und Aufsichtsratsmitglieder 1. Entsendungsrecht eines Vorstandsmitglieds Problematisch erscheint daneben der Fall, dass ein entsendungsberechtigter Aktionär selbst Mitglied des Vorstands ist und damit unmittelbar über seine eigenen Kontrolleure bestimmen kann. Es wurde an anderer Stelle bereits dargelegt, dass dies im geltenden deutschen Aktienrecht nach ganz überwiegender und richtiger Ansicht mangels einer gesetzlichen Inkompatibilitätsregelung zulässig ist.186 Indes können kaum Zweifel daran bestehen, dass diese Konstellation unter Corporate GovernanceGesichtspunkten höchst fragwürdig ist.187 Soweit es um das Ziel einer effizienten, objektiven und kritischen Überwachungstätigkeit geht, muss eine derartige Ab184 Hier ist wiederum das prominente Beispiel Volkswagen zu nennen, siehe soeben Fn. 182. 185 Bei kommunalen Gesellschaften mit lediglich regionaler Ausrichtung und überschaubarem Geschäftsfeld mag man dies durchaus noch anders sehen. 186 Siehe oben Kap. 3, B. IV. 1. 187 Vgl. Habersack, in: MünchKomm AktG, § 101 Rn. 32; Hopt/M. Roth, in: Großkomm AktG, § 101 Rn. 125.

C. Entsendungsrechte und Managementkontrolle durch den Aufsichtsrat

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hängigkeit vom Wohlwollen eines Vorstandsmitglieds, das den oder die Entsandten jederzeit grundlos und insbesondere auch kurzfristig abberufen kann, als hinderlich angesehen werden. Zu Recht werden deshalb Aufsichtsratsmitglieder, die persönliche oder geschäftliche Beziehungen zum Vorstand unterhalten, als nicht unabhängig eingestuft188 – in dieser Hinsicht hat das Unabhängigkeitspostulat zweifellos seine Berechtigung. Entsprechend müssen durch Vorstands-Aktionäre entsandte Aufsichtsratsmitglieder nach hier vertretener Ansicht per se als abhängig qualifiziert werden.189 Fraglich erscheint, ob darüber hinaus weitere Maßnahmen angezeigt sind. Wäre womöglich eine diese Konstellation ablehnende Kodexempfehlung erforderlich?190 Oder sollte es de lege ferenda sogar schlechthin verboten werden, Entsendungsrechte während der Tätigkeit als Vorstand auszuüben? Beides dürfte zu weit gehen. Es lässt sich zwar kaum leugnen, dass ein strukturelles Überwachungsdefizit naheliegend erscheint, wenn ein Aufsichtsratsmitglied im Falle einer dem Vorstands-Aktionär missliebigen Entscheidung stets mit seiner sofortigen Demission rechnen muss. Gleichzeitig unterscheidet sich diese Situation aber nur unwesentlich von anderen Beziehungen zu Vorstandsmitgliedern, welche nicht zur Inkompatibilität führen, sondern lediglich die Unabhängigkeit ausschließen. Unterhält etwa ein Mitglied des Aufsichtsrats enge geschäftliche Beziehungen zu einem Vorstandsmitglied und muss im Falle eines unliebsamen Abstimmungsverhaltens mit deren Beendigung und damit einhergehenden finanziellen Einbußen rechnen, so ist die Gefahr mindestens ebenso groß, dass Vorstandsentscheidungen im Zweifel „durchgewunken“191 werden.192 Derartige Konstellationen bergen die abstrakte Gefahr eines Interessenkonflikts im Einzelfall193 und sollen deshalb durch das Unabhängigkeitspostulat begrenzt werden, das aber keineswegs zu einer absoluten Inkompatibilität bzw. einem völligen Ausschluss abhängiger Mitglieder führt.194 Für die Entsendung durch Vorstands-Aktionäre kann insofern nichts anderes gelten. Die Gefahr der mangelnden Objektivität eines durch einen Vorstands-Aktionär entsandten Mitglieds wird insofern durch seine Qualifikation als abhängig bereits hinreichend berück188

802 ff. 189

Dazu Kremer/v. Werder, AG 2013, 340, 341 f.; Hoffmann-Becking, NZG 2014, 801,

Siehe oben B. III. 1. Problematisch wäre dabei, dass sich die Empfehlungen des DCGK an Vorstand und Aufsichtsrat richten. Hier geht es indes um ein Verhalten, das allein im Ermessen des Entsendungsberechtigten liegt. 191 Stephanblome, NZG 2013, 445, 446. 192 Die Gefahr dürfte tendenziell sogar größer sein. Zu bedenken ist nämlich, dass es sich bei einer Aufsichtsratstätigkeit in aller Regel nicht um eine hauptberufliche Beschäftigung, sondern um ein Nebenamt handelt. Die allermeisten Aufsichtsratsmitglieder, gerade in Großunternehmen, sind deshalb auf die Ausübung und Vergütung dieser Tätigkeit keineswegs angewiesen und dürften durch eine drohende Abberufung oftmals weniger abgeschreckt werden als etwa durch den Verlust bestehender Geschäftsverbindungen. 193 Vgl. Scholderer, NZG 2012, 168, 171; Weber-Rey, NZG 2013, 766, 767. 194 Butzke, in: FS Hoffmann-Becking, S. 229, 233. 190

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Kap. 5: Entsendungsrechte und Corporate Governance

sichtigt. Solange im Aufsichtsrat genügend unabhängige Mitglieder vorhanden sind, ist diese Gefahr hinnehmbar, zumal das drohende Überwachungsdefizit wegen der Begrenzung des § 101 Abs. 2 S. 4 AktG ohnehin nur eine Minderheit des Gremiums betrifft. Das Unabhängigkeitspostulat mit seiner präventiven Wirkung erscheint in diesem Zusammenhang sinnvoll, um Interessenkonflikten von vornherein vorzubeugen. Ein darüber hinausgehendes präventives Verbot ist aber nicht erforderlich. Auf konkrete Interessenkonflikte kann im Einzelfall auch ohne einen überbordenden Präventivschutz angemessen reagiert werden.195 2. Entsendungsrecht eines Aufsichtsratsmitglieds Nichts anderes kann für die Entsendung durch Aktionäre gelten, die selbst dem Aufsichtsrat angehören. Nach der derzeitigen Fassung des DCGK müssen derart entsandte Mitglieder wohl ebenfalls als abhängig gelten.196 Ein weitergehender Ausschluss ist aber keinesfalls angezeigt. Es lässt sich durchaus fragen, inwieweit hier überhaupt die Gefahr eines relevanten Überwachungsdefizits besteht. Die Abhängigkeit von anderen Aufsichtsratsmitgliedern kann zwar zu einer verstärkten Blockbildung durch Gefolgschaften innerhalb des Gremiums führen.197 Dies erscheint aber deutlich weniger problematisch als eine Abhängigkeit gegenüber dem zu überwachenden Vorstand, bei der mögliche Auswirkungen auf die Aufsichtstätigkeit auf der Hand liegen. Entsprechend wird vielfach bezweifelt, inwieweit Beziehungen zu anderen Aufsichtsratsmitgliedern für die Unabhängigkeit tatsächlich eigenständige Bedeutung haben.198 Es dürfte hier lediglich um bestimmte Sonderkonstellationen199 bzw. Extremfälle200 gehen.

195

Hoffmann-Becking, NZG 2014, 801, 807 f. Zu entsprechend Handlungsmöglichkeiten und Handlungspflichten ausführlich Mohr, in: Grundei/Zaumseil, Aufsichtsrat im System der Corporate Governance, S. 239 ff. 196 Siehe bereits oben B. III. 1. 197 Vgl. Stephanblome, NZG 2013, 445, 446; Hoffmann-Becking, NZG 2014, 801, 804. 198 Vgl. Paschos/Goslar, NZG 2012, 1361, 1362; Hasselbach/Jakobs, BB 2013, 643, 646. Deutlich abermals auch Hoffmann-Becking, NZG 2014, 801, 804: „Solchen Beziehungen nachzuspüren, mag interessant sein, rechtlich ist es aber im Zweifel unerheblich.“ Stephanblome, NZG 2013, 445, 446, will nur Beziehungen zu selbst abhängigen Mitgliedern erfassen, da allein die Blockbildung kein Kontrolldefizit begründen könne. 199 Siehe etwa das Beispiel bei Kremer/v. Werder, AG 2013, 340, 342: Das andere Aufsichtsratsmitglied unterhält seinerseits Beziehungen zum Vorstand. Hier handelt es sich also eigentlich um eine mittelbare Vorstandsabhängigkeit. 200 Siehe etwa das Beispiel bei Paschos/Goslar, NZG 2012, 1361, 1362: Der Unternehmenspatriarch hat den Aufsichtsratsvorsitz übernommen und „installiert“ seine Enkel im Aufsichtsrat.

D. Entsendungsrechte und Managementkontrolle durch die Aktionäre

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D. Entsendungsrechte und Managementkontrolle durch die Aktionäre Im deutschen Aktienrecht ist die Überwachung der Geschäftsleitung in Gestalt des Aufsichtsrats institutionalisiert. Von seiner ursprünglichen Konzeption her handelt es sich dabei um eine Art Aktionärsausschuss, der die Wahrnehmung der Eigentümerinteressen innerhalb der Gesellschaft sicherzustellen hat201 und deshalb – mit Ausnahme der Arbeitnehmervertreter – von den Aktionären bestellt wird.202 Gleichwohl kommt jenen auch selbst eine wichtige Überwachungsfunktion zu, sei es nur mittelbar durch aktive Mitwirkung bei der Besetzung des Aufsichtsrats oder auch unmittelbar etwa durch Zustimmungsvorbehalte der Hauptversammlung oder sonstige Formen der Einflussnahme auf die Vorstandstätigkeit.203 Insbesondere Großaktionäre können hierbei eine entscheidende Rolle spielen. So werden „starke Eigentümer“ zuweilen als „eine der wirkungsvollsten Institutionen der Corporate Governance“ angesehen.204 Es stellt sich die Frage, welche Bedeutung Entsendungsrechten für diese Form der Aktionärskontrolle zukommen kann. Hier muss grundsätzlich zwischen zwei unterschiedlichen Aspekten getrennt werden, nämlich einerseits der Stärkung des Aktionärseinflusses insgesamt und andererseits der Schaffung von Anreizen für Aktionäre, sich im Rahmen ihrer Kompetenzen aktiv in die Überwachung des Managements einzubringen.

I. Stärkung des Aktionärseinflusses Die Stärkung der Anteilseignerposition im internen Machtgefüge von Kapitalgesellschaften (sog. shareholder empowerment) stellt einen Governance-Aspekt dar, der – neben Gleichbehandlung und one share, one vote – üblicherweise unter dem Schlagwort der sog. Aktionärsdemokratie behandelt wird.205 Vor allem im USamerikanischen Raum wird hierüber in jüngerer Zeit wieder kontrovers diskutiert. Die Befürworter des shareholder empowerment plädieren dafür, Einflussmacht auf die Unternehmensführung weg vom Leitungsorgan und hin zu den Anteilseignern zu verlagern, insbesondere durch die Erweiterung der gesetzlichen Hauptversammlungskompetenzen. Dies soll zu einer verbesserten Corporate Governance beitragen 201 Vgl. Peltzer, NZG 2011, 961, 966; Mestmäcker, Konzerngewalt, S. 81; Kalss/Schauer, Gutachten zum 16. ÖJT, S. 143; ähnlich bereits Bondi, in: FS Liebmann, S. 278, 284 („Vertrauensausschuss der Aktionäre“). 202 Vgl. zu dieser „zweistufigen Principal-Agent-Beziehung“ Welge/Eulerich, CorporateGovernance-Management, S. 18 f.; Lieder, Aufsichtsrat, S. 630 ff. 203 Vgl. Habersack, Gutachten E zum 69. DJT, S. E 86. 204 Welge/Eulerich, Corporate-Governance-Management, S. 21. 205 Siehe näher dazu unten E.

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Kap. 5: Entsendungsrechte und Corporate Governance

und Missstände bei der Unternehmensleitung, wie sie im Rahmen der weltweiten Finanzkrise vielfach offenbar wurden, reduzieren.206 Anhand aktueller Reizthemen wie dem Hauptversammlungsvotum über die Managementvergütung (say on pay)207 zeigt sich, dass auch hierzulande ein Bedürfnis gesehen wird, den Anteilseignern mehr Entscheidungsgewalt innerhalb der Aktiengesellschaft zu verschaffen. Dies vermögen Entsendungsrechte allerdings nicht zu leisten, da sie das gesellschaftsinterne Machtgefüge zwischen dem Management auf der einen Seite und den Aktionären auf der anderen Seite grundsätzlich unberührt lassen. Der Aufsichtsrat, dem die Überwachung des Vorstands in erster Linie obliegt, wird – vorbehaltlich der Regelung über die Mitbestimmung – ohnehin von den Anteilseignern gewählt. Deren gemeinsame Position innerhalb der Gesellschaftsstruktur wird durch Entsendungsrechte weder gestärkt, noch geschwächt,208 zumal die Aktionärsmehrheit aufgrund der Beschränkung des § 101 Abs. 2 S. 4 AktG stets den wesentlichen Einfluss behält. Im Grundsatz bewirken Entsendungsrechte deshalb lediglich eine gewisse Machtverschiebung innerhalb der Gruppe der Aktionäre. Besonderheiten bestehen allerdings in mitbestimmten Gesellschaften und hier insbesondere im Falle von entsendungsberechtigten Vorstands-Aktionären. In Gesellschaften mit einem (quasi-)paritätisch besetzten Aufsichtsrat führt die Existenz von Entsendungsrechten wie gezeigt zu erheblichen Beschränkungen der Mehrheitsherrschaft, da die entsandten Mitglieder zusammen mit den Arbeitnehmervertretern die von der Aktionärsmehrheit gewählten Aufsichtsräte überstimmen können.209 Die Mehrheit der Anteilseigner verliert damit insbesondere ihren mittelbaren Einfluss auf die Vorstandsbestellung. Die Stellung der Gesamtheit der Aktionäre wird damit eher geschwächt, da sie sich gewissermaßen in eine Abhängigkeit von einzelnen Aktionären oder der Arbeitnehmer begibt. Bereits dies dürfte aus der Perspektive der shareholder empowerment-Bewegung problematisch sein.210 Noch deutlicher wird der negative Effekt auf den Aktionärseinfluss, wenn der entsendungsberechtigte Aktionär gleichzeitig im Vorstand sitzt. In diesem Fall bildet – zumindest faktisch – ein Teil des Managements selbst gegebenenfalls das „Zünglein 206

Siehe zum Ganzen Hill, Corp.Gov.Int.Rev. 18 (2010), 344 ff.; befürwortend etwa Bebchuk, Harv.L.Rev. 119 (2006), 1784 ff.; kritisch Bainbridge, Harv.L.Rev. 119 (2006), 1735 ff.; Sharfman, J.Corp.L. 37 (2012), 903 ff.; allgemein zur shareholder democracy-Bewegung Merkt, US GesR, Rn. 107 ff.; Bühler, Regulierung, Rn. 414 ff. 207 Vgl. dazu etwa Zetzsche, NZG 2014, 1121, 1124 ff. (zu entsprechenden Vorschlägen der EU-Kommission i.R.d. geplanten Änderung der Aktionärsrechterichtlinie); Verse, NZG 2013, 921 ff. (zum vorerst gescheiterten deutschen Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Kontrolle der Vorstandsvergütung). 208 Anders Rothärmel, Gestaltungsfreiheit, S. 311 f., der meint, Entsendungsrechte würden den Einfluss der Anteilseigner in der börsennotierten Gesellschaft zusätzlich schwächen. Näher erläutert wird dies indes nicht. 209 Siehe dazu bereits oben Kap. 1, A. IV. 3. c) und Kap. 3, C. I. 210 Zu beachten ist freilich, dass das deutsche Konzept der Arbeitnehmermitbestimmung für Vertreter der shareholder empowerment-Bewegung generell einen Fremdkörper darstellen muss.

D. Entsendungsrechte und Managementkontrolle durch die Aktionäre

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an der Waage“, etwa bei der Entscheidung über die Abberufung von Vorstandsmitgliedern. Hält man einen starken Aktionärseinfluss für wünschenswert, muss man Entsendungsrechte für Vorstands-Aktionäre deshalb jedenfalls in der mitbestimmten AG ablehnen.

II. Aktionärs-Aktivismus, Ankeraktionäre und Langfristorientierung 1. Das Konzept des Aktionärs-Aktivismus Eine größere Relevanz könnten Entsendungsrechte möglicherweise für ein in jüngerer Zeit vermehrt diskutiertes und eine ähnliche Zielrichtung wie die shareholder empowerment-Bewegung verfolgendes Konzept besitzen, das in der Regel als „Einbeziehung der Aktionäre“,211 „Aktivierung der Aktionäre“212 oder kurz als „Aktionärs-Aktivismus“213 bezeichnet wird. Nach diesem Ansatz, dem sich nicht zuletzt die EU-Kommission verschrieben hat,214 sollen insbesondere für langfristig orientierte Anleger Anreize geschaffen werden, sich verstärkt in die Unternehmensführung einzubringen und sich dabei im Sinne einer aktiven Überwachung zu engagieren. Konkret vorgesehen sind dabei etwa ein ständiger Dialog mit der Unternehmensleitung, die Ausübung der Aktionärsrechte einschließlich des Stimmrechts sowie gegebenenfalls die Zusammenarbeit mit anderen Aktionären. Dies soll nach Meinung der EU-Kommission die Governance von Unternehmen „im Interesse der Schaffung langfristiger Werte“ verbessern können.215 Zumeist werden derartige Maßnahmen speziell für institutionelle Anleger wie Versicherungsunternehmen und Pensionsfonds diskutiert, da man deren Verwaltern nicht selten eine Neigung zu rein kurzfristigen Gewinninteressen attestiert.216 Entsprechend zielen jüngste Reform211 So bezeichnet in Art. 3 f Abs. 1 des Kommissions-Entwurfs für eine Richtlinie zur Änderung der Aktionärsrechterichtlinie vom 9. 4. 2014, KOM(2014) 213. In der englischsprachigen Fassung wird dies als „shareholder engagement“ bezeichnet. Vgl. dazu auch Zetzsche, NZG 2014, 1121, 1123. 212 Bachmann, AG 2012, 565, 575. 213 Hommelhoff, in: GS Winter, S. 255; Wilsing, ZGR 2012, 291, 298, 301; Fleischer, ZGR 2011, 155, 165. Im englischsprachigen Raum wird häufig von „shareholder activism“ oder „investor activism“ gesprochen, siehe etwa Hill, Corp.Gov.Int.Rev. 18 (2010), 344, 345. Vgl. auch Schockenhoff/Culmann, ZIP 2015, 297 ff.; Bunz, NZG 2014, 1049 ff. 214 Siehe insbesondere das Grünbuch Europäischer Corporate Governance-Rahmen, KOM (2011) 164, S. 3 f., 13; ähnlich auch der Aktionsplan Europäisches Gesellschaftsrecht und Corporate Governance – ein moderner Rechtsrahmen für engagiertere Aktionäre und besser überlebensfähige Unternehmen, KOM(2012) 740, S. 5, 9 ff., sowie nunmehr der Entwurf für eine Richtlinie zur Änderung der Aktionärsrechterichtlinie vom 9. 4. 2014, KOM(2014) 213. 215 EU-Kommission, Grünbuch Europäischer Corporate Governance-Rahmen, KOM (2011) 164, S. 13; siehe auch Hommelhoff, in: GS Winter, S. 255 f. 216 Vgl. Zetzsche, NZG 2014, 1121, 1123 f.; Habersack, Gutachten E zum 69. DJT, S. E 87.

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Kap. 5: Entsendungsrechte und Corporate Governance

vorschläge217 insbesondere darauf ab, institutionellen Investoren besondere Verhaltens- und Offenlegungspflichten nach dem Vorbild des UK Stewardship Code aufzuerlegen.218 Der dahinter stehende Gedanke der Aktivierung von Aktionären lässt sich aber grundsätzlich auf alle Arten von Paket- und Großaktionären übertragen. Zwar werden besondere Pflichten zur Ausübung der Mitgliedschaftsrechte im deutschen Schrifttum ganz überwiegend abgelehnt.219 Erwogen werden aber verschiedene Anreize zu mehr freiwilligem Engagement. So wird zur Aktivierung der Aktionäre und zur Verlängerung des Anlagehorizonts vereinzelt etwa die Einführung eines Dividendenaufschlags oder eines erweiterten Stimmrechts für langfristig engagierte Aktionäre nach dem Vorbild des französischen Treuestimmrechts220 vorgeschlagen.221 Andere lehnen derartige Instrumente jedoch ab, nicht zuletzt aufgrund von Bedenken hinsichtlich des Gleichbehandlungsgrundsatzes und des one share, one vote-Prinzips.222 Allerdings wurde in der vorliegenden Arbeit bezogen auf das Entsendungsrecht nach § 101 Abs. 2 AktG gezeigt, dass derartige Vorbehalte jedenfalls nach geltendem Recht unbegründet sind.223 Zuzugeben ist indes, dass die Einräumung zusätzlichen Einflusses nur für einzelne Aktionäre kaum den Vorstellungen der EU-Kommission entsprechen dürfte, die dem Postulat von Aktionärsdemokratie und one share, one vote einen hohen Stellenwert einräumt.224 Nachvollziehbar erscheinen ferner die geäußerten rechtspolitischen Bedenken, denn in der Tat besteht die Gefahr unerwünschter Mitnahmeeffekte, wenn Aktionäre lediglich dafür belohnt werden, dass sie eine Aktie zwei Jahre halten oder Hauptversammlungen besuchen und dort – womöglich ohne hinreichend informiert zu sein – irgendwie abstimmen.225 Gleichwohl kann man sich zumindest die Frage stellen, inwieweit nicht auch Entsendungsrechte nach § 101 Abs. 2 AktG für die Einbeziehung bzw. Aktivierung 217 Siehe Art. 3 f–h des Kommissions-Entwurfs für eine Richtlinie zur Änderung der Aktionärsrechterichtlinie vom 9. 4. 2014, KOM(2014) 213; dazu auch Zetzsche, NZG 2014, 1121, 1123 ff. 218 Vgl. dazu Fleischer/Strothotte, AG 2011, 221 ff.; Fleischer, ZGR 2011, 155, 162 ff. 219 Siehe etwa Habersack, Gutachten E zum 69. DJT, S. E 87 ff.; Fleischer/Strothotte, AG 2011, 221, 227 ff.; Fleischer, ZGR 2011, 155, 164 ff.; Zetzsche, NZG 2014, 1121, 1124 ff.; Bachmann, AG 2012, 565, 575 f.; Hommelhoff, in: GS Winter, S. 255, 256 ff.; Peltzer, NZG 2011, 961, 965 f. 220 Art. L. 225 – 123 CCom; siehe dazu bereits oben Kap. 2, C. III. 2. e). 221 Habersack, Gutachten E zum 69. DJT, S. E 90 und E 105 (Empfehlung 21); für Dividendenaufschlag auch Mülbert, ZHR 174 (2010), 375, 379 f. Siehe auf internationaler Ebene auch Bolton/Samama, ECGI Finance Working Paper 342/2013, S. 1 ff. 222 Bachmann, AG 2012, 565, 576; skeptisch auch Leyens, in: Allmendinger/Dorn/Lang/ Lumpp/Steffek, Corporate Governance, S. 3, 28 f.; Mülbert, ZHR 174 (2010), 375, 379 f. (bezogen auf Stimmrechtsmodifikationen). 223 Siehe ausführlich oben Kap. 3, B. I. und II. 224 Siehe dazu insb. unten E. I. 3. 225 Vgl. Bachmann, AG 2012, 565, 576.

