Papst und Kaiser als Zwillinge?: Ein anderer Blick auf die Universalgewalten im Investiturstreit 9783412218362, 9783412224509

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Papst und Kaiser als Zwillinge?: Ein anderer Blick auf die Universalgewalten im Investiturstreit
 9783412218362, 9783412224509

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Papsttum im mittelalterlichen Europa BA N D 4

Herausgegeben von Jochen Johrendt und Harald Müller

Claudius Sieber-Lehmann

PAPST UND KAISER ALS ZWILLINGE? Ein anderer Blick auf die Universalgewalten im Investiturstreit

2015 BÖHLAU VERLAG KÖLN WEIMAR WIEN

Publiziert mit Unterstützung des Schweizerischen Nationalfonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://portal.dnb.de abrufbar.

Umschlagabbildung: Die Heidelberger Handschrift des Sachsenspiegels zeigt Papst und Kaiser gemeinsam auf dem Herrscherthron. Es handelt sich um einen Abschnitt, worin die Notwendigkeit einer guten Zusammenarbeit von geistlichem und weltlichem Gericht betont wird. (Siehe Eike von Repgow, Sachsenspiegel ed. Schott, Landrecht, Buch 3, Paragraph 63, S. 210).

© 2015 by Böhlau Verlag GmbH & Cie, Köln Weimar Wien Ursulaplatz 1, D-50668 Köln, www.boehlau-verlag.com Alle Rechte vorbehalten. Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist unzulässig. Korrektorat: Frank Schneider, Wuppertal Gesamtherstellung: WBD Wissenschaftlicher Bücherdienst, Köln Gedruckt auf chlor- und säurefreiem Papier ISBN 978-3-412-22450-9

Für



Mutscho

Zuckerkanderl und Rutschepeter ∞ Aemiliano Arnoldo

Inhalt Vorwort  . . ........................................................................................................................ 

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1. Einleitung  ................................................................................................................  11 2.  Alles wird anders  ...................................................................................................  2.1  Schimpfen, Zanken, Töten  ...........................................................................  2.2 Revolutionen?  .................................................................................................  2.2.1  Die Rechtsrevolution  ..........................................................................  2.2.2  La Mutation de l’An Mil  .....................................................................  2.2.3  „The First European Revolution“  ......................................................  2.2.4  Nationale und europäische Blickweisen auf das Hochmittelalter  . . ...........................................................................  2.3  Fromme Massenbewegungen, ein europäisches Phänomen  .........................................................................  2.4  Die Kirche: Frei und rein  .. ............................................................................  2.5  Der Kaiser und das Reich: Angesehen und verletzlich  ............................ 

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3.  Scheiternde Lösungsversuche und Verzweiflung  ...........................................  3.1  Die rechte Ordnung in der christlichen Welt geht verloren  ....................  3.2  Jakob und Esau, Perez und Serach, oder: Vom Unglück biblischer Zwillinge  .. ............................................................  3.3  Papst und Kaiser als Zwillinge: Eine Denkfigur, die scheitert  .. ...............  3.4  Dualität, aber nur mit Unterordnung  . . ....................................................... 

47 47

4.  Zwillinge statt Zwiespalt?  ...................................................................................  4.1  Zwillinge in Antike und christlichem Mittelalter  .. ...................................  4.1.1  Zwillinge, das verwirrende Wunder  ..................................................  4.1.2  Die antike Gesellschaft und ihre Zwillinge  .....................................  4.1.3  Geminal ≠ Dual: Sprachen und das geminale Prinzip  ..................  4.1.4  Das christliche Mittelalter und seine Zwillinge  .............................  4.2  Der kulturanthropologische Blick von außen: Zwillinge in Afrika und Amerika  ................................................................  4.2.1  Afrika: Andia und Ansèè  ...................................................................  4.2.2  Amerika: Luchs und Coyote  . . ........................................................... 

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Abbildungen  . . ...............................................................................................................  129

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Inhalt

5.  Papst und Kaiser: Zwei statt Zwillinge  .. ...........................................................  5.1  Wormser Konkordat als bloß duales Prinzip: Getrennt zusammenleben  . . ...........................................................................  5.2  Blutige Geschäfte für den weltlichen Arm  .................................................  5.3  Zweiheit trotz Sehnsucht nach Einheit: Das westeuropäische Spätmittelalter  .......................................................... 

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6.  Der Westen und die globale Gegenwart: Die Wiederentdeckung der Zwillingsspur?  . . ..................................................  163 7. Quellen  ....................................................................................................................  167 8. Literatur  . . .................................................................................................................  171 Personen und Orte  ......................................................................................................  195

Vorwort Die Idee zum vorliegenden Buch entstammt dem vergangenen Jahrhundert und reifte während vieler Jahre. Die Grundlage konnte dank eines Stipendiums der Alexander von Humboldt-­Stiftung erarbeitet werden, das mir erlaubte, während sechs Monaten am damaligen Max Planck-­Institut für Geschichte in Göttingen zu forschen. Dieses ideale Arbeitsumfeld in Göttingen besteht heute leider nicht mehr, ein großer Verlust für die Geschichtswissenschaft. Die Gespräche mit Otto Gerhard Oexle und Hans Medick sowie ein Vortrag, den ich vor den Mitgliedern des Max Planck-­Instituts halten durfte, brachten mir neue Erkenntnisse und erweiterten meinen Horizont entscheidend. Die Betreuung durch Karin Lentge und die Beherbergung bei Karl Sieverling trugen entscheidend dazu bei, dass ich in Göttingen ungestört meinen Forschungen nachgehen konnte. Im folgenden Dezennium ergab sich die Gelegenheit, meine Thesen erneut zu prüfen, als Bernhard Jussen deren Kurzfassung in den von ihm herausgegebenen Aufsatzband „Königsherrschaft“ (2005) aufnahm. Die endgültige Erarbeitung des vorliegenden Buches wurde erst mög­lich, als ich dank der Empfehlung von Claudia Märtl ein Honorary Fellowship des Historischen Kollegs in München für das Jahr 2012 erhielt. Die Freiwillige Akademische Gesellschaft Basel sprach mir aufgrund der Unterstützung durch Hanna Jenni einen namhaften Beitrag zu, um meinen Aufenthalt in München finanzieren zu können. Die Zeit in München erwies sich für die Fertigstellung als entscheidend. Die Diskussionen mit Claudia Märtl, Rudolf Schieffer, Wilfried und Martina Hartmann, Roland Zingg und Walter Koller sowie mit weiteren Mitgliedern der Monumenta Germaniae Historica halfen mir, viele Ungenauigkeiten zu klären. Besonders dankbar bin ich Veronika Proske für ihre Unterstützung bei kniffligen Recherchen sowie Wilfried Hartmann, der als ausgewiesener Kenner der Materie sich in großzügiger Weise die Zeit nahm, den ersten Entwurf einer kritischen Lektüre zu unterziehen. Hinzu kamen die wertvollen Gespräche mit Jörg Schwarz, Hubertus Seibert, Martin Wagendorfer und Carsten Kretschmann (jetzt Stuttgart) sowie Rudold Wackernagel. Die ruhige und ungestörte Arbeitsumgebung der Kaulbach-­Villa trug das Ihrige bei; für die umsichtige Betreuung und Unterstützung danke ich Karl-­Ulrich Gelberg, Elisabeth Hüls und Elisabeth Müller-­Luckner. Gleichzeitig begleitete meine persön­liche Umgebung die Entstehung d­ ieses Buches. Die Gespräche mit Martin Schaffner, Kaspar von Greyerz, Christoph Wegmann, Stephan Peter Bumbacher, Agnes Hess Bumbacher und Rosmarie Durach (Basel), Anne Mayor (Genf ), Beate Schuster (Straßburg) und Helmut Puff (Ann Arbor) brachten mich dazu, mein Anliegen klarer und zwingender zu formulieren.

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Vorwort

Dass Harald Müller und Jochen Johrendt das Manuskript akzeptierten und in die Reihe „Papsttum im mittelalter­lichen Europa“ aufnahmen, verbesserte die Erstversion noch einmal entscheidend. Jochen Johrendt trug als Kenner der hochmittelalter­lichen Papstgeschichte fehlende Informationen nach und drang auf einen klareren Aufbau des Buches. Dorothee Rheker-­Wunsch begleitete als Redaktorin des Böhlau-­Verlags die Drucklegung umsichtig. Schließ­lich ist dem Schweizerischen Nationalfonds zu danken, der einen gewichtigen Teil der Druckkosten übernahm. Mein Bruder Dominik las vor der Drucklegung noch einmal das Manuskript durch, und er fand, geschult dank Editionsarbeit, eine Reihe von Unstimmigkeiten, die ich noch so gerne tilgte. Für alle weiteren Versehen im vorliegenden Buch bin ich demnach alleine verantwort­lich. Mariette, Délia und Méline hörten mir zu Hause während Jahren geduldig zu, falls ich wieder einmal fasziniert vom Zwillingsphänomen sprach, und sie lächelten nachsichtig, wenn ich unterwegs abrupt stehen blieb, um Zwillinge zu bestaunen. Ohne diese liebevolle Begleitung wären meine Forschungen nie mög­lich geworden. Basel/Allschwil, Februar 2015

1.  Einleitung Der Gang nach Canossa: Ein finsterer Papst, ein bußfertiger König – die Ereignisse auf einer abgelegenen italienischen Burg im Januar 1077 eignen sich seit jeher für eine Geschichtsschreibung, die Freude an dramatischen Höhepunkten hat. Insbesondere für die deutsche Geschichtsschreibung gehört der so genannte Investiturstreit zu den unverwüst­lichen Th ­ emen, die sich bis heute auch eines großen Publikumsinteresses erfreuen; dies belegen die erfolgreichen Ausstellungen in Paderborn (2006) und Speyer (2011). Konfessionelle Gegensätze z­ wischen ultramontanen Katholiken und Protestanten im 19. Jahrhundert, die häufig beklagte „Schwäche“ des spätmittelalter­lichen Kaisertums und die damit verknüpfte Mythisierung ­älterer Kaisergestalten luden die hochmittelalter­lichen Konflikte z­ wischen sacerdotium und regnum immer wieder mit neuer, von der Tagesaktualität gespeisten Energie auf. Dass das 11. und 12. Jahrhundert für die europäische Geschichte einen g­ rundlegenden Wandel brachte, wird sowohl von der franzö­sisch- als auch eng­lischsprachigen Forschung immer wieder hervorgehoben. Allerdings steht dabei nicht der tief gehende Bruch z­ wischen Papst- und Kaisertum im Zentrum, wie er von der hiesigen Forschung immer wieder erörtert wird. Im deutschen Sprachraum geht es dagegen weiterhin um die zentrale Frage: Warum kam es zu dieser Auseinandersetzung? Welche Spuren hinterließ sie? Gab es keinen Ausweg? Das vorliegende Buch versucht eine einfache Frage zu stellen: Ließ sich der Bruch nicht vermeiden? Warum prägte so viel Bitterkeit den Konflikt? Als mög­liche Antwort und Ausweg wird das Bild einer Zwillingsherrschaft als Hypothese in den Raum gestellt: Papst und Kaiser, fried­lich vereint als Zwillinge, die sich gemeinsam von Gott, seinem Sohn und dem Heiligen Geist herleiten. Das berühmte Bild des Sachsen­ spiegels, das Papst und Kaiser in freundschaft­licher Umarmung zeigt und auf dem Buchumschlag abgebildet ist, lässt erahnen, dass selbst im Spätmittelalter noch ein Ausgleich erhofft wurde. Auf den ersten Blick scheint die kontrafaktische Zwillingsmetapher abwegig, aber eine Durchsicht der Streitschriften (Libelli de lite) zeigt überraschenderweise, dass eine ­solche Mög­lichkeit von den damaligen Intellektuellen in der Tat erwogen und am Ende immer verworfen wurde. Dabei erweist sich, dass Zwillingsvor­stellungen in der „mentalen Werkzeugkiste“ (Lucien Febvre) der Theologen des 11. und 12. Jahr­ hunderts keinen Platz fanden. Der Gedankengang lässt sich sogar erweitern: ­Zwillinge besitzen im jüdisch-­christ­lichen Weltbild keine herausragende Stellung, sondern treffen auf Abwertung und Verachtung, wie bereits die missglückte Beziehung von Jakob und Esau zeigt. Damit unterscheidet sich das christ­liche Europa grundlegend von antiken und außereuropäischen Kulturen. Castor und Pollux im antiken Rom, Luchs und Coyote in

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Einleitung

Amerindien, Andia und Ansèè in Afrika sind Denkfiguren, die dem mittelalter­lichen und vielleicht auch dem modernen Denken immer fremd blieben. Dem­entsprechend ließen sich Papst und Kaiser auch nicht als Zwillinge imaginieren, und indem eine geminale Lösung auf der ganzen Linie scheiterte, tritt der Bruch, den der Investiturstreit auslöste, umso deut­licher hervor. Statt Ausgleich und Ebenbürtigkeit ging es nach 1076 um Hierarchie und Macht­ anspruch, es ging darum, wer das Sagen hatte und wer schweigen musste. Ein Dialog war nur noch ansatzweise mög­lich; der Konflikt führte allzu häufig in das Gefängnis der jeweils mit Härte vertretenen eigenen Positionen. Aus dem runden Feld des Wettkampfs, den es zuvor z­ wischen den geist­lichen und welt­lichen Mächten immer wieder gegeben hatte, war ein zweigeteiltes Feld mit entgegengesetzten Bereichen geworden. Das Wormser Konkordat von 1122 brachte einen notdürftigen K ­ ompromiss, dessen Lösung sich mit dem modernen Ausdruck „Getrennt zusammenleben“ beschreiben lässt. Dabei wurden im Bereich des Rechts die Spielregeln entwickelt, mit denen sich die Parteien fortan begegnen mussten. Gleichzeitig markieren das Wormser Konkordat und die anschließenden recht­ lichen Kodifizierungen aber einen Wendepunkt in der Geschichte des Westens. Gratian und das römische Recht formten eine westeuropäische Kultur, die sich zuerst vom oströmischen Reich und ­später auch von anderen Gesellschaften grundsätz­lich unterschied. Der Weg des Westens entspringt also dem ungelösten Widerspruch z­ wischen geist­lichem und welt­lichem Bereich, was innerhalb der mittelalter­lichen Gesellschaft zu einer strikten Grenzziehung z­ wischen spiritualia und temporalia, ­zwischen dem geist­lichen und dem welt­lichen Arm führte. Diese Aufteilung stieß einen Prozess an, der ein säkulares Feld entstehen ließ, ein Phänomen, das außerhalb von Europa bis heute auf Unverständnis stößt. Und auf einer allgemeinen Ebene können wir angesichts des Streites ­zwischen sacerdotium und regnum beobachten, dass ein ungelöster Gegensatz eine Dynamik freisetzt, deren Folgen nicht abzusehen sind.

Einleitung

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Rembrandt Harmenszoon van Rijn, Jakob verkauft sein Geburtsrecht an Esau, entstanden ca. 1640/1641, vgl. Royalton-­Kisch, Drawings by Rembrandt and his Circle in the British Museum, S. 99. London, British Museum, Reg. No. Gg, 2.250

2.  Alles wird anders 2.1  Schimpfen, Zanken, Töten „Falscher Mönch, Wahnsinniger, sadistischer Gewalttäter, Betrüger, steige von ­deinem Thron!“ So der König Heinrich IV . und seine Anhänger im Jahre 1076 zu Papst G ­ regor VII.1 Diese grobe Sprache ließ sich noch steigern: Der Papst sei ein Mensch von „blutrünstigem Wahnsinn und hochmütiger Einbildung, ein Giftmischer und Pestbringer, der mit Schmiergeld arbeite, ein Ruhestörer und Hexer“2. „Frauenheld, Gruppenvergewaltiger, Killer, Meuchelmörder“ 3, entgegneten G ­ regor VII. und seine Partei 4. Dass Heinrich herumhure, ein Zuhälter sei, die Schändung seiner eigenen Schwester ermög­licht habe, homosexuell sei, die eigene Frau einem anderen Mann zugeführt habe, sich an Nonnen vergehe und den Sohn aus erster Ehe zum Ehebruch mit seiner zweiten Gattin veranlasst habe: Alle diese Vorwürfe wurden seit 1075 von den säch­sischen Gegnern des Reichsoberhaupts ­verbreitet, wobei sie offensicht­lich erfolgreich waren. Bereits 1076 wusste Gregor VII. von diesen Anschuldigungen 5. Auch Heinrich V., der Sohn und Nachfolger, wurde mit einem 1 Blütenlese aus den Briefen Heinrichs IV., ed. Erdmann, S. 12 – 20, verfasst 1076. Zum hoch­ emotionalen Briefwechsel ­zwischen Kaiser und Papst in den Jahren 1076/1077 vgl. Schieffer: Worms – Rom – Canossa. Der Hoftag von Worms im Januar 1076, an dem die ersten antipäpst­ lichen Schreiben verfasst wurden, zeigte noch eine hohe Übereinstimmung ­zwischen dem Kaiser und „seinen“ Bischöfen; dies änderte sich in der Folge schnell. Vgl. Weinfurter: Heinrich IV. und die Bischöfe. Umgekehrt misstraute Gregor VII. dem deutschen Episkopat bereits vor 1076, vgl. Tellenbach, West­liche ­Kirche, S. 172 – 176. Zur Person Heinrichs IV. vgl. Althoff: Heinrich IV., und das Porträt bei Weinfurter: Canossa – Entzauberung der Welt, S. 46 – 54. 2 MGH Constitutiones 1, ed. Weiland, Nr. 70, S. 118 – 120, Versammlung von Brixen 1080. Zum Verhältnis z­ wischen Gregor VII. und Heinrich IV. vgl. Tellenbach: West­liche ­Kirche, S.  178 – 201; Cowdrey: Gregory, S. 75 – 271. Später wurde Gregor VII. auch ein Liebesverhältnis mit Mathilde von Tuszien angedichtet, vgl. van Wijnendaele: Grégoire VII, S. 99 f. 3 Bruno, Sachsenkrieg, ed. Schmale/Schmale-­Ott, S. 197 – 211; der Text entstand vor 1093. 4 Zur Person Gregors VII. vgl. Cowdrey: Gregory; Blumenthal: Gregor VII.; Schieffer: Gregor VII., und das Porträt bei Weinfurter: Canossa – Entzauberung der Welt, S. 101 – 118. Einen Überblick über neuere Arbeiten zu seiner Persön­lichkeit bietet Hartmann: Investitur­ streit, S.  72 – 74. 5 Struve: Heinrich IV. ein Wüstling. Die Vorwürfe dienen dazu, die Absetzung H ­ einrichs IV. vorzubereiten (Althoff: Die letzten Salier, S. 85 – 87; vgl. auch Althoff: Biographie ­Heinrich IV ., S. 254 – 302); weitere Literaturhinweise bei Hartmann: Investiturstreit, S. 68 – 70. 1095 verbreitete seine zweite Gattin Adelheid (Eupraxia, Praxedis) ebenfalls

Schimpfen, Zanken, Töten

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Skorpion verg­lichen, er galt als verräterischer Judas und als Hund 6. Überhaupt waren abwertende Tiervergleiche in den Streitschriften sehr beliebt, sei es der Drache der Apokalypse, der sich aus Panther, Bär und Löwe zusammensetzt, seien es Wolf, Esel, Hund (mit überraschenderweise homosexueller Neigung), Löwe als Raubtier, F ­ liegen, Schwein, Schlange, Fuchs und der famose Basilisk 7. Die Auseinandersetzungen ­zwischen Papst und Kaiser schlugen auch auf das Klosterleben durch, wie Beispiele aus den Diözesen Lüttich und Metz zeigen, wo die Auseinandersetzungen mit allen mög­lichen Mitteln geführt wurden: Was nützte, war erlaubt 8. Allgemein lässt sich eine Verrohung beobachten, die sich darin äußerte, dass Bischöfe häufig bei Auf­ ständen ums Leben kamen 9. Derartige Schmähungen und die Heftigkeit der Auseinandersetzungen sind selbst heute noch ungewöhn­lich. Wenn sie aber rund 950 Jahre zurückliegen und wenn die damaligen Oberhäupter der west­lichen Welt sich derart bekriegten, so staunen wir doch sehr. Wie kam es dazu, dass die Zeit von 1076 bis 1122 als derart zänkisches Zeitalter erscheint? 10

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s­ chmutzige Geschichten aus ihrer Ehe; zu ihrer Person vgl. Theodor Schieffer: Artikel „Adelheid (Eupraxia, Praxedis)“, in: Lex.MA 1 (1980), Sp. 146. Dem Bild Heinrichs IV. widmete sich 2006 eine Tagung des Konstanzer Arbeitskreises für mittelalter­liche Geschichte, vgl. dazu Althoff: Einleitung Tagung Heinrich IV.; Althoff: Vorwürfe gegen Heinrich IV., und die weiteren Beiträge im erwähnten Band, insbesondere Patzold: Die Lust des Herrschers, der auf den Vorwurf sexueller Ausschweifungen eingeht. Schneidmüller: Kaisertum Heinrichs V., S. 42. Zu weiteren Schmähungen Heinrichs V. vgl. Tellenbach: West­liche ­Kirche, S. 222. Schneidmüller: Canossa – Das Ereignis, S. 37 spricht von regelrechten „gegenseitigen Vernichtungskampagnen“. Zur Person Heinrichs V. vgl. den Tagungsband von Lubich (Hg.): Heinrich V. Münsch: Tiersymbolik. Patzold: Monastische Konflikte, S. 284 f.: „Wenn es in diesen Turbulenzen, die mehr als 30 Jahre währten, überhaupt eine Regelmäßigkeit in der Praxis zu beobachten gibt, dann wohl diese: Genutzt wurde jeweils dasjenige Mittel der Konfliktführung, das in der aktuellen ­Situation am ehesten Erfolg versprach.“ Zu den Konflikten ­zwischen Päpsten und Klöstern vgl. auch Käuper: Äbte und Bischöfe. Kaiser: Mord im Dom; Karzel: Darstellung von Krieg und Gewalt, S. 67 – 80, wo auch die Gewalt gegen Kleriker beschrieben wird. König­liche Amtsträger wurden im entsprechenden Zeitraum nicht getötet (ebd., S. 97). Zur Einführung in die Epoche vgl. neben vielen anderen Werken Blumenthal: Investiturstreit; Keller: Deutschland im Imperium der Salier und Staufer; Jakobs: Kirchenreform und Hochmittelalter; Hartmann: Investiturstreit; Goez: Kirchenreform und Investiturstreit; Werner Goez: Artikel „Investiturstreit“, in: TRE 16 (1987), S. 237 – 247; Reinhardt Butz: Artikel „Investiturstreit“, in: HRG 2. Auflage 2 (2012), Sp. 1290 – 1296.

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Alles wird anders

2.2  Revolutionen? Tatsäch­lich zeigt eine Reihe spektakulärer Ereignisse in schneller Abfolge, dass sich das Verhältnis z­ wischen Papstgewalt (sacerdotium) einerseits und der Königsherrschaft (regnum)/Kaiserherrschaft (imperium) andererseits rapide verschlechtert hatte 11: Absetzung des Papstes 1076, Bannung des Königs 12, das berühmte Treffen von Canossa im Januar 1077 mit seiner kurzfristigen Versöhnung 13, der erneute Bruch ­zwischen den beiden, die Besetzung Roms durch die könig­lichen Truppen 1083, die 11 Der Ausdruck discordia regni et sacerdotii wird 1081 von Heinrich IV. in seinem Brief an Geist­lichkeit und Volk von Rom verwendet, um den Konflikt zu charakterisieren, vgl. Briefe ­Heinrichs IV., ed. Erdmann, Nr. 16, S. 22 f. Die Bezeichnung „Investiturstreit“ für den Konflikt ist in der deutschsprachigen Forschung seit dem 19. Jahrhundert üb­lich, er wider­spiegelt aber nicht die Wahrnehmung der Zeitgenossen, die vor allem der Zwist z­ wischen den ­beiden Oberhäuptern der Christenheit umtrieb; vgl. dazu die eingehende Quellenanalyse bei Schieffer: Der Investiturstreit im Bilde der Zeit nach 1122. Die plötz­liche Verschlechterung der Beziehung ­zwischen Gregor VII. und Heinrich IV. ist insofern überraschend, als der Papst 1074 dem König noch die römische K ­ irche zur Betreuung übergeben wollte, um in den Orient ziehen zu können, vgl. Schieffer: Gregor VII. und die Könige Europas, S. 204. Der Konflikt z­ wischen Papst und Kaiser war am spektakulärsten, er verdeckt aber die Tatsache, dass es weniger um das imperium, sondern um das regnum der Könige Europas ging: „Der zentrale Konflikt ­zwischen Heinrich IV. und Gregor VII. und dessen Nachfolgern kreist um die Wahrnehmung könig­licher Rechte, die ­zwischen den beiden Polen ‚normales‘ Königtum – ‚erweitertes‘ Königtum […] oszillieren“, vgl. Hehl: König, S. 12 f. 12 Es sind vor allem die Bannung/Exkommunikation Heinrichs IV. und die Lösung seiner Untertanen vom Treueid, die in der Geschichtsschreibung nach 1077 europaweit überliefert wird. Die Ereignisse in Worms und Canossa werden überraschenderweise weniger wahrgenommen, vgl. Schieffer: Worms – Rom – Canossa; zur Wichtigkeit des Treueids auch Körntgen: Sakrales Königtum, S. 143. Zur Geschichtsschreibung aus der Zeit des Investiturstreits mit ihren Eigenheiten (persön­liche Parteinahme, spätere Rückprojektionen, Einfluss älterer Traditionen, Ambivalenz der Chronisten, Orientierung an lokalen Konflikten, Wunsch nach Einheit, Nachhall, verzerrter Blick auf die Vergangenheit) vgl. Goetz: Investiturstreit in der deutschen Geschichtsschreibung. Zur Rezeption des Briefes von Gregor VII. an Hermann von Metz (15. März 1081, Reg. VIII, 21) vgl. die Fallstudie von Beulertz: Gregor VII. als Pub­ lizist, S. 20 – 28, wo insbesondere die harsche Reaktion der Papstgegner nachgezeichnet wird. 13 Zu den Ereignissen und ihrer Bedeutung vgl. Cowdrey: Gregory, S.  129 – 166; Weinfurter: Canossa – Entzauberung der Welt, S. 9 – 26; zur Forschungsgeschichte Hartmann: Inves­ titur­­­­­streit, S.  89  –  91. Die These von Fried: Pakt von Canossa, es habe sich um ein verabredetes Treffen zwecks Konfliktbeilegung gehandelt, dessen fried­liche Absichten von den jeweiligen Anhängern hintertrieben wurden, ist bis jetzt nicht auf Zustimmung gestoßen, auch wenn der Verfasser seine Ansicht noch einmal ausführ­lich darlegte (Fried: Canossa – Entlarvung einer Legende). Zur Debatte vgl. jetzt Hasberg: Nach Canossa gehen, und Weinfurter: Canossa als Chiffre, der die bekannten Fakten nüchtern aufzählt und vor allem darauf hinweist,

Revolutionen?

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Rückeroberung und Verwüstung der Petersstadt 1084 durch die Normannen und der Tod Papst Gregors VII. 1085 im Exil in Salerno: Neun Jahre voller überraschender Wendungen und dramatischer Situationen 14. Die geschilderten Szenen faszinierten seit jeher die historische Literatur, insbesondere in Deutschland, wo Bismarck den „Canossagang“ zum geflügelten Wort werden ließ 15. So ist die Rede von der „Entzauberung der Welt“ und dem Zerbrechen der „Einheit der Welt“16, von einer „Erschütterung der Welt“17, von einer „Revolution“18 oder „rivoluzione“19. Nicht nur innerhalb, sondern auch außerhalb des deutschen Sprachraums behandelt eine überraschend große Zahl neuerer historischer Darstellungen das 11. und 12. Jahrhundert als große Wende der europäischen Geschichte und als Epocheneinschnitt; unter dem reißerischen Titel „Millenium“ konnte sogar eine populärwissenschaft­liche Darstellung einige Aufmerksamkeit erregen 20. Die Anhänger einer dramatischen Darstellung sehen Umbrüche in den verschiedensten Lebensbereichen, und selbstverständ­lich treffen sie mit ihrer Sicht immer auf Kritikerinnen und Kritiker, die den langsamen Wandel oder sogar die Kontinuität alter Strukturen hervorheben 21. Im Folgenden werden deshalb die gängigen Thesen präsentiert, wie es im Hochmittelalter zu einem grundlegenden Bruch gekommen sei.

