Ein Blick auf die Rückseite der Leinwand: Feministische Perspektiven zur Produktion von Weiblichkeit im Diskurs >Film< [Reprint 2015 ed.] 9783110926989, 9783484340527

This contribution to cultural studies with specific reference to the media inquires into the role of film as gender tech

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German Pages 187 [196] Year 2004

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Ein Blick auf die Rückseite der Leinwand: Feministische Perspektiven zur Produktion von Weiblichkeit im Diskurs >Film< [Reprint 2015 ed.]
 9783110926989, 9783484340527

Table of contents :
1. Vorbemerkung
2. Der Film als kulturelle Formation – Vom Medium zum Diskurs
2.1 Der Diskurs Film als Relaisfunktion von filmischem Dispositiv und sozialem Subjekt
2.2 In-dividualität im filmischen Prozeß
3. Ein Blick auf die Rückseite der Leinwand – Der Diskurs »Film« in feministischer Perspektive
3.1 Funktionalisierungen von Weiblichkeit im filmischen Diskurs
3.2 Die schöne Frau – für wen? – Eine entidealisierende Lesart der Filmkomödie Pretty Woman
3.3 Starke Weiblichkeit ist »Killer« – Die Wendung von Weiblichkeit ins Pathologische in Copykill
3.4 Die Fortschreibung verbürgter Funktionen des filmischen Diskurses durch emanzipatorische Weiblichkeitsentwürfe
3.5 Weibliche Subjektivität als Effekt – Kino als Gendertechnologie
4. Eine feministische Rekonstruktion des filmischen Diskurses
4.1 Widerständige filmische Praktiken – Kritisches Wi(e)derlesen und libidinöse Kohärenz
4.2 Filmische Selbstreflexion im Dienst weiblicher Subjektivität? – Tom Tykwers filmische Metaerzählung Lola rennt
4.3 Universelle Identität ohne die Last des Geschlechts – Sally Potters Orlando
4.4 Gegen Ödipus und das Gesetz – Female Perversions als Prozeß sexuell strukturierter weiblicher Identität
4.5 Das lesbische Subjekt ist zwei – Feministische Reflexionen in MURDER and murder
5. Filmische Spielräume für weibliche Subjektivität – Im Spannungsfeld von kritischer De- und positiver Rekonstruktion
Filmographie
Verzeichnis zitierter Literatur

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MEDIEN

IN FORSCHUNG + UNTERRICHT Serie A Herausgegeben von Anke-Marie Lohmeier und Erich Straßner Band 52

Christiane König

Ein Blick auf die Rückseite der Leinwand Feministische Perspektiven zur Produktion von Weiblichkeit im Diskurs >Film
phylum< of the great representative machine, in that zone of attraction, lineage, influences that is created by the displacement of the social co-ordinates of analogical representation. (Jean-Louis Comolli)' Kaum ein anderes kulturelles Phänomen entwickelt heutzutage, besonders in westlichen Gesellschaften, eine solche Attraktivität wie der Film. 2 Dies belegt seine weltweit verbreitete Akzeptanz bei einem großen Publikum. Ihren Widerhall findet diese Attraktion in den theoretischen Beschreibungssystemen über den Film. 3 Dies liegt zum einen in den ihn konstituierenden spezifischen Voraussetzungen, insbesondere seinem hohen gestalterischen Potential begründet. Vor allem aber läßt sich die Faszination des Phänomens Film an jener zentralen Ambivalenz festmachen, die durch das Spannungsverhältnis erzeugt wird, in dem die Reichhaltigkeit seiner Bilder zu seiner technologischen Prozessualität steht. Der mythische Ort der filmischen Leinwand reflektiert so nicht nur die historische Verbundenheit mit der Tradition des Epischen (literarischen Texten) sowie des Repräsentativen (Drama), sondern auch seine eigene phänomenologische Bedingtheit, die zudem die Kemproblematik der Theorie ausmacht: Die zentrale filmspezifische Besonderheit liegt in der scheinbar starken Übereinstimmung von gezeigter und erlebbarer Realität, von Dargestelltem zur Art und Weise der Darstellung. Die ihn gerade von der Literatur abgrenzende frappierende Plastizität des Dargestellten als quasi-identische Abbildung der real-konkreten Wirklichkeit verpflichtet den Film im Hinblick auf seine Funktionsweise als Ort der Umsetzung von lebensweltlichen Konzepten, vor allem der von Identitätsentwürfen. Der Film, das Kino, reflektiert die Vielfalt der Aspekte des täglichen Lebens auf der Ebene der Individuen in all' ihrer Disparatheit ebenso, wie es die am historischen Ort nicht eingelösten beziehungsweise nicht einlösbaren idealisierten Entwürfe des Subjekts projiziert. Aufgrund dieser 1

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Jean-Louis Comolli: Machines of the Visible. In: The Cinematic Apparatus. Hg. v. Teresa de Lauretis, Stephen Heath. New York 1980, S. 122. Film ist hier zunächst im Metzschen Sinn als von der Summe aller einzelnen Filme abstrahiertes Phänomen zu verstehen, das sich im semantischen Dreieck von physikalisch-phänomenologischen, rezeptologischen und produktionsbedingten Charakteristika konstituiert. Die Attraktivität ist auch in anderen Gesellschaften zu registrieren, vor allem in Indien und Asien, aber auch Lateinamerika, in denen der Film in seiner Funktionsweise eine andere Wertigkeit besitzt. Vgl. Christian Metz: Semiologie des Films. München 1972. Gemeint sind damit die Filmästhetik, Filmsemiotik sowie die historisierenden Ansätze des technischen Idealismus.

2 Spezifik tritt der Film hinsichtlich solcher Entwürfe das legitimierte sowie nach und nach institutionalisierte Erbe der Literatur an und sichert sich über die Jahrzehnte dieses Jahrhunderts hinweg den Erstanspruch auf deren Bearbeitung. 4 Das Phänomen Film hat sich unter der Perspektive einer diachronen Betrachtung, eingedenk sämtlicher ideologischer sowie konzeptioneller Modifizierungen, die seit der Entwicklung des Mediums stattgefunden haben, in Form seiner konkreten Produkte sowie in seiner Wirkung als weitestgehend 5 systemaffirmative kulturelle Praxis etabliert. Durch die konkrete Einlösung des A n s p r u c h s einer a u f g r u n d technischer Möglichkeiten beinahe perfekten Widerspiegelung von Realität in F o r m von Idealisierungen entsteht jedoch ein semantischer Überschuß bei der Selbstdefinition. Denn der Darstellungsmodus, ein Eins-zu-Eins-Verhältnis zur (sozialen) Wirklichkeit zu erzeugen, steht im hohen Spannungsverhältnis zur Konstruiertheit des Films. Die offensichtliche konstitutive Ambivalenz des Mediums desavouiert permanent den erhobenen Anspruch der Bruchlosigkeit des Dargestellten. Dieser kontradiktorische Zug begründet aber zugleich den soziokulturell fundierten, technologischen Status des Films, macht seine Besonderheit als kulturelles Produkt aus. Damit ist aber das Verhältnis des Dargestellten zur Darstellung gerade ebensowenig ein einfach Gegebenes, wie der Blick der Kamera nie auf eine einfach gegebene Realität trifft. Immer schon ist der Film im Horizont von kulturellen Systemen von Bedeutung angesiedelt, die im Kontext soziokultureller, historisch bedingter und in diesen Systemen von Bedeutung gegebener sozialer Realität fest verankert sind. Technikbasiert, sind seine Verfahrensweisen von einem Apparat abhängig, der eben nicht nur ein technischer ist, sondern zuallererst ein kultureller. Film ist in seinem Status kulturelle Praxis, die Repräsentationen erzeugt, im Verfahren wirksam als Diskurs. Dafür sorgt, die Filmspezifik umgekehrt perspektiviert, der die Wirklichkeit simulierende Produktionsmodus, der die Spuren kultureller Bedingtheit mehr und mehr unsichtbar macht. Filmische Technologien entwickeln sich dergestalt unter dem kulturellen Druck zur Perfektibilisierung und determinieren damit auch das Potential filmischer Ausdrucksmöglichkeiten. Jenes Cluster an kulturellen, bedeutungsdefinierenden sowie -generierenden Mustern, das sogenannte filmische Dispositiv, 6 formuliert auch für das Konzept der als Identität

Vgl. Christian Metz: The Imaginary Signifier. Psychoanalysis and the Cinema. Bloomington 1986. Metz sieht die soziohistorische Funktion des Films darin, daß er den Roman des 19. Jahrhunderts in semantischer, soziologischer sowie historischer Hinsicht ablöst: »[...] the classical film has taken, relay fashion, the historical place of the grand-epoch, nineteenthcentury novel (itself descended from the ancient epic); it fills the same social function, a function which the twentieth-century novel, less and less diegetic and representational, tends partly to abandon«. Christian Metz, a.a.O., S. 110. Damit ist hier konkret der Spannungsbogen zwischen den Polen großer HollywoodProduktionen, die in den westlichen Kulturen den Hauptanteil der Kino-Kultur bestreiten, auf der einen sowie weitestgehend unabhängigen, kleinen Avant-Garde-Produktionen auf der anderen Seite angesprochen. Der Begriff der Technologie ist hier nicht nur mißverständlich, da nicht die technischen Operationen gemeint sind, sondern unzureichend. Es geht vielmehr um jene sozialen Aspekte, die den Film in seinen Ausdrucksmöglichkeiten bedingen, wie Diskurse über Subjektivität und Repräsentation, begriffliche Definitionen von Realität, aber auch Vorstellungen zu Licht, Farbe und Ton, das heißt, um jenes komplexe Zusammenspiel von heteronomen Determinanten, die zu den im Film verwendeten kinematischen und nicht-kinematischen Codes führen.