D. Entsendungsrechte und Managementkontrolle durch die Aktionäre

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von Aktionären eine Rolle spielen können. Immerhin besteht ihr Zweck doch gerade in der Erweiterung und Sicherung des Einflusses besonders interessierter Aktionäre, die mit der Gesellschaft über die bloße Kapitalanlage hinaus verbunden sind.226 Dies dürften zumeist eben jene Aktionäre sein, von denen man sich einen langfristigen Anlagehorizont, ein gesteigertes Interesse an einem aktiven Engagement im Unternehmen und damit eine verbesserte Überwachungstätigkeit erhofft. 2. Ankeraktionäre und der controlling shareholder tradeoff Die Vorstellung vom aktiven Paketaktionär als Überwachungsträger entspricht weitgehend dem Typus des sog. Ankeraktionärs.227 Dieser zeichnet sich dadurch aus, dass er daran interessiert ist, sich in die Unternehmensführung und insbesondere die strategische Ausrichtung des Unternehmens einzubringen und zu diesem Zwecke langfristige Partnerschaften mit der Unternehmensleitung einzugehen.228 Beteiligungen von Ankeraktionären bergen zweifellos sowohl Chancen, als auch Risiken, denn der erhofften Langfristigkeit und Stabilität auch in Krisenzeiten steht die – je nach Umfang der Beteiligung und der damit verbundenen Einflussnahme mehr oder weniger stark ausgeprägte – Abhängigkeit vom Willen des Paketaktionärs gegenüber.229 Eben diese Situation beschreiben Gilson und Gordon mit dem sog. controlling shareholder tradeoff.230 Nach dieser Theorie wird (kontrollierenden) Großaktionären im Gegenzug für ihre Überwachungstätigkeit die Nutzung bestimmter Sondervorteile (private benefits of control) gewährt, die den übrigen Aktionären nicht zukommen. Dies werde vom Markt und den übrigen Aktionären solange akzeptiert, wie die Vorteile (insbesondere geringere Kontrollkosten bzw. agency costs) die Nachteile (Entzug von private benefits) überwiegen.231 Es zeigt sich, dass es bei der Frage nach der Sinnhaftigkeit von Ankerbeteiligungen und dem Wunsch nach einem stärkeren Engagement von Paketaktionären im Kern um die Vor- und Nachteile solcher Governance-Systeme geht, die durch konzentrierten Anteilsbesitz und einflussreiche Großaktionäre geprägt sind.232 Die 226

Siehe oben Kap. 1, C. I. Siehe dazu bereits oben Kap. 1, C. I. 5. 228 Vgl. Weber-Rey/Reps, ZGR 2013, 597, 603. 229 Vgl. insofern auch Handelsblatt v. 24. 11. 2014, S. 5. Hier wird auf fragwürdige Personalentscheidungen auf Betreiben von Ankeraktionären hingewiesen, etwa den unmittelbaren Wechsel des ehemaligen Vorstandsvorsitzenden Ekkehard Schulz in den Aufsichtsrat der ThyssenKrupp AG oder die Wahl der Ehefrau Ferdinand Piëchs in den Aufsichtsrat der Volkswagen AG. 230 Gilson/Gordon, U.Pa.L.Rev. 152 (2003), 785 f.; Gilson, Harv.L.Rev. 119 (2006), 1641, 1650 ff. 231 Vgl. Gilson/Gordon, U.Pa.L.Rev. 152 (2003), 785 f.; Gilson, Harv.L.Rev. 119 (2006), 1641, 1650 ff. 232 Man spricht hier auch vom „Insider“-System im Gegensatz zum kapitalmarktorientierten „Outsider“-System, vgl. etwa Wallek, Der Konzern 2014, 193, 194; Leyens, in: All227

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Kap. 5: Entsendungsrechte und Corporate Governance

Diskussion hierüber wird seit langem geführt, kann aber an dieser Stelle nicht umfassend referiert werden.233 Angemerkt sei allerdings, dass sich eine generelle Überlegenheit von auf Streubesitz basierenden, stärker kapitalmarktorientierten Governance-Systemen – obwohl häufig behauptet234 – bislang nicht erwiesen hat und zumindest gewisse positive Effekte konzentrierter Eigentümerstrukturen auf die Überwachungstätigkeit nicht von der Hand zu weisen sind.235 Zudem scheint in der deutschen Unternehmenspraxis schlicht ein Bedürfnis nach einer gesteigerten Stabilität und Krisenfestigkeit zu bestehen, die man sich von Ankeraktionären erhofft.236 Insofern sollten diese Ansätze trotz der vielfach geäußerten Kritik am Konzept des Aktionärs-Aktivismus237 und dem Fokus auf Langfristigkeit238 sowie insbesondere der Warnung vor der systemwidrigen Schaffung einer weiteren Überwachungsebene in Form von Groß- und Paketaktionären239 nicht vorschnell abgetan werden.240

mendinger/Dorn/Lang/Lumpp/Steffek, Corporate Governance, S. 3, 11; Hopt, ZHR 175 (2011), 444, 449, 451; Metten, Corporate Governance, S. 25 ff. 233 Siehe eingehend zur Diskussion und zu entsprechenden Forschungsbeiträgen etwa Gilson, Harv.L.Rev. 119 (2006), 1641 ff. 234 Siehe etwa La Porta/Lopez-de-Silanes/Shleifer, J.Fin. 54 (1999), 471 ff., insb. 511 ff. Zu dieser Literaturansicht auch Gilson, Harv.L.Rev. 119 (2006), 1641, 1648, und Goshen/Hamdani, ECGI Law Working Paper 206/2013, S. 5, jeweils mit zahlreichen weiteren Nachweisen. Wallek, Der Konzern 2014, 193, 200 spricht gar davon, dass die Überlegenheit des OutsiderSystems in der Literatur „gemeinhin“ attestiert werde. 235 Vgl. Gilson, Harv.L.Rev. 119 (2006), 1641, 1673 ff.; McCahery/Vermeulen, ECGI Law Working Paper 235/2014, S. 6 ff.; Goshen/Hamdani, ECGI Law Working Paper 206/2013, S. 6 ff.; Wallek, Der Konzern 2014, 193, 200 f. 236 Vgl. Schiessl, AG 2009, 385; Seibt/Wunsch, Der Konzern 2009, 195, 198 f. 237 Ablehnend etwa Bainbridge, Corporate Governance, S. 242 ff.; Peltzer, NZG 2011, 961, 965 ff.; Hommelhoff, in: GS Winter, S. 255, 256 ff.; ders., in: GesR in der Diskussion 2011, S. 175, 183 ff.; Wilsing, ZGR 2012, 291, 298 ff. 238 Zetzsche, NZG 2014, 1121, 1124 sieht hier die Gefahr, dass Vorstand und Aufsichtsrat „ein zu ruhiges Leben“ garantiert wird. Ähnlich auch Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 76 Rn. 32. 239 Hommelhoff, in: GS Winter, S. 255, 257, 260; ders., in: GesR in der Diskussion 2011, S. 175, 185 f.; ähnlich Wilsing, ZGR 2012, 291, 298 ff. Vgl. auch Bachmann, in: FS Hopt, S. 337, der in der Institution des Aufsichtsrats einen „Ausdruck des Misstrauens gegenüber einer ganz auf Marktkräfte oder Aktionärsaktivismus setzenden Managementkontrolle“ sieht. 240 Es besteht freilich ein grundsätzliches Spannungsverhältnis zwischen dem Wunsch nach Langfristigkeit und Stabilität einerseits und dem Vertrauen auf Marktkräfte als Governance-Mechanismus andererseits. Immerhin wird ein wesentlicher Nutzen von Ankeraktionären auch darin gesehen, die Gesellschaft vor feindlichen Übernahmen zu schützen, vgl. Schiessl, AG 2009, 385; Seibt/Wunsch, Der Konzern 2009, 195, 198 f. Die Einräumung besonderer Rechte bedeutet deshalb stets auch eine Behinderung des Marktes für Unternehmenskontrolle, vgl. Mülbert, ZHR 174 (2010), 375, 379 f. (bezogen auf höhere Stimmgewichte für langfristige Aktionäre). Nach hier vertretener Ansicht sollte es indes den einzelnen Gesellschaften selbst überlassen sein, über den Grad ihrer Übernahmeoffenheit zu entscheiden, siehe näher unten F. III.

D. Entsendungsrechte und Managementkontrolle durch die Aktionäre

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3. Entsendungsrechte als Anreiz für aktives Engagement Fraglich erscheint allerdings, ob sich Entsendungsrechte überhaupt als Instrument bzw. Anreiz hierfür eignen. Bei der Bindung von Ankeraktionären sind sie bislang offenbar nicht das Mittel der Wahl, was nicht zuletzt mit dem Erfordernis einer satzungsändernden Mehrheit für ihre nachträgliche Statuierung zusammenhängen dürfte. Entsendungsrechte sind einerseits auf eine Einflussnahme über den Aufsichtsrat beschränkt und auch in quantitativer Hinsicht stark begrenzt. Andererseits können ein oder mehrere Sitze im Aufsichtsrat für einen zwar nicht mehrheitlich, aber doch wesentlich beteiligten Aktionär äußerst erstrebenswert sein,241 denn immerhin handelt es sich um eine unmittelbare und dazu noch dauerhaft abgesicherte Interessenvertretung innerhalb des wesentlichen Kontrollgremiums der Gesellschaft, dem insbesondere die Personalkompetenz für den Vorstand zukommt. Diese Form der Einflussnahme dürfte für langfristig orientierte Aktionäre nicht weniger interessant sein als ein Dividendenaufschlag oder auch ein doppeltes Stimmrecht. Insofern können Entsendungsrechte als Anreiz für potenzielle Ankeraktionäre durchaus in Frage kommen. Nicht zu unterschätzen ist auch die damit verbundene Symbolwirkung, denn ein klareres Bekenntnis zu einer engen und auf Dauer angelegten Partnerschaft ist kaum denkbar. Ein Vorteil von Entsendungsrechten besteht ferner darin, dass die damit verbundene Einflussnahme systemkonform über den Aufsichtsrat stattfindet und nicht an diesem vorbei. Die zuweilen befürchteten Probleme einer Durchbrechung der hergebrachten aktienrechtlichen Kompetenzordnung242 stellen sich hier in dieser Form nicht. Freilich liegen auch die Nachteile auf der Hand: Neben dem Erfordernis der Satzungsänderung ist hier insbesondere der „Ewigkeitscharakter“ des Entsendungsrechts243 hervorzuheben. Die übrigen Aktionäre einer Gesellschaft müssen einem Investor als potenziellem Ankeraktionär schon ein enormes Vertrauen entgegenbringen, um sich zur Einräumung eines praktisch nicht mehr widerruflichen Sonderrechts bereitzuerklären. Dies dürfte einer entsprechenden Gestaltung in vielen Fällen entgegenstehen.244 Auch wird zuweilen vorgebracht, dass eine Einflussnahme „von außen“ für institutionelle Investoren vorzugswürdig sei, nicht zuletzt aufgrund der drohenden Haftung bei der Besetzung eines Organpostens.245 Es lassen sich hier allerdings durchaus Gegenbeispiele aus der Praxis nennen.246 241 Vgl. insofern auch Schockenhoff/Culmann, ZIP 2015, 297, 299, 301 f.; Bunz, NZG 2014, 1049, 1050. 242 Vgl. Hommelhoff, in: GS Winter, S. 255, 256 ff.; Wilsing, ZGR 2012, 291, 298 ff. 243 Siehe dazu ausführlich oben Kap. 4, A. 244 Siehe zu diesbezüglichen Reformerwägungen unten G. 245 Faber, in: Hommelhoff/Hopt/v. Werder, Hdb Corporate Governance, S. 226 f.; vgl. auch Hopt, ZHR 175 (2011), 444, 500, 502. Siehe zu den typischen Praktiken auch Schockenhoff/Culmann, ZIP 2015, 297, 299 ff.; Bunz, NZG 2014, 1049, 1050 f. 246 Hier sei abermals der schwedische Finanzinvestor Cevian Capital genannt, der bereits seit längerem einen Posten im Aufsichtsrat der ThyssenKrupp AG anstrebte, siehe dazu

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Kap. 5: Entsendungsrechte und Corporate Governance

Festhalten lässt sich damit zumindest, dass mit dem Entsendungsrecht bereits eine Möglichkeit existiert, entsprechend interessierte Aktionäre enger an die Gesellschaft zu binden und ihnen eine gesteigerte Einflussnahme und Überwachungstätigkeit zu ermöglichen. Ein wesentlicher Unterschied zu verschiedenen, teils auch von der EUKommission erwogenen Instrumenten besteht freilich darin, dass mit Entsendungsrechten nur ein Anreiz für einzelne Paketaktionäre geschaffen werden kann, nicht aber für sämtliche Anteilseigner. Man sollte hier indes realistisch bleiben: Längst nicht alle Aktionäre und auch nicht alle institutionellen Investoren sind zu einer aktiven Einflussnahme auf ihre Portfoliogesellschaften willens oder in der Lage,247 woran auch die Begründung neuer Anreize oder gar Pflichten nichts ändern wird. Insofern mag es gar nicht verfehlt sein, den Fokus auf den Kreis der wenigen, als strategische Partner ernsthaft in Frage kommenden Aktionäre zu richten und sich zu fragen, wie man diese zu einem aktiveren Engagement motivieren kann. Entsendungsrechte sind hierfür sicher nicht das Maß aller Dinge, aber doch ein zumindest nicht völlig ungeeignetes Instrument. Hält man die verstärkte Einbeziehung langfristig orientierter Aktionäre in das System der Corporate Governance für sinnvoll, könnte diesem Rechtsinstitut in Zukunft womöglich wieder größere Beachtung zuteilwerden. Nach alledem ist zumindest der These Mösleins zu widersprechen, in der börsennotierten Publikumsgesellschaft bestehe „kein Bedarf für eine leistungsgerechte Umverteilung von Einflussmacht im Innenverhältnis unter den Gesellschaftern“, weswegen sich der Zweck von Entsendungsrechten in aller Regel auf die Abschreckung potenzieller Kontrollerwerber beschränke.248 Gerade vor dem Hintergrund des controlling shareholder tradeoff249 ist es durchaus denkbar, dass sich Aktionäre nicht nur aus Gründen der Übernahmeabwehr250 bewusst dafür entscheiden, bestimmten Paketaktionären mittels Entsendungsrecht einen über ihren Kapitalanteil hinausgehenden Einfluss einzuräumen,251 weil sie sich davon eine bessere Überwachung des Managements – die sie selbst nicht zu leisten vermögen – und eine stärker langfristig orientierte Geschäftspolitik erhoffen. Zumindest bestimmte Aktionäre werden hierzu auch willens und in der Lage sein, worauf die Handelsblatt v. 28. 1. 2014, S. 17. Auf der Hauptversammlung im Januar 2015 wurde nunmehr ein Vertreter von Cevian in den Aufsichtsrat gewählt, vgl. ThyssenKrupp AG, Einladung zur HV 2015, S. 6 f. sowie Abstimmungsergebnisse, S. 4. Siehe zu diesem Beispiel auch Schockenhoff/Culmann, ZIP 2015, 297, 299. 247 Vgl. Bainbridge, Corporate Governance, S. 242 ff.; Fleischer, ZGR 2011, 155, 164 ff.; Hopt, ZHR 175 (2011), 444, 502 f. Siehe auch Handelsblatt v. 24. 11. 2014, S. 7: Hier wird beispielhaft die US-amerikanische Investmentgesellschaft Blackstone genannt, die trotz wesentlicher Beteiligung an der Deutsche Telekom AG auf eine Einflussnahme weitgehend verzichtet und sich mit der jährlichen Dividendenrendite zu begnügen scheint. 248 Möslein, AG 2007, 770, 772. Siehe auch bereits oben Kap. 1, C. II. 249 Siehe dazu oben 2. 250 Dies ist freilich ein weiterer Zweck von Entsendungsrechten, siehe oben Kap. 1, C. II. und unten F. II. 251 Vgl. auch Krieger, in: Verhandlungen des 67. DJT II/1, S. N 36.

E. Aktionärsdemokratie, Gleichbehandlung, Prinzip one share, one vote

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zahlreichen Beispiele für Ankerbeteiligungen an deutschen Großunternehmen hinweisen. Ihre Motivation für eine überobligatorische Leistung neben der Kapitaleinlage kann vielerlei Gründe haben: Ein persönliches Interesse etwa bei Gesellschaftsgründern, einen satzungsmäßigen Auftrag wie bei der Krupp-Stiftung,252 strategische Interessen in den Geschäftsfeldern des Unternehmens etwa bei bestimmten institutionellen Investoren,253 die Überzeugung von der eigenen Expertise sowie der Fähigkeit zur Effizienz- und Gewinnsteigerung im Unternehmen etwa bei Finanzinvestoren254 oder auch rein eigennützige Hoffnungen auf die Erlangung bestimmter Sondervorteile (private benefits of control) – letzteres ist nach der Theorie des controlling shareholder tradeoff durchaus hinnehmbar, solange die Effizienzvorteile für die Gesellschaft überwiegen. Insofern ist es zwar zutreffend, dass sich die Gesellschafterleistung in der Publikumsgesellschaft „typischerweise“ auf die bloße Kapitalbeteiligung beschränkt.255 Wie so oft gilt aber: Ausnahmen bestätigen die Regel, und für eben diese Ausnahmen kann sich das Entsendungsrecht durchaus als geeignetes Instrument erweisen.

E. Aktionärsdemokratie, Gleichbehandlung und das Prinzip one share, one vote Wie bereits dargelegt, bildet die effektive Managementkontrolle durch Aufsichtsrat, Board und Aktionäre zwar einen wesentlichen, aber keineswegs den einzigen Aspekt der Corporate Governance. Auch die Austarierung der Interessen der verschiedenen Bezugsgruppen des Unternehmens und damit die Themen Mehrheitsherrschaft und Minderheitenschutz gehören zu ihren Anliegen. Eine zentrale Bedeutung kommt dabei der sog. Aktionärsdemokratie (shareholder democracy)256 zu. Mit diesem Begriff werden zwei verschiedene und voneinander zu trennende Zielsetzungen umschrieben. Zum einen geht es hier um die Stärkung der Anteilseignerposition im internen Machtgefüge von Kapitalgesellschaften (shareholder empowerment). Dies betrifft die Einflussmöglichkeiten der Aktionäre auf die Geschicke der Gesellschaft und ihre Rolle als Prinzipale und Kontrolleure des Managements.257 Zum anderen – und nur darum geht es im Folgenden – beschreibt der Begriff der Aktionärsdemokratie das Verhältnis der Aktionäre untereinander. Nach verbreitetem Verständnis sollen sich die Aktionäre, ähnlich wie die Bürger eines

252

Siehe bereits oben Kap. 2, A. II. 2. b), Fn. 39. Vgl. Faber, in: Hommelhoff/Hopt/v. Werder, Hdb Corporate Governance, S. 220 („strategische Investoren“). 254 Vgl. Schockenhoff/Culmann, ZIP 2015, 297 f. 255 So Möslein, AG 2007, 770, 772. 256 Siehe dazu etwa Khachaturyan, EBOR 8 (2007), 335, 337 ff. 257 Siehe dazu bereits oben D. I. 253

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Kap. 5: Entsendungsrechte und Corporate Governance

Staates,258 im Grundsatz gleichberechtigt gegenüberstehen. Die rechtlichen Ausprägungen dieses Konzepts sind der Gleichbehandlungsgrundsatz sowie – bezogen auf das Stimmrecht und damit auf das wesentliche Mitwirkungsrecht – das international so bezeichnete Prinzip one share, one vote (1S1V). Letzteres bedeutet nichts anderes, als dass im Grundsatz jede Aktie genau eine Stimme in der Hauptversammlung der Gesellschaft gewährt.259 Da hiermit ein Gleichlauf zwischen Kapitalanteil und Stimmrechtsanteil hergestellt wird, spricht man im deutschsprachigen Raum auch vom sog. Proportionalitäts-260 oder Kapitalprinzip.261 Der dahinter stehende Gedanke ist einleuchtend: Je höher der Kapitaleinsatz und das damit verbundene Risiko eines Aktionärs ist, desto höher soll auch seine Stimmrechtsmacht und damit die Möglichkeit der Einflussnahme auf die Gesellschaft sein.262 Im deutschen Aktienrecht sind diese Prinzipien in § 53a AktG (Gleichbehandlungsgrundsatz) und § 12 AktG (Stimmrechtsgleichheit bzw. one share, one vote) kodifiziert. Es wurde bereits festgestellt, dass Entsendungsrechte nach § 101 Abs. 2 AktG als gesetzlich vorgesehene Ausnahmen mit diesen Normen vereinbar sind.263 De lege lata können an ihrer Zulässigkeit insofern keine Zweifel bestehen. Das deutsche Recht geht damit zwar im Grundsatz von der Gleichbehandlung der Aktionäre und der Proportionalität zwischen Kapitalanteil und Stimmrechtsmacht aus, lässt aber Durchbrechungen wie das Entsendungsrecht ausdrücklich zu. Da diese gesetzgeberische Entscheidung Folgen für die Corporate Governance hat,264 ist sie insbesondere vor dem Hintergrund der auf internationaler Ebene kontrovers geführten one share, one vote-Diskussion zu hinterfragen.