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dass Papst und Kaiser nicht in der Lage waren, ein doppeltes Spiel zu spielen und unter der Hand einen Friedensvertrag vorzubereiten. Leyser: Erste europäische Revolution, S. 25 hebt die „Plötz­lichkeit, ­dieses Unvorbereitetsein der Krise“ hervor. Das unglück­liche Ende Gregors VII. steht in scharfem Gegensatz zu den Er­­ rungenschaften seiner Nachfolger, insbesondere Urbans II. (Schieffer: Gregor VII., S.  100 – 102). Zu „Canossa“ und Bismarcks Diktum vgl. Zimmermann: Canossagang; Klenke: ­Bismarck und Canossa; Fried: Canossa – Entlarvung einer Legende, S. 147 – 157. Allgemein zur ­Rezeption von Canossa vgl. Golinelli: Rezeption Canossa; Menne: Canossa-­Rezeption im konfessionellen Zeitalter; Aust: Canossa in der erzählenden Dichtung; Pape: Canossa als politisches Argument. Weinfurter: Canossa – Entzauberung der Welt. Stiegemann/Wemhoff (Hg.): Canossa 1077 – Erschütterung der Welt. Leyser: Erste europäische Revolution. Cantarella: Rivoluzione. Holland: Millennium. Bezeichnenderweise setzt die Darstellung mit einer dramatischen Schilderung des Gangs nach Canossa ein. Zur Diskussion über die „revolutionären“ Aspekte des Hochmittelalters vgl. Hartmann: Investiturstreit, S. 122. Vgl. beispielsweise Tellenbach: West­liche ­Kirche, S. 268: „Gregor VII., seine Vorläufer und Mitkämpfer haben entscheidende Anstöße zu Veränderungen im Leben der K ­ irche und der Christenheit gegeben. Ihre Ideen ließen sich aber nicht rein verwirk­lichen, ihre Ziele nicht vollkommen erreichen. Ihr erster Anlauf ist gescheitert. Die Ordnungen des ihnen voran­gehenden Zeitalters zeigten eine bemerkenswerte Beharrungskraft, die herrschenden Werte blieben untergründig mitbestimmend auch für das weitere Geschehen. Es widerspräche ja auch aller ­his­­­­­­to­rischen Erfahrung, anzunehmen, dass die Traditionen von Jahrhunderten schnell verblassten.“

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Alles wird anders

2.2.1  Die Rechtsrevolution Bereits in den 1930er Jahren vertrat Eugen Rosenstock-­Huessy (1888 – 1973) die Ansicht, die Auseinandersetzung z­ wischen Papst und Kaiser sei die „erste europäische Revo­ lution“ gewesen 22. Damals entstehe die Grundlage für die europäische Rechts­tradition, denn im besagten Konflikt hätten die Parteien ihre Position recht­lich absichern ­müssen. Auf diese Weise sei es zu den ersten großen und ­später verbind­lichen Rechts­ sammlungen gekommen: Gratian entwarf eine Systematik des kirch­lichen (kano­ nischen) Rechts; die Bologneser Juristen eigneten sich das spätantike Kaiserrecht an, um die Position der welt­lichen Herrschaftsträger zu stärken. Der National­sozialismus verhinderte eine breite Diskussion von Rosenstock-­Huessys These, aber 1983 erschien in Amerika das Buch seines Schülers Harold J. ­Berman, das bereits mit dem Titel „Law and Revolution“ diese Sichtweise noch einmal pointiert formulierte 23. Der große Erfolg von Bermans Werk führte 1991 zu einer Übersetzung ins Deutsche, so dass die päpst­liche Rechtsrevolution wieder zu einem Thema der mediävistischen Forschung wurde 24. Dass die europäische Rechtswissenschaft im 11. und vor allem im 12. Jahr­hundert auf eine neue Grundlage gestellt wurde, ist unbestritten. Dabei handelte es sich für beide Konfliktparteien zuerst um eine sch­lichte Notwendigkeit, wie eine Szene aus dem Jahre 1085 zeigt. In Gerstungen stritten päpst­liche und kaiser­liche Partei; Letztere gewann den Disput, weil sie eine Handschrift zur Verfügung hatte, worin – dank einem geschickten Stichwortverzeichnis – jeweils sofort ein juristisches Gegen­ argument zur Hand war 25. Die Anhänger des Papstes lernten ihre Lektion schnell und 22 Zu Rosenstock-­Huessy vgl. Vollrath: Universaler Blick auf Könige und Päpste des Mittelalters. Zur „Rechtsrevolution“ vgl. die Übersicht bei Hartmann: Investiturstreit, S. 122 f. 23 Berman: Recht und Revolution. Zu Irrtümern und Ungenauigkeiten in Bermans Werk vgl. die Rezension von Fuhrmann: in: DA 48 (1992), S. 334 f. sowie Schieffer: Papal Revo­ lution. Einen grundlegenden Wandel des europäischen Rechtssystems im Hochmittelalter sieht auch Prodi: Una storia della giustizia. 24 Vgl. den Sammelband von Violante/Fried (Hg.): Il secolo XI: una svolta?; Jakobs, Kirchen­reform und Hochmittelalter, Register S. 352, Papsttum/Papstrevolution, wo mehrmals auf das Buch von Berman verwiesen wird. Zu weiteren Vertretern der Revolutionsthese vgl. Melve: Inventing the Public Sphere, S. 3. Hartmann: Investiturstreit, S. 122, allerdings mit deut­licher Distanz („Das 11. Jahrhundert als Zeit der Wende oder gar der Revolution“). Die Revolutionsthese von Berman wurde in der deutschen Mediävistik nicht akzeptiert, wo eher von „Wende“ die Rede ist, vgl. Borgolte: Das Hochmittelalter im Urteil der Modernen, S. 238 – 244. Kritisch zum Revolutionskonzept auch Herbers: Europa an der Wende, S. 12. Historiker der Neuzeit greifen aber die Revolutionsthese wieder auf, vgl. Winkler: Geschichte des Westens, S. 52 – 61 und Anm. 106. 25 Fuhrmann: Zitatenkampf von Gerstungen.

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machten sich daran, das Kirchenrecht zu systematisieren. Gregor VII. selber hatte bereits früher seinen Kollegen Petrus Damiani um eine knappe Zusammenfassung des Kirchenrechts gebeten 26. Er selber hielt das Gewohnheitsrecht (consuetudo) für fragwürdig und verlangte, dass entsprechend dem Wahrheitsgebot gehandelt werde; dies schloss auch die Einführung neuer, vom römischen Stuhl gebilligter Gesetze ein 27. Die Entwicklung der Kanonistik, vor allem aber auch der immer wieder zitierte Dictatus Papae haben die Forschung einen „Großen Plan“ der päpst­lichen Partei vermuten lassen. Beim Dictatus Papae handelt es sich um eine Liste von Rechtssätzen, die letzt­lich dem Papst die Oberherrschaft über die west­liche Welt einräumen; der Text taucht 1075 überraschend in den Briefen Gregors VII. auf. Gegenüber der älteren Forschung mit ihrer Vorstellung, in Rom sei seit langem eine antikaiser­liche Strategie geschmiedet worden, wird heute zu Recht festgehalten, dass es sich vermut­lich um ein persön­liches „Konzept“ handle, das überhaupt nicht für eine Veröffent­lichung gedacht gewesen sei. Bemerkenswert bleibt allerdings, mit welcher Selbstverständ­ lichkeit hier die päpst­liche Oberherrschaft eingefordert wird 28. Andererseits war Gregor VII. kein Kenner des Rechts 29, und die Formulierungen in seinen Briefen wurden in die späteren Sammlungen des Kirchenrechts kaum übernommen 30. Seine 26 Vgl. dazu Damiani, ed. Reindel, Briefe, Bd. 2, Nr. 65, S. 229. Damiani beantwortet eine Anfrage Hildebrands, des späteren Gregors VII. ­Der Brief wurde bereits im Dezember 1059 abgefasst: „Um diese Sache hast Du mich in feinsinniger Weise – wie Du ja auch vieles andere erwägst – häufig aus überwältigender Liebe gebeten, näm­lich dass ich die Beschlüsse und Taten der römischen Päpste durchgehe und das, was zum Ansehen des aposto­lischen Stuhles besonders zu passen scheint, hier und da sorgfältig exzerpiere und anschließend zu einer Einheit in einem kleinen Buch durch eine neue Technik des Zusammenfassens zusammenschmelze.“ Zum Verhältnis ­zwischen Gregor VII. und Petrus Damiani vgl. Cowdrey: Gregory, S. 39 – 43. 27 Zum Zitat ego non sum consuetudo, sed veritas vgl. Tellenbach: West­liche ­Kirche, S. 246. 28 Schieffer: Gregor VII ., S. 34 – 37; zur geringen Verbreitung des Dictatus vgl. bereits Schieffer: Rechtstexte des Reformpapsttums, S. 56 – 62. Schieffer lehnt allgemein das Konzept der „Rechtsrevolution“ ab, vgl. Schieffer: Papal Revolution. Die bisherige Forschung zum D ­ ictatus ist bei Hartmann: Investiturstreit, S. 87 – 90, verzeichnet. Blumenthal: ­Gregor VII ., S. 5 – 15 erklärt die schroffen Sätze des Dictatus mit der Romzentriertheit ­Gregors VII. und dem damit verbundenen Machtanspruch in geist­lichen und davon ab­­ geleitet auch in welt­lichen Angelegenheiten. 29 Fuhrmann: Reformpapsttum und Rechtswissenschaft, S. 187 f.; Fuhrmann: Gregor VII. und das Kirchenrecht; Cowdrey: Gregory, S. 495 hebt die praktischen Kenntnisse Gregors VII. hervor, der sich weniger um die Erhellung kirch­licher Dogmen kümmerte; zur Komplexität seines Charakters und seiner Anpassungsfähigkeit vgl. ebd., S. 683 – 698. 30 Gilchrist: Reception of Pope Gregory VII. ­Eine Ausnahme bildet der berühmte Brief Reg. VIII, 21 vom 15. März 1081 an Hermann von Metz; die darin vorgetragenen Argumente wurden in italienische und (südwest-)franzö­sische Rechtsbücher aufgenommen, vgl. Beulertz: Gregor VII. als Publizist, S. 15 f.

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eigent­lichen Fähigkeiten lagen bereits früh auf administrativem Gebiet, und unter ihm begann die römische Kurie international zu agieren 31. So sandte er Legaten aus, die den Machtanspruch der Universalkirche repräsentierten 32; diese waren in der Lage, simonistische Bischöfe und Äbte abzusetzen, ohne dass sie dafür welt­liche Hilfe brauchten. „Szenen solcher Art machen bewusst, dass es sich im Kern eben nicht um einen politischen Interessenkonflikt handelte, in dem die größere Schlagkraft obsiegte, sondern um einen Zwiespalt über Recht und Autorität, in dem es den Gregorianern zunehmend gelang, mora­lisch die Oberhand zu gewinnen und dadurch die Er­­bitterung ihrer Widersacher zu lähmen.“33 Gregor VII. steigerte aber auch die Kontakte zu den verschiedenen Monarchien, wobei Rundschreiben als Kommunikationsmittel eingesetzt wurden 34. Im Gegenzug kamen auch viele Personen nach Rom, sei es, dass sie um Vergebung für ihre Ver­ fehlungen baten, oder um sich des päpst­lichen Schutzes zu versichern 35. In strittigen Rechtsfällen wurde immer häufiger der Papst angerufen 36. All dies bestätigte indirekt

31 Zur Tätigkeit Gregors als Archidiakon und seinem organisatorischen Talent vgl. Cowdrey: Gregory, S.  30 – 39; Schieffer: Gregor VII., S. 31 f. Zur Entwicklung des Papsttums (wachsender Zentralismus, imitatio imperii) vgl. Hartmann: Investiturstreit, S.  96 – 98; Johrendt: Gregor VII. in Konflikt und Krise, S. 22: „Bei der Wandlung der Qualität des Anspruchs und der Aktivität sowie geographischen Reichweite päpst­licher Handlungen stellt der Pontifikat Gregors VII. eine entscheidende Stufe dar.“ Zur anschließenden „Homogenisierung der lateinischen ­Kirche im Hochmittelalter“ vgl. den Sammelband von Johrendt/Müller: Rom und die Regionen. 32 Unter Gregors VII . ­Vorgängern spielte das Legatenwesen kaum eine Rolle. Vgl. dazu Tellenbach: West­liche K ­ irche, S. 66 f. Zur Entwicklung des Legatenwesens Cowdrey: Gregory, S.  592 – 596; Blumenthal: Gregor VII., S.  202 – 219; S.  296 – 298; Zey: Eigenschaften und Vollmachten; dies., Erforschung des päpst­lichen Legatenwesens; Vollrath, Überforderte Könige, S. 32 – 34. 33 Schieffer: Papal Revolution, S. 28. 34 Schieffer: Gregor VII ., S. 14; S. 39 f.; S. 55 f. Tellenbach: West­liche ­Kirche, S. 176 – 178; S. 259 hebt hervor, dass die Beziehungen Gregors VII . zu vielen Königen, deren Reiche fern lagen (Norwegen, Dänemark, Ungarn, Polen, Serbien, Spanien usf.), frei von Konflikten war. Weitere Ausführungen zur Intensivierung der päpst­lichen Kommunikation bei Cowdrey: Gregory, S. 58 – 65 und die jeweiligen Länderkapitel; Schieffer: Gregor VII . und die Könige Europas, S. 192, mit Hinweisen auf Standardisierung der Briefformulare; Wetzstein: Papsttum und neue Kommunikationsräume; ders:, Canossa und Kommunikationsgeschichte, S. 118 f. 35 Zur „Instrumentalisierung der Äbte durch die Päpste“ vgl. Käuper: Äbte und Bischöfe, S. 317. Grundsätz­lich verziehen Gregor VII. und seine Nachfolger ziem­lich schnell etwaige Fehltritte, wenn die betroffenen Bischöfe und Kleriker ihre Schuld bekannten. Wichtig war einzig die Anerkennung der päpst­lichen Oberhoheit, vgl. Tellenbach: West­liche ­Kirche, S. 210 f. 36 Müller: Delegierte Richter.

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den päpst­lichen Leitungsanspruch 37, wie dies auch die päpst­lich geleiteten Synoden taten 38. Der Reformpapst verfügte auch über gute Kenntnisse fremder Länder, da er viel reiste 39. Hinzu kamen unzweifelhaft eine gewisse Hartnäckigkeit und auch seine – nicht sehr christ­liche – Bereitschaft, im Extremfall zum Schwert zu greifen 40. Gregor VII. leitete vieles in die Wege, dessen Folgen er weder beabsichtigte noch erlebte: So lässt sich sein Wirken wohl am besten charakterisieren 41. Als Fazit zum Konzept der „Rechtsrevolution“ bleibt festzuhalten, dass sie nicht geplant war, sondern Argumentationsnotständen entsprang 42. Auf den ersten Blick 37 Zum päpst­lichen Primat im geist­lichen Bereich vgl. Tellenbach: West­liche ­Kirche, S.  236 – 240. 38 Zu den päpst­lichen Synoden als Mittel, die päpst­liche Verfügungsgewalt zu dokumentieren, vgl. Tellenbach: West­liche ­Kirche, S. 243 – 245. 39 Schieffer: Gregor VII., S. 38. 4 0 Cowdrey: Gregory, S. 56 – 58; S. 650 – 658 zur Bereitschaft des Papstes, notfalls auch zum Schwert zu greifen; Schieffer: Gregor VII., S. 33, stellt fest, dass Gregor VII. in seinen e­ rsten 17 Briefen drei Mal das Zitat aus Jeremias „Verflucht sei der Mensch, der sein Schwert am Blutvergießen hindert“ ( Jer. 48.10) anführt. Auf seine Initiative geht auch die Einrichtung einer päpst­lichen Miliz zurück (ebd., S. 28), er will selber einen Kriegszug in den Orient anführen (ebd., S. 44), er verbündet sich mit den kriegerischen Normannen (S. 24 f.) und will sogar an der Spitze eines ihrer Heere stehen (S. 81 f.). Vgl. auch Blumenthal: Gregor VII., S.  123 – 136; S. 242: „Zeit seines Lebens fühlte sich Gregor als Krieger mitten im Schlachtenlärm.“ Zur Akzeptanz von Gewalt in den Reihen der Kirchenreformer vgl. Althoff: Gregorianisches Amtsverständnis; ders: Päpste und Gewalt. Gewaltbereitschaft zeigt sich aber bereits im frühen Christentum bei der Bekämpfung von Häretikern, wie Martin Ohst in seiner Rezension von Althoffs Werk kritisch bemerkt (H-Soz-­u-­Kult, 28. 08. 2013, http://hsozkult.geschichte. hu–berlin.de/rezensionen/2013 – 3 – 111). 41 Cowdrey: Gregory, S. 697: „He was the towering forerunner and prophet of the papal monarchy of the central Middle Ages, but not its architect or builder“; Schieffer: Gregor VII., S. 101: „Weit mehr wird die Wirkung seines Pontifikats greifbar, wenn man weniger die Verbreitung seiner Lehren als die Nachhaltigkeit der von ihm beförderten Entwicklungen betrachtet. Die rapide Zuspitzung des Kirchenrechts auf den römischen Primat als tragenden Grund, die Etablierung zentraler Synoden der lateinischen Gesamtkirche, die Intensivierung des päpst­lichen Legatenverkehrs und die Entstehung kurialer Behörden, auch die Flut der einzeln erbetenen Privilegien und Dekretalen des 12./13. Jahrhunderts sind ohne das Auftreten Gregors VII. so wenig zu erklären wie die gleichzeitige Relativierung des Kaisertums und die immer bewusstere Differenzierung von Klerus und Laien, von geist­licher und welt­licher Gewalt.“ 42 Zur Rechtsentwicklung vgl. Jakobs: Kirchenreform und Hochmittelalter, S. 205 – 212; Hartmann: Investiturstreit, S. 120 f.; Taylor: Law in the Middle Ages; Melve: Inventing the Public Sphere, S. 27 f., der S. 33, Anm. 160 treffend bemerkt: „It was less intellectual zeal created by the struggle than necessity that led to the later science of law.“ Der Beizug legaler Argumente veränderte sich aber im Verlauf des Konflikts (ebd., S. 649): „The legal argument developed along similar lines: its subordinated, albeit not demonstrative, use in the early-­period

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waren vor allem die Päpste erfolgreich. Sie hatten sich gegen die Kaiser durchgesetzt, sie standen an der Spitze der westeuropäischen Christenheit und konnten mit der Unterstützung der europäischen Könige und Fürsten außerhalb des Reichs r­ echnen. Die Stellvertreter des Heiligen Petrus sicherten ihren Erfolg ab, indem sie ihre Herrschaft mit dem Recht begründen konnten 43. Auch wenn der Ausdruck „Rechts­ revolution“ über das Ziel hinausschießt, so kann kein Zweifel daran bestehen, dass das ausgehende 11. und vor allem das 12. Jahrhundert einen bisher nie dagewesenen Aufschwung der Rechtswissenschaft mit sich brachten, zusammen mit einer Verschrift­ lichung zum Zweck der Herrschaftsstabilisierung 44. Ältere Gesetzessammlungen wurden zusammengetragen und in systematisch organisierte Handbücher ein­­­ge­ ordnet, wie Magister Gratian dies mit seinem berühmten Decretum erreichte, dessen zweite Redaktion in den frühen 1440er-­Jahren publiziert wurde 45. Indem Gratian widersprüch­liche päpst­liche Erlasse einander gegenüberstellte, ihre Verbind­lichkeit erwog und schließ­lich eine Entscheidung in der solutio contrariorum fällte, legte er nicht nur seine Argumentation offen dar, sondern er führte die bis heute gültige Rechtsfindung im Wechselspiel von Pro und Kontra vor 46. Mit seinem Werk war es mög­lich, bei Streitigkeiten zuverlässig die Ansprüche des Heiligen Stuhls, aber auch der Bischöfe und des gesamten Klerus nachzuweisen. Die kirch­liche Gesetzgebung beschränkte sich aber nicht nur auf die Geist­lichkeit, sondern bestimmte auch das

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polemics was supplemented by the use of legality as an abstract point of comparison. In short, rather than simply referring to a legal authority, the legal basis of an entire case was abstracted and presented as a comparative point of departure for addressing the contended issues.“ Neuere Publikationen zum Kirchenrecht stellt Fried: Kanonistik und Mediävistik, vor. Die neuste Übersicht stammt von Hartmann/Pennington (Hg.): History of ­Medieval Canon Law. Zum Weiterwirken der päpst­lichen „Rechtsrevolution“ im 12. Jahrhundert vgl. Bisson: Crisis, S.  415 – 4 24. Johrendt/Müller (Hg.): Rom und die Regionen, S. 8, sehen ebenfalls eine wachsende „Homogenisierung“ im Verlauf des 12. Jahrhunderts: „Der Begriff [der Homogenisierung] meint die multiple, interaktive Verständigung auf grundsätz­liche gemeinsame Praktiken des Verhaltens und der Kommunikation, eine gewisse Standardisierung von Ordnungs- und Handlungsschemata. Sie fiel im Bereich des Rechts klarer aus als im Bereich der Liturgie, setzte im einen Fall stärker beachtete Leitmarken als im anderen, führte gleichwohl aber zu einer auf einen gemeinsamen Bezugspunkt hin ausgerichteten Gesamtkirche.“ Vgl. dazu den Forschungsüberblick bei Hartmann: Investiturstreit, S. 117 – 121. Die Tendenz zur Verschrift­lichung lässt sich besonders deut­lich bei Mathilde von Canossa beobachten, vgl. Goez: Mathilde von Canossa, S. 337. Vgl zu Gratian und zur Entwicklung der Dekretistik den Überblick bei Hersperger: ­Superstitio, S.  31 – 69. Zur Leistung Gratians, das vorhandene Kirchenrecht zu ordnen, was ihm nicht mit durch­ schlagendem Erfolg gelang, vgl. Meyer: Ordnung durch Ordnen, S. 331 – 349. Zur Neuartigkeit der solutio contrariorum vgl. Hersperger: Superstitio, S. 50.

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Leben aller Menschen, denn in Ehe- und Familienfragen behauptete das Kirchenrecht – die Kanonistik – seine zentrale Stellung und baute sie aus 47. Gleichzeitig beeinflusste sie die Entstehung eines öffent­lichen, welt­lichen Strafrechts 48. Parallel zum Vorgehen Gratians, der die überlieferten Rechtstexte nicht nur zusammen­stellte, sondern auch bewertete, lässt sich beobachten, dass mit dem Konflikt ­zwischen Kaiser und Papst auch eine neue Streitkultur entstand. Nun reichte es nicht mehr, Lehrmeinungen zusammenzustellen; Argumente mussten vorgebracht werden, um die gegnerische Seite zu widerlegen und im Idealfall von der eigenen Sache zu überzeugen. Diese Diskussionskultur hatte ihren festen Platz an den neu gegründeten Universitäten, sie wirkte aber weiter und hinterließ auch Spuren in der Geschichtsschreibung 49. Um der Kodifikation des kanonischen Rechts mög­lichst erfolgreich entgegen­ zutreten, griffen die welt­lichen Herrscher ihrerseits auf alte Rechte zurück, insbesondere das sa­lische Herrscherhaus 50, aber auch die päpst­liche Parteigängerin Mathilde

47 Zur nachhaltigen Wirkung des kirch­lichen Eherechts auf die Situation der Frau im Gefolge des Investiturstreits weist Fried: Formierung Europas, S. 27, hin. 48 Kéry: Gottesfurcht, S. 6: „Schließ­lich hat die mit der Gregorianischen Reform in der zweiten Hälfte des 11. Jahrhunderts einsetzende Ausrichtung des Kirchenrechts auf eine Zentralisierung und Hierarchisierung innerhalb der ­Kirche, die gerade auch in juristischer Hinsicht immer mehr zu einer ‚Papstkirche‘ wird, auch die Grundlagen für die Entstehung eines ‚öffent­lichen Strafrechts‘ innerhalb der K ­ irche gelegt, dessen über den innerkirch­lichen Bereich hinaus­ weisende, allgemeingültige Prinzipien, vor allem etwa auf dem Feld des Verfahrensrechts, auch zum Vorbild für das welt­liche Strafsystem werden konnten.“ 49 Goetz: Geschichtsbewusstsein und Frühscholastik, S. 199 sieht im Investiturstreit einen „Motor der Entwicklung“, denn zum ersten Mal seit den spätantiken Kirchenvätern seien die Intellektuellen wieder mit gegnerischen Ansichten konfrontiert und zu Argumentationen gezwungen worden. Dies lässt sich auch in der Geschichtsschreibung beobachten, die sich in die geistesgeschicht­liche Wandlung des Zeitalters einfügt: „Vollständigkeit und Zusammen­ fassung, Gesamtbild und Erklärung, innere Kongruenz, Suche nach der richtigen Über­lieferung, Aufdeckung von Widersprüchen und rationale Argumentation“. 50 Weinfurter: Ordnungswandel; Struve: Die Salier und das römische Recht, S. 61 – 63 hebt hervor, dass das sa­lische Herrscherhaus bereits vor der Rezeption die Wiederaneignung des römischen Rechts förderte. Bezeichnenderweise wird nun auch das römische Delikt des Majestätsverbrechens herangezogen, um Vergehen zu ahnden (ebd., S. 12 – 20); weitere Hinweise zur Rezeption bei Struve: Herrscher im Konflikt, S. 67 f. Die Wichtigkeit der Legisten zeigt sich beim Italienzug Heinrichs V. in den Jahren 1116 – 1118, als er Gelehrte des römischen Rechts aus Bologna beizog, um seine kaiser­liche Stellung juristisch zu rechtfertigen, vgl. Zey: Romzugsplan Heinrichs V., S. 481, mit Hinweisen auf ältere Forschung. Zur diesbezüg­lichen Forschung vgl. Hartmann: Investiturstreit, S. 103 f. Die Entwicklung der Rezeption römischen Rechts bis in die Zeit Friedrich Barbarossas schildert Ullmann: Von Canossa nach Pavia.

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von Canossa, wenn sie ihre Hoheitsrechte bedroht sah 51. Die kaiser­lichen Juristen griffen auf die juristischen Sammelwerke der römischen Antike zurück und beriefen sich auf die dort festgehaltenen Rechte, die Imperatoren wie Augustus und seine Nach­ folger innehatten 52. Damit fand die Wissenschaft vom Kaiserrecht, die Legistik, ihren Weg an die Universitäten, insbesondere in Italien. Die Rechtsprechung der antiken Herrscher war nicht nur umfassend und diente somit den Zielen der mittelalter­lichen Kaiser, sondern sie genoss auch ein besonderes Ansehen, da sie mindestens so alt war wie die Ansprüche der Päpste 53. Dennoch besaß die Argumentation der welt­lichen Seite insgesamt weniger Durchschlagkraft als diejenige der päpst­lichen Partei 54. Neben dem Rückgriff auf antike Grundlagen welt­licher Herrschaft nahm die könig­ liche Partei auch zum Mittel der Fälschung Zuflucht. Sie unterschob den Päpsten des 10. Jahrhunderts eine Reihe von Privilegien, die den Kaisern Karl dem Großen und Otto I. eine Reihe von Sonderrechten eingeräumt hätten, unter anderem die Wahl des Papstes und die Einsetzung von Bischöfen sowie Erzbischöfen vor der Weihe. Allerdings verfing diese Argumentation kaum, da bei diesen angeb­lichen Privilegien erneut die Päpste als Quelle allen Rechts auftraten und somit eigent­lich über den beschenkten Kaisern standen 55. Die päpst­liche Seite setzte ebenfalls und vor allem erfolgreicher auf erfundene Texte, indem sie „Geschenke“ der antiken Kaiser an die ­Kirche geltend machte. Das berüchtigste Beispiel ist die „Konstantinische Schenkung“, worin Kaiser ­Konstantin angeb­lich dem Nachfolger des Heiligen Petrus die Herrschaft über das gesamte

51 Vgl. Goez: Mathilde von Canossa, S. 324 – 329. 52 Zum expliziten Rückbezug auf die Antike vgl. die Belege bei Struve: Die Salier und das römische Recht, S. 21 – 24. 53 Zur Rezeption des römischen Rechts unter Barbarossa und der damit verbundenen „Säku­ larisierung“ vgl. Ullmann: Von Canossa nach Pavia, insbes. S. 297; Hehl, König, S.  18 – 24. 54 Vgl. Weinfurter: Canossa – Entzauberung der Welt, S. 171: „Die könig­liche Partei geriet auch nach Gregor VII. immer wieder in die argumentative Defensive. Gegen die ekklesiolo­gische Argumentation der Reformer konnte man sich kaum behaupten. Die Betonung des sakralen Charakters des Königtums barg sogar die Gefahr in sich, eine Stärkung des Einflusses durch die ­Kirche hervorzurufen. Der Versuch wiederum, das Königtum auf den welt­lichen Herrschaftsbereich zu beschränken, bedeutete die Preisgabe der sakralen Legitimierung des Herrschers, auf dem sein Vorrang in der Welt begründet war. Der Rückgriff auf das römische Recht bot vielleicht einen Ausweg, aber er wurde doch erst in Ansätzen nutzbar gemacht. Immerhin war der Weg gewiesen: der Ausbau des Staatswesens zu einer recht­lich abgeschlossenen Körperschaft auf der Grundlage einer allgemein verbind­lichen lex, eben des römischen Rechts.“ 55 Vgl. Harald Zimmermann: Artikel „Investiturprivilegien“, in: Lex.MA 5 (1991), Sp. 1879 f.; grundlegend Märtl: Die falschen Investiturprivilegien, insbesondere S. 76, wo die ­Fälschungen in den Zeitraum z­ wischen 1085 bis kurz nach 1100 datiert werden; es ist anzunehmen, dass die Urkunden in Italien fabriziert wurden.

