Überwachungspflicht und Einwirkungsmöglichkeiten des Aufsichtsrats in der Aktiengesellschaft [1 ed.] 9783428473922, 9783428073924

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Überwachungspflicht und Einwirkungsmöglichkeiten des Aufsichtsrats in der Aktiengesellschaft [1 ed.]
 9783428473922, 9783428073924

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CLAUDIA STEINBECK

Überwachungspflicht und Einwirkungmöglichkeiten des Aufsichtsrats in der Aktiengesellschaft

Münsterische Beiträge zur Rechtswissenschaft Herausgegeben im Auftrag der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Westfälischen Wilhelms-Universität in Münster durch die Professoren Dr. Hans-Uwe Erichsen Dr. Helmut Kollhosser Dr. Jürgen Welp

Band 60

..

Uberwachungspflicht und Einwirkungsmöglichkeiten des Aufsichtsrats in der Aktiengesellschaft Von

Claudia Steinbeck

DUßcker & Humblot . Berliß

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme

Steinbeck, Claudia:

Überwachungspflicht und Einwirkungsmöglichkeiten des Aufsichtsrats der Aktiengesellschaft / von C1audia Steinbeck. Berlin : Duncker und Humblot, 1992 (Münsterische Beiträge zur Rechtswissenschaft; Bd. 60) Zugl.: Münster (Westfalen), Univ., Diss., 1991 ISBN 3-428-07392-4 NE:GT

D6

Alle Rechte vorbehalten © 1992 Duncker & Humblot GmbH, Berlin 41 Fotoprint: Wemer Hildebrand, Berlin 65 Printed in Germany ISSN 0935-5383 ISBN 3-428-07392-4

Meinen Eltern

Vorwort Die Arbeit hat im Sommersemester 1991 der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster als Dissertation vorgelegen. Rechtsprechung und Schrifttum sind bis Ende September 1991 berücksichtigt. Herrn Professor Dr. Dr. h.c. (F) Wilfried Schlüter danke ich für die Betreuung der Arbeit. Er hat das Thema angeregt und durch seine stets ermutigende Unterstützung zum Gelingen der Arbeit wesentlich beigetragen. Mein Dank gilt auch Herrn Professor Dr. Bernhard Großfeld, der das Zweitgutachten erstattet hat. Münster, im November 1991

Claudia Steinbeck

Inhaltsverzeichnis Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

19

Erster Teil

Trtgcr der ÜberwachUDff'iPfficbt A. Bedeutung der gesetzlichen Zuweisung an den "Aufsichtsrat" ................

21

I.

Das Organ als Pflichten träger ................................... 21

11.

Die Organmitglieder als Pflichtenträger ............................ 23

III. Ergebnis ..................................................

24

B. Konsequenzen für die Pflichten der einzelnen Aufsichtsratsmitglieder . . . . . . . . ..

24

I.

Die Pflichten der einzelnen Mitglieder im allgemeinen .................

24

II.

Besonderheiten im Falle einer Delegation der Überwachungsaufgabe .......

26

1. Zulässigkeit der Delegation ..................................

26

2. Konsequenzen für die Pflichten der Mitglieder innerhalb und außerhalb des Ausschusses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

28

a) Pflichten der Ausschußmitglieder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

28

b) Pflichten der nicht dem Ausschuß angehörenden Mitglieder ........

29

aa) Auswahlpflicht ......................................

29

bb) Überwachungspflicht .................................. 30 c) Gemeinsame Pflicht zur Statuierung und Aufrechterhaltung eines funktionsfähigen Berichtssystems zwischen Ausschuß und Plenum ....... 32 III. Ergebnis .................................................. 34

Zweiter Teil

Objekt der Überwachung: "Die Gescbäftsfiilmmg A. Vorüberlegung ................................................. 35 B. Überwachung des Vorstands ....................................... 35 C. Überwachung der Hauptversammlung ................................

36

D. ÜbeIWachung von Angestellten ..................................... 40 E. Ergebnis...................................................... 43

10

Inhaltsverzeichnis

Driner Teil

Art und Weise der Überwachung A. Allgemeine Verhaltensmaximen im Hinblick auf die Aufsichtsratstätigkeit

I.

45

Unternehmens- und Gesellschaftsinteresse .......................... 45 1. Unternehmensinteresse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

45

2. Gesellschaftsinteresse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 51 3. Praktische Relevanz für das Verhalten in Konfliktsituationen .......... 54 a) Konflikte mit Gruppeninteressen innerhalb des Organs ............ 54 b) Konflikte mit anderen Interessen ............................ 56 aa) Konflikte mit privaten Interessen und Interessen aus selbständiger hauptberuflicher Tätigkeit .............................. 56 (1) Im Rahmen der Organfunktion ....................... 58 (a) Grundsatz................................... 58 (b) Stimmrechtsausschluß .......................... 58 (c) Stimmenthaltung und Aufklärungspflicht ............. 62 (2) Außerhalb der Geschäftssphäre der AG ................ 63 (3) Mischfälle ...................................... 64 (4) Ergebnis zu aal .................................. 64 bb) Konflikte mit Interessen und Pflichten aus anderen Ämtern . . . . ..

65

(1) Vorüberlegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 65 (2) Konflikte mit fremden Interessen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 66 (3) Konflikte mit fremden Pflichten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

67

(a) Mittel zur Vermeidung eines Konflikts .............. 68 (b) Mittel zur Lösung des Konflikts

.................. 70

(aa) Stimmrechtsausschluß ...................... 70 (bb) Andere Mittel ............................ 72 (4) Ergebnis zu bb) .................................. 74 11.

Gemeinwohl................................................

75

1. Abgrenzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

75

2. Bedeutung als Verhaltensmaxime .............................. 75 3. Ergebnis und Wertung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

79

B. Die Überwachungspflicht im besonderen ..............................

80

I.

Die Überwachung gemäß § 111 Abs. 1 AktG ....................... 80 1. Beschränkung der Überwachung auf bestimmte Maßnahmen ..........

80

2. Schwerpunkte der Überwachung ............................... 82 3. Überwachungskriterien a) Rechtmäßigkeit

..................................... 84

........................................ 85

b) Zweckmäßigkeit ........................................ 87 c) Wirtschaftlichkeit ....................................... 89

Inhaltsverzeichnis d) Ordnungsmäßigkeit

11.

11

.....................................

91

e) Ergebnis..............................................

91

4. Gesteigerte Überwachungspflicht in Krisensituationen ...............

92

Die Pflichten des Aufsichtsrats im Zusammenhang mit der Jahresabschlußprüfung, insbesondere im Hinblick auf eine Hinzuziehung außenstehender Berater durch einzelne Mitglieder ...................................... 95 1. Inhalt der Prüfung nach § 171 Abs. 1 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

95

2. Hinzuziehung außenstehender Berater ..........................

96

a) Durch den Gesamtaufsichtsrat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

96

b) Durch einzelne Aufsichtsratsmitglieder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

97

aa) Zulässigkeit ........................................

97

bb) Grenzen des Beratungsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

99

ce) Die Haftung einzelner Aufsichtsratsmitglieder für eine Verletzung der Vertraulichkeit durch Hilfspersonen .................... 101 (1) § 278 BGB ...................................... 101

(a) Die dem § 278 BGB zugrundeliegende Interessenlage .... 101 (b) Der Berater als Erfüllungsgehilfe? ................. 102 (2) § 831 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 104

dd) Ergebnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 107 3. Die Pflichten des Aufsichtsrats nach Prüfung des Jahresabschlusses und des Geschäftsberichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 111. Die Informationsbeschaffung des Aufsichtsrats ....................... 109 1. Die Berichte des Vorstands .................................. 109 a) Inhalt und Umfang der Berichte ............................ 109 aa) Die Berichte des Vorstands aus eigener Initiative ............. 109 bb) Die Berichte auf Verlangen des Aufsichtsrats ................ 111 (1) Berichte gem. § 90 Abs. 3 AktG ...................... 111 (2) Ergänzende Berichte .............................. 112 (a) Das Recht des Aufsichtsrats auf ergänzende Berichterstattung ....................................... 112 (b) Die Pflicht des Aufsichtsrats zur Forderung ergänzender Berichte .................................... 113 (c) Die Grenzen des Berichtsrechts ................... 114 (aa) Funktionen des Aufsichtsrats ................. 115 (bb) Sachlicher Bezug .......................... 116 (ce) Interessenabwägung des Aufsichtsrats . . . . . . . . . .. 117 b) Träger des Berichtsrechts ................................. 117 aa) Die Berichte auf Verlangen des Gesamtaufsichtsrats ........... 118 (1) Die Organmitglieder als Rechtsträger .................. 118 (2) Die Aktiengesellschaft als Rechtsträger ................. 119 (3) Das Organ als Rechtsträger ......................... 120

12

Inhaltsverzeichnis (4) Wertung ....................................... 121 (a) Der Identitätsgrundsatz ......................... 121 (b) Die Zuweisung der Berichtspflicht an die Vorstandsmitglieder ..................................... 121 (c) Das Problem des Insichprozesses .................. 123 (5) Ergebnis ....................................... 125 bb) Die Berichte auf Verlangen einzelner Aufsichtsratsmitglieder ..... 125 2. Das Einsichtsrecht des Aufsichtsrats ............................ 127 a) Das Einsichtsrecht im allgemeinen ........................... 127 b) Übertragung auf Dritte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 aa) Allgemeines ........................................ 130 bb) Die Bestimmung des Sachverständigenbegriffs (§ 111 Abs.2 Satz 2 AktG) ............................................ 132 c) Träger des Rechts auf Einsichtnahme ......................... 133 3. Die Befragung von Angestellten durch den Aufsichtsrat .............. 134 IV. Einwirkungsmöglichkeiten des Aufsichtsrats auf die Geschäftsführung ...... 137 1. Die Personalkompetenz des Aufsichtsrats ........................ 137 a) Allgemeines ........................................... 137 b) Bestellung des Vorstands .................................. 138 c) Widerruf der Bestellung .................................. 141 2. Erlaß einer Geschäftsordnung für den Vorstand ......... . ......... 143 a) Erlaßkompetenz ........................................ 143 b) Inhalt und Bedeutung .................................... 145 3. Die Festlegung von Zustimmungsvorbehalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 145 a) Bestimmungsberechtigte .................................. 146 b) Einrichtung und Umfang der Zustimmungsvorbehalte ............. 147 aa) Der Begriff des "Geschäfts" (§ 111 Abs. 4 Satz 2 AktG) ........ 147 bb) Die Festlegung von Zustimmungsvorbehalten als Befugnis und als Verpflichtung des Aufsichtsrats .......................... 148 ce) Umfang der zustimmungspflichtigen Geschäfte ............... 150 c) Erteilung und Versagung der Zustimmung ..................... 152 aa) Bei unrechtmäßigen oder unzweckmäßigen Maßnahmen des Vorstands ............................................ 152 bb) Bei vertretbaren Maßnahmen des Vorstands ................. 153 (1) Recht zur Zustimmungsverweigerung ................... 153 (2) Pflicht zur Zustimmungsverweigerung .................. 155 ce) Zeitpunkt der Zustimmungserteilung ...................... 156 dd) Zulässigkeit einer Generalzustimmung des Aufsichtsrats ........ 158 ee) Überwindung der Zustimmungsverweigerung ................ 159 4. Stellungnahmen des Aufsichtsrats .............................. 159

Inhaltsverzeichnis

13

a) Stellungnahmen im Falle rechtswidriger oder unzweckmäßiger Vorhaben des Vorstands ...................................... 160 b) Stellungnahmen bei Differenzen zwischen Vorstand und Aufsichtsrat innerhalb des zulässigen Ermessensbereichs .................... 160 c) Stellungnahmen bei Übereinstimmung zwischen Vorstand und Aufsichtsrat .............................................. 164 d) Art und Weise der Stellungnahme ........................... 164 5. Einberufung der Hauptversammlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 a) Bedeutung ............................................ 165 b) Voraussetzungen ........................................ 166 c) Berechtigte ............................................ 169 d) Ergebnis .............................................. 170 6. Klagen gegen den Vorstand .................................. 171 a) Klagen des Gesamtaufsichtsrats ............................. 172 aa) Gemäß § 112 AktG .................................. 172 bb) Aufgrund allgemeiner zivilprozessualer Vorschriften ........... 173 (1) Rechtsfähigkeit der Organe .......................... 173 (2) Konsequenzen für die Parteifähigkeit der Organe .......... (a) Vergleich mit § 61 VwGO .......................

In In

(b) Vergleich mit anderen gesetzlichen Regelungen ........ 178 (c) Grundsatz des Art. 89 Einleitung Preuß. ALR ......... 179 (d) Konfliktlösung im Bereich des Aktiengesetzes ......... 180 (aa) Anrufung der Hauptversammlung .............. 180 (bb) Zwangsgeldverfahren ....................... 181 (cc) Druckmittel des Aufsichtsrats ................. 183 (e) Nachteile eines Organstreits ...................... 185 (f) Schlußfolgerung............................... 187 cc) Umfang des Klagerechts ............................... 188 (1) Klagen zur Durchsetzung funktionaler Hilfsbefugnisse ....... 189 (2) Klagen zur Abwehr von Kompetenzverletzungen . . . . . . . . . .. 191 (a) Klagen zur Abwehr von Eingriffen in den Kompetenzbereich des Aufsichtsrats .......................... 192 (b) Klagen zur Abwehr von Eingriffen in den Kompetenzbereich der Hauptversammlung ..................... 193 (3) Klagen als Werkzeug einer allgemeinen Verhaltenskontrolle .. 1% (a) Vorüberlegung ............................... 1% (b) Exkurs: Klagen gegen Geschäftsführungsmaßnahmen im Bereich der GmbH und Co. KG .... . . . . . . . . . . . . . .. 197 (c) Diskussion im Bereich des Aktienrechts ............. 200 (d) Ausnahmefälle ............................... 203 (e) Feststellungsklage ............................. 203

14

Inhaltsverzeichnis (4) Klagen bei Verletzung spezieller Ge- oder Verbotsnormen ... 204 (a) Zulässigkeit .................................. 204 (b) Kläger und Beklagter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 (5) Ergebnis ....•.................................. 209 ee) Pflicht zur Klageerhebung .............................. 210 b) Klagen einzelner Aufsichtsratsmitglieder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 aa) Anerkannte Fallgruppen ............................... 212 bb) Klagen "anstelle des Aufsichtsrats" ........................ 214 (1) Aus eigenem Recht ............................... 214 (2) Aus abgeleitetem Recht ............................ 218 (3) Ausnahmefälle ................................... 222 (a) Meinungsstand ................................ 222 (b) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 (4) Ergebnis ....................................... 223 c) Kostentragung und Zwangsvollstreckung im Organstreit ............ 224 aa) Kosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224 bb) Zwangsvollstreckung .................................. 225

Vierter Teil

Die Tätigkeit des Aufsichtsrats außerhalb des Überwachungsbereichs A. Zu lässigkeit von Stellungnahmen außerhalb des Überwachungsbereichs ........ 227

B. Konsequenzen für die Haftung des Aufsichtsrats . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228 C. Ergebnis...................................................... 229

Zusammenfassung ................................................ 230 Literaturverzeichnis ............................................... 239

Abkürzungsverzeichnis a.A.

anderer Ansicht am Ende am angegebenen Ort Absatz Archiv für civilistische Praxis Allgemeines Deutsches Handelsgesetzbuch von 1861 Aktiengesellschaft, Die Aktiengesellschaft Aktiengesetz Allgemein Anmerkung Arbeitsgerichtsgesetz Artikel Auflage

BB Begr. BGB BGH BGHZ BFuP BR BVerfGE BVerwG

bzw.

Der Betriebs-Berater Begründung Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgerichtshof Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen Betriebswirtschaftliche Forschung und Praxis Bundesrat Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Bundesverwaltungsgericht beziehungsweise

eR

Computer und Recht

d.h. OB ders. Diss. DNotZ DVBI.

das heißt Der Betrieb derselbe Dissertation Deutsche Notar-Zeitschrift Deutsches Verwaltungsblatt

ET

Energiewirtschaftliche Tagesfragen Europäische Wirtschaftsgemeinschaft Entscheidungen zum Wirtschaftsrecht

f., ff. Festg. FGG

folgende Festgabe Gesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit

a.E. aaO. Abs. AcP ADHGB AG AktG Allg. Anm. ArbGG Art. Aufl.

EWG EWiR

16

Abkürzungsverzeichnis

Fn. Freundesg. PS

Fußnote Freundesgabe Festschrift

GenG GG GmbH GmbHG GWB

Genossenschaftsgesetz Grundgesetz Gesellschaft mit beschränkter Haftung Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen

h.M. Halbs. HGB hISg.

Herrschende Meinung Halbsatz Handelsgesetzbuch herausgegeben

i.d.R i.V.m. incl. insb.

in der Regel im Sinne von in Verbindung mit inklusive insbesondere

JuS JW JZ

Juristische Schulung Juristische Wochenschrift Juristenzeitung

KG KGJ Komm.

Kommanditgesellschaft Jahrbuch für Entscheidungen des Kammergerichts Kommentar

LG LM

Landgericht Nachschlagewerk des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen, herausgegeben von Lindenmaier und Möhring

m.w.N. MitbG MitbGespräch

mit weiteren Nachweisen Mitbestimmungsgesetz Das Mitbestimmungsgespräch

NJW Nr.

Neue Juristische Wochenschrift Nummer

OLG

Oberlandesgericht

PartG Preuß. ALR

Parteiengesetz Allgemeines Landrecht für die preußischen Staaten

RegE. RG RGZ

Regierungsentwurf Reichsgericht Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen Randnummer Rechtsprechung Rechtstheorie

i.S.v.

Rn. Rspr. Rth.

Abkürzungsverzeichnis

17

S. seil. SE StGB

Seite scilicet Societas Europaea Strafgesetzbuch

u.a. u.U.

und andere unter Umständen

v. VAG vgl. Vorb. VVaG VwGO

von, vom

WM WPg WuB

Wertpapier-Mitteilungen Die Wirtschaftsprüfung Entscheidungssammlung zum Wirtschafts- und Bankrecht

zm

ZfbF ZfHF ZGR

ZUR

Ziff. zit. ZPO ZZP

2 Steinbock

Versicherung;saufsichtsgesetz vergleiche Vorbemerkung Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit Verwaltungsgerichtsordnung

Zeitschrift für Betriebswirtschaft Schmalenbachs Zeitschrift für betriebswirtschaftliehe Forschung Zeitschrift für handelswissenschaftliche Forschung Zeitschrift für Untemehmens- und Gesellschaftsrecht Zeitschrift für das gesamte Handels- und Wirtschaftsrecht Ziffer zitiert Zivilprozeßordnung Zeitschrift für Zivilprozeß

Einleitung "Der Aufsichtsrat hat die Geschäftsführung zu überwachen". Diese Formulierung des § 111 Abs. 1 AktG, die man wohl als die zentrale Norm im Bereich der Vorschriften über den Aufsichtsrat bezeichnen kann, war immer wieder Gegenstand der Diskussion und ist es heute noch. Vor allem in neuerer Zeit schwenkt der Blick immer häufiger vom Vorstand zum Aufsichtsrat: im Zusammenhang mit Unfernehmenszusammenbrüchen richtet sich der Vorwurf des Versagens vermehrt an das Überwachungsorgan;l es drängt sich die Frage auf, ob der Aufsichtsrat bei ordnungsgemäßer Wahrnehmung seiner Aufgaben Schaden hätte verhindern können. Angesichts dessen bedarf die Position des Aufsichtsrats im Verwaltungssystem der Aktiengesellschaft und dabei insbesondere sein Verhältnis zum Vorstand einer kritischen Überprüfung. Es reicht nicht aus, wenn das Überwachungsorgan in größeren Abständen der Geschäftsführung des Vorstands - im wesentlichen pro forma - seinen Segen erteilt und die Mitglieder im übrigen ihren Hauptberufen ihre gesamte Energie widmen. Auch das Aufsichtsratsamt erfordert Aktivität. Aus diesem Grunde ist es erforderlich, die Pflichten des Aufsichtsrats detailliert und unter Umständen sogar neu zu bestimmen. So stellt sich zunächst die Frage nach der Existenz allgemeiner Verhaltensmaximen für die Aufsichtsratstätigkeit. Im Anschluß daran wird eine Vielzahl einzelner Fragen zum Inhalt der Aufsichtsratspflichten zu erörtern sein. Die immer komplizierter werdenden Abläufe in den Unternehmen geben Anlaß, zu überlegen, ob bzw. unter welchen Voraussetzungen der Gesamtaufsichtsrat oder einzelne Aufsichtsratsmitglieder außenstehende Berater zur Verbesserung der Überwachung heranziehen können oder müssen. Besonderes Augenmerk liegt aber auf den Einwirkungsmöglichkeiten des Aufsichtsrats gegenüber dem Vorstand. Mit ihnen steht und fällt die Bedeutung des Aufsichtsrats innerhalb der Aktiengesellschaft. Es wird zu untersuchen sein, welche Einwirkungsmittel dem Aufsichtsrat im einzelnen zur

1 Vgl. beispielsweise die Diskussion um die Krisen der co-op AG (Der Spiegel Nr. 47/1988, S. 114 CC., und Der Spiegel Nr. 48/1988, S. 112 CC.) und der Harpener AG (FAZ vom 23. August 1991, S. 16).

20

Einleitung

Verfügung stehen. Außerdem ist zu prüfen, ob sie lediglich ein Recht des Aufsichtsrats darstellen oder unter bestimmten Voraussetzungen auch zu einer Pflicht erstarken. Neben den klassischen Einwirkungsmöglichkeiten, die das Aktiengesetz ausdrücklich vorsieht, könnten vor allem Leistungsklagen des Aufsichtsrats gegen den Vorstand zum Zwecke einer allgemeinen Verhaltenskontrolle im Bereich der Primärpflichten zu einer Effektivierung der Überwachung führen. In diesem Zusammenhang sind eine Vielzahl dogmatischer und praktischer Fragen zu beantworten. Ein weiterer Schritt könnte die Zulassung einer Klagebefugnis einzelner Aufsichtsratsmitglieder gegen den Vorstand sein. Hier gilt es jedoch gleichzeitig, die Grenze der Eigenverantwortlichkeit des Vorstands nicht zu überschreiten und damit das System der Funktionentrennung innerhalb der Aktiengesellschaft aus den Angeln zu heben. Ausgangspunkt der Untersuchung ist § 111 Abs. 1 AktG: "Der Aufsichtsrat hat die Geschäftsführung zu überwachen". Hinter dieser Formulierung verbergen sich drei große Problembereiche. Der erste Bereich umfaßt die Frage nach dem Träger der Überwachungspflicht, der zweite Bereich die Frage nach dem Objekt der Überwachung. Der dritte und zugleich umfangreichste Problembereich betrifft die genaue Bestimmung der Art und Weise der Überwachung. In diesem Zusammenhang ist nicht nur die Überwachung gemäß § 111 Abs. 1 AktG zu untersuchen. Inhalt der Prüfung sind ebenfalls in anderen Normen2 geregelte Pflichten des Aufsichtsrats, die auch zur Überwachungsaufgabe gehören.

2

Vgl. etwa die §§ 84,171 AktG.

Erster Teil

Träger der ÜbelWachungspflicht Bevor es gilt, den Inhalt der Überwachungspflicht zu konkretisieren, stellt sich die Frage nach dem Träger dieser Überwachungspflicht. In Betracht kommt zum einen der Aufsichtsrat als Organ, aber auch die einzelnen Aufsichtsratsmitglieder, entweder jedes für sich oder aber die Mitglieder in ihrer Gesamtheit.

A Bedeutung der gesetzlichen Zuweisung an "den Aufsichtsrat" I. Das Organ als Pflichtenträger Einen Anhaltspunkt zur Bestimmung der Pflichtenträgerschaft bietet das Aktiengesetz selbst. Dort heißt es in § 111 Abs. 1, "der Aufsichtsrat" habe die Geschäftsführung zu überwachen. Ähnliche Formulierungen finden sich in §§ 170 und 171 Abs. 1 AktG. Ausgehend vom Wortlaut des Gesetzes scheint die Überwachungsaufgabe also dem Aufsichtsrat als Organ zugewiesen zu sein.! Andererseits könnte "der Aufsichtsrat" hier ebenso synonym für "die Aufsichtsratsmitglieder" stehen. Ein Blick auf § 120 Abs. 1 AktG zeigt jedoch, daß es sich bei der Formulierung des § 111 Abs. 1 AktG keinesfalls um eine bloße Ungenauigkeit des Gesetzgebers handelt. Gemäß § 120 Abs. 1 AktG beschließt die Hauptversammlung über eine Entlastung "der Mitglieder des Aufsichtsrats"; das Aktiengesetz differenziert folglich sehr genau zwischen dem Organ und den Organmitgliedern.2 Dementsprechend geht die Recht-

!

Ebenso Hommelhojf, ZHR 143 (1979), 288 (292); Bauer, Organklagen, S. 52.

2 So Bauer, Organklagen, S. 52, der weiterhin auf die §§ 90 Abs. 3 Satz 2, 111 Abs. 4, 110 Abs. 1 und 245 Nr. 5 AktG als Beleg für die PIanmäßigkeit der Formulierungen des Gesetzgebers hinweist; vgl. auch Hommelhojf, ZHR 143 (1979), 288 (292); Bork, ZGR 1989, 1 (16).

22

1. Teil: Träger der Überwachungspflicht

sprechung davon aus, daß die Überwachungsaufgabe dem Aufsichtsrat als Kollegium zusteht? Bedenken gegen den Aufsichtsrat als Pflichtadressaten könnten sich jedoch insoweit ergeben, als das Organ selbst gar nicht handlungsfähig, sondern lediglich ein rechtstechnisches Gebilde4 ist; handlungsfähig sind allein natürliche Personen.s Deshalb erscheint es zweifelhaft, ob eine Zuordnung der Pflichten an das - vermeintlich handlungs unfähige - Organ überhaupt sinnvoll ist. Allerdings treffen diese Bedenken ebenfalls für die juristische Person zu. 6 Diese ist aber anerkanntermaßen Zurechnungssubjekt von Rechten und Pflichten. Folglich kann die ursprüngliche Handlungsunfähigkeit nicht das entscheidende Argument gegen eine Zuweisung der Aufsichtsratsangelegenheiten an das Organ Aufsichtsrat sein? Die Überwindung des soeben aufgezeigten Problems erfolgt auf zweierlei Art und Weise: Zum einen wird das Verhalten der Organmitglieder dem Organ als dessen Verhalten zugerechnet8 • Der Aufsichtsrat "handelt" demnach "durch seine Mitglieder".9 Darüber hinaus bedarf es einer inneren Ordnung, welche die einzelnen Aktivitäten der Aufsichtsratsmitglieder koordiniert. Sie muß regeln, inwiefern die Individuen an der Erfüllung der dem Aufsichtsrat zugewiesenen Aufgaben teilnehmen. lo Sofern diese Bedingungen erfüllt sind, steht einer Zuweisung der Pflichten an das Organ nichts mehr im Wege.

3 VgI. beispielsweise RGZ 93,338 (340); 161, 129 (135); BGH, AG 1959,286; BGHZ 41, 282 (286); LG Köln, AG 1976, 329; OLG Frankfurt, AG 1988, 109 (110); BGH, WM 1989,98 (101). 4

VgI. Wolf!, Organschaft, Band 2, S. 254.

S

Bauer, Organklagen, S. 51; Hommelhof!, ZHR 143 (1979), 288 (292).

6 Vgl. Wolf!, Organschaft, Band 2, S. 254: "Die Juristische Person ist also ebenso wie das Organ siets angewiesen auf die pflichtfahigen Organwalter, ohne die alle sie betreffenden Normen 'in der Luft hängen'".

7

Bauer, Organklagen, S. 51. Auch Rupp, Grundfragen, S. 84, deutet diesen Aspekt an.

8 Grundlegend dazu Wolf!, Organschaft, Band 2, S. 235 und 259 ff.; vgJ. auch Wolff/Bachof, Verwaltungsrecht, Band 2, S. 58; Hommelhof!, ZHR 143 (1979), 288 (292 f.); Fre/s, ZHR 122 (1958), 173 (181); a. A. Baltzer, Beschluß, S.3O, der das Verhalten der OrganmitgIieder unmittelbar der Personenmehrheit zurechnet, hier also den Aktionären; Kölner Komm./Mertens, AktG, 2. Aull., § 76 Rn. 60. 9

So wörtlich Bauer, Organklagen, S. 52.

10 VgI. Fabricius, Relativität, S. 139; dahingehend auch Hommelhoff, ZHR 143 (1979), 288 (299).

A. Bedeutung der Zuweisung an "den Aufsichtsrat"

23

11. Die Organmitglieder als Pflichtenträger Gleichwohl drängt sich die Frage auf, ob es nicht einfacher wäre, auf die Zwischenschaltung des Organs zu verzichten und jedes einzelne Mitglied unmittelbar als Pllichtadressat der dem "Aufsichtsrat" zugewiesenen Aufgaben anzusehen. Die Schwierigkeiten einer solchen Sichtweise zeigen sich jedoch schon anhand des Umfangs und der Verschiedenheit der Aufgaben, die das Aktiengesetz dem Aufsichtsrat zuweist: Das einzelne Aufsichtsratsmitglied wäre bereits in einem kleinen, erst recht aber in einem großen Unternehmen außerstande, all diese Pflichten in eigener Person zu erfüllen: ll Zum einen überstiege der notwendige Zeitaufwand die Grenze dessen, was ein einzelnes Mitglied zu leisten vermag. 12 Zum anderen fordert die Aufsichtsratstätigkeit ein solches Spektrum an speziellen Fähigkeiten und Kenntnissen auf verschiedenen Gebieten, über die ein einzelnes Mitglied gar nicht verfügen kann. 13 Es ist nämlich erst das Zusammentreffen von unterschiedlich befähigten Persönlichkeiten im Aufsichtsrat, das die Erfüllung der dem Organ zugewiesenen Aufgaben ermöglicht und gerade seine Stärke ausmacht. 14 Zudem zeigt die Existenz des § 107 Abs. 3 AktG, daß auch der Gesetzgeber von einer arbeitsteiligen Arbeitsweise des Aufsichtsrats ausgegangen ist. Der Widerspruch zwischen dem einzelnen Mitglied als Pllichtadressat und der Anerkennung einer Arbeitsteilung im Aufsichtsrat ließe sich nur auf eine Weise ausräumen. Man müßte jedes Mitglied ausschließlich als Adressat derjenigen Pllicht ansehen, die ihm aufgrund der innerorganisatorischen Arbeitsteilung zugewiesen ist. Diese Sichtweise widerspräche jedoch der Gesamtzuständigkeit des Aufsichtsrats, die - wie bereits gezeigt - ihren Ausdruck in der Formulierung des § 111 Abs. 1 AktG fmdet. 15 Des weiteren

11 vgl. LutterjKrieger, Rechte, S. 146; dahingehend auch GoUing, Sorgfaltspflicht, S.53 f., bezüglich der entsprechenden Problematik einer Arbeitsteilung im Vorstand.

12 Das gilt insbesondere angesichts der Tatsache, daß es sich bei dem Aufsichtsratsamt um ein reines Nebenamt handelt, vgl. Lutter, Information, S.29; Sem1er, ZGR 1983, 1 (16 f.); Baumbach/Hueck, AktG, § 111 Rn. 5. 13 Vgl. Hommelhoff, ZHR 143 (1979), 288 (297 f.); dahingehend auch GefJler, in: Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, AktG, § 107 Rn. 60, und Sem/er, BFuP 1977, 519 (526).

Vgl. zum letzteren Kölner Komm.IMmens, AktG, § 107 Rn. 120; Lippen, ÜberS. 46. Vgl. auch Prühs, OB 1970,1961 f., der die Vorteile der Gruppenarbeit und der Gruppenentscheidungen im allgemeinen darstellt; dazu ebenfalls Dose, ZGR 1973, 300 (308 f.) m. w. N. 14

wachun~pflicht,

15

RGZ 93, 338 (340).

1. Teil: Träger der Überwachungspflicht

24

weist RUpp16 zutreffend darauf hin, daß die Aufteilung der dem Organ zugewiesenen Pflichten in mehrere Individualpflichten "notwendig den einheitlichen Inhalt der Norm", hier also insbesondere den Inhalt des § 111 Abs. 1 AktG, "in Frage stellen müßte". Im Ergebnis verbietet sich demnach eine Konzeption, nach der jedes einzelne Aufsichtsratsmitglied zur Erfüllung aller Aufsichtsratsangelegenheiten verpflichtet ist. 17 Ebenso unzulässig ist ein Interpretation, nach der das einzelne Mitglied ausschließlich Bruchteile der dem Aufsichtsrat zugewiesenen Aufgaben zu erfüllen hat und im übrigen entlastet ist.

111. Ergebnis Die vorangegangenen Überlegungen haben gezeigt, daß es aus dogmatischen und praktischen Gründen vorzugswürdig ist, die nach dem Aktiengesetz den "Aufsichtsrat" treffenden Pflichten pauschal dem Organ als "überindividuelle Wirkungseinheit"18 zuzuordnen. Im übrigen wird dadurch dem Umstand Rechnung getragen, daß das Aktiengesetz die Aufgaben aller Aufsichtsratsmitglieder in jeder dem Aktiengesetz unterliegenden Gesellschaft normieren will. Ihre individuelle Verschiedenheit muß deshalb unberücksichtigt bleiben. 19 Es kommt nicht darauf an, von welchem Mitglied diese Aufgaben erfüllt werden, sondern nur, daß sie überhaupt ordnungsgemäß wahrgenommen werden. 20

B. Konsequenzen f'tir die Pflichten der einzelnen Aufsichtsratsrnitglieder I. Die Pflichten der einzelnen Mitglieder im allgemeinen Fraglich erscheint allerdings, wie die Pflichten der einzelnen Aufsichtsratsmitglieder auszugestalten sind, damit die Erfüllung der Aufgaben durch 16

Grundfragen, S. 84.

17 So auch Lutter/Krieger, Rechte, S. 146. 18 Vgl.

Hommelhof!, ZHR 143 (1979), 288 (294), der diesen Begriff in Anlehnung an

Rittner, Juristische Person, S. 229, verwendet. 19

Wolf!, Organschaft, Band 2, S. 278.

20

Hommelhof!, ZHR 143 (1979), 288 (293); Bauer, Organklagen, S. 52.

B. Konsequenzen für die Pflichten der Aufsichtsratsmitglieder

25

das Gesamtorgan gewährleistet ist. Die §§ 116, 93 AktG zeigen, daß auch die einzelnen Mitglieder Adressaten von Pflichten sind.21 Allerdings haben die Aufsichtsratsmitglieder nach diesen Vorschriften für die Verletzung "ihrer" Pflichten einzustehen und nicht für die Verletzung derjenigen Pflichten, die dem Organ zugewiesen sind.22 Eine Haftung des Aufsichtsrats als Organ sieht das Aktiengesetz hingegen nicht vor. Sie wäre auch unergiebig, da das Organ nicht über eine eigene Haftungsmasse verfügt. Die Gesellschaft würde im Ergebnis einen Anspruch gegen sich selbst geltend machen.23 Ohne eine haftungsmäßige Absicherung bliebe die Aufgabenzuweisung an das Organ aber ein gedankliches Gerüst ohne praktische Bedeutung. Deshalb gilt es, diese Aufgaben so auf die einzelnen Mitglieder zu verteilen, daß sie durch deren individuelle Haftung nach §§ 116, 93 AktG abgesichert ist. Wie bereits gezeigt, kann die Lösung nicht darin liegen, jedem einzelnen Mitglied die Erledigung sämtlicher Pflichten aufzubÜTden.24 Andererseits können sich die Pflichten der Aufsichtsratsmitglieder nicht grundlegend von denen unterscheiden, die das Aktiengesetz dem "Aufsichtsrat" zuweist. Da das Organ "durch seine Mitglieder" handelt,~ muß vielmehr die einzelne Mitgliedspflicht so ausgestaltet sein, daß die Summe der Mitgliedspflichten eine ordnungsgemäße Erfüllung der dem Organ zugewiesenen Aufgaben gewährleistet. Eine solche Verbindung läßt sich dadurch herstellen, daß jedem einzelnen Aufsichtsratsmitglied eine "Mitwirkungspflicht" im Hinblick auf die dem Aufsichtsrat zugewiesenen Aufgaben26 auferlegt wird. Jedes Mitglied ist demnach verpflichtet, dafür zu sorgen, daß die Angelegenheiten des Organs "Aufsichtsrat" ordnungsgemäß wahrgenommen werden.27 Diese Pflicht umfaßt in erster Linie die bestmögliche Organisation der Aufsichtsratsarbeit. Das Ratsmitglied muß zusammen mit den übrigen Aufsichtsratsmitgliedern

21

Vgl. auch Gemeinschaftskomm.INaendrup, MitbG, § 25 Rn. 94.

22

Vgl. Hommelho[f, ZHR 143 (1979), 288 (297).

23

Hommelho[f, ZHR 143 (1979), 288 (297 f.).

24

Vgl. oben 1. Teil, A., 11.

~ Vgl. oben 1. Teil, A., I. 26

Vgl. Säcker, Aufsichtsratsausschüsse, S. 27.

27 Wollf, Organschaft, Band 2, S. 244; Hommelho[f, ZHR 143 (1979), 288 (293, 299); Lutter/Krieger, Rechte, S. 146 f.; Bauer, Organklagen, S.52; Säcker, Aufsichtsratsausschüssc, S. 27; Kö!ner Komm.IMertens, AktG, § 107 Rn. 127. Entsprechend für den Betriebsrat Belling, Haftung, S. 227.

26

1. Teil: Träger der Überwachungspflicht

entscheiden, ob die dem Organ zugewiesenen Aufgaben - in den Grenzen des § 107 Abs. 3 Satz 2 AktG - auf Ausschüsse bzw. einzelne Mitglieder zu verteilen sind, oder ob es zweckmäßiger ist, sie im Plenum zu behandeln.2B Des weiteren hat das Mitglied die Aufgaben zu erfüllen, die ihm aufgrund dieser organisatorischen Entscheidungen aufsichtsratsintern auferlegt worden sind. 29 Auf diese Weise ist die Erfüllung der dem Organ zugewiesenen Aufgaben sichergestellt.

11. Besonderheiten im Falle einer Delegation der lJberwachungsaufgabe Mit der Anerkennung einer Arbeitsteilung im Aufsichtsrat ergeben sich neue Probleme im Rahmen der inhaltlichen Konkretisierung der einzelnen Mitgliedspflichten. So ist zu überlegen, ob sich die Pflichten der Mitglieder innerhalb des Ausschusses in bezug auf die übertragene Aufgabe intensivieren, während die Mitglieder außer halb des Ausschusses möglicherweise ganz von ihr befreit sind. Diese Fragen werden für die vorliegende Arbeit allerdings nur dann relevant, wenn die Überwachungsaufgabe überhaupt auf einen Ausschuß übertragen werden darf. Deshalb wird zunächst die Zulässigkeit einer solchen Delegation zu klären sein. 1. Zulässigkeit der Delegation Das Aktiengesetz läßt in § 107 Abs. 3 Satz 1 AktG die Bildung von Aufsichtsratsausschüssen ausdrücklich zu. Eine Einschränkung erfährt dieser Grundsatz jedoch durch § 107 Abs. 3 Satz 2 AktG, wonach es unzulässig ist, "bestimmte Aufgaben" einem Ausschuß "zur Beschlußfassung" zu übertragen. Die Überwachung der Geschäftsführung (§ 111 Abs. 1 AktG) wird dort nicht erwähnt, was den Schluß auf eine unbeschränkte Delegierbarkeit der Überwachungsaufgabe nahelegt. Gleichwohl besteht Einigkeit darüber, daß die Überwachung des Vorstands in ihrer Gesamtheit nicht einem oder meh-

2B Hommelhoff, ZHR 143 (1979), 288 (299); Lippen, Überwachungspflicht, S. 45; Lutter/Krieger, Rechte, S. 146; Kölner Komm.IMertens, AktG, § 107 Rn. 127; Rellermeyer, Aufsichtsratsausschüsse, S. 14 f. 29

Darauf wird im folgenden genauer einzugehen sein, vgI. unten 1. Teil, B., 11., 2.

B. Konsequenzen für die Pflichten der Aufsichtsratsmitglieder

27

reren Ausschüssen anvertraut werden darf.3O § 111 Abs. 1 AktG sei nur deshalb nicht in § 107 Abs. 3 Satz 2 AktG aufgeführt, weil die Überwachung vornehmlich auf tatsächlichem Gebiet liege; § 107 Abs. 3 beziehe sich hingegen nur auf Entscheidungsbefugnisse des Aufsichtsrats.31 Schließlich "verstehe es sich von selbst", daß die Überwachungsfunktion nicht in vollem Umfang an einen Ausschuß delegiert werden dürfe. Sie stelle das "Wesensmerkmal" des Aufsichtsrats dar,32 und jedes Mitglied müsse an ihr teilhaben können.33 Zulässig sei es hingegen, einzelne konkrete Teilbereiche der komplexen Überwachungsaufgabe an einen Ausschuß zu überweisen,Jot wobei jedoch unklar bleibt, ob nur zur Vorbereitung oder auch zur endgültigen Erledigung. Lediglich Rellermeye?S widmet sich diesem entscheidenden Punkt näher. Er weist zunächst darauf hin, daß in der Literatur immer von einer Übertragbarkeit einzelner "Überwachungsaufgaben" und nicht von einer Übertragbarkeit der "Vorbereitung einzelner Überwachungsaufgaben" die Rede sei.36 Gemäß § 107 Abs. 3 AktG sei aber die Vorbereitung von Entscheidungen selbst im Bereich zwingender Plenaraufgaben zulässig. Daraus zieht Rellermeyer den überzeugenden Schluß, daß die betreffenden Stimmen in der Literatur nur die Übertragbarkeit einzelner Überwachungsaufgaben im ganzen und nicht lediglich die Übertragbarkeit ihrer Vorbereitung gemeint haben können.37 Außerdem bemerkt er zu Recht, daß der Gesetzgeber selbst gemäß § 107 Abs. 3 Satz 2 AktG die abschließende Erledigung

30 Begr. RegE. bei Kropf!, AktG, S. 149 f.; Kölner Komm./Mertens, AktG, § 107 Rn. 89; Geßler, in: Geßler/HefermehI/Eckardt/Kropff, AktG, § 107 Rn. 78; Godin/Wlihelmi, AktG, § 111 Anm. 11; Semler, AG 1988,60 (61); Rellermeyer, Aufsichtsratsausschüsse, S. 17; Baumbach/Hueck, AktG, § 107 Rn. 13; Großkomm./Meyer-Landrut, AktG, § 107 Anm. 16.

31 Bege. RegE. bei Kropf!, AktG, S.

149 f.

32 Bege. RegE. bei Kropf!, AktG, S. 149; Schiegelberger/Quassowski, AktG 1937, § 92 Rn. 41. 33 Rellermeyer, Aufsichtsratsausschüsse, S. 22; Sem/er, AG 1988,60 (61 f.); Hommelhoff, PS Werner (1984), 315 (321). 34 Bege. RegE. bei Kropff, AktG, S. 149 f.; Kölner Komm./Mertens, AktG, § 107 Rn. 89; Großkomm./Meyer-Landrut, AktG, § 107 Anm. 16; Janberg, AG 1966, 1 (4); HoffmannBecking, in: Münchener Handbuch, § 32 Rn. 3; ausführlich dazu Rellermeyer, Aufsichtsratsausschüsse, S. 28 ff.

3S

Aufsichtsratsausschüsse, S. 28 ff.

36

Rellermeyer, Aufsichtsratsausschüsse, S. 28.

37 Rellermeyer, Aufsichtsratsausschüsse, S. 28 f.

28

1. Teil: Träger der Überwachungspflicht

bestimmter Teilbereiche der Überwachungsaufgabe durch Ausschüsse zulasse. Die Vorschrift behalte dem Plenum nur die Festlegung, nicht aber die Entscheidung über die Erteilung der Zustimmung nach § 111 Abs. 4 Satz 2 AktG vor.38 Das gleiche gilt für § 111 Abs. 2 Satz 2 AktG, der die Übertragung der Einsichtnahme in Bücher und Schriften auf einzelne Mitglieder und damit erst recht auf Ausschüsse erlaube.39 Folglich ist mit Rellermeyer anzunehmen, daß bestimmte Teilbereiche der Überwachung einem Ausschuß sowohl zur Vorbereitung als auch zur abschließenden Erledigung übertragen werden können. 2. Konsequenzen für die Pflichten der Mitglieder innerhalb und außerhalb des Ausschusses

Nachdem nun feststeht, daß Teilbereiche der Überwachungsaufgabe auf Aufsichtsratsausschüsse übertragen werden können, stellt sich die weitergehende Frage, ob sich als Folge der Aufgabendelegation die Pflichten der Mitglieder innerhalb und außer halb des Ausschusses verändern. a) Pflichten der Ausschußmitglieder

Wie bereits gezeigt, ist jedes Aufsichtsratsmitglied verpflichtet, an der Erfüllung der dem Organ obliegenden Aufgaben mitzuwirken.4O Daran ändert sich auch durch die Mitgliedschaft im Ausschuß nichts.41 Die allgemein formulierte Mitwirkungspflicht wird lediglich insofern konkretisiert42, als das Ausschußmitglied sie nun durch unmittelbare Beschäftigung mit der betreffenden Aufgabe wahrzunehmen hat. Diese zunächst erfolgte Konkreti-

38

Rellermeyer, Aufsichtsratsausschüsse, S. 29 f.

39

So zutreffend Rellermeyer, Aufsichtsratsausschüsse, S. 29 f.

40

Siehe oben 1. Teil, B., 11.

41 Vgl. Semler, AG 1988,60 (62), der für Mitglieder in vorbereitenden Ausschüssen allerdings eine gesteigerte Verantwortung hinsichtlich einer vollständigen Sachaufklärung annimmt. 42 Auch Rellermeyer, Aufsichtsratsausschüsse, S. 57, spricht in diesem Zusammenhang von "Konkretisierung". Allerdings verkennt er, daß durch die Arbeitsteilung nicht die "unterschiedlichen" Pflichten der Mitglieder konkretisiert werden, sondern im Gegenteil die ursprünglich für alle Mitglieder identische Mitwirkungspflicht.

B. Konsequenzen für die Pflichten der Aufsichtsratsmitglieder

29

sierung kann das Plenum jederzeit wieder rückgängig machen, indem es die Aufgabe wieder an sich zieht.43 b) Pflichten der nicht dem Ausschuß angehörenden Mitglieder

Problematischer erscheint die Frage, ob bzw. welche Pflichten den außenstehenden Mitgliedern im Hinblick auf die übertragene Aufgabe verbleiben. Auch hier ist von der Prämisse auszugehen, daß alle Mitglieder - d. h. ebenso die nicht dem Ausschuß angehörenden - verpflichtet sind, an der Erfüllung der dem Aufsichtsrat zugeordneten Pflichten mitzuwirken. Daran darf sich auch durch die Delegation einer Teilaufgabe an einen Ausschuß nichts ändern. Schließlich ist die Überwachungsaufgabe dem Gesamtaufsichtsrat als Kollegium zugeordnet.44 Es wäre systemwidrig, die außenstehenden Mitglieder gänzlich zu entlasten, so daß letztlich nur noch einzelne Aufsichtsratsmitglieder zur Erfüllung der dem Aufsichtsrat zugewiesenen Aufgaben verpflichtet wären.4s Demnach muß zumindest eine Restpflicht der übrigen Mitglieder bestehen bleiben. Sie ist ebenfalls im Wege einer Konkretisierung der primären Mitwirkungspflicht jedes Mitglieds zu entwickeln.

aa) Auswahlpflicht Jedem Aufsichtsratsmitglied obliegt die Pflicht, auf eine möglichst zweckmäßige Arbeitsteilung im Aufsichtsrat hinzuwirken.46 Hierzu gehört nicht nur die Entscheidung darüber, ob eine Aufgabe am besten auf einen Ausschuß zu übertragen ist, sondern ebenso die Auswahl der geeignetsten Ausschußmitglieder.47 Diese Auswahlpflicht erschöpft sich nicht in der einmali-

43 Zur Möglichkeit einer jederzeitigen WiederhersteIlbarkeit der Ptenarzuständigkeit vgI.: BGHZ 89, 48 (55 f.); Rellermeyer, Aufsichtsratsausschüsse, S. 140 f.; Kötner Komm./Mertens, AktG, § 107 Rn. 86; Geßler, in: Geßler/Hefermehl/EckardtjKropff, AktG, § 107 Rn. 74; Lutter/Krieger, Rechte, S. 178; Hoffmann-Becking, in: Münchener Handbuch, § 32 Rn. 4; Großkomm./Meyer-Landrut, AktG, § 107 Anm. 16 a. E.; Janberg, AG 1966, 1 (3); Säcker, Aufsichtsratsausschüsse, S. 45. 44 Dieses Argument führen auch Schlegelberger/Quassowski, AktG 1937, § 92 Rn. 45, und Geßler, in: Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, AktG, § 107 Rn. 4, an.

4S

So ausdrücklich RGZ 93, 338 (340); vgl. auch schon oben 1. Teil, A.

46

Siehe oben 1. Teil, B., I.

47 Vgl. zur Auswahlpflicht: Baumbach/Hueck, AktG, § 107 Rn. 15; Godin/Wilhelmi, AktG, § 107 Anm. 7; Schlegelberger/Quassowski, AktG 1937, § 92 Rn. 45; TeichmannjKoehler, AktG

30

1. Teil: Träger der Überwachungspflicht

gen Ausschußbildung. Sie setzt sich während seiner gesamten Bestehensdauer fort, denn alle Aufsichtsratsmitglieder haben zu jedem Zeitpunkt die jeweils beste Organisationsform herbeizuführen.48 Dementsprechend müssen auch die Ausschußmitglieder zu jedem Zeitpunkt als ordnungsgemäß ausgewählt anzusehen sein. Die ursprüngliche Entscheidung für ein bestimmtes Ausschußmitglied kann sich aber im Laufe der Zeit als unvorteilhaft erweisen. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn ein neues Mitglied in den Aufsichtsrat gewählt wird, das besser qualifIZiert ist als eine momentan dem Ausschuß angehörende Person. Solchen Veränderungen hat der Gesamtaufsichtsrat unverzüglich durch entsprechende Maßnahmen Rechnung zu tragen.

bb) Überwachungspflicht Darüber hinaus wird allgemein vertreten, die übrigen Aufsichtsratsmitglieder hätten den Ausschuß bei der Erledigung der ihm übertragenen Aufgaben zu überwachen.49 Diese Überwachungspflicht ist die logische Konsequenz der soeben behandelten Auswahlpflicht. Denn die übrigen Aufsichtsratsmitglieder können nur dann beurteilen, ob die Ausschußmitglieder zu jedem Zeitpunkt als ordnungsgemäß ausgewählt anzusehen sind, wenn sie sich fortlaufend von deren ordnungsgemäßer Aufgabenerfüllung im Bereich der Ausschußtätigkeit überzeugen.so Schwierig ist allerdings die Ausgestaltung dieser Überwachungspflicht. Setzt man die Anforderungen an die Überwachung zu hoch, so verliert die Aufgabendelegation ihren Sinn: Dies gilt zum einen in den Fällen, in denen

1937, § 92 Anm. 4; Geßler, in: Geßler/HefermehI/Eckardt/Kropff, AktG, § 107 Rn. 84, im Widerspruch zu seiner Äußerung in § 116 Rn. 19; Großkomm./Meyer-Landrut, AktG, § 107 Anm. 18; Janberg, AG 1966, 1 (5). 48 Dahingehend auch GodinjWilhelmi, AktG, § 107 Anm. 7; Kölner Komm./Mmens, AktG, § 107 Rn. 127. 49 GodinjWilhelmi, AktG, § 107 Anm. 7; Teichmann/Koehler, AktG 1937, § 92 Anm. 4; Schlegelberger/Quassowski, AktG 1937, § 92 Rn. 45; Hommelhoff, ZHR 143 (1979), 288 (299); Geßler, in: Geßler/HefermehI/Eckardt/Kropff, AktG, § 107 Rn. 84, insofern widersprüchlich seine Äußerung in § 116 Rn. 19; Semler, AG 1988, 60 (62); Lutter, Information, S. 117, spricht von einer "Oberaufsicht des Plenums"; Rellermeyer, AuCsichtsratsausschüsse, S. 57 C.; Großkomm./Meyer-Landrut, AktG, § 107 Anm. 18; Janberg, AG 1966, 1 (5); dahingehend ebenso - wenn auch nicht ausdrücklich - Kölner Komm./Mmens, AktG, § 107 Rn. 127; Dose, ZGR 1973, 300 (307).

so Vgl. RGZ 128, 149 (153): "Nur ein wohIbeaufsichtigtes Personal darf als ein wohIausgewähltes gelten". Dahingehend auch RGZ 136, 4 (11); BGHZ 8, 239 (243).

B. Konsequenzen für die Pflichten der Aufsichtsratsmitglieder

31

die Bearbeitung des betreffenden Teilbereichs besondere Fachkenntnisse erfordert, über die immer nur einzelne Aufsichtsratsmitglieder verfügen.sl Hier weist Gollinj2 zu Recht darauf hin, daß eine Überspannung der Überwachungspflicht eine unzumutbare "haftungsrechtliche Belastung" der außenstehenden Aufsichtsratsmitglieder in sich birgt. Wie soll beispielsweise der Bankenvertreter die technischen Abläufe im Unternehmen in allen Einzelheiten beurteilen können? Bereits an anderer Stelle wurde aber gezeigt, daß gerade die Möglichkeit der Spartenorganisation die Stärke des Aufsichtsrats ausmacht.53 Zum anderen erfolgt die Arbeitsteilung vielfach aus Gründen der Zeitersparnis. Bei einer Frequenz von durchschnittlich 3,8 Aufsichtsratssitzungen im Ja~ und einer durchschnittlichen Sitzungsdauer von 3,74 Stundenss kann sich das Plenum faktisch nicht in dem nötigen Umfang mit jeder Frage beschäftigen. Eine übermäßige Überwachungspflicht würde auch hier den Zweck der Aufgabendelegation vereiteln, der darin liegt, die außenstehenden Ratsmitglieder arbeitsmäßig zu entlasten. Andererseits darf - entsprechend der Gesamtzuständigkeit des Aufsichtsrats - die Überwachung der Ausschußarbeit durch das Plenum nicht zur bloßen Formsache herabsinken. Deshalb ist die Aussage unbefriedigend, der Aufsichtsrat verletze "allenfalls" dann seine Pflichten, wenn er positive Kenntnis von Mißständen im Ausschuß erlange und den Gesamtaufsichtsrat daraufhin nicht unterrichte.56 In dem Fall brauchten die übrigen Aufsichtsratsmitglieder sich aus eigener Initiative überhaupt nicht mehr mit den Abläufen im Ausschuß zu beschäftigen. Sie könnten ruhig abwarten, ob sie zufällig von eventuellen Unregelmäßigkeiten erfahren. Unter diesen Umständen kann aber keine Rede mehr von einer "Überwachungspflicht" des Plenums sein.

51 Vgl. die Beispiele bei Golling, Sorgfaltspflicht, S.52 f., im Hinblick auf die ähnlich gelagerte Problematik der Arbeitsteilung im Vorstand. S2

Sorgfaltspflicht, S. 52.

53 Vgl. oben 1. Teil, A., 11. Dies deutet auch Go/ling, Sorgfaltspflicht, S. 52, hinsichtlich der Arbeitsteilung des Vorstands an. 54

So die Studie von Bleicher, Aufsichtsrat, S. 41.

ss Bleicher, Aufsichtsrat, S. 45. 56 So Geßler, in: Geßler/HefermehI/Eckardt/Kropff, AktG, § 116 Rn. 19, im Widerspruch zu § 107 Rn. 84.

32

1. Teil: Träger der Überwachungspflicht

c) Gemeinsame Pflicht zur Statuierung und Aufrechterhaltung eines funktionsfähigen Berichtssystems zwischen Ausschuß und Plenum

Erforderlich ist somit die Einrichtung und Aufrechterhaltung eines funktionierenden Informationssystems zwischen Ausschuß und Plenum, auf dessen Existenz und Funktionsfähigkeit beide hinwirken müssen.57 Die Ausschußmitglieder haben zu diesem Zweck das Plenum aus eigener Initiative über das Vorgehen und die Ergebnisse des Ausschusses zu unterrichten.S8 Dabei ist allerdings den oben genannten Bedenken hinsichtlich einer überzogenen Überwachungspflichf9 Rechnung zu tragen. Die Ausschußmitglieder sind deshalb gehalten, die Informationen komprimiert60 und zugleich möglichst leichtverständlich zu präsentieren, um die übrigen Aufsichtsratsmitglieder weder zeitlich noch fachlich zu überfordern. So können sich vorbereitende Ausschüsse damit begnügen, dem Restaufsichtsrat einen groben Überblick über die Ausschußtätigkeit zu verschaffen.61 Eine gesteigerte Überwachungspflicht obliegt dagegen den überwachenden Ausschüssen, denn in diesem Bereich trifft den Restaufsichtsrat nicht nur eine Überwachungspflicht hinsichtlich der Ausschußtätigkeit. Vielmehr entscheidet das Plenum selbst in der betreffenden Angelegenheit. Folglich hat der Ausschuß dem Kollegium in diesen Fällen sämtliche, für die Sachentscheidung bedeutenden Informationen mitzuteilen.62 Die nicht dem Ausschuß angehörenden Ratsmitglieder sind ihrerseits verpflichtet, sich mit den erstatteten Berichten in dem Maße zu beschäftigen, daß sie in der Lage sind, sich ein eigenes Urteil über die Tätigkeit des Ausschusses zu bilden. Spezifische Fachfragen müssen sie allerdings nicht in vollem Umfang nachvollziehen können, sondern dürfen sich insoweit auf das 57 Vgl. Hommelhojf, ZHR 143 (1979), 288 (299); vgI. auch Geßler, in: GeßlerjHefermehljEckardtjKropff, AktG, § 107 Rn. 84. S8

Ausführlich dazu Rellermeyer, Aufsichtsratsausschüsse, S. 206 ff.

59

Vgl. oben 1. Teil, B., 11., 2., b), bb).

60 Vorschläge bei Rellermeyer, Aufsichtsratsausschüsse, S. 211, im Hinblick auf "beschließende" Ausschüsse. Rellermeyer stellt allerdings erhöhte Anforderungen an die Berichte vorbereitender Ausschüsse, da der Aufsichtsrat aufgrund dieser Informationen letztlich selbst eine Entscheidung treffen muß (vgl. im einzelnen dort, S. 207 ff.).

61

So zutreffend Rellermeyer, Aufsichtsratsausschüsse, S. 211.

62 Vgl. Dose, ZGR 1973, 300 (312); ähnlich Rellermeyer, Aufsichtsratsausschüssc, S.207; Prühs, OB 1970, 1524 (1528); Luner, Information, S. 117 f. Hinsichtlich der Besonderheiten

bei Personalausschüssen vgI.: Krieger, Personalentscheidungen, S. 69 Cf; Luner, Information, S. 118; Mertens, AG 1980, S. 67 (73).

B. Konsequenzen für die Pflichten der Aufsichtsratsmitglieder

33

Urteil der Ausschußmitglieder verlassen.63 Ebensowenig erstreckt sich die Überwachungspflicht auf jede Einzelheit der Ausschußtätigkeit.64 Ergeben sich jedoch offensichtliche Ungereimtheiten aus den Darstellungen der Ausschußmitglieder, so ist jedes Mitglied verpflichtet, auf d~ren Klärung zu bestehen, auch wenn es sich um eine fachspezifische Materie handelt.6S Im übrigen können66 die übrigen Aufsichtsratsmitglieder weitere Informationen vom Ausschuß anfordern, sofern dessen aus eigener Initiative erstatteten Berichte nicht erschöpfend genug sind, um dem Plenum eine ausreichende Beurteilungsgrundlage im Hinblick auf die Einschätzung der Ausschußarbeit zu verschaffen. Nicht selten wird man sogar eine dahingehende Pflicht annehmen müssen, denn eine ausreichende Information bildet die unverzichtbare Voraussetzung für eine ordnungsgemäße Überwachung. Aus dem Grunde darf der Restaufsichtsrat sich also nicht darauf verlassen, daß die Berichte des Vorstands immer vollständig sind.67 Insgesamt sollte die Berichtsinitiative aber vom Ausschuß ausgehen und nicht vom Plenum.68 Derjenige, der eine bestimmte Materie unmittelbar bearbeitet, kann i. d. R. auch am besten beurteilen, ob und wann etwas wert ist, berichtet zu werden. Ein Vergleich mit dem zwischen Vorstand und Aufsichtsrat bestehenden Berichtssystem bestätigt diese These. Auch dort bilden die vom Vorstand aus eigener Initiative zu erstattenden Berichte den Grundstock des Berichtssystems. Das wird deutlich, wenn man den Umfang der in § 90 Abs. 1 AktG aufgeführten Berichtsgegenstände betrachtet. Sie zielen darauf ab, den Aufsichtsrat regelmäßig (vgl. § 90 Abs. 2 AktG) über 63 Dahingehend auch HommellwJ!, ZUR 143 (1979), 288 (300), für den Fall, daß "Maßnahmen, die an fachlich besonders kompetente Ausschüsse ... überwiesen werden könnten, im Plenum entschieden werden". 64 So

zutreffend Rellermeyer, Aufsichtsratsausschüsse, S. 57.

6S Die Pflicht der Aufsichtsratsmitglieder, auf die Beseitigung der ihnen zur Kenntnis gelangenden Mißstände allgemeiner Art auch außerhalb des eigenen Tätigkeitsbereichs drängen zu müssen, stellt das absolute Minimum der sich aus der Gesamtverantwortung ergebenden Überwachungspflicht jedes Aufsichtsratsmitglieds dar. Sie wird sogar von Geßler, in: Geßler/Uefermehl/Eckardt/Kropff, AktG, § 116 Rn. 19, befürwortet, obwohl er einer Überwachungspflicht der nicht dem Ausschuß angehörenden Mitglieder ablehnend gegenübersteht. Vgl. auch HommellwJ!, ZUR 143 (1979), 288 (299). 66 Rellermeyer, Aufsichtsratsausschüsse, S. 204; Menens, AG 1980, 67 (73); Säcker, Aufsichtsratsausschüsse, S. 45; Paefgen, Struktur, S. 350; Zum Umfang dieses Anspruchs vgI. im einzelnen Rellermeyer, Aufsichtsratsausschüsse, S. 204 ff.

67 Zu den Prüfungsmaßstäben für die Überwachung des Ausschusses vgI. Rellermeyer, Aufsichtsratsausschüsse, S. 57 f.

68

Dahingehend auch Rellermeyer, Aufsichtsratsausschüsse, S. 204.

3 Steinbeck

34

1. Teil: Träger der Überwachungspflicht

alle bedeutenden Geschehnisse im Unternehmen zu informieren.(/} Dem Berichtsanspruch des Aufsichtsrats gemäß § 90 Abs. 3 AktG kommt zwar auch ein nicht unerheblicher Stellenwert zu. In erster Linie dient er aber dazu, Meinungsverschiedenheiten zwischen Vorstand und Aufsichtsrat im Hinblick auf die Auswahl und Bewertung von Informationen auszugleichen und dem Aufsichtsrat insofern eine vom Vorstand unabhängige Position zu schaffen.70

111. Ergebnis Die vorangegangenen Erwägungen haben gezeigt, daß der Aufsichtsrat Teilbereiche der Überwachungsaufgabe auf Ausschüsse übertragen kann, und zwar sowohl zur Vorbereitung als auch zur abschließenden Erledigung. Aufgrund dieser Aufgabendelegation verändert sich der Inhalt der Mitwirkungspflicht, die jedes Aufsichtsratsmitglied im Hinblick auf die dem Organ zugewiesenen Aufgaben trifft. Die Ausschußmitglieder sind nunmehr gehalten, sich intensiv mit der betreffenden Angelegenheit zu beschäftigen. Die nicht dem Ausschuß angehörenden Mitglieder trifft eine Auswahl- und Überwachungspflicht im Hinblick auf die Ausschußmitglieder. Zur Erfüllung dieser Auswahl- und Überwachungspflicht haben die außenstehenden Ratsmitglieder - ebenso wie die Mitglieder des Ausschusses - ein funktionsfähiges Berichtssystem zwischen Ausschuß und Plenum einzurichten und aufrechtzuerhalten. Die Berichtsinitiative sollte aufgrund seiner Sachnähe jedoch i. d. R. vom Ausschuß ausgehen.

(/} Vgl. dazu ausführlich unten 3. Teil, B., III., 1., a). 70 Lutter/Krieger, Rechte, S. 61 f.; vgl. auch Hefermehl, in: Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, AktG, § 90 Rn. 17; Schlegelberger/Quassowski, AktG 1937, § 95 Rn. 9.

Zweiter Teil

Objekt der Überwachung: "Die Geschäftsf"ührung" Nachdem nun der Träger der Überwachungspflicht feststeht, ist im nächsten Schritt zu bestimmen, wen der Aufsichtsrat zu überwachen hat.

A Vorüberlegung Gemäß § 111 Abs. 1 AktG hat der Aufsichtsrat "die Geschäftsführung" zu überwachen. Unklar ist, was sich hinter dieser abstrakten Formulierung verbirgt. Zum einen könnte damit gemeint sein, der Aufsichtsrat habe den Vorstand zu überwachen. Der Wortlaut läßt aber auch die Auslegung zu, der Aufsichtsrat müsse alle Personen überwachen, die im Bereich der Geschäftsführung tätig werden. Zu denken ist hier nicht nur an den Vorstand, sondern ebenso an leitende Angestellte, die unterhalb der Vorstandsebene tätig werden.1 Sogar die Hauptversammlung entscheidet unter den Voraussetzungen des § 119 Abs. 2 AktG über Fragen der Geschäftsführung. Wie weit die Überwachungspflicht des Aufsichtsrats reicht, bedarf demnach einer eingehenden Untersuchung.

B. Überwachung des Vorstands Der Begriff "Überwachung der Geschäftsführung umfaßt in jedem Fall die Überwachung des Vorstands, denn der Vorstand ist das klassische Geschäftsführungsorgan der Aktiengesellschaft.2 Zweifel bestehen lediglich darüber, ob alle Maßnahmen des Vorstands oder nur ein Teil davon der

1

Vgl. Sem/er, Überwachungsaufgabe, S.7.

2 Vgl. Semler, Überwachungsaufgabe, S.11 und S.21; Baumbach/Hueck, AktG, § 111 Rn. 5; Geßler, in: Geßler/HefermehI/Eckardt/Kropff, AktG, § 111 Rn. 15; Großkomm./Meyer-Landrut, AktG, § 111 Anm. 2; Henn, Aktienrecht, S. 214.

36

2. Teil: Objekt der Überwachung

Überwachung des Aufsichtsrats unterliegen. Dies ist jedoch eine Frage des Umfangs der Überwachung und wird im folgenden noch genauer zu untersuchen sein? An dieser Stelle kann jedenfalls festgehalten werden, daß die Überwachung des Aufsichtsrats auf den Vorstand gerichtet ist.

c. Überwachung der Hauptversammlung In einigen Fällen wird auch die Hauptversammlung im Bereich der Geschäftsführung tätig: insbesondere4 gemäß § 119 Abs. 2 AktG auf Verlangen des Vorstands, um zum Beispiel seine Haftung gegenüber der Gesellschaft auszuschließen (§ 93 Abs. 4 Satz 1 AktG),s oder gemäß § 111 Abs. 4 Satz 1 AktG auf Antrag des Vorstands mit dem Ziel, die Zustimmungsverweigerung des Aufsichtsrats zu überwinden. Da § 111 Abs. 1 AktG dem Aufsichtsrat die Überwachung der "Geschäftsführung" zuweist, liegt die Annahme nahe, die Überwachung erstrecke sich auch auf solche Entscheidungen der Hauptversammlung. Diese Schlußfolgerung zieht allerdings nur Duden.6 Zur Begründung seiner These verweist er zunächst auf die historische Entwicklung der Überwachungsanordnung: 7 Bis 1897 hieß es in Art. 225 ADHGB: "Der Aufsichtsrat hat den Vorstand bei ... seiner Geschäftsführung zu überwachen".8 Während diese Formulierung im Genossenschaftsgesetr noch immer existiert, hat das Aktiengesetz sie lange aufgegeben. lo In der Tat könnte diese Änderung darauf hindeuten, daß sich die Überwachung nun nicht mehr auf den Vorstand beschränkt. Damit steht allerdings noch nicht fest, daß sich die Überwachung auch auf die Hauptversammlung bezieht.

3

Vgl. unten 3. Teil, B., 1., 1.

4 Zu den anderen gesetzlich geregelten Fällen der Geschäftsführung durch die Hauptversammlung vgl. Eckardt, in: Geßler/HefermehI/Eckardt/Kropff, AktG, § 119 Rn. 13, und Kölner Komm./Zöllner, AktG, § 119 Rn. 29.

S

Vgl. Eckardt, in: Geßler/HefermehI/Eckardt/Kropff, AktG, § 119 Rn. 14.

6

PS Fischer (1979), 95 ff.

7

Vgl. Duden, PS Fischer (1979), 95 (95 f.).

8

Vgl. Geßler, in: Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, AktG, § 111 Rn. 11.

9

§ 38 Abs. 1 GenG.

10 Bereits in § 225 ADHGB (1897) hieß es: "Der Aufsichtsrat hat die Geschäftsführung ... zu überwachen".

C. Übetwachung der Hauptversammlung

37

Die Überwachungspflicht speziell im Hinblick auf die Hauptversammlung - zumindest soweit sie geschäftsführend tätig wird - entwickelt Duden zum einen aus § 124 Abs. 3 Satz 1 AktG. Danach muß der Aufsichtsrat zu jedem Punkt der Tagesordnung einen Vorschlag zur Beschlußfassung machen. 11 Da die Aufsichtsratsmitglieder zum anderen an jeder Aktionärsversammlung teilnehmen sollen (§ 118 Abs. 2 AktG),t2 sei der Aufsichtsrat zur Kritik und damit auch zur Überwachung einer die Geschäftsführung betreffenden Entscheidung der Hauptversammlung berufen. Zur Unterstützung seiner Sichtweise beruft sich Duden auf zwei Entscheidungen des Bundesgerichtshofs.13 Dabei übersieht er aber, daß es dort weniger um die Verletzung einer Überwachungs pflicht als vielmehr um eine Pflicht zur Information der Hauptversammlung geht, die der Aufsichtsrat vernachlässigt hatte. 14 Von Überwachung kann demgegenüber nur dann die Rede sein, wenn der Aufsichtsrat über die entsprechenden Mittel verfügt, um seine Auffassung im Hinblick auf die Geschäftsführungsentscheidung der Hauptversammlung durchzusetzen oder zumindest nachhaltig geltend zu machen. ls Zu denken ist in diesem Zusammenhang beispielsweise an die Statuierung von Zustimmungsvorbehalten. Der Zustimmungspflicht können jedoch nach allgemeiner Auffassungl6 nur Geschäfte des Vorstands unterworfen werden. Als Ersatz bliebe höchstens die Einrichtung eines Zustimmungsvorbehalts für Anträge des Vorstands nach § 111 Abs.4 Satz 3 und § 119 Abs.2 AktG. 17 Auf diese Weise hätte der Aufsichtsrat immerhin einen Einfluß auf das "Ob" der Hauptversammlungsentscheidung. Allerdings bestehen bezüg-

11

Duden, PS Fischer (1979), 95 (% fl).