I. Das one share, one vote-Prinzip im europäischen und internationalen Kontext Auf internationaler Ebene wird in erster Linie das Prinzip one share, one vote als spezielle Ausprägung des Konzepts der Aktionärsdemokratie sowie des Gleichbe258

Vgl. Khachaturyan, EBOR 8 (2007), 335, 337 f. Diese Formel gilt jedenfalls für Stückaktien. Bei Nennbetragsaktien richtet sich das Stimmrecht entsprechend nach dem jeweiligen Nennbetrag, vgl. § 134 Abs. 1 S. 1 AktG. Auch hier verleiht aber jede Aktie eine Stimme, sofern das Grundkapital ausschließlich in Aktien mit gleichen Nennbeträgen eingeteilt ist, siehe Spindler, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 134 Rn. 9; Koch, in: Hüffer, AktG, § 134 Rn. 2. 260 Goslar, in: Wilsing, DCGK, Ziff. 2.1.2 Rn. 1; ähnlich Heider, in: MünchKomm AktG, § 12 Rn. 5, 8 („Grundsatz der proportionalen Ausgestaltung des Stimmrechts“). 261 Vatter, in: Spindler/Stilz, AktG, § 12 Rn. 1, 6; Brändel, in: Großkomm AktG, § 12 Rn. 4; Dauner-Lieb, in: KölnKomm AktG, § 12 Rn. 3. 262 Vgl. Brändel, in: Großkomm AktG, § 12 Rn. 4; Heider, in: MünchKomm AktG, § 12 Rn. 5, 8; Dauner-Lieb, in: KölnKomm AktG, § 12 Rn. 3 f.; Vatter, in: Spindler/Stilz, AktG, § 12 Rn. 1, 6; Ziemons, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 12 Rn. 5. 263 Siehe oben Kap. 3, B. I. und II. 264 Vgl. Poutianen, EBLR 12 (2001), 67. 259

E. Aktionärsdemokratie, Gleichbehandlung, Prinzip one share, one vote

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handlungsgrundsatzes265 diskutiert. Auch die folgende Darstellung bezieht sich deshalb allein auf 1S1V, obwohl man durchaus darüber streiten könnte, ob es bei Entsendungsrechten streng genommen überhaupt um das Stimmrecht geht.266 Alle folgenden Erwägungen lassen sich aber auch auf die allgemeine Gleichbehandlung der Aktionäre übertragen. 1. Ursprünge und Entwicklung in Europa Ein verbandsrechtlicher Gleichbehandlungsgrundsatz lässt sich bis ins kanonische Recht zurückverfolgen und fand bereits ausdrücklich Einzug in das preußische ALR von 1794 sowie den französischen Code de Commerce von 1807.267 Auch das Prinzip, dass jede Aktie ihrem Inhaber grundsätzlich eine Stimme gewährt, findet sich bereits in Art. 224 Abs. 2 des ADHGB von 1861, allerdings mit ausdrücklicher Abweichungsmöglichkeit durch den Gesellschaftsvertrag. Diese Flexibilität kennzeichnet die Stimmrechtsgestaltung in zahlreichen europäischen Rechtsordnungen bis heute.268 Zwar existiert seit 1977 mit Art. 42 der Kapitalrichtlinie269 auch auf europäischer Ebene ein Grundsatz der Gleichbehandlung der Aktionäre, dieser ist allerdings auf den Anwendungsbereich der Richtlinie beschränkt und schreibt zudem nur die Gleichbehandlung von Aktionären „in denselben Verhältnissen“ vor.270 Im Grundsatz ist das 1S1V-Prinzip deshalb heute innerhalb der EU zwar weit verbreitet, die meisten Mitgliedstaaten sehen jedoch gewisse Abweichungen vor.271 Angesichts 265 Im Falle quantifizierbarer Rechte wie dem Stimmrecht richtet sich der Maßstab des Gleichbehandlungsgrundsatzes nach allgemeiner Ansicht nach dem Umfang der Kapitalbeteiligung, siehe etwa BGHZ 70, 117, 121; Bungeroth, in: MünchKomm AktG, § 53a Rn. 11 f.; Henze/Notz, in: Großkomm AktG, § 53a Rn. 50 f.; Drygala, in: KölnKomm AktG, § 53a Rn. 24; Verse, Gleichbehandlungsgrundsatz, S. 228 f. 1S1V bzw. das Kapital- oder Proportionalitätsprinzip können deshalb als spezielle Ausprägung des Gleichbehandlungsgrundsatzes bezeichnet werden, vgl. Bungeroth, in: MünchKomm AktG, § 53a Rn. 10; Poutianen, EBLR 12 (2001), 67. 266 Dies ist indes zu bejahen, siehe dazu bereits oben Kap. 3, B. II. Im Übrigen werden Entsendungsrechte auch in der von der EU-Kommission in Auftrag gegebenen Studie zum 1S1V-Prinzip ausdrücklich als Abweichungen hiervon genannt, siehe unten II. 267 Verse, Gleichbehandlungsgrundsatz, S. 16; Windorfer, Mehrstimmrechtsaktien, S. 8. 268 Mit seinem strikten Verbot von Mehrstimmrechten befindet sich Deutschland innerhalb der EU in der Minderheit; vgl. insofern die von der EU-Kommission in Auftrag gegebene Studie von ISS Europe/Shearman & Sterling/ECGI, Report on the Proportionality Principle, S. 15 ff. Siehe zur Abschaffung von Mehrstimmrechten im deutschen Aktienrecht bereits oben Kap. 1, B. II. 3. und III. 5. 269 RL 77/91/EWG vom 13. 12. 1976 (ABl. EG L 26/1). 270 Ebenso verhält es sich mit den weiteren Kodifikationen des Gleichbehandlungsgrundsatzes in der Transparenz- sowie der Aktionärsrechterichtlinie; siehe näher dazu Habersack/Verse, Europäisches GesR, § 6 Rn. 88 f. 271 Vgl. Khachaturyan, EBOR 8 (2007), 335, 342 f.; Poutianen, EBLR 12 (2001), 67, 73; ausführlich die Studie von ISS Europe/Shearman & Sterling/ECGI, Report on the Proportionality Principle, S. 14 ff. (dazu sogleich unter 3.).

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Kap. 5: Entsendungsrechte und Corporate Governance

der Tatsache, dass konzentrierter Anteilsbesitz, Konzernstrukturen und Großaktionäre in Europa nach wie vor stark verbreitet und in zahlreichen kontinentaleuropäischen Rechtsordnungen sogar vorherrschend sind,272 kann dies kaum überraschen. Ein strikter 1S1V-Standard existiert weder im Recht der EU, noch im Recht der meisten Mitgliedstaaten. 2. Entwicklung in den USA 1S1V wird nicht selten als anglo-amerikanischer Corporate Governance-Standard bezeichnet.273 Tatsächlich hat sich 1S1V im Laufe des 20. Jahrhunderts insbesondere in den USA in weit stärkerem Maße durchgesetzt als in Kontinentaleuropa. Die New York Stock Exchange (NYSE) führte bereits 1926 eine Regelung ein, die das Listing stimmrechtsloser Aktien verbot.274 Dies dürfte – zusammen mit steuerrechtlichen Maßnahmen zur Bekämpfung sog. Pyramidenstrukturen – zur Herausbildung der in den USA noch heute vorherrschenden breit gestreuten Anteilseignerstruktur beigetragen haben.275 Dennoch wäre es unzutreffend zu behaupten, im US-amerikanischen Raum seien Abweichungen vom 1S1V-Prinzip unbekannt. Andere bedeutende Börsen und Handelsplätze, insbesondere AMEX und NASDAQ, folgten dem Beispiel der NYSE von Anfang an nicht, die dadurch unter Konkurrenzdruck geriet und ihre Regelungen in den 80er Jahren ebenfalls wieder lockerte.276 Auch der darauf folgende Versuch der US-Börsenaufsicht SEC, mit der Schaffung der Rule 19c-4 den 1S1V-Standard für alle börsennotierten Gesellschaften durchzusetzen, scheiterte: Der District of Columbia Court of Appeals stellte fest, dass der SEC die Befugnis fehle, eine derartige Regelung zu erlassen.277 In der Folge haben sich die wichtigen Börsen auf informeller Ebene geeinigt und jeweils Regelungen erlassen, die zumindest nachträgliche Abweichungen vom 1S1V-Prinzip weitgehend ausschließen. Insbesondere bei Erstnotierungen sind aber Abweichungen zulässig.278 Von dieser 272

Vgl. Gilson, Harv.L.Rev. 119 (2006), 1641, 1645 ff.; Khachaturyan, EBOR 8 (2007), 335, 346; Psarakis, EBLR 19 (2008), 709, 714. 273 Vgl. etwa Kremer, in: Ringleb/Kremer/Lutter/v. Werder, DCGK, Rn. 210; Ferrarini, ECFR 3 (2006), 147, 153; eher kritisch Wymeersch, in: FS Hopt, S. 1565, 1577. 274 Ferrarini, ECFR 3 (2006), 147, 163; Khachaturyan, EBOR 8 (2007), 335, 342; Burkart/ Lee, Rev.Fin. 12 (2008), 1, 2; ausführlich auch zum historischen Hintergrund Seligman, Geo.Wash.L.Rev. 54 (1986), 687, 693 ff. 275 Vgl. Ferrarini, ECFR 3 (2006), 153, 164 f., 172 f.; Allen/Kraakman/Subramanian, Business Organization, S. 185. 276 Ferrarini, ECFR 3 (2006), 153, 163 f.; Burkart/Lee, Rev.Fin. 12 (2008), 1, 2; Khachaturyan, EBOR 8 (2007), 335, 342; Seligman, Geo.Wash.L.Rev. 54 (1986), 687, 700. 277 The Business Roundtable v. Securities and Exchange Commission, 905 F.2d 406 (D.C.Cir. 1990); dazu auch Ferrarini, ECFR 3 (2006), 153, 163 f.; Allen/Kraakman/Subramanian, Business Organization, S. 187. 278 Allen/Kraakman/Subramanian, Business Organization, S. 187; Ferrarini, ECFR 3 (2006), 153, 164; siehe zu den entsprechenden Regelungen der NYSE bereits oben Kap. 2, C. I. 2. b) cc).

E. Aktionärsdemokratie, Gleichbehandlung, Prinzip one share, one vote

381

Möglichkeit wird zuweilen durchaus Gebrauch gemacht: So sind etwa in Gesellschaften der Medienindustrie mehrere Aktiengattungen mit unterschiedlich starkem Stimmrecht nicht unüblich.279 Es zeigt sich, dass 1S1V in den USA zwar der gängige Standard sein mag; ein ausnahmsloses, zwingendes 1S1V-Postulat existiert aber auch hier nicht, erst recht nicht auf der Ebene des allgemeinen Gesellschaftsrechts.280 3. Europäische Reformbestrebungen Gleichwohl setzte Anfang der 2000er Jahre auch in Europa wieder eine Debatte über 1S1V ein. Die von der EU-Kommission eingesetzte High Level Group of Company Law Experts („Winter Group“) sprach sich in ihrem ersten Bericht zu Fragen im Zusammenhang mit Übernahmeangeboten für die Einführung einer obligatorischen Durchbrechungsregel aus, die in Übernahmesituationen bestimmte Kontrollmechanismen außer Kraft setzen und damit dem Kapital- bzw. Proportionalitätsprinzip Geltung verschaffen sollte.281 Dieses wurde von der Winter Group als eines von zwei fundamentalen Leitprinzipien zur Herstellung eines level playing field auf dem Übernahmemarkt benannt.282 Auch wenn sich eine zwingende Durchbrechungsregel letztlich nicht durchsetzen konnte, so hatte die Winter Group mit ihrem klaren Bekenntnis zum 1S1V-Prinzip zumindest eine Diskussion ins Rollen gebracht. Die EU-Kommission brachte bereits 2003 in ihrem Aktionsplan zur Modernisierung des Gesellschaftsrechts und zur Verbesserung der Corporate Governance zum Ausdruck, dass sie den 1S1V-Grundsatz mittel- bis langfristig durchzusetzen gedenke.283 Der damalige Binnenmarkt-Kommissar McCreevy setzte sich nachdrücklich für 1S1V ein und gab 2006 eine umfangreiche Studie in Auftrag, die die Verbreitung von einflusserweiternden284 Mechanismen (control enhancing mechanisms, CEMs) untersuchen sollte, um die Notwendigkeit eines EU-weiten Verbots derartiger Instrumente beurteilen zu können.285 Die von dem internationalen Stimmrechtsberater Institutional Shareholder Services (ISS) Europe, der Kanzlei Shearman & Sterling und dem European Corporate Governance Institute (ECGI) durchgeführte Studie286 wurde 2007 veröffentlicht. Sie kommt unter anderem zu dem 279

S. 186. 280

Merkt, US GesR, Rn. 1501; Allen/Kraakman/Subramanian, Business Organization,

Vgl. Allen/Kraakman/Subramanian, Business Organizations, S. 185. Report of the High Level Group of Company Law Experts on Issues Related to Takeover bids, 10. 1. 2002, S. 29 ff.; zum Ganzen auch Ferrarini, ECFR 3 (2006), 147, 148 ff. 282 Report of the High Level Group of Company Law Experts on Issues Related to Takeover bids, 10. 1. 2002, S. 20 ff. 283 Mitteilung der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament v. 21. 5. 2003, Modernisierung des Gesellschaftsrechts und Verbesserung der Corporate Governance in der Europäischen Union – Aktionsplan, KOM(2003) 284, S. 17. 284 Zur Terminologie bereits oben Kap. 1, C., Fn. 421. 285 Vgl. Psarakis, EBLR 19 (2008), 709 f. 286 ISS Europe/Shearman & Sterling/ECGI, Report on the Proportionality Principle. 281

382

Kap. 5: Entsendungsrechte und Corporate Governance

Ergebnis, dass kein einziger Mitgliedstaat der EU das 1S1V-Prinzip ausnahmslos vorschreibt. Vielmehr sehen sämtliche nationale Rechtsordnungen Ausnahmen in Form von CEMs vor.287 Auf Ebene der einzelnen Gesellschaften ergibt sich ein uneinheitliches Bild: Zwar befolgt die Mehrheit der 464 untersuchten, börsennotierten Gesellschaften in Europa den 1S1V-Grundsatz, doch weisen immerhin 44 % mindestens einen CEM auf. Innerhalb der Gruppe der Großunternehmen („large caps“) verfügt mit 52 % sogar eine knappe Mehrheit über CEMs.288 Diese Ergebnisse sowie die im Rahmen der Studie ebenfalls durchgeführte Auswertung der theoretischen und empirischen Literatur zur Wirkung von CEMs, die zu keinem eindeutigen Urteil gelangte,289 veranlassten die Kommission schließlich dazu, von einer legislativen Durchsetzung des 1S1V-Prinzips Abstand zu nehmen und das Projekt vorerst aufzugeben.290 Trotz alledem stehen Abweichungen vom 1S1VGrundsatz in Form von einflusserweiternden Instrumenten nach wie vor in der Kritik.291

II. Entsendungsrechte als einflusserweiternde Instrumente Auch das deutsche Entsendungsrecht nach § 101 Abs. 2 AktG wird zuweilen kritisiert, da es einzelne Aktionäre bevorteile und gegen das 1S1V-Prinzip bzw. die Erwartungen der Kapitalmarktteilnehmer verstoße.292 Tatsächlich stellt das Entsendungsrecht, wie bereits gezeigt, eine Abweichung vom aktienrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz und dem 1S1V-Prinzip dar.293 Die EU-Studie ordnet Entsendungsrechte entsprechend der CEM-Kategorie der „priority shares“ sowie

287

S. 14 f.

ISS Europe/Shearman & Sterling/ECGI, Report on the Proportionality Principle,

288 ISS Europe/Shearman & Sterling/ECGI, Report on the Proportionality Principle, S. 23 ff. 289 Zur theoretischen Literatur Burkart/Lee, Rev.Fin. 12 (2008), 1 ff., insb. das Fazit auf S. 40 f.; zur empirischen Literatur Adams/Ferreira, Rev.Fin. 12 (2008), 51 ff., insb. das Fazit auf S. 84 ff. Siehe dazu und zu weiteren Stellungnahmen auch unten III. 2. 290 Rede des Kommissars McCreevy vom 3. 10. 2007, SPEECH/07/592; siehe auch Habersack/Verse, Europäisches GesR, § 40 Rn. 29; Psarakis, EBLR 19 (2008), 709 f.; kritisch zu dieser Entscheidung Hopt, in: FS Wymeersch, S. 373, 392 ff.; siehe ferner die Folgenabschätzung der EU-Kommission (Impact Assessment on the Proportionality between Capital and Control in Listed Companies) vom 12. 12. 2007, SEC(2007) 1705, S. 4 ff. 291 Vgl. etwa Kremer, in: Ringleb/Kremer/Lutter/v. Werder, DCGK, Rn. 210: „Abweichungen von diesem Grundsatz entsprechen nicht den Erwartungen des Kapitalmarkts und können die Eigentümerkontrolle schwächen.“ 292 Vgl. etwa den Klägervortrag vor dem LG Essen, Urt. v. 29. 6. 2007 – 45 O 15/07, juris, Rn. 11 (nur dort im Volltext, nicht abgedruckt in AG 2007, 797); Rothärmel, Gestaltungsfreiheit, S. 311 f.; Gündel, Interessenwahrung, S. 176 f.; tendenziell auch Bachmann, in: FS Hopt, S. 337, 344 („unter Corporate-Governance-Gesichtspunkten problematisch“). 293 Siehe oben Kap. 3, B. I. und II.

E. Aktionärsdemokratie, Gleichbehandlung, Prinzip one share, one vote

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der übergeordneten Gruppe der „mechanisms used to lock-in control“ zu.294 Der Bericht zur Studie geht auf die Norm des § 101 Abs. 2 AktG nicht ausdrücklich ein, sondern beschränkt sich auf die Aussage, dass priority shares im deutschen Recht verfügbar sind und gewissen Regeln hinsichtlich der Organbestellung unterliegen.295 Ausdrücklich genannt wird die Norm allerdings in den detaillierten Unterlagen der umfassenden rechtsvergleichenden Studie, die dem Bericht zugrunde liegt.296 Auffällig ist demgegenüber, dass nach den Angaben der Studie keine der untersuchten deutschen Aktiengesellschaften über priority shares verfügt, obwohl sowohl die ThyssenKrupp AG, als auch die Volkwagen AG zur Untersuchungsgruppe gehörten.297 Gleichwohl können keine Zweifel daran bestehen, dass es sich bei Entsendungsrechten nach § 101 Abs. 2 AktG um control enhancing mechanisms im Sinne der Studie und damit um eine Ausnahme vom 1S1V-Prinzip handelt. Sie dienen sowohl der Erweiterung, als auch der Absicherung des Einflusses einzelner Aktionäre,298 und zwar unabhängig vom jeweiligen Kapitalanteil, womit das Proportionalitäts- bzw. Kapitalprinzip durchbrochen wird. Sofern man davon ausgehen würde, dass 1S1V der optimale Corporate Governance-Standard jedenfalls in börsennotierten Kapitalgesellschaften ist, müsste man Entsendungsrechte folglich grundsätzlich ablehnen. Eine Abschaffung des § 101 Abs. 2 AktG oder zumindest seine Beschränkung auf nichtbörsennotierte Aktiengesellschaften dürfte dann angezeigt sein. Schließlich hat der deutsche Gesetzgeber diesen Schritt für andere CEMs bereits vollzogen, indem er Mehrstimmrechte schon früh stark eingeschränkt und mittlerweile praktisch vollständig abgeschafft hat299 und mit dem KonTraG300 294

ISS Europe/Shearman & Sterling/ECGI, Report on the Proportionality Principle, S. 8: „Priority shares: these shares grant their holders specific powers of decision or veto rights in a company, irrespective of the proportion of their equity stake […]. The rights attributed to the holders of priority shares vary from company to company and can range from the entitlement to propose specific candidates to the board of directors, to the right to directly appoint board members or to veto a decision taken at the general meeting.“ Ebenso Hopt, in: FS Wymeersch, S. 373, 393. 295 ISS Europe/Shearman & Sterling/ECGI, Report on the Proportionality Principle, S. 15, 20. 296 Shearman & Sterling, Proportionality between Ownership and Control, Exhibit C, Part 1, S. 107 ff. 297 Vgl. ISS Europe/Shearman & Sterling/ECGI, Report on the Proportionality Principle, S. 48, 124. Bei der ThyssenKrupp AG ist dies nachvollziehbar, denn hier wurde das Entsendungsrecht erst im Januar 2007 eingeführt und dürfte damit in der Studie keine Berücksichtigung mehr gefunden haben. Für die Volkswagen AG galt zum Zeitpunkt der Studie dagegen noch das VW-Gesetz mit dem darin vorgesehenen Entsendungsrecht des Landes Niedersachsen. Dieses wurde offensichtlich weder als priority share, noch als golden share oder sonstiger Staatseinfluss berücksichtigt, was kaum zu erklären ist. 298 Siehe bereits oben Kap. 1, C. I. 299 Siehe dazu bereits oben Kap. 1, B. II. 3. und III. 5. 300 Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich vom 27. 4. 1998 (BGBl. I 1998, S. 786).

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Kap. 5: Entsendungsrechte und Corporate Governance

1998 auch Höchststimmrechten zumindest in börsennotierten Gesellschaften ein Ende bereitet hat.301

III. Verbreitung und wissenschaftliche Fundierung von one share, one vote Eine derart weitreichende Schlussfolgerung ist aber keineswegs zwingend. 1S1V stellt zwar eine weit verbreitete Grundregel dar, deren Sinn, nämlich die prinzipielle Koppelung von Kapitalanteil und Stimmrechtsmacht, nachvollziehbar erscheint. Man kann dies wohl auch in Deutschland als gesetzgeberische Idealvorstellung bezeichnen,302 allerdings nur bezogen auf das eigentliche Stimmrecht in der Hauptversammlung.303 Keinesfalls ist 1S1V aber eine Art aktienrechtliches „Naturrecht“, das aus Prinzipien der Gerechtigkeit ableitbar und deshalb ausnahmslos zur Geltung zu bringen wäre.304 Seine strikte Befolgung könnte allenfalls dann geboten sein, wenn es sich um einen international anerkannten Corporate GovernanceStandard handeln würde, der nachweislich positive Effekte für die Unternehmensführung, den shareholder value und die Markteffizienz hätte. 1. Internationale Verbreitung Bereits eine solche Verbreitung des strikten 1S1V-Prinzips kann aber nicht konstatiert werden. Für den europäischen Markt belegt dies anschaulich die bereits mehrfach genannte CEM-Studie, die deutlich macht, dass Abweichungen vom 1S1V-Grundsatz innerhalb der EU an der Tagesordnung sind.305 Nach der dieser Studie zugrundeliegenden rechtsvergleichenden Untersuchung sind verschiedene CEMs darüber hinaus etwa im Recht Japans sowie Australiens verfügbar.306 Selbst in den USA betreffen die einschlägigen 1S1V-Regelungen lediglich börsennotierte Gesellschaften und sehen überdies einige Ausnahmen vor.307 Auch die im Rahmen dieser Arbeit durchgeführte rechtsvergleichende Untersuchung zeigt, dass speziell Entsendungsrechte oder zumindest ähnliche Instrumente in den meisten unter301 Vgl. Kremer, in: Ringleb/Kremer/Lutter/v. Werder, DCGK, Rn. 217; Grundmann, in: Großkomm AktG, § 134 Rn. 55; Schröer, in: MünchKomm AktG, § 134 Rn. 8. 302 So Koch, in: Hüffer, AktG, § 134 Rn. 3. 303 Eventuell hinzutretende Entsendungsrechte werden durch § 101 Abs. 2 AktG ja gerade weiterhin ermöglicht. 304 Zöllner/Noack, AG 1991, 117, 118; Koch, in: Hüffer, AktG, § 134 Rn. 3. 305 Siehe bereits oben I. 3. 306 Shearman & Sterling, Proportionality between Ownership and Control, Exhibit C, Part 2, S. 331 ff. (Japan) und 380 ff. (Australien). 307 Siehe bereits oben Kap. 2, C. I. 2. b) cc) und Kap. 5, E. I. 2.; ferner Shearman & Sterling, Proportionality between Ownership and Control, Exhibit C, Part 2, S. 291 ff.

E. Aktionärsdemokratie, Gleichbehandlung, Prinzip one share, one vote

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suchten Rechtsordnungen zur Verfügung stehen.308 Von einer einheitlichen internationalen Praxis, die ausländische Investoren auch auf dem deutschen Kapitalmarkt ausnahmslos voraussetzen dürfen, kann insofern überhaupt keine Rede sein. Auch die Tendenz, dass gerade institutionelle Investoren häufig die Einhaltung des 1S1VGrundsatzes fordern,309 kann darüber nicht hinwegtäuschen.310 2. Ökonomische Wirkung und rechtspolitische Zweckmäßigkeit Auch die ökonomische Zweckmäßigkeit des Prinzips ist keineswegs unumstritten.311 Die Verfechter der 1S1V-Regel stellen diese gemeinhin als optimalen Governance-Standard jedenfalls für börsennotierte Kapitalgesellschaften dar und sehen Durchbrechungen in Form von einflusserweiternden Sonderrechten entsprechend kritisch.312 Tatsächlich existieren Untersuchungen aus dem Bereich der Wirtschaftswissenschaften, die den Nutzen von 1S1V aufzeigen. Häufig zitiert wird in diesem Zusammenhang ein Beitrag von Grossman und Hart, die zu dem Ergebnis kommen, dass 1S1V in Übernahmesituationen zumindest unter bestimmten Bedingungen zu ökonomisch optimalen Ergebnissen führe.313 Sie weisen jedoch ausdrücklich auch auf anders gelagerte Fälle hin und sprechen sich im Ergebnis gegen Regulierungsmaßnahmen in Form von zwingenden Vorschriften aus.314 Ähnlich verhält es sich mit einer zeitgleich veröffentlichten Untersuchung von Harris und Raviv, die 1S1V im Ergebnis zwar auch als gesellschaftlich optimalen („socially optimal“) Corporate Governance-Standard bezeichnen, bei der Frage einer entsprechenden Regulierung aber Zurückhaltung üben.315 Weitere Studien sollen beweisen, dass die Entkoppelung von Kontrollrechten und Gewinnaneignungsrech-

308

Siehe ausführlich oben Kap. 2, C. Vgl. Ferrarini, ECFR 3 (2006), 147, 152. 310 Es darf ohnehin bezweifelt werden, inwieweit institutionelle Investoren tatsächlich von der Überlegenheit des 1S1V-Prinzips überzeugt sind und ob hier nicht vielmehr rein opportunistische Erwägungen eine wesentliche Rolle spielen. Insofern sei verwiesen auf die völlig unterschiedlichen Kommentare von Fondsmanagern im Rahmen der Umfrage zur EU-Studie, siehe ISS Europe/Shearman & Sterling/ECGI, Report on the Proportionality Principle, S. 89 ff. Als besonders bezeichnend ist etwa der Kommentar eines kanadischen Vermögensverwalters auf S. 91 hervorzuheben: „We are in favour of CEMs when we are the beneficiary of the CEM!“ 311 Darauf weist auch M. Roth, AnwBl. 2008, 580, 585 ausdrücklich hin. 312 Vgl. etwa Easterbrook/Fischel, 26 J.Law Econ. (1983), 395, 403 ff., 408 ff.; Black/ Kraakman, 109 Harv.L.Rev. (1996), 1911, 1945 ff.; Sitkoff, 69 U.Chi.L.Rev. (2002), 1103, 1121; Seligman, Geo.Wash.L.Rev. 54 (1986), 687, 721 ff.; Adams AG 1990, 63, 66 ff. 313 Grossman/Hart, J.Fin.Econ. 20 (1988), 175 ff.; siehe auch die ausführlichen Analysen hierzu von Ferrarini, ECFR 3 (2006), 147, 153 ff. und Adams, AG 1990, 63, 67 ff. 314 Grossman/Hart, J.Fin.Econ. 20 (1988), 175, 178 ff., 200 f. 315 Harris/Raviv, J.Fin.Econ. 20 (1988), 203, 205 ff., 226 ff. 309

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Kap. 5: Entsendungsrechte und Corporate Governance

ten316 (separating control rights and cash-flow rights) generell zu höheren Kontrollkosten führe und deshalb für den Unternehmenswert nachteilig sei.317 Die tatsächliche Aussagekraft dieser sowie zahlreicher weiterer Untersuchungen erscheint allerdings recht begrenzt. So kamen, wie bereits erwähnt, auch die im Rahmen der europäischen CEM-Studie durchgeführten Analysen der theoretischen und empirischen Literatur zu keinem eindeutigen Ergebnis bezüglich der Wirkung von Durchbrechungen des 1S1V-Prinzips.318 Dies liegt vor allem daran, dass sich die Ergebnisse der verschiedenen Studien teilweise diametral widersprechen.319 So existieren durchaus auch Beiträge aus dem Bereich der Wirtschaftswissenschaften, die keine negativen Effekte von Durchbrechungen feststellen320 und 1S1V nicht als generell optimale Governance-Struktur ansehen.321 Festzuhalten ist, dass eine ökonomisch schädliche Wirkung von einflusserweiternden Instrumenten bislang nicht zweifelsfrei nachgewiesen werden konnte.322 Entsprechend lehnen zahlreiche Stimmen auch im rechtswissenschaftlichen Schrifttum ein striktes 1S1V-Postulat ab.323 Bezogen auf die jüngeren europäischen Harmonisierungsbestrebungen wird weder eine Notwendigkeit, noch eine Berechtigung des europäischen Gesetzgebers gesehen, regulierend einzugreifen.324 Das 1S1V-Postulat sei nicht aus den EU-Verträgen oder der Rechtsprechung des EuGH herzuleiten.325 Daneben wird aber auch ganz grundlegend bezweifelt, dass 1S1V stets 316

Vgl. zur deutschen Terminologie Adams, AG 1990, 63, 66 f.; Zöllner/Noack, AG 1991, 117, 125. 317 Bebchuk/Kraakman/Triantis, in: Morck, Concentrated Corporate Ownership, S. 295 ff.; Claessens/Djankov/Fan/Lang, J.Fin. 57 (2002), 2741 ff., 2770; siehe dazu auch Ferrarini, ECFR 3 (2006), 147, 159 ff. 318 Zur theoretischen Literatur Burkart/Lee, Rev.Fin. 12 (2008), 1 ff., insb. das Fazit auf S. 40 f.; zur empirischen Literatur Adams/Ferreira, Rev.Fin. 12 (2008), 51 ff., insb. das Fazit auf S. 84 ff., jeweils mit zahlreichen weiteren Nachweisen; siehe auch die Zusammenfassung in ISS Europe/Shearman & Sterling/ECGI, Report on the Proportionality Principle, S. 10 ff.; vgl. ferner Psarakis, EBLR 19 (2008), 709 f. 319 Vgl. Adams/Ferreira, Rev.Fin. 12 (2008), 51, 84 für die empirische Literatur; ähnlich Khachaturyan, EBOR 8 (2007), 335, 343. 320 Siehe empirisch etwa Partch, J.Fin.Econ. 18 (1987), 313 ff.; Dimitrov/Jain, J.Corp.Fin. 12 (2006), 342 ff. 321 At/Burkart/Lee, J.Fin.Intermed. 20 (2011), 458 ff., insb. 472. („Therefore, one share – one vote is in general not optimal.“) 322 Vgl. Khachaturyan, EBOR 8 (2007), 335, 355. 323 Khachaturyan, EBOR 8 (2007), 335 ff.; Ferrarini, ECFR 3 (2006), 147 ff.; Psarakis, EBLR 19 (2008), 709 ff.; Martin/Partnoy, U.Ill.L.Rev. 2005, 775 ff.; Hayden/Bodie, 30 Cardozo L.Rev. (2008), 445 ff.; Braendle, Ger.L.J. 7 (2006), 257, 266 f.; ebenso bereits Zöllner/ Noack, AG 1991, 117, 118 ff. (im Rahmen der damaligen Debatte über die Abschaffung des Höchststimmrechts); zurückhaltend auch Enriques, ZGR 2004, 735, 748 ff. 324 Khachaturyan, EBOR 8 (2007), 335, 355 ff.; Psarakis, EBLR 19 (2008), 709, 717 ff., 733; Ferrarini, ECFR 3 (2006), 147, 176. 325 Vossestein, ECFR 5 (2008), 115, 129 ff.; Ferrarini, ECFR 3 (2006), 147, 168 ff., 177; wohl auch Psarakis, EBLR 19 (2008), 709, 726 ff.

E. Aktionärsdemokratie, Gleichbehandlung, Prinzip one share, one vote

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den optimalen Governance-Standard darstellt. Insofern wird etwa auf die fundamentalen Unterschiede zwischen einzelnen Aktionären hingewiesen, die angesichts völlig verschiedener Interessen, Beteiligungshöhen, Anlagehorizonte und Finanzierungsformen eben keine homogene Gruppe bilden würden, weswegen ihre strikte Gleichbehandlung vielmehr Informationsasymmetrien verstärken und Kontrollkosten noch erhöhen könne.326 Dies gelte insbesondere für Governance-Systeme mit stark konzentriertem Anteilsbesitz, in denen 1S1V aber auch nicht zur Beseitigung von bestehenden Problemen geeignet sei, sondern eher Maßnahmen zur Beschränkung von private benefits of control notwendig seien.327 Des Weiteren wird argumentiert, die Implementierung einflusserweiternder Instrumente könne langfristig orientierten Entwicklungsstrategien förderlich sein, während das 1S1V-Postulat tendenziell eher kurzfristige Gewinnmaximierung und Spekulationen begünstige.328 Schließlich wird nicht selten darauf hingewiesen, dass eine 1S1V-Regel für börsennotierte Gesellschaften Unternehmensgründer und Altaktionäre von einem Börsengang abhalten könnte. Diese abschreckende Wirkung könnte Unternehmer zur Nutzung weniger geeigneter Finanzierungsformen zwingen und damit letztlich zu höheren Kosten führen.329

IV. Stellungnahme und Anwendung auf Entsendungsrechte Diese Kritik sowie das Fehlen belastbarer Beweise für eine nachteilige Wirkung von CEMs lassen die vermeintliche Überlegenheit des 1S1V-Postulats zweifelhaft erscheinen. Es lässt sich nicht konstatieren, dass die strikte Einhaltung dieses Grundsatzes und der Verzicht auf Abweichungen wirklich zu Effizienzsteigerungen führen. Dies gilt insbesondere für Governance-Systeme, in der die Überwachung durch Großaktionäre eine wesentliche Rolle spielt.330 Solange all dies noch weitgehend unklar ist, gibt es aber in Bezug auf Entsendungsrechte als Ausnahme vom 1S1V-Grundsatz weder einen Grund für gesetzgeberischen Aktionismus, noch für eine Stigmatisierung als „schlechte“ Corporate Governance. Vielmehr können durchaus gute Gründe dafür bestehen, einzelnen Aktionären auch in der kapitalmarktorientierten Gesellschaft eine Vertretung im Aufsichtsrat zu sichern,331 etwa wenn diese aufgrund eines besonderen Interesses an der Gesellschaft oder schlicht 326

Khachaturyan, EBOR 8 (2007), 335, 344 f., 350; ausführlich Hayden/Bodie, 30 Cardozo L.Rev. (2008), 445, 477 ff.; Martin/Partnoy, U.Ill.L.Rev. 2005, 775, 778, 788 ff. 327 Khachaturyan, EBOR 8 (2007), 335, 347; skeptisch insofern allerdings Adams, AG 1990, 63, 70. 328 Vgl. Psarakis, EBLR 19 (2008), 709, 716. 329 Ferrarini, ECFR 3 (2006), 147, 162, 174; Burkart/Lee, Rev.Fin. 12 (2008), 1, 31 f., 40 f.; Psarakis, EBLR 19 (2008), 709, 711 f.; ähnlich auch Enriques, ZGR 2004, 735, 752 (in Bezug auf Kapitalerhöhungen). 330 Vgl. Burkart/Lee, Rev.Fin. 12 (2008), 1, 41. 331 So auch Krieger, in: Verhandlungen des 67. DJT II/1, S. N 36 („berechtigtes Interesse“); ein entsprechendes „Bedürfnis“ sieht auch Bayer, Gutachten E zum 67. DJT, S. E 114.

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Kap. 5: Entsendungsrechte und Corporate Governance

einer langfristigen Investmentstrategie ein nachhaltiges Unternehmenswachstum fördern wollen, anstatt sich nur auf kurzfristige Gewinnmaximierungen zu fixieren.332 Insofern sei auch angemerkt, dass aus Sicht der Corporate Governance doch letztlich die Profitabilität und Prosperität des Unternehmens im Vordergrund stehen muss. Welge und Eulerich weisen – obwohl gerade die Spannungen zwischen KruppStiftung und Kleinaktionären bei der ThyssenKrupp AG aufgrund der Einführung des Entsendungsrechts von ihnen explizit als Fallbeispiel für einen principal-principal-Konflikt angeführt werden – völlig zutreffend darauf hin, dass Mehrprinzipalsituationen und auch -konflikte (nur) dann problematisch sind, wenn die Profitabilität des Unternehmens darunter leidet oder etwa „tunneling“ und andere Formen der Wirtschaftskriminalität dadurch gefördert werden.333 Daraus folgt, dass nicht jede Form der Ungleichbehandlung das Verdikt einer „schlechten“ Corporate Governance verdient. Die Corporate Governance ist kein Selbstzweck, und schon gar nicht sollte sie dazu dienen, umstrittene Maximen wie 1S1V allein aufgrund vermeintlicher Gerechtigkeitserwägungen334 oder Parallelen zu staatsrechtlichen Wahlrechtsgrundsätzen335 quasi „durch die Hintertür“ einzuführen. Erst dann, wenn das effiziente Funktionieren des Unternehmens und damit der shareholder value in Gefahr sind, muss im Sinne einer guten Corporate Governance regulierend eingegriffen werden. Zu beachten ist neben diesen generellen Zweifeln an der Berechtigung eines strikten 1S1V-Postulat, dass die von seinen Verfechtern angeführten Probleme auf Entsendungsrechte nach deutschem Muster wegen ihrer durch § 101 Abs. 2 S. 4 AktG von vornherein begrenzten Wirkung ohnehin nur bedingt zutreffen. Kritisiert wird nämlich zumeist die mit CEMs verbundene Möglichkeit, eine Gesellschaft ohne entsprechende finanzielle Beteiligung kontrollieren zu können. Entsendungsrechte nach § 101 Abs. 2 AktG ermöglichen aber für sich betrachtet keine Kontrolle bzw. Beherrschung, sondern allenfalls im Zusammenspiel mit einem entsprechenden Anteilsbesitz oder aber anderen Kontrollinstrumenten.336 Sie versetzen ihren Inhaber 332

Siehe dazu bereits oben D. II. Welge/Eulerich, Corporate-Governance-Management, S. 21 ff. 334 Vgl. insofern Wymeersch, in: FS Hopt, S. 1565, 1579; ablehnend Braendle, Ger.L.J. 7 (2006), 257, 267; Zöllner/Noack, AG 1991, 117, 118. 335 Anders als die Staatsbürgerschaft basiert die Beteiligung an einer Aktiengesellschaft auf einer freiwilligen, rein wirtschaftlichen Entscheidung, die der Aktionär aus freien Stücken trifft und auch jederzeit durch Verkauf seiner Anteile wieder revidieren kann. Schon deshalb erscheint es nicht gerechtfertigt, Prinzipien, die im Verhältnis eines Staates zu seinen Bürgern gelten, auf das rein wirtschaftliche Konstrukt einer AG zu übertragen. Der „Gerechtigkeit“ wird hier durch den Gleichbehandlungsgrundsatz und die Minderheitenschutzregelungen Genüge getan, wobei aber eben gewisse Spielräume bestehen. Insofern sei auch auf die terminologische Kritik bei Hopt, in: FS Wymeersch, S. 373, 393 hingewiesen: „Shareholder democracy is a misleading catchword that draws unfounded analogies to politics and democracy of the people.“ Vgl. ferner Bühler, Regulierung, Rn. 415 f. 336 Siehe dazu bereits oben Kap. 3, B. IX. 1. 333

E. Aktionärsdemokratie, Gleichbehandlung, Prinzip one share, one vote

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damit nicht ohne weiteres in die Lage, der Gesellschaft auf Kosten der übrigen Aktionäre private benefits zu entziehen, solange er nicht ohnehin eine beherrschende Position innehat. Auch die Gefahr einer Abschirmung der Verwaltungsorgane gegenüber dem Willen der Aktionäre (board entrenchment) ist mit ihnen deshalb kaum verbunden. Deshalb ist es hier auch nicht angezeigt, nach der Art der Gesellschaft – mit oder ohne Börsennotierung337 – oder dem Zeitpunkt der Einführung des Entsendungsrechts zu differenzieren. Einige wissenschaftliche Arbeiten legen die Schlussfolgerung nahe, dass CEMs, die bereits bei Gründung bzw. beim Börsengang einer Gesellschaft bestehen, nicht oder zumindest weniger problematisch sind als solche, die erst später eingeführt werden und damit zu Verwässerungseffekten führen.338 Insofern sind nach hier vertretender Ansicht Entsendungsrechte, die bereits zum Zeitpunkt des IPO bestehen, in jedem Fall zu akzeptieren. Allgemein ist kaum einzusehen, warum es Gesellschaften, die vom 1S1V-Prinzip abweichen, verwehrt sein sollte, sich am Kapitalmarkt zu finanzieren. Es ist doch gerade das Wesen eines Marktes, dass es an ihm zur Preisbildung für die dort gehandelten Produkte kommt. Sollten Investoren durch Entsendungsrechte tatsächlich abgeschreckt werden, so wird sich dies – jedenfalls bei voller Transparenz339 – eben in einem geringeren Handelsvolumen und Börsenkurs der Aktien des Unternehmens niederschlagen.340 Gleichzeitig ist aber auch die nachträgliche Einführung eines Entsendungsrechts für die opponierenden Minderheitsaktionäre zu verkraften, da sie jederzeit problemlos den exit vollziehen können und regelmäßig ohnehin kaum an der Einflussnahme auf die Gesellschaft, sondern lediglich an Renditen in Form von Ausschüttungen und Kursgewinnen interessiert sind.341 Der Verwässerungseffekt in Bezug auf das Stimmrecht ist aufgrund der beschränkten Wirkung des Entsendungsrechts ohnehin zu vernachlässigen. Zuweilen findet sich bezogen auf börsennotierte Gesellschaften die Aussage, Entsendungsrechte entsprächen nicht den Erwartungen der Kapitalmarktteilneh-

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1S1V wird zumeist in Bezug auf börsennotierte Unternehmen diskutiert, ist aber keineswegs auf diese beschränkt. 338 Vgl. Ferrarini, ECFR 3 (2006), 147, 173 f.; Grossman/Hart, J.Fin.Econ. 20 (1988), 175, 200. Dem entsprechen auch die US-amerikanischen Börsenzulassungsregeln zu 1S1V, siehe bereits oben Kap. 2, C. I. 2. b) cc) und Kap. 5, E. I. 2. 339 Siehe dazu sogleich. 340 Vgl. auch Psarakis, EBLR 19 (2008), 709, 712. Diese Annahme basiert freilich auf der Prämisse rationaler und informierter Marktteilnehmer. Zwar ist es zutreffend, dass gerade Kleinanleger sich häufig nicht von derartigen Erwägungen leiten lassen. Dies allein kann aber kein Grund sein, ohne Not in die interne Governance von Gesellschaften eingreifen zu wollen. Im Übrigen ist kaum anzunehmen, dass Entsendungsrechte überhaupt zu derartigen Kurseffekten führen. 341 Auch hier gilt, dass es weder erwiesen, noch wahrscheinlich ist, dass die Aktionäre bei einem Verkauf ihrer Anteile aufgrund des nunmehr existierenden Entsendungsrechts Werteinbußen hinnehmen müssten.

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Kap. 5: Entsendungsrechte und Corporate Governance

mer.342 Soweit damit gemeint ist, dass Entsendungsrechte potenzielle Aktienerwerber abschrecken könnten, ist dies hinnehmbar. Wenn es nämlich – und dies ist bereits zweifelhaft – wirklich negative Effekte auf Volatilität und Börsenkurs geben sollte, so müsste ein funktionierender Markt früher oder später selbst zur Beseitigung von Entsendungsrechten führen. In keinem Fall sind entsprechende Erwartungen aber auf rechtlicher Ebene schutzwürdig. Kein Investor darf berechtigterweise erwarten, dass jede am Kapitalmarkt partizipierende Gesellschaft ausnahmslos das 1S1V-Prinzip befolgt, denn es handelt sich dabei nicht um ein universell anerkanntes Prinzip, auf dessen Einhaltung unbesehen vertraut werden darf. Ebenso könnte ein US-amerikanischer Investor erwarten, dass die deutsche AG wie die corporation monistisch strukturiert oder mitbestimmungsfrei ist – dass solche Erwartungen enttäuscht werden, ist weder ein Problem des Rechts, noch der Corporate Governance. Von einem Investor, für den die Existenz von Entsendungsrechten ernsthafte Bedeutung für seine Anlageentscheidung hat, darf vielmehr erwartet werden, dass er sich vor Erwerb der Aktien mit der Satzung der Gesellschaft, in die er investieren will, vertraut macht. Daraus ist für ihn unproblematisch ersichtlich, dass Entsendungsrechte bestehen; er kann seine Anlageentscheidung dann entsprechend überdenken.343 Die meisten Privatanleger dürften im Übrigen schon deshalb nicht auf die Einhaltung des strengen 1S1V-Prinzips vertrauen, weil sie weder dessen Bedeutung kennen, noch hieran interessiert sind. Mit der Feststellung, dass Abweichungen vom 1S1V-Grundsatz für die Anlageentscheidung bestimmter Investoren durchaus von Bedeutung sein können und damit zumindest potenziell die Preisbildung am Markt beeinflussen können, muss allerdings zugleich die Forderung nach einer lückenlosen Offenlegung von einflusserweiternden Instrumenten einhergehen.344 Für Entsendungsrechte nach § 101 Abs. 2 AktG ist eine hinreichende Transparenz indes bereits gewährleistet: Schon ihre zwingende Verankerung in der Satzung sorgt für umfassende Publizität. Zudem sind Entsendungsrechte im Lagebericht nach § 289 HGB anzugeben.345 Ihre Existenz ist damit für jeden interessierten Investor ohne weiteres erkennbar. Eine zusätzliche Erwähnung in der Entsprechenserklärung nach § 161 AktG ist daneben nach derzeitigem Stand nicht erforderlich346 und angesichts des bereits bestehenden Transparenzniveaus auch in Zukunft nicht zu verlangen. 342

Rothärmel, Gestaltungsfreiheit, S. 311 f.; ähnlich Gündel, Interessenwahrung, S. 176 f.; generell für Abweichungen von 1S1V auch Kremer, in: Ringleb/Kremer/Lutter/v. Werder, DCGK, Rn. 210. Dies geht offenbar zurück auf eine entsprechende Formulierung in der Begr. RegE KonTraG, BT-Drucks. 13/9712, S. 12. Siehe dazu bereits oben Kap. 1, B. III. 5. b). 343 Auch die Sprachbarriere dürfte für derart interessierte Investoren in aller Regel kein Hindernis darstellen. 344 Vgl. Ferrarini, ECFR 3 (2006), 147, 176; nachdrücklich auch Hopt, in: FS Wymeersch, S. 373, 392 ff.; zurückhaltend Psarakis, EBLR 19 (2008), 709, 713. Dies basiert auf der Prämisse, dass eine effiziente Preisbildung nur bei hinreichender Information stattfinden kann, vgl. dazu Merkt, Unternehmenspublizität, S. 348. 345 Siehe dazu bereits oben Kap. 2, A. II. 3. b). 346 Siehe bereits oben Kap. 2, A. II. 3. a) und Kap. 5, B.

E. Aktionärsdemokratie, Gleichbehandlung, Prinzip one share, one vote

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Zusammenfassend lässt sich deshalb festhalten, dass die Existenz von Entsendungsrechten auch vor dem Hintergrund von Gleichbehandlung und Aktionärsdemokratie keinesfalls per se als „schlechte“ Corporate Governance anzusehen ist. Für eine Abschaffung oder Beschränkung dieses Rechtsinstituts de lege ferenda besteht folglich kein Anlass.347 Anstatt die Gestaltungsfreiheit gesetzlich einzuschränken, sollte vielmehr den Kräften des Marktes vertraut werden.348

V. Hauptversammlungsrealität bei der Wahl von Aufsichtsräten Im Hinblick auf die Kritik, der die mit § 101 Abs. 2 AktG verbundene Privilegierung einzelner Anteilseigner zuweilen begegnet, ist daneben zu bedenken, dass auch im Bereich der Aufsichtsratswahlen in Publikumsgesellschaften die Realität erheblich von der gesetzgeberischen Idealvorstellung einer allgemeinen, gleichen und wirklich demokratischen Wahl abweicht.349 Zunächst kann kaum ein Zweifel daran bestehen, dass einflussreiche Großaktionäre, die als Entsendungsberechtigte regelmäßig allein in Frage kommen, in der Praxis ohnehin entscheidend an der Organbesetzung beteiligt sind. Handelt es sich um herrschende Aktionäre, die über eine Stimmrechtsmehrheit verfügen, können sie über die Zusammensetzung des Aufsichtsrats freilich auch ohne Entsendungsrecht bestimmen, da sie bei der Aufsichtsratswahl jedem von ihnen bevorzugten Kandidaten die erforderliche Mehrheit selbst verschaffen können. Da ein Minderheitsvertreter im deutschen Aktienrecht nicht vorgesehen ist, können sie somit die gesamte Anteilseignerbank im Aufsichtsrat nach ihren Vorstellungen besetzen,350 während die Minderheitsaktionäre faktisch keinerlei Einfluss auf die Zusammensetzung der Gremiums haben. Darüber hinaus werden in der Praxis aber auch Paketaktionäre, die nur über eine bedeutende Minderheit des Aktienkapitals verfügen, ihren Einfluss regelmäßig geltend machen. So scheint es zumindest bei größeren 347

So i.E. auch Krieger, in: Verhandlungen des 67. DJT II/1, S. N 35 f.; Mülbert, in: Verhandlungen des 67. DJT II/1, S. N 58 (der allerdings ein Stimmverbot des Begünstigten bei der Schaffung oder Abschaffung befürwortet); Kalss/Schauer, Gutachten zum 16. ÖJT, S. 105; zurückhaltend auch Bayer, Gutachten E zum 67. DJT, S. E 114. Entsprechend wurde ein Beschlussvorschlag zur Einschränkung des Entsendungsrechts in der börsennotierten Gesellschaft auf dem 67. DJT mit großer Mehrheit abgelehnt, siehe Verhandlungen des 67. DJT II/1, S. N 104 (Beschluss 7a). 348 So auch Böckli, Schweizer Aktienrecht, § 4 Rn. 154 in Bezug auf Mehrstimmrechte in Form der schweizerischen Stimmrechtsaktie. 349 Vgl. insofern etwa Peltzer, NZG 2002, 10, 12: „[…] von einer Wahl in dem Sinne, dass die Hauptversammlung mehrere Optionen hätte, kann nicht die Rede sein.“ Noch drastischer ders., NZG 2009, 1041, 1043 („Etikettenschwindel“). 350 Vgl. Bayer, in: MünchKomm AktG, § 17 Rn. 26; Koch, in: Hüffer, AktG, § 101 Rn. 4; Dierdorf, Herrschaft und Abhängigkeit, S. 45. Eine Ausnahme bilden lediglich die Vorschriften zu unabhängigen Aufsichtsratsmitgliedern in § 100 Abs. 5 AktG sowie Ziff. 5.4.2 DCGK, siehe dazu bereits oben B. III.

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Kap. 5: Entsendungsrechte und Corporate Governance

Aufsichtsräten gängige Praxis zu sein, dass für je 10 % der Stimmrechtsanteile ein Sitz im Aufsichtsrat gewährt wird.351 Dieses Ziel kann bereits auf informeller Ebene durch die Auswahl der Kandidaten für die Aufsichtsratswahl erreicht werden, bei der gewichtige Investoren regelmäßig beteiligt sind.352 An dieser Form der Einflussnahme wird auch die Einrichtung von Nominierungsausschüssen faktisch nur wenig ändern können.353 Da in Publikumsgesellschaften die durch den Aufsichtsrat unterbreiteten Vorschläge von der Hauptversammlung praktisch immer angenommen werden,354 lässt sich auf diese Weise eine Vertretung gewichtiger Investoren im Aufsichtsrat relativ verlässlich gewährleisten. Daneben können Stimmbindungsverträge und ähnliche Abreden unter den Aktionären genutzt werden, um die Durchsetzung der gewünschten Kandidaten in der Hauptversammlung sicherzustellen.355 Angesichts dieser Befunde darf zumindest bezweifelt werden, ob die Einführung eines Entsendungsrechts überhaupt gravierende Auswirkungen auf die Governance und die Zusammensetzung des Aufsichtsrats hat und ob Kleinaktionäre hiervon faktisch in irgendeiner Weise beeinträchtigt werden. Noch unrealistischer erscheint die Vorstellung, dass die Aktionäre von Publikumsgesellschaften ohne einen oder mehrere Großaktionäre demokratisch über die Mitglieder des Aufsichtsrats bestimmen würden. Hier ist das Phänomen der sog. rationalen Apathie der Aktionäre, die sich regelmäßig in niedrigen Hauptversammlungspräsenzen und überwältigenden Zustimmungsraten für die Beschlussanträge von Vorstand und Aufsichtsrat zeigt, seit langem hinlänglich bekannt.356 Dies hat zur Folge, dass faktisch – entgegen der gesetzlichen Konzeption357 – der bisherige Aufsichtsrat selbst über seine Neubesetzung entscheidet, da die von ihm vorgeschlagenen Kandidaten praktisch immer gewählt werden.358 Insbesondere Lutter

351

So Hasselbach/Jakobs, BB 2013, 643, 649; Scholderer, NZG 2012, 168, 172. Vgl. zu dieser Praxis Lieder, Aufsichtsrat, S. 729; G. H. Roth/Wörle, ZGR 2004, 565, 579, 593 f.; Wirth, ZGR 2005, 327, 343; empirisch auch Barth, Nominierung von Aufsichtsratsmitgliedern, S. 45, 158 ff. 353 Vgl. insofern auch Barth, Nominierung von Aufsichtsratsmitgliedern, S. 257 ff. 354 Lutter, in: Hommelhoff/Hopt/v. Werder, Hdb Corporate Governance, S. 325; G. H. Roth/Wörle, ZGR 2004, 765, 577 f.; Peltzer, NZG 2002, 10, 12; Meder, DStR 2008, 1242. Siehe ferner Van der Elst, Belgr.L.Rev. LX (2012), 39, 60 ff. mit entsprechendem Datenmaterial. 355 Vgl. Gündel, Interessenwahrung, S. 72, 218 ff. Derartige Abreden stellen nach heute wohl allgemeiner Ansicht ein grundsätzlich zulässiges Instrument der Einflussnahme und Einflusssicherung dar, siehe bereits oben Kap. 1, A. II. 1. 356 Vgl. dazu etwa Koch, in: Hüffer, AktG, § 118 Rn. 5; Kubis, in: MünchKomm AktG, § 118 Rn. 25 ff.; Van der Elst, Belgr.L.Rev. LX (2012), 39, 57 ff.; Adams, AG 1990, 63, 75. 357 Vgl. Wirth, ZGR 2005, 327, 342; anders insofern Lutter, in: Hommelhoff/Hopt/ v. Werder, Hdb Corporate Governance, S. 325 („Dies ist vom Gesetz durchaus so gewollt.“); Bachmann, in: FS Hopt, S. 337, 343. 358 Leyens, Information des Aufsichtsrats, S. 292; G. H. Roth/Wörle, ZGR 2004, 565, 577 f.; Bachmann, in: FS Hopt, S. 337, 343; Meder, DStR 2008, 1242. 352

F. Entsendungsrechte, Übernahmen, Markt für Unternehmenskontrolle

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spricht daher gar von einem System der Kooptation.359 Eine besondere Machtstellung kommt dabei dem Aufsichtsratsvorsitzenden zu, der sich bei der Kandidatensuche nicht selten vorrangig auf sein persönliches Netzwerk stützen wird.360 Noch bedenklicher ist es, wenn die Wahlvorschläge des Aufsichtsrats auf einer Vorauswahl des Vorstands beruhen, der damit in die Lage versetzt wird, faktisch über seine eigenen Kontrolleure zu bestimmen.361 Eben dies war jedenfalls früher in der Publikumsgesellschaft gang und gäbe362 und scheint nach wie vor eine übliche Praxis zu sein.363 Man kann sich nach alledem die Frage stellen, ob es nicht sogar sinnvoller ist, die über die bloße Stimmrechtsausübung hinausgehenden Machtpositionen einzelner Großaktionäre, die in der Praxis ohnehin bestehen, durch Entsendungsrechte nach § 101 Abs. 2 AktG zu institutionalisieren. Dies bietet immerhin den Vorteil, dass die Grenzen der Einflussnahme gesetzlich eindeutig geregelt sind. Zudem garantiert eine derartige Gestaltung eine hinreichende Transparenz durch die zwingende Satzungspublizität, sodass sich jeder Aktionär, interessierte Investor oder sonstige Außenstehende problemlos über die Sonderstellung einzelner Aktionäre informieren kann. Dies ist einer Absprachenpraxis zwischen Paketaktionären, Vorstand und Aufsichtsrat hinter verschlossenen Türen durchaus vorzuziehen. In jedem Fall zeigt sich, dass das Ideal der Aktionärsdemokratie in Deutschland nach wie vor nicht mehr ist als eine Wunschvorstellung, die mit der Realität wenig gemein hat.

F. Entsendungsrechte, Übernahmen und der Markt für Unternehmenskontrolle Das Recht der Unternehmensübernahmen kann als eine Art Einfallstor für kapitalmarktrechtliches Denken in das Gesellschaftsrecht angesehen werden.364 In der 359

Lutter, in: Hommelhoff/Hopt/v. Werder, Hdb Corporate Governance, S. 325; ähnlich Bachmann, in: FS Hopt, S. 337, 343; G. H. Roth/Wörle, ZGR 2004, 565, 578; Peltzer, NZG 2009, 1041, 1042 f.; ders., NZG 2002, 10, 12; Gündel, Interessenwahrung, S. 27; gegen diese Terminologie Wirth, ZGR 2005, 327, 342. 360 Vgl. Leube, in: Grundei/Zaumseil, Aufsichtsrat im System der Corporate Governance, S. 215; G. H. Roth/Wörle, ZGR 2004, 565, 578; Hopt, ZHR 175 (2011), 444, 467. 361 Siehe zur Problematik dieser Konstellation bereits oben Kap. 3, B. IV. 1. und Kap. 5, C. IV. 1. 362 Vgl. Lieder, Aufsichtsrat, S. 729; Wirth, ZGR 2005, 327, 343; G. H. Roth/Wörle, ZGR 2004, 565, 578; Peltzer, NZG 2002, 10, 12. 363 Siehe etwa die empirischen Befunde bei Barth, Nominierung von Aufsichtsratsmitgliedern, S. 44 f.; 152 ff.; vgl. ferner Arbeitskreis Externe und Interne Überwachung der Unternehmung der Schmalenbach-Gesellschaft für Betriebswirtschaft e.V., DB 2006, 1625, 1627; Bachmann, in: FS Hopt, S. 337, 343 f.; Meder, DStR 2008, 1242 f.; zurückhaltender Leyens, Information des Aufsichtsrats, S. 292; Hopt, ZHR 175 (2011), 444, 467 („gelegentlich“). 364 Merkt, AG 2003, 126, 133.

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Kap. 5: Entsendungsrechte und Corporate Governance

Übernahmesituation treffen die Interessen der aktuellen Gesellschafter und Unternehmensleiter mit denen von anderen Marktteilnehmern als potenziellen Erwerbern aufeinander. Die Frage der Gewichtung dieser Interessen stellt sich insbesondere, wenn es um die präventive oder reaktive365 Abwehr feindlicher Übernahmen und damit um die Abschottung von Gesellschaften vor gewissen Mechanismen des Kapitalmarktes geht. Auch hierbei handelt es sich um einen Aspekt der Corporate Governance, der in der Regel unter dem Stichwort des „Marktes für Unternehmenskontrolle“ thematisiert wird.366

I. Das Konzept des Marktes für Unternehmenskontrolle Der Markt für Unternehmenskontrolle, den man auch schlicht als Übernahmemarkt bezeichnen kann,367 wird gemeinhin als wesentliches Element der (externen) Corporate Governance angesehen.368 Als entscheidender finanzwirtschaftlicher Steuerungsmechanismus soll er wesentliche Auswirkungen auf die Kapitalmarktentwicklung haben und als Bindeglied zwischen den Bereichen law und finance fungieren.369 Bezogen auf die Unternehmensüberwachung wird ihm eine disziplinierende Wirkung auf das Management und damit insgesamt das Potenzial zur Effizienz- und Wertsteigerung zugeschrieben.370 Dies basiert auf folgender, im USamerikanischen Schrifttum durch Manne371 begründeten und vor allem der Chicago School of Economics zugeordneten372 Prämisse: Auf dem Markt für Unternehmenskontrolle konkurrierten verschiedene Management-Teams um die Leitung von Unternehmen. Dabei spiegele sich die Effizienz des amtierenden Managements und damit der Erfolg des jeweiligen Unternehmens im Börsenkurs wieder. Ein schlechtes Management führe zu sinkenden Kursen und zur Unterbewertung des Unterneh365

Siehe zu dieser Unterscheidung etwa Rowoldt/Starke, CF 2014, 209, 212 f. Vgl. etwa Wymeersch, in: Hommelhoff/Hopt/v. Werder, Hdb Corporate Governance, S. 154 ff. 367 Vgl. Jensen/Ruback, J.Fin.Econ. 11 (1983), 5, 6 („takeover market“); Hopt, in: Mülbert/ Kiem/Wittig, 10 Jahre WpÜG, S. 42, 50. 368 Vgl. Hopt, in: Mülbert/Kiem/Wittig, 10 Jahre WpÜG, S. 42, 50; Leyens, in: Allmendinger/Dorn/Lang/Lumpp/Steffek, Corporate Governance, S. 3, 23; Kießwetter, Abwehr von Übernahmen, S. 269. 369 Haar, JZ 2008, 964, 965; ähnlich Assmann/Bozenhardt, in: Assmann/Basaldua/Bozenhardt/Peltzer, Übernahmeangebote, S. 1, 17 f.; allgemein für das Übernahmerecht auch Merkt, AG 2003, 126, 133. 370 Vgl. Pötzsch, in: Assmann/Pötzsch/Schneider, WpÜG, Einl. Rn. 6; Hirte/Heinrich, in: KölnKomm WpÜG, Einl. Rn. 15; Welge/Eulerich, Corporate-Governance-Management, S. 74; Haar, JZ 2008, 964, 965; Mülbert/Birke, WM 2001, 705, 706 ff.; Easterbrook/Fischel, Harv.L.Rev. 94 (1981), 1161, 1169 ff.; Coffee, Col.L.Rev. 84 (1984), 1145, 1163 ff. 371 Manne, J.Pol.Econ. 73 (1965), 110 ff. 372 Vgl. Pötzsch, in: Assmann/Pötzsch/Schneider, WpÜG, Einl. Rn. 6; Merkt, US GesR, Rn. 1564. 366

F. Entsendungsrechte, Übernahmen, Markt für Unternehmenskontrolle

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mens, wodurch Bieter auf den Plan gerufen würden, um die Gesellschaft zu übernehmen und mit einem neuen, fähigeren Management-Team vom vorhandenen Wertsteigerungspotenzial profitieren zu können.373 Allein die Gefahr einer (feindlichen) Übernahme und die damit einhergehende Abberufung motiviere folglich das amtierende Management zu einer effizienteren und am shareholder value orientierten Unternehmensführung.374 Der Markt für Unternehmenskontrolle wird insofern auch als eine Art höhere Überwachungsinstanz angesehen, die im Falle des Versagens der unternehmensinternen Aufsicht eingreifen kann.375 Logischerweise stehen die Vertreter dieses Modells Übernahmehindernissen und Abwehrinstrumenten, die den Markt für Unternehmenskontrolle behindern, grundsätzlich kritisch gegenüber. Sofern dem Management eines Unternehmens die Möglichkeit gegeben wird, sich bzw. die Gesellschaft gegenüber Übernahmeangeboten abzuschirmen, geht die vermeintlich disziplinierende Wirkung des Marktes für Unternehmenskontrolle verloren. Entsprechend fordern zahlreiche Stimmen ein generelles Verbot von Abwehrmaßnahmen gegen (feindliche) Übernahmen,376 einen weitgehenden Abbau bestehender Hindernisse377 oder zumindest ihre Durchbrechung im Einzelfall.378 Die Frage ist eng verknüpft mit der bereits geschilderten379 one share, one vote-Debatte,380 da zahlreiche potenzielle Abwehrmaßnahmen – etwa die Schaffung von Höchststimmrechten, Mehrstimmrechten oder sonstigen verschiedenartigen Aktiengattungen – auf Abweichungen von diesem Grundsatz basieren. 373 Vgl. Manne, J.Pol.Econ. 73 (1965), 110, 112 f.; Easterbrook/Fischel, Harv.L.Rev. 94 (1981), 1161, 1165 ff.; Jensen/Ruback, J.Fin.Econ. 11 (1983), 5, 6; Coffee, Col.L.Rev. 84 (1984), 1145, 1163 ff.; Pötzsch, in: Assmann/Pötzsch/Schneider, WpÜG, Einl. Rn. 6; Hirte/ Heinrich, in: KölnKomm WpÜG, Einl. Rn. 15; Schäfer/Ott, Ökonomische Analyse des Zivilrechts, S. 711 f.; Kießwetter, Abwehr von Übernahmen, S. 269 f.; Krause, Übernahmeangebot, S. 94 f. 374 Vgl. Easterbrook/Fischel, Harv.L.Rev. 94 (1981), 1161, 1174; Coffee, Col.L.Rev. 84 (1984), 1145, 1163 ff., 1192 ff.; Mertens, AG 1990, 252; Hopt, in: Mülbert/Kiem/Wittig, 10 Jahre WpÜG, S. 42, 50; Schäfer/Ott, Ökonomische Analyse des Zivilrechts, S. 712; Schmidt/Weiß, in: Hommelhoff/Hopt/v. Werder, Hdb Corporate Governance, S. 170; Riegger, Unternehmenskontrolle, S. 124; Krause, Übernahmeangebot, S. 95. 375 Vgl. Adams, AG 1990, 63, 64. Das von ihm beschriebene Ausmaß von Überwachungsdefiziten, Management-Fehlverhalten und Misswirtschaft – freilich noch unter dem Eindruck der „Deutschland AG“ – erscheint allerdings überzogen. 376 Easterbrook/Fischel, Harv.L.Rev. 94 (1981), 1161 ff.; Mülbert/Birke, WM 2001, 705, 709 ff. (zumindest für Abwehrmaßnahmen der Verwaltung). 377 Hirte/Heinrich, in: KölnKomm WpÜG, Einl. Rn. 33; tendenziell auch Hopt, in: Mülbert/Kiem/Wittig, 10 Jahre WpÜG, S. 42, 50, 70 f. 378 Report of the High Level Group of Company Law Experts on Issues Related to Takeover bids, 10. 1. 2002, S. 29 ff. (siehe dazu bereits oben E. I. 3.); Veil, in: Veil/Drinkuth, Reformbedarf im Übernahmerecht, S. 95, 105. 379 Siehe oben E. 380 Vgl. etwa Enriques/Gilson/Pacces, Harv.Bus.L.Rev. 4 (2014), 85, 92 f., 98 ff.; Grossman/Hart, J.Fin.Econ. 20 (1988), 175 ff.; Adams, AG 1990, 63, 66 ff.

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Kap. 5: Entsendungsrechte und Corporate Governance

II. Behinderungswirkung von Entsendungsrechten Auch Entsendungsrechte nach § 101 Abs. 2 AktG können als Instrument zur Übernahmeabwehr eingesetzt werden.381 Sie verhindern, dass ein Erwerber den Aufsichtsrat gänzlich nach seinen Vorstellungen neu besetzen kann. Schon dies kann potenzielle Bieter von einem Übernahmeangebot abhalten, denn allein die Existenz „fremder“ Aufsichtsratsmitglieder kann für den Erwerber mit unerwünschten Komplikationen verbunden sein. Nochmals deutlich stärker ist die abschreckende Wirkung in der mitbestimmten AG, wo Entsendungsmandate dazu führen können, dass die vom Erwerber gewählten Aufsichtsräte von den entsandten Mitgliedern und den Arbeitnehmervertretern überstimmt werden können.382 Einem Kontrollerwerber ist es dann nicht möglich, in der Gesellschaft nach seinen Vorstellungen „durchzuregieren“, womit eine Übernahme nicht nur an Attraktivität verliert, sondern geradezu sinnlos erscheint. Die oben beschriebenen positiven Effekte, die dem Markt für Unternehmenskontrolle zugeschrieben werden, können also durch Entsendungsrechte behindert werden. Folgt man der oben genannten Ansicht, so müsste man Entsendungsrechte entsprechend ablehnen.

III. Kritik und Stellungnahme Allerdings sind an dieser Stelle durchaus auch gewisse Zweifel anzumelden. Bereits die These von der Disziplinierung des Managements durch den Markt für Unternehmenskontrolle ist zwar weit verbreitet, aber keineswegs allgemein anerkannt.383 So wird von ihren Kritikern zunächst darauf hingewiesen, dass ein Zusammenhang zwischen Management-Effizienz und Börsenkurs empirisch nicht hinreichend belegt ist. Insbesondere sei schwer zu erklären, warum auch rentable und erfolgreiche Unternehmen häufig oder sogar überwiegend das Ziel von Übernahmeversuchen seien.384 Auch die angeblich positiven Effekte von Unternehmensübernahmen sind bei genauerer Betrachtung nicht so eindeutig, wie dies zuweilen dargestellt wird. Nachweisen lassen sich zweifellos kurzfristige, teils ganz erhebliche Kurssteigerungen auf Seiten der Zielgesellschaft in Folge einer Übernahme

381

Siehe dazu bereits oben Kap. 1, C. II. Siehe dazu oben Kap. 1, A. IV. 3. c) und C. II. Aufgrund des „Ewigkeitscharakters“ des Entsendungsrechts und der im deutschen Recht nicht als zwingende Regelung umgesetzten Durchbrechungsregel kann der Erwerber auch bei Erwerb einer satzungsändernden Mehrheit hieran auch zukünftig nichts ändern. Siehe zum „Ewigkeitscharakter“ oben Kap. 4, A., zur Durchbrechungsregel des WpÜG oben Kap. 4, B. V. 383 Vgl. Krause, Übernahmeangebot, S. 93. 384 Vgl. Pötzsch, in: Assmann/Pötzsch/Schneider, WpÜG, Einl. Rn. 6; Hirte/Heinrich, in: KölnKomm WpÜG, Einl. Rn. 16; Krause, Übernahmeangebot, S. 97 ff.; Kießwetter, Abwehr von Übernahmen, S. 272 f. 382

F. Entsendungsrechte, Übernahmen, Markt für Unternehmenskontrolle

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oder der Veröffentlichung eines Angebots.385 Die Aussagekraft dieser Kursbewegungen in Bezug auf tatsächliche Effizienzsteigerungen erscheint allerdings begrenzt. Sie können vielerlei, auch tendenziell eher unerwünschte Gründe haben386 und nicht zuletzt auch als Ausdruck eines rein kurzfristig orientierten, spekulativen Anlegerverhaltens gewertet werden.387 Überhaupt kann der langfristige und insbesondere volkswirtschaftliche Nutzen von Unternehmensübernahmen durchaus bezweifelt werden.388 Schließlich dürften Unternehmensleiter durch ständigen Übernahmedruck eher zu kurzsichtigen und vor allem auf Kurspflege bedachten Maßnahmen motiviert werden, wobei die Gefahr besteht, dass Investitionen etwa in Humankapital, Forschung und Entwicklung sowie sonstige langfristige Projekte vernachlässigt werden.389 Dass Manager durch die potenzielle Gefahr einer Übernahme zu besseren Leistungen angespornt werden, ist schlicht nicht mehr als eine These unter mehreren, deren Bedeutung für die Corporate Governance nicht überbewertet werden sollte.390 Mit den vorstehenden Überlegungen soll keinesfalls eine strikte Ablehnung feindlicher Unternehmensübernahmen zum Ausdruck gebracht werden. Eine umfassende Diskussion über Nutzen oder Schaden feindlicher Übernahmen kann an dieser Stelle ohnehin nicht erbracht werden. Zweifellos müssen auf einem freien Kapitalmarkt Übernahmen grundsätzlich möglich sein, denn zumindest gewisse positive Effekte sind auch bei kritischer Betrachtung kaum von der Hand zu weisen.391 Fraglich erscheint aber, ob eine geradezu radikale Übernahmefreiheit unter zwangsweiser Beseitigung sämtlicher potenzieller Hindernisse auf Unternehmensebene wirklich geboten ist. Zu beachten ist insofern, dass auch der deutsche Gesetzgeber mit dem WpÜG Übernahmen im Grundsatz weder fördern, noch ver385 Vgl. Romano, Yale J.Reg. 9 (1992), 119, 122; Merkt, US GesR, Rn. 1565. Einzelne Daten etwa bei Jensen/Ruback, J.Fin.Econ. 11 (1983), 5, 7 ff. 386 Vgl. Riegger, Unternehmenskontrolle, S. 127; Zöllner/Noack, AG 1991, 117, 122, die etwa die Hoffnung auf Monopolgewinne durch Ausschaltung eines Konkurrenten nennen. Zu beachten ist auch, dass selbst Abwehrbemühungen den Aktienkurs in die Höhe treiben können, vgl. K. O. Fritz, in: Veil/Drinkuth, Reformbedarf im Übernahmerecht, S. 113, 117; zweifelnd allerdings Rowoldt/Starke, CF 2014, 209, 217 ff. 387 Vgl. Lipton, 136 U.Pa.L.Rev. (1987), 1, 6 ff. 388 Vgl. Merkt, US GesR, Rn. 1566 f.; Riegger, Unternehmenskontrolle, S. 126 f.; Zöllner/ Noack, AG 1991, 112, 126 f. 389 Vgl. Riegger, Unternehmenskontrolle, S. 126; Zöllner/Noack, AG 1991, 112, 126; Enriques, in: FS Hopt, S. 1789, 1791; Stein, J.Pol.Econ. 96 (1988), 61 ff.; Lipton, 136 U.Pa.L.Rev. (1987), 1, 23 ff.; Franks/Mayer, Econ.Pol. 5 (1990), 191, 193 f., 214 f.; Drucker, Pub.Int. 82 (1986), 3, 12 f.; a.A. allerdings Adams, AG 1990, 243, 247 f.; relativierend auch Mertens, AG 1990, 252, 253. 390 Vgl. Zöllner/Noack, AG 1991, 112, 126; Krause, Übernahmeangebot, S. 99, 118 f. Auch Mülbert/Birke, WM 2001, 705, 707 ff. und Mertens, AG 1990, 252, 253 weisen zumindest auf die erhebliche Unsicherheit der verschiedenen Prämissen hin. Vgl. auch Welge/Eulerich, Corporate-Governance-Management, S. 74, die faktisch nur von einem „begrenzten Einfluss auf die Manager“ ausgehen. 391 Vgl. Riegger, Unternehmenskontrolle, S. 127.

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Kap. 5: Entsendungsrechte und Corporate Governance

hindern wollte, sondern lediglich geeignete Rahmenbedingungen für ein faires und geordnetes Verfahren bereitstellen wollte.392 Diesem Ansatz folgt auch eine insbesondere von Enriques vertretene Ansicht im Schrifttum, die sich generell für ein „neutrales“ Übernahmerecht einsetzt. Hiernach soll es einzelnen Gesellschaften bzw. deren Aktionären grundsätzlich selbst überlassen werden, etwa im Wege der Satzungsgestaltung über den Grad ihrer Übernahmeoffenheit zu entscheiden.393 Die Effizienz von Übernahmen lasse sich danach nicht generell bewerten, sondern hänge vom jeweiligen Einzelfall unter Berücksichtigung etwa der Produktionsfunktion des Unternehmens oder der wirtschaftlichen Lage im jeweiligen Industriezweig ab.394 Zumindest soweit es hier um eine Entscheidungskompetenz der Aktionäre einer Gesellschaft und nicht ihres Managements geht, erscheint diese Ansicht durchaus überzeugend. Abgesehen von den grundsätzlichen Vorzügen flexibler und mit möglichst geringen Eingriffen in die Privatautonomie verbundenen Regelungen spricht doch einiges dafür, die Ausgestaltung im Einzelnen den Aktionären zu überlassen. Schließlich handelt es sich bei ihnen um die wirtschaftlich primär betroffenen Akteure im Rahmen einer jeden Übernahme.395 Zuweilen wird auch darauf hingewiesen, dass sich ein pauschales Verbot von Abwehrmaßnahmen kaum mit der allgemeinen Dogmatik des Gesellschaftsrechts vereinbaren lässt.396 Dies dürfte umso mehr gelten, als es um Entscheidungsspielräume der Gesellschafter geht, deren übermäßige Beschneidung einer gewissen Rechtfertigung bedarf, die sich mit lediglich theoretischen, aber nicht hinreichend belegten Markteffekten und Effizienzerwägungen nur schwerlich erbringen lässt.397 Ferner ist zu beachten, dass Abwehrmaßnahmen und ähnliche vermeintlich protektionistische Instrumente neben 392 Begr. RegE WpÜG, BT-Drucks. 14/7034, S. 28; Pötzsch, in: Assmann/Pötzsch/ Schneider, WpÜG, Einl. Rn. 13. 393 Enriques/Gilson/Pacces, Harv.Bus.L.Rev. 4 (2014), 85 ff.; Enriques, in: FS Hopt, S. 1789 ff.; kritisch dazu Hopt, in: Mülbert/Kiem/Wittig, 10 Jahre WpÜG, S. 42, 49. 394 Enriques/Gilson/Pacces, Harv.Bus.L.Rev. 4 (2014), 85, 87. 395 Vgl. Kießwetter, Abwehr von Übernahmen, S. 275; Mülbert/Birke, WM 2001, 705, 717 f.; Otto, AG 1994, 167. Auch die europäische Übernahmerichtlinie folgt der Prämisse, dass grundsätzlich die Aktionäre das letzte Wort haben sollen, vgl. Wymeersch, in: Hommelhoff/ Hopt/v. Werder, Hdb Corporate Governance, S. 155 f.; Haar, JZ 2008, 964, 965 f.; Rowoldt/ Starke, CF 2014, 209, 210. Anders sieht dies allerdings Adams, AG 1990, 63, 72 ff., der von einer Instrumentalisierung der Aktionäre durch das Management ausgeht. Indes betrachtet er gleichzeitig – im Zusammenhang mit Höchststimmrechten – einen „Schutz der Aktionäre vor ihrer eigenen Unmündigkeit“ (a.a.O., 72) als verfehlt. Dies müsste dann aber konsequenterweise genauso gelten, wenn es um Einschränkungen der Gestaltungsfreiheit durch den Gesetzgeber geht. 396 Für das US-amerikanische Gesellschaftsrecht Gevurtz, Corporation Law, S. 717; Merkt, US GesR, Rn. 1564. 397 Soweit es um staatliche Abwehrmaßnahmen geht, gebietet freilich die europäische Kapitalverkehrsfreiheit eine partielle Beschränkung gesellschaftsrechtlicher Gestaltungsfreiheiten im Sinne des Kapitalmarktrechts, vgl. Merkt, AG 2003, 126, 134 sowie ausführlich oben Kap. 3, D. I. Nach hier vertretener Ansicht ist im Bereich privatautonomer Regelungen jedoch Zurückhaltung geboten, da der Privatautonomie hier grundsätzlich der Vorrang zu gewähren ist.

F. Entsendungsrechte, Übernahmen, Markt für Unternehmenskontrolle

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bloßen Abschreckungseffekten auch andere, legitime Ziele verfolgen können.398 Schließlich kann man auch öffentlichen Interessen, seien sie struktur-, industrie-, arbeitsmarkt- oder wettbewerbspolitischer Art, als Teil der sog. stakeholder-Interessen eine gewisse Relevanz für die Corporate Governance und auch für die Bewertung von Unternehmensübernahmen kaum absprechen.399 Wirklich problematisch erscheinen letztlich nur sachfremde, eigennützige Abwehrmaßnahmen des Managements, die dessen künftige Position womöglich auch gegen den Willen der Aktionärsmehrheit absichern sollen.400 Beim Entsendungsrecht nach § 101 Abs. 2 AktG handelt es sich aber nicht um ein derartiges Instrument, da die Entscheidung über seine Einführung ausschließlich den Aktionären obliegt, nicht aber dem Vorstand. Es ermöglicht dem Management selbst folglich keine eigennützige Abschirmung gegen die Mechanismen des Kapitalmarktes.401 Für ein solches entrenchment sind Entsendungsrechte ohnehin nur bedingt geeignet: Aufgrund der Beschränkung auf ein Drittel der Aktionärsvertreter können sie lediglich im Zusammenspiel mit der Mitbestimmung dazu führen, dass der Erwerber nur eine Aufsichtsratsminderheit bestellen kann und damit auch keinen Zugriff auf den amtieren Vorstand erlangt. Letzterer ist damit aber nicht vollständig abgeschirmt, denn er ist in jedem Fall auf das Wohlwollen der entsandten Mitglieder und vor allem der Arbeitnehmervertreter angewiesen. Dies gibt den Vorstandsmitgliedern keinerlei Gewähr, im Falle einer schlechten Performance nicht doch jederzeit abberufen zu werden. Kann der Erwerber mangels oder trotz Mitbestimmung die Mehrheit der Aufsichtsratsmitglieder wählen, haben Entsendungsrechte ohnehin keinerlei entrenchment-Effekt für den Vorstand. Ihre abschreckende Wirkung besteht dann lediglich in der Lästigkeit der entsandten Mitglieder für den Erwerber. 398 Vgl. Gevurtz, Corporation Law, S. 718 ff.; Merkt, US GesR, Rn. 1564. Dies wird im Grundsatz auch von vehementen Verfechtern eines freien Marktes für Unternehmenskontrolle anerkannt, vgl. etwa Hopt, in: Mülbert/Kiem/Wittig, 10 Jahre WpÜG, S. 42, 46. 399 Vgl. Merkt, AG 2003, 126, 127; ders., US GesR, Rn. 1568 ff.; Hirte/Heinrich, in: KölnKomm WpÜG, Einl. Rn. 23 ff. Die Grenzen der Zulässigkeit ergeben sich im Falle einer staatlichen Einflussnahme freilich abermals aus der Kapitalverkehrsfreiheit, siehe bereits oben Kap. 3, D. I. 400 Vgl. Haar, JZ 2008, 964, 965; Mülbert/Birke, WM 2001, 705, 709 ff. 401 Freilich könnte man sich auf den Standpunkt stellen, dass aufgrund der hohen Zustimmungsquoten in den Hauptversammlungen deutscher AGs bereits der Vorschlag zur Einführung eines Abwehrinstruments den entscheidenden Ausschlag gibt, vgl. Adams, AG 1990, 63, 74 f.; Mülbert/Birke, WM 2001, 705, 711, 718. Allerdings ist zu bedenken, dass eine satzungsändernde Mehrheit erst einmal erreicht werden muss, vgl. Hopt, in: Mülbert/Kiem/ Wittig, 10 Jahre WpÜG, S. 42, 55. Gerade der alles andere als alltägliche Vorschlag eines Entsendungsrechts dürfte nicht ohne weiteres durchgewunken werden, wenn nicht eine Mehrheit der Aktionäre hiervon auch überzeugt ist. Im Übrigen ist davor zu warnen, die Aktionäre als Eigentümer der Gesellschaft zunehmend vor sich selbst schützen zu wollen, denn mit diesem Argument ließen sich praktisch sämtliche Mitentscheidungskompetenzen und Gestaltungsfreiräume negieren. Misstraut man aber sowohl dem Management, als auch den Aktionären, so müsste die Regulierung letztlich sämtliche Entscheidungen vorwegnehmen, was in einer von der Privatautonomie geprägten Markt- und Rechtsordnung nicht wünschenswert sein kann.

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Kap. 5: Entsendungsrechte und Corporate Governance

Zuzugeben ist freilich die schwerwiegende Wirkung des „Ewigkeitscharakters“ des Entsendungsrechts, das – anders als etwa die bis 1998 auch in der börsennotierten Gesellschaft noch zulässigen Satzungsregelungen über Höchststimmrechte402 – auch von den Aktionären nicht ohne weiteres wieder abgeschafft werden kann. Der „Ewigkeitscharakter“ ist für die Eignung des Entsendungsrechts als Abwehrinstrument aber unerlässlich, da es anderenfalls vom Erwerber einer entsprechenden Mehrheitsbeteiligung durch Satzungsänderung umgehend beseitigt werden könnte. Aufgrund der durch § 101 Abs. 2 S. 4 AktG begrenzten Wirkung des Entsendungsrechts ist auch dies letztlich hinnehmbar. Abermals gilt: In der mitbestimmungsfreien Gesellschaft bietet das Entsendungsrecht ohnehin nicht mehr als eine Art Lästigkeitswert, sodass die Folgen auch seiner dauerhaften Existenz überschaubar bleiben. Ein echter Machtfaktor ist das Entsendungsrecht nur in der mitbestimmten AG, wo eine Blockade gegen potenzielle Erwerber aber wesentlich von den Arbeitnehmervertretern abhängt. Die Gefahr, dass der Entsendungsberechtigte der Gesellschaft dauerhaft seinen Willen aufzwingen kann, besteht auch hier nicht.403

IV. Zwischenergebnis Damit lässt sich festhalten: Entsendungsrechte nach § 101 Abs. 2 AktG können durch ihre abschreckende Wirkung den Markt für Unternehmenskontrolle behindern, ermöglichen jedoch keine vollständige Abschottung des Managements. Aufgrund dieser begrenzten Wirkung und der Tatsache, dass ihre Einführung als Abwehrinstrument ausschließlich der Entscheidung der Aktionäre unterliegt, ist ihre Eignung zum Zwecke der Übernahmeabwehr hinnehmbar und ein Verbot nicht angezeigt. Dies gilt umso mehr, als die Prämisse von der effizienzsteigernden und damit gemeinwohlförderlichen Wirkung des Übernahmemarktes im Allgemeinen durchaus Zweifeln unterliegt. Sofern die Aktionäre einer Gesellschaft mehrheitlich etwa eine langfristige Entwicklungsstrategie bevorzugen und keinen jederzeitigen Übernahmedruck wünschen, was stets auch mit der Zusammensetzung des Aktionärskreises und der jeweiligen Unternehmenskultur zusammenhängen wird, so scheinen keine zwingenden Gründe dafür zu sprechen, ihnen eine entsprechende Gestaltung zu verwehren.

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Vgl. Otto, AG 1994, 167. Realistischerweise wird ein innerhalb der Gesellschaft völlig an den Rand gedrängter Entsendungsberechtigter ab einem gewissen Zeitpunkt ohnehin seinen Widerstand aufgeben und den exit vollziehen. Eine dauerhafte, effektive Opposition gegen den überwältigenden Mehrheitswillen ermöglicht das Entsendungsrecht letztlich eben nicht. 403

G. „Ewigkeitscharakter“ des Entsendungsrechts als spezielles Problem

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G. Der „Ewigkeitscharakter“ des Entsendungsrechts als spezielles Governance-Problem In den vorstehenden Abschnitten wurde gezeigt, dass das Entsendungsrecht nach § 101 Abs. 2 AktG der Überwachungseffizienz keineswegs abträglich sein muss und zudem als institutionalisierte Form des Einflusses bedeutender Aktionäre durchaus seine Vorzüge gegenüber intransparenten, internen Absprachen und ähnlichen Praktiken haben kann. Die Vorteile des Entsendungsrechts liegen insofern in seiner klaren rechtlichen Ausgestaltung und Begrenzung sowie der durch die zwingende Aufnahme in die Satzung gewährleisteten Publizität. Noch nicht eingegangen wurde bislang indes auf die Bedeutung des mit der Qualifikation als Sonderrecht nach § 35 BGB verbundenen „Ewigkeitscharakters“404 für die Corporate Governance. Der „Ewigkeitscharakter“, also die Unentziehbarkeit des einmal gewährten Entsendungsrechts ohne die Zustimmung des Berechtigten, ist eine wesentliche Voraussetzung für den Einsatz eines Entsendungsrechts als Übernahmehindernis.405 Für diese Funktion – ob man sie nun als legitim erachtet oder nicht – ist das Zustimmungserfordernis unabdingbar, da das Entsendungsrecht gegenüber dem Erwerber einer zur Satzungsänderung befähigenden Mehrheit anderenfalls keinerlei abschreckende Wirkung hätte. Auch der Zweck, einen gewissen Einfluss etwa des Unternehmensgründers für die Zukunft abzusichern, wäre ohne den Zustimmungsvorbehalt bei der Abschaffung des Rechts nicht gewährleistet. Für die übrigen Zwecke des Entsendungsrechts, insbesondere die Institutionalisierung und Offenlegung des Einflusses von Großaktionären sowie die Bindung etwa von Ankeraktionären und die damit verbundene Symbolwirkung, ist der „Ewigkeitscharakter“ dagegen zumindest nicht zwingend erforderlich. Gleichzeitig wird die Einführung eines Entsendungsrechts aber von den übrigen Aktionären häufig als abschreckend empfunden werden, wenn diese Entscheidung ohne die Zustimmung des Berechtigten niemals mehr revidiert werden kann. Dies dürfte einer der Gründe sein, warum Entsendungsrechte nach wie vor eine Seltenheit darstellen. Überdies erscheint die dauerhafte und praktisch unwiderrufliche Perpetuierung von Machtpositionen in der Kapitalgesellschaft unter Corporate Governance-Gesichtspunkten weitaus problematischer als die bloße Erweiterung eines (häufig ohnehin vorhandenen) Einflusses, solange die Mehrheit der Aktionäre dies als wünschenswert oder zumindest akzeptabel erachtet. Es besteht insofern ein wesentlicher Unterschied zwischen einer Regelung, die von der Aktionärsmehrheit getragen wird, und einer solchen, die auch gegen den Mehrheitswillen fortbesteht. Wie ließe sich diese Problematik entschärfen? Denkbar wäre es, den „Ewigkeitscharakter“ des Entsendungsrechts abzuschaffen, indem man eine entsprechende

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Dazu bereits ausführlich oben Kap. 4, A. Siehe bereits oben Kap. 1, C. II. und Kap. 5, F. II.

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Kap. 5: Entsendungsrechte und Corporate Governance

Ergänzung in § 101 Abs. 2 AktG vornehmen würde.406 Damit würde man dem Entsendungsrechte aber auch wesentliche Funktionen nehmen, da es sich als Instrument zur dauerhaften Absicherung von Einfluss und insbesondere zur Abwehr von Übernahmen nicht mehr eignen würde. Nach hier vertretener Ansicht sollte es den Aktionären einer Kapitalgesellschaft indes freistehen, selbst über den Grad der Übernahmefreundlichkeit ihrer Gesellschaft entscheiden zu können, selbst wenn dies zu einem praktisch unwiderruflichen Zustand führt. Sinnvoller erscheint es daher, das Entsendungsrecht flexibler auszugestalten: So sollte es möglich sein, ein Entsendungsrecht entweder als unentziehbares oder aber als durch qualifizierten Mehrheitsbeschluss entziehbares Recht auszugestalten. Gesellschaften, die einen Ankeraktionär enger an sich binden wollen, ohne eine unwiderrufliche Abhängigkeit zu schaffen, könnten dann eher auf das Entsendungsrecht zurückgreifen. Nach hier vertretener Ansicht ist eine derartige Konstruktion schon nach geltendem Recht zulässig und wirksam, wenn die Satzung eine entsprechende Klausel enthält.407 Gleichwohl ist die Situation hier weitgehend unklar, sodass eine erhebliche Rechtsunsicherheit besteht. Um diese zu beseitigen, wäre es sinnvoll, eine entsprechende, klarstellende Regelung in § 101 Abs. 2 AktG aufzunehmen. Ein neu einzufügender S. 5 könnte etwa lauten: „Das Entsendungsrecht kann nicht ohne die Zustimmung des Berechtigten durch Beschluss der Hauptversammlung beeinträchtigt werden, sofern nicht die Satzung etwas anderes bestimmt.“408 Damit wäre einerseits klargestellt, dass das Entsendungsrecht grundsätzlich ein Sonderrecht ist, das nur mit Zustimmung des Berechtigten entzogen werden kann. Andererseits würde ausdrücklich die Möglichkeit eröffnet, das Zustimmungserfordernis durch die Satzung von vornherein auszuschließen. Damit würde faktisch eine abgeschwächte Form des Entsendungsrechts geschaffen, die noch immer eine rechtlich abgesicherte Einflussnahme ermöglicht, aber keine derart weitreichenden Konsequenzen hat wie ein unwiderrufliches Sonderrecht. Für die Aktionäre von Gesellschaften, denen es nicht um eine prophylaktische Übernahmeabwehr, sondern allein um die Bindung und Würdigung besonders interessierter oder engagierter Aktionäre geht, dürfte diese Form deutlich attraktiver sein.

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Diese könnte schlicht lauten: „Die Vorschrift des § 35 BGB findet keine Anwendung.“ Siehe dazu ausführlich oben Kap. 4, A. III. 4. 408 Ebenfalls denkbar wäre die Formulierung: „Die Vorschrift des § 35 BGB findet Anwendung, sofern nicht die Satzung etwas anderes bestimmt.“ Damit begäbe man sich indes wieder in den Bereich des nach wie vor nicht vollständig geklärten Sonderrechtsbegriffs des § 35 BGB. Vorzugswürdig erscheint ohnehin eine spezifisch aktienrechtliche Regelung ohne Verweis auf die allgemeinen Vorschriften des BGB. 407

H. Entsendungsrechte in der nichtbörsennotierten Aktiengesellschaft

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H. Entsendungsrechte in der nichtbörsennotierten Aktiengesellschaft Ein Großteil der oben diskutierten Aspekte bezieht sich zumindest vorrangig auf börsennotierte Publikumsgesellschaften. Aufgrund von Erwägungen des Anlegerschutzes und der gesamtwirtschaftlichen Bedeutung derartiger Großunternehmen409 werden an sie gemeinhin strengere Corporate Governance-Anforderungen gestellt, auch wenn Grundsätze guter Unternehmensführung und -kontrolle zweifellos auch für börsenferne bzw. geschlossene410 Gesellschaften von grundlegender Bedeutung sind.411 Nach hier vertretener Ansicht verstoßen Entsendungsrechte nach § 101 Abs. 2 AktG auch in der börsennotierten Publikumsgesellschaft nicht per se gegen die Grundsätze guter Corporate Governance. In der börsenfernen Aktiengesellschaft sind sie folglich erst recht zu akzeptieren, da hier noch weniger Bedarf für eine Einschränkung der Gestaltungsfreiheit besteht.412 Es drängt sich die Frage auf, ob der verfügbare Satzungsspielraum für solche Gesellschaften de lege ferenda nicht sogar erweitert werden sollte, wofür sich etwa der österreichische Gesetzgeber in der jüngeren Vergangenheit entschieden hat. Dort können seit 2004 in der nichtbörsennotierten AG bis zu 50 % der Aufsichtsratsmitglieder entsandt werden.413 Mit einer derartigen Gesetzesänderung könnte die geschlossene „kleine“ AG auch in Deutschland in einem gerade für Gesellschaftsgründer nicht unwesentlichen Punkt an die GmbH angenähert werden und dadurch an Attraktivität gewinnen.414 Allerdings muss man sich fragen, was eine Erweiterung des Entsendungsrechts auf 50 % der Mitglieder nach österreichischem Vorbild konkret bezwecken soll. Es bleibt nämlich dabei, dass keine Mehrheit der Aufsichtsratsmitglieder entsandt 409

Gerade in Deutschland kommt allerdings insbesondere den geschlossenen Familiengesellschaften eine ganz erhebliche ökonomische Bedeutung zu, siehe Bettermann/Heneric, in: Hommelhoff/Hopt/v. Werder, Hdb Corporate Governance, S. 853 und 860 ff. 410 Die Unterscheidung zwischen börsennotierten und nichtbörsennotierten Gesellschaften kann nicht ohne weiteres mit derjenigen zwischen offenen und geschlossenen Gesellschaften gleichgesetzt werden, vgl. Bachmann/Eidenmüller/Engert/Fleischer/Schön, Geschlossene Kapitalgesellschaft, S. 1, Fn. 2; Hommelhoff, AG 1995, 529, 535. Allerdings wird es sich bei Aktiengesellschaften ohne Börsennotierung häufig um geschlossene Gesellschaften mit begrenztem Gesellschafterkreis handeln, weswegen sich die wesentlichen Fragen und Probleme in vielen Punkten entsprechen dürften. 411 Vgl. Weller, ZGR 2012, 386, 387 ff.; Woywode/Keese/Tänzler, ZGR 2012, 418, 419 ff.; Seibert, in: Seibert/Kiem/Schüppen, Hdb kleine AG, Rn. 1.37 ff.; speziell für Familiengesellschaften auch Bettermann/Heneric, in: Hommelhoff/Hopt/v. Werder, Hdb Corporate Governance, S. 853 ff. 412 Vgl. insofern Hommelhoff, in: GesR in der Diskussion, S. 175, 190 f. Allerdings weist Böckli, Schweizer Aktienrecht, § 4 Rn. 155 darauf hin, dass diese Gesellschaften den regulierenden Kräften des Kapitalmarktes weitgehend entzogen sind, was gerade für eine strengere gesetzliche Regulierung sprechen könnte. Im Ergebnis sieht aber auch er keine Rechtfertigung für eine übermäßige Einschränkung der Gestaltungsfreiheit. 413 Siehe dazu bereits oben Kap. 3, C. IV. 2. b). 414 Vgl. zu diesem Anliegen insbesondere Bayer, Gutachten E zum 67. DJT, S. E 9 ff.

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Kap. 5: Entsendungsrechte und Corporate Governance

werden kann, sodass ein beherrschender Einfluss nur durch Entsendungsrechte weiterhin ausgeschlossen ist. Insofern liegt die Vermutung nahe, dass es sich bei der österreichischen Neuregelung von 2004, die ausweislich der Gesetzesbegründung einem „Wunsch der Wirtschaft“ entsprechen sollte,415 um eine Kompromisslösung handelt. Die Entsendung von 50 % der Aufsichtsratsmitglieder verschafft einem Aktionär gegenüber einem Anteil von einem Drittel zwar einen Vorteil in Gestalt einer Veto-Position, da die entsandten Mitglieder Beschlüsse des Aufsichtsrats blockieren können, aber noch immer keine Entscheidungsmacht. Insofern kann es hier zu Pattsituationen zwischen entsandten und gewählten Vertretern kommen, was nicht gerade zur Effizienz der Aufsichtsratstätigkeit beitragen dürfte und Gesellschafterkonflikte, die als Corporate Governance-Problem in geschlossenen Gesellschaften eine wesentliche Rolle spielen,416 noch intensivieren dürfte.417 Aus Sicht der Gesellschaft kann der Vorteil einer hälftigen Besetzung des Aufsichtsrats mit entsandten Mitgliedern freilich auch darin bestehen, dass die abschreckende Wirkung für Übernahmeinteressenten erhöht wird, da in diesem Fall unabhängig vom Mitbestimmungsstatut eine mehrheitliche Neubesetzung des Aufsichtsrats nicht möglich ist. Der Funktion des Entsendungsrechts als Abwehrinstrument gegen feindliche Übernahmen dürfte in der nichtbörsennotierten, häufig geschlossenen Gesellschaft indes gerade keine wesentliche Rolle zukommen. Hält man einen größeren Gestaltungsspielraum für sinnvoll, wäre es folglich naheliegender, die Entsendung auch einer Mehrheit oder sogar aller Aufsichtsratsmitglieder zu ermöglichen.418 Auf diese Weise könnten sich etwa Gesellschaftsgründer, wie auch in der GmbH möglich, die Herrschaft in der Gesellschaft durch Entsendungsrechte dauerhaft sichern. Damit verbunden wäre die Möglichkeit einer vollständigen Entkoppelung von Herrschaft und Kapitalanteil. Ob man dies in der AG zulassen sollte, erscheint durchaus zweifelhaft. Für einen Gang an die Börse zu einem späteren Zeitpunkt wäre eine derart strukturierte Gesellschaft jedenfalls wenig geeignet – die Erleichterung dieses Schrittes ist aber gerade eines der wesentlichen Argumente für die flexiblere „kleine“ AG.419 Wollen sich die Gründer einer Gesellschaft einen derart weitgehenden Einfluss dauerhaft sichern, so spricht doch einiges dafür, sie insofern auf die GmbH mit ihren vielfältigen Gestaltungsmög415 Materialien zur Regierungsvorlage des Gesellschaftsrechtsänderungsgesetzes 2004, 466 Beilagen XXII. GP, S. 35. 416 Vgl. Bachmann/Eidenmüller/Engert/Fleischer/Schön, Geschlossene Kapitalgesellschaft, S. 7 ff., 25 ff.; Weller, ZGR 2012, 386, 393 f. 417 Vgl. Hennerkes/May, NJW 1988, 2761, 2762, die vor Benennungs- und Entsendungsrechten einzelner Gesellschafterstämme in der Familiengesellschaft generell warnen, da damit Interessenkonflikte der Gesellschafter „lediglich auf eine andere Ebene transponiert“ würden. 418 Dafür Bayer, Gutachten E zum 67. DJT, S. E 110, E 114; Kalss/Schauer, Gutachten zum 16. ÖJT, S. 105 (für den Verwaltungsrat). 419 Vgl. Frank, Die kleine AG, S. 326; Seibert, in: Seibert/Kiem/Schüppen, Hdb kleine AG, Rn. 1.11; C. Schäfer, NJW 2008, 2536, 2539; Hommelhoff, AG 1995, 529 f.; Lutter, AG 1994, 429 f., 447.

H. Entsendungsrechte in der nichtbörsennotierten Aktiengesellschaft

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lichkeiten zu verweisen. In der AG sollte es demgegenüber bei dem auch vom Gesetzgeber benannten Grundsatz bleiben, dass die Hauptversammlungsmehrheit auch die Mehrheit der Aufsichtsratsmitglieder bestimmt und in dieser Frage nicht vollständig entmachtet werden darf.420 Die in den vorherigen Abschnitten geäußerte Akzeptanz des deutschen Entsendungsrechts auch unter Corporate GovernanceGesichtspunkten gründet sich immerhin in nicht unbedeutendem Maße auf seine nur begrenzte Wirkung, die kritikwürdige Praktiken – etwa ein vollständiges board entrenchment und die Marginalisierung des Mehrheitswillens in der Gesellschaft – gerade nicht zulässt. Das Ansehen und die Seriositätsgewähr der deutschen AG421 sollten nicht dadurch beschädigt werden, derartige Möglichkeiten und das damit verbundene Missbrauchspotenzial zu eröffnen. Aus ähnlichen Gründen ist auch Skepsis gegenüber Vorschlägen geboten, in der nichtbörsennotierten AG de lege ferenda auch die Entsendung von Vorstandsmitgliedern zu ermöglichen.422 Damit wäre ein grundlegender Eingriff in die hergebrachte dualistische Struktur der deutschen AG verbunden, in der der Vorstand vom Aufsichtsrat bestellt wird.423 Zudem lässt sich die Entsendung von Vorstandsmitgliedern kaum mit der unabhängigen Stellung des AG-Vorstands vereinbaren, dessen Mitglieder – anders als die Geschäftsführer der GmbH – nicht den Weisungen der Aktionäre unterliegen. Für eine tiefgreifende Änderung des AG-Statuts ist indes kein zwingendes Bedürfnis ersichtlich. Denn auch hier bietet sich für entsprechende Gestaltungen die GmbH an, die für kleine und mittlere Unternehmen in der Regel nicht weniger geeignet sein dürfte und Entsendungen weitestgehend zulässt.424 Ferner steht, sofern die Mitwirkung eines bestimmten Gesellschafters in der Geschäftsleitung schon in der Gesellschaftsstruktur angelegt sein soll, die KGaA zur Verfügung.425 Zu bedenken ist insofern auch, dass nicht nur das vermeintlich höhere Ansehen und die Seriosität der AG, sondern auch ihre Vorteile bei der Nachfolgeregelung in Familienunternehmen gerade auf ihrer bewährten Struktur basieren.426 Beseitigt man diese, nähert sich die „kleine“ AG letztlich wieder stark der GmbH an, wodurch mutmaßliche Wettbewerbsvorteile eingebüßt werden dürften. Entsprechend wurden Vorschläge zur Ermöglichung von Entsendungsrechten in den Vor420

Vgl. Begr. RegE AktG 1965, abgedruckt bei: Kropff, AktG, S. 138 f. So bezeichnet bei Hommelhoff, AG 1995, 529, 533; zum höheren „Prestige“ der AG gegenüber der GmbH auch Seibert, in: Seibert/Kiem/Schüppen, Hdb kleine AG, Rn. 1.21, 1.35. 422 Dafür Bayer, Gutachten E zum 67. DJT, S. E 110, E 114; Hommelhoff, AG 1995, 529, 530 f.; dagegen C. Schäfer, NJW 2008, 2536, 2542 f.; Krieger, in: Verhandlungen des 67. DJT II/1, S. N 38. 423 Vgl. C. Schäfer, NJW 2008, 2536, 2542 f.; Krieger, in: Verhandlungen des 67. DJT II/1, S. N 38. 424 Siehe dazu ausführlich oben Kap. 2, B. I. 425 Zur KGaA als Alternative zur kleinen AG ausführlich Schüppen, in: Seibert/Kiem/ Schüppen, Hdb kleine AG, Rn. 6.1 ff., zur Einflusssicherung über die Komplementärstellung insb. Rn. 6.18 ff. Siehe zur Struktur der KGaA ferner oben Kap. 2, B. III. 426 Vgl. zu letzterem Punkt Frank, Die kleine AG, S. 75 ff.; Seibert, in: Seibert/Kiem/ Schüppen, Hdb kleine AG, Rn. 1.16 f. 421

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Kap. 5: Entsendungsrechte und Corporate Governance

stand der nichtbörsennotierten AG auf dem 67. DJT 2008 mit überwältigender Mehrheit abgelehnt.427 Schließlich ist auch die Möglichkeit einer Entsendung durch gesellschaftsfremde Dritte klar abzulehnen. Dies ist schon in der GmbH äußerst umstritten, birgt grundlegende dogmatischen Schwierigkeiten und erscheint auch im Hinblick auf die Verbandsautonomie bedenklich.428 Es ist deshalb begrüßenswert, dass das AktG Entsendungsrechte von vornherein ausschließlich für Aktionäre zulässt. Da der Erwerb einer einzigen Aktie ausreichend ist,429 stellt diese Beschränkung in der Praxis ohnehin kein übermäßiges Hindernis dar. Will man derart weitgehende Gestaltungen auch außerhalb der GmbH zulassen, sollte man hierfür nicht an die nichtbörsennotierte AG anknüpfen, sondern vielmehr über eine zwar an die AG angelehnte, gleichwohl eigenständige, neue Gesellschaftsform nach dem Vorbild der französischen SAS nachdenken.430 Die grundsätzlichen Fragen nach der Sinnhaftigkeit eines solchen Unterfangens und insbesondere dem tatsächlichen Bedürfnis für eine derartige Rechtsform können an dieser Stelle nicht beantwortet werden. Festzuhalten bleibt, dass eine Erweiterung von Entsendungsrechten für lediglich nichtbörsennotierte Aktiengesellschaften de lege ferenda nicht zu empfehlen ist.

I. Zusammenfassung Die zuweilen unter Gesichtspunkten der Corporate Governance erhobenen Bedenken gegen das Entsendungsrecht nach § 101 Abs. 2 AktG erweisen sich bei genauerer Betrachtung als nicht hinreichend fundiert. Der DCGK enthält keinerlei Stellungnahme für oder gegen Entsendungsrechte, und auch die dort postulierten Unabhängigkeitsanforderungen stehen Entsendungsrechten per se nicht im Wege – auch wenn entsandte Mitglieder häufig nicht als unabhängig angesehen werden können. Im Hinblick auf die Effizienz der Aufsichtsratsüberwachung lassen sich konkrete nachteilige Folgen von Entsendungsmandaten nicht erkennen, zumal die Vertretung auch von Partikularinteressen im Aufsichtsrat völlig legitim erscheint und Satzungsregelungen hierbei gegenüber intransparenten Absprachen vorzugswürdig sind. Lediglich in Bezug auf Besetzungs- bzw. Anforderungsprofile und deren Einhaltung durch systematisierte Auswahlverfahren erscheint die Entsendungsfreiheit des Rechtsinhabers problematisch. Hier könnten gesellschaftsinterne Regelungen zur Abstimmung zwischen Aufsichtsrat und Entsendungsberechtigten wenigstens teilweise Abhilfe schaffen. Sofern man auch eine Managementkontrolle 427 428 429 430

Verhandlungen des 67. DJT II/1, S. N 104 (Beschluss 11). Siehe dazu ausführlich oben Kap. 2, B. I. 3. Siehe bereits oben Kap. 1, A. IV. 3. b). So auch Hommelhoff, AG 1995, 529, 533 ff.

I. Zusammenfassung

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durch aktive Paketaktionäre bzw. Ankeraktionäre für sinnvoll hält, können Entsendungsrechte hingegen ein durchaus geeignetes Instrument zur Bindung entsprechend interessierter Aktionäre darstellen. Schließlich ist zu konstatieren, dass Entsendungsrechte zwar mit dem strengen one share, one vote-Grundsatz und dem Postulat eines grenzenlosen Marktes für Unternehmenskontrolle konfligieren, bei der Bewertung dieser Konflikte jedoch Zurückhaltung geboten erscheint. Sowohl der 1S1V-Grundsatz, als auch die These von der effizienzsteigernden Wirkung des Marktes für Unternehmenskontrolle sind nicht unumstritten, empirisch nur unzureichend belegt und deshalb keineswegs als zwingende Governance-Grundsätze zu behandeln. Für Abweichungen wie das Entsendungsrecht können im Einzelfall vielmehr gute Gründe bestehen, weswegen die privatautonome Gestaltungsfreiheit der Aktionäre in den Grenzen des § 101 Abs. 2 AktG nicht voreilig ungewissen Hoffnungen auf Effizienzgewinne geopfert werden sollte. Für eine Beschränkung oder gar Abschaffung des deutschen Entsendungsrechts de lege ferenda besteht damit kein Anlass – dies gilt umgekehrt allerdings auch für seine Erweiterung in der nichtbörsennotierten Aktiengesellschaft.

Schlussbetrachtung A. Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse I. Historische Entwicklung und Zwecke Aktienrechtliche Entsendungsrechte in den Aufsichtsrat haben historisch betrachtet eine wechselhafte Entwicklung durchlaufen. Sie waren in der aktienrechtlichen Praxis bereits lange vor ihrer Kodifizierung in § 88 AktG 1937 bekannt, auch wenn ihre Zulässigkeit bis zu diesem Zeitpunkt zweifelhaft war und sehr unterschiedlich bewertet wurde. Die Rechtsprechung stand ihnen im frühen 20. Jahrhundert ablehnend gegenüber. Mit der Kodifikation hat der Gesetzgeber des AktG 1937 diese Zweifel beseitigt, wobei er unmittelbar auf die Reformentwürfe der Weimarer Republik zurückgriff. Folglich wäre es verfehlt, das Entsendungsrecht als spezifische Ausprägung der nationalsozialistischen Ideologie zu interpretieren. Entsprechend hat auch der Gesetzgeber des AktG 1965 an dieser Rechtsfigur festgehalten und die bereits zuvor geltenden Regelungen in § 101 Abs. 2 AktG weitestgehend unverändert übernommen. Obwohl Entsendungsrechte de lege lata jedem Aktionär eingeräumt werden können, wollte der Gesetzgeber mit ihnen seit jeher die Begünstigung staatlicher Anteilseigner in gemischtwirtschaftlichen Unternehmen ermöglichen. Eine Begrenzung auf derartige Gesellschaften hielt er indes für unbegründet. Um die Kompetenzen der Hauptversammlung nicht zu stark zu beschneiden, entschied er sich stattdessen für eine unterschiedslose, quantitative Begrenzung des Entsendungsrechts auf ein Drittel der Aufsichtsratsmitglieder der Aktionäre. Während andere Instrumente zur Erweiterung des eigenen bzw. zur Begrenzung fremden Einflusses wie Mehrstimm- und Höchststimmrechte in den 90er Jahren abgeschafft oder zumindest auf nichtbörsennotierte Gesellschaften begrenzt wurden, hat der Gesetzgeber am Prinzip der Entsendung bis heute festgehalten. Entsendungsrechte dienen dem Zweck, den Einfluss einzelner Aktionäre über die ihnen zustehende Stimmrechtsmacht hinaus zu erweitern und für die Zukunft abzusichern. Als Inhaber einer solchen Privilegierung kommen neben der öffentlichen Hand insbesondere Unternehmensgründer und sonstige sog. Ankeraktionäre in Betracht, die an der Gesellschaft langfristig interessiert sind. Daneben eignen sich Entsendungsrechte als Abwehrinstrument gegen feindliche Übernahmen, da sie eine abschreckende Wirkung für potenzielle Kontrollerwerber entfalten. Dieser Effekt kann in mitbestimmten Gesellschaften nochmals deutlich verstärkt werden.

A. Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse

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II. Rechtspraxis und Rechtsvergleich Die rechtstatsächliche Untersuchung im Rahmen dieser Arbeit hat ergeben, dass aktuell lediglich in neun der 160 DAX-, MDAX-, TecDax- und SDAX-Unternehmen Entsendungsrechte bestehen. Dies entspricht einem Anteil von unter 6 %. Damit lässt sich konstatieren, dass Entsendungsrechte bei börsennotierten Aktiengesellschaften die Ausnahme darstellen, ihre Bedeutung gleichwohl nicht unterschätzt werden darf. Es dürfte davon auszugehen sein, dass ihre Zahl im Segment kleinerer Gesellschaften mit und ohne Börsennotierung deutlich größer ist. Auch andere Rechtsformen der Kapitalgesellschaft in Deutschland kennen das Instrument des Entsendungsrechts und lassen entsprechende Gestaltungen teils in weit größerem Umfang zu. Dies gilt insbesondere für die GmbH, in der aufgrund ihrer weitreichenden Gestaltungsfreiheit sowohl Geschäftsführer, als auch Aufsichtsratsmitglieder grundsätzlich in unbegrenzter Zahl entsandt werden können. Entsendungsrechte in Form echter Sonderrechte für gesellschaftsfremde Dritte stoßen jedoch auch in der GmbH auf Bedenken. Das Recht der SE und der KGaA verweist demgegenüber auf die Vorschriften des AktG, sodass die Begrenzungen des § 101 Abs. 2 AktG auch für diese Gesellschaftsformen Geltung beanspruchen. Allerdings können in der monistisch strukturierten SE auch Mitglieder des Verwaltungsrats entsandt werden, womit eine unmittelbare Einflussnahme auf die unternehmerische Ausrichtung der Gesellschaft ermöglicht wird. Inwieweit der Einfluss dabei durch besondere Satzungsregelungen zur Beschlussfassung und Beschlussfähigkeit des Verwaltungsrats zusätzlich erweitert werden kann, ist noch ungeklärt. Der internationale Rechtsvergleich zeigt, dass es sich bei Entsendungsrechten keineswegs um eine deutsche Besonderheit handelt. Gesetzliche Vorschriften, die wie § 101 Abs. 2 AktG satzungsmäßige Entsendungsrechte ausdrücklich zulassen, existieren im Aktienrecht zahlreicher Staaten, namentlich Österreichs, der Schweiz, der Niederlande, der skandinavischen Staaten, Italiens und Polens. Teilweise sind die Sonderrechte dabei allerdings staatlichen Anteilseignern vorbehalten, wie etwa in der Schweiz und in Italien. Auch das US-amerikanische und das englische Aktienrecht lassen Gestaltungen zu, die funktional einem Entsendungsrecht entsprechen. Nur geringen Spielraum bietet dagegen das Recht der französischen SA. Dieser steht mit der SAS allerdings auch eine spezielle Rechtsform für „kleine“ Aktiengesellschaften gegenüber, die wiederum weitestgehende Flexibilität ermöglicht. Neben echten Entsendungsrechten sind fast überall Stimmbindungsverträge und ähnliche Gestaltungen zur Erweiterung der Einflussmacht möglich. Zu beachten ist allerdings, dass in einigen Rechtsordnungen, insbesondere den USA und England, spezielle Zulässigkeitsschranken für börsennotierte Gesellschaften bestehen.

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Schlussbetrachtung

III. Vereinbarkeit mit deutschem und europäischem Recht Entsendungsrechte nach § 101 Abs. 2 AktG sind mit dem übrigen einfachgesetzlichen Recht vereinbar. Sie verstoßen insbesondere weder gegen den aktienrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz nach § 53a AktG, noch gegen das Verbot von Mehrstimmrechten nach § 12 AktG. Auch sonstige Vorschriften des Aktienrechts und des Übernahmerechts stehen ihrer Begründung nicht entgegen. Eine konzernrechtliche Abhängigkeit können sie lediglich im Zusammenspiel mit anderen Instrumenten der Einflussnahme begründen. Problematisch erscheint die Behandlung von Entsendungsrechten im Hinblick auf die ab 2016 geltende Geschlechterquote für den Aufsichtsrat börsennotierter und mitbestimmter Großunternehmen. Der verabschiedete Gesetzesentwurf lässt hier wesentliche Fragen unbeantwortet. Auch an der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit des § 101 Abs. 2 AktG können keine Zweifel bestehen. Im Hinblick auf die Eigentumsgarantie des Art. 14 GG ergibt sich aus den Vorgaben des Mitbestimmungsurteils, dass Entsendungsrechte selbst im Zusammenspiel mit der unternehmerischen Mitbestimmung nicht in unzulässiger Weise in das Anteilseigentum der Mehrheitsaktionäre eingreifen. Auch der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG steht ihrer Statuierung nicht im Wege. Ein differenziertes Bild ergibt sich dagegen bei der Untersuchung der Vereinbarkeit des Entsendungsrechts mit der europäischen Kapitalverkehrsfreiheit nach Art. 63 AEUV. Im Ergebnis ist hier davon auszugehen, dass Entsendungsrechte zugunsten staatlicher Aktionäre – egal, ob spezialgesetzlich oder satzungsmäßig – in aller Regel gegen das europarechtliche Behinderungsverbot verstoßen. Der vom deutschen Gesetzgeber ursprünglich verfolgte Zweck, mit dem Entsendungsrecht vor allem staatliche Anteilseigner zu privilegieren, dürfte seine Berechtigung insofern weitgehend verloren haben. Anders stellt sich die Situation bei Entsendungsrechten zugunsten privater Aktionäre dar. Diese sind allenfalls im Rahmen einer mittelbaren Drittwirkung an die europäischen Grundfreiheiten gebunden. Insofern erfordert der Schutz der Kapitalverkehrsfreiheit aber eine Abwägung mit der auch europarechtlich anerkannten Privatautonomie der Aktionäre. Mit der differenzierten und in seiner Wirkung begrenzten Norm des § 101 Abs. 2 AktG bewegt sich der deutsche Gesetzgeber innerhalb des ihm zustehenden Ermessensspielraums, weswegen private Entsendungsrechte im Ergebnis als zulässig anzusehen sind. Selbst wenn man neben der Kapitalverkehrsfreiheit auch die Niederlassungsfreiheit nach Art. 49 AEUV heranzieht, ändert dies am Ergebnis nichts.

IV. „Ewigkeitscharakter“ und Durchbrechungen Das Entsendungsrecht nach § 101 Abs. 2 AktG wird zu Recht als Sonderrecht i.S.d. § 35 BGB qualifiziert. Es erfüllt den Tatbestand eines Sonderrechts und fällt

A. Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse

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damit unter § 35 BGB, der als vereinsrechtliche Vorschrift mangels spezieller Regelungen des AktG auch für die Aktiengesellschaft Geltung beansprucht. Daraus ergibt sich als Rechtsfolge die Unentziehbarkeit des Sonderrechts ohne Zustimmung seines Inhabers. Richtigerweise ist es gleichwohl möglich, das Entsendungsrecht in der Satzung von vornherein als entziehbar auszugestalten. Dogmatisch kann dies entweder auf eine teleologische Reduktion des § 35 BGB oder auf die Annahme einer Einwilligung in die spätere Beeinträchtigung gestützt werden. Das Zustimmungserfordernis und damit der „Ewigkeitscharakter“ des Entsendungsrechts gelten nicht uneingeschränkt, sondern werden in Einzelfällen durchbrochen. Im Falle einer Kapitalherabsetzung und damit einhergehender Verkleinerung des Aufsichtsrats ist allerdings entgegen verbreiteter Auffassung nicht von einer Entbehrlichkeit der Zustimmung auszugehen. Vielmehr ist der Entsendungsberechtigte aufgrund seiner Treuepflicht im Einzelfall dazu verpflichtet, die Zustimmung zu erteilen. Dagegen wird das Zustimmungserfordernis bei der Umwandlung der Gesellschaft durch die spezielleren Regelungen des UmwG verdrängt, sodass eine Zustimmung hier generell entbehrlich ist – auch wenn dieses Ergebnis vor allem aufgrund der ungleichen Behandlung gegenüber Sonderrechtsinhabern in der GmbH unbefriedigend ist und deshalb de lege ferenda korrigiert werden sollte. Selbiges gilt für den Squeeze-out von entsendungsberechtigten Aktionären gegen ihren Willen, dessen verfassungsrechtliche Zulässigkeit zumindest bezweifelt werden muss. Im Falle der Auflösung der Gesellschaft muss eine Zustimmung des Entsendungsberechtigten dagegen entbehrlich sein, ebenso wie im Rahmen eines Insolvenzplanverfahrens, das seit dem ESUG umfassende Eingriffe in Anteils- und Mitgliedschaftsrechte ermöglicht. Ebenfalls muss in Ausnahmesituationen eine Entziehung von Entsendungsrechten aus wichtigem Grund möglich sein. Dagegen ergibt sich aus der europäischen Durchbrechungsregel nach zutreffender Auslegung nicht die Möglichkeit einer endgültigen Abschaffung, sondern lediglich einer temporären Suspendierung von Entsendungsrechten.

V. Corporate Governance Die Corporate Governance verfolgt das Ziel einer verlässlichen Unternehmensführung durch effiziente Kontrolle. Soweit vor diesem Hintergrund zuweilen Einwände gegen Entsendungsrechte nach § 101 Abs. 2 AktG vorgebracht werden, erweisen sich diese größtenteils als unbegründet. Dass eine gute Corporate Governance auf Entsendungsrechte per se verzichten müsste, lässt sich in dieser Allgemeinheit nicht konstatieren. Der DCGK enthält keinerlei Stellungnahme zu Entsendungsrechten. Festzuhalten ist allein, dass durch kontrollierende Aktionäre entsandte Aufsichtsratsmitglieder nach der Kodex-Änderung 2012 als abhängig zu qualifizieren sind. Dasselbe gilt für Mitglieder, die durch Aktionäre mit eigenem Vorstandsoder Aufsichtsratsamt entsandt wurden. Die Qualifizierung als abhängig birgt indes kein Werturteil über die Überwachungsqualität des jeweiligen Aufsichtsratsmit-

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Schlussbetrachtung

glieds. Vielmehr ist anzuerkennen, dass die Vertretung von Partikularinteressen und insbesondere von bedeutenden Paketaktionären im Aufsichtsrat zulässig und legitim ist. Dass entsandte Mitglieder ihre Überwachungsaufgaben weniger ernst nehmen würden als andere, ist eine bloße Unterstellung und entbehrt jeglichen Nachweises. Fragwürdig erscheinen lediglich Entsendungen kraft Amtes sowie Entsendungen durch Vorstands-Aktionäre – letztere Situation wird allerdings bereits durch das Unabhängigkeitspostulat hinreichend berücksichtigt. Ferner ist die Auswahlfreiheit des Entsendungsberechtigten im Hinblick auf die Qualifikation der Aufsichtsratsmitglieder nicht unproblematisch. Sie stellt gegenüber Versuchen, die Effizienz des Aufsichtsrats durch qualitätssichernde Auswahlverfahren zu verbessern, einen Fremdkörper dar. Hier könnten interne Abstimmungsverfahren oder eine freiwillige Selbstbindung des Entsendungsberechtigten Abhilfe schaffen. In jüngerer Zeit gibt es wieder vermehrt Bestrebungen, Großaktionäre in die aktive Überwachung des Managements von Kapitalgesellschaften einzubinden. Soweit man dies für ein legitimes Anliegen hält, können Entsendungsrechte durchaus von Nutzen sein. So eignen sie sich etwa als Instrument, um langfristig interessierte Ankeraktionäre enger an die Gesellschaft zu binden und ihnen zusätzliche Überwachungskompetenzen einzuräumen. Nicht unproblematisch ist dabei freilich der „Ewigkeitscharakter“ des Entsendungsrechts, der entsprechenden Gestaltungen oftmals im Wege stehen dürfte. Entsendungsrechte widersprechen als einflusserweiternde Instrumente dem Grundsatz one share, one vote, also dem Kapitalprinzip. Entgegen mancher Behauptungen handelt es sich dabei allerdings nicht um ein international anerkanntes und ausnahmslos geltendes Prinzip, sondern nur um eine Grundregel, deren Durchbrechung insbesondere in Europa an der Tagesordnung ist. Da der ökonomische Nutzen einer strengen one share, one vote-Regel nicht hinreichend erwiesen ist, lassen sich keine überzeugenden Gründe gegen die Zulässigkeit begrenzter Ausnahmen anführen. Dies gilt ebenfalls für den Bereich der Unternehmensübernahmen und den sog. Markt für Unternehmenskontrolle. Da auch die disziplinierende und damit effizienzsteigernde Wirkung feindlicher Übernahmen mangels überzeugender empirischer Nachweise keinesfalls feststeht, sind Abwehrmaßnahmen nicht per se als schlechte Corporate Governance anzusehen. Solange sie von den Aktionären beschlossen werden, was bei Entsendungsrechten der Fall ist, sollte ihre Statuierung als privatautonome Entscheidung der Unternehmenseigner respektiert werden.

B. Ausblick Für eine Abschaffung des § 101 Abs. 2 AktG besteht keinerlei Anlass. Auch eine generelle Beschränkung der Zulässigkeit von Entsendungsrechten auf nichtbörsennotierte Gesellschaften erscheint nicht angezeigt. Weder höherrangiges Recht, noch Corporate Governance-Erwägungen stehen Entsendungsrechten in den Gren-

B. Ausblick

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zen des § 101 Abs. 2 AktG zwingend entgegen. Zu empfehlen ist allerdings eine gesetzliche Klarstellung, dass Entsendungsrechte durch die Satzung auch als widerrufliche Rechte eingeräumt werden können. Ohne den zwingenden „Ewigkeitscharakter“ könnten sie als Gestaltungsinstrument zur Einbindung und Aktivierung von Aktionären an Bedeutung gewinnen. Nicht zu empfehlen ist dagegen ein größerer Gestaltungsspielraum für Entsendungsrechte in der nichtbörsennotierten Aktiengesellschaft. Die Entsendung sollte auch hier weiterhin auf ein Drittel der Anteilseignervertreter begrenzt bleiben und nur für Aktionäre zulässig sein. Auch die Möglichkeit einer Entsendung von Vorstandsmitgliedern ist klar abzulehnen. Soweit für kleinere und mittlere Unternehmen eine weitergehende Flexibilität auch jenseits der GmbH gewünscht ist, sollte dies nicht im Rahmen der lediglich börsenfernen AG umgesetzt werden, sondern vielmehr in Gestalt einer gänzlich neuartigen Rechtsform. Wie diese im Einzelnen ausgestaltet werden soll, ist eine andere Frage. Bei der AG ist an der bewährten Struktur festzuhalten. Die weitere Rechtsentwicklung bleibt abzuwarten. Früher oder später wird sich der EuGH zur europarechtlichen Zulässigkeit privatautonomer Beschränkungen der Kapitalverkehrsfreiheit äußern müssen. Ein neuer Anlauf zur Durchsetzung des one share, one vote-Prinzips auf Ebene der europäischen Gesetzgebung dürfte dagegen in absehbarer Zukunft nicht zu erwarten sein, ebenso wenig wie eine Verschärfung der Übernahmerichtlinie. Ein internationaler Anpassungsdruck ist angesichts der Verbreitung von einflusserweiternden Instrumenten in ausländischen Rechtsordnungen ohnehin nicht zu konstatieren. Dennoch dürfte das Entsendungsrecht nach § 101 Abs. 2 AktG aufgrund der bestehenden Ungewissheiten und des verbreiteten Stigmas schlechter Corporate Governance auch weiterhin eher ein Schattendasein führen. Seine Vorteile werden dabei häufig übersehen, insbesondere sein hoher Grad an Transparenz und seine klare rechtliche Begrenzung, die das Entsendungsrecht gegenüber internen Absprachen und undurchsichtigen Nominierungspraktiken vorzugswürdig erscheinen lassen. Bedeutende Aktionäre werden stets Mittel und Wege finden, ihren Einfluss geltend zu machen. Wenn hierfür zumindest transparente und klar geregelte rechtliche Formen genutzt werden, kann dies kein Nachteil sein. In jedem Fall wäre es wünschenswert, dass sich insbesondere die Corporate Governance-Forschung vermehrt mit Entsendungsrechten und anderen einflusserweiternden Instrumenten beschäftigt, die nun einmal Teil der deutschen und internationalen Aktienwirklichkeit sind.

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Sachverzeichnis Abberufung 36 f., 51, 55 f., 67, 71, 73, 81, 83, 115 f., 119 – 122, 125, 131, 134, 146 f., 152, 154, 161 f., 164, 167, 171, 173, 177, 180, 182, 191, 195, 201 – 203, 205, 221, 235, 318, 326, 329 – 333, 371, 395 Aktiengesetzentwurf 66 f., 70, 278, 290 Aktienrechtsnovelle 59 – 61, 79 Aktionärs-Aktivismus 27, 354, 371, 374 Aktionärsdemokratie 337, 339, 369, 372, 377 f., 391, 393 Anfechtbarkeit 32, 185, 198, 224 f., 311, 357 Ankeraktionär 97 f., 371, 373 – 375, 401 f., 407 Anteilseigentum 36, 73, 88, 217, 237 – 242, 309 Auflösung 307 f., 319, 335 Auskunftspflicht 225 f. Auswahlverfahren 359 f., 363 f., 406

Beherrschung 80, 96, 230 – 234, 344 f., 352, 388, 404 Beschlussfähigkeit 50, 134 – 136 Beschlussfassung 35, 49 f., 134 – 137, 146, 178 f., 213, 225, 227 f., 259 f., 295, 311 board of directors 142 – 145, 147, 149, 151 – 154, 156 f., 161, 163 f., 167 Börsenzulassung 143, 148 f., 151, 154, 165 f., 206, 229 f.

censeur 176 f., 180 class voting right 31, 145 – 149, 152 – 155, 165, 205 conseil d’administration 169 – 178, 180 control enhancing mechanism 91, 381 – 384, 387 – 389 controlling shareholder tradeoff 373, 376 f. cumulative voting 151 f., 154, 187, 194, 207

Direktinvestition 247 – 249, 274 f. Drittrecht 52, 121 – 123, 125 – 128, 144, 158, 160, 167, 190 f., 198, 201 f., 205, 281, 406 Drittwirkung 244, 260 – 267, 276 Durchbrechungsregel 27, 272, 311 – 313, 315 – 317, 319, 381 effet utile 254, 258 Eigentumsgarantie 208, 237, 276 Eigenverwaltung 320 – 323 Einwilligung 295 – 298 entrenchment 160, 163, 167, 389, 399, 405 Entschädigung 88, 225, 314 f., 317 – 319, 333 f. Entsprechenserklärung 108 f., 340, 390 Ewigkeitscharakter 26 f., 106, 154, 206, 277, 299, 375, 396, 400 f. Familiengesellschaft 87, 95, 100 f., 107, 112, 139, 163, 168, 196 – 198, 310, 338, 405 Flucht ins Privatrecht 254, 258 Fremdverwaltung 320 f., 323 Führerprinzip 76, 78 gemischtwirtschaftliches Unternehmen 63, 65 f., 68, 71, 77, 81, 87, 90 f., 93 f., 101, 178, 180, 364 – 366 Geschäftsführer 113 – 116, 120 f., 124 f., 128, 139, 282, 330 Geschlechterquote 234, 236 Gleichbehandlung 26, 135, 173, 195, 211 – 218, 237, 242 – 245, 276, 279, 326, 372, 377 – 379, 387 f., 391 golden share 26, 169, 178, 180, 209, 247, 254 f., 257 f., 271, 275, 342 Haftung 47, 51, 54 – 57, 72, 175, 192 – 194, 199, 222 f., 357, 362, 375 Heterogenität 358

456 Höchststimmrecht 384, 395, 400

Sachverzeichnis 35, 85, 87, 215, 342,

Insolvenzplanverfahren 328, 335

320, 323 – 325,

Kapitalherabsetzung 27, 183, 300 – 302, 335 Kapitalmarktteilnehmer 382, 390, 394 Kapitalverkehrsfreiheit 26, 85, 102, 208 – 211, 246 f., 249 – 258, 260 – 264, 266 – 270, 272 – 276 Kernbereichslehre 296 f. Kodifizierung 70 – 72, 81 f. Kollegialorgan 135, 363 Komplementär 44, 103, 137 – 140, 220 f. kontrollierender Aktionär 343 – 351, 353, 359, 373 Kooptation 61, 129, 143, 157 f., 167, 170, 393 Lagebericht 108 – 111, 390 Langfristigkeit 97, 360 f., 371 – 376, 387 f., 400 Markt für Unternehmenskontrolle 99, 337, 394 – 396, 400 Mehrstimmrecht 31, 35, 49, 73 – 75, 79 f., 86 – 88, 90, 94, 136, 145, 148, 162 f., 165 – 167, 172, 175, 178, 198 – 200, 217 f., 281, 284, 300, 315, 325, 342, 383, 395 Mitbestimmung 30, 44, 50, 68 f., 82 – 84, 99, 103, 115, 118, 128, 133, 169, 181, 199, 206, 210, 233 f., 238 – 240, 242, 252, 269, 276, 358, 370, 396, 399 f. Niederlassungsfreiheit 246, 274 – 276 Nominierungsausschuss 357, 359, 364, 392 old boys network 358 one share, one vote 26, 35, 88, 91, 166, 175, 217, 258, 342, 372, 378 – 390, 395, 407 Opt-in 151, 316 f., 319 Portfolioinvestition 247 f., 275 principal-agent-Konflikt 338, 349 principal-principal-Konflikt 338, 349, 388 Privatautonomie 244, 262, 264, 268 f., 398

private benefits of control 373, 377, 387, 389 Privatisierung 84, 94, 173, 178, 254 f. Publizität 43, 108 f., 112, 338, 390, 393, 401 Qualifikation 366

111, 354 – 358, 360 – 363,

rationale Apathie 392 Revisionsstelle 189 f., 199 Sanierung 172, 301, 322 f., 326 Sekundärrecht 272 – 274 shareholder empowerment 27, 369 – 371, 377 Sonderrechtscharakter 27, 37, 45, 94, 118 f., 136, 183, 200, 236, 241, 277 f., 299, 335 Squeeze-out 284, 308 – 311, 335 Staatsvertreter 179, 203 f., 364 f. Stimmbindung 31 – 33, 42, 53, 62, 67 f., 97, 149 – 151, 153, 159, 173 f., 180, 184 f., 197, 200, 206, 232, 392 stimmrechtslose Aktie 35 f., 75, 196, 380 Stimmverbot 138, 218 – 223 teleologische Reduktion 294 f., 298, 307, 311, 331 f. Treuepflicht 37, 48, 52 – 55, 120, 126, 185, 225, 279, 300 – 302, 333, 335, 360 Treuestimmrecht 75, 175 f., 372 Übernahmeabwehr 98 f., 198, 227 – 229, 376, 395 f., 398, 400, 402, 404 Übertragbarkeit 38 – 40, 42, 229, 319 Überwachungseffizienz 356 f., 359 – 362, 365 f., 373 f., 401, 404, 406 Umwandlung 27, 303 – 308 Unabhängigkeit 111, 232, 343 – 346, 348 – 352, 354 – 356, 359 f., 362 f., 367 f., 406 Unentziehbarkeit 37, 278 f., 281 – 284, 292, 401 Unternehmensgründer 43, 59 f., 74, 87, 89, 95, 106 f., 112, 149, 155, 195, 197, 241, 243, 298, 360, 377, 387, 401, 403 f.

Sachverzeichnis Verbandsautonomie 117, 121, 406 Vererblichkeit 39 – 41 Verhältniswahl 66, 82, 187 f. Verhinderungsverbot 227 – 229 Verwaltungsrat 26, 129, 131 – 136, 189 – 200

457

Vorschlagsrecht 31, 33 – 35, 84, 114, 152 f., 179, 184 f., 194, 196, 198, 200 f., 364 Vorstands-Aktionär 220 – 222, 346, 351, 366 f., 370 f. Weisung 46 – 49, 53, 55, 62, 78 f., 81, 89, 92, 116, 132, 140, 221, 318, 405