3 erscheinenden Subjektivität eine Anforderung, die die filmischen Verfahrensweisen antizipieren und durch die ihre Beschaffenheit bedingt ist. Filme wollen betrachtet, erhört und interpretiert werden, sie sind als kulturelle Produkte im Regelfall an ein Publikum, die zuschauenden Subjekte, (aus-)gerichtet. Modi der Bedeutungserzeugung entsprechen Muster einer bestimmten Form rezeptologischer Arbeit. Filmische Prozesse von Bedeutungskonstitution arbeiten dabei im Speziellen mit visuell sowie narrativ gestützten Mustern von Identifizierung. In der dominanten, hegemonialen Form seiner Ausprägung schreibt das filmische Dispositiv in humanistischer Tradition verbürgte, kohärente Subjektivität vor, womit sich ihr Leinwand-Effekt als mit sich identische Identität gebärdet: Kulturell definierte Subjektivität wird vom Film als an die Körperlichkeit gebundene Intelligibilität im Modus der Selbst-Präsenz generiert. Es handelt sich um ein höchst effizientes Verfahren der Naturalisierung. Auch hierin verhält sich der Film zu weiten Teilen systemaffirmativ, indem er die in westlichen Gesellschaften existenten Vorstellungen von Subjektivität sehr überzeugend, da scheinbar spontan zugänglich sowie direkt decodierbar reproduziert. Film als kulturelle Praxis steht, insbesondere im Hinblick auf seine Verfahrensweisen sowie vor allem in seiner dominanten Form, im wechselseitigen Verhältnis zum durch ihn abgebildeten Subjekt, um über den Erhalt der eigenen Möglichkeitsbedingungen bestimmte Positionen kultureller Standards zu zementieren. Wenn aber Identität auf der Leinwand den Effekt einer von den filmischen Verfahrensweisen umgesetzten Strategie darstellt, ein kohärentes Subjekt zu produzieren, dann hört die filmische Apparatur auf eine männlich-zentrierte Anforderung. Denn Identität ist, so die fundamentale erkenntnistheoretische Leistung der feministischen Theorie, immer schon geschlechterspezifisch definierte Identität. Nichtmakierte Subjektivität dagegen ist Konstrukt, Effekt sowie sedimentierter Entwurf des traditionellen männlich-verdeckten Standards westlicher Kulturen. In dieser Logik stellt geschlechterspezifische Identität die Behauptung vor, gemäß des Verschleierns des Konstruiertheitscharakters mittels Naturalisierung einfach gegebene Opposition zweier natürlicher Geschlechter zu sein. Die vorliegende Studie stellt einen Versuch dar, zunächst den Film in seiner historischen und damit kontingenten Spezifik zu beschreiben. Zweck ist es, ihn auf seine kulturellen Prämissen hinsichtlich der antizipierten und generierten kulturellen Vorstellungen von Realität sowie insbesondere Subjektivität transparent zu machen. Aufgezeigt werden soll dabei einmal, daß die oberste Zwecksetzung des filmischen Dispositivs in der Unterstützung des gesellschaftlichen Status Quo mittels Operationen liegt, den Status seiner Bedingtheit durch gesellschaftliche Imperative gerade zu verdecken. Das der Studie zugrundeliegende Verständnis von Film nimmt dafür definitionsbedingten, aber auch epistemologischen Abstand von der Projektion eines einzelnen Films und beschreibt diesen als jeweilige spezifische Konkretion des historisch bedingten, sozialen Dispositivs Kino/Film, das heißt, als kulturelle Praxis der Bedeutungskonstitution. Zentraler Anknüpfungspunkt ist dabei zunächst das Abbildungsverhältnis, da an ihm die Kernproblematik der Spaltung des Films zwischen basiskonstitutivem Konstruktionscharakter und geforderten Naturalisierungseffekten verhandelt werden kann, geschehend in Kapitel 2. Zudem erfolgt von diesem aus die theoretische Bestimmung gesellschaftlicher filmischer Funktions- und Wirkungsweisen. In der Studie werden die produzierten filmischen Bedeutungseffekte analysiert und die filmischen Strategien des Verdeckens aufgezeigt,

4 die j e n e hervorbringen. Im Zuge dessen werden die kulturellen Implikationen transparent, die hinter den Mechanismen stehen, welche die Strategien des Verdeckens ein- und umsetzen. In dieser Argumentationslogik ist, was als unverbrüchliche Identität auf der Leinwand erscheint, als fundamentaler filmischer Effekt bestimmt. Diese Herangehensweise begründet weiterhin den methodischen Ansatz des Projekts, der als entidealisierendes Verfahren bezeichnet wird. Ziel der feministischen Perspektivierung ist es dann, aufzuweisen, daß d i e Apparatur bereits hinsichtlich ihrer Möglichkeitsbedingungen männlich-zentrierten A n f o r d e r u n g e n folgt. Damit ist aber nicht gesagt, daß es sich u m eine absolute Determinierung der Apparatur und ihren Funktions- und Wirkungsweisen handelt. Ausgehend v o m Verdacht gegenüber der Augenscheinlichkeit des Unzweifelhaften, Unhintergehbaren, 7 soll infolge anhand zweier repräsentativer Ansätze feministischer Filmtheorie, Kaja Silvermans sowie Teresa de Lauretis, nach Ort, Status und Funktion von Weiblichkeit innerhalb der durch die Apparatur bedingten, filmischen Verfahrensweisen gefragt werden. Dementsprechend läßt sich formulieren, daß das filmische Dispositiv seine systemaffirmative Disposition dadurch einlöst, daß der Modus der Erzeugung von Repräsentationen mit der Reproduktion bereits existenter Vorstellungen von geschlechterspezifisch definierter Identität kongruiert. Identität auf der Leinwand als unverbrüchliche Realität im Modus einfacher Gegebenheit ist hierfür der Effekt. Die filmischen Verfahrensweisen sind durch jenes kulturelle Bild von Identität als einer mit sich identischen, leiblich gebundenen Intelligiblität eingeengt, das sie mit maßgeblicher Hilfe ihrer zweiten impliziten Referenzgröße, dem Bild der Wirklichkeit, permanent generieren (generieren müssen?). Wenn diese Identität nun als Effekt sichtbar wird, muß es sich um eine strategische handeln, die die Implikationen eines Interesses am naturalisierten Geschlechterverhältnis trägt. Die feministische Filmtheorie sieht darin einen Effekt der männlich-zentrierten Matrix 8 westlicher Gesellschaften, deren Mechanismen nicht nur den männlichen Standard, sondern auch den Status der Bedingtheit des männlichen Subjekts verschleiern. Die Apparatur Kino trägt mit ihren Verfahrensweisen zur Reproduktion sowie Fortschreibung der damit evozierten stabilen Position eines männlich-kohärenten Subjekts bei. Zwar bedingt durch das historisch spezifische dominante Dispositiv, ist sie jedoch nicht sui

Gemeint ist damit der Photorealismus, auf dem der Film basiert. Mit männlich-zentrierter Matrix ist das Geflecht sozialer Relationen gemeint, in dem durch Kumulationspunkte von Machtimplikationen bestimmte Vorstellungen, Überzeugungen als dominante in einer Gesellschaft scheinbar unhintergehbar bestehen, wobei sämliche Spuren der Generiertheit, das heißt, die Prämissen für die jeweiligen Konstruktionen verschleiert werden. Effekt der männlich-zentrierten Matrix ist das Geschlechterverhältnis als das zweier, exklusiv aufeinander bezogener und damit individuell bestimmter Begriffe, wobei der eine, Weiblichkeit, zur Stabilisierung als universale Kategorie des anderen überhaupt erst generiert wird. Männlichkeit selbst geht als nicht-markierter Term im Begriff eines Subjekts auf, das Geschlechteridentität lediglich als Attribut trägt. Vgl. hierzu insbesondere Judith Butler: Das Unbehagen der Geschlechter. Frankfurt a. M. 1991, S. 15-67. Diese grundlegende Differenzstruktur bestimmt das Geflecht sozialer Relationen westlicher Kulturen, in dem Männlichkeit als Standard gesetzt und zugleich verdeckt, indem sie in universales Subjektsein transformiert wird. Vgl. hierzu Teresa de Lauretis: The Technology of Gender. In: Dies.: Technologies of Gender. Essays on Theory, Film and Fiction. Bloomington 1987, S. 1-30.

5 generis phallozentrisch konstitutiert und wirksam. Eher ist das Dispositiv in seiner hegemonialen Form stark in den Dienst der die westlichen Kulturen weitestgehend strukturierenden Matrix gestellt. Herausgearbeitet werden sollen in feministischer Perspektivierung die spezifischen filmischen Modi und Verfahren der Identitätserzeugung, deren (Bedeutungs-)Effekte sowie die damit verfolgten Zwecksetzungen. Insbesondere weibliche Identität auf der Leinwand stellt das Endergebnis von Regulierungsverfahren dar. Als konsequent zugerichtet, wird Weiblichkeit in der Regel in Opposition zum männlichen Subjekt, jenseits aller kohärenten, intelligiblen Subjektivität positioniert. Dies entspricht ihren, in westlichen Kulturen üblichen Definitionen als das Andere, deren Spannungsbogen sie als Ursprung, Fülle und Bedrohung der Ordnung auf der einen sowie als Objekt oder Zeichen auf der anderen Seite bestimmt. Auf der Leinwand sichtbare Entwürfe von Weiblichkeit sind somit nicht nur Repräsentationen, sondern Weiblichkeit ist in diesen Repräsentationen jenseits einer Spur von Identität als Selbst-Präsenz der Platzhalter, der Signifikant für etwas, das ihm von außen zugeschrieben wird. In klassischen Filmproduktionen steht die Frau auf der Leinwand beinahe nie fur sich selbst - sie ist nicht sie selbst - , sondern stets fiir etwas anderes, meist Subjektjenseitiges. Als Bild für die narrative Funktion, Ausschnitt des Raums der sichtbaren filmischen Diegese zu sein, wird Weiblichkeit die doppelte Funktion aufgeladen, struktural-teleologische Ausrichtung der filmischen Erzählbewegung sowie zugleich eidetische Repräsentation dieser Funktion zu sein. Im Zuge der dringlichen Frage nach den Bedeutungseffekten bezüglich offenbar als Objekte repräsentierter, weiblicher rezipierender Subjekte, muß nach Konstruktionsprinzipien sowie verfahrenstechnischen Strategien gefahndet werden, die diese widersprüchliche Konstellation einmal unsichtbar sowie zugleich signifizierbar machen. Anhand von Analysen ausgewählter Filme, die insofern repräsentativen Charakter besitzen, als sie für eine ganze Reihe anderer Filme stehen, in denen ähnliche Strategien am Werk sind, ähnliche Regulierungsprozesse stattfinden, wird diese Problematik in Kapitel 3 verhandelt. Wird Film als diskursives Verfahren verstanden, lanciert durch eine technikbasierte Apparatur, die in ihrer Beschaffenheit soziokulturellen Prämissen folgt, dann ist Kino/Film kulturelle Technologie, die nicht nur historisch spezifisch und daher wandelbar, sondern auch statusmäßig kritisch hintergehbar wird. Wird Film als kulturelle Praxis verstanden, bleibt der Kernstatus des Verhältnisses wechselseitiger Bedingtheit zwischen einer kulturell überformten Art der Bedeutungsproduktion und der Marke des rezipierenden Subjekts9 bestehen. Das entidealisierende Verfahren, feministisch fokussiert, ermöglicht es, dieses Verhältnis über die in der Kritik sichtbar gemachte Funktionalisierung im Dienst des männlich-zentrierten, hegemonialen filmischen Dispositivs hinaus zu denken. Dazu ist eine feministische Reflexion über den traditionellen Begriff des Subjekts notwendig, die zugleich eine Selbstreflexion sein muß, um in der Konsequenz über verfahrenstechnische Effekte nachzudenken, die nicht zur affirmativen Einlösung der durch das filmische Dispositiv augmentierten kulturellen Vorstellungen von Identität führen. Diese erfolgt in Abschnitt 3.5 und ergibt ein quasi-

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Dabei ist Subjekt nicht im Sinne einer textimmanenten Strategie zu verstehen, deren Ergebnis die vereinheitlichte Konstitution eines Lesers, einer Leserin darstellt, sondern im Sinne eines gesellschaftlich geformten Individuums.

6 paradoxes, da konstitutiv widersprüchliches Verständnis von weiblicher Subjektivität. Diese stellt sich als fluider Schnittpunkt von feministisch-theoretischer Reflexion, individuell-psychosexueller, sozialer, heterogener Konstituiertheit dar, positioniert und eingewoben in Parameter strukturaler Unterlegenheit innerhalb des Gefüges der Relationen sozialer Wirklichkeit. Von dieser »unsicheren« Referenzgröße weiblicher Subjektivität auf einen Modus filmischer Erzeugung von Repräsentationsformen geschlechterspezifischer, insbesondere weiblicher Identität zu schließen, der diese paradox widersprüchliche Konstituiertheit reflektiert, davon wird in den Filmanalysen in Kapitel 4 die Rede sein.

2.

Der Film als kulturelle Formation Vom Medium zum Diskurs

2.1 Der Diskurs Film als Relaisfunktion von filmischem Dispositiv und sozialem Subjekt Die zum Gemeinplatz gewordene Aussage, es handele sich beim Film um ein modernes Medium, 1 besitzt beinahe tautologischen Charakter. Sie leitet sich aus dem ab, was vom Film vornehmlich wahrnehmbar ist: Als Phänomen westlicher moderner Gesellschaften ist er eine Form der Darstellung, eine Ausdrucksform, die zwischen Sender und Empfanger vermittelt. Diese Bestimmung erfaßt mit synekdochischer Wirkung nur das Ergebnis des einzigartigen und faszinierenden physikalischen Phänomens der Projektion von Lichtpartikeln auf eine Leinwand. Dabei besticht er durch perzeptuelle Reichhaltigkeit seines Gezeigten bei gleichzeitiger, größtmöglicher Flüchtigkeit seiner übermittelnden Träger. Die hinter den minimierten materiellen Spuren der Signifikanten operierende, den Film entscheidend bedingende »Maschinerie« bleibt dabei unsichtbar. Filmisch Sichtbares wird zur alleinigen Referenzgröße der Bedeutungsbestimmung seiner Darstellungsmodelle, die der Wirklichkeit nachempfunden zu sein scheinen. Daraus leiten sich in der Theorie deren gesellschaftliche Funktionsleistungen ab, die aufgrund des hohen Identifikationspotentials, dem »realistischen« Widerschein alltäglichen oder imaginierten Lebens in erster Linie in der Unterhaltung gesehen werden. So definiert sich der Film in westlichen Kulturen bezüglich des ihm durch die Gesellschaft verliehenen Auftrags als Form der Sinn- und Identitätsstiftung, deren Mehrwert allerdings zuvorderst die Unterhaltung des Publikums ist. Dabei löst er scheinbar problemlos ein, worauf ihn die Tradition westlicher Gesellschaften verpflichtet. Zwei herausragende Aspekte sind als konstitutiv erkennbar. Der eine, weniger spezifische, ist j e n e in genealogischer Abfolge zum Roman des 19. Jahrhunderts stehende Leistung, auf der Basis des Narrativen für Sinn- und Identitätsangebote für die gesellschaftlichen Individuen zu sorgen. Der zweite spezifische Aspekt besteht in der selbstverständlichen Übernahme jener, vom Photorealismus tradierten Implikationen bezüglich der Form seiner Darstellung, die, wie Stephen Heath es formuliert, »[...]

Im Zuge der aktuellen Entwicklung digital-basierter Telekommunikationsmedien, wie insbesondere dem World Wide Web sowie dem digitalen Femsehen mit Tendenz zu interaktiven Nutzungsmöglichkeiten, unterliegt der Begriff des Mediums einem bislang nicht abschließbaren, an die rasante technische Progression gebundenen Prozeß der Definitionsveränderung. Dies findet in der allgmein akzeptierten, differenzierenden Formulierung von Alten und Neuen Medien seinen Ausdruck. Der Film zählt vor allem in der Perspektive der Mediennutzung zu den traditionellen Medien, da ihm das bereits in Frage gestellte Axiom der passiven Zuschauerschaft zugeschrieben wird.

8 holds to a reproduction of the image of life«. 2 Darüber hinaus nehmen auch die anderen darstellenden Künste, die Malerei (das Abbildende, die Zentralperspektive) sowie das Theater (das Repräsentative) konstitutiv teil. Diese Heterogenität, diese Disparatheit seiner Konstituenten, die Vielzahl der ihn auf unterschiedliche Weise in unterschiedlicher Qualität bedingenden Aspekte, die hier technisch implementiert werden, begründen die davon abgegrenzte Spezifik des Films. Der Film, so Heath, »[...] is developed in the context of concrete and specific ideological determinations which inform as well the >technical< as the >commercial< or >artistic< sides of that development«. 3 Sie weist ihm einen Autonomieanspruch zu, auf dessen Hintergrund er seinen Status im historischen Moment der Entstehung als eigentständiges Medium zuallererst konstituiert. Der historische Ort seiner Existenz markiert zugleich das Spannungsfeld, in dem er sich ständig neu zu definieren hat: die soziale Wirklichkeit westlicher Gesellschaften, verstanden jeweils nicht als Summe, sondern als Gesamtheit divergierender, disparater und flexibler kultureller Teilsysteme auf der einen sowie das Individuum, ebenfalls als Teilsystem dieser Ordnung interpretiert, auf der anderen Seite. Die »Geschichte« der Entwicklung des Films, so der Filmtheoretiker Stephen Heath, präsentiert sich als jene der ihn begründenden »Geschichten«, in denen er stets aufs Neue als Verhältnis der Reziprozität seiner durch gesellschaftliche Bestimmungen erzeugten Produktionen sowie dem gesellschaftlichen Individuum in der Position des rezipierenden Subjekts interpretiert wird. A history of cinema could be envisaged in this perspective which would be not that of the straight reflection of ideological representations, nor that of the simple autonomy of an ideality of forms, but, as it were, the history of the productions of meaning assumed and established by cinema in specific relations of the individual to subjectivity.4 Die Begründung seiner gesellschaftlichen Funktionsleistungen als kulturelles Produkt ist immer auch die Geschichte der Entwicklung seiner Technik, adäquat auf Benjamins 5 Formel von d e r technischen Reproduzierbarkeit gebracht. Dabei wird stets die Perfektibilisierung der filmischen Technik gemäß einer teleologischen Intentionslogik supponiert. Dies geschieht unter dem absichtsvollen Diktum, ein Bild vom Leben zu geben und dies durch verbesserten Realitätseindruck immer besser einlösen zu können. Das zeitigt auch Adornos absolutes Urteil in der Ästhetischen Theorie, Film könne keine Kunst sein. 6 Demgegenüber versucht der prominente Vertreter des

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Stephen Heath: On Screen, in Frame: Film and Ideology. In: Ders.: Questions of Cinema. Bloomington 1981, S. 4. Stephen Heath: Narrative Space. In: Narrative, Apparatus, Ideology. A Film Theory Reader. Hg. v. Philip Rosen. New York 1986, S. 389. Stephen Heath: On Screen, in Frame: Film and Ideology, a.a.O., S. 6. Vgl. Walter Benjamin: Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit. In: Ders.: Illuminationen. Ausgewählte Schriften I. Frankfurt a. M., S. 136-169. Benjamin hat den Verlust der Aura jedoch vor dem Hintergrund seiner Gesellschaftskritik eher positiv bewertet und in diesem Sinn als historisch legitime Entwicklung des Phänomens interpretiert, die in seinen Augen zu einer zwangsläufigen Überprüfung des eigenen Standpunkts der Ästhetik sowie deren Begrifflichkeit führen sollte. In den Filmtransparenten gelangt Adorno bei der Analyse der phänomenologischen Ähnlichkeit von materiell-technischem Zusammenhang der Bilder (durch die Montage) und den Graphemen der Sprache zum Schluß, sie könnten, ähnlich der Erfahrung des Kunstschönen, den mimetischen Impuls erzeugen, da die Verschriftlichung der Bilder keine verabsolutierende

9 technischen Idealismus, André Bazin, anhand des Modus der Abbildung eine ästhetische Ehrenrettung, indem er gerade in der technisch erzeugten Darstellungsweise das Potential für die Transzendierung der Realität auf eine ideale hin als intrinsische Einschreibung erkennen möchte. Hier geht die Technologie vollkommen in der apriorischen Wesensbestimmung des Films auf und wird der Status gesellschaftlicher Bedingtheit der Apparatur erneut verdeckt. 7 Jean Baudry 8 macht in seiner Kritik am technologischen Idealismus darauf aufmerksam, daß das ontologisch begründete, teleologische Moment der Perfektionierung des Abbildungsverhältnisses zum stetigen »Zugewinn an Realität« auf einer ganz und gar kulturellen Prämisse ruht, die einen spezifischen und daher hintergehbaren Realitätsbegriff performiert. Dieser muß aber, filmisch als Realitätseindruck umgesetzt, dem Technologischen erst durch extreme Biegungen abgerungen werden, um sich als Effekt zu stabilisieren. Baudry erkennt dabei als einer der ersten Filmtheoretiker, daß diese spezifische Beschaffenheit des Films, am Abbildungsverhältnis festgemacht, mit einer normierten, stabilen Subjektkategorie korreliert, die deren Zielausrichtung bildet. Perfektibilisierung filmischer Technik ist die Frage seiner Adressierung an gesellschaftliche Subjekte, w o d u r c h der Film, implementiert in kulturelle Technologie, als kulturelle Praxis erkennbar wird. Film kann damit per se keine neutrale technische Apparatur mit unabhäniger Intentionslogik sein. Die Filmsemiotik, prominent vertreten durch Christian Metz, 9 m u ß demgegenüber bei ihrem Versuch, den Film in Analogie zur Sprache zu bestimmen, durch die zwangsläufig ahistorische Perspektivierung die kulturelle Vorstrukturiertheit des filmspezifischen Darstellungsmodus ausgrenzen. Sie kann so das Filmbild als konventionell vereinbarte, kleinste Filmeinheit lediglich als qualitativ ikonisches erfassen. Hierdurch bleibt nicht nur die Art der Referentialität in ihrem

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Abbildung des Wirklichen sei. Kunstwerk wäre der Film dann insofern, als die dargestellte Negativität im Naturschönen durch dieses Verfahren selbst wiederum den Stempel des Gesellschaftlichen trägt, wobei sie zugleich als Ort der Utopie fungiert. Vgl. Theodor. W. Adorno: Filmtransparente. In: Ders.: Ohne Leitbild. Parva Aesthetica. Frankfurt a. M., 1973. Demgegenüber steht die klare Bewertung des Films mit seinen spezifischen Verfahrensweisen technischer Reproduzierbarkeit, des Illusionscharakters als Produkt der Gesellschaft im Kapitel über die Kulturindustrie in der Dialektik der Aufilärung. In deren Rahmen bleibt seine Funktion allein auf die eines Fetischs reduziert, insofern dem Menschen nichts anderes geboten ist, als sich dem Zwang, sich den Bildern anzupassen, zu unterwerfen. Vgl. Kulturindustrie, Außclärung als Massenbetrug. In: Max Horkheimer, Theodor W. Adomo: Dialektik der Außlärung. Philosophische Fragmente. Frankfurt a. M., 2002, S. 128-176. André Bazin: Was ist Kino? Bausteine zur Theorie des Films. Köln 1975. Wenn Bazin in den Montagetechniken eine Analogie zur Sprache erkennt, ist damit die Filmsemiotik initiiert, wie sie von Metz und Eco vertreten wird. Bazins These von einer »Ontologie des photograpischen Bildes« bereitet zugleich den Boden für die Theorie der Ästhetik des selbstreflexiven, materialistischen Films, wie sie ein Großteil der filmischen Avant-Garde in den sechziger Jahren vertritt. Hierzu Peter Wollen: »Thus the search for an ontology can itself be displaced from the field of idealism - Sitney's metaphysical modes of being, evoked as theologically as anything is by Bazin - to the field of materialism«. Aus: Peter Wollen: >Ontology< and >Materialism< in Film. In: ders.: Readings and Writings. Semiotic Counter-Strategies. London 1982, S. 194. Jean Baudry: Ideological Effects of the Basic Cinematographic Apparatus. In: Narrative, Apparatus, Ideology. A Film Theory Reader. Hg. v. Philip Rosen. New York 1986, S. 286298. Vgl. Christian Metz: Semiologie des Films. München 1972.

10 Status unangetastet, sondern trotz seiner Bestimmung des Films als Aussage, wird Subjektivität als systemisch-ahistorische Funktion des filmischen Texts supponiert. Daß es sich beim Abbildungsverhältnis des Films um das strategische Endergebnis, den Effekt eines daraufhinarbeitenden Produktionsmodus handelt, erfassen die historisch-materialistischen, poststrukturalistisch gewendeten Apparatus- und Suturetheorien von Jean-Louis Comolli und Stephen Heath. Sie führen das für den Film und seine Verfahren charakteristische Spannungsverhältnis von Konstruktionscharakter und Naturalisierungseffekt systematisch auf die Teilung in die filmische Apparatur und die spezifische prozeßhafte Umsetzung im einzelnen Film zurück. Während die Apparatur strikt reglementiert ist und nach Maßgabe kultureller Forderungen nach einem einheitlichen Bild (vom Leben) operiert, kann im einzelnen Film gerade aufgrund seiner komplexen Konstituiertheit, auch in technischer Hinsicht, der Anspruch nach Einheitlichkeit und Kohärenz nur imperfekt eingelöst werden. Film stellt aber zugleich in der einzelnen Konkretion immer schon einen potentiellen, generativen und damit den Anspruch destabilisierenden Überschuß der Apparatur dar. Deshalb ist die Entwicklung der Filmtechnik Perfektibilisierungsprozeß, nicht jedoch seiner eingeschriebenen Ontologie, sondern der Einlösung kultureller Anforderungen. Die kulturelle Implikation, Einheitlichkeit in Gestalt realistischer Darstellung herzustellen, macht als oberste Zwecksetzung den Erhalt des gesellschaftlichen Status Quo transparent. Aber nicht nur dies. Wenn der Produktionsmodus des Films auf ein diktiertes, einheitliches Bild von Realität hinarbeitet, ist damit auch seine Zielausrichtung als Aussage spezifiziert. Die Einlösung dieser kulturellen Prämisse korreliert mit der einlösenden Stabilisierung eines normierten, das heißt kohärenten Subjekts. Es bildet, als Zielausrichtung sowie in die Verfahren implementierte Norm, nicht bloß den Effekt, sondern auch den Grund filmischer Bedeutungskonstitution. Somit ist Film als kulturelle Praxis bestimmbar, als ein Prozeß, in dem sich kulturelle Bedeutung in Wechselwirkung mit einem gesellschaftlich bestimmten Subjekt generiert. Dieses wird, mit Foucault gesprochen, im Zuge dessen kulturell konstituiert im guten Glauben, sich selbst zu bilden. Hier liegt ein Filmverständnis vor, das den Film weder als abgeschlossenen Sinnzusammenhang, als System von Superstrukturen zur Bedeutungsproduktion, als neutrale Technologie noch als Ausdruck einer individuellen, künstlerischen Sichtweise und damit auch nicht mehr als Form der Darstellung definiert. Dies entlastet ihn zwar auch von einer im Grunde auseinanderstrebenden Bestimmung als gesellschaftliche Kunstform, der der technologische Aspekt weitgehend ein äußerlicher zu sein scheint. Gerade aber als kulturelle Technologie interpretiert, nimmt der Film dann die Relaisfunktion zwischen soziokulturell bedingtem filmischem Dispositiv und dem ebenfalls soziokulturell bedingten Subjekt ein. Als Diskurs jenseits eines einheitlichen, unhintergehbaren Status verstanden, sind nicht mehr nur seine semantischen sowie systemischen Elemente, sondern zuvorderst die Bedeutungseffekte seiner Verfahren und ihre Wirkung auf rezipierende Subjekte von Belang. Beide Termini, filmisches Dispositiv sowie Subjektivität, sind immer schon, da struktural stets imperfekt, nie vollständig exklusiv aufeinander bezogen und daher modifizierbar, was jedoch insbesondere in den Apparatustheorien in streng historischmaterialistischer Manier bewußt übersehen wird. Die folgenden Überlegungen zeichnen den Film mit Hilfe der Ansätze von Christian Metz, Jean-Louis Comolli sowie Stephen Heath in seinen diskursiven Verfahrensweisen nach und stellen zu diesem Zweck den Begriff des rezipierenden Subjekts ins Zentrum.

11 Dabei gelingt insbesondere mittels der Suture-Theorie eine detaillierte Beschreibung jener filmischen Prozesse, durch die der Effekt einer perfekten bildlichen Illusion realistischer Einheit, damit die kulturelle Prämisse einlösend, auf der Ebene des einzelnen rezipierenden Subjekts wirksam wird.

2.2 In-dividualität im filmischen Prozeß Ausgangspunkt einer Bestimmung des Films als diskursives Verfahren ist die soziokulturell bedingte Annahme, daß er an ein Subjekt adressiert und damit als Aussage zu interpretieren ist. In Abgrenzung zur Sprache besitzt der Film jedoch kein universales System diskreter Einheiten. Mit Metz gesprochen, handelt es sich um eine »langage sans langue«. Prämisse ist dabei, daß es eine Quelle des Aussagens gibt, gebildet vom vorgängigen Diskurs des Anderen. Mit Lacans Paradigma von der subjektkonstitutiven Funktion der Repräsentation in der Kette der Signifikanten, 10 kann nach den filmspezifischen Prozessen dieses Diskurses und seinen Effekten gefragt werden. Die Qualität des filmischen Zeichens bestimmt sich mit Metz Formulierung als perzeptuelle Reichhaltigkeit der Bilder bei zugleich größtmöglicher Minimierung dessen materieller Spuren. Signifikat und Signifikant »verkleben«. Metz bezeichnet dies mit dem Begriff des »Imaginary Signifier«. 11 Auch oder gerade dessen Bedeutungseffekte besitzen für ihn den Status des Imaginären, weil der verleugnete Signifikant die fiktive Bedeutung im Modus der Präsenz erzeugt. 12 In the cinema as in the theatre, the represented is by definition imaginary; that is what characterises fiction as such, independently of the signifiers in charge of it. But the representation is fully real in the theatre, whereas in the cinema it too is imaginary, the material being already a reflection. Thus the theatrical fiction is experienced more - it is only a matter of a different >dosagedrags< (als Frauen verkleidete Männer, in der Regel Homosexuelle) gejagt und auch tätlich angegriffen, was als Machtübernahme durch Repräsentanten von Randgruppen gedeutet werden kann. Die Aussagen Yvonne Rainers verlieren in diesem chaotischen Ausnahmezustand, in den sie als Figur konkret involviert ist, ihre Verbindlichkeit als ernstzunehmende Kritik, wie sie sie in diesem Moment der rite de passage durch die ironische Brechung als neue Prämisse zugleich wiedererlangen. »Yvonne Rainer« spaltet sich dabei in die diskursiv-übergeordnete Ebene sowie die narrative Ebene, da sie als Figur auf der Leinwand sichtsowie zugleich als Voice-Over-Stimme vernehmbar ist. Die Rückführung Yvonne Rainers in die von der Narration abstrahierte Position ist, in Verbindung mit den auf der narrativen Ebene umgekehrten Verhältnissen, als Versuch zu verstehen, die Verbindlichkeit ihrer themabezogenen Aussagen zu etablieren. Hierbei informiert Rainer das rezipierende Subjekt über die in westlichen Industrienationen häufig im menschlichen Gewebe registrierten Chlorrückstände, die die Östrogenproduktionen bei Frauen erhöhen. Ein erhöhter Östrogengehalt, so die Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft, steigert jedoch erwiesenermaßen das Brustkrebsrisiko. Hierdurch wird die Relation wechselseitiger Bedingtheit von gesellschaftlichen Faktoren und der individuellen Disposition weiblicher Subjekte weiterhin als Verursachung der zweiten durch die ersten verschärft. Der mit dieser Bedeutung verbundene Anspruch auf Verbindlichkeit wird jedoch dadurch reguliert, daß sich die Ebene der Narration mit der der übergeordneten Position erneut als von der Norm abweichende, filmische Organisation des filmischen Narrative vermengt, insofern sich die im Bild sichtbaren, von den anderen Figuren drangsalierten Polizisten auf Yvonne Rainers Aussagen, die über das Voice-Over transportiert werden, direkt beziehen und mit ihr in Dialog treten. In dem Maß, wie hiermit der Absolutheitsanspruch der übergeordneten Stimme als illusionäres Konstrukt ausgewiesen wird, ist auch die auf der narrativen Ebene eingetretene Umkehrung der Verhältnisse als aus dem Imaginären gespeistes, durch

174 die filmischen Verfahren erzeugtes Bild einer Einheit, das heißt als utopisches Moment, desavouiert. So folgt auf die Information Yvonne Rainers über die Ausrichtung des nationalen Brustkrebstages der Firma Imperial Chemical Industries die Aussage eines auf dem Boden liegenden Polizeibeamten, daß der Gewinn in der Früherkennung der Krankheit liege. Darauf bemerkt Rainer, daß es sich dabei um eine clevere Strategie handele, erst die Krankheit durch Umweltverschmutzung zu erzeugen, was von dem Polizisten aufgegriffen wird, der den Satz mit den Worten vervollständigt, um dann die Frühdiagnose zu propagieren. Yvonne Rainer merkt hierzu an, daß damit viel Geld durch den Verkauf von Medikamenten gemacht werden könne, wobei der Polizist den Werbeslogan skandiert, daß Früherkennung nicht nur Leben rette, sondern auch hohe Profite zeitige. Der hiermit beschriebene Kreislauf enthüllt nicht nur die kausale Verursachung von Brustkrebs durch Umweltverschmutzung, die nicht nur explizit-inhaltlich durch die Figur der Yvonne Rainer kritisiert wird. Einsichtig wird vielmehr, daß der Effekt der verfahrenstechnischen Verquickung von Narration und übergeordneter Erzählstimme darin besteht, daß das weibliche Voice-Over die ihr durch die normierte Ökonomie des filmischen Narrativs zugewiesene Macht dazu verwendet, sie inhaltlich gegen das sie stellende Ordnungssystem zu kehren, indem sie dieses - Garantin der eigenen Postion - als Hauptverursacherin der exklusiv Frauen betreffenden, tödlichen Krankheit entlarvt. Offensichtlich fallen in diesem Wechselverhältnis real-konkrete Frauen der Tötungsart von MURDER zum Opfer. Da jedoch die Figur der Yvonne Rainer am Ende der Sequenz zu sehen ist, wie sie Mildreds homosexuellen Freund Jeffrey küßt, während aus dem Off nichts mehr vernehmbar ist, geht die bereits regulierte Funktion der übergeordneten Erzählfigur Yvonne Rainers letztendlich in der Narration auf. Durch die scheinbare Einlösung eines narrativen Schlusses in Gestalt eines konstruierten happy ends, wie sie der Film durch den Kuß einer Lesbe mit einem AIDS-infizierten schwulen Farbigen produziert, mit der die Restitution einer konventionellen filmischen Ordnung verbunden ist, wird der semantische Effekt erzeugt, der als Besiegelung der Umkehrung der Ordnung lesbar wird. Jedoch führt die Ausstellung des Konstruiertheitscharakters, der sich aus der Kontextualisierung einer rite de passage bei der Auflösung der Ordnung ergibt, in Verbindung mit dem Verlust der autorisierten Position der weiblichen Erzählstimme zu einer Repräsentation, die durch die Ausweisung ihrer selbst als Farce die Endaussage der Anklage des Chemiekonzerns als Hauptverursacher von Brustkrebs in den Vereinigten Staaten von Amerika relativiert. Das Ausgesagte des Films liegt in der Umkehrung desselben auf der partikularen Ebene der Betroffenen und deren Ohnmacht, die sich gegen diese in der Ordnung etablierten Grundsteine des Kapitalismus und deren Machenschaften nicht behaupten können, sondern auf individueller Ebene mit den Auswirkungen ein stetig bedrohtes Leben fuhren müssen. Dies gilt im gleichen Maß für die selbstreflexive Geste des Films mit seinen Verfahrensweisen, mit denen offensichtlich generell keine Transzendierungen erreicht werden können. In diesen Kontext muß auch der verfahrenstechnisch erzeugte, semantische Effekt der Erklärung des Filmtitels durch die Figur der Yvonne Rainer gestellt werden. Denn beim ersten Begriff, großgeschrieben »MURDER«, handelt es sich eben um jene Tötungsarten durch Umstände, für die das einzelne Subjekt nicht verantwortlich ist, auf physischer Ebene jedoch direkt davon bedroht wird. Im zweiten Fall, kleingeschrieben »murder«, sind die Tötungsarten gemeint, wie sie als Szenarien, meist eines Familiendramas, im Bereich der reproduzierenden Phantasie jedes einzelnen

175 Subjekts vorkommen, ohne konkrete Auswirkungen auf der Ebene des realen Lebens. Dieser Topos der Tötungsarten wird in MURDER and murder in Bezug zu weiblicher Subjektivität gesetzt, wobei die Relation einer wechselseitigen Bedingtheit mehrfach zu Lasten des einzelnen Individuums als soziales und zugleich sexuell strukturiertes Subjekt geht. Es handelt sich vermehrt um die Ausstellung des Mechanismus der Subsumption, also des Sub-jekt-Werdens, wodurch dieses nicht nur mehr oder weniger in seiner Handlungs- und Gestaltungsfreiheit determiniert ist, sondern dessen verdeckte Wirkungsweise bei einer Abweichung den Tod herbeiführt. In MURDER and murder wird eine Sichtweise produziert, die den Blick auf ein Konzept von Weiblichkeit eröffnet, das von der Norm abweicht: eine lebische Liebesbeziehung. Darüber hinaus wird dies mit einer Thematik kombiniert, die im Prinzip zu den Tabu-Themen westlicher Gesellschaften zählt, dem Brustkrebs nämlich. Beide Themenkomplexe werden dabei, verfahrenstechnisch betrachtet, nicht in einen kohärenten Bedeutungszusammenhang gestellt und sind inhaltlich-narrativ über weite Strecken des Films nicht aufeinander bezogen. Dabei ist die »von unten« gewählte Perspektive, die sich einer Produktion von kohärenten und damit illusionistischen Repräsentationszusammenhängen verweigert, trotz allem mit Spuren narrativer Kohärenzen durchzogen. Der Film erzeugt eine Semantik, die stets die Anbindungen an die Systeme von Bedeutungen, Diskurse und Praktiken reflektiert, die über die Ebene des rein Individuellen hinausgehen, ohne diese jedoch zu polarisieren. Dies wird unterstützt von den filmischen Verfahren, die in ihrer Komplexität der Relation wechselseitiger Bedingtheit von individueller - der Liebesgeschichte - und allgemeiner Ebene - öffentliche Diskriminierung von Homosexuellen, durch Umweltverschmutzung verursachter Brustkrebs - durch stetiges Reflektieren auf den Status der eigenen Bedingtheit Rechnung tragen und die bestehenden Differenzen sowie zugleich die Wechselwirkung sehr gut demonstrieren. Dies bezieht sich nicht bloß auf das Ausstellen des Konstruiertheitscharakters von Weiblichkeit, auf die die Verfahren sehr wohl fokussiert sind, sondern dies wird eben in einen weiteren soziokulturellen und vor allem politisch gefärbten Kontext gestellt. Vor allem wird gezeigt, daß es sich dabei um ein Geflecht handelt, das ebenso nach dem Prinzip der (sexuellen) Differenz strukturiert ist, wie es auch punktuelle Überschneidungen und damit Identitäten gibt, deren Status als konstruiert entlarvt und daher als bedingt ausgewiesen werden kann. Die explizit feministische, politische wie auch ideologische Kritik, die über die Figur der Yvonne Rainer transportiert wird, ist durch den Verzicht, der von den Verfahren erzeugt wird, auf den Anspruch einer absolut gesetzten Gültigkeit so weit reguliert, daß auch nicht von reiner Propaganda gesprochen werden kann. So wird in MURDER and murder das filmische Narrativ, trotz aller anti-narrativer Tendenzen, nicht vollkommen zerstört, sondern erzeugt in der Wechselwirkung mit diesen anti-narrativen Elementen eine filmische Ökonomie, die von der hegemonial wirksamen abweicht und als Verfahren des feministischen De-Asthetisierens zu bezeichnen wäre, in dem Weiblichkeit weder zum Objekt wird, das für den Blick ausgestellt ist, noch zur narrativen Funktion des Text-Bilds, das die Einlösung des narrativen Schlusses garantieren soll. Sondern gerade mit dem Verschieben der Problematik in den lesbisch-semantischen Kontext entsteht eine Sichtweise oder eine Repräsentation von Weiblichkeit, die im Rekurs auf vorgängige Parameter, wie den Fetisch, durch Umcodierungen diesen f ü r eine spezifische, nicht gemäß der binären Geschlechteropposition strukturierte weibliche Subjektivität zu instrumentalisieren vermag. Hierzu zählt auch die Doppelung der

176 Figuren, deren Reflexion ineinander die Figur der Digression unterliegt und damit Identität als mit sich identische Selbst-Präsenz als Konstruktion ausweist und verweigert. Die teilweise durch die Figuren-Doppelung erzeugte Exklusivität eines weiblichen Blicksystems projiziert diese Relation gerade nicht als identische, sondern als heteronome zurück. Die filmischen Verfahrensweisen erzeugen keine unifizierenden Kategorien der Identifizierung, sondern präsentieren eine differenzierte, distanzierte Position von Identität im Sinne von Subjektivität zwischen sexueller Präferenz und soziokultureller Determinierung und damit auch von Bedeutungskonstitution, die eben keinem illusionären Bild einer Einheit von Subjektivität entspricht. MURDER and murder erzeugt keinen kohärenten Bedeutungszusammenhang, dafür produziert er ungewöhnliche, andere Repräsentationen von Weiblichkeit. Ahnlich wie in den anderen bisher besprochen Produktionen, geht es dabei nicht um eine Strategie, die dem Prinzip der Umkehrung verpflichtet ist, um das Prinzip Männlichkeit vollkommen auszustreichen. Vielmehr muß die Intention dahingehend verstanden werden, Weiblichkeit nicht nur als Effekt von Bedeutung und normierten Konzeptionen, sondern zugleich als persönliche Geschichte(n) eines Individuums als psychosexuelles sowie soziales Subjekt darzustellen. Es soll dabei nicht nur die Relation wechselseitiger Bedingtheit von offiziellen und privaten Parametern sowie die Abhängigkeit von konkret-realen Frauen von den Möglichkeiten der Darstellbarkeit von Weiblichkeit, wie beispielsweise im und durch den Film, transparent gemacht werden. Der Film prangert diese Disposition explizit von einer feministischen Warte aus als gesellschaftliches Manko beziehungsweise als gesellschaftlich verursacht und zugleich verdeckt an. Inwieweit nun Spielräume für Veränderungen im Sinne der vorliegenden feministischen Prämissen hinsichtlich der Relation wechselseitiger Bedingtheit von filmischem Dispositiv und Subjektivität vorhanden sind, wird als Ausblick im letzten Abschnitt der Studie formuliert werden.

5.

Filmische Spielräume für weibliche Subjektivität Im Spannungsfeld von kritischer De- und positiver Rekonstruktion

Die in der Studie verhandelte zentrale Frage nach Ort und Status von Weiblichkeit im Film, die in dieser Formulierung ihren denkbar simpelsten Ausdruck findet, bedingt die Beschäftigung mit der Frage nach der Besonderheit des Modus filmischer Bedeutungskonstitution. Methodisch herauspräpariert wurde jener Widerspruch, der sich hinter der scheinbar bruchlosen Reduplikation vorfilmischer Wirklichkeit befindet. Benennbar als Spannungsverhältnis von Darstellung, die ein perfektes Bild der Realität zu sein scheint, und deren imperfekte Möglichkeitsbedingungen. Film stellt einen spezifischen Prozeß transformativer Generierung von Realitätspartikeln dar, der diese spezifische Form der Darstellung als Effekt erst hervorbringt, welcher das Bild einer bruchlosen Realität vorstellen soll. Er ist also offenbar durch Parameter bedingt, die weit über den Horizont einer einzelnen Projektion beziehungsweise über die Vermittlung einer individuellen künstlerischen Sichtweise oder Aussageform hinausgehen. Die Frage nach dem Sozialitätscharakter des Films als Medium sowie dem damit verbundenen gesellschaftlichen Auftrag muß daher so kontextualisiert werden, daß jene Parameter sichtbar werden. Daher der Begriff des filmischen Dispositivs, das die soziokulturellen Parameter für die Ausformung der Apparatur mit ihren Verfahrensweisen zur Verfügung stellt, die diese einlösen. So wird die konstitutive Spaltung des Films terminologisch erfaßbar. Da das auf der Leinwand Sichtbare präsentivisch erscheint, operiert dessen Modus der Bedeutungskonstitution somit mit Mechanismen, die strategisch auf das Verdecken des Status der eigenen Bedingtheit hinarbeiten. Über jenen Auftrag, der ihm durch die Gesellschaft verliehen ist, kulturelle Zeichen und Bilder zu erzeugen, definiert sich der Film als heteronom konstituiertes Verfahren der Sinn- und damit auch Identitätsstiftung mit den ihm eigenen Mitteln. Dabei geht der Film als diskursives Verfahren mit den Parametern von Subjektivität eine unabdingbare Relation ein. Der produktionstechnisch erreichte Effekt eines konsistenten Entwurfs der Welt soll die stabile Position eines kohärenten Subjekts generieren: Da Signifikant und Signifikat eng miteinander verknüpft sind, kommt der Prozeß der Sinnstiftung als Akt der Identitätsstiftung daher. Das rezipierende Subjekt kann sich scheinbar mit einer Subjektivität auf der Leinwand, die mit sich selbst identisch ist, sowie, durch die Reproduktion dieses Mechanismus, mit sich als intelligibler Quelle des diskursiven Ursprungs identifizieren. Filmische Verfahrensweisen sind stets durch Parameter von Subjektivität bedingt, die sie antizipieren und kulturell zweckmäßig, effektiv kohärent reproduzieren. Im Hinblick auf die Größe filmisch repräsentierter Identität verhält sich der filmische Diskurs dabei äußerst effizient, da er sie, die hochgradig konstruiert ist, als einfach gegebene, natürliche ausweist. Dies erfolgt in der Regel in der Ausformung zweier Geschlechter, deren kulturell beding-

178

te Asymmetrie und exklusive Binärität durch die effektiv naturalisierte Abbildung verdeckt werden. Der Vorteil des Rekurses auf die psychoanalytische Sprachtheorie Lacans besteht darin, die grundlegende Imperfektibilität beider Größen, des filmischen Prozesses der Bedeutungskonstitution sowie von Subjektivität, aufzuzeigen. Die miterzeugte Setzung eines immer schon miterzeugten Überschusses des Diskurses »Film« und der Kategorie des Subjekts bezeugt, daß beides nicht in geschlossenen Kateogrien aufgeht. Wenn sie dennoch theoretisch so verstanden werden wollen, ist darin der Effekt soziokultureller Normierungen zu sehen. Die filmischen Verfahrensweisen stellen eine vollsoziale, bedeutungskonstituierende Praxis dar, durch die sich gesellschaftliche Subjekte nach normierten Mustern bilden. Zugleich sind sie durch und durch selbst von diesen Mustern von Subjektivität durchdrungen, um sie reproduzieren zu können. Zugleich zeigt sich, daß die eigene Imperfektibilität dennoch strategisch eingesetzt wird, indem die Erzählbewegung teleologisch ihre vorcodierten Bilder arrangiert. Diese Argumentationslogik macht den dominanten, hegemonialen Charakter des Produktionsmodus sichtbar, der in den Theorien mit dem Dispositiv des klassischnarrativen Kinos verschaltet wird. Darin dirigiert das produktive Spiel von An- und Abwesenheiten das Begehren des Subjekts (mehr zu sehen) über den Verlauf des Films, bis beides unter dem Druck der sogenannten Ökonomie der Narrativisierung in unifizierte Repräsentationen, das narrative Schließen, mündet. Aber auch hier gelingt, trotz durch extreme Nähe von discours und histoire präsentivisch erzeugte Repräsentationen keine vollkommene Regulierung des rezipierenden Subjekts. Zu stark ist die eigene, durch Identifizierungen herbeigeführte Struktur durch fehlerhaftes Verkennen gekennzeichnet, daß die Einheit immer schon nur imaginär und daher imperfekt sein kann. Auf diesen theoretisch-methodischen Prämissen baut der feministische Standpunkt auf. Er spezifiziert die Fragestellung nach der Relation wechselseitiger Bedingtheit von filmischem Dispositiv und Subjektivität vor dem Hintergrund der zentralen feministischen Erkenntnis, daß es sich bei Subjektivität stets um geschlechterspezifisch definierte handelt. In diesem Licht betrachtet, entpuppt sich das hegemoniale Dispositiv als Apparat, dessen Verfahrensweisen Parameter männlicher Subjektivität reproduzieren und dabei diese als Standard gesetzte Position verdecken, die zugleich Identifizierungen für ein männliches rezipierendes Subjekt begünstigen. Dies läßt sich problemlos aus den theoretischen Bestimmungen, insbesondere der Struktur der Mangelhaftigkeit, in den Apparatus- und Suturetheorien herauslesen, die insistent dagegen anschreiben. Denn was sie im Grunde sichtbar machen, den Status der Bedingtheit männlicher Subjektivität, müssen sie von eigener Warte aus umgehend eindämmen. Das feministische, entidealisierende Verfahren demonstriert, daß dies in der Theorie selbst sowie in ihren Erläuterungen des filmischen Diskurses zum Preis der Regulierung und Instrumentalisierung von Weiblichkeit erfolgt. Denn mitproduziert wird in diesen Skizzierungen die eigentlich konstitutive Bedeutung des zweiten Terms der Differenzstruktur, Weiblichkeit, auf dem der filmische Diskurs basiert. Diese wird dann durch Transfer in eine scheinbar neutrale Struktur seiner implikativen Funktion beraubt. In den Erläuterungen jenseits einer Position, für sich selbst signifizieren zu können, verallgemeinert, kommt ihr als aus dem verdeckt-männlichen Standard abgeleiteter Begriff lediglich die Position des Objekts zu. Als solches kann sie anschließend, ganz im Sinn westlicher, verabsolutierter und exklusiv auf den Begriff

179 Männlichkeit bezogener Definitionen, als entleerte Projektionsfläche in der Funktion einer »puren Repräsentation« (de Lauretis) nutzbar gemacht werden. Effekt all' dessen ist die Bestimmung der Operationen des filmischen Diskurses per se. Hier kann von einer Verfahrensweise im Dienst der Gender-Matrix seitens der Theorien sowie dem Film als »technology of gender« (de Lauretis) gesprochen werden. Problematisch sind diese Repräsentationen von Weiblichkeit, die selbst ihren Grund und Effekt zugleich bildet, weil ihnen eine normative Kraft des Faktischen zukommt, da sie weitestgehend die soziale Realität bestimmen und so auch nachhaltige konstitutive Wirkung auf ein sozial konstituiertes Subjekt ausüben. Die feministische Intention liegt darin, die Wechselwirkung von kulturellen Prämissen und deren Einlösungen vor der These zu spezifizieren, daß Identität auf der Leinwand Naturalisierungseffekte der Apparatur figurieren, in denen die asymmetrisch-hierarchische Organisation des exklusiv binären Geschlechterverhältnisses verdeckt wird. Das rückwendige Verfahren der Spurensuche, ausgehend von weiblicher Identität auf der Leinwand, bringt dabei zutage, daß sie in der Regel nicht als mit sich identisches, selbst-präsentes und kohärentes Subjekt generiert wird. Kaja Silvermans Ansatz präpariert ihre Funktion des Bildes eines auf Körperlichkeit reduzierten Objekts heraus, das, innerdiegetisch fixiert, keinerlei Zugang zur Quelle des diskursiven Ursprungs besitzt. Eine entidealisierende Lesart des psychoanalytischen Fetischbegriffs ergibt zudem, daß Weiblichkeit in der Funktion der Trope instrumentalisiert wird, sämtliche, das männliche Subjekt gleichfalls konstituierende, symbolische Teilungen zu absorbieren. Diese repräsentiert sie als ihre eigenen zu dem Zweck, eine möglichst große (epistemologische) Distanz des männlichen Subjekts zur Defizienz zu erzeugen. Exemplarisch läßt sich diese paradigmatische Funktions- und Wirkungsweise der Ökonomie des klassisch-narrativen Kinos mit seinen Regulierungs- sowie Zurichtungsverfahren für das Prinzip Weiblichkeit an Pretty Woman demonstrieren. Teresa de Lauretis gelingt es zudem, der Organisation des filmischen Diskurses und damit dem filmischen Narrativ die Strukturierung durch eine ödipale Logik nachzuweisen. Die Struktur der Erzählung bewegt sich analog zur Entwicklung des männlichen Subjekts, das sie in ihrer Diegese abbildet, wobei beides in der Relation wechselseitiger Bedingtheit zueinander steht: Die Diegese ist Effekt der Erzählbewegung, welche selbst die Antwort auf soziokulturell vorgegebene Anforderungen für das Darzustellende ist. De Lauretis konstatiert zwei generelle, textgenerierende Funktionen, die des mythischen, aktiven Subjekts der Handlung sowie des mythischen Hindernisses, das auf die passive Funktion eines Text-Bilds reduziert ist. Diese beiden werden gemäß der asymmetrischen Strukturierung des Geschlechterverhältnisses mit den Prinzipien von Männlichkeit und Weiblichkeit verschaltet. Weiblichkeit repräsentiert dabei nicht Identität, sondern die narrative Funktion, die Einlösung des aktiven Prinzips der Erzählbewegung im narrativen Schließen zu garantieren, indem sie als Konvergenzpunkt männlich konnotierter Blicksysteme und männlichen Begehrens generiert wird. Im filmischen Diskurs wird Weiblichkeit dann durch das filmische Narrativ, das vornehmlich über visuelle und narrative Register organisiert ist, als Konvergenzpunkt des männlichen Blicks und Begehrens konstruiert, um als Repräsentation ihrer angestammten narrativen Funktion die Garantie für die Einlösung des narrativen Schlusses geben kann. Daß es sich dabei um einen wohlkalkulierten Effekt der Apparatur selbst handelt, legt de Lauretis überzeugend dar, indem sie auf die doppelten Verfahren der Identifizierung hinweist, die für die Bedeutungskonstitution an sich unabdingbar sind.

180 Diese werden durch den Druck der Apparatur in ein eindimensionales überführt, wodurch weibliche rezipierende Subjekte zwangsläufig und unbewußt in die objekthaften Repräsentationen von Weiblichkeit einwilligen, obwohl sie als vollsozial konstituierte Subjekte an den historischen Ort Kino kommen.1 Dabei ergibt sich gerade durch die Analyse des Films Copykill, der mit dem klassischen Mechanismus einfacher Umkehrungen hinsichtlich der Figurenbesetzung operiert, daß de Lauretis These modifiziert werden muß. Ihre Behauptung, die narrativen Funktionen seien per se an das Geschlecht der auf der Leinwand sichtbaren Figuren gebunden, durch die sie repräsentiert werden, ist mit Blick auf die aktuelle Filmpraxis nicht in dieser verabsolutierten Form haltbar, obwohl sie im Endergebnis ihre Richtigkeit behält. Die Analyse von Copykill erbringt, daß hier scheinbar durch Umkehrungen die klassische Rolle des Helden durch weibliche Figuren repräsentiert ist. Bei genauer Betrachtung stellt sich jedoch heraus, daß dies zu keiner fundamentalen Veränderung der narrativen Funktionen führt, die den Prinzipien von Männlichkeit und Weiblichkeit zugeordnet sind. Im Gegenteil bleibt das Prinzip Weiblichkeit an die Position von diskursiver, aber auch körperlicher Unterlegenheit, auf Objekt- und Zeichenhaftigkeit fixiert. Damit ist die scheinbare Aufwertung nur ein oberflächlicher Effekt verfahrenstechnischer »Travestie«. Hinter dieser wird die Strategie entlarvt, optimaler auf konventionelle Weise mit dem Prinzip Weiblichkeit operieren zu können, es zuzurichten sowie stark zu regulieren. In radikalisierter Form kann de Lauretis These reformuliert werden: Dem Prinzip Weiblichkeit wird innerhalb der klassischen Ökonomie des filmischen Narrative per se keinerlei Zugang zum Status des aktiv-konstituierenden Prinzips gewährt, auch wenn es auf den ersten Blick durch Umbesetzungen auf der Leinwand so erscheint. Diese These wendet sich auch gegen liberal-feministische Positionen der Filmtheorie, die vor dem Hintergrund der Prämisse von der sozialen Konstruiertheit von Gender vom Status egalitärer Zugangsregeln zu Diskursformationen und Repräsentationsformen sowie zu Praktiken und sozialen Techniken für die Subjekte ausgehen. Die Möglichkeit zum »Empowerment« ist dann fragwürdig, gerade weil die durch die spezifischen filmischen Verfahrensweisen erzeugte Identität im Modus der Präsenz den Effekt darstellt, durch den sich das Subjekt als Quelle des diskursiven Ursprungs, als mit sich identische, intelligible Selbst-Präsenz wähnt. Diese Option steht dem weiblichen rezipierenden Subjekt in der klassischen Ökonomie des narrativen Kinos aber per se nicht zur Verfügung, da sie der Struktur der ödipalen Logik folgt. Wird dementsprechend diese Ökonomie akzeptiert, können sich die in diesem Modus antizipierten, vorstrukturierten Positionen von Männlichkeit und Weiblichkeit ungehindert reproduzieren. Wie dies spezifisch in Produktionen funktioniert, die ganz unterschiedliche Repräsentationen von Weiblichkeit erzeugen, zeigen die Analysen von Bandits, Workaholic sowie Baise-moi!. So wird ersichtlich, daß Film Diskurs im Sinne einer Gender-Technologie ist, die die eigene Nicht-Abschließbarkeit mit Hilfe von Mechanismen verdeckt, unter Ausschluß von Weiblichkeit die angestrebte Einheitlichkeit stetig besser einlösen zu können. Mitgesetzt ist aber gerade die Unmöglichkeit, kategorisch wirksam zu werden. Diese Tendenz findet sich noch in den allgemeinen filmtheoretischen Eine Bestätigung dieser These von der Wirkungsweise des hegemonialen filmischen Dispositivs ergibt der Blick auf den faktischen Umstand des weltweiten, immerwährenden Erfolgs eines Films wie Pretty Woman, insbesondere beim weiblichen Publikum.

181 Überlegungen, die das Potential ihrer epistemologischen Implikationen mit demselben Mechanismus wieder eindämmen. Der feministische Standpunkt ist in seinem Verfahren dann nur konsequent, wenn er dieses explizit für die Zwecke widerständiger Repräsentationsformen von Weiblichkeit in Anspruch nimmt, welche auf eben jene Problematik verweisen. Es besteht die theoretisch objektivierbare Möglichkeit, über die negative Kritik am logozentrischen System hinaus die Geschichte weiblicher Subjektivität zu »autorisieren«. Zur Vermeidung logozentrischer Fallstricke muß dann zunächst überprüft werden, wie Subjektivität generell sowie weibliche Subjektivität im spezifischen Fall jenseits verabsolutierender Mechanismen denkbar ist. Eindeutig kann dabei der kategorische Begriff von Weiblichkeit in keiner Hinsicht ins Spiel gebracht werden, um die filmischen Verfahren der Repräsentierbarkeit von weiblicher Subjektivität zu begründen. Die Begriffe einer »weiblichen Ästhetik«, eines »weiblichen Blicks« oder eines »spezifisch weiblichen Begehrens« bringen die im Geflecht sozialer Relationen immer schon wirksamen Tendenzen zur Vereinheitlichung der Muster und ihrer Repräsentation mit und schränken die Theorie dadurch ein. De Lauretis revidierter Genderbegriff bildet fur derartige Überlegungen ein doppeltes Fundament. Einmal macht sie im Zuge feministischer Selbstreflektion dessen epistemologischen Status transparent, lediglich der durch diskursive Mechanismen erzeugte, jeweils spezifische Effekt sozialer Positionierung(en) zu sein. Zum zweiten wird dadurch die inhärent widersprüchliche Disposition sozialer Positionierung von weiblicher Subjektivität transparent, als Objekt in den Epistemen westlicher Kulturen repräsentiert, als soziales Subjekt aber stets darüber hinaus heterogen durch eine Vielzahl anderer Aspekte konstituiert zu sein. Für ein nicht-kategorisches Verständnis weiblicher Subjektivität, das bewußt kein anti-essentialistisches ist, sind die Ebene theoretischer, kritischer Selbstreflektion und die des einzelnen gesellschaftlich positionierten Subjekts in wechselseitiger Bedingung unaufhebbar miteinander verknüpft. Nur damit können widerständige filmische Praktiken formuliert werden, die eben in dem Sinn nicht abstrahieren, daß sie diese Verschattung gerade als Möglichkeitsbedingung von weiblicher Subjektivität berücksichtigen. Für die filmischen Verfahrensweisen bedingt dies eine spezifische Form der Selbstreflexivität, wie die Analyse von Lola rennt demonstriert. Obwohl der Film bei höchster Selbstreflexion Weiblichkeit in der Funktion des aktiven Prinzips repräsentiert, reflektiert er nicht über dessen Status der Bedingtheit. Konsequenz daraus ist eine Funktionalisierung in glatter, umkehrungsverfahrenstechnischer Manier. Daß die Figur der Lola letztlich dennoch einen präferierten Ort in dieser filmischen Ökonomie erhält, ist ein unintendiert miterzeugtes Phänomen. Die Entwicklung widerständiger filmischer Verfahrensweisen geht dann, instrumenteil betrachtet, von Einschreibungen von Subjektivität aus, wie oben skizziert. Dabei ist die Absage an eine konventionell definierte Autor-Kategorie sowohl bei de Lauretis als auch bei Silverman konsequente Prämisse. Beide verstehen den Film als bedeutungskonstituierende Praxis, der sich nicht aus einer unifizierten Quelle des Bedeutungsursprungs speist. Vor allem de Lauretis macht auf die Bedeutsamkeit aufmerksam, daß Einschreibungen von Subjektivität lediglich dann überhaupt erfaßbar werden, wenn nicht ein einzelner Film als geschlossenes Werk womöglich als individueller künstlerischer Ausdruck, sondern als Kino im Sinne einer sozialen Apparatur, als kulturelle Technologie interpretiert wird. In Silveimans Konzeption einer »weiblichen« filmischen Textorganisation zeigt sich allerdings die Gefahr ei-

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ner zu starken Diskursivierung der Parameter. Weiblichkeit muß bei Silverman als Vertextungsverfahren radikal von jener Subjektivität, die in den sozialen Relationen gegeben ist, abgelöst werden, damit sie von den Wirkungen der mit dem Prinzip der sexuellen Differenz gegebenen Implikationen befreit ist. Problematisch an der Verschiebung der sexuellen Differenz in den Bereich des Diskursiven ist, daß umgekehrt die mit diesem Prinzip gegebenen Implikationen ausgestrichen sowie das Prinzip Weiblichkeit in der Funktion einer Schreibart instrumentalisiert wird. Ihre höchst selbstreflexiven Darstellungen leisten einen enorm wichtigen Beitrag zur Debatte feministischer Filmtheorie, durch den die filmtheoretische Debatte der Suture- und Apparatustheorien fundamental verändert und die feministische filmtheoretische Debatte enorm konstruktiv vorangetrieben wird. Gewinn ist dabei vor allem die Erkenntnis, daß Film in seiner bekanntesten Ausprägung des klassisch-narrativen Kinos eine paradigmatische Gender-Technologie darstellt, die mit Weiblichkeit reduktionistisch verfährt, um die eigene Geschlossenheit zu erreichen. Die programmatische Proklamation des »feministischen Films« wäre im Horizont dieser Erkenntnisse völlig verfehlt. Ihre doppelte Leistung besteht im Sichtbarmachen der Mechanismen von Ausschluß und Kohärenz sowohl in den allgemeinen filmtheoretischen Überlegungen als auch im filmischen Dispositiv, wodurch sie die Voraussetzungen des filmischen Diskurses sehr präzise skizzieren können. Sie zeigen, wie die kulturelle Formation Film mit mechanischen Setzungen per Reduktion konsistente Oberflächenstrukturen generiert. Aber ihr eigentliches Potential liegt insbesondere darin, aufzuzeigen, wie genau soziokulturelle Formationen über ihre Diskurse mittels Verfahren mit einem Individuum verschaltet sind, das in und durch die hierin verfügbar gemachten Parameter spezifisch konstituiert ist. Genau dies aber zeigt, daß Subjektivität immer schon der Effekt solcher Praxen ist. Gerade weil auch hier der Uberschuß konstitutive Funktion besitzt, geht dieser Effekt nie in den durch die Praktiken erzeugten Repräsentationsformen von Identität auf. Der Mechanismus der »experience« als partikularer Wirkung von Bedeutungseffekten am Ort des einzelnen Subjekts, wie in der filmischen Rezeptionssituation, ist zugleich dessen Selbstrepräsentation. Die Subjekte treten darin be-deutungsvoll in Erscheinung, und zwar nicht exklusiv partikular oder psychosexuell, sondern vollsozial (gesellschaftlich, individuell, psychosexuell, psychosozial, etc.). Hierin liegt die instrumentelle Basis fur das Verfahren des kritischen Wi(e)derlesens vorgängiger kultureller Texte, insbesondere narrativer Muster, wie sie für widerständige filmische Praktiken als Bedingung formuliert werden können. Eine Prämisse besagt dabei, daß so geschlechterspezifisch definierte Subjektivität immer nur durch den double bind von »subject of experience of gender« und »subject of feminism« existiert. Das gendermarkierte Subjekt bildet die partikulare Basis für das »feministische Subjekt«, in das es sich einschreiben kann und an dessen selbstreflexivem Wissen es reproduktiv sowie produktiven Anteil nehmen kann. Darin erschöpft sich allerdings dann der Status der Theorie, hierin sind ihre Grenzen zu sehen. Beide Ansätze verhalten sich darin lediglich konsequent, ihre eigenen Grenzen transparent zu machen, und sind in diesem Sinne nicht als aporetisch zu bezeichnen, wenn sie im instrumentellen Sinn keine Neuschreibung der Relation wechselseitiger Bedingtheit von filmischem Dispositiv und geschlechterspezifisch definierter Subjektivität vornehmen. Vor allem haben die Analysen der Filmproduktionen von Regisseurinnen, wie Orlando, Female Perversions sowie MURDER and murder ergeben, daß die Konzeptionen bereits auf pragmatischer Ebene umgesetzt werden und auch Wirkung erzielen.

Filmographie

Alien, R: Ridley Scott, USA 1979 A Life Less Ordinary, R: Danny Boyle, USA 1997 Aimée & Jaguar, R: Max Färberböck, D 1999 Baise-moi!, R: Coralie Despentes, F 2000 Bandits, R: Katja von Garnier, D 1997 Charlie's Angels 2000, R: Me G, USA 2000 Colors, R: Dennis Hopper, USA 1988 Copykill, R: Jon Amiel, USA 1995 Female Perversions, R: Susan Streitfeld, USA 1996 High Art, R: Lisa Cholodenko, USA 1998 Home for the Holidays, R: Jodie Foster, USA 1995 Lethal Weapon, R: Richard Donner, USA 1987 Lola rennt, R. Tom Tykwer, D: 1998 MURDER and murder, R: Yvonne Rainer, USA 1994 My Fair Lady, R: George Cukor, USA 1964 Nikita, R: Luc Besson, F 1989 Nur aus Liebe, R: Dennis Satin, D 1996 Orlando, R: Sally Potter, GB 1992 Paris Is Burning, R: Jennie Livingston, USA 1991 Pretty Woman, R: Garry Marshall, USA 1990 Set It Off, R: F. Gary Gray, USA 1996 Seven, R: David Fincher, USA 1995 Thelma & Louise, R: Ridley Scott, USA 1991 The Long Kiss Goodnight, R: Renny Harlin, USA 1996 The Piano, R: Jane Campion, GB 1993 When Night Is Falling, R: Patrizia Rozema, CAN 1995 Workaholic, R: Sharon v. Wietersheim, D 1996 Working Girl, R: Mike Nichols, USA 1988

Verzeichnis zitierter Literatur

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