12 Dieser Vorschrift entnimmt Duden, PS Fischer (1979), 95 (97), ein Rederecht der Aufsichtsratsmitglieder, u. U. sogar eine Redepnicht, mindestens sofern der Vorschlag des Aufsichtsrats ohne nähere Erläuterung für die Hauptversammlung nicht verständlich ist. 13

BGHZ 69, 207 ff. und BGH, DB 1978, 247 ff.

14 Vgi. BGHZ 69, 207 (217), und BGH, DB 1978, 247 (248), wo ausdrücklich darauf hingewiesen wird, daß eine Billigung der Geschäftsführungsmaßnahme durch die Hauptversammlung den Aufsichtsrat aIlenfaIls dann entlaste, wenn die GeseIlschafter über die Lage der GeseIlschaft zutreffend informiert gewesen wären.

IS

So zutreffend Sem/er, Übetwachungsaufgabe, S. 27.

16 Vgi. insbesondere Lutter, PS Fischer (1979), 419 (422); zustimmend Timm, DB 1980, 1201 (1202); Hommelhoff, ZGR 1978, 119 (145); Kölner Komm.IMertens, AktG, § 111 Rn. 58. Großkomm.IMeyer.Land/Ut, AktG, § 111 Anm. 14; Lutter/Krieger, Rechte, S. 41, und Geßler, in: Geßler/HefermehI/Eckardt/Kropff, AktG, § 111 Rn. 62 ff. setzen dies als selbstverständlich voraus.

17

Vgi. Sem/er, Übetwachungsaufgabe, S.25.

38

2. Teil: Objekt der Überwachung

lieh der Zulässigkeit einer solchen Zustimmungspflicht ebenfalls erhebliche Bedenken. Immerhin hat der Gesetzgeber dem Vorstand die Möglichkeit einer Anrufung der Hauptversammlung eingeräumt, um die Verweigerung der Zustimmung des Aufsichtsrats einer weiteren Kontrolle zu unterwerfen. 18 Diese gesetzlich vorgesehene Kontrollmöglichkeit wäre hingegen sinnlos, wenn der Aufsichtsrat selbst über ihre Vornahme entscheiden dÜffte. 19 Ebenso systemwidrig erschiene es, wenn der Aufsichtsrat durch einen Zustimmungsvorbehalt verhindern könnte, daß der Vorstand gemäß § 119 Abs. 2 AktG die Hauptversammlung anruft, um einen entlastenden Beschluß nach § 93 Abs. 4 Satz 1 AktG zu erwirken. 20 Auch die Anfechtungsbefugnis einzelner Aufsichtsratsmitglieder gemäß

§ 245 Nr.5 AktG ist nicht im Sinne einer Einwirkungsmöglichkeit zum Zwecke der Überwachung der Hauptversammlung zu verstehen. zl Ein An-

fechtungsrecht nach § 245 Nr. 5 AktG besteht vielmehr nur, wenn die Ausführung des betreffenden Beschlusses eine strafbare Handlung oder eine Ordnungswidrigkeit darstellen oder wenn sich das Mitglied dadurch schadensersatzpflichtig machen würde. Die Vorschrift dient demnach der Lösung einer bestimmten Zwangslage, in die Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats nur ausnahmsweise geraten können.22 Des weiteren spricht gegen die Anfechtungsbefugnis als Einwirkungsmöglichkeit, daß das Aktiengesetz die Überwachungsaufgabe dem Organ Aufsichtsrat zuweist/3 die Anfechtungsbefugnis hingegen den einzelnen Mitgliedern.24 Abgesehen vom eigenen Rücktritt verfügt der Aufsichtsrat also nicht über die erforderlichen Einwirkungsmittel zur Überwachung der Hauptversammlung. Seine Aufgabe im Hinblick auf die genannten Entscheidungen der Hauptversammlung verdient deshalb eher die Bezeichnung "informierende Beobachtung" . Diese Pflicht wird man allerdings bereits der treuhänderischen Stellung des Aufsichtsrats gegenüber der Gesellschaft entnehmen können. Dazu bedarf es nicht der Statuierung einer gesonderten Über-

18

Großkomm./Meyer-Landrut, AktG, § 111 Anm. 18.

19

Vgl. auch Sem/er, Überwachungsaufgabe, S.26.

20

So zutreffend Sem/er, Überwachungsaufgabe, S. 26.

ZI

So auch Sem/er, Überwachungsaufgabe, S. 26 C.; Timm, OB 1980, 1201 (1202).

22

Dahingehend auch Sem/er, Überwachungsaufgabe, S. 26 f.

23

Vgl. auch oben 1. Teil, A.

24 Insoweit zutreffend Semler, Überwachungsaufgabe, S. 27; dahingehend auch Timm, OB 1980, 1201 (1202).

C. Überwachung der Hauptversammlung

39

wachungsaufgabe. Dementsprechend räumt Duden abschließend selbst ein, daß es sich bei der sogenannten Überwachung "weithin nur um Vortrag, Rat und Überwachung" handelt.2S Die Unzulässigkeit einer Überwachung der Hauptversammlung durch den Aufsichtsrat ergibt sich jedoch nicht allein aufgrund der fehlenden Einwirkungsmöglichkeiten. Entscheidend gegen eine Überwachung der Hauptversammlung durch den Aufsichtsrat spricht darüber hinaus der Umstand, daß der Aufsichtsrat von der Hauptversammlung gewählt und abberufen wird (§ 101 Abs. 1 AktG). Zudem entscheidet die Hauptversammlung über die Entlastung des Aufsichtsrats (§ 120 AktG).26 Dieser ist mithin in hohem Maße von der Hauptversammlung abhängig. In dieser Situation wird wohl kaum mit einer effektiven Kontrolle zu rechnen sein. Zwar tauchen solche Schwächen des Kontrollsystems (im Zusammenspiel der Organe) auch an anderen Stellen innerhalb der Aktiengesellschaft auf. So muß etwa der Vorstand - als Vertreter der Gesellschaft gemäß § 78 Abs. 1 AktG - Schadensersatzansprüche aus §§ 116, 93 AktG gegen den Aufsichtsrat geltend machen, wenn dieser gegen seine Überwachungspflicht verstoßen hat. Damit klagt der Vorstand gleichzeitig seine eigene Verfehlung an. Dieser Pflicht wird er also nur ungern nachkommen?7 Das sind jedoch Einzelfälle, die die Überwachung des Vorstands durch den Aufsichtsrat nicht von vornherein als ungeeignet erscheinen lassen. Außerdem hat der Gesetzgeber versucht, solche Schwachstellen so weit wie möglich - im genannten Beispiel durch § 147 AktG - abzusichern. Noch deutlicher tritt die soeben aufgezeigte Systemwidrigkeit einer Überwachung der Hauptversammlung durch den Aufsichtsrat angesichts der Regelung des § 124 Abs. 3 Satz 1 AktG zu Tage: Der Vorstand darf zur Wahl der Aufsichtsratsmitglieder nicht einmal einen Vorschlag abgeben. Das überwachte Organ (hier der Vorstand) soll also in keiner Weise an der Bestellung des überwachenden Organs (hier des Aufsichtsrats) mitwirken. Folglich kann auch der Aufsichtsrat nicht berechtigt bzw. verpflichtet sein, die Hauptversammlung zu überwachen, denn diese wirkt nicht nur an seiner Bestellung und Abberufung mit, sondern entscheidet sogar alleinverantwortlich darüber. Eine Überwachung der Hauptversammlung durch den Aufsichtsrat ist deshalb abzulehnen.

2S

Duden, FS Fischer (1979), 95 (102).

26 Dies spricht auch nach Auffassung von Timm, DB 1980, 1201 (1202), gegen eine Überwachung der Hauptversammlung durch den Aufsichtsrat. rT

Vgl. Peltur, WM 1981, 346 (348), und Hülfer, ZGR 1980, 321 (353).

40

2. Teil: Objekt der Überwachung

D. Überwachung von Angestellten Aufgrund der zunehmenden Anzahl und der Komplexität der Vorgänge, vor allem in Großunternehmen, ist der Vorstand nicht mehr in der Lage, jede Geschäftsführungsmaßnahme selbständig vorzubereiten, zu entscheiden und durchzuführen. Folglich wird der Vorstand i. d. R. zumindest die Vorbereitung von Leitungsmaßnahmen auf leitende Angestellte unterhalb der Vorstandsebene übertragen.2B Angesichts dieser Verlagerung taucht die Frage auf, ob sich die Überwachungsaufgabe des Aufsichtsrats auch auf diese Personen bezieht. Der Wortlaut des § 111 Abs. 1 AktG steht dem nicht entgegen. Wenn es dort heißt: "Der Aufsichtsrat hat die Geschäftsführung zu überwachen", so spricht dies sogar für eine Ausdehnung der Überwachungsaufgabe auf Personen unterhalb des Vorstands, soweit sie im Bereich der Geschäftsführung tätig werden. Dementsprechend plädieren viele Autoren für eine Überwachung der Geschäftsführung, auch sofern sie von Angestellten wahrgenommen werde. 29 Anderenfalls bestehe die Gefahr, daß der Vorstand durch geschickte Delegation die Geschäftsführung der Überwachung des Aufsichtsrats entziehe.3O Dies gelte insbesondere bei der sogenannten Divisionalisierung oder Bereichsgliederung, bei der das Unternehmen in überwiegend selbständige und eigenverantwortliche Einheiten aufgegliedert werde. 3l Gegen diese Auffassung wird vorgebracht, dadurch ginge die klare Ordnung der Zuständigkeiten und der Verantwortung innerhalb der Aktiengesellschaft verloren; der Vorstand könne sich bei einer Kontrolle von Angestellten durch den Aufsichtsrat in bezug auf seine eigene Kontrollpflicht

2B Man denke hier nur an die sogenannten "Direktoren" oder "Geschäftsbereichsleitec" (vgl. dazu Geßler, in: Geßler/Hefermehl/EckardtfKropff, AktG, § 111 Rn. 15 f.). 29 Baumbach/Hueck, AktG, § 111 Rn. 5, allerdings habe sich der Aufsichtsrat wegen Rügen und Anordnungen an den Vorstand zu halten; Großkomm.jMeyer-LAndrul, AktG, § 111 Anm. 2, und GodinjWilhelmi, AktG, § 111 Anm. 2; vgI. auch Kölner Komm.IMertens, AktG, § 111 Rn. 32; Ulmer, in: Hanau/Ulmer, MitbG, § 25 Rn. 50; Fitting/WlotzkefWißmann, MitbG, § 25 Rn. 53, sofern Angestellte dezentralisierte Leitungsmaßnahmen selbständig wahrnehmen; ScholzlSchneider, GmbHG, § 52 Rn. 61; Biener, BFuP 1m, 489 (491); dahingehend wohl auch Saage, DB 1973, 115 (117); ders., in: Handbuch des Aufsichtsrats, S.440

ff.

30

Biener, BFuP 1977, 489 (491).

3l

Biener, BFuP 1977, 489 (492).

D. Überwachung von Angestellten

41

hinsichtlich dieser Personen zu Unrecht entlastet fühlen?2 Außerdem bestehe für eine Überwachung von Angestellten gar kein Bedürfnis, wenn der Vorstand "die Fäden in seiner Hand halte" und wenn der Aufsichtsrat dafür Sorge trage, daß der Vorstand ebendieser Pflicht nachkomme.33 Andererseits heiße dies natürlich nicht, daß der Aufsichtsrat sich in keiner Weise mit der Tätigkeit von Angestellten zu befassen habe. Sie spiele vielmehr eine Rolle für die Frage, ob der Vorstand seinen Leitungspflichten ordnungsgemäß nachgekommen sei. Selbständiges Überwachungsobjekt seien die Angestellten aber nicht.34 Auch Sem/er meint, der Vorstand habe selbst die Führungsentscheidungen zu treffen und dürfe sich dieser ihm obliegenden Funktion nicht rechtmäßigerweise entledigen. Sofern er dies dennoch tue, sei es die Pflicht des Aufsichtsrats, ihn auf seine Fehler hinzuweisen, nicht aber die Überwachung auszudehnen.35 Der Aufsichtsrat habe weder die Pflicht, noch das Recht, selbst eine Art von "Unternehmenskontrolle" zu übernehmen, indem er auch Angestellte überwache. Diese Unternehmenskontrolle sei vielmehr eine originär dem Vorstand zustehende Führungsfunktion. Übernähme sie der Aufsichtsrat, so verstieße er gegen das Geschäftsführungsverbot des § 111 Abs.4 Satz 1 AktG.36 Schließlich scheitere eine Überwachung von Angestellten durch den Aufsichtsrat schon an den fehlenden Grundlagen für diese Tätigkeit. Nur der Vorstand, und nicht die Angestellten - auch nicht die Bereichsleiter - seien zur Berichterstattung an den Aufsichtsrat verpflichtet.37 Beiden Auffassungen ist im Ergebnis und in der Argumentation zuzustimmen. Vor allem das fehlende Berichtssystem zwischen Aufsichtsrat und Angestellten spricht eindeutig gegen die Annahme einer Überwachung der Angestellten unterhalb der Vorstandsebene. Einige Autoren räumen dem Aufsichtsrat zwar zumindest das Recht ein, Angestellte des Unternehmens

32

Lutter/Krieger, Rechte, S. 34.

33

Lutter/Krieger, Rechte, S. 33

34

Lutter/Krieger, Rechte, S. 33.

35 Semler, Überwachungsaufgabe, S. 23; ders., PS Döllerer (1988), 571 (589): Der Aufsichtsrat habe dann nicht der organisatorischen Vorgehensweise des Vorstands zu folgen, sondern zu gewährleisten, daß sich der Vorstand dem Gesetz entsprechend verhalte. 36

Semler, Überwachungsaufgabe, S. 24.

37

Semler, ÜberwachungsauCgabe, S. 24 C.; vgI. auch § 90 Abs. 1 AktG.

42

2. Teil: Objekt der Überwachung

unterhalb der Vorstandsebene zu befragen.38 Selbst wenn ein solches Befragungsrecht existieren sollte, wird man es jedoch nicht als gleichwertigen Ersatz für die Berichtspflicht gemäß § 90 Abs. 1 AktG ansehen können, da der Aufsichtsrat über keinerlei Druckmittel verfügt, um die Kooperation der Angestellten notfalls zu erzwingen. Oftmals werden die dem Vorstand unterstellten Personen dem Aufsichtsrat aber nur ungern über ihre Tätigkeit und damit mittelbar über die Tätigkeit des Vorstands berichten. Vielmehr fühlen sie sich vor allem dem Vorstand gegenüber rechenschaftspflichtig. Außerdem können sie nie sicher sein, was sie ohne weiteres "sagen dürfen", ohne die Mißgunst des Vorstands zu ernten. Auf dessen Gunst sind sie aber angewiesen, da er - und nicht der Aufsichtsrat - über ihre Anstellung entscheidet. Deshalb ist grundsätzlich mit Widerstand zu rechnen, so daß das zum Teil befürwortete Befragungsrecht praktisch wertlos ist. Erschwerend kommt hinzu, daß der Aufsichtsrat keinerlei Einfluß auf die Auswahl der Angestellten ausüben kann. Er steht also vollkommen fremden Personen gegenüber. Die Bestellung des Überwachten durch den Überwachenden stellt jedoch die Grundlage für ein funktionierendes Informations- und Überwachungssystem dar. So besteht von Anfang an ein gewisses VertrauensverhäItnis, das es dem Aufsichtsrat ermöglicht, den Vorstand trotz der geringen Frequenz von durchschnittlich 3,8 Sitzungen pro Jah? ordnungsgemäß zu überwachen.40 Unter den gegebenen Umständen erscheint es daher als untragbar, den Aufsichtsrat - mit der Haftungsfolge der §§ 116, 93 AktG - zu einer umfassenden Überwachung von Angestellten zu verpflichten, sei es auch nur, soweit diese Geschäftsführungsaufgaben wahrnehmen.41 Von einer "Überwachung" der Angestellten unterhalb der Vorstandsebene kann deshalb nur dann die Rede sein, wenn man nicht versucht, sie mit der Überwachung des Vorstands auf eine Stufe zu stellen. Sie darf nicht dazu führen, daß der Aufsichtsrat die Tätigkeit dieser Personen im einzelnen

38 Vgl. etwa Geßler, in: Geßler/HefennehI/Eckardt/Kropff, AktG, § 111 Rn. 22; Saage, DB 1973, 115 (117). Luuer, Infonnation, S.98 ff., befürwortet ein Recht zu "Sach- und Aufklärungsfragen an Bedienstete" aus § 111 Abs. 2 AktG im Zusammenhang mit der Besichtigung der Einrichtungen der Gesellschaft und den "echten Prüfungen nach der Vorstellung des 111 Abs. 2 AktG". Allerdings knüpft er diese Befragung an bestimmte Voraussetzungen zum Schutz des Vorstands. A A lippen, Überwachungspnicht, S. 83. Näheres dazu unten 3. Teil, B., 111., 3. 39

Bleicher, Aufsichtsrat, S. 41.

40

So zutreffend Karoli, PS Möhring (1973), 115 (124).

41 Ebenso Hojfmann-Becking, in: Münchener Handbuch, § 29 Rn. 24, allerdings ohne Begründung.

E. Ergebnis

43

beobachtet. Vielmehr müssen auch hier die Berichte des Vorstands über die Geschäftsführung Ausgangspunkt einer "Überwachung im weiteren Sinne" sein. Darin hat der Vorstand gegebenenfalls auch über die Tätigkeit von Angestellten zu informieren, soweit ihnen Geschäftsführungsentscheidungen übertragen sind. Denn in dem Maße, in dem der Vorstand sich die Arbeitskraft der ihm unterstellten Personen zunutze macht, muß er auch für solche Fehler einstehen, die ihnen im Rahmen der Erledigung von Geschäftsführungsmaßnahmen unterlaufen. Immerhin ist er für die gesamte Geschäftsführung verantwortlich (§§ 76 Abs. 1, 93 Abs.2 AktG). Die Fehler der Angestellten sind deshalb im Verhältnis zur Gesellschaft als seine Fehler anzusehen, über die er im Rahmen seiner Berichte nicht hinweggehen darf.42 Soweit der Aufsichtsrat anhand solcher Berichte Kenntnis von der Tätigkeit einiger Angestellter unterhalb der Vorstandsebene erhält, könnte man u. U. von einer "passiven Überwachung" sprechen. Der Vorstand bleibt jedoch immer das Bindeglied zwischen Vorstand und Angestellten. Selbstverständlich kann dies nicht bedeuten, daß der Aufsichtsrat die Augen vor Geschäftsführungsmaßnahmen der Angestellten gänzlich verschließen darf. Wenn ihm Verfehlungen zu Gehör kommen oder diesbezüglich Verdachtsmomente auftauchen, muß der Aufsichtsrat diesen unverzüglich nachgehen und darf nicht erst die Berichterstattung des Vorstands abwarten. Er hat den Vorstand vielmehr auf seine Bedenken hinzuweisen und darauf zu drängen, daß dieser die erforderlichen Schritte einleitet.

E. Ergebnis Wenn es in § 111 Abs. 1 AktG heißt, der Aufsichtsrat habe "die Geschäftsführung" zu überwachen, so wird damit die Pflicht begründet, den Vorstand zu überwachen. Demgegenüber bezieht sich die Überwachung nicht auf Entscheidungen der Hauptversammlung, auch wenn diese ausnahmsweise im Bereich der Geschäftsführung tätig wird. Zum einen fehlen dem Aufsichtsrat die dafür erforderlichen Einwirkungsmittel; vor allem aber widerspräche es dem aktienrechtlichen System der checks and balances,43 wenn der Aufsichtsrat ein Organ zu überwachen hätte, welches über seine Bestellung und Abberufung entscheidet.

42 Welche Konsequenzen sich für die Angestellten ergeben, d. h. ob und inwieweit sie wiederum in die Verantwortung zu nehmen sind, liegt allerdings ebenfalls allein in der Hand des Vorstands.

43 Begriff von Lutter, AcP 180 (1980), 84 (138).

44

2. Teil: Objekt der Überwachung

Ebensowenig umfaßt der Aufgabenbereich des Aufsichtsrats die Überwachung von Angestellten unterhalb der Vorstandsebene, auch wenn sie an der Erfüllung der Geschäftsführung mitwirken. Die Annahme einer dahingehenden Überwachungspflicht würde zu einer unzuIässigen Einmischung des Aufsichtsrats in die Angelegenheiten des Vorstands führen. Außerdem fehlt es an dem für eine Überwachung erforderlichen Berichtssystem zwischen Aufsichtsrat und Angestellten; Ansprechpartner des Aufsichtsrats ist allein der Vorstand.

Dritter Teil

Art und Weise der Überwachung Mit der Feststellung, der Aufsichtsrat habe den Vorstand zu überwachen, ist noch nichts über die Art und Weise der Überwachung gesagt.

A Allgemeine Verhaltensmaximen

im Hinblick auf die Aufsichtsratstätigkeit Zunächst stellt sich die Frage nach der Existenz allgemeiner Verhaltensmaximen, an denen sich der Aufsichtsrat orientieren kann und die wiederum die Ausgestaltung der speziellen Überwachungspflicht prägen. In Betracht kommt hier sowohl die Wahrung des Unternehmens- bzw. Gesellschaftsinteresses als auch die Orientierung am Gemeinwohl.

I. Unternehmens- und Gesellschaftsinteresse 1. lJnternehmenSmteresse Überlegenswert ist, ob Aufsichtsrat und Vorstandl ihr Verhalten am sogenannten "Unternehmensinteresse" auszurichten haben. Die Literatur zu diesem Begriff ist nahezu unüberschaubar.2 Auch in der Rechtsprechung des

1 Die allgemeinen Verhaltensmaßstäbe für Vorstand und Aufsichtsrat müssen zwangsläufig identisch sein, denn - vorbehaltlich gewisser Unterschiede aufgrund der verschiedenen Aufgabenbereiche - ist die Sorgfaltspflicht und Verantwortlichkeit des Aufsichtsrats nach den gleichen Grundsätzen zu ermitteln wie die des Vorstands (H 116, 93 AktG), so zutreffend Koch, Unternehmensinteresse, s. n f.

2 Vgl. zuletzt, jeweils mit umfangreichen Nachweisen: Brinkmann, Unternehmensinteresse, 1983; Jürgenmeyer, Unternehmensinteresse, 1984; Koch, Unternehmensinteresse, 1983; Großmann, Unternehmensziele, 1980; Teubner, ZHR 149 (1985), 470 ff.

46

3. Teil: Art und Weise der Überwachung

Bundesgerichtshofs und des Bundesverfassungsgerichts wurde er bereits mehrfach erwähnt.3 Dennoch ist die inhaltliche Konkretisierung des Unternehmensinteresses bislang ungeklärt. Die genannten Entscheidungen des BGH und des Bundesverfassungsgerichts verzichten ganz auf eine Inhaltsbestimmung.4 Ebenso verfahren einige der Autoren, indem sie zwar immer wieder vom Unternehmensinteresse sprechen, ohne jedoch eine Deftnition dafür zu liefern.s Die übrige Literatur bietet eine Vielzahl von Deftnitionsansätzen zum Unternehmensinteresse, die an dieser Stelle nicht im einzelnen aufgezeigt werden können.6 Weit verbreitet ist aber die Auffassung, das Unternehmensinteresse sei - vorbehaltlich verschiedener Nuancen - ein Begriff, der alle oder zumindest verschiedene Sonderinteressen der am Unternehmen beteiligten Gruppen mit jeweils unterschiedlicher Intensität in sich vereinige.7 Er übernehme eine gewisse Schiedsrichterfunktion zwischen den einzelnen widerstreitenden Belangen.8 Uneinigkeit besteht allerdings darüber, welche Interessen mit in die Abwägung einzubeziehen sind. Nach Ansicht vieler Autoren sind die Belange aller am Unternehmen interessierten Gruppen für die Abwägung maßgeblich, namentlich die der Anteilseigner, der Arbeitnehmer, der Gläubiger, der Geschäftspartner und die der Allgemeinheit.9 Diese Deutung erscheint allerdings etwas zu weit gegriffen. Vom 3 In BGHZ 64, 325 (330 f.) etwa wurde das Unternehmensinteresse als Maßstab für den Umfang der Schweigepflicht von Aufsichtsratsmitgliedern herangezogen. Vgl. auch BGHZ 62, 193 (197, 199) und BVerfGE 50, 290 (374). 4

Vgl. die Nachweise in Pn. 3.

S Vgl. etwa Wemer, ZGR 19n, 236 ff. BaumbachjHueck, AktG, Anhang nach § 96 Rn. 35. Laske, ZGR 1979, 173 (180), nennt diese Verfahrensweise "sprachlose Setzung des Unter-

nehmensinteresses".

6 Insoweit sei auf die ausführlichen Darstellungen von Koch, Unternehmensinteresse, Brinkmann, Unternehmensinteresse, und Jürgenmeyer, Unternehmensinteresse, verwiesen.

7 Hanau, BB 1968, 760 (763); Lutter/Krieger, Rechte, S. 81; Semler, Überwachungsaufgabe, S. 60; Raisch, PS Hefermehl (1976), 347 (357); Raiser, MitbG, § 25 Rn. 101; Großkomm./Meyer-Landrut, AktG, § 76 Anm. 10; Steinmann, Großunternehmen, S. 175 ff., nennt die verschiedenen Einzelinteressen "die Unternehmensinteressen", anstatt von "dem Unternehmensinteresse" zu sprechen. Kunze, ZHR 144 (1980), 100 (117), und Schilling, ZHR 144 (1980), 136 (144), bezeichnen das Unternehmensinteresse als das Resultat einer Abwägung der beteiligten Interessen. Wredemann, BB 1978, 5 (10), sieht das Unternehmensinteresse als "normativen Schmelztiegel". 8

Westermann, ZGR

1m, 219 (222). Ähnlich

auch Flume, PS Beitzke (1979), 43 (60).

9 Vgl. Ulmer, in: Hanau/Ulmer, MitbG, § 25 Rn. 94; Mertens, ZGR 1m, 270 (275); FittingfWlotzkejWißmann, MitbG, § 25 Rn. 94; Raisch, PS Hefermehl (1976), 347 (360); Zöllner,

A Allgemeine Verhaltensmaximen

47

Wortlaut ausgehend ist es plausibler, nur die Interessen derjenigen Personen mit in die Wertung einzubeziehen, die tatsächlich am Unternehmensverband beteiligt sind, d. h. die Interessen der Anteilseigner und der Arbeitnehmer. Nicht zu berücksichtigen sind dagegen die Interessen der Gläubiger, der Geschäftspartner und schon gar nicht die der Öffentlichkeit, denn bei ihnen kann wohl kaum mehr von einer "Beteiligung" gesprochen werden. Dementsprechend meint auch Kunze, es könne zwar ebenfalls im Unternehmensinteresse liegen, die Belange derjenigen Gruppen zu berücksichtigen, die nicht dem Unternehmensverband angehören, eine diesbezügliche rechtliche Verpflichtung bestehe jedoch nicht. IO Eine Verfolgung des Allgemeinwohls und der Gläubigerinteressen im Rahmen des Unternehmensinteresses kommt somit nur dann in Betracht, wenn auf diese Weise gleichzeitig die Interessen der Arbeitnehmer und der Anteilseigner gefördert oder zumindest nicht vernachlässigt werden. In diese Richtung weist auch der Artikel 74 Abs.2 des Verordnungs- und Richtlinienvorschlags für Europäische Aktiengesellschaften. ll Dort heißt es: "Alle Mitglieder üben ihr Amt im Interesse der SE ("Societas Europaea") unter besonderer Berücksichtigung der Interessen der Aktionäre und der Arbeitnehmer aus". Zur KlarsteIlung ist allerdings darauf hinzuweisen, daß diese Feststellung nicht zu der Annahme verleiten darf, letztgenannte "Drittinteressen,,12 müsse der Aufsichtsrat im Rahmen seiner Pflichterfüllung überhaupt nicht berücksichtigen. Vor allem eine Gemeinwohlbindung des Aufsichtsrats liegt keinesfalls fern. 13 Sie läßt sich lediglich nicht unter den Begriff des "Unternehmensinteresses" fassen. 14 Generelle Bedenken bestehen allerdings hinsichtlich einer Pflicht des Aufsichtsrats zur Wahrung der Interessen von Geschäftspartnern und Gläubigern der AG über das geschriebene Recht hinaus. Sie würde nicht nur im

Schranken, S. 78; Steinmann, Großunternehmen, S. In f., der jedoch nicht von der Existenz eines einzelnen Unternehmensinteresses ausgeht, sondern alle abzuwägenden Sonderinteressen "die Unternehmensinteressen" nennt. Semler, Überwachungsaufgabe, S. 61 f., will zusätzlich die Interessen der Führungsorgane in die Abwägung miteinbeziehen. Diesbezüglich bestehen allerdings erhebliche Zweifel, da ein eigenständiges Organinteresse kaum feststellbar sein dürfte (So auch Jürgenmeyer, Unternehmensinteresse, S. 63). 10 Kunze, 11

ZHR 144 (1980), 100 (122).

BR-Drucksache 488/89.

12 Formulierung von Jürgenmeyer, Unternehmensinteresse, S. 92. 13 VgI. zur Gemeinwohlbindung unten 3. Teil, A., 11. 14 Dahingehend auch Junge, PS v. Caemmerer (1978), 547 (550).

48

3. Teil: Art und Weise der Überwachung

Bereich des Unternehmensinteresses, sondern in jeder Hinsicht zu weit führen. ls Die lediglich punktuellel6 vertragliche Verbindung der Gläubiger und Geschäftspartner zur AG begründet keine ausreichende NähebeziehungP Zwar ist nicht ausgeschlossen, daß im Einzelfall bei der Entscheidung auch die Interessen der Gläubiger mit in die Abwägung einbezogen werden. 18 Von einer derartigen Verpflichtung kann jedoch keinesfalls die Rede sein. Als Zwischenergebnis läßt sich also festhalten, daß zum Unternehmensinteresse ausschließlich die Interessen der Anteilseigner und der Arbeitnehmer gehören, wobei in deren Verhältnis zueinander wiederum einiges für eine Bevorzugung der Anteilseignerinteressenl9 spricht. Immerhin beruht die Existenz der Gesellschaft nur auf dem fmanziellen Einsatz der Aktionäre. Außerdem bemerkt Wiedemann zu Recht, daß der Arbeitnehmerschutz bereits in hohem Maße durch geschriebenes Recht gewährleistet ist. 20 Welche Interessen auch immer man für relevant halten mag und wie auch immer man die Präferenzen setzt, so gibt es nach Auffassung vieler Autoren zumindest einen "kleinsten gemeinsamen Nenner"21 all dieser Sonderinteressen, und zwar die Kapital- bzw. Bestandserhaltung des Unternehmens. 22

15

Im Hinblick auf die Gläubigerinteressen ebenso Koch, Unternehmensinteresse, S. 43 f.

16

Das unterscheidet sie von den Arbeitnehmern.

17 Vgl. dazu Koch, Unternehmensinteresse, 5.64, der die Schutzbedürftigkeit der Interessenträger ebenfalls anhand ihrer Nähe zum Unternehmen bestimmt.

18 Vgl. etwa

BGH, NJW 1979, 1823 (1826).

19 So zutreffend Wiedemann, BB 1978,5 (11), der die Interessen der Anteilseigner "Kapitalinteressen" nennt. In ZGR 1975, 385 ff., spricht er sogar von einer "obersten Wertungsmaxime". Vgl. auch Westermann, ZGR 1m, 219 (224); Leo, AG 1960, 261 (262).

20 Wiedemann, BB 1978,5 (11); ders., Gesellschaftsrecht, S.627. Diesen Gesichtspunkt betont auch der gemeinsame Arbeitsausschuß des Bundesverbandes der deutschen Industrie, des Bundesverbandes deutscher Banken, der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände, des Deutschen Industrie- und Handelstages und des Gesamtverbandes der deutschen Versicherungswirtschaft für Fragen des Unternehmensrechts in seiner Stellungnahme zum geänderten Verordnungs- und Richtlinienvorschlag für Europäische Aktiengesellschaften vom 25. August 1989 (5. 23).

21

Formulierung bei Wiedemann, BB 1978, 5 (11).

22 Raisch, PS Hefermehl (1976), 347 (369); Mertens, ZGR 1m, 270 (275 Cf.); Raiser, PS R Schmidt (1976), 101 (109); ders., MitbG, § 25 Rn. 99; Ulmer, in: Hanau/Ulmer, MitbG, § 25 Rn. 93. Dahingehend auch FittingfWWtzkefWißmann, MitbG, § 25 Rn. 95. Kritisch zum Erhaltungsinteresse als kleinstem gemeinsamen Nenner Jürgenmeyer, Untemehmensinteresse, S. 104 ff.

A. Allgemeine Verhaltensmaximen

49

Diese These wirft allerdings erhebliche Zweifel auf. Immerhin sind durchaus Fälle denkbar, in denen die Erhaltung des Unternehmens nicht mehr im Interesse aller Beteiligten liegt, so beispielsweise, wenn es in einer rückläufigen Branche tätig ist und nur noch mit Verlusten arbeitet. Hier ist den Aktionären ein Weiterbetreiben des Unternehmens nicht mehr zumutbar.23 Sollte man gleichwohl die Bestandserhaltung als Minimum des Unternehmensinteresses akzeptieren, so ist dadurch ohnehin wenig gewonnen. Denn daß die Organe der AG auf den Bestand des Unternehmens hinzuarbeiten haben, um ihren Pflichten ordnungsgemäß nachzukommen, versteht sich in der Regel24 von selbst. Für die Verantwortlichkeit des Aufsichtsrats ergibt sich dadurch jedenfalls keine genügend konkretisierte Richtlinie für eine Vielzahl von Fällen. Im Gegenteil werden sich die meisten Konfliktsituationen oberhalb dieser Grenze bewegen.2S In dem Bereich erschöpft sich die Diskussion um den Inhalt des Unternehmensinteresses jedoch weitgehend in Leerformeln. 26 Was nützt schließlich die Feststellung, das Unternehmensinteresse verkörpere die bestmögliche Abwägung bzw. Vereinigung verschiedener Einzelinteressen, wenn sich nicht einmal diese Einzelinteressen eingrenzen lassen. Immerhin gibt es nicht "das Gesellschafterinteresse" oder "das Arbeitnehmerinteresse" als feste Größe. So ist das Interesse der langfristigen Anleger eher auf langfristige Rentabilität, das der Spekulanten vornehmlich auf möglichst hohe Gewinnausschüttungen ausgerichtet.Z7 Sofern eine teilweise Betriebsstillegung erwogen wird, besteht ein erheblicher Unterschied zwischen den Interessen der Arbeitnehmer, denen eine Entlassung droht, und den Arbeitnehmern, deren Arbeitsplatz durch diese Rationalisierungsmaßnahme mittelbar gefestigt wird. 28 Am meisten überzeugt deshalb noch der scheinbar simple, dafür aber umso einsichtigere - Ansatz von Junge, der das 23 Vgl. Jürgenmeyer, Unternehmensinteresse, S. 109 f. Insoweit also unzutreffend Raiser, PS R Schmidt (1976), 101 (107). Vgl. auch LasIre, ZGR 1979, 173 (192 f.), der weitere - wenn auch "pathologische" - Gründe für ein Untergangsinteresse aufzeigt. 24

Mit Ausnahme des soeben dargestellten Beispiels oder anderer Ausnahmefälle.

2S Vgl. auch LasIre, ZGR 1979, 173 (188); Wiedemann, BB 1978, 5 (11); Reuter, AcP 179 (1979), 509 (518 f.): "Aus dem Anliegen der Erhaltung des Unternehmens" lassen sich "allenfalls in Extremfällen Verhaltenspflichten ableiten". 26 Ebenso LasIre, ZGR 1979, 173 (183); vgI. auch Wledemann, BB 1978, 5 (11). Gemeinschaftskomm.jNaendrup, MitbG, § 25 Rn. 190, bezeichnet das Unternehmensinteresse im

ganzen als Leerformel. Z7

Vgl. Jürgenmeyer, Unternehmensinteresse, S. 61; Koch, Unternehmensinteresse, S. 32 f.

28

Vgl. Koch, Unternehmensinteresse, S. 206; Junge, PS v. Caemmerer (1978), 546 (550 f.).

4 Steinbeck

50

3. Teil: Art und Weise der Überwachung

Unternehmensinteresse als das "Interesse an der Rentabilität des Unternehmens" im Sinne einer "langfristigen Gewinnmaximierung" deftniert. 29 Leider bleibt auch er eine konkrete Deftnition von "Rentabilität" schuldig, und damit - wie Koch 30 zutreffend bemerkt - "auf halbem Wege" zur inhaltlichen Bestimmung des Unternehmensinteresses "stehen".31 Angesichts der Tatsache, daß das Unternehmensinteresse konkret also nur im Einzelfall bestimmbar ist - und insoweit sind sich offenbar alle Autoren einii2 - wird deutlich, daß sich der Begriff aufgrund seiner Konturlosigkeit jedenfalls nicht als Verhaltensmaxime für Aufsichtsratsmitglieder eignet.33 "Maxime" bedeutet "Hauptsatz" oder "Leitsatz",34 und gerade das ist das so verstandene Unternehmensinteresse nicht. Wollte man die Pflichtmäßigkeit des Aufsichtsratshandelns dennoch anband des Unternehmensinteresses messen, so wäre damit der Rechtsunsicherheit Tür und Tor geöffnet. Aber auch noch aus einem anderen Grunde stellt sich die Frage, ob es sinnvoll ist, von einem "Unternehmensinteresse" als Verhaltensmaxime zu sprechen. Durch diese Bezeichnung drängt sich die Vermutung auf, "das Unternehmen" sei fähig, Träger von Interessen zu sein. Gegen eine solche Interpretation bestehen allerdings ganz erhebliche Bedenken. Zwar ist es vertretbar, "das Unternehmen" als "sozialen Verband"3S anzusehen; ihm eine Selbständigkeit zuzusprechen, die es erlaubt, ihn zum Subjekt von Interessen

29 Junge, PS v. Caemmerer (1978), 546 ff. (insb. S. 554 ff.). Dahingehend auch Großkomm./Meyer-Landrut, AktG, § 76 Anm. 10. 30

Unternehmensinteresse, S. 14 f.

31 Ähnlich Jürgenmeyer, Unternehmensinteresse, S. 100 ff.; Großmann, Unternehmensziele, S. 104. Vgl. auch Rittner, JZ 1980, 113 (115) zur Definition von "Rentabilität".

32 Mit Ausnahme von Junge, PS v. Caemmerer (1978), 546 ff., dessen Vorschlag jedoch letztlich auch nicht zu überzeugen vermag. 33 Zum gleichen Ergebnis gelangen auch Jürgenmeyer, Unternehmensinteresse, S. 237 f., und Großmann, Unternehmensziele, S. 104 ff.

34 Vgl. Duden, Rechtschreibung der deutschen Sprache und der Fremdwörter, Band 5. 3S Vgl. Fechner, Treuebindungen, S. 62 ff.; Duden, PS Schilling (1973), 309 (311 ff.); Sechserbericht, S. 20 ff.; Kunze, ZHR 144 (1980), 100 (102 ff.); Raiser, Unternehmen, insb. S. 100 ff.; Nell-Breuning, Festg. Kronstein (1967), 47 (49 ff.). Die Auffassung vorn Unternehmen als ·sozialer Verband" darf keinesfalls verwechselt werden mit der längst überholten Lehre vorn ·Unternehmen an sich", vgl. Netter, PS Pinner (1932), 507 Cf., und Haussmann, Vorn Aktienwesen, S. 13 ff. (dazu ausführlich Jürgenmeyer, Unternehmensinteresse, S. 51 ff.).

A. Allgemeine Verhaltensmaximen

51

zu machen,36 erscheint jedoch zumindest bedenklich. Eine derartige Selbständigkeit wird aber stillschweigend vorausgesetzt, wenn man behauptet, das Unternehmensinteresse habe "Vorrang" vor den Individual- bzw. Gruppeninteressen.37 Diese Aussage läßt sich auch nicht durch die anschließende Feststellung relativieren, die Verbandsmitglieder - bzw. "die nach geltendem Recht dazu Berufenen von ihnen" - blieben "letzten Endes doch Herr des Unternehmens, da sie befugt sind, es aufzulösen",38 denn das gilt ebenso für das Verhältnis zwischen "der Gesellschaft" und ihren Mitgliedern, den Aktionären. Über die Selbständigkeit der (Aktien-) Gesellschaft dürfte allerdings kein Zweifel bestehen. Der Gebrauch des Ausdrucks "Unternehmensinteresse" kann demnach leicht zu Fehlvorstellungen führen. 2. Gesellschaftsinteresse Die Suche nach einem Interessenträger gestaltet sich erheblich einfacher, wenn man das in einer Vielzahl von Reichsgerichts-39 und Bundesgerichtshofentscheidungen40 zu findende "Gesellschaftsinteresse" als mögliche Verhaltensmaxime betrachtet.41 Immerhin steht hier eine juristische Person in Form der Aktiengesellschaft zur Verfügung. Gleichwohl ist fraglich, ob sich das Gesellschaftsinteresse im Vergleich zum Unternehmensinteresse besser als Verhaltensmaxime eignet. Mehrere Stimmen in der Literatur vertreten die Auffassung, Gesellschafts- und Unternehmensinteresse seien identisch.42 Der Rechtsprechung ist insofern - zumindest expressis verbis - nichts zu entnehmen. Sie definiert das Gesellschaftsinteresse ebensowenig wie das Unternehmensinteresse, so

36 Besonders deutlich vertritt dies Kunze, AuR 1976, 193 (197 f.). 37 Von einem Vorrang des Unternehmensinteresses spricht vor allem Raiser, PS R Schmidt (1976), 101 (112); ders., MitbG, § 25 Rn. 102; ders., ZGR 1978, 391 (394). 38

Raiser, PS R Schmidt (1976), 101 (112).

39 RGZ 68, 235 (246); SO, 38S (390 f.); 107, 72 (75 f.); 112, 14 (19); 122, 159 (165); 146, 38S (397); 157,61 (63). In RGZ 146,71 (76), ist die Rede vom "Gemeinschaftsinteresse", an dem die Organe ihr Verhalten zu orientieren hätten. 40

BGHZ 14, 25 (38); 36, 121 (130); 39, 319 (325); 51, 209 (216); 53, 71 (73); 56, 97 (101).

41

Vgl. Jürgenmeyer, Unternehmensinteresse, S. 128.

42 Flume, PS Beitzke (1979), 43 (63); Schilling, ZHR 144 (1980), 136 (143); Geßler, in: Geßler/HefermehI/Eckardt/Kropff, AktG, § 96 Rn. 61; Wredemann, Gesellschaftsrecht, S. 626 f.; Rittner, JZ 1980, 113 (117, Fn. 56); ders., DB 1980, 2497, bei Fn. 61.

52

3. Teil: Art und Weise der Überwachung

daß auf den ersten Blick keine Bestätigung für eine Identität heider Begriffe ersichtlich ist. Dennoch spricht einiges für diese These: Bei genauerer Betrachtung der Rechtsprechung gelangt man zu dem Ergebnis, daß sie die Ausdrücke "Gesellschafts-" und "Unternehmensinteresse" verwendet, ohne irgendeinen inhaltlichen Unterschied zwischen beiden erkennen zu lassen. Festzustellen ist dagegen eine gewisse chronologische Entwicklung, da der Begriff des Unternehmensinteresses - bis auf eine Ausnahme43 - erst in neuerer Zeit auftaucht.404 Demgemäß sieht Jürgenmeyer4S im Unternehmensinteresse die moderne Variante des Gesellschaftsinteresses. Die begriffliche Änderung im Sprachgebrauch sei durch eine Fortentwicklung des Gesellschaftsinteresses zu erklären.46 Diese Fortentwicklung zeichne sich durch eine vermehrte Einbeziehung sowohl der Arbeitnehmer- als auch anderer Interessen aus.47 Bestätigt sieht Jürgenmeyer seine Auffassung durch die Praxis verschiedener Autoren, die heide Begriffe immer wieder gegeneinander austauschen.48 In der Tat läßt sich die Tendenz vom Gesellschaftsinteresse weg und zum Unternehmensinteresse hin durch den Vormarsch der Arbeitnehmerinteressen überzeugend erklären.49 Der Begriff des Unternehmensinteresses bietet sich zur Verdeutlichung dieser Entwicklung geradezu an, denn die Formulierung "Gesellschaftsinteresse" verleitet dazu, auf ein "Gesellschafter-

43 BGHZ 46, 392 (396). Dort ist die Rede von den "finanziellen Interessen des Unternehmens".

44 BGHZ 62, 193 (197, 199); 64, 325 (330 f.); BVerfGE SO, 290 (374); vgI. auch OLG Hamburg, WM 1990, 311 ff. 4S

Unternehmensinteresse, S. 126 ff.

46

Jürgenmeyer, Unternehmensinteresse, S. 126.

47

Jürgenmeyer, Unternehmensinteresse, S. 131.

48 Vgl. Jürgenmeyer, Unternehmensinteresse, S. 127 f., bezugnehmend auf Fischer, In Memoriam Duden (1982),55 ff., und Ulmer, ZHR 141 (1977),490 ff.; ders., Einfluß, S. 30 ff.; ders., NJW 1980, 1603 ff. (Weitere Nachweise bei Jürgenmeyer, Unternehmensinteresse, S. 127 f.). VgI. auch die Stellungnahme des gemeinsamen Arbeitsausschusses des Bundesverbandes der deutschen Industrie, des Bundesverbandes deutscher Banken, der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände, des Deutschen Industrie- und Handelstages und des Gesamtverbandes der deutschen Versicherungswirtschaft für Fragen des Unternehmensrechts in seiner Stellungnahme zum geänderten Verordnungs- und Richtlinienvorschlag für Europäische Aktiengesellschaften vom 25. August 1989, S. 23, der die Anerkennung eines besonderen ·Untemehmensinteresses" durch Artikel 74 Abs.2 des Vorschlags für Europäische Aktiengesellschaften (BR-Drucksache 488/89) rügt, obwohl dort ausdrücklich vom "Interesse der SE", der "Societas Europaea", d. h. also vom Interesse der Gesellschaft die Rede ist.

49

Dahingehend auch Flume, PS Beitzke (1979), 43 (65).

A. Allgemeine Verhaltensmaximen

53

interesse" zu schließen, und dieser Beigeschmack ist gerade unerwünscht. Lediglich Junge definiert das Gesellschaftsinteresse als das Interesse der Gesellschafter.so Dem ist aber entgegenzuhalten, daß unmöglich nur die Aktionäre gemeint sein können, wenn von der "Gesellschaft" die Rede ist. Das verkennt auch der gemeinsame Arbeitsausschuß für Fragen des Unternehmensrechts.51 Nach dessen Auffassung sind nur "die Anteilseigner über ihre Mitgliedschaft eng mit der Gesellschaft verbunden", während "die Arbeitnehmer gesellschaftsrechtlich als außenstehende Dritte" zu betrachten sind, "deren Belange durch eine Vielzahl anderer, außerhalb des Gesellschaftsrechts liegender Gesetze geschützt werden". Eine solche - formal durchaus nachvollziehbare - Betrachtungsweise wird angesichts des wachsenden Einflusses der Arbeitnehmerschaft den tatsächlichen Gegebenheiten nicht mehr gerecht. Die Gesellschaft stellt vielmehr "über das Vermögensmäßige hinaus eine eigenständige Wirkungseinheit" dar,52 zu der auch die Arbeitnehmer gehören.53 Das wird durch die Feststellung des Bundesverfassungsgerichts54 bestätigt, wonach es "zur Nutzung des Anteilseigentums immer der Mitwirkung der Arbeitnehmer" bedarf. Selbst wenn man also zwischen "Gesellschaft" und "Unternehmen" differenziert,SS ist es nicht vertretbar, die Arbeitnehmerinteressen aus dem Gesellschaftsinteresse auszuklammern. Man wird sie daher beiden Oberbegriffen zuordnen müssen, dem Gesellschafts- genauso wie dem Unternehmensinteresse. Die oben angesprochenen Drittinteressen fließen dagegen ebensowenig in das Gesellschafts- wie in das Unternehmensinteresse ein.S6 Im Ergebnis ist folglich auch das Gesellschaftsinteresse das Resultat einer Abwägung der Arbeitnehmer- und der Anteilseignerinteressen. Hinsichtlich der Frage, ob es sich als Richtschnur für die Tätigkeit der Aufsichtsratsmitso Junge, PS v. Caemmerer (1978), 546 (551). Vgl. auch Hirte, EWiR § 103 AktG 2/90, S. 219 (220), der dem "Gesellschaftsinteressc" jedenfalls eine engere Bedeutung beimißt als dem "Untemehmensinteressc".

51 In seiner Stellungnahme vom 25. August 1989 zum geänderten Verordnungs- und Richtlinienvorschlag für Europäische Aktiengesellschaften, S. 23. 52 So zutreffend Flume,

PS Beitzke (1979),43 (62).

53 So auch Flume, PS Beitzke (1979), 43 (63), indem er "juristische Person" und "Unternehmen miteinander identifIZiert". 54

BVerfGE 50,290 (349).

ss So Raiser, PS R Schmidt (1976), 101 (111 f.); Zöllner, Schranken, S. 20 f.; Koch, Unternehmensinteresse, S. 20 f. S6 Hinsichtlich der Begründung kann in vollem Umfang auf oben 3. Teil, A., I., 1. verwiesen werden.

54

3. Teil: Art und Weise der Überwachung

glieder eignet, kann deshalb weitgehendS7 auf die Ausführungen zum Unternehmensinteresse verwiesen werden:S8 Eine Größe, die sich nur im Einzelfall nach Abwägung der beteiligten Interessen bestimmen läßt, ist als Verhaltensmaxime unbrauchbar. Dies gilt für das Gesellschafts- ebenso wie für das Unternehmensinteresse. 3. Praktische Relevanz f"ür das Verhalten in Konfliktsituationen

Trotz der vorgebrachten Bedenken gegen das Gesellschafts- und das Unternehmensinteresse als allgemeine Verhaltensmaximen für Aufsichtsratsmitglieder ist die Diskussion um diese Begriffe keineswegs überflüssig. Allein das Bestreben, alle Aufsichtsratsmitglieder auf ein einheitliches Interesse zu verpflichten, könnte in bestimmten Situationen bereits als Wegweiser dienen. a) KonOikte mit Gruppeninteressen innerhalb des Organs

So gibt das Postulat vom Unternehmens- oder GeseUschaftsinteresse als Verhaltensmaxime für alle Aufsichtsratsmitglieder Aufschluß über die Frage, ob lediglich die Entscheidung des Gesamtaufsichtsrats, d. h. das Endergebnis der Meinungsbildung, die Interessen der Anteilseigner und der Arbeitnehmer berücksichtigt haben muß, oder ob jedes einzelne Aufsichtsratsmitglied bereits im Rahmen seiner singulären Entscheidung die Interessen beider Gruppen gegeneinander abzuwägen hat. Immerhin liegt die Annahme nahe, die Arbeitnehmervertreter hätten die Interessen der Belegschaft durchzusetzen, während den Anteilseignervertretern die Wahrung der Aktionärsbelange obliegt.S9 Wenn man allerdings sagt, jedes Aufsichtsrats-

S7 Abgesehen vom Problem des fehlenden Interessenträgers, da für das Gesellschaftsinteresse die juristische Person zur Verfügung stünde.

S8

Vgl. oben 3. Teil, A., 1., 1.

S9 So die Vertreter des Konfliktmodells, namentlich Laske, ZGR 1979, 173 (196 ff.); Gemeinschaftskomm./Naendrup, MitbG, § 25 Rn. 190; J(jttner/Fuchs/Zachert, Arbeitnehmervertreter, Rn. 704 ff.; Mertens, ZGR 19n, 270 (277); ReichlLewerenz, AuR 1976, 353 (357), nach deren Auffassung die Arbeitnehmervertreter die Interessen der sie entsendenden Gruppe "bis zur Grenze der Willkür" vertreten dürfen, wobei allein der Fortbestand des Unternehmens äußerste objektive Grenze sei.

A. Allgemeine Verhaltensmaximen

55

mitglied hätte sein Verhalten am Unternehmensinteresse zu orientieren/,() so bedeutet dies, daß jedes Aufsichtsratsmitglied im Laufe seines Entscheidungsprozesses keinesfalls nur die Interessen der sie entsendenden Gruppe zu berücksichtigen hat. Vielmehr muß jedes einzelne Mitglied sowohl die Interessen der Anteilseigner als auch die Interessen der Arbeitnehmer als notwendige Komponenten des Unternehmensinteresses61 in seine individuelle Abwägung miteinbeziehen.62 Dementsprechend haben alle Aufsichtsratsmitglieder - unabhängig von ihrer Herkunft - die gleichen Rechte und Pflichten und tragen die gleiche Verantwortung. 61 Schließlich agieren sie dort in ihrer Funktion als Organmitglieder und nicht als "Vorkämpfer" ihrer Gruppe. 64 Andererseits wird man bei realistischer Betrachtungsweise akzeptieren müssen, daß weder die Arbeitnehmer- noch die Anteilseignervertreter sich vollkommen von ihrer tendenziellen Grundeinstellung werden lösen können. 6S Alles andere hieße, den Sinn und Zweck der Mitbestimmung zu verleugnen. Insofern ist also Lutter zuzustimmen, wenn er sagt, daß "die (angemessene, gezügelte) Verfolgung von Arbeitnehmerinteressen in der Funktion eines Aufsichtsratsmitglieds ... einer "ganz normalen" mitbestimmten Gesellschaft keineswegs (mehr) rollenwidrig ist - wie andererseits die übersteigerte Verfolgung dieses Interesses rollenwidrig in bezug auf das Verhalten im Organ bleibt".66 Im Ergebnis läßt sich also festhalten, daß nicht nur der Aufsichtsrat im ganzen, sondern jedes Aufsichtsratsmitglied bei seiner Entscheidungsfindung die Interessen der Arbeitnehmer und der Aktionäre möglichst in Einklang

60 So etwa BGHZ 64, 325 (330 f.); BVerfGE 50, 290 (374 f.); Unternehmensrechtskommission, Bericht, Rn. 205; Wiedemann, Gesellschaftsrecht, S. 623 ff. 61

Vgl. oben 3. Teil, A., 1., 1.

62 Geß/er, in: Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, AktG, § 96 Rn. 61; Sem/er, Überwachungsaufgabe, S. 66; Rehbinder, ZGR 1979, 471 (482); HQ/Ulu, ZGR 1979, 524 (543 f.). 61 So BGHZ 83, 106 (113), und BGHZ 36, 296 (306, 310); Koch, Unternehmensinteresse, S. 127; Hoffmann-Becking, in: Münchener Handbuch, § 33 Rn. 1; Kölner Komm.IMertens, AktG, Anhang § 96 Rn. 72; Fitting/WlotzkefWißmann, MitbG, § 25 Rn. 77; Großkomm./Meyer-Landrut, AktG, § 96 Anm. 1. 64 Vgl. auch den Bericht der Unternehmensrechtskommission, Rn. 205, die darauf hinweist, "der Aufsichtsrat sei kein Parlament mit Bänken und Fraktionen".

6S Dahingehend auch Sem/er, Überwachungsaufgabe, S.66. Vgl. auch BVerfGE SO, 290 (374 f.). 66

Lutter, PS Coing (1982), 565 (575). Ähnlich Raiser, MitbG, § 25 Rn. 102.

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3. Teil: Art und Weise der Überwachung

zu bringen hat. Ein gewisser gemäßigter Mehreinsatz für die Interessen der Gruppe, der das jeweilige Ratsmitglied angehört, ist dabei in Kauf zu nehmen. b) Konflikte mit anderen Interessen

Die Formel vom Unternehmens- bzw. Gesellschaftsinteresse als oberste Verhaltensmaxime wirkt aber nicht nur richtungsweisend im Hinblick auf die Lösung derjenigen Interessenkonllikte, die die Mitbestimmung hervorbringt. Mindestens ebenso problematisch sind die Konllikte, die dadurch entstehen, daß das Aufsichtsratsamt als ein typisches Nebenamt konzipiert ist.67 Üblicherweise gehört ein Aufsichtsratsmitglied zugleich dem Vorstand oder dem Aufsichtsrat wenigstens eines anderen Unternehmens an68 oder betreibt sogar selbst ein solches. Dies gilt insbesondere für die Repräsentanten der Anteilseigner.fe In Anbetracht dieser Verflechtungen sind Konfliktsituationen in der Person des Aufsichtsratsmitglieds geradezu vorprogrammiert. Die denkbaren Konstellationen lassen sich in zwei Hauptgruppen einteilen.

aa) Konflikte mit privaten Interessen und Interessen aus selbständiger hauptberuflicher Tätigkeit Die erste Gruppe bilden die Fälle, in denen das Aufsichtsratsmitglied in Konflikt mit privaten Interessen oder mit Interessen aus selbständiger hauptberuflicher Tätigkeit gerät. Wie bereits angedeutet, scheint man dieser Situation auf den ersten Blick mit der pauschalen Aussage begegnen zu können, die Aufsichtsratsmitglieder hätten "grundsätzlich bei Interessenkonflikten den Interessen der AG den Vorrang" zu geben,7O wobei das "In-

67 Vgl. §§ 100 Abs. 2 (insb. Nr. 1) und 110 Abs. 3 AktG. Fischer, In Memoriam Duden (1982), 55 (61); Ulmer, NJW 1980, 1603 (1604); Werner, ZHR 145 (1981), 252 (257); Hoffmann-Becking, in: Münchener Handbuch, § 33 Rn. 43; Lutter, ZHR 145 (1981), 224 (235); ders., Information, S. 124.

68 Einen Problemschwerpunkt bildet in diesem Zusammenhang die Mitgliedschaft von Bankenvertretem im Aufsichtsrat. Dazu ausführlich Lutter, ZHR 145 (1981), 224 ff., und Wemer, ZHR 145 (1981), 252 ff. fe Vgl. das Spiegel-Gespräch mit Karl G. Ratjen, in: Der Spiegel v. 24. Juli 1989, S. 7S ff. (insb. S. 76).

70

So Großkomm.jMeyer-Landrut, AktG, § 111 Anm. S.

A. Allgemeine Verhaltensmaximen

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teresse der AG" den Widerpart zu den privaten Interessen des Aufsichtsratsmitglieds bildet?1 Dieser Grundsatz hat in der Tat seine Berechtigung, wenn das Aufsichtsratsmitglied in seiner Organfunktion handelt, wie etwa bei der Teilnahme an Abstimmungen im Aufsichtsrat. Der Grundsatz wird jedoch nicht dem Umstand gerecht, daß das Aufsichtsratsamt als reines Nebenamt den Handlungsradius des Amtsträgers nicht unzumutbar einschränken darf.72 Bei konsequenter Anwendung der erwähnten Regel hingegen wäre es dem Aufsichtsratsmitglied sogar verwehrt, im Rahmen normaler Austauschgeschäfte mit der AG die eigenen Interessen zu vertreten, selbst wenn es der AG dabei ähnlich einem beliebigen Dritten gegenübersteht und keinerlei Bezug zu seinem Aufsichtsratsamt besteht. Damit würde die Pflichtenbindung des Ratsmitglieds eindeutig überspannt und das Nebenamt in der Bedeutung zu einem Hauptberuf avancieren,73 ohne daß das Aufsichtsratsmitglied eine entsprechende Vergütung erhielte. Denn diese Vergütung soll gemäß § 113 Abs. 1 AktG "in einem angemessenen Verhältnis zu den Aufgaben der Aufsichtsratsmitglieder und zu der Lage der Gesellschaft stehen", nicht aber zu der damit verbundenen außergesellschaftlichen Einschränkung des Handlungsspielraums. Aber auch unabhängig von § 113 Abs. 1 AktG könnte die AG diese Einbußen i. d. R. kaum ausgleichen, weil die Besetzung des Aufsichtsrats dann immense - und was noch viel schlimmer wäre - völlig unkalkulierbare Kosten nach sich ziehen würde. Im übrigen werden viele Einbußen nur mühsam oder gar nicht meßbar sein. Unter diesen Voraussetzungen dürfte es schwerfallen, kompetente Aufsichtsratsanwärter zu finden. Sie müßten einerseits aufgrund ihrer Kenntnisse und ihrer Nähe zum Unternehmen in der Lage sein, die Abläufe im Unternehmen optimal zu beurteilen. Gleichzeitig müßten sie sich bereiterklären, alle damit verbundenen fmanziellen und ideellen Nachteile in Kauf zu nehmen. Dementsprechend plädiert die neuere Literatur in diesem Bereich zu Recht für eine graduelle Verringerung der Pflichtenbindung bei zunehmender Entfernung des Konfliktherdes von der regulären Pflicht eines Aufsichtsratsmitglieds.74 Demzufolge ist zu unterscheiden zwischen einem Han71 Die Diskussion um den genauen Inhalt des Untemehmens- bzw. GesellschaCtsinteresses ist deshalb an dieser Stelle ohne Bedeutung.

72 Ebenso Fischer, In Memoriam Duden (1982), 55 (72). Vgl. auch die anschaulichen Beispiele bei U/mer, NJW 1980, 1603 (1606).

73 Ebenso Ulmer, NJW 1980, 1603 (1606); ihm zustimmend Fischer, In Memoriam Duden (1982), 55 (71). 74 So Ulmer, NJW 1980, 1603 CC. Wemer, ZUR 145 (1981), 252 (258 C.), unterscheidet zwischen zulässigen schädlichen "Auswirkungen" und unzulässigen schädigenden "Einwirkun-

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3. Teil: Art und Weise der Überwachung

deIn des Aufsichtsratsmitglieds im Rahmen seiner Organfunkticn, einem Handeln außerhalb der Organfunktion und den sogenannten Mischfällen. Letztere zeichnen sich dadurch aus, daß das Ratsmitglied zwar nicht in seiner Organfunktion tätig wird, gleichwohl aber in die Geschäftssphäre der AG eindringt. (1) Im Rahmen der Organfunktion (a) Gnmdsatz

Sofern das Aufsichtsratsmitglied in seiner Funktion als Organmitglied tätig wird, ist die Ptlichtenbindung am stärksten. Es hat seine eigenen Interessen ganz in den Hintergrund zu stellen und denen der AG absolute Priorität einzuräumen.7S So muß das Ratsmitglied selbst dann ausschließlich im Sinne der AG abstimmen, wenn die Entscheidung für das Mitglied persönlich von Nachteil ist. (b) Stimmrechtsausschluß

Eine Besonderheit gilt allerdings für den Fall, in dem das Aufsichtsratsmitglied über ein Rechtsgeschäft der AG mit ihm oder über die Einleitung oder Erledigung eines Rechtsstreits zwischen der Gesellschaft und ihm selbst abstimmen muß. Möglich ist dies im Rahmen einer Beschlußfassung gem. § 111 Abs. 4 Satz 2 AktG oder im Rahmen eines Beanstandungsbeschlusses im Hinblick auf die Geschäftsführung des Vorstands.76 Obwohl das Aktiengesetz kein Stimmverbot für Aufsichtsratsmitglieder vorsieht, wurde es in diesen Situationen bislang einhellig anerkannt.77 Auf die Weise werden

gen". Luller, ZHR 145 (1981), 224 (249), kommt zum gleichen Ergebnis, lediglich unter VelWendung einer anderen Terminologie. Er differenziert zwischen "unmittelbaren" und "mittelbaren" Handlungswirkungen. 75 Ulmer, NJW 1980, 1603 (1605); Fischo, In Memoriam Duden (1982),55 (63 f.); BGHZ 36, 296 (307). Vgl. auch Lutter, ZHR 145 (1981), 224 (249). 76 Auf die übrigen Fälle, in denen ein Stimmrechtsausschluß wegen Interessenkollision in Betracht kommt, soll hier nicht eingegangen werden, da sie nicht zur Überwachungsaufgabe des Aufsichtsrats gehören. Eine Ausnahme bildet höchstens der sehr umstrittene Fall der Eigenkandidatur eines Aufsichtsratsmitglieds zum Vorstand. Die Ausführung dieses Problembereichs würde allerdings den hier vorgegebenen Rahmen sprengen. Vgl. stattdessen die ausführliche Darstellung bei Matthießen, Stimmrecht, S. 228 ff., mit Nachweisen zum Streitstand. 77

Vgl. die Nachweise in Fn. 78 bis 82.

A. Allgemeine Verhaltensmaximen

59

zwei Probleme gleichzeitig gelöst: Zum einen ist das Aufsichtsratsmitglied damit von der schwierigen Aufgabe befreit, sich bei der Abstimmung allein vom Interesse der AG leiten zu lassen und seine eigenen Interessen vollständig auszuklammern. Auf der anderen Seite erfolgt der Stimmrechtsausschluß gerade im Interesse der Gesellschaft, weil aufgrund der besonderen Umstände nicht mit einer allein an sachgerechten Kriterien orientierten Entscheidung des Aufsichtsrats gerechnet werden kann. Deshalb erscheint es vorzugswürdig, ganz auf die Beteiligung des befangenen Mitglieds zu verzichten. Differenzen bestehen lediglich hinsichtlich der Herleitung eines solchen Stimmverbots. Der wohl überwiegende Teil dieser Autoren führt den Stimmrechtsausschluß auf eine Analogie zu § 34 BGB zurück78 oder wendet die Norm sogar direkt an.79 Andere entnehmen das Stimmverbot einem allgemeinen Rechtssatz, der aus den gesetzlich geregelten mitgliedschaftlichen Stimmverboten (§§ 47 Abs. 4 GmbHG, 34 BGB, 43 Abs. 6 GenG, 136 Abs. 1 AktG) hervorgehe.80 Wieder andere sehen das Verbot als Ausfluß "allgemeiner Rechtsgrundsätze".81 Nach Meinung von Engfer ergibt sich der Stimmrechtsausschluß aus der allgemeinen Sorgfaltspflicht der Verwaltung gem. §§ 116,93 Abs. 1 AktG.82 Eine andere Auffassung vertritt neuerdings Matthießen.1ß Zwar entwickelt er die Stimmverbote für Aufsichtsratsmitglieder ebenfalls aus den allgemeinen Rechtsgedanken, die den §§ 34 BGB, 47 Abs. 4 GmbHG, 136 Abs. 1

78 Kölner Komm./Mmens, AktG, § 108 Rn. 44; Giesen, Organhandeln, S. 110; HoffmannBecking, in: Münchener Handbuch, § 31 Rn. 59; Häuser, Interessenkollision, S. 40; Münch. Komm./Reuter, BGB, § 34 Rn. 4; Fischer, In Memoriam Duden (1982),55 (65); Wemer, ZHR 145 (1981),252 (266); Fitting/W1otzkefWißmann, MitbG, § 25 Rn. 33, wenden § 34 BGB und § 136 AktG analog an. 79 So Mei/icke, FS W. Schmidt (1959), 71 (85 f.); wohl auch Großkomm./Meyer-Landrut, AktG, § 108 Anm. 5. 80 Meyer-Giesow, Stimmverbote, S. 151; Lutter, ZHR 145 (1981), 224 (247); Hoffmann, Aufsichtsrat, Rn. SOl, entnimmt das Stimmverbot als allgemeinen Rechtsgrundsatz dem § 34 BGB. Wilhelm, Rechtsform, S. 66 ff.; ders., NJW 1983, 912 ff.; ders., JZ 1976, 674 ff., sieht § 181 BGB als Ausgangspunkt für die Annahme von Stimmverboten im Aufsichtsrat, weil auch § 34 BGB nichts anderes enthalte als das Verbot des Insichgeschäfts und des Insichprozessierens. Dahingehend auch Flume, Juristische Person, S. 221 ff.

81 So Geßler, in: Geßler/HefermehI/Eckardt/Kropff, AktG, § 108 Rn. 29; Schlegelberger/Quassowski, AktG 1937, § 92 Rn. 21; Redding, NJW 1956, 48 (SO), entnimmt die Stimmrechtsausschlüsse für Aufsichtsratsmitglieder dem § 242 BGB. 82

Engfer, Ausschluß, S. 86 ff.



Stimmrecht und Interessenkollision im Aufsichtsrat, 1989.

3. Teil: Art und Weise der Überwachung

60

AktG und 43 Abs. 6 GenG zugrunde liegen. Allerdings akzeptiert er nicht sämtliche der in diesen Normen genannten Stimmverbote auch für den Aufsichtsrat. Ausgangspunkt seiner Argumentation ist die Untergliederung der Stimmverbote in zwei tragende Prinzipien: das Verbot des Richtens in eigener Sache und das Verbot des Insichgeschäfts.84 Letzteres begründet in den Fällen der §§ 34 BGB, 43 Abs. 6 GenG und 47 Abs. 4 GmbHG ein Stimmverbot des betroffenen Mitglieds, sofern die Abstimmung den Abschluß eines Rechtsgeschäfts mit ihm betrifft. Dennoch hält Matthießen die Anwendung eines solchen Stimmverbots auf den Aufsichtsrat - entgegen der ganz herrschenden MeinungSS - weder für erforderlich noch für zulässig. Das Erfordernis von Stimmverboten sei danach zu beurteilen, wie sich die Beschlußfassung auf die AG auswirke.86 Denn ein Blick auf die §§ 34 BGB, 47 Abs. 4 GmbHG, 43 Abs. 6 GenG, 136 Abs. 1 AktG zeige, daß der Gesetzgeber ein Stimmverbot bei Abstimmungen über Rechtsgeschäfte nur für die Fälle geschaffen habe, in denen "das Mitgliederorgan die Möglichkeit zu Vornahmeanweisungen an das Vertretungsorgan" habe und somit selbst durch Weisungen in die Geschäftsführung eingreifen könne. 87 Da die Befugnisse des Aufsichtsrats diese Voraussetzungen nicht erfüllen, lehnt Matthießen ein Stimmverbot in den genannten Fällen - konsequenterweise - ab. Matthießen unterschätzt jedoch den psychologischen Druck, der von einem mißbilligenden Beschluß des Aufsichtsrats ausgeht.88 Auch wenn der Aufsichtsrat dem Vorstand keine Weisungen erteilen kann, sind seine Beschlüsse - anders als es Matthießen darstellt - keinesfalls wirkungslos. Bei Beanstandung einer Maßnahme durch den Aufsichtsrat wird der Vorstand diese zumindest noch einmal überdenken. Immerhin muß er damit rechnen, 84 Matthießen, Stimmrecht, S. 144. Wie Matthießen auch Scholz/Schmidt, GmbHG, § 47 Rn. 102; SChmidt, Gesellschaftsrecht, S. 450 f.; Münch. Komm./Reuter, BGB, § 34 Rn. 2. Der BGH hat diese Unterteilung zumindest im Hinblick auf die Regelung des § 47 Abs. 4 GmbHG getroffen, die beide Prinzipien in sich vereinigt, vgI. BGHZ 97,28 (33).

ss Vgl. die Nachweise in Fn. 78 bis 82. 86

Matthießen, Stimmrecht, S. 486.

87 Matthießen, Stimmrecht, S. 168. Über eine solche Einwirkungsmöglichkeit verfügt die Gesellschafterversammlung der GmbH (allg. Meinung, vgI. etwa LutterjHommelhoff, GmbHG, § 45 Rn. 4; Scholz/Schmidt, GmbHG, § 45 Rn. 4) und die Mitgliederversammlung des bürgerlich-rechtlichen Vereins (vgl. ReichenjDannecker/Kühr, Handbuch, S. 105), nicht aber die Generalversammlung der Genossenschaft (MeyerjMeulenberghjBeutlrien, GenG, § 27 Rn. 2) oder die Mitgliederversammlung der AG (vgl. Hefermehl, in: Geßler/Hefermehlj Eckardt/Kropff, AktG, § 76 Rn. 12). Dementsprechend erwähnen auch nur § 34 BGB und § 47 Abs. 4 GmbHG ein Stimmverbot bei Beschlüssen, die Rechtsgeschäfte mit einem Mitglied betreffen. 88

Vgl. Mattlrießen, Stimmrecht, S. 292 ff. (passim).

A. Allgemeine Verhaltensmaximen

61

daß das Überwachungsorgan bei unbeirrter Durchführung der Maßnahme durch den Vorstand gegen diesen vorgehen wird. Aus diesem Grunde ist es durchaus sinnvoll, diejenigen Aufsichtsratsmitglieder einem Stimmverbot zu unterwerfen, welche an dem zur Debatte stehenden Rechtsgeschäft selbst beteiligt sind. Im übrigen ist es vom Ansatz her schon bedenklich, wenn Matthießen ein pflichtwidriges Verhalten deshalb in Kauf nehmen will, weil - angeblich kein Schaden daraus entstehen könne. Ein pflichtgemäßes Verhalten der Organmitglieder muß jederzeit gewährleistet sein. Aus dem Grunde stellt das Stimmverbot in der vorliegenden Fallkonstellation auch keinen unzulässigen Eingriff in das Stimmrecht des Aufsichtsratsmitglieds dar.89 Zwar ist Matthießen insoweit zuzustimmen, als es sich dabei um eines der elementarsten Rechte handelt, welche die Mitgliedschaft im Aufsichtsrat mit sich bringt, und ein Eingriff in dieses Recht deshalb einer besonderen Rechtfertigung bedarf.9O Andererseits wird eine Einschränkung dieses Stimmrechts jedoch zumindest dann gerechtfertigt sein, wenn bei objektiver Betrachtungsweise von dem betreffenden Aufsichtsratsmitglied kein an sachlichen Kriterien orientiertes Stimmverhalten mehr erwartet werden kann.91 Des weiteren darf nicht außer acht gelassen werden, daß ein Stimmverbot das Ratsmitglied nicht nur belastet, indem es dessen Stimmrecht beschneidet. Ein Stimmverbot wirkt gleichzeitig entlastend, indem es das Organmitglied von der Pflicht befreit, ausschließlich im Sinne der Gesellschaft abzustimmen, wodurch es sich u. U. in erheblichem Maße selbst schadet.92 Im Ergebnis sprechen also die besseren Gründe für die Annahme eines Stimmrechtsausschlusses, sofern ein Aufsichtsratsbeschluß den Abschluß eines Rechtsgeschäfts mit einem Aufsichtsratsmitglied oder die Einleitung oder Erledigung eines Rechtsstreits gegenüber einem Aufsichtsratsmitglied betrifft.93 Darüber hinaus sind unzählige Fälle denkbar, in denen sich das Ratsmitglied aufgrund entgegenstehender persönlicher Interessen außerstande fühlt,

89 So

aber Manhießen, Stimmrecht, S. 294.

90

Matthießen, Stimmrecht, S. 294.

91

Ähnlich Redding, NJW 1956, 48 (50).

92

Dahingehend auch Meyer-Giesow, Stimmverbote, S. 154.

93 Hinsichtlich einer möglichen Ausdehnung der Stimmverbote auf Rechtsgeschäfte der Gesellschaft mit dem Ehegatten, einem minderjährigen Kind oder mit anderen, dem Aufsichtsratsmitglied nahestehenden Personen oder Gesellschaften vgI. Manhießen, Stimmrecht, S. 335 ff. m. w. N. Zum Stimmverbot bei Rechtsgeschäften mit einer Gesellschaft, deren Vertretungsorgan das Ratsmitglied angehört, vgI. unten 3. Teil, A., I., 3., b), bb), (3).

62

3. Teil: Art und Weise der Überwachung

unbefangen abzustimmen. Auch hier könnte man an einen Stimmrechtsausschluß denken. Zu Recht allerdings wird ein allgemeines Stimmverbot bei Interessenkollisionen überwiegend94 mit der Begründung abgelehnt, dadurch entstünde zum einen nur Rechtsunsicherheit9S und zum anderen werde die Arbeit im Aufsichtsrat erheblich behindert.96 Immerhin habe der Gesetzgeber diesen Interessenkonflikt durch die Regelung des § 100 Abs. 2 AktG ausdrücklich in Kauf genommen.97 Schließlich widerspreche die Gesamtverantwortung des Aufsichtsrats einschließlich der von einer Interessenkollision betroffenen Mitglieder für die Geschicke der AG einer Ausdehnung der Stimmrechtsausschlüsse.98 (e) Stimmenthaltung und AujkJiilungspflieht

Die vorangegangenen Argumente sprechen nicht nur gegen die Zulassung weiterer Stimmrechtsausschlüsse, sondern zugleich gegen die Zulässigkeit von Stimmenthaltungen als Mittel zur Konfliktbereinigung.99 Jedes Ratsmitglied ist verpflichtet, an der Aufsichtsratsarbeit mitzuwirken,loo und dazu gehört auch die aktive Teilnahme an den Beschlüssen, zumindest an solchen, die gemäß § 107 Abs. 3 Satz 2 AktG dem Plenum vorbehalten sind. Nur in ganz eklatanten Ausnahmefällen, sofern dem Ratsmitglied ein Handeln schlechthin unzumutbar ist, kann eine Stimmenthaltung als ultima ratio

94 Für eine Erweiterung der Stimmrechtsausschlüsse dagegen: HatUIU, ZGR 1977, 397 (402 ff.); Säcker, OB 19TI, 1791 (1794). Großkomm./Meyer-Landrut, AktG, § 108 Anm. 5, bejaht ein Stimmverbot bei Vorliegen eines "echten Interessenwiderstreits". 95 Giesen, Organhandeln, S. 108; Häuser, Interessenkollision, S.41; Wemer, ZHR 145 (1981), 252 (267). Vgl. auch BGHZ 68, 107 (109), und BGHZ 97, 28 (33). Zwar geht es dort um Stimmverbote für GmbH-Gesellschafter, die Aussagen lassen sich sinngemäß aber ohne weiteres auf den Aufsichtsrat übertragen. 96 Häuser, Interessenkollision, S. 41, der zusätzlich auf die mit extensiven Stimmrechtsausschlüssen verbundene Gefahr einer Verschiebung des Gleichgewichts im Aufsichtsrat hinweist; Dreher, JZ 1990, 896 (900 ff.). 97 Giesen, Organhandeln, S. 108; ihm zustimmend Häuser, Interessenkollision, S. 41. Auch der BGH übt Zurückhaltung. soweit es um die Annahme von Stimmrechtsausschlüssen über den gesetzlichen Rahmen hinaus geht, vgI. BGHZ 36, 296 (307).

98

So zutreffend Ulmer, NJW 1980, 1603 (1605).

99 Ebenso Ulmer, NJW 1980, 1603 (1605); Wemer, ZHR 145 (1981), 252 (267 f.); Häuser, Interessenkollision, S. 157. A. A. Fischer, In Memoriam Duden (1982), 55 (65); Großkomm./Meyer-Landrut, AktG, § 108 Anm. 5. 100

Vgl. oben 1. Teil, B. I.

A. Allgemeine Verhaltensmaximen

63

in Betracht kommen. IOl Im übrigen wird man von erfahrenen Geschäftsleuten - und diese werden einen Großteil des Aufsichtsrats ausmachen durchaus erwarten können, daß sie in der Lage sind, die unterschiedlichen Geschäftsbereiche angemessen zu trennen. Unabhängig davon ist das Ratsmitglied aber in jedem Fall verpflichtet, die übrigen Aufsichtsratsmitglieder vor der Beschlußfassung auf den bestehenden Konflikt hinzuweisen. Diese können so das Abstimmungsverhalten der betreffenden Person selbst einschätzen und sich ein eigenes Bild von seiner Befangenheit bzw. von seiner Unbefangenheit machen.102 (2) Außerhalb der Geschäftssphäre der AG

Das andere Extrem bilden die Fälle, in denen das Ratsmitglied außerhalb seiner Organfunktion handelt und dabei nicht einmal die Geschäftssphäre der Gesellschaft tangiert. Hier muß es lediglich einen Rest von Treue- und Loyalitätspflicht wahren. Diese verbietet dem Aufsichtsratsmitglied zum einen, den Interessen der AG willkürlich zuwiderzuhandeln. 103 Zum anderen ist dem Ratsmitglied die Verwertung von Kenntnissen zum Nachteil der Gesellschaft untersagt, sofern es die betreffenden Informationen im Rahmen seiner Aufsichtsratstätigkeit erlangt hat. 104 Letzteres gilt auch dann, wenn die Verwertung der Kenntnisse nur aus dem Grunde keine Verletzung der Schweigepflicht darstellt, weil die Informationen nicht an Dritte weitergegeben, sondern für eigene Zwecke benutzt werden. los Der für eine Haftung gemäß §§ 116, 93 AktG erforderliche Schaden muß nicht notwendig materieller, sondern kann durchaus immaterieller Natur sein, etwa in Form eines Vertrauensverlustes bei Geschäftsfreunden oder einer Herabsetzung des Ansehens in der Öffentlichkeit.106

101

So auch Wemer, ZHR 145 (1981), 252 (267 f.).

102 So vor allem Giesen, Organhandeln, S. 108, unter Hinweis auf die Treuepflicht der Aufsichtsratsmitglieder; dahingehend gleichfalls Fischer, In Memoriam Duden (1982), 55 (65 f.); Häuser, Interessenkollision, S. 91 f. A. A. Dreher, JZ 1990, 896 (904). 103 So zutreffend Ulmer, NJW 1980, 1603 (1606), und Wemer, ZHR 145 (1981), 252 (261), unter Hinweis auf § 242 BGB.

104

Ulmer, NJW 1980, 1603 (1606); Fischer, In Memoriam Duden (1982), 55 (69).

lOS

Vgl. die Nachweise in Fn. 104.

106

So zutreffend Fischer, In Memoriam Duden (1982), 55 (69).

3. Teil: Art und Weise der Überwachung

64

(3) Mischfälle

Dazwischen existieren Mischfälle, in denen das Ratsmitglied außerhalb seiner Organfunktion agiert, gleichwohl aber die Geschäftssphäre der AG tangiert. Die Lösung dieser Fälle bereitet die größten Schwierigkeiten. Selbstverständlich gilt auch hier der soeben erwähnte Umfang an Treueund Loyalitätspflicht gegenüber der Gesellschaft. Das allein genügt aber noch nicht. Zwar darf das Ratsmitglied in diesen Situationen durchaus seine eigenen Interessen ähnlich einem beliebigen Dritten vertreten. 107 Es darf sich jedoch keinesfalls dazu hinreißen lassen, seine Stellung im Aufsichtsrat einzusetzen, um auf die Weise persönliche Vorteile zu erlangen. 108 Diese Gefahr besteht insbesondere bei Rechtsgeschäften mit der AG. Nur allzu schnell könnte der für die AG handelnde VorstandlO9 versucht sein, die Gunst des ihn überwachenden Aufsichtsratsmitglieds durch eine wohlwollende Entscheidung zu gewinnen. Die Treupflicht verbietet es dem Aufsichtsratsmitglied, solche Vorteile in Anspruch zu nehmen. Um Situationen dieser Art von vornherein zu vermeiden, sollte das Organmitglied - nicht zuletzt in seinem eigenen Interesse - bemüht sein, nur dann in geschäftlichen Kontakt mit der AG zu treten, wenn es sich gar nicht umgehen läßt. (4) Ergebnis zu aa)

Der nebenamtliche Charakter der Aufsichtsratstätigkeit bringt es gelegentlich mit sich, daß das Ratsmitglied in Konflikt mit seinen privaten Interessen oder mit Interessen aus seiner selbständigen hauptberuflichen Tätigkeit gerät. Diese Konflikte lassen sich in drei Gruppen einteilen. Die Pflichtintensität verringert sich dabei mit zunehmender Entfernung des Konfliktherdes von der Organfunktion. Im Rahmen der Organfunktion selbst gebührt den Interessen der AG absoluter Vorrang gegenüber den privaten Interessen des Ratsmitglieds. Einen Sonderfall bildet die Abstimmung über ein Rechtsgeschäft mit einem Aufsichtsratsmitglied oder über die Einleitung oder Erledigung eines Rechtsstreits gegenüber einem Aufsichtsratsmitglied; die betreffende Person ist hier von der Abstimmmung ausgeschlossen.

107

Ulmer, NJW 1980, 1603 (1606 f.).

108 So zutreffend Fischer, In Memoriam Duden (1982), 55 (70 f.); Ulmer, NJW 1980, 1603 (1607). 109

§ 78 Abs. 1 AktG.

A Allgemeine Verhaltensmaximen

65

Ein allgemeines Stimmverbot bei Interessenkollisionen existiert hingegen nicht. Auch Stimmenthaltungen kommen nur als ultima ratio in Betracht. In jedem Fall aber muß das betroffene Mitglied seine Kollegen vor der Abstimmung auf den bestehenden Konflikt hinweisen, damit diese sein Stimmverhalten richtig einschätzen können. Außerhalb der Geschäftssphäre der AG trifft das Aufsichtsratsmitglied nur ein Mindestmaß an Treue- und Loyalitätspflicht. Danach ist es ihm untersagt, willkürlich zum Nachteil der Gesellschaft zu handeln oder Informationen zu verwerten, die das Ratsmitglied im Zusammenhang mit seiner Aufsichtsratstätigkeit erlangt hat. In den "Mischfällen", in denen das Ratsmitglied zwar nicht in seiner Organfunktion handelt, wohl aber die Geschäftssphäre der AG berührt, muß es sich zusätzlich davor hüten, seine Position im Aufsichtsrat der Gesellschaft zu eigennützigen Zwecken zu

bb) Konflikte mit Interessen und Pflichten aus anderen Ämtern Weit problematischer gestaltet sich die Bearbeitung der zweiten Fallgruppe. Sie betrifft diejenigen Fälle von Interessen- oder pflichtenkollisionen in der Person des Aufsichtsratsmitglieds, welche durch die gemäß § 100 Abs. 2 AktG zulässige Ämterhäufung entstehen. Das Ratsmitglied gerät dort in die prekäre Situation, zwei "Dienstherren" verpflichtet zu sein, deren Interessen es u. U. nicht gleichzeitig wahren kann. Diese Kategorie von Fällen unterscheidet sich dadurch von der vorherigen, daß das Ratsmitglied, wenn es den Interessen einer Gesellschaft den Vorrang einräumt, Gefahr läuft, eigene wirtschaftliche Nachteile zu erleiden. Darüber hinaus riskiert es, der anderen Gesellschaft gegenüber pflichtwidrig zu handeln und dadurch seine dortige Position zu verlieren. (1) Vorüberlegung

Der Grundsatz vom Vorrang des Unternehmens- bzw. GesellschaftsinteressesliO hilft auch hier nur bedingt weiter, denn jeder Dienstherr wird die Bevorzugung seiner eigenen Belange fordern. 1l1 Dazu ist das Ratsmitglied aber objektiv nicht in der Lage, wenn sich die Interessen diametral gegen110 Das Unternehmens- bzw. Gesellschaftsinteresse dient in diesem Fall als Abgrenzungskriterium gegenüber den Interessen anderer Gesellschaften. 111

Darauf weist auch Lutter, ZHR 145 (1981), 224 (239 f.) hin.

5 Steinbock

66

3. Teil: Art und Weise der Überwachung

überstehen. Ebenso versagt der Ausspruch des Bundesgerichtshofs, Interessenkollisionen seien, wenn ein Aufsichtsratsmitglied zwei Gesellschaften angehöre, auch grundsätzlich nicht in dem Sinne entlastend, daß die Pflichterfüllung gegenüber der einen, die Pflichtverletzung gegenüber der anderen Gesellschaft rechtfertigen könne. 112 Beide Aussagen lassen das RatsmiteJ.ied in seiner "Zwangslage" allein und dies obwohl der Gesetzgeber durch die Regelung des § 100 Abs. 2 AktG einen solchen Konflikt offensichtlich akzeptiert hat. Wenngleich der Eintritt des Zwiespalts für das Ratsmitglied i. d. R. vorhersehbar war, so wird man ihm deshalb zumindest einige Entscheidungshilfen an die Hand geben müssen. In der Tat stellt dies keine leichte Aufgabe dar, denn in Anbetracht der Vielschichtigkeit denkbarer Konfliktsituationen ist es unmöglich, eine Patentlösung zu fmden. Das hat viele Autoren dazu bewogen, durch Herausarbeitung typischer Fallkonstellationen verschiedene situationsspezifische Lösungsansätze zu entwickeln. 113 Eine detaillierte Darstellung würde jedoch an dieser Stelle zu weit führen. 114 Stattdessen soll im folgenden der Versuch unternommen werden, anband eines groben Rasters die aufgrund der Einzelfallbetrachtung gewonnenen Erkenntnisse über das richtige Verhalten in Konfliktsituationen darzustellen.

(2) Konflikte mit fremden Interessen Am schwächsten ist der Konflikt in den Fällen, in denen die betreffende Person in ihrer Funktion als Organmitglied einer Gesellschaft tätig wird und dabei nur am Rande die Interessen der anderen Gesellschaft berührt, der es ebenfalls als Organmitglied angehört. Diese Fälle zeichnen sich dadurch aus, daß das Aufsichtsratsmitglied bei objektiver Betrachtungsweise durchaus in der Lage ist, beide POichtbereiche voneinander zu trennen. Die Schwierigkeiten liegen hier ausschließlich im subjektiven Bereich. Das Ratsmitglied ist der anderen Gesellschaft gegenüber in der konkreten Situation zwar zu nichts verpflichtet, fühlt sich aber befangen, weil es gleichwohl bemüht ist, den Interessen des anderen Unternehmens nicht zu

112 BGH, NJW 1980, 1629 (1630); dahingehend auch schon RGZ 165, 68 (82 f.). Ähnlich Mestmäcker, Verwaltung, S. 255. 113 So verfahren namentlich Fisclu:r, In Memoriam Duden (1982), 55 (62 ff.); Luner, ZHR 145 (1981), 224 (231 ff.); Wemer, ZHR 145 (1981), 252 (259 ff.); U1mer, NJW 1980, 1603 (1604 ff.).

114 Diesbezüglich sei auf die ausführliche Darstellung bei Häuser, Interessenkollision, S. 47 ff., verwiesen.

A Allgemeine Verhaltensmaximen

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schaden. lls Diese Art von Konflikten kann - wenigstens teilweise - nach dem Lösungsmuster der soeben behandelten Gruppe entschieden werden. 1l6 Das Aufsichtsratsmitglied hat demnach ausschließlich die Belange derjenigen Gesellschaft zu vertreten, als deren Organ es gerade handelt. Der anderen Gesellschaft gegenüber muß es lediglich das oben beschriebenell7 Mindestmaß an Treue und Loyalität wahren; d. h., es darf weder willkürlich den Interessen der anderen Gesellschaft zuwiderhandeln, noch die dort erlangten Kenntnisse zu deren Nachteil verwerten. Soweit der Geschäftsbereich der anderen Gesellschaft berührt ist, muß das Ratsmitglied darüber hinaus eine organinterne Einflußnahme vermeiden. Eine Stimmenthaltung kommt nur als ultima ratio in Betracht. Abweichungen ergeben sich allerdings hinsichtlich der oben angenommenen OffenbarungspOicht. ll8 Eine Aufdeckung des InteressenkonOikts vor jeder Beschlußfassung kann nämlich nur dann erwartet werden, wenn das Aufsichtsratsmitglied dadurch nicht seine VerschwiegenheitspOicht gegenüber der anderen Gesellschaft verletzt. ll9 In dem Fall muß die Offenbarung als rein prophylaktisches Mittel hinter dem Geheimhaltungsinteresse der anderen Gesellschaft zurücktreten. (3) Konflikte mit fremden Pflichten

Am schwierigsten erweist sich die Behandlung der echten POichtenkollision, die dann vorliegt, wenn das mehrfache Organmitglied in die Situation gerät, die Pflicht aus dem einen Amt nicht erfüllen zu können, ohne eine Pflicht aus dem anderen Amt zu verletzen. l20 Die Gefahr einer solchen llS Zur Verdeutlichung mag folgendes Beispiel dienen: A ist Aufsichtsratsmitglied sowohl der X-AG als auch der Y-AG, zweier Unternehmen der Automobilbranche. Im Aufsichtsrat von X wird über die Schließung eines Tochterunternehmens der X-AG abgestimmt. Dieses Tochterunternehmen ist Zulieferer der Y-AG, welcher durch die Schließung erhebliche wirtschaftliche Nachteile entstehen würden. ll6

Vgl. oben 3. Teil, A, 1., 3., b), aa).

117

Vgl. oben 3. Teil, A., 1., 3., b), aa).

ll8

Vg1. oben 3. Teil, A., 1., 3., b), aa), (1), (c).

ll9

So zutreffend Fischer, In Memoriam Duden (1982), 55 (65 f.).

120

Vgl. etwa den Fall aus der Textilbranche von Württemberg, erstmals erwähnt von

Fischer, ZfHF 1958, 28 (36 f.): A ist Vorstandsmitglied der X-Bank und Mitglied des Aufsichtsrats der W-AG. Letztere hat über Jahre hinweg erhebliche Gewinne erzielt und hält die überschüssigen Gelder mehrere Jahre lang auf einem Girokonto bei der X-Bank. Dazu auch Klug, FS W. Schmidt (1959), 39 (54); Lutter, ZHR 145 (1981), 224 (232, 244 f.); Häuser,

68

3. Teil: Art und Weise der Überwachung

Pflichteokollision ist dann besonders groß, wenn das Ratsmitglied zugleich dem Vertretungsorgan einer anderen Gesellschaft angehört. Sofern sich die Pflichten nicht in Einklang bringen lassen, steht das Ratsmitglied in der Tat vor einer - nicht nur praktisch, sondern auch theoretisch - scheinbar unlösbaren Situation. Dementsprechend werden in der Literatur die verschiedensten Mittel diskutiert, die den Konflikt entweder von vornherein vermeiden oder im nachhinein lösen sollen. (a) Mittel zur Venneidung eines Konflikts

Lutter beispielsweise plädiert für die Einführung spezieller Iokompatibilitätsregeln. 12l "Personen, die in einem Unternehmen dem Aufsichtsrat angehören", dürfen seiner Meinung nach "nicht in den Aufsichtsrat eines anderen Unternehmens gewählt werden, das ... mit ersterem in aktuellem und relevantem Wettbewerb steht".I22 Ein Wahlbeschluß, der diese Regel mißachte, sei anfechtbar; werde der Beschluß nicht angefochten, so begründe die Inkompatibilität zumindest einen wichtigen Grund zur Abberufung des betreffenden Ratsmitglieds. l23 Gleiches müßte dann erst recht für Vorstandsmitglieder gelten, die in den Aufsichtsrat eines konkurrierenden Unternehmens gewählt werden möchten. Der Einführung solcher Inkompatibilitätsregeln wird allerdings mit Recht entgegengehalten, daß sie lediglich zu Abgrenzungsschwierigkeiten führen l24 und dadurch Rechtsunsicherheit entstehe. l25 Demgegenüber erscheint es vorzugswürdig, den Unternehmen selbst die Entscheidung zu überlassen, ob ihnen die Mitgliedschaft der betreffenden Person im Aufsichtsrat so wichtig erscheint, daß sie das Risiko von Interessenkollisionen in Kauf nehmen wollen. Einer gegebenenfalls

Interessenkollision, S. 83 f. 121

Lutter, ZHR 145 (1981), 224 (237 f.)

122 Vgl. Lutter, ZHR 145 (1981), 224 (237), auch zur Bestimmung des BegriffS "relevanter Wettbewerb". Ihm zustimmend Säcker, FS Rebmann (1989), 781 (788), der bei Verstoß gegen eine solche Inkompatibilitätsregel von der Unwirksamkeit der Wahl des Aufsichtsratsmitglieds analog § 250 Abs. 1 Nr. 4 AktG ausgeht. 123

Lutter, ZHR 145 (1981), 224 (237).

124 So Häuser, Interessenkollision, S. 92, nach dessen Auffassung solche Inkompatibilitätsregeln ohnehin praktiziert werden (Häuser, aaO., S. 91 und S. 165 ff.; a. A. wohl Mestmäcker, Verwaltung, S. 241, und Ulmer, NJW 1980, 1603 (1604), der allerdings nur auf Einzelfalle anzuspielen scheint). 125

Wemer, ZHR 145 (1981),252 (269 f.); Dreher, JZ 1990, 896 (898 f.).

A. Allgemeine Verhaltensmaximen

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eintretenden Ptlichtenkollision des Aufsichtsratsmitglieds kann dann immer noch im Einzelfall Rechnung getragen werden. l26 Ebensowenig empfehlenswert ist die Einführung von Berufsaufsichtsräten. Zum einen stünde dies im Widerspruch zu dem vom Gesetzgeber durch § 100 Abs. 2 AktG geschaffenen Bild des Aufsichtsrats. 127 Zum anderen würden die Verflechtungen dadurch umso dichter, da die Anzahl der geeigneten Kandidaten relativ gering ist. Die wenigen in Betracht kommenden Personen wären somit in sehr vielen Aufsichtsräten vertreten. l28 Die einzige Möglichkeit könnte darin bestehen, eine bestimmte Person ausschließlich für den eigenen Aufsichtsrat zu gewinnen. Dies dürfte jedoch nicht nur unbezahlbar,129 sondern die Folgen daraus auch unerwünscht sein. Immerhin sind es nicht zuletzt die Erfahrungen aus den Hauptberufen, die das Ratsmitglied für die Gesellschaft so interessant machen,13O ganz abgesehen von der mitschwingenden Intention, auf diese Weise auch Geschäftsbeziehungen zu pflegen. 131 Folglich erscheint es zumindest zweifelhaft, ob die Zukunft wie Lutter meint132 - tatsächlich dem ·Professional im Aufsichtsrat" gehört. Der Wunsch nach erfahrenen Persönlichkeiten im Aufsichtsrat und die mit einer fortschreitenden Verflechtung verbundenen Schwierigkeiten lenken den Blick auf eine weitere Alternative: die sogenannten "Pensionsaufsichtsräte".133 Obgleich sie über einen breiten Erfahrungsschatz verfügen, geben sie sich unter Umständen mit einem oder einigen wenigen Mandaten zufrieden. Allerdings sind auch die Pensionsaufsichtsräte nicht der Schlüssel zur Lösung des Problems. Erstens erhalten diese Personen nicht mehr die mit dem aktiven Geschäftsleben verbundenen Informationen. l34 Außerdem re-

126

Vgl. unten 3. Teil, A., I., 3., b), bb), (3), (b).

127

So zutreffend Häuser, Interessenkollision, S. 161.

128 Häuser, Interessenkollision, S. 161 f.: Beseitigt wäre lediglich die Konkurrenz zwischen Haupt- und Nebenamt.

129 Die finanzielle Komponente erwähnt auch Häuser, Interessenkollision, S. 162. 130

Vgl. etwa Wemer, ZHR 145 (1981), 252.

131

Ulmer, NJW 1980, 1603 (1604); Häuser, Interessenkollision, S. 163.

132

Lutter, ZHR 145 (1981), 224 (225).

133 Begriff von Häuser, Interessenkollision, S. 162. 134

Häuser, Interessenkollision, S. 164.

3. Teil: Art und Weise der Überwachung

70

präsentieren sie kein dahinterstehendes Unternehmen mehr und eignen sich damit nicht zur Pflege von geschäftlichen Kontakten. 1lS Aufgrund der bisherigen Überlegungen kann folglich festgehalten werden, daß sich die vorgeschlagenen Mittel kaum zur Konfliktvermeidung eignen, weil sie Nebenwirkungen haben, die ebenso unerwünscht sind, wie der Konflikt selbst. So wird man eher Interessen- oder pflichtenkollisionen riskieren, als auf die Anknüpfung oder Pflege von Geschäftsbeziehungen mittels Aufsichtsratsverflechtungen zu verzichten. Es stellt sich also erneut die Frage nach geeigneten Möglichkeiten zur Lösung des Pflichtenwiderstreits. (b) Mittel zur Lösung des Konflikts

(aa) Stimmrechtsausschluß Sofern es um ein Rechtsgeschäft mit einer anderen Gesellschaft oder um die Einleitung oder Erledigung eines Rechtsstreits gegenüber einer Gesellschaft geht, der das Ratsmitglied ebenfalls verpflichtet ist, kommt wiederum ein Stimmrechtsausschluß in Betracht. Bejaht wurde er bereits für die Fälle, in denen das Ratsmitglied in eigener Person betroffen ist. l36 Vorliegend agiert das Aufsichtsratsmitglied jedoch nicht in eigener Person, sondern als Mitglied des Vertretungsorgans einer anderen Gesellschaft. Diese Konstellation erfassen - zumindest vom Wortlaut her - nicht einmal die §§ 34 BGB, 47 Abs. 4 GmbHG, 136 Abs. 1 AktG, 43 Abs. 6 GenG, auf deren Grundgedanken das Stimmverbot für Aufsichtsratsmitglieder immerhin beruht.137 Gleichwohl erscheint ein Stimmverbot auch in diesen Fällen überlegenswert, falls das Ausmaß des Interessenkonflikts mit denjenigen vergleichbar ist, für die bereits ein Stimmrechtsausschluß angenommen wurde. l38 Einen Anhaltspunkt dafür, wann eine vergleichbare, das Stimmverbot rechtfertigende Interessenlage vorliegt, geben zwei Entscheidungen des BGH I39 betreffend die analoge Anwendung des § 47 Abs. 4 Satz 2 GmbHG. Danach schließt die Ablehnung eines allgemeinen Stimmverbots bei Interessenkollisionen nicht aus, die Norm "in bestimmten typischen Fällen sinn-

135

So auch Häuser, Interessenkollision, S. 163.

136

Vgl. oben 3. Teil, A, I., 3., b), aa), (1), (b).

137

Vgl. oben 3. Teil, A, I., 3., aa), (1), (b).

138

Vgl. oben 3. Teil, A, I., 3., aa), (1), (b).

139

BGHZ 68, 107 CC., und BGHZ 97, 28 CC.

A. Allgemeine Verhaltensmaximen

71

gemäß anzuwenden, in denen ein Gesellschafter mit einem als Geschäftsgegner der GmbH in Aussicht genommenen fremden Unternehmen zwar nicht rechtlich identisch, wohl aber wirtschaftlich so stark verbunden ist, daß man sein persönliches Interesse mit dem dieses Unternehmens völlig gleichsetzen kann" .140 Einer derart starken Bindung könnte beispielsweise das Vorstandsmitglied einer AG im Hinblick auf "seine" Gesellschaft unterliegen. Für diese These lassen sich mehrere Gründe anführen. Zum einen unterliegt eine Person in dieser Position einer besonders umfangreichen Pflichtenbindung. Sie schuldet der Gesellschaft grundsätzlich ihre gesamte Arbeitskraft,I41 und je intensiver sich jemand mit einer Materie beschäftigt, desto stärker wird er sich damit identifizieren. Zöllner spricht deshalb zutreffend von einer "UnternehmersteIlung" des Vorstandsmitglieds, aufgrund derer es dem "gleichen psychischen Konflikt unterliegt, wie wenn das Rechtsgeschäft mit ihm selbst zustande käme".142 Darüber hinaus handelt es sich bei der Stellung als Vorstandsmitglied in aller Regel um den Hauptberuf des Betreffenden. Da er diese Existenz kaum zugunsten der nebenamtlichen Aufsichtsratstätigkeit aufs Spiel setzen wird, ist im Konfliktfall eher eine Stimmabgabe zugunsten der anderen Gesellschaft, deren Vertretungsorgan er angehört, zu erwarten. 143 Von einer unbefangenen Stimm abgabe kann also keine Rede sein. Im Gegenteil ist der Konflikt hier fast noch stärker als in den Fällen, in denen ein Rechtsgeschäft mit dem Aufsichtsratsmitglied in eigener Person zur Debatte steht. Dort kann es nämlich im Einzelfall und ohne weitere Nachteile seine eigenen Interessen in den Hintergrund stellen. Hier aber verletzt es auf diese Weise u. U. seine Vorstandspflichten und muß mit entsprechenden negativen Konsequenzen rechnen. Folglich dient ein Stimmrechtsausschluß vorliegend nicht nur dem Schutz der Gesellschaft, sondern genauso dem Schutz des betreffenden Aufsichtsratsmitglieds, Es wird dadurch aus der unangenehmen Situation befreit, sich für eine Pflichtverletzung entscheiden zu müssen.

140 BGHZ 68, 107 (109 f.). 141 Vgl. etwa Hefermehl, in: Geßler/Hefermeh1jEckardt/Kropff, AktG, § 88 Rn. 1. 142 Zöllner, Schranken, S. 281. Zur "Untemehmerstellung" des Vorstands einer AG vgl. auch Kölner Komm.jMenens, AktG, 2. Aufl., § 76 Rn. 10 ff.

143 Weit schwächer ist der Konflikt im Falle der Mitgliedschaft in zwei Aufsichtsräten. Dort kann das Ratsmitglied zumindest objektiv die beiden Pflichtbereiche trennen (vgl. oben 3. Teil, A., I., 3., b), bb), (1)). Ein Stimmverbot ist deshalb auch dann nicht erforderlich, wenn die Beschlußfassung ein Rechtsgeschäft mit einer Gesellschaft betrifft, deren Aufsichtsrat die betreffende Person ebenfalls angehört.

72

3. Teil: Art und Weise der ÜbeIW8chung

Ein weiteres gewichtiges Argument für die Annahme eines Stimmverbotes ergibt sich aus dem Aktiengesetz selbst: § 115 Abs. 1 AktG ordnet an, daß die Gesellschaft ihren Aufsichtsratsmitgliedern nur mit Einwilligung des Aufsichtsrats Kredit gewähren darf. Gemäß § 115 Abs. 3 AktG bedarf allerdings nicht nur eine Kreditgewährung der Gesellschaft an Aufsichtsratsmitglieder selbst der Einwilligung des Aufsichtsrats, sondern ebenso die Kreditgewährung an eine juristische Person, deren gesetzlicher Vertreter das Aufsichtsratsmitglied ist. l44 Der Gesetzgeber ist demnach davon ausgegangen, das Aufsichtsratsmitglied werde sich für einen Kredit an die juristische Person, deren Vertretungsorgan es angehört, in gleicher Weise beim Vorstand einsetzen und dabei notfalls in gleichem Maße seine Stellung im Aufsichtsrat benutzen, als wenn es um eine Kreditgewährung an sich selbst ginge. Diese gesetzgeberische Wertung, übertragen auf den vorliegenden Fall, bestätigt, was die bisherigen Überlegungen ergeben haben: Das Aufsichtsratsmitglied wird sich eher für die Gesellschaft einsetzen, deren Geschäfte es zu führen hat, als sich an den Interessen derjenigen Gesellschaft zu orientieren, in deren Aufsichtsrat es tätig wird. Es ist deshalb auch dann einem Stimmrechtsausschluß zu unterwerfen, wenn es an dem zur Abstimmung stehenden Rechtsgeschäft nicht in eigener Person, sondern als Mitglied des Vertretungsorgans einer anderen Gesellschaft beteiligt iSt.145 (bb) Andere Mittel Des weiteren wird man dem Aufsichtsratsmitglied bei Pflichtenkollisionen ein größeres Maß an Stimmenthaltungen zubilligen können als im Falle der einfachen Interessenkollision. Angesichts der geringen Frequenz von Pflichtenkollisionen droht der Effektivität der Aufsichtsratsarbeit dadurch keine Gefahr. Der Gesellschaft gegenüber stellt eine so motivierte Stimmenthaltung keine Pflichtverletzung dar, denn immerhin hat die Hauptversammlung durch die Wahl der betreffenden Person einen eventuellen Konflikt bewußt

144

Auf § 115 AktG berufen sich ebenfalls Meyer-Giesow, Stimmverbote, S. 154, und Matt-

hießen, Stimmrecht, S. 338 ff.

145 Ebenso Giesen, Organhandeln, S. 116; Meyer-Giesow, Stimmverbote, S. 152 ff.; Ulmer, NJW 1980, 1603 (1605); Meilicke, PS W. Schmidt (1959), 71 (85); Redding, NJW 1956, 48 (59); Engfer, Ausschluß, S. 44; Matthießen, Stimmrecht, S. 338 ff.; Dreher, JZ 1990, 896 (901 f.); unklar BaumbachjHueck, AktG, § 108 Rn. 4; a. A. Sch1egelberger/Quassowski, AktG 1937, § 92 Rn. 21; Geßler, in: GeßlerjHefermehljEckardtjKropff, AktG, § 108 Rn. 29; Zöllner, Schranken, S. 281.

A. Allgemeine Verhaltensmaximen

73

in Kauf genommen. l46 Folglich muß die Gesellschaft in kritischen Situationen wie diesen auch die damit verbundenen Nachteile akzeptieren, indem sie ausnahmsweise auf die aktive Mitarbeit des betreffenden Aufsichtsratsmitglieds verzichtet. Allerdings gilt dies nur, wenn die Hauptversammlung die den Konflikt begründenden Umstände tatsächlich bereits im Moment der Einstellung kannte, soweit also diese Umstände schon zum damaligen Zeitpunkt vorlagen. Deshalb ist das Organmitglied lediglich dann von seiner Stimm pflicht befreit, wenn es vor Annahme seines Amtes sicherheitshalber ausdrücklich auf seine anderweitige Pflichtenbindung hingewiesen hat. 147 War der mögliche Konflikt zum Zeitpunkt der Amtsannahme noch nicht ersichtlich, so muß das Aufsichtsratsmitglied die Hauptversammlung unverzüglich über die veränderte Situation in Kenntnis setzen. Unter diesen Bedingungen können die Aktionäre frei entscheiden, ob sie das Ratsmitglied seines Amtes entheben oder das Risiko einer Interessen- oder Pflichtenkollision eingehen wollen. Sobald sich hingegen abzeichnet, daß der Konflikt nicht nur vorübergehender Natur, sondern von Dauer ist, trifft das Ratsmitglied die Pflicht, sein Amt niederzulegen. l48 Zwar fungiert die Amtsniederlegung als absolute ·ultima ratio" aller Konfliktlösungsmittel, 149 aber unter den gegebenen Voraussetzungen ist die betreffende Person für die Arbeit im Aufsichtsrat ungeeignet, da wohl ausnahmsweise, nicht aber ständig auf seine Mitwirkung verzichtet werden kann. ISO Von welchem Amt das Aufsichtsratsmitglied zurücktritt, bleibt ihm hingegen selbst überlassenjl51 wichtig ist allein die möglichst schnelle Beseitigung des für alle Beteiligten untragbaren Zustandes.

146 Auf diese bewußte Inkaufnahme weisen auch der Diskussionsbericht, ZHR 145 (1981), 271, und Häuser, Interessenkollision, S. 92, hin. 147 Für eine solche Aufklärungspflicht auch Häuser, Interessenkollision, S. 91 f. 148 Ebenso Lutter, ZHR 145 (1981), 224 (246), für den Fall eines "schwerwiegenden Grundkonflikts"; ähnlich Dreher, JZ 1990, 896 (902); Baumbach/Hueck, AktG, § 111 Rn. 4; Großkomm./Meyer-Landrut, AktG, § 111 Anm. 5; Fischer, In Memoriam Duden (1982), 55 (66). 149 So vor allem Häuser, Interessenkollision, S. 158, der mit Nachdruck auf die mit einer Amtsniederlegung verbundenen Nachteile hinweist. Vgl. auch Hirte, EWiR § 103 AktG 1/90, S. 115, zur Frage der Abberufung bei Vorliegen eines Interessenkonflikts. ISO So zutreffend Fischer, In Memoriam Duden (1982), 55 (66). Vgl. auch OLG Hamburg, Er 1990, 269 ff., das einen unüberbrückbaren Konflikt in der Person des Aufsichtsratsmitglieds zumindest dann als wichtigen Grund zur Abberufung gem. § 103 Abs. 3 AktG qualifiziert hat, "wenn dadurch das Organmitglied einem Interessenwiderstreit ausgesetzt ist, der die konkrete Befürchtung eines Handeins zum Nachteil der Gesellschaft auslöst" (aaO., S. 272). 151

Lutter, ZHR 145 (1981), 224 (246).

74

3. Teil: Art und Weise der Überwachung

(4) Ergebnis zu bb)

Sofern das Aufsichtsratsmitglied in Konflikt mit Interessen oder Pflichten aus einem anderen Vorstands- oder Aufsichtsratsamt gerät, hängt die Wahl des Instrumentariums davon ab, ob nur eine oder beide Organfunktionen unmittelbar betroffen sind. Ersteres trifft dann zu, wenn das Aufsichtsratsmitglied in seiner Funktion als Organmitglied einer Gesellschaft handelt und die Interessen der anderen Gesellschaft, der es ebenfalls als Organmitglied angehört, nur am Rande berührt werden. In dem Fall hat sich das Aufsichtsratsmitglied ausschließlich an den Interessen derjenigen Gesellschaft zu orientieren, als deren Organ es gerade tätig wird. Den Interessen der anderen Gesellschaft darf es dabei nicht willkürlich zuwiderhandeln, keine dort erlangten Kenntnisse zu deren Nachteil verwerten und seine dortige Organstellung nicht mißbrauchen. Zur Offenbarung des Interessenkonflikts vor einer Beschlußfassung ist das Aufsichtsratsmitglied nur dann verpflichtet, wenn es dadurch nicht seine Verschwiegenheitspflicht gegenüber der anderen Gesellschaft verletzt. Kann das Ratsmitglied dagegen die Pflichten aus dem einen Amt nicht erfüllen, ohne Pflichten aus einem anderen Amt zu verletzen, so bedarf es anderer Mittel zur Lösung des Konflikts. Zum einen unterliegt das Aufsichtsratsmitglied einem Stimmverbot, sofern es über ein Rechtsgeschäft abstimmen soll, an dem es als Vertreter einer anderen Gesellschaft beteiligt ist. Das gleiche gilt, wenn die Beschlußfassung die Einleitung oder Erledigung eines Rechtsstreits gegenüber einer Gesellschaft betrifft, deren Vertretungsorgan das Ratsmitglied angehört. Denn in diesen Fällen kann von ihm ebensowenig eine an sachgerechten Kriterien orientierte Stimmabgabe erwartet werden wie in den Fällen der persönlichen Betroffenheit. Darüber hinaus darf sich das Aufsichtsratsmitglied in kritischen Situationen der Stimme enthalten. Die Stimmenthaltung stellt allerdings nur unter bestimmten Bedingungen keine Pflichtverletzung gegenüber der Gesellschaft dar: Lag der Konflikt schon im Augenblick der Einstellung vor, so muß die Gesellschaft bereits zu diesem Zeitpunkt davon gewußt haben; ergab der Konflikt sich erst im nachhinein, so muß das Ratsmitglied die Gesellschaft unverzüglich davon in Kenntnis gesetzt haben. Sobald sich hingegen abzeichnet, daß der Konflikt längere Zeit andauern wird, ist das Ratsmitglied verpflichtet, sein Amt niederzulegen. Die Einführung spezieller Inkompatibilitätsregeln ist demgegenüber aufgrund der damit verbundenen Abgrenzungsschwierigkeiten nicht zu befürworten. Ebensowenig empfiehlt sich die Wahl von Pensions- oder Berufsaufsichtsräten.

75

A. Allgemeine Verhaltensmaximen

11. Gemeinwohl Als Richtschnur für das Verhalten der Aufsichtsratsmitglieder kommt des weiteren eine Orientierung am Gemeinwohl in Betracht.

1. Abgrenzung Der Begriff allein wirft allerdings schon erhebliche Probleme auf. So läßt sich bislang keine klare Linie im Hinblick auf die Frage erkennen, welche Interessen unter den Begriff "Gemeinwohl", bzw. "Allgemeininteresse" oder auch "öffentliches Interesse" zu subsumieren sind, und dies obwohl die Literatur zu diesen Begriffen unüberschaubar iSt. 1S2 An dieser Stelle soU nicht der Versuch unternommen werden, den unzähligen Definitionsversuchen einen weiteren hinzuzufügen. Der Begriff des Gemeinwohls soll hier vielmehr in Abgrenzung zum Unternehmensinteresse gesehen werden. l53 Letzteres hat sich als das Ergebnis einer Abwägung der unmittelbar am Unternehmen beteiligten Gruppen, d. h. der Anteilseigner und der Arbeitnehmer, erwiesen!54 Um Überschneidungen zu vermeiden, gilt es nunmehr zu prüfen, ob der Aufsichtsrat verpflichtet ist, solche Interessen zu wahren, die von außen auf das Unternehmen gerichtet sind. Genannt seien hier nur die volkswirtschaftlicheniSS und politischen Interessen der Allgemeinheit oder das Interesse der Allgemeinheit an einer intakten Umwelt!S6

2. Bedeutung als Verhaltensmaxime Das heute geltende Aktiengesetz sieht allerdings weder eine Gemeinwohlbindung des Aufsichtsrats, noch eine Gemeinwohlbindung des Vorstands vor. Anders verfuhr noch das Aktiengesetz von 1937, zumindest im Hinblick IS2 Vgl. etwa die Nachweise bei Zöllner, Schranken, S.53. Ebenso Jürgenmeyer, Unternehmensinteresse, S. 65. Vgl. auch Raisch, FS Hefermehl (1976), 347 (353 ff.).

153 Anders verf"lihrt namentlich Zöllner, Schranken, S. 77 f., der das Unternehmensinteresse als Teilbereich der Allgemeininteressen begreift.

154 Vg1. oben, 1. Teil, A., 1., 1. ISS Vgl. dazu insbesondere Zöllner, Schranken, S. 53 ff.; Raisch, FS Hefermehl (1976), 347 (353 ff.).

1S6 Vgl. auch den Bericht der Unternehmensrechtskommission,

Rn. 524.

76

3. Teil: Art und Weise der Überwachung

auf den Vorstand. Es ordnete in seinem § 70 an, daß er "die Gesellschaft unter eigener Verantwortung so zu leiten" habe, "wie das Wohl des Betriebs und seiner Gefolgschaft und der allgemeine Nutzen von Volk und Reich es erfordern". § 76 Abs. 1 AktG 1965 besagt demgegenüber lapidar: "Der Vorstand hat unter eigener Verantwortung die Gesellschaft zu leiten. " Angesichts dieser Gesetzesänderung stellt sich die Frage, ob die Gemeinwohlbindung des Vorstands damit endgültig aufgehoben ist, oder ob sie dennoch weitergilt und darüber hinaus ebenso auf den Aufsichtsrat Anwendung findet. In der Begründung des Regierungsentwurfs zum Aktiengesetz 1965 heißt es, die Berücksichtigung des Allgemeinwohls durch den Vorstand verstehe sich von selbst und brauche deshalb nicht ausdrücklich im Gesetz bestimmt zu werden. 157 Woraus sich diese angeblich selbstverständliche Gemeinwohlbindung ergibt, wird hingegen nicht erwähnt. Aus dem Bericht des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestages geht hervor, daß in den Ausschüssen beantragt wurde, vor § 76 AktG 1965 einen § 75 a einzufügen. Danach sollte nicht nur der Vorstand, sondern die "Gesellschaft" und damit auch der Aufsichtsrat als deren Organ "das Unternehmen unter Berücksichtigung des Wohls seiner Arbeitnehmer, der Aktionäre und der Allgemeinheit ... betreiben".lss Die Ausschußmitglieder fürchteten nämlich, die Gesetzesänderung könnte dahingehend ausgelegt werden, daß der Vorstand nicht mehr wie bisher das Allgemeininteresse zu beachten habe. l.59 Im übrigen sei die Pflicht der Gesellschaft, des Vorstands und des Aufsichtsrats, auch das öffentliche Interesse zu berücksichtigen, so bedeutend, "daß es nicht angehe, ihn (scil.: diesen Grundsatz) nur stillschweigend zu unterstellen".I60 Die Mehrheit in den Ausschüssen war allerdings der Meinung, die Gemeinwohlbindung der Gesellschaft ergebe sich bereits aus § 396 AktG. 161 Deshalb habe die geforderte Vorschrift keine eigene Bedeutung. Im Gegenteil entstehe durch die

157

Begr. RegE. bei Kropff, AktG, S. 97.

ISS

Vgl. den Ausschußbericht bei Kropff, AktG, S. 97.

1.59

Ausschußbericht bei Kropff, AktG, S. 97.

160 So der Ausschußbericht zu § 76 AktG 1965 bei Kropff, AktG, S. 97 f. 161 Vgl. den Ausschußbericht bei Kropff, AktG, S. 97. Ebenso Godin/Wlihelmi, AktG, § 76 Anm. 5; BaumbachjHueck, AktG, § 76 Rn. 1, der auf die Äußerungen der Parteien in den Beratungen verweist. § 396 Abs. 1 Satz 1 AktG lautet: "Gefährdet eine Aktiengesellschaft oder Kommanditgesellschaft auf Aktien durch gesetzwidriges Verhalten ihrer Verwaltungsträger das Gemeinwohl und sorgen der Aufsichtsrat und die Hauptversammlung nicht für eine Abberufung der Verwaltungsträger, so kann die Gesellschaft auf Antrag der obersten Landesbehörde des Landes, in dem die Gesellschaft ihren Sitz hat, durch Urteil aufgelöst werden."

A Allgemeine Verhaltensmaximen

77

Einführung einer solchen Norm lediglich die Gefahr, daß aus der Reihenfolge der Aufzählung der Schluß auf eine bestimmte Rangfolge in der Bedeutung gezogen werde. l62 Ob sich aus § 396 AktG tatsächlich eine Gemeinwohlbindung der Gesellschaft ergibt, erscheint jedoch sehr zweifelhaft, denn die Auflösung der Gesellschaft gemäß § 396 Abs. 1 AktG kommt nur bei einer Gefährdung des Gemeinwohls durch "gesetzwidriges Verhalten" in Betracht. Gesichert ist durch diese Norm also nur die Berücksichtigung derjenigen Allgemeininteressen, die bereits durch andere Gesetze geschützt sind. l63 Die Wabrung des Gemeinwohls als allgemeine Verhaltensmaxime, d. h. auch innerhalb des geltenden Rechts, ist der Regelung des § 396 AktG demnach nicht zu entnehmen. Raisch l64 führt die Fortgeltung der Gemeinwohlbindung von Vorstand und Aufsichtsrat auf die geschichtliche Entwicklung der Aktiengesellschaft zurück. Bis 1870 sei die Berücksichtigung staatlicher Interessen durch das Konzessionssystem, später dann durch den Aufsichtsrat als Kontrollorgan gewährleistet worden. 1M Mit der "formellen Entthronung" des Aufsichtsrats l66 sei es dann zu einer Einführung der Gemeinwohlbindung auch des Vorstands als Korrelat zu dessen Eigenverantwortlichkeit gekommen. 167 Daran habe sich auch durch das Fehlen der Gemeinwohlklausel in § 76 AktG 1965 nichts geändert. l68 Diese Auffassung stößt jedoch auf erhebliche Bedenken, denn zu recht wird darauf hingewiesen, daß der Gesetzgeber seinen Willen zur Änderung kaum deutlicher zum Ausdruck bringen kann als durch ersatzloses Streichen einer Rechtsnorm oder eines Rechtsnormteils. 1@

Zustimmung verdienen deshalb diejenigen Stimmen, die eine Gemeinwohlbindung der Gesellschaft - und damit auch der Organe - aus der Ver-

162

Ausschußbericht bei Kropf!, AktG, S. 98.

163

Vgl. Ritmer, FS Geßler (1971), 139 (143 f.).

164

Raisch, FS Hefermehl (1976), 347 ff.

1M

Raisch, FS Hefermehl (1976), 347 (351).

166 Raisch, FS Hefermehl (1976), 347 (352). Durch die Aufhebung der statutarischen Gestaltungsfreiheit (vgl. § 23 Abs. 5 AktG) ist der Aufsichtsrat zwingend von der Geschäftsführung der Gesellschaft ausgeschlossen worden und fungiert nunmehr ausschließlich als Kontrollorgan. 167

Raisch, FS Hefermehl (1976), 347 (352).

168

Raisch, FS Hefermehl (1976), 347 (353).

1@ Rittner, FS Geßler (1971), 139 (142). Auch Raiser, Verantwortlichkeit, S.4O, hält eine solche Interpretation zumindest für möglich.

78

3. Teil: Art und Weise der Überwachung

fassung, insbesondere aus Art. 14 GG ableiten.1'lO Da Art. 14 GG auch das Eigentum der Anteilseigner und der Unternehmensträger erfaßt,l7l unterliegt die Aktiengesellschaft den dort vorgesehenen Beschränkungen. Von einer Gemeinwohlbindung kann demnach zumindest insoweit gesprochen werden, als die Organe zur Wahrung derjenigen Allgemeininteressen verpflichtet sind, deren Schutz durch Gesetze gewährleistet ist.172 Die Annahme einer darüber hinausgehenden Pflicht der Organe zur Verfolgung des Gemeinwohls ist demgegenüber abzulehnen.l7l Zwar wird zum Teil vertreten, der Vorstand174 verletze seine Pflicht gegenüber der Aktiengesellschaft nicht und mache sich damit auch nicht schadensersatzpflichtig, wenn er eine Maßnahme vornehme, die Kosten hervorrufe und damit gewinnmindernd wirke, "falls er diese Maßnahme aus sozialen Gründen oder im Allgemeininteresse für berechtigt halten durfte".I7S Diese Ansicht fmdet jedoch keine Grundlage im Gesetz,176 denn sie verdreht die durch Art. 14 GG gesetzten Prämissen. Nicht mehr das Eigentum stünde dann im Mittelpunkt, sondern die Sozialbindung, begrenzt durch die Eigentümerinteressen. Unabhängig davon dürfte die in Art. 14 Abs. 2 Satz 2 GG zum Ausdruck kommende Sozialbindung ohnehin keine Pflicht der Organe zur Wahrung

170 Großkomm./Meyer-Landrut, AktG, § 76 Anm. 9; Schilling, FS Geßler (1971), 159 (168), indem er auf die Sozialbindung der Aktiengesellschaft verweist; Rittner, FS Geßler (1971), 139 (146); Ballerstedt, JZ 1951, 486 (491); Würdinger, Aktienrecht, 3. Aufl., S. 113; Raiser, Kapitalgesellschaften, S. 69; Kölner Komm./Mertens, AktG, 2. Aufl., § 76 Rn. 32, der die Gemeinwohlklausel des § 70 AktG 1937 als besondere Ausprägung des in Art. 14 Abs. 2 GG statuierten Grundsatzes der Sozialpflichtigkeit des Eigentums ansieht. Sie sei damit auch dem jetzigen Aktiengesetz immanent. Dahingehend auch BVerfGE 14, 262 (282).

171 BVerfGE 50, 290 (341). 172 So zutreffend Großkomm./Meyer-Landrut, AktG, § 76 Anm. 9; Kölner Komm./Mmens, AktG, 2. Aufl., § 76 Rn. 32; Semler, Überwachungsaufgabe, S. 63 f.; Rittner, FS Geßler (1971), 139 (147).

l7l

So auch Semler, Überwachungsaufgabe, S. 64; Rittner, FS Geßler (1971), 139 (147).

174 Gleiches könnte dann für den Aufsichtsrat gelten. 175 BaumbachjHueck, AktG, § 76 Rn. 1. Zustimmend Hefermehl, in: Geßler/HefermehIjEckardt/Kropff, AktG, § 76 Rn. 27, solange der Vorstand die Leitung des Unternehmens nicht "einseitig auf die Verfolgung öffentlicher Interessen" ausrichte. Ähnlich Raisch, FS Hefermehl (1976), 347 (352), allerdings nur unter der Voraussetzung, daß der Vorstand "die Schranke der Kapitalerhaltung als Minimum des Rentabilitätsziels beachtet". Zu weitgehend auch Großkomm./Meyer-Landrut, AktG, § 76 Anm. 9, nach dessen Auffassung die Allgemeininteressen Vorrang vor allen anderen Interessen haben. GodinjWilhelmi, AktG, § 76 Anm. 6, spricht von einer Gleichwertigkeit der Interessen.

176 Dahingehend auch Rittner, FS Geßler (1971), 139 (149).

A. Allgemeine Verhaltensmaximen

79

der Allgemeininteressen über den gesetzlichen Rahmen hinaus begründen. Vielmehr ist eine allein auf Art. 14 Abs. 2 Satz 2 GG basierende Gemeinwohlbindung eher als "rechtlich unverbindlicher Appell"177 oder als "Rechtspflicht ohne Sanktion ,,178 zu verstehen:79 Die Wertung des Art. 14 Abs. 2 Satz 2 GG führt lediglich dazu, daß dem Vorstand gewinnmindernde Maßnahmen der Allgemeinheit insoweit nicht als Pflichtverletzung gegenüber der Gesellschaft vorgeworfen werden können, als sie in einem angemessenen Verhältnis zur Vermögensentwicklung des Unternehmens stehen und letztlich dessen langfristigem Interesse entsprechen. IBO So wird beispielsweise ein dem Gemeinwohl dienendes Vorgehen - etwa im Bereich des Umweltschutzes - dem Unternehmen insofern zugute kommen, als es sein Ansehen in der Öffentlichkeit verbessert, was wiederum langfristig ZU einer Absatzsteigerung führen kann. 181 Rügt der Aufsichtsrat ein solches Vorgehen nicht, so handelt er dementsprechend ebenfalls nicht pflichtwidrig.

3. Ergebnis und Wertung Die Untersuchung hat ergeben, daß die den Vorstand und den Aufsichtsrat einer Aktiengesellschaft treffende Gemeinwohlbindung Ausfluß der Sozialbindung des Eigentums nach Art. 14 GG ist. Damit obliegt den Organen zum einen die Pflicht, Gesetze zum Schutze der Allgemeinheit zu wahren. Im gesetzesfreien Bereich sind die Organe dagegen nicht zur Verfolgung des Allgemeinwohls verpflichtet. Die in Art. 14 Abs. 2 GG getroffene Grundaussage führt lediglich dazu, daß Vorstand und Aufsichtsrat nicht ihre Pflichten verletzen, soweit sie sich bemühen, die Interessen der Allgemeinheit zu fördern, ohne dabei den Unternehmenserfolg zu vernachlässigen.

177 So Westermann, Freundesg. Vits (1963), 251 (266), für die in § 70 AktG 1937 vorgesehene Gemeinwohlbindung. 178

Rittner, PS Geßler (1971), 139 (146 f.).

179 Westennann, Freundesg. Vits (1963), 251 (264), weist zu Recht darauf hin, daß es eines gesetzgeberischen Aktes bedarf, wenn die in Art. 14 GG begründete allgemeine Sozialpflichtigkeit ·zu speziellen Pflichten konkretisiert werden soll".

IBO So zutreffend Kölner Komm.jMmens, AktG, 2. Aufl., § 76 Rn. 32 f.; Semler, Überwachungsaufgabe, S. 65. Im Ergebnis ähnlich, allerdings zu wenig differenzierend Leo, AG

1960, 261 (262).

181 Weitere Beispiele werden von Mmens, Kölner Komm., AktG, 2. Aufl., § 76 Rn. 32 f. geSChildert. Vgl. darüber hinaus auch Hefermehl, in: GeßlerjHefermeh1jEckardtjKropff, AktG, § 76 Rn. 27.

80

3. Teil: Art und Weise der Überwachung

Als Verhaltensmaxime für Aufsichtsratsmitglieder dürfte die Gemeinwohlbindung damit wenig hilfreich sein, denn eine Verpflichtung der Organe zur Beachtung des geltenden Rechts versteht sich von selbst.

B. Die Überwachungspflicht im besonderen Im Anschluß an die Untersuchung allgemeiner Verhaltensmaximen für Aufsichtsratsmitglieder gilt es nunmehr, die Überwachungspfllcht in ihren verschiedenen Ausprägungen detailliert zu bestimmen.

J. Die Überwachung gemäß § 111 Abs. 1 AktG Gemäß § 111 Abs. 1 AktG hat der Aufsichtsrat "die Geschäftsführung zu überwachen". Weder Umfang noch Inhalt der Überwachung des Vorstands durch den Aufsichtsrat lassen sich dieser Regelung entnehmen. l82 Der Grund ist darin zu suchen, daß sich die von Unternehmen zu Unternehmen und von Zeit zu Zeit wechselnden Anforderungen an den Aufsichtsrat nicht einheitlich normieren lassen. l83 Daraus darf jedoch keineswegs der Schluß gezogen werden, es läge ausschließlich im Ermessen des Aufsichtsrats, wie er die Überwachung der Geschäftsführung gestaltet. l84 Sein Verhalten muß vielmehr den Sorgfaltsanforderungen entsprechen, die an einen ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiter zu stellen sind. Zwar lassen sich auch diese Anforderungen kaum vereinheitlichen; man wird aber zumindest verschiedene Verhaltensmaximen herausarbeiten können, die dem Aufsichtsrat als Orientierungshilfe dienen, ohne gleichzeitig dem Anspruch der Allgemeingültigkeit genügen zu müssen. 1. Beschränkung der Überwachung auf bestimmte Maßnahmen

Zunächst ist zu überlegen, ob der Aufsichtsrat als "Schatten der Geschäftsführung" ganz allgemein sämtliche Maßnahmen des Vorstands zu

182

Vgl. Geßler, in: Geßler/HefermehI/Eckardt/Kropff, AktG, § 111 Rn. 7.

183 SemIer, BFuP 1977,519 ff. Vgl. auch Prühs, AG 1970,347 (349), der allerdings zutreffend § 171 Abs. 1 AktG als Ausnahme nennt. 184

dung.

Biener, BFuP 1977,489 (491), allerdings mit einer z. T. wenig überzeugenden Begrün-

B. Die Übctwachungspflicht im besonderen

81

überwachen hat oder ob ihm lediglich die Überwachung bestimmter Maßnahmen obliegt. Als Anknüpfungspunkt für eine Begrenzung des Überwachungsfeldes des Aufsichtsrats könnte der Wortlaut des § 76 Abs. 1 AktG dienen. Danach hat der Vorstand die Gesellschaft zu "leiten". Dem Aufsichtsrat obliegt demgegenüber nach § 111 Abs. 1 AktG die Überwachung der "Geschäftsführung". Verschiedene Stimmen in der Literatur vertreten die Auffassung, der Begriff der "Geschäftsleitung" sei weiter auszulegen als der Begriff der "Geschäftsführung".l&5 Da § 111 Abs. 1 AktG lediglich die Überwachung der "Geschäftsführung" anordnet, käme man konsequenterweise zu dem Ergebnis, daß nicht alle Maßnahmen des Vorstands der Überwachung des Aufsichtsrats unterliegen. Einige Autoren versuchen dieses Ergebnis zu vermeiden, indem sie § 111 Abs. 1 AktG modiftzieren: Die Vorschrift sei dahingehend auszulegen, daß der Aufsichtsrat die "Geschäftsleitung" zu überwachen habe. l86 Zustimmung verdient dagegen die Meinung, welche die "Geschäftsleitung" mit der "Geschäftsführung" gleichsetzt. 187 Allein diese Sichtweise entspricht der Praxis des Gesetzgebers, beide Begriffe beliebig gegeneinander auszutauschen. So spricht § 77 Abs. 1 AktG von "Geschäftsführung", obwohl die Vorschrift eindeutig § 76 Abs. 1 AktG ergänzt, der dem Vorstand die "Geschäftsleitung" zuweist. l88 Aufgrund der begrifflichen Differenzierung ergibt sich demnach keine Einschränkung des Überwachungsbereichs. Gleichwohl wird man eine Pflicht zur Überwachung jeder einzelnen Geschäftsführungsmaßnahme nicht annehmen können. Für eine Beschränkung der zu überwachenden Maßnahmen spricht schon die 1937 vorgenommene Gesetzesänderung. Bis dahin hieß es: "Der Aufsichtsrat hat den Vorstand bei seiner Geschäftsführung zu überwachen", und zwar "in allen Zweigen

1&5 So Großkomm./Meyer-Landrut, AktG, § 76 Anm. 2 mit ausführlicher Argumentation; Dose, Rechtsstellung, S. 96; a. A. Würdinger, Aktienrccht, 4. Aufl., S. 119, der umgekehrt die Leitung als Teilbereich der Geschäftsführung betrachtet. 186

Dose, Rechtsstellung, S. 96.

187 Lippen, Übetwachungspflicht, S. 27; Geß/er, in: Geßler/HefermehI/Eckardt/Kropff, AktG, § 111 Rn. 12; Sem/er, Übetwachungsaufgabe, S. 7 ff., mit ausführlicher Begründung; dahingehend auch Hefermehl, in: Geßler/HefermehI/Eckardt/Kropff, AktG, § 76 Rn. 10, sofern man die Geschäftsführung nicht auf die Verwaltung beschränke, sondern im weitesten Sinne verstehe.

188 Vgi. darüber hinaus die §§ 82 Abs. 2,93 Abs. 1 AktG. Ausführlich dazu Sem/er, Überwachungsaufgabe, S. 7 ff., mit weiteren Beispielen. 6 Steinbcck

82

3. Teil: Art und Weise der Überwachung

der Verwaltung".I89 § 38 Abs. 1 GenG lautet noch immer so. In § 111 Abs. 1 AktG fehlt hingegen der Passus "in allen Zweigen der Verwaltung". Folglich kann eine so umfassende Überwachung nicht mehr beabsichtigt sein. l90 Sie wäre - zumindest in größeren Unternehmen - auch gar nicht zu realisieren,191 denn das Aufsichtsratsamt ist ein reines Nebenamt. Es erlaubt den Amtsträgern gerade nicht, als "Schatten des Vorstands" jeden seiner Schritte zu beobachten. 192 Darüber hinaus ließe sich eine totale Überwachung nicht mit der in § 76 Abs. 1 AktG festgeschriebenen Leitungsautonomie des Vorstands in Einklang bringen. l93 Zwar wäre der Vorstand theoretisch auch dann immer noch frei in seinen Entscheidungen, faktisch könnte er sich hingegen nicht mehr frei entfalten. Er würde vielmehr auf jede Art von risikoträchtigen Experimenten verzichten, weil er nicht die Gelegenheit hätte, kleinere Mißerfolge unbemerkt wiedergutzumachen, sondern unverzüglich bloßgestellt und der Kritik des überwachenden Organs ausgesetzt wäre. Solche Experimente - gleichgültig, ob sie erfolgreich sind oder nicht - bringen jedoch wichtige Erfahrungen und sind deshalb für ein fortschrittliches Management unerläßlich. Zumindest aber würde eine zu dichte Überwachung die Entscheidungsfreudigkeit des Vorstands erheblich herabsetzen. l94 Das wird auch der Gesetzgeber bei der Schaffung des § 76 Abs. 1 AktG im Sinn gehabt haben. Als Zwischenergebnis ist demnach festzuhalten, daß der Vorstand nicht einer totalen Überwachung durch den Aufsichtsrat unterliegt. 2. Schwerpunkte der Überwachung

Mit der Ablehnung einer totalen Überwachung des Vorstands wird die Frage aufgeworfen, wo die Schwerpunkte der Überwachung liegen.

189 Vgl. noch § 246 HGB (1884 bis 1937). 190

Vgl. Biener, BFuP 1977,489 (490 f). Ebenso Semler, Überwachungsaufgabe, S. 17.

191 Vgl. schon Ralhenau, Vom Aktienwesen, S. 13 f.; Schlegelberger/Quassowski, AktG 1937, § 95 Rn. 6; ebenso Hülfer, ZGR 1980, 321 (339) für den Aufsichtsrat einer Publikums-KG. 192 Vgl. Baumbach/Hueck, AktG, § 111 Rn. 5; Fischer, In Memoriam Duden (1982), 55 (60). Lutter, Information, S. 29, weist zudem darauf hin, daß der Gesetzgeber offensichtlich davon ausgegangen sei, die Aufgaben des Aufsichtsrats könnten grundsätzlich in vier Sitzungen jährlich erfüllt werden (§ 110 Abs. 3 AktG); ebenso Semler, ZGR 1983, 1 (16 C.).

193

Luller/Krieger, Rechte, S. 32 C.

194

Baltzer, Krisenerkennung, S. 124.

B. Die Überwachungspflicht im besonderen

83

Vielfach wird das Überwachungsfeld generalklauselartig abgegrenzt. Bienerl9S beispielsweise vertritt die Auffassung, die Überwachung beziehe sich auf "die Geschäftsführungsmaßnahmen, denen erhebliche Bedeutung zukomme oder die wegen der besonderen Verhältnisse des Unternehmens im Einzelfall von Wichtigkeit seien".I96 Andere bestimmen das Überwachungsfeld danach, was man dem Aufsichtsrat als ordentlichem und gewissenhaftem Geschäftsleiter (§§ 116, 93 AktG) unter Abwägung aller Umstände verständigerweise zumuten kann. l97 Solche Formulierungen sind jedoch aufgrund ihrer Pauschalität nicht geeignet, als Maßstab zur Bestimmung des Mindestüberwachungsbereichs zu dienen. Den Vorzug verdienen vielmehr diejenigen Stimmen, die § 90 Abs. 1 AktG als Orientierungsmaßstab zur Bestimmung der Überwachungsschwerpunkte heranziehen. l98 Für diese Vorgehensweise spricht zum einen die Absicht des Gesetzgebers, durch die Anordnung der Vorstandsberichte zu verhindern, daß sich ein Aufsichtsratsmitglied auf seine Unkenntnis berufen kann, wenn es wegen einer Pflichtverletzung auf Schadensersatz in Anspruch genommen wird. l99 Um diesen Zweck zu erreichen, wird der Gesetzgeber darauf bedacht gewesen sein, die Anforderungen an die Pflichtberichte so auszugestalten, daß der Aufsichtsrat umfassend über die entscheidenden Vorgänge in der Gesellschaft informiert ist. Unter dieser Prämisse bietet § 90 AktG einen geeigneten Anhaltspunkt für die Bestimmung von Schwerpunkten im Hinblick auf die Überwachungstätigkeit. Gleichzeitig ergibt sich aus der soeben beschriebenen Intention des Gesetzgebers, daß der Aufsichtsrat zur Einhaltung der ihm gemäß §§ 116, 93 AktG obliegenden Sorgfalt gehalten ist, sich mit den Berichten des Vorstands zu beschäftigen. Anderenfalls könnte sich ein Aufsichtsratsmitglied doch auf seine fehlenden Kenntnisse berufen, und der Zweck der Vorschrift wäre verfehlt. 200 Demzufolge kann das Überwachungsfeld des

195

BFuP 1977,489 ff.