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Weströmische Reich übertrug; erst im 15. Jahrhundert konnte die Urkunde als plumpe Fälschung enttarnt werden 56. Wie sehr die Päpste ihre Herrschaft als imitatio imperii, als Nachahmung des Kaisertums, verstanden, zeigte sich auch bei ihrem Amtsantritt, wo antike Herrschaftsinsignien (Purpurmantel, Herrscherstab) zum Einsatz kamen 57. Die „Verrecht­lichung“ der mittelalter­lichen Gesellschaft förderte schließ­lich nicht nur die Rechtswissenschaft an den Universitäten wie Bologna, sondern führte auch zum neuen Berufsstand des Juristen, der als Notar oder Gelehrter bei allen ­Geschäften zur Verfügung stand, die einer besonderen Absicherung bedurften 58. Wer einen Doktor­titel in beiden Rechten – Kanonistik und Legistik – besaß, fand immer ein Auskommen, sei es innerhalb der ­Kirche oder am Hof eines Fürsten. Letztere bedienten sich bei der Verleihung von Lehen im ausgehenden 12. Jahrhundert immer stärker recht­licher Verfahrensweisen, wobei im Reich die Rezeption gelehrten Rechts verzögerter als in Westeuropa erfolgte 59.

2.2.2  La Mutation de l’An Mil Auch die franzö­sische Mediävistik beurteilte die gesellschaft­liche Entwicklung im 11. Jahrhundert als „Revolution“ und löste dabei eine lang dauernde Debatte aus 60. Für Frankreich wird bereits seit der Zeit von Marc Bloch ein grundlegender Wandel um 1000 angenommen: Schwäche der öffent­lichen Gewalt, die Entstehung der „seigneurie banale“ (lokale Herrschaften mit Herrschafts- und Bannrechten) und die herrschaft­ liche Erfassung der Menschen im Umkreis einer Burg. Die neuere Sozialgeschichte 56 Vgl. dazu Valla, La donation de Constantin, ed. Giard (mit einer Einleitung von Carlo Ginzburg); Fried: Donation. Die Konstantinische Schenkung war sogar auf der Türe der alten St. Peter-­Basilika wiedergegeben (Morello: Pellegrini, S. 115). 57 Vgl. allgemein Borgolte: Petrusnachfolge und Kaiserimitation; für das 11. und 12. Jahrhundert Laudage: Rom und das Papsttum, S. 32 – 36, mit Verweis auf ältere Literatur; Schimmelpfennig: Päpst­liches Zeremoniell in der Zeit des Investiturstreits; zusammen­ fassend Schimmelpfennig: Das Papsttum, S. 155 f. Zum Einsatz visueller Mittel vgl. Herklotz: Bildpropaganda und monumentale Selbstdarstellung. 58 Zur Entwicklung des Juristenstandes vgl. Brundage: Medieval Origins of the Legal Profession. Zu den Juristen im Dienste der sa­lischen Dynastie vgl. Struve: Die Salier und das römische Recht, S. 34 – 44. 59 Zur Neuinterpretation des Lehnswesens vgl. Dendorfer: Einleitung; ders:, Lehnrecht und Ordnung des Reiches; Deutinger: Ergebnisse und Perspektiven; Spiess: Einführung; Auge: Lehnswesen, S. 352, mit einschränkenden Bemerkungen zur Rolle der Juristen. 6 0 Vgl. zum Folgenden die Übersichtsdarstellung von Goetz: Gesellschaft­liche Neu­formierungen, und den Forschungsbericht bei Delacroix/Dosse: Historiographies, S.  952 – 965 [Boucheron].

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verknüpfte diese institutionengeschicht­lichen Beobachtungen mit einer Analyse der Unfreien und kam zum Schluss, dass um 1000 die Sklaverei verschwand, der Adel dafür die nun freien Bauern stärker an sich band. Gleichzeitig diagnostizierte Guy Bois in einer lokal begrenzten Einzelstudie – Lournand bei Cluny im burgundischen Mâconnais – die Entwicklung eines Grundstückmarktes und die Intensivierung der Agrarwirtschaft, was zu einer „feudalen Revolution“ geführt habe. Dass es zu einem derart grundlegenden Umsturz gekommen sei, wie die „Mutationisten“ behaupten, wird heute allgemein zurückgewiesen. Weder sei klar, was unter „Sklaven“ (servi) überhaupt verstanden worden sei, noch wie sich die Grundherrschaft verändert habe; schließ­lich könne eine Lokalstudie nicht dazu dienen, eine „Revolution“ zu belegen. Von einem Verschwinden der Sklaverei, die in Westeuropa bis weit in die Frühe Neuzeit vorkam, kann keine Rede sein. Die franzö­sischen Studien ließen sich mangels einschlägiger Untersuchungen auch nicht auf die Gebiete öst­lich des Rheins übertragen. Derzeit wird – ähn­lich wie bei der vorher besprochenen „Rechtsrevolution“ – der langsame, aber dennoch feststellbare Wandel in den sozialen Verhältnissen des westfränkischen Reiches hervorgehoben, der im 12. Jahrhundert zu einem Abschluss kam.

2.2.3  „The First European Revolution“ An der Suche nach Revolutionen fand auch die eng­lische Mediävistik Gefallen. Robert I. ­Moore publizierte bezeichnenderweise im Jahre 2000 sein Werk „The First European Revolution, c. 970 – 1215“. Der gewählte Zeitraum zeigt bereits, dass es sich hier um eine durchaus gemäch­liche Variante eines Umsturzes handelt. Dafür vermied Moore eine allzu starke Fixierung auf Ereignisse wie Canossa oder kleine ­Gemeinschaften wie Lournand, und er griff auch nicht einfach auf die Eroberung Englands durch die Normannen im Jahre 1066 zurück. Seine Hauptthese, dass Europa zu Beginn des zweiten Jahrtausends entstanden sei, belegt er – gleich wie die fran­­zö­sischen „Mutationisten“ – mit Beispielen aus Frankreich und England; die dort statt­gefundenen Veränderungen werden in seiner Darstellung nach Nordeuropa ­exportiert 61. Für den von ihm diagnostizieren Wandel nennt er die folgenden ­Phänomene: Kirchen­reform und Erstarken des Papsttums; den Aufschwung des Städtewesens; die Neuordnung der Landwirtschaft samt technolo­gischen Veränderungen; die Bildung kleiner Gemeinschaften wie Pfarreien und Dörfer; die Durchsetzung von Patrilinearität, Erstgeburtsrecht und (kirch­lichem) Eherecht; die Entstehung des Rittertums; die universitäre Gelehrsamkeit und die Gelehrten; die Höfe und die Entwicklung einer eigent­lichen Regierungskunst; die Ausgrenzung von Andersgläubigen ( Juden, Muslimen) und

61 Moore: Erste europäische Revolution, S. 22, S. 247 – 249.

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Ketzern. Alle diese Beobachtungen treffen zu und werden im Folgenden teilweise noch ausführ­licher erörtert werden. Es fragt sich nur, ob der geschilderte Wandel wirk­lich als „Revolution“ bezeichnet werden kann, woran Moore offensicht­lich ­selber ein wenig zweifelt 62. Bereits 1993 hatte Robert Bartlett das Hochmittelalter ebenfalls als Schlüsselzeit beschrieben: „Die Geburt Europas aus dem Geist der Gewalt. Eroberung, Kolo­nisierung und kultureller Wandel von 950 bis 1350.“ Er charakterisiert die Epoche nicht als revo­ lutionäres Zeitalter, sondern die nachdenk­lichen Töne überwiegen. Ausgangspunkt seiner Darlegungen ist für Bartlett das Ende der Völkerwanderung und die gleichzeitige Expansion Europas 63. Dabei spielt bereits zu Beginn seiner Darstellung die K ­ irche als vereinheit­lichender Faktor eine entscheidende Rolle. Sie verfügt dank ihren Bistümern über die damals wirkungsvollste Organisationsform, sie ist institutionell am besten verankert und bietet mit ihrer Lehre von den drei Ständen eine überzeugende Deutung der damaligen sozialen Verhältnisse an 64. Was die Eroberungsgier des Adels betrifft, so folgt Barlett gleich wie Moore der Schule der franzö­sischen „Mutationisten“ und sieht in den neuen Familienstrukturen, ­welche die nachgeborenen Söhne im wört­lichen Sinne freisetzte, den Auslöser für die euro­päische Expansion. Als Musterbeispiel für die gewalt­ tätige Ausdehnung nennt Bartlett die Normannen und deren rabiates Wirken während der Kreuzzüge. Damals setzt sich die Bezeichnung „Franke“ für alle West­europäer in den Quellen durch, auch in nichtchrist­lichen und insbesondere muslimischen ­Quellen: Innen- und Außensicht auf ein immer stärker vereinheit­lichtes Europa deckten sich zunehmend 65. Gleich wie Moore hebt Bartlett den Aufschwung des Städtewesens hervor und schildert überdies, wie Osteuropa besiedelt wird und sich jene kleinste Verwaltungseinheit herausbildet, die bis weit in die Moderne Bestand haben wird: das Dorf und seine ­Pfarrei 66. Im Gegensatz zu den meisten anderen Darstellungen pflegt Barlett bewusst einen „boundary approach“: Er beobachtet die Entstehung eines vereinheit­ lichten Europas von den Rändern aus. So geht er auf Konflikte ­zwischen Bettel­orden und Slawen ein sowie auf Spanien, wo die spanischen Muslime, die Mudéjares, ausgegrenzt

62 Moore: Erste europäische Revolution, S. 20: „Die Veränderungen, die im 11. und 12. Jahrhundert stattfanden, rechtfertigen es, von einer Revolution zu sprechen, und weil Europa das Resultat ­dieses Umwälzungsprozesses war, dürfen wir ihn als die erste europäische Revolution bezeichnen. Dieses Buch will zeigen, dass Wesen und Folgen dieser Revolution konsequenter Ausdruck der politischen Verhältnisse waren, die ihr zugrunde lagen, wenn sie auch, wie ich wiederholt betonen werde, nicht durchweg den bewussten Absichten der Akteure ent­sprachen.“ 63 Bartlett: Die Geburt Europas, S. 12 f. 6 4 Bartlett: Die Geburt Europas, S. 15 – 36. 65 Bartlett: Die Geburt Europas, S. 109 – 133. 66 Bartlett: Die Geburt Europas, S. 133 – 238.

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und die Gesetze zur Blutreinheit eingeführt wurden („limpieza de sangre“)67. Ähn­lich wie Peter Sahlins für die Frühe Neuzeit 68 betont Bartlett, dass sich Großgruppen wie Länder oder Nationen nicht bloß aus einem Kern entwickeln, sondern ebenso sehr an den Bruchstellen bestimmt werden: Determinatio negatio est (Baruch de Spinoza)69. Wenn es aber eine Institution gab, die von einem Zentrum aus die ganze katho­lische Christenheit zu erfassen versuchte, so war das, wie Bartlett am Ende seines Buches erneut betont, die katho­lische ­Kirche mit ihrem Sitz in Rom. Indem sie es unternahm, die römische Liturgie in wachsendem Maße überall in der katho­lischen Christenheit für verbind­lich zu erklären, erreichte sie eine Präsenz, die zudem in jeder Messfeier erneut bestätigt wurde 70. Hinzu kam das effiziente Kommunikationsnetz der Kurie. Das bereits erwähnte Briefbuch Gregors VII. zeigt überraschenderweise, dass der Stellvertreter Petri gerade mit den Rändern Europas und sogar mit Fürsten im muslimischen Nordafrika in brief­lichem Kontakt stand. In Frankreich, Deutschland und Italien richten sich nur drei Prozent der überlieferten Briefe an Mitglieder könig­licher Familien; in den anderen Gebieten sind es beinahe 75 Prozent. Der erste Kreuzzug bildete schließ­lich den Höhepunkt päpst­licher Mobilisierungsmacht, die – zumindest anfäng­lich – weite Teile der europäischen Christianitas für den Krieg gegen die Ungläubigen zu begeistern wusste. Für Bartlett beruht deshalb die gewaltsame Eroberung und Europäisierung der Welt, wie sie seit dem 16. Jahrhundert vonstatten ging, auf hochmittelalter­lichen Voraussetzungen 71. 67 Bartlett: Die Geburt Europas, S. 276 f.; S. 292 f. Vgl. auch Delgado: Limpieza de sangre. Weitere Beispiele für Randgebiete, die Bartlett untersucht, sind Litauen und Irland. Ein Abschluss der Missionsphase und eine Eingliederung Skandinaviens in die römische ­Kirche weist auch von Padberg: Abschluss der Missionsphase, nach. 68 Sahlins: Boundaries. 69 Baruch/Benedikt Spinoza, Brief 50 an Jarigh Jelles, 2. Juni 1674, in: Spinoza, Opera, ed. Gebhardt, Bd. 4, S. 238 – 241. In der entsprechenden Briefstelle geht es darum, dass Figuren nur ex negativo bestimmt werden können: […] manifestum est, integram materiam, indefinite consideratam, nullam posse habere figuram; figuramque in finitis, ac determinatis corporibus locum tantum obtinere. Qui enim se figuram percipere ait, nil aliud eo indicat, quam se rem determinatam, et quo pacto ea sit determinata, concipere. Haec ergo determinatio ad rem juxta suum esse non pertinet: sed econtra est ejus non esse. Quia ergo figura non aliud, quam determinatio, et determinatio negatio est; non poterit, ut dictum, aliud quid, quam negatio, esse. Zur neueren deutschsprachigen Forschung von Grenzgebieten vgl. Herbers: Universalität oder Zentralisierung, S. 33 f. 70 Bartlett: Die Geburt Europas, S. 295 – 323; S. 295: „Die lateinische Christenheit indes gewann ihre Identität sowohl durch eine strenge Einheit­lichkeit im Ritus als auch durch eine fast vollständige Gleichsetzung von litur­gischer Praxis und institutioneller Loyalität: Ritus und Obödienz gingen Hand in Hand.“ Dabei handelte es sich allerdings um einen zeit­lich lang gestreckten Prozess von wechselnder Intensität. Der Einfluss Gregors VII. und der Kirchenreformer auf die Durchsetzung der römischen Liturgie wird neuerdings hervorgehoben, vgl. Reynolds: Liturgy of Rome; Palazzo: Gregorianische Reform und Liturgie. 71 Bartlett: Die Geburt Europas, S. 367 – 376.

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2.2.4  Nationale und europäische Blickweisen auf das Hochmittelalter Der vorangehende Überblick über neuere Gesamtdarstellungen zeigt, dass sie jeweils einen Aspekt hervorheben, wenn sie den Wandel – um ein neutrales Wort zu ­gebrauchen – vom 10. bis zum 13. Jahrhundert schildern wollen. Wie sehr dabei auch nationale Traditionen eine Rolle spielen, belegen neuere Handbücher zur Geschichte im 11. und 12. Jahrhundert, die im Folgenden kurz vorgestellt werden. Die deutschsprachige Forschung richtete ihr Augenmerk seit jeher auf den Konflikt ­zwischen Papst- und Kaisertum, wobei sich in der neueren Forschung die Befürworter eines radikalen Umsturzes und die Anhänger eines langsamen Wandels die Waage halten 72. Letztere sprechen statt von „Revolution“ eher von Neuansätzen: Außenorientierung, Individualisierung, Institutionalisierung, Ordnungsvorstellungen und wachsende Verschrift­lichung bilden die Signaturen der Epoche 73. Neuere Übersichtsdarstellungen zur franzö­sischen Geschichte zeigen einen ­völlig anderen Blick auf das Hochmittelalter. So konzentriert Jacques Le Goff im Band „L’État et les pouvoirs“ seine Darstellung auf ein einziges Thema: „Genèse de la France (milieu IX e–fin XIII e siècle): vers un état monarchique français“74. Sein Kollege ­Georges Duby unterscheidet sich höchstens durch einen sozialgeschicht­ lichen Einstieg. Teil II seines Werk trägt den Titel „La seigneurie“ mit den Unterabteilungen „Le village, le château, l’église, le roi seigneur“, während Teil III erneut die Staatsbildung thematisiert: „Les germes de la nation et de l’état“ mit den Abschnitten „Le grand progrès, Louis VII , Philippe Auguste, Le sud, XIII e siècle, XIV e siècle, La pucelle d’Orléans“75. Selbst die ursprüng­lich auf Eng­lisch erschienene Übersichtsdarstellung von Colin Jones kann sich dem Etatismus nicht entziehen: „Das Mittelalter“ wird in den Kapiteln „Die feudalen Schranken der Macht der Kapetinger“, „Kirche und Kreuzzüge“, „Der Aufstieg der Kapetinger“, „Staat und Gesellschaft“ behandelt 76. Auffällig ist in allen Werken die relativ geringe Wichtigkeit des Konflikts ­zwischen sacerdotium und regnum in der franzö­sischsprachigen Forschung, obwohl gerade Ivo von C ­ hartres und andere Intellektuelle im Gebiet des heutigen

72 Zu den Vertretern der Revolutionsthese siehe Anm. 16. Zur Kritik an der „Rechtsrevolution“ siehe Anm. 22. 73 Vgl. dazu Herbers: Europa an der Wende, S. 10 f., wo erklärt wird, wie der ursprüng­liche Titel einer Tagung zu Ehren von Werner Goez verändert wurde. Anfäng­lich war „Europa in der späten Salierzeit: Umbruch und Neuanfang“ geplant. Die Ergebnisse der Tagung führten zu einem zurückhaltenden Titel „Europa an der Wende vom 11. zum 12. Jahrhundert“. Zu den Neuansätzen ebd., S. 20 f. 74 Le Goff (Hg.): L’État et les pouvoirs. 75 Duby: Le Moyen Âge. 76 Jones: Frankreich.

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Frankreichs entscheidend zur Lösung des Konflikts beitrugen.77 Das Desinteresse erklärt sich wohl damit, dass die Päpste, der franzö­sische Episkopat und das Königshaus früh einen modus vivendi fanden 78. Die Gründe dafür sind vielfältig, denn das Verhältnis z­ wischen der römischen „­Zentrale“ und der fran­­­zö­sischen „Peripherie“ war von einem „ständigen Geben und Nehmen“ geprägt 79. Zwei der bedeutendsten Päpste nach Gregor VII . – Urban II . und Calixt II . – stammten aus Frankreich. Die Sprösslinge römischer Adelsfamilien studierten in Frankreich, während die Päpste häufig Frankreich bereisten. Die in großer Zahl überlieferten Papsturkunden belegen die enge Verbindung ­zwischen dem Stuhl Petri und der „fille aînée de l’Église“. Auch in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts dauerten die guten Beziehungen an, wie das Alexandrinische Schisma unter Barbarossa zeigte. Obwohl der franzö­sische Episkopat durchaus auch papstkritisch agierte, akzeptierte er letzt­lich doch die Lehrautorität und die Rechtsprechung des Heiligen Stuhls. Schließ­lich ließ das intensive Legatenwesen eine enge Beziehung ­zwischen dem kapetin­gischen Königreich und Rom entstehen, so dass das Papsttum die Struktur der franzö­sischen ­Kirche prägte; ein formales Zeichen ­­ sind die päpst­lichen Urkunden, die seit dem 12. Jahrhundert mit einem eigenen Formular für Frankreich ausgestellt wurden. Die Darstellungen zur eng­lischen Geschichte im 11. und 12. Jahrhundert konzentrieren sich wiederum auf das Großereignis der Schlacht von Hastings und die Ab­­ lösung der angelsäch­sischen Herrschaft durch die normannischen Eroberer. Auch hier lässt sich beobachten, dass die eng­lischen Könige in der Investiturfrage relativ bald einen Kompromiss mit dem Papsttum fanden 80. Ähn­lich wie in Frankreich waren die Beziehungen z­ wischen den normannisch-­eng­lischen Königen und dem H ­ eiligen Stuhl anfäng­lich wenig belastet. Die grundlegende Frage, in welchem Verhältnis sacerdotium und regnum stehen sollten, holte aber die eng­lischen Könige ­später ein 81.

77 Zum Einfluss Ivos von Chartres vgl. Rolker: Canon law. 78 Tellenbach: West­liche ­Kirche, S. 169 f. weist darauf hin, dass Gregor VII. in Frankreich mehr bewirken konnte, da die Bischöfe einerseits zerstritten, andererseits vom König kaum geschützt waren. Urban II. verfügte ebenfalls über Anhängerschaft in Frankreich, und seine Konflikte mit König Philipp I. beschränkten sich auf dessen Eheaffäre (ebd., S. 204 – 206; S. 259). Zur pragmatischen Lösung des Konflikts in Frankreich nach dem Wormser Konkordat ebd., S. 213 f. Vgl. auch Cowdrey: Gregory, S. 419: „In sharp contrast to his dealings with Germany, Gregory never came into prolonged and open conflict.“ Der flexible Umgang Gregors VII. mit König Philipp I. überrascht, da Letzterer in den Papstbriefen scharf kritisiert wird, vgl. Gaudemet: Grégoire VII et la France, S. 237. 79 Vgl. zum Folgenden Grosse: Frankreichs ­Kirche; ders., Ludwig VI. 80 Vollrath: England und die Päpste; Weinfurter: Canossa – Entzauberung der Welt, S.  188 f. 81 Siehe dazu Anm. 561.

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Einen umfassenden Überblick über die hier skizzierten historiographischen Traditionen der europäischen Nationen bot Michael Borgolte bereits im Jahre 2002, wobei er damals an einer Einheit der Epoche zweifelte 82. In seinen anschließenden Forschungen legte er den Fokus stärker auf die Entwicklung des päpst­lichen Primats. Die Auseinandersetzungen ­zwischen den Päpsten und den Königen im Reich sowie im übrigen Westeuropa böten in gewisser Weise einen Ansatzpunkt für eine europäische Mittelalterhistorie. „Konsens herrscht wohl nur darüber, dass ein Europa auf der Basis des Abendlandes im Sinne der lateinischen Welt, des Jurisdiktionsbereiches des römischen Papsttums im Mittelalter als Einheit betrachtet werden könnte“, bemerkt Michael Borgolte, der sofort anfügt, dass dies auch einen Einbezug der muslimischen, jüdischen und rus­sisch-­orthodoxen Bevölkerung im europäischen Mittelalter nach sich ziehe, die in vielfältiger und oft auch schreck­licher Weise direkt von der Politik der römischen Kurie betroffen gewesen seien 83. Dabei ginge es nicht um eine traditionelle Kirchengeschichte und schon gar nicht um die ecclesia militans et triumphans, sondern um die Setzung eines Bezugs­punktes, von dem aus die „multiversale Welt“ des Mittelalters beschrieben würde. Hier könnte sich eine „europäische Mittelalterhistorie bewähren, die Anspruch auf Zukunft erheben will – im Spannungsfeld der Prinzipien Einheit und Vielfalt“84. Dieser Befund wird von Borgolte in seiner Bestandsaufnahme zum DFG-Schwerpunktprogramm „Integration und Desintegration der Kulturen im europäischen Mittelalter“ noch vertieft. Die ältere Sicht, Europa sei mit der Christianitas gleichzusetzen 85, ist meistenteils der Erkenntnis gewichen, dass wir es mit einem „pluri­kulturalen Europa“ zu tun haben, insbesondere in religiöser 82 Borgolte: Europa entdeckt seine Vielfalt, S. 337 – 356 mit dem bezeichnenden Kapiteltitel „Einheit der Epoche?“. 83 Borgolte: Ende der Nationalgeschichten, S. 587 f. 84 Zur traditionellen Geschichtsschreibung und ihrem obsolet gewordenen Konzept des „Hochmittelalters“ vgl. Borgolte: Das Hochmittelalter im Urteil der Modernen. Zur „multi­ versalen“ Welt des Mittelalters und einer künftigen europäischen Geschichte vgl. Borgolte: Perspektiven europäischer Mittelalterhistorie, S. 23. Ein Beispiel für Einheit und Vielfalt bietet das Handbuch von Borgolte: Europa entdeckt seine Vielfalt. 85 Vgl. dazu die kritische Analyse von Berend: The Concept of Christendom, wo gezeigt wird, wie der Begriff der Christianitas, der in der modernen Historiographie sehr beliebt ist, sich im Mittelalter etabliert und sehr bald zu einer Floskel wird: „Christendom was only seemingly used as a rethoric of integration. In fact, universal good was invoked in order to justify local politic aims, by the papacy and then increasingly by a variety of lay rulers.“ Zur wachsenden Verbreitung des Begriffs im 12. Jahrhundert vgl. Schieffer: Gregor VII. und die Könige Europas, S. 190. Johrendt/Müller (Hg.): Rom und die Regionen, S. 8, kritisieren ebenfalls die „vermeint­lich uniforme kulturelle Identität der lateinischen ­Kirche und damit ein imaginiertes festes Profil eines mittelalter­lichen Lateineuropa“.

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Hinsicht. Allerdings hat ­zwischen der älteren, auf das christ­lich-­lateinische Abendland beschränkten Sicht und der neuen Erkenntnis von der kulturellen Vielgestaltigkeit Europas, wie sie das Schwerpunktprogramm vertritt, noch keine Debatte stattgefunden 86. Dabei besteht gemäß Borgolte sehr wohl ein zentraler Punkt, von dem aus eine Geschichte E ­ uropas ins Auge gefasst werden kann, näm­lich die Präsenz der drei mono­theistischen Religionen. Daraus ergibt sich ein neues und nur in trans­kultureller Absicht realisierbares Forschungsprogramm, das „Symbiosen und Konflikte von Monotheisten in Europa und Vorderasien unter dem Aspekt religiöser Räume behandelt. Dieses Projekt wäre enger fokussiert als das Schwerpunktprogramm, auf dem es aufbaut, zugleich aber auch weitgreifender und aufwendiger angelegt. Einerseits ginge es näm­lich in streng historischer Absicht nur um den Kulturbereich der Religionen, andererseits, orientiert am Parameter des Raumes, nicht mehr um exemplarische Studien, sondern um ein systematisch zu bearbeitendes Feld.“87 Diesem „Kulturbereich der Religionen“ wird sich auch die vorliegende Studie zuwenden, worin der Ausdifferenzierungsprozess ­zwischen einem geist­lichen und welt­lichen Bereich geschildert wird. Dabei stehen monotheistische Traditionen im Zentrum, vermittelt durch das Alte und Neue Testament, und es lässt sich b­ eobachten, wie jüdische und christ­liche Konzepte zusammenwirken und eine Entwicklung in Westeuropa anstoßen, die bis heute weiterwirkt.

2.3  Fromme Massenbewegungen, ein europäisches Phänomen Alle bisher besprochenen Gesamtdarstellungen behandeln neben sozial- und wirtschaftsgeschicht­lichen Fragen immer auch den religiösen Bereich und die innerkirch­ lichen Veränderungen des 11. und 12. Jahrhunderts. Sicher mag die Quellensituation die Realität verzerren, denn in einer überwiegend schriftlosen Gesellschaft verfügte der Klerus über die Macht, das kulturelle Gedächtnis in seinem Sinne zu formen und zu beeinflussen. Was aber zuerst als Reform begann und als Streit um die libertas ecclesiae 88 ausgefochten wurde, zeitigte Folgen, die weit über die intellektuellen Auseinandersetzungen

86 Borgolte: Über den Tag hinaus, S. 311 – 314. 87 Borgolte: Über den Tag hinaus, S. 321, wo anschließend das Konzept des „religiösen R ­ aumes“ entwickelt wird. 88 Vgl. dazu Tellenbach: Libertas; Szabó-­Bechstein: Libertas Ecclesiae; Cowdrey: ­Gregory, S.  536 – 539.

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im geist­lichen Schrifttum hinausgingen. Es sind vor allem die religiösen Massenbewegungen, die aus heutiger Sicht ein neues Phänomen im 10. und 11. Jahrhundert bilden 89. Die Mobilisierung vieler Menschen lässt sich am frühesten bei der Gottes­ friedensbewegung in Südfrankreich im ausgehenden 10. Jahrhundert beobachten 90. Die sozialen und politischen Umwälzungen führten zu einer „Umordnung“ der Machtverhältnisse. Die pax Dei („Friede Gottes“) und die späteren treugae dei („Waffenstillstände Gottes“) sahen vor, dass Gewalttätigkeiten gegen ­Kirchen, Viehdiebstahl und Angriffe auf wehrlose Geist­liche mit dem Bann bedroht wurden; ­später wurden bestimmte Zeitabschnitte des Kirchenjahres zu Friedenszeiten erklärt. Die beteiligten Personen versprachen eid­lich, diese Bestimmungen einzuhalten und den Frieden zu garantieren. Die Bewegung entstand am Ende des 10. Jahrhunderts in Südfrankreich und breitete sich danach in Nordfrankreich, Burgund, Spanien, Italien und im Reich aus 91. Beteiligt waren alle friedenswilligen Menschen, d. h., die üb­liche Gesellschaftsordnung wurde durchbrochen , denn in den „Pfarrmilizen“ und „Diözesanheeren“ kämpften nicht nur Adlige, sondern auch Personen aus dem dritten Stand, um die Friedensgebote durchzusetzen 92. Der Wunsch nach Frieden musste also paradoxerweise mit Gewalt verwirk­licht werden 93.

89 Karl Leyser wies zum ersten Mal auf ­dieses Problem hin, vgl. Melve: Inventing the Public Sphere, S. 37 f. mit Hinweisen zu weiterer Literatur; bei diesen Massenbewegungen lässt sich auch nicht ­zwischen einer Oberschicht und einer Unterschicht differenzieren, vgl. ebd., S. 45 f. Zum Problem der „öffent­lichen Meinung“ im Mittelalter und ihrem Einfluss auf die Massenbewegungen siehe Anm. 212. 90 Vgl. zum Folgenden den Forschungsüberblick von Goetz: Gottesfriedensbewegung; zur „Umordnung“ ebd., S. 38. 91 Hoffmann: Gottesfriede und Treuga Dei; Reinhold Kaiser: Artikel „Gottesfrieden“, in: Lex.MA 4 (1989), Sp. 1587 – 1592; Fried: Formierung Europas, S. 107 – 110; Hartmann: Investiturstreit, S.  94 – 96. 92 Den schichtenübergreifenden Aspekt betont Goetz: Gesellschaft­liche Neuformierungen, S. 44: „Das Ziel der Gottesfrieden war eine ‚Reform‘ im Sinne einer Wiederherstellung oder Wiederdurchsetzung des geltenden Rechts und weder die Durchsetzung noch die Bekämpfung einer neuen Ordnung. Die Gottesfrieden sind deshalb ihren Zielen nach kaum als Teil einer ‚Revolution‘ zu werten. Sie waren vor allem keine Reaktion auf eine ‚feudale Revolution‘ oder ein Angriff auf den ‚Feudalismus‘: Adels- und Kirchenherrschaft wurden vielmehr bestätigt und gestärkt. Sie waren daher auch keine Konkurrenz der kirch­lichen gegen die welt­lichen Machthaber; beide arbeiteten vielmehr engstens zusammen. Und schließ­lich (auch vor allem) waren sie keine Volksbewegung, sondern eine Bewegung, an der alle Schichten, darunter auch das Volk, teilhatten.“ 93 Tellenbach: West­liche K ­ irche, S. 110, S. 117 f. Leyser: Erste europäische Revolution, S. 21 sieht in der Beteiligung der humiles bei der Durchsetzung des Friedensgebots ein revo­ lutionäres Moment.

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Die Einbindung vieler Menschen in eine derartige Bewegung setzte voraus, dass die Eide eingehalten wurden. Die gesteigerte Laienfrömmigkeit, die von der Forschung festgestellt wird, trug deshalb entscheidend zum Erfolg der Friedensbünde bei 94. Gefördert wurde das religiöse Engagement der Menschen auch durch Massenanlässe wie Kirchweihen, an denen sich in Italien seit 1049 immer häufiger die Päpste beteiligten, wobei sie dies nach einem bestimmten, römischen Zeremoniell taten. Auf diese Weise erschufen sie innerhalb einer Stadt einen „heiligen Raum“ von höherer Qualität, der in direkter Verbindung mit Rom stand. Eine bunte Menschenmenge nahm gleichzeitig an ­diesem Vorgang teil, der religiöse Ekstase und Volksfest miteinander verband, wie es sich heute noch in süd­lichen Ländern beobachten lässt. Im Verlauf der Kirchweihe wurden oft auch neue Gesetze verkündet, beispielsweise die erwähnten Gottesfrieden 95. Gerade Gregor VII. band die Massen in verstärktem Maße ein, indem er zwar Gehorsam forderte, gleichzeitig aber auch die Kritik von Laien an Kirchenoberen erlaubte 96. Die neue Laienfrömmigkeit ließ einfache Menschen in Fragen des Glaubens und der korrekten Lebensführung auch zunehmend selbständiger handeln, denn sie fühlten sich nun für ihr Seelenheil verantwort­lich. Die Kirchenspitze beobachtete dies mit gemischten Gefühlen. So spannte die römische Kurie die Bewegung der Pataria in Mailand für ihre Reformziele ein, hielt sich aber insgesamt bei den neuen ­religiösen Bewegungen eher zurück 97. Dabei könnte die Erfahrung mit den un­­berechenbaren

94 Tellenbach: West­liche ­Kirche, S. 118 f., konstatiert eine „religiöse Erregtheit, wie man sie im vorhergehenden Jahrhundert noch nicht kannte“. Schärfer formuliert Töpfer, Volk und ­Kirche, S. 42: „Letzt­lich sind Pilgerbewegung, Ketzerei und Klosterreform nur verschiedenartige Auswirkungen einer gleichen Grundtendenz.“ Leyser, Erste europäische Revolution, S. 6; S. 20 hebt hervor, dass der Investiturstreit zu „den ersten religiösen Massenbewegungen in Europa“ führte. Zur Wichtigkeit der Laien und der niederen Kleriker als Vermittler neuer Frömmigkeitsformen vgl. Hartmann: Rolle der Laien und der niederen Kleriker, sowie den Tagungsband „Laici nella Societas Christiana“; weitere Hinweise bei Melve: Inventing the Public Sphere, S. 49 f. Bernold von Konstanz berichtet, dass ganze Dörfer sich geschlossen dem frommen Leben zuwandten, vgl. Weinfurter: Ende Heinrichs IV., S. 347. Zur Forschungs­ geschichte vgl. Hartmann: Investiturstreit, S. 116. 95 Vgl. Hamilton: A Sacred City, vornehm­lich an italienischen Beispielen. Die Dynamik einer Kirchweihe wird in ­diesem Werk herausgearbeitet, die besonders für die lokale Verwurzelung von Religiosität verantwort­lich ist. Zur spektakulären Einweihung der neuen Remigius-­Kirche in Reims durch Papst Leo IX. im Jahre 1049 vgl. Leyser: Erste europäische Revolution, S. 26. 96 Blumenthal: Gregor VII., S.  282 – 287. 97 Zur Wichtigkeit der Pataria als städtischer religiöser Massenbewegung vgl. Leyser: Erste europäische Revolution, S. 6 f.; allgemein zur Beziehung ­zwischen Papsttum und italienischen Städten Zey: Ita­lische Städte im Investiturstreit. Zur abwartenden Haltung der Päpste gegenüber der religiösen Aufbruchstimmung vgl. Seibert: Papsttum und monastisch-­kanonikale Reformbewegung, S. 28.

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Ketzer­bewegungen im Zeitraum 1000 – 1050 eine Rolle gespielt haben. Für die folgenden 50 Jahre sind kaum Ketzergruppen belegt, seit 1100 erfreuten sich aber die Armutsbewegungen (pauperes Christi) eines großen Zulaufs und wurden dem­entsprechend von der Kirchenspitze misstrauisch beobachtet 98. Das „Ringen um die rechte Ordnung in der Welt“99 betraf somit keineswegs bloß die Spitzen der Gesellschaft, sondern entwickelte sich zu einer breit abgestützten Bewegung, die ihren Anliegen Gehör verschaffen wollten, wenn nötig auch mit ­weniger christ­lichen Mitteln. Die religiöse Erregung setzte deshalb auch eine Welle von Gewalt frei und mobilisierte im Reich sowohl auf kaiser­licher wie auch auf päpst­licher Seite große Armeen, die keineswegs bloß aus adligen Streitern bestanden; Karl ­Leyser spricht in d ­ iesem Zusammenhang geradezu von „Revolutionskriegen“100. Die zeitgenös­sischen Chronisten kritisierten deswegen scharf die Gewaltanwendung durch Bauern, Stadtbewohner oder das einfache Volk 101, und Heinrich IV. erntete Kritik, da er nicht nur im Krieg, sondern auch im Frieden den Aufstieg von Ministerialen (Dienstleuten) und Stadtbewohnern förderte, die bis anhin von jeg­licher Herrschaft ausgeschlossen waren 102. Bereits in den Briefen Gregors VII. wurde deut­lich, dass auch die päpst­liche Partei vor Gewaltanwendung nicht zurückschreckte 103. Der Griff zum Schwert kam immer 98 Zu den seit dem frühen 11. Jahrhundert auftauchenden Ketzerbewegungen vgl. Fried: Formierung Europas, S. 110; Goez: Kirchenreform und Investiturstreit, S. 58 – 65. Zur „Häresielücke“ ­zwischen 1050 – 1100, deren Quellenarmut in einem Gegensatz zu den gut belegten Ketzer­bewegungen zuvor und danach steht, vgl. Segl: Häresien und intellektueller Aufbruch, ­insbes. S. 234 – 236. 99 Tellenbach: Libertas, S. 1. 100 Leyser: Erste europäische Revolution, S. 17 f., der auch Parallelen zum Folgenden zieht: „Die Sanktionen und Privilegien des heiligen Krieges traten schon hier zutage, selbst wenn sie vom Papst noch nicht so förm­lich und explizit definiert wurden wie beim späteren Kreuzzug.“ Im gleichen Sinne auch Bisson: Crisis, S. 8 zum „Investiturstreit“: „First, the conflict was ­destructively violent, undermining royal authority in Germany while subjecting the people of Rome to merciless pillage by the pope’s Norman allies.“ 101 Karzel: Darstellung von Krieg und Gewalt, S. 124 – 134. Besonders zu denken gibt die Tatsache, dass die klerikalen Autoren die Anwendung von Gewalt keineswegs verurteilen, vgl. ebd., S. 338. 102 Struve: Herrscher im Konflikt, S. 65 f.; zur Forschungsgeschichte bezüg­lich Ministerialen vgl. Hartmann: Investiturstreit, S. 109 – 111. Die Förderung der Städte durch Heinrich IV. zeigt sich besonders deut­lich bei Speyer und Worms, die als Herrschaftszentren ausgebaut werden sollten. Vgl. dazu Bönnen: Speyer und Worms; Scholz: Urkundeninschriften in Speyer; Scholz: Urkundeninschriften Kaiser Heinrichs V.; Scholz: Die Urkunden Heinrichs V. für die Bürger der Stadt Speyer; Andermann: Die Speyerer Privilegien von 1111. Die L ­ ütticher verehrten den gebannten König nach seinem Tod geradezu als Heiligen, vgl. Ehlers: Das Jahrhundert der Salier, S. 31. Skeptisch gegenüber einer umfassend geplanten Städtepolitik der Salier äußert sich Zeilinger, Stadtentwicklung. 103 Siehe Anm. 40.

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häufiger zum Einsatz, indem die Päpste entweder die reformwillige M ­ ailänder P ­ ataria, die süddeutschen Anhänger der Kurie, franzö­sische Grafen oder die n ­ ormannischen Herzöge unterstützten und deren Unternehmungen mit der Überreichung der Petrusfahne eine höhere Weihe verliehen 104. Wie sehr die Päpste an Macht gewonnen hatten, zeigten endgültig die spektakulären Ereignisse von Jahresende 1095. Papst Urban II. rief den ersten Kreuzzug aus. Tausende von Menschen machten sich auf den Weg, ermordeten Männer, Frauen und Kinder jüdischen Glaubens im Rheinland, strömten nach Italien und auf den Balkan, wo ein großer Teil umkam. Die nachfolgenden Heere professioneller Krieger eroberten nach mannigfachen Grausamkeiten und Gewalttaten 1099 die heilige Stadt Jerusalem – und richteten ein Blutbad an. Der Papst war zum Kriegsfürst geworden, er hatte die Aufgabe übernommen, die Christen­heit zu „schützen“, was eigent­lich zum Auftrag von Kaiser und Königen gehörte 105. Ob alle diese Massenbewegungen eine Revolution, eine Wende, einen Aufbruch oder bloß einen unaufhaltsamen Wandel anzeigen, bleibe dahingestellt 106. Ein Gesamturteil wird wohl nie mög­lich sein, wie das Parallelbeispiel des 14. Jahrhunderts zeigt, das als Krisenzeit par excellence oder als eine Epoche mit üb­lichen Wandlungs­vorgängen beschrieben wird; die letztere Ansicht muss sich allerdings den Vorwurf gefallen lassen, den plötz­lichen Tod rund eines Drittels der europäischen Bevölkerung als Bagatelle zu behandeln 107. Was wir aber beobachten können, ist die Verknüpfung von verschiedenen Prozessen, die zu einer Art Ballung des Geschehens führen und auf die Dauer völlig neue Konfigurationen hervorbringen 108. In den Naturwissenschaften werden ­solche Vorgänge, die z­ wischen Zufall und Notwendigkeit oszillieren, in letzter Zeit mit dem Begriff der „Emergenz“ umschrieben. Dabei handelt es sich um einen Ausdruck, der im Mittellatein durchaus bekannt war: Dort bezeichnen emergentia jene Phänomene, die überraschend auftauchen, unter anderem plötz­liche Ereignisse oder

104 Robinson: Gregory VII and the Soldiers of Christ; Schieffer: Gregor VII., S. 28. Zur Zusammen­arbeit ­zwischen Papst und Pataria vgl. insbesondere Zey: Mailand und die oberitalienischen Kommunen, die insbesondere auf die persön­lichen Kontakte und Verbindungen eingeht (S.  601 – 603). 105 Die Literatur zu den Kreuzzügen ist immens. Eine kurze Einführung bietet Hehl: Papsttum, der vor allem betont, dass die Päpste die Aufgaben der welt­lichen Herrscher übernahmen. 106 Zur Verwendung der verschiedenen Begriffe als Epochensignatur vgl. Borgolte: Das Hochmittelalter im Urteil der Modernen. 107 Trotz Einschränkungen hält Graus: Pest – Geißler – Judenmorde, daran fest, das 14. Jahrhundert als Krisenzeit zu bezeichnen. Dagegen argumentiert Schuster: Krise des Spät­ mittelalters. Zur kirch­lichen Krise siehe Anm. 566. 108 Zum Phänomen der plötz­lichen Verknüpfungen vgl. Graus: Struktur, der sich dabei auf das Konzept der „paquets de relations“ aus dem Strukturalismus bezieht.

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die Symptome einer Krankheit 109. Die Revolution oder der Wandel z­ wischen dem 10. und 12. Jahrhundert, deren Auswirkungen sich an den Massenbewegungen ab­­lesen lässt, kann am besten als Ergebnis verschiedener emergentia beschrieben werden.

2.4  Die Kirche: Frei und rein Angetrieben wurden die Massenbewegungen von religiösen Fragen, so dass von den verschiedenen emergentia im Folgenden diejenigen Veränderungen beschrieben werden, w ­ elche „die west­liche K ­ irche vom 10. bis zum frühen 12. Jahrhundert“ betrafen 110. Bis zur Mitte des 11. Jahrhunderts kam es in der „Christenheit kaum zu ernsten, sie tiefer spaltenden Konflikten“; die Universalität der ­Kirche war unangefochten 111. Von einem modernen Gegensatz ­zwischen „Kirche“ und „Staat“ konnte nicht die Rede sein 112; auch das Begriffspaar „Papsttum und Kaisertum“ als „Repräsentanten einer universalen Welt war mehr ideolo­gisch als real“113. Nach den gängigen Handbüchern bedeutet die Synode von Sutri im Jahre 1046, als Heinrich III. drei konkurrierende Päpste absetzte und einen neuen S­ tellvertreter Petri bestimmte 114, den Anfang jener Epoche, die gängigerweise mit dem Begriff „Kirchenreform“ charakterisiert wird. Die Fragwürdigkeit dieser „Leerformel“ wurde von Gerd ­Tellenbach angeprangert, der über 20 Neuschöpfungen mit dem Wortteil „Reform-“ nachwies 115; in Ermangelung einer Alternative sprechen neuere Darstellungen dennoch meistens vom Zeitalter der „(Kirchen-)Reform“116 oder von der „papstgeschicht­lichen Wende“117. Trotz dieser terminolo­gischen Einschränkung lässt sich eine wachsende Unduldsamkeit von kirch­lichen Autoren gegenüber ihren Mitklerikern beobachten, die sich nicht an bestimmte Regeln hielten, wobei diese Regeln im hier behandelten 109 Vgl. zu den emergentia den Artikel in Mittellateinisches Wörterbuch, Bd. 3, Sp. 1229 – 1231. Der Begriff taucht auch in juristischem Kontext, bspw. bei Verträgen auf, wo er Unvorher­ gesehenes bezeichnet, vgl. Du Cange 1883 – 1887, Bd. 3, S. 257. 110 So der Titel des Grundlagenwerks von Tellenbach: West­liche ­Kirche. 111 Tellenbach: West­liche ­Kirche, S. 31. 112 Zu ­diesem Anachronismus Tellenbach: West­liche ­Kirche, S. 43. 113 Tellenbach: West­liche ­Kirche, S. 68. 114 Zu Sutri vgl. Hartmann: Investiturstreit, S.  83 – 85; Schieffer: Gregor VII., S. 27, weist darauf hin, dass sich das Ansehen des Reichs seit dem Jahr 1069 noch weiter verschlechterte. 115 Tellenbach: West­liche ­Kirche, S. 133 – 135. 116 Zur Diskussion des „Reform-“Begriffs vgl. Goez: Kirchenreform und Investiturstreit, S. 7. 117 Vgl. zur „papstgeschicht­lichen Wende“ die Hinweise bei Johrendt/Müller (Hg.): ­Zentrum und Peripherie, S. 2 – 10, die anschließend aber die berechtigte Frage stellen, wie sich diese Wende auf die Peripherie auswirkte.

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Zeit­abschnitt strenger formuliert und enger gefasst wurden. Dabei handelte es sich um eine Zeitströmung, denn ­zwischen den Mönchen, ­welche die Einhaltung ­monastischer Strenge und Freiheit vom Einfluss der Laien forderten 118, und den päpst­lichen Parteigängern lässt sich keine direkte Verbindung konstruieren, auch wenn die Argumente in mancherlei Hinsicht gleich tönen 119. Diese „neue Intoleranz“120 stieß selbstverständ­ lich auf Widerstand, was wiederum zu einer Verschärfung ebendieser Regeln führte, so dass sich der Konflikt hochschaukelte. Ob der damalige Zustand des geist­lichen Standes derart verkommen war, dass ein scharfes Einschreiten nötig war, ist frag­lich und letzt­lich belanglos 121. Drei Verhaltensweisen von Geist­lichen und teilweise auch von Laien standen dabei zur Debatte. An erster Stelle stand der Nikolaitismus 122. Dabei handelt es sich in der heutigen Sprache um die Forderung, dass Kleriker zölibatär leben sollten. Dies war in der Mitte des 11. Jahrhunderts keineswegs selbstverständ­lich, und viele Geist­liche widersetzten sich vehement der Forderung nach sexueller Enthaltsamkeit. Ob sich die Forderung nach einem keuschen Lebenswandel überhaupt durchsetzen ließ, wird heute eher bezweifelt. Die Zölibatsverpflichtung für Priester sowie Mönche blieb aber bestehen und bot somit die Mög­lichkeit, Straffällige gericht­lich zu verfolgen. Der zweite Kritikpunkt war die so genannte Simonie. Der Ausdruck leitet sich vom Zauberer Simon her, der die Wundertaten der Apostel sah und ­gleiche Fähigkeiten

118 Zum Eigenkirchenwesen, den frühen Klosterreformern und zu Cluny vgl. Goez: Kirchen­ reform und Investiturstreit, S. 10 – 56; Fried: Formierung Europas, S. 104 – 106; Constable: Cluniac Reform; Keller: Religiöse Leitbilder. Zum Reformmönchtum in Schwaben unter dem späteren Gegenkönig Rudolf von Rheinfelden vgl. Weinfurter: Canossa – Entzauberung der Welt, S. 149 f.; Patzold: Monastische Reformen in Süddeutschland. Zotz: Gregor VII. und der südwestdeutsche Adel, zeigt, wie die Reformbewegung auch den ansässigen Adel in Verbindung mit Rom brachte. Den Stand der Forschung gibt Hartmann: Investiturstreit, S.  113 – 116, wieder. 119 Tellenbach: West­liche ­Kirche, S. 230 – 236 mit dem Fazit: „Die Klosterreform deckt sich auch im 11. und frühen 12. Jahrhundert nicht mit der ‚gregorianischen‘ Bewegung“; vgl. auch ebd., S. 264. Der g­ leiche Befund findet sich bei Seibert: Papsttum und monastisch-­ kanonikale Reformbewegung, S. 28; zur fehlenden „persön­lichen“ Verbindung Clunys mit der ­gregorianischen Kirchenreform vgl. Neiske: Umbruch und Kontinuität, S. 248; Constable: Cluny und der Investiturstreit. 120 Leyser: Erste europäische Revolution, S. 25. 121 Tellenbach: West­liche ­Kirche, S. 136 f. 122 Zum Folgenden Tellenbach: West­liche K ­ irche, S. 136 – 140; Cowdrey: Gregory, S.  550 – 553; Goez: Kirchenreform und Investiturstreit, S. 68; S. 74 f.; Hartmann: Investiturstreit, S. 82 f. Die Nikolaiten sind gemäß Apokalpyse, Kap. 2, eine Sekte, die Götzendienst und Hurerei frönt.

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gegen Geld erwerben wollte 123. Im übertragenen Sinn bedeutet Simonie, dass für geist­ liche Dienste wie Sakramente, Weihen, aber auch kirch­liche Ämter mit Geld bezahlt wurde. Simonie war seit altersher verboten, ihr „Wüten“ wurde im 11. Jahr­hundert aber immer stärker angeprangert und schließ­lich als Ketzerei gebrandmarkt 124. Den Kritikern ging es dabei vor allem darum, den Einfluss der adligen Laien zurückzubinden. Diese waren oft Eigenkirchenherren 125, d. h., sie besaßen eine ­Kirche und setzten sogar Priester ein. Diese wiederum konnten sich mit Geschenken oder Geldzahlungen für den neuen Posten bedanken. Damit besudelten sie aber – wie die Re­former betonten – ihr Amt mit schnödem Mammon. „Simonie“ wurde zum gängigen Schmähwort, mit dem sich die Gegner wechselseitig beschimpften. Die Grobheit des Vorwurfs verdeckte allerdings die konzeptuelle Schwierigkeit, z­ wischen Amt und notwendigem Lebensunterhalt zu differenzieren. Wie ließen sich die spiritualia, die geist­lichen Gaben, von den temporalia, den realen Besitztümern eines Gotteshauses oder einer Diözese, trennen?126

123 Vgl. Apostelgeschichte 8. Zum Folgenden Tellenbach: West­liche ­Kirche, S. 140 – 145, der darauf hinweist, dass der Simoniebegriff keinesfalls geklärt war und in erster Linie als Schlagwort diente: „Von Kauf und Verkauf der ­Kirchen zu sprechen, ist wohl in den meisten Fällen übertrieben und eine unzulässige Verallgemeinerung. Und da der Geist­liche die Weihen vom Diözesanbischof empfangen und von ihm ordiniert werden musste, geht es bei der Einsetzung ursprüng­lich nicht um verbotene geist­liche Gaben, sondern um Gebäude und Vermögen der ­Kirche, die vom Eigenkirchenherren, dem eigenen oder einem fremden Bischof, einem ­Kloster oder einer Kollegiatkirche oder einem Laienherren übertragen wurden. […] Der neue Abt oder Bischof pflegte dabei, den ­Sitten der Zeit gemäß, dem Eigenklosterherren oder Fürsten Geschenke zu bringen, die üb­licherweise mit Privilegien und noch reicheren Geschenken er­widert wurden. In einigen Ländern, besonders in Süd- und Westfrankreich, kamen regelrechte Handelsgeschäfte mit Bistümern vor.“ Zur Zeit der Karolinger wurde Simonie kaum ge­­ahndet und vor dem 11. Jahrhundert war bloß das Adjektiv simoniacus bekannt, vgl. Schieffer: Umgang der Karolingerzeit mit Simonie, insbes. S. 122, Anm. 32. Zur Entwicklung der Simonie­kritik vgl. Hartmann: Investiturstreit, S. 80; Goez: Kirchenreform und Investiturstreit, S.  53 – 55; S.  68; Schieffer: Geist­liches Amt und schnöder Mammon. Simon Magus war als abschreckendes Beispiel auf der Türe der alten St. Peter-­Basilika abgebildet, vgl. Morello: Pellegrini, S. 109. 124 Die Fallstudie von Wiesheu: Hirtenrede, zeigt, wie die Kirchenreformer auf patristische Konzepte – das Bild des „guten Hirten“ – zurückgriffen, um Simonisten als Eindringlinge in die Schafherde der Gläubigen zu brandmarken. 125 Zum „Eigenkirchenwesen“ – ein Begriff der modernen Rechtsgeschichte – vgl. Rudolf Schieffer: Artikel „Eigenkirche, Eigenkirchenwesen“ in: Lex.MA 3 (1986), Sp. 1705; Goez: Kirchenreform und Investiturstreit, S. 10 – 13. 126 Tellenbach: West­liche ­Kirche, S. 208 weist eindring­lich auf das Unfertige der Konzeptionen hin, die Gregor VII. und seine Anhänger vertraten: „Die Verbote des Empfangs von ­Kirchen aus Laienhand, der Investitur der Bischöfe durch Könige und Fürsten

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Der Vorwurf der Simonie führte deshalb direkt zur Frage, wie sich Klerus und Laienstand zueinander verhalten sollten: „Die seit Menschengedenken bestehenden Funktionen von Laien im ungeschieden geist­lich-­welt­lichen Leben war anstößig geworden.“127 Auch hier zeichnete sich eine Verschärfung bestehender Praxis ab, wenn Papst Nikolaus II. 1059 festhielt, „dass durch Laien in keiner Weise irgendein oder Priester eine K ­ irche erhalten soll, weder umsonst noch gegen Entgelt“128. Kein Geist­ licher sollte hinfort in sein Amt durch einen Laien eingewiesen werden, wie dies bisher üb­lich war, und schon gar nicht unter Einsatz von wechselseitigen „­Geschenken“. Die Einsetzung des Gundekar (Gundechar), der im Jahre 1057 zum Bischof von Eichstätt gewählt wurde, zeigt, wie das Verfahren üb­licherweise abgelaufen war. Dabei mutet es wie eine Ironie des Schicksals an, dass die späteren Hauptfeinde, der junge Heinrich IV. und Gregor VII. (damals noch der Legat Hildebrand), an d­ iesem Vorgang teilnahmen. Die Anwesenheit des jungen Königs wird in den Quellen als selbstverständ­lich beschrieben und in keiner Weise als Anstoß empfunden 129. Rund 20 Jahre ­später wurde dies in Frage gestellt. Aus der Kritik an der Simonie entwickelte sich näm­lich ein drittes Konfliktfeld, das Problem der Investitur (Amtseinweisung) durch welt­liche Herrschaftsträger 130. Da diese vor allem das Reichsoberhaupt betraf, bürgerte sich in der deutschen Historiographie für die gesamte Epoche die Bezeichnung „Investiturstreit“ ein, auch wenn es sich nur um einen der drei Brennpunkte handelte, auf ­welche die Reformer ihr Augenmerk richteten. Die jüngere Forschung konnte überdies nach­weisen, dass

waren radikale Angriffe gegen damals Altgewohntes und seit langem Bestehendes. Was anstelle des Eingerissenen treten sollte, blieb bei Gregor und seinem Kreis unbestimmt, ­un­entschieden, ungeregelt. Darin zeigt sich ein kaum glaub­licher Mangel an Realismus.“ Vgl. auch ebd., S. 211, wo die „Naivität hinsicht­lich ­dieses Problems“ noch einmal betont wird. Zur ­Besudelung durch Simonie vgl. auch die Hinweise bei Cowdrey: ­Gregory, S. 543 – 546. Zu den Rechtfertigungsversuchen der angeb­lichen Simonisten vgl. Deutinger: ­Simonisten. 127 Tellenbach: West­liche ­Kirche, S. 208. Zuvor war es ganz selbstverständ­lich das Vorrecht der Könige gewesen, ihre Bischöfe einzusetzen. So schrieb Papst Johannes X. 921 dem Erzbischof von Köln: „Es ist alter Rechtsbrauch, dass niemand einem Geist­lichen ein Bistum übertragen darf als allein der König, der sein Szepter von Gott selbst erhalten hat“; gegenüber dem westfränkischen Herrscher Karl III. bemerkte er: „Keiner darf einen Bischof weihen ohne Befehl des Königs“, vgl. Goez: Kirchenreform und Investiturstreit, S. 79. 128 MGH Constitutiones 1, ed. Weiland, Nr. 384, S. 547. 129 Töbelmann: Stäbe der Macht, S. 118 – 123, der bemerkt, dass sich nur wenige Beschreibungen von Investituren vor dem Konflikt erhalten haben. 130 Vgl. zum Folgenden Tellenbach: West­liche K ­ irche, S. 147 – 152; Hartmann: Inves­ titurstreit, S. 80 f.; Hans-­Jürgen Becker: Artikel „Investitur“, in: HRG 2. Auflage 2 (2012), Sp.  1285 – 1290.

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das Thema der Laieninvestitur eher spät zu einem Zankapfel z­ wischen sacerdotium und regnum wurde 131. Da es aber die zentrale Frage der Trennung von geist­lichem und welt­lichem Bereich berührte, dauerte der Konflikt mehrere Jahrzehnte, und erst das Wormser Konkordat im Jahre 1122 brachte für das Reich eine vorläufigen Lösung 132. Die gemeinsame Basis der Kritik an Nikolaitismus, Simonie und Laieninvestitur mündet letzten Endes im Ideal einer reinen K ­ irche. Seit dem Frühmittelalter lässt sich ein grundlegender Wandel beobachten. Während das frühe Christentum im Gegensatz zum Judentum die kultische Reinheit für unwichtig erachtete, änderte sich dies seit dem 5. Jahrhundert. Nun galt es wieder, jede Verunreinigung durch Körperflüssigkeiten oder andere schmutzige Dinge wie Kadaver strikt zu meiden. Die Rückkehr zu älteren Reinheitsvorstellungen wird vor allem mit dem Einfluss germanischer Stämme in Zusammenhang gebracht, die das Konzept geistiger Reinheit nicht verstehen konnten und deshalb in hergebrachter Weise die größte Gefahr in realen, schmutzigen Kontakten sahen. Die Beachtung dieser alt-­neuen Reinheitsvorstellungen betraf zuerst vor allem die Mönche und Nonnen 133. Die Kirchenreform verschärfte die Reinheitsvorstellungen, denn Simonie und Nikolaitismus wurden als Verschmutzungen interpretiert 134. So beschrieb Landulf, einer der Anführer der mailändischen Pataria, in einer Predigt überaus anschau­lich die Wirkung von Priestern, die als Simonisten und Nikolaiten die Messe lesen: „Hütet euch grundsätz­lich vor diesen, wenn ihr vom Erlöser euer Heil erwartet, und besucht keine ihrer Messen, denn ihre Opfergaben [= die Hostien] sind das g­ leiche wie Hundekot, und ihre ­Kirchen sind

131 Zum relativ späten Verbot der Laieninvestitur vgl. Schieffer: Päpst­liches Investiturverbot für den deutschen König; Schieffer: Gregor VII., S.  67 – 69; Beulertz: Laien­investitur. Die ersten quellenmäßig gesicherten Investiturverbote stammen aus dem Jahre 1078. Der Ausdruck investiturae controversia wird erst von Calixtus II. geprägt und taucht seit 1123 auf, vgl. Schilling: Wormser Konkordat, S. 187. Für das Jahr 1126 ist der Begriff auch in der eng­lischen Chronistik belegt, vgl. Goez: Kirchenreform und Investiturstreit, S. 186. 132 Zum Wormser Konkordat siehe Anm. 477. 133 Lutterbach: Mittelalter. Vgl. auch Angenendt: Grundformen der Frömmigkeit, S. 103; Angenendt: Reinheit und Unreinheit. Weitere Hinweise zu Reinheitsvorstellungen bei Fried: Formierung Europas, S. 104 – 107. 134 Zu den neuen Anforderungen an die Kleriker vgl. Laudage: Priesterbild und Reformpapsttum. Dieses „Klerusideal“ erneuerte bereits seit langem bestehende Anforderungen und lässt sich nicht direkt mit dem späteren Reformpapsttum verknüpfen, wie Schieffer in seiner Rezension zu Laudages Arbeit bemerkt, vgl. Schieffer: Priesterbild; zur Kritik an Laudages Ansatz vgl. auch Hartmann: Investiturstreit, S. 78. Zum Problem der Sakramentspende durch unreine Priester vgl. Goez: Kirchenreform und Investiturstreit, S. 67 f. Papst Gregor VII. verknüpfte in seinen Briefen grundsätz­lich Sexualität mit Schmutz, vgl. Brundage: Sexuality.

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wie Futtertröge für das Vieh.“135 Schmutz spielt vor allem in den Briefen des Petrus Damiani eine herausragende Rolle, wenn er verkommene Kleriker schildert. So fordert er 1059 Papst Nikolaus II. auf, gegen Konkubinarier entschieden vorzugehen, was drastisch geschildert wird: „Der Heilige Geist senkte sich auf deine Hand herab, damit du sie auflegen kannst, du aber legst sie auf die Geschlechtsteile von Huren.“136 Die Besudelung bleibt aber nicht bloß am Bischof hängen, sondern überträgt sich auf alle ihm unterstellten Kleriker. Bezeichnenderweise geht Damiani in einem Brief auch ausführ­lich auf die Homosexualität ein; der Text erhielt ­später den sprechenden Titel Liber Gomorrhianus 137. Selbst der kirch­liche Lehenseid, bei dem der welt­liche Lehensherr die gefalteten Hände des geist­lichen Gefolgsmanns mit seinen umschloss, wurde scharf kritisiert, denn es sei unwürdig, dass die Gott geweihten, mit heiligem Öl geheiligten Hände“ des Priesters „in die ungeweihten Hände“ eines Laien gelegt werden, „der vielleicht ein Mörder, Ehebrecher oder eines Kriminaldelikts Schuldiger sei“138. Angesichts solcher Tiraden wirkt die Anweisung Gregors VII. an den Bischof Jaromir von Prag direkt harmlos, wenn er verlangt, dass bischöf­liche Diener ihre Haare schneiden und ihre Bärte abrasieren sollen, um rein­licher zu wirken 139.

2.5  Der Kaiser und das Reich: Angesehen und verletzlich Die Heftigkeit der Auseinandersetzungen z­ wischen Papsttum und Kaisertum erklärt sich aus der Vorrangstellung des Römischen Reiches, das damals noch nicht ge­­heiligt war 140. Als die Konflikte in den 1070er Jahren eskalierten, stand ein König und zukünftiger Kaiser an der Spitze der westeuropäischen Königreiche und Fürstentümer: An Weihnachten 800 hatte der Papst in Rom den fränkischen Anführer Karl den Großen zum 135 Arnulf, Liber gestorum recentium, ed. Zey, Buch 3, Kap. 9, S. 177. 136 Damiani, Briefe, ed. Reindel, Bd. 2, Nr. 61, S. 215 f. 137 Damianus, Book of Gomorrah, ed. Payer. Vgl. dazu auch Olsen: Sodomy in the age of Peter Damian, insbesondere S. 203 – 262, wo die Reinheitsvorstellungen der mittelalter­lichen ­Kirche ausführ­lich geschildert werden. 138 Zitiert bei Goez: Kirchenreform und Investiturstreit, S. 167. 139 Register Gregors VII., ed. Caspar, Bd. II/1, Nr. I, 78, Brief vom 16. April 1074. 140 Zur „Heiligung“ des Reichs vgl. Weinfurter: Wie das Reich heilig wurde, sowie die Belege bei Schwarz: Herrscher- und Reichstitel, S. 86 – 96; S. 109 f.: Seit 1157 lässt sich der Ausdruck sacrum imperium in der Kanzlei Barbarossas nachweisen. Er bleibt bis 1167, verschwindet dann aber für fast ein Jahrzehnt. Danach taucht sacrum imperium wieder auf, seine Verwendung hängt aber vom Schreiber ab; für die Zeit Barbarossas steht immer noch das Romanum imperium im Vordergrund. Ab 1195 häufen sich wieder die Belege für sacrum imperium; Wilhelm von Holland integriert die Formel durchwegs in den Reichstitel.

Der Kaiser und das Reich: Angesehen und verletzlich

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Kaiser gekrönt 141. Natür­lich handelte es sich bei ­diesem Kaisertum in erster Linie um einen Machtanspruch, denn ein allumfassender „Staat“, der die anderen Macht­träger überwölbte und unter Umständen auch in die Schranken weisen konnte, bestand damals und auch ­später keineswegs 142. Und so sehr die Krönung den Franken Karl ehrte, sie barg dennoch Zündstoff, denn der Krönende – in ­diesem Falle der Papst – steht ja immer über dem Gekrönten; Karl der Große soll deshalb auch wenig Freude an seiner Ehre gehabt haben. Sobald also Fragen der Hierarchie ­zwischen Papst- und Kaisertum ins Spiel kommen sollten, war eine Klärung des wechselseitigen Verhältnisses unumgäng­lich  143.

141 Schneider: Das Frankenreich, S. 29 – 36. Zum Verhältnis Papst/Kaiser in der Karolingerzeit vgl. Steiger, Die Ordnung der Welt. Zur Kaiserkrönung und ihrer höchst unterschied­lichen Deutung in der Chronistik sowie den Bezügen zum oströmischen Kaisertum vgl. Nelson: Kaiserkrönung Karls des Großen, sowie den Überblick über die derzeitigen Forschungs­ meinungen bei Schieffer: Kaiserkrönung Karls des Großen. Zur nachfolgenden Entwicklung des päpst­lichen Approbationsrechts an der römisch-­deutschen Königswahl vgl. Lückerath: Päpst­liches Recht. 142 Zum Fehlen von „Staatsvorstellungen“ und zur langsamen Entwicklung von transpersonalen Herrschaftsvorstellungen vgl. Fried: Formierung Europas, S. 59 – 61. Zur Problematik des „Staatsbegriffs“ vgl. Goetz: Resümierende Bilanz, der insbesondere auf die verschiedenen Wissenschaftstraditionen in den europäischen Ländern verweist. 143 Auf diesen Einschnitt im Verhältnis von Papst- und Kaisertum weist insbesondere Pitz: Griechisch-­römische Ökumene, S. 480 hin, indem er auf die entsprechende päpst­liche Programm­kunst im Speisesaal des Laterans eingeht; die Mosaiken entstanden vermut­lich vor der Kaiserkrönung Karls: „Man sah dort im Mittelpunkt der Bilderfolge Christus im himm­ lischen Raum stehend und umgeben von den Aposteln, die er zur Verkündigung aussandte, daneben den thronenden Heiland, wie er Petrus die Schlüssel zum Himmelreiche und Kaiser Konstantin die Heerfahne überreichte, und schließ­lich den nun selber thronenden Petrus, der Papst Leo mit dem Pallium bekleidete und die Heerfahne an König Karl übergab. Durch die verdoppelte Gleichstellung der Inhaber des Stuhles Petri mit den Trägern der welt­lichen Hoheit verlieh das Bild der Zweigewaltenlehre einen unmissverständ­lichen Ausdruck. Auffällig ist, dass es den gottunmittelbaren, apostelgleichen Rang des christ­lichen Kaisers anerkannte, während Papst und König nur indirekt, durch die Hand des Apostelfürsten, zum Gottessohne in Verbindung traten: Zum ersten Mal billigte damit ein römischer Bischof dem Kaiser eine orienta­lische Ehre zu, die ihm in Rom noch nie gewährt worden war, die Aufnahme näm­ lich in die bild­liche Darstellung des himm­lischen Bereichs. Schwer­lich konnte der fromme, petrusgläubige König [Karl] der theolo­gischen Aussage d ­ ieses Bildes widersprechen; wenn er sie aber akzepierte, dann hatte Leo den entscheidenden Vorteil errungen und für sich und seine Nachfolger eine Position zu Seiten der welt­lichen Gewalt gewonnen, die kein byzan­ tinischer Kaiser je einem Patriarchen der Reichskirche hätte zugestehen können.“ Die Macht des Papstes zeigt sich auch darin, dass er allein bestimmt, wer zur katho­lischen ­Kirche gehört und wer nicht. Siehe dazu Anm. 510.

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Dennoch hatte das ehemals ostfränkische Reich, das nun als neu-­altes Imperium Romanum galt, ­zwischen ca. 950 und 1050 eine herausragende Stellung erreicht. Die Kaiser regierten nicht nur über die Gebiete des heutigen Deutschlands, sondern ­dehnten ihre Macht nach Mittel- sowie Nordeuropa aus und waren auch in Italien präsent, um bei jedem Herrscherwechsel wieder ihre Krönung durch den Papst veranlassen zu können 144. Selbst die Angriffe der Ungarn konnten ihre Herrschaft auf die Dauer nicht bedrohen 145. Im Gegensatz zu den anderen Königen in Westeuropa besaßen die ottonisch-­frühsa­lischen Könige die „Verantwortung und Mitverfügung im gesamten Bereich ihrer Herrschaft“146. Auch die späteren sa­lischen Könige und ihre Parteigänger gingen davon aus, dass sie beim Amts­ antritt das Kaisertum in nuce besaßen 147. Bei der Verwaltung des Reichs spielten die Bischöfe eine wichtige Rolle, denn sie verfügten nicht nur über administrative Fertigkeiten, sondern standen auch infolge ihrer Ausbildung an der könig­lichen Hofkapelle in engem Kontakt zum Königshaus. Die starke Einbindung der ­Kirche in die Herrschaftausübung stärkte zuerst die Dynastien der Ottonen und Salier. Die enge Zusammenarbeit z­ wischen geist­licher und welt­licher Macht wird sich während der Auseinandersetzung ­zwischen Papst und Kaiser aber als entscheidende Schwäche erweisen 148. Dennoch lässt sich von einer „Einheit der Welt unter Kaiser Heinrich III.“ sprechen, auch wenn erste kritische Stimmen am Ende seines

144 Man hat ausgerechnet, dass die drei ottonischen Kaiser ingesamt fast ein Drittel ihrer Regierungszeit in Italien verbrachten, vgl. Tellenbach: West­liche K ­ irche, S. 51. Zur Entwicklung von Königtum und Reich unter den Liudolfingern/Ottonen vgl. Fried: Formierung Europas, S. 81 – 90. Zur Frage nach einer damaligen „Staat­lichkeit“ vgl. Keller: Staat­lichkeit der Ottonenzeit; Deutinger: Staat­lichkeit. 145 Zu den Ungarneinfällen vgl. Fried: Formierung Europas, S. 56 f.; S. 70 f. 146 Tellenbach: West­liche ­Kirche, S. 54. 147 Hehl, König, S. 12: Die Parteigänger der Salier gingen „nach dem Tod Heinrichs III. zu­­ nehmend von einem Königtum aus, das zur kaiser­lichen Gewalt gleichsam anwuchs“. 148 Tellenbach: West­liche ­Kirche, S. 57 – 59, der allerdings nicht von einem „Reichskirchen­ system“ sprechen will; zu dieser überholten Konzeption auch Schieffer: Ottonisches Reichs­ episkopat; Eldevik: Episcopal Power, S. 7 – 10. Zusammenfassend Fried: Formierung Europas, S. 63 f.: „Die Liudolfinger leisten Maßgeb­liches, indem sie die karolin­gischen Ansätze konsequent fortentwickeln, die ­Kirchen umfassend zu den welt­lichen Reichsaufgaben heranziehen und sie aus ­diesem Grunde mit einer Fülle von Herrschafts- und Fiskalrechten ausstatten. Damit ist das Fundament zu einer auf Generationen stabilen und effektiven Königsherrschaft gelegt – und zugleich der Keim zur Schwächung der zentralen Königsmacht durch die Kirchen­ reform des 11. Jahrhunderts gesetzt.“ Auch der regionale Adel versucht, die Bischofskirchen in seinen Dienst zu nehmen (ebd., S. 107). Beispiel für den großen Einfluss der Bischöfe bei Goez: Kirchen­reform und Investiturstreit, S. 81 – 83. Die Forschung zum Episkopat fasst Hartmann: Investiturstreit, S. 98 – 100, zusammen.

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Lebens – der Vater Heinrichs IV. starb 1056 – wach wurden 149. Nichts verdeut­licht dies besser als die Tatsache, dass das Reichsoberhaupt bis zum Bruch mit Rom als vicarius Christi angesehen wurde, und in den laudes bei der Thronerhebung steht der König bis 1077 über dem Papst 150. Diese relative Stabilität stand im Gegensatz zur Situation in den meisten westeuropäischen Gebieten. Rom wurde von Adelsclans regiert, die Apenninenhalb­insel selber zerfiel in konkurrierende Herrschaftsgebiete 151. Die Päpste selber besaßen bis in die Mitte des 11. Jahrhunderts wenig Macht, weder in der Ewigen Stadt noch in den anderen Gebieten Europas; das Einzige, was ihnen blieb, war die „gläubige Verehrung des Stellvertreters Petri und der Sacra Roma“. Dies änderte sich erst in der zweiten Hälfte des 11. Jahrhunderts 152. Das westfränkische Reich stand unter dem Schock der regelmäßigen Raids von Nordleuten, den berüchtigten Normannen 153. Das Gründungsgeschlecht

149 So der Kapiteltitel bei Weinfurter: Canossa – Entzauberung der Welt, S. 27 – 45; ebd. S. 36 zur Sakralität des Königtums: „Eine kühne, hochgesteigerte christomimetische Herrscher­ ideologie“. Im gleichen Sinne auch Bisson: Crisis, S. 112: „In 1050 Henry III of Germany was much the strongest king in Europe.“ Die Kirchenreformer beginnen mit ihrer Kritik zuerst am Höfling, am verkommenen Hof, um sich nachher dem Reichsoberhaupt zuzuwenden, vgl. Weilandt: Krise des Königshofes, S. 463 f. Weitere Hinweise zur Kritik an Heinrich III. bei Althoff: Die letzten Salier, S. 81 f. 150 Boshof, Königtum und Königsherrschaft, S. 110; S. 114 – 115. 151 Tellenbach: West­liche ­Kirche, S. 50: „Die Apenninenhalbinsel ist in ihrem Herrschaftsgefüge nicht bloß noch zersplitterter als Frankreich oder Burgund, sondern in ihrer Zersplitterheit außerdem in höchstem Maße unstabil.“ Im 10. Jahrhundert wird die Geschichte der Päpste vor allem durch die Zustände in Rom und seinem Umland bestimmt (ebd., S. 68). Selbst ­Gregor VII. fand wenig Rückhalt bei den italienischen Bischöfen (ebd., S. 170 f.). 152 Tellenbach: West­liche ­Kirche, S. 65 – 72 mit der Kapitelüberschrift „Der Papst. Idee und Wirk­lichkeit“. Vgl. auch ebd., S. 152 f.: „Aber es ist kein Zufall, wenn seit der zweiten Hälfte des 11. Jahrhunderts das objektivierende Substantiv papatus – neben pontificatus – auftritt. Erst von dieser Zeit an kann man im Ernst von einer Geschichte des ‚Papsttums‘ reden, während es vorher nicht um eine Institution im späteren Sinn, sondern einerseits um die dogmatische Entscheidung über die ideelle Stellung des Bischofs von Rom als Nachfolger Petri in der universalen K ­ irche, andererseits historisch um Leben und Wirken der einzelnen Päpste ging.“ Zur Bedrohung Roms und der Päpste durch Sarazenen im 9. Jahrhundert vgl. Fried: Formierung Europas, S. 53 f.; zum Papsttum als Spielball römischer Adelsclans ebd., S. 99. Eine umfassende Darstellung jetzt bei Hägermann: Papsttum am Vorabend des Investiturstreits. Seit der Mitte des 11. Jahrhunderts verbesserte sich aber dank ­Neuerungen die Position des Papstes: Betreffend Kanzleiordnung, „Reisepapsttum“, neues Design für P ­ ­apsturkunden, Neuorganisation der Papstwahl vgl. Weinfurter: Canossa – Ent­zauberung der Welt, S. 77 – 100. 153 Fried: Formierung Europas, S. 54 – 56, S. 70.

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des s­ päteren franzö­sischen Könighauses, die Kapetinger, verfügte nur über einen geringen Einfluss, gerade auch in kirchenpolitischer Hinsicht 154. England fand unter den angelsäch­sischen Königen zwar zu einer gewissen Einheit, aber die Bedrohung durch die „Nordleute“ hielt weiterhin an 155. Die Iberische Halbinsel wiederum war mit der Präsenz muslimischer Herrschaft konfrontiert, deren Expansion erst langsam gestoppt werden konnte 156. Beim Konflikt z­ wischen sacerdotium und regnum trafen also zwei Gegner aufeinander, die nicht nur in der zeitgenös­sischen Vorstellungswelt an der Spitze der damaligen lateinischen Christenheit standen, sondern das damalige Reichsoberhaupt repräsentierte eine reale Macht in Mitteleuropa. Umso einschneidender erlebten die Zeitgenossen den Zwist ­zwischen den beiden Häuptern der Christenheit.

154 Tellenbach: West­liche ­Kirche, S. 46 – 48; Fried: Formierung Europas, S. 63 f. weist darauf hin, dass die Kapetinger nur bei einem Drittel der Bischofssitze über ein Investiturrecht verfügten, während der ostfränkische König prinzipiell alle Bistümer im Reichsgebiet besetzen konnte. Zur Errichtung des kapetin­gischen Königtums ebd., S. 78 f. 155 Tellenbach: West­liche ­Kirche, S. 61 – 64; Fried: Formierung Europas, S. 79 f. 156 Fried: Formierung Europas, S. 54.

3.  Scheiternde Lösungsversuche und Verzweiflung 3.1  Die rechte Ordnung in der christlichen Welt geht verloren Nichts verdeut­licht besser den Gegensatz ­zwischen der Zeit vor 1076 und den folgenden Kämpfen als ein Ereignis aus dem Leben Gerhards I., Bischof von Cambrai (975 – 1051)157. Im Jahre 1023 weigerte er sich zuerst, dem geplanten Gottesfrieden der Bischöfe Berold von Soissons und Warin von Beauvais beizutreten, und er begründete dies gegenüber seinen Kollegen folgendermaßen: „Ihm selber erscheine der geplante Gottesfrieden nicht so sehr unmög­lich, als vielmehr unpassend, da die Bischöfe sich mit einer solchen Vorkehrung könig­liche Rechte anmaßten. Auf diese Weise werde überdies die Stabilität der heiligen ­Kirche zerstört, die vorschriftsmäßig durch Zwillings­ personen (geminae personae), den König und den Priester, verwaltet werden soll. Dem einen steht das Beten, dem andern das Kämpfen zu. Deshalb gehört es zu den Pflichten der Könige, Aufstände durch Tatkraft zu verhindern, Kriege zu be­­sänftigen, den fried­lichen Handelsverkehr zu erweitern; die Bischöfe aber sind gehalten, die Könige zu ermahnen, dass sie mannhaft für das Wohl des Landes kämpfen, und sie, die Bischöfe, sollen für einen Sieg beten.“158 Gerhard griff dabei auf ältere Vorstellungen einer funktionalen Zweiteilung zurück, die sich bereits bei Augustin, Gelasius I., Gregor dem Großen und Isidor von Sevilla nachweisen lassen und die während der Karolingerzeit wieder diskutiert wurden. Es war vor allem Papst Gelasius I. (492 – 496), der ­dieses Konzept gegenüber dem ost­ römischen Kaiser Anastasius vertrat und damit einen grundsätz­lichen Unterschied ­zwischen Rom und Byzanz hervorhob: „Zwei sind es, erhabener Kaiser [Anastasius], durch die in erster Linie diese Welt regiert wird: die geheiligte Autorität der Bischöfe

157 Vgl. zu seiner Person Struve: Artikel „Gerhard, Bischof von Cambrai“, in: Lex.MA 4 (1989), Sp.  1311 f. 158 Gesta episcoporum Cameracensium, ed. Bethmann, S. 474: Hoc [der geplante Gottesfrieden] enim non tam inpossibile quam incongruum videri respondit [Bischof Gerhard], si quod regalis iuris est, sibi vendicari presumerent. Hoc etiam modo sanctae aecclesiae statum confundi, quae geminis personis, regali videlicet ac sacerdotali, administrari precipitur. Huic enim orare, illi vero pugnare tribuitur. Igitur regum esse, seditiones virtute compescere, bella sedare, pacis commercia dilatare; episcoporum vero, reges ut viriliter pro salute patriae pugnent monere, ut vincant orare. Der Text wurde s­ päter, in den Jahren 1041 – 1043, aufgezeichnet. Zur Situation vgl. Schieffer: Gerhard I. von Cambrai.

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und die könig­liche Gewalt. Von diesen ist die Last der Bischöfe um so schwerer, als sie auch für die Könige der Menschen vor Gottes Richterstuhl Rechenschaft ab­­legen müssen. […] In solchen Dingen bist Du von ihrem Urteil abhängig, darfst Du sie nicht unter Deinen Willen beugen wollen; in Dingen aber, die die Ordnung der Staats­gewalt betreffen, leisten auch die Vorsteher der Religion Deinen Gesetzen Gehorsam, weil sie wissen, dass die Kaisergewalt Dir durch Gottes Anordnung übertragen ist.“159 Seit dieser Zeit hielt der Heilige Stuhl an der Autonomie der geist­lichen Bußgewalt fest und distanzierte sich damit vom Cäsaropapismus der byzantinischen Kaiser 160. Verstärkt wurde diese Haltung durch die „Zweischwerterlehre“, von der im Folgenden noch die Rede sein wird 161. Gerhard von Cambrai bezog sich auf diese Vorstellungen und erweiterte sie, indem er die beiden personae als Zwillinge charakterisierte, was den Gegensatz ­zwischen geist­ lichem und welt­lichem Bereich in einem schönen Bild beschrieb und aufhob 162. Wir denken dabei unwillkür­lich an das viel ­später entstandene Bild aus dem Sachsenspiegel, das Papst und Kaiser freundschaft­lich vereint und auf einem Thron sitzend darstellt 163. Nach 1076 war Ausgewogenheit nicht mehr gefragt, denn die heikle Situation mit ihren Gegenkönigen und Gegenpäpsten verlangte von allen Menschen eine

1 59 Die Übersetzung nach Pitz: Griechisch-­römische Ökumene, S. 205. 160 Dies wird von Pitz: Griechisch-­römische Ökumene, S. 205 hervorgehoben: „Unvereinbar war diese Lehre [des Gelasius] mit dem griechischen Gedanken an eine vom Kaiser ge­­leitete Reichskirche, welchem das Volk von Konstantinopel nicht nur in den Akklamationen, sondern auch im Gottesdienst Ausdruck verlieh […]. Das Kaisertum, so war der Glaube des Ostens, sei von Christus in der Auferstehung gegründet worden und werde von ihm in jedem Augenblick erneuert, daher es den herrschenden und siegenden Gott genauso wahr repräsentierte wie die K ­ irche. Wer so glaubte, dem erschien der Kaiser im Glanze eines übermensch­lichen Wesens […].“ Seit Gelasius I. „pflegten die Päpste die öst­lichen Reichsuntertanen beständig als Griechen (Graeci) zu bezeichnen: Man wollte dem monistischen Staats- und Kirchenbegriff der Byzantiner, die […] sich selbst als die neuen und wahren Römer (Rhomaioi) verstanden, die eigene dualistische Macht- und Loyalitätsauffassung, die es zuvor noch nirgendwo auf der Welt gegeben hatte, nicht nur entgegensetzen, sondern sie auch als eigent­lich und wesent­lich römisch darstellen.“ Zum Spott der byzantinischen Kaiser über den Canossagang siehe Anm. 546. 161 Siehe dazu Anm. 275. 162 Allerdings verfolgte der Bischof von Cambrai diesen Deutungsansatz nicht weiter, sondern wandte sich in einer späteren Predigt aus den 1030er Jahren, beeinflusst von Adalbero von Laon, dem Schema der funktionalen Dreiteilung zu. Vgl. dazu Oexle: Die funktionale Dreiteilung der ‚Gesellschaft‘ bei Adalbero von Laon, vor allem S. 35 – 37 [zu den älteren dualen Funktions­aufteilungen]; S. 42 – 45 [zum hier zitierten Text und dem historischen Zusammenhang der Gottesfriedensbewegung]. 163 Vgl. dazu die Abbildung auf der Vorderseite ­dieses Buches.

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Entscheidung: Welche Seite wählen?164 Der „Kampf um die rechte Ordnung in der christ­lichen Welt“165 erschütterte die Glaubenssicherheit vieler Menschen. Die Q ­ uellen überliefern dramatische Aussagen. „Unsere ganze römische Welt war erschüttert“, als Heinrich IV. 1076 exkommuniziert wurde, schreibt Bonizo von Sutri 166. Zum Jahre 1080 schreibt Laurent von Lüttich: „Damals war das ganze Reich in sich gespalten, damals war jede Stadt in zwei Teile aufgeteilt, indem die einen die Sache des kaiser­ lichen Hofes, die anderen diejenige des aposto­lischen Stuhles verteidigten und jede die gegnerische Partei verfolgte. Der aposto­lische Stuhl schlug alle seine Gegner mit dem Bann und hielt sie von den heiligen Gottesdiensten fern; der kaiser­liche Hof nahm seine Feinde fest, vertrieb sie und beraubte sie ihrer Ehren. Am Ende verfolgte jede der beiden Parteien ihre Gegner mit Schwert, Mord und Feuer.“167 Benzo von Alba, ein Parteigänger des Kaisers, bemerkte zum Verhalten des Papstes: „Gregor VII. spieh die ganze Hölle aus, er verwirrte die Erde, die Meere, die heiligen Stätten. Den, zu dem wir uns flüchten sollten, wagte er zu schlagen: den Fürsten der Fürsten, der das Band des Gesetzes in seinen Händen hält.“168 Abt Norbert von Iburg, der 1117 starb, beschreibt die Zwangslage anschau­lich: „Den Streit ­zwischen König und Papst vermochte, als er einmal ausgebrochen war, weder Rat noch Vernunft eines Menschen mehr zu dämpfen. Keine der beiden Seiten kannte mehr ein Maß, die eine kein Maß an Schmähungen und Exkommunikationen, die andere kein Maß an Gewalt, Mord und Raub. Und so war es mit Hass und Feindschaft so weit gekommen, dass das Feuer

164 Zum Dilemma der Bischöfe im Reich, die 1076 nicht wussten, wie sie sich bei der Lösung des Gehorsamseids gegenüber Heinrich IV. verhalten sollten, vgl. Weinfurter: Canossa – Entzauberung der Welt, S. 126 – 130. Die Bischöfe, von denen viele unter Heinrich III. groß geworden waren, entschieden sich für die päpst­liche Seite, da sie eine Rückkehr zur Einheit wünschten. 165 So die bekannte Kapitelüberschrift bei Tellenbach: Libertas, S. 151. 166 Bonizo Sutrinus, Liber ad amicum, ed. Dümmler, S. 609. Die Aussage Bonizos ist angesichts seiner tendenziösen Darstellung cum grano salis zu nehmen; zu seiner Historiographie vgl. Förster: Bonizo von Sutri. Ähn­lich erschüttert zeigt sich aber auch Frutolf von ­Michelsberg, der zum Jahr 1076 schreibt: Inter hęc quę gesta sint totus iam mundus sui commotione testatur („Inzwischen bezeugt die ganze Welt durch ihre Erregung das Geschehen“ (Frutolf, Welt­ chronik, ed. Schmale/Schmale-­Ott, S. 86 f.; die Übersetzung nach Goetz: Investiturstreit in der deutschen Geschichtsschreibung, S. 51). Weitere Belege zum Investiturstreit als „existenziellem Problem“ bei Weinfurter: Ende Heinrichs IV., S. 344 f.; ähn­lich beurteilten auch die Fürsten im Jahre 1079 die Situation, wenn sie an Gregor VII. schrieben, „die ganze Welt sei erschüttert und verwirrt“, vgl. Weinfurter: Lehnswesen, S. 443. 167 Laurentius von Lüttich, Gesta episcoporum Virdunensium, ed. Waitz, Cap. 9, S. 496. Bischofssitze waren häufig, aber nicht immer von inneren Konflikten bedroht. Vgl. dazu das Verzeichnis der ruhigen und der unruhigen Städte bei Hirschmann: Bischofssitze um 1100, S. 427 – 429. 168 Goez: Kirchenreform und Investiturstreit, S. 193 mit weiteren Quellenzitaten zur verzweifelten Stimmung.

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der Wut und Erbitterung nur noch durch Absetzung entweder des Königs oder des Papstes gelöscht werden konnte.“ Norbert von Iburg schildert anschließend, wie sich Bischof Benno II. von Osnabrück verhielt. Er wollte es beiden Parteien recht tun und benützte eine List: Als die kaiser­liche Partei einen Gegenpapst wählte, versteckte er sich unter dem Altar. So konnte er beschwören, bei der Wahl anwesend gewesen zu sein – ohne allerdings Stellung beziehen zu müssen 169. Einen Mittelweg wählte der kaisertreue Basler Bischof Burkhart von Fenis, der Heinrich IV. beständig die Treue hielt, bereits 1083 aber das Cluniazenserkloster St. Alban in Basel gründete, um so auch der Reformbewegung seine Reverenz zu erweisen; immerhin war Hugo von Cluny der Taufpate Heinrichs IV.170 Der anonyme Verfasser von De unitate ecclesiae conservanda, der sich wieder eine vereinte ­Kirche herbeiwünschte, schrieb angesichts dieser Konflikte ­verzweifelt: „Im Römischen Reich herrschen Kriege und Aufstände, Brandstiftungen und ­Zerstörungen von ­Kirchen und Klöstern, und Bischof steht gegen Bischof, Kleriker gegen ­Kleriker, Volk gegen Volk, ja sogar Sohn gegen Vater und Vater gegen Sohn und Bruder gegen Bruder.“171 Die Situation blieb über Jahrzehnte chaotisch: Päpste und Gegenpäpste, Kaiser und Gegenkönige wechselten sich ab, und die Wirren wurden von Gewaltexzessen ­be­gleitet  172. Dabei handelte es sich nicht um Probleme hochgebildeter Theologen, sondern die einfachen Menschen fragten sich: Galten die Sakramente noch 173? War der Priester, der mit einer Frau zusammenlebte, ein gefähr­licher Sünder, dessen Makel ansteckend und auf die Gläubigen übertragbar war? Mussten Mönche im Kloster bleiben, oder durften sie hinausgehen und die neue, strenge Lehre der Kirchen­ reformer predigen? Sollten die Bürger ihrem Bischof, der Herr der Stadt war, weiterhin ge­­horchen, wenn er vom Heiligen Stuhl abgesetzt worden war? Was war ein Eid zukünftig noch wert 174? Ständig galt es, Entscheidungen von großer Tragweite zu fällen. 1 69 Keller: Persön­liche Entscheidung, S. 63. 170 Wollasch: St. Alban; zu seiner Person vgl. Tilman Struve: Artikel „Burkart von Fenis“, in: Lex.MA 2 (1983), Sp. 1404. 171 Anonymus, De unitate ecclesiae conservanda, ed. Schmale-­Ott, S. 303; die letzten Worte stammen aus dem Neuen Testament (Mark. 13,129). 172 Zu den Gegenpäpsten vgl. den Aufsatzband von Müller/Hotz, Gegenpäpste. 173 Selbst die strengen Kirchenreformer hielten an der seit Jahrhunderten geltenden Regel fest, dass die Sakramente gültig waren, selbst wenn der Amtsinhaber exkommuniziert oder gar ein Ketzer war, vgl. Tellenbach: West­liche ­Kirche, S. 248 f. Zu dieser Frage und der neueren Forschung vgl. Melve: Inventing the Public Sphere, S. 28. 174 Vgl. dazu die Schilderung bei Keller: Persön­liche Entscheidung, S. 64 – 66.; allgemein Bisson: Crisis, S. 205: Die Auflösung des Untertaneneids durch Gregor VII. „was, indeed, the most astonishing assertion of arbitrary power of the eleventh century, for besides flying brutally in the face of custom, as royalist critics soon pointed out, it placed masses of people

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Bezeichnenderweise lesen wir in den Augsburger Annalen zum Jahr 1079 eine lange Klage über die unglück­lichen Zeiten: „Der König von Ungarn fiel in das Gebiet ein. Die Gesandten des Papstes kommen zusammen mit dem Patriarchen Heinrich nach Regensburg, um über den Frieden zu verhandeln, aber sie richten wenig aus. Als der König mit Gesandten und Heer nach Fritzlar kam, erreichten die treulosen Sachsen, w ­ elche den König und die Gesandten mit einer List täuschten, dank eines Eides ein Abkommen, und so wird der Krieg beendet. – Herzog Friedrich wird an die Spitze Alemanniens gestellt. Propst Norbert von Augsburg wird zum Vorsteher der ­Kirche in Hof bestellt. Oh bejammernswertes Aussehen des Reichs! So wie man in einer Komödie liest ‚Alle sind wir verzwillingt‘ [Omnes sumus geminati], so sind die Päpste verzwillingt [geminati], die Bischöfe verzwillingt, die Könige verzwillingt, die Herzöge verzwillingt!“175

Anscheinend versuchte der anonyme Verfasser, seine Verzweiflung über den Zustand des Reichs mit Hilfe eines Rückgriffs auf literarische Vorlagen in Worte zu fassen und zu bewältigen. Bei der angeführten Komödie handelt es sich wohl um den Amphitruo von Plautus, wo der Vers omnes congeminavimus begegnet 176. Zeus verwandelt sich in ­diesem Stück in den Gatten Alkmenes, um wieder einmal ein irdisches Liebesabenteuer zu erleben. Die übernatür­liche Doppelgängerei des Göttervaters endet in einem höchst irdischen Phänomen. Alkmene wird ­Mutter von Zwillingen, genauer: des Herakles und des Iphikles.

in conscientious anxiety about their souls“. Zur Krise des Eids als „Kernelement im gesamten politischen Ordnungssystem“ vgl. Weinfurter: Lehnswesen. Seitens der K ­ irche lässt sich beobachten, dass sie seit der Mitte des 11. Jahrhunderts begann, die Eidesleistung der eigenen Definitionsmacht zu unterstellen: „Die Kraft des Eides wurde damit von einem von der ­Kirche verwalteten und kontrollierten Sakrament abgeleitet“, vgl. Weinfurter: Ende Heinrichs IV., S. 338 – 342. Der Einschnitt wirkt umso schärfer, als der Treueid seit dem Frühmittelalter die entscheidende Bindung ­zwischen dem König und seinen Untergebenen war, vgl. Esders: Recht­liche Grundlagen. Zur Problematik der von Gregor VII. verkündeten Eideslösung vgl. Struve, Eideslösung. 175 Annales Augustani, ed. Pertz, S. 129, Z. 48–S. 130, Z. 4. Ähn­lich klagt Stephan von Rouen (aktiv bis 1170, vgl. Peter Orth: Artikel „Stephan von Rouen“, in: Lex.MA 8 (1997), Sp. 123) rund 100 Jahre ­später über das Schisma von 1159 und erklärt dies mit dem negativen Einfluss der Zwillinge Romulus und Remus: Sic papae gemini fabricantur tempore nostro, / Turpius in terris schisma fuisse nequit. […] Binos nulla polis recipit, nisi turgida Roma, / Talis in exemplo qualis et ipsa latet. / Fratribus ex geminis quod traxit semper habebit; / Discors Roma fuit, semper et illud erit. (Stephanus Rotomagensis, Draco Normannicus, ed. Howlett, Lib. III, Cap. VI, 382 – 394). 176 Vgl. Loewe: Annales Augustani, S. 69, mit Verweis auf Plautus, Amphitryon, Vers 786: omnes congeminavimus.

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Positive geminae personae, wie wir sie bei Gerhard von Cambrai wenige Jahrzehnte zuvor kennenlernten, waren offensicht­lich nicht mehr mög­lich. Warum war aber die „Verzwillingung“, wie sie der Augsburger Annalist schildert, derart schlimm? Warum ließ sich der Konflikt ­zwischen Papst und Kaiser nicht im Bild der Zwillinge aufheben, im Hegelschen, dreifachen Sinne? Oder kurz gefragt: Warum können Papst und Kaiser nicht Zwillinge sein? War es den hochmittelalter­lichen, klerikalen Autoren aufgrund ihrer „geistigen Werkzeugkiste“177 nicht mög­lich, die „Wirk­lichkeit“ der Natur und ihrer Zwillingsgeburten mit dem gelehrten „Wissen“ in Übereinstimmung zu bringen?178

3.2  Jakob und Esau, Perez und Serach, oder: Vom Unglück biblischer Zwillinge Tatsäch­lich konnten die Geist­lichen keine positiven Vorbilder für Zwillinge in der Heiligen Schrift finden. Das Verhältnis der Zwillinge Jakob und Esau ist seit Beginn der Schwangerschaft ihrer ­Mutter Rebekka von Konflikt und vor allem von der Frage nach Überordnung/Unterordnung geprägt 179. Jahwe teilt Rebekka mit: „Zwei Völker sind in deinem Schoß, zwei Stämme aus deinem Schoß werden sich scheiden. Der eine Stamm wird den anderen überwältigen, und der Ältere wird dem Jüngeren dienen.“ Ein Konkurrenzverhältnis zeigt sich bereits bei der Geburt: Jakob fasst Esau an der Ferse, um ihm unverzüg­lich in die Welt nachzufolgen. Der Name „Jakob“ wird in der hebräischen Volksetymologie deshalb auch mit „Ferse“ und „betrügen“ erklärt 180. In der Folge wird das Verhältnis der zweieiigen Zwillingsbrüder 181 nur unter dem ­­Z eichen des Gegensatzes und des Machtgefälles beschrieben, statt dass die Tatsache ihres gemeinsamen neunmonatigen Lebens im Leib Rebekkas hervorgehoben wird. Esau ist behaart, ein Jäger und Mann der Steppe; Jakob lebt sch­licht bei den Zelten. Selbst die Eltern teilen ihre Kinderliebe auf: Isaak wendet sich Esau zu, der ihn mit Wildbret versorgt, Rebekka aber verhätschelt Jakob. Der Verkauf des Erstgeburtsrechts durch Esau führt schließ­lich zur Umkehrung der

177 Der Ausdruck nach Lucien Febvre, der von einem „outillage mental“ spricht, um das Phä­ nomen der „mentalité“ in einem Bild zu fassen. 178 Zu ­diesem Gegensatz vgl. Oexle: Wirk­lichkeit und Wissen. 179 Genesis 25,19 f. 180 Aufgrund einer Herleitung aus den zwei Bedeutungen der Wurzel „cqb“: „betrügen“ und „Ferse“ (Hans-­Jürgen Zobel; Göran Larsson; Artikel „Jakob, Jakobsegen“, in: TRE 16 (1987), S. 461 – 468; S. 461). Zu den Abbildungen von Jakob und Esau vgl. Claus Michael Kauffmann: Artikel „Jakob“, in: Lexikon der christ­lichen Ikonographie 2 (1970), Sp. 370 – 383. 181 Vgl. dazu Gedda: Twins in History and Science, S. 18.

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üb­lichen Unterordnung des jüngeren unter den älteren Bruder.182 Esau gerät in der Folge auf Abwege. Er heiratet zum Leidwesen seiner Eltern zwei K ­ anaaniterinnen. Anschließend entgeht ihm der väter­liche Segen, da Rebekka ihren Lieblingssohn Jakob dem blinden Isaak unterschiebt. Als dies der zu spät gekommene Esau vernimmt, beschimpft er den betrügerischen Bruder und bricht in lautes Weinen aus; Esau ist damit – wie die spätere Kabbala hervorhebt – der erste Mensch in der Bibel, der Tränen vergießt. In der Folge leben sich die beiden Zwillingsbrüder immer weiter auseinander, und Esau erwägt sogar gemäß einer apokryphen Tra­ dition den Tod seines Bruders 183. Er wird schließ­lich zum Stammvater der Edomiter, die in der alttestamentarischen Tradition den „Erbfeind“ Israels repräsentieren und deren endzeit­liche Unterwerfung man erwartete. Edom wurde zur Chiffre für jeden Feind, der Israels Existenz bedrohte, wie beispielsweise die Römer. Zugleich blieb aber auch das Bewusstsein der ursprüng­lichen, zwillingsbrüder­lichen Verbindung der beiden Völker erhalten 184. Dennoch wird Esau bis heute umgangssprach­lich auf den zweiten Platz verwiesen, denn die beiden Brüder tauchen im Doppel nur als „Jakob und Esau“ auf: Der Jüngere wird dem Älteren vorangestellt 185. Es gibt nur noch eine einzige weitere Stelle in der Bibel, in der reale Zwillinge vorkommen, bezeichnenderweise auch diesmal in einem dubiosen Kontext. Es handelt sich um die Söhne von Juda und dessen Schwiegertochter Tamar, einer Kanaaniterin 186. Juda hatte seiner Schwiegertochter Tamar beigewohnt, da er sie für eine Hure hielt. Bei der Geburt streckte der eine Knabe die Hand heraus, worauf ihm die Hebamme einen roten Faden umband. Darauf zog der Säugling seine Hand wieder zurück, und sein Bruder kam auf die Welt. Da er sich in geschickter Weise einen Weg neben seinem Bruder vorbei gebahnt hatte, erhielt er den Namen Perez („Riss“), während der andere Knabe mit dem roten Faden am Handgelenk „Serach“ genannt wurde. Erneut 182 Das Verhältnis der ungleichen Zwillingsbrüder illustriert eine meisterhafte Zeichnung von Rembrandt Harmenszoon van Rijn, vgl. die Abbildung am Ende der Einleitung ­dieses Buches. Zum Kontext von Rembrandts Zeichnung, die 1640/1641 entstand, vgl. Royalton-­Kisch, ­Drawings by Rembrandt, S. 99; S. 101. 183 In apokryphen Texten („Buch der Jubiläen“, „Testamente der zwölf Patriarchen“) bringt Jakob seinen älteren Zwillingsbruder sogar um (Harris: Boanerges, S. 277). 184 Vgl. dazu Cohen: Esau as Symbol; Manfred Weippert: Artikel „Edom und Israel“, in: TRE 9 (1982), S. 291 – 299; S. 297. Im Deuteronomium 24,8 werden die Edomiter, die Nachfahren von Esau, explizit als Brüder bezeichnet. Zur christ­lichen Exegese von Esau siehe Anm. 191. 185 Die Brüder entsprechen dem Muster der „asymmetrischen Gegenbegriffe“, denn im Kontext des Alten Testaments entsprechen Jakob und Esau denjenigen Begriffspaaren, „die sich dadurch auszeichnen, dass sie die Gesamtheit aller Menschen zu umfassen beanspruchen. Es handelt sich also um binäre Begriffe von universalem Anspruch.“ (Koselleck: ­Asymmetrische Gegenbegriffe, S. 213). 186 Genesis 38,1 – 30.

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thematisiert diese Episode das Problem des Erstgeborenen und der Hierarchie innerhalb einer Zwillingsbeziehung, ohne allerdings diesen Aspekt weiter auszuführen. In metaphorischer Hinsicht tauchen Zwillinge nur noch im Hohelied Salomonis auf, wo wir zuerst lesen: „Deine Zähne sind wie eine Herde Schafe mit b­ eschnittner Wolle, die aus der Schwemme kommen, die allzumal Zwillinge haben“; danach werden die Brüste der Geliebten mit zwei Rehzwillingen verg­lichen, die z­ wischen Lilien weiden 187. Im Neuen Testament taucht das dubiose Zwillingsproblem im Zusammenhang mit der griechischen Übersetzung Didymos („Zwilling“) für den hebräischen Namen des Apostels Thomas auf. Die Rolle des schwankenden, „ungläubigen“ Thomas erlaubte es den christ­lichen Autoren ebenfalls nicht, das Phänomen des Zwillingsseins positiv zu beurteilen 188. Nur in der apokryphen Überlieferung darf Thomas als Zwillingsbruder von Jesus eine Rolle spielen: Er reist nach Indien und bekehrt die dortigen Menschen, die zukünftig als „Thomaschristen“ bezeichnet werden. Es ist a­ nzunehmen, dass damit die antiken Traditionen von Castor und Pollux in christ­lichem Gewand weiterlebten 189. Paulus thematisiert als Einziger schließ­lich das befremd­liche Verhalten Jahwes, der den Jüngeren dem Älteren vorzog; der Apostel sieht darin aber ein ­­Zeichen für die Entscheidungsgewalt Gottes.190 Welche Rolle spielen Jakob und Esau in den Schriften der Kirchenväter? Jakob erscheint in der Genesis als „Trickster“, und es ist eigent­lich erstaun­lich, dass er trotzdem zu den drei Patriarchen des Alten Testaments zählt, wobei er in der Stufenleiter

187 Canticus Canticorum, Kap. 4, Verse 2 und 5; beide Verse werden im Canticus Canticorum noch einmal in Kap. 6, Vers 5; Kap. 7, Vers 3 aufgenommen. 188 Johannes 11,16; 20,24: Thomas qui dicitur Didymus. Vgl. Hans-­Werner Bartsch: Artikel „Thomas“, in: Religion in Geschichte und Gegenwart 3. Auflage 6 (1962), Sp. 856; Hendrik J. W.  ­Drijvers: Artikel „Thomas, Apostel“, in: TRE 31 (2000), S. 430 – 433. Zu Thomas als „Didymus“ und seinem Fortleben, unter anderem auch in der mittelalter­lichen Exegese, vgl. Most: Doubting Thomas, insbes. S. 78 – 80, S. 122 – 145. 189 So bereits Harris: Boanerges, S. ­XVI f. Zu Thomas als Zwillingsbruder von Jesus in ­gnostischen Texten und seiner Missionstätigkeit in Indien vgl. Most: Doubting Thomas, S. 96 – 100. 190 Rom. 9,11 – 16: „Denn als sie [ Jakob und Esau] noch nicht geboren waren und noch nichts Gutes oder Böses getan hatten – damit die nach freier Auswahl zuvor getroffene Entscheidung Gottes bestehen bliebe, nicht abhängig von Werken, sondern nur von dem Berufenden – wurde ihr [Rebekka] gesagt: ‚Der Ältere wird dem Jüngeren dienstbar sein‘; wie denn geschrieben steht: ‚Den Jakob habe ich geliebt, den Esau aber habe ich gehasst [Maleachi 1,2 f.].‘ Was s­ ollen wir nun sagen? Ist etwa Ungerechtigkeit bei Gott? Das sei ferne! Denn zu Mose sagt er: ‚Ich werde mich erbarmen, wessen ich mich erbarme, und werde barmherzig sein, gegen wen ich barmherzig bin.‘ Somit kommt es nun nicht auf den an, der will, noch auf den, der läuft, s­ ondern auf Gott, der sich erbarmt.“

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den Platz ­zwischen Abraham an der Spitze und Isaak einnimmt 191. Die jüdische Tradition, die Esau mit dem Römischen Reich identifiziert, wird in der Patristik immer stärker zurückgewiesen, seitdem das Christentum zur Staatsreligion geworden war. Für die Kirchenväter wird nun das jüdische Volk zum Nachfolger Esaus, während die Rabbiner weiterhin an der Gleichsetzung Esau = Edom = Rom festhalten 192. Die mittelalter­lichen Kommentare zur Genesis bestätigen die negative Rolle Esaus, wie die folgende Auswahl von Belegstellen aus den Bibelglossen zeigt 193. Bei Claudius von Turin (gestorben um 827)194 entspricht Esau dem israelitischen Volk, das der fleisch­lichen Nachkommenschaft Gottes zugeordnet wird, während Jakob den geistigen Nachwuchs repräsentiert. Die Nachkommen Esaus werden deswegen als blutbefleckt sowie schmutzig geschildert, und sie sind ganz den irdischen Genüssen verfallen 195. In der Glossa Ordinaria, deren Entstehungszeit in die erste Hälfte des 12. Jahrhunderts fällt, begegnen drei Interpretationsansätze 196. Einerseits wird Esau als erstgeborener Zwilling mit dem Volk der Juden gleichgesetzt, Jakob aber präfiguriert das Christenvolk. Der Streit im Mutterleib widerspiegelt aber auch den Konflikt ­zwischen Gut und Böse in jedem Volk, eine Vorstellung, die bereits bei Beda ­Venerabilis (gest. 735) auftaucht: „Wie das Volk der ­Kirche das Volk der Synagoge überwand, und das Volk der Juden, von der Zeitdauer her älter, dem jüngeren Volk der Christen diente. 191 Vgl. zum Folgenden Paul Marie Guillaume: Artikel „Jacob“, in: Dictionnaire de spiritualité 8 (1974), Sp. 2 – 19. Die List Jakobs, sich verkleidet anstelle seines Bruders Esau den Segen des blinden Vaters zu verschaffen, bildet das von der Scholastik am häufigsten zitierte Beispiel einer Lüge alttestament­licher Patriarchen; Augustinus kann in seiner Schrift Contra ­mendacium nicht anders handeln, als den Vorfall als mysterium zu bezeichnen, vgl. Fuhrmann: Pseudo­ isidorische Dekretalen, Bd. 1, S. 82 f. Die Ungerechtigkeit, die Esau zu erleiden hat, wird auch von Gerhoch von Reichersberg bemerkt, siehe Anm. 230. 192 Cohen: Esau as Symbol. Die Verschärfung des Gegensatzes z­ wischen Jakob und Esau im Christentum bestätigt den Befund von Koselleck: Asymmetrische Gegenbegriffe, S. 217, dass sich die Dynamik der Negation des jeweils anderen im Christentum verstärkt. 193 Vgl. Jean Gribomont/Ludwig Hödl: Artikel „Bibel B. ­I. 1. b. Bibelglossen“, in: Lex.MA 2 (1983), Sp. 42 f. Viele Glossen – insbesondere die Glossa Ordinaria – wurden derart eng mit der Vulgata verwoben, dass sie auf der gleichen Ebene wie die Heilige Schrift standen, vgl. Smith: Glossa Ordinaria, S. 4 f. 194 Zu seiner Person vgl. Claudio Leonardi: Artikel „Claudius von Turin“, in: Lex.MA 2 (1983), Sp.  2132 f. 195 Anonym [= Claudius von Turin], Commentarii in Genesim, Buch II, Vers 21 f., Migne PL 50, Sp.  980 f. 196 Zum Ursprung der Glossa und zu ihren Verfassern Anselm und Ralph von Laon vgl. Beryl Smalley: Artikel „Glossa Ordinaria“, in: TRE 13 (1984), S. 452 – 457; Smith: Glossa O ­ rdinaria, S. 2 f.; S. 19 f.; die Bezeichnung Glossa ordinaria ist seit 1300 üb­lich. Eine gute Einführung in die Glossa bietet Salomon: Introduction.

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Betreffend einzelne Völkern kann aber auch dies gesagt werden: ‚Zwei Stämme und zwei Völker‘ sind unter uns, näm­lich das Volk der Laster und der Tugenden; ­dieses ist jünger, jenes älter: Es gibt näm­lich mehr schlechtere als bessere Menschen, und mehr Laster als Tugenden. Dennoch überwindet das eine Volk das andere, ‚und das jüngere wird dem älteren dienen‘, das Fleisch näm­lich dem Geist, und die Laster den Tugenden. Esau geht voraus, von roter Haut und borstig wie ein Fell; danach kommt Jakob heraus und hält die Fußsohle des Bruders. Das frühere Volk näm­lich ist be­­ sudelt vom Blut der Propheten und Christi, bedeckt mit dem Schmutz der Sünde und Verworfenheit, dessen Fußsohle das jüngere Volk hielt, da das jüngere Volk das ältere überwand.“197 Ein dritter Interpretationsansatz verändert die Rolle Jakobs. Nun prä­figuriert er die Heiden. Gleich wie Gott erhielt Isaak durch seine Söhne eigent­lich zwei V ­ ölker: Esau als Volk, das unter dem Gesetz steht, Jakob als Volk, das dem Glauben verpflichtet ist. Esau ist gleichzeitig ein Jäger, der sein blutiges Geschäft zur Freude Isaaks betreibt, während Jakob von Rebekka als Vorverweis für das künftige Heil gesehen wird, das die Heiden durch ihre Bekehrung erlangen werden 198. Bei Guibert von Nogent (gestorben um 1125)199 wiederholt sich die Interpretation, dass der Kampf der beiden Brüder den Konflikt ­zwischen Gut und Böse präfiguriere. In einer für Guibert typischen Weise – Guibert verfasste eine Autobiographie und schilderte psychische Vorgänge eindring­lich – geht es aber nicht um die Auseinander­ setzungen ­zwischen zwei Völkern, sondern um see­lische Krisen: Esau wird mit der animalitas gleichgesetzt, seine rote Hautfarbe verweist auf Blut und fleisch­liche Begierde, seine Behaarung erinnert an einen tierischen Ursprung. Jakob wiederum verkörpert den geist­lichen Eifer, der den irdischen Sünden Widerstand leistet. Die 197 Glossa Ordinaria [mit irrtüm­licher Zuschreibung zu Walahfrid Strabo], Migne PL 113, Lib. I, Kap. 25, Sp. 146: Qualiter populus Ecclesiae populum Synagogae superavit, et plebs J­ udaeorum, tempore major, servivit minori populo Christianorum. In singulis quoque hoc dici potest. ‚Duae gentes et duo populi‘ intra nos sunt, scilicet vitiorum et virtutum; iste minor, ille major: plures enim sunt mali quam boni, et vitia plura virtutibus. Sed tamen populus populum superat, ‚et major serviet minori‘, caro scilicet spiritui, et vitia virtutibus. Praecedit Esau, rufus et totus ut ­pellis hispidus, deinde exit Jacob tenens plantam fratris: prior enim populus, prophetarum et Christi sanguine pollutus, peccati et nequitiae squalore circumdatus, cuius minor plantam tenuit, quia majorem populum minor superavit. Zur Kritik an der Ausgabe in der Patrologia Latina, wo die interlinearen Glossen fehlen, vgl. Smith: Glossa Ordinaria, S. 17 f. Vermut­lich ist Gilbert von Auxerre der Verfasser der Genesis-­Glossen (ebd., S. 18 – 33). Die angeb­liche Autorschaft Strabos geht auf Johannes Trithemius zurück, vgl. Fröh­lich: Strabo and the Glossa. 198 Glossa Ordinaria [mit irrtüm­licher Zuschreibung zu Walahfrid Strabo], Migne PL 113, Lib. I, Kap. 27, Sp. 149 f. 199 Zu seiner Person vgl. Neithard Bulst: Artikel „Guibert von Nogent“, in: Lex.MA 4 (1989), Sp.  1768 f.

Vom Unglück biblischer Zwillinge

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Zwillingsbrüder verkörpern für Guibert demzufolge den Zweikampf ­zwischen Gut und Böse, der im Innern des Menschen fortwährend stattfindet, wobei diese Auseinandersetzung äußer­lich nicht sichtbar ist, so wie der Kampf der Zwillinge in der Gebärmutter von Rebecca 200. Hugo von St. Viktor (gestorben 1141)201 weist in seinen Allegoriae in vetus testamentum dem Volk Israel wieder den Platz von Esau zu, während Jakob zu den inskünftig Guten gehört. Im folgenden Kapitel erscheint der jüngere Jakob wie bei Strabo als Vertreter der Heiden, die auf die gött­liche Erkenntnis hoffen und sie mit Jesus auch erlangen werden. Esau und somit das Volk der Israeliten gibt sich hingegen der Jagd hin, was mit einer bloß äußer­lichen Erkenntnis Gottes in Gestalt der Schrift gleichzusetzen ist. Das Kapitel schließt in unversöhn­lichem Ton: „Esau hasste Jakob; die Juden hassen das Christenvolk, das sich aus verschiedenen Völkern zusammensetzt, da sie sehen, dass es über sie herrscht.“202 Ausführ­lich widmet sich auch ein Genesis-­Kommentar, der Thomas von Aquin zu­­ geschrieben wird, den Szenen mit Jakob und Esau 203. Auch hier wird zu Beginn das Verhältnis z­ wischen Jakob und Esau als Vorverweis für das Verhältnis z­ wischen Christen und Juden interpretiert. Für den Verfasser handelt es sich aber auch um den principatus spiritualium super carnales, also die Herrschaft der Geist­lichen über die Welt­lichen. ­Implizit belegt er damit die Unmög­lichkeit einer Zwillingslösung für die Beziehung ­zwischen sacerdotium und regnum. Die anschließenden Abschnitte zeigen aber das Bedürfnis des Autors, die offensicht­lichen Widersprüche des Bibel­textes zu erklären. Die Zuneigung Isaaks zu Esau, der den Vater mit Wildbret versorgt, wird damit gerechtfertigt, dass auch heilige Menschen bisweilen irdische Genüsse an­­streben; Esau allerdings, der unbedingt sein Linsengericht erhalten will, fällt der Todsünde der Völlerei anheim. Gleichzeitig wird aber auch auf die Betrügereien Jakobs eingegangen: Handelte er richtig, als er seinem erschöpften Bruder das Linsengericht verkaufte, statt es ihm zu schenken? Wie steht es mit dem Fell, das Jakob sich überwarf, um die Behaarung Esaus zu imitieren? Sind diese Taten aus theolo­gischer Sicht erlaubt? Die Frage nach der Sündhaftigkeit Jakobs wird ausführ­lich erörtert und mit einer Reihe von Argumenten widerlegt, darunter auch mit der neckischen Annahme, Jakob habe den Verkauf des Erstgeburtsrechts nur aus Witz angeboten. Ganz allgemein wird die Situation stark aus psycholo­gischer Sicht geschildert und dementsprechend als mensch­liche Grundsituation vorgestellt. Spätere Bibelauslegungen verzichten auf eine derart differenzierte Betrachtung. Für ­Bonaventura (ca. 1217 – 1274) bezeichnet Esau ganz einfach diejenigen, die von dieser Welt und somit 200 Guibert de Nogent, Moralia in Genesim, Buch 7, Kapitel 25, Migne PL 156, Sp. 197 f. 201 Zu seiner Person vgl. Joachim Ehlers: Artikel „Hugo von St-­Victor“, in: Lex.MA 5 (1991), Sp.  177 f. 202 Hugo von St. Victor, Allegoriae, Lib. II, Kap.  9 – 11, Migne PL 175, Sp. 647 – 649. 203 Pseudo-­Thomas, Expositio in Genesim, ed. Fretté/Maré, Kapitel 25 – 28, S.  129 – 138.

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verworfen sind, Jakob hingegen entspricht den Erwählten; das Zwillingsmotiv dient hier als einfaches Klassifikationsschema 204. Dieser Befund lässt sich auch durch andere Textsorten stützen wie die mittel­ lateinischen Sprichwörter, Theaterstücke und Rechtstexte zeigen. Auch hier wird das Zwillings­phänomen negativ beurteilt. So lautet eine Sentenz: „Ein Gebiet, das einem Zwillingskönig übergeben wurde, stürzt verödet ins Unglück, und ein Gebiet lässt nicht zu, dass es von einem Zwillingskönig geleitet wird. Das eine Haus erträgt nicht Zwillingsherren.“205

Die ­gleiche Überzeugung wird auch prägnant festgehalten: „Ein Haus strebt nicht danach, Zwillingsherren zu haben.“206

In geist­lichen Spielen werden Jakob und Esau ebenfalls im Sinne der gängigen ­Exegese porträtiert, wie ein Fragment aus dem Ende des 12. Jahrhunderts zeigt. Auch hier wird Esau in allegorischer Interpretation als Symbol des jüdischen Volkes gedeutet, während Jakob das Christentum repräsentiert 207. Die Tradition dieser Zuschreibung setzte sich fort, und im ersten Druck der Glossa ordinaria von 1480/1481 erscheint ebenfalls die Gleichsetzung von Esau = Judentum und Jakob = Christentum 208.

204 Bonaventura, Commentarius in Evangelium Ioannis, Cap. 15, 32, S. 453: ‚Quia vero de mundo non estis‘, id est mundanae conversationis. ‚Sed ego elegi vos de mundo, propterea odit vos mundus‘ . Illud odium significatum fuit Genesis vigesimo septimo in odio Esau, ubi dicitur: ‚Oderat Esau Iacob pro benedictione, qua benedixerat ei pater eius.‘ ‚Esau‘ mundanos et reprobos significat, sed ‚Iacob‘ electos. 205 Walther: Sprichwörter, Nr. 5477: Desolata ruit gemino data regio regi / nec patitur gemino regio rege regi. / Una domus geminos non patitur dominos. 206 Walther: Sprichwörter, Nr. 32125: Una domus dominos non qu[a]erit habere gemellos. Praktisch die ­gleiche Formulierung begegnet bereits um 1070 im antiislamischen, fabulösen Traktat des Embrico von Mainz. Er legt Mohammed, der König von Libyen werden will, die folgenden Worte in den Mund (Embrico, Vita Mahumeti, ed. Cambier, Vers 459 f.): Sed regni munus, mos exigit ut ferat unus: / Una domus geminos non patitur dominos. / Nam scio regi rex est quod crimina legi: / Concordem socium non habet imperium. („Die Sitte verlangt aber, dass das Amt der Herrschaft ein Einzelner trage: / Ein Haus erträgt keine Zwillingsherren. / Denn ich weiß, dass für den [einzelnen] König ein [anderer] König das Gleiche bedeutet wie die vielen Verbrechen für ein Gesetz: / Herrschaft kennt nicht einen Gefährten gleichen Sinnes“). Zu Embrico von Mainz vgl. Wolfgang Maaz: Artikel „Embrico von Mainz“, in: Lex.MA 3 (1986), Sp. 1878 f. 207 Young: Drama of the Medieval Church, Bd. 2, S. 258 – 266. Leider ist das Drama nur als Fragment überliefert und bricht ab, bevor Esau von der Jagd zurückkehrt. 208 Vgl. Biblia Latina cum glossa ordinaria. Facsimile reprint of the editio princeps, ed. Froeh­lich/ Gibson, Bd. 1, S. 67 – 70 (zu Genesis 25 – 26).

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Infolge der Rezeption aristote­lischer Verfassungslehren lehnen auch spätmittelalter­ liche Rechtstexte, ­welche die welt­liche Herrschaft behandeln, eine Zwillings­ herrschaft explizit ab. Peter von Andlau hält in seinem Libellus de Caesarea ­monarchia unmißverständ­lich fest: Die monarchische Herrschaft sei die beste. In dieser Hinsicht habe Aristoteles, der größte der Philosophen, überaus klug gesagt: ‚Eine Mehrzahl von Herrschern ist schlecht, deswegen braucht es einen einzigen Herrscher‘. Wie aufwändig für die Sicherung von Frieden samt Gerechtigkeit eine Mehrzahl – ohne ein einziges Haupt über den Herrschenden – sei , zeigt gemäß Andlau nicht nur das edle Elsass, sondern sozusagen ganz Deutschland [Alomania]. Denn sobald Rom gegründet worden sei, hätten dies zwei Brüder gleichzeitig nicht ertragen und sich dem Brudermord hingegeben, und in der Gebärmutter Rebekkas hätten Esau und Jakob Krieg geführt.“209

3.3  Papst und Kaiser als Zwillinge: Eine Denkfigur, die scheitert Trotz des negativen Bildes von Jakob und Esau tauchen Überlegungen zu einer Zwillings­herrschaft von Papst und Kaiser auch während der „heißen“ Phase des Konflikts und in späteren Texten aus dem 12. Jahrhundert auf. Dabei stellt sich zwangsläufig die Frage, ob die gelehrten und erst noch in Latein geführten Diskussionen zum Verhältnis z­ wischen sacerdotium und regnum außerhalb der Zellen und Schreibstuben überhaupt wahrgenommen wurden. Gab es so etwas wie eine Öffent­lichkeit im Mittelalter? Die Geschichte der Neuzeit geht irrtüm­licherweise davon aus, dass das Mittelalter keine Öffent­lichkeit gekannt habe. Dem wird heute zu Recht widersprochen, denn auch wenn die meisten mittelalter­lichen Menschen weder lasen noch schrieben, so konnten sie dennoch erfahren, was sich anderwärts ereignete, und sie ließen sich ebenfalls beeinflussen 210. Dabei spielten vor allem das Gerücht und die „öffent­liche

209 Andlau, Libellus I, Kapitel 8, S. 65 f.: Qua quidem consideracione haud imprudenter dixit ­summus philosophorum Aristoteles […]:‚ Pluralitas principum mala, unus ergo princeps‘. Quam enim dispendiosum et ad pacem et justiciam componendam sit pluralitas, absque unico capite dominancium, non solum nobilis Alsacia, sed et tota fere Alomania. Roma namque ut condita est, duos fratres simul habere non potuit et fratricidio dedicatur, et in Rebecce utero Esau et Jacob bella gesserunt. Zu seiner Person vgl. Michael Stolleis: Artikel „Andlau, Peter von“, in: Lex. MA 1 (1980), Sp. 597 f.; zu seiner Herkunft Walther: Politische Theorie Peters von Andlau. 210 Vgl. zum Folgenden von Moos: Das Öffent­liche, der einerseits Probleme der Verfassungs­ geschichte und der historischen Begriffsbildung erörtert, andererseits auch Kritik an der These

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Rede“ eine wichtige Rolle. Daneben benützten die Machtträger auch nonverbale Kommu­nikationsmittel wie Zeremonien und Rituale, um Bündnisse, Kriegspläne, Versöhnungen, Amtseinsetzungen und -absetzungen usf. einer großen Menschenmenge anschau­lich mitzuteilen. Von großem Einfluss waren schließ­lich auch Bildprogramme, wie sie die Glasmalereien seit der Mitte des 9. Jahrhunderts boten: Sie bildeten die berühmte Biblia Pauperum, die Bibel der Armen, die auch Analphabeten die wichtigsten religiösen Th ­ emen näherbrachte. Überhaupt besaß die K ­ irche eine Vorrangstellung, wenn es darum ging, Verhaltensanweisungen einer Vielzahl von Menschen zu vermitteln. Auch wenn bis ins Spätmittelalter die lateinische Sprache im Milieu der Geist­lichen überwog, so kamen die Kleriker nicht umhin, in ­Predigten und bei Verlautbarungen den lateinischen Inhalt der Texte in die Volkssprache zu übersetzen 211. Sobald dies geschehen war, konnten auch illiterate Personen von sich aus Kritik formulieren und abweichende Meinungen vertreten, vor allem wenn diese sich durch radikale Religiosität rechtfertigen ließen. Das beste Beispiel dafür ist aus unserem Zeitraum die Mailänder Pataria, ­welche die Anliegen der radikalen Kirchen­ reformer zu einer Sache des Volkes machte. Damit ergab sich ein osmotisches Verhältnis ­zwischen den gebildeten Klerikern und den Massen, die nicht bloß das Objekt kirch­licher Beeinflussung waren, sondern auch selber agierten. Zweifellos erfuhr die Mehrheit der christ­lichen Bevölkerung die Auseinandersetzung ­zwischen sacerdotium und regnum sehr direkt, wie dies Quellenpassagen mit Klagen deut­lich belegen 212. Bann oder Exkommunikation betrafen die durchschnitt­ lichen Gläubigen in ihrem Alltag und ließen sie wohl nachfragen, worin denn die Gründe für eine derartige Strafe bestanden. Im Gegensatz zur Mailänder Pataria ist allerdings die öffent­liche Wirkung der Streitschriften (Libelli de Lite), die im ­Folgenden herangezogen werden, schwerer abzuschätzen. Ob die gelehrten, auf lateinisch geführten Diskussionen von der schriftunkundigen Masse vernommen oder gar verstanden wurden, steht seit langem zur Diskussion 213. Carl Mirbt ging 1894 von einer von Jürgen Habermas übt, die Vormoderne habe keine Öffent­lichkeit gekannt (S. 16 – 18). Die Zusammenfassung des gegenwärtigen Forschungsstands bei Zingg: Briefsammlungen Canterbury, S.  42 – 51. 211 Beispiele dafür bei Zingg: Briefsammlungen Canterbury, S. 50. 2 12 Zur „öffent­lichen Meinung“ mit Beispielen vgl. Goez: Kirchenreform und Investiturstreit, S. 142 – 152, der vor allem auch auf juristische Streitigkeiten hinweist. Siehe auch Anm. 89. 213 Zur Problematik vgl. Leyser: Erste europäische Revolution, S. 24: „Die Erweiterung des Bewusstseins und der Erkenntnismög­lichkeiten unter der bisher schweigsamen Schicht der laboratores, der Unprivilegierten, gehörte zu den durch die Tiefe und Breite des großen Konflikts im Reich ausgelösten revolutionären Entwicklungen. […] Die Schwierigkeit liegt jedoch darin, diesen Prozess historisch wahrzunehmen, und das wiederum ist paradoxerweise nur durch die Beobachtung der geschulten Literaten mög­lich. Diese gehörten im 11. Jahrhundert ausschließ­ lich zum säkularen oder regularen Klerus.“ Zur Frage, ob das ausgehende 11. Jahrhundert einen

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eigent­lichen „Publizistik“ aus, und Carl Erdmann sprach von „Propaganda“. Dass die gelehrten Dispute einen großen Widerhall im breiten Volke erzeugten, wurde in der Folge stark angezweifelt. Neuerdings mehren sich aber die Stimmen, die auch im Falle des so genannten „Investiturstreits“ von einer „öffent­lichen Debatte“214 oder sogar von einer „öffent­lichen Meinung“ ausgehen. Monika Suchan betrachtet die Verschrift­lichung, mit deren Hilfe die Konfliktparteien ihre Argumente festhielten, als entscheidenden Schritt, der zur Herausbildung eines größeren Adressatenkreises führte 215. In der Folge hat Leidulf Melve die Entstehung einer „public sphere“ in der zweiten Hälfte des 11. Jahrhunderts glaubhaft machen können 216. Die Einschätzung, wie die Streitschriften in die Breite wirkten, wird insofern erschwert, als das vorliegende Textcorpus einen hybriden Charakter besitzt 217. Die Libelli de Lite umfassen 2000 Seiten mit lateinischen Texten und bilden ein Corpus, das unter der Leitung von Ernst Dümmler im Rahmen der Monumenta Germaniae Historica in den Jahren 1891 – 1897 erschien. Die Herausgeber nahmen in ihre Sammlung alle mög­lichen Textsorten auf: Briefe, theolo­gische Abhandlungen, Gedichte usf.; entscheidend war einzig der Bezug zum Streit ­zwischen Päpsten und Kaisern im 11. und 12. Jahrhundert 218. Die Auswahl erfolgte durchau subjektiv, denn nicht alle Wendepunkt in der Kommunikationsgeschichte bedeute, äußert sich Wetzstein: Canossa und Kommunikationsgeschichte, S. 120 – 123 zurückhaltend; erst das 12. Jahrhundert bringe die „kommunikative Beherrschung des orbis latinus durch den Papst“ (ebd., S. 123). 214 Münsch: Publizistik des Investiturstreits, S. 152 f.: „Legt man ein mittelalter­liches Verständnis von Öffentlickeit zugrunde, kann man ohne weiteres davon sprechen, dass eine öffent­liche Debatte stattfand. Die Besonderheit des Investiturstreits ist unter kommunikations­­­­­­geschicht­ lichem Aspekt darin zu sehen, dass erstmals auch nichtklerikale Gruppen in nennenswertem Umfang unmittelbar in den Diskurs über kirchenpolitische ­Themen einbezogen waren. Damit bietet der Streit ein hervorragendes Beispiel dafür, dass sich vormoderne Publizistik nicht zwangsläufig auf schrift­licher Ebene abgespielt und nur dort ihre Wirkung entfaltet hat; sie unterscheidet sich insofern wesent­lich von modernen Erscheinungsformen.“ 215 Suchan: Königsherrschaft im Streit; dies.: Publizistik. Zur wachsenden Verschrift­lichung und der entsprechend schnelleren Verbreitung von Greuelmärchen vgl. auch Struve: ­Heinrich IV. ein Wüstling, S. 283. 216 Melve: Inventing the Public Sphere; die Rezensionen loben mehrheit­lich das Werk als Meilen­ stein in der Analyse vormoderner Öffent­lichkeit. Dass sich ein Publikum für die Streitschriften herausbildete, lässt sich daran ablesen, dass viele Autoren sich rechtfertigen und sich damit auf ein intendiertes Publikum beziehen, ebd., S. 57 – 64. Der Autor tendiert dazu, in den Vor­ gängen eine Revolution zu sehen, vgl. die abwägende Diskussion ebd., S. 654 – 659. 217 Zum hybriden Charakter der Libelli de lite vgl. Melve: Inventing the Public Sphere, S. 22 f. Er löst ­dieses Problem, indem er gezielt eine Auswahl aus den Libelli de Lite trifft und an ihnen die Herausbildung eines „public debate“ zeigt; vgl. dazu seine Graphik auf S. 641. 218 Zum Charakter der Streitschriften als mixtum compositum vgl. Tellenbach: West­ liche ­Kirche, S. 253 f.: „Es ist bezeichnend, dass diese Schriften die Form von Briefen oder

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Texte, die zum Streit ­zwischen den beiden Häuptern der Christenheit verfasst wurden, sind in den Libelli enthalten. In der Einleitung zum ersten Band bemerkt Ernst Dümmler entschuldigend, es handle sich mehrheit­lich um Argumentationsketten, die ein ums andere Mal aus­­­­führ­ lich wiederholt würden, und er rechtfertigt sich damit, dass die Texte wenigstens für Theologen und Kanonisten von Interesse sein könnten. Im zweiten Band fügt er zu den potentiellen Lesern auch die übrigen Juristen hinzu 219. Natür­lich müsste aus philolo­gischer Sicht jeder Text in die entsprechende Gattungs­ tradition eingebettet werden, bevor sein Inhalt ausgewertet wird 220. Im Folgenden wird dagegen die ­gleiche Haltung wie diejenige von Ernst Dümmler und seinen Mit­arbeitern eingenommen, die unerachtet der jeweiligen Textgattung alle Texte aufnahmen, die in irgendeiner Weise um das Verhältnis von Papst und Kaiser kreisten. Das Bild des Zirkels ist hier mit Bedacht gesetzt, denn wie bereits Dümmler bemerkte, wiederholen sich die Autoren häufig und drehen sich dabei auch im Kreis, da ihnen eine Lösung häufig nicht leicht fällt. Am stärksten fällt dies beim Außenseiter Gerhoch von Reichersberg (1092/93 – 1169) auf, der sich seitenlang mit der Frage quält, wie nun die richtige Herrschaft theolo­g ischen Abhandlungen hatten. Ihre Verfasser sind natür­lich fast alle Kleriker. Sie sind vielfach für Adressaten und Empfänger von Widmungen bestimmt, nicht etwa von vorn­ herein für große Leserkreise. Dem entspricht es, dass sie meist nur in wenigen Abschriften auf uns gekommen sind. […] Gewiss zeigen viele von diesen Werkchen beschränkte Horizonte ihrer Verfasser. Andere sind, gleich welcher Partei, erstaun­lich klarsichtig und haben zutiefst begriffen, ­welche Grundsätze von Gregor VII. und seinen Nachfolgern leidenschaft­ lich vertreten wurden, aber auch, ­welche Vorstellungen von der Ordnung der christ­lichen Welt von der Gegenseite festgehalten und sogar vertieft wurden.“ Goez: Kirchenreform und Investiturstreit, S. 145 f., weist auf die unterschied­liche Überlieferungslage hin: Von den Libri tres adversus simoniacos des Humbertus von Silva Candida gibt es eine einzige vollständige und eine fragmentarische Handschrift (vgl. auch Hartmann: Investiturstreit, S. 60), im Gegensatz zum Liber gratissimus des Petrus Damiani. Auffallend ist, dass die Streitschriften direkt auf Konfliktsituationen reagieren und somit auf intensive Diskussionen verweisen, vgl. Körntgen: Sakrales Königtum, S. 142 f. 219 Vgl. Ernst Dümmler in der Einleitung zu Libelli de Lite 1, S. ­V III : tomus […] longas ­argumentationes [offert], quae semel iterumque eadem fusius repetunt, eum magno tamen usui fore et theologis et iuris canonici peritis speramus. 220 Zur Kritik am Corpus der Libelli de lite vgl. Münsch: Publizistik des Investiturstreits, S. 153: „Die Zusammenstellung der Streitschriften des Investiturstreits […] suggeriert eine Einheit­ lichkeit, die es so nicht gab. Die äußere Form ist im Grunde sekundär; die Charakterisierung der Werke als Streitschriften taugt daher nicht als Gattungsbezeichnung. Im Investiturstreit wurden viele literarische Genera polemisch verfärbt; die Subsumierung unter einen Oberbegriff wird allenfalls durch ihre Zielsetzung legitimiert: Alle Werke wollen eine dezidierte Stellungnahme abgeben und Einfluss auf die zeitgenös­sische Diskussion ausüben. Ihre Gemeinsamkeit liegt mithin in der Absicht, nicht in der Form.“

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über die Welt aussehen sollte 221. Gerhoch selber gehörte zu den radikalen Kirchen­ reformern, und er überwarf sich deshalb mit vielen seiner Zeitgenossen. Zurückgezogen verfasste er sehr viele Schriften, die kaum bekannt wurden; sie zeigen aber eindrück­lich, wie ein damaliger gläubiger Mensch an seiner Welt verzweifelte und einen Ausweg suchte. Vermut­lich charakterisiert die der Ethnologie entliehene Bezeichnung des „­bricolage mental“ – „geistige Bastelarbeit“ – am besten den Charakter der S­ treitschriften. Damit verbindet sich in keiner Weise eine Abwertung der Dokumente, sondern gerade das Un­ fertige, Tastende der Texte verweisen auf die enorme K ­ reativität der Autoren 222. Zugleich können wir beobachten, wie vorhandene Denkmodelle immer wieder durchgespielt werden, ohne dass die bestehenden „Sprachgitter“ (Paul Celan) durch­brochen werden können. Am Ende der Auseinandersetzungen ­zwischen Papst und Kaiser wurden die mühsam erarbeiteten Regeln, wie denn z­ wischen spiritualia und temporalia zu unter­ scheiden sei, in die Wirk­lichkeit von Recht und Verfassung umgesetzt, und spätestens ab ­diesem Zeitpunkt wirkte sich die intellektuelle Arbeit, die in den Libelli de Lite von lateinisch schreibenden Klerikern geleistet worden war, auf die gesamte west­ europäische Christenheit aus 223. Wenn wir nun die Streitschriften bezüg­lich mög­licher Zwillingskonzeptionen aus­ werten, so kommt in chronolo­gischer Hinsicht der Verfasser Honorius von Autun und seine Summa Gloria an erster Stelle 224. Honorius beginnt sein Werk mit dem

221 Zu Gerhoch von Reichersberg vgl. Classen: Gerhoch von Reichersberg: Erich Meuthen: Artikel „Gerho(c)h von Reichersberg“, in: Lex.MA 4 (1989), Sp. 1320 – 1322; Borgolte: Die mittelalter­liche ­Kirche, S. 109. 222 Töbelmann: Stäbe der Macht, S. 211, charakterisiert den Investiturstreit als Zeit der „Theoriebildung“, wie er vor allem bei der Diskussion um die Symbolik von Ring und Stab nachweisen kann; die „Streitschriften“ bilden aber keinesfalls eine homogene Quellengattung. Das Beispiel der Diskussion um die Rolle von Ring und Stab zeigt ebenfalls das tastende Herangehen wie im Falle der Zwillingsvorstellungen. 223 Fried: Das Mittelalter, S. 168: Der Investiturstreit führt zu einem „grundstürzenden gesellschaft­lichen Modernisierungsschub, zur Etablierung näm­lich entsprechender miteinander kommunizierender Wissenseliten in ganz Europa“. Zur Entwicklung im Zusammenhang mit dem Wormser Konkordat siehe Anm. 477. 224 Der Mönch Honorius von Autun, gestorben um 1150, von dem keine urkund­lichen Belege erhalten sind und dessen Beiname nicht zeitgenös­sisch ist, stammte vermut­lich aus England, verbrachte sein Lebensende aber in Süddeutschland; seine Werke stammen aus der 1. Hälfte des 12. Jahrhunderts (Benedikt Konrad Vollmann: Artikel „Honorius Augustodunensis“, in: Lex. MA 5 (1991), Sp. 122 f.; Hartmut Freytag: Artikel „Honorius“, in: Verfasserlexikon 2. Auflage 4 (1983), Sp. 122 – 132). Die zitierten Stellen finden sich bei Honorius A ­ ugustodunensis, Summa gloria, ed. Dieterich, S. 64 – 68. Zur Datierung vgl. Garrigues: L’Œuvre ­d’­Honorius Augustodunensis: Der Traktat ist z­ wischen 1125 – 1130 entstanden. Der Text ist Gerhoch von Reichersberg und Idung von St. Emmeran bekannt.

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programmatischen ersten Kapitel Quod sicut spirit[u]ale precellit seculare, sic ­sacerdotium precellit regnum („So wie das Geist­liche das Welt­liche übertrifft, so übertrifft das Priestertum die welt­liche Herrschaft“). Das zweite Kapitel trägt den Titel Adam figura Christi, und der Verfasser lässt mit Kain und Abel – die bekannt­lich keine Zwillinge sind – eine Kette binärer Gegensätze beginnen. Abel wird zum Sinnbild für das sacerdotium, Kain ist erwartungsgemäß der typus regni. Honorius von Autun weist ausdrück­lich den Einwand zurück, dass Kain höher stehe, weil er älter sei: Das Irdische und Fleisch­liche gehe auf Erden ebenfalls dem Spirituellen des Jenseits voraus; nur Letzteres verfüge aber über eine hervorgehobene gloria. Nachdem Honorius die weiteren Einwände eines fiktiven Neiders zurückweist, setzt er sein Schema der Gegensätze fort. Seth und seine Nach­ kommen werden filii Dei genannt, die Söhne Kains, die sich mit ihrer irdischen Herrschaft brüsten, hingegen sind bloß filii hominum. Deswegen übertreffen die Priester auch die Könige an Würde. Mit Noah reduziert sich das vorherige binäre Schema allerdings wieder auf ein monistisches Prinzip. Noah ist wie Adam ein typus Christi, während seine Söhne Sem und Japhet nun den vorherigen binären Antagonismus erneut aufnehmen. Sem ist nun seinerseits wieder die sacerdotii figura, während Japhet mit der regni figura vorliebnehmen muss; von ihm stammt denn auch das Romanum imperium ab. Erneut betont unser Verfasser, dass zwar Japhet der Stammvater eines großen Reiches sei, nur Sem aber in tabernaculis (der Stiftshütte) wohne, wobei die tabernacula das Gleiche wie die aecclesiae sacerdotum (Kirchen der Priester) darstellten. Da Cham, der dritte Sohn Noahs, ­dieses Schema stört, wird er in einem speziellen, eingeschobenen Kapitel als Stammvater der Tyrannen nach Art des Riesen Nembroth behandelt. Bei Abraham, der regnum und sacerdotium in seiner Person vereint, verschwindet die Dualität erneut zugunsten eines Einheitsprinzips, während seine Söhne Isaak und Ismael wieder die Spaltung der beiden Gewalten in figura vorführen. Isaak als pontifex wird von Ismael, dem Jäger, verfolgt; dies zeige die Distanz ­zwischen sacerdotium und regnum, die bis heute andauere. Gleich anschließend wendet sich Honorius nun den Zwillingen Jakob und Esau zu. Nach den vorangegangenen Ausführungen überrascht es kaum, dass unser Verfasser die beiden ebenfalls in ein Schema der Gegensätze presst, obwohl in ­diesem Falle ja ein besonderes Geschwisterverhältnis besteht: „Jakob zeigt die Priesterherrschaft, Esau die Königsherrschaft. Der von seinem Vater dargebrachte Isaak nahm die Gestalt Christi an, der von seinem Vater für uns geopfert worden ist. Die zwei Söhne Isaaks symbolisierten aber nicht bloß die Priester- und die Königsherrschaft, sie zeigten dies auch durch ihre Handlungsweisen. Denn als Jakob den Stein salbte und das Opfer darbrachte, re­­ präsentierte er die Priesterherrschaft; Esau repräsentierte aber die Königsherrschaft, als er zwölf Heerführer aus seinem Stamm hervorbrachte 225. Wie sehr aber das Amt

225 Honorius verwechselt an dieser Stelle Esau mit Ismael.

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Jakobs dasjenige Esaus übertrifft, zeigt die Stimme Gottes beim Segen durch den Vater Isaak, der zu Jakob sprach: ‚Die Völker werden dir dienen und die Stämme dich verehren. Sei der Herr deiner Brüder, und die Söhne deiner ­Mutter werden vor dir die Knie beugen.‘ Zu Esau aber sagte er: ‚Jenen habe ich als deinen Herrn eingesetzt, und alle Brüder dessen Knechtschaft unterworfen.‘ Und er fuhr zu Esau fort: ‚Du wirst vom Schwerte leben und deinem Bruder dienen.‘ Und als sie noch im Schoße der ­Mutter stritten, wird von Gott mitgeteilt: ‚Der ältere wird dem jüngeren dienen.‘ Was suchen wir weiter? Was kann deut­licher gesagt werden? Welcher Tor wird der gött­lichen Autorität widersprechen? Da habt ihr es, mit deut­lichen Worten wird der Vielzahl der Laien befohlen, der Frömmigkeit der Kleriker zu dienen. Wenn also der Bauer von Rechtes wegen dem Diakon dienen wird, dann auch von Rechtes wegen der Ritter dem Priester, der Fürst dem Bischof, und es ist letzten Endes nur gerechtfertigt, dass der König, der ja zu den Laien zählt, dem aposto­lischen Stuhl unterworfen sein wird.“226 Mit diesen Ausführungen bricht Honorius seine Stammtafel der Gegensätze ­zwischen sacerdotium und regnum ab. Wie die erst an dieser Stelle auftauchenden rhetorischen Fragen zeigen, hält er das Beispiel von Jakob und Esau für das entscheidende Argument, weil das Zwillingsverhältnis einerseits mit seiner Nähe, andererseits der von Jahwe auferlegte Konflikt den größtmög­lichen Gegensatz darstellt. Ein paar Jahre nach Honorius geht Gerhoch von Reichersberg in De investigatione Antichristi ebenfalls auf Jakob und Esau ein 227. Gerhoch schreibt: „Die Regalien sind

226 Honorius Augustodunensis, Summa gloria, ed. Dieterich, S.  68 f.: Iacob sacerdotium, Esau regnum pretulit. Ysaac etiam a patre oblatus, formam gessit Christi, qui a patre suo pro nobis est immolatus. Huius duo filii non solum sacerdotium et regnum figuris expresserunt, verum etiam ipsis actibus gesserunt. Nam dum Iacob lapidem unxit et sacrificium obtulit,­­­manifestissime ­sacerdotium gessit. Esau vero regnum pretulit, dum duodecim duces de sua stirpe protulit. Sed quantum officium Iacob officium Esau precellat, divina vox in benedictione patris declarat: ‚­Serviant tibi‘, inquit pater ad Iacob, ‚populi et adorent te tribus. Esto dominus fratrum tuorum, et incurventur ante te filii matris tuae.‘ Item ad Esau: ‚Dominum tuum illum constitui, et omnes fratres servituti illius subiugavi.‘ Et item ad Esau: ‚Vives‘, inquit, ‚gladio et servies fratri tuo.‘ Et cum adhuc in utero matris gestarentur, a Domino dicitur: ‚Maior serviet minori.‘ Quid amplius querimus? Quid potest manifestius dici? Quis demens contraibit divinae auctoritati? En, aperta voce precipitur numerositati laicorum, ut serviat devotioni clericorum. Igitur si rusticus iure ­serviet diacono, tunc iure miles presbytero. Et si miles presbytero, tunc princeps episcopo. Et si princes ­episcopo, tunc iustissime rex, qui utique est de numero laicorum, subiectus erit apostolico. 227 Gerhoch, De investigatione Antichristi, ed. Ernst Sackur, S. 343, Z. 35 f.: Regalia vero laboris ut curarum temporalium plena sunt, que requiem spiritualem vix aut nullatenus admittunt. Unde et curie regum a curis vel a cruore dicte sunt. Quod p­ atriarcha Iacob unus pastorum notissimus perpendens fratris Esau regum typum preferentis consilium admittere noluit dicentis: ‚Gradiamur simul et ero sotius [sic] itineris tui.‘ Respondens namque ait illi: ‚Nosti, domine mi, quod parvulos habeo

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aber voll von Mühe, entsprechend den welt­lichen Sorgen, die eine geistige Ruhe kaum oder keineswegs zulassen. Deswegen werden die Höfe [curie] der Könige mit dem gleichen Wort wie die Sorgen [curae] oder das Blut [cruor] benannt. Dies bedachte auch der Erzvater Jakob, als er sich weigerte, den Rat Esaus anzunehmen, der den Typus der Könige repräsentiert. Esau sagte: ‚Lasst uns zusammen ziehen, und ich werde dein Weggefährte sein.‘ Jakob aber antwortet ihm und sagte: ‚Du weißt, mein Herr, dass ich zarte Kinder bei mir habe, dazu säugende Schafe und Kühe. Wenn sie auch nur einen Tag übertrieben würden, würde mir die ganze Herde sterben.‘ Jakob wollte auch nicht Männer vom Volk, das mit Esau war, bei sich behalten, weil er vermutete, dass er von ihrer Begleitung mehr Beschwernis als Hilfe zu erwarten hätte.“ Es ist beachtenswert, dass Gerhoch von Reichersberg eine Stelle aus der Geschichte von Jakob und Esau auswählt, die den Bruch z­ wischen den beiden Zwillingsbrüdern überbetont, denn die angeführte Stelle aus der Genesis steht eigent­lich in einem Kontext, der die Versöhnung der beiden Brüder nach längerer Trennung behandelt. In einem anderen Werk, dem Tractatus/Commentarius in psalmos, behandelt Gerhoch den Jäger Esau schließ­lich als Typus für das unglück­liche Volk der Juden; er schließt damit an eine der gängigen Exegesen an 228. Ausgangspunkt ist die Geschichte vom verlorenen Sohn, genauer die Enttäuschung des älteren Bruders über das plötz­ liche Einlenken und die Nachsicht des Vaters. Gerhoch bemerkt dazu: „So litt der ältere Bruder Esau am Segen für Jakob, den jüngeren Bruder, einer Präfiguration für das Volk der Juden, das vor Neid vergeht, weil das heidnische Volk von Gott angenommen wurde.“229 Wiederum überwiegt das Moment der Trennung der beiden Zwillingsbrüder. An einer einzigen Stelle in Gerhochs umfangreichem Werk blitzt so etwas wie Unverständnis gegenüber dem gespannten Verhältnis von Jakob und Esau auf. Als Beispiel für die Unbegreif­l ichkeit von Gottes Ratschlüssen führt Gerhoch die beiden Zwillingsbrüder an: Gott habe Jakob geliebt und Esau gehasst, bevor einer von ihnen etwas Gutes oder Böses getan habe, und dieser Hass Gottes habe sich auch auf die Nachkommen der beiden ausgedehnt. Dieses Verhalten Gottes übersteige nicht nur die Fassungskraft der Menschen, sondern sogar diejenige der Engel 230.

teneros et oves ac boves fetas mecum, quas si plus in ambulando fecero laborare, morientur una die cuncti greges [Gen. 33,12 – 15]‘. Sed nec de populo, qui erat cum Esau, viros secum retinere voluit, ex quorum comitatu plus gravaminis quam subsidii se putabat habiturum. 228 Das Werk entstand in den Jahren 1144 – 1168, vgl. Classen: Gerhoch, S. 412 – 416. Zu Esau als Präfiguration des Volkes Israel siehe Anm. 192. 229 Gerhoch, Ex commentario in psalmos, ed. Sackur, S. 497, Z. 17 f.: Sic etiam senior frater Esau cruciabatur de benedictione Iacob fratris iunioris, in typum Iudaici populi tabescentis pre invidia de recepto gentili populo. 230 Gerhoch, Liber de novitatibus huius temporis, ed. Thatcher, Kap. 4, S. 45: Que [Fragen der Trinität] autem superexcedunt intellectum non hominum tantum sed etiam angelorum ut‚ pax Dei que

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Nach Gerhoch von Reichersberg fasst Walter von Châtillon die ganze Diskussion um Zwillingsvorstellungen von Herrschaft in einem meisterhaften Gedicht zusammen, das z­ wischen 1168 und 1178 entstand und sich gegen die kaiser­lichen Schismatiker richtet 231. Walter scheint den vorher zitierten Text des Honorius von Autun aus der Summa Gloria 232 gekannt zu haben, er erweitert ihn aber mit eigenen Reflexionen: (8) Vestis inconsutilis 233, vestis illa Christi unitas est fidei, quam tu divisisti;

Das ungenähte Gewand, das Gewand Christi, bildet die Glaubenseinheit, die du [der ­Kaiser] teiltest; dum personam laicam pape contulisti, als du eine Laienperson dem Papst gegenüberstelltest, opus inconsutile male consuisti. nähtest du ein ungenähtes Gewebe schlecht zusammen. (9) Hic est pannus bicolor 234, hec est illa vestis, Das ist das zweifarbige Gewand, jenes Kleid, de qua scribit Exodus Moysesque testis: wovon das Buch Exodus und Moses als Zeuge berichten: ‚a duobus texitur‘. Signum cuius estis ‚Von zweien gewoben.‘ Dessen ­­Zeichen seid vos, per quos scismatica propagatur pestis. ihr, durch ­welche die schismatische Pest verbreitet wird. (10) Si cesar haberet vim in electione Wenn der Kaiser die Macht hätte bei der Wahl Romani pontificis, ex hac mixtione des römischen Oberhirten, so würden aufgrund dieser Vermischung laici cum clericis, immo scissione, des Laienstandes mit den Klerikern, ja gerade­­zu durch diesen Bruch privarentur clerici sua dicione die Kleriker ihrer Rechtstellung beraubt werden caderetque numerus sub divisione. und die Einzahl der Teilung anheimfallen. Hoc est, cur in genesis operatione careat Daraus erklärt sich, warum im Schöpfungswerk binarius benedictione 235. der eine Zwei Enthaltende, der Binäre, des Segens entbehrt. (11) Maior et antiquior est imperialis Größer und altehrwürdiger ist die kaiser­liche

exsuperat omnem sensum‘ [Phil. 4,7], ut etiam illud profundum iudiciorum Dei, quo ‚Iacob ­dilexit, Esau autem odio habuit‘, antequam quicquam facerent boni vel mali, seu etiam illud universale profundum, quo eternaliter omnes consimiles Iacob dilexit omnesque consimiles Esau odio habuit. 231 Gualterus ab Insulis, Carmina, ed. Boehmer, S. 558 – 560 = Walter von Châtillon, ­Mora­lisch-­satirische Gedichte, ed. Strecker, Nr. 15, S. 132 – 139; nach dieser Ausgabe wird zitiert. Zu Walter von Châtillon (*ca. 1135 – 1202/1203) vgl. Ursula Rombach: Artikel „Walter von Châtillon“, in: Lex.MA 8 (1997), Sp. 1995 f. 232 So verweist er vor der Stelle, die im Folgenden zitiert wird, ebenfalls auf Noah als Alleinherrscher. In Stroph 3, Z. 1 zitiert Walter von Châtillon den Text von Honorius von Autun fast wört­lich.

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vel regia dignitas quam pontificalis; ‚maior‘ dico tempore, semper enim malis

oder könig­liche Würde als die päpst­liche; ‚größer‘ sage ich in Bezug auf die Dauer: Immer näm­lich war schlechten regibus subiacuit terra laicalis. Königen die Laienwelt unterworfen. (12) Non tamen simpliciter locus a maiori, Der Rang leitet sich dagegen nicht einfach von der Größe her, nam Rebecce dictum est, Isaac uxori: denn Rebekka, der Frau Isaaks, ist gesagt worden: ‚duos fers in utero pregnans lege thori,236 ‚Zwei Kinder trägst du im Schoß, schwanger nach dem Gesetz der Ehe, set [sic] maior ex debito serviet minori‘. doch der ältere wird aus Schuldigkeit dem jüngeren dienen.‘ (13) Imperator Esau maior quidem natu, Der Kaiser als Esau ist zwar älter von Geburt, papa vero Jacob est, minor enim statu 237; der Papst aber ist Jakob, kleiner von Statur; ille sceptro rutilat, iste presulatu, jener glänzt dank seinem Szepter wie Gold, dieser wegen seines Vorsitzes, ille maior viribus, iste potentatu. jener ist größer an Kräften, dieser an Macht. (14) Crede, semen Chanaan, semen Hisma- Vertrau nur dem Spross Kanaans, dem Spross elis 238: Ismaels [Schwiegervater Esaus]: estne maior cesare, qui ligat in celis? 239 Ist nicht derjenige, der im Himmel bindet [Petrus, der Vorgänger der Päpste], größer als der Kaiser? Respondebis forsitan, si negare velis: Vielleicht wirst du antworten, wenn du es abstreiten möchtest: ‚malo sic incredulus esse quam fidelis‘. ‚Dann will ich lieber ungläubig als gläubig sein.‘ (15) Cesar habet gladium, set materialem, Zwar hat der Kaiser ein Schwert, aber ein materielles, hunc eundem pontifex, set spiritualem; das ­gleiche hat der Papst, aber ein geist­liches; cesar ergo suscipit usum temporalem der Kaiser empfängt deshalb den welt­lichen Gebrauch ab eo, qui possidet curam pastoralem. von dem, der das geist­liche Amt besitzt. (16) Papam summum nominat usus rationis Den Papst als Höchsten bezeichnet der Gebrauch der Vernunft quodam privilegio dominationis 240; aufgrund eines Privilegs der Oberherrschaft. non ergo maioris est cesar dicionis, Deshalb ist der Kaiser nicht von höherer Rechtstellung, 241 vel gradus sunt quatuor comparationis  . oder es gibt vier Stufen des Vergleichs. (17) Ultra summum nichil est, ut loquar expresse; Jenseits des Höchsten gibt es nichts, um es deut­lich zu sagen;

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sic nec summo presuli poterit par esse. Quidni? constat alterum gladium deesse242; igitur ut minor sit cesar, est necesse.

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deswegen wird er [Kaiser] auch nicht dem höchsten Vorsteher gleich sein können. Sicher­lich: Bekannt­lich fehlt das eine der zwei Schwerter, daraus ergibt sich notwendigerweise, dass der Kaiser geringer sei.

Hier müssen wir tricksen

233 Johannes 19,23: Milites ergo cum crucifixissent eum, acceperunt vestimenta eius (et fecerunt quatuor partes: unicuique militi partem) et tunicam. Erat autem tunica inconsutilis, desuper contexta per totum. 234 Leviticus (3. Buch Mose) 19,19, innerhalb des Abschnitts Varia praecepta: Veste, quae ex ­duobus texta est, non indueris. 235 Walter von Châtillon greift hier auf ein Argument aus seinem Tractatus contra Judaeos zurück, wo in Dialogform der jüdische Glaube widerlegt werden soll. Bei der Erörterung der Genesis kommt Walter auf den fehlenden Segen Gottes für die Werke des zweiten Tages zu sprechen: Quare secunda dies et ejus opera benedictione caruerunt, cum in aliis dicat Moyses: ‚Et vidit Deus quod esset bonum‘. (Walther von Châtillon, Tractatus contra Judaeos, Migne PL 209, Sp. 437C). Zur Beantwortung dieser Frage zitiert Walter zuerst aus einem Brief des Petrus Cantor (ebd., 451C): ‚[…] secunda dies a binario denominatur, binarius autem infamis est numerus. Cum enim divisionem recipiat, schismatis discordiam signat. Deus autem amator est pacis et unitatis, in cuius rei mysterium opus secundae diei benedictione frustratur‘. Ausgehend von ­diesem Brief äußert sich Walter ausführ­lich über den negativen Charakter des binarius: Binarius ergo […] sectionem recipit divisionis, et est quasi quaedam meta, dividens unitatem et unitatem (ebd., Sp. 452A). Zur verabscheuungswürdigen Familie der binarii gehören Arius und die Sabellianer. 236 Genesis 25,23. 237 Walter von Châtillon spielt hier auf die kleinere Statur Jakobs an; zugleich zitiert er aus der Summa Gloria des Honorius von Autun. 238 Die Beschimpfung als „Spross Kanaans“ taucht auch in einem Gedicht Walthers über die verderbten Kleriker auf, vgl. Walter von Châtillon, Lieder ed. Strecker, S. 105, Nr. 9, Strophe 2, Z. 3. 239 Gemeint ist die Binde- und Lösegewalt Petri. 240 Anspielung auf die Konstantinische Schenkung. 241 Karl Strecker, der Herausgeber des Gedichts Walters von Châtillon, verweist auf eine Parallel­ stelle beim s­ päter schreibenden Henricus Septimellensis (Heinrich von Septimello) in seinem Werk Elegia de diversitate fortunae et philosophiae consolatione, wo wir lesen (Migne PL 204, Sp. 868A): Sum passus gravia, graviora, gravissima, quarto / Passio, si velit ars, possit inesse gradu. Die Formulierung bei Walter verweist demnach auf die Unmög­lichkeit, den Super­lativ – und damit die päpst­liche Macht – noch weiter zu steigern. 242 Die Passage erklärt sich aus den widersprüch­lichen Angaben zu den zwei Schwertern in der Bibel, wo nur an einer Stelle von zwei Schwertern die Rede ist. Siehe dazu Anm. 275.

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Walter von Châtillons Gedicht liest sich geradezu als Kurzfassung der vorangehend zitierten Stellen aus Honorius von Autun und Gerhoch von Reichersberg; zugleich verweist er auf binäre Konzepte und Herrschaftsmetaphern, die im Folgenden be­­ sprochen werden. Gleich wie seine Vorgänger zieht Walter das Beispiel der Zwillinge Jakob und Esau heran, um zu beweisen, dass eine Gleichbehandlung von geist­licher und welt­licher Gewalt nicht mög­lich sei. Er verteidigt zusätz­lich die Einheit der K ­ irche (das „ungenähte Gewand“) und weist jede Differenzierung der Herrschaftsbereiche von sich („zweifarbiges Gewand“ und der fehlende Segen für den binarius). Die Zwei-­Schwerter-­Lehre mit ihrem implizit binären Aspekt wird von ihm z­ ugunsten einer strengen Hierarchie verworfen, die Oberherrschaft der ­Kirche zudem mit der Konstantinischen Schenkung begründet. Die Vorstellung einer gemina persona war aber nicht für alle Kleriker ein Schreckens­ bild, wie der berühmte Normannus Anonymus zeigt, auf den Ernst Kantorowicz in seinem Buch zu den zwei Körpern des Königs hinweist. Für Kantorowicz sind die Ausführungen des unbekannten Autors aber bloß das Gedankenspiel eines Außenseiters, und bis heute ist sich die Forschung bei der Einschätzung des Werkes, das um 1100 entstand, uneins 243. Am ehesten trifft wohl die Charakterisierung von Karl ­Pellens zu, der im erhaltenen Traktat eine Sammlung von Texten für den Schulgebrauch sah 244. Vor dem Hintergrund der hier behandelten Zwillingsvorstellungen gewinnen die Ausführungen des Normannus Anonymus aber an Relevanz, denn gleich am Anfang des Kapitels, das vom Verhältnis ­zwischen Papst und Kaiser handelt, entwickelt der Autor explizit ein Zwillingsschema: „Im alten Testament lesen wir, dass zwei Personen, näm­lich der Priester und König, durch die Salbung mit heiligem Öl geweiht und durch gött­lichen Segen geheiligt wurden, um bei der Leitung des christ­lichen Volks die Figur und die Stelle des Herrn Christus anzunehmen sowie beim Sakrament sein Bild zu repräsentieren. Bei der Salbung und gött­lichen Weihe fuhren in beide der Geist und die vergött­lichende Kraft, ­welche sie zur Figur und zum Bild Christi sowie zu anderen Männern werden ließen, so dass jeder der beiden in seiner Person ein anderer als Mann und ein anderer in Geist sowie Kraft war.“245 Der Anonymus führt nun als Beispiel Aaron und Saul an,

243 Die Texte des Normannus Anonymus sind weder anderweitig überliefert, noch lässt sich ihre Benutzung in anderen Schriften nachweisen (Peter Classen: Artikel „Anonymus, normannischer“, in: Lex.MA 1 (1980), Sp. 673 f.). 244 Vgl. Normannus Anonymus, ed. Pellens. 245 Normannus Anonymus, ed. Pellens, S.  129 f.: Duę in veteri testamento personę, pontificis s­ cilicet et regis, olei sancti unctione consecratę et divina benedictione sanctificatę leguntur ad hoc, ut in regendo populo Christi Domini figuram vicemque tenerent et in sacramento preferrent i­ maginem. Ad ipsam quippe unctionem et divinam benedictionem insiliebat in eos Spiritus Domini et virtus deificans, per quam Christi figura fierent et imago, et quę mutaret eos in viros alios, ita, ut uterque

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einen Priester und einen König, die als personae zwar einen welt­lichen Namen t­ ragen und identifizierbar sind, durch ihre Weihe aber Christus gleichgesetzt sind. „Deshalb lässt sich in jedem der beiden eine Zwillingsperson [gemina persona] ­erkennen: Eine natür­liche und eine aufgrund der Gnade; eine aufgrund ihres Menschseins und eine aufgrund von Geist sowie Kraft; eine, womit sie kraft ihres Naturzustandes den übrigen Menschen entsprechen, und eine, dank der sie infolge ihrer gött­lichen Überlegenheit und der Kraft des Sakraments alle anderen übertreffen. In der einen Person ist jeder der beiden ein natür­licher, einzelner Mensch, in der anderen Person aber aufgrund der Gnade Christus, das heißt: Gott-­Mensch. Eine der beiden Personen war also jedem der beiden eigen, die andere aber gemeinsam. Dem König und dem Priester war gemeinsam, dass jeder ein Gesalbter des Herrn ist, wobei man allerdings in der heiligen Schrift häufiger und ausdrück­lich finden kann, dass der König ein Gesalbter des Herrn genannt wird, als der Priester.“246 Danach erläutert der Anonymus am Beispiel Sauls, dass durch die Salbung der König zu einem anderen Menschen wurde, desgleichen Aaron und David. Diese Weihe wird als radikaler Wandel begriffen. „Deswegen werden die Könige im Alten Testament auch Götter genannt, wie dort, wo gesagt wird: ‚Setze nicht die Götter herab und schmähe nicht den Fürsten deines Volkes‘. Und andernorts: ‚Ihr seid G ­ ötter.‘ Dies zu Recht. Jeder der beiden war näm­lich Gesalbter des Herrn und eins mit dem Herrn des Geistes. Christus ist ja auch Gott und Mensch. König und Priester besitzen deswegen die gemeinsame Salbung mit heiligem Öl, den Geist der Heiligung, die Kraft der Weihe, den gemeinsamen Namen Gottes sowie Christi und die gemeinsame Beschaffenheit, der sie zu Recht diesen Namen verdanken. Denn hätten sie nicht diese Beschaffenheit, so würden sie fälsch­lich mit ­diesem Namen bezeichnet werden. Sie haben aber diese Beschaffenheit tatsäch­lich und nehmen an ihr teil, nicht aufgrund der Natur, sondern aufgrund der Gnade. Denn allein Christus, der Gottes- und Menschensohn, besitzt dies sowohl aus Gnade als auch aufgrund der Natur. Durch seine Natur ist er näm­lich Gott, und er ist von niemandem zu Gott gemacht worden; durch seine Natur ist er heilig, und er ist von

im [ für: in, im Folgenden stillschweigend korrigiert] persona sua esset alius vir, et alius in s­ piritu et virtute. 246 Normannus Anonymus, ed. Pellens, S. 130: Itaque in unoquoque gemina intelligitur fuisse persona: una ex natura, altera ex gratia; una in hominis proprietate, altera in spiritu et virtute; una, qua per conditionem naturę ceteris hominibus congrueret, altera, qua per eminentiam ­deificationis et vim sacramenti cunctis aliis precelleret. In una quippe erat naturaliter individuus homo, in altera per gratiam Christus, id est: Deus-­homo. Et una quidem unicuique propria erat, altera communis. Regi enim et pontifici erat commune, ut esset christus Domini, quamvis in scriptura sacra frequentius et specialius invenire possis, regem christum Domini appellatum esse quam pontificem.

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niemandem geheiligt worden. Deswegen habe ich ‚aufgrund der Gnade‘ gesagt, denn er, Christus, ist entsprechend seinem Menschsein ein Gott und vom Vater geheiligt. Der König aber und der Priester waren jeder für sich ein Bild und eine Figur d­ ieses Christus, das heißt: d­ ieses Gottes sowie Menschen, weil jeder von beiden ganz Mensch war, zugleich aber ganz vergött­licht und geheiligt durch die Gnade der Salbung und durch die Heiligung der Weihe. Denn wenn ich die Etymologie der griechischen Sprache beiziehe, so tönt die Weihe – näm­lich die ‚Apotheose‘ – für dich gleich wie Vergött­lichung. Wenn also Priester und König, jeder für sich, durch Gnade Gott und Gesalbter des Herr ist, so tut und bewirkt jeder der beiden alles entsprechend dieser Gnade, aber er handelt und wirkt nicht als Mensch, sondern als Gott und Gesalbter des Herrn. Was aber jedem der beiden widerfährt, widerfährt nicht einem Menschen, sondern einem Gott und einem Gesalbten des Herrn. Was jeder der beiden als Vorrecht wahrnimmt oder zuteilt, beispielsweise der König ein Bischofsamt oder der Priester ein Königreich, so tut er dies nicht als Mensch, sondern als Gott und Gesalbter des Herrn. Und um die Wahrheit zu sagen: Der König kann zu Recht Priester und der Priester König genannt werden, in Anbetracht ­dessen, dass er ein Gesalbter des Herrn ist. Denn ein Priester vermag im Geiste Christi ein Volk zu lenken, und der König kann im Geiste darbringen und opfern. Letzterem steht es näm­lich zu, sich selbst als lebendiges Opfertier, als heiliges Opfertier, ‚als Gott wohlgefälliges Opfertier‘ anzubieten und Gott das Opfer seines Lobes darzubringen, das Opfer der Gerechtigkeit, das Opfer des bedrängten Geistes, weil alles ‚durch das fleisch­liche Opfer bezeichnet worden ist‘, das der Priester entsprechend dem sichtbaren Ritus des Sakraments darbrachte.“247 247 Normannus Anonymus, ed. Pellens, S.  131 f.: Unde et in lege etiam dii vocati sunt, ut ubi ­dicitur: ‚Diis non detrahes et principi populi tui non maledices [Ex. 22,28]‘. Et alibi: ‚Ego dixi: dii estis [Ps. 81,6]‘. Nec inmerito. Erat enim uterque christus Domini et unus cum Domino spiritus. Christus etenim Deus et homo est. Habet itaque rex et sacerdos communem olei sancti unctionem et sanctificationis spiritum et benedictionis virtutem et Dei et Christi commune nomen et rem ­communem, cui merito debetur hoc nomen. Nam nisi rem haberent, falso designarentur hoc nomine. Sed hanc veraciter habent et huius participes existunt, non tamen per naturam, sed per gratiam. Quia solus Christus, filius Dei et filius hominis, hoc habet et per gratiam et per naturam. Natura enim Deus est, et a nullo est deificatus; natura sanctus est et a nullo sanctificatus. Sed ideo dixi: ‚et per gratiam‘, quia secundum hominem deificatus est et a patre sanctificatus. Rex autem ille et sacerdos, qui huius Christi, id est: Dei et hominis, imago et figura erat, quia uterque totus homo erat, totus deificatus erat et sanctificatus per gratiam unctionis et per benedictionis consecrationem. Nam et si Greci sermonis utaris ethimologia, consecratio – id est: apotheosis – sonabit tibi deificatio. Si ergo sacerdos et rex uterque per gratiam deus est et christus Domini, quicquid agit et operatur secundum hanc gratiam, iam non homo agit et operatur, sed Deus et Christus Domini. Sed et quicquid in eum fit, iam non in hominem fit, sed in Deum et Christum Domini. Et quicquid pręrogat vel tