Die Aktiengesellschaft in der Eigenverwaltung [1 ed.] 9783428521425, 9783428121427

Nicholas Kessler untersucht zahlreiche Rechtsfragen, die sich bei der Durchführung eines Insolvenzverfahrens in Eigenver

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Die Aktiengesellschaft in der Eigenverwaltung [1 ed.]
 9783428521425, 9783428121427

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Münsterische Beiträge zur Rechtswissenschaft Band 166

Die Aktiengesellschaft in der Eigenverwaltung Von

Nicholas Kessler

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

NICHOLAS KESSLER

Die Aktiengesellschaft in der Eigenverwaltung

Münsterische Beiträge zur Rechtswissenschaft Herausgegeben im Auftrag der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Westfälischen Wilhelms-Universität in Münster durch die Professoren Dr. Heinrich Dörner Dr. Dirk Ehlers Dr. Ursula Nelles

Band 166

Die Aktiengesellschaft in der Eigenverwaltung

Von

Nicholas Kessler

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

Die Rechtswissenschaftliche Fakultät der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster hat diese Arbeit im Jahre 2005 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.

D6 Alle Rechte vorbehalten # 2006 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fotoprint: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0935-5383 ISBN 3-428-12142-2 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier ∞ entsprechend ISO 9706 *

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Meinen Eltern

Vorwort Die vorliegende Arbeit ist im Sommersemester 2005 von der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster als Dissertation angenommen worden. Sie befasst sich mit der Durchführung eines Insolvenzverfahrens in Eigenverwaltung über das Vermögen einer Aktiengesellschaft und untersucht insbesondere die rechtliche Stellung der Gesellschaftsorgane, ihr Verhältnis zueinander und zu den übrigen Verfahrensbeteiligten. Die Entscheidung zugunsten der Bearbeitung dieser Problematik wurde maßgeblich durch die vielen – mitunter spektakulären – Großinsolvenzen der letzten Jahre beeinflusst, die in der Insolvenzrechtsszene und den Medien gleichermaßen für Furore und für eine größere Beachtung dieser neuartigen, aus dem US-amerikanischen Recht übernommenen Variante eines Insolvenzverfahrens gesorgt haben. Zu nennen sind hier vor allem die Verfahren Philip Holzmann, Babcock Borsig und Kirch Media. Mein besonderer Dank gilt meinem Doktorvater Herrn Professor Dr. Ingo Saenger, der mich nicht nur bei diesem Vorhaben, sondern auch bei meiner Tätigkeit als wissenschaftliche Hilfskraft und später als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Internationales Wirtschaftsrecht an der Westfälischen Willhelms-Universität Münster in vielfältiger und stets äußerst wohlwollender Weise gefördert und unterstützt hat. Frau Professorin Dr. Petra Pohlmann danke ich für die zügige Erstellung des Zweitgutachtens. Dank gebührt auch Frau Professorin Dr. Ursula Nelles und den Herren Professoren Dres. Dirk Ehlers und Heinrich Dörner für die Aufnahme dieser Arbeit in die von ihnen betreute Reihe „Münsterische Beiträge zur Rechtswissenschaft“. Herzlich danken möchte ich zudem dem Freundeskreis Rechtswissenschaft für die Gewährung eines großzügigen Druckkostenzuschusses sowie der Sozietät CMS Hasche Sigle, die diese Arbeit mit dem „CMS Hasche Sigle Preis 2005“ ausgezeichnet hat. Schließlich seien die Mitarbeiter des Lehrstuhls von Prof. Saenger, namentlich Herr Dr. Carsten Paul und Herr Dr. Raphael Koch erwähnt, die in verschiedener Weise zum Gelingen dieser Arbeit beigetragen haben. Münster, im Januar 2006

Nicholas Kessler

Inhaltsübersicht Einleitung ...................................................................................................................

27

Erster Teil Grundlagen

A. B. C. D.

A. B. C. D.

Kapitel 1 Grundzüge des Rechts der Eigenverwaltung

33

Das Verfahren im Überblick ................................................................................ Zum Hintergrund der Eigenverwaltung................................................................ Die Stellung der am Eigenverwaltungsverfahren Beteiligen ................................ Ergebnisse ............................................................................................................

33 36 44 99

Kapitel 2 Gesellschaftsrechtliche Folgen der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens

100

Die Verdrängung der Gesellschaftsorgane durch den Insolvenzverwalter ........... Die Auflösung der Aktiengesellschaft.................................................................. Das Verhältnis von Insolvenz- und Liquidationsverfahren .................................. Ergebnisse ............................................................................................................

101 108 129 138

Zweiter Teil Die Anordnung der Eigenverwaltung über das Vermögen einer Aktiengesellschaft Kapitel 3 Die Voraussetzungen der Anordnung der Eigenverwaltung und ihrer Beendigung

139

A. Voraussetzungen der Anordnung ......................................................................... 139 B. Voraussetzungen der Beendigung ........................................................................ 178 C. Ergebnisse ............................................................................................................ 181 Kapitel 4 Besondere Fragen der Anordnung der Eigenverwaltung

182

A. Die Funktionsteilung zwischen Sachwalter und Gesellschaftsorganen ................ 182

10

Inhaltsübersicht

B. Das Finanzierungsproblem................................................................................... 187 C. Ergebnisse ............................................................................................................ 196 Dritter Teil Die Rechtsstellung der Organe einer Aktiengesellschaft in Eigenverwaltung

A. B. C. D. E. F.

A. B. C. D. E. F.

A. B. C. D.

Kapitel 5 Der Vorstand in der Eigenverwaltung

200

Die Stellung des Vorstands im Schuldnerbereich................................................. Die Stellung des Vorstands im Eigenverwaltungsbereich .................................... Das Verhältnis der Vorstandsmitglieder zur Gesellschaft .................................... Die Haftung der Vorstandsmitglieder................................................................... Abschließende Würdigung ................................................................................... Ergebnisse ............................................................................................................

200 230 304 324 345 347

Kapitel 6 Der Aufsichtsrat in der Eigenverwaltung

350

Die Stellung des Aufsichtsrats im Schuldnerbereich............................................ Die Stellung des Aufsichtsrats im Eigenverwaltungsbereich ............................... Das Verhältnis der Aufsichtsratsmitglieder zur Gesellschaft ............................... Die Haftung der Aufsichtsratsmitglieder.............................................................. Abschließende Würdigung ................................................................................... Ergebnisse ............................................................................................................

350 353 369 379 380 380

Kapitel 7 Die Hauptversammlung in der Eigenverwaltung

382

Die Stellung der Hauptversammlung im Schuldnerbereich.................................. Die Stellung der Hauptversammlung im Eigenverwaltungsbereich ..................... Abschließende Würdigung ................................................................................... Ergebnisse ............................................................................................................

383 399 429 430

Vierter Teil Schlussbetrachtung

432

Literaturverzeichnis.................................................................................................... 438 Sachwortverzeichnis................................................................................................... 455

Inhaltsverzeichnis Einleitung ..................................................................................................................

27

Erster Teil Grundlagen Kapitel 1 Grundzüge des Rechts der Eigenverwaltung

33

A. Das Verfahren im Überblick ............................................................................. I. Verfahrensgang .............................................................................................. II. Verfahrenszweck und Verfahrensziel.............................................................

33 33 35

B. Zum Hintergrund der Eigenverwaltung .......................................................... I. Entstehungsgeschichte ................................................................................... 1. Die Berichte der Kommission für Insolvenzrecht.................................... 2. Die Entwürfe des Bundesministeriums der Justiz .................................... 3. Der Regierungsentwurf............................................................................ II. Vorbilder........................................................................................................ 1. Der gerichtliche Vergleich nach der Vergleichsordnung ......................... 2. Das Zwangsverwaltungsverfahren ........................................................... 3. Das US-amerikanische Chapter-11-Verfahren......................................... III. Die Kritik aus Lehre und Praxis an der Eigenverwaltung ..............................

36 37 37 38 38 39 39 41 41 43

C. Die Stellung der am Eigenverwaltungsverfahren Beteiligten ......................... I. Der Schuldner ................................................................................................ 1. Die Rechtsstellung des Schuldners .......................................................... a) Rechte und Pflichten des Schuldners ................................................. b) Mitwirkungsvorbehalte...................................................................... 2. Rechtsgrund und -natur der Befugnisse des Schuldners .......................... a) Rechtsgrund....................................................................................... aa) Die spezifisch insolvenzrechtlichen Befugnisse .......................... bb) Das Verwaltungs- und Verfügungsrecht (§ 270 I 1 InsO) ........... (1) Wortlautauslegung ................................................................ (a) „Der Schuldner ist berechtigt, […] zu verwalten […]“...

44 44 44 44 46 47 48 48 49 49 49

12

Inhaltsverzeichnis (b) „Die Insolvenzmasse“ ..................................................... (c) „[…], wenn das Insolvenzgericht […] die Eigenverwaltung anordnet“........................................................... (d) Ergebnis der Wortlautauslegung ..................................... (2) Systematische Auslegung...................................................... (a) § 80 I InsO ...................................................................... (aa) Einfluss auf das Wortlautverständnis des § 270 I 1 InsO......................................................... (bb) Fehlen eines Übergangstatbestandes ...................... (cc) Hin- und Herwechseln in einer „logischen Sekunde“ ................................................................ (b) § 271 InsO bzw. § 21 II Nr. 2 InsO................................. (c) §§ 276 ff. InsO ................................................................ (d) §§ 279 S. 1, 282 I 1, 283 I 1 InsO ................................... (e) § 150b ZVG .................................................................... (f) Ergebnis der systematischen Auslegung ......................... (3) Historische Auslegung .......................................................... (a) Gesetzesbegründung ....................................................... (b) Rechtsvergleichende Bezüge .......................................... (c) Ergebnis der historischen Auslegung.............................. (4) Teleologische Auslegung ...................................................... (a) Sinn und Zweck der Eigenverwaltung ............................ (b) Sinn und Zweck des Insolvenzverfahrens ....................... (c) Ergebnis der teleologischen Auslegung .......................... (5) Gesamtergebnis der Auslegung............................................. b) Rechtsnatur ........................................................................................ aa) Stellung als Insolvenzverwalter................................................... bb) Stellung als „Amtswalter in eigenen Angelegenheiten“ .............. (1) Amtswalterstellung des Insolvenzverwalters ........................ (2) Amtswalter in eigenen Angelegenheiten............................... (a) Pflichtbindung................................................................. (b) Rechtsgrund der Befugnisse............................................ (3) Sinnhaftigkeit einer partiellen Amtswalterstellung ............... c) Ergebnis............................................................................................. 3. Die Haftung des eigenverwaltenden Schuldners...................................... a) Nach § 60 I 1 InsO............................................................................. aa) Sinnhaftigkeit einer Ersatzpflicht nach § 60 InsO ....................... bb) Anwendbarkeit über § 270 I 2 InsO ............................................ (1) §§ 274 I, 277 I 3 InsO als abweichende Bestimmungen........ (2) § 60 InsO als allgemeine Vorschrift ...................................... (a) Auslegung des § 60 InsO ................................................

50 52 53 53 53 53 53 54 56 56 57 57 58 58 58 60 61 61 61 61 64 64 64 64 66 67 67 68 69 71 72 73 73 73 74 74 75 75

Inhaltsverzeichnis

13

(aa) Wortlautauslegung ................................................. (bb) Systematische Auslegung....................................... (cc) Historische Auslegung ........................................... (dd) Teleologische Auslegung ....................................... (b) Ergebnis: Keine Schuldnerhaftung nach § 60 InsO......... b) Sonstige Haftungstatbestände ............................................................ 4. Die Unwirksamkeit insolvenzzweckwidriger Verfügungen..................... a) Begründung der Nichtigkeit insolvenzzweckwidriger Verfügungen des Verwalters............................................................................. b) Übertragung auf den eigenverwaltenden Schuldner .......................... II. Der Sachwalter............................................................................................... 1. Stellung in der Eigenverwaltung.............................................................. 2. Einflussmöglichkeiten auf den Schuldner................................................ III. Das Insolvenzgericht...................................................................................... IV. Die Gläubiger................................................................................................. 1. Die Gläubigerversammlung ..................................................................... a) Stellung in der Eigenverwaltung........................................................ b) Einflussmöglichkeiten auf den Schuldner.......................................... aa) Unmittelbare Beeinflussung ........................................................ bb) Mittelbare Beeinflussung............................................................. 2. Der Gläubigerausschuss........................................................................... a) Stellung in der Eigenverwaltung........................................................ b) Einflussmöglichkeiten auf den Schuldner.......................................... 3. Der einzelne Gläubiger ............................................................................ a) Stellung in der Eigenverwaltung........................................................ b) Einflussmöglichkeiten auf den Schuldner..........................................

75 76 77 78 80 80 81 82 83 88 88 89 90 91 91 91 92 92 93 94 94 96 97 97 98

D. Ergebnisse ...........................................................................................................

99

Kapitel 2 Gesellschaftsrechtliche Folgen der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens A. Die Verdrängung der Gesellschaftsorgane durch den Insolvenzverwalter ... I. Alleinzuständigkeit des Insolvenzverwalters (Verdrängungsbereich)............ II. Alleinzuständigkeit der Gesellschaftsorgane (Schuldnerbereich) .................. III. Gemeinschaftliche Zuständigkeit (Überschneidungsbereich) ........................

100 101 101 103 106

B. Die Auflösung der Aktiengesellschaft ............................................................... 108 I. Die Organstruktur der aufgelösten Gesellschaft............................................. 108 1. Fortbestand der Organe............................................................................ 108

14

Inhaltsverzeichnis 2. Keine Ersetzung der Vorstandsmitglieder durch Abwickler .................... II. Der Gesellschaftszweck der aufgelösten Aktiengesellschaft.......................... 1. Die herrschende Verdrängungstheorie ..................................................... 2. Stellungnahme ......................................................................................... a) Kritik der Verdrängungstheorie ......................................................... aa) Keine Einschränkung der Verwalterkompetenzen....................... bb) Die Ergebnisoffenheit des Insolvenzverfahrens .......................... cc) Die Inkongruenz von Zweckänderung und Massebezogenheit des Insolvenzverfahrens .............................................................. (1) Ausübung der Verfahrensrechte durch den Vorstand............ (2) Sanierungsbegleitende Beschlüsse der Hauptversammlung .. (3) Die Verwaltung insolvenzfreien Vermögens......................... dd) Zwischenergebnis: Ablehnung der Verdrängungstheorie............ b) Diskussion alternativer Lösungen...................................................... aa) De lege ferenda............................................................................ bb) De lege lata.................................................................................. (1) Die Überlagerungstheorie ..................................................... (2) Stellungnahme....................................................................... cc) Ergebnis.......................................................................................

109 111 112 114 114 114 116 117 119 120 123 124 125 125 126 126 127 128

C. Das Verhältnis von Insolvzenz- und Liquidationsverfahren .......................... I. Der Meinungsstand ........................................................................................ II. Stellungnahme................................................................................................ 1. Wortlautauslegung ................................................................................... 2. Systematische Auslegung ........................................................................ 3. Historische Auslegung............................................................................. 4. Teleologische Auslegung......................................................................... 5. Ergebnis der Auslegung...........................................................................

129 129 130 130 133 133 136 138

D. Ergebnisse ........................................................................................................... 138 Zweiter Teil Die Anordnung der Eigenverwaltung über das Vermögen einer Aktiengesellschaft Kapitel 3 Die Voraussetzungen der Anordnung der Eigenverwaltung und ihrer Beendigung

139

A. Voraussetzungen der Anordnung ..................................................................... 139 I. Allgemeine Voraussetzungen des Insolvenzverfahrens ................................. 140

Inhaltsverzeichnis

15

1. Insolvenzverfahrensfähigkeit (§§ 11 bis 12 InsO) ................................... 2. Vorliegen eines Eröffnungsantrags (§§ 13 bis 15 InsO) .......................... 3. Vorliegen eines Eröffnungsgrunds (§§ 16 bis 19 InsO)........................... II. Die Anordnung der Eigenverwaltung nach § 270 II InsO .............................. 1. Beantragung durch die Schuldnergesellschaft (§ 270 II Nr. 1 InsO)........ a) Vorliegen eines Antrags der Schuldnergesellschaft........................... aa) Die Antragsberechtigung der Vorstandsmitglieder...................... (1) Jedes einzelne Vorstandsmitglied?........................................ (a) Direkte Anwendung des § 15 InsO ................................. (b) Analoge Anwendung des § 15 InsO................................ (aa) Planwidrige Regelungslücke .................................. (bb) Vergleichbarkeit der Interessen .............................. (2) Sämtliche Vorstandsmitglieder gemeinsam?......................... (3) Ergebnis ................................................................................ bb) Die Antragspflicht organschaftlicher Vertreter ........................... (1) Pflicht gegenüber den Gläubigern (aus § 92 II AktG)........... (2) Pflicht gegenüber der Gesellschaft (aus § 93 I 1 AktG) ........ b) Keine Rücknahme des Eigenverwaltungsantrags .............................. aa) Zulässigkeit einer Rücknahme..................................................... bb) Rücknahmeberechtigung bei der Aktiengesellschaft ................... 2. Zustimmung des Gläubigers (§ 270 II Nr. 2 InsO) .................................. 3. Keine Gläubigerbenachteiligung (§ 270 II Nr. 3 InsO)............................ a) Die Nachteilsprognose....................................................................... aa) Verzögerung des Verfahrens ....................................................... bb) Sonstige (wirtschaftliche) Nachteile............................................ b) Entscheidungsrelevante Umstände .................................................... aa) Insolvenzursachen ....................................................................... bb) Das Verhalten der Gesellschaftsorgane ....................................... cc) Die Vorlage eines Reorganisationsplans ..................................... dd) Austausch von Vorstandsmitgliedern durch Insolvenzfachleute . (1) Zur Zulässigkeit dieser Vorgehensweise ............................... (a) Erfordernis personeller Kontinuität................................. (b) Unabhängigkeit des Insolvenzvorstandes ....................... (c) Umgehung des richterlichen Erstbenennungsrechts........ (2) Wirkungen im Einzelfall ....................................................... (a) Dauer des Verfahrens...................................................... (b) Kosten des Verfahrens .................................................... (c) Vertrauensbildende Maßnahme....................................... (3) Ergebnis ................................................................................ ee) Sonstige Umstände ...................................................................... c) Darlegungs- und Feststellungslast .....................................................

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16

Inhaltsverzeichnis 4. Entscheidung des Gerichts....................................................................... 176 III. Die Anordnung der Eigenverwaltung nach § 271 InsO.................................. 178

B. Voraussetzungen der Beendigung ..................................................................... I. Aufhebung der Eigenverwaltung gem. § 272 InsO ........................................ 1. Aufhebung auf Antrag der Schuldnergesellschaft.................................... 2. Aufhebung auf Antrag eines Gläubigers.................................................. II. Allgemeine Beendigungsgründe ....................................................................

178 178 178 179 179

C. Ergebnisse ........................................................................................................... 181 Kapitel 4 Besondere Fragen der Anordnung der Eigenverwaltung

182

A. Die Funktionsteilung zwischen Sachwalter und Gesellschaftsorganen.......... I. Sachwalterverdrängungsbereich..................................................................... II. Schuldnerbereich............................................................................................ III. Eigenverwaltungsbereich ............................................................................... IV. Überschneidungsbereich ................................................................................

182 182 183 184 185

B. Das Finanzierungsproblem................................................................................ I. Meinungsstand ............................................................................................... II. Stellungnahme................................................................................................ 1. Die Verteilung der Kosten in der Eigenverwaltung ................................. a) Die These einer nutzenorientierten Kostenverteilung ........................ b) Überschneidungsbereich.................................................................... 2. Normative Umsetzung ............................................................................. a) Durch die Gläubiger zu tragende Kosten........................................... b) Durch die Gesellschaft zu tragende Kosten .......................................

187 187 188 188 188 191 192 193 194

C. Ergebnisse ........................................................................................................... 196 Dritter Teil Die Rechtsstellung der Organe einer Aktiengesellschaft in Eigenverwaltung Kapitel 5 Der Vorstand in der Eigenverwaltung

200

A. Die Stellung des Vorstands im Schuldnerbereich ............................................ 200 I. Zuständigkeiten des Vorstands im Schuldnerbereich..................................... 200

Inhaltsverzeichnis

17

1. Ausübung der Verfahrensrechte............................................................... 2. Erfüllung der Verfahrenspflichten ........................................................... 3. Verwaltung des insolvenzfreien Vermögens............................................ 4. Masseneutrale gesellschaftsinterne Maßnahmen ..................................... II. Die Geltung der aktienrechtlichen Vertretungsregeln .................................... 1. Einlegung einer sofortigen Beschwerde gem. § 34 InsO ......................... a) Auslegung des § 34 InsO................................................................... b) Analogie zu § 15 InsO ....................................................................... c) Sonstige Erwägungen ........................................................................ 2. Antrag auf Einstellung des Verfahrens (§§ 212, 213 InsO) ..................... 3. Vorlage eines Insolvenzplans (§ 218 I 1 Alt. 2 InsO) .............................. 4. Ergebnis ................................................................................................... III. Bindungen ...................................................................................................... 1. Die Bindung an den werbenden Gesellschaftszweck............................... a) Keine Bindung an den Insolvenzverfahrenszweck ............................ b) Bindung an den bisherigen Gesellschaftszweck ................................ 2. Beachtung gesellschaftsrechtlicher Mitwirkungsrechte ........................... a) Anwendbarkeit der Holzmüller-Regeln in der Insolvenz................... aa) Vereinbarkeit mit dem Satzungszweck........................................ bb) Wertlosigkeit der Gesellschaftsanteile......................................... cc) Schutz vor Strukturveränderungen .............................................. b) Mögliche Holzmüller-Sachverhalte im Schuldnerbereich ................. aa) Antrag auf Aufhebung der Eigenverwaltung............................... bb) Planinitiative und Planwiderspruch ............................................. 3. Die Überwachung des Vorstands.............................................................

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B. Die Stellung des Vorstands im Eigenverwaltungsbereich ............................... I. Zuständigkeiten des Vorstands im Eigenverwaltungsbereich ........................ 1. Ausübung der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis (§ 270 I 1 InsO).. a) Abschluss von Beraterverträgen ........................................................ b) Konzernrechtliche Weisungen an eine Tochtergesellschaft............... 2. Wahrnehmung der insolvenzrechtlichen Sonderbefugnisse..................... 3. Erfüllung der eigenverwaltungsspezifischen Pflichten ............................ II. Fortbestand gesellschaftsrechtlicher Bindungen ............................................ 1. Meinungsstand......................................................................................... a) „Theorie der Verdrängung“ (Prütting/Huhn)..................................... b) „Theorie des Nebeneinanders“ (Ringstmeier/Homann) ..................... c) „Theorie des Miteinanders“ (Noack) ................................................. d) „Theorie des Nacheinanders“ (Uhlenbruck) ...................................... 2. Stellungnahme ......................................................................................... a) Auseinandersetzung mit der Theorie der Verdrängung .....................

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Inhaltsverzeichnis aa) Auslegung der §§ 270 ff. InsO .................................................... (1) Wortlautauslegung ................................................................ (2) Systematische Auslegung...................................................... (a) Bestehenbleiben des Verfügungsrechts........................... (b) §§ 15 I, II, 18 III, 101 I InsO........................................... (c) § 56 I InsO (Amtsträgerstellung) .................................... (d) § 270 II Nr. 3 InsO.......................................................... (aa) Die Gefahr einer Behinderung................................ (bb) Verzögerung aufgrund der Einberufungsfristen ..... (cc) Die Verursachung zusätzlicher Kosten................... (e) §§ 275, 276, 277 InsO..................................................... (f) Ergebnis der systematischen Auslegung ......................... (3) Historische Auslegung .......................................................... (a) Ausgestaltung des Verwaltungs- und Verfügungsrechts............................................................................... (aa) Der Regierungsentwurf .......................................... (bb) Die Entstehungsgeschichte der §§ 270 ff. InsO...... (b) Anlehnung an die Vergleichsordnung............................. (c) Absehen von Eingriffen in das Gesellschaftsrecht .......... (d) Ergebnis der historischen Auslegung.............................. (4) Teleologische Auslegung ...................................................... (a) Zweck des Eigenverwaltungsverfahrens ......................... (b) Zweck des Insolvenzverfahrens (§ 1 S. 1 InsO).............. (c) Ergebnis der teleologischen Auslegung .......................... bb) Hilfserwägungen ......................................................................... (1) Abberufbarkeit des Vorstands ............................................... (2) „Konfusion“ im Rahmen der Anstellungskompetenz............ (3) „Ergreifung der Diktaturgewalt“ durch den Vorstand ........... cc) Ergebnis der Auslegung und der Hilfserwägungen ..................... b) Auseinandersetzung mit den übrigen Theorien.................................. c) Eigener Ansatz................................................................................... aa) Postulation eines „Eigenverwaltungsbereichs“............................ bb) Ausstrahlung des Insolvenzrechts auf die Organkompetenzen.... (1) Inhaltliche Beschränkung der Organkompetenzen durch § 1 S. 1 InsO.......................................................................... (2) Beachtung der Zustimmungsvorbehalte (§§ 275 ff. InsO) .... (3) Insolvenzrechtliche Kontrolle der Gesellschaftsorgane......... cc) Das Verhältnis zwischen den Gesellschaftsorganen und den Beteiligten des Insolvenzverfahrens ............................................ dd) Geltung für die insolvenzrechtlichen Sonderbefugnisse.............. d) Zu einzelnen gesellschaftsrechtlichen Bindungen .............................

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Inhaltsverzeichnis

19

aa) Holzmüller/Gelatine-Sachverhalte .............................................. bb) Übertragung des gesamten Vermögens (§ 179a AktG) ............... cc) Weisungen der Muttergesellschaft (§ 308 I 1 AktG) ................... III. Insolvenzrechtliche Bindungen ...................................................................... 1. Bindung an den Insolvenzverfahrenszweck (§ 1 S. 1 InsO)..................... a) Die Maßgeblichkeit des Zwecks des Insolvenzverfahrens................. b) Das Verhältnis von Verfahrenszweck und Verfahrensziel................. c) Interessenkollision ............................................................................. d) Unwirksamkeit insolvenzzweckwidriger Verfügungen ..................... aa) § 81 InsO analog bzw. teleologische Reduktion des § 80 InsO... bb) Grundsätze über den Missbrauch der Vertretungsmacht ............. 2. Die Überwachung der Tätigkeit im Eigenverwaltungsbereich................. 3. Beachtung der Zustimmungsvorbehalte (§§ 275 ff. InsO) ....................... a) Reichweite der Zustimmungsvorbehalte............................................ aa) Handlungen mit unmittelbarer Außenwirkung ............................ bb) Handlungen mit gesellschaftsinterner Wirkung........................... b) Ergebnis.............................................................................................

282 284 287 288 288 289 290 293 294 295 295 298 299 299 300 300 304

C. Das Verhältnis der Vorstandsmitglieder zur Gesellschaft .............................. I. Das Bestellungsverhältnis in der Eigenverwaltung ........................................ 1. Bestellung und Abberufung des Vorstands.............................................. a) Zuständigkeit des Aufsichtsrates ....................................................... b) Voraussetzungen einer Abberufung................................................... aa) Vorliegen eines wichtigen Grundes............................................. bb) Abberufungsermessen des Aufsichtsrates ................................... 2. Amtsniederlegung.................................................................................... 3. Folgen des Ausscheidens aus der Organstellung ..................................... II. Das Anstellungsverhältnis in der Eigenverwaltung........................................ 1. Kündigung und Neuanstellung des Vorstands ......................................... a) Zuständigkeit des Aufsichtsrats ......................................................... aa) Die Theorie der Verdrängung...................................................... bb) Die Auffassung von Götker......................................................... cc) Die Auffassung von Hess/Ruppe................................................. dd) Ergebnis....................................................................................... b) Insbesondere: Die Kündigung des Anstellungsvertrages ................... aa) Ordentliche Kündigung ............................................................... bb) Außerordentliche Kündigung ...................................................... 2. Vergütung der Vorstandsmitglieder......................................................... a) Herabsetzung der Bezüge .................................................................. aa) Herabsetzung gem. § 87 II 1 AktG.............................................. bb) Herabsetzung durch Änderungskündigung..................................

304 304 304 304 306 306 307 308 309 310 311 311 311 312 313 314 315 315 316 318 319 319 321

20

Inhaltsverzeichnis b) Einordnung als Insolvenz- oder Masseforderung............................... 322 3. Kündigung durch den Vorstand ............................................................... 322

D. Die Haftung der Vorstandsmitglieder .............................................................. I. Ersatzansprüche der Gesellschaft................................................................... 1. § 93 II 1 AktG.......................................................................................... a) Verletzung einer gegenüber der Gesellschaft bestehenden Pflicht .... aa) Pflicht zur Ausübung der Verfahrensrechte................................. (1) Verfahrensrechte im Schuldnerbereich ................................. (2) Verfahrensrechte im Eigenverwaltungsbereich..................... bb) Pflicht zur Erfüllung der Verfahrenspflichten ............................. b) Verschulden....................................................................................... aa) Der maßgebliche Verschuldensmaßstab...................................... bb) Die Sorgfalt eines gewissenhaften Geschäftsleiters in der Eigenverwaltung.......................................................................... c) Kausalität und Schaden...................................................................... d) Haftungsausschluss............................................................................ 2. Sonstige Haftungstatbestände .................................................................. II. Ersatzansprüche der Insolvenzgläubiger ........................................................ 1. §§ 270 I 2, 60 I 1 InsO ............................................................................. 2. Positive Vertragsverletzung (§ 280 I BGB) ............................................. 3. Unerlaubte Handlungen ........................................................................... a) § 823 I BGB....................................................................................... b) § 823 II BGB ..................................................................................... aa) Verletzung der Verfahrenspflichten ............................................ (1) Eigenverwaltungsspezifische Pflichten ................................. (2) Mitwirkungspflichten (§§ 97, 101, 270 I 2 InsO).................. bb) Verletzung sonstiger Schutzgesetze ............................................ c) § 826 BGB......................................................................................... 4. Steuerrechtliche Haftung (§ 69 AO) ........................................................ III. Würdigung .....................................................................................................

324 324 324 325 325 325 327 328 329 329 330 332 333 333 333 334 335 336 336 336 336 337 340 341 341 342 343

E. Abschließende Würdigung ................................................................................ 345 F. Ergebnisse ........................................................................................................... 347 Kapitel 6 Der Aufsichtsrat in der Eigenverwaltung

350

A. Die Stellung des Aufsichtsrats im Schuldnerbereich ....................................... 350 I. Zuständigkeiten im Schuldnerbereich ............................................................ 350

Inhaltsverzeichnis

21

II. Bindungen ...................................................................................................... 352 1. Die Maßgeblichkeit des Gesellschaftsinteresses ...................................... 352 2. Keine Überwachung durch Sachwalter oder Gläubigerausschuss............ 353 B. Die Stellung des Aufsichtsrats im Eigenverwaltungsbereich .......................... I. Zuständigkeiten im Eigenverwaltungsbereich................................................ 1. Vertretung der Gesellschaft gegenüber dem Vorstand, insbesondere Kündigung und Anstellung ...................................................................... 2. Überwachung des Vorstands im Eigenverwaltungsbereich ..................... a) Fortbestehen der Kontrolle nach § 111 I AktG .................................. b) Inhalt der Überwachungstätigkeit ...................................................... 3. Mitwirkung an Geschäftsführungsmaßnahmen........................................ II. Insolvenzrechtliche Bindungen ...................................................................... 1. Bindung an den Insolvenzverfahrenszweck (§ 1 S. 1 InsO)..................... a) Die Maßgeblichkeit des Zwecks des Insolvenzverfahrens................. b) Das Schicksal insolvenzzweckwidriger Beschlüsse .......................... aa) Nichtigkeit, keine Anfechtbarkeit................................................ bb) Die Klagebefugnis des Sachwalters............................................. 2. Überwachung durch Sachwalter und Gläubigerausschuss ....................... 3. Beachtung der Zustimmungsvorbehalte (§§ 275 ff. InsO) .......................

353 353 354 355 355 358 359 359 359 359 361 361 363 365 368

C. Das Verhältnis der Aufsichtsratsmitglieder zur Gesellschaft ......................... I. Fortbestand des Aufsichtsratsamtes in der Eigenverwaltung ......................... II. Vergütung der Aufsichtsratsmitglieder .......................................................... 1. Kein Entfallen der Vergütung ipso iure ................................................... 2. Herabsetzung der Vergütung ................................................................... 3. Einordnung als Insolvenz- oder Masseforderungen ................................. III. Bestellung, Abberufung, Amtsniederlegung ..................................................

369 369 369 370 373 376 378

D. Die Haftung der Aufsichtsratsmitglieder ......................................................... 379 E. Abschließende Würdigung ................................................................................ 380 F. Ergebnisse ........................................................................................................... 380 Kapitel 7 Die Hauptversammlung in der Eigenverwaltung

382

A. Die Stellung der Hauptversammlung im Schuldnerbereich ........................... 383 I. Bindungen ...................................................................................................... 383 1. Die Maßgeblichkeit des Gesellschaftsinteresses ...................................... 383

22

Inhaltsverzeichnis 2. Keine Überwachung durch Sachwalter oder Gläubigerausschuss............ II. Zuständigkeiten im Schuldnerbereich ............................................................ 1. Gesellschaftsinterner Bereich .................................................................. 2. Mitwirkung bei der Geschäftsführung ..................................................... 3. Reorganisationsmaßnahmen .................................................................... a) Kapitalmaßnahmen ............................................................................ aa) Maßnahmen der Kapitalbeschaffung........................................... bb) Maßnahmen der Kapitalherabsetzung ......................................... b) Umwandlungen.................................................................................. c) Änderung der Beteiligungsstruktur....................................................

384 385 385 387 387 391 392 394 395 397

B. Die Stellung der Hauptversammlung im Eigenverwaltungsbereich .............. I. Zuständigkeiten im Eigenverwaltungsbereich................................................ 1. Festsetzung der Aufsichtsratsbezüge (§ 113 I 2, 4 AktG) ........................ 2. Die Bestellung von Prüfern oder besonderen Vertretern.......................... a) Bestellung eines Sonderprüfers (§ 142 I 1 AktG) oder eines besonderen Vertreters (§ 147 II 1 AktG) ........................................... b) Bestellung eines Abschlussprüfers gem. § 318 I 1 HGB ................... aa) Anwendbarkeit des § 155 III 1 InsO in der Eigenverwaltung...... bb) Gesellschaftsinterne Zuständigkeit.............................................. 3. Sonstige Befugnisse................................................................................. II. Insolvenzrechtliche Bindungen ...................................................................... 1. Bindung an den Insolvenzverfahrenszweck (§ 1 S. 1 InsO)..................... a) Die Maßgeblichkeit des Zwecks des Insolvenzverfahrens................. b) Schicksal insolvenzzweckwidriger Beschlüsse.................................. aa) Insolvenzrechtliche Lösung......................................................... bb) Aktienrechtliche Lösung ............................................................. (1) Nichtigkeit gem. § 241 AktG ................................................ (2) Anfechtbarkeit gem. § 243 AktG .......................................... (a) Verletzung der Satzung (§ 243 I Alt. 2 AktG) ................ (b) Verletzung des Gesetzes (§ 243 I Alt. 1 AktG)............... (3) Die Anfechtungsbefugnis (§ 245 AktG)................................ (a) Die Anfechtungsbefugnis des Sachwalters ..................... (aa) Wortlautauslegung und systematische Auslegung .............................................................. (bb) Historische Auslegung ........................................... (cc) Teleologische Auslegung ....................................... (dd) Ergebnis ................................................................. (b) Die Anfechtungsbefugnis des Gläubigerausschusses...... 2. Die Überwachung durch Sachwalter und Gläubigerausschuss ................ 3. Beachtung der Zustimmungsvorbehalte (§§ 275 ff. InsO) .......................

399 400 400 401 401 402 403 405 407 408 408 408 410 410 414 414 417 417 417 420 420 422 422 424 427 427 427 428

Inhaltsverzeichnis

23

C. Abschließende Würdigung ................................................................................ 429 D. Ergebnisse ........................................................................................................... 430 Vierter Teil Schlussbetrachtung

432

Literaturverzeichnis ................................................................................................. 438 Sachwortverzeichnis................................................................................................. 455

Abkürzungsverzeichnis a. A.

andere Ansicht

Abs.

Absatz

a. E.

am Ende

AG

Aktiengesellschaft; Amtsgericht; Die Aktiengesellschaft (Zeitschrift)

AK

Alternativkommentar

AktR

Aktienrecht

a. M.

andere Meinung

Anm.

Anmerkung

AnwBl

Anwaltsblatt (Zeitschrift)

AO

Abgabenordnung

Art.

Artikel

Aufl.

Auflage

BayObLG

Bayerisches Oberstes Landgericht

BB

Der Betriebs-Berater (Zeitschrift)

Bd.

Band

BeschlussE

Beschlussempfehlung

BFH

Bundesfinanzhof

BFHE

Entscheidungen des Bundesfinanzhofes

BGBl.

Bundesgesetzblatt

BGH

Bundesgerichtshof

BGHZ

Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen

BK

Berliner Kommentar

BR-Drucks.

Bundesrats-Drucksache

BT-Drucks.

Bundestags-Drucksache

BVerfG

Bundesverfassungsgericht

BVerfGE

Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts

BVerwG

Bundesverwaltungsgericht

BVerwGE

Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts

DB

Der Betrieb (Zeitschrift)

DiskussionsE

Diskussionsentwurf zu einem Gesetz zur Reform des Insolvenzrechts

Abkürzungsverzeichnis DJT

Deutscher Juristentag

DStR

Deutsches Steuerrecht (Zeitschrift)

DZWIR

Deutsche Zeitschrift für Wirtschaftsrecht / Deutsche Zeitschrift für Wirtschafts- und Insolvenzrecht

EGInsO

Einführungsgesetz zur Insolvenzordnung

EWiR

Entscheidungen zum Wirtschaftsrecht

f. / ff.

folgende

F.A.Z.

Frankfurter Allgemeine Zeitung

FGG

Gesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit

FK

Frankfurter Kommentar

Fn.

Fußnote

FS

Festschrift

GesR

Gesellschaftsrecht

GK

Großkommentar

GmbH

Gesellschaft mit beschränkter Haftung

GmbHG

Gesetz betreffend Gesellschaften mit beschränkter Haftung

GmbHR

GmbH-Rundschau (Zeitschrift)

HandelsR

Handelsrecht

HGB

Handelsgesetzbuch

HK

Heidelberger Kommentar

i. E.

im Ergebnis

InsG

Insolvenzgesetze

InsOÄndG

Gesetz zur Änderung der Insolvenzordnung

InsR

Insolvenzrecht

InVo

Insolvenz und Vollstreckung (Zeitschrift)

JW

Juristische Wochenzeitschrift

JZ

Juristenzeitung (Zeitschrift)

KapGesR

Kapitalgesellschaftsrecht

KG

Kammergericht

KK

Kölner Kommentar

KO

Konkursordnung

KonTraG

Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich

KTS

Zeitschrift für Konkurs- Treuhand und Schiedsgerichtswesen

LG

Landgericht

MDR

Monatsschrift für Deutsches Recht (Zeitschrift)

MHb

Münchener Handbuch

25

26

Abkürzungsverzeichnis

MitbestG

Gesetz über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer

MK

Münchener Kommentar

m. w. N.

mit weiteren Nachweisen

NJW

Neue Juristische Wochenzeitschrift

NJW-RR

Neue Juristische Wochenzeitschrift, Rechtsprechungs-Report

NLJ

National Law Journal

NZG

Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht

NZI

Neue Zeitschrift für das Recht der Insolvenz und Sanierung

OLG

Oberlandesgericht

OVG

Oberverwaltungsgericht

RegE

Regierungsentwurf

Rn.

Randnummer

S.

Seite(n) / Satz (Sätze)

UmwBerG

Gesetz zur Bereinigung des Umwandlungsrechts

UmwG

Umwandlungsgesetz

U.S.C.

United States Code

v.

von / versus (gegen)

VG

Verwaltungsgericht

VglO

Vergleichsordnung

Vol.

Volume (Band)

WiB

Wirtschaftsrechtliche Beratung – Zeitschrift für Wirtschaftsanwälte und Unternehmensjuristen

WM

Wertpapier-Mitteilungen (Zeitschrift)

WuB

Entscheidungen zum Wirtschafts- und Bankrecht

ZGR

Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht

ZHR

Zeitschrift für das gesamte Handelsrecht und Wirtschaftsrecht

ZInsO

Zeitschrift für das gesamte Insolvenzrecht

ZIP

Zeitschrift für Wirtschaftsrecht

ZPO

Zivilprozessordnung

ZVG

Gesetz über die Zwangsversteigerung und die Zwangsverwaltung

ZwNotR

Zwangsvollstreckungsnotrecht

Im Übrigen wird verwiesen auf Hildebert Kirchner, Abkürzungsverzeichnis der Rechtssprache, bearbeitet von Cornelie Butz, 5. Auflage, Berlin 2003, sowie auf Duden, die deutschen Rechtschreibung, herausgegeben von der Dudenredaktion auf Grundlage der neuen amtlichen Rechtschreibregeln, 23. Auflage, Rheda-Wiedenbrück u. a. 2004.

Einleitung Der Gesetzgeber hat in den §§ 270 bis 285 der am 1. 1. 1999 in Kraft getretenen Insolvenzordnung1 (InsO) die sog. Eigenverwaltung eingeführt. Eigenverwaltung bedeutet, dass die Insolvenzabwicklung nicht wie in einem regulären Insolvenzverfahren durch den Insolvenzverwalter betrieben wird, sondern durch den Insolvenzschuldner selbst. Auf diese Weise sollen vor allem die Kenntnisse und Erfahrungen der bisherigen Geschäftsführung genutzt, die Einarbeitungszeit eines Fremdverwalters vermieden sowie Aufwand und Kosten des Verfahrens gesenkt werden.2 Bislang führt die Eigenverwaltung in der deutschen Insolvenzpraxis allerdings ein Schattendasein. Im Jahre 2004 wurde gerade einmal in 0,18% der eröffneten Insolvenzverfahren die Eigenverwaltung angeordnet.3 Diese bemerkenswerte Zurückhaltung4 der Insolvenzgerichte ist wohl in erster Linie darauf zurückzuführen, dass sie den jeweiligen Schuldner bzw. dessen Geschäftsführung für nicht geeignet halten, das Eigenverwaltungsverfahren durchzuführen. Sie wollen nicht, bildlich gesprochen, den „Bock zum Gärtner“ machen. Nicht auszuschließen ist aber, dass eine weitere Ursache in den vielen rechtlichen Zweifelsfragen liegt, die sich im Umgang mit diesem jungen Rechtsinstitut ergeben,5 vor allem dann, wenn es sich beim Schuldner um eine juristische Person handelt. ___________ 1

Vom 5. Oktober 1994, BGBl. I S. 2866, zuletzt geändert durch das Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2002/47/EG vom 6. Juni 2002 über Finanzsicherheiten und zur Änderung des Hypothekenbankgesetzes und anderer Gesetze. 2 Bundesregierung, vor § 331 RegE InsO, BT-Drucks. 12/2443, S. 223. 3 In 173 von insgesamt 95.935 eröffneten Verfahren, vgl. Statistisches Bundesamt, Fachserie 2 / Reihe 4.1, Unternehmen und Arbeitsstätten, Insolvenzverfahren Dezember und Jahr 2004, erschienen am 4. 3. 2005, Seiten 17 und 19. Im Jahr 2003 wurden 0,47% der Unternehmensinsolvenzen (185 von 39.320) in Eigenverwaltung abgewickelt, im Jahr 2002 waren es 0,63% (235 von 37.579), im Jahr 2001 0,85% (241 von 28.483) und im Jahr 2000 0,53% (133 von 25.254), vgl. Statistisches Bundesamt, Insolvenzen in Deutschland 2003, S. 17. 4 Vgl. Uhlenbruck, FS Metzeler, 85, 87; Foltis, in: FK zur InsO, vor §§ 270 ff. Rn. 18a. 5 In diese Richtung auch Foltis, in: FK zur InsO, vor §§ 270 ff. InsO Rn. 18 („Unklarheiten bei der Kompetenzverteilung“).

28

Einleitung

In jüngerer Zeit ist jedoch ein verstärktes Interesse sowohl in der Rechtslehre wie auch in der Insolvenzpraxis an der Eigenverwaltung festzustellen. Auslöser war einerseits eine Reihe spektakulärer Großinsolvenzen: Den Anfang machte der Baukonzern Philip Holzmann AG, der 1999 unter großer Beachtung durch die Presse und unterstützt durch die Politik ein Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung beantragte.6 Weitere prominente Beispiele sind die Kirch Media GmbH & Co. KGaA,7 die Kirch Beteiligungs GmbH & Co. KG8, die BMMGmbH (Ex-Stella),9 die Sachsenring Automobiltechnik AG10, die Fairchild Dornier GmbH11, die Lloyd-Werft Bremerhaven GmbH12, die Hornblower Fischer AG13, die Infomatec AG14 und die Grundig AG15. Zu nennen ist namentlich auch die Babcock Borsig AG16, bei der es sich um die erste börsennotierte Aktiengesellschaft handelt, die im Wege der Eigenverwaltung saniert worden ist. Zudem werden neuerdings Insolvenzverfahren immer häufiger als Sanierungsinstrument begriffen. Der für das frühere Konkursrecht gültige Grundsatz „Sanierung statt Insolvenz“ ist als überholt zu bezeichnen; vielmehr bietet das Insolvenzverfahren heutiger Gestalt auch die Möglichkeit einer „Sanierung durch Insolvenz“ (vgl. § 1 S. 1 InsO).17 Unterstützt wird diese Entwicklung ___________ 6

Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 24. 11. 1999, S. 1 („Schröder will heute mit den Banken über eine Rettung von Holzmann verhandeln“); siehe auch Uhlenbruck, NJW 2002, 3219, 3220; Görg/Stockhausen, FS Metzeler, 105, 111 Fn. 21. Der Eröffnungsantrag wurde später zurückgenommen. 7 AG München, Beschluss vom 14. 6. 2002 – 1502 IN 879/02 (nicht veröffentlicht); Uhlenbruck, NJW 2002, 3219, 3220. 8 Görg/Stockhausen, FS Metzeler, 105, 111. 9 Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 2. 5. 2002, S. 21 („Pleite der Stella-Musicals treibt Deag in die Verlustzone“). Der Antrag auf Eigenverwaltung wurde später zurückgezogen (Frind, ZInsO 2002, 745, 751). 10 Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 31. 5. 2002, S. 16 („Der Automobilzulieferer Sachsenring ist zahlungsunfähig“); Uhlenbruck, FS Metzeler, 85, 87. 11 Uhlenbruck, FS Metzeler, 85, 87. 12 DIE WELT online (Internetausgabe) vom 8. 7. 2004 („Nußbaum: ‚Ein guter Tag für Bremerhaven‘“) 13 Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 25. 7. 2003, S. 14 („Bankhaus Hornblower Fischer insolvent“). 14 Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 5. 7. 2001, S. 20 („Nachrichten in Kürze: Neuer Markt“). 15 Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 9. 4. 2003, S. 18 („Grundig bereitet sich auf Insolvenz vor“). Von der Eigenverwaltung wurde später abgesehen, als sich herausstellte, dass die Zerschlagung unumgänglich war, vgl. Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 2. 7. 2003, S. 17 („Trotz Insolvenz: Grundig führt die Geschäfte zunächst fort“). 16 AG Duisburg, Beschluss vom 1. 9. 2002 – 62 IN 167/02, NZI 2002, 556 [Babcock Borsig]. 17 Rattunde, ZIP 2003, 2103.

Einleitung

29

durch die positiven Erfahrungen im US-amerikanischen Konkursrecht, in dem Sanierungsinsolvenzen alltäglich sind.18 Insbesondere wird dort schon seit Jahrzehnten mit großem Erfolg das der deutschen Eigenverwaltung ähnliche Chapter-11-Verfahren (debtor in possession) praktiziert, wie etwa das Verfahren United Airlines belegt. Vor diesem Hintergrund wird auch in Deutschland zunehmend die Eigenverwaltung als Mittel der Sanierung erkannt.19 Vor allem mittlere und große Unternehmen werden allgemein für dieses Verfahren als besonders geeignet eingeschätzt,20 nicht zuletzt weil bei ihnen aufgrund ihrer Größe mit einem Missbrauch der Eigenverwaltungsbefugnisse nicht so ohne weiteres zu rechnen ist.21 In aller Regel werden diese Unternehmen in der Rechtsform einer Kapitalgesellschaft geführt. Dabei erlebt gerade die Rechtsform der Aktiengesellschaft in den letzten Jahren einen bemerkenswerten Aufschwung, der im Wesentlichen auf die Liberalisierung ihrer Rechtsgrundlagen, das gestiegene Finanzierungsbewusstsein in den Unternehmen, den stetig wachsenden Risikokapitalmarkt in der Bundesrepublik Deutschland sowie einer der Aktie gegenüber freundlicheren Anlegermentalität zurückzuführen ist.22 Gleichzeitig haben Aktiengesellschaften aber mit 363 Insolvenzen je 10.000 bestehender Unternehmen die höchste Insolvenzquote und weisen mit 5,5 Mio. Euro die höchste durchschnittliche Verschuldung auf.23 Es ist daher zu erwarten, dass sich der in den eingangs erwähnten Beispielen zu erkennende Trend fortsetzen und die Eigenverwaltung in Zukunft eine immer wichtigere Rolle bei der Reorganisation größerer deutscher Unternehmen in der Rechtsform einer Aktiengesellschaft spielen wird.24 ___________ 18 Elsing/van Alstine, US-amerikanisches Handels- und Wirtschaftsrecht, Rn. 460; Rattunde, ZIP 2003, 2103. 19 Uhlenbruck, FS Metzeler, 85, 88; in diese Richtung auch Görg/Stockhausen, FS Metzeler, 105, 111. 20 Wittig, in: MK zur InsO, vor §§ 270 – 285 Rn. 23; Grub, in: Kölner Schrift, S. 671 ff. Rn. 31. 21 Rattunde, ZIP 2003, 2103, 2106. 22 Jäger, NZG 1999, 238. Gegen Ende des Jahres 1998 überschritt die Zahl der Aktiengesellschaften in der Bundesrepublik Deutschland zum ersten Mal die Grenze von 5.000. 23 Statistisches Bundesamt, Statement seines Präsidenten Johann Halen anlässlich einer Pressekonferenz zu dem Themenkreis „Insolvenzen in Deutschland 2003“ – Strukturen und Entwicklungen, die am 18. März 2004 in Frankfurt/Main stattgefunden hat (unter Punkt 4.2). 24 Im Ergebnis noch weitergehend Grub, in: Kölner Schrift, S. 671 ff. Rn. 31, der die Vermutung ausspricht, dass die Eigenverwaltung in der Insolvenz mittlerer und größerer Unternehmen in Zukunft sogar eher das Regelverfahren darstellen wird denn die Ausnahme.

30

Einleitung

Die Eigenverwaltung von Aktiengesellschaften ist allerdings bislang kaum wissenschaftlich bearbeitet worden.25 Dabei wird der Rechtsanwender gerade hier vor besondere Probleme gestellt:26 Der Gesetzgeber ging bei der Abfassung der Insolvenzordnung offenbar von einer natürlichen Person, insbesondere einem Einzelkaufmann in der Rolle des Schuldners aus,27 so dass das Gesetz nur äußerst sporadisch Sondervorschriften für die Gesellschaftsinsolvenz bereithält28. Vor allem aber stoßen hier, an der Schnittstelle zwischen Gesellschafts- und Insolvenzrecht, zwei grundlegend verschiedene Rechtsmaterien aufeinander: Während das Gesellschaftsrecht von dem Grundsatz der Verbandsautonomie ausgeht, sucht das Insolvenzrecht die optimale und gleichberechtigte Befriedigung der Gläubiger zu verwirklichen. Bei der Eigenverwaltung tritt diese Gegensätzlichkeit ganz besonders drastisch zu Tage, weil in diesem Verfahren die Gesellschaft aktiv in das Insolvenzverfahren eingebunden wird. Es kann jedoch, worauf Müller zu Recht hinweist, weder dem einen noch dem anderen Prinzip pauschal der Vorrang eingeräumt, sondern beide müssen in Ausgleich gebracht und in ein spezielles Verbandsinsolvenzrecht integriert werden.29 Die vorliegende Arbeit soll dazu beitragen, diese bewusst gelassene Lücke zwischen Insolvenzrecht und Gesellschaftsrecht zu schließen, deren Verhältnis für zu lange Zeit eine der „Unterlassungssünden der Rechtswissenschaft“30 war. Besonderes Augenmerk soll hierbei auf die Rechtsstellung der Organe einer Aktiengesellschaft in Eigenverwaltung, ihr Verhältnis zueinander und auf ihr Verhältnis zu den übrigen Beteiligten des Insolvenzverfahrens gelegt werden. ___________ 25 Zum Thema Eigenverwaltung sind bislang zwar schon etliche Einzelschriften erschienen (zu nennen sind hier insbesondere Huhn, Koch, Schlegel, Kruse), diese widmen sich aber sämtlich den allgemeinen Fragen des Eigenverwaltungsrechts. Aus dem Problemkreis der Kapitalgesellschaften in Eigenverwaltung sind dagegen nur einige wenige Aufsätze zu ausgewählten Einzelproblemen veröffentlicht worden, etwa: Hess/Ruppe, NZI 2002, 577 ff.; Noack, ZIP 2002, 1873 ff.; Prütting/Huhn, ZIP 2002, 777 ff.; Ringstmeier/Homann, NZI 2002, 406 ff.; Uhlenbruck, FS Kirchhof, 479 ff.; ders., FS Metzeler 85 ff. 26 Etwa Piepenburg, NZI 2004, 231, 233, der eine Reihe von substanziellen, bislang aber ungelösten Fragestellungen aufführt, die sich in dem Eigenverwaltungsverfahren über das Vermögen der Babcock Borsig AG gestellt haben (beispielsweise das System des Cash-clearings sowie konzernrechliche Fragen). 27 Smid, DZWIR 2002, 493, 496; H.-F. Müller, S. 4. Insoweit knüpft der Gesetzgeber an die Regelungen der KO an, der ebenfalls ein solches Konzept zugrunde lag, vgl. dazu schon Weber, KTS 1970, 72, 72; Habscheid, FS Weber, 197, 197. 28 Etwa §§ 15, 18 III, 92, 93, 101 InsO. 29 H.-F. Müller, S. 5. 30 K. Schmidt, in: Die GmbH in Krise, Sanierung und Insolvenz, Rn. 1178. Schon Weber, KTS 1970, 72, 75 hat die „Heimatlosigkeit des Gesellschaftskonkurses“ bemängelt.

Einleitung

31

Bisher ist beispielsweise ungeklärt, ob Vorstandsmitglieder auch während eines Eigenverwaltungsverfahrens wie bisher abberufen werden können oder ob sie gesellschaftsrechtliche Mitwirkungsbefugnisse der übrigen Gesellschaftsorgane zu beachten haben. Als für dieses Unterfangen nicht unproblematisch erweist sich jedoch einerseits die Regelungstechnik der §§ 270 bis 285 InsO, deren Regelungsgehalt sich im Wesentlichen darin erschöpft, die Abweichungen vom regulären Insolvenzverfahren aufzuzählen. Darüber hinaus wird durch § 270 I 2 InsO lediglich pauschal und in reichlich unpräziser Formulierung auf die „allgemeinen Vorschriften“ verwiesen, was zu einer Reihe von Zweifelsfragen bei der Anwendung von Vorschriften des formellen wie des materiellen Insolvenzrechts führt. Andererseits können Erkenntnisse aus dem Verbandsinsolvenzrecht, die als für das Regelinsolvenzverfahren gesichert gelten dürfen, nur äußerst eingeschränkt übernommen werden, da sie regelmäßig auf Annahmen – vor allem die einer weit reichenden Verdrängung der Organe aus ihren bisherigen Funktionen infolge des Verlustes des Verwaltungs- und Verfügungsrechts – beruhen, die für das Eigenverwaltungsverfahren nicht zutreffen. Schließlich ist zu beachten, dass die Wurzeln des Eigenverwaltungsverfahrens sowohl in das frühere Konkursrecht als auch das frühere Vergleichsrecht und damit in zwei durchaus unterschiedliche Rechtsmaterien zurückreichen, so dass bei der Exegese einzelner Vorschriften der Insolvenzordnung stets genau darauf zu achten ist, ob deren Ursprung eher der einen oder der anderen Materie zugeordnet werden kann. Den Ausgangspunkt der Untersuchung bildet zunächst die Analyse einiger ausgewählter Fragen aus dem allgemeinen Recht der Eigenverwaltung, die für den hier näher betrachteten Fall einer Aktiengesellschaft in Eigenverwaltung von entscheidender Bedeutung sind (Kapitel 1), namentlich der Rechtsgrund der Befugnisse des Schuldners und die Natur seiner Rechtsstellung. Außerdem werden die Rechtsfolgen untersucht, die die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens, gleich welcher Art, auf gesellschaftsrechtlicher Ebene zeitigt (Kapitel 2). Die in diesem ersten Teil gewonnenen Erkenntnisse werden in den folgenden beiden Teilen zusammengeführt, in denen die Besonderheiten eines Eigenverwaltungsverfahrens über das Vermögen einer Aktiengesellschaft behandelt werden. Dabei beschäftigt sich der zweite Teil schwerpunktmäßig mit verfahrensrechtlichen Aspekten der Anordnung und Beendigung des Eigenverwaltungsverfahrens (Kapitel 3) sowie mit allgemeinen Fragestellungen, die mit der Anordnung der Eigenverwaltung einhergehen (Kapitel 4), wie insbesondere der Funktionsteilung zwischen Gesellschaftsorganen und Sachwalter. Demgegenüber ist der dritte Teil den Kompetenzen der Organe einer Aktiengesellschaft in Eigenverwaltung gewidmet. In diesem letzten Teil wird die Rechtsstellung des Vorstands (Kapitel 5), des Aufsichtsrates (Kapitel 6) und der Hauptversamm-

32

Einleitung

lung (Kapitel 7) im Einzelnen und unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Funktionsbereiche analysiert. Die Arbeit schließt in ihrem vierten Teil mit einer zusammenfassenden und übergreifenden Würdigung der wesentlichen Ergebnisse dieser Untersuchung.

Erster Teil

Grundlagen Kapitel 1

Grundzüge des Rechts der Eigenverwaltung Der siebte Teil der Insolvenzordnung (§§ 270 bis 285 InsO) regelt das Verfahren der Eigenverwaltung durch den Schuldner unter Aufsicht eines Sachwalters. Dabei stellt die Eigenverwaltung kein eigenständiges Insolvenzverfahren dar. Sie ist vielmehr eine Variante des Regelinsolvenzverfahrens, deren Besonderheit darin besteht, dass das Verfügungs- und Verwaltungsrecht über die Insolvenzmasse nicht wie sonst gem. § 80 I InsO dem Insolvenzverwalter, sondern dem Schuldner zugewiesen ist (§ 270 I 1 InsO). Soweit in den §§ 270 ff. InsO keine Sondervorschriften enthalten sind,1 richtet sich das Verfahren nach dem allgemeinen materiellen und formellen Insolvenzrecht (Regelverfahren), vgl. § 270 I 2 InsO. Im Grundlagenteil dieser Arbeit kann eine umfassende allgemeine Darstellung des Rechts der Eigenverwaltung nicht erfolgen. Stattdessen soll das Verfahren überblicksartig vorgestellt werden und einzelne Aspekte nur ausnahmsweise und insoweit vertieft erörtert werden, als sie für den zweiten und dritten Teil von Bedeutung sind.2

A. Das Verfahren im Überblick I. Verfahrensgang Das Eigenverwaltungsverfahren entspricht in seiner Struktur ungeachtet aller Besonderheiten dem Regelabwicklungsverfahren, modifiziert durch aus dem ___________ 1

Häsemeyer, InsR, Rn. 8.12. Allgemeine Darstellungen bieten neben der Kommentarliteratur (empfehlenswert Wittig, in: MK zur InsO, vor §§ 270 bis 285 und §§ 270 ff.; Uhlenbruck, in: Uhlenbruck, InsO, §§ 270 ff.) insbesondere Koch, Schlegel, Huhn. 2

34

1. Teil: Grundlagen

bisherigen Vergleichsrecht übernommene Rechtsgrundsätze.3 Wie im Regelverfahren wird durch den Eröffnungsantrag des Schuldners oder eines Gläubigers (§ 13 I InsO) zunächst das sog. Eröffnungsverfahren (§§ 11 bis 34 InsO) eingeleitet, in dessen Verlauf das Insolvenzgericht das Vorliegen der Verfahrensvoraussetzungen überprüft und gegebenenfalls vorläufige Sicherungsmaßnahmen gem. § 21 InsO anordnet.4 Neben den allgemeinen Verfahrensvoraussetzungen, die für jedes Insolvenzverfahren gelten (§§ 11 ff. InsO), wie das Vorliegen eines Eröffnungsgrunds (§§ 16 bis 19 InsO) oder eines Eröffnungsantrags (§§ 13 bis 15 InsO), erfordert die Anordnung der Eigenverwaltung in formeller Hinsicht insbesondere, dass der Schuldner die Eigenverwaltung beantragt (§ 270 II Nr. 1 InsO)5 und dass, wenn die Eröffnung des Insolvenzverfahrens von einem Gläubiger beantragt worden ist (§§ 13 I 2 Alt. 1, 14 InsO), dieser Gläubiger seine Zustimmung erteilt hat (§ 270 II Nr. 2 InsO). Als einzige materielle Anordnungsvoraussetzung muss nach den Umständen zu erwarten sein, dass die Anordnung nicht zu einer Verzögerung des Verfahrens oder zu sonstigen Nachteilen für die Gläubiger führen wird (§ 270 II Nr. 3 InsO). Kommt das Gericht zu dem Ergebnis, dass die allgemeinen Verfahrensvoraussetzungen (§§ 11 ff. InsO) erfüllt sind, ordnet es im Eröffnungsbeschluss (§ 27 InsO) die Durchführung eines Insolvenzverfahrens an, andernfalls lehnt es die Eröffnung (z. B. mangels Eröffnungsgrund oder Masse) ab. Liegen darüber hinaus auch die besonderen Voraussetzungen der Eigenverwaltung vor (§ 270 II InsO), ist es verpflichtet, im Eröffnungsbeschluss zudem die Eigenverwaltung (§ 270 I 1 InsO) anzuordnen. Dasselbe gilt, wenn die erste Gläubigerversammlung die nachträgliche Anordnung der Eigenverwaltung beantragt hat, unabhängig davon, ob die Voraussetzungen des § 270 II Nr. 3 InsO gegeben sind (§ 271 InsO). In diesem Falle wird anstelle des Insolvenzverwalters ein Sachwalter bestellt (§ 270 III 1 InsO), unter dessen Aufsicht der Schuldner berechtigt ist, die Insolvenzmasse zu verwalten und über diese zu verfügen (§ 270 I 1 InsO). Soweit in den Eigenverwaltungsvorschriften (§§ 270 ff. InsO) keine abweichende Bestimmung enthalten ist, richtet sich das Verfahren nach den allgemeinen materiellen und formellen Regelungen des regulären Verfahrens, vgl. § 270 I 2 InsO. Bei der Eigenverwaltung handelt es sich somit lediglich um ein modifiziertes Regelinsolvenzverfahren.6 Der Schuldner ist die zentrale Figur des Eigenver___________ 3

Riggert, in: Nerlich/Römermann, InsO, vor § 270 Rn. 7. Zur Anordnung von Sicherungsmaßnahmen gem. §§ 21 ff. InsO bei beantragter Eigenverwaltung siehe Wittig, in: MK zur InsO, vor §§ 270 bis 285 Rn. 36 ff.; Pape, in: Kübler/Prütting, InsO, § 270 Rn. 14 ff. Zur Bestellung eines „vorläufigen Sachwalters“ siehe Uhlenbruck, NZI 2001, 632 ff. m. w. N. 5 Das gilt in den Fällen des § 270 InsO und des § 271 InsO gleichermaßen. 6 Uhlenbruck, NZI 2001, 632, 633. 4

Kap. 1: Grundzüge des Rechts der Eigenverwaltung

35

waltungsverfahrens. Wie sonst der Insolvenzverwalter führt er die Geschäfte und wickelt das Verfahren mit dem Ziel ab, das ihm durch die Gläubigerversammlung vorgegeben wird (§§ 157, 270 I 2 InsO): Wählt sie die Liquidation, hat der Schuldner – gleichsam als sein eigener Gerichtsvollzieher7 – sein zur Insolvenzmasse gehörendes Vermögen zu verwerten (§§ 159 ff., 282 InsO) und anschließend zu verteilen (§§ 187 ff., 283 II InsO); wählt sie die Sanierung, hat er die dazu erforderlichen Schritte vorzunehmen und gegebenenfalls einen Insolvenzplan auszuarbeiten (§ 284 I 1 Alt. 2 InsO). Beendet wird die Eigenverwaltung, wenn entweder ihre Anordnung gem. § 272 InsO auf Antrag der Gläubigerversammlung, eines einzelnen Gläubigers oder des Schuldners durch das Gericht aufgehoben und das Verfahren damit in das reguläre Verfahren mit Insolvenzverwalter übergeleitet wird oder wenn das gesamte Insolvenzverfahren wegen Masseunzulänglichkeit (§ 211 InsO), Wegfall des Eröffnungsgrundes (§ 212 InsO) oder Gläubigerverzicht (§ 213 InsO) eingestellt bzw. nach der Schlussverteilung (§ 200 InsO) oder nach der Bestätigung eines Insolvenzplans (§ 258 InsO) aufgehoben wird (§ 270 I 2 InsO). Zu den verfahrensrechtlichen Einzelheiten, namentlich für den Fall, dass es sich bei dem Schuldner um eine Aktiengesellschaft handelt, sei auf das dritte Kapitel verwiesen. II. Verfahrenszweck und Verfahrensziel Zu unterscheiden sind Zweck und Ziel des Eigenverwaltungsverfahrens. Die Eigenverwaltung dient wie jedes Insolvenzverfahren in erster Linie dazu, die Gläubiger des Schuldners gemeinschaftlich zu befriedigen (§ 1 S. 1 Hs. 1 InsO).8 Neben diesem allgemeinen Zweck des Insolvenzverfahrens besteht der Zweck der Eigenverwaltung im engeren Sinne, d. h. in Abgrenzung zum regulären Verfahren, darin, einen Anreiz zur frühzeitigen Antragstellung zu schaffen, die Kenntnisse und Erfahrungen der bisherigen Geschäftsleitung zu nutzen, die Einarbeitungszeit eines Fremdverwalters zu vermeiden und dadurch insgesamt den Aufwand und die Kosten des Verfahrens zu verringern.9 ___________ 7

Häsemeyer, InsR, Rn. 8.30. Zumeist wird im Zusammenhang mit § 1 S. 1 InsO lediglich von „Insolvenzzweck“ oder von „Insolvenzzweckwidrigkeit“ gesprochen. Das ist allerdings unpräzise, da es nicht um den Zweck der Insolvenz geht (der ohnehin nur schwer zu greifen wäre), sondern des ihretwegen durchgeführten Verfahrens. Der besseren Verständlichkeit halber soll aber auch in dieser Arbeit, zumindest was die „Insolvenzverfahrenszweckwidrigkeit“ angelangt, vereinfachend der Begriff „Insolvenzzweckwidrigkeit“ Verwendung finden. 9 Bundesregierung, vor § 331 RegE InsO (= § 270 InsO), BT-Drucks. 12/2443, S. 223. 8

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1. Teil: Grundlagen

Mit dem Ziel des Insolvenzverfahrens bzw. der Eigenverwaltung wird dagegen die von der Gläubigerversammlung festgelegte Verwertungsart bezeichnet, die die Liquidation oder den Erhalt (Sanierung) des schuldnerischen Unternehmens zum Gegenstand haben kann (vgl. § 1 S. 1 Hs. 2 InsO). Dabei stehen die Liquidation, die übertragende Sanierung10 (eine bestimmte Liquidationsvariante) und die Reorganisation des Unternehmensträgers gleichberechtigt nebeneinander.11 Die Verwertungsart ist nur Mittel zum Zweck der optimalen Gläubigerbefriedigung (vgl. § 1 S. 1 InsO: „indem“), und kann – aufgrund der umfassenden Gläubigerautonomie – im Laufe des Verfahrens durch die Gläubigerversammlung auch geändert werden (§§ 157 S. 3, 270 I 2 InsO). Zum weiteren Verhältnis von Verfahrenszweck und Verfahrensziel, insbesondere zur Integration des gewählten Verfahrensziels in den Insolvenzverfahrenszweck sei auf das fünfte Kapitel verwiesen.12 Alle drei Verfahrensziele können prinzipiell auch im Zuge eines Eigenverwaltungsverfahrens verfolgt werden. Allerdings lässt sich der besondere Zweck dieses Verfahrens, d. h. die Nutzung der besonderen Kenntnisse der bisherigen Unternehmensführung, am ehesten unter Beibehaltung des Unternehmensträgers verwirklichen. Das Eigenverwaltungsverfahren ist daher primär Reorganisationsverfahren.13

B. Zum Hintergrund der Eigenverwaltung Der Einführung des Eigenverwaltungsverfahrens in seiner heutigen Form geht eine bewegte und von intensiven Diskussionen gekennzeichnete Entwicklung voran, die im Folgenden kurz skizziert werden soll.14

___________ 10 Zur übertragenden Sanierung siehe Wellensiek, NZI 2002, 233 ff.; Kluth, NZI 2002, 1 f.; Müller-Feldhammer, ZIP 2003, 2186 ff. 11 Bundesregierung, Begründung RegE InsO, BT-Drucks. 12/2443, S. 77 f.; der Regierungsentwurf hat aber bewusst davon abgesehen, eine Sanierung des Unternehmensträgers zu regeln oder zu erzwingen, vgl. ebenda S. 83. Zur begrifflichen Unterscheidung zwischen den Verwertungsarten Noack, FS Zöllner, 411, 414 Fn. 19. 12 Kapitel 5 B. III. 1. b), Seite 290. 13 Siehe auch Kapitel 7 A. II. 3., Seite 387. So wohl auch Buchalik, NZI 2000, 294, 296. 14 Ausführlich dazu: Wittig, in: MK zur InsO, vor §§ 270 bis 285 Rn. 3 ff; Koch, S. 27 ff; Schlegel, S. 34 ff., zum Gesetzgebungsverfahren dort Fn. 60. Einen historischen Überblick bietet außerdem der RegE InsO, BT-Drucks. 12/2443, S. 102 ff.

Kap. 1: Grundzüge des Rechts der Eigenverwaltung

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I. Entstehungsgeschichte 1. Die Berichte der Kommission für Insolvenzrecht Schon im Vorfeld des eigentlichen Gesetzgebungsverfahrens hat sich die vom Bundesjustizministerium im Jahre 1978 zur Vorbereitung einer grundlegenden Neuordnung des Insolvenzrechts berufene Kommission für Insolvenzrecht in ihrem Ersten Bericht (1985) mit dem Sinn und Nutzen eines Eigenverwaltungsverfahrens eingehend auseinandergesetzt. Den Vorteil eines solchen Verfahrens hat sie darin gesehen, dass es einen Anreiz für den Schuldner zur frühzeitigen Antragstellung darstelle und zudem die Kenntnisse- und Erfahrungen der bisherigen Geschäftsleitung, vor allem zum Zwecke einer Reorganisation nutzbar gemacht werden könnten und dadurch die Einarbeitungszeit eines Insolvenzverwalters erspart werde. Trotz dieser Vorzüge hat die Kommission die Einführung der Eigenverwaltung aber im Ergebnis verworfen. Tragende Überlegung dafür war, dass die Personen, die regelmäßig die Insolvenz zu verantworten haben, nicht geeignet sein würden, diese wieder zu bereinigen. Man befürchtete außerdem, dass in der Selbstverwaltung eine Abgrenzung der Funktionsbereiche des Insolvenzverwalters bzw. der sonstigen Insolvenzorgane auf der einen und der Gesellschaftsorgane auf der anderen Seite kaum möglich sei und dass die Geschäftsleitung eines insolventen Unternehmens überfordert werden würde, wenn sie in ihrer Eigenschaft als Vertreter des Schuldners die Belange des Unternehmens und in ihrer Eigenschaft als Insolvenzverwalter die Interessen der Gläubiger wahrzunehmen habe.15 Hervorzuheben ist in diesem Zusammenhang vor allem das Konzept der Kommission, im Falle der Eigenverwaltung einer juristischen Person nicht diese selbst, sondern ihre geschäfts- und vertretungsberechtigten Organe zum „Selbstverwalter“ zu bestellen.16 In ihrem Zweiten Bericht (1986) ist die Kommission allerdings von dieser strikt ablehnenden Position abgerückt und hat für Kleininsolvenzverfahren über das Vermögen einer natürlichen Person die Zulassung der Eigenverwaltung befürwortet. In diesen Fällen sollten insbesondere die durch die Vergütung des Insolvenzverwalters verursachten Massekosten eingespart werden, um eine ___________ 15

Kommission für InsR, Erster Bericht, Begründung zu Leitsatz 1.3.1.1, S. 125 f. Vgl. Erster Bericht, Begründung zu Leitsatz 1.3.1.1: „Denn der ‚Selbstverwalter‘ müsste in seiner Eigenschaft als Vertreter des Schuldners andere Aufgaben erfüllen […]“ (S. 125 f); „Denkbar wäre allenfalls, die […] vertretungsberechtigten Organe einer Kapitalgesellschaft zum Selbstverwalter zu bestellen“ (S. 126). Dieser Umstand wird insbesondere bei der Frage relevant, ob der Vorstand einer Aktiengesellschaft in Eigenverwaltung gesellschaftsrechtlichen Bindungen unterliegt (Kapitel 5 A. III. 2. a) (3) (a) (bb), Seite 258). 16

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1. Teil: Grundlagen

Abweisung wegen Masselosigkeit zu verhindern und so dem Schuldner die Möglichkeit einer Restschuldbefreiung offen zu halten.17 2. Die Entwürfe des Bundesministeriums der Justiz Die auf Grundlage dieser Berichte18 erstellten Entwürfe des Bundesjustizministeriums, der Diskussionsentwurf von 1988 und der Referentenentwurf von 1989, haben sich die grundlegenden Bedenken der Kommission allerdings nicht zu Eigen gemacht, sondern ein Eigenverwaltungsverfahren in zwei Varianten vorgesehen: die „Eigenverwaltung unter Aufsicht eines Sachwalters“ und die „Eigenverwaltung ohne Sachwalter bei Kleinverfahren“.19 Damit sollte die Eigenverwaltung grundsätzlich auch bei größeren Insolvenzen und Unternehmensinsolvenzen zulässig sein. Außerdem maßen die Entwürfe den Chancen und dem Nutzen einer Selbstverwaltung gegenüber ihren Nachteilen ein größeres Gewicht bei als die Kommission20 und betonten den Grundsatz der Gläubigerautonomie stärker, so dass den Gläubigern auch die Entscheidung über die Eigenverwaltung überlassen bleiben sollte.21 3. Der Regierungsentwurf Der 1992 in den Bundestag eingebrachte Gesetzesentwurf der Bundesregierung (RegE InsO) hat die Regelungen und Begründungen des Diskussions- bzw. Referentenentwurfes im Wesentlichen unverändert übernommen.22 Auf Anraten des Rechtsausschusses (1994) wurde aber die „Eigenverwaltung ohne Sachwalter in Kleinverfahren“ ersatzlos gestrichen (vgl. nun auch § 312 III InsO), um die Gerichte zu entlasten und das Verfahren zu vereinfachen.23 Damit hatte man den ursprünglich von der Kommission vorgesehenen Anwen___________ 17

Kommission für InsR, Zweiter Bericht, Begründung zu Leitsatz 6.1.3.2, S. 149. Die Kommissionsvorschläge wurden einer „kritischen Verarbeitung“ unterzogen, vgl. DiskussionsE, 2. Teil (Allgemeine Begründung), S. 94; ReferentenE, 2. Teil (Allgemeine Begründung), S. 112. 19 Vgl. DiskussionsE, 1. Teil (Normtext), S. 164 ff.; ReferentenE, 1. Teil (Normtext), S. 186 ff.; jeweils §§ 320 – 335 (mit Sachwalter) und §§ 336 – 345 (ohne Sachwalter). 20 Vgl. DiskussionsE, 3. Teil (Begründung zu den einzelnen Vorschriften), S. 289 f.; ReferentenE, 3. Teil (Begründung zu den einzelnen Vorschriften), S. 330 f. 21 DiskussionsE, 2. Teil (Allgemeine Begründung), S. 84; ReferentenE, 2. Teil (Allgemeine Begründung), S. 99. 22 Bundesregierung, RegE InsO, BT-Drucks. 12/2443 vom 15. April 1992; vgl. insbesondere S. 222 ff. 23 Rechtsausschuss, Allgemeine Begründung der BeschlussE InsO, BT-Drucks. 12/7302, S. 151. 18

Kap. 1: Grundzüge des Rechts der Eigenverwaltung

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dungsbereich der Eigenverwaltung umgekehrt. Im Übrigen wurden nur noch leichte Veränderungen vorgenommen, u. a. die Anordnungsvoraussetzungen verschärft.24 In der durch die Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses veränderten Fassung ist der Regierungsentwurf schließlich Gesetz geworden.25 Das Eigenverwaltungsverfahren ist daher seit dem Diskussionsentwurf in seinen wesentlichen Zügen unerörtert und unverändert geblieben.26 II. Vorbilder 1. Der gerichtliche Vergleich nach der Vergleichsordnung Ein Selbstverwaltungsverfahren durch den Schuldner unter Aufsicht eines neutralen Dritten war dem deutschen Insolvenzrecht auch vor Inkrafttreten der Insolvenzordnung nicht gänzlich fremd, gestattete doch schon das gerichtliche Vergleichsverfahren27 nach der Vergleichsordnung (VglO28) von 1935 eine eigenverantwortliche Verfahrensdurchführung durch den Schuldner selbst. Die Erfahrungen aus diesem Verfahren haben den Gesetzgeber nicht nur dazu bewogen, die Eigenverwaltung überhaupt einzuführen, sondern er hat die §§ 270 ff. InsO sogar ausdrücklich an das Modell der Vergleichsordnung angelehnt.29 Voraussetzungen für die Eröffnung des Vergleichsverfahrens waren neben dem Antrag des Schuldners (§ 2 VglO) und seiner Vergleichswürdigkeit (§§ 17, 18 VglO) vor allem die Vorlage eines Vergleichsvorschlags, der den Vergleichsgläubigern mindestens eine Vergleichsquote von 35% ihrer Forderungen gewähren musste (§§ 3, 7 I VglO). Durch die Eröffnung des Vergleichsverfahrens als solcher verlor der Schuldner – im Unterschied zum Konkursver___________ 24 Vgl. Rechtsausschuss, Begründung zu § 331 BeschlussE InsO, BT-Drucks. 12/7302, S. 185. 25 Vgl. das Amtliche Protokoll der 222. Sitzung des Deutschen Bundestages am 21. April 1994, S. 19132. In dem sich anschließenden Vermittlungsverfahren wurden keine Änderungen der InsO durchgesetzt, lediglich das EGInsO wurde abgeändert, vgl. Schlegel, S. 35 f. Fn. 60. 26 Schlegel, S. 43; Koch, S. 36. 27 Nicht zu verwechseln mit dem Zwangsvergleichsverfahren gem. §§ 173 – 201 KO. 28 Vergleichsordnung vom 26. 2. 1935 (RGBl. I S. 321), in Kraft getreten am 1.4.1935. 29 Bundesregierung, vor § 331 RegE InsO, BT-Drucks. 12/2443, S. 222 f.; so auch schon der DiskussionsE, 3. Teil (Begründung zu den einzelnen Vorschriften), S. 289. Darüber hinaus finden sich etliche weitere Bezüge auf die Vergleichsordnung in der Begründung der §§ 270 ff. InsO, bspw. hinsichtlich der den §§ 39, 40 VglO nachgebildeten Rechtsstellung des Sachwalter (Begründung zu § 335 RegE InsO, BT-Drucks. 12/2443, S. 224) und dessen Mitwirkung gem. § 275 InsO (Begründung zu § 336 RegE InsO, BTDrucks. 12/2443, S. 224).

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1. Teil: Grundlagen

fahren (§ 6 KO30) – seine Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis nicht (vgl. §§ 56 bis 65 VglO).31 Verfügungsbeschränkungen konnten allein, soweit erforderlich, durch eine gerichtliche Anordnung nach den §§ 58 bis 65 VglO implementiert werden. In der Begründung neuer Verbindlichkeiten blieb der Schuldner ohne Ausnahme frei;32 Verpflichtungsbeschränkungen konnten nicht angeordnet werden33. Außerdem war der Vergleichsschuldner nach vorheriger Ermächtigung durch das Gericht (§ 50 II VglO) berechtigt, die Erfüllung gegenseitiger Verträge abzulehnen (§ 50 I VglO) bzw. bestimmte Pacht-, Miet- und Dienstverhältnisse zu kündigen (§ 51 VglO).34 Der dem Schuldner zur Seite gestellte Vergleichsverwalter (§§ 38 bis 43 VglO) übte im Wesentlichen lediglich eine Prüfungs- und Überwachungsfunktion aus (vgl. § 39 VglO);35 insbesondere hatte er dem Gericht anzuzeigen, wenn er Sicherungsmaßnahmen oder die Einstellung des Vergleichsverfahrens für notwendig erachtete (vgl. § 40 II VglO).36 In der Praxis gescheitert37 ist der gerichtliche Vergleich vor allem an ___________ 30

Konkursordnung vom 10.2.1877 (RGBl. S. 351) in der Fassung der Bekanntmachung vom 20.5.1898 (RGBl. S. 612). 31 Kilger/K. Schmidt, InsG, vor § 46 VglO, § 58 VglO Anm. 1; Häsemeyer, InsR, 1. Auflage, S. 657. Außerdem führte die Eröffnung eines Vergleichsverfahrens über das Vermögen einer Gesellschaft nicht zu deren Auflösung (RG, Urteil vom 9. 2. 1937 – II 209/36, RGZ 154, 72, 74; Wiedemann, in: GK zum AktG, 3. Auflage, § 262 Anm. 8 und 29; e contrario § 262 AktG a. F.). 32 Insbesondere tangiert ein Verstoß gegen § 57 VglO, nach dem der Schuldner Verbindlichkeiten, die nicht zum gewöhnlichen Geschäftsbetrieb gehören, nur mit Zustimmung des Vergleichsverwalters vornehmen soll, die Wirksamkeit dieser Verbindlichkeit im Außenverhältnis nicht (BGH, Urteil vom 19. 10. 1976 – VI ZR 253/74, BGHZ 67, 223; Kilger/K. Schmidt, InsG, § 57 VglO Anm. 2 f.). 33 Derartige Verpflichtungsbeschränkungen werden heute aber von § 277 I InsO umfasst. 34 Auch in der Eigenverwaltung steht dem Schuldner die Wahrnehmung der Rechte aus §§ 103 ff. InsO zu (§ 279 InsO); ein entsprechender Genehmigungsvorbehalt existiert aber nicht. 35 Dem entspricht § 274 II 1 InsO für den Sachwalter. Zu einem Vergleich zwischen Vergleichs- und Sachwalter siehe Schlegel, S. 203 ff. 36 Eine ähnliche Regelung findet sich in § 274 III InsO für den Sachwalter. 37 Gemessen an seinem Anteil an den insgesamt abgeschlossenen Insolvenzen ist der gerichtliche Vergleich in die Bedeutungslosigkeit herabgesunken: Schon der Regierungsentwurf stellte 1992 fest, dass seit 1983 in weniger als 1% der Insolvenzen ein gerichtlicher Vergleich bestätigt wurde (vgl. RegE InsO, BT-Drucks. 12/2443, S. 72). Diese Situation hat sich auch in der Folgezeit nicht geändert: Der Anteil der Vergleichsverfahren (ohne Anschlusskonkurs) an den insgesamt im alten Bundesgebiet eröffneten Verfahren betrug 1991 ca. 0,59% (19 von 3236, vgl. ZIP 1992, 524), 1992 ca. 0,62% (23 von 3691, vgl. ZIP 1993, 1124, 1126), 1993 ca. 1,11% (55 von 4929, vgl. ZIP 1994, 830, 831) und 1994 ca. 1,33% (67 von 5053, vgl. ZIP 1995, 875, 876). In der Insolvenzstatistik 1995 wurde diese Zahl wegen ihrer geringen Größe schon nicht mehr erhoben (vgl. ZIP 1996, 1150).

Kap. 1: Grundzüge des Rechts der Eigenverwaltung

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der Höhe des Mindestsatzes (§ 7 VglO)38 und daran, dass die rechtlichen Rahmenbedingungen für eine erfolgreiche Reorganisation nicht gewährt wurden.39 Die Gemeinsamkeiten40 von Vergleichs- und Eigenverwaltungsverfahren im Bereich der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des Schuldners sowie seines Verhältnisses zu der jeweiligen Aufsichtsperson sind nicht zu übersehen.41 Dies erlaubt es, für das Vergleichsverfahren gewonnene Erkenntnisse aus Literatur und Rechtsprechung in gewissem Umfang auf die Eigenverwaltung nach der Insolvenzordnung zu übertragen.42 2. Das Zwangsverwaltungsverfahren Daneben sah auch § 150b ZVG schon vor der Einführung der §§ 270 ff. InsO die Möglichkeit der Selbstverwaltung eines unter Zwangsverwaltung stehenden landwirtschaftlichen, forstwirtschaftlichen oder gärtnerischen Grundstücks vor. Obwohl dieses Verfahren, soweit ersichtlich, nicht Modell für die insolvenzrechtliche Eigenverwaltung gestanden hat43, kann es doch in begrenztem Umfang interessante Ansatzpunkte auch für die sich in diesem Verfahren stellenden Rechtsfragen bieten. 3. Das US-amerikanische Chapter-11-Verfahren Von nicht unerheblicher Bedeutung ist auch das US-amerikanische Reorganisationsrecht nach Chapter 11 des Bankruptcy Code44 von 1978.45 Bei diesem ___________ 38

Mohrbutter/H. Mohrbutter, XVII.6. Schlegel, S. 30; vgl. auch Kilger/K. Schmidt, InsG, Einl VglO Anm. III 1. 40 Der wesentliche Unterschied liegt darin, dass der Vergleich kein Gesamtvollstreckungsverfahren darstellte, sondern gerade dazu diente, ein solches (i. e. den Konkurs) abzuwenden (vgl. § 1 VglO). Infolgedessen existierten auch weder eine Vergleichsmasse noch Anfechtungsrechte (vgl. dagegen heute die §§ 35, 271 I 2 InsO; §§ 280, 129 ff. InsO). 41 Siehe insbesondere die voranstehenden Fußnoten. Vgl. auch Riggert, in: Nerlich/Römermann, InsO, vor § 270 Rn. 2 und 7; Leipold, in: Leipold, Insolvenzrecht im Umbruch, S. 169 (kritisch); Buchalik, NZI 2000, 294, 295. Ähnlichkeiten bestehen auch im Bereich des Insolvenzplans (§§ 218 ff. InsO), der nach den Vorstellungen des Gesetzgebers an die Stelle von Vergleich und Zwangsvergleich treten soll (vgl. Bundesregierung, Begründung RegE InsO, BT-Drucks. 12/2443, S. 90). 42 Wittig, in: MK zur InsO, vor §§ 270 – 285 Rn. 10. Das gilt insbesondere für die Aufteilung der Befugnisse zwischen Schuldner und Sachwalter (Vergleichsverwalter), nicht aber für die materiell-rechtlichen Vorschriften, für die die VglO nicht Modell gestanden hat, vgl. Wittig, ebenda. 43 So auch Wittig, in: MK zur InsO, vor §§ 270 – 285 Rn. 12. 44 Der Bankruptcy Code bildet selbst den title 11 des U. S. Code. 39

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1. Teil: Grundlagen

allein für die Sanierung insolventer Unternehmen konzipierten Verfahren übt der Schuldner im Regelfall46 selbst – als sog. debtor in possession gem. 11 U.S.C. § 1101 (1)47 – die Funktion eines Verwalters (United States trustee) aus und hat die volle Verwaltungs- und Verfügungsgewalt48 inne, vgl. 11 U.S.C. § 1107 (a): „[…] a debtor in possession shall have all the rights […] and powers, and shall perform all the functions and duties […] of a trustee serving in a case under this chapter“. Kernstück des Chapter-11-Verfahrens ist der Reorganisationsplan (11 U.S.C. §§ 1121 bis 1146). Handelt es sich beim Schuldner um eine Kapitalgesellschaft (z. B. eine corporation), so nimmt diese und nicht ihre Geschäftsleitung (board of directors) die Stellung des debtor in possession ein.49 Außerdem behalten die Aktionäre (stockholders) ihre Stimmrechte und verfügen damit grundsätzlich wie zuvor über den vollen Einfluss auf die Geschäftsführung der Gesellschaft; nur im Falle eines klaren Missbrauchs (clear abuse) kann die Ausübung dieser Kontrollrechte vom Konkursgericht untersagt werden, soweit das Verhalten der Aktionäre zu einem nicht wiedergutzumachenden Schaden führen könnte.50 Zu diesem Verfahren weist die Entstehungsgeschichte der Insolvenzordnung ebenfalls vielfältige Bezüge auf.51 Die in ihm gewonnenen Erkenntnisse und ___________ 45 Einen Überblick über das US-amerikanische Konkursrecht, insbesondere das Liquidations- (Chapter 7) und Reorganisationsverfahren (Chapter 11), vermitteln Elsing/Van Alstine, US-amerikanisches Handels- und Wirtschaftsrecht, Rn. 459 ff. 46 Die Bestellung eines trustee ist zwar auch im Verfahren nach Chapter 11 möglich (vgl. 11 U.S.C. §§ 1104–1106), wird aber nur ausnahmsweise vorgenommen, vgl. Braun, in: Braun/Uhlenbruck, Unternehmensinsolvenz, S. 692. 47 Diese Abkürzung ist folgendermaßen zu lesen: 11 U.S.C = title 11 des U.S. Code (das ist der Bankruptcy Code); § 1101 = section 1101; (1) = parapraph 1. 48 Im Liquidationsverfahren nach Chapter 7 ist dagegen ein trustee zwingend zu bestellen (vgl. 11 U.S.C. §§ 701–704). 49 White/Medford, 23-AUG Am. Bankr. Inst. J. 34; Miller, 23 Seton Hall L. Rev. 1467 (1993); in re Jacobson v. AEG Capital Corp., 50 F.3d 1493, 1500 (9th Cir. 1995) – Urteil des United States Court of Appeals, Ninth Circuit, vom 29. 3. 1995; a. A. offenbar Nimmer/Feinberg, 6 Bankr. Dev. J. 1. 50 Elsing/Van Alstine, US-amerikanisches Wirtschafts- und Handelsrecht, Rn. 487; White/Medfort, 22-AUG Am. Bankr. Inst. J. 34; in re Johns-Manville Corp., 801 F.2d 60 – Urteil des United States Court of Appeals, Second Circuit, vom 10. 9. 1986.; in re Potter Instrument Co., Inc., 593 F.2d 470 – Urteil des United States Court of Appeals, Second Circuit, vom 28. 2. 1979; Broude, Richard F., Reorganization Under Chapter 11 of the Bankcruptcy Code, § 6.06, zitiert nach: in re Jacobson v. AEG Capital Corp., 50 F.3d 1493, 1500 (9th Cir. 1995) – Urteil des United States Court of Appeals, Ninth Circuit, vom 29. 3. 1995. 51 U. a. wurde extra eine Delegation des Rechtsausschusses in die Vereinigten Staaten entsandt, um sich dort über das amerikanische Insolvenzrecht zu informieren, siehe Rechtsausschuss, Bericht zum Beratungsverfahren der BeschlussE InsO, BT-Drucks. 12/7302, S. 150.

Kap. 1: Grundzüge des Rechts der Eigenverwaltung

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Erfahrungen haben das deutsche Reorganisationsrecht wesentlich beeinflusst,52 das gilt vor allem für die Bestimmungen über den Insolvenzplan (§§ 218 ff. InsO)53. Es hat aber auch starke Impulse zugunsten der Einführung der Eigenverwaltung gegeben.54 Anders als das US-amerikanische Vorbild steht die Eigenverwaltung allerdings für sämtliche Verfahrensgestaltungen zur Verfügung55, also sowohl für ein Sanierungs- wie auch für ein Liquidationsverfahren.56 III. Die Kritik aus Lehre und Praxis an der Eigenverwaltung Die Einführung eines Eigenverwaltungsverfahrens ist nicht ohne Kritik aus Lehre57 und Praxis58 geblieben.59 Bemängelt wurde vor allem, dass das Eigenverwaltungsverfahren zu schuldnerfreundlich sei und den Schuldner geradezu zu einer Flucht in die Insolvenz verleite. Außerdem könne der Schuldner nicht sein „eigener Gerichtsvollzieher“ in einem Gesamtvollstreckungsverfahren sein, das gerade durch den Interessengegensatz zwischen den Gläubigern und den Schuldnern bestimmt werde. Die Eigenverwaltung berge daher die Gefahr erheblicher Nachteile für die Gläubiger. Als Reaktion auf diese Bedenken wurde auf Vorschlag des Rechtsausschusses die materiellen Anordnungsvoraussetzungen des § 270 II Nr. 3 InsO verschärft und betont, dass diese Voraussetzungen nur im Ausnahmefall vorliegen werden.60 Allmählich setzt sich aber zu Recht immer mehr die Überzeugung durch, dass diese verschärften Anordnungserfordernisse neben den gesetzlichen Kontrollmechanismen, wie etwa der Überwachung des Schuldners (§ 274 II ___________ 52 Vgl. Kommission für InsR, Erster Bericht, Begründung zu Leitsatz 1.3.4.4, S. 155 ff. 53 Vgl. ausführlich Braun, in: Braun/Uhlenbruck, Unternehmensinsolvenz, S. 491 ff. 54 Bundesregierung, Begründung RegE InsO, BT-Drucks. 12/2443, S. 105 f.; Kommission für InsR, Erster Bericht, Begründung zu Leitsatz 1.3.1.1, S. 125. 55 Braun, in: Braun/Uhlenbruck, Unternehmensinsolvenz, S. 513. 56 Vgl. Bundesregierung, Begründung RegE InsO, BT-Drucks. 12/2443, S. 100, und Begründung zu § 330 RegE InsO (= § 270 InsO), BT-Drucks. 12/2443, S. 223 57 Siehe etwa Leipold, in: Leipold, Insolvenzrecht im Umbruch, S. 165, 168 ff.: „Insolvenzverfahren ohne Insolvenzverwalter erscheint […] als Widerspruch in sich“. 58 Vgl. insbesondere die Stellungnahmen des Gravenbrucher Kreises, eines losen Zusammenschlusses von Insolvenzverwaltern mit überregionalem Wirkungskreis, ZIP 1989, 468, 470 f. und ZIP 1992, 657, 658. 59 Dazu ausführlich Foltis, in: FK zur InsO, vor §§ 270 ff. Rn. 8 ff.; Uhlenbruck, in: Uhlenbruck, InsO, § 270 Rn. 1 ff. 60 Vgl. Rechtsausschuss, Begründung zu § 331 BeschlussE InsO, BT-Drucks. 12/7302, S. 185.

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1. Teil: Grundlagen

InsO bzw. §§ 69, 270 I 2 InsO61) und der Möglichkeit, die Eigenverwaltung jederzeit zu beenden (§ 272 InsO), einen ausreichenden Schutz der Gläubiger zu gewährleisten, so dass ein Eigenverwaltungsverfahren – als Ausnahmefall – im Grundsatz zu befürworten ist.62 Allerdings machen die Insolvenzgerichte von der Eigenverwaltung nur äußerst zurückhaltend Gebrauch.63

C. Die Stellung der am Eigenverwaltungsverfahren Beteiligten Außer dem Schuldner (I.) sind am Eigenverwaltungsverfahren der Sachwalter (II.), das Insolvenzgericht (III.) und die Gläubiger (IV.), insbesondere repräsentiert durch die Organe der Gläubigerselbstverwaltung (Gläubigerversammlung und Gläubigerausschuss), beteiligt. I. Der Schuldner 1. Die Rechtsstellung des Schuldners a) Rechte und Pflichten des Schuldners Es ist das Wesensmerkmal der Eigenverwaltung, dass die im regulären Insolvenzverfahren dem Verwalter nach § 80 I InsO zugewiesene Verwaltungsund Verfügungsbefugnis über die Insolvenzmasse dem Schuldner selbst zusteht (§ 270 I 1 InsO). Er führt also die Geschäfte64 und begründet Masseverbindlichkeiten65. Über dieses Recht hinaus wird der Schuldner aber vor allem mit den speziellen insolvenzrechtlichen Befugnissen ausgestattet, die im regulären Verfahren sonst dem Insolvenzverwalter zugewiesen sind. Dazu zählt unter anderem das Recht, die Insolvenzmasse und sogar solche Gegenstände zu verwerten, an denen ein Absonderungsrecht besteht (§ 282 I 1 InsO), und den Verwertungserlös ___________ 61 Zur Überwachung des Schuldners durch den Gläubigerausschuss gem. §§ 270 I 2, 69 InsO, siehe unten C. IV. 2. a), Seite 94. 62 Etwa AG Darmstadt, Beschluss vom 20. 2. 1999 – 9 IN 1/99, ZIP 1999, 1494; Riggert, in: Nerlich/Römermann, InsO, vor § 270 Rn. 6; Uhlenbruck, in: Uhlenbruck, InsO, § 270 Rn. 2; Foltis, in: FK zur InsO, vor §§ 270 ff. 63 Riggert, in: Nerlich/Römermann, InsO, vor § 270 Rn. 6; Uhlenbruck, in: Uhlenbruck, InsO, § 270 Rn. 3. 64 Bundesregierung, Begründung zu § 340 RegE InsO und zu § 342 RegE InsO, BTDrucks. 12/2443, S. 225. 65 Häsemeyer, InsR, Rn. 8.14.

Kap. 1: Grundzüge des Rechts der Eigenverwaltung

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zu verteilen (§ 283 II 1 InsO). Dem Eigenverwalter steht auch das Wahlrecht über die Erfüllung gegenseitiger Verträge sowie die sonstigen (Kündigungs-) Rechte der §§ 103 bis 128 InsO zu (§ 279 S. 1 InsO), er entscheidet über die Aufnahme von Prozessen (§§ 85, 96 InsO)66 und kann angemeldete Forderungen mit feststellungshindernder Wirkung bestreiten (§ 283 I 2 InsO). Andererseits treffen den Schuldner auch die besonderen Pflichten eines Insolvenzverwalters. An seiner Statt ist der Schuldner nach § 281 InsO zur Unterrichtung der Gläubiger verpflichtet. Er selbst hat das Masse- (§ 151 InsO) und das Gläubigerverzeichnis (§ 152 InsO) sowie die Vermögensübersicht (§ 153 InsO) zu erstellen, die Bücher zu führen und Rechnung über das Verfahren zu legen (§§ 66, 155 i. V. m. § 281 III 2 InsO) sowie die Schlussrechnung anzufertigen (§ 281 III 2 InsO). Im Berichtstermin muss der Schuldner den Bericht erstatten (§ 281 II 1 InsO). Bei der Wahrnehmung dieser Rechte und Pflichten muss der Schuldner ausschließlich im Interesse der Gesamtgläubigerschaft handeln.67 Im Grundsatz ist also der Schuldner anstelle des Insolvenzverwalters für die gesamte Durchführung des Verfahrens zuständig, sofern nicht einzelne Zuständigkeiten (z. B. §§ 280, 285 InsO) ausdrücklich dem Sachwalter vorbehalten sind.68 Funktional betrachtet69 tritt also der Schuldner an die Stelle des Verwalters. Die Aufsicht über den Schuldner führen der Sachwalter (§ 274 II 1 InsO) und – sofern bestellt – der Gläubigerausschuss70. Von diesen Rechten und Pflichten als Eigenverwalter sind noch die allgemeinen Verfahrensrechte und -pflichten zu unterscheiden, die dem Schuldner in eben dieser Eigenschaft zugeordnet sind, wie etwa Antrags- (z. B. §§ 212, 213 InsO) und Beschwerderechte (z. B. § 34 II InsO) sowie die Mitwirkungspflicht aus § 97 InsO.71

___________ 66 Haarmeyer/Wutzke/Förster, Kap. 10 Rn. 19. Prozesse werden nach § 240 ZPO auch bei der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens in Eigenverwaltung unterbrochen, vgl. OLG Naumburg, Beschluss vom 2. 5. 2000 – 5 W 47/00, ZInsO 2000, 505; OLG München, Urteil vom 13. 8. 2002 – 6 U 5292/01, MDR 2003, 412. 67 Häsemeyer, InsR, Rn. 8.15. 68 Vgl. Häsemeyer, InsR, Rn. 8.14; Haarmeyer/Wutzke/Förster, Kap. 10 Rn. 19; Pape, in: Kölner Schrift, S. 895 ff. Rn. 37; ders., in: Kübler/Prütting, InsO, § 270 Rn. 28. 69 Seine Stellung ist aber ihrer Rechtsnatur nach von der des Verwalters grundlegend verschieden, vgl. C. I. 2. b) bb) (3), Seite 71. 70 Vgl. unten C. I. 2. c), Seite 72. 71 Dazu eingehend Kapitel 2 A. II., Seite 103, und Kapitel 4 A. II., Seite 183 (sog. Schuldnerbereich).

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1. Teil: Grundlagen

b) Mitwirkungsvorbehalte Die Verwaltungs- und Verfügungsgewalt ist dem Schuldner grundsätzlich umfassend zugewiesen, nur ausnahmsweise bestehen Zustimmungsvorbehalte zugunsten des Sachwalters (§§ 275 I, 277 I, 279 S. 2, 282 II InsO), des Gläubigerausschusses oder der Gläubigerversammlung (§ 276 S. 1 InsO, §§ 160 I 2, 276 S. 2 InsO), von denen aber nur § 277 I InsO und § 279 S. 3 InsO Wirkung im Außenverhältnis entfalten. Ein allgemeines Verfügungsverbot, auch auf Grundlage des § 277 InsO, ist allerdings nicht zulässig, weil dies dem Sinn und der Natur der Eigen-Verwaltung widerspräche.72 Neben diesen gesetzlichen Mitwirkungsvorbehalten hat das AG Duisburg im Verfahren „Babcock Borsig“ von Amts wegen einen im Außenverhältnis wirkenden Zustimmungsvorbehalt zugunsten des Sachwalters analog §§ 21 II Nr. 2, 277 angeordnet, um das Vertrauen der Gläubiger in die Verfahrensabwicklung zu stärken.73 Die Zulässigkeit einer solchen Anordnung wird sehr kontrovers diskutiert.74 Eine direkte Anwendung der §§ 21, 22 InsO könnte sich, da diese Bestimmungen ihrem Wortlaut und ihrer systematischen Stellung nach nur das Eröffnungsverfahren betreffen, allein über § 270 I 2 InsO ergeben, wenn es sich um allgemeine Vorschriften im Sinne dieser Regelung handelt. Das sind nach Sinn und Systematik dieses Verweises allerdings nur diejenigen Bestimmungen, die für das Regelinsolvenzverfahren gelten, wozu die §§ 11 bis 34 InsO gerade nicht zählen.75 Daran ändert auch die amtliche Begründung zu § 270 I 2 InsO nichts, nach der „außerhalb des Bereichs der Verfahrens- und Verfügungsbefugnisse für das Insolvenzverfahren, bei dem die Eigenverwaltung unter Aufsicht eines Sachwalters angeordnet ist, die gleichen Bestimmungen wie für ein Insolvenzverfahren mit Insolvenzverwalter“76 gelten sollen. Im Besonderen kann man nicht argumentieren, § 270 I 2 InsO müsse auch §§ 21, 22 InsO erfassen, da es sich beim Eröffnungsverfahren gleichfalls um ein „Insolvenzverfahren mit Insolvenzverwalter“, eben mit einem vorläufigen

___________ 72

Bork, InsR, Rn. 407; vgl. zu den Grenzen auch Huhn, Rn. 1130. AG Duisburg, Beschluss vom 1. 9. 2002 – 62 IN 167/02, NZI 2002, 556, 560 [Babcock Borsig]; vgl. auch Prütting, FS Kirchhof, 433, 437. 74 Zustimmend: Foltis, in: FK zur InsO, Vor §§ 270 ff. Rn. 39; Gundlach/N. Schmidt, DStR 2002, 2092; Hess/Ruppe, NZI 2002, 577, 579. Ablehnend: Kluth, ZInsO 2002, 1001, 1003; ders., ZInsO 2002, 1170; Köchling, ZInsO 2003, 53, 54; Prütting, FS Kirchhof, 433, 437. Schon Leipold, in: Leipold, Insolvenzrecht im Umbruch, S. 173, hatte vor dem Regierungsentwurf ein solches allgemeines Veräußerungsverbot gefordert. 75 Ausführlich Kapitel 3 A. II. 1. a) aa) (1) (a), Seite 145. 76 Bundesregierung, Begründung zu § 331 RegE InsO, BT-Drucks. 12/2443, S. 223. 73

Kap. 1: Grundzüge des Rechts der Eigenverwaltung

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Insolvenzverwalter gem. § 21 II Nr. 1 InsO handele.77 Aus der in der Gesetzesbegründung gewählten Formulierung wird vielmehr erkennbar, dass hiermit nur ein Gleichlauf mit den Bestimmungen des Regelinsolvenzverfahrens gemeint ist. Denn die beiden angesprochenen Insolvenzverfahren werden durch die Merkmale „Eigenverwaltung“ bzw. „mit Insolvenzverwalter“ unterschieden, die nur im eröffneten Verfahren, nicht aber im Eröffnungsverfahren, alternativ zur Verfügung stehen. Außerdem ist die Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters nach § 21 II Nr. 1 InsO nur fakultativ, so dass es sich bei dem Eröffnungsverfahren nur in manchen Fällen um ein Verfahren „mit Insolvenzverwalter“ handelt, wohingegen die zitierte Gesetzesbegründung offenbar von einer solchen permanenten Eigenschaft ausgeht. Schließlich könnte nach dieser Begründung der Verweis des § 270 I 2 InsO die §§ 21, 22 InsO erst dann erfassen, wenn ein Insolenzverwalter bestellt worden ist,78 und kann folglich nicht dazu dienen, dessen Bestellung selbst zu begründen. §§ 21, 22 InsO sind daher nicht über § 270 I 2 InsO in der Eigenverwaltung anwendbar. Aber auch eine analoge Anwendung der §§ 21 II Nr. 2, 277 InsO ist abzulehnen. In der Literatur ist bereits erschöpfend dargelegt worden, dass im Anbetracht der abschließenden Regelung in § 277 InsO weder eine Regelungslücke besteht,79 noch eine Rechtsähnlichkeit des allein auf die Regelung eines vorläufigen Rechtszustandes zugeschnittenen § 21 InsO zu bejahen ist.80 Diese Frage bedarf hier keiner erneuten Vertiefung. Zustimmungsvorbehalte analog §§ 21 II Nr. 2, 277 InsO sind daher als unzulässige Kompetenzanmaßungen und Eingriffe in die Gläubigerautonomie rechtswidrig und nichtig.81 2. Rechtsgrund und -natur der Befugnisse des Schuldners Im Folgenden soll versucht werden, den Rechtsgrund zu ermitteln, aus denen sich die Rechte und Pflichten des eigenverwaltenden Schuldners, namentlich das Verwaltungs- und Verfügungsrecht (§ 270 I 1 InsO), ableiten (unten 1.) und die Rechtsnatur seiner soeben beschriebenen Rechtsstellung zu bestimmen (unten 2.). ___________ 77 So aber Foltis, in: FK zur InsO, Vor §§ 270 ff. Rn. 39, der sich damit in Widerspruch setzt zu seinen Ausführungen bei § 270 Rn. 18b. 78 Denn erst dann handelte es sich um ein Verfahren „mit (vorläufigem) Insolvenzverwalter“. 79 So aber Hess/Ruppe, NZI 2002, 577, 579; dagegen Kluth, ZInsO 2002, 1170. 80 Insbesondere Prütting, FS Kirchhof, 433, 437 ff. m. w. N.; vgl. auch Kluth, ZInsO 2002, 1001, 1003. 81 Kluth, ZInsO 2002, 1001, 1003; ders., ZInsO 2002, 1170, 1171; ihm folgend Köchling, ZInsO 2003, 53, 54.

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1. Teil: Grundlagen

Die Ergebnisse dieser Untersuchung haben im Rahmen der vorliegenden Arbeit an vielen Stellen weit reichende Bedeutung. So wird beispielsweise der Rechtsgrund der einzelnen Befugnisse relevant, wenn Lücken in der Kompetenzverteilung zwischen Schuldnergesellschaft und Sachwalter geschlossen82 oder Inhalt und Grenzen des Verfügungsrechts der Gesellschaft bestimmt werden müssen.83 Die Rechtsnatur der Stellung des Schuldners ist dagegen bei der Entscheidung maßgeblich, ob die eigenverwaltende Gesellschaft84 bzw. ihre Organe85 nach § 60 InsO haften. Schließlich ist in der Diskussion, ob in der Insolvenz einer Aktiengesellschaft der Vorstand gesellschaftsrechtliche Innenbindungen zu beachten hat, sowohl auf den Rechtsgrund als auch die Rechtsnatur des Verwaltungs- und Verfügungsrechts (§ 270 I 1 InsO) einzugehen.86 a) Rechtsgrund Als Rechtsgrund kommen zwei Anknüpfungspunkte in Betracht: Die Befugnisse des eigenverwaltenden Schuldners könnten kraft eigener Privatautonomie oder kraft der gerichtlichen Anordnung der Eigenverwaltung bestehen (§§ 270 I 1, 271 InsO). aa) Die spezifisch insolvenzrechtlichen Befugnisse Soweit dem Schuldner besondere insolvenzrechtliche Befugnisse verliehen werden, die ihm vor Verfahrenseröffnung nicht zugestanden haben, also die Rechte aus §§ 279 S. 1, 282 I 1, 283 I 1 InsO, scheidet eine Anknüpfung an seiner privatautonomen Rechtsmacht allerdings von vornherein aus. Sie können

___________ 82

Vgl. Huhn, Rn. 582. Schlegel, S. 120 f. macht von dieser Frage den Fortbestand von Weisungsrechten der Gesellschafterversammlung gegenüber dem GmbH-Geschäftsführer abhängig. Pape, in: Kölner Schrift, S. 895 ff. Rn. 39 stellt auf den gerichtlichen Bestellungsakt ab, um die Bindung des Schuldners an § 1 S. 1 InsO zu begründen; dagegen Huhn, Rn. 592, 609, der überzeugend darauf hinweist, dass § 1 InsO unabhängig von der Grundlage des Verfügungsrechts für den Schuldner gilt, weil die Eigenverwaltung in jedem Falle Insolvenzverfahren im Sinne dieser Vorschrift ist, vgl. C. I. 2. a) bb) (4) (b), Seite 61. 84 Als Schuldnerin, dazu C. I. 3. a) bb) (2) (a) (bb), Seite 76. 85 Unten Kapitel 5 D. II. 1., Seite 334. 86 Kapitel 5 B. II. 2. a) aa) (2) (a), Seite 245, und (c), Seite 246. Dasselbe gilt für die Frage, ob insolvenzzweckwidrige Verfügungen des Schuldners nicht sind, siehe diesbezüglich C. I. 4., Seite 81 ff. 83

Kap. 1: Grundzüge des Rechts der Eigenverwaltung

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allein auf dem gerichtlichen Anordnungsbeschluss beruhen, der insoweit konstitutive Wirkung hat.87 bb) Das Verwaltungs- und Verfügungsrecht (§ 270 I 1 InsO) Über die Grundlage des Verwaltungs- und Verfügungsrechts (im Folgenden kurz: Verfügungsrecht) des eigenverwaltenden Schuldners (§ 270 I 1 InsO) besteht dagegen Streit. Die wohl überwiegende Auffassung88 erblickt den Rechtsgrund in der gerichtlichen Anordnung der Eigenverwaltung (gem. § 270 I 1 InsO oder gem. § 272 InsO), durch die erst das Verfügungsrecht auf den Schuldner übertragen werde. Dem gerichtlichen Anordnungsakt wird also eine konstitutive Wirkung beigemessen. Andere nehmen an, dass das dem Schuldner vor der Verfahrenseröffnung kraft Privatautonomie zustehende Verfügungsrecht im Falle der Eigenverwaltung bestehen bleibt.89 Der Anordnungsbeschluss hätte insofern nur deklaratorische Bedeutung. Welche der beiden Alternativen tatsächlich den Rechtsgrund für das Verfügungsrecht des Schuldners bildet, ist durch Auslegung des § 270 I 1 InsO zu ermitteln. (1) Wortlautauslegung (a) „Der Schuldner ist berechtigt, […] zu verwalten […]“ Hinsichtlich des Wortlautes des § 270 I 1 InsO ist festzustellen, dass die Formulierung „der Schuldner ist berechtigt, (…) zu verwalten (…) und zu verfügen“ – isoliert betrachtet – bei beiden Ansätzen richtig ist und deshalb als in ___________ 87 Häsemeyer, InsR, Rn. 8.13; Huhn, Rn. 580; Smid, Grundzüge, § 29 Rn. 6; vgl. auch Pape, in: Kölner Schrift, S. 895 ff. Rn. 39 f. 88 Foltis, in: FK zur InsO, § 270 Rn. 16; Gutsche, Rn. 38, 316; Häsemeyer, InsR, Rn. 8.13; H.-F. Müller, ZGR 2004, 842, 859; Kruse, S. 209 ff., insbesondere S. 226 (schwer nachzuvollziehen); Pape, in: Kübler/Prütting, InsO, § 270 Rn. 1; Schlegel, S. 111, 192 ff.; Blersch, in: BK zum InsR, § 270 Rn. 2; Weis, in: Hess, InsO, § 270 Rn. 17; Pape/Uhlenbruck, InsR, Rn. 860; Berscheid, FS Kirchhof, 27, 46. 89 So beispielsweise AG Köln, Beschluss vom 23. 1. 2004 – 71 IN 1/04, ZInsO 2004, 216, 218 f.; Huhn, Rn. 603, der allerdings inkonsequenteweise an anderer Stelle von einer (Rück-)Übertragung ausgeht (Rn. 630; auch Prütting/Huhn, ZIP 2002, 777, 780: „Zuweisung“ des Verfügungsrechts an die Geschäftsleitung der Schuldnergesellschaft); Prütting, FS Kirchhof, 433, 434; Uhlenbruck, FS Kirchhof, 479, 497 f („behält privatautonome Rechtsmacht“). Unklar, aber offenbar in diese Richtung: Bork, InsR, Rn. 405 („behält“); Haarmeyer/Wutzke/Förster, Kap. 10 Rn. 2 („zu lassen“); Smid, Grundzüge, § 1 Rn. 80 („zu belassen“), § 29 Rn. 3 („bleibt […] berechtigt“]; Landfermann, in: Kölner Schrift, S. 159 ff. Rn. 3 („berechtigt bleibt“); Koch, S. 173 und 175 („verbleibt“/„belässt“).

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1. Teil: Grundlagen

dieser Hinsicht neutral bezeichnet werden muss.90 Das Fehlen einer Wendung wie „berechtigt bleibt“ spricht dabei ebenso wenig gegen das deklaratorische Verständnis des Anordnungsbeschlusses91 wie das Fehlen einer Formulierung im Sinne von „übertragen wird“ gegen eine konstitutive Wirkung. (b) „Die Insolvenzmasse“ Bei genauer Betrachtung bezieht sich allerdings die Verfügungsbefugnis des Schuldners i. S. d. § 270 I 1 InsO auf die Insolvenzmasse. Da eine Insolvenzmasse i. S. d. § 35 InsO jedoch vor der Verfahrenseröffnung gar nicht existiert, sondern erst durch den Eröffnungsbeschluss entsteht,92 könnte dies gegen die Annahme sprechen, das Verfügungsrecht beruhe auf der ursprünglichen privatautonomen Rechtsmacht des Schuldners.93 Zur Beurteilung dieses Einwandes ist die genaue Unterscheidung zwischen den Begriffen Insolvenzmasse und Insolvenzbeschlag notwendig: Nach der Legaldefinition des § 35 InsO bezeichnet der Begriff Insolvenzmasse lediglich das Vermögen, welches vom Insolvenzverfahren erfasst wird, also diejenigen Vermögensgegenstände, die Objekt des Verfahrens sind. Hierin erschöpft sich der Regelungsgehalt des § 35 InsO.94 Gemäß § 35 InsO umfasst die Insolvenzmasse grundsätzlich das gesamte Vermögen, das dem Schuldner zur Zeit der Eröffnung des Verfahrens gehört und das er während des Verfahrens erlangt. Da es sich dabei ausschließlich um solche Gegenstände handelt, die dem Schuldner „gehören“ und an denen ihm aufgrund dessen ein originäres Verfügungsrecht zusteht, schließen sich die Zugehörigkeit eines Gegenstandes zur Insolvenzmasse und die Verfügungsbefugnis des Schuldners über denselben gerade nicht aus; sie sind im Gegenteil insoweit deckungsgleich. Das folgt auch aus § 80 I InsO, der ausdrücklich von dem „Recht des Schuldners“ spricht, „das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen zu verwalten und über es zu verfügen“. Unter diesem Gesichtspunkt kann die Verwendung des Wortes Insolvenzmasse in § 270 I 1 InsO daher nicht als Argument gegen die Annahme eines Verfügungsrechts kraft eigener Rechtsmacht angeführt werden. ___________ 90

So zu Recht Huhn, S. 203 gegen Schlegel, S. 121 f. Vgl. auch AG Köln, Beschluss vom 23. 1. 2004 – 71 IN 1/04, ZInsO 2004, 216, 218. 91 So aber Wittig, in: MK zur InsO, § 270 Rn. 69; Marotzke, Gegenseitige Verträge, Rn. 5.90. 92 § 35 InsO spricht von dem Insolvenzverfahren, setzt also dessen Eröffnung voraus. 93 So Foltis, in: FK zur InsO, § 270 Rn. 16; Huhn, S. 203 Fn. 10; wohl auch Wittig, in: MK zur InsO, § 270 Rn. 69. 94 Vor allem ist die Massebildung auch unabhängig vom Insolvenzbeschlag, vgl. im Ergebnis Koch, S. 175.

Kap. 1: Grundzüge des Rechts der Eigenverwaltung

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Hiervon zu trennen ist der gesetzlich nicht geregelte Insolvenzbeschlag, durch den die Insolvenzmasse den Gläubigern haftungsrechtlich zugewiesen,95 d. h. der Gesamtvollstreckung unterworfen wird. Da der Insolvenzbeschlag die gesamte Insolvenzmasse umfasst,96 spräche die Bezugnahme auf „die Insolvenzmasse“ in § 270 I 1 InsO unter der Voraussetzung gegen ein Verfügungsrecht kraft Privatautonomie, dass mit dem Insolvenzbeschlag notwendigerweise auch der Übergang des Verfügungsrechts verbunden ist.97 In diesem Fall bedürfte es einer Rückübertragung auf den Schuldner. Zwar wird die Beschlagnahme zumeist aus § 80 I InsO abgeleitet und der hierin angeordnete Übergang des Verwaltungs- und Verfügungsrechts als ihre wesentliche Wirkung genannt,98 doch darf man sie dennoch nicht mit diesem Übergang gleichsetzen.99 Denn andere Wirkungen der haftungsrechtlichen Zuweisung – wie etwa das Vollstreckungsverbot (§ 89 InsO), die Rückschlagsperre (§ 88 InsO)100 oder das Verbot der Forderungsverfolgung außerhalb des Insolvenzverfahrens (§ 87 InsO)101 – sind von dem Verfügungsrecht völlig unabhängig. Daraus folgt aber außerdem, dass der Insolvenzbeschlag nicht zwangsläufig den Verlust der Verfügungsgewalt auf Seiten des Schuldners voraussetzen muss.102 Da diese sonstigen Beschlagnahmewirkungen aber auch in der Eigenverwaltung unerlässlich sind,103 ist vielmehr anzunehmen104, dass auch hier ___________ 95

Lwowski, in: MK zur InsO, § 35 Rn. 22; Henckel, in: Jaeger, KO, § 1 Rn. 1, 3. Bork, InsR, Rn. 116; Häsemeyer, InsR, Rn. 9.06. 97 Als alternativer Ausweg böte sich noch an, einen Insolvenzbeschlag bei der Eigenverwaltung überhaupt zu verneinen (so Foerste, InsR, Rn. 592 und 598; Koch, S. 171; das ist aber abzulehnen (vgl. folgend und die Nachweise in Fußnote 103, Seite 51). 98 Vgl. etwa Bork, InsR, Rn. 115; Lwowski, in: MK zur InsO, § 35 Rn. 22; Foerste, InsR, Rn. 598. Andere verankern die Beschlagnahme in §§ 35 ff. InsO: Smid, Grundzüge, § 8 Rn. 46. 99 So aber Foerste, InsR, Rn. 592 und 598; Blersch, in: BK zur InsO, § 270 Rn. 1; besonders eng Kruse, S. 212 ff.; wohl auch Breuer, InsR, Rn. 218; Haas, in: Gottwald, § 89 Rn. 2; Wimmer/Stenner, Lexikon des InsR, Stichwort: Beschlagnahme. 100 Zu diesen und weiteren Beschlagnahmewirkungen vgl. Bork, InsR, Rn. 128 ff. 101 Zu dieser Beschlagnahmewirkung vgl. Smid, Grundzüge, § 1 Rn. 77. 102 Die Unabhängigkeit des Insolvenzbeschlags vom Übergang des Verwaltungs- und Verfügungsrechtes bejahen auch: Koch, S. 175; Smid, Grundzüge, § 28 Rn. 16; ders., WM 1998, 2489, 2507; wohl auch Riggert, in: Nerlich/Römermann, InsO, § 270 Rn. 7. 103 Vgl. Schlegel, S. 137 ff.; Riggert, in: Nerlich/Römermann, InsO, § 270 Rn. 7. Da die Ansicht, dass es wegen des fehlenden Übergangs des Verwaltungs- und Verfügungsrechts überhaupt keinen Insolvenzbeschlag in der Eigenverwaltung gebe (Foerste, InsR, Rn. 592 und 598; Koch, S. 175), die Wirkungen der §§ 87 ff. InsO nicht erklären kann, ist sie abzulehnen. 104 Smid, Grundzüge, § 1 Rn. 84, § 7 Rn. 46 (wenn auch kritisch); wohl auch Häsemeyer, InsR, Rn. 8.13; Wittig, in: MK zur InsO, § 270 Rn. 67; Uhlenbruck, in: Uhlenbruck, InsO, § 35 Rn. 109; a. A. (keine Beschlagnahme): Foerste, InsR, Rn. 592 und 598; Koch, S. 175. 96

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1. Teil: Grundlagen

die Insolvenzmasse grundsätzlich beschlagnahmt wird,105 allerdings mit gelockerten Beschlagnahmewirkungen wie vor allem der fehlende Übergang des Verfügungsrechts auf den Insolvenzverwalter. Genau betrachtet wird sogar das Verwaltungs- und Verfügungsrechts von der haftungsrechtlichen Zuweisung erfasst, indem es nämlich gem. §§ 275 ff. InsO beschränkt106 und dem Prinzip optimaler Gläubigerbefriedigung (§ 1 S. 1 InsO)107 unterstellt wird. Da also der Insolvenzbeschlag nicht notwendigerweise den Verlust des Verfügungsrechts voraussetzt, spricht die Bezugnahme auf die Insolvenzmasse in § 270 I 1 InsO auch unter diesem Gesichtspunkt nicht dagegen, dass dem Schuldner das Verfügungsrecht kraft eigener Privatautonomie zusteht.108 (c) „[…], wenn das Insolvenzgericht […] die Eigenverwaltung anordnet“ Der letzte Satzteil des § 270 I 1 InsO „wenn das Insolvenzgericht in dem Beschluss über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens die Eigenverwaltung anordnet“ wird vereinzelt als Beleg dafür gewertet, dass die Verfügungsmacht des Schuldners auf diesem gerichtlichen Akt (dem Eröffnungsbeschluss) beruhe.109 Diese Interpretation ist jedoch nicht zwingend, denn sprachlogisch setzt die Konjunktion „wenn“ nur das „ob“ der Verfügungsbefugnis des Schuldners unter die Voraussetzung der Anordnung der Eigenverwaltung, sagt darüber hinaus aber nichts über deren Rechtsgrund aus. Da eine solche kausale Verknüpfung110 in dem hier konditional verwendeten Bindewort „wenn“ nicht enthalten ist, ist die Verbindung der beiden Sätze durch das „wenn“ im Gegenteil bei beiden Ansätzen inhaltlich richtig.

___________ 105 I. E. ebenso Smid, Grundszüge, § 1 Rn. 84; ders., WM 1998, 2489, 2507. Zwar gilt § 80 I InsO in der Eigenverwaltung gerade nicht, doch sind jedenfalls die Beschlagnahmewirkungen der §§ 87 ff. InsO über den Verweis des § 270 I 2 InsO (mit Modifikationen) anwendbar, vgl. Riggert, in: Nerlich/Römermann, InsO, § 270 Rn. 7. Einen Insolvenzbeschlag in der Eigenverwaltung lehnen dagegen ab: Foerste, InsR, Rn. 592 und 598; Koch, S. 175. In diese Richtung („weitgehende Aufhebung“) auch: Haas, in: Gottwald, § 89 Rn. 2; Gundlach, DZWIR 1999, 363, 365. 106 So zutreffend Smid, Grundzüge, § 1 Rn. 84. 107 Zur Geltung des § 1 S. 1 InsO in der Eigenverwaltung vgl. C. I. 2. a) bb) (4) (b), Seite 61. 108 A. A. offenbar Foltis, in: FK zur InsO, § 270 Rn. 16. 109 Schlegel, S. 121; Foltis, in: FK zur InsO, § 270 Rn. 16. 110 Des Inhalts, dass der Schuldner verfügungsbefugt ist, weil das Insolvenzgericht die Eigenverwaltung anordnet.

Kap. 1: Grundzüge des Rechts der Eigenverwaltung

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(d) Ergebnis der Wortlautauslegung Der Wortlaut des § 270 I 1 InsO muss hinsichtlich der hier zu untersuchenden Frage als offen bezeichnet werden; aus ihm lässt sich weder für noch gegen einer der Auffassungen ein zwingendes Argument entnehmen.111 (2) Systematische Auslegung (a) § 80 I InsO (aa) Einfluss auf das Wortlautverständnis des § 270 I 1 InsO Liest man § 270 I 1 InsO zusammen mit § 80 I InsO, so ändert sich zunächst das Wortlautverständnis des § 270 I 1 InsO.112 Angesichts der in § 80 I InsO enthaltenen Aussage, dass das Recht, „über das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen zu verwalten und über es zu verfügen“, ein „Recht des Schuldners“ ist, muss auch die Verfügungsbefugnis des eigenverwaltenden Schuldners nach § 270 I 1 InsO so verstanden werden, dass sie ein originär dem Schuldner zustehendes Recht darstellt und daher kraft seiner Privatautonomie besteht. (bb) Fehlen eines Übergangstatbestandes Zudem fällt beim Vergleich der beiden Vorschriften besonders ins Auge, dass in § 270 I 1 InsO kein dem § 80 I 1 InsO entsprechender Übertragungstatbestand enthalten ist, der ausdrücklich den Übergang des Verwaltungsrecht auf den Schuldner anordnet.113 Sollte das Verfügungsrecht des Schuldners aber tatsächlich auf einem gerichtlichen Akt beruhen, dann wäre gerade bei der Eigenverwaltung – beim Insolvenzverwalter können in dieser Hinsicht keine Unklarheiten entstehen – eine solche Anordnung zu erwarten und erforderlich gewesen. Daher streitet systematisch das Fehlen eines Übertragungstatbestandes für die privatautonome Rechtsmacht als Grundlage des Verfügungsrechts. ___________ 111

Im Ergebnis so auch AG Köln, Beschluss vom 23. 1. 2004 – 71 IN 1/04, ZInsO 2004, 216, 218; Huhn, Rn. 585. 112 Zur Bedeutung des Kontextes einer Norm für ihr Verständnis vgl. Larenz, S. 324 f. 113 Ähnlich Pape, in: Kölner Schrift, S. 895 ff. Rn. 39, der den „nach außen nicht sichtbaren Wechsel des Verwaltungs- und Verfügungsrechts“ als Umstand dafür wertet, dass der Schuldner weiter kraft eigener Privatautonomie handelt.

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1. Teil: Grundlagen

Für die konstitutive Wirkung des Eröffnungsbeschlusses kann auch nicht angeführt werden, dass der Schuldner ohne die Anordnung der Eigenverwaltung sein Verfügungsrecht gem. § 80 I InsO verlöre.114 Denn der bloße Nichtentzug des Verfügungsrechts infolge der Nichtgeltung des § 80 I InsO bedeutet nicht zwangsläufig die Neubegründung des Verfügungsrechts in der Person des Schuldners.115 (cc) Hin- und Herwechseln in einer „logischen Sekunde“ Einem Verfügungsrecht kraft Privatautonomie stünde allerdings entgegen, wenn – wie zum Teil vertreten wird116 – in der Eigenverwaltung dem Schuldner stets zunächst gemäß § 80 I InsO das Verfügungsrecht entzogen und erst nach einer „logischen Sekunde“ zurückübertragen würde. Dieser Figur lässt sich allerdings nicht das Argument entgegenhalten, dass § 80 I InsO in der Eigenverwaltung keine Anwendung finde, weil der Verweis des § 270 I 2 InsO auf die allgemeinen Vorschriften117 nur das sonstige Verfahren, nicht aber das speziell in § 270 I 1 InsO geregelte Verfügungsrecht umfasse118. Denn konsequenterweise wäre in dem Augenblick, in dem das Verfahren eröffnet wird und zunächst allein § 80 I InsO Anwendung finden soll, die Eigenverwaltung ja gerade noch nicht angeordnet, so dass auch die §§ 270 ff. InsO noch nicht gelten könnten. Aus demselben Grunde kann man auch nicht argumentieren, wegen der zwingenden Bestellung eines Sachwalters nach § 270 III 1 InsO lägen in dieser logischen Sekunde die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 80 I InsO („Insolvenzverwalter“) nicht vor.119 ___________ 114

So aber Schlegel, S. 121 f. Völlig zutreffend Huhn, Rn. 586. 116 Vgl. Schlegel, S. 123; Foltis, in: FK zur InsO, § 270 Rn. 16 (ohne Bezug auf § 80 I InsO); Hess/Ruppe, NZI 2002, 577, 578. Sehr weitgehend Kruse, S. 212 ff., insbesondere S. 222 und S. 253, der § 80 InsO nicht nur zur Begründung der Beschlagnahmewirkung in der Eigenveraltung heranzieht, sondern auch sonst ganz allgemein von dessen Anwendbarkeit in der Eigenverwaltung ausgeht (etwa ders., S. 299 und S. 305). 117 Nicht überzeugend ist das Argument von Huhn, Rn. 590, § 80 I InsO finde in der Eigenverwaltung keine Anwendung, weil der Verweis in § 270 I 2 InsO auf die allgemeinen Vorschriften nur die „Normen des eröffneten Verfahrens“ erfasse. Denn bei § 80 I InsO handelt es sich gerade um eine solche Norm (vgl. nur die amtliche Überschrift des Dritten Teils). 118 Insofern könnte man davon ausgehen, dass in § 270 I 1 InsO eine „andere Bestimmung“ i.S.d. § 270 I 2 InsO enthalten ist, die die Anwendung des § 80 I InsO ausschließt. Allerdings besteht hier die Gefahr eines Zirkelschlusses, weil dieses Argument letztlich voraussetzt, dass in § 270 I 1 InsO der Nichtübergang des Verfügungsrechts angeordnet ist. 119 So aber Huhn, Rn. 589. 115

Kap. 1: Grundzüge des Rechts der Eigenverwaltung

55

Allerdings sind ernsthafte Zweifel an der dieser Konstruktion zugrunde liegenden Annahme angebracht, man könne beide Entscheidungen (Verfahrenseröffnung/Anordnung der Eigenverwaltung) in eine zeitliche Abfolge setzen.120 Freilich ist nicht zu leugnen, dass eine „gedankliche“ Trennung möglich ist; das folgt nicht zuletzt aus der rechtlichen Unabhängigkeit121 der beiden Entscheidungen. Dies bedeutet aber nicht, dass man die beiden Entscheidungen im Falle des § 270 I 1 InsO auch zeitlich aufspalten könnte; sie ergehen vielmehr gleichzeitig.122 Denn das Insolvenzgericht entscheidet sich bei einer Anordnung nach § 270 I 1 InsO für ein modifiziertes Insolvenzverfahren und gegen das Regelinsolvenzverfahren und zwar von Anfang an. Es will nicht zuerst die Regelinsolvenz und „korrigiert“ danach seine Entscheidung durch die Anordnung der Eigenverwaltung. Das ergibt sich ebenso aus dem Wortlaut des § 270 I 1 InsO, nach dem die Eigenverwaltung „in dem Beschluss über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens“ angeordnet wird, und die Anordnung also als ein (wenn auch selbständiger) Bestandteil der Eröffnungsentscheidung ergeht. Die Aufspaltung in zeitlich nachfolgende Entscheidungen wirkt daher künstlich. Schließlich spricht auch die Rechtssicherheit und -klarheit gegen diesen zweifachen Wechsel der Verfahrensart. Da es somit keinen Moment gibt, in dem „nur“ das Regelinsolvenzverfahren eröffnet wäre, ist auch kein Platz für eine „logische Sekunde“123 und die Anwendung von § 80 I InsO124. Außerdem bedarf es einer logischen Sekunde nicht, um durch das Hin- und Herwechseln des Verfügungsrechts die Beschlagnahmewirkung zu erklären; denn diese ist – wie bereits festgestellt125 – unabhängig von dem Entzug des Verfügungsrechts. Die Konstruktion einer „logischen Sekunde“ ist somit abzulehnen.

___________ 120

Auch Huhn, Rn. 587 stellt diese Annahme nicht grundsätzlich in Frage, ebenso wenig das AG Köln, Beschluss vom 23. 1. 2004 – 71 IN 1/04, ZInsO 2004, 216, 218. 121 Die rechtliche Unabhängigkeit zeigt sich insbesondere bei der nachträglichen Anordnung der Eigenverwaltung gem. § 271 InsO. Aus ihr folgt, dass der Beschluss, mit dem die Eigenverwaltung abgelehnt wird, nicht anfechtbar ist, vgl. Kapitel 3 A. II. 4., Seite 176. 122 Zu diesem Ergebnis dürften erst recht diejenigen kommen, die den Eröffnungsbeschluss und die Anordnung der Eigenverwaltung sogar als rechtliche Einheit behandeln (etwa Uhlenbruck, ZInsO 2003, 821, 822; ders., NJW 2002, 3219, 3220; Foltis, in: FK zur InsO § 270 Rn. 15), Kapitel 3 A. II. 4., Seite 176. 123 Damit gelten auch die §§ 270 InsO ff. zeitlich unmittelbar, so dass alle hierauf gründenden Argumente gegen die Anwendbarkeit des § 80 I InsO zum Tragen kommen. 124 Im Ergebnis so auch die h. M.: Landfermann, in: Kölner Schrift, S. 159 ff. Rn. 3; Weis, in: Hess, InsO, § 270 Rn. 80; Uhlenbruck, in: Uhlenbruck, InsO, § 80 Rn. 3, § 277 Rn. 1. 125 Siehe oben (1) (b), Seite 50.

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1. Teil: Grundlagen

(b) § 271 InsO bzw. § 21 II Nr. 2 InsO Dass dem Schuldner im Falle der nachträglichen Anordnung der Eigenverwaltung zunächst das Verfügungsrecht gem. § 80 I InsO entzogen worden war und er es erst durch den Beschluss nach § 271 InsO zurückerhält, nötigt ebenfalls nicht dazu, dem Beschluss eine konstitutive Wirkung hinsichtlich des Verwaltungs- und Verfügungsrechts beizumessen.126 Denn diesen Umstand kann man ohne Zwang auch so erklären, dass die gem. § 80 I InsO auf den Insolvenzverwalter übergegangenen Befugnisse durch die Anordnung der Eigenverwaltung erlöschen und die ursprüngliche Rechtsmacht des Schuldners wieder auflebt. Entsprechendes gilt für die Konstellation, dass dem Schuldner gem. § 21 II Nr. 2 InsO schon im Eröffnungsverfahren zugunsten eines (sog. starken) vorläufigen Insolvenzverwalters ein allgemeines Verfügungsverbot auferlegt worden war. (c) §§ 276 ff. InsO Der These, dass das Verfügungsrecht des Schuldners als privatautonome Rechtsposition bestehen bleibt, könnten die zum Teil weit reichenden Beschränkungen der §§ 276 ff. InsO entgegenstehen, denen der Schuldner vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens gerade nicht unterlag. Indessen sind derartige Beschränkungen auch bei einer privatautonomen Rechtsmacht erklärbar, ohne dass dafür zwingend das Verfügungsrecht zunächst entzogen und anschließend durch einen gerichtlichen Akt neu begründet werden müsste. Das zeigen sowohl die §§ 135, 136 BGB, wie auch die Regelungen des Vergleichsverfahrens, die dem Schuldner das Verfügungsrecht grundsätzlich beließen127, dieses aber gleichzeitig im Rahmen der §§ 58 bis 65 VglO ebenfalls erheblichen Beschränkungen unterwarfen.128 Die Einschränkungen der §§ 276 ff. InsO lassen sich daher ebenso gut als Modifikationen des dem Schuldner belassenen Verwaltungs- und Verfügungsrechts verstehen, die selbst freilich auf der Anordnung der Eigenverwaltung beruhen.

___________ 126

So aber Schlegel, S. 121; Uhlenbruck, in: Uhlenbruck, InsO, § 80 Rn. 3. Vgl. Kilger/K. Schmidt, InsG, vor § 46 VglO, § 58 VglO Anm. 1; Häsemeyer, InsR, 1. Auflage, S. 657. 128 Im Übrigen kann auch die durch § 275 I 1 InsO angeordnete Einschränkung der Verpflichtungsfähigkeit des Schuldners ohnehin nicht durch die Neubegründung des Verfügungsrechts begründet werden, da diese von dem Verwaltungs- und Verfügungsrecht unabhängig ist und also auch nicht von §§ 80 I 1 bzw. § 270 I 1 InsO erfasst wird, ebenso wenig von der Insolvenzmasse noch vom Insolvenzbeschlag. 127

Kap. 1: Grundzüge des Rechts der Eigenverwaltung

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(d) §§ 279 S. 1, 282 I 1, 283 I 1 InsO Möglicherweise lässt sich gegen den Fortbestand des Verfügungsrechts einwenden, dass andere, sonst dem Insolvenzverwalter zustehende Befugnisse des eigenverwaltenden Schuldners (§§ 279 S. 1, 282 I 1, 283 I 1 InsO) – wie gesehen129 – notwendigerweise auf der Anordnung der Eigenverwaltung beruhen müssen.130 Hingegen kannte schon das Vergleichsverfahren ein Nebeneinander verschiedener Rechtsgründe: Während dem Vergleichsschuldner einerseits das Verwaltungs- und Verfügungsrecht nicht entzogen wurde131 und somit wie bisher als privatautonome Rechtsposition fortbestand, konnte andererseits die ihm gem. § 50 I VglO zustehende Entscheidung über die Erfüllung gegenseitiger Verträge – ebenso wie § 279 S. 1 InsO132 – allein auf dem Eröffnungsbeschluss als Rechtsgrund beruhen. Und auch die Begründung zu § 270 InsO, nach der „außerhalb des Bereichs der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnisse […] die gleichen Bestimmungen wie für ein Insolvenzverwahren mit Insolvenzverwalter […]“133 gelten sollen und die somit das Verfügungsrecht als ein aliud gegenüber den sonstigen verfahrensrechtlichen Befugnissen des Schuldners behandelt, ist Indiz für eine Trennung auch hinsichtlich des Rechtsgrunds.134 Der Einwand ist daher unbegründet.135 (e) § 150b ZVG Vergleicht man § 270 I 1 InsO mit § 150b I 1 ZVG136, ergibt sich ein weiteres Indiz dafür, dass der Schuldner sein ursprüngliches Verfügungsrecht behält. Aus der Tatsache, dass diese Vorschrift expressis verbis davon spricht, dass „der Schuldner zum Verwalter zu bestellen“ ist, lässt sich ableiten, dass dem Schuldner seine ursprüngliche Rechtsstellung entzogen wird und ihm die Rechte des Zwangsverwalters durch den öffentlich-rechtlichen Bestellungsakt verlie___________ 129

Siehe aa), Seite 48. Blersch, in: BK zum InsR, § 270 Rn. 2; Pape, in: Kölner Schrift, S. 895 ff. Rn. 39; Häsemeyer, InsR, Rn. 8.13. 131 Vgl. oben B. II. 1., Seite 39, etwa Kilger/K. Schmidt, InsG, vor § 46 VglO. 132 Siehe aa), Seite 48. 133 Bundesregierung, Begründung zu § 331 RegE InsO, BT-Drucks. 12/2443, S. 223. 134 Im Ergebnis ebenso Huhn, Rn. 598. 135 Eine andere Frage ist, ob ein solches Nebeneinander der Charakterisierung der Rechtsstellung des Schuldners als „Amtswalter in eigenen Angelegenheiten“ entgegensteht, vgl. dazu unten b) bb), Seite 66. 136 Nach dieser Vorschrift können die Rechte eines Zwangsverwalters ausnahmsweise auf den Schuldner übertragen werden, wenn es sich um ein landwirtschaftlich, forstwirtschaftlich oder gärtnerisch genutztes Grundstück handelt. 130

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1. Teil: Grundlagen

hen werden.137 Dass eine entsprechende Anordnung in § 270 I 1 InsO nicht enthalten ist, führt zu der Vermutung, dass bei der Eigenverwaltung eben dieses nicht beabsichtigt war.138 (f) Ergebnis der systematischen Auslegung Zusammengefasst spricht die systematische Auslegung dafür, dass der Schuldner sein originäres Verfügungsrecht behält. (3) Historische Auslegung (a) Gesetzesbegründung Bei der Betrachtung der Gesetzesmaterialien lassen sich etliche Stellen der amtlichen Begründung für die These eines Verfügungsrechts kraft Privatautonomie heranziehen. So spricht die Gesetzesbegründung im Zusammenhang mit der Eigenverwaltung davon, den Schuldner verwaltungs- und verfügungsbefugt „zu lassen“139, bzw. davon, dass er verfügungsbefugt „bleibt“140. Entsprechende Formulierungen finden sich auch schon in den dem Gesetzentwurf vorangehenden Dokumenten.141 Sie können sämtlich nur dahin verstanden werden, dass der Schuldner weiter kraft eigener Privatautonomie verwaltet und verfügt, dass also hinsichtlich des Verfügungsrechts der status quo ante bewahrt werden soll.

___________ 137

Vgl. Stöber, ZVG, § 150 c Rn. 3.1; Muth, in: Dassler, ZVG, § 150d Rn. 2. So schon Huhn, Rn. 587; AG Köln, Beschluss vom 23. 1. 2004 – 71 IN 1/04, ZInsO 2004, 216, 219. 139 Bundesregierung, vor § 331 RegE InsO, BT-Drucks. 12/2443, S. 222. 140 Bundesregierung, Begründung zu § 331 RegE InsO, BT-Drucks. 12/2443, S. 223. 141 So hat schon die Kommission für Insolvenzrecht, deren Berichte die Basis der heutigen Gesetzesfassung bilden (vgl. B. I. 1., Seite 37), in ihrem Ersten Bericht erwogen, das Verwaltungs- und Verfügungsrecht bei der bisherigen Geschäftsführung „zu belassen“ (Erster Bericht, Begründung zu Leitsatz 1.3.1.1, S. 125), und sich schließlich in ihrem zweiten Bericht dazu entschlossen, dass dieses Recht zumindest in Kleinverfahren ohne Aufsicht eines Sachwalters beim Schuldner „verbleiben“ sollte (Zweiter Bericht, Begründung zu Leitsatz 6.1.3.2, S. 150). Auch im Diskussions- und Referentenentwurf der InsO findet sich die Formulierung, den Schuldner im Grundsatz verfügungs- und verwaltungsbefugt „zu lassen“: DiskussionsE, 3. Teil (Begründung zu den einzelnen Vorschriften), S. 289; ReferentenE, 3. Teil (Begründung zu den einzelnen Vorschriften), S. 330. 138

Kap. 1: Grundzüge des Rechts der Eigenverwaltung

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In diesem Sinne heißt es auch in der Begründung zu § 270 InsO wörtlich: „Außerhalb142 des Bereichs der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnisse gelten für das Insolvenzverfahren, bei dem die Eigenverwaltung unter der Aufsicht eines Sachwalters angeordnet ist, die gleichen Bestimmungen wie für ein Insolvenzverfahren mit Insolvenzverwalter (Absatz 1 Satz 2)“143. Das Verfügungsrecht wird somit als ein aliud gegenüber den sonstigen verfahrensrechtlichen Befugnissen des Schuldners behandelt. Dass auf dieses Recht die allgemeinen Vorschriften nicht anwendbar sein sollen, legt die Folgerung nahe, dass zumindest diesbezüglich der Schuldner nach den Vorstellungen des Gesetzgebers eine privatautonome Stellung einnehmen sollte.144 Dieser Schluss wird noch dadurch untermauert, dass in der Begründung zu § 282 InsO dann ausdrücklich von einer „Übertragung“ des Verwertungsrechts auf den Schuldner die Rede ist.145 Da dem Gesetzgeber die Vorstellung eines Übertragungsaktes also geläufig war, deutet das Fehlen einer entsprechenden Anordnung in § 270 I 1 InsO darauf, dass es einer solchen nach der Vorstellung des Gesetzgebers bei dem Verfügungsrecht eben nicht bedurfte. Besondere Beachtung verdient des Weiteren der Umstand, dass sich der Gesetzgeber für die Ausgestaltung der Eigenverwaltung ausdrücklich an das Vergleichsverfahren angelehnt hat146 und in diesem Verfahren dem (Vergleichs-) Schuldner die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis nicht entzogen wurde.147 Das lässt ebenfalls vermuten, dass dasselbe für das Eigenverwaltungsverfahren gelten sollte.148 Die Anlehnung an das Vergleichsverfahren kann auch nicht als Redaktionsversehen und dogmatisch undurchdachte Übernahme von Strukturelementen abgetan werden, weil dem Bestehenbleiben des Verfügungsrechts die Beschlagnahme der Insolvenzmasse entgegenstehe, die es im Vergleichsverfahren gerade nicht gegeben habe149.150 Denn die Beschlagnahme vollzieht ___________ 142

Hervorhebung durch den Verfasser. Bundesregierung, Begründung zu § 331 RegE InsO, BT-Drucks. 12/2443, S. 223. 144 Ähnlich, aber zu weitgehend Foltis, in: FK zur InsO, § 270 Rn. 16, der diese Begründung als Indiz für eine generell insolvenzrechtsfreie Stellung des Schuldners wertet. 145 Bundesregierung, Begründung zu § 343 RegE InsO, BT-Drucks. 12/2443, S. 226. Da das Verwertungsrecht als spezifisch insolvenzrechtliche Befugnis dem Schuldner nicht kraft seiner ursprünglichen Rechtsstellung zustehen kann, war hier natürlich ein Übertragungsakt in jedem Falle notwendig. 146 Bundesregierung, vor § 331 RegE InsO, BT-Drucks. 12/2443, S. 223. 147 Kilger/K. Schmidt, InsG, vor §§ 46 ff. VglO; Smid, Grundzüge, 2. Auflage, § 2 Rn. 51; Mohrbutter/H. Mohrbutter, Rn. XVII.13; J. Mohrbutter, in: Bley/Mohrbutter, VglO, § 2 Rn. 47. 148 So auch Huhn, Rn. 591; AG Köln, Beschluss vom 23. 1. 2004 – 71 IN 1/04, ZInsO 2004, 216, 219. 149 Dazu, dass es im Vergleichsverfahren keine Vergleichsmasse im Rechtssinne gegeben habe, vgl. BGH, Urteil vom 2. 6. 1980 – III ZR 122/78, ZIP 1980, 744, 745; 143

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1. Teil: Grundlagen

sich – wie bereits gezeigt wurde151 – unabhängig von dem Übergang des Verfügungsrechts. (b) Rechtsvergleichende Bezüge Möglicherweise lässt sich zudem aus dem US-amerikanischen Konkursrecht und insbesondere dem Reorganisationsverfahren nach Chapter 11 („debtor in possession“), das das deutsche Insolvenzrecht152 im Allgemeinen wie auch die Eigenverwaltung im Besonderen153 beeinflusst hat, auf einen bestimmten Willen des Gesetzgebers schließen. Dort ordnet 11 U.S.C. § 1107 (a) folgendes an: „[…] a debtor in possession shall have all the rights […] and powers, and shall perform all the functions and duties[…] of a trustee serving in a case under this chapter.“154 Dem Schuldner (debtor) wird also ausdrücklich die Rechtsstellung eines Verwalters (trustee) verliehen, dessen Befugnisse auf den Schuldner übertragen155 werden. Allerdings kann man daraus für die hier zu klärende Frage keinen eindeutigen Rückschluss ziehen. Denn man könnte einerseits aufgrund der rechtsvergleichenden Elemente vertreten, dass der deutsche Gesetzgeber eine dem amerikanischen Recht nachgebildete Regelung hat treffen wollen. Ebenso gut kann man andererseits – wie bei dem Vergleich zu § 150b ZVG156 – auf das Fehlen einer entsprechenden Anordnung („Schuldner wird zum Verwalter bestellt“) abstellen und damit den entgegengesetzten Willen begründen. Außerdem ist generell zu fragen, inwieweit man im Falle rechtsvergleichender Bezüge überhaupt unterstellen kann, dass der Gesetzgeber auch konkrete Regelungen in seinen Willen aufgenommen hat. Soweit keine unmissverständliche Einbezie___________ J. Mohrbutter, in: Bley/Mohrbutter, VglO, § 25 Rn. 13, Rn. 47; Mohrbutter/H. Mohrbutter, Rn. XVII.11; Baumann, Konkurs und Vergleich, S. 183. Trotzdem war anerkannt, dass das Vermögen des Schuldners der Gesamtheit der Vergleichsgläubiger verhaftet war, vgl. Smid, Grundzüge, 2. Auflage, § 7 Rn. 68, was letztlich auf einen Insolvenzbeschlag im Sinne einer haftungsrechtlichen Zuweisung hindeutet. 150 So aber Foltis, in: FK zur InsO, § 270 Rn. 16. 151 Vgl. oben (1) (b), Seite 50. 152 Insbesondere für das Reorganisationsverfahren, vgl. B. II. 3., Seite 41. 153 Bundesregierung, Begründung RegE InsO, BT-Drucks. 12/2443, S. 106; Kommission für InsR, Erster Bericht, Begründung zu Leitsatz 1.3.1.1, S. 125. 154 Frei übersetzt: Der eigenverwaltende Schuldner soll alle Rechte und Befugnisse sowie alle Funktionen und Pflichten eines Verwalters, der ein Verfahren unter diesem Titel durchführt, wahrnehmen. 155 Ebenso Schlegel, S. 38. 156 Vgl. dazu oben B. II. 2., Seite 41. Die Rechtsstellung des Schuldner-Zwangsverwalters nach §§ 150b ff. ZVG stimmt weitgehend mit derjenigen eines „debtor in possession“ des amerikanischen Konkursrechts überein, vgl. Berges, KTS 1976, 161, 172.

Kap. 1: Grundzüge des Rechts der Eigenverwaltung

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hung vorliegt, muss diese Frage im Zweifel verneint werden, weil ausländisches Recht oftmals erhebliche Systemunterscheide aufweist und auch nicht unterstellt werden kann, dass der Gesetzgeber die entsprechende Regelung überhaupt gekannt hat. Da die in den Gesetzesmaterialien zu findenden rechtsvergleichenden Bezüge sehr vage sind und zu der hier diskutierten Frage nichts Konkretes enthalten,157 muss ein solcher Übernahmewillen daher verneint werden. In Bezug auf den Rechtsgrund des Verfügungsrechts ist der Vergleich mit dem US-amerikanischen Recht somit jeder Erkenntniswert abzusprechen. (c) Ergebnis der historischen Auslegung Nach der historischen Auslegung ist somit davon auszugehen, dass dem Schuldner das Verfügungs- und Verwaltungsrecht nicht entzogen wird. (4) Teleologische Auslegung (a) Sinn und Zweck der Eigenverwaltung Aus dem Sinn und Zweck der Eigenverwaltung, die besonderen Fähigkeiten und Kenntnisse des Schuldners für das Verfahren nutzbar zu machen, kann für die hier erörterte Frage nichts abgeleitet werden, jedenfalls aber kein Indiz für die Privatautonomie als Rechtsgrundlage.158 Denn für die Einbringung dieser Vorteile ist allein das „ob“ der Verwaltung der Insolvenzmasse durch den Schuldner entscheidend, nicht aber der Rechtsgrund, auf dem sie beruht. (b) Sinn und Zweck des Insolvenzverfahrens Möglicherweise steht der Auffassung, dass der Schuldner kraft eigener Privatautonomie handele, aber der Insolvenzzweck der bestmöglichen Gläubigerbefriedigung (§ 1 S. 1 InsO) entgegen, der auch in der Eigenverwaltung grundsätzliche Geltung beansprucht.159 Das wäre der Fall, wenn sie eine Bindung des ___________ 157 Belegen lässt sich insofern nur, dass die positiven Erfahrungen aus dem USamerikanischen Chapter-11-Verfahren den Gesetzgeber zur Einführung der Eigenverwaltung als solche bewogen haben, vgl. Bundesregierung, Begründung RegE InsO, BT-Drucks. 12/2443, S. 106. Darüber hinaus finden sich z. B. in den Einzelbegründungen zu den §§ 331–346 RegE InsO (= §§ 270–285 InsO) überhaupt keine Verweise mehr auf das US-amerikanische Recht. 158 So aber AG Köln, Beschluss vom 23. 1. 2004 – 71 IN 1/04, ZInsO 2004, 216, 218. 159 Vgl. Bundesregierung, vor § 331 RegE InsO, BT-Drucks. 12/2443, S. 222 re. Sp. unten: „Eine Person …“.

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1. Teil: Grundlagen

Schuldners an § 1 S. 1 InsO nicht erklären könnte und damit den Insolvenzzweck gefährdete.160 Allerdings könnte § 1 S. 1 InsO über § 270 I 2 InsO auf das Verwaltungsund Verfügungsrecht des Schuldners anwendbar sein; eine Sonderregelung ist in §§ 270 ff. InsO nicht enthalten. Dann muss § 1 S. 1 InsO eine allgemeine Vorschrift im Sinne dieser Bestimmung darstellen. Das sind nur diejenigen Vorschriften, die auch für das reguläre (eröffnete) Insolvenzverfahren gelten.161 Daran besteht für § 1 S. 1 InsO kein Zweifel; die bestmögliche Gläubigerbefriedigung ist nicht nur oberste Richtschnur für das Verwalterhandeln, sondern der Inbegriff des Verfahrens selbst. Ferner ist der Erste Teil der Insolvenzordnung (§§ 1 bis 10 InsO) gerade mit „allgemeine Vorschriften“ amtlich überschrieben. § 1 S. 1 InsO gehört daher zu dem Kreis der über § 270 I 2 InsO entsprechend anwendbaren Regelungen. Da auch die Eigenverwaltung ein (modifiziertes) eröffnetes Insolvenzverfahren ist, liegt schließlich zudem der Tatbestand des § 1 S. 1 InsO vor.162 Die generelle Geltung des § 1 S. 1 InsO in der Eigenverwaltung wird daher zu Recht anerkannt.163 Problematisch ist jedoch, dass § 270 I 2 InsO die Anwendung der allgemeinen Vorschriften nur für das „Verfahren“ anordnet. Diese Formulierung könnte dahin verstanden werden, dass für das in § 270 I 1 InsO spezieller geregelte Verwaltungs- und Verfügungsrecht eine entsprechende Anwendung nicht vorgesehen ist. Dafür könnte auch die Gesetzesbegründung sprechen, nach der „außerhalb164 des Bereichs der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnisse […] die gleichen Bestimmungen wie für ein Insolvenzverwahren mit Insolvenzverwalter (Absatz 1 Satz 2)“165 gelten sollen und die damit das Verfügungsrecht – sozusagen als aliud gegenüber den sonstigen verfahrensrechtlichen Befugnissen des Schuldners – von dem Verweis des § 270 I 2 InsO offenbar ausnimmt. Das könnte insgesamt dafür sprechen, dass auch § 1 S. 1 InsO auf das Verfügungs-

___________ 160 Vgl. Pape, in: Kölner Schrift, S. 895 ff. Rn. 40; ähnliche Bedenken hat wohl Wittig, in: MK zur InsO, § 270 Rn. 69. 161 Kapitel 3 A. II. 1. a) aa) (1) (a), Seite 145. 162 So auch Huhn, Rn. 592 und 609; Schlegel, S. 124. Als alleiniges Argument genügt das aber nicht, denn die Anwendbarkeit einer Norm im Rahmen der Eigenverwaltung kann sich nur über § 270 I 2 InsO ergeben und bestimmt sich nicht allein danach, ob der Tatbestand der anzuwendenden Norm erfüllt ist. 163 Riggert, in: Nerlich/Römermann, InsO, § 270 Rn. 5; Uhlenbruck, in: Uhlenbruck, InsO, § 270 Rn. 7; Wittig, in: MK zur InsO, vor §§ 270 bis 285 Rn. 28; Foltis, in: FK zur InsO, § 270 Rn. 18c. 164 Hervorhebung durch den Verfasser. 165 Bundesregierung, Begründung zu § 331 RegE InsO, BT-Drucks. 12/2443, S. 223.

Kap. 1: Grundzüge des Rechts der Eigenverwaltung

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recht keine Anwendung findet und der Schuldner diesbezüglich eine insolvenzrechtsfreie Stellung einnimmt.166 Dieses Verständnis ist aber nicht zwingend. Mit „Verfahren“ kann dem Wortsinn nach auch die Ausübung des Verwaltungs- und Verfügungsrechtes umfasst sein. Die zitierte Gesetzesbegründung kann dementsprechend auch dahin verstanden werden, dass die allgemeinen Vorschriften nur insoweit verdrängt sein sollen, wie die Zuweisung der Verfügungs- und Verwaltungsbefugnisse auf den Schuldner als solche (nicht aber deren Grenzen) betroffen ist. § 270 I 2 InsO definierte bei dieser Lesweise nur die Zuweisung, nicht den Inhalt des Verfügungsrechts.167 Diese Deutung wird auch durch weitere Passagen der Gesetzesbegründung gestützt: Zum einen sollen die Vorschriften des materiellen Insolvenzrechts bei der Eigenverwaltung „im Grundsatz unverändert gelten“.168 Zum anderen wird die Geeignetheit des Schuldners zur Eigenverwaltung davon abhängig gemacht, dass dieser „die Interessen der Gläubiger über die eigenen“ stellen könne,169 was eine Bindung auch des Schuldners an § 1 S. 1 InsO voraussetzt. Vor allem aber muss die bestmögliche Gläubigerbefriedigung als Inbegriff des Insolvenzverfahrens verstanden werden, das Ziel, um dessentwillen das Verfahren durchgeführt wird; auch die Eigenverwaltung ist Mittel der Haftungsverwirklichung. Es handelt sich daher um einen umfänglich geltenden Grundsatz, der alle Verfahrensbeteiligten gleichermaßen bindet und auch nicht beim Verwaltungs- und Verfügungsrecht des Schuldners Halt macht. Somit muss sich die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des eigenverwaltenden Schuldners an § 1 S. 1 InsO ausrichten.170 Da diese Begründung unabhängig vom Rechtsgrund des Verfügungsrechts gilt, birgt auch die These eines Verfügungsrechts kraft Privatautonomie nicht die Gefahr, den Insolvenzzweck zu vereiteln. Darüber hinaus wird eingewendet, dass die Annahme einer privatautonomen Rechtsmacht die durch § 1 S. 1 InsO gebotene Unwirksamkeit von Verfügungen des Schuldners, die offensichtlich dem Zweck des Verfahrens widerstreiten, nicht erklären könne.171 Diese Befürchtung ist jedoch unbegründet, weil es ___________ 166 Ähnlich, aber zu weitgehend Foltis, in: FK zur InsO, § 270 Rn. 16, der diese Begründung als Indiz für eine generell (auch hinsichtlich anderer Befugnisse) insolvenzrechtsfreie Stellung des Schuldners wertet. 167 So auch Prütting/Huhn, ZIP 2002, 777, 780 (in anderem Zusammenhang). 168 Bundesregierung, vor § 331 RegE InsO, BT-Drucks. 12/2443, S. 223. 169 Bundesregierung, vor § 331 RegE InsO, BT-Drucks. 12/2443, S. 222. 170 Im Ergebnis auch Schlegel, S. 124; Huhn, Rn. 592 und 609; Noack, ZIP 2002, 1873, 1875; Uhlenbruck, in: Uhlenbruck, InsO, § 80 Rn. 3. 171 Pape, in: Kölner Schrift, S. 895 ff. Rn. 40; ders., in: Kübler/Prütting, InsO, § 1; Wittig, in: MK zur InsO, § 270 Rn. 69.

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1. Teil: Grundlagen

– wie noch zu zeigen ist172 – diese These gestattet, die Regeln über den Missbrauch der Vertretungsmacht auf den eigenverwaltenden Schuldner entsprechend anzuwenden, so dass auch insoweit keine Beeinträchtigung des Prinzips einer optimalen Gläubigerbefriedigung droht. (c) Ergebnis der teleologischen Auslegung Die teleologische Auslegung ist also im Ergebnis offen. (5) Gesamtergebnis der Auslegung In der Gesamtschau der vorstehenden Erwägungen ist der These der Vorzug zu geben, dass das Verwaltungs- und Verfügungsrecht dem Schuldner durch die Anordnung der Eigenverwaltung nicht übertragen wird, sondern kraft eigener Rechtsmacht bestehen bleibt. Dieses Resultat ergibt sich vor allem aus systematischen und historischen Erwägungen und steht mit Wortlaut sowie Sinn und Zweck der Norm im Einklang.173 b) Rechtsnatur aa) Stellung als Insolvenzverwalter Vor allem wegen der besonderen insolvenzrechtlichen Befugnisse, die dem Schuldner in der Eigenverwaltung verliehen werden, könnte man erwägen, dass dieser selbst zum Insolvenzverwalter bestellt wird. Hinzu kommt, dass auch der Kommission für Insolvenzrecht offenbar noch eine Bestellung des Schuldners zum Insolvenzverwalter vorschwebte.174 Dem steht indes der Wortlaut der §§ 270 ff. InsO entgegen, die schlicht vom „Schuldner“ sprechen und diesen weder ausdrücklich – wie etwa § 150b I 1

___________ 172

Siehe unten 4. b), Seite 83. Zum Rangverhältnis der verschiedenen Auslegungsmethoden vgl. Larenz, S. 343 ff. 174 Vgl. Kommission für InsR, Erster Bericht, Begründung zu Leitsatz 1.3.1.1, S. 125 ff.: „Denn der ‚Selbstverwalter‘ müsste in seiner Eigenschaft als Vertreter des Schuldners andere Aufgaben erfüllen […]“ (S. 125 f); „Denkbar wäre allenfalls, die […] vertretungsberechtigten Organe einer Kapitalgesellschaft zum Selbstverwalter zu bestellen“ (S. 126). Dazu eingehend Kapitel 5 B. II. 2. a) aa) (3) (a) (bb), Seite 258. 173

Kap. 1: Grundzüge des Rechts der Eigenverwaltung

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ZVG (Zwangsverwaltung) oder 11 U.S.C. § 1107 (debtor in possession)175 – zum „(Eigen-)Verwalter“ bestellen noch als solchen titulieren. Systematisch spricht gegen eine Verwalterstellung der Umkehrschluss aus § 270 III 1 InsO, dem zufolge in der Eigenverwaltung anstelle des Insolvenzverwalters der Sachwalter bestellt wird und mithin nicht der Schuldner. Dasselbe ist aus §§ 274 I, 277 I 3 InsO abzuleiten, die die Anwendung der speziell für den Insolvenzverwalter geltenden Vorschriften der §§ 56 ff. InsO nur für den Sachwalter anordnen. Gegen die Insolvenzverwalterstellung des Schuldners kann schließlich auch § 56 I InsO angeführt werden, der die persönlichen Voraussetzungen für das Amt des Insolvenzverwalters normiert. Zum einen könnte der Schuldner niemals die von § 56 I InsO geforderte Unabhängigkeit aufweisen.176 Dieses Argument ist allerdings – zugegebenermaßen – nicht zwingend, da die mangelnde Unabhängigkeit des Schuldners auch nicht seine Bestellung zum Verwalter nach § 150b ZVG hindert177. Zum anderen beschränkt § 56 I InsO den Kreis möglicher Insolvenzverwalter jedoch auf natürliche Personen, so dass die Eigenverwaltung juristischer Personen und damit einer der wichtigsten Anwendungsfälle der §§ 270 ff. InsO ausgeschlossen wäre.178 Daher ist der einhelligen Verneinung179 der Bestellung des eigenverwaltenden Schuldners zum Insolvenzverwalter uneingeschränkt zuzustimmen. ___________ 175 Siehe schon B. II. 3., Seite 41 (ZVG), und a) bb) (3) (b), Seite 60 (11 U.S.C. § 1107). 176 So Huhn, Rn. 594. Mangels Unabhängigkeit können weder der Schuldner, noch seine gesetzlichen Vertreter im regulären Verfahren zum Insolvenzverwalter bestellt werden, vgl. Lüke, in: Kübler/Prütting, InsO, § 56 Rn. 9; Delhaes, in: Nerlich/Römermann, InsO, § 56 Rn. 11. 177 Die Unabhängigkeit von sämtlichen Beteiligten ist – obgleich nicht besonders normiert – nach einhelliger Auffassung ebenfalls für die Bestellung zum Zwangsverwalter i. S. d. § 150 ZVG Voraussetzung, vgl. Stöber, ZVG, § 150 Rn. 2.6; Hagemann, in: Steiner, ZVG, § 150 Rn. 9. 178 Ebenso Uhlenbruck, FS Kirchhof, 479, 499; in diese Richtung ders., FS Metzeler, 85, 99. Auch bei § 150b ZVG kann nur eine natürliche Person zum Selbstverwalter bestellt werden. Ist eine juristische Person Eigentümerin des zwangsverwalteten Grundstücks, wird allein ihr gesetzlicher Vertreter zum Verwalter bestellt, da andernfalls ein Wechsel in der Geschäftsleitung (durch Abberufung und Neubestellung) nicht zu kontrollieren wäre (vgl. J. Mohrbutter/Drischler/Radtke/Tiedemann, S. 851 f.; i. E. auch Hagemann, in: Steiner, ZVG, §§ 150b–150e Rn. 20; Jonas/Pohle, ZwVNotR, § 150b Rn. 3; Stöber, ZVG, § 150b Rn. 2.8; Muth, in: Dassler, ZVG, § 150b Rn. 7). Dieses Problem kann insbesondere auch nicht durch die verbreitete Annahme aufgelöst werden, dass in der Eigenverwaltung einer juristischen Person ihr Geschäftsleitungsorgan zum Eigenverwalter bestellt wird (Theorie der Verdrängung). Denn mit § 56 I InsO ließe sich allein rechtfertigen, dass ein einziger ihrer gesetzlichen Vertreter die Funktion des Eigenverwalters ausübte (so etwa bei § 150b ZVG). Zum Ganzen unten Kapitel 5 B. II. 2. a) aa) (2) (c), Seite 246. 179 Uhlenbruck, FS Kirchhof, 479, 499; ders., FS Metzeler, 85, 99; Riggert, in: Braun, InsO, § 270 Rn. 9 („verwalterloses Verfahren“); Haarmeyer/Wutzke/Förster,

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1. Teil: Grundlagen

bb) Stellung als „Amtswalter in eigenen Angelegenheiten“ Wenn somit zwar feststeht, dass der eigenverwaltende Schuldner nicht zum Insolvenzverwalter bestellt wird, bleibt doch ungewiss, ob er nicht wenigstens eine amtliche Stellung innehat, die mit der eines Insolvenzverwalters vergleichbar ist. Diese Frage bejaht die absolut überwiegende Auffassung, die – in Rückgriff auf die für die Rechtsstellung des Verwalters vorherrschende Amtstheorie180 – den eigenverwaltenden Schuldner als „Amtswalter in eigenen Angelegenheiten“ betrachtet.181 Der Schuldner werde zwar nicht zum Insolvenzverwalter berufen, er habe aber eine amtliche Stellung vergleichbar der eines Insolvenzverwalters, und zwar ohne Unterschied hinsichtlich seiner sämtlichen Befugnisse einschließlich des Verwaltungs- und Verfügungsrechts. Angesichts des soeben gefundenen Ergebnisses, dass die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des eigenverwaltenden Schuldners als privatautonome Rechtsposition bestehen bleibt, muss diese Auffassung allerdings einer Überprüfung unterzogen werden. Möglicherweise ist eine Amtswalterstellung auf die Rechte der §§ 279 S. 1, 282 I 1, 283 I 1 InsO zu beschränken182 oder insgesamt abzulehnen.183 Dafür ist eine Analyse dessen erforderlich, was die Stel___________ Kap. 10 Rn. 17. So wohl auch all jene, die den Schuldner lediglich „wie einen Insolvenzverwalter“ behandeln wollen, etwa Foltis, in: FK zur InsO, § 270 Rn. 16; Landfermann, in: HK zur InsO, § 270 Rn. 19; Noack, ZIP 2002, 1873, 1875. 180 Statt vieler Haarmeyer/Wutzke/Förster, Kap. 5 Rn. 21 ff.; Smid, in: Smid, InsO, § 9 Rn. 47. Andere Theorien fassen den Insolvenzverwalter dagegen als gesetzlichen Vertreter des Schuldners oder, für den Fall einer juristischen Person, als dessen Organ auf (siehe den Überblick bei Ott, in: MK zur InsO, § 80 Rn. 20 ff.). 181 Frege/Keller/Riedel, Rn. 2039; Haas, in: Gottwald, § 89 Rn. 1; Häsemeyer, InsR, Rn. 8.13; H.-F. Müller, ZGR 2004, 842, 859; Berscheid, FS Kirchhof, 27, 46; Weis, in: Hess, InsO, § 270 Rn. 17; Pape, in: Kölner Schrift, S. 895 ff. Rn. 40; Riggert, in: Nerlich/Römermann, InsO, § 270 Rn. 3; ders., in: Braun, InsO, § 270 Rn. 1; Smid, Grundzüge, § 29 Rn. 6; ders., WM 1998, 2489, 2510; Lakies, BB 1999, 1759, 1760; Uhlenbruck, in: Uhlenbruck, InsO, § 270 Rn. 18; ders., FS Kirchhof, 479, 498 f; ders., FS Metzeler, 85, 95; Pape/Uhlenbruck, InsR, Rn. 860; Wittig, in: MK zur InsO, § 270 Rn 69. Von einer „amtlichen Stellung wie ein Insolvenzverwalter“ – was wohl dasselbe bedeutet – sprechen: Foltis, in: FK zur InsO, § 270 Rn. 16; Landfermann, in: HK zur InsO, § 270 Rn. 19. Tendenziell, wenn auch im Ergebnis unklar: Prütting/Huhn, ZIP 2002, 777, 780 r. Sp. und 782 r. Sp. („Verfügungsrecht wie ein Insolvenzverwalter“), vgl. aber ebenda S. 779 r. Sp.; Noack, ZIP 2002, 1873, 1875 („funktionell wie ein Insolvenzverwalter“). Dagegen Huhn, Rn. 592 ff. und Prütting, FS Kirchhof, 433, 434. A. A. auch Kruse, S. 225 f., der den eigenverwaltenden Schuldner – mit zweifelhafter Begründung – als seinen eigenen gesetzlichen Vertreter betrachtet. 182 So Landfermann, in: HK zur InsO, § 270 Rn. 19; wohl auch Smid, Grundzüge, § 29 Rn. 4 und 6, der die Amtswalterstellung nur hinsichtlich der spezifisch insolvenzrechtlichen Befugnisse bespricht. 183 Vgl. Huhn, Rn. 583, 592 ff., der eine solche Spaltung des Rechtsgrunds für mit einer Amtswalterstellung generell unvereinbar hält.

Kap. 1: Grundzüge des Rechts der Eigenverwaltung

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lung des Insolvenzverwalters im Allgemeinen und die Stellung des Schuldners als „Amtswalter in eigenen Angelegenheiten“ im Besonderen überhaupt ausmacht. (1) Amtswalterstellung des Insolvenzverwalters Der Amtstheorie zufolge ist der Insolvenzverwalter ein gerichtlich bestellter Verwalter eines privaten Amtes, der im eigenen Namen mit Wirkung für und gegen die Masse handelt, allerdings nicht aus eigenem Recht184 und eigenem Interesse, sondern fremdnützig. Die ihm aufgrund § 80 InsO übertragene Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis ist gesetzlich pflichtgebunden und durch den Insolvenzzweck begrenzt; sie wird nicht subjektiv an seine Person, sondern objektiv an sein Amt gebunden.185 Im Prozess ist er Partei kraft Amtes.186 Voraussetzung für die Amtsstellung des Insolvenzverwalters ist – wie sonst bei öffentlichen Ämtern (vgl. § 11 Nr. 2 lit. c StGB)187 – seine Bestellung durch gerichtlichen Beschluss.188 Die Amtswalterstellung des Verwalters wird somit durch vier wesentliche Elemente gekennzeichnet: Pflichtgebundenheit, Fremdnützigkeit, Rechtsmacht kraft gerichtlichen Akts, förmliche Bestellung. (2) Amtswalter in eigenen Angelegenheiten Indem die h. M. diese Stellung auf den eigenverwaltenden Schuldner zu übertragen sucht, muss sie freilich einerseits auf das formelle Erfordernis des ___________ Häufig wird die Amtswalterstellung und die Verfügungsmacht kraft Privatautonomie in ein Ausschließlichkeitsverhältnis (entweder/oder) gestellt (etwa Huhn, Rn. 583; Pape, in: Kölner Schrift, S. 895 ff. Rn. 40; ders., in: Kübler/Prütting, InsO, § 270 Rn. 1; Wittig, in: MK zur InsO, § 270 Rn. 69), ohne dass dafür allerdings eine Begründung gegeben wird. Da die Amtswalterstellung allerdings eine bloße rechtliche Charakterisierung der Stellung des Schuldners darstellt, die auf der Ausgestaltung dieser Rechtsstellung durch den Gesetzgeber aufbaut, ist es nicht einsichtig, dass sie – sozusagen vorgreiflich – und den Inhalt dieser Ausgestaltung beeinflussen können sollte. 184 Rechtsträger bleibt vielmehr der Schuldner, h. M. vgl. Häsemeyer, InsR, Rn. 15.06; Ott, in: MK zur InsO, § 80 Rn. 6. A. A. Wittowski, in: Nerlich/Römermann, InsO, § 80 Rn. 40: Verwalter handelt aus eigenem Recht. 185 Blersch, in: BK zum InsR, § 56 Rn. 19; Häsemeyer, InsR, Rn. 15.06; Haarmeyer/Wutzke/Förster, Kap. 5 Rn. 22; Wittig, in: MK zur InsO, § 80 Rn. 27. 186 Häsemeyer, InsR, Rn. 15.06. 187 Der Insolvenzverwalter ist mangels öffentlichen Amtes jedoch nicht Amtsträger i. S. d. § 11 Nr. 2 c StGB (Wittowski, in: Nerlich/Römermann, InsO, § 80 Rn. 40); siehe schon RG, Urteil vom 19. 3. 1889 – Rep. 496/89, RGZ 19, 85, 86). 188 Lüke, in: Kübler/Prütting, InsO, § 56 Rn. 20, 22; Delhaes, in: Nerlich/Römermann, InsO, § 56 Rn. 14 f.

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1. Teil: Grundlagen

Bestellungsaktes verzichten,189 den es bei der Eigenverwaltung in Bezug auf den Schuldner nicht gibt. Da der Schuldner zudem nicht wie ein Insolvenzverwalter in fremden, sondern in eigenen Angelegenheiten tätig wird, gibt sie andererseits das Merkmal der Fremdnützigkeit auf, wie gerade auch die Bezeichnung „Amtswalter in eigenen Angelegenheiten“ offenbart. (a) Pflichtbindung Als ein wesentliches Merkmal wird stets besonders hervorgehoben, dass der Schuldner aufgrund seiner Amtsstellung ebenso wie ein Insolvenzverwalter gesetzlich verpflichtet sei, die Interessen der Gläubigergesamtheit zu wahren und Einzel-, vor allem aber Eigeninteressen hintanzustellen.190 Die Amtswalterstellung bezeichnet nach der h. M. also zuvorderst eine Pflichtbindung. Es besteht kein Zweifel daran, dass auch der eigenverwaltende Schuldner eben einer solchen Bindung an § 1 S. 1 InsO unterliegt; das gilt für das Verwaltungs- und Verfügungsrecht des § 270 I 1 InsO – wie soeben dargetan191 – und die übrigen Befugnisse gleichermaßen. Zudem wird das Verfügungsrecht des Schuldners durch die §§ 275 ff. InsO beschränkt und damit letztlich, gleich dem Verfügungsrecht des Verwalters, dem Insolvenzverfahren untergeordnet. Die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis besteht also nicht als insolvenzrechtsfreie Rechtsposition,192 sondern sie ist in Art und Umfang wie das Verwaltungsrecht eines Insolvenzverwalters beschränkt und in ihrer Ausübung ebenso zweckgebunden. Die Pflichtbindung als Merkmal einer amtlichen Stellung ist beim eigenverwaltenden Schuldner daher gegeben. Umgekehrt ist allerdings die Annahme einer Amtswalterstellung nicht notwendig, um die Pflichtgebundenheit zu erklären. Denn diese ergibt sich unmittelbar aus dem Gesetz selbst, weil § 1 S. 1 InsO das gesamte Verfahren und seine sämtlichen Beteiligten und damit auch den Schuldner in der Eigenverwal___________ 189

Foltis, in: FK zur InsO, § 270 Rn. 16 stellt statt eines förmlichen Bestellungsaktes offenbar auf den „Insolvenzeröffnungsbeschluss“ ab. Einer Gleichsetzung steht aber entgegen, dass dem Eigenverwalter nicht wie dem Insolvenz- (§ 56 II InsO) bzw. Sachwalter (§§ 274 I, 56 II InsO) eine Bestellungsurkunde ausgehändigt wird, noch seine Bestellung (wie sonst gem. §§ 30 I, 27 II Nr. 2 InsO; § 20 I Nr. 2 VglO für den Vergleichsund §§ 110, 78 ff. KO für den Konkursverwalter) öffentlich bekannt gemacht wird, so dass es an der für eine förmliche Bestellung typischen Publizität mangelt. 190 Vgl. Häsemeyer, InsR, Rn. 8.13, 8.15; Frege/Keller/Riedel, Rn. 2039; Haas, in: Gottwald, § 89 Rn. 1; Riggert, in: Braun, InsO, § 270 Rn. 1. Uhlenbruck, FS Kirchhof, 479, 491 bezweifelt – nicht ohne Grund –, dass sich die strikte Hintansetzung eigener Interessen im Rahmen der Eigenverwaltung verwirklichen lässt. 191 a) bb) (4) (b), Seite 61. 192 So aber die Befürchtung von Foltis, in: FK zur InsO, § 270 Rn. 16.

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tung erfasst.193 Ebenso wenig bedarf es der Amtswalterstellung, um zu begründen, dass gläubigerschädigende Handlungen des Schuldners während der Eigenverwaltung nicht gem. §§ 129 ff. InsO angefochten werden können,194 oder offenkundig insolvenzzweckwidrige Verfügungen unwirksam sind.195 Ersteres folgt bereits aus dem Tatbestand des § 129 InsO (Rechtshandlungen vor Verfahrenseröffnung) und letzteres daraus, dass die Unwirksamkeit mit den Grundsätzen über den Missbrauch der Vertretungsmacht begründet werden kann, deren Anwendung von der Amtswalterstellung unabhängig ist.196 (b) Rechtsgrund der Befugnisse Des Weiteren wird für die Begründung der Amtswalterstellung darauf verwiesen, dass der Schuldner – ebenfalls wie ein Insolvenzverwalter – nicht kraft eigener Privatautonomie, sondern kraft ihm durch Gesetz zugewiesener Rechtsmacht handele.197 Dabei wird insbesondere auf die spezifisch insolvenzrechtlichen Befugnisse (§§ 279 S. 1, 282 I 1, 283 I 1 InsO) abgestellt, die dem Schuldner aufgrund seiner Privatautonomie nicht zustehen könnten.198 Wie jedoch ausführlich nachgewiesen worden ist,199 übt der Schuldner sein Verwaltungs- und Verfügungsrecht (§ 270 I 1 InsO) auf Grundlage seiner ihm belassenen, originären Rechtsmacht aus. Anders als ein Insolvenzverwalter verwaltet und verfügt der Schuldner daher aus eigenem Recht. Aufgrund dessen tritt der Schuldner in Prozessen für und gegen die Insolvenzmasse auch nicht wie ein Insolvenzverwalter in gesetzlicher Prozessstandschaft200 auf,201 sondern ___________ 193

a) bb) (4) (b) , Seite 61; ebenso Huhn, Rn. 609. So aber Wittig, in: MK zur InsO, § 270 Rn. 70; in diese Richtung wohl auch Huhn, Rn. 620 ff. 195 So aber etwa Häsemeyer, InsR, Rn. 8.10., 8.13; Pape, in: Kübler/Prütting, InsO, § 270 Rn. 1; ders., in: Kölner Schrift, S. 895 ff. Rn. 40; Wittig, in: MK zur InsO, § 270 Rn. 69. 196 Eingehend folgend 4., Seite 81 und insbesondere dort b), Seite 83. 197 Häsemeyer, InsR, Rn. 8.13; Frege/Keller/Riedel, Rn. 2039; Riggert, in: Braun, InsO, § 270 Rn. 1; ders., in: Nerlich/Römermann, InsO, § 270 Rn. 3. Foltis, in: FK zur InsO, § 270 Rn. 15a 198 Etwa Pape, in: Kölner Schrift, S. 895 ff. Rn. 39; ders., in: Kübler/Prütting, InsO, § 270 Rn. 1; Häsemeyer, InsR, Rn. 8.13; Smid, WM 1998, 2489, 2510. 199 Oben a) bb) Seite 49 ff., insbesondere (5) Seite 64. 200 Prozessstandschaft ist die Befugnis, ein fremdes Recht im eigenen Namen einzuklagen (vgl. Vollkommer, in: Zöller, ZPO, Vor § 50 Rn. 20); Insolvenzverwaltern steht diese Befugnis kraft Amtes zu (BGH, Beschluss vom 27. 10. 1983 – I ARZ 334/83, BGHZ 88, 331, 334 m. w. N.). 201 So aber Häsemeyer, InsR, Rn. 8.15; Smid, WM 1998, 2489, 2511; ders., Grundzüge, § 29 Rn. 12; Foltis, in: FK zur InsO, § 270 Rn. 15. 194

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macht ein eigenes Recht im eigenen Namen geltend.202 In Bezug auf das Verwaltungs- und Verfügungsrecht fehlt somit das zur Begründung der Amtswalterstellung des Schuldners erforderliche bzw. das von der h. M. herangezogene Kriterium einer durch Gesetz zugewiesenen Rechtsmacht. Was dagegen die Befugnisse aus §§ 279 S. 1, 282 I 1, 283 I 1 InsO anbelangt, so können diese in der Tat ausschließlich auf dem Anordnungsbeschluss, also einem gesetzlichen Übertragungsakt beruhen.203 Das nötigt allerdings nicht zu dem Schluss, die gesamte Rechtsstellung des Schuldners müsse insolvenzspezifisch begründet sein und der Schuldner daher insgesamt eine amtliche Stellung einnehmen.204 Vielmehr kann auch eine Trennung der Rechtsgründe ohne logische Brüche angenommen werden.205 Außerdem werden dem Schuldner diese besonderen Befugnisse – worauf Huhn überzeugend hingewiesen hat206 – nach der Konzeption des Gesetzgebers nicht als Ausdruck einer amtlichen Stellung, sondern aus praktischen Erwägungen zugewiesen, wie etwa der, dass in der Eigenverwaltung gegenüber dem Regelverfahren keine unterschiedlichen materiell-rechtlichen Regelungen zur Anwendung kommen sollen.207 Das wird auch dadurch erhärtet, dass im Vergleichsverfahren, an das sich die Eigenverwaltung im Allgemeinen und hinsichtlich § 279 InsO bzw. § 283 InsO im Besonderen anlehnt,208 dem Schuldner ebenfalls sowohl ein Bestreitensrecht (§ 71 I VglO)209 wie auch ein Wahlrecht bei gegenseitigen Verträgen (§§ 50, 51 VglO) zustand, ohne dass er deshalb als Inhaber einer amtlichen Stellung ange___________ 202 Ebenso Huhn, Rn. 600. Kritisch schon Landfermann, in: HK zur InsO, § 270 Rn. 19 und Wittig, in: MK zur InsO, § 270 Rn. 106, die es – sogar bei Bejahung einer Amtswalterstellung in eigenen Angelegenheiten – für gekünstelt halten, dem Schuldner die Prozessführungsbefugnis nur in Prozessstandschaft zuzuerkennen. Ablehnend wohl auch Foltis, in: FK zur InsO, § 270 Rn. 15a a. E. 203 Siehe a) aa), Seite 48. 204 So aber Blersch, in: BK zum InsR, § 270 Rn. 2; Häsemeyer, InsR, Rn. 8.13.; Pape, in: Kölner Schrift, S. 895 ff. Rn. 39; ders., in: Kübler/Prütting, InsO, § 270 Rn. 1; Wittig, in: MK zur InsO, § 270 Rn 69. 205 Dazu bereits a) bb) (2) (d), 57. 206 Huhn, Rn. 598. 207 So bzgl. des Wahlrechts nach § 279 S. 1 InsO ausdrücklich die Bundesregierung, Begründung zu § 340 RegE InsO, BT-Drucks. 12/2443, S. 225. Vgl. aber auch bzgl. des Verwertungsrechts (§ 282 I 1) die Bundesregierung, Begründung zu § 343 RegE InsO, BT-Drucks. 12/2443, S. 226 („[…] ermöglicht es, die gleichen günstigen Voraussetzungen für die gemeinsame Verwertung […] zu schaffen wie im sonstigen Insolvenzverfahren […]“. 208 So die amtliche Begründung im Allgemeinen (vor § 331 RegE InsO, BT-Drucks. 12/2443, S. 223) und zu § 279 InsO (Begründung zu § 340 RegE InsO, BT-Drucks. 12/2443, S. 225) bzw. zu § 283 InsO (Begründung zu § 344 RegE InsO, BT-Drucks. 12/2443, S. 226) im Besonderen. 209 So auch Huhn, Rn. 599.

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sehen wurde.210 Daher ist es bei den besonderen insolvenzrechtlichen Befugnissen des eigenverwaltenden Schuldners in Bezug auf ihren Rechtsgrund zwar nicht ausgeschlossen, allerdings auch nicht zwingend erforderlich, von einer Stellung des Schuldners als Amtswalter auszugehen. (3) Sinnhaftigkeit einer partiellen Amtswalterstellung Aufgrund dieser Überlegungen kann jedenfalls hinsichtlich der Befugnisse aus § 270 I 1 InsO eine Amtsstellung des Schuldners nicht mehr befürwortet werden. Denn mit Ausnahme der Pflichtbindung liegen all diejenigen Merkmale nicht vor, die die Amtswalterstellung des Insolvenzverwalters nach h. M. ausmachen. Insoweit ist ein Rückgriff auf diese Konstruktion überdies entbehrlich, da die Pflichtbindung auch ohne Amtswalterstellung begründet werden kann. Es fragt sich deshalb, ob eine Amtswalterstellung auf die Rechte der §§ 279 S. 1, 282 I 1, 283 I 1 InsO zu beschränken211 oder insgesamt abzulehnen212 ist. Den Schuldner nur partiell, also hinsichtlich einiger seiner Befugnisse, als Amtswalter zu betrachten, wirkte allerdings nicht nur künstlich und formalistisch, sondern dieser Annahme stünde auch das Interesse des Rechtsverkehrs an einer klaren und sicheren Rechtslage entgegen. Denn eine solche Aufspaltung hätte zur Folge, dass bestimmte Rechtshandlungen des Schuldners ggf. anderen Parametern bzw. Rechtsfolgen – wie z. B. der Amtswalterhaftung (§ 60 InsO) oder der Nichtigkeit wegen offenkundiger Insolvenzzweckwidrigkeit – unterlägen als andere Handlungen, obwohl sich diese Maßnahmen zusammen nach außen als einheitlicher Vorgang darstellen. Beispielsweise handelte der Schuldner, der die gesamte Insolvenzmasse mit dem Zweck der gemeinschaftlichen Befriedigung aller Gläubiger verwertet, lediglich hinsichtlich solcher Gegenstände in amtlicher Funktion, an denen Absonderungsrechte bestehen (§ 283 I 1 InsO); nur den absonderungsberechtigten Gläubigern gegenüber träte er folglich bei der Verwertung als Amtswalter, allen anderen Insolvenzgläubigern da___________ 210 Als Amtswalter wurde – soweit ersichtlich – nur der Vergleichsverwalter betrachtet (vgl. Kilger/K. Schmidt, InsG, § 20 VglO Anm. 2; J. Mohrbutter, in: Bley/Mohrbutter, VglO, § 20 Rn. 4 und § 2 Rn. 19). Insbesondere blieb der Vergleichsschuldner auch prozessführungsbefugt (Kilger/K. Schmidt, InsG, vor § 46 VglO; J. Mohrbutter, in: Bley/Mohrbutter, VglO, § 2 Rn. 19) und trat deshalb nicht in Prozessstandschaft kraft Amtes auf. 211 So Landfermann, in: HK zur InsO, § 270 Rn. 19; wohl auch Smid, Grundzüge, § 29 Rn. 4 und 6, der die Amtswalterstellung nur hinsichtlich der spezifisch insolvenzrechtlichen Befugnisse bespricht. 212 Vgl. Huhn, Rn. 583, 592 ff., der eine solche Spaltung des Rechtsgrunds für mit einer Amtswalterstellung generell unvereinbar hält.

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gegen als „Zivilperson“ gegenüber. Des Weiteren würde sich der Schuldner zur Erfüllung eines gegenseitigen Vertrages (§§ 279 S. 1, 103 ff. InsO) in seiner Eigenschaft als Amtswalter entscheiden, die Erfüllung dieses bestätigten Vertrages allerdings als „Zivilperson“ bewirken (§ 270 I 1 InsO), und das, obschon beide Handlungen in der Erbringung der geschuldeten Leistung auch zusammenfallen können213. Für die mit dem Schuldner in Kontakt tretenden Geschäftskreise wäre demnach immer die Unsicherheit gegeben, wie eine bestimmte Handlung des Schuldners rechtlich einzuordnen ist. Außerdem erscheint es sinnlos, die Rechtsstellung des Schuldners nur bezüglich einiger weniger Befugnisse von eher untergeordneter Bedeutung als amtlich zu charakterisieren, wo es sich doch bei der Beschreibung seiner Rechtsstellung im Grunde genommen um ein Unterfangen handelt, das seine Stellung als Ganzes rechtlich zu qualifizieren sucht. Deshalb wäre schließlich auch der wissenschaftliche bzw. praktische Nutzen einer solchen unterschiedlichen Behandlung von nur geringem Wert, weil Folgerungen aus der vermeintlichen Amtsstellung des Schuldners auf den Bereich der §§ 279 S. 1, 282 I 1, 283 I 1 InsO beschränkt blieben und kaum verallgemeinerungsfähig wären. Eine partielle Amtswalterstellung des Schuldners ist somit abzulehnen. Da die Annahme einer Amtswalterstellung aber, wie gesehen214, auch nicht zur Erklärung der §§ 279 S. 1, 282 I 1, 283 I 1 InsO zwingend erforderlich ist, kann vielmehr allein überzeugen, eine amtliche Stellung des eigenverwaltenden Schuldners „wie ein Insolvenzverwalter“ insgesamt zu verneinen. c) Ergebnis Im Ergebnis ist festzuhalten, dass der Schuldner in der Eigenverwaltung weder die Stellung eines Insolvenzverwalters noch sonst eine amtliche Stellung innehat. Vielmehr ist grundsätzlich mit Huhn215 davon auszugehen, dass der Schuldner kraft privatautonomer Rechtsmacht handelt, die in Bezug auf die Sonderbefugnisse der §§ 279 S. 1, 282 I 1, 283 I 1 InsO freilich insolvenzrechtlich ergänzt wird. Diese richtige Charakterisierung ist allerdings noch insoweit zu modifizieren, als seine Rechtsmacht durch die §§ 1 S. 1, 275 ff. InsO gleichzeitig auch insolvenzrechtlich begrenzt wird. Zusammengefasst handelt der Schuldner in der Eigenverwaltung daher kraft insolvenzrechtlich ergänzter und im Rahmen der §§ 1 S. 1, 275 ff. InsO beschränkter privatautonomer Rechts___________ 213 Siehe zum konkludenten (schlüssigen) Erfüllungsverlangen im Rahmen des § 103 InsO etwa Huber, in: MK zur InsO, § 103 Rn. 156; Balthasar, in: Nerlich/Römermann, InsO, § 103 Rn. 42. 214 Siehe soeben (2) (b), Seite 69. 215 Huhn, Rn. 603.

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macht. In funktionaler Hinsicht, was also die Aufgaben und Pflichten des eigenverwaltenden Schuldners und sein Verhältnis zu den übrigen Beteiligten des Insolvenzverfahrens anbetrifft, ist seine Stellung dagegen durchaus in Vielem der eines Insolvenzverwalters vergleichbar. 3. Die Haftung des eigenverwaltenden Schuldners a) Nach § 60 I 1 InsO Problematisch ist, ob der eigenverwaltende Schuldner den Beteiligten des Insolvenzverfahrens und im Besonderen den Insolvenzgläubigern wie ein Insolvenzverwalter aus § 60 I 1 InsO haftet, wenn er seine insolvenzspezifischen Pflichten schuldhaft verletzt.216 aa) Sinnhaftigkeit einer Ersatzpflicht nach § 60 InsO Zunächst stellt sich freilich die Frage nach der Sinnhaftigkeit einer solchen Haftung. Denn da man „einem nackten Mann nicht in die Tasche greifen kann“, macht es auf den ersten Blick auch keinen Sinn, eine Ersatzpflicht des Eigenverwalters gem. § 60 I InsO zu konstruieren, dessen Inanspruchnahme jedoch vielfach mangels Vermögen praktisch ausgeschlossen sein wird.217 Anders als bei einem Insolvenzverwalter fehlt es hier grundsätzlich an einer separaten persönlichen Haftungsmasse.218 Zu beachten ist jedoch, dass gem. § 55 I Nr. 2 InsO Verbindlichkeiten, die durch Handlungen des Insolvenzverwalters begründet werden, zu den Masseforderungen zählen; dazu gehören auch die Schadensersatzansprüche von Ver___________ 216

Bejahend: Blersch, in: BK zum InsR, § 270 Rn. 7; Häsemeyer, InsR, Rn. 8.14; Huhn, Rn. 609, 625, 778; Haarmeyer/Wutzke/Förster, Kap. 10 Rn. 19 (erster Spiegelstrich, allerdings ohne normativen Bezug); Schlegel, S. 158 ff., 185, der – etwas unklar – zwischen Außen- und Innenhaftung bzw. Gesamt- und Individualschäden differenziert und eine Haftung nach § 60 I InsO nur gegenüber Neugläubigern sowie Aus- und Absonderungsberechtigten bejaht (S. 185, siehe auch S. 167). Ablehnend: Uhlenbruck, FS Kirchhof, 479, 500; ders, FS Metzeler, 85, 99; Kruse, S. 265, der die bejahenden Literaturmeinungen übersieht; offenbar auch Götker, Rn. 1003. Von dieser Frage hängt auch ab, ob die Vorstände einer eigenverwaltenden Aktiengesellschaft nach § 60 I 1 InsO haften, vgl. dazu Kapitel 5 D. II. 1., Seite 334. 217 In diese Richtung auch Götker, Rn. 1003; Haarmeyer/Wutzke/Förster, Kap. 10 Rn. 19; Blersch, in: BK zum InsR, § 270 Rn. 7. 218 Existiert insolvenzfreies Vermögen, ist dieses fast immer entweder unpfändbar (§ 36 InsO; natürliche Personen) oder, z. B. im Falle übermäßig belastet Grundstücke, wertlos (juristische Personen).

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1. Teil: Grundlagen

fahrensbeteiligten gegen den Insolvenzverwalter aus § 60 InsO.219 Eine Haftung des eigenverwaltenden Schuldners nach § 60 InsO gäbe den geschädigten Verfahrensbeteiligten somit eine Forderung an die Hand,220 die gegenüber den übrigen Gläubigern vorrangig zu befriedigen ist (§ 53 InsO) und daher einen erheblichen Vorteil darstellen kann. Eine Haftung des eigenverwaltenden Schuldners nach § 60 InsO hätte also durchaus einen Sinn. bb) Anwendbarkeit über § 270 I 2 InsO Die Anwendbarkeit des § 60 InsO kann sich systematisch nur221 über den Verweis des § 270 I 2 InsO ergeben, der die „allgemeinen Vorschriften“ für anwendbar erklärt, soweit in den §§ 270 ff. InsO nichts anderes bestimmt ist. (1) §§ 274 I, 277 I 3 InsO als abweichende Bestimmungen Ein Rückgriff auf § 60 InsO wäre daher von vornherein ausgeschlossen, wenn man in § 274 I InsO, der die Anwendung des § 60 InsO auf schuldhafte Pflichtverletzungen des Sachwalters ausdrücklich anordnet, eine abweichende Bestimmung i. S. d. § 270 I 2 InsO erblickte.222 Dass § 274 I InsO positiv die Geltung des § 60 InsO für den Sachwalter bestimmt, enthält aber nicht zwangsläufig die negative Aussage, dass § 60 InsO auf den Eigenverwalter nicht anzuwenden sei; seine Geltung für den Eigenverwalter könnte der Gesetzgeber vielmehr auch wie selbstverständlich vorausgesetzt haben. Ist somit nicht sicher zu erkennen, dass es sich bei § 274 I InsO um eine abschließende Regelung der Anwendbarkeit des § 60 InsO in der Eigenverwaltung handelt, kann diese Vorschrift auch nicht als abweichende Bestimmung i. S. d. § 270 I 2 InsO verstanden werden.223 Nichts anderes ergibt sich für § 277 I 3 InsO, der eine Haftung ___________ 219

Brandes, in: MK zur InsO, §§ 60, 61 Rn. 112. So Schlegel, S. 185; Huhn, Rn. 625, 778. Bei den Insolvenzgläubigern dabei von einer „Hochstufung“ ihrer Forderungen zu Masseforderungen zu sprechen, ist allerdings nicht präzise, weil die Insolvenzforderungen als solche bestehen bleiben und nur daneben ein neuer und eigenständiger Ersatzanspruch tritt, der freilich zumeist auf dasselbe wirtschaftliche Interesse gerichtet sein wird. 221 A. A. Schlegel, S. 172 ff., der anscheinend eine unmittelbare Anwendung des § 60 InsO diskutiert und der die Tatbestandsmerkmale des § 270 I 2 InsO lediglich im Rahmen einer umfassenden Abwägung der für und gegen die Annahme einer solchen Haftung sprechenden Gründe würdig; eine methodisch eher zweifelhafte Vorgehensweise. 222 Mit dieser Begründung Uhlenbruck, FS Metzeler, 85, 99; ders., FS Kirchhof, 479, 500. 223 Im Ergebnis ebenso Schlegel, S. 181 f. 220

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des Sachwalters entsprechend § 61 InsO festschreibt, wenn dieser der Begründung einer Masseverbindlichkeit gem. § 277 I 1 InsO zustimmt. (2) § 60 InsO als allgemeine Vorschrift Daher ist entscheidend, ob es sich bei § 60 InsO um eine „allgemeine Vorschrift“ i. S. d. § 270 I 2 InsO handelt. Damit sind keinesfalls nur die als „allgemeine Vorschriften“ betitelten §§ 1–10 InsO gemeint, sondern – funktional – all jene Vorschriften, die für eine Ergänzung der §§ 270 ff. InsO zu einem kohärenten System eines Insolvenzverfahrens in Eigenverwaltung erforderlich sind.224 Das sind grundsätzlich sämtliche Bestimmungen, die für ein Insolvenzverfahren mit Insolvenzverwalter gelten,225 also auch § 60 InsO226. (a) Auslegung des § 60 InsO Ob und inwieweit eine Vorschrift des regulären (eröffneten) Verfahrens aber im Einzelfall auch in der Eigenverwaltung Anwendung findet, ist unter Berücksichtigung der Besonderheiten der Eigenverwaltung durch Auslegung der jeweiligen Vorschrift zu ermitteln.227 (aa) Wortlautauslegung § 60 InsO bezieht sich nur auf den „Insolvenzverwalter“. Da der eigenverwaltende Schuldner aber nicht zum Insolvenzverwalter bestellt wird,228 steht der Wortlaut der Vorschrift einer Anwendung auf den Schuldner entgegen. Dies kann auch nicht mit Blick auf den Verweis des § 270 I 2 InsO übergangen werden, denn dieser ordnet nur die Geltung der allgemeinen Vorschriften, nicht aber – wie §§ 274 I, 277 I 3 InsO explizit für die Haftung des Sachwalters – deren „entsprechende“ Geltung an.229 Da aber einerseits die Stellung des Schuld___________ 224

Siehe Kapitel 3 A. II. 1. a) aa) (1) (a), Seite 145. Die Formulierung „allgemeine Vorschriften“ ist vielmehr überhaupt kein taugliches Abgrenzungskriterium. 225 Bundesregierung, Begründung zu § 331 RegE InsO (= § 270 InsO), BT-Drucks. 12/2443, S. 223; Foltis, in: FK zur InsO, § 270 Rn. 16a. 226 So wohl auch Schlegel, S. 172. 227 Uhlenbruck, in: Uhlenbruck, InsO, § 270 Rn. 8; Foltis, in: FK zur InsO, § 270 Rn. 16a. Dagegen will Schlegel, S. 130 die Anwendung des § 60 InsO nicht durch eine Auslegung, sondern durch eine Abwägung der für und gegen die Annahme einer solchen Haftung streitenden Gründe entscheiden (S. 172 ff.). 228 Siehe 2. b) aa), Seite 64. 229 Vor allem ist in den §§ 270 ff. InsO gerade keine Bestimmung enthalten, aus der sich ausdrücklich oder stillschweigend ergibt, dass „Insolvenzverwalter“ durch „Schuld-

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1. Teil: Grundlagen

ners zumindest bei einer funktionalen Betrachtungsweise in vielerlei Hinsicht der eines Insolvenzverwalters vergleichbar und andererseits eine gewisse sprachliche Ungenauigkeit bei einem Globalverweis wie § 270 I 2 InsO nicht zu vermeiden ist, kann der Wortlaut der Vorschrift als gerade noch mit der Annahme vereinbar angesehen werden, § 60 InsO finde über den Verweis des § 270 I 2 InsO auf den Schuldner in der Eigenverwaltung Anwendung. Das geschieht auch in gleich gelagerten Fällen.230 Die hier unternommene Auslegung scheitert somit jedenfalls nicht am Wortsinn als Auslegungsgrenze231.232 (bb) Systematische Auslegung Im systematischen Vergleich fällt vor allem § 270 III 1 InsO ins Auge, nach dem in der Eigenverwaltung „anstelle des Insolvenzverwalters ein Sachwalter bestellt“ wird. In dieser Formulierung wird offenkundig, dass nach der Konzeption des Gesetzes die Position des Sachwalters, nicht aber die des Schuldners, der Position des Insolvenzverwalters, wenn auch nicht gleichgesetzt, so aber doch wenigstens angenähert ist. Im diesem Sinne ist es systemwidrig und deshalb fern liegend anzunehmen, dass sich die Insolvenzverwalterhaftung gem. §§ 60, 61 InsO außer auf den Sachwalter (so ausdrücklich §§ 274 I, 277 I 3 InsO) auch auf den eigenverwaltenden Schuldner erstreckt. Es wäre im Gegenteil angesichts § 270 III 1 InsO eine ausdrückliche Anordnung der Geltung des § 60 InsO für den Eigenverwalter zu erwarten und erforderlich gewesen. ___________ ner“ zu substituieren wäre, wie dies z. B. bei § 279 S. 1 InsO („[…] mit der Maßgabe, dass an die Stelle des Insolvenzverwalters der Schuldner tritt.“) der Fall ist. Ähnliche (explizite und implizite) Regelungen enthalten beispielsweise auch §§ 281, 282 I 1, 283 II InsO. In der Argumentation ähnlich Grub, AnwBl 2000, 580, 582 zu § 113 InsO („nach dem Wortlaut der Vorschrift steht dieses außerordentliche Kündigungsrecht nur dem Insolvenzverwalter zu“), der die Geltung dieser Vorschrift in der Eigenverwaltung jedoch in Verkennung des klaren Wortlauts des § 279 S. 1 InsO und entgegen der h. M. (etwa Schlegel, S. 284; Riggert, in: Nerlich/Römermann, InsO, § 270 Rn. 8) ablehnt. 230 So ist z. B. nach der h. M. auch § 55 I Nr. 1 InsO, der ebenfalls nur vom „Insolvenzverwalter“ spricht, in der Eigenverwaltung anzuwenden (Schlegel, S. 280; Häsemeyer, InsR, Rn. 8.14), obwohl in den §§ 270 ff. InsO keine Sondervorschrift enthalten ist, die – wie die in der vorangegangenen Fußnote (229) bezeichneten Bestimmungen – die Geltung des § 55 I Nr. 1 InsO anordnete. Dasselbe gilt für das Recht des § 75 I Nr. 1 InsO, eine Gläubigerversammlung einberufen zu lassen, das von der h. M. zumindest auch dem eigenverwaltenden Schuldner zugestanden wird (Schlegel, S. 136; Huhn, Rn. 841; Wittig, in: MK zur InsO, § 276 Rn. 10). 231 Vgl. zu dieser Auslegungsgrenze Larenz, S. 343. 232 Folgt man dieser Annahme nicht, kommt nur noch eine analoge Anwendung der §§ 60, 61 InsO über § 270 I 2 InsO in Betracht. Eine Analogie scheitert allerdings daran, dass – wie die Erwägungen zur teleologischen Auslegung im Folgenden zeigen – eine vergleichbare Interessenlage nicht besteht.

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Für eine Anwendung des § 60 InsO könnte aber die Tatsache streiten, dass der Schuldner in der Eigenverwaltung – ungeachtet § 270 III 1 InsO – mit derart umfangreichen Kompetenzen (z. B. §§ 279 S. 1, 282 I 1, 283 I 1 InsO) ausgestattet ist, dass er quasi „wie ein Insolvenzverwalter“ walten und verfügen kann.233 Wegen der Nähe des § 60 InsO zur Amtshaftung234 spräche hierfür vor allem die Annahme der h. M.235, dass der Schuldner in der Eigenverwaltung als „Amtswalter in eigenen Angelegenheiten“ tätig werde.236 Wie dargetan237 hat der Schuldner indessen in Wahrheit weder bezüglich der besonderen insolvenzrechtlichen noch bezüglich seiner übrigen Befugnisse eine amtliche oder auch nur amtsähnliche Stellung inne. Dass er immerhin in funktionaler Hinsicht viele Aufgaben und Kompetenzen eines Insolvenzverwalters ausübt, deutet zwar in der Tat auf eine Anwendung des § 60 InsO, hat aber wegen der so grundlegenden Unterschiede in der Rechtsstellung von Schuldner und Insolvenzverwalter keine große Überzeugungskraft. (cc) Historische Auslegung Ein direkter Hinweis auf eine Haftung des Schuldners in der Eigenverwaltung ist in der amtlichen Begründung nicht zu finden. Diese besagt allerdings, dass „die Vorschriften des materiellen Insolvenzrechts […] bei dieser Verfahrensgestaltung im Grundsatz unverändert gelten [sollen]“238. Hieraus leitet Schlegel die Annahme ab, dass es nicht der Wille des Gesetzgebers gewesen sein könne, die Gläubiger in der Eigenverwaltung hinsichtlich ihrer Ersatzansprüche schlechter zu stellen als im Regelinsolvenzverfahren mit einer Haftung des Verwalters nach § 60 InsO. Dadurch würde auch der Eigenverwalter benachteiligt, da Gläubiger wegen der fehlenden Haftung von einem geschäftlichen Kontakt abgeschreckt würden. Daher müsse auch der eigenverwaltende Schuldner gem. § 60 InsO haften.239 Dieses Argument ist aber nicht plausibel. Ein derart ins Detail gehender Gleichlauf von Regel- und Eigenverwaltungsverfahren kann mit der zitierten Passage, die die unveränderte Geltung ___________ 233

In diese Richtung Schlegel, S. 177. Vgl. Smid, in: Smid, InsO, § 9 Rn. 61: Haftung als Spiegelbild der Amtspflichten Häsemeyer, InsR, Rn. 6.35: Vergleichbarkeit mit der Haftungsstruktur der Amtshaftung (§ 839 I 1 BGB). 235 Siehe Nachweise bei 2. b) bb), Seite 66. 236 Häsemeyer, InsR, Rn. 8.14; in diese Richtung geht offenbar auch das Treuhandargument von Schlegel, S. 178. 237 Oben 2. b) bb) (3), Seite 71. 238 Bundesregierung, Vor § 331 RegE InsO (= § 270 InsO), BT-Drucks. 12/2443, S. 223. 239 Schlegel, S. 176 f. 234

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der materiellen Vorschriften ja nur „im Grundsatz“ vorsieht, wohl kaum begründet werden. Außerdem ist zu sehen, dass die kritisierte Schlechterstellung der Gläubiger in der Eigenverwaltung in erster Linie auf dem Fehlen einer zusätzlichen Haftungsmasse beruht, die auch durch die Gewährung eines vorrangigen Masseanspruchs (§ 55 I Nr. 1 InsO) infolge einer Haftung nach § 60 InsO nur marginal ausgeglichen werden könnte. Möglicherweise lässt sich die Anwendbarkeit des § 60 InsO aber darauf stützen, dass noch die Kommission für Insolvenzrecht, deren Berichte den Regierungsentwurf wesentlich beeinflusst haben,240 in ihren Erörterungen eine Haftung des „Selbstverwalters“ angenommen und die Eigenverwaltung u. a. deshalb abgelehnt hat, weil Pflichtverletzungen mangels separater Vermögensmasse nicht gem. § 82 KO haftungsrechtlich sanktioniert werden könnten.241 Es ist jedoch zu beachten, dass die Erwägungen der Kommission auf der Annahme gründeten, der Schuldner werde in der Eigenverwaltung zum „Selbstverwalter“ bestellt, mithin wie ein Insolvenzverwalter in eine amtliche Stellung erhoben.242 Da aber, wie oben gezeigt wurde,243 eine solche Vorstellung dem Gesetzesentwurf nicht (mehr) zugrunde liegt und daher wesentliche strukturelle Unterschiede bestehen, können die Aussagen der Kommission auf die hier diskutierte Problematik nicht übertragen werden. Im Gegenteil deutet die Tatsache, dass sich der Gesetzesentwurf zur Einführung der Eigenverwaltung entschlossen hat, ohne die von der Kommission aufgeworfenen Einwände und insbesondere den der mangelnden Haftungsmasse überhaupt zu erörtern, darauf hin, dass der Gesetzgeber von einer Haftung des Eigenverwalters nicht mehr ausgegangen ist.244 (dd) Teleologische Auslegung Sinn und Zweck der persönlichen Haftung des Insolvenzverwalters gem. § 60 InsO bestehen darin, einen Ausgleich für den weit reichenden Einfluss des Insolvenzverwalters zu schaffen, da die Aufsicht durch den Gläubigerausschuss ___________ 240

B. I. 1., Seite 37. Kommission für InsR, Erster Bericht, Begründung zu Leitsatz 1.3.1.1, S. 126. 242 Vgl. Kommission für InsR, Erster Bericht, Begründung zu Leitsatz 1.3.1.1, S. 125 f. Das zeigt sich vor allem auch darin, dass nach der Vorstellung der Kommission in der Insolvenz einer Kapitalgesellschaft die geschäfts- und vertretungsberechtigten Organe zum Selbstverwalter zu bestellen sind (ebenda, S. 126.). Zum Ganzen oben Kapitel 5 B. II. 2. a) aa) (3) (a) (bb), Seite 258. 243 2. c), Seite 72. 244 A. A. Schlegel, S. 182, der das Schweigen des Gesetzes insgesamt als in dieser Frage neutral wertet. Ebenso weisen die Materialien allerdings stark darauf hin, dass der Gesetzgeber sich bewusst gegen das Konzept der Kommission gestellt hat, in der Insolvenz einer Kapitalgesellschaft nicht diese, sondern ihre gesetzlichen Vertreter zu „Selbstverwaltern“ zu ernennen, Kapitel 5 B. II. 2. a) aa) (3) (a) (bb), Seite 258. 241

Kap. 1: Grundzüge des Rechts der Eigenverwaltung

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und das Insolvenzgericht vor dem darin liegenden Risiko nicht ausreichend schützen kann.245 Die Tatsache, dass die Kompetenzen des Schuldners in der Eigenverwaltung nur in Wenigem denen eines Insolvenzverwalters nachstehen, lässt die Übertragung dieser Überlegungen auf die Eigenverwaltung und die Bejahung einer Haftung des Schuldners nach § 60 InsO auf den ersten Blick als nahe liegend erscheinen.246 Allerdings könnte einem Beteiligten kein wirklicher Ausgleich für den ihm durch den Eigenverwalter zugefügten Schaden gewährt werden, da in der Eigenverwaltung eben keine separate Haftungsmasse mehr zur Verfügung steht, wie eingangs dargelegt wurde.247 Der Geschädigte erwürbe allenfalls eine Forderung gegen die Masse (§ 55 I Nr. 1 InsO), was aber nicht mehr vom Sinn und Zweck der persönlichen Haftung des § 60 InsO gedeckt wäre.248 Denn eine Masseverbindlichkeit zu begründen, ist lediglich Reflex, nicht Inhalt der Haftung aus § 60 InsO. Außerdem würde der in Gestalt einer Masseforderung gewährte Vorteil ohnehin in all jenen Fällen zunichte gemacht, in denen die Gläubiger insgesamt geschädigt werden, weil dann jeder einzelne von ihnen eine Masseforderung erhielte.249 Da ein solcher Gesamtschaden aber bei der Großzahl möglicher Pflichtverletzungen250 durch den Schuldner entsteht, ist selbst ein „Ausgleich“ über § 55 I Nr. 2 InsO nur in den eher seltenen Fällen einer Verletzung von Individualinteressen und dann auch nur für einzelne Gläubiger von Wert.251 Die Ausgleichsfunktion des § 60 InsO versagt daher bei der Haftung des Eigenverwalters. Mit der Ausgleichsverpflichtung untrennbar verbunden ist ein generalpräventives Moment;252 auch darin mag – unausgesprochen – ein Zweck des § 60 InsO liegen. Die Gefahr einer persönlichen Haftung schreckt jedoch einen Schuldner nicht, der schon (fast) alles verloren hat. Da er durch pflichtwidrige Handlungen lediglich gem. §§ 60 I 1, 55 I Nr. 1 InsO Forderungen gegen die ___________ 245 BGH, Urteil vom 17. 1. 1985 – IX ZR 59/84, BGHZ 83, 278, 285 (zu § 82 KO); Kind, in: FK zur InsO, § 60 Rn. 2; Brandes, in: MK zur InsO, §§ 60, 61 Rn. 1. 246 So auch Schlegel, S. 181. 247 Vgl. aa), Seite 73. 248 A. A. offenbar Schlegel, S. 184. 249 So auch Schlegel, S. 166; Huhn, Rn. 625. 250 Z. B. wenn der Schuldner die Insolvenzmasse unter Wert veräußert oder Beschlüsse der Gläubigerversammlung verletzt (vgl. zu diesen Fällen Huhn, Rn. 625 und 778). 251 Nicht überzeugend ist im Übrigen der Vorschlag von Schlegel, S. 166, eine Haftung des Schuldners nach § 60 InsO zu verneinen, soweit sie einen Gesamtschaden zum Gegenstand hat. Denn diese Folge tritt auch bei einer gesamtschädigenden Handlung eines Insolvenzverwalters ein, ohne dass dessen Haftung deshalb verneint würde, und es ist kein Grund ersichtlich, warum in der Eigenverwaltung etwas anderes zu gelten hat. 252 Vgl. etwa Smid, in: Kölner Schrift, S. 453 ff. Rn. 13 (zum Insolvenzverwalter).

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1. Teil: Grundlagen

Masse schafft, droht ihm allein der Verlust der für die Durchführung der Eigenverwaltung erforderlichen Liquidität der Insolvenzmasse und damit der Misserfolg seiner sämtlichen (Sanierungs-)Bemühungen. Eine solche Abschreckung wird aber schon in gleichem Maße und völlig ausreichend durch das Recht der Gläubiger erzeugt, die Eigenverwaltung jederzeit und ohne besondere Gründe zu beenden (§ 272 I Nr. 1 und 2 InsO). Dass der Schuldner auch noch nach Verfahrensbeendigung für nicht berücksichtigte Masseforderungen haftet,253 macht für ihn keinen Unterschied,254 da diese Haftung gegenständlich auf die an ihn zurückgewährte (§§ 197 I Nr. 3, 199 S. 2 InsO) Insolvenzmasse beschränkt ist.255 Ein ernstzunehmendes zusätzliches Abschreckungspotential kann einer Haftung nach § 60 InsO somit nicht attestiert werden. Bezüglich der Abschreckungsfunktion des § 60 InsO bedarf es einer Erstreckung auf den eigenverwaltenden Schuldner daher ebenfalls nicht.256 (b) Ergebnis: Keine Schuldnerhaftung nach § 60 InsO § 60 I 1 InsO kann somit aufgrund systematischer, historischer und vor allem teleologischer Erwägungen nicht dahin ausgelegt werden, dass er in der Eigenverwaltung auf den Schuldner unmittelbar oder über den Verweis des § 270 I 2 InsO anzuwenden ist. b) Sonstige Haftungstatbestände Der eigenverwaltende Schuldner kann allerdings, ebenso wie der Insolvenzverwalter in einem regulären Verfahren,257 nach den allgemeinen zivilrechtlichen Vorschriften und Grundsätzen zum Schadensersatz verpflichtet sein. In Betracht kommen §§ 280 ff. BGB bei der Übernahme einer besonderen vertraglichen Verpflichtung, im Bereich der deliktischen Haftung insbesondere § 823 I

___________ 253 Bei § 206 InsO handelt es sich nur um eine prozessuale Präklusion, die nur zugunsten der Masse und Insolvenzgläubiger wirkt, Holzer, in: MK zur InsO, § 206 Rn. 4. Das gilt auch im Falle eines Insolvenzplans, der im Regelfall Masseforderungen nicht erfasst, vgl. §§ 217, 227 I, 38 InsO. 254 So aber Schlegel, S. 175. 255 Hintzen, in: MK zur InsO, § 206 Rn. 8; Hefermehl, in: MK zur InsO, § 53 Rn. 34; Westphal, in: Nerlich/Römermann, InsO, § 206 Rn. 9. 256 A. A. Schlegel, S. 174 f., 175. 257 Zur diesbezüglichen Haftung des Insolvenzverwalters vgl. Blersch, in: BK zum InsR, § 60 Rn. 15 ff.; Brandes, in: MK zur InsO, §§ 60, 61, Rn. 72 ff.

Kap. 1: Grundzüge des Rechts der Eigenverwaltung

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BGB258, § 823 II BGB in Verbindung mit einem Schutzgesetz259 und § 826 BGB. 4. Die Unwirksamkeit insolvenzzweckwidriger Verfügungen Ob insolvenzzweckwidrige Rechtshandlungen des eigenverwaltenden Schuldners wie die eines Insolvenzverwalters unter bestimmten Umständen unwirksam sein können, wird unterschiedlich beurteilt260, ganz überwiegend jedoch mit dem Argument bejaht, der eigenverwaltende Schuldner handle nicht mehr kraft persönlicher Privatautonomie, sondern habe als „Amtswalter in eigenen Angelegenheiten“ eine Rechtsposition vergleichbar der des Insolvenzverwalters inne.261 Da allerdings eben diese beiden Voraussetzungen nach zutreffender Ansicht262 nicht gegeben sind, muss diese Frage grundsätzlich neu überdacht werden. Dafür ist es notwendig, die rechtliche Begründung für die Nichtigkeit von Verfügungen des Verwalters, die dem Insolvenzzweck (§ 1 S. 1 InsO) zuwiderlaufen, herauszuarbeiten, unten a), und anschließend ihre Übertragbarkeit auf die Eigenverwaltung zu prüfen, unten b). Von dem Ergebnis dieser Prüfung hängt es ab, ob und unter welchen Voraussetzungen insolvenzzweckwidrige Rechtshandlungen der Organe einer eigenverwaltenden Aktiengesellschaft nichtig sind.263 ___________ 258

Zum Beispiel bei schuldhaften Eingriffen in das Eigentum eines Aussonderungsberechtigten (vgl. BGH, Urteil 9. 5. 1996 – IX ZR 244/95, NJW 1996, 2233; eine Ausnahme dürfte wegen §§ 282 I, 166 InsO aber § 51 I Nr. 1 InsO darstellen, vgl. dazu Kapitel 5 D. II. 3. a), Seite 336, Fußnote 731) oder bei der Verletzung von Verkehrssicherungspflichten; vgl. Brandes, in: MK zur InsO, §§ 60, 61 Rn. 75 (zum Insolvenzverwalter). 259 Schutzgesetze i. S. d. § 823 II BGB stellen nur die Mitwirkungspflichten des § 97 InsO, nicht jedoch die eigenverwaltungsspezifischen Pflichten dar, siehe Kapitel 5 D. II. 3. b) aa), Seite 336. 260 Befürwortend: Häsemeyer, InsR, Rn. 8.10, 8.13; Noack, ZIP 2002, 1873; Pape, in: Kübler/Prütting, InsO, § 270 Rn. 1; ders., in: Kölner Schrift, S. 895 ff. Rn. 40; H.-F. Müller, ZGR 2004, 842, 859; Kruse, S. 213, S. 253; Schlegel, S. 220; Vallender, WM 1998, 2129, 2138; Uhlenbruck, FS Kirchhof, 479, 501; Pape/Uhlenbruck, InsR, Rn. 860; Wittig, in: MK zur InsO, § 270 Rn. 69; Uhlenbruck, FS Kirchhof, 479, 502 (für Verfügungen der Vorstände einer AG). Ablehnend: Huhn, Rn. 622. 261 Mit dieser Begründung etwa: Schlegel, S. 220; Pape, in: Kübler/Prütting, InsO, § 270 Rn. 1; ders., in: Kölner Schrift, S. 895 ff. Rn. 40; Vallender, WM 1998, 2129, 2138; Häsemeyer, InsR, Rn. 8.10, 8.13; Pape/Uhlenbruck, InsR, Rn. 860; Kruse, S. 249 ff.; Wittig, in: MK zur InsO, § 270 Rn 69; H.-F. Müller, ZGR 2004, 842, 859. 262 Siehe zum Rechtsgrund des Verfügungsrechts des Schuldners und der Rechtsnatur seiner Rechtsstellung oben 2. c), Seite 72. 263 Zum Schicksal insolvenzzweckwidriger Rechtshandlungen der Gesellschaftsorgane siehe unten Kapitel 5 B. III. 1. d), Seite 294 (Vorstand), Kapitel 6 B. II. 1. b), Seite 361 (Aufsichtsrat), Kapitel 7 B. II. 1. b), Seite 410 (Hauptversammlung).

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1. Teil: Grundlagen

a) Begründung der Nichtigkeit insolvenzzweckwidriger Verfügungen des Verwalters Im Ergebnis besteht zwar landläufig Einigkeit darüber, dass bestimmte insolvenzzweckwidrige Rechtshandlungen eines Insolvenzverwalters unwirksam sind, unterschiedlich ist indessen die rechtliche Begründung. Nach der bislang überwiegenden Auffassung in Rechtsprechung und Schrifttum wird das Verwaltungs- und Verfügungsrecht des Insolvenzverwalters (§ 80 I InsO) objektiv durch den Insolvenzzweck begrenzt, weil ihm diese Befugnisse nur zu dem Zweck übertragen würden, die gemeinschaftliche Befriedigung der Gläubiger gem. § 1 S. 1 InsO zu verwirklichen.264 Für die Unwirksamkeit soll genügen, dass die Handlung offensichtlich265 insolvenzzweckwidrig ist. Der Insolvenzzweck beschränkt demnach die Rechtsmacht des Verwalters mit Wirkung nach außen.266 Methodisch betrachtet kommt diese Begründung einer teleologischen Reduktion des § 80 I InsO am nächsten.267 Demgegenüber begründet eine im Vordringen befindliche Ansicht, der sich der BGH in einer jüngeren Entscheidung angeschlossen hat,268 die Unwirksamkeit mit einer entsprechenden Anwendung der Regeln über den Missbrauch der Vertretungsmacht.269 Das Verwaltungs- und Verfügungsrecht werde dem Ver___________ 264

BGH, Urteil vom 28. 10. 1993 – IX ZR 21/93 , NJW 1994, 323, 326; OLG Düsseldorf, Urteil vom 20. 10. 1994 – 6 U 80/94, ZIP 1995, 55, 56; Häsemeyer, InsR, Rn. 15.06; Hefermehl, in: MK zur InsO, § 55 Rn. 25; Henckel, in: Jaeger, KO, § 6 Rn. 150; Hess, InsR, Rn. 549; Kraft, in: KK zum AktG, § 262 Rn. 41 (zur KO); Kroth, in: Braun, InsO, § 80 Rn. 25; Lüke, in: Kübler/Prütting, InsO, § 80 Rn. 28; Wittowski, in: Nerlich/Römermann, InsO, § 80 Rn. 132 ff. So auch schon das RG, z. B.: RG, Urteil vom 6. 5. 1911 – Rep. I. 164/10, RGZ 76, 76, 244, 250; RG, Urteil vom 25. 4. 1906 – Rep. I. 614/05, RGZ 63, 203, 213. Die Unwirksamkeit gilt unabhängig von der jeweiligen Theorie über den Status des Insolvenzverwalters (Preuß, NZI 2003, 625, 626; Lüke, in: Kübler/Prütting, InsO, § 80 Rn. 30). 265 Das Kriterium der Offensichtlichkeit wird dabei teils als ein Grad der (objektiven) Erkennbarkeit (z. B. BGH, Urteil vom 28. 10. 1993 – IX ZR 21/93, NJW 1994, 323, 326; Uhlenbruck, in: Kuhn/Uhlenbruck, KO, § 6 Rn. 37), teils als ein Grad der Schwere des Verstoßes (Lüke, in: Kübler/Prütting, InsO, § 80 Rn. 30) verstanden, siehe dazu Preuß, NZI 2003, 625, 626 f. 266 Vgl. etwa RG, Urteil vom 6. 5. 1911 – Rep. I 164/10, RGZ 76, 76, 244, 250: „Handlungen, die diesem Zwecke des Konkurses ihrer Natur nach widerstreiten, liegen außerhalb seines Machtbereiches [sc. des Verwalters] und sind rechtlich unwirksam“. 267 Spickhoff, KTS 2000, 15, 17, 19; Huhn, Rn. 616; vgl. etwa Häsemeyer, InsR, Rn. 14.09 („Funktionsbestimmtheit der Verwaltergeschäfte“). 268 BGH, Urteil vom 25. 4. 2002 – IX ZR 313/99, BGHZ 150, 353, 354 = NJW 2002, 2783. 269 Spickhoff, KTS 2000, 15, 35; Ott, in: MK zur InsO, § 80 Rn. 61; Preuß, NZI 2003, 625, 628; Uhlenbruck, in: Uhlenbruck, InsO, § 80 Rn. 101; Blersch/von Olshausen, in: BK zum InsR, § 80 Rn 25; Gerbers, in: Braun, InsO, § 164 Rn. 1. Schon Kilger/K. Schmidt, InsG, § 6 KO Anm. 6 a aa.

Kap. 1: Grundzüge des Rechts der Eigenverwaltung

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walter prinzipiell ohne inhaltliche Einschränkung übertragen und lediglich seine Berechtigung im Innenverhältnis gegenüber den Gläubigern durch den Insolvenzzweck beschränkt.270 In Anlehnung an die Figur des Missbrauchs der Vertretungsmacht soll für die Unwirksamkeit einer Verfügung des Verwalters neben der Evidenz der Insolvenzzweckwidrigkeit somit zusätzlich erforderlich sein, dass sich dem Geschäftspartner ohne weiteres begründete Zweifel an der Insolvenzzweckwidrigkeit hätten aufdrängen müssen.271 Diesem Ansatz ist der Vorzug zu geben. Er bietet nicht nur eine dogmatisch überzeugende Begründung für die Nichtigkeitsfolge, sondern kommt insgesamt zu stimmigeren Ergebnissen, insbesondere weil er durch das auf Seiten des Geschäftspartners erforderliche subjektive Element den reichlich unpräzisen Begriff einer offensichtlichen Insolvenzzweckwidrigkeit kompensiert. b) Übertragung auf den eigenverwaltenden Schuldner Bei der Übertragung dieser Begründungsansätze auf die Eigenverwaltung ist zu bedenken, dass die Befugnisse des eigenverwaltenden Schuldners – mit Ausnahme der Rechte aus §§ 279 S. 1, 282 I 1, 283 I 1 InsO – diesem nicht durch einen gerichtlichen Akt übertragen werden, sondern ihm vielmehr kraft privatautonomer Rechtsmacht zustehen.272 Da es insofern also an einem Übertragungsakt mangelt, der entsprechend der ersten (älteren) Auffassung teleologisch reduziert werden könnte, vermag dieser Ansatz die Unwirksamkeit insolvenzzweckwidriger Verfügungen des eigenverwaltenden Schuldners nicht zu begründen.273 Daher geht die h. M. fehl, soweit sie die Begründung der Nichtigkeit insolvenzzweckwidriger Handlungen des Verwalters auf den eigenverwaltenden Schuldner überträgt.274 Etwas anders ergibt sich dagegen für den zweiten Begründungsansatz. Der Anwendung der Regeln über den Missbrauch der Vertretungsmacht scheint zwar auf den ersten Blick entgegenzustehen, dass der Schuldner nicht als Vertreter, sondern kraft eigener Rechtsmacht und damit in eigenem Namen über die Insolvenzmasse verfügt, so dass er auch keine „Vertretungsmacht“ missbrauchen kann. Bei genauer Betrachtung gilt das jedoch auch für den Insol___________ 270 271

2783. 272

Ott, in: MK zur InsO, § 80 Rn. 60; Preuß, NZI 2003, 624, 627. BGH, Urteil vom 25. 4. 2002 – IX ZR 313/99, BGHZ 150, 353, 354 = NJW 2002,

2. a) bb) (5), Seite 64. Insoweit zutreffend Huhn, Rn. 616. 274 So etwa Uhlenbruck, FS Kirchhof, 479, 502 (vgl. Nachweise in dortiger Fußnote 92); Kruse, S. 213, S. 253; offenbar auch H.-F. Müller, ZGR 2004, 842, 859. Siehe außerdem von den Nachweisen oben in Fußnote 260 (Seite 81) diejenigen, die die Nichtigkeit bejahen. 273

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1. Teil: Grundlagen

venzverwalter, der nach der herrschenden Auffassung und entgegen einer Literaturmeinung275 nicht als Vertreter des Schuldners aufzufassen ist. Daran ändert auch die Anwendung der Regeln über den Missbrauch der Vertretungsmacht nichts, wie auch der BGH zutreffend festgestellt hat.276 Da auf den Verwalter nach dem Wortlaut des § 80 I InsO das Verwaltungs- und Verfügungsrecht übergeht277, handelt es sich vielmehr um eigenes Recht des Verwalters,278 der daher im eigenen Namen über die Insolvenzmasse verfügt. Dass der eigenverwaltende Schuldner im eigenen Namen handelt, steht der Anwendung der Missbrauchsregeln somit nicht grundsätzlich entgegen. Problematisch ist jedoch, dass er im Gegensatz zum Insolvenzverwalter279 auch über ein eigenes Recht verfügt. Denn in diesem Fall soll, insbesondere bei der Treuhand, nach der überwiegenden,280 aber nicht unbestrittenen281 Auffassung eine Anwendung der Missbrauchsregeln generell ausscheiden. In der Eigenverwaltung besteht allerdings die Besonderheit, dass das Recht, das Gegenstand der schuldnerischen Verfügung ist, aufgrund eines hoheitlichen Aktes (des Insolvenzbeschlags) den ___________ 275 Nach der (mittlerweile nicht mehr vertretenen) sog. Vertretertheorie (z. B. Bernhardt, NJW 1962, 2194) ist der Insolvenzverwalter gesetzlicher Vertreter des Insolvenzschuldners, nach der sog. modifizierten Vertreter- bzw. Organtheorie (grundlegend K. Schmidt, InsR der Unternehmen, S. 107 ff; ders., KTS 1984, 345, 360 ff.) ist er bei natürlichen Personen gesetzlicher Vertreter und bei juristischen Personen Organ (als obligatorischer Fremdliquidator), vgl. zum Streitstand ausführlich und Ott, in: MK zur InsO, § 80 Rn. 26 ff. m. w. N.; Lüke, in: Kübler/Prütting, InsO, § 80 Rn. 32 ff. Nach der zutreffenden h. M. (Amtstheorie) ist der Verwalter dagegen Amtsträger, vgl. oben 2. b) bb) (1), Seite 67. 276 In der Anwendung der Grundsätze über den Missbrauch der Vertretungsmacht liege keine Festlegung auf eine der Theorien zur Stellung des Insolvenzverwalters: BGH, Urteil vom 25. 4. 2002 – IX ZR 313/99, NJW 2002, 2783, 2785; ebenso Ott, in: MK zur InsO, § 80 Rn. 61; Spickhoff, KTS 2000, 15, 25. 277 Anders noch § 6 II KO, der lediglich davon sprach, dass das Verwaltungs- und Verfügungsrecht durch einen Konkursverwalter ausgeübt werde. 278 Vgl. etwa Blersch/von Olshausen, in: BK zum InsR, § 80 Rn. 15, 24 („in Ausübung seiner Verfügungs- und Verwaltungsbefugnis“); Kroth, in: Braun, InsO, § 80 Rn. 25 („das Verwaltungs- und Verfügungsrecht des Insolvenzverwalters“); ebenso Ott, in: MK zur InsO, § 80 Rn. 43. Dagegen verbleibt der Schuldner freilich Rechtsinhaber der zur Insolvenzmasse gehörenden Gegenstände. 279 Der insolvente Schuldner bleibt trotz der Eröffnung des Insolvenzverfahrens Rechtsträger der zur Insolvenzmasse gehörenden Vermögensgegenstände (vgl. etwa BGH, Urteil vom 30. 10. 1967 – VIII ZR 176/65, BGHZ 49, 11, 13 und Kroth, in: Braun, InsO, § 80 Rn. 11). 280 BGH, Urteil vom 4. 4. 1968 – II ZR 26/67, NJW 1968, 1471 (Treuhand); BGH, Urteil vom 4. 11. 1976 – II ZR 50/75, WM 1977, 525, 527 (treuhandähnliches Verhältnis); Habermeier, in: Bamberger/Roth, BGB, § 167 Rn. 53; Heinrichs, in: Palandt, BGB, § 164 Rn. 14a; Leptien, in: Soergel, BGB, vor § 164 Rn. 60; Schilken, in: Staudinger, BGB, § 167 Rn. 99. 281 Kötz, NJW 1968, 1471; Ott, in: AK zum BGB, vor § 164 Rn. 49; Palm, in: Erman, BGB, § 167 Rn. 51 m. w. N.; Timm, JZ 1989, 13, 22, 24.

Kap. 1: Grundzüge des Rechts der Eigenverwaltung

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Gläubigern haftungsrechtlich zugewiesen wird. Hierbei handelt es sich um einen derart strukturellen Unterschied zu den Treuhandverhältnissen, bei denen lediglich eine schuldrechtliche Bindung im Innenverhältnis besteht, dass es gerechtfertigt ist, von dieser Auffassung wenigstens für den Fall der Eigenverwaltung abzurücken und die Missbrauchsregeln entsprechend anzuwenden.282 Die Anwendung der Missbrauchsregeln auf den eigenverwaltenden Schuldner ist darüber hinaus auch geboten. Die Vornahme insolvenzzweckwidriger Handlungen durch den eigenverwaltenden Schuldner weist eine erhebliche Ähnlichkeit zu den Fällen des Missbrauchs der Vertretungsmacht auf. Denn hier wie dort besteht eine Asymmetrie zwischen dem rechtlichen Können im Außen- und dem rechtlichen Dürfen im Innenverhältnis:283 Die Rechtsmacht des Schuldners ist außer in den Fällen der §§ 277, 279 S. 3 InsO prinzipiell unbeschränkt, während er intern gegenüber den Gläubigern an den Insolvenzzweck gebunden284 und deshalb verpflichtet ist, die bestmögliche und gleichberechtigte Befriedigung der Gläubiger (§ 1 S. 1 InsO) zu verwirklichen. Die daraus entstehenden Interessengegensätze zwischen den Gläubigern auf der einen und den – redlichen – Geschäftspartnern des Eigenverwalters auf der anderen Seite gleichen denen zwischen Vertretenem und Geschäftsgegner in den Missbrauchsfällen. Da sich die Grundsätze über den Missbrauch der Vertretungsmacht bei der Lösung derartiger Interessenlagen bewährt haben und sie einen stimmigen und gerechten Ausgleich zwischen den widerstreitenden Belangen ermöglichen, ist es angezeigt, diese auch auf den eigenverwaltenden Schuldner entsprechend anzuwenden. Andernfalls wären die Gläubiger völlig schutzlos gestellt, weil Rechtshandlungen des eigenverwaltenden Schuldners nicht gem. §§ 129 ff. InsO angefochten werden können285 und auch kein allgemeines Verfügungsverbot, insbesondere nicht nach § 277 InsO oder analog §§ 21, 277 InsO286 angeordnet werden kann. Demzufolge sind, entsprechend den allgemeinen Missbrauchsregeln, Rechtshandlungen des Schuldners, die offensichtlich gegen den Verfahrenszweck einer optimalen und gleichberechtigten Gläubigerbefriedigung verstoßen und daher einen „Missbrauch der Eigenverwalterbefugnis“ darstellen, als unwirksam anzusehen, wenn entweder der Schuldner mit den Dritten kollusiv zum Schaden ___________ 282 Zur Unwirksamkeit insolvenzzweckwidriger Verfügungen des Vorstands einer Aktiengesellschaft in Eigenverwaltung, die über die direkte Anwendung der Missbrauchsregeln begründet werden kann, vgl. unten Kapitel 5 B. III. 1. d) bb), Seite 295. 283 Vgl. dazu Schramm, in: MK zum BGB, § 164 Rn. 106; Preuß, NZI 2003, 625. 284 Natürlich nur, soweit ein Massebezug besteht. 285 Bundesregierung, Begründung zu § 333 RegE InsO (= § 272 InsO), BT-Drucks. 12/2443, S. 224. Das folgt schon aus dem Tatbestand des § 129 InsO, der ausschließlich Rechtshandlungen erfasst, die vor Verfahrenseröffnung vorgenommen worden sind. 286 Siehe I. 1. b), Seite 46.

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1. Teil: Grundlagen

der Gläubiger zusammenwirkt (gem. §§ 138 I, 826 BGB)287 oder wenn der Dritte den Missbrauch kannte oder kennen musste (gem. § 242 BGB; Evidenztheorie).288 Denn insoweit verdient der Dritte keinen Schutz. Im Übrigen sind insolvenzzweckwidrige Handlungen des Schuldners aber wirksam. Die Zuweisung dieses Risikos an die Gläubiger findet seine Rechtfertigung in dem Umstand, dass sie sich für die Einbindung des Schuldners in das Insolvenzverfahren entschieden haben und dass sie die Eigenverwaltung jederzeit beenden können (§ 272 I Nr. 1 und 2 InsO), und korrespondiert mit ihrer Aufgabe, den Eigenverwalter durch den Gläubigerausschuss zu überwachen (§§ 69, 270 I 2 InsO)289. Gegen dieses Ergebnis kann nicht eingewendet werden, dass für Dritte nicht erkennbar sei, ob der Schuldner in seiner Funktion als Eigenverwalter oder außerhalb eines Insolvenzverfahrens handele oder nicht, weil die Eröffnung eines Eigenverwaltungsverfahrens nicht wie im regulären Verfahren ins Grundbuch oder die Register nach § 33 InsO eingetragen werde (§ 270 III 3 InsO).290 Denn da nach der hier vertretenen Lösung – im Unterschied zur h. M. – zusätzlich erforderlich ist, dass sich dem Geschäftspartner zumindest begründete Zweifel an der Insolvenzzweckwidrigkeit hätten aufdrängen müssen (subjektives Element), ist ein ausreichender Schutz des Geschäftspartners gewährleistet. Ferner lässt sich auch nicht, wie Huhn vorträgt, der amtlichen Begründung entnehmen, dass masseschädigende Handlungen des Schuldners grundsätzlich wirksam bleiben sollen.291 Die Passage, dass „gläubigerschädigende Handlungen des Schuldners nicht mit der Insolvenzanfechtung rückgängig gemacht werden [können], auch nicht nach einer Aufhebung der Eigenverwaltung“292, ___________ 287 Vgl. zu dieser Fallgruppe: BGH, Urteil vom 5. 11. 2003 – VIII ZR 218/01, NJWRR 2004, 247, 248; BGH, Urteil vom 17. 5. 1988 – VI ZR 233, 87, NJW 1989, 26; OLG Hamm, Urteil vom 18. 11. 1996 – 31 U 42/96, NJW-RR 1997, 737; RG, Urteil vom 1. 6. 1932 – V 63/32, RGZ 136, 359, 360; Palm, in: Erman, BGB, § 167 Rn. 47. Teilweise mit anderem dogmatischen Ansatz (§ 177 BGB). 288 Zu dieser Fallgruppe etwa BGH, Urteil vom 30. 1. 2002 – IV ZR 23/01, NJW 2002, 1497, 1498; BGH, Urteil vom 29. 6. 1999 – XI ZR 277/98, NJW 1999, 2883; RG, Urteil vom 14. 10. 1931 – I 10/31, RGZ 134, 67, 71; Palm, in: Erman, BGB, § 167 Rn. 49; Hopt, HGB, § 50 Rn. 5; differenzierend Schramm, in: MK zum BGB, § 164 Rn. 114 ff. 289 Zur Befugnis des Gläubigerausschusses, den Schuldner zu überwachen, vgl. unten IV. 2. a), Seite 94. 290 So aber Huhn, Rn. 610, freilich noch zur älteren Auffassung. 291 Huhn, Rn. 620 ff., der sich dabei mehrmals – offenbar irrig – auf die „Begründung RegE, in: Kübler/Prütting, RWS-Dok. 18, S. 523“ bezieht, also auf die Gesetzesbegründung zu § 279 InsO (= § 240 RegE), wo aber entsprechende Bemerkungen nicht zu finden sind. 292 Bundesregierung, Begründung zu § 333 RegE InsO (= § 272 InsO), BT-Drucks. 12/2443, S. 224.

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ist nicht so zu verstehen, der Gesetzgeber habe auch keine Rechtsfolgen zulassen wollen, die den §§ 129 ff. InsO entsprechen, selbst wenn damit auch solche Fälle erfasst werden (vgl. §§ 133 f. InsO), die bei einem Insolvenzverwalter zur Nichtigkeit seiner Rechtshandlung führten. Der Gesetzgeber hat mit diesen Worten lediglich ausgedrückt, dass Rechtshandlungen des Schuldners während der Eigenverwaltung ebenso wenig anfechtbar sind wie solche des Insolvenzverwalters in einem regulären Verfahren. Es handelt sich nur um die Wiederholung dessen, was der Gesetzgeber an anderer Stelle bestärkt hat, nämlich dass in der Eigenverwaltung keine anderen materiell-rechtlichen Vorschriften zur Anwendung kommen sollen als in einem Regelinsolvenzverfahren.293 Schließlich kann gegen diese Lösung auch nicht angeführt werden, dass vergleichszweckwidrige Verfügungen des Vergleichsschuldners ohne Einschränkung wirksam waren.294 Mag sich auch die Eigenverwaltung und im Besonderen das Verfügungsrecht des Schuldners im Grundsatz am Vergleichsrecht orientieren,295 so besteht doch ein grundlegender Unterschied darin, dass es nach der Vergleichsordnung keine dem § 1 S. 1 InsO entsprechende Bindung des Vergleichsschuldners an den Verfahrenszweck gab,296 so dass seine Befugnisse auch nicht wie nach nunmehr geltendem Insolvenzrecht im Innenverhältnis gegenüber den Gläubigern beschränkt waren. Zusammenfassend ist somit festzuhalten, dass insolvenzzweckwidrige Handlungen des eigenverwaltenden Schuldners, die also gleichsam einen „Missbrauch der Eigenverwaltungsbefugnis“ darstellen, entsprechend den Grundsätzen über den Missbrauch der Vertretungsmacht unwirksam sein können.

___________ 293 Vgl. Bundesregierung, Begründung zu § 340 RegE InsO (= § 279 InsO), BTDrucks. 12/2443, S. 225; Bundesregierung, vor § 331 (= § 270 InsO), BT-Drucks. 12/2443, S. 223. 294 So aber Huhn, R. 618. Bejaht wurde lediglich die Unwirksamkeit vergleichszweckwidriger Verfügungen des Vergleichsverwalters in bestimmten Konstellationen: vgl. J. Mohrbutter, in: Bley/Mohrbutter, VglO, § 57 Rn. 33 und § 64 Rn. 3; BGH, Urteil vom 2. 6. 1980 – III ZR 122/78, ZIP 1980, 744, 745 (ausdrücklich nur für den Fall des allgemeinen Veräußerungsverbots nach § 62 VglO). 295 B. II. 1., Seite 39, und 2. a) bb) (3) (a), Seite 58. 296 Eine solche Bindung wurde – soweit ersichtlich – nicht angenommen. Das mag darauf zurückzuführen sein, dass in der Vergleichsordnung eine § 1 S. 1 InsO bzw. § 3 I KO vergleichbare allgemeine Zweckbestimmung nicht existiert.

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1. Teil: Grundlagen

II. Der Sachwalter 1. Stellung in der Eigenverwaltung Der eigenverwaltende Schuldner wird unter die Aufsicht eines Sachwalters297 gestellt (§ 270 I 1 InsO). Die Tatsache, dass die Insolvenzordnung die für die Bestellung, Aufsicht, Haftung und Vergütung eines Insolvenzverwalters geltenden Vorschriften für auf den Sachwalter entsprechend anwendbar erklärt (§ 274 I InsO) und diesem auch sonst im gewissen Rahmen Kompetenzen zuweist, die sonst nur ein Insolvenzverwalter wahrnimmt wie etwa die Führung der Insolvenztabelle (§ 270 III 2 InsO), die Anfechtung von Rechtshandlungen (§ 280 InsO), die Anzeige der Masseunzulänglichkeit (§ 285 InsO) und das Bestreitensrecht (§ 285 I InsO), darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Schwerpunkt seiner Tätigkeit in der umfassenden Überwachung des Schuldners liegt.298 So ist dem Sachwalter ausdrücklich die Pflicht zugewiesen, die wirtschaftliche Lage des Schuldners zu prüfen und dessen Geschäftsführung sowie die Ausgaben für die Lebensführung ständig zu überwachen (§ 274 II 1 InsO), das vom Schuldner vorgelegte Vermögens- (§ 281 I 2 InsO) und Verteilungsverzeichnis (§ 283 II 2 InsO) zu kontrollieren und schließlich die Erfüllung eines etwaigen Insolvenzplans zu überwachen. Auch das nach bestimmten Vorschriften erforderliche Einvernehmen des Sachwalters mit Handlungen des Schuldners läuft auf eine bloße Kontrolle hinaus, zumindest soweit das Fehlen dieses Einvernehmens im Außenverhältnis keine Wirkungen entfaltet (§§ 275 I, 279 S. 2, 282 II InsO). Zur Erfüllung der Überwachungsaufgaben stehen dem Sachwalter die Auskunfts-, Betretens- und Einsichtsrechte eines vorläufigen Insolvenzverwalters zu (§§ 274 II 2, 22 III InsO). Aus der Überwachungspflicht resultiert aber kein allgemeines Weisungsrecht des Sachwalters.299 Aufgaben der Geschäftsführung sind dem Sachwalter nur ausnahmsweise zugeordnet. Es handelt sich dabei um diejenigen Verfahrenshandlungen, deren ordnungsgemäße Ausübung der Gesetzgeber dem Schuldner wegen der mit ihnen verbundenen Interessenkollisionen nicht zutraut; dazu zählen die Geltendmachung der Haftung aus §§ 92, 93 InsO und die Insolvenzanfechtung nach

___________ 297 Nicht zu verwechseln mit dem durch einen Vergleich bestimmten Sachwalter i. S. d. §§ 91 bis 95 VglO, der – im Auftrag des Schuldners (dazu Kilger/K. Schmidt, InsG, § 92 VglO Anm. 1) – die Erfüllung des Vergleichs zu überwachen hatte. 298 Vgl. Pape/Uhlenbruck, InsR, Rn. 844, 847, 850; zur Abgrenzung der Rechtsstellung von Schuldner und Sachwalter vgl. ferner Bundesregierung, Begründung zu § 331 RegE InsO, BT-Drucks. 12/2443, S. 223. 299 Blersch, in: BK zum InsR, § 274 Rn. 13; Wittig, in: MK zur InsO, § 274 Rn. 27.

Kap. 1: Grundzüge des Rechts der Eigenverwaltung

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§§ 129 bis 147 InsO (§ 280 InsO)300 sowie die Anzeige der Masseunzulänglichkeit (§ 285 InsO)301. In diesem Fall kommt es zu einer Aufspaltung der Geschäftsführung. Im Übrigen führen die Mitwirkungs- und Kontrollrechte im Idealfall dazu, dass der Sachwalter den Schuldner berät, so dass es zu einer gemeinschaftlichen Geschäftsführung in sämtlichen Bereichen kommt. 302 2. Einflussmöglichkeiten auf den Schuldner Wenngleich die Stellung des Sachwalters auch primär auf eine Kontrolle des Schuldners ausgelegt ist, so ist doch aufgrund seiner weit reichenden Kontrollund Mitwirkungsrechte ein Eigenverwaltungsverfahren ohne die tatsächliche Zusammenarbeit von Schuldner und Sachwalter nicht denkbar. Die Bereitschaft des Schuldners zur Kooperation mit dem Sachwalter wird vom Gesetz vielmehr vorausgesetzt.303 Stellt der eigenverwaltende Schuldner nicht das für bestimmte Rechtshandlungen erforderliche Einvernehmen mit dem Sachwalter her (§§ 275 I 1, 279 S. 2, 282 II InsO), wird dieser in aller Regel verpflichtet sein, dem Insolvenzgericht und dem Gläubigerausschuss (bzw. den Gläubigern) und eine Anzeige nach § 274 III 1 InsO zu machen. Gegen den Widerstand des Sachwalters kann der Schuldner daher kaum das Verfahren durchführen. Eine Gläubi___________ 300 Vgl. Bundesregierung, Begründung zu § 341 RegE InsO (= § 280 InsO), BTDrucks. 12/2443, S. 225. 301 Möglicherweise liegt der Ausschluss des Schuldners von der Anzeige nach § 285 darin begründet, dass man dem Schuldner angesichts der mit der Einstellung nach §§ 208, 211 InsO für ihn verbundenen verheerenden Folgen (endgültiger Verlust des Verfügungsrechts und jeder Sanierungshoffnung) nicht zutraute, die Masseunzulänglichkeit rechtzeitig anzuzeigen, so dass man auch auf sie verzichten konnte. Die Gesetzesbegründung ist in dieser Hinsicht unklar. Nach § 346 RegE InsO waren sowohl der Schuldner als auch der Sachwalter berechtigt, die Feststellung der Masseunzulänglichkeit zu beantragen (vgl. BT-Drucks. 12/2443, S. 63). Warum bei der Anpassung der Vorschrift durch den Rechtsausschuss nicht auch eine Anzeige durch den Schuldner vorgesehen wurde, geht aus der Begründung allerdings nicht hervor (vgl. Begründung zu § 346 BeschlussE InsO, BT-Drucks. 12/7302, S. 186). Dass dies zur Entlastung der Gerichte geschah (so Uhlenbruck, in: Uhlenbruck, InsO, § 285 Rn. 1), ist wenig überzeugend; dem kann vielmehr allein die Umstellung des vom RegE vorgesehenen Feststellungsverfahrens auf das Anzeigeverfahren gegolten haben. Der von Landfermann (in: HK zur InsO, § 285 Rn. 1) angeführte Grund, dass man den mit der Anzeige verbundenen Eingriff in die Rechte der „Altmassegläubiger“ nicht allein vom Willen des Schuldners abhängig gemacht werden sollte, lässt sich mit den Gesetzesmaterialien nicht stützen. Auf diesem Hintergrund gestattet Foltis, in: FK zur InsO, § 285 Rn. 1 mit beachtlichen Argumenten auch dem Schuldner ein Anzeigerecht, was aber im Anbetracht der eindeutigen gesetzlichen Regelung nicht ohne Zweifel bleibt. Kritisch auch Pape, in: Kübler/Prütting, InsO, § 285 Rn. 4. 302 Ähnlich Schlegel, S. 273. 303 Haarmeyer/Wutzke/Förster, Kap. 10 Rn. 19.

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1. Teil: Grundlagen

gerversammlung einzuberufen (§ 75 I Nr. 1 InsO304), um auf die Auswechslung des Sachwalters hinzuwirken (§§ 274 I, 57 InsO), wird nur in Ausnahmefällen zum Erfolg führen. Aus diesen Gründen kann der Sachwalter einen ganz erheblichen faktischen Einfluss auf den Schuldner ausüben. III. Das Insolvenzgericht Die Stellung des Insolvenzgerichtes im Eigenverwaltungsverfahren unterscheidet sich kaum von derjenigen im Regelinsolvenzverfahren. Abgesehen von den Aufgaben und Befugnissen, die mit der Anordnung der Eigenverwaltung als solcher in unmittelbaren Zusammenhang stehen, also die Prüfung und Entscheidung der Anträge auf Anordnung der Eigenverwaltung (§§ 270, 271 InsO) oder deren Aufhebung (§ 272 InsO), übt das Gericht dieselbe Funktion wie im Regelinsolvenzverfahren aus. Statt des Insolvenzverwalters (§§ 56 ff. InsO) muss das Gericht nun den Sachwalter bestellen, überwachen und ggf. entlassen (§§ 274 I, 56 ff. InsO). Da der Aufgabenkreis eines Sachwalters aber gegenüber dem des Insolvenzverwalters erheblich eingeschränkt ist und der eigenverwaltende Schuldner nicht der Aufsicht des Gerichts unterliegt305, vermindert sich auch der Überwachungsaufwand auf Seiten des Gerichts entsprechend. Entgegen der Ansicht von Schlegel306 untersteht der Schuldner insbesondere keiner Aufsicht des Insolvenzgerichts nach § 58 InsO. Dem steht nicht nur aus systematischer Sicht die in §§ 274 I, II 1 InsO getroffene Spezialregelung entgegen, sondern auch, dass es sich bei dem Schuldner um keinen Amtswalter handelt.307 Daher ist auch die von Schlegel geforderte Gleichbehandlung mit dem Insolvenzverwalter nicht geboten. Im Übrigen ist eine Kontrolle durch den Sachwalter für einen wirksamen Masseschutz völlig ausreichend.

___________ 304 Zur Einberufungsberechtigung des eigenverwaltenden Schuldners vgl. Schlegel, S. 136; Huhn, Rn. 841. 305 Landfermann, in: HK zur InsO, § 274 Rn. 4; Uhlenbruck, in: Uhlenbruck, InsO, § 270 Rn. 19. 306 Schlegel, S. 168. 307 Siehe oben I. 2. b) bb), Seite 66.

Kap. 1: Grundzüge des Rechts der Eigenverwaltung

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IV. Die Gläubiger 1. Die Gläubigerversammlung a) Stellung in der Eigenverwaltung Nach dem Willen des Gesetzgebers soll den Gläubigern die autonome Entscheidung über die Durchführung des Insolvenzverfahrens zustehen308. Zur Beschlussfassung über die damit verbundenen Fragen ist die Gläubigerversammlung als das oberste Selbstverwaltungsorgan309 der Gläubiger berufen; ihr kommt sozusagen die „Richtliniekompetenz“ zu.310 Im Falle der Eigenverwaltung hat sie dabei vor allem folgende grundlegende Weichen zu stellen:311 Einerseits hat sie über die Anordnung der Eigenverwaltung als solche zu beschließen, also darüber, ob das Insolvenzverfahren unter der Ägide eines Insolvenzverwalters oder in Selbstverwaltung des Schuldners durchgeführt werden soll. Da sie das Verfahren sogar gegen den Willen des Gerichts durchsetzen (§ 271 InsO), aber auch jederzeit wieder beenden kann (§ 272 I Nr. 1 InsO), steht ihr die Letztentscheidungskompetenz über die Eigenverwaltung zu.312 Andererseits hat die Gläubigerversammlung im Berichtstermin gem. §§ 157, 270 I 2 InsO313 darüber zu entscheiden, welches Ziel das Eigenverwaltungsverfahren verfolgen soll, ob also das schuldnerische Unternehmen liquidiert, saniert oder reorganisiert werden soll.314 Abweichend zu § 157 S. 2 Hs. 1 InsO kann die Gläubigerversammlung gem. § 284 I 1 InsO sowohl den Sachwalter wie auch den Schuldner mit der Ausarbeitung eines Insolvenzplans betrauen. Insbesondere wegen ihrer Entscheidungskompetenz über Beginn und Ende des Verfahrens kommt der Gläubigerversammlung in der Eigenverwaltung eine besondere Bedeutung und Verantwortung zu.315 Um sicherzustellen, dass den Gläubigern keine Nachteile aus der Eigenverwaltung erwachsen, stehen ihr die folgenden Mittel zur Verfügung. ___________ 308

Bundesregierung, vor § 331 RegE InsO, BT-Drucks. 12/2443, S. 223. Haarmeyer/Wutzke/Förster, Kap. 6 Rn. 58. 310 Siehe auch Kapitel 5 B. III. 1. b), Seite 290. 311 Zur Gläubigerversammlung in der Eigenverwaltung eingehend Huhn, Rn. 1094 ff. 312 Wittig, in: MK zur InsO, vor §§ 270–285 Rn. 69. 313 Zur Geltung des § 157 InsO in der Eigenverwaltung: Schlegel, S. 285; Huhn, Rn. 1143. 314 Wittig, in: MK zur InsO, vor §§ 270–285 Rn. 68. 315 Pape, in: Kölner Schrift, S. 895 ff. Rn. 56. 309

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1. Teil: Grundlagen

Die (erste) Gläubigerversammlung kann einen neuen Sachwalter einsetzen, etwa wenn sie befürchtet, dass die durch das Gericht zunächst bestellte Person den Schuldner nicht ordnungsgemäß beaufsichtigen wird, oder die Entlassung des Sachwalters bei Vorliegen eines wichtigen Grundes bewirken (§§ 274 I, 57 I, 59 I 2 InsO). Zudem kann sie gemäß § 277 I 1 InsO durch das Insolvenzgericht anordnen lassen, dass bestimmte Rechtsgeschäfte des Schuldners nur mit Zustimmung des Sachwalters wirksam sind; ein allgemeines Verfügungsverbot kann aber nicht angeordnet werden.316 Diese Befugnis ist von besonderem Gewicht, weil ohne diese Zustimmung vorgenommene Rechtshandlungen – im Unterschied zu den Mitwirkungsvorbehalten der §§ 275, 276 InsO – im Außenverhältnis unwirksam sind. Ist ein Gläubigerausschuss nicht bestellt, sehen schließlich §§ 276 I 2, 160 I 2 InsO die Mitwirkung der Gläubigerversammlung bei besonders wichtigen Rechtshandlungen des Schuldners vor. Darüber hinaus ergeben sich weitere Bindungen über § 270 I 2 InsO. So kann z. B. die Zustimmung der Gläubigerversammlung bei einer Betriebsveräußerung unter Wert oder an besonders Interessierte erforderlich sein (§§ 162 I, 163 I, 270 I 2 InsO317). Das Einberufungsrecht des § 75 I Nr. 1 InsO steht in der Eigenverwaltung dem Schuldner zu,318 nach §§ 74 I 2, 270 I 2 InsO ist er teilnahmeberechtigt. b) Einflussmöglichkeiten auf den Schuldner aa) Unmittelbare Beeinflussung Durch das in § 277 I InsO normiere Antragsrecht kann die Gläubigerversammlung unmittelbaren Einfluss auf die Geschäftsführung des Schuldners nehmen. Diese Befugnis ist von besonderem Gewicht, weil ohne diese Zustimmung vorgenommene Rechtshandlungen – im Unterschied zu den Mitwirkungsvorbehalten der §§ 275, 276 InsO – im Außenverhältnis unwirksam sind. Ein solcher Zustimmungsvorbehalt bietet sich deshalb vor allem an, um befürchtete gläubigerschädigende Rechtshandlungen des Schuldners zu unterbinden. Allerdings sind der Reichweite des Zustimmungsvorbehalts Grenzen gesetzt; insbesondere kann die Verfügungsbefugnis des Schuldners nicht für jedes Geschäft beschränkt werden, da andernfalls das wesentliche Merkmal der Eigenverwaltung verloren wäre.319 ___________ 316

Vgl. I. 1. b), Seite 46; Bork, InsR, Rn. 407; zu den Grenzen Huhn, Rn. 1130. Zur Geltung der §§ 162 I, 163 I InsO vgl. Schlegel, S. 287. 318 Wittig, in: MK zur InsO, vor §§ 270–285 Rn. 70; Pape, in: Kölner Schrift, S. 895 ff. Rn. 38. 319 Zu den Grenzen Huhn, Rn. 1130. 317

Kap. 1: Grundzüge des Rechts der Eigenverwaltung

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Fraglich ist, ob der Gläubigerversammlung darüber hinaus ein allgemeines Weisungsrecht gegenüber dem Schuldner zuzubilligen ist. Dafür könnte zwar der Grundsatz der Gläubigerautonomie und die Tatsache sprechen, dass die Gläubigerversammlung bereits zur Entscheidung über die wesentlichen Grundentscheidungen des Eigenverwaltungsverfahrens – nämlich das „ob“ (§§ 271, 272 InsO) und das Ziel (§§ 157, 270 I 2 InsO) – berufen ist, so dass eine auf ein konkretes Geschäft bezogene Weisung als bloßes Minus erschiene. Doch hat Huhn überzeugend darauf hingewiesen, dass ein solches Weisungsrecht nicht mit dem Wesen der Eigenverwaltung zu vereinbaren ist und auch das in §§ 276, 277 InsO geregelte System aushebeln würde.320 Dagegen spricht außerdem, dass es an jeglicher normativen Grundlage für ein Weisungsrecht fehlt. Insbesondere gebietet auch nicht der Grundsatz der Gläubigerautonomie ein solches Weisungsrecht. Denn da im Insolvenzverfahren neben den Interessen der Gläubiger auch die des Schuldners zur Geltung zu bringen sind,321 müssen der Gläubigerautonomie notwendigerweise Grenzen gesetzt werden. Die den Gläubigern im Rahmen der Geschäftsführung eingeräumten Mitwirkungs- und Zustimmungsrechte sind daher als Bestandteil einer insolvenzrechtlichen Gewaltenteilung zu verstehen, die abschließenden Charakter hat. Folgerichtig sind Weisungsrechte der Gläubiger im Bereich der laufenden Geschäfte dem Insolvenzverfahren insgesamt fremd; die Gläubigerversammlung kann auch nicht den Sachwalter322 und noch nicht einmal den Insolvenzverwalter im regulären Verfahren323 zur Vornahme bestimmter Geschäftsführungsmaßnahmen anweisen. Nichts anderes kann dann für den eigenverwaltenden Schuldner gelten. Der Gläubigerversammlung steht es daher nicht zu, den Schuldner zu konkreten Maßnahmen anzuweisen, weder im unternehmerischen noch im insolvenzverfahrensrechtlichen Bereich; sie ist darauf beschränkt, den Rahmen abzustecken, innerhalb dessen der Schuldner die Geschäfte leitet und das Insolvenzverfahren durchführt. bb) Mittelbare Beeinflussung Eine ganz andere Frage ist es dagegen, inwieweit die Gläubigerversammlung den Schuldner mittelbar (faktisch) beeinflussen kann. In Gestalt ihrer Befugnis, das Verfahren jederzeit zu beenden (§ 272 InsO) oder aber einen Zustimmungs___________ 320

Huhn, Rn. 1143 ff., 1145 ff. Ganter, in: MK zur InsO, § 1 Rn. 56. 322 Huhn, Rn. 1138 ff. So auch hinsichtlich der Erteilung der Zustimmung nach § 277 I 1 InsO: Schlegel, S. 214; Koch, S. 254. 323 Delhaes, in: Nerlich/Römermann, InsO, vor § 56 Rn. 20; Ehricke, in: MK zur InsO, § 74 Rn. 18. 321

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1. Teil: Grundlagen

vorbehalt nach § 277 I InsO anordnen zu lassen, hat die Gläubigerversammlung erhebliche Druckmittel gegenüber dem Schuldner in der Hand. Natürlich wird es in der Praxis kaum zu einem „Drohbeschluss“ der Gläubigerversammlung kommen, der dem Schuldner eine bestimmte Geschäftsführungsmaßnahme abverlangt und die Nichtbefolgung mit der Beendigung des Verfahrens sanktioniert.324 Es ist aber wahrscheinlich, dass insbesondere Großgläubiger hinter den Kulissen die Fortführung des Insolvenzverfahrens von der Vornahme bestimmter Handlungen abhängig machen, die sie für sich vorteilhaft erachten. Außerdem wird der Schuldner eingedenk der Kompetenzen der Gläubigerversammlung schon aus eigenem Antrieb Sorge dafür tragen, dass seine Verfahrensführung von einer Mehrheit in der Gläubigerversammlung getragen wird, und er wird daher schon im Vorfeld die Zustimmung der wichtigsten (Groß-)Gläubiger zu Maßnahmen von einigem Gewicht einholen. 2. Der Gläubigerausschuss a) Stellung in der Eigenverwaltung Auch im Eigenverwaltungsverfahren kann nach den allgemeinen Regeln (§§ 270 I 2, 67 ff InsO) ein Gläubigerausschuss eingesetzt werden.325 Während sich jedoch die Aufgabe des Gläubigerausschusses im Regelinsolvenzverfahren klar auf die Überwachung und Unterstützung des Insolvenzverwalters bei dessen Geschäftsführung eingrenzen lässt (§ 69 InsO), ist sein Aufgabenbereich in der Eigenverwaltung wegen des Nebeneinanders von Schuldner und Sachwalter bei der Geschäftsführung326 nicht ohne weiteres aus dem Gesetz ersichtlich. Abweichend von den allgemeinen Vorschriften ist in den §§ 270 ff. InsO ausdrücklich lediglich angeordnet, dass der Gläubigerausschuss die Anzeige drohender Gläubigerbenachteiligung durch den Sachwalter entgegenzunehmen (§ 274 III 1 InsO) und der Schuldner – wie sonst der Insolvenzverwalter (§ 160 InsO) – bei besonders wichtigen Rechtshandlungen die Zustimmung des Gläubigerausschusses einzuholen hat (§ 276 I 1 InsO)327. Im Übrigen finden wegen ___________ 324 Es ist ohnehin fraglich, ob die Gläubigerversammlung einen solchen Beschluss wirksam fassen könnte, denn nach § 160 InsO (i. V. m. § 276 InsO) darf sie über Geschäftsführungsmaßnahmen nur beschließen, wenn diese von besonderer Bedeutung sind, vgl. Kapitel 5 B. III. 1. b), Seite 290. 325 Dazu ausführlich Huhn, Rn. 1178 ff. 326 Vgl. dazu oben II. 1., Seite 88. 327 Dabei gilt über § 276 S. 2 InsO der Maßstab des § 160 II InsO. Ohne die Zustimmung vorgenommene Rechtshandlungen sind im Außenverhältnis wirksam, §§ 164, 276 S. 2 InsO.

Kap. 1: Grundzüge des Rechts der Eigenverwaltung

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§ 270 I 2 InsO die allgemeinen Vorschriften über den Gläubigerausschuss Anwendung, also auch § 69 InsO. Den Verweis auf § 69 InsO könnte man so verstehen, dass der Gläubigerausschuss allein den Sachwalter überwachen soll, weil eben dieser gem. § 270 III 1 InsO anstelle eines Insolvenzverwalters bestellt wird. Da allerdings dem Sachwalter – im Grundsatz – nicht die Geschäftsführung, sondern nur die Aufsicht darüber obliegt (§ 274 II InsO), bedeutete dieses Verständnis, dass der Gläubigerausschuss lediglich das Kontrollorgan Sachwalter überwachen, mithin eine bloß nachgelagerte Überwachung ausüben würde. Es ist aber nicht überzeugend, dass gerade in dem mit besonderen Risiken für die Gläubiger verbundenen Eigenverwaltungsverfahren die Befugnisse und Einflussmöglichkeiten des Gläubigerausschusses derart gegenüber dem Regelinsolvenzverfahren abgesenkt sein sollen. Es liegt viel näher, aus § 69 InsO den Grundgedanken zu entnehmen, dass der Ausschuss ganz allgemein „die Geschäftsführung“ überwachen soll, also unabhängig davon, durch wen diese jeweils ausgeübt wird. Dem kann auch nicht entgegengesetzt werden, dass im Vergleichsverfahren, dem die Eigenverwaltung nachempfunden ist, der Gläubigerbeirat nach dem Wortlaut des § 44 I VglO nur den Vergleichsverwalter, nicht aber den Schuldner zu überwachen hatte. Denn einerseits sind die Kompetenzen des Gläubigerausschusses (§ 69 InsO) laut der amtlichen Begründung „in enger Anlehnung“ an die des konkursrechtlichen Gläubigerausschusses (§ 88 KO) ausgestaltet worden,328 so dass in Ermangelung einer abweichenden Bestimmung in den §§ 270 ff. InsO (§ 270 I 2 InsO) für die Eigenverwaltung die Rechtsstellung des Ausschusses nach § 88 KO und nicht die des Gläubigerbeirats nach § 44 VglO Vorbild ist. Andererseits hatte auch der Gläubigerbeirat gewisse Kontroll- und Auskunftsrechte gegenüber dem Schuldner (vgl. § 45 I VglO), die zumindest faktisch auch zu dessen Überwachung führten. Deshalb ist der überwiegenden Auffassung beizutreten, dass dem Ausschuss gegenüber dem eigenverwaltenden Schuldner eigenständige Befugnisse zustehen, die den Aufgaben und Befugnissen im Verhältnis zum Insolvenzverwalter entsprechen.329 Soweit auch dem Sachwalter Aufgaben der Geschäftsführung zugewiesen sind, die sonst im Regelinsolvenzverfahren durch den Insolvenzverwalter ausgeübt werden, ist eine Überwachung durch den Gläubigerausschuss entsprechend § 69 InsO anzuerkennen. Dazu zählen jedenfalls die in § 280 InsO genannten Kompetenzen sowie die Ausübung der dem Sachwalter zugewiesenen ___________ 328 Bundesregierung, Begründung zu § 80 RegE InsO (= § 69 InsO), BT-Drucks. 12/2443, S. 132. 329 Pape, in: Kölner Schrift, S. 895 ff. Rn. 54; ders., in: Kübler/Prütting, InsO, § 276 Rn. 1, 2; ihm folgend Wittig, in: MK zur InsO, § 276 Rn. 18; die Überwachungsfunktion bejaht etwa auch Riggert, in: Braun, InsO, § 276 Rn. 6; i. E. wohl auch AG Duisburg, Beschluss vom 1. 9. 2002 – 62 IN 167/02, NZI 2002, 556, 558 [Babcock Borsig].

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1. Teil: Grundlagen

Mitwirkungsrechte (§§ 275, 277, 279 S. 2, 282 II InsO). Ob darüber hinaus dem Ausschuss die umfassende Überwachung des Sachwalters, also auch hinsichtlich der Aufgaben zustehen soll, die nicht auf den ersten Blick der „Geschäftsführung“ i. S. d. § 69 InsO zuzuordnen sind, insbesondere die Überwachung des Schuldners nach §§ 274 II, 281 I 3 InsO, hängt vom Verständnis des Begriffs „Geschäftsführung“ ab, wird von der h. M. aber allgemein anerkannt. Dem ist mit der Überlegung zuzustimmen, dass die Vernetzung der Überwachungsaufgaben von Sachwalter und Ausschuss eine solche Aufteilung in der Praxis kaum gestattet und dass eine ordnungsgemäße Ausübung der dem Sachwalter in §§ 280 bzw. §§ 275, 277, 279 S. 2, 282 II InsO zugewiesenen Rechte ohnehin auch eine ordnungsgemäße allgemeine Überwachung nach §§ 274 II, 281 I 3 InsO durch den Sachwalter zur Voraussetzung hat. Der Gläubigerausschuss hat daher entsprechend § 69 InsO sowohl den Schuldner bei seiner Geschäftsführung als auch den Sachwalter bei seiner Tätigkeit zu überwachen und zu unterstützen, wobei der Schwerpunkt auf der Kontrolle des Schuldners liegt.330 b) Einflussmöglichkeiten auf den Schuldner Der Überwachung des Schuldners durch den Gläubigerausschuss kommt in der Eigenverwaltung eine besondere Bedeutung zu, weil die Eigenverwaltung per se ein höheres Gefährdungspotential für die Gläubiger birgt und weil außerdem nicht ein unabhängiger und erfahrender Insolvenzverwalter, sondern ein möglicherweise unzuverlässiger Eigenverwalter kontrolliert werden muss.331 Es sollte daher in aller Regel ein Gläubigerausschuss eingesetzt werden. Mittel der Überwachung sind das Recht zur Einsicht der Geschäftsbücher und zur Kassenprüfung (§§ 69 S. 2, 270 I 2 InsO)332 sowie die Anzeigepflicht des Sachwalters nach § 274 III 2 InsO. Daneben existieren aber für den Ausschuss trotz seiner wichtigen Aufgabe keine unmittelbaren rechtlichen Einflussmöglichkeiten auf den Schuldner, insbesondere kein Weisungsrecht333 oder ein sonstiges Ein___________ 330 Pape, in: Kübler/Prütting, InsO, § 276 Rn. 2; ders., in: Kölner Schrift, S. 895 ff. Rn. 54; Wittig, in: MK zur InsO, § 276 Rn. 17; Haarmeyer/Wutzke/Förster, Kap. 10 Rn. 27. 331 Huhn, Rn. 1181; Wittig, in: MK zur InsO, § 276 Rn. 17; Riggert, in: Nerlich/Römermann, InsO, § 276 Rn. 2. 332 Dieses natürlich nur, soweit nicht der Sachwalter den Zahlungsverkehr an sich gezogen hat (§ 275 II InsO). 333 Denn dem Gläubigerausschuss kann keine stärkere Rechtsposition als der Gläubigerversammlung eingeräumt werden, der kein Weisungsrecht zusteht, vgl. IV. b) aa), Seite 92. Ebenso Huhn, Rn. 1185. Missverständlich ist insoweit allerdings die amtliche Begründung, die von „Weisungen des Gläubigerausschusses“ an den Schuldner spricht (vgl. Begründung zu § 333 RegE InsO [= § 272 InsO], BT-Drucks. 12/2443, S. 224).

Kap. 1: Grundzüge des Rechts der Eigenverwaltung

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griffsrecht. Selbst eine ohne die nach § 276 I 1 InsO erforderliche Zustimmung des Ausschusses vorgenommene Rechtshandlung ist im Außenverhältnis wirksam, §§ 164, 276 S. 2 InsO. Schließlich kann der Gläubigerausschuss auch nicht die Aufhebung der Eigenverwaltung beantragen (vgl. § 272 InsO). Allerdings lassen sich die faktischen Einflussmöglichkeiten des Ausschusses nicht von der Hand weisen. Gem. §§ 75 I Nr. 2, 270 I 2 InsO kann der Gläubigerausschluss jederzeit eine Gläubigerversammlung anberaumen lassen und in ihr auf die Beendigung der Eigenverwaltung (§ 272 I Nr. 1 InsO) hinwirken, wobei er die durch seine Überwachungstätigkeit gewonnenen Erkenntnisse zur Überzeugung der Gläubiger einsetzen kann. Außerdem kann er durch die Verweigerung seiner Mitwirkung (z. B. § 276 I 1 InsO, §§ 158 I, 270 I 2 InsO334, §§ 231 II, 233 270 I 2 InsO335) die Verfahrensführung durch den Schuldner torpedieren, wenn nicht gar unmöglich machen. Dadurch wird der Ausschuss in die Lage versetzt, einen bestimmenden Druck auf den Schuldner rein tatsächlich auch dort auszuüben, wo ihm unmittelbare rechtliche Einflussmöglichkeiten versagt sind. 3. Der einzelne Gläubiger a) Stellung in der Eigenverwaltung Neben den Organen der Gläubigerselbstverwaltung (Gläubigerversammlung und -ausschuss) stehen im Eigenverwaltungsverfahren auch einzelnen Gläubigern individuelle Rechte zu.336 Absonderungsberechtigte Gläubiger (§ 49 InsO) und Insolvenzgläubiger (§ 38 InsO) haben – unter gegenüber der Gläubigerversammlung verschärften Voraussetzungen – das Recht, die Aufhebung der Eigenverwaltung (§ 272 I Nr. 1, II InsO) und die Anordnung der Zustimmungsbedürftigkeit (§ 277 II InsO) zu beantragen. Ist ein Gläubigerausschuss nicht bestellt, hat der Sachwalter diesen Gläubigern die Anzeige drohender Gläubigerbenachteiligung zu erstatten (§ 274 III 2 InsO).

___________ Damit ist aber wohl lediglich die Erteilung oder die Verweigerung einer nach den §§ 270 ff. InsO erforderlichen Mitwirkung gemeint. 334 Zur Geltung des § 158 InsO in der Eigenverwaltung Schlegel, S. 285. 335 Zur Geltung der §§ 218 ff. InsO in der Eigenverwaltung Schlegel, S. 288. 336 Ausführlich Huhn, Rn. 1186 ff.

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1. Teil: Grundlagen

b) Einflussmöglichkeiten auf den Schuldner Trotz des offenbaren Gleichlaufs mit den Rechten der Gläubigerversammlung ist die Einflussmöglichkeit einzelner Gläubiger auf den Schuldner wegen der in §§ 272 I Nr. 1, II bzw. 277 II InsO enthaltenen erhöhten Anforderungen als gering zu bewerten. Zunächst ist der Aufhebungsantrag des Einzelgläubigers – anders als der der Gläubigerversammlung – nicht allein von dessen Willen, sondern vom Wegfall der Voraussetzungen des § 270 II Nr. 3 InsO abhängig. Zudem bedeutetet es für den einzelnen Gläubiger eine erhebliche Hürde, dem Gericht den Wegfall der Voraussetzungen des § 270 II Nr. 3 InsO glaubhaft, d. h. überwiegend wahrscheinlich (§ 4 InsO i. V. m. § 294 ZPO) zu machen. Denn der einzelne Gläubiger befindet sich strukturell in einem Informationsdefizit über die Details des Verfahrens und einzelner Geschäftsleitungsmaßnahmen, insbesondere wenn ein Gläubigerausschuss bestellt ist und er somit nicht nach § 274 III 2 InsO durch den Sachwalter informiert wird. Das Gericht wird schließlich wegen der Gefahr missbräuchlicher bzw. querulatorischer Anträge337 und der weit reichenden Folgen, die die Aufhebung der Eigenverwaltung für alle Verfahrensbeteiligten bedeutet, stets sehr sorgfältig prüfen, ob die Voraussetzungen des § 272 I Nr. 2, II InsO gegeben sind, und sich im Zweifel gegen die Aufhebung und damit für die Entscheidungspriorität der Gläubigerversammlung338 entscheiden. In der Regel wird die Glaubhaftmachung nicht gelingen, wenn sich die Gläubigerversammlung bereits mit den Bedenken des Gläubigers auseinandergesetzt, aber mehrheitlich gegen die Beendigung der Eigenverwaltung ausgesprochen hat.339 Beim Antrag nach § 277 II InsO – nicht aber bei § 272 I Nr. 2 InsO340 – tritt erschwerend das Erfordernis der Eilbedürftigkeit hinzu. Da Gläubigeranträge nach §§ 272 I Nr. 2, 277 II InsO somit nur im Ausnahmefall Erfolg haben werden, stellen sie in der Regel kein taugliches Druckmittel dar, so dass einzelne Gläubiger in eben dieser Eigenschaft341 auch praktisch keinen ernstzunehmenden Einfluss auf die Geschäftsführung des Schuldners nehmen können. ___________ 337

Vgl. Bundesregierung, Begründung zu § 331 RegE InsO (= § 272 InsO), BTDrucks. 12/2443, S. 224; Riggert, in: Nerlich/Römermann, InsO, § 272 Rn. 3. 338 Foltis, in: FK zur InsO, § 272 Rn. 9. 339 Landfermann, in: HK zur InsO, § 272 Rn. 6; Wittig, in: MK zur InsO, § 272 Rn. 21. 340 So aber Huhn, Rn. 1187 ff.; Foltis, in: FK zur InsO, § 272 Rn. 9 gegen die h. M.: Wittig, in: MK zur InsO, § 272 Rn. 19; vgl. auch Landfermann, in: HK zur InsO, § 272 Rn. 1, 6. 341 Natürlich kann ein einzelner Gläubiger, wenn nur sein Forderungsbetrag hoch genug ist, die Beschlüsse der Gläubigerversammlung weitgehend mitbestimmen (§ 76 II InsO).

Kap. 1: Grundzüge des Rechts der Eigenverwaltung

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D. Ergebnisse Die vorstehenden Ausführungen haben zu folgenden Erkenntnissen geführt: 1. § 270 I 1 InsO ist so auszulegen, dass das Recht des Schuldners, das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen zu verwalten und über dieses zu verfügen, nicht auf der gerichtlichen Anordnung der Eigenverwaltung beruht, sondern auf seiner aus dem Eigentum an diesen Gegenständen fließenden privatautonomen Rechtsmacht. Demgegenüber finden die insolvenzrechtlichen Sonderbefugnisse (§§ 279 S. 1, 282 I 1, 283 I 1 InsO) ihren Rechtsgrund im Anordnungsbeschluss. 2. Der eigenverwaltende Schuldner wird weder zum Insolvenzverwalter bestellt, noch nimmt er als „Amtswalter in eigenen Angelegenheiten“ eine Stellung vergleichbar der eines Insolvenzverwalters ein. Vielmehr handelt er kraft insolvenzrechtlich ergänzter (§§ 279 S. 1, 282 I 1, 283 I 1 InsO) und im Rahmen der §§ 1 S. 1, 275 ff. InsO beschränkter privatautonomer Rechtsmacht. Allein in funktionaler Hinsicht ist seine Stellung mit der eines Insolvenzverwalters zu vergleichen. 3. Der Schuldner haftet in der Eigenverwaltung nur nach den allgemeinen Grundsätzen. Die Vorschrift des § 60 I 1 InsO, die die Haftung des Insolvenzverwalters normiert, kann aufgrund systematischer, historischer und vor allem teleologischer Erwägungen nicht dahin ausgelegt werden, dass sie in der Eigenverwaltung über den Verweis des § 270 I 2 InsO Anwendung auf den Schuldner findet. 4. Offensichtlich insolvenzzweckwidrige Verfügungen des eigenverwaltenden Schuldners sind entsprechend den Grundsätzen über den Missbrauch der Vertretungsmacht unter bestimmten Voraussetzungen unwirksam („Missbrauch der Eigenverwaltungsbefugnis“). 5. Die Anordnung eines allgemeinen Verfügungsverbotes analog §§ 21 II Nr. 2, 277 InsO ist unzulässig. Die Verfügungs- und Verwaltungsbefugnis des Schuldners wird allein im Rahmen der gesetzlich vorgegebenen Mitwirkungsvorbehalte beschränkt.

Kapitel 2

Gesellschaftsrechtliche Folgen der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens Der Beschluss, durch den das Insolvenzverfahren über das Vermögen einer Aktiengesellschaft eröffnet wird (§ 27 InsO), zeitigt nicht nur insolvenzrechtliche Wirkungen,1 sondern hat auch tief greifende Folgen auf gesellschaftsrechtlicher Ebene. Da diese gesellschaftsrechtlichen Wirkungen grundsätzlich unabhängig davon eintreten, ob das Insolvenzverfahren als reguläres Verfahren unter Führung eines Insolvenzverwalters oder als Eigenverwaltungsverfahren gem. §§ 270 ff. InsO durchgeführt wird, sind sie auch im Rahmen dieser Arbeit von grundlegender Bedeutung: Durch den Übergang der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis auf den Insolvenzverwalter (§ 80 InsO) werden die Gesellschaftsorgane weitgehend aus ihren bisherigen Aufgaben verdrängt. Die sich daraus ergebende Funktionsteilung zwischen ihnen und dem Insolvenzverwalter im regulären Verfahren (folgend A.) bildet die Grundlage für die Zuständigkeiten der Organe einer Aktiengesellschaft in Eigenverwaltung.2 Ihre Rechtsstellung wird zudem maßgeblich durch die mit der Auflösung der Gesellschaft gem. § 263 I Nr. 3 AktG eintretenden Rechtsfolgen (folgend B.) geprägt, allen voran der Änderung des Gesellschaftszwecks. Schließlich ist das Verhältnis von Insolvenzverfahren und aktienrechtlichen Liquidationsverfahren (folgend C.) für die Frage von Bedeutung, ob in der Eigenverwaltung ein insolvenzfreies Vermögen existiert, aus dem die für die Durchführung des Eigenverwaltungsverfahrens auf Seiten der Gesellschaft anfallenden Kosten getragen werden können.3

___________ 1

Beispielhaft: Bildung einer Insolvenzmasse (§ 35 InsO), Mitwirkungspflichten (§§ 97 ff. InsO), Verbot der Einzelzwangsvollstreckung (§ 87 InsO), im Regelinsolvenzverfahren insbesondere der Übergang des Verwaltungs- und Verfügungsrechts auf den Insolvenzverwalter (§ 80 I InsO). 2 Dazu Kapitel 4 A., Seite 182. 3 Siehe Kapitel 4 B. II. 2. b), Seite 194.

Kap. 2: Gesellschaftsrechtliche Folgen der Verfahrenseröffnung

101

A. Die Verdrängung der Gesellschaftsorgane durch den Insolvenzverwalter Durch die Eröffnung eines regulären Insolvenzverfahrens über das Vermögen einer juristischen Person wird das zur Insolvenzmasse (§ 35 InsO) gehörende Vermögen beschlagnahmt und die diesbezüglichen Befugnisse auf den Insolvenzverwalter (vgl. § 80 I InsO) übertragen. Gleichzeitig besteht allerdings die Gesellschaftsorgane in ihrer bisherigen Struktur grundsätzlich fort4. Aus diesem Nebeneinander ergibt sich eine schon auf Friedrich Weber5 zurückgehende Dreiteilung der Funktionsbereiche, die sich heute allgemein durchgesetzt hat.6 Man unterscheidet den „Verdrängungsbereich“ mit der Alleinzuständigkeit des Insolvenzverwalters (hier liegt der Schwerpunkt7), den „Schuldnerbereich“ mit der Alleinzuständigkeit der Gesellschaftsorgane und den „Überschneidungsbereich“ mit gemeinschaftlicher Zuständigkeit von Insolvenzverwalter und den Gesellschaftsorganen. I. Alleinzuständigkeit des Insolvenzverwalters (Verdrängungsbereich) Die Alleinzuständigkeit des Insolvenzverwalters erstreckt sich auf die Verwaltung-, Verfügungs- und Verwertungsbefugnis gem. §§ 80 I, 148, 159 InsO und ist daher gegenständlich auf das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen (§ 35 InsO) beschränkt.8 Der Umfang des Verdrängungsbereichs bestimmt sich also vermögensorientiert. Soweit die Insolvenzmasse betroffen ist, verdrängt der Insolvenzverwalter die Kompetenzen sämtlicher Gesellschaftsorgane (Vorstand, Aufsichtsrat und Hauptversammlung) vollständig.9 Da der Insolvenz___________ 4

Nachfolgend B. I. 1., Seite 108. Weber, KTS 1970,73 ff., der freilich noch zwischen einem Verdrängungsbereich, einem Gemeinschuldnerbereich und einem „konkursfreien“ Bereich unterschied; ders., in: Jaeger, KO, §§ 207, 208 Anm. 28 Abs. 2, 29 ff., 33 ff.; vgl. aber auch schon Robrecht, DB 1968, 471, 472 ff. 6 Etwa Hüffer, AktG, § 264 Rn. 10; ders., in: MK zum AktG, § 264 Rn. 41 ff.; Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, § 11 Rn. 118 ff.; Noack, in: Kübler/Prütting, GesR, Rn. 356 ff.; Uhlenbruck, in: Braun/Uhlenbruck, Unternehmensinsolvenz, S. 87 ff. Einen modifizierten Ansatz vertritt Gutsche, Rn. 305 ff., der die Existenz insolvenzfreien Gesellschaftsvermögens verneint und daher zur Kompetenzabgrenzung allein auf die Vermögensbezogenheit (nicht: Massebezogenheit) abstellt. Radikalere Ansätze vertreten K. Schmidt, InsR der Unternehmen, S. 117 ff. und Schulz, KTS 1986, 389 ff. 7 Hüffer, AktG, § 264 Rn. 10. 8 Hüffer, in: MK zum AktG, § 264, Rn. 44 f.; Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, § 11 Rn. 118. 9 Hüffer, in: MK zum AktG, § 264 Rn.44; Noack, ZIP 2002, 1873, 1874; schon RG, Urteil vom 6. 5. 1911 – Rep. I 164/10, RGZ 76, 244, 246. 5

102

1. Teil: Grundlagen

verwalter insoweit also gleichsam an die Stelle aller Organe tritt,10 ist er weder an die den Gesellschaftsorganen eingeräumten Zustimmungs- und Mitwirkungsrechte (z. B. §§ 82 II, 179a, 246 II, 249 I AktG) gebunden11, noch unterliegt er der Kontrolle des Aufsichtsrats (§ 111 AktG).12 Die Gesellschaftsorgane haben somit einen empfindlichen Kompetenzverlust hinzunehmen; ihre Verfügungen über das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen der Gesellschaft sind gem. § 81 I 1 InsO nichtig. In die alleinige Zuständigkeit des Insolvenzverwalters fallen u. a. die Verwaltung- und Verfügungsbefugnis über das Gesellschaftsvermögen (§ 80 I InsO), die Kündigung (§ 113 InsO) oder die Verlängerung bestehender Anstellungsverträge mit den Vorstandsmitgliedern (nicht aber deren Bestellung oder Abberufung),13 die Anmeldung von die Masse betreffenden Rechtsänderungen zur Eintragungen ins Handelsregister,14 die Freigabe von Gegenständen des Gesellschaftsvermögens an die Gesellschaft,15 die Veräußerung des Gesellschaftsunternehmens mit Firma (§ 4 AktG) und die Erteilung der nach § 22 HGB erforderlichen Einwilligung,16 die Bildung einer Ersatzfirma für die Gesellschaft nach der Veräußerung des Unternehmens samt Firma,17 die gesellschaftsrechtliche Rechnungslegungspflicht nach § 270 AktG (neben der insolvenzrechtlichen nach § 66 InsO)18, die Geltendmachung von Ansprüchen auf Erbringung der Einlage (§§ 36 II, 36a, 54 AktG) oder auf Rückgewähr verbotswidrig erbrachter Leistungen (§ 62 AktG)19, die bei der Nachgründung (§ 52 AktG) erforderliche Zustimmung der Hauptversammlung20 sowie die Zuständigkeit (Aktiv- und

___________ 10

Ott, in: MK zur InsO, § 80 Rn. 111. Noack, ZIP 2002, 1873, 1874; Prütting/Huhn, ZIP 2002, 777, 778; Weber, in: Jaeger, KO, §§ 207, 208 Rn. 33; schon RG, Urteil vom 6. 5. 1911 – Rep. I 164/10, RGZ 76, 244, 248. 12 Kraft, in: KK zum AktG, § 262 Rn. 41; Weber, in: Jaeger, KO, §§ 207, 208 Rn. 33; Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, § 11 Rn. 186. 13 Kraft, in: KK zum AktG, § 262 Rn. 45; ausführlich H.-F. Müller, S. 66 ff. Im Unterschied dazu verbleibt die organschaftliche Bestellung bzw. Abberufung als Gegenstand des Schuldnerbereichs in der Zuständigkeit des Aufsichtsrats (§ 84 AktG). 14 BayObLG, Beschluss vom 17. 3. 2004 – 3Z BR 046/04, ZInsO 2004, 503; OLG Köln, Beschluss vom 11. 7. 2001 – 2 Wx 13/01, ZInsO 2001, 717, 718. 15 Hüffer, in: MK zum AktG, § 264 Rn. 48. Die Existenz insolvenzfreien Vermögens ist auch in der Gesellschaftsexistenz anzuerkennen, dazu unten C., Seite 129. 16 Hüffer, AktG, § 264 Rn. 11; Weber, in: Jaeger, KO, §§ 207, 208 Rn. 33. 17 Bäuerle, in: Braun, InsO, § 35 Rn. 55; Hüffer, in: MK zum AktG, § 264 Rn. 79. 18 Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, § 11 Rn. 118. 19 Hüffer, in: MK zum AktG, § 264 Rn. 50; ders., § 264 Rn. 11. 20 Noack, ZIP 2002, 1873, 1874; Hüffer, in: MK zum AktG, § 264 Rn. 55. 11

Kap. 2: Gesellschaftsrechtliche Folgen der Verfahrenseröffnung

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Passivlegitimation) für Anfechtungsprozesse gegen Beschlüsse der Hauptversammlung, deren Ergebnis die Insolvenzmasse betreffen kann.21 In dem Verdrängungsbereich gelten ausschließlich die Vorschriften der Insolvenzordnung.22 Nach bislang überwiegender Auffassung23 sind offensichtlich24 insolvenzzweckwidrige Maßnahmen des Insolvenzverwalters unwirksam; nach neuerer Auffassung des BGH ist dagegen in Anlehnung an die Grundsätze des Missbrauchs der Vertretungsmacht neben der Evidenz der Insolvenzzweckwidrigkeit erforderlich, dass sich dem Geschäftspartner ohne weiteres begründete Zweifel an der Insolvenzzweckwidrigkeit hätten aufdrängen müssen.25 II. Alleinzuständigkeit der Gesellschaftsorgane (Schuldnerbereich) In die Alleinzuständigkeit des Schuldners fallen dagegen all jene Maßnahmen, die bei vernünftiger Betrachtung keine nachteiligen Wirkungen auf die Insolvenzmasse haben können.26 Handelt es sich bei dem Schuldner um eine Aktiengesellschaft, werden die verbleibenden Aufgaben in diesem Bereich durch die Gesellschaftsorgane grundsätzlich in Art und Zuständigkeit so wie bisher wahrgenommen,27 und es gelten ausschließlich aktienrechtliche Bestimmungen.28 Zum Schuldnerbereich zählen hauptsächlich drei Gebiete: Zum ersten haben die Gesellschaftsorgane diejenigen Rechte und Pflichten wahrzunehmen, die der Schuldnergesellschaft in dieser Eigenschaft im Rahmen ___________ 21 Noack, in: Kübler/Prütting, GesR, Rn. 358 f.; Hüffer, AktG, § 264 Rn. 11, § 245 Rn. 29; Weber, in: Jaeger, KO, §§ 207, 208 Rn. 35 (Abs. 2). 22 Noack, in: Kübler/Prütting, GesR, Rn. 356. 23 Statt vieler: BGH, Urteil vom 28. 10. 1993 – IX ZR 21/93 , NJW 1994, 323, 326; Henckel, in: Jaeger, KO, § 6 Rn. 150; Lüke, in: Kübler/Prütting, InsO, § 80 Rn. 28. Diese Rechtsfolge ist unabhängig von der jeweiligen Theorie über den Status des Insolvenzverwalters (Preuß, NZI 2003, 625, 626; Lüke, in: Kübler/Prütting, InsO, § 80 Rn. 30). 24 Das Kriterium der Offensichtlichkeit wird dabei teils als ein Grad der (objektiven) Erkennbarkeit (z. B. BGH, Urteil vom 28. 10. 1993 – IX ZR 21/93, NJW 1994, 323, 326; Uhlenbruck, in: Kuhn/Uhlenbruck, KO, § 6 Rn. 37), teils als ein Grad der Schwere des Verstoßes (Lüke, in: Kübler/Prütting, InsO, § 80 Rn. 30) verstanden, siehe dazu Preuß, NZI 2003, 625, 626 f. 25 BGH, Urteil vom 25. 4. 2002 – IX ZR 313/99, BGHZ 150, 353, 354 = NJW 2002, 2783; zustimmend Preuß, NZI 2003, 625, 628. Der BGH greift dabei auf eine in der Literatur (Spickhoff, KTS 2000, 15, 22 ff.; Ott, in: MK zur InsO, § 80 Rn. 61; Kilger/K. Schmidt, InsG, § 6 KO Anm. 6 a aa) schon länger verbreitete Ansicht zurück. Vgl. dazu bereits oben Kapitel 1 C. I. 4. a), Seite 82. 26 Noack, ZIP 2002, 1873, 1874; Hüffer, in: MK zum AktG, § 264 Rn. 68. 27 Kraft, in: KK zum AktG, § 262 Rn. 50; Weber, in: Jaeger, KO, §§ 207, 208 Rn. 31. 28 Noack, in: Kübler/Prütting, GesR, Rn. 356.

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1. Teil: Grundlagen

des Insolvenzverfahrens zugewiesen sind,29 beispielsweise die Anhörung nach § 10 II InsO, die Ausübung des Beschwerderechts gegen den Eröffnungsbeschluss (§ 34 II InsO),30 die Aufnahme von Aktivprozessen (§ 85 II InsO),31 die Erfüllung der Auskunfts- und Mitwirkungspflichten (§§ 97, 98, 101 InsO)32 sowie der Antrag auf Einstellung des Insolvenzverfahrens (§§ 212, 213 InsO).33 Das ist zum zweiten die Verwaltung des insolvenzfreien Vermögens,34 dessen Existenz auch in der Insolvenz einer (Handels-)Gesellschaft anzuerkennen ist.35 Zum dritten fällt die Wahrnehmung der insolvenzneutralen gesellschaftlichen (innerverbandlichen) Zuständigkeiten in den Schuldnerbereich,36 also diejenigen Maßnahmen, die allein die Gesellschaft als Unternehmensträgerin, nicht aber das Gesellschaftsvermögen, insbesondere das Unternehmen betreffen. Dabei handelt es sich um einen nur sehr begrenzten Wirkungskreis. Als Beispiele seien die Abberufung und (Neu-)Bestellung von Mitgliedern des Vorstandes oder des Aufsichtsrats37 bzw. deren Entlastung38, die Einberufung der Hauptversammlung, masseneutrale Satzungsänderungen (Firma, Kapitalerhöhun___________ 29 Hüffer, in: MK zum AktG, § 264 Rn. 64; Kraft, in: KK zum AktG, § 262 Rn. 51; Wiedemann, in: GK zum AktG, 3. Auflage, § 262 Anm. 26; Weber, in: Jaeger, KO, §§ 207, 208 Rn. 29; KG, Beschluss vom 1. 10. 1915 – 1a X 692/15, KGJ A 134, 135. Nach früherer Rechtslage zudem noch der Vorschlag eines Zwangsvergleichs (§ 173 KO) bzw. das Beschwerderecht gegen die Entscheidung über den Zwangsvergleich (§ 189 I KO) sowie die Vertretung der Gesellschaft in den gem. § 144 II KO aufgenommenen Prozessen (KG, Beschluss vom 1. 10. 1915 – 1a X 692/15, KGJ A 134, 135; Kraft, in: KK zum AktG, § 262 Rn. 51; Weber, KTS 1970, 73, 79 f. (zu § 173 KO) m. w. N.; ders., in: Jaeger, KO, §§ 207, 208 Rn. 3). 30 Hüffer, in: MK zum AktG, § 264 Rn. 65. Zu § 109 KO: KG, Beschluss vom 1. 10. 1915 – 1a X 692/15, KGJ A 134, 135; Weber, in: Jaeger, KO, §§ 207, 208 Rn. 29. Zur Geltung der Vertretungsregeln für die Antragstellung unten Kapitel 5 A. II. 1., Seite 207. 31 Zu § 10 II KO: RG, Urteil vom 5. 2. 1930 – Rep. I 220/29, RGZ 127, 198, 200; Kraft, in: KK zum AktG, § 262 Rn. 51. 32 Zu §§ 100, 125 KO: Kraft, in: KK zum AktG, § 262 Rn. 51. 33 Zu § 202 KO: Weber, KTS 1970, 73, 79 f.; Kraft, in: KK zum AktG, § 262 Rn. 51. 34 Wiedemann, in: GK zum AktG, 3. Auflage, § 262 Anm. 21; Hüffer, in: MK zum AktG, § 264 Rn. 64, 67; Kraft, in: KK zum AktG, § 262 Rn. 50. 35 Dazu unten C., Seite 129. 36 BayObLG, Beschluss vom 17. 3. 2004 – 3Z BR 046/04, ZInsO 2004, 503; OLG Köln, Beschluss vom 11. 7. 2001 – 2 Wx 13/01, ZInsO 2001, 717, 718; OLG Nürnberg, Urteil vom 20. 3. 1990 – 1 U 2275/89, NJW-RR 1992, 230 [Maxhütte]; Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, § 11 Rn. 118; Hüffer, in: MK zum AktG, § 264 Rn. 64. 37 OLG Nürnberg, Urteil vom 20. 3. 1990 – 1 U 2275/89, NJW-RR 1992, 230, 232 [Maxhütte]; Noack, ZIP 2002, 1873, 1874; Uhlenbruck, FS Kirchhof, 479, 488; Kraft, in: KK zum AktG, § 262 Rn. 52. 38 Uhlenbruck, FS Kirchhof, 479, 488; Noack, ZIP 2002, 1873, 1874. Das gilt nur deshalb, weil die aktienrechtliche Entlastung gem. § 120 II 2 AktG keine Verzichtswirkung entfaltet und daher keinen Massebezug hat.

Kap. 2: Gesellschaftsrechtliche Folgen der Verfahrenseröffnung

105

gen)39 sowie die Anmeldung von masseneutralen Rechtsänderungen zur Eintragung ins Handelsregister (Wechsel der Organmitglieder; beschlossene Kapitalerhöhung40) genannt. Auch vereinfachte (§§ 229 ff. AktG) oder sanierende (nicht aber effektive) Kapitalherabsetzungen sind umfasst, weil sie keine nachteiligen Auswirkungen auf die Masse haben.41 Sobald aber derartige innerverbandliche Maßnahmen potentiell nachteilige Auswirkungen auf die Insolvenzmasse haben, sind sie dem Überschneidungsbereich zuzuordnen.42 Nach landläufiger Ansicht dürfen Rechtshandlungen der Gesellschaftsorgane im Rahmen der ihnen verbleibenden Kompetenzen, insbesondere Satzungsänderungen durch die Hauptversammlung, nicht im Widerspruch zum Insolvenzzweck stehen.43 An dieser Stelle gilt es aber, zwei Gesichtspunkte auseinander halten: Insolenzzweckwidrige Rechtshandlungen, also solche, die der bestmöglichen und gemeinschaftlichen Befriedigung der Gläubiger aus dem Schuldnervermögen (§ 1 S. 1 InsO) zuwider laufen, werden zumeist nur dort in Betracht kommen, wo ein Bezug auf die unter den Gläubiger zu verteilende Masse gegeben ist. In diesem Fall sind die betreffenden Rechtshandlungen jedoch der Alleinzuständigkeit der Gesellschaftsorgane ohnehin entzogen; sie werden entweder (in der absoluten Mehrzahl) von der Kompetenz des Verwalters verdrängt, oder überschneiden sich ausnahmsweise mit dieser. Auf die Frage ihrer Vereinbarkeit mit dem Insolvenzzweck kommt es also streng genommen gar nicht an; es gilt § 81 InsO. Soweit das Merkmal der Insolvenzzweckwidrigkeit in diesem Sinne als gegenständliche Beschränkung des Schuldnerbereichs fungiert,44 ist dem uneingeschränkt zuzustimmen. ___________ 39

K. Schmidt, in: Die GmbH in Krise, Sanierung und Insolvenz, Rn. 1181; Noack, ZIP 2002, 1873, 1874. Kapitalerhöhungen gehören namentlich nicht in den Überschneidungsbereich, siehe unten III., Seite 106. 40 BayObLG, Beschluss vom 17. 3. 2004 – 3Z BR 046/04, ZInsO 2004, 503; OLG Köln, Beschluss vom 11. 7. 2001 – 2 Wx 13/01, ZInsO 2001, 717, 718. 41 Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, § 11 Rn. 192 ff; Uhlenbruck, FS Kirchhof, 479, 488; K. Schmidt, in: Scholz, GmbHG, vor § 64 Rn. 65. Ausführlich Kapitel 7 A. II. 3. a) bb), Seite 394. 42 Hüffer, in: MK zum AktG, § 264 Rn. 68; Semler, in: MK zum AktG, § 264 Rn. 461. 43 Hüffer, AktG, § 264 Rn. 11, § 264 Rn. 11, § 179 Rn. 2 (Satzungsänderungen); ders., in: MK zum AktG, § 264 Rn. 68; Noack, in: Kübler/Prütting, GesR, Rn. 337; Kraft, in: KK zum AktG, § 262 Rn. 52; K. Schmidt, in: Scholz, GmbHG, vor § 64 Rn. 65. Zur KO: Hefermehl/Bungenroth, in: Geßler/Hefermehl, AktG, § 179 Rn. 59 (Konkurszweck). 44 So wohl zu verstehen: Hüffer, in: MK zum AktG, § 264 Rn. 68; ders., AktG, § 264 Rn. 11 (Satzungsänderungen nur möglich, soweit mit Insolvenzzweck vereinbar); Schmidt-Leithoff, in: Rowedder, GmbHG, § 63 Rn. 140 (für die GmbH); Kraft, in: KK

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1. Teil: Grundlagen

Davon zu unterscheiden ist die Frage, inwieweit insolvenzzweckwidrige Rechtshandlungen im Schuldnerbereich ohne Massebezug überhaupt möglich sind und ob für sie der Insolvenzzweck tatsächlich maßgeblich ist. Das wurde von der h. M. schon nach der früheren Rechtslage bejaht, da die durch die Konkurseröffnung aufgelöste Gesellschaft nur noch für den Konkurszweck fortbestehe und daher die Funktionen der Gesellschaftsorgane im konkursfreien Bereich insofern eine Beschränkung erführen, als nur noch Maßnahmen gestattet seien, die mit dem Konkurszweck im Einklang zu bringen seien.45 Entsprechend wird unter Geltung der Insolvenzordnung auf den Insolvenzzweck abgestellt.46 Dass dem nicht gefolgt werden kann, ist an anderer Stelle zu zeigen.47 III. Gemeinschaftliche Zuständigkeit (Überschneidungsbereich) Der Überschneidungsbereich ist sehr eng zu fassen; in ihn fallen diejenigen Maßnahmen, die den gesellschaftsrechtlichen Zuständigkeitsbereich betreffen, aber geeignet sind, die der Verwaltung durch den Insolvenzverwalter unterliegende Insolvenzmasse zu schmälern.48 Das gilt beispielsweise für die Änderung der (zur Masse gehörenden) Gesellschaftsfirma, die ohne den Zusammenhang zu einer Unternehmensveräußerung vorgenommen wird.49 Umstritten ist, ob zum Überschneidungsbereich auch die Veräußerung teileingezahlter50 vinkulierter Namensaktien (§ 68 AktG) zu zählen ist. Da die mit der Namensaktie verbundene (erst teilweise befriedigte) Einlageforderung zur Masse gehört, ist hier jedenfalls die Zustimmung des Insolvenzverwalters zu verlangen. Auf das Erfordernis der Zustimmung des Vor___________ zum AktG, § 262 Rn. 52 (Hauptversammlung kann nur solche Beschlüsse fassen, die mit dem Konkurszweck vereinbar sind); Weber, in: Jaeger, KO, §§ 207, 208 Rn. 28, 32. 45 Weber, KTS 1970, 73, 79; Hefermehl/Bungenroth, in: Geßler/Hefermehl, AktG, § 179 Rn. 59 (Bsp.: Änderung des Unternehmensgegenstandes); so auch Haas, in: Gottwald, § 92 Rn. 154. 46 Etwa Hüffer, in: MK zum AktG, § 264 Rn. 67. 47 Siehe B. II. 2., Seite 114, und Kapitel 5 A. III. 1. a), Seite 215. 48 BayObLG, Beschluss vom 10. 3. 1988 – BReg. 3 Z 125/87, NJW-RR 1988, 929, 932; Semler, in: MK zum AktG, § 111 Rn. 462; Weber, in: Jaeger, KO, §§ 207, 208 Rn. 34. 49 Hüffer, in: MK zum AktG, § 264 Rn. 79; Noack, ZIP 2002, 1873, 1874; K. Schmidt, HandelsR, § 12 I. 3. c); wohl auch OLG Karlsruhe, Beschluss vom 8. 1. 1993 – 4 W 28/92, NJW 1993, 1931. 50 Ist die Einlage dagegen vollständig einbezahlt worden, geht es bei der Übertragung ausschließlich um die Mitgliedschaft, so dass allein der Gesellschaft, vertreten durch ihren Vorstand, die Zustimmung obliegt (Weber, in: Jaeger, KO, §§ 207, 208 Rn. 34; Kraft, in: KK zum AktG, § 262 Rn. 42).

Kap. 2: Gesellschaftsrechtliche Folgen der Verfahrenseröffnung

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stands nach § 68 II 2 AktG wird dagegen teilweise verzichtet, um die Handlungsfreiheit des Insolvenzverwalters zu gewährleisten.51 Da jedoch mit der Übertragung zugleich ein Aktionärswechsel verbunden und damit unmittelbar die insolvenzneutrale Mitgliedschaft betroffen ist, muss richtigerweise auch die Zustimmung des Vorstands verlangt werden, um der Gesellschaft eine gewisse Kontrolle über die Zusammensetzung ihres Aktionärskreises zu ermöglichen.52 Die Veräußerung teileingezahlter Namensaktien fällt daher in die gemeinschaftliche Zuständigkeit von Insolvenzverwalter und Schuldnergesellschaft. Fraglich ist zudem, ob Kapitalerhöhungen (§§ 182 ff. AktG) dem Überschneidungsbereich zuzuordnen sind. Denn während Kapitalerhöhungen nach früherer Rechtslage (§ 1 I KO) nur konkursfreies Vermögen schufen und deshalb mangels Massebezug ohne weiteres dem Schuldnerbereich zuzuordnen waren,53 vermehren sie nach der neuen Rechtslage (§ 35 InsO) die Insolvenzmasse54 und berühren somit – nach dem ersten Anschein – den dem Insolvenzverwalter vorbehaltenen Bereich. Umgekehrt ist es aber von der Rechtsmacht des Verwalters nicht umfasst, entgegen § 54 I AktG neue Einlagepflichten der Aktionäre zu begründen, so dass Kapitalerhöhungen auch nicht in seine Alleinzuständigkeit fallen können.55 Hüffer erwägt deshalb eine Zuständigkeit des Verwalters neben der Hauptversammlung, die er im Ergebnis, nicht aber in der Begründung zutreffend verneint. Ihm zufolge widerspricht es dem Zweck des Insolvenzplanverfahrens (§§ 217 ff. InsO), dem der Umgang mit den neuen Mitteln vorbehalten sei, wenn die Entscheidung über den Mittelzufluss von der Alleinentscheidung des Verwalters abhängig sei.56 Diese Begründung geht aber fehl, weil wegen des Erfordernisses eines Hauptversammlungsbeschlusses von einer Alleinentscheidung keine Rede sein kann und es auch nicht richtig ist, dass die Einbringung frischer Mittel nur in einem Insolvenzplan zu regeln ist. ___________ 51 Gutsche, Rn. 387; Kraft, in: KK zum AktG, § 262 Rn. 42; Lutter, in: KK zum AktG, § 68 Rn. 29; Wilhelmi, in: Godin/Wilhelmi, AktG, § 262 Anm. 5; Bungenroth, in Geßler/Hefermehl, § 68 Rn. 115; im Ergebnis schon RG, Urteil vom 15. 12. 1909 – Rep. I. 252/09, RGZ 72, 290, 293. 52 Noack, in: Kübler/Prütting, GesR, Rn. 357; ders., ZIP 2002, 1873, 1874; Hüffer, in: MK zum AktG, § 264 Rn. 79; ders., AktG, § 264 Rn. 10; Weber, in: Jaeger, KO, §§ 207, 208 Rn. 34. 53 Vgl. RG, Urteil vom 6. 5. 1911 – Rep. I 164/10, RGZ 76, 244, 247; Kautz, S. 206. Streitig diskutiert und von der zuletzt überwiegenden Auffassung bejaht wurde dagegen die Vereinbarkeit von Kapitalerhöhungen mit dem Konkurszweck, siehe dazu B. II. 2. a) cc) (2), Seite 120. 54 Noack, in: Kübler/Prütting, GesR, Rn. 381; Hüffer, AktG, § 182 Rn. 32a; a. A. Uhlenbruck, in: Kölner Schrift, S. 1157 ff. Rn. 24; ders., in: Braun/Uhlenbruck, Unternehmensinsolvenz, S. 89; Elser, in: AK zum AktR, § 182 AktG Rn. 76; Schlitt, NZG 1998, 755, 756; Götker, Rn. 985. 55 Hüffer, in: MK zum AktG, § 264 Rn. 72. 56 Hüffer, in: MK zum AktG, § 264 Rn. 72.

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1. Teil: Grundlagen

Eine Kapitalerhöhung kann vielmehr auch bezwecken, den Eröffnungsgrund zu beseitigen und damit das Verfahren außerhalb eines Plans gem. § 212 InsO einzustellen. Richtigerweise ist eine Zuständigkeit des Verwalters schon dem Grunde nach nicht gegeben. Denn da Kapitalmaßnahmen überhaupt erst Masse bilden und damit die Zuständigkeit des Verwalters neu begründen, wäre es ein Zirkelschluss, wenn man ihr Zustandekommen von seiner Zustimmung abhängig machte. Auch der sonstige Neuerwerb des Schuldners ist nicht von einer vorherigen Zustimmung des Verwalters abhängig. Schließlich schmälern Kapitalerhöhungen auch nicht die Insolvenzmasse und erfüllen somit nicht die überwiegend verwendete Definition des Überschneidungsbereichs. Daher steht die Entscheidung über die Zufuhr von neuem (Eigen-)Kapital in der Alleinzuständigkeit der Gesellschaft (Schuldnerbereich),57 seine Verwendung dagegen in der des Verwalters (Verdrängungsbereich).

B. Die Auflösung der Aktiengesellschaft Mit dem Beschluss, der das Insolvenzverfahren über das Vermögen einer Aktiengesellschaft eröffnet, wird die Gesellschaft aufgelöst (§ 262 I Nr. 3 AktG). Das gilt auch für die Eigenverwaltung, obschon die Eröffnung eines Vergleichsverfahrens, dem die Eigenverwaltung nachempfunden ist, nach früherem Recht nicht die Auflösung der Gesellschaft bewirkte. An Stelle des aktienrechtlichen Liquidationsverfahrens (§§ 264–273 AktG), das bei den übrigen Auflösungstatbeständen stattfindet,58 wird das Insolvenzverfahren durchgeführt (§ 264 I AktG). I. Die Organstruktur der aufgelösten Gesellschaft 1. Fortbestand der Organe Durch die „Auflösung“ kommt die Juristische Person nicht als Rechtssubjekt in Fortfall: Nach der wohl herrschenden Lehre vom Doppeltatbestand59 erlischt ___________ 57

Ebenso etwa Görg/Stockhausen, FS Metzeler, 105, 107. Ausnahme ist die Auflösung und Löschung wegen Vermögenslosigkeit (§§ 262 I Nr. 6 AktG, 141a FGG), bei der gem. § 264 II AktG kein Abwicklungsverfahren durchzuführen ist. 59 OLG Stuttgart, Urteil vom 30. 9. 1998 – 20 U 21/98, ZIP 1998, 1880, 1882; K. Schmidt, GesR, § 11 V. 6. a), S. 316; zur GmbH: BGH, Urteil vom 11. 9. 2000 – II ZR 370/99, NJW 2001, 304, 305; Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 74 Rn. 6; SchulzeOsterloh, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 60 Rn. 6; Vallender, NZG 1998, 249, 250; a. A.: Hüffer, in: MK zum AktG, § 273 Rn. 16; Kraft, in: KK zum AktG, Vorb. § 262 Rn. 10, § 273 Rn. 36 ff. 58

Kap. 2: Gesellschaftsrechtliche Folgen der Verfahrenseröffnung

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sie vielmehr erst dann endgültig (sog. Vollbeendigung), wenn ihr Vermögen – im Wege der §§ 264–273 AktG oder eines Insolvenzverfahrens – restlos verteilt ist und sie gem. § 273 I AktG, § 141a I 2 FGG im Handelsregister gelöscht ist. Bis dahin bleibt die aufgelöste Aktiengesellschaft eine unfassend rechts- und parteifähige Gesellschaft mit eigener Rechtspersönlichkeit.60 Das schließt notwendigerweise auch den Fortbestand der Gesellschaftsorgane mit ein,61 damit die Gesellschaft die ihr als Schuldnerin im Insolvenzverfahren zustehenden Mitwirkungs- und Verfahrensrechte (z. B. §§ 34, 156, 158 II, 161, 219, 270 II Nr. 1 InsO) erfüllen kann. Ganz besonders handgreiflich wird der Fortbestand in den Fällen der Eigenverwaltung nach §§ 270 ff. InsO.62 Lediglich der Zuständigkeitsbereich der Gesellschaftsorgane wird – wie oben dargestellt63 – gegenständlich durch die Kompetenzen des Insolvenzverwalters beschränkt. 2. Keine Ersetzung der Vorstandsmitglieder durch Abwickler Fraglich ist, wer die Funktion der Geschäftsleitungsorgane in der Insolvenz der Gesellschaft ausübt. Der Bundesfinanzhof geht mit Teilen der Literatur davon aus, dass für die konkursfreien Angelegenheiten die jeweiligen verbandsrechtlichen Abwicklungsvorschriften maßgeblich seien, so dass infolge der Auflösung auch Abwickler (Liquidatoren) an die Stelle der vertretungsberechtigten Organe träten.64 Diese Auffassung versteht die von § 264 I AktG ange___________ 60

OLG Stuttgart, Urteil vom 30. 9. 1998 – 20 U 21/98, ZIP 1998, 1880, 1882; Hüffer, in: MK zum AktG, § 262 Rn. 14; Hoffmann-Becking, in: MHb GesR IV, § 66 Rn. 1. 61 RG, Urteil vom 14. 2. 1913 – Rep. II 449/12, RGZ 81, 331, 336; OLG Stuttgart, Urteil vom 30. 9. 1998 – 20 U 21/98, ZIP 1998, 1880, 1882; AG Köln, Beschluss vom 23. 1. 2004 – 71 IN 1/04, ZInsO 2004, 216, 218; Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, § 11 Rn. 118; H.-F. Müller, S. 63; K. Schmidt, InsR der Unternehmen, S. 117. Nach Kruse, S. 276, soll der Geschäftsführer einer GmbH in der Eigenverwaltung dagegen seine Organstellung verlieren. 62 K. Schmidt, in: Die GmbH in Krise, Sanierung und Insolvenz, Rn. 1181. 63 Diese führt zu der unter A., Seite 101 dargestellten Funktionsteilung. 64 BFH, Urteil vom 23. 8. 1994 – VII R 143/92, BFHE 175, 309, 312 (für die KG); BFH, Urteil vom 21. 6. 1979 – IV R 131/74, BFHE 128, 322, 323 (für die KG); Kalter, KTS 1975, 1, 12; Baumbach/Hueck, AktG, § 262 Rn. 5; Schlegelberger/Quassowski, AktG 1937, § 203 Rn. 18; Wiedemann, in: GK zum AktG, 3. Auflage, § 262 Anm. 26, der § 265 I AktG auch bzgl. Vorständen bejaht (bei Hauptversammlung, anders dagegen bei Aufsichtsrat); Wolf, in: Leipold, Insolvenzrecht im Umbruch, S. 120. Schneider, FS Oppenhoff, 349, 364 hält die Vorstände zur Abwicklung des konkursfreien Vermögens für verpflichtet, ohne dass sie aber Abwickler seien. Im neueren Schrifttum: Kruse, S. 270 und 277. Folgende Autoren bezeichnen lediglich die Geschäftsleitungsorgane als Abwickler (bzw. Liquidatoren): Hefermehl, in: Geßler/Hefermehl, AktG, § 84 Rn. 122; Hefermehl/Spindler, in: MK zum AktG, § 84 Rn. 190; Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, § 11 Rn. 179; Meyer, S. 2; Wellkamp, KTS 2000, 331, 334 (für die GbR); Kilger/K. Schmidt,

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1. Teil: Grundlagen

ordnete Verdrängung der Abwicklungsvorschriften also vermögensorientiert: Soweit mangels Massebezuges keine insolvenzrechtliche Abwicklung erfolge, gälten die §§ 264 ff. AktG. Dem steht allerdings der Wortlaut des § 264 I Hs. 2 AktG65 entgegen, der gerade nicht zwischen verschiedenen Vermögensmassen (insolvenzbefangenes und insolvenzfreies Vermögen) unterscheidet und deshalb die §§ 265 ff. AktG im Falle der Insolvenzeröffnung insgesamt ausschließt.66 Zudem ergibt sich aus § 101 InsO, dass der Insolvenzordnung selbst die Vorstellung zugrunde liegt, dass die Rechte und Pflichten der Schuldnergesellschaft im Schuldnerbereich von den organschaftlichen Vertretern, nicht aber von den Abwicklern wahrgenommen werden.67 Gegen die vermögensorientierte Anwendbarkeit der §§ 264 ff. AktG spricht zudem, dass sie – konsequent umgesetzt – das Auseinanderfallen der Vertretungsmacht im massebezogenen und massefreien Bereich auf verschiedene Personen zur Folge haben müsste. Freilich werden bei Aktiengesellschaften gem. § 265 I AktG grundsätzlich die Mitglieder des Vorstands zu Abwicklern berufen, so dass es zumeist zu keinem personellen Wechsel in der Geschäftsleitung kommt; doch kann gem. § 265 II AktG z. B. durch eine entsprechende Satzungsbestimmung etwas anderes angeordnet sein. Auf diese Weise könnte es in der Eigenverwaltung dazu kommen, dass der bisherige Vorstand die Kompetenzen mit Massebezug (§§ 270 I 1, 282, 283 InsO), d. h. soweit die §§ 264 ff. AktG wegen § 264 I AktG nicht gelten, auszuüben hätte, wohingegen die Kompetenzen im insolvenzfreien Bereich von anderen (durch die Satzung bestimmten) Abwicklern wahrzunehmen wären. Das ist nicht überzeugend. Schließlich muss auch beachtet werden, dass das Verfahren nach der Insolvenzordnung im Unterschied zum früheren Konkursverfahren nicht allein die Liquidation des Gesellschaftsvermögens zum Gegenstand hat, sondern ebenso gut eine Sanierung des Schuldnerunternehmens verfolgen kann (§ 1 S. 1 InsO). ___________ InsG, § 209 2 c bb (für Personengesellschaften), offen gelassen ders., InsR der Unternehmen, S. 117. Da eine solche Bezeichnung allerdings – jedenfalls bei AG und GmbH (vgl. § 265 I AktG, § 66 I GmbHG) – die Anwendbarkeit der jeweiligen Abwicklungsvorschriften voraussetzt, muss davon ausgegangen werden, dass damit deren Geltung auch allgemein anerkannt wird. 65 Vgl. auch § 66 I GmbHG, § 145 I HGB. 66 Zugunsten der Ansicht von Wellkamp, KTS 2000, 331, 334 ist zuzugeben, dass das Wortlautargument im Falle der GbR nicht durchgreift, da § 730 I, II 2 BGB die Auseinandersetzung und die damit verbundenen Verdrängung der bisherigen Vertretungsregeln durch eine Gesamtvertretung allein von der Auflösung der Gesellschaft abhängig macht und keine Ausnahme für das Insolvenzverfahren anordnet. Dasselbe gilt für den Verein (§ 48 I BGB). 67 H.-F. Müller, S. 66.

Kap. 2: Gesellschaftsrechtliche Folgen der Verfahrenseröffnung

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Solange indessen eine solche Sanierung unter Beibehaltung des bisherigen Rechtsträgers (der Schuldnergesellschaft) durchgeführt werden soll, ist die Geltung der Abwicklungsvorschriften, die die Eingehung neuer Geschäfte nur ausnahmsweise erlauben (§ 268 I 2 AktG), im insolvenzfreien Bereich zumindest als widersprüchlich zu bezeichnen.68 Die Geltung der Abwicklungsvorschriften würde die Ergebnisoffenheit69 des Insolvenzverfahrens unberücksichtigt lassen. Daher ist der herrschenden Auffassung beizutreten, dass die §§ 264 ff. AktG während eines Insolvenzverfahrens keine Anwendung finden.70 Die Vorstände der Gesellschaft werden also nicht gem. § 265 I AktG zu Abwicklern, sondern bleiben als solche im Amt.71 Darüber hinaus übernimmt die Hauptversammlung weder zusätzliche Befugnisse vom Aufsichtsrat (§§ 265 II, 270 II AktG), noch ist eine Abwicklungsbilanz zu erstellen (§ 270 AktG72). Die §§ 264 ff. AktG sind vielmehr erst dann anzuwenden, wenn das Insolvenzverfahren seinen Abschluss gefunden hat.73 II. Der Gesellschaftszweck der aufgelösten Aktiengesellschaft Schwierigkeiten bereitet die Bestimmung des Gesellschaftszwecks einer infolge der Insolvenzeröffnung gem. § 262 I Nr. 3 AktG aufgelösten Aktiengesellschaft.

___________ 68 Als Beispiel könnte das wegen werterschöpfender Belastung an die Schuldnergesellschaft freigegebene Betriebsgrundstück dienen, das für die Fortführung des Unternehmens unerlässlich ist und deshalb im Interesse einer Sanierung nicht im Rahmen der §§ 264 ff. AktG veräußert werden sollte. 69 Dazu auch B. II. 2. a) bb), Seite 116; ferner Schmidt-Räntsch, Teil 2 III, § 1 InsO Rn. 3 (S. 184); H.-F. Müller, S. 168. 70 Hüffer, AktG, § 264 Rn. 8; Schneider, FS Oppenhoff, 349, 364; Wilhelmi, in: Godin/Wilhelmi, AktG, § 262 Anm. 5; Schulze-Osterloh, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 16. Auflage, § 63 Rn. 36 (für die GmbH). 71 BGH, Urteil vom 28. 3. 1996 – IX ZR 77/95, ZIP 1996, 842 (zur GmbH); BayObLG, Beschluss vom 10. 3. 1988 – BReg. 3 Z 125/87, NJW-RR 1988, 929, 931; Kraft, in: KK zum AktG, Vorb. § 262 Rn. 13; H.-F. Müller, S. 66; Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, § 11 Rn. 120 („Abwickler“ dagegen bei Rn. 179); Hüffer, in: MK zum AktG, § 264 Rn. 40; Uhlenbruck, in: Kuhn/Uhlenbruck, KO, § 207 Rn. 8; Weber, in: Jaeger, KO, §§ 207, 208 Rn. 28, 29, 31; Wilhelmi, in: Godin/Wilhelmi, AktG, § 262 Anm. 5. 72 § 270 III AktG kann allerdings analoge Anwendung finden, vgl. Kapitel 7. I. 2. b), Seite 402. 73 Freilich wird es nur in wenigen Fällen noch einen Abwicklungsbedarf geben, weil selbst ein – reichlich unwahrscheinlicher – nach der Schlussverteilung verbleibender Überschuss gem. § 199 S. 2 InsO durch den Insolvenzverwalter an die an der Schuldnergesellschaft beteiligten Personen auszukehren ist.

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1. Teil: Grundlagen

1. Die herrschende Verdrängungstheorie Vornehmliche Rechtsfolge der Auflösung ist nach absolut überwiegender Auffassung, dass der ursprüngliche Gesellschaftszweck, der bei einer „gesunden“ Aktiengesellschaft unbeschadet abweichender Regelungen ihrer Satzung grundsätzlich auf das erwerbswirtschaftliche Betreiben des Unternehmensgegenstandes und die Teilnahme am Geschäftsverkehr gerichtet ist,74 verdrängt wird (sog. Verdrängungstheorie). Wird die Gesellschaft durch einen anderen Grund als die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens aufgelöst, soll der Gesellschaftszweck fortan auf die Abwicklung der Gesellschaft gerichtet sein (Abwicklungs- oder Liquidationszweck),75 also darauf, ihr Vermögen zu versilbern und zu verteilen und dadurch die Voraussetzungen für ihre Vollbeendigung zu schaffen.76 Da in diesen Fällen ein Abwicklungsverfahren nach §§ 264–274 AktG durchzuführen ist, besteht volle Kongruenz zwischen Verfahrensziel und Gesellschaftszweck. Im Falle der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens soll nach überwiegender Ansicht wie bei den übrigen Auflösungstatbeständen an die Stelle des werbenden Gesellschaftszwecks der „Abwicklungszweck“ treten,77 die Gesellschaft also ebenfalls allein auf die vollständige Verteilung ihres Vermögens gerichtet sein.78 Demgegenüber wird zum Teil auch angenommen, der Gesellschaftszweck bestehe fortan im „Insolvenzzweck“.79 Ein ganz ähnliches Meinungsbild ___________ 74

Wiesner, in: MHb GesR IV, § 9 Rn. 10; Heider, in: MK zum AktG, § 3 Rn. 15. Hüffer, AktG, § 262 Rn. 2; Kraft, in: KK zum AktG, Vorb. § 262 Rn. 12; Wilhelmi, in: Godin/Wilhelmi, AktG, § 262 Anm. 2; siehe auch die umfangreichen Nachweise bei K. Schmidt, InsR der Unternehmen, S. 99, Fn. 1. 76 Hüffer, in: MK zum AktG, § 262 Rn. 1, 12; Hoffmann-Becking, in: MHb GesR IV, § 65 Rn. 11; Hueck/Windbichler, GesR, § 31 Rn. 1. 77 Gutsche, Rn. 327; Henssler, in: Kölner Schrift, S. 1283 ff. Rn. 6; Hüffer, AktG, § 262 Rn. 2 (der ausdrücklich nur § 262 Nr. 6 AktG, nicht aber Nr. 3 ausnimmt); Nerlich, in: Michalski, GmbHG, § 60 Rn. 145; Grunewald, GesR, S. 394 Rn. 188; Wellensiek/Schluck-Amend, in: Münchener Anwaltshandbuch GmbH-Recht, § 24 Rn. 83 mit 87; Hirte, KapGesR, Rn. 7.1; Hefermehl/Spindler, in: MK zum AktG, § 76 Rn. 51; Hueck/Windbichler, GesR, § 31 Rn. 1; Schulze-Osterloh, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 64 Rn. 50; Rasner, in: Rowedder, GmbHG, § 60 Rn. 4; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder, GmbHG, § 63 Rn. 103; Koch, S. 182; Wolf, in: Leipold, Insolvenzrecht im Umbruch, S. 120; Görg/Stockhausen, FS Metzeler, 105, 109; für die OHG/KG: Hopt, HGB, § 131 Rn. 2 mit Rn. 13; Ott, in: MK zur InsO, § 80 Rn. 111. 78 Schulze-Osterloh, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 64 Rn. 50; ohne Differenzierung zwischen den Auflösungsgründen: Kraft/Kreuz, GesR, S. 64; Raiser, KapGesR, S. 353; Schulze, in: HK zum GmbHR, § 60 Rn. 1; Balser/Bokelmann/Ott/Piorreck, Rn. 553; Hoffmann-Becking, in: MHb GesR IV, § 65 Rn. 1. 79 Haas, in: Gottwald, § 92 Rn. 139; Kruse, S. 270; wohl auch Hüffer, AktG, § 262 Rn. 13. Richtigerweise muss es freilich „Insolvenzverfahrenszweck“ heißen, vgl. oben Kapitel 1 A. II., Seite 35, Fußnote 8). 75

Kap. 2: Gesellschaftsrechtliche Folgen der Verfahrenseröffnung

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ergab sich schon unter der früheren Rechtslage für die Eröffnung eines Konkursverfahrens, wo ebenfalls von einer Verdrängung teils durch den Abwicklungszweck80, teils durch den Konkurszweck81 ausgegangen wurde. Ob den verschiedenen Bezeichnungen Konkurs-, Insolvenz- oder Abwicklungszweck tatsächlich ein unterschiedlicher materieller Inhalt beigemessen wird, bleibt allerdings vielfach zu bezweifeln. Streng genommen unterscheiden sie sich sehr wohl: Ihnen ist zwar gemein, dass sie auf Verwertung des Schuldnervermögens und Gläubigerbefriedigung gerichtet sind.82 Doch steht beim Konkurs- und Insolvenzzweck die konkurs- bzw. insolvenzmäßige, d. h. bestmögliche Gläubigerbefriedigung im Vordergrund.83 Auf eine bestmögliche Befriedigung kommt es bei der Abwicklung aber schon deshalb nicht an, weil hier ein ausreichendes Vermögen vorhanden ist, um die Ansprüche der Gläubiger in voller Höhe zu erfüllen. Andererseits fehlt im Konkurs- und Insolvenzverfahren in der Regel die Verteilung des Überschusses an die Anteilseigner, auf die aber die Abwicklung gerichtet ist.84 Und während die Verwertung im Rahmen des Abwicklungs- und Konkurszwecks allein durch die Zerschlagung und Versilbe___________ 80 BGH, Urteil vom 25. 10. 2002 – V ZR 243/01, NZG 2003, 532, 534; BayObLG, Beschluss vom 29. 9. 1998 – 3Z BR 159-94, NJW-RR 1999, 109, 110; Armbruster, S. 19 m. w. N.; Kraft, in: KK zum AktG, § 262 Rn. 39 mit Rn. 3; Lutter, in: KK zum AktG, § 182 Rn. 35; Wiedemann, in: GK zum AktG, 3. Auflage, § 262 Anm. 21. Eine Zwischenposition nimmt Schulze-Osterloh, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 16. Auflage, § 63 Rn. 36 ein, der davon ausgeht, dass hinsichtlich der Konkursmasse eine vollständige Verdrängung durch den Konkurszweck stattfinde, hinsichtlich des konkursfreien Vermögens jedoch der Abwicklungszweck maßgeblich sei, vor dem der Konkurszweck aber Vorrang habe; so auch Uhlenbruck, GmbHR 1972, 170, 174. 81 BGH, Urteil vom 14. 12. 1987 – II ZR 170/87, BGHZ 103, 1, 6; BGH, Urteil vom 11. 11. 1985 – II ZR 37/85, BGHZ 96, 253, 255 („die Gesellschaft existiert nur noch zum Zwecke der Durchführung des Konkursverfahrens fort“); RG, Urteil vom 12. 2. 1913 – Rep. II. 449/12, RGZ 81, 332, 336 („die Gesellschaft besteht für die Zwecke des Konkursverfahrens fort“); BayObLG, Beschluss vom 22. 2. 1979 – 1 Z 5/79, Rpfleger 1979, 212, 213 und Beschluss vom 22. 2. 1979 – 1 Z 4/79, Rpfleger 1979, 214 („der Geschäftsbetrieb ist nur noch dem Konkurszweck gewidmet“); Weber, in: Jaeger, KO, §§ 207, 208 Rn. 27; Uhlenbruck, in: Kuhn/Uhlenbruck, KO, § 25 Rn. 4 („Fortgeltung zum Zweck der konkursmäßigen Abwicklung“), § 207 Rn. 8. 82 Vgl. Lutter, in: KK zum AktG, § 182 Rn. 35 (zum Verhältnis von Konkurs- und Abwicklungszweck). 83 BGH, Urteil vom 14. 12. 1987 – II ZR 170/87, BGHZ 103, 1, 6; BGH, Urteil vom 11. 11. 1985 – II ZR 37/85, BGHZ 96, 253, 255 („die Gesellschaft existiert nur noch zum Zwecke der Durchführung des Konkursverfahrens fort“); RG, Urteil vom 12. 2. 1913 – Rep. II. 449/12, RGZ 81, 332, 336 („die Gesellschaft besteht für die Zwecke des Konkursverfahrens fort“); BayObLG, Beschluss vom 22. 2. 1979 – 1 Z 5/79, Rpfleger 1979, 212, 213 und Beschluss vom 22. 2. 1979 – 1 Z 4/79, Rpfleger 1979, 214 („der Geschäftsbetrieb ist nur noch dem Konkurszweck gewidmet“); Weber, in: Jaeger, KO, §§ 207, 208 Rn. 27; Uhlenbruck, in: Kuhn/Uhlenbruck, KO, § 25 Rn. 4 („Fortgeltung zum Zweck der konkursmäßigen Abwicklung“), § 207 Rn. 8. 84 Lutter, in: KK zum AktG, § 182 Rn. 35; Hüffer, AktG, § 262 Rn. 2 m. w. N.

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1. Teil: Grundlagen

rung der Vermögenswerte zu erfolgen hat, erlaubt der Insolvenzzweck auch eine Verwertung in Gestalt der Sanierung und Fortführung des Gesellschaftsunternehmens (vgl. § 1 S. 1 InsO). 2. Stellungnahme a) Kritik der Verdrängungstheorie Die von der herrschenden Meinung befürwortete vollständige Verdrängung des werbenden Zwecks der Gesellschaft infolge ihrer Auflösung bleibt jedoch nicht ohne Bedenken. Die Richtigkeit dieser Annahme ist in verschiedener Hinsicht bezweifelt worden, so beispielsweise von T. Meyer und H.-F. Müller in Bezug auf spezielle Fragen des Liquidationsrechts einer GmbH85 oder von K. Schmidt in Bezug auf die Rechnungslegung in Liquidation und Konkurs86 sowie auf allgemeine Fragen der Personenhandelsgesellschaft in Liquidation.87 Beachtlich ist auch das dogmatische Argument von H.-F. Müller, der einer Zweckänderung entgegenhält, dass der durch Verbandsmitglieder bei Gründung festgelegte Verbandszweck nicht durch einen Auflösungstatbestand abgeändert werden könne, der nicht ebenfalls unmittelbar auf einem Willensakt der Gesellschafter beruhe.88 Auf die Berechtigung dieser Einwände kann im Rahmen der vorliegenden Arbeit nicht eingegangen werden, vielmehr soll im Folgenden die Vereinbarkeit der h. M. mit dem geltenden Insolvenzrecht überprüft werden. aa) Keine Einschränkung der Verwalterkompetenzen Vereinzelt wird argumentiert, eine Zweckänderung führe zu einer nicht hinzunehmenden Beschränkung der Kompetenzen des Insolvenzverwalters. So ist Wolf der Auffassung, die Verdrängung des Erwerbszwecks durch den Liquidationszweck führe dazu, dass dem Insolvenzverwalter der Abschluss neuer gewinnbringender Geschäfte oder die Entscheidung über die Erfüllung schwebender Geschäfte (im Sinne der §§ 103 ff. InsO) nicht ohne weiteres gestattet sei, ___________ 85

Vgl. Meyer, S. 31 ff.; H.-F. Müller, S. 124 f. Vgl. K. Schmidt, Liquidations- und Konkursbilanzen, insbesondere S. 28 ff.; ders, ZHR 153 (1989), 270, 286 f. 87 Z. B. hinsichtlich einer einstweiligen Unternehmensfortführung oder einer Prokuraerteilung, vgl. K. Schmidt, ZHR 153 (1989), 270 ff., insbesondere S. 282 f. 88 H.-F. Müller, S. 124 f. Nach seiner Ansicht führt daher allein ein Auflösungsbeschluss der Verbandsmitglieder zu einer Zweckänderung. 86

Kap. 2: Gesellschaftsrechtliche Folgen der Verfahrenseröffnung

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weil ihm nicht weitergehende Befugnisse als den Gesellschaftern als Liquidatoren zustehen könnten.89 In dieselbe Richtung geht der Einwand von Kautz, die vollständige Ersetzung des Verbandszwecks vertrage sich nicht mit der Verpflichtung des Insolvenzverwalters, das Unternehmen des Schuldners bis zur Entscheidung über den Fortgang des Verfahrens (§ 157 InsO) fortzuführen.90 Dieser Begründung ist nicht zu folgen. Vermutlich beruht die Annahme, dass die Tätigkeit des Insolvenzverwalters durch den Zweck der Gesellschaft mitbestimmt werde, auf einem fehlerhaften Verständnis von dessen Rechtsstellung. Nach der hier vertretenen Amtstheorie91 ist der Insolvenzverwalter Organ der Rechtspflege, dessen Rechtsmacht sich aus dem gerichtlichen Bestellungsakt ableitet und nicht aus seinem Verhältnis zum Schuldner. Daher können Beschränkungen in der Sphäre des Schuldners gleich welcher Art nicht auf den Insolvenzverwalter durchgreifen.92 Das gebietet auch der Grundsatz einer optimalen Gläubigerbefriedigung. Außerdem setzt die Befugnis des Insolvenzverwalters, das schuldnerische Unternehmen (einstweilen) fortzuführen (§§ 22 I 2 Nr. 2, 157 S. 1 Alt. 1 InsO), notwendigerweise voraus, dass auch auf Vermögensmehrung gerichtete Geschäfte getätigt werden. Zwar steht die Fortführung primär unter dem Gebot der Vermögenserhaltung mit dem Ziel der Haftungsverwirklichung;93 eine optimale Haftungsverwirklichung kann aber gerade auch in einer längerfristigen und dauerhaften Fortführung des Unternehmens etwa zur Vorbereitung einer übertragenden Sanierung liegen.94 Für diesen Fall ist es aber unumgänglich, dass der Verwalter eine werbende und auf Vermögensmehrung gerichtete Geschäftstätigkeit aufrechterhält. Hinsichtlich der Kompetenzen des Verwalters ist die Änderung des Gesellschaftszwecks also ohne Relevanz.

___________ 89

Wolf, in: Leipold, Insolvenzrecht im Umbruch, S. 120. Kautz, S. 77, allerdings ohne Begründung im Detail. 91 Lüke, in: Kübler/Prütting, InsO, § 80 Rn. 37; ausführlich Ott, in: MK zur InsO, § 80 Rn. 20 ff., 35 m. w. N. 92 Z. B. die Beachtung von Mitwirkungsbefugnissen der übrigen Gesellschaftsorgane (vgl. oben Kapitel 2 A. I., Seite 101, und die Nachweise in Fußnote 11 auf Seite 102); die Beachtung des Gesellschaftszwecks (so auch i. E. K. Schmidt, InsR der Unternehmen, S. 100, der die modifizierte Organtheorie vertritt). 93 Haarmeyer, in: MK zur InsO, § 22 Rn. 89. 94 Vgl. Haarmeyer, in: MK zur InsO, § 22 Rn. 89. Sofern für die früher geltende Konkursordnung noch angenommen wurde, eine über die Abwicklung bereits eingegangener Verpflichtungen hinausgehende Betriebsfortführung müsse Ausnahme bleiben (OLG Koblenz, Urteil vom 16. 2. 1956 – 5 U 606/54, KTS 56, 60, 61), muss dies wegen der Verwertungsoffenheit des Insolvenzverfahrens jedenfalls als überholt angesehen werden. 90

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1. Teil: Grundlagen

bb) Die Ergebnisoffenheit des Insolvenzverfahrens Im Unterschied zur konkurs- und aktienrechtlichen Abwicklung muss das Insolvenzverfahren nicht notwendigerweise in die Liquidation des Unternehmens und die Verwertung sämtlicher Vermögensgegenstände münden, sondern kann auch eine Sanierung des Unternehmens (etwa durch einen Insolvenzplan nach §§ 217 ff. InsO) vorsehen, vgl. § 1 S. 1 InsO. Den Ausschlag gibt allein, auf welche Weise die bestmögliche Gläubigerbefriedigung erreicht werden kann. Dieses einheitliche Verfahren ist das Ergebnis der Zusammenführung des bisher bestehenden (sanierenden) Vergleichs- und des (liquidierenden) Konkursverfahrens und eine wesentliche Errungenschaft des neuen Insolvenzrechts: Sanierung, sanierende Übertragung und Liquidation sind als gleichrangige Mittel der Gläubigerbefriedigung ausgestaltet.95 Die Wahl der Verwertungsart steht allein der Gläubigerversammlung zu, die hierüber erstmals im Berichtstermin beschließt (§§ 156, 157 InsO), ihre Entscheidung aber auch zu einem späteren Termin sogar wieder ändern kann (§ 157 S. 3 InsO). Das Verfahren muss daher als ergebnisoffen96 bezeichnet werden. Mit dieser Ergebnisoffenheit ist aber die geforderte Verdrängung des Erwerbszwecks durch den Abwicklungszweck nicht zu vereinbaren.97 Denn die potentielle Sanierung bedeutet die Neuordnung des Unternehmens in vielfacher Hinsicht, namentlich der Finanz- und Personalstruktur sowie der Kapitalausstattung, mit dem Ziel, den Fortbestand und die Ertragskraft des Unternehmens zu sichern und eine weitere Teilnahme am Wettbewerb zu ermöglichen. Zweck und Wesen der Sanierung erfordern daher einen unternehmerisch tätigen Schuldner.98 Dagegen bedeutet die Ersetzung durch den Abwicklungszweck die Einstellung der Geschäftstätigkeit. Angesichts dieses Befunds erscheint die verbreitete Annahme einer Ersetzung des Erwerbs- durch den Abwicklungszweck oftmals lediglich als unbedachte Übernahme der zum früheren Konkursrecht gültigen Annahmen. Damals war die vermeintliche Bindung an den Abwicklungszweck mit dem Konkursverfahren weitestgehend kongruent, da das Konkursverfahren (anders als

___________ 95

Bundesregierung, Begründung RegE InsO, BT-Drucks. 12/2443, S. 78. Ebenso Schmidt-Räntsch, Teil 2 III, § 1 InsO Rn 3 (S. 184); H.-F. Müller, S. 168. 97 Vgl. auch Hüffer, in: Geßler/Hefermehl, AktG, § 262 Rn. 48 („unvereinbar“); Kautz, S. 72 („nicht friktionslos“); Koch, S. 186 („nicht sonderlich zweckmäßig“). 98 Vgl. auch Kommission für InsR, Erster Bericht, Begründung zu Leitsatz 2.1.3, der die andauernde unternehmerische Tätigkeit als Voraussetzung der (subjektiver) Reorganisationsfähigkeit benennt. 96

Kap. 2: Gesellschaftsrechtliche Folgen der Verfahrenseröffnung

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etwa das Vergleichsverfahren99) ausschließlich auf die Liquidation des schuldnerischen Vermögens gerichtet war. Ob der werbende Zweck durch den Konkurs- oder den Abwicklungszweck verdrängt wurde, machte also kaum einen Unterschied. Das hat sich mit der durch die Insolvenzordnung nunmehr eröffneten Möglichkeit, ein Unternehmen auch in die Sanierung zu führen, grundlegend gewandelt. In dieser Hinsicht wäre allein eine Verdrängung des bisherigen Gesellschaftszwecks durch den Insolvenzverfahrenszweck – auf den ersten Blick – als stimmig zu bezeichnen.100 cc) Die Inkongruenz von Zweckänderung und Massebezogenheit des Insolvenzverfahrens Die Annahme einer Zweckänderung hat weit reichende Folgen: Der Gesellschaftszweck bildet nicht nur die Grundlage für die Treue- und Förderpflichten der einzelnen Aktionäre, sondern ist auch für die Organe der Aktiengesellschaft verbindlich; das gilt namentlich für ihren Vorstand, der seine sämtlichen Handlungen am Gesellschaftszweck auszurichten hat.101 Die geforderte Verdrängung des Erwerbszwecks, sei es nun durch den Abwicklungs- oder den Insolvenzzweck, erfasst somit die Gesellschaft als Ganzes und in jeder Hinsicht ihres Handelns. Im Gegensatz dazu werden die Gesellschaftsorgane in einem regulären Insolvenzverfahren allerdings nicht vollständig durch den Insolvenzverwalter verdrängt, da sich seine Rechtsmacht allein durch ihren Massebezug definiert. Es verbleibt ihnen vielmehr ein Bereich, in dem sie allein zuständig sind (sog. Schuldnerbereich).102 Der grundlegende Widerspruch der Verdrängungstheorie besteht darin, dass sie den Gesellschaftszweck als insgesamt verdrängt ansieht und daher nicht zwischen den einzelnen Funktionsbereichen differenzieren kann. Sie muss somit auch im Schuldnerbereich eine Bindung der Gesellschaftsorgane an den geänderten Gesellschaftszweck bejahen. Konsequenterweise war schon Friedrich ___________ 99 Das Vergleichsverfahren bezweckte die Sanierung des Schuldnerunternehmens und seine Fortführung; deswegen war die Vergleichseröffnung auch kein Auflösungsgrund (Vgl. Hüffer, in: Geßler/Hefermehl, AktG, § 262 Rn. 45). 100 Aber auch die Verdrängung durch § 1 S. 1 InsO führt zu Widersprüchen und ist deshalb abzulehnen, vgl. folgend cc), Seite 117. 101 Zur Bindung der Gesellschaftsorgane an den Gesellschaftszweck siehe unten Kapitel 5 A. III. 1. a), Seite 215 bzw. B. III. 1. a), Seite 289 (Vorstand), Kapitel 6 B. II. 1. a), Seite 359 (Aufsichtsrat), Kapitel 7 B. II. 1 a), Seite 408 (Hauptversammlung). 102 Das resultiert daraus, dass sich die Rechtsmacht des Insolvenzverfahrens nach dem vermögensorientierten Ansatz der Insolvenzordnung allein durch ihren Massebezug definiert, vgl. A. II., Seite 103.

118

1. Teil: Grundlagen

Weber der Auffassung, dass die Fuktionen der Gesellschaftsorgane im Gemeinschuldnerbereich und im konkursfreien Bereich – die zusammen den Schuldnerbereich bilden103 – insofern eine Beschränkung erführen, als nur noch Maßnahmen gestattet seien, die mit dem Konkurszweck in Einklang stünden; konkursfreier Bereich und Gemeinschuldnerbereich seien daher in gleicher Weise konkursbezogen.104 Dasselbe Verständnis äußert sich auch heute noch in der überwiegenden Auffassung, dass die Kompetenzen der Gesellschaftsorgane nicht allein durch den Übergang des Verwaltungs- und Verfügungsrechts auf den Verwalter (§ 80 I InsO), sondern daneben auch durch den Insolvenzzweck selbst beschränkt werden.105 Indem die Verdrängungstheorie auf diese Weise also zu einer Bindung der Gesellschaftsorgane an den Abwicklungs- bzw. Insolvenzzweck auch in dem „insolvenzfreien“ Schuldnerbereich kommt, setzt sie sich in Widerspruch zu dem vermögensorientierten Ansatz der Insolvenzordnung: Der Gesetzgeber hat in der Erkenntnis, dass allein das „Vermögen des Schuldners und nicht seine gesellschafts- oder verbandsrechtliche Organisation“ Gegenstand der Haftung ist, ausdrücklich von insolvenzrechtlichen Eingriffen in die gesellschaftsrechtlichen Verhältnisse abgesehen.106 Darüber hinaus führt diese Annahme aber auch zu Widersprüchen und offenbar kaum beabsichtigten Wirkungen im Schuldnerbereich, die im Folgenden exemplarisch dargestellt werden sollen.

___________ 103

Weber unterschied noch begrifflich zwischen dem „Gemeinschuldnerbereich“, der bloß diejenigen durch die Gesellschaftsorgane wahrzunehmenden Rechte und Pflichten umfassen sollte, die der Gesellschaft in ihrer Eigenschaft als Schuldnerin zugewiesen waren, und dem „konkursfreien Bereich“, dem die den organschaftlichen Vertretern verbleibenden Aufgaben zugehören sollten, vgl. Weber, KTS 1970, 73, 77. 104 Weber, KTS 1970, 73, 79; ders., in: Jaeger, KO, §§ 207, 208 Rn. 28, 31. 105 Schulze-Osterloh, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 16. Auflage, § 63 Rn. 36; Uhlenbruck, GmbHR 1972, 170, 174. Bezüglich Hauptversammlung oder Gesellschafterversammlung: Grüneberg, S. 53; Hefermehl/Bungenroth, in: Geßler/Hefermehl, AktG, § 179 Rn. 59; Haas, in: Gottwald, § 92 Rn. 154; Hüffer, in: MK zum AktG, § 264 Rn. 78; Noack, Rn. 337; Weber, in: Jaeger, KO, §§ 207, 208 Rn. 31; Kraft, in: KK zum AktG, § 262 Rn. 52; a. A. überzeugend H.-F. Müller, S. 168. Davon zu trennen ist die Bezugnahme auf den Insolvenzzweck, soweit sie dazu dient, den Zuständigkeitsbereich der Gesellschaftsorgane gegenständlich von dem des Insolvenzverwalters zu trennen, vgl. schon oben Kapitel 2 A. II., Seite 103. In diesem Sinne wohl etwa OLG Karlsruhe, Beschluss vom 8. 1. 1993 – 4 W 28/92, NJW 1993, 1931; Kraft, in: KK zum AktG, § 262 Rn. 52. 106 Bundesregierung, Begründung RegE InsO, BT-Drucks. 12/2443, S. 83.

Kap. 2: Gesellschaftsrechtliche Folgen der Verfahrenseröffnung

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(1) Ausübung der Verfahrensrechte durch den Vorstand Der insolventen Gesellschaft sind in ihrer Eigenschaft als Schuldnerin eine Reihe von Mitwirkungs- und Antragsrechten zugeordnet, die durch ihren Vorstand als gesetzlichen Vertreter (§ 78 I AktG) auszuüben sind. Eine strenge Bindung des Vorstands an den Abwicklungs- oder Insolvenzzweck bedeutete allerdings, dass er diese Rechte in vielen Fällen gar nicht ausüben dürfte. Das sei am Beispiel des Planinitiativrechts verdeutlicht. Gem. § 218 I 1 InsO ist neben dem Insolvenzverwalter auch der Schuldner berechtigt, dem Insolvenzgericht einen Insolvenzplan vorzulegen, der die Verwertung der Masse und die Befriedigung der Gläubiger abweichend von den gesetzlichen Regelungen vorsieht (§ 217 InsO). Insolvenzpläne sind „universelles Instrument der Masseverwertung“107 und geben den Beteiligten ganz unterschiedliche Gestaltungsmöglichkeiten an die Hand. Sie können daher lediglich eine von der Insolvenzordnung abweichende Liquidation zum Inhalt haben (Liquidationspläne), ihre Domäne liegt aber zweifelsohne bei der Unternehmenssanierung.108 Wie aber sollte der Vorstand für die Gesellschaft einen Sanierungsplan ausarbeiten und vorlegen dürfen, der auf die Fortführung der laufenden Geschäfte zielt, wenn er intern tatsächlich dazu verpflichtet sein sollte, allein die Abwicklung der Gesellschaft zu betreiben? Im Ergebnis kann über die Zulässigkeit dieses Vorgehens kein Zweifel bestehen, bietet doch gerade die Planvorlage durch den Schuldner in Verbindung mit einer frühen Antragsstellung (§ 18 InsO) große Sanierungschancen und liegt damit im Interesse sowohl der Gläubiger als auch der Gesellschaft. Aber auch der Insolvenzverfahrenszweck darf für das Vorstandshandeln in diesem Bereich nicht maßgeblich sein, wie sich aus § 247 I 1 InsO ergibt, der die Zustimmung der Schuldnergesellschaft (vertreten durch ihren Vorstand) zu einem durch den Verwalter vorgelegten Insolvenzplan regelt. Wenn es sich bei dieser Zustimmung nicht nur um eine bloße Förmelei handeln soll, darf die Entscheidung des Vorstands nicht insolvenzrechtlich determiniert sein. Das ergibt sich auch im Umkehrschluss zu § 247 II InsO, der ansonsten gegenstandslos wäre. Seine Entscheidung soll und darf die Schuldnergesellschaft und ihr Vertretungsorgan daher allein von ihren Eigeninteressen abhängig machen. Die Liste von Verfahrensrechten, deren Ausübung durch die Organe der Schuldnergesellschaft gleichfalls nicht ohne Widersprüche begründet werden ___________ 107

Bundesregierung, Begründung RegE InsO, BT-Drucks. 12/2443, S. 90. Eidenmüller, in: MK zur InsO, § 217 Rn. 162; Breuer, InsR, Rn. 486; vgl. auch LG München I, Beschluss vom 5. 9. 2003 – 14 T 15659/03, ZVI 2003, 473, 474. Auch schon die Erläuterungen zum Regierungsentwurf hoben den Stellenwert des Insolvenzplans für eine Sanierung hervor, vgl. BT-Drucks. 12/2443, S. 90 ff. 108

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1. Teil: Grundlagen

könnte, wenn man die Verdrängung des Gesellschaftszwecks durch den Abwicklungs- oder Insolvenzzweck als richtig unterstellt, kann noch erweitert werden: Die Erhebung der sofortigen Beschwerde gegen den Eröffnungsbeschluss (§§ 34 II, 6 I InsO); der Antrag auf Untersagung einer vorläufigen Stilllegung des Betriebes (§ 158 II 2 InsO); der Antrag auf vorläufige Untersagung einer besonders wichtigen Rechtshandlung (§ 161 S. 2 InsO); der Antrag auf Einstellung des Verfahrens (§§ 212, 213 InsO); der Antrag auf Aussetzung von Verwertung und Verteilung bei vorgelegtem Insolvenzplan (§ 233 InsO).109 Da all diese Mitwirkungs- und Antragsrechte aber gerade sicherstellen sollen, dass die Schuldnergesellschaft ihre Eigeninteressen wahrnehmen und im Insolvenzverfahren zu ihren Gunsten durchsetzen kann, kommt eine Bindung der Organe an den Insolvenz- oder Abwicklungszweck insoweit nicht in Betracht. Sie spräche der Gesellschaft faktisch die Qualität als Verfahrenssubjekt ab.110 Richtig ist vielmehr, bei der Ausübung der Mitwirkungs- und Antragsrechte einzig die Gesellschaftsinteressen für den Vorstand zum Maßstab zu erklären,111 deren Missachtung sogar eine Ersatzpflicht aus § 93 II AktG begründen kann.112 (2) Sanierungsbegleitende Beschlüsse der Hauptversammlung Problematisch ist zudem die Vereinbarkeit der Zweckänderung mit Maßnahmen auf gesellschaftsrechtlicher Ebene, die eine Sanierung bzw. Reorganisation vorbereiten oder begleiten. Das gilt namentlich für Kapitalerhöhungen gegen Einlage (§§ 182 ff. AktG), durch die das für eine Unternehmenssanierung oftmals unentbehrliche Eigenkapital113 zugeführt werden kann.114 Im früheren Konkursrecht war die Zuläs___________ 109 Diese Schwierigkeiten ergeben sich auch für bestimmte Gemeinschuldnerrechte nach der Konkursordnung, wie beispielsweise die Einreichung eines Zwangsvergleichs (§§ 173, 174 KO) oder der Antrag auf Einstellung des Konkursverfahrens (§ 202 KO). Die Ausübung dieser Rechte wurde – ohne die Vereinbarkeit mit dem Konkurszweck zu problematisieren – allgemein für zulässig erachtet (vgl. etwa RG, Urteil vom 14. 2. 1913 – Rep. II 449/12, RGZ 81, 332, 337; Weber, KTS 1970, 73, 79; Wiedemann, in: GK zum AktG, 3. Auflage, § 262 Anm. 26). 110 In diese Richtung auch H.-F. Müller, S. 126: Die Ersetzung des ursprünglichen Verbandszwecks erwecke fälschlicherweise den Eindruck, als sei eine eigenständige Interessenvertretung im Insolvenzverfahren nicht möglich. 111 Gutsche, Rn. 311; Götker, Rn. 934; Uhlenbruck, GmbHR 1972, 170, 175. A. A. Schulz, S. 87; ders., KTS 1986, 389, 416 (Gesellschafterinteressen). Im Einzelfall kann sogar die Pflicht bestehen, von diesen Rechten in einer bestimmten Weise Gebrauch zu machen, vgl. Kapitel 5 D. I. 1. a) aa) (1), Seite 325. 112 Zur eigenverwaltungsspezifischen Vorstandshaftung siehe Kapitel 5 D., Seite 324. 113 Vgl. Kautz, S. 202.

Kap. 2: Gesellschaftsrechtliche Folgen der Verfahrenseröffnung

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sigkeit von Kapitalerhöhungen nach Konkurseröffnung umstritten. Sie wurde zunächst von der überwiegenden Ansicht in Literatur115 und Rechtsprechung116 mit dem Argument verneint, die mit einer Erhöhung des Kapitals verbundene Schaffung neuer Mitgliedsrechte widerspreche dem Konkurszweck.117 Offenbar auch unter dem Eindruck, dass eine Sanierung des Unternehmensträgers nicht unmöglich sein dürfe,118 wurde aber zunehmend eine Kapitalerhöhung für zulässig erachtet, teils nur für den Fall, dass durch sie Mittel für einen Zwangsvergleich oder die Fortführung der Gesellschaft nach Einstellung des Verfahrens (§ 202 KO) beschafft werden sollten,119 teils aber auch ohne Einschränkung120. Diese letzte Auffassung hat sich immer weiter durchgesetzt und war schließlich herrschend.121 Begründet wurde die Abkehr vor allem damit, dass die neu beschafften Mittel der Befriedigung der Gläubiger und damit un___________ 114

Frisches Kapital kann z. B. zum Wegfall des Eröffnungsgrundes (§§ 16 ff. InsO) und so zu einer Verfahrenseinstellung nach § 212 InsO führen oder aber die notwendige Liquidität für die Fortführung des Unternehmens im Rahmen eines Insolvenzplans liefern. 115 Wiedemann, in: GK zum AktG, 3. Auflage, § 182 Anm. 15 und 185 Anm. 1 (1 c); Fischer, in: GK zum AktG, 2. Auflage, § 182 Anm. 12 und § 149 Anm. 12; Wilhelmi, in: Godin/Wilhelmi, AktG, § 182 Anm. 1; Weber, in: Jaeger, KO, §§ 207, 208 Anm. 52 f.; Lent, in: Jaeger, KO, 8. Auflage, § 17 Anm. 5 a. E.; Jaeger, in: Jaeger, KO, 6./7. Auflage, §§ 207, 208 Anm. 28; Kuhn, in: Mentzel, KO, 7. Auflage, § 207 Anm. 8. Zuneigend, im Ergebnis aber ablehnend Lutter, in: KK zum AktG, § 182 Rn. 45 (zur regulären Liquidation). 116 OLG Hamm, Urteil vom 19. 3. 1979 – 8 U 151/78, AG 1981, 53; OLG Bremen, Urteil vom 5. 7. 1957 – 1 U 351/56, NJW 1957, 1560 f. m. w. N. (für die GmbH); RG, Urteil vom 20. 10. 1911 – Rep. II. 68/11, RGZ 77 154, 155 f. (für die GmbH); RG, Urteil vom 26. 6. 1914 – Rep. II. 109/14, RGZ 85, 205, 207 f; RG, Urteil vom 6. 5. 1911 – Rep. I. 164/10, RGZ 76, 244, 247 („hinfällig“ wegen Auflösung). 117 In diese Richtung weist auch die heute h. M., nach der Kapitalerhöhungen im regulären Abwicklungsverfahren (§§ 264 ff. AktG) allein dann – im Übrigen also nicht – mit dem Liquidationszweck (§ 264 III AktG) vereinbar und daher zulässig sein sollen, wenn die dadurch eingeworbenen Mittel der Befriedigung der Gesellschaftsgläubiger dienen (BGH, Urteil vom 23. 5. 1957 – II ZR 250/55, BGHZ 24, 279, 286; Hüffer, AktG, § 182 Rn. 31; Kraft, in: KK zum AktG, Vorb. § 262 Rn. 16; Lutter, in: KK zum AktG, § 182 Rn. 45 m. w. N.; Schlegelberger/Quassowski, AktG 1937, vor § 203 Rn. 10. 118 Vgl. etwa Hüffer, AktG, § 182 Rn. 32; LG Heidelberg, Urteil vom 16.3.1988 – O 6/88 KfH II, ZIP 1988, 1257; Noack, FS Zöllner, 411, 422. 119 Wiedemann, in: GK zum AktG, 3. Auflage, § 262 Anm. 26; Uhlenbruck, in: Kuhn/Uhlenbruck, KO, § 207 Rn. 13; Barz, in: GK zum AktG, 2. Auflage, § 203 Anm. 26; Weber, in: Jaeger, KO, §§ 207, 208 Rn. 31; ders., KTS 1970, 73, 79; LG Heidelberg, Urteil vom 16.3.1988 – O 6/88 KfH II, ZIP 1988, 1257. 120 Uhlenbruck, in: Kuhn/Uhlenbruck, KO, § 25 Rn. 7; Hess, in: Hess, KO, 5. Auflage, § 25 Rn. 15; Ulmer, in: Hachenburg, GmbHG, 8. Auflage, § 55 Rn. 28; Lutter, in: KK zum AktG, § 182 Rn. 49. 121 Hefermehl/Bungenroth, in: Geßler/Hefermehl, AktG, § 182 Rn. 100 m. w. N.; Ulmer, in: Hachenburg, GmbHG, 8. Auflage, § 55 Rn. 28.

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1. Teil: Grundlagen

mittelbar dem Zweck der Abwicklung bzw. des Konkurses zugute kämen.122 Dieser Argumentation ist jedoch entgegenzuhalten, dass nach früherer Rechtslage die durch eine Kapitalerhöhung geschaffenen Mittel als Neuerwerb nicht in die Konkursmasse (§ 1 I KO), sondern in das konkursfreie Vermögen fielen.123 Da die Konkursgläubiger somit nicht (unmittelbar) in den Genuss dieser Vermögenswerte kamen, kann auch nicht davon gesprochen werden, dass durch sie der Konkurszweck – die Befriedigung der Konkursgläubiger – gefördert wird.124 Daran ändert auch das Recht der freien Nachforderung (§ 164 II KO) nichts,125 da der Sinn des Konkursverfahrens auch nicht darin besteht, dass sich die Gläubiger nach Verfahrensbeendigung durch Einzelzwangsvollstreckung befriedigen. Aus diesen Gründen kann – so richtig und erstrebenswert das Ergebnis der h. M. angesichts einer möglichen Sanierung auch gewesen wäre – doch nicht davon abgewichen werden, dass unter Zugrundelegung der Verdrängungstheorie Kapitalerhöhungen nach dem früheren Recht mit dem Konkurszweck unvereinbar und damit unzulässig waren. Diese Problematik hat sich mit der Einführung der Insolvenzordnung weitestgehend entschärft. Denn da nunmehr auch der Neuerwerb zur Insolvenzmasse gezogen wird (§ 35 InsO), kommen nach h. M.126 auch die durch eine Kapitalerhöhung neu gewonnenen Mittel als Neuerwerb unmittelbar den Gläubigern zugute.127 Die Vereinbarkeit von Kapitalerhöhungen mit dem Ab___________ 122

Lutter, in: KK zum AktG, § 182 Rn. 45, 49; Hefermehl/Bungenroth, in: Geßler/Hefermehl, AktG, § 182 Rn. 101; vgl. auch Kautz, S. 206. Eine andere Begründung stützt sich auf § 274 II AktG: Da die Gesellschaft über die Fortsetzung beschließen dürfe, müsse sie auch deren Voraussetzungen schaffen können, etwa Weber, in: Jaeger, KO, §§ 207, 208 Rn. 31; Wiedemann, in: GK zum AktG, 3. Auflage, § 262 Anm. 26; Lutter, in: KK zum AktG, § 182 Rn. 44. 123 Da es eine solche Trennung der Vermögensmassen im aktienrechtlichen Abwicklungsverfahren nicht gibt, ist hier die Zulässigkeit von Kapitalerhöhungsmaßnahmen gem. §§ 182 ff. AktG zu bejahen. 124 Anders ist das im regulären Abwicklungsverfahren: Da hier sämtliche Gläubiger aus dem Vermögen der aufgelösten Gesellschaft befriedigt werden (§ 268 I 1 AktG), stünde eine Kapitalerhöhung gegen Einlage, die dazu dient, weitere Mittel zur Befriedigung der Gläubiger zu beschaffen, in der Tat nicht dem Zweck der Abwicklung entgegen (§ 264 III AktG). Es ist daher richtig, derartige Kapitalmaßnahmen im regulären Liquidationsverfahren als zulässig zu behandeln (BGH, Urteil vom 23. 5. 1957 – II ZR 250/55, BGHZ 24, 279, 286; Schlegelberger/Quassowski, AktG 1937, vor § 203 Rn. 10; Hüffer, AktG, § 182 Rn. 31 m. w. N.). 125 So aber Hefermehl/Bungenroth, in: Geßler/Hefermehl, AktG, § 182 Rn. 101. 126 Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, § 35 Rn. 116; Hüffer, AktG, § 182 Rn. 32a; Noack, in: Kübler/Prütting, GesR, Rn. 279, 381. Zum Streit über die Zugehörigkeit der durch eine Kapitalerhöhung gewonnenen Mittel zur Insolvenzmasse siehe unten Kapitel 4 B. II. 2. b), Seite 194. 127 Folgt man dagegen der Mindermeinung, die diese Mittel dem insolvenzfreien Vermögen zuschlägt (Uhlenbruck, in: Kölner Schrift, S. 1157 ff. Rn. 24; ders., in: Braun/Uhlenbruck, Unternehmensinsolvenz, S. 89; Elser, in: AK zum AktR, § 182

Kap. 2: Gesellschaftsrechtliche Folgen der Verfahrenseröffnung

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wicklungs- oder Insolvenzzweck kann daher nicht mehr grundsätzlich in Frage gestellt werden.128 Dennoch bleibt die Skepsis, ob man die Aufnahme neuer Gesellschafter durch die Ausgabe neuer Aktien wirklich als dem Abwicklungszweck entsprechend bezeichnen kann, der doch primär darauf zielt, die Gesellschaft vollzubeendigen und die Gesellschaftereigenschaft gerade zum Erlöschen zu bringen. Die Unvereinbarkeit mit dem Abwicklungszweck bleibt indessen bei einer Reihe anderer Maßnahmen auf gesellschaftsrechtlicher Ebene bestehen, die deshalb zum Teil sogar als unzulässig betrachtet werden, wie beispielsweise die Verlegung des Geschäftssitzes129 oder die Änderung des Unternehmensgegenstandes130. Derartige Umstrukturierungen können aber wichtige Elemente einer Sanierung oder Reorganisation sein und so unmittelbar den Interessen der Gläubiger dienen. Im Ergebnis darf somit auch ihre Zulässigkeit nicht verneint werden. (3) Die Verwaltung insolvenzfreien Vermögens Eine vollständige Verdrängung des Gesellschaftszwecks durch den Abwicklungs- oder Insolvenzzweck erfasste schließlich auch die Verwaltung des insolvenzfreien Gesellschaftsvermögens131.132 Schon die Bezeichnung als „insolvenzfrei“ macht deutlich, dass der Vorstand bei der Verwaltung dieses Vermögens einer Bindung an den Insolvenzzweck nicht unterliegen soll. Es handelt sich gerade um diejenigen Gegenstände, die vom Insolvenzverfahren nicht erfasst werden, etwa weil sie aus Insolvenzmasse zur freien Verfügung der Ge___________ AktG Rn. 76; Schlitt, NZG 1998, 755, 756; Götker, Rn. 985), ist aber sehr wohl die Vereinbarkeit von Kapitalerhöhungen und dem Insolvenz- oder Abwicklungszweck mit ähnlichen Überlegungen zu bezweifeln, wie schon im früheren Konkursrecht. 128 Siehe auch Kapitel 7 A. II. 3. a), Seite 391. 129 Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, § 11 Rn. 192 mit Hinweis auf das LG Berlin, Beschluss vom 23. 4. 1999 – 98 T 9/99, ZIP 1999, 1050 (betrifft allerdings die Sitzverletzung einer aufgrund § 1 I LöschG aufgelöste Gesellschaft). Dagegen erachtet Hüffer, in: MK zum AktG, § 264 Rn. 28 die Sitzverlegung einer aufgelösten Gesellschaft grundsätzlich für zulässig. 130 Hefermehl/Bungenroth, in: Geßler/Hefermehl, AktG, § 179 Rn. 59 (Unvereinbarkeit mit Konkurszweck). 131 Insolvenzfreies Vermögen gibt es nach der hier vertreten Auffassung auch in der Gesellschaftsinsolvenz, vgl. unten C., Seite 129. 132 Etwa Hüffer, in: MK zum AktG, § 264 Rn. 67, nach dem der Vorstand bei der Verwaltung insolvenzfreien Vermögens alles unterlassen müsse, was mit dem Insolvenzzweck nicht im Einklang gebracht werden könne. Nach Götker, Rn. 976 ist der Auflösungszweck auch bei der Erfüllung der innergesellschaftlichen Pflichten zu beachten.

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1. Teil: Grundlagen

sellschaft freigegeben worden sind (§ 32 III 1 InsO). Die Verwaltung dieser Gegenstände insolvenzrechtlich zu determinieren, bedeutete einen Widerspruch in sich. Aber auch der Abwicklungszweck kann hier nicht maßgeblich sein. Denn einerseits ist die Geltung der aktienrechtlichen Liquidationsvorschriften für die Dauer des Insolvenzverfahrens suspendiert (vgl. § 264 I Hs. 2 AktG), so dass überhaupt kein Abwicklungsverfahren durchgeführt werden könnte.133 Und andererseits besteht während des Insolvenzverfahrens (zumindest abstrakt) die Chance, dass die Voraussetzungen für eine Fortsetzung der Gesellschaft eintreten (§ 274 II Nr. 1 AktG), z. B. weil das Verfahren nach der Bestätigung eines Sanierungsplans aufgehoben oder wegen Wegfall des Eröffnungsgrundes (§ 212 InsO) eingestellt wird. Eine zwischenzeitliche Verpflichtung zur Abwicklung des verbleibenden Gesellschaftsvermögens machte eine Fortsetzung aber nicht nur in vielen Fällen faktisch unmöglich, sondern auch stets rechtlich unzulässig. Denn eine Fortsetzung ist selbst in den Fällen des § 274 II Nr. 1 AktG ausgeschlossen, sobald mit der Verteilung des Vermögens begonnen worden ist (§ 274 I 1 Hs. 2 AktG).134 dd) Zwischenergebnis: Ablehnung der Verdrängungstheorie Die vorstehenden Ausführungen haben gezeigt, dass der Annahme der h. M., durch die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens werde der auf eine werbende Tätigkeit gerichtete Gesellschaftszweck durch den „Abwicklungs-“ oder „Insolvenzzweck“ ersetzt, nicht gefolgt werden kann. Der behaupteten vollständigen Verdrängung des Gesellschaftszwecks steht entgegen, dass damit auch eine Bindung der Gesellschaft und ihrer Organe in denjenigen Kompetenzen einträte, die vom Insolvenzverfahren mangels Massebezuges gegenständlich gar nicht erfasst werden. So führte eine Verdrängung durch den Insolvenzverfahrenszwecks zu dem widersinnigen Ergebnis, dass die Ausübung der Mitwirkungs- und Verfahrensrechte im Schuldnerbereich sowie die Verwaltung des insolvenzfreien Vermögens insolvenzrechtlich determiniert sind. Darüber hinaus lässt der Abwicklungszweck die Ergebnisoffenheit des Verfahrens unberücksichtigt, das nicht notwendig in einer Liquidation enden muss. ___________ 133

Kapitel 2 B. I. 2., Seite 109. Schon im früheren Konkursrecht war anerkannt, dass die Abwicklung des konkursfreien Vermögens nach den verbandsrechtlichen Regeln vor Beendigung des Konkursverfahrens nicht in Betracht komme, vgl. Wilhelmi, in: Godin/Wilhelmi, AktG, § 262 Anm. 5 (für die AG), Schulze-Osterloh, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 16. Auflage, § 63 Rn. 36 (für die GmbH). 134 Hüffer, AktG, § 274 Rn. 4; ders., in: MK zum AktG, § 274 Rn. 21; HoffmannBecking, in: MHb GesR IV, § 67 Rn.18.

Kap. 2: Gesellschaftsrechtliche Folgen der Verfahrenseröffnung

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b) Diskussion alternativer Lösungen Dieses Ergebnis nötigt dazu, nach alternativen Lösungen zu suchen. aa) De lege ferenda De lege ferenda könnte man davon absehen, für die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens die Auflösung der Gesellschaft anzuordnen. Dieser Gedanke ist schon in der Genese der Insolvenzordnung aufgekommen, da man glaubte, nur auf diese Weise das Insolvenzverfahren vom gesellschaftsrechtlichen Liquidationsverfahren einleuchtend trennen zu können.135 Obwohl dieser Ansatz auch vom Ersten Bericht der Kommission für Insolvenzrecht aufgegriffen worden war,136 hat die Regelung keinen Einzug in das neue Insolvenzrecht gehalten. Vereinzelt wird die Streichung dieses Auflösungstatbestandes aber immer noch gefordert.137 Sie könnte sicherlich die oben dargestellten Widersprüche auflösen. Von der Kommission ist weiter vorgeschlagen worden, die Auflösungswirkung erst eintreten zu lassen, wenn im Insolvenzverfahren die Liquidationsentscheidung fällt.138 Auch im neueren Schrifttum wird es vereinzelt für sinnvoll erachtet, im auf die Sanierung ausgerichteten Verfahren der Eigenverwaltung (§§ 270 ff. InsO) von einer Auflösung abzusehen oder jedenfalls die Fortsetzung der aufgelösten Gesellschaft bei der nachträglichen Anordnung der Eigenverwaltung (§ 271 InsO) zuzulassen.139 Diesem Vorschlag kann allerdings nicht beigepflichtet werden. Einer solchen Verknüpfung von Verfahrensziel und Auflösungswirkung steht entgegen, dass das Insolvenzverfahren140 ergebnisoffen ist und durchaus den Wechsel des ___________ 135 K. Schmidt, Gutachten D zum 54. DJT, 1982, S. D. 70 f.; Wolf, in: Leipold, Insolvenzrecht im Umbruch, S. 121; erwägend Piepenburg, NZI 2004, 231, 238. 136 Kommission für Insolvenzrecht, Erster Bericht, Leitsatz 1.2.10 VI. 137 Kautz, S. 74 f.; kritisch auch Uhlenbruck, FS Kirchhof, 479, 491. 138 Kommission für InsR, Erster Bericht, Leitsatz 1.2.10 Abs. 6; das hält auch Hüffer, in: Geßler/Hefermehl, § 262 Rn. 48 auf Grundlage des Reorganisationsgedankens für folgerichtig. In diese Richtung auch Piepenburg, NZI 2004, 231, 238. 139 Koch, S. 186, der allerdings übersieht, dass es auf Grundlage seiner Bedenken für die Durchführung der Eigenverwaltung eines Fortsetzungsbeschlusses dann nicht bedarf, wenn es sich um eine (sehr seltene) liquidierende Eigenverwaltung handelt. In diese Richtung auch Piepenburg, NZI 2004, 231, 238, der von einer Auflösung gänzlich abzusehen, dafür aber die Zweckänderung von der Liquidations- oder Fortführungsentscheidung abhängig zu machen vorschlägt. 140 Das gilt auch für das von der Insolvenzrechtskommission vorgeschlagene Verfahren: Zwar fehlte es hier noch an einer ausdrücklichen, § 157 S. 3 InsO entsprechenden Regelung, vgl. aber die Ausführungen der Insolvenzrechtskommission, Erster Bericht,

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1. Teil: Grundlagen

Verfahrensziels zulässt, so dass die durch die Gläubigerversammlung getroffene (insbesondere: Sanierungs-)Entscheidung auch wieder revidiert werden kann (§ 157 S. 1 und 3 InsO). Bei konsequenter Durchführung dieser Verknüpfung könnte daher zu einem Hin und Her zwischen Auflösungs- und Fortsetzungsstadium kommen: So müsste die vor der nachträglichen Anordnung der Eigenverwaltung (§ 271 InsO) bestehende Auflösung, die durch einen Fortsetzungsbeschluss der Gesellschaft aufgehoben worden ist, wiederhergestellt werden, wenn die Eigenverwaltung gem. § 272 InsO aufgehoben wird. Das erscheint aber nicht nur wenig praxistauglich, sondern auch im Sinne der Rechtsklarheit als nicht vertretbar. Außerdem könnte dieser Ansatz ebenfalls nicht nach den einzelnen Funktionsbereichen differenzieren. bb) De lege lata (1) Die Überlagerungstheorie Auf Grundlage der bestehenden Gesetzeslage kann eine Lösung nur im Rahmen des Gesellschaftszwecks der aufgelösten Gesellschaft gefunden werden. In diese Richtung weist ein von Karsten Schmidt entwickelter Ansatz, der eine grundlegende Neubestimmung der Auflösungswirkung vorschlägt: Die Auflösung, gleich aufgrund welchen Auflösungstatbestandes, habe überhaupt keine Zweckänderung zur Folge, vielmehr bleibe der Verbandszweck als das die Gesellschaft konstituierende Element von ihrer Errichtung bis zur ihrer Vollbeendigung unverändert bestehen (Prinzip der Kontinuität).141 Er werde nur im Falle der Liquidation durch den Liquidationszweck, im Falle der Insolvenzeröffnung durch den Zweck des Insolvenzverfahrens überlagert (sog. Überlagerungstheorie).142 Der Verdrängungstheorie hat Schmidt vor allem vorgeworfen, sie wurze___________ Begründung zu Leitsatz 1.3.4.4, S. 150: „…, dass innerhalb des durchlässigen einheitlichen Verfahrens das Verfahrensziel zu wechseln ist, sobald die weitere Verfahrensentwicklung eine solche Änderung gebietet. Die Entscheidung über das Verfahrensziel kann somit […] korrigiert werden.“. Ein wesentlicher Unterschied bestand aber darin, dass die Entscheidung über das Verfahrensziel in das Ermessen des Gerichtes, nicht das der Gläubigerversammlung gestellt war, vgl. Leitsatz 1.3.4.4 (S. 36, 149 ff.). 141 K. Schmidt, ZHR 153 (1989), 270, 281; ders., Liquidations- und Konkursbilanzen, S. 29. 142 K. Schmidt, ZHR 153 (1989), 270, 281; ders., in: Die GmbH in Krise, Sanierung und Insolvenz, Rn. 1180; ders., in: Scholz, GmbHG, § 69 Rn. 3; ders., Liquidations- und Konkursbilanzen, S. 28 f.; ihm folgend: Schlegel, S. 119; Foerste, InsR, Rn. 139; Meyer, S. 36 f.; Kautz, S. 77; H.-F. Müller, S. 124 f., der allerdings eine Ausnahme macht: Da es den Verbandsmitgliedern (aber nur diesen) möglich sei, den bei der Gründung durch sie festgelegten Verbandszweck zu ändern, könne im Fall eines Auflösungsbeschlusses (z. B. nach § 262 I Nr. 2 AktG) eine Ersetzung durch den Abwicklungszweck ange-

Kap. 2: Gesellschaftsrechtliche Folgen der Verfahrenseröffnung

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le in einer veralteten Doktrin über das Wesen aufgelöster Gesellschaften und unterscheide nicht in genügender Weise zwischen dem Verbandszweck und dem Verfahrenszweck, also dem gemeinsamen Zweck der Verbandsmitglieder und dem Zweck der Abwicklungsprozedur.143 (2) Stellungnahme Der Überlagerungstheorie ist zuzustimmen, und zwar sowohl aus dogmatischen wie auch insolvenzrechtlichen Erwägungen: Auf Grundlage der mittlerweile gesicherten Erkenntnis, dass die Gesellschaft von ihrer Entstehung bis zur Vollbeendigung als identische Einheit besteht144, liegt es nahe, dass das auch für den ihr zugrunde liegenden Zweck zu gelten hat. Das Verständnis des Gesellschaftszwecks als das „die Gesellschaft konstituierende Element“145, ihr „Lebensgesetz“146 oder „den obersten Leitsatz der Verbandstätigkeit“147, um dessen- bzw. derentwillen sich die Gesellschafter zusammengeschlossen haben,148 verträgt sich nicht mit der Vorstellung, dass dieses finale Band durch den Eintritt in das Auflösungsstadium zertrennt werde. Denn einerseits muss die Auflösung nicht zwangsläufig in die Vollbeendigung münden (etwa bei einem Fortsetzungsbeschluss149), und andererseits wird sich in einer Vielzahl von Fällen an der Zweckbestimmung und dem gemeinsamen Willen der Gesellschafter trotz der Auflösung rein tatsächlich nichts geändert haben.150 Die Zweckänderung bliebe damit oftmals bloße Fiktion. Es ist deshalb überzeugender, dass allein die Urheber dieses finalen Bandes, also die Gesellschafter selbst, die Macht haben, den Gesellschaftszweck abzuändern.151 Die Überlagerungstheorie verdient den Vorzug aber insbesondere aufgrund ihrer Stimmigkeit mit dem Insolvenzrecht. Die bloße Überlagerung durch den Verfahrenszweck ermöglicht eine Feinabstimmung der insolvenzrechtlichen Bindungen, zu der die Verdrängungstheorie nicht imstande ist. Das lässt eine ___________ nommen werden, da die Zweckänderung hier unmittelbar auf einem Willensakt der Verbandsmitglieder beruhe (sog. modifizierte Überlagerungstheorie); dagegen Meyer, S. 37. 143 K. Schmidt, InsR der Unternehmen, S. 100; ders., in: Die GmbH in Krise, Sanierung und Insolvenz, Rn. 1180 ff; H.-F. Müller, S. 124. 144 K. Schmidt, GesR, § 11 IV. 2. c), S. 302 f. 145 K. Schmidt, GesR, § 4 II. 1. a), S. 61. 146 Wiedemann, GesR, § 1 I 1 b) bb), S. 10. 147 BGH, Urteil vom 11. 11. 1985 – II ZB 5/85, BGHZ 96, 245, 251. 148 BGH, Urteil vom 11. 11. 1985 – II ZB 5/85, BGHZ 96, 245, 252. 149 Vgl. etwa § 274 AktG; § 144 HGB; §§ 79a, 117 GenG. 150 Beispiele bei Meyer, S. 30 ff. 151 H.-F. Müller, S. 124.

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1. Teil: Grundlagen

Differenzierung nach den verschiedenen Funktionsbereichen zu: So kann eine Bindung der Schuldnergesellschaft und ihrer Organe an § 1 S. 1 InsO im Schuldnerbereich verneint werden, da hier die Eigeninteressen der Gesellschaft im Vordergrund stehen,152 während der Vorrang des Insolvenzverfahrenszwecks in allen massebezogenen Angelegenheiten – bei Anordnung der Eigenverwaltung etwa im Eigenverwaltungsbereich153 – bejaht werden kann, weil hier die Interessen der Gläubiger überwiegen. Dadurch kommt es nicht zu den oben dargestellten Widersprüchen. cc) Ergebnis Die Auflösung der Aktiengesellschaft, gleich aufgrund welchen Auflösungstatbestandes, bewirkt entgegen der herrschenden Verdrängungstheorie nicht, dass der werbende Gesellschaftszweck verdrängt wird. Er wird vielmehr partiell durch den jeweiligen Verfahrenszweck (Insolvenz- bzw. Liquidationszweck) überlagert. Gegenstand der vorliegenden Arbeit soll es daher im Besonderen sein zu bestimmen, inwieweit eine solche Überlagerung durchgreift, wenn über das Vermögen der Aktiengesellschaft ein Eigenverwaltungsverfahren eröffnet wird. Dabei sind eine Reihe insolvenzrechtlicher Rechtsfragen neu zu überdenken und zu bewerten, die bisher mit Blick auf die Geltung des Abwicklungs- bzw. Insolvenzzwecks gelöst worden sind, wie beispielsweise die Unzulässigkeit (konkurs- bzw.) insolvenzzweckwidriger Maßnahmen der Gesellschaftsorgane154 oder das Ruhen von konzernrechtlichen Weisungsbefugnissen während der Insolvenz.155

___________ 152 Zu den Einzelheiten Kapitel 5 A. III. 1. a), Seite 215 (Vorstand), Kapitel 6 A. II. 1., Seite 352 (Aufsichtsrat), Kapitel 7 A. I. 1, Seite 383 (Hauptversammlung). 153 Zum „Eigenverwaltungsbereich“ siehe Kapitel 4 A. III., Seite 184, zur Bindung der Organe in diesem Bereich siehe Kapitel 5 B. III. 1. a), Seite 289 (Vorstand), Kapitel 6 B. II. 1. a), Seite 359 (Aufsichtsrat) und Kapitel 7 B. II. 1. a), Seite 408 (Hauptversammlung). 154 Siehe dazu die Verweise in Fußnote 152 (Seite 128). 155 Etwa BGH, Urteil vom 14. 12. 1987 – II ZR 170/87, BGHZ 103, 1, 6; AG Duisburg, Beschluss vom 1. 9. 2002 – 62 IN 167/02, NZI 556, 559 [Babcock Borsig]. Siehe dazu ausführlich unten Kapitel 5 B. I. 1. b), Seite 234 (Eigenverwaltung der herrschenden Gesellschaft) bzw. Kapitel 5 B. II. 2. d) cc), Seite 287 (Eigenverwaltung der beherrschten Gesellschaft).

Kap. 2: Gesellschaftsrechtliche Folgen der Verfahrenseröffnung

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C. Das Verhältnis von Insolvenz- und Liquidationsverfahren Wie zuvor dargelegt wurde,156 findet gem. § 264 I Hs. 2 AktG keine Abwicklung nach den aktienrechtlichen Liquidationsvorschriften (§§ 264 bis 273 AktG) statt, wenn die Gesellschaft durch die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens nach § 261 I Nr. 3 AktG aufgelöst worden ist. Es ist allerdings umstritten, im welchen Verhältnis Insolvenz- und Liquidationsverfahren stehen: Wird die aktienrechtliche Abwicklung vollständig verdrängt oder kann bzw. muss sie im Einzelfall parallel zum Insolvenzverfahren oder nach dessen Abschluss durchgeführt werden? I. Der Meinungsstand Nach der auf Karsten Schmidt zurückgehenden Auffassung übernimmt das Insolvenzverfahren über das Vermögen einer (Handels-)Gesellschaft zugleich auch immer die Aufgabe der gesellschaftsrechtlichen Abwicklung, so dass es zu keiner (gleichzeitigen oder nachträglichen) Liquidation nach gesellschaftsrechtlichen Regeln kommen könne. Ausgangspunkt dieses sog. Liquidationsmodells war schon unter der Konkursordnung die Annahme, dass in der Insolvenz einer Handelsgesellschaft eine volle Kongruenz zwischen Masse, Gesellschaftsvermögen und Unternehmen bestehe.157 Daraus wird gefolgert, dass dem Konkursverwalter als „Organ der Gesellschaft“158 die volle Liquidation des schuldnerischen Unternehmens obliegen müsse159 und kein Raum für ein insolvenzfreies Vermögen160 oder hierauf bezogene Befugnisse der Gesellschaftsorgane bestehen könne.161 Ebenso müsse auch eine Freigabe durch den Insolvenzverwalter ausscheiden.162 Seit Inkrafttreten der Insolvenzordnung hat das Liquidationsmodell vermehrt Zuspruch erfahren,163 insbesondere aufgrund des ___________ 156

Siehe B. I. 2., Seite 109. K. Schmidt, InsR der Unternehmen, S. 70; ders., KTS 1984, 345, 364. 158 K. Schmidt, KTS 1984, 345, 363; ders., Gutachten D zum 54. DJT, S. D 49. 159 Auch der Gesellschaftskonkurs nach der KO sollte schon ein staatlich geordnetes, besonderen Regeln unterliegendes Liquidationsverfahren darstellen, das nur mit der Vollbeendigung oder der Sanierung der Gesellschaft enden könne: K. Schmidt, KTS 1984, 345, 366; ders., InsR der Unternehmen, S. 151. 160 K. Schmidt/Schulz, ZIP 1982, 1015, 1017; ders., InsR der Unternehmen, S. 70; OVG Greifswald, Urteil vom 16. 1. 1997 – 3L 94/96, NJW 1998, 175, 178 (obiter dictum). 161 K. Schmidt/Schulz, ZIP 1982, 1015, 1017 f. 162 K. Schmidt, ZIP 2000, 1913, 1920; ders., in: Kölner Schrift, S. 1208 Rn. 21 f. 163 Bork, InsR, Rn. 135; Eickmann, in: HK zur InsO, 2. Auflage, § 35 Rn. 28; Häsemeyer, InsR, Rn. 9.03; H.-F. Müller, S. 39, 41; Noack, in: Kübler/Prütting, GesR, Rn. 275; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder, GmbHG, § 63 Rn. 105; Schulze-Osterloh, in: 157

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1. Teil: Grundlagen

Umstands, dass nach der Gesetzesbegründung die Vollabwicklung der Schuldnergesellschaft zu einem Ziel des Insolvenzverfahrens avanciert ist.164 Überwiegend wird jedoch auch nach neuem Insolvenzrecht ein Nebeneinander von Liquidations- und Insolvenzverfahren165 und damit die Existenz insolvenzfreien Gesellschaftsvermögens166 grundsätzlich anerkannt. Die Vollabwicklung sei zwar ein Ziel des Insolvenzverfahrens, sie habe aber in der Gesellschaftsinsolvenz nicht ausschließlich auf diesem Wege zu erfolgen. II. Stellungnahme Der Streit ist auch für die vorliegende Arbeit relevant: Die Zulässigkeit einer Freigabe und die Existenz insolvenzfreien Vermögens in der Gesellschaftsinsolvenz haben nicht nur unmittelbaren Einfluss auf die Kompetenzen der Gesellschaftsorgane in der Eigenverwaltung, sondern bestimmen auch darüber, ob das insolvenzfreie Vermögen zur Finanzierung derjenigen Aufwendungen zur Verfügung steht, die für die Wahrnehmung der Gesellschaftsinteressen im Verfahren erforderlichen sind.167 Daher ist im Folgenden zu ermitteln, ob das Liquidationsmodell eine tragfähige Begründung in der Insolvenzordnung findet. 1. Wortlautauslegung Als einzige Vorschrift der Insolvenzordnung spricht § 32 III 1 InsO ausdrücklich von der Befugnis des Insolvenzverwalters, bestimmte massezugehörige Gegenstände „freizugeben“, also aus dem Insolvenzbeschlag zu lösen und in ___________ Baumbach/Hueck, GmbHG, § 60 Rn. 24 und § 64 Rn. 67; Westpfahl, Rn. 322; OVG Greifswald, Urteil vom 16. 1. 1997 – 3 L 94/96, ZIP 1997, 1460, 1464 (obiter dictum). 164 Bundesregierung, Begründung RegE InsO, BT-Drucks. 12/2443, S. 83; vgl. auch § 1 II 3 RegE InsO, BT-Drucks. 12/2443, S. 10. 165 Förster, ZInsO 2000, 315 f.; Ganter, in: MK zur InsO, § 1 Rn. 47; Haarmeyer/Wutzke/Förster, Kap. 5 Rn. 475; Pape, in: Kübler/Prütting, InsO, § 15 Rn. 19; Lüke, in: Kübler/Prütting, InsO, § 80 Rn. 9 f., 62; Hüffer, in: MK zum AktG, § 264 Rn. 36; Hirte, KapGesR, Rn. 7.50; offenbar auch BGH, Urteil vom 5. 7. 2001 – IX ZR 327/99, NJW 2001, 2966. 166 Anders, in: Nerlich/Römermann, InsO, § 35 Rn. 3, 58; Breutigam, in: BK zum InsR, § 35 Rn. 110; Ott, in: MK zur InsO, § 80 Rn. 69 und 143; Henssler, ZInsO 1999, 121, 127; Lwowski, in: MK zur InsO, § 35 Rn. 104 ff.; Lüke, in: Kübler/Prütting, InsO, § 80 Rn. 9; Uhlenbruck, in: Uhlenbruck, InsO, § 35 Rn. 24; Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, § 35 Rn. 117; offen gelassen: OLG Hamm, Beschluss vom 6. 6. 2003 – 15 W 375/02, ZInsO 2003, 949, 950; zur KO: OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 12. 4. 1994 – 2 M 31/93, ZIP 1994, 1130, 1131 f. 167 Dazu Kapitel 4 B., Seite 187.

Kap. 2: Gesellschaftsrechtliche Folgen der Verfahrenseröffnung

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die freie Verfügungsbefugnis des Schuldners zurückzuführen.168 Sie setzt also insolvenzfreies Vermögen voraus. Um einen Fall der Freigabe handelt es sich aber auch, wenn der Verwalter gem. § 85 II InsO die Aufnahme eines massebezogenen Prozesses ablehnt. Aus dem Umstand, dass diese Vorschriften keine ausdrückliche Ausnahme für die Gesellschaftsinsolvenz enthalten, kann allerdings nicht zwingend abgeleitet werden, dass es ein insolvenzfreies Gesellschaftsvermögen geben müsse. Denn da eine Freigabe umgekehrt nur möglich sein kann, soweit es ein insolvenzfreies Vermögen gibt,169 droht hier ein Zirkelschluss. Die beiden Vorschriften lassen daher weder auf die Existenz noch die Nichtexistenz insolvenzfreien Gesellschaftsvermögens mit Sicherheit schließen, sprechen in der Tendenz aber für das erste Verständnis. Man könnte vielleicht aus § 35 InsO, der das „gesamte Vermögen“ des Schuldners unter Einschluss des Neuerwerbs zur Insolvenzmasse erklärt, auf die Nichtexistenz insolvenzfreien Vermögens schließen.170 Zwar enthält § 36 InsO eine unmittelbare Ausnahme von diesem Grundsatz für unpfändbares Vermögen, doch findet die Vorschrift im Wege einer teleologischen Reduktion bei (Handels-)Gesellschaften keine Anwendung, da bei ihnen die Notwendigkeit eines der Existenzsicherung dienenden Pfändungsschutzes nach § 811 ZPO nicht gegeben ist.171 Damit scheint es nach dem Wortlaut des § 35 InsO keinen Raum für ein insolvenzfreies Gesellschaftsvermögen zu geben. Allerdings fielen entgegen einer vereinzelten Ansicht172 freigegebene Gegenstände nicht unmittelbar wieder als Neuerwerb i. S. d. § 35 Alt. 2 InsO in die Insolvenzmasse. Denn da die Massegegenstände dem Schuldner ungeachtet der Verfahrenseröffnung rechtlich zugeordnet bleiben, erwürbe er durch die Freigabe nichts „Neues“ hinzu, sondern erhielte lediglich seine Verfügungsgewalt zurück. Auf diese Weise könnte also durchaus auch nach dem Wortlaut des § 35 InsO insolvenzfreies Vermögen entstehen.

___________ 168

Lwowski, in: MK zur InsO, § 35 Rn. 85. Lwowski, in: MK zur InsO, § 35 Rn. 104. 170 Durch die Einbeziehung des Neuerwerbs – eine wesentliche Neuerung gegenüber § 1 KO – und der Erfassung des „gesamten Schuldnervermögens“ ist jedenfalls der unter Geltung der Konkursordnung geführten Argumentation, das Liquidationsmodell setze einen von der gesetzlichen Regelung abweichenden Massebegriff voraus (statt vieler Ulmer, in: Hachenburg, GmbHG, 8. Auflage, § 63 Rn. 80), der Boden entzogen (zutreffend Westpfahl, Rn. 319). 171 Noack, in: Kübler/Prütting, GesR, Rn. 275; Ulmer, in: Hachenburg, GmbHG, 8. Auflage, § 63 Rn. 78 m. w. N.; Westpfahl, Rn. 316; für Ausnahmefälle: Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, § 35 Rn. 113. 172 Benckendorff, in: Kölner Schrift, S. 1099 ff. Rn. 18. 169

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1. Teil: Grundlagen

Die Vertreter des Liquidationsmodells verweisen vor allem auf den Wortlaut des § 199 S. 2 InsO.173 Zwar kann dieser Vorschrift positiv entnommen werden, dass ein – reichlich unwahrscheinlicher – Überschuss an die Gesellschafter im Rahmen des Insolvenzverfahrens selbst verteilt werden kann, ohne dass ein gesondertes gesellschaftsrechtliches Liquidationsverfahren notwendig ist. Insoweit kommt es tatsächlich zu einer insolvenzrechtlichen Gesamtabwicklung. Die negative Aussage aber, dass ein gesellschaftsrechtliches Liquidationsverfahren (in diesen oder in anderen Fällen) niemals durchzuführen sei, ist darin nicht enthalten.174 Das gilt vor allem für (ein etwaiges) insolvenzfreies Vermögen, auf das sich die Norm, die die Verteilung überschüssiger Insolvenzmasse regelt, gar nicht beziehen kann. § 199 S. 2 InsO konstatiert somit lediglich eine Annex-Kompetenz des Insolvenzverwalters, und zwar allein für den Fall eines Überschusses.175 Ähnliches ergibt sich für den Wortlaut des § 141a I FGG. Nach seinem Satz 2 ist eine Löschung vorzunehmen, wenn das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Gesellschaft durchgeführt worden ist und keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Gesellschaft noch Vermögen besitzt. Aus der gleichrangigen Nennung von (verbleibendem) Vermögen und (durchgeführtem) Insolvenzverfahren kann nun aber nicht gefolgert werden, dass es ein Vermögen außerhalb des Insolvenzverfahrens geben müsse, das nicht vom Insolvenzbeschlag erfasst wird. Denn ein derartiges Restvermögen kann sich aus vielerlei Gründen auch nach einem ordnungsgemäßen Insolvenzverfahren einstellen, wie die Regeln über die Nachtragsverteilung gem. §§ 203 ff. InsO zeigen. Daher sagt § 141a I FGG ebenfalls über die Möglichkeit insolvenzfreien Gesellschaftsvermögens nichts aus.176

___________ 173 Etwa K. Schmidt, ZIP 2000, 1913, 1916; ders., in: Die GmbH in Krise, Sanierung und Insolvenz, Rn. 1188; ders., in: Kölner Schrift, S. 1199 ff. Rn. 20; Blum, S. 226; Schulze-Osterloh, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 64 Rn. 67. 174 Ähnlich Ganter, in: MK zur InsO, § 1 Rn. 5: „Aus § 199 S. 2 InsO lässt sich nicht entnehmen, das das Insolvenzverfahren nicht mit der Verteilung des Verwertungserlöses, sondern erst mit der Vollbeendigung der Gesellschaft endet. Es lässt sich nicht einmal sagen, dass es künftig kein Nebeneinander von Insolvenzverfahren und gesellschaftsrechtlicher Liquidation mehr gibt.“. Verständlich ist deshalb auch die vorsichtige Formulierung bei K. Schmidt, ZIP 2000, 1913, 1916: „[§ 199 S. 2] dokumentiert, dass der Insolvenzverwalter die Gesellschaft abwickeln muss“ [Hervorhebung durch den Verfasser]. Entschlossener dagegen ders., in: Die GmbH in Krise, Sanierung und Insolvenz, Rn. 1188 („zeigt“), zu weitgehend ders., in: Kölner Schrift, S. 1199 ff. Rn. 20 („belegt“). Vorsichtig auch Schulze-Osterloh, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 64 Rn. 67 („zeigt“). 175 So zutreffend Förster, ZInsO 2000, 315, 317. 176 A. A. offenbar Foerste, InsR, Rn. 175.

Kap. 2: Gesellschaftsrechtliche Folgen der Verfahrenseröffnung

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2. Systematische Auslegung In systematischer Hinsicht wird eingewendet, dass der Insolvenzordnung ein Prinzip der obligatorischen Vollabwicklung nicht zugrunde gelegt werden könne, weil für den Fall der Masselosigkeit (§§ 26, 207 InsO) keine insolvenzrechtliche, sondern allein eine gesellschaftsrechtliche Liquidation ohne Geltung der insolvenzrechtlichen Bestimmungen177 vorgesehen sei.178 Dem kann man zwar entgegensetzen, dass der Grundsatz der Vollabwicklung in diesen Fällen nicht durchbrochen werde, weil er nur bei Durchführung des Insolvenzverfahrens, nicht bei dessen Einstellung gelte.179 Doch handelt es sich dabei um eine allzu formale Betrachtungsweise, die nicht zur Kenntnis nimmt, dass der Grundsatz der Vollabwicklung in erheblichem Maße entwertet wird, wenn gerade diese praktisch äußerst häufigen Fälle allein nach Gesellschaftsrecht abgewickelt werden sollen und sich so auf breiter Fläche die Gefahren realisieren können, die den Gesetzgeber gerade zur Einbeziehung der Liquidation in das Insolvenzverfahren bewogen haben180. §§ 26, 207 InsO haben somit zumindest eine Indizwirkung dafür, dass die Vollabwicklung auch nach dem Gesetzgeberischen Konzept nicht die unbedingte Geltung beansprucht, die das Liquidationsmodell voraussetzt. 181 3. Historische Auslegung § 1 II 3 RegE InsO enthielt noch die folgende Bestimmung: „Bei juristischen Personen und Gesellschaften ohne Rechtspersönlichkeit tritt das Verfahren an die Stelle der gesellschafts- oder organisationsrechtlichen Abwicklung.“182 Von den Befürwortern des Liquidationsmodells wird hierin der Beleg dafür gesehen, dass der Gesetzgeber ein Nebeneinander von Liquidations- und Insolvenzver___________ 177 Vor allem: Gebot der Gläubigergleichbehandlung und Vollstreckungsverbot. Deshalb wird vielfach de lege ferenda die Anwendung insolvenzrechtlicher Vorschriften gefordert: Noack, in: Kübler/Prütting, GesR, S. 42; K. Schmidt, GmbHR 1994, 829, 833. 178 Pape/Uhlenbruck, InsR, Rn. 494; kritisch auch Noack, in: Kübler/Prütting, GesR, S. 40. 179 J. Uhlenbruck, in: Kölner Schrift, S. 1187 ff. Rn. 15; vgl. auch Ganter, in: MK zur InsO, § 1 Rn. 47. Die Gesetzesbegründung selbst bezeichnet das Verfahren bei Massearmut als „Ausnahme vom Grundsatz der vollständigen Verwertung des Schuldnervermögens im Insolvenzverfahren“, vgl. Begründung zu Art. 22 RegE EGInsO, BTDrucks. 12/3803, S. 70. 180 Das sind etwa: Schutz des Rechtsverkehrs vor der Teilnahme insolventer Gesellschaften; Ausschöpfung der Haftungsmöglichkeiten im Innenverhältnis (§ 92); Gläubigergleichbehandlung. 181 In diese Richtung auch Noack, in: Kübler/Prütting, GesR, Rn. 92. 182 Bundesregierung, BT-Drucks. 12/2443, S. 10.

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1. Teil: Grundlagen

fahren ausschließen wollte.183 Damit korrespondieren auch die zu § 1 II 3 RegE InsO in der Regierungsbegründung gemachten Erläuterungen, denen zufolge „bei Gesellschaften und juristischen Personen das Verfahren auch der gesellschafts- oder organisationsrechtlichen Abwicklung [dient], wobei gegebenenfalls ein Restvermögen unter den am Schuldner beteiligten Personen verteilt wird“.184 Wortlaut und Begründung des § 1 II 3 RegE InsO sprechen somit für den Willen des Gesetzgebers, ein Nebeneinander von Insolvenz- und Liquidationsverfahren auszuschließen. Allerdings wurde § 1 II 3 RegE InsO im Zuge einer redaktionellen Straffung185 gestrichen und ist nicht Gesetz geworden.186 Nach Lwowski sollen dieser Umstand und die an gleicher Stelle in der Beschlussempfehlung erfolgte Hervorhebung der Gläubigerbefriedigung als primäres Verfahrensziel so interpretiert werden können, dass der Gesetzgeber gerade keine Vollabwicklung auf Kosten der Gläubiger wollte.187 Indes kann eine Streichung nur dann als „redaktionell“ bezeichnet werden, wenn mir ihr keine inhaltliche Veränderung einhergehen sollte. Man würde im Gegenteil eine unzweideutige Distanzierung erwarten, sollte tatsächlich eine Abkehr von der in Wortlaut und Begründung des § 1 II 3 RegE InsO enthaltenen Grundsatzes beabsichtigt gewesen sein.188 Trotzdem ist mit Gewissheit nicht auszuschließen, dass mit der Streichung nicht auch eine gewisse Zurückstufung der Vollbeendigung als Verfahrensziel intendiert war.189 Lwowski verweist des Weiteren auf den in der Begründung zu Art. 22 Nr. 1 RegE EGInsO (§ 141a FGG) enthaltenen Passus: „In Zukunft kann damit im Regelfall davon ausgegangen werden, dass nach der Durchführung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen einer Gesellschaft kein Gesellschaftsvermögen mehr vorhanden ist. Es erscheint wünschenswert, für diesen Regelfall auch die Löschung der Gesellschaft im Handelsregister sicherzustellen.“190 Er folgert hieraus, dass der Gesetzgeber selbst davon ausgegangen sei, dass in

___________ 183

Etwa K. Schmidt, in: Kölner Schrift, S. 1199 ff. Rn. 20; ders., ZIP 2000, 1913, 1916; Bork, InsR, Rn. 135. 184 Bundesregierung, Begründung zu § 1 RegE InsO, BT-Drucks. 12/2443, S. 109. 185 Rechtsausschuss, Beschlussempfehlung, BT-Drucks. 12/7302, S. 155 Nr. 1. 186 Nicht zu folgen ist deshalb K. Schmidt, in: Die GmbH in Krise, Sanierung und Insolvenz, Rn. 1188, darin, § 1 I 3 RegE InsO sei „geltendes Recht“. 187 Lwowski, in: MK zur InsO, § 35 Rn. 109; ders./Tetzlaff, WM 1999, 2336, 2346. 188 So im Ergebnis auch K. Schmidt, ZIP 2000, 1913, 1916; ders., in: Kölner Schrift, S. 1199 ff. Rn. 20; ders., in: Die GmbH in Krise, Sanierung und Insolvenz, Rn. 1188. 189 Offengelassen BGH, Urteil vom 5. 7. 2001 – IX ZR 327/99, NJW 2001, 2966, 2967; vorsichtig auch Ganter, in: MK zur InsO, § 1 Rn. 5. 190 Bundesregierung, Begründung zu Art. 22 RegE EGInsO, BT-Drucks. 12/3803, S. 70. Hervorhebungen durch den Verfasser.

Kap. 2: Gesellschaftsrechtliche Folgen der Verfahrenseröffnung

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Ausnahmefällen (wie z. B. der Freigabe) nicht auf ein dem Insolvenzverfahren nachfolgendes Liquidationsverfahren verzichtet werden könne.191 Diese Schlussfolgerung ist nicht zutreffend. Lwowski interpretiert die Passage losgelöst aus ihrem Kontext zu dem unmittelbar in der Begründung vorstehenden Absatz. Dort heißt es, dass die vollständige Abwicklung des Schuldnervermögens Ziel des Insolvenzverfahrens sei. Etwaiges überbleibendes Vermögen sei durch den Insolvenzverwalter gem. §§ 1, 227 RegE InsO an die an den Schuldner beteiligten Personen zu verteilen, dasselbe gelte gem. § 324 RegE InsO für den Fall der Masseunzulänglichkeit. Es folgt wörtlich: „Nur wenn sich nach der Eröffnung des Verfahrens herausstellt, dass nicht einmal die Kosten des Verfahrens gedeckt werden können, wird das Verfahren ohne weitere Verwertungshandlungen mangels Masse eingestellt (§ 317 des Entwurfs der Insolvenzordnung). Auch die seltenen Fälle der Einstellung wegen Wegfalls des Eröffnungsgrundes oder mit Zustimmung der Gläubiger (§§ 325, 326 des Entwurfs der Insolvenzordnung) bilden Ausnahmen192 vom Grundsatz der vollständigen Verwertung des Schuldnervermögens im Insolvenzverfahren.“ Die Verwendung des Wortes „Regelfall“ in dem folgenden (von Lwowski zitierten) Abschnitt soll logisch allein von den zuvor aufgeführten Ausnahmefälle (i. e. §§ 317, 325, 326 RegE InsO193), nicht aber von ganz anderen Fällen (wie etwa die Freigabe) abgrenzen. Die Gesetzesbegründung zu § 141a FGG lässt somit eher ein dem Liquidationsmodell entsprechendes Verständnis des Gesetzgebers vermuten. Zu beachten ist noch eine Bemerkung in der allgemeinen Begründung zur Insolvenzordnung, „das Verfahren [übernehme] bei Gesellschaften regelmäßig194 zugleich die Aufgabe der gesellschaftsrechtlichen Abwicklung bis hin zur Herbeiführung der Löschungsreife und anschließenden Löschung“195. Auch diese Aussage setzt voraus, dass – ausnahmsweise – eine vollständige Abwicklung durch das Insolvenzverfahren unterbleiben kann. Der Gesetzgeber mag hier zwar ebenfalls an die im Zusammenhang mit § 141a FGG genannten Ausnahmefälle der §§ 317, 325, 326 RegE InsO196 – die aber sieben Monate später und in einem ganz anderen Dokument erörtert worden sind – gedacht haben, Anhaltspunkte für ein solches (kohärentes) Verständnis finden sich aber nicht. ___________ 191 Lwowski, in: MK zur InsO, § 35 Rn. 112; zustimmend Uhlenbruck, in: Uhlenbruck, InsO, § 35 Rn. 24. 192 Hervorhebung durch den Verfasser. 193 Diese Vorschriften entsprechen §§ 207, 212, 213 InsO. 194 Hervorhebung durch den Verfasser. 195 Bundesregierung, Begründung RegE InsO, BT-Drucks. 12/2443, S. 84. 196 Diese Vorschriften entsprechen §§ 207, 212, 213 InsO.

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1. Teil: Grundlagen

Im Ergebnis kann also auch diesen Anmerkungen keine wirkliche Festlegung des Gesetzgebers in die eine oder andere Richtung entnommen werden. 4. Teleologische Auslegung Es wird vertreten, die Nichtzulassung einer Freigabe widerspreche dem Zweck des Insolvenzverfahrens, die Gläubiger bestmöglich zu befriedigen (§ 1 S. 1 InsO), da so die Masse mit Kosten für die Fürsorge von Gegenständen belastet werde, deren Verwertung nicht möglich sei oder für die Masse nichts einbringe.197 Dabei ist insbesondere die Freigabe von Grundstücken, die infolge einer Kontaminierung mit Umweltlasten nicht nur für die Masse wertlos sind, sondern unter Umständen zur Beseitigung von Umweltgefahren hohen Kostenaufwand erfordern von erheblicher wirtschaftlicher Bedeutung für die Insolvenzmasse.198 Dieser Einwand kann nicht überzeugen: Einerseits ist es schon fraglich, ob es tatsächlich Sinn und Zweck des Insolvenzverfahrens sein kann, durch die Freigabe kontaminierter Grundstücke an den insolventen Schuldner die Kosten ihrer Sanierung letztlich auf die öffentliche Hand abzuwälzen.199 Die Gläubiger würden so in die Lage versetzt, sich die „Rosinen rauszupicken“, was den Grundsatz der optimalen Gläubigerbefriedigung überspannte. Aus dieser Missbrauchsmöglichkeit kann man umgekehrt aber auch nicht folgern, dass es in der Gesellschaftsinsolvenz eine Freigabe und ein insolvenzfreies Vermögen nicht geben dürfe.200 Denn dasselbe Problem stellt sich auch in der Insolvenz einer natürlichen Person, in der zweifelsohne sowohl das Institut der Freigabe wie auch insolvenzfreies Vermögen existiert, und bedarf deshalb einer einheitlichen Lösung.201 Insoweit bietet es sich an, die Freigabe von derartigen Gegenständen, wenn ihr nicht schon besondere öffent___________ 197 Förster, ZInsO 2000, 315, 316; Lwowski, in: MK zur InsO, § 35 Rn. 114; Andres, in: Nerlich/Römermann, InsO, § 36 Rn. 58; ähnlich Hüffer, AktG, § 264 Rn. 7. Uneinbringlich sind beispielsweise wertausschöpfend belastete Grundstücke (zu einem Beispiel: BGH, Urteil vom 25. 10. 2002 – V ZR 243/01, NZG 2003, 532) oder uneinziehbare Forderungen. 198 Wellensiek/Schluck-Amend, in: Münchener Anwaltshandbuch GmbH-Recht, § 24 Rn. 237. Die Zulässigkeit der Freigabe kontaminierter Grundstücke ist äußerst umstritten (zum Überblick Uhlenbruck, in: Uhlenbruck, InsO, § 35 Rn. 25 m. w. N.), für zulässig halten sie etwa: Lwowski, in: MK zur InsO, § 35 Rn. 114; ders./Tetzlaff, NZI 2004, 225 ff.; wohl auch Förster, ZInsO 2000, 315, 316. A. A. etwa OVG Greifswald, Urteil vom 16. 1. 1997 – 3 L 94/96, ZIP 1997, 1460, 1464 (zur KO/GesO). 199 Hierzu pointiert K. Schmidt, ZIP 2000, 1913, 1917. 200 Tendenziell in diese Richtung aber K. Schmidt, ZIP 2000, 1913, 1916 f.; ders., in: Kölner Schrift, S. 1199 ff. Rn. 22. 201 So auch Hüffer, AktG, § 264 Rn. 7.

Kap. 2: Gesellschaftsrechtliche Folgen der Verfahrenseröffnung

137

lich-rechtliche Regelungen (z. B. des Abfall- oder Bodenschutzrechts) entgegenstehen,202 gem. §§ 134, 138 BGB für nichtig zu erachten.203 Andererseits führt die Freigabe eines kontaminierten Grundstücks zu keiner Enthaftung der Insolvenzmasse.204 Denn nach richtiger Ansicht wird die Zustandsverantwortlichkeit der Masse mit der Freigabe nicht beendet,205 die auf ihr beruhenden Beseitigungs- oder Ersatzansprüche für bereits eingetretene Schäden bleiben Masseforderungen i. S. d. § 55 I Nr. 1 InsO.206 Hätte also die Freigabe von Abfällen oder kontaminierten Grundstücken, betrachtete man sie überhaupt als zulässig, ohnehin keine Auswirkungen auf die Insolvenzmasse, kann sie auch weder im Interesse einer optimalen Gläubigerbefriedigung geboten noch verboten sein. Gegen eine obligatorische Liquidation der Gesellschaft spricht allerdings, dass der Insolvenzverwalter vorrangig die Interessen der gläubiger zu wahren hat.207 Dieser Vorrang ergibt sich nicht nur aus § 1 S. 1 InsO, sondern auch aus der Gesetzesbegründung, die die optimale Gläubigerbefriedigung ausdrücklich zum „Hauptziel“208 erklärt, während die Vollabwicklung der Gesellschaft lediglich „regelmäßig“ Aufgabe des Verwalters sei.209 Aufgrund dieses Rangverhältnisses ist es ausgeschlossen, dass der Verwalter die gesellschaftsrechtliche Liquidation auch dann durchführt, wenn dies ohne Vorteil für die Gläubiger, aber auf deren Kosten geschieht. Soweit die gesellschaftsrechtliche Liquidation somit nicht bei Gelegenheit der Durchführung des Insolvenzverfahrens erledigt werden kann, wird sie durch den Vorrang der Gläubigerbefriedigung verdrängt. ___________ 202

Dazu Uhlenbruck, in: Uhlenbruck, InsO, § 35 Rn. 25. So etwa Westpfahl, Rn. 349, 351; K. Schmidt, ZIP 2000, 1913, 1919; a. A. Lwowski/Tetzlaff, NZI 2004, 225, 228. 204 Insgesamt äußerst streitig, vgl. nur Lüke, in: Kübler/Prütting, InsO, § 80 Rn. 68 ff.; Lwowski, in: MK zur InsO, § 25 Rn. 95 ff. 205 K. Schmidt, in: Die GmbH in Krise, Sanierung und Insolvenz, Rn. 1184 und Rn. 1314; Uhlenbruck, in: Uhlenbruck, InsO, § 35 Rn. 25. A. A. OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 12. 4. 1994 – 2 M 31/93, ZIP 1994, 1130, 1131 f.; Lwowski, in: MK zur InsO, § 35 Rn. 98; offen gelassen BVerwG, Urteil vom 10. 2. 1999 – 11 C 9/97, NZI 1999, 246, 247. 206 BVerwG, Urteil vom 22. 10. 1998 – 7 C 38/97, NJW 1999, 1416, 1417; BVerwG, Urteil vom 10. 2. 1999 – 11 C 9/97, NZI 1999, 246; OVG Greifswald, Urteil vom 16. 1. 1997 – 3L 94/96, NJW 1998, 175; K. Schmidt, in: Die GmbH in Krise, Sanierung und Insolvenz, Rn. 1314. 207 Ebenso BGH, Urteil vom 5. 7. 2001 – IX ZR 327/99, NJW 2001, 2966, 2967. 208 Bundesregierung, Begründung zu § 1 RegE InsO (= § 1 InsO), BT-Drucks. 2443, S. 108 („Hauptziel“); Bundesregierung, Begründung RegE InsO, BT-Drucks. 2443, S. 83 („Hauptzweck“). 209 Bundesregierung, Begründung RegE InsO, BT-Drucks. 2443, S. 84. 203

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1. Teil: Grundlagen

5. Ergebnis der Auslegung Im Ergebnis ist festzuhalten, dass weder die Wortlautanalyse noch die systematische oder historische Auslegung ein zwingendes Argument für das Liquidationsmodell liefern, während aber teleologische Überlegungen dagegen sprechen. Es ist daher dem Wortlaut der §§ 32 III 1, 85 II InsO der Vorrang einzuräumen, nach dem die Freigabe und damit die Existenz insolvenzfreien Vermögens auch in der Gesellschaftsinsolvenz zulässig ist. In diese Richtung deuten auch systematische und historische Erwägungen. Es kann daher zu einem Nacheinander von Insolvenz- und Liquidationsverfahren kommen, nicht jedoch zu einem „Nebeneinander“,210 weil die aktienrechtlichen Abwicklungsvorschriften für die Dauer des Insolvenzverfahrens gem. § 264 I Hs. 2 AktG keine Anwendung finden.

D. Ergebnisse Als wesentliche Erkenntnisse dieses Kapitels sind festzuhalten: 1. Die Geltung der aktienrechtlichen Liquidationsvorschriften (§§ 264 bis 274 AktG) ist für die Dauer des Insolvenzverfahrens suspendiert. Die Vorstandsmitglieder werden somit nicht gem. § 265 I AktG zu Abwicklern. 2. Durch die Auflösung wird der auf eine werbende Tätigkeit gerichtete Gesellschaftszweck nicht durch den Abwicklungs- oder Insolvenzverfahrenszweck verdrängt, sondern durch den Insolvenzverfahrenszweck lediglich partiell überlagert. 3. Obwohl die gesellschaftsrechtliche Vollabwicklung ein Ziel des Insolvenzverfahrens darstellt, ist auch in der Gesellschaftsinsolvenz die Existenz eines insolvenzfreien Vermögens und die Zulässigkeit einer Freigabe zu bejahen, so dass es zu einem Nacheinander von Insolvenz- und Liquidationsverfahren kommen kann.

___________ 210

So aber die h. M., vgl. die Nachweise bei C. I., Seite 129.

Zweiter Teil

Die Anordnung der Eigenverwaltung über das Vermögen einer Aktiengesellschaft Kapitel 3

Die Voraussetzungen der Anordnung der Eigenverwaltung und ihrer Beendigung A. Voraussetzungen der Anordnung Für die Anordnung der Eigenverwaltung über das Vermögen einer Aktiengesellschaft ist neben dem Vorliegen der allgemeinen Verfahrensvoraussetzungen (§§ 11 ff. InsO), die für jedes Insolvenzverfahren gelten und im Eröffnungsverfahren zu überprüfen sind (folgend I.),1 erforderlich, dass auch die besonderen Voraussetzungen der Eigenverwaltung nach § 270 II InsO (folgend II.) oder nach § 271 InsO (folgend III.) gegeben sind.2 Im Unterschied zu natürlichen Personen hat die Anordnung der Eigenverwaltung hier allerdings nicht zur Voraussetzung, dass die Aktiengesellschaft Trägerin eines Unternehmens ist, da der Ausnahmetatbestand des § 312 III InsO juristische Personen nicht erfasst (vgl. § 304 I InsO).3 In Eigenverwaltung kann daher zum Beispiel auch das Insolvenzverfahren über das Vermögen einer vermögensverwaltenden oder ge___________ 1 Normativ kann die Geltung der §§ 11–34 InsO allerdings entgegen der weit verbreiteten Darstellung (Uhlenbruck, in: Uhlenbruck, InsO, § 270 Rn. 7; Riggert, in: Nerlich/Römermann, InsO, § 270 Rn. 5) nicht aus § 270 I 2 InsO abgeleitet werden. Denn diese Vorschrift gilt nach ihrem Wortlaut und ihrer Systematik erst ab der Anordnung der Eigenverwaltung und erfasst nach ihrem Zweck nur diejenigen Vorschriften, die das Insolvenzverfahren mit einem Insolvenzverwalter betreffen, also nicht §§ 11–34 InsO (siehe dazu II. 1. a) aa) (1) (a), Seite 145). Dass die allgemeinen Verfahrensvoraussetzungen erfüllt sein müssen, folgt aber daraus, dass die Eigenverwaltung Insolvenzverfahren ist. Vor ihrer Anordnung ist daher auch ein Eröffnungsverfahren unter Anwendung der §§ 11–34 InsO durchzuführen. 2 Siehe schon den Überblick Kapitel 1 A. I. 3 Vgl. Riggert, in: Nerlich/Römermann, InsO, § 270 Rn. 12; Wittig, in: MK zur InsO, § 270 Rn. 9.

140

2. Teil: Die Anordnung der Eigenverwaltung über das Vermögen einer AG

meinnützigen Aktiengesellschaft geführt werden; üblicherweise sind Aktiengesellschaften aber Unternehmensträger. I. Allgemeine Voraussetzungen des Insolvenzverfahrens 1. Insolvenzverfahrensfähigkeit (§§ 11 bis 12 InsO) Der Begriff der Insolvenzfähigkeit, genauer: der Insolvenzverfahrensfähigkeit4, wird oft unpräzise verwendet. Es gilt zwei Aspekte zu unterscheiden: Gem. § 11 InsO ist das Insolvenzverfahren nur zulässig über das Vermögen einer natürlichen oder juristischen Person (§ 11 I 1 InsO)5 oder einer Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit (§ 11 II Nr. 1 InsO), sowie über bestimmte Sondervermögen (§ 11 II Nr. 2 InsO). Diesen Vermögensmassen ist nach der amtlichen Begründung gemein, dass sie nur bestimmten Gläubigern, unter Ausschluss anderer Gläubiger, haftungsrechtlich zugewiesen sind.6 Das Gesetz spricht von der „Zulässigkeit“ des Insolvenzverfahrens (§ 11 InsO) und behandelt in §§ 11, 12 InsO lediglich das Verfahrensobjekt. Unter Insolvenzverfahrensfähigkeit in diesem, dem engeren Sinne ist daher lediglich die Zulässigkeit des Insolvenzverfahrens über ein einheitliches sonderungsfähiges Vermögen zu verstehen.7 Davon zu trennen ist die Frage, welcher Vermögensträger in dem weitergehenden Sinne „insolvenzfähig“ ist, dass er Subjekt eines Insolvenzverfahrens sein kann,8 dass er – mit anderen Worten – die Schuldnerrolle innehaben kann.9 Dabei ergibt sich aus dem materiellen Recht, zuweilen auch aus den Verfahrensgesetzen, welchem Vermögensträger das insolvenzverfahrensfähige Vermögen rechtlich zugeordnet ist. Subjekt eines Insolvenzverfahrens kann indes___________ 4

Üblicherweise wird nur von „Insolvenzfähigkeit“ oder „Konkursfähigkeit“ (früheres Recht) gesprochen. Zutreffend weist jedoch Henckel, ZIP 2000, 2045, 2046 darauf hin, dass die korrekte Bezeichnung „Insolvenzverfahrensfähigkeit“ lauten muss. Denn es geht nicht um die Fähigkeit, insolvent zu werden, sondern um diejenige, Gegenstand oder Beteiligter des Verfahrens zu sein. 5 Mit Ausnahme der in § 12 InsO genannten juristischen Personen des öffentlichen Rechts. 6 Bundesregierung, Begr. zu § 13 RegE InsO, BT-Drucks. 12/2443, S. 112. 7 Häsemeyer, InsR, Rn. 6.17. 8 Vgl. zu dieser richtigen, aber oft nicht hinreichend genau durchgeführten Unterscheidung Noack, in: Kübler/Prütting, GesR, Rn. 32 f; Prütting, ZIP 1997, 1725, 1726; Henckel, ZIP 2000, 2045, 2046. 9 Die besonderen Insolvenzverfahren der §§ 315–331 InsO oder der §§ 332–334 InsO über Sondervermögen werden dagegen allein durch das Objekt des Verfahrens (Nachlass; Gesamtgut) bestimmt.

Kap. 3: Voraussetzungen der Anordnung und Beendigung

141

sen nur derjenige Vermögensträger sein, der in einem Insolvenzverfahren beteiligtenfähig ist. Da die Schuldnerrolle in der Einzelzwangsvollstreckung strukturell derjenigen in der Gesamtvollstreckung gleicht10 und § 4 InsO auf die Vorschriften der ZPO verweist, ist es angezeigt, die Insolvenzfähigkeit im weiten Sinne der passiven Parteifähigkeit i. S. d. § 50 I ZPO gleichzustellen.11 Dafür spricht zudem, dass der Gemeinschuldner passiv prozessfähig sein muss, soweit ihm nach der Insolvenzordnung Verfahrensrechte und Pflichten zugewiesen sind.12 Subjekt eines Insolvenzverfahrens kann daher nur sein, wer rechtsfähig ist (§ 50 I ZPO).13 Auf dieser Grundlage sind die Aktiengesellschaft (§ 1 I 1 AktG, § 11 I 1 InsO), die aufgelöste Aktiengesellschaft14 (§ 11 III InsO) sowie die Vor-Aktiengesellschaft15 mit ihrem jeweiligen Vermögen im umfassenden Sinne insolvenzverfahrensfähig. Für eine Vorgründungsgesellschaft gilt dies nur, soweit sie rechtsfähig ist, also entweder bereits ein Handelsgewerbe aufgenommen hat (als OHG gem. § 11 II Nr. 1 InsO) oder sonst in Rechtsbeziehungen nach außen getreten ist (als Außen-GbR16 gem. § 11 I Nr. 1 InsO), wovon aber in der Regel nicht auszugehen ist17. ___________ 10

Prütting, ZIP 1997, 1725, 1729. Ebenso Schmerbach, in: FK zur InsO, § 14 Rn. 14. Nach der Gesetzesbegründung legt § 11 InsO (= § 13 RegE InsO), der „an die Stelle der verstreuten Bestimmungen […] über die ‚Konkursfähigkeit‘ (vgl. insbesondere die §§ 207, 209, 213, 214 […]) [tritt]“, auch fest, „welche Rechtsträger […] Gegenstand des Insolvenzverfahrens sein können“ (vgl. RegE InsO, BT-Drucks. 12/2443, S. 112). Diesem Wortlaut nach ergäbe sich die Fähigkeit, am Insolvenzverfahren beteiligt zu sein, bereits aus § 11 selbst. Jedoch liegt dieser Aussage offenbar ein unpräzises Verständnis der Konkursfähigkeit zugrunde, das ebenfalls nicht hinreichend klar zwischen der Fähigkeit unterscheidet, Objekt oder Subjekt eines Insolvenzverfahrens zu sein. Es kann daher nicht davon ausgegangen werden, der Gesetzgeber habe in § 11 InsO die Insolvenzfähigkeit im umfassenden Sinne regeln wollen. Das stünde auch nicht mit dem Wortlaut des § 11 InsO in Einklang. 12 Prütting, ZIP 1997, 1725, 1729. 13 Nicht erforderlich ist dagegen die Prozessfähigkeit: OLG Köln, Beschluss vom 3. 1. 2000 – 2 W 214/99, NZI 2000, 134, 135; zustimmend Kutzer, ZIP 2000, 654. 14 Zur Rechtsfähigkeit der Aktiengesellschaft in Liquidation: Hoffmann-Becking, in: MHb GesR IV, § 66 Rn. 1. 15 BGH, Beschluss vom 9. 10. 2003 – IX ZB 34/02, ZInsO 2003, 990 (für die VorGmbH); Häsemeyer, InsR, Rn. 30.22; Ott, in: MK zur InsO, § 11 Rn. 28 mit 14. Die Vor-Aktiengesellschaft ist nach h. M. „werdende Gesellschaft“ und damit eine Organisationsform sui generis mit körperschaftlicher Struktur, die gleich einer rechtsfähigen Aktiengesellschaft behandelt wird, soweit nicht zwingend die Eintragung vorausgesetzt ist (ständige Rechtsprechung, vgl. nur: BGH, Beschluss vom 16. 3. 1992 – II ZB 17/91, BGHZ 117, 323, 326 f.; und herrschende Lehre, statt vieler: Hoffmann-Becking, in: MHb GesR IV, § 3 Rn. 30). 16 Ohne Rechtsbeziehungen nach außen wäre die Vorgründungsgesellschaft dagegen als reine Innengesellschaft nicht rechtsfähig (vgl. BGH, Urteil vom 29. 1. 2001 – II ZR 11

142

2. Teil: Die Anordnung der Eigenverwaltung über das Vermögen einer AG

Das von der Aktiengesellschaft betriebene Unternehmen als solches ist dagegen nach deutschem Recht nicht rechtsfähig18 und kann somit nicht Subjekt eines Insolvenzverfahrens sein. Außerdem ist es als Vermögensmasse nicht in dem erforderlichen Maße haftungssepariert19, um als Sondervermögen eigenständiges Objekt des Verfahrens zu sein. Unternehmen sind daher in beiderlei Hinsicht nicht insolvenzverfahrensfähig.20 Als Bestandteil des Vermögens seines Trägers (der Aktiengesellschaft) kann das Unternehmen allerdings sehr wohl Objekt des Verfahrens sein; insoweit ist es dann Bestandteil der Insolvenzmasse (§ 35 InsO) und kann entweder im Rahmen einer Liquidation zerschlagen oder im Rahmen einer Sanierung fortgeführt werden. 2. Vorliegen eines Eröffnungsantrags (§§ 13 bis 15 InsO) Das Insolvenzverfahren wird nur auf Antrag eröffnet, der entweder von einem Gläubiger (§§ 13 I 2 Alt. 1, 14 InsO) oder dem Schuldner selbst (§ 13 I 2 Alt. 2 InsO) gestellt werden kann. Ist der Schuldner eine Aktiengesellschaft, so handelt diese durch ihr Vertretungsorgan Vorstand (§ 78 I AktG).21 Dabei steht nach § 15 I InsO im Falle der Zahlungsunfähigkeit (§ 17 InsO) und der Überschuldung (§ 19 InsO) jedem einzelnen Mitglied des Vorstands das Antragsrecht zu, ohne Rücksicht also auf die gesetzliche oder statuarische Vertretungsregelung (§ 78 II 1 AktG). Der Grund für diese Sonderregelung liegt in der Insolvenzantragspflicht des § 92 II AktG, die im Interesse eines effektiven Gläubigerschutzes jedes einzelne Vorstandsmitglied individuell trifft.22 Infolgedessen existieren auch keine diesbezüglichen Mitwirkungs- oder Weisungsbefugnisse anderer Gesellschaftsorgane. Beantragen nicht alle Mitglieder des Vorstands die Verfahrenseröffnung, ist der Eröffnungsgrund aber glaubhaft zu machen und die übrigen Vorstandsmitglieder anzuhören (§ 15 II InsO). Bei lediglich drohender Zahlungsunfähigkeit muss die Antragstellung dagegen durch die Vorstandsmitglieder in vertretungsberechtigter Zahl erfolgen (§ 18 III ___________ 331/00, NJW 2001, 1056). Sie könnte daher weder ein verteilungsfähiges Vermögen bilden, noch überhaupt einen Eröffnungsgrund verwirklichen (§ 16 InsO). Innengesellschaften sind daher nicht insolvenzverfahrensfähig (AG Köln, Beschluss vom 6. 10. 2003 – 71 IN 168/03, NZG 2003, 1112; K. Schmidt, in: Kölner Schrift, S. 1199 ff. Rn. 7; a. A. Prütting, ZIP 1997, 1725, 1731; Wellkamp, KTS 2000, 331, 342). 17 Ott, in: MK zur InsO, § 11 Rn. 15; Schmerbach, in: FK zur InsO, § 11 Rn. 28. 18 K. Schmidt, HandelsR, § 4 IV. 1. a). 19 Noack, in: Kübler/Prütting, GesR, Rn. 34; K. Schmidt, FS 100 Jahre KO, 247, 251. 20 Etwa: Uhlenbruck, in: Kölner Schrift, S. 1157 ff. Rn. 4; Noack, in: Kübler/Prütting, GesR, Rn. 143 ff. 21 Noack, in: Kübler/Prütting, GesR, Rn. 254 (für die GmbH). 22 Zum Zweck dieser Sonderregelung siehe unten II. 1. a) aa) (1) (b) (bb), Seite 147.

Kap. 3: Voraussetzungen der Anordnung und Beendigung

143

InsO); eine Insolvenzantragspflicht besteht insoweit nicht. Dann müssen aber auch gesellschaftsrechtliche Bindungen grundsätzlich bestehen bleiben, wie etwa nach den Holzmüller-Regeln.23 Als Prozesshandlung ist der Eröffnungsantrag grundsätzlich bedingungsund befristungsfeindlich24 und kann daher nicht davon abhängig gemacht werden (§ 158 BGB), dass die Eigenverwaltung (§§ 270 ff. InsO) angeordnet25 oder ein („pre-packaged“) Insolvenzplan bestätigt wird.26 Durchaus zulässig ist es dagegen, den Eröffnungsantrag mit einem Antrag auf Anordnung der Eigenverwaltung (§ 270 I 1 InsO)27 bzw. der Vorlage eines Insolvenzplans lediglich zu verbinden (§ 218 I 2 InsO). 3. Vorliegen eines Eröffnungsgrunds (§§ 16 bis 19 InsO) Weitere wesentliche Voraussetzung ist das Vorliegen eines Eröffnungsgrundes (§ 16 InsO), der neben der Zahlungsunfähigkeit (§ 17 InsO) und der Überschuldung (§ 19 InsO) auch in einer lediglich drohenden Zahlungsunfähigkeit (§ 18 InsO) der Aktiengesellschaft bestehen kann. Hinsichtlich näherer Einzel-

___________ 23 Mit überzeugenden Argumenten bejaht Wortberg, ZInsO 2004, 707, 708 f. eine Vorlagepflicht des Vorstands nach den Holzmüller-Regeln bei Stellung des Insolvenzantrags wegen drohender Zahlungsunfähigkeit. In diese Richtung auch schon Balz, Sanierung von Unternehmen oder von Unternehmensträgern, S. 47, dem es nicht gerechtfertigt erscheint, bei lediglich voraussichtlicher Zahlungsunfähigkeit die Zuständigkeit zur Entscheidung über die (u. U. im Insolvenzverfahren unvermeidliche und automatisch eintretende) Liquidation nach herkömmlichem Verständnis abweichend vom allgemeinen Organisationsrecht den Geschäftsführungsorganen zu übertragen. Zu HolzmüllerVorbehalten im eröffneten Eigenverwaltungsverfahren siehe Kapitel 5 A. III. 2. a), Seite 221 und B. II. 2. d) aa), Seite 282. 24 Mönning, in: Nerlich/Römermann, InsO, § 13 Rn. 11, 14; Frege/Keller/Riedel, Rn. 384. Delhaes, in: Kölner Schrift, S. 141 ff. Rn. 4; OLG Schleswig, Beschluss vom 20. 7. 1950 – 2 W 263/50, MDR 1951, 49 (zur KO). 25 Schlegel, ZIP 1999, 954, 957; ihm folgend Schmahl, in: MK zur InsO, § 13 Rn. 62; Haas, in: Gottwald, § 87 Rn. 3. 26 Ein derartiger bedingter Antrag ist als unzulässig abzuweisen (Pape/Uhlenbruck, InsR, Rn. 346). 27 Vgl. auch Bundesregierung, Begründung zu § 331 RegE InsO, BT-Drucks. 12/2443, S. 223. Das kann insbesondere bei einer frühzeitigen Antragstellung wegen drohender Zahlungsunfähigkeit (§ 18 InsO) Sinn machen. Hier stehen die Sanierungschancen regelmäßig besser als bei den anderen Eröffnungsgründen, so dass der Schuldner am ehesten hoffen darf, das Vertrauen der Gläubiger in ein Sanierungskonzept (ggf. unter Einbeziehung eines Insolvenzplans) zu finden, das ihn weiter „an der Macht lässt“, um die darin liegenden Vorteile für eine erfolgreiche Sanierung nutzbar zu machen. Dazu Schlegel, ZIP 1999, 954, 955; Vallender, WM 1998, 2129, 2131.

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2. Teil: Die Anordnung der Eigenverwaltung über das Vermögen einer AG

heiten zu den Eröffnungsgründen und zu den im Falle einer juristischen Person bestehenden Besonderheiten sei auf die einschlägige Literatur verwiesen.28 II. Die Anordnung der Eigenverwaltung nach § 270 II InsO 1. Beantragung durch die Schuldnergesellschaft (§ 270 II Nr. 1 InsO) Für die Anordnung der Eigenverwaltung ist es nach § 270 II Nr. 1 InsO zunächst erforderlich, dass die Schuldnergesellschaft einen entsprechenden Antrag gestellt hat, und zwar – im Interesse einer klaren Rechtslage29 – zwingend vor dem Eröffnungsbeschluss.30 Diese Voraussetzung besteht auch, wenn die Eigenverwaltung nachträglich auf Antrag der Gläubigerversammlung angeordnet werden soll (vgl. § 271 InsO). Es ist daher nicht möglich und ohnehin völlig widersinnig, ein Eigenverwaltungsverfahren gegen den Willen der Gesellschaft durchzuführen. a) Vorliegen eines Antrags der Schuldnergesellschaft § 270 II Nr. 1 InsO spricht nur von dem „Schuldner“ und lässt damit offen, durch wen das Antragsrecht auszuüben ist, wenn es sich bei dem Insolvenzschuldner um eine juristische Person oder Personengesellschaft handelt. Daher muss sich die gesellschaftsinterne Zuständigkeit nach den jeweiligen verbandsrechtlichen Bestimmungen richten und – ebenso wie beim Eröffnungsantrag – den organschaftlichen Vertretern der Gesellschaft zustehen, im Falle einer Aktiengesellschaft also ihrem Vorstand (§ 78 I AktG). Weder die Aktionäre31, noch die Mitglieder des Aufsichtsrates, noch Prokuristen oder Handlungsbevollmächtigte32 der Gesellschaft sind antragsbefugt. ___________ 28

Etwa: Drukarcyk/Schüler, in: Kölner Schrift, S. 95 ff.; Eilenberger, in: MK zur InsO, § 17 Rn. 6 ff., Drukarcyk, in: MK zur InsO, § 18 Rn. 13 ff.; ders./Schüler, in: MK zur InsO, § 19 Rn. 14 ff. 29 Vgl. Bundesregierung, Begründung zu § 331 RegE InsO, BT-Drucks. 12/2443, S. 223. 30 Haas, in: Gottwald, § 87 Rn. 4; Wittig, in: MK zur InsO, § 270 Rn. 18; Riggert, in: Braun, InsO, § 270 Rn. 3. 31 Ebenso OLG Naumburg, Beschluss vom 17. 4. 2001 – 5 W 29/01, ZInsO 2001, 810, 811 (für die Gesellschafter einer GmbH). 32 Prokura (§ 49 HGB) oder Handlungsvollmacht (§ 54 I HGB) ermächtigen lediglich zu solchen Rechtsgeschäften, die der Betrieb eines (bei der Handlungsvollmacht: bestimmten) Handelsgewerbes mit sich bringt. Die Anordnung der Eigenverwaltung betrifft allerdings die Verfügungsbefugnis der Aktiengesellschaft, also die Inhaberin des Handelsgewerbes.

Kap. 3: Voraussetzungen der Anordnung und Beendigung

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aa) Die Antragsberechtigung der Vorstandsmitglieder Problematisch und vieldiskutiert ist allerdings die Frage, ob bei der Antragstellung durch die organschaftlichen Vertreter die jeweils nach Gesetz oder Satzung geltenden Vertretungsregeln zu beachten sind. (1) Jedes einzelne Vorstandsmitglied? Teils wird unter direkter33, teils analoger34 Anwendung des § 15 I InsO ein Antragsrecht jedes einzelnen Mitglieds des Vertretungsorgans bzw. jedes persönlich haftenden Gesellschafters befürwortet. (a) Direkte Anwendung des § 15 InsO Eine unmittelbare Anwendung des § 15 I InsO scheidet nach dem auf den Eröffnungsantrag beschränkten Wortlaut der Vorschrift aus. Ihre Formulierung ist derart eng und eindeutig, dass eine Auslegung – wie sie etwa Kruse unternimmt35 – in der Weise, dass § 15 I InsO aus sich selbst heraus Anwendung auf den Eigenverwaltungsantrag findet, gegen die durch den Wortsinn gesteckte Auslegungsgrenze36 verstößt. Da die §§ 270 ff. InsO aber keine eigenständigen Regelungen zum Antragsrecht enthalten, ist die Vorschrift möglicherweise über die Verweisung des § 270 I 2 InsO anwendbar. Dann muss es sich bei § 15 InsO um eine „allgemeine Vorschrift“ handeln. Der Wortlaut dieser Verweisung ist missverständlich. Als „allgemeine Vorschriften“ werden nach der amtlichen Gliederung die Vorschriften des ersten Teils (§§ 1 bis 10 InsO) bezeichnet. Eine allein auf diese Paragraphen bezugnehmende Verweisung griffe aber viel zu kurz, da die in §§ 270 ff. InsO enthaltenen Bestimmungen, auch im Verein mit §§ 1 bis 10 InsO, für sich genommen ___________ 33 Kruse, S. 116 ff., S. 120; Koch, S. 78 f., die die Anwendbarkeit des § 15 I InsO im Wege der Auslegung begründet (vgl. dort Fn. 98). Außerdem fordert sie die Zustimmung der übrigen antragsbefugten Personen als Wirksamkeitsvoraussetzung der Antragstellung nach § 270 II Nr. 1 InsO, die in der Anhörung nach § 15 II 2 InsO zu erfolgen habe. 34 Riggert, in: Nerlich/Römermann, InsO, § 270 Rn. 20; Foltis, in: FK zur InsO, § 270 Rn. 21; Smid, WM 1998, 2489, 2509; ders., in: Smid, § 270 Rn. 8; Weis, in: Hess, InsO, § 270 Rn. 38. Eine ausführliche, im Ergebnis aber ablehnende Untersuchung der Voraussetzungen einer Analogie unternimmt Huhn, Rn. 35 ff. 35 Kruse, S. 116 ff., 120, der methodisch fragwürdig und in der Argumentation nicht überzeugend „materielle“, „verfahrensrechtliche“ und „tatsächliche“ Argumente gegeneinander abwägt. I. E. aber auch Koch, S. 78, dort Fußnote 98. 36 Vgl. zu dieser Auslegungsgrenze Larenz, S. 343.

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2. Teil: Die Anordnung der Eigenverwaltung über das Vermögen einer AG

gar kein zusammenhängendes und umfassendes Regelungssystem ergäben. Die Verweisung kann also keinesfalls auf die §§ 1 bis 10 InsO beschränkt sein. Damit ist Wortlaut „allgemeine Vorschriften“ aber auch insgesamt für die nähere Bestimmung der von der Verweisung erfassten Normen untauglich.37 Die Reichweite des Verweises erklärt sich allerdings aus der systematischen Stellung des § 270 I 2 InsO. Für anwendbar erklärt werden „für das Verfahren“ – damit kann allein das im vorangegangenen Satz (§ 270 I 1 InsO) beschriebene Eigenverwaltungsverfahren gemeint sein38 – bestimmte Vorschriften, soweit in den §§ 270 ff. InsO nichts anders bestimmt ist. Da das Eigenverwaltungsverfahren aber frühestens mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens (§ 27 InsO) angeordnet werden kann (vgl. § 270 I 1 InsO), setzt seine Anordnung voraus, dass das Eröffnungsverfahren seinen Abschluss gefunden hat. Das Eigenverwaltungsverfahren ist vielmehr eine besondere Gestaltungsart des eröffneten Insolvenzverfahrens, das in Konkurrenz zum Regelinsolvenzverfahren tritt. Dementsprechend erschöpfen sich die §§ 270 ff. InsO auch in bruchstückhaften Regelungen, die lediglich die Abweichungen vom Regelinsolvenzverfahren normieren. Daraus erschließt sich, dass die Aufgabe des Verweises in § 270 I 2 InsO darin besteht, den in §§ 270 ff. InsO enthaltenen unvollständigen Regelungskomplex zu einem geschlossenen System eines Insolvenzverfahrens in Eigenverwaltung zu ergänzen. Es macht daher keinen Sinn, dass § 270 I 2 InsO Vorschriften in Bezug nimmt, die allein für das Eröffnungsverfahren gelten; umgekehrt formuliert sind nur solche Bestimmungen entsprechend anwendbar, die für das (Regel-)Insolvenzverfahren mit einem Insolvenzverwalter gelten, also nicht die §§ 11 bis 34 InsO.39 Eine Anwendung des § 15 InsO, auch über § 270 I 2 InsO, ist mithin abzulehnen.40 (b) Analoge Anwendung des § 15 InsO Eine analoge Anwendung des § 15 InsO setzt eine planwidrige Regelungslücke und eine vergleichbare Interessenlage bei der Stellung eines Insolvenzantrags und eines Eigenverwaltungsantrags voraus.41 ___________ 37

So auch Huhn, Rn. 28; Foltis, in: FK zur InsO, § 270 Rn. 16 versteht unter den allgemeinen Vorschriften alle Bestimmungen, die das Insolvenzverfahren mit dem Insolvenzverwalter betreffen. 38 Vgl. auch Foltis, in: FK zur InsO, § 270 Rn. 18b. 39 Huhn, Rn. 30; Foltis, in: FK zur InsO, § 270 Rn. 18b. 40 Vgl. ausführlich Huhn, Rn. 31–33, der auf weitere historische und teleologische Gesichtspunkte gegen eine Anwendung des § 15 InsO auf die Stellung des Antrag nach § 270 II Nr. 1 InsO anführt. 41 Vgl. Larenz, S. 370 ff., 381 ff.

Kap. 3: Voraussetzungen der Anordnung und Beendigung

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(aa) Planwidrige Regelungslücke In den §§ 270 ff. InsO sind keine Regelungen enthalten, die die Antragsbefugnis bei juristischen Personen (oder bei Gesellschaften ohne Rechtspersönlichkeit) betreffen und den Organen oder Organmitgliedern zuweisen. Auch ist nicht anzunehmen, dass der Gesetzgeber diesen Bereich bewusst ungeregelt lassen wollte; es ist im Gegenteil in Anbetracht der detaillierten, für das Eröffnungsverfahren geltenden Vorschrift des § 15 InsO davon auszugehen, dass der Gesetzgeber adäquate Regelungen durchaus treffen wollte, dies für den Eigenverwaltungsantrag aber schlichtweg übersehen hat. Damit ist eine planwidrige Regelungslücke zu bejahen.42 (bb) Vergleichbarkeit der Interessen Problematisch ist allerdings, ob eine vergleichbare Interessenlage angenommen werden kann. Der Zweck des § 15 I InsO erschließt sich im Zusammenhang mit den haftungs- und sogar strafbewehrten Insolvenzantragspflichten, die etwa die Vorstandsmitglieder einer Aktiengesellschaft nach § 92 II AktG treffen.43 Der mit diesen Pflichten bezweckte Gläubigerschutz gebietet es, dass jedes einzelne Organmitglied zur Antragstellung verpflichtet ist.44 Eine solche Verpflichtung ist aber nur gerechtfertigt, wenn sie der jeweilige organschaftliche Vertreter auch individuell erfüllen kann, wenn er also ohne Rücksicht darauf, ob er allein- oder gesamtvertretungsberechtigt ist, den Eröffnungsantrag stellen kann. Ihn dazu zu berechtigen, ist Sinn und Zweck des § 15 I InsO.45 Das folgt auch im Umkehrschluss zu § 18 III InsO, der die Maßgeblichkeit der gesellschaftsrechtlichen Vertretungsregeln für den Antrag bei lediglich drohender Zahlungsunfähigkeit und damit gerade für den Fall anordnet, in dem keine Insolvenzantragspflicht besteht (vgl. § 92 II AktG). Dagegen soll bei den Gesellschaften ohne Rechtspersönlichkeit durch § 15 I InsO gewährleistet werden, dass sich jeder persönlich haftende Gesellschafter von seiner unbeschränkten Haftung für die Gesellschaftsschulden für die Zukunft befreien kann.46 Da allerdings dem organschaftlichen Vertreter oder dem persönlich haftenden Ge___________ 42

Ebenso Huhn, Rn. 36. Zur Insolvenzantragstellung verpflichten z. B. auch § 64 I GmbHG, § 42 II BGB, § 130a HGB. 44 Vgl. Weber, in: Jaeger, KO, §§ 207, 208 Anm. 23; Häsemeyer, InsR, 1. Auflage, S. 722. 45 Vgl. Bundesregierung, Begründung zu § 18 RegE InsO (= § 15 InsO), BT-Drucks. 12/2443, S. 114, die ausdrücklich auf § 63 II GmbHG (Insolvenzantragspflicht der Geschäftsführer) verweist. 46 Wittig, in: MK zur InsO, § 270 Rn. 14; Haas, in: Gottwald, § 87 Rn. 9. 43

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2. Teil: Die Anordnung der Eigenverwaltung über das Vermögen einer AG

sellschafter durch die Nichtbeantragung der Eigenverwaltung oder durch ihre Nichtanordnung keine derartigen unmittelbaren Nachteile drohen,47 sind Eröffnungsantrag und Eigenverwaltungsantrag in ihrer Interessenlage nicht vergleichbar.48 Daneben ist Voraussetzung einer Analogie, dass die Norm, die analog angewendet werden soll, ein allgemeines Prinzip verkörpert.49 Die in § 15 I InsO enthaltene Regelung gilt allerdings nur für die Eröffnungsgründe der Zahlungsunfähigkeit (§ 16 InsO) und der Überschuldung (§ 19 InsO), gem. § 18 III InsO aber nicht für die drohende Zahlungsunfähigkeit50. Daher fehlt es schon an einem übertragbaren allgemeinen Grundsatz.51 Überdies spricht gegen die Antragsbefugnis eines jeden organschaftlichen Vertreters, dass die Anordnung der Eigenverwaltung wenig sinnvoll ist, wenn sie lediglich von einzelnen Gesamtvertretungsberechtigten getragen und beantragt, von anderen dagegen nicht unterstützt wird.52 Denn einerseits setzt der Erfolg eines Eigenverwaltungsverfahrens den vollen Einsatz des Schuldners53 und damit ein Zusammenwirken seiner Führungskräfte sowie ein hohes Maß an Kooperationsbereitschaft voraus. Und andererseits kann der Antragsteller unter Umständen ohne die Mitwirkung der dissentierenden organschaftlichen Vertreter die Insolvenzmasse weder verwalten noch über sie verfügen, weil es an der erforderlichen Vertretungsmacht fehlt.54 Nach alldem ist eine analoge Anwendung des § 15 InsO abzulehnen.55

___________ 47

Haas, in: Gottwald, § 87 Rn. 9; Huhn, Rn. 40. Ebenso Haas, in: Gottwald, § 87 Rn. 9. 49 Vgl. Larenz, S. 381 ff. 50 Der Grund hierfür liegt darin, dass Insolvenzantragspflichten im Falle einer lediglich drohenden Zahlungsunfähigkeit nicht bestehen, vgl. Wittig, in: MK zur InsO, § 270 Rn. 14. 51 Vgl. Wittig, in: MK zur InsO, § 270 Rn. 14; Haas, in: Gottwald, § 87 Rn. 9. 52 Huhn, Rn. 38; Wittig, in: MK zur InsO, § 270 Rn. 15; Koch, S. 79. 53 Bundesregierung, Begründung zu § 333 RegE InsO (= § 272 InsO), BT-Drucks. 12/2443, S. 224. 54 Auch während des Eigenverwaltungsverfahrens gelten die aktienrechtlichen Vertretungsregeln fort, vgl. Kapitel 5 A. II. 4., Seite 214 und B. II. 2. a) cc), Seite 272. 55 Ebenso: Uhlenbruck, in: Uhlenbruck, InsO, § 270 Rn. 11; Wittig, in: MK zur InsO, § 270 Rn. 15; Huhn, Rn. 45. 48

Kap. 3: Voraussetzungen der Anordnung und Beendigung

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(2) Sämtliche Vorstandsmitglieder gemeinsam? Andere Stimmen in der Literatur verlangen, dass die Antragstellung durch sämtliche organschaftlichen Vertreter56 zusammen oder jedenfalls deren Zustimmung analog § 15 II InsO57 zu erfolgen habe. Eine solche Regelung trüge jedenfalls der Einschätzung des Gesetzgebers Rechnung, dass die Eigenverwaltung regelmäßig nur Erfolg haben kann, wenn der Schuldner bereit ist, die ihm zufallenden Aufgaben mit „vollem Einsatz“ zu erfüllen.58 Meinungsverschiedenheiten im Leitungsorgan, die die insolvente Gesellschaft lähmen und den Erfolg des Eigenverwaltungsverfahrens gefährden könnten, ließen sich so von vorneherein vermeiden.59 Zudem könnte so die Gefahr vermindert, wenn auch nicht völlig ausgeschlossen werden, dass der von dem einen alleinvertretungsberechtigten Organmitglied gestellte Antrag auf Anordnung der Eigenverwaltung (§ 270 II Nr. 1 InsO) durch ein anderes zurückgenommen wird oder dieses Organmitglied die Aufhebung der Eigenverwaltung gem. § 272 I Nr. 3 InsO beantragt. Eine schlüssige rechtliche Begründung lässt sich für ein derartiges Erfordernis allerdings nicht finden. Selbst wenn man wie Koch § 15 II InsO hier zur Anwendung bringen wollte,60 führte dies allenfalls dazu, dass die anderen Organmitglieder durch das Gericht anzuhören wären, keinesfalls aber, dass diese zustimmen müssten.61 Es entbehrt daher jeder Grundlage, § 15 II InsO in § 270 II Nr. 1 InsO hineinzulesen und auf diesen Weg die Zustimmung der anderen vertretungsberechtigten Organmitglieder zur Antragstellung zu verlangen.62 Darüber hinaus wäre in Anbetracht eines derart tief greifenden Eingriffs in die satzungsmäßigen Vertretungsregeln des § 78 AktG eine ausdrückliche klarstel___________ 56

Unklar insoweit Uhlenbruck, in: Uhlenbruck, InsO, § 270 Rn. 12, der die Antragstellung durch „sämtliche vertretungsberechtigten Organe“ verlangt, da die Eigenverwaltung ihren Sinn verlöre, wenn nicht sämtliche vertretungsberechtigten Organe z. B. das Sanierungskonzept tragen würden. Dass mit dieser Formulierung wohl eher die Einhaltung der jeweiligen gesellschaftsrechtlichen Vertretungsregelungen gemeint ist, lassen indes die von ihm angeführten Nachweise vermuten. 57 Koch, S. 80, die für die Wirksamkeit des Eröffnungsantrages, der von jedem organschaftlichen Vertreter gem. § 15 I zulässigerweise gestellt werden könne, die Zustimmung der anderen antragsbefugten Personen im Rahmen der Anhörung nach § 15 II 2 InsO verlangt. Lediglich für eine Anhörung der anderen organschaftlichen Vertreter analog § 15 II InsO plädiert Smid, WM 1998, 2490, 2509. 58 Bundesregierung, Begründung zu § 333 RegE InsO (= § 272 InsO), BT-Drucks. 12/2443, S. 224. 59 So auch Huhn, S. 14. 60 Koch, S. 79 f. Die unmittelbare und analoge Anwendung des § 15 InsO wurde bereits oben abgelehnt, (1), Seite 145. 61 So aber Koch, S. 79 f. 62 Zutreffend Huhn, Rn. 47 gegen Koch, S. 79 f.

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2. Teil: Die Anordnung der Eigenverwaltung über das Vermögen einer AG

lende Regelung (wie sie etwa § 15 I InsO enthält) zu erwarten, wenn nicht gar erforderlich gewesen. Schließlich widerspricht dieser Ansatz auch der in § 18 III InsO enthaltenen Wertung, dass die gesellschaftsrechtlichen Vertretungsregeln maßgeblich sein sollen, wenn nicht alle Mitglieder des Vertretungsorgans den Eröffnungsantrag stellen. Wenn diese Wertung schon für den Eröffnungsantrag mit seinen viel weiter reichenden Folgen gelten soll, muss sie erst recht beim Eigenverwaltungsantrag Beachtung finden.63 Im Übrigen wäre es auch nicht konsequent, § 15 I InsO auf die Eigenverwaltung entsprechend anzuwenden, nicht aber § 18 III InsO.64 Dass es so zu einer Blockade der Eigenverwaltung durch dissentierende organschaftlichen Vertreter kommen kann,65 ist hinzunehmen. Derartige Meinungsverschiedenheiten sind aber intern zu regeln, d. h. mit den Mitteln des Gesellschaftsrechts; die Insolvenzordnung ist zur Lösung dieser Konflikte weder bestimmt noch ausgelegt. Es ist mithin ebenfalls abzulehnen, die Anordnung der Eigenverwaltung davon abhängig zu machen, dass alle antragsbefugten Organmitglieder den Antrag stellen oder aber ihre diesbezügliche Zustimmung erklärt haben. (3) Ergebnis Da sich also aus dem Insolvenzrecht keine Abweichung von den gesellschaftsrechtlichen (Vertretungs-)Regeln begründen lässt, ist es im Ergebnis allein plausibel, für die Antragsberechtigung im Rahmen des § 270 II Nr. 1 InsO bei einer Aktiengesellschaft auf § 78 AktG abzustellen.66 Dies entspricht im Übrigen auch der für den Vergleichsantrag nach früherem Recht herrschenden Ansicht67. Folglich können alleinvertretungsberechtigte Vorstandsmitglieder selbstständig, gesamtvertretungsberechtigte dagegen nur in vertretungsberechtigter Zahl den Antrag auf Anordnung der Eigenverwaltung stellen. Ist für ein ___________ 63

Schlegel, S. 68. Haas, in: Gottwald, § 87 Rn. 9. 65 Im Unterschied zur Diskussion einer Antragsbefugnis jedes einzelnen organschaftlichen Vertreters analog § 15 InsO ist hier aber jedenfalls gewährleistet, dass die Organmitglieder, die den Eigenverwaltungsantrag gestellt haben, zusammen handlungsfähig sind. Eine Blockade kann hier – in rechtlicher Hinsicht – daher nur dadurch erfolgen, dass die dissentierenden Organmitglieder (ihre Vertretungsmacht vorausgesetzt) Anträge zurücknehmen, Gegenanträge stellen oder Rechtshandlungen anfechten. 66 Im Ergebnis auch: Schlegel, S. 68 f.; Haas, in: Gottwald, § 87 Rn. 9.; Wittig, in: MK zur InsO, § 270 Rn. 14 f. 67 Die h. M. stellte u. a. auf den Wortlaut des § 2 I 2 VglO ab, wonach der Vergleichsantrag „nur vom Schuldner“ gestellt werden kann, vgl. Kilger/K. Schmidt, InsG, § 108 VglO, § 108 Anm. 2; J. Mohrbutter, in: Bley/Mohrbutter, VglO, § 108 Rn. 15a m. w. N.; a. A. Häsemeyer, InsR, 1. Auflage, S. 722. 64

Kap. 3: Voraussetzungen der Anordnung und Beendigung

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Vorstandsmitglied unechte Gesamtvertretung zusammen mit einem Prokuristen angeordnet, kann er den Antrag nur im Verein mit diesem stellen.68 Nichtsdestotrotz bedeutet die mangelnde Kooperationsbereitschaft einzelner Mitglieder des Leitungsorgans ein veritables Risiko für den Erfolg eines Eigenverwaltungsverfahrens. Dem kann aber dadurch Rechnung getragen werden, dass das Gericht derartige Umstände im Rahmen der nach § 270 II Nr. 3 InsO anzustellenden Prognose berücksichtigt und die Anordnung der Eigenverwaltung ablehnt, wenn die Vorbehalte im Leitungsorgan gegen dieses Verfahren zu groß sind und auch nicht zu erwarten ist, dass die dissentierenden Vorstandsmitglieder umgestimmt oder erforderlichenfalls abberufen werden können. bb) Die Antragspflicht organschaftlicher Vertreter Eine von der Antragsberechtigung zu unterscheidende Frage ist, ob und unter welchen Voraussetzungen die Vorstandsmitglieder zur Stellung des Eigenverwaltungsantrags gegenüber den Gläubigern oder gegenüber der Gesellschaft verpflichtet sein können. (1) Pflicht gegenüber den Gläubigern (aus § 92 II AktG) Eine solche Pflicht gegenüber den Gläubigern ist abzulehnen; insbesondere bietet hierfür die gesetzlich angeordnete Insolvenzantragspflicht des § 92 II AktG keine Grundlage. Denn diese betrifft nach ihrem klaren Wortlaut allein den Eröffnungsantrag und kann auch nicht auf den Eigenverwaltungsantrag analog angewendet werden,69 weil dem durch sie bezweckten Gläubigerschutz mit der Verfahrenseröffnung Genüge getan ist und dieser Schutz bei der Entscheidung zwischen Eigen- und Fremdverwaltung im Insolvenzverfahren ohnehin nicht zum Tragen kommt.70 Die Insolvenzantragspflichten enthalten im Gegenteil nicht zugleich auch Sanierungspflichten71 oder sonstige Verhaltenspflichten gegenüber den Gläubigern, aus denen man eine auf die Stellung des Eigenverwaltungsantrags konkretisierte Pflicht ableiten könnte. ___________ 68 In diesem Fall richtet sich der Umfang der Vertretungsmacht des Prokuristen nicht nach §§ 49, 50 HGB, sondern nach der des Vorstandsmitglieds (Hüffer, AktG, § 78 Rn. 17). 69 Vgl. auch schon die Ausführungen oben zur analogen Anwendung des § 15 I InsO auf den Eigenverwaltungsantrag, aa) (1) (b), Seite 146. 70 Die Durchführung der Eigenverwaltung steht zur Disposition der Gläubiger bzw. der Gläubigerversammlung (§§ 270 II Nr. 2, 271, 272 InsO). 71 Uhlenbruck, in: Kuhn/Uhlenbruck, KO, § 207 Rn. 9; K. Schmidt, ZIP 1980, 328, 329.

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2. Teil: Die Anordnung der Eigenverwaltung über das Vermögen einer AG

(2) Pflicht gegenüber der Gesellschaft (aus § 93 I 1 AktG) Anknüpfungspunkt für eine gegenüber der Gesellschaft bestehende Antragspflicht ist § 93 I 1 AktG, der die Vorstandsmitglieder verpflichtet, im Rahmen des Anstellungsvertrages, des Gesetzes, der Satzung und der für sie verbindlichen Beschlüsse der anderen Gesellschaftsorgane alles zu tun, um den Vorteil der Gesellschaft und ihre wirtschaftlichen Interessen zu wahren und Schaden von ihr abzuwenden.72 Es ist insbesondere anerkannt, dass § 93 AktG den Vorstandsmitgliedern einer Aktiengesellschaft die Sanierungsverantwortlichkeit und damit die Verpflichtung auferlegt, die Sanierungsfähigkeit sowie die Erfolgsaussichten einzelner Sanierungsinstrumente zu prüfen und Erfolg versprechende Sanierungsmaßnahmen einzuleiten.73 Diese Pflicht besteht auch bis in das eröffnete Insolvenzverfahren hinein.74 Verletzen die Vorstandsmitglieder schuldhaft diese Pflicht, indem sie jegliche Sanierungsprüfung unterlassen („Panikantrag“) oder aber Sanierungschancen nicht hinreichend ausloten, bevor sie – verfrüht – den Insolvenzantrag stellen, haften sie der Gesellschaft nach § 93 II 1 AktG.75 Auf dieser Basis trifft die Vorstandsmitglieder auch grundsätzlich die Pflicht, die Erfolgsaussichten eines Eigenverwaltungsverfahrens, das ja primär als Mittel der Unternehmenssanierungung gedacht ist, zu überprüfen und seine Vorteile, insbesondere die Kostenersparnis sowie die bessere Möglichkeit der Umsetzung eines bereits ersonnen Sanierungskonzepts,76 gegenüber den Alternativen zu bewerten. Es ist allerdings zu berücksichtigen, dass dem Vorstand bei der Geschäftsführung ein weiter Ermessensspielraum zuzubilligen ist, ohne den eine unternehmerische Tätigkeit nicht denkbar ist.77 Aus der allgemeinen Sanierungsverantwortlichkeit kann eine Antragspflicht daher nur abgeleitet werden, wenn jede andere Sanierungsalternative – sei es eine außergerichtliche (externe oder interne), sei es eine gerichtliche (Insolvenzplan ohne Eigenverwaltung) – aus ___________ 72

BGH, Urteil vom 27. 9. 1956 – II ZR 144/55, BGHZ 21, 354, 357; LG Bochum, Urteil vom 27. 6. 1989 – 12 O 133/88, ZIP 1989, 1557, 1560; Wiesner, in: MHb GesR IV, § 25 Rn. 3; Pielorz, FS Metzeler, 167, 171. 73 Picot/Aleth, Rn. 218; de Angelis/Bodenbrenner, MDR 2003, 1145, 1149; Schlitt, NZG 1998, 701, 702; Uhlenbruck, BB 1998, 2009. 74 Insbesondere sind die Vorstände nicht dem „Abwicklungszweck“ verpflichtet, Kapitel 5 A. III. 1., Seite 215. Für ein Fortbestehen der Sanierungsverantwortlichkeit plädieren auch: de Angelis/Bodenbrenner, MDR 2003, 1145, 1151; H.-F. Müller, S. 125. 75 Vgl. K. Schmidt, ZIP 1980, 328, 330. 76 Götker, Rn. 592 f. 77 BGH, Urteil vom 21. 4. 1997 – II ZR 175/95, BGHZ 135, 244, 253 = NJW 1997, 1926 [ARAG/Garmenbeck]; Hefermehl/Spindler, in: MK zum AktG, § 93 Rn. 70; Hüffer, AktG, § 93 Rn. 13a.

Kap. 3: Voraussetzungen der Anordnung und Beendigung

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Sicht eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters erkennbar für die Gesellschaft die ungünstigere Alternative darstellte und wenn eine Billigung des Eigenverwaltungsverfahrens durch die Gläubiger (§§ 270 II Nr. 2 bzw. 272 I Nr. 1 und 2 InsO) nicht von vornherein ausgeschlossen ist. Nur in diesem Fall verengte sich das unternehmerische Ermessen auf die Beantragung der Eigenverwaltung und schlüge in eine Handlungspflicht um. Eine Pflicht zur Beantragung der Eigenverwaltung erscheint daher zwar grundsätzlich möglich,78 doch wird man aufgrund der Komplexität von Sanierungskonzepten sowie der Unsicherheit einer Zustimmung der Gläubiger nur in seltenen Fällen davon ausgehen können, dass die Unterlassung eines Eigenverwaltungsantrags eine schuldhafte Pflichtverletzung i. S. d. § 93 I, II AktG darstellt. Für die Entscheidung, die Eigenverwaltung als Liquidationsinstrument einzusetzen, ergibt sich nichts anderes. In der Regel ist davon auszugehen, dass der Insolvenzverwalter aufgrund der Erfahrungen aus seiner Tätigkeit über profundere Fähigkeiten und Kenntnisse auf dem Gebiet der Liquidation verfügt. Daher kann man nur in dem Sonderfall, dass die Geschäftsleitung für sich eine ganz besondere Liquidationskompetenz in Anspruch nehmen kann, eine Reduktion des unternehmerischen Ermessens auf Null annehmen. Eine nach § 93 II 1 AktG haftungsbewehrte Pflicht zur Beantragung der Eigenverwaltung kann daher sowohl in den Sanierungs- als auch den Liquidationsfällen nur im Ausnahmefall anerkannt werden. b) Keine Rücknahme des Eigenverwaltungsantrags Voraussetzung der Anordnung der Eigenverwaltung ist weiter, dass der Eigenverwaltungsantrag durch die Schuldnergesellschaft nicht zurückgenommen worden ist. aa) Zulässigkeit einer Rücknahme Ob ein Eigenverwaltungsantrag zurückgenommen werden kann, ist in der Insolvenzordnung nicht ausdrücklich geregelt. Eine unmittelbare Anwendung des nach seinem Wortlaut nur den Eröffnungsantrag erfassenden § 13 I InsO scheidet aus; diese Vorschrift ist auch nicht über § 270 I 2 InsO anzuwenden, da von dieser Verweisung diejenigen Vorschriften nicht erfasst werden, die – wie § 13 II InsO – allein das Eröffnungsverfahren betreffen.79 Eines Rückgriffs auf eine ___________ 78

Uhlenbruck, in: Kölner Schrift, S. 1157 ff. Rn. 4 (ohne Einzelheiten); Götker, Rn. 591 (für die GmbH-Geschäftsführer). 79 Oben a) aa) (1) (a), Seite 145.

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2. Teil: Die Anordnung der Eigenverwaltung über das Vermögen einer AG

entsprechende Anwendung des § 13 II InsO bedarf es dennoch nicht. Der Antrag des Schuldners nach § 270 II Nr. 1 InsO ist eine Prozesshandlung, die eine gerichtliche Entscheidung (die Anordnung der Eigenverwaltung) herbeiführen soll und erst durch diese auf den Prozess einwirkt (sog. Einwirkungshandlung80). Nach den allgemeinen zivilprozessrechtlichen Regeln kann ein solcher Antrag grundsätzlich zurückgenommen werden, solange noch keine Entscheidung über ihn ergangen, also die Eröffnung noch nicht beschlossen ist.81 Eine Rücknahme des Eigenverwaltungsantrags zuzulassen, ist auch aus insolvenzrechtlicher Sicht sinnvoll. Denn da die Eigenverwaltung nur Erfolg haben kann, wenn die volle Einsatzbereitschaft des Schuldners gegeben ist,82 wäre es nicht zweckmäßig, die ursprünglich vom Schuldner beantragte Eigenverwaltung anzuordnen, obwohl dessen Bereitschaft zur Eigenverwaltung zwischenzeitlich entfallen ist. Zudem ist er nach § 272 I Nr. 3 InsO jederzeit und ohne weitere Voraussetzungen berechtigt, die Aufhebung der Eigenverwaltung zu bewirken. Die Verweigerung der Rücknahme vor dem Anordnungsbeschluss wäre daher ein bloßer Formalismus. Aus diesen Gründen ist mit einer weitergehenden Ansicht dem Schuldner sogar das Recht zuzusprechen, den Eigenverwaltungsantrag auch noch nach dem Eröffnungsbeschluss, mit dem die Anordnung der Eigenverwaltung abgelehnt wird, zurückzunehmen, um so einer nachträglichen Anordnung der Eigenverwaltung auf Antrag der Gläubigerversammlung nach § 271 InsO die Grundlage zu entziehen.83 bb) Rücknahmeberechtigung bei der Aktiengesellschaft Zu erörtern bleibt aber noch, wem bei einer juristischen Person mit mehrköpfigem Vertretungsorgan das Rücknahmerecht zusteht. Soweit die Anwendung des § 15 I InsO auf den Eigenverwaltungsantrag – zu Unrecht84 – befürwortet wird, könnte man überlegen, ebenfalls die für die Rücknahme des Eröffnungsantrags im Falle des § 15 InsO geltenden Grundsätze auf den Eigenver___________ 80

Vgl. dazu Greger, in: Zöller, ZPO, Vor § 128 Rn. 14. Vgl. Musielak, in: Musielak, ZPO, Einl. Rn. 63; Haas, in: Gottwald, § 87 Rn. 6; Häsemeyer, InsR, Rn. 8.05 („bis zum Eröffnungsbeschluss“, was dasselbe bedeutet); wohl auch Foltis, in FK zur InsO, § 270 Rn. 23 („bis zum stattgebenden Beschluss“), ihm folgend Weis, in: Hess, InsO, § 270 Rn. 41. 82 Bundesregierung, Begründung zu § 333 RegE InsO (= § 272 InsO), BT-Drucks. 2443, S. 224. 83 Vgl. Wittig, in: MK zur InsO, § 270 Rn. 11, § 271 Rn. 4 ff; wohl auch: Koch, S. 136 und Haas, in: Gottwald, § 87 Rn. 26, die als Voraussetzung des § 271 übereinstimmend verlangen, dass der Eigenverwaltungsantrag „fortgilt“; ähnlich Foltis, in: FK zur InsO, § 271 Rn. 6. 84 Dazu soeben a) aa) (1), Seite 145. 81

Kap. 3: Voraussetzungen der Anordnung und Beendigung

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waltungsantrag zu übertragen.85 Dort entspricht es der h. M., dass der nach § 15 I InsO von einem einzelnen Mitglied des Vertretungsorgans gestellte Insolvenzantrag nur vom Antragsteller selbst oder von sämtlichen vertretungsberechtigten Organen gemeinsam zurückgenommen werden kann (§ 13 II InsO).86 Diese schon für die Rücknahme des Insolvenzantrages durchaus nicht unumstrittene Auffassung87 kann aber keinesfalls Geltung für die Rücknahme des Eigenverwaltungsantrags beanspruchen. Denn das für diese Ansicht maßgebliche Argument – dass nämlich ein derart zur freien Disposition aller Antragsberechtigten gestellter Eröffnungsantrag nicht vereinbar sei mit dem von den Insolvenzantragspflichten bezweckten Schutz der Gläubiger und der Allgemeinheit88 – greift beim Eigenverwaltungsantrag nicht durch, weil hier keine derartigen Antragspflichten bestehen und weder die Gläubiger noch die Allgemeinheit schutzbedürftig sind. Gegen das Erfordernis der Zustimmung sämtlicher organschaftlicher Vertreter spricht außerdem89, dass jedes vertretungsberechtigte Organmitglied ohnehin jederzeit berechtigt wäre, die Aufhebung der Eigenverwaltung gem. § 272 I Nr. 3 InsO zu bewirken (diese Befugnis existiert beim Insolvenzantrag nicht), so dass die Verneinung der noch früher einsetzenden Rücknahmeberechtigung in der Praxis ohne Auswirkung und damit letztlich ein Formalismus bliebe. Richtig ist vielmehr, dass sich das Rücknahmerecht – wie das Antragsrecht – allein nach den gesellschaftsrechtlichen Vertretungsregelungen bestimmt.90 Die Gefahr, dass dadurch ein (wiederholtes) Hin und Her von Antragstellung und Antragrücknahme durch verschiedene Vorstandsmitglieder ermöglicht wird, ist nicht gegeben: Spätestens bei der erneuten Antragstellung wird das Gericht die sich hierin manifestierende Uneinigkeit unter den Vorstandsmitgliedern als Nachteil i. S. d. § 270 II Nr. 3 InsO zu werten und den Antrag abzuweisen ha___________ 85

So offenbar Uhlenbruck, in: Uhlenbruck, InsO, § 270 Rn. 12 mit § 13 Rn. 82 ff. Schmahl, in: MK zur InsO, § 13 Rn. 101 und § 15 Rn. 57; Schmerbach, in: FK zur InsO, § 15 Rn. 20; Haas, DStR 1998,1359, 1360; weitere Nachweise bei Delhaes, in: Kölner Schrift, S. 141 ff. Rn. 30 f.; für die KO: Uhlenbruck, in: Kuhn/Uhlenbruck, KO, § 208 Rn. 3; AG Duisburg, Beschluss vom 3. 11. 1994 – 43 N 231/94, ZIP 1995, 582; LG Dortmund, Beschluss vom 23. 9. 1985 – 9 T 560/85, ZIP 1985, 1341; LG Tübingen, Beschluss vom 10. 8. 1960, KTS 1961, 158. 87 Ablehnend etwa: Delhaes, in: Kölner Schrift, S. 141 ff. Rn. 36 ff.; Uhlenbruck, in: Kölner Schrift, S. 1157 ff. Rn. 6. 88 Vgl. insoweit AG Duisburg, Beschluss vom 3. 11. 1994 – 43 N 231/94, ZIP 1995, 582, 583, bestätigt vom LG Duisburg, Beschluss vom 22. 11. 1994 – 4 T 250/94 (vgl. ebenda); LG Dortmund, Beschluss vom 23. 9. 1985 – 9 T 560/85, ZIP 1985, 1341, 1342; LG Tübingen, Beschluss vom 10. 8. 1960 – 1 T 67/60, KTS 1961 158, 159. 89 Insoweit gleichen sich die hier benannten Argumente den oben für die Bejahung der Rücknahmemöglichkeit als solcher angeführten. 90 Ebenso Haas, in: Gottwald, § 87 Rn. 9. 86

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2. Teil: Die Anordnung der Eigenverwaltung über das Vermögen einer AG

ben. Außerdem sollte eine Lösung, da derartige organinterne Auseinandersetzungen auch in vielen anderen Konstellationen auftreten können, einheitlich im Gesellschaftsrecht, nicht im Insolvenzrecht gesucht werden.91 2. Zustimmung des Gläubigers (§ 270 II Nr. 2 InsO) Wurde der Eröffnungsantrag von einem Gläubiger (§ 13 I 2 Alt. 1 InsO) gestellt, ist weitere formelle Voraussetzung für die Anordnung der Eigenverwaltung, dass dieser Gläubiger dem Eigenverwaltungsantrag zugestimmt hat (§ 270 II Nr. 2 InsO).92 Dem Wortlaut der Vorschrift ist indessen nicht zu entnehmen, ob eine Zustimmung auch dann erforderlich ist, wenn außer dem Gläubiger auch die Schuldnergesellschaft (gem. § 13 I 2 Alt. 2 InsO) die Eröffnung des Insolvenzverfahrens beantragt hat. Wendete man § 270 II Nr. 2 InsO, wie dies zuweilen vertreten wird,93 ohne Rücksicht auf die zeitliche Abfolge der Anträge immer dann an, wenn überhaupt ein Gläubigerantrag gestellt wurde, versetzte man die Gläubiger in die Lage, die strengeren Voraussetzungen des für die Zeit nach der Verfahrenseröffnung geltenden § 272 I Nr. 1 und 2, II InsO zu umgehen: Jeder einzelne Gläubiger könnte die Anordnung der Eigenverwaltung bereits im Vorfeld und ohne jede weitere Voraussetzung dadurch vereiteln, dass er dem Eröffnungsantrag der Schuldnergesellschaft den eigenen Antrag nachschiebt und anschließend seine Zustimmung nach § 270 II Nr. 2 verweigert. Das ist nicht systemgerecht.94 Außerdem würde der mit der Eigenverwaltung bezweckte Anreiz für die Schuldnergesellschaft zu einer möglichst frühzeitigen Antragstellung,95 die in allseitigem Interesse steht,96 weitestgehend zunichte gemacht, wenn die Anordnung der Eigenverwaltung auf diese Weise vom Willen eines jeden einzelnen Gläubigers abhinge. Einer Zustimmung nach § 270 II Nr. 2 InsO bedarf es daher nicht, wenn die Schuldnergesellschaft die ___________ 91

Ähnlich Delhaes, in: Kölner Schrift, S. 141 ff. Rn. 39 (allerdings zur Rücknahme nach § 13 II InsO). Zu dem gleich gelagerten Einwand bei der Beschwerde nach §§ 34, 6 InsO bzw. bei § 218 I 1 InsO siehe Kapitel 5 A. II. 1., Seite 211 bzw. dort 3., Seite 213. 92 Kritisch zu dieser Regelung ist Koch, S. 82 ff, dagegen Schlegel, S. 69 ff. 93 AG Potsdam, Beschluss vom 7. 6. 2000 – 35 IN 224/00, DZWIR 2000, 343; Rattunde, ZIP 2003, 2103, 2107; Haas, in: Gottwald, § 87 Rn. 10 Fußnote 23. 94 Vgl. Wittig, in: MK zur InsO, § 270 Rn. 29. 95 Bundesregierung, Allg. Begründung zur Eigenverwaltung nach dem RegE InsO, BT-Drucks. 12/2443, S. 223. 96 Das Interesse des Schuldners besteht darin, durch die Anordnung der Eigenverwaltung nicht aus der Geschäftsleitung gedrängt zu werden (vgl. Bundesregierung, Allg. Begründung zur Eigenverwaltung nach dem RegE InsO, BT-Drucks. 12/2443, S. 223), das der Gläubiger darin, dass zu einem frühen Termin mehr Masse zu ihrer Befriedigung vorhanden ist.

Kap. 3: Voraussetzungen der Anordnung und Beendigung

157

Eröffnung des Insolvenzverfahrens vor dem oder den97 Gläubiger(n) beantragt hat.98 3. Keine Gläubigerbenachteiligung (§ 270 II Nr. 3 InsO) Als einzige materielle Voraussetzung für die Anordnung der Eigenverwaltung muss nach § 270 II Nr. 3 InsO nach den Umständen zu erwarten sein, dass sie nicht zu einer Verzögerung des Verfahrens oder zu sonstigen Nachteilen für die Gläubiger führen wird.99 a) Die Nachteilsprognose Das Gericht hat eine auf den konkreten Fall bezogene Prognoseentscheidung100 („zu erwarten ist, dass […] führen wird“) zu treffen, bei der der voraussichtliche Verlauf des Insolvenzverfahrens mit und ohne Anordnung der Eigenverwaltung zu vergleichen ist; Vergleichsmaßstab ist also das Regelinsolvenzverfahren unter Leitung eines, gegebenenfalls mit Sonderwissen ausgestatteten101 Fremdverwalters.102 Unter Zugrundelegung dieser Prognose muss das Gericht positiv davon überzeugt sein,103 dass die Anordnung der Eigenverwaltung gegenüber dem Regelinsolvenzverfahren nicht ungünstiger ist;104 nicht er___________ 97 Liegen vor dem Eigenverwaltungsantrag bereist mehrere Gläubigeranträge vor, ist weiter umstritten, ob nur der erste (Koch, S. 84), derjenige, auf dessen Antrag das Verfahrens eröffnet werden soll (Riggert, in: Nerlich/Römermann, InsO, § 270 Rn. 21; ders, in: Braun, InsO, § 270 Rn. 4) oder jeder Gläubiger (Uhlenbruck, in: Uhlenbruck, InsO, § 270 Rn. 13; wohl auch OLG Naumburg, Beschluss vom 17. 4. 2001 – 5 W 29/01, ZInsO 2001, 810) zustimmen muss. Wegen des Wortlauts des § 270 II Nr. 2 InsO ist wohl der zweiten Ansicht zu folgen. 98 Ebenso Wittig, in: MK zur InsO, § 270 Rn. 30; Huhn, Rn. 65; wohl auch Uhlenbruck, in: Uhlenbruck, InsO, § 270 Rn. 13. 99 Ausführlich zu den Anordnungsvoraussetzungen nach § 270 II Nr. 3 InsO: Huhn, S. 49 ff.; Koch, S. 85 ff.; Schlegel, S. 72 ff. 100 AG Köln, Beschluss vom 17. 9. 1999 – 71 IN 28/99, ZIP 1999, 1646; Haas, in: Gottwald, § 87 Rn. 14; ders., DStR 2000, 212; Wittig, in: MK zur InsO, § 270 Rn. 35; Schlegel, S. 72. 101 Schlegel, S. 77. 102 H. M., etwa AG Köln, Beschluss vom 17. 9. 1999 – 71 IN 28/99, ZIP 1999, 1646; Rechtsausschuss, Begründung zu § 331 BeschlussE InsO, BT-Drucks. 12/7302, S. 185 (für die Verzögerungsprognose); Haas, DStR 2000, 212; Riggert, in: Nerlich/Römermann, InsO, § 270 Rn. 22; Pape, in: Kübler/Prütting, InsO, § 270 Rn. 11. 103 Wittig, in: MK zur InsO, § 270 Rn. 37; Riggert, in: Nerlich/Römermann, InsO, § 270 Rn. 25. 104 H. M., etwa: AG Köln, Beschluss vom 17. 9. 1999 – 71 IN 28/99, ZIP 1999, 1646; Haas, DStR 2000, 212; Riggert, in: Nerlich/Römermann, InsO, § 270 Rn. 26.

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2. Teil: Die Anordnung der Eigenverwaltung über das Vermögen einer AG

forderlich ist dagegen, dass sie günstiger ist.105 Das Gericht hat dabei nach h. M. die vor- und nachteilhaften Umstände gegeneinander abzuwägen.106 An eine negative Nachteilsprognose sind hohe Anforderungen zu stellen; schon nach dem gesetzgeberischen Willen soll die Eigenverwaltung die Ausnahme, nicht die Regel sein.107 Entgegen der Ansicht von Schlegel108 bezieht sich die Vorhersage nicht nur auf den Zeitraum bis zur ersten Gläubigerversammlung, sondern auf die gesamte Verfahrensdauer. Schon der Wortlaut des § 270 II Nr. 3 InsO, der von der Verzögerung „des Verfahrens“ spricht, nimmt das gesamte Verfahren in Bezug und beschränkt sich nicht nur auf den Zeitraum bis zur ersten Gläubigerversammlung. Soweit sich Schlegel auf die Gesetzesbegründung beruft, in der von einer „vorläufigen“109 Entscheidung des Gerichts „bis zur Entscheidung der ersten Gläubigersammlung“ die Rede ist,110 so übersieht er, dass sich diese Passage auf eine Regelung bezieht (§ 332 RegE), die so nicht Gesetz geworden ist.111 Während nach § 332 RegE InsO die erste Gläubigerversammlung in jedem Falle über die Anordnung der Eigenverwaltung zu beschließen hatte, ist eine solche Entscheidung nach geltendem Recht nur bei einer nachträglichen Anordnung (§ 271 InsO) erforderlich. In den (weitaus häufigeren) Fällen des § 270 I 1 InsO hat die Anordnung des Gerichtes also Bestand, solange nicht ihre Aufhebung nach § 272 InsO beantragt wird. Dann aber ist es notwendig, dass die Prognose des Gerichtes die gesamte (potentielle) Verfahrensdauer einbezieht. Dafür spricht schließlich, dass § 270 II Nr. 3 InsO eine Abschätzung der Nachteile für „die Gläubiger“, also alle Gläubiger, vorsieht, die aber einzeln nicht oder nur eingeschränkt die Aufhebung der Eigenverwaltung bewirken können (vgl. § 272 I Nr. 1 und 2 InsO). Aufgrund dieser Diskrepanz griffe der durch § 270 II Nr. 3 InsO bezweckte Gläubigerschutz bei einem begrenzten ___________ 105

So aber Bork, InsR, Rn. 402. Foltis, in: FK zur InsO, § 270 Rn. 38; Huhn, Rn. 288 („Abwägungskriterien“); Landfermann, in: HK zur InsO, § 270 Rn. 9; Ringstmeier/Homann, NZI 2002, 406, 407; Schlegel, S. 72 f.; Vallender, WM 98, 2129, 2133; tatsächlich abwägend: AG Darmstadt, Beschluss vom 20. 2. 1999 – 9 IN 1/99, ZIP 1999, 1494, 1496. Die Zulässigkeit einer Gesamtabwägung verneinen dagegen: Riggert, in: Nerlich/Römermann, InsO, § 270 Rn. 25 (wegen der negativen Gesetzesfassung); Wittig, in: MK zur InsO, § 270 Rn. 37. 107 Rechtsausschuss, Begründung zu § 331 BeschlussE InsO, BT-Drucks. 12/7302, S. 185. 108 Schlegel, S. 74. 109 Von einer „Vorläufigkeit“ der Entscheidung wird auch heute noch verbreitet ausgegangen (etwa Huhn, Rn. 1093). Das aber ist auf Grundlage der folgenden Erwägungen nicht mehr zu halten. 110 Bundesregierung, Begründung zu § 331 RegE InsO (= § 270 InsO), BT-Drucks. 2443, S. 223. 111 Vgl. § 332 BeschlussE InsO, BT-Drucks. 12/7302, S. 119, rechte Spalte. 106

Kap. 3: Voraussetzungen der Anordnung und Beendigung

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Prognosezeitraum zu kurz, da sich einzelne Gläubiger, denen Nachteile erst zu einem späteren Zeitpunkt aus der Eigenverwaltung erwachsen, gegen deren Anordnung nicht mehr zur Wehr setzen können. aa) Verzögerung des Verfahrens Als Regelbeispiel eines Nachteils für die Gläubiger nennt § 270 II Nr. 3 InsO die Verzögerung des Verfahrens. Hier ist zu prüfen, ob das Verfahren in Eigenverwaltung voraussichtlich vergleichbar zügig ablaufen wird wie ein Regelinsolvenzverfahren unter Leitung eines Insolvenzverwalters.112 Problematisch ist, dass sich die Einschaltung des Schuldners hinsichtlich der Verfahrensdauer durchaus gegensätzlich auswirken kann. Auf der einen Seite wird bei der Verzögerungsprognose von großer Bedeutung sein, inwieweit der Schuldner (bzw. seine Geschäftsleitung) seine Kenntnisse über und Erfahrungen mit dem Unternehmen in das Verfahren einbringen und dadurch die Einarbeitungszeit eines Insolvenzverwalters ersparen kann.113 Dabei ist im Zweifel anzunehmen, dass sich die Eigenverwaltung in dieser Hinsicht verfahrensbeschleunigend auswirkt.114 Verfahrensverzögernd wirkt sich auf der anderen Seite der Umstand aus, dass sich der in der Regel diesbezüglich nicht besonders geschulte Schuldner insolvenzrechtliche Kenntnisse aneignen muss,115 und zwar in je größerem Maße, je komplizierter sich das Verfahren gestaltet. Schlegel hat daraus folgende Faustregel abgeleitet: Je komplizierter der Verfahrensablauf in verfahrensrechtlicher Hinsicht ist, um so eher sollte ein Verwalter bestellt werden, und je wichtiger betriebswirtschaftliche Kenntnisse sind, um so eher kann die Eigenverwaltung angeordnet werden.116 Folglich besteht aber ein Dilemma, wenn ein Verfahren in beiderlei Hinsicht besondere Herausforderungen stellt. bb) Sonstige (wirtschaftliche) Nachteile Des Weiteren dürfen keine sonstigen Nachteile für die Gläubiger aufgrund der Eigenverwaltung zu befürchten sein. Gemeint sind wirtschaftliche117 ___________ 112 Vgl. Rechtsausschuss, Begründung zu § 331 BeschlussE InsO, BT-Drucks. 12/7302, S. 185. 113 Vgl. Rechtsausschuss, Begründung zu § 331 BeschlussE InsO, BT-Drucks. 12/7302, S. 185. 114 Das vermutet auch schon die Gesetzesbegründung: Bundesregierung, vor § 331 RegE InsO (= § 270 InsO), BT-Drucks. 12/2443, S. 223. 115 Uhlenbruck, NJW 2002, 3219, 3220; Schlegel, S. 79. 116 Schlegel, S. 80. 117 Rechtsausschuss, Begründung zu § 331 BeschlussE InsO, BT-Drucks. 12/7302, S. 185; AG Darmstadt, Beschluss vom 20. 2. 1999 – 9 IN 1/99, ZIP 1999, 1494, 1495;

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2. Teil: Die Anordnung der Eigenverwaltung über das Vermögen einer AG

Nachteile, also alle Umstände, die zu einer Verringerung der Insolvenzquote führen können. Liegt die Besonderheit der Eigenverwaltung darin, dass der Schuldner die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über die Insolvenzmasse behält, liegt die Gefahr sonstiger Nachteile in diesem Sinne primär in einem masseschädigenden Verhalten des Schuldners,118 etwa wenn Ansprüche der Insolvenzmasse nicht durchgesetzt werden.119 b) Entscheidungsrelevante Umstände Grundlage der Prognose sind die Umstände des Einzelfalls. Dabei ist dem Gesetzgeber im Grundsatz in der Einschätzung beizutreten, dass eine Person, die den Eintritt der Insolvenz nicht hat vermeiden können, meist nicht dazu geeignet sein wird, die Insolvenzmasse optimal zu verwerten und bei der Durchführung des Insolvenzverfahrens die Interessen der Gläubiger über die eigenen zu stellen;120 insoweit wird sogar von der Gefahr gesprochen, den „Bock zum Gärtner“121 zu machen. Immerhin gehen vorsichtige Schätzungen davon aus, dass 90% aller Insolvenzen auf Managementfehler beruhen.122 Die Eigenverwaltung wird daher die Ausnahme sein, nicht die Regel.123 Diese Vermutung der Nachteilhaftigkeit äußert sich auch in der negativen Formulierung124 des § 270 II Nr. 3 InsO. Ob sie im Einzelfall widerlegt ist, muss aufgrund einer genauen Untersuchung der jeweiligen Umstände entschieden werden. Hervorgehoben seien die folgenden Gesichtspunkte, die speziell bei der Anordnung der

___________ Schlegel, S. 80 will den Begriff weiter fassen, gesteht aber selbst zu, dass sich die von ihm aufgeführten sonstigen (nicht wirtschaftlichen) Nachteile (etwa Informationsdefizite) mittelbar in wirtschaftliche Nachteile ummünzen lassen. 118 Wittig, in: MK zur InsO, § 270 Rn. 43; Haas, DStR 2000, 212. 119 Das droht wegen Interessenkonflikt typischerweise in den Fällen, in denen zur Insolvenzmasse Haftungsansprüche gerade gegenüber denjenigen Personen gehören, die in der Eigenverwaltung für den Schuldner handeln und diese Ansprüche daher geltend machen müssen. Dazu ausführlich Wittig, in: MK zur InsO, § 270 Rn. 44. 120 Bundesregierung, vor § 331 RegE InsO, BT-Drucks. 12/2443, S. 222; AG Darmstadt, Beschluss vom 20. 2. 1999 – 9 IN 1/99, ZIP 1999, 1494, 1495. Zweifelnd jedoch Gundlach, DZWIR 1999, 363, 363; zurückhaltend auch Paulus, DStR 2003, 31, 36. 121 Etwa AG Duisburg, Beschluss vom 1. 9. 2002 – 62 IN 167/02, NZI 2002, 556, 558 [Babcock Borsig]; Uhlenbruck, NJW 2002, 3219, 3220; pointiert Förster, ZInsO 1999, 153 ff. 122 Grub, WM 1994, 880, 881; vgl. auch Wittig, NZI 1998, 49, 50 (für das USamerikanische Chapter-11-Verfahren (debtor in possession). 123 Rechtsausschuss, Begründung zu § 331 BeschlussE InsO, BT-Drucks. 12/7302, S. 185; AG Darmstadt, Beschluss vom 20. 2. 1999 – 9 IN 1/99, ZIP 1999, 1494. 124 „Zu erwarten ist, dass […] nicht“.

Kap. 3: Voraussetzungen der Anordnung und Beendigung

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Eigenverwaltung über das Vermögen einer Aktiengesellschaft von besonderer Bedeutung sind.125 aa) Insolvenzursachen Unverzichtbar ist eine Analyse der Insolvenzursachen. Dadurch wird dem Umstand Rechnung getragen, dass in unserer zunehmend vernetzten Wirtschaftsordnung komplexe Verwicklungen auftreten können, aufgrund derer ein Unternehmen auch völlig ohne Verschulden seines Managements in die Insolvenz gerät. In eben diesen Fällen stimmt das Bild vom Bock und Gärtner nicht mehr.126 Wenn die Insolvenz allein oder zumindest maßgeblich auf Umstände zurückzuführen ist, auf die die Schuldnergesellschaft keinen oder nur geringen Einfluss hatte, kann der Gesellschaft, bzw. ihrem Vorstand nicht mehr ohne Weiteres ein ausreichendes unternehmerisches Geschick zur Durchführung der Eigenverwaltung abgesprochen werden.127 Zu derartigen Ursachen gehören beispielsweise unerwartet hohe Forderungsausfälle, das Zusammenbrechen von Zulieferbetrieben, Unfälle wie der Untergang der „Pride of America“ im Dock der Lloyd-Werft in Bremerhafen128 oder ein plötzlicher Einbruch des Hauptabsatzmarktes, z. B. aufgrund von Kriegshandlungen. Bei solchen Insolvenzursachen dagegen, die die Schuldnergesellschaft beeinflussen konnte, also vor allem bei („hausgemachten“) unternehmensinternen Umständen wie Missmanagement oder die Funktionsuntüchtigkeit des Geschäftsbetriebes129, kann von einer „Eigenverwaltungswürdigkeit“ nur dann ausgegangen werden, wenn diese Umstände beseitigt worden sind oder zumindest zu beheben sind.

___________ 125 Vgl. ansonsten ausführlich Wittig, in: MK zur InsO, § 270 Rn. 31 ff.; Huhn, Rn. 152 ff.; Uhlenbruck, in: Uhlenbruck, InsO, § 270 Rn. 14 ff. 126 Vgl. auch Paulus, DStR 2003, 31, 36. 127 Ähnlich AG Darmstadt, Beschluss vom 20. 2. 1999 – 9 IN 1/99, ZIP 1999, 1494, 1495. 128 Das Umkippen und Sinken der „Pride of America“ in der Nacht vom 13. auf den 14. Januar 2004 wurde nach Zeitungsberichten durch einen schweren Sturm verursacht, vgl. F.A.Z. vom 15. 1. 2004, S. 9 und vom 11. 2. 2004, S. 20 („Der Passagierschiffbau leidet noch unter dem 11. September“). Es wurde die Eigenverwaltung angeordnet, vgl. DIE WELT (online) vom 8. 7. 2004 („Nußbaum: ‚Ein guter Tag für Bremerhaven‘“). 129 Wittig, in: MK zur InsO, § 270 Rn. 35.

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2. Teil: Die Anordnung der Eigenverwaltung über das Vermögen einer AG

bb) Das Verhalten der Gesellschaftsorgane Wohl das wichtigste Prognosekriterium ist das Verhalten des Schuldners der Vergangenheit, sei es im Vorfeld des Insolvenzantrages, sei es im Insolvenzeröffnungsverfahren.130 Handelt es sich beim Schuldner um eine Aktiengesellschaft, kann und muss auf das Verhalten ihrer Organe, namentlich das des Vorstands abgestellt werden.131 So ist eine Verfahrensverzögerung zu befürchten, wenn die Vorstandsmitglieder schon den Insolvenzantrag verzögert gestellt oder die Vermögens-, Gläubiger und Schuldnerverzeichnisse verspätet beigebracht haben.132 Sonstige wirtschaftliche Nachteile sind zu besorgen, wenn es Anzeichen dafür gibt, dass der Vorstand Vermögen beiseite geschafft hat,133 wenn seine Rechnungslegung oder Buchführung134 mangelhaft ist oder er über die Insolvenzursachen nicht klar und lückenlos Auskunft erteilt.135 Ferner ist von Bedeutung, dass keine wesentlichen vorstandsinternen Streitigkeiten über die Ziele und notwendigen Maßnahmen des Verfahrens bestehen.136 Der Erfolg der Eigenverwaltung ist in hohem Maße vom einvernehmlichen Zusammenwirken sämtlicher Vorstandsmitglieder abhängig137 und duldet nicht die Gefahr eines Boykotts durch einzelne Organmitglieder und einer daraus resultierenden Handlungsunfähigkeit der Schuldnergesellschaft. Dasselbe gilt für interorganschaftliche Differenzen. Da die Gesellschaftsorgane in der Eigenverwaltung grundsätzlich ihre Mitwirkungsbefugnisse behalten,138 wäre es auch unerträglich, wenn der Aufsichtsrat oder die Hauptversammlung vor der Verfahrenseröffnung erklären, dass sie die vom Vorstand vorgeschlagenen Sanierungsmaßnahmen nicht mittragen werden. Sie könnten insbesondere durch eine Abberufung des Vorstandes auf den Verfahrenslauf ___________ 130

Haas, DStR 2000, 212; AG Köln, Beschluss vom 17. 9. 1999 – 71 IN 28/99, ZIP 1999, 1646; Westrick, NZI 2003, 65, 67. 131 Z. B. AG Köln, Beschluss vom 17. 9. 1999 – 71 IN 28/99, ZIP 1999, 1646, 1647 (Nichtanzeige von Forderungen der Gesellschaft gegen ihre Geschäftsführer); siehe auch AG Darmstadt, Beschluss vom 26. 2. 1999 – 9 IN 1/99, ZInsO 1999, 176. 132 AG Darmstadt, Beschluss vom 20. 2. 1999 – 9 IN 1/99, ZIP 1999, 1494, 1495 f.; Wittig, in: MK zur InsO, § 270 Rn. 40. 133 AG Darmstadt, Beschluss vom 26. 2. 1999 – 9 IN 1/99, ZInsO 1999, 176 (für die GmbH). Allgemein: Pape, in: Kübler/Prütting, InsO, § 270 Rn. 13; Wittig, in: MK zur InsO, § 270 Rn. 41. 134 AG Darmstadt, Beschluss vom 26. 2. 1999 – 9 IN 1/99, ZInsO 1999, 176 (Geschäftsführer einer GmbH hatte über Jahre keine Bilanzen erstellt). 135 Westrick, NZI 2003, 65, 67. 136 Siehe schon 1. a) aa) (3), Seite 150. 137 Vgl. Bundesregierung, Begründung zu § 333 RegE InsO (= § 272 InsO), BTDrucks. 12/2443, S. 224, die vom Schuldner „vollen Einsatz“ verlangt. 138 Kapitel 5 B. II. 2. a) cc), Seite 272.

Kap. 3: Voraussetzungen der Anordnung und Beendigung

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einwirken und damit unter Umständen das von den Gläubiger vorgegebene (§§ 157, 270 I 2 InsO) Verfahrensziel blockieren. Die Wahrscheinlichkeit eines solchen Boykotts sollte allerdings nicht überbewertet werden. Zumeist stellt die Eigenverwaltung auch für die Aktionäre die einzige Hoffnung dar, ihre Investition zu retten. Da eine Mitwirkung und Kontrolle durch die übrigen Gesellschaftsorgane ebenso gut auch Gewähr dafür bieten kann, dass sich die Vorstandsmitglieder verfahrenskonform verhalten, sind sie auch nicht generell als ein Nachteil i. S. d. § 270 II Nr. 3 InsO zu betrachten.139 Auf diese Fragen wird noch an anderer Stelle zurückzukommen sein.140 cc) Die Vorlage eines Reorganisationsplans Die Eigenverwaltung ist nach ihrer Zielsetzung und dem gesetzgeberischen Konzept vor allem für die Fortführungsfälle bestimmt. Eine Sanierung des Gesellschaftsunternehmens unter Führung der Aktiengesellschaft kann allerdings nur im Wege eines Insolvenzplans erfolgen (§§ 217 ff. InsO). Es ist daher für die Anordnung der Eigenverwaltung in aller Regel unerlässlich, dass der Vorstand bereits zusammen mit einem – frühzeitigen (§ 18 InsO) – Insolvenzantrag, jedenfalls aber in einem sehr frühen Verfahrensstadium einen Plan vorlegt,141 anhand dessen das Gericht die Ernsthaftigkeit der Sanierungsbemühungen überprüfen kann.142 Neben Sanierungsmaßnahmen auf der Ebene des Unternehmens wird für den Erfolg des Verfahrens zumeist auch eine Umstrukturierung der Aktiengesellschaft selbst, ihre Reorganisation, unverzichtbar sein. Denn als Sanierungsinstrument konkurriert die Eigenverwaltung mit einer übertragenden Sanierung, und die Gläubiger werden in eine Fortführung des Gesellschaftsunternehmens durch die Aktiengesellschaft nur dann einwilligen, wenn auch die Gesellschaft selbst, d. h. ihre Aktionäre, substantielle Sanierungsbeiträge zu leisten bereit sind.143 Die hierfür erforderlichen Maßnahmen auf gesellschaftsrechtlicher Ebene sollten daher schon, soweit dies rechtlich zulässig ist, in den (Reorganisations-)Plan aufgenommen werden. In den übrigen Fällen (z. B. Kapitalerhöhungen) ist es ratsam, die Maßnahmen soweit wie möglich vorzubereiten, unter Umständen etwa bereits bedingte Beschlüsse zu fassen. Auf diese Weise wird die Aktiengesellschaft die Chancen eines Insolvenzverfahrens in Eigenverwaltung erheblich steigern können. ___________ 139

So aber Graf-Schlicker, FS Kirchhof, 135, 147; Prütting/Huhn, ZIP 2002, 777, 779; Huhn, Rn. 629. 140 Kapitel 5 B. II. 2. a) aa) (2) (d) (aa), Seite 248, und (4) (a), Seite 264. 141 Zur Vorlageberechtigung der Vorstandsmitglieder siehe Kapitel 5 A. II. 3., Seite 213. 142 Vgl. AG Darmstadt, Beschluss vom 26. 2. 1999 – 9 IN 1/99, ZInsO 1999, 176. 143 Siehe auch Kapitel 7 A. II. 3., Seite 387.

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2. Teil: Die Anordnung der Eigenverwaltung über das Vermögen einer AG

dd) Austausch von Vorstandsmitgliedern durch Insolvenzfachleute In jüngerer Zeit wurde versucht, auf die Anordnung der Eigenverwaltung dadurch Einfluss zu nehmen, dass kurz vor der Antragstellung speziell für die Durchführung des Verfahrens Teile der Geschäftsleitung gegen Insolvenzspezialisten ausgetauscht wurden (sog. Eigenverwaltungs- oder Insolvenzvorstand). Vor allem bei Großinsolvenzen erfreut sich diese Vorgehensweise steigender Beliebtheit: Erstmals wurde im Jahre 1999 in dem Eigenverwaltungsverfahren über das Vermögen der Philip Holzmann AG144 derart verfahren, später auch bei der Kirch Media GmbH & Co. KGaA,145 der Kirch Beteiligungs GmbH & Co. KG146, der Babcock Borsig AG147 sowie in weiteren prominenten Verfahren.148 Dieses Vorgehen ist auf heftige Kritik gestoßen und wird von vielen für unzulässig erachtet.149 Das gilt namentlich auch für das AG Duisburg in Sachen Babcock Borsig AG, das allerdings wegen „faktischer Präjudizierung

___________ 144 F.A.Z. vom 24. 11. 1999, S. 1 („Schröder will heute mit den Banken über eine Rettung von Holzmann verhandeln“). Zum Vorstand wurde Herr Dr. Görg, Rechtsanwalt in Köln, bestellt. Siehe auch Uhlenbruck, NJW 2002, 3219, 3220; Görg/Stockhausen, FS Metzeler, 105, 111 Fn. 21. 145 AG München, Beschluss vom 14. 6. 2002 – 1502 IN 879/02 (nicht veröffentlicht): Zum Insolvenzvorstand bestellt wurde Wolfgang van Betteray; vgl. auch Uhlenbruck, NJW 2002, 3219, 3220. 146 Görg/Stockhausen, FS Metzeler, 105, 111, die beide zu speziellen Insolvenzgeschäftsführern dieser Gesellschaft bestellt worden sind. 147 Vgl. AG Duisburg, Beschluss vom 1. 9. 2002 – 62 IN 167/02, NZI 2002, 556, [Babcock Borsig]. Zum Vorstandsvorsitzenden wurde der Rechtsanwalt und Insolvenzverwalter Herr Horst Piepenburg bestellt (vgl. Köchling, ZInsO 2003, 53); außerdem wurde die Position des Finanzvorstands durch einen Rechtsanwalt neu besetzt. In mindesten 15 zur Babcock Borsig AG gehörenden Konzerngesellschaften wurden ebenfalls Rechtsanwälte zu Geschäftsführern bestellt (vgl. AG Duisburg, Beschluss vom 1. 9. 2002 – 62 IN 167/02, NZI 2002, 556, 557). 148 BMM GmbH (Ex-Stella): der Antrag auf Eigenverwaltung wurde später zurückgezogen (zitiert nach Frind, ZInsO 2002, 745, 751); Grundig AG: Rechtsanwalt, Wirtschaftsprüfer und Herausgeber des gleichnamigen Kommentars zur Insolvenzordnung Herr Eberhard Braun (F.A.Z. vom 9. 4. 2003, S. 18, „Grundig bereitet sich auf Insolvenz vor“), von der Eigenverwaltung wurde später abgesehen und Herr Braun legte sein Amt nieder (F.A.Z. vom 2. 7. 2003, S. 17, „Trotz Insolvenz: Grundig führt die Geschäfte zunächst fort“); LG Bonn, Beschluss vom 23. 7. 2003 – 6 T 135/03, NZI 2003, 653: RA und WP Ludger Westrick. 149 AG Duisburg, Beschluss vom 1. 9. 2002 – 62 IN 167/02, NZI 2002, 556, 558 f.; Berscheid, FS Kirchhof, 27, 45; Gundlach/N. Schmidt, DStR 2002, 2092; Ringstmeier/Homann, NZI 2002, 406, 408; Hess/Ruppe, NZI 2002, 577, 578; Frind, ZInsO 2002, 745, 751. Für zulässig halten diese Vorgehensweise etwa: Riggert, in: Nerlich/Römermann, InsO, § 270 Rn. 26, vor § 270 Rn. 9; Wittig, in: MK zur InsO, § 270 Rn. 47; Uhlenbruck, FS Metzeler, 85, 97.

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durch die Politik“ die Eigenverwaltung nichtsdestotrotz angeordnet hat.150 Von der Zulässigkeitsproblematik, unten (1), zu unterscheiden ist die Frage, wie eine solche personelle Umstellung mit Hinblick auf die Nachteilsprognose des § 270 II Nr. 3 InsO zu bewerten ist, unten (2). (1) Zur Zulässigkeit dieser Vorgehensweise (a) Erfordernis personeller Kontinuität Nach Auffassung des AG Duisburg kommt die Anordnung der Eigenverwaltung in diesen Fällen nicht in Betracht, da es an der für § 270 II Nr. 3 InsO erforderlichen personellen Kontinuität151 fehle. Die Eigenverwaltung setze gedanklich voraus, dass die Vermögensverwaltung nach Verfahrenseröffnung im Wesentlichen von denselben Personen wahrgenommen werde, die sie auch zu Beginn der Krise ausgeübt haben, da nur so die Kenntnisse und Erfahrungen des Schuldners aus seiner bisherigen Geschäftstätigkeit für die Interessen der Gläubiger nutzbar gemacht werden können.152 Es sei daher mit dem Zweck der Eigenverwaltung unvereinbar, dass die Bewältigung der Insolvenz externen vom Schuldner ausgewählten Sanierungs- und Insolvenzfachleuten überlassen werde, die, ohne über nennenswerte unternehmens- oder branchenbezogenen Kenntnisse und Erfahrungen zu verfügen, erst in der Krise in eine Führungsposition berufen worden sind und die für ihre Aufgabe keine wesentlich anderen Fähigkeiten als die eines tüchtigen Insolvenzverwalters vorzuweisen haben.153 Ein derartiges Erfordernis lässt sich allerdings weder dem Wortlaut des § 270 II Nr. 3 InsO oder der §§ 270 ff. InsO entnehmen, die einheitlich nur auf „den Schuldner“, also die insolvente Aktiengesellschaft abstellen,154 noch der Entstehungsgeschichte der Eigenverwaltung.155 Wenn es in der Gesetzesbegründung heißt, die Eigenverwaltung bezwecke die Nutzung der „Kenntnisse ___________ 150

AG Duisburg, Beschluss vom 1. 9. 2002 – 62 IN 167/02, NZI 2002, 556, 558 f.; zur berechtigten Kritik etwa Uhlenbruck, NJW 2002, 3219, 3220. 151 Davon zu unterscheiden ist der Gesichtspunkt der Kontinuität der Unternehmensführung (dazu Bärenz, NZI 2003, 655, 656), die – auch nach der Gesetzesbegründung – einen wesentlichen für die Anordnung der Eigenverwaltung streitenden Aspekt darstellt, vgl. Kapitel 1 A. II., Seite 35. 152 AG Duisburg, Beschluss vom 1. 9. 2002 – 62 IN 167/02, NZI 2002, 556, 558; zustimmend Berscheid, FS Kirchhof, 27, 45. 153 AG Duisburg, Beschluss vom 1. 9. 2002 – 62 IN 167/02, NZI 2002, 556, 559. 154 Vgl. zur dieser Wortlautauslegung Kapitel 5 B. II. 2. a) aa) (1), Seite 243. 155 Zu diesem Ergebnis kommt auch Köchling, ZInsO 2003, 53, 55.

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2. Teil: Die Anordnung der Eigenverwaltung über das Vermögen einer AG

und Erfahrungen der bisherigen Geschäftsleitung“156, so können mit „Geschäftsleitung“ nicht bloß die Mitglieder des Geschäftsleitungsorgans (§ 76 AktG) gemeint sein. Denn da es sich beim Schuldner auch um eine natürliche Person handeln kann, muss der Begrifft in einem allgemeinen Sinne verstanden werden: Er umfasst die Gesamtheit der mit dem Geschäftsverkehr der Schuldnergesellschaft betrauten Personen (das „Management“). Die Notwendigkeit strenger personeller Kontinuität kann auch nicht aus dem Zweck der Eigenverwaltung abgeleitet werden. Die besonderen Erfahrungen, Kontakte und Kenntnisse des Schuldners, um deren Nutzung willen die Eigenverwaltung angeordnet wird, verteilen sich bei mittelständischen und großen Unternehmen157 auf eine Vielzahl von Personen in den verschiedenen Abteilungen und Führungsebenen.158 Und auch die Geschäftsführung (der Vorstand) selbst besteht aus mehreren Personen. Der Austausch von einzelnen Mitgliedern der Geschäftsleitung – und sei es auch der Vorstandsvorsitzende – führt daher nicht zu einem Fortfall eben dieser speziellen Fähigkeiten. Das belegt auch der häufig anzutreffende und sogar branchenübergreifende Wechsel von Spitzenführungskräften, der vielleicht sogar die Annahme rechtfertigt, dass die Führung eines Unternehmens umso eher ausgetauscht werden kann, je größer das Unternehmen ist.159 Die Annahme des AG Duisburg, die Eigenverwaltung erfordere zwangsläufig eine solche Kontinuität, ist daher nicht zutreffend. Sie ist auch im Übrigen abzulehnen. Denn eine derart strenge personelle Kontinuität bedeutete, dass die Eigenverwaltung a priori auch dann ausgeschlossen wäre, wenn die Schuldnergesellschaft vor Verfahrenseröffnung gezwungen war, Organmitglieder z. B infolge Inhaftierung160, Krankheit oder Tod auszuwechseln. Dasselbe gälte in den praktisch sehr häufigen161 Fällen, in denen das Management vor Insolvenzreife in der Erwartung ausgetauscht worden ist, dieses werde den erhofften „turn-around“ vollbringen. Es ist daher praxisfremd zu verlangen, dass die Zusammensetzung der Geschäftsleitung während ___________ 156

Bundesregierung, vor § 331 RegE InsO (= § 270 InsO), BT-Drucks. 2443, S. 223. Hervorhebung durch den Verfasser. 157 Die personelle Kontinuität gewinnt umso größere Bedeutung, je geringer die Anzahl der verantwortlichen Personen eines Unternehmens ist. Bei kleinen und kleinen mittelständischen Unternehmen erscheint es daher durchaus möglich, dass die Ersetzung einzelner Personen den Verlust von für die Eigenverwaltung wesentlichen Kompetenzen zur Folge hat, die durch die Nachfolger nicht (ausreichend) kompensiert werden können. Eine pauschale Festlegung verbietet sich indes. 158 Köchling, ZInsO 2003, 53, 55; Förster, ZInsO 2003, 402, 403; Smid, DZWIR 2002, 493, 496 spricht sogar von einer „Organisation kollektiver Kompetenz“. 159 Vgl. auch Förster, ZInsO 2003, 402, 403. 160 Ebenso Smid, DZWIR 2002, 493, 495 f. 161 Uhlenbruck, NZI 2001, 632, 633.

Kap. 3: Voraussetzungen der Anordnung und Beendigung

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der Krise eingefroren bleibt.162 Außerdem würden personelle Umstellungen, die die außergerichtliche Abwendung der Insolvenz bezwecken, sonst zugleich die Voraussetzungen für eine spätere gerichtliche Sanierung im Wege der Eigenverwaltung zunichte machen. Das vom AG Duisburg geforderte Kriterium der Kontinuität stellte sich in diesem Fall sogar als Sanierungshindernis dar. (b) Unabhängigkeit des Insolvenzvorstandes Darüber hinaus hat das AG Duisburg seine Ablehnung auf das Argument gegründet, auf diese Weise werde das Kriterium der Unabhängigkeit (§§ 57 S. 3, 56 InsO) umgangen, da es sich letztlich um eine Fremdverwaltung im Kostüm der Eigenverwaltung handele.163 Das kann nicht überzeugen. Es kann schon von einer unzulässigen Umgehung der §§ 57 S. 3, 56 InsO keine Rede sein, weil es vom Gesetz in keiner Weise verboten ist, Veränderungen der Geschäftleitung vorzunehmen und anschließend die Eigenverwaltung zu beantragen.164 Soweit das Gericht eine Anwendung des in §§ 57 S. 3, 56 InsO normierten Unabhängigkeitskriteriums auf den Insolvenzvorstand anzudeuten sucht165, muss dem widersprochen werden. Denn der zum Organmitglied berufene Insolvenzfachmann wird gerade nicht als Insolvenzverwalter166, sondern als gesetzlicher Vertreter der Schuldnergesellschaft tätig167 und muss daher ebenso wenig wie die Schuldnergesellschaft selbst die Unabhängigkeit eines Insolvenzverwalters aufweisen.168 ___________ 162

In den U.S.A., wo die Eigenverwaltung nach Chapter-11 die Regel ist, wurden bei Insolvenzverfahren börsennotierter Unternehmen in den 80er Jahren über 90% der in der Geschäftsführung verantwortlichen Personen im Zusammenhang mit der Insolvenz gegen eine neues Management ausgetauscht (Wittig, NZI 1998, 49, 50). 163 Vgl. AG Duisburg, Beschluss vom 1. 9. 2002 – 62 IN 167/02, NZI 2002, 556, 559 [Babcock Borsig]; ähnlich Graf-Schlicker, FS Kirchhof, 135, 146. 164 So auch Braun, NZI 2003, 588, 589. 165 Insoweit ist die Aussage des AG Duisburg, Beschluss vom 1. 9. 2002 – 62 IN 167/02, NZI 2002, 556, 559 [Babcock Borsig] ebenfalls unklar, „das Kriterium der Unabhängigkeit als Element der Eignung (§§ 57 S. 3, 56 InsO) [könne] nicht dadurch außer Kraft gesetzt werden, dass der bloßen äußeren Form nach Eigenverwaltung beantragt und angeordnet wird“. 166 Vom Ansatz her deshalb schon reichlich unpräzise: Graf-Schlicker, FS Kirchhof, 135, 146, der zufolge der Schuldner „einen Insolvenzverwalter in die Geschäftsleitung beruft“; Hess, InsR, Rn. 293, nach dem „die Auswahl des Insolvenzverwalters vom Insolvenzgericht auf die Gesellschafter verlagert“ werde. 167 Im Besonderen wird der Vorstand entgegen verbreiteter Ansicht auch nicht zum „Eigenverwalter“ bestellt, sondern die Gesellschaft selbst ist Trägerin der eigenverwaltungsspezifischen Rechte und Pflichten, vgl. dazu ausführlich Kapitel 5 B. II., insbesondere dort 2. a) cc), Seite 272. 168 Ähnlich Prütting, FS Kirchhof, 433, 437.

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2. Teil: Die Anordnung der Eigenverwaltung über das Vermögen einer AG

Die Befürchtung einer Umgehung ist auch deshalb nicht gerechtfertigt, weil die nach § 270 II Nr. 3 InsO anzustellende Prognose mittelbar dazu führt, dass auch der Eigenverwaltungsvorstand einer Unabhängigkeitskontrolle unterliegt, die in gewissem Umfang mit der bei einem Insolvenzverwalter zu vergleichen ist: Ein Insolvenzverwalter muss nach § 56 I InsO sowohl vom Schuldner wie auch von den Gläubigern unabhängig sein.169 Die Unabhängigkeit vom Schuldner soll sicherstellen, dass im Insolvenzverfahren die Interessen der Gläubiger vor die des Schuldners (bzw. seiner Gesellschafter) gestellt werden. Auch vom eigenverwaltenden Schuldner wird ein solches Verhalten verlangt (§ 1 InsO), jedoch spricht bei der Nachteilsprognose (§ 270 II Nr. 3 InsO) die Vermutung gegen ihn, dass er dazu in der Regel nicht geeignet ist.170 Diese Vermutung zu entkräften, ist meistens der Zweck der Einsetzung eines Insolvenzfachmanns.171 Besteht aber die Gefahr, dass diese Person der Schuldnergesellschaft zu nahe steht172, bleibt die Vermutung unwiderlegt und das Insolvenzgericht muss die Anordnung ablehnen. In der Praxis werden die Beteiligten daher in der Regel von sich aus eine übermäßige Schuldnernähe vermeiden. Die Unabhängigkeit des Insolvenzverwalters von den Gläubigern soll deren Gleichbehandlung gewährleisten. Da bei der Prognose des § 270 II Nr. 3 InsO die Nachteile für jeden einzelnen Gläubiger abgeschätzt werden müssen, verbietet sich die Anordnung der Eigenverwaltung ebenfalls, wenn die Schuldnergesellschaft, vertreten durch den Eigenverwaltungsvorstand, einseitig die Interessen einzelner Gläubiger zu verfolgen droht. Hier besteht im Besonderen die Gefahr, dass einzelne Hauptgläubiger unter Ausnutzung ihres Einflusses auf die Schuldnergesellschaft den von ihnen gewünschten Kandidaten nebst den sie und ihre Sicherungsrechte begünstigenden Sanierungsplan durchsetzen.173 In dieser Hinsicht hat das Gericht die Unparteilichkeit besonders gründlich zu überprüfen, weil es einzelnen Insolvenzgläubigern nur äußerst eingeschränkt möglich ist, die Aufhebung der Eigenverwaltung im Nachhinein zu bewirken (§§ 272 I, II InsO).

___________ 169

Zum Begriff der Unabhängigkeit des Insolvenzverwalters siehe näher GrafSchlicker, FS Kirchhof, 135 ff. 170 Vgl. etwa die Bundesregierung, vor § 331 RegE InsO, BT-Drucks. 12/2443, S. 222. 171 Dazu unten (2) (c), Seite 172. 172 Z. B. LG Bonn, Beschluss vom 23. 7. 2003 – 6 T 135/03, NZI 2003, 653, 655: Der Insolvenzgeschäftsführer war als Steuerberater mit der Sache vorbefasst und hatte kurz vor dem Eröffnungsantrag einen erheblichen Honorarvorschuss erhalten. 173 Diese Gefahr sieht Frind, ZInsO 2002, 745, 752.

Kap. 3: Voraussetzungen der Anordnung und Beendigung

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Im Ergebnis ist daher der Eigenverwaltungsvorstand im Rahmen des § 270 II Nr. 3 InsO mittelbar an einem ähnlichen Unabhängigkeitsmaßstab zu messen wie ein Insolvenzverwalter nach § 56 I InsO.174 Bei begründeten Anzeichen für eine übermäßige Parteilichkeit sollte das Gericht Sicherungsmaßnahmen schon im Eröffnungsverfahren anordnen,175 und ggf. von der Anordnung ganz absehen. (c) Umgehung des richterlichen Erstbenennungsrechts Gegen die Einsetzung eines Insolvenzvorstandes wird des Weiteren eingewendet, sie nehme in unzulässigerweise Einfluss auf die Auswahl der aktiv im Verfahren handelnden Personen und umgehe die Befugnis des Gerichts, einen Insolvenzverwalter zu bestimmen.176 Auch diese Kritik ist unbegründet. Eine unzulässige Beeinflussung des Gerichts liegt nicht vor, da es sich lediglich um die Ausübung einer für sich zulässigen insolvenzrechtlichen (Eigenverwaltungsantrag) und einer gesellschaftsrechtlichen (Berufung in die Geschäftsleitung) Maßnahmen handelt, die nur aufgrund ihrer Verbindung nicht unzulässig werden können. Durch sie wird weder das Anordnungsermessen (§ 270 II InsO) noch die Unabhängigkeit des Gerichts beschnitten. Denn wenn Missbrauchsgefahr besteht, ist das Gericht in keiner Weise gehindert, von der Anordnung der Eigenverwaltung gem. § 270 II Nr. 3 InsO abzusehen. Das Bestreben, die Einsetzung des vom Insolvenzgericht präferierten Insolvenzverwalters abzuwenden, kann aber für sich genommen kein von der Insolvenzordnung missbilligtes Verhalten darstellen, weil ein solches Recht für die Gläubigerversammlung in § 271 S. 1 InsO ausdrücklich normiert ist.177 Vor allem aber gibt es in den Fällen der Eigenverwaltung gar kein Ernennungsrecht des Insolvenzgerichts. Denn wenn die Voraussetzungen für ihre Anordnung gegeben sind, ist das Gericht gerade nicht berechtigt, einen Insolvenzverwalter zu benennen.178

___________ 174 So im Ergebnis auch Frind, ZInsO 2002, 745, 752; Bork, EWiR § 21 InsO 3/03, 871, 872, „er müsse als externer Insolvenzverwalter in Betracht kommen“. 175 Etwa LG Bonn, Beschluss vom 23. 7. 2003 – 6 T 135/03, NZI 2003, 653. 176 AG Duisburg, Beschluss vom 1. 9. 2002 – 62 IN 167/02, NZI 2002, 556, 559; Gundlach/N. Schmidt, DStR 2002, 2092; Ringstmeier/Homann, NZI 2002, 406, 408; Hess/Ruppe, NZI 2002, 577, 578; Frind, ZInsO 2002, 745, 751; wohl auch Rattunde, ZIP 2003, 2103, 2106. 177 Uhlenbruck, NJW 2002, 3219, 3220; Vallender, in: Die GmbH in Krise, Sanierung und Insolvenz, Rn. 1730. 178 Riggert, in: Braun, InsO, § 270 Rn. 6.

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2. Teil: Die Anordnung der Eigenverwaltung über das Vermögen einer AG

(2) Wirkungen im Einzelfall (a) Dauer des Verfahrens Ein wesentlicher Vorzug der Eigenverwaltung gegenüber einem regulären Verfahren liegt in der Einsparung der Einarbeitungszeit eines Fremdverwalters.179 Freilich muss sich auch ein zum Eigenverwaltungsvorstand bestellter Insolvenzfachmann zunächst einarbeiten, so dass dieser Zeitvorteil entfallen könnte.180 Es ist jedoch zu berücksichtigen, dass sich aufgrund des insolvenzrechtlichen Sachverstands dieser Person die Zeitspanne, die die bisherige Geschäftsleitung benötigte, um sich in das Insolvenzrecht einzuarbeiten, gänzlich erübrigt oder zumindest wesentlich verkürzt.181 Außerdem können durch eine entsprechende Aufgabenverteilung182 zwischen dem Insolvenzvorstand und den übrigen Vorstandsmitgliedern unter Umständen Synergieeffekte freigesetzt werden. Das lässt vermuten, dass die Einbindung eines Insolvenzfachmanns vielfach sogar zu einer Beschleunigung des Verfahrens führen wird. Doch selbst wenn es zu einer Verzögerung gegenüber einem Eigenverwaltungsverfahren unter Beibehaltung der bisherigen Geschäftsleitung kommen sollte, liegt darin jedenfalls keine Verzögerung im Sinne des § 270 II Nr. 3 Alt. 1 InsO. Denn dafür ist ein Regelverfahren mit Insolvenzverwalter Vergleichsmaßstab.183 Eine durch die Einbindung eines Insolvenzvorstands verursachte Verlängerung des Verfahrens könnte also nur dann bei der Nachteilsprognose des § 270 II Nr. 3 InsO Berücksichtigung finden, wenn zu erwarten ist, dass das Eigenverwaltungsverfahren länger dauern wird als das reguläre Verfahren. Davon ist aber für den Normalfall ebenfalls nicht auszugehen. Denn es ist nichts ersichtlich, warum sich ein Insolvenzverwalter grundsätzlich schneller in ein Unternehmen einarbeiten können sollte als der Eigenverwaltungsvorstand. Auch eine nicht unübliche Vorbefassung des Insolvenzverwalters im Eröffnungsverfah-

___________ 179

Vgl. Bundesregierung, vor § 331 RegE InsO, BT-Drucks. 12/2443, S. 223. Riggert, in: Braun, InsO, § 270 Rn. 8. 181 Nach Weis, in: Hess, InsO, § 270 Rn. 55 ist sogar regelmäßig eine Verzögerung i. S. d. § 270 II Nr. 3 InsO zu erwarten, wenn der Schuldner über keinerlei insolvenzrechtliche Kenntnisse verfügt, da er in einem solchen Fall kaum zu einer geordneten Verfahrenabwicklung in der Lage sein dürfte. 182 Kapitel 5 E., Seite 345. 183 Siehe oben b) aa), Seite 159. 180

Kap. 3: Voraussetzungen der Anordnung und Beendigung

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ren184 kann dadurch kompensiert werden, dass der Insolvenzfachmann, was in der Praxis durchaus gängig ist,185 bereits einige Wochen vor der Verfahrenseröffnung in die Geschäftsleitung bestellt wird. Auf diese Weise können vorbereitende Maßnahmen186 unter fachmännischer Leitung schon im Vorfeld der Eigenverwaltung angegangen werden, was gerade für den Erfolg eines Sanierungskonzeptes von großem Wert ist.187 (b) Kosten des Verfahrens Die Bestellung eines Insolvenzvorstands belastet das Gesellschaftsvermögen regelmäßig auch nicht mit höheren Kosten und bedeutet somit keinen sonstigen Nachteil i. S. d. § 270 II Nr. 3 Alt. 2 InsO. Denn einerseits wird die an diese Person zu zahlende Vergütung dadurch aufgewogen, dass Teile der Altgeschäftsführung freigesetzt werden, und andererseits entfällt die – mitunter auch nicht unerhebliche188 – Vergütung des Insolvenzverwalters. Aufgrund der Einbringung insolvenzrechtlicher Fachkenntnisse können außerdem häufig separate Kosten für die Inanspruchnahme einer externen Beratung eingespart werden,189 die auch ein Insolvenzverwalter in Anspruch zu nehmen berechtigt oder gar verpflichtet ist.190

___________ 184

Ein für das Eröffnungsverfahren bestellter vorläufiger Insolvenzverwalter (§§ 21 II Nr. 1, 22 InsO) wird häufig auch zum Insolvenzverwalter im eröffneten Verfahren benannt. 185 Im Insolvenzverfahren der Babcock Borsig AG wurde die Bestellung (9. 7. 2002) knapp sieben Wochen vor dem Eröffnungsbeschluss (1. 9. 2002) vorgenommen, vgl. AG Duisburg, NZI 2002, 556, 557. Bei der Kirch Media wurde der spätere Insolvenzvorstand ca. fünf Wochen vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens als externer Berater in die Sanierungsbemühungen eingebunden, vgl. DIE WELT vom 26. 2. 2002, S. 11 („Drei Berater sollen Kirch helfen“); DIE WELT vom 9. April 2002, S. 11 („Erfahrene Sanierer führen Kirch Media weiter“). 186 Z. B. die Umstellung der Geschäftsordnung und der Vertretungsregelungen; Neuordnung der Vorstandskompetenzen; Abstimmung mit Betriebsrat und Belegschaft sowie Konzerngesellschaften. 187 Vgl. Rattunde, ZIP 2003, 2103, 2108. 188 Für die Durchführung des Eröffnungsverfahrens in Sachen Dornier wurden beispielsweise 4,9 Mio. € bezahlt, vgl. F.A.Z. vom 15. 4. 2003, S. 21 („Vermarkter in eigener Sache“). 189 Görg/Stockhausen, FS Metzeler, 105, 110. 190 Lüke, in: Kübler/Prütting, InsO, § 60 Rn. 39; Brandes, in: MK zur InsO, § 60 Rn. 92.

172

2. Teil: Die Anordnung der Eigenverwaltung über das Vermögen einer AG

(c) Vertrauensbildende Maßnahme Durch die Insolvenz des schuldnerischen Unternehmens ist das Vertrauen der Gläubiger in das unternehmerische Geschick des Managements grundlegend erschüttert. Dieses Management mit der Fortführung und Sanierung des Unternehmens zu betrauen, begegnet daher dem Vorbehalt, „den Bock zum Gärtner“ zu machen. Die Ersetzung eines Teils der Geschäftsleitung durch unabhängige191 Insolvenzfachleute hat sich in der Praxis als besonders geeignet erwiesen, das Vertrauen der Gläubiger in das Management und die Vorteilhaftigkeit der Eigenverwaltung (zurück-)zu gewinnen.192 Das belegen auch die positiven Reaktionen in der Presse eindrucksvoll.193 Folgende Aspekte spielen dabei eine Rolle: Der mit der Neubesetzung von Vorstandspositionen verbundene „frische Wind“ verspricht die Aufbrechung verkrusteter Strukturen und eine Neuorientierung an der Unternehmensspitze, die erhoffen lässt, dass in der Vergangenheit begangene Fehler nicht wiederholt werden. Von einem unabhängigen Dritten ist auch eher eine schonungslose Analyse der Insolvenzursachen zu erwarten, die in Verbindung mit einem darauf abgestimmten Sanierungskonzept (Insolvenzplan) gerade der Hoffnungsträger für die Gläubiger sein kann, ihr eingesetztes Kapital nicht vollständig zu verlieren.194 Die Akkumulation von insolvenzrechtlicher Fachkompetenz in der Unternehmensspitze gewährleistet die Einhaltung der insolvenzrechtlichen Regelungen und eine sachgerechte Verfahrensabwicklung, wozu die bisherige Geschäftsleitung angesichts des teilweise recht komplizierten Insolvenzrechts nur unter großen Mühen195 in der Lage sein wird. Sie stellt darüber hinaus sicher, dass die Umorientierung des Unternehmens von den Gesellschafter- auf die

___________ 191

Vgl. soeben (1) (b), Seite 167. Der Makel der Abhängigkeit vom Schuldner zerstört natürlich jedes Vertrauen der Gläubiger in die Sanierungsfähigkeit des Schuldners; zu weitgehend aber Förster, ZInsO 2003, 402, 403 f. 192 Uhlenbruck, NJW 2002, 3219, 3220; Braun, in: Braun/Uhlenbruck, Unternehmensinsolvenz, S. 695. 193 Beispielsweise F.A.Z. vom 24. 11. 1999, S. 29 („Philipp Holzmann strebt Eigenverwaltung an“); F.A.Z. vom 25. 11. 1999, S. 20 („Oft wirken Insolvenzverwalter im Verborgenen“); FAZ vom 27. 12. 2002, S. 16 („gefragter Notarzt“); F.A.Z. vom 29. 3. 2003, S. 20 („Das deutsche Insolvenzrecht“); DIE WELT online vom 6. 4. 2003 („Grundig stellt Weichen für Insolvenz“); F.A.Z. vom 9. 4. 2003, S. 18 („Grundig bereitet sich auf Insolvenz vor“). 194 Braun, in: Braun/Uhlenbruck, Unternehmensinsolvenz, S. 695. 195 Vgl. Görg/Stockhausen, FS Metzeler, 105, 113 bezweifeln, dass insolvenzgerechte Abwicklung durch kaufmännische und technische Vorstände gewährleistet ist.

Kap. 3: Voraussetzungen der Anordnung und Beendigung

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Gläubigerinteressen (§ 1 InsO) gelingt.196 Sie hilft also insgesamt, eine Benachteiligung der Gläubiger zu verhindern.197 Eine besondere Gewähr für die ordnungsgemäße Tätigkeit des Insolvenzvorstandes bietet der Umstand, dass dieser in der Regel nur für die Dauer des Eigenverwaltungsverfahrens, also von vorneherein nur „auf Zeit“ bestellt wird.198 Es ist deshalb unwahrscheinlich, dass diese Person durch die Verfolgung eigennütziger Interessen – wie etwa der Verschleierung von Managementfehlern bzw. Vermögensverschiebungen oder der Sicherung der persönlichen Zukunft im Unternehmen – das Insolvenzverfahren zum Nachteil der Gläubiger gefährdet.199 Die Einschaltung von Sanierungsexperten läst schließlich den ernsthaften Willen der Schuldnergesellschaft erkennen, das Unternehmen einer Sanierung zuzuführen. (3) Ergebnis Die Einwechslung eines Insolvenzfachmanns in den Vorstand der Aktiengesellschaft steht der späteren Anordnung der Eigenverwaltung nicht prinzipiell entgegen, sondern es ist in jedem Einzelfall zu überprüfen, ob sich hieraus ein Nachteil im Sinne des § 270 II Nr. 3 InsO ergibt. Im Regelfall wird eine solche Maßnahme aber weder zu einer Verzögerung im Sinne dieser Vorschrift noch zu höheren Kosten führen. Vielmehr lässt sich so insolvenzrechtliche und unternehmensbezogene Fachkompetenz in einer Weise vereinigen, die üblicherweise weder in einem regulären Verfahren mit Insolvenzverwalter noch in einem Eigenverwaltungsverfahren unter der bisherigen Geschäftsleitung zu erzielen ist. Darin liegt eine große Chance, das Verfahren zum Vorteil aller Beteiligten optimal zu gestalten. Ein solches Vorgehen ist deshalb insbesondere bei Großinsolvenzen zu empfehlen.200 ___________ 196

Görg/Stockhausen, FS Metzeler, 105, 113. Uhlenbruck, NJW 2002, 3219, 3220; ders., in: Uhlenbruck, InsO, § 270 Rn. 19. 198 Beispiel: Eberhard Braun legte sein Amt als „Eigenverwaltungsvorstand“ der Grundig AG kurz nach der Rücknahme des Eigenverwaltungsantrags wieder nieder, vgl. F.A.Z. vom 2. 7. 2003, S. 17 („Trotz Insolvenz: Grundig führt die Geschäfte zunächst fort“). 199 Ein Gegenbeispiel: Dem zum Insolvenzgeschäftsführer berufene ehemalige Steuerberater war kurz vor Stellung des Eröffnungsantrags (mit Eigenverwaltungsantrag) ein erhebliches Honorar vorgeschossen worden. Hier hat das LG Bonn, Beschluss vom 23. 7. 2003 – 6 T 135/03, NZG 2003, 1168, 1170 zu Recht eine Interessenkollision angenommen und darauf ein allgemeines Verfügungsverbot erlassen. 200 Positiv äußern sich auch: Buchalik, NZI 2000, 294, 296; Görg/Stockhausen, FS Metzeler, 105, 111; Haarmeyer/Wutzke/Förster, Kap. 10 Rn. 3; Landfermann, in: HK zur InsO, vor §§ 270 ff. Rn. 7; Riggert, in: Nerlich/Römermann, InsO, § 270 Rn. 26, vor § 270 Rn. 9; Uhlenbruck, FS Metzeler, 85, 97; Wittig, in: MK zur InsO, § 270 Rn. 47. 197

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2. Teil: Die Anordnung der Eigenverwaltung über das Vermögen einer AG

ee) Sonstige Umstände Bestehen Gesamtschadensansprüche der Gläubiger (§ 92 InsO) gegen Aktionäre, Vorstands- oder Aufsichtsratsmitglieder, bedeutet dies für sich genommen noch keinen Nachteil i. S. d. § 270 II Nr. 3 InsO.201 Das folgt nicht zuletzt aus einem Umkehrschluss zu § 280 InsO, der die Geltendmachung dieser Ansprüche in der Eigenverwaltung dem Sachwalter zuweist. Etwas anderes gilt freilich, wenn die Gesellschaftsorgane diese Ansprüche zu verheimlichen oder gar zu vereiteln suchen,202 was äußerst sorgfältig zu überprüfen ist. Dabei ist ein allgemeines Misstrauen sicherlich angebracht. Um einer negativen Bewertung durch das Insolvenzgericht vorzubeugen, sollte daher stets ein Austausch derjenigen Vorstands- und Aufsichtsratsmitgliedern erwogen werden, bei denen eine Haftung i. S. d. § 92 InsO nicht auszuschließen ist (z. B. wegen Insolvenzverschleppung gem. §§ 823 II BGB i. V. m. § 92 II AktG). Dadurch wird Konfliktpotential beseitigt und die Zusammenarbeit zwischen Sachwalter und Gesellschaftsorganen erheblich entlastet, die für den Erfolg des Verfahrens von großer Bedeutung ist. Entsprechendes gilt, wenn gem. §§ 129 ff. InsO anfechtbare Handlungen der Gesellschaft, wie etwa Leistungen auf eigenkapitalersetzende Aktionärsdarlehen (§ 135 InsO), vorhanden sind,203 da von einer Anfechtung oftmals Personen betroffen werden, die der Gesellschaft oder den Organmitgliedern nahe stehen. Die Rückforderung derartiger Leistungen obliegt dabei ebenfalls dem Sachwalter (§§ 143, 280 I 2 InsO). Demgegenüber kann die Anordnung der Eigenverwaltung von Vorteil sein, wenn es sich bei der insolventen Gesellschaft um eine Konzernmutter handelt und die Aufrechterhaltung der Konzernstrukturen für eine Sanierung des Unternehmens oder für die Abwicklung bestehender Verträge erforderlich ist.204 Denn nach der hier vertretenen Auffassung werden in der Eigenverwaltung die konzernrechtlichen Weisungsbefugnisse aus § 308 I AktG nicht suspendiert, ___________ 201

So auch AG Köln, Beschluss vom 17. 9. 1999 – 71 IN 28/99, ZIP 1999, 1646; äußerst kritisch aber Pape, in: Kübler/Prütting, InsO, § 270 Rn. 32, § 280 Rn. 2. 202 Westrick, NZI 2003, 65, 68; Ringstmeier/Homann, NZI 2002, 406, 409; Blersch, in: BK zur InsO, § 270 Rn. 14; AG Köln, Beschluss vom 17. 9. 1999 – 71 IN 28/99, ZIP 99, 1646, 1647. 203 Ebenso Westrick; NZI 2003, 65, 68; a. A. (stets ein Nachteil i. S. d. § 270 II Nr. 3 InsO): Weis, in: Hess, InsO, § 270 Rn. 63; Pape, in: Kübler/Prütting, InsO, § 280 Rn. 3; kritisch auch Foltis, in: FK zur InsO, § 270 Rn. 40. 204 I. E. auch Vallender, in: Die GmbH in Krise, Sanierung und Insolvenz, Rn. 1730; Uhlenbruck, NJW 2002, 3219, 3220; zu weitgehend Ehricke, ZInsO 2002, 393, 396, der insolvente Unternehmen eines Konzerns in Eigenverwaltung gemeinschaftlich durch einen sog. „Masterplan“ sanieren will. Den Fortbestand konzernrechtlicher Weisungen hatte auch die Babcock Borsig AG für die Anordnung der Eigenverwaltung ins Feld geführt, ist damit aber durch das zuständige Insolvenzgericht nicht gehört worden, vgl. AG Duisburg, Beschluss vom 1. 9. 2002 – 62 IN 167/02, NZI 2002, 556, 559.

Kap. 3: Voraussetzungen der Anordnung und Beendigung

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wohingegen dies für das reguläre Insolvenzverfahren von der überwiegenden Auffassung mit der Begründung angenommen wird, dass eine konzernrechtliche Leitungsmacht mit der unabhängigen Stellung des Insolvenzverwalters (§ 56 InsO) nicht zu vereinbaren sei.205 Eine Bedingung für den Fortbestand der Weisungsmacht ist jedoch, dass die Tochtergesellschaft selbst solvent bleibt. Denn ihre Weisungsgebundenheit endet mit der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über ihr eigenes Vermögen richtigerweise selbst dann, wenn dieses in Eigenverwaltung durchgeführt wird.206 Schließlich kann die bei Aktiengesellschaften übliche Fremdgeschäftsführung für ein Eigenverwaltungsverfahren förderlich sein. Diese bietet, ungeachtet des Fortbestands gesellschaftsrechtlicher Bindungen, die Gewähr, dass die Geschäftsleitung gegenüber den Eigentümern unabhängiger ist als im Falle einer Personengesellschaft; das gilt insbesondere für Großunternehmen.207 c) Darlegungs- und Feststellungslast Gemäß § 5 I InsO gilt im Insolvenzverfahren der Grundsatz der Amtsermittlung; das Gericht ist deshalb auch verpflichtet, die (negativen) materiellen Voraussetzungen des § 270 II Nr. 3 InsO von Amts wegen festzustellen.208 Sowohl aus der negativen Formulierung des § 270 II Nr. 3 InsO wie auch der Gesetzesbegründung ergibt sich, dass die Anordnung der Eigenverwaltung zu unterbleiben hat, wenn sich die zugunsten der Eigenverwaltung streitenden Umstände nicht feststellen lassen. 209 Insoweit trägt also der Schuldner die Feststellungslast.210 Es liegt daher in seinem eigenen Interesse, bei der Antragstellung alle ___________ 205

Siehe dazu ausführlich Kapitel 5 B. I. 1. b), Seite 234. Zur Eigenverwaltung einer beherrschten Gesellschaft Kapitel 5 B. II. 2. d) cc), Seite 287. 207 Wittig, in: MK zur InsO, vor §§ 270–285 Rn. 23; a. A. offenbar Landfermann, in: HK zur InsO, vor §§ 270 ff. Rn. 7; Pape, in: Kölner Schrift, S. 895 ff. Rn. 5. 208 Uhlenbruck, in: Uhlenbruck, InsO, § 270 Rn. 14; Wittig, in: MK zur InsO, § 270 Rn. 33; Vallender, WM 1998, 2129, 2131; Breuer, InsR, Rn. 431; Schlegel, S. 75; a. A. AG Potsdam, Beschluss vom 7. 6. 2000 – 35 IN 224/00, DZWIR 2000, 343; Riggert, in: Nerlich/Römermann, InsO, § 270 Rn. 22; wohl auch AG Darmstadt, Beschluss vom 20. 2. 1999 – 9 IN 1/99, ZIP 1999, 1494, 1496. Anders auch noch die Begründung der Bundesregierung (zu § 331 RegE InsO, BT-Drucks. 12/2443, S. 223), nach der besondere Nachforschungen dem Gericht ausdrücklich nicht auferlegt wurden. Nach den durch den Rechtsausschuss vorgenommenen Änderungen geht dieser aber auch von einer Nachforschungspflicht des Gerichts aus (vgl. Begründung zu § 331 BeschlussE InsO, BTDrucks. 12/7302, S. 185). 209 Vgl. Rechtsausschuss, Begründung zu § 331 II BeschlussE InsO, BT-Drucks. 12/7302, S. 185; so auch AG Darmstadt, Beschluss vom 20. 2. 1999 – 9 IN 1/99, ZIP 1999, 1494, 1495. 210 Wittig, in: MK zur InsO, § 270 Rn. 37; Schlegel, S. 75. 206

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2. Teil: Die Anordnung der Eigenverwaltung über das Vermögen einer AG

für die Anordnung der Eigenverwaltung sprechenden Umstände vorzutragen. Das gilt umso mehr, als diese zumeist aus ihrer Sphäre stammen, in die das Gericht sonst nur schwerlich Einblick erhalten kann. Insoweit ist es richtig zu sagen, dass dem Schuldner der Vortrag derartiger Umstände obliege211, ihn also die „Darlegungslast“212 treffe. Dabei handelt es sich aber nicht um eine Darlegungslast im Sinne der zivilprozessualen Behauptungslast; denn für diese ist nach den allgemeinen Regeln nur in einem Verfahren mit Beibringungsgrundsatz Raum,213 zu denen das Anordnungsverfahren aber nicht zählt. 4. Entscheidung des Gerichts Dem Eigenverwaltungsantrag wird ohne separaten Beschluss stattgegeben, indem die Eigenverwaltung im Eröffnungsbeschluss angeordnet wird (§ 270 I 1 InsO). Demgegenüber kann die Ablehnung des Antrags sowohl im Eröffnungsbeschluss wie auch davor durch separaten Beschluss ergehen.214 Problematisch ist allerdings, ob der ablehnende Beschluss durch die Schuldnergesellschaft angefochten werden kann. In Betracht kommt zuerst seine isolierte Anfechtung. Nach § 6 I InsO unterliegt eine Entscheidung des Insolvenzgerichts nur dann der sofortigen Beschwerde, wenn dies ausdrücklich im Gesetz vorgesehen ist; das ist in den §§ 270 ff. InsO indessen nicht geschehen. Auch § 34 I, II InsO hilft hier nicht weiter: Direkt betrifft diese Vorschrift nur die Anfechtung des Eröffnungsbeschlusses (§ 27 InsO), und für eine analoge Anwendung mangelt es wegen des in § 6 I InsO niedergelegten Grundsatzes der Nichtanfechtbarkeit an einer planwidrigen Regelungslücke.215 Die Entscheidung über den Eigenverwaltungsantrag kann daher nicht selbstständig angefochten werden.216 Möglicherweise kann die Entscheidung aber im Rahmen der Anfechtung des Eröffnungsbeschlusses nach § 34 II InsO überprüft werden. Das wird von der überwiegenden Auffassung vor allem mit dem Argument verneint, dass sich wegen des Ausschlusses der isolierten Anfechtbarkeit eine Anfechtung der Ent___________ 211

AG Potsdam, Beschluss vom 7. 6. 2000 – 35 IN 224/00, DZWIR 2000, 343. Wittig, in: MK zur InsO, § 270 Rn. 34; Berscheid, FS Kirchhof, 27, 44; aber Vallender, WM 1998, 2129, 2133. 213 Rosenberg/Schwab/Gottwald, § 114 Rn. 39. 214 AG Darmstadt, Beschluss vom 20. 2. 1999 – 9 IN 1/99, ZIP 1999, 1494, 1495; Foltis, in: FK zur InsO, § 270 Rn 13. 215 Schlegel, ZIP 1999, 954, 956. 216 Ganz h. M.: LG Mönchengladbach, Beschluss vom 20. 12. 2002 – 5 T 439/01, NZI 2003, 152; Berscheid, FS Kirchhof, 27, 45; Wittig, in: MK zur InsO, § 270 Rn. 117; Breuer, InsR, Rn. 431; Uhlenbruck, ZInsO 2003, 821, 822; Koch, S. 132; Landfermann, in: HK zur InsO, § 270 Rn. 18; Smid, Grundzüge, § 28 Rn. 31. 212

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scheidung auch dann verbiete, wenn der Eröffnungsbeschluss insgesamt angegriffen wird.217 Außerdem sei der Schuldner nicht beschwert.218 Dagegen beruft sich vor allem Uhlenbruck auf die rechtliche Einheit des Insolvenzeröffnungsbeschlusses und der Anordnung oder Ablehnung der Eigenverwaltung.219 Die Tatsache, dass über diese nach § 270 I 1 InsO zusammen entschieden werden müsse, ließe den Schluss zu, dass auch hinsichtlich der Rechtsmittelfähigkeit eine Differenzierung nicht gewollt sei.220 Deshalb könne die Entscheidung über die Eigenverwaltung durch die Beschwerde gegen den Eröffnungsbeschluss nach §§ 270 I 2, 34 II InsO überprüft werden. Eine derartige rechtliche Einheit ist jedoch nicht zu erkennen. Dass gem. § 270 I 1 InsO die Anordnung der Eigenverwaltung nur im Eröffnungsbeschluss erfolgen kann, ist nicht Ausdruck der rechtlichen Einheit zwischen diesen beiden, sondern soll lediglich gewährleisten, dass die Wirkungen einheitlich eintreten können221; es soll vermieden werden, dass es zu einem (unnötigen) nachträglichen Wechsel der Verfügungsbefugnis (wie bei § 271 InsO) kommt, der mit viel Aufwand und Rechtsunsicherheit für den Geschäftsverkehr verbunden ist. Die Unabhängigkeit der Entscheidungen wird vor allem bei der Ablehnung des Eigenverwaltungsantrags evident, weil diese ja auch in einem separaten Beschluss vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgen kann.222 In diesem Fall wäre die isolierte Anfechtung des separaten Beschlusses grundsätzlich (vgl. soeben) ausgeschlossen. Da zudem auch die Anfechtung des später, also nach dem separaten Beschluss, ergangenen Eröffnungsbeschlusses wegen der Ablehnung der Eigenverwaltung stets mangels Beschwer ausscheiden würde, da dieser Beschluss hinsichtlich der Eigenverwaltung überhaupt keine Sachentscheidung mehr enthielte, käme es zu unterschiedlichen Anfechtungsmöglichkeiten. Dieses Ergebnis ist untragbar. Die Anordnung oder Ablehnung der Eigenverwaltung ist daher weder isoliert noch gemeinsam mit dem Eröffnungsbeschluss anfechtbar.

___________ 217 Häsemeyer, InsR, Rn. 8.09; Koch, S. 132; Pape, in: Kübler/Prütting, InsO, § 270 Rn 22 (Ausnahme: Abweisung mangels Masse und keine Entscheidung über Eigenverwaltung). 218 LG Mönchengladbach, Beschluss vom 20. 12. 2002 – 5 T 439/02, NZI 2003, 152. 219 Uhlenbruck, ZInsO 2003, 821, 822; ders., NJW 2002, 3219, 3220; ähnlich Foltis, in: FK zur InsO, § 270 Rn. 15 („notwendiger Bestandteil“). 220 Uhlenbruck, ZInsO 2003, 821, 822. 221 Häsemeyer, InsR, Rn. 8.07. 222 AG Darmstadt, Beschluss vom 20. 2. 1999 – 9 IN 1/99, ZIP 1999, 1494, 1495; Foltis, in: FK zur InsO, § 270 Rn. 13; Häsemeyer, InsR, Rn. 8.07.

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2. Teil: Die Anordnung der Eigenverwaltung über das Vermögen einer AG

III. Die Anordnung der Eigenverwaltung nach § 271 InsO Alternativ kann die Eigenverwaltung gem. § 271 InsO auch noch nach dem Eröffnungsbeschluss angeordnet werden, wenn sie von der ersten Gläubigerversammlung beantragt wird und ein Eigenverwaltungsantrag der Schuldnergesellschaft (§ 270 II Nr. 1 InsO) zuvor abgelehnt worden ist.223 Weitere materielle Anordnungsvoraussetzungen bestehen nicht; insbesondere kommt es nicht auf eine Gläubigerbenachteiligung wie bei § 270 II Nr. 3 InsO an. Liegen diese Voraussetzungen vor, ist das Insolvenzgericht gebunden, die Eigenverwaltung anzuordnen.224

B. Voraussetzungen der Beendigung I. Aufhebung der Eigenverwaltung gem. § 272 InsO Die Eigenverwaltung als solche kann gem. § 272 InsO beendet werden. Nach dieser Vorschrift hebt das Insolvenzgericht die Anordnung der Eigenverwaltung gem. § 272 I InsO auf, wenn dies von der Gläubigerversammlung (Nr. 1), von einem absonderungsberechtigten Gläubiger bzw. einem Insolvenzgläubiger (Nr. 2) oder von der Schuldnergesellschaft selbst beantragt wird (Nr. 3). In diesem Fall wird das Verfahren in das reguläre Insolvenzverfahren übergeleitet und ein Insolvenzverwalter bestellt, bei dem es sich auch um den ehemaligen Sachwalter handeln kann (§ 272 III InsO). 1. Aufhebung auf Antrag der Schuldnergesellschaft Der Antrag der Schuldnergesellschaft wird durch ihren Vorstand gestellt. In Ermangelung abweichender Regelungen in der Insolvenzordnung sind dafür die gesellschaftsrechtlichen Vertretungsregeln maßgeblich.225 Insbesondere kann die Antragsberechtigung auch nicht auf jedes einzelne (ggf. nur gesamtvertretungsberechtigte) Organmitglied mit der Überlegung erweitert werden, dass die Mitwirkung sämtlicher Mitglieder des Vertretungsorgans in der Regel unerlässlich ist für das Gelingen der Eigenverwaltung226 und die Eigenverwaltung we___________ 223

Insoweit ist auf die Ausführungen unter II. 1., Seite 144 ff., zu verweisen. Wittig, in: MK zur InsO, § 271 Rn. 19. 225 Dasselbe gilt für das eröffnete Eigenverwaltungsverfahren, vgl. Kapitel 5 A. II. 4., Seite 214. 226 Bundesregierung, Begründung zu § 333 RegE InsO (= § 272 InsO), BT-Drucks. 12/2443, S. 224. 224

Kap. 3: Voraussetzungen der Anordnung und Beendigung

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gen eines Dissenses in der Geschäftsleitung sogar nach § 270 II Nr. 3 InsO abgelehnt werden kann.227 Denn einerseits würde man dadurch dem einzelnen Gesamtvertreter mehr Rechtsmacht zugestehen als hinsichtlich der Rücknahme des Eigenverwaltungsantrags228 und andererseits haben es die Gläubiger nach § 270 II Nr. 1 und 2 InsO selbst in der Hand, die Eigenverwaltung bei drohenden Nachteilen zu beenden, so dass sie dieses Schutzes nicht bedürfen. 2. Aufhebung auf Antrag eines Gläubigers Beantragt ein Gläubiger gem. § 272 I Nr. 2 InsO die Aufhebung, muss er den Wegfall der Voraussetzungen des § 270 II Nr. 3 InsO glaubhaft (§ 295 ZPO i. V. m. §§ 4, 270 I 2 InsO) machen, und gem. § 272 II 2 InsO i. V. m. § 10 InsO229 sind die die Vorstandsmitglieder der Schuldnergesellschaft anzuhören. Es liegt an ihnen, die Darlegungen des Gläubigers durch eine Gegenglaubhaftmachung zu erschüttern und dadurch eine Fortsetzung des Eigenverwaltungsverfahrens zu gewährleisten. Das gilt umso mehr, als hier missbräuchliche oder zumindest querulatorische Anträge drohen.230 Dem Gläubiger steht gegen die ablehnende, der Schuldnergesellschaft gegen die stattgebende Entscheidung über den Antrag nach § 272 I Nr. 2 InsO das Recht der sofortigen Beschwerde (§ 6 I InsO) zu.231 Hier gilt ebenfalls, dass die Vorstandsmitglieder die Beschwerde der Schuldnergesellschaft nur in vertretungsberechtigter Zahl erheben können.232 In den übrigen Fällen des § 272 I InsO ist die Entscheidung unanfechtbar. II. Allgemeine Beendigungsgründe Zu einem Ende kommt das Eigenverwaltungsverfahren auch – und das ist die Regel233 – in allen Fällen, in denen das Insolvenzverfahren als Ganzes eingestellt oder aufgehoben wird (§ 270 I 2 InsO). ___________ 227

Dazu oben A. II. 3. c) bb), Seite 162. A. 1. b) bb), Seite 154. 229 Das folgt im Umkehrschluss zu § 10 II InsO, der voraussetzt, dass die zur Vertretung des Schuldners berechtigten Personen angehört werden, wenn es sich bei diesem um keine natürliche Person handelt. I. E. auch Becker, in: Nerlich/Römermann, InsO, § 10 Rn. 5; Schmerbach, in: FK zur InsO, § 10 Rn. 10. 230 Riggert, in: Nerlich/Römermann, InsO, § 272 Rn. 3. 231 Vgl. § 272 II 3 InsO; Wittig, in: MK zur InsO, § 270 Rn 40. 232 Zur Fortgeltung der Vertretungsregeln in Bezug auf die Antragsrechte im Schuldnerbereich siehe allgemein Kapitel 5 A. II. 4., Seite 214. 233 Vgl. Haarmeyer/Wutzke/Förster, Kap. 10 Rn. 27. 228

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2. Teil: Die Anordnung der Eigenverwaltung über das Vermögen einer AG

Einstellungsgründe sind die Masselosigkeit (§ 207 InsO) und die Masseinsuffizienz234 (§ 211 InsO) sowie – auf Antrag der Schuldnergesellschaft – der Wegfall des Eröffnungsgrundes (§ 212 InsO235) und die Zustimmung der Gläubiger (§ 213 InsO). In den beiden letztgenannten Fällen ist wiederum zu überlegen, wem die Antragsbefugnis in der Aktiengesellschaft zustehen soll. Entgegen entsprechender Vorschläge des Regierungsentwurfs236 sind jedenfalls nicht die Aktionäre antragsbefugt.237 Außerdem ist der weit verbreiteten Auffassung238 zu widersprechen, die einen Antrag durch sämtliche Vorstandsmitglieder für erforderlich hält und dies mit der angeblich jedem einzelnen von ihnen zukommenden „Schuldnerrolle“ begründet;239 dazu sei auf das fünfte Kapitel verwiesen.240 Vielmehr geben auch hier die gesellschaftsrechtlichen Vertretungsregeln den Ausschlag; Vorstandsmitglieder müssen also in vertretungsberechtigter Zahl den Antrag nach §§ 212, 213 InsO stellen.241 Die Vorstandsmitglieder müssen für eine Einstellung nach § 212 InsO glaubhaft machen, dass die Schuldnergesellschaft auf absehbare Zeit ausreichend Mittel hat, um ihren Geschäftsbetrieb ohne die erneute Gefahr eines Insolvenzantrags aufrechtzuerhalten, was etwa durch Bürgschaften, Rangrücktritte, Patronatserklärungen der

___________ 234

Die gem. § 285 in der Eigenverwaltung durch den Sachwalter anzuzeigen ist. Zum Nachweis der Behauptung einer juristischen Person, der Eröffnungsgrund der Überschuldung (§ 19 InsO) sei entfallen siehe Weis, in: Hess, InsO, § 212 Rn. 23; Pape, in: Kübler/Prütting, InsO, § 212 Rn. 6 (allein die Behauptung, eine positive Fortführungsprognose liege vor, genügt nicht). 236 § 325 RegE InsO, BT-Drucks. 12/2443, S. 60 sah noch ein Antragsrecht der an dem Schuldner beteiligten Personen vor, vor allem zu dem Zweck, Konzernmuttergesellschaften eines insolventen Unternehmens die Einstellung des Verfahrens zu ermöglichen, nachdem gegenüber den Gläubigern Garantien übernommen worden sind (vgl. ebenda S. 221). Die Regelung wurde durch den Rechtsausschuss zur Verfahrensvereinfachung gestrichen (Begründung zu § 234 f BeschlussE InsO, BT-Drucks. 12/7302, S. 181). 237 Vgl. auch OLG Naumburg, Beschluss vom 17. 4. 2001 – 5 W 29/01, ZInsO 2001, 810. 238 Etwa Pape, in: Kübler/Prütting, InsO, § 212 Rn. 3 und § 213 Rn. 2; Hefermehl, in: MK zur InsO, § 212 Rn. 7 und § 213 Rn. 4; Weis, in: Hess, InsO, § 213 Rn. 5; unklar hingegen dies., in: Hess, InsO, § 212 Rn 16; Frege/Keller/Riedel, Rn. 1808; Uhlenbruck, in: Uhlenbruck, InsO, § 212 Rn. 3 und § 213 Rn. 3; siehe auch die Nachweise unten Kapitel 5 A. II. 2., Seite 212, Fußnote 71. 239 Vgl. insbesondere Pape, in: Kübler/Prütting, InsO, § 212 Rn. 3; Uhlenbruck, in: Uhlenbruck, InsO, § 212 Rn. 3. 240 Kapitel 5 A. II. 2., Seite 212. 241 Im Ergebnis ebenfalls Landfermann, in: HK zur InsO, § 212 Rn. 3 und § 213 Rn. 3; auch schon Kilger/K. Schmidt, InsG, § 202 KO Anm. 2 a cc. 235

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Muttergesellschaft, unbedingte Kapitalerhöhungserklärungen und dergleichen geschehen kann.242 Schließlich kann das Insolvenzgericht das Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung nach Vollziehung der Schlussverteilung (§ 200 InsO) oder nach Bestätigung eines Insolvenzplans (§ 258 InsO) aufheben. Da die Eigenverwaltung hauptsächlich in den Fortführungsfällen in Betracht kommt, wird § 258 InsO den häufigsten Beendigungstatbestand darstellen, weil eine Fortführung durch die Aktiengesellschaft nur im Rahmen eines Insolvenzplans vereinbart werden kann (vgl. § 217 InsO). Wird das Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung gem. §§ 212, 213 InsO eingestellt oder gem. § 258 InsO aufgehoben, kann die Gesellschaft gem. § 274 II Nr. 1 InsO durch Beschluss der Hauptversammlung fortgesetzt und ihr Gesellschaftszweck damit vollständig243 wieder auf eine werbende Tätigkeit ausgerichtet werden.

C. Ergebnisse Die Erörterungen in diesem Kapitel haben im Wesentlichen zu den folgenden Ergebnissen geführt: 1. § 15 InsO ist auf den Antrag nach § 270 II Nr. 1 InsO weder unmittelbar noch über § 270 I 2 InsO noch analog anwendbar. Die Vorstandsmitglieder müssen den Eigenverwaltungsantrag somit in vertretungsberechtigter Zahl stellen. Dasselbe gilt für seine Rücknahme. 2. Die Nachteilsprognose des § 270 II Nr. 3 InsO ist auf die gesamte (potentielle) Dauer des Eigenverwaltungsverfahrens zu erstrecken. 3. Die Einwechslung eines Insolvenzexperten in den Vorstand steht der Anordnung der Eigenverwaltung nicht prinzipiell entgegen. Sie bedeutet in aller Regel auch keinen Nachteil i. S. d. § 270 II Nr. 3 InsO.

___________ 242

Vgl. OLG Celle, Beschluss vom 7. 9. 2000 – 2 W 69/00, ZInsO 2000, 558, 559; Kilger/K. Schmidt, InsG, § 16 GesO Anm. 1d; Haarmeyer/Wutzke/Förster, Kap. 8 Rn. 148 ff. 243 Durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens in Eigenverwaltung wurde der Gesellschaftszweck partiell durch § 1 S. 1 überlagert, vgl. Kapitel 2 B. II. 2. b) cc), Seite 128.

Kapitel 4

Besondere Fragen der Anordnung der Eigenverwaltung A. Die Funktionsteilung zwischen Sachwalter und Gesellschaftsorganen Die nach allgemeiner Ansicht im regulären Insolvenzverfahren vorzunehmende Dreiteilung der Funktionsbereiche von Insolvenzverwalter und Gesellschaftsorganen in Verdrängungs-, Schuldner- und Überschneidungsbereich1 kann auf das Eigenverwaltungsverfahren nicht unbesehen übertragen werden. Denn die sonst dem Insolvenzverwalter im Verdrängungsbereich zustehenden Aufgaben und Befugnisse werden hier zwischen Schuldnergesellschaft und Sachwalter aufgegliedert. Die Abgrenzung der Funktionsbereiche muss vielmehr unter Berücksichtigung der Besonderheiten der Eigenverwaltung neu vorgenommen werden. I. Sachwalterverdrängungsbereich Zunächst gibt es einen schmalen Bereich der Alleinzuständigkeit des Sachwalters. Dieser ist in einigen wenigen Fällen dazu berufen, Ersatzansprüchen der Gesellschaft geltend zu machen, und zwar gegen Aktionäre wegen des Empfangs verbotener Leistungen (§ 62 II 2 AktG), gegen Vorstands- oder Aufsichtsratsmitglieder wegen der Verletzung ihrer Pflichten (§ 93 V 4 AktG, § 116 AktG), gegen Dritte wegen des Missbrauchs ihres Einflusses auf die Gesellschaft (§ 117 V 3 AktG), und schließlich gegen die gesetzlichen Vertreter eines herrschenden Unternehmens wegen pflichtwidriger Weisungen (§ 309 IV 5 AktG). Insoweit wird der Sachwalter anstelle der Aktiengesellschaft tätig und verdrängt somit – wie der Insolvenzverwalter im regulären Verfahren – die sonst bei ihren Organen Vorstand (§ 76 I AktG) oder Aufsichtsrat (§ 112 AktG)

___________ 1

Siehe hierzu bereits eingehend Kapitel 2 A., Seite 101.

Kap. 4: Besondere Fragen der Anordnung der Eigenverwaltung

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liegende Zuständigkeit vollständig.2 Darauf gerichtete Rechtshandlungen der Organe sind wegen Kompetenzüberschreitung gem. §§ 81, 270 I 2 InsO unwirksam. Die Verdrängung erfasst aber auch solche Befugnisse, die mit dem ausdrücklich dem Sachwalter zugewiesenen Rechtskreis in unmittelbaren Zusammenhang stehen, wie beispielsweise die Bestellung eines besonderen Vertreters gem. § 147 II, III AktG sowie – allerdings nur partiell – die Bestellung eines Sonderprüfers gem. § 142 I AktG.3 Um diesen Bereich terminologisch vom Verdrängungsbereich des Regelinsolvenzverfahrens abzugrenzen, ist er als Sachwalterverdrängungsbereich zu bezeichnen. In die Alleinzuständigkeit des Sachwalters fallen darüber hinaus noch einige weitere Kompetenzen, die jedoch – wie etwa die Insolvenzanfechtung gem. §§ 280, 129 ff. InsO – vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht als eigene Rechtspositionen der Gesellschaft oder ihrer Organe bestanden, so dass diesbezüglich auch nicht von einer Verdrängung gesprochen werden kann.4 Soweit auch sie in diese Einteilung einbezogen werden sollen – was aber regelmäßig auch nicht hinsichtlich des Verdrängungsbereichs im Falle eines regulären Verfahrens geschieht –, wäre daher der Begriff „Sachwalterbereich“ vorzuziehen. II. Schuldnerbereich Grundsätzlich unverändert gegenüber dem regulären Verfahren bleibt der Schuldnerbereich5, weil das diesen Bereich kennzeichnende Merkmal des fehlenden Massebezuges von der Verfahrensart unabhängig ist. Die Gesellschaftsorgane sind daher alleinzuständig für die Wahrnehmung der der Aktiengesellschaft in ihrer Eigenschaft als Schuldnerin zugewiesenen Verfahrensrechte und -pflichten, für die Verwaltung des insolvenzfreien Vermögens und für die Ausübung der innerverbandlichen Organisationsmaßnahmen. Freilich werden die Verfahrensrechte in diesem Bereich teils um spezielle Antrags- (z. B. § 272 I Nr. 3 InsO) und Beschwerderechte (z. B. § 272 II 3 InsO) ergänzt, teils durch ___________ 2 Vgl. Bundesregierung, Begründung zu Art. 45 Nr. 2 RegE EGInsO, BT-Drucks. 12/3802, S. 84; ebenso Hüffer, AktG, § 93 Rn. 35; ders., in: MK zum AktG, § 264 Rn. 81. Insoweit irrt daher Uhlenbruck, FS Kirchhof, 479, 500, wenn er meint, im Rahmen der Verfahrensdurchführung gebe es für das Schuldnerunternehmen [korrekterweise: Schuldnergesellschaft, Anm. des Verfassers] keinen Verdrängungsbereich wie etwa in der Regelinsolvenz. 3 Kapitel 7 Β. I. 2. a), Seite 401. 4 Hierzu zu zählen sind ferner die Überwachungs- und Einsichtsrechte (§ 274 InsO), die schon ihrer Natur nach keine „ehemaligen“ Kompetenzen der Schuldnergesellschaft darstellen können, ebenso wie die Mitwirkungsrechte des Sachwalters gem. §§ 275 ff. InsO. 5 H.-F. Müller, S. 105 ff. spricht anschaulich vom „verbandsautonomen Bereich“.

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2. Teil: Die Anordnung der Eigenverwaltung über das Vermögen einer AG

parallele Kompetenzen im Eigenverwaltungsbereich verdrängt,6 teils bleiben sie aber auch neben solchen parallelen Zuständigkeiten bestehen (z. B. § 218 I InsO neben § 284 I InsO).7 III. Eigenverwaltungsbereich Nicht ohne Schwierigkeiten lassen sich dagegen die eigenverwaltungsspezifischen Rechte und Pflichten des Schuldners einordnen. Schließt man sich der in der Literatur überwiegend vertretenen Ansicht an, dass in der Eigenverwaltung einer juristischen Person diese Rechte und Pflichten auf deren Geschäftsleitungsorgan wie einem Insolvenzverwalter, d. h. unter Ausschluss gesellschaftsrechtlicher Mitwirkungsbefugnisse der übrigen Organe übertragen werden,8 wäre dieser Bereich ebenfalls durch eine Verdrängung von Organkompetenzen gekennzeichnet.9 In Wahrheit ist dieser Aufgabenkreis allerdings der Schuldnergesellschaft selbst in ihrer Funktion als Eigenverwalterin zugewiesen und verteilt sich im Innenverhältnis auf deren Organe nach der aktienrechtlichen Kompetenzordnung,10 so dass insoweit kein gesellschaftsrechtlicher Verdrängungsbereich existiert.11 Trotzdem können diese Rechte und Pflichten nicht dem Schuldnerbereich zugeordnet werden. Zwar besteht hier im Grundsatz ebenfalls eine Alleinzu___________ 6 Z. B. wird das Recht zur Stellungnahme im Berichtstermin (§ 156 II 1 InsO), das im regulären Verfahren zum Schuldnerbereich zu zählen ist, dadurch verdrängt, dass in der Eigenverwaltung der Schuldner gem. § 281 II 1 InsO selbst den Bericht zu erstatten hat (i. E. ebenso Schlegel, S. 285). 7 So bleibt etwa das Planinitiativrecht des § 218 I 1 InsO neben dem des § 284 I InsO sowie das Widerspruchsrecht der §§ 178 ff. InsO, um die Wirkungen des § 201 II InsO auszuschalten, neben dem des § 283 I InsO bestehen und kann auch jeweils unterschiedlich ausgeübt werden (Uhlenbruck, in: Uhlenbruck, InsO, § 270 Rn. 18; Häsemeyer, InsR, Rn. 8.16 (allerdings nicht als „Amtswalter“); a. A. Landfermann, in: HK zur InsO, § 283 Rn. 5; Pape, in: Kölner Schrift, S. 895 ff. Rn. 50; Wittig, in: MK zur InsO, § 283 Rn. 11. 8 Kapitel 5 B. II. 1. a), Seite 239. 9 Diese sog. Theorie der Verdrängung schriebe letztlich die Einteilung in Verdrängungs- und Insolvenzschuldnerbereich unmodifiziert fort (so zutreffend Noack, ZIP 2002, 1873, 1876). Von einem Fortbestehen der für das Regelverfahren geltenden Dreiteilung geht etwa Riggert, in: Nerlich/Römermann, InsO, § 270 Rn. 15a aus (der allerdings – wohl versehentlich – weiter von einem Insolvenzverwalter spricht). 10 Zur Widerlegung der Theorie der Verdrängung siehe unten ausführlich Kapitel 5 B. II. 2. a), Seite 243. 11 So zutreffend Uhlenbruck, FS Kirchhof, 479, 498 und 500; a. A. aber anscheinend ders., FS Metzeler, 85, 95. Unzutreffend deshalb und auch begrifflich widersprüchlich Schlegel, S. 193, 195, 201, dem zufolge – ohne Anhänger der Theorie der Verdrängung zu sein – die Geschäftsführer einer GmbH in der Eigenverwaltung im Verdrängungsbereich tätig werden (S. 195). Siehe dazu auch Kapitel 5 B. II. 2. c) aa), Seite 276.

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ständigkeit der Gesellschaftsorgane. Das gilt insbesondere für diejenigen Fälle, in denen ein Einvernehmen mit dem Sachwalter hergestellt werden soll (§§ 275 I 1, 279 S. 2, 282 II InsO), weil es sich hierbei nur um eine im Innenverhältnis wirksame Verpflichtung, nicht um eine Wirksamkeitsvoraussetzung handelt.12 Die Alleinzuständigkeit der Gesellschaftsorgane wird allein im Umfang des § 277 InsO und des § 279 S. 3 InsO aufgehoben, die die Rechtsmacht der Gesellschaft mit Außenwirkung begrenzen.13 Im Unterschied zum Schuldnerbereich beziehen sich die eigenverwaltungsspezifischen Rechte und Pflichten jedoch auf die vom Insolvenzbeschlag erfasste Insolvenzmasse, so dass die Gesellschaftsorgane bei ihrer Wahrnehmung einer Bindung an § 1 S. 1 InsO, den Mitwirkungsrechten der §§ 275 ff. InsO sowie allgemein der Überwachung und Kontrolle durch den Sachwalter (§ 274 II InsO) unterliegen. Außerdem erfahren die Gesellschaftsorgane einen Kompetenzzuwachs insoweit, als die Schuldnergesellschaft mit den speziellen insolvenzrechtlichen Befugnissen der §§ 279 S. 1, 282 I 1, 283 I 1 InsO ausgestattet wird. Dieser eigenverwaltungsspezifische Bereich, in dem die Organe der Schuldnergesellschaft eine Vielzahl der sonst dem Insolvenzverwalter im regulären Verfahren obliegenden Rechte und Pflichten ausüben, soll im Folgenden als „Eigenverwaltungsbereich“ bezeichnet werden. IV. Überschneidungsbereich Schließlich ist auch in der Eigenverwaltung ein Überschneidungsbereich auszumachen, sogar in zweifacher Hinsicht. Zunächst besteht eine gemeinschaftliche Zuständigkeit von Sachwalter und den Organen der Schuldnergesellschaft bei denjenigen Rechtsgeschäften, deren Vornahme gem. § 277 InsO unter einen Zustimmungsvorbehalt zugunsten des Sachwalters gestellt ist und die daher weder durch die Gesellschaftsorgane noch durch den Sachwalter ohne die Mitwirkung des jeweils anderen wirksam vorgenommen werden können. Dasselbe gilt für die Rechte aus §§ 120, 122, 126 InsO, die gem. § 279 S. 3 InsO nur mit Zustimmung des Sachwalters wirksam ausgeübt werden können.14 Dieser Bereich ist allein in dem Merkmal der gemeinschaftlichen Zuständigkeit mit dem Überschneidungsbereich des regulären Verfahrens zu vergleichen.15 ___________ 12

Dasselbe gilt für die Mitwirkung des Gläubigerausschusses gem. § 276 InsO, §§ 276 I 2, 164 InsO. 13 Siehe dazu unten IV., Seite 185 (sog. Überscheidungsbereich). 14 Bundesregierung, Begründung zu § 340 RegE InsO (= § 279 InsO), BT-Drucks. 12/2443, S. 225; Wittig, in: MK zur InsO, § 279 Rn. 13. 15 Der maßgebliche Unterschied liegt darin, dass der Überschneidungsbereich im regulären Verfahren verbandsinterne Maßnahmen (also des Schuldnerbereichs) betrifft,

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Davon zu unterscheiden sind diejenigen Maßnahmen, die im regulären Verfahren dem Überschneidungsbereich zuzuordnen sind, die also den gesellschaftsrechtlichen Zuständigkeitsbereich betreffen, aber geeignet sind, die Insolvenzmasse zu schmälern, und die deshalb die Zustimmung sowohl des Insolvenzverwalters als auch der Gesellschaftsorgane erfordern,16 z. B. die Veräußerung teileingezahlter vinkulierter Namensaktien (§ 68 AktG). In der Eigenverwaltung fällt indessen die sonst durch den Insolvenzverwalter wegen des Massebezugs zu erteilende Zustimmung nunmehr in den Eigenverwaltungsbereich. Demzufolge ist zur Vornahme einer solchen Rechtshandlung die Zustimmung der Gesellschaft, vertreten durch ihre Organe, sowohl in ihrer Funktion als Schuldnerin, als auch in ihrer Funktion als „Eigenverwalterin“ erforderlich. Man könnte insoweit vielleicht von einem Pseudo-Überschneidungsbereich sprechen. Obwohl dieses Ergebnis merkwürdig anmutet, kann das Erfordernis einer doppelten Zustimmung allerdings trotzdem nicht, etwa mit Hinweis auf den Vorrang der Gläubigerbefriedigung (§ 1 S. 1), der die Schuldnergesellschaft im Eigenverwaltungsbereich verhaftet ist,17 übergangen werden. Denn es sind hier Belange der Gesellschaft betroffen, die gerade nicht dem Insolvenzbeschlag unterliegen: So führte beispielsweise die Veräußerung teileingezahlter vinkulierter Namensaktien zu einem Wechsel im Gesellschafterbestand und damit zu einem Eingriff in die gesellschaftsrechtlichen Verhältnisse, der aber nach der amtlichen Begründung ausdrücklich nicht durch das insolvenzrechtliche Instrumentarium bewirkt werden soll.18 Anders als im regulären Verfahren hat diese Frage allerdings keine Auswirkungen im Außenverhältnis, sondern betrifft nur das Innenverhältnis der Gesellschaftsorgane zur Gesellschaft auf der einen und zu den Insolvenzgläubigern auf der anderen Seite. So dürfen beispielsweise teileingezahlte vinkulierte Namensaktien (§ 68 AktG)19 von den Gesellschaftsorganen nicht veräußert werden, wenn dies zwar im Interesse der Gläubiger geboten ist, aber Belange der Gesellschaft entgegenstehen und umgekehrt. Eine nichtsdestotrotz vorgenommene Veräußerung ist jedoch nach außen wirksam, weil sie von der Rechtsmacht der Gesellschaftsorgane als gesetzliche Vertreter der Gesellschaft, in ihrer Funktion als Schuldnerin und als Eigenverwalterin, gedeckt ist.

___________ die potentiell nachteilige Auswirkungen auf die Insolvenzmasse haben können, wohingegen es hier um eine Beschränkung des dem Eigenverwaltungsbereich zuzuordnenden Verfügungsrechts geht. 16 Vgl. Kapitel 2 A. III., Seite 106. 17 Kapitel 5 III. 1. a), Seite 289 und Kapitel 1 C. I. 2. a) bb) (4) (b), Seite 61. 18 Bundesregierung, Begründung RegE InsO, BT-Drucks. 12/2443, S. 83. 19 Siehe hierzu auch Kapitel 2 A. III., Seite 106.

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B. Das Finanzierungsproblem Werden die Gesellschaftsorgane in dem ihnen verbliebenen Wirkungsbereich tätig, z. B. bei der Wahl eines Organmitglieds oder der Umsetzung einer Reorganisationsmaßnahme, so sind dafür finanzielle Mittel von zum Teil erheblichem Umfang erforderlich. Man denke nur an die Durchführung der Hauptversammlung einer größeren Aktiengesellschaft,20 die leicht mehrere zehntausend Euro21 kosten kann. Während jedoch außerhalb eines Insolvenzverfahrens für diese Kosten die Aktiengesellschaft selbstverständlich selbst aufkommen muss, ist ihr dies in einem regulären Insolvenzverfahren in aller Regel unmöglich, weil das gesamte Gesellschaftsvermögen dem Insolvenzbeschlag unterliegt (§ 35 InsO) und die Gesellschaft, die ihr Verwaltungs- und Verfügungsrecht an den Insolvenzverwalter verloren hat (§ 80 I InsO), keine Masseforderungen begründen kann. Anderseits existiert zumeist auch kein insolvenzfreies Gesellschaftsvermögen, jedenfalls aber kein werthaltiges, aus dem die erforderlichen Mittel aufgebracht werden könnten. Eine gesetzliche Regelung, wer diese Kosten zu tragen hat, existiert nicht. Damit droht das völlige Erliegen der gesellschaftsinternen Organisation. Es besteht die Gefahr, dass sowohl eine Willensbildung als auch die Wahrnehmung der Mitwirkungs-, Beschwerdeund Antragsrechte im Interesse der Gesellschaft faktisch unmöglich wird. An diesem Finanzierungsproblem ändert auch die Anordnung der Eigenverwaltung nichts. Zwar kann die Gesellschaft in diesem Verfahren über die Masse verfügen (§ 270 I 1 InsO), doch darf sie ihr Verfügungsrecht nur im Interesse der Gläubiger ausüben (§ 1 S. 1 InsO), so dass sich das Problem lediglich auf das Innenverhältnis und die Frage verlagert, ob die Gesellschaft die Insolvenzmasse für diese Zwecke einzusetzen befugt ist. I. Meinungsstand In der Literatur hat diese Thematik bisher kaum Beachtung gefunden; zudem beziehen sich die wenigen Ausführungen ausschließlich auf das reguläre Ver___________ 20

Kosten fallen hier beispielsweise für die Einberufung (§ 121 III AktG), die Bekanntmachung der Tagesordnung (§ 124 AktG), die Anmietung einer Tagungsstätte, die Erstellung der erforderlichen Unterlagen etc. an. 21 Eine zufällige Zusammenstellung mag einen Eindruck von der Größenordnung vermitteln (Quelle: Internet): TAG AG: 244.000 € (betriebliche Aufwendungen für die Hauptversammlung, Geschäftsbericht 2001, S. 60); Röder AG: 50.000 € (Rückstellung für die Kosten der Hauptversammlung, Geschäftsbericht 2003, S. 20); Berliner Effektengesellschaft AG: 88.000 € (Kosten der Hauptversammlung 2003, Geschäftsbericht 2003, S. 45); freenet.de AG: 204.000 € (Kosten der Hauptversammlung 2001, Geschäftsbericht 2001, S. 56); PrimaCom AG: 135.000 € (Kosten der Hauptversammlung und der Erstellung der Geschäftsberichte, Jahresabschluss und Lagebericht 2003, S. 7).

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fahren. Während Götker22 die Kosten, die aus der Tätigkeit der Geschäftsführer einer GmbH resultieren, über freiwillige Nachschüsse der Gesellschafter in das insolvenzfreie Vermögen abzudecken vorschlägt, befürwortet H.-F. Müller23 eine analoge Anwendung des § 100 InsO zumindest für die Finanzierung verbandsinterner Reorganisationsmaßnahmen. In der älteren Literatur zum früheren Konkursrecht wurde dagegen eine Belastung der Masse mit den Kosten der verbandsinternen Organisation strikt abgelehnt.24 II. Stellungnahme Durch die Anordnung der Eigenverwaltung wird die Problematik gegenüber dem regulären Verfahren in erheblichem Maße verschärft, weil hier nach richtiger Ansicht25 die insolvente Aktiengesellschaft als solche, d. h. unter Einbeziehung ihrer sämtlichen Organe, mit der Durchführung des Insolvenzverfahrens betraut wird und dies die Anzahl kostenträchtiger Maßnahmen erhöht. Andererseits werden die Organe im Gegensatz zum regulären Verfahren in weiten Teilen, z. B. was die Verwaltung, Verwertung und Verteilung anbetrifft, in erster Linie im Interesse der Gläubiger tätig. Diese Besonderheiten müssen bei der Diskussion Berücksichtigung finden, ob den dargestellten Lösungen zu folgen ist und inwieweit sie überhaupt auf das Eigenverwaltungsverfahren zu übertragen sind (2.), zuvor muss aber, in Ermangelung einer gesetzlichen Regelung, allgemein geklärt werden, wie die anfallenden Kosten dem Grunde nach zu verteilen sind (1.). 1. Die Verteilung der Kosten in der Eigenverwaltung a) Die These einer nutzenorientierten Kostenverteilung Als Grundregel der Verteilung bietet es sich an, darauf abzuheben, wer Nutznießer der jeweiligen kostenverursachenden Maßnahme ist, und zwar unabhängig davon, ob ein reguläres oder ein Eigenverwaltungsverfahren durchgeführt wird. Soweit also die Gesellschaftsorgane ausschließlich im Interesse der Gesellschaft tätig werden, sollte dafür ausschließlich das insolvenzfreie Gesell___________ 22

Götker, Rn. 936 f., 986. H.-F. Müller, S. 117. 24 Weber, in: Jaeger, KO, §§ 207, 208 Anm. 28 a. E. (m. w. N.); Robrecht, DB 1968, 471, 472; Schneider, FS Oppenhoff, 349, 355, 362; Uhlenbruck, in: Die GmbH in Krise, Sanierung und Insolvenz, Rn. 1223. 25 Kapitel 5 B. II. 2. a) cc), Seite 272. 23

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schaftsvermögen oder, sofern ein solches nicht mehr vorhanden ist, die Aktionäre aufkommen, wenn sie entsprechendes Kapital zur Verfügung stellen wollen.26 Umgekehrt fallen die Kosten aus einer allein im Interesse der Gläubiger vorgenommenen Handlung der Insolvenzmasse zur Last.27 Eine solche Aufteilung ist schon in den Bestimmungen der Insolvenzordnung selbst angelegt. Die haftungsrechtliche Zuweisung der Insolvenzmasse an die Gläubiger (§ 35 InsO) erfolgt allein zu dem Zweck, die Gläubiger bestmöglich und gemeinschaftlich zu befriedigen (§ 1 S. 1 InsO), und ist deshalb im Grundsatz unvereinbar mit einer Verwendung der Insolvenzmasse für Belange des Schuldners. Davon kann nur die Gläubigerversammlung eine Ausnahme machen, wenn sie dem Schuldner gem. § 100 InsO Unterhalt gewährt. Auf der anderen Seite sind die Kosten des Verfahrens, namentlich jene für die Verwaltung, Verwertung und Verteilung der Masse, d. h. also für diejenigen Maßnahmen, die den Gläubigern unmittelbar zugute kommen, gem. §§ 54, 55 InsO aus der Masse selbst zu begleichen. In diese Aufteilung fügt sich auch das Entnahmerecht des eigenverwaltenden Schuldners gem. § 278 InsO ein, das sich daraus rechtfertigt, dass der Schuldner für die Gläubiger tätig wird. Schließlich steht auch § 269 InsO, der die Kosten für die Überwachung der Planerfüllung ausdrücklich dem Schuldner zuweist, zu dieser These nicht in Widerspruch, da er lediglich die notwendige Konsequenz daraus zieht, dass der Schuldner nach der Verfahrensaufhebung gem. § 258 InsO wieder das Recht zurückerhält, frei über die Insolvenzmasse zu verfügen (§ 259 I 2), und die Masse mit diesen Kosten gar nicht mehr belastet werden kann.28 Diese Wertung ergibt sich ferner aus der Gesetzesbegründung, nach der es den Anteilseignern bei der Durchführung eines Insolvenzplanverfahrens „überlassen wird, auf ihre Kosten sich selbst zu organisieren und an der Abstimmung über den Plan teilzunehmen“29. Die Teilnahme des Schuldners am Planverfahren dient aber ebenso wie die Wahrnehmung der ihm hier gebührenden Rechte ausschließlich seinem eigenen Interesse, so dass die Bemerkung des Gesetzgebers mit der hier vertretenen These übereinstimmt. Sie ist aber auch über das ___________ 26 Dass sich im Einzelfall, etwa aus der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht, für einen Aktionär die Verpflichtung ergeben kann, zu diesem Zwecke Kapital nachzuschießen, erscheint kaum denkbar. Denn eine solche Nachschusspflicht verstieße gegen das gesellschaftsrechtliche Belastungsverbot (§ 54 I 1 AktG). 27 Diese Regel verteilt die Kosten also grundsätzlich unabhängig von der Zugehörigkeit der kostenverursachenden Maßnahme zum Schuldner- oder Eigenverwaltungsbereich. Der Eigenverwaltungsbereich erfasst allerdings ausschließlich solche Maßnahmen, die überwiegend oder allein im Interesse der Gläubiger liegen; zu unterscheiden ist daher nur im Schuldnerbereich. 28 Zum Normzweck des § 269 InsO: Stephan, in: MK zur InsO, § 269 Rn. 1; Breutigam, in: BK zur InsO, § 269 Rn. 1. 29 Bundesregierung, Begründung RegE InsO, BT-Drucks. 12/2443, S. 92.

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Planverfahren hinaus verallgemeinerungsfähig. Zum dritten entspricht diese Lösung dem allgemeinen Gerechtigkeitsempfinden, dass die Beteiligten des Verfahrens nicht zur Begleichung von Kosten herangezogen werden können, von denen allein andere profitieren.30 Man kann dieser Aufteilung auch nicht entgegensetzen, dass sie die Gesellschaft faktisch zum Objekt des Verfahrens degradieren kann, wenn für die Wahrnehmung der Verfahrensrechte der Gesellschaft im Schuldnerbereich (z. B. die Erstellung eines Insolvenzplans durch einen Sanierungsexperten oder die Einholung von Rechtsrat hinsichtlich einer Anfechtung des Eröffnungsbeschlusses) kein ausreichendes beschlagsfreies Vermögens vorhanden ist oder durch die Aktionäre zur Verfügung gestellt wird.31 Während im Falle einer natürlichen Person als Schuldner noch grundrechtliche Bedenken gegen ein solches Ergebnis bestehen mögen,32 können sie jedenfalls bei einer Aktiengesellschaft als juristischer Person nicht durchgreifen. Denn die Wahrnehmung der Gesellschaftsinteressen stellt sich hier letztlich nur als eine wirtschaftliche Entscheidung dar, die bei den an der Schuldnergesellschaft beteiligten Personen liegt.33 Wendet man diese Überlegung auf das Regelinsolvenzverfahren an, so ergibt sich beispielsweise, dass die Aufrechterhaltung der gesellschaftlichen Binnenorganisation als solche für die Gläubiger von keinem Interesse ist.34 Diese werden vielmehr hinreichend dadurch geschützt, dass die Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats persönlich zur Mitwirkung gem. §§ 97, 101 InsO verpflichtet sind, selbst wenn sie keine Vergütung mehr aus der Insolvenzmasse erhalten. Nur wenn diese Personen in außerordentlicher Weise zur Unterstützung des Insolvenzverwalters in Anspruch genommen werden, ist es gerechtfertigt, ihnen einen Anspruch gegen die Masse auf Grundlage eines mit dem Verwalter geschlossenen Dienstvertrages zu gewähren. Dahingehende Forderungen in der Literatur35 bestärken die hier vertretene These, weil in diesen Fäl___________ 30

Ähnlich (allerdings zu § 269 InsO) Breutigam, in: BK zur InsO, § 269 Rn. 2. In diese Richtung aber H.-F. Müller, S. 117; offenbar auch Kraft, in: KK zum AktG, § 262 Rn. 41, der eine separate Vergütungsvereinbarung zwischen Verwalter und Vorstand für geboten hält, wenn das „Fortbestehen eines qualifizierten Vorstands zwecks Wahrnehmung der Rechte des Gemeinschuldners“ erforderlich ist. 32 Wegen der Herabstufung zum bloßen Verfahrensobjekt kommt eine Verletzung von Art. 1 I GG und Artt. 2 I i. V. m. 1 I GG in Betracht. 33 In diese Richtung, aber zu weitgehend Schulz, KTS 1986, 389, 416, der der Schuldnergesellschaft sogar jedes Verfahrensrecht abspricht, da diese kein insolvenzunabhängiges Existenzrecht wie eine natürliche Person hat. 34 So aber Schlegelberger/Quassowski, AktG 1937, § 203 Rn. 24; zustimmend offenbar Schneider, FS Oppenhoff, 349, 365. 35 Kraft, in: KK zum AktG, § 262 Rn. 41; Schlegelberger/Quassowski, AktG 1937, § 203 Rn. 24; Schneider, FS Oppenhoff, 343, 365. 31

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len gerade wieder die Interessen der Gläubiger im Vordergrund stehen. Ansonsten ist das Insolvenzverfahren auf die Mitwirkung der Gesellschaftsorgane nicht zwingend angewiesen. Das gilt sogar dann, wenn die Aktiengesellschaft infolge des Wegfalls sämtlicher Vorstandsmitglieder (z. B. Amtsniederlegung) prozessunfähig wird,36 da dieser Zustand durch die Bestellung eines Prozesspflegers (§ 57 ZPO i. V. m. § 4 InsO) beseitigt werden kann.37 Daraus folgt, dass die Neuwahl eines Vorstands- oder Aufsichtsratsmitglieds und die diesbezügliche Registereintragung in einem regulären Verfahren durch die Gesellschaft selbst zu finanzieren ist,38 ebenso wie die Einberufung einer Hauptversammlung.39 Dasselbe gilt für die Kosten, die im Zusammenhang mit der Ausübung der Verfahrensrechte im Schuldnerbereich stehen, beispielsweise für die Einholung von Rechtsrat oder für die Einschaltung eines erfahrenen Fachmanns zur Aufstellung eines sanierenden Insolvenzplans40 oder für die Kosten einer Liquidation nach § 199 S. 2 InsO41. b) Überschneidungsbereich Problematisch ist allerdings, wie mit den Kosten zu verfahren ist, die gleichermaßen im Interesse der Gläubiger und der Gesellschaft (bzw. Anteilseigner) anfallen, was insbesondere in einem Eigenverwaltungsverfahren nicht selten vorkommt.42 Dazu gehören beispielsweise – im Unterschied zum Regelverfahren – die Kosten für die Aufrechterhaltung der verbandsinternen Organisati___________ 36 Zum Erfordernis der Prozessfähigkeit des Schuldners im Insolvenzverfahren: OLG Köln, Beschluss vom 3. 1. 2000 – 2 W 214, 99, NZI 2000, 134; OLG Dresden, Beschluss vom 12. 10. 1999 – 7 W 1754/99, NZI 2000, 136, 137; Schmerbach, in: FK zur InsO, § 14 Rn. 15; Frege/Keller/Riedel, Rn. 388. 37 Die Bestellung eines Prozesspflegers ist gegenüber der Bestellung eines Notvorstands (§ 85 I 1 AktG) die praktikablere, schnellere, kostengünstigere und damit vorzugswürdige Alternative, vgl. Kutzer, ZIP 2000, 654, 655, OLG Zweibrücken, Beschluss vom 12. 4. 2001 – 3 W 23/01, ZInsO 2001, 472, Helmschrott, ZIP 2001, 636, 637. Sollte dennoch im Ausnahmefall die gerichtliche Bestellung eines Notvorstands im Interesse der Gläubiger erforderlich sein, ist dessen Vergütungsanspruch (§ 85 III 1 AktG) gegen die Masse gerichtet (zutreffend Schneider, FS Oppenhoff, 349, 366). Zur Bestellung eines Notvorstands während des Konkursverfahrens siehe BayObLG, Beschluss vom 10. 3. 1988 – BReg. 3 Z 125/87, NJW-RR 1988, 929. 38 So zutreffend Schneider, FS Oppenhoff, 343, 362 (für die Wahl des Aufsichtsrats). 39 Götker, Rn. 975; Uhlenbruck, in: Die GmbH in Krise, Sanierung und Insolvenz, Rn. 1223. 40 So zutreffend Götker, Rn. 936 f., 986. 41 Hirte, KapGesR, Rn. 7.50; Noack, in: Kübler/Prütting, GesR, Rn. 89. 42 Davon zu unterscheiden ist die rechtliche Zuordnung der jeweiligen Maßnahme zum Schuldner- oder Eigenverwaltungsbereich und damit die Maßgeblichkeit des Gesellschafts- oder des Gläubigerinteresses.

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on. Denn da in der Eigenverwaltung die Verfahrensführung durch die Gesellschaft gerade im Interesse und mit Willen der Gläubiger übernommen wird, haben diese auch ein unmittelbares Interesse an der Funktionsfähigkeit der Geschäftsleitung, ohne die das Verfahren gar nicht denkbar wäre. Andererseits zieht hieraus natürlich auch die Gesellschaft Nutzen, da sie z. B. in der Lage bleibt, über ihre Organe das Verfahren zu gestalten. Dasselbe gilt im Prinzip für die Vergütung der Aufsichtsrats- und Vorstandsmitglieder, mit der ihre Tätigkeit sowohl für die Gesellschaft (im Schuldnerbereich) als auch für die Gläubiger (im Eigenverwaltungsbereich) entgolten wird. Eine Aufspaltung der Kosten zwischen Gläubigern und Gesellschaft, die durch die vorgehenden Erwägungen angezeigt sein mag, ist jedoch nicht durchführbar, da im Einzelnen kaum genau abgegrenzt werden könnte, wann und inwieweit eine Wahrnehmung von Interessen der einen oder anderen Seite erfolgt. So geht z. B. die Überwachung des Vorstands durch den Aufsichtsrat im Schuldnerbereich fließend in die Überwachung seiner Geschäftsführung im Eigenverwaltungsbereich über.43 Da die Gesellschaftsorgane in der Eigenverwaltung außerdem zum überwiegenden Teil im Interesse der Gläubiger tätig werden, ist es hinnehmbar und gerechtfertigt, die Gläubiger für die Kosten einer Maßnahme auch dann einseitig in Anspruch zu nehmen, wenn diese zugleich der Gesellschaft Nutzen bringt. Mit diesem Ergebnis steht in Einklang, dass die Vorstands-44 und Aufsichtsratsbezüge45 in der Eigenverwaltung als Masseforderungen zu behandeln sind. Aus ihm folgt aber auch, dass die Kosten für die Neuwahl eines Vorstands- oder Aufsichtsratsmitglieds und die erforderlichen Registereintragungen in der Eigenverwaltung den Gläubigern anheim fallen. Dasselbe gilt für die Kosten einer Hauptversammlung, deren Zustimmung der Vorstand zur Vornahme einer Verwertungsmaßnahme ausnahmsweise einholen muss.46 2. Normative Umsetzung Im Folgenden ist zu klären, wie die soeben herausgearbeitete Wertung normativ umzusetzen ist.

___________ 43

Dass sich die Überwachung des Vorstands durch den Aufsichtsrat auch auf den Eigenverwaltungsbereich erstreckt, wird zu Unrecht bestritten (vgl. Kapitel 6 B. I. 2., Seite 355). 44 Soweit ersichtlich unbestrittenermaßen; vgl. auch Kapitel 5 C. II. 2., Seite 318. 45 Kapitel 6 C. II. 3., Seite 376. 46 Etwa nach den Holzmüller-Regeln oder § 179a AktG, siehe Kapitel 5 B. II. 2. d), Seite 282.

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a) Durch die Gläubiger zu tragende Kosten Wenn die eigenverwaltende Schuldnergesellschaft Kosten verursacht, die nach den vorstehenden Grundsätzen von den Gläubigern zu tragen sind, so können diese grundsätzlich als Massekosten i. S. d. § 55 I Nr. 1 InsO auf die Gläubiger übergeleitet werden. Dabei ist jedoch zu unterscheiden: Soweit die Gesellschaft, sei es durch den Vorstand oder ein anderes Organ, im Eigenverwaltungsbereich tätig wird, handelt sie in ihrer Eigenschaft als Eigenverwalterin, so dass die Voraussetzungen der ersten Alternative gegeben sind.47 Bei Maßnahmen in ihrer Eigenschaft als Schuldnerin (im Schuldnerbereich), wie z. B. die Wahl und Registereintragung von Organen, scheidet die erste Alternative dagegen aus. Aber auch die zweite Alternative ist bei einem strengen Wortlautverständnis nicht einschlägig, weil diese Verbindlichkeiten nicht „durch“ die Verwaltung, Verwertung und Verteilung der Masse begründet werden, sondern im Gegenteil diese erst ermöglichen. Allerdings sind diese für die Funktionsfähigkeit der Gesellschaft als Eigenverwalterin und damit für die Verwaltung, Verwertung und Verteilung der Insolvenzmasse unerlässlich, so dass sie im Wege einer erweiternden Auslegung des § 55 I Nr. 1 Alt. 2 InsO als Masseverbindlichkeiten verstanden werden sollten. Aus diesem Grunde besteht weder für eine entsprechende Anwendung des § 278 I InsO noch – wie H.-F. Müller zur Finanzierung von Reorganisationsmaßnahmen im regulären Verfahren vorschlägt48 – für eine entsprechende Anwendung des § 100 InsO (über § 270 I 2 InsO49) ein Bedürfnis. Zwar geht es hier nicht um Unterhaltszahlungen an die organschaftlichen Vertreter, sondern um die für die „Lebensführung“ der Schuldnergesellschaft erforderlichen Mittel, so dass man das Bestehen einer planwidrigen Regelungslücke nicht von vornherein verneinen kann.50 Eine analoge Anwendung führte aber ohnehin nicht zu interessengerechten Ergebnissen. Ein Entnahmeanspruch gem. § 278 I InsO soll nach der Gesetzesbegründung entfallen, wenn die Mittel zu einer bescheidenen Lebensführung aus dem unpfändbaren Vermögen der natürlichen ___________ 47 Beispiele: Aufsichtsrats- oder Hauptversammlungsbeschluss, durch den einer Geschäftsführungsmaßnahme des Vorstands im Eigenverwaltungsbereich zugestimmt wird; Festsetzung der Aufsichtsrats- oder Vorstandsbezüge. 48 H.-F. Müller, S. 117 f. 49 Zur Anwendung des § 100 InsO in der Eigenverwaltung über den Verweis des § 270 I 2 InsO: Wittig, in: MK zur InsO, § 278 Rn. 13; offenbar auch Uhlenbruck, in: Uhlenbruck, InsO, § 278 Rn. 1 a. E. 50 Leistungen an die organschaftlichen Vertreter der Schuldnergesellschaft aus § 278 I InsO oder § 100 InsO sind dagegen abschließend durch die § 278 II InsO bzw. § 101 I 3 InsO geregelt worden, so dass eine analoge Anwendung auf die Organe juristischer Personen ausscheidet (h. M., etwa Blersch, in: BK zum InsR, § 100 Rn. 2; Wittig, in: MK zur InsO, § 278 Rn. 16).

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Person bestritten werden können.51 Überträgt man diesen Rechtsgedanken auf eine juristische Person, müsste zuerst deren insolvenzfreies Vermögen ausgeschöpft sein. Das aber impliziert eine Kostentragungspflicht auf Seiten der juristischen Person, was aber gerade nicht der hier vertretenen Wertung entspricht. § 100 InsO vermittelt dagegen keinen Anspruch auf Unterhaltszahlung,52 so dass die Gläubigerversammlung durch die Gewährung oder Versagung der notwendigen Mittel direkten Einfluss auf die Organisation der Gesellschaft ausüben könnte. Das ist aber weder mit der gegenständlichen Begrenzung ihrer Befugnisse auf die Masse,53 noch mit dem Willen des Gesetzgebers vereinbar, der bewusst von insolvenzrechtlichen Eingriffen in die gesellschaftsrechtlichen Verhältnisse abgesehen hat.54 b) Durch die Gesellschaft zu tragende Kosten Wenn für die Maßnahmen, die durch die Gesellschaft zu finanzieren sind, kein ausreichendes insolvenzfreies Vermögen vorhanden ist (was die Regel sein wird), stellt sich die Frage, wie die Aktionäre die entsprechenden Mittel aufbringen können. Selbstverständlich können sie dafür jedenfalls ein Sondervermögen bilden und bereitstellen.55 Götker ist aber darin beizupflichten, dass es die dogmatisch vorzugswürdigere Alternative darstellte, wenn die Aktionäre das notwendige Kapital dem insolvenzfreien Vermögen durch freiwillige Zuwendungen, insbesondere durch eine Kapitalerhöhung zuführen könnten, wie dies vereinzelt für möglich gehalten wird.56 Da die beiden Grundvoraussetzungen dieser Konstruktion, d. h. die Existenz insolvenzfreien Vermögens in der Gesellschaftsinsolvenz und die Zulässigkeit von Kapitalerhöhungen nach Verfahrenseröffnung, nach der hier vertretenen Position57 erfüllt sind, fokussiert sich das Problem auf den Begriff der Insol___________ 51 Bundesregierung, Begründung zu § 339 RegE InsO (= § 278 InsO), BT-Drucks. 12/2443, S. 225. 52 Blersch, in: BK zum InsR, § 100 Rn. 3. 53 Vgl. Kapitel 2 B. II. 2. a) cc), Seite 117. 54 Vgl. Bundesregierung, Begründung RegE InsO, BT-Drucks. 12/2443, S. 83; siehe ferner Kapitel 5 B. II. 2. a) aa) (3) (c), Seite 263. 55 So zutreffend Götker, Rn. 986. 56 Götker, Rn. 986, 936; Schlitt, NZG 1998, 755 f.; Uhlenbruck, in: Kölner Schrift, S. 1157 ff. Rn. 24; ders., in: Braun/Uhlenbruck, Unternehmensinsolvenz, S. 89 f.; zuneigend, aber im Ergebnis ablehnend Hüffer, AktG, § 182 Rn. 32a f.; a. A. Noack, in: Kübler/Prütting, GesR, Rn. 279; Picot/Aleth, Rn. 769 ff.; K. Schmidt, in: Kölner Schrift, S. 1199 ff. Rn. 21 (es gebe überhaupt kein insolvenzfreies Vermögen). 57 Zur Existenz insolvenzfreien Vermögens in der Gesellschaftsinsolvenz siehe Kapitel 2 C. II. 5., Seite 138, und zur Zulässigkeit von Kapitalerhöhungen nach Verfahrens-

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venzmasse nach § 35 InsO. Diese Vorschrift schlägt im Unterschied zur früheren Rechtslage (§ 1 I KO)58 auch dasjenige Vermögen der Insolvenzmasse zu, das der Schuldner während des Verfahrens erlangt (sog. Neuerwerb). Nach dieser klaren Formulierung werden also auch die durch eine Kapitalerhöhung geschaffenen Mittel in die Insolvenzmasse gezogen,59 so dass sie für eine Finanzierung ausfielen. Möglicherweise kann man dieser durch den Wortsinn vorgegebene Anwendungsbereich des § 35 InsO aber mit Blick auf den Sinn und Zweck der Regelung zurückgeführt, d. h. teleologisch reduziert werden.60 Es wird argumentiert, Kapitalerhöhungen müssten in das insolvenzfreie Vermögen fließen, weil andernfalls Sanierungsbemühungen der Gesellschaft zum Scheitern verurteilt wären,61 was der Gesetzgeber aber bei Erweiterung des Massebegriffs auf den Neuerwerb nicht beabsichtigt habe.62 In der Tat hat der Gesetzgeber offenbar den Bedeutungsgehalt dieser Änderung für die Gesellschaftsinsolvenz verkannt63 und sich von Gründen leiten lassen, die vornehmlich natürliche Personen als Schuldner betreffen, etwa die Ermöglichung einer Restschuldbefreiung. Trotzdem zwingt dies aber nicht zu einem restriktiven Verständnis des Massebegriffs, da mit dem Insolvenzplanverfahren (§§ 218 ff. InsO) ein Verfahren zur Verfügung gestellt wird, in dem verbindliche Regelungen insbesondere auch darüber getroffen werden können, dass das neu einge-

___________ eröffnung Kapitel 2 Β. II. 2. a) cc) (2), Seite 120, und Kapitel 7 A. II. 3. a) aa), Seite 392. 58 Nach § 1 I KO bildete nur das dem Gemeinschuldner zur Zeit der Eröffnung des Verfahrens gehörende Vermögen die Konkursmasse. 59 So die h. M., etwa Noack, FS Zöllner, 411, 422; Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, § 25 Rn. 116. 60 Ebenso Hüffer, AktG, § 182 Rn. 32b. Zur teleologischen Reduktion siehe Larenz, S. 391. Insoweit irrt Schlitt, NZG 1998, 755, 756, der eine einschränkende Auslegung („einschränkend lesen“) vorschlägt, da der Wortlaut eindeutig und nicht auslegungsfähig ist. 61 Uhlenbruck, in: Kölner Schrift, S. 1157 ff. Rn. 24; ders., in: Braun/Uhlenbruck, Unternehmensinsolvenz, S. 89; Elser, in: AK zum AktR, § 182 AktG Rn. 76; Schlitt, NZG 1998, 755, 756; Götker, Rn. 985; so schon Uhlenbruck, in: Kuhn/Uhlenbruck, KO, § 1 Rn. 94; in diese Richtung Picot/Aleth, Rn. 769, die die Verwaltungs- und Verwertungsbefugnis des Insolvenzverwalters beschränken wollen. 62 Bspw. scheint die Bundesregierung in der Begründung zu § 296 RegE InsO, BTDrucks. 12/2443, S. 211 davon auszugehen, dass eine Kapitalerhöhung taugliches Sanierungsinstrument sei. 63 So zutreffend Hüffer, AktG, § 182 Rn. 32b. Vgl. insbesondere Bundesregierung, Begründung zu § 42 RegE InsO (= § 35 InsO), BT-Drucks. 12/2443, S. 122: „Für Gesellschaften und juristische Personen hat das Problem der Massezugehörigkeit des Neuerwerbs daher kaum praktische Bedeutung“.

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2. Teil: Die Anordnung der Eigenverwaltung über das Vermögen einer AG

brachte Kapital zur Sanierung des Unternehmens(-trägers) und nicht zur Befriedigung der Gläubiger verwendet wird.64 Diese Argumentation greift allerdings nicht durch, soweit die Mittel unentbehrlich sind, um die insolvente Gesellschaft überhaupt durch das Verfahren hindurch handlungsfähig zu halten und um z. B. gerade diejenige Hauptversammlung einberufen und abhalten zu können, welche die in dem Plan vorgesehene Kapitalerhöhung beschließen soll. Früher stand für derartige Kosten dagegen das konkursfreie Vermögen zur Verfügung, das zu diesem Zwecke auch (z. B. durch Kapitalerhöhungen) angereichert werden konnte.65 Dass der Gesetzgeber den Aktionären diesen Finanzierungsweg versperren wollte, ist aber äußerst zweifelhaft, ging er doch selbst davon aus, dass die Anteilseigner „auf ihre Kosten sich selbst organisieren [und am Planverfahren teilnehmen]“66 können würden. Aus diesem Grunde sind die von den Aktionären neu aufgebrachten Mittel, die die Fähigkeit der Gesellschaft zur Willensbildung und -umsetzung gewährleisten sollen, im Wege einer teleologischen Reduktion nicht als Neuerwerb i. S. d. § 35 InsO anzusehen, sondern dem insolvenzfreien Vermögen zuzuweisen.

C. Ergebnisse Zusammenfassend ist festzuhalten: 1. Im Unterschied zur Dreiteilung im regulären Verfahren gliedern sich die Zuständigkeiten von Sachwalter und Gesellschaftsorganen in vier Bereiche auf: Zu differenzieren sind Sachwalter- bzw. Sachwalterverdrängungsbereich (Alleinzuständigkeit des Sachwalters), Schuldnerbereich (Alleinzuständigkeit der Gesellschaftsorgane, kein Bezug zur Insolvenzmasse), Eigenverwaltungsbereich (Alleinzuständigkeit der Gesellschaftsorgane, Bezug zur Insolvenzmasse) und Überschneidungsbereich (gemeinsame Zuständigkeit von Sachwalter und Gesellschaftsorganen). ___________ 64 Hüffer, in: MK zum AktG, § 264 Rn. 76; ders., AktG, § 182 Rn. 32b; Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, § 35 Rn. 116; Noack, in: Kübler/Prütting, GesR, Rn. 279; H.-F. Müller, ZGR 2004, 842, 845 f. Vgl. auch die amtliche Begründung zu § 296 RegE InsO, BT-Drucks. 12/2443, S. 211, die die besondere Bedeutung eines bedingten Insolvenzplans gerade für Kapitalerhöhungen unterstreicht. 65 Vgl. Robrecht, DB 1968, 471, 472. Insbesondere sollten aus dem konkursfreien Vermögen die Vergütung der Vorstandsmitglieder nach der Kündigung durch den Verwalter (Wiedemann, in: GK zum AktG, 3. Auflage, § 262 Anm. 27) oder die Kosten der Einberufung einer Gesellschafterversammlung zum Beschluss über eine sanierende Kapitalerhöhung (Uhlenbruck, WiB 1996, 466, 471; so auch ders., in: Die GmbH in Krise, Sanierung und Insolvenz, Rn. 1223 zur InsO) bezahlt werden. 66 Vgl. Bundesregierung, Begründung RegE InsO, BT-Drucks. 12/2443, S. 92.

Kap. 4: Besondere Fragen der Anordnung der Eigenverwaltung

197

2. Die bei der Durchführung des Eigenverwaltungsverfahrens anfallenden Kosten im gesellschaftsinternen Bereich sind zwischen den Aktionären und den Gläubigern nach der Regel aufzuteilen, dass die Gesellschaft (bzw. die Aktionäre) all jene Maßnahmen zu finanzieren hat, die allein in ihrem Interesse stehen, die Gläubiger dagegen alle übrigen. § 35 InsO ist teleologisch dahin zu reduzieren, dass die durch die Aktionäre zu diesem Zwecke (z. B. durch eine Kapitalerhöhung) neu aufgebrachten Mittel nicht in die Insolvenzmasse, sondern das insolvenzfreie Gesellschaftsvermögen fallen.

Dritter Teil

Die Rechtsstellung der Organe einer Aktiengesellschaft in Eigenverwaltung Wie im zweiten Kapitel gezeigt worden ist, wird die Organstruktur der Aktiengesellschaft durch die Eröffnung eines Eigenverwaltungsverfahrens und der damit verbundenen Auflösung der Gesellschaft (§ 262 I Nr. 3 AktG) nicht berührt. Ihre Organe bleiben vielmehr mit ihren bisherigen Befugnissen bestehen. Allerdings enthalten die Vorschriften der Insolvenzordnung und insbesondere §§ 270–285 InsO keine Bestimmung darüber, wie sich die Rechte und Pflichten, die durch die Aktiengesellschaft im Rahmen eines Eigenverwaltungsverfahrens wahrzunehmen sind, im Innenverhältnis auf deren Organe verteilen. Das Insolvenzrecht regelt – von wenigen Ausnahmen abgesehen1 – allein die externe Zuständigkeitsverteilung zwischen den Beteiligten des Insolvenzverfahrens und dem Schuldner. Das ist vermutlich darauf zurückzuführen, dass dem Gesetzgeber in erster Linie eine natürliche Person bzw. ein Einzelkaufmann in der Rolle des Schuldners vorschwebte2 und er die Fälle der Gesellschaftsinsolvenz deshalb für nicht regelungs- bzw. klarstellungsbedürftig erachtete. Diese Außerachtlassung führt allerdings gerade im Recht der Eigenverwaltung zu erheblichen Irritationen, die nicht allein die Frage betreffen, durch welches Gesellschaftsorgan bestimmte Rechte und Pflichten wahrzunehmen sind, sondern insbesondere auch, ob hierbei Mitwirkungs- oder Weisungsbefugnisse der übrigen Gesellschaftsorgane zu beachten sind. Gegenstand der Kapitel dieses dritten Teils soll es daher vor allem sein, die Kompetenzen von Vorstand, Aufsichtsrat und Hauptversammlung im Einzelnen und im Verhältnis zueinander darzustellen. Dabei ist die Erkenntnis aus dem vierten Kapitel zu berücksichtigen, dass die Aktiengesellschaft und ihre Organe insolvenzrechtlichen Beschränkungen insoweit unterworfen sind, als dass die Insolvenzmasse bildende Gesellschaftsvermögen betroffen ist, und dass dies in der Eigenverwaltung zu einer Auffächerung der Funktionsbereiche ___________ 1

§§ 15, 18, 101 InsO. Ebenfalls kritisch: Smid, DZWIR 2002, 493, 496; H.-F. Müller, S. 4; und schon zur Konkursordnung: Weber, KTS 1970, 72, 72; Habscheid, FS Weber, 197, 197. 2

3. Teil: Die Rechtsstellung der Organe einer AG in Eigenverwaltung

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zwischen Sachwalter und Gesellschaftsorganen führt.3 Zu unterscheiden sind ein so genannter Sachwalterverdrängungs-, Schuldner-, Eigenverwaltungs- und Überschneidungsbereich, von denen allerdings in den folgenden Kapiteln lediglich der Schuldner- sowie der Eigenverwaltungsbereich schwerpunktmäßig erfasst werden sollen. Der Sachwalterverdrängungsbereich, in dem keine Kompetenzen der Gesellschaftsorgane bestehen, soll dagegen nur gelegentlich, soweit zur Abgrenzung erforderlich, und der Überschneidungsbereich mangels praktischer Relevanz überhaupt nicht betrachtet werden.

___________ 3

Kapitel 4 A., Seite 182.

Kapitel 5

Der Vorstand in der Eigenverwaltung Der Vorstand ist das Geschäftsleitungs- (§ 76 AktG) und Vertretungsorgan (§ 78 I AktG) der Gesellschaft, ohne das sie handlungsunfähig ist. Ihm wird daher auch in der Eigenverwaltung eine zentrale Rolle zukommen. Aufmerken lässt jedoch, dass die Kommission für Insolvenzrecht in ihrem Ersten Bericht noch so erhebliche Vorbehalte gegen die Durchführung eines Eigenverwaltungsverfahrens unter Leitung der organschaftlichen Vertreter der Schuldnergesellschaft hegte, dass sie von der Einführung eines solchen Verfahrens gänzlich abriet.1 Man befürchtete insbesondere, dass die Geschäftsleitung in dem Spannungsfeld zwischen den Belangen des Unternehmens und der Anteilseigner einerseits und denen der Gläubiger andererseits überfordert würde.2 Ob derartige Bedenken auch in dem Eigenverwaltungsverfahren aktueller Gestalt berechtigt sind, wird zu überprüfen sein. Neben der Erörterung der Organkompetenzen des Vorstands im Schuldner- (A.) und Eigenverwaltungsbereich (B.),3 soll ein besonderes Augenmerk auf die Auswirkungen des Eigenverwaltungsverfahrens auf das Rechtsverhältnis des Vorstands zur Gesellschaft (C.) und auf seine eigenverwaltungsspezifische Haftung (D.) gelegt werden.

A. Die Stellung des Vorstands im Schuldnerbereich I. Zuständigkeiten des Vorstands im Schuldnerbereich Die Ausübung derjenigen Befugnisse der Aktiengesellschaft, die bei vernünftiger Betrachtung keine nachteiligen Wirkungen auf die Insolvenzmasse haben können und damit dem Schuldnerbereich zuzuordnen sind,4 fällt grund___________ 1

Zur historischen Entwicklung der §§ 270 ff. InsO siehe Kapitel 1 B. I., Seite 37. Kommission für InsR, Erster Bericht, Begründung zu Leitsatz 1.3.1.1 S. 125 f. Dazu im Einzelnen unten B. II. 2. a) aa) (3) (a) (bb), Seite 258. 3 Zur Aussparung des Sachwalterverdrängungs- und Überschneidungsbereichs siehe die Einleitung zum dritten Teil, Seite 198. 4 Zum Schuldnerbereich im Allgemeinen siehe Kapitel 2 A. II., Seite 103 und im Besonderen in der Eigenverwaltung siehe Kapitel 3 C. II., Seite 183. 2

Kap. 5: Der Vorstand in der Eigenverwaltung

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sätzlich in die Zuständigkeit ihres Vorstands als dem Leitungsorgan der Gesellschaft. Er ist daher namentlich dazu berufen, die allgemeinen Verfahrensrechte (1.) und Verfahrenspflichten (2.) wahrzunehmen, das insolvenzfreie Vermögen zu verwalten (3.) und masseneutrale gesellschaftsinterne Maßnahmen durchzuführen (4.). Insoweit handelt es sich stets um Maßnahmen der Geschäftsführung im Sinne des § 76 I AktG.5 Für die hierdurch veranlassten Kosten hat nach der oben entwickelten Wertung prinzipiell die Gesellschaft aufzukommen, wenn nicht ausnahmsweise die Interessen der Gläubigerschaft überwiegend oder ausschließlich gefördert werden.6 1. Ausübung der Verfahrensrechte Der Schwerpunkt der Zuständigkeit des Vorstands im Schuldnerbereich liegt in der Wahrnehmung der allgemeinen Verfahrensrechte, d. h. derjenigen Befugnisse, die der Gesellschaft nicht speziell in der Eigenverwaltung („als Eigenverwalterin“), sondern – wie in einem Regelverfahren – ihrer Eigenschaft als Schuldnerin zugewiesen sind.7 Diese Verfahrensrechte der Gesellschaft übt der Vorstand als ihr gesetzlicher Vertreter (§ 78 I AktG) aus, also im Namen der Gesellschaft und mit Wirkung für und gegen diese.8 Das betrifft zunächst die Einlegung von Rechtsmitteln gegen die Entscheidungen des Insolvenzgerichts, insbesondere die sofortige Beschwerde (§ 6 I InsO) gegen die Eröffnung des Insolvenzverfahrens (§ 34 II InsO)9, gegen die Zurückweisung eines von der Gesellschaft vorgelegten Insolvenzplans (§ 231 ___________ 5

Vgl. auch Wortberg, ZInsO 2004, 707, 708, Fn. 17 (für §§ 13 I 2 Alt. 2, 18 InsO) und i. E. Smid, DZWIR 2002, 493, 499 (zu § 272 I Nr. 3 InsO). Eine begriffliche Abgrenzung der Geschäftsführung zu Grundlagengeschäften wie im Personengesellschaftsrecht ist im Aktienrecht entbehrlich, weil ihr Sinn – die Bestimmung der Maßnahmen, die den Gesellschaftern vorbehalten bleiben – bereits durch die Auslegung und Anwendung des § 119 AktG verwirklich wird (Hüffer, AktG, § 77 Rn. 4). 6 Kapitel 4 B., insbesondere II. 1. b), Seite 191. 7 Dazu schon oben Kapitel 2 A. II., Seite 103. 8 Dementsprechend sind auch die allgemeinen Vertretungsregeln maßgeblich, siehe unten II. 4., Seite 214. 9 Hat die Schuldnergesellschaft selbst den Eröffnungsantrag (§ 13 I 2 Alt. 2 InsO) gestellt (und mit ihm einen Antrag auf Anordnung der Eigenverwaltung verbunden), wird man regelmäßig die für die sofortige Beschwerde nach §§ 34 II, 6 InsO erforderliche Beschwer der Schuldnergesellschaft verneinen müssen, wenn das Gericht das Verfahren eröffnet und nur von der Eigenverwaltung absieht. Hat die Schuldnergesellschaft dagegen im Falle eines Gläubigerantrags (§ 13 I 2 Alt. 1 InsO) die Eigenverwaltung beantragt (§ 270 II Nr. 2 InsO), kann man hierin nicht zwangsläufig ein Zueigenmachen des Eröffnungsantrags erblicken. Vielmehr ist i. d. R. davon auszugehen, dass die Eigenverwaltung „hilfsweise“ beantragt wird, so dass die Schuldnergesellschaft im Falle der Verfahrenseröffnung durchaus i. S. d. §§ 34 II, 6, 4 InsO, 567 ZPO beschwert ist.

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3. Teil: Die Rechtsstellung der Organe einer AG in Eigenverwaltung

III InsO), gegen den Bestätigungsbeschluss (§ 253 InsO) oder gegen die Aufhebung der Eigenverwaltung infolge eines Gläubigerantrags (§ 272 II 3 InsO).10 Eine sofortige Beschwerde gegen die Versagung der Eigenverwaltung ist dagegen nicht statthaft.11 Des Weiteren nimmt der Vorstand die der Gesellschaft nach der Insolvenzordnung zustehenden Antrags- und Mitwirkungsrechte wahr. Er stellt beispielsweise den Antrag auf Einstellung des Insolvenzverfahrens (§§ 212, 213 InsO12), auf Aussetzung der Verwertung zur Vorbereitung eines Insolvenzplans (§ 233 S. 1 InsO) oder auf Aufhebung der Eigenverwaltung (§ 272 I Nr. 3 InsO). Er widerspricht gem. §§ 178 I 2, 270 I 2 InsO für die Gesellschaft Forderungen, die zur Tabelle angemeldet sind, um die Wirkungen des § 201 II InsO auszuschalten.13 Außerdem legt der Vorstand einen Insolvenzplan vor (§ 218 I 1 InsO)14 oder erteilt die Zustimmung der Gesellschaft zu einem vom Verwalter vorgelegten Insolvenzplan (§ 247 I InsO). Soweit in dem Verfahren die Anhörung (vgl. § 10 II InsO)15, Teilnahme16, Kenntnisnahme17 oder Stellungsnahme18 des Schuldners erforderlich ist, obliegt die Wahrnehmung dieser Aufgaben schließlich ebenfalls dem Vorstand.

___________ 10 Vgl. im Übrigen die ausführliche Aufstellung bei Goetsch, in: BK zum InsR, § 6 Rn. 7 ff. Gegen Entscheidung eines Rechtspfleger (dazu § 18 RPflG), die nicht der sofortigen Beschwerde unterliegen (§ 11 I RPflG, § 6 I InsO), ist zudem eine Erinnerung gem. § 11 II RPflG binnen einer Notfrist von zwei Wochen statthaft. 11 Vgl. Kapitel 3 A. II. 4., Seite 176. 12 Dazu und zur Antragsberechtigung oben Kapitel 3 B. II., Seite 179 und insbesondere unten II. 2., Seite 212. 13 Uhlenbruck, in: Die GmbH in Krise, Sanierung und Insolvenz, Rn. 1214 (für die GmbH). Außerdem ist die Gesellschaft – vertreten durch ihren Vorstand – in ihrer Eigenschaft als „Eigenverwalterin“ berechtigt, Forderungen mit feststellungshindernder Wirkung gem. § 283 I 1 und 2 InsO zu bestreiten, vgl. Kapitel 4 A. II., Seite 183, Fußnote 7. 14 Zur Vorlageberechtigung siehe II. 3., Seite 213. Neben der Vorlage eines Insolvenzplans durch die Gesellschaft nach § 218 I 1 InsO (in der Eigenschaft als Schuldnerin) tritt die Planvorlage nach § 284 I InsO in Auftrag der Gläubigerversammlung (in ihrer Eigenschaft als „Eigenverwalterin“), siehe Kapitel 4 A. II., Seite 183, Fußnote 7. 15 Z. B. zur Aufhebung der Eigenverwaltung nach Gläubigerantrag (§ 272 II 2 InsO). 16 Z. B. am Erörterungs- und Abstimmungstermin über einen Plan (§ 235 III 1 InsO). 17 Beispielsweise die Einsichtnahme in die der Postsperre unterfallenden Sendungen (§ 99 II 3 InsO). 18 Z. B. zu einem vom Verwalter vorgelegten Insolvenzplan (§ 232 I Nr. 2 InsO).

Kap. 5: Der Vorstand in der Eigenverwaltung

203

2. Erfüllung der Verfahrenspflichten Der Vorstand ist zudem gem. § 101 I 1, 97 InsO, die über den Verweis der §§ 274 II 2, 22 III 3 InsO auch in der Eigenverwaltung gelten,19 für die Erfüllung der Auskunfts- und Mitwirkungspflichten verantwortlich. Diese Pflichten nehmen allerdings gegenüber den allgemeinen Verfahrensrechten und den sonstigen Kompetenzen im Schuldnerbereich – und auch den Rechten und Pflichten der Gesellschaft im Eigenverwaltungsbereich – eine Sonderstellung ein, die darin begründet liegt, dass sie, im Unterschied zu den Verfahrensrechten, gerade im Interesse der Gläubiger an einer möglichst effektiven Haftung des Schuldnervermögens angeordnet sind20 und ihre ordnungsgemäße Erfüllung für das Erreichen dieses Zweckes unabdingbar ist. Ihre Sonderstellung besteht zum einen darin, dass diese Pflichten nicht als solche der Gesellschaft ausgestaltet sind (die durch deren Vorstand vertretungsweise zu erfüllen wären), sondern als eigene insolvenzrechtliche Pflichten öffentlichrechtlicher Art21 eines jeden einzelnen Vorstandsmitglieds22 (§ 101 I 1 InsO). Aus diesem Grunde wird das jeweilige Vorstandsmitglied, soweit nicht die Vornahme eines Rechtsgeschäftes betroffen ist, unabhängig davon verpflichtet, ob es überhaupt, allein oder nur gemeinschaftlich vertretungsberechtigt ist.23 Der besondere Zweck gebietet es zum anderen, dass die Vorstände bei der Erfüllung dieser Pflichten nicht dem Gesellschaftsinteresse, sondern allein der Gläubigerbefriedigung (§ 1 S. 1 InsO) verpflichtet sind und insoweit auch weder Weisungen noch sonstige Mitwirkungsrechte der übrigen Organe zu beachten haben24. Um zu verhindern, dass sich Vorstandsmitglieder ihrer Verantwortung durch eine Amtsniederlegung entziehen, erstrecken sich diese Pflichten schließlich sogar auf ehemalige Vorstandsmitglieder, die nicht früher als zwei Jahre vor der Verfahrenseröffnung aus ihrer Organstellung ausgeschieden sind (§ 101 I 2 InsO).25 ___________ 19 Schlegel, S. 283; Wittig, in: MK zur InsO, § 274 Rn. 31; Blersch, in: BK zum InsR, § 274 Rn. 16. 20 Passauer, in: MK zur InsO, § 101 Rn. 18, § 97 Rn. 13. 21 Passauer, in: MK zur InsO, § 97 Rn. 13; Weber, in: Jaeger, KO, § 100 Rn. 1. 22 Hüffer, in: MK zum AktG, § 264 Rn. 66; Passauer, in: MK zur InsO, § 101 Rn. 20; Schneider, FS Oppenhoff, 349, 351; Weber, in: Jaeger, KO, §§ 207, 208 Rn. 30; Götker, Rn. 919 (für die GmbH). 23 Passauer, in: MK zur InsO, § 101 Rn. 18. 24 H.-F. Müller, S. 167; Weber, KTS 1970, 73, 79. Für die GmbH: Henssler, in: Kölner Schrift, S. 1283 ff. Rn. 48 f.; Uhlenbruck, in: Die GmbH in Krise, Sanierung und Insolvenz, Rn. 1224; Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, § 11 Rn 134; Noack, in: Kübler/Prütting, GesR, Rn. 304; Götker, Rn. 919 (für die GmbH). 25 Ehemalige Vorstandsmitglieder trifft allerdings gem. § 101 I 2 InsO nur eine Pflicht zur Auskunftserteilung gem. § 97 I InsO.

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3. Teil: Die Rechtsstellung der Organe einer AG in Eigenverwaltung

Es ist somit jedes einzelne Vorstandsmitglied verpflichtet, dem Sachwalter26 über die das Verfahren betreffenden Verhältnisse Auskunft zu erteilen (§§ 97 I 1, 101 I 1 InsO), diesen bei der Erfüllung seiner Aufgaben zu unterstützen (§§ 97 II, 101 I 1 InsO), sich auf Anordnung des Gerichts zur Verfügung zu halten (§§ 97 III 1, 101 I 1 InsO) und alles zu unterlassen, was der Erfüllung dieser Pflichten zuwider läuft (§§ 97 III 2, 101 I 1 InsO).27 Diese Mitwirkung des Vorstands wird besonders von Bedeutung sein, wenn der Sachwalter das Bestehen von Ersatzansprüche der Gesellschaft gegen gegenwärtige oder ehemalige Vorstandsmitglieder prüft (§§ 280, 92 InsO). 3. Verwaltung des insolvenzfreien Vermögens In den Schuldnerbereich und damit in die Zuständigkeit des Vorstands fällt darüber hinaus die Verwaltung des insolvenzfreien Vermögens.28 Dessen Existenz ist zwar, wie oben nachgewiesen wurde,29 auch im Falle einer juristischen Person anzuerkennen, doch kommt es nur im Ausnahmefall und dann auch nur in geringem Umfang vor: Da gem. § 35 InsO nunmehr auch der Neuerwerb (z. B. durch eine Kapitalerhöhung) der Insolvenzmasse zurechnet wird und § 36 InsO bei einer juristischen Person weitestgehend keine Anwendung findet,30 scheidet jedenfalls geborenes insolvenzfreies Vermögen regelmäßig aus. Eine Ausnahme bilden diejenigen Mittel, die der Gesellschaft von den Aktionären nach der Verfahrenseröffnung mit dem Zweck zugewendet werden, die gesellschaftsinterne Organisation für die Dauer des Insolvenzverfahrens zu finanzieren (z. B. Durchführung einer Hauptversammlung) und so eine Wahrnehmung der Interessen der Gesellschaft zu ermöglichen.31 Andererseits wird in der Ei___________ 26

Ob eine Auskunfts- und Mitwirkungspflicht, wie der Wortlaut von § 97 I 1 InsO suggeriert, auch gegenüber anderen Beteiligten des Insolvenzverfahrens besteht (so Blersch, in: BK zum InsR, § 274 Rn. 16), ist allerdings deshalb fragwürdig, weil die Geltung der §§ 97 I 1, 101 I 1 InsO ausdrücklich nur durch den Verweis des §§ 274 II 2, 22 III 3 InsO und damit für das Verhältnis von Schuldner und Sachwalter angeordnet ist. Insoweit liegt es auch nahe, dass in §§ 274 II 2, 22 III 3 InsO eine abschließende Regelung getroffen worden ist, die eine Anwendung der §§ 97, 101 InsO über den Generalverweis des § 270 I 1 InsO (so wohl Passauer, in: MK zur InsO, § 98 Rn. 42; Blersch/von Olshausen, in: BK zum InsR, § 97 Rn. 1) verbietet. Jedenfalls wäre aber eine Auskunftspflicht gegenüber dem Gericht weitgehend gegenstandslos, weil dieses nicht zur Kontrolle und Überwachung des eigenverwaltenden Schuldners zuständig ist. 27 Näher zu den einzelnen Pflichten Götker, Rn. 917 ff.; Gutsche, Rn. 319 ff.; Uhlenbruck, NZI 2002, 401, 403 ff. 28 Wiedemann, in: GK zum AktG, 3. Auflage, § 262 Anm. 21; Hüffer, in: MK zum AktG, § 264 Rn. 64, 67; Kraft, in: KK zum AktG, § 262 Rn. 50. 29 Kapitel 2 C. II. 5., Seite 138. 30 Kapitel 2 C. II. 1., Seite 130. 31 Vgl. Kapitel 4 B. II. 2. b), Seite 194.

Kap. 5: Der Vorstand in der Eigenverwaltung

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genverwaltung, die ja primär für die Fortführungsfälle bestimmt ist, üblicherweise eine Freigabe durch die Schuldnergesellschaft32 (§ 270 I 1 InsO; §§ 85, 86, 270 I 2 InsO) keinen Sinn machen,33 so dass auch gekorenes insolvenzfreies Vermögen kaum je gegeben sein wird. 4. Masseneutrale gesellschaftsinterne Maßnahmen Im Rahmen der dem Schuldnerbereich zugehörigen insolvenzneutralen gesellschaftsinternen Maßnahmen34 ist der Vorstand beispielsweise für die Einberufung der Hauptversammlung (§ 121 II 1 AktG) zuständig,35 etwa wenn Aufsichtsratsmitglieder auszutauschen oder auf die satzungsmäßige Zahl zu ergänzen sind, oder für die Anmeldung von masseneutralen Rechtsänderungen zur Eintragung ins Handelsregister (z. B. Wechsel der Organmitglieder; beschlossene Kapitalerhöhung36). Hierher gehört auch die Vertretung der Gesellschaft in Prozessen, die keine nachteiligen Wirkungen auf die Insolvenzmasse haben,37 z. B. wenn ein Aktionär auf die Feststellung seiner Mitgliedschaft oder ein Aufsichtsrats- oder Vorstandsmitglied auf die Erteilung seiner Entlastung klagt38 oder wenn masseneutrale Beschlüsse der Hauptversammlung mit Anfechtungsoder Nichtigkeitsklagen angegriffen werden.

___________ 32

Vgl. Bundesregierung, Begründung zu § 331 RegE InsO (= § 270 InsO), BTDrucks. 2443, S. 223, die die Kompetenz nach §§ 85, 86 InsO (= §§ 96, 97 RegE InsO) – eine Freigabehandlung – ausdrücklich dem Schuldner zuweist. 33 Die Freigabe werthaltiger Gegenstände durch den Vorstand der Schuldnergesellschaft (an diese selbst) ist sogar in aller Regel evident insolvenzzweckwidrig und damit nichtig, vgl. unten B. III. 1. d) bb), Seite 295. 34 Dazu bereits Kapitel 2 A. II., Seite 103. BayObLG, Beschluss vom 17. 3. 2004 – 3Z BR 046/04, ZInsO 2004, 503; OLG Köln, Beschluss vom 11. 7. 2001 – 2 Wx 13/01, ZInsO 2001, 717, 718; OLG Nürnberg, Urteil vom 20. 3. 1990 – 1 U 2275/89, NJW-RR 1992, 230 [Maxhütte]; Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, § 11 Rn. 118; Hüffer, in: MK zum AktG, § 264 Rn. 64. 35 Weber, in: Jaeger, KO, §§ 207, 208 Rn. 35. 36 BayObLG, Beschluss vom 17. 3. 2004 – 3Z BR 046/04, ZInsO 2004, 503; OLG Köln, Beschluss vom 11. 7. 2001 – 2 Wx 13/01, ZInsO 2001, 717, 718. Die Verwendung der durch eine Kapitalerhöhung geschaffenen neuen Mittel ist demgegenüber wegen § 35 InsO („Neuerwerb“) Gegenstand des Eigenverwaltungsbereiches, vgl. Kapitel 7 A. II. 3. a) aa), Seite 392. 37 Weiterführend Noack, in: Kübler/Prütting, GesR, Rn. 358 ff.; Hüffer, AktG, § 264 Rn. 11, § 245 Rn. 29; Weber, in: Jaeger, KO, §§ 207, 208 Rn. 35 (Abs. 2). 38 Da eine Entlastung gem. § 120 II 2 AktG keinen Verzicht auf Ersatzansprüche bewirkt, hat sie auch keine Relevanz für die Insolvenzmasse. Angesichts dieser Vorschrift ist es auch streitig, ob eine Entlastungsklage überhaupt statthaft ist (vgl. Hüffer, AktG, § 121 Rn. 18 f. m. w. N.).

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3. Teil: Die Rechtsstellung der Organe einer AG in Eigenverwaltung

II. Die Geltung der aktienrechtlichen Vertretungsregeln Soweit der Vorstand für die Ausübung der vorstehend umrissenen Befugnisse außerhalb eines Insolvenzverfahrens Vertretungsmacht benötigt,39 stellt sich die Frage, ob auch während des Insolvenzverfahrens die gesetzlichen oder statuarischen Vertretungsregeln (§ 78 AktG) einzuhalten sind oder ob diese Regeln im Einzelfall insolvenzrechtlich modifiziert werden müssen. Eine solche insolvenzrechtliche Modifikation wird mit unterschiedlicher Begründung im Hinblick auf einzelne Verfahrensrechte befürwortet: So wird bei der Einlegung einer sofortigen Beschwerde (§ 6 I InsO) teils generell40, teils nur bei der Anfechtung des Eröffnungsbeschlusses41 (§ 34 InsO) jedes einzelne Vorstandsmitglied als beschwerdebefugt angesehen; andere halten für die Einstellung des Verfahrens gem. §§ 212, 213 InsO einen Antrag sämtlicher gesetzlicher Vertreter der juristischen Person für erforderlich;42 schließlich wird auch das Recht zur Vorlage eines Insolvenzplans (§ 218 I 1 Alt. 2 InsO) teils jedem einzelnen Vorstandsmitglied43, teils allen vertretungsberechtigten Vorstandsmitgliedern gemeinsam44 zuerkannt. Die Insolvenzordnung enthält jedoch mit Ausnahme des § 15 I InsO, der allein den Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens (§ 13 InsO) betrifft, keine Bestimmung, die eine solche Abweichung von den aktienrechtlichen Vertretungsregeln anordnete. Es soll daher im Folgenden untersucht werden, ob den dargestellten Auffassungen gefolgt werden kann. Methodisch muss dabei zunächst bei der Auslegung der Vorschrift angesetzt werden,45 die das jeweilige Verfahrensrecht regelt, bevor anschließend eine analoge Anwendung des § 15 InsO zu überprüfen ist.

___________ 39 Das gilt etwa nicht für die Pflichten der §§ 97, 101, 270 I 2 InsO, die ihrem Zweck nach jedes einzelne Vorstandsmitglied individuell treffen (siehe auch schon oben I. 2., Seite 203), und gesellschaftsinterne Maßnahmen, die der Vorstand regelmäßig als Organ vornimmt. 40 Blersch, in: BK zum InsR, § 6 Rn. 18. 41 Siehe die Nachweise in den Fußnoten 47, 48 und 59 dieses Kapitels. Zur früheren Rechtslage: Uhlenbruck, in: Kuhn/Uhlenbruck, KO, § 208 Rn. 3. 42 Siehe die Nachweise in Fußnote 71 (Seite 212). 43 Hess, in: Hess/Obermüller, Insolvenzplan, Rn. 25 (ohne Begründung); Vogl, DZWIR 2004, 490, 491. 44 Eidenmüller, in: MK zur InsO, § 218 Rn. 73; wohl auch Otte, in: Kübler/Prütting, InsO, § 218 Rn. 26. 45 Dazu Larenz, S. 312 ff., 320 ff.

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1. Einlegung einer sofortigen Beschwerde gem. § 34 InsO a) Auslegung des § 34 InsO Gem. § 34 steht „dem Schuldner“ die sofortige Beschwerde gegen den Beschluss zu, durch den das Insolvenzverfahren eröffnet (§ 34 II InsO) oder die Eröffnung abgelehnt wird (§ 34 I Alt. 2 InsO). Im Angesicht von § 11 I 1 InsO, der die juristische Person selbst zum Subjekt des Insolvenzverfahrens und damit zur Schuldnerin erklärt, muss diese Formulierung zunächst so verstanden werden, dass eine wirksame Handlung der Aktiengesellschaft erforderlich ist. Das setzt aber, da die Gesellschaft als solche nicht handlungsfähig ist, nicht mehr und nicht weniger als die Beachtung der aktienrechtlichen Vertretungsregeln (§ 78 AktG) voraus. Um diese Schlussfolgerung zu vermeiden, wird zuweilen auf einen Kunstgriff verfallen und der Begriff der sog. „(Gemein-)Schuldnerrolle“ der Vorstandsmitglieder eingeführt:46 In der Insolvenz einer juristischen Person befinde sich jeder ihrer organschaftlichen Vertreter in der „Schuldnerrolle“, so dass jeder von ihnen gemeint sei, wenn die Insolvenzordnung von „Schuldner“ spreche. Demzufolge solle auch jedes einzelne Vorstandsmitglied ohne Rücksicht auf die geltende Vertretungsregelung nach § 34 I Alt. 2 InsO47 oder nach § 34 II InsO48 beschwerdeberechtigt sein. Diese Argumentation vermag in mehrfacher Hinsicht nicht zu überzeugen. Sie knüpft offenbar an die Rechtsprechung des BGH zu Personengesellschaften ___________ 46 Dass die Vorstände der AG die „Gemeinschuldnerrolle“ ausüben, vertreten – in anderem Zusammenhang – auch: Blersch, in: BK zum InsR, § 22 Rn. 32; Uhlenbruck, in: Braun/Uhlenbruck, Unternehmensinsolvenz, S. 194; Götker, Rn. 917, Rn. 999 (für die GmbH); Robrecht, DB 1968, 471, 473 (für die GmbH). A. A. schon Weber, in: Jaeger, KO, §§ 207, 208 Rn. 29; J. Mohrbutter, in: Bley/Mohrbutter, VglO, § 108 Rn. 19; Henssler, in: Kölner Schrift, S. 1283 ff. Rn. 30; Gutsche, Rn. 311 (sie seien nur die „eigentlichen Träger der Gemeinschuldnerrolle“). Auf die „Gemeinschuldnerrolle“ wird insbesondere im Rahmen der §§ 212, 213 InsO abgestellt, siehe folgend 2., Seite 212. 47 Schmerbach, in: FK zur InsO, 2. Auflage, § 34 Rn. 10; Schulze-Osterloh, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, Rn. § 64 Rn. 48; K. Schmidt, in: Scholz, GmbHG, 8. Auflage, § 63 Rn. 45 (zur KO); Noack, in: Kübler/Prütting, GesR, Rn. 254 (für die GmbH); LG Dessau, Beschluss vom 30. 3. 1998 – 7 T 123/98, ZIP 1998, 1006, 1007 (zur GesO). 48 Etwa Ganter, in: MK zur InsO, § 6 Rn. 34; Henssler, in: Kölner Schrift, S. 1283 ff. Rn. 44; Schulze-Osterloh, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, Rn. § 64 Rn. 47; Pape, in: Kübler/Prütting, InsO, § 34 Rn. 33; Goetsch, in: BK zum InsR, § 6 Rn. 18 Fn. 14 (in der irrtümlich auf Kuhn/Uhlenbruck, KO, § 107 Rn. 1a statt auf § 109 Rn. 1a Bezug genommen wird). Zur KO: Uhlenbruck, in: Kuhn/Uhlenbruck, KO, § 109 Rn. 1a (für die GmbH); Ulmer, in: Hachenburg, GmbHG, 8. Auflage, § 63 Rn. 67. Zur GesO: LG Dessau, Beschluss vom 30. 3. 1998 – 7 T 123/98, ZIP 1998, 1006, 1007.

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an,49 nach der sich alle persönlich haftenden Gesellschafter in der Gemeinschuldnerrolle befinden, und übersieht dabei, dass diese Rechtsprechung, sollte man ihr überhaupt folgen,50 in keinem Fall auf juristische Personen übertragen werden kann. Denn nach der Begründung des BGH51 sind in der Insolvenz einer Personengesellschaft nur deshalb „in Wahrheit die Gesellschafter die Gemeinschuldner“, weil nicht die Gesellschaft, sondern die Gesellschafter selbst in ihrer gesamthänderischen Verbundenheit Träger der Rechte und Pflichten seien und deshalb die Personalgesellschaft nicht von der Persönlichkeit der Gesellschafter getrennt werden könne. Juristische Personen haben dagegen eine von ihren Gesellschaftern, insbesondere aber: von den Mitgliedern ihrer Organe, verschiedene Rechtspersönlichkeit (vgl. nur § 1 S. 1 AktG, § 13 I GmbHG). Eine Gleichsetzung der Organmitglieder mit der juristischen Person als Gemeinschuldnerin ist daher abwegig.52 Dafür spricht auch, dass es der ausdrücklichen Zuweisung der insolvenzrechtlichen Pflichten an die organschaftlichen Vertreter gem. § 101 I 1 InsO nicht bedürfte, wenn diese tatsächlich die Schuldnerrolle wahrnähmen.53 Außerdem lässt das Abstellen auf die „Schuldnerrolle“ gar keine logisch zwingenden Schlüsse zu, wie schon die verschiedenen Auffassungen zu § 34 II InsO auf der einen und §§ 212, 213 InsO auf der anderen Seite offenbaren: Während bei § 34 II InsO mit der „Schuldnerrolle“ eines jeden organschaftlichen Vertreters begründet wird, dass jeder einzelne beschwerdebefugt sein soll, wird bei §§ 212, 213 InsO aus derselben Überlegung das genaue Gegenteil abgeleitet, nämlich dass sie nur alle gemeinsam antragsbefugt sein sollen, da sie alle mit „Schuldner“ gemeint seien.54 Hierin zeigt sich die Inkonsistenz der „Schuldnerrolle der organschaftlichen Vertreter“ als Argument. Bei einer juristischen Person wird die „Schuldnerrolle“ daher durch diese selbst ausgefüllt, lediglich vertreten durch ihre Organe.55 Da hier der Schuldner mit dem Träger der Schuldnerrolle personenidentisch ist, sollte insoweit auf die ___________ 49 Ausdrücklich wird z. B. bei der Antragsberechtigung der Vorstandsmitglieder gem. §§ 212, 213 InsO auf diese Rechtsprechung Bezug genommen, vgl. unten 2., Seite 212. 50 Siehe die überzeugende Kritik von Kilger/K. Schmidt, InsG, § 209 KO Rn. 2 c. 51 BGH, Urteil vom 16. 2. 1961 – III ZR 71/60 (Köln), BGHZ 34, 293, 297 (zur KG); vgl. auch OLG Düsseldorf, Beschluss vom 16. 10. 1957 – 3 W 234/57, KTS 59, 175 (zur OHG). 52 Ablehnend schon Weber, in: Jaeger, KO, § 175 Rn. 4 und § 187 Rn 10. 53 A. A. offenbar Götker, Rn. 917, der § 101 I InsO als Klarstellung begreift, dass die Geschäftsführer einer GmbH Träger der Schuldnerrolle sind. Das kann insbesondere auch mit Blick auf § 101 I 2 InsO nicht überzeugen, der die Pflichten auf ehemalige Organmitglieder ausweitet, die sich gerade nicht mehr in der Gemeinschuldnerrolle befinden können. 54 Vgl. folgend 2., Seite 212, und insbesondere die Nachweise dort in Fußnote 72. 55 Ebenso Uhlenbruck, FS Kirchhof, 479, 494; Köchling, ZInsO 2003, 53, 54; auch schon Weber, in: Jaeger, KO, §§ 207, 208 Rn. 29.

Kap. 5: Der Vorstand in der Eigenverwaltung

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Verwendung des Terminus’ „Schuldnerrolle“ gänzlich verzichtet werden. Ihm liegt weder eine inhaltliche Aussage zugrunde, noch kann er im Gesetz normativ verankert werden, sondern droht im Gegenteil nur zu weiteren Missverständnisse gegenüber dem Personengesellschaftsrecht in Zukunft zu führen. Nach dem Wortlaut des § 34 InsO sind für die Beschwerdeberechtigung daher die aktienrechtlichen Vertretungsregelungen maßgeblich. Dieses Verständnis wird in systematischer Hinsicht durch den Vergleich zu §§ 15 I, 18 III InsO gestützt. Die Tatsache, dass § 15 I InsO nur für die Stellung des Eröffnungsantrags eine von den jeweiligen verbandsrechtlichen Vertretungsregeln abweichende Regelung speziell anordnet, lässt darauf schließen, dass ansonsten die jeweiligen Vertretungsregeln gelten sollen. Das wird auch durch § 18 III InsO bestätigt, der für einen Eröffnungsantrag wegen drohender Zahlungsunfähigkeit (§ 18 I InsO) die Einhaltung der jeweiligen Vertretungsregeln wiederum verlangt.56 Bei der historischen Betrachtung ist zu berücksichtigen, dass der Gesetzgeber von Eingriffen in das Gesellschaftsrecht durch die Insolvenzordnung bewusst abgesehen hat.57 Das streitet ebenfalls für die unmodifizierte Geltung der gesellschaftsrechtlichen Vertretungsregeln. § 34 InsO ist daher so auszulegen, dass sich die Beschwerdeberechtigung nach der geltenden Vertretungsregelung richtet.58 b) Analogie zu § 15 InsO Die Beschwerdebefugnis eines jeden einzelnen gesetzlichen Vertreters könnte sich allerdings – wie die h. M. behauptet – aufgrund einer analogen Anwendung des § 15 I InsO ergeben.59 Dafür ist neben einer planwidrigen Regelungs___________ 56 Vgl. zu der entsprechenden Schlussfolgerung im Rahmen des Eigenverwaltungsantrags (270 II Nr. 1 InsO), Kapitel 3 A. II. 1. a) aa) (1) (b) (bb), Seite 147, und ebenda (2), Seite 149. 57 Bundesregierung, Begründung RegE InsO, BT-Drucks. 12/2443, S. 83. Diese Stelle bezieht sich zwar in erster Linie auf Eingriffe in die gesellschaftsrechtlichen Verhältnisse zur Durchsetzung einer Zwangsreorganisation durch einen Reorganisationsplan. Sie ist aber dennoch Ausdruck einer generellen Abstandnahme von Eingriffen in das Gesellschaftsrecht, weil nur das Gesellschaftsvermögen, nicht aber die Gesellschaft den Gegenstand des Insolvenzverfahrens bildet. Vgl. dazu B. II. 2. a) (3) (c), Seite 263. 58 So im Ergebnis auch: Noack, in: Kübler/Prütting, GesR, Rn. 306; Henssler, ZInsO 1999, 121, 125; Hüffer, in: MK zum AktG, § 264 Rn. 65; Weber, in: Jaeger, KO, §§ 207, 208 Anm. 30. 59 In Bezug auf § 34 II InsO stellen auf § 15 I InsO bzw. auf die Vorgängernorm § 208 KO ab: Ganter, in: MK zur InsO, § 6 Rn. 34; Goetsch, in: BK zum InsR, § 6 Rn. 18; Henssler, in: Kölner Schrift, S. 1283 ff. Rn. 44; ders., ZInsO 1999, 121, 125; H.-F. Müller, S. 105; Schulze-Osterloh, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 64 Rn. 47; Uh-

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3. Teil: Die Rechtsstellung der Organe einer AG in Eigenverwaltung

lücke auch die Vergleichbarkeit der Interessenlage erforderlich,60 an der es allerdings sowohl bei § 34 II InsO wie auch bei § 34 I Alt. 2 InsO fehlt. Der Zweck des § 15 I InsO besteht, wie oben ausgeführt wurde,61 allein darin, das zur Insolvenzantragstellung gem. § 92 II AktG individuell verpflichtete Vorstandsmitglied in die Lage zu versetzen, diese Verpflichtung u. U. sogar gegen den Widerstand der übrigen Vorstandsmitglieder erfüllen zu können; die Vorschrift dient damit primär dem Schutz der Gläubigerinteressen. Bei der Beschwerde gegen die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens (§ 34 II InsO) befindet sich ein Vorstandsmitglied jedoch in einer ganz anderen Interessenlage, denn es handelt, um Schaden von der Gesellschaft, nicht von den Gläubigern abzuwenden. Aus diesem Grunde besteht auch keine § 92 II AktG vergleichbare insolvenzrechtliche Pflicht, die Beschwerde einzulegen.62 Die Beschwerde nach § 34 II InsO bedarf deshalb nicht des besonderen Schutzes, um dessentwillen § 15 I InsO jedes Vorstandsmitglied für antragsbefugt erklärt.63 Entsprechendes gilt für die Fälle des § 34 I Alt. 2 InsO. Denn da die gesetzliche Antragspflicht nach § 92 II AktG mit dem Stellen des Insolvenzantrags auch dann erlischt, wenn der Antrag durch das Insolvenzgericht abgelehnt wird,64 befindet sich das Vorstandsmitglied nicht mehr in einer Zwangslage, wie sie § 15 I InsO zugrunde liegt. Außerdem ist auch dem Schutz der Gläubiger genüge getan, da das Insolvenzgericht das Vorliegen eines Eröffnungsgrundes geprüft (und verneint) hat. Somit kann eine Modifikation der aktienrechtlichen Vertretungsregeln weder bei § 34 I Alt. 2 InsO65 noch bei § 34 II InsO66 auf eine Analogie zu § 15 I InsO gestützt werden. ___________ lenbruck, in: Kuhn/Uhlenbruck, KO, § 208 Rn. 3; Ulmer, in: Hachenburg, GmbHG, 8. Auflage, § 63 Rn. 65, 67. In Bezug auf § 34 I Alt. 2. 60 Larenz, S. 381 ff. 61 Vgl. oben Kapitel 3 A. II. 2. a) aa) (1) (bb), Seite 147 und ebenda I. 2., Seite 142. 62 A. A. offenbar Götker, Rn. 935 mit Rn. 837 ff. Eine Pflicht zur Einlegung einer Beschwerde kann sich allerdings aus § 93 I AktG gegenüber der Gesellschaft ergeben, vgl. dazu D. I. 1. a) aa) (1), Seite 325. 63 Insbesondere dient § 15 I InsO nicht dazu, durch eine Verteilung der Beschwerderechte auf jeden einzelnen Vorstand eine chancengleiche Wahrung der Interessen der Gesellschaft zu ermöglichen (so aber Häsemeyer, InsR, Rn. 30.27). 64 Götker, Rn. 839; Uhlenbruck, in: Kuhn/Uhlenbruck, KO, § 107 Rn. 8a; offenbar auch K. Schmidt, in: Scholz, GmbHG, § 64 Rn. 19. Davon zu unterscheiden ist die Antragsrücknahme nach § 13 II InsO, bei der die Antragspflicht – zum Schutze der Gläubiger – freilich wieder auflebt (vgl. Delhaes, in: Kölner Schrift, S. 141 ff. Rn. 39). 65 So auch Götker, Rn. 839 (für die GmbH). 66 Ebenso Götker, Rn. 841 (für die GmbH); vorsichtig in diese Richtung K. Schmidt, in: Scholz, GmbHG, 8. Auflage, § 63 Rn. 46.

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c) Sonstige Erwägungen In Bezug auf § 34 II InsO wird weiter argumentiert, dass jedem einzelnen Vorstandsmitglied, wenn ihm schon das Antragsrecht gem. § 15 I InsO zukomme, auch das Beschwerderecht des § 34 II InsO zustehen müsse.67 Dadurch will man offenbar vermeiden, dass der Schuldnergesellschaft das Beschwerderecht praktisch abgeschnitten wird, etwa wenn das eine von zwei gesamtvertretungsberechtigten Organmitgliedern den Eröffnungsantrag gem. §§ 13 I 2, 15 I InsO gestellt hat und das andere alleine keine Beschwerde einlegen kann.68 Es ist allerdings schon problematisch, ob und inwieweit derartige allgemeine Bedenken außerhalb der Auslegung des § 34 InsO und der Analogie zu § 15 I InsO methodisch überhaupt noch Berücksichtigung finden können. Der Einwand verfängt aber ohnehin nicht. Ein eigenes Beschwerderecht des dissentierenden Organmitglieds ist nicht erforderlich, da es gem. § 15 II InsO vor der Eröffnung des Verfahrens zu hören ist und somit ausreichend Gelegenheit hat, die sonst mit einer Beschwerde verfolgten Vorbehalte zu äußern. Durch diese Anhörung soll gerade gewährleistet werden, dass Eröffnungsanträge, die lediglich aufgrund gesellschaftsinterner Meinungsverschiedenheiten gestellt werden, rasch als solche erkannt werden und so Schaden von dem betroffenen Unternehmen abgewendet werden kann.69 Demgegenüber ist ein individuelles Beschwerderecht auch nicht das geeignete Mittel, um organ- oder verbandsinterne Differenzen auszugleichen, da derartige Situationen bei jeder Verfahrenshandlung möglich sind und deshalb einheitlich auf gesellschaftlicher Ebene gelöst werden müssen; die Insolvenzordnung ist zur Lösung derartiger Konflikte weder bestimmt noch ausgelegt.70 Außerdem besteht für die Gesellschaft die Möglichkeit, das eigenmächtig handelnde Organmitglied auszuwechseln und anschließend die Beschwerde einzulegen oder – sollte diese schon verfristet sein – einen Einstellungsantrag gem. § 212 InsO (analog) zu stellen. Nach alledem ist festzuhalten, dass im Rahmen des § 34 InsO die aktienrechtlichen Vertretungsregeln maßgeblich sind, so dass das Beschwerderecht der Gesellschaft nur von ihren Vorstandsmitgliedern in vertretungsberechtigter Zahl ausgeübt werden kann. ___________ 67

Uhlenbruck, in: Kuhn/Uhlenbruck, KO, § 208 Rn. 3; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder, GmbHG, § 63 Rn. 28. 68 Liebmann/Saenger, GmbHG, § 64 Anm. 5; vgl. Häsemeyer, InsR, Rn. 30.27; LG Tübingen, Beschluss vom 10. 8. 1960 – 1 T 67/60, KTS 1961, 158, 159. 69 Kind, in: Braun, InsO, § 15 Rn. 9. 70 Diese Frage wurde schon im Rahmen einer analogen Anwendung des § 15 I InsO auf den Antrag nach § 270 II Nr. 1 InsO erörtert, vgl. oben Kapitel 3 A. II. 1. a) aa) (2), Seite 149.

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3. Teil: Die Rechtsstellung der Organe einer AG in Eigenverwaltung

2. Antrag auf Einstellung des Verfahrens (§§ 212, 213 InsO) Eine weit verbreitete Ansicht hält für die Einstellung des Verfahrens gem. §§ 212, 213 InsO einen Antrag sämtlicher gesetzlicher Vertreter der juristischen Person für erforderlich.71 Das wird wiederum mit ihrer „Gemeinschuldnerrolle“ begründet: In der Insolvenz einer juristischen Person müsse dasselbe gelten wie in der Insolvenz einer Personengesellschaft, bei der sich alle persönlich haftenden Gesellschafter in der „Gemeinschuldnerrolle“ befänden, und eine Antragstellung daher durch sämtliche organschaftlichen Vertreter zu erfolgen habe, wenn das Gesetz wie in §§ 212, 213 InsO von einem Antrag „des Schuldners“ spreche.72 Diese Begründung ist jedoch in mehrfacher Hinsicht verfehlt und inkonsistent, wie soeben für § 34 InsO ausgeführt worden ist.73 Vielmehr muss auch hier dem klaren Wortlaut der §§ 212, 213 InsO gefolgt werden, die von einem Antrag des „Schuldners“, i. e. der Aktiengesellschaft (§ 11 I 1 InsO) sprechen; im Übrigen gilt das soeben zur Auslegung des § 34 InsO Gesagte entsprechend. Da sich darüber hinaus auch bei § 212 InsO sowie § 213 InsO für eine Analogie zu § 15 InsO kein Ansatzpunkt bietet, muss sich

___________ 71

Pape, in: Kübler/Prütting, InsO, § 212 Rn. 3 und § 213 Rn. 2; Hefermehl, in: MK zur InsO, § 212 Rn. 7 und § 213 Rn. 4; Weis, in: Hess, InsO, § 213 Rn. 5; unklar hingegen dies., in: Hess, InsO, § 212 Rn 16; Frege/Keller/Riedel, Rn. 1808; Uhlenbruck, in: Uhlenbruck, InsO, § 212 Rn. 3 und § 213 Rn. 3; wohl auch Haarmeyer/Wutzke/Förster, Kap. 8 Rn. 148 und 153. Die Antragstellung durch sämtliche gesetzlichen Vertreter verlangten schon bei § 202 KO (Einstellung des Konkursverfahrens auf Antrag des Schuldners): Uhlenbruck, in: Kuhn/Uhlenbruck, KO, § 202 Rn. 5; Hess, in: Hess, KO, 5. Auflage, § 202 Rn. 2; wohl auch Weber, in: Jaeger, KO, §§ 207, 208 Rn. 62. Vielerorts wird auch auf den Beschluss des OLG Celle vom 7.9.2000 – 2 W 69/00, ZIP 2000, 1943 (= ZInsO 2000, 558, 559) verwiesen. Es ist allerdings äußerst zweifelhaft, dass das OLG Celle diese Auffassung tatsächlich teilt. Denn die Entscheidung enthält keine ausdrückliche Aussage in diese Richtung und behandelt auch einen ganz anderen Fall, nämlich die Insolvenz einer GmbH & Co. KG und die Antragstellung nach § 212 InsO durch die Komplementär-GmbH, vertreten durch ihre Geschäftsführer. Auf diese Konstellation übertragen müsste die Frage lauten, ob sämtliche Gesellschafter der KG, nicht aber die Gesellschafter der Komplementär-GmbH, den Antrag stellen müssen; dazu sagt das Gericht aber ebenfalls nichts aus. Soweit das Gericht schließlich hinsichtlich der Antragsberechtigung auf die Kommentierung von Pape in: Kübler/Prütting, InsO, § 212 Rn. 3 f. verweist, geschieht dies in einem ganz anderen Zusammenhang, nämlich zu dem Problem, ob das Antragsrecht nach § 212 InsO im Falle der Insolvenz der KomplementärGmbH deren Gesellschafter oder deren Insolvenzverwalter zustehen soll. Siehe zu den allgemeinen Beendigungstatbeständen auch Kapitel 3 B. II., Seite 179. 72 Vgl. insbesondere Pape, in: Kübler/Prütting, InsO, § 212 Rn. 3; Uhlenbruck, in: Uhlenbruck, InsO, § 212 Rn. 3. 73 1. a), Seite 207.

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auch hier die Antragsbefugnis nach den aktienrechtlichen Vertretungsregelungen richten.74 3. Vorlage eines Insolvenzplans (§ 218 I 1 Alt. 2 InsO) Soweit das Recht zur Vorlage eines Insolvenzplans (§ 218 I 1 Alt. 2 InsO) teils jedem einzelnen Vorstandsmitglied75, teils nur allen vertretungsberechtigten Vorstandsmitgliedern gemeinsam76 zuerkannt wird, so kann die darin liegende Abweichung von den aktienrechtlichen Vertretungsregeln ebenso wenig wie bei § 34 InsO und §§ 212, 213 InsO auf die Auslegung des § 218 I 1 Alt. 2 InsO gestützt werden. Ein individuelles Vorlagerecht einzelner Organmitglieder kann auch nicht mit einer Analogie zu § 15 I InsO erklärt werden,77 da es hier in Ermangelung einer § 92 II AktG entsprechenden insolvenzrechtlichen Pflicht wie bei dem Beschwerderecht des § 34 InsO an der Vergleichbarkeit der Interessenlage fehlt. Wenn schließlich die Vorlage des Insolvenzplans durch sämtliche vertretungsberechtigte Vorstandsmitglieder verlangt wird, um zu verhindern, dass schuldnerinterne Streitigkeiten über den Sinn und den Inhalt des Plans eine Rechtsunsicherheit in das Verfahren tragen,78 so ist dem wie bei § 34 InsO entgegenzuhalten,79 dass das Insolvenzrecht nicht das geeignete Mittel darstellt, um derartigen Konflikte zu begegnen. Dem Schutz des Insolvenzverfahrens wird im Übrigen dadurch ausreichend Rechnung getragen, dass der Schuldner ohnehin nur zur gleichzeitigen Vorlage eines (also des ersten) Plans berechtigt ist80 und missbräuchliche Pläne zurückgewiesen werden können.81 Die Gesellschaft hat zudem die Möglichkeit, das Organmitglied auszuwechseln und den Plan anschließend zurückzunehmen82. Somit kann ein Insolvenzplan ___________ 74 Im Ergebnis ebenfalls Landfermann, in: HK zur InsO, § 212 Rn. 3 und § 213 Rn. 3; auch schon Kilger/K. Schmidt, InsG, § 202 KO Anm. 2 a cc. 75 Hess, in: Hess/Obermüller, Insolvenzplan, Rn. 25 (ohne jegliche Begründung); Vogl, DZWIR 2004, 490, 491. 76 Eidenmüller, in: MK zur InsO, § 218 Rn. 73; wohl auch Otte, in: Kübler/Prütting, InsO, § 218 Rn. 26. 77 Ebenso Eidenmüller, in: MK zur InsO, § 218 Rn. 71; a. A. Vogl, DZWIR 2004, 490, 491; anscheinend auch Hess, in: Hess/Obermüller, Insolvenzplan, Rn. 25. 78 Eidenmüller, in: MK zur InsO, § 218 Rn. 73; i. E. auch Otte, in: Kübler/Prütting, InsO, § 218 Rn. 16. 79 Oben 1. c), Seite 211. 80 Otte, in: Kübler/Prütting, InsO, § 218 Rn. 26; Eidenmüller, in: MK zur InsO, § 218 Rn. 119 f.; a. A. Vogl, DZWIR 2004, 490, 492. 81 Eidenmüller, in: MK zur InsO, § 218 Rn. 161. 82 Dazu Eidenmüller, in: MK zur InsO, § 218 Rn. 134 ff., freilich mit einer der Vorlageberechtigung entsprechenden Beschränkung auf sämtliche vertretungsberechtigten Organmitglieder in Rn. 145.

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für die Aktiengesellschaft ebenfalls nur durch eine vertretungsberechtigte Zahl ihrer Vorstandsmitglieder gem. § 218 I 1 Alt. 2 InsO vorgelegt werden.83 4. Ergebnis Nach den vorstehenden Erörterungen sind die Rechte aus §§ 34, 212, 213, 218 I 1 Alt. 2 InsO also jeweils so auszulegen, dass für ihre wirksame Ausübung eine vertretungsberechtigte Zahl an Vorstandsmitgliedern handeln muss. Diese Aussage ist aber sogar zu generalisieren und auf sämtliche Verfahrensrechte der Aktiengesellschaft im Schuldnerbereich zu erstrecken, denn es ist kein Umstand ersichtlich, der hinsichtlich eines dieser allgemeinen Verfahrensrechte eine unterschiedliche Wertung rechtfertigte. Eine Abweichung könnte sich zwar methodisch aus einer Analogie zu § 15 I InsO ergeben, doch ist kein Verfahrensrecht erkennbar, bei dem sich die Vorstandsmitglieder in einer dieser Vorschrift vergleichbaren Interessenlage befinden können. Somit bewahren die aktienrechtrechtlichen Vertretungsregeln für die Ausübung aller Verfahrensrechte der Gesellschaft im Schuldnerbereich Geltung.84 Da die Vertretungsregeln des § 78 AktG gleichfalls für die Ausübung der Verfahrensrechte im Eigenverwaltungsbereich maßgeblich sind,85 fügt sich so ein einheitliches und geschlossenes System: Für sämtliche Verfahrensrechte der Gesellschaft im Eigenverwaltungsverfahren sind die aktienrechtlichen Vertretungsregeln maßgeblich.86 III. Bindungen Den Gegenstand dieses Abschnitts bilden die Bindungen, denen der Vorstand unterliegt, wenn er im Schuldnerbereich tätig wird. Das betrifft zunächst die Frage, an welchem Ziel er sein Handeln auszurichten hat, ob am Gesellschaftsinteresse oder am Abwicklungs- bzw. Insolvenzzweck (1.), inwieweit er ___________ 83

So auch Braun, in: Nerlich/Römermann, InsO, § 218 Rn. 8 ff., 14; Breutigam, in: BK zum InsR, § 218 Rn. 5; Dinstühler, InVo 1998, 333, 338; Flessner, in: HK zur InsO, § 218 Rn. 5; Lüer, in: Uhlenbruck, InsO, § 218 Rn. 11. 84 So im Ergebnis auch: Noack, in: Kübler/Prütting, GesR, Rn. 306; Henssler, ZInsO 1999, 121, 125; Hüffer, in: MK zum AktG, § 264 Rn. 65; Weber, in: Jaeger, KO, §§ 207, 208 Anm. 30. Einschränkend (mit Ausnahme des § 34 I InsO): Götker, Rn. 935; Grüneberg, S. 137; Ulmer, in: Hachenburg, GmbHG, 8. Auflage, § 63 Rn. 101. 85 B. I., Seite 231, und II. 2. a) cc), Seite 272. 86 Dabei ist klarzustellen, dass es sich bei dem Insolenzantragsrecht nach § 13 InsO, auf das § 15 I InsO anzuwenden ist, um kein Verfahrensrecht im eröffneten Verfahren handelt. Dasselbe gilt für den Antrag auf Anordnung der (§ 270 II Nr. 1 InsO), auf den aber – wie unter Kapitel 3 A. II. 1. a) aa) (1), Seite 145 gezeigt wurde – § 15 I InsO keine, auch keine entsprechende Anwendung findet.

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gesellschaftsrechtliche Mitwirkungsbefugnisse von Aufsichtsrat und Hauptversammlung beachten muss (2.) und durch wen er in diesem Bereich überwacht wird (3.). Von der Betrachtung ausgenommen bleiben die Verfahrenspflichten der §§ 97, 101, 270 I 2 InsO, die – wie dargetan – eine Sonderstellung insoweit einnehmen, als sie als besondere insolvenzrechtliche Pflichten eines jeden Vorstandsmitgliedes ausgestaltet sind. Denn diese Eigenart bedingt, dass sich der Vorstand bei ihrer Erfüllung allein von den Gläubigerinteressen leiten lassen muss und dass keine diesbezüglichen Mitwirkungs- oder gar Weisungsbefugnisse der anderen Gesellschaftsorgane bestehen können.87 1. Die Bindung an den werbenden Gesellschaftszweck a) Keine Bindung an den Insolvenzverfahrenszweck Nach überwiegender Auffassung sollen in einem regulären Insolvenzverfahren die Kompetenzen der Gesellschaftsorgane nicht allein durch den Übergang des Verwaltungs- und Verfügungsrechts auf den Verwalter (§ 80 I InsO), sondern daneben auch durch den Insolvenzzweck (§ 1 S. 1 InsO) selbst beschränkt werden.88 Neben die gegenständliche soll also eine inhaltliche Begrenzung ihrer Befugnisse treten. Diese auf Friedrich Weber zurückgehende Ansicht resultiert aus der folgenden Überlegung. Einerseits sind die Gesellschaftsorgane und im Besonderen die Vorstandsmitglieder bei ihrer Geschäftsführung (§ 77 I 1 AktG) an den Zweck der Aktiengesellschaft gebunden.89 Andererseits soll eben dieser ur___________ 87

Siehe dazu I. 2., Seite 203. Etwa Weber, KTS 1970, 73, 79 f.; ders., in: Jaeger, KO, §§ 207, 208 Rn. 28, 31 (freilich noch zum Konkurszweck). Bezüglich Hauptversammlung oder Gesellschafterversammlung der GmbH: Grüneberg, S. 53; Haas, in: Gottwald, § 92 Rn. 154; Hüffer, in: MK zum AktG, § 264 Rn. 78; Noack, in: Kübler/Prütting, GesR, Rn. 337; Weber, in: Jaeger, KO, §§ 207, 208 Rn. 31; Kraft, in: KK zum AktG, § 262 Rn. 52; a. A. überzeugend H.-F. Müller, S. 168. Davon zu trennen ist die Bezugnahme auf den Insolvenzzweck, soweit sie dazu dient, den Zuständigkeitsbereich der Gesellschaftsorgane gegenständlich von dem des Insolvenzverwalters zu trennen, vgl. dazu oben Kapitel 2 A. II., Seite 103. In diesem Sinne wohl etwa OLG Karlsruhe, Beschluss vom 8. 1. 1993 – 4 W 28/92, NJW 1993, 1931; Kraft, in: KK zum AktG, § 262 Rn. 52. 89 Für sämtliche Organe: Wiedemann, GesR I, S. 10 f.; H.-F. Müller, S. 124. Für den Vorstand: Hüffer, AktG, § 82 Rn. 9; Kübler, § 15 III 4 a; H.-F. Müller, S. 125; Pühler, in: Happ, AktR, 1.01 Rn. 7; Schlegel, S. 200; K. Schmidt, GesR, § 4 II. 3. b), S. 66; Westermann, FS Schnorr von Carolsfeld, 517, 531; Würdinger, § 10 II 1 b. Unterschiedlich ist lediglich die rechtliche Begründung: Teilweise wird der Gesellschaftszweck als im 88

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3. Teil: Die Rechtsstellung der Organe einer AG in Eigenverwaltung

sprünglich auf eine werbende Tätigkeit und Gewinnerzielung gerichtete Gesellschaftszweck im Falle der Auflösung einer Gesellschaft wegen der Eröffnung eines Konkursverfahrens vollständig durch den Konkurszweck – bzw. den Insolvenz- oder Abwicklungszweck90 – ersetzt werden (sog. Verdrängungstheorie91) und die „Konkursgesellschaft nur noch für die Zwecke des Konkurses fortbestehen“92. Daher erführen die Fuktionen der Gesellschaftsorgane auch im Gemeinschuldnerbereich und im konkursfreien Bereich – die zusammen den Schuldnerbereich bilden93 – insofern eine Beschränkung, als nur noch Maßnahmen gestattet seien, die mit dem Konkurszweck in Einklang stünden; konkursfreier Bereich und Gemeinschuldnerbereich seien daher in gleicher Weise konkursbezogen.94 Entsprechend wird im neueren Schrifttum eine Ersetzung durch den „Abwicklungszweck“ oder dem Insolvenzzweck befürwortet.95 Das bedeutet aber nichts anderes, als dass die Organe der Schuldnergesellschaft auch im Schuldnerbereich einer Bindung an den Verfahrenszweck (§ 1 S. 1 InsO) unterliegen sollen.96 Richtigerweise wird der Gesellschaftszweck allerdings, wie oben erörtert worden ist,97 weder durch den Konkurs-, noch den Abwicklungs- oder den Insolvenzzweck verdrängt, sondern er ist nach wie vor grundsätzlich auf eine werbende Tätigkeit gerichtet und wird lediglich partiell von dem Zweck des Insolvenzverfahrens (§ 1 S. 1 InsO) überlagert. Eine Bindung der Organe der insolventen Gesellschaft im Schuldnerbereich an § 1 S. 1 InsO könnte sich somit nur ergeben, wenn die Überlagerung auch diesen Bereich erfasste. ___________ Unternehmensgegenstand (§ 23 III Nr. 2 AktG) inkorporiert angesehen (a. A. die h. M., etwa Kraft, in: KK zum AktG, § 23 Rn. 43), so dass sich die Beschränkung unmittelbar aus § 82 II AktG ergebe (z. B. Pühler, in: Happ, AktR, 1.01 Rn. 7), richtigerweise folgt dies aber aus dem Begriff der Geschäftsführungsmaßnahme selbst, i. e. als „Maßnahme zur Verfolgung des Gesellschaftszwecks“ (z. B. Westermann, FS Schnorr von Carolsfeld, 517, 531; Zöllner, Stimmrechtsmacht, S. 323). 90 Die Maßgeblichkeit des Abwicklungszweck im konkursfreien Bereich bejahen: Schulze-Osterloh, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 16. Auflage, § 63 Rn. 36.; Uhlenbruck, GmbHR 1972, 170, 174. 91 Zu dieser Theorie und ihrer Ablehnung ausführlich oben Kapitel 2 B. II., Seite 111. 92 Etwa RG, Urteil vom 14. 2. 1913 – Rep. II. 449/12, RGZ 81, 333, 336; Weber, KTS 1970, 73, 78 f. 93 Weber unterschied noch begrifflich zwischen dem „Gemeinschuldnerbereich“, der bloß diejenigen durch die Gesellschaftsorgane wahrzunehmenden Rechte und Pflichten umfassen sollte, die der Gesellschaft in ihrer Eigenschaft als Schuldnerin zugewiesen waren, und dem „konkursfreien Bereich“, dem die den organschaftlichen Vertretern verbleibenden Aufgaben zugehören sollten, vgl. Weber, KTS 1970, 73, 77. 94 Weber, KTS 1970, 73, 79. 95 Vgl. dazu die Nachweise oben Kapitel 2 B. II. 1., Seite 112. 96 Etwa: Hefermehl/Bungenroth, in: Geßler/Hefermehl, AktG, § 179 Rn. 59 (zur KO). 97 Kapitel 2 B. II. 2. b) cc), Seite 128.

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Dagegen spricht jedoch einerseits der Sinn und Zweck der allgemeinen Verfahrensrechte,98 die gerade nicht insolvenzrechtlich determiniert sein dürfen, wenn sie nicht zu bloßen Förmlichkeiten degradiert werden sollen. Müsste sich die Schuldnergesellschaft bei der Entscheidung, ob und auf welche Weise sie von ihren Verfahrensrechten Gebrauch machen soll (z. B. ob sie den Eröffnungsbeschluss gem. § 34 II InsO anfechten soll), von den Interessen der Gläubiger leiten lassen, wären diese Rechte weitestgehend überflüssig. Der Gesellschaft würde letztlich eine autonome Willensbildung verwehrt, und ihr würde gleichsam die Verfahrenssubjektivität abgesprochen.99 Die Schuldnergesellschaft überhaupt mit Verfahrensrechten auszustatten, kann somit nur bedeuten, dass diese Rechte primär dem Schutz und der Durchsetzung ihrer eigenen Interessen dienen. Aus demselben Grund kann auch das Unterlassungsgebot des § 97 III 2 InsO hier nicht greifen. Diese Annahme lässt sich zudem im Umkehrschluss zu § 247 II InsO aus dem Gesetz selbst ableiten. Indem nämlich diese Vorschrift anordnet, dass ein Widerspruch der Schuldnergesellschaft gegen einen Insolvenzplan nur unter gewissen Voraussetzungen unbeachtlich ist, erkennt sie gleichzeitig an, dass Vorbehalte der Schuldnergesellschaft gegen einen Insolvenzplan im Grundsatz statthaft sind, und zwar unabhängig davon, aufgrund welcher Motivation sie bestehen. Andererseits steht einer Überlagerung entgegen, dass die Eigenverwaltung, die wie jedes Insolvenzverfahren ein rein vermögensorientiertes Verfahren ist,100 gegenständlich auf das dem Insolvenzbeschlag unterliegende Vermögen beschränkt bleiben muss. Die strenge Geltung dieses Prinzip hat der Gesetzgeber im Besonderen dadurch unterstrichen, dass er ausdrücklich von insolvenzrechtlichen Eingriffen in die gesellschaftsrechtlichen Verhältnisse der Schuldnergesellschaft abgesehen hat, weil allein „das Vermögen des Schuldners, nicht die gesellschaftsrechtliche […] Organisation“ Gegenstand der Haftung sei.101 Dementsprechend kann auch eine Überlagerung des Gesellschaftszwecks nur insoweit erfolgen, wie die Masse i. S. d. § 35 InsO betroffen ist. Da der fehlende Massebezug aber gerade die den Schuldnerbereich kennzeichnende Eigenschaft darstellt, kann auch der Gesellschaftszweck hier nicht überlagert werden. Insoweit kann der Insolvenzverfahrenszweck (§ 1 S. 1 InsO) für die Organe der Aktiengesellschaft ebenso wenig maßgeblich sein wie für eine natürliche Person als Schuldner. Wegen der gegenständlichen Beschränkung des Schuldnerbereichs auf diejenigen Angelegenheiten, die keine nachteiligen Auswirkungen auf die Insol___________ 98

Siehe bereits I. 1., Seite 201. Ähnlich H.-F. Müller, S. 126. 100 Bundesregierung, Begründung RegE InsO, BT-Drucks. 12/2443, S. 77, 83. 101 Vgl. Bundesregierung, Begründung RegE InsO, BT-Drucks. 12/2443, S. 83. 99

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3. Teil: Die Rechtsstellung der Organe einer AG in Eigenverwaltung

venzmasse haben können, wäre es überdies sinnwidrig, in diesen Angelegenheiten eine Bindung an den Grundsatz der optimalen Befriedigung der Gläubiger anzuerkennen (§ 1 S. 1 InsO), da diese Befriedigung ja gerade aus der Insolvenzmasse erfolgen soll. Es ist überhaupt nicht denkbar, dass eine Maßnahme der Gesellschaft, die keine nachteiligen Auswirkungen auf die Insolvenzmasse hat, in diesem Sinne insolvenzzweckwidrig ist. Sobald sich bei einer Maßnahme die Frage nach ihrer Insolvenzzweckwidrigkeit stellt, ist vielmehr indiziert, dass sie nicht mehr in die Alleinzuständigkeit der Gesellschaft fällt, sondern im Regelinsolvenzverfahren der Kompetenz des Verwalters (§ 80 I InsO),102 in der Eigenverwaltung dem Eigenverwaltungsbereich zuzuweisen ist. Ob die Schuldnergesellschaft, vertreten durch ihren Vorstand, den Eröffnungsbeschluss anfechten, einem Insolvenzplan widersprechen oder einen Antrag auf Beendigung der Eigenverwaltung stellen soll, hat sie daher nicht nach Maßgabe des § 1 S. 1 InsO zu entscheiden. b) Bindung an den bisherigen Gesellschaftszweck Wird also der Zeck der Aktiengesellschaft im Schuldnerbereich weder verdrängt noch überlagert, so bleibt für den Vorstand bei der Ausübung der Verfahrensrechte wie bisher das Gesellschaftsinteresse103 maßgeblich, wie es im Gesellschaftszweck ausgeprägt wird, d. h. typischerweise der auf Vermögensmehrung gerichtete, werbende Betrieb des Gesellschaftsunternehmens. Es besteht für den Vorstand sogar eine nach § 93 II AktG haftungsbewehrte Verpflichtung gegenüber der Gesellschaft, diese Rechte in ihrem Interesse einzusetzen.104 Im Besonderen ist der Vorstand damit auch grundsätzlich berechtigt, im insolvenzfreien Bereich, d. h. in Bezug auf etwaiges insolvenzfreies Vermögen, neue auf Vermögensmehrung gerichtete Geschäfte für die Gesellschaft zu tätigen. Nicht zu folgen ist der in Literatur und Rechtsprechung gängigen Ansicht, die dem Vorstand dieses Recht teils überhaupt nicht,105 teils nur insoweit zugesteht, wie die Neugeschäfte eine Fortsetzung der Gesellschaft ermöglichen sol___________ 102 In diesem Fall ist die betreffende Handlung gem. § 81 InsO nichtig, siehe B. III. 1. d) (aa), Seite 295, und Kapitel 2 A. I., Seite 101. 103 So im Ergebnis auch Gutsche, Rn. 311; Henssler, in: Kölner Schrift, S. 1283 ff. Rn. 45 (für die GmbH); H.-F. Müller S. 124 m. w. N., S. 303; Uhlenbruck, GmbHR 1972, 170, 175 (zum früheren Recht). 104 D. I. 1. a) aa) (1), Seite 325. 105 Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, § 11 Rn. 122. Im Ergebnis auch K. Schmidt/Schulz ZIP 1982, 1015, 1016 ff., allerdings aufgrund der Annahme, dass es in der Insolvenz einer Gesellschaft kein insolvenzfreies Vermögen gebe.

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len,106 weil eine solche Befugnis mit dem Auflösungsstand der Gesellschaft nicht zu vereinbaren sei. Denn zum einen wird der Gesellschaftszweck nicht durch den Abwicklungszweck verdrängt. Und zum anderen finden, wie an anderer Stelle ausgeführt worden ist,107 die Abwicklungsvorschriften der §§ 264 ff. AktG für die Dauer des Insolvenzverfahrens keine Anwendung, so dass sich eine entsprechende Verpflichtung auch nicht aus § 268 I AktG oder aus § 264 III AktG ergeben kann. Weil eine verbandsrechtliche Abwicklung im Gegenteil überhaupt nicht stattfindet,108 nehmen die Vorstände während des Insolvenzverfahrens weder Abwicklerfunktionen wahr109, noch sind sie zur Verwertung und Verteilung etwaigen insolvenzfreien Vermögens verpflichtet.110 Das leuchtet unmittelbar ein, solange das Eigenverwaltungsverfahren – seiner Bestimmung nach111 – auf die Fortführung des Unternehmens und die Sanierung des Unternehmensträgers auf Grundlage eines Insolvenzplans abzielt und damit die Fortsetzung der Gesellschaft (§ 274 I 1 AktG) möglich ist. Es wäre widersinnig, den Vorstand insoweit zur Liquidation des Restvermögens der Gesellschaft zu verpflichten,112 deren Rettung gerade im Insolvenzverfahren versucht wird. Eine Abwicklung des insolvenzfreien Vermögens könnte eben dieses Unterfangen sogar erheblich behindern. Dieses Vermögen ist jedoch selbst dann noch nicht zu liquidieren, wenn sich jede Aussicht auf eine Einstellung des Verfahrens gem. §§ 212, 213 InsO oder auf den Fortbestand der Gesellschaft im Rahmen eines Insolvenzplans zerschlagen hat, so dass ein Fortsetzungsbeschluss (§ 274 II Nr. 1 AktG) nicht mehr gefasst werden kann und die Abwicklung und Vollbeendigung der Gesellschaft somit „besiegelt“113 ist. Dazu zwingt einerseits der Um___________ 106 Weber, KTS 1970, 73, 79 f.; offenbar auch RG, Urteil vom 6. 5. 1911 – Rep. I 164/10, RGZ 76, 244, 247; Ulmer, in: Hachenburg, GmbHG, 8. Auflage, § 63 Rn. 98. 107 Kapitel 2 B. I. 2., Seite 109. 108 Ebenso Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, § 11 Rn. 187; Huhn, Rn. 639. 109 So aber beispielsweise Schneider, FS Oppenhoff, 349, 364; zu diesem Problem siehe schon Kapitel 2 B. I. 2., Seite 109 m. w. N. 110 A. A. Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, § 11 Rn. 150 111 Schon die Bundesregierung, Begründung zu § 330 RegE InsO (= § 270 InsO), BT-Drucks. 12/2443, S. 223 und Begründung zu § 343 RegE InsO (= § 282 InsO), S. 226 hat bekräftigt, dass das Eigenverwaltungsverfahren regelmäßig nur in Fortführungsfällen in Betracht kommt. Auch in der Literatur wird die Eigenverwaltung insbesondere für eine Unternehmenssanierung als sinnvoll betrachtet, vgl. statt vieler Vallender, in: Die GmbH in Krise, Sanierung und Insolvenz, Rn. 1732; Uhlenbruck, in: Uhlenbruck, InsO, § 270 Rn. 11; Huntemann/Dietrich, ZInsO 2001, 13, 16. 112 Eine solche Verpflichtung bestünde aber bei der Annahme einer Verdrängung durch den Abwicklungszweck, vgl. BGH, Urteil vom 25. 10. 2002 – V ZR 243/01, NZG 2003, 532, 534. 113 Die Gläubiger können zwar eine Liquidationsentscheidung theoretisch gem. §§ 157 S. 2, 270 I 2 InsO wieder ändern, faktisch wird ein solches Umentscheiden aber

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stand, dass infolge der Unanwendbarkeit der §§ 264 ff. AktG gar keine normative Grundlage für ein Abwicklungsverfahren besteht,114 sondern vor allem, dass das insolvenzfreie Vermögen in der Gesellschaftsinsolvenz nach der hier vertretenen Auffassung u. a. dazu dienen kann, die Handlungsfähigkeit der Gesellschaft sicherzustellen und eine interne Willensbildung zu ermöglichen.115 Das muss der Gesellschaft bis zum Abschluss des Insolvenzverfahrens möglich sein. Auf der anderen Seite ist ein insolvenzfreies Vermögen regelmäßig ohnehin nicht in nennenswerter Höhe vorhanden, so dass es unschädlich erscheint, wenn es nicht schon parallel zum Insolvenzverfahren nach den liquidationsrechtlichen Vorschriften verwertet und verteilt wird. Eine Abwicklungsverpflichtung trifft den Vorstand daher erst, wenn das Insolvenzverfahren beendet worden ist und die Gesellschaft nicht fortgesetzt wird.116 2. Beachtung gesellschaftsrechtlicher Mitwirkungsrechte Bei der Ausübung der Verfahrensrechte im Schuldnerbereich bleiben die diesbezüglichen gesellschaftsrechtlichen Weisungs- und Mitwirkungsrechte anderer Organe für den Vorstand verbindlich.117 Denn da dieser Funktionsbereich keinen Bezug zur Insolvenzmasse hat und damit nicht dem Insolvenzbeschlag unterliegt, kann auch keine Verdrängung von Organkompetenzen Platz greifen.118 Der Vorstand ist deshalb z. B. verpflichtet, die Zustimmung des Aufsichtsrates zur Vorlage eines Insolvenzplans einzuholen, wenn der Aufsichtsrat gem. § 111 IV 2 AktG (ggf. ad hoc) einen entsprechenden Zustimmungsvorbe-

___________ recht bald nach der ersten Entscheidung unmöglich werden, insbesondere wenn die ersten Liquidationsmaßnahmen eingeleitet worden sind. 114 Insbesondere ist auch § 199 S. 2 InsO nicht einschlägig, da sich diese Vorschrift auf die Verteilung desjenigen Restvermögens bezieht, das zur Insolvenzmasse gehört. 115 Kapitel 4 B. II. 2. b), Seite 194. 116 Die Abwicklungsverpflichtung ergibt sich in diesem Fall aus §§ 264 ff. AktG, die nach Ende des Insolvenzverfahrens wieder Anwendung finden, nicht aber – wie die h. M. behauptet – aus einer Verdrängung des Gesellschaftszwecks, siehe Kapitel 2 B. II., Seite 111. 117 Henssler, in: Kölner Schrift, S. 1289 ff. Rn. 49; ders., ZInsO 1999, 121, 126; Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, § 11 Rn. 134; Uhlenbruck, GmbHR 1972, 170, 175; ders., in: Kuhn/Uhlenbruck, KO, Vorbem. D zu § 207 Rn. 23a; ders., in: Die GmbH in Krise, Sanierung und Insolvenz, Rn. 1224 (für die GmbH). 118 Deshalb kann auch die verbreitet anzutreffende Literaturmeinung, dass in der Eigenverwaltung Mitwirkungsbefugnisse der anderen Gesellschaftsorgane vollständig verdrängt seien (sog. Theorie der Verdrängung, dazu unten B. II. 1. a), Seite 239), hier nicht zur Anwendung kommen (so aber Smid, DZWIR 2002, 493, 499, der diese Theorie bezüglich § 272 I Nr. 3 InsO bespricht).

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halt angeordnet hat.119 Die Mitwirkungsrechte können sich natürlich auch auf das insolvenzfreie Vermögen beziehen.120 a) Anwendbarkeit der Holzmüller-Regeln in der Insolvenz An dieser Stelle ist die Frage von besonderem Interesse, ob und inwieweit bezüglich dieser Verfahrensrechte nach den vom BGH im Holzmüller-Urteil entwickelten Grundsätzen ungeschriebene Mitwirkungsbefugnisse der Hauptversammlung bestehen können. In dieser Entscheidung hat der BGH den Vorstand einer Aktiengesellschaft für verpflichtet gehalten, analog § 119 II AktG intern die Zustimmung der Hauptversammlung zur Vornahme solcher Geschäftsführungsmaßnahmen121 einzuholen, die so tief in die Mitgliedsrechte der Aktionäre und deren im Anteilseigentum verkörperten Vermögensinteressen eingreifen, dass er vernünftigerweise nicht annehmen kann, er dürfe sie in ausschließlich eigener Verantwortung treffen.122 Die Entscheidung hat ein sehr geteiltes Echo erfahren, insbesondere wurde über den normativen Ansatz der ungeschriebenen Hauptversammlungskompetenzen und ihre qualitativen und quantitativen „Aufgreifkriterien“ gestritten.123 Erst kürzlich hat der BGH allerdings in den beiden Gelatine-Entscheidungen den Holzmüller-Vorbehalt im Grundsatz bestätigt und seine Voraussetzungen erheblich präzisiert: Derartige ungeschriebene Mitwirkungsbefugnisse kämen, im Wege einer offenen Rechtsfortbildung,124 nur ausnahmsweise und allein dann in Betracht, wenn eine von dem Vorstand in Aussicht genommene Umstrukturierung der Gesellschaft an die Kernkompetenz der Hauptversammlung, über die Verfassung der Aktiengesellschaft zu bestimmen, rührt, weil sie Veränderungen nach sich zieht, die denjenigen zumindest nahe kommen, welche allein durch eine Satzungsänderung herbeigeführt werden können.125 ___________ 119 H.-F. Müller, S. 150, der dies zutreffend als wirksames Instrument einer prophylaktischen Überwachung durch den Aufsichtsrat betrachtet. 120 Kraft, in: KK zum AktG, § 262 Rn. 52. 121 In casu die strukturändernde Ausgliederung eines wesentlichen Betriebsteils auf eine speziell zur diesem Zweck errichtete, hundertprozentige Tochtergesellschaft. 122 BGH, Urteil vom 25. 2. 1982 – II ZR 174/80, NJW 1982, 1703, 1705 [Holzmüller]. 123 Vgl. die Nachweise bei Hüffer, AktG, § 119 Rn. 17; Kubis, in: MK zum AktG, § 119 Rn. 35 ff.; Reichert, in: Beck’sches Handbuch zur AG, § 5 Rn. 27 ff. 124 BGH, Urteil vom 26. 4. 2004 – II ZR 155/02, NJW 2004, 1860, 1863 [Gelatine II]; BGH, Urteil vom 26. 4. 2004 – II ZR 154/02, NZG 2004, 575, 578 [Gelatine I]. 125 BGH, Urteil vom 26. 4. 2004 – II ZR 155/02, NJW 2004, 1860 [Gelatine II]; BGH, Urteil vom 26. 4. 2004 – II ZR 154/02, NZG 2004, 575 [Gelatine I]; mit zustimmenden Anmerkungen: Altmeppen, ZIP 2004, 999 ff.; Goette, DStR 2004, 927 f.

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3. Teil: Die Rechtsstellung der Organe einer AG in Eigenverwaltung

Möglicherweise muss man die Anwendung der Holzmüller-Regeln aber schon im Grundsatz wegen der Insolvenz der Gesellschaft und deren durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens bewirkten Auflösung (§ 262 I Nr. 3 AktG) verneinen. Das wird hinsichtlich des aktienrechtlichen Liquidationsverfahrens vereinzelt in der Literatur mit der Überlegung vertreten, dass der Satzungszweck in der Liquidation keine Bedeutung mehr habe und die Veräußerung gerade dem Abwicklungszweck genüge.126 Mit ganz ähnlicher Begründung hat Noack die Anwendung der Holzmüller-Regeln speziell im Rahmen eines Eigenverwaltungsverfahrens abgelehnt, weil einerseits der Vermögensschutz bei einer insolventen Gesellschaft ersichtlich keine Bedeutung haben könne und andererseits bei einer Insolvenz-Abwicklung der Schutz vor einer Strukturveränderung wegen der Zweckänderung der Gesellschaft keine Rolle spiele. Außerdem entfalle die sachliche Grundlage für eine Mitsprache der Aktionäre in einem Verfahren, bei dem es ausschließlich um Gläubigerbefriedigung gehe. Wegen der Kontrolle durch den Gläubigerausschuss (§§ 276, 160 InsO) sei eine Beteiligung der Hauptversammlung auch entbehrlich.127 Diese Begründung vermag – insbesondere was den Schuldnerbereich betrifft128 – nicht zu überzeugen. aa) Vereinbarkeit mit dem Satzungszweck Zum ersten ist schon der Prämisse, dass durch die Auflösung der Gesellschaft der auf eine werbende Tätigkeit gerichtete Gesellschaftszweck durch den Abwicklungszweck ersetzt werde, keine Folge zu leisten, wie oben bereits eingehend begründet worden ist.129 Vielmehr wird der werbende Gesellschaftszweck trotz der Auflösung grundsätzlich aufrechterhalten und lediglich partiell durch den Insolvenzverfahrenszweck überlagert, aber gerade nicht im Schuldnerbereich.130 Die Gläubigerbefriedigung ist hier folglich irrelevant. Mangels Vermögensbezogenheit ist auch eine diesbezügliche Kontrolle durch die Beteiligten des Insolvenzverfahrens (etwa den Gläubigerausschuss) ausgeschlossen. Außerdem sind nach richtiger Ansicht131 die liquidationsrechtlichen Vorschrif___________ 126

Rasner, in: Rowedder, GmbHG, § 70 Rn. 16; Noack, ZIP 2002, 1873, 1878; einschränkend Schmidt-Hern, in: Beck’sches Handbuch der AG, § 17 Rn. 35: nur in den Fällen des § 262 I Nr. 1 und Nr. 2 AktG. 127 Noack, ZIP 2002, 1873, 1878 f.; ders., in: Kübler/Prütting, GesR, Rn. 118 auch bzgl. der Verfahrensrechte des Insolvenzplanverfahrens im Rahmen eines regulären Verfahrens (a. A. aber ders., in: Kübler/Prütting, GesR, Rn. 384). 128 Zur (Fort-)Geltung der Holzmüller-Regeln im Eigenverwaltungsbereich siehe unten B. II. 2. d) aa), Seite 282. 129 Kapitel 2 B. II. 2. b) cc), Seite 128. 130 A. III. 1. a), Seite 215. 131 Kapitel 2 Β. I. 2., Seite 109.

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ten wegen § 264 I AktG in der Insolvenz nicht anzuwenden. Daher bleibt der Satzungszweck für die Vorstandsmitglieder der Aktiengesellschaft auch während der Insolvenz wenigstens im Schuldnerbereich verbindlich. bb) Wertlosigkeit der Gesellschaftsanteile Es ist zum zweiten auch nicht richtig, dass einem Schutz der Vermögensinteressen der Anteilseigner in der Insolvenz keine Bedeutung mehr beikäme.132 Freilich ist nicht von der Hand zu weisen, dass durch die Beschlagnahme des gesamten Gesellschaftsvermögens zum Zwecke einer optimalen Gläubigerbefriedigung, vordergründig betrachtet, die Gesellschaftsanteile wertlos werden, da die Aktionäre im Falle einer Liquidation der Schuldnergesellschaft ihren Anteil ebenfalls verlören. Die vermeintliche Wertlosigkeit der Gesellschaftsanteile wird auch bei den Vorschlägen der Kommission für Insolvenzrecht133 und in der US-amerikanischen Diskussion134 zum Chapter-11-Verfahren herangezogen, um Eingriffe in die gesellschaftsrechtlichen Verhältnisse zu rechtfertigen, und spielen in der gegenwärtigen Diskussion um gesellschaftsrechtliche Zwangseingriffe durch Insolvenzplan eine gewichtige Rolle.135 Es ist jedoch zu beachten, dass das Insolvenzverfahren nicht notwendigerweise in die Liquidation des Unternehmens bzw. des Unternehmensträgers münden muss, sondern auch eine Sanierung verfolgen kann, deren Ziel und Chance darin besteht, dass das Unternehmen zurück in die Gewinnzone geführt wird und damit in Zukunft auch wieder Profite für die Gesellschafter abwirft. Eine solche Chance ist insbesondere dann gegeben, wenn das Verfahren lediglich wegen drohender Zahlungsunfähigkeit (§ 18 InsO) eröffnet worden ist. Die Anteilseigener haben somit zumindest ein potentielles Vermögensinteresse,136 das ebenfalls Anerkennung verdient. Völlig wertlos sind die Anteile an der überschuldeten Gesell___________ 132 Der Schutz der Anteilseigner vor der Verschlechterung ihrer vermögensrechtlichen Stellung spielt auch in den Gelatine-Urteilen eine wichtige Rolle, vgl. BGH, Urteil vom 26. 4. 2004 – II ZR 155/02, NJW 2004, 1860, 1863 [Gelatine I]. 133 Beispielsweise sah Leitsatz 2.4.9.5 des Ersten Berichts der Kommission für Insolvenzrecht (S. 282) die Möglichkeit vor, die Gesellschafter einer insolventen Gesellschaft wegen der Wertlosigkeit ihrer Anteilsrechte aus der Gesellschaft auszuschließen. 134 Ein ähnliches Argument taucht auch in der US-amerikanischen Diskussion auf: So hat bspw. der United States Court of Appeal in der Sache Johns-Manville Corp., 501 F.2d 60, 65 (Fußnote 6), erwogen, ob das Recht der Anteilseigner (shareholders), die Geschäftsleitung (directors) auszutauschen, dadurch ausgeschlossen sein könne, dass diese mangels Kapitals in der Gesellschaft keine wirklich Beteiligten (real parties in interest) mehr darstellten. Zweifelnd Brown, 5/20/91 NLJ S10, col. 1. 135 Etwa Braun, in: Nerlich/Römermann, InsO, § 217 Rn. 36; Uhlenbruck, in: Kölner Schrift, S. 1157 ff. Rn. 25; Eidenmüller, ZGR 2001, 680, 686 („ökonomisch wertlos“); vgl. im Übrigen die Nachweise bei Schwalme, DZWIR 2004, 230, 232. 136 Ebenso Miller, 23 Seton Hall L. Rev. 1467, 1468 (1993).

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3. Teil: Die Rechtsstellung der Organe einer AG in Eigenverwaltung

schaft nur unter der Zerschlagungsprognose.137 Soll der Unternehmensträger dagegen – wie es insbesondere das Ziel der Eigenverwaltung ist138 – reorganisiert werden, zeigt sich der Wert der Anteile gerade darin, dass sie für die Reorganisation benötigt werden.139 Das gilt umso mehr, als eine Reorganisation voraussichtlich nur in den Fällen in Betracht kommt, in denen das Gesellschaftskapital noch nicht vollständig verbraucht ist.140 Die Anteilsrechte der Aktionäre sind somit nicht schon allein aufgrund der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens wertlos,141 das gilt insbesondere für ein Eigenverwaltungsverfahren. Vor allem lassen aber auch die Gesetzesmaterialien zur Insolvenzordnung erkennen, dass nach der Vorstellung des Gesetzgebers durchaus auch in der Insolvenz berücksichtigenswerte Vermögensinteressen der Anteilseigner existieren. So sollte beispielsweise nach § 293 I 2 RegE InsO, falls der Schuldner keine natürliche Person ist, der Widerspruch gegen einen Insolvenzplan durch eine oder mehrere Personen, die am Schuldner mit Kapitalmehrheit beteiligt sind, dem Widerspruch des Schuldners gleichstehen.142 Eine solche Regelung, und speziell die Anknüpfung an die Kapitalmehrheit, macht allerdings nur Sinn, wenn die Vermögensinteressen der Gesellschafter Geltung bewahren sollten. Eben dies besagt auch die amtliche Begründung zu § 293 I 2 RegE InsO, nach der es bei dieser Bestimmung „um die Vermögensrechte der Beteiligten“ gehe,143 und das, obwohl die amtliche Begründung an anderer Stelle die Entwertung dieser Vermögensrechte selbst erkannt hat.144 Dasselbe folgt aus § 325 RegE InsO, der noch ein Recht der Anteilseigner vorsah, die Einstellung des Verfahrens wegen Fortfalls des Eröffnungsgrunds (Abs. 2) bzw. wegen Konkursverzichts (Abs. 3) zu beantragen.145 Diesem Verständnis steht auch nicht ___________ 137

K. Schmidt, Gutachten D zum 54 DJT, S. D 83. Siehe Kapitel 1 A. II., Seite 35 und Kapitel 7 A. II. 3., Seite 387. 139 Balz, Sanierung von Unternehmen oder von Unternehmensträgern, S. 61 spricht insoweit von einem „Residualwert“. Auch K. Schmidt, Gutachten D zum 54. DJT, S. D 83 bejaht eine Werthaltigkeit der Anteile unter der Reorganisationsprognose. 140 Ulmer, ZHR 149 (1985), 541, 566. 141 Ebenso: Schwalme, DZWIR 2004, 230, 232 f.; K. Schmidt, Gutachten D zum 54. DJT, S. D 83; ders., ZGR 1986, 178, 199 f; Balz, Sanierung von Unternehmen oder von Unternehmensträgern, S. 61; I. E. Smid/Rattunde, Insolvenzplan, Rn. 347 (eine wirtschaftliche Betrachtungsweise sei fehl am Platz). 142 Vgl. Bundesregierung, RegE InsO, BT-Drucks. 12/2443, S. 55. 143 Bundesregierung, Begründung zu § 293 RegE InsO, BT-Drucks. 12/2443, S. 210; ebenso dies., Begründung RegE InsO, BT-Drucks. 12/2443, S. 91, 92, 99. 144 Bundesregierung, Begründung RegE InsO, BT-Drucks. 12/2443, S. 92. 145 Vgl. BT-Drucks. 12/2443, S. 60 f. § 325 II RegE InsO sollte insbesondere dazu dienen, der Muttergesellschaft eines insolventen Unternehmen die Möglichkeit geben, die Einstellung des Verfahrens zu erreichen, wenn sie durch eine Garantieerklärung ge138

Kap. 5: Der Vorstand in der Eigenverwaltung

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entgegen, dass diese Regelungen schließlich doch nicht in die Insolvenzordnung übernommen worden sind. Denn ihre Streichung erfolgte nur aus Gründen der Vereinfachung146 und aus der Überlegung, dass die Rechtsstellung der am Schuldner beteiligten Personen außerhalb des Insolvenzplans bleiben solle,147 nicht aber, weil ihr Vermögensinteresse nicht zu respektieren sei.148 cc) Schutz vor Strukturveränderungen Zum dritten ist den Aktionären einer insolventen Gesellschaft schließlich auch nicht der Schutz vor Strukturveränderungen zu versagen. Das ergibt sich einerseits schon aus dem Fehlen einer Zweckänderung (vgl. soeben), andererseits aber wiederum aus den Gesetzesmaterialien zum Planverfahren. Ursprünglich hatte Kommission für Insolvenzrecht empfohlen, dass die für eine Sanierung des Unternehmens und seines Rechtsträgers notwendigen Strukturveränderungen auf gesellschaftsrechtlicher Ebene, wie etwa Umwandlungen, Kapitalerhöhungen oder gar Änderungen im Gesellschafterbestand, zwangsweise geregelt werden können sollten.149 Dieses Konzept wurde in den Regierungsentwurf allerdings nicht übernommen. Das geschah aufgrund der Erkenntnis, dass nur das Vermögen des Schuldners, nicht aber seine gesellschafts- oder verbandsrechtliche Organisation Gegenstand der insolvenzrechtlichen Haftung sei, und zwar ausdrücklich auch um der Gefahr willen, dass die für eine Sanierung erforderlichen gesellschaftsrechtlichen Maßnahmen nicht zustande kommen sollten.150 In dieser bewussten Abkehr von insolvenzrechtlichen Eingriffen in die gesellschaftsrechtlichen Verhältnisse des Schuldners liegt aber implizit ebenfalls die Anerkennung, dass strukturändernde Maßnahmen sogar während eines Insolvenzverfahrens vom Willen der Anteilseigner, i. e. der Hauptversammlung, abhängig sein sollen. Ob die darauf zielenden Mitwirkungsbefugnisse der Hauptversammlung nun geschrieben oder nach den Grundsätzen der Holzmüller-Rechtsprechung den geschriebenen lediglich gleichzustellen sind, kann dabei keinen Unterschied machen. Ebenso wenig kann eine Rolle spielen, dass diese ausdrückliche Abkehr lediglich Maßnahmen auf gesellschaftsrechtli___________ genüber den Gläubigern des Unternehmens den Eröffnungsgrund beseitigt hat (vgl. Bundesregierung, Begründung zu § 325 RegE InsO, BT-Drucks. 12/2443, S. 221). Auch darin liegt ein Vermögensinteresse. 146 Vgl. Rechtsausschuss, Begründung zu §§ 234f, 234g BeschlussE InsO (= §§ 325, 326 RegE InsO), BT-Drucks. 12/7302, S. 181. 147 Rechtsausschuss, Begründung zu § 293 BeschlussE InsO (= § 293 RegE InsO), BT-Drucks. 12/7302, S. 184. 148 A. A. offenbar Noack, ZIP 2002, 1873, 1878 („kann keine Bedeutung haben“). 149 Vgl. B. II. 2. a) aa) (3) (c), Seite 263. 150 Bundesregierung, Begründung RegE InsO, BT-Drucks. 12/2443, S. 83.

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3. Teil: Die Rechtsstellung der Organe einer AG in Eigenverwaltung

cher Ebene betrifft, während es in den hier diskutierten Fällen um die Verwendung des Gesellschaftsvermögens geht. Denn es ist aus Sicht der Anteilseigner irrelevant, ob strukturändernde Maßnahmen faktisch durch die Veräußerung des gesamten oder des wesentlichen Teils des Gesellschaftsvermögens bewirkt werden oder aber unmittelbar durch Eingriffe in die gesellschaftsrechtlichen Verhältnisse. Aus alledem ist zu schließen, dass die Grundsätze der Holzmüller-Rechtsprechung sowohl im aktienrechtlichen Liquidationsverfahren (über § 264 II AktG)151, wie auch in einem Insolvenzverfahren prinzipiell zur Anwendung kommen können. b) Mögliche Holzmüller-Sachverhalte im Schuldnerbereich Nach den Holzmüller-Grundsätzen könnte die Hauptversammlung beispielsweise bei dem Antrag auf Aufhebung der Eigenverwaltung gem. § 272 I Nr. 3 InsO152 oder bei der Vorlage eines Insolvenzplans zu beteiligen sein, der eine strukturändernde Maßnahme vorsieht,153 z. B. eine übertragende Sanierung. aa) Antrag auf Aufhebung der Eigenverwaltung Stellt der Vorstand einen Aufhebungsantrag nach § 272 I Nr. 3 InsO, bewirkt dies, da das Insolvenzgericht insoweit kein Ermessen hat, zwingend zur Beendigung der Eigenverwaltung und zur Überleitung des Verfahrens in das reguläre Insolvenzverfahren. Folge ist, dass die Gesellschaft ihres Verwaltungs- und Verfügungsrechtes und der sonstigen Eigenverwaltungskompetenzen enthoben wird und die Möglichkeit, das Verfahren zumindest wesentlich mitzugestalten, endgültig154 verliert. Sollte das Gesellschaftsunternehmen sanierungsfähig sein, werden die Gläubiger, die typischerweise kein Interesse am Fortbestand des Unternehmensträgers haben, nicht die Reorganisation der Gesellschaft, sondern ___________ 151

Ebenso Meyer, S. 53 f.; i. E. auch Hüffer, in: MK zum AktG, § 268 Rn. 12; vermittelnd Schmidt-Hern, in: Beck’sches Handbuch der AG, § 17 Rn. 35 (nicht bei § 262 I Nr. 1 und Nr. 2 AktG). 152 Erwägend Smid, DZWIR 2002, 493, 499. Vom Nichtbestehen eines derartigen Mitwirkungsrechts gehen offenbar Prütting/Huhn, ZIP 2002, 777, 782 aus. 153 Ablehnend Noack, ZIP 2002, 1873, 1878; ders., in: Kübler/Prütting, GesR, Rn. 118; a. A. dagegen ders., ebenda, Rn. 384. 154 Eine nochmalige Anordnung der Eigenverwaltung ist nicht möglich; sie kann nur entweder im Eröffnungsbeschluss (§ 270 InsO) oder nach der ersten Gläubigerversammlung (§ 271 InsO) angeordnet werden.

Kap. 5: Der Vorstand in der Eigenverwaltung

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eine übertragende Sanierung,155 d. h. die Liquidation des Gesellschaftsvermögens betreiben. Das führt zur Löschung der Gesellschaft wegen Vermögenslosigkeit (§ 141a FGG) und schließlich zu ihrer Vollbeendigung. Für die Aktionäre einer Aktiengesellschaft bedeutete der Aufhebungsantrag also mit höchster Wahrscheinlichkeit den vollständigen Untergang ihrer Mitgliedschaftsrechte sowie die definitive Vereitelung ihrer Vermögensinteressen. Gemessen an den ursprünglichen Holzmüller-Kriterien – Eingriff in Mitgliedschaftsrechte und Vermögensinteressen – ist eine ungeschriebene Zuständigkeit der Hauptversammlung bei dem Antrag nach § 272 I Nr. 3 InsO daher zu bejahen.156 Zwar ist die Vollbeendigung der Gesellschaft nicht die zwangsläufige Folge des Aufhebungsantrags, aber sie ist die am meisten wahrscheinliche. Und von diesem schlechtesten Szenario hat die Geschäftsführung, die sich durch den Antrag nach § 272 I Nr. 3 InsO der Entscheidungsmacht über das Schicksal der Gesellschaft entäußert, bei der Beurteilung einer Vorlagepflicht auszugehen.157 Wendet man dagegen das erst jüngst in den Gelatine-Entscheidungen des BGH herausgearbeitete Kriterium einer „Umstrukturierung vergleichbar einer Satzungsänderung“ auf diesen Fall an, begegnet die Bejahung einer Vorlagepflicht größeren Schwierigkeiten. Denn die Wirkungen des Aufhebungsantrages lassen sich nicht ohne weiteres denen von Satzungsänderungen gleichstellen. Am nächsten stehen sie wohl einem Auflösungsbeschluss gem. § 262 I Nr. 2 AktG, bei dem es sich aber nicht um eine Satzungsänderung handelt.158 Außerdem kann auch nicht auf eine Änderung „des in der Satzung verankerten werbenden Zwecks des Unternehmens“ abgestellt werden,159 da einerseits nur der Unternehmensgegenstand, nicht aber der Unternehmens- bzw. Gesellschaftszweck Inhalt der Satzung ist (vgl. § 23 III Nr. 2 AktG),160 und anderer___________ 155 Vgl. auch Wortberg, ZInsO 2004, 707, 709. Eine Sanierung des Unternehmensträgers ist für die Gläubiger vor allem infolge der Streichung des Steuerprivilegs für Sanierungsgewinne (§ 3 Nr. 66 EStG) wirtschaftlich uninteressant geworden, vgl. Maus, in: Kölner Schrift, S. 931 ff. Rn. 26. 156 Ebenso Smid, DZWIR 2002, 493, 499. 157 So überzeugend Wortberg, ZInsO 2004, 707, 708, allerdings zur Frage einer Vorlagepflicht bei einem Eröffnungsantrag wegen lediglich drohender Zahlungsunfähigkeit (§ 18 InsO). 158 Mit Ausnahme einiger Sonderkonstellationen, vgl. Kraft, in: KK zum AktG, § 262 Rn. 24; Rasner, in: Rowedder, GmbHG, § 60 Rn. 16; RG, Urteil vom 3. 7. 1934 – II 116/34, RGZ 145, 99, 101. 159 So aber Wortberg, ZInsO 2004, 707, 708 hinsichtlich einer Vorlagepflicht beim Eröffnungsantrag wegen drohender Zahlungsunfähigkeit. 160 So die h. M., z. B. Kraft, in: KK zum AktG, § 23 Rn. 43. Nach h. M. ist zwischen Unternehmensgegenstand und Gesellschaftszweck zu unterscheiden, die in einer MittelZweck-Relation zueinander stehen (vgl. Hüffer, AktG, § 23 Rn. 22; Kraft, in: KK zum AktG, § 23 Rn. 43, § 3 Rn. 9 f.; zum Meinungsstand Pentz, in: MK zum AktG, § 23

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3. Teil: Die Rechtsstellung der Organe einer AG in Eigenverwaltung

seits die Änderung, genauer: die partielle Überlagerung des Gesellschaftszwecks, ohnehin bereits durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens eingetreten (§ 262 I Nr. 3 AktG) ist. Trotzdem kann allerdings kein Zweifel daran bestehen, dass es sich bei der Entäußerung des Verwaltungs- und Verfügungsrechts um eine Angelegenheit handelt, die die Grundlagen der Gesellschaft betrifft. Angeknüpft werden kann an der durch eine Liquidation unabwendbar eintretenden faktischen Änderung des Unternehmensgegenstandes, für die prinzipiell eine Satzungsänderung erforderlich ist (§§ 119 I Nr. 5, 23 III Nr. 2 AktG; arg. e contrario § 179a I 1 AktG). Da schließlich auch der BGH in den Gelatine-Entscheidungen maßgeblich auf den Eingriff in die mitgliedschaftlichen Rechte der Aktionäre abgestellt hat161 und ein solcher Eingriff aufgrund der zwangsläufigen Liquidation hier gegeben ist, erscheint es folgerichtig und erforderlich, eine ungeschriebene Hauptversammlungszuständigkeit bei dem Antrag auf Aufhebung der Eigenverwaltung (§ 272 I Nr. 3 InsO) anzuerkennen. Dem Vorstand steht gesellschaftsintern die Entscheidung über die Liquidation nicht zu.162 bb) Planinitiative und Planwiderspruch Eine Beteiligung der Hauptversammlung ist auch dann erforderlich, wenn der Vorstand einen Insolvenzplan vorzulegen (gem. §§ 218 I 1 Alt. 2, 270 I 2 InsO oder gem. § 284 I 1 Alt. 2 InsO) oder einem solchen zu widersprechen oder zuzustimmen (§ 247 InsO) gedenkt, der eine Holzmüller-Maßnahme zum Gegenstand hat. Im Unterschied zu denjenigen Maßnahmen, für die eine Beteiligung der Hauptversammlung gesetzlich vorgeschrieben ist163 und deren Wirkungen deshalb erst mit den jeweils erforderlichen Beschlüssen auf Gesell___________ Rn. 70 ff.). Ob der Gesellschaftszweck überhaupt in die Satzung in Form einer inhaltlich konkretisierten Bestimmung Eingang finden kann, ist fraglich (vgl. Kraft, in: KK zum AktG, § 3 Rn. 10). A. A. Hüffer, AktG, § 179 Rn. 33, nach dem sowohl die Änderung des Gesellschaftszwecks wie die Änderung des Unternehmensgegenstandes eine Satzungsänderung darstellt. 161 Vgl. BGH, Urteil vom 26. 4. 2004 – II ZR 155/02, NJW 2004, 1860, 1864 (Gelatine II); BGH, Urteil vom 26. 4. 2004 – II ZR 154/02, NZG 2004, 575, 579 (Gelatine I). 162 In diese Richtung schon Balz, Sanierung von Unternehmen oder von Unternehmensträgern, S. 47, dem es nicht gerechtfertigt erscheint, bei lediglich voraussichtlicher Zahlungsunfähigkeit die Zuständigkeit zur Entscheidung über die (u. U. im Insolvenzverfahren unvermeidliche und automatisch eintretende) Liquidation nach herkömmlichem Verständnis abweichend vom allgemeinen Organisationsrecht den Geschäftsführungsorganen zu übertragen. 163 Z. B. Kapitalerhöhungen(§§ 182 ff. AktG), Übertragung des gesamten Gesellschaftsvermögens (§ 179a AktG, dazu B. II. 2. d) bb), Seite 284); Veränderungen der Beteiligungsstruktur oder Umwandlungen nach dem UmwG (etwa §§ 13, 60 ff., 65 UmwG – Verschmelzung).

Kap. 5: Der Vorstand in der Eigenverwaltung

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schafterebene eintreten, selbst wenn sie in einen Insolvenzplan aufgenommen werden,164 muss die Mitwirkung der Hauptversammlung in diesen Fällen bereits an der Vorlage des Plans (bzw. der Zustimmung oder dem Widerspruch) anknüpfen. Denn da die in dem gestaltenden Teil des Insolvenzplans aufgenommenen Maßnahmen mit dessen Bestätigung durch das Insolvenzgericht in Rechtskraft erwachsen (§ 254 I InsO), kann der Schutz der Rechte der Anteilseigner zu einem späteren Zeitpunkt nicht mehr verwirklicht werden. Der Einwand von Noack, bei einem Insolvenzplan sei ein Holzmüller-Vorbehalt generell abzulehnen, weil durch den Plan nicht in die Gesellschafterstellung als solche eingegriffen werde und eine bloße Vermögensrelevanz allein nicht genüge,165 geht indessen fehl. Es ist zwar zutreffend, dass der Plan nicht die gesellschaftsrechtliche Stellung der Aktionäre ohne deren Willen regeln kann,166 doch besteht der Wesenszug der Holzmüller-Fälle gerade darin, dass die Rechtsstellung der Aktionäre nicht rechtlich, sondern faktisch angetastet wird. Ein Holzmüller-Fall liegt deshalb – wie bei einem Unternehmensverkauf außerhalb der Insolvenz167 – regelmäßig vor, wenn durch den Insolvenzplan das gesamte Unternehmen von dem insolventen Unternehmensträger getrennt und im Wege eines asset-deals an eine Fortführungsgesellschaft übertragen werden soll (sog. übertragende Sanierung168). Solchenfalls ist der Vorstand verpflichtet, im Innenverhältnis die Zustimmung der Hauptversammlung einzuholen. 3. Die Überwachung des Vorstands Bei der Wahrnehmung der Rechte und Pflichten im Schuldnerbereich werden die Vorstandsmitglieder durch den Aufsichtsrat beaufsichtigt und kontrolliert (§ 111 AktG);169 insofern bestehen keine grundlegenden Abweichungen gegenüber der Überwachung außerhalb eines Insolvenzverfahrens. Allerdings muss sich der Schwerpunkt der Aufsicht infolge der wirtschaftlichen Krise, in der sich die Gesellschaft befindet, von einer nachträglichen zu einer präventiven Kontrolle verlagern. Für weitere Einzelheiten sei auf Kapitel 6 verwie___________ 164 Vgl. dazu Eidenmüller, in: MK zur InsO, § 221 Rn. 77; Braun, in: Braun/Uhlenbruck, Unternehmensinsolvenz, S. 582. Rechtstechnisch handelt es sich in diesen Fällen um bedingte Pläne i. S. d. § 249 (vgl. Eidenmüller, in: MK zur InsO, § 221 Rn. 78). 165 Noack, in: Kübler/Prütting, GesR, Rn. 118; ders., ZIP 2002, 1873, 1879; a. A. aber ders., in: Kübler/Prütting, GesR, Rn. 384. 166 Vgl. vor allem auch die Bundesregierung, Begründung RegE InsO, BT-Drucks. 12/2443, S. 83. 167 Die Veräußerung des Gesellschaftsunternehmens oder wesentlicher Teile betrachten als Holzmüller-Fall z. B.: Semler, in: MHb GesR IV, § 94 Rn. 40; Rödder, in: Beck’sches Handbuch der AG, § 12 Rn. 23. 168 Vgl. Wellensiek, NZI 2002, 233, 234. 169 Etwa H.-F. Müller, S. 148; schon Weber, KTS 1970, 73, 79.

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3. Teil: Die Rechtsstellung der Organe einer AG in Eigenverwaltung

sen.170 Außerdem ist die Hauptversammlung berechtigt, wenn Anzeichen für ein Fehlverhalten des Vorstands bestehen, aufgrund dessen sie ihm das Vertrauen entziehen könnte (§ 84 III 2 AktG), einen Sonderprüfer gem. § 142 I 1 AktG zu bestellen.171 Daneben unterliegt der Vorstand allerdings keiner Überwachung durch die Beteiligten des Insolvenzverfahrens. Zwar werden sowohl dem Sachwalter (§ 274 II 1 InsO) als auch dem Gläubigerausschuss (§§ 270 I 2, 69 S. 1 InsO172) gegenüber dem eigenverwaltenden Schuldner durch die Insolvenzordnung Aufsichtsrechte verliehen, doch erstrecken sich diese nicht auf die Tätigkeit des Vorstands im Schuldnerbereich. Das folgt im Wesentlichen aus zwei Überlegungen: Einerseits ist die Eigenverwaltung ein vermögensorientiertes Verfahren, so dass die Rechtsmacht der Verfahrensbeteiligten denknotwendig auf die Angelegenheiten mit Massebezug beschränkt ist, wozu aber der Schuldbereich gerade nicht zählt. Andererseits ist § 274 II 1 InsO so auszulegen, dass der Begriff der Geschäftsführung nur die Handlungen des Schuldners bezeichnet, die mit der Durchführung des Eigenverwaltungsverfahrens in unmittelbaren Zusammenhang stehen, also in denjenigen Verantwortungsbereich fallen, der dem Schuldner speziell in der Eigenverwaltung zugeordnet ist.173 Die insolvenzrechtliche Kontrolle ist also auf den Eigenverwaltungsbereich begrenzt. Dasselbe gilt für die die Zustimmungs- und Einvernehmensvorbehalte der §§ 275 ff. InsO.

B. Die Stellung des Vorstands im Eigenverwaltungsbereich Will der Vorstand einer Aktiengesellschaft in Eigenverwaltung Maßnahmen vornehmen, die Bezug zur Insolvenzmasse haben und daher dem Eigenverwaltungsbereich zuzuordnen sind (nachfolgend I.), so leuchtet es ohne weiteres ein, dass er diese Entscheidung nicht völlig frei treffen kann, sondern insolvenzrechtlichen Beschränkungen unterliegt (nachfolgend III.). Denn diese Vermögensmasse ist den Gläubigern haftungsrechtlich zugewiesen (§ 35 InsO). Demgegenüber ist es aber ungewiss, ob er zugleich auch gesellschaftsrechtliche Bindungen zu beachten hat, etwa Mitwirkungsrechte der übrigen Organe (nachfolgend II.).

___________ 170

Kapitel 6 Α. I., Seite 350, und B. I. 2. b), Seite 358. Kapitel 7 B. I. 2. a), Seite 401. 172 Kapitel 1 C. IV. 2. a), Seite 94. 173 Zur Auslegung des § 274 II 1 InsO siehe Kapitel 6 B. II. 2., Seite 365. 171

Kap. 5: Der Vorstand in der Eigenverwaltung

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I. Zuständigkeiten des Vorstands im Eigenverwaltungsbereich Nach dem vermögensorientierten Ansatz der Insolvenzordnung sind sämtliche aktien- oder spezialgesetzlichen Kompetenzen des Vorstands, die potentiell nachteilige Auswirkungen auf die Insolvenzmasse haben, dem Eigenverwaltungsbereich zuzuordnen.174 Dazu gehört namentlich die Ausübung der eigenverwaltungsspezifischen Rechte, also der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis (§ 270 I 1 InsO) sowie der insolvenzrechtlichen Sonderbefugnisse (z. B. §§ 279 S. 1, 103 ff.; 282 I; 283 I 2 InsO), und die Erfüllung der eigenverwaltungsspezifischen Pflichten.175 In die Zuständigkeit des Vorstands fallen also die Großzahl der Rechten und Pflichten, die in einem Regelverfahren dem Insolvenzverwalter zugewiesen sind. Entgegen verbreiteter Ansicht tritt der Vorstand dabei jedoch lediglich als gesetzlicher Vertreter der Schuldnergesellschaft (§ 78 I AktG) auf.176 Vorstandsmitglieder müssen also, soweit es auf Vertretungsmacht ankommt,177 in vertretungsberechtigter Zahl handeln. Aufgrund der im vierten Kapitel herausgearbeiteten Wertung haben für die in diesem Bereich anfallenden Kosten allein die Gläubiger (die Masse) aufzukommen.178 Eine detaillierte Darstellung sämtlicher Kompetenzen kann und soll an dieser Stelle nicht erfolgen; ihr Umfang und ihre jeweilige Funktion sind ohnehin in hohem Maße von den Umständen des Einzelfalles und insbesondere dem durch die Gläubigerversammlung gem. § 157 InsO vorgegebenen Verwertungsziel abhängig.179

___________ 174

Zum Eigenverwaltungsbereich siehe oben Kapitel 4 A. III., Seite 184. Siehe zu diesen Rechten und Pflichten schon oben Kapitel 1 C. I. 1. a), Seite 44. 176 Nach a. A. werden der Vorstand als solcher bzw. einzelne oder sämtliche seiner Mitglieder zum „Eigenverwalter“ bestellt und sind dann selbst Träger dieser eigenverwaltungsspezifischen Rechte und Pflichten, vgl. ausführlich unten II., insbesondere 2. a) cc), Seite 272. In diesem Fall handeln die Vorstandsmitglieder nicht kraft organschaftlicher Vertretungsmacht (§ 35 I GmbHG oder § 78 I AktG), sondern kraft eigener, durch die Anordnung der Eigenverwaltung übertragenen Rechtsmacht (so etwa Gutsche, Rn. 316; Schlegel, S. 126). 177 Das ist etwa bei der Erfüllung der eigenverwaltungsspezifischen Pflichten nicht der Fall. 178 Kapitel 4 B. II., Seite 188. 179 Für eine umfassende Darstellung ist auf die insolvenzrechtliche Kommentare und die spezielle eigenverwaltungsrechtliche Literatur (insbesondere Huhn; Koch; Schlegel) hinzuweisen. 175

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3. Teil: Die Rechtsstellung der Organe einer AG in Eigenverwaltung

1. Ausübung der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über die Insolvenzmasse (§ 270 I 1 InsO) Die wohl wichtigste Aufgabe des Vorstands besteht darin, das zur Insolvenzmasse gehörige Vermögen der Aktiengesellschaft180 zu verwalten und über dieses zu verfügen (§ 270 I 1 InsO, § 78 I AktG), wie es der Befriedigung der Gläubiger am besten dient. Hält die Gesellschaft eigene Aktien (§ 71 AktG), fallen diese als Bestandteile des Gesellschaftsvermögens in die Insolvenzmasse und werden daher durch den Vorstand im Rahmen des § 270 I 1 InsO veräußert. Auch ist er berechtigt, ausstehende Einlagen einzufordern (§§ 36 II, 36a, 54 AktG), etwa nach einer Kapitalerhöhung181 (§§ 188 II, 203 I; 199 I AktG), oder säumige Aktionäre auszuschließen (§ 64 III AktG). Das Verwaltungs- und Verfügungsrecht des § 270 I 1 InsO umfasst schließlich auch die Führung massebezogener Prozesse für und gegen die Gesellschaft, das heißt in demselben Umfang wie der Insolvenzverwalter in einem Regelverfahren.182 Dem Vorstand ist allerdings die Befugnis entzogen, Leistungen zurückzufordern, die unter Verletzung des § 57 AktG erbracht worden sind (§ 62 II 2 AktG),183 oder Ersatzansprüche gegen Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder (§§ 93 V 4, 116 InsO), gegen Dritte, die ihren Einfluss auf die Gesellschaft missbraucht haben (§ 117 V 3 AktG), oder gegen die gesetzlichen Vertreter eines herrschenden Unternehmens wegen pflichtwidriger Weisungen (§ 309 IV 5 AktG) geltend zu machen. An seiner Stelle ist der Sachwalter zuständig.184 Zwar behält der Vorstand nominell die Rechtsmacht, für die Gesellschaft auf derartige Ansprüche zu verzichten oder sich über diese zu vergleichen, doch ist eine solche Vereinbarung den Gläubigern gegenüber wirkungslos (§§ 93 V 3, 116; 117 V 2; 309 IV 4 AktG), so dass kein Missbrauch droht. a) Abschluss von Beraterverträgen Die Eigenverwaltung stellt für den Vorstand zumeist eine enorme Herausforderung dar. Denn auf seinen Schultern ruht die Durchführung dieses kom___________ 180

Dazu eingehend Noack, in: Kübler/Prütting, GesR, Rn. 385 ff. Zu Kapitalerhöhungen siehe Kapitel 7 A. 3. a) aa), Seite 392. 182 Z. B. auch Klagen gegen Kapitalerhöhungsbeschlüsse. Zum Umfang: Noack, in: Kübler/Prütting, GesR, Rn. 358 f.; Hüffer, AktG, § 264 Rn. 11, § 245 Rn. 29; Weber, in: Jaeger, KO, §§ 207, 208 Rn. 35 (Abs. 2). 183 Z. B. Leistungen der Gesellschaft auf eigenkapitalersetzende Aktionärsdarlehen i. S. d. § 135 InsO. 184 Kapitel 4 B. I., Seite 182 (sog. Sachwalterverdrängungsbereich). 181

Kap. 5: Der Vorstand in der Eigenverwaltung

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plexen Verfahrens, ohne dass er in der Regel über eingehende Kenntnisse des Insolvenzrechts verfügen würde. Er wird deshalb geneigt sein, den Rat externer Fachleute einzuholen, mit denen er kraft §§ 270 I 1 InsO, 78 I AktG auch Beratungsverträge zu Lasten der Masse abschließen kann. Eine andere Frage ist, ob er dazu auch gegenüber den Gläubigern nach Maßgabe des § 1 S. 1 InsO berechtigt ist.185 Das ist insbesondere dann problematisch, wenn auf diese Weise insolvenzrechtliches Fachwissen eingekauft wird, bezweckt doch die Eigenverwaltung gerade eine Kostensenkung und verzichtet dafür auf das insolvenzrechtliche Fachwissen eines Insolvenzverwalters. Allerdings kann man von einem Vorstandsmitglied, das regelmäßig nur „einmal im Leben Verwalter ist“,186 außer einer gewissenhaften Einarbeitung in das einschlägige Insolvenzrecht187 nicht erwarten, dass es über die Fachkenntnis eines Insolvenzverwalters verfügt oder sich eine solche in der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit aneignet. Im Interesse einer optimalen Verfahrensgestaltung und damit im Interesse der Gläubiger wird es somit vielfach unerlässlich sein, auf externe Ratgeber zurückzugreifen. Bei Entscheidungen besonderer Tragweite und Komplexität, wie sie üblicherweise bei Großinsolvenzen auftreten, ist sogar von einer diesbezüglichen Verpflichtung des Vorstands auszugehen. Das gilt umso mehr, als in einem solchen Falle sogar der Insolvenzverwalter in einem Regelverfahren zur Inanspruchnahme einer qualifizierten Beratung berechtigt und verpflichtet wäre.188 Zu Recht wird daher allgemein die Berechtigung des Vorstands zum Abschluss von Beraterverträgen mit Insolvenzexperten anerkannt,189 was nicht zuletzt im Rahmen seiner eigenverwaltungsspezifischen Haftung relevant wird.190 Allerdings ist der Vorstand angehalten, Umfang und Vergütung der Beratung so gering wie möglich zu halten. Entsprechendes gilt für Einschaltung von Beratern anderer Fachgebiete.

___________ 185

Zur Bindung an § 1 S. 1 InsO siehe sofort unter III. 1. a), Seite 289. Maus, in: Die GmbH in Krise, Sanierung und Insolvenz, Rn. 1746. 187 Dazu unten D. I. 1. b) bb), Seite 330. 188 Lüke, in: Kübler/Prütting, InsO, § 60 Rn. 39; Brandes, in: MK zur InsO, § 60 Rn. 92. 189 Maus, in: Die GmbH in Krise, Sanierung und Insolvenz, Rn. 1746; Piepenburg, NZI 2004, 231, 232 („nicht anrüchig“); Uhlenbruck, BB 1998, 2009, 2020; Westrick, NZI 2003, 65, 69. 190 D. I. 1. b) bb), Seite 330. 186

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3. Teil: Die Rechtsstellung der Organe einer AG in Eigenverwaltung

b) Konzernrechtliche Weisungen an eine Tochtergesellschaft Ist die insolvente Aktiengesellschaft über einen Beherrschungsvertrag im Sinne der §§ 291, 292 AktG mit einer solventen191 Tochtergesellschaft verbunden, so ist streitig, ob der Vorstand wie bisher zur Erteilung konzernrechtlicher Weisungen nach § 308 I 1 AktG berechtigt ist, wenn über das Vermögen der insolventen Obergesellschaft die Eigenverwaltung angeordnet wird.192 Das AG Duisburg hat diese Frage in dem Verfahren über das Vermögen der Babcock Borsig AG verneint.193 Aber auch weite Teile der Literatur gehen ganz allgemein davon aus, dass Unternehmensverträge durch die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens enden, zumindest aber für die Dauer des Verfahrens ruhen.194 Diese Rechtsauffassung beruft sich vor allem auf die FamilienheimEntscheidung des BGH aus dem Jahre 1987, die sich jedoch auf das frühere Vergleichs- und Konkursrecht bezieht und deren Aussagen sich daher nicht auf das neue Insolvenzrecht,195 jedenfalls aber nicht auf die Eigenverwaltung übertragen lassen:196 Der BGH hat damals entschieden, dass ein Unternehmensvertrag durch die Eröffnung eines Konkursverfahrens über das Vermögen der herrschenden Gesellschaft beendet werde, weil sich aufgrund der Auflösung der Gesellschaft und der damit verbundenen Änderung ihres Zwecks, der fortan nur noch in der Liquidation des Gesellschaftsvermögens bestehe, das mit dem Beherrschungsvertrag verfolgte Ziel, eine das Konzernganze umfassenden unternehmerischen Zielkonzeption zu entwickeln und in der beherrschten Gesellschaft durchzusetzen, nicht mehr verwirklichen ließe. Mit dem Wegfall des bisherigen, auf Gewinnerzielung und den Betrieb eines werbenden Unternehmens gerichteten Gesellschaftszwecks entfiele zugleich die Rechtsgrundlage der Konzernleitungs___________ 191 Dass eine insolvente Tochtergesellschaft weisungsgebunden, wird zur Recht überwiegend bezweifelt, siehe II. 2. d) cc), Seite 287. 192 Zur Eigenverwaltung der beherrschten Aktiengesellschaft siehe II. 2. d) cc), Seite 287. 193 AG Duisburg, Beschluss vom 1. 9. 2002 – 62 IN 167/02, NZI 2002, 556, 559; a. A. Noack, in: Kübler/Prütting, GesR, Rn. 726; Trendelenburg, NJW 2002, 647, 648 f.; Böcker, GmbHR 2004, 1314. 194 Altmeppen, in: MK zum AktG, § 297 Rn. 43; Hüffer, AktG, § 297 Rn. 7; Krieger, FS Metzeler, 139, 146; ders., in: MHb GesR IV, § 70 Rn. 172; Uhlenbruck, in: Kölner Schrift, S. 1157 ff. Rn. 31; Hefermehl/Spindler, in: MK zum AktG, § 76 Rn. 51; Uhlenbruck, in: Braun/Uhlenbruck, Unternehmensinsolvenz, S. 92 ff., 94. A. A. Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, § 11 Rn. 398, 407; Wilken/Ziems, FS Metzeler, 153, 155; Häsemeyer, InsR, Rn. 32.09; Koppensteiner, in: KK zum AktG, 3. Auflage, § 297 Rn. 48; Zeidler, NZG 1999, 692, 696 f. 195 Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, § 11 Rn. 398, 407; Wilken/Ziems, FS Metzeler, 153, 155; Häsemeyer, InsR, Rn. 32.09. 196 So auch Trendelenburg, NJW 2002, 647, 648.

Kap. 5: Der Vorstand in der Eigenverwaltung

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macht. Zudem sei der Fortbestand dieser Leitungsmacht nicht mit der eigenverantwortlichen Stellung des Konkursverwalters zu vereinbaren, der lediglich die Konkursmasse im Interesse der Gläubigerschaft zu verwerten, nicht aber einen Konzern zu leiten habe.197 Etwas anderes gelte aber für die Eröffnung eines Vergleichsverfahrens, durch das die Gesellschaft weder aufgelöst noch ihrer Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis beraubt werde, so dass der herrschenden Gesellschaft genügend Raum bleibe, um die Leitungsmacht gegenüber den Weisungsempfängern der beherrschten Gesellschaft auszuüben.198 Im Gegensatz zum Konkursverfahren bezweckt das Insolvenzverfahren jedoch nicht ausschließlich die Zerschlagung des schuldnerischen Unternehmens, sondern kann ebenso gut dazu dienen, dieses zu erhalten und fortzuführen (§ 1 S. 1, 2. Hs. InsO). Dasselbe gilt für den Gesellschaftszweck, der nicht durch den Abwicklungszweck ersetzt, sondern lediglich durch Zweck des Insolvenzverfahrens überlagert wird.199 Verfahrensziel und Gesellschaftszweck sind daher gleichermaßen „ergebnisoffen“ und bieten im Einzelfall durchaus einen erheblichen unternehmerischen Freiraum, um einen Geschäftsplan zu verfolgen, der auch die Töchter der insolventen Gesellschaft einschließt. Mit der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens entfällt somit nicht zwangsläufig die Rechtsgrundlage der Konzernleitungsmacht. Eine solche Wirkung könnte für das Insolvenzverfahren im Gegenteil fatale Folgen haben, weil sie vielfach eine Sanierung im Unternehmensverbund von vorneherein vereitelte, und stünde insoweit in Widerspruch zum Zweck des Insolvenzverfahrens.200 Das gilt vor allem für die Eigenverwaltung, die gerade für die Fortführungsfälle konzipiert ist. Ob die Leitung eines Konzerns mit der Rolle des Insolvenzverwalters unvereinbar ist, muss hier nicht beantwortet werden,201 weil sich diese Frage im Falle der Eigenverwaltung nicht stellt. Die Stellung der eigenverwaltenden Gesellschaft ist von der des Insolvenzverwalters grundlegend verschieden: Anders als dieser verfügt sie kraft eigener Rechtsmacht und hat keine amtliche Stellung inne.202 Ihre Stellung entspricht vielmehr weitgehend der des Vergleichsschuldners in einem gerichtlichen Vergleichsverfahren,203 in dem der BGH in der wiedergegebenen Entscheidung aber gerade genug Freiraum für den Fortbestand ___________ 197 BGH, Urteil vom 14. 12. 1987 – II ZR 170/87, NJW 1988, 1326, 1327; ihm folgend BayObLG, Beschluss vom 29. 9. 1998 – 3Z BR 159-94, NJW-RR 1999, 109, 110. 198 BGH, Urteil vom 14. 12. 1987 – II ZR 170/87, NJW 1988, 1326, 1327. 199 Siehe Kapitel 2 B. II. 2. b) cc), Seite 128, und unten III. 1. a), Seite 289. 200 So auch Noack, in: Kübler/Prütting, GesR, Rn. 723. 201 Weiterführend Trendelenburg, NJW 2002, 647, 648 f.; ablehnend auch Noack, in: Kübler/Prütting, GesR, Rn. 725. 202 Kapitel 1 C. I. 2. c), Seite 72. 203 Namentlich bleibt auch der Vergleichsschuldner verwaltungs- und verfügungsbefugt, vgl. i. Ü. Kapitel 1 B. II. 1., Seite 39.

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3. Teil: Die Rechtsstellung der Organe einer AG in Eigenverwaltung

der Konzernleitungsmacht erblickt hat.204 Dass nach neuem Recht die Gesellschaft auch durch die Anordnung der Eigenverwaltung aufgelöst wird, rechtfertigt keine andere Betrachtung. Denn wegen der soeben beschriebenen Ergebnisoffenheit des Verfahrens handelt es sich bei der Auflösung gem. § 262 I Nr. 3 AktG nur noch um ein eher formales Kriterium.205 Aus diesen Gründen ist die Auffassung abzulehnen, dass Unternehmensverträge automatisch enden, wenn über das Vermögen der Obergesellschaft ein Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung angeordnet wird, so dass auch die Weisungsrechte nach § 308 I 1 AktG bestehen bleiben. Es muss aber im Interesse der Gläubiger möglich sein, dass sich die eigenverwaltende Gesellschaft von den aus den Unternehmensverträgen folgenden Verpflichtungen, insbesondere zur Ausgleichszahlung (§ 304 I 2 AktG), die nach § 209 I Nr. 2 InsO privilegierte Masseforderungen darstellen,206 lösen kann. Ihr ist daher ein Sonderkündigungsrecht analog § 297 I 2 AktG zuzugestehen,207 wie schon im früheren Vergleichsrecht.208 2. Wahrnehmung der insolvenzrechtlichen Sonderbefugnisse Des Weiteren obliegt dem Vorstand kraft seiner organschaftlichen Vertretungsmacht (§ 78 I AktG) die Ausübung der insolvenzrechtlichen Sonderbefugnisse, die sonst nur einem Insolvenzverwalter zustehen.209 So darf er das Wahlrecht bei gegenseitigen Verträgen ausüben (§§ 279 S. 1, 103 ff. InsO), Sicherungsgut gem. § 282 I InsO verwerten oder zur Tabelle angemeldete Forderungen mit feststellungshindernder Wirkung bestreiten (§ 283 I 2 InsO). Es ist auch der Vorstand, der für die Gesellschaft einen Insolvenzplan nach Beauftragung durch die Gläubigerversammlung vorlegt (§ 284 I 2 InsO).210

___________ 204

BGH, Urteil vom 14. 12. 1987 – II ZR 170/87, NJW 1988, 1326, 1327. So zutreffend Trendelenburg, NJW 2002, 647, 648 f. 206 Zeidler, NZG 1999, 692, 697; Böcker, GmbHR 2004, 1314. 207 Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, § 11 Rn. 407; Koppensteiner, in: KK zum AktG, 3. Auflage, § 297 Rn. 48; Noack, in: Kübler/Prütting, GesR, Rn. 726; Böcker, GmbHR 2004, 1314; a. A. Trendelenburg, NJW 2002, 647, 650. 208 Vgl. Mertens, ZGR 1984, 542, 553 m. w. N. 209 Nur ganz ausnahmsweise können einige der Sonderbefugnisse auch von den übrigen Organen wahrgenommen werden, wie z. B. bei der Kündigung des Vorstands gem. §§ 279 S. 1, 113 InsO durch den Aufsichtsrat (§ 112 AktG), vgl. unten C. II. 1. a) dd), Seite 314. 210 Die beiden letztgenannten Befugnisse stehen der Gesellschaft daneben auch noch in ihrer Eigenschaft als Schuldnerin zu, siehe A. I. 1., Seite 201. 205

Kap. 5: Der Vorstand in der Eigenverwaltung

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Der Vorstand ist ferner berechtigt, gem. §§ 75 I Nr. 1, 270 I 2 InsO eine Einberufung der Gläubigerversammlung zu beantragen.211 Denn es muss der eigenverwaltenden Aktiengesellschaft möglich sein, einen Beschluss der Gläubigerversammlung, die maßgeblich über den Verfahrensgang mitbestimmt (§§ 157; 276 S. 2, 160 I 2 InsO), herbeizuführen, um in Zweifelsfällen eine optimale Verfahrensgestaltung zu gewährleisten. 3. Erfüllung der eigenverwaltungsspezifischen Pflichten Schließlich hat der Vorstand die eigenverwaltungsspezifischen Pflichten der Aktiengesellschaft zu erfüllen. Er muss zu Beginn des Verfahrens die Masseund Gläubigerverzeichnisse sowie die Vermögensübersicht erstellen (§ 281 I 1 InsO), im Berichtstermin der Gläubigerversammlung Bericht erstatten (§ 281 II InsO), im Falle der Liquidation die Verteilungen an die Gläubiger vornehmen (§ 283 II 1 InsO) und nach Abschluss des Verfahrens die Schlussrechnung erstellen (§ 281 III 2 InsO). Von besonderer Bedeutung für das Verfahren ist die Verpflichtung zur Rechnungslegung gem. §§ 281 III 1, 66, 155 InsO, die den Vorstand intern nach § 91 I AktG, § 264 I 1 HGB trifft. Sie stellt zugleich eine besondere Herausforderung dar, denn die eigenverwaltende Gesellschaft ist wie ein Insolvenzverwalter zur dualen Rechnungslegung verpflichtet. Der Vorstand muss also neben der externen Rechnungslegung nach handelsrechtlichen und steuerrechtlichen Grundsätzen auch noch eine interne, insolvenzrechtliche Rechnungslegung gegenüber den Gläubigern gem. § 66 InsO durchführen,212 die einen erheblichen insolvenzrechtlichen Sachverstand erfordert.213 Nicht der Vorstand ist allerdings zur Stellung des Antrags nach §§ 281 III 1, 155 III 1 InsO auf Bestellung eines Abschlussprüfers berechtigt, sondern analog §§ 111 II 3, 124 III 1 AktG, § 318 I 4 HGB der Aufsichtsrat,214 der auch die (externe und interne) Rechnungslegung durch den Vorstand gem. § 111 I AktG beaufsichtigt.215

___________ 211 Ein Einberufungsrecht des eigenverwaltenden Schuldners bejaht auch Schlegel, S. 136; Wittig, in: MK zur InsO, vor §§ 270–285 Rn. 70; Pape, in: Kölner Schrift, S. 895 ff. Rn. 38. 212 Zu weiteren Einzelheiten siehe Uhlenbruck, in: Uhlenbruck, InsO, § 281 Rn. 5; Wittig, in: MK zur InsO, § 281 Rn. 25 ff.; Pink, ZIP 1997, 177 ff. 213 Riggert, in: Braun, InsO, § 281 Rn. 4. 214 Kapitel 7 B. I. 2. b) bb), Seite 405. 215 Kapitel 6 B. I. 2., Seite 355.

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3. Teil: Die Rechtsstellung der Organe einer AG in Eigenverwaltung

II. Fortbestand gesellschaftsrechtlicher Bindungen Der Vorstand hat die Gesellschaft unter eigener Verantwortung zu leiten (§ 76 I AktG); sowohl der Aufsichtsrat (§ 111 IV 1 AktG) als auch die Hauptversammlung (§ 119 II AktG) sind nach der zwingenden (§ 23 V AktG) aktienrechtlichen Organisationsordnung von einer Beteiligung an der Geschäftsführung ausgeschlossen. Von diesem Grundsatz wird nur in wenigen gesetzlichen Ausnahmefällen abgesehen, die teils die Geschäftsführungsbefugnis des Vorstands im Innenverhältnis (z. B. §§ 82 II, 111 IV 2, 308 I 1 AktG, HolzmüllerFälle)216 und teils seine Vertretungsmacht im Außenverhältnis (z. B. §§ 50, 179a, 293 AktG; § 32 MitbestG217, § 13 UmwG) beschränken. Zweifelhaft ist allerdings, ob diese Einschränkungen für den Vorstand einer Aktiengesellschaft fortgelten, wenn über deren Vermögen ein Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung eröffnet worden ist und daher das gesamte dem Insolvenzbeschlag unterliegende Gesellschaftsvermögen ausschließlich der optimalen Gläubigerbefriedigung (§ 1 S. 1 InsO) verhaftet ist. Muss der Vorstand in der Eigenverwaltung also die Zustimmung des Aufsichtsrates zu einer nach § 1 S. 1 InsO gebotenen Geschäftsführungsmaßnahme, beispielsweise einer Grundstücksveräußerung, einholen, für die nach der Satzung die Mitwirkung des Aufsichtsrates vorgeschrieben ist (§ 82 II AktG)? Oder bedarf der Vorstand einer Zustimmung der Hauptversammlung, wenn er eine Umstrukturierung von so erheblicher Tragweite vorzunehmen beabsichtigt, etwa die Veräußerung des Gesellschaftsunternehmens im Zuge einer von den Gläubigern beschlossenen übertragenden Sanierung, dass nach den Grundsätzen der Holzmüller-Rechtsprechung eine ungeschriebene Zuständigkeit der Hauptversammlung besteht? Das Problem hat unmittelbare praktische Relevanz. So wurde beispielsweise im Rahmen der Insolvenz der Kirchgruppe diskutiert, ob in dem Falle, dass auch über das Vermögen der KirchPayTV GmbH & Co. KGaA ein Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung eröffnet werden sollte, für die – damals in der Presse erwartete – Veräußerung der Premiere Medien GmbH & Co. KG (Premiere-Fernsehen), die beinahe das gesamte Vermögen der KirchPayTV ausmachte, ein Holzmüller-Vorbehalt zu beachten sei.218 Dasselbe Problem stellte sich in dem Eigenverwaltungsverfahren über das Vermögen der Babcock Bor___________ 216 Bei einer GmbH das Weisungsrecht der Gesellschaftsversammlung gem. § 37 I GmbHG. 217 Ob § 32 MitbestG die Vertretungsmacht des Vorstands (Hefermehl/Spindler, in: MK zum AktG, § 78 Rn. 24) oder nur seine Geschäftsführungsbefugnis beschränkt, ist strittig. 218 Vgl. Prütting/Huhn, ZIP 2002, 777. Tatsächlich hat die KirchPayTV GmbH & Co. KG am 8. Mai 2001 Insolvenzantrag gestellt, vgl. Die WELT vom 11. 8. 2003, S. 13 („Der milliardenschwere Bieterwettstreit um Kirch Media“).

Kap. 5: Der Vorstand in der Eigenverwaltung

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sig AG, in dessen Verlauf es nach erheblichen Umstrukturierungen innerhalb des Konzerns schließlich zu der Veräußerung der verbliebenen Kernbereiche und insbesondere der Auffanggesellschaft Babcock Borsig Power Systems GmbH kam.219 Die Frage nach dem Fortbestand gesellschaftsrechtlicher Bindungen ist in rechtlicher Hinsicht aus verschiedenen Blickwinkeln zu betrachten. Zunächst kann auf die in der Insolvenzordnung und insbesondere den §§ 270–285 InsO enthaltenen Bestimmungen abgestellt und überlegt werden, inwieweit diese für oder wider den Fortbestand dieser Bindungen sprechen. Grundlegende Bedeutung kommt dabei der Entscheidung zu, ob die insolvente Aktiengesellschaft selbst oder ihr Vorstand bzw. dessen Mitglieder als Träger der eigenverwaltungsspezifischen Rechte und Pflichten aufzufassen sind. Insoweit wird vielfach von der Person des „Eigenverwalters“ gesprochen, was in der Sache allerdings nicht weiterhilft, weil die Insolvenzordnung diesen Begriff nicht verwendet. Zugleich betrifft diese Frage auf einer übergeordneten Ebene das Verhältnis von Insolvenzrecht und Gesellschaftsrecht, von dem sie allerdings nur einen Ausschnitt darstellt.220 1. Meinungsstand Im Wesentlichen haben sich vier Ansichten herausgebildet. a) „Theorie der Verdrängung“ (Prütting/Huhn) Die Verdrängung der gesellschaftsrechtlichen Bindungen postuliert die vornehmlich auf Prütting und Huhn zurückgehende, wohl als herrschend zu be-

___________ 219

Das jedenfalls ist aus dem Erfahrensbericht von Piepenburg, NZI 2004, 231, 233 zu schließen, der die „Rechte von Aktionären (Holzmüller)“ als eine der substanziellen Fragestellungen bei der Eigenverwaltung einer börsennotierten AG bezeichnet. Vor Verfahrenseröffnung war Herr Piepenburg als ausgewiesener Insolvenzfachmann speziell zur Durchführung des Eigenverwaltungsverfahrens in den Vorstand der Babcock Borsig AG berufen worden (dazu Kapitel 3 A. II. 3. c) dd), Seite 164, Fußnote 147). 220 Das Verhältnis des Insolvenzrechts zum Gesellschaftsrecht ist auch bei einer Vielzahl anderer Rechtsfragen relevant, so etwa bei der Entscheidung, ob § 15 InsO auch auf den Eigenverwaltungsantrag (§ 270 II Nr. 1 InsO) Anwendung findet (dazu Kapitel 3 A. II. 1. a) aa) (1), Seite 145) oder ob neben dem Sachwalter auch der Aufsichtsrat die Geschäftsführung des Vorstands im Eigenverwaltungsbereich gem. § 111 AktG überwacht (Kapitel 6 B. I. 2. a), Seite 355), oder bei der Frage, welchen (insolvenzrechtlichen) Modifikationen, insbesondere hinsichtlich der einzuhaltenden Vertretungsregeln, die Antragsrechte im Schuldnerbereich unterliegen (dazu oben A. II., Seite 206).

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3. Teil: Die Rechtsstellung der Organe einer AG in Eigenverwaltung

zeichnende Auffassung221, nach der § 270 I 1 InsO so auszulegen sei, dass das Geschäftsleitungsorgan in der personellen Zusammensetzung, wie es zum Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung bestand, der alleinige Träger der Verwaltungsund Verfügungsbefugnis werde, wie sie einem Insolvenzverwalter nach § 80 InsO im Regelinsolvenzverfahren zustünde. Daher könnten gesellschaftsrechtliche Beschränkungen das Geschäftsleitungsorgan in der Eigenverwaltung nur dann binden, wenn sie auch einen Insolvenzverwalter in einem Regelinsolvenzverfahren an der Ausübung seiner Verfügungsbefugnisse hindern könnten, was aber gerade nicht der Fall sei.222 Nach diesem Verständnis sind also dem Geschäftsleitungsorgan und nicht der Schuldnergesellschaft die eigenverwaltungsspezifischen Rechte und Pflichten zugewiesen.223 Nicht die Gesellschaft, sondern ihr Organ tritt in die Rechtsstellung des „Eigenverwalters“ oder, vorsichtiger formuliert, in die „Rolle des Eigenverwalters“224 ein;225 Eigenverwalter und Insolvenzschuldner sind also ___________ 221 Prütting/Huhn, ZIP 2002, 777, 782; Huhn, Rn. 626 ff.; Görg/Stockhausen, FS Metzeler, 105, 107; Kruse, S. 280; Landfermann, in: HK zur InsO, § 270 Rn. 20; Uhlenbruck, FS Metzeler, 87, 95 ff.; ders., in: Uhlenbruck, InsO, § 270 Rn. 3; ders. NJW 2002, 3219, 3220 (a. A. allerdings ders., in FS Kirchhof, 479, 494 ff.); Graf-Schlicker, FS Kirchhof, 135, 147; Riggert, in: Braun, InsO, § 270 Rn. 1; ders., in: Nerlich/Römermann, InsO, § 270 Rn. 15a. So aber auch schon Schlegel, S. 196, 271 (keine Weisungsmacht der GmbH-Gesellschafter gegenüber dem Geschäftsführer im „insolvenzrechtlichen Pflichtenkreis“) und Götker, Rn. 1009 (im insolvenzbefangenen Bereich sei kein Raum für Weisungen der Gesellschafter einer GmbH; diese seien nur insoweit beachtlich, wie sich auf den insolvenzverfahrensfreien Bereich bezögen). 222 Vgl. auch Kapitel 2 A. I., Seite 101. 223 Das soll sowohl für das Verwaltungs- und Verfügungsrecht (Prütting/Huhn, ZIP 2002, 777, 782) als auch die sonstigen eigenverwaltungsspezifischen Rechte und Pflichten (Prütting/Huhn, ZIP 2002, 777, 778) gelten. 224 Zu dem verwandten Begriff der „Schuldnerrolle“ und seiner Aussagekraft schon oben A. II. 1. a), Seite 207. 225 Namentlich Kruse, der nicht nur „die Geschäftsführer“ einer GmbH (etwa ders., S. 282, 294) oder „einen Vorstand“ einer Aktiengesellschaft (ders., S. 302) zum „Eigenverwalter bestellen“ will, sondern sogar die Bestellung einer juristische Person (z. B. die Komplementär-GmbH in der Eigenverwaltung einer GmbH & Co. KG, ders., S. 288 ff.), der Gesellschafterversammlung einer GmbH (ders., S. 294), eines Prokuristen (ders., S. 294 ff.) oder des Vorstands einer Konzernmutter (ders., S. 305) zum Eigenverwalter erwägt. Aber auch Uhlenbruck, dem zufolge die Eigenverwaltung „den organschaftlichen Vertretern des Schuldnerunternehmens überlassen“ werde (NZI 2001, 632), „der Vorstand einer Aktiengesellschaft […] in die Rolle eines Insolvenzverwalters [einrücke]“ (FS Metzeler, 85, 95), „der Schuldner bzw. die organschaftlichen Vertreter eines Schuldnerunternehmens […] grundsätzlich die Kompetenzen eines Insolvenzverwalters [haben]“ (in: Uhlenbruck, InsO, § 270 Rn. 18), oder der „eigenverwaltende Vertreter des Schuldnerunternehmens“ nicht der Aufsicht des Insolvenzgerichts unterliege (FS Metzeler, 85, 99; a. A. allerdings ders., FS Kirchhof, 479, 494). Ebenso Becker, InsR, Rn. 311 („Organe schlüpfen in die Rolle des Eigenverwalters“); Götker, Rn. 999 („Die Ge-

Kap. 5: Der Vorstand in der Eigenverwaltung

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verschiedene Personen.226 Das bedeutet zugleich die Fortschreibung des im regulären Verfahren bestehenden Verdrängungsbereichs,227 da letztlich das Geschäftsleitungsorgan die Funktion des Insolvenzverwalters ausübt und die korrespondierenden Befugnisse der übrigen Gesellschaftsorgane insoweit verdrängt. b) „Theorie des Nebeneinanders“ (Ringstmeier/Homann) Demgegenüber gehen andere Literaturstimmen im Anschluss an Ringstmeier und Homann davon aus, dass durch die Formulierung des § 270 I 1 InsO das gesamte Gesellschaftsrecht in die Vorschriften der Eigenverwaltung inkorporiert sei, so dass das Gesellschaftsrecht nicht mit dem Insolvenzrecht kollidiere, sondern dieses ergänze. Daher blieben auch die gesellschaftsrechtlichen Beschränkungen bei der Ausübung der Eigenverwaltung durch die Gesellschaft erhalten.228 c) „Theorie des Miteinanders“ (Noack) Noack wendet sich gegen die „Scheinradikalität“ der beiden vorstehenden Ansätze, die nicht widerspruchsfrei durchzuhalten seien und vor allem die unterschiedlichen Binnenstrukturen der Gesellschaftsrechtsformen nicht hinreichend beachteten. Nach Noack bleiben die Organstruktur und die Organkompe___________ schäftsführer als Träger der Eigenverwalterrolle“); Gutsche, Rn. 38, 316; Pape, in: Kübler/Prütting, InsO, § 280 Rn. 2 (Geschäftführer einer GmbH seien selbst „Eigenverwalter“); offenbar auch AG Lübeck, Beschluss vom 4. 2. 2000 – 53b IN 19/00, DZWIR 2000, 482 (bei dem „Eigenverwalter, der bereits als Konkursverwalter über einen Geschäftsanteil der Schuldnerin eingesetzt ist“, kann es sich nur um den Geschäftsführer der Schuldnerin, einer GmbH, handeln). In diese Richtung auch Hess/Ruppe, NZI 2002, 577, 580, die den Aufsichtsrat als „Dritten“ und damit als vom Eigenverwalter verschiedenes Subjekt behandeln. Prütting/Huhn sprechen zwar nicht ausdrücklich davon, dass das Geschäftsleitungsorgan zum Eigenverwalter berufen werde, doch ist dies die notwendige Konsequenz daraus, das Gesellschaftsorgan als alleinigen Träger der Rechte und Pflichten (ZIP 2002, 777, 778 und 782) betrachtet wird. Dass es an einer Stelle heißt, das Verwaltungs- und Verfügungsrecht werde dem „Geschäftsleitungsorgan des Eigenverwalters“ zugewiesen (ZIP 2002, 777, 780), kann dagegen nur als unpräzise Formulierung gewertet werden. A. A. (Gesellschaft ist Eigenverwalterin) Westrick, NZI 2003, 65, 70. 226 Diese Konsequenz zieht namentlich Kruse, S. 294. 227 Siehe insbesondere Riggert, in: Nerlich/Römermann, InsO, § 270 Rn. 15a (der allerdings – wohl irrigerweise – stets von „Insolvenzverwalter“ spricht). 228 Ringstmeier/Homann, NZI 2002, 406 ff.; zustimmend Westrick, NZI 2003, 65, 68, 70; Köchling, ZInsO 2003, 53, 54; Mock/Schildt, ZInsO 2003, 396, 402; offenbar auch Smid, DZWIR 2002, 493, 496.

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3. Teil: Die Rechtsstellung der Organe einer AG in Eigenverwaltung

tenzen der insolventen Aktiengesellschaft in Eigenverwaltung zwar grundsätzlich bestehen, sie seien allerdings gemäß dem Zweck der Eigenverwaltung, d. h. der optimalen Gläubigerbefriedigung (§ 1 S. 1 InsO) zu modifizieren.229 Deswegen entfielen vor allem solche Mitwirkungsrechte, die bei einer werbenden Gesellschaft den Vermögens- und Schutzinteressen der Aktionäre dienen (wie etwa der Holzmüller-Vorbehalt).230 Im Ergebnis auf einer Linie mit dieser Auffassung liegt das AG Duisburg, das in dem Eröffnungsbeschluss in Sachen Babcock Borsig AG ausdrücklich festgestellt hat, dass die allgemeinen gesellschaftsrechtlichen Weisungs- und Kontrollrechte der Gesellschaftsorgane gegenüber der Geschäftsleitung bestehen bleiben, allerdings die konzernrechtlichen Weisungsbefugnisse entfielen und sämtliche Gesellschaftsorgane dem Zweck es § 1 S. 1 InsO verpflichtet seien.231 d) „Theorie des Nacheinanders“ (Uhlenbruck) Ein „Nacheinander“ von Insolvenz- und Gesellschaftsrecht vertritt schließlich neuerdings Uhlenbruck232, der sich einerseits darauf stützt, dass die Gesellschaft selbst als eigenverwaltende Schuldnergesellschaft anzusehen sei, und andererseits einen absoluten Vorrang des Insolvenzrechts vor dem Gesellschaftsrecht anerkennt. Abgesehen von der Überlagerung des (infolge der Auflösung) zur Liquidation geänderten Gesellschaftszwecks durch den Insolvenzzweck (§ 1 S. 1 InsO) gebe es keinen Verdrängungsbereich233 wie im Regelinsolvenzverfahren; die durch ihre Organe handelnde Gesellschaft erhalte vielmehr durch die Verfahrenseröffnung zusätzliche Kompetenzen. Gesellschaftsrechtliche Bindungen blieben bestehen und seien den Mitwirkungsrechten der §§ 275 ff. InsO vorgeschaltet.

___________ 229

So auch schon Schlegel, S. 191 ff., 192. Noack, ZIP 2002, 1873, 1877, 1879; ihm folgend Hefermehl/Spindler, in: MK zum AktG, § 76 Rn. 51. 231 AG Duisburg, Beschluss vom 1. 9. 2002 – 62 IN 167/02, NZI 2002, 556, 559. 232 Uhlenbruck, FS Kirchhof, 479, 494 ff., 502; a. A. (wie Prütting/Huhn) aber noch dezidiert ders., FS Metzeler, 85, 95; ders., in: Uhlenbruck, InsO, § 270 Rn. 18; ders., NZI 2001, 632. 233 Zum Verdrängungsbereich im regulären Verfahren vgl. Kapitel 2 A. I., Seite 101. 230

Kap. 5: Der Vorstand in der Eigenverwaltung

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2. Stellungnahme a) Auseinandersetzung mit der Theorie der Verdrängung Eine Auseinandersetzung mit der von der Theorie der Verdrängung unterstützten These hat methodisch bei der Auslegung der Vorschriften der Eigenverwaltung anzusetzen, vor allem des § 270 I 1 InsO. Die Verfechter dieser Theorie berufen sich neben diversen Hilfserwägungen primär auf systematische, historische und vor allem teleologische Erwägungen,234 die im Folgenden einer kritischen Würdigung zu unterziehen sind. Dabei ist aber auch auf in der bisherigen Diskussion nicht erörterte Gesichtspunkte einzugehen. aa) Auslegung der §§ 270 ff. InsO Bei der Auslegung ist zu berücksichtigen, dass die These der Geschäftsleitung als Eigenverwalter und die These des Fortfalls der gesellschaftsrechtlichen Bindungen als Einheit aufzufassen sind;235 Argumente für die eine These sprechen daher zugleich auch für die andere. (1) Wortlautauslegung Der Wortlaut der §§ 270 ff. InsO im Allgemeinen und des § 270 I 1 InsO im Besonderen bezeichnet einheitlich den Schuldner – nicht aber dessen gesetzlichen Vertreter oder dessen Geschäftsleitung – als denjenigen, dem das Verwaltungs- und Verfügungsrecht (§ 270 I 1 InsO) sowie die insolvenzrechtlichen Sonderbefugnisse (z. B. § 282 I 1 InsO) zugewiesen wird. Da aber der Schuldner in einem Insolvenzverfahren über das Vermögen einer juristischen Person (etwa einer AG oder GmbH) diese selbst ist (§ 11 I 1 Alt. 2 InsO), muss diese Formulierung so verstanden werden, dass die Schuldnergesellschaft und nicht etwa ihr Vertretungsorgan „Eigenverwalterin“ und Trägerin der Insolvenzschuldnerrolle ist. Schuldnerin ist die Gesellschaft aber nicht als leere Hülle, sondern nur in den und gerade durch die gesellschaftsrechtlich statuierten Formen und Verfahrensweisen organschaftlicher Vertretung und Kontrolle.236 ___________ 234

Vgl. Prütting/Huhn, ZIP 2002, 777, 778 ff.; Huhn, Rn. 626 ff. Das verkennen offenbar Hess/Ruppe, indem sie einerseits den Aufsichtsrat als „Dritten“ bezeichnen und damit als eine vom Eigenverwalter verschiedene Institution behandeln (NZI 2002, 577, 579), andererseits aber das Bestehenbleiben seiner Mitwirkungsrechte grundsätzlich bejahen (NZI 2002, 577, 581). 236 Smid, DZWIR 2002, 493, 500. 235

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3. Teil: Die Rechtsstellung der Organe einer AG in Eigenverwaltung

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Umstand, dass das Verwaltungs- und Verfügungsrecht bei (als solchen handlungsunfähigen) juristischen Personen notwendigerweise durch deren organschaftlichen Vertreter ausgeübt werden muss. Denn das ändert nichts daran, dass das aus der Rechtsinhaberschaft folgende Verfügungsrecht237 allein der Gesellschaft als Rechtsinhaberin zusteht. Verfügt der Vorstand einer Aktiengesellschaft über einen zum Gesellschaftsvermögen gehörenden Gegenstand, handelt es sich somit um eine Verfügung der Gesellschaft, vertreten durch ihren Vorstand.238 Streng genommen wird daher auch nicht das „Verfügungsrecht der organschaftlichen Vertreter“ gesellschaftsrechtlichen Mitwirkungsbefugnissen unterworfen,239 sondern die auf dessen Ausübung bezogene Vertretungsmacht bzw. Geschäftsführungsbefugnis der organschaftlichen Vertreter.240 Nach dem Wortlaut der §§ 270 ff. InsO ist somit die juristische Person als solche „Eigenverwalterin“ unter Fortgeltung der gesellschaftsrechtlichen Bindungen;241 das gilt sowohl hinsichtlich des Verwaltungs- und Verfügungsrechts (§ 270 I 1 InsO) als auch hinsichtlich der spezifisch insolvenzrechtlichen Befugnisse (§§ 279 S. 1, 282 I 1, 283 I 1 InsO). Fraglich ist deshalb, ob nicht die Behandlung der gesetzlichen Vertreter als Eigenverwalter bzw. die Zuweisung des Verwaltungs- und Verfügungsrechts an das Geschäftsleitungsorgan die durch diesen Wortsinn gesteckte Auslegungsgrenze242 überschreitet und infolgedessen unzulässig ist. Allerdings muss angesichts der Tatsache, dass die Befugnisse der Schuldnergesellschaft nur durch ihre Organe ausgeübt werden können,243 sowie der verbreitet anzutreffenden Unsicherheit hinsichtlich der „Insolvenzschuldnerrolle“ bei juristischen Personen244, zugunsten der Theorie der Verdrängung festgestellt werden, dass ihre ___________ 237

Vgl. etwa Quack, in: MK zum BGB, § 929 Rn. 109. In dieser Hinsicht mangelt es oft an präzisen Bezeichnungen. Zutreffend spricht in diesem Sinne das BayObLG davon, dass die „auf der Organstellung beruhende gesetzliche Vertretungsmacht des Vorstands“ in den die Konkursmasse betreffenden Angelegenheiten durch das Verwaltungs- und Verfügungsrecht des Konkursverwalters verdrängt werde (Beschluss vom 10.3.1988 – BReg. 3 Z 125/87, NJW-RR 1988, 929, 931). 239 Sehr wohl wird das Verfügungsrecht der Schuldnergesellschaft aber durch die §§ 276 ff. InsO beschränkt. 240 Siehe zu dieser Überlegung auch unten (3) (a) (aa), Seite 254. 241 Dieses Ergebnis ist – soweit ersichtlich – unstreitig, vgl. bspw. Prütting/Huhn, ZIP 2002, 777, 778; Westrick, NZI 2003, 65, 70; Köchling, ZInsO 2003, 53, 54. 242 Vgl. dazu Larenz, S. 343. 243 So Prütting/Huhn, ZIP 2002, 777, 780 re. Sp. oben. 244 So weisen die Insolvenzschuldnerrolle den organschaftlichen Vertreter der juristischen Person bspw. zu: Uhlenbruck, in: Braun/Uhlenbruck, Unternehmensinsolvenz, S. 194; Hess, in: Hess, InsO, § 213 Rn. 5. Zur Ablehnung dieser Konstruktion bereits oben A. II. 1. a), Seite 207. 238

Kap. 5: Der Vorstand in der Eigenverwaltung

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Thesen als mit dem Wortlaut des § 270 I 1 InsO gerade noch vereinbar erscheinen. (2) Systematische Auslegung (a) Bestehenbleiben des Verfügungsrechts Gegen die These, dass das Geschäftsleitungsorgan der alleinige Träger der Verfügungsbefugnis werde, könnte in systematischer Hinsicht sprechen, dass der Schuldner – wie oben ausführlich, insbesondere aufgrund systematischer und historischer Erwägungen nachgewiesen wurde245 – bei Anordnung der Eigenverwaltung sein Verwaltungs- und Verfügungsrecht behält und nicht durch den gerichtlichen Akt (zurück-)übertragen bekommt. Zwar ist es zutreffend, dass selbst die Annahme einer (Rück-)Übertragung des Verfügungsrechts auf den Schuldner in keiner Weise eine Übertragung allein auf das Geschäftsleitungsorgan bedeutet, da die Befugnisse auch nach dieser Ansicht entsprechend dem Wortlaut des § 270 I 1 InsO auf „den Schuldner“, also die Gesellschaft samt Organen, zurückübertragen würde und damit auch im Rahmen der ehemaligen Organzuständigkeiten.246 Wenn man aber von einem solchen (insolvenzrechtlichen) Übertragungsakt ausgeht, bedürfte die These von Prütting/Huhn „lediglich“ der besonderen Begründung, warum die Geschäftsleitung anstelle der Gesellschaft Eigenverwalter und damit Adressat der Übertragung ist.247 Eine Lösung wäre also auf der Ebene insolvenzrechtlichen Normen zu finden. Das gilt namentlich auch für die spezifisch insolvenzrechtlichen Befugnisse (§§ 279 S. 1, 282 I 1, 283 I 1 InsO), die – wie oben gezeigt248 – durch den gerichtlichen Anordnungsakt auf den Schuldner übertragen werden. Doch wenn man richtigerweise von einem Beibehalten des Verwaltungsund Verfügungsrechts ausgeht, ist daraus zu schließen, dass dieses bei der Schuldnergesellschaft in Art und Umfang grundsätzlich so bestehen bleibt, wie es schon vor der Verfahrenseröffnung nach den gesellschaftsrechtlichen Regelungen existiert hat,249 also als Recht der Gesellschaft, welches durch deren Organe vertretungsweise ausgeübt wird, diesen aber nicht als eigenes Recht zu___________ 245

Kapitel 1 C. I. 2. a) bb), Seite 49. So auch Prütting/Huhn, ZIP 2002, 777, 779. 247 Eine solche Deutung ließe sich mit dem Wortlaut des § 270 I 1 InsO wohl gerade noch vereinbaren, vgl. (1), Seite 243. 248 Kapitel 1 C. I. 2. a) aa), Seite 48. 249 Auch Prütting/Huhn, ZIP 2002, 777, 780. 246

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3. Teil: Die Rechtsstellung der Organe einer AG in Eigenverwaltung

steht.250 Das bedeutet allerdings, dass die These der Theorie der Verdrängung nur durch eine Modifikation der gesellschaftsrechtlichen Vorschriften begründet werden kann, und zwar nicht lediglich durch eine Reduktion der gesellschaftsrechtlichen Mitbestimmungsregelungen251, sondern allein durch eine dem Gesellschaftsrecht völlig fremde Übertragung des Verfügungsrechts von der Gesellschaft auf deren Organe. Eine solche Korrektur im Wege einer ungeschriebenen gesellschaftsrechtlichen Sonderregelung ist aber nur denkbar, wenn sie durch zwingende Gründe geboten und das durch die Anwendung des Gesetzes erzielte Ergebnis unhaltbar ist.252 Derartige Umstände sind jedoch nicht ersichtlich. Daher spricht das Fortbestehen des Verwaltungs- und Verfügungsrechtes beim Schuldner kraft eigener Privatautonomie gegen die Theorie der Verdrängung. (b) §§ 15 I, II, 18 III, 101 I InsO Gegen die Theorie der Verdrängung ist weiterhin anzuführen, dass die Insolvenzordnung, wenn sie Regelungen für die organschaftlichen Vertreter einer Schuldnergesellschaft aufstellt, diese auch als solche ausdrücklich bezeichnet, vgl. §§ 15 I, II, 18 III, 101 I InsO. Damit erhärtet sich das soeben gefundene Ergebnis der Wortlautauslegung. (c) § 56 I InsO (Amtsträgerstellung) Möglicherweise lässt sich der Übergang des Verfügung- und Verwaltungsrechtes und der insolvenzrechtlichen Sonderbefugnisse auf das Geschäftsleitungsorgan bzw. auf die diesem angehörenden natürlichen Personen253 mit § 56 I InsO begründen, nach dem nur natürliche Personen zu Insolvenzverwaltern bestellt werden können. Eine direkte Anwendung des § 56 InsO scheidet allerdings aus, weil auf diese Vorschrift nur für den Sachwalter verwiesen wird (§ 274 I InsO) und der ___________ 250

So aber Prütting/Huhn, ZIP 2002, 777, 782. So aber Ringstmeier/Homann, NZI 2002, 406. Eine Modifikation der gesellschaftsrechtlichen Mitwirkungsrechte (Bindungen) würde nicht helfen, da diese nur die Ausübung des Verwaltungs- und Verfügungsrechts durch die Gesellschaftsorgane als gesetzliche Vertreter der Gesellschaft (vgl. (1), Seite 243) betreffen und daher nicht die Zuweisung dieser Befugnisse an die Geschäftsleitung als eigenes Recht erklären könnten. 252 Ringstmeier/Homann, NZI 2002, 406. 253 Vorstand einer Aktiengesellschaft oder Geschäftsführer einer GmbH kann nur eine natürliche Person sein, vgl. § 76 III 1 AktG und § 6 II 1 GmbHG. 251

Kap. 5: Der Vorstand in der Eigenverwaltung

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Schuldner in der Eigenverwaltung auch nicht zum Insolvenzverwalter berufen wird.254 Nimmt man jedoch mit der h. M. und entgegen der hier vertretenen Auffassung an, dass der eigenverwaltende Schuldner seine Befugnisse „wie ein Insolvenzverwalter“255 ausübe als „Amtswalter in eigenen Angelegenheiten“ auftrete,256 könnte diese Vorschrift vielleicht ihrem Rechtsgedanken nach anwenden. Auf diese Weise könnte man allerdings nicht begründen, dass das Geschäftsleitungsorgan zum Eigenverwalter bestellt wird, weil es sich bei dem Organ als solchem eben nicht um eine natürliche Person handelt. Daher bliebe allenfalls die Möglichkeit, wegen § 56 I InsO eine Übertragung der Kompetenzen auf jedes einzelne der Organmitglieder anzunehmen. Das bedeutete allerdings im Falle eines mehrköpfigen Geschäftsleitungsorgans – wie es die Regel ist –, dass mehrere Personen nebeneinander die Funktion des Eigenverwalters257 ausübten. Das ist jedoch mit dem Wortlaut258 und der Entstehungsgeschichte259 des § 56 I InsO nicht vereinbar, denen zufolge für jedes (Regel-)Insolvenzverfahren nur eine einzige natürliche Person zum Verwalter zu bestellen ist.260 Denn nur so kann die Schwierigkeit vermieden werden, die Zuständigkeit mehrer Verwalter gegeneinander abzugrenzen. Für das Eigenverwaltungsverfahren kann nichts anders gelten. Somit könnte man mit dem Rechtsgedanken von § 56 I InsO allenfalls begründen, dass ein einziger der organschaftlichen Vertreter zum Eigenverwalter berufen wird261, nicht aber die These der Verdrängungstheorie, ___________ 254

Kapitel 1 C. I. 2. b) aa), Seite 64. So etwa Prütting/Huhn, ZIP 2002, 777, 781. 256 So etwa Häsemeyer, InsR, Rn. 8.13, dazu Kapitel 1 C. I. 2. b) bb), Seite 66. 257 Es ist schon begrifflich nur schwer möglich, von „mehreren Eigenverwaltern“ zu sprechen. 258 Die Formulierung „zum Insolvenzverwalter ist eine […] Person zu bestellen“ (§ 56 I InsO) sowie „Bestellung des Insolvenzverwalters“ (Überschrift zu § 56 I InsO) steht im Singular und verträgt sich nur schwerlich mit der Annahme, es würden mehrere Insolvenzverwalter bestellt. Im Übrigen wird in der Insolvenzordnung durchweg nur in der Einzahl vom Insolvenzverwalter gesprochen. 259 Bundesregierung, Begründung zu § 65 RegE InsO (= § 56 InsO), BT-Drucks. 12/2443, S. 127.; vgl. auch schon die Kommission für InsR, Erster Bericht, Begründung zu Leitsatz 1.3.1.1, S. 127. 260 Mit Ausnahme des sehr seltenen Falles, dass ein Sonderinsolvenzverwalter bestellt wird. 261 Diese Rechtslage gilt bei der Eigen-Zwangsverwaltung nach § 150b ZVG: Wenn der Schuldner (Eigentümer) eine juristische Person ist, kann nach der h. M. nur ein einziger seiner gesetzlicher Vertreter Eigenverwalter werden (Hagemann, in: Steiner, ZVG, §§ 150b–150e Rn. 20; Jonas/Pohle, ZwVNotR, § 150b Rn. 3; Stöber, ZVG, § 150b Rn. 2.8; Muth, in: Dassler, ZVG, § 150b Rn. 7). Zu beachten ist hier aber der Unterschied zur Eigenverwaltung nach §§ 270 ff. InsO, dass der Schuldner nach §§ 150b I 1, 150c I 1 ZVG ausdrücklich zum Zwangsverwalter bestellt wird und nach h. M. auch ein Amt ausübt, vgl. Stöber, ZVG, § 150b Rn. 2.1 („Übernahme des Amtes“); Haarmeyer/ 255

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3. Teil: Die Rechtsstellung der Organe einer AG in Eigenverwaltung

dass das Geschäftsleitungsorgan als solches (bzw. sämtliche seiner Mitglieder) die Kompetenzen des Eigenverwalters wahrnimmt.262 Überdies steht einer Übertragung entgegen, dass der mit dem Ausschluss juristischer Personen vom Verwalteramt verfolgte Zweck in der vorliegenden Konstellation nicht erreicht werden kann. Der Ausschluss wird angeordnet, weil die freie Austauschbarkeit von deren gesetzlichen Vertreter, die die tatsächlichen Träger der Verwalteraufgaben sind, einerseits nicht mit der Bestellungsbefugnis des Insolvenzgerichts und der Abwahlbefugnis der Gläubiger vereinbar wäre263 und andererseits Aufsichts- und Haftungsprobleme264 zur Folge hätte. Um dem Zweck des § 56 I InsO gerecht zu werden, müsste daher mit der Kompetenzzuweisung auch noch der Ausschluss der Abberufbarkeit der Mitglieder des Vertretungsorgans einhergehen. Da dadurch aber Kompetenzen des insolvenzfreien Schuldnerbereichs265 betroffen werden, erscheint eine entsprechende Begründung nicht möglich.266 Daher kann auch aus § 56 I InsO kein Argument für die Theorie der Verdrängung abgeleitet werden. (d) § 270 II Nr. 3 InsO (aa) Die Gefahr einer Behinderung Zugunsten der Theorie der Verdrängung wird behauptet, der Erhalt gesellschaftsrechtlicher Beschränkungen der Geschäftsleitung bedeute stets einen Nachteil i. S. d. § 270 II Nr. 3 InsO gegenüber dem Regelinsolvenzverfahren, da die optimale Verwaltung und Verwertung der Insolvenzmasse durch andere ___________ Wutzke/Förster/Hintzen, ZVG, §§ 150b–150e Rn. 4 („Übernahme des Amtes“); J. Mohrbutter/Drischler/Radtke/Tiedemann, S. 853 („führt sein Amt“); Häsemeyer, InsR, Rn. 8.04 Rn. 12; a. A. unzutreffend Huhn, Rn. 587 Fn. 13. 262 Insofern inkonsequent Kruse, S. 291 und S. 306, der zwar die Bestellung einer juristischen Person zum Eigenverwalter (etwa die Komplementär-GmbH in der Eigenverwaltung einer GmbH & Co. KG) u. a. wegen §§ 270 I 2, 56 I 1 InsO für unzulässig erklärt (ders., S. 288 f.), es aber für unschädlich hält, wenn mehrere natürliche Personen in Funktion des Eigenverwalters als Gesamtvertreter auftreten. 263 Graeber, in: MK zur InsO, § 56 Rn. 15; Uhlenbruck, in: Kuhn/Uhlenbruck, KO, § 78 Rn. 4; vgl. auch schon die Kommission für InsR, Erster Bericht, Begründung zu Leitsatz 1.3.1.1, S. 127. 264 Rechtsausschuss, Begründung zu § 65 BeschlussE InsO (= § 56 InsO), BTDrucks. 12/7302, S. 161, der damit den Vorschlag des Regierungsentwurfs verworfen hat, auch juristische Personen – insbesondere Steuerberatungs-, Wirtschaftsprüfungsoder Buchführungsgesellschaften – zum Verwalteramt zuzulassen. Siehe auch Delhaes, in: Nerlich/Römermann, InsO, § 56 Rn. 7. 265 Kapitel 2 A. II., Seite 103. 266 Dazu noch eingehend bb) (1), Seite 269.

Kap. 5: Der Vorstand in der Eigenverwaltung

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Gesellschaftsorgane behindert werden könnten.267 Es drohe die Undurchführbarkeit des Verfahrens und die Unmöglichkeit einer Prognose nach § 270 II Nr. 3 InsO, da bei jeder einzelnen Maßnahme geprüft werden müsse, ob sie den Mitbestimmungsrechten unterliege oder nicht.268 Es ist allerdings in Zweifel zu ziehen, ob eine solche abstrakte Gefahr einer Einmischung für einen Nachteil i. S. d. § 270 II Nr. 3 InsO ausreichen kann;269 denn zutreffenderweise fordert die h. M. eine auf die konkreten Umstände bezogene Prognose,270 in deren Rahmen auch eine Kompensation durch andere Vorteile grundsätzlich möglich ist.271 Außerdem wird die Gefahr einer Behinderung überzeichnet. Einerseits ist zu beachten, dass die Eigenverwaltung zum Großteil nur in Fortführungsfällen in Betracht kommt. Jedenfalls bei Aktiengesellschaften werden daher die Maßnahmen des Vorstands hauptsächlich in den von der Mitwirkung der übrigen Organe freien Bereich fallen.272 Vor allem ist aber zu erwarten, dass das Interesse der Anteilseigner bei einer Fortführung bzw. Sanierung oftmals im Gleichlauf zu dem Interesse der Gläubiger stehen wird, da dies der einzige Weg sein dürfte, den Wert der Gesellschaftsanteile zu erhöhen, der im Falle einer Liquidation sonst gegen Null tendierte. Andererseits fällt ins Gewicht, dass die übrigen Gesellschaftsorgane ebenso insolvenzrechtlichen Bindungen unterliegen, die sie bei der Ausübung ihrer Mitwirkungsrechte einschränken.273 Dass das Verfahren undurchführbar bzw. nicht prognostizierbar ist, steht daher nur im Ausnahmefall zu befürchten. Überdies besteht die abstrakte Gefahr einer Behinderung auch innerhalb des Geschäftsleitungsorgans selbst, indem etwa bei einem mehrköpfigen Organ einzelne Mitglieder ihre für die Vornahme von Rechtshandlungen notwendige ___________ 267 Graf-Schlicker, FS Kirchhof, 135, 147; Prütting/Huhn, ZIP 2002, 777, 779; Huhn, Rn. 629. 268 Prütting/Huhn, ZIP 2002, 777, 781. 269 So zu Recht Ringstmeier/Homann, NZI 2002, 406, 407. 270 AG Köln, Beschluss vom 17. 9. 1999 – 71 IN 28/99, ZIP 1999, 1646; Haas, in: Gottwald, § 87 Rn. 14; ders., DStR 2000, 212; Wittig, in: MK zur InsO, § 270 Rn. 35; Schlegel, S. 72; 271 Strittig, siehe Kapitel 3 A. II. 3. a), Seite 157. A. A. Riggert, in: Nerlich/Römermann, InsO, § 270 Rn. 25 (wegen der negativen Gesetzesfassung); Wittig, in: MK zur InsO, § 270 Rn. 37. 272 So zutreffend Ringstmeier/Homann, NZI 2002, 406, 407. Im Unterschied zur Hauptversammlung oder dem Aufsichtsrat einer AG (vgl. §§ 76 I, 111 IV, 119 II AktG) stehen allerdings den Gesellschaftern einer GmbHG weitreichende Weisungs- und Eingriffsbefugnisse auf die Geschäftsführung zu. 273 So etwa Smid, DZWIR 2002, 493, 500. Siehe unten zur Bindung des Aufsichtsrats (Kapitel 6 B. II. 1. a), Seite 359) und der Hauptversammlung (Kapitel 7 B. II. 1. a), Seite 408) an den Insolvenzverfahrenszweck.

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3. Teil: Die Rechtsstellung der Organe einer AG in Eigenverwaltung

Mitwirkung (z. B. bei der Gesamtvertretung) verweigern. Folgerichtig müsste auch dies stets zu einem Ausschluss nach § 270 II Nr. 3 InsO führen. so dass die Eigenverwaltung von Gesellschaften bis auf wenige Sonderfälle274 ausgeschlossen wäre. Die abstrakte Gefahr einer Behinderung steht der Anordnung der Eigenverwaltung im Rahmen des § 270 II Nr. 3 somit nicht generell entgegen; erst wenn sich konkrete Anhaltspunkte ergeben, dass andere Gesellschaftsorgane ihre Mitwirkungsrechte zur Behinderung des Insolvenzverfahrens einsetzen werden, darf das Insolvenzgericht solche Bestrebungen in seiner Nachteilsprognose berücksichtigen.275 (bb) Verzögerung aufgrund der Einberufungsfristen Möglicherweise führt die Beteiligung der übrigen Gesellschaftsorgane allerdings dadurch stets zu einer Verzögerung i. S. d. § 270 II Nr. 3 InsO, dass für eine wirksame Beschlussfassung durch diese Organe die jeweiligen Einberufungsfristen eingehalten werden müssen. So beträgt die Frist zur Einberufung für den Aufsichtsrat – zumeist nach Maßgabe der Satzung oder Geschäftsordnung – regelmäßig ein bis zwei Wochen,276 für die Hauptversammlung sogar wenigstens einen Monat (§ 123 I AktG). Soweit die Zustimmung des Aufsichtsrats eingeholt werden muss, ist dessen Vorsitzenden zumeist jedoch ermächtigt, die Frist in Eilfällen – und um einen solchen handelte es sich bei einer kurzfristig durchzuführenden Eigenverwaltungsmaßnahme – auf wenige Tage zu verkürzen.277 Dagegen ist dem Zusammentreten der Hauptversammlung wegen der einzuhaltenden Förmlichkeiten (§§ 121, 122 AktG) in der Tat eine gewisse Schwerfälligkeit zu Eigen.278 Doch ist die Hauptversammlung nach dem Gesetz grund___________ 274

Bspw. der Fall eines nur aus einer Person bestehendes Geschäftsleitungsorgan; siehe dazu aber auch § 76 II 2, 3 AktG, die eine Mindestanzahl von Vorstandsmitgliedern anordnen. 275 Das entspricht der oben unter Kapitel 3 A. II. 1. a) aa) (2) und (3), Seite 149, behandelten Situation eines Dissenses innerhalb des Geschäftsleitungsorgans über das Eigenverwaltungsverfahren, der ein Fehlen der für das Gelingen der Eigenverwaltung unerlässlichen Kooperation befürchten lässt. Siehe auch Kapitel 3 A. II. 3. b) bb), Seite 162. 276 Semler, in: MK zum AktG, § 110 Rn. 54 (angemessen sei eine Woche); Hoffmann-Becking, in: MHb GesR IV, § 31 Rn. 33 (regelmäßig zwei Wochen); vgl. Happ, in: Happ, AktR, 9.01 § 2 Mustergeschäftsordnung (zwei Wochen) und Rn. 12. 277 Hoffmann-Becking, in: MHb GesR IV, § 31 Rn. 32; Happ, in: Happ, AktR, 9.01 Rn. 12. 278 Eckardt, in: Geßler/Hefermehl, AktG, Vor § 118 Rn. 2.

Kap. 5: Der Vorstand in der Eigenverwaltung

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sätzlich von der Geschäftsführung ausgeschlossen und daher nur an wenigen Entscheidungen überhaupt zu beteiligen. Was Maßnahmen anbelangt, die nach den Holzmüller-Grundsätzen ausnahmsweise279 einer Zustimmung der Hauptversammlung bedürfen,280 ist außerdem zu berücksichtigen, dass es sich hierbei in der Mehrzahl zugleich auch um besonders wichtige Rechtshandlung i. S. d. §§ 276, 160 InsO handeln dürfte, die die Zustimmung der Gläubigerorgane erfordert, und dass für deren Einberufung ebenfalls eine gewisse, regelmäßig wenigstens eine Woche betragende281 Vorlaufzeit notwendig ist. Auch wird die Umsetzung einer solchen Maßnahme selbst schon eine längere Vorbereitung beanspruchen, so dass es durch eine vorlaufende Organisation möglich sein sollte, die für die Einberufung der Hauptversammlung erforderliche Zeitspanne aufzufangen. Insbesondere zwischen Verfahrenseröffnung und Berichtstermin, die längstens drei Monate betragen darf (§§ 29 I Nr. 1, 270 I 2 InsO), sollte genug Zeit sein, die erforderlichen Zustimmungen der Hauptversammlung (ggf. bedingt) einzuholen. Das gilt vor allem dann, wenn der Vorstand mit der Verfahrenseröffnung – was die Regel darstellt – einen (sog. pre-packaged) Insolvenzplan vorlegt, so dass sich schon vor Verfahrenseröffnung abzeichnet, welche Entscheidungen zu treffen sein werden. Eine wesentliche Verzögerung des Verfahrens infolge der Einhaltung von Einberufungsfristen lässt sich also bei entsprechend sorgfältiger Zeitplanung vermeiden. Nichtsdestotrotz wäre eine Regelung nach dem Vorbild des § 16 IV WpÜG282 erstrebenswert, die es einer Aktiengesellschaft in Eigenverwaltung wenigstens hinsichtlich der Einberufung der Hauptversammlung erlauben würde, von bestimmten Förmlichkeiten und insbesondere der Einberufungsfrist abzuweichen. Jedenfalls steht nach alledem aber fest, dass Einberufungsfristen nicht zwangsläufig eine Verzögerung des Verfahrens bedeuten, aufgrund derer die Anordnung der Eigenverwaltung gem. § 270 II Nr. 3 InsO stets abgelehnt werden müsste. ___________ 279 Dass Holzmüller-Vorbehalte Ausnahmefälle darstellen, unterstreicht der BGH im Besonderen in den Gelatine-Entscheidungen (vgl. BGH, Urteil vom 26. 4. 2004 – II ZR 155/02, NJW 2004, 1860, 1862 [Gelatine I]). 280 Zur Holzmüller-Fällen im Eigenverwaltungsbereich siehe d) aa), Seite 282. 281 Die für die Ladung des Gläubigerausschusses angemessene Frist wird (mangels gesetzlicher Regelung) der für die Einberufung des Aufsichtsrats gleichgesetzt (Gößmann, in: MK zur InsO, § 72 Rn. 9). Die Ladungsfrist für die Gläubigerversammlung beträgt gem. §§ 4 InsO, 217 ZPO mindestens drei Tage; sie beginnt aber gemäß § 9 I 3 InsO erst zwei Tage nach der Einrückung im Amtsblatt, so dass die Ladung mindestens sechs Tage vor der Gläubigerversammlung öffentlich bekannt gemacht sein muss (Haarmeyer/Wutzke/Förster, Kap. 6 Rn. 68; Delhaes, in: Nerlich/Römermann, InsO, § 74 Rn. 4, § 75 Rn. 3; Blersch, in: BK zum InsR, § 74 Rn. 16; zu den besonderen Problemen bei der Einhaltung der Frist des § 75 II InsO, siehe Bernsen, in: Kölner Schrift, S. 1843 ff. Rn. 26). 282 Nach § 16 IV 1 WpÜG beträgt die Einberufungsfrist wenigstens zwei Wochen.

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3. Teil: Die Rechtsstellung der Organe einer AG in Eigenverwaltung

(cc) Die Verursachung zusätzlicher Kosten Da die Beteiligung der übrigen Organe und insbesondere der Hauptversammlung zum Teil erhebliche Kosten verursacht283, die nach den im vierten Kapitel entwickelten Grundsätzen durch die Gläubiger (die Insolvenzmasse) zu tragen sind, könnte schließlich auch § 270 II Nr. 3 Alt. 2 InsO dem Fortbestand gesellschaftsrechtlicher Bindungen entgegenstehen. Allerdings sind diese Kosten in Verhältnis zu setzen zu den von der Anordnung der Eigenverwaltung erwarteten Einsparungen und sonstigen Vorteilen für die Gläubiger. Es ist also in jedem Einzelfall eine Gesamtbetrachtung erforderlich. Allein die Tatsache, dass durch die Mitwirkung von Aufsichtsrat und Hauptversammlung an der Eigenverwaltung Kosten entstehen, die in einem regulären Insolvenzverfahren nicht angefallen wären, genügt somit nicht, um einen sonstigen Nachteil i. S. d. § 270 II Nr. 3 Alt. 2 InsO zu bejahen. Auch insoweit spricht § 270 II Nr. 3 InsO also nicht gegen den Fortbestand gesellschaftsrechtlicher Bindungen. (e) §§ 275, 276, 277 InsO Nach Ansicht von Prütting/Huhn284 werden die gesellschaftsrechtlichen Bindungen durch die zugunsten der Insolvenzorgane angeordneten Zustimmungserfordernisse der §§ 275, 276, 277 InsO verdrängt. Dem stehe auch nicht die unterschiedliche Schutzrichtung der §§ 275, 276, 277 InsO (Gläubigerinteressen) und der innerverbandlichen Mitwirkungsrechte (Gesellschaft bzw. Gesellschafter) entgegen, da sich die Schuldnergesellschaft bei der Verwaltung der Insolvenzmasse gem. § 1 InsO allein an den Interessen der Gläubiger zu orientieren habe, so dass eine durch die Gläubiger geduldete oder gem. §§ 275 ff. InsO genehmigte Maßnahme nicht mehr den Gesellschafts- oder Gesellschafterinteressen zuwiderlaufen könne. Die Begründung einer solchen generellen Verdrängung aufgrund der Gleichschaltung der Interessen versagt allerdings dort, wo ein entsprechender Wille seitens der Gläubiger noch gar nicht gebildet worden ist oder wo ein solcher Wille gar nicht gebildet werden darf.285 Außerdem sind die Anwendungsberei___________ 283

Siehe schon Kapitel 4 B., Seite 187, insbesondere dort Fußnote 21. Prütting/Huhn, ZIP 2002, 777, 778 f.; Huhn, Rn. 628. 285 Die Kompetenzen der Gläubigerversammlung sind in der Insolvenzordnung abschließend aufgezählt (vgl. etwa Häsemeyer, InsR, Rn. 6.12a). Über Maßnahmen, die die Verwaltung und die Verwertung des Schuldnervermögens betreffen, darf sie beispielsweise nur entscheiden, wenn sie für das Verfahren besonders wichtig sind (§§ 160, 162 f. InsO), andernfalls liegt die Entscheidung allein beim Insolvenzverwalter (reguläres Verfahren) bzw. beim eigenverwaltenden Schuldner (§ 276 S. 2 InsO), siehe dazu c) cc), Seite 280. 284

Kap. 5: Der Vorstand in der Eigenverwaltung

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che der gesellschaftsrechtlichen Bindungen und der §§ 275 ff. InsO nicht gänzlich deckungsgleich286. So ist es beispielsweise denkbar, dass der Vorstand zur Veräußerung eines bestimmten Vermögensgegenstandes aufgrund einer Satzungsbestimmung die Zustimmung des Aufsichtsrates einholen muss (§§ 82 II, 111 IV 2 AktG),287 dieses Geschäft aber für das Insolvenzverfahren völlig unbedeutend ist, so dass die Mechanismen der §§ 275 ff. InsO nicht eingreifen.288 Warum in diesem Fall das Zustimmungserfordernis entfallen sollte, ist nicht zu erkennen. Weiterhin wird nicht berücksichtigt, dass die §§ 276 f. InsO die Wirksamkeit einer Maßnahme der Gesellschaft im Außenverhältnis zum Gegenstand haben, also ihr Verfügungsrecht beschränken, wohingegen die gesellschaftsrechtlichen Bindungen die Frage betreffen, auf welche Weise und unter Mitwirkung welcher Organe eine bestimmte Maßnahme oder Entscheidung innerhalb der Gesellschaft zustande kommt.289 Systematisch können die §§ 276 ff. InsO daher überhaupt erst dann ansetzen, wenn nach den gesellschaftsrechtlichen Normen eine Rechtshandlung der Gesellschaft vorliegt. Im Übrigen ist die eine Verdrängung der Mitwirkungsrechte auch nicht mit den Sinn und Zweck der §§ 275 ff. InsO vereinbar. Diese dienen dem Schutz der Gläubiger vor einer Aushöhlung der Insolvenzmasse und der Durchsetzung der dem Sachwalter (§ 274 II InsO) und dem Gläubigerausschuss (§ 276 InsO) zugewiesenen Funktion, den Schuldner bei der Geschäftsführung zu kontrollieren.290 Die Verdrängung der Mitwirkungsrechte käme allerdings einer Kompetenzverschiebung zugunsten des Geschäftsleitungsorgans gleich, die mit einer Kontrolle der Schuldnergesellschaft im Sine der §§ 275 ff. InsO nichts mehr zu tun hätte. Und auch dem Schutz der Gläubigerinteressen wird durch die differenzierten Regelungen der §§ 275 ff. InsO Genüge getan, so dass es eines darüber hinausgehenden Schutzes nicht bedarf.291

___________ 286

Das aber setzen Prütting/Huhn, ZIP 2002, 777, 778 f. voraus. Vgl. Hefermehl/Spindler, in: MK zum AktG, § 82 Rn. 28. 288 Dasselbe gilt bspw. auch für einen Beschluss der Gesellschafterversammlung einer GmbH i. S. d. § 37 I GmbHG, durch den die Geschäftsführer angewiesen werden, eine bestimmte (unbedeutende) Maßnahme der laufenden Geschäftsführung vorzunehmen oder zu unterlassen. 289 Dabei ist es unerheblich, ob eine Verstoß gegen die jeweilige Bindung Wirksamkeit nach Außen entfaltet (z. B. § 179a AktG) oder nicht (z. B. §§ 82 I, II, 111 IV AktG). 290 Vgl. Pape, in: Kübler/Prütting, InsO, § 275 Rn. 1; Uhlenbruck, in: Uhlenbruck, InsO, § 274 Rn. 11, § 275 Rn. 1; Riggert, in: Nerlich/Römermann, InsO, § 274 Rn. 2. 291 Uhlenbruck, FS Kirchhof, 479, 501. 287

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3. Teil: Die Rechtsstellung der Organe einer AG in Eigenverwaltung

Daher kann eine Verdrängung der gesellschaftsrechtlichen Bindungen nicht mit §§ 275 ff. InsO gerechtfertigt werden.292 Dass es somit möglich ist, dass eine von den Insolvenzorganen genehmigte Geschäftsführungsmaßnahme der Geschäftsleitung an einer Verweigerung der Zustimmung eines anderen Gesellschaftsorgans scheitert, ist – wie Ringstmeier/Homann293 richtig festgestellt haben – eine Situation, die in ähnlicher Weise auch bei einem Einzelunternehmer auftreten kann, der nach der Genehmigung eines konkreten Geschäftes durch die Insolvenzorgane seinen Willen ändert und dieses nun doch nicht durchführt. (f) Ergebnis der systematischen Auslegung In der Systematik der insolvenzrechtlichen Vorschriften finden die Annahmen der Theorie der Verdrängung somit keine Stütze. Vielmehr ist das Fortbestehen des Verwaltungs- und Verfügungsrechts als privatautonome Rechtsposition der Schuldnergesellschaft ein starkes Argument für ein Fortbestehen auch der gesellschaftsrechtlichen Bindungen. (3) Historische Auslegung (a) Ausgestaltung des Verwaltungs- und Verfügungsrechts (aa) Der Regierungsentwurf Prütting/Huhn stützen ihre These insbesondere auf die Entstehungsgeschichte der Eigenverwaltung:294 Der in der Begründung zu § 279 InsO enthaltenen Passage, dass die Entscheidung zwischen Regelinsolvenzverfahren und Eigenverwaltungsverfahren „nicht davon beeinflusst werden solle, dass unterschiedliche materiell-rechtliche Regelung zur Anwendung kommen“295, könne ein allgemeines Regelungsprinzip entnommen werden, dass die Rechte und Pflichten des Insolvenzverwalters, wie sie im Regelinsolvenzverfahren bestehen, auch in der Eigenverwaltung zur Anwendung kommen sollten. Insgesamt würden nach dem Regelungskonzept der §§ 270 ff. InsO die Kompetenzen eines Insolvenzverwalters zwischen Schuldner und Sachwalter aufgeteilt, und zwar nach dem ___________ 292 So im Ergebnis auch Uhlenbruck, FS Kirchhof, 479, 501, a. A. dagegen ders., FS Metzeler, 85, 96. 293 Ringstmeier/Homann, NZI 2002, 406, 407. 294 Prütting/Huhn, ZIP 2002, 777, 780; Huhn, Rn. 630. 295 Vgl. Bundesregierung, Begründung zu § 340 RegE InsO (= § 279 InsO), BTDrucks. 12/2443, S. 225.

Kap. 5: Der Vorstand in der Eigenverwaltung

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Grundsatz, dass dem Schuldner die laufenden Geschäfte, dem Sachwalter dagegen die Vertretung der Gläubigerinteressen obliege. § 270 I 1 InsO sei insoweit nur als Spezialregelung i. S. d. § 270 I 2 InsO zu verstehen, welche explizit eine Kompetenzzuweisung vornehme, die sonst nach dem allgemeinen Grundsatz getroffen werden müsste. Dem Schuldner könne daher nur das dem Insolvenzverwalter nach § 80 I InsO zustehende Verfügungsrecht zugewiesen werden, das jedoch keinen gesellschaftsrechtlichen Bindungen unterliege. Da das Verfügungsrecht zudem nur durch das Geschäftsleitungsorgan des Eigenverwalters wahrgenommen werden könne und § 270 I 1 InsO nicht den Inhalt des Verfügungsrechtes, sondern nur dessen Zuweisung betreffe, könne § 270 I 1 InsO nur so verstanden werden, dass dem Geschäftsleitungsorgan die Verfügungs- und Verwaltungsbefugnis zugewiesen werde, wie sie einem Insolvenzverwalter im Regelinsolvenzverfahren zustehen würde, also frei von gesellschaftsrechtlichen Bindungen. Diese Argumentation ist in mehrfacher Hinsicht fehlerhaft. Verfehlt ist bereits ihr Ausgangspunkt, dass die dem Schuldner und dem Sachwalter zustehenden Rechte und Pflichten sämtlich denen des Insolvenzverwalters gleichen müssten, weil keine unterschiedlichen materiell-rechtlichen Regelungen zur Anwendung kommen sollten.296 Die zitierte Gesetzesbegründung bezieht sich allein auf das Wahlrecht nach §§ 279 S. 1, 103 ff. InsO297 und ist deshalb nicht verallgemeinerungsfähig. Das wird auch durch eine Aussage in der allgemeinen Begründung der Eigenverwaltung belegt, wo es wörtlich heißt: „Die Vorschriften des materiellen Insolvenzrechtes sollen bei dieser Verfahrensgestaltung im Grundsatz unverändert bleiben. So sollen das Wahlrecht bei gegenseitigen Verträgen und die Insolvenzanfechtung unter den gleichen Voraussetzungen möglich sein wie im Regelverfahren; insofern wird lediglich die Aufteilung der Befugnisse zwischen Schuldner und Sachwalter geregelt.“298 Der Gesetzgeber selbst ging also davon aus, dass in der Eigenverwaltung lediglich „im Grundsatz“ die sachlich-rechtlichen Regelungen des Regelinsolvenzverfahrens maßgeblich sind – eben z. B. im Bereich des Wahlrechts nach §§ 279 S. 1, 103 ff. InsO – und dass daneben aber „ausnahmsweise“ auch etwas anderes gelten kann. Eine solche Ausnahme stellt gerade das Verfügungs- und Verwaltungsrecht des Schuldners dar, was die Gesetzesbegründung wiederum an anderer ___________ 296 Zu Unrecht stimmen insoweit Ringstmeier/Homann, NZI 2002, 406, 407 den Ausführungen von Prütting/Huhn, ZIP 2002, 777, 780 zu. 297 Genau betrachtet begründet der Gesetzgeber mit diesen Worten lediglich die Entscheidung, dass in der Eigenverwaltung hinsichtlich der §§ 103 ff. InsO – im Unterschied zur früheren Rechtslage, bei der diesbezüglich Unterschiede zwischen Konkursund Vergleichsverfahren bestanden – dieselben Regelungen wie im Regelinsolvenzverfahren gelten sollen . 298 Bundesregierung, vor § 331 RegE InsO (= § 270 InsO), BT-Drucks. 12/2443, S. 223.

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3. Teil: Die Rechtsstellung der Organe einer AG in Eigenverwaltung

Stelle unzweifelhaft zum Ausdruck bringt: „Außerhalb des Verwaltungs- und Verfügungsrechts gelten für das Insolvenzverfahren, bei dem die Eigenverwaltung […] angeordnet ist, die gleichen Bestimmungen wie für ein Insolvenzverfahren mit Insolvenzverwalter […]“299. Das Verfügungsrecht wird also als ein aliud gegenüber den übrigen insolvenzrechtlichen Befugnissen behandelt. Damit ist die Grundannahme von Prütting/Huhn widerlegt, dass für das Verwaltungs- und Verfügungsrecht des eigenverwaltenden Schuldners die materiellrechtlichen Regelungen des regulären Verfahrens maßgeblich sein müssen und dem Schuldner deshalb das Verfügungsrecht nur „wie einem Insolvenzverwalter“ nach § 80 I InsO zustehen könne. Verfehlt ist ferner die Vorstellung einer „Zuweisung“ des Verfügungsrechts gem. § 270 I 1 InsO an den Schuldner. Nicht nur das soeben gefundene Ergebnis, sondern vor allem die oben ausführlich begründete300 Erkenntnis, dass der Eigenverwalter sein Verwaltungs- und Verfügungsrecht, das ihm schon vor der Verfahrenseröffnung kraft seiner Rechtsinhaberschaft zugestanden hat, als privatautonome Rechtsposition behält, zwingen zu dem Schluss, dass dieses Recht nicht an der durch §§ 270 ff. InsO vorgenommene Aufteilung der Verwalterkompetenzen zwischen Eigenverwalter und Sachwalter teilnimmt.301 Demgegenüber wäre die von Prütting/Huhn postulierte Zuweisung dieses Rechtes an den Schuldner „in dem Umfang, wie es einem Insolvenzverwalter nach § 80 I InsO zustünde“, einem Übertragungsakt gleichzusetzen.302 Durch § 270 I 1 InsO wird dem Schuldner also nicht das Verwaltungs- und Verfügungsrecht des Insolvenzverwalters i. S. d. § 80 I InsO zugewiesen, sondern es wird lediglich eine bestehende Rechtsposition des Schuldners in Bezug genommen. Verfehlt ist es aufgrund all dessen auch, § 270 I 1 InsO als Spezialregelung i. S. d. § 270 I 2 InsO anzusehen; dem steht zudem die systematische Stellung der beiden Sätze zueinander entgegen. Deshalb lässt sich dieser Vorschrift entgegen Prütting/Huhn auch nicht entnehmen, dass hinsichtlich des Verwaltungsund Verfügungsrechts dieselben Regelungen wie für das Regelinsolvenzverfahren zur Anwendung kommen sollen.303 Außerdem verkennen Prütting/Huhn, dass eine Beschränkung des dem Eigenverwalter „zugewiesenen“ Verwaltungs___________ 299

Bundesregierung, Begründung zu § 331 RegE InsO (= § 270 InsO), BT-Drucks. 12/2443, S. 223. Hervorhebung durch den Verfasser. 300 Kapitel 1 C. I. 2. a) bb) (5), Seite 64. 301 Auch insoweit scheinen Ringstmeier/Homann (NZI 2002, 406, 407 li. Sp. am Anfang) zu Unrecht der Auffassung von Prütting/Huhn beizupflichten. 302 Im Ergebnis bleibt unklar, ob Prütting/Huhn von einem Beibehalten des Verwaltungs- und Verfügungsrechtes ausgehen (so ZIP 2002, 777, 780 unter 4. am Anfang) oder von einem Übertragungsakt. 303 So aber Prütting/Huhn, ZIP 2002, 777, 780.

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und Verfügungsrechts auf den Umfang des § 80 I InsO die Geltung dieser Vorschrift voraussetzt, die sie aber ablehnen.304 Doch selbst wenn man zugunsten von Prütting/Huhn unterstellte, dass dem Schuldner das Verfügungsrecht nur „wie dem Insolvenzverwalter“305 zugewiesen würde, können ihre darauf basierenden Schlussfolgerung nicht nachvollzogen werden. Einerseits ist – worauf Ringstmeier/Homann306 zu Recht hinweisen – nicht einsichtig, warum das Verfügungsrecht „wie ein Insolvenzverwalter“ allein den Geschäftsleitungsorganen, nicht aber „dem Schuldner“, also der Schuldnergesellschaft, zugewiesen werden sollte.307 Diese Schlussfolgerung begründen Prütting/Huhn maßgeblich damit, dass das Verfügungsrecht des Insolvenzverwalters systematisch nur von dem Geschäftsleitungsorgan des Eigenverwalters wahrgenommen werden könne.308 Soweit sie sich des weiteren darauf berufen, dass § 270 I 1 InsO „nämlich“ nicht den Inhalt des Verfügungsrechtes, sondern nur seine Zuweisung regele,309 kann dies nur so aufgefasst werden, dass in ihren Augen die Übertragung auf die Schuldnergesellschaft samt ihren Organen und Organbindungen eine Inhaltsänderung bedeutete, die mit § 270 I 1 InsO nicht begründet werden könnte. Außerdem soll es sich nach Prütting/Huhn gerade nicht um „das gleiche“ Verfügungsrecht des Insolvenzverwalters „beim Schuldner“ handeln, wenn das Verwaltungs- und Verfügungsrecht der Gesellschaftsorgane gesellschaftsrechtlichen Bindungen unterliege.310 Diese Argumentation beruht allerdings auf einer Vermischung der Ebene der Rechtsinhaberschaft seitens der Gesellschaft mit der Ebene der Wahrnehmungskompetenz, die bei einer juristischen Person notwendig deren gesetzlichen Vertretern zufällt. Deswegen ist auch der von Prütting/Huhn angestellte Vergleich im Falle einer Zuweisung des Verwaltungs- und Verfügungsrechts an die Gesellschaft nicht statthaft, der die den gesellschaftsrechtlichen Bindungen unterliegende Ausübung311 dieser Befugnis durch die gesetzlichen Vertreter der Gesellschaft der Befugnis des Insolvenzverwalters gegenüberstellt, die diesem als Rechtsinhaber zusteht; zu vergleichen wäre richtigerweise das (von ver___________ 304

Vgl. Prütting/Huhn, ZIP 2002, 777, 780 li. Sp. am Ende. So ebenfalls: Foltis, in: FK zur InsO, § 270 Rn. 16 (ohne Bezug zu Prütting/Huhn); Uhlenbruck, FS Metzeler, 85, 96. 306 Ringstmeier/Homann, NZI 2002, 406, 407; zustimmend Smid, DZWIR 2002, 493, 499. 307 Dieses Argument bemühen Prütting/Huhn erstaunlicherweise an anderer Stelle sogar selbst, um zu begründen, warum die von Teilen der Literatur vertretenen Rückübertragung des Verfügungsrechts auf den Schuldner nicht eine Übertragung allein auf die Geschäftsleitung bedeutete (ZIP 2002, 777, 779). Das erscheint inkonsequent. 308 Huhn, Rn. 630; Prütting/Huhn, ZIP 2002, 777, 780. 309 Prütting/Huhn, ZIP 2002, 777, 780. 310 Prütting/Huhn, ZIP 2002, 777, 780; Huhn, Rn. 630. 311 Vgl. zu diesem Argument bereits (1), Seite 243. 305

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3. Teil: Die Rechtsstellung der Organe einer AG in Eigenverwaltung

bandsinternen Bindungen denknotwendig freie) Verfügungsrecht der Gesellschaft mit dem des Insolvenzverwalters. Andererseits kann bei strenger Unterscheidung zwischen Rechtsinhaberschaft und Wahrnehmungskompetenz die weitergehende Argumentation nicht überzeugen, dass das Verwaltungs- und Verfügungsrecht des Schuldners deswegen frei von gesellschaftsrechtlichen Bindungen sein müsse, weil dies auch für das Verfügungsrecht des Insolvenzverwalters gelte.312 Es ist zwar richtig, dass das der Verwalter frei von derartigen Bindungen walten und verfügen kann.313 Das ergibt sich jedoch allein daraus, dass auf ihn gem. § 80 I InsO das Verfügungs- und Verwaltungsrecht der Schuldnergesellschaft übergeht. Da die gesellschaftsrechtlichen Bindungen nur an der Ausübung dieses Rechtes durch die Geschäftsleitungsorgane anknüpfen, kommt eine Übertragung dieser Bindungen auf das Verfügungsrecht des Insolvenzverwalters überhaupt nicht in Frage. Gegenstand der angeblichen Rückübertragung könnte somit auch nur das Verfügungsrecht als solches sein, nicht aber ein Verfügungsrechts „frei von gesellschaftsrechtlichen Bindungen“. Damit ist auch das Argument von Huhn gegenstandslos, dass „ein Verfügungsrecht ‚beim Schuldner‘ nicht von gesellschaftsrechtlichen Bindungen befreit werden muss noch kann, um dann auf ‚den Schuldner‘ (zurück-)übertragen zu werden, bei dem dann aber die gesellschaftsrechtlichen Bindungen bestehen bleiben“.314 (bb) Die Entstehungsgeschichte der §§ 270 ff. InsO Möglicherweise zwingen allerdings die dem Regierungsentwurf vorangegangenen und in diesem aufgegangenen Dokumente zu einem anderen Verständnis der Gesetzesbegründung.315 Schon die Kommission für Insolvenzrecht hat sich intensiv mit der Einführung der Eigenverwaltung beschäftigt.316 In der Begründung des Ersten Berichts (1985) heißt es u. a. wörtlich, dass der Selbstverwalter „in seiner Eigenschaft als Vertreter des Schuldners andere Aufgaben erfüllen und andere Belange wahrnehmen [müsse] als in seiner Eigenschaft als Insolvenzverwalter“, dass „die Geschäftsleitung überfordert würde, wenn sie als Selbstverwalter im Insolvenzverfahren über die Funktionen eines Gesellschaftsorgans hinausgehende […] Aufgaben erfüllen müsste“, und schließlich sogar ausdrücklich, dass ___________ 312

Vgl. Prütting/Huhn, ZIP 2002, 777, 780. Siehe Kapitel 2 A. I., Seite 101. 314 Huhn, Rn. 630, in der Argumentation nur schwer verständlich. 315 Auch die Entstehungsgeschichte einer Norm kann als Erkenntnisquelle dienen für die Regelungsabsicht und die Zwecke des Gesetzgebers, Larenz, S. 330. 316 Kapitel 1 B. I. 1., Seite 37. 313

Kap. 5: Der Vorstand in der Eigenverwaltung

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es denkbar wäre, „die geschäftsführungs- und vertretungsberechtigten Organe einer Kapitalgesellschaft zum Selbstverwalter zu bestellen“.317 Die Kommission wurde also durchweg von der Vorstellung geleitet, dass nicht der juristischen Person als solche, sondern deren geschäfts- und vertretungsberechtigten Organen die Durchführung des Verfahrens als „Selbstverwalter“ anvertraut sein sollte. Das könnte als starkes Argument für die These von Prütting/Huhn zu werten sein. Im Ergebnis überwogen bei den Mitgliedern der Kommission in dem Ersten Bericht die Bedenken gegen die Selbstverwaltung, und sie lehnten die Eigenverwaltung deshalb generell ab. Man glaubte im Besonderen, den Selbstverwalter durch die Konfliktsituationen in dem Spannungsverhältnis zwischen den Belangen des Unternehmens und der Anteilseigner auf der einen und der Gläubiger auf der anderen Seite zu überfordern. Zudem wurde die Bereitschaft der organschaftlichen Vertreter bezweifelt, das mit der Selbstverwaltung verbundene Risiko einer persönlichen Haftung gem. § 82 KO einzugehen.318 Dass die Kommission in ihrem Zweiten Bericht (1986) schließlich doch für die Einführung der Eigenverwaltung für Kleininsolvenzen über das Vermögen natürlicher Personen319 votiert hat, erscheint dabei nicht als eine Abkehr, sondern vielmehr als die Bestätigung dieses Standpunktes, da sich in diesen Verfahren die soeben aufgezeigten Probleme nicht stellen können.320 Entgegen den Vorschlägen und Bedenken der Kommission, die freilich einer „kritischen Verarbeitung“321 unterzogen wurden, sahen allerdings die Entwürfe des Bundesjustizministeriums322 (1988 und 1989) sowie der Bundesregierung (1992)323 nicht nur die – später gestrichene324 – „Eigenverwaltung ohne Sach-

___________ 317

Kommission für InsR, Erster Bericht, Begründung zu Leitsatz 1.3.1.1, S. 125 f. Kommission für InsR, Erster Bericht, Begründung zu Leitsatz 1.3.1.1, S. 126. 319 Kommission für InsR, Zweiter Bericht, Leitsatz 6.1.3.2, S. 34. 320 Da es in den Kleinverfahren in der Regel an einer liquidationsmäßig zu verwertenden Insolvenzmasse fehlt und daher eine Befriedigung nur aus dem laufenden Einkommen in Betracht kommt (vgl. Kommission für InsR, Zweiter Bericht, Begründung zu Leitsatz 6.1.3.2, S. 149), treten hier auch die Interessenunterschiede zwischen Schuldner und Gläubiger zurück. 321 DiskussionsE, 2. Teil (Allgemeine Begründung), S. 94; ReferentenE, 2. Teil (Allgemeine Begründung), S. 112; Begründung RegE InsO, BT-Drucks. 12/2443, S. 103 f. 322 DiskussionsE, 1. Teil (Normtext), S. 164 ff.; ReferentenE, 1. Teil (Normtext), S. 186 ff.; jeweils §§ 320–335 (mit Sachwalter) und §§ 336–345 (ohne Sachwalter). 323 §§ 331–346 (mit Sachwalter) bzw. §§ 347–357 (ohne Sachwalter) RegE InsO, BT-Drucks. 12/2443, S. 61 ff. 324 Rechtsausschuss, Allgemeine Begründung der BeschlussE InsO, BT-Drucks. 12/7302, S. 151. 318

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3. Teil: Die Rechtsstellung der Organe einer AG in Eigenverwaltung

walter bei Kleinverfahren“ vor, sondern auch die allgemeine „Eigenverwaltung unter Aufsicht eines Sachwalters“.325 Auffallend ist hier in besonderem Maße, dass die von der Kommission ausgiebig erörterte „Selbstverwaltung durch die organschaftlichen Vertreter“ und die in diesem Zusammenhang geäußerten Bedenken mit keinem Wort kommentiert werden und auch sonst nirgends326 auf die Stellung der organschaftlichen Vertreter bzw. der Geschäftsleitung des Schuldners in der Eigenverwaltung eingegangen wird. Stattdessen sprechen die Entwürfe – sowohl im Normtext wie auch in den Begründungen – einheitlich nur noch von „dem Schuldner“. Eine Bewertung dieser Sachlage ist schwierig. Möglicherweise haben die Entwürfe die Ausführungen der Kommission im Ersten Bericht schlicht unberücksichtigt gelassen, sich lediglich an der für Kleinverfahren vorgeschlagenen Eigenverwaltung ohne Sachwalter orientiert und dieses Verfahren dann in eine allgemeine Eigenverwaltung ausgeweitet. Das würde zumindest das Fehlen jeder Bemerkung bezüglich des Ersten Berichts verständlich machen. Dieser Erklärung steht aber die außerordentliche sprachliche und inhaltliche Ähnlichkeit327 zwischen den Entwürfen328 und den Ausführungen des Ersten Berichts ___________ 325

Zur Geschichte der Eigenverwaltung siehe Kapitel 1 B. I., Seite 37. An einer Stelle wird davon gesprochen, die besonderen „Kenntnisse und Erfahrungen der bisherigen Geschäftsleitung“ nutzbar zu machen (Bundesregierung, vor § 331 RegE InsO, BT-Drucks. 12/2443, S. 223), was aber nichts über deren rechtlichen Stellung aussagt. 327 Die Ähnlichkeiten können hier nur beispielhaft wiedergegeben werden (EB = Erster Bericht, Begründung zu Leitsatz 1.3.1.1, S. 125; RE = RegE InsO, vor Begründung zu § 331, BT-Drucks. 12/2443, S. 222 f.): (1) Die Selbstverwaltung bildet nach dem EB „einen Anreiz für einen Schuldner […] zur rechtzeitigen Antragstellung, wenn er damit rechnen kann, dass er die Geschäftsführung mit der Verfahreneröffnung nicht verliert“ – nach dem RE „einen erheblichen Anreiz für den Schuldner, rechtzeitig den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu stellen, wenn er damit rechnen kann, auch nach der Verfahrenseröffnung nicht völlig aus der Geschäftsleitung verdrängt zu werden“; (2) EB: „Eine Selbstverwaltung ermöglicht es ferner, die […] Kenntnisse und Erfahrungen der bisherigen Geschäftsleitung […] zu nutzen. Ein Fremdverwalter benötigt demgegenüber zumindest eine gewisse Einarbeitungszeit […]“ – RE: „Bei einem Unternehmen können die Kenntnisse und Erfahrungen der bisherigen Geschäftsleitung auf diese Weise am besten genutzt werden. Die Einarbeitungszeit, die jeder Fremdverwalter benötigt, wird vermieden“; (3) Für die Eigenverwaltung spricht nach dem EB: Anreiz für Schuldner, Nutzung der Kenntnisse, Vermeidung der Einarbeitungszeit – nach dem RE: Nutzung der Kenntnisse, Vermeidung der Einarbeitungszeit, Einsparung von Kosten, Anreiz für Schuldner; (4) EB: „Es ist nicht einzusehen, warum ausgerechnet Personen, welche regelmäßig die Insolvenz zu verantworten haben, geeignet sein sollten, sie wieder zu bereinigen“ – RE: „Eine Person, die den Eintritt der Insolvenz nicht hat vermeiden können, wird meistens nicht dazu geeignet sein, die Insolvenzmasse optimal zu verwerten […]“. 326

Kap. 5: Der Vorstand in der Eigenverwaltung

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entgegen, die nicht zufällig sein kann, sondern nur unter der Annahme plausibel ist, dass der Erste Bericht bei der Formulierung der Entwürfe als Vorlage gedient hat. Steht die Kenntnis der hier interessierenden Passage somit fest, so kann ihr Fehlen nur als Ergebnis der „kritischen Verarbeitung der Kommissionsvorschläge“ angesehen werden. Zu klären bleibt damit, aus welchen Gründen diese Gedanken nicht übernommen worden sind. Hätten sich jedoch die Entwurfsverfasser die Vorstellung des Ersten Berichts zu Eigen gemacht, dass die organschaftlichen Vertreter der Schuldnergesellschaft mit der Eigenverwaltung betraut werden, würde man vor allem angesichts des Wortlautes der relevanten Vorschriften („der Schuldner“)329 nicht nur eine entsprechende Klarstellung (zumindest) in der Gesetzesbegründung erwarten, sondern auch die inhaltliche Erörterung und gegebenenfalls die Widerlegung der im Ersten Bericht geäußerten Einwände. Unterstellt man dagegen ein bewusstes Umdenken der Art, dass die Schuldnergesellschaft als solche nunmehr als Eigenverwalter erkannt wurde, stellen sich die dargestellten Probleme nicht mehr330 und bedürfen daher auch keiner weiteren Erörterung. Für ein Umdenken spricht auch die Tatsache, dass sich die Entwürfe, nicht aber die Kommissionsberichte ausdrücklich an der Vergleichsordnung orientiert haben, der eine Ausstattung der Geschäftsleitung mit besonderen Kompetenzen ebenfalls fremd ist.331 Es ist deshalb überzeugend anzunehmen, dass sich die Entwürfe und insbesondere der Regierungsentwurf bewusst gegen das Konzept des Ersten Berichts gewandt haben und nicht die Geschäftsleiter, sondern die Schuldnergesellschaft selbst als „Eigenverwalter“ betrachten.332 ___________ 328 Die drei Entwürfe (Diskussions-, Referenten- und Regierungsentwurf) sind in den die Eigenverwaltung betreffenden Teilen bis auf wenige Ausnahmen wortlautgleich; deshalb wird hier nur ein Vergleich mit dem Regierungsentwurf unternommen. 329 Zum Wortlautverständnis bereits oben unter (1), Seite 243. 330 Z. B. das Haftungsproblem: Betrachtet man die Schuldnergesellschaft an sich als Eigenverwalterin, kommt eine persönliche Haftung des Geschäftsleitungsorgans nach § 82 KO nicht mehr in Betracht. Der hierin liegende Verzicht auf das Erfordernis einer vom Schuldnervermögen verschiedenen Haftungsmasse macht zudem den Weg frei für die Eigenverwaltung von einzelkaufmännisch geführten Unternehmen und Gesellschaften ohne Rechtspersönlichkeit, die die Kommission aus diesem Grunde noch ausgeschlossen hatte (Erster Bericht, Begründung zu Leitsatz 1.3.1.1, S. 126), die nunmehr aber geltendes Recht ist. 331 Siehe nachfolgend (b), Seite 262. 332 In diese Richtung Leipold, in: Leipold, Insolvenzrecht im Umbruch, S. 166, dem zufolge das vom Referentenentwurf vorgeschlagene Verfahren der Eigenverwaltung mit Sachwalter nicht „als eine (auch nur teilweise) Anknüpfung an Überlegungen der Reformkommission verstanden werden“ kann.

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3. Teil: Die Rechtsstellung der Organe einer AG in Eigenverwaltung

(b) Anlehnung an die Vergleichsordnung Ferner lässt sich aus der Anlehnung der Eigenverwaltung an dem Modell der Vergleichsordnung333 ein Indiz gegen die Theorie der Verdrängung gewinnen. Denn auch im Vergleichsverfahren wurde das Geschäftsleitungsorgan des Vergleichsschuldners weder zum Vergleichsverwalter ernannt, noch wurde es bei der Durchführung des Vergleichsverfahrens von den innerverbandlichen Bindungen befreit. Vielmehr behielten Vorstand, Aufsichtsrat und Hauptversammlung ihre Funktionen im bisherigen Umfange bei, und der Aufsichtsrat war zur Überwachung des Vorstandes sogar in Bezug auf die Ausübung der besonderen Rechte und Pflichten des Vergleichsverfahrens berechtigt.334 Das galt auch hinsichtlich solcher Rechte des Vergleichsschuldners, die sonst nur einem Konkursverwalter zustanden335 und die insoweit den insolvenzrechtlichen Sonderbefugnisse der §§ 279, 282, 283 InsO zu vergleichen sind. Dieser Rechtslage zumindest eine Indizwirkung für das Eigenverwaltungsverfahren beizumessen, stehen weder Strukturunterschiede336 zwischen den beiden Kodifikationen, noch die Geltung der Vorschriften des regulären Verfahrens über § 270 I 2 InsO oder die Annäherung des Verfügungsrechts des Eigenverwalters an das des Insolvenzverwalters337 entgegen. Denn einerseits erfasst der Verweis des § 270 I 2 InsO schon systematisch nicht die Befugnisse aus § 270 I 1 InsO338 und andererseits verwaltet und verfügt der Schuldner gerade nicht „wie ein Insolvenzverwalter“339.

___________ 333

Bundesregierung, vor § 331 RegE InsO, BT-Drucks. 12/2443, S. 222 f.; zu den unübersehbaren Parallelen der §§ 270 ff. InsO zur VglO siehe auch Kapitel 1 B. II. 1., Seite 39. 334 J. Mohrbutter, in: Bley/Mohrbutter, VglO, § 108 Rn. 20. Für die GmbH: K. Schmidt, in: Scholz, GmbHG, 8. Auflage, § 63 Rn. 84; Ulmer, in: Hachenburg, GmbHG, 8. Auflage, § 63 Rn. 124; Rowedder, in: Rowedder, GmbHG, 3. Auflage, § 63 Rn. 53; vgl. auch BGH, Urteil vom 14. 2. 1957 – VII ZR 250/56, BGHZ 121, 307, 318. 335 Beispielsweise das Wahlrecht bei gegenseitigen Verträgen (§§ 53–56 VglO), vgl. J. Mohrbutter, in: Bley/Mohrbutter, VglO, § 108 Rn. 20. 336 So aber Foltis, in: FK zur InsO, § 270 Rn. 16; dazu schon oben Kapitel 1 C. I. a) bb) (3) (a), Seite 58. 337 So aber Prütting/Huhn, ZIP 2002, 777, 780. 338 Siehe oben (3) (a) (aa), Seite 256. 339 Kapitel 2 C. I. 2. b) aa), Seite 64.

Kap. 5: Der Vorstand in der Eigenverwaltung

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(c) Absehen von Eingriffen in das Gesellschaftsrecht Weiterhin könnte die Theorie der Verdrängung zu dem der Insolvenzordnung zugrunde liegenden Prinzip gesellschaftsrechtlicher Neutralität340 im Widerspruch stehen. Während die Kommission für Insolvenzrecht zur Absicherung der Reorganisation des Unternehmensträgers noch weit reichende Eingriffe in das Gesellschaftsrecht vorgeschlagen hatte – wie beispielsweise die Abänderung des Gesellschaftsvertrages unter den Vorbehalt einer Zustimmung des Insolvenzverwalters zu stellen341 und sogar das Insolvenzgericht zu Änderungen in der personellen Zusammensetzung der Geschäftsleitung342 sowie des Gesellschafterkreises zu ermächtigen343 –, hat die Gesetzesbegründung ausdrücklich von insolvenzrechtlichen Eingriffen in die gesellschaftsrechtlichen Verhältnisse des Schuldners abgesehen, da nur das Vermögen des Schuldners, nicht seine gesellschafts- oder verbandsrechtliche Organisation Gegenstand der Haftung sei.344 Aufgrund dessen könnte man auf die Unzulässigkeit der Verdrängungstheorie schließen;345 denn deren Forderung, das Geschäftsleitungsorgan zum alleinigen Träger der Rechte und Pflichten der Eigenverwaltung zu erheben und es bei der Durchführung des Verfahrens völlig frei von der Einflussnahme der anderen Gesellschaftsorgane zu stellen, bedeutet einen erheblichen Eingriff in die durch Gesetz und Satzung festgelegte Organisationsverfassung der Gesellschaft. Zwar ist zu konzedieren, dass sich die Ausführungen der Gesetzesbegründung nur auf solche Eingriffe in das Gesellschaftsrecht beziehen, die zum Zwecke der Reorganisation der unternehmenstragenden Schuldnergesellschaft (dauerhaft) vorgenommen werden sollen,346 und daher nicht unmittelbar den hier ___________ 340

Zu diesem Prinzip siehe Gutsche, Rn. 35 f.; Noack, in: Kübler/Prütting, GesR, Rn. 1 ff., Rn. 5 ff.; ders., FS Zöllner, 411 f. 341 Kommission für InsR, Erster Bericht, Leitsatz 2.4.9.1 VII, S. 276. 342 Kommission für InsR, Erster Bericht, Begründung zu Leitsatz 2.4.9.2, S. 279. 343 Kommission für InsR, Erster Bericht, Leitsatz 2.4.9.5, S. 282, und Leitsatz 2.4.9.6, S. 283. 344 Bundesregierung, Begründung RegE InsO, BT-Drucks. 12/2443, S. 83. 345 In diese Richtung auch Landfermann, in: HK zur InsO, § 270 Rn. 20; offenbar auch Westrick, NZI 2003, 65, 68. 346 Die Ausführungen des Gesetzesentwurfes sind als Reaktion auf die Vorschläge der Kommission zu verstehen, die allerdings bei der Gesellschaftsinsolvenz einen strukturell abweichenden Ansatz vertrat. Im Unterschied zum geltenden Recht wurde nicht am Unternehmen, sondern am Unternehmensträger selbst angesetzt, den es entweder zu liquidieren oder zu reorganisieren galt (vgl. Kommission für InsR, Erster Bericht, Begründung zu Leitsatz 1.3.4.4, S. 157; dazu Noack, in: Kübler/Prütting, GesR Rn. 3). Konsequenterweise wurden daher auch gesellschaftsrechtliche Eingriffe vorgesehen,

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3. Teil: Die Rechtsstellung der Organe einer AG in Eigenverwaltung

diskutieren Fall eines Eingriffs zum Zwecke der optimalen Verwertung des Schuldnervermögens erfassen, der zudem gegenständlich und zeitlich begrenzt ist auf die Durchführung des Eigenverwaltungsverfahrens. Doch hat der Gesetzgeber gesellschaftsrechtliche Eingriffe bewusst auch auf die Gefahr hin ausgeschlossen, dass die für die Sanierung des Unternehmens erforderlichen gesellschaftsrechtlichen Maßnahmen nicht zustande kommen und den Gläubiger deshalb nur eine Fortführung im Wege einer übertragenden Sanierung verbleibt.347 Da diese Verwertungsalternative aber durchaus mit Nachteilen für die Gläubiger verbunden sein kann,348 dürfen Eingriffe in die Gesellschaft somit nach der Gesetzesbegründung auch generell nicht um einer optimalen Gläubigerbefriedigung willen vorgenommen werden. Daher widersprechen die von der Theorie der Verdrängung geforderten Eingriffe in die Organisation der Schuldnergesellschaft dem Prinzip der gesellschaftsrechtlichen Neutralität der Insolvenzordnung. (d) Ergebnis der historischen Auslegung Die Theorie der Verdrängung kann sich daher auch nicht auf die historische Auslegung des § 270 I 1 InsO stützen; diese hat vielmehr ergeben, dass die Schuldnergesellschaft selbst als Eigenverwalterin aufzufassen ist und dass gesellschaftsrechtliche Bindungen bestehen bleiben. (4) Teleologische Auslegung (a) Zweck des Eigenverwaltungsverfahrens Den Verfechtern der Verdrängungstheorie zufolge ist das Fortbestehen der gesellschaftsrechtlichen Mitwirkungsrechte mit dem Regelungszweck der Ei___________ damit die Reorganisation der Schuldnergesellschaft nicht am Widerstand der Gesellschafter scheitern konnte. Der Gesetzesentwurf hat sich demgegenüber auf die vermögensorientierte Haftungsverwirklichung zurückbesonnen und den Vorrang einer „Sanierung des Schuldners“ abgelehnt (vgl. Bundesregierung, Begründung RegE InsO, BTDrucks. 12/2443, S. 77 f.). Das ausdrückliche Absehen von gesellschaftsrechtlichen Eingriffen bezieht sich auf diesem Hintergrund daher in erster Linie nur auf solche Maßnahmen, die der „Zwangssanierung“ des Unternehmensträgers dienen. 347 Bundesregierung, Begründung RegE InsO, BT-Drucks. 12/2443, S. 83. 348 Bspw. dann, wenn bestehende Geschäftsbeziehungen der Schuldnergesellschaft bzw. an diese gebundene, nicht übertragbare Rechte (z. B. Konzessionen) genutzt werden sollen (vgl. Noack, FS Zöllner, 411, 417) oder wenn steuerliche Vorteile genutzt werden sollen (Wellensiek, NZI 2002, 233, 238).

Kap. 5: Der Vorstand in der Eigenverwaltung

265

genverwaltung nicht vereinbar. Es sei nahezu nicht vorstellbar, die Vorteile dieses Verfahrens zu realisieren, wenn die Durchsetzung der Gläubigerinteressen durch Auseinandersetzungen zwischen den Organen des Schuldners beeinträchtigt werden könnte. Weil insbesondere Sanierungsmaßnehmen häufig Einschnitte in die Rechtspositionen der Gesellschafter und der Organmitglieder bedeuteten, sei die Eigenverwaltung in diesem Fall als Sanierungsinstrument stets ungeeignet und damit auch in den Fortführungsfällen, die der Gesetzgeber mit der Eigenverwaltung aber gerade begünstigen wollte.349 Wenngleich es auch auf den ersten Blick in der Tat ungewöhnlich, gar „unzweckmäßig“ anmuten mag, dass die übrigen Gesellschaftsorgane berechtigt sein sollen, Entscheidungen des Leitungsorgans zu blockieren und damit den Erfolg des gesamten Eigenverwaltungsverfahrens zu gefährden, so widerspricht dies bei genauer Betrachtung dennoch nicht dem Regelungszweck dieses Verfahrens. Nach der gesetzgeberischen Intention dient die Eigenverwaltung dazu,350 die Kenntnisse und Erfahrung der bisherigen Geschäftsleitung zu nutzen und dadurch die Dauer und die Kosten des Verfahrens zu vermindern.351 Allerdings können das unternehmensspezifische Know-how und die besonderen Fähigkeiten der Geschäftsleitung ganz unabhängig davon in das Verfahren eingebracht werden, ob das Geschäftsleitungsorgan an die Mitwirkung der übrigen Organe gebunden ist oder nicht. Außerdem konzentriert sich das spezielle unternehmensbezogene Wissen bei größeren Unternehmen nicht allein auf das Geschäftsleitungsorgan, sondern verteilt sich über alle Managementebenen,352 so dass auch eine Stärkung der Entscheidungsgewalt des Leitungsorgans keine wesentlichen Unterschiede bringen würde.353 Des weiteren kann man auch nicht pauschal feststellen, dass das Fortbestehen von Mitwirkungsbefugnissen in jedem Falle eine Reduzierung der Verfahrensdauer (z. B. aufgrund der einzuhaltenden Einberufungsfristen) oder der Verfahrenskosten (z. B. für die Durchführung einer Hauptversammlung) vereiteln würde; das ist vielmehr eine im Rahmen des § 270 II Nr. 3 InsO zu betrachtende Frage des Einzelfalls. In-

___________ 349 Prütting/Huhn, ZIP 2002, 777, 780 f.; Huhn, Rn. 631; Uhlenbruck, FS Metzeler, 85, 96; a. A. ders., FS Kirchhof, 479, 494 ff. 350 Zur Abgrenzung des Zwecks der Eigenverwaltung von dem des Insolvenzverfahrens im Allgemeinen siehe Kapitel 1 A. II., Seite 35. 351 Bundesregierung, vor § 331 RegE InsO (= § 270 InsO), BT-Drucks. 12/2443, S. 223. 352 Kapitel 3 A. II. 3. b) dd) (1) (a), Seite 165. 353 Daher kann man den Zweck der Eigenverwaltung aber auch nicht als Grund anführen, der für den Fortbestand gesellschaftsrechtlicher Bindungen streitet (so allerdings Mock/Schildt, ZInsO 2003, 396, 402).

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3. Teil: Die Rechtsstellung der Organe einer AG in Eigenverwaltung

soweit sei auf die Erörterungen im Rahmen der systematischen Auslegung verwiesen.354 Ferner sind auch die Befürchtungen hinsichtlich der Eignung der Eigenverwaltung als Sanierungsinstrument unbegründet. Diese Argumentation setzt voraus, dass die Wahrscheinlichkeit einer Blockade von Sanierungsmaßnahmen durch die Organe der Schuldnergesellschaft größer ist als bei einer natürlichen Person als Schuldner. Zwar verteilt sich die Boykottmöglichkeit bei einer juristischen Person infolge der körperschaftlichen Verfasstheit auf mehrere Organe und damit auf einen größeren Kreis potentieller „Blockierer“. Es ist aber nicht einzusehen, warum Gesellschafter oder Aufsichtsratsmitglieder ein größeres Interesse am Fortbestand des Gesellschaftsunternehmens haben sollten als eine natürliche Person am Weiterbestehen ihres einzelkaufmännischen Unternehmens oder ihrer freiberuflichen Praxis. Daher kann auch nicht angenommen werden, dass sie einschneidenden Sanierungsmaßnahmen einen stärkeren Widerstand entgegensetzen werden als jene. Im Gegenteil wird regelmäßig das auf das eingesetzte Kapital beschränkte Interesse der Gesellschafter (etwa einer AG oder einer GmbH) hinter dem ideellen oder persönlichen Interesse einer natürlichen Person an dem von ihm aufgebauten Werten zurückbleiben. Darüber hinaus bewirkt das Erfordernis von Mehrheitsbeschlüssen im Rahmen der jeweiligen durch die Organe zu treffenden Entscheidung eine Bündelung der Interessen und schließt insolvenzzweckwidrige Bestrebungen Einzelner regelmäßig von vornherein aus. Schließlich wird auch der zu erwartende Widerstand gegenüber Sanierungsmaßnahmen überbewertet. Wenn die Alternative zu weit reichenden Sanierungsmaßnahmen im Zuge der Eigenverwaltung einzig der Verlust jeder Einflussmöglichkeit in einem Regelinsolvenzverfahren oder gar die Liquidation und Zerschlagung des Unternehmens ist, wird sich ein ernstzunehmender Widerstand ohnehin nur im Ausnahmefall ergeben. In der Regel dürfte die Sanierung bzw. Reorganisation die einzige Hoffnung der Gesellschafter darstellen, das in die Anteile investierte Kapital nicht gänzlich zu verlieren. So zeigt auch die Praxis, dass die Befürchtung einer missbräuchlichen Nutzung der Mitwirkungsrechte unbegründet ist.355 Der Ausschluss der organschaftlichen Mitwirkungsrechte stellt ohnehin nur ein minder taugliches Mittel dar, um dieser Missbrauchsgefahr zu begegnen. Denn einerseits vermag er nicht eine Verweigerung des Geschäftsleitungsorgans zu verhindern, die ebenfalls „dem Schuldner“ zuzurechnen wäre, und andererseits können die übrigen Organe einen zu den gesellschaftsrechtlichen Mitwirkungsrechten vermutlich gleichwertigen ___________ 354 355

Oben (2) (d) (aa), Seite 248. Uhlenbruck, FS Kirchhof, 479, 492.

Kap. 5: Der Vorstand in der Eigenverwaltung

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Einfluss ausüben, indem sie dem Geschäftsleitungsorgan mit der Abberufung drohen.356 (b) Zweck des Insolvenzverfahrens (§ 1 S. 1 InsO) Daneben beruft sich die Theorie der Verdrängung auf den übergeordneten Verfahrenszweck optimaler Gläubigerbefriedigung (§ 1 S. 1 InsO).357 Dieser verbiete es, dass der Einfluss der Gesellschafter in der Eigenverwaltung größer sei als im regulären Insolvenzverfahren.358 Den Gesellschaftern dürfe überhaupt kein Einfluss auf das Eigenverwaltungsverfahren zustehen, weil dieses sonst seinen Zweck als staatliches Liquidationsverfahren verlöre.359 Das vermag ebenfalls nicht zu überzeugen. Die Gefahr einer Blockade durch den Schuldner liegt in der Natur dieses Verfahrens, das ihn in so weit reichendem Maße einbezieht und mit so wesentlichen Verfahrenskompetenzen ausstattet. Der Gesetzgeber hat diese Gefahr bei der Einführung der Eigenverwaltung erkannt360 und dadurch kompensiert, dass die Gläubiger jederzeit und ohne weitere Voraussetzungen die Eigenverwaltung gem. § 272 I Nr. 1 und 2 InsO beenden können.361 Durch dieses Recht werden die Gläubiger ausreichend vor Nachteilen einer Blockade geschützt. Da es darüber hinaus auch keinen Sinn macht, den Schuldner zur Eigenverwaltung zu zwingen, sind andere Sanktionsmaßnahmen – wie schon im früheren Vergleichsrecht362 – gesetzlich nicht weiter vorgesehen. Ebenso wenig gebietet es die optimale Gläubigerbefriedigung aber auch, durch den Ausschluss von Mitwirkungsrechten die Wahrscheinlichkeit einer Blockade insgesamt zu verringern. Das würde auch übersehen, dass fortbestehende Einflussmöglichkeiten ebenso gut zweckwidrige Handlungen des Geschäftsleitungsorgans (z. B. im Wege einer doppelten Kontrolle durch Sachwalter und Aufsichtsrat) verhindern ___________ 356

Zum Fortbestand der Befugnis zur Abberufung der Vorstandsmitglieder siehe sogleich bb) (1), Seite 269. 357 Huhn, Rn. 631; Prütting/Huhn, ZIP 2002, 777, 781; Graf-Schlicker, FS Kirchhof, 135, 147; Kruse, S. 280. 358 Huhn, Rn. 631; ähnlich Prütting/Huhn, ZIP 2002, 777, 781. 359 Huhn, Rn. 631. 360 Vgl. Bundesregierung, Begründung zu § 333 RegE InsO (= § 272 InsO), BTDrucks. 12/2443, S. 224: „Auch […] kann seine Bereitschaft [des Schuldners, die ihm zufallenden Aufgaben mit vollem Einsatz zu erfüllen,] im weiteren Verlauf des Insolvenzverfahrens entfallen […]“. 361 So auch Ringstmeier/Homann, NZI 2002, 406, 407. 362 Eine Verweigerung der Mitwirkung durch den Vergleichsschuldner konnte nur durch die Einstellung des Vergleichsverfahrens (§§ 40 II, 100 I Nr. 4 VglO), ggf. mit Anschlusskonkurs (§ 101 VglO), sanktioniert werden, vgl. Häsemeyer, InsR, 1. Auflage, S. 656; Kilger/K. Schmidt, InsG, § 40 VglO Anm. 3 und 4.

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3. Teil: Die Rechtsstellung der Organe einer AG in Eigenverwaltung

und damit der optimalen Gläubigerbefriedigung gerade zuträglich sein können.363 Es ist schließlich auch nicht plausibel, dass die Funktion des Eigenverwaltungsverfahrens als staatliches Liquidationsverfahren einen Einfluss der Gesellschafter ausschließt. Denn einerseits dient die Eigenverwaltung ausschließlich weder zur Liquidation des Unternehmens noch der des Unternehmensträgers364. Vielmehr stehen die Liquidation oder Sanierung des Unternehmens sowie die Reorganisation des Unternehmensträgers nach dem Willen des Gesetzgebers365 als gleichrangige Ziele des Insolvenzverfahrens nebeneinander. Insbesondere im Rahmen einer Reorganisation des Unternehmensträgers366, die in bestimmten Fällen sogar die für die Gläubiger günstigste Verwertungsart darstellt367, sind aber Beiträge der Gesellschafter unerlässlich, wie etwa Kapitalerhöhungen, Änderungen der Gesellschafterstruktur oder Umwandlungen.368 Insoweit ist eine Einflussnahme der Gesellschafter durchaus erwünscht. Andererseits könnten die Aktionäre eine Liquidationsentscheidung der Gläubiger (§ 157 InsO) überhaupt nicht verhindern, da diese auch für sie selbst369 wie für die übrigen Gesellschaftsorgane370 ist. Im Weigerungsfall würde die Eigenverwaltung schlicht beendet (§ 272 I InsO) und das Unternehmen durch einen Verwalter liquidiert. Außerdem ist nicht einsichtig, warum den Gesellschaftern der insolventen Gesellschaft, die bei wirtschaftlicher Betrachtung die Inhaber des Gesellschaftsvermögens sind, ein geringerer Einfluss auf das Verfahren zustehen soll als einer natürlichen Person.

___________ 363

Hess/Ruppe, NZI 2002, 577, 580; Uhlenbruck, FS Kirchhof, 479, 502. Vgl. Kapitel 1 II., Seite 35. 365 Bundesregierung, Begründung RegE InsO, BT-Drucks. 12/2443, S. 77. 366 Eine Reorganisation des Schuldners kann nur durch einen Insolvenzplan (§§ 218 ff. InsO) erfolgen. Der Gesetzentwurf der Bundesregierung widmete der „Sanierung des Schuldners“ sogar noch einen eigenständigen Paragraphen (§ 262 RegE InsO), vgl. aber auch Bundesregierung, vor § 253 RegE InsO (= § 218 InsO), BT-Drucks. 12/2443, S. 195 ff. Auf diese Regelung ist vom Rechtsausschuss im Zuge einer „redaktionellen Straffung“ verzichtet worden (Begründung zu §§ 258–262 BeschlussE InsO, BTDrucks. 12/7302, S. 182). 367 Kapitel 7 A. II. 3., Seite 387. 368 Vgl. Noack, FS Zöllner, 411, 420 ff. 369 Siehe Kapitel 7 B. II. 1. a), Seite 408. 370 Dazu insbesondere III. 1. b), Seite 290. 364

Kap. 5: Der Vorstand in der Eigenverwaltung

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(c) Ergebnis der teleologischen Auslegung Der Beibehaltung gesellschaftsrechtlicher Mitwirkungsrechte steht also weder der Zweck der Eigenverwaltung noch der des Insolvenzverfahrens entgegen. bb) Hilfserwägungen Gegen die Theorie der Verdrängung sprechen zudem noch folgende Hilfserwägungen. (1) Abberufbarkeit des Vorstands Der durch die Verdrängung gesellschaftsrechtlicher Bindungen angestrebte Zweck, eine Blockade durch die übrigen Gesellschaftsorgane zu unterbinden, bliebe weitestgehend wirkungslos, wenn der Vorstand weiterhin durch den Aufsichtsrat gem. § 84 III 1 AktG abberufen werden könnte.371 Denn auch auf diese Weise ist eine Blockade der Eigenverwaltung möglich.372 Sofern die von einigen Verfechtern der Verdrängungstheorie geäußerte Ansicht, dass das Geschäftsleitungsorgan, „wie es zum Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung bestand“, alleiniger Träger der Rechte und Pflichten werde,373 als Ausschluss der Abberufungskompetenz des Aufsichtsrates, also im Sinne eines „Austauschverbotes“374 zu verstehen ist,375 muss dem allerdings entschieden entgegengetreten werden. Denn die Bestellung und Abberufung des Vorstandes werden als rein gesellschaftsinterne Angelegenheiten ohne Massebezug schon gegenständlich nicht vom Insolvenzverfahren (vgl. § 35 InsO) erfasst und kön___________ 371 Freilich hat die Abberufung gem. § 84 III 1 AktG das Vorliegen eines wichtigen Grundes zur Voraussetzung und steht deshalb nicht zur freien Disposition des Aufsichtsrates; allerdings können wichtige Gründe vorgetäuscht werden, und die Abberufung ist in jedem Falle gem. § 84 III 3 AktG solange wirksam, bis das Gegenteil rechtskräftig festgestellt worden ist. Der Aufsichtsrat könnte daher in der Praxis ein unliebsames Vorstandsmitglied in jedem Falle entfernen. 372 Ringstmeier/Homann, NZI 2002, 406, 408; anscheinend auch Noack, ZIP 2002, 1873, 1876 f. 373 Prütting/Huhn, ZIP 2002, 777, 782; Görg/Stockhausen, FS Metzeler, 105, 107; diese sog. Theorie der Verdrängung ist aber insgesamt abzulehnen, vgl. vorstehend aa), Seite 243. 374 So ausdrücklich Kruse, S. 284. 375 Obwohl diese ausdrückliche Fixierung auf die personelle Zusammensetzung des Vertretungsorgans im Eröffnungszeitpunkt letztlich nur so verstanden werden kann, dass ein Wechsel seiner Mitglieder nicht soll stattfinden könne, bejahen Görg/Stockhausen, FS Metzeler, 105, 107 die Abberufungskompetenz des Aufsichtsrates.

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3. Teil: Die Rechtsstellung der Organe einer AG in Eigenverwaltung

nen daher auch nicht insolvenzrechtlich modifiziert werden. Hiervon abzuweichen, ignorierte das der Insolvenzordnung zugrunde liegende Prinzip der Vermögensorientiertheit376, auf dem nunmehr schon länger als ein Jahrhundert377 die Abgrenzung zwischen den Kompetenzen Gesellschaftsorgane und den Organen des Insolvenzverfahrens basiert. Die Verneinung der Personalkompetenz fasste zudem den Schuldnerbereich ausgerechnet bei der auf eine Erweiterung des schuldnerischen Rechtskreises angelegten Eigenverwaltung noch enger als bei einem Regelinsolvenzverfahren.378 Des Weiteren bleibt die drängende Frage unbeantwortet, ob ein Wechsel der Geschäftsleiter gänzlich ausgeschlossen sein oder lediglich die Personalkompetenz in die Zuständigkeit der Insolvenzorgane (z. B. analog §§ 56 ff. InsO) übergehen soll. Einem radikalen Ausschluss stünde allerdings entgegen, dass eine schwere Pflichtverletzung nicht geahndet und eine Vakanz nach Tod oder Amtsniederlegung nicht geschlossen werden könnte.379 Auf der anderen Seite sind die §§ 56 ff. InsO für eine Verlagerung der Personalkompetenz auf die Insolvenzorgane nicht ausgelegt: Sollte beispielsweise das Insolvenzgericht berechtigt sein, ein Vorstandsmitglied gem. § 59 I InsO aus wichtigem Grund abzuberufen, müsste ihm auch eine entsprechende Aufsicht (§ 58 InsO) zugebilligt werden, die aber in Konkurrenz zu der des Sachwalters träte (§ 274 II InsO). Auch eignet sich die Unabhängigkeit (§ 56 I InsO) nicht als Auswahlkriterium für einen neu zu bestellenden Vorstand. Es ist somit allein überzeugend, dass ein Wechsel der Vorstandsmitglieder auch in einem Eigenverwaltungsverfahren zulässig ist.380 Dann aber läuft der mit Ausschluss der gesellschaftsrechtlichen Bindungen verfolgte Zweck leer. (2) „Konfusion“ im Rahmen der Anstellungskompetenz Wären tatsächlich die Mitglieder des Vertretungsorgans Träger der „dem Schuldner“ zustehenden Rechte und Pflichten aus §§ 270 ff. InsO und bei deren Ausübung keinen gesellschaftsrechtlichen Bindungen unterworfen, wären sie konsequenterweise nicht nur für ihre eigenen Anstellungsverträge und die ihrer ___________ 376

Bundesregierung, Begründung RegE InsO, BT-Drucks. 12/2443, S. 77. Schon in der Konkursordnung vom 10.2.1877 (RGBl. S. 351) wurden die Kompetenzen des Schuldners durch die des Konkursverwalters lediglich in Bezug auf die Konkursmasse verdrängt (§ 6 KO ). 378 Ebenso Noack, ZIP 2002, 1873, 1877. 379 So zu Recht Hess/Ruppe, NZI 2002, 578, 580. 380 I. E. auch K. Schmidt, in: Scholz, GmbHG, vor § 64 Rn. 74; Görg/Stockhausen, FS Metzeler, 105, 107; Uhlenbruck, FS Metzeler, 95, 97. Zu den Einzelheiten der Bestellung und Abberufung sei auf Abschnitt C., Seite 304 verwiesen. 377

Kap. 5: Der Vorstand in der Eigenverwaltung

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Kollegen (§ 270 I 1 InsO), sondern sogar für ihre eigene Kündigung (§§ 279 S. 1, 113 InsO) zuständig.381 Dieses Ergebnis kann keinen Bestand haben. Dagegen spricht zunächst die hohe Missbrauchsgefahr, die daraus resultiert, dass die Regelungen der §§ 76 ff. AktG für eine derartige Zuständigkeit in eigenen Angelegenheiten382 völlig unbrauchbar sind. Im Gegenteil lässt sich den §§ 89, 112, 93 IV 3 AktG die Wertung entnehmen, dass in Angelegenheiten, die die Vorstandsmitglieder betreffen, stets andere Organe zur (Mit-)Entscheidung berufen sind. Dieses Ergebnis steht aber auch im Widerspruch zum Willen des Gesetzgebers. Dieser hält es im Rahmen des § 87 III AktG, der die Kündigung der Anstellungsverträge der Vorstände durch den Insolvenzverwalter betrifft, für „nicht erwähnenswert“, dass „das Recht des Insolvenzverwalters zu vorzeitigen Kündigung […] im Falle der Eigenverwaltung […] dem Schuldner zusteht […]“.383 In diesem Zusammenhang von einer Kündigung durch „den Schuldner“ zu sprechen, macht aber nur Sinn, wenn dafür von den Vorständen verschiedene Personen zuständig sein sollen.384 In der Eigenverwaltung wird das Recht der Gesellschaft, die Anstellungsverträge mit dem Vorstandsmitglied zu kündigen, vielmehr nach den allgemeinen gesellschaftsrechtlichen Regeln im Einvernehmen mit dem Sachwalter (§ 279 S. 2 InsO) vom Aufsichtsrat (§ 112 AktG) ausgeübt.385 (3) „Ergreifung der Diktaturgewalt“ durch den Vorstand Schließlich versetzte der Kompetenzzuwachs, wie ihn die Theorie der Verdrängung vorschlägt, den Vorstand in die Lage, einen in der Krise der Gesellschaft bestehenden Widerstand der anderen Gesellschaftsorgane gegen eine dringende Sanierungsmaßnahme dadurch zu umgehen, dass er die Eigenverwaltung beantragt und fortan frei von jeder Bindung agiert. Überspitzt formuliert, könnte § 270 I Nr. 1 InsO somit für den Vorstand als Grundlage für eine Usur___________ 381 Diese Konsequenz zieht z. B. Kruse, S. 277 f., der den Geschäftsführer einer GmbH als „Eigenverwalter“ auffasst (vgl. etwa ders., S. 282) und deshalb dafür zuständig hält, sich selbst gem. § 279 S. 1 i. V. m. §§ 103 ff InsO von der aus dem Anstellungsvertrag resultierenden Pflicht zur Dienstleistung „freizustellen“ (d. h. zu kündigen). 382 Man könnte schon von einer Art „Konfusion“ sprechen. 383 Bundesregierung, Begründung zu Art. 45 Nr. 3 EGInsO, BT-Drucks. 12/3803, S. 85. 384 Dieser Passage lässt sich im Übrigen auch entnehmen, dass die Aktiengesellschaft als solche, nicht deren Vorstände, „Schuldner“ im Eigenverwaltungsverfahren ist. 385 So auch Hefermehl/Spindel/Kalss, in: MK zum AktG, § 87 Rn. 70; Hüffer, AktG, § 87 Rn. 10.

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3. Teil: Die Rechtsstellung der Organe einer AG in Eigenverwaltung

pation der alleinigen Entscheidungsgewalt fungieren.386 Denn für einen derartigen Antrag benötigt der Vorstand weder die Zustimmung eines anderen Gesellschaftsorgans387, noch hätte die Gesellschaft irgendeine rechtliche Handhabe, den Vorstand zu einer Rücknahme des Eigenverwaltungsantrags (§ 270 II Nr. 1 InsO), geschweige denn des Eröffnungsantrags (§ 13 I 2 Alt. 2 InsO), zu zwingen.388 Dass der Gesetzgeber eine solchen Machtzuwachs auf Seiten des Vorstands durch das Insolvenzrecht ermöglichen wollte, ist aber nicht ersichtlich.389 cc) Ergebnis der Auslegung und der Hilfserwägungen Die vorstehende Auslegung hat gezeigt, dass weder systematische noch historische oder teleologische Erwägungen zu widerlegen vermögen, was durch den Wortlaut des § 270 I 1 InsO schon eindeutig vorgegeben ist: In der Eigenverwaltung einer juristischen Person ist diese selbst Trägerin der eigenverwaltungsspezifischen Rechte und Pflichten („Eigenverwalterin“), nicht aber ihr Geschäftsleitungsorgan oder dessen Mitglieder;390 die Zuständigkeit für die Wahrnehmung der ihr in dieser Funktion zufallenden Rechte und Pflichten bestimmt sich grundsätzlich nach jeweiligen verbandsrechtlichen Vorschriften, so dass auch gesetzliche Bindungen des Geschäftsleitungsorgans (Vorstand), das ___________ 386 Ähnlich kritisch auch Ringstmeier/Homann, NZI 2002, 406, 408 („Der Angestellte macht sich selbst zum Chef“); AG Duisburg, Beschluss vom 1. 9. 2002 – 62 IN 167/02, NZI 2002, 556, 559 („Übertragung der Diktaturgewalt auf die Geschäftsleitung“). Freilich träten an die Stelle von Beschränkungen gegenüber den Gesellschaftsorganen solche gegenüber Sachwalter oder Gläubigerausschuss (z. B. §§ 275 ff. InsO). 387 Es ist zu differenzieren: Hinsichtlich des Eröffnungsantrags (§ 13 I 2 Alt. 2 InsO) scheidet ein Zustimmungsvorbehalt zugunsten des Aufsichtsrates (§§ 82, 111 AktG) oder der Hauptversammlung (nach den Holzmüller-Regeln wegen der mit dem Verlust des Verwaltungs- und Verfügungsrechts gem. § 80 I InsO verbundenen weitreichenden Folgen) aus, weil das dem Zweck des § 15 I InsO widerspricht. Hinsichtlich des Eigenverwaltungsantrags (§ 270 II Nr. 1 InsO) ist dagegen nicht ersichtlich, dass hier in eine mitgliedschaftliche Vermögensposition der Aktionäre – wie nach den Holzmüller-Regeln erforderlich – eingegriffen würde, wo es doch um die Wiedererlangung der Verfügungsgewalt geht. Siehe auch Kapitel 3 A. I. 2., Seite 142, und dort Fußnote 23 sowie Kapitel 5 A. II. 2., Seite 220 ff. 388 Insbesondere wenn man der Theorie der Verdrängung folgt, bestehen keine Weisungsrechte gegenüber dem Geschäftsleitungsorgan (z. B. gem. § 37 I GmbHG); für die Aktiengesellschaft gilt das auch ganz allgemein (§ 76 I AktG). Bezüglich des Eröffnungsantrags schließt zudem der Zweck der § 15 I InsO, § 92 II AktG eine Weisung zur Rücknahme aus. 389 So auch Ringstmeier/Homann, NZI 2002, 406, 408. 390 Folglich ist die insolvente Gesellschaft nicht als „eigenverwaltete“, sondern als „eigenverwaltende“ Aktiengesellschaft zu bezeichnen.

Kap. 5: Der Vorstand in der Eigenverwaltung

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nur kraft organschaftlicher Vertretungsmacht handelt (§ 78 I AktG),391 im Grundsatz bestehen bleiben. Dieses Ergebnis wird im Besonderen durch systematische und historische Argumente gestützt. Überdies fügt sich das so gefundene Ergebnis, wie die soeben hilfsweise angestellten Erwägungen zeigen, ohne Widersprüche in das geltende Gesellschaftsrecht ein. Die Insolvenzordnung bestimmt also nur die externe Kompetenzverteilung zwischen Sachwalter und der eigenverwaltenden Gesellschaft, während sich die interne Kompetenzverteilung nach dem Gesellschaftsrecht richtet. Die §§ 270 ff. InsO sind somit – wie es das AG Duisburg392 treffend formuliert hat – keine Rechtsgrundlage für die Übertragung der Diktaturgewalt auf die Geschäftsleitung. Die Theorie der Verdrängung ist widerlegt. b) Auseinandersetzung mit den übrigen Theorien Die übrigen Ansichten, die Theorie des „Nebeneinanders“ (Ringstmeier/Homann), des „Miteinanders“ (Noack) und des „Nacheinanders“ (Uhlenbruck), liegen inhaltlich sehr viel näher bei einander, als ihre Bezeichnungen vermuten lassen. So ist ihnen gemeinsam, dass sie die insolvente Gesellschaft selbst als Trägerin der eigenverwaltungsspezifischen Rechte und Pflichten betrachten – das gilt entgegen Uhlenbruck auch für Ringstmeier/Homann393 – und daraus schließen, dass gesellschaftsrechtliche Bindungen im Grundsatz fortbestehen. Mit diesen Annahmen stehen sie vollumfänglich im Einklang zu den soeben in der Auslegung der §§ 270 ff. InsO gefundenen Ergebnissen. ___________ 391

A. A. etwa Gutsche, Rn. 316; Schlegel, S. 126. AG Duisburg, Beschluss vom 1. 9. 2002 – 62 IN 167/02, NZI 556, 559 [Babcock Borsig]. 393 Vgl. Uhlenbruck, FS Kirchhof, 479, 493 („offenbar“). Ringstmeier/Homann (NZI 2002, 406 ff.) betonen aber ausdrücklich, dass das Geschäftsleitungsorgan nur als Vertreter der zum Eigenverwalter bestellten Schuldnergesellschaft agiere (NZI 2002, 406 f.) und dass niemand anders „als der Schuldner selbst zum Eigenverwalter einzusetzen“ sei (NZI 2002, 408), der Schuldner i. S. d. § 270 I 1 wegen § 11 InsO aber die Gesellschaft selbst sei. Auch die Äußerung, es stelle eine Umgehung der gesetzlichen Konzeption dar, wenn man zuließe, „dass die Geschäftsleitung entkleidet von ihren gesellschaftsrechtlichen Bindungen und damit quasi als Person(-en) zum Eigenverwalter verstellt werden könnte“ (NZI 2002, 406, 408), dient lediglich der Widerlegung von Prütting/Huhn und kann nicht so verstanden werden, dass Ringstmeier/Homann die „Geschäftsleitung samt gesellschaftsrechtlichen Bindungen“ als Eigenverwalter betrachten. Dasselbe gilt für den Umstand, dass sie das Vertrauen der Gläubiger auf die „Gesamtheit der Unternehmensleitung“, nicht aber auf „die Schuldnergesellschaft“ beziehen (NZI 2002, 406, 408), und zwar zum einen, da sie unter Unternehmensleitung ausdrücklich Vorstand und Aufsichtsrat verstehen, und zum anderen, weil sie dieses Vertrauen notwendigerweise an natürlichen Personen anknüpfen muss. 392

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3. Teil: Die Rechtsstellung der Organe einer AG in Eigenverwaltung

Die sich auf diesem Hintergrund aufdrängende Frage nach dem Verhältnis gesellschaftsrechtlicher und insolvenzrechtlicher Kontrollrechte beantworten diese Autoren ebenfalls dem Grunde nach einheitlich. Das von Uhlenbruck vorgeschlagene „Nacheinander“ von Gesellschafts- und Insolvenzrecht in dem Sinne, das Weisungen an das Geschäftsleitungsorgan zunächst einmal die Zone der Vorprüfung durch die organschaftlichen Vertreter, sodann der Prüfung bzw. Mitwirkung oder Zustimmung der Gläubigerorgane nach den §§ 275 bis 277 InsO und schließlich der Wirksamkeitskontrolle auf Insolvenzzweckwidrigkeit durchlaufen,394 ist bei genauer Betrachtung auch schon bei Ringstmeier/Homann angelegt. Auch sie erkennen ein Stufenverhältnis der gesellschaftsrechtlichen zu den insolvenzrechtlichen Kontrollrechten, nach dem die Geschäftsleitung unter Kontrolle des Aufsichtsorgans in einem ersten Schritt eine Entscheidung treffe, die dann in einem zweiten Schritt durch den Sachwalter oder den Gläubigerausschuss gegebenenfalls genehmigt werden müsse.395 Dieser Staffelung ist im Grundsatz zuzustimmen. Sie ergibt sich aus der systematischen Überlegung, dass die §§ 275 ff. InsO eine Maßnahme des Schuldners, also der Gesellschaft, im Außenverhältnis zum Gegenstand haben,396 während die gesellschaftsrechtlichen Kontroll- und Mitwirkungsbefugnisse die Frage betreffen, auf welche Weise und unter Beteiligung welcher Organe diese Maßnahme verbandsintern zustande kommt. Die gesellschaftsrechtlichen Kontrollrechte sind den insolvenzrechtlichen somit logisch vorgeschaltet.397 Die Autoren sind sich ferner einig über den Vorrang des Insolvenzrechts vor dem Gesellschaftsrecht.398 Das stellen auch Ringstmeier/Homann nicht in Abrede, wenn sie ein „Nebeneinander“ von Gesellschafts- und Insolvenzrecht einfordern. Denn dieses „Nebeneinander“ bezieht sich allein auf die Problematik der Kompetenzverteilung: Das Insolvenzrecht regele die externe, das Gesellschaftsrecht die interne Zuständigkeitsverteilung.399 Darin stimmen sie im Übrigen mit Noack völlig überein,400 und auch Uhlenbruck liegt diese Vorstellung ___________ 394

Uhlenbruck, FS Kirchhof, 479, 502, 506. Ringstmeier/Homann, NZI 2002, 406, 407. Soweit Noack, ZIP 2002, 1873, 1878 das „zweistufige Verfahren“ von Ringstmeier/Homann ablehnt, bezieht sich dies nur auf den Mitwirkungsvorbehalt des § 179a AktG ist aber nicht ersichtlich als allgemeingültige Aussage gemeint. 396 Zur Reichweite der Zustimmungsvorbehalte siehe unten III. 3. a), Seite 299. 397 Vgl. zu dieser Überlegung auch schon die Ausführungen zur systematischen Auslegung der §§ 270 ff. InsO, a) aa) (2) (e), Seite 252. 398 Dezidiert Uhlenbruck, FS Kirchhof, 479, 496. Bei Noack zeigt sich dieser Vorrang darin, dass er die Mitwirkungsbefugnisse der Hauptversammlung nach § 179a AktG und den Grundsätzen der Holzmüller-Rechtsprechung nach Maßgabe des § 1 S. 1 InsO teleologisch reduziert. 399 Vgl. Ringstmeier/Homann, NZI 2002, 406, rechte Spalte oben. 400 Noack, ZIP 2002, 1873, 1875. 395

Kap. 5: Der Vorstand in der Eigenverwaltung

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zugrunde.401 In dieser Situation stellt sich allerdings die Frage nach einem Vorrangverhältnis nicht, da das Insolvenzrecht hinsichtlich der verbandsinternen Ordnung gerade keine Regelung enthält und es somit schon nicht zu einer Kollision der beiden Rechtsmaterien kommen kann. Der Vorrang des Insolvenzrechts zeigt sich vielmehr – darin ist Uhlenbruck402 beizupflichten – vornehmlich in der Überlagerung des Gesellschaftszwecks durch den Zweck des Insolvenzverfahrens – die bereits im zweiten Kapitel403 dargestellt worden ist – und in der Bindung der Gesellschaft an das durch die Gläubiger gem. §§ 157, 270 I 2 InsO bestimmte Verfahrensziel.404 Die Zweckänderung ist letztlich Ausdruck der unbedingten Geltung des § 1 S. 1 InsO, die sich über § 270 I 2 InsO auf den eigenverwaltenden Schuldner erstreckt,405 und umfasst auch die gem. § 157 InsO vorgegebene Verwertungsart, die, was noch zu zeigen ist,406 in den Zweck des Insolvenzverfahrens inkorporiert wird. Das von Noack favorisierte „Miteinander“ von Gesellschafts- und Insolvenzrecht lässt sich schließlich in den Ansatz von Uhlenbruck und auch den von Ringstmeier/Homann integrieren.407 Die Kernaussage Noacks besteht darin, dass sich die – dem Grunde nach fortbestehenden – Binnenkompetenzen am Zweck des Insolvenz- bzw. Eigenverwaltungsverfahrens auszurichten haben408 und daher die jeweiligen Kompetenzen (z. B. nach § 111 AktG, § 179a AktG oder den Holzmüller-Grundsätzen) einzeln darauf zu überprüfen seien, ob sie angesichts der Anordnung der Eigenverwaltung Bestand haben können oder nicht. Der Sache nach handelt es sich also um die teleologische Betrachtung der Binnenkompetenzen am Maßstab des § 1 S. 1 InsO und damit letztlich um eine konsequente Umsetzung der Überlagerung des Gesellschaftszwecks durch den ___________ 401 Vgl. etwa Uhlenbruck, FS Kirchhof, 479, 499: Es handele sich um auf die Organe „durchgestellte“ insolvenzrechtliche Funktionen. Mit der Anordnung der Eigenverwaltung ändere sich im Hinblick auf die gesellschaftsrechtliche Stellung der organschaftlichen Vertreter grundsätzlich nichts. 402 Uhlenbruck, FS Kirchhof, 479, 502. 403 Kapitel 2 B. II. b) cc), Seite 128. 404 Von der Änderung des Gesellschaftszwecks geht auch Noack, ZIP 2002, 1873, 1875 aus. 405 Kapitel 1 C. I. 2. a) bb) (4) (b), Seite 61. 406 Unten III. 1. b), Seite 290. 407 Im Übrigen stellt auch Uhlenbruck, FS Kirchhof, 479, 494 ff. nicht klar, worin sich sein Ansatz von dem Noacks unterscheidet. Ob Ringstmeier/Homann, NZI 2002, 406, 409 tatsächlich – wie von Noack behauptet – „pauschal ‚das Gesellschaftsrecht‘“ anwenden wollen, ohne insolvenzrechtliche Modifikationen zuzulassen, ist allerdings ungewiss, bezieht sich doch ihre Forderung des „Nebeneinanders“ allein auf die externe und interne Kompetenzverteilung. 408 Noack, ZIP 2002, 1873, 1877, 1879.

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3. Teil: Die Rechtsstellung der Organe einer AG in Eigenverwaltung

Insolvenzverfahrenszweck. Im Ansatz weist jedoch auch Uhlenbruck in diese Richtung, wenn er meint, dass „insolvenzzweckwidrige Weisungen und Beschlüsse der Gesellschafter sowie der Aufsichtsorgane […] die Zone der Vorprüfung durch die organschaftlichen Vertreter, sodann der Prüfung […] der Gläubigerorgane und schließlich der Wirksamkeitskontrolle auf Insolvenzzweckwidrigkeit“ durchlaufen. Denn dabei setzt er voraus, dass die Weisungsund Beschlusskompetenzen durch § 1 S. 1 InsO reduziert sind. In der Grundannahme, dass die gesellschaftsrechtlichen Organkompetenzen insolvenzrechtlich zu modifizieren sind, ist Noack und Uhlenbruck beizutreten. Das gilt allerdings nicht für sämtliche ihrer darauf gründenden Ergebnisse, worauf noch im Einzelnen einzugehen ist. c) Eigener Ansatz Ausgehend von diesen Grundaussagen, über die zwischen den Autoren weitgehend Konsens besteht und denen im soeben dargelegten Umfang zuzustimmen ist, soll das Verhältnis von Insolvenzrecht und Gesellschaftsrecht im Folgenden präzisiert und fortgebildet werden. aa) Postulation eines „Eigenverwaltungsbereichs“ Auf Grundlage der Erkenntnis, dass die Schuldnergesellschaft selbst Trägerin der eigenverwaltungsspezifischen Rechte und Pflichten ist, kann die aus dem regulären Insolvenzverfahren bekannte Aufteilung der Kompetenzen zwischen Insolvenzverwalter und Gesellschaftsorganen in Verdrängungs-, Schuldner- und Überschneidungsbereich409 nicht für das Eigenverwaltungsverfahren übernommen werden. Denn nur wer wie die Verfechter der Verdrängungstheorie einzelne oder sämtliche Mitglieder des Geschäftsführungsorgans als Träger der Rechte und Pflichten in der Eigenverwaltung begreift, kann annehmen, dass diese Personen, wie sonst ein Insolvenzverwalter, die übrigen Gesellschaftsorgane und gegebenenfalls die übrigen Organmitglieder aus ihren Funktionen verdrängen und dass insoweit der Verdrängungsbereich unmodifiziert fortzuschreiben ist.410 Umgekehrt trifft allerdings auch die Behauptung von Uhlenbruck nicht zu, dass in der Eigenverwaltung ein Verdrängungsbereich wie im regulären Verfahren nicht existiere und dass die geforderte Funktionsteilung zwischen Vor___________ 409

Zu dieser Aufteilung ausführlich Kapitel 2 A., Seite 101. Von einer Fortschreibung geht etwa Riggert, in: Nerlich/Römermann, § 270 Rn. 15a aus, der die Dreiteilung unmodifiziert übernimmt. 410

Kap. 5: Der Vorstand in der Eigenverwaltung

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stand, Geschäftsführung und Sachwalter nicht relevant werde.411 Denn auf der einen Seite findet eine umfassende Verdrängung der Zuständigkeiten sämtlicher Gesellschaftsorgane sehr wohl, wenn auch nur in geringem Umfang statt, und zwar insoweit, als das Gesetz eine Alleinzuständigkeit des Sachwalters festlegt, wie etwa für die Geltendmachung von Ersatzansprüchen gegen die Mitglieder des Vorstands oder Aufsichtsrats (§§ 93 V 4, 116 AktG). Insofern ist durchaus von einem (Sachwalter-)Verdrängungsbereich zu sprechen. Auf der anderen Seite darf die Schuldnergesellschaft bei der Wahrnehmung derjenigen (eigenverwaltungsspezifischen) Rechte und Pflichten, die ihr in ihrer Eigenschaft als „Eigenverwalterin“ zugewiesen sind, nicht autonom entscheiden. Sie muss im Gegenteil sowohl Mitwirkungsbefugnisse des Sachwalters oder des Gläubigerausschusses (z. B. §§ 275, 276 InsO) als auch den Zweck optimaler Gläubigerbefriedigung (§ 1 S. 1 InsO) beachten. Darin liegt jedoch ein wesentlicher Unterschied zu den Rechten und Pflichten, die der Schuldnergesellschaft in ihrer Eigenschaft als Insolvenzschuldnerin zukommen (z. B. das Beschwerderecht des § 34 II InsO) und die herkömmlicherweise dem Schuldnerbereich zuzuordnen sind. Daher kann eine Gleichsetzung dieser Rechte und Pflichten, die bei Uhlenbruck anklingt,412 nicht erfolgen; vielmehr ist neben dem Schuldnerbereich noch ein separater, als Eigenverwaltungsbereich zu bezeichnender Funktionsbereich zu bilden. Zuletzt existiert auch noch ein Überschneidungsbereich, in dem die Schuldnergesellschaft und der Sachwalter nur gemeinsam wirksam handeln können, wie etwa im Falle eines Zustimmungsvorbehalts nach § 277 InsO oder § 279 S. 3 InsO. In der Eigenverwaltung einer Aktiengesellschaft ist somit eine Vierteilung der Funktionsbereiche von Sachwalter und Gesellschaftsorganen in einen Sachwalterverdrängungs-, Schuldner-, Eigenverwaltungs- und Überschneidungsbereich vorzunehmen. Für deren weitere Einzelheiten sei auf die Ausführungen im vierten Kapitel verwiesen.413 bb) Ausstrahlung des Insolvenzrechts auf die Organkompetenzen Der insolvenzrechtlichen Modifikation der Organkompetenzen414 sind wegen der Vermögensbezogenheit des Insolvenzverfahrens Grenzen gesetzt. Sie ___________ 411

Uhlenbruck, FS Kirchhof, 479, 498, 500 und 506. Uhlenbruck, FS Kirchhof, 479, 500: „Im Rahmen der Verfahrensdurchführung gibt es für das Schuldnerunternehmen keinen Verdrängungsbereich, wie etwa in der Regelinsolvenz. Die Gesellschaft […]erhält vielmehr durch die Verfahrenseröffnung zusätzliche Kompetenzen, die im Regelverfahren nur dem Insolvenzverwalter zustehen“. 413 Kapitel 4 A., Seite 182. 414 Zu deren grundsätzlichen Bejahung siehe soeben b) a. E., Seite 273 ff. 412

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3. Teil: Die Rechtsstellung der Organe einer AG in Eigenverwaltung

kann sich nur auf diejenigen Rechte und Pflichten beziehen, die Massebezug haben, also dem Eigenverwaltungsbereich zuzuordnen sind.415 Allerdings erschöpft sie sich nicht bloß in der Bindung an den geänderten Gesellschaftszweck und an das vorgegebene Verfahrensziel.416 (1) Inhaltliche Beschränkung der Organkompetenzen durch § 1 S. 1 InsO Die wichtigste Veränderung der Organkompetenzen liegt in ihrer Bindung an den Zweck des Insolvenzverfahrens (§ 1 S. 1 InsO). Primär ist gem. §§ 270 I 2, 1 S. 1 InsO allerdings nur die Gesellschaft als Schuldnerin diesem Zweck verpflichtet. Eine Erstreckung auf ihre Organe lässt sich aber normativ auf zweifache Weise begründen: Einerseits aufgrund der Überlagerung des Gesellschaftszwecks durch § 1 S. 1 InsO und andererseits aufgrund der Überlegung, dass den Organen keine größere Rechtsmacht zustehen kann als der Gesellschaft selbst. Dabei ist aber zu beachten, dass nur der Vorstand einer allgemeinen, der Aufsichtsrat und die Hauptversammlung dagegen einer eingeschränkten Bindung an den Gesellschaftszweck unterliegen.417 § 1 S. 1 InsO beschränkt die Organkompetenzen nur inhaltlich und nicht gegenständlich in dem Sinne, dass die Gesellschaftsorgane insolvenzzweckwidrige Maßnahmen nicht mehr wirksam vornehmen können. Eine gegenständliche Beschränkung, wie sie vielfach für die Kompetenzen eines Insolvenzverwalters mit der Begründung vertreten wird,418 diesem werde die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis durch § 80 I InsO nur im den Grenzen des Verfahrenszwecks übertragen, kommt hier nicht in Betracht,419 da es an einem derartigen Übertragungstatbestand fehlt. Auf dieser Grundlage kann daher auch nicht, entgegen Uhlenbruck420, pauschal von der Nichtigkeit insolvenzzweckwidriger Maßnahmen der Gesellschaftsorgane ausgegangen werden, sondern ihr Schicksal muss aus den allgemeinen aktienrechtlichen Regelungen unter Berücksichtigung des § 1 S. 1 InsO bestimmt werden, was an anderer Stelle ausführlich geschehen soll.421 Im Ergebnis sind nur offensichtlich insolvenzzweckwidrige Handlungen ___________ 415

Vgl. etwa für den Vorstand A. III. 1. a), Seite 215 (Schuldnerbereich), und unten III. 1. a), Seite 289 (Eigenverwaltungsbereich). 416 So aber Uhlenbruck, FS Kirchhof, 479, 500. 417 Dazu jeweils unten III. 1. a), Seite 289 (Vorstand); Kapitel 6 B. II. 1. a), Seite 359 (Aufsichtsrat); Kapitel 7 Β. II. 1. a), Seite 408 (Hauptversammlung). 418 Kapitel 1 C. I. 4. a), Seite 82. 419 Weiterführend III. 1. d) aa), Seite 295, und Kapitel 1 C. I. 4. b), Seite 83. 420 Uhlenbruck, FS Kirchhof, 479, 502 (vgl. dortige Nachweise in Fußnote 92); ebenso H.-F. Müller, ZGR 2004, 842, 859. 421 III. 1. d), Seite 294 (Vorstand); Kapitel 6 B. I. 1. b), Seite 361 (Aufsichtsrat); Kapitel 7 B. I. 1. b), Seite 410 (Hauptversammlung).

Kap. 5: Der Vorstand in der Eigenverwaltung

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des Vorstands nach den Grundsätzen über den Missbrauch der Vertretungsmacht unwirksam, während schon einfach insolvenzzweckwidrige Beschlüsse des Aufsichtsrates nichtig, solche der Hauptversammlung dagegen lediglich gem. § 243 I Alt. 1 AktG anfechtbar sind. (2) Beachtung der Zustimmungsvorbehalte (§§ 275 ff. InsO) Eine weitere insolvenzrechtliche Beschränkung der Organkompetenzen liegt in den Einvernehmens- und Zustimmungsvorbehalten, die die §§ 275 ff. InsO zugunsten des Sachwalters und des Gläubigerausschusses anordnen. Wie noch zu zeigen ist, sind diese Mitwirkungsrechte zwar so auszulegen, dass sie ausschließlich Handlungen der Gesellschaft mit unmittelbarer Wirkung nach außen, nicht aber rein gesellschaftsinterne Maßnahmen erfassen.422 Doch kann neben dem Vorstand (§ 78 I AktG), auch der Aufsichtsrat (vgl. § 112 AktG) und im Einzelfall sogar die Hauptversammlung für die Gesellschaft mit Rechtswirkung im Außenverhältnis handeln und insoweit einem Mitwirkungsvorbehalt unterliegen.423 Die §§ 275 ff. InsO binden die Gesellschaftsorgane also gleichermaßen. Die Verletzung eines Mitwirkungsrechtes führt allerdings nur in den Fällen der § 277 InsO und des § 279 S. 3 InsO zur Unwirksamkeit der Organhandlung. (3) Insolvenzrechtliche Kontrolle der Gesellschaftsorgane Eine insolvenzrechtliche Modifikation der Organkompetenzen ist zudem in der Überwachung durch Sachwalter (§ 274 II InsO) und Gläubigerausschuss (§§ 69, 270 I 2 InsO)424 zu erblicken, die sich nicht nur auf den Vorstand beschränkt, sondern sämtliche Gesellschaftsorgane und auch rein gesellschaftsinterne Vorgänge erfasst. Insoweit sei auf die Ausführungen im sechsten Kapitel verwiesen.425 Zur Durchführung einer wirksamen Kontrolle stehen dem Sachwalter und dem Gläubigerausschuss diverse Einsichtnahme- und Auskunftsrechte sowie die Befugnis zur Verfügung, an den Sitzungen der Gesellschaftsorgane teilzu-

___________ 422

III. 3. a), Seite 299. Für die Einzelheiten sei auf III. 3. b), Seite 304 (Vorstand); Kapitel 6 B. II. 3., Seite 368 (Aufsichtsrat); Kapitel 7 B. II. 3., Seite 428 (Hauptversammlung). 424 Zur Befugnis des Gläubigerausschusses, den eigenverwaltenden Schuldner zu überwachen, siehe Kapitel 1 C. IV. 2. a), Seite 94. 425 Kapitel 6 B. II. 2., Seite 365. 423

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3. Teil: Die Rechtsstellung der Organe einer AG in Eigenverwaltung

nehmen und dort auch zu sprechen.426 Der Sachwalter ist im Rahmen einer ungeschriebenen Annexkompetenz zu § 274 II 1 InsO sogar berechtigt, insolvenzzweckwidrige Hauptversammlungsbeschlüsse analog § 245 Nr. 4 AktG anzufechten, was im siebten Kapitel erörtert wird.427 Überdies ist er befugt, die Nichtigkeit insolvenzzweckwidriger Aufsichtsratsbeschlüsse gem. § 256 ZPO feststellen zu lassen.428 Der Sachwalter ist somit in der Lage, aktiv in die gesellschaftsinternen Entscheidungsprozesse einzugreifen. Darin liegt ein struktureller Unterschied zu einem Eigenverwaltungsverfahren über das Vermögen einer natürlichen Person, auf deren Willensbildung naturgemäß durch den Sachwalter nicht rechtlich eingewirkt werden kann. Dort kann insolvenzzweckwidriges Verhalten allein durch die Aufhebung des Verfahrens (§ 272 I Nr. 1 und 2 InsO) sanktioniert werden. Dieser Unterschied findet seine innere Rechtfertigung aber in dem Umstand, dass die Gefahr eines Missbrauchs oder einer Verfahrensblockade, die bei der Eigenverwaltung einer Aktiengesellschaft aufgrund der Einbindung einer Vielzahl von Entscheidungsträgern sicherlich erhöht ist, auf diese Weise in gewissem Umfang kompensiert werden kann. cc) Das Verhältnis zwischen den Gesellschaftsorganen und den Beteiligten des Insolvenzverfahrens Aus dem grundsätzlichen Fortbestand der gesellschaftsrechtlichen Organkompetenzen folgt zwanglos, dass Kompetenzen der Gläubigerversammlung oder des Sachwalters nicht solche der Gesellschaftsorgane verdrängen oder ersetzen. Dass der Vorstand einer Kontrolle durch den Sachwalter und den Gläubigerausschuss untersteht, bedeutet daher nicht, dass er nicht auch parallel durch den Aufsichtsrat überwacht würde.429 Ebenso macht die Genehmigung des Sachwalters nicht eine fehlende Mitwirkung des Aufsichtsrates oder der Hauptversammlung entbehrlich. Ihm kommen keine innergesellschaftsrechtlichen Befugnisse zu, und sein Mitspracherecht (§§ 275 I 1, 277 I 1, 279 S. 2 und 3, 282 II InsO) beschränkt sich außerdem auf Maßnahmen, die eine unmittelbare Wirkung nach außen entfalten.430 ___________ 426 Siehe Kapitel 6 B. II. 2., Seite 365 (Aufsichtsrat); Kapitel 7 B. II. 2., Seite 427 (Hauptversammlung). 427 Kapitel 7 B. 1. b) bb) (3) (a), Seite 420. 428 Kapitel 6 B. II. 1. b) bb), Seite 363. 429 So aber etwa Prütting/Huhn, ZIP 2002, 777, 778 f.; zur Gegenargumentation vgl. unten III. 2., Seite 298 und ausführlich Kapitel 6 B. I. 2. a), Seite 355. 430 Dazu unten III. 3. a), Seite 299.

Kap. 5: Der Vorstand in der Eigenverwaltung

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Aus demselben Grunde sind Beschlüsse des Aufsichtsrats oder der Hauptversammlung, die sich in Widerspruch setzen zu einer Entscheidung der Gläubigerversammlung oder einer Anordnung des Sachwalters, nicht per se für die Vorstände „unbeachtlich“.431 Solche Beschlüsse können allerdings insolvenzzweckwidrig und damit nichtig bzw. anfechtbar sein.432 Der Vorstand kann dann, will er an sie nicht gebunden sein, Anfechtungs- (§ 245 Nr. 4 AktG) oder Nichtigkeitsfeststellungsklage (§ 256 ZPO) erheben. Der bloße Verstoß gegen eine Entscheidung von Gläubigerversammlung oder Sachwalter impliziert allerdings noch keine Insolvenzzweckwidrigkeit. Sie ist aber u. a. zu bejahen, wenn der Beschluss des Gesellschaftsorgans mit dem durch die Gläubigerversammlung im Rahmen des § 157 InsO vorgegebenen Verfahrensziel (Sanierung/Liquidation) nicht zu vereinbaren ist, da diese Vorgabe in den Insolvenzverfahrenszweck aufgeht.433 Die Gläubigerversammlung darf dabei nur über die wesentlichen Weichenstellungen des Verfahrens entscheiden, nicht über die Einzelheiten der Geschäftsführung; nur insoweit ist eine Bindung der Gesellschaftsorgane also anzuerkennen.434 dd) Geltung für die insolvenzrechtlichen Sonderbefugnisse Schließlich ist klar zu stellen, dass sich die gesellschaftsinterne Zuständigkeit zur Ausübung der insolvenzrechtlichen Sonderbefugnisse (§§ 279 S. 1, 282 I 1, 283 I 2, 284 I 2 InsO), die sonst nur einem Insolvenzverwalter zustehen, ebenfalls nach den allgemeinen gesellschaftsrechtlichen Regelungen bestimmt. Das schließen Prütting/Huhn kategorisch aus.435 Dass diese Befugnisse der Schuldnergesellschaft durch gerichtlichen Akt übertragen werden,436 rechtfertigt es allerdings nicht, sie gegenüber dem Verwaltungs- und Verfügungsrecht (§ 270 I 1 InsO) unterschiedlich zu behandeln. Das folgt zwingend aus ___________ 431 So aber Smid, DZWIR 2002, 493, 500 unter dem Gesichtspunkt einer protestatio facto contraria. Schon zum früheren Vergleichsrecht vertraten Ulmer, in: Hachenburg, GmbHG, 8. Auflage, § 63 Rn. 125 und K. Schmidt, in: Scholz, GmbHG, 8. Auflage, § 63 Rn. 84, dass Anordnungen des Vergleichsverwalters gegenüber den Geschäftsführern der Vergleichsschuldnerin, zu denen er kraft Gesetzes oder Gerichtsbeschluss befugt ist, der Vorrang vor abweichenden Weisungen der Gesellschafter zukomme. 432 Insolvenzzweckwidrige Beschlüsse des Aufsichtsrats sind nichtig (Kapitel 6 B. I. 1. b), Seite 361), solche der Hauptversammlung gem. § 243 I Alt. 1 AktG anfechtbar (Kapitel 7 B. I. 1. b) bb), Seite 414). 433 Siehe dazu III. 1. b), Seite 290. 434 Dazu ausführlicher unten III. 1. b), Seite 290. 435 A. A. Prütting/Huhn, ZIP 2002, 777, 781: „ein gesellschaftsrechtliches Vetorecht kann schwerlich rein insolvenzrechtliche Rechte und Pflichten wie z. B. die Aufgaben nach §§ 281 ff. InsO betreffen“. 436 Kapitel 1 C. I. 2. a) aa), Seite 48.

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3. Teil: Die Rechtsstellung der Organe einer AG in Eigenverwaltung

der Auslegung der §§ 270 ff. InsO und im Besonderen daraus, dass diese Kompetenzen gleichfalls dem „Schuldner“ (der Schuldnergesellschaft) verliehen werden437 und dass dieser auch im Hinblick auf die Sonderbefugnisse keine amtliche Stellung innehat.438 Die Gleichbehandlung ist außerdem im Interesse der Rechtssicherheit und -klarheit geboten, da sich Geschäftsleitung und Geschäftspartner andernfalls bei jeder einzelnen Maßnahme Klarheit darüber verschaffen müssten, ob diese einer entsprechenden Bindung unterliegt oder nicht. d) Zu einzelnen gesellschaftsrechtlichen Bindungen Hat der Vorstand einer Aktiengesellschaft in Eigenverwaltung also grundsätzlich Mitwirkungsrechte der übrigen Gesellschaftsorgane zu beachten, wie etwa §§ 82 II; 89; 111 IV S. 2 und 3439; 114; 246 II, 249 I; 293, 295 AktG440, so ist doch im Einzelfall zu überprüfen, ob sie nicht aufgrund des Zwecks der Eigenverwaltung und des Insolvenzverfahrens teleologisch zu reduzieren sind.441 Das ist letztlich nur bei den Holzmüller-Vorbehalten, § 179a AktG und § 308 I 1 AktG zu bezweifeln und soll daher näher überprüft werden. aa) Holzmüller/Gelatine-Sachverhalte Nach den vom BGH im Holzmüller-Urteil442 entwickelten und erst jüngst in den Gelatine-Entscheidungen konkretisierten Grundsätzen kommen ungeschriebene Mitwirkungsbefugnisse der Hauptversammlung ausnahmsweise dort in Betracht, wo eine von dem Vorstand in Aussicht genommene Umstrukturierung der Gesellschaft an die Kernkompetenz der Hauptversammlung, über die Verfassung der Aktiengesellschaft zu bestimmen, rührt, weil sie Veränderungen nach sich zieht, die denjenigen zumindest nahe kommen, welche allein durch eine Satzungsänderung herbeigeführt werden können.443 Wie für den Schuldnerbereich bereits nachgewiesen worden ist, steht weder die Insolvenz ___________ 437

Kapitel 1 C. I. 2. a) bb) (1) (a), Seite 49. Kapitel 1 C. I. 2. b) bb) (3), Seite 71. 439 Wie in Kapitel 6 B. I. 2. a), Seite 355 gezeigt wird, wird der Vorstand auch im Eigenverwaltungsbereich durch den Aufsichtsrat gem. § 111 I AktG überwacht. 440 Das gilt im Falle einer GmbH auch für das Weisungsrecht nach § 37 I GmbHG der Gesellschafter. 441 Dazu oben II. 2. b), Seite 273; so auch Noack, ZIP 2002, 1873, 1877. 442 BGH, Urteil vom 25. 2. 1982 – II ZR 174/80, NJW 1982, 1703 [Holzmüller]. 443 BGH, Urteil vom 26. 4. 2004 – II ZR 155/02, NJW 2004, 1860 [Gelatine II]; BGH, Urteil vom 26. 4. 2004 – II ZR 154/02, NZG 2004, 575 [Gelatine I]; mit zustimmenden Anmerkungen: Altmeppen, ZIP 2004, 999 ff.; Goette, DStR 2004, 927 f. Siehe zum Ganzen ausführlich oben A. III. 2. a), Seite 221. 438

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der Gesellschaft noch deren Auflösung durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens einer Anwendung dieser Regeln prinzipiell entgegen, da die Aktionäre auch in der Insolvenzsituation berücksichtigungswürdige Vermögensinteressen haben und einen Schutz vor Strukturveränderungen verdienen.444 Nichts anderes gilt für den Eigenverwaltungsbereich. Die Tatsache allein, dass der Gesellschaftszweck in diesem Bereich durch den Insolvenzverfahrenszweck überlagert wird – darin liegt der wesentliche Unterscheid zum Schuldnerbereich –, rechtfertigt keine andere Bewertung: Ebenso wenig wie die Unterworfenheit der Gesellschaft unter § 1 S. 1 den Fortbestand gesellschaftsrechtlicher Mitwirkungsrechte im Allgemeinen hindert,445 kann sie dem Fortbestand ungeschriebenen Hauptversammlungskompetenzen nach den Holzmüller-Regeln im Besonderen entgegenstehen. Eine teleologische Reduktion dieser Mitwirkungsvorbehalte aufgrund des Zwecks des Insolvenz- bzw. Eigenverwaltungsverfahrens ist daher auszuschließen. Somit kann auch bei Akten der Geschäftsführung im Eigenverwaltungsbereich nach den Holzmüller-Regeln ausnahmsweise eine ungeschriebene Mitwirkungsbefugnis der Hauptversammlung bestehen.446 Das Vorliegen der Voraussetzungen im Einzelnen unterstellt, hat der Vorstand die Hauptversammlung beispielsweise zu beteiligen, wenn er – wie im Verfahren Babcock Borsig in großem Stile geschehen447 – Umstrukturierungen im Konzern vornimmt, etwa eine Tochter- in eine Enkelgesellschaft „umhängt“448 oder das Gesellschaftsunternehmen bzw. wesentliche Teile davon veräußert,449 beispielsweise im Wege einer übertragenden Sanierung.

___________ 444

Dazu A. III. 2. a) bb), Seite 223, und ebenda cc), Seite 225. Siehe die Erörterungen unter a) aa) (4) (b), Seite 267. 446 A. A. Noack, ZIP 2002, 1873, 1879; i. E. auch Smid, DZWIR 2002, 493, 500. Noack, in: Kübler/Prütting, GesR, Rn. 118 hält Holzmüller-Vorbehalte auch hinsichtlich der Verfahrensrechte des Insolvenzplanverfahrens in einem regulären Verfahren für ausgeschossen (a. A. aber ders., in: Kübler/Prütting, GesR, Rn. 384), vgl. A. III. 2. a), Seite 221. 447 Ein anschauliches Beispiel für die Bandbreite derartiger Umstrukturierungen in einem Eigenverwaltungsverfahren vermittelt der Beitrag von Piepenburg, NZI 2004, 231, 232 zum Sanierungsverfahren von Babcock Borsig. 448 Für diese Fallgestaltung außerhalb eines Insolvenzverfahrens: BGH, Urteil vom 26. 4. 2004 – II ZR 155/02, NJW 2004, 1860 [Gelatine II]; BGH, Urteil vom 26. 4. 2004 – II ZR 154/02, NZG 2004, 575 [Gelatine I]. 449 Für diese Fallgestaltung außerhalb eines Insolvenzverfahrens: Semler, in: MHb GesR IV, § 94 Rn. 40; Rödder, in: Beck’sches Handbuch der AG, § 12 Rn. 23. 445

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3. Teil: Die Rechtsstellung der Organe einer AG in Eigenverwaltung

bb) Übertragung des gesamten Gesellschaftsvermögens (§ 179a AktG) Gem. § 179a AktG kann der Vorstand einen schuldrechtlichen Vertrag, durch den sich die Aktiengesellschaft zur Übertragung des gesamten Gesellschaftsvermögens verpflichtet, nur mit Zustimmung der Hauptversammlung wirksam schließen.450 „Das gesamte Gesellschaftsvermögen“ ist allerdings nicht wörtlich zu verstehen, vielmehr greift § 179a I AktG auch ein, wenn ein unwesentliches Vermögen bei der Gesellschaft zurückbleibt, das es ihr nicht erlaubt, satzungsmäßige Ziele, wenn auch in eingeschränktem Umfang, selbst zu verfolgen.451 Diese Bestimmung soll in erster Linie gewährleisten, dass der Vorstand mit dem Erwerber, vor allem wenn es sich dabei um einen bisherigen Großaktionär handelt, nicht zulasten der Aktionäre eine unangemessene Gegenleistung vereinbart, und bezweckt somit primär den Schutz der Vermögensinteressen der Aktionäre.452 Vereinzelt wird daneben auch ein Schutz vor Strukturveränderungen als sekundärer Zweck des § 179a AktG anerkannt.453 Zu Vermögensübertragungen dieser Größenordnung wird es im Zuge eines Eigenverwaltungsverfahrens vor allem dann kommen, wenn eine sanierende Übertragung angestrebt wird, da dies in aller Regel die Veräußerung des (so gut wie) ganzen Vermögens auf eine Auffanggesellschaft bedeutet.454 Es ist allerdings unklar, ob der Vorstand § 179a AktG in der Eigenverwaltung zu beachten hat. Noack verneint diese Frage mit der Begründung, die durch die Vorschrift primär bezweckte Wahrung der Vermögensinteressen der Aktionäre habe in der Insolvenz keine Bedeutung mehr, da bei Überschuldung keine Vermögenswerte mehr vorhanden seien, die an die Aktionäre verteilt werden könnten. Daher sei es sinnwidrig, der Hauptversammlung eine Überprüfung zu gestatten, ob die Gegenleistung angemessen sei. Für eine Kontrolle sorge der Gläubigerausschuss (§§ 276, 160 InsO), der die allein maßgeblichen Vermögensinteressen der Gläubigergemeinschaft wahre. Soweit § 179a AktG zudem einen Schutz vor Strukturveränderungen gewähre, habe dieser jedenfalls bei aufgelöster Gesellschaft keine Bedeutung mehr.455 ___________ 450 § 179a AktG erfasst dagegen nicht die zur Erfüllung dieses Vertrages erforderlichen weiteren Rechtsgeschäfte, Hüffer, AktG, § 179a Rn. 4. 451 BGH, Urteil vom 25. 2. 1982 – II ZR 174/80, NJW 1982, 1703 [Holzmüller]; Hüffer, AktG, § 179a Rn. 5. 452 Hüffer, AktG, § 179a Rn. 1; Kropff, in: Geßler/Hefermehl, AktG, § 361 a. F. Rn. 3; Kraft, in: KK zum AktG, § 361 a. F. Rn. 3; Noack, ZIP 2002, 1873, 1878; Henze, FS Boujong, 233, 246 f. 453 So Mertens, FS Zöllner, 385, 390; a. A. Henze, FS Boujong, 233, 247; offen lassend Noack, ZIP 2002, 1873, 1878. 454 Noack, ZIP 2002, 1873, 1878. 455 Noack, ZIP 2002, 1873, 1878.

Kap. 5: Der Vorstand in der Eigenverwaltung

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Diese Begründung vermag indes nicht zu überzeugen. Wie oben dargelegt wurde, ist auch in der Insolvenz ein schützenswertes Vermögensinteresse der Aktionäre anzuerkennen. Das gilt namentlich für den Fall einer lediglich drohenden Zahlungsunfähigkeit (§ 18 InsO), bei der ein überschüssiges Restvermögen, das nach Durchführung des Insolvenzverfahrens an die Aktionäre ausgekehrt werden könnte, regelmäßig vorhanden ist. Zwar kann, wie an anderer Stelle gesehen wurde, selbst im Falle der Überschuldung auf Basis einer Fortführungsprognose, wenn also das Unternehmen reorganisiert werden soll, ein Restwert der Anteile verbleiben.456 Allerdings ist in den Sachverhalten, in denen sich die Frage nach der Anwendbarkeit des § 179a AktG stellt, ja gerade die Veräußerung des Gesellschaftsvermögens, also die Liquidation des Gesellschaftsunternehmens beabsichtigt, so dass insoweit eine Zerschlagungsprognose zugrunde zu legen ist. Schützenswerte Vermögensinteressen der Aktionäre sind somit nur bei drohender Zahlungsunfähigkeit (§ 18 InsO) zu bejahen. Daher greift die Betrachtung von Noack zu kurz, die sich auf die Überschuldung (§ 19 InsO) beschränkt. Es wäre jedoch unter dem Gesichtspunkt der Rechtssicherheit und der Praktikabilität wohl kaum ratsam, § 179a AktG nur für die Fälle des § 18 InsO, nicht aber in denen der §§ 17, 19 InsO für anwendbar zu halten. Da das Eigenverwaltungsverfahren nach der Gesetzesbegründung außerdem gerade einen Anreiz zur frühzeitigen Antragstellung nach § 18 InsO bieten soll, erscheint es vorzugswürdig, in einer verallgemeinernden Betrachtungsweise von dem Bestehen eines schützenswerten Vermögensinteresses auszugehen und daher den Schutzzweck des § 179a AktG für generell einschlägig zu halten. Außerdem lässt sich neben dem Vermögensschutz doch auch ein gewisser „Strukturveränderungsschutz“ als Zweck des § 179a AktG ausmachen.457 Das kann man nicht nur aus der systematischen Stellung der Vorschrift in der Nähe zu den Regelungen, die die Veränderung des Unternehmensgegenstandes (§ 179 II AktG) und die Änderungen der Satzung betreffen, sondern vor allem aus ihrer Entstehungsgeschichte schließen: Nach der Gesetzesbegründung liegt der „wesentliche Zweck“ der Vorschrift darin, „die Zuständigkeit der Hauptversammlung für den Fall zu begründen, dass sich die wirtschaftliche Struktur des Unternehmens der Aktiengesellschaft ändert, ohne dass die Zuständigkeit der Hauptversammlung schon aus anderen Gründen, etwa durch das Erfordernis einer Satzungsänderung infolge der Veränderung des Unternehmensgegenstandes, gegeben ist.“458 Von § 179a AktG sollen ausdrücklich die Fälle der so genannten faktischen Satzungsänderungen erfasst werden. Eine solche Zweck___________ 456

Siehe oben A. III. 2. a) bb), Seite 223. So auch Mertens, FS Zöllner, 385, 390. 458 Begründung zu Artikel 6 Nr. 3 UmwBerG, BT-Drucks. 12/6699, S. 177. 457

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3. Teil: Die Rechtsstellung der Organe einer AG in Eigenverwaltung

richtung klingt auch schon im Holzmüller-Urteil des BGH an, wenn er ausführt, § 361 AktG a. F. (§ 179a AktG n. F.) wolle „die Gesellschafter dagegen sichern, dass die Gesellschaft ohne ihren Willen das Gesellschaftsvermögen als die Grundlage ihrer satzungsmäßigen Unternehmenstätigkeit völlig aus der Hand gibt.“459 Bezweckt § 179a AktG also auch einen solchen Schutz, dann wird dieser – entgegen Noack – nicht allein durch die Auflösung der Gesellschaft hinfällig. Vielmehr respektiert auch die Insolvenzordnung einen Schutz der Aktionäre vor Strukturveränderungen, was bereits an anderer Stelle belegt worden ist.460 Zudem ist der früher geäußerten Ansicht, § 179a AktG finde auf eine aufgelöste Gesellschaft angesichts ihres Abwicklungszwecks keine Anwendung,461 nicht Folge zu leisten, da der Zweck der Gesellschaft nach der hier vertretenen Ansicht im Rahmen des Eigenverwaltungsbereichs durch den Insolvenzverfahrenszweck überlagert wird und daher nicht notwendigerweise auf die Liquidation ihres Vermögens gerichtet ist (vgl. § 1 S. 1 InsO).462 Schließlich bewirkt auch der Umstand, dass neben der Hauptversammlung auch die Gläubigerausschuss gem. §§ 276, 160 InsO ihre Zustimmung zu der Veräußerung geben muss, keine Verdrängung des § 179a AktG.463 Parallele Kompetenzen zwischen Gesellschaftsorganen und den Beteiligten des Insolvenzverfahrens bestehen in der Eigenverwaltung in vielerlei Hinsicht und lassen nicht pauschal nur eine Behinderung des Verfahrens befürchten. Ebenso gut bietet die doppelte Kontrolle eine Gewähr dafür, dass die Interessen der Gläubiger optimal geschützt werden. Nach alldem ist die teleologische Basis für § 179a AktG in der Insolvenz also nicht entfallen, so dass die Vorschrift in der Eigenverwaltung Geltung bewahrt.

___________ 459

ler]. 460

BGH, Urteil vom 25. 2. 1982 – II ZR 174/80, NJW 1982, 1703, 1704 [Holzmül-

Dazu eingehend A. III. 2. a) cc), Seite 225. Möhring/Nirk/Tank, Handbuch der AG, Band I, 2. Auflage, Rn. 733 (zitiert nach Meyer, S. 28); a. A. die ganz herrschende Meinung: Noack, ZIP 2002, 1873, 1878; Hüffer, AktG, § 268 Rn. 3, § 179a Rn. 21; Kraft, in: KK zum AktG, § 268 Rn. 12; nunmehr auch Nirk, in: Handbuch der AG, Band I, 3. Auflage, Rn. 1870. 462 Siehe unten III. 1. a), Seite 289. 463 Vgl. dazu allgemein II. 2. c) cc), Seite 280. 461

Kap. 5: Der Vorstand in der Eigenverwaltung

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cc) Weisungen der Muttergesellschaft (§ 308 I 1 AktG) Mit Eröffnung eines regulären Insolenzverfahrens über das Vermögen einer beherrschten Aktiengesellschaft464 wird nach verbreiteter Ansicht die Wiesungsbefugnis der herrschenden Gesellschaft aus § 308 I AktG gegenüber deren Vorstand suspendiert, da das Verfügungsrecht gem. § 80 I InsO auf den Verwalter übergeht und eine Weisungsgebundenheit mit dessen unabhängiger Stellung als Amtswalter (§ 56 InsO) nicht zu vereinbaren ist.465 Auf die Unvereinbarkeit der Unternehmensverträge mit dem Abwicklungszweck kann man jedoch nicht abstellen, weil ein solcher in der Insolvenz nicht maßgeblich ist.466 Eine automatische Beendigung wie im früheren Konkursverfahren ist unter Geltung der Insolvenzordnung dagegen abzulehnen.467 Denn da das Unternehmen nicht zwangsläufig zerschlagen wird, sondern auch fortgeführt werden kann (vgl. § 1 S. 1 InsO), muss auch die Möglichkeit bestehen, dass der Unternehmensvertrag wiederauflebt, wenn das Insolvenzverfahren beendet und die Gesellschaft fortgesetzt wird (§ 274 II 1 AktG).468 Einige Stimmen in der Literatur gehen indessen sogar so weit zu vertreten, dass die Weisungsbefugnis bei Anordnung der Eigenverwaltung nicht suspendiert werden bzw. beim Übergang von der Fremd- zur Eigenverwaltung (§ 271 InsO) wiederaufleben soll.469 Daran sind allerdings Zweifel angebracht. Zwar verliert der eigenverwaltende Schuldner seine Verfügungsbefugnis nicht (§ 270 I 1 InsO) und hat auch keine der Amtsstellung des Insolvenzverwalters ver___________ 464 Davon zu unterscheiden ist der Fall der Insolvenz der Obergesellschaft, die oben unter I. 1. b), Seite 234 abgehandelt worden ist. 465 Böcker, GmbHR 2004, 1257, 1258; Koppensteiner, in: KK zum AktG, 3. Auflage, § 297 Rn. 47; Noack, in: Kübler/Prütting, GesR, Rn. 726; Zeidler, NZG 1999, 692, 697 (für die GmbH). Kritisch Altmeppen, in: MK zum AktG, § 287 Rn. 117 f., nach dem es bei verständiger Interpretation des § 302 AktG zu einer Insolvenz der abhängigen Gesellschaft nicht kommen kann, solange das herrschende Unternehmen solvent sei; dagegen Krieger, FS Metzeler, 139, 148. Zur Begründung siehe auch BGH, Urteil vom 14. 12. 1987 – II ZR 170/87, der freilich noch von einer automatischen Beendigung ausging. 466 So aber noch der BGH, Urteil vom 14. 12. 1987 – II ZR 170/87, NJW 1988, 1326, 1327 zum früheren Konkursrecht. Dagegen aber schon oben I. 1. b), Seite 234. 467 So aber Hüffer, AktG, § 264 Rn. 11, § 297 Rn. 7, 22; Krieger, in: MHb GesR IV, § 70 Rn. 172; Altmeppen, in: MK zum AktG, § 297 Rn. 43; Uhlenbruck, in: Braun/Uhlenbruck, Unternehmensinsolvenz, S. 93 (allerdings zweifelnd auf S. 94). 468 K. Schmidt, ZGR 1983, 513, 530 f.; Koppensteiner, in: KK zum AktG, 3. Auflage, § 297 Rn. 47. 469 Noack, in: Kübler/Prütting, GesR, Rn. 726; Zeidler, NZG 1999, 692, 697 (für die GmbH); Böcker, GmbHR 2004, 1257, 1258; wohl auch Tschernig, S. 101; zu weitgehend Ehricke, ZInsO 2002, 393, 398, der insolvente (Mutter- und Tochter-)Unternehmen eines Konzerns in Eigenverwaltung gemeinschaftlich durch einen sog. „Masterplan“ sanieren will; a. A. Krieger, FS Metzeler, 139, 149.

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3. Teil: Die Rechtsstellung der Organe einer AG in Eigenverwaltung

gleichbare Position inne,470 so dass die für eine Suspension der Weisungsbefugnisse im Regelverfahren vorgertragenen Gründe hier nicht durchgreifen. Doch ist die Eigenverwaltung wie jedes Insolvenzverfahren in erster Linie ein Gesamtvollstreckungsverfahren zugunsten der Gläubiger der beherrschten Gesellschaft. Den Schuldner verfügungsbefugt zu belassen, verfolgt hier allein den Zweck, ihre optimale Befriedigung zu verwirklichen. Damit verträgt es sich aber nicht, wenn das Unternehmen im Konzernverbund fortgeführt und durch eine andere Gesellschaft im Konzerninteresse dominiert wird. Vielmehr besteht hier wegen der haftungsrechtlichen Zuweisung des Gesellschaftsvermögens an die Gläubiger der beherrschten Gesellschaft (§ 35 InsO) überhaupt kein Raum für die Interessen der Obergesellschaft. Damit ist aber zugleich die Grundlage der Konzernleitungsmacht entfallen, die nach dem BGH in der Befugnis zu sehen ist, „eine das Konzernganze umfassende unternehmerische Zielkonzeption zu entwickeln […] und diese in der beherrschten Gesellschaft auch durchzusetzen“471. Wie für das reguläre Verfahren muss daher auch für die Eigenverwaltung über das Vermögen einer beherrschten Aktiengesellschaft gelten, dass die Unternehmensverträge und damit die Weisungsrechte der herrschenden Gesellschaft so lange ruhen, bis das Insolvenzverfahren beendet wird und damit die Möglichkeit der Fortsetzung besteht.472 III. Insolvenzrechtliche Bindungen Neben den gesellschaftsrechtlichen Bindungen wird der Vorstand bei der Durchführung des Eigenverwaltungsverfahrens vor allem insolvenzrechtlichen Beschränkungen unterworfen.473 1. Bindung an den Insolvenzverfahrenszweck (§ 1 S. 1 InsO) Zunächst ist zu klären, ob sich der Vorstand bei der Wahrnehmung der ihm im Eigenverwaltungsbereich zugewiesenen Zuständigkeiten am Gesellschaftszweck oder am Insolvenzverfahrenszweck zu orientieren hat (1.), welchen Inhalt diese Verpflichtung hat (2.), ob Interessenkollisionen auftreten können (3.) ___________ 470

Dass der Schuldner keine amtliche Stellung innehat, wurde oben in Kapitel 1 C. I. 2. b) bb), Seite 66 festgestellt. 471 BGH, Urteil vom 14. 12. 1987 – II ZR 170/87, NJW 1988, 1326, 1327. 472 I. E. ebenso Krieger, FS Metzeler, 139, 149. 473 Zur Modifikation der verbandsinternen Kompetenzen durch das Insolvenzrecht und das Verhältnis gesellschaftsrechtlicher und insolvenzrechtlicher Bindungen siehe oben, II. 2. b), Seite 273, und ebenda c), Seite 276.

Kap. 5: Der Vorstand in der Eigenverwaltung

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und ob bzw. unter welchen Voraussetzungen insolvenzzweckwidrige474 Verfügungen nichtig sind (4.). a) Die Maßgeblichkeit des Zwecks des Insolvenzverfahrens Die Maßgeblichkeit des Insolvenzverfahrenszwecks für den Vorstand ist zwar allgemein anerkannt,475 unklar ist allerdings der normative Ansatz. Einerseits kann man diese Bindung aus dem Gesellschaftszweck der eigenverwaltenden Aktiengesellschaft ableiten. Nach allgemeiner Ansicht sind die Vorstandsmitglieder bei ihrer Geschäftsführung (§ 77 I 1 AktG) an den Zweck der Aktiengesellschaft gebunden.476 Nach der hier vertretenen Ansicht wird der Gesellschaftszweck, der bei einer gesunden Gesellschaft grundsätzlich auf eine werbende Tätigkeit mit Gewinnerzielungsabsicht gerichtet ist, durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht gänzlich durch einen Abwicklungszweck verdrängt, sondern lediglich partiell durch den Insolvenzverfahrenszweck (§ 1 S. 1 InsO) überlagert.477 Da die Eigenverwaltung aber wie jedes Insolvenzverfahren vermögensorientiert ist,478 beschränkt es sich notwendigerweise gegenständlich auf die Insolvenzmasse, so dass eine Überlagerung des Gesellschaftszwecks nur insoweit erfolgen kann, als die Masse i. S. d. § 35 InsO betroffen ist. Da der Massebezug gerade das Wesensmerkmal der in diesem Abschnitt besprochenen Rechte und Pflichten des Eigenverwaltungsbereichs darstellt, ___________ 474 Zumeist wird im Zusammenhang mit § 1 S. 1 InsO lediglich vom „Insolvenzzweck“ oder von „Insolvenzzweckwidrigkeit“ gesprochen. Das ist allerdings unpräzise, da es nicht um den Zweck der Insolvenz geht (der ohnehin nur schwer zu bestimmen wäre), sondern des ihretwegen durchgeführten Verfahrens. Der besseren Verständlichkeit halber soll aber auch in dieser Arbeit, zumindest was die „Insolvenzverfahrenszweckwidrigkeit“ angelangt, vereinfachend der Begriff „Insolvenzzweckwidrigkeit“ Verwendung finden. 475 Etwa Schlegel, S. 124; Huhn, Rn. 592 und 609; Noack, ZIP 2002, 1873, 1875; Uhlenbruck, in: Uhlenbruck, InsO, § 80 Rn. 3. 476 Hüffer, AktG, § 82 Rn. 9; Kübler, § 15 III 4 a; H.-F. Müller, S. 125; Pühler, in: Happ, AktR, 1.01 Rn. 7; Schlegel, S. 200; K. Schmidt, GesR, § 4 II. 3. b), S. 66; Westermann, FS Schnorr von Carolsfeld, 517, 531; Würdinger, § 10 II 1 b. Unterschiedlich ist lediglich die rechtliche Begründung: Teilweise wird der Gesellschaftszweck als im Unternehmensgegenstand (§ 23 III Nr. 2 AktG) inkorporiert angesehen (a. A. die h. M., etwa Kraft, in: KK zum AktG, § 23 Rn. 43), so dass sich die Beschränkung unmittelbar aus § 82 II AktG ergebe (z. B. Pühler, in: Happ, AktR, 1.01 Rn. 7), richtigerweise folgt dies aber aus dem Begriff der Geschäftsführungsmaßnahme selbst, i. e. als „Maßnahme zur Verfolgung des Gesellschaftszwecks“ (z. B. Westermann, FS Schnorr von Carolsfeld, 517, 531; Zöllner, Stimmrechtsmacht, S. 323). 477 Vgl. oben Kapitel 2, B. II. 2. b) cc), Seite 128. 478 Bundesregierung, Begründung RegE InsO, BT-Drucks. 12/2443, S. 77, insbesondere auch S. 83.

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3. Teil: Die Rechtsstellung der Organe einer AG in Eigenverwaltung

wird der Vorstand bei deren Wahrnehmung also durch den Insolvenzverfahrenszweck (§ 1 S. 1 InsO) gebunden.479 Soweit Maßnahmen der Geschäftsführung betroffen sind,480 folgt die (inhaltliche) Beschränkung der Organkompetenzen also aus der Überlagerung des Gesellschaftszwecks.481 Andererseits kann man die Maßgeblichkeit des § 1 S. 1 InsO daraus herleiten, dass diese Vorschrift die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des eigenverwaltenden Schuldners, d. h. der Aktiengesellschaft beschränkt und die Rechtsmacht ihrer Organe, die diese Befugnis für die Gesellschaft ausüben, denknotwendig nicht darüber hinausgehen kann. Die Bindung des Vorstands an den Insolvenzverfahrenszweck ergibt sich daher auch aus §§ 270 I 2, 1 S. 1 InsO i. V. m. § 78 I AktG.482 b) Das Verhältnis von Verfahrenszweck und Verfahrensziel Gem. § 1 S. 1 InsO dient das Insolvenzverfahren dazu, die Gläubiger eines Schuldners gemeinschaftlich zu befriedigen, indem das Vermögens des Schuldners verwertet und der Erlös verteilt oder in einem Insolvenzplan eine abweichende Regelung insbesondere zum Erhalt des Unternehmens getroffen wird. Bei dieser Definition der „Ziele des Insolvenzverfahrens“ – so die amtliche Überschrift – sind allerdings Verfahrenzweck und Verfahrensziel zu unterscheiden. Der Hauptzweck483 des Insolvenzverfahrens besteht darin, die Gläubiger des Schuldners gemeinschaftlich zu befriedigen (§ 1 S. 1 Hs. 1 InsO), ge___________ 479 Im Ergebnis ebenso: AG Duisburg, Beschluss vom 1. 9. 2002 – 62 IN 167/02, NZI 2002, 556, 558 [Babcock Borsig] ausdrücklich für die Eigenverwaltung; in diese Richtung auch Noack, ZIP 2002, 1873, 1875. 480 Maßnahmen des Vorstands sind ganz überwiegend solche der Geschäftsführung (§ 77 AktG). Denn dieser Begriff ist weit zu verstehen und umfasst jedwede tatsächliche oder rechtsgeschäftliche Tätigkeit für die AG. Außerdem findet im Aktienrecht eine Unterscheidung zwischen Grundslagen- und Geschäftsführungsmaßnahme nicht statt (vgl. Hüffer, AktG, § 77 Rn. 3, 4. m. w. N.). Etwas anderes gilt allerdings für die Hauptversammlung und den Aufsichtsrat, bei denen die Bindung an § 1 S. 1 daher anders zu begründen ist, vgl. Kapitel 6 B. II. 1. a), Seite 359 und Kapitel 7 B. II. 1. a), Seite 408. 481 Vgl. auch Gutsche, Rn. 327; Schneider, FS Oppenhoff, 249, 250. 482 So offenbar i. E. das AG Duisburg, Beschluss vom 1. 9. 2002 – 62 IN 167/02, NZI 2002, 556, 559: „Die Gesellschafter [einer GmbH] sind aber bei der Ausübung ihrer Befugnisse im Rahmen der Eigenverwaltung an den Zweck des Insolvenzverfahrens gebunden (§§ 270 I, 1 InsO)“. Wohl schon Schlegel, S. 192 (zur Bindung der Gesellschafter einer GmbH). 483 So die Bundesregierung, Begründung RegE InsO, BT-Drucks. 12/2443, S. 83. „Nebenzwecke“ sind die Restschuldbefreiung (§ 1 S. 2 InsO) und die Vollabwicklung des Schuldnervermögens (§ 199 S. 2 InsO), vgl. Bundesregierung, Begründung RegE InsO, BT-Drucks. 12/2443, S. 83 f.

Kap. 5: Der Vorstand in der Eigenverwaltung

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nauer die bestmögliche und gleichberechtigte Gläubigerbefriedigung.484 Davon zu trennen sind die Mittel, durch die dieser Zweck zu erreichen ist und von denen § 1 S. 1 Hs. 2 InsO („indem“) die beiden wichtigsten benennt, nämlich die Verwertung und Verteilung (Liquidation) oder der Erhalt des Unternehmens (Sanierung). Als dritte Variante verbleibt, wenn es sich beim Schuldner um keine natürliche Person handelt, die Möglichkeit einer Reorganisation, d. h. die Sanierung des Unternehmensträgers.485 Als Ausdruck der haftungsrechtlichen Zuweisung der Insolvenzmasse an die Gläubiger steht die Entscheidungsgewalt über das Mittel der Befriedigung, also über die Verwertungsart, gem. §§ 157 S. 1, 270 I 2 InsO ausschließlich der Gläubigerversammlung zu; sie kann ihre Entscheidung gem. §§ 157 S. 3, 270 I 2 InsO im Laufe des Verfahrens sogar abändern. Nur die Reorganisation verlangt die Mitwirkung der Schuldnergesellschaft.486 Es fragt sich deshalb, in welchem Verhältnis das von der Gläubigerversammlung vorgegeben Verfahrensziel zum Verfahrenszweck steht und was das für die Zweckbindung des Vorstands der eigenverwaltenden Gesellschaft bedeutet. Nach der amtlichen Begründung verbürgen privatautonome Entscheidungen ein höheres Maß an wirtschaftlicher Effizienz als eine hoheitliche Regulierung, so dass die privatautonomen Verhandlungen und Austauschvorgänge zwischen den Gläubigern in der Gläubigerversammlung, also der „Wettbewerb um die beste Verwertungsart“, die Verwirklichung des wirtschaftlichen Optimums garantieren.487 Flankiert und abgesichert durch die Bestimmungen, die eine Gleichbehandlung der Gläubiger gewährleisten,488 trägt die von den Gläubigern gewählte Verwertungsart daher die Vermutung in sich, die für das konkrete Verfahren bestmögliche Befriedigung der Gläubiger zu sein. Das erlaubt eine Gleichsetzung von Verfahrensziel und Verfahrenszweck.489 Umgekehrt besteht kein Raum für einen von dem konkret vorgegebenen Verfahrenziel abstrahierten Verfahrenszweck. Der eigenverwaltende Schuldner ist daher an eine Liquidationsentscheidung der Gläubiger auch dann gebunden, wenn eine Sanierung objektiv betrachtet für die Gläubiger die günstigere Verwertungsform dar___________ 484 Hüffer, in: MK zum AktG, § 264 Rn. 39; Schlegel, S. 116; vgl. auch BGH, Urteil vom 25. 4. 2002 – IX ZR 313/99, NJW 2002, 2783, 2785; BGH, Urteil vom 13. 3. 2003 – IX ZR 64/02, NZI 2003, 315, 316. 485 Vgl. Bundesregierung, Begründung RegE InsO, BT-Drucks. 12/2443, S. 77. Die drei Verwertungsarten sollen gleichrangig nebeneinander stehen (Bundesregierung, ebenda S. 77 f.). 486 Vgl. Kapitel 7 A. II. 3., Seite 387. 487 Bundesregierung, Begründung RegE InsO, BT-Drucks. 12/2443, S. 78. 488 Etwa § 78 I InsO. 489 So im Ergebnis, allerdings ohne Begründung: Huhn, Rn. 727 f.; H.-F. Müller, S. 126 (für das Regelverfahren); Uhlenbruck, FS Kirchhof, 479, 496; Piepenburg, NZI 2004, 231, 238.

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3. Teil: Die Rechtsstellung der Organe einer AG in Eigenverwaltung

stellte. Dem Schuldner den Einwand einer vermeintlich besseren Verwertungsalternative zu belassen, konterkarierte außerdem den Grundsatz der Gläubigerautonomie und gefährdete den Verfahrenserfolg erheblich. Eine Gleichsetzung von Verfahrensziel und Verfahrenszweck versagt indessen bei der Reorganisation des Schuldners, die gegen seinen Willen nicht durchgeführt und deshalb auch nicht durch die Gläubigerversammlung vorgegeben werden kann.490 In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass die Zuständigkeiten der Gläubigerversammlung in der Insolvenzordnung abschließend aufgezählt sind.491 Über Maßnahmen, die die Verwaltung und die Verwertung des Schuldnervermögens betreffen, darf sie beispielsweise nur entscheiden, wenn sie für das Verfahren besonders wichtig sind (§§ 160, 162 f. InsO), andernfalls liegt die Entscheidung allein beim Insolvenzverwalter (reguläres Verfahren) bzw. beim eigenverwaltenden Schuldner (§ 276 S. 2 InsO). Wäre sie befugt, über jede unbedeutende Geschäftsführungsmaßnahme zu entscheiden, widerspräche dies nicht nur dem Zweck der Eigenverwaltung, sondern käme einem Weisungsrecht gegenüber dem eigenverwaltenden Schuldner gleich, das der Gläubigerversammlung aber gerade nicht zusteht.492 Dies folgt auch aus § 277 I 1 InsO, nach dem die Gläubigerversammlung bestimmte Rechtsgeschäfte des Schuldners durch das Gericht nur von der Zustimmung des Sachwalters abhängig machen lassen kann. Die Gläubigerversammlung hat somit lediglich sozusagen eine „Richtlinienkompetenz“. Nur in diesem Rahmen ist eine Bindung der Gesellschaftsorgane zu bejahen. Aus diesen Gründen sind die Vorstandsmitglieder der Schuldnergesellschaft nach Anordnung der Eigenverwaltung prinzipiell zunächst verpflichtet, das Unternehmen bis zur Entscheidung der Gläubiger über den Fortgang des Verfahrens (§§ 157, 270 I 2 InsO) fortzuführen und die dazu notwendigen Rechtsgeschäfte abzuschließen, nur im Ausnahmefall dürfen sie das Unternehmen vor diesem Zeitpunkt stilllegen (§§ 158 I, 270 I 2 InsO). Ihnen ist es allerdings nicht gestattet, Maßnahmen zu ergreifen, die die Entscheidung der Gläubiger präjudizieren könnten, etwa die Kündigung von Mitarbeitern oder der Abschluss langfristig bindender Verträge.493 An den im Berichtstermin oder zu einem späteren Zeitpunkt gefassten oder geänderten Beschluss der Gläubigerversammlung sind sie gebunden, natürlich auch, wenn die Gläubiger gem. ___________ 490 Der Regierungsentwurf hat bewusst davon abgesehen, den Schuldner zwangsweise zu reorganisieren (Bundesregierung, Begründung RegE InsO, BT-Drucks. 12/2443, S. 83), wie dies noch die Kommission für Insolvenzrecht vorgeschlagen hatte (Kommission für InsR, Erster Bericht, Leitsatz 2.4.9.5 und Begründung zu Leitsatz 1.3.4.4, S. 152 ff.). 491 Vgl. etwa Häsemeyer, InsR, Rn. 6.12a. 492 Kapitel 1 C. IV. 1. a), Seite 94. 493 Huhn, Rn. 728.

Kap. 5: Der Vorstand in der Eigenverwaltung

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§§ 218 ff. InsO eine von den gesetzlichen Bestimmungen abweichende Verwertung im Rahmen eines Insolvenzplans wählen. c) Interessenkollision Verschiedentlich wird befürchtet, dass die Geschäftsleiter einer juristischen Person in Eigenverwaltung in Pflichten- und Interessenkollisionen geraten könnten, soweit bzw. weil sich ihre gegenüber den beteiligten Gläubigern bestehenden Pflichten und die mit ihrer Organstellung verbundenen Pflichten gegenüber der Gesellschaft überschneiden.494 Eben diese Bedenken haben die Kommission für InsR sogar dazu bewogen, von einer Einführung der Eigenverwaltung insgesamt abzuraten: Da der zum „Selbstverwalter“ bestellte Geschäftsleiter einer Kapitalgesellschaft in seiner Eigenschaft als Vertreter des Schuldners andere Aufgaben zu erfüllen und andere Belange wahrzunehmen habe als in seiner Eigenschaft als Insolvenzverwalter, würde er in eine Konfliktsituation gebracht, die ihn überfordere.495 Diese Befürchtungen sind – jedenfalls in rechtlicher Hinsicht – weitestgehend unbegründet. Denn aufgrund der Überlagerung des Gesellschaftszwecks durch die Gläubigerinteressen (§ 1 S. 1 InsO) wird die Gesellschaft im gesamten Eigenverwaltungsbereich sozusagen zugunsten der Gläubiger „altruisiert“. Diese Gleichschaltung lässt grundsätzlich keinen Raum für gegenläufige Interessen der Gesellschaft selbst oder ihrer Aktionäre, die für die Vorstandsmitglieder verbindlich sein könnten. Insoweit ist es daher auch missverständlich, von einem „Vorrang“ des Insolvenzverfahrenszwecks zu sprechen,496 da dies das Bestehen von eigenständigen Interessen auf Seiten der Gesellschaft voraussetzt. Zu einem Interessenwiderstreit kann es allein in dem absolut marginalen Bereich derjenigen Maßnahmen kommen, die sowohl den Schuldner- wie auch den Eigenverwaltungsbereich betreffen.497 Dieselben Gründe, die bei derartigen Maßnahmen eine Zustimmung der Schuldnergesellschaft in ihrer Eigenschaft ___________ 494 Götker, Rn. 1007; Gutsche, Rn. 316; skeptisch auch Uhlenbruck, FS Kirchhof, 479, 491. Von einem lediglich „faktischen“ Interessenwiderstreit geht Schlegel, S. 194 aus. Ebenso ist im US-amerikanischen Recht anerkannt, dass die Geschäftsleitung (directors) der insolventen Gesellschaft, die im Reorganisationsverfahren nach chapter 11 (debtor in possession) geführt wird, sowohl gegenüber den Gläubigern (creditors) wie auch gegenüber den Anteilseignern (shareholders) durch treuhänderische Pflichten (fiduciary duties) gebunden wird, vgl. Brown, 5/20/91 NLJ S10, col. 1; Miller, 23 Seton Hall L. Rev. 1467 (1993). 495 Kommission für InsR, Erster Bericht, Begründung zu Leitsatz 1.3.1.1, S. 125 f. Dieses Konzept wurde aber nicht in die Insolvenzordnung übernommen, vgl. II. 2. a) (3) (a) (bb), Seite 258. 496 So aber Schlegel, S. 198; Uhlenbruck, FS Kirchhof, 479, 497. 497 Sog. Überschneidungsbereich, dazu Kapitel 4 A. IV., Seite 185.

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3. Teil: Die Rechtsstellung der Organe einer AG in Eigenverwaltung

als Schuldnerin unverzichtbar machen,498 verbieten es allerdings zugleich, den Gläubigerinteressen bei diesen Interessenkollisionen per se den Vorrang einzuräumen. Hier muss eine einvernehmliche Lösung gefunden werden; erforderlichenfalls müssen die Gläubiger auf die Aufhebung der Eigenverwaltung als ultima ratio zurückgreifen. Vor den faktisch existierenden Interessenkollisionen kann man dagegen nicht die Augen verschließen. Diese können einerseits dadurch entstehen, dass die übrigen Gesellschaftsorgane trotz ihrer ebenso bestehenden Bindung an den Insolvenzzweck499 Eigeninteressen gegen die Interessen der Gläubiger durchzusetzen und den Vorstand in dieser Hinsicht zu beeinflussen versuchen. Andererseits mögen auch die persönlichen Interessen des Vorstands zu den von den Gläubigern gemachten Vorgaben in Widerspruch treten, etwa wenn die durch die Gläubiger beschlossene Liquidation des Gesellschaftsunternehmens die Position des Vorstands am Ende selbst in Fortfall bringen wird. Etwaige widerstreitende Interessen zu versöhnen, stellt eine der wesentlichen Herausforderung des Vorstands in der Eigenverwaltung dar. Er ist aufgrund seiner hervorgehobenen Position dazu berufen, als Mittler zwischen Gläubigerausschuss bzw. Gläubigerversammlung und Hauptversammlung aufzutreten und auszuloten, inwieweit eine einvernehmliche Lösung zu Gunsten aller Beteiligten, insbesondere im Rahmen eines Insolvenzplans gefunden werden kann. Für den Regelfall ist jedoch davon auszugehen, dass die Interessen der Gesellschaft und ihrer Aktionäre mit denen der Gläubiger auch praktisch weitestgehend übereinstimmen. Denn die Durchführung der Eigenverwaltung wird häufig die einzige Hoffnung der Aktionäre sein, das Unternehmen und damit ihre Investition zu retten.500 d) Unwirksamkeit insolvenzzweckwidriger Verfügungen Mit der Bejahung einer Bindung der Vorstandsmitglieder an den Insolvenzverfahrenszweck des § 1 S. 1 InsO eng verbunden ist die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen insolvenzzweckwidrige Verfügungen der Aktiengesellschaft unwirksam sind, die ihr Vorstand in Vertretung der Gesellschaft vornimmt (§ 78 I AktG). Soweit überhaupt problematisiert, wird wohl allgemein ___________ 498 Vgl. Kapitel 4 A. IV., Seite 185. Die Gründe sind namentlich der fehlende Massebezug und – zumindest was die teileingezahlten vinkulierten Namensaktien betrifft – das ausdrückliche Absehen des Regierungsentwurfs von Zwangseingriffen in die gesellschaftsrechtlichen Verhältnisse der Schuldnergesellschaft. 499 III. 1. a), Seite 289 (Vorstand); Kapitel 6 B. II. 1. a), Seite 359 (Aufsichtsrat); Kapitel 7 B. II. 1. a), Seite 410 (Hauptversammlung). 500 Dazu bereits II. 2. a) aa) (4) (a), Seite 264.

Kap. 5: Der Vorstand in der Eigenverwaltung

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die Unwirksamkeit solcher Verfügungen befürwortet,501 allerdings mit oft gar keiner, jedenfalls aber unzutreffender rechtlicher Begründung. aa) § 81 InsO analog bzw. teleologische Reduktion des § 80 InsO Im Unterschied zum Regelinsolvenzverfahren, in dem eine insolvenzzweckwidrige Verfügung des Vorstands in aller Regel zugleich eine Verletzung der Kompetenzen des Insolvenzverwalters bedeutet (§ 80 I InsO),502 kann sich die Unwirksamkeit in der Eigenverwaltung jedoch nicht aus § 81 InsO ergeben, da die Aktiengesellschaft ihre Verfügungsmacht in vollem Umfang beibehält (§ 270 I 1 InsO).503 Außerdem kann auf diesen Fall auch nicht die Begründung der Unwirksamkeit insolvenzzweckwidriger Verfügungen eines Insolvenzverwalters übertragen werden, die die h. M. im Wege einer teleologischen Reduktion auf eine gegenständliche Beschränkung des gerichtlichen Übertragungsaktes im Rahmen des § 80 I InsO stützt.504 Denn in der Eigenverwaltung mangelt es gerade an einem solchen Übertragungstatbestand.505 Im Besonderen wird das Verfügungsrecht auch nicht, wie vielfach behauptet wird, auf den zum „Eigenverwalter der Aktiengesellschaft“ bestellten Vorstand oder eines seiner Mitglieder übertragen, vielmehr ist die Aktiengesellschaft selbst Trägerin der eigenverwaltungsspezifischen Rechte und Pflichten.506 bb) Grundsätze über den Missbrauch der Vertretungsmacht Die Unwirksamkeit insolvenzzweckwidriger Verfügungen des Vorstands könnte allerdings aus den Grundsätzen über den Missbrauch der Vertretungsmacht hergeleitet werden. Im Gegensatz zu Verfügungen einer natürlichen Per___________ 501

Uhlenbruck, FS Kirchhof, 479, 502; H.-F. Müller, ZGR 2004, 842, 859; offenbar auch AG Duisburg, Beschluss vom 1. 9. 2002 – 62 IN 167/02, NZI 2002, 556, 559 (insolvenzzweckwidrige Weisungen der Gesellschafterversammlung einer GmbH an die Geschäftsführung seien nichtig) a. A. wohl Huhn, Rn. 610 ff. (für Verfügungen des eigenverwaltenden Schuldners ganz allgemein). 502 Dazu bereits oben A. III. 1. a), Seite 215. 503 Dieselbe Frage ergibt sich auch im Falle insolvenzzweckwidriger Beschlüsse der Hauptversammlung (Kapitel 7 B. II. 1. b), Seite 361), und des Aufsichtsrates (Kapitel 6 B. II. 1. b), Seite 410). 504 So aber Uhlenbruck, FS Kirchhof, 479, 502 (vgl. dortige Nachweise in Fußnote 92); H.-F. Müller, ZGR 2004, 842, 859. 505 Siehe dazu schon oben Kapitel 1 C. I. 4. b), Seite 83. 506 B. II. 2. a) cc), Seite 272. Schließt man sich dagegen der Theorie der Verdrängung an, ist die Unwirksamkeit insolvenzzweckwidriger Verfügungen des Vorstands einer Aktiengesellschaft in Eigenverwaltung dagegen in der Tat wie beim Insolvenzverwalter zu begründen.

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3. Teil: Die Rechtsstellung der Organe einer AG in Eigenverwaltung

son als Eigenverwalter, die Gegenstand des ersten Kapitels waren („Missbrauch der Eigenverwaltungsbefugnis“),507 oder zu Verfügungen eines Insolvenzverwalters508 geht es hier jedoch nicht um eine entsprechende Anwendung der Missbrauchsregeln. Denn anders als dort handelt der Vorstand einer Aktiengesellschaft in Eigenverwaltung in fremden Namen, verfügt über fremde Rechte und tritt also tatsächlich als Vertreter auf. Unter dem Begriff des Missbrauchs der Vertretungsmacht werden im Wesentlichen zwei Fallgruppen unterschieden: Kollusion und Rechtsmissbrauch. Wirken Vertreter und Geschäftsgegner bewusst zum Nachteil des Vertretenen zusammen (sog. Kollusion), ist das Rechtsgeschäft wegen Sittenwidrigkeit gem. § 138 I BGB nichtig.509 Dieser Ansatz wird indes in den hier diskutierten Fällen nur ausnahmsweise die Nichtigkeit begründen können. Denn die vertretene Person ist die eigenverwaltende Aktiengesellschaft, nicht etwa die Gläubiger oder die Insolvenzmasse. Da das gesamte Gesellschaftsvermögen aber den Gläubigern haftungsrechtlich zugewiesen ist, kann der Gesellschaft durch eine insolvenzzweckwidrige Rechtshandlung nur im Ausnahmefall und wohl nur mittelbar ein Nachteil entstehen. Demgegenüber ist nach ständiger Rechtsprechung und h. L. ein Fall des Rechtsmissbrauchs, der es dem Geschäftspartner nach § 242 BGB verbietet, sich auf das von dem Vertreter geschlossene Geschäft zu berufen, gegeben, wenn der Vertreter von seiner Vertretungsmacht in treuwidriger, den objektiven Interessen des Vertretenen widersprechender Weise Gebrauch gemacht hat und der Geschäftsgegner dies erkannt hat oder hätte erkennen müssen.510 Ein in diesem Sinne treuwidriger Gebrauch der Vertretungsmacht liegt u. a. vor, wenn das Rechtsgeschäft nicht durch den Geschäfts- oder Verbandszweck des Vertretenen gedeckt ist.511 Das gilt nach der Rechtsprechung des BGH namentlich

___________ 507

Siehe ausführlich Kapitel 1 C. I. 4. b), Seite 83. Eine weit verbreitete Ansicht in der Literatur und neuerdings auch der BGH gründen die Nichtigkeit evident insolvenzzweckwidriger Verfügungen des Insolvenzverwalters ebenfalls auf eine entsprechende Anwendung der Grundsätze über den Missbrauch der Vertretungsmacht, vgl. dazu Kapitel 1 C. I. 4. a), Seite 82. 509 Ständige Rechtsprechung, etwa BGH, Urteil vom 25. 10. 2002 – V ZR 243/01, NZG 2003, 532, 534; BGH, Urteil vom 17. 5. 1988 – VI ZR 233/87, NJW 1989, 26; Heinrichs, in: Palandt, BGB, § 164 Rn. 13. 510 BGH, Urteil vom 25. 10. 2002 – V ZR 243/01, NZG 2003, 532, 534 m. w. N.; BGH, Urteil vom 25. 3. 1968 – II ZR 208/64, BGHZ 50, 112, 114; Schramm, in: MK zum BGB, § 164 Rn. 113 ff.; Schilken, in: Staudinger, BGB, § 167 Rn. 94, 101. 511 BGH, Urteil vom 25. 10. 2002 – V ZR 243/01, NZG 2003, 532, 534; Schramm, in: MK zum BGB, § 164 Rn. 113; K. Schmidt, GesR, § 10 II. 2. c), S. 259; vgl. RG, Urteil vom 5. 11. 1934 – VI 180/34, RGZ 145, 311, 314 f. 508

Kap. 5: Der Vorstand in der Eigenverwaltung

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auch dann, wenn der Gesellschaftszweck durch die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens geändert worden ist.512 Da nun der Verbandszweck der Aktiengesellschaft in Eigenverwaltung in Angelegenheiten, die den Eigenverwaltungsbereich betreffen, gerade in dem Zweck einer optimalen Gläubigerbefriedigung i. S. d. § 1 S. 1 InsO besteht,513 handelt es sich bei insolvenzzweckwidrigen Verfügungen durch die Vorstandsmitglieder über die Insolvenzmasse stets um einen treuwidrigen Gebrauch ihrer Vertretungsmacht in diesem Sinne. Zum Schutze der Geschäftskreise des Schuldners ist für die Nichtigkeit allerdings eine offensichtliche Insolvenzzweckwidrigkeit zu verlangen.514 Die Wirksamkeit solchen Rechtshandlung hängt dann davon ab, ob der Geschäftsgegner die Insolvenzzweckwidrigkeit kannte oder hätte kennen müssen. Insoweit kann auf die Kriterien zurückgegriffen werden, die der BGH im Rahmen der Anwendung der Missbrauchsregeln auf Rechtshandlungen des Insolvenzverwalters aufgestellt hat: Voraussetzung für die Unwirksamkeit ist neben der Evidenz der Insolvenzzweckwidrigkeit, dass sich dem Geschäftspartner auf Grund der Umstände des Einzelfalls ohne weiteres begründete Zweifel an der Vereinbarkeit der Handlung mit dem Zweck des Insolvenzverfahrens aufdrängen mussten.515 Dass bei der Eigenverwaltung nach § 270 III 3 InsO eine Eintragung der Eröffnung des Insolvenzverfahrens ins Grundbuch (§ 32 InsO) und in die Register gem. § 31 InsO wie im Regelverfahren unterbleibt, wird in diesem Zusammenhang nur von untergeordneter Bedeutung sein, da die bloße Kenntnis der Insolvenzeröffnung, die ja allein aus einer Eintragung ersichtlich wäre, ohnehin nicht ausreichte. Ein Missbrauch der Vertretungsmacht liegt allerdings nicht vor, wenn der Vorstand lediglich ohne die nach §§ 275 I 1, 276 S. 1, 279 S. 2, 282 II InsO516 erforderliche Zustimmung des Sachwalters oder des Gläubigerausschusses handelt.517 Denn einerseits impliziert ein derartiger Verstoß gegen die Kompetenzordnung der Eigenverwaltung nicht notwendigerweise die Insolvenzzweckwidrigkeit der Maßnahme. Andererseits hat der Gesetzgeber dadurch, dass er nur den Vorbehalten der §§ 277 I, 279 S. 3 InsO eine Wirksamkeit im Außenverhältnis zugemessen hat, zum Ausdruck gebracht, dass eine solche Maßnahme ___________ 512 Vgl. BGH, Urteil vom 25. 10. 2002 – V ZR 243/01, NZG 2003, 532, 534 (Änderung des Zwecks einer auf Gewinnerzielung gerichteten werbenden Tätigkeit hin zur Abwicklung). 513 Der ursprüngliche Verbandszweck wird insoweit überlagert, siehe B. III. 1. a), Seite 289. 514 Sog. Evidenztheorie, vgl. dazu Schramm, in: MK zum BGB, § 164 Rn. 116 f. 515 Vgl. BGH, Urteil vom 25. 4. 2002 – IX ZR 323/99, NJW 2002, 2783. 516 Zum Anwendungsbereich dieser Zustimmungsvorbehalte siehe nachfolgend 3. a), Seite 299. 517 Vgl. auch Preuß, NZI 2003, 623, 629 (zum Insolvenzverwalter).

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3. Teil: Die Rechtsstellung der Organe einer AG in Eigenverwaltung

grundsätzlich wirksam sein soll. Anders verhält es sich jedoch bei Handlungen, die dem von den Gläubigern im Rahmen des § 157 InsO vorgegebenen Verfahrensziel (Sanierung/Liquidation) zuwiderlaufen, da dieses Verfahrensziel in den Insolvenzzweck aufgeht.518 2. Die Überwachung der Tätigkeit im Eigenverwaltungsbereich Die Erörterungen des ersten Kapitels haben ergeben, dass der eigenverwaltende Schuldner im Rahmen der ihm speziell in der Eigenverwaltung zugeordneten Rechte und Pflichten sowohl durch den Sachwalter (§ 274 II 1 InsO) wie auch durch den Gläubigerausschuss (§§ 270 I 2, 69 S. 1 InsO),519 nicht dagegen durch das Insolvenzgericht überwacht wird.520 Dementsprechend bezieht sich in einem Eigenverwaltungsverfahren über das Vermögen einer Aktiengesellschaft diese Aufsicht auf die Gesellschaft als solche und nicht nur ihren Vorstand, da nach richtiger Auffassung diese selbst Trägerin der eigenverwaltungsspezifischen Rechte und Pflichten ist.521 Die Gesellschaft selbst ist jedoch nicht handlungsfähig, sondern wird bei der Wahrnehmung dieser Rechte und Pflichten in dem oben dargestellten Umfang522 durch ihren Vorstand gesetzlich vertreten (§ 78 I AktG). Insoweit muss notwendigerweise die Tätigkeit des Vorstands Gegenstand der Überwachung sein. Seine Handlungen sind der Gesellschaft zuzurechnen und lassen sich daher unter den Begriff der „Geschäftsführung“ im Sinne des § 274 II 1 InsO und des § 69 S. 1 InsO subsumieren.523 Hinsichtlich der Kontrollinstrumente sei auf die Ausführungen in Kapitel 6 und 7 verwiesen.524 Parallel zu der Aufsicht durch Sachwalter und Gläubigerausschuss untersteht der Vorstand zudem der Überwachung durch den Aufsichtsrat nach § 111 I AktG, die sich entgegen verbreiteter Ansicht in der Literatur auch auf die Tä-

___________ 518 Dazu bereits b), Seite 290; a. A. offenbar Preuß, NZI 2003, 623, 629 (zum Insolvenzverwalter). 519 Zu dieser Befugnis des Gläubigerausschusses siehe oben Kapitel 1 C. IV. 2. 520 A. A. Schlegel, S. 168, dazu oben Kapitel 1 C. III., Seite 90. 521 Oben II. 2. a) cc), Seite 272. 522 I., Seite 231. 523 Zum Begriff der Geschäftsführung siehe unten Kapitel 6 B. II. 2., Seite 365. Die Überwachung erfasst im Übrigen auch Handlungen des Aufsichtsrates oder der Hauptversammlung im Eigenverwaltungsbereich, allerdings bedarf es hier einer eingehenderen Auseinandersetzung mit dem Begriff der Geschäftsführung im Sinne der §§ 274 II 1; 69 S. 1 InsO. 524 Kapitel 6 B. II. 2., Seite 365, und Kapitel 7 B. II. 2., Seite 427.

Kap. 5: Der Vorstand in der Eigenverwaltung

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tigkeit des Vorstands im Eigenverwaltungsbereich bezieht. Dieser Problematik widmet sich Kapitel 6 eingehend.525 3. Beachtung der Zustimmungsvorbehalte (§§ 275 ff. InsO) Der Schuldner in der Eigenverwaltung hat eine Reihe von Zustimmungsvorbehalten zu beachten, die zugunsten des Sachwalters (§§ 275 I, 277 I 1, 279 S. 2 und S. 3, 282 II InsO),526 oder des Gläubigerausschusses (§ 276 InsO) bestehen und die seine Verfügungsbefugnis zum Teil mit Wirkung gegenüber Dritten (§§ 277 I 1, 279 S. 3 InsO), überwiegend aber nur im Innenverhältnis gegenüber den Gläubigern beschränken.527 Handelt es sich beim Schuldner um eine Aktiengesellschaft, ist allerdings problematisch, ob diese Vorbehalte – das Vorliegen ihrer jeweiligen Voraussetzungen unterstellt – grundsätzlich sämtliche Maßnahmen des Vorstands erfassen können, oder ob ihrem Anwendungsbereich bestimmte Handlungen entzogen sind. Das mag ein Beispiels illustrieren: So leuchtet es zwar ohne weiteres ein, dass der Vorstand die Zustimmung des Sachwalter einholen muss, wenn er in Vertretung der Gesellschaft ein zur Insolvenzmasse gehörendes Grundstück verkaufen möchte (§ 270 I 1 InsO), sofern dieses Geschäft nicht zum gewöhnlichen Geschäftsbetrieb gehört (§ 275 I 1 InsO) oder gar ein entsprechender Vorbehalt nach § 277 I 1 InsO angeordnet ist. Doch ist es zweifelhaft, ob auch in dem Fall, dass zu dieser Veräußerung intern die Zustimmung des Aufsichtsrats erforderlich ist (§ 111 IV 2 AktG), die Einberufung der Aufsichtsratssitzung (§ 110 I 1 AktG) bzw. der die Zustimmung erklärende Aufsichtsratsbeschluss (§ 108 I AktG) einem solchen Vorbehalt unterliegen kann. Da sich dieses Problem bei allen Gesellschaftsorganen gleichermaßen stellt, soll die Reichweite dieser Zustimmungsvorbehalte im Folgenden allgemein bestimmt werden. a) Reichweite der Zustimmungsvorbehalte Zur Bestimmung des Anwendungsbereichs der §§ 275 ff. in der Gesellschaftsinsolvenz ist zwischen solchen Handlungen der Gesellschaftsorgane zu unterscheiden, die unmittelbare Wirkung nach außen haben, und solchen mit lediglich gesellschaftsinterner Bedeutung.

___________ 525

Kapitel 6 B. I. 2., Seite 355. Im Folgenden kurz: „§§ 275 ff. InsO“. 527 Kapitel 1 C. I. 1. b), Seite 46. 526

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3. Teil: Die Rechtsstellung der Organe einer AG in Eigenverwaltung

aa) Handlungen mit unmittelbarer Außenwirkung Sofern Handlungen der Gesellschaftsorgane unmittelbar Rechtsfolgen im Außenverhältnis zeitigen, finden die Zustimmungsvorbehalte uneingeschränkt Anwendung. Das resultiert u. a. aus der oben gewonnenen Erkenntnis, dass in der Eigenverwaltung einer Aktiengesellschaft diese selbst und nicht etwa nur ihr Vorstand Träger der eigenverwaltungsspezifischen Rechte und Pflichten ist,528 so dass Handlungen „des Schuldners“ im Sinne dieser Vorschriften prinzipiell, d. h. allein abhängig von der verbandsinternen Kompetenzverteilung, durch sämtliche Gesellschaftsorgane vorgenommen werden können, sofern diese Handlungen nur der Gesellschaft als Schuldnerin zuzurechnen sind. Das ist bei Maßnahmen mit unmittelbarer Außenwirkung jedenfalls gegeben. Mit unmittelbarer Wirkung gegenüber Dritten handelt aber nicht nur der Vorstand der Aktiengesellschaft, wenn er z. B. als gesetzlicher Vertreter der Gesellschaft (§ 78 I AktG) über das zur Insolvenzmasse gehörende Gesellschaftsvermögen verfügt (§ 270 I 1 InsO), sondern auch der Aufsichtsrat, wenn er – gleichfalls als gesetzlicher Vertreter (§ 112 AktG) – den Anstellungsvertrag mit einem neuen Vorstandsmitglied abschließt (§ 270 I 1 InsO) oder einen bestehenden Vertrag kündigt (§§ 279 I 2, 113 InsO).529 Kann der Vorstand die Gesellschaft nur gemeinsam mit dem Aufsichtsrat (§§ 246 II 2, 249 I 1 AktG) oder der Hauptversammlung (§ 179a AktG530) wirksam vertreten, untersteht allerdings nur der Gesamtakt einem Vorbehalt nach §§ 275 ff. InsO, nicht die einzelnen Mitwirkungshandlungen.531 bb) Handlungen mit gesellschaftsinterner Wirkung Ob aber auch Handlungen der Gesellschaftsorgane, die lediglich interne Wirkung haben, von den Vorbehaltstatbeständen erfasst werden, ist dagegen fraglich. Das wurde offenbar für das Vergleichsverfahren von einer vereinzelten Auffassung vertreten, nach der Weisungsbeschlüsse von GmbH-Gesellschaftern durch §§ 58 ff. VglO, denen § 277 InsO nachgebildet ist,532 be___________ 528

II. 2. a) cc), Seite 272. Zu den zustimmungspflichtigen Rechtshandlungen des Aufsichtsrates siehe Kapitel 6 B. II. 3., Seite 368. 530 Zur Beschränkung der Vertretungsmacht des Vorstands im Umfang des § 179a I AktG siehe Hüffer, AktG, § 179a Rn. 13. Zur Anwendbarkeit im Eigenverwaltungsverfahren II. 2. d) bb), Seite 284. 531 Hierbei handelt es sich um jeweils nur intern wirkende Handlungen der Gesellschaftsorgane, die den §§ 275 ff. InsO nicht unterfallen können, vgl. die folgenden Ausführungen. 532 Wittig, in: MK zur InsO, § 277 Rn. 4; Riggert, in: Braun, InsO, § 277 Rn. 1. 529

Kap. 5: Der Vorstand in der Eigenverwaltung

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schränkt werden.533 Von der Antwort auf diese Frage hängt z. B. einerseits ab, ob und inwieweit die Gläubiger, insbesondere durch die Anordnung von Beschränkungen nach § 277 I 1 InsO, in die gesellschaftsinternen Abläufe und Entscheidungsprozesse eingreifen können,534 oder andererseits, ob bestimmte wirtschaftliche oder organisatorische Entscheidungen des Vorstands, wie z. B. die Aufgabe einer Geschäftschance oder die Umstrukturierung des Managements, also die Leitung der Gesellschaft (§ 76 I AktG) im tatsächlichen Sinne, der Kontrolle der Gläubiger unterstellt werden können. Da solche internen Handlungen nicht unmittelbar auf die Insolvenzmasse einwirken, könnte man zunächst bezweifeln, dass sie „potentiell nachteilige Auswirkungen auf die Insolvenzmasse“535 haben, so dass sie nicht dem Eigenverwaltungs-, sondern dem Schuldnerbereich zuzuordnen und damit dem Anwendungsbereich der §§ 275 ff. InsO insgesamt entzogen wären.536 Dann aber unterlägen sie auch weder einer Überwachung durch den Sachwalter, noch müssten sie dem Zweck einer optimalen Gläubigerbefriedigung (§ 1 S. 1 InsO) entsprechen, wohingegen die unmittelbar im Außenverhältnis wirkenden Handlung, die u. U. durch diese Maßnahmen vorbereitet werden, eben diese Bindungen zu beachten hätten. Da eine derartige Inkongruenz aber erhebliche innerverbandliche Spannungen und Friktionen auszulösen drohte, kann eine solche Annahme nicht gehalten werden. Der Eigenverwaltungsbereich ist vielmehr so weit zu definieren, dass er sämtliche Handlungen der Gesellschaftsorgane erfasst, die einen Gegenstand betreffen, der potentiell nachteilige Auswirkungen auf die Insolvenzmasse hat, gleich, ob diese Handlungen unmittelbaren Einfluss auf die Rechtslage der Gesellschaft haben oder nicht. Damit ist der Anwendungsbereich der Zustimmungsvorbehalte auch bei bloß internen Handlungen grundsätzlich eröffnet. Ob sich interne Handlungen aber auch unter die Vorbehaltstatbestände subsumieren lassen, ist dagegen durch Auslegung zu ermitteln. Betrachtet man den Wortlaut der Vorbehaltstatbestände, ergibt sich ein geteiltes Bild. So bezeichnet die „Eingehung von Verbindlichkeiten“ i. S. d. § 275 I 1 InsO lediglich die rechtsgeschäftliche Begründung von Verpflichtungen ___________ 533

K. Schmidt, in: Scholz, GmbHG, 8. Auflage, § 63 Rn. 84. In diese Richtung wohl auch Ulmer, in: Hachenburg, GmbHG, 8. Auflage, § 63 Rn. 125; a. A. offenbar Uhlenbruck, FS Kirchhof, 479, 501 (für §§ 275 ff.). 534 Das ist auch im Recht der GmbH von besonderem Interesse, etwa bei der Frage, ob die Wirksamkeit von Weisungsbeschlüssen der Gesellschafter von der Zustimmung des Sachwalters (§ 277 I 1 InsO) abhängig gemacht werden kann. 535 Maßnahmen, die bei vernünftiger Betrachtung keine nachteiligen Wirkungen auf die Insolvenzmasse haben können, sind dem Schuldnerbereich zuzuordnen, Kapitel 2 A. II., Seite 103, und Kapitel 4 A. II., Seite 183. 536 Zur Nichtanwendbarkeit der §§ 275 ff. InsO im Schuldnerbereich siehe A. III. 3., Seite 229.

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3. Teil: Die Rechtsstellung der Organe einer AG in Eigenverwaltung

durch Vertrag oder durch einseitige Rechtsgeschäfte,537 so dass interne Handlungen der Gesellschaftsorgane nicht erfasst werden, da diese per definitionem keine Verpflichtungen der Gesellschaft zur Folge haben. Interne Handlungen lassen sich ferner auch nicht unter §§ 279 S. 2 und S. 3, 282 II InsO subsumieren, weil durch sie kein Recht im Sinne dieser Vorschriften „ausgeübt“ wird. Dagegen bezieht sich § 276 InsO auf „Rechtshandlungen“, alle Willensbetätigungen des Schuldners mit rechtlichem Erfolg, d. h. jede rechtlich erhebliche Handlung,538 und § 277 I 1 InsO auf „Rechtsgeschäfte“, die nach allgemeiner Definition aus einer oder mehreren Willenserklärungen bestehen, die allein oder i. V. m. anderen Tatbestandsmerkmalen eine Rechtsfolge herbeiführen, weil sie gewollt ist.539 Diesen Anforderungen wird der Großteil interner Handlungen nicht gerecht, wie etwa die tatsächlichen Akte der Geschäftsleitung, die mit keiner Rechtsfolge verbunden sind.540 Der Einberufung (einer Aufsichtsratssitzung oder Hauptversammlung) spricht die h. M. einen rechtsgeschäftlichen Charakter ab, da ihr Rechtserfolg, nämlich die Existenz oder die Beschlussfähigkeit des einberufenen Organs,541 nicht von dem darauf gerichteten Willen des Einberufenden, sondern von der Einhaltung der entsprechenden Normen abhinge.542 Sie sei vielmehr eine bloße organisationsrechtliche Verfahrenshandlung, auf die die für Rechtsgeschäfte geltenden Bestimmungen nicht anzuwenden seien.543 Demzufolge kann auch § 277 I 1 InsO nicht einschlägig sein. Da ___________ 537 Wittig, in: MK zur InsO, § 275 Rn. 5; Riggert, in: Nerlich/Römermann, InsO, § 275 Rn. 2; vgl. auch zur Vorgängernorm (§ 57 I VglO) Kilger/K. Schmidt, InsG, § 57 VglO Anm. 2 a). 538 Wittig, in: MK zur InsO, § 276 Rn. 4; Riggert, in: Nerlich/Römermann, InsO, § 276 Rn. 3. So schon zu § 7 KO: Uhlenbruck, in: Kuhn/Uhlenbruck, KO, § 7 Rn. 2; RG, Urteil vom 4. 10. 1904 – Rep II 58/04, RGZ 59, 53, 57. 539 Foltis, in: FK zur InsO, § 277 Rn. 3; Riggert, in: Nerlich/Römermann, InsO, § 277 Rn. 2. Es wird der Begriff des Rechtsgeschäfts aus dem BGB zugrunde gelegt, siehe zu diesem Heinrichs, in: Palandt, BGB, Überbl v § 104 Rn. 2. 540 Aus demselben Grunde findet § 160 I 1 InsO keine, auch keine entsprechende Anwendung auf rein tatsächliches Handeln des Verwalters, vgl. Görg, in: MK zur InsO, § 160 Rn. 6. 541 Die Hauptversammlung kommt als Organ nur bei Einberufung zusammen, sie ist kein ständiges Organ. Zur Beschlussfähigkeit des Aufsichtsrates müssen die Anforderungen des § 108 II AktG erfüllt sein, die Beschlussfähigkeit der Hauptversammlung setzt dagegen nur das Erscheinen eines einzigen Aktionärs voraus (vgl. Hüffer, AktG, § 133 Rn. 8). 542 So für das Einberufungsverlangen eines GmbH-Geschäftsführers: Hüffer, in: Hachenburg, GmbHG, 8. Auflage, § 49 Rn. 2; a. A. Römermann, in: Michalski, GmbHG, § 49 Rn. 15, 16; van Venrooy, GmbHR 2000, 166, 173 ff. 543 BGH, Urteil vom 30. 3. 1987 – II ZR 180/86, BGHZ 100, 264, 267 (Einberufung einer GmbH-Gesellschafterversammlung); Semler, in: MK zum AktG, § 110 Rn. 40 (Einberufung einer Aufsichtsratssitzung); Hüffer, AktG, § 121 Rn. 1 (Einberufung einer Hauptversammlung). Die Gegenansicht (zum GmbH-Recht) subsumiert die Einberufung

Kap. 5: Der Vorstand in der Eigenverwaltung

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der Rechtserfolg aber auf einer Willensbetätigung des Einberufenden beruht, könnte jedenfalls eine Rechtshandlung i. S. d. § 276 InsO vorliegen. Demgegenüber sind Beschlüsse des Aufsichtsrats oder der Hauptversammlung nach einhelliger Auffassung mehrseitige, nicht vertragliche Rechtsgeschäfte „eigener Art“,544 so dass eine Anwendung von § 277 I 1 InsO seinem Wortlaut nach grundsätzlich in Betracht kommt. Für die Zustimmungsvorbehalte existiert deshalb nach ihrem Wortlaut ein – wenn auch schmaler – Anwendungsbereich im innergesellschaftlichen Bereich. Für die Anwendung der §§ 275 ff. InsO auf gesellschaftsinterne Handlungen spricht das systematische Argument, dass der gesamte gesellschaftsinterne Bereich einer Überwachung durch Sachwalter und Gläubigerausschuss unabhängig davon unterliegt, ob die einzelnen Vorgänge unmittelbare Außenwirkung haben oder nicht.545 Das legt es nahe, die Vorbehalte, die letztlich denselben Zweck verfolgen wie die Überwachung (i. e. die Verhinderung eines Missbrauch der Eigenverwaltung durch den Schuldner)546, auch in demselben Umfange durchgreifen zu lassen. Dem steht aber entgegen, dass die §§ 276, 277 I 1 InsO das Verwaltungs- und Verfügungsrecht des Schuldners (der Aktiengesellschaft) über die Insolvenzmasse betreffen,547 und daher erst dann ansetzen können, wenn eine Rechtshandlung der Gesellschaft mit Wirkung nach außen vorliegt. Systematisch können deshalb rein interne (Mitwirkungs-)Handlungen, die nur den Entscheidungsprozess innerhalb der Gesellschaft betreffen und die erst das Zustandekommen dieser Rechtshandlung vorbereiten, von den §§ 275 ff. nicht erfasst werden.548 Solange der Entscheidungsprozess den gesellschaftsinternen Bereich noch nicht verlassen hat, liegen noch kein Rechtsgeschäft und auch keine Rechtshandlung „der Aktiengesellschaft“ vor. Schließlich besteht auch aus teleologischer Sicht keine Notwendigkeit, die Vorbehalte auf gesellschaftsinterne Handlungen zu erstrecken, weil der mit diesen Vorschrift bezweckte Schutz der Gläubiger vor einem Missbrauch der Eigenverwaltungskompetenzen549 völlig ausreichend durch die Beschränkung der das Außenverhältnis betreffenden Handlungen der Gesellschaftsorgane gewährleistet wird. ___________ dagegen unter den allgemeinen Rechtsgeschäftsbegriff des BGB, etwa Römermann, in: Michalski, GmbHG, § 49 Rn. 15, 16; van Venrooy, GmbHR 2000, 166, 173. 544 Hüffer, AktG, § 108 Rn. 3; Semler, in: MK zum AktG, § 108 Rn. 16. 545 Siehe oben 2., Seite 298, und II. 2. c) bb) (3), Seite 279. 546 Wittig, in: MK zur InsO, § 277 Rn. 1 (zu § 277 InsO). 547 Nur § 277 InsO beschränkt aber das Verwaltungs- und Verfügungsrecht mit Wirkung gegenüber Dritten (Riggert, in: Braun, InsO, § 277 Rn. 1; Wittig, in: MK zur InsO, § 277 Rn. 1). 548 Zu dieser Überlegung schon II. 2. a) (3) (e), Seite 252. 549 Wittig, in: MK zur InsO, § 277 Rn. 1 (zu § 277 InsO).

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3. Teil: Die Rechtsstellung der Organe einer AG in Eigenverwaltung

b) Ergebnis Es können also nur solche Handlungen der Gesellschaftsorgane im Eigenverwaltungsbereich den Zustimmungsvorbehalten gem. §§ 275 I 1, 276 S. 1, 277 I 1, 279 S. 2 und S. 3, 282 II InsO unterfallen, die eine unmittelbare rechtliche Wirkung nach außen entfalten. Der Kreis der durch §§ 275 ff. InsO erfassten Handlungen ist somit grundsätzlich schmaler als der, auf den sich die Überwachung durch Sachwalter und Gläubigerausschuss erstreckt.

C. Das Verhältnis der Vorstandsmitglieder zur Gesellschaft Hinsichtlich des Rechtsverhältnisses der Vorstandsmitglieder zur Aktiengesellschaft müssen nach der Trennungstheorie550 das Bestellungs- und das Anstellungsverhältnis unterschieden werden (vgl. auch § 84 I 1 und 5, III 1 und 5 AktG). Während das Bestellungsverhältnis die organschaftliche Beziehung des Vorstandsmitglieds zur Gesellschaft bezeichnet, die die Grundlage für seine Rechte und Pflichten als Organ bildet (z. B. die organschaftliche Vertretungsmacht), umfasst das Anstellungsverhältnis die durch den Anstellungsvertrag begründeten schuldrechtlichen Rechte und Pflichten, etwa die Vergütung des Vorstands oder den spezifischen Umfang seiner Leistungspflicht. Beide Verhältnisse sind als grundsätzlich von einander rechtlich unabhängig aufzufassen.551 I. Das Bestellungsverhältnis in der Eigenverwaltung 1. Bestellung und Abberufung des Vorstands a) Zuständigkeit des Aufsichtsrates Die Bestellungs- und Abberufungskompetenz steht gem. § 84 I 1, III 1 AktG dem Aufsichtsrat zu. Daran ändert auch die Eröffnung eines regulären Insolvenzverfahrens nichts, weil das organschaftliche Bestellungsverhältnis keinen Massebezug hat und deshalb nicht durch die Kompetenzen des Insolvenz-

___________ 550 Ganz h. M. etwa BGH, Urteil vom 29. 5. 1989 – II ZR 220/88, NJW 1989, 2683; OLG Schleswig, Urteil vom 16. 11. 2000 – 5 U 66/99, NZG 2001, 275; Hüffer, AktG, § 84 Rn. 2; Wiesner, in: MHb GesR IV, § 20 Rn. 12. 551 Dazu und zu den Einschränkungen Wiesner, in: MHb GesR IV, § 20 Rn. 15.

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verwalters verdrängt wird;552 insbesondere geht dieses Recht nicht gem. § 265 II 1 AktG auf die Hauptversammlung über, da eine Abwicklung nicht stattfindet.553 Allerdings wird die Auffassung vertreten, dass in der Eigenverwaltung einer juristischen Person das Geschäftsleitungsorgan, „wie es zum Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung bestand“, alleiniger Träger der Rechte und Pflichten werde.554 Soweit damit ein Wechsel in der personellen Zusammensetzung des Geschäftsleitungsorgans für die Dauer des Eigenverwaltungsverfahrens unter Ausschaltung der Personalkompetenz des Aufsichtsrates ausgeschlossen werden soll,555 kann dem – wie oben gezeigt wurde556 – nicht gefolgt werden. Einer solchen Forderung steht vor allem der fehlende Massebezug entgegen, aufgrund dessen das Bestellungsverhältnis vom Insolvenzverfahren gegenständlich nicht erfasst (vgl. § 35 InsO) und daher auch nicht modifiziert werden kann; insbesondere haben die übrigen Beteiligten des Insolvenzverfahrens (Sachwalter; Gläubigerausschuss) kein entsprechendes Mitsprache- oder Kontrollrecht.557 Ein Wechsel der Vorstandsmitglieder ist somit auch in einem Eigenverwaltungsverfahren uneingeschränkt zulässig;558 zuständig für ihre Bestellung und Abberufung ist auch hier der Aufsichtsrat nach Maßgabe des § 84 AktG.

___________ 552 Ganz h. M., etwa OLG Nürnberg, Urteil vom 20. 3. 1990 – 1 U 2275/89, NJWRR 1992, 230 [Maxhütte]; BayObLG, Beschluss vom 10. 3. 1988 – BReg. 3 Z 125/87, NJW-RR 1988, 929, 932; Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, § 11 Rn. 187; Hüffer, in: MK zum AktG, § 164 Rn. 71; Uhlenbruck, in: Kölner Schrift, S. 1157 ff. Rn. 7. Vgl. dazu unten Kapitel 6 A. I., Seite 350; es handelt sich um eine Kompetenz des Aufsichtsrats im Schuldnerbereich. 553 Kapitel 2 B. I. 2., Seite 109. 554 Prütting/Huhn, ZIP 2002, 777, 782; Görg/Stockhausen, FS Metzeler, 105, 107; diese sog. Theorie der Verdrängung ist aber insgesamt abzulehnen, siehe II. 2. a) cc), Seite 272. 555 Ausdrücklich etwa Kruse, S. 284, nach dessen Auffassung ein Austauschverbot bestehen soll. Demgegenüber bejahen auch einige Anhänger der Verdrängungstheorie ausdrücklich die Personalkompetenz des Aufsichtsrates: Görg/Stockhausen, FS Metzeler, 105, 107; Uhlenbruck, FS Metzeler, 95, 97. 556 II. 2. a) bb) (1), Seite 269. 557 Die Personalkompetenz des Aufsichtsrates fällt in den Schuldnerbereich, vgl. Kapitel 6 A. I., Seite 350. 558 I. E. auch K. Schmidt, in: Scholz, GmbHG, vor § 64 Rn. 74; Görg/Stockhausen, FS Metzeler, 105, 107; Uhlenbruck, FS Metzeler, 95, 97.

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3. Teil: Die Rechtsstellung der Organe einer AG in Eigenverwaltung

b) Voraussetzungen einer Abberufung aa) Vorliegen eines wichtigen Grundes Die Abberufung eines Vorstandsmitgliedes bedarf nach § 84 III 1 AktG stets eines wichtigen Grundes. Durch diese Hürde will das Gesetz eine Abhängigkeit der Vorstandsmitglieder vermeiden, die ihrer eigenverantwortlichen Leitungsfunktion (§ 76 I AktG) nicht entspricht.559 Erforderlich ist eine nach den jeweiligen Umständen zu beurteilende Sachlage, aufgrund derer die Beibehaltung des Vorstands bis zum Ablauf seiner Amtszeit der Gesellschaft unzumutbar ist,560 beispielsweise eine grobe Pflichtverletzung, die Unfähigkeit zur ordnungsgemäßen Geschäftsführung oder der sachlich gerechtfertigte Vertrauensentzug durch die Hauptversammlung (vgl. § 84 III 2 AktG). Diese Grundsätze gelten bei der Eröffnung eines Insolvenz- oder Eigenverwaltungsverfahrens unverändert fort; namentlich gibt es keinen Anlass, die Anforderung an das Vorliegen eines wichtigen Grundes abzusenken. Im Rahmen der Unzumutbarkeit fällt jedoch ins Gewicht, dass Person und Verhalten der Vorstandsmitglieder in der Eigenverwaltung durch die Insolvenzgläubiger sehr kritisch beobachtet und wahrgenommen werden und deshalb ein Fehlverhalten erheblich gravierendere Folgen haben kann als üblicherweise. Insbesondere droht die Aufhebung des Verfahrens nach § 272 I Nr. 1 und 2 InsO und damit letztlich das Ende jeglicher Gestaltungsmöglichkeit für die Gesellschaft, wenn die Gläubiger endgültig das Vertrauen in die Geschäftsleitung verlieren. Vor diesem Hintergrund ist von einem die Abberufung rechtfertigenden Grund auszugehen, wenn der Vorstand die der Schuldnergesellschaft oder ihm in eigener Person (§§ 97, 101 InsO) obliegenden Verpflichtungen nicht erfüllt oder das durch die Gläubigerversammlung vorgegebene Verfahrensziel nur mangelhaft unterstützt bzw. sogar boykottiert. Da der Erfolg der Eigenverwaltung auch maßgeblich von einer gedeihlichen Kooperation sämtlicher Vorstandsmitglieder abhängig ist,561 sollte bereits ein nicht auszuräumender Dissens unter ihnen über wesentliche Fragen des Eigenverwaltungsverfahrens aus-

___________ 559

Hüffer, AktG, § 84 Rn. 26. Hefermehl/Spindler, in: MK zum AktG, § 84 Rn. 95; Wiesner, in: MHb GesR IV, § 20 Rn. 41. 561 Vgl. dazu bereits Kapitel 3 A. II. 1. a) aa) (3), Seite 150 (Antragstellung nach § 270 II Nr. 1 InsO), und ebenda 3. b) bb), Seite 162, sowie Bundesregierung, Begründung zu § 333 RegE InsO (= § 272 InsO), BT-Drucks. 12/2443, S. 224 („voller Einsatz“). 560

Kap. 5: Der Vorstand in der Eigenverwaltung

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reichend sein; eines tief greifenden Zerwürfnisses wie üblicherweise562 bedarf es dagegen nicht. Einen wichtigen Grund stellt zudem die Missachtung von Entscheidungsvorbehalten zugunsten des Aufsichtsrats (§ 111 IV AktG) oder der Hauptversammlung dar563, die auch in der Eigenverwaltung im Grundsatz fortbestehen.564 Holt also der Vorstand eine nach den Holzmüller-Regeln erforderliche Zustimmung der Hauptversammlung zu einer wesentlichen Umstrukturierungsmaßnahme, etwa einer übertragenden Sanierung565, nicht ein, ist der Aufsichtsrat zur Abberufung des jeweiligen Vorstandsmitgliedes berechtigt. Wird es im Zuge der Eigenverwaltung notwendig, den Vorstand zu verkleinern oder einzelne Mitglieder z. B. gegen Insolvenzspezialisten566 auszutauschen, so kann die Gesellschaft ebenfalls das Organverhältnis nach § 84 III 1 AktG beenden. Ausreichend ist zudem die Unfähigkeit zur Bewältigung von Krisen, insbesondere von Sanierungsfällen, nicht aber wenn ein einmaliges Versagen bei einem Sanierungskonzept, wenn das Vorstandsmitglied sonst erfolgreich ist.567 Wie bei § 626 I BGB genügt die Insolvenzeröffnung als solche dagegen noch nicht, sondern erst ein Verhalten des Vorstands, das die Insolvenz des Unternehmens mit verursacht hat.568 bb) Abberufungsermessen des Aufsichtsrates Liegt ein wichtiger Grund i. S. d. § 83 III 1 AktG vor, ist der Aufsichtsrat keinesfalls zur Abberufung verpflichtet, vielmehr steht es in seinem Ermessen („kann“), den Vorstand auch beizubehalten, wenn dies im Interesse der Gesellschaft geboten ist.569 In diesem Rahmen hat der Aufsichtsrat insbesondere die Auswirkungen zu berücksichtigen, die derartige Personalien auf die Geschäftskreise und die Gläubiger der Schuldnergesellschaft haben können. In vielen Fällen wird sich ___________ 562

Vgl. BGH, Urteil vom 13. 7. 1998 – II ZR 131/97, DStR 1998, 1398. BGH, Urteil vom 13. 7. 1998 – II ZR 131/97, DStR 1998, 1398, 1400; zustimmend Goette, DStR 1998, 1400; Wiesner, in: MHb GesR IV, § 20 Rn. 45; Hefermehl/Spindler, in: MK zum AktG, § 84 Rn. 98. 564 B. II. 2. a) cc), Seite 272. 565 Zur Anwendbarkeit der Holzmüller-Regeln im Eigenverwaltungsverfahren siehe oben A. III. 2. a) und b), Seite 221 ff. (Schuldnerbereich), und B. II. 1. d) aa), Seite 282 (Eigenverwaltungsbereich). 566 Kapitel 3 A. II. 3. b) dd), Seite 164. 567 OLG Köln, Urteil vom 16. 3. 1988 – 6 U 38/87, WM 1988, 974, 979; Hefermehl/Spindler, in: MK zum AktG, § 84 Rn. 99. 568 Siehe dazu unten II. 1. b) bb), Seite 316. 569 Mertens, in: KK zum AktG, § 84 Rn. 93. 563

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3. Teil: Die Rechtsstellung der Organe einer AG in Eigenverwaltung

das für die Durchführung der Eigenverwaltung unentbehrliche Vertrauen der Insolvenzgläubiger gerade auf bestimmte Persönlichkeiten des Vorstands stützen, beispielsweise auf extra für das Eigenverwaltungsverfahren in den Vorstand berufenen Insolvenzexperten (sog. Eigenverwaltungsvorstand)570. Beruft der Aufsichtsrat derartige Führungskräfte nichtsdestotrotz ab, läuft er Gefahr, dass die Gläubigerversammlung das Verfahren nach § 270 II Nr. 1 InsO beenden und in die Regelinsolvenz überführen.571 In der Praxis ist es daher notwendig, dass der Aufsichtsrat ein Einvernehmen mit den Gläubigern herstellt, wenigstens mit den wichtigsten Hauptgläubigern. Darüber hinaus ist zu bedenken, dass die Neubestellung eines Vorstandes die in der Eigenverwaltung liegenden Vorteile – i. e. die besonderen Kenntnisse und Fähigkeiten der bisherigen Geschäftsführung zu nutzen, um u. a. die Dauer und die Kosten des Verfahrens zu vermindern572 – zunichte machen könnte, so dass es sogar einzelnen Insolvenzgläubigern gem. § 272 I Nr. 2, II InsO möglich wäre, die Aufhebung der Eigenverwaltung zu beantragen. Zwar sind die geschäftsbezogenen Erfahrungen und Kenntnisse bei einer Aktiengesellschaft zumeist ohnehin nicht auf die Personen des Vorstandes konzentriert, sondern verteilen sich über die verschiedenen Managementebenen,573 so dass der Austausch einzelner Vorstandsmitglieder die Nutzung der Kenntnisse der bisherigen Geschäftsleitung nicht beeinträchtigen wird. Die Neubestellung eines Vorstandes kann aber eine Einarbeitungszeit erforderlich machen, die möglicherweise zu einer Verzögerung des Verfahrens gem. § 270 II Nr. 3 InsO führt. 2. Amtsniederlegung Vorstandsmitglieder können ihre Organstellung jederzeit durch eine gegenüber dem Aufsichtsrat zu erklärende Amtsniederlegung aufgeben, ohne dadurch ihrer Rechte aus dem Anstellungsvertrag verlustig zu werden. Die Amtsniederlegung ist zwar gesetzlich nicht geregelt, mittlerweile aber einhellig anerkannt und besteht auch nach Eröffnung eines regulären Insolvenzverfahrens574 fort. Nichts anderes kann für ein Verfahren in Eigenverwaltung gelten, das ja nur ein modifiziertes Insolvenzverfahren darstellt. ___________ 570

Kapitel 3 A. II. 3. b) dd), Seite 164. So auch Uhlenbruck, FS Metzeler, 95, 97; Götker, Rn. 996 (für die GmbH). 572 Bundesregierung, vor § 331 RegE InsO (= § 270 InsO), BT-Drucks. 12/2443, S. 223. 573 Kapitel 3 A. II. 3. b) dd) (1) (a), Seite 165. 574 Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, § 11 Rn. 119; Uhlenbruck, in: Kölner Schrift, S. 1157 ff. Rn. 7; Henssler, in: Kölner Schrift, S. 1283 ff. Rn. 4 (für die GmbH). 571

Kap. 5: Der Vorstand in der Eigenverwaltung

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Für die Wirksamkeit der Niederlegung ist es nach der überwiegenden Auffassung – wie bei GmbH-Geschäftsführern – weder erforderlich, dass ein wichtiger Grund gegeben ist, noch dass sich die Vorstände wenigstens auf einen solchen berufen.575 Eine unzureichend begründete Amtsniederlegung berechtigt aber die Gesellschaft, ihrerseits das Anstellungsverhältnis fristlos zu kündigen, und kann u. U. zu einer Schadensersatzpflicht des Vorstands führen.576 Zulässig ist die Amtsniederlegung selbst dann, wenn danach kein gesetzlicher Vertreter mehr vorhanden und die Gesellschaft daher handlungsunfähig ist.577 Denn der Aufsichtsrat kann sofort einen neuen Vorstand bestellen578 oder, falls das nicht möglich ist, das Gericht einen Notvorstand579 (§ 85 AktG). Unwirksam ist allerdings eine rechtsmissbräuchliche Amtsniederlegung, etwa wenn sie eine Änderung des Anstellungsvertrages oder eine vorzeitige Neubestellung zugunsten des Vorstands durchsetzen soll.580 Eine Niederlegung des Amtes zwingt das Vorstandsmitglied nicht zur gleichzeitigen Kündigung des Anstellungsverhältnisses.581 3. Folgen des Ausscheidens aus der Organstellung Scheidet ein Mitglied des Vorstands durch Abberufung oder Amtsniederlegung aus der Organstellung aus, erlöschen grundsätzlich die mit dieser verbundenen organschaftlichen Rechte und Pflichten.582 Das gilt jedoch wegen § 101 I S. 2 InsO für einen Zeitraum von zwei Jahren nicht für die insolvenzrechtliche

___________ 575 Hefermehl/Spindler, in: MK zum AktG § 84 Rn. 124; Wiesner, in: MHb GesR IV, § 20 Rn. 55; Happ, in: Happ, Aktienrecht, 8.10 Rn. 1; Mertens, in: KK zum AktG, § 84 Rn. 163; für den GmbH-Geschäftsführer: BGH, Urteil vom 8. 2. 1993 – II ZR 58/92, BGHZ 121, 257, 261 f.; BGH, Urteil vom 26. 6. 1995 – II ZR 109/94, NJW 1995, 2850; a. A. BGH, Urteil vom 14. 7. 1980 – II ZR 161/79, BGHZ 78, 82, 88 f.; Hüffer, AktG, § 84 Rn. 36; Henssler, in: Kölner Schrift, S. 1283 ff. Rn. 4 (für den GmbHGeschäftsführer). 576 Happ, in: Happ, AktR, 8.10 Rn. 1; Mertens, in: KK zum AktG, § 84 Rn. 163; für die GmbH: BGH, Urteil vom 8. 2. 1993 – II ZR 58/92, BGHZ 121, 257, 262; OLG Celle, Urteil vom 4. 2. 2004 – 9 U 203/03, NZG 2004, 475, 477. 577 Hierzu eingehend Gutsche, Rn. 183 ff.; a. A. Uhlenbruck, NZI 2002, 401, 404. 578 So offenbar auch Hüffer, AktG, § 84 Rn. 36. 579 Zu einem solchen Fall BayObLG, Beschluss vom 10. 3. 1988 – BReg. 3 Z 125/87, NJW-RR 1988, 929. 580 BGH, Urteil vom 14. 7. 1980 – II ZR 161/79, BGHZ 78, 82, 85; Mertens, in: KK zum AktG, § 84 Rn. 163; Hüffer, AktG, § 84 Rn. 36. 581 Vgl. BGH, Urteil vom 13. 2. 1984 – II ZR 2/83, AG 1984, 266. 582 Vgl. Mertens, in: KK zum AktG, § 84 Rn. 163.

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3. Teil: Die Rechtsstellung der Organe einer AG in Eigenverwaltung

Auskunftspflicht des § 97 I InsO,583 so dass sich der Vorstand einer Aktiengesellschaft jedenfalls dieser Pflicht nicht durch eine Amtsniederlegung entziehen kann.584 II. Das Anstellungsverhältnis in der Eigenverwaltung Auch die Anstellungsverträge der Vorstandsmitglieder bleiben von der Eröffnung des Insolvenzverfahrens grundsätzlich unberührt (vgl. auch § 108 I S. 1 InsO);585 da sie jedoch zur Hauptsache die schuldrechtlichen Ansprüche der Vorstandsmitglieder gegenüber der Gesellschaft regeln und damit im engen Bezug zur Insolvenzmasse stehen, fallen sie im regulären Insolvenzverfahren in die Zuständigkeit des Insolvenzverwalters. Ihm allein steht das Recht zu, die bestehenden Vorstandsverträge (gem. § 113 InsO, § 626 I BGB) zu kündigen (vgl. auch § 87 III AktG),586 über eine Weiterführung der Anstellungsverträge (§ 84 I 3, 5 AktG)587 zu entscheiden und Verträge mit neuen Vorstandsmitglie___________ 583

§ 101 I S. 2 InsO ist leicht missverständlich formuliert („zwei Jahre vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens“). Erfasst werden selbstverständlich auch solche Personen, die während des eröffneten Insolvenzverfahrens ausscheiden. 584 Dasselbe gilt im Übrigen auch im Stadium vor der Verfahrenseröffnung für die Pflichten aus § 92 II, III AktG, insbesondere die Insolvenzantragspflicht 585 Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, § 11 Rn. 125; Moll, in: Kübler/Prütting, InsO, § 113 Rn. 8; Uhlenbruck, in: Die GmbH in Krise, Sanierung und Insolvenz, Rn. 1190; Bundesregierung, Begründung zu § 115 RegE InsO (= § 101 InsO), BT-Drucks. 12/2443, S. 144. 586 K. Schmidt, in: Die GmbH in Krise, Sanierung und Insolvenz, Rn. 1181; Noack, in: Kübler/Prütting, GesR, Rn. 363; Moll, in: Kübler/Prütting, InsO, § 113 Rn. 29; Gutsche, Rn. 393; BGH, Urteil vom 29. 1. 1981 – II ZR 92/80, BGHZ 79, 291, 292 (zu § 22 KO), Henckel, in: Jaeger, KO, § 22 Rn. 23; Weber, in: Jaeger, KO, §§ 207, 208 Rn. 32. 587 A. A. OLG Nürnberg, Urteil vom 20. 3. 1990 – 1 U 2275/89, NJW-RR 1992, 230, 232; zustimmend Hess/Ruppe, NZI 2002, 578, 580; Hüffer, AktG, § 264 Rn. 11. Nach dem OLG Nürnberg ist der Aufsichtsrat für die Verlängerung der Anstellungsverträge gem. § 84 I 3, 5 AktG zuständig. Es sei mit dem Schutzzweck von § 84 I AktG nicht vereinbar, wenn man dem Insolvenzverwalter das Recht zugestünde, den Anstellungsvertrag über fünf Jahre hinaus zu verlängern, da dadurch § 84 I 3 AktG im Insolvenzfall unwirksam und das gesellschaftliche Prinzip der Entschließungsfreiheit der Aufsichtsratsmitglieder bei der Verlängerung der Bestellung eines Vorstandsmitglieds, das § 84 I AktG sichern wolle, außer Kraft gesetzt werde. Dieser Einwand vermag jedoch nicht überzeugen, da zum einen dem Verwalter ohnehin die durch das Kündigungsrecht (§ 113 InsO) bestehende Einflussmöglichkeit verbleibt und zum anderen eine Kompetenz des Aufsichtsrates zur Begründung von Masseverbindlichkeiten, die durch eine Weiterbeschäftigung entstehen, im regulären Verfahren nicht existiert. Außerdem erwächst aus dem Anstellungsvertrag kein Anspruch auf das Amt als Gesellschaftsorgan (H.-F. Müller, S. 154). Im Übrigen betrifft auch der vom Gericht angeführte Nachweis (i. e. Mertens, in: KK zum AktG, § 84 Rn. 8) allein das Fortbestehen der Zuständigkeit für die Bestellung, nicht die Anstellung.

Kap. 5: Der Vorstand in der Eigenverwaltung

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dern zu vereinbaren (§ 80 I InsO)588. Das gilt auch trotz der Tatsache, dass der Insolvenzverwalter, insbesondere vermöge des Kündigungsrechts, einen erheblichen faktischen Einfluss auf die organschaftlichen Verhältnisse ausüben kann, da zum einen die Personen der Geschäftsleitung nicht bereit sein werden, ihr Amt ohne Bezüge fortzuführen, und zum anderen das Ausbleiben der Gehaltszahlungen sie sogar zur Amtsniederlegung berechtigt589.590 Dabei sind die bis zur Verfahrenseröffnung angelaufenen Vergütungsansprüche Insolvenzforderungen (§ 108 II InsO), während die später entstehenden Ansprüche die Insolvenzmasse als Masseforderungen (§ 55 I Nr. 2 Alt. 2 InsO) belasten.591 1. Kündigung und Neuanstellung des Vorstands a) Zuständigkeit des Aufsichtsrats Fraglich ist, wem das Recht zur Kündigung oder Anstellung der Vorstandsmitglieder in der Eigenverwaltung zusteht. aa) Die Theorie der Verdrängung Nach der Theorie der Verdrängung592 sind die Mitglieder des Vertretungsorgans alleinige Träger der „dem Schuldner“ zustehenden Rechte und Pflichten aus §§ 270 ff. InsO und bei deren Ausübung keinen gesellschaftsrechtlichen Bindungen verpflichtet. Das aber führt in letzter Konsequenz zu dem sonderbaren Ergebnis, dass die Vorstandsmitglieder nicht nur gem. § 270 I 1 InsO für die Neuanstellung ihrer Kollegen, sondern gem. §§ 279 S. 1, 113 InsO sogar für ihre eigene Kündigung zuständig wären. Auch aus diesem Grunde kann der ___________ 588

So auch H.-F. Müller, S. 87; Schneider, FS Oppenhoff, 349, 365; vgl. ferner Kraft, in: KK zum AktG, § 262 Rn. 46; Gutsche, Rn. 202; Wiedemann, in: GK zum AktG, 3. Auflage, § 262 Anm. 27 (jeweils zur Vereinbarung einer Vergütung mit den bisherigen Vorstandsmitgliedern nach Kündigung von deren Anstellungsverträgen). 589 Henssler, in: Kölner Schrift, S. 1283 ff. Rn. 4 (für den GmbH-Geschäftsführer). 590 Siehe zu diesem Problem und den Lösungsvorschlägen: H.-F. Müller, S. 81 f.; Gutsche, Rn. 172 ff., insbesondere Rn. 200 ff. zu der Frage, ob die Kündigung der Organmitglieder unwirksam ist, wenn sie die Handlungsunfähigkeit der Gesellschaft herbeiführt. 591 Noack, in: Kübler/Prütting, GesR, Rn. 364. 592 Insbesondere Prütting/Huhn, ZIP 2002, 777, 782; Huhn, Rn. 626 ff.; siehe insgesamt oben B. II. 1. a), Seite 239.

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3. Teil: Die Rechtsstellung der Organe einer AG in Eigenverwaltung

Theorie der Verdrängung jedoch – wie oben dargestellt wurde593 – nicht gefolgt werden. bb) Die Auffassung von Götker Ebenso hält Götker die Geschäftsführer einer GmbH in der Eigenverwaltung für die Kündigung ihrer Anstellungsverträge für zuständig, da das Wahlrecht bei der Eigenverwaltung einer GmbH durch die Geschäftsführer als deren Vertreter ausgeübt werde, so dass eine Kündigung dieser Verträge praktisch kaum in Betracht komme.594 Eine entsprechende Situation habe auch schon im früheren Vergleichsrecht bestanden, weil das Anstellungsverhältnis eines Geschäftsführers gem. §§ 50, 51 II VglO durch den Vergleichsverwalter [sic! Tatsächlich stand es dem Vergleichsschuldner zu595] nur dann habe gekündigt werden können, wenn die Geschäftsführer selbst als Träger der Vergleichsschuldnerrolle zuvor den Antrag auf gerichtliche Ermächtigung zur Kündigung gem. § 50 II 2 VglO gestellt hatten.596 Diese Auffassung geht zwar zutreffend davon aus, dass es sich bei den Rechten aus §§ 103 ff. InsO und insbesondere bei dem Kündigungsrecht gem. § 113 InsO um Rechte der Gesellschaft handelt, die durch den Geschäftsführer nur vertretungsweise ausgeübt werden. Sie übersieht jedoch, dass eine gesetzliche Vertretung der Gesellschaft durch ihre Geschäftsführer (§ 35 I GmbHG) im Bereich der Anstellungsverträge nach den allgemeinen GmbH-rechtlichen Regelungen durch die Zuständigkeit der Gesellschafterversammlung verdrängt wird (§ 46 Nr. 5 GmbHG).597 Eine stichhaltige Begründung für die Abkehr von dieser Zuständigkeitsverteilung im Falle der Eigenverwaltung bleibt Götker ___________ 593

B. II. 2. a) aa), Seite 243, und ebenda insbesondere bb) (2), Seite 270. Götker, Rn. 998. Inwieweit diese Schlussfolgerung auf seiner weiteren Annahme beruht, die Geschäftsführer der GmbH seien die Träger die „Eigenverwalterrolle“ (ders., Rn. 999), ist nicht vollends klar. Auch diese Annahme ist aber unzutreffend, vgl. II. 2. a) cc), Seite 272. 595 Nach dem ausdrücklichen Wortlaut der §§ 50, 51 VglO stand das Recht zur Ablehnung der Erfüllung gegenseitiger Verträge (§ 50 VglO) sowie zur Kündigung von Miet-, Pacht- und Dienstverträgen (§ 51 VglO) allein dem Schuldner zu, vgl. auch Kilger/K. Schmidt, InsG, § 50 VglO Anm. 3; J. Mohrbutter, in: Bley/Mohrbutter, VglO, § 50 Rn. 2. 596 Götker, Rn. 998 Fn. 208; vgl. auch Uhlenbruck, WiB 1996, 466, 471. 597 Vorbehaltlich einer abweichenden Regelung in der Satzung oder den Mitbestimmungsgesetzen ist der Gesellschafterversammlung als Annexkompetenz zu der in § 46 Nr. 5 GmbHG normierten Zuständigkeit für das Organverhältnis auch die Zuständigkeit für das Anstellungsverhältnis mit den Geschäftsführern zugewiesen, vgl. Zöllner, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 46 Rn. 24; Römermann, in: Michalski, GmbHG, § 46 Rn. 246. 594

Kap. 5: Der Vorstand in der Eigenverwaltung

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schuldig; insbesondere geht der Hinweis auf die entsprechende Situation im Vergleichsrecht fehl. Denn dort behalten nach allgemeiner Ansicht die Gesellschaftsorgane ihre Funktionen und Befugnisse im bisherigen Umfange bei,598 so dass auch bei der Stellung des Ermächtigungsantrags nach § 50 II 1 VglO entgegen Götker die Gesellschaft gerade nicht durch ihre Geschäftsführer, sondern durch die Gesellschafterversammlung (§ 46 Nr. 5 GmbHG) bzw. den Aufsichtsrat (§ 52 I GmbHG i. V. m. § 112 AktG) vertreten wurde.599 Dasselbe galt auch für die Kündigung der Anstellungsverträge. Der Ansicht von Götker kann daher ebenfalls nicht gefolgt werden. cc) Die Auffassung von Hess/Ruppe Schließlich sprechen Hess/Ruppe600 dem Aufsichtsrat die Kompetenz zum Abschluss der Anstellungsverträge ab. Diese Autoren bejahen zwar, dass weder der Sachwalter noch das Insolvenzgericht, sondern der Aufsichtsrat zum Abschluss eines Dienstvertrages mit dem Vorstand berufen sei; insoweit ist ihnen auch uneingeschränkt zuzustimmen. Allerdings sei die Personalkompetenz des Aufsichtsrates durch den Insolvenzzweck begrenzt, und zwar dadurch, dass Dritte, und dazu gehöre der Aufsichtsrat, keine Masseverbindlichkeiten begründen könnten; das stehe nur dem Insolvenzverwalter bzw. dem Sachwalter zu. Deshalb könne weder der Aufsichtsrat einer Aktiengesellschaft noch die Gläubigerversammlung einer GmbH Dienstverträge mit den Geschäftsleitern abschließen. Auch dieser Auffassung kann unter keinen Umständen zugestimmt werden. Die Ausführungen von Hess/Ruppe erscheinen schon in ihrem Ergebnis widersprüchlich und lassen die drängende Frage unbeantwortet, wer denn anstelle des Aufsichtsrates für den Abschluss der Dienstverträge zuständig sein soll.601 ___________ 598 J. Mohrbutter, in: Bley/Mohrbutter, VglO, § 108 Rn. 20. Für die GmbH: K. Schmidt, in: Scholz, GmbHG, 8. Auflage, § 63 Rn. 84; Ulmer, in: Hachenburg, GmbHG, 8. Auflage, § 63 Rn. 124; Rowedder, in: Rowedder, GmbHG, 3. Auflage, § 63 Rn. 53; vgl. auch BGH, Urteil vom 14. 2. 1957 – VII ZR 250/56, BGHZ 121, 307, 318. 599 Hoffmann/Liebs, Der GmbH-Geschäftsführer, 1. Auflage, Rn. 673, auf die Götker, Rn. 998 zu Unrecht zur Stützung seiner Auffassung verweist; wohl auch J. Mohrbutter, in: Bley/Mohrbutter, VglO, § 50 Rn. 17, nach dem für die Antragsbefugnis die „für die Gemeinschaft gegebenen gesetzlichen oder satzungsmäßigen Handlungsvorschriften“ maßgeblich sind, wozu eben vor allem § 46 Nr. 5 GmbHG bzw. § 112 AktG zu zählen sind. 600 Hess/Ruppe, NZI 2002, 578, 580, li. Sp. (AG) und re Sp. (GmbH). 601 In Bezug auf das Aktienrecht erwähnen Hess/Ruppe (NZI 2002, 578, 580 li. Sp.), dass eine Zustimmung zur Festlegung der Vorstandsgehälter durch den Sachwalter erforderlich sei. Anscheinend wird eine gemeinsame Kompetenz von Sachwalter und Auf-

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3. Teil: Die Rechtsstellung der Organe einer AG in Eigenverwaltung

Insbesondere sind aber schon ihre Prämissen verfehlt: Einerseits werden Masseforderungen keinesfalls nur durch den Sachwalter oder den Insolvenzverwalter, sondern auch bzw. gerade durch den Schuldner in der Eigenverwaltung begründet.602 Denn Masseforderungen sind nach dem gesetzgeberischen Konzept dadurch definiert, dass sie durch die Verwaltung, Verwertung oder Verteilung der Insolvenzmasse entstehen (vgl. § 55 I Nr. 1 InsO), also unabhängig davon, ob diese Aufgaben durch den Insolvenzverwalter oder eben den eigenverwaltenden Schuldner ausgeübt werden. Andererseits liegt der Auffassung von Hess/Ruppe offenbar die Vorstellung zugrunde, dass allein das Geschäftsleitungsorgan der Schuldnergesellschaft die Funktion des Eigenverwalters ausübe. In Wahrheit ist das aber die juristische Person als solche, so dass es sich um keinen „Dritten“ handelt, wenn der Aufsichtsrat gem. § 112 AktG die Gesellschaft beim Abschluss der Anstellungsverträge vertritt. dd) Ergebnis Zu stimmigen Ergebnissen kommt dagegen die hier vertretene Ansicht603, dass die juristische Person selbst Eigenverwalterin ist und dass sich die Zuständigkeiten für die von ihr in dieser Funktion wahrzunehmenden Rechte und Pflichten nach den jeweiligen verbandsrechtlichen Regelungen bestimmen. Denn unter Anwendung der aktienrechtlichen Vorschriften fällt die Zuständigkeit für die Kündigung604 (§§ 279 S. 1, 113 S. 1 InsO; § 626 BGB), die Änderung bestehender Anstellungsverträge und die Anstellung von neuen Vorstandsmitgliedern (jeweils § 270 I 1 InsO) in die Zuständigkeit des Aufsichtsrates (§ 112 AktG), wie auch sonst außerhalb eines Insolvenzverfahrens. Insoweit ist der Aufsichtsrat imstande, in Vertretung der Gesellschaft Verbindlichkeiten gegen die Masse einzugehen. Wegen des Massebezuges derartiger Maßnahmen besteht aber ein Mitwirkungs- und Kontrollrecht des Sachwalters und ggf. des Gläubigerausschusses.605

___________ sichtsrat befürwortet, was allerdings wiederum im Widerspruch zu der zuvor geäußerten Annahme steht, der Aufsichtsrat könne keine Masseforderungen begründen. 602 Ganz h. M., vgl. nur Haas, in: Gottwald, § 89 Rn. 2; Schlegel, S. 135; Uhlenbruck, in: Uhlenbruck, InsO, § 270 Rn. 18; Wittig, in: MK zur InsO, § 270 Rn. 73. 603 II. 2. a) cc), Seite 272. 604 So i. E. auch Hefermehl/Spindel/Kalss, in: MK zum AktG, § 87 Rn. 70; Hüffer, AktG, § 87 Rn. 10. 605 Siehe Kapitel 6 B. I. 1., Seite 354, sowie II. 2. und 3., Seite 365.

Kap. 5: Der Vorstand in der Eigenverwaltung

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b) Insbesondere: Die Kündigung des Anstellungsvertrages Auf den Anstellungsvertrag finden gem. § 84 III 5 AktG grundsätzlich die allgemeinen dienstvertraglichen Kündigungsvorschriften (§§ 620, 626 BGB) Anwendung. Das Recht zur ordentlichen Kündigung wird in der Insolvenz allerdings von § 113 InsO überlagert, der aber lediglich Kündigungsbeschränkungen aufhebt und keinen eigenständigen Kündigungsgrund darstellt;606 daneben besteht das außerordentliche Kündigungsrecht unverändert fort.607 Die Kündigung des Anstellungsvertrages hat grundsätzlich keinen Einfluss auf die Organstellung des Vorstandsmitgliedes;608 freilich wird in einer Kündigung regelmäßig auch ein Widerruf und umgekehrt liegen.609 aa) Ordentliche Kündigung Der Aufsichtsrat kann den Anstellungsvertrag mit den Organen der Gesellschaft gem. § 113 S. 1 InsO ordentlich kündigen,610 namentlich auch dann, wenn eine ordentliche Kündigung aufgrund der Befristung des Anstellungsvertrages – was wegen § 83 I 5 AktG regelmäßig der Fall ist611 – gem. § 620 I, II BGB eigentlich ausgeschlossen ist. Die Kündigungsfrist beträgt längstens drei Monate, wenn sich nicht aus dem Anstellungsverhältnis gem. § 622 BGB612 eine kürzere Frist ergibt (§ 113 S. 2 InsO). Der allgemeine und besondere Kündigungsschutz ist zwar auch im Rahmen des § 113 InsO zu beachten,613 greift jedoch bei Vorstandsmitgliedern regelmäßig nicht. Wird dem Vorstand gem. § 113 S. 1 InsO gekündigt, hat er gem. § 113 S. 3 einen Anspruch als einfacher Insolvenzgläubiger (§ 38 InsO) auf Ersatz des ihm aus der vorzeitigen Beendi___________ 606

Hamacher, in: Nerlich/Römermann, InsO, § 113 Rn. 31. Mohrbutter/H. Mohrbutter, XV.14. 608 Schneider, FS Oppenhoff, 349, 363; Weber, in: Jaeger, KO, §§ 207, 208 Rn. 32; Wiedemann, in: GK zum AktG, 3. Auflage, § 262 Anm. 26. 609 Wiesner, in: MHb GesR IV, § 21 Rn. 69. 610 So die h. M., nach der insbesondere die §§ 115, 116 InsO keine Anwendung: Hamacher, in: Nerlich/Römermann, InsO, § 113 Rn. 40; Hefermehl/Spindler, in: MK zum AktG § 84 Rn. 191. Der Ansicht von Grub, AnwBl 2000, 580, 582, § 113 InsO finde in der Eigenverwaltung keine Anwendung ist aufgrund des klaren Wortlauts des § 279 S. 1 InsO nicht zu folgen (i. E. Schlegel, S. 284; Riggert, in: Nerlich/Römermann, InsO, § 270 Rn. 8). 611 Grobys/Littger, BB 2002, 2292, 2293. 612 Die h. M. entnimmt § 622 BGB die für den Geschäftsleitervertrag geltenden Kündigungsfristen: BGH, Urteil vom 29. 5. 1989 – II ZR 220/88, NJW 1989, 2683; BGH, Urteil vom 26. 3. 1984 – II ZR 120/83, BGHZ 91, 217; Haas, in: Gottwald, § 92 Rn. 142; Hefermehl/Spindler, in: MK zum AktG § 84 Rn. 191. 613 Hamacher, in: Nerlich/Römermann, InsO, § 113 Rn. 53. 607

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3. Teil: Die Rechtsstellung der Organe einer AG in Eigenverwaltung

gung entstandenen Schadens, nicht nur auf die Vergütung.614 § 87 III AktG begrenzt diesen Anspruch allerdings auf den Schaden, der bis zum Ablauf von zwei Jahren seit dem Ende des Dienstverhältnisses entsteht.615 Eine Kündigung gem. § 113 S. 1 InsO soll der Aufsichtsrat gem. § 279 S. 2 InsO nur im Einvernehmen mit dem Sachwalter aussprechen.616 bb) Außerordentliche Kündigung Für eine fristlose Kündigung ist gem. § 626 I BGB ein wichtiger Grund erforderlich, der jedoch nicht mit dem nach § 84 III 1 AktG erforderlichen identisch, sondern enger gefasst ist,617 da hier auch die in der Person des Vorstandsmitglieds liegenden Gründe abzuwägen sind. Es ist aber zulässig, im Anstellungsvertrag eine Vereinbarung über die Identität von Abberufungs- und Kündigungsgründen zu treffen.618 Erforderlich sind gem. § 626 I BGB Tatsachen, auf Grund derer der Gesellschaft unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder der Beendigung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann.619 Aus der bisherigen Rechtsprechung sind im Hinblick auf die Eigenverwaltung insbesondere die unberechtigte Amtsniederlegung durch den Vorstand620, die Missachtung von Entscheidungsvorbehalten zugunsten eines anderen Gesellschaftsorgans621 oder ein tief greifendes Zerwürfnis zwischen einzelnen Vorstandsmitgliedern622 zu nennen. Dagegen genügt die Eröffnung des Insolvenzverfahrens623 sowie die dahinter stehende finanzielle Notlage der Gesellschaft für sich genommen noch nicht für die Bejahung eines wichtigen Grundes, da der Gesetzgeber diese Sachlagen durch das Kündigungsrecht gem. ___________ 614

Hefermehl/Spindler, in: MK zum AktG § 87 Rn. 68. Mohrbutter/H. Mohrbutter, XV.14. 616 Kapitel 6 B. I. 1, Seite 354. 617 Wiesner, in: MHb GesR IV, § 21 Rn. 73; BGH, Urteil vom 29. 5. 1989 – II ZR 220/88, NJW 1989, 2683, 2684 . 618 BGH, Urteil vom 29. 5. 1989 – II ZR 220/88, NJW 1989, 2683, 2684; Happ, in: Happ, AktR, 8.11 Rn. 5. 619 Dazu ausführlich Hefermehl/Spindler, in: MK zum AktG § 84 Rn. 140 ff. 620 BGH, Urteil vom 14. 7. 1980 – II ZR 161/79, BGHZ 78, 82, 85; Wiesner, in: MHb GesR IV, § 21 Rn. 75. 621 BGH, Urteil vom 13. 7. 1998 – II ZR 131/97, DStR 1998, 1398. 622 BGH, Urteil vom 13. 7. 1998 – II ZR 131/97, DStR 1998, 1398. 623 BAG, Urteil vom 25. 10. 1968 – 2 AZR 23/68, KTS 1969, 183, OLG Hamm, Urteil vom 2. 6. 1986 – 8 U 298/85, GmbHR 1987, 307, 308; Mohrbutter/H. Mohrbutter, XV.14; a. A. Hefermehl/Spindler, in: MK zum AktG, § 84 Rn. 191. 615

Kap. 5: Der Vorstand in der Eigenverwaltung

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§ 113 S. 1 InsO erschöpfend geregelt hat; insbesondere könnte sonst die Kündigungsfrist des § 113 S. 2 InsO umgangen werden. Allein zur Entlastung der Masse kann einem Vorstandsmitglied demnach nicht nach § 626 I BGB gekündigt werden. Einen wichtigen Grund stellt aber ein insolvenzverursachendes Verhalten des Vorstandsmitgliedes dar.624 Ob eine im Zuge der Eigenverwaltung notwendige Verkleinerung oder Umbildung des Vorstands neben der Abberufung625 auch eine fristlose Kündigung eines Vorstandsmitglieds gem. § 626 I BGB rechtfertigt, ist indes zweifelhaft. Zwar hat der BGH die fristlose Kündigung eines GmbH-Geschäftsführers als zulässig erkannt, wenn wegen des wirtschaftlichen Niedergangs der Gesellschaft für eine echte Geschäftsführungstätigkeit kein Raum mehr ist.626 Der Fortfall einer geeigneten Verwendung hat als typische Insolvenzfolge jedoch in § 113 S. 1 InsO ebenfalls hinreichende Berücksichtigung gefunden. In der Regel ist es zumutbar, die Anstellung auch unter Fortzahlung der Bezüge bis zum Vertragsablauf nach der gesetzlichen Kündigungsfrist (§ 113 S. 2 InsO, § 622 BGB) zu zahlen.627 Außerdem wird es jedenfalls bei einem auf eine Sanierung bzw. Reorganisation ausgerichteten Eigenverwaltungsverfahren kaum je zu einem Wegfall jedweder Betätigungsmöglichkeit kommen; hier ist im Gegenteil wegen des Kompetenzzuwachses und der Besonderheiten des Verfahrens von einem gesteigerten Arbeitsaufwand auszugehen. Blockiert ein Vorstandsmitglied die Eigenverwaltung oder erfüllt es die aus ihr resultierenden Verpflichtungen nicht, liegt darin wegen der weit reichenden Konsequenzen für die Gesellschaft regelmäßig eine die fristlose Kündigung rechtfertigende grobe Verletzung des Anstellungsvertrages.628 Zu erwägen ist noch, ob und in welcher Form bei der außerordentlichen Kündigung eines Vorstandsmitglieds nach § 626 I eine Mitwirkung der Organe des Insolvenzverfahrens erforderlich ist. Eine Zustimmung des Sachwalter gem. § 279 S. 2 InsO scheidet jedenfalls aus, weil sich diese Vorschrift nur auf die ordentliche Kündigung gem. § 113 S. 1 InsO bezieht. Im Einzelfall könnte es sich aber um eine Rechtshandlung von besonderer Bedeutung i. S. d. § 276 InsO handeln, namentlich wenn das betreffende Vorstandsmitglied speziell nur für das Eigenverwaltungsverfahren in das Leitungsorgan bestellt worden ist (sog. Insolvenzvorstand) und sich das Vertrauen der Gläubiger gerade auf diese Person und ihre insolvenzrechtliche Expertise stützt. Welche Rechtshandlungen von besonderer Bedeutung sind, ist allerdings in der Insolvenzordnung nicht ___________ 624

Henssler, in: Kölner Schrift, S. 1283 ff. Rn. 35. I. 1. b) aa), Seite 306. 626 BGH, Urteil vom 21. 4. 1975 – II ZR 2/73, WM 1975, 761. 627 OLG Hamm, Urteil vom 2. 6. 1986 – 8 U 298/85, GmbHR 1987, 307, 308. 628 Ebenso wie einen Widerruf seiner Bestellung, vgl. I. 1. b) aa), Seite 306. 625

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3. Teil: Die Rechtsstellung der Organe einer AG in Eigenverwaltung

definiert worden, insbesondere sind die in §§ 160 II, 276 S. 2 InsO angeführten Regelbeispiele nicht abschließend. Teils wird auf quantitative (z. B. 10% der Masse),629 teils aber auch auf qualitative Kriterien (wie etwa die Vereitelung einer Sanierung630) abgestellt, so dass hier das Vorliegen einer besonders bedeutsamen Rechtshandlung im Einzelfall durchaus zu bejahen sein mag. Die Entscheidung macht im Ergebnis jedoch keinen Unterschied, da jedenfalls die Befugnis des Aufsichtsrates, das betreffende Vorstandsmitglied abzuberufen (§ 84 III 1 AktG), nicht beschränkt werden kann,631 so dass die Gläubiger weder über § 276 InsO noch über § 277 InsO die Ablösung eines Vorstandsmitglieds verhindern könnten. 2. Vergütung der Vorstandsmitglieder Da der Anstellungsvertrag von der Verfahrenseröffnung unberührt bleibt, bestehen auch die auf diesem beruhenden Vergütungsansprüche der Vorstandsmitglieder (z. B. bis zu einer Kündigung gem. § 113 InsO) unverändert fort, und zwar als Masseforderungen i. S. d. § 55 I Nr. 2 InsO.632 Aus diesem Grund ist es weder notwendig noch gesetzlich vorgesehen, den Vorstandsmitgliedern die Entnahme der zur Lebensführung erforderlichen Mittel aus der Insolvenzmasse zu gestatten (§ 278 InsO).633 Hinsichtlich der Vergütung des Vorstandes befindet sich der Aufsichtsrat in der Eigenverwaltung allerdings regelmäßig in einem Dilemma. Auf der einen Seite werden Vorstandsbezüge zumeist in wirtschaftlich gesunden Zeiten und in der Erwartung andauernder Prosperität der Gesellschaft festgesetzt und erreichen deshalb oft einen Umfang, der in der Insolvenz der Gesellschaft die Insolvenzmasse ganz erheblich belastet und dadurch gar den Erfolg eines Eigenverwaltungsverfahrens vereiteln kann. Eine Herabsetzung ist deshalb schon im Interesse der Gesellschaft geboten. Darüber hinaus ist der Aufsichtsrat wegen seiner Bindung an die bestmögliche Gläubigerbefriedigung verpflichtet634, wenigstens aber angehalten, auf eine Verminderung überhöhter Vorstandsbezüge ___________ 629 Undritz/Fiebig, in: BK zur InsO, § 160 Rn. 19; Haarmeyer/Wutzke/Förster, Kap. 5 Rn. 496. 630 Görg, in: MK zur InsO, § 160 Rn. 9. 631 Es handelt sich um eine dem Schuldnerbereich zuzuordnende Kompetenz, Kapitel 6 A. I., Seite 350. 632 Vgl. schon Weber, in: Jaeger, KO, §§ 207, 208 Rn. 32; Noack, in: Kübler/Prütting, GesR, Rn. 364; Uhlenbruck, in: Die GmbH in Krise, Sanierung und Insolvenz, Rn. 1192 (für die GmbH); Wiedemann, in: GK zum AktG, 3. Auflage, § 262 Anm. 27. 633 So auch Koch, S. 189 ff; Götker, Rn. 1025. 634 Zur Bindung des Aufsichtsrats an den Insolvenzverfahrenszweck siehe unten Kapitel 6 B. II. 1. a), Seite 359.

Kap. 5: Der Vorstand in der Eigenverwaltung

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hinzuwirken. Außerdem stoßen hohe Vorstandsbezüge bei den Gläubigern oftmals auf Unverständnis635 und können sich auch so – etwa in Gestalt einer herabgesetzten Kompromiss- und Kooperationsbereitschaft auf ihrer Seite – negativ auf die Belange der Gesellschaft auswirken. Auf der anderen Seite ist die Gesellschaft während der Eigenverwaltung auf qualifizierte und bewährte Geschäftsleiter angewiesen, ohne deren Fachwissen ein Eigenverwaltungsverfahren kaum durchzuführen ist. Werden deren Bezüge gekürzt, besteht aber die erhebliche Gefahr, dass die Vorstandsmitglieder hierauf mit einer verminderten Einsatzbereitschaft, Rechtsstreitigkeiten oder gar mit Amtsniederlegung und Kündigung reagieren. Ob ein solches Verhalten im Einzelfall gerechtfertigt ist, spielt dabei keine wirkliche Rolle. Denn bereits die durch eine solche interorganschaftliche Auseinandersetzung bewirkte Lähmung der Gesellschaft behindert die Eigenverwaltung und stellt ein veritables Risiko für deren Fortführung dar (§ 272 I Nr. 1 und 2 InsO). Zwischen diesen beiden Polen einen angemessenen Mittelweg zu finden, ist eine schwierige Aufgabe des Aufsichtsrats. a) Herabsetzung der Bezüge aa) Herabsetzung gem. § 87 II 1 AktG Zunächst ermöglicht § 87 II 1 AktG, die Bezüge der Vorstandsmitglieder durch eine einseitige Gestaltungserklärung636 herabzusetzen. Während im regulären Verfahren noch die Frage Probleme bereitet, ob die Kürzung nach § 87 II 1 AktG (wegen des Massebezugs richtigerweise) der Zuständigkeit des Insolvenzverwalters637 oder der des Aufsichtsrats638 zuzuordnen ist, steht diese Befugnis jedenfalls in der Eigenverwaltung allein dem Aufsichtsrat zu. Denn selbst wenn man im Regelinsolvenzverfahren eine Verdrängung der Zuständigkeit des Aufsichtsrates zugunsten des Insolvenzverwalters befürwortete, fiele sie in der Eigenverwaltung nach der hier vertretenen Ansicht639 wieder auf die

___________ 635 Uhlenbruck, in: Die GmbH in Krise, Sanierung und Insolvenz, Rn. 1192 (für die GmbH); H.-F. Müller, S. 84; Henssler, in: Kölner Schrift, S. 1283 ff. Rn. 35. 636 Hüffer, AktG, § 87 Rn. 7. 637 So H.-F. Müller, S. 86 f.; Weber, in: Jaeger, KO, §§ 207, 208 Rn. 32 (nur für Ausnahmefälle); wohl auch Haas, in: Gottwald, § 92 Rn. 143. 638 So Noack, in: Kübler/Prütting, GesR, Rn. 366; Mohrbutter/H. Mohrbutter, XV.14; Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, § 11 Rn. 185. 639 B. II. 2. a) cc), Seite 272.

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3. Teil: Die Rechtsstellung der Organe einer AG in Eigenverwaltung

Gesellschaft, vertreten durch den Aufsichtsrat (§§ 112, 84 II AktG), zurück.640 Im Übrigen bestehen keine Weisungsbefugnisse des Sachwalters hinsichtlich der Festlegung der Vorstandsvergütung, es können aber Zustimmungsvorbehalte gem. §§ 275 ff. InsO bestehen.641 Voraussetzung für eine Herabsetzung ist, dass sich die wirtschaftliche Lage seit der Festsetzung der Bezüge im Anstellungsvertrag so wesentlich verschlechtert hat, dass ihre Weitergewährung eine schwere Unbilligkeit für die Gesellschaft darstellte. Es ist ein strenger Maßstab anzulegen; von einer hinreichenden Notlage ist nicht schon bei einer sehr ungünstigen wirtschaftlichen Entwicklung auszugehen und selbst dann nicht, wenn Teile des Unternehmens oder des Betriebes stillgelegt oder veräußert werden müssen, solange nur der Liquidationserlös eine ausreichende Grundlage darstellt.642 Ist das Gesellschaftsvermögen aber derart stark dezimiert worden, dass die Gesellschaft zahlungsunfähig (§ 17 InsO) oder überschuldet (§ 19 InsO) ist und deshalb über ihr Vermögen ein Insolvenzverfahren eröffnet worden ist oder unmittelbar bevorsteht, ist eine hinreichend prekäre finanzielle Notlage für die Gesellschaft gegeben. Denn es droht die vollständige Liquidation des Gesellschaftsvermögens. Als ausreichend wird man ebenfalls schon die drohende Zahlungsunfähigkeit (§ 18 InsO) zu erachten haben. Unter „Lage“ der Gesellschaft ist aber nicht allein ihre Ertragslage zu verstehen. Für eine sanierungsbedürftige Gesellschaft kann es notwendig sein, Fachleute als Vorstandsmitglieder zu halten oder zu gewinnen, die allein über die besondere Sachkunde oder Erfahrung verfügen, um die Gesellschaft aus der Krise zu führen. In dieser Situation kann auch die Zubilligung hoher Bezüge (sog. Sanierungsprämie) sachgerecht sein.643 § 87 II 1 AktG findet dagegen nach seinem Wortlaut keine Anwendung, wenn die finanzielle Bedrängnis bereits bei der Festsetzung existiert hat.644 Die Herabsetzung kann daher in diesen Fällen nicht dazu dienen, überzogene Vorstandsbezüge nachträglich auf eine im Verhältnis zu der wirtschaftlichen Lage der Gesellschaft angemessene Höhe i. S. d. § 87 I InsO zu reduzieren. Die Ver___________ 640

Unter Zugrundelegung der Theorie der Verdrängung (B. II. 1. a), Seite 239) ginge dieses Recht dagegen, sofern man es dem Verdrängungsbereich zuordnet, auf den Vorstand als den „alleinigen Träger der Rechte und Pflichten“ über; ein wenig sinnvolles Ergebnis, vgl. auch B. II. 1) a) bb) (2), Seite 270. 641 Siehe Kapitel 6 B. II. 3., Seite 368. 642 LG Duisburg, Urteil vom 20. 11. 1970 – 12 O 163/70, BB 1971, 145; Hefermehl/Spindler, in: MK zum AktG § 87 Rn. 41. 643 Hefermehl/Spindler, in: MK zum AktG § 87 Rn. 16; Wiesner, in: MHb GesR IV, § 21 Rn. 30; Hoffmann-Becking, NZG 1999, 797, 798; Mertens, in: KK zum AktG, § 87 Rn. 6. 644 Mertens, in: KK zum AktG, § 87 Rn. 10.

Kap. 5: Der Vorstand in der Eigenverwaltung

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einbarung überhöhter Bezüge vor Insolvenzeröffnung kann u. U. gem. §§ 280, 129 ff. InsO vom Sachwalter angefochten werden. Eine unangemessene Festsetzung während des Eigenverwaltungsverfahrens ist dagegen nicht gem. §§ 129 InsO anfechtbar; der Festsetzungsbeschluss könnte allenfalls wegen Insolvenzzweckwidrigkeit nichtig sein.645 Die Bezüge werden nur auf das Billige gesenkt, nicht etwa auf das dem Abs. 1 entsprechende Niveau.646 Dabei sind auch die Interessen und Verhältnisse der Vorstandsmitglieder zu berücksichtigen,647 was auch die von ihnen erbrachte bzw. zu erbringende Leistung mit einschließt. In dieser Hinsicht ist zu beachten, dass bei der Eigenverwaltung im Unterschied zum Regelinsolvenzverfahren648 die Eröffnung des Verfahrens zu keinem Verlust, sondern im Gegenteil zu einer Erweiterung der Vorstandskompetenzen kommt, namentlich im Bereich der zusätzlichen insolvenzrechtlichen Befugnisse und Verpflichtungen (etwa bezüglich der Verwaltung und Verwertung der Insolvenzmasse). Außerdem muss der Vorstand als zentrale Figur des Verfahrens die Interessen und Vorstellungen der Gläubiger mit denen der Gesellschaft und Aktionäre koordinieren, was mit einem erheblichen Abstimmungsaufwand verbunden ist. Bei der Durchführung eines Eigenverwaltungsverfahrens wird dem Vorstand daher in aller Regel deutlich mehr als in einem Regelinsolvenzverfahren und sogar mehr als außerhalb eines Insolvenzverfahrens abverlangt; dieser Umstand beschränkt den Rahmen einer möglichen Herabsetzung nach unten. Die Herabsetzung muss auch im Übrigen angemessen sein. Sie darf daher nicht bei gleicher Unbilligkeit Vorstände ungleichmäßig treffen; auch eine Befristung der Herabsetzung, z. B. auf die Dauer des Verfahrens, ist regelmäßig erforderlich.649 bb) Herabsetzung durch Änderungskündigung Eine Herabsetzung der Bezüge könnte auch im Zuge einer Änderungskündigung erfolgen. Liegen die Voraussetzungen für eine ordentliche oder außerordentliche Kündigung vor, so ist grundsätzlich eine Änderungskündigung mög___________ 645

Dazu Kapitel 6 B. II. 1. b) aa), Seite 361. Wilhelmi, in: Godin/Wilhelmi, AktG, § 87 Anm. 9; Meyer-Landrut, in: GK zum AktG, 3. Auflage, § 87 Anm. 12; Mertens, in: KK zum AktG, § 87 Rn. 11. 647 Wiesner, in: MHb GesR IV, § 21 Rn. 31; Hüffer, AktG, § 87 Rn. 6; Mertens, in: KK zum AktG, § 87 Rn. 10. 648 Im Regelinsolvenzverfahren wird die Herabsetzung der Bezüge nach § 87 II AktG oftmals auf die Reduktion des Tätigkeitsbereichs des Vorstands gestützt, vgl. beispielsweise H.-F. Müller, S. 85 f.; Häsemeyer, InsR, Rn. 30.30. 649 Wiesner, in: MHb GesR IV, § 21 Rn. 31; Hüffer, AktG, § 87 Rn. 6. 646

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3. Teil: Die Rechtsstellung der Organe einer AG in Eigenverwaltung

lich,650 die auch eine Verminderung der Vorstandsbezüge betreffen kann. In Bezug auf § 626 I BGB ist jedoch zu beachten, dass die finanzielle Not der Gesellschaft im Rahmen einer Insolvenz wegen der spezielleren Regelung in § 113 S. 1 InsO keinen wichtigen Kündigungsgrund i. S. d. § 626 I BGB darstellt651 und deshalb auch keine entsprechende Änderungskündigung tragen kann. Eine Änderungskündigung zur Herabsetzung der Bezüge kann daher nur im Wege einer ordentlichen Kündigung erfolgen, was aber wegen der einzuhaltenden Kündigungsfristen (§ 113 S. 2 InsO) eine wesentliche Belastung der Insolvenzmasse in der Zwischenzeit bedeutete, so dass eine Herabsetzung gem. § 87 II 1 AktG als der praktikablere Weg erscheint. b) Einordnung als Insolvenz- oder Masseforderung Die Ansprüche der Vorstandsmitglieder auf das Festgehalt und die etwaigen variablen Vergütungsbestandteile (Tantiemen) aus der Zeit vor der Verfahrenseröffnung stellen einfache Insolvenzforderungen dar (§ 38 InsO). Dasselbe gilt auch für die Tantiemeforderungen, die erst mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens für das dadurch gem. §§ 155 II 1, 283 III 1 InsO beendete Geschäftsjahr entstanden sind,652 obwohl sie bei strengem Wortlautverständnis nicht unter § 38 InsO zu subsumieren sind, weil sie in diesem Zeitpunkt noch nicht begründet waren; hier ist aber § 38 InsO analog anzuwenden.653 Die Vergütungsansprüche für das Geschäftsjahr, das mit der Verfahrenseröffnung beginnt sind dagegen Masseforderungen i. S. d. § 55 I Nr. 2 InsO.654 3. Kündigung durch den Vorstand Eine ordentliche Kündigung steht dem Vorstandsmitglied gem. § 113 S. 1 InsO, §§ 620, 622 BGB nur zu, wenn das Anstellungsverhältnis auf unbestimmte Zeit eingegangen worden ist, was allerdings wegen § 84 I 5 AktG praktisch nicht vorkommt655. Ihm steht aber ein besonderes Kündigungsrecht gem. § 87 II 3 AktG zu, wenn seine Bezüge herabgesetzt werden. ___________ 650

Vgl. Hefermehl/Spindler, in: MK zum AktG § 84 Rn. 134 zu §§ 620, 626 BGB. 1. b) bb), Seite 316. 652 Tatiemeansprüche der Vorstandsmitglieder entstehen am Schluss des Geschäftsjahres, Mertens, in: KK zum AktG, § 86 Rn. 10. 653 Es wird auf die Ausführungen in Kapitel 6 C. II. 3., Seite 376 zur Vergütung des Aufsichtsrates verwiesen, bei dem sich dasselbe Problem stellt. 654 Ganz herrschende Meinung, vgl. die Nachweise in Fußnote 632 (Seite 318). 655 Grobys/Littger, BB 2002, 2292, 2293. 651

Kap. 5: Der Vorstand in der Eigenverwaltung

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Der für eine außerordentliche Kündigung gem. § 626 I BGB nötige wichtige Grund kann in der Nichtzahlung der Vergütung656, dem grundlosen Widerruf der Bestellung oder einer grob unbilligen Herabsetzung nach § 87 II AktG657 bestehen. Fraglich ist aber, ob die Anordnung der Eigenverwaltung einen wichtigen Kündigungsgrund für das Vorstandsmitglied darstellt. Nach verbreiteter Auffassung ist ein Vorstand zur außerordentlichen Kündigung berechtigt, wenn er die eigenverantwortliche Leitungsmacht (§ 76 I AktG) verliert, z. B. als Folge eines Beherrschungsvertrages (§ 308 I AktG) oder einer Eingliederung (§ 323 I AktG).658 Dieser Gedanke könnte auch bei der Eigenverwaltung durchgreifen, in der der Vorstand ebenfalls erhebliche Einschränkung seiner Leitungsmacht hinzunehmen hat. So muss er nicht nur die durch die Gläubigerversammlung gem. § 157 InsO getroffene Entscheidung über die Art der Verwertung des Unternehmens (Liquidation, übertragende Sanierung oder Reorganisation) befolgen, sondern auch die zum Teil weit reichende Zustimmungsvorbehalte der §§ 275 ff. InsO beachten. Außerdem muss er sich mit sämtlichen Verfahrensbeteiligten weitestgehend abstimmen, um eine Einstellung des Verfahrens gem. § 272 I Nr. 1 und 2 InsO zu vermeiden. Trotz alledem erreicht die Einschränkung der Leitungsmacht allerdings nicht das Maß eines Totalverlustes wie bei den oben genannten konzernrechtlichen Maßnahmen. Der wesentliche Unterschied besteht darin, dass den Insolvenzorganen gerade keine Weisungsrechte gegenüber der Gesellschaft und mithin gegenüber deren Vorstandsmitgliedern zustehen,659 sondern sie auf eine Kontrolle der Geschäftstätigkeit beschränkt bleiben. Außerdem kann der Vorstand zumindest im Gemeinschuldnerbereich unabhängig walten. Die Einschränkung der eigenverantwortlichen Leitungsmacht stellt daher noch keinen wichtigen Grund i. S. d. § 626 I BGB dar. Sofern es im Zuge der Eigenverwaltung zu einer zeitlichen Mehrbelastung des Vorstandes oder zu einer Verschiebung seines Funktionsbereiches kommen sollte, liegt darin ebenfalls kein wichtiger Grund, weil die Insolvenz – ebenso wie die Liquidation660 – als ein Normalfall fortwirkender Vorstandstätigkeit anzusehen ist und derartige Änderungen daher auch vom Anstellungsvertrag gedeckt sind. Nur im Einzelfall kann die wesentliche Veränderung des Tätigkeits___________ 656 BAG. Urteil vom 8. 8. 2002 – 8 AZR 574/01, DB 2002, 2273; Hefermehl/Spindler, in: MK zum AktG § 84 Rn. 160. 657 Mertens, in: KK zum AktG, § 87 Rn. 21. 658 Wiesner, in: MHb GesR IV, § 21 Rn. 82; Hefermehl/Spindler, in: MK zum AktG § 84 Rn. 160; Mertens, in: KK zum AktG, § 84 Rn. 161. 659 Siehe Kapitel 1 C. II. 1, Seite 88 (Sachwalter), Kapitel 1 C. IV. 2. b), Seite 96 (Gläubigerausschuss), und Kapitel 1 C. IV. 1. b) aa), Seite 92 (Gläubigerversammlung). 660 Kraft, in: KK zum AktG, § 265 Rn. 31; Hüffer, in: MK zum AktG, § 265 Rn. 7.

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3. Teil: Die Rechtsstellung der Organe einer AG in Eigenverwaltung

bereiches einen wichtigen Grund bedeuten,661 etwa wenn ein bestimmter Geschäftsbereich vertraglich festgelegt war. Die Anordnung der Eigenverwaltung stellt somit in der Regel keinen wichtigen Grund i. S. d. § 626 I BGB dar.

D. Die Haftung der Vorstandsmitglieder Wenn Vorstandmitglieder in der Eigenverwaltung die durch sie auszuübenden Rechte oder die Pflichten, die sie in eigener Person oder in ihrer Funktion als gesetzliche Vertreter der eigenverwaltenden Gesellschaft treffen, nicht ordnungsgemäß wahrnehmen, kommen Schadensersatzansprüche sowohl der Gesellschaft (A.) wie auch der Insolvenzgläubiger (B.) in Betracht. Ausgeblendet bleiben im Folgenden dagegen solche Ersatzansprüche, die auf einem Fehlverhalten der Vorstandsmitglieder vor der Verfahrenseröffnung beruhen (z. B. wegen Insolvenzverschleppung662). Derartige Ansprüche machen zwar oftmals einen wesentlichen Teil der Insolvenzmasse aus,663 sind aber nicht Bestandteil der hier zu erörternden eigenverwaltungsspezifischen Haftung. I. Ersatzansprüche der Gesellschaft 1. § 93 II 1 AktG Zentrale Anspruchsgrundlage für ein Ersatzbegehren der Gesellschaft ist § 93 II 1 AktG. Nach dieser Vorschrift sind Vorstandsmitglieder, die ihre Pflichten schuldhaft verletzen, der Gesellschaft zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens als Gesamtschuldner persönlich verpflichtet. Ein solcher Anspruch ist aber auch für die Insolvenzgläubiger von großem Interesse, weil er gem. § 93 V 1, 4 AktG durch den Sachwalter für die Masse geltend gemacht werden kann.

___________ 661

Hüffer, in: MK zum AktG, § 265 Rn. 7; Kraft, in: KK zum AktG, § 265 Rn. 31. Eine Haftung der Vorstandsmitglieder aus § 823 II BGB i. V. m. § 92 II AktG und aus § 26 III InsO wegen Insolvenzverschleppung wird im Zusammenhang mit der Eigenverwaltung ohnehin nur selten auftreten, weil es in diesen Fällen zumeist an der für die Anordnung der Eigenverwaltung erforderlichen positiven Prognose nach § 270 II Nr. 3 InsO fehlen wird. 663 Vgl. ausführlich Pielorz, FS Metzeler, 167, 168. 662

Kap. 5: Der Vorstand in der Eigenverwaltung

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a) Verletzung einer gegenüber der Gesellschaft bestehenden Pflicht Erforderlich ist die Verletzung einer gegenüber der Gesellschaft bestehenden Pflicht. Diese kann auf Gesetz, Satzung oder Anstellungsvertrag beruhen.664 Ob eine Pflicht gegenüber der Gesellschaft besteht, bestimmt sich nach ihrem jeweiligen Schutzzweck.665 aa) Pflicht zur Ausübung der Verfahrensrechte Die Vorstandsmitglieder haben aufgrund ihrer organschaftlichen Stellung und des Anstellungsvertrags im Rahmen des Gesetzes, der Satzung und der für sie verbindlichen Beschlüsse der anderen Gesellschaftsorgane alles zu tun, um den Vorteil der Gesellschaft und ihre wirtschaftlichen Interessen zu wahren und Schaden von ihr abzuwenden.666 Diese allgemeine Verantwortlichkeit kann sich im Einzelfall zu der Pflicht verdichten, von Verfahrensrechten der Gesellschaft in einer bestimmten Weise Gebrauch zu machen, wenn dies den Interessen der Gesellschaft zum Vorteil gereicht. (1) Verfahrensrechte im Schuldnerbereich Das gilt zunächst für die Verfahrensrechte im Schuldnerbereich. Da diese Rechte unmittelbar die Wahrung und Durchsetzung der Gesellschaftsinteressen bezwecken,667 stellt sich ihre Wahrnehmung organisationsrechtlich regelmäßig als Pflicht des Vorstands gegenüber der Gesellschaft dar.668 Jedes Mitglied des Vorstands ist dementsprechend verpflichtet, die Verfahrensrechte im wohlverstandenen Interesse der Gesellschaft669 einzusetzen. Dagegen besitzt das Interesse der Gläubiger an einer optimalen Befriedigung (§ 1 S. 1 InsO) hinsichtlich dieser Verfahrensrechte keine Relevanz.670 ___________ 664

Hüffer, AktG, § 93 Rn. 13; Hefermehl/Spindler, in: MK zum AktG § 93 Rn. 68. Hefermehl/Spindler, in: MK zum AktG § 93 Rn. 68. 666 BGH, Urteil vom 27. 9. 1956 – II ZR 144/55, BGHZ 21, 354, 357; LG Bochum, Urteil vom 27. 6. 1989 – 12 O 133/88, ZIP 1989, 1557, 1560; Wiesner, in: MHb GesR IV, § 25 Rn. 3; Pielorz, FS Metzeler, 167, 171. 667 Siehe oben A. III. 1. a), Seite 215; etwa Uhlenbruck, GmbHR 1972, 170, 175. 668 H.-F. Müller, S. 100; Götker, Rn. 934; Gutsche, Rn. 311; Henssler, ZInsO 1999, 121, 125; ders., in: Kölner Schrift, S. 1289 ff. Rn. 45; Uhlenbruck, GmbHR 1972, 170, 175 (zur KO). 669 Gutsche, Rn. 311; Götker, Rn. 934; Uhlenbruck, GmbHR 1972, 170, 175; A. A. Schulz, S. 87; ders., KTS 1986, 389, 416 (Gesellschafterinteressen). 670 A. III. 1. a), Seite 215. 665

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3. Teil: Die Rechtsstellung der Organe einer AG in Eigenverwaltung

Auf dieser Grundlage handelt der Vorstand beispielsweise pflichtwidrig, wenn er es unterlässt, die Einstellung des Verfahrens nach § 212 InsO oder § 213 InsO zu beantragen671 oder eine sofortige Beschwerde gegen einen fehlerhaften Eröffnungsbeschluss (§ 34 II InsO)672 bzw. die unrechtmäßige Zurückweisung eines Einstellungsantrags nach §§ 212, 213 InsO (§ 216 II InsO) einzulegen, obwohl die jeweiligen Voraussetzungen gegeben sind oder das Rechtsmittel nicht offenbar aussichtslos ist. Wenn es das Wohl der Gesellschaft erfordert, kann den Vorstand ferner eine Pflicht zur Vorlage eines Insolvenzplans (§ 218 I 1 Alt. 2 InsO) treffen.673 Davon wird in einem Eigenverwaltungsverfahren in den meisten Fällen auszugehen sein, da dieses Verfahren praktisch nur in Fortführungsfällen in Betracht kommt674 und die dafür erforderliche Sanierung des Unternehmens bzw. die Reorganisation des Unternehmensträgers allein durch einen Insolvenzplan erfolgen kann.675 Eine nach § 93 II 1 AktG haftungsbewehrte Pflichtverletzung wird deshalb stets anzunehmen sein, wenn der Vorstand einer eigenverwaltenden Aktiengesellschaft überhaupt keinen Insolvenzplan vorlegt. In Bezug auf den Inhalt des vorgelegten Plans muss man dem Vorstand dagegen, wie auch sonst bei der Geschäftsleitung,676 einen Spielraum für das eigene unternehmerische Ermessen zubilligen. Welche Strategie bei der Sanierung zu verfolgen ist und welche Sanierungsmittel dafür eingesetzt werden sollen, hat der Vorstand in eigener Verantwortung zu entscheiden (§ 78 I AktG). Ebenso ist ihm bei der Beurteilung, welche Verwertungsalternative die Zustimmung der Gläubiger (§§ 244 bis 246 InsO) finden kann, eine weite Einschätzungsprärogative zuzugestehen.677 Ein pflichtwidriges Handeln des Vorstands in Bezug auf den Inhalt eines von ihm vorgelegten Insolvenzplans wird daher nur selten feststellbar sein. ___________ 671

Dazu Götker, Rn. 954. Ebenso H.-F. Müller, S. 101; Henssler, in: Kölner Schrift, S. 1283 ff. Rn. 45 (für die GmbH); Uhlenbruck, in: Die GmbH in Krise, Sanierung und Insolvenz, Rn. 1220 (für die GmbH). 673 Götker, Rn. 958; im Grundsatz auch H.-F. Müller, S. 101; Uhlenbruck, in: Die GmbH in Krise, Sanierung und Insolvenz, Rn. 1200 (für die GmbH). 674 Bundesregierung, Begründung zu § 330 RegE InsO (= § 270 InsO), BT-Drucks. 12/2443, S. 223 und Begründung zu § 343 RegE InsO (= § 282 InsO), S. 226; Grub, WM 1994, 880, 881; Vallender, in: Die GmbH in Krise, Sanierung und Insolvenz, Rn. 1732; Uhlenbruck, in: Uhlenbruck, InsO, § 270 Rn. 11. 675 Eine Abweichung von der durch die Bestimmungen der Insolvenzordnung vorgesehenen Liquidation des Schuldnervermögens (vgl. § 159 InsO) ist nur durch Insolvenzplan möglich (§ 217 InsO). 676 BGH, Urteil vom 21. 4. 1997 – II ZR 175/95, BGHZ 135, 244, 253; Hefermehl/Spindler, in: MK zum AktG § 93 Rn. 24; Hüffer, AktG, § 93 Rn. 13a. 677 Insoweit hat er sich faktisch doch an § 1 S. 1 InsO zu orientieren. 672

Kap. 5: Der Vorstand in der Eigenverwaltung

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Der Vorstand ist darüber hinaus verpflichtet, eine Hauptversammlung einzuberufen, um die für die Bestätigung eines Insolvenzplans (§ 249 InsO) erforderlichen Maßnahmen auf gesellschaftsrechtlicher Ebene (z. B. eine Kapitalerhöhung oder Umwandlung) beschließen zu lassen.678 Schließlich verletzt der Vorstand seine Pflichten, wenn er Mitwirkungsrechte der anderen Gesellschaftsorgane verletzt,679 z. B. ungeschriebene Hauptversammlungszuständigkeiten (Holzmüller), die den Vorstand etwa bei der Vorlage eines Insolvenzplans, der eine grundlegende Umstrukturierung zum Gegenstand hat, oder beim Antrag auf Aufhebung der Eigenverwaltung gem. § 272 I Nr. 3 InsO binden können.680 (2) Verfahrensrechte im Eigenverwaltungsbereich Nichts anderes ergibt sich für die eigenverwaltungsspezifischen Verfahrensrechte. Diese Rechte bestehen zwar im erster Linie zum Wohle der Gläubiger und stellen daher als solche keine Pflichten i. S. d. § 93 II 1 AktG dar. Da die Gesellschaft jedoch als Eigenverwalterin gem. § 1 S. 1 InsO gegenüber den Gläubigern verpflichtet ist, die Verfahrensrechte zu deren bestmöglichen Befriedigung einzusetzen,681 drohen ihr Nachteile, z. B. in Gestalt einer Haftung682 oder gar der Aufhebung der Eigenverwaltung (§ 272 InsO), wenn sie von diesen Rechten nicht ordnungsgemäß Gebrauch macht, also beispielsweise die Gläubiger bei der Vermögensverteilung nicht gleichmäßig behandelt. Aufgrund ihrer Schadensabwendungspflicht schulden Vorstandsmitglieder daher der Gesellschaft im Innenverhältnis die pflichtgemäße Erfüllung der eigenverwaltungsspezifischen Verfahrensrechte. Außerdem tangieren diejenigen eigenverwaltungsspezifischen Verfahrensrechte, die auf den Erhalt oder die Anreicherung der Insolvenzmasse abzielen683, zugleich unmittelbar die Interessen der Gesellschaft, da diese auch während des Insolvenzverfahrens Inhaberin des zur Insolvenzmasse gehörigen Gesellschaftsvermögens bleibt.684 Der für § 93 II 1 AktG erforderliche Vermö___________ 678

Uhlenbruck, in: Die GmbH in Krise, Sanierung und Insolvenz, Rn. 1200 (für eine Kapitalerhöhung in der GmbH). 679 Dazu allgemein: OLG Celle, Urteil vom 7. 3. 2001 – 9 U 137/00, NZG 2001, 409; Hefermehl/Spindler, in: MK zum AktG § 93 Rn. 23. 680 A. III. 2. b), Seite 226. 681 Zur Bindung des Vorstands an § 1 S. 1 InsO siehe B. III. 1. a), Seite 289. 682 Kapitel 1 C. I. 3., Seite 73. Nach der hier vertretenen Ansicht haftet die Schuldnergesellschaft allerdings nicht aus § 60 InsO. 683 Bspw. das Wahlrecht bei gegenseitigen Verträgen (§§ 103 ff. InsO) oder das Bestreitensrecht (§ 283 I 1 InsO). 684 Häsemeyer, InsR, Rn. 15.06; Ott, in: MK zur InsO, § 80 Rn. 6.

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3. Teil: Die Rechtsstellung der Organe einer AG in Eigenverwaltung

gensschaden der Gesellschaft liegt hier in der Verkürzung der Insolvenzmasse. Vorstandsmitglieder, die die Insolvenzmasse schmälern, indem sie etwa nachteilige Verträge abschließen (§ 270 I 1 InsO) bzw. solche Verträge nicht gem. §§ 279 S. 1, 103 ff. InsO beendigen685 oder die unberechtigte Forderungen nicht gem. § 283 I 1 InsO bestreiten686, verletzen daher auch unmittelbar ihre Sorgfaltspflichten gegenüber der Gesellschaft. bb) Pflicht zur Erfüllung der Verfahrenspflichten Auch die Verletzung der durch den Vorstand zu erfüllenden Verfahrenspflichten kann eine Ersatzpflicht der Vorstandsmitglieder gegenüber der Gesellschaft aus § 93 II 1 AktG auslösen. Die Pflichten, die die Gesellschaft in ihrer Eigenschaft als Eigenverwalterin treffen,687 sind nach ihrem Sinn und Zweck dem Schutz der Gläubiger zu dienen bestimmt und somit als solche keine Pflichten im Sinne des § 93 II 1 AktG. Angeknüpft werden kann jedoch an die allgemeine Aufgabe des Vorstands, für ein rechtmäßiges Verhalten der Gesellschaft nach außen zu sorgen.688 Aufgrund dieser Verantwortlichkeit schuldet er der Gesellschaft die ordnungsgemäße Erfüllung dieser Verfahrenspflichten.689 Desgleichen bezwecken auch die Auskunfts- und Mitwirkungspflichten des Vorstands gem. §§ 97, 101 I 1, 270 I 2 InsO nicht den Schutz der Gesellschaft, sondern dienen der Verwirklichung der Gläubigerrechte und der effektiven Durchführung des Insolvenzverfahrens.690 Da diese individuelle Pflichten eines jeden Vorstandsmitglieds darstellen, verbietet es sich jedoch, eine Pflicht zur ordnungsgemäßen Mitwirkung wie soeben691 aus der Verantwortlichkeit für das rechtmäßige Verhalten der Gesellschaft abzuleiten.692 Allerdings schulden die Vorstandsmitglieder der Gesellschaft im Prinzip auch die ___________ 685

So auch H.-F. Müller, S. 102. In Bezug auf das Bestreitensrecht im Regelinsolvenzverfahren (§§ 178, 184 InsO) ebenso Henssler, in: Kölner Schrift, S. 1283 ff. Rn. 45; H.-F. Müller, S 101. 687 Z. B. die Pflicht zur Aufstellung der Verzeichnisse nach §§ 151–153 InsO (§ 281 I InsO), zur Berichterstattung im Berichtstermin (§ 281 II InsO), zur Rechnungslegung nach §§ 60, 155 InsO (§ 281 III 1 InsO), zur Erstellung der Schlussrechnung (§ 281 III 2 InsO), zur Einholung des Einvernehmens oder der Zustimmung des Sachwalters bzw. der Gläubiger (§§ 275 ff. InsO, § 279 S. 2 InsO); siehe weiter Schlegel, S. 199 f. 688 Hefermehl/Spindler, in: MK zum AktG § 93 Rn. 70; Mertens, in: KK zum AktG, § 93 Rn. 34. 689 Ebenso bzgl. der Verfahrenspflichten im regulären Verfahren: H.-F. Müller, S. 102; i. E. auch Schlegel, S. 199. 690 Blersch/von Olshausen, in: BK zum InsR, § 97 Rn. 1. 691 Bei den Verfahrenspflichten der Aktiengesellschaft in ihrer Eigenschaft als Eigenverwalterin. 692 So aber offenbar H.-F. Müller, S. 102 f. 686

Kap. 5: Der Vorstand in der Eigenverwaltung

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ordentliche Erfüllung der ihnen als Geschäftsleiter persönlich auferlegten Pflichten,693 d. h. auch der §§ 97, 101 I 1, 270 I 2 InsO. b) Verschulden aa) Der maßgebliche Verschuldensmaßstab Die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters (§ 93 I 1 AktG) bildet in den hier diskutierten Fällen den einheitlichen Verschuldensmaßstab für die Haftung des Vorstands gegenüber der Gesellschaft,694 d. h. ohne Unterschied, ob der Schuldner- oder der Eigenverwaltungsbereich betroffen ist. Dem Vorschlag von Schlegel695, den Maßstab eines ordentlichen und gewissenhaften Insolvenzverwalters (§ 60 I 2 InsO)696 auf die Rechte und Pflichten im Eigenverwaltungsbereich anzuwenden, ist nicht beizutreten. Denn deren ordnungsgemäße Erfüllung schuldet der Vorstand, wie gerade gesehen,697 nicht unmittelbar, sondern nur mittelbar aufgrund seiner allgemeinen Verantwortlichkeit gegenüber der Gesellschaft, d. h. allein im Innenverhältnis. Demgegenüber betrifft § 60 I 2 InsO das Außenverhältnis zwischen dem Eigenverwalter – das ist auch in der Insolvenz einer Aktiengesellschaft diese selbst und nicht etwa ihr Vorstand698 – und den Insolvenzgläubigern.699 Gegen diesen Verschuldens___________ 693

Mertens, in: KK zum AktG, § 93 Rn. 40; Zöllner, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 43 Rn. 16. Zudem ist es denkbar, an die Pflicht anzuknüpfen, Schaden von der Gesellschaft abzuwenden. Ein Schaden könnte daraus entstehen, dass die Gesellschaft infolge eines Verstoßes gegen §§ 97, 101 I 1 InsO durch ihre Vorstandsmitglieder gem. §§ 823 II, 31 BGB haften muss oder dass die Eigenverwaltung sogar gem. § 272 InsO aufgehoben wird. 694 Ebenso H.-F. Müller, S. 103 bzgl. der Erfüllung der Verfahrenspflichten. 695 So aber Schlegel, S. 201, der freilich von einem „Verdrängungsbereich“ spricht. 696 Richtigerweise müsste man hier ohnehin von der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Eigenverwalters ausgehen, genauso wie von einem Sachwalter lediglich die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Sachwalters verlangt werden kann (vgl. Wittig, in: MK zur InsO, § 274 Rn. 44). Denn die hinter dem Sorgfaltsmaßstab des § 60 I 2 InsO stehenden Gründe (z. B. Einarbeitungszeit, nicht vertrauter Geschäftszweig, fehlende Buchführung; vgl. Brandes, in: MK zur InsO, §§ 60, 61 Rn. 89) können nicht unversehens auf den eigenverwaltenden Schuldner übertragen werden. 697 Oben a) aa) (2), Seite 327, und ebenda bb), Seite 328. 698 B. II. 2. a) cc), Seite 272. 699 Aus denselben Gründen würde auch eine Abmilderung des für die Geschäftsführer einer GmbH geltenden Haftungsmaßstabs (§ 43 I GmbHG) – soweit man dies überhaupt für zulässig erachtet (bejahend z. B. Zöllner, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 43 Rn. 5; a. A. Haas, in: Michalski, GmbHG, § 43 Rn. 14) – in den hier diskutieren Fällen durchschlagen, sofern sie nur vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens (in Satzung oder

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3. Teil: Die Rechtsstellung der Organe einer AG in Eigenverwaltung

maßstab spricht aber vor allem, dass § 60 InsO schon nicht auf die Schuldnergesellschaft selbst anzuwenden ist700 und deshalb erst recht nicht für deren Vorstandsmitglieder gelten kann. bb) Die Sorgfalt eines gewissenhaften Geschäftsleiters in der Eigenverwaltung Es fragt sich allerdings, was von einem ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiter in der Eigenverwaltung erwartet werden kann. Allgemein umschreibt der Haftungsmaßstab des § 93 I 1 AktG diejenige Sorgfalt, die ein ordentlicher Geschäftsmann in verantwortlicher Position bei selbständiger treuhänderischer Wahrnehmung fremder Vermögensinteressen einzuhalten hat.701 Dabei haben Vorstandsmitglieder für diejenigen Fähigkeiten und Kenntnisse einzustehen, die erforderlich sind, um diesem Sorgfaltsmaßstab in Bezug auf ihre Leitungsaufgabe zu genügen;702 mangelnde Fähigkeiten und Kenntnisse stellen daher keinen Entschuldigungsgrund dar.703 Treten besondere Probleme oder Rechtsfragen auf, muss der Vorstand sachkundigen Rat einholen; nur wenn sofortiges Handeln erforderlich ist, kann seine Unkenntnis entschuldbar sein.704 Aus dem Vorgesagten folgt, dass Vorstandshandeln in der Eigenverwaltung an denselben hohen Anforderungen zu messen ist wie bei der Unternehmensführung außerhalb der Krise. Denn die ordnungsgemäße Durchführung der Eigenverwaltung steht nicht neben ihrer allgemeinen Leitungsaufgabe, sondern ist deren Bestandteil. Wenngleich die Vorstandsmitglieder auch mit der Eigenverwaltung völliges Neuland betreten und sie bisher unbekannte rechtliche sowie unternehmerische Schwierigkeiten zu gegenwärtigen haben mögen, so vermag ___________ Anstellungsvertrag) angeordnet worden ist (a. A. Schlegel, S. 201); allenfalls kommt eine Anfechtung gem. §§ 129 ff. InsO in Betracht. Dagegen wäre der für eine nachträgliche Haftungsmilderung erforderliche Gesellschafterbeschluss wegen Insolvenzzweckwidrigkeit jedenfalls als anfechtbar zu betrachten (zur Anfechtbarkeit insolvenzzweckwidriger Hauptversammlungsbeschlüsse Kapitel 7 B. II. 1. b) bb) (2), Seite 417). Im Aktienrecht stellt sich diese Frage dagegen nicht, da hier eine Herabsetzung des Haftungsmaßstabs generell nicht zulässig ist, § 23 V AktG (vgl. nur Mertens, in: KK zum AktG, § 93 Rn. 4; Zöllner, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 43 Rn. 5). 700 Kapitel 1 C. I. 3. a) bb) (b), Seite 80. 701 BGH, Urteil vom 20. 2. 1995 – II ZR 143, 93, BGHZ 129, 30, 34 (zur GmbH); Hüffer, in: MK zum AktG, § 93 Rn. 22. 702 Mertens, in: KK zum AktG, § 93 Rn. 99. 703 Hefermehl/Spindler, in: MK zum AktG § 93 Rn. 83; vgl. auch BGH, Urteil vom 28. 10. 1971 – II ZR 49/70, WM 1971, 1548, 1549. 704 Mertens, in: KK zum AktG, § 93 Rn. 99; Hefermehl/Spindler, in: MK zum AktG § 93 Rn. 83; Pielorz, FS Metzeler, 167, 172.

Kap. 5: Der Vorstand in der Eigenverwaltung

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dies ein pflichtwidriges Verhalten nicht zu entschuldigen. Vor neuartige Entscheidungen gestellt zu werden, ist eine Herausforderung, die sich auch außerhalb des Insolvenzverfahrens regelmäßig ergibt. Vielmehr sind die Vorstandsmitglieder verpflichtet, sich auf diese Situation gewissenhaft vorzubereiten und sich die erforderlichen eigenverwaltungsrechtlichen Kenntnisse und Fähigkeiten anzueignen. In der Regel wird ihnen dafür zwischen der Entscheidung zur Beantragung der Eigenverwaltung bzw. der tatsächlichen Antragstellung (§ 270 II Nr. 1 InsO)705 und der Anordnung der Eigenverwaltung eine angemessene Einarbeitungszeit zur Verfügung stehen. Fühlt sich ein Vorstandsmitglied dennoch nicht ausreichend qualifiziert, hat es ggf. sein Amt niederzulegen.706 Natürlich kann aber selbst eine noch so gründliche Vorbereitung nicht vollends verhindern, dass der Vorstand in besonderen Verfahrenslagen mit der Durchführung der Eigenverwaltung überfordert ist. In diesen Fällen kann er aber nicht ohne weiteres auf die Einholung sachkundigen Rats verwiesen werden, weil die damit verbundenen Entgeltansprüche der Berater als vorrangige Forderungen die Insolvenzmasse belasten (§ 55 I Nr. 1 InsO). Es ist zu differenzieren: Soweit die eigenverwaltungsspezifischen Rechte und Pflichten betroffen sind, ist der Vorstand als im Rahmen seiner Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis (§ 270 I 1 InsO) als berechtigt anzusehen, externen Rat auch unter Begründung von Masseverbindlichkeiten einzuholen.707 Denn einerseits steht die Wahrnehmung dieser Rechte und Pflichten im Interesse der Gläubiger, so dass sie auch für die notwendigen Kosten aufkommen sollten, und andererseits wäre in einem regulären Insolvenzverfahren auch der Verwalter zur Inanspruchnahme einer solchen qualifizierten Beratung berechtigt und sogar verpflichtet.708 Was die Rechte und Pflichten im Schuldnerbereich anbelangt, die allein dem Interesse der Gesellschaft zu dienen bestimmt sind, sollte man dagegen eine Finanzierung durch die Aktionäre verlangen.709 Stellen sie die notwendigen Mittel nicht zur Verfügung, kann dem Vorstand kein Schuldvorwurf gemacht werden, wenn ihm ein Rechtsirrtum unterläuft. Die (vorherige) Billigung einer pflichtwidrigen Maßnahme durch die Gläubigerversammlung oder den Gläubigerausschuss stellt ebenfalls keinen Ent-

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Die in den meisten Fällen mit dem Eröffnungsantrag gem. § 13 I 2 InsO verbunden sein wird. 706 Zur Amtsniederlegung siehe I. 2., Seite 308. 707 Siehe auch oben B. I. 1. a), Seite 232. 708 Lüke, in: Kübler/Prütting, InsO, § 60 Rn. 39; Brandes, in: MK zur InsO, § 60 Rn. 92. 709 Kapitel 4 B. II. 1. a), Seite 188.

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3. Teil: Die Rechtsstellung der Organe einer AG in Eigenverwaltung

schuldigungsgrund dar;710 sie könnte ohnehin nur die Haftung der Gesellschaft gegenüber den Gläubigern entfallen lassen. Hinsichtlich der Rechte und Pflichten im Eigenverwaltungsbereich kann jedoch die Zustimmung der Gläubiger auch im Verhältnis des Vorstands zur Gesellschaft Indiz dafür sein, dass der Vorstand seine Sorgfaltspflichten erfüllt hat. c) Kausalität und Schaden Kausalität sowie Art, Inhalt und Umfang der Schadensersatzverpflichtung bestimmen sich nach den allgemeinen Grundsätzen. Im Einzelfall wird es für die beweisbelastete Gesellschaft (oder den Sachwalter, § 92 V 4 AktG) häufig schwierig sein, für die Kausalität und die Höhe des Schadens Nachweis zu erbringen.711 So ist ex post kaum festzustellen, ob sich die Gläubiger auf einen Insolvenzplan (§§ 241 ff. InsO) oder die Aktionäre auf die erforderlichen gesellschaftsrechtlichen Maßnahmen (§ 249 InsO) eingelassen hätten, ob also die Nichtvorlage eines Plans kausal für Nachteile der Gesellschaft war.712 Unterlässt es der Vorstand, Beschwerde gegen einen fehlerhaften Eröffnungsbeschluss (§ 34 II InsO) oder eine fehlerhafte Zurückweisung eines Einstellungsantrags nach §§ 212, 216 InsO einzulegen, so hat er die bis zur Verfahrenseinstellung anfallenden Verfahrenskosten (§ 54 InsO) zu ersetzen, weil die Gesellschaft diese Kosten sogar bei einer unberechtigten Verfahrenseröffnung zu tragen hat.713 Relativ einfach lässt sich auch der aus einem masseschädigenden Tun oder Unterlassen entstehende Vermögensschaden berechnen. Dasselbe gilt, wenn pflichtwidriges Verhalten zu einer Haftung der Gesellschaft führt. Schwerlich einzuschätzen ist dagegen, welcher Schaden in einer unberechtigten Verfahrenseröffnung als solcher liegt714 oder darin, dass die Gläubiger infolge der Pflichtwidrigkeit des Vorstands die Eigenverwaltung beenden (§ 272 I Nr. 1 und 2 InsO) und die Gesellschaft dadurch ihre Einflussmöglichkeit verliert. Häufig wird die Schadenshöhe hier nur gem. § 287 ZPO geschätzt werden können.

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Sie lässt auch bei der Haftung eines Insolvenzverwalters aus § 60 InsO nicht grundsätzlich dessen Verschulden entfallen, vgl. Brandes, in: MK zur InsO, § 60 Rn. 98; Kind, in: Braun, InsO, § 60 Rn. 19. 711 Diese Einschätzung teilt Henssler, ZInsO 1999, 121, 125 (für den Fall einer unterlassenen Rechtsbeschwerde gem. § 34 II InsO). 712 H.-F. Müller, S. 101. 713 H.-F. Müller, S. 101; größere Schwierigkeiten sieht offenbar Henssler, ZInsO 1999, 121, 125. 714 H.-F. Müller, S. 101.

Kap. 5: Der Vorstand in der Eigenverwaltung

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d) Haftungsausschluss Gem. § 93 IV AktG tritt die Ersatzpflicht der Vorstandsmitglieder gegenüber der Gesellschaft nicht ein, wenn die pflichtwidrige Handlung auf einem vorherigen gesetzmäßigen Beschluss der Hauptversammlung beruht (Satz 1) oder wenn die Gesellschaft auf den Anspruch verzichtet bzw. sich über ihn vergleicht (Satz 3). Diese Ausschlusstatbestände sind für den Vorstand in der Eigenverwaltung indessen völlig gegenstandslos, weil sie gem. § 93 V 3 AktG für das Verfolgungsrecht des Sachwalters (§ 93 V 1, 4 AktG) unbeachtlich sind715 und dieser sogar aus §§ 274 I, 60 InsO verpflichtet ist, den Anspruch zur Befriedigung der Gläubiger geltend zu machen. Der Vorstand darf also nicht hoffen, von einer Haftung verschont zu werden. 2. Sonstige Haftungstatbestände Einem Anspruch der Gesellschaft aus § 280 I BGB wegen Verletzung einer Pflicht aus dem Anstellungsvertrag der Vorstandsmitglieder (ehemals positive Vertragsverletzung) kommt nach h. M. gegenüber der gesetzlichen Haftung des § 93 II 1 AktG keine eigenständige Bedeutung zu. Vielmehr nimmt diese Vorschrift als gesetzliche Spezialregelung die vertragliche Haftungsgrundlage in sich auf.716 Denkbar sind schließlich Ansprüche der Gesellschaft aufgrund eines deliktischen Vorstandshandelns zu ihrem Nachteil, z. B. aus § 826 BGB oder aus § 823 II BGB i. V. m. § 266 StGB. II. Ersatzansprüche der Insolvenzgläubiger Schadensersatzansprüche, die sich unmittelbar gegen einzelne Vorstandsmitglieder richten, sind für die Gläubiger von großem Wert, weil sie den Zugriff auf das Privatvermögen der Vorstandsmitglieder und damit auf eine separate, von der Insolvenz nicht betroffene Haftungsmasse ermöglichen. Zu beachten ist aber, dass Ansprüche der Insolvenzgläubiger auf Ersatz eines Schadens, den diese gemeinschaftlich durch eine Pflichtverletzung der Vorstände erlitten haben, während der Dauer des Eigenverwaltungsverfahrens im Interesse einer ___________ 715

Außerdem wäre ein vorheriger Beschluss der Hauptversammlung, der eine insolvenzzweckwidrige Maßnahme des Vorstands absegnet, wegen Verletzung des § 1 S. 1 InsO ohnehin anfechtbar (vgl. Kapitel 7 B. II. 1. b) bb) (2), Seite 417) und damit nicht gesetzmäßig i. S. d. § 93 IV 1 AktG (vgl. dazu Hefermehl/Spindler, in: MK zum AktG § 93 Rn. 112). 716 Wiesner, in: MHb GesR IV, § 26 Rn. 4; siehe Hüffer, AktG, § 93 Rn. 11 zum Meinungsstreit. Zu § 43 II GmbHG: BGH, Urteil vom 9. 12. 1996 – II ZR 240/95, NJW 1997, 741; BGH, Urteil vom 12. 6. 1989 – II ZR 334/87, ZIP 1989, 1390, 1392.

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gleichmäßigen Befriedigung aller Insolvenzgläubiger nur durch den Sachwalter für die Insolvenzmasse geltend gemacht werden können (§§ 92, 280 InsO). 1. §§ 270 I 2, 60 I 1 InsO Als Grundlage für eine Haftung der Vorstandsmitglieder gegenüber den Gläubigern kommt zunächst § 60 I InsO in Betracht, der den Insolvenzverwalter zum Schadensersatz verpflichtet, wenn er schuldhaft seine Pflichten gegenüber den Beteiligten verletzt. Die Anwendung dieser Vorschrift auf die Mitglieder des Vorstands könnte man vor allem deshalb erwägen, weil schon die Kommission für Insolvenzrecht, die das geltende Recht wesentlich geprägt hat,717 in ihrem ersten Bericht von einer Haftung der organschaftlichen Vertreter gem. § 82 KO ausgegangen ist,718 der die Vorgängernorm zu § 60 InsO darstellt. Außerdem scheint sich die Anwendbarkeit des § 60 InsO auf den Vorstand konsequenter Weise zu ergeben, wenn man der überwiegenden Auffassung folgt, die § 60 InsO auf den Eigenverwalter anwendet,719 und sich darüber hinaus der verbreiteten Meinung720 anschließt, dass in einem Verfahren über das Vermögen einer Kapitalgesellschaft deren Geschäftsleitungsorgan zum Eigenverwalter bestellt wird.721 Richtigerweise wird jedoch – was oben jeweils nachgewiesen worden ist – weder das Geschäftsleitungsorgan einer insolventen Gesellschaft zum Eigenverwalter bestellt,722 noch haftete, wenn man sich insoweit der hier vertretenen Auffassung trotz allem nicht anschließen wollte, der Eigenverwalter überhaupt nach § 60 InsO.723 Eine Ersatzpflicht der einzelnen Vorstandsmitglieder aus § 60 InsO ist daher rundherum abzulehnen.724

___________ 717

Kapitel 1 B. I. 1., Seite 37. Vgl. Kommission für InsR, Erster Bericht, Begründung zu Leitsatz 1.3.1.1, S. 125 f. Das Fehlen einer separaten Haftungsmasse bei natürlichen Personen und Gesellschaften ohne Rechtspersönlichkeit hat die Kommission schließlich zu einer ablehnenden Haltung gegenüber der Einführung einer Eigenverwaltung insgesamt bewogen. 719 Siehe die Nachweise bei Kapitel 1 C. I. 3. a), Seite 73, Fußnote 216. 720 So die meisten Anhänger der Theorie der Verdrängung, siehe B. II. 1. a), Seite 239, und insbesondere dort Fußnote 225. 721 Nichtsdestotrotz wird eine Anwendung des § 60 InsO auf die Geschäftsleitung einer Kapitalgesellschaft in Eigenverwaltung allerdings auch von den Anhängern der Theorie der Verdrängung – soweit ersichtlich – nicht erörtert. 722 B. II. 2. a) cc), Seite 272. 723 Kapitel 1 C. I. 3. a) bb) (2) (b), Seite 80. 724 Im Ergebnis ebenso: Götker, Rn. 1003, der die Haftung des Eigenverwalters nach § 60 InsO verneint; Huhn, Rn. 625 (ohne nähere Begründung). 718

Kap. 5: Der Vorstand in der Eigenverwaltung

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2. Positive Vertragsverletzung (§ 280 I BGB) Vereinzelt ist versucht worden, aus den im Schuldnerbereich bestehenden Verfahrenspflichten (§§ 97 ff., 101, 270 I 2 InsO725) ein gesetzliches Schuldverhältnis abzuleiten, das in entsprechender Anwendung der Regeln über die positive Vertragsverletzung (nunmehr: § 280 I BGB) einen Ersatzanspruch der geschädigten Insolvenzgläubiger gegen die Mitglieder des Geschäftsleitungsorgans begründen soll, wenn diese ihre Mitwirkungspflichten nicht ordnungsgemäß erfüllen.726 Der hiergegen gerichtete Einwand von H.-F. Müller, ein gesetzliches Schuldverhältnis könne nur zwischen dem Schuldner (also der Aktiengesellschaft selbst) und den übrigen Verfahrensbeteiligten angenommen werden,727 vermag indessen nur hinsichtlich der Schuldnerpflichten im Eigenverwaltungsbereich durchzugreifen. Was dagegen die Mitwirkungspflichten der §§ 97 ff. InsO im Schuldnerbereich anbelangt, so besteht deren Besonderheit, wie oben dargestellt worden ist,728 gerade darin, dass sie als insolvenzrechtliche Pflichten öffentlich-rechtlicher Natur jedes einzelne Vorstandsmitglied individuell treffen (vgl. § 101 InsO). Die Annahme eines gesetzlichen Schuldverhältnisses kann aber aus einem anderen Grund nicht überzeugen. Gesetzliche Pflichten werden von § 280 I BGB nur insoweit erfasst, als sie sich mit schuldrechtlichen Sonderverbindungen vergleichen lassen.729 Da die in den §§ 97 ff., 101, 270 I 2 InsO begründeten Verhaltenspflichten jedoch allein gegenüber dem Sachwalter bzw. dem Gläubigerausschuss und der Gläubigerversammlung, nicht aber gegenüber den einzelnen Gläubigern selbst zu erfüllen sind, liegt die den Schuldverhältnissen eigene Relativität der Rechtsbeziehungen, die Wirkung „inter partes“, nicht vor. Eine besondere Erklärung, warum die Pflichten der §§ 97 ff., 101 InsO nichtsdestotrotz ein gesetzliches Schuldverhältnis zwischen Geschäftsleitern und Gläubigern begründen können sollen, bleibt die dargestellte Auffassung dagegen schuldig. Sie ist auch nicht ersichtlich. Eine Haftung der Vorstandsmitglieder gegenüber den Insolvenzgläubigern aus § 280 I BGB wegen der Nicht- oder Schlechterfüllung der Mitwirkungspflichten ist daher insgesamt abzulehnen.

___________ 725

Ehemals §§ 100, 141 II KO. So Grüneberg, S. 136, der sich auf das OLG Hamm, Urteil vom 15. 10. 1979 – 8 U 149/78, ZIP 1980, 280, 281 bezieht, dass diese Frage zwar erwogen, im Ergebnis aber offen gelassen hat. 727 H.-F. Müller, S. 102. 728 A. I. 2., Seite 203. 729 H. P. Westermann, in: Erman, BGB, § 280 Rn. 6. 726

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3. Teil: Die Rechtsstellung der Organe einer AG in Eigenverwaltung

3. Unerlaubte Handlungen In Betracht zu ziehen sind schließlich noch Schadensersatzansprüche aus Deliktsrecht, insbesondere aus § 823 I BGB, § 823 II BGB und § 826 BGB.730 a) § 823 I BGB Vorstandsmitglieder haften aus § 823 I BGB persönlich, wenn sie eigenhändig oder in zurechenbarer Weise rechtswidrig und schuldhaft in absolute Rechte anderer eingreifen, etwa indem sie einen der Gesellschaft nicht gehörenden Gegenstand an einen gutgläubigen Dritten veräußern.731 Dabei schließt der Umstand, dass die Geschäftsleiter bei der deliktischen Handlung in ihrer Funktion als organschaftliche Vertreter tätig geworden sind, nach ständiger Rechtsprechung ihre Eigenhaftung nicht aus.732 b) § 823 II BGB Wesentliche Voraussetzung einer Haftung aus § 823 II BGB ist die Verletzung eines Gesetzes, das den Schutz eines anderen (hier der Insolvenzgläubiger) bezweckt. aa) Verletzung der Verfahrenspflichten Von weit reichender Bedeutung ist in diesem Rahmen die Frage, ob die in der Eigenverwaltung bestehenden Verfahrenspflichten als Schutzgesetze i. S. d. § 823 II BGB zugunsten der Gläubiger zu qualifizieren sind. Dabei ist wieder___________ 730 Neben eine deliktsrechtlichen Haftung des einzelnen Vorstandsmitglieds tritt regelmäßig auch eine solche der Aktiengesellschaft selbst, der das Verschulden ihres Organs gem. § 31 BGB zugerechnet wird. An einer Inanspruchnahme der Gesellschaft haben die Gläubiger aber – wie eingangs dargelegt worden ist – aufgrund der Insolvenz zumeist kein Interesse. 731 Eine insolvenzspezifische Ausnahme bildet die Veräußerung eines Gegenstandes, an dem ein Gläubiger Sicherungseigentum hat (§ 51 I Nr. 1 InsO). Denn gem. §§ 282 I, 166 I InsO darf der eigenverwaltende Schuldner einen solchen Gegenstand veräußern, obwohl er nicht in seinem Eigentum steht (zur dogmatischen Begründung siehe Andres, in: Nerlich/Römermann, InsO, § 51 Rn. 12). Damit wird der Tatsache Rechnung getragen, dass die Sicherungsübereignung bei wirtschaftlicher Betrachtung dem Pfandrecht näher steht als dem Eigentum (Bundesregierung, Begründung zu § 58 RegE InsO, BTDrucks. 12/2443, S. 125). 732 Vgl. BGH, Urteil vom 12. 3. 1996 – VI ZR 90/95, NJW 1996, 1535, 1536 m. w. N.; kritisch Hirte, KapGesR, Rn. 3.133.

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um zwischen den Eigenverwaltungspflichten733 und den Mitwirkungspflichten der §§ 97, 101 InsO734 zu differenzieren. (1) Eigenverwaltungsspezifische Pflichten Eine Haftung der Geschäftsleiter aus § 823 II BGB wegen der Verletzung der Eigenverwalterpflichten wird von Götker mit der Überlegung bejaht, dass die Kompetenzen, die den Geschäftsleitern in ihrer Rolle als Eigenverwalter an Stelle des Insolvenzverwalters übertragenen worden seien, und die hieraus resultierenden Pflichten eine Position begründeten, die der eines Insolvenzverwalters sehr nahe komme, und dass die diesen treffende Ersatzpflicht aus § 60 InsO eine deliktsähnliche Haftung darstelle.735 Gegen diese Argumentation richten sich jedoch erhebliche Bedenken. Zum einen ist es äußerst fragwürdig, ob aus der Deliktsähnlichkeit der Verwalterhaftung (§ 60 InsO) auf die Schutzgesetzqualität der den Schuldner treffenden Pflichten geschlossen werden kann. Denn die Stellung des Schuldners unterscheidet sich in ihrer Rechtsnatur grundlegend von der des Insolvenzverwalters,736 und er unterliegt – auch aus diesem Grunde – gerade nicht der Haftung aus § 60 InsO.737 Die Bestimmung der Schutzgesetzqualität muss vielmehr aus der einzelnen Verfahrenspflicht heraus erfolgen. Zum anderen unterscheidet diese Sichtweise nicht streng genug zwischen der insolventen juristischen Person auf der einen Seite, welcher allein die spezifischen Eigenverwaltungspflichten übertragen werden, und ihrem Geschäftsleitungsorgan auf der anderen Seite, das diese Pflichten lediglich vertretungsweise wahrnimmt. Aufgrund dieser Differenzierung befindet sich aber nicht der einzelne Geschäftsleiter, sondern die juristische Person in der „Eigenverwalterrolle“,738 und deshalb binden die hier besprochenen Verhaltenspflichten in erster Linie die Aktiengesellschaft. Demgegenüber kommt jedoch aufgrund der Tatsache, dass § 823 II BGB tatbestandlich eine Schutzgesetzverletzung durch den Anspruchsgegner verlangt, eine Haftung der Vorstandsmitglieder aus dieser Vorschrift nur in solchen Fällen in Frage, in denen diese selbst Adressat des

___________ 733

Dazu im Einzelnen B. I. 3., Seite 237. Hierzu näher unter A. I. 2., Seite 203. 735 Vgl. Götker, Rn. 1003 f., der allerdings auf die Vorgängernorm, § 82 KO, abstellt. Dagegen Kruse, S. 261 ff. 736 Kapitel 1 C. I. 2. b), Seite 64. 737 Kapitel 1 C. I. 3. a) bb) (2) (b), Seite 80. 738 B. II. 2. a) cc), Seite 272. 734

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3. Teil: Die Rechtsstellung der Organe einer AG in Eigenverwaltung

jeweiligen Schutzgesetzes sind.739 Andernfalls drohte eine allzu ausufernde Außenhaftung der Mitglieder des Geschäftsleitungsorgans unter Umgehung des in § 1 I 2 AktG verankerten Grundsatzes, dass den Gläubigern nur das Gesellschaftsvermögen haftet. Ob ein Schutzgesetz die Geschäftsleiter persönlich trifft, ist durch Auslegung unter Berücksichtigung des jeweiligen Schutzzwecks zu ermitteln,740 wenn nicht eine explizite gesetzliche Anordnung wie etwa § 14 I Nr. 1 StGB oder § 9 I Nr. 1 OWiG741 existiert. Eine Inanspruchnahme der Vorstandsmitglieder aus § 823 II BGB wegen der Verletzung der Eigenverwalterpflichten erfordert somit außer deren Schutzgesetzqualität, dass sie die Vorstandsmitglieder persönlich treffen. Schutzgesetze i. S. d. § 823 II BGB sind diejenigen Rechtsnormen, die wenigstens auch die Interessen des Einzelnen oder eines abgrenzbaren Personenkreises und nicht nur die der Allgemeinheit gezielt schützen sollen, und zwar in persönlicher wie auch sachlicher Hinsicht.742 Die Schaffung eines indirekten Schadensersatzanspruchs muss erkennbar vom Gesetz erstrebt sein oder zumindest im Rahmen des haftpflichtrechtlichen Gesamtsystems tragbar erscheinen.743 Die Pflicht der eigenverwaltenden Gesellschaft, die Masse- und Gläubigerverzeichnisse (§ 281 I 1 InsO) zu erstellen, Bericht zu erstatten (§ 281 II InsO) und die insolvenz-, steuer- sowie handelsrechtliche Rechnungslegung (§ 281 III InsO) auszuführen, verfolgt erkennbar auch den Zweck, den Gläubigern einen möglichst genauen Überblick über die Finanzsituation der Gesellschaft zu geben und sie so in die Lage zu versetzen, eine fundierte Entscheidung über die ___________ 739 Insbesondere Kleindiek, Deliktshaftung und Juristische Person, S. 139 f.; Keßler, GmbHR 1994, 429, 432 (für die GmbH); Kiethe, DStR 1993, 1298, 1300 f. (für die GmbH); wohl auch Mertens, in: KK zum AktG, § 93 Rn. 182 („persönlich verantwortlich“); vgl. BGH, Urteil vom 17. 2. 2003 – II ZR 240/01, NJW-RR 2003, 756, 757, der eine Haftung eines GmbH-Geschäftsführers aus § 823 II BGB i. V. m. §§ 266a, 14 I Nr. 1 StGB verneint, weil dieser infolge Amtsniederlegung nicht mehr Normadressat war. 740 Kleindiek, Deliktshaftung und Juristische Person, S. 140. 741 Aufgrund der in § 14 I Nr. 1 StGB enthaltenen Regelung können Geschäftsleiter beispielsweise aus § 823 II BGB i. V. m. § 266a I StGB wegen der Nichtabführung von Sozialversicherungsbeiträgen persönlich haften (vgl. BGH, Urteil vom 11. 12. 2001 – VI ZR 350/00, NJW 2002, 1123). Sobald sie allerdings aus der Organstellung ausscheiden, ist auch eine solche Eigenhaftung ausgeschlossen, weil sie nicht mehr Normadressat sind (BGH, Urteil vom 17. 2. 2003 – II ZR 240/01, NJW-RR 2003, 756, 757). Zur Haftung aus § 823 II BGB i. V. m. §§ 130 I 1, 9 I 1 OWiG (entspricht § 130 II Nr. 2 OWiG a. F.) vgl. BGH, Urteil vom l3. 4. 1994 – II ZR 16/93, BGHZ 125, 366, 372. 742 Wagner, in: MK zum BGB, § 823 Rn. 340, 344; Schiemann, in: Erman, BGB, § 823 Rn. 157; Sprau, in: Palandt, BGB, § 823 Rn. 57. 743 Sprau, in: Palandt, BGB, § 823 Rn. 57; Spindler, in: Bamberger/Roth, BGB, § 823 Rn. 155; vgl. BGH, Urteil vom 29. 6. 1982 – VI ZR 33/81, BGHZ 84, 312, 314, 317; BGH, Urteil vom 21. 10. 1991 – II ZR 204/90, BGHZ 116, 7, 14.

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ihren Interessen am besten entsprechende Verwertungsalternative zu fällen (§ 157 InsO). Das gilt insbesondere auch für die handelsrechtliche Rechnungslegungspflicht. Zwar werden die allgemeinen Buchführungspflichten des § 41 GmbHG bzw. des § 91 AktG nach (wohl noch) überwiegender Ansicht nicht als Schutzgsetze aufgefasst, weil ein über den Schutz der Gesellschaft und der Allgemeinheit hinausgehender Schutz der Gläubiger nicht zu erkennen sei.744 Doch kann dieses Argument nicht ohne Weiteres auf die Rechnungslegung während der Insolvenz übertragen werden, da hier das Vermögen, über das Rechenschaft abzulegen ist, zwingend der Gläubigergesamtheit verhaftet ist und somit auch die Buchführung auf das Ziel einer bestmöglichen Gläubigerbefriedigung ausgerichtet wird.745 Da Verstöße gegen diese Pflichten außerdem regelmäßig nur die am Verfahren beteiligten Gläubiger schädigen, bildet die Gläubigergesamtheit auch einen individualisierbaren Personenkreis. Insoweit liegen die Merkmale eines Schutzgsetzes also vor. Dass die Eigenverwaltungspflichten Schutzgsetze darstellen, muss aber mit Hinblick auf § 60 InsO anzweifelt werden, der überflüssig wäre, wenn der Insolvenzverwalter, dem eben diese Pflichten im regulären Verfahren obliegen, den Insolvenzbeteiligten schon aus § 823 II BGB verpflichtet wäre.746 Außerdem wäre die Behandlung dieser Pflichten als Schutzgesetze in der Eigenverwaltung regelmäßig wertlos, weil keine separate Haftungsmasse zur Verfügung steht, aus der diese Ansprüche befriedigt werden könnten. Die geschädigten Gläubiger erhielten lediglich einen vorrangig zu befriedigenden Anspruch gegen die Masse (§ 55 I Nr. 1 InsO).747 Das hätte aber im Fall einer Schädigung der Gläubigergesamtheit – was aufgrund des Inhalts dieser Pflichten regelmäßig eintreten dürfte – die wohl kaum beabsichtigte Folge, dass sämtliche Insolvenzgläubiger Masseforderungen erhielten und somit die Ansprüche der ei___________ 744 BGH, Urteil vom 10. 7. 1964 – Ib ZR 208/62, BB 64, 1273; RG, Urteil vom 4. 2. 1910 – II 255/09, RGZ 73, 30, 33 f.; i. E. auch BGH, Urteil vom 13. 4. 1994 – II ZR 16/93, NJW 1994, 1801, 1804 (der allerdings die für § 823 II BGB notwendige Bestimmtheit verneint); Schulze-Osterloh, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 41 Rn. 3; Hüffer, AktG, § 91 Rn. 3; Hirte, KapGesR, Rn. 3.132. A. A. mit überzeugenden Argumenten: insbesondere Stapelfeld, GmbHR 1991, 94, 98 m. w. N.; K. Schmidt, ZIP 1994, 837, 842; Kiethe, DStR 1993, 1298, 1300. 745 Mit der Insolvenzeröffnung verliert die handelsrechtliche Buchführungspflicht ihren ursprünglichen Zweck, den Unternehmer und die Allgemeinheit vor einer Verschlechterung der Vermögensverhältnisse zu warnen; sie kann aber nach Verfahrenseröffnung noch u. a. dazu dienen, den Gläubigern relevante Informationen bezüglich der persönlichen Haftung der Geschäftsleiter zu geben (vgl. LG München, Beschluss vom 11. 10. 2001 – 17 HKT 13733/01, ZIP 2001, 2291, 2292; zustimmend Runkel, EWiR § 117 KO 1/02, 257). 746 Ebenso argumentiert mit Blick auf § 43 GmbHG das RG, Urteil vom 4. 2. 1910 – II 255/09, RGZ 73, 30, 34 gegen die Schutzgesetzeigenschaft von § 41 GmbHG. 747 Kapitel 1 C. I. 3. a) aa), Seite 73.

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gentlichen Massegläubiger völlig verwässert werden würden.748 Schließlich spricht gegen eine Haftung des Schuldners aus § 823 II BGB, dass der Gesetzgeber die sofortige Beendigung der Eigenverwaltung gem. § 272 InsO als einzige Sanktion für die Verletzung der eigenverwaltungsspezifischen Pflichten offenbar als ausreichend betrachtet.749 Im Ergebnis überwiegen daher die Gründe, die gegen die Qualifizierung der Eigenverwalterpflichten als Schutzgesetze i. S. d. § 823 II BGB sprechen. Doch selbst wenn man die Schutzgesetzqualität dieser Pflichten unterstellte, ist es fragwürdig, ob neben der Aktiengesellschaft die Vorstandsmitglieder zu ihrer ordnungsgemäßen Erfüllung persönlich verpflichtet sind. Das kann jedenfalls dem Wortlaut der einzelnen Vorschriften nicht entnommen werden. In systematischer Hinsicht spricht auch § 101 InsO dagegen, der eine Überleitung auf die einzelnen Organmitglieder nur für die Mitwirkungspflichten gem. § 97 InsO vorsieht. Auch ist kein Grund ersichtlich, warum der Zweck dieser Vorschriften eine persönliche Verpflichtung der Geschäftsleiter erfordern sollte. In Bezug auf die handelsrechtlichen Rechnungslegungspflichten kann aber möglicherweise auf § 91 I AktG zurückgegriffen werden, der die persönliche Verantwortung des Vorstands für die ordnungsgemäße Führung der Handelsbücher anordnet. Ob der Rechtsgedanke dieser Vorschrift, die das öffentliche Interesse an einer ordnungsgemäßen Buchführung betonen will,750 auch auf die übrigen (Rechnungslegungs-)Pflichten entsprechend angewendet werden kann, ist jedoch ebenfalls zweifelhaft, da diese nur im Interesse der Gläubiger bestehen. Eine persönliche Haftung der Vorstände aus § 823 II BGB bei Verletzung der Eigenverwalterpflichten ist daher abzulehnen. (2) Mitwirkungspflichten (§§ 97, 101, 270 I 2 InsO) Eine andere Bewertung ist jedoch in Bezug auf die Mitwirkungspflichten des § 97 InsO geboten, die ebenfalls eine auf die Gesamtgläubigerschaft abgrenzbare Schutzrichtung haben.751 Denn diese sind zum einen gem. §§ 101, 270 I 2 InsO ausdrücklich als persönliche Pflichten der einzelnen Vorstandsmitglieder ausgestaltet. Zum anderen ist ihre Erfüllung im Unterschied zu den Eigenverwaltungspflichten durch die Mittel des § 98 InsO erzwingbar und bezüglich der ___________ 748

Zu dieser Überlegung schon oben Kapitel 1 C. I. 3. a) bb) (2) (a) (dd), Seite 78. Vgl. Bundesregierung, Begründung zu § 333 RegE InsO (= § 272 InsO), BTDrucks. 12/2443, S. 224. So auch Ringstmeier/Homann, NZI 2002, 406, 407; Uhlenbruck, FS Kirchhof, 479, 501. 750 Wiesner, in: MHb GesR IV, § 25 Rn. 70; Hefermehl/Spindler, in: MK zum AktG § 91 Rn. 4; Hüffer, AktG, § 91 Rn. 2. 751 Vgl. die amtliche Begründung zu § 109 RegE InsO, BT-Drucks. 12/2443, S. 142. 749

Kap. 5: Der Vorstand in der Eigenverwaltung

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eidesstattlichen Versicherung zu Protokoll über § 156 StGB sogar strafbewehrt.752 Der Gesetzgeber hat der Erfüllung dieser Pflichten also eine erheblich höhere Bedeutung beigemessen, die die Annahme rechtfertigt, dass es sich – zumindest in den Fällen des § 101 InsO753 – um Schutzgesetze i. S. d. § 823 II BGB zugunsten der Insolvenzgläubiger handelt.754 Daher haftet ein Vorstandsmitglied aus § 823 II BGB i. V. m. §§ 97 I 1, 101 I 1 InsO beispielsweise persönlich, wenn es gegenüber dem Sachwalter schuldhaft Tatsachen verschweigt und dadurch die Geltendmachung eines Gesamtschadens gegen ein anderes Vorstandsmitglied (z. B. gem. §§ 280, 92 InsO wegen Insolvenzverschleppung) verhindert. bb) Verletzung sonstiger Schutzgesetze Daneben kommt eine persönliche Haftung der Geschäftsleiter in Betracht, wenn sie eigenhändig gegen allgemeine, sie persönlich treffende Schutzgesetze verstoßen, etwa wenn sie entgegen §§ 266a, 14 I Nr. 1 StGB Sozialversicherungsbeiträge nicht abführen.755 c) § 826 BGB Eine Haftung aus § 826 BGB wegen vorsätzlicher und sittenwidriger Schädigung dürfte nur in besonderen Ausnahmefällen begründet sein, etwa wenn die Vorstandsmitglieder unter Ausnutzung des unbeschränkten756 Verfügungsrechtes der Gesellschaft Rechtshandlungen bewusst zum Nachteil der Gläubiger vornehmen.

___________ 752

Die Strafbewehrung hat z. B. der BGH, Urteil vom 16. 12. 1958 – VI ZR 245/57, BGHZ 29, 100, 102 f. herangezogen, um zu begründen, dass es sich bei § 64 I GmbHG um ein Schutzgesetz i. S. d. § 823 II BGB handelt. 753 Ist der Schuldner eine natürliche Person, überwiegen dagegen die soeben unter (1), Seite 337, angeführten Bedenken hinsichtlich der Verwässerung der Masseansprüche. Ähnlich Schlegel, S. 166, der eine Haftung des eigenverwaltenden Schuldners bei Gesamtschäden grundsätzlich ablehnt. 754 Unterlässt ein organschaftlicher Vertreter beispielsweise schuldhaft die Offenlegung eines Mietverhältnisses, das deshalb erst verspätet gekündigt werden kann, haftet er daher gem. § 823 II BGB i. V. m. §§ 97 I, 101 I 1 InsO für die daraus resultierenden Belastungen der Masse persönlich. 755 BGH, Urteil vom 11. 12. 2001 – VI ZR 350/00, NJW 2002, 1123. 756 Insolvenzzweckwidrige Verfügungen der Vorstandsmitglieder sind nicht nach §§ 129 ff. InsO anfechtbar und nur unter den Voraussetzungen eines Missbrauchs der Vertretungsmacht unwirksam, vgl. B. III. 1. d) bb), Seite 295.

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3. Teil: Die Rechtsstellung der Organe einer AG in Eigenverwaltung

4. Steuerrechtliche Haftung (§ 69 AO) Als gesetzliche Vertreter der Aktiengesellschaft haften die Vorstandsmitglieder gem. § 69 AO persönlich, soweit Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis der Aktiengesellschaft infolge vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Verletzung der ihnen auferlegten Pflichten nicht oder nicht rechtzeitig festgesetzt oder erfüllt werden. Verpflichtet sind die einzelnen Mitglieder des Vorstands gem. § 34 I 1 AO grundsätzlich zur Erfüllung sämtlicher steuerlicher Pflichten der Aktiengesellschaft, also u. a. dazu, die Steuern aus der Insolvenzmasse zu entrichten (§ 34 I 2 AO), gegenüber dem Finanzamt Auskunft zu geben (§ 93 AO) oder Anzeigen (§§ 137–139 AO) zu machen sowie die Bücher und Aufzeichnungen ordnungsgemäß zu führen (§§ 140–148 AO). In Bezug auf diese Pflichten haben die Vorstandsmitglieder in der Eigenverwaltung vor allem zwei Besonderheiten zu beachten. Einerseits wird auf sie über § 34 I 2 AO auch die Verpflichtung der Aktiengesellschaft zur steuerlichen Insolvenzrechnungslegung (§§ 155 InsO, 281 III 1 InsO) übergeleitet,757 in deren Rahmen sich besondere Fragestellungen ergeben758. Andererseits haben sie dem Umstand Rechnung zu tragen, dass Steuerforderungen, die nach der Insolvenzeröffnung begründet werden,759 gem. §§ 55 I Nr. 1, 53 InsO Masseforderungen darstellen760 und deshalb vorrangig zu befriedigen sind. Missachten die Mitglieder des Vorstands grob fahrlässig761 die Priorität dieser Forderungen, haften sie dem Steuergläubiger gegenüber somit aus §§ 69, 34 I 2 AO persönlich. Der Fiskus wird dadurch erheblich besser gestellt als die übrigen Massegläubiger, denen bei grob fahrlässigen Pflichtverletzungen im Rahmen der Verteilung der Insolvenzmasse keine direkten Ansprüche gegenüber dem Vorstand zustehen.762 ___________ 757 Diese besteht zusammen mit der handelsrechtlichen Rechnungslegungspflicht als externe Rechnungslegungspflicht des Schuldners neben der internen gegenüber den Gläubigern (§§ 66, 281 III 1 InsO), sog. doppelte Rechnungslegung (vgl. dazu Pape, in: Kübler/Prütting, InsO, § 281 Rn. 12; weiterführend Pink, ZIP 1997, 177 ff.). 758 Vgl. dazu Pink, ZIP 1999, 177, 181 f. 759 Forderungen des Fiskus aus der Zeit vor der Insolvenzeröffnung stellen dagegen nur einfache Insolvenzforderungen dar, vgl. Brandes, in: MK zur InsO, §§ 60, 61 InsO Rn. 81, 68. 760 Hefermehl, in: MK zur InsO, § 55 Rn. 70; Pape, in: Kübler/Prütting, InsO, § 55 Rn. 11. 761 Wegen der eindeutigen Rechtslage sollte davon ausgegangen werden, dass die Missachtung der vorrangigen Befriedigung einer Masseforderung das Vorliegen einer groben Fahrlässigkeit indiziert. 762 Es handelt sich um einen Pflichtverstoß gegen eigenverwaltungsspezifische Pflichten, aus denen – wie soeben gezeigt wurde – keine persönliche Haftung der Vorstandsmitglieder gegenüber den Gläubigern folgt, namentlich nicht aus § 823 II BGB, vgl. b) aa) (1), Seite 337.

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III. Würdigung Die vorangehende Untersuchung zeigt, dass der Schwerpunkt der Haftung, die die Vorstandsmitglieder einer Aktiengesellschaft in der Eigenverwaltung zu gewärtigen haben, im Innenverhältnis gegenüber der Gesellschaft liegt. Während die Mitglieder des Vorstands im Außenverhältnis gegenüber den Gläubigern lediglich eine deliktische Haftung zu befürchten haben, deren Voraussetzungen nur in besonders drastischen und daher in ihrer Anzahl überschaubaren Fällen erfüllt sind, erhöht sich das Haftungsrisiko im Innenverhältnis verglichen mit dem Risiko außerhalb eines Insolvenzverfahrens ganz erheblich. Die Verschärfung besteht zum einen in der Ausweitung des Aufgabenbereiches der Vorstandsmitglieder, also einer quantitativen Haftungserweiterung. Neben den mit der organschaftlichen Stellung allgemein verbundenen Pflichten, die in der Eigenverwaltung grundsätzlich fortbestehen, sind die Vorstände gegenüber der Gesellschaft im Besonderen verpflichtet, das Eigenverwaltungsverfahren durchzuführen und die entsprechenden Verfahrensrechte und -pflichten ordnungsgemäß wahrzunehmen. Dabei kann von ihnen, obwohl es sich oftmals um eine ihnen völlig unbekannte Materie handeln wird, die Kenntnis der einschlägigen insolvenzrechtlichen Normen erwartet werden. Erschwerend tritt hinzu, dass die Vorstände zum Teil eine Gratwanderung zwischen den Interessen der Gläubiger, denen sie im Eigenverwaltungsbereich verpflichtet sind, und den Interessen der Gesellschaft, die im Schuldnerbereich für sie maßgeblich sind, vollziehen müssen. Insoweit besteht also auch eine qualitative Ausweitung der Vorstandspflichten. Zum anderen steigt das Haftungspotential dadurch, dass die Gläubiger gem. § 93 V 4 AktG in der Lage sind, über den Sachwalter auf bestehende Ersatzansprüche der Gesellschaft gegen ihre Organmitglieder zuzugreifen und damit etwaige Ausfälle in dem Verfahren gegen die insolvente Gesellschaft zu kompensieren, so dass die Vorstandsmitglieder nicht – wie vielleicht noch außerhalb eines Insolvenzverfahrens763 – darauf hoffen dürfen, einer Inanspruchnahme zu entgehen. Dieser Befund richtet den Blick auf die Möglichkeiten einer Absicherung des Haftungsrisikos. In der Praxis werden immer häufiger VermögensschadenHaftpflichtversicherungen zur Deckung der gesetzlichen Haftpflicht der Organmitglieder abgeschlossen, sog. D&O Versicherungen.764 Allerdings besteht nach Ziffer 3.4. der vom Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft e. V. herausgegebenen Musterbedingungen für diesen Versicherungs___________ 763 Dazu Pielorz, FS Metzeler, 167, 168, vgl. zu dieser „Motivationslage“ auch BGH, Urteil vom 21. 4. 1997 – II ZR 175/95, BGHZ 135, 244, 255 f. [ARAG/Garmenbeck]. 764 Directors’ and officers’ liability. Vgl. dazu ausführlich Sieg, in: Münchener Anwaltshandbuch Versicherungsrecht, § 16 m. w. N; zu den (aktien-)rechtlichen Fragen Hefermehl/Spindler, in: MK zum AktG § 93 Rn. 91 ff.

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3. Teil: Die Rechtsstellung der Organe einer AG in Eigenverwaltung

typ765 „bei der Eröffnung des Konkurs-, Vergleichs- oder Gesamtvollstreckungsverfahrens“766 ein Versicherungsschutz nur für solche Pflichtverletzungen, die vor der Eröffnung begangen worden sind. Währens eines Eigenverwaltungsverfahrens, das ja das Konkurs- und Vergleichsverfahren kombiniert, ist der Vorstand somit nicht versichert.767 Darüber hinaus ist der Versicherer gem. Ziffer 10.2 der Musterbedingungen berechtigt, den Versicherungsvertrag „für den Fall der Eröffnung des Konkurs-, Vergleichs- oder Gesamtvollstreckungsverfahrens“ mit einer Frist von einem Monat zu kündigen.768 Auf Basis der Musterbedingungen wird das gesteigerte Haftungsrisiko des Vorstands also nicht durch eine bestehende D&O-Versicherung aufgefangen. Da die Vertragsbedingungen unter den Versicherern teils stark variieren, erscheint es aber nicht ausgeschlossen, dass diese einer Fortführung des Vertragsverhältnisses für die Dauer der Eigenverwaltung zustimmen, zumindest soweit eine Sanierung des Unternehmens verfolgt wird und damit die Tätigkeit des Vorstands überwiegend wie bisher unternehmerisch geprägt ist. Als Alternative ist eine Haftpflichtversicherung zu erwägen, wie sie oft von Insolvenzverwaltern abgeschlossen wird.769 Das liegt vor allem deshalb nahe, weil die eigenverwaltende Aktiengesellschaft, funktional betrachtet, wie ein Insolvenzverwalter agiert. Problematisch ist allerdings, dass diese Versicherungen in der Regel (noch) nur das insolvenzspezifische Haftungsrisiko absichern und die Haftung für das mit der Fortführung des Geschäftsbetriebs verbundene (unternehme___________ 765

Allgemeine Versicherungsbedingungen für die Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung von Aufsichtsräten, Vorständen und Geschäftsführern (AVB-AVG), herausgegeben als unverbindliche Musterbedingungen vom Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft e.V. (GDV), im Folgenden kur: Musterbedingungen, abgedruckt etwa bei Sieg, in: Münchener Anwaltshandbuch Versicherungsrecht, § 16 Rn. 181. Es ist darauf hinzuweisen, dass sich sowohl die Bedingungswerke der auf dem deutschen Markt agierenden Versicherer untereinander, als auch die Angebote einzelner Versicherer selbst erheblich unterscheiden (Sieg, in: Münchener Anwaltshandbuch Versicherungsrecht, § 16 Rn. 4, 32), so dass im Rahmen dieser Arbeit – trotz der damit verbundenen Unschärfe – nur auf die standardisierten Musterbedingungen abgestellt werden kann. 766 An die bestehende Rechtslage angepasste Musterbedingungen sind – soweit ersichtlich – noch nicht veröffentlicht. 767 Vertragsklauseln, die sich noch auf der früheren Rechtslage beziehen, sind insoweit gem. §§ 133, 157 BGB auszulegen. 768 Außerdem ist der Versicherer gem. Ziffer 8.2.2 a), c) der Musterbedingungen zur Kündigung berechtigt, wenn sich die Gefahr wesentlich erhöht hat, etwa bei der Änderung des Gesellschaftszwecks oder einer wesentlichen Erweiterung oder Änderung des Geschäftsbereiches (vgl. Ziffer 8.2.1). Das ist in der Eigenverwaltung ebenfalls zu bejahen. 769 Vgl. dazu Brandes, in: MK zur InsO, § 62 Rn. 120; Kind, in: Braun, InsO, § 60 Rn. 38 ff.

Kap. 5: Der Vorstand in der Eigenverwaltung

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rische) Geschäftsführungsrisiko dagegen ausschließen,770 also gerade den Bereich, der sonst von einer D&O-Versicherung abgedeckt wird.771 Sollte nach dem Vorgesagten oder aufgrund neuer, maßgeschneiderter Versicherungsprodukte die Haftung des Vorstands in der Eigenverwaltung versicherbar sein,772 so sind die dafür aufzuwendenden Kosten jedenfalls den Gläubigern zuzuweisen. Denn der Abschluss solcher Versicherungen entspricht nicht allein dem Interesse des Vorstands, der gegen mögliche Regressforderungen abgesichert wird, sondern in erster Linie dem Interesse der Gläubiger, die auf diese Weise eine weitergehende Möglichkeit erhalten, ihnen durch die Eigenverwaltung entstandene Schäden auszugleichen. Außerdem steht zu erwarten, dass ein vom Haftungsdruck befreiter Vorstand das Eigenverwaltungsverfahren unbefangener und einsatzfreudiger im Interesse der Gläubiger durchführen wird. Daher haben – nach den oben dargelegten Grundsätzen der Kostentragung in der Eigenverwaltung773 – die Gläubiger (d. h. die Masse) für diese Kosten aufzukommen. Dass Insolvenzverwalter ihre Haftpflichtversicherung grundsätzlich selbst zu finanzieren haben (vgl. § 4 III Satz 1 InsVV), steht dazu nicht im Widerspruch, weil an den eigenverwaltenden Schuldner nicht wie an jene eine Vergütung gezahlt wird, mit der diese Kosten abgegolten würden.

E. Abschließende Würdigung Den voranstehenden Erörterungen ist zu entnehmen, dass die Rechte und Pflichten der Aktiengesellschaft, die ihr in ihrer Eigenschaft als Schuldnerin einer- und in ihrer Eigenschaft als „Eigenverwalterin“ andererseits zugewiesen sind, zum überragenden Teil durch ihren Vorstand als Leitungsorgan wahrgenommen werden. Damit liegt die Verantwortung für die ordnungsgemäße und erfolgreiche Durchführung des Eigenverwaltungsverfahrens im Wesentlichen auf seinen Schultern. Der Vorstand wird dabei vor nicht wenige Herausforderungen gestellt: Zum Ersten nimmt er die Funktion eines Mediators zwischen den Insolvenzgläubigern und den Aktionären ein, ohne deren gemeinsamen Anstrengungen und gegenseitigen Zugeständnisse eine Reorganisation der Gesellschaft, die mit der ___________ 770

Kind, in: Braun, InsO, § 60 Rn. 40. Möglicherweise können die beiden Versicherungsprodukte aber entsprechend aufeinander abgestimmt werden (D&O: Geschäftsführungsrisiko; Verwalterhaftpflicht: inssolvenzspezifisches Risiko) und so gemeinsam einen ausreichenden Schutz gewährleisten. 772 Von der Versicherbarkeit „im Rahmen einer besonderen Haftpflichtversicherung“ gehen auch Haarmeyer/Wutzke/Förster, Kap. 10 Rn. 20 aus. 773 Kapitel 4 B. II. 1., Seite 188. 771

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3. Teil: Die Rechtsstellung der Organe einer AG in Eigenverwaltung

Eigenverwaltung primär bezweckt ist, kaum denkbar ist.774 Es obliegt vor allen dem Vorstand, einen Ausgleich zwischen den Interessen aller Beteiligten (in Gestalt eines Insolvenzplans) auszuarbeiten und zu verhandeln sowie dafür in den Entscheidungsgremien Gläubigerversammlung und Hauptversammlung die erforderlichen Mehrheiten zu gewinnen. Zum Zweiten muss er bei der Durchführung des Eigenverwaltungsverfahrens stets eine Gratwanderung vollführen zwischen seinen Pflichtbindungen im Schuldnerbereich (Gesellschaftsinteresse) und im Eigenverwaltungsbereich (Prinzip optimaler Gläubigerbefriedigung, § 1 S. 1 InsO), die zuweilen im genauen Gegensatz stehen können. In diesem Spannungsfeld sind faktische775 Interessenkonflikte und Friktionen vorgezeichnet. Zum Dritten muss der Vorstand die „unschönen“ und persönlich oft belastenden Maßnahmen in die Tat umsetzen, die mit einer Insolvenzsituation typischerweise verbunden, aber für eine Sanierung des Unternehmens unerlässlichen sind: So liegt es etwa an ihm, Betriebsteile stillzulegen und zu liquidieren, Kündigungen auszusprechen und Massenentlassungen durchzuführen oder langjährige Lieferbeziehungen zu beenden (§§ 279 S. 1, 103 ff. InsO) und sich dafür gegenüber den Mitarbeitern und Geschäftspartnern der Schuldnergesellschaft zu verantworten. Diese Schwierigkeiten werden vor allem noch dadurch verschärft, dass der Vorstand üblicherweise nicht über die erforderlichen insolvenzrechtlichen Kenntnisse oder Fähigkeiten verfügt, ja verfügen kann, obwohl er haftungsrechtlich für die ordnungsgemäße Verfahrensdurchführung einzustehen hat. Eine Lösung bietet hier – neben einer entsprechenden Versicherung776 – vor allem die Bestellung eines Insolvenzrechtsexperten in den Vorstand der Schuldnergesellschaft für die Dauer des Eigenverwaltungsverfahrens (sog. Insolvenzvorstand). Eine solche Vorgehensweise ist nicht nur rechtlich zulässig, sondern sie kann auch zu einer Symbiose von insolvenzrechtlicher und unternehmerischer Fachkompetenz führen, die von den Gläubigern zumeist – und völlig zu Recht – durch einen Vertrauensvorschuss honoriert wird.777 Die Vorteile dieser personellen Umbesetzung können durch weitere Maßnahmen optimiert werden. So erscheint es empfehlenswert, den Insolvenzvorstand zum Vorstandsvorsitzenden zu bestimmen und die Vertretungsregeln für den Vorstand (§ 78 AktG) dahin zu ändern, dass die übrigen Vorstandsmitglie___________ 774

Vgl. Kapitel 7 A. II. 3., Seite 387. In rechtlicher Sicht können Interessenkonflikte dagegen nicht bestehen, vgl. B. III. c), Seite 293. 776 D. III., Seite 343. 777 Siehe dazu ausführlich Kapitel 3 A. II. 3. b) dd), Seite 172. 775

Kap. 5: Der Vorstand in der Eigenverwaltung

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der nur noch zusammen mit dem Vorstandsvorsitzenden vertretungsberechtigt sind.778 Eine solche Gesamtvertretung sollte sich jedenfalls auf alle Rechtshandlungen beziehen, die originär insolvenzrechtlicher Natur sind. Das kann durch eine entsprechende Änderung der Geschäftsordnung des Vorstands (§ 77 II 1 AktG) noch unterstützt werden, indem die speziell insolvenzrechtlichen Entscheidungen auf den Insolvenzvorstand gebündelt, allgemeine Fragen der Unternehmensführung dagegen an die anderen Vorstandsmitglieder delegiert werden. Auf diese Weise kann das Risiko versehentlicher Verfahrensfehler ebenso wie das eines Missbrauchs der eigenverwaltungsspezifischen Befugnisse erheblich gemindert und das Vertrauen der Gläubiger in die Schuldnergesellschaft nachhaltig gestärkt werden. Sinnvoll kann im Einzelfall außerdem eine Verkleinerung des Vorstands sein, um Kosten zu sparen und das Verfahren auf wenige Entscheidungsträger zu konzentrieren.

F. Ergebnisse Als wesentliche Erkenntnisse dieses Kapitels sind festzuhalten: 1. In der Insolvenz einer juristischen Person wie der Aktiengesellschaft sind nicht deren Geschäftsleitungsorgane oder dessen Mitglieder die „Träger der Schuldnerrolle“, sondern die juristische Person selbst. 2. Für die Ausübung der allgemeinen Verfahrensrechte durch den Vorstand sind die aktienrechtlichen Vertretungsregeln (§ 78 AktG) maßgeblich, das gilt namentlich für die Einlegung einer sofortigen Beschwerde nach § 34 InsO, für die Antragstellung nach §§ 212, 213 InsO sowie für die Vorlage eines Insolvenzplans gem. § 218 I 1 InsO. 3. Im Schuldnerbereich unterliegen die Gesellschaftsorgane keiner Bindung an den Insolvenzverfahrenszweck (§ 1 S. 1 InsO), sondern sie haben ihr Handeln an dem bisherigen Gesellschaftszweck, also üblicherweise an dem auf Vermögensmehrung zielenden, werbenden Betrieb des Gesellschaftsunternehmens auszurichten. 4. Der Vorstand muss im Schuldnerbereich auch ungeschriebene Mitwirkungsbefugnisse der Hauptversammlung nach den Holzmüller-Regeln beachten, die in der Insolvenz grundsätzlich fortgelten. Das betrifft insbesondere den Antrag auf Aufhebung der Eigenverwaltung (§ 272 I Nr. 3 InsO) sowie die Zustimmung zu einem Insolvenzplan (§ 247 I InsO), der eine Holzmüller-Maßnahme zum Gegenstand hat. ___________ 778

Ebenso Görg/Stockhausen, FS Metzeler 105, 113 f.

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3. Teil: Die Rechtsstellung der Organe einer AG in Eigenverwaltung

5. Eine Überwachung der Gesellschaftsorgane durch den Sachwalter oder den Gläubigerausschuss findet in Angelegenheiten des Schuldnerbereichs nicht statt, auch die Mitwirkungsbefugnisse der §§ 275 ff. InsO greifen nicht. 6. Der Vorstand ist während des Eigenverwaltungsverfahrens befugt, an Tochtergesellschaften konzernrechtliche Weisungen gem. § 308 I 1 AktG zu erteilen. 7. § 270 I 1 InsO ist dahin auszulegen, dass nicht der Vorstand oder seine Mitglieder zu „Eigenverwaltern“ bestellt werden, sondern die insolvente Aktiengesellschaft als solche, und dass gesellschaftsrechtliche Mitwirkungsbefugnisse des Aufsichtsrats und der Hauptversammlung grundsätzlich bestehen bleiben. Befugnisse und Aufgaben des Sachwalters oder des Gläubigerausschusses verdrängen nicht parallele Zuständigkeiten der Gesellschaftsorgane. 8. Die den Gesellschaftsorganen im Eigenverwaltungsbereich verbleibenden Kompetenzen sind jedoch insolvenzrechtlich zu modifizieren: Sie unterliegen einer inhaltlichen, nicht aber gegenständlichen Beschränkung durch § 1 S. 1 InsO, der Überwachung durch den Sachwalter und den Gläubigerausschuss sowie den Mitwirkungsvorbehalten der §§ 275 ff. InsO. 9. Mitwirkungsbefugnisse der Hauptversammlung nach den HolzmüllerRegeln oder nach § 179a AktG erstrecken sich auch auf Maßnahmen im Eigenverwaltungsbereich. 10. Die insolvente Aktiengesellschaft ist für die Dauer des Eigenverwaltungsverfahrens nicht den konzernrechtlichen Weisungen ihrer Mutter gem. § 308 I 1 AktG unterworfen. 11. Der Zweck der Aktiengesellschaft wird im Eigenverwaltungsbereich durch den Insolvenzverfahrenszweck überlagert. Der Vorstand ist an diesen Zweck gebunden. 12. Das durch die Gläubigerversammlung gem. § 157 InsO vorgegebene Verfahrensziel (Liquidation, Sanierung oder Reorganisation) wird in den Insolvenzverfahrenszweck des § 1 S. 1 InsO inkorporiert und bindet daher die Gesellschaftsorgane gleichermaßen. 13. Insolvenzzweckwidrige Verfügungen des Vorstands sind in direkter Anwendung der Grundsätzen über den Missbrauch der Vertretungsmacht nichtig, wenn die Insolvenzzweckwidrigkeit evident war und sich dem Geschäftspartner auf Grund der Umstände des Einzelfalls ohne weiteres begründete Zweifel an der Vereinbarkeit der Handlung mit dem Zweck des Insolvenzverfahrens aufdrängen mussten. 14. Der Vorstand untersteht im Eigenverwaltungsbereich der Aufsicht durch Sachwalter und Gläubigerausschuss.

Kap. 5: Der Vorstand in der Eigenverwaltung

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15. Die Zustimmungs- und Einvernehmensvorbehalte der §§ 275 I, 277 I 1, 279 S. 2 und S. 3, 282 II InsO sind dahin auszulegen, dass sie nur Handlungen der Gesellschaftsorgane erfassen, die unmittelbare Außenwirkung haben, nicht aber rein gesellschaftsinterne Vorgänge. 16. Zuständig für die Be- oder Abberufung sowie die Anstellung oder Kündigung des Vorstands ist auch während des Eigenverwaltungsverfahrens der Aufsichtsrat (§ 112 AktG). Er darf in der Regel die Vergütung des Vorstands gem. § 87 II 1 AktG herabsetzen. Bei all diesen Maßnahmen muss und darf der Aufsichtsrat allerdings die besonderen Umstände eines Insolvenzverfahrens in Eigenverwaltung berücksichtigen. 17. Vorstandsmitglieder haften den Gläubigern nicht aus §§ 60 I, 270 I 2 InsO; ihnen gegenüber kommt regelmäßig nur eine Haftung aus § 823 II BGB in Betracht, wenn sie ihre Mitwirkungspflichten aus §§ 97, 101, 270 I 2 InsO schuldhaft verletzen. Der Schwerpunkt der Haftung für eine pflichtwidrige Verfahrensführung liegt im Innenverhältnis gegenüber der Gesellschaft (§ 93 II AktG).

Kapitel 6

Der Aufsichtsrat in der Eigenverwaltung Der Aufsichtsrat ist neben dem Vorstand Leitungsorgan der Gesellschaft, in seiner Funktion aber im Wesentlichen auf die Überwachung der Geschäftsführung beschränkt (§ 111 AktG).1 Nachfolgend sollen die Rechte und Pflichten des Aufsichtsrates im Schuldner- (A.) und Eigenverwaltungsbereich (B.),2 das Rechtsverhältnis der Aufsichtsratsmitglieder zur Gesellschaft in der Eigenverwaltung (C.), insbesondere ihre Vergütung, und zuletzt ihre eigenverwaltungsspezifische Haftung (D.) im Einzelnen untersucht werden.

A. Die Stellung des Aufsichtsrats im Schuldnerbereich I. Zuständigkeiten im Schuldnerbereich Dem Schuldnerbereich sind all diejenigen (aktien- oder spezialgesetzlichen) Zuständigkeiten des Aufsichtsrates zuzuordnen, die bei vernünftiger Betrachtungsweise keine nachteiligen Wirkungen auf die Insolvenzmasse haben können.3 Davon sollen im Folgenden die wichtigsten besprochen werden.4 Die Erfüllung der insolvenzrechtlichen Mitwirkungspflichten (§§ 97, 101 I 1, 270 I 2 InsO) treffen als öffentlich-rechtliche Pflichten jedes Aufsichtsratsmitglied individuell.5 Ihre Mithilfe kann für den Sachwalter nicht nur hinsicht___________ 1

Vgl. Hüffer, AktG, § 76 Rn. 2; Hoffmann-Becking, in: MHb GesR IV, § 29 Rn. 1. Zur Ausblendung des Sachwalterverdrängungs- und des Überschneidungsbereiches siehe die einleitenden Bemerkungen zum Dritten Teil, Seite 198. 3 Dazu Kapitel 2 A. II, Seite 103, und Kapitel 4 A. II., Seite 183. 4 Siehe auch bei den Nachweisen in vorstehender Fußnote (3). Für umfangreichere Auflistungen ist auf die Kommentarliteratur zu verweisen (Hüffer, in: MK zum AktG, § 264 Rn. 72 ff.; Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, § 11 Rn. 118 ff., 132 ff., 185 ff.), die zwar nur das reguläre Verfahren darstellt, aber mit nur geringfügigen Modifikationen auf das Eigenverwaltungsverfahren übertragen werden kann (vgl. Kapitel 4 A. II. , Seite 183). 5 Dazu H.-F. Müller, S. 145; allgemein Gutsche, Rn. 319 ff. (Inhalt der Mitwirkungspflicht eines GmbH-Geschäftsführers). Die ordnungsgemäße Erfüllung dieser Kooperationspflichten ist aber zugleich auch organschaftliche Pflicht nach §§ 93 I, 116 AktG 2

Kap. 6: Der Aufsichtsrat in der Eigenverwaltung

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lich der Aufdeckung der Insolvenzursachen interessant sein, sondern vor allem auch hinsichtlich der Prüfung von Ersatzansprüchen gegen den Vorstand, wobei der Aufsichtsrat zur Auskunft selbst dann verpflichtet ist, wenn er dadurch ein eigenes Überwachungsverschulden offen legen müsste.6 Die Mitwirkungspflichten können daher erhebliche Spannungen zwischen Aufsichtsrat und Vorstand auf der einen sowie Aufsichtsrat und Sachwalter auf der anderen Seite hervorrufen, auf die im Extremfall durch die Abberufung des Aufsichtsratsmitglieds zu reagieren ist. Die vornehmliche Pflicht des Aufsichtsrates, den Vorstand bei der Geschäftsführung zu überwachen (§ 111 AktG), besteht auch während eines Insolvenzverfahrens fort. Für die Vorstandstätigkeit im Schuldnerbereich ist das unbestritten,7 lediglich hinsichtlich des Eigenverwaltungsbereichs wird verschiedentlich angenommen, diese Befugnis werde durch die Überwachungsaufgabe des Sachwalters (§ 274 II InsO) verdrängt.8 Die Überwachung erstreckt sich auf sämtliche Geschäftsführungsmaßnahmen des Vorstands im Schuldnerbereich (z. B. die Verwaltung insolvenzfreien Vermögens), hat sich aber auf die Wahrnehmung der Verfahrensrechte und -pflichten zu konzentrieren da deren ordnungsgemäße Ausübung für die Gesellschaft von herausragender Bedeutung ist. Um wirksamen Schutz zu bieten, muss der Aufsichtsrat die Überwachung präventiv angelegen. Bei besonders wichtigen Maßnahmen kann er sich ein Mitentscheidungsrecht dadurch sichern, dass er Zustimmungsvorbehalte gem. § 111 IV 2 AktG einführt, beispielsweise für die Vorlage eines Insolvenzplans (§ 218 I 1 InsO)9 oder die Beantragung der Aufhebung des Eigenverwaltungsverfahrens nach § 272 I Nr. 3 InsO. Dem Schuldnerbereich gehören zudem die insolvenzneutralen gesellschaftsrechtlichen Maßnahmen an,10 also etwa die Einberufung einer zum Wohle der Gesellschaft gebotenen Hauptversammlung (§ 111 III AktG),11 der Antrag auf Abberufung eines Aufsichtsratsmitglieds aus wichtigem Grund (§ 103 II AktG) oder die Vertretung der Gesellschaft gegenüber masseneutralen Anfechtungsund Nichtigkeitsklagen (§§ 246 II, 249 I AktG). Besonders hervorzuheben ist ___________ (Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, § 11 Rn. 132), deren Verletzung eine Haftung gegenüber der Gesellschaft auslösen kann (dazu D., Seite 379). 6 H.-F. Müller, S. 145. 7 Etwa H.-F. Müller, S. 148; Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, § 11 Rn. 186; für das Konkursverfahren: Schneider, FS Oppenhoff, 349, 351; Weber, KTS 1970, 73, 79; Kraft, in: KK zum AktG, § 262 Rn. 52; für das Vergleichsverfahren: J. Mohrbutter, in: Bley/Mohrbutter, VglO, § 108 Rn. 20. 8 B. I. 2. a), Seite 355. 9 H.-F. Müller, S. 150 (für das reguläre Verfahren). 10 Vgl. Hüffer, in: MK zum AktG, § 264 Rn. 71; Schneider, FS Oppenhoff, 349, 351. 11 So schon RG, Urteil vom 14. 2. 1913 – Rep. II. 449/12, RGZ 81, 332, 337.

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3. Teil: Die Rechtsstellung der Organe einer AG in Eigenverwaltung

aus diesem Kreis die – nicht unbestrittene12 – Befugnis des Aufsichtsrates, Vorstandsmitglieder während des Eigenverwaltungsverfahrens abzuberufen und neu zu bestellen (§ 84 AktG).13 Mit der Person der Vorstandsmitglieder steht und fällt zumeist das Vertrauen der Gläubiger in den Erfolg des Eigenverwaltungsverfahrens, vor allem dann, wenn namenhafte Insolvenzexperten speziell für die Durchführung des Verfahrens in den Vorstand bestellt worden sind (sog. Insolvenzvorstand14). Personalfragen hat der Aufsichtsrat daher in der Eigenverwaltung mit noch größerem „Fingerspitzengefühl“ als üblicherweise zu behandeln. Im Übrigen sei auf die Ausführungen in Kapitel 5 verwiesen.15 Auch der Erlass einer Geschäftsordnung gem. § 77 II 1 AktG kann erforderlich sein, um die Arbeitsweise des Vorstands auf die besonderen Umstände des Eigenverwaltungsverfahrens einzustellen.16 Die Kosten, die durch die Tätigkeit des Aufsichtsrates im Schuldnerbereich verursacht werden (Anmietung der Sitzungsräume etc.), sind nach den oben dargelegten Grundsätzen nur dann durch die Gesellschaft selbst zu tragen, wenn die betreffende Maßnahme ausschließlich in ihrem Interesse liegt. Die Aufwendungen für die Bestellung eines neuen Vorstandsmitglieds fallen aber beispielsweise den Gläubigern anheim, da diese von der Aufrechterhaltung der verbandsinternen Organisation wesentlich profitieren.17 II. Bindungen 1. Die Maßgeblichkeit des Gesellschaftsinteresses Für die Tätigkeit des Aufsichtsrats im Schuldnerbereich ist das Gesellschafts- bzw. Unternehmensinteresse der leitende Gesichtspunkt.18 Da durch ___________ 12 A. A. etwa Kruse, S. 284 („Austauschverbot“), Prütting/Huhn, ZIP 2002, 777, 782. Siehe ausführlich Kapitel 5 B. II. 2. a) bb) (1), Seite 269 sowie C. I. 1. a), Seite 304. 13 Dazu allgemein Hüffer, in: MK zum AktG, § 264 Rn. 71; speziell für die Eigenverwaltung: Noack, ZIP 2002, 1873, 1876 f.; Görg/Stockhausen, FS Metzeler, 105, 107; ferner J. Mohrbutter, in: Bley/Mohrbutter, VglO, § 108 Rn. 20 (für das Vergleichsverfahren) und Uhlenbruck, in: Kuhn/Uhlenbruck, KO, § 207 Rn. 10b (zum Konkursverfahren). Dem Eigenverwaltungsbereich sind dagegen die mit seiner Anstellung und Vergütung verbundenen Angelegenheiten zuzuordnen. 14 Zur Zulässigkeit und Wirkung eines solchen Vorgehens siehe Kapitel 3 A. II. 3. b) dd), Seite 164. 15 Kapitel 5 C. I. 1. b) bb), Seite 307. 16 Insbesondere Kapitel 5 C. I. 1. a), Seite 304, aber auch Kapitel 5 B. II. 2. a) bb) (1), Seite 269. 17 Kapitel 4 B. II. 1., Seite 188. 18 Vgl. auch H.-F. Müller, S. 151.

Kap. 6: Der Aufsichtsrat in der Eigenverwaltung

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die Eröffnung des Eigenverwaltungsverfahrens entgegen verbreiteter Ansicht weder der Gesellschaftszweck durch den Insolvenz- oder Abwicklungszweck ersetzt oder überlagert wird, noch ein Abwicklungsverfahren gem. §§ 264 ff. AktG stattfindet, müssen die Handlungen des Aufsichtsrats nicht mit dem Zweck des Insolvenzverfahrens und auch nicht mit dem „Auflösungsstand“ im Einklang stehen.19 Vielmehr hat er grundsätzlich von dem Fortbestand der Gesellschaft auszugehen und ist daher berechtigt und unter Umständen sogar verpflichtet, alles in seiner Macht stehende zu tun, um eine Sanierung des Unternehmens zu bewirken. 2. Keine Überwachung durch Sachwalter oder Gläubigerausschuss Ebenso wenig wie der Vorstand oder die Hauptversammlung unterliegt der Aufsichtsrat in Angelegenheiten des Schuldnerbereichs einer Überwachung oder Kontrolle durch den Sachwalter (§ 274 II 1 InsO) oder den Gläubigerausschuss (§§ 270 I 2, 69 S. 1 InsO),20 da deren Rechtsmacht durch den Massebezug gegenständlich auf den Eigenverwaltungsbereich beschränkt ist. Dasselbe gilt für die Mitwirkungsbefugnisse der §§ 275 ff. InsO, so dass z. B. auch nicht die Abberufung des Vorstands unter dem Vorbehalt einer Zustimmung gem. § 276 InsO oder § 277 InsO gestellt werden kann, mögen die Gläubiger von der Person des Vorstands auch die Fortsetzung der Eigenverwaltung in tatsächlicher Hinsicht abhängig machen.21

B. Die Stellung des Aufsichtsrats im Eigenverwaltungsbereich I. Zuständigkeiten im Eigenverwaltungsbereich Maßnahmen des Aufsichtsrats mit potentiell nachteiligem Massebezug fallen in den Eigenverwaltungsbereich. Dazu gehört insbesondere die Vertretung der Gesellschaft gegenüber dem Vorstand in Angelegenheiten mit Massebezug (1.), die Überwachung der Vorstandstätigkeit im Eigenverwaltungsbereich (2.) sowie die etwaige Mitwirkung bei Geschäftsführungsmaßnahmen (3.). Für die bei der Wahrnehmung dieser Kompetenzen anfallenden Kosten (Anmietung von ___________ 19

Es gilt dasselbe wie für den Vorstand und die Hauptversammlung, siehe zur Begründung oben Kapitel 5 A. III. 1. a), Seite 215 (Vorstand) und Kapitel 7 A. I 1., Seite 383 (Hauptversammlung). 20 Dazu bereits Kapitel 5 A. III. 3., Seite 229. Dagegen ist der Aufsichtsrat aber sehr wohl im Eigenverwaltungsbereich einer Überwachung durch diese Organe unterworfen, siehe B. II. 2., Seite 365. 21 Vgl. schon oben Kapitel 5 C. I. 1. a), Seite 304.

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3. Teil: Die Rechtsstellung der Organe einer AG in Eigenverwaltung

Sitzungsräumen, Inseratskosten, notwendige Rechtsberatung etc.), haben nach den oben entwickelten Grundsätzen die Gläubiger aufzukommen, da der Aufsichtsrat insoweit überwiegend in ihrem Interesse tätig wird.22 Der Aufsichtsrat ist berechtigt und imstande, zu diesem Zwecke Masseforderungen zu begründen (§§ 55 Nr. 1 InsO, 270 I 1 InsO).23 1. Vertretung der Gesellschaft gegenüber dem Vorstand, insbesondere Kündigung und Anstellung Grundsätzlich in demselben Umfang wie außerhalb eines Insolvenzverfahrens hat der Aufsichtsrat auch in der Eigenverwaltung die Gesellschaft gegenüber ihrem Vorstand zu vertreten (§ 112 AktG). Er büßt lediglich gem. § 93 V 4 AktG zugunsten des Sachwalters die Befugnis ein, Schadensersatzansprüchen der Gesellschaft aus § 93 II AktG gegen den Vorstand wegen der Verletzung einer gegenüber der Gesellschaft bestehenden Pflicht geltend zu machen. Darauf gerichtete Rechtshandlungen des Aufsichtsrates sind wegen Kompetenzüberschreitung anlog § 81 I 1 InsO nichtig.24 In der Funktion als gesetzlicher Vertreter ist der Aufsichtsrat auch berechtigt, die mit der Anstellung des Vorstands im Zusammenhang stehenden Angelegenheiten zu regeln, d. h. etwa – entgegen einiger Stimmen in der Literatur – Anstellungsverträge mit neuen Vorstandsmitglieder abzuschließen (§ 270 I 1 InsO), die Vergütung der Vorstandsmitglieder herabzusetzen (§ 87 II 1 AktG) oder bestehende Anstellungsverträge zu kündigen (§§ 113 S. 1 InsO i. V. m. § 620 BGB; § 626 BGB). Insofern ist auf die Erläuterungen im fünften Kapitel zu verweisen.25 Dabei sind auch die Kündigung und die Herabsetzung der Vergütung dem Eigenverwaltungsbereich zuzuordnen, obwohl durch sie die Masse unmittelbar lediglich entlastet wird, doch tragen diese Maßnahmen potentiell nachteilige Auswirkungen auf die Masse insoweit in sich, als sie Schadensersatzansprüche gegen die Gesellschaft begründen können.

___________ 22

Kapitel 4 B. II. 1., Seite 188. Kapitel 4 B. II. 2. a), Seite 193. 24 Denn insoweit hat die Schuldnergesellschaft die Verfügungs- und Verwaltungsbefugnis an den Sachwalter verloren (Sachwalterverdrängungsbereich), vgl. Kapitel 4 A. I., Seite 182. 25 Kapitel 5 C. II., Seite 310. 23

Kap. 6: Der Aufsichtsrat in der Eigenverwaltung

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2. Überwachung des Vorstands im Eigenverwaltungsbereich a) Fortbestehen der Kontrolle nach § 111 I AktG Gem. § 111 I AktG hat der Aufsichtsrat die „Geschäftsführung“ durch den Vorstand (§ 77 AktG) zu überwachen, worunter – anders als etwa im Personengesellschaftsrecht – grundsätzlich sämtliche rechtlichen oder tatsächlichen Maßnahmen für die Aktiengesellschaft zu verstehen sind, die in die Zuständigkeit des Vorstands fallen.26 Nach dieser Definition unterstehen also auch sämtliche Handlungen, die der Vorstand als gesetzlicher Vertreter der Gesellschaft im Eigenverwaltungsbereich vornimmt (neben denen im Schuldnerbereich27), der Aufsicht durch den Aufsichtsrat. Das wird indessen verschiedentlich mit dem Argument verneint, die Kontrolle der Geschäftsführung in der Eigenverwaltung obliege gem. § 274 II InsO dem Sachwalter, so dass § 111 I AktG überlagert werde.28 Ob dieser Einwand berechtigt ist, bedarf der Überprüfung durch die Auslegung des § 274 II InsO. Gegen diese Ansicht spricht zunächst, dass der Begriff der Geschäftsführung in § 111 I AktG und in § 274 II InsO nicht einheitlich zu verstehen ist. Während § 111 I AktG ein aktienrechtliche Verständnis i. S. d. § 77 AktG zugrunde liegt, ist „Geschäftsführung“ in § 274 II InsO insolvenzrechtlich auszulegen und erfasst aufgrund systematischer, historischer und teleologischer Erwägungen alle Handlungen des Schuldners, die mit der Durchführung des Eigenverwaltungsverfahrens in Zusammenhang stehen und in den Verantwortungsbereich fallen, der ihm speziell in der Eigenverwaltung zugeordnet ist, im Falle einer eigenverwaltenden Aktiengesellschaft also die Rechtshandlungen aller Gesellschaftsorgane im Eigenverwaltungsbereich.29 Deshalb ist die Überwachung des Vorstands durch den Aufsichtsrat, mag sie auch aufgrund der Bindung an § 1 S. 1 hinsichtlich ihres Ziels und Inhalts mit der des Sachwalters ___________ 26 Hüffer, AktG, § 77 Rn. 3, 4; Mertens, in: KK zum AktG, § 77 Rn. 3; Semler, in: MK zum AktG, § 111 Rn. 94 f. 27 Siehe oben A. I., Seite 350. 28 Görg/Stockhausen, FS Metzeler, 105, 108; Prütting/Huhn, ZIP 2002, 777, 778 f.; zuneigend Landfermann, in: HK zur InsO, § 270 Rn. 20; schwankend Noack, ZIP 2002, 1873, 1877 f. (einerseits: „[…] kaum begründbar sein, warum er [der Aufsichtsrat, Anm. d. Verf.] sie [die Vorstandsmitglieder, Anm. d. Verf.] nicht auch überwachen sollte (§ 111 AktG)“, andererseits später: „Man kann gewiss diskutieren, ob die externe Überwachung durch den Sachwalter die interne Überwachung durch den Aufsichtsrat ganz oder weithin überflüssig macht“). Zu Recht weist Noack (ebenda) aber darauf hin, dass es sich bei diesem Problem um eine Sachfrage handelt, die losgelöst von der Frage der Verdrängung gesellschaftsrechtlicher Mitwirkungsbefugnisse zu beantworten ist. 29 Siehe eingehend B. II. 2., Seite 365.

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3. Teil: Die Rechtsstellung der Organe einer AG in Eigenverwaltung

weitestgehend übereinstimmen,30 keinesfalls deckungsgleich zu der des Sachwalters, es handelt sich sozusagen nur um eine Teilmenge. Dass insoweit also eine parallele Kontrolle stattfindet, vermag aber für sich genommen eine Verdrängung nicht zu rechtfertigen. Denn auch der Gläubigerausschuss kontrolliert den Vorstand parallel zum Sachwalter,31 ohne dass deshalb eine Verdrängung der Kompetenzen des einen oder des anderen erwogen werden würde. In systematischer Hinsicht sieht sich die Verdrängung des § 111 I AktG dem Widerspruch ausgesetzt, dass die Personalkompetenz des Aufsichtsrats, die durch die Eröffnung des Eigenverwaltungsverfahrens mangels Massebezugs grundsätzlich nicht tangiert wird,32 ohne die Befugnis, den Vorstand zu überwachen, kaum denkbar ist.33 Ohne Überwachung könnte der Aufsichtsrat beispielsweise gar nicht feststellen, ob ein wichtiger Grund i. S. d. § 84 III 1 AktG gegeben ist, der ihn zum Widerruf der Bestellung des Vorstands berechtigt. Eine Aufsicht nach § 111 I AktG zu verneinen, widerspräche außerdem der oben gewonnenen Erkenntnis, dass die Aktiengesellschaft als solche, nicht aber nur ihr Vorstand, Trägerin der Rechte und Pflichten im Eigenverwaltungsverfahren ist. Denn diese Funktion füllt die Gesellschaft gerade „in den durch das Gesellschaftsrecht statuierten Formen und Verfahrensweisen organschaftlicher Vertretung und Kontrolle aus“,34 und sie kann diese auch nur auf diese Weise ausfüllen. Das aber schließt eine Überwachung des Vorstands gem. § 111 I AktG als Strukturmerkmal der Aktiengesellschaft grundsätzlich mit ein. Betrachtet man § 274 II InsO historisch, ergibt sich, dass diese Vorschrift nicht nur ihrem Wortlaut nach, sondern auch inhaltlich durch den Gesetzgeber bewusst aus dem Vergleichsrecht (§§ 39, 40 VglO) übernommen worden ist.35 Im Vergleichsrecht war aber allgemein anerkannt, dass der Aufsichtsrat den Vorstand auch in den das Vergleichsverfahren betreffenden Angelegenheiten zu beaufsichtigen hatte, obschon dieser Bereich parallel der Aufsicht durch den Vergleichsverwalter unterstellt war.36 Das spricht ebenfalls gegen eine Verdrängung der Aufsicht nach § 111 I AktG. ___________ 30

In diese Richtung Prütting/Huhn, ZIP 2002, 777, 779. Kapitel 5 B. III. 2., Seite 298. 32 Siehe A. I., Seite 350 und Kapitel 5 B. II. 2. a) bb) (1), Seite 269 sowie C. I. 1. a), Seite 304; a. A. Kruse, S. 284; Prütting/Huhn, ZIP 2002, 777, 782. 33 Ebenso Noack, ZIP 2002, 1873, 1877. 34 Kapitel 5 B. II. 2. a) cc), Seite 272; die Formulierung stammt von Smid, DZWIR 2002, 493, 500. 35 Vgl. Bundesregierung, Begründung zu § 335 RegE InsO (= § 274 InsO), BTDrucks. 12/2443, S. 224. 36 J. Mohrbutter, in: Bley/Mohrbutter, VglO, § 108 Rn. 20 (AG), 48 (GmbH); Ulmer, in: Hachenburg, GmbHG, 8. Auflage, § 63 Rn. 125; K. Schmidt, in: Scholz, GmbHG, 8. Auflage, § 63 Rn. 84 („Befugnisse der Organe bleiben von der Vergleichseröffnung un31

Kap. 6: Der Aufsichtsrat in der Eigenverwaltung

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Schließlich legt es der Zweck des § 274 II 1 InsO, die Gläubiger vor einem Missbrauch der Eigenverwaltung durch den Schuldner zu schützen, nahe, den Vorstand auch im Eigenverwaltungsbereich weiterhin durch den Aufsichtsrat kontrollieren zu lassen. Denn bei einer parallelen Überwachung durch Sachwalter und Aufsichtsrat kann ein missbräuchliches Verhalten des Vorstands umso eher vermieden werden.37 Der Aufsichtsrat dürfte regelmäßig, jedenfalls aber zu Beginn des Verfahrens, über bessere unternehmens- und branchenspezifische Kenntnisse als der Sachwalter oder der Gläubigerausschuss verfügen und daher im Zweifel sogar eine effizientere und zielgerichtetere Kontrolle durchführen können, insbesondere in Großinsolvenzen. Zur ordnungsgemäßen Erfüllung seiner Kontrollpflichten wird der Aufsichtsrat dabei nicht nur dadurch angehalten, dass er selbst durch den Sachwalter überwacht wird,38 sondern vor allem durch die drohende Haftung (§§ 93 V 4, 116 AktG)39. Daher kann die Beibehaltung einer Kontrolle durch den Aufsichtsrat für den Zweck des § 274 II InsO nur förderlich sein. Besonders ins Gewicht fällt darüber hinaus der Umstand, dass man, wenn man den Aufsichtsrat von einer Überwachung im Eigenverwaltungsbereich ausschlösse, auch nicht mehr dessen speziellen Kenntnisse und Erfahrungen, die für den Erfolg des Eigenverwaltungsverfahren von großem Stellenwert sein können,40 zum Vorteil der Gläubiger nutzbar machen könnte. Denn diese bringt der Aufsichtsrat gerade in Gestalt der Überwachung ein. Das widerspricht aber nicht nur dem Zweck des Eigenverwaltungsverfahrens41, sondern auch dem Grundsatz einer optimalen Gläubigerbefriedigung (§ 1 S. 1 InsO). Nach alldem kann eine Verdrängung des § 111 I AktG durch § 274 II InsO nicht überzeugen. Der Aufsichtsrat kontrolliert daher – neben Sachwalter und Gläubigerausschuss – den Vorstand im Eigenverwaltungsbereich.42 ___________ berührt“); Rowedder, in: Rowedder, GmbHG, 3. Auflage, § 63 Rn. 53 (Gesellschaftsorgane bleiben mit den ihnen gesetzlich oder statuarisch zustehenden Befugnissen im Amt). 37 Ebenso Hess/Ruppe, NZI 2002, 577, 580; Uhlenbruck, FS Kirchhof, 479, 502. 38 Dazu B. II. 2., Seite 365. Freilich darf der Sachwalter nicht dem Aufsichtsrat die Kontrolle des Vorstands überlassen und sich selbst auf die Überwachung des Aufsichtsrats beschränken. Die darin liegende Verwässerung seiner Kontrolle ist pflichtwidrig i. S. d. §§ 274 I, 60 InsO. 39 Dazu D., Seite 379. 40 Zur Bedeutung der Aufsichtsratsmitglieder im Rahmen einer Sanierung vgl. Mertens, in: KK zum AktG, § 113 Rn. 15; Lutter AG 1979, 85, 87. 41 Vgl. Bundesregierung, vor § 331 RegE InsO, BT-Drucks. 12/2443, S. 223: Nutzung der „Kenntnisse und Erfahrungen der bisherigen Geschäftsleitung“, zu der auch der Aufsichtsrat gehört. 42 I. E. ebenso Hess/Ruppe, NZI 2002, 577, 580; Uhlenbruck, FS Kirchhof, 479, 502.

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3. Teil: Die Rechtsstellung der Organe einer AG in Eigenverwaltung

b) Inhalt der Überwachungstätigkeit Die Überwachungstätigkeit des Aufsichtsrats muss sich an der finanziellen Lage der Gesellschaft, den Besonderheiten des Eigenverwaltungsverfahrens und schließlich am Insolvenzzweck ausrichten.43 Dafür ist es vor allem erforderlich, dass er seine Kontrolle nicht nur vergangenheitsbezogen, sondern präventiv auslegt, da nur so ein wirksamer Schutz der Gläubigerinteressen gewährleistet werden kann. Als ein wichtiges Instrument einer prophylaktischen Überwachung kann der Aufsichtsrat auf die Einführung von Zustimmungsvorbehalten nach § 111 IV 2 AktG zurückgreifen,44 um seine Mitsprache bei grundlegenden Entscheidungen in der Verfahrensabwicklung zu sichern. Ist ein eindeutig insolvenzzweckwidriges Handeln des Vorstands zu befürchten, kann das Ermessen des Aufsichtsrates sogar im Einzelfall auf Null reduziert werden und in die Verpflichtung umschlagen, die Maßnahme an seine Zustimmung zu binden.45 Als Mittel der Überwachung steht dem Aufsichtsrat außerdem das Recht zu, gem. §§ 281 III 1, 155 III 1 InsO die Bestellung eines Abschlussprüfers für die vom Vorstand erstellten Jahres- oder Konzernabschlüsse durch das Registergericht zu beantragen;46 er erteilt auch den Prüfungsauftrag gem. § 111 II 3 AktG.47 Gleichzeitig rückt wegen der wirtschaftlichen Krisensituation der Gesellschaft die mit der Überwachung eng verknüpfte Beratungsfunktion des Aufsichtsrates in den Vordergrund,48 die freilich nicht zu extensiv im Sinne einer allgemeinen Beratungspflicht verstanden werden darf. Die Mitglieder des Aufsichtsrates sind aber verpflichtet, ihr spezielles Know-how in das Verfahren einzubringen, soweit sich daraus kein ohne spezifische Vergütung (§ 114 AktG) unzumutbarer Arbeitseinsatz ergibt.49 Wenngleich auch die Überwachungsaufgabe des Aufsichtsrates im Grundsatz unabhängig besteht, erscheint es doch ratsam, wesentliche Kontrollmaßnahmen mit Sachwalter und Gläubi___________ 43

Ebenso Hess/Ruppe, NZI 2002, 577, 580. A. A. Görg/Stockhausen, FS Metzeler, 105, 108 mit der Begründung, dass die Kontrolle der Geschäftsführung in der Eigenverwaltung allein dem Sachwalter obliege, was aber gerade widerlegt worden ist. Vgl. zum Zustimmungsvorbehalt allgemein H.-F. Müller, S. 150 (bezüglich Schuldnerbereich). 45 Vgl. zur Ermessensschrumpfung allgemein: BGH, Urteil vom 15. 11. 1993 – II ZR 235, 92, NJW 1994, 520; Hüffer, AktG, § 111 Rn. 17 m. w. N. 46 Siehe dazu Kapitel 7 B. I. 2. b) bb), Seite 405. 47 Dazu Kapitel 7 B. I. 2. b) vor aa), Seite 403. 48 Zur Beratungsfunktion siehe Hoffmann-Becking, in: MHb GesR IV, § 29 Rn. 32; Mertens, in: KK zum AktG, § 111 Rn. 34, § 113 Rn. 25 (in der Krise); Semler, in: MK zum AktG, § 111 Rn. 246 ff. 49 Vgl. dazu Mertens, in: KK zum AktG, § 111 Rn. 34. 44

Kap. 6: Der Aufsichtsrat in der Eigenverwaltung

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gerausschuss abzustimmen, um im Interesse der Gläubiger unnötige Kosten zu vermeiden. 3. Mitwirkung an Geschäftsführungsmaßnahmen Gesellschaftsrechtliche Mitwirkungsbefugnisse bleiben entgegen der h. M. in der Eigenverwaltung grundsätzlich bestehen.50 Soweit durch das Gesetz (z. B. §§ 89 II, 114, 246 II, 249 I AktG; § 32 MitbestG) oder die Satzung (§§ 111 IV 2 Alt. 1, 82 II AktG) vorgesehen, kann der Aufsichtsrat daher auch zur Mitentscheidung über Angelegenheiten berufen sein, die die Geschäftsführung im Eigenverwaltungsbereich betreffen. Außerdem ist der Aufsichtsrat gem. § 111 IV 2 Alt. 2 AktG befugt und u. U. sogar verpflichtet, bestimmte Arten von Geschäften des Vorstands unter den Vorbehalt seiner vorherigen Zustimmung zu stellen.51 II. Insolvenzrechtliche Bindungen Der Aufsichtsrat ist bei der Ausübung seiner Kompetenzen im Eigenverwaltungsbereich nicht frei. Vielmehr unterliegt er ebenso wie der Vorstand einer Bindung an den Zweck der optimalen Gläubigerbefriedigung (1.), der Überwachung durch Sachwalter und Gläubigerausschuss (2.), sowie bestimmten Zustimmungsvorbehalten (3.). 1. Bindung an den Insolvenzverfahrenszweck (§ 1 S. 1 InsO) a) Die Maßgeblichkeit des Zwecks des Insolvenzverfahrens Der Aufsichtsrat hat seine sämtlichen Handlungen im Eigenverwaltungsbereich am Zweck des Insolvenzverfahrens, also einer optimalen und gleichberechtigten Gläubigerbefriedigung (§ 1 S. 1 InsO) auszurichten.52 Die Bindung ergibt sich normativ einerseits aus der Überlagerung des Gesellschaftszwecks durch den Insolvenzzweck,53 und zwar insoweit, wie der Aufsichtsrat zur Be___________ 50

Kapitel 5 II. 2. a) cc), Seite 272. Vgl. dazu den vorstehenden Abschnitt, B. I. 2. b), Seite 358. 52 AG Duisburg, Beschluss vom 1. 9. 2002 – 62 IN 167/02, NZI 2002, 556, 5. Leitsatz. 53 So auch beim Vorstand, siehe Kapitel 5 B. III. 1. a), Seite 289. In diese Richtung auch Gutsche, Rn. 327; Schneider, FS Oppenhoff, 249, 250, die aber nicht hinreichend 51

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3. Teil: Die Rechtsstellung der Organe einer AG in Eigenverwaltung

achtung des Gesellschaftszwecks verpflichtet ist. Eine solche Verpflichtung besteht jedenfalls54, sobald eine Handlung des Aufsichtsrats eine Geschäftsführungsmaßnahme zum Gegenstand hat, weil es sich dabei per definitionem um „Maßnahmen zur Verfolgung des Gesellschaftszwecks“ handelt.55 Auf diese Weise lässt sich also die Maßgeblichkeit des § 1 S. 1 InsO z. B. bei der Überwachung der Geschäftsführung (§ 111 I AktG) sowie den Mitwirkungsrechten nach § 111 IV 2 AktG begründen. Andererseits folgt die Bindung unmittelbar aus §§ 270 I 2, 1 S. 1 InsO, der als Inbegriff des Insolvenzverfahrens auch für den Schuldner unbedingte Geltung beansprucht, in der Eigenverwaltung einer Aktiengesellschaft also diese selbst, repräsentiert durch ihre Organe, verpflichtet.56 Daher bindet § 1 S. 1 InsO den Aufsichtsrat auch bei Handlungen, die keine Geschäftsführungsmaßnahme zum Gegenstand haben. Der Grundsatz optimaler Gläubigerbefriedigung gebietet dem Aufsichtsrat somit u. a., die Vergütung eines neuen Vorstandsmitgliedes nicht zu hoch zu vereinbaren, gegebenenfalls sogar die Vergütung der Vorstandsmitglieder herabzusetzen (§ 87 II AktG) oder seine Zustimmung (§ 111 IV 2 AktG) zu einer Verwertungsmaßnahme zu verweigern, die alle oder einzelne die Gläubiger benachteiligt, oder für eine solche Maßnahme ad hoc einen Zustimmungsvorbehalt zu beschließen.57 Da in den Zweck des Insolvenzverfahrens i. S. d. § 1 S. 1 InsO auch die durch die Gläubigerversammlung vorgegebene Verwertungsart (§§ 157, 270 I 2 InsO) inkorporiert ist,58 darf der Aufsichtsrat ferner auch keine Handlungen genehmigen oder selbst vornehmen, die der Entscheidung der Gläubigerversammlung zuwiderliefen oder diese auch nur behinderten.

___________ berücksichtigen, dass der Aufsichtsrat bei vielen Maßnahmen keiner Bindung an den Gesellschaftszweck unterliegt. 54 Eine allgemeine Bindung des Aufsichtsrats an den Gesellschaftszweck (wie etwa beim Vorstand) wird in Rechtsprechung und Literatur – soweit ersichtlich – nicht erörtert. 55 Z. B. Westermann, FS Schnorr von Carolsfeld, 517, 531; Zöllner, Stimmrechtsmacht, S. 323. Über den Begriff der Geschäftsführungsmaßnahme ist richtigerweise auch die Bindung des Vorstands an den Insolvenzzweck zu begründen, siehe Kapitel 5 B. III. 1. a), Seite 289, Fußnote 476. 56 So auch schon Kapitel 5 B. III. 1. a), Seite 289. 57 Dazu oben B. I. 2. b), Seite 358. 58 Kapitel 5 B. III. 1. b), Seite 290.

Kap. 6: Der Aufsichtsrat in der Eigenverwaltung

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b) Das Schicksal insolvenzzweckwidriger Beschlüsse aa) Nichtigkeit, keine Anfechtbarkeit Ungewiss ist das rechtliche Schicksal eines insolvenzzweckwidrigen Aufsichtsratsbeschlusses. Wenn überhaupt thematisiert, wird wohl einhellig von seiner Nichtigkeit ausgegangen.59 Anders als im regulären Verfahren, wo ein insolvenzzweckwidriger Beschluss meistens zugleich einen Eingriff in die Kompetenzen des Insolvenzverwalters bedeutet (§ 80 I InsO), kann man in der Eigenverwaltung die Nichtigkeit aber nicht über § 81 I 1 InsO begründen.60 Sie kann außerdem nicht wie die Nichtigkeit insolvenzzweckwidriger Verfügungen des Insolvenzverwalters erklärt werden,61 die die bislang noch h. M. auf eine teleologische Reduktion des § 80 I InsO stützt,62 weil der eigenverwaltenden Aktiengesellschaft das Verfügungs- und Verwaltungsrecht nicht übertragen wird, sondern ihr kraft privatautonomer Rechtsmacht zusteht.63 Wie im Falle insolvenzzweckwidriger Hauptversammlungsbeschlüsse kann die Lösung daher nur in den allgemeinen aktienrechtlichen Regeln über fehlerhafte Aufsichtsratsbeschlüsse gesucht werden.

___________ 59

Das AG Duisburg, Beschluss vom 1. 9. 2002 – 62 IN 167/02, NZI 2002, 556, 559 hält insolvenzzweckwidrige Weisungen der Gesellschafterversammlung einer GmbH an ihre Geschäftsführer für nichtig. Nach Götker, Rn. 1009 sind Weisungen der GmbH-Gesellschafter nur noch im nicht insolvenzbefangenen Bereich beachtlich, was auf eine gegenständliche Begrenzung der Weisungsbefugnisse auf den Schuldnerbereich hindeutet. Uhlenbruck, FS Kirchhof, 479, 502 geht offenbar von der Nichtigkeit sämtlicher insolvenzzweckwidriger Handlungen aller Gesellschaftsorgane aus, rekurriert dabei aber auf die Begründung der Nichtigkeit insolvenzzweckwidriger Verfügungen des Verwalters, die auf den Eigenverwalter nicht übertragen werden kann (vgl. Kapitel 1 C. I. 4. a) und b), Seite 81 ff.). Für das Vergleichsverfahren, dem die Eigenverwaltung nachempfunden ist, befürwortet Ulmer, in: Hachenburg, GmbHG, 8. Auflage, § 63 Rn. 125 einen Vorrang der Weisungen des Vergleichsverwalters vor solchen der Gesellschafterversammlung einer GmbH, K. Schmidt, in: Scholz, GmbHG, 8. Auflage, § 63 Rn. 84 hält solche Weisungen für „unverbindlich“. 60 Siehe auch Kapitel 5 B. III. 1. d) aa), Seite 295 (Vorstand), und Kapitel 7 B. II. 1. b) aa), Seite 410 (Hauptversammlung). 61 So aber Uhlenbruck, FS Kirchhof, 479, 502 (vgl. dortige Nachweise in Fußnote 92); offenbar auch H.-F. Müller, ZGR 2004, 842, 859. 62 Dem Insolvenzverwalters sollen nach dieser Ansicht Befugnisse gem. § 80 I InsO nur insoweit übertragen werden, wie dies der Insolvenzzweck erfordert, so dass insolvenzzweckwidrige Verfügungen schon gegenständlich nicht durch § 80 I InsO erfasst und somit nichtig sind, vgl. Kapitel 1 C. I. 4. a), Seite 82. 63 Dazu bereits Kapitel 1 C. I 4. b), Seite 82.

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3. Teil: Die Rechtsstellung der Organe einer AG in Eigenverwaltung

Entgegen einer verbreiteten Ansicht, die die §§ 241 ff. AktG mit geringfügigen Modifikationen analog anwenden möchte,64 unterscheiden die h. L. und der BGH nicht zwischen der Nichtigkeit und Anfechtbarkeit fehlerhafter Aufsichtsratsbeschlüsse, sondern geht einheitlich von ihrer Nichtigkeit aus, wenn sie in verfahrensmäßiger oder inhaltlicher Beziehung gegen zwingendes Gesetz- oder Satzungsrecht verstoßen,65 z. B. §§ 134, 138 BGB oder Vorschriften des Mitbestimmungsgesetzes. Allgemein darf die Gültigkeit des Aufsichtsratsbeschlusses im Hinblick auf die Bedeutung der verletzten Norm oder Satzungsbestimmung nicht verantwortbar sein.66 Wie an anderer Stelle gezeigt, handelt es sich bei § 1 S. 1 InsO um eine zwingende Gesetzesvorschrift mit verbietendem Charakter.67 Insolvenzzweckwidrige Beschlüsse als gültig zu behandeln, könnte im Einzelfall zu einer erheblichen Gefährdung der Gläubigerinteressen führen – z. B. indem ein gläubigerschädigendes Verhalten des Vorstands durch sie „legitimiert“ oder ausgelöst wird – und kann deshalb nicht geduldet werden. Derartige Beschlüsse sind somit nichtig. Nach der Mindermeinung wären sie dagegen lediglich analog § 243 I AktG anfechtbar.68 Insolvenzzweckwidrige und damit nichtige Beschlüsse des Aufsichtsrates entfalten keine Verbindlichkeit für den Vorstand. Verlangt das Gesetz, die Satzung oder ein Vorbehalt nach § 111 IV 2 Alt. 2 AktG die Mitwirkung des Aufsichtsrates an einer Maßnahme des Vorstands, so macht der nichtige Beschluss, der diese Mitwirkung unter Verletzung des Prinzips einer optimalen Gläubiger___________ 64 OLG Hamburg, Urteil vom 23. 7. 1982 – 11 U 179/80, AG 1983, 21, 24; OLG Hamburg, Urteil vom 6. 3. 1992 – 11 U 134/91, AG 1992, 197, 198 f.; K. Schmidt, in: GK zum AktG, 4. Auflage, § 241 Rn. 35 f.; Baums, ZGR 1983, 300, 305 ff.; Mertens, in: KK zum AktG, § 108 Rn. 82. 65 BGH, Urteil vom 17. 5. 1993 – II ZR 89/02, NJW 1993, 2307, 2309 (bestätigt durch BGH, Urteil vom 15. 11. 1993 – II ZR 235/92, NJW 1994, 520 m. w. N.); BGH, Urteil vom 21. 4. 1997 – II ZR 175/95, NJW 1997, 1926 [ARAG/Garmenbeck]; BayObLG, Urteil vom 28. 3. 2003 – 3Z BR 199/02, NZG 2003, 691, 693 f.; OLG Frankfurt, Urteil vom 4. 2. 2003 – 5 U 63/01, NZG 2003, 331, 332; Götz, FS Lüke, 167 ff., 178; Hüffer, AktG, § 108 Rn. 18 f.; Hoffmann-Becking, in: MHb GesR IV, § 31 Rn. 97 ff.; Meilicke, FS Walter Schmidt, 71 ff.; Semler, in: MK zum AktG, § 108 Rn. 249 ff.; Tielmann, in: Happ, AktR, 18.04 Rn. 1. 66 Götz, FS Lüke, 167, 182. 67 Kapitel 7 B. II. 1. b) bb) (2) (b), Seite 417. 68 So Kapitel 7 B. II. 1. b) bb) (2) (b), Seite 417 für insolvenzzweckwidrige Hauptversammlungsbeschlüsse. Folgt man dieser Ansicht, ist allerdings die Anfechtungsbefugnis des Sachwalters analog § 245 Nr. 4 AktG zu verneinen. Denn anders als bei der Hauptversammlung besteht beim Aufsichtsrat kein Kontrolldefizit, das durch ein Anfechtungsrecht ausgeglichen werden müsste, da der Aufsichtsrat ständiges Gesellschaftsorgan ist und in die Verfahrensdurchführung in viel stärkerem Maße als die Hauptversammlung einbezogen wird, so dass der Sachwalter ausreichend Gelegenheit hat, um auf den Aufsichtsrat beratend Einfluss zu nehmen und so eine wirksame Überwachung i. S. d. § 274 II InsO auszuüben.

Kap. 6: Der Aufsichtsrat in der Eigenverwaltung

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befriedigung verweigert, die Mitwirkung keinesfalls entbehrlich; der Vorstand darf die nicht genehmigte Handlung somit nicht ausführen.69 Er kann nur versuchen, den Aufsichtsrat von der Rechtswidrigkeit des Beschlusses zu überzeugen.70 Er kann auch die Nichtigkeit des insolvenzzweckwidrigen Beschlusses gem. § 256 ZPO feststellen lassen oder den Sachwalter71 einschalten. Allerdings kann dessen Genehmigung die fehlende Mitwirkung des Aufsichtsrates nicht ersetzen, da ihm keine innergesellschaftsrechtlichen Befugnisse zukommen und sich sein Mitspracherecht (§§ 275 I 1, 277 I 1, 279 S. 2 und 3, 282 II InsO) auf Maßnahmen beschränkt, die eine unmittelbare Wirkung nach außen entfalten.72 Weigert sich der Aufsichtsrat weiter, bleibt dem Vorstand als letztes Mittel nur die Möglichkeit, eine Abberufung des Aufsichtsrats durch die Hauptversammlung zu erwirken. In den Fällen der gesetzlichen Vertretung der Gesellschaft durch den Aufsichtsrat (§ 112 AktG) ist die Beschlussfassung als Akt der Willensbildung von der eigentlichen Vertretungshandlung durch einen dafür eigens Bevollmächtigten zu unterscheiden.73 Ist der betreffende Aufsichtsratsbeschluss nach den vorstehenden Bemerkungen nichtig, handelt der Vertreter als falsus procurator, so dass das Rechtsgeschäft als rechtlich unwirksam anzusehen ist.74 Im Unterschied zum Vorstand bedarf es hier daher keines Rückgriffs auf die Grundsätze über den Missbrauch der Vertretungsmacht, um die Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts im Außenverhältnis zu erklären. bb) Die Klagebefugnis des Sachwalters Die Nichtigkeit kann durch allgemeine Feststellungsklage gem. § 256 ZPO grundsätzlich von jedem geltend gemacht werden, der ein rechtliches Interesse an ihrer Feststellung hat.75 Erforderlich ist eigenes rechtliches, d. h. nicht allein

___________ 69

Dazu auch Kapitel 5 B. II. 2. c) cc), Seite 280. Im Fall des § 111 IV 3, 4 AktG kann er an seiner Stelle auch die Hauptversammlung zur Entscheidung anrufen. 71 Der Sachwalter kann insbesondere mit einer Inanspruchnahme gem. §§ 93 V 4, 116 AktG drohen. 72 Siehe schon Kapitel 5 B. III. 3. a), Seite 299. 73 Vgl. Semler, in: MK zum AktG, § 112 Rn. 45 ff. 74 Semler, in: MK zum AktG, § 112 Rn. 78 ff. 75 Mertens, in: KK zum AktG, § 108 Rn. 88; Hüffer, AktG, § 108 Rn. 18; Semler, in: MK zum AktG, § 108 Rn. 272 f.; Meyer-Landrut, in: GK zum AktG, 3. Auflage, § 108 Anm. 8; vgl. auch OLG Frankfurt, Urteil vom 4. 2. 2003 – 5 U 63/01, NZG 2003, 331, 332. 70

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wirtschaftliches, persönliches oder ideelles Interesse,76 was insbesondere bei den Mitgliedern des Aufsichtsrates und des Vorstands bejaht wird, bei den Anteilseignern dagegen nur, wenn finanzielle Belange der Gesellschaft in Frage stehen.77 Ob in der Eigenverwaltung auch Beteiligte des Insolvenzverfahrens, namentlich der Sachwalter ein solches rechtliches Interesse für sich beanspruchen können, ist allerdings ungewiss. Denn die Rechtsprechung verfährt bei der Bejahung eines rechtlichen Interesses äußerst restriktiv, um – da ja § 245 AktG nicht entsprechend anzuwenden ist – eine Ausuferung des zur Geltendmachung berechtigten Personenkreises zu verhindern.78 Gesellschaftsfremde Dritte sind daher nur im Ausnahmefall klagebefugt.79 Problematisch aber ist vor allem, in welchem eigenen Interesse der Sachwalter betroffen sein könnte. Das Feststellungsinteresse eines Aufsichtsratsmitglieds wird üblicherweise entweder aus seiner Stellung als Mitglied des beschlussfassenden Organs und der darauf beruhenden Mitverantwortung für die Rechtmäßigkeit des Beschlusses hergeleitet oder, wenn die Klage nicht auf die Verletzung eigener Mitgliedschaftsrechte, sondern auf Verstöße gegen Gesetz und Satzung beruht, aus dem legitimierten Interesse des klagenden Aufsichtsratsmitglieds, sich von dem Beschluss zu distanzieren und möglichen Regressansprüchen nach §§ 116, 93 AktG wegen Mitwirkung an rechtswidrigen Organhandlungen vorzubeugen.80 Ganz ähnlich wird auch das Feststellungsinteresse des Vorstands begründet.81 Diese Erklärung versagt aber beim Sachwalter. Denn es ist lediglich seine Aufgabe, darüber zu wachen, dass sich die Organe der Schuldnergesellschaft im Eigenverwaltungsbereich rechtmäßig und vor allem insolvenzzweckkonform verhalten. Er ist jedoch – sofern er seine Überwachungs- und Beratungspflichten sorgfältig erfüllt – nicht für rechtswidriges Organhandeln verantwortlich, insbesondere trifft ihn dafür keine Haftung. Der Sachwalter hat somit kein eigenes rechtliches Interesse an einem rechtmäßigen Verhalten der Gesellschaft als solchem. Allerdings obliegt ihm gem. §§ 93 V 4, 116 AktG die Pflicht, Schadensersatzansprüche der Gesellschaft gegen die Mitglieder des Aufsichtsrats82 oder Vorstands83 geltend zu machen, die ___________ 76 Reichold, in: Thomas/Putzo, ZPO, § 256 Rn. 13; Foerste, in: Musielak, ZPO, § 256 Rn. 8. 77 Semler, in: MK zum AktG, § 108 Rn. 273, Mertens, in: KK zum AktG, § 108 Rn. 71, 89; Meilicke, FS Walter Schmidt, 71, 109. 78 BGH, Urteil vom 17,. 5. 1993 – II ZR 89/92, NJW 1992, 2307, 2309. 79 Tielmann, in: Happ, AktR, 18.04 Rn. 4. 80 BGH, Urteil vom 21. 4. 1997 – II ZR 175/95, NJW 1997, 1926 [ARAG/Garmenbeck] m. w. N.; Hoffmann-Becking, in: MHb GesR IV, § 33 Rn. 54; Tielmann, in: Happ, AktR, 18.04 Rn. 4. 81 Vgl. Meilicke, FS Walter Schmidt, 71, 109. 82 Dazu unten D., Seite 379. 83 Vgl. dazu Kapitel 5 D., Seite 324.

Kap. 6: Der Aufsichtsrat in der Eigenverwaltung

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insbesondere auf insolvenzzweckwidrigen Handlungen dieser Organe während des Eigenverwaltungsverfahrens beruhen können. Da der Sachwalter aber sehr wohl für die Schlechterfüllung dieser Verpflichtung gem. §§ 274 I, 60 InsO persönlich einzustehen hat, ist ein rechtliches Interesse zumindest insoweit anzuerkennen, als die Feststellung der Rechtswidrigkeit eines Aufsichtsratsbeschlusses die Grundlage bildet, um Schadensersatzansprüche gegen die Mitglieder des Aufsichtsrates oder des Vorstands, die z. B. einem rechtswidrigen Aufsichtsratsbeschluss Folge leisten, durchzusetzen. Daneben könnte auch ein eigenes rechtliches Interesse der einzelnen Gläubiger an der Feststellung anzuerkennen sein, da ihnen das gesamte Gesellschaftsvermögen durch den Insolvenzbeschlag haftungsrechtlich zugewiesen ist und insolvenzzweckwidrige Handlungen daher stets einen potentiellen Eingriff in diese Rechtsposition (die quotale Befriedigung) bedeuten. Jeden einzelnen Gläubiger als klagebefugt zu behandeln, führte aber nicht nur zu einer ausufernden Zahl klagebefugter Personen und träte damit in Widerspruch zu der durch den BGH angemahnten84 und durch die Rechtssicherheit gebotenen restriktiven Handhabung, sondern entspräche auch nicht dem Charakter der Eigenverwaltung als Gesamtvollstreckungsverfahren, der einer individuellen Rechtsverfolgung einzelner Gläubiger gegen den Schuldner grundsätzlich entgegensteht. Eine individuelle Klagebefugnis der Gläubiger ist somit zu verneinen. Vielmehr sollte nach dem Rechtsgedanken der §§ 92, 280 InsO85 sowie der §§ 93 V 4, 116 AktG davon ausgegangen werden, dass das Feststellungsinteresse der Gläubiger in der Eigenverwaltung durch den Sachwalter geltend gemacht wird.86 Der Sachwalter ist daher auch in Prozessstandschaft anstelle der Gläubiger zur Erhebung der Feststellungsklage befugt. 2. Überwachung durch Sachwalter und Gläubigerausschuss In der Eigenverwaltung ist nach § 274 II 1 InsO der Sachwalter dazu berufen, „die Geschäftsführung“ des Schuldners zu überwachen. Handelt es sich beim Schuldner um eine Aktiengesellschaft, ist indessen unklar, ob sich diese ___________ 84

BGH, Urteil vom 17. 5. 1993 – II ZR 89/92, NJW 1992, 2307, 2309. § 93 InsO passt nicht, weil sich diese Vorschrift nur auf Ansprüche gegen Gesellschafter und im Übrigen auch nicht in der Insolvenz einer Aktiengesellschaft zur Anwendung kommt. 86 Es ist umstritten, ob der Sachwalter (Insolvenz-, Konkursverwalter) im Falle des §§ 92, 280 InsO ein eigenes (z. B. Lüke, in: Kübler/Prütting, InsO, § 92 Rn. 31) oder fremdes Recht treuhänderisch (z. B. Brandes, in: MK zur InsO, § 92 Rn. 15) ausübt oder kraft Amtsstellung tätig wird (zum Überblick: Lüke, in: Kübler/Prütting, InsO, § 92 Rn. 31). Derselbe Streit besteht hinsichtlich §§ 93 V 4, 116 AktG (vgl. Habscheid, FS Weber, 197, 206). 85

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3. Teil: Die Rechtsstellung der Organe einer AG in Eigenverwaltung

Kontrolle auf den Vorstand beschränkt,87 der mit der Verfahrensdurchführung maßgeblich betraut ist, oder ob sie sich auf sämtliche Gesellschaftsorgane bezieht. Dass die insolvenzrechtliche Überwachung auch Rechtshandlungen des Aufsichtsrats oder der Hauptversammlung erfasst, kann man bei einem unbefangenem Wortlautverständnis womöglich bezweifeln, sind diese Organe doch nach der zwingenden aktienrechtlichen Zuständigkeitsverteilung grundsätzlich von der Geschäftsführung ausgeschlossen (vgl. §§ 111 IV 1, 119 II AktG). Bereits die systematische Betrachtung räumt solche Zweifel aber aus. Da die Regelungen der Insolvenzordnung und damit auch die der §§ 270 ff. InsO in ihren Formulierungen grundsätzlich auf eine natürliche Person als Schuldner zugeschnitten sind, sofern nicht ausdrücklich etwas anderes angeordnet wird (z. B. §§ 15 I, 18 III, 101 InsO), kann mit der „Geschäftsführung des Schuldners“ unmöglich die Geschäftsführung im aktien- bzw. gesellschaftsrechtlichen Sinne gemeint sein, also weder in der Bedeutung „Geschäftsleitungsorgan“ noch in der Bedeutung „Geschäftsführungsmaßnahme“ (in Abgrenzung zum Grundlagengeschäft88). Der Begriff ist vielmehr insolvenzrechtlich aufzufassen, was sich auch historisch belegen lässt: Nach der amtlichen Begründung sind in der Eigenverwaltung die sonst dem Verwalter zustehenden Kompetenzen nach der Regel zu verteilen, dass „die laufenden Geschäfte vom Schuldner geführt werden“ und der Sachwalter „diese Geschäftsführung kontrolliert“89. Geschäftsführung bezeichnet nach dieser Konzeption also all diejenigen Handlungen des Schuldners, die mit der Durchführung des Eigenverwaltungsverfahrens in Zusammenhang stehen und in den Verantwortungsbereich fallen, der dem Schuldner speziell in der Eigenverwaltung zugeordnet ist. Kriterium für die Zugehörigkeit einer Maßnahme zur „Geschäftsführung“ i. S. d. § 274 II 1 InsO ist also allein ihre Zugehörigkeit zum Eigenverwaltungsbereich. Daraus folgt für den Fall einer eigenverwaltenden Aktiengesellschaft, dass sämtliche Gesellschaftsorgane einer Überwachung durch den Sachwalter unterliegen, sofern sie nur Rechtshandlungen im Eigenverwaltungsbereich vornehmen.90 Zur Begrün___________ 87

Dazu Kapitel 5 B. III. 2., Seite 298. Freilich ist die begriffliche Abgrenzung der Geschäftsführung zu Grundlagengeschäften wie im Personengesellschaftsrecht im Aktienrecht entbehrlich, weil ihr Sinn – die Bestimmung der Maßnahmen, die den Gesellschaftern vorbehalten bleiben – bereits durch die Auslegung und Anwendung des § 119 AktG verwirklich wird (Hüffer, AktG, § 77 Rn. 4). Sämtliche Maßnahmen, die in die Zuständigkeit des Vorstands fallen sind, somit Geschäftsführungsmaßnahmen. 89 Vgl. Bundesregierung, Begründung zu § 331 RegE InsO (= § 270 InsO), BTDrucks. 12/2443, S. 223. 90 Zu einem anderen Ergebnis müssten aber diejenigen Stimmen in der Literatur kommen, die annehmen, dass das Geschäftsleitungsorgan „alleiniger Träger der Rechte und Pflichten“ der §§ 270 ff. InsO, also „Eigenverwalter“ ist (sog. Theorie der Verdrän88

Kap. 6: Der Aufsichtsrat in der Eigenverwaltung

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dung kann darüber hinaus auf das Vergleichsrecht verwiesen werden. Denn mit § 274 II 1 InsO ist laut Gesetzesbegründung inhaltlich die Regelung des § 39 VglO übernommen worden,91 der nach wohl unbestrittener Auffassung auch die Gesellschafterversammlung oder den Aufsichtsrat einer GmbH der Überwachung durch den Vergleichsverwalter unterstellte.92 Dieses Ergebnis gebietet schließlich auch der von § 274 II 1 InsO mit der Überwachung verfolgte Zweck, der darin besteht, einen Missbrauch der Eigenverwaltungsbefugnisse durch den Schuldner, also der Aktiengesellschaft als solcher, zu verhindern, und der nur lückenhaft erreicht werden könnte, wenn Aufsichtsrat und Hauptversammlung von der Überwachung ausgenommen wären. Nach alledem ist § 274 II 1 InsO also dahin auszulegen, dass sich die Überwachung der Geschäftsführung durch den Sachwalter auf Rechtshandlungen aller Gesellschaftsorgane erstreckt, sofern diese Handlungen den Eigenverwaltungsbereich betreffen. Der Sachwalter ist daher befugt, Einsicht in diejenigen Unterlagen der Gesellschaftsorgane zu nehmen (§§ 274 II 2, 22 III 2 InsO), die Angelegenheiten des Eigenverwaltungsverfahrens betreffen, oder insoweit von diesen Organen Auskunft zu verlangen (§§ 274 II 2, 22 III 3 InsO). Eine effektive Kontrolle erfordert, dass der Sachwalter zur Teilnahme an den Sitzungen und Versammlungen der Gesellschaftsorgane berechtigt ist93 und dort auch reden darf. Ein Recht zur Einberufung des Aufsichtsrats oder der Hauptversammlung steht ihm aber nicht zu.94 Wie oben gesehen wurde, ist es neben dem Sachwalter auch Aufgabe des Gläubigerausschusses, die Geschäftsführung des Schuldners zu überwachen (§§ 270 I 2, 69 InsO).95 Dafür gilt entsprechend dem soeben Ausgeführten ebenfalls, dass sich die Kontrolle auf sämtliche Gesellschaftsorgane bezieht. Das schließt das Recht mit ein, von allen Organen Auskunft und Bericht über den Geschäftsgang zu verlangen96 und Einsicht in die das Verfahren betreffen___________ gung, siehe Kapitel 5 B. II. 1. a), Seite 239). Denn Aufsichtsrat und Hauptversammlung stünden nach dieser Ansicht überhaupt keine Kompetenzen im Eigenverwaltungsbereich zu. 91 Bundesregierung, Begründung zu § 335 RegE InsO (=§ 274 InsO), BT-Drucks. 12/2443, S. 224. 92 Ulmer, in: Hachenburg, GmbHG, 8. Auflage, § 63 Rn. 125; J. Mohrbutter, in: Bley/Mohrbutter, VglO, § 108, Rn. 20, 48; K. Schmidt, in: Scholz, GmbHG, § 84 Rn. 84. 93 Im Ergebnis auch Ulmer, in: Hachenburg, GmbHG, 8. Auflage, § 63 Rn. 125 zum Vergleichsverwalter. 94 Zur Begründung siehe unten Kapitel 7 B. II. 2., Seite 427. 95 Zur Überwachungsbefugnis des Gläubigerausschusses vgl. Kapitel 1 C. IV. 2. a), Seite 94. 96 Gößmann, in: MK zur InsO, § 69 Rn. 18 (zum Verwalter).

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3. Teil: Die Rechtsstellung der Organe einer AG in Eigenverwaltung

den Unterlagen zu nehmen (§§ 270 I 2, 69 S. 2 Alt. 1 InsO). Es ist jedoch zu beachten, dass diese Kontrollrechte nicht jedem einzelnen Mitglied des Gläubigerausschusses, sondern diesen nur zusammen als Organ zustehen, so dass für ihre Ausübung prinzipiell ein vorheriger Beschluss des Ausschusses erforderlich ist.97 Folglich kann auch das Recht, an Sitzungen und Versammlungen der Gesellschaftsorgane teilzunehmen und dort zu reden, nur durch sämtliche Ausschussmitglieder gemeinsam wahrgenommen werden. Da eine solche Vorgehensweise aber nicht nur unpraktikabel erscheint, sondern auch die Gefahr erheblicher Störungen der Gesellschaftsorgane birgt, ist hier die Delegation auf ein einzelnes Ausschussmitglied zu verlangen. 3. Beachtung der Zustimmungsvorbehalte (§§ 275 ff. InsO) Wie oben dargelegt wurde, finden die Zustimmungsvorbehalte der §§ 275 I, 277 I 1, 279 S. 2 und S. 3, 282 II InsO auf Handlungen des Aufsichtsrates nur insoweit Anwendung, als diese unmittelbare rechtliche Wirkung nach außen entfalten.98 Bloß gesellschaftsinterne Maßnahmen, wie beispielsweise ein Einberufungsverlangen nach § 111 III 1 AktG, Mitwirkungshandlungen gem. § 111 IV 2 AktG oder die Änderung der Geschäftsordnung für den Vorstand (§ 77 II 1 AktG) oder den Aufsichtsrat selbst (§§ 77 II 1, 82 II AktG), werden somit von diesen Beschränkungen nicht erfasst. Sie kommen dagegen dort in Betracht, wo der Aufsichtsrat als gesetzlicher Vertreter der Gesellschaft tätig wird, insbesondere gegenüber dem Vorstand (§ 112 AktG), aber auch gegenüber Dritten, z. B. bei der Beauftragung besonderer Sachverständiger (§ 111 II 2 AktG), der Erteilung eines Prüfungsauftrags (§ 111 II 3 AktG), sowie bei den Geschäften, die im unmittelbaren Zusammenhang mit seiner Vertretungskompetenz (Beauftragung eines head-hunter, Kosten für Durchführung von Vorstellungsgesprächen) oder seiner Überwachungstätigkeit stehen (Beauftragung von Rechtsanwälten oder Steuerberatern, Anmietung von Sitzungsräumen).99 Kündigt der Aufsichtsrat den Anstellungsvertrag eines Vorstandsmitglieds gem. § 113 InsO i. V. m. § 623 BGB, so hat er dazu die Zustimmung des Sachwalters einzuholen (§ 279 S. 2 InsO), bei einer außerordentlichen Kündigung können im Einzelfall §§ 276, 277 InsO greifen.100 Hinsichtlich einer Kündigung sind diese Vorbehalte allerdings nur von geringer praktischer Relevanz, weil das Abberufungsrecht des Aufsichtsrats ___________ 97

Gößmann, in: MK zur InsO, § 69 Rn. 6. Siehe oben Kapitel 5 B. III. 3. b), Seite 304. 99 Vgl. dazu Semler, in: MK zum AktG, § 112 Rn. 38 ff. 100 Dazu Kapitel 5 C. II. 1. b) bb), Seite 316. 98

Kap. 6: Der Aufsichtsrat in der Eigenverwaltung

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(§ 84 III 1 AktG) den §§ 275 ff. nicht unterfällt und die Gläubiger daher eine Ablösung des Vorstands ohnehin nicht verhindern können.101

C. Das Verhältnis der Aufsichtsratsmitglieder zur Gesellschaft I. Fortbestand des Aufsichtsratsamtes in der Eigenverwaltung Nach mittlerweile überwiegender Auffassung sind die Mitglieder des Aufsichtsrats im Gegensatz zu denen des Vorstands neben ihrer organschaftlichen Rechtsstellung nicht durch einen separaten schuldrechtlichen Anstellungsvertrag mit der Gesellschaft verbunden. Vielmehr wird von einem einheitlichen Verhältnis sowohl korporations- wie auch schuldrechtlichen Inhalts ausgegangen (Doppelnatur).102 Aus diesem Grunde kommt weder eine „Kündigung“ des „Anstellungsverhältnisses“ gem. § 113 InsO103 noch ein Erlöschen gem. §§ 116, 115 InsO104 in Betracht.105 Das Amt der Aufsichtsratsmitglieder endet somit nicht automatisch durch die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens (vgl. auch § 104 GenG a. F.). II. Vergütung der Aufsichtsratsmitglieder Schwierigkeiten bereitet allerdings die Frage, ob die Mitglieder des Aufsichtsrats in der Eigenverwaltung einen Vergütungsanspruch haben und, falls ja, gegen wen und in welcher Höhe.

___________ 101

Kapitel 5 C. II. 1. b) bb), Seite 316. Hüffer, AktG, § 101 Rn. 2; ders., in: MK zum AktG, § 264 Rn. 62; Schmiedermair/Kolb, Beck’sches Handbuch der AG, § 7 Rn. 247; Semler, in: MK zum AktG, § 101 Rn. 156; Hirte, KapGesR, Rn. 3.189; Noack, in: Kübler/Prütting, GesR, Rn. 376; i. E. BGH, Urteil vom 25. 3. 1991 – II ZR 188/89, BGHZ 114, 127, 129; a. A: Mertens, in: KK zum AktG, § 101 Rn. 5; Grunewald, GesR, S. 257 Rn. 84. 103 A. A. H.-F. Müller, S. 160, der eine Kündigung entsprechend § 113 InsO bejaht, wenn es sich um hauptberuflich tätige Aufsichtsratsmitglieder handelt. 104 So aber etwa Gutsche, Rn. 392 und noch zu § 23 KO: Weber, KTS 1970, 73, 84; ders., in: Jaeger, KO, §§ 207, 208 Anm. 32; Schneider, FS Oppenhoff, 343, 363; Mohrbutter/H. Mohrbutter, XV.16. 105 Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, § 11 Rn. 188; Hüffer, in: MK zum AktG, § 264 Rn. 61; Noack, in: Kübler/Prütting, GesR, Rn. 376. Zur früheren Rechtslage: RG, Urteil vom 14. 2. 1913 – Rep. II. 449/12, RGZ 81, 332, 336 f.; Uhlenbruck, in: Kuhn/Uhlenbruck, KO, § 207 Rn. 12. 102

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3. Teil: Die Rechtsstellung der Organe einer AG in Eigenverwaltung

1. Kein Entfallen der Vergütung ipso iure In einem regulären Insolvenzverfahren stehen den Aufsichtsratsmitgliedern nach herrschender Meinung, die sich einer Entscheidung des RG anschließt, trotz des Fortbestehens ihres Amtes keine Vergütungsansprüche gegen die Insolvenzmasse zu, weil der Aufsichtsrat mit der Verfahrenseröffnung aufgrund der Verdrängung seiner Kompetenzen durch den Insolvenzverwalter praktisch funktionslos werde.106 Ein Teil der Literatur verweist die Aufsichtsratsmitglieder stattdessen an das insolvenzfreie Vermögen.107 Nur für den Fall, dass die Dienste der Aufsichtsratsmitglieder in außergewöhnlicher Weise in Anspruch genommen werden, wird ihnen vereinzelt ein gesonderter Entgeltanspruch aus einem mit dem Verwalter abzuschließenden schuldrechtlichen Vertrag zugestanden.108 Normativ hatte das RG seine Entscheidung – da die konkursrechtlichen Instrumente (nunmehr §§ 113, 115, 116 InsO109) ausscheiden – im Wege einer Auslegung derjenigen Satzungsbestimmung hergeleitet, die die Vergütung des Aufsichtsrates regelte,110 also auf aktienrechtlicher Ebene. Da die Satzung einer Aktiengesellschaft „das Entgelt für die Tätigkeit des Aufsichtsrates naturgemäß nach dem Maße an Verantwortung bestimme, das seinen Mitgliedern […] zufalle“, könne seinen Mitgliedern im Konkurs, wo die Aufgaben des Aufsichtsrates fast ausnahmslos fortfielen, kein Vergütungsanspruch mehr zukommen.111 Auf Grundlage dieser Argumentation ist ein Fortfall der Vergütungsansprüche des Aufsichtsrates in der Eigenverwaltung allerdings zu verneinen. Denn ___________ 106

RG, Urteil vom 14. 2. 1913 – Rep. II. 449/12, RGZ 81, 332, 338 f.; (wohl auch) RAG, Urteil vom 25. 9. 1929 – RAG 66/29, JW 1930, 85; Siegelmann, DB 1967, 1029, 1030; Robrecht, DB 1968, 471, 473; Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, § 11 Rn. 188; Mertens, in: KK zum AktG, § 103 Rn. 52, § 113 Rn. 21; Schlegelberger/Quassowski, AktG 1937, § 203 Rn. 25; Noack, in: Kübler/Prütting, GesR, Rn. 376; Görg/Stockhausen, FS Metzeler, 105, 107; Uhlenbruck, in: Kuhn/Uhlenbruck, KO, § 207 Rn. 12; Weber, KTS 1970, 73, 84; ders., in: Jaeger, KO, §§ 207, 208 Anm. 32; i. E. H.-F. Müller, S. 161 (für nebenberuflich tätige Aufsichtsratsmitglieder). 107 Kraft, in: KK zum AktG, § 262 Rn. 47; Wiedemann, in: GK zum AktG, 3. Auflage, § 262 Anm. 27; Hüffer, in: MK zum AktG, § 264 Rn. 63; Schneider, FS Oppenhoff, 349, 363. Diese Auffassung ist auf dem Hintergrund des RG-Urteils aber durchaus fragwürdig. Denn da dessen Begründung nicht etwa auf Gründe des Masseschutzes, sondern an den weitgehenden Fortfall der Kompetenzen des Aufsichtsrates abstellt, lässt sie keinen Raum für eine Differenzierung bei den Vergütungsansprüchen zwischen Schuldnerbereich (insolvenzfreies Vermögen) und Verdrängungsbereich (Masse). 108 H.-F. Müller, S. 162; Noack, in: Kübler/Prütting, GesR, Rn. 376. 109 In der Entscheidung des RG ging es u. a. um § 23 II KO. 110 RG, Urteil vom 14. 2. 1913 – Rep. II. 449/12, RGZ 81, 332, 338 f.; Hüffer, in: MK zum AktG, § 264 Rn. 62 spricht sich demgegenüber für eine ergänzende Satzungsauslegung (§§ 157, 242 BGB) aus. 111 RG, Urteil vom 14. 2. 1913 – Rep. II. 449/12, RGZ 81, 332, 338.

Kap. 6: Der Aufsichtsrat in der Eigenverwaltung

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ihre Prämisse einer weitgehenden Funktionslosigkeit des Aufsichtsrates, die schon für das reguläre Verfahren nicht ohne Zweifel bleibt,112 ist hier in keinem Fall gegeben.113 Vielmehr nimmt der Aufsichtsrat in der Eigenverwaltung nach Art und Umfang weitestgehend dieselben Aufgaben wahr wie außerhalb eines Insolvenzverfahrens,114 etwa die Überwachung des Vorstands bei der Geschäftsführung (§ 111 I AktG), die Ausübung von Mitwirkungsbefugnissen (§ 111 IV AktG) oder die Prüfung der Bücher und Schriften der Gesellschaft (§ 111 II 1 AktG), die anders als im regulären Verfahren hier weiter durch den Vorstand zu führen sind (§ 281 III InsO).115 Da es sich dabei gerade um diejenigen Aufsichtsratsfunktionen handelt, mit deren Fortfall das RG und ihm folgend die überwiegende Meinung die Verneinung von Vergütungsansprüchen begründet,116 kann ein Verlust der Vergütungsansprüche unter Zugrundlegung dieses Ansatzes jedenfalls im Eigenverwaltungsverfahrens nicht einleuchtend erklärt werden. Überdies ist die Begründung der herrschenden Meinung bei dogmatischer Betrachtung unbefriedigend, und zwar sowohl hinsichtlich des regulären Verfahrens wie auch hinsichtlich des Eigenverwaltungsverfahrens. Denn da sich die Gründer bei der Satzungsfeststellung in der Erwartung eines erfolgreichen Geschäftsverlaufes regelmäßig gar keine Gedanken über den Insolvenzfall machen, läuft sie eher darauf hinaus, einen realen Willen des Satzungsgebers zu fingieren als einen solchen aufzuzeigen.117 Darüber hinaus ist die Auslegung maßgeblich von den Umständen des Einzelfalls abhängig und kann eventuell sogar ganz ausscheiden, wenn die betreffende Satzungsregelung hinreichend ___________ 112

Betrachtet man die dem Aufsichtsrat im Schuldnerbereich verbleibenden Rechte und Pflichten (oben A. I., Seite 350), kann von einer Funktionslosigkeit des Aufsichtsrates auch in der Regelinsolvenz nur schwerlich ausgegangen werden (so schon H.-F. Müller, S. 162; wohl auch Hüffer, in: MK zum AktG, § 264 Rn. 62: „angeblich [Hervorhebung durch den Verf.] geringen Umfang der im Insolvenzverfahren verbleibenden Befugnisse“). Im Gegenteil ist er als Organ unerlässlich, um etwa Vorstandsmitglieder zu berufen und abzuberufen oder zu den Vorstand im Schuldnerbereich zu überwachen. Darüber hinaus treffen auch den Aufsichtsrat, im Unterschied zu früheren Rechtslage (vgl. Passauer, in: MK zur InsO, § 101 Rn. 15), zu der das Urteil des RG ergangen ist, weitreichende Mitwirkungspflichten (§§ 97, 101 InsO). 113 So aber Kruse, S. 293. 114 Man bedenke vor allem die Kompetenzen im Eigenverwaltungsbereich (B. I., Seite 353), aber auch im Schuldnerbereich verbleiben wichtige Befugnisse (A. I., Seite 350). 115 Unterschiede ergeben sich bei der Prüfung der Gesellschaftskasse (§ 111 II 1 AktG), die der Aufsichtsrat nicht vorzunehmen hat, wenn der Sachwalter von seinem Kassenführungsrecht (§ 275 II InsO) gebraucht macht. 116 Vgl. RG, Urteil vom 14. 2. 1913 – Rep. II. 449/12, RGZ 81, 332, 338. 117 Hüffer, in: MK zum AktG, § 264 Rn. 62.

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3. Teil: Die Rechtsstellung der Organe einer AG in Eigenverwaltung

bestimmt ist und keinen Auslegungsspielraum lässt.118 Gegen diese Lösung spricht im Falle der Anordnung der Eigenverwaltung schließlich außerdem, dass ein zwangsläufiges Erlöschen durchaus auch den Interessen der Gläubiger zuwider laufen kann, da hierdurch Aufsichtsratsmitglieder zur Niederlegung ihres Mandates bewogen werden könnten, so dass ihre speziellen Fähigkeiten und Kenntnissen, die für die Sanierung des Unternehmens und somit für die optimale Gläubigerbefriedigung mitunter von großem Wert sein können,119 nicht mehr für das Verfahren zur Verfügung stünden. Erforderlich und vorzugswürdig erscheint vielmehr eine von den konkreten Umständen unabhängige und flexible Lösung der Vergütungsfrage. Das lässt sich durch eine Herabsetzung der Vergütung gem. § 113 I 4 AktG am Besten erreichen (dazu folgend 2.).120 Insofern besteht auch kein Bedürfnis zu einer entsprechenden Satzungsauslegung. Zusammenfassend ist somit festzustellen, dass bei Anordnung der Eigenverwaltung die Vergütungsansprüche der Aufsichtsratsmitglieder grundsätzlich in voller Höhe bestehen bleiben, und zwar als Forderungen gegen die Insolvenzmasse. Dieses Ergebnis stimmt auch mit der oben entwickelten Wertung überein, dass für die Vergütung des Aufsichtsrates in der Eigenverwaltung die Gläubiger aufkommen sollten, da der Aufsichtsrat ganz überwiegend in ihrem Interesse tätig wird.121

___________ 118 Diesem Bedenken begegnet auch die die von Hüffer favorisierte ergänzende Satzungsauslegung. 119 Dazu Mertens, in: KK zum AktG, § 113 Rn. 15; Lutter, AG 1979, 85, 87. 120 Keinen Ausweg bietet hingegen eine Auslegung der entsprechenden Satzungsbestimmung in dem Sinne, dass lediglich eine der Leistungsfähigkeit der insolventen Gesellschaft entsprechende Vergütung geschuldet ist. Eine solche Auslegung erfasste zwar auch die Vergütungsansprüche des Aufsichtsrates in der Eigenverwaltung. Doch ist es äußerst fragwürdig, ob ein solcher, letztlich an § 113 I 3 Alt. 2 AktG („Lage der Gesellschaft“) orientierter Wille des Satzungsgebers je wird in die Satzung hineingelesen werden können. Denn bei § 113 I 3 AktG handelt es sich lediglich um eine Sollvorschrift, die auch unangemessen hohe Vergütungen grundsätzlich nicht unzulässig macht (vgl. Semler, in: MK zum AktG, § 113 Rn. 37). Das deutet aber umgekehrt darauf, dass eine an der Lage der Gesellschaft ausgerichtete, variable Vergütungsregelung im Regelfall gerade nicht dem Willen des Satzungsgebers zugrunde gelegt werden kann. Das gilt insbesondere, wenn mit dem Aufsichtsrats gesonderte erfolgsabhängige Vergütungsvereinbarungen getroffen worden sind (sog. Tantieme), wie dies in der Praxis weithin üblich ist. 121 Siehe Kapitel 4 B. II. 1. b), Seite 191. Dagegen kann man auch nicht einwenden, dass nach dieser Lösung der Aufsichtsrat in der Eigenverwaltung eine Vergütung aus der Insolvenzmasse mittelbar auch für diejenigen Tätigkeiten erlangt, die er allein im Interesse der Aktionäre im Schuldnerbereich ausführt. Das mag zwar streng genommen im Widerspruch zu den Grundsätzen der Kostentragung im Eigenverwaltungsverfahren stehen, ist aber angesichts der Tatsache hinzunehmen, dass eine trennscharfe Zuordnung der Tätigkeiten in der Praxis kaum möglich ist (Kapitel 4 B. II. 1. b), Seite 191).

Kap. 6: Der Aufsichtsrat in der Eigenverwaltung

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2. Herabsetzung der Vergütung Dem Fortbestehen der Vergütungsansprüche steht indessen das Prinzip einer optimalen Gläubigerbefriedigung (§ 1 S. 1 InsO) gegenüber, das es als grundsätzlichen erforderlich erscheinen lässt, dass die Bezüge des Aufsichtsrates auf ein angemessenes Maß herabgesetzt oder sogar vollständig gestrichen werden können. Das gilt für das reguläre Insolvenzverfahren und die Eigenverwaltung gleichermaßen. Für das Regelinsolvenzverfahren könnte dieses Ergebnis dadurch erzielt werden, dass man dem Insolvenzverwalter das Recht der Hauptversammlung aus § 113 I 4 AktG zuweist, die Vergütung der Aufsichtsratsmitglieder – gegebenenfalls sogar bis auf Null122 – herabzusetzen, wie dies auch mit dem Recht des Aufsichtsrats zur Reduzierung der Vorstandsbezüge (§ 87 II 1 AktG) geschieht.123 Es ist jedoch zu berücksichtigen, dass die Verminderung der Bezüge nach § 113 I 4 AktG im Unterschied zu § 87 II 1 AktG ihrem rechtlichen Charakter nach die Änderung einer Satzungsbestimmung darstellt, die das korporationsrechtliche Verhältnis zwischen Gesellschaft und Aufsichtsratsmitglied bestimmt und nicht schuldrechtlicher Natur ist.124 Das könnte einer Übertragung auf den Insolvenzverwalter entgegenstehen, da dieser grundsätzlich nicht berechtigt ist, auf das korporationsrechtliche Verhältnis der Gesellschaftsorgane einzuwirken, etwa Organmitglieder zu bestellen oder abzuberufen.125 Anderseits darf aber nicht übersehen werden, dass diese Beschränkung allein daraus resultiert, dass das korporationsrechtliche Verhältnis grundsätzlich keinen Massebezug hat, während sich die Kompetenzen des Verwalters gerade durch ihren Massebezug definieren (§ 80 I InsO). Das liegt aber im Falle des § 113 I 1 AktG anders. Die Satzungsbestimmung über die Vergütung des Aufsichtsrates nimmt wegen ihrer nicht zu leugnenden unmittelbaren Auswirkung auf das Gesellschaftsvermögen eine Sonderstellung ein, die es erlaubt, sie in der Insolvenz der Zuständigkeit des Verwalters unterzuordnen. Dem kann auch nicht entgegengehalten werden, dass das Rechtsverhältnis des Aufsichtsrats zur Gesellschaft ein einheitliches Verhältnis bildet, das lediglich korporations- wie auch ___________ 122

Technisch gesehen handelt es sich hierbei allerdings nicht mehr um eine Herabsetzung der Vergütung, sondern die Streichung der betreffenden Satzungsbestimmung, so dass die Privilegierung des § 113 I 4 AktG nicht mehr greift, sondern die für Satzungsänderungen allgemein erforderliche Mehrheit in der Hauptversammlung notwendig ist (Semler, in: MK zum AktG, § 113 Rn. 155; Mertens, in: KK zum AktG, § 113 Rn. 36). 123 Siehe Kapitel 5 C. II. 2. a), Seite 319. 124 Semler, in: MK zum AktG, § 113 Rn. 144 m. w. N.; a. A. Hüffer, AktG, § 113 Rn. 3, der von einer formellen Satzungsbestimmung ausgeht. 125 Etwa Noack, in: Kübler/Prütting, GesR, Rn. 362 (Vorstand) und Rn. 376 (Aufsichtsrat); Uhlenbruck, in: Kuhn/Uhlenbruck, KO, § 22 Rn. 5.

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3. Teil: Die Rechtsstellung der Organe einer AG in Eigenverwaltung

schuldrechtliche Elemente in sich vereinigt. Denn wie sich unmittelbar aus § 113 I AktG selbst ergibt, erfolgt die Festsetzung, Herabsetzung oder gar die Streichung der Vergütung des Aufsichtsrates durch die Hauptversammlung unbeschadet seiner Stellung als Organ der Gesellschaft. Dem Insolvenzverwalter isoliert die Befugnis aus § 113 I 4 AktG zuzuweisen, die übrigen Kompetenzen hinsichtlich der Rechtsstellung des Aufsichtsrats aber der Gesellschaft zu belassen, ist daher nicht per se unvereinbar mit der Einheitlichkeit seiner Rechtsstellung.126 Schließlich kann auch nicht eingewendet werden, dass es um die Änderung einer Satzungsbestimmung durch den Insolvenzverwalter geht, da diesem im Einzelfall selbst eine solche Befugnis zustehen kann, sofern nur Massebezug gegeben ist.127 Daher ist in einem regulären Insolvenzverfahren der Verwalter als berechtigt anzusehen, die Vergütung des Aufsichtsrates gem. § 113 I 4 AktG herabzusetzen oder vollständig zu streichen.128 Letztlich kann diese Frage aber für den hier interessierenden Fall der Eigenverwaltung dahinstehen. Denn unabhängig davon, ob man dem Verwalter eine solche Befugnis zuerkennt oder nicht, steht sie in der Eigenverwaltung jedenfalls der Hauptversammlung zu. Insbesondere ginge das Recht aus § 113 I 4 AktG selbst dann, wenn man es im regulären Verfahren dem Verwalter zuweist, in der Eigenverwaltung nicht auf den Vorstand über, da entgegen verbreiteter Ansicht129 nicht dieser allein, sondern die Aktiengesellschaft selbst Trägerin Rechte und Pflichten im Eigenverwaltungsverfahren ist. Außerdem widerspräche es dem Sinn des § 113 AktG, wenn der Vorstand über die Bezüge des ihn kontrollierenden Aufsichtsrats entscheiden könnte.130 Aus denselben Gründen wäre auch ein Kündigungsrecht analog § 113 InsO, wie es von H.-F. ___________ 126 In diese Richtung auch H.-F. Müller, S. 159, der ein Kündigungsrecht des Insolvenzverwalters analog § 113 InsO bejaht, da jedenfalls auf die schuldrechtlichen Elemente des durch die Bestellung begründeten einheitlichen Rechtsverhältnisses die Vorschriften über die Erfüllung von Rechtsgeschäften entsprechende Anwendung finden müssten. 127 So bejaht die h. M. beispielsweise die Befugnis des Verwalter zur Bildung einer Ersatzfirma nach der Veräußerung der bisherigen Firma (vgl. Herchen, ZInsO 2004, 1112, 1116; Gutsche, Rn. 351 ff. m. w. N.; Ulmer, NJW 1983, 1697, 1702), obwohl es sich hierbei gem. § 23 III Nr. 1 AktG um einen Satzungsbestandteil handelt. Insbesondere H.-F. Müller, ZGR 2004, 842, 848 weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass der Einwand, hier stehe eine Satzungsänderung in Rede (Grüneberg, S. 78), nicht durchgreifen könne. 128 Daher ist auch das von der h. M. postulierte automatische Erlöschen der Vergütungsansprüche der Aufsichtsratsmitglieder, das mit einer entsprechenden Satzungsauslegung begründet wird, entbehrlich (vgl. oben 1., Seite 370). 129 So einige Anhänger der Theorie der Verdrängung, Kapitel 5 B. II. 1. a), Seite 239. 130 Vgl. zu diesem Zweck Hüffer, AktG, § 113 Rn. 1; Mertens, in: KK zum AktG, § 113 Rn. 3.

Kap. 6: Der Aufsichtsrat in der Eigenverwaltung

375

Müller vorgeschlagen wird,131 in der Eigenverwaltung der Hauptversammlung zuzuweisen und deshalb neben § 113 I 4 AktG und der Befugnis zur Streichung der bestreffenden Satzungsbestimmung gegenstandslos. Aufgrund ihrer Bindung an den Zweck einer optimalen Gläubigerbefriedigung132 ist die Hauptversammlung aber verpflichtet, die Vergütung der Aufsichtsratsmitglieder herabzusetzen (§ 113 I 4 AktG) oder im Einzelfall sogar restlos zu streichen, wenn sie außer Verhältnis zum Umfang der von ihnen abverlangten Dienstleistungen und zur Leistungsfähigkeit der Gesellschaft steht. Solange die Gesellschaft allerdings sanierungsfähig ist, muss und darf die Hauptversammlung auch berücksichtigen, dass qualifizierte Aufsichtspersonen, die zum Erfolg einer Sanierung entscheidend beitragen können, nicht durch eine zu niedrig bemessene Vergütung von einer Aufnahme des Aufsichtsratsmandats abgeschreckt oder zu dessen Niederlegung bewogen werden.133 Ein Abwandern kompetenter Aufsichtsratsmitglieder liegt ebenso wenig im Interesse der Gläubiger wie überzogene Bezüge. Die Hauptversammlung muss also – ebenso wie der Aufsichtsrat bei der Festsetzung der Bezüge des Vorstands – eine Abwägung treffen.134 Andererseits können weder Sachwalter, noch der Gläubigerausschuss oder die Gläubigerversammlung die Hauptversammlung anweisen, eine bestimmte Vergütung festzulegen, denn ihnen steht kein allgemeines Weisungsrecht zu.135 Allenfalls kann zum Schutz vor einer unangemessenen Erhöhung der Aufsichtsratsbezüge ein Zustimmungsvorbehalt gem. § 277 InsO angeordnet werden.136 Bei der Herabsetzung ist außerdem zu beachten, dass mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens gem. §§ 155 II 1, 281 III 1 InsO ein neues Geschäftsjahr beginnt und dass eine rückwirkende Herabsetzung der Vergütung für die bereits abgeschlossenen Geschäftsjahre nach einhelliger Auffassung nicht zulässig ist.137 Umstritten ist aber, ob eine Beschränkung der Bezüge für das laufende, d. h. das erst mit der Verfahrenseröffnung begonnene Geschäftsjahr möglich ist. Das wird von der h. M. mit der Begründung verneint, dass die Aufsichts___________ 131

H.-F. Müller, S. 161 zumindest bzgl. der hauptberuflich tätigen Mitglieder des Aufsichtsrats (im regulären Verfahren). 132 Dazu unten Kapitel 7 B. II. 1. a), Seite 408. 133 Vgl. zum Stellenwert des Aufsichtsrats in einer Sanierungssituation Mertens, in: KK zum AktG, § 113 Rn. 15; Lutter, AG 1979, 85, 87. Zu der entsprechenden Problematik hinsichtlich Vorstandsmitgliedern siehe Kapitel 5 C. II. 2. a) aa), Seite 319. 134 Siehe auch Kapitel 7 B. I. 1., Seite 400. 135 Kapitel 1 C. II. 1., Seite 88 (Sachwalter); Kapitel 1 C. IV. 1. b) aa), Seite 92 (Gläubigerversammlung); Kapitel 1 C. IV. 2. b), Seite 96 (Gläubigerausschuss). 136 B. II. 3., Seite 428. 137 Hoffmann-Becking, in: MHb GesR IV, § 33 Rn. 19 m. w. N.; Mertens, in: KK zum AktG, § 113 Rn. 35; Hüffer, AktG, § 113 Rn. 6.

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3. Teil: Die Rechtsstellung der Organe einer AG in Eigenverwaltung

ratsmitglieder bereits mit Beginn des Geschäftsjahres eine Anwartschaft auf die Vergütung erhielten,138 deren Entziehung durch einen einseitigen Akt der Gesellschaft unzumutbar sei.139 Die Gegenansicht argumentiert mit dem Zweck der erleichterten Herabsetzung nach § 113 I 4 AktG, die Vergütung so schnell wie möglich an die veränderten Verhältnisse, insbesondere die Lage der Gesellschaft anzupassen und damit in Einklang zu Satz 3 zu halten.140 Gerade diesem Zweck ist aber in der Eigenverwaltung der Gesellschaft ein ganz besonderes Gewicht beizumessen, weil das Fortbestehen der Aufsichtsratsbezüge zum einen die Masse belastet und zum anderen die Kooperationsbereitschaft der Gläubiger gefährden kann, wenn diese an den angesichts der Insolvenz überzogenen Aufsichtsratsbezügen Anstoß nehmen. Insgesamt besteht in diesem Fall eine Gefahr für die Sanierung und damit den Fortbestand der Gesellschaft, die es rechtfertigt, eine Herabsetzung der Bezüge auch für das laufende Geschäftsjahr zuzulassen.141 Eine solche Maßnahme kommt auch den Aufsichtsmitgliedern selbst und zwar insofern zugute, als deren Mandate bei einer Vollliquidation endgültig entfielen. 3. Einordnung als Insolvenz- oder Masseforderungen Bei der Einordnung der Vergütungsansprüche als Insolvenz- oder Masseforderung ist zu beachten, dass der Anspruch auf die festen Bestandteile der Jahresvergütung nach h. M. mit dem Beginn, der Anspruch auf eine (z. B. gewinnoder dividendenabhängige) Tantieme dagegen erst mit dem Ende des Geschäftsjahres entsteht, auf das sie sich beziehen.142

___________ 138

Semler, in: MK zum AktG, § 113 Rn. 151; Mertens, in: KK zum AktG, § 113 Rn. 34; differenzierend Hoffmann-Becking, in: MHb GesR IV, § 33 Rn. 19, der eine Herabsetzung von gewinn- oder dividendenabhängigen Vergütungsbestandteilen auch noch während des Geschäftsjahres zulässt, weil ohnehin noch keine ziffernmäßig gesicherte Grundlage für die Höhe der Tantieme bestehe; zustimmend Schmiedermair/Kolb, Beck’sches Handbuch der AG, § 7 Rn. 251. 139 Mertens, in: KK zum AktG, § 113 Rn. 34. 140 Geßler, in: Geßler/Hefermehl, AktG, § 113 Rn. 27; Hüffer, AktG, § 113 Rn. 6; KG, Urteil vom 16. 5. 1938 – 9 U 1297/38, Soziale Praxis 1938, Sp. 1066, 1067; LG Magdeburg, Urteil vom 22. 10. 1929 – 1 S 532/29, JW 1930, 288; Möhring, Soziale Praxis 1938, Sp. 1067, 1068; Pinner, JW 1930, 288; Schlegelberger/Quassowski, AktG 1937, § 98 Rn. 11. 141 Wenn man sich dieser Ansicht nicht anschließt, muss man aber jedenfalls das Aufsichtsratsmitglied aufgrund seiner organschaftlichen Treuepflicht für verpflichtet halten, einer Herabsetzung zuzustimmen. 142 Vgl. Semler, in: MK zum AktG, § 113 Rn. 87 f.; Mertens, in: KK zum AktG, § 113 Rn. 16.

Kap. 6: Der Aufsichtsrat in der Eigenverwaltung

377

Daraus folgt, dass die Ansprüche auf die feste Jahresvergütung für das Geschäftsjahr, das mit der Verfahrenseröffnung gem. §§ 155 II 1, 283 III 1 InsO beendet worden ist, einfache Insolvenzforderungen (§ 38 InsO) darstellen. Der Anspruch auf eine Tantieme für diesen Zeitraum ist dagegen bei strenger Beachtung des Wortlauts von § 38 InsO keine Insolvenzforderung, weil er nicht zur Zeit der Eröffnung begründet war, sondern erst in diesem Zeitpunkt entstand. Es kann allerdings nicht angenommen werden, dass mit der Reglung des § 155 II 1 InsO, die nur die Grundlage für eine auf den Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung zu erstellende Eröffnungsbilanz bilden soll,143 eine Ungleichbehandlung dieser Ansprüche beabsichtigt worden ist, obwohl sie einheitlich die Vergütung für die vor Verfahrenseröffnung geleistete Aufsichtsratstätigkeit zum Gegenstand haben. Deshalb sind auch die Ansprüche auf die Tantiemen – sofern sie angesichts der wirtschaftlichen Schieflage der Gesellschaft überhaupt bestehen – für das durch die Verfahrenseröffnung abgelaufene Geschäftsjahr Insolvenzforderungen i. S. d. § 38 InsO. Ungewiss ist indessen, wie die Vergütungsansprüche für das mit der Verfahrenseröffnung begonnene Geschäftsjahr einzuordnen sind. Es handelt sich jedenfalls nicht um Insolvenzforderungen, weil sie erst mit bzw. nach der Verfahrenseröffnung entstanden sind, und auch nicht um Masseforderungen i. S. d. § 55 I Nr. 2 InsO, weil sie nicht – wie Vorstandsbezüge – auf einem gegenseitigen Vertrag, sondern nach der hier vertretenen Auffassung auf einem korporationsrechtlichen Akt beruhen.144 Möglicherweise erfüllen sie aber die Voraussetzungen des § 55 I Nr. 1 InsO. Dafür müssen sie entweder durch eine Handlung des Eigenverwalters,145 also der Aktiengesellschaft, oder in anderer Weise durch die Verwaltung, Verwertung und Verteilung der Insolvenzmasse begründet werden. Die erste Alternative ist jedenfalls dann erfüllt, wenn die Hauptversammlung einen Herabsetzungsbeschluss nach § 113 I 4 AktG fasst, der die Grundlage für die Weiterzahlung einer Vergütung bildet. Nicht ohne weiteres unter § 55 I Nr. 1 InsO lässt sich aber die Unterlassung einer Herabsetzung oder Streichung subsumieren, weil die Vergütungsansprüche nicht durch die Unterlassung (im Sinne einer Handlung)146 und auch nicht durch die Verwaltung, Verwertung oder Verteilung der Masse, sondern allein durch die ___________ 143 Vgl. Bundesregierung, Begründung zu § 174 RegE InsO (= § 155 InsO), BTDrucks. 12/2443, S. 172. 144 Vgl. auch Semler, in: MK zum AktG, § 113 Rn. 28; Mertens, in: KK zum AktG, § 113 Rn. 8. 145 § 55 I Nr. 1 InsO findet auch auf den eigenverwaltenden Schuldner Anwendung (etwa Schlegel, S. 280). 146 Masseansprüche i. S. d. § 55 I Nr. 1 InsO können auch durch Unterlassungen begründet werden, wenn für den Verwalter (Eigenverwalter) eine Pflicht zum Handeln bestand, vgl. Pape, in: Kübler/Prütting, InsO, § 55 Rn. 34 m. w. N.

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3. Teil: Die Rechtsstellung der Organe einer AG in Eigenverwaltung

ursprüngliche Satzungsbestimmung begründet werden. Es handelte sich also weder um Insolvenz- noch um Masseforderungen. Dieses Ergebnis kann aber aus Gründen der Gleichbehandlung zu dem Fall des Herabsetzungsbeschlusses ebenso wie zu den Vergütungsansprüchen der Vorstände, die ebenfalls Masseforderungen erhalten, keinen Bestand haben. Dazu könnte man entweder § 55 I Nr. 1 Alt. 1 InsO analog anwenden oder aber in dem Unterlassen einer Herabsetzung die konkludente Bestätigung der Satzungsbestimmung sehen und damit eine Handlung i. S. d. § 55 I Nr. 1 InsO bejahen. In jedem Fall stimmt dieses Ergebnis mit den oben entwickelten Grundsätzen überein, dass für die Vergütung der Aufsichtsratsmitglieder in der Eigenverwaltung grundsätzlich die Gläubiger aufzukommen haben, da diese hier vornehmlich im Gläubigerinteresse tätig werden. Insoweit muss die Hauptversammlung berechtigt sein, Masseforderungen zu begründen.147 Eine nach § 113 I 2 AktG festgesetzte Vergütung vermittelt dem einzelnen Aufsichtsratsmitglied daher nicht nur einen Anspruch gegen das insolvenzfreie Vermögen,148 sondern gegen die Masse. III. Bestellung, Abberufung, Amtsniederlegung Die Aufsichtsmitglieder bleiben trotz der Eröffnung des Eigenverwaltungsverfahrens im Amt.149 Für ihre Abberufung, die Bestellung neuer Aufsichtsratsmitglieder oder die Amtsniederlegung gilt weiterhin das Organisationsrecht der Aktiengesellschaft,150 insbesondere geht das Recht zur Abberufung und Bestellung in einem regulären Verfahren nicht auf den Insolvenzverwalter über,151 da die Person der einzelnen Aufsichtsratsmitglieder ohne Auswirkung auf die Insolvenzmasse ist. Folglich ist die Personalkompetenz auch in der Eigenverwaltung dem Schuldnerbereich zuzuordnen;152 diesbezügliche Mitspracherechte des Sachwalters oder der Gläubiger bestehen somit nicht. Trotzdem darf bei der

___________ 147

Siehe Kapitel 4. B. II., Seite 188, insbesondere dort 1. b) und 2. a). So aber etwa Hüffer, in: MK zum AktG, § 264 Rn. 78 für das reguläre Verfahren. 149 Ganz h. M.: Hüffer, in: MK zum AktG, § 264 Rn. 40; Noack, in: Kübler/Prütting, GesR, Rn. 356; RG, Urteil vom 14. 2. 1913 – Rep. II 449/12, RGZ 81, 332, 336 (zur KO); Schneider, FS Oppenhoff, 349, 359 (zur KO); siehe schon oben Kapitel 2 B. I. 1., Seite 109. 150 Schneider, FS Oppenhoff, 349, 359. 151 Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, § 11 Rn. 186, 189; Hüffer, in: MK zum AktG, § 264 Rn. 78; schon RG, Urteil vom 6.5.1911 – Rep. I 164/10, RGZ 76, 244, 247 f. 152 Zur Personalkompetenz der Hauptversammlung siehe Kapitel 7 A. II. 1., Seite 385. 148

Kap. 6: Der Aufsichtsrat in der Eigenverwaltung

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Entscheidung über die Besetzung des Aufsichtsrates aber auch nicht die Wirkung auf die Gläubiger außer Acht gelassen werden.153 Von der Hauptversammlung gewählte Aufsichtsratsmitglieder können daher auch in der Eigenverwaltung ohne besondere Erfordernisse wie etwa eine Pflichtverletzung oder Amtsunfähigkeit mit einer Dreiviertel-Mehrheit der abgegebenen Stimmen gem. § 103 I AktG abberufen werden.154 Außerdem kann jedes Mitglied auf Antrag des Aufsichtsrats durch gerichtlichen Beschluss abberufen werden, wenn in seiner Person ein wichtiger Grund vorliegt (§ 103 III AktG). Das Vorliegen eines solchen Grundes beurteilt die h. M. wie bei der Abberufung des Vorstands gem. § 84 III 2 AktG,155 so dass auf die diesbezüglichen Ausführungen verwiesen werden kann.156 Vor dem besonderen Hintergrund der Eigenverwaltung ist ein wichtiger Grund beispielsweise anzunehmen, wenn das Aufsichtsratsmitglied die der Schuldnergesellschaft oder ihm in eigener Person (§§ 97, 101 InsO) obliegenden Verpflichtungen nicht erfüllt oder das durch die Gläubigerversammlung vorgegebene Verfahrensziel nur mangelhaft unterstützt oder sogar boykottiert. Um ein etwaiges Fehlverhalten des Aufsichtsrates aufzudecken, ist die Hauptversammlung grundsätzlich befugt, einen Sonderprüfer gem. § 142 I 1 AktG zu bestellen.157 Mitglieder des Aufsichtsrats können ihr Amt ohne wichtigen Grund niederlegen, außer zur Unzeit.158 Eine Amtsniederlegung erfolgt aber nicht allein deshalb „zur Unzeit“, weil sie während des Eigenverwaltungsverfahrens erklärt wird.159

D. Die Haftung der Aufsichtsratsmitglieder Für die eigenverwaltungsspezifische Haftung eines Aufsichtsratsmitglieds gilt das oben zur Haftung des Vorstands Gesagte sinngemäß.160 Gegenüber den Gläubigern kommt lediglich eine deliktische Haftung in Betracht, insbesondere bei der Verletzung ihrer Mitwirkungspflichten aus §§ 97, 101 I, 270 I 2 InsO, die nach der hier vertretenen Auffassung Schutzgesetze i. S. d. § 823 II BGB darstellen.161 Einer Haftung aus §§ 69, 34 I 2 AO unterliegen sie jedoch nicht, ___________ 153

Kapitel 7 A. II. 1., Seite 385. Hüffer, AktG, § 103 Rn. 3. 155 Hoffmann-Becking, in: MHb GesR IV, § 30 Rn. 56; Hüffer, AktG, § 103 Rn. 10. 156 Kapitel 5 C. I. 1. b) aa), Seite 306. 157 Siehe Kapitel 7 B. I. 2. a), Seite 401. 158 Mertens, in: KK zum AktG, § 103 Rn. 56; Hüffer, AktG, § 103 Rn. 17. 159 Vgl. für die entsprechende Frage beim Vorstand Kapitel 5 C. I. 2., Seite 308. 160 Kapitel 5 D., Seite 324. 161 Siehe Kapitel 5 D. II. 3. b) aa) (2), Seite 340. 154

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3. Teil: Die Rechtsstellung der Organe einer AG in Eigenverwaltung

da sie nicht gesetzliche Vertreter i. S. d. § 34 I 2 AO sind.162 Der Schwerpunkt ihrer Verantwortlichkeit liegt im Verhältnis gegenüber der Gesellschaft, namentlich auf einer Haftung aus §§ 93 II, 116 AktG.163 Organschaftliche Pflicht ist dabei u. a. die ordnungsgemäße Erfüllung der Kooperationspflichten der §§ 97, 101 I, 270 I 2 InsO.164 Dieser Schadensersatzanspruch kann gem. §§ 93 V 4, 116 AktG durch den Sachwalter für die Gläubiger geltend gemacht werden.

E. Abschließende Würdigung Die Untersuchungen dieses Kapitels haben ergeben, dass die Aufgaben und Befugnisse des Aufsichtsrats in der Eigenverwaltung in weitem Umfange bestehen bleiben, was insbesondere aus der in Kapitel 5 gewonnenen Einsicht folgt, dass die Aktiengesellschaft „in den durch das Gesellschaftsrecht statuierten Formen und Verfahrensweisen organschaftlicher Vertretung und Kontrolle“165 Trägerin der eigenverwaltungsspezifischen Rechte und Pflichten ist, nicht bloß ihr Vorstand. Hierin liegt ein deutlicher Unterschied zum regulären Verfahren, in dem der Aufsichtsrat seine Funktion zu großen Teilen einbüßt, sei es, dass seine Kompetenzen durch die des Insolvenzverwalters verdrängt werden, sei es, dass sich infolge der Verdrängung des Vorstands aus der Geschäftsführung eine Überwachung nach § 111 AktG weitestgehend erübrigt. Dem Aufsichtsrat kommt vor allem im Eigenverwaltungsbereich eine gewichtige Funktion, indem er den Vorstand bei der Durchführung des Eigenverwaltungsverfahrens überwacht und mit seinen eigenen Fachkenntnissen berät und unterstützt.

F. Ergebnisse Als wesentliche Ergebnisse dieses Kapitels sind festzuhalten: 1. Die Überwachung des Vorstands durch den Aufsichtsrat gem. § 111 I AktG wird nicht durch die parallele Kontrolle durch den Sachwalter (§ 274 II ___________ 162

Koenig, in: Pahlke/Koenig, AO, § 34 Rn. 11. Hinsichtlich der Besonderheiten, die allgemein im Rahmen der Haftung des Aufsichtsrats gem. §§ 93, 116 AktG gegenüber der des Vorstands zu beachten sind, insbesondere hinsichtlich des Verschuldensmaßstabs, ist auf die einschlägigen Kommentierungen zu verweisen (etwa Hüffer, AktG, § 116 Rn. 1 ff.; Mertens, in: KK zum AktG, § 115 Rn. 57 ff.). 164 Zu dieser Frage schon oben Kapitel 5 D. I. 1. a) bb), Seite 328; ebenso Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, § 11 Rn. 132. 165 So zutreffend Smid, DZWIR 2002, 493, 500. 163

Kap. 6: Der Aufsichtsrat in der Eigenverwaltung

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InsO) verdrängt und erstreckt sich somit auch auf die Geschäftsführungsmaßnahmen des Vorstands im Eigenverwaltungsbereich. 2. Insolvenzzweckwidrige Beschlüsse des Aufsichtsrates sind nicht lediglich anfechtbar, sondern sie sind nichtig. 3. Der Sachwalter ist befugt, die Nichtigkeit eines Aufsichtsratbeschlusses gem. § 256 ZPO gerichtlich feststellen zu lassen. Sein Feststellungsinteresse folgt sowohl aus eigenem Recht als auch analog §§ 92, 280 InsO, §§ 93 V 4, 116 AktG aus dem Recht der Gläubiger. 4. Sämtliche Gesellschaftsorgane, nicht nur der Vorstand, unterliegen der Aufsicht durch Sachwalter (§ 274 II InsO) und Gläubigerausschuss (§§ 69, 270 I 2 InsO), soweit Angelegenheiten betroffen sind, die den Eigenverwaltungsbereich zuzuordnen sind. 5. Kündigung oder der Abschluss eines Anstellungsvertrages mit einem Vorstandsmitglied können Zustimmungsvorbehalten gem. §§ 275 ff. InsO unterliegen, nicht aber seine Bestellung oder Abberufung. 6. Der Vergütungsanspruch des Aufsichtsrates entfällt nicht wie im regulären Verfahren ipso iure durch die Anordnung der Eigenverwaltung, sondern bleibt grundsätzlich in voller Höhe bestehen. Die Hauptversammlung ist aber berechtigt und gegebenenfalls verpflichtet, seine Vergütung gem. § 113 I 4 AktG herabzusetzen, und zwar auch für das laufende Geschäftsjahr. 7. Der Anspruch eines Aufsichtsratsmitglieds auf Tantiemen für das durch die Verfahrenseröffnung abgelaufene Geschäftsjahr ist Insolvenzforderung i. S. d. § 38 InsO. Der auf den Zeitraum nach Verfahrenseröffnung entfallende Anspruch auf (feste) Vergütung ist dagegen Masseforderung i. S. d. § 55 I Nr. 1 InsO.

Kapitel 7

Die Hauptversammlung in der Eigenverwaltung Gegenstand des siebten Kapitels ist die Rechtsstellung der Hauptversammlung im Eigenverwaltungsverfahren. Die Hauptversammlung ist das Willensbildungsorgan der Aktiengesellschaft1 und setzt sich darin von den Handlungsorganen ab, die die Geschäfte leiten (Vorstand, vgl. § 76 I AktG) bzw. die Geschäftsführung überwachen (Aufsichtsrat, vgl. § 111 I AktG). Auf Basis der oben gewonnenen Erkenntnisse, dass in der Eigenverwaltung die Organstruktur ebenso fortbesteht2 wie die gesellschaftsrechtliche Zuständigkeitsordnung3, ist bereits vorgezeichnet, dass der Hauptversammlung keine grundsätzlich andere Rechtsstellung zukommen kann als außerhalb eines Insolvenzverfahrens. Ihr sollte somit auch während eines Eigenverwaltungsverfahrens die Aufgabe der Willensbildung beizumessen sein. Allerdings werden einige ihrer Kompetenzen teils durch eine konkurrierende Zuständigkeit des Sachwalters verdrängt,4 teils insolvenzrechtlichen Bindungen unterworfen. In diesem Kapitel sollen daher die der Hauptversammlung verbleibenden Befugnisse im Schuldner- (A.) und Eigenverwaltungsbereich (B.) erörtert werden.5 Von der Rechtsstellung der Hauptversammlung als Organ der insolventen Gesellschaft sind die Rechte und Pflichten der einzelnen Aktionäre zu unterscheiden, die diesen aufgrund ihrer Aktionärseigenschaft oder aufgrund eines sonstigen Rechtsverhältnisses gegenüber der Gesellschaft zugewiesen sind. Sie bilden nicht den Gegenstand dieses Kapitels und werden allenfalls beiläufig betrachtet.

___________ 1

Hüffer, AktG, § 118 Rn. 3; Kubis, in: MK zum AktG, § 118 Rn. 9. Kapitel 2 B. I. 1., Seite 108. 3 Kapitel 5 B. II. 2. a) cc), Seite 272. 4 Sog. Sachwalterverdrängungsbereich; zur Funktionsteilung von Gesellschaftsorganen und Sachwalter im Eigenverwaltungsverfahren siehe Kapitel 4 A., Seite 182. 5 Zur Ausblendung des Sachwalterverdrängungs- und des Überschneidungsbereiches siehe die einleitenden Bemerkungen zum Dritten Teil, Seite 198. 2

Kap. 7: Die Hauptversammlung in der Eigenverwaltung

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A. Die Stellung der Hauptversammlung im Schuldnerbereich Im Folgenden soll zunächst auf die Bindungen eingegangen werden, denen die Hauptversammlung im Schuldnerbereich unterliegt (I.), um anschließend bei der Darstellung ihrer Zuständigkeiten in diesem Bereich (II.) sogleich die Zulässigkeit bestimmter Maßnahmen diskutieren zu können. I. Bindungen 1. Die Maßgeblichkeit des Gesellschaftsinteresses Nach überwiegender Auffassung werden die Kompetenzen der Hauptversammlung in einem regulären Insolvenzverfahren nicht nur gegenständlich durch den Übergang des Verwaltungs- und Verfügungsrechts auf den Verwalter (§ 80 I InsO), sondern daneben auch inhaltlich durch den Insolvenzzweck selbst begrenzt.6 Das ist eine Konsequenz aus der sog. Verdrängungstheorie, nach der der werbende Zweck der Aktiengesellschaft infolge der Eröffnung des Insolvenzverfahrens vollständig durch den Abwicklungs-, Konkurs- bzw. Insolvenzzweck ersetzt wird, so dass der jeweilige Zweck für die Hauptversammlung auch in dem ihr verbleibenden – eigentlich „insolvenzfreien“7 – Bereich alleiniger Zuständigkeit (dem Schuldnerbereich) verbindlich sein sollte.8 Unter Geltung der Konkursordnung sollte es der Hauptversammlung folglich wegen der Unvereinbarkeit mit dem Konkurszweck beispielsweise verboten sein, während des Konkursverfahrens den Unternehmensgegenstand zu ändern9 oder Ka-

___________ 6 Grüneberg, S. 53; Haas, in: Gottwald, § 92 Rn. 154; Hefermehl/Bungenroth, in: Geßler/Hefermehl, AktG, § 179 Rn. 59; Habscheid, FS Weber, 197, 205; Hüffer, in: MK zum AktG, § 264 Rn. 78; Kruse, S. 270; Noack, Rn. 337; Weber, in: Jaeger, KO, §§ 207, 208 Rn. 31; ders., KTS 1970, 73, 80; Kraft, in: KK zum AktG, § 262 Rn. 52; K. Schmidt, in: Scholz, GmbHG, vor § 64 Rn. 65; a. A. überzeugend H.-F. Müller, S. 168. Davon zu trennen ist die Bezugnahme auf den Insolvenzzweck, soweit sie dazu dient, den Zuständigkeitsbereich der Gesellschaftsorgane gegenständlich von dem des Insolvenzverwalters zu trennen, vgl. schon oben Kapitel 2 B. II. 2. a) cc), Seite 117. In diesem Sinne wohl etwa OLG Karlsruhe, Beschluss vom 8. 1. 1993 – 4 W 28/92, NJW 1993, 1931; unklar Kraft, in: KK zum AktG, § 262 Rn. 52. 7 Diese „Konkursbezogenheit“ des „konkursfreien“ Bereichs geht auf Weber, KTS 1970, 73, 79 zurück und beinhaltet einen, zumindest begrifflichen, Widerspruch. 8 Dazu ausführlich Kapital 6 A. III. 1., Seite 215, und Kapitel 2 B. II. 2. a) cc), Seite 117. 9 Hefermehl/Bungenroth, in: Geßler/Hefermehl, AktG, § 179 Rn. 59.

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3. Teil: Die Rechtsstellung der Organe einer AG in Eigenverwaltung

pitalerhöhungen gegen Einlage (§§ 182 ff. AktG) vorzunehmen10. Eine weitere Beschränkung soll außerdem darin bestehen, dass Beschlüsse der Hauptversammlung mit dem Auflösungsstand der Gesellschaft verträglich sein müssen,11 so dass etwa Sitzverlegungen nur aus besonderen Gründen zulässig seien.12 Folgte man der Verdrängungstheorie, ergäben sich eben diese Bindungen auch für die Hauptversammlung einer Aktiengesellschaft in Eigenverwaltung. Nach der hier vertretenen Ansicht bleibt der Gesellschaftszweck im Schuldnerbereich dagegen auch nach Eröffnung des Eigenverwaltungsverfahrens auf eine werbende Tätigkeit und Vermögensmehrung gerichtet.13 Da im Übrigen auch die Abwicklungsvorschriften (§§ 264 ff. AktG) keine Anwendung finden, ist die Hauptversammlung in diesem Bereich ebenso wie Vorstand und Aufsichtsrat weder der optimalen Gläubigerbefriedigung noch der Abwicklung des Gesellschaftsvermögens verpflichtet.14 2. Keine Überwachung durch Sachwalter oder Gläubigerausschuss Die dem Schuldnerbereich zuzuordnenden Maßnahmen der Hauptversammlung sind einer Überwachung durch Sachwalter und Gläubigerausschuss ebenso entzogen wie den insolvenzrechtlichen Zustimmungsvorbehalten (z. B. §§ 275 ff. InsO).15 Denn deren Kompetenzen definieren sich durch ihren Massebezug und beschränken sich daher auf den Eigenverwaltungsbereich.

___________ 10 Während zunächst noch – zu Recht – überwiegend von einer generellen Unzulässigkeit von Kapitalerhöhungen ausgegangen wurde, setzte sich später die Ansicht durch, dass diese jedenfalls dann zulässig sein sollten, wenn durch sie Mittel für einen Zwangsvergleich oder die Vorbereitung der Einstellung des Konkursverfahrens (§ 202 KO) zwecks Fortsetzung der Gesellschaft beschafft werden sollen, siehe schon eingehend Kapitel 2 B. II. 2. a) cc) (2), Seite 120, und unten II. 3. a), Seite 391. 11 Weber, in: Jaeger, KO, §§ 207, 208 Rn. 31; Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, § 11 Rn. 192; Schneider, FS Oppenhoff, 349, 350; RG, Urteil vom 6. 5. 1911 – Rep. I. 164/10, RGZ 76, 244, 247 (Kapitalerhöhung „hinfällig“ wegen Auflösung). Sofern man die Verdrängung des Gesellschaftszwecks durch den Abwicklungszweck befürwortet, besteht hier freilich eine Überschneidung. 12 Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, § 11 Rn. 192 mit Hinweis auf das LG Berlin, Beschluss vom 23. 4. 1999 – 98 T 9/99, ZIP 1999, 1050 (betrifft allerdings die Sitzverletzung einer gem. § 1 I LöschG aufgelösten Gesellschaft). Dagegen erachtet Hüffer, in: MK zum AktG, § 264 Rn. 28 die Sitzverlegung einer aufgelösten Gesellschaft grundsätzlich für zulässig. 13 Kapitel 5 A. III. 1., Seite 215. 14 Vgl. oben Kapitel 5 A. III. 1., Seite 215 und Kapitel 2 B. I. 2., Seite 109. 15 Es gilt dasselbe wie für Vorstand (Kapitel 5 A. III. 3., Seite 229) und Aufsichtsrat (Kapitel 6 A. II., Seite 352).

Kap. 7: Die Hauptversammlung in der Eigenverwaltung

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II. Zuständigkeiten im Schuldnerbereich In den Schuldnerbereich fallen sämtliche aktien- oder spezialgesetzliche Zuständigkeiten der Hauptversammlung, die bei vernünftiger Betrachtungsweise keine nachteiligen Wirkungen auf die Insolvenzmasse haben können.16 Dazu zählen namentlich insolvenzneutrale gesellschaftsinterne Angelegenheiten (folgend 1.), Mitwirkungshandlungen bei der Geschäftsführung des Vorstands im Schuldnerbereich (folgend 2.) sowie Reorganisationsmaßnahmen auf gesellschaftsrechtlicher Ebene zur Sanierung der Aktiengesellschaft (folgend 3.).17 Da die aktienrechtlichen Liquidationsvorschriften nicht anzuwenden sind, erhält die Hauptversammlung allerdings keine zusätzlichen Kompetenzen nach §§ 265 II, 270 II AktG.18 Für die hierbei anfallenden Kosten müssen die Gläubiger nur insoweit aufkommen, wie die jeweilige Maßnahme überwiegend oder ausschließlich in ihrem Interesse steht.19 1. Gesellschaftsinterner Bereich Eine masseneutrale gesellschaftsinterne Befugnis stellt die Bestellung und Abberufung der Mitglieder des Aufsichtsrats (§§ 101 I, 113 I, 119 I Nr. 1 AktG) dar,20 deren Bedeutung für die Eigenverwaltung nicht zu unterschätzen ist. Eine geschickte Personalentscheidung bietet nicht nur die Chance, unternehmens- und branchenspezifisches Fachwissen in die Gesellschaft einzubinden und für die Bewältigung der wirtschaftlichen Krise zu nutzen,21 wovon Gesellschaft und Gläubiger gleichermaßen profitieren können. Sie kann aber vor allem auch eine Signalwirkung gegenüber den Gläubigern entfalten, die, obschon sie über keine diesbezüglichen Mitspracherechte verfügen,22 in der Regel ___________ 16 Kapitel 2 A. II., Seite 103 (allgemein) und Kapitel 4 A. II., Seite 183 (Eigenverwaltungsverfahren). 17 Siehe außerdem Kapitel 2 A. II., Seite 103 und Kapitel 3 C. II., Seite 183. Für umfangreichere Auflistungen ist auf die Kommentarliteratur zu verweisen (Hüffer, in: MK zum AktG, § 264 Rn. 72 ff.; Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, § 11 Rn. 118 ff., 137 ff., 185 ff., 192 ff.), die zwar nur auf das reguläre Verfahren darstellt, aber grundsätzlich mit nur geringfügigen Modifikationen auf das Eigenverwaltungsverfahren übertragen werden kann (vgl. Kapitel 3 C. II., Seite 183). 18 Siehe oben Kapitel 2 B. I. 2., Seite 109. 19 Zu den Grundsätzen der Kostentragung im Eigenverwaltungsverfahren siehe Kapitel 4 B., insbesondere II. 1. b), Seite 191. 20 Dazu schon Kapitel 5 C. I 1., Seite 304. 21 Zur Bedeutung des Aufsichtsrates in der Eigenverwaltung, insbesondere zu seiner Beratungsfunktion siehe Kapitel 6 B. I. 2. b), Seite 358. 22 Die Bestellung des Aufsichtsrates unterliegt weder den insolvenzrechtlichen Zustimmungsvorbehalten, noch der Überwachung durch Sachwalter und Gläubigerausschuss, vgl. I. 2., Seite 384, und Kapitel 6 C. III., Seite 378.

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3. Teil: Die Rechtsstellung der Organe einer AG in Eigenverwaltung

aufmerksam darüber wachen, welche Personen die Hauptversammlung in den Aufsichtsrat bestellt. Denn der Aufsichtsrat bestimmt über die Besetzung des Vorstands, also über die Personen, die für die Durchführung des Eigenverwaltungsverfahrens in weiten Teilen verantwortlich sind und deren unternehmerischen Fähigkeiten über Erfolg oder Misserfolg maßgeblich mitentscheiden. Durch die Ernennung eines Aufsichtsratsmitglieds, das das von den Gläubigern präferierte Sanierungskonzept unterstützt23 und auch sonst ihre Vertrauen genießt, kann die Gesellschaft ihre Kooperationsbereitschaft mit den Gläubigern unterstreichen und so unter Umständen eine wichtige Weichenstellung für das Verfahren vornehmen. Die Festsetzung oder Streichung der Vergütung der Aufsichtsratsmitglieder ist allerdings eine Angelegenheit des Eigenverwaltungsbereichs.24 Im Übrigen ist auf die Ausführungen in Kapitel 6 C. zu verweisen. Allein den verbandsinternen Bereich betrifft auch eine Satzungsänderung, die eine Verkleinerung des Vorstands (§ 23 II Nr. 6 AktG) oder eine Veränderung der Vertretungsregelungen herbeiführt (§ 78 II 1 AktG). Solche Maßnahmen können angezeigt sein, um die Arbeitsweise des Vorstands auf die Besonderheiten des Eigenverwaltungsverfahrens einzustellen und Verfahrensfehler zu vermeiden.25 Des Weiteren kann die Hauptversammlung, wenn etwa das Gesellschaftsunternehmen im Zuge einer übertragenden Sanierung veräußert wird, über die Bildung einer Ersatzfirma autonom entscheiden, da nur die bisherige Firma als immaterieller Vermögensgegenstand in die Insolvenzmasse fällt.26 Schließlich handelt es sich bei der Entlastung des Vorstands und des Aufsichtsrates gem. §§ 120 I, 119 I Nr. 3 AktG um eine Kompetenz der Hauptversammlung im Schuldnerbereich, weil sie mangels Verzichtswirkung (§ 120 II 2 AktG) keinen Massebezug hat.27 Sollte sich im Laufe des Verfahrens, etwa ___________ 23

Natürlich ist das von der Gläubigerversammlung im Rahmen der §§ 157, 270 I 2 InsO vorgegebene Verfahrensziel für die Gesellschaft und ihre sämtlichen Organe verbindlich, dazu Kapitel 5 III. 1. b), Seite 290. Es ist aber eine andere Frage, ob sie diese Vorgaben mit voller Überzeugung unterstützen oder nicht. 24 Unten B. I. 1., Seite 400. 25 Siehe oben Kapitel 5 E., Seite 345. 26 Die Massezugehörigkeit der Firma einer Kapitalgesellschaft ist heute allgemein anerkannt (etwa Lwowski, in: MK zur InsO, § 35 Rn. 484; Holzer, in: Kübler/Prütting, InsO, § 35 Rn. 72). Streitig diskutiert wird dagegen, ob der Insolvenzverwalter in einem regulären Verfahren befugt ist, eine Ersatzfirma zu bilden, wenn er das Unternehmen samt Firma veräußern möchte. Man wird dies im Ergebnis zu bejahen haben, da die Veräußerung der bisherigen Firma, die zur verwertbaren Masse gehört, nicht ohne die gleichzeitige Bildung einer Ersatzfirma möglich ist (zum Meinungsstreit siehe Herchen, ZInsO 2004, 1112, 1116; Gutsche, Rn. 351 ff.; Ulmer, NJW 1983, 1697, 1702). 27 Gutsche, Rn. 389; H.-F. Müller, S. 166; ähnlich schon das RG, Urteil vom 6.5.1911 – Rep. I 164/10, RGZ 76, 244, 247 ff., das freilich wegen einer anderen Rechtslage noch differenzieren musste.

Kap. 7: Die Hauptversammlung in der Eigenverwaltung

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nach dem Verkauf ganzer Unternehmenszweige, die Notwendigkeit ergeben, den Unternehmensgegenstand der veränderten Geschäftstätigkeit anzupassen, so kann die Hauptversammlung den entsprechenden satzungsändernden Beschluss (§§ 23 III Nr. 2, 119 I Nr. 5, 179 I AktG) ohne weiteres fassen.28 2. Mitwirkung bei der Geschäftsführung Die Hauptversammlung kann ausnahmsweise zur Mitwirkung an Geschäftsführungsmaßnahmen des Vorstands berufen sein, die dem Schuldnerbereich zuzuordnen sind. So kann der Vorstand im Einzelfall nach den Grundsätzen der Holzmüller-Rechtsprechung, die prinzipiell auch in der Gesellschaftsinsolvenz Anwendung finden, dazu verpflichtet sein, die Zustimmung der Hauptversammlung zu einer besonders weittragenden Entscheidung einzuholen. Ein solcher Mitwirkungsvorbehalt kommt beispielsweise in Betracht, wenn der Vorstand beabsichtigt, einen Antrag auf Aufhebung der Eigenverwaltung gem. § 272 I Nr. 3 InsO zu stellen oder einen Insolvenzplan vorzulegen, der eine strukturändernde Maßnahme vorsieht.29 Darüber hinaus sind auch besonders geartete Fälle denkbar, in denen der Vorstand gem. § 119 II AktG um eine Entscheidung der Hauptversammlung ersucht. 3. Reorganisationsmaßnahmen Außerhalb des Insolvenzverfahrens sind durch die Hauptversammlung schließlich auch bestimmte Restrukturierungen auf gesellschaftsrechtlicher Ebene vorzunehmen, die für die Sanierung des Unternehmensträgers (die Reorganisation30) neben finanziellen Zugeständnissen der Gläubiger regelmäßig unentbehrlich sind. Dabei handelt es sich namentlich um Kapitalmaßnahmen, unten a), um Umwandlungen, unten b), und um die Veränderung der Gesellschafterstruktur, unten c).31 Freilich kann im Rahmen der Eigenverwaltung auch die ___________ 28 H.-F. Müller, S. 168; a. A. Grüneberg, S. 71 f.; Hefermehl/Bungenroth, in: Geßler/Hefermehl, AktG, § 179 Rn. 59 (für das reguläre Verfahren), die dies mit der Unvereinbarkeit mit dem Konkurszweck begründen, dazu oben I. 1., Seite 383. 29 Vgl. dazu oben Kapitel 5 A. III. 2. b), Seite 226. 30 Zur Unterscheidung von Sanierung, übertragende Sanierung und Reorganisation siehe oben Kapitel 1 A. II., Seite 35. 31 Noack, FS Zöllner, 411, 420; siehe auch Wellensiek, NZI 2002, 233, 234; Uhlenbruck, FS Kirchhof, 479, 488. Eine umfassende Darstellung der verschiedenen Sanierungsinstrumente kann und soll hier nicht erfolgen, diesbezüglich siehe umfassend Eidenmüller, Unternehmenssanierung; ferner Limmer, in: Kölner Schrift, S. 1219 ff. (Umwandlungen); Jäger, NZG 1999, 238 ff.; von Schorlemer/Stupp, NZI 2003, 345 ff. (Kapitalerhöhungen); Obermüller, ZInsO 2002, 597, 599 ff. (außergerichtliche Sanierungsmaßnahmen).

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3. Teil: Die Rechtsstellung der Organe einer AG in Eigenverwaltung

Liquidation des schuldnerischen Unternehmens einschließlich seines Trägers betrieben werden, doch ist dieses Verfahren nach der Konzeption des Gesetzgebers primär als Mittel zur Fortführung des Unternehmens, also zu seiner Sanierung geeignet und bestimmt,32 und zwar in der bisherigen Trägerschaft. Denn bei einer Sanierung des Unternehmens unter Fortfall des Unternehmensträgers, also bei einer Veräußerung an Dritte (übertragende Sanierung), wären die besonderen Fähigkeiten und Kenntnisse der bisherigen Geschäftsleitung, deren Einbindung gerade den besonderen Sinn der Eigenverwaltung ausmacht, weitestgehend ohne Bedeutung. Die Eigenverwaltung ist somit in erster Linie ein Reorganisationsverfahren. Maßnahmen, die auf die Sanierung des Unternehmensträgers zielen, spielen daher eine herausragende Rolle in diesem Verfahren. Allerdings sind die für die Reorganisation notwendigen Ungestaltungen auf gesellschaftsrechtlicher Ebene nicht Gegenstand des Insolvenzverfahrens und können somit nicht durch die Gläubiger erzwungen werden. Der Gesetzgeber hat sich bewusst gegen entsprechende Vorschläge der Kommission für Insolvenzrecht entschieden, die weit reichende hoheitliche Zwangseingriffe in die rechtlichen Verhältnisse der Gesellschaft empfohlen hatte.33 Dieses Prinzip gesellschaftsrechtlicher Neutralität wurde und wird vielfach heftig kritisiert,34 ist aber nach dem vermögensbezogenen Ansatz des Insolvenzrechtes folgerichtig, weil allein das Vermögen des Schuldners, nicht aber seine verbandsrechtliche Organisation Gegenstand der Haftung ist.35 Die Mitwirkung der Aktionäre ist für die Reorganisation der Gesellschaft somit in rechtlicher Hinsicht unerlässlich. Sie ist es zugleich in tatsächlicher Hinsicht. Denn die Gläubiger haben in ___________ 32 Bundesregierung, Begründung zu § 330 RegE InsO (= § 270 InsO), BT-Drucks. 12/2443, S. 223 und Begründung zu § 343 RegE InsO (= § 282 InsO), S. 226; AG Lübeck, Beschluss vom 4. 2. 2000 – 53b IN 19/00, DZWIR 2000, 482 (Eigenverwaltung nur bei Betriebsfortführung). Auch in der Literatur wird die Eigenverwaltung insbesondere für eine Unternehmenssanierung als sinnvoll betrachtet, vgl. statt vieler Vallender, in: Die GmbH in Krise, Sanierung und Insolvenz, Rn. 1732; Uhlenbruck, in: Uhlenbruck, InsO, § 270 Rn. 11; Huntemann/Dietrich, ZInsO 2001, 13, 16. Siehe auch Kapitel 1 A. II., Seite 35. 33 Vorgeschlagen hat die Kommission für InsR in ihrem Ersten Bericht u. a.: Beschränkung des Rechts der Anteilseigers zur Auflösung der Gesellschaft (Leitsatz 2.4.9.1, S. 275 ff.), Zwangsausschluss von Aktionären (Leitsatz 2.4.9.5, S. 282 und Leitsatz 2.4.9.6, S. 283; vgl. auch Leitsatz 2.2.6 Abs. 1 lit. c, S. 170.); Zustimmungsvorbehalt zugunsten des Insolvenzverwalters bei Änderungen des Gesellschaftsvertrages (Leitsatz 2.4.9.1. Abs. 7, S. 276 ff.). 34 Eidenmüller, ZGR 2001, 680, 688; Braun, in: Nerlich/Römermann, InsO, § 217 Rn. 25 ff.; Otte, in: Kübler/Prütting, InsO, § 217 Rn. 60; engagiert für gesellschaftsrechtliche Eingriffe schon K. Schmidt, Gutachten D zum 54. DJT, S. D 80 ff. 35 So die Bundesregierung, Begründung RegE InsO, BT-Drucks. 12/2443, S. 83; zustimmend Noack, FS Zöllner, 411, 416; Gutsche, Rn. 33; Ulmer, ZHR 149 (1985), 541, 566; H.-F. Müller, S. 366. Siehe auch Kapitel 5 B. II. 2. a) aa) (3) (c), Seite 263.

Kap. 7: Die Hauptversammlung in der Eigenverwaltung

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der Regel kein eigenes Interesse an der Reorganisation der Gesellschaft. Wenn nicht besondere Umstände vorliegen, die einer Veräußerung an Dritte im Wege stehen (z. Β. die Größe des schuldnerischen Unternehmens, zu nutzende Verlustvorträge oder nicht übertragbare betriebsnotwendige Verträge, Genehmigungen oder Konzessionen), können die Gläubiger das Gesellschaftsunternehmen auch durch eine übertragende Sanierung retten und so seinen Fortführungswert realisieren.36 Eine übertragende Sanierung stellt für die Gläubiger sogar im Allgemeinen die vorzugswürdige Alternative zur Reorganisation dar, da sie das gelegentlich langwierige und komplizierte Insolvenzplanverfahren vermeidet.37 Aus diesem Grunde werden die Gläubiger in die Reorganisation der eigenverwaltenden Gesellschaft nur dann einwilligen, wenn ein Sanierungskonzept vorliegt, in dem auch die Aktionäre erhebliche Zugeständnisse machen, namentlich in Form einer Aufstockung des Eigenkapitals oder der Aufnahme neuer Gesellschafter, und das den Gläubigern dadurch mehr Vorteile verspricht als eine Veräußerung an Dritte. Insoweit sind der Hauptversammlung ein besonderes Gewicht und zugleich eine besondere Verantwortung in der Eigenverwaltung beizumessen. Die Reorganisation der eigenverwaltenden Aktiengesellschaft kann nur im Rahmen eines Insolvenzplans erfolgen (§§ 217 ff. InsO).38 Denn nur dieses Verfahren erlaubt eine Abweichung von den Vorschriften der Insolvenzordnung und damit von der für das reguläre Verfahren zwingend vorgeschriebenen Liquidation (§ 159 InsO) des schuldnerischen Vermögens, vgl. § 217 InsO. Zwar werden die gesellschaftsrechtlichen Reorganisationsmaßnahmen grundsätzlich außerhalb des Insolvenzverfahrens gefasst, doch können sie – auf freiwilliger Basis – auch zum Gegenstand des Insolvenzplans gemacht39 und zum Teil sogar in den gestaltenden Teil des Plans (§ 221 InsO) aufgenommen werden.40 In diesem Fall treten ihre Wirkungen mit Planbestätigung ein, und es greifen Erleichterungen hinsichtlich der einzuhaltenden Formvorschriften ___________ 36

Zu den Vor- und Nachteilen einer Reorganisation gegenüber einer übertragenden Sanierung siehe Wellensiek, NZI 2002, 233, 238; Gutsche, Rn. 33. 37 Ebenso Wellensiek, NZI 2002, 233, 238. 38 Zur Eigenverwaltung in Verbindung mit einem Insolvenzplan als Sanierungsinstrument: Buchalik, NZI 2000, 294, 295 ff.; Friedhoff, ZIP-Report 2002, 497 ff.; Huntemann/Dietrich, ZInsO 2001, 13 ff.; Uhlenbruck, FS Metzeler, 85, 92; kritisch Rattunde, ZIP 2003, 596, 600. 39 Zur gesellschaftsrechtlichen Reorganisation im Insolvenzplanverfahren siehe ausführlich Noack, FS Zöllner, 411, 418 ff.; Eidenmüller, ZGR 2001, 680 ff.; H.-F. Müller, KTS 2002, 209 ff.; ders., S. 372 ff. 40 Eine Übersicht über gesellschaftsrechtlichen Vorgänge, die in den gestaltenden Teil aufgenommen werden können, gibt Otte, in: Kübler/Prütting, InsO, § 221 Rn. 9; Eidenmüller, in: MK zur InsO, § 221 Rn. 77. a. A. noch Jaffé, in: FK zur InsO, 2. Auflage, § 217 Rn. 131, da Anteilseigner nicht Beteiligte i. S. d. § 221 InsO seien (Ansicht geändert in 3. Auflage).

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3. Teil: Die Rechtsstellung der Organe einer AG in Eigenverwaltung

(§ 254 I 1 InsO). Insbesondere durch einen bedingten Insolvenzplan (§ 249 InsO) können gesellschaftsrechtliche und insolvenzrechtliche Sanierungs- oder Reorganisationsmaßnahmen sinnvoll miteinander verzahnt41 und u. a. das Vorleistungsrisiko der Gläubiger vermindert werden42. Das Vorleistungsrisiko der Gesellschafter kann demgegenüber aufgegangen werden, indem sie ihre Beschlüsse (z. B. über eine Kapitalerhöhung) unter die aufschiebende Bedingung (§ 158 I BGB) der rechtskräftigen Bestätigung des Plans stellen.43 Die aufschiebend bedingte Beschlussfassung ermöglicht es außerdem, bestimmte gesellschaftsrechtliche Reorganisationsmaßnahmen, die erst nach Bestätigung des Insolvenzplans und der Aufhebung des Verfahrens (z. B. die Fortsetzung der Gesellschaft gem. § 274 II Nr. 1 AktG) oder nach dem Fortsetzungsbeschluss (z. B. Umwandlungen) wirksam beschlossen werden können, bereits vorab zum Gegenstand des Insolvenzplans zu machen.44 Die Überwachung des bestätigten Plans obliegt in der Eigenverwaltung dem Sachwalter (§ 284 II InsO). Ebenso wenig wie das Insolvenzrecht die Gesellschaft zur Vornahme bestimmter Reorganisationsmaßnahmen verpflichtet, verpflichtet das Gesellschaftsrecht den einzelnen Aktionär, sich an einer solchen Maßnahme zu beteiligen.45 Darin kann im Einzelfall eine erhebliche Gefahr für den Erfolg des Eigenverwaltungsverfahrens liegen, wenn sich die für die Vornahme der Restrukturierungen erforderlichen Mehrheiten nicht finden. Die Einzelheiten sind umstritten. Einigkeit besteht darüber, dass die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht dem Aktionär zwar im Einzelfall gebieten kann, eine Umstrukturierung nicht zu ___________ 41 Vgl. Bundesregierung, Begründung zu § 296 RegE InsO (= § 249 InsO), BTDrucks. 12/2443, S. 211; siehe ferner H.-F. Müller, S. 372 ff., S. 376 f.; Noack, FS Zöllner, 411, 428 (Umwandlung). Kritisch Hüffer, in: MK zum AktG, § 264 Rn. 76, der die Verzahnung von Aktien- und Insolvenzrecht im Kontext der effektiven Kapitalerhöhung als wenig entwickelt betrachtet. 42 Das Vorleistungsrisiko kann für die Gläubiger z. B. darin bestehen, dem Schuldner Zugeständnisse (z. B. Forderungsverzicht) im Vertrauen auf eine zugesagte und im Plan festgesetzte Kapitalerhöhung gemacht zu haben, die aber unterbleibt (vgl. Eidenmüller, in: MK zur InsO, § 221 Rn. 22. 43 Als Alternativen bieten sich die Einschaltung eines neutralen Treuhänders (bei Kapitalerhöhungen) oder schuldrechtliche Verpflichtungen der Gesellschafter gegenüber den Gläubigern oder dem Insolvenzverwalter an, in Falle der rechtskräftigen Bestätigung des Plans, einen für einen bestimmten Beschlussvorschlag zu votieren (vgl. H.-F. Müller, S. 381 f.). 44 Eidenmüller, in: MK zur InsO, § 221 Rn. 84, 80; H.-F. Müller, S. 380. 45 Ausführlich zu den Pflichten der Mitglieder eines insolventen Verbandes H.-F. Müller, S. 322 ff., insbesondere 330 ff.; auch Kautz, S. 110 ff. und S. 210 ff. (eher weitgehend hinsichtlich der Zustimmung zur Kapitalerhöhung); zu ihren Kooperationspflichten gegenüber den Gläubigern in der Eigenverwaltung Uhlenbruck, FS Kirchhof, 479, 485 ff.; ferner K. Schmidt, GesR, § 5 IV. 5., S. 134 f.; Schwalme, DZWIR 2004, 230 ff.; von Schorlemer/Stupp, NZI 2003, 345 ff., insbesondere 350 ff.

Kap. 7: Die Hauptversammlung in der Eigenverwaltung

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boykottieren,46 beispielsweise nicht gegen eine Kapitalerhöhung zu stimmen,47 nicht aber, zusätzliche Verpflichtungen zu übernehmen, etwa die beschlossene Kapitalerhöhung durch die Übernahme von Anteilen mitzufinanzieren.48 Eine solche Verpflichtung verstieße gegen das gesellschaftsrechtliche Belastungsverbot (§ 54 I AktG, § 707 BGB). Auch die Veräußerung des Geschäftsanteils kann nicht Inhalt der Treuepflicht sein.49 Außerdem können sich aus der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht keine Kooperationspflichten gegenüber den Gläubigern ableiten, da sie nur gegenüber der Gesellschaft und zwischen den Gesellschaftern wirkt. a) Kapitalmaßnahmen Das wohl wichtigste Sanierungsmittel stellen Maßnahmen der Kapitalbeschaffung (§§ 182 ff. AktG) und der Kapitalherabsetzung (§§ 222 AktG ff.) dar.50 ___________ 46 Grundlegend BGH, Urteil vom 20. 3. 1995 – II ZR 205/94, BGHZ 129, 136, 153 [Girmes], nach dem es die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht dem Aktionär verbiete, eine sinnvolle und mehrheitlich angestrebte Sanierung der Gesellschaft (i. c. eine Kapitalherabsetzung zwecks Kapitalschnitt) aus eigennützigen Gründen zu verhindern, wenn bei Scheitern der Sanierungsmaßnahme der Zusammenbruch der Gesellschaft unvermeidlich ist und die Stellung des einzelnen Gesellschafters dann ungünstiger als bei einem Austritt aus der fortbestehenden Gesellschaft ist, die Durchführung der Sanierungsmaßnahme die Verfolgung des Gesellschaftszwecks nahhaltig sicherstellt und keine schonendere Sanierungsalternative zur Verfügung steht (dazu weiterführend H.-F. Müller, S. 331 f.). Zustimmend K. Schmidt, GesR, § 5 IV. 5., S. 134 f.; v. Schorlemer/Stupp, NZI 2003, 345, 348; Jäger, NZG 1999, 238, 240 f.; kritisch Altmeppen, NJW 1995, 1749, 1750. Vorbereitend schon K. Schmidt, ZIP 1980, 328, 336; Timm, WM 1991, 481, 484 f. 47 Eidenmüller, ZGR 2001, 681, 687; äußerste Zurückhaltung bei der Begründung von Zustimmungspflichten mahnt H.-F. Müller, S. 338 an; verneinend Uhlenbruck, FS Kirchhof, 479, 489. 48 Noack, FS Zöllner, 411, 423; H.-F. Müller, S. 336 f. m. w. N.; Schwalme, DZWIR 2004, 230, 231; K. Schmidt, ZIP 1980, 328, 335; ders., in: Die GmbH in Krise, Sanierung und Insolvenz, Rn. 383. 49 Uhlenbruck, FS Kirchhof, 479, 489; K. Schmidt, in: Die GmbH in Krise, Sanierung und Insolvenz, Rn. 383. 50 Im Folgenden werden nur solche Kapitalmaßnahmen betrachtet, die während des Eigenverwaltungsverfahrens beschlossen werden. Ein Kapitalerhöhungsbeschluss, der bereits vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens gefasst, aber noch nicht ins Handelsregister eingetragen war, ist nach (mittlerweile) h. M. nicht unwirksam (BGH, Urteil vom 7. 11. 1994 – II ZR 248/93, DStR 1995, 498 [zur GmbH]; weiterführend etwa H.-F. Müller, ZGR 2004, 842, 850 ff. und Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, § 11 Rn. 194). Zur Anmeldung ist in einem regulären Verfahren aber nicht der Insolvenzverwalter befugt, sondern das Geschäftsleitungsorgan der insolventen Gesellschaft (BayObLG, Urteil vom

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aa) Maßnahmen der Kapitalbeschaffung Für eine Reorganisation ist es regelmäßig notwendig, dem Unternehmen möglichst schnell neue Mittel zuzuführen.51 Dieses Kapital kann der Not leidenden Gesellschaft „von außen“ zur Verfügung gestellt werden, indem die Gläubiger neue Kredite bewilligen und bestehende Forderungen stunden oder erlassen (externe Sanierung). Die Gläubiger werden ein Überleben der Schuldnergesellschaft in den meisten Fällen allerdings nur billigen, wenn auch die Gesellschafter einen substantiellen Sanierungsbeitrag leisten (interne Sanierung), insbesondere durch eine Kapitalerhöhung die Eigenkapitalbasis des Unternehmens stärken.52 Außerdem wird oftmals allein durch eine gemeinsame finanzielle Anstrengung von Gläubigern und Gesellschaftern genügend Kapital aufzubringen sein, um das Unternehmen fortzuführen. Denn die zugeführten Mittel müssen nicht nur ausreichen, um kurzfristig den Eröffnungsgrund (§§ 16 ff. InsO) zu beseitigen, sondern sie müssen auch mittelfristig eine hinlängliche Liquidität des Unternehmens und eine sichere finanzielle Grundlage während der Sanierungsphase gewährleisten. Eine effektive Kapitalerhöhung ist daher für eine Sanierung des Unternehmensträgers in der Regel unerlässlich.53 Eine Kapitalerhöhung kann, wenn sie mit einem Bezugsrechtsausschluss verbunden wird (§ 186 III, IV AktG), darüber hinaus dazu dienen, einen Kapitalgeber, der seine Investition von einer (Mehrheits-)Beteiligung an der Gesellschaft abhängig macht, in die Gesellschaft aufzunehmen.54 Da Kapitalerhöhungen die Insolvenzmasse nicht verkürzen, sondern in aller Regel55 als Neuerwerb (§ 35 InsO) mehren, sind sie einheitlich dem Schuldner-

___________ 17. 3. 2004 – 3Z BR 046/04, ZInsO 2004, 503 [zur GmbH]; OLG Köln, Beschluss vom 11. 7. 2001 – 2 Wx 13/01, ZInsO 2001, 717, 718 [zur GmbH]). 51 Kommission für InsR, Erster Bericht, Begründung zu Leitsatz 2.1.2, S. 163; vgl. auch Rattunde, ZIP 2003, 596, 597. 52 Noack, FS Zöllner, 411, 419. 53 Kautz, S. 202; Noack, FS Zöllner, 411, 419; K. Schmidt, ZIP 1980, 328, 334; Buchalik, FS Metzeler, 225, 246. Die Bedeutung von Kapitalerhöhungen für die Sanierung unterstreicht auch die amtliche Begründung zu § 296 RegE InsO (= § 249 InsO), BTDrucks. 12/2443, S. 211. 54 Dazu siehe folgend c), Seite 397. 55 Eine Ausnahme bildet die nominelle Kapitalerhöhung (§§ 207 ff. AktG), die aus Gesellschaftsmitteln erfolgt und lediglich vorhandenes Gesellschaftsvermögen in Haftkapital umwandelt (Hüffer, AktG, § 207 Rn. 3), der Gesellschaft aber kein neues Kapital zuführt. Da sie nur zu einer Umbuchung auf der Passivseite der Bilanz führt, ist sie in ihren Auswirkungen hinsichtlich der Insolvenzmasse neutral und fällt daher ebenfalls in den Schuldnerbereich (zur nominellen Kapitalerhöhung in der Insolvenz siehe H.-F. Müller, ZGR 2004, 842, 844 f.).

Kap. 7: Die Hauptversammlung in der Eigenverwaltung

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bereich zuzuordnen.56 Sie sind auch in der Insolvenz uneingeschränkt zulässig.57 Der früher vertretenen Ansicht, die dies mit dem Argument verneinte, die Schaffung neuer Mitgliedschaftsrechte sei nicht mit dem Konkurszweck und auch nicht mit dem Auflösungsstand der Gesellschaft zu vereinbaren,58 ist entgegenzuhalten, dass nach der hier vertretenen Ansicht Rechtshandlungen im Schuldnerbereich weder am Insolvenzzweck noch an der Vereinbarkeit mit den Abwicklungsvorschriften der §§ 264 ff. AktG zu messen sind.59 Außerdem fallen im Unterschied zur früheren Rechtslage aufgrund des neu gefassten § 35 InsO nunmehr auch die durch eine Kapitalerhöhung neu eingeworbenen Mittel in die Insolvenzmasse60 und stehen damit unmittelbar für die Befriedigung der Gläubiger zur Verfügung, so dass Kapitalerhöhungen ohne weiteres mit dem Insolvenzzweck zu vereinbaren wären.61 Damit fällt nur die Verwendung, nicht aber die Beschaffung neuer Mittel in den Eigenverwaltungsbereich. Daher sind auch Maßnahmen der Gesellschaftsorgane, die darauf zielen, eine beschlossene Kapitalmaßnahme vor ihrer Eintragung (§ 189 AktG) rückgängig zu machen, nicht insolvenzzweckwidrig,62 da bis zu diesem Zeitpunkt noch gar keine neue Insolvenzmasse gebildet worden und somit auch § 1 S. 1 InsO nicht maßgebend ist. Außer zum Zweck der Reorganisation kann eine Kapitalerhöhung in der Eigenverwaltung dazu dienen, die für die Wahrnehmung der Gesellschafts- und Gesellschafterinteressen erforderlichen Mittel zur Verfügung zu stellen. Die mit ___________ 56

Gutsche, Rn. 391; Noack, in: Kübler/Prütting, GesR, Rn. 378 ff., 381; Uhlenbruck, FS Kirchhof, 479, 488. Insbesondere fallen sie auch nicht in den Überschneidungsbereich (vgl. Kapitel 2 A. III., Seite 106). Die Verwendung der beschafften Mittel ist allerdings Gegenstand des Eigenverwaltungsbereichs. 57 Siehe zu Kapitalerhöhungen im regulären Verfahren ausführlich H.-F. Müller, ZGR 2004, 842 ff., zu solchen in der Eigenverwaltung ebenda S. 859. 58 Siehe dazu schon oben A. I. 1., Seite 383, und Kapitel 2 B. II. 2. cc) (2), Seite 120. 59 Siehe A. I. 1., Seite 383, und Kapitel 5 III. 1. a), Seite 215. 60 Von einer Mindermeinung wird dies bestritten (Uhlenbruck, in: Kölner Schrift, S. 1157 ff. Rn. 24; Schlitt, NZG 1998, 755, 756; Götker, Rn. 985). Ihr zufolge sollen die aus einer Kapitalerhöhung resultierenden Mittel dem insolvenzfreien Vermögen zuzuschlagen sein, weil andernfalls Sanierungsbemühungen der Gesellschafter zum Scheitern verurteilt wären. Diese Auffassung ist aber abzulehnen, vgl. Kapitel 4 B. II. 2. b), Seite 194. 61 Die Vereinbarkeit mit dem Insolvenzverfahrenszweck konstatieren etwa Noack, in: Kübler/Prütting, GesR, Rn. 381; H.-F. Müller, ZGR 2004, 842, 844. 62 A. A. H.-F. Müller, ZGR 2004, 842, 859, der solche Rechtshandlungen obendrein wegen offensichtlicher Insolvenzzweckwidrigkeit für nichtig hält, und zwar offenbar aufgrund der Überlegung, dass die Kompetenzen der eigenverwaltenden Gesellschaft und ihrer Organe gegenständlich durch den Insolvenzzweck begrenzt seien, eben wie dies beim Insolvenzverwalter der Fall ist. Diese Begründung kann aber nicht auf den eigenverwaltenden Schuldner übertragen werden, vgl. ausführlich oben Kapitel 1 C. I. 4. b), Seite 83.

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3. Teil: Die Rechtsstellung der Organe einer AG in Eigenverwaltung

einer derartigen Zweckbestimmung aufgebrachten Mittel fließen, da § 35 InsO insoweit teleologisch zu reduzieren ist, allerdings in das insolvenzfreie Gesellschaftsvermögen.63 bb) Maßnahmen der Kapitalherabsetzung Auch nominelle Kapitalherabsetzungen (§§ 222 ff. AktG64) spielen eine bedeutsame Rolle als Sanierungsinstrument.65 Durch sie kann zwar keine rechnerische Überschuldung beseitigt werden, wohl aber eine Unterbilanz, 66 indem das Grundkapital der Aktiengesellschaft an das reduzierte, tatsächliche Gesellschaftsvermögen angeglichen wird (sog. Buchsanierung oder Kapitalschnitt). Diese Anpassung bewirkt, dass die bisher angefallenen Verluste der Gesellschaft allein von den Altaktionären getragen werden.67 Nur dadurch wird es vielfach möglich, Investoren für eine Beteiligung an der insolventen Gesellschaft im Zuge einer sich anschließenden Kapitalerhöhung zu gewinnen.68 Wegen des Verbots der Unterpari-Emission (§ 9 I AktG) wäre es ansonsten praktisch nicht denkbar, neue Aktien zu platzieren, solange die Altaktien wegen der Unterbilanz unter pari notieren.69 Eine nominelle Kapitalherabsetzung fällt auch in der Eigenverwaltung in die Alleinzuständigkeit der Hauptversammlung, da sie lediglich zu einer buchmäßigen Kapitalminderung führt, tatsächlich jedoch mit keiner Auszahlung von Gesellschaftsvermögen an die Aktionäre und also auch keiner Minderung der Insolvenzmasse verbunden ist. Eine solche Kapitalherabsetzung ist nach der mittlerweile h. M. auch in der Insolvenz der Gesellschaft zulässig, und zwar nicht nur, wenn sie zusammen mit einer Kapitalerhöhung beschlossen wird, ___________ 63

Kapitel 4 B. II. 2. b), Seite 194. Eine nominelle Kapitalherabsetzung kann grundsätzlich sowohl im Wege einer vereinfachten Kapitalherabsetzung gem. §§ 229 ff. AktG wie auch im Wege einer ordentlichen Kapitalherabsetzung gem. §§ 222 ff. AktG erfolgen. Da in diesen Fällen aber üblicherweise nicht genug Kapital zur Verfügung steht, um den Gläubigern gem. § 225 AktG Sicherheit zu leisten, kommt regelmäßig nur das Verfahren nach §§ 229 AktG in Betracht (Hüffer, AktG, § 229 Rn. 2). 65 Siehe Wirth, DB 1996, 867, 867, der auf prominente Beispiele verweist. Beispielsweise bei der Sanierung der Girmes AG (vgl. BGH, Urteil vom 20. 3. 1995 – II ZR 205/94, NJW 1995, 1739) und der Sachsenmilch AG (vgl. BGH, Urteil vom 9. 2. 1998 – II ZR 278/96, NJW 1998, 2054) gehörte eine nominelle Kapitalherabsetzung zum Sanierungskonzept. 66 Wirth, DB 1996, 867, 867. 67 Gutsche, Rn. 358; Noack, FS Zöllner, 411, 421. 68 Wirth, DB 1996, 867, 868; Gutsche, Rn. 358; Lutter, in: KK zum AktG, Vorb. vor § 222 Rn. 8. 69 Lutter, in: KK zum AktG, Vorb. vor § 222 Rn. 8. 64

Kap. 7: Die Hauptversammlung in der Eigenverwaltung

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sondern auch, wenn sie isoliert erfolgt.70 Denn auch durch eine isolierte Kapitalherabsetzung droht den Gläubigern kein Nachteil, die Gefährdung ihrer Interessen beruht vielmehr auf den bereits eingetretenen Verlusten.71 Das von der Mindermeinung gegen die Zulässigkeit von Kapitalherabsetzungen in der Insolvenz erhobene Argument, sie seien mit dem Zweck des Insolvenz- bzw. Konkursverfahrens unvereinbar,72 kann nicht durchgreifen. Denn einerseits kann dieser Zweck nach der hier vertretenen Ansicht73 im Schuldnerbereich keine Geltung beanspruchen. Und andererseits verfolgen nominelle Kapitalherabsetzungen, wie gezeigt, zumeist den Zweck, die Sanierung des Unternehmens vorzubereiten, und fördern somit gerade die Interessen der Gläubiger. Effektive Kapitalherabsetzungen führen dagegen zu Ausschüttungsansprüchen der Aktionäre und vermindern dadurch die Insolvenzmasse tatsächlich; sie sind deshalb dem Eigenverwaltungsbereich zuzuordnen.74 b) Umwandlungen Umstrukturierungen nach dem Umwandlungsgesetz spielen ebenfalls eine wichtige Rolle bei der Sanierung insolventer Aktiengesellschaften.75 So kann eine Sanierungsfusion dazu dienen, das Krisenunternehmen mit einem anderen ___________ 70

BGH, Urteil vom 9. 2. 1998 – II ZR 278/96, NJW 1998, 2054, 2056 [Sachsenmilch]; Gutsche, Rn. 358 ff. (GmbH), 391 (AG); Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, § 11 Rn. 195; Hüffer, AktG, § 222 Rn. 24; Krieger, in: MHb GesR IV, § 60 Rn. 13; Noack, in: Kübler/Prütting, GesR, Rn. 382; Wirth, DB 1996, 867, 870; wohl auch Oechsler, in: MK zum AktG, § 229 Rn. 31. Die Zulässigkeit einer isolierten nominellen Kapitalherabsetzung verneinen: Lutter, in: KK zum AktG, § 222 Rn. 53; ders./Hommelhoff, GmbHG, § 58 Rn. 28 (für die GmbH); wohl auch Uhlenbruck, in: Kuhn/Uhlenbruck, KO, § 25 Rn. 7. Jede Art einer Kapitalherabsetzung im Insolvenzverfahren für unzulässig halten: Wiedemann, in: GK zum AktG, 3. Auflage, § 179 Anm. 1; Baumbach/Hueck, AktG, vor § 179 Anm. 2. Eidenmüller, in: MK zur InsO, § 230 Rn. 64 hält Kapitalerhöhungen und die diese vorbereitenden nominellen Kapitalherabsetzungen, die zur Übernahme von Beteiligungen durch Gläubiger bestimmt sind, für unzulässig, solange kein Fortsetzungsbeschluss getroffen worden ist. 71 BGH, Urteil vom 9. 2. 1998 – II ZR 278/96, NJW 1998, 2054, 2056 [Sachsenmilch]. 72 Wiedemann, in: GK zum AktG, 3. Auflage, § 179 Anm. 1; Baumbach/Hueck, AktG, vor § 179 Anm. 2. 73 A. I. 1., Seite 383, und Kapitel 5 A. III. 1. a), Seite 215. 74 Siehe unten B. I. 3., Seite 407. Im regulären Insolvenzverfahren sind effektive Kapitalerhöhungen dagegen wegen Kompetenzüberschreitung gem. § 81 I 1 InsO unwirksam (Gutsche, Rn. 357; ähnlich Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, § 11 Rn. 1945: „unzulässig“). 75 Noack, FS Zöllner, 411, 424; ausführlich Limmer, in: Kölner Schrift, S. 1219 ff.; ferner K. Schmidt, in: Die GmbH in Krise, Sanierung und Insolvenz, Rn. 379 ff.

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3. Teil: Die Rechtsstellung der Organe einer AG in Eigenverwaltung

Unternehmen zu einer Fortführungsgesellschaft zu verschmelzen,76 durch eine Spaltung können gesunde von defizitären Geschäftsbereichen getrennt und anschließend separat veräußert werden.77 Ein Rechtsformwechsel, etwa in eine GmbH (§§ 238 bis 250 UmwG), kann schließlich angebracht sein, wenn sich die Zahl der Aktionäre so verringert hat, dass sich der mit der Aktiengesellschaft verbundene erhöhte Verwaltungskostenaufwand nicht mehr rechtfertigt78 und es demgegenüber vorteilhafter ist, die Gesellschaft in die einfachere und flexiblere Rechtsform der GmbH zurückzuführen79. Da Umwandlungen allein den Rechtsträger betreffen und keinen Einfluss auf die Insolvenzmasse haben, verbleiben auch sie in der Alleinzuständigkeit der Hauptversammlung (§§ 13 I 1, 62 ff., 125 S. 1, 193 I 1 UmwG).80 Allerdings können Verschmelzungen, Spaltungen und Formwechsel während des Eigenverwaltungsverfahrens nicht durchgeführt werden. Denn aufgelöste Rechtsträger sind nur dann umwandlungsfähig, wenn ihre Fortsetzung beschlossen werden könnte (§§ 3 III, 124 II, 191 III UmwG). Das aber ist bei einer durch die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens aufgelösten Aktiengesellschaft für die Dauer des Verfahrens nicht der Fall.81 Sie kann erst und allein dann fortgesetzt werden, wenn das Verfahren entweder auf Antrag der Schuldnergesellschaft gem. §§ 212, 213 InsO eingestellt oder gem. § 258 InsO nach der Bestätigung eines Insolvenzplans aufgehoben worden ist, § 274 II Nr. 1 AktG. Einen Ausweg aus diesem Dilemma bietet ein (bedingter) Insolvenzplan, in den die Zustimmungsbeschlüsse der Hauptversammlung zur Umwandlung ___________ 76 Siehe dazu Limmer, in: Kölner Schrift, S. 1219 ff. Rn. 16–40; zu Sanierungsgesellschaften allgemein Groß, Sanierung durch Fortführungsgesellschaften, S. 255 ff. 77 Zu weiteren Beweggründen siehe Lutter, UmwG, § 123 Rn. 29 ff. Da der Schuldenübergang im Spaltungsvertrag flexibel gestaltet werden kann, ist auch die Trennung des fortführungswerten Vermögens von den Schulden mögliches Ziel einer Spaltung (Limmer, in: Kölner Schrift, S. 1219 ff. Rn. 43). Während Limmer, in: Kölner Schrift, S. 1219 ff. Rn. 43 aufgrund der Flexibilität des Spaltungsrechts erwartet, dass Spaltungen zu Sanierungszwecken erhebliche Bedeutung gewinnen werden, bezweifelt Noack, FS Zöllner, 411, 424 dies wegen der gesamtschuldnerischen Haftung der beteiligten Rechtsträger (§ 133 UmwG). 78 Groß, Sanierung durch Fortführungsgesellschaften, S. 304 Rn. 110; Limmer, in: Kölner Schrift, S. 1219 ff. Rn. 58. Ein weiteres Motiv kann darin liegen, dass die Gläubiger eine persönliche Haftung der Gesellschafter fordern (Noack, FS Zöllner, 411, 424). 79 Lutter, UmwG, Vor § 190 Rn. 21. 80 K. Schmidt, in: Die GmbH in Krise, Sanierung und Insolvenz, Rn. 1181; ders., in: Kölner Schrift, S. 1199 ff. Rn. 25, Rn. 27; Noack, ZIP 2002, 1873, 1874. Umwandlungen haben aber vor allem deshalb keinen Einfluss auf die Insolvenzmasse, weil sie während eines Insolvenzverfahrens nicht durchgeführt werden können. 81 Lutter, UmwG, § 3 Rn. 12; Noack, FS Zöllner, 411, 424 f.; ders., in: Kübler/Prütting, GesR, Rn. 420; Limmer, in: Kölner Schrift, S. 1219 ff. Rn. 70; für den übernehmenden Rechtsträger Bayer, ZIP 1997, 1613, 1614. Dasselbe gilt gem. § 60 I Nr. 4 Hs. 2 GmbHG für eine GmbH.

Kap. 7: Die Hauptversammlung in der Eigenverwaltung

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bereits aufgenommen werden können, wohingegen der eigentliche Umwandlungsvertrag erst nach Aufhebung des Verfahrens geschlossen werden kann.82 c) Änderung der Beteiligungsstruktur Die Reorganisation einer Aktiengesellschaft wird schließlich häufig nur Erfolg haben, wenn die Beteiligungsverhältnisse an dem Unternehmen geändert werden.83 Mit der Aufnahme neuer Gesellschafter können verschiedene Motive verfolgen werden. Beispielsweise können Gläubiger durch eine Beteiligung an der insolventen Gesellschaft befriedigt werden,84 meistens wird aber bezweckt sein, durch die Gewährung von Anteilen neue Investoren zu gewinnen. Für diese kann die Beteiligung am Eigenkapital unter Umständen der Zuführung von Fremdkapital vorzuziehen sein, weil ihnen die Mitgliedsrechte einen größeren Einfluss auf das Unternehmen sichern und sie im Erfolgsfall sogar an den Sanierungsgewinnen beteiligt werden. Neue Aktionäre können auf zwei Wegen in die Gesellschaft aufgenommen werden: entweder durch die Ausgabe neuer Aktien im Zuge einer Kapitalerhöhung85 oder durch die Übertragung einer bestehenden Beteiligung. Im Falle der Kapitalerhöhung ist zur gezielten Aufnahme bestimmter neuer Aktionäre ein Ausschluss des Bezugsrechts der Altaktionäre gem. § 186 III, IV AktG erforderlich, für den es allerdings neben weiteren formellen Voraussetzungen einer besonderen sachlichen Rechtfertigung bedarf. Der Ausschluss muss im Interesse der Gesellschaft stehen und unter Berücksichtigung der Folgen für die ausgeschlossenen Aktionäre verhältnismäßig sein.86 Diese Anforderungen werden aber in der Regel erfüllt, wenn der Bezugsrechtsausschluss Sanierungszwecken ___________ 82 Eingehend Noack, FS Zöllner, 411, 426 ff.; Limmer, in: Kölner Schrift, S. 1219 ff. Rn. 71 ff. 83 Vgl. Bundesregierung, Begründung zu § 262 RegE InsO [Sanierung des Schuldners], BT-Drucks. 12/2443, S. 198, der durch den Rechtsausschuss, im Rahmen einer „redaktionellen Straffung“ gestrichen worden ist (Begründung zu §§ 258–262 RegE, Anmerkung Nr. 138 BeschlussE InsO, BT-Drucks. 12/7302, S. 182). Siehe ferner K. Schmidt, in: Die GmbH in Krise, Sanierung und Insolvenz, Rn. 374 ff.; Flessner, in: HK zur InsO, § 221 Rn. 3; Smid/Rattunde, Insolvenzplan, Rn. 336 ff.; Buchalik, NZI 2000, 294, 296; ders., FS Metzeler, 225, 246. Zum Ausschluss eines Gesellschafters als Sanierungsinstrument siehe H.-F. Müller, S. 350, insbesondere S. 351 und 358; Schwalme, DZWIR 2004, 230, 232. 84 Flessner, in: HK zur InsO, 2. Auflage, § 221 Rn. 3. 85 Dazu schon vorstehend a), Seite 391. Zum Teil werden auch Treuhandverhältnisse eingesetzt, siehe Buchalik, FS Metzeler, 225, 246 und 259 ff. 86 BGH, Urteil vom 13. 3. 1978 – II ZR 142/76, BGHZ 71, 40, 43 ff. [Kali und Salz]; BGH, Urteil vom 19. 4. 1983 – II ZR 55/81, BGHZ 83, 319, 320 f.; Hüffer, AktG, § 186 Rn. 25; Krieger, in: MHb GesR IV, § 56 Rn. 68 ff.

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3. Teil: Die Rechtsstellung der Organe einer AG in Eigenverwaltung

dient und sonst der Fortbestand der Gesellschaft gefährdet ist,87 etwa wenn ein potentieller Kapitalgeber sein Engagement von der Gewährung von Anteilen oder gar einer Mehrheitsbeteiligung abhängig macht. Der Bezugsrechtsausschluss stellt insoweit also kein Reorganisationshindernis dar. Sollen demgegenüber bereits existierende Aktien übertragen werden, können die dafür erforderlichen Willenserklärungen der Altaktionäre und des Investors in den Insolvenzplan aufgenommen werden (vgl. § 254 I 1 InsO).88 Eine Besonderheit gilt für eigene Aktien (§ 71 AktG). Denn diese fallen als Bestandteile des Gesellschaftsvermögens in die Insolvenzmasse, so dass ihre Veräußerung eine Angelegenheit des Eigenverwaltungsbereichs darstellt und durch den Vorstand, ggf. unter Mitwirkung der Hauptversammlung (§ 71 I Nr. 8 S. 5 AktG), vorgenommen werden kann.89 Zur Änderung der Beteiligungsstruktur kann auch ein Ausschluss von Aktionären erforderlich sein,90 etwa wenn diese eine für den Fortbestand der Gesellschaft notwendige Umstrukturierung blockieren. Für eine Zwangseinziehung nach § 237 I AktG wird es zumeist an der erforderlichen Satzungsbestimmung fehlen und auch eine Kaduzierung nach § 64 I AktG ist nur gegenüber säumigen Aktionären möglich, so dass diese Ausschlusstatbestände für eine Sanierung in der Regel ausscheiden. Eine Möglichkeit bietet aber das Squeeze-Out Verfahren gem. §§ 327a ff. AktG. Existiert ein Hauptaktionär, der wenigstens 95 % der Aktien hält, kann die Hauptversammlung auf sein Verlangen beschließen, dass die Aktien der Minderheitsaktionäre gegen eine angemessene Barabfindung auf ihn übergehen, § 327a I 1 AktG. Da nicht die Gesellschaft, sondern der Hauptaktionär die Barabfindung schuldet, 91 fällt auch der Squeeze-Out-Beschluss in den Schuldnerbereich. Allerdings werden solche Übertragungsbeschlüsse in der Insolvenz für unzulässig erachtet, weil der Ausschluss auf die Beseitigung von Reibungsverlusten in werbenden Gesellschaften gerichtet und nicht mit dem Zweck von ___________ 87 LG Heidelberg, Urteil vom 16. 3. 1988 – O 6/88 KfH II, ZIP 1988, 1257, 1258; Wiedemann, in: GK zum AktG, 4. Auflage, § 186 Rn. 142; Lutter, in: KK zum AktG, § 186 Rn. 70; K. Schmidt, in: Die GmbH in Krise, Sanierung und Insolvenz, Rn. 374 (zum Bezugsrechtsausschluss zu Sanierungszwecken in der GmbH). 88 Limmer, in: Kölner Schrift, S. 1219 ff. Rn. 72; Eidenmüller, in: MK zur InsO, § 221 Rn. 83. 89 Vgl. oben Kapitel 5 B. I. 1., Seite 232. 90 Zum Ausschluss eines Aktionärs als Sanierungsinstrument siehe H.-F. Müller, S. 350, insbesondere S. 351 und 358; Schwalme, DZWIR 2004, 230, 232. 91 Insoweit ist § 327a AktG missverständlich, nach der die Barabfindung zum Beschlussinhalt gehört. Dass der Hauptaktionär der Schuldner der Abfindung ist ergibt sich aber aus § 327b AktG, vgl. auch Hüffer, AktG, § 327a Rn. 10; Koppensteiner, in: KK zum AktG, Vorb. § 327a Rn. 2.

Kap. 7: Die Hauptversammlung in der Eigenverwaltung

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Abwicklungsgesellschaften zu vereinbaren sei.92 Richtigerweise ist allerdings davon auszugehen, dass der Zweck einer Aktiengesellschaft in Eigenverwaltung nicht auf die Abwicklung, sondern auf eine werbende Tätigkeit gerichtet ist,93 so dass dieser Ansicht nicht gefolgt werden kann. Ein Squeeze-Out ist in der Eigenverwaltung also zulässig. Darüber hinaus können nach einer Mindermeinung Aktionäre ausgeschlossen werden, wenn ein wichtiger Grund in ihrer Person gegeben ist, aufgrund dessen den übrigen Aktionären eine Fortsetzung des Gesellschaftsverhältnisses bei Abwägung aller Umstände nicht mehr zuzumuten ist.94 Das wird bei Publikumsgesellschaften allerdings nur selten angenommen werden können.95 Außerdem sind die Anforderungen an den wichtigen Grund so hoch zu stecken, dass ein Ausschluss in diesem Wege wohl nur in Ausnahmefällen als Sanierungsinstrument in Betracht kommt.96 Da sich hier der Abfindungsanspruch des auszuschließenden Aktionärs gegen die Gesellschaft selbst richtet,97 ist diese Maßnahme überdies dem Eigenverwaltungsbereich zuzuordnen.

B. Die Stellung der Hauptversammlung im Eigenverwaltungsbereich Die Zuständigkeit der Hauptversammlung im Eigenverwaltungsbereich98 erstreckt sich auf sämtliche ihrer aktien- oder spezialgesetzlichen Befugnisse, die potentiell nachteilhafte Auswirkungen auf die Insolvenzmasse haben können (nachfolgend I.). Dieser Aufgabenkreis ist vor allem dadurch gekennzeichnet, dass er insolvenzrechtlichen Beschränkungen unterliegt (nachfolgend II.), die Hauptversammlung also nicht mehr autonom entscheiden darf. Für die bei der Ausübung dieser Befugnisse verursachten Kosten haben nach der im vierten ___________ 92

Koppensteiner, in: KK zum AktG, 3. Auflage, § 327a Rn. 2; a. A. die wohl h. M.: Grunewald, in: MK zum AktG, § 327a Rn. 4; Hüffer, AktG, § 327a Rn. 6. 93 Dazu oben A. I. 1., Seite 383. 94 Krieger, in: MHb GesR IV, § 62 Rn. 28; Lutter, in: KK zum AktG, § 237 Rn. 120, 122; wohl auch Hüffer, in: MK zum AktG, § 237 Rn. 56; H.-F. Müller, S. 351 m. w. N.; a. A. BGH, Urteil vom 1. 4. 1953 – II ZR 235/52, BGHZ 9, 157, 163; BGH, Urteil vom 27. 10. 1955 – II ZR 310/53, BGHZ 18, 350, 365. Ausreichend soll es sein, dass ein neuer Investor den Ausschluss eines Gesellschafters zur Bedingung für einen Mittelzufluss macht: Kommission für InsR, Erster Bericht, Begründung zu Leitsatz 2.4.9.6, S. 283; zustimmend Schwalme, DZWIR 2004, 230, 232. 95 Krieger, in: MHb GesR IV, § 62 Rn. 28; Lutter, in: KK zum AktG, § 237 Rn. 120, 122. 96 Weitergehend H.-F. Müller, S. 252 ff. 97 Vgl. Lutter, in: KK zum AktG, § 237 Rn. 127 ff.; H.-F. Müller, S. 357. 98 Dazu allgemein Kapitel 4 A. III., Seite 184.

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3. Teil: Die Rechtsstellung der Organe einer AG in Eigenverwaltung

Kapitel entwickelten Wertung die Gläubiger einzustehen, da die Hauptversammlung insoweit überwiegend in ihrem Interesse tätig wird.99 I. Zuständigkeiten im Eigenverwaltungsbereich Da die Hauptversammlung prinzipiell von der Geschäftsführung ausgeschlossen ist (§ 119 II AktG) und nur in seltenen Fällen unmittelbar oder mittelbar an massebezogenen Rechtshandlungen beteiligt ist, erfasst der Eigenverwaltungsbereich nur einen engen Kreis an Befugnissen der Hauptversammlung. Zu nennen sind namentlich die Festsetzung der Aufsichtsratsbezüge (folgend 1.), Restkompetenzen bei der Bestellung von Prüfern (folgend 2.) und einige sonstige Kompetenzen (folgend 3.). 1. Festsetzung der Aufsichtsratsbezüge (§ 113 I 2, 4 AktG) Während die Bestellung und Abberufung des Aufsichtsrates Sache des Schuldnerbereichs ist,100 fallen Handlungen, die dessen Vergütung betreffen (Festsetzung, Streichung oder Herabsetzung101), in den Eigenverwaltungsbereich, da die Vergütung des Aufsichtsrates in der Eigenverwaltung aus der Masse zu erbringen ist.102 Dass es sich bei dem Rechtsverhältnis des Aufsichtsrates zur Gesellschaft um ein einheitliches Verhältnis sowohl korporations- wie auch schuldrechtlichen Inhalts handelt, steht, wie bereits an anderer Stelle erörtert worden ist, einer solchen Aufspaltung nicht entgegen; die Teilbarkeit wird vielmehr sogar in § 113 I 2, 4 AktG vorausgesetzt.103 Bei der Festlegung der Aufsichtsratsvergütung unterliegt die Hauptversammlung daher insolvenzrechtlichen Bindungen.104 Insbesondere muss sie sich am Grundsatz einer optimalen Gläubigerbefriedigung (§ 1 S. 1 InsO) orientieren, der ihr unter Umständen sogar die Herabsetzung bzw. Streichung der Aufsichtsratsbezüge gebieten kann. Für weitere Einzelheiten ist auf die Darstellung in Kapitel 6105 zu verweisen. ___________ 99

Kapitel 4 B. II. 1., Seite 188. A. II. 1., Seite 385. 101 Dass auch die Streichung oder Herabsetzung der Aufsichtsratsvergütung dem Eigenverwaltungsbereich zuzuordnen sind, obwohl sie prima facie die Insolvenzmasse nicht vermindern, sondern entlasten, folgt daraus, dass sie, wenn sie unberechtigt erfolgen, Schadenersatzansprüche auslösen können. Außerdem erschiene es künstlich, sie als actus contrarius zur Festsetzung anders als diese zu behandeln. 102 Kapitel 6 C. II. 3., Seite 376; vgl. auch Kapitel 4 B. II. 2. a), Seite 193. 103 Kapitel 6 C. II. 2., Seite 373. 104 Dazu unten II. 1., Seite 408. 105 Dort C. II., Seite 369. 100

Kap. 7: Die Hauptversammlung in der Eigenverwaltung

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2. Die Bestellung von Prüfern oder besonderen Vertretern Die Hauptversammlung ist außerhalb eines Insolvenzverfahrens befugt, zur Feststellung und Verfolgung von Ersatzansprüchen gegen Gründer, Verwaltungsmitglieder und weitere Personen Sonderprüfer (§ 142 I 1 AktG) oder besondere Vertreter (§ 147 II 1 AktG) zu bestellen und mit diesen entsprechende Verträge zu schließen.106 Außerdem obliegt ihr gem. § 119 I Nr. 4 AktG, § 318 I 1 HGB die Bestellung des Abschlussprüfers für den Jahresabschluss.107 Wegen des Massebezuges wären diese Hauptversammlungsbefugnisse in der Eigenverwaltung grundsätzlich dem Eigenverwaltungsbereich zuzuordnen; es ist aber fraglich, ob sie überhaupt fortbestehen. a) Bestellung eines Sonderprüfers (§ 142 I 1 AktG) oder eines besonderen Vertreters (§ 147 II 1 AktG) In Bezug auf die §§ 142, 147 AktG ist zu beachten, dass die Geltendmachung von Ersatzansprüchen in der Eigenverwaltung gem. §§ 62 II 2, 93 V 4, 116, 117 V 3 AktG ausschließlich der Zuständigkeit des Sachwalters zugeordnet ist, der die Gesellschaftsorgane insoweit verdrängt (Sachwalterverdrängungsbereich).108 Daher ist auch für die Bestellung eines besonderen Vertreters durch die Hauptversammlung nach § 147 II 1 AktG kein Raum, da sich dessen Aufgabe in der Verfolgung eben dieser Ansprüche erschöpft. Dasselbe gilt aber nicht ohne weiteres für einen nach § 142 I 1 AktG zu bestellenden Sonderprüfer. Mag zwar die Sonderprüfung primär dazu dienen, die tatsächlichen Grundlagen etwaiger Ersatzansprüche der Gesellschaft aufzuklären,109 und sich insoweit ebenfalls mit den Kompetenzen des Sachwalters aus §§ 62 II 2, 93 V 4, 116 AktG decken. Doch bezweckt sie darüber hinaus auch einen präventiven Schutz der Gesellschaft vor derartigen Pflichtwidrigkeiten und soll die Entscheidung ermöglichen, ob wegen eines bestimmten Fehlverhaltens der „Geschäftsführung“, d. h. eines Vorstands- oder Aufsichtsratsmitglieds,110 personelle Konsequenzen zu ziehen sind, namentlich ob das Organmitglied aus wichtigem Grund abzuberufen (§§ 84 III 1, 103 III AktG) oder ob ___________ 106 Die Vertretungsmacht der Hauptversammlung folgt hier als Annexkompetenz aus der Zuständigkeit für die Bestellung, vgl. Hüffer, AktG, § 142 Rn. 11; i. E. Semler, in: MHb GesR IV, § 42 Rn. 10. 107 Die Beauftragung des Abschlussprüfers erfolgt gem. § 111 II 3 AktG durch den Aufsichtsrat. 108 Kapitel 4 A. I., Seite 182. 109 Hüffer, AktG, § 142 Rn. 1; Schröer, in: MK zum AktG, § 142 Rn. 4. 110 Der Begriff der Geschäftsführung i. S. d. § 142 I 1 AktG erfasst den Vorstand und den Aufsichtsrat gleichermaßen, vgl. Hüffer, AktG, § 142 Rn. 4 und 5.

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3. Teil: Die Rechtsstellung der Organe einer AG in Eigenverwaltung

ihm das Vertrauen zu entziehen ist (§ 84 III 2 AktG).111 Diese Personalentscheidung verbleibt jedoch während des Eigenverwaltungsverfahrens uneingeschränkt bei den jeweiligen Gesellschaftsorganen.112 Da insofern also keine Überschneidung mit den Kompetenzen des Sachwalters existiert, kann auch das Recht zur Anordnung einer Sonderprüfung gem. § 142 I 1 AktG nicht verdrängt werden. Der Hauptversammlung diese Befugnis abzusprechen, entzöge ihr ohne Not ein wesentliches Mittel der Kontrolle und könnte das satzungsmäßige Gefüge der Gesellschaft stören. Daher wird die Befugnis aus § 142 I 1 AktG in der Eigenverwaltung insoweit nicht verdrängt, wie die Sonderprüfung gegen Vorstand und Aufsichtsrat, also gegen die „Geschäftsführung“ i. S. d. § 142 I 1 AktG, gerichtet ist, dagegen aber durchaus, was Gründungsvorgänge i. S. d. § 142 I 1 AktG anbelangt. Damit die Insolvenzmasse nicht unnötig belastet wird, ist die Hauptversammlung aber gehalten, von dem Recht aus § 142 I 1 AktG solange keinen Gebrauch zu machen, wie der Sachwalter pflichtwidriges Verhalten von Vorstands- oder Aufsichtsratsmitgliedern untersucht und die Ergebnisse dieser Prüfung der Hauptversammlung eine hinreichende Entscheidungsgrundlage für etwaige personelle Konsequenzen bieten. b) Bestellung eines Abschlussprüfers gem. § 318 I 1 HGB Ungewiss ist, wer in der Eigenverwaltung einer Aktiengesellschaft für die Bestellung eines Abschlussprüfers gem. § 318 HGB zuständig ist. Die Pflicht zur Prüfung Jahresabschlusses und des Lageberichts durch einen Abschlussprüfer (§ 316 I 1 HGB) besteht auch in der Insolvenz fort, wenn die Aktiengesellschaft nicht gem. §§ 316 I 1, 267 I HGB aufgrund ihrer Größe oder analog § 270 III AktG aufgrund der Einfachheit ihrer Verhältnisse von der Prüfungspflicht befreit ist.113 Üblicherweise wählt die Hauptversammlung den Abschlussprüfer (§ 318 I 1 HGB, § 119 I Nr. 4 AktG), im regulären Insolvenzverfahren wird er dagegen gem. § 155 III 1 InsO ausschließlich durch das Registergericht auf Antrag des Insolvenzverwalters bestellt, § 155 III 1 InsO. Für die Eigenverwaltung ordnet § 281 III 1 InsO lediglich an, dass „zur Rechnungs___________ 111

Schröer, in: MK zum AktG, § 142 Rn. 4, 5. Siehe Kapitel 6 A. I., Seite 350, und oben A. II. 1., Seite 385. 113 Kübler, in: Kübler/Prütting, InsO, § 155 Rn. 65 f. m. w. N.; Breutigam, in: BK zum InsR, § 155 Rn. 11; von der entsprechenden Anwendbarkeit des § 270 III AktG geht auch ausdrücklich die Bundesregierung, Begründung zu § 174 RegE InsO (= § 155 InsO), BT-Drucks. 12/2443, S. 173. Gegen eine direkte Anwendung des § 270 III AktG (so etwa H.-P. Müller/Gelhausen, FS Claussen, 687, 699) spricht § 264 I 1 AktG, nach dem diese Vorschrift im Insolvenzverfahren nicht gilt, vgl. Kapitel 2 B. I. 2., Seite 109. Allerdings wird eine Befreiung analog § 270 III AktG in der Eigenverwaltung regelmäßig nicht in Betracht kommen, weil sie fast ausschließlich in Fortführungsfällen angeordnet wird, so dass es zu keiner Vereinfachung ihrer Verhältnisse kommt. 112

Kap. 7: Die Hauptversammlung in der Eigenverwaltung

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legung (§§ 66, 155) der Schuldner verpflichtet [ist]“. Die Reichweite und Bedeutung dieses Verweises sind aber nicht ohne weiteres ersichtlich. So ist einerseits nicht klar, ob auch § 155 III 1 InsO zur Anwendung kommen soll, ob also die Bestellungskompetenz beim Registergericht liegen und dem eigenverwaltenden Schuldner nur ein Antragsrecht zukommen soll, unten aa). Denkbar ist allerdings auch, dass es in der Eigenverwaltung, in der die gesellschaftsrechtliche Zuständigkeitsordnung ja grundsätzlich fortgilt, wieder zu der üblichen Aufteilung der Zuständigkeit zwischen Hauptversammlung und Aufsichtsrat kommt, die der durch § 155 III 1 InsO angeordneten Aufteilung zwischen Registergericht und Insolvenzverwalter so weitgehend entsprechen könnte, dass es der Regelung des § 155 III 1 InsO gar nicht bedarf. Andererseits ist unklar, welches Gesellschaftsorgan intern für die das Antragsrecht „des Schuldners“ zuständig ist, sollte § 155 III 1 InsO anzuwenden sein, unten bb). Von der Bestellung des Abschlussprüfers ist die Befugnis zur Erteilung des Prüfungsauftrags zu unterscheiden, die gem. § 111 II 3 AktG, § 318 I 4 HGB normalerweise dem Aufsichtsrat obliegt und die in einem regulären Verfahren gem. § 80 I InsO auf den Insolvenzverwalter übergeht.114 § 155 III 1 InsO erfasst nur die Bestellung des Abschlussprüfers und findet daher keine Anwendung. Demgegenüber verbleibt die Erteilungsbefugnis in der Eigenverwaltung gem. § 270 I 1 InsO bei der Gesellschaft und steht dort intern nach der gesellschaftsrechtlichen Zuständigkeitsordnung, die in der Eigenverwaltung grundsätzlich fortgilt,115 wie außerhalb eines Insolvenzverfahrens dem Aufsichtsrat zu (§ 111 II 3 AktG, § 318 I 4 HGB). Der Aufsichtsrat ist insoweit zur Begründung von Masseverbindlichkeiten berechtigt (§ 112 AktG). aa) Anwendbarkeit des § 155 III 1 InsO in der Eigenverwaltung Die Anwendbarkeit des § 155 III 1 InsO in der Eigenverwaltung ist über eine Auslegung der Verweisungsnorm des § 281 III 1 InsO zu beantworten. Betrachtet man den Wortlaut dieser Vorschrift, ergibt sich ein ambivalentes Bild. Während der in Klammern gesetzte Verweis auf „§ 155“ InsO darauf deutet, dass auch § 155 III InsO über § 281 III 1 anzuwenden ist, also nur das Antragsrecht des § 155 III 1 InsO auf den Schuldner übergeht, die Bestellungskompetenz aber beim Gericht verbleibt,116 weist der Begriff „Rechnungslegung“ und die Nennung des § 66 InsO eher darauf, dass der Verweis lediglich Art und Inhalt der Rechnungslegung betrifft, also klarstellen will, dass auch der Schuldner ___________ 114

Im Ergebnis ebenso Boochs, in: FK zur InsO, § 155 Rn. 104, der allerdings § 318 I 4 HGB nur analog anwenden will. 115 Kapitel 5 B. II. 2. a) cc), Seite 272. 116 In diesem Sinne Blersch, in: BK zum InsR, § 281 Rn. 9.

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3. Teil: Die Rechtsstellung der Organe einer AG in Eigenverwaltung

wie der Insolvenzverwalter zu einer „dualen Rechnungslegung“117 verpflichtet ist. Die amtliche Begründung zu § 281 InsO schweigt zum dritten Absatz völlig,118 besagt allerdings an anderer Stelle wiederholt, dass die Vorschriften des materiellen Insolvenzrechts in der Eigenverwaltung „im Grundsatz unverändert gelten“ sollen.119 Das spricht stark für die Geltung des § 155 III 1 InsO in der Eigenverwaltung. Der Zweck des § 281 III 1 InsO wird überwiegend darin gesehen, den Schuldner zur dualen Rechnungslegung zu verpflichten,120 woraus aber für die hier interessierende Frage nichts abgeleitet werden kann. Abgestellt werden kann allerdings auf die Zielsetzung des mutmaßlich in Bezug genommenen § 155 III 1 InsO. Die Befugnis der Gesellschafter, den Abschlussprüfer zu wählen (§ 318 I 1 HGB), soll nach der amtlichen Begründung im Insolvenzverfahren deshalb nicht fortgelten, weil sie wegen der wirtschaftlichen Bedeutung der Bestellung eines Abschlussprüfers im Insolvenzverfahren nicht mehr angemessen erscheint.121 Befürchtet wird offenbar ein Missbrauch durch die Schuldnergesellschaft. Dieses Misstrauen ist aber erst recht in einem Eigenverwaltungsverfahren angebracht, in dem der Schuldner selbst die durch den Abschlussprüfer zu begutachtende Rechnungslegung durchführt und in der die Missbrauchsgefahr daher ungleich größer ist. Daran änderte auch – wie eingangs erwogen – die übliche gemeinsame Zuständigkeit von Hauptversammlung (Bestellung) und Aufsichtsrat (Auftragserteilung) nichts. Denn der Aufsichtsrat ist verpflichtet, der Entscheidung der Hauptversammlung Folge zu leisten (vgl. § 318 I 4 HGB), und hat somit keinen Spielraum, die Zweckmäßigkeit dieser Entscheidung zu überprüfen. Außerdem ist dem Aufsichtsrat derselbe Argwohn entgegenzubringen wie den Gesellschaftern, da auch er im Zweifel der Gesellschaft näher steht als den Gläubigern. Aus diesem Grunde ist ___________ 117 Mit „dualer Rechnungslegung“ wird die Pflicht des Insolvenzverwalters bezeichnet, sowohl eine insolvenzrechtliche (sog. interne) Rechnungslegung (§ 66 InsO) als auch eine handels- und steuerrechtliche (sog. externe) Rechnungslegung (§ 155 InsO) sowie eine ordnungsgemäße Buchführung durchzuführen, vgl. Haarmeyer/Wutzke/Förster, Kap. 5 Rn. 144; ausführlich zur Rechnungslegung in der Insolvenz einer Kapitalgesellschaft Pink, ZIP 1997, 177 ff., der eine Harmonisierung vorschlägt. 118 Vgl. Bundesregierung, Begründung zu § 342 RegE InsO (= § 281 InsO), BTDrucks. 12/2443, S. 225. 119 Etwa Bundesregierung, vor § 331 RegE InsO (= § 270 InsO), BT-Drucks. 12/2443, S. 223. 120 Die überwiegende Kommentarliteratur erschöpft sich in der Darstellung des Zwecks des § 281 III 1 InsO in diesem Sinne: Wittig, in: MK zur InsO, § 281 Rn. 27; Uhlenbruck, in: Uhlenbruck, InsO, § 281 Rn. 5; Foltis, in: FK zur InsO, § 281 Rn. 26. 121 Vgl. Bundesregierung, Begründung zu § 174 RegE InsO (= § 155 InsO), BTDrucks. 12/2443, S. 173.

Kap. 7: Die Hauptversammlung in der Eigenverwaltung

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die Geltung des § 155 III 1 InsO zum Schutze der Gläubiger gerade in der Eigenveraltung geboten. Da nicht angenommen werden kann, dass der Gesetzgeber auf diesen Schutz verzichten wollte, kann der Verweis des § 281 III 1 InsO auf § 155 InsO nur so verstanden werden, dass auch dessen dritter Absatz erfasst wird. Im Ergebnis ist § 281 III 1 InsO mithin aus historischen und teleologischen Erwägungen so auszulegen, dass die Bestellung eines Abschlussprüfers in der Eigenverwaltung gem. § 155 III 1 InsO durch das Registergericht auf Antrag des Schuldners erfolgt.122 Die Bestellungskompetenz der Hauptversammlung aus § 318 I 1 HGB wird also verdrängt. bb) Gesellschaftsinterne Zuständigkeit Zu klären bleibt damit, welches Gesellschaftsorgan das Antragsrechts „des Schuldners“, also der Aktiengesellschaft, gesellschaftsintern auszuüben berechtigt ist. Da es sich hierbei um ein insolvenzrechtliches Verfahrensrecht handelt, fiele die Zuständigkeit nach den allgemeinen Regeln eigentlich dem Vorstand als gesetzlichem Vertreter der Gesellschaft (§ 78 I AktG) zu.123 Das ist jedoch insoweit bedenklich, als der Vorstand während der Eigenverwaltung auch für die Erstellung der Abschlüsse verantwortlich ist (§§ 281 III 1, 155, 66 InsO, §§ 78 I, 91 I AktG),124 die den Gegenstand der Prüfung bilden. Aus eben diesem Grunde ist aber der Vorstand außerhalb des Insolvenzverfahrens von der Mitwirkung in Angelegenheiten, die die Abschlussprüfung betreffen, umfänglich ausgeschlossen (vgl. §§ 111 II 3, 124 III 1 AktG, § 318 I 1 und 4 HGB). Die Kompetenz zur Erteilung des Prüfungsauftrags wurde dem Vorstand125 durch Art. 1 Nr. 12 KonTraG sogar ausdrücklich mit dem Zweck entzogen und dem Aufsichtsrat zugewiesen (§ 111 II 3 AktG), eine Signalwirkung zu entfalten und die Unabhängigkeit des Prüfers vom Vorstand zu unterstreichen.126 Der Vorstand soll also grundsätzlich nicht bei der Auswahl und Beauftragung desjenigen Prüfers mitwirken, der ihn kontrolliert. Wenn dieser Grundsatz aber schon für wirtschaftlich gesunde Zeiten besteht, so muss er erst recht in der Krise Geltung bewahren, wo die Gefahr einer Manipulation erheblich gesteigert ist. Zwar erhielte der Vorstand auch durch das Recht des § 155 III 1 InsO kei___________ 122

I. E. ebenso Blersch, in: BK zum InsR, § 281 Rn. 9. Vgl. Kapitel 5 A. II. 4., Seite 214 (Schuldnerbereich), und B. II. 2. a) cc), Seite 272 (Eigenverwaltungsbereich). 124 Vgl. Kapitel 5 B. I. 3., Seite 237. 125 Zu bisherigen Zuständigkeit vgl. Hüffer, AktG, § 111 Rn. 12a. 126 Bundesregierung, Begründung zu Art. 1 Nr. 10 RegE KonTraG (= § 111 II 3 Akt), BT-Drucks. 13/9712, S. 16; Hüffer, AktG, § 111 Rn. 12a. 123

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3. Teil: Die Rechtsstellung der Organe einer AG in Eigenverwaltung

nen unmittelbaren Einfluss auf die Person des Abschlussprüfers, da die Auswahl durch das Gericht erfolgt, doch könnte er durch ein Unterlassen oder eine Verzögerung der Antragstellung das Prüfungsverfahren behindern und dadurch unter Umständen auch mittelbar auf die Entscheidung des Gerichts einwirken. Aus diesen Gründen ist dem Vorstand die Befugnis abzusprechen, den Antrag auf Bestellung des Abschlussprüfers gem. §§ 281 III 1, 155 III 1 InsO zu stellen. Stattdessen die Hauptversammlung als antragsbefugt zu betrachten, wiese dieser allerdings eine Stellung zu, die mit ihrem Wahlrecht aus § 318 I 1 HGB, das sie in der Insolvenz vollständig an das Registergericht verloren hat, nicht mehr viel gemein hätte. Am nächsten steht das Antragsrecht vielmehr dem Recht des Aufsichtsrats, einen Abschlussprüfer vorzuschlagen, das diesem normalerweise aus § 124 III 1 AktG, § 318 I 4 HGB zusteht. Denn in beiden Fällen wird die Auswahlentscheidung durch einen Dritten vorbereitet. Außerdem ergibt sich sowohl aus der systematischen Stellung des § 111 II 3 AktG wie auch der Gesetzesbegründung,127 dass die Tätigkeit eines Abschlussprüfers in sehr enger Verbindung zu der Überwachungsaufgabe des Aufsichtsrates steht, die – wie bereits diskutiert wurde – auch in der Eigenverwaltung fortdauert.128 Ferner ist der Aufsichtsrat gem. § 111 II 3 AktG, § 270 I 1 InsO auch für die Erteilung des Prüfungsauftrags zuständig.129 Es ist daher sachgerecht, das Recht aus §§ 281 III 1, 155 III 1 InsO in der Eigenverwaltung einer Aktiengesellschaft entsprechend §§ 111 II 3, 124 III 1 AktG, § 318 I 4 HGB dem Aufsichtsrat zuzuweisen, der insoweit als gesetzlicher Vertreter fungiert (§ 112 AktG). Im Übrigen gelten die §§ 170 ff. AktG. Vor allem werden die Kompetenzen des Aufsichtsrats und der Hauptversammlung hinsichtlich der Prüfung und der Feststellung des Jahresabschlusses nicht wie im regulären Verfahren verdrängt,130 sondern bleiben, da auch § 155 III 1 InsO insoweit keine Abweichung anordnet, in gewohntem Umfang bestehen. ___________ 127 Bundesregierung, Begründung RegE KonTraG, BT-Drucks. 13/9712, S. 1 („Aufsichtsrat, der vom Abschlussprüfer unterstützt wird“; „Verbesserung der Qualität […] der Zusammenarbeit zischen Aufsichtsrat und Abschlussprüfer“) und Begründung zu Art. 1 Nr. 10 RegE KonTraG (= § 111 II 3 Akt), BT-Drucks. 13/9712, S. 16 („die Hilfsfunktion des Prüfers für den Aufsichtsrat bei der Bewältigung seiner Kontrolltätigkeit […] sollen unterstützt werden“). 128 Siehe dazu ausführlich Kapitel 6 B. I. 2. a), Seite 355. 129 Dazu oben Kapitel 6 B. I. 2. b), Seite 358, und oben [B. I. 2. b)] vor aa), Seite 403. 130 Im regulären Verfahren gehen diese Kompetenzen gem. § 80 I InsO auf den Insolvenzverwalter über, vgl. Lüke, in: Kübler/Prütting, InsO, § 155 Rn. 72; H.-P. Müller/Gelhausen, FS Claussen, 687, 698 f., 697 f., 704.

Kap. 7: Die Hauptversammlung in der Eigenverwaltung

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3. Sonstige Befugnisse Dem Eigenverwaltungsbereich ist es ebenfalls zuzurechnen, wenn die Hauptversammlung nach Satzung oder Gesetz ausnahmsweise an Verfügungen über das Gesellschaftsvermögen zu beteiligen ist, was sich z. B. aus § 119 II AktG, aus § 111 IV 3 AktG, aus den Grundsätzen der Holzmüller-Rechtsprechung oder aus § 179a AktG ergeben kann.131 Denn gesellschaftsrechtliche Mitwirkungsrechte haben entgegen der überwiegenden Ansicht auch in der Eigenverwaltung Bestand, wie bereits eingehend nachgewiesen worden ist.132 Hierher gehört auch eine Änderung der bisherigen Firma gem. §§ 119 I Nr. 5, 23 III Nr. 1 AktG, weil der dieser innewohnende immaterielle Vermögenswert („goodwill“) zugunsten der Gläubigerschaft verwertet werden kann, etwa durch eine Veräußerung des gesamten Gesellschaftsunternehmens samt Firma an einen Dritten (übertragende Sanierung), und daher zu Recht von der h. M.133 als Massebestandteil betrachtet wird. Auch ein Beschluss über die Verwendung des Bilanzgewinns, sollte ein solcher während des Insolvenzverfahrens überhaupt entstehen, fällt in den Eigenverwaltungsbereich (§§ 174 I 1, 119 I Nr. 2 AktG). Eine Angelegenheit des Eigenverwaltungsbereichs sind schließlich Kapitalmaßnahmen, die die Insolvenzmasse vermindern. Das trifft nur für eine effektive Kapitalherabsetzung zu,134 die den Aktionären Auszahlungsansprüche gegen das dem Insolvenzbeschlag unterliegende Gesellschaftsvermögen vermitteln. Während allerdings solche Herabsetzungsbeschlüsse in einem regulären Insolvenzverfahren gem. § 81 I 1 InsO unwirksam sind,135 da die Gesellschaft keine Verfügungsmacht mehr über das Gesellschaftsvermögen besitzt, vermag diese Begründung wegen § 270 I 1 InsO in der Eigenverwaltung nicht durchzugreifen. Hier sind derartige Beschlüsse lediglich anfechtbar.136 Dieses gesteigerte Risiko liegt im Wesen der Eigenverwaltung und resultiert aus der Entscheidung, die Schuldnergesellschaft verfügungsbefugt zu lassen. Wegen der Aus___________ 131 Kapitel 5 B. II. 2. d) aa), Seite 282 (Holzmüller), und bb), Seite 284 (§ 179a AktG). 132 Kapitel 5 B. II. 2. a), Seite 243, und dort cc), Seite 272. 133 Lwowski, in: MK zur InsO, § 35 Rn. 484; Bäuerle, in: Braun, InsO, § 35 Rn. 50; zum Meinungsstreit über die Verwertungsbefugnis des Insolvenzverwalters siehe auch Herchen, ZIP 2004, 1112 ff. 134 Nominelle Kapitalherabsetzungen oder (effektive sowie nominelle) Kapitalerhöhungen sind dagegen dem Schuldnerbereich zuzuordnen, A. II. 3. 1. a) aa) und bb), Seite 391. 135 Gutsche, Rn. 357; ähnlich Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, § 11 Rn. 195 („unzulässig“); a. A. Grüneberg, S. 87 f., der von ihrer Zulässigkeit ausgeht, wenn sie zur Schaffung insolvenzfreien Vermögens dienen. 136 Zu dieser Rechtsfolge siehe unten II. 1. b), Seite 410.

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3. Teil: Die Rechtsstellung der Organe einer AG in Eigenverwaltung

schüttungssperrfrist von sechs Monaten sowie der erforderlichen Sicherheitsleitung an die Gläubiger (§ 225 II AktG) ist die Gefahr für die Gläubiger aber ohnehin nur gering.137 II. Insolvenzrechtliche Bindungen Rechtshandlungen der Hauptversammlung im Eigenverwaltungsbereich unterliegen den folgenden Bindungen. 1. Bindung an den Insolvenzverfahrenszweck (§ 1 S. 1 InsO) a) Die Maßgeblichkeit des Zwecks des Insolvenzverfahrens Beschlüsse der Hauptversammlung, die dem Eigenverwaltungsbereich zuzuordnen sind, dürfen zu dem Zweck des Insolvenzverfahrens nicht in Widerspruch treten, die Hauptversammlung ist in diesem Rahmen – ebenso wie Vorstand und Aufsichtsrat138 – an § 1 S. 1 InsO gebunden.139 Normativ könnte man diese Bindung zunächst wie beim Vorstand daraus herleiten, dass der Zweck der Aktiengesellschaft infolge ihrer Auflösung im Eigenverwaltungsbereich durch den Insolvenzverfahrenszweck überlagert wird140 und dass dieser modifizierte Gesellschaftszweck für die Hauptversammlung verbindlich ist.141 Es ist jedoch zu beachten, dass die Hauptversammlung im Gegensatz zum Vorstand dem Gesellschaftszweck nicht absolut verpflichtet ist. Zwar kann eine grundsätzliche Bindung der Hauptversammlung an den Gesellschaftszweck schon deshalb nicht bezweifelt werden, da der Sinn des Beitritts zu einer Aktiengesellschaft gerade darin liegt, durch die Beteiligung am Kapital die in der Satzung umschriebenen und ihr ungeschrieben immanenten Zwecken ___________ 137 Aus diesen Gründen hält Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, § 11 Rn. 195 effektive Kapitalherabsetzungen in der Insolvenz für praktisch nicht durchführbar. 138 Siehe Kapitel 6 B. III. 1. a), Seite 289 (Vorstand), und Kapitel 7 B. II. 1. a), Seite 359 (Aufsichtsrat). 139 So für die Eigenverwaltung: AG Duisburg, Beschluss vom 1. 9. 2002 – 62 IN 167/02, NZI 2002, 556, 558 [Babcock Borsig]; i. E. ebenfalls Uhlenbruck, FS Kirchhof, 479, 502; H.-F. Müller, ZGR 2004, 842, 859. Die Bindung der Hauptversammlung an § 1 S. 1 InsO im regulären Verfahren entspricht der h. M., die dort aber nicht überzeugen kann, vgl. oben A. I. 1., Seite 383. 140 Siehe Kapitel 2 B. II. 2. b) cc), Seite 128 (Überlagerung des Gesellschaftszwecks), und Kapitel 5 B. III. 1. a), Seite 289 (Bindung Vorstand). 141 So Gutsche, Rn. 327; Schneider, FS Oppenhoff, 349, 350.

Kap. 7: Die Hauptversammlung in der Eigenverwaltung

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gemeinsam zu verfolgen.142 Doch ist eine volle Bindung an den Gesellschaftszweck nur in dem Bereich anzuerkennen, der nach Satzung und Gesamtumständen unmittelbar auf die Verfolgung des Gesellschaftszwecks gerichtet ist, mithin bei der Geschäftsführung.143 Sobald dieser Bereich verlassen wird, verliert die Bindung an den Gesellschaftszweck aber zunehmend an Kontur und Unbedingtheit.144 Mit Ausnahme der Vorlage nach § 119 II AktG sind jedoch der Hauptversammlung145 prinzipiell Entscheidungen über Geschäftsführungsmaßnahmen verwehrt (§ 23 V AktG), so dass auf diesen Begründungsansatz in einer Vielzahl von Hauptversammlungsbeschlüssen im Eigenverwaltungsbereich nicht zurückgegriffen werden kann.146 Die Maßgeblichkeit des Insolvenzverfahrenszwecks für die Hauptversammlung kann man jedoch auch aus einer anderen Überlegung ableiten. Wie im ersten Kapitel gesehen wurde147 verpflichtet § 1 S. 1 InsO als Inbegriff des Insolvenzverfahrens auch den eigenverwaltenden Schuldner als Verfahrensbeteiligten, dessen Verfügungs- und Verwaltungsrecht daher durch den Verfahrenszweck inhaltlich beschränkt wird, §§ 270 I 2, 1 S. 1 InsO. Dann kann aber, wenn es sich beim Schuldner um eine Aktiengesellschaft handelt, nichts anderes für die Organe der Gesellschaft gelten, da diese nur das durch § 1 S. 1 InsO beschränkte Recht der Gesellschaft für diese ausüben und daher keine weitergehende Rechtsmacht als die Gesellschaft selbst haben können. Die Bindung der Hauptversammlung an den Insolvenzverfahrenszweck folgt daher auch unmittelbar aus §§ 270 I 2, 1 S. 1 InsO.148 Nicht mit dem Zweck des Insolvenzverfahrens konform dürften in der Regel etwa eine effektive Kapitalherabsetzung, ein Gewinnverwendungsbeschluss, ___________ 142 Zöllner, in: KK zum AktG, § 243 Rn. 177; ders., Stimmrechtsmacht, S. 318 f., S. 324; Lutter, AcP 180 (1980), 84, 102. Eine Bindung der Aktionäre an den Gesellschaftszweck bejaht auch der BGH, Urteil vom 20. 3. 1995 – II ZR 205/94, NJW 1995, 1739, 1743 [Girmes] und leitet diese aus der Treuepflicht der Aktionäre ab; im Ansatz ebenso Wiedemann, GesR, § 8 II. 3. b), S. 434 f. 143 Gesellschaftsformübergreifend: Zöllner, Stimmrechtsmacht, S. 322 f. Für die AG: ders., in: KK zum AktG, § 243 Rn. 180; Westermann, FS Schnorr von Carolsfeld, 517, 531. Für die GmbH: Zöllner, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, Anh § 47 Rn. 49; ähnlich Immenga, GmbHR 1973, 5, 9. 144 Vgl. Zöllner, in: KK zum AktG, § 243 Rn. 179, 183 ff. 145 Im Gegensatz etwa zur Gesellschafterversammlung einer GmbH. 146 Gutsche, Rn. 327 geht aber offenbar davon aus, dass diese Begründung die Bindung der Gesellschaftsorgane umfänglich erklären kann. 147 Kapitel 1 C. I. 2. a) bb) (4) (b), Seite 61. 148 So offenbar i. E. das AG Duisburg, Beschluss vom 1. 9. 2002 – 62 IN 167/02, NZI 2002, 556, 559: „Die Gesellschafter [einer GmbH] sind aber bei der Ausübung ihrer Befugnisse im Rahmen der Eigenverwaltung an den Zweck des Insolvenzverfahrens gebunden (§§ 270 I, 1 InsO)“. Wohl schon Schlegel, S. 192 (zur Bindung der Gesellschafter einer GmbH).

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3. Teil: Die Rechtsstellung der Organe einer AG in Eigenverwaltung

der eine Ausschüttung an die Aktionäre vorsieht (§ 174 I, II Nr. 2 AktG), oder die Änderung der Firma unter Aufgabe des mit dieser verbundenen Goodwills sein. Hinzukommen auch Beschlüsse, die dem durch die Gläubiger gem. §§ 270 I 2, 157 InsO vorgegebenen Verfahrensziel (Liquidation oder Sanierung) zuwider laufen, da dieses in den Verfahrenszweck i. S. d. § 1 S. 1 InsO integriert ist.149 b) Schicksal insolvenzzweckwidriger Beschlüsse Verstößt ein Beschluss der Hauptversammlung gegen das Prinzip einer optimalen und gleichberechtigten Gläubigerbefriedigung i. S. d. § 1 S. 1 InsO, so wirft dies unmittelbar die Frage nach seinem rechtlichen Schicksal auf. Das AG Duisburg hat solche Beschlüsse für nichtig erachtet, ohne dies jedoch zu begründen.150 Auch in der Literatur wird diese Konsequenz gezogen.151 Das gibt Anlass, sich mit der Problematik im Folgenden eingehender zu befassen, wobei man sich einer Lösung einerseits aus speziell insolvenzrechtlicher Sicht, unten aa), andererseits aber auch aus allgemein aktienrechtlicher Sicht, unten bb), nähern kann. aa) Insolvenzrechtliche Lösung In Bezug auf das reguläre Insolvenzverfahren entspricht es der wohl einhelligen Auffassung, dass insolvenzzweckwidrige Beschlüsse der Hauptversammlung keine Wirksamkeit entfalten können,152 oft wird aber gar keine, jedenfalls aber keine eindeutige Begründung gegeben.153 Man wird diese Rechtsfolge in ___________ 149

Kapitel 5 B. III. 1. b), Seite 290. AG Duisburg, Beschluss vom 1. 9. 2002 – 62 IN 167/02, NZI 2002, 556, 559 [Babcock Borsig]: Weisungen der Gesellschafter einer GmbH, die der gemeinsamen Interesse der Gläubiger dieser Gesellschaft an einer bestmöglichen Befriedigung zuwiderliefen, seien nichtig. 151 Uhlenbruck, FS Kirchhof, 479, 502 geht offenbar allgemein davon aus, dass insolvenzzweckwidrige Rechtshandlungen der Gesellschaftsorgane nichtig sind, und stützt dies (vgl. seine Nachweise in dortiger Fußnote 92) auf die bisher noch h. L., die die Nichtigkeit insolvenzzweckwidrige Handlungen des Insolvenz- bzw. Konkursverwalters mit einer teleologische Reduktion des § 80 InsO (bzw. des § 6 KO) begründet (dazu Kapitel 1 C. I. 4. a), Seite 82). Ebenso argumentiert offenbar auch H.-F. Müller, ZGR 2004, 842, 859. Wie oben jedoch gezeigt worden ist, kann diese Begründung nicht auf den eigenverwaltenden Schuldner übertragen werden (Kapitel 1 C. I. 4. b), Seite 83). 152 Etwa Gutsche, Rn. 357, 386 („unwirksam“); H.-F. Müller, ZGR 2004, 842, 850 („unwirksam“); Kautz, S. 102 („unzulässig“); Hüffer, AktG, § 264 Rn. 11 („unzulässig“). 153 Überwiegend finden sich Formulierungen, die keinen Rückschluss darauf zulassen, ob der Insolvenzzweck lediglich eine gegenständliche oder gar eine inhaltliche Be150

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der überwiegenden Zahl der Fälle darauf zurückführen können, dass diese Beschlüsse wegen ihrer nachteiligen Auswirkungen auf die Masse nicht mehr der Alleinzuständigkeit der Hauptversammlung (dem Schuldnerbereich) zuzuordnen sind,154 sondern vielmehr eine (Mit-)Zuständigkeit des Verwalters begründen (§ 80 I InsO). Derartige Beschlüsse sind somit – unter dem Gesichtspunkt einer Kompetenzüberschreitung durch die Hauptversammlung – gem. § 81 I 1 InsO unwirksam155.156 Diese Begründung versagt indessen bei der Eigenverwaltung, weil hier der Massebezug lediglich über die Zuordnung des jeweiligen Beschlusses zum Schuldner- oder Eigenverwaltungsbereich entscheidet, nicht aber über die Zuständigkeit oder Unzuständigkeit der Hauptversammlung; sie ist in beiden Fällen zuständig. Teilweise werden insolvenzzweckwidrige Beschlüsse unter Hinweis auf die Nichtigkeit insolvenzzweckwidriger Verfügungen des Insolvenzverwalters für „nichtig“157 gehalten,158 die die h. M. auf eine gegenständliche Beschränkung ___________ grenzung der Organkompetenzen bedeuten soll, etwa Hüffer, AktG, § 264 Rn. 11 („Satzungsänderungen bleiben möglich, soweit mit dem Insolvenzzweck vereinbar“); Hefermehl/Bungenroth, in: Geßler/Hefermehl, AktG, § 179 Rn. 59 („Satzungsänderungen dürfen nicht im Widerspruch stehen zum Zweck des Konkurses“); Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, § 11 Rn. 137 („Gesellschafter können [ihre] Rechte auch nach der Verfahrenseröffnung insoweit ausüben, als nicht der Zweck des Insolvenzverfahrens entgegensteht“); Kraft, in: KK zum AktG, § 262 Rn. 52 („[Die Hauptversammlung] kann nur solche Beschlüsse fassen, die mit dem Konkurszweck vereinbar sind“); K. Schmidt, in: Scholz, GmbHG, vor § 64 Rn. 65 („soweit nicht Insolvenzverfahrenszweck entgegensteht“). 154 Siehe Kapitel 2 A. I. und II., Seite 101 und Seite 103. 155 Richtigerweise ist hier nach der üblichen Unterscheidung von nichtigen, anfechtbaren und unwirksamen Hauptversammlungsbeschlüssen (dazu Hüffer, AktG, § 241 Rn. 4 ff.) von einer Unwirksamkeit im Sinne eines unvollständigen rechtsgeschäftlichen Tatbestandes auszugehen. Denn die Hauptversammlung verstößt hier nicht gegen das Gesetz (dann Nichtigkeit), sondern hat schlicht keine Verfügungsbefugnis. 156 Ebenso Gutsche, Rn. 357, 386; Lutter, in: KK zum AktG, § 222 Rn. 54. Vgl. dazu oben Kapitel 2 A. II., Seite 103. Die h. M. befürwortet daneben auch eine Bindung der Gesellschaftsorgane an § 1 S. 1 InsO innerhalb der ihnen verbleibenden Kompetenzen (Schuldnerbereich), was aber, wie oben eingehend begründet worden ist (Kapitel 5 A. III. 1. a), Seite 215), abzulehnen ist. Sofern aus dieser inhaltlichen Bindung die Nichtigkeit eines Beschlusses abzuleiten versucht wird, stellen sich dieselben Probleme wie die im Folgenden bei § 241 AktG dargestellten, siehe b) bb) (1), Seite 414]. Eine Nichtigkeit i. S. d. § 241 AktG kann aus dem Verstoß gegen § 1 S. 1 nach richtiger Ansicht jedoch nicht folgen, lediglich Anfechtbarkeit nach § 243 AktG. 157 Im Sinne der üblichen Unterscheidung zwischen Nichtigkeit, Anfechtbarkeit und Unwirksamkeit von Hauptversammlungsbeschlüssen müsste hier richtigerweise allerdings von einer „Unwirksamkeit“ des Beschlusses ausgegangen werden, weil nach dieser Begründung der Hauptversammlung die erforderliche Verfügungsbefugnis fehlt, siehe dazu soeben Fußnote 155 (Seite 411). 158 Uhlenbruck, FS Kirchhof, 479, 502 (vgl. Nachweise in dortiger Fußnote 92); H.-F. Müller, ZGR 2004, 842, 859.

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3. Teil: Die Rechtsstellung der Organe einer AG in Eigenverwaltung

der Verwalterkompetenzen durch den Verfahrenszweck stützt, die sie wiederum aus einer teleologischen Reduktion des Übertragungsaktes in § 80 I InsO ableitet. Diese Argumentation kann allerdings, wie an anderer Stelle bereits ausgeführt worden ist, in der Eigenverwaltung nicht durchgreifen, weil der eigenverwaltenden Aktiengesellschaft das Verfügungs- und Verwaltungsrecht nicht durch Gerichtsakt übertragen wird.159 Da somit eine gegenständliche Beschränkung der Hauptversammlungskompetenzen durch § 1 S. 1 InsO nicht existiert, kann sich das rechtliche Schicksal insolvenzzweckwidriger Beschlüsse nur aus dem Verstoß gegen § 1 S. 1 InsO selbst, d. h. aus der inhaltlichen Beschränkung der Hauptversammlungsbefugnisse im Eigenverwaltungsbereich hergeleitet werden. In diese Richtung argumentiert Smid, dem zufolge Hauptversammlungsbeschlüsse, die sich in Widerspruch setzen zu einer Entscheidung der Gläubigerversammlung, als protestatio facto contraria unbeachtlich sein sollen.160 Diese Begründung ist jedoch nicht stichhaltig. Der Satz von der „protestatio facto contraria non valet“ besagt, dass immer dann, wenn jemand ein Verhalten zeigt, das nach Treu und Glauben und der Verkehrssitte nur als Ausdruck eines bestimmten Willens aufgefasst werden kann, seine wörtliche Verwahrung gegen eine entsprechende Deutung des Verhaltens unbeachtlich ist, da der Erklärende sich in Widerspruch mit seinem eigenen tatsächlichen Verhalten setze.161 In der von Smid diskutierten Konstellation tritt die Hauptversammlung indessen lediglich in Widerspruch zur Gläubigerversammlung, nicht aber zu sich selbst. Es ist auch weder ein Grund noch eine rechtliche Handhabe erkennbar, der Hauptversammlung den Beschluss der Gläubigerversammlung zuzurechnen. Die Hauptversammlung ist vielmehr auch in der Eigenverwaltung das autonome Willensbildungsorgan der insolventen Aktiengesellschaft, das durch die Gläubigerversammlung nicht „bevormundet“ wird.162 Fehlt es somit an dem für eine protestatio facto contraria erforderlichen widersprüchlichen Verhalten, kann aus diesem Grundsatz auch nicht die Unbeachtlichkeit eines solchen Beschlusses hergeleitet werden. Der Ansatz von Smid betrifft überdies nur eine Sonderform der Insolvenzzweckwidrigkeit und hilft nicht in der Mehrzahl der Fälle weiter, in denen die Hauptversammlung insolvenzzweckwidrige Beschlüsse fasst, ohne ___________ 159

Vgl. dazu oben Kapitel 1 C. I 4. a) und b), Seite 82 ff. Smid, DZWIR 2002, 493, 500. 161 Ständige Rechtsprechung, etwa: RG, Urteil vom 29. 9. 1925 – VI 182/25, RGZ 111, 310, 312; BGH, Urteil vom 16. 12. 1964 – VIII ZR 51/63, NJW 1965, 387, 388; BGH, Urteil vom 9. 5. 2000 – VI ZR 173/99, NJW 2000, 3429, 3431; OLG Hamm, Urteil vom 17. 7. 2002 – 8 U 19/02, NJW-RR 2002, 1634, 1635. Siehe auch Teichmann, FS Michaelis, 294, 297; Kramer, in: MK zum BGB, vor § 116 Rn. 40. 162 Vgl. Kapitel 5 B. II. 2. c) cc), Seite 280: Nach dem hier befürworteten Konzept bleiben die Organkompetenzen grundsätzlich bestehen und werden auch nicht durch parallele Kompetenzen des Sachwalters oder des Gläubigerausschusses verdrängt. 160

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dass die Gläubigerversammlung eine diesbezügliche Entscheidung getroffen hätte, noch überhaupt treffen dürfte163. Man könnte schließlich noch erwägen, die Grundsätze über den Missbrauch der Vertretungsmacht, auf denen oben die Nichtigkeit offensichtlich insolvenzzweckwidriger Rechtshandlungen einer natürlichen Person in Eigenverwaltung164 sowie des Vorstands einer eigenverwaltenden Aktiengesellschaft165 gegründet worden ist, ebenfalls auf Beschlüsse der Hauptversammlung anzuwenden. Dem steht jedoch entgegen, dass die Rechtswirkungen eines Hauptversammlungsbeschlusses regelmäßig auf das Innenverhältnis der Gesellschaft beschränkt sind166, so dass es hier nicht zu dem für die Fälle des Missbrauchs der Vertretungsmacht typischen Auseinanderfallen von rechtlichen Können im Außen- und dem rechtlichen Dürfen im Innenverhältnis kommen kann. Auch gibt es keinen Geschäftspartner, der in seinem guten Glauben an die Befugnisse des Handelnden geschützt werden müsste. Insoweit besteht daher weder ein Bedürfnis noch eine Grundlage für die entsprechende Anwendung der Missbrauchsregeln. In Ermangelung einer speziellen insolvenzrechtlichen Lösung der Problematik muss daher auf die allgemeinen aktienrechtlichen Bestimmungen über die Nichtigkeit und Anfechtbarkeit von Hauptversammlungsbeschlüssen (§§ 241 ff. AktG) abgehoben werden.167 Das erscheint aus dogmatischer Sicht ohnehin als die vorzugswürdigere Alternative.

___________ 163 Die Kompetenzen der Gläubigerversammlung sind in der Insolvenzordnung abschließend (vgl. etwa Häsemeyer, InsR, Rn. 6.12a). Über Maßnahmen, die die Verwaltung und die Verwertung des Schuldnervermögens betreffen, darf sie beispielsweise nur entscheiden, wenn sie für das Verfahren besonders wichtig sind (§§ 160, 162 f. InsO), andernfalls liegt die Entscheidung allein beim Insolvenzverwalter (reguläres Verfahren) bzw. beim eigenverwaltenden Schuldner (§ 276 S. 2 InsO). Vgl. dazu Kapitel 5 B. III. 1. b), Seite 290. 164 Kapitel 1 C. I. 4. b), Seite 83. 165 Kapitel 5 B. III. 1. d) bb), Seite 295. 166 Vgl. etwa Hüffer, AktG, § 119 Rn. 12. 167 Offenbar auch in diese Richtung Hüffer, AktG, § 264 Rn. 11.

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3. Teil: Die Rechtsstellung der Organe einer AG in Eigenverwaltung

bb) Aktienrechtliche Lösung (1) Nichtigkeit gem. § 241 AktG Ein insolvenzzweckwidriger Beschluss könnte gem. § 241 Nr. 3, 2. Fall AktG wegen seines Inhalts nichtig sein,168 wenn § 1 S. 1 InsO eine Vorschrift darstellt, die ausschließlich oder überwiegend zum Schutze der Gläubiger der Gesellschaft gegeben ist.169 Dass es sich bei § 1 S. 1 InsO, der den Grundsatz der optimalen Gläubigerbefriedigung normiert, um eine wenigstens überwiegend gläubigerschützende Norm handelt, wird man wohl kaum bezweifeln können. Unklar ist indessen, ob § 1 S. 1 InsO auch zu den „Vorschriften“ i. S. d. § 241 Nr. 3, 2. Fall AktG zählt. Soviel ersichtlich werden darunter einhellig nur gesellschaftsrechtliche Bestimmungen verstanden, also solche des Aktiengesetzes, der aktienrechtlichen Nebengesetze (z. B. des Umwandlungsgesetzes) oder der auf dem Aktiengesetz beruhenden Rechtsverordnungen.170 Zumeist wird der Begriff allerdings überhaupt nicht definiert und lediglich Normen des Aktien- und des Umwandlungsgesetzes aufgezählt.171 Außerdem sind Entscheidungen, die den gläubigerschützenden Charakter von Normen in Zusammenhang mit § 241 Nr. 3 AktG bejahen, nicht ersichtlich.172 § 1 S. 1 InsO ist allerdings ebenso wenig eine gesellschaftsrechtliche Regelung, wie die Insolvenzordnung ein bloßes aktienrechtliches Nebengesetz darstellt. Es handelt sich vielmehr um eine originär insolvenzrechtliche Bestimmung einer völlig eigenständigen Rechtsmaterie, deren aktienrechtlicher Bezug sich darin erschöpft, dass sie im ___________ 168 Zum Verhältnis der drei Alternativen des § 241 Nr. 3 AktG siehe Hüffer, AktG, § 241 Rn. 16. 169 H.-F. Müller, S. 190 hält insolvenzzweckwidrige Beschlüsse der Hauptversammlung in einem regulären Verfahren gem. § 241 Nr. 3 AktG für nichtig. Im Anbetracht der Tatsache, dass H.-F. Müller an anderer Stelle davon ausgeht, dass eine Bindung der Gesellschaftsorgane an § 1 S. 1 InsO im Schulderbereich nicht existiert, sondern ihre Kompetenzen allein durch § 80 I InsO gegenständlich beschränkt werden (S. 168 f.), erscheint diese Begründung allerdings überflüssig. Denn die Nichtigkeit insolvenzzweckwidriger Beschlüsse ergibt sich dann bereits unter dem Gesichtspunkt einer Kompetenzüberschreitung durch die Hauptversammlung aus § 81 I 1 InsO. Für eine Zweckwidrigkeit ist im Rahmen der Befugnisse, die der Gesellschaft verblieben sind, gar kein Raum, weil diese per definitionem (vgl. § 80 I InsO) keinen Massebezug haben (vgl. oben Kapitel 5 A. III. 1. a), Seite 215. 170 Zöllner, in: KK zum AktG, § 241 Rn. 103; Hüffer, in: Geßler/Hefermehl, AktG, § 241 Rn. 43; ähnlich Hüffer, in: MK zum AktG, § 241 Rn. 54 „ergänzende Sondergesetze“, womit wohl dasselbe wie aktienrechtliche Nebengesetze gemeint ist. 171 Hüffer, AktG, § 241 Rn. 17; Wilhelmi, in: Godin/Wilhelmi, AktG, § 241 Anm. 8; Schilling, in: GK zum AktG, 3. Auflage, § 241 Anm. 20; Semler, in: MHb GesR IV, § 41 Rn. 17; K. Schmidt, in: GK zum AktG, 4. Auflage, § 241 Rn. 60. 172 Vgl. auch Semler, in: MHb GesR IV, § 41 Rn. 17; Huber, FS Coing II, 167, 178.

Kap. 7: Die Hauptversammlung in der Eigenverwaltung

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Einzelfall auch auf Aktiengesellschaften angewendet werden kann.173 Nach dieser Definition ist § 1 S. 1 InsO somit nicht zu den Vorschriften i. S. d. § 241 Nr. 3 AktG zu zählen. Dagegen ist es mit dem Wortlaut und der Systematik des § 241 Nr. 3 AktG durchaus vereinbar, auch eine gläubigerschützende Bestimmung der Insolvenzordnung hierunter zu subsumieren. Aus der Gesetzesgeschichte lässt sich für diese Fragestellung nicht viel gewinnen.174 Immerhin deutet die Tatsache, dass dieser Nichtigkeitstatbestand ursprünglich für Verstöße gegen die aktienrechtlichen Bilanzierungsvorschriften bei der Feststellung der Bilanz durch die Hauptversammlung konzipiert war,175 in der Tendenz eher auf ein enges Verständnis hin. In Bezug auf Sinn und Zweck des § 241 AktG ist jedoch in Erwägung zu ziehen, dass der Gesetzgeber durch diese Vorschrift im Interesse der Rechtssicherheit den Kreis der Nichtigkeitsgründe gegenüber dem allgemeinen Verbandsrecht weitestgehend beschränken und eine abschließende Regelung („nur dann nichtig“) schaffen wollte.176 Es sollen nur besonders evidente oder inhaltlich schwerwiegende Normverstöße zur Nichtigkeit führen.177 Das verbietet es, den Kreis nichtiger Beschlüsse mittelbar dadurch auszuweiten, dass man den Begriff der gläubigerschützenden Normen extensiv auslegt. Vielmehr ist im Zweifel nicht Nichtigkeit, sondern lediglich Anfechtbarkeit anzunehmen.178 ___________ 173 Das ergibt sich auch im Umkehrschluss zu §§ 15 I, 18 III, 101 InsO, die die für Kapitalgesellschaften geltenden Sonderregelungen enthalten. 174 Der Gesetzgeber hat in § 241 AktG im Wesentlichen die Vorgängernorm § 195 AktG 1937 übernommen (vgl. Regierungsentwurf, Begründung zu § 241 AktG, abgedruckt bei Kropff, AktG 1965, S. 327 f.), die bis dahin bestehende Rechtslage also lediglich festgeschrieben und sich deshalb zu der hier interessierenden Frage nicht geäußert. Aber auch in den Kommentierungen zu § 195 Nr. 3 AktG 1937 wird darauf – soweit ersichtlich – nicht eingegangen (vgl. etwa Schlegelberger/Quassowski, AktG 1937, § 195 Rn. 7). Auch aus den Urteilen des Reichsgerichts, die in § 195 Nr. 3 AktG 1937 ihren Niederschlag gefunden haben (vgl. Schilling, in: GK zum AktG, 3. Auflage, § 241 Anm. 17), kann ein Grund für das enge Verständnis der h. M. nicht entnommen werden (vgl. RG, Urteil vom 11. 1. 1927 – II 178/26, RGZ 115, 378, 383; RG, Urteil vom 16. 9. 1927 – II 21/27, RGZ 118, 67, 72; RG, Urteil vom 9. 1. 1931 – II 158/30, RGZ 131, 141, 143), ebenso wenig allerdings, dass das RG selbst ein solch enges Verständnis gehabt hat. Und auch aus den Kommentierungen zu § 271 HGB a. F. ergeben sich keine Anhaltspunkte (vgl. etwa Brodmann, Aktienrecht, § 271 HGB Anm. 1). 175 Huber, FS Coing II, 167, 175. Durch die Verlagerung der Feststellungskompetenz auf den Aufsichtsrat (vgl. §§ 172 f. AktG) und die Einführung des besonderen Nichtigkeitsgrunds in § 256 AktG hat die zweite Alternative ihren eigentlichen Anwendungsbereich verloren (Huber, ebenda). 176 Zöllner, in: KK zum AktG, § 241 Rn. 27, 30; Schilling, in: GK zum AktG, 3. Auflage, § 241 Anm. 10; Hüffer, in: MK zum AktG, § 241 Rn. 6. 177 Hüffer, AktG, § 241 Rn. 1. 178 Schilling, in: GK zum AktG, 3. Auflage, § 241 Anm. 10; Zöllner, in: KK zum AktG, § 241 Rn. 30.

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3. Teil: Die Rechtsstellung der Organe einer AG in Eigenverwaltung

Außerdem trüge die vielseits bemängelte179 fehlende begriffliche Präzision der „Insolvenzzweckwidrigkeit“ eine erhebliche Rechtsunsicherheit in die Nichtigkeitstatbestände hinein, was nicht nur der gesetzgeberischen Intention zuwiderläuft, sondern auch das Eigenverwaltungsverfahren erheblich beeinträchtigen könnte. Somit handelt es sich bei § 1 S. 1 InsO nicht um eine Vorschrift i. S. d. § 241 Nr. 3, 2. Fall AktG.180 Aus eben diesem Grunde scheidet auch eine Nichtigkeit gem. § 241 Nr. 3, 3. Fall AktG aus. Folgt man der verbreiteten Meinung, dass die Schuldnergesellschaft nach Verfahrenseröffnung nur noch zum Zwecke des Insolvenzverfahrens fortbestehe,181 ihr Wesen also gleichsam zu einer „Insolvenzgesellschaft“182 gewandelt habe, könnte man aber schließlich noch erwägen, dass insolvenzzweckwidrige Beschlüsse der Hauptversammlung gem. § 241 Nr. 3, 1. Fall AktG nichtig sind, weil sie nicht mit dem (gewandelten) „Wesen der Aktiengesellschaft“ zu vereinbaren sind. Unter diese Variante werden – sofern man ihr überhaupt eine eigenständige Bedeutung beimisst183 – nach der h. M. aber nur Verstöße gegen den unverbrüchlichen Normenbestand des Aktienrechts gefasst,184 dem § 1 S. 1 InsO als insolvenzrechtliche Sonderregelung nicht zugehört.185 Insolvenzzweckwidrige Beschlüsse der Hauptversammlung sind somit nicht gem. § 241 AktG nichtig. ___________ 179

H.-F. Müller, S. 168; Wittowski, in: Nerlich/Römermann, InsO, § 80 Rn. 133; Lüke, in: Kübler/Prütting, InsO, § 80 Rn. 28; Uhlenbruck, in: Uhlenbruck, InsO, § 80 Rn. 101. 180 A. A. H.-F. Müller, S. 190 (für das reguläre Verfahren). 181 Siehe schon Kapitel 2 B. II. 1., Seite 112, etwa: BGH, Urteil vom 11. 11. 1985 – II ZR 37/85, BGHZ 96, 253, 255 („die Gesellschaft existiert nur noch zum Zwecke der Durchführung des Konkursverfahrens fort“); RG, Urteil vom 12. 2. 1913 – Rep. II. 449/12, RGZ 81, 332, 336 („die Gesellschaft besteht für die Zwecke des Konkursverfahrens fort“); BayObLG, Beschluss vom 22. 2. 1979 – 1 Z 5/79, RPfleger 1979, 212, 213 und Beschluss vom 22. 2. 1979 – 1 Z 4/79, RPfleger 1979, 214 („der Geschäftsbetrieb ist nur noch dem Konkurszweck gewidmet“). 182 So etwa Hüffer, in: MK zum AktG, § 264 Rn. 39; ders., AktG, § 264 Rn. 8. 183 Dies bezweifeln beispielsweise Hüffer, AktG, § 241 Rn. 16. Zum Verhältnis der Alternativen des § 241 Nr. 3 AktG siehe auch K. Schmidt, in: GK zum AktG, 4. Auflage, § 241 Rn. 54. 184 Semler, in: MHb GesR IV, § 41 Rn. 14; Zöllner, in: KK zum AktG, § 241 Rn. 96; ders, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, Anh § 47 Rn. 23 (zur GmbH); Schlegelberger/Quassowski, AktG 1937, § 195 Rn. 7 („Grundlagen des Aktienrechts“); a. A. Hüffer, in: MK zum AktG, § 241 Rn. 66 (noch enger), Schilling, in: GK zum AktG, 3. Auflage, § 241 Anm. 18 (wohl etwas weiter); Huber, FS Coing II, 167, 184, 187 fasst darunter alle Bestimmungen, die der Satzungsautonomie entzogen sind. Zum „unverbrüchlichen Normenbestand“ wird insbesondere die Bestimmungen des § 23 AktG gerechnet. 185 I. E. wohl auch Lutter, in: KK zum AktG, § 222 Rn. 54, der hinsichtlich eines nominellen Kapitalherabsetzungsbeschlusses im Konkursverfahrens ausführt, man könne „nicht sagen, ein solcher Beschluss widerspreche dem Wesen der AG“.

Kap. 7: Die Hauptversammlung in der Eigenverwaltung

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(2) Anfechtbarkeit gem. § 243 AktG Insolvenzzweckwidrige Beschlüsse könnten aber gem. § 243 I AktG wegen einer Verletzung der Satzung oder des Gesetzes anfechtbar sein. (a) Verletzung der Satzung (§ 243 I Alt. 2 AktG) Eine Verletzung der Satzung durch insolvenzzweckwidrige Beschlüsse scheidet indessen aus. Denn der Gesellschaftszweck ist kein zwingender Satzungsbestandteil und wird auch üblicherweise nicht auf freiwilliger Basis in die Satzung aufgenommen (vgl. § 23 III AktG). Und selbst wenn man mit einer Mindermeinung in der Literatur davon ausginge, dass der Zweck der Aktiengesellschaft in ihrem Unternehmensgegenstand und damit in der Satzung (§ 23 III Nr. 2 AktG) inkorporiert sei,186 käme man zu keinem anderen Ergebnis, weil § 243 I Alt. 2 AktG aus Gründen der Rechtssicherheit nur die geschriebenen Satzungsbestimmungen erfasst (vgl. § 23 I AktG).187 (b) Verletzung des Gesetzes (§ 243 I Alt. 1 AktG) Ein insolvenzzweckwidriger Beschluss könnte aber seinem Inhalt nach eine Verletzung des Gesetzes gem. § 243 I Alt. 1 AktG darstellen. Gesetze im Sinne dieser Vorschrift sind alle Rechtsnormen (Art. 2 EGBGB), also nicht nur solche des Aktienrechts,188 soweit sie sich mit ihrem Geltungsanspruch auch an die Aktiengesellschaft wenden.189 Wie oben festgestellt wurde, bindet der Grundsatz optimaler Gläubigerbefriedigung (§ 1 S. 1 InsO) als Inbegriff des Insolvenzverfahrens auch den Schuldner in der Eigenverwaltung (§ 270 I 2 InsO),190 ___________ 186 Pühler, in: Happ, AktR, 1.01 Rn. 7 gegen die h. M., etwa Kraft, in: KK zum AktG, § 23 Rn. 43. Als Satzungsverstoß i. S. d. § 243 I AktG behandelt z. B. Römermann, in: Michalski, GmbHG, Anh. § 47 Rn. 360 gesellschaftszweckwidrige Beschlüsse der GmbH-Gesellschafterversammlung. 187 Vgl. K. Schmidt, in: GK zum AktG, 4. Auflage, § 243 Rn. 14; Hüffer, in: MK zum AktG, § 243 Rn. 20 („gültige Satzungsbestimmung“). 188 Hüffer, in: MK zum AktG, § 243 Rn. 16; K. Schmidt, in: GK zum AktG, 4. Auflage, § 243 Rn. 9; Wilhelmi, in: Godin/Wilhelmi, AktG, § 243 Anm. 4; Raiser, in: Hachenburg, GmbHG, Anh § 47 Rn. 113 (zur GmbH); Zöllner, in: KK zum AktG, § 243 Rn. 66, 68. 189 Hüffer, in: MK zum AktG, § 243 Rn. 16; ders., AktG, § 243 Rn. 5; wohl auch Zöllner, in: KK zum AktG, § 243 Rn. 67 („individualvertragliche Bindungen der AG [Hervorhebung durch den Verf.]“). Abweichend K. Schmidt, in: GK zum AktG, 4. Auflage, § 243 Rn. 11: solche Normen, „die das Verfahren der Hauptversammlung [Hervorhebung durch den Verf.] oder den Inhalt des Beschlusses […] regeln“. 190 Kapitel 1 C. I. 2. a) bb) (4) (b), Seite 61.

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3. Teil: Die Rechtsstellung der Organe einer AG in Eigenverwaltung

in der Eigenverwaltung einer Aktiengesellschaft also diese selbst. Ein diesem Prinzip widersprechender Beschluss der Hauptversammlung stellt also einen der Aktiengesellschaft zurechenbaren Normverstoß dar. „Verletzt“ werden kann aber nur eine Bestimmung, die gebietenden oder verbietenden Charakter hat.191 Dafür muss es sich im Einzelfall um eine ihrem Zweck nach zivilrechtlich sanktionierte Norm handeln (lex perfecta), nicht nur um eine bloße Ordnungsvorschrift.192 Ob § 1 S. 1 InsO eine solche Ge- bzw. Verbotsqualität aufweist, ist allerdings problematisch. Denn eine ausdrückliche Sanktion für einen Verstoß des Schuldners gegen § 1 S. 1 InsO ist in der Insolvenzordnung nicht enthalten, vielmehr scheint der Gesetzgeber eine Aufhebung der Eigenverwaltung auf Antrag der Gläubiger gem. § 272 InsO als Reaktionsmöglichkeit für ausreichend befunden zu haben.193 Außerdem ist § 1 S. 1 InsO seinem Wortlaut nach („dienen“) lediglich als allgemeiner Verfahrensgrundsatz ausgestaltet und enthält unmittelbar keine konkreten Pflichten für irgendeinen der am Verfahren Beteiligten. Insoweit könnte man die Ge- bzw. Verbotsqualität von § 1 S. 1 InsO im Sinne des § 243 I AktG also durchaus in Zweifel ziehen. Ein solches Verständnis griffe aber zu kurz. Der Sinn und Zweck des § 1 S. 1 InsO besteht nicht nur in der unverbindlichen Anordnung eines Verfahrensziels, was sich beispielsweise darin äußert, dass ein Insolvenzverwalter (und ebenso ein Sachwalter, § 274 I InsO) sogar persönlich haftet, wenn er gegen seine insolvenzspezifischen Pflichten verstößt, die durch § 1 S. 1 InsO eine wesentliche Prägung erfahren.194 Wenngleich auch der Schuldner keiner Haftung aus § 60 InsO unterliegt,195 so ist es doch nicht überzeugend anzunehmen, dass der Gesetzgeber insolvenzzweckwidrige Handlungen des Schuldners nicht in gleicher Weise „verbieten“ wollte. Darüber hinaus sind offensichtlich insolvenzzweckwidrige Rechtshandlungen des eigenverwaltenden Schuldners ebenso wie solche des Verwalters nichtig.196 Ein Verstoß gegen § 1 S. 1 InsO bleibt ___________ 191

K. Schmidt, in: GK zum AktG, 4. Auflage, § 243 Rn. 11. K. Schmidt, in: GK zum AktG, 4. Auflage, § 243 Rn. 11; Zöllner, in: KK zum AktG, § 243 Rn. 62. 193 So auch Ringstmeier/Homann, NZI 2002, 406, 407; siehe auch Kapitel 5 B. II. 2. a) aa) (4) (b), Seite 267. 194 Vgl. Kind, in: Braun, InsO, § 60 Rn. 9; Smid, in: Kölner Schrift, S. 453 ff. Rn. 24 und 41. 195 Kapitel 1 C. I. 3. a) bb) (b), Seite 80. 196 Es ist aber darauf hinzuweisen, dass sich die Nichtigkeit evident insolvenzzweckwidriger Verfügungen des Schuldners nach der hier vertretenen Ansicht nur aufgrund der entsprechenden Anwendung der Grundsätze über den Missbrauch der Vertretungsmacht (also aus §§ 138, 242 bzw. 853 BGB) ergibt. Dagegen wird von einer (noch) weit verbreiteten Ansicht die Nichtigkeit derartiger Verfügungen des Schuldners aus einer teleologischen Reduktion des § 80 I InsO abgeleitet. Siehe zum Ganzen oben Kapitel 1 C. I. 4., Seite 81. 192

Kap. 7: Die Hauptversammlung in der Eigenverwaltung

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somit keinesfalls sanktionslos. Schließlich wäre die Anfechtbarkeit derartiger Beschlüsse auch aus insolvenzrechtlicher Sicht von großem Vorteil. Denn sie eröffnete – insbesondere wenn man zudem auch den Sachwalter für anfechtungsbefugt hält197 – die Möglichkeit, die Befolgung der insolvenzrechtlichen Pflichten durch die Hauptversammlung im Eigenverwaltungsbereich sicherzustellen, ohne gleich auf den Antrag auf Verfahrensaufhebung (§ 272 InsO) zurückgreifen zu müssen. Dieses Recht sollte nur als ultima ratio fungieren. Aus diesen Gründen ist § 1 S. 1 InsO nicht nur als bloße Ordnungsvorschrift, sondern als Gesetz i. S. d. § 243 I Alt. 2 AktG anzusehen, dessen Verletzung einen Anfechtungsgrund darstellt. Insolvenzzweckwidrige Beschlüsse der Hauptversammlung sind somit gem. § 243 I Alt. 2 AktG anfechtbar. Soweit der anzufechtende Beschluss eine Geschäftsführungsmaßnahme betrifft, kann die Anfechtbarkeit noch unter einem weiteren Gesichtspunkt begründet werden. Im GmbH-Recht, in dem § 243 I AktG entsprechende Anwendung findet, wird gemeinhin unter einem Gesetzesverstoß auch der Verstoß gegen die Bindung an den (regelmäßig in der Gewinnerzielung bestehenden) Gesellschaftszweck verstanden.198 Namentlich Zöllner wendet diesen Ansatz auch auf die Aktiengesellschaft an.199 Auf dieser Grundlage könnte man auch einen insolvenzzweckwidrigen Beschluss der Hauptversammlung für anfechtbar halten, weil in ihm ein Verstoß gegen den durch § 1 S. 1 InsO überlagerten Gesellschaftszweck liegt. Da die Hauptversammlung aber nur im Ausnahmefall über Geschäftsführungsmaßnahmen entscheidet,200 wird auf diesen Begründungsansatz in der Mehrzahl der Fälle insolvenzzweckwidriger Beschlüsse nicht zurückgegriffen werden können.201 Anlass zu Bedenken gibt schließlich noch, dass nach der hier vertretenen Lösung Beschlüsse der Hauptversammlung bereits bei einfacher Insolvenzzweckwidrigkeit anfechtbar und damit nach erfolgreicher Anfechtungsklage nichtig (§ 248 I 1 AktG) sind, während Rechtshandlungen eines Insolvenzverwalters202, einer natürlichen Person als Eigenverwalter203 oder des Vorstands einer ___________ 197

Dazu sofort unter (3) (a), Seite 420. OLG Köln, Urteil vom 2. 6. 1999 – 5 U 196/98, NZG 1999, 1228, 1229 [Tomberger II]; OLG Düsseldorf, Urteil vom 14. 3. 1996 – 6 U 119/94, DB 1996, 974; Zöllner, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, Anh. Zu § 47 Rn. 43; Römermann, in: Michalski, GmbHG, Anh. § 47 Rn. 360 (allerdings als Satzungsverstoß). 199 Zöllner, in: KK zum AktG, § 243 Rn. 178 ff, 180. 200 Oben B. II. 1. a), Seite 359. 201 In diese Richtung wohl auch Immenga, GmbHR 1973, 5, 9 (zur allgemeinen Zweckbindung). 202 Vgl. Kapitel 1 C. I. 4. a), Seite 82. 203 Oben Kapitel 1 C. I. 4. b), Seite 83. 198

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3. Teil: Die Rechtsstellung der Organe einer AG in Eigenverwaltung

Aktiengesellschaft in Eigenverwaltung204 diese Rechtsfolge nur bei evidenter Insolvenzzweckwidrigkeit zeitigen. Hierin liegt allerdings kein Wertungswiderspruch. Denn das Erfordernis eines evidenten Verstoßes verfolgt allein den Zweck, den redlichen Geschäftsverkehr, dem das Risiko der Unwirksamkeit auch einfach insolvenzzweckwidriger Handlungen nicht zuzumuten ist, in seinem Vertrauen auf die Gültigkeit der Rechtshandlung zu schützen,205 und kann deshalb im Falle eines Hauptversammlungsbeschlusses, an den sich in aller Regel kein derartiges Vertrauen des Geschäftsverkehrs knüpft, keine Geltung beanspruchen. (3) Die Anfechtungsbefugnis (§ 245 AktG) Zur Anfechtung berechtigt sind die in § 245 AktG aufgezählten Personen, also insbesondere der Vorstand (§ 245 Nr. 4 AktG). In der Regel ist sogar von einer entsprechenden Verpflichtung auszugehen, wenn der Vorstand einen Beschluss für nicht insolvenzzweckkonform hält. Zwar ist üblicherweise eine Pflicht des Vorstands zur Anfechtung nur in Ausnahmefällen und nur dann anzunehmen, wenn die Beschlüsse gesellschaftsschädlich sind.206 Doch wird dieser Maßstab hier durch die Gefahr einer Schädigung der Gläubiger verdrängt, da sich der Vorstand im Eigenverwaltungsbereich allein von ihren Belangen leiten lassen muss, während die Gesellschaftsinteressen zurücktreten.207 Wegen der besonderen Lage der Gesellschaft reduziert sich sein Ermessen regelmäßig auf Null. Außerdem ist er, solange die Anfechtungsfrist (§ 246 I AktG) noch nicht verstrichen ist, nicht zur Ausführung eines insolvenzzweckwidrigen Beschlusses verpflichtet, weil § 83 II AktG i. V. m. § 93 IV 1 AktG einen rechtmäßigen Beschluss voraussetzt.208 (a) Die Anfechtungsbefugnis des Sachwalters Ebenso wie in einem Regelinsolvenzverfahren, in dem neben dem Vorstand auch der Insolvenzverwalter anfechtungsbefugt ist, soweit ein Hauptversammlungsbeschluss die Masse berührt,209 könnte in der Eigenverwaltung ein An___________ 204

Siehe Kapitel 5 B. III. 1. d) bb), Seite 295. Vgl. nur Pape, in: Kübler/Prütting, InsO, § 270 Rn. 30; Ott, in: MK zur InsO, § 80 Rn. 61. 206 Hüffer, in: MK zum AktG, § 122. 207 Kapitel 5 B. III. 1. a), Seite 289. 208 Vgl. Hüffer, in: MK zum AktG, § 243 Rn. 122 f.; K. Schmidt, in: GK zum AktG, 4. Auflage, § 243 Rn. 71. 209 Ganz h. M., etwa Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, § 11 Rn. 140; Hüffer, AktG, § 145 Rn. 29; Noack, in: Kübler/Prütting, GesR, Rn. 359; Weber, in: Jaeger, KO, §§ 207, 208 205

Kap. 7: Die Hauptversammlung in der Eigenverwaltung

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fechtungsrecht des Sachwalters anzuerkennen sein, der ja – nach den Worten des Gesetzes – „anstelle des Insolvenzverwalters“ bestellt wird (§ 270 III 1 InsO). Möglicherweise lässt sich die Begründung eines Anfechtungsrechts des Insolvenzverwalters auf den Sachwalter übertragen; sie ist allerdings nicht einheitlich. Während eine Mindermeinung davon ausgeht, dass der Insolvenzverwalter als Liquidationsorgan an die Stelle des Vorstands tritt (sog. modifizierte Organtheorie), und die Anfechtungsbefugnis deshalb unmittelbar aus § 245 Nr. 4 AktG entnehmen kann,210 führt die h. M. diese Befugnis auf den Übergang der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis, also auf § 80 I InsO zurück.211 Dass es sich auch beim Sachwalter um ein obligatorisches Liquidationsorgan der Gesellschaft handelt, ist allerdings bislang weder behaupt worden, noch wäre eine solche Auffassung angesichts seiner rechtlichen Stellung, die hauptsächlich auf die Überwachung der Schuldnergesellschaft ausgerichtet ist, überhaupt nachvollziehbar. Auf der anderen Seite geht auf den Sachwalter aber auch nicht das Verwaltungs- und Verfügungsrecht über; es verbleibt vielmehr prinzipiell beim Schuldner (§ 270 I 1 InsO). Aus keinem der beiden Ansätze lässt sich daher ein Anfechtungsrecht des Sachwalters herleiten. Vielleicht ist aber § 274 II 1 InsO, nach dem der Sachwalter die Geschäftsführung des Schuldners zu überwachen hat, dahingehend auszulegen, dass auf diese Vorschrift auch ein Anfechtungsrecht nach § 245 Nr. 4 AktG gestützt werden kann. Die grundlegende Bedingung dieser Überlegung, dass nämlich die Hauptversammlung überhaupt der Kontrolle durch den Sachwalter unterliegt, ist jedenfalls erfüllt, weil der Begriff der Geschäftsführung nicht aktienrechtlich (d. h. im Sinne des § 76 I AktG), sondern insolvenzrechtlich zu verstehen ist und daher Rechtshandlungen aller Gesellschaftsorgane im Eigenverwaltungsbereich durch den Sachwalter überwacht werden.212 ___________ Rn. 35; Wilhelmi, in: Godin/Wilhelmi, AktG, § 245 Anm. 5.; Zöllner, in: KK zum AktG, § 245 Rn. 66; vgl. schon RG, Urteil vom 6. 5. 1911 – Rep. I. 164/10, RGZ 76, 244, 246 (zur passiven Prozessführungsbefugnis). Weitergehend offenbar Kilger/K. Schmidt, InsG, § 207 KO Rn. 4a). 210 K. Schmidt, in: GK zum AktG, 4. Auflage, § 245 Rn. 37; ders., InsR der Unternehmen, S. 106 ff.; Kilger/ders., InsG, § 207 Anm. 4a (allerdings § 245 Nr. 4 analog); Schulz, KTS 1986, 389 ff. 211 Noack, in: Kübler/Prütting, GesR, Rn. 359 („erweiternde Auslegung“). Zur früheren Rechtslage (§ 6 KO): Zöllner, in: KK zum AktG, § 245 Rn. 66; Weber, in: Jaeger, KO, §§ 207, 208 Rn. 35 („verdrängt“ die Befugnis des Vorstands aus § 245 Nr. 4); vgl. schon RG, Urteil vom 6. 5. 1911 – Rep. I. 164/10, RGZ 76, 244, 246: §§ 6, 117 KO (zur Passivvertretung im Konkurs). Auch Semler, in: MHb GesR IV, § 41 Rn. 62 und Hüffer, AktG, § 254 Rn. 29 berufen sich zur Begründung zwar darauf, dass der Verwalter an die Stelle des Vorstands trete, meinen damit aber offenbar § 80 InsO. 212 Kapitel 6 II. 2., Seite 365.

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3. Teil: Die Rechtsstellung der Organe einer AG in Eigenverwaltung

(aa) Wortlautauslegung und systematische Auslegung Als problematisch erweist sich jedoch, dass § 274 II 1 InsO nach seinem Wortlaut nur eine Überwachung des Schuldners legitimiert, worunter aber nach dem allgemeinen Sprachgebrauch in der Tendenz eher eine passiv-observierende als eine aktiv-eingreifende Tätigkeit zu verstehen ist. Das spiegelt sich auch in den Mitteln des Sachwalters zur Überwachung wider: Er darf die Geschäftsräume des Schuldners betreten, Nachforschungen anstellen, Geschäftsbücher einsehen und Auskünfte einholen (§§ 22 III, 274 III 3 InsO), die Kassenführung übernehmen (§ 275 II InsO) und schließlich dem Gläubigerausschuss und dem Insolvenzgericht Anzeige erstatten, wenn er Nachteile für die Gläubigerschaft befürchtet (§ 274 III 1 InsO). Der Sachwalter hat dagegen weder das Recht, die Aufhebung des Verfahrens oder die Anordnung eines Zustimmungsvorbehalts nach § 277 InsO zu beantragen, noch darf er dem Schuldner Weisungen erteilen.213. Mit Wortlaut und Systematik des § 274 II 1 InsO scheint daher eine Befugnis des Sachwalters nicht vereinbar zu sein, mit der er – wie eben im Falle eines Anfechtungsrechts (vgl. § 247 I 1 AktG) – die Wirksamkeit einer Rechtshandlung des eigenverwaltenden Schuldners beseitigen kann. Es ist jedoch zu beachten, dass das Anfechtungsrecht des Vorstands aus § 245 Nr. 4 AktG ausschließlich dazu bestimmt ist, Beschlüsse der Hauptversammlung einer objektiven Rechtsmäßigkeitskontrolle durch das Gericht zu unterziehen, nicht um die Geltendmachung einer individuellen Rechtsverletzung.214 Es geht also ebenfalls allein um eine Überwachung der Hauptversammlung. In funktionaler Hinsicht harmoniert ein Anfechtungsrecht des Sachwalters gem. § 245 Nr. 4 AktG daher durchaus mit seiner Überwachungsaufgabe aus § 274 II 1 AktG und verträgt sich somit auch mit Wortlaut und Systematik der Norm.215 (bb) Historische Auslegung Für ein Anfechtungsrecht spricht die historische Betrachtung. Wie sich aus der amtlichen Begründung ergibt, ist die Aufteilung der Kompetenzen des Insolvenzverwalters zwischen Sachwalter und Schuldner in den §§ 270 ff. InsO nicht abschließend erfolgt. Soweit eine ausdrückliche Regelung fehlt, soll zur ___________ 213 Kapitel 1 C. II. 2., Seite 89. Siehe auch Blersch, in: BK zum InsR, § 274 Rn. 13; Wittig, in: MK zur InsO, § 274 Rn. 27. 214 K. Schmidt, in: GK zum AktG, 4. Auflage, § 245 Rn. 4, 32, § 246 Rn. 11; Hüffer, in: MK zum AktG, § 245 Rn. 59; wohl auch Schilling, in: GK zum AktG, 3. Auflage, § 245 Anm. 14. 215 Zuzugeben ist allerdings, dass das Anfechtungsrecht des Insolvenzverwalters primär dem Schutz der Masse dient. Dem Sachwalter dieses Recht aus Gründen der Rechtmäßigkeitskontrolle zuzuweisen, bedeutet also einen Paradigmenwechsel.

Kap. 7: Die Hauptversammlung in der Eigenverwaltung

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Abgrenzung auf die Regel abgestellt werden, „dass die laufenden Geschäfte vom Schuldner geführt werden und dass der Sachwalter einerseits diese Geschäftsführung kontrolliert und unterstützt, andererseits die besonderen Aufgaben wahrnimmt, die dem Insolvenzverwalter in erster Linie im Interesse der Gläubiger übertragen sind, insbesondere die Anfechtung von gläubigerbenachteiligenden Rechtshandlungen“216. Aus diesen Ausführungen lassen sich vor allem zwei für die vorliegende Untersuchung bedeutsame Gesichtspunkte herauslesen: Einerseits existieren Kompetenzen, die auch ohne explizite Nennung in den §§ 270 ff. InsO dem Sachwalter zuzuordnen sind. Also darf eine Auslegung weder am Wortlaut noch der Systematik der §§ 270 ff. InsO und namentlich des § 274 II 1 InsO allzu sehr verhaftet bleiben; aus ihnen können sich nur Indizien, nicht aber zwingende Argumente für oder gegen die Bejahung einer ungeschriebenen Sachwalterkompetenz ergeben. Andererseits sind „besondere Aufgaben“, die dem Insolvenzverwalter gerade im Interesse der Gläubiger zugewiesen sind, in der Eigenverwaltung durch den Sachwalter zu erfüllen. Diese bei wörtlichem Verständnis eigentlich nichts sagende Verteilungsregel – „in erster Linie im Interesse der Gläubiger“ sind auch dem Schuldner sämtliche Eigenverwaltungskompetenzen, vor allem auch die insolvenzspezifischen der §§ 279 S. 1, 282 I 1, 283 I 1 InsO, zugewiesen – wird man wohl dahin zu präzisieren haben, dass es sich um diejenigen Aufgaben handelt, deren ordnungsgemäße Erfüllung der Gesetzgeber dem Schuldner wegen der ihnen regelmäßig anhaftenden Interessenkonflikte nicht zugetraut hat.217 Dazu gehören etwa die – in der Gesetzesbegründung ausdrücklich genannte – Anfechtung gläubigerbenachteiligender Rechtshandlungen (gem. §§ 280, 129 ff. InsO), aber auch die Geltendmachung einer Haftung aus §§ 92, 93 InsO, die Anzeige der Masseunzulänglichkeit (§ 285 InsO) und die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gem. §§ 62 II 2, 93 V 4, 117 V 3, § 309 IV 5 AktG. Diesen Fällen ist ein Anfechtungsrecht aber weitestgehend vergleichbar. Denn ebenso wenig wie die Organe der Schuldnergesellschaft geeignet erscheinen, eine Haftung gegen die eigenen Gesellschafter oder Geschäftsleiter gem. §§ 92, 93 InsO oder gem. §§ 62 I, 93 II AktG zu verfolgen, erscheint der Vorstand in der Eigenverwaltung dafür geeignet, die Ordnungsgemäßheit der Hauptversammlungsbeschlüsse sicherzustellen. Vielmehr besteht die Gefahr, dass er aus Eigeninteresse (z. B. § 120 AktG), zur Vermeidung der mit einer Anfechtung verbundenen ___________ 216

Bundesregierung, Begründung zu § 331 RegE InsO (= § 270 InsO), BT-Drucks. 12/2443, S. 223. 217 Kapitel 1 C. II. 1., Seite 88. Ebenso Pape/Uhlenbruck, InsR, Rn. 844, 847, 850. Dass auf die (fehlende) Eignung des Schuldners abzustellen ist, ergibt sich auch der Gesetzesbegründung zu § 280 (vgl. Bundesregierung, Begründung zu § 341 RegE InsO, BT-Drucks. 12/2443, S. 225: „[…] erscheint der Sachwalter besser geeignet als der Schuldner“). Nur für die Anzeige der Masseunzulänglichkeit ist das zweifelhaft, vgl. dazu schon Kapitel 1 C. II. 1., Fußnote 301 (Seite 89).

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3. Teil: Die Rechtsstellung der Organe einer AG in Eigenverwaltung

erheblichen innergesellschaftlichen Spannungen oder gar in Absprache mit den übrigen Organen von der gebotenen Anfechtung eines in seinen Augen insolvenzzweckwidrigen Beschlusses absieht. Daher ist es sachgerecht, dieses Anfechtungsrecht in der Eigenverwaltung als auf den Sachwalter übergegangen anzusehen. (cc) Teleologische Auslegung Schließlich spricht auch die teleologische Auslegung für ein Anfechtungsrecht des Sachwalters. Der Zweck einer Überwachung gem. § 274 II InsO besteht im Wesentlichen darin, zu verhüten, dass der Schuldner das Eigenverwaltungsverfahren zum Schaden der Gläubigerschaft dazu benutzt, um Vermögenswerte zu beseitigen oder Dritte entgegen dem Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung zu bevorzugen.218 Dafür ist selbstverständlich erforderlich, dass dem Sachwalter wirksame Kontrollinstrumente zur Verfügung stehen. Allerdings ging der Gesetzgeber von dem Paradigma einer natürlichen Person als Schuldner aus219 und hat deshalb bei der gesetzlichen Ausgestaltung der Überwachung die Besonderheiten unberücksichtigt gelassen, die in der Eigenverwaltung einer juristischen Person auftreten können. Ausgangspunkt der Überlegung ist, dass eine sehr wesentliche, wenn nicht sogar die bestimmende Säule der durch den Sachwalter ausgeübten Kontrolle nicht in der Anwendung der normierten Überwachungsmittel liegt, sondern in der persönlichen Einwirkung auf den Schuldner. Denn da der Sachwalter – mit Ausnahme der §§ 277, 279 S. 3 InsO – durch seinen Widerspruch eine gläubigerschädigende Handlung des Schuldners nicht verhindern kann, muss seine Kontrolle, will er seiner Aufgabe und dem Zweck des § 274 II InsO gerecht werden, auf Prävention angelegt sein. Einem Missbrauch kann aber mit den gesetzlichen Kontrollinstrumenten und insbesondere mit deren zwangsweisen Durchsetzung (§§ 274 II 2, 22 III 3 Hs. 2, 97, 98, 101 I 1, 2, II InsO) kaum vorgebeugt werden. Diese Rechte ermöglichen zumeist lediglich die Aufdeckung eines bereits begangenen Missbrauchs. Ein wirksamer Schutz der Gläubiger lässt sich vielmehr dadurch verwirklichen, dass der Sachwalter den Schuldner

___________ 218

Wittig, in: MK zur InsO, § 274 Rn. 27; Foltis, in: FK zur InsO, § 274 Rn. 51; vgl. auch J. Mohrbutter, in: Bley/Mohrbutter, VglO, § 39 Rn. 3 (die Vorschrift ist durch § 274 II 1 InsO inhaltlich übernommen, vgl. Bundesregierung, Begründung zu § 335 RegE InsO, BT-Drucks. 12/2443, S. 224). 219 Smid, DZWIR 2002, 493, 496; H.-F. Müller, S. 4. Dieser Vorwurf wurde auch schon gegen die Konkursordnung erhoben: Weber, KTS 1970, 72, 72; Habscheid, FS Weber, 197, 197.

Kap. 7: Die Hauptversammlung in der Eigenverwaltung

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in den Fragen der Geschäftsführung anleitet und berät220. Notwendig ist – worauf Huhn zu Recht hinweist – ein Kooperationsverhältnis, in dessen Rahmen er Interessengegensätze mit dem Schuldner erörtern und diesem Gelegenheit geben kann, seine Auffassung zu begründen, und kraft dessen er gegebenenfalls versuchen kann, den Schuldner von der Vornahme einer bestimmten Rechtshandlung abzubringen.221 Idealerweise gehen Beratung und Kontrolle somit ineinander über und lassen sich nicht trennscharf unterscheiden. Dass es sich bei der persönlichen Einwirkung um ein in seiner Wirkung nicht zu unterschätzendes Element der Überwachung handelt, zeigt auch ein Vergleich zur Aufsicht des Aufsichtsrats einer Aktiengesellschaft über deren Vorstand (§ 111 AktG). Hier ist allgemein anerkannt, dass das kontrollierende Einwirken auf den Vorstand durch die Äußerung von Meinungen, Bedenken, Hinweisen etc. und durch den dadurch vermittelten Begründungszwang von sehr wesentlicher Bedeutung ist und das „häufigste und gewissermaßen normale Einflussmittel“222 darstellt.223 Da die Überwachung des Aufsichtsrats über den Vorstand mit der Überwachung des Sachwalters über den Schuldner strukturell zu vergleichen ist,224 erscheint es zulässig, diese grundsätzliche Wertung auch auf die Kontrolle nach § 274 II InsO zu übertragen.225 In der Eigenverwaltung einer Aktiengesellschaft kann der Sachwalter allerdings nur auf Vorstand und Aufsichtsrat, nicht dagegen auf die Hauptversamm___________ 220

Die Pflicht des Sachwalters zur Beratung des Schuldners folgt aus der amtlichen Begründung zu § 331 RegE InsO (= § 270 InsO), BT-Drucks. 12/2443, S. 223: „[…] der Sachwalter […] diese Geschäftsführung kontrolliert und unterstützt“. 221 Huhn, Rn. 949 f., siehe aber auch Rn. 994, 996. In diese Richtung auch Schlegel, S. 225 und 273, der die Beratungsfunktion des Sachwalters betont, aus der sich im Idealfall eine gemeinschaftliche Geschäftsführung ergebe. 222 Hoffmann-Becking, in: MHb GesR IV, § 29 Rn. 28, 30. 223 Hoffmann-Becking, in: MHb GesR IV, § 29 Rn. 29 ff.; ähnlich Mertens, in: KK zum AktG, § 111 Rn. 31 ff., 33; Semler, in: MK zum AktG, § 111 Rn. 195 ff., 246 ff. 224 Ebenso wie der Sachwalter ist der Aufsichtsrat in erster Linie mit Einsichts- und Prüfungsrechte (§ 111 II 1 und 2 AktG entsprechen §§ 274 II 1 und 2, 22 III InsO) und nur im Ausnahmefall mit weitergehenden Zustimmungsvorbehalten (§§ 111 IV 2, 179a AktG entsprechen §§ 275, 277 InsO) ausgestattet, verfügt über kein allgemeines Weisungsrecht (vgl. Mertens, in: KK zum AktG, § 111 Rn. 32) und hat Schadenersatzansprüche gegen den Vorstand geltend zu machen (§§ 112, 93 AktG entsprechen § 93 IV 4 AktG). Mittel der Kontrolle sind außerdem (vgl. Hoffmann-Becking, in: MHb GesR IV, § 29 Rn. 28): das Recht zur Einberufung einer außerordentlichen Hauptversammlung (§ 111 III AktG); die Abberufung des Vorstands (§ 84 AktG); Änderung der Geschäftsordnung und der Geschäftsverteilung des Vorstands. 225 Dasselbe gilt auch für die Überwachung durch den Gläubigerausschuss. In der Literatur wird allerdings – soweit ersichtlich – bisher nur der Gläubigerausschusses als mit dem Aufsichtsrat einer Aktiengesellschaft funktional vergleichbar angesehen (etwa Gößmann, in: MK zur InsO, § 72 Rn. 9; Delhaes, in: Nerlich/Römermann, InsO, § 69 Rn. 2; Weber, in: Jaeger, KO, § 87 Rn. 1).

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3. Teil: Die Rechtsstellung der Organe einer AG in Eigenverwaltung

lung nennenswerten Einfluss in diesem Sinne nehmen. Denn die Hauptversammlung ist ein nicht ständig präsentes Organ, 226 sie tritt nur selten und in größeren Abständen und daher auch während eines Eigenverwaltungsverfahrens bestenfalls wenige Male zur Beschlussfassung zusammen.227 Außerdem zeichnet sie sich durch eine inhomogene, oft dem Zufall ausgelieferte Zusammensetzung und eine gewisse Ferne zu den jeweils vorzunehmenden Maßnahmen aus.228 Schließlich treffen die Aktionäre weder Mitwirkungspflichten, noch sind sie im Grundsatz an der Durchführung des Eigenverwaltungsverfahrens direkt beteiligt. Wegen dieser Besonderheiten sind einer Einwirkung auf die Aktionäre – insbesondere bei großen Publikumsgesellschaften – von Vornherein sehr enge Grenzen gesetzt. Damit ist der Sachwalter aber zugleich des wichtigsten Instruments einer präventiven Überwachung beraubt. Dieses Defizit könnte man jedoch in gewissem Umfang kompensieren, indem man dem Sachwalter ein Anfechtungsrecht gewährt, da so potentiell insolvenzzweckwidrige Beschlüsse zumindest einer gerichtlichen Kontrolle unterzogen werden könnten. Diese Lösung ist auch im Interesse der Gläubiger, denen sonst allein die Möglichkeit bliebe, insolvenzzweckwidrige Beschlüsse der Hauptversammlung durch die Beendigung der Eigenverwaltung gem. § 272 InsO zu ahnden. Diese harte Sanktion macht bei einer natürlichen Person als Schuldner regelmäßig Sinn, wenn sie trotz der engen Zusammenarbeit mit dem Sachwalter insolvenzzweckwidrige Verfügungen vornimmt und so das in sie gesetzte Vertrauen endgültig verspielt hat, nicht aber im Falle der Hauptversammlung, bei der eine derartige Abstimmung kaum stattgefunden hat. Ein Anfechtungsrecht ist also nicht nur zum Zweck einer wirksamen Überwachung der Hauptversammlung gem. § 274 II InsO geboten, sondern es stellt auch das Gleichgewicht zwischen Überwachung und Verfahrensbeendigung gem. § 272 InsO im Sinne einer ultima ratio wieder her.

___________ 226

BGH, Urteil vom 26. 4. 2004 – II ZR 155/02, NJW 2004, 1860, 1864 [Gelatine II]; Semler, in: MHb GesR IV, § 34 Rn. 7; Hüffer, AktG, § 118 Rn. 5; Eckardt, in: Geßler/Hefermehl, AktG, Vor § 118 Rn. 2; kritisch Kubis, in: MK zum AktG, § 118 Rn. 11. 227 Weil ein Zusammentreten eine an Fristen und bestimmte Förmlichkeiten (§§ 121, 122 AktG) gebundene Einberufung voraussetzt, ist der Hauptversammlung eine gewisse Schwerfälligkeit zu eigen (Eckardt, in: Geßler/Hefermehl, AktG, Vor § 118 Rn. 2), die auch ein häufigeres Zusammentreten während des Eigenverwaltungsverfahrens verhindert. Außerdem entstehen dadurch regelmäßig erheblich Kosten, vgl. Kapitel 4 B., Seite 187, Fußnote 21. 228 Vgl. BGH, Urteil vom 26.4.2004 – II ZR 155/02, NJW 2004, 1860, 1864 [Gelatine II].

Kap. 7: Die Hauptversammlung in der Eigenverwaltung

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(dd) Ergebnis Im Ergebnis kann § 274 II 1 InsO also so ausgelegt werden, dass die Aufsicht des Sachwalters über die Geschäftsführung auch die ungeschriebene Annexkompetenz umfasst, insolvenzzweckwidrige Hauptversammlungsbeschlüsse entsprechend § 245 Nr. 4 AktG anzufechten. Dieses Recht tritt neben die Anfechtungsbefugnis des Vorstands. (b) Die Anfechtungsbefugnis des Gläubigerausschusses Zur Anfechtung ist allerdings nicht auch der Gläubigerausschuss befugt, obschon er ähnlich einem Sachwalter zur Überwachung der Gesellschaftsorgane berufen ist. Im Unterschied zu diesem beruhen die Rechte und Pflichten des Gläubigerausschusses jedoch unmittelbar auf dem Gesetz, das sie nach h. M. abschließend und zwingend regelt.229 Außerdem werden die Kompetenzen des Insolvenzverwalters in der Eigenverwaltung allein zwischen Schuldner und Sachwalter aufgeteilt, nicht aber dem Gläubigerausschuss übertragen. 2. Die Überwachung durch Sachwalter und Gläubigerausschuss Ebenso wie der Aufsichtsrat und der Vorstand untersteht auch die Hauptversammlung einer Überwachung durch den Sachwalter (§ 274 II 1 InsO) und den Gläubigerausschuss (§§ 69, 270 I 2 InsO), soweit sie Beschlüsse fasst, die sich auf den Eigenverwaltungsbereich beziehen.230 Aus dieser Kontrollaufgabe resultiert u. a. das Recht, an der Hauptversammlung teilzunehmen und dort zu reden, und die Befugnis des Sachwalters, nicht insolvenzzweckgemäße Hauptversammlungsbeschlüsse analog §§ 243, 246 Nr. 4 AktG anzufechten.231 Der Sachwalter ist allerdings nicht zur Einberufung der Hauptversammlung befugt. Denn dieses Recht steht noch nicht einmal dem Insolvenzverwalter im regulären Verfahren zu232 und kann deshalb auch nicht – wie etwa die Anfech___________ 229

Kübler, in: Kübler/Prütting, InsO, § 69 Rn. 5 m. w. N. Zur KO: Weber, in: Jaeger, KO, § 88 Rn. 1; vgl. auch BGH, Urteil vom 11. 11. 1993 – IX ZR 35/93, ZIP 1994, 46, 48; RG, Urteil vom 28. 1. 1888 – Rep. I. 362/87, RGZ 20, 108, 109. 230 Zur Begründung siehe insbesondere Kapitel 6 B. II. 2., Seite 365. Zur Überwachung des Schuldners durch den Gläubigerausschuss siehe oben Kapitel 1 C. IV. 2. a), Seite 94. 231 Zur Anfechtungsbefugnis des Sachwalters und der Gläubigerversammlung siehe soeben 1. b) bb) (3), Seite 420. 232 Kubis, in: MK zum AktG, § 121 Rn. 23; Werner, in: GK zum AktG, 4. Auflage, § 121 Rn. 39; Zöllner, in: KK zum AktG, 1. Auflage, § 121 Rn. 24; Brodmann, Aktienrecht, § 253 HGB Anm. 1 e).

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3. Teil: Die Rechtsstellung der Organe einer AG in Eigenverwaltung

tungsbefugnis – in der Eigenverwaltung auf den Sachwalter übergehen. Außerdem kann dem Sachwalter, sofern die §§ 270 ff. InsO nichts anderes bestimmen, keine größere Rechtsmacht zukommen als dem Insolvenzverwalter, da sich seine Rechtsstellung lediglich aus der des Insolvenzverwalters ableitet.233 Ebenso wenig kann ihm das Recht gebühren, eine Sitzung des Aufsichtsrates einzuberufen.234 3. Beachtung der Zustimmungsvorbehalte (§§ 275 ff. InsO) Der Anwendungsbereich der Zustimmungsvorbehalte (§§ 275 I, 277 I 1, 279 S. 2 und S. 3, 282 II InsO) ist in der Gesellschaftsinsolvenz auf Handlungen der Gesellschaftsorgane im Eigenverwaltungsbereich beschränkt, die unmittelbare rechtliche Wirkung nach außen entfalten.235 Daher werden rein gesellschaftsinterne Maßnahmen der Hauptversammlung, wie etwa Mitwirkungshandlungen nach § 119 II AktG oder nach den Grundsätzen der Holzmüller-Rechtsprechung, von diesen Beschränkungen nicht erfasst. Schwieriger ist es indessen zu bestimmen, in welchen Fällen eine Außenwirkung besteht. Hierzu zählen zunächst die wenigen Ausnahmen, in denen die Hauptversammlung selbst in Vertretung der Gesellschaft tätig wird,236 z. B. bei der Bestellung eines Sonderprüfers gem. § 142 AktG,237 nicht aber die Bestellung und Abberufung des Aufsichtsrates (§ 101 AktG), bei der es sich um eine dem Schuldnerbereich zuzuordnende Kompetenz handelt.238 Ferner hat die Festsetzung, Herabsetzung oder Streichung der Aufsichtsratsbezüge durch Hauptversammlungsbeschluss (§ 113 I 2 und 4 AktG) unmittelbare Wirkung auf die Entgeltansprüche der Aufsichtsratsmitglieder und ist daher dem Anwendungsbereich der §§ 275 ff. InsO zuzuordnen.239 Insbesondere handelt es sich ___________ 233 Vgl. Bundesregierung, Begründung zu § 331 RegE InsO (= § 270 InsO), BTDrucks. 12/2443, S. 223. 234 Dazu oben Kapitel 6 B. II. 2., Seite 365. 235 Siehe oben Kapitel 5 B. III. 3. b), Seite 304. 236 Siehe dazu Hüffer, AktG, § 119 Rn. 12. 237 Die Befugnis zur Bestellung eines Sonderprüfers bleibt in der Eigenverwaltung insoweit bestehen, als sie der Vorbereitung einer Entscheidung über die Abberufung eines Vorstands- oder Aufsichtsratsmitgliedes dient. Dagegen wird das Recht nach § 147 II, III AktG vollständig zugunsten des Sachwalters verdrängt (oben B. I. 2. a), Seite 401). Zur Vertretungsmacht bei der Beauftragung eines Sonderprüfers siehe Hüffer, AktG, § 142 Rn. 11. 238 A. II. 1., Seite 385. 239 Obwohl die Herabsetzung oder Streichung der Aufsichtsratsbezüge dem Grunde nach korporationsrechtliche Akte sind, sind sie wegen ihres unmittelbaren Massebezugs dem Eigenverwaltungsbereich zuzuordnen, vgl. oben I. 1., Seite 400.

Kap. 7: Die Hauptversammlung in der Eigenverwaltung

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bei Beschlüssen auch um Rechtsgeschäfte i. S. d. § 277 InsO und um Rechtshandlungen i. S. d. § 276 InsO.240 Dasselbe gilt auch für massebezogene satzungsändernde Beschlüsse, etwa eine Änderung der Firma oder eine effektive Kapitalherabsetzung. Die Außenwirkung dieser Beschlüsse kann man auch nicht etwa mit der Erwägung verneinen, dass sie gem. § 181 III AktG erst durch die Eintragung ins Handelsregister im Innen- und Außenverhältnis wirksam werden,241 und stattdessen die Zustimmungsvorbehalte an dem auf die Eintragung der Satzungsänderung gerichteten Antrag des Vorstands anknüpfen. Denn genau betrachtet ergibt sich, wenn die Eintragung schließlich vorgenommen worden ist, die Wirkung der Satzungsänderung im Außenverhältnis unmittelbar aus der durch den Beschluss geänderten Satzung selbst, nicht aus der Eintragung. Die Anmeldung ist ein bloßer Organisationsakt, zu dessen Vornahme der Vorstand aufgrund seiner Organstellung verpflichtet ist, solange der Beschluss nicht nichtig ist.242 Außerdem könnte die Anmeldung nicht unter § 277 InsO subsumiert werden, da sie keinen rechtsgeschäftlichen Charakter hat,243 so dass hier eine Schutzlücke für die Gläubiger entstünde. Daher kann in diesen Fällen die Beschlussfassung als solche einem Zustimmungsvorbehalt unterfallen, und die Gläubiger können sich durch eine entsprechende Anordnung gem. § 277 InsO beispielsweise vor der Änderung der Gesellschaftsfirma oder vor einer effektiven Kapitalherabsetzung schützen. Derartige Beschlüsse wären ansonsten lediglich anfechtbar.

C. Abschließende Würdigung Aus der vorstehenden Darstellung ergibt sich, dass die Hauptversammlung durch die Anordnung der Eigenverwaltung zwar eine Reihe ihrer Kompetenzen an den Sachwalter verliert, in der Gesamtschau aber doch eine bestimmende Rolle in diesem Verfahren beibehält. Denn gewisse grundlegende Entscheidungen, die über den Erfolg oder Misserfolg der Eigenverwaltung maßgeblich mitbestimmen, verbleiben in ihrer Zuständigkeit. Das gilt im Besonderen für Änderungen der Kapitalstruktur oder des Gesellschafterkreises, die für eine Reorganisation der Aktiengesellschaft zumeist unerlässlich sind, aber auch für die Befugnis, über die Besetzung des Aufsichtsrates und – mittelbar – des Vorstands (vgl. § 84 II 2 AktG) und damit über diejenigen Personen zu bestimmen, die für die Durchführung des Verfahrens verantwortlich sind und auf die sich ___________ 240

Siehe Kapitel 5 B. III. 3. a) bb), Seite 300. Hüffer, AktG, § 181 Rn. 24. 242 Hüffer, AktG, § 181 Rn. 5. 243 BayObLG, Beschluss vom 22. 2. 1985 – BReg. 3 Z 16/85, BayObLHZ 1985, 82, 87 m. w. N.; Hüffer, AktG, § 181 Rn. 2, § 36 Rn. 2 m. w. N. 241

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3. Teil: Die Rechtsstellung der Organe einer AG in Eigenverwaltung

daher das Vertrauen der Gläubigerschaft im Wesentlichen stützt. Außerdem gehören diese Befugnisse dem Schuldnerbereich an, bestehen also ohne insolvenzrechtliche Beschränkungen, so dass die Gläubiger keine rechtliche Handhabe besitzen, um eine diesbezügliche Beschlussfassung durch die Hauptversammlung in ihrem Sinne zu beeinflussen, geschweige denn eine konkrete Maßnahme zu erzwingen. Es ist allerdings zu erwarten, dass sich diese Sachlage in der Praxis nur selten als ein Sanierungshindernis gestalten wird. Denn solange eine veritable Sanierungschance besteht, und nur in solchen Fällen wird es regelmäßig überhaupt zu einer Anordnung der Eigenverwaltung kommen, werden die Aktionäre zur Kooperation mit den Gläubigern und mithin auch zu erheblichen Zugeständnissen bereit sein, da die weitaus unattraktivere Alternative zur Eigenverwaltung nur der endgültige Verlust der Verfügungsmacht über das Gesellschaftsvermögen und die Vollbeendigung der Gesellschaft selbst bedeuten kann. Demgegenüber ist die Hauptversammlung im Eigenverwaltungsbereich nur in wenigen Fällen zur Beschlussfassung berufen und oft auch nur zu weniger bedeutsamen Fragen. Der Schwerpunkt der für das Eigenverwaltungsverfahren wesentlichen Hauptversammlungskompetenzen liegt deshalb, im Gegensatz zu Vorstand und Aufsichtsrat,244 im Schuldnerbereich. Insgesamt lässt sich feststellen, dass die Rechtsstellung der Hauptversammlung im Vergleich zu den übrigen Organen durch die Anordnung der Eigenverwaltung am wenigsten modifiziert wird.

D. Ergebnisse Als wesentliche Ergebnisse dieses Kapitels sind festzuhalten: 1. Da die Hauptversammlung im Schuldnerbereich weder an den Insolvenzverfahrenszweck noch an die Abwicklungsvorschriften gebunden ist, sind Restrukturierungsmaßnahmen auf gesellschaftsrechtlicher Ebene, wie insbesondere Kapitalmaßnahmen, ohne weiteres zulässig. 2. Die Hauptversammlung ist in der Eigenverwaltung nicht befugt, einen besonderen Vertreter nach § 147 II 1 AktG zu bestellen, wohl aber einen Sonderprüfer nach § 142 I 1 AktG, soweit dies eine Personalentscheidung im Vorstand oder Aufsichtsrat vorbereiten soll. 3. § 281 III 1 InsO ist so auszulegen, dass § 155 III 1 InsO auch in der Eigenverwaltung zur Anwendung kommt. Das Recht, die Bestellung eines Abschlussprüfers durch das Registergericht zu beantragen, steht intern analog ___________ 244

Kapitel 5 E., Seite 345 (Vorstand), und Kapitel 6 E., Seite 380 (Aufsichtsrat).

Kap. 7: Die Hauptversammlung in der Eigenverwaltung

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§§ 111 II 3, 124 III 1 AktG, § 318 I 4 HGB dem Aufsichtsrat zu, der auch den Prüfungsauftrag erteilt. 4. Die Hauptversammlung ist im Eigenverwaltungsbereich an den Zweck des Insolvenzverfahrens (§ 1 S. 1 InsO) gebunden; das folgt unmittelbar aus §§ 270 I 2, 1 S. 1 InsO, kann für Gegenstände der Geschäftsführung aber auch aus ihrer Bindung an den Gesellschaftszweck hergeleitet werden, der insoweit durch den Insolvenzverfahrenszweck überlagert wird. 5. Insolvenzzweckwidrige Beschlüsse der Hauptversammlung sind weder aufgrund spezifisch insolvenzrechtlicher Erwägungen noch gem. § 241 AktG nichtig, sondern sie sind lediglich gem. § 243 I Alt. 1 AktG wegen der Verletzung des Gesetzes anfechtbar. 6. Der Sachwalter ist analog § 245 Nr. 4 AktG anfechtungsbefugt. Seine Anfechtungsbefugnis leitet sich als ungeschriebene Annexkompetenz aus § 274 II 1 InsO ab. 7. Die Hauptversammlung unterliegt im Eigenverwaltungsbereich der Aufsicht durch Sachwalter und Gläubigerausschuss. Ihre Beschlüsse unterstehen den insolvenzrechtlichen Zustimmungsvorbehalten (§§ 275 ff. InsO) aber nur insoweit, als sie unmittelbare Wirkung nach außen haben, wie beispielsweise die Festsetzung der Aufsichtsratsbezüge oder die Änderung der Gesellschaftsfirma.

Vierter Teil

Schlussbetrachtung Im Grundlagenteil der vorliegenden Arbeit wurde zunächst untersucht, auf welchem Rechtsgrund die einzelnen Befugnisse des eigenverwaltenden Schuldners, allen voran das Verwaltungs- und Verfügungsrecht aus § 270 I 1 InsO beruhen und wie die Rechtsstellung des Schuldners insgesamt zu charakterisieren ist. Dabei konnte nachgewiesen werden, dass der Schuldner weder als „Amtswalter in eigenen Angelegenheiten“ auftritt noch sonst eine amtliche Stellung wie ein Insolvenzverwalter innehat. Er handelt vielmehr kraft privatautonomer Rechtsmacht, die durch die insolvenzrechtlichen Sonderbefugnisse (§§ 279 S. 1, 282 I 1, 283 I 1 InsO) erweitert, zugleich aber durch die §§ 1 S. 1, 275 ff. InsO insolvenzrechtlich begrenzt wird.1 Diese Erkenntnis bedingt einerseits, dass eine Haftung des Schuldners aus § 60 InsO nicht in Betracht kommt,2 und andererseits, dass insolvenzzweckwidrige Verfügungen des Schuldners nicht mit derselben rechtlichen Begründung für unwirksam gehalten werden können wie die eines Insolvenzverwalters. Es wurde jedoch gezeigt, dass sich die Unwirksamkeit derartiger Verfügungen mit einer entsprechenden Anwendung der Grundsätze über den Missbrauch der Vertretungsmacht erklären lässt.3 Vor allem folgt aus dieser Erkenntnis aber für den Fall, dass es sich bei dem Schuldner um eine Aktiengesellschaft handelt, dass nicht ihr Vorstand oder dessen Mitglieder die Träger der eigenverwaltungsspezifischen Rechte und Pflichten, mit anderen Worten also „Eigenverwalter“ sind. Vielmehr ist § 270 I 1 InsO aufgrund weiterer systematischer, historischer und teleologischer Erwägungen dahin auszulegen, dass die Schuldnergesellschaft selbst diese Stellung einnimmt, und zwar notwendigerweise „in den durch das Gesellschaftsrecht statuierten Formen und Verfahrensweisen organschaftlicher Vertretung und Kontrolle“4, ohne die sie nicht handlungsfähig ist. Das aber bedeutet, dass gesellschaftsrechtliche Mitwirkungsbefugnisse der Gesellschaftsorgane entgegen der h. M. auch prinzipiell in der Eigenverwaltung bestehen bleiben.5 Die jewei___________ 1

Kapitel 1 C. I. 2. c), Seite 72. Kapitel 1 C. I. 3. a) bb) (2) (b), Seite 80. 3 Kapitel 1 C. I. 4. b), Seite 83. 4 Die Formulierung stammt von Smid, DZWIR 2002, 493, 500. 5 Kapitel 5 B. II. 2. a) cc), Seite 272. 2

4. Teil: Schlussbetrachtung

433

ligen Weisungs- und Mitwirkungsrechte sind aber im Einzelnen darauf zu überprüfen, ob sie mit dem Zweck eines Insolvenzverfahrens in Eigenverwaltung zu vereinbaren sind, was bei den Holzmüller-Vorbehalten und bei § 179a AktG zu bejahen, bei § 308 I AktG dagegen zu verneinen ist.6 Ist also die Gesellschaft selbst mit ihren sämtlichen Organen Trägerin der eigenverwaltungsspezifischen Rechte und Pflichten, so führt dies unter Berücksichtigung der teils verdrängenden, teils mitwirkenden Befugnisse des Sachwalters auf der einen und der Massebezogenheit des Insolvenzrechts auf der anderen Seite zu einer viergliedrigen Funktionsteilung zwischen Sachwalter und Gesellschaftsorganen: Zu unterscheiden sind Sachwalterverdrängungsbereich7 (Alleinzuständigkeit des Sachwalters), Schuldnerbereich (Alleinzuständigkeit der Gesellschaftsorgane, kein Bezug zur Insolvenzmasse), Eigenverwaltungsbereich (Alleinzuständigkeit der Gesellschaftsorgane, Bezug zur Insolvenzmasse) und Überschneidungsbereich (Zuständigkeit von Sachwalter und Gesellschaftsorganen).8 In den Schuldnerbereich fallen sämtliche aktien- oder spezialgesetzliche Kompetenzen der Gesellschaftsorgane, die bei vernünftiger Betrachtungsweise keine nachteiligen Auswirkungen auf die Insolvenzmasse haben können. Dazu zählt neben der Wahrnehmung der allgemeinen insolvenzrechtlichen Verfahrensrechte insbesondere die Personalkompetenz über die Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrates und auch die Vornahme von Umstrukturierungen auf der Ebene der Gesellschaft. Hierher gehört aber auch die Verwaltung des insolvenzfreien Vermögens, dessen Existenz auch in der Gesellschaftsinsolvenz anzuerkennen ist9 und das hier gerade dazu dienen kann, die Aufrechterhaltung der gesellschaftsinternen Organisation zu finanzieren.10 In diesem Bereich unterliegen die Organe keiner Bindung an den Insolvenzverfahrenszweck (§ 1 S. 1 InsO), geschweige denn an einen „Abwicklungszweck“. Zwar wird die Gesellschaft durch die Eröffnung des Verfahrens gem. § 262 I Nr. 3 AktG aufgelöst. Dadurch wird jedoch entgegen der absolut herrschenden Meinung keine vollständige Verdrängung des ursprünglichen werbenden Gesellschaftszwecks durch einen dieser Zwecke bewirkt, sondern lediglich eine partielle Überlagerung.11 Diese erfasst allerdings nach der hier vertretenen Ansicht nur den Eigenverwaltungsbereich, nicht den Schuldnerbereich, so dass insoweit weiterhin ___________ 6

Kapitel 5 B. II. 2. d), Seite 282. Bzw. „Sachwalterbereich“, vgl. Kapitel 4 A. I., Seite 183. 8 Kapitel 4 A., Seite 182. 9 Kapitel 2 C. II. 5., Seite 138. 10 Kapitel 4 B. II. 2. b), Seite 194. 11 Kapitel 2 B. II. 2. b) cc), Seite 128. 7

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4. Teil: Schlussbetrachtung

das prinzipiell auf eine Fortführung des Unternehmens gerichtete Gesellschaftsinteresse maßgeblich bleibt.12 Den Eigenverwaltungsbereich bilden die massebezogenen Organkompetenzen. Es handelt sich dabei in etwa um den in einem regulären Verfahren sonst dem Verwalter zugewiesenen Aufgabenbereich. Wesensmerkmal dieses Funktionsbereiches ist, dass die Gesellschaftsorgane insolvenzrechtlichen Beschränkungen unterliegen. Zu allererst sind sie an den Zweck des Insolvenzverfahrens (§ 1 S. 1 InsO) gebunden, was normativ überwiegend aus der Bindung der Organe an den durch § 1 S. 1 überlagerten Gesellschaftszweck abgeleitet werden kann.13 Es handelt sich jedoch lediglich um eine inhaltliche, keine gegenständliche Einschränkung: Die Organe dürfen also keine insolvenzzweckwidrigen Handlungen vornehmen, sie können dies aber grundsätzlich tun. Vor allem kann im Unterschied zu einem regulären Insolvenzverfahren weder aus § 81 InsO noch – wie beim Insolvenzverwalter – aus einer teleologischen Reduktion des § 80 InsO die Nichtigkeit derartiger Handlungen abgeleitet werden.14 Eine Korrektur findet allerdings auf aktienrechtlicher Ebene statt: Evident insolvenzzweckwidrige Rechtshandlungen des Vorstands können nach den Grundsätzen über den Missbrauch der Vertretungsmacht nichtig sein; insolvenzzweckwidrige Beschlüsse des Aufsichtsrates sind wegen Verstoßes gegen eine zwingende Gesetzesvorschrift nichtig, solche der Hauptversammlung dagegen lediglich gem. § 243 I Alt. 1 AktG anfechtbar.15 Eine weitere Beschränkung liegt darin, dass die Aktiengesellschaft bei der Wahrnehmung ihrer Rechte und Pflichten im Eigenverwaltungsbereich durch den Sachwalter (§ 274 II 1 InsO) und den Gläubigerausschuss (§§ 270 I 2, 69 InsO) überwacht wird. Diese insolvenzrechtliche Aufsicht erstreckt sich auf sämtliche Gesellschaftsorgane und vermittelt neben den Kontrollbefugnissen der §§ 274 II 2, 22 III InsO bzw. § 69 InsO das Recht, an den Sitzungen dieser Organe teilzunehmen. Außerdem ist § 274 II 1 InsO dahin auszulegen, dass der Sachwalter analog § 245 Nr. 4 InsO zur Anfechtung insolvenzzweckwidriger Beschlüsse der Hauptversammlung berechtigt ist.16 Er hat auch stets ein rechtliches Interesse daran, die Nichtigkeit insolvenzzweckwidriger Beschlüsse des Aufsichtsrates gem. § 256 ZPO feststellen zu lassen.17 Schließlich unterliegen die Handlungen der Gesellschaftsorgane den Mitwirkungsvorbehalten der §§ 275 I, 276, 277 I 1, 279 S. 2 und S. 3, ___________ 12

Kapitel 5 A. III. 1. a), Seite 215. Kapitel 5 B. III. 1. a), Seite 289 (Vorstand); Kapitel 6 B. II. 1. a), Seite 359 (Aufsichtsrat); Kapitel 7 B. II. 1. a), Seite 408 (Hauptversammlung). 14 Kapitel 5 B. III. 1. d) aa), Seite 295, und Kapitel 1 C. I. 4. b), Seite 83. 15 Kapitel 5 B. III. 1. d), Seite 294 (Vorstand); Kapitel 6 B. II. 1. b), Seite 361 (Aufsichtsrat); Kapitel 7 B. II. 1. b), Seite 410 (Hauptversammlung). 16 Kapitel 7 B. II. 1. b) bb) (3) (a), Seite 420. 17 Kapitel 6 B. II. 1. b) bb), Seite 363. 13

4. Teil: Schlussbetrachtung

435

282 II InsO, allerdings nur insoweit, als sie unmittelbare Wirkungen nach außen entfalten (z. B. die Kündigung eines Vorstandsmitglieds, die Festsetzung der Vergütung des Aufsichtsrates). Bloß gesellschaftsinterne Vorgänge (etwa eine Zustimmung des Aufsichtsrates gem. § 111 IV 2 AktG) werden dagegen nicht erfasst.18 Bei Handlungen einer Aktiengesellschaft in Eigenverwaltung ist also eine strenge Differenzierung vorzunehmen zwischen solchen Maßnahmen, die dem Schuldner-, und solchen, die dem Eigenverwaltungsbereich zuzuordnen sind. Denn während die Gesellschaft und ihre Organe nur im letztgenannten Bereich insolvenzrechtlichen Beschränkungen unterworfen sind, verbleibt ihnen im erstgenannten Bereich eine autonome Entscheidungsmacht. Die Gesellschaft ist an dem Verfahren einerseits in ihrer Eigenschaft als Schuldnerin und andererseits in ihrer Eigenschaft als „Eigenverwalterin“ beteiligt und hat damit eine Doppelstellung inne, die der eines Schuldner-Zwangsverwalters nach § 150b ZVG sehr ähnlich ist: Dieser ist teils Vollstreckungsschuldner (und damit z. B. Betriebsinhaber), teils Zwangsverwalter19 und wird daher ebenfalls zugleich im eigenen wie auch treuhänderisch in fremdem, nämlich dem Gläubigerinteresse tätig.20 In einem Eigenverwaltungsverfahren über das Vermögen einer Aktiengesellschaft fallen verstärkt Kosten im gesellschaftsinternen Bereich an (Durchführung einer Hauptversammlung; Registereintragungen; Vorstandsvergütung). Bei der Frage, wer für diese Kosten aufzukommen hat, ist nach der hier entwickelten Regel danach zu differenzieren, in wessen Interesse die jeweilige Maßnahme erfolgt: Aufwendungen, die allein der Gesellschaft zugute kommen (Rechtsbeistand zur Anfechtung des Eröffnungsbeschlusses), sind von dieser selbst aus einem etwaigen insolvenzfreien Vermögen oder von den Aktionären zu tragen; Aufwendungen, die überwiegend oder allein im Interesse der Gläubiger getätigt werden, fallen demgegenüber der Masse anheim.21 Die Verantwortung für die Verfahrensabwicklung lastet hauptsächlich auf dem Vorstand. Er ist gesellschaftsintern für den überwiegenden Teil der Verfahrensrechte und -pflichten zuständig, und auf seine Fähigkeiten und Kenntnisse stützt sich auch maßgeblich das Vertrauen der Gläubiger (§ 272 I Nr. 1 InsO) und die gerichtliche Nachteilsprognose des § 270 II Nr. 3 InsO. Um hierauf zugunsten der Gesellschaft Einfluss zu nehmen, stellt der Austausch einzel___________ 18

Kapitel 5 B. III. 3. a), Seite 299. Hagemann, in: Steiner, ZVG, §§ 150b–150e Rn. 51; Jonas/Pohle, ZwVNotR, § 150c Anm. 3. 20 Im Unterschied zu diesem wird der Gesellschaft allerdings entgegen der h. M. keine amtliche Stellung verliehen, vgl. Kapitel 1 C. I. 2. b) bb), Seite 66. 21 Kapitel 4 B., Seite 187. 19

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4. Teil: Schlussbetrachtung

ner Vorstandsmitglieder durch erfahrene Insolvenzfachleute vor Verfahrenseröffnung eine zulässige Vorgehensweise dar, die insbesondere bei Großinsolvenzen zu empfehlen ist,22 da sie eine sonst kaum zu erreichende Symbiose aus insolvenzrechtlicher und unternehmensbezogener Fachkompetenz ermöglicht. Der Vorstand nimmt weder die „Rolle des Schuldners“23 noch die „Rolle des Eigenverwalters“24 ein, sondern handelt als gesetzlicher Vertreter der insolventen Aktiengesellschaft, so dass die gesetzlichen und statuarischen Vertretungsregeln (§ 78 AktG) ihre Geltung bewahren. Das gilt entgegen verbreiteter Ansicht namentlich für den Antrag auf Anordnung der Eigenverwaltung (§ 270 II Nr. 1 InsO) und dessen Rücknahme,25 die Ausübung des Beschwerderechts nach § 34 InsO, die Stellung des Antrags nach §§ 212, 213 InsO sowie die Vorlage eines Insolvenzplans gem. § 218 I 1 InsO.26 Insoweit kommt auch eine Analogie zu § 15 InsO in Ermangelung einer vergleichbaren Interessenlage nicht in Betracht. Die Funktion des Aufsichtsrates bleibt in der Eigenverwaltung weitestgehend unverändert. Ebenso wie außerhalb eines Insolvenzverfahrens liegt der Schwerpunkt seiner Aufgaben in der Bestellung und Abberufung der Vorstandsmitglieder und die Aufsicht über deren Geschäftsführung. Es besteht weder ein Austauschverbot,27 noch wird die aktienrechtliche (§ 111 AktG) durch die insolvenzrechtliche Kontrolle (§§ 274 II 1; 69, 270 I 2 InsO) verdrängt.28 Auf dieser Grundlage kann nicht mehr wie im regulären Verfahren von einem automatischen Erlöschen der Vergütungsansprüche der Aufsichtsratsmitglieder ausgegangen werden. Diese bleiben vielmehr als Masseforderungen bestehen, können jedoch gem. § 113 I 4 AktG, ausnahmsweise auch für das laufende Geschäftsjahr, herabgesetzt werden.29 Die Hauptversammlung hat vor allem über die Reorganisationsmaßnahmen auf der Ebene der Gesellschaft zu beschließen, namentlich Kapitalherabsetzungen und -erhöhungen oder eine Änderung der Beteiligungsstruktur (SqueezeOut gem. §§ 327a ff. InsO; Kapitalerhöhung unter Bezugsrechtsausschluss). Sie bleibt trotz der ausschließlichen Kompetenzen des Sachwalters aus §§ 93 V 4, 116 AktG zur Bestellung eines Sonderprüfers (§ 142 I 1 AktG) berechtigt, soweit damit die Entscheidung über die Abberufung eines Aufsichtsrats- oder ___________ 22

Kapitel 3 A. II. 3. b) dd), Seite 164. Kapitel 5 A. II. 1. a), Seite 207. 24 Kapitel 5 B. II. 2. a) cc), Seite 272. 25 Kapitel 3 A. II. 1. a) aa) (3), Seite 150, und ebenda b) bb), Seite 154. 26 Kapitel 5 A. II., Seite 206. 27 Kapitel 5 B. II. 2. a) bb) (1), Seite 269. 28 Kapitel 6 B. I. 2. a), Seite 355. 29 Kapitel 6 C. II. 1. und 2., Seite 370. 23

4. Teil: Schlussbetrachtung

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Vorstandsmitglieds vorbereitet werden soll.30 Allerdings ist § 281 III 1 InsO so auszulegen, dass ein Abschlussprüfer während des Verfahrens nicht von der Hauptversammlung, sondern gem. § 155 III 1 InsO durch das Registergericht bestellt wird; außerdem wird das Antragsrecht des § 155 III 1 InsO entsprechend §§ 111 II 3, 124 III 1 AktG, § 318 I 4 HGB durch den Aufsichtsrat ausgeübt.31 Abschließend sei auf die thesenartige Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse am Ende eines jeden Kapitels verwiesen.

___________ 30 31

Kapitel 7 B. I. 2. a), Seite 401. Kapitel 7 B. I. 2. b), Seite 402.

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Sachwortverzeichnis Abschlussprüfer – Antrag gem. § 155 III 1 InsO 405 – Bestellung 402 ff. – Erteilung Prüfungsauftrag 403 Abwickler 109 Abwicklung – Geltung der Abwicklungsvorschriften in der Insolvenz 111, 219 f. – Holzmüller-Rechtsprechung 226 – Prinzip der Vollabwicklung 130 – Verhältnis Insolvenzverfahren 129 ff., 138 Abwicklungszweck 112, 113, 123, 216, 286 Aktionäre – Änderung der Beteiligungsstruktur 397 – Bezugsrechtsausschluss 397 – Sanierungspflicht 390 – Squeeze-Out 398 – Strukturveränderungsschutz 225, 285 – Treuepflicht 390 – Vermögensinteressen 222, 285 – Wertlosigkeit der Anteile 223 Allgemeine Vorschrift im Sinne des § 270 I 2 InsO 46, 54, 62, 74, 92, 95, 145 ff., 153, 256, 262, 334 Amerikanisches Konkursrecht 41, 60, 65 Amtswalter in eigenen Angelegenheiten 66, 71, 247 Anfechtung – Anfechtungsbefugnis 206, 420 – Aufsichtsratsbeschlüsse 281, 351, 361 – Gem. §§ 129 ff. InsO 86, 174, 183, 321 – Hauptversammlungsbeschlüsse 103, 205, 279, 281, 351, 407, 417 ff., 429

– Insolvenzzweckwidrige Aufsichtsratsoder Hauptversammlungsbeschlüsse siehe jeweils dort – Sofortige Beschwerde siehe dort Anhörung – Aufhebungsantrag des Gläubigers 179 – Übrige Vorstandsmitglieder gem. § 15 II InsO 142, 149, 211 – Wahrnehmungskompetenz 202 Anordnung der Eigenverwaltung – Anordnung nach § 270 II InsO 144 – Anordnung nach § 271 InsO 178 – Antrag siehe Eigenverwaltungsantrag – Darlegungs- und Feststellungslast 175 – Personelle Kontinuität 165 – Verhältnis Verfahrenseröffnung 177 Antragsbefugnis – Aufhebung (§ 272 InsO) 178 – Eigenverwaltung (§ 270 InsO) 144 ff., 150 – Einstellung (§§ 212, 213 InsO) 180 – Eröffnung (§ 13 InsO) 142 – Sofortige Beschwerde siehe dort Antragspflicht – Eigenverwaltungsantrag 151 – Insolvenzantrag 143, 147, 151 Aufhebung der Eigenverwaltung 178 ff. – Antragsbefugnis 178 – Aufhebungsantrag 149, 154, 178 – Holzmüller-Vorbehalt 226 Aufhebung des Insolvenzverfahrens 179 Auflösung der Gesellschaft 108 ff. – Änderung Gesellschaftszweck 112 ff. – Fortbestand der Organstruktur 108 – Vollbeendigung 109, 112

456

Sachwortverzeichnis

Aufsichtsrat – Abberufung Regelinsolvenz 104 – Abberufung und Bestellung 378, 385 – Abschlussprüfer siehe dort – Amtsniederlegung 378 – Begründung Masseforderungen 314, 354, 402 – Beschlussanfechtung siehe Anfechtung – Bindung an Gesellschaftszweck 352 – Bindung an Insolvenzzweck 359 – Entlastung 386 – Erlass einer Geschäftsordnung 352 – Funktionslosigkeit 370 – Haftung 379 – Insolvenzzweckwidrige Aufsichtsratsbeschlüsse siehe dort – Kontrolle durch Sachwalter und Gläubigerausschuss 357, 365 – Kosten der Neubestellung 191, 192 – Mitwirkungspflichten 350 – Mitwirkungsrechte 190 – Stellung Eigenverwaltungsbereich 353 ff. – Stellung Schuldnerbereich 350 ff. – Überwachung des Vorstands 298, 351, 355 ff. – Überwachung Vorstand neben Sachwalter 280, 356 – Vergütung des Aufsichtsrats siehe dort – Zustimmungsvorbehalte (§§ 275 ff. InsO) 303 Babcock Borsig 28, 46, 164, 234, 238, 242, 283 Beendigung der Eigenverwaltung 178 ff. Beschlagnahme 51, 55 Beschwerde siehe sofortige Beschwerde Besonderer Vertreter 183, 401 Buchführung siehe Rechnungslegung Chapter-11-Verfahren 41, 60, 65

Diskussionsentwurf 38, 259 Drohende Zahlungsunfähigkeit 143 – Eröffnungsantrag bei ~ 143 – Insolvenzantragspflicht 143 Eigene Aktien 232, 398 Eigenverwalter(rolle) 37, 239, 240, 243 f., 247, 259, 272, 295 – Missbrauch der Eigenverwalterbefugnis 85 Eigenverwaltungsantrag 144 – Anfechtung Ablehnungsbeschluss 176 – Antragsbefugnis 144 ff., 150 – Antragspflicht 151 – Haftung bei Unterlassung 152 – Prozesshandlung 154 – Rücknahme 149, 153, 272 – Rücknahmebefugnis – Verbindung mit Eröffnungsantrag 143 Eigenverwaltungsbereich 184, 276 – Bindung an den Insolvenzverfahrenszweck 289, 359, 408 – Fortbestand gesellschaftsrechtlicher Bindungen 238 ff. – Stellung der Organe 230 ff., 353 ff., 399 ff. – Überwachung 279, 298, 365, 427 Eigenverwaltungsspezifische Rechte und Pflichten 185 Eigenverwaltungsverfahren – Allg. Anordnungsvoraussetzungen 140 – Anordnung der ~ siehe dort – Beendigung 178 ff. – Beteiligte 44 – Entstehungsgeschichte 37, 258 – Geltung der §§ 11 bis 34 InsO 139 (Fn. 1) – Reorganisationsverfahren 36 f. – Sanierungsinstrument 266 – Verfahrensgang 33 ff. – Verfahrensziel 35 – Verfahrenszweck 35, 61, 264

Sachwortverzeichnis Eigenverwaltungsvorstand siehe Insolvenzvorstand Einstellung des Insolvenzverfahrens 179 – Antragsbefugnis 180, 202, 206, 212 ff. – Regelinsolvenz 104, 120 Entnahmerecht des Schuldners 189 Ergebnisoffenheit des Verfahrens 111, 116, 235 Eröffnungsantrag 142 – Antragsbefugnis 142 – Antragspflicht 143, 147, 151 – Mitwirkungs- oder Weisungsrecht 142 – Rücknahme(befugnis) 155 – Verbindung mit Eigenverwaltungsantrag 143 Eröffnungsbeschluss (§ 27 InsO) – Ablehnung der Eigenverwaltung 176 – Anfechtung 176, 206 ff. – Anfechtung Regelinsolvenz 104, 120 – Anordnung der Eigenverwaltung 177 Eröffnungsgrund 143 Erstbenennungsrecht 169 Finanzierung der Verfahrenskosten 187 Firma 106, 386, 407, 410 Fortführung des Unternehmens 163, 219, 292, 396; siehe auch Reorganisation Fortsetzungsbeschluss 181, 390 Freigabe – Altlasten 136 – Gesellschaftsinsolvenz 129 ff. – Neuerwerb 131 – Regelinsolvenz 102, 129 ff. Funktionsbereiche Eigenverwaltung 182 Funktionsbereiche Regelinsolvenz 101 Gelatine-Entscheidung siehe Holzmüller Gesamtschadensansprüche 174, 204, 334 Geschäftsleitung 166 Gesellschaftsorgane – Alleinzuständigkeit 103, 183

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– Bindung an Gesellschaftszweck 289, 352, 383 – Bindung an Insolvenzzweck 278, 289, 359, 408 – Fortbestand in der Insolvenz 108, 280 – Insolvenzzweckwidrige Handlungen 278, 294 ff., 361 ff., 410 ff. – Mitwirkungsrechte der ~ siehe dort – Relevanz ihres Verhaltens 162 – Verdrängung durch Verwalter 100 – Verhältnis zu den Beteiligten des Insolvenzverfahrens 280 Gesellschaftsrechtliche Bindungen – Eigenverwaltung 238 ff. – Holzmüller-Vorbehalt siehe dort – Schuldnerbereich 220 ff. – Übertragung gesamtes Vermögen 284 Gesellschaftsrechtliche Neutralität der InsO 263, 388 Gesellschaftsvermögen – Übertragung gem. § 179a AktG 284 Gesellschaftszweck – Bindung der Organe 117, 289, 359, 408 – Bindung des Insolvenzverwalters 115 – Schuldnerbereich 215, 218 ff., 352, 383 – Überlagerung durch Insolvenzzweck 126, 289 – Verdrängung durch Insolvenzzweck 112 Glaubhaftmachung – Aufhebungsantrag 179 – Einstellungsantrag 180 – Eröffnungsantrag 142 Gläubiger 97 ff. – Verfahrensaufhebung 168, 179 – Zustimmung zur Eigenverwaltung 156 Gläubigerausschuss 94 ff. – Mitwirkungsrechte gem. § 275 ff. InsO siehe dort – Überwachung der Organe 230, 279 – Überwachung des Schuldners 94 – Weisungsrecht 96

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Sachwortverzeichnis

Gläubigerbenachteiligung 157 Gläubigerversammlung – Einberufung durch den Schuldner 92 – Einfluss auf den Schuldner 92 – Erste Gläubigerversammlung 158 – Stellung in der Eigenverwaltung 91 – Weisungsrecht 93 – Zuständigkeiten 292 Gläubigerverzicht 180 Haftung des Aufsichtsrats 379 Haftung des Schuldners 73 ff., 334 Haftung des Vorstands 324 ff. – D&O-Versicherung 343 – Gem. §§ 270 I 2, 60 I 1 InsO 334 – Steuerrechtliche Haftung 342 – Unterlassene Rechtsbehelfe 326, 332 – Unterlassener Eigenverwaltungsantrag 152 – Unterlassener Einstellungsantrag 326 – Verfrühter Eröffnungsantrag 152 – Verletzung Verfahrenspflichten 328, 335 ff. – Verschuldensmaßstab 329 – (Nicht-)Vorlage Insolvenzplan 326 Hauptversammlung – Beschlussanfechtung siehe Anfechtung – Bestellung Abschlussprüfer 402 ff., 405 – Bestellung Sonderprüfer 401 – Bindung an Gesellschaftszweck 383 – Bindung an Insolvenzzweck 408 – Einberufung 205, 237, 302, 368, 427 – Insolvenzzweckwidrige Hauptversammlungsbeschlüsse siehe dort – Kapitalmaßnahmen siehe jeweils dort – Kontrolle durch Sachwalter und Gläubigerausschuss 427 – Kosten der Durchführung 191 – Mitwirkungsvorbehalte gem. §§ 275 ff. InsO 303 – Satzungsänderung 386 – Stellung Eigenverwaltungsbereich 399

– Stellung Schuldnerbereich 383 – Teilnahme Insolvenzorgane 368 – Umwandlungen 395 Holzmüller-Vorbehalte – Eigenverwaltung 251, 282 – Eröffnungsantrag 142 – In der Insolvenz 221 ff. – Schuldnerbereich 221 ff., 387 Insolvenzantrag siehe Eröffnungsantrag Insolvenzantragspflicht 143, 147, 151 Insolvenzbeschlag 51, 55, 132 Insolvenzfähigkeit 140 (Fn. 4) Insolvenzfreies Vermögen – Eigenverwaltung 183, 204 – Finanzierung der Verfahrenskosten 188 – Gesellschaftsinsolvenz 129 ff. – Kapitalerhöhung 195 – Regelinsolvenz 104, 123 Insolvenzgericht 90 ff. – Aufhebung der Eigenverwaltung 178 – Aufsicht über Schuldner 90 – Eigenverwaltungsantrag 176 – Erstbenennungsrecht 169 – „Vorläufige“ Entscheidung über Eigenverwaltung 158 Insolvenzgesellschaft 416 Insolvenzmasse 50, 195, 232 Insolvenzplan – Aufhebung des Verfahrens 181 – Bedingter Insolvenzplan 390, 396 – Holzmüller-Vorbehalt 228 – Kosten der Planerfüllung 189 – Planinitiative, -widerspruch 228 – „Pre-packaged“ Plan 143, 251 – Reorganisationsplan 163, 195, 389 – Vorlage durch den Vorstand 213 – Zustimmung der Gesellschaft 202 Insolvenzursachen 161 Insolvenzverfahren – Anordnungsvoraussetzungen 140 – Beteiligtenfähigkeit 141

Sachwortverzeichnis – – – – –

Eröffnungsantrag 142 Massebezogenheit 217, 230, 270, 277 Verfahrensobjekt und –subjekt 140 Verfahrensziel 36, 125, 153, 268, 290 Verfahrenszweck siehe Insolvenzverfahrenszweck – Verhältnis zur Abwicklung 129 ff., 138 Insolvenzverfahrensfähigkeit 140 (Fn. 4) Insolvenzverfahrenszweck 61, 267 – Eigenverwaltungsbereich 289, 359, 408 – Insolvenzzweckwidrige Verfügungen bzw. Beschlüsse siehe dort – Schuldnerbereich 119, 215 f. – Überlagerung des Gesellschaftszwecks 126, 289 – Verdrängung des Gesellschaftszwecks 113 – Verhältnis zum Verfahrensziel 290 Insolvenzverwalter – Alleinzuständigkeit 101 – Amtswalterstellung 67 – Kontrolle durch den Aufsichtsrat 102 – Mitwirkungsrechte der Gesellschaftsorgane 102, 115, 240 – Schuldner als ~ 64, 75 – Unabhängigkeit siehe dort – Unwirksamkeit insolvenzzweckwidriger Verfügungen 82 Insolvenzvorstand 164 – Arbeitsteilung 170 Insolvenzzweck siehe Insolvenzverfahrenszweck Insolvenzzweckwidrige Aufsichtsratsbeschlüsse 361 ff. – Klagebefugnis Gläubiger 365 – Klagebefugnis Sachwalter 280, 363 – Klagebefugnis Vorstand 363 – Nichtigkeit, keine Anfechtbarkeit 361 – Unwirksamkeit 363 – Verbindlichkeit für Vorstand 362 Insolvenzzweckwidrige Hauptversammlungsbeschlüsse 410 ff.

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– Anfechtbarkeit gem. § 243 AktG 417 – Anfechtungsbefugnis 280, 420 ff., 427 – Nichtigkeit gem. § 241 AktG 414 – Regelinsolvenz 410 Insolvenzzweckwidrige Verfügungen – Eigenverwaltender Schuldner 81 – Eigenverwaltungsbereich 281, 294 – Insolvenzverwalter 82, 103 – Schuldnerbereich 105, 218 – Vorstand 294 Kaduzierung 232 Kapitalerhöhung 163, 194, 390, 392 ff. – Bedingte Kapitalerhöhung 163, 390 – Bezugsrechtsausschluss 392, 397 – Einforderung der Einlagen 232 – Finanzierung der Verfahrenskosten 194, 393 – Konkursverfahren 120, 196, 384, 393 – Neuerwerb 195, 393 – Regelinsolvenz 105, 107, 120, 122 Kapitalherabsetzung – Effektive (materielle) 395, 409 – Eigenverwaltung 394 ff. – Isolierte 395 – Nominelle 394 – Regelinsolvenz 105 Kommission für Insolvenzrecht 37, 78, 125, 200, 258, 334 Konkursfreier Bereich 118 Konkursverfahren – Kapitalerhöhungen 120, 196, 384, 393 – Konzernrecht 234, 287 – Verdrängung Gesellschaftszweck 113 – Verwaltungs- und Verfügungsrecht 39 Konkurszweck 113, 113 – Kapitalerhöhungen 120 – Schuldnerbereich 118, 216 Konzernrecht – Eigenverwaltung der Mutter 174, 234, 242 – Eigenverwaltung der Tochter 287

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Sachwortverzeichnis

– Konkursverfahren 234, 287 – Konzernleitungsmacht 234, 288 – Konzernrechtliche Weisungsbefugnis siehe dort – Pflichtwidrige Weisungen 182 – Sonderkündigungsrecht 236 – Umstrukturierungen im Konzern 283 Konzernrechtliche Weisungsbefugnis – Eigenverwaltung der Mutter 174, 234 – Eigenverwaltung der Tochter 175, 287 – Regelinsolvenz der Mutter 175 – Regelinsolvenz der Tochter 175, 287 Liquidation siehe Abwicklung Liquidationsmodell 129 Masseinsuffizienz 180 Masselosigkeit 180 Missbrauch der Vertretungsmacht – Eigenverwaltender Schuldner 83 – Hauptversammlung 413 – Vorstand 295 Mitwirkungsrechte der Gesellschaftsorgane – Bindung des Verwalters 102, 115, 255, 258 – Eigenverwaltungsbereich 238 ff. – Eröffnungsantrag 142 – Relevanz Nachteilsprognose 163, 248 – Schuldnerbereich 220 – Verdrängung durch §§ 275 ff. InsO 252 Mitwirkungsrechte der Insolvenzorgane (§§ 275 ff. InsO) 46 – Bindung der Gesellschaftsorgane 279, 299, 368, 428 – Gegenstand 253, 274, 301 – Missachtung 297 – Reichweite 299 Nachteil im Sinne des § 270 II Nr. 3 InsO 159 Nachteilsprognose 157, 249

Nebeneinander von Abwicklungs- und Insolvenzverfahren 138 Neuerwerb 131, 195, 393 Personelle Kontinuität 165 Rechnungslegung – Abschlussprüfer siehe dort – Eigenverwaltung 237, 338, 342, 403 – Fehlerhafte ~ als Anordnungshindernis 162 – Regelinsolvenz 102 – Steuerliche Insolvenz~ 342 Rechtsgrund des Verwaltungs- und Verfügungsrechts 47, 49 ff. Rechtsnatur der Schuldnerstellung 47 ff. Referentenentwurf 38, 259 Regelinsolvenzverfahren – Alleinzuständigkeit des Insolvenzverwalters 101 – Alleinzuständigkeit des Schuldners 103 – Unwirksamkeit von Verfügungen der Gesellschaftsorgane 102 – Verdrängung der Gesellschaftsorgane 100 Regierungsentwurf 38, 259 Reorganisation 36, 37, 163, 223, 268, 291, 387 Reorganisationsplan 163 Rücknahme(befugnis) – Eigenverwaltungsantrag 149, 154 – Insolvenzantrag 155, 155 Sachwalter 88 ff. – Alleinzuständigkeit 182 – Anfechtung von Hauptversammlungsbeschlüssen 280, 420 ff. – Feststellung der Nichtigkeit von Aufsichtsratsbeschlüssen 280, 363 ff. – Kündigung des Vorstand 368 – Mitwirkungsrechte gem. § 275 ff. InsO siehe dort

Sachwortverzeichnis – Überwachung der Organe 230, 279 – Überwachung neben Aufsichtsrat 280, 356 – Weisungsrecht 88 – Zustimmungsvorbehalt analog §§ 21 II Nr. 2, 277 InsO 46 Sachwalterbereich 183 Sachwalterverdrängungsbereich – Umfang 182, 199 – Unwirksamkeit von Verfügungen der Gesellschaftsorgane 183 Sanierung 163, 168, 223, 266 ff. – Externe/interne Sanierung 392 – Sanierungspflicht 151, 390 Satzungsänderung 227 Schuldner 44 ff. – Amtswalter in eigenen Angelegenheiten 66, 71, 247 – Aufsicht durch Insolvenzgericht 90 – Begründung von Masseverbindlichkeiten 44, 314 – Bindung an § 1 S. 1 InsO 62, 63, 68, 85 – Einberufung Gläubigerversammlung 92 – Haftung 73 ff. – Insolvenzzweckwidrige Verfügung 81 – Paradigma einer natürlichen Person 30, 198, 424 – Partielle Amtswalterstellung 71 – Rechtsgrund seiner Befugnisse 47 ff – Rechtsnatur seiner Stellung 47, 64 ff. – Stellung als Insolvenzverwalter 64, 75 – Verwaltungs- und Verfügungsrecht siehe dort Schuldnerbereich – Bindung an den Abwicklungszweck 117 – Eigenverwaltung 183 – Gesellschaftsinteresse 218, 352 – Gesellschaftsrechtliche Bindungen 220 – Insolvenzzweckwidrige Verfügung 105 – Kosten der Ausübung von Verfahrensrechten 191

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– Regelinsolvenz 103 – Überwachung durch Sachwalter oder Gläubigerausschuss 230, 353, 384 – Zustimmungsvorbehalte gem. § 275 ff. InsO) 230, 353, 384 Schuldnerrolle 180, 207, 212, 244 Sicherungsmaßnahmen 169 Sofortige Beschwerde (§ 34 InsO) – Ablehnung der Eigenverwaltung 176 – Aufhebung der Eigenverwaltung 183 – Verfahrenseröffnung 176, 206 ff. Sonderprüfer 401 Squeeze-Out 398 Theorie der Verdrängung 239, 243 ff., 311, siehe auch Verdrängungstheorie Theorie des Miteinanders 241, 273 Theorie des Nacheinanders 242, 273 Theorie des Nebeneinanders 241, 273 Treuepflicht, gesellschaftsrechtliche 390 Überlagerungstheorie 126 Überschneidungsbereich – Eigenverwaltung 185, 199, 293 – Pseudo-Überschneidungsbereich 186 – Regelinsolvenz 106 Überschuldung 143 Übertragende Sanierung 36, 115, 229, 238, 283, 284, 388 Umwandlungen 225, 390 Unabhängigkeit – Eigenverwaltender Schuldner 167 – Insolvenzverwalter 168, 287 – Insolvenzvorstand 167 Unterhalt aus der Masse (§ 100 InsO) 189 Verdrängungsbereich – Eigenverwaltung 184, 241, 242, 276 ff. – Regelinsolvenz 101 Verdrängungstheorie 112, 216, 383, siehe auch Theorie der Verdrängung Verfahrensbeteiligte 44

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Sachwortverzeichnis

Verfahrenskosten – Finanzierung 187 ff. – Insolvenzvorstand 171 – Mitwirkungsrechte 252 Verfahrenspflichten – Eigenverwaltungsspezifische 231, 237 – Erfüllung durch Vorstand 203, 215 – Haftung bei Verletzung 328, 335 ff. – Persönliche 203, 335, 340, 350 Verfahrensrechte – Abwicklungszweck 119, 216 – Allgemeine 201 – Besondere 231, 236 Verfahrensverzögerung – Auswechslung Vorstand 308 – Begriff 159 – Einsetzung Insolvenzvorstand 170 – Mitwirkungsrechte 250 – Vergleichsmaßstab 170 Vergleichsverfahren 39 ff. – Antragsbefugnis 150 – Auflösung der Gesellschaft 108 – Bindung an den Verfahrenszweck 87 – Gemeinsamkeiten 41 – Gesellschaftsrechtliche Bindungen 262 – Kontrolle des Schuldners 95, 267 – Konzernrecht 235 – Kündigung des Vorstands 312 – Stellung des Schuldners 57, 70, 87 – Überwachung des Aufsichtsrats 367 – Überwachung des Vorstands 262, 356 – Verfahrenszweck 117 – Verfügungsrecht 39, 56, 59 – Vergleichsmasse 59 (Fn. 149) – Vorbild für Eigenverwaltung 39 – Zustimmungsvorbehalt Reichweite 300 Vergütung des Aufsichtsrats 369 ff. – Eigenverwaltung 192, 369 ff., 400 – Herabsetzung 373, 374, 400 – Insolvenz- oder Masseforderung 376 – Regelinsolvenz 370, 373 Vergütung des Vorstands

– Herabsetzung 319, 354, 360 – Insolvenz- oder Masseforderung 322 – Zuständigkeit des Aufsichtsrats 360 Vertretung der Gesellschaft – Änderung der Vertretungsregeln 386 – Antragstellung siehe Antragsbefugnis – Aufsichtsrat 351, 354, 363, 368 – Eigenverwaltungsbereich 231 – Schuldnerbereich 206 ff., 214 Verwaltungs- und Verfügungsrecht – Bindung an § 1 S. 1 InsO 62, 68, 288 – Inhalt 46, 232 ff. – Rechtsgrund 47 ff. – Vergleichs- und Konkursverfahren 39 – Verhältnis Insolvenzbeschlag 51, 55 Verweis des § 270 I 2 InsO siehe allgemeine Vorschrift i. S. d. § 270 I 2 InsO Vinkulierte Namensaktien 106, 186 Vollbeendigung 109, 112, 227 Vor-Aktiengesellschaft 141 Vorgründungsgesellschaft 141 Vorstand – Abberufung 162, 248, 269, 304 ff., 352 – Abberufung Regelinsolvenz 104 – Abwickler 109 – Amtsniederlegung 308, 311 – Anstellung 270, 310 ff., 354 – Anstellung Regelinsolvenz 310 – Antragsbefugnis siehe dort – Bestellung 304, 352 – Bindung an Gesellschaftszweck 289 – Bindung an Insolvenzzweck 289 – Eigenverwalterrolle siehe dort – Einholung sachkundigen Rats 232, 331 – Entlastung 386 – Ersetzung durch Insolvenzexperten 164 – Geschäftsverteilung 347, 386 – Gesellschaftsrechtliche Bindungen 220 ff., 238 ff. – Haftung des Vorstands siehe dort – Insolvenzzweckwidrige Verfügungen siehe dort

Sachwortverzeichnis – – – – – – – – – – – –

Interessenkollision 293 Kosten der Neubestellung 191, 192 Kündigung 310 ff., 315 ff., 354, 368 Kündigung durch Vorstand 322 Missbrauch der Vertretungsmacht 295 Mitwirkungspflichten 203, 335, 340 Personelle Kontinuität 165 Rücknahmebefugnis siehe dort Stellung Eigenverwaltungsbereich 230 Stellung Schuldnerbereich 200 Überwachung 192, 229, 298, 355 ff. Uneinigkeit 151, 155, 162, 179, 211, 213, 306

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– Vergütung 192, 311, 318 ff. – Wechsel vor Verfahrenseröffnung 166 Weisungsrecht siehe bei den Beteiligten Zahlungsunfähigkeit 143 Zustimmungsvorbehalt – Analog §§ 21 II Nr. 2, 277 InsO 46 – Gem. §§ 275 ff. InsO siehe Mitwirkungsrechte der Insolvenzorgane Zwangsverwaltungsverfahren – Stellung des Schuldners 57, 65, 435 – Vorbild für Eigenverwaltung 41