196

Biener, BFuP 1977,489 (491 f.)

197

Baumbach/Hueck, AktG, § 111 Rn. 5.

198 Vgl. Geßler, in: GeßterjHefennehljEckardtjKropff, AktG, § 111 Rn. 13 f. und 19; Lutter/Krieger, Rechte, S. 32; Semler, Überwachungsaufgabe, S. 17 ff.; Kötner Komm.jMertens, AktG, § 111 Rn. 29; Prühs, AG 1970, 347 (349); Hoffmann-Becking, in: Münchener Handbuch, § 29 Rn. 23; Freiling, ZtbF 1978, 703 (707). Dahingehend auch Prühs, DB 1970, 1524 (1527), und Meier/Budde, DB 1974, 1271 (1272). 199

Begr. RegE. bei Kropff, AktG, S. 116.

200

Im Ergebnis ebenso Krieger, Personatentscheidungen, S. 40.

84

3. Teil: Art und Weise der Überwachung

Aufsichtsrats keinesfalls geringer sein als der durch § 90 AktG gekennzeichnete Bereich.201 Andererseits bestimmen die Informationsmöglichkeiten des Aufsichtsrats zugleich die Obergrenze des Überwachungsfeldes. Der Aufsichtsrat kann nur zur Überwachung derjenigen Bereiche des Vorstandshandelns verpflichtet sein, hinsichtlich derer ihm eine Informationsrecht zusteht,202 denn eine umfassende Kenntnis der Umstände bildet die unverzichtbare Grundlage für eine ordnungsgemäße Überwachung. Da dem Einsichtsrecht gemäß § 111 Abs. 2 AktG neben den Berichten nach § 90 AktG eine verhältnismäßig geringe Bedeutung zukommt,203 richtet sich die Obergrenze der Überwachung im wesentlichen ebenfalls nach § 90 AktG. Variabel ist allerdings die Intensität der Überwachung. Aus der regelmäßigen Berichtspflicht des Vorstands in den Fällen des § 90 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 3 AktG ergibt sich, daß der Aufsichtsrat sich mit den dort aufgeführten Materien regelmäßig zu beschäftigen hat. 204 Die übrigen, in § 90 AktG umschriebenen Ereignisse treten unregelmäßig auf, so daß der Aufsichtsrat sich auch nur fallweise damit befassen kann und muß. 20S• 206 3. Übenvachungskriterien Nachdem die Schwerpunkte der Überwachung feststehen, schließt sich nunmehr die Überlegung an, anhand welcher Kriterien die Geschäftsführung zu beurteilen ist. Nach überwiegender Auffassung hat sich die Überwachung der Geschäftsführung auf deren Rechtmäßigkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit 201 So auch ausdrücklich Kölner Komm./Mertens, AktG, 2. Auß, § 90 Rn. 4; Freiling, ZtbF 1978, 703 (707); im Ergebnis ebenso, allerdings ohne Begründung: Geßler, in: Geßler/Hefennehl/Eckardt/Kropff, AktG, § 111 Rn. 20; LutterjKrieger, Rechte, S.32; Semler, Überwachungsaufgabe, S. 17 f.; Eisenhardl, Jura 1982, 289 (298); dahingehend wohl auch Biener, BFuP 1977, 489 (505); a. A. nur Mertens, ZGR 1977, 270 (279). 202 So zutreffend Hommelhojf, PS Stimpel (1985), 603 (609). 203 Vgl. unten 3. Teil, B., 111., 2., a). 204 Semler, Überwachungsaufgabe, S. 17 ff., spricht hier von einer "laufenden Überwa. chungspflicht", die über die Berichtsgegenstände des § 90 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1-3 AktG hinaus ebenfalls die Besetzung der obersten Führungsstellen im Unternehmen erfasse.

205 Vgl. Sem/er, Überwachungsaufgabe, S. 17 ff. (insb. S. 89 ff.), der diese Art der Überwachung als "erweiterte Überwachung" bezeichnet. 206

Vgl. auch die Ausführungen unten 3. Teil, B., 111., 1.

B. Die Überwachun~pf1icht im besonderen

85

zu erstrecken.7I11 In neuerer Zeit wird darüber hinaus teilweise die "Ordnungsmäßigkeit" der Geschäftsführung als weiteres Überwachungskriterium genannt.208 Fraglich ist, was sich hinter diesen Begriffen verbirgt. a) Rechtmäßigkeit

Im Rahmen der Rechtmäßigkeitsprüfung hat der Aufsichtsrat festzustellen, ob die Geschäftsführung sich innerhalb der Grenzen bewegt, die ihr durch die Satzung, die Geschäftsordnun~ und den Anstellungsvertra~10 gesetzt sind. Außerdem besteht Einigkeit darüber, daß der Aufsichtsrat die Beachtung gesetzlicher Vorschriften durch den Vorstand kontrollieren muß?ll Zweifelhaft ist hingegen, ob in diesem Zusammenhang die Einhaltung aller denkbaren Gesetze oder nur die Wahrung bestimmter Normen zu prüfen ist. 212

'}J)7 BaumbachjHueck, AktG, § 111 Rn. 5, der zusätzlich die Berücksichtigung der sozialen Belange als zu überwachenden Punkt nennt; Dreist, Überwachun~funktion, S. 93; Geßler, in: Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, AktG, § 111 Rn. 24, der "Wirtschaftlichkeit" als "Vorteilhaftigkeit" bezeichnet; Lippert, Überwachun~pf1icht, S.51 f.; Kölner Komm.IMertens, AktG, § 111 Rn. 27; Großkomm.IMeyer-Landrut, AktG, § 111 Rn. 3; Prühs, AG 1970, 347 (349); RGZ 107, 221 (226), nennt "Zweckmäßigkeit" und "Richtigkeit" als Überwachun~­ maßstäbe, wobei mit "Richtigkeit" wohl "Rechtmäßigkeit" gemeint sein dürfte; Saage, OB 1973, 115 (117), der den Begriff der "Wirtschaftlichkeit" jedoch mit "Erfolgswirksamkeit" umschreibt.

208 Vgl. Hoffmann-Becldng, in: Münchener Handbuch, § 29 Rn. 25; Lutter/Krieger, Rechte, S. 34; Sem/er, Überwachungsaufgabe, S. 68.

Dreist, Überwachun~funktion, S. 93; Henn, Aktienrecht, S. 215; Lippert, ÜberwaS. 51 f.; Lutter/Krieger, Rechte, S. 35; Saage, in: Handbuch des Aufsichtsrats, S. 409 (449). 2f1}

chun~pflicht,

210 So zutreffend Dreist, Überwachun~funktion, S. 93; Lippert, Überwachun~pflicht, S. 51 f.; Saage, in: Handbuch des Aufsichtsrats, S.409 (449). Anderenfalls wäre hinsichtlich des Anstellungsvertrages keine Kontrollinstanz vorhanden, denn die Hauptversammlung ist nicht berufen und auch praktisch nicht in der Lage, die Einhaltung des Anstellungsvertrages zu überwachen. 211 Henn, Aktienrecht, S. 215; Lippen, Überwachun~pf1icht, S. 51; J(jttner/Fuchs/zachert, ArbeitnehmeIVertreter, Rn. 710; Lutter/Krieger, Rechte, S. 35; Meier/Budde, OB 1974, 1271 (1272); Großkomm.jMeyer-Landrut, AktG, § 111 Anm.3; Semler, Überwachun~pf1icht, S.69.

212 Einige Autoren vermeiden eine Entscheidung, indem sie die zu beachtenden Gesetze beispielhaft aufzählen: vgI. Dreist, Überwachun~funktion, S. 93; Großkomm.jMeyer-Landrut, AktG, § 111 Anm. 3; Lippert, Überwachun~pf1icht, S.51 f.; KUrner/Fuchs/Zachert, ArbeitnehmeIVertreter, Rn. 210.

86

3. Teil: Art und Weise der Überwachung

In jedem Fall hat der Aufsichtsrat darüber zu wachen, daß der Vorstand die Regeln des Aktiengesetzes und die unmittelbar die Unternehmenstätigkeit betreffenden213 sowie die je nach Branche speziellen Gesetze einhält.214 Allerdings kann auch der Verstoß gegen andere21S Gesetze die Reputation des Unternehmens schädigen216 und auf die Weise gewinnmindernd wirken. Folglich erscheint es nicht sachgerecht, wenn der Aufsichtsrat vor derartigen Gesetzesverstößen die Augen verschließen dürfte bzw. sogar verschließen müßte. Andererseits ist der Aufsichtsrat ein Organ der Gesellschaft und nicht ein "objektives Kontrollorgan zur Sicherung von Recht und Gesetz".217 In dieser Funktion wäre er vollkommen überfordert, zumal er von vielen kleineren Gesetzesverstößen erst gar nicht erfahren wird. 218

Semle?19 versucht diesen Konflikt zu lösen, indem er hinsichtlich der Eingriffsvoraussetzungen differenziert: Bei Verletzung von unmittelbar die Unternehmenstätigkeit regelnden Gesetzen müsse der Aufsichtsrat generell eingreifen. In anderen Bereichen beschränke sich die Kontrolle darauf, daß keine "schwerwiegenden" Gesetzesverstöße begangen werden. Allerdings bestehe darüber hinaus eine Verpflichtung zu weiteren Feststellungen, wenn sich aus weniger gewichtigen Gesetzesverletzungen ein hohes Schadensrisiko für die Gesellschaft ergebe. 220

213 AktG, HGB, GWB, Steuer-, Umweltrecht (Dreist, Überwachungsfunktion, S. 93; Lutter, Information, S. 30; Lutter/Krieger, Rechte, S. 35; Semler, Überwachungsaufgabe, S. 69). 214 Semler, Überwachungsaufgabe, S. 69, nennt z. B. das Kreditwesengesetz; ebenso Dreist, Überwachungsfunktion, S. 93; Lutter, Information, S. 30.

215 Nicht unmittelbar die Unternehmenstätigkeit betreffende. 216 So auch Semler, Überwachungsaufgabe, S. 70. 217 Zutreffend bemerkt Lutter, Information, S. 30: "Es geht um die Legalität der Geschäftsführung und nicht um die Legalität von allem und jedem, was im Unternehmen überhaupt geschieht".

218 Vgl. Raiser, ZGR 1989, 44 (64). 219 Überwachungsaufgabe, S. 69 f. 220 So zutreffend Semler, Überwachungsaufgabe, S. 69 f.; lediglich die Herleitung seiner Formel aus § 166 Abs. 2 AktG überzeugt nicht. Gern. § 166 Abs. 2 AktG muß der Abschlußprüfer Gesetzesverstöße außerhalb seines eigentlichen Arbeitsgebietes dem Aufsichtsrat nur berichten, wenn sie schwerwiegend sind. Diese Einschränkung der Berichtspflicht wäre laut Semler nicht zu verstehen, wenn der Aufsichtsrat jedem Verstoß nachgehen müßte. Semler verkennt, daß die Hinweise des Abschlußprüfers nur eine Informationsquelle unter vielen darstellen. Davon gehen auch Meier/Budde, DB 1974, 1271 (1272), aus, die Semler zur Unterstützung seiner These zitiert. So können beispielsweise Gesetzesverstöße geringerer Art aus den Berichten des Vorstands hervorgehen.

B. Die Überwachungspflicht im besonderen

87

Auch Raiser differenziert nach der "Schwere der Tat " und "ihrer Relevanz für das Unternehmen".22t In leichteren Fällen könne der Aufsichtsrat aktiv werden oder aber die Sache auf sich beruhen lassen, wenn das Unternehmensinteresse dies erlaube. In schwerer wiegenden Fällen müsse er zumindest Informationen über den Vorgang einholen und anschließend entscheiden, ob ein Eingreifen erforderlich ist. Sofern dem Unternehmen ein ganz erheblicher Schaden drohe, könne sich sein Eingriffsrecht auch zu einer Pflicht verdichten.222 Beide Lösungsansätze schaffen einen angemessenen Ausgleich zwischen den beschränkten Überwachungsmöglichkeiten des Aufsichtsrats223 und dem Interesse der Gesellschaft an umfassender Schadensabwendung. Die generalklauselartige Formulierung "schwerwiegende Verstöße" muß dabei in Kauf genommen werden, denn die Vielzahl möglicher Gesetzesverletzungen erlaubt keine weitere Konkretisierung. Abschließend bleibt darauf hinzuweisen, daß der Aufsichtsrat im nachhinein natürlich auch dann Schadensersatzansprüche gegen den Vorstand geltend machen kann, wenn dem Unternehmen aufgrund eines leichteren Gesetzesverstoßes wider Erwarten doch ein Schaden entstanden ist.224 Der Aufsichtsrat war in diesem Fall lediglich nicht unmittelbar zum Eingreifen verpflichtet. b) Zweckmäßigkeit

Neben der Prüfung der Rechtmäßigkeit obliegt dem Aufsichtsrat die Kontrolle der Zweckmäßigkeit des Vorstandshandelns. 225 In diesem Rahmen 22t Raiser,

ZGR 1989, 44 (64 C.).

222 Raiser, ZGR 1989, 44 (65). Ihm zustimmend Stodolkowilz, ZHR 154 (1990), 1 (12). Von der grundsätzliChen EingriCfspflicht zu trennen ist die Frage, welches Eingriffsmittel hier zur Anwendung kommen kann und muß. Vgl. dazu unten 3. Teil, B., IV., 4., b), aa) und 3. Teil, B., IV., 6., a), cc), (3).

223 In der Regel vier Sitzungen pro Jahr (§ 110 Abs. 3 AktG); vgI. auch Bleicher, Aufsichtsrat, S. 42, aufgrund dessen Befragung sich eine Sitzungshäufigkeit von 3,8 Mal pro Jahr ergeben hat. 224

Ygl. Raiser, ZGR 1989, 44 (65).

225

So die ganz herrschende Meinung, vgl. RG JW 1924, 1145 (1147); BGHZ 75, 120 (133);

Lutter/Krieger, Rechte, S. 36; Sem/er, Überwachungsaufgabe, S. 71 C.; Großkomm.jMeyerLandrut, AktG, § 111 Anm. 3; Baumbach/Hueck, AktG, § 111 Rn. 5; Kölner Komm.IMertens, AktG, § 111 Rn. 27; Prühs, AG 1970, 347 (349); Schlegelberger/Quassowski, AktG 1937, § 95 Rn. 8, sprechen von der Prüfung der "VorteilhaCtigkeit"; einschränkend Mertens, ZGR 1977,

88

3. Teil: Art und Weise der Übetwachung

hat er zu prüfen, ob die Maßnahme in der konkreten Situation den Vorzug gegenüber anderen Möglichkeiten verdient oder ob es nicht sogar besser wäre, ganz darauf zu verzichten.226 Diesbezüglich sind insbesondere die eingesetzten Mittel, die Wahrscheinlichkeit der Zielerreichung und das Ausmaß möglicher Risiken gegeneinander abzuwägen.227 Feste Richtgrößen für das, was zweckmäßig ist, existieren allerdings nicht. Daher fordert die Management-Überwachung ein hohes Maß an "Erfahrungsnormen".228 Eine Zweckmäßigkeitsabwägung muß der Aufsichtsrat immer vornehmen, gleichgültig, ob er zum Eingreifen verpflichtet ist oder nicht, d. h. unabhängig davon, ob der Vorstand sich innerhalb des zulässigen Ermessens bewegt.229 Der Aufsichtsrat darf sich also nicht darauf beschränken, die Einhaltung der Ermessensgrenzen zu kontrollieren. Er muß sich eine eigene Meinung darüber bilden, welche Maßnahme die seiner Meinung nach zweckmäßigste ist. Nur so können die Erfahrungen und Kenntnisse der Aufsichtsratsmitglieder in vollem Umfang zum Tragen kommen. 23O Gleichwohl darf der Aufsichtsrat seine Vorstellungen gegenüber dem Vorstand nicht durchsetzen, soweit dessen Entscheidung keine Ermessensfehler aufweist.231 Das gleiche gilt für eine offene Rüge durch den Aufsichts-

270 (278), nach dessen Auffassung die Zweckmäßigkeitskontrolle durch den Aufsichtsrat nur zum Zuge kommt, sofern es um Entscheidungen geht, die sich auf den Fortbestand des Unternehmens auswirken könnten (wenn das sogenannte "Unternehmensinteresse" tangiert sei). Dem allerdings ist nicht zu folgen, da die Beschränkung des Aufsichtsrats auf eine reine Rechtmäßigkeitskontrolle seiner Stellung in der Gesellschaft nicht gerecht würde. 226 Semler, Übetwachungsaufgabe, S. 71 f.; ähnlich SQQge, in: Management-Enzyklopädie, Band 4, S. 331 (335). 227

Sem/er, Übetwachungsaufgabe, S. 72.

228 Vgl. Saage, in: Management-Enzyklopädie, Band 4, S. 331 (336), mit weiteren Einzelheiten. 229 Semler, Übetwachungsaufgabe, S. 72; Lippen, Übetwachungspflicht, S. 53; J(jttner/FuchsjZachert, Arbeitnehmervertreter, Rn. 710; einschränkend hinsichtlich der Prüfungspflicht Krieger, Personalentscheidungen, S. 38. Eine Abwägungspflicht befürworten implizit auch Lutter/Krieger, Rechte, S. 37, indem sie sogar fordern, der Aufsichtsrat müsse dem Vorstand seine Zweckmäßigkeitsbeurteilung "vor Augen stellen". Kölner Komm.IMmens, AktG, § 111 Rn. 36, meint, der Aufsichtsrat sei zur eigenen Meinungsbildung über wichtige unternehmerische Maßnahmen verpflichtet. 230 Zur Frage, ob der Aufsichtsrat auch verpflichtet ist, dem Vorstand seine Zweckmäßigkeitsbeurteilung mitzuteilen vgl. unten 3. Teil, B., IV., 4. 231 Geßler, in: Geßler/Hefennehl/Eckardt/Kropff, AktG, § 111 Rn. 25; Lutter/Krieger, Rechte, S.37; Kölner Komm.IMmens, AktG, § 111 Rn. 33; Großkomm.IMeyer-Landrut, AktG, § 11 Anm. 3; Semler, Übetwachungsaufgabe, S. 77 f.; Würdinger, Aktienrecht, 4. Aufl.,

B. Die Überwachungspflicht im besonderen

89

rat sowie für mittelbare Repressalien gegen den Vorstand, die oftmals besonders wirksam zum Ziel führen können. Ein derartiges Vorgehen würde sowohl gegen das Geschäftsführungsverbot des Aufsichtsrats (§ 111 Abs. 4 Satz 1 AktG), als auch gegen das Prinzip der Eigenverantwortlichkeit des Vorstands (§ 76 Abs. 1 AktG) verstoßen,232 denn der Vorstand verhält sich nicht sorgfaltswidrig, sofern er die Ermessensgrenzen einhält.233 Geß/efZY' hingegen befürwortet ausnahmsweise auch in diesen Fällen ein Eingreifen, wenn ein für die Gesellschaft bedeutsames Geschäft mit größeren Risiken behaftet ist und der Aufsichtsrat meint, diese stünden in keinem Verhältnis zu den möglichen Vorteilen der Maßnahme. Diese scheinbare Einschränkung ist jedoch ohne jede Bedeutung, denn sobald das Risiko außer Verhältnis zu den potentiellen Vorteilen steht, wird man kaum mehr von einer vertretbaren Ermessensentscheidung sprechen können. c) Wirtschaftlichkeit

Vielfach wird auch die Wirtschaftlichkeit der Geschäftsführung als eigenständiger Überwachungsmaßstab erwähnt.23S Die Wirtschaftlichkeit zeigt sich anhand des fmanziellen Erfolges des VorstandshandeIns. 236 Dementspre-

S. 137; insoweit übereinstimmend auch Krieger, Personalentscheidungen, S. 40 f., der allerdings eine Umbesetzung des Vorstands für erforderlich hält, sofern der Aufsichtsrat das gesamte unternehmenspolitische Konzept des Vorstands zwar vertretbar finde, selbst jedoch ein anderes voniehe. 232 Großkomm./Meyer-Landrut, AktG, § 111 Anm. 3; ähnlich LutterjKrieger, Rechte, S. 37; Kölner Komm./Mertens, AktG, § 111 Rn. 33; in diesem Sinne auch Würdinger, Aktienrecht, 4. Aull., S. 137.

233 Hefermehl, in: Geßler/HefermehI/EckardtjKropff, AktG, § 76 Rn. 14; Sem/er, Überwachungsaufgabe, S. 78; Würdinger, Aktienrecht, 4. Aull., S. 136 f.; dahingehend auch Großkomm./Meyer-Landrut, AktG, § 111 Anm. 3. 234

In: Geßler/HefermehI/Eckardt/Kropff, AktG, § 111 Rn.25.

23S Baumbach/Hueck, AktG, § 111 Rn. 5; LutterjKrieger, Rechte, S. 10; Prühs, AG 1970, 347 (349); Großkomm./Meyer-Landrut, AktG, § 111 Anm. 3; Saage, DB 1973, 115 (117), der jedoch nicht von Wirtschaftlichkeit, sondern von "Erfolgswirksamkeit" spricht; ders., in: Management-Enzyklopädie, Band 4, S. 331 (336); Geß/er, in: Geßler/HefermehI/Eckardt/ Kropff, AktG, § 111 Rn. 24, nennt diesen Prüfungspunkt "Vorteilhaftigkeit". Allerdings erscheint es widersprüchlich, wenn er an anderer Stelle (aaO., § 111 Rn. 68) von "wirtschaftlicher Zweckmäßigkeit" spricht und so "Zweckmäßigkeit" und "Wirtschaftlichkeit" wieder vermischt. 236

Saage, in: Management-Enzyklopädie, Band 4, S. 331 (336).

90

3. Teil: Art und Weise der Überwachung

chend sind verschiedene Kennziffern zu ihrer Bestimmung entwickelt worden.zn Es ist jedoch bedenklich, die Wirtschaftlichkeit als eigenen Prüfungspunkt auszugestalten. Schließlich kann der wirtschaftliche Aspekt einer Maßnahme bereits bei der Beurteilung ihrer Zweckmäßigkeit nicht außer acht gelassen werden. Die wirtschaftlichen Konsequenzen sind im Rahmen der Abwägung der Vorteile einer Maßnahme gegenüber den damit verbundenen Nachteilen notwendig miteinzubeziehen.238 Betrachtet man gleichwohl die Wirtschaftlichkeit als isolierten Prüfungspunkt, so müßte der Aufsichtsrat konsequenterweise ein Geschäft, das rechnerisch nachteilig für die Gesellschaft ist, in jedem Fall gegenüber dem Vorstand beanstanden.Zl9 Das gleiche gilt, wenn der Vorstand auf finanziell interessante Geschäfte, die sich der Gesellschaft bieten, verzichtet. Beides kann aber durchaus als zweckmäßig und damit insgesamt als positiv zu bewerten sein,240 so daß kein Grund für eine Rüge der Geschäftsführung besteht. Soweit man gleichwohl daran festhält, Zweckmäßigkeit und Wirtschaft1ichkeit als eigene Prüfungs punkte zu behandeln, kann der Aufsichtsrat erst nach Vornahme einer lOGesamtschau" beurteilen, ob er eingreifen darf oder nicht. Die mangelnde Wirtschaftlichkeit einer Maßnahme muß zunächst mit den Vorteilen bzw. mit weiteren Nachteilen verglichen werden, die das Geschäft voraussichtlich nach sich ziehen wird.

237 Vgl. Saage, in: Management-Enzyklopädie, Band 4, S.331 (336); ders., in: Handbuch des Aufsichtsrats, S.409 (456 f.), vgI. auch Heyde, in: Management-Enzyklopädie, Band 6, S. 615 ff., mit vielen Einzelheiten zur Wirtschaftlichkeitsberechnung. Lutter/Krieger, Rechte, S. 10, nehmen an, die Schwerpunkte des wirtschaftlichen HandeIns einer Unternehmung lägen in vier Zielen, nämlich in der Sicherung der Liquidität der Gesellschaft, in ihrer angemessenen Finanzierung, ihrer Ertragskraft sowie in der Sicherung ihrer Stellung am Markt. 238 Henn, Aktienrecht, S. 215, nennt diesen Prüfungspunkt "wirtschaftliche Zweckmäßigkeit". J(jttner/FuchsjZachert, Arbeitnehmervertreter, Rn. 710, erwähnen als Prüfungspunkte von vornherein nur die "Rechtmäßigkeit" sowie "Zweckmäßigkeit"; ebenso Meier/Budde, DB 1974, 1271 (1273). Selbst Sem/er, Überwachungsaufgabe, S. 72, meint, daß bei der Zweckmäßigkeit "nicht nur" das geschäftliche Ergebnis eine Rolle spiele. Obwohl der Wirtschaftlichkeit laut Semler also bereits eine gewisse Relevanz im Rahmen der Zweckmäßigkeit zukommt, prüft er sie noch einmal gesondert. Dann drängt sich aber die Frage auf, worin der Sinn einer doppelten Prüfung liegt.

Zl9

Das vertreten MeierjBudde, DB 1974, 1271 (1273).

240 Zum Beispiel hätte es in den 80er Jahren geboten sein können, daß der Vorstand auf ein Geschäft mit Südafrika verzichtet, um dem Ruf des Unternehmens nicht zu schaden, obwohl dieses Geschäft finanziell lukrativ gewesen wäre.

B. Die Überwachungspflicht im besonderen

91

Vereinzelt wird vertreten, die Geschäftsführung sei auch im Hinblick auf ihre Ordnungsmäßigkeit zu überwachen.JA' Die Ordnungsmäßigkeit der Geschäftsführung stehe als "allgemeines Erfordernis über allem".JA2 Ausgefüllt wird der Begriff der Ordnungsmäßigkeit dann allerdings mit Teilaspekten der Recht- bzw. Zweckmäßigkeit. So sieht beispielsweise Semle,JA3 die Einhaltung der Vorstandsgeschäftsordnung als Prüfungspunkt im Rahmen der Ordnungsmäßigkeit. Wie bereits gezeigt, handelt es sich bei der Wahrung der Geschäftsordnung jedoch um eine Frage der Rechtmäßigkeit des Vorstandshandelns.1A4 Lutter/Krieger erfassen demgegenüber die Beachtung sozialer Belange unter dem Punkt "Ordnungsmäßigkeit".24S Die Berücksichtigung der sozialen Belange ist aber in die Zweckmäßigkeitsäbwägung miteinzubeziehen.246 Letztlich dürfte es zwar eine reine Formfrage sein, welchen Begriffen man die einzelnen Prüfungspunkte zuordnet, denn geprüft werden müssen sie ohnehin; andererseits führt eine unnötige begriffliche Verästelung lediglich zu Verständnisschwierigkeiten. Deshalb ist es nicht empfehlenswert, einen Prüfungsmaßstab "Ordnungsmäßigkeit" zu schaffen, obgleich er eine eigenständige Bedeutung vermissen läßt. e) Ergebnis

Der Aufsichtsrat hat die Maßnahmen des Vorstands unter dem Aspekt der Rechtmäßigkeit und Zweckmäßigkeit zu überwachen. Im Rahmen der Rechtmäßigkeit muß der Aufsichtsrat sich vergewissern, ob die Grenzen der

JAl Lutter, Infonnation, S. 29; Lutter/Krieger, Rechte, S. 34; Semler, Überwachungsaufgabe, S. 68; Hoffmann-Becking, in: Münchener Handbuch, § 29 Rn. 25. JA2

So Sem/er, Überwachungsaufgabe, S. 69.

JA3

Überwachungsaufgabe, S. 69.

1A4 VgJ. insoweit oben 3. Teil, B., 1., 3., a); kritisch dnu auch Rellermeyer, Aufsichtsratsausschüsse, S. 58 bei Pn. 121.

24S Lutter/Krieger, Rechte, S. 36. 246 So zutreffend Sem/er, Überwachungsaufgabe, S. 68 bei Pn. 184. A. A.: Hachenburg/Schilling, GmbHG, § 52 Rn. 122; Henn, Aktienrecht, S. 216; Fitting/Wlotzke/Wißmann, MitbG, § 25 Rn. 54; Baumbach/Hueck, AktG, § 111 Rn. 5; Großkomm./Meyer-Landrut, AktG, § 111 Anm. 3, die die Wahrung sozialer Belange durch den Vorstand sogar zu einem eigenen Prüfungspunkt erheben.

92

3. Teil: Art und Weise der Überwachung

Satzung, der Geschäftsordnung, des Anstellungsvertrages und des Aktiengesetzes eingehalten sind. Gleiches gilt für die unmittelbar die Unternehmenstätigkeit betreffenden und für die branchenspezifIschen Gesetze. Darüber hinaus erstreckt sich die Überwachung nur auf schwerwiegende Gesetzesverstöße. Im Bereich der Zweckmäßigkeitsprüfung ist auch die Wirtschaftlichkeit der Maßnahme zu berücksichtigen. 4. Gesteigerte Überwachungspßicht in Krisensituationen Nachdem nunmehr feststeht, wo die Überwachungsschwerpunkte liegen und anhand welcher Kriterien die Überwachung zu erfolgen hat, bleibt zu klären, ob die Intensität der Überwachung konstant bleibt oder ob sie unter bestimmten Voraussetzungen varüert. Nach der von Semle?7 entwickelten und vieldiskutierten "Theorie von der abgestuften Überwachungspflicht" hat der Aufsichtsrat die Intensität seiner Überwachung der Lage der Gesellschaft anzupassen. 248 Bei einer zufriedenstelIenden Lage des Unternehmens und normalem Geschäftsgang sei ein zurückhaltendes Verhalten des Aufsichtsrats geboten (sog. "begleitende Überwachung'').249 Sobald der Vorstand seine Aufgaben nicht mehr ordnungsgemäß erfülle und die Lage des Unternehmens sich zu verschlechtern drohe, werde eine unterstützende Überwachung erforderlich.250 Der Aufsichtsrat habe dann zusätzliche Berichte anzufordern und nötigenfalls die Anzahl der Aufsichtsratssitzungen zu erhöhen.251 Allerdings sei dabei zu berücksichtigen, daß die Erstellung zusätzlicher Berichte die Arbeitskraft des Vorstands erheblich beschneide, obwohl sie in der angespannten Situation besonders wichtig für das Unternehmen sei.252 Demzufolge wird man

247

Semler, Überwachungsaufgabe, S. 87 ff.

248 Zustimmend LutlerjKrieger, Rechte, S. 37; Bauer, Organklagen, S. 121, und Goerdeler, WPg 1982, 33 (34). Geßler, in: Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, AktG, § 111 Rn. 23, plädiert für eine intensivere Überwachung, sofern ein neuer Vorstand bestellt ist, und darüber hinaus, wenn die Lage der Gesellschaft angestrengt ist; dahingehend auch Kölner Komm./Mertens, AktG, § 111 Rn. 26.

249

Sem/er, AG 1983, 141 (142); ders., Überwachungsaufgabe, S. 87.

2SO

SemIer, Überwachungsaufgabe, S. 87 f.; ders., AG 1983, 141 (142).

251 Vgl. Sem/er, AG 1983, 141 (142): Mehr als sechs Aufsichtsratssitzungen im Jahr seien hingegen auch nicht empfehlenswert, da sonst die Gefahr bestehe, daß der Aufsichtsrat sich mit Tagesproblemen beschäftige. 252

Vgl. Sem/er, AG 1983, 141 (142).

B. Die ÜberwachungspOicht im besonderen

93

fordern müssen, daß der Aufsichtsrat mit der gebotenen Sorgfalt vorgeht und sein Informationsbedürfnis gegenüber denjenigen Nachteilen abwägt, die mit einer verstärkten Arbeitsbelastung verbunden sind. Sobald das Unternehmen in eine Krise gerät oder zu geraten droht, greift die dritte Überwachungsstufe ein: die sog. "führende Überwachung".2S3 Trotz der etwas irreführenden Bezeichnung wird der Aufsichtsrat auch in diesem Stadium nicht geschäftsführend tätig.~ Er hat "lediglich" unverzüglich dafür zu sorgen, daß der Vorstand verstärkt, bzw. mit Personen (neu-) besetzt wird, die befähigt sind, die Krise zu bewältigen.2SS Allein insoweit hat er vorübergehend die oberste Verantwortung im Unternehmen. 2S6 Ein anderes Organ kommt zur Wahrnehmung dieser Aufgabe nicht in Betracht, denn aufgrund der ihm zugewiesenen Personalhoheit ist nur der Aufsichtsrat in der Lage, die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen. Angesichts dieser Umstände geht der Einwand fehl, die Theorie Semlers teile dem Aufsichtsrat in Krisensituationen Aufgaben des Vorstands zu.2S7 Das Aktiengesetz hat in § 84 Abs. 3 ausdrücklich eine Abberufung des Vorstands aus wichtigem Grund vorgesehen. Von einem Widerspruch zu § 111 Abs. 4 Satz 1 AktG kann somit keine Rede sein, wenn der Aufsichtsrat ein unfähiges Vorstandsmitglied entläßt, bzw. bei Vorliegen der Voraussetzungen den gesamten Vorstand auswechselt und insofern "führend überwacht". Im übrigen entnimmt Sem/er die Existenz seiner gesamten These von der abgestuften Überwachungspflicht vor allem dem Aktiengesetz selbst. Es gebe dem Aufsichtsrat verschiedenartige Befugnisse an die Hand, um Informationen zu gewinnen oder Einfluß auszuüben; diese Rechte seien nicht planlos, sondern situationsbedingt einzusetzen.2S8 Überzeugend ist auch der Hinweis auf die abgestuften Berichtspflichten des Gesetzes, die auf die Notwendigkeit einer abgestuften Überwachungspflicht hinweisen.2S9 Ande2S3 Sem/er,

Überwachungsaufgabe, S. 88.

~ Sem/er, Überwachungsaufgabe, S.88; ders., AG 1983, 141 (142); vgI. auch Kölner Komm.fMertens, AktG, § 111 Rn. 36. 2SS

Vgl. Semler, Überwachungsaufgabe, S. 88; ders., AG 1983, 141 (142).

2S6

Semler, AG 1983, 141 (142).

2S7

So Claussen, AG 1984, 20.

2S8

Sem/er, AG 1983, 141 (142).

2S9 Vgl. dazu im einzelnen Sem/er, ZGR 1983, 1 (19 f.); als weiteren Beleg für die Berechtigung einer differenzierten Überwachungsintensität zieht SemIer § 276 BGB heran. Erhöhte Gefahr erhöhe auch das Maß der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt (vgl. Semler, AG 1983, 141 (142); ders., ZGR 1983, 1 (20), jeweils m. w. N.).

94

3. Teil: Art und Weise der Überwachung

rerseits ist den Kritikern dieser Theorie zuzugeben, daß sich die verschiedenen Unternehmenszustände nicht eindeutig voneinander abgrenzen lassen. 260 Allerdings besteht hierzu kein Bedürfnis, da auf "Zwischenzustände" durch ein "vermittelndes" Verhalten angemessen reagiert werden kann. Die Entscheidung darüber, in welchem Zustand sich das Unternehmen gerade befindet, trifft der Aufsichtsrat selbst nach pflichtgemäßem Ermessen.261 Etwas anderes würde lediglich dann gelten, wenn der Aufsichtsrat ohne Vorliegen eines wichtigen Grundes willkürlich die Bestellung des Vorstands widerriefe, beispielsweise, weil ihm die Politik des Vorstands aus persönlichen Gründen nicht genehm ist. Dann maßt der Aufsichtsrat sich mittelbar doch eine Entscheidung über die Geschäftsführung an. Allerdings darf die Möglichkeit eines Mißbrauchs nicht zum Anlaß genommen werden, den Aufsichtsrat seiner gesetzlichen Kompetenzen zu berauben. Schließlich spricht für die "Theorie von der abgestuften Überwachungspflicht", daß sie den Bedürfnissen des Unternehmens und des Aufsichtsrats gleichermaßen gerecht wird: Bei reibungslosem Geschäftsgang kann die Gesellschaft auf die Tätigkeit des Aufsichtsrats nahezu verzichten und der Aufsichtsrat seinen anderen Verpflichtungen nachgehen. In Krisenzeiten hingegen muß sein Einsatz umso intensiver sein, da das Unternehmen die Kenntnisse und Erfahrungen des Aufsichtsrats nun in verstärktem Maße benötigt. Auf diese Weise wird - im Gegensatz zu einer gleichbleibenden und damit unflexiblen Überwachung - die Arbeitskraft, die der Aufsichtsrat der Gesellschaft schuldet, optimal eingesetzt. Wenn dagegen behauptet wird, ein "paritätisch besetzter, 21köpfiger Aufsichtsrat ohne Insiderkenntnis, zumeist ohne spezifische Branchenvertrautheit" sei nicht in der Lage, die Krisenbewältigung "führend zu überwachen",262 so darf das eher als Appell an eine höhere (Mindest-) Qualifikation der Aufsichtsratsmitglieder zu verstehen sein. Schließlich ist der Aufsichtsrat durch das Aktiengeset~ gerade dazu berufen, den Vorstand bei mangelnder Geschäftsführung aus wichtigem Grund abzuberufen, bzw. bei Bedarf weitere Vorstandsmitglieder zu bestellen.264 Genau das ist - wie bereits gezeigt - in erster Linie unter

260

So Claussen, AG 1984, 20 (21).

261 Die Kritik von Claussen, AG 1984, 20 (21), ist hier nicht angebracht. Die Ausgestaltung der Überwachung hat der Gesetzgeber nun einmal nicht näher konkretisiert. Somit obliegt es dem "parteiischen Aufsichtsrat" in fast allen Fällen - wenn auch geriChtlich nachprüfbar selbständig über die Wahl der geeigneten Maßnahme im Einzelfall zu entscheiden.

262 So Claussen, AG 1984,20 (21), mit weiteren Kritikpunkten. 263

Vgl. § 84 Abs. 3 AktG.

264

Vgl. § 84 Abs. 1 AktG.

B. Die Überwachungspflicht im besonderen

95

"führender Überwachung" zu verstehen.1f6 Man kann dem Aufsichtsrat keine gesetzlich statuierten Befugnisse absprechen, nur weil er aufgrund fehlender Kenntnisse nicht dazu fähig ist, diesen Pflichten nachzukommen.

11. Die Pflichten des Aufsichtsrats im Zusammenhang mit der Jahresabschlußprüfung, insbesondere im Hinblick auf eine Hinzuziehung außenstehender Berater durch einzelne Mitglieder Neben der Überwachung der laufenden Geschäftsführung hat der Aufsichtsrat266 den lahresabschluß, den Geschäftsbericht und den Vorschlag für die Verwendung des Bilanzgewinns zu prüfen (§ 171 Abs. 1 Satz 1 AktG). 1. Inhalt der Prüfung nach § 171 Abs. 1 AktG Über Umfang und Art und Weise der Prüfung trifft das Gesetz - im Gegensatz zur Regelung für den Abschlußprüfer (§ 162 AktG) - keine Aussage. Da die Prüfung durch den Aufsichtsrat gem. § 171 Abs. 1 AktG einen Teil der allgemeinen Überwachung gemäß § 111 Abs. 1 AktG darstellt,267 lassen sich aber die hierzu herausgearbeiteten Überwachungskriterien auch im vorliegenden Fall anwenden. Die Prüfung erstreckt sich mithin nicht nur auf die Rechtmäßigkeit 268 von lahresabschluß und Bilanzgewinn. Sie betrifft auch die ZweckmäßigkeitU9 und - soweit man sie neben der Zweckmäßig-

26S Da es sich bei der Erweiterung bzw. Abberufung des Vorstands um einen wichtigen Schritt in der Unternehmenspolitik handelt, insbesondere in Krisensituationen, ist es auch plausibel, daß der Aufsichtsrat mit einem höheren Maß an Sorgfalt vorgeht, als wenn er die Berichte des Vorstands routinemäßig prüft. Semler ist deshalb darin zuzustimmen, daß in der Krise eine Verstärkung der Sorgfalt geboten ist. 266 Und zwar alle Mitglieder, denn die Aufgabe obliegt gem. § 107 Abs. 3 Satz 2 AktG dem Plenum.

267 Kölner Komm./Claussen, AktG, § 171 Rn. 4; Großkomm./Brönner, AktG, § 171 Anm.l; Hommelhoff, ZGR 1983, 551 (555); Mutze, AG 1966, 173; Kropff, in: Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, AktG, § 171 Rn. 2. 268 D. h. auf die Vereinbarkeit mit Gesetz und Satzung; vgI. Kropff, in: Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, AktG, § 171 Rn. 3; Luner/Krieger, Rechte, S. 138; im einzelnen dazu auch Clemm, ZGR 1980, 455 (457).

U9 LunerjKrieger, Rechte, S.I38; Hoffmann-Becking, in: Münchener Handbuch, § 44 Rn. 10; Clemm, ZGR 1980, 455 (457); Großkomm./Brönner, AktG, § 171 Anm. 3.

96

3. Teil: Art und Weise der Überwachung

keit als eigenes Kriterium betrachtet2lO - ebenfalls auf die Wirtschaftlichkeit der darin getroffenen bilanzpolitischen Entscheidungen.271 Damit geht die Prüfungspflicht des Aufsichtsrats über die des Abschlußprüfers hinaus, denn dieser hat nur die Einhaltung von Gesetz, Gesellschaftsvertrag und Satzung zu kontrollieren (§ 317 Abs. 1 Satz 2 HGB). Der Aufsichtsrat darf sich aber bei seiner Prüfung auf den Bericht des Abschlußprüfers stützen.m Allerdings reicht die bloße Kenntnisnahme des Berichts nicht aus; vielmehr ist jedes Aufsichtsratsmitglled verpflichtet, diesen Bericht kritisch zu würdigen und sich ein eigenes Bild von der Lage des Unternehmens zu machen.Z73 Detaillierte Nachforschungen hinsichtlich der Feststellungen des Abschlußprüfers muß der Aufsichtsrat hingegen nur anstellen, soweit sich Bedenken gegen die Richtigkeit seiner Aussagen ergeben. 274 2. Hinzuziehung außenstehender Berater Vor allem in größeren Aktiengesellschaften wird die Prüfung des Jahresabschlusses nicht selten ein erhebliches Fachwissen auf diesem Gebiet erfordern, über das die Aufsichtsratsmitglieder in der Regel nicht verfügen. Deshalb stellt sich die Frage, ob der Gesamtaufsichtsrat oder sogar einzelne Aufsichtsratsmitglieder zur Erfüllung des Prüfungsauftrags Hilfskräfte heranziehen dürfen. a) Durch den Gesamtaursichtsrat

Dem Gesamtaufsichtsrat stehen eine Reihe von Mitteln zur Verfügung, um sich das Wissen außenstehender Berater zunutze zu machen. So kann

270

Anders die hier vertretene Auffassung, vgI. oben 3. Teil, B., 1., 3., c).

271

Ad/er/Düring/Schmaltz, Rechnungslegung, § 171 Rn.8.

m So die ganz h. M.: vgl. LutterjKrieger, Rechte, S. 138; C/emm, ZGR 1980, 455 (457); Adler/Düring/Schmaltz, Rechnungslegung, § 171 Rn. 9; Meier/Budde, DB 1974, 1271 (1273); ausführlich dazu Hommelhoff, ZGR 1983, 551 (577). Z73 Schuler, DB 1974, 1849; vgl. auch Begr. RegE. bei Kropf!, AktG, S. 278; Hommelhoff, ZGR 1983, 551 (576). 274 Hojfmann-Becking, in: Münchener Handbuch, § 44 Rn. 10; C/emm, ZGR 1980, 455 (458); GodinjWilhelmi, AktG, § 171 Anm. 2;Adler/Düring/Schmaltz, Rechnungslegung, § 171 Rn. 10; dahingehend auch Baumbach/Hueck, AktG, § 171 Rn. 3.

B. Die Überwachungspflicht im besonderen

97

der Aufsichtsrat gemäß § 171 Abs. 1 Satz 2 AktG fordern, daß an seinen Verhandlungen über den Geschäftsbericht und die Verwendung des Bilanzgewinns der Abschlußprüfer teilnimmt. Ferner besteht die Möglichkeit, Sachverständige zur Einsichtnahme und Prüfung heranzuziehen (§ 111 Abs.2 Satz 2 AktG). Schließlich erlaubt § 109 Abs.1 Satz 2 AktG dem Aufsichtsrat, während seiner Sitzungen Sachverständige zur "Beratung über einzelne Gegenstände" hinzuzuziehen. b) Durch einzelne Aursichtsratsmitglieder

aa) Zulässigkeit Die genannten Rechte aus §§ 171 Abs. 1 Satz 2, 111 Abs.2 Satz 2 und 109 Abs. 1 Satz 2 AktG stehen allerdings ausschließlich dem Gesamtaufsichtsrat zu.Z7S Eine Befugnis einzelner Aufsichtsratsmitglieder zur Hinzuziehung außenstehender Berater sieht das Aktiengesetz nicht vor.rT6 Ihre Zulassung stößt vor allem deshalb auf Bedenken, weil mit der Beratung in der Regel eine Weitergabe von Informationen verbunden ist, .die an sich nicht für die Öffentlichkeit bestimmt sind. Gleichwohl kann es zur ordnungsgemäßen Wahrnehmung des Aufsichtsratsamtes und damit gleichzeitig im Interesse der Gesellschaft ausnahmsweise angebracht sein, daß das Ratsmitglied persönlich sachkundigen Rat einholen Dies gilt vor allem dann, wenn ein Ratsmitglied der "nicht offensichtlich unbegründeten Ansicht" ist, über den Aufsichtsrat nicht befriedigend beraten worden zu sein.278 Allerdings ließe sich ein allgemeines Recht, im Zusammenhang mit der Prüfung des Jahresabschlusses außenstehende Sachverständige heranzuziehen, nicht mit dem Gebot persönlicher und eigenverantwortlicher Amtsaus-

rTS Deshalb ist es nicht plausibel, wenn Hensche, MitbGespräch 1971,111 (115), meint, das Aktiengesetz gehe in § 111 Abs. 2 Satz 2 davon aus. daß sich auch einzelne Ratsmitglieder der Unterstützung durch Sachverständige bedienen. rT6 Dementsprechend lehnen Geß/er, in: GeßlerjHefermehljEckardtjKropff, AktG, § 116 Rn. 14, und AdlerjDüring/Schmaltz, Rechnungslegung, § 171 Rn. 12, ein solches Recht generell ab.

m So BGHZ 64.325 (331 f.); Hommelhoff, ZGR 1983, 551 (566); Eutebach, Verschwiegenheitspflicht, S. 36 f.; offengelassen in BGHZ 85, 293 (298). 278

So zutreffend Homme/hoff. ZGR 1983, 551 (566 f.).

7 Steinbeck

98

3. Teil: Art und Weise der ÜbelWllchung

übung (§ 111 Abs. 5 AktG) vereinbaren.219 Deshalb hat das Aufsichtsratsmitglied zunächst auf eine - gegebenenfalls weitere - Beratung des Gesamtaufsichtsrats durch einen externen Sachverständigen hinzuwirken.28J Dadurch erhält das Plenum die Möglichkeit, sich ebenfalls mit diesem Problem zu befassen.281 Sofern jedoch der Gesamtaufsichtsrat ein solches Verla.,gen seines Mitglieds ablehnt, ergibt sich in der Tat die Notwendigkeit persönlicher Beratung.282 Es muß dem Aufsichtsratsmitglied zumindest möglich sein, sich die Grundlagen für eine ordnungsgemäße Erfüllung der ihm obliegenden Mitwirkungspflicht283 im Hinblick auf die Jahresabschlußprüfung zu verschaffen, ohne dabei auf die Unterstützung der Mehrheit im Aufsichtsrat angewiesen zu sein. Eine ähnliche Überlegung liegt auch der Regelung des § 90 Abs. 3 AktG zugrunde, die nicht nur dem Plenum, sondern auch dem einzelnen Aufsichtsratsmitglied einen Berichtsanspruch gegen den Vorstand zuspricht.284 Wünschenswert erscheint ein Beratungsrecht einzelner Mitglieder zudem in Anbetracht der Tatsache, daß auf diese Weise einzelne Mitglieder in die Lage versetzt werden, Unregelmäßigkeiten des Vorstands aufzudecken, welche die Mehrheit im Aufsichtsrat möglicherweise wohlwollend übersieht. Unter diesem Aspekt kann das Recht zur Inanspruchnahme eines neutralen Beraters im Extremfall sogar zu einer Pflicht avancieren. 28S Zwar könnte man das Ratsmitglied in dieser Situation darauf verweisen, gegen den Aufsichtsrat zu klagen, um so die Hinzuziehung eines außenstehenden Sachverständigen zu erzwingen;286 gegenüber einer solchen Klage dürfte die persönliche Hinzuziehung eines Beraters jedoch in der Regel das mildere Mittel darstellen. Folglich ist die Möglichkeit des einzelnen Aufsichtsratsmitglieds zur individuellen Beratung außerhalb des Aufsichtsrats grundsätzlich zu befürwor219

So mit Recht BGHZ 85, 293 (295).

280 BGHZ 85, 293 (299); Homme/hoff, ZGR 1983, 551 (566 f.); vgI. auch Lutter, Infonnation, S. 1TI f. 281

Homme/hoff, ZGR 1983, 551 (566), mit Hinweis auf BGHZ 85, 293 (297).

282

BGHZ 85, 293 (298 f.); Homme/hoff, ZGR 1983, 551 (566).

283

Vgl. oben 1. Teil, B., I.

284

Vgl. BGHZ 106, 54 (62).

28S Die Möglichkeit einer Beratungspflicht erwägen auch Lutter, Infonnation, S. 178; Homme/hoff, ZGR 1983, 551 (566).

286 Vgl. dazu unten 3. Teil, IV., 6., b), aa).

B. Die ÜbelW8chungspflicht im besonderen

99

ten, soweit das Plenum die Hinzuziehung eines externen Beraters abgelehnt hat und das Informationsbegehren nicht offensichtlich unbegründet ist. Die Kosten der Beratung hat in diesem Fall die Gesellschaft zu tragen.

bb) Grenzen des Beratungsrechts Ungeachtet der aufgezeigten Vorteile einer externen Beratung durch qualifiZierte Sachverständige, darf auf diese Weise keinesfalls die Vertraulichkeit im Aufsichtsrat gefährdet werden. Bei uneingeschränkter Anerkennung eines Beratungsanspruchs wäre der Informationsfluß vom Aufsichtsrat nach "draußen" aber kaum noch zu kontrollieren. Aus diesem Grund ist das Beratungsrecht sowohl in sachlicher als auch in personeller Hinsicht zu begrenzen. So hat das Ratsmitglied zunächst sorgfältig abzuwägen, ob das Interesse der Gesellschaft an einer auf umfassender Sachkenntnis gegründeten Entscheidung im Einzelfall den Vorzug gegenüber der Weitergabe einer vertraulichen Information an einen Externen und dem damit verbundenen Risiko verdient.287 Ist die Entscheidung zugunsten einer externen Beratung gefallen, so gilt das besondere Augenmerk der ordnungsgemäßen Auswahl des Beraters. Sie hat so zu erfolgen, daß eine Verbreitung vertraulicher Mitteilungen so weit wie möglich ausgeschlossen werden kann. Dieses Erfordernis entspricht sowohl der ganz herrschenden Meinung in der Literatur als auch der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs.288 Uneinigkeit besteht allerdings hinsichtlich der Frage, nach welchen Kriterien das Aufsichtsratsmitglied den Berater auswählen muß, damit seine Diskretion sichergestellt ist. Eine Mindermeinung hält die persönliche Zuverlässigkeit des Beraters für ausreichend.289 Andere sind der Auffassung, das Aufsichtsratsmitglied müsse den Dritten vor dessen Konsultation vertraglich zur Verschwiegenheit verpflichten.290 Beide Ansätze vermögen jedoch nicht zu überzeugen, da sie keine ausreichende Gewähr für die Siche-

287

vgl. Eutebach, Verschwiegenheitspflicht, S. 38; dahingehend auch Lutter, Information,

S. 177.

288 Vgl. BGHZ 64, 325 (332); Fiuing/Wlotzke/Wißmann, MitbG, § 25 Rn. 107; Lutter, Information, S.I78 f.; Kötner Komm.IMertens, AktG, § 111 Rn. 72; He[ennehl, in: GeßlerjHefermehljEckardtjKropff, AktG, § 93 Rn. 21; Hommelhoff, ZGR 1983, 551 (552 f.).

289

Spieker, NJW 1965, 1937 (1942).

290 Säcker, PS Fischer (1979), 635 (650); Lippert, ÜbelW8chungspflicht, S. 86; Raiser, MitbG, § 25 Rn. 119 m. w. N.; wohl auch Fiuing/Wlotzke/Wißmann, MitbG, § 25 Rn. 107.

100

3. Teil: Art und Weise der Überwachung

rung der Vertraulichkeit im Aufsichtsrat bieten. So ist der subjektive Eindruck von Zuverlässigkeit, den ein einzelnes Aufsichtsratsmitglied im Hinblick auf die von ihm ausgewählte Person zunächst gewonnen hat, unter Umständen schnell widerlegt und das in ihn gesetzte Vertrauen enttäuscht. Ebensowenig bietet die vertragliche Vereinbarung einer Verschwiegenheitspflicht eine hinreichende Gewähr hinsichtlich der Geheimhaltung von Informationen. Die Aussicht auf eine gewinnträchtige Verwertung unternehmensinterner Kenntnisse wird im Zweifel die Gefahr, gegebenenfalls Schadensersatzansprüchen ausgesetzt zu sein, überwiegen. Der Kreis der Berater muß auf solche Personen beschränkt bleiben, die beruflich zur Verschwiegenheit verpflichtet sind, namentlich auf Rechtsanwälte, Steuerberater und Wirtschaftsprüfer.291 Da sie sich im Falle einer unbefugten Weitergabe von Geschäftsgeheimnissen strafbar machen,292 liegt ihre Hemmschwelle erheblich höher als die Hemmschwelle der vertraglich zur Verschwiegenheit Verpflichteten. Insofern bieten Personen, die einer beruflichen Verschwiegenheitspflicht unterliegen - unabhängig von ihrer individuellen Zuverlässigkeit - typischerweise eine größere Sicherheit als Dritte.293 Zusätzlich zur ordnungsgemäßen Auswahl des Beraters muß das Aufsichtsratsmitglied während der gesamten Beratungsdauer darauf achten, ob die betreffende Person noch immer die anfängliche Gewähr für eine vertrauliche Behandlung gesellschaftsinterner Informationen bietet. Keinesfalls darf es die Augen vor eventuellen Verdachtsmomenten verschließen, sondern muß ihnen mit der gebotenen Sorgfalt nachgehen. Schließlich ist dem Geheimhaltungsinteresse der Gesellschaft dadurch Rechnung zu tragen, daß die Beratung auf eine konkrete, durch den Einzelfall hervorgerufene Fragestellung beschränkt bleibt294 und die weitergegebenen Informationen das zur Problembewältigung unbedingt erforderliche Maß nicht überschreiten.29S 291 Dies entspricht der wohl überwiegenden Auffassung in der Literatur: vgI. Hommelhoff, ZGR 1983, 551 (567 f.); Kölner Komm.IMertens, AktG, § 111 Rn. 72, und Eutebach, Verschwiegenheitspflicht, S. 38; dahingehend auch BGHZ 85, 293 (298). Einschränkend Veith, NJW 1966, 526 (528), Hefermehl, in: Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, AktG, § 93 Rn. 21, und GodinjWilhelmi, AktG, § 116 Anm. 4, die lediglich in der Regel einen gesetzlich zur Verschwiegenheit Verpflichteten für erforderlich halten. 292 Vgl. §§ 203 Abs. 1 Nr. 3, 204 StGB. 293

So zutreffend Hommelhoff, ZGR 1983, 551 (567 C.).

294

BGHZ 85, 293 (300).

295 So zutreffend Lutter, Information, S. 179.

B. Die Überwachungspflicht im besonderen

101

ce) Die Haftung einzelner Aufsichtsratsmitglieder für eine Verletzung der Vertraulichkeit durch Hilfspersonen Trotz der soeben umschriebenen Sicherheitsvorkehrungen ist natürlich nicht auszuschließen, daß der hinzugezogene Berater das in ihn gesetzte Vertrauen mißbraucht. Damit stellt sich die Frage nach der Verantwortlichkeit des einzelnen Aufsichtsratsmitglieds gegenüber der Gesellschaft für eine Verletzung der Vertraulichkeit durch Hilfspersonen. Als Zurechnungs- bzw. Haftungsnorm kommt sowohl § 278 als auch § 831 BGB in Betracht. (1) § 278BGB

Die Mehrzahl der Autoren plädiert für die Anwendung des § 278 BGB als Zurechnungsnorm, falls eine Hilfsperson geheimhaltungsbedürftige Tatsachen verbreitet oder anderweitig mißbraucht.296 (a) Die dem § 278 BGB zugnmdeliegende Interessenlage

Bereits ein Blick auf den Sinn und Zweck des § 278 BGB wirft erhebliche Zweifel im Hinblick auf dessen Anwendbarkeit auf. Denn diese Vorschrift beruht auf dem Gedanken, daß derjenige, der sich bei der Erfüllung seiner Pflicht einer Hilfsperson bedient, im eigenen Interesse hande1t: 297 Durch den Einsatz von Gehilfen erweitert der Geschäftsherr seinen Geschäftskreis298 und damit gleichzeitig seine Verdienstmöglichkeiten. Als Äquivalent für diese Vorteile muß er allerdings auch das damit verbundene Risiko tragen. 299 Der Gläubiger, der sich auf die Hinzuziehung von Hilfspersonen einläßt, darf daraus jedenfalls keine Nachteile ziehen.300

296 Hensche, MitbGespräch 1971, 111 (115); Zachert, MitbGespräch 1974,207 (208); ders., MitbGespräch 1976, 225 (226); Spieker, NJW 1965, 1937 (1942); Teichmann/Koehler, AktG 1937, § 95 Anm.5; KiltnerjFuchsjZachert, Arbeitnehmervertreter, Rn. 682; Eutebach, Verschwiegenheitspflicht, S. 37.

297 Motive zu dem Entwurfe eines Bürgerlichen Gesetzbuches für das Deutsche Reich, Band 11, S. 30; vgl. auch Schmidl, AcP 170 (1970), 502. 298

Larenz, Schuldrecht, Band 1, S. 295.

299 Larenz, Schuldrecht, Band 1, S. 295 f.; Motive zum Entwurfe eines Bürgerlichen Gesetzbuches für das Deutsche Reich, Band 11, S. 30; Schmidl, AcP 170 (1970), 502.

300

Schmidt, AcP 170 (1970), 502.

102

3. Teil: Art und Weise der Überwachung

Die Beratung einzelner Aufsichtsratsmitglieder durch außenstehende Sachverständige ist damit nicht zu vergleichen. Hier hat das Aufsichtsratsmitglied einen Spezialisten herangezogen, weil es das Wohl der Gesellschaft forderte301 und nicht im eigenen Interesse zum Zwecke der Arbeitserleichterung.302 Aus dem Grunde wäre es nicht sachgerecht, das Ratsmitglied ohne jede Möglichkeit der Exkulpation für einen Informationsmißbrauch des Beraters einstehen zu lassen. (b) Der Berater als ErfüllungsgehilJe ?

Im übrigen erscheint es fraglich, ob der Berater den Anforderungen entspricht, die jemanden zum Erfüllungsgehilfen eines anderen machen. Sie fordern zunächst, daß der Berater mit Willen des Aufsichtsratsmitglieds bei der Erfüllung einer Verbindlichkeit tätig wird, die das Ratsmitglied der Gesellschaft schuldet.303 Ob der Berater die Bezeichnung "Erfüllungsgehilfe" verdient, hängt demnach davon ab, wozu das Aufsichtsratsmitglied der Gesellschaft gegenüber verpflichtet ist. Zunächst einmal muß sich das Aufsichtsratsmitglied zwingend ein eigenes Urteil über den Jahresabschluß und den Geschäftsbericht bilden.304 Diese Entscheidung auf einen außenstehenden Sachverständigen zu übertragen, verstieße gegen § 111 Abs. 5 AktG, wonach Aufsichtsratsmitglieder ihre Aufgaben nicht durch andere wahrnehmen lassen können.lOS Das Ratsmitglied hat dagegen nicht die Pflicht, das dazu erforderliche - über das durchschnittliche Maß hinausgehende - Spezialwissen zu erbringen.306 Würde man dies verlangen, so dürfte der Aufsichtsrat nur aus Personen bestehen, die über die Kenntnisse eines Steuerberaters oder Wirtschaftsprüfers verfügen. Das ist aber weder realistisch, noch wünschenswert, da in dem Fall fast ausschließlich Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer in den Aufsichtsrat berufen werden könnten. Demnach kann von einem Aufsichtsratsmitglied

301

Vgl. die Abwägungspflicht des Aufsichtsrats, oben 3. Teil, B., 11., 2., b), bb).

302 Ein solcher Beweggrund wäre im übrigen schon gar nicht mit § 111 Abs.5 AktO vereinbar.

303

BOHZ 13, 111 (113); 50, 33 (37).

304 Schu/er, DB 1974, 1849; Begr. RegE. bei Kropff, AktO, S. 278; Homme/hoff, ZOR 1983, 551 (576); Ebke, Wirtschaftsprüfer, S. 270 bei Fn. 115; OLO Frankfurt, WM 1982, 221 (223). lOS

So mit Recht Homme/hoff, ZOR 1983, 551 (576).

306

Vgl. BOHZ 85,293 (296).

B. Die Überwachungspflicht im besonderen

103

vernünftigerweise nur verlangt werden, sich die notwendigen Informationen - notfalls von dritter Seite - zu beschaffen; insofern schuldet es eine sorgfältige Auswahl des heranzuziehenden Sachverständigen, damit die Wissenslücke durch eine kompetente und vertrauenswürdige Person geschlossen wird. Aus diesen Überlegungen ergibt sich, daß der Berater - sofern er ausschließlich die Beurteilungsgrundlagen vermittelt und das Mitglied daraufhin selbst die entsprechenden Schlüsse zieht - im Hinblick auf die Prüfung des Jahresabschlusses keine Pflicht des Aufsichtsratsmitglieds gegenüber der Gesellschaft wahrnimmt. Er erfüllt lediglich seine eigene Pflicht gegenüber dem Ratsmitglied. Darüber hinaus ist das Aufsichtsratsmitglied der Gesellschaft gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichtet (§ 116 i. V. m. § 93 Abs. 1 AktG). Möglicherweise ist der Berater durch die Entgegennahme von Informationen Gehilfe des Aufsichtsrats im Hinblick auf diese Geheimhaltungsverpflichtung geworden. Im sogenannten "Barackenzauber-Fall" hat der Bundesgerichtshof01 festgestellt, daß nicht nur derjenige Erfüllungsgehilfe des Schuldners ist, der Leistungspflichten für ihn erfüllt, sondern auch derjenige, der Sorgfaltspflichten für diesen zu beachten hat: "Überläßt ein Unternehmer eine Baracke, die er von dritter Seite gemietet oder entliehen hat, seinen Arbeitern als Unterkunftsraum ..., so sind die Arbeiter im Rahmen der ihm dem Eigentümer der Baracke gegenüber obliegenden Obhutspflicht seine Erfüllungsgehilfen" .308 Zwar läßt sich die Verschwiegenheitspflicht des Aufsichtsrats nicht in das Raster von Haupt- und Nebenleistungspflichten einordnen, da sie Ausfluß der organschaftlichen Treuepflicht ist;309 der Art nach gleicht sie jedoch einer vertraglichen Sorgfaltspflicht. Das zeigt schon der Wortlaut des § 93 Abs. 1 AktG, der die Einhaltung der Sorgfalts- und Verschwiegenheitspflicht in einem Zusammenhang erwähnt.31o Überlegenswert ist deshalb, ob die Grundsätze des Barackenzauber-Falles auf die Weitergabe von Informa-

307

BGH LM § 827 Nr. 1 BGB.

308

BGH LM § 827 Nr. 1 BGB.

309 BaumbachjHueck, AktG, § 93 Anm. 7; Godin/Wühelmi, AktG, § 93 Anm. 5; Großkomm./Schilling, AktG, § 93 Anm. 11. 310 Vgl. auch GodinjWilhelmi, AktG, § 93 Anm. 4, der die Sorgfaltspflicht als die Pflicht, den Vorteil der Gesellschaft zu wahren und Schaden von ihr abzuwenden, definiert. Nichts anderes beinhaltet aber auch die Treuepflicht, die wiederum Ursprung der Verschwiegenheitspflicht ist, vgl. Kittner, ZHR 136 (1972), 208 (220); HefermehJ, in: Geßler/Hefermehl/ Bekardt/Kropff, AktG, § 93 Rn. 15.

104

3. Teil: Art und Weise der Überwachung

tionen an außenstehende Berater übertragbar sind. Aufschluß verpricht ein Vergleich der Interessenlagen: Im Barackenzauber-Fall stellt der Unternehmer die von ihm gemietete Baracke seinen Arbeitern ausschließlich im eigenen Interesse zur Verfügung; denn ohne diese Maßnahme hätte er andere Mittel aufwenden müssen, um ihnen eine Unterkunft bieten zu können. Folglich entspricht es den Grundsätzen der Billigkeit, ihn auch das Risiko einer Pflichtverletzung durch die Arbeiter tragen zu lassen. Das Aufsichtsratsmitglied dagegen zieht erst in dem Moment einen Berater heran und verschafft ihm die entsprechenden Informationen, nachdem es zu dem Ergebnis gekommen ist, daß das Interesse der Gesellschaft an einer sachgerechten Entscheidung mehr wiegt als ihr Interesse an der Geheimhaltung bestimmter Informationen.3u Es handelt also nicht im eigenen, sondern im fremden Interesse. Dazu stünde es im Widerspruch, wenn das Ratsmitglied gleichzeitig das Risiko des Informationsmißbrauchs durch den beratenden Dritten zu tragen hätte. Unter solchen Voraussetzungen würde kaum ein Aufsichtsratsmitglied das Risiko einer externen Beratung eingehen, sondern es vorziehen, den Verdacht zu ignorieren. Immerhin ist es bei unauffälligen Unregelmäßigkeiten eher unwahrscheinlich, daß ihm insoweit ein pflichtwidriges Unterlassen nachgewiesen werden kann. Dieser Effekt liegt aber erst recht nicht im Interesse der Gesellschaft. Folglich ist eine Verantwortlichkeit des Aufsichtsratsmitglieds gem. § 278 BGB auch im Hinblick auf die Verschwiegenheit des Beraters abzulehnen. (2) § 831 BGB

Nachdem damit feststeht, daß § 278 BGB keine Anwendung findet, bleibt zu prüfen, ob das Aufsichtsratsmitglied zumindest gemäß § 831 BGB für eine Vertraulichkeitsverletzung des Beraters haftet.312 Nach § 831 BGB hat derjenige, der eine andere Person zu einer Verrichtung bestellt hat, für den Schaden einzustehen, welchen der Gehilfe in •Ausführung der Verrichtung" einem Dritten zugefügt hat. Etwas anderes gilt nur dann, wenn er sich gem. § 831 Abs. 1 Satz 2 BGB exkulpieren kann. Der hinzugezogene Berater müßte also Verrichtungsgehilfe des Aufsichtsratsmitglieds sein. Verrichtungsgehilfe ist derjenige, dem von einem anderen, von dessen Weisungen er mehr oder minder abhängig ist, eine Tätigkeit

3U

Vgl. oben 3. Teil, B., 11., 2., b), bb).

312

Für eine Anwendung des § 831 BGB plädiert Lutter, Information, S. 180 f.

B. Die Überwachungspflicht im besonderen

105

übertragen worden ist.313 Im Gegensatz zu § 278 BGB muß diese Tätigkeit ihren Inhalt aber nicht von einer Verbindlichkeit des Geschäftsherrn gegenüber dem geschädigten Dritten ableiten.314 Anders als bei § 278 BGB scheitert die Anwendung des § 831 also zumindest nicht daran, daß der Berater keine Pflicht des Aufsichtsratsmitglieds gegenüber der Gesellschaft erfüllt. Es reicht vielmehr aus, daß das Aufsichtsratsmitglied den Dritten zu seiner eigenen Beratung eingesetzt hat. Auch die erforderliche Weisungsabhängigkeit des Beraters ist zu bejahen, da es genügt, wenn der Geschäftsherr die Tätigkeit des Handelnden jederzeit beschränken oder entziehen oder nach Zeit und Umfang bestimmen kann?15 Zweifelhaft erscheint hingegen, ob die Zufügung des Schadens durch Weitergabe von Informationen an unbefugte Dritte "in Ausführung der Verrichtung" erfolgt. Die schädigende Handlung des Gehilfen muß mit der aufgetragenen Verrichtung nach Art und Zweck in einem unmittelbaren inneren Zusammenhang stehen.316 Für schadenstiftende Handlungen "bei Gelegenheit" haftet der Schuldner - hier das Ratsmitglied - nicht.317 Schwierigkeiten bereitet in diesem Zusammenhang zunächst die zeitliche Komponente. Bei formaler Betrachtungsweise kann nur dann von einem inneren Zusammenhang gesprochen werden, wenn der Berater - während er im Rahmen seines Auftrags Aufsichtsratsunterlagen in seinem Büro bearbeitet - direkt zum Telefon greift, um geheime Informationen weiterzuvermitteln. In der Mehrzahl der Fälle wird die unbefugte Weitergabe von Informationen durch den Berater an außenstehende Dritte oder die mißbräuchliche Verwertung zu eigenen Zwecken aber zeitlich erst nach der Beratung des Aufsichtsratsmitglieds erfolgen. Der unmittelbare innere Zusammenhang scheint dann nicht vorzuliegen. Gleichwohl darf das Einstehenmüssen für den Berater in diesem speziellen Fall nicht an der zeitlichen Diskrepanz scheitern. Es ist rein zufällig und verändert das Wesen der Handlung nicht, ob der Berater die Informationen sogleich weitergibt oder ob er die Kenntnisse erst nach Tagen, Wochen oder Monaten verwertet.

313

ROZ 92, 345 (346).

314

IWpisch, JuS 1984, 250 (252).

315 BOHZ 45, 311

(313).

316

BOH, VersR 1970,1157 (1158); BOHZ 11,152 (153).

317

Larenz, Schuldrecht, Band 2, S. 649.

106

3. Teil: Art und Weise der Überwachung

Dementsprechend erschiene es nicht sachgerecht, wenn dieser Umstand zu einer rechtlich unterschiedlichen Beurteilung führte?18 Darüber hinaus bestehen jedoch ebenfalls Zweifel im Hinblick auf den notwendigen sachlichen Zusammenhang. Gegen das Vorliegen einer Handlung "in Ausführung der Verrichtung" könnte ein Vergleich mit dem Musterbeispiel einer Schädigung "bei Gelegenheit" sprechen: Ein Handwerker, dessen Gehilfe während der Erledigung von Arbeiten im Haus und auf dem Grundstück eines Kunden Gegenstände stiehlt, handelt "bei Gelegenheit der Verrichtung".319 Genauso könnte auch der Berater durch seinen Auftrag lediglich die "Gelegenheit" erhalten haben, Informationen zu sammeln und weiterzuverwenden. Die Formel vom Erfordernis eines "inneren Zusammenhangs" ist zu inhaltsleer, um hier ein Handeln "in Ausführung der Verrichtung" von einer Schädigung "bei Gelegenheit" stichhaltig abzugrenzen. Da der Unrechtsbeitrag des Geschäftsherrn in § 831 BGB letztlich in der unsachgemäßen Auswahl, Organisation und Überwachung der eingesetzten Gehilfen liegt, kommt es in erster Linie darauf an, ob die Bestellung des Gehilfen zu der betreffenden Verrichtung "für dessen unerlaubtes Verhalten typischerweise gefahrerhöhend war".31JJ Eine solche Gefahrerhöhung ist in den Fällen der vorliegenden Art zu befürworten: Die Beratung eines Aufsichtsratsmitglied durch einen außenstehenden Sachverständigen ist in der Regel nicht ohne die gleichzeitige Weitergabe von Informationen durchführbar. Da aber Insider-Kenntnisse in der Wirtschaft und insbesondere an der Börse besonders begehrt sind, ist die Beauftragung eines Sachverständigen typischerweise mit dem Risiko der mißbräuchlichen Informationsverwertung verbunden. Dieses Risiko wird noch dadurch verstärkt, daß die Versuchung, aus Insider-Informationen Kapital zu schlagen, nicht nur während der Beratungsdauer, sondern noch lange danach bestehen bleibt.

318 Zur Unterstützung dieser These sei auf die Entscheidung des Reichsgerichts, RGZ 104, 141 (insb. S. 145), verwiesen. In diesem ähnlich gelagerten Fall hat das Reichsgericht auch nicht darauf abgestellt, zu welchem Zeitpunkt der Postbedienstete die während seiner DienstverriChtung erworbenen, vertraulichen Daten weitergegeben hat. 319 Vgl. BGHZ 11, 151 ff. (insb. S. 153 f.). 320 Münch. Komm.IMmens, BGB, § 831 Rn. 44; ähnlich Larenz, Schuldrecht, Band 2, S. 649; vgl. auch Fikentscher, Schuldrecht, § 107 I 2 c) ce), der sogar von "typischen beruflichen Versuchungen" spricht, deren Wahrnehmung zur Haftung des Geschäftsherm führen kann.

B. Die Überwachungspflicht im besonderen

107

Ebensowenig steht einem Handeln "in Ausführung der Verrichtung" entgegen, daß der Berater die Vertraulichkeit in der Regel vorsätzlich verletzen wird. Sogar vorsätzlich unerlaubte Handlungen lösen eine Haftung des Geschäftsherrn aus, wenn sie sich gerade gegen den dem Gehilfen übertragenen Pflichtenkreis richten?21 Letzteres trifft in etwa auf den Berater zu. Zwar besteht nicht seine Hauptleistungspflicht darin, vertrauliche Informationen geheimzuhalten; gleichwohl kommt der Verschwiegenheitspflicht eine erhebliche Bedeutung im Verhältnis zwischen Aufsichtsratsmitglied und Berater zu. Immerhin ist die Geheimhaltungspflicht der Aufsichtsratsmitglieder in § 93 Abs. 1 Satz 1 AktG ausdrücklich normiert. Daß der Berater solche Kenntnisse, wenn er sie im Rahmen seiner Beratung erhält, ebenfalls nicht weitergeben darf, versteht sich von selbst. Eine solche Bestimmung muß nicht expressis verbis in den Beratervertrag aufgenommen werden, um vertragliche Geltung beanspruchen zu können. Folglich handelt der Berater "in Ausführung der Verrichtung", wenn er vertrauliche Informationen weitergibt. Schließlich sprechen auch allgemeine Erwägungen für eine Anwendung des § 831 BGB. Anders als § 278 BGB führt diese Norm zu einer angemessenen Risikoverteilung zwischen Aufsichtsratsmitglied und Gesellschaft: Zwar hat das Ratsmitglied einerseits für das Fehlverhalten des Beraters einzustehen; andererseits kann es sich aber gem. § 831 Abs. 1 Satz 2 BGB dadurch exkulpieren, daß es eine ordnungsgemäße Auswahl, Überwachung und Anleitung des Gehilfen darlegt, für die es ohnehin gem. §§ 116, 93 AktG die Verantwortung trägt.322 Ebensowenig verschärft § 831 BGB die bereits aufgrund des Aktiengesetzes bestehende Beweislastregelung.323 Als Ergebnis ist demnach festzuhalten, daß das Aufsichtsratsmitglied für eine Vertraulichkeitsverletzung des von ihm hinzugezogenen Beraters gemäß § 831 BGB gegenüber der Gesellschaft einzustehen hat. dd) Ergebnis

Trotz einer fehlenden gesetzlichen Regelung ist ausnahmsweise auch einzelnen Aufsichtsratsmitgliedern die Befugnis zuzusprechen, im Zusam-

321

Münch.

322

Mit sorgfältiger "Anleitung" ist die maßvolle Weitergabe von Informationen gemeint,

Komm.IMmens, BGB, § 831 Rn. 45; vgI. auch BGHZ 11, 151 (153).

vgI. oben 3. Teil, B., 11., 2., b), bb).

323 Vgl. die Beweislastumkehr gem. § 116 i. V. m. § 93 Abs. 2 Satz 2 AktG; dazu auch Luner, Information, S. 181.

108

3. Teil: Art und Weise der Überwachung

menhang mit der Prüfung des Jahresabschlusses außenstehende Berater heranzuziehen. Diese Befugnis setzt allerdings voraus, daß das Aufsichtsratsmitglied der nicht unbegründeten Auffassung ist, durch den Aufsichtsrat nicht ausreichend beraten worden zu sein. Außerdem muß sich die Mehrheit geweigert haben, zur weiteren Aufklärung einen Berater heranzuziehen. Als Berater kommen allerdings nur solche Personen in Betracht, die einer beruflichen Verschwiegenheitspflicht unterliegen. Zudem hat das Aufsichtsratsmitglied im Einzelfall sorgfältig abzuwägen, ob das Bedürfnis nach Beratung gegenüber dem damit verbundenen Risiko einer Informationsverbreitung überwiegt. Darüber hinaus ist die Beratung auf einen konkreten Einzelfall zu beschränken. Mißbraucht der Berater gleichwohl die ihm anvertrauten Informationen, so hat das Aufsichtsratsmitglied dafür gemäß § 831 BGB einzustehen.

3. Die Pflichten des Aufsichtsrats nach Prüfung des Jahresabschlusses und des Geschäftsberichts Der Aufsichtsrat muß der Hauptversammlung schriftlich über das Ergebnis der Prüfung berichten (§ 171 Abs. 2 Satz 1 AktG).324 Darüber hinaus hat der Bericht folgendes zu enthalten:325 - Die Darlegung von Art und Umfang der Prüfung der Geschäftsführung während des Geschäftsjahres (§ 171 Abs. 2 Satz 2 AktG) - Die Stellungnahme des Aufsichtsrats zum Ergebnis der Prüfung des Jahresabschlusses durch die Abschlußprüfer (§ 171 Abs. 2 Satz 3 AktG) - Die Erklärung von Einwendungen, sofern sich solche nach dem endgültigen Ergebnis der Prüfung ergeben haben (§ 171 Abs. 2 Satz 4 AktG) - Die Erklärung der Billigung des Jahresabschlusses bzw. deren Versagung (§ 171 Abs. 2 Satz 4 AktG) - Die Beschlüsse des Vorstands und des Aufsichtsrats, sofern diese gem.

§ 172 Satz 1 AktG übereinkommen, die Feststellung des Jahresabschlusses

der Hauptversammlung zu überlassen (§ 172 Satz 2 AktG)

Die Frist, innerhalb derer der Bericht zu erstatten ist, und die Konsequenzen einer Fristüberschreitung regelt § 172 Abs.3 AktG. Billigt der Aufsichtsrat den Jahresabschluß, so ist dieser festgestellt, es sei denn, Vorstand und Aufsichtsrat beschließen, die Feststellung des Jahresabschlusses

324 Eingehend dazu AdlerjDüring/Schmaltz, Rechnungslegung, § 171 325

Rn. 28.

Vgl. im einzelnen AdlerjDüring/Schmaltz, Rechnungslegung, § 171 Rn. 29

ce.

B. Die Überwachungspflicht im besonderen

109

dem Aufsichtsrat zu überlassen. Weigert sich der Aufsichtsrat, den Jahresabschluß zu billigen, so erfolgt die Feststellung des Jahresabschlusses in jedem Fall durch die Hauptversammlung (§ 173 Abs. 1 AktG).

HI. Die InformationsbeschafTung des Aufsichtsrats Nur ein gut informierter Aufsichtsrat kann seine Pflichten ordnungsgemäß erfüllen.326 Dementsprechend detailliert hat der Gesetzgeber in § 90 AktG bestimmt, worüber der Vorstand dem Aufsichtsrat berichten muß. Ergänzt wird diese Berichtspflicht des Vorstands durch das Einsichtsrecht des Aufsichtsrats gem. § 111 Abs. 2 AktG. 1. Die Berichte des Vorstands

Den Schwerpunkt des Informationssystems bilden die Berichte des Vorstands nach § 90 AktG. a) Inhalt und Umfang der Berichte

Zu unterscheiden sind die Berichte des Vorstands aus eigener Initiative und die Berichte, die er nur auf (besonderes) Verlangen des Aufsichtsrats erstellen muß.

aa) Die Berichte des Vorstands aus eigener Initiative In erster Linie dienen die regelmäßigen Berichte des Vorstands gem. § 90 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1-3 AktG der Information des Aufsichtsrats. Sie umfassen die beabsichtigte Geschäftspolitik und andere Fragen der künftigen Geschäftsführung, die Rentabilität der Gesellschaft, namentlich die Rentabilität des Eigenkapitals und den Gang der Geschäfte, sowohl im Hinblick auf den Umsatz als auch im Hinblick auf die Lage der Gesellschaft.327 Der Vorstand

326 Vgl. dazu insbesondere Karoli, PS Möhring (1973), 115 (128); LutterjKrieger, Rechte, S. 55; Theisen, DB 1989, 311 (312).

3X1 VgJ. dazu im einzelnen Sem/er, Überwachungsaufgabe, S. 33 ff.; LuuerjKrieger, Rechte, S. 56 ff.; Luuer, Information, S. 9 ff.; ders., AG 1991, 249 (251), und die Kommentierungen von Geßler, in: Geßler/HefermehI/Eckardt/Kropff, AktG, § 90 Rn. 7 ff., sowie von Mertens, in: Kölner Komm., AktG, 2. Aufl., § 90 Rn. 33 ff.

110

3.

Teil: Art und Weise der Überwachung

hat sie aus eigener Initiative zu erstatten, wobei sich der Zeitpunkt der Berichterstattung aus § 90 Abs. 2 Nr. 1-3 AktG ergibt. Neben dieser regelmäßigen Berichtspflicht obliegt dem Vorstand des weiteren eine Pflicht zur "Sonderberichterstattung", welche ebenfalls aus eigener Initiative zu erfolgen hat: Gemäß § 90 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 i. V. m. § 90 Abs. 2 Nr. 4 AktG hat der Vorstand dem Aufsichtsrat über Geschäfte zu berichten, die von "erheblicher Bedeutung..328 für die Rentabilität oder Liquidität der Gesellschaft sein können. Dies muß so rechtzeitig geschehen, daß der Aufsichtsrat vor einer Vornahme des Geschäfts dazu Stellung nehmen kann. Darüber hinaus hat der Vorstand gem. § 90 Abs. 1 Satz 2 AktG aus "sonstigen wichtigen Anlässen,,329 zu berichten. Adressat dieser Berichte ist - im Gegensatz zu § 90 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1-3 AktG - nicht der Gesamtaufsichtsrat, sondern der Aufsichtsratsvorsitzende. Diese Besonderheit trägt dem Umstand Rechnung, daß bei wichtigen Anlässen eine Information des Plenums oft nicht mehr möglich sein wird,33O vor allem bei einem Aufsichtsrat mit hoher Mitgliederzahl. Die genannten Berichtspflichten sind als Mindestpflichten zwingend und können nicht beschränkt,331 wohl aber erweitert werden, wobei insbesondere an eine Erweiterung der Berichtszeiträume zu denken ist.332 Sie kann durch die Satzung oder durch den Aufsichtsrat selbst erfolgen.333 Letzteres ist etwa 328 Ausführlich zu den Voraussetzungen der "erheblichen Bedeutung" vgl. Lutter, Infonnation, S. 15 ff. 329 Dazu im einzelnen Lutter, Infonnation, S. ff.

S. 117

17; vgl.

auch Begr. RegE. bei Kropff, AktG,

330 Vgl. Lutter, Infonnation, S. 17, der außerdem zutreffend davon ausgeht, daß ein "sonstiger wichtiger Anlaß" zumindest immer dann gegeben sei, wenn ein Geschäft, das an sich die Voraussetzungen des § 90 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AktG erfülle, nicht mehr dem Gesamtaufsichtsrat mitgeteilt werden könne. In diesem Fall diene § 90 Abs. 1 Satz 2 AktG folglich als Auffangtatbestand.

331 Hefermehl, in: Geßler/HefennehI/Eckardt/Kropff, AktG, § 90 Rn. 4; BaumbachjHueck, AktG, § 90 Rn. 4; Großkomm.IMeyer-Landrut, AktG, § 90 Anm. 15; LutterjKrieger, Rechte, S. 60; Kölner Komm.IMertens, AktG, 2. Aufl., § 90 Rn. 29. 332 Vgl. Großkomm./Meyer-LandTUt, AktG, § 90 Anm. 15; Lutter/Krieger, Rechte, S. 60; Baumbach/Hueck, AktG, § 90 Rn. 4; Lutter, Infonnation, S. 22; Hefermehl, in: Geßler/Hefennehl/Eckardt/Kropff, AktG, § 90 Rn. 4; Kölner Komm.IMertens, AktG, 2. Aufl., § 90 Rn. 29, mit Ausnahme des Rentabilitätsberichts, da § 90 Abs. 2 Nr. 2 AktG im Gegensatz zu Nr. 1 und Nr. 3 nicht die Fonnulierung "mindestens· enthalte. Dem hält Lutter, aaO., zutreffend folgendes entgegen: Wenn sogar jedes Ratsmitglied über § 90 Abs. 3 AktG solche Berichte häufiger verlangen könne, müsse dies erst recht auch durch die Satzung möglich sein. 333 Großkomm./Meyer-Landrut, AktG, § 90 Anm.

15; LutterjKrieger,

Rechte, S. 60.

B. Die Überwachungspflicht im besonderen

111

möglich, indem der Aufsichtsrat die Geschäftsordnung des Vorstands dahingehend ausgestaltet.334

bb) Die Berichte auf Verlangen des Aufsichtsrats (1) Berichte gem. § 90 Abs. 3 AktG

Gem. § 90 Abs. 3 Satz 1 AktG ist der Aufsichtsrat berechtigt, jederzeit weitere Berichte über "Angelegenheiten der Gesellschaft" anzufordern. Berichte über geschäftliche Vorgänge bei verbundenen Unternehmen kann er jedoch nur dann verlangen, wenn sie auf die Lage der Gesellschaft von erheblichem Einfluß sein können (§ 90 Abs. 3 Satz 1). Auf diese Art und Weise lassen sich Meinungsverschiedenheiten zwischen Vorstand und Aufsichtsrat über die zutreffende Auswahl von Informationen ausgleichen, denn beide Organe werden insofern nicht immer die gleichen Schwerpunkte setzen?3S Die Befugnis aus § 90 Abs. 3 AktG steht nicht nur dem Gesamtaufsichtsrat, sondern gemäß § 90 Abs. 3 Satz 2 1. Halbs. AktG auch einzelnen Ratsmitgliedern zu. Dadurch soll verhindert werden, daß die Information von Minderheiten im Aufsichtsrat durch Mehrheitsbeschluß verhindert wird?36 Allerdings sind auch die Berichte nach § 90 Abs. 3 Satz 2 AktG immer dem Gesamtaufsichtsrat und nicht nur dem fordernden Mitglied zuzuleiten, so daß es sich keine Kenntnisse verschaffen kann, die den anderen Mitgliedern vorenthalten bleiben.337 Weigert sich der Vorstand, den geforderten Bericht zu erstatten, so kann das einzelne Aufsichtsratsmitglied sein Verlangen

334 Großkomm.IMeyer-Landrut, AktG, § 90 Anm. 15; Lutter, Information, S. 23. LutterjKrieger, Rechte, S. 60, bezeichnen darüber hinaus auch § 90 Abs. 3 AktG als Erweiterung der Berichtspflicht durch den Aufsichtsrat.

33S So Lutter/Krieger, Rechte, S.60; auch He/urnehl, in: Geßler/Hefermehl/Eckardtl Kropff, AktG, § 90 Rn. 17, den Lutter/Krieger, Rechte, S. 61, falsch interpretieren: He/urnehl sieht den Grund der Regelung nicht in einer schlechthin unzureichenden gesetzlichen Ausgestaltung des Berichtssystems, sondern - ebenso wie LutterjKrieger, aaO. - in der Schwäche des BeriChtssystems, die sich allein aus möglicherweise unterschiedlichen Auffassungen von Vorstand und Aufsichtsrat über die Auswahl der notwendig zu berichtenden Tatsachen ergibt; vgl. auch schon Begr. RegE. bei Kropff, AktG, § 90, S. 118, wo pauschal bemerkt wird, die Berichterstattung des Vorstands aus eigener Initiative reiche nicht aus, um dem Aufsichtsrat die Erfüllung seiner Überwachungspflicht zu ermöglichen. 336 Kölner Komm.IMmens, AktG, 2. Aufl., § 90 Rn. 42. 337 Baumbach/Hueck, AktG, § 90 Rn. 12; Kölner Komm.IMmens, AktG, 2. Aufl., § 90 Rn. 42.

112

3. Teil: Art und Weise der Überwachung

allerdings nur weiterverfolgen, wenn sich ihm ein zweites Mitglied anschließt (§ 90 Abs.3 Satz 2 2. Halbs. AktG). Diese Regelung dient dazu, einem Mißbrauch des Auskunftsrechts vorzubeugen.338 (2) Ergänzende Berichte (a) Das Recht des Aufsichtsrats auf ergänzende Berichterstattung

Bei Lückenhaftigkeit oder sonstiger Unzulänglichkeit eines Berichts kann der Aufsichtsrat vom Vorstand dessen Ergänzung verlangen,339 und zwar sowohl im Hinblick auf die Berichte nach § 90 Abs. 1 AktG als auch hinsichtlich der nach § 90 Abs. 3 Satz 1 AktG. Im ersten Fall dient § 90 Abs. 1 AktG als Anspruchsgrundlage für das Ergänzungsverlangen, im zweiten Fall § 90 Abs. 3 Satz 1 AktG. Entsprechendes gilt, wenn ein Mitglied den ihm gem. § 90 Abs. 3 Satz 2 AktG zugeleiteten Bericht für nicht ausreichend hält, allerdings wiederum nur unter der Voraussetzung, daß sich ein zweites Aufsichtsratsmitglied dem Verlangen anschließt.34O Das Erfordernis der Unterstützung durch ein weiteres Mitglied ergibt sich auch in diesem Fall aus § 90 Abs. 3 Satz 2 2. Halbs. AktG, denn die Erstattung eines lückenhaften oder sonst mangelhaften Berichts stellt gleichzeitig eine teilweise Weigerung der Berichterstattung durch den Vorstand dar. Sofern der Bericht vollkommen unzureichend ist, kann der Aufsichtsrat ihn sogar ganz zurückweisen, weil die Erfüllung der Berichtspflicht damit nicht eingetreten und der diesbezügliche Anspruch des Aufsichtsrats nicht untergegangen ist.341 Andererseits hat der Aufsichtsrat auch nur dann einen Anspruch auf präzise Berichterstattung gegen den Vorstand, wenn er seine Forderung dementsprechend genau formuliert. 342

338

Begr. RegE. bei Kropf!, AktG, S. 118.

339 Kölner Komm.IMmens, AktG, 2. Aufl., § 90 Rn. 42; Lippen, Überwachungspflicht, S. 79; Sem/er, Überwachungsaufgabe, S. 43; Hefermehl, in: Geßler/Hefermehl/Eckardt/ Kropff, AktG, § 90 Rn. 31.

340 Kölner Komm.IMmens, AktG, 2. Aufl., § 90 Rn. 42; Lippen, Überwachungspflicht, S. 79; Kruse, Organisation, S. 106. 341

Lutter, Information, S. 79; Semler, Überwachungsaufgabe, S. 43 bei Fn. 101.

342 LG Bonn und OLG Köln, AG 1987, 24 f.; Kölner Komm.IMmens, AktG, 2. Aufl., § 90 Rn. 42; Lutter, Information, S. 79. Lutter leitet jedoch zu Unrecht den Anspruch auf Ergän-

B. Die Überwachungspflicht im besonderen

113

(b) Die Pflicht des Aufsichtsrats zur ForrJefUIIg ergänzender Berichte

Im Anschluß an diese Untersuchungen stellt sich die Frage, ob der Aufsichtsrat nur berechtigt oder gleichzeitig verpflichtet ist, eine Ergänzung bzw. eine Neuerstellung mangelhafter Berichte zu fordern. Mit Ausnahme von Semle?U und Geßle~ formuliert die Mehrzahl der Autoren ihre Stellungnahme in einer Weise, als handele es sich dabei lediglich um eine Befugnis des Aufsichtsrats.34S Diese Sichtweise stößt jedoch auf erhebliche Bedenken, denn der Gesetzgeber hat die Vorschrift des § 90 AktG zu dem Zweck geschaffen, eine umfassende Information des Aufsichtsrats über die wichtigsten Umstände im Unternehmen zu gewährleisten.346 Dieser Zweck würde verfehlt, wenn der Vorstand lückenhafte oder sonst an Mängeln leidende Berichte erstatten könnte, ohne daß der Aufsichtsrat dagegen vorgehen müßte. Das Bemühen des Gesetzgebers, die Berichtsthemen derart konkret vorzuschreiben, erschiene dann vergeblich. Zudem ist die Berichterstattung des Vorstands ein Akt der Geschäftsführung,347 und die Hauptaufgabe des Aufsichtsrats besteht gerade in der Überwachung der Geschäftsführung (§ 111 Abs. 1 AktG). Deshalb ist Geßle,>"8 zuzustimmen, nach dessen Auffassung der Aufsichtsrat seiner Überwachungspflicht nur dann genügt, wenn er u. a. dafür sorgt, daß die Berichte nach § 90 AktG gewissenhaft, sorgfältig und - insbesondere hinsichtlich der notwendigen Angaben - vollständig erstattet werden. Folglich reicht es nicht zung eines materiell und fonnell unzulänglichen Berichts pauschal aus § 90 Abs. 3 AktG her. Sofern der Vorstand beispielsweise einen Bericht nach § 90 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AktG lückenhaft erstattet, ist der diesbezügliche Anspruch des Aufsichtsrats auf Berichterstattung auch nicht untergegangen. Folglich ergibt sich der Ergänzungsanspruch konsequenterweise aus § 90 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AktG und nicht aus § 90 Abs. 3 AktG.

343 Überwachungsaufgabe, S. 43. 344 In: Geßler/HefennehI/Eckardt/Kropff, AktG, § 111 Rn. 20; dahingehend auch Schlegelberger/Quassowski, AktG 1937, § 95 Rn. 16, wenn er sagt: "Der Anspruch auf Berichterstattung ist nicht nur ein Recht des Aufsichtsrats, sondern, da er Ausfluß seiner Überwachungspflicht ist, auch eine Pflicht".

34S Vgl. Hefennehl, in: Geßler/HefennehI/Eckardt/Kropff, AktG, § 90 Rn. 31; Kölner Komm.IMertens, AktG, 2. Aufl., § 90 Rn. 42; Lutter, Infonnation, S.72; Lippert, Überwachungspflicht, S. 79. 346

Vgl. Begr. RegE. bei Kropff, AktG, S. 116.

347 Hefennehl, in: Geßler/Hefennehl/EckardtjKropff, AktG, § 90 Rn. 3; dahingehend auch Großkomm./Meyer-Landrut, AktG, § 76 Anm. 3. 348

In: Geßler/HefennehljEckardt/Kropff, AktG, § 111 Rn. 20.

8 Steinbock

114

3. Teil: Art und Weise der Überwachung

aus zu sagen, der Aufsichtsrat "könne" ergänzende Berichterstattung verlangen; der Aufsichtsrat "muß" vielmehr Ergänzung fordern, wenn er sich nicht gegenüber der Gesellschaft schadensersatzpflichtig machen will. Dieser Grundsatz gilt jedenfalls für solche Berichte, die der Vorstand aus eigener Initiative zu erstatten hat.349 Anders könnte die Rechtslage dagegen im Fall des § 90 Abs. 3 AktG sein. Ebenso wie der Aufsichtsrat ganz auf ein Berichtsverlangen verzichten kann,3.~ müßte es ihm - als Minus gegenüber dem Totalverzicht - auch erlaubt sein, sich mit einem mangelhaften Bericht zu begnügen. Generell erscheint ein solcher "Teilverzicht" nicht ausgeschlossen. Eine andere Beurteilung ergibt sich dagegen, wenn die angeforderte Information unerläßlich für die ordnungsgemäße Erfüllung der Überwachungsaufgabe ist. In diesem Fall verwandelt sich die Ermessensentscheidung des Aufsichtsrats nach § 90 Abs. 3 AktG in eine Pflichtentscheidung. Ob eine solche "Ermessensreduzierung auf Null" nur ausnahmsweise vorliegt oder ob das "Recht" aus § 90 Abs. 3 AktG faktisch immer eine Pflicht ist, hängt davon ab, ob der Aufsichtsrat überhaupt Informationen vom Vorstand verlangen kann, die nicht unbedingt erforderlich für die Erfüllung der Überwachungspflicht sind. Diese Frage wird im folgenden zu klären sein. (e) Die Grenzen des Beriehtsreehts

Ausgehend vom Wortlaut des § 90 Abs. 3 AktG scheinen dem Berichtsanspruch des Aufsichtsrats gegen den Vorstand keine Grenzen gesetzt zu sein, denn unter der Rubrik "Angelegenheiten der Gesellschaft" läßt sich nahezu alles einordnen, was für den Aufsichtsrat irgendwie von Interesse sein könnte.351 Hielte man also allein den Wortlaut dieser Vorschrift für maßgeblich, so wäre der Aufsichtsrat in der Lage, durch ständige Berichtsverlangen die Geschäftsführung des Vorstands zu torpedieren. Dies kann aber nicht Sinn

349

Vgl. § 90 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1-4 und Abs. 2 AktG.

3SO Vgl. Großkomm.IMeyer-Landrut, AktG, § 90 Anm. 7; ähnlich Kölner Komm.IMertens, AktG, 2. Aufl., § 90 Rn. 41; LutterjKrieger, Rechte, S. 62; BaumbachjHueck, AktG, § 90 Rn. 10. 351 Aus der Systematik des § 90 Abs. 3 Satz 1 AktG geht hervor, daß sich der Zusatz "die auf die Lage der Gesellschaft von erheblichem Einfluß sein können" (§ 90 Abs. 3 Satz 1 letzter Halbs. AktG) nur auf die Berichte über wirtschaftliche Vorgänge bei verbundenen Unternehmen bezieht (ebenso Lutter, Information, S. 28; Kölner Komm.IMertens, AktG, 2. Aufl., § 90 Rn. 41; Baumbach/Hueck, AktG, § 90 Rn. 10; Großkomm.IMeyer-Landrut, AktG, § 90 Anm. 8. A. A. Ambrosius, OB 1979, 2165 ff.).

B. Die Überwachunppflicht im besonderen

115

und Zweck des Berichtsrechts sein. Aus diesem Grunde ist es unerläßlich, der Befugnis des Aufsichtsrats aus § 90 Abs. 3 AktG weitere Schranken zu setzen. (aa) Funktionen des Aufsichtsrats Nach ganz herrschender Auffassung wird das Ausmaß des Berichtsanspruchs durch den Umfang der Aufsichtsratsaufgaben festgelegt. 352 Andere machen die Berechtigung des Informationsanspruchs davon abhängig, daß dessen Gegenstand von "erheblichem" Einfluß auf die Lage der Gesellschaft sein kann.3S3 Das Kriterium der Erheblichkeit bestimmt sich allerdings auch nach dieser Auffassung danach, ob der Berichtsanspruch dem Zweck einer sachgerechten Erfüllung der Aufsichtsratsfunktionen dient.3S4 Inhaltlich besteht demnach kein Unterschied zur herrschenden Meinung. Das gleiche gilt für die Variante Hoffmanns,lSS der die Grenze des Informationsrechts dort zieht, wo ihre Ausübung mißbräuchlich ist.3S6 Rechtmäßig ist jedoch auch nach Hoffmann ein Berichtsverlangen nur dann, wenn es für eine sachgerechte Ausübung der Überwachungsaufgabe geeignet ist.3S7 Nachdem die Aufgaben des Aufsichtsrats als Schranken des Informationsanspruchs feststehen, stellt sich nunmehr die Frage, welche Funktionen des Aufsichtsrats in diesem Zusammenhang relevant sind. Zulässig sind nach allgemeiner Ansicht solche Berichtsverlangen, die zum Zwecke einer ordnungsgemäßen Erfüllung der Überwachungspflicht erhoben werden.3S8 So-

352 Lutter, Information, S. 28 ff., nennt diese Schranken "Funktionsschranken". Desnelben Ansatzpunkt wählen auch Saage, in: Handbuch des Aufsichtsrats, S. 409 (440 f.); Menens, AG 1980, 67 (68); Kölner Komm.IMenens, AktG, 2. Aufl., § 90 Rn. 7; Lippen, Überwachungspflicht, S. 87 f.; Großkomm.IMeyer-Landrut, AktG, § 90 Anm. 8; Semler, Überwachungsaufgabe, S. 43.

3S3 Ambrosius,

OB 1979, 2165 (2167).

354

Ambrosius, OB 1979, 2165 (2166 f.).

lSS

Aufsichtsrat, Rn. 252 f.

3S6

Hoffmann, Aufsichtsrat, Rn. 253.

3S7

Hoffmann, Aufsichtsrat, Rn. 253.

3S8 Saage, in: Handbuch des Aufsichtsrats, S. 409 (440); Hojfmann, Aufsichtsrat, Rn. 253; Ambrosius, OB 1979, 2165 (2166); Lutter, Information, S. 28; Menens, AG 1980, 67 (68); Kölner Komm.IMenens, AktG, 2. Aufl., § 90 Rn. 7; Großkomm.IMeyer-Landrut, AktG, § 90 Anm.8; Lippen, Überwachungspflicht, S.87; Schlegelberger/Quassowski, AktG 1937, § 95 Rn. 10; unklar Hefermehl, in: Geßler/HefermehI/Eckardt/Kropff, AktG, § 90 Rn. 32.

116

3. Teil: Art und Weise der Überwachung

fern man die Beratungsfunktion des Aufsichtsrats nicht als Teil der Überwachungsfunktion auffaßt - wie teilweise vertreten wird _,rI) stellt diese eine weitere eigene Schranke dar,360 da nur ein gut informierter Aufsichtsrat sinnvoll beraten kann. Entsprechendes gilt für die anderen spezifischen Funktionen, insbesondere für die Mitwirkung bei bestimmten Entscheidungen der Geschäftsführung im Rahmen des § 111 Abs. 4 Satz 2 AktG sowie für die Bestellung und Abberufung des Vorstands,361 denn eine Entscheidung des Aufsichtsrats "ins Blaue hinein" würde immer der Sorgfalt eines "ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters" (§ 116 i. V. m. § 93 Abs. 1 AktG) widersprechen. (bb) Sachlicher Bezug Nachdem die Aufsichtsratsaufgaben als Schranken des Berichtsanspruchs feststehen, bleibt zu klären, ob der Aufsichtsrat nur Informationen verlangen darf, die für die Erfüllung seiner Aufgaben "unerläßlich" sind, oder ob für das Berichtsverlangen bereits ein "sachlicher Bezug" zu den Aufsichtsratsfunktionen ausreicht. Die Formulierungen in der Literatur sprechen zu recht für die zweite Alternative.362 Nur auf diese Weise läßt sich die strenge Haftung des Auf-

rI) So vor allem Großkomm./Meyer-Landrut, AktG, § 111 Anm. 1; Karoli, FS Möhring (1973), 115 (126); dahingehend auch SchJaus, AG 1968, 376; Lutter, Information, 1. Aufl., S. 17. Anders äußert sich Lutter nunmehr in der 2. Aufl., S. 24, er nennt dort nicht mehr drei zentrale Aufgabenbereiche des Aufsichtsrats (Überwachung, Beratung, und Kooperation), sondern erwähnt nur noch zwei Bereiche: Überwachung, ind. Beratung, und Kooperation.

360 A. A. Mertens, AG 1980, 67 ff., der eine eigenständige Beratungsfunktion des Aufsichtsrats apriori ablehnt und dementsprechend natürlich auch kein Berichtsverlangen zu diesem Zweck zuläßt. Seiner Meinung nach darf der Aufsichtsrat nur auf Verlangen des Vorstands beraten. Dann werde der Vorstand aber freiwillig die erforderliche Informationen weiterleiten, so daß für einen Berichtsanspruch gar kein Bedürfnis bestehe. 361 Kölner Komm./Mertens, AktG, 2. Aufl., § 90 Rn. 7, sofern man diese nicht schon unter den Oberbegriff "Überwachung" faßt. 362 Mertens, AG 1980, 67 (68), fordert einen sachlichen Bezug zu den Aufgaben des Aufsichtsrats; dahingehend auch Großkomm./Meyer-Landrut, AktG, § 90 Anm. 9, und He[ermehJ, in: Geßler/HefermehI/Eckardt/Kropff, AktG, § 90 Rn. 32. Nach Hoffrnann, Aufsichtsrat, Rn. 253, muß das Berichtsverlangen für die Überwachungstätigkeit geeignet sein. Ambrosius, OB 1979, 2165 (2166), akzeptiert Berichtsverlangen nur dann, wenn sie zum Zwecke einer sachgerechten Überwachung erfolgen; dahingehend auch Saage, in: Handbuch des Aufsichtsrats, S. 409 (441), nach dessen Auffassung der Bericht erkennbar dem Überwachungszweck dienen muß.

B. Die Überwachungspflicht im besonderen

117

sichtsrats gem. §§ 116, 93 AktG rechtfertigen. Er muß die Möglichkeit haben, auch solche Informationen einzuholen, die für die bevorstehende Maßnahme objektiv nicht unbedingt erforderlich sind. Insofern reicht es aus, wenn der Aufsichtsrat aus seiner Perspektive meint, zur Absicherung seiner Entscheidung weitere Informationen einholen zu müssen. (ce) Interessenabwägung des Aufsichtsrats Angesichts dieses umfassenden Berichtsanspruchs besteht andererseits die Gefahr, daß der Vorstand durch einen übertrieben vorsichtigen Aufsichtsrat und dessen unverhältnismäßigen Berichtsverlangen arbeitsmäßig überfordert wird. Um diesem Extrem vorzubeugen, ist der Aufsichtsrat verpflichtet, - im Hinblick auf jedes einzelne Berichtsverlangen - sein Informationsbedürfnis und die Belastung des Vorstands gegeneinander abzuwägen.363 Nur wenn das Informationsbedürfnis überwiegt, ist er berechtigt, den betreffenden Berichterstattungsanspruch geltend zu machen.364 Die Entscheidung darüber trifft der Aufsichtsrat nach seinem Ermessen. Sie ist daraufhin nachprüfbar, ob die Ermessensgrenzen eingehalten worden sind.365• 366 b) Träger des Berichtsrechts

Umstritten ist die Frage nach dem Inhaber des Berichtsrechts. Zu unterscheiden sind in diesem Zusammenhang zwei Gruppen von Berichten: zum einen die Berichte gemäß § 90 Abs. 1 und Abs. 3 Satz 1 AktG, die aus eigener Initiative des Vorstands bzw. auf Verlangen des Gesamtaufsichtsrats erstattet werden, und zum anderen die Berichte gemäß § 90 Abs. 3 Satz 2 AktG, die auf Verlangen eines einzelnen Aufsichtsratsmitglieds zu erstellen sind.

363

Dahingehend auch Lippen, Überwachungspflicht, S. 89.

364 Ein Überwiegen des Informationsbedürfnisses kann durchaus auch dann vorliegen, wenn der Aufsichtsrat seine Entscheidung nur absichern möchte. Insbesondere wenn eine falsche Entscheidung gravierende negative Konsequenzen hätte, dominiert in diesen Fällen das Informationsinteresse des Aufsichtsrats. 365 Insbesondere hinsichtlich eines Mißbrauchs oder offensichtlichen Fehlgebrauchs, vgI. Kölner Komm.IMmens, AktG, 2. Aufl., § 90 Rn. 8. 366 Zur Frage, ob bzw. unter welchen Voraussetzungen der Vorstand von sich aus die Berichterstattung verweigern darf, vgl. Lutter, Information, S. 31; Hefermehl, in: Geßler/HefermehI/Eckardt/Kropff, AktG, § 90 Rn. 32; Großkomm.IMeyer-Landrut, AktG, § 90 Anm. 9; Kölner Komm.IMmens, AktG, 2. Aufl., § 90 Rn. 11.

3. Teil: Art und Weise der Überwachung

118

aa) Die Berichte auf Verlangen des Gesamtaufsichtsrats Als Inhaber der Rechte aus § 90 Abs. 1 und Abs. 3 Satz 1 AktG kommen das Organ Aufsichtsrat, die einzelnen Organmitglieder und die Gesellschaft selbst in Betracht.

(1) Die Organmitglieder als Rechtsträger Von vornherein auszuschließen ist die Annahme, das Berichtsrecht stehe den einzelnen Organmitgliedern zu. Anderenfalls wäre nicht einzusehen, warum das Berichtsverlangen nach § 90 Abs. 3 Satz 1 AktG erst dann Verbindlichkeit erlangt, wenn die Aufsichtsratsmitglieder ihrem Willen durch einen Beschluß Ausdruck verliehen haben.367 Immerhin ist der Beschluß das Mittel, durch welches der Aufsichtsrat als Organ seinen Willen bildet.368 Zudem bedarf dieser Beschluß lediglich der einfachen Mehrheit der abgegebenen Stimmen.3(/} Das Berichtsverlangen kann also auch dann erfolgen, wenn einzelne Mitglieder dies ablehnen und dementsprechend unterbleiben, obwohl einige Mitglieder es fordern. Darüber hinaus ist der Beschluß vorbehaltlich einer abweichenden Satzungsbestimmung - selbst dann gültig, wenn nur ein Teil der Aufsichtsratsmitglieder daran teilgenommen hat (vgl. § 108 Abs. 2 AktG).370 Daraus ergibt sich, daß es auf den Willen der einzelnen Aufsichtsratsmitglieder nicht ankommen kann. Die Einzelstellungnahmen der Aufsichtsratsmitglieder sind zwar nicht vollkommen unbedeutend; sie verlieren aber ihre individuelle Bedeutung, sobald sie in den Beschluß des Gesamtorgans einfließen. Folglich wäre es unzutreffend, im Rahmen des § 90 Abs. 3 Satz 1 AktG von einem Berichtsrecht der einzelnen Mitglieder zu sprechen. Das gleiche gilt für entsprechende Berichtsverlangen des Aufsichtsrats auf der Grundlage des § 90 Abs. 1 AktG. Diese sind für den Fall denkbar, daß der Vorstand seiner Berichtspflicht von vornherein nicht nachkommt oder 367 So auch Hommellwlf, ZHR 143 (1979), 288 (293 f.). Zum Erfordernis eines Beschlusses im Rahmen des § 90 Abs.3 Satz 1 AktG vgl. Hefermehl, in: Geßler/HefermehI/Eckardt/ Kropff, AktG, § 90 Rn. 20; Lutter/Krieger, Rechte, S. 62; Großkomm./Meyer-Landrut, AktG, § 90 Anm. 7; GodinjWilhelmi, AktG, § 90 Anm. 9.

§

368

Vgl. §

108 Rn. 4.

108 Abs. 1 AktG und Geßler, in: GeßlerjHefermehI/Eckardt/Kropff, AktG,

3(/} Geßler, in: Geßler/HefermehI/Eckardt/KropCC, AktG, § 108 Rn. 20 Cf.; GOdin/ Wilhelmi, AktG, § 108 Anm. 4. 370

Vgl.

auch Baltzer, Beschluß,

S.

37 Cf.

B. Die Überwachungspflicht im besonderen

119

der Aufsichtsrat eine Ergänzung der Berichte nach § 90 Abs. 1 AktG fordert.371 Es verbleiben also das Organ Aufsichtsrat und die Gesellschaft als mögliche Rechtsträger .

(2) Die Aktiengesellschaft als Rechtsträger Ein Großteil der Autoren vertritt die Auffassung, die Informationsrechte aus § 90 Abs. 1 und Abs. 3 Satz 1 AktG gegen den Vorstand stünden der Gesellschaft zu.m Teilweise begründen sie ihre Sichtweise mit der Existenz des § 112 AktG. Danach vertrete der Aufsichtsrat die Gesellschaft gerichtlich und außergerichtlich vertrete und könne somit in deren Namen gegen den Vorstand auf Erstattung der Berichte klagen. Für ein eigenes Recht des Aufsichtsrats bestehe deshalb kein Bedürfnis.313 Westermann stellt demgegenüber darauf ab, wessen Interessen das Berichtsrecht dient, denn grundsätzlich seien der Träger des Rechts und der Träger des Interesses identisch. Da der Berichtsanspruch aus § 90 Abs. 1 und Abs. 3 Satz 1 AktG primär dem Interesse der Gesellschaft an der Funktionsfähigkeit des Gesamtorganismus diene, müsse ihr dieser Anspruch auch selbst zustehen.374 Zwar seien auch die einzelnen Aufsichtsratsmitglieder bestrebt, mit Hilfe der Informationen des Vorstands ihre individuellen Pflichten zu erfüllen und somit eine Haftung gemäß §§ 116, 93 AktG zu verhindern; dieses Interesse trete jedoch hinter dem der Gesellschaft zurück und führe somit nicht zu einer Rechtsträgerschaft des Organs.375 Auch die Anerkennung des Vorstands als Partei in § 245 Ziff.4 AktG rechtfertige

371

Vgl. oben 3. Teil, B., 1Il., 1., a), bb), (2), (a).

372 Westennann, PS Bötticher (1969), 369 (377 Cf.); HefennehI, in: Geßler/HefermehI/Eckardt/Kropff, AktG, § 90 Rn. 20 und 36; Lewerenz, Leistungsklagen, S. 108; Flume, Juristische Person, S. 406; BaumbachjHueck, AktG, § 82 Rn. 14; Sclunidt, UP 92 (1979), 212 (220); Stodolkowitz, ZHR 154 (1990), 1 (8); so wohl auch SchIegelbergerjQuassowski, AktG 1937, § 81 Rn. 10.

373 So vor allem Lewerenz, Leistungsklagen, S. 108; dahingehend wohl auch Flume, Juristische Person, S. 406, wenn er sagt: "Für die Sicherung der Erfüllung der Berichtspflicht des Vorstands nach § 90 AktG wäre nichts gewonnen, wenn man für Vorstand und Aufsichtsrat eine Organrechtsrahigkeit annehmen wollte". 374

Westennann, PS Bötticher (1969),369 (376).

375

Westennann, PS Bötticher (1969), 369 (376).

120

3. Teil: Art und Weise der Überwachung

keine andere Betrachtungsweise. Die §§ 245 Ziff. 4 und 90 AktG regelten "zu unterschiedliche Sachverhalte, als daß sie unbedingt zum gleichen Ergebnis führen müßten". Insbesondere beträfe § 245 Ziff. 4 AktG - im Gegensatz zu § 90 AktG - keinen Anspruch auf Vornahme einer Handlung, sondern ein Feststellungsbegehren.376 (3) Das Organ als Rechtsträger

Neuere Stimmen in der Literatur3'n sprechen sich für das "Organ Aufsichtsrat" als Rechtsträger aus. Darauf deute insbesondere der Wortlaut des § 90 Abs.3 Satz 2 AktG hin, wonach der "Aufsichtsrat ... einen Bericht" vom Vorstand "verlangen" kann.378 Hommelhoff führt zusätzlich die Entstehungsgeschichte des § 90 Abs. 1 und Abs. 3 AktG als Beleg für die Rechtsträgerschaft des Aufsichtsrats an: Schon in der Begründung zu Art. 225 ADHGB sei von einer "Befugnis" des Aufsichtsrats, Berichterstattung vom Vorstand verlangen zu können, die Rede gewesen?19 Auch später hieße es immer wieder, der Aufsichtsrat habe ein "Recht auf Berichterstattung"380 bzw. einen "Berichterstattungsanspruch".381 Darüber hinaus verweisen die Verfechter dieser Auffassung auf den Zweck des § 90 AktG; die Vorschrift diene in erster Linie dazu, die Erfüllung der Überwachungsaufgabe zu ermöglichen.382 Deshalb sei es nur konsequent, die "Hilfsbefugnis" (seil.: das Berichtsrecht) demjenigen zuzuordnen, der auch die "Hauptbefugnis" (seil.: die Überwachungsaufgabe) inne habe; da die Überwachungspflicht - wie auch hier bereits festgestellt383 - den

376

Westermann, PS Bötticher (1969), 369 (377).

377 Hommelhoff, ZHR 143 (1979), 288 (291 f.); Bauer, OrganIdagen, S. 116 f.; Bork, ZGR 1989, 1 (15 ff.); Lutter, Infonnation, S. 69 ff.; dahingehend wohl auch Gemeinschaftskomm./Naendrup, MitbG, § 25 Rn. 219.

378 Hommelhoff, ZHR 143 (1979), 288 (291); Bork, ZGR 1989, 1 (16); Bauer, Organklagen, S.116. 379

Hommelhof!, ZHR 143 (1979), 288 (291) m. w. N.

380 Hommelhof!, ZHR 143 (1979), 288 (291), mit Hinweis auf Sch1egelberger/Quassowski/Sclunölder, Aktienrecht, § 246 Rn. 4; Brodmann, HGB, § 246 Anm. 1 c. 381 Allerdings nur im Hinblick auf § 90 Abs. 3 Satz 2 AktG, vgI. Begr. RegE. bei Kropf!, AktG, S. 118; dazu Hommelhof!, ZHR 143 (1979), 288 (291, insb. bei Pn. 10). 382

Bork, ZGR 1989, 1 (17); Bauer, OrganIdagen, S. 116.

383

Vgl. oben 1. Teil, A., I.

B. Die Überwachungspflicht im besonderen

121

Aufsichtsrat als Organ treffe, müsse ihm folglich ebenfalls das Berichtsrecht zugewiesen sein.3M (4) Weitung

Welche der aufgezeigten Möglichkeiten hier den Vorzug verdient, läßt sich nur schwer entscheiden. (a) Der Identitätsgtundsatz

In der Tat erscheint es systematisch konsequent, das Hilfsrecht demjenigen zuzuordnen, dem die Hauptpflicht obliegt. Da auch nach der hier vertretenen Auffassung das Organ Aufsichtsrat Träger der Überwachungspflicht ist, spricht einiges dafür, ihm das Berichtsrecht zuzuweisen. Dieser "Identitätsgrundsatz" führt dagegen zu paradoxen Konsequenzen, sofern man die Gesellschaft als Inhaber des Berichtsrechts ansieht. Zwar wäre es noch vertretbar, ihr ebenfalls die Überwachungspflicht zuzuordnen. Um sich nicht dem Vorwurf der Inkonsequenz auszusetzen, müßte man der Gesellschaft dann aber auch die übrigen Rechte und Pflichten zuordnen, die das Gesetz dem Wortlaut nach den Organen zuweist, denn es ist kein plausibler Grund für eine diesbezügliche Ungleichbehandlung ersichtlich. Damit wäre die Gesellschaft zugleich Inhaber der Geschäftsführungs- und der Überwachungspflicht sowie der Berichtspflicht und des Berichtsrechts; mit anderen Worten: die Gesellschaft müßte sich sowohl selbst überwachen als auch sich selbst Bericht erstatten.3&5 Von einem System der "checks and balances"386 in der Aktiengesellschaft könnte dann keine Rede mehr sein. (h) Die Zuweisung der Berichtspj1icht an die Vorstandsmitglieder

Diese Ungereimtheiten im Zusammenhang mit der Berichterstattung versuchen diejenigen, welche die Gesellschaft als Träger des Berichtsrechts bezeichnen, zu vermeiden, indem sie die entsprechende Berichtspflicht den

384

So zutreffend Bork, ZGR 1989, 1 (17); ebenso Bauer, Organklagen, S. 116.

3&5

Hommellwjf, ZHR 143 (1979), 288 (295).

386 Vgl. den

Begriff bei Lutter, AcP 180 (1980), 84 (138).

122

3. Teil: Art und Weise der Überwachung

einzelnen Vorstandsmitgliedern zuordnen.387 Ein solches Vorgehen stößt jedoch auf die gleichen Bedenken wie schon die Zuweisung der Überwachungspflicht an die einzelnen Aufsichtsratsmitglieder,388 denn die im Hinblick auf den Träger der Überwachungspflicht angestellten Überlegungen lassen sich insoweit entsprechend anwenden. Sie führen auch hier zu dem Ergebnis, daß die Berichtspflicht dem Organ Vorstand als "überindividuelle Wirkungseinheit~ zugeordnet ist.390 Die einzelnen Vorstandsmitglieder sind "lediglich" verpflichtet, auf die Erfüllung der Berichtspflicht hinzuwirken,391 wobei diese Mitwirkungspflicht je nach Organisation des Vorstands unterschiedlich ausgestaltet sein kann.392 Eine Zuweisung der Berichtspflicht an die Vorstandsmitglieder bei gleichzeitiger Annahme einer Rechtsträgerschaft der Gesellschaft entbehrt zudem jeder Konsequenz. Besonders deutlich wird dies angesichts der Ausführungen Westennanns: 393 Wie bereits gezeigt, begründet er die Rechtsträgerschaft der Gesellschaft damit, daß die Berichterstattung vornehmlich in ihrem Interesse erfolge. Das Interesse der Aufsichtsratsmitglieder an der Vermeidung einer individuellen Haftung sei demgegenüber zweitrangig.394 Genau das gleiche müßte aber ebenfalls für die Berichtspflicht des Vorstands gelten. Sie dient ebenso primär dem Interesse der Gesellschaft wie das Berichtsrecht, denn Pflicht und Recht beleuchten lediglich zwei verschiedene

387 Westermann, PS Bötticher (1969),369 (379 f.); Flume, Juristische Person, S. 406; Lewerenz, Leistungsklagen, S. 108 f.; Hefermehl, in: Geßler/Uefermehl/Eckardt/Kropff, AktG, § 90 Rn. 36; Stodolkowitz, ZUR 154 (1990), 1 (7 f.).

388 Vgl. oben 1. Teil, A., I. und 11. 389

Begriff von Hommelhoff, ZUR 143 (1979), 288 (301).

390 Ebenso Bauer, Organklagen, S. 117; Hommelhoff, ZUR 143 (1979), 288 (300) mit ausführlicher Begründung; Lutter, Information, S. 69 f; Kölner Komm.IMmens, AktG, 2. Auß., § 90 Rn 26; Bork, ZGR 1989, 1 (16 f.). A. A. Hefermehl, in: Geßler/Uefermehl/Eckardtl Kropff, AktG, § 90 Rn. 2, nach dessen Auffassung die Berichtspßicht allen Vorstandsmitgliedern obliegt.

391 Vgl. oben 1. Teil, B., 11. und Kölner Komm.IMmens, AktG, 2. Auß., § 90 Rn. 26; HommelhoJf, ZUR 143 (1979), 288, 300 f. Das erkennt auch Stodolkowitz, ZUR 154 (1990), 1 (8). Allerdings existiert seiner Meinung nach dennoch keine dem Gesamtorgan zugewiesene Berichtspßicht (aaO., S. 15: "Schuldner des Berichtsanspruchs bleiben die Vorstandsmitglieder"). Obwohl er ausdrücklich sagt, die Gesamtleistung könne selbstverständlich nur "der Vorstand als Organ" erbringen (aaO., S. 8), überspringt er letztlich doch diese Ebene. 392 Vgl. oben 1. Teil, B., I. und 11. 393

PS Bötticher (1969), 369 (375 ff.).

394

Westermann, PS Bötticher (1969), 369 (378).

B. Die Überwachunppflicht im besonderen

123

Seiten derselben Sache; der ordnungsgemäße Informationsaustausch zwischen Vorstand und Aufsichtsrat allgemein liegt im Interesse der Gesellschaft. Bei stringenter Weiterführung seiner "Interessen-Argumentation" hätte Westennann der Gesellschaft folglich auch die Berichtspflicht zuweisen müssen. Stattdessen erachtet er hier offenbar die individuellen Interessen der Vorstandsmitglieder als vorrangig.39S Eine überzeugende Begründung für seine Sichtweise liefert Westennann nicht. Die seinem eigenen System widersprechende Lösung läßt sich jedenfalls nicht mit der vordergründigen Erklärung rechtfertigen, die Gesellschaft könne nicht Träger der Berichtspflicht sein, weil sie bereits Träger des Rechts auf Bericht sei.396 Diese Vorgehensweise führt zu Zufallsergebnissen. Beginnt man nämlich mit der Zuweisung der Berichtspflicht, die bei Anwendung des Interessengrundsatzes die Gesellschaft treffen muß, so kann nun das Recht auf Berichterstattung nicht mehr der Gesellschaft zustehen, denn "wer Inhaber des Rechts auf Bericht ist, kann ... nicht gleichzeitig Träger der Pflicht sein".397 (c) Das Problem des Insichprozesses

Wenn man sich schon für die Gesellschaft als Rechtsträger entscheidet, erscheint es also zumindest aus dogmatischen Gründen zwingend, ihr auch die Berichtspflicht zuzuordnen. Allerdings ergeben sich dann Schwierigkeiten im prozessualen Bereich, weil die Gesellschaft im Streitfall gegen sich selbst klagen müßte, und zwar vertreten durch den Vorstand auf der eine und den Aufsichtsrat auf der anderen Seite. Die Zulässigkeit eines solchen Prozesses stößt auf erhebliche Bedenken, da der Zivilprozeß auf dem Zweiparteien prinzip beruht.398 Danach müssen Kläger und Beklagter unterschiedliche Rechtssubjekte sein; anders gewendet: "Niemand kann mit sich selbst

39S

Westennann, FS Bötticher (1969), 369 (379 f.).

396 So Westennann, FS Bötticher (1969), 369 (379 f.): " ... entspricht es der selbständigen Verantwortlichkeit jedes einzelnen Vorstandsmitglieds, ihm auch selbst die Berichtspflicht aufzuerlegen".

397 So Westennann, FS Bötticher (1969), 369 (379); kritisch dazu auch Scholz/Schneider, GmbHG, § 52 Rn. 374, der allerdings nicht bei der Zuweisung der Berichtspflicht ansetzt, sondern bei der Klageerhebung: "Klagt der Aufsichtsrat zuerst auf Bericht, so würde er im Namen der Gesellschaft klagen, klagt der Geschäftsführer zuerst, daß er nicht zum Bericht verpflichtet ist, so würde er im Namen der Gesellschaft klagen". Ihm folgend Bauer, Organklagen, S. 25. 398

Schellhammer, Zivilprozeß, Rn. 1032.

124

3. Teil: Art und Weise der Überwachung

prozessieren".399 Zu diesem unzulässigen Ergebnis würde die aufgezeigte Betrachtungsweise aber führen, denn Partei im Zivilprozeß ist nur derjenige, von dem oder gegen den die staatliche Rechtsschutzhandlung, namentlich Urteil oder Zwangsvollstreckung, begehrt wird.400 Partei ist demnach nur der Vertretene und nicht der Vertreter, d. h. hier auf beiden Seiten die Gesellschaft. Bei Annahme dieser Konstruktion wäre das Berichtsrecht folglich nicht durchsetzbar. Das widerspräche aber dem - noch heute Geltung beanspruchenden~01 - Grundsatz des § 89 Einleitung Preuß. ALR: "Wem die Gesetze ein Recht geben, dem bewilligen sie auch die Mittel, ohne welche dasselbe nicht ausgeübt werden kann". Diesem Widerspruch versuchen einige Autoren dadurch zu begegnen, daß sie die Organe nicht als Vertreter der Gesellschaft, sondern als Prozeßstandschafter auftreten lassen,402 die sowohl ein eigenes Interesse als auch das Interesse der Gesellschaft verfolgen.403 Da Vorstand und Aufsichtsrat dann im eigenen Namen klagen könnten, wäre der Verstoß gegen das Zweiparteienprinzip - zumindest bei formaler Betrachtungsweise - ausgeräumt. Bei materieller Betrachtungsweise verbleiben gleichwohl erhebliche Beda die Organe auch im Falle der Prozeßstandschaft ein fremdes Recht - nämlich das der Gesellschaft - geltend machen. Der Unterschied zur Vertretung beschränkt sich insoweit auf das nun gegebene eigene Interesse des Organs an der Geltendmachung des fremden Rechts. In der Sache handelt es sich gleichwohl noch um einen Insichprozeß. Zwar ändert sich diese Situation - wie Bauer zutreffend bemerkt40S - auch dann nicht, wenn die Organe eigene Rechte gegeneinander geltend machen, da es letztlich natürlich immer um die Funktionsfähigkeit des Gesamtkomplexes geht. Allerdings ginge die Verselbständigung bei Annahme eigener Rechte der Organe zumindest so weit, daß man - anders als bei Annahme einer Prodenken,~

399 Schellhammer, Zivilprozeß, Rn. 1032; vgI. auch Rosenberg/Schwab, Zivilprozeßrecht, S. 217; Heinsheimer, PS Wach (1913), Band 3, S. 125 (129). 400

Rosenberg/Schwab, Zivilprozeßrecht, S. 213.

401 Hommelhoff, ZHR 143 (1979), 288 (305); EnneccerusjNipperdey, Allgemeiner Teil, Band 2, S. 1367; Schumann, in: SteinfJonas, ZPO, Vor § 253 Rn. 82. 402

Häsemeyer, ZHR 144 (1980), 26S (275 ff.); Teichmann, PS Mühl (1981), 663 (669 ff.)

403

Teichmann, PS Mühl (1981), 663 (670).

~ So auch Bauer, Organldagen, S. 68; Bork, ZGR 1989, 1 (25). 40S

Organklagen, S. 69.

B. Die Überwachungspflicht im besonderen

125

zeßstandschaft - ohne größere Bedenken von zwei Parteien sprechen könnte.406, 4(f1 (5) Ergebnis

Zusammenfassend ergibt sich also, daß es sowohl aufgrund des Wortlauts und des Zwecks des § 90 AktG, als auch in Anbetracht der prozessualen Konsequenzen vorzugswürdig ist, das Informationsrecht dem Aufsichtsrat und dementsprechend die Berichtspflicht dem Vorstand zuzuordnen.408

bb) Die Berichte auf Verlangen einzelner Aufsichtsratsmitglieder § 90 Abs. 3 AktG bietet nicht nur dem Gesamtaufsichtsrat, sondern gemäß Satz 2 auch dem einzelnen Ratsmitglied die Möglichkeit, Berichte vom Vorstand zu verlangen. Als Schuldner der Berichtspflicht kommt auch hier nur der Vorstand als Organ in Betracht, denn auf dieser Seite des Rechtsverhältnisses ist kein Unterschied zu § 90 Abs. 3 Satz 1 AktG erkennbar.409

Problematischer erscheint die Frage nach dem Anspruchsinhaber. Eine Rechtsträgerschaft der Gesellschaft scheitert aus den gleichen Gründen wie bereits im Rahmen des § 90 Abs. 3 Satz 1 AktG.410 Selbst Westennann,411 der dort eine Rechtsträgerschaft der Gesellschaft befürwortete, spricht hier

406 Dahin tendiert auch Bauer, Organklagen, S.25: "Dies hätte zumindest den Vorteil konstruktiver Klarheit".

407 Schließlich stehen auch nicht die Entscheidungen des Bundesgerichtshofs vom 5. Juni 1975 (BGHZ 64,325 ff.) und vom 15. November 1982 (BGHZ 85,293 ff.) einer Zuordnung des Informationsrechts und der Berichtspflicht an die Organe entgegen. Zwar war dort die Aktiengesellschaft richtige Beklagte, es ging jedoch um organinteme Streitigkeiten und nicht um Auseinandersetzungen zwischen verschiedenen Organen einer AG (Vgl. auch OLG Düsseldorf, WM 1973, 1425). Das Problem der Parteienidentität auf beiden Seiten stellte sich bei den betreffenden Konstellationen folglich nicht (so mit Recht Lutter, Information, S. 71). 408 Die Zuordnung der Rechte und Pflichten an die Organe ergibt natürlich nur dann einen Sinn, wenn sie diese auch selbständig vor Gericht geltend machen können. Vgl. deshalb zur Frage der Parteiflihigkeit der Organe unten 3. Teil, B., IV., 6., a), bb), (2). 409

Vgl. oben 3. Teil, B., III., 1., b), aa).

410

Vgl. oben 3. Teil, B., 111., 1., b), aa).

411

Westermann, PS Bötticher (1969), 369 (379).

126

3. Teil: Art und Weise der Überwachung

von einem Recht des einzelnen Mitglieds. Hauptbeweggrund für seine Auffassung ist offenbar die Tatsache, daß anderenfalls das jeweilige Mitglied entgegen § 112 AktG - als Vertreter der Gesellschaft fungieren müßte.412 Außerdem gehe es dem einzelnen Aufsichtsratsmitglied "um eine für ihn speziell interessierende Frage", so daß es sachgerechter sei, ihm selbst das Recht zuzuordnen:U3 In der Tat führt die Interessenargumentation Westennanns an dieser Stelle zu einem überzeugenden Ergebnis. Gleichwohl zieht er nicht alle sich daraus ergebenden Schlüsse.414 Der Interessengesichtspunkt spricht nicht nur gegen die Gesellschaft, sondern ebenso gegen den Gesamtaufsichtsrat als Träger des Berichtsrechts. Das wird deutlich, wenn man den Sinn und Zweck des § 90 Abs. 3 Satz 2 AktG betrachtet. Die Regelung ermöglicht dem einzelnen Mitglied die Beschaffung von Informationen auch gegen den Willen der Mehrheit im Aufsichtsrat. Sie dient folglich dem Minderheitenschutz.415 Jedes einzelne Mitglied soll in der Lage sein, sich diejenigen Informationen zu verschaffen, die für eine ordnungsgemäße Erfüllung der Überwachungsaufgabe erforderlich sind. Schließlich haftet es gem. §§ 116, 93 AktG auch individuell für die ordnungsgemäße Erfüllung seiner Aufgaben. Wenn § 90 Abs. 3 Satz 2 AktG aber - wie dargelegt - dem Schutz der Minderheit im Aufsichtsrat dient, so erschiene es nicht folgerichtig, den Anspruch dennoch dem Gesamtorgan zuzuweisen. Dieses Ergebnis wird dadurch erhärtet, daß das Berichtsverlangen des einzelnen Aufsichtsratsmitglieds nicht durch einen Beschluß des Plenums vereitelt werden kann, indem dieses auf den betreffenden Bericht verzichtet.416 Nicht zuletzt spricht der Wortlaut für ein Recht jedes einzelnen Aufsichtsratsmitglieds,417 wenn es dort heißt: "Auch ein einzelnes Mitglied kann einen Bericht ... verlangen". Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, daß die

412

Westermann, PS Bötticher (1969), 369 (379).

413 Westermann, PS Bötticher (1969), 369 (379). Ihm zustimmend SChmidt, ZZP 92 (1979), 212 (225). 414 Westennann geht hier nicht mehr auf eine mögliche Anspruchsinhaberschaft des Aufsichtsrats ein, da er dem Organ bereits an früherer Stelle die erforderliche Versetbständigung für eine Rechtsträgerschaft abgesprochen hat (vgl. Westermann, PS Bötticher (1969), 369 (377). 415

So auch Bork, ZGR 1989, 1 (33).

416 So zutreffend Bork, ZGR 1989, 1 (33), mit Hinweis auf: Großkomm.IMeyer-Landrut, AktG, § 90 Anm. 10; GodinjWllhelmi, AktG, § 90 Anm. 10; Kötner Komm.IMmens, AktG, 2. Auß., § 90 Rn. 14.

417

Ebenso Westermann, PS Bötticher (1969), 369 (379).

B. Die Übcrwacbungspflicbt im besonderen

127

Berichterstattung in diesen Fällen an den Gesamtaufsichtsrat zu erfolgen hat. Diese Auflage soU lediglich eine Benachteiligung der übrigen Ratsmitglieder verhindern:ua Auch das Erfordernis der Unterstützung durch ein weiteres Ratsmitglied im Falle der Weigerung des Vorstands hat keinen Einfluß auf die Frage der Rechtsträgerschaft,~19 sondern beugt allein einem Mißbrauch des Individualrechts vor!1ß Folglich handelt es sich bei dem Recht aus § 90 Abs. 3 Satz 2 AktG um ein eigenes Recht jedes einzelnen Aufsichtsratsmitglieds.421 2. Das Einsichtsrecht des Aufsichtsrats a) Das Binsic:btsrecbt im allgemeinen

Unabhängig von den Berichten des Vorstands~22 nach § 90 Abs. 3 AktG kann der Aufsichtsrat gem. § 111 Abs. 2 AktG selbst, durch einzelne Mitglieder oder für bestimmte Aufgaben durch Sachverständige die Bücher und Schriften der Gesellschaft sowie die Vermögensgegenstände, namentlich die Gesellschaftskasse und die Bestände an Wertpapieren und Waren, einsehen und prüfen. Der Wortlaut dieser Vorschrift zeigt, daß es sich dabei um ein Relikt aus früherer Zeit handelt, das - zumindest wörtlich angewandt - den heutigen

418 So Westermann, PS Bötticber (1969), 369 (379); Bork, ZGR 1989, 1 (33); vgl. auch schon oben 3. Teil, B., m., 1., a), bb), (1). 419 Lewerenz, Lcistungsklagen, S. 104: "Das Unterstützungsvcrlangen ist ... allein Anspruchsvoraussctzung ... "; ihm folgend Bork, ZGR 1989, 1 (33 bei Pn. 148). A. A. Häsemeyer, ZHR 144 (1980), 26S (285).

420

(1).

Begr. RegE. bei Kropff, AktG, S. 118; vgl. auch schon oben 3. Teil, B., 111., 1., a), bb),

421 Im Ergebnis ebenso, allerdings ohne Begründung: Hefermehl, in: GeßlerjHefermehlj EckardtjKropff, AktG, § 90 Rn. 21; LunerjKrieger, Rechte, S. 47; SchiegelbergerlQuassowski, AktG 1937, § 95 Rn. 14; vgl. auch schon Sch1egelbergerIQuassowskiISchmölder, Aktienrecht, § 246 Rn. 5; Flume, Juristische Person, S. 406. A. A. Hommellwjf, ZHR 143 (1979), 288 (315); Stodolkowitz, ZHR 154 (1990), 1 (15); Häsemeyer, ZHR 144 (1980), 26S (285); Großkomm.jMeyer-Landrut, AktG, § 90 Anm. 11, nach dessen Auffassung das einzelne Mitglied ein Recht des Gcsamtaufsichtsrats geltend macht. Die von Meyer-Landrut zitierte Entscheidung des BayObLG, AG 1968, 329 f., stützt seine Sichtweise allerdings nicht. Dort wird lediglich klargestellt, daß der Bericht an den Aufsichtsrat als ganzen zu erstatten ist und nicht an das einzelne Mitglied selbst (S. 330). Damit ist aber keine Aussage über den Inhaber des Anspruchs getroffen. 422

Lutter, Information, S. 86.

128

3. Teil: Art und Weise der Überwachung

Gegebenheiten nicht mehr gerecht werden kann.423 Ungeachtet dessen sichert § 111 Abs. 2 AktG aber zudem das nach wie vor wichtige Recht des Aufsichtsrats, die Betriebe zu besichtigen.424 Auf diese Art und Weise hat der Aufsichtsrat die Möglichkeit, sich "vor Ort" einen Eindruck von den Vorgängen, Arbeitsabläufen und -bedingungen im Unternehmen zu verschaffen. Nur so ist er in der Lage, insbesondere innerbetriebliche Entscheidungen des Vorstands nachzuvollziehen und sich ein Bild von dessen Führungs- und Organisationsqualitäten zu machen."2'5 Im Zusammenhang mit der Besichtigung der Einrichtungen der Gesellschaft sowie im Rahmen der übrigen Prüfungen gemäß § 111 Abs. 2 Satz 1 AktG beschränkt sich das Informationsrecht des Aufsichtsrats nicht auf die visuellen Eindrücke. Der Aufsichtsrat darf dabei durchaus auch Fragen an Bedienstete richten. Allerdings wäre es hier überzogen, von einem "Befragungsrecht" im Hinblick auf Angestellte zu sprechen. Die Fragen dürfen keinesfalls in den Vordergrund rücken, sondern sind vielmehr auf einem allgemeininformativen Niveau zu halten. Eine andere Deutung trägt der Wortlaut des § 111 Abs. 2 Satz 1 AktG nicht.426 Semler4Tl entnimmt der Vorschrift des weiteren die Aussage, der Aufsichtsrat könne und müsse bezüglich sämtlicher seiner Überwachung unterliegenden Maßnahmen auch selbst Prüfungen vornehmen. Dies gelte vor allem, soweit der Vorstand über bestimmte Vorgänge noch nicht berichtet habe. Diese Formulierung ist allerdings etwas zu weit geraten. Zwar weist Semler selbst darauf hin, daß der Aufsichtsrat durch Ausnutzung des Einsichts- und Prüfungsrechts den Vorstand nicht daran hindern dürfe, seine Berichte gem. § 90 AktG zu erstatten;428 vorzugswürdig erscheint jedoch, die Anwendung des Einsichts- und Prüfungsrechts noch weiter einzugrenzen. Neben dem Vorrang der Berichterstattung gem. § 90 AktG ist die Befugnis

423 Huppert, Recht, S. 38; Pelaer, WM 1981, 346 (349 f.); Gutenberg, ZtB, Ergänzungsheft Dez. 1970,1 (3); Geßler, in: Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, AktG, § 111 Rn. 38; Luner, Information, S. 86 f.; zum Zugriff auf Daten vgI. Lippert, Überwachungspflicht, S. 80 f., und Kruse, Organisation, S. 115. 424

Geßler, in: Geßler/HefermehI/Eckardt/Kropff, AktG, § 111 Rn. 38.

425

Luner, Information, S. 87.

426 Zu weitgehend deshalb Luner, Information, S. 98 ff. Zur Befragung von Angestellten vgl. auch unten 3. Teil, B., 111., 3.

4Tl

Überwachungsaufgabe, S. 44.

428 Semler, Überwachungsaufgabe, S. 44; ähnlich, allerdings noch weitergehender Luner, Information, S. 96.

B. Die Überwachungspflicht im besonderen

129

auch im übrigen nur im äußersten Fall einzusetzen.429 Lutter/Krieger430 leiten dieses "Ultima-Ratio-Prinzip" überzeugend aus der Sorgfaltspflicht der §§ 116, 93 AktG her: Das Gebrauchmachen vom Einsichts- und Prüfungsrechts aus § 111 Abs. 2 AktG belaste die Gesellschaft in hohem Maße, da es der ganzen Belegschaft und damit quasi der Öffentlichkeit die Existenz von Mißtrauen zwischen Vorstand und Aufsichtsrat dokumentiere. Daher solle es nur in Ausnahmefällen eingesetzt werden.431 Wann eine Einsichtnahme oder Prüfung erforderlich ist, entscheidet der Aufsichtsrat nach seinem pflichtgemäßen Ermessen.432 Richtlinie und gleichzeitig Grenze des Einsichts- und Prüfungsrechts ist in erster Linie433 der Überwachungszweck.434 In keinem Fall dürfen die Aufsichtsratsmitglieder Kontakte zu Geschäftspartnern der Gesellschaft aufnehmen, um sich Informationen zu verschaffen. Dieser Bereich bleibt allein der Geschäftsleitung vorbehalten.43S Die Befugnis aus § 111 Abs. 2 AktG steht dem Aufsichtsrat als Organ zu und nicht dem einzelnen Mitglied.436 Das ergibt sich aus einer Gegenüberstellung mit § 90 Abs. 3 AktG und aus der Notwendigkeit, den Vorstand vor ZU großer Belästigung und die Gesellschaft vor Auskundschaftung durch Aufsichtsräte zu schützen, die auch in Konkurrenzunternehmen tätig sind.431

429 Lutter, Information, S. 96, bezeichnet die Befugnis aus § 111 Abs. 2 AktG als "ultima ratio der Informationsbeschaffung"; ähnlich Kölner Komm.IMmens, AktG, § 111 Rn. 39, der den Schutz der Daten vor Auskundschaftung betont, welcher dadurch gewährleistet sei, daß die Informationen grundsätzliCh durch die Hände des Vorstands liefen; a. A. wohl Lippen, Überwachungspflicht, S. 81, der das AusübungsdeflZit im Hinblick auf § 111 Abs. 2 AktG beklagt.

430

LutterjJ(rieger, Rechte, S. 73; vgI. auch Lutter, AG 1991, 249 (252 f.).

431 LutterjJ(rieger, Rechte, S. 73. Den Umstand der Mißtrauenskundgabe sieht auch Lutter, Information, S. 94, als Grund dafür, das Recht aus § 111 Abs. 2 AktG mit Bedacht einzusetzen. 432 Lippen, Überwachungspflicht, S. 80; dahingehend auch Kölner Komm.IMertens, AktG, § 111 Rn. 37; zur Stichproben-Pflicht vgI. Brodmann, HGB, § 246 Anm. 2 c, m. w. N., und RG Soergel Rspr. 1932, 345; Hoffmann-Becking, in: Münchener Handbuch, § 29 Rn. 32, der

jedoch nur ein "Recht" zu Stichproben anzunehmen scheint. 433

Zu den Rechten Dritter als Schranke vgI. Lutter, Information, S. 90 f.

434

Kölner Komm.IMertens, AktG, § 111 Rn. 38; Lutter, Information, S. 89.

435

BGH, AG 1991, 70.

436 BayObLG, BB 1968, 727 (728); GeßIer, in: Geßler/HeCermehI/Eckardt/Kropff, AktG, § 111 Rn. 39; Baumbach/Hueck, AktG, § 111 Rn. 6; LutterjKrieger, Rechte, S. 73; HoffmannBecking, in: Münchener Handbuch, § 29 Rn. 33; Lutter, Information, S. 86.

431

Geßler, in: Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, AktG, § 111 Rn. 39.

9 Steinbock

130

3. Teil: Art und Weise der Überwachung

Ein einzelnes Mitglied darf nur dann die Bücher und Schriften der Gesellschaft einsehen, wenn es dazu vom Aufsichtsrat beauftragt ist.438 b) Übertragung auf Dritte

aa) Allgemeines Eine Prüfung oder Einsichtnahme durch den Gesamtaufsichtsrat ist vor allem bei großen Gesellschaften mit einer erheblichen Zahl von Aufsichtsratsmitgliedern (§ 95 AktG) vielfach unpraktikabe1.439 Deshalb kann der Aufsichtsrats einzelne Mitglieder oder Sachverständige damit betrauen (§ 111 Abs. 2 Satz 2 AktG). Zulässig ist ebenso die Übertragung der Einsichtnahme oder Prüfung auf einen Aufsichtsratsausschuß; dies ergibt sich aus einem Umkehrschluß zu § 107 Abs. 3 Satz 2 AktG.440 Die Beauftragung einzelner Mitglieder oder eines Ausschusses hat den Vorteil, daß unternehmerische Interna, namentlich Geschäftsgeheimnisse, nicht zur Kenntnis aller Aufsichtsratsmitglieder gelangen und somit das Risiko ihrer Verbreitung verringert wird.441 Zwar hat der Ausschuß bzw. das einzelne Mitglied auch in diesem Fall dem Aufsichtsrat zu berichten. Allerdings muß nicht notwendig der Inhalt des Geschäftsgeheimnisses einbezogen werden,442 es sei denn, dies ist ausnahmsweise zur Lösung des Problems unerläßlich.443 Des weiteren schreibt § 111 Abs. 2 Satz 2 AktG vor, daß Sachverständige nur für "bestimmte Aufgaben" beauftragt werden können. Die Erteilung des Auftrags muß also zeitlich und sachlich begrenzt sein.444 Dadurch soll einer

438 BayObLG, BB 1968, 727 (728); GodinjWllhelmi, AktG, § 111 Anm.3; Baumbach/Hueck, AktG, § 111 Rn. 6; GadowjHeinichen, AktG 1937, § 95 Anm. 10.

439

Vgl. Großkomm./Meyer-Landrut, AktG, § 111 Anm. 6; Lutter/Krieger, Rechte, S. 73.

440 Vgl. Lutter, Information, S.87; Kölner Komm./Mmens, AktG, § 111 Rn. 40; Lutter/Krieger, Rechte, S. 72; vgl. Hoffmann-Becking, in: Münchener Handbuch, § 29 Rn. 33 zu den "ständigen Prüfungsausschüssen" bei Kreditinstituten und Industrieuntemehmen.

441 Großkomm./Meyer-Landrut, AktG, § 111 Anm. 6; Lutter, Information, S. 87; Staub/Pinner, HGB, § 246 Anm. 5. 442 Großkomm./Meyer-Landrut, AktG, § 111 Anm. 6; Kölner Komm./Mmens, AktG, § 111 Rn. 40; Staub/Pinner, HGB, § 246 Anm. 5. 443

Dahingehend auch Kölner Komm./Mmens, AktG, § 111 Rn. 40.

444 Hoffmann-Becking, in: Münchener Handbuch, § 29 Rn. 32; Großkomm./Meyer-Landrul, AktG, § 111 Anm. 6; Semler, Überwachungsaufgabe, S. 44; Lutter, Information, S. 92; Lutler/Krieger, Rechte, S. 73.

B. Die Überwachungspflicht im besonderen

131

Abwälzung wesentlicher Teile der Aufsichtsratstätigkeit auf außenstehende Personen entgegengewirkt werden.44S Außerdem sollte auch kein Dritter unnötigerweise Einsicht in die Geschäfte der Gesellschaft nehmen, denn hierdurch erhöht sich die Gefahr der Informationsverbreitung.446 Weiterhin darf der Sachverständige nur Tatsachen feststellen oder allenfalls eine vorläufige Wertung vornehmen; die abschließende Beurteilung des Prüfungsgegenstandes obliegt immer dem Aufsichtsrat.447 Hinsichtlich der Tatsachenfeststellungen entlastet der Sachverständige den Aufsichtsrat von seiner Verantwortlichkeit.448 Dies gilt allerdings nur insoweit, als die besondere Sachkunde des Sachverständigen reicht;449 denn sofern die Prüfung dem Aufsichtsrat selbst möglich und zumutbar ist, stellt die Delegation einer Aufgabe auf Sachverständige eine Pflichtverletzung gegenüber der Gesellschaft dar.450 Ohne eine solche Einschränkung könnte sich der Aufsichtsrat auf diese Weise völlig seiner Aufgaben entledigen. Das widerspräche aber dem Gedanken des in § 111 Abs. 5 AktG normierten Übertragungsverbotes. Es basiert auf der Vertrauensstellung des Aufsichtsrat und dem Umstand, daß es bei der Wahl des Aufsichtsratsmitglieds gerade auf dessen Person ankommt. Im Falle der Zulassung einer umfassenden Delegation würde die Verantwortlichkeit des Aufsichtsrats zu einer bloßen culpa in eligendo herabsinken.451 Andererseits kann die dem Aufsichtsrat obliegende Sorgfaltspflicht genauso eine Hinzuziehung von Sachverständigen fordern.4s2 In jedem Fall muß der Aufsichtsrat die beauftragte Person sorg-

44S

BGHZ 85, 293 (296); Lu"er, Information, S. 92 f.; SemIer, Überwachungsaufgabe, S. 44.

446

Vgl. Schlege/berger/Quassowski, AktG 1937, § 95 Rn. 20.

447 Sem/er, Überwachungsaufgabe, S. 45; Geßler, in: GeßlerjHefermehl/EckardtjKropff, AktG, § 111 Rn. 43; Lutter, Information, S. 92.

448 Geßler, in: GeßlerjHefermehljEckardtjKropff, AktG, § 111 Rn. 43; Großkomm.j Meyer-Landrul, AktG, § 111 Anm. 6. 449 Geßler, in: GeßlerjHefermehl/EckardtjKropff, AktG, § 111 Rn. 43; Kölner Komm.j Mmens, AktG, § 111 Rn. 41; Großkomm.jMeyer-Landrul, AktG, § 111 Anm. 6.

450 So Kölner Komm.jMmens, AktG, § 111 Anm.41; Ritter, AktG 1937, § 95 Anm.4; Lutter, Information, S. 95; dahingehend auch BaumbachjHueck, AktG, § 111 Rn. 6 : "Sachverständige muß der Aufsichtsrat notfalls zuziehen". 4S1 Vgl. die allgemeine Begründung zum Entwurf eines Gesetzes, betreffend die Kommanditgesellschaften a. A. und die Aktiengesellschaften, vom 7. März 1884, abgedruckt in: Verhandlungen des dt. Reichstages, V. Legislaturperiode, Stenographische Berichte, IV. Session 1884, Aktenstück Nr. 21, S. 292. 452

Vgl. etwa RGZ 161, 129 (140).

132

3. Teil: Art und Weise der Überwachung

fältig auswählen,4S3 denn nur der sorgfältig ausgewählte Sachverständige befreit den Aufsichtsrat von seiner Prüfungspflicht.4S4

bb) Die Bestimmung des Sachverständigenbegriffs (§ 111 Abs. 2 Satz 2 AktG) Besondere Schwierigkeiten bereitet die Bestimmung des Sachverständigenbegriffs in § 111 Abs. 2 Satz 2 AktG. Einigkeit besteht darüber, daß der Begriff weit auszulegen ist : "Sachverständiger" kann grundsätzlich jede Person mit einer besonderen Sachkunde sein, über welche die Aufsichtsratsmitglieder nicht verfügen, welche aber für die Prüfung erforderlich ist.4SS Hier kommen insbesondere außenstehende Personen, aber auch der Abschlußprüfer4S6 in Betracht. Streitig ist hingegen, ob auch Bedienstete des Unternehmens als Sachverständige mit der Einsichtnahme oder Prüfung betraut werden dürfen. Von den Befürwortern wird angeführt, es komme allein darauf an, welche Aufgaben zu erfüllen seien.4S7 Im Einzelfall könne es sich als vorteilhaft erweisen, bereits vorhandene Kenntnisse im Unternehmen auszunutzen.4S8 Allerdings müsse der Aufsichtsrat bei einem Vorgehen nach § 111 Abs.2

4S3 GodinjWilhelmi, AktG, § 111 Anm. 43; Großkomm./Meyer-Landrut, AktG, § 111 Anm. 6; dahingehend auch Kötner Komm./Mmens, AktG, § 111 Rn. 41. 4S4 Geßler, in: Geßter/HefermehI/Eckardt/Kropff, AktG, § 111 Anm. 43; Großkomm./ Meyer-Landrut, AktG, § 111 Anm. 6; dahingehend auch Kötner Komm./Mertens, AktG, § 111

Rn. 41. 4SS

Lippen, Überwachungspflicht, S. 85; Großkomm./Meyer-Landrul, AktG, § 109 ARm. 1;

Geßler, in: Geßler/HefermehI/Eckardt/Kropff, AktG, § 109 Rn. 13; SchJegelberger/Quassowski, AktG 1937, § 93 Rn. 4; ähnlich auch GodinjWuhelmi, AktG, § 109 ARm. 5. 4S6 Im einzelnen dazu Clemm, ZGR 1980, 455 (465); so auch Semler, Überwachungsaufgabe, S. 44 bei Fn. 107; Lutter, Information, S. 93. 4S7

So Lutter, Information, S. 93.

4S8 So Lutter, Information, S. 93, der den Buchhalter der Vorstandskonten als Beispiel für einen u. U. geeigneten Sachverständigen nennt. Lutter (aaO.) räumt allerdings gleichzeitig ein, daß es umgekehrt gerade erforderlich sein könne, einen unabhängigen Dritten zum Zwecke einer korrekten Informationsbcschaffung heranzuziehen. Kruse, Organisation, S. 115, meint hingegen wohl nicht die Beauftragung von Bediensteten, wenn er schreibt, daß die Einsichtnahme von Büchern und Schriften zumindest erklärender Hinweise auch der dem Vorstand unterstellten Personen bedürfe; vgI. zu diesem Problem auch Lutter, Information, S.99.

B. Die Überwachungspflicht im besonderen

133

Satz 2 AktG alles vermeiden, was der Stellung des Vorstands schaden könnte und deshalb grundsätzlich den Weg über den Vorstand nehmen.43!I Gegen die Beauftragung von Bediensteten als Sachverständige spricht demgegenüber der Umstand, daß die Angestellten - vor allem soweit es um Unregelmäßigkeiten der Geschäftsführung geht - sich eher dem Vorstand gegenüber loyal verhalten werden als gegenüber dem Aufsichtsrat.460 Diese Loyalität muß nicht einmal zu einem bewußt unkorrekten Verhalten führen. Es reicht aus, wenn der Prüfer im Zweifel eher ein Verdachtsmoment unterdrückt, anstatt ihm nachzugehen, sofern es sich auch nur ansatzweise rechtfertigen läßt. Zumindest aber gerät der Angestellte durch diese Aufgabe in einen erheblichen Interessenkonflikt.461 In diesem Zusammenhang weist Saage zu recht darauf hin, daß die "Bekundungen" von Betriebsangehörigen "von Emotionen und Befürchtungen nicht freizuhalten seien".462 In Anbetracht dessen ist eine neutrale Person als Sachverständiger vorzuziehen, denn der Vorteil, daß Bedienstete mit den Gegebenheiten im Unternehmen besser vertraut sind, rechtfertigt nicht das Risiko einer unkorrekten Prüfung aufgrund von Befangenheit. Die Kenntnis der internen Abläufe vereinfacht und beschleunigt die Prüfung höchstens, sie wird dadurch aber keinesfalls besser.463 c) Träger des Rechts auf Einsichtnahme

Abschließend gilt es auch hier - ebenso wie im Rahmen der Berichtsansprüche gem. § 90 Abs. 1 und Abs. 3 AktG -, den Träger des Einsichtnahme- und Prüfungsrechts zu bestimmen. Als Anhaltspunkt dient der Wortlaut der betreffenden Vorschrift: Für das Gerüst des Berichtsanspruchs aus § 90

4.59

Kölner Komm.IMmens, AktG, 2. Aufl., § 90 Rn. 44.

460

Dahingehend auch Lippen, Überwachungspflicht, S. 85.

461

Lippen, Überwachungspflicht, S. 85.

462 In: Handbuch des Aufsichtsrats, S.409 (443 C.). Seiner Meinung nach spricht noch ein weiterer Punkt gegen Betriebsangehörige als Sachverständige: § 109 Abs. 1 AktG unterscheide ausdrücklich zwischen "Sachverständigen" und "Auskunftspersonen". Da unter den Begriff der Auskunftsperson - wie GodinjWilhelmi, AktG, § 109 Anm. 5 zutreffend bemerken - insbesondere Betriebsangehörige zu fassen seien, werde deutlich, daß der Gesetzgeber sie nicht in der Rolle des Sachverständigen vorgesehen habe. 463 Ob eine Beauftragung von Angestellten in besonderen Fällen angebracht ist - etwa wenn der begründete Verdacht besteht, daß der Vorstand Wesentliches verschweigt -, mag zunächst dahinstehen (Vgl. dazu unten 3. Teil, B., III., 3.). Aus § 111 Abs.2 Satz 2 ergibt sich ein solches Recht jedenfalls nicht.

134

3. Teil: Art und Weise der Übetwachung

Abs. 3 Satz 1 AktG und des Einsichtnahmerechts aus § 111 Abs. 2 AktG verwendet der Gesetzgeber identische Formulierungen. Im ersten Fall "kann der Aufsichtsrat" einen "Bericht verlangen", im zweiten Fall "kann" "der Aufsichtsrat" "einsehen und prüfen". Da auch sonst kein Differenzierungsgrund ersichtlich ist, lassen sich die Überlegungen zu § 90 Abs. 1 und Abs. 3 Satz 1 AktG auf § 111 Abs. 2 AktG übertragen.464 Träger des Einsichtnahme- und Prüfungsrechts ist folglich nicht die Gesellschaft,46S sondern das "Organ Aufsichtsrat".466 3. Die Befragung von Angestellten durch den Aufsichtsrat

Neben den Berichten des Vorstands gemäß § 90 AktG und dem Einsichtsrecht des Aufsichtsrats gemäß § 111 Abs. 2 AktG bietet sich schließlich eine Befragung der Angestellten unterhalb der Vorstandsebene als zusätzliche Informationsquelle an. Zwar wurde bereits festgestellt, daß sich die Überwachung nicht auf solche Betriebsangehärige erstreckt, selbst wenn sie im Bereich der Geschäftsführung tätig werden;467 damit ist aber noch keine Aussage darüber getroffen, ob der Aufsichtsrat diese Personen gleichwohl über Geschehnisse innerhalb des Unternehmens befragen darf.468 Teilweise wird vertreten, der Aufsichtsrat habe Auskunftsbegehren grundsätzlich an die Veranlasser und damit auch an Angestellte zu richten, soweit sie im Bereich der Geschäftsführung tätig werden.- Eine Diskriminierung des Vorstands sei damit nicht verbunden. Solange der Vorstand ordnungsgemäß arbeite, werde seine Position durch eine Befragung der tatsächlich

464

Vgl. oben 3. Teil, B., III., 1., b).

465 So

Anm.4.

aber Lewerenz, Leistungsklagen, S. 112 f.; dahingehend auch Rmer, AktG 1937, § 95

466 Ebenso LutterjKrieger, Rechte, S. 73; Bork, ZGR 1989, 1 (17); unklar Geßler, in: Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, AktG, § 111 Rn. 39, und Kölner Komm./Mertens, AktG, § 111 Rn. 40, die zwar sagen, das Recht stehe dem Gesamtaufsichtsrat zu; allerdings geht es bei beiden in diesem Zusammenhang vornehmlich um die Verneinung eines Rechts einzelner Mitglieder. 467 Vgl.

oben 2. Teil, O.

468 Aus § 111 Abs. 2 AktG ergibt sich ein solches Recht nicht; vgI. dazu oben 3. Teil, B., III., 2., a) und b).

-

Saage, in: Handbuch des Aufsichtsrats, S.409 (441 C.); ders., OB 1973, 115 (117).

B. Oie Übetwachungspflicht im besonderen

135

Verantwortlichen in keiner Weise beeinträchtigt:''10 Im Gegenteil stehe er insofern völlig neutral zwischen Aufsichtsrat und Angestellten.471 Dem wird mit Recht entgegengehalten, die Befragung von Angestellten stelle eine Mißtrauenskundgabe gegenüber dem Vorstand dar,472 die geeignet sei, seine Autorität im Unternehmen zu untergraben.473 Denn überwiegend wird es sich um solche Informationsverlangen handeln, denen der Vorstand nicht nachgekommen ist. Dies gilt sowohl für eine Befragung des Personals über ihre eigenen Maßnahmen, als auch für die Auskundschaftung der Vorstandstätigkeit. Schließlich ergibt sich aus der Gesetzessystematik eindeutig, daß der Vorstand der Informant des Aufsichtsrats im Hinblick auf Geschäftsführungsfragen ist und nicht die ihm unterstellten Personen. Ein Vorstand, der einmal - für alle sichtbar - in Mißkredit geraten ist, wird es in Zukunft schwer haben, sich gegenüber den ihm unterstellten Personen durchzusetzen; er hat dann einiges an der - für einen Vorgesetzten erforderlichen - Überlegenheit eingebüßt. Dementsprechend wird die Zulässigkeit einer Befragung der Angestellten zum Teil verneint.m Sachgerecht erscheint hingegen der Mittelweg. Demzufolge ist eine Befragung dann zuzulassen, wenn der begründete Verdacht besteht, der Vorstand berichte Unrichtiges oder verschweige Wesentliches.47s Auf diese Weise wird ein Kompromiß geschaffen zwischen dem Anspruch des Vorstands auf Integrität in den Augen seiner Untergebenen und dem Interesse des Aufsichtsrats bzw. der Gesellschaft an der Aufklärung von Unregelmäßigkeiten. Ließe man dem Aufsichtsrat diese Möglichkeit nicht, so wäre er einer even-

410

Saage, OB 1973, 115 (117).

471

Saage, OB 1973, 115 (117).

472 GodinjWilhelmi, AktG, § 90 Anm. 9; Großkomm./Meyer-Landrut, AktG, § 111 Anm. 11 i. V. m. § 90 Anm. 7; vgI. auch Kölner Komm./Menens, AktG, 2. Autl., § 90 Rn. 44. 473 Hadding, ZfG 1969,317 (329); Kruse, Organisation, S. 112; GodinjWuhelmi, AktG, § 90 Anm.9; Geßler, in: Geßler/HefermehI/Eckardt/Kropff, AktG, § 111 Rn. 22; Lippen, Überwachungspflicht, S. 83; dahingehend auch Teic/unannjKoehJer, AktG 1937, § 95 Anm. 2 d. 474

GodinjWilhelmi, AktG, § 90 Anm. 9.

47S So zutreffend Lippen, Übetwachungspflicht, S. 83; Kölner Komm./Mmens, AktG, 2. Autl., § 90 Rn. 44; Geßler, in: Geßler/HefermehI/Eckardt/Kropff, AktG, § 111 Rn. 22; Großkomm./Meyer-Landrut, AktG, § 111 Anm. 12, der dieses Recht allerdings zu Unrecht dem § 111 Abs. 2 AktG entnimmt (vgl. dazu oben 3. Teil, B., 111., 2., b), bb»; HoffmannBecking, in: Münchener Handbuch, § 29 Rn. 24; Kruse, Organisation, S. 112. Teic/unannj KoehJer, AktG 1937, § 95 Anm. 2 d, lassen eine Befragung von Betriebsangehörigen zu, wenn es um die Abberufung des Vorstands geht. Hadding, ZfG 1969,317 (330), verlangt den hinreichend begründeten Verdacht einer strafbaren Handlung des Vorstands im Rahmen seines Ptlich tenkreises.

136

3. Teil: Art und Weise der Überwachung

tuelIen Informationsverfälschung des Vorstands gegenüber weitgehend machtlos.476 Ihm bliebe lediglich die Erhebung einer Klage gegen den Vorstand477 oder gar dessen Abberufung. Vielfach werden sich Verdachtsmomente aber durch Befragung Dritter - der Angestellten - zerstreuen lassen. Angesichts dessen erschiene es unverhältnismäßig, den Aufsichtsrat auf andere - in ihren Auswirkungen weit extremere - Mittel zu verweisen. Die Befragung erfolgt in diesen Fällen gemäß § 109 Abs. 1 AktG im Rahmen einer Aufsichtsratssitzung, zu welcher der oder die betreffende Angestellte als "Auskunftsperson" i. S. v. § 190 Abs. 1 Satz 2 AktG geladen wird.478 Die Ladung muß allerdings grundsätzlich über den Vorstand geleitet werden. Auf die Art und Weise ist sichergestellt, daß dieser nicht umgangen wird, sondern in jedem Fall die Gelegenheit zur Stellungnahme erhält.419 Erst wenn der Vorstand sich weigert, die Vorladung auszusprechen, kann der Aufsichtsrat sich direkt an den Betriebsangehörigen wenden.4!ll Allerdings wird die Bedeutung einer Befragung von Angestellten dadurch relativiert, daß sich vom Vorstand abhängige Personen kaum als unbefangene Auskunftspersonen eignen. Sie werden sich in erster Linie ihrem Vorgesetzten - d. h. dem Vorstand - gegenüber verpflichtet fühlen. Dieser Umstand sprach bereits gegen eine Hinzuziehung von Betriebsangehörigen als Sachverständige im Rahmen des § 111 Abs. 2 AktG und trifft hier ebenso zu. Als Ergebnis ist damit festzuhalten: Der Aufsichtsrat darf nur in Ausnahmesituationen und nur unter den oben genannten Voraussetzungen Angestellte befragen. Er hat dabei in jedem einzelnen Fall die Vor- und Nachteile eines derartigen Eingriffs sorgfältig gegeneinander abzuwägen.481 Alles in allem wird das Befragungsrecht ohnehin eine eher geringe Bedeutung einnehmen, da von den Betriebsangehörigen, die dem Vorstand unterstellt sind, aufgrund ihrer tendenziellen Befangenheit in der Regel keine wichtigen Informationen im Hinblick auf die Geschäftsführung zu erwarten sein werden.

476

Dahingehend auch Eisenhmdt, Jura 1982, 289 (292).

477

Vgl. dazu unten 3. Teil, B., IV., 6., insb. a), ce), (1).

478

So zutreffend Lutter, Information, S. 101; ihm folgend Semler, Überwachungsaufgabe,

419

Lutter, Information, S. 101.

480

So mit Recht Lutter, Information, S. 101.

481

Dahingehend auch Lutter, Information, S. 99.

S.46.

B. Die Überwachungspflicht im besonderen

137

IV. Einwirkungsmöglichkeiten des Aufsichtsrats auf die Geschäftsführung Wie bereits angedeutet, steht und fällt die Rolle des Aufsichtsrats in der Aktiengesellschaft mit dem Umfang seiner Einwirkungsmöglichkeiten auf die Geschäftsführung. Das Aktiengesetz selbst sieht verschiedene Einwirkungsmiuel des Aufsichtsrats vor, deren Darstellung den Anfang der folgenden Untersuchung bilden wird. Im Anschluß daran ist der neuerdings vieldiskutierten Frage nachzugehen, ob dem Aufsichtsrat ein darüber hinausgehendes Recht zusteht, klageweise ein bestimmtes Verhalten des Vorstands zu erzwingen, um so zu einem möglichst frühen Zeitpunkt Schaden von der Gesellschaft abzuwenden. 1. Die Personalkompetenz des Aufsichtsrats a) Allgemeines

§ 84 AktG bestimmt, daß der Aufsichtsrat die Vorstandsmitglieder bestellt. Diese Kompetenz des Aufsichtsrats zur Bestellung482 und Abberufung (= Widerruf der Bestellung) des Vorstands gem. § 84 AktG ist die ursprünglichste und zugleich nachhaltigste Einwirkungsmöglichkeit des Aufsichtsrats auf das Leitungsorgan; durch die Besetzung der Führungsstellen legt der Aufsichtsrat den Grundstein und stellt die Weichen für die zukünftige Unternehmenspolitik.483 Darüber hinaus bildet die Auswahl einer vertrauenswürdigen Person als Vorstandsmitglied die Basis für eine funktionierende Überwachung. Da der Aufsichtsrat außerstande ist, jede einzelne Maßnahme des Vorstands zu überwachen,484 muß er sich in hohem Maße auf diesen verlassen können.48S

482 Die "Bestellung" zum Aufsichtsratsmitglied begründet dessen organschartliche Stellung. Davon zu unterscheiden ist der "Anstellungsvertrag". Er regelt die schuldrechtlichen Beziehungen zwischen Ratsmitglied und Gesellschart. Auf den Anstellungsvertrag soll hier nicht näher eingegangen werden, vgl. dazu: Baums, Geschäftsleitervertrag, S. 3 ff.; Kölner Komm./ Menens, AktG, 2. Aufl., § 84 Rn. 41 ff.; Wresner, in: Münchener Handbuch, § 20 Rn. 12 Cf. 483 Dahingehend Gutenberg, zm, Ergänzungsheft Dez. 1970, S. 1 (7); Lutter/Krieger, Rechte, S. 89; vgI. auch das Spiegel-Gespräch, in "Der Spiegel", 43. Jahrgang, Heft Nr. 30 v. 24. Juli 1989, in dem Gustav Rathjen, ehemaliger Aufsichtsratsvorsitzender der VW AG, die Einsetzung des Vorstands als eigentliche Aufgabe des Aufsichtsrats bezeichnet.

484

Vgl. oben 3. Teil, B., 1., 1.

48S Karoli, PS Möhring (1973), 115 (124); vgI. auch Hoffmann, Aufsichtsrat, Rn. 103, und SemIer, Überwachungsaufgabe, S. 82 bei Fn. 217, die die Bestellung des Vorstands deshalb

138

3. Teil: Art und Weise der Überwachung

Nicht ZU unterschätzen ist auch der mittelbare Einfluß, den der Aufsichtsrat durch seine Bestellungskompetenz auf den Vorstand gewinnt. Zwar kann er den Vorstand nicht nach Belieben absetzen, wie es etwa der Vorschlag einer Verordnung über das Statut der Europäischen Aktiengesellschaft486 in Artikel 62 Abs. 2 vorsieht; allerdings wäre dies ohnehin nicht wünschenswert, da der Vorstand sich dann kaum in der Lage sähe, eine kontinuierliche Geschäftspolitik zu entwickeln, weil er ständig - d. h. auch schon bei kleineren Fehlern - mit seiner Abberufung rechnen müßte.487 Nur allzu schnell könnte er so zum Werkzeug des Aufsichtsrats, bzw. der Mehrheit im Aufsichtsrat werden. Deshalb erscheint es vorzugswürdig, daß der Aufsichtsrat - wie in § 84 AktG vorgesehen - nach Ablauf der Amtszeit in freier Entschließung488 über eine eventuelle Wiederbestellung des Vorstands entscheidet. Dadurch entsteht ein gesundes Maß an Abhängigkeit des Leitungsorgans, die zu einem Bestreben seinerseits führt, offene Gegensätze zu den Überzeugungen des Aufsichtsrats zu vermeiden.489 b) Bestellung des Vorstands

Die Regelung des § 84 Abs. 1 Satz 1 AktG begründet eine ausschließliche Zuständigkeit des Aufsichtsrats. Weder die Satzung, noch die Hauptversammlung, noch der Aufsichtsrat selbst kann die Bestellung des Vorstands einem anderen Organ zuweisen.490 Für den Aufsichtsrat ergibt sich dies aus § 111 Abs. 5 AktG, im übrigen aus § 23 Abs. 5 AktG.491 Ebensowenig darf

mit Recht als Teil der Überwachungsaufgabe begreifen. 486

BR-Drucksache 488/89.

487 So auch die Stellungnahme des gemeinsamen Arbeitsausschusses des Bundesverbandes der Deutschen Industrie, des Bundesverbandes Deutscher Banken, der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände, des Deutschen Industrie- und Handelstages und des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft für Fragen des Untemehmensrechts, S. 17. 488 Vgl. BGHZ 41, 282 (290); Hefernu!hJ, in: Geßler/HefermehI/Eckardt/Kropff, AktG, § 84 Rn. 29. 489

Huppen, Recht, S. 40.

490 Hefernu!hl, in: GeßlerjHefermehI/Eckardt/Kropff, AktG, § 84 Rn. 7 f.; Luner/Krieger, Rechte, S. 89 f.; Wresner, in: Münchener Handbuch, § 20 Rn. 17. In dringenden FäHen kann ein fehlendes Vorstandsmitglied durch das Gericht bestellt werden (§ 8S AktG), vgI. dazu Wiesner, aaO., § 20 Rn. 24 ff. 491

Lutter/Krieger, Rechte, S. 89 f.

B. Die Übcrwachungspflicht im besonderen

139

die Bestellung des Vorstands einem Ausschuß "zur Beschlußfassung" übertragen werden (§ 107 Abs. 3 Satz 2 AktG). Unter "Beschlußfassung" ist aber nur die Stimmabgabe zu verstehen.crblick vor § 1 Anm. 1; Soergel/ Sclwltze-v. Lasaulx, BGB, Vor § 1 Rn. 8 ff.; Jauemig, BGB, § 1 Anm. 1. 658

Diesen Eindruck hat auch Schnapp, RTh. 9 (1978), 275 (283 f.), gewonnen.

6'-1 So zutreffend Fabricius, Relativität, S. 44. Er schlägt allerdings vor, angesichts der zulässigen Einschaltung von Vertretern, Boten oder Organen besser von der "Fähigkeit zu rechtlich wirksamem Verhalten" zu sprechen.

660 Besonders deutlich wird dies bei Wolff, Organschaft, Band 1, S. 151: "Sie (sciI.: die Verleihung der ReChtsfähigkeit) findet ihre Schranke in der stets notwendigen rechtselementaren VeriflZierbarkeit und das heißt schließlich nichts anderes als in der tatsächlichen Realisierbarkeit ihrer Gebote". 661

Fabricius, Relativität, S. 139. Vgl. auch bereits oben 1. Teil, A., insbesondere I.

662

Vgl. Bauer, Organklagen, S. 43 ff.

B. Die Überwachungspflicht im besonderen

175

weitergehende Beschlüsse im Einzelfall konkretisiert werden kann.663 Die erste Voraussetzung auf dem Weg zur Rechtsfähigkeit ist damit erfüllt. Des weiteren muß die Rechtsordnung den Verband als Zurechnungsobjekt anerkennen. Bei den natürlichen Personen bestehen in dieser Hinsicht wiederum keinerlei Bedenken, denn der Mensch ist von Geburt an automatisch Adressat einer Vielzahl von Rechten und Pflichten. Weniger selbstverständlich ist dies jedoch bei den Personenverbänden. Sämtliche Rechte und Pflichten gehen zunächst einmal "durch sie hindurch". Zurechnungssubjekt der Rechte und Pflichten sind lediglich die einzelnen Verbandsmitglieder. Etwas anderes gilt dann, wenn die Rechtsordnung den Verband oder die Organisation zum Zurechnungssubjekt erklärt. Das kann auf verschiedene Art und Weise geschehen. Entweder die Rechtsordnung spricht der Personenmehrheit unter bestimmten Voraussetzungen ganz allgemein Rechtsfähigkeit ZU;664 dann verfügt der Personenverband über eine den natürlichen Personen nahekommende66S umfassende Rechtsfähigkeit. Oder aber die Rechtsordnung macht den Verband lediglich zum Bezugsobjekt einzelner Rechte und Pflichten. So sind etwa der Aufsichtsrat und der Vorstand der AG nur im innerorganisatorischen Bereich Träger von Rechten und Pflichten.666, 667 Im letzten Falle erscheint jedoch fraglich, ob dort noch von einer "Rechtsfähigkeit" des Personenverbandes gesprochen werden kann. Zweifel ergeben sich für den Fall, daß unter "Rechtsfähigkeit" nur diejenige Rechtsfähigkeit zu verstehen ist, die den natürlichen Personen und den juristischen Personen zukommt. An sich muß eine solche Interpretation seit der grundlegen-

663 Außerdem sind die Pflichten der Organmitglieder so ausgestaltet, daß die Erfüllung der dem Organ zugewiesenen POichten sichergestellt ist, vgI. dazu oben 1. Teil, B., I.

664 Vgl. etwa die Gesellschaften und Vereine, denen die Rechtsordnung für den Fall Rechtsfähigkeit zuerkennt, daß sie sich nach Absolvierung eines bestimmten Verfahrens in ein staatliches Register eintragen lassen (§ 21 BGB; §§ 11 Abs. I, 13 Abs. 1 GmbHG; §§ 13, 17 Abs. 1 GenG). Der VVaG erlangt die Rechtsfähigkeit durch staatliche Erlaubnis gemäß § 15 VAG. 66S Vgl. Wolff/Bachof, Verwaltungsrecht, Band I, S. 208 f., der anhand von Beispielen deutlich macht, daß die Rechtsfähigkeit juristischer Personen hinter der natürlicher Personen zurückbleibt.

666 Insoweit sind sie "Berechtigungs- und Verpflichtungssubjekte" (Woljf, Organschaft, Band 2, S. 248). Dahingehend auch Achterberg, RTh. 9 (1978), 385 (404 f.).

667 A. A. Flume, Juristische Person, S. 405 f., und Westermann, PS Bötticher (1969), 369 (376), nach deren Auffassung nur Organmitglieder und die juristische Person fähig sind, Träger von Rechten und Pflichten zu sein. Dementsprechend lehnen sie auch eine Rechtsfähigkeit der Organe ab.

3. Teil: Art und Weise der Überwachung

176

den Schrift von Thoma 668 als überholt angesehen werden. Er hat nachgewiesen, "daß alle Rechtspersönlichkeit relativ ist"; so entbehren seiner Meinung nach "die typischen, im Privatrecht anerkannten 'Vollpersonen', mögen sie sogenannte natürliche oder sogenannte juristische Personen sein, doch der Rechtspersönlichkeit in der Sphäre des Völkerrechts und entbehrt andererseits der Staat, der Subjekt des Völkerrechts ist, der Möglichkeit, Rechtssubjekt in der Sphäre des Familienrechts zu sein".«9 Da mithin die Rechtsfähigkeit immer nur auf der Zuweisung einer begrenzten Anzahl von Rechten oder Pflichten basiert, ist kein plausibler Grund erkennbar, warum diejenigen Rechte und Pflichten, die den Organen selbst zugewiesen sind, nicht deren Rechtsfähigkeit begründen sollten. Zwar wird diese Rechtsfähigkeit gleichwohl ganz überwiegend als Teilrechtsfähigkeit,6JO relative Rechtsfähigkeit671 oder Rechtssubjektivität672 bezeichnet. Die begriffliche Differenzierung dient aber lediglich dem Zweck, schon vom Begriff her deutlich zu machen, daß den Organen eben nur in einem weit geringeren Maße Rechtsfähigkeit zukommt als den natürlichen und juristischen Personen,673 deren Rechtsfähigkeit die Rechtsordnung ganz allgemein und nicht nur durch eine partielle Zuweisung bestimmter Rechte und Pflichten begründet. Wie auch immer man dieses Phänomen jedoch bezeichnen mag, so verfügen die Organe Aufsichtsrat und Vorstand jedenfalls in dem Maße über Rechtsfähigkeit, in dem ihnen das Gesetz Rechte und Pflichten zuweist.674

668 Thoma, Handbuch, Band 2, S. 611; ihm zustimmend Böckenförde, FS Wolff (1973), 269 (281 f.); Hoppe, Organstreitigkeiten, S. 166; Wolff, Organschaft, Band 1, S. 149 f., 198 ff., Band 2, S. 248 ff., insb. S. 249.

Handbuch, Band 2, S. 611.

«9

Thoma,

670

So Wolff/Bachof,

671

Bauer,

Hommelhojf,

Verwaltungsrecht, Band 2, S. 51.

Organklagen, S.57, im Anschluß an ZHR 143 (1979), 288 (303).

Fabricius,

Relativität, S.2 ff. (passim);

672 Wolff, Organschaft, Band 2, S. 248 ("Zurechnungsendsubjektivität"); Rupp, Grundfragen, S. 86; Menger, System, S. 38 f.

673 Vgl. etwa Rupp, Grundfragen, S. 86: Man sollte "zur Vermeidung von Mißverständnissen ... den Begriff 'Rechtsfähigkeit' ... der Organe gar nicht erst gebrauchen, weil dieser Begriff in der heutigen, von der Zivilrechtsdogmatik geprägten Rechtssprache ganz anders verstanden wird". Ähnlich Wolff, Organschaft, Band 2, S. 248 f., nach dessen Auffassung die begriffliche Differenzierung deshalb angebracht ist, weil die Ebenen, "in der von einer Persönlichkeit der Organe die Rede sein könnte, unter der" liege, "in der sonst von Personen geredet wird" (aaO., S. 249). 674 Ebenso Bauer, Organklagen, S. 32 ff. (insb. S. 57); Hommelhoff, ZHR 143 (1979), 288 (303 ff.); Bork, ZGR 1989, 1 (13 f.). A A Häsemeyer, ZHR 144 (1980), 26S (271 f.). Er ordnet den Organen ihre Funktionsbereiche zwar zu eigener Kompetenz und Verantwortung

B. Die Überwachungspflicht im besonderen

177

(2) Konsequenzen für die Parteifähigkeit der Organe Fraglich ist, ob diese "begrenzte" Rechtsfähigkeit der beiden Organe Vorstand und Aufsichtsrat auch ausreicht, um deren Parteifähigkeit im Zivilprozeß zu begründen. Möglicherweise meint § 50 Abs. 1 ZPO mit "Rechtsfähigkeit" diejenige "umfassende" Rechtsfähigkeit, die den natürlichen und juristischen Personen zukommt. (a) Vergleich mit § 61 VwGO

Für diese Sichtweise könnte ein Vergleich mit § 61 VwGO sprechen. § 61 VwGO regelt die sog. "Beteiligtenfähigkeit" im Verwaltungsprozeß, welche der Parteifähigkeit im Zivilprozeß entspricht.67S Gem. § 61 Nr. 1 VwGO sind alle natürlichen und juristischen Personen fähig, am Verfahren teilzunehmen. § 61 Nr. 2 VwGO erklärt darüber hinaus alle Vereinigungen für beteiligungsfähig, "soweit ihnen ein Recht zustehen kann". Folglich genügt im Verwaltungsprozeß eindeutig die Teilrechtsfähigkeit von Personengesamtheiten.676 In der Zivilprozeßordnung fehlt hingegen eine solche Regelung, so daß es naheliegt, anzunehmen, der Gesetzgeber habe bewußt darauf verzichtet, weil er eine Teilparteifähigkeit im Zivilprozeß gerade ausschließen wollte. Allerdings besteht auch ein erheblicher Formulierungsunterschied zwischen § 50 Abs. 1 ZPO und § 61 Nr. 1 VwGO. § 61 Nr. 1 statuiert eine Beteiligtenfähigkeit ausdrücklich nur für natürliche und juristische Personen. Demnach war die Regelung des § 61 Nr. 2 dringend erforderlich, um auch eine begrenzte Beteiligtenfähigkeit zuzulassen. Im Gegensatz dazu enthält § 50 Abs. 1 ZPO keine enumerative Aufzählung, sondern umschreibt die Parteifähigkeit abstrakt: "Parteifähig ist, wer rechtsfähig ist". Wenn es auch zu weit ginge, den Wortlaut des § 50 Abs. 1 ZPO dahingehend auszulegen, daß jeder parteifähig ist, "soweit" er rechtsfähig ist, so schließt § 50 Abs. 1 ZPO die Annahme einer Teilparteifähigkeit bei Vorliegen besonderer Umstände zumindest nicht aus.

gleichwohl verneint er eine Rechtsfahigkeit der Organe aufgrund der totalen Fremdnützigkeit der Funktionsträgerschaft. Ihm zustimmend Teiclunann, PS Mühl (1981),663 (667 f.). Ähnlich auch Kort, AG 1987, 193 (195), und Kölner Komm.IMertens, AktG, 2. Aufl., Vorb. § 76 Rn. 3.

ZU;

675

Redeker/von Oertzen, VwGO, § 61 Rn. 1.

676 Vgl. auch Krebs, Jura 1981, 569 (579); Hoppe, DVBI. 1970, 845 (849); vgI. dazu auch Bauer, Organklagen, S. 78. 12 Steinbeck

178

3. Teil: Art und Weise der Überwachung

(b) Vergleich mit anderen gesetzlichen Regelungen

Der Gesetzgeber hat über § 50 Abs. 1 ZPO hinaus bestimmten Personenmehrheiten eine - wenn auch teilweise beschränkte - Parteifähigkeit eingeräumt, sofern ein starkes Bedürfnis dafür gegeben war. Zu nennen sind hier insbesondere der nicht rechtsfähige Verein (§ 50 Abs. 2 ZPO), die Gewerkschaften im arbeitsgerichtlichen Verfahren (§ 10 ArbGG), die politischen Parteien (§ 3 PartG) und der Vorstand der Aktiengesellschaft in bestimmten Fällen (§§ 245 Nr.4 und 249 Abs. 1 AktG).677 Dies zeigt, daß eine zumindest begrenzte - Parteifähigkeit im Zivilprozeß nicht notwendig die den natürlichen und juristischen Personen zukommende (Voll-) Rechtsfähigkeit voraussetzt. Dementsprechend meint Bauer,678 die relative Rechtsfähigkeit von Vorstand und Aufsichtsrat müsse deshalb mit einer relativen Parteifähigkeit korrespondieren, weil in den genannten Fällen "bestimmten Vereinigungen aus Gründen der Praktikabilität die Parteifähigkeit sogar dann zugebilligt wird, wenn sie der Rechtsfähigkeit völlig entbehren, bzw. ihre Rechtsfähigkeit zumindest umstritten ist".6i9 Erst recht müsse dies - "argumentum a maiore ad minus" - dann für Vorstand und Aufsichtsrat gelten, die immerhin "in gewissem Umfang rechtsfähig" seien.680 In der Tat spricht einiges für das Argument von Bauer, zumindest im Hinblick auf die Parteifähigkeit des nichtrechtsfähigen Vereins, der Gewerkschaften und der politischen Parteien. Allerdings vermag seine These letzt1ich doch nicht alle Zweifel zu beseitigen. Bedenklich stimmt zumindest, daß der Gesetzgeber in bezug auf die Anfechtung eines Hauptversammlungsbeschlusses bzw. einer diesbezüglichen Nichtigkeitsklage immerhin das Bedürfnis für die Statuierung einer Parteifähigkeit des Vorstands gesehen hat. Allerdings war dort das Bedürfnis für eine Regelung auch offensichtlich, da sowohl die Anfechtung, als auch die Nichtigkeit des Beschlusses typischerweise auf dem Klagewege durchgefochten werden. Anders ist es bei den hier zur Debatte stehenden Fällen. Dort kommt eine Klage nur ausnahmsweise in Betracht, so daß das Erfordernis einer diesbezüglichen Parteifähigkeit der Organe nicht unmittelbar auf der Hand liegt. In jedem Fall aber bedarf es weiterer Anhaltspunkte, um eine Parteifähigkeit von Vorstand und

671

Vgl. Bauer, Organklagen, S. 73 Cf.; siehe auch oben 3. Teil, B., IV., 6., a), bb).

678

Organklagen,

679

Bauer, Organklagen, S. so.

680

Bauer, Organklagen, S. SO; ebenso Bark, ZGR 1989, 1 (23).

s. SO.

B. Die Überwachungspflicht im besonderen

179

Aufsichtsrat hinsichtlich der ihnen zugewiesenen Rechte und Pflichten zu begründen. (e) Gtundsatz des Alt. 89 Einleitung Preuß. ALR

Die Annahme einer relativen Parteifähigkeit von Vorstand und Aufsichtsrat erhärtet sich bei Betrachtung des Art. 89 Einleitung Preuß. ALR, der worauf bereits hingewiesen wurde681 - noch heute im Zivilprozeß gilt: "Wem die Gesetze ein Recht geben, dem bewilligen sie auch die Mittel, ohne welche dasselbe nicht ausgeübt werden kann". Auf ebendiesem Grundgedanken basiert § 50 Abs. 1 ZPO: Derjenige, der Rechte und Pflichten besitzt, muß sie auch durchsetzen können.682 Die wenigen Ausnahmen vom "Grundsatz der Einklagbarkeit" nennt das Gesetz demgegenüber entweder ausdrücklich (vgl. §§ 1297 Abs. 1 und § 1001 BGB) oder konkludent (vgl. § 375 HGB).683 Da Vorstand und Aufsichtsrat Träger von Rechten und Pflichten sind684 und ein gesetzlicher Ausschluß nicht ersichtlich ist, müßten sie diese nach dem soeben Gesagten somit auch einklagen können. Andererseits darf in diesem Zusammenhang nicht unberücksichtigt bleiben, daß die Rechte und Pflichten von Aufsichtsrat und Vorstand ausschließlich im gesellschaftsinternen Bereich bestehen. Es ist deshalb immerhin möglich, daß der Rahmen, innerhalb dessen sich die Rechtsbeziehungen der Organe untereinander bewegen, auch im Bereich der Streitschlichtung eine abschließende Regelung enthält.68S In dem Fall verbietet sich eine weitergehende Klagemöglichkeit. Zur Klärung dieser Frage gilt es, die vorhandenen Mittel auf ihre Wirksamkeit hin zu überprüfen. Anband der gefundenen Ergebnisse wird anschließend abzuwägen sein, ob diese Mittel zur Konfliktlösung genügen, so daß von einer abschließenden Regelung auszugehen ist, oder ob darüber hinaus ein starkes Bedürfnis für die Zulassung eines Organstreits besteht. Sollte ein solches überwiegendes Bedürfnis gegeben

681

Vgl. oben 3. Teil, B., III., 1., b), aa), (4), (c); Hommellw/f, ZHR 143 (1979), 288 (305).

682 Grunsky, ArbGG, § 10 Rn. 4; Hommellw/f, ZHR 143 (1979), 288 (305) m. w. N.; ihnen zustimmend Bauer, Organ klagen, S. 71; dahingehend ebenfalls Bork, ZGR 1989, 1 (23); vgI. auch Enneccerus/Nipperdey, Allgemeiner Teil, Band 2, § 222 11 5.

683 Hommellw/f, ZHR 143 (1979), 288 (305); Bauer, Organklagen, S. 72; Schumann, in: Stein/Jonas, ZPO, Vor § 253 Rn. 87 f.; Rosenberg/Schwab, Zivilprozeßrecht, S. 546 f. 684

Vgl. für den Aufsichtsrat oben 1. Teil, A. Entsprechendes gilt für den Vorstand.

68S Vgl. Grunsky, Grundlagen, S. 250; Hommellw/f, ZHR 143 (1979), 288 (312): Erforderlich ist eine 'sorgfältige Analyse" im Hinblick auf "jede einzelne Konfliktsituation".

180

3. Teil: Art und Weise der Überwachung

sein, kommt es letztlich darauf an, ob dieses Bedürfnis mehr wiegt, als die Nachteile, die u. U. mit der Zulassung einer Klagemögllchkeit verbunden sind. (d) Konfliktläsung im Bereich des Aktiengesetzes

(aa) Anrufung der Hauptversammlung Der ideale Weg zur Lösung eines Konflikts ist zweifelsohne die Anrufung einer neutralen Instanz, etwa in der Gestalt eines Vorgesetzten. Innerhalb der Aktiengesellschaft existiert jedoch keine derartige Instanz, die geeignet wäre, einen Streit zwischen Vorstand und Aufsichtsrat zu schlichten.686 Zwar bietet sich hier - angesichts des § 111 Abs. 3 AktG - auf den ersten Blick die Hauptversammlung als Schiedsstelle an; bei näherer Betrachtung wird jedoch deutlich, daß diese Annahme verfehlt ist. Zum einen verfügen die Aktionäre in der Regel nicht über die nötige Qualifikation zur Beurteilung u. U. schwieriger rechtlicher Fragen.6B7 Zum anderen darf die Einberufung der Hauptversammlung gerade dann nicht erfolgen, wenn es nur um die Bereinigung einzelner Meinungsverschiedenheiten geht; sie dient vielmehr der Lösung grundlegender, festgefahrener Probleme, die den Aufsichtsrat bereits über eine Abberufung des Vorstands nachdenken lassen.688 Der Organstreit sollte aber schon zu einem weit früheren Zeitpunkt einsetzen, um es erst gar nicht zu derart ausweglosen Dissonanzen zwischen Vorstand und Aufsichtsrat kommen zu lassen. Nicht zu verkennen ist ebenfalls das Argument von Lewerenz,619 der auf die hohen Kosten hinweist, die die Einberufung einer außerordentlichen Hauptversammlung hervorruft. Ebensowenig spricht § 119 Abs. 2 AktG für eine generelle Streitschlichtung durch die Hauptversammlung, denn gemäß § 119 Abs. 2 AktG ist sie nur auf Verlangen des Vorstands befugt, über Fragen der Geschäftsführung zu entscheiden. Eine Instanz, die nur auf Initiative der einen Partei tätig

686 Das spricht auch nach Bauer, Organklagen, S. 43, für die Möglichkeit eines Organstreits. Hommelhoff, ZUR 143 (1979), 288 (312 f.), legt übeneugend dar, warum es eine solche Schiedsstelle in der Aktiengesellschaft nicht gibt und auch nicht geben darf (vgl. im einzelnen dort).

6B7 Dahingehend auch Bauer, Organklagen, S. 18, und WIlhelmi, in: Handbuch des Aufsichtsrats, S. 294. 688

Vgl. oben 3. Teil, B., IV., S., b).

619 Leistungsklagen, S. 28.

B. Die Überwachungspflicht im besonderen

181

werden kann, eignet sich aber nicht als Schiedsstelle.8}O Als streitschlichtende Stelle fungiert die Hauptversammlung deshalb lediglich in den Fällen des § 111 Abs. 4 Satz 3 AktG. (bb) Zwangsgeldverfahren Abschließende Wirkung im Bereich der Streitschlichtung könnte jedoch die Möglichkeit eines Zwangsgeldverfahrens gem. § 407 AktG i. V. m. §§ 132 ff. FGG entfalten. Nach diesen Vorschriften muß das Registergericht von Amts wegen die Vorstandsmitglieder - insbesondere in den Fällen der §§ 90 und 111 Abs. 2 AktG - durch Festsetzung eines Zwangsgeldes zu rechtmäßigem Verhalten anhalten, soweit die Voraussetzungen für ein Einschreiten gegeben sind.(91 Zumindest im Anwendungsbereich des § 407 AktG könnte deshalb das Bedürfnis für eine zivilprozessuale Klage fehlen bzw. ein Nebeneinander beider Verfahren von vornherein unzulässig sein. Ein gesetzlicher Ausschluß des Klageweges existiert allerdings nicht. Er kann sich also lediglich im Wege der Auslegung ergeben,(92 sofern etwa das Zwangsgeldverfahren geeigneter ist, einen Streit zwischen Vorstand und Aufsichtsrat zu schlichten, als ein zivilprozessuales Verfahren. Letzteres wird in der Literatur jedoch einhellig abgelehnt.(93 Sämtliche Autoren führen zur Begründung ihrer Auffassung vorrangig die Schutzrichtung des Zwangsgeldverfahrens an; es diene in erster Linie der Wahrung des öffentlichen Interesses an einer ordnungsgemäßen Information der Aufsichtsratsmitglieder und nicht der Durchsetzung privater Belange.(94 Dementsprechend erwachse auch die Entscheidung des Registergerichts nicht in materielle Rechtskraft.(9S Im übrigen seien die Parteien oftmals vor allem an einer Klärung der Rechtslage interessiert. Die Durchsetzung der Berichtspflicht spiele

8}0

Dahingehend auch Bork, ZGR 1989, 1 (18); Bauer, Organklagen, S. 18.

(91

BumillerjWlIIkler, FGG, § 132 Rn. 4 a; KeideljKJmlzejWinkler, FGG, § 132 Rn. 22.

(92 Vgl. Weslermann, FS Bötticher (1969),369 (371 f.). (93 Weslermann, FS Bötticher (1969), 369 (372 ff.); Lewerenz, Leistungsklagen, S. 43 f.; Hefermehl, in: Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, AktG, § 90 Rn. 36; GodinjWilhelmi, AktG, § 90 Anm. 11; Bauer, Organklagen, S. 20; für einen Ausschluß des zivilprozessualen Verfahrens nur Honwilz/UlJmann, HGB, § 246 Anm. 3 a. E., allerdings ohne Begründung. (94 Westermann, FS Bötticher (1969), 369 (372 f.); ausführlich dazu Lewerenz, Leistungsklagen, S. 40; Bauer, Organklagen, S. 20. (9S Weslermann, FS Bötticher (1969), 369 (372); Lewerenz, Leistungsklagen, S. 42; Keidel/KuntzejWinkler, FGG, § 31 Rn. 21; KG, KGJ 37, 182 f.; 47, 108 (109).

182

3. Teil: Art und Weise der Überwachung

dagegen in diesen Fällen nur eine untergeordnete Rolle, so daß die Zwangsgeldandrohung unverhältnismäßig erscheine.816 Außerdem seien die ordentlichen Gerichte vielfach besser geeignet, schwierige rechtliche und tatsächliche Probleme zu lösen.(97 Die Zusammenarbeit der streitenden Parteien werde jedenfalls durch ein FGG-Verfahren nicht unbedingt weniger gefährdet.(98 Schließlich stehe das Erzwingungsverfahren gemäß § 407 AktG einem Vollstreckungsverfahren näher als einem streitentscheidenden Verfahren, da die Berichtspflicht zunächst vorausgesetzt und erst nach Einspruchseinlegung umfassend geprüft werde.6J9 Zudem sei die Stellung der Beteiligten schwächer als im streitigen Verfahren.700 Sie könnten ein Einschreiten des Registergerichts zwar durch einen Antrag anregen und im Fall der Ablehnung gemäß § 20 FGG Beschwerde einlegen.701 Im übrigen hätten sie aber keinen Einfluß auf den Verfahrensgegenstand, insbesondere könnten sie bei Vorliegen der Voraussetzungen ein Einschreiten des Registergerichts - etwa entsprechend der Klagerücknahme - nicht mehr verhindern.102 In Anbetracht dieser Umstände ist nicht anzunehmen, daß die Möglichkeit des FGG-Verfahrens nach § 407 AktG i. V. m. §§ 132 ff. FGG einen zivilprozessualen Streit zwischen Vorstand und Aufsichtsrat ausschließt. Lediglich im Einzelfall kann einer Klage das Rechtsschutzbedürfnis fehlen, beispielsweise wenn das Verfahren des Registergerichts kurz vor der Entscheidung steht und der Streit damit aller Wahrscheinlichkeit nach erledigt sein wird.703

816

Lewerenz, Leistungsklagen, S. 42.

(97 Westennann, FS Bötticher (1969), 369 (373). Dementsprechend befülWOrtet Häsemeyer, ZHR 144 (1980), 265 (284), eine Klage zumindest bei umstrittenen Kompetenzbeeinträchtigungen, da die Zwangsbefugnis des Registergerichts (§§ 407 AktG, 132 FGG) nur offenkundige Verstöße erfasse. Vgl. im einzelnen dort.

(98 So Westennann, FS Bötticher (1969), 369 (373), der auf die Entscheidung des OLG Kassel, 'ZZP 38 (1909), 240 (245), verweist, wonach die Entscheidung des Vormundschaftsgerichts in den Fällen der §§ 1369, 1447 BGB a. F. "den Frieden zwischen den Eheleuten weniger gefährde" als eine Entscheidung des Prozeßgerichts. Vgl. auch Lewerenz, Leistungsklagen, S. 43. 6J9 Westermann, FS Bötticher (1969), 369 (372); vgl. auch KeideljKuntzejWmkJer, FGG, § 132 Rn. 14. 700

Westennann, FS Bötticher (1969), 369 (372); Lewerenz, Leistungsklagen, S. 43 f.

701

Westennann, FS Bötticher (1969), 369 (372).

702

Vgl. auch Lewerenz, Leistungsklagen, S. 43 f.

703 So zutreffend Westennann, FS Bötticher (1969), 369 (374). Ihm zustimmend Bauer, Organklagen, S. 114 bei Fn. 162.

B. Die Überwacbungspflicht im besonderen

183

(ce) Druckmittel des Aufsichtsrats Ist keine neutrale Entscheidungsinstanz vorhanden, so läßt sich ein Konflikt nur dadurch lösen, daß einer Partei - hier in erster Linie dem Überwachungsorgan-Druckmittel an die Hand gegeben werden, die sie in die Lage versetzen, ihre Auffassung durchzusetzen und so die Patt-Situation aufzuheben. Fraglich ist, ob dem Aufsichtsrat solche Mittel zur Verfügung stehen. In Betracht kommen hier zunächst die Stellungnahmen des Aufsichtsrats zu den Maßnahmen der Geschäftsführung. Da der Vorstand sie nicht befolgen muß,704 eignen sie sich allerdings nicht, um unmittelbaren Druck auf ihn auszuüben.70S Zwar sind diese Stellungnahmen keinesfalls wirkungslos, da der Vorstand bei abweichender Auffassung des Aufsichtsrats sein Handeln i. d. R. noch einmal überdenken wird,'J06 um spätere Schadensersatzklagen zu vermeiden. Einen Zwang üben sie jedoch nicht aus, so daß sie die Bezeichnung "Druckmittel" nicht rechtfertigen. Schadensersatzklagen des Aufsichtsrats gegen den Vorstand sind demgegenüber zwar wirkungsvoller, sie gehören aber nicht unter die Rubrik "Druckmittel". Ihr Zweck besteht darin, bereits erfolgte Pflichtverletzungen zu ahnden, nicht aber pflichtgemäßes Verhalten zu bewirken.707 Wenn sie gleichwohl mittelbar präventive Wirkung entfalten, so ist dies nur ein Nebeneffekt. Im übrigen bemerkt Raiser708 mit Recht, daß sie vor allem in den Fällen zu einem unbefriedigenden Ergebnis führen, in denen sich ein Schaden nur schwer nachweisen oder der Höhe nach bestimmen läßt. Den stärksten Druck übt wohl die Personalkompetenz des Aufsichtsrats im Hinblick auf den Vorstand aus. Der Aufsichtsrat kann die Vorstandsmitglieder jederzeit seines Amtes entheben, sofern ein wichtiger Grund dafür gegeben ist (§ 84 Abs. 3 AktG). Allerdings gilt hier das gleiche wie für die Schadensersatzklage. Die Abberufung des Vorstands ist weder ein Konfliktlösungs - noch ein Druckmittel. Sie dient ausschließlich der Sanktion709 und geht insofern sogar noch weiter als die haftungsrechtliche Inanspruchnahme. 704 Vgl. oben 3. Teil, B., IV., 4. 70S Ebenso Bauer, Organklagen, S. 17, nach dessen Auffassung eine solche Stellungnahme den Konflikt u. U. noch verschärfen kann. 706

Vgl. dazu bereits oben 3. Teil, B., IV., 4., a).

707

So auch Lewerenz, Leistungsklagen, S. 35 f.; Bauer, Organklagen, S. 20.

708

ZOR 1989, 44 (59).

709

Ebenso Bork, ZOR 1989, 1 (18).

184

3. Teil: Art und Weise der Überwachung

Die Abberufung wirkt nicht motivierend oder bestrafend auf die andere Partei ein, sondern beseitigt sie ganz. Bauer710 nennt sie deshalb zutreffend "die 'ultima ratio' im Katalog der Maßnahmen, die einem Organ zur Erzwingung rechtmäßigen Verhaltens eines anderen Organs zur Verfügung stehen". Eine so rigorose Lösung wird aber oftmals gar nicht im Interesse des Aufsichtsrats liegen. Dies gilt insbesondere, wenn es nur um die Klärung einzelner strittiger Punkte gehell und der Vorstand ansonsten sehr leistungsfähig ist.712 Im übrigen wird in diesen Fällen ohnehin meistens kein "wichtiger Grund" i. S. v. § 84 Abs. 3 AktG gegeben sein, denn dieser erfordert immerhin eine "grobe Pflichtverletzung oder Unfähigkeit zur ordnungsgemäßen Geschäftsführung".713 Damit erweist sich auch die Drohung mit einer vorzeitigen Abberufung i. d. R. als wirkungslos. Zudem stellt die Abberufung von Vorstandsmitgliedern einen gravierenden Einschnitt in die Unternehmenspolitik dar,714 so daß es riskant ist, auf diese Weise "mit Kanonen auf Spatzen zu schießen". Schwierigkeiten werden sich insbesondere dann ergeben, wenn sämtliche Vorstandsmitglieder in den Streit verwickelt sind.715 Hommelhoff716 geht sogar so weit, zu fragen, ob nicht Vorstand und Aufsichtsrat pflichtwidrig handeln, wenn sie eine einzelne Kompetenzfrage im Wege einer aufsehenerregenden vorzeitigen Abberufung von Vorstandsmitgliedern zu lösen versuchen. Dabei werde möglicherweise einen Prozeß über die Zulässigkeit der Abberufung heraufbeschworen, obgleich beide zu gedeihlicher Zusammenarbeit verpflichtet seien. Im übrigen sei es für die Vorstandsmitglieder untragbar, "über ihre Position einen Kompetenzstreit klären zu lassen".717 In solchen Fällen bietet sich deshalb eine Klage als milderes Mittel geradezu an.718

710 Organklagen, s. 90 f. 711 So auch SehmMt, 'ZZJ.> 92 (1979), 212 (229 f.); vgI. auch Lewerenz, Leistungsklagen, S. 28; Hommelhojf, ZHR 143 (1979), 288 (289).

712 Diesen Punkt betont zu Recht Raiser, ZGR 1989, 44 (59); ebenso Bauer, Organklagen, S. 19; ihnen zustimmend Bork, ZGR 1989, 1 (19). 713 So zutreffend Bauer, Organklagen, S. 19. 714 So zutreffend Lewerenz, Leistungsklagen, S. 28. 71S Raiser, ZGR 1989, 44 (59). 716

ZHR 143 (1979), 288 (309).

717

Hommelhojf, ZHR 143 (1979), 288 (309).

718 So auch LG Darmstadt, AG 1987, 218 (219);

Sehmidt, ZZP 92 (1979), 212 (230).

B. Die Überwachungspflicht im besonderen

185

Voraussetzung eines klageweisen Vorgehens ist natürlich, daß trotz der partiellen Meinungsverschiedenheit weiterhin mit einer vertrauensvollen Zusammenarbeit zwischen Vorstand und Aufsichtsrat zu rechnen ist.719 Anderenfalls erschiene es müßig, noch einzelne Streitfragen zu klären. Wie bereits erwähnt,72D wird oftmals beiden Parteien - d. h. auch dem Vorstanddaran gelegen sein, die Zulässigkeit einer Maßnahme im Vorfeld gerichtlich klären zu lassen.721 Auf diese Weise kann der Vorstand sicherstellen, im nachhinein nicht mit Schadensersatzansprüchen überzogen zu werden/22 die bei bestimmten Geschäftsführungsmaßnahmen immense Dimensionen erreichen können. Angesichts dieser Überlegungen spricht folglich einiges für die Zulassung eines Organstreitverfahrens.723 (e) Nachteile eines OrganSlrr!its

Andererseits darf nicht unberücksichtigt bleiben, daß sich mit der Anerkennung einer partiellen Organparteifähigkeit und der damit verbundenen Zulassung eines Organstreitverfahrens auch Probleme ergeben können. Vor allem kann es sich als nachteilig erweisen, daß auf diese Weise Schwierigkeiten innerhalb der Gesellschaft zwangsläufig an die Öffentlichkeit getra-

719

Ebenso Lutter, Information, S. 71 f.

72D Oben 3. Teil, B., IV., 6., a), bb), (2), (d), (bb). 721 So zutreffend Raiser, ZGR 1989, 44 (59); ebenso Grunewald, OB 1981, 407 (408), im Hinblick auf die Zulässigkeit einer solchen Leistungsklage der Kommanditisten einer GmbH und Co. KG gegen die Geschäftsführung auf Durchführung bzw. Unterlassen bestimmter Geschäftsführungsakte. Dahingehend andeutungsweise auch Kölner Komm.IMmens, AktG, 1. AuO., Vom. § 76 Rn. 5; anders die 2. AuO., Vom. § 76 Rn. 4 ff.; vgl. auch Hommelhoff, ZHR 143 (1979), 288 (311 f.). Andererseits darf der Aspekt einer Vorab klärung auch nicht überbewenet werden, denn vielfach wird der Prozeß zu lange dauern, um die Rechtmäßigkeit der Geschäftsführungsmaßnahme noch vor ihrer Vornahme klären zu können (vgl. unten 3. Teil, B., IV., 6., a), cc), (3), (b». 722 Dahingehend auch Raiser, ZGR 1989, 44 (59), und Grunewald, OB 1981,407 (408). In Ausnahmef.iIIen erkannte dies auch Kölner Komm.IMmens, AktG, 1. Aufl., Vom. § 76 Rn. 5 an, jedoch nur für eine Klage des Aufsichtsrats im Namen der Gesellschaft (anders die 2. Aufl., Vom. § 76 Rn. 4 ff.). Allerdings taucht hier die Frage auf, ob die lange Dauer des Gerichtsverfahrens nicht eine Klärung im Vorfeld der Maßnahme unmöglich macht.

723 A. A. Brücher, AG 1989, 190 (191 ff.), im Anschluß an Kölner Komm.IMmens, AktG, 2. AuO., Vom. § 76 Rn. 6, nach dessen Auffassung die Möglichkeit der Abberufung des Vorstands ausreicht, um dessen ordnungsgemäße Pflichterfüllung zu bewirken. Es erscheint allerdings unverhältnismäßig, wenn er sagt, der Aufsichtsrat könne auf diese Weise sogar eine ordnungsgemäße Berichterstattung durchsetzen (vgl. dazu auch unten 3. Teil, B., IV., 6., a), cc), (1).

186

3. Teil: Art und Weise der Überwachung

gen werden und dadurch das Ansehen des Unternehmens gefährdet wird.724 Mertens72S hält diesen Aspekt für so entscheidend, daß seiner Meinung nach ein Aufsichtsrat, "der auf die Idee käme, Klage gegen den Vorstand zu erheben", damit "seine fehlende Eignung beweise" und schleunigst aus wichtigem Grund abberufen gehöre. Diese Betrachtungsweise ist jedoch zu pauschal. Die Klärung einer Rechtsfrage zwischen Vorstand und Aufsichtsrat schädigt nicht zwangsläufig das Ansehen des Unternehmens beim Publikum. Zumindest wird man diesen Aspekt im Einzelfall gegen den Vorteil einer Streitschlichtung und einer sich daran anschließenden weiteren fruchtbaren Zusammenarbeit zwischen Vorstand und Aufsichtsrat abwägen müssen. Es bestehen auch keine Bedenken, die Entscheidung darüber dem Aufsichtsrat zu überlassen.126 Immerhin handelt er dabei in Ausführung seiner Überwachungsaufgabe, so daß ihm im Falle unsorgfältigen Vorgehens ein Schadensersatzanspruch der Gesellschaft gemäß §§ 116, 93 AktG droht. Im übrigen wird es in der Regel keiner Klage bedürfen, damit gesellschaftsinterne Dispute an die Öffentlichkeit gelangen. Solche Informationen erreichen auch auf anderen Wegen das Publikum, insbesondere durch die Presse. Auch der Einwand, das Verhältnis zwischen Vorstand und Aufsichtsrat werde durch einen Prozeß endgültig zerstört,727 vermag nicht zu überzeugen. Entweder, die Atmosphäre zwischen Aufsichtsrat und Vorstand ist bereits so vergiftet, daß eine weitere Zusammenarbeit von vornherein nicht mehr in Betracht kommt, dann wird der Aufsichtsrat den Vorstand ohnehin abberufen und sich nicht mehr um die gerichtliche Klärung einzelner Streitfragen bemühen. Oder aber der Aufsichtsrat rechnet trotz vereinzelter strittiger Punkte mit einer weiteren guten Zusammenarbeit auch von Seiten des Vorstands; in diesem Fall ist eine Klage durchaus sinnvoll, da sie zumindest aller Wahrscheinlichkeit nach zu einer Bereinigung der u. U. angespannten Situation führen wird. Die von Mertens angeführten Bedenken erübrigen sich also in der Regel von selbst. Ähnliches gilt für die von Häsemeyer7'JJl skizzierte Gefahr. Er ist der Auffassung, die organschaftlichen Kompetenzen, die sich eigentlich durch "die

724 vgl. Lewerenz, Leistungsklagen, S. 151. Er nimmt u. a. diesen Punkt zum Anlaß, für eine Ausdehnung der bereits im Aktiengesetz vorgesehenen FGG-Verfahren zu plädieren.

72S

Kölner Komm.IMmens, AktG, 2. Aufl., Vorb. § 76 Rn. 6.

126

Ebenso Raiser, ZGR 1989, 44 (59), wenn auch mit einer etwas abweichenden Begrün-

727

Dahingehend Kölner Komm.IMertens, AktG, 2. Aufl., Vorb. § 76 Rn. 6.

728

ZHR 144 (1980), 265 (272 ff.).

dung.

B. Die Übcrwachungspflicht im besonderen

187

Zuordnung zur Gesellschaft ... selbst neutralisieren", könnten bei Zulassung eines gerichtlichen Kompetenzstreits zwischen den Organen "zu einem problematischen Scheinleben erwachen und jedermann ermutigen 'für die Gesellschaft' - und selbstverständlich auf deren Kosten (!) - zu streiten".729 Dem ist insoweit zuzustimmen, als die Organe Vorstand und Aufsichtsrat nicht über eine eigene Vermögensmasse verfügen, die zur Begleichung der Prozeßkosten dienen könnte, so daß der Aufsichtsrat in der Tat letztlich mit dem Geld der Gesellschaft prozessiert.7.lO Auch das Privatvermögen der einzelnen Organwalter ist in dieser Hinsicht - zumindest unmittelbar - unantastbar, da der Aufsichtsrat als Organ klagt und nicht die einzelnen Mitglieder, schon gar nicht in eigener Sache.731 Einer unkontrollierten Klagewelle auf Kosten der Gesellschaft wird jedoch auf andere Weise ein Riegel vorgeschoben: Wie bereits angedeutet, ist der Aufsichtsrat nur dann befugt, eine Klage gegen den Vorstand anzustrengen, wenn ihm dies bei Anwendung der erforderlichen Sorgfalt und bei Abwägung aller Vor- und Nachteile sinnvoll erscheint. Anderenfalls macht er sich der Gesellschaft gegenüber gemäß §§ 116,93 AktG schadensersatzpflichtig.7J2 In dem Fall umfaßt der zu ersetzende Schaden die durch den unnötigen Prozeß entstandenen Verfahrenskosten zuzüglich der Einbußen, welche möglicherweise dadurch eingetreten sind, daß gesellschaftsinterne Probleme unnötigerweise an die Öffentlichkeit getragen wurden. Somit streiten die Parteien im Ergebnis doch nicht allein auf Kosten der Gesellschaft, sondern ebenfalls mit eigenem Risiko. (f) Schlußfolgerung

Die Untersuchung hat gezeigt, daß die mit einer Zulassung des Organstreits verbundenen Nachteile grundsätzlich wesentlich geringer sind als das starke Bedürfnis für eine solche Möglichkeit der Konfliktlösung. Folglich kann und muß den Organen der Zugang zu den Gerichten dadurch eröffnet werden, daß ihrer beschränkten Rechtsfähigkeit eine beschränkte Parteifähigkeit folgt.7J3 Sie müssen als Partei vor Gericht auftreten können, wenn

729

Häsemeyer, ZHR 144 (1980), 26S (273).

7.lO Vgl. unten 3. Teil, B., IV., 6., c), aa). 731

Vgl. dazu Häsemeyer, ZHR 144 (1980), 26S (269).

7J2

Vgl. unten 3. Teil, B., IV., 6., c), aa).

7J3 Vgl. demgegenüber Häsemeyer, ZHR 144 (1980), 26S (284), der die Parteifähigkeit des Organs als bloßes "Annex der Prozeßführungsbefugnis· betrachtet.

188

3. Teil: Art und Weise der Überwachung

es um die Durchsetzung von Rechten und Pflichten geht, die ihnen selbst zugewiesen sind. Einen ersten Schritt in diese Richtung hat der BundesgerichtshofM bereits getan. Er akzeptierte den Vorstand stillschweigend als Partei eines Prozesses, den einzelne Mitglieder gegen das Geschäftsführungsorgan angestrengt hatten, um den Vorstand zur Unterlassung angeblich pflichtwidriger Geschäftsführungsmaßnahmen zu zwingen. Daß der Aufsichtsrat unbegrenzt gegen den Vorstand klagen kann, ist damit jedoch noch nicht gesagt. Diese Frage wird vielmehr im Mittelpunkt der folgenden Überlegungen stehen.

ce) Umfang des KJagerechts Das soeben im Grundsatz befürwortete Klagerecht des Gesamtaufsichtsrats muß nunmehr - wie bereits angedeutet - daraufhin überprüft werden, ob es in vollem Umfang oder nur in bestimmten Bereichen mit dem aktienrechtlichen Verwaltungssystem vereinbar ist.73S Möglicherweise bedürfen die soeben erarbeiteten, das Klagerecht stützenden Grundlagen der Modifikation. Besonders berücksichtigt werden muß dabei das Prinzip der Eigenverantwortlichkeit des Vorstands gem. § 76 Abs.l AktG.736 Immerhin sind Klagen des Aufsichtsrats in erheblichem Maße geeignet, die Geschäftsführung des Vorstands zu beeinträchtigen, wenn nicht sogar lahmzulegen. Dies gilt vor allem in Anbetracht der Möglichkeit eines einstweiligen Rechtsschutzes. Genau dort wird aber in der Regel das Schwergewicht des prozessualen Streits liegen, denn eine flexible und effektive Geschäftsführung erfordert vielfach schnelle Entscheidungen. Sind diese umstritten, so ergibt nur der einstweilige Rechtsschutz einen Sinn. Ein langwieriger Prozeß um die Rechtmäßigkeit solcher Maßnahmen, der u. U. erst Jahre später entschieden wird, wäre sinnlos und brächte keinen Vorteil gegenüber einer normalen Schadensersatzklage gemäß §§ 116, 93 AktG. Bestenfalls käme der Erfüllungsklage Präjudizwirkung im Hinblick auf den anschließenden Schadensersatzprozeß zu. Die Zulassung eines einstweiligen Rechtsschutzes wird demgegenüber jedoch vielfach auf eine Vorwegnahme der Hauptsache hinauslaufen.737 Es bedarf deshalb einer eingehenden Untersuchung, inwie-

734

BGHZ 106, 54 ff.

73S Auf die Erforderlichkeit einer nach Fallgruppen differenzierenden Analyse wurde bereits hingewiesen (vgl. oben 3. Teil, B., IV., 6., a), bb), (2), (c». 736

Vgl. Bauer, Organklagen, S. 92.

737

So zutreffend Kölner Komm./Mertens, AktG, 1. Aufl., Vorb. § 76 Rn. S.

B. Die Überwachunppflicht im besonderen

189

weit Leistungsklagen des Aufsichtsrats gegen den Vorstand mit der Funktionentrennung738 innerhalb der Aktiengesellschaft vereinbar sind.7J9 Die überwiegende Literatur zum aktienrechtlichen Organstreit unterscheidet zu diesem Zweck verschiedene Fallgruppen, die gesondert auf ihre Vereinbarkeit mit dem aktienrechtlichen System der Funktionenteilung zu untersuchen sind. Es handelt sich dabei um die Klagen zur Durchsetzung funktionaler Hilfsbefugnisse, Klagen zur Abwehr von KompeteDZÜbergriffen, Klagen bei Verletzung spezieller Ge- oder Verbotsnormen und Klagen als Werkzeug einer allgemeinen Verhaltenskontrolle.

(1) Klagen zur Durchsetzung funktionaler Hilfsbefugnisse Unter dem Begriff der "funktionalen Hilfsbefugnisse" versteht man diejenigen innerorganisatorischen Rechte eines Organs, die dieses in die Lage versetzen, seine ihm zugewiesenen Aufgaben zu erfüllen oder zumindest deren Erfüllung zu erleichtem?40 Zum Teil werden sie auch "sekundäre Organpflichten",141 "Kooperationsrechte",742 "(sekundäre) Hilfsrechte,,743 oder "kompetenzsichernde Rechte"744 genannt. Zu den funktionalen Hilfsbefugnissen des Aufsichtsrats gehören insbesondere die Informationsrechte gemäß §§ 90 Abs. 1 bis 3,111 Abs. 2 und 170 AktG. Sie schaffen die Voraussetzungen für eine ordnungsgemäße Überwachung des Vorstands.745 Wenn diese Befugnisse aber lediglich dazu dienen, dem Aufsichtsrat die Erfüllung seiner Aufgaben zu ermöglichen, so darf ihre klageweise Geltendmachung die Funktionentrennung innerhalb der Aktiengesellschaft an sich nicht beeinträchtigen.746

738 Zum Begriff der "Funktionentrennung" im Vergleich zur "Gewaltenteilung" vgI. Homme/lwjf, ZHR 143 (1979), 288 (307 f.).

7J9

VgJ. Bauer, Organklagen, S. 87 ff.

740 VgJ. Bauer,

Organklagen, S. 110.

741

Sclunidt, 'ZZP 92 (1979), 212 (224).

742

Homme/lwff, ZHR 143 (1979), 288 (290); ders., ZHR 143 (1979), 363 (365).

743

Bork, ZGR 1989, 1 (15).

744

Häsemeyer, ZHR 144 (1980), 26S (282).

745 Bauer,

Organ klagen, S. 110; vgI. auch oben 3. Teil, B., III., 1. und 2.

746 So SClunidt, 'Z:ZP 92 (1979), 212 (215);

ihm zustimmend Bauer, Organklagen, S. 118.

190

3. Teil: Art und Weise der Überwachung

Andererseits ist nicht zu verkennen, daß zumindest die Erstattung der Berichte gem. § 90 AktG dem Vorstand unter Umständen ein erhebliches Maß an Arbeitsaufwand abverlangt und im übrigen Akte der Geschäftsführung darstellen.747 Ihre klageweise Durchsetzung beeinträchtigt also durchaus die Geschäftsführung des Vorstands. Allerdings hat der Gesetzgeber die Eigenverantwortlichkeit des Vorstands von vornherein durch das Berichtsrecht des Aufsichtsrats begrenzt. Die Durchsetzung dieses Rechts - sei es auch klageweise - kann demnach nicht unzulässigerweise in die Eigenverantwortlichkeit der Geschäftsführung eingreifen. Dementsprechend ist eine Klage des Aufsichtsrats zur Durchsetzung funktionaler Hilfsbefugnisse ganz überwiegend anerkannt.7 92 (1979), 212 (232); Lewerenz, Leistungsklagen, S. 117 ff.; Schlegelberger/Quassowski, AktG 1937, § 74 Rn. 7 (bzgl. § 74 Abs. 1 AktG 1937); Großkomm.jMeyer-Landrut, AktG, § 82 Anm. 18; Hefermehl, in: GeßlerjHefermehljEckardtjKropff, AktG, § 83 Rn. 14; Eckardt, in: GeßlerjHefermehljEckardtjKropff, AktG, § 119 Rn. 27; unklar hinsichtlich der Parteien eines solchen Prozesses bleiben Lutter/Krieger, Rechte, S. 47. 780 Dementsprechend wird § 112 AktG vielfach als einschlägige Vorschrift genannt. Vgl. Raiser, ZGR 1989, 44 (61 a. E.); Bauer, Organklagen, S. 102; Stodolkowitz, ZHR 154 (1990), 1 (9); Großkomm.jMeyer-Landrut, AktG, § 82 Anm. 18; Hefermehl, in: GeßlerjHefermehlj EckardtjKropff, AktG, § 83 Rn. 14; wohl auch Lewerenz, Leistungsklagen, S. 121 i. V. m.

S.I28. 781

ZHR 144 (1980), 265 (274).

196

3. Teil: Art und Weise der Überwachung

genüber den Vorstandsmitgliedern "persönlich", insbesondere die Regreßhaftung (§ 93 Abs. 2 AktG) und die Auseinandersetzungen um Rechte und Pflichten aus dem AnsteUungsvertrag, nicht aber den "internen Funktionenschutz". Dieser These entspricht der Umstand, daß § 112 AktG die einzelnen Vorstandsmitglieder als Partei nennt.782 Im innerorganisatorischen Bereich ist aber der Vorstand als Organ Träger der Rechte und Pflichten. Darauf wurde bereits an anderer Stelle hingewiesen.7113 Demzufolge leitet Hommelhoff84 die Vertretung der "Hauptversammlung - als Gesellschaft -" aus einer analogen Anwendung des § 246 Abs. 2 Satz 3 AktG her. In der Tat liegt dort eine vergleichbare Situation vor. In beiden Konstellationen handelt es sich um einen innerorganisatorischen Streit, in einem Fall um Organkompetenzen, in dem anderen Fall um die Anfechtung von Hauptversammlungsbeschlüssen. Außerdem wäre die Regelung des § 246 Abs. 2 Satz 3, 1. Halbs. 2. Alt. AktG strenggenommen überflüssig, wenn § 112 AktG auch bei Streitigkeiten um innerorganisatorische Fragen Anwendung fände. Gleichwohl hat der Gesetzgeber diese Vorschrift geschaffen. Dies deutet darauf hin, daß § 112 AktG offenbar auch nach dessen Vorstellung nur das Außenverhältnis zwischen Vorstand und Aufsichtsrat betreffen kann. Folglich ist die Vertretung der Hauptversammlung bzw. der Gesellschaft durch den Aufsichtsrat - soweit es um die Abwehr von Kompetenzübergriffen des Vorstands geht - mit Hommelhoff dem § 246 Abs. 2 Satz 3 AktG analog zu entnehmen.

(3) Klagen als Werkzeug einer allgemeinen Verhaltenskontrolle (a) VOfÜberiegung

Fraglich ist, ob der Aufsichtsrat das Verhalten des Vorstands über die behandelten Fälle hinaus im allgemeinen gerichtlich nachprüfen lassen kann, d. h. auch ohne Vorliegen eines KompeteDZÜbergriffs7&5 und ohne eine Verletzung der funktionalen Hilfsbefugnisse.786 Zur Diskussion stehen in diesem

782 Dies übersieht anscheinend Bauer, Organklagen, S. 102 f., wenn er ohne weitere Erklärung eine Klage des Aufsichtsrats als Vertreter der Gesellschaft gemäß § 112 AktG gegen den "insoweit parteifähigen Vorstand" annimmt.

783

Vgl. oben 3. Teil, B., IV., 6., a), aa).

784

ZHR 143 (1979), 288 (310).

7&5

Vgl. oben 3. Teil, B., IV., 6., a), cc), (2).

786

Vgl. oben 3. Teil, B., IV., 6., a), cc), (1).

B. Die Überwachungspflicht im besonderen

197

Zusammenhang die Fälle, in denen der Aufsichtsrat eine beabsichtigte Geschäftsführungsmaßnahme des Vorstands für pflichtwidrig i. S. v. § 93 Abs. 1 Satz 1 AktG, d. h. also für unzweckmäßig oder für unrechtmäßig hält, weil sie gegen Normen außerhalb787 des Aktiengesetzes verstößt. Bedenken bestehen hier in erster Linie im Hinblick auf eine mögliche Gefährdung der Eigenverantwortlichkeit des Vorstands (§ 76 Abs. 1 AktG). Immerhin wird es sehr häufig vorkommen, daß der Aufsichtsrat mit der Ermessensbeurteilung des Vorstands nicht übereinstimmt, namentlich im Bereich der Zweckmäßigkeit. Würden solche Differenzen jedesmal zum Gegenstand eines Prozesses gemacht, so könnte der Vorstand nur schwerlich eine kontinuierliche Geschäftspolitik entwickeln. Dies gilt insbesondere in Anbetracht der Tatsache, daß der Aufsichtsrat regelmäßig versuchen wird, die Durchführung der umstrittenen Maßnahme im Wege einer einstweiligen Verfügung zu verhindern. Das aber hieße, ständig in den Geschäftsführungsbereich des Vorstands "hineinzuregieren"?88 Die Vereinbarkeit einer solchen Klagemöglichkeit mit dem strengen System der Funktionentrennung bedarf folglich einer eingehenden Untersuchung. (b) Exkurs: Klagen gegen Geschäftsfühnmgsmaßnahmen im Bereich der GmbH und Co. KG

Einen Anhaltspunkt könnte ein Blick auf die entsprechende Problematik im Bereich der GmbH und Co. KG liefern. Dort hatte der Bundesgerichtshof89 zu entscheiden, ob "die nichtgeschäftsführungsberechtigten Gesellschafter ... die Unterlassung einer einfachen Geschäftsführungsmaßnahme ... mit der Behauptung verlangen" können, "daß der geschäftsführungsberechtigte Gesellschafter mit der Vornahme der beanstandeten Handlung seine Pflicht zur ordnungsmäßigen Geschäftsführung verletzen würde".790 Der Bundesgerichtshof verneinte ein solches Recht mit der Begründung, ein stattgebendes Urteil "würde unmittelbar in das Geschäftsführungsrecht eingreifen und überwiegende Interessen der Gesellschaft, insbesondere die

787 Bezüglich der Fälle, in denen der Vorstand gegen aktienrechtliche Vorschriften verstößt, die nicht kompetenzregelnden Charakter haben, vgI. unten 3. Teil, B., IV., 6., a), ce), (4).

788 Vgl. 789

die Formulierung bei Häsemeyer, ZHR 144 (1980), 265 (279).

BGHZ 76, 160 CC.

790 So der Leitsatz der Entscheidung BGHZ 76,

160.

198

3. Teil: Art und Weise der Überwachung

gesellschaftsvertragliche Zuständigkeitsverteilung verletzen".791 Darüber hinaus betonte er, daß im Falle der Anerkennung dieses Rechts "das sachgerechte Funktionieren der Geschäftsführung beeinträchtigt und die Verantwortung und Verantwortlichkeit für die Führung der Gesellschaftsgeschäfte" verwässert WÜfde.792 Im Bereich der Aktiengesellschaft geht es zwar nicht um Klagen einzelner Gesellschafter, sondern um solche des Aufsichtsrats gegen den Vorstand; die Bedenken hinsichtlich der Eigenverantwortlichkeit des geschäftsführenden Organs sind jedoch durchaus übertragbar.

GrunewaM793 hält diese Bedenken für nicht stichhaltig und plädiert für die Zulassung einer solchen Leistungsklage.794 Sie wendet gegenüber der Argumentation des Bundesgerichtshof ein, gerade die "persönliche Schadensersatzklagr," bewirke eine persönliche Abhängigkeit der Geschäftsführer. Die Aussicht, mit dem Privatvermögen für die eventuell gravierenden Folgen einer Geschäftsführungsmaßnahme zu haften, beeinflusse das Verhalten der Geschäftsführer ganz erheblich.79S Der Geschäftsführer, der schließlich "nicht nur Geschäftsmann, sondern auch Privatmann sei", werde deshalb eine Klärung der umstrittenen Frage im Vorfeld der betreffenden Geschäftsführungsmaßnahme gegenüber einer Klärung derselben Frage im Rahmen eines Haftungsprozesses vorziehen.796 Dabei verkennt Grunewald, daß die Geschäftsführer in der Regel von der Rechtmäßigkeit ihres Handelns überzeugt sein werden und insofern mögliche Regreßansprüche gar nicht erst in Erwägung ziehen. Zwar mag es ihnen im Zweifel tatsächlich angenehmer sein, die Rechtmäßigkeit einer Maßnahme vor deren Durchführung gerichtlich abklären zu lassen. Der Begriff der "Eigenverantwortlichkeit" impliziert jedoch, daß der Vorstand sich nicht ständig absichern kann, sondern dringende Fragen eben "auf eigene Verantwortung" entscheiden muß. Immerhin wird dieses Risiko meistens auch mit einem entsprechenden Gehalt abgegolten. Im übrigen sollte

791

BGHZ 76, 160 (168).

792

BGHZ 76, 160 (168).

193

OB 1981, 407 ff.

794 Grunewald, OB 1981,407 (408). Ebenso Baumbach/Hueck, AktG, § 82 Rn. 14, allerdings ohne nähere Begründung und mit der Einschränkung, daß die Gesellschaft die Pflichtwidrigkeit des Vorstandshandelns im Falle der Nichtvomahme einer Maßnahme beweisen muß.

795

Grunewald, OB 1981,407 (408).

796

Grunewald, OB 1981,407 (408).

B. Die Überwachungspflicht im besonderen

199

eine vorherige Klage als Schadensersatzprophylaxe ohnehin nicht überbewertet werden. In einer Vielzahl der Fälle wird der Vorstand das Urteil nämlich nicht abwarten können, da die Dauer der Gerichtsverfahren in der Regel in keinem Verhältnis zur Dringlichkeit der Geschäftsführungsmaßnahmen steht. Dies gilt selbst dann, wenn man davon ausgeht, daß - entsprechend den Grundsätzen des Amtshaftungsrechts197 - i. d. R. bereits die erstinstanzliche Entscheidung eines Kollegialgerichts einen Sorgfaltspflicht verstoß des Vorstands ausschließt. Auch der Hinweis auf die Ausdehnung des Anwendungsbereichs des

§ 1004 BGB auf sämtliche gesetzlich geschützten Rechtsgüter798 und die

daraus erkennbare Tendenz, den Rechtsschutz vorzuverlagern,799 vermag nicht zu überzeugen. Dies zeigt ein Vergleich mit anderen Fällen, in denen sich die Regeln des BGB nicht oder zumindest nicht unverändert auf das Gesellschaftsrecht anwenden lassen. Erwähnt seien hier nur die Schwierigkeiten im Bereich der erbrechtlichen Nachfolge in Gesellschaftsanteile800 und die Probleme der fehlerhaften Gesellschaft.80l Die Grundsätze des bürgerlichen Rechts lassen sich also keinesfalls schematisch in das Gesellschaftsrecht übertragen. Es bedarf daher einer genauen Untersuchung, ob sie auch dort zu vertretbaren Ergebnissen führen. Um den Grundsätzen des Bundesgerichtshof schließlich doch noch - zumindest teilweise - gerecht zu werden, beschränkt Grunewald die Zulässigkeit einer Klage auf Vornahme oder Unterlassung bestimmter Geschäftsführungsakte auf "evidente" Fälle ordnungswidriger Geschäftsführung, in denen "offensichtlich von der Zielvorstellung der Verwirklichung des Gesellschaftsinteresses" abgewichen wird.802 Dieses Vorgehen "erhöht" allerdings nicht die

197 Vgl. etwa BGH, NJW 1980, 1679; BGH, NJW 1m, 1148; BGHZ 73, 164; BGH, NJW 1975, 972 (974); BVerwG, NJW 1973, 1014 f., zu § 839 BGB, Art. 34 GG. Vgl. auch lacobs, Staatshaftungsrecht, Rn. 242. 798 Vgl. etwa RGZ 148, 114 (123); 163, 210 (214 f.); BGH, NJW 1952, 417 (418); Larenz, Schuldrecht, Band 2, S. 692 f.

799 Grunewald, DB 1981, 407 (408). Auch Raiser, ZGR 1989, 44 (58), erwähnt im Verlauf seiner Argumentation den Grundsatz des Privatrechts, ·Schadensersatzansprüchen Unterlassungsansprüche zur Seite zu stellen". Vgl. auch die Ausführungen von Teichmann, FS Mühl (1981), 663 (675 ff.).

800 Vgl. dazu beispielsweise BGHZ 22, 186 ff.; 68, 225 ff.; Westermann, Personengesellschaftsrecht, Rn. 514 ff. 801 Vgl. etwa BGHZ 26, 330 (insb. S. 335); 55, 5 (8); 63, 338 (insb. S.344); Westennann, Personengesellschaftsrecht, Rn. 764 (insb. 779 Cf.). 802

Grunewald, DB 1981,407 (408 f.); ihr zustimmend Schmidt, Gesellschaftsrecht, S. 485.

200

3. Teil: Art und Weise der Überwachung

Rechtssicherheit, sondern erreicht eher das Gegenteil; wie die "evidenten" von den "nicht evidenten" Fällen abzugrenzen sind, bleibt vollkommen unklar. Sogar Grunewald selbst verfährt ungenau, wenn sie ausführt, geklagt werden könne "nur in den evidenten Fällen der Verletzung des Gesellschaftsvertrages, nicht aber, wenn die von der Geschäftsführung vorgesehene Maßnahme "noch vertretbar sei".803 Sofern eine Maßnahme "noch vertretbar" ist, d. h. sofern sie sich im Rahmen des zulässigen Ermessens bewegt, liegt nicht nur keine evidente, sondern überhaupt keine Verletzung des Gesellschaftsvertrages vor. (c) Diskussion im Bereich des Aktienrechts

Ebenso wie Grunewald befürwortet auch Raise,JJJ4 die Zulässigkeit von Leistungsklagen, namentlich in Form von Unterlassungsklagen im Zusammenhang mit der allgemeinen Überwachung der Geschäftsführung. Allerdings differenziert er zwischen unzweckmäßigen und unrechtmäßigen Geschäftsführungsakten des Vorstands. Soweit die Zweckmäßigkeit des Vorstandshandelns zu kritisieren sei, müsse der Aufsichtsrat sich auf Information, Meinungsäußerung und Beratung beschränken.80S Gegenüber rechtswidrigen Geschäftsführungsmaßnahmen räumt Raiser dem Aufsichtsrat hingegen regelmäßig eine Klagemöglichkeit ein.1Ml6 Eine Abstufung nimmt er lediglich im Hinblick auf den Umfang der Kontrollpflicht vor. Bei leichteren oder das Fortkommen des Unternehmens nur unwesentlich tangierenden Fällen stehe es im Belieben des Aufsichtsrats, ob er eingreife oder der Sache keine weitere Beachtung schenke, jedenfalls soweit das Untern ehmensinteresse nichts anderes gebiete.807 In schwerer wiegenden Fällen sei der Aufsichtsrat allerdings verpflichtet, die Notwendigkeit einer Klage genauer zu prüfen.1Kl8 Ob Raiser zuzustimmen ist, läßt sich abschließend erst nach einer eingehenden Analyse und Bewertung derjenigen Argumente entscheiden, die

803 Grunewald, DB 1981, 407 (408). 804

Raiser, ZGR 1989, 44 (63 ff.).

805

Raiser, ZGR 1989, 44 (63).

lMl6 Vgl. Raiser, ZGR 1989, 44 (64 f.). Ihm zustimmend SlodolkowilZ, ZHR 154 (1990), 1 (12 f.); dahingehend wohl auch LG Darmstadt, AG 1987, 218 (219).

807

Raiser, ZGR 1989, 44 (64 f.).

808

Raiser, ZGR 1989, 44 (65).

B. Die Überwachungspflicht im besonderen

201

gegen die Zulassung der von ihm befürworteten Klagemöglichkeit des Aufsichtsrats sprechen. Festzuhalten ist aber schon an dieser Stelle, daß seine Lösung jedenfalls erheblich weniger in die Leitungsbefugnis des Vorstands eingreift als die von Gronewald vertretene Auffassung. Dazu trägt vornehmlich die Ausklammerung von Prozessen um unterschiedliche Zweckmäßigkeitsbeurteilungen bei, denn in diesem Bereich wird es besonders häufig zu Differenzen zwischen Vorstand und Aufsichtsrat kommen. Je mehr Klagen den Vorstand treffen, je stärker wird aber auch seine Geschäftsführung gestört. Im übrigen sollte die Zweckmäßigkeit von Geschäftsführungsakten ohnehin nicht zum Gegenstand eines Prozesses gemacht werden. Immerhin ist die Bestimmung der Ermessensgrenzen mehr eine Geschmacks- als eine Rechtsfrage. Diese These erhärtet sich, wenn man die Grundsätze des öffentlichen Rechts betrachtet. Dort kann die mangelnde Zweckmäßigkeit eines Verwaltungsaktes ebenfalls nicht klageweise, sondern ausschließlich im Verwaltungswege geltend gemacht werden.809 Folglich kommt eine Klage des Aufsichtsrats gegen unzweckmäßige Geschäftsführungsmaßnahmen des Vorstands auf keinen Fall in Betracht. Die ganz überwiegende Literatur lehnt eine Klagemöglichkeit des Aufsichtsrats zum Zwecke einer allgemeinen Verhaltenskontrolle generell ab.8lO Als Begründung verweisen die betreffenden Autoren auf das Prinzip der Funktionentrennung in der Aktiengesellschaft. Die Eigenverantwortlichkeit des Vorstands in Geschäftsführungsfragen werde im Falle der Zulässigkeit solcher Vornahme- oder Unterlassungsklagen in erheblichem Maße gefährdet. 811 Lewerenz und Mertens äußern sich noch deutlicher: Die in § 76 Abs. 1 AktG manifestierte eigenverantwortliche Leitungsbefugnis bedeute, daß der

809 Durch förmlichen Widerspruch, formlose Gegenvorstellung bzw. Aufsichtsbeschwerde (vgl. Weides, Verwaltungsverfahren, S. 141, und Wolff/Bachof, Verwaltungsrecht, Band 1, S.441). 810 So Lewerenz, Leistungsklagen, S. 121 ff.; Bork, ZGR 1989, 1 (20 f.); Bauer, Organklagen, S. 119 f.; Hommelhoff, ZHR 143 (1979), 363 (366); Häsemeyer, ZHR 144 (1980), 265 (278); SChmidt, ZZP 92 (1979), 212 (230), der jedoch ausnahmsweise Feststellungsklagen hinsichtlich der Rechtmäßigkeit einer Maßnahme zuläßt, um so Prozesse nach der Abberufung des Vorstand zu vermeiden. Kölner Komm./Mertens, AktG, 1. Aufl., Vorb. § 76 Rn. 5, hielt Feststellungs- und Leistungsklagen auf Vornahme/Unterlassen bestimmter Geschäftsführungsmaßnahmen zwar für bedenklich und mit erheblichen Nachteilen belastet, aber in Ausnahmefcillen nicht für ausgeschlossen, "wenn der Vorstand ... ohne jeden Ermessensspielraum verpflichtet wäre, sie in einer bestimmten Weise vorzunehmen". Diese vermittelnde Auffassung hat Mertens in der 2. Aufl. des Kölner Komm., AktG, Vorb. § 76 Rn. 6, ausdrücklich aufgegeben. 811 Vgl. Bauer, Organklagen, S. 120; Häsemeyer, ZHR 144 (1980), 265 (279 f.); Bork, ZGR 1989, 1 (21); Hommelhoff, ZHR 143 (1979), 363 (366); Schmidt, ZZP 92 (1979), 212 (232); Kölner Komm./Mertens, AktG, 2. Aufl., Vorb. § 76 Rn. 6; ders., ZHR 154 (1990), 24 (29 f.).

202

3. Teil: Art und Weise der Überwachung

Vorstand sich erst nachträglich für die Vornahme oder Nichtvornahme einer Geschäftsführungsmaßnahme verantworten müsse.812 Letzteres bedarf allerdings einer genauen Prüfung, Es erscheint zumindest fragwürdig, ob es tatsächlich zu einer eigenverantwortlichen Leitungsbefugnis gehört, zunächst ungehindert gegen Gesetze verstoßen zu können, seien es auch "nur" solche außerhalb des Aktiengesetzes. Der Grund für die überwiegende Ablehnung einer klageweisen Rechtmäßigkeitskontrolle wird jedoch deutlicher, wenn man ihre praktischen Konsequenzen betrachtet. Der Vorstand sähe sich ständig der Gefahr ausgesetzt, mit Klagen des Aufsichtsrats überzogen zu werden, und könnte sich somit kaum frei entfalten.813 Dem kann auch nicht mit dem Einwand begegnet werden, der Vorstand habe nichts zu befürchten, wenn er gewissenhaft arbeite. Geklagt werden kann immerhin mit der bloßen Behauptung rechtswidrigen Handelns.814 Langwierige Prozesse um die Rechtswidrigkeit geplanter Geschäftsführungsmaßnahmen aber machen die Geschäftsführung unflexibel. Zwar erscheint es etwas überzogen, wenn Bauer meint, auf diese Weise würde der Aufsichtsrat" gleichsam wie von selbst zum geschäftsführenden Organ der AG".8IS Das Zitat weist jedoch in die richtige Richtung,816 da die Eigenverantwortlichkeit des Vorstands rein faktisch in erheblichem Maße beeinträchtigt würde. Vor allem die mit einer Klage verbundene Möglichkeit des einstweiligen Rechtsschutzes bringt die Kompetenzgrenzen ins Schwanken. Zum einen ist dadurch die Durchführung der Maßnahme für einige Zeit gesperrt; zum anderen wird so in der Mehrzahl der Fälle die Hauptsache bereits vorweggenommen, da Geschäftsführungsentscheidungen sich oft durch ihre Dringlichkeit auszeichnen und sich angeordnete Maßnahmen demgegenüber kaum rückgängig machen lassen.817 Besonders bedenklich erscheint dies in Anbetracht der Tatsache, daß im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes nur eine summarische Prüfung erfolgt, und damit die Gefahr von Fehlentscheidungen besonders hoch ist.

812 VgI. Lewerenz, Leistungsklagen, S. 121 ff. (insb. S. 123), und Kölner Komm.IMertens, AktG, 2. Aufl., Vorb. § 76 Rn. 6. 813 So zutreffend Bauer,

Organklagen, S. 120 f.

814 Darauf weist auch Häsemeyer, ZHR 144 (1980), 26S (280), hin. Ihm folgend Teiclunann, PS Mühl (1981), 663 (676). 815

Bauer, Organklagen, S. 121.

816 VgI.

auch Schmidt, ZZP 92 (1979), 212 (232).

817 So zutreffend

Kölner Komm.IMertens, AktG, 1. Aufl., Vorb. § 76 Rn. 5.

B. Die Übe1W8chungspflicht im besonderen

203

(d) Ausnahmefälle

Angesichts der zahlreichen Nachteile, die mit der Möglichkeit einer klageweisen Rechtmäßigkeitskontrolle verbunden sind, liegt es also nahe, einen solchen Streit von vornherein ganz auszuschließen.818 Andererseits bleibt zu überlegen, ob man eine Klage gegen rechtswidrige Maßnahmen des Vorstands nicht wenigstens in Ausnahmefällen - quasi als "Notgeschäftsführung"819 - zulassen sollte. Lewerenz nennt als Ausnahmefall die Situationen, in denen sich der Vorstand "offensichtlich gesellschaftsschädlich verhalten will".820 Bauer erwägt eine Ausnahmeregelung in der Unternehmenskrise.821 Beide gelangen allerdings mit Recht zu dem Ergebnis, daß gerade in diesen Momenten andere Mittel wirkungsvoller seien. Sofern der Vorstand sich illoyal gegenüber der Gesellschaft verhalte, sei ohnehin eine Abberufung angezeigt.822 Eine neue Vertrauensbasis werden die Parteien dann nicht mehr schaffen können. Auch in der Unternehmenskrise sind Klagen kein geeignetes Mittel. Langwierige Rechtsstreite zwischen Vorstand und Aufsichtsrat belasten zusätzlich die schlechte Lage des Unternehmens, zumal es dann kaum bei einer einzigen Klage bleiben wird. Erforderlich sind vielmehr flexible Entscheidungen, vor allem über eine eventuelle Abberufung des Vorstands.823 Damit verbietet sich eine Leistungsklage als Einwirkungsmöglichkeit des Aufsichtsrats auch in Ausnahmefällen. (e) Feststellungsklage

Schmidt schlägt dagegen vor, eine Klage auf Feststellung der Rechtswidrigkeit einer Geschäftsführungsmaßnahme zuzulassen.824 Er begründet seine Auffassung damit, daß es bei Klagen um Geschäftsführungsfragen ohnehin um eine richterliche "Vorabklärung" gehe. Dagegen sei die Vollstreckungs-

818 So Häsemeyer, 819

ZHR 144 (1980), 265 (280); Hirte, EWiR § 111 AktG 1/86, S. 853.

Lewerenz, Leistungsklagen, S. 123.

820 Lewerenz, Leistungsklagen, S. 124. Beispielsweise, wenn der Vorstand in kollusivem Zusammenwirken mit einem Schuldner der Gesellschaft versucht, eine Forderung verjähren zu lassen (vgl. Lewerenz, aaO., S. 123). 821 Bauer,

Organklagen, S. 121.

822

Lewerenz, Leistungsklagen, S. 124.

823

So zutreffend Bauer, Organklagen, S. 121.

824

Schmidt, 'ZZP 92 (1979), 212 (230).

204

3. Teil: Art und Weise der Überwachung

möglichkeit nur zweitrangig.82S Diese Beurteilung begegnet jedoch erheblichen Bedenken, da das feststellende Urteil - wie bereits erwähnt826 - in der Regel viel zu lange auf sich warten läßt und deshalb im Zeitpunkt der Gerichtsentscheidung die Weichen im Unternehmen schon längst gestellt sind; bei einem gravierenden Fehlverhalten des Vorstands hat der Aufsichtsrat diesen inzwischen abberufen, bei einem weniger gravierenden Disput haben sich die Wogen geglättet, und angebracht ist höchstens noch ein Schadensersatzprozeß, bei dem die Rechtmäßigkeit der Maßnahme inzident geprüft wird. Demzufolge besteht aus PraktikabilitätsgrÜDden gar kein Feststellungsinteresse i. S. v. § 256 ZPO. Sofern der Aufsichtsrat Geschäftsführungsmaßnahmen zum Gegenstand einer Klage machen möchte, wird es ihm doch in erster Linie darum gehen, unter Zuhilfenahme des einstweiligen Rechtsschutzes die Geschäftsführung des Vorstands unmittelbar zu beeinflussen. Die Feststellungsklage ist hierfür nicht das geeignete Mittel. Gleichwohl behindert sie aber die Geschäftsführung in ähnlicher Weise wie eine Leistungsklage;827 sie verunsichert den Vorstand und beeinträchtigt die unter Umständen gute Atmosphäre zwischen Vorstand und Aufsichtsrat. Insofern läßt auch sie sich kaum mit der notwendigen Eigenverantwortlichkeit des Vorstands vereinbaren. Als Ergebnis bleibt damit festzuhalten, daß im Bereich der Geschäftsführung weder eine Leistungs- noch eine Feststellungsklage zulässig ist, und zwar im Normalfall ebenso wie in Ausnahmesituationen.

(4) Klagen bei Verletzung spezieller Ge- oder Verbotsnormen (a) Zulässigkeit

Schließlich stellt sich die Frage, ob der Aufsichtsrat klageweise ein Verhalten des Vorstands unterbinden kann, das zwar gegen spezielle Ge- oder Verbotsnormen des Aktiengesetzes verstößt, aber nicht in die Kompetenz eines anderen Organs eingreift.828 Zu nennen sind in diesem Zusammenhang

82S

Schmidt, Zll' 92 (1979), 212 (230).

826

Vgl. oben 3. Teil, B., IV., 6., a), ce), (3), (b).

827 Vgl. Bork, ZGR 1989, 1 (21, bei Fn. 88), der zutreffend bemerkt, daß ode facto" auch durch Feststellungsklagen in die Geschäftsführung "hineingeredet" werde, und die Zulässigkeit einer Feststellungsklage demzufolge ablehnt. 828 Strenggenommen gehören an diese Stelle auch die Fälle, in denen der Vorstand gegen aktienrechtliche Normen verstößt, welche den Kompetenzbereich der anderen Organe schützen. Diese sind jedoch wegen ihrer besonderen Bedeutung gesondert behandelt worden (vgl.

B. Die Überwachungspflicht im besonderen

205

vor allem Verstöße gegen die §§ 88, 93 Abs. 1 Satz 2,82\1 92 Abs. 3 und 93 Abs. 3 AktG.&lO Als Ansatzpunkt dient auch hier wieder § 76 Abs. 1 AktG. Derartige Klagen sind also nur dann zulässig, wenn sie die Eigenverantwortlichkeit der Geschäftsführung nicht in einem unzumutbaren Maße behindern. In den Fällen der vorliegenden Art könnte ein klageweises Vorgehen gegen den Vorstand aus dem Grunde nicht dessen Eigenverantwortlichkeit verletzen, weil das betreffende Verhalten des Vorstands möglicherweise nicht mehr als Geschäftsführungsmaßnahme zu werten ist. Angesichts der Ausführungen von Keuk-Knobbe lß1 liegt die Vermutung nahe, jeder Verstoß gegen aktienrechtliche Vorschriften weise die Maßnahme aus dem Bereich der Geschäftsführung hinaus. Das kann aber so nicht richtig sein.1ß2 Da es im innerorganisatorischen Bereich keinen "kompetenzfreien Raum" gibt, weist ein Verstoß gegen aktienrechtliche Normen die Maßnahme nur dann aus dem Bereich der Geschäftsführung hinaus, wenn die betreffende Norm einem anderen Organ Kompetenzen zuweist. Oder aber die Maßnahme stand von vornherein in keiner unmittelbaren Beziehung zur Geschäftsführung, sondern geschah nur "bei Gelegenheit". Letzteres trifft grundsätzlich zu bei Verstößen gegen die Verschwiegenheitspflicht. Sofern der Vorstand dagegen seine Pflicht aus § 92 Abs. 3 AktG verletzt oder einen der in § 93 Abs. 3 AktG genannten Tatbestände833 erfüllt, handelt es sich durchaus noch um Akte der Geschäftsführung, wenn auch um rechtswidrige.1ß4

oben 3. Teil, B., IV., 6., a), cc), (2». 82\1

(57).

Diese Normen nennt Lewerenz, Leistungsklagen, S. 127; ebenso Raiser, ZGR 1989, 44

&lO Diese Vorschriften nennt nur Raiser, ZGR 1989, 44 (57), nicht aber Lewerenz, Leistungsklagen, S. 126 f. IßI

Keuk-Knobbe, PS Ballerstedt (1975),239 (252 f.).

1ß2 Dementsprechend schränkt auch Keuk-Knobbe, PS Ballerstedt (1975), 239 (253), ihre Aussage dahingehend ein, daß zusätzlich noch im Einzelfall zu prüfen sei, ob eine Klage in Betracht komme. Anhand welcher Kriterien die Prüfung vorzunehmen ist, bleibt allerdings offen. 1ß3 Die in § 93 Abs. 3 AktG aufgezählten Tatbestände beziehen sich ohne Ausnahme auf aktienrechtliche Handlungsverbote. lß4 Das verkennt Raiser, ZGR 1989, 44 (58 f.), der einen Verstoß gegen § 76 Abs. 1 AktG allein mit dem Argument ablehnt, die unternehmerische Freiheit des Vorstands decke eben keine Verstöße gegen das Aktiengesetz. Aus diesem Grunde verletze eine Klage des Aufsichtsrats auch nicht den Kompetenzbereich des Vorstands. Dahingehend wohl auch Teich-

206

3. Teil: Art und Weise der Überwachung

Diese Unterscheidung zwingt zu einer entsprechend differenzierten Betrachtungsweise im Hinblick auf die Eröffnung des Klageweges: Sofern die Maßnahme des Vorstands in keinem Zusammenhang mit der Geschäftsführung steht, kann eine diesbezügliche Leistungsklage die Geschäftsführung auch nicht unzumutbar beeinträchtigen. Das gilt namentlich für Verstöße gegen das Wettbewerbsverbot und gelegentlich auch bei Verstößen gegen das Verschwiegenheitsgebot.83S In den übrigen Fällen verbietet sich eine Klage des Aufsichtsrats. Zwar erscheint es auch hier - wie bereits im Rahmen der allgemeinen Verhaltenskontrolle - zunächst nicht plausibel, warum der Aufsichtsrat den Gesetzesverstoß abwarten muß und nur im nachhinein Schadensersatz verlangen kann. Wenn man jedoch bedenkt, daß der Aufsichtsrat mit der bloßen Behauptung eines Gesetzesverstoßes Klage erheben und im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die geplante Maßnahme unterbinden könnte, wird deutlich, daß die Eröffnung des Klageweges nicht mit dem System der Funktionentrennung innerhalb der AG vereinbar ist. Auf diese Weise wäre die Eigenverantwortlichkeit des Aufsichtsrats in erheblichem Maße gefährdet.836 Dies gilt vor allem deshalb, weil das Aktiengesetz eine große Anzahl von Ge- und Verbotsnormen enthält, welche die Geschäftsführung des Vorstands betreffen837 und damit ein breites Angriffsziel für Leistungsklagen bieten. Lediglich im Bereich der Verschwiegenheitspflicht ist eine Klage auch dann zuzulassen, wenn der mögliche Verstoß im Zusammenhang mit einer Geschäftsführungsmaßnahme steht. In diesem Bereich kann es der Gesellschaft im Extremfall schlechthin unzumutbar sein, tatenlos zuzusehen, wie ein Vorstandsmitglied bewußt gesellschaftsschädigende Geschäftsgeheimnisse weitergibt; das gilt umso mehr, als dadurch erhebliche Schäden entstehen können, zu deren Wiedergutmachung das Vorstandsmitglied oft gar nicht in der Lage ist.838

mann, PS Mühl (1981),663 (678), wenn er sagt, die in § 93 Abs. 3 AktG erwähnten Einzeitatbestände bezögen sich alle auf "gesetzliche Handlungsverbote und damit auf Kompetenzüberschreitungen". 83S

Ebenso Lewerenz, Leistungsklagen, S. 126 f.

836 Die im Rahmen der allgemeinen Verhaltenskontrolle angestellten Überlegungen gelten hier ebenso, vgI. oben 3. Teil, B., IV., 6., a), cc), (3), (c).

837

Vgl. vor allem die in § 93 Abs. 3 AktG aufgeführten Pflichten.

838 So zutreffend Stodolkowilz, ZUR 154 (1990), 1 (11). Auf der anderen Seite ist allerdings nicht zu verkennen, daß mit der Klage auch erhebliche Schwierigkeiten verbunden sind (vgl. unten 3. Teil, B., IV., 6., a), bb), (2), (e».

B. Die Überwachungspflicht im besonderen

W7

Gegen die hier vertretene Einschränkung der Klagemöglichkeit spricht auch nicht das von Raiser vorgebrachte Argument, es entspreche "allgemeinen Grundsätzen des Privatrechts, Schadensersatzansprüchen Unterlassungsansprüche zur Seite zu stellen, sofern dadurch der Eintritt des Schadens verhütet oder künftigen Rechtsverletzungen vorgebeugt werden kann".819 Die "Grundsätze des Privatrechts" - Raiser denkt hier offenbar an die §§ 823, 1004 BGB - lassen sich gerade nicht ohne weiteres in den gesellschaftsrechtlichen Bereich transferieren.84O Sie sind im Gegenteil vorab gründlich daraufhin zu überprüfen, ob sie nicht zu Wertungswidersprüchen führen. Solche Wertungswidersprüche ergeben sich aber - wie dargelegt - im Hinblick auf § 76 Abs. 1 AktG, falls die vorgeschlagene Differenzierung unterbleibt und man eine Klage pauschal gegen alle aktienrechtlichen Gesetzesverstöße des Vorstands zuläßt.S41 Als Zwischenergebnis ist demnach festzuhalten, daß der Aufsichtsrat nur gegen den Vorstand klagen kann, wenn dieser gegen die genannten aktienrechtlichen Normen verstößt, ohne zugleich geschäftsführend tätig zu werden, namentlich in den Fällen des § 88 AktG.842 Lediglich bei Verletzung der Verschwiegenheitspflicht kommt eine Klage auch dann in Betracht, wenn der Verstoß mit der Geschäftsführung in Zusammenhang steht. (b) Kläger und Beklagter

Im Anschluß daran bleibt zu klären, in wessen Namen der Aufsichtsrat eine solche Klage erheben kann, im eigenen Namen oder im Namen der Gesellschaft als deren Vertreter. Eine Klage im eigenen Namen setzt voraus, daß dem Aufsichtsrat ein Recht gegen den Vorstand auf Einhaltung der betreffenden aktienrechtlichen Normen zusteht. Die Existenz eines solchen Rechts erscheint sehr zweifelhaft. Aufschluß könnte ein Vergleich mit den bereits behandelten Fallgruppen geben. Im Bereich der funktionalen Hilfsbefugnisse waren die betreffenden Normen bereits anspruchstypisch formuliert, so daß dort keine Zweifel im

1139

Raiser, ZGR 1989, 44 (58).

840

Darauf wurde bereits hingewiesen (vgl. oben 3. Teil, B., IV., 6., a), ce), (3), (b)).

841

So aber Raiser, ZGR 1989, 44 (58 f.).

842 Vgl. auch Scholz/Schneider, GmbHG, § 43 Rn. 130, der eine Unterlassungsklage befürwortet, sofern GmbH-Geschäftsführer gegen das ihnen obliegende Wettbewerbsverbot verstoßen.

208

3. Teil: Art und Weise der Überwachung

Hinblick auf eine eigene Klage des Aufsichtsrats aufkamen.843 Im Fall der Eingriffe des Vorstands in den Kompetenzbereich des Aufsichtsrats steht dem Aufsichtsrat in dem Maße ein "Kompetenzabwehrrecht" zu wie seine eigene Kompetenz reicht. 844 Verteidigt er dagegen den Kompetenzbereich der Hauptversammlung, kann er nur in deren Namen agieren. 84S Jedes Organ hat demnach das Recht, den eigenen Kompetenzbereich - und nur diesen - gegen Eingriffe anderer Organe abzuschirmen. In Anlehnung daran ist folglich auch hier zu bestimmen, ob der Aufsichtsrat in den Fällen der §§ 88, 93 Abs. 1 Satz 2 AktG - vorausgesetzt er entscheidet sich für eine Klage - primär seinen eigenen Wirkungskreis verteidigt oder primär zum Schutze der Hauptversammlung bzw. der Gesellschaft handelt. Die Antwort auf diese Frage ergibt sich aus den genannten Vorschriften selbst. Weder das Wettbewerbsverbot, noch die Verschwiegenheitspflicht stehen in irgendeiner Beziehung zum Kompetenzbereich des Aufsichtsrats. Sie dienen vielmehr einzig und allein dem Schutz des Unternehmens.846 Ein Recht auf Einhaltung dieser Normen steht dementsprechend auch nur der Gesellschaft zu. Der Aufsichtsrat hingegen hat keinen Anspruch darauf, daß der Vorstand diese Vorschriften beachtet. Vor allem läßt sich ein solches Recht nicht aus der ihm gemäß § 111 Abs. 1 AktG zustehenden Überwachungskompetenz herleiten. Deren ordnungsgemäße Erfüllung wird durch diese Gesetzesverstöße in keiner Weise beeinträchtigt, wie es etwa bei den Verstößen des Vorstands gegen seine gesetzlich verankerten Berichtspflichten847 oder bei Mißachtung der Zustimmungsvorbehalte des Aufsichtsrats848 der Fall ist. Demnach kann der Aufsichtsrat keine eigene Klage gegen den Vorstand anstrengen, sondern nur im Namen der Gesellschaft als deren Vertreter. In sofern besteht eine Parallele zu den Konstellationen, in denen der Vorstand den Kompetenzbereich der Hauptversammlung verletzt.849 Nachdem feststeht, daß der Aufsichtsrat nur im Namen der Gesellschaft gegen den Vorstand auf Einhaltung der §§ 88 Abs. 1 und 93 Abs. 1 Satz 2 AktG klagen kann, stellt sich nunmehr die Frage, welche Vertretungsrege-

843

VgJ. oben 3. Teil, B., IV., 6., a), cc), (1).

844

Vgl. oben 3. Teil, B., IV., 6., a), cc), (2), (a).

84S

Vgl. oben 3. Teil, B., IV., 6., a), cc), (2), (b).

846

So auch Lewerenz, Leistungsklagen, S. 126.

847

VgJ. oben 3. Teil, B., IV., 6., a), cc), (1).

848

VgJ. oben 3. Teil, B., IV., 6., a), cc), (2), (a).

849

VgJ. oben 3. Teil, B., IV., 6., a), ce), (2), (b).

B. Die Überwachungspflicht im besonderen

209

lung des Aktiengesetzes hier in Betracht kommt. Zu denken ist zunächst an

§ 246 Abs. 2 Satz 3 AktG, der in den Fällen analog anzuwenden ist, in de-

nen die Gesellschaft - vertreten durch den Aufsichtsrat - gegen den Vorstand auf Wahrung des Kompetenzbereichs der Hauptversammlung klagt.8S0 Als tragendes Argument für die analoge Anwendung der Norm fungierte dort der Umstand, daß es sich in beiden Fällen um einen Streit um innerorganisatorische Rechte handelt. Vorliegend ist die Interessenlage jedoch anders. Der Verstoß eines Vorstandsmitglieds gegen das Wettbewerbsverbot oder die Verschwiegenheitspflicht hat keinerlei Einfluß auf die innerorganisatorischen Rechte eines anderen Organs. Eine solche Handlungsweise schadet lediglich den Interessen der Gesellschaft im Außenverhältnis. § 246 Abs. 2 Satz 3 AktG ist hier folglich nicht anwendbar. Näher liegt demgegenüber die Anwendung des § 112 AktG, der in den übrigen Fällen jeweils mit Hinweis auf das Vorliegen eines innerorganisatorischen Streits abgelehnt wurde.851 § 112 AktG erfaßt demgegenüber - wie bereits mehrfach erwähnt - das Verhältnis der Gesellschaft zu den Vorstandsmitgliedern persönlich.852 Genau dieses Verhältnis ist hier betroffen. Das Wettbewerbsverbot und das Verschwiegenheitsgebot leiten sich nicht aus einer dem Gesamtorgan obliegenden Pflicht ab, sondern aus der Treuepflicht jedes einzelnen Mitglieds gegenüber der Gesellschaft.8S3 Sofern der Aufsichtsrat als Vertreter der Gesellschaft gegen ein Vorstandsmitglied auf Einhaltung des Wettbewerbsverbots oder der Verschwiegenheitspflicht klagt, findet somit § 112 AktG Anwendung. 8S4 (5) Ergebnis

Die im Grundsatz befürwortete Klagemöglichkeit des Aufsichtsrats gegen den Vorstand auf Vornahme bzw. Unterlassen bestimmter Maßnahmen findet ihre Grenze in der Eigenverantwortlichkeit des Vorstands gemäß § 76 Abs. 1 AktG. Nur wenn die Eigenverantwortlichkeit der Geschäftsführung

8SO

Vgl. oben 3. Teil, 8., IV., 6., a), ce), (2), (b).

851

Vgl. oben 3. Teil, B., IV., 6., a), aa) und 3. Teil, B., IV., 6., a), ce), (2), (b).

852 So zutreffend Häsemeyer, ZHR 144 (1980), 265 (274). Vgl. auch schon oben 3. Teil, B., IV., 6., a), aa). 8S3

Vgl. zum Wettbewerbsverbot Hefermehl, in: GeßlerjHefennehljEckardtjKropff, AktG,

&S4

So offenbar auch Raiser, AG 1989, 185 (188).

§ 88 Rn. 1, und zur Verschwiegenheitspflicht Großkomm.jSchilling, AktG, § 93 Anm. 11.

14 Steinbeck

210

3. Teil: Art und Weise der Überwachung

nicht in einem unzulässigen Maße beeinträchtigt wird, ist eine Klage gegen den Vorstand zu befürworten. Deshalb verbietet sich eine allgemeine gerichtliche Verhaltenskontrolle des Vorstands durch den Aufsichtsrat. Diese würde dem Überwachungsorgan die Gelegenheit geben, unbegrenzt in den Geschäftsführungsbereich des Vorstands "hineinzureden".8SS Sofern es dagegen um die Durchsetzung funktionaler Hilfsbefugnisse geht, die dem Aufsichtsrat die Erfüllung seiner Überwachungsaufgabe ermöglichen sollen, stellt eine klageweise Durchsetzung keinen unzulässigen Eingriff in die Geschäftsführung dar. Ebensowenig muß der Aufsichtsrat Eingriffe des Vorstands in den eigenen Kompetenzbereich hinnehmen. Wehrt er solche Übergriffe klageweise ab, so weist er den Vorstand lediglich in seine Schranken, ohne dessen Geschäftsführungskompetenz zu verletzen. Entsprechendes gilt, wenn der Aufsichtsrat die Kompetenzen der Hauptversammlung gegenüber dem Vorstand verteidigt. Letzterenfalls klagt er jedoch nicht im eigenen Namen, sondern im Namen der Gesellschaft, weil ihm kein eigenes Abwehrrecht zusteht. Schließlich ist der Aufsichtsrat zur Klageerhebung befugt, wenn einzelne Vorstandsmitglieder gegen das Wettbewerbsverbot oder die Verschwiegenheitspflicht verstoßen. Da der Aufsichtsrat auch hier nicht über ein eigenes Abwehrrecht gegenüber dem Vorstand verfügt, handelt es sich um eine Klage der Gesellschaft - vertreten durch den Aufsichtsrat - gegen die einzelnen pflichtwidrig handelnden Vorstandsmitglieder.

ee) Pflicht zur Klageerhebung Nachdem feststeht, in welchen Fällen der Aufsichtsrat berechtigt ist, klageweise gegen den Vorstand vorzugehen, stellt sich weiterhin die Frage, ob der Aufsichtsrat möglicherweise auch zur Klageerhebung verpflichtet ist. Zu unterscheiden sind in diesem Zusammenhang zwei Gruppen: erstens die Klagen, mit denen der Aufsichtsrat im eigenen Namen seinen eigenen Kompetenzbereich sichert, namentlich die Klage zur Durchsetzung funktionaler Hilfsbefugnisse und die Klage zur Durchsetzung von Zustimmungsvorbehalten des Aufsichtsrats; zweitens die Klagen des Aufsichtsrats im Namen der Gesellschaft zur Abwehr von Eingriffen des Vorstands in den Kompetenzbereich der Hauptversammlung und zur Verhinderung von Verstößen des Vorstands gegen spezielle Verhaltenspflichten. Sofern es dem Aufsichtsrat darum geht, seine eigenen Rechte gegenüber dem Vorstand durchzusetzen, muß es ihm auch selbst überlassen bleiben, 8SS Fonnulierung von Häsemeyer,

ZUR 144 (1980), 265 (279).

B. Die Überwachungspflicht im besonderen

211

wie er dies handhabt. Wählt er hier nicht den Klageweg, sondern läßt das Verhalten des Vorstands auf sich beruhen, so ist dies als Verzicht auf den Bericht bzw. auf den Zustimmungsvorbehalt auszulegen. 8S6 Aber selbst wenn ein Bericht oder ein Zustimmungsvorbehalt derart unerläßlich für eine ordnungsgemäße Überwachung ist, daß der Aufsichtsrat nicht darauf verzichten darf, &S7 liegt es immer noch in seinem Ermessen, wie er sein Verlangen durchsetzt. Die Klageerhebung wird hier nur sehr selten das einzig geeignete Mittel sein. Folglich ist eine Pflicht des Aufsichtsrat zur Erhebung einer Klage gegen den Vorstand in diesen Konstellationen nur ausnahmsweise anzunehmen. Etwas anders stellt sich die Situation in den Fällen der zweiten Gruppe dar, denn die Rechte der Hauptversammlung stehen nicht zur Disposition des Aufsichtsrats. Sobald der Vorstand die Kompetenz der Hauptversammlung mißachtet,MI! muß der Aufsichtsrat dagegen vorgehen, es sei denn die Hauptversammlung hat ihrerseits ausdrücklich darauf verzichtet. Welches Einwirkungsmittel der Aufsichtsrat wählt, bleibt jedoch auch hier seiner Beurteilung überlassen. Als Überwachungsorgan verfügt er über den engsten Kontakt zum Vorstand und kann die Situation somit i. d. R. am besten beurteilen. Erst wenn sich Abberufung und Schadensersatzansprüche als ungeeignet erweisen, kann sich das ursprüngliche Ermessen des Aufsichtsrats zu einer Klagepflicht verdichten.8S9 Das gleiche gilt, wenn der Vorstand gegen die Verschwiegenheitspflicht verstößt. Da das Geheimhaltungsinteresse der Gesellschaft durch einen Prozeß u. U. erst recht in Gefahr gerät, wird sich die Entscheidung für oder wider eine Klageerhebung oftmals als Gratwanderung erweisen. Der Aufsichtsrat hat hier nach besonders sorgfältiger Abwägung aller Vor- und Nachteile zu entscheiden; eine Klage wird wahrscheinlich eher die Ausnahme bleiben. Dagegen kommt der Klagemöglichkeit eine erhebliche Bedeutung zu, wenn der Vorstand gegen das ihm obliegende Wettbewerbsverbot verstößt. Sofern eine Unterlassungsklage noch rechtzeitig kommt, wird sie in der

8S6 So zutreffend Raiser, ZGR 1989, 44 (61), im Hinblick auf die Zustimmungsvorbehalte des Aufsichtsrats. &S7 Auch diese Fälle sind denkbar, vgl. oben 3. Teil, B., 111., 1., a), bb), (2), (b), und 3. Teil, 8., IV., 3., b), bb).

MI! Indem er sich beispielsweise weigert, deren Beschlüsse auszuführen, obwohl er dazu verpflichtet ist. 8S9

Ebenso Raiser, ZGR 1989, 44 (62).

212

3. Teil: Art und Weise der Überwachung

Mehrzahl der Fälle das geeignete Mittel zur Schadensabwendung sein und das ursprüngliche Klagerecht damit zu einer Pflicht erstarken. b) Klagen einzelner AuCsichtsratsmitglieder

00) Anerkannte Fallgruppen Im Bereich der Klagemöglichkeiten einzelner Aufsichtsratsmitglieder sind mehrere Kategorien zu unterscheiden. Am unproblematischten ist die Fallgruppe, bei der die Klage- bzw. die Antragsbefugnis bereits ausdrücklich im Gesetz vorgesehen ist.86O Die zweite Gruppe bilden die aufsichtsratsinternen Streitigkeiten um die Durchsetzung organschaftlicher Befugnisse des einzelnen Mitglieds.861 In diesem Bereich ist die Klagbarkeit der Ansprüche zwar nicht gesetzlich geregelt, aber dennoch allgemein anerkannt.862 Entsprechendes gilt für den Fall des § 90 Abs. 3 Satz 2 AktG, in dem das Aktiengesetz dem einzelnen Aufsichtsratsmitglied Rechte gegenüber dem Vorstand einräumt. 863 Einigkeit besteht inzwischen auch darüber, daß einzelne Aufsichtsratsmitglieder klageweise gegen mangelhafte Aufsichtsratsbeschlüsse vorgehen können. Zu unterscheiden sind in diesem Zusammenhang nichtige und anfechtbare Beschlüsse. Nichtigen Aufsichtsratsbeschlüssen ist im Wege der Feststellungsklage,864 anfechtbaren Beschlüssen im Wege der Anfechtungs-

860 Vgl. §§ 245 Nr.5, 249 AktG (KIagebefugnis) und §§ 85, 104 und 98 AktG (Antragsbefugnis). 861

Vgl. etwa §§ 109 Abs. 2, 90 Abs. 5 Satz 2,170 Abs. 3 AktG.

862 Vgl. etwa Westermann, PS Bötticher (1969), 369 (380 f.); Lewerenz, Lcistungsklagen, S. 96 f.; Großkomm./Meyer-Landrut, AktG, § 90 Anm. 12; Lutter, Information, S. 72; Lippen, Überwachungspflicht, S. 121 f.; Hefermehl, in: Geßler/HefermehI/Eckardt/Kropff, AktG, § 90 Rn. 26; Homme/hoff, ZHR 143 (1979), 288 (315); Menens, ZHR 154 (1990), 24 (33, 37); Säcker, NJW 1979, 1521 (1526).

863 Westermann, PS Bötticher (1969),369 (379 f.); Lutter, Information, S. 69 ff.; Hefermehl, in: Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, AktG, § 90 Rn. 36; Lutter/Krieger, Rechte, S. 198 ff.; Flume, Juristische Person, S. 406 f.; Hommelhoff, ZHR 143 (1979), 288 (315 f.). 864 Anknüpfungspunkt für das Feststellungsinteresse ist die Mitgliedschaft im Aufsichtsrat (so zutreffend Baums, ZGR 1983, 300 (343»; Hoffmann-Becking, in: Münchener Handbuch, § 33 Rn. 49; Kölner Komm./Mertens, AktG, § 108 Rn. 78 ff.; ausführlich dazu Meilicke, PS W. Schmidt (1959), 71 (109 ff.); vgI. auch BGHZ 83, 144 (146).

B. Die Überwachungspflicht im besonderen

213

klage zu begegnen.86S Die Klage richtet sich nach der noch überwiegenden Auffassung gegen die Gesellschaft.1!66 Neuerdings werden jedoch erhebliche Zweifel vorgebracht, die Gesellschaft als Klagegegner anzusehen. Bedenklich erscheine vor allem, daß die Gesellschaft im Rahmen einer solchen Klage gemäß § 78 Abs. 1 AktG durch den Vorstand vertreten werde, obgleich dieser doch selbst Überwachungsobjekt sei.867 Zudem widerspreche es dem strengen System der Funktionentrennung innerhalb der Aktiengesellschaft, wenn der Vorstand auf diese Weise Gelegenheit erhalte, auf die inneren Angelegenheiten des Aufsichtsrats Einfluß zu nehmen.868 Allerdings verbietet sich eine Klage gegen die Gesellschaft nicht nur aufgrund dieser Zweckmäßigkeitserwägungen. Da der Aufsichtsrat nach der hier vertretenen Auffassung zumindest über eine begrenzte Parteifähigkeit verfügt8(9 und es um die Rechtmäßigkeit eines Beschlusses geht, den er als Organ gefaßt hat, muß er zwangsläufig auch als Klagegegner in einem solchen Prozeß fungieren. 870 Für eine Beteiligung der Gesellschaft ist demgegenüber kein Grund ersichtlich; es handelt sich um einen organinternen Streit und dieser Streit sollte auch auf der Organebene ausgetragen werden. s71 86S So die im Vordringen begriffene Auffassung, vgl. OLG Hamburg, WM 1984,865 (967); Kölner Komm./Mmens, AktG, § 108 Rn. 61 ff.; Hoffmann-Becking, in: Münchener Handbuch, § 32 Rn. 103; Baums, ZGR 1983, 300 (insb. S.337 ff.); Ulmer, in: Hanau/Ulmer, MitbG, § 25 Rn 36 ff.; Luuer/Krieger, Rechte, S. 173 ff. A. A. Geßler, in: Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, AktG, § 108 Rn. 71; Großkomm./Meyer-Landrut, AktG, § 108 Anm. 7; Meilicke, FS W. Schmidt (1959), 71 (S. 77 f.), nach deren Auffassung ein Verstoß gegen Gesetz oder Satzung immer zur Nichtigkeit des Beschlusses führt. Auch der BGH hat sich bislang nur mit Feststellungsklagen befaßt (vgl. BGHZ 47, 341 (436); 83, 144 ff.; 85, 293 ff. (insb. S. 295). In BGHZ 106, 54 (67), scheint aber auch der BGH zwischen nichtigen und anfechtbaren Beschlüssen zu differenzieren.

1!66 So ausdrücklich BGHZ 85, 293 (295), und OLG Düsseldorf, WM 1973, 1425. Vgl. auch BGHZ 83, 144 ff.; Geßler, in: Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kroprf, AktG, § 108 Rn. 72; Baums, ZGR 1983,300 (342); LuuerjKrieger, Rechte, S. 174; Meilicke, FS W. Schmidt (1959), 71 (112); Großkomm./Meyer-Landrut, AktG, § 108 Anm. 8; Stodolkowitz, ZHR 154 (1990), 1 (18); LG Hannover, DB 1989, 1816. 867 So Häsemeyer, ZHR 144 (1980), 265 (274); Hommelhoff, ZUR 143 (1979), 288 (314 f.). Zweifelnd auch Meilicke, FS W. Schmidt (1959), 71 (112). Stodolkowitz, ZHR 154 (1990), 1 (18), zieht deshalb eine Vertretung der Gesellschaft durch die den Beschluß verteidigenden Aufsichtsratsmitglieder vor.

868

Hommelhoff, ZHR 143 (1979), 288 (315); Häsemeyer, ZHR 144 (1980), 265 (274).

8(9 Vgl. oben 3. Teil,

B., IV., 6., a), bb), (2), (b).

870

So auch Hommelhoff, ZHR 143 (1979), 288 (314 f.).

871

So zutreffend Hommelhoff, ZHR 143 (1979), 288 (314).

214

3. Teil: Art und Weise der Überwachung

bb) Klagen "anstelle des Aufsichtsrats" Bislang noch ungeklärt ist die Frage, ob einzelne Aufsichtsratsmitglieder auch Rechte des Gesamtorgans gegenüber dem Vorstand durchsetzen, d. h. ob sie "anstelle des Aufsichtsrats"872 gegen den Vorstand klagen können. Dieses Problem wird vor allem dann akut, wenn der Aufsichtsrat trotz Vorliegens der Eingriffsvoraussetzungen nicht gegen den Vorstand vorgeht, weil die Mehrheit dessen Verhalten deckt.873 (J) Aus eigenem Recht

Zunächst stellt sich die Frage, ob nicht sogar jedes Ratsmitglied über ein eigenes Recht verfügt, das es ihm erlaubt, vom Vorstand ein rechtmäßiges Verhalten zu verlangen und dies notfalls auch gerichtlich durchzusetzen. Als Anhaltspunkt für eine solche Einzelklagebefugnis könnte die Regelung des § 90 Abs. 3 AktG dienen. Danach steht das gleiche Recht, nämlich unter bestimmten Voraussetzungen vom Vorstand einen Bericht zu verlangen, sowohl dem Aufsichtsrat als Gesamtorgan (§ 90 Abs. 3 Satz 1) als auch den einzelnen Mitgliedern zu (§ 90 Abs. 3 Satz 2). Gleichwohl läßt sich daraus nicht auf eine weitergehende Einzelklagebefugnis der Ratsmitglieder schließen. Das Recht aus § 90 Abs. 3 Satz 2 AktG dient lediglich dazu, das einzelne Aufsichtsratsmitglied in die Lage zu versetzen, sich - auch ohne Unterstützung der Aufsichtsratsmehrheit - diejenigen Informationen zu verschaffen, die erforderlich sind, um die ihm im Hinblick auf die Überwachung des Vorstands obliegende Mitwirkungspflicht874 zu erfüllen.87s In den übrigen hier zur Debatte stehenden Fällen geht es jedoch um die Durchsetzung der dem Aufsichtsrat zugewiesenen Überwachungskompetenz. Diese trifft gemäß § 111 Abs. 1 AktG eindeutig das Gesamtorgan, so daß auch nur dem Gesamtaufsichtsrat eine entsprechende Durchsetzungsbefugnis zukommt.876 Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der individuellen Verantwortlichkeit jedes Aufsichtsratsmitglieds gemäß §§ 116, 93 AktG. Sie

872

Formulierung von Luner/Krieger, Rechte, S. 199.

873

Vgl. Hommellwjf, ZHR 143 (1979), 288 (314); Raiser, ZOR 1989, 44 (46).

874

Vgl. oben 1. Teil, A, 11. und B., I.

87S So zutreffend BOHZ 106, 54 (62). Ebenso StodolkowiJz, ZHR 154 (1990), 1 (18 f.); Raiser, ZOR 1989, 44 (53). 876 BOHZ 106, 54 (63); OLO Frankfurt, eR 1988, 285 (187); OLO Celle, NJW 1990, 582; Sonnenlwl, WuB 11 A § 111 AktO 1. 88, S. 580; Wemer, WuB 11 A § 111 AktO 1. 89, S. 458.

B. Die Überwachungspflicht im besonderen

215

erfordert keine Klagebefugnis des einzelnen Ratsmitglieds, da es schon dann seiner Sorgfaltspflicht genügt, wenn es im Aufsichtsrat auf seine Bedenken aufmerksam macht und entsprechend abstimmt.B77 Als Anhaltspunkt für eine Einzelklagebefugnis des Aufsichtsratsmitglieds gegen rechtswidrige Maßnahmen des Vorstands könnte aber § 245 Nr.5 AktG dienen. Danach kann jedes Mitglied des Vorstands oder des Aufsichtsrats einen Hauptversammlungsbeschluß anfechten, wenn Mitglieder des Vorstands oder des Aufsichtsrats durch die Ausführung dieses Beschlusses "eine stratbare Handlung oder eine Ordnungswidrigkeit begehen oder wenn sie ersatzpflichtig werden würden". § 245 Nr. 5 AktG zeigt demnach, daß einzelne Mitglieder des Aufsichtsrats durchaus gegen rechtswidrige Entscheidungen eines anderen Organs vorgehen können.878 Dennoch läßt sich aus § 245 Nr. 5 keine Einzelklagebefugnis jedes Aufsichtsratsmitglieds gegen rechtswidrige Maßnahmen des Vorstand entnehmen, denn § 245 Nr. 5 AktG setzt neben der Rechtswidrigkeit des auszuführenden Beschlusses weiter voraus, daß Mitglieder des Vorstands und/oder des Aufsichtsrats in eine unzumutbare Zwangslage geraten, weil sie einerseits an den Beschluß der Hauptversammlung gebunden sind, sich andererseits aber durch deren Ausführung schadensersatzpflichtig oder gar stratbar machen würden. In eine solche Situation können Aufsichtsratsmitglieder im Verhältnis zum Vorstand aber nicht geraten, weil der Aufsichtsrat nicht verpflichtet ist, die Beschlüsse des Vorstands auszuführen. 879 Von einer Vergleichbarkeit der Interessenlagen kann also keine Rede sein. Das LG Darmstadt880 hat die Einzelklagebefugnis der Arbeitnehmervertreter im Opel-Fall auf deren spezifisches "Repräsentationsinteresse" gestützt. Da die Geltendmachung der Arbeitnehmerinteressen nicht "dem Aufsichtsrat als solchem" zugewiesen sei und die Gruppe der Arbeitnehmervertreter weder als Organ noch als autarker Organteil bezeichnet werden könne, stehe die Prozeßführungsbefugnis folglich den einzelnen Mitgliedern

B77 OLG Frankfurt, eR 1988, 286 (287); ihm zustimmend Kon, eR 1988, 289; ders., eR 1987, 105; Sonnenhol, WuB 11 A. § 111 AktG 1. 88, S. 580; im Ergebnis ebenso BGHZ 106, 54 (63); Wemer, WuB 11 A. § 111 AktG 1. 89, S. 458; Raiser, ZGR 1989, 44 (69); Bork, ZGR 1989, 1 (39). A. A. LG Darmstadt, eR 1987, 101 (102), das die Klage im Opel-Fall in erster Instanz u. a. aufgrund dieser Normen für zulässig erklärte. 878

Raiser, ZGR 1989, 44 (54).

879 So zutreffend BGHZ 106, 54 (63 f.); Srodolkowilz, ZHR 154 (1990), 1 (19); Raiser, ZGR 1989, 44 (54 C.); ebenso Werner, WuB 11 A. § 111 AktG 1. 89, S. 458, allerdings mit teilweise abweichender Begründung. 880

eR 1987, 101 ff.

216

3. Teil: Art und Weise der Überwachung

dieser Gruppe ZU.881 Diese These ist in Rechtsprechung und Literatur jedoch zu Recht auf Kritik gestoßen. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und der herrschenden Meinung in der Literatur hat das Mitbestimmungsgesetz kein "Bänkeprinzip" geschaffen, sondern vielmehr jedem Aufsichtsratsmitglied die gleichen Rechte und Pflichten zugewiesen.882 Für eine Einzelklagebefugnis der Arbeitnehmervertreter aufgrund ihrer Gruppenzugehörigkeit ist damit kein Raum. Schließlich könnte sich das Klagerecht einzelner Aufsichtsratsmitglieder aufgrund einer Fortentwicklung der Einzelklagebefugnis des Aktionärs ergeben, die vom Bundesgerichtshof im "Holzmüller-Urteil"883 ausdrücklich anerkannt worden ist. Danach hat "jeder Aktionär ... einen verbandsrechtlichen Anspruch darauf, daß die Gesellschaft seine Mitgliedsrechte achtet und alles unterläßt, was sie über das durch Gesetz und Satzung gedeckte Maß hinaus beeinträchtigt".884 Werde dieses Mitgliedsrecht verletzt, weil der Vorstand die Hauptversammlung unzulässigerweise von der Mitwirkung an einer Geschäftsführungsmaßnahme ausschließe, so könne der Aktionär sich im Wege der Klage dagegen zur Wehr setzen.8&5 Angesichts dieser Feststellung erscheint es überlegenswert, ob sich dementsprechend auch jedes Aufsichtsratsmitglied dagegen wehren kann, wenn der Vorstand den Aufsichtsrat unzulässigerweise von der Mitwirkung an einer Geschäftsführungsmaßnahme ausschließt, indem er es unterläßt, die erforderliche Zustimmung des Aufsichtsrats einzuholen oder indem er eine erteilte Zustimmungsverweigerung mißachtet.8B6

881 LO Darmstadt, eR 1987, 101 (102). Lewerenz, Leistungsklagen, S. 142 f., befürwortet eine Klagebefugnis der Mehrheit der Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat. Eine Prozeßführungsbefugnis einzelner Aufsichtsratsmitglieder aufgrund eines solchen "Repräsentationsinteresses" hat auch Häsemeyer, ZHR 144 (1980), 26S (285 f.), erwogen. Er hat die Frage jedoch letztlich offengelassen. 882 Vgl. BOHZ 64, 325 (330 f.); 83, 107 (113 C.); 83, 151 (154 C.); Für den Opel-Fall ausdrücklich BOHZ 106, 54 (65); OLO Frankfurt, eR 1988, 285 (287 C.). Ebenso Raiser, ZOR 1989, 44 (52); Kort, AO 1987, 193 (195); Bork, ZOR 1989, 1 (35 f.). Vgl. auch BVerfOE 50, 290 (374 f.). Kort, eR 1987, 105 (106), wendet zusätzlich ein, durch ein solches Einzelklagerecht werde das im Mitbestimmungsgesetz tendenziell angelegte Übergewicht der Anteilseignerseite im Aufsichtsrat unterlaufen. Zu einer Klagebefugnis der Arbeitnehmervertreter käme man höchstens, wenn man der Konflikttheorie folgte. Daß diese abzulehnen ist, wurde jedoch bereits an anderer Stelle gezeigt, vgI. dazu oben 3. Teil, A, I., 3., a). 883

BOHZ 83, 122 ff.

884

BOHZ 83, 122 (133).

8&5 BOHZ 83, 122 (133 C.). 8B6

Auch der BOH hat eine solche Parallele im Opel-Fall erwogen. Er konnte die Frage

B. Die Überwachungspflicht im besonderen

217

Im Verhältnis der Organe zueinander ist die Situation durchaus mit dem Holzmüller-Fall vergleichbar, denn der Vorstand verletzt jeweils die Kompetenz eines anderen Organs, hier die des Aufsichtsrats, dort die der Hauptversammlung. Ob aufgrund dieser Vergleichbarkeit auch das einzelne Aufsichtsratsmitglied - ebenso wie der einzelne Aktionär - die rechtswidrige Maßnahme unterbinden kann, erscheint dennoch zweifelhaft. Voraussetzung wäre, daß die Rechtsstellung des Aktionärs, aus der seine Klagebefugnis hergeleitet wird, mit der Rechtsstellung des Aufsichtsratsmitglieds zumindest vergleichbar ist. Zweifellos besteht insoweit Übereinstimmung, als beide Mitglied eines Organs der Aktiengesellschaft sind. Diese Mitgliedschaft begründet aber gerade nicht das vom Bundesgerichtshof befürwortete Abwehrrecht des Aktionärs. Es ist vielmehr dessen individuelle Mitgliedschaft im Verband und damit die Beteiligung an der Gesellschaft,887 auf der das Abwehrrecht des Aktionärs beruht.888 Dieses Abwehrrecht ist kein Ersatzaufsichtsrecht für die Gesellschaft,889 sondern ein eigenes Recht des Anteiiseigners.1IlO Es betrifft die "Außenrechtsbeziehung" zwischen Aktionär und Gesellschaft!P1 und nicht den innerorganisatorischen Bereich zwischen dem Aktionär als Mitglied des Organs Hauptversammlung und dem Vorstand als rechtswidrig handelndem Organ. Dies wird besonders deutlich, wenn der Bundesgerichtshof feststellt, es sei Sache der Gesellschaft, "durch ihre Organe Abhilfe zu schaffen, den betroffenen Aktionären Genüge zu tun und dafür zu sorgen,

jedoch im Ergebnis offenlassen, da der Vorstand im Opel- ebenso wie im Holzmüller-Fall die Hauptversammlung und nicht den Aufsichtsrat unzulässigeIWeise ausschaltete und dadurch jedenfalls die Rechtsstellung des Aufsichtsratsmitglieds nicht beeinträChtigt wird (Vgl. BGHZ 106,54 (64); zustimmend Wemer, WuB 11 A. § 111 AktG 1.89, S. 459). Wie bereits gezeigt, berührt eine solche Vorgehensweise nicht einmal die Rechtsstellung des Gesamtaufsichtsrats (Vgl. oben 3. Teil, B., IV., 6., a), ce), (2), (b).

887 Vgl.

BVerfGE 50,290 (342): Die Mitgliedschaft "vermittelt" das Vermögensrecht.

888 Vgl. Keuk-Knobbe, FS Ballerstedt (1975), 239 (243), Raiser, AG 1989, 185 (186); ders., ZHR 153 (1989), 1 (9 f.).

889 So ausdrücklich BGHZ 83, 122 (135); ebenso Hommellwjf, Konzernleitungspflicht, S.475; F1ume, Juristische Person, S.311; Stodolkowitz, ZHR 154 (1990), 1 (19); ähnlich Raiser, ZHR 153 (1989), 1 (9 ff.); ZöUner, ZGR 1988, 392 (430 f.); Brondics, Aktionärsklage, S. 82. A. A. Lutter, AcP 180 (1980), 84 (142); ihm zustimmend Timm, AG 1980, 172 (185). Ob das Aufsichtsratsmitglied über ein Ersatzaufsichtsrecht nach dem Bilde der "actio pro socio" bzw. "actio pro societate" verfügt, wird später noch zu untersuchen sein. lIlO Flume, Juristische Person, S. 311; ähnlich Hommelhojf, Konzemleitungspflicht, S. 475; Stodolkowitz, ZHR 154 (1990), 1 (19).

!PI

So zutreffend Bork, ZGR 1989, 1 (3).

218

3. Teil: Art und Weise der Überwachung

daß ihre Mitgliedsrechte künftig nicht mehr verletzt werden".892 Das Aufsichtsratsmitglied verfügt über kein mit der Mitgliedschaft des Aktionärs vergleichbares Recht, denn das Ratsmitglied leitet seine Rechte allein aus der Mitgliedschaft im Organ ab. Die Mitgliedschaft im Organ vermittelt aber nur fremdnützige Rechte und kein Eigenrecht wie das des Aktionärs. Soweit die Organmitgliedschaftsrechte des Aufsichtsratsmitglieds im Falle einer rechtswidrigen Geschäftsführungsmaßnahme überhaupt verletzt werden, geschieht dies - wenn überhaupt - durch den Aufsichtsrat selbst, falls dieser trotz Vorliegen der Voraussetzungen untätig bleibt, nicht aber durch den pflichtwidrig handelnden Vorstand.893 Das einzelne Aufsichtsratsmitglied hat kein Recht auf ein rechtmäßiges Verhalten des Vorstands, sondern lediglich ein aus der Organmitgliedschaft erwachsendes Recht auf Teilnahme an der Beratung und Beschlußfassung über ein eventuelles Einschreiten gegen das geschäftsführende Organ.894 Aufgrund der nicht zu vergleichenden Rechtsstellung von Aufsichtsratsmitglied und Aktionär scheidet damit eine Weiterentwicklung der im Holzmüller-Urteil anerkannten Einzelklagebefugnis des Aktionärs hin zu einer entsprechenden Einzelklagebefugnis des Aufsichtsratsmitglieds aus. Da weitere Anknüpfungspunkte nicht ersichtlich sind, kann festgehalten werden, daß dem Ratsmitglied kein eigenes Abwehrrecht gegen rechtswidrige Geschäftsführungsmaßnahmen des Vorstands zusteht. (2) Aus abgeleitetem Recht

Eine Einzelklagebefugnis des Aufsichtsratsmitglieds könnte jedoch in Anlehnung an die "actio pro socio" bzw. der "actio pro societate" zu entwikkein sein. In dem Fall würde das Aufsichtsratsmitglied ein Recht des Gesamtaufsichtsrats im eigenen Namen gegen den Vorstand geltend machen. In der Literatur ist die grundsätzlichelllS Zulässigkeit einer actio pro socio oder actio pro societate für Aufsichtsratsmitglieder zuerst von Hommelhoff und Timm befürwortet worden.896 Ihrer Meinung nach kommt eine solche

1JJ2

BGHZ 83, 122 (134).

IJJ)

So zutreffend Bork, ZGR 1989, 1 (40 f.).

894 Vgl. Bork, ZGR 1989, 1 (41); dahingehend auch Stodolkowitz, ZHR 154 (1990), 1 (19 f.).

IJJS

Zu den Ausnahmen vgI. unten 3. Teil, B., 6., b), bb), (3).

896

Hommelhoff/I'imm, AG 1976,330 (332 f.); Hommelhojf, ZHR 143 (1979), 288 (314).

B. Die Überwachungspflicht im besonderen

219

Klage dann in Betracht, ·wenn es als sicher erscheint, daß der Gesamtaufsichtsrat nicht gegen rechtswidrige Maßnahmen angehen wird, die ihn betreffen".8'J7 Letzteres sei immer anzunehmen, wenn der Aufsichtsrat es ausdrücklich abgelehnt habe, gegen den Vorstand einzuschreiten.898 Eine etwas engere Auffassung vertritt Bork.1!B9 Er hält eine actio pro socio einzelner Aufsichtsratsmitglieder in den Situationen für erforderlich, in denen die aufsichtsratsinternen Mittel zu spät kommen oder der Aufsichtsratsbeschluß nichtig ist.900 Die Rechtsprechung ist in der Frage der actio pro socio einzelner Aufsichtsratsmitglieder unentschieden. Das OLG Frankfurt901 hat als Berufungsinstanz im Opel-Fall die Zulässigkeit einer actio pro socio mit der Begründung abgelehnt hat, das Aktiengesetz biete keine dahingehenden Anhaltspunkte. Vielmehr vollziehe sich die Willensbildung im Aufsichtsrat regelmäßig durch Mehrheitswillen. Der Bundesgerichtshof hat hingegen zur Frage der Zulässigkeit einer actio pro socio im besagten Fall nicht abschließend Stellung genommen. Sofern ein dahingehendes Bedürfnis überhaupt anzuerkennen sei, so setze sie jedenfalls voraus, daß die klagewilligen Aufsichtsratsmitglieder zunächst erfolgreich gegen den ablehnenden Aufsichtsratsbeschluß angegangen seien.902 Keinesfalls dürfe die actio pro socio dazu führen, daß Konflikte zwischen Mehrheit und Minderheit im Aufsichtsrat willkürlich über den "Umweg einer gerichtlichen Inanspruchnahme des Vorstands" ausgefochten werden.903 Damit betont der Bundesgerichtshof zu Recht den Charakter der actio pro socio als Notzuständigkeitsregelung.904

Vgl. auch Lutter, AcP 180 (1980), 84 (143 f.). Grundlegend zu actio pro socio im Recht der Kapitalgesellschaften Groß/eid, Aktiengesellschaft, S. 224 ff.

8'J7 Hommelhoff/Timm, AG

1976, 330 (333).

898

So Hommelhoff, ZHR 143 (1979), 288 (314).

l!B9

ZGR 1989, 1 (40 ff.).

900

Bork, ZGR 1989,1 (42).

901

OLG Frankfurt, eR 1988, 28S (288 f.).

902 BGHZ 106, 54 (67), insofern RaUer, ZGR 1989,44 (70), zustimmend; ebenso OLG Celle, AG 1990, 264 (266), unter Hinweis auf die Entscheidung des BGH. 903

BGHZ 106,54 (66).

904 Ebenso Bork, ZGR 1989, 1 (40); Stodolkowitz, ZHR 154 (1990), 1 (19). Vgl. auch Lutter, AcP 180 (1980), 84 (134); SChmidt, Gesellschaftsrecht, S. 474; NiJschke, ZHR 128 (1966), 48 (96 f.). Gegen diese Charakterisierung Zöllner, ZGR 1988, 392 (406).

220

3. Teil: Art und Weise der Überwachung

Die Mehrzahl der Autoren spricht sich gegen eine grundsätzliche Einzelklagebefugnis jedes Aufsichtsratsmitglieds aus.90S Zum einen bestehe kein Bedürfnis für eine solche Klagemöglichkeit. Gemäß § 110 Abs. 2 AktG könne jedes Aufsichtsratsmitglied, sofern es die Unterstützung eines weiteren Mitglieds fmde, die Einberufung einer Aufsichtsratssitzung erzwingen und die betreffende Geschäftsführungsmaßnahme auf die Tagesordnung setzen.906 Weigere sich die Aufsichtsratsmehrheit, gegen den Vorstand vorzugehen, obwohl sie dazu verpflichtet sei, so könne das Ratsmitglied die Unwirksamkeit des Beschlusses gerichtlich feststellen lassen bzw. den mangelhaften Beschluß anfechten.907 Damit sei gleichzeitig die Rechtswidrigkeit der umstrittenen Geschäftsführungsmaßnahme ausgesprochen. Jeder vernünftig und verantwortungsvoll handelnde Vorstand werde dann von seinem Vorhaben Abstand nehmen.90S Versucht die Mehrheit, eine Klage des Aufsichtsratsmitglieds zu vereiteln, indem sie zwar über den Punkt diskutiert, aber keinen Beschluß faßt, so ist das betroffene Mitglied ebenfalls nicht hilflos. Sofern der Aufsichtsrat nicht spätestens bis zur zweiten, auf die Antragstellung folgenden Sitzung einen Beschluß in der Sache faßt, wird der Antrag als abgelehnt behandelt; d. h. es wird ein ablehnender Aufsichtsratsbeschluß fmgiert, den das Aufsichtsratsmitglied anschließend anfechten kann.909 Raiser geht sogar noch einen Schritt weiter; er schlägt vor, dem einzelnen Aufsichtsratsmitglied ausnahmsweise die Möglichkeit einzuräumen, im Wege der Verpflichtungsklage gegen die übrigen Aufsichtsratsmitglieder vorzugehen, um auf diese Weise ihre Zustimmung zu einem Einschreiten gegen den Vorstand zu erzwin90S Sonnenhol, WuB 11 A. § 111 AktG 1. 88, (19 f.); Krieger, EWiR § 111 AktG 1/88, S. 211 1989, 44 (69 f.); Kort, AG 1987, 193 (198 f.); (459); Fleck, EWiR § 111 AktG 1/89, S. 5 (6);

906

(67).

S. 579 (580); Stodolkowitz, ZHR 154 (1990), 1 (212); Raiser, AG 1989, 185 (190); ders., ZGR Wemer, WuB 11 A. § 111 AktG 1. 89, S. 458 Finken, EWiR § 111 AktG 2/89, S. 941 (942).

Stodolkowitz, ZHR 154 (1990), 1 (20); Bork, ZGR 1989, 1 (41); Raiser, ZGR 1989, 44

907 Slodolkowitz, ZHR 154 (1990), 1 (20); Raiser, ZGR 1989, 44 (67 f.); ders., EWiR § 111 AktG 1/90, S. 117 (118); dahingehend auch Bork, ZGR 1989, 1 (41). Eine Pflicht des Aufsichtsratsmitglieds zur Erhebung einer solchen Klage ist allerdings entgegen Säcker, Aufsichtsratsausschüsse, S. 28, abzulehnen. Ihm zur Erfüllung seiner Sorgfaltspflicht ein derartiges Prozeßrisiko aufzubürden, würde die Grenzen des Zumutbaren sprengen. Es muß deshalb dabei bleiben, daß das Ratsmitglied einern Schadensersatzanspruch entgeht, wenn es im Aufsichtsrat mit Nachdruck auf seine Bedenken hingewiesen hat. 90S Raiser, AG 1989, 185 (190); ders., ZGR 1989, 44 (68); ihm zustimmend Slodolkowitz, ZHR 154 (1990), 1 (20), der sich allerdings kritisch im Hinblick auf das Vorliegen eines Feststellungsinteresses äußert (S. 17 f.).

909

So zutreffend LutterfKrieger, Rechte, S.48.

B. Die Überwachungspflicht im besonderen

221

gen.910 Raiser gibt jedoch gleichzeitig zu bedenken, daß eine Verpflichtungsklage nur in den wenigen Fällen zum Erfolg führen kann, in denen das Eingriffsermessen des Aufsichtsrats auf Null reduziert ist.911 Diese Einschränkung würde allerdings ebenso für eine Klage des einzelnen Aufsichtsratsmitglieds gegen den Vorstand gelten, denn das Individualklagerecht darf niemals dazu führen, daß dem Aufsichtsrat auch das ihm zustehende Ermessen entzogen wird.912 Zum anderen wird mit Recht eingewandt, eine Einzelklagebefugnis jedes Aufsichtsratsmitglieds gefährde die Funktionsfähigkeit des aktienrechtlichen Verwaltungssystems, weil sie die bestehenden Zuständigkeitsgrenzen verwische.913 Bei rein formaler Betrachtungsweise ließe sich dem allerdings entgegenhalten, daß das Mitglied, sofern es nur die Kompetenzen des Aufsichtsrats gegenüber dem Vorstand verteidige, die Zuständigkeitsordnung ebensowenig verletze, wie der Gesamtaufsichtsrat, wenn er einen Kompetenzübergriff des Vorstands abwehrt. Im Hinblick auf den Gesamtaufsichtsrat wurde eine Klage aber für zulässig erklärt.914 Allerdings ist dort das Mißbrauchsrisiko auch wesentlich geringer, denn es muß sich zumindest eine Mehrheit für die Klageerhebung fmden.91S Außerdem sähe sich der Vorstand im Falle einer Einzelklagebefugnis jedes Aufsichtsratsmitglieds plötzlich von zwei Instanzen überwacht. Insofern bemerkt Raiser16 zutreffend, durch eine Organklage zwischen einzelnen Aufsichtsratsmitgliedern und dem Vorstand geriete das ursprünglich ausgewogene System der checks and balances innerhalb der Aktiengesellschaft ins Wanken. Schließlich bestehen schon vom Ansatz her erhebliche Zweifel, die Grundsätze der actio pro socio auf Organmitglieder zu übertragen,911 da sie nach bisherigem Verständnis als reine Gesellschafterklage konzipiert ist. Ob

910

Raiser, ZGR 1989, 44 (68 f.).

911

Raiser, ZGR 1989, 44 (69).

912 Auch eine Klage auf Feststellung der Unwirksamkeit des Aufsichtsratsbeschlusses führt nur dann zum Erfolg, wenn sich das Ermessen des Aufsichtsrats auf Null reduziert hat, vgI. LutterjKrieger, Rechte, S. 48 f. 913 Wemer, WuB 11 A. § 111 AktG 1. 89, S.458 (459); dahingehend auch Raiser, ZOR 1989, 44 (70) und Krieger, EWiR § 111 AktO 1/88, S. 211 (212).

914

Vgl. oben 3. Teil, B., IV., 6., a), cc), (2), (a).

915

Darauf weist auch Raiser, ZGR 1989, 44 (70), hin.

916

ZGR 1989, 44 (70); ders., AG 1989, 185 (189 f.), und EWiR § 111 AktG 1/90, S. 117 f.

917

So auch Kon, eR 1988, 289; ders., AG 1987, 193 (198).

222

3. Teil: Art und Weise der Überwachung

die actio pro socio aus dem Gesellschaftsvertrag herzuleiten ist918 oder nicht,919 mag dahinstehen; in jedem Fall aber ist sie an die Mitgliedschaft im Verband geknüpft.920 Über ein solches oder ähnliches Mitgliedschaftsrecht verfügt das Aufsichtsratsmitglied nicht.921 Die Zulassung einer actio pro socio begegnet demnach den gleichen Bedenken, die schon zu einer Ablehnung eines eigenen Abwehrrechts des Aufsichtsratsmitglieds geführt haben. Eine Einzelklagebefugnis jedes Aufsichtsratsmitglieds gegen den Vorstand entsprechend der actio pro socio ist demnach abzulehnen. (3) Ausnahmefälle Ungeachtet der dogmatischen Begrüodungsschwierigkeiten wird teilweise ein Klagerecht einzelner Aufsichtsratsmitglieder in bestimmten Ausnahmefällen befürwortet, wobei die jeweiligen Anforderungen an einen Ausnahmefall variieren. (a) Meinungsstand

Nach Meinung einiger Autoren liegt eine solche Ausnahmesituation dann vor, wenn die Voraussetzungen des § 826 BGB - "zumindest annähernd,,922erfüllt sind923 oder wenn der Aufsichtsrat aufgrund kollusiven Zusammenwirkens der Mehrheit untätig bleibt.924 Werner spricht allgemein von "ganz wenigen besonders gelagerten Fällen", in denen eine Einzelklagebefugnis in Betracht kommt. Kriege~ wählt einen ganz anderen Weg. Er läßt zwar auch nur eine Klage gegen den Aufsichtsratsbeschluß zu. Falls die Rechts-

918 So etwa BGHZ 25, 47 (49); Nitschke, ZHR 128 (1966),48 (87); Westermann, Personengesellschaftsrecht, Rn. 246; Hassold, JuS 1980, 32 (34 f.); Raiser, ZHR 153 (1989), 1 (9). 919 Vielfach wird die actio pro socio aus dem Gesetz hergeleitet, vgI. die Darstellung der unterschiedlichen Begründungsansätze bei Hassold, JuS 1980, 32 (33). 920

So zutreffend Stodolkowitz, ZHR 154 (1990), 1 (18 Cf.); Kort, AG 1987, 193 (198).

921

VgI. oben 3. Teil, B., IV., 6., b), bb), (1).

922 So Kort, AG 1987, 193 (196). 923

Sonnenhol, WuB 11 A. § 111 AktG 1. 88, S. 579 (580); vgI. auch LG Köln, AG 1976,

924

Kort, eR 1988, 289.

925

EWiR § 111 AktG 1/88, S. 211 (212); ebenso Lutter/Krieger, Rechte, S. 49.

329.

B. Die Überwachungspßicht im besonderen

223

widrigkeit der geplanten Geschäftsführungsmaßnahme jedoch feststeht und die damit verbundenen Nachteile weder rückgängig zu machen, noch im Wege des Schadensersatzes auszugleichen sind, will er dem Aufsichtsratsmitglied die Möglichkeit zuerkennen, bis zur aufsichtsratsinternen bzw. gerichtlichen Klärung die Geschäftsführungsmaßnahme durch einen Antrag auf einstweilige Verfügung zu blockieren. (h) Stellungnahme

In der Tat erscheint es auf den ersten Blick sinnvoll, dem einzelnen Aufsichtsratsmitglied in besonders extremen Fällen eine Klagerecht zuzusprechen, um die Gesellschaft vor Schaden zu bewahren. Allerdings darf nicht übersehen werden, daß damit gleichzeitig erhebliche Gefahren verbunden sind. Vor allem die Konturenlosigkeit der Abgrenzungskriterien schafft erhebliche Rechtsunsicherheit und erhöht auf diese Weise zwangsläufig das Mißbrauchsrisiko. Dieses Risiko steht in keinem Verhältnis zu der geringen Anzahl von Fällen, in denen ein Individualklagerecht von Vorteil sein könnte. Alles in allem ist es deshalb auch im Interesse der Gesellschaft vorzugswürdig, ganz auf ein Klagerecht einzelner Mitglieder zu verzichten.

(4) Ergebnis Ein einzelnes Aufsichtsratsmitglied, das sich mit seiner Meinung nicht gegen die Aufsichtsratsmehrheit durchsetzen kann, darf - mit Ausnahme des § 90 Abs.3 Satz 2 AktG - nicht selbst gegen den Vorstand klagen, auch wenn es ein Eingreifen für erforderlich hält. Zum einen fehlt es schon an der dogmatischen Grundlage für ein solches Klagerecht. Weder aktienrechtliche Vorschriften noch die Einzelklagebefugnis des Aktionärs erlauben den Rückschluß auf ein Individualklagerecht jedes Aufsichtsratsmitglieds. Gleiches gilt für die als Gesellschafterklage anerkannte actio pro socio. Im Interesse der Aufrechterhaltung eines funktionsfähigen und ausgeglichenen Zusammenspiels zwischen Vorstand und Aufsichtsrat ist es unerläßlich, den Konflikt zwischen Mehrheit und Minderheit organintern auszutragen. Dies gilt umso mehr, als die aufsichtsratsinternen Konfliktlösungsmiuel der Einzelklagebefugnis in ihrer Wirkung kaum nachstehen. Das Aufsichtsratsmitglied ist deshalb darauf beschränkt, gerichtlich gegen einen Aufsichtsratsbeschluß vorzugehen, den es für rechtswidrig bzw. unwirksam hält. Notfalls ist die von Raiser vorgeschlagene Verpflichtungsklage gegen die übrigen Ratsmitglieder auf Zustimmung zu der beantragten Maßnahme zu erwägen. Eine Klage einzelner Aufsichtsratsmitglieder verbietet sich dagegen im Regel- ebenso wie im Ausnahmefall.

224

3. Teil: Art und Weise der Überwachung

c) Kostentragung und Zwangsvollstreckung im Organstreit

aal Kosten Nach § 91 ZPO trägt die unterliegende Partei die Kosten des Rechtsstreits. Da die Organe Aufsichtsrat und Vorstand im Streit um. eigene innerorganisatorische Rechte selbst Partei des Prozesses sind,926 muß konsequenterweise auch die Kostenpflicht eines der beiden Organe treffen. Probleme ergeben sich allerdings insoweit, als Organe über keine eigene Vermögensmasse verfügen.927 Faktisch bleibt damit nur der Rückgriff auf die Organmitglieder oder auf das Gesellschaftsvermögen. Eine Kostentragungspflicht der einzelnen Organmitglieder erscheint allerdings mehr als unbillig. Auch wenn Aufsichtsrat und Vorstand vor Gericht um eigene innerorganisatorische Rechte gegenüber dem jeweils anderen Organ kämpfen, so geschieht dies letztlich nur im Interesse des Gesamtgefüges Gesellschaft. Folglich muß die Gesellschaft auch die Kosten des Rechtsstreits tragen.928 Sofern das Organ sich auf einen Prozeß eingelassen hat, obwohl bei Anwendung der erforderlichen Sorgfalt erkennbar war, daß es sich im Unrecht befindet, kann die Gesellschaft bei Vorliegen eines entsprechenden Verschuldens die einzelnen Aufsichtsratsmitglieder auf Schadensersatz gemäß § 93 Abs. 2 bzw. §§ 116, 93 AktG in Anspruch nehmen. Dem Organmitglied zunächst die Kosten aufzuerlegen und ihm lediglich im nachhinein einen Aufwendungsersatzanspruch gegen die Gesellschaft zuzuerkennen, stellt dagegen keine akzeptable Lösung dar.929 Zwar fielen die Kosten dann im Ergebnis auch der Gesellschaft zur Last. Es wäre dem Organmitglied aber schlechthin unzumutbar, die Kosten zunächst vorzustrecken, um dann u. U. einen Streit darüber zu führen, ob der Prozeß und damit die Aufwendung "erforderlich" i. S. v. § 670 BGB war. Klagt der Aufsichtsrat im Namen der Gesellschaft gegen den Vorstand93O und unterliegt er in diesem Prozeß, so ergibt sich die Kostentragungspflicht der Gesellschaft schon aufgrund des Wortlauts des § 91 ZPO.

926

VgJ. oben 3. Teil, B., IV., 6., a), aa) und bb) i. V. m. cc), (1) und ce), (2), (a).

927

So zutreffend Bauer, Organ klagen, S. 82.

928

Ebenso Bauer, Organ klagen, S. 83; im Ergebnis auch Lutter, Information, S. 70.

9~ Ebenso Bauer, Organklagen, S. 82, und Lutter, Information, S. 70 f. A. A. aber Lewe-

renz, Leistungsklagen, S. 145. 930

Vgl. oben 3. Teil, B., IV., 6., a), cc), (2), (b) und 3. Teil, B., IV., 6., a), cc), (4).

B. Die Übe1W8chungsptlicht im besonderen

225

bb) Zwangsvollstreclamg Auch im Bereich der Zwangsvollstreckung wirft der Organstreit in der hier vertretenen Form Probleme auf. Es stellt sich die Frage, ob und gegebenenfalls wie ein Urteil gegen ein Organ vollstreckt werden kann. Einige Stimmen in der Literatur vertreten die Auffassung, eine Zwangsvollstreckung gegen Organe sei schlechthin unmöglich.931 Zugegebenermaßen stößt man insoweit auf Schwierigkeiten, als die Organe selbst gar nicht handlungsfähig, sondern lediglich rechtstechnische Gebilde sind.932 Auf den ersten Blick scheint deshalb auch eine Zwangsvollstreckung sinnlos. Der Einwand der ursprünglichen Handlungsunfähigkeit war jedoch bereits kein Hinderungsgrund, den Organen Rechte und Pflichten zuzuweisen, da sie "durch ihre Mitglieder" handeln.933 Ebensowenig scheitert die Zwangsvollstreckung daran. Sie erfolgt vielmehr über den Umweg einer Zwangsvollstreckung gegen die einzelnen Mitglieder. Allerdings ist auch hier zu beachten, daß in dem Fall nicht die originäre Organpflicht vollstreckt werden kann, sondern lediglich die jedes Organmitglied treffende Mitwirkungspflicht im Hinblick auf die betreffende Organaufgabe.934 Die Zwangsvollstreckung ist gegen diejenigen Personen zu richten, die zum Zeitpunkt der Zwangsvollstreckung dem Organ angehören.93S Wird das Organ zur Vornahme einer Handlung verurteilt, so greift § 888 ZPO, denn es handelt sich dabei um eine unvertretbare Handlung, die nur von dem Organ bzw. von den Organmitgliedern durchgeführt werden kann.936 Als Zwangsmittel kommen gemäß § 888 Abs. 1 ZPO Zwangsgeld und Zwangshaft in Betracht. Wenn die Organmitglieder im Weigerungsfall doch mit ihrem Privatvermögen haften, so liegt darin kein Widerspruch zu den Überlegungen im Rahmen der Kostentragungspflicht.931 Zwar wurde es dort für unzumutbar erachtet, dem Organmitglied die Kosten des Prozesses aufzubürden; diese Kosten sind allerdings auch die Konsequenz eines jeden

931

Flume, Juristische Person, S. 406; Sc/unidt, UP 92 (1979), 212 (222).

932

Vgl. oben 1. Teil, A., I.

933 Vgl. oben 1. Teil, A., I. Zwar betrifft die Untersuchung nur den Aufsichtsrat, nichts anderes kann aber für den Vorstand gelten. 934

Vgl. oben 1. Teil, B., I.

93S

So zutreffend Bauer, Organ klagen, S. 84, und Lutter, Information, S. 71.

936

Bauer, Organklagen, S. 84; vgI. auch bereits Hirsch, ZHR 95 (1930), 69 (86).

937

So mit Recht Bauer, Organklagen, S. 84.

15 Steinbeck

226

3. Teil: Art und Weise der Überwachung

verlorenen Prozesses.938 Dem Zwangsgeld dagegen kann das Mitglied dadurch entgehen, daß es sich dem Urteil beugt und die pflichtgemäße Handlung vornimmt. Da kein Grund für eine Weigerung ersichtlich ist, stellt die Drohung mit einem Zwangsgeld bzw. mit der Zwangshaft keine unzumutbare Belastung für das Organmitglied dar. Die Zwangsvollstreckung ist auch nicht gemäß § 888 Abs. 2 ZPO ausgeschlossen. Wenngleich jedes Aufsichtsratsmitglied durch die Realisierung der dem Organ zugewiesenen Aufgaben gleichzeitig seinen eigenen dienstvertraglichen Pflichten nachkommt, so erfüllt es damit dennoch primär seine Pflichten aus dem Organverhältnis.939 Im übrigen zeigt auch schon die Existenz des Verfahrens nach § 407 AktG, daß es keinesfalls ausgeschlossen ist, organschaftliche Pflichten durch Verhängung von Zwangsgeld durchzuset zen.94O Wird das Organ zur Unterlassung einer bestimmten Maßnahme verurteilt, so erfolgt die Zwangsvollstreckung gem. § 890 ZPO. Im Falle der Zwangsvollstreckung drohen den Aufsichtsratsmitgliedern auch hier Ordnungsgeld und Ordnungshaft.

938

Bauer, Organklagen, S. 84.

939 So mit Recht Lewerenz, Leistungsklagen, S. 145; Bauer, Organklagen, S. 85; Hirsch, ZHR 95 (1930), 69 (86 f.).

940

Vgl. Hirsch, ZHR 95 (1930), 69 (86 f.); Lewerenz, Leistungsklagen, S. 86 f.

Vierter Teil

Die Tätigkeit des Aufsichtsrats außerhalb des Überwachungsbereichs Wie bereits gezeigt ist das Überwachungsfeld des Aufsichtsrats begrenzt, 1 d. h. nicht alle Maßnahmen des Vorstands unterliegen seiner Überwachung. Gleichwohl ist nicht auszuschließen, daß der Aufsichtsrat auch zu solchen Fragen der Geschäftsführung Stellung nimmt, die an sich nicht in seinen Überwachungsbereich fallen. Sem/er faßt derartige Stellungnahmen zu Recht unter den Begriff "Beratung", da sich die Beratung durch ihre Unverbindlichkeit auszeichne und der Vorstand an Stellungnahmen des Aufsichtsrats außerhalb des Überwachungsbereichs nicht gebunden sei.2

A ZuIässigkeit von Stellungnahmen außerhalb des Überwachungsbereichs Zunächst einmal stellt sich die Frage, ob der Aufsichtsrat überhaupt berechtigt ist, zu Vorhaben des Vorstands Stellung zu nehmen, die nicht seiner Überwachung unterliegen. Bedenken ergeben sich vor allem, wenn man die Gründe betrachtet, aufgrund derer eine Eingrenzung des Überwachungsfeldes befürwortet wurde. Die Begrenzung erfolgte zum einen deshalb, weil der Aufsichtsrat schon aus zeitlichen Gründen gar nicht in der Lage ist, jeden Schritt des Vorstands zu beobachten.3 Daraus ergibt sich, daß der Aufsichtsrat nicht verpflichtet sein kann, zu Maßnahmen außerhalb des Überwachungsfeldes Stellung zu nehmen.4 Denn wenn man schon den Kreis der zu überwachenden Maßnahmen einschränkt, weil der Aufsichtsrat sonst

1

Vgl. oben 3. Teil, B., I., 1.

2

Semler, Überwachungsaufgabe, S. 96.

3

Vgl. oben 3. Teil, B., 1., 1.

4

Im Ergebnis ebenso Semler, Überwachungsaufgabe, S. 96.

228

4. Teil: Tätigkeit außerhalb des Überwachungsbereichs

arbeitsmäßig überfordert wäre, so erschiene es geradezu widersinnig, hinsichtlich der ausgeklammerten Vorgänge im Unternehmen zwar keine Überwachungspflicht, wohl aber eine Beratungspflicht anzunehmen. Damit würde die notwendige Entlastung des Aufsichtsrats praktisch wieder aufgehoben.s Zweifel bestehen aber auch hinsichtlich einer bloßen Berechtigung des Aufsichtsrats, zu den Maßnahmen des Vorstands außerhalb des Überwachungsfeldes Stellung zu nehmen. Immerhin wurde eine lückenlose Überwachung des Vorstands mit der weiteren Begründung abgelehnt, daß dadurch die in § 76 Abs. 1 AktG garantierte Eigenverantwortlichkeit des Vorstands beeinträchtigt würde. 6 Zwar ist der Vorstand außerhalb des Überwachungsbereichs nicht verpflichtet, nach dem Wunsch des Aufsichtsrats zu handeln, so daß bei formaler Betrachtungsweise in einer Beratung kein Verstoß gegen § 76 Abs. 1 AktG zu erblicken ist. Der Vorstand könnte sich jedoch allein durch eine dauernde Einmischung in seinem Tätigkeitsfeld ständig kontrolliert und damit stark eingeengt fühlen.' Durch einen zu geringen Freiraum sinkt aber die Entscheidungsfreudigkeit,' welche im unternehmerischen Bereich unerläßlich ist. Aus diesem Grunde wird man Stellungnahmen des Aufsichtsrats zu Maßnahmen des Vorstands außerhalb des Überwachungsbereichs nur zulassen können, wenn der Vorstand ausdrücklich um einen Rat gebeten hat. Als Zwischenergebnis läßt sich damit festhalten, daß der Aufsichtsrat außerhalb des Überwachungsfeldes berechtigt ist, auf Verlangen des Vorstands zu dessen Maßnahmen Stellung zu nehmen. Eine dahingehende Pflicht besteht allerdings nicht.

B. Konsequenzen nir die Haftung des Aufsichtsrats Fraglich ist, ob diese außerhalb des Überwachungsbereichs geltenden Besonderheiten sich auch auf die Haftung des Aufsichtsrats auswirken. Allein Sem/eI äußert sich zu dieser Problematik. Er vertritt die Ansicht, der Aufsichtsrat sei bei Stellungnahmen außerhalb des Überwachungsbereichs nicht

S

Ähnlich LutterjKrieger. Rechte, S. 40.

6

Vgl. oben 3. Teil, B., 1., 1.

7

Dahingehend auch LutterjKrieger, Rechte" S. 40.

8

Dahingehend auch Baltzer, Krisenerkennung, S. 124.

9

Überwachungsaufgabe, S. 96.

B. Konsequenzen für die Haftung des Aufsichtsrats

229

an die Sorgfaltsanforderungen der §§ 116, 93 AktG gebunden, sondern nur an solche, die schon aufgrund der allgemeinen Vorschriften gelten. Zur Begründung verweist er auf das Beispiel eines Rechtsanwalts, der einen medizinischen Rat erteilt. Der Rechtsanwalt sei dazu nicht verpflichtet und hafte deshalb auch nicht nach anwaltlichen Grundsätzen. Dabei verkennt Semler jedoch, daß der Vorstand dem Rat des Aufsichtsrats aller Wahrscheinlichkeit nach außerhalb des Überwachungsbereichs das gleiche Vertrauen schenkt, wie innerhalb des Überwachungsbereichs. Aus diesem Grunde überzeugt der soeben erwähnte Vergleich Semlers nicht. Der Mandant des Rechtsanwalts wird diesem in medizinischen Angelegenheiten ohnehin kein großes Vertrauen entgegenbringen, da der Rechtsanwalt grundsätzlich nur über laienhafte medizinische Kenntnisse verfügen wird. Der Überwachungsbereich des Aufsichtsrats ist demgegenüber nicht auf bestimmte Maßnahmen beschränkt, weil sein Wissen nicht zur Überwachung der anderen Vorgänge im Unternehmen reicht. Vielmehr trägt diese Begrenzung eben in erster Linie dem Umstand Rechnung, daß der Aufsichtsrat nicht die Zeit hat, sich mit allen Geschäftsführungsmaßnahmen gebührend zu beschäftigen. 10 Der Vorstand hat also in der Regel keine Veranlassung, dem Rat des Aufsichtsrats mißtrauisch gegenüberzustehen, inbesondere, weil die Beratung ausschließlich auf Initiative des Vorstands erfolgt. In Anbetracht dieser Umstände erschiene es nicht sachgerecht, hinsichtlich der Verantwortung zu differenzieren. Sobald der Aufsichtsrat sich also zu einer Geschäftsführungsmaßnahme äußert, muß er seine Aussagen auch dem Maßstab der §§ 116, 93 AktG entsprechend absichern, damit der Gesellschaft kein Schaden entsteht.

c. Ergebnis In Anbetracht der Natur des Aufsichtsratsamtes als Nebenamt ist der Aufsichtsrat zwar berechtigt, nicht aber verpflichtet, zu Maßnahmen des Vorstands, welche nicht mehr in den Überwachungsbereich fallen, Stellung zu nehmen. Allerdings ist auch dieses Recht zur Beratung nicht schrankenlos. Um die Eigenverantwortlichkeit des Vorstands nicht zu gefährden, darf der Aufsichtsrat nur dann von seinem Recht zur Beratung außerhalb des Überwachungsbereichs Gebrauch machen, wenn der Vorstand es ausdrücklich verlangt. Sobald der Aufsichtsrat sich äußert, unterliegt er - ebenso wie innerhalb des Überwachungsbereichs - den Sorgfaltsanforderungen der §§ 116,93 AktG.

10

Vgl. oben 3. Teil, B., I., 1.

Zusammenfassung 1. Die nach dem Aktiengesetz dem "Aufsichtsrat" zugewiesenen Aufgaben treffen den Aufsichtsrat als Organ. Um die Wahrnehmung dieser Aufgaben durch das Gesamtorgan zu gewährleisten, obliegt den einzelnen Mitgliedern eine Mitwirkungspflicht im Hinblick auf die dem Organ zugewiesenen Aufgaben. 2. Der Aufsichtsrat kann Teilbereiche der Überwachungsaufgabe sowohl zur Vorbereitung als auch zur abschließenden Erledigung auf Ausschüsse übertragen. Durch die Aufgabendelegation konkretisiert sich die Mitwirkungspflicht der einzelnen Aufsichtsratsmitglieder. Die dem Ausschuß angehörenden Mitglieder haben sich intensiv mit der betreffenden Aufgabe zu beschäftigen. Die nicht dem Ausschuß angehörenden Mitglieder trifft eine Auswahl- und Überwachungspflicht hinsichtlich der Ausschußmitglieder. Beide sind gehalten, ein funktionsfähiges Berichtssystem zwischen Ausschuß und Plenum einzurichten und aufrechtzuerhalten. 3. Die in § 111 Abs. 1 AktG normierte Pflicht des Aufsichtsrats zur Überwachung der Geschäftsführung begründet ausschließlich die Pflicht zur Überwachung des Vorstands. Dagegen hat der Aufsichtsrat weder die Hauptversammlung noch die Angestellten unterhalb der Vorstandsebene zu überwachen, auch wenn diese im Bereich der Geschäftsführung tätig werden. 4. Weder das Gesellschafts- noch das Unternehmensinteresse eignen sich als Verhaltensmaxime für die Aufsichtsratstätigkeit. "Maxime" bedeutet "Leitsatz". Das Unternehmens- und das Gesellschaftsinteresse sind aber das Resultat und nicht der Maßstab einer Abwägung der jeweiligen Arbeitnehmer- und Anteilseignerinteressen. 5. Gleichwohl ist die Diskussion um das Unternehmens- bzw. Gesellschaftsinteresse keineswegs überflüssig. Es kommt dabei allerdings weniger auf die genaue Definition dieser Begriffe an. Entscheidend ist vielmehr die Grundaussage, die durch die Bestrebung, alle Aufsichtsratsmitglieder auf ein einheitliches Interesse zu verpflichten, getroffen wird.

Zusammenfassung

231

a) Zum einen bedeutet dies, daß sich die Anteilseigner- und Arbeitnehmervertreter nicht als Gegner im Aufsichtsrat gegenüberstehen, die ausschließlich die Interessen "ihrer" Gruppe zu verteidigen haben. Jedes Aufsichtsratsmitglied hat die Interessen beider Seiten in seine Abwägung miteinzubeziehen. b) Zum anderen zeigt der Versuch einer Verpflichtung auf ein Gesellschafts- bzw. Unternehmensinteresse, daß die Aufsichtsratsmitglieder bei Interessenkonflikten den Interessen derjenigen Gesellschaft den Vorzug zu geben haben, in deren Aufsichtsrat sie tätig sind. Uneingeschränkt fmdet dieser Grundsatz Anwendung bei Handlungen des Ratsmitglieds im Rahmen der Organfunktion. Lediglich ausnahmsweise kommt dort ein Stimmrechtsausschluß in Betracht. Voraussetzung ist, daß das Aufsichtsratsmitglied über ein Rechtsgeschäft abstimmen soll, an dem es entweder in eigener Person oder als Vertreter einer anderen Gesellschaft beteiligt ist. Das gleiche gilt, wenn die Beschlußfassung die Einleitung oder die Erledigung eines Rechtsstreits gegenüber einem Aufsichtsratsmitglied oder gegenüber einer Gesellschaft betrifft, in deren Vertretungsorgan es Mitglied ist. Stimmenthaltungen dagegen sind nur als ultima ratio zulässig. Zumindest trifft dies bei Konflikten mit privaten Interessen oder solchen aus selbständiger hauptberuflicher Tätigkeit zu. Im Bereich der echten Pflichtenkollision kann dem betroffenen Aufsichtsratsmitglied eher eine Stimmenthaltung zugebilligt werden. War der Eintritt des Konflikts jedoch schon im Zeitpunkt der Bestellung des Aufsichtsratsmitglieds vorhersehbar, muß das Ratsmitglied die Hauptversammlung bereits vor Annahme des Mandats davon in Kenntnis gesetzt haben. Anderenfalls stellt die Stimmenthaltung eine Pflichtverletzung gegenüber der Gesellschaft dar. In jedem Fall hat das Aufsichtsratsmitglied vor der Abstimmung auf eine bestehende Interessenkollision hinzuweisen, es sei denn, es verletzt dadurch seine Verschwiegenheitspflicht der anderen Gesellschaft gegenüber. Sobald sich abzeichnet, daß der Konflikt nicht nur vorübergehender Natur ist, hat das Ratsmitglied eines der beiden Ämter unverzüglich niederzulegen. Spezielle Inkompatibilitätsregeln sind dagegen ebenso abzulehnen wie die Einführung von Berufs- oder Pensionsaufsichtsräten. 6. Aus Art. 14 GG läßt sich eine Gemeinwohlbindung der Gesellschaft und damit auch ihrer Organe ableiten. Als Verhaltensmaxime für Aufsichtsrats-

232

Zusammenfassung

mitglieder ist diese Gemeinwohlbindung jedoch zu unergiebig und damit ebensowenig brauchbar wie das Unternehmens- und das Gesellschaftsinteresse. 7. Zentrale Norm zur Bestimmung der Aufsichtsratsaufgaben ist § 111 Abs. 1 AktG. Anders als der Wortlaut dieser Vorschrift vermuten läßt, obliegt dem Aufsichtsrat nicht die lückenlose Überwachung sämtlicher Maßnahmen des Vorstands. Da das Aufsichtsratsamt ein reines Nebenamt ist und dem Engagement der Amtswalter insoweit Grenzen gesetzt sind, bedarf der Kreis der zu überwachenden Maßnahmen einer Einschränkung. Der Umfang des von § 111 Abs. 1 AktG erfaßten Überwachungsfeldes orientiert sich deshalb an dem Umfang der in § 90 AktG aufgeführten Berichtsthemen, welche die wesentlichen Bereiche der Geschäftsführung erfassen. Auf diese Weise wird zugleich verhindert, daß der Aufsichtsrat jede einzelne Maßnahme des Vorstands seiner Prüfung unterzieht und so die Eigenverantwortlichkeit des Vorstands (§ 76 Abs. 1 AktG) unzumutbar beeinträchtigt. 8. Der Aufsichtsrat hat die Geschäftsführungsmaßnahmen des Vorstands im Hinblick auf ihre Rechtmäßigkeit und Zweckmäßigkeit zu überprüfen. Die Wirtschaftlichkeit des Vorstandshandelns bildet dagegen keinen eigenen Prüfungspunkt, sondern ist im Bereich der Zweckmäßigkeit mitzuberücksichtigen. 9. Die Überwachungsaufgabe des Aufsichtsrats umfaßt ebenfalls die Prüfung des Jahresabschlusses, des Geschäftsberichts sowie die Kontrolle des Vorschlags für die Verwendung des Bilanzgewinns. Die Prüfung erstreckt sich auch hier auf die Rechtmäßigkeit und die Zweckmäßigkeit der darin getroffenen bilanzpolitischen Entscheidungen. Sowohl der Gesamtaufsichtsrat als auch einzelne seiner Mitglieder können zur Erfüllung dieser Prüfungspflicht außenstehende Berater heranziehen. Dieses Recht unterliegt allerdings engen Schranken. Eine Hinzuziehung außenstehender Berater durch einzelne Mitglieder kommt nur dann in Betracht, wenn das Aufsichtsratsmitglied meint, durch den Aufsichtsrat nicht ausreichend beraten worden zu sein und die Mehrheit sich weigert, einen außenstehenden Berater zur weiteren Klärung heranzuziehen. In diesem Fall hat das einzelne Aufsichtsratsmitglied sorgfältig abzuwägen, ob das Bedürfnis nach Beratung in der konkreten Situation mehr wiegt als das damit verbundene Risiko einer Informationsverbreitung.

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Als außenstehende Sachverständige kommen nur solche Personen in Betracht, die einer beruflichen Verschwiegenheitspflicht unterliegen. Darüber hinaus ist die Beratung immer auf einen konkreten Einzelfall zu beschränken. Mißbraucht der Berater trotz dieser Vorsichtsmaßnahmen ihm anvertraute Informationen, so hat das Aufsichtsratsmitglied gemäß § 831 BGB dafür einzustehen. 10. Die zur Überwachung erforderlichen Informationen erhält der Aufsichtsrat in erster Linie durch die Berichte des Vorstands gemäß § 90 AktG und ergänzend durch das Berichtsrecht aus § 111 Abs. 2 AktG. a) Die Berichte nach § 90 AktG unterteilen sich in solche, die der Vorstand aus eigener Initiative erstatten muß (§ 90 Abs. 1 AktG) und solche, die nur auf Verlangen des Aufsichtsrats bzw. auf Verlangen einzelner seiner Mitglieder zu erstellen sind (§ 90 Abs. 3 AktG). Den Berichtsverlangen des Aufsichtsrats oder einzelner seiner Mitglieder gemäß § 90 Abs. 3 AktG muß der Vorstand nur dann nachkommen, wenn ein sachlicher Bezug zwischen dem Gegenstand des Berichts und den Funktionen des Aufsichtsrats erkennbar ist. Darüber hinaus hat der Aufsichtsrat vor jedem Berichtsverlangen sein Informationsbedürfnis gegenüber der mit der Berichterstattung verbundenen arbeitsmäßigen Belastung des Vorstands abzuwägen. Träger des Berichtsrechts aus § 90 Abs. 1 und Abs. 3 AktG ist der Aufsichtsrat als Organ. Bei dem Berichtsrecht aus § 90 Abs. 3 Satz 2 AktG handelt es sich dagegen um ein Recht des einzelnen Aufsichtsratsmitglieds. Die entsprechende Berichtspflicht trifft jeweils den Vorstand als Organ. Sind die aus eigener Initiative zu erstattenden Berichte des Vorstands lückenhaft oder unzulänglich, muß der Aufsichtsrat deren Ergänzung verlangen. Etwas anderes gilt für die Berichte auf Verlangen des Aufsichtsrats. In diesem Bereich kann der Aufsichtsrat auf ein Ergänzungsverlangen verzichten, wenn dadurch die ordnungsgemäße Erfüllung der Überwachungspflicht nicht beeinträchtigt wird. b) Das Einsichtsrecht gewährt dem Aufsichtsrat die Möglichkeit, die Betriebe zu besichtigen, um sich so ein Bild von den Vorgängen im Unternehmen machen zu können. Als Informationsquelle im konkreten Fall kommt es dagegen nur ausnahmsweise in Betracht.

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11. Angestellte unterhalb der Vorstandsebene darf der Aufsichtsrat nur dann befragen, wenn der begründete Verdacht einer Informationsverfälschung durch den Vorstand besteht. Allerdings kommt dieser Informationsmöglichkeit ohnehin nur eine geringe Bedeutung zu. Die dem Vorstand unterstellten Betriebsangehörigen werden aufgrund ihrer Befangenheit zugunsten des Vorstands in der Regel keine wertvollen Informationen liefern. 12. Die Rolle des Aufsichtsrats in der Aktiengesellschaft hängt in besonderem Maße vom Umfang seiner Einwirkungsmöglichkeiten gegenüber dem Vorstand ab. Einen nachhaltigen Einfluß auf den Vorstand verschafft sich der Aufsichtsrat bereits durch seine Personalkompetenz. Indem er einen ihm genehmen Vorstand ernennt, stellt der Aufsichtsrat die Weichen für die zukünftige Geschäftspolitik: um nach Ablauf seiner in der Regel fünfjährigen Amtszeit wiedergewählt zu werden, wird der Vorstand bemüht sein, grundsätzlich im Einklang mit den Vorstellungen des Aufsichtsrat zu handeln. Eine vorzeitige Abberufung des Vorstands ist allerdings nur bei Vorliegen eines wichtigen Grundes zulässig. Die Möglichkeit einer jederzeitigen Auswechslung des Vorstands, wie sie Art. 62 Abs. 2 des Vorschlags einer Verordnung über das Statut der Europäischen Aktiengesellschaft vorsieht, ist dagegen abzulehnen. Auf diese Weise würde der Vorstand in eine unzumutbare Abhängigkeit geraten. Die Entscheidung über das Vorliegen eines wichtigen Grundes i. S. d. § 84 Abs. 3 AktG trifft der Aufsichtsrat in der Regel nach seinem Ermessen. Eine Besonderheit gilt für den Fall, daß die Hauptversammlung dem Vorstand das Vertrauen entzieht. Diese Entscheidung hat der Aufsichtsrat zu akzeptieren. Sobald er zu dem Ergebnis gelangt, daß das Vertrauen aus sachlichen Gründen entzogen wurde und die Amtsenthebung in der konkreten Situation für das Unternehmen tragbar ist, muß er deshalb das betreffende Vorstandsmitglied abberufen. 13. Das Recht des Aufsichtsrats, bestimmte Arten von Geschäften des Vorstands von seiner Zustimmung abhängig zu machen, durchbricht das strenge System der Funktionentrennung innerhalb der Aktiengesellschaft. Dieses Recht kann durch die Satzung nicht beschränkt werden. Unter den Begriff des "Geschäfts" i. S. v. § 111 Abs. 4 Satz 2 AktG fallen nicht nur Rechtsgeschäfte des Vorstands mit außenstehenden Dritten, sondern ebenso unternehmensinterne Maßnahmen.

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Die Festlegung von Zustimmungsvorbehalten ist nicht allein als Befugnis des Aufsichtsrats zu verstehen. Er darf rechtmäßigerweise nur dann auf Zustimmungsvorbehalte verzichten, wenn sichergestellt ist, daß er auch auf andere Weise von den zentralen Entscheidungen im Unternehmen Kenntnis erlangt und der Vorstand freiwillig auf die Bedenken des Aufsichtsrats eingeht. Andererseits begrenzt die in § 76 Abs. 1 AktG garantierte Eigenverantwortlichkeit des Vorstands den Umfang der zulässigen Zustimmungsvorbehalte. Deshalb unterliegen die gewöhnlichen Geschäfte nicht dem Zustimmungsvorbehalt des Aufsichtsrats. Ebensowenig kann er alle Rechtsgeschäfte seiner Zustimmung unterwerfen, die über den gewöhnlichen Geschäftsbetrieb hinausgehen. Auch einzelne Geschäfte können nicht Gegenstand eines Zustimmungsvorbehalts sein. Der Aufsichtsrat kann nur Kategorien von Geschäften von seiner Zustimmung abhängig machen, die nach Gegenstand, Umfang oder Risiko von besonderer Bedeutung für das Unternehmen sind. 14. Hält der Aufsichtsrat eine zustimmungsbedürftige Entscheidung des Vorstands für rechtswidrig oder unzweckmäßig, so muß er seine Zustimmung verweigern. Ebenso darf er dem Vorstand die Zustimmung versagen, wenn er dessen Maßnahme als vertretbar beurteilt, er selbst aber eine andere Entscheidung bevorzugt; eine dahingehende Pflicht besteht allerdings nicht. Die erforderliche Zustimmung zu einem Geschäft oder einer Maßnahme hat der Vorstand grundsätzlich vor dessen Vornahme einzuholen. Eine nachträgliche Zustimmung kommt nur dann in Betracht, wenn - das Geschäft keinen Aufschub mehr duldet und - der Versuch, eine vorherige Beschlußfassung des Aufsichtsrats - notfalls fernmündlich - herbeizuführen, gescheitert ist und - der Vorstand nach pflichtgemäßem Ermessen davon ausgehen kann, daß der Aufsichtsrat seine Zustimmung aller Wahrscheinlichkeit nach erteilen werde. 15. Erachtet der Aufsichtsrat eine Maßnahme des Vorstands im Bereich der allgemeinen Überwachung als rechtswidrig oder unzweckmäßig, so hat er den Vorstand so früh wie möglich davon in Kenntnis zu setzen. Seine Stellungnahme bedarf in diesem Fall eines förmlichen Beschlusses. Hält der Aufsichtsrat eine Maßnahme des Vorstands zwar für zweckmäßig, bevorzugt er selbst jedoch einen anderen Weg, so muß er dem Vorstand ebenfalls

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seine abweichende Meinung mitteilen; insoweit wird der Aufsichtsrat beratend tätig. Um die notwendige Eigenverantwortlichkeit des Vorstands nicht zu gefährden, muß er sich im Rahmen dieser Beratung allerdings auf die objektive Mitteilung seiner Argumente beschränken. Keinesfalls darf er versuchen, dem Vorstand seine Meinung aufzudrängen. 16. Zur Lösung von Meinungsverschiedenheiten zwischen Vorstand und Aufsichtsrat hat der Aufsichtsrat eine Hauptversammlung einzuberufen, wenn - der Streitpunkt nicht so speziell ist, daß seine Beurteilung ein erhebliches Fachwissen erfordert und - der von einer Stellungnahme der Hauptversammlung erwartete Nutzen mehr wiegt als die Gefahr, daß der verwaltungsinterne Disput durch die Einbeziehung der Aktionäre an die Öffentlichkeit gelangt. Eine Einberufungspflicht des einzelnen Aufsichtsratsmitglieds besteht dagegen nicht. 17. Die Organe Aufsichtsrat und Vorstand verfügen insoweit über Rechtsfähigkeit und dementsprechend auch über Parteifähigkeit i. S. v. § 50 ZPO als ihnen selbst Rechte und Pflichten zugewiesen sind. Daraus folgt, daß der Aufsichtsrat als Organ gegen den Vorstand als Organ klagen kann. 18. Diese Klagemöglichkeit gilt jedoch nicht uneingeschränkt. Sie rmdet ihre Grenze im aktienrechtlichen Kompetenzsystem. Eine Leistungsklage des Aufsichtsrats im eigenen Namen gegen den Vorstand kommt deshalb nur zur Durchsetzung funktionaler Hilfsbefugnisse sowie zur Abwehr von Eingriffen in den eigenen Kompetenzbereich in Betracht. Verletzt der Vorstand den Kompetenzbereich der Hauptversammlung, so kann der Aufsichtsrat zwar auch gerichtlich gegen den Vorstand vorgehen, allerdings nur als Vertreter der Gesellschaft analog § 246 Abs. 2 Satz 3 AktG. Verstößt der Vorstand gegen spezielle aktienrechtliche Ge- oder Verbotsnormen, ohne in den Kompetenzbereich eines anderen Organs einzugreifen, kann der Aufsichtsrat dies nur gerichtlich unterbinden, wenn die betreffende Maßnahme in keiner unmittelbaren Beziehung zur Geschäftsführung steht. Eine Ausnahme gilt im Falle der Preisgabe von Geschäftsgeheimnissen. Hier ist eine Klage auch dann zuzulassen, wenn der Verstoß gegen die

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Verschwiegenheitspflicht den Bereich der Geschäftsführung berührt. Der Aufsichtsrat klagt in den genannten Fällen im Namen der Gesellschaft gegen die pflichtwidrig handelnden Vorstandsmitglieder. Dies ergibt sich aus einer analogen Anwendung des § 112 AktG. Eine allgemeine gerichtliche Verhaltenskontrolle des Vorstands durch den Aufsichtsrat ist dagegen nicht mit dem System der aktienrechtlichen Funktionentrennung und insbesondere nicht mit § 76 Abs.1 AktG vereinbar. Dies gilt sowohl für eine eventuelle Leistungsklage zur Unterbindung rechtswidrigen bzw. unzweckmäßigen Verhaltens als auch für eine bloße Feststellungsklage. 19. Das Recht des Aufsichtsrats, in den genannten Fällen gegen den Vorstand zu klagen, verdichtet sich nur ganz ausnahmsweise zu einer Pflicht. Voraussetzung ist, daß die anderen Einwirkungsmöglichkeiten des Aufsichtsrats in der konkreten Situation keinen ausreichenden Erfolg versprechen. Außerdem dürfen die Nachteile eines klageweisen Vorgehens nicht schwerer wiegen als die damit verbundenen Vorteile. Kommt der Aufsichtsrat aber nach sorgfältiger Abwägung zu diesem Ergebnis, so kann er rechtmäßigerweise nur auf eine Klage verzichten, wenn es um die Durchsetzung seiner eigenen Rechte geht und ihre Erzwingung keine notwendige Voraussetzung für eine ordnungsgemäße Überwachung ist. 20. Einzelne Aufsichtsratsmitglieder sind zur Einleitung gerichtlicher Schritte befugt, - wenn ihre Klage- bzw. Antragsbefugnis bereits im Gesetz vorgesehen ist - in den Fällen des § 90 Abs. 3 Satz 2 AktG - wenn es um die Durchsetzung ihrer organschaftlichen Rechte innerhalb des Aufsichtsrats geht - um mangelhafte Beschlüsse des Aufsichtsrats zu beseitigen. Die Klage richtet sich in den beiden letzten Fallgruppen gegen den Aufsichtsrat als Organ. Einzelne Aufsichtsratsmitglieder können dagegen keine Rechte des Gesamtorgans gegenüber dem Vorstand geltend machen. Vor allem läßt sich eine solche Klagebefugnis nicht aus der inzwischen vom Bundesgerichtshof anerkannten Einzelklagbefugnis des Aktionärs aus eigenem Recht herleiten. 16 Steinbock

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Diese Klagebefugnis ist an die Mitgliedschaft in der Gesellschaft und nicht an die Mitgliedschaft im Organ geknüpft. Eine Klagebefugnis des einzelnen Aufsichtsratsmitglieds nach dem Bilde der actio pro socio bzw. actio pro societate ist ebenfalls abzulehnen. Zum einen ist auch sie Ausfluß der Mitgliedschaft in der Gesellschaft. Zum anderen geriete durch die Zulassung einer solchen Klagebefugnis das ursprünglich ausgewogene System der checks and balances in der Aktiengesellschaft in Gefahr, ohne daß diesem Risiko wesentliche Vorteile gegenüberstünden. 21. Auf Verlangen des Vorstands darf der Aufsichtsrat auch zu Maßnahmen des Vorstands Stellung nehmen, die nicht in den Überwachungsbereich des Aufsichtsrats fallen. Eine Pflicht zur Stellungnahme trifft den Aufsichtsrat hier jedoch nicht. Gleichwohl unterliegt er auch in diesem Bereich den strengen Sorgfaltsanforderungen der §§ 116, 93 AktG, sobald er sich zu einer Maßnahme äußert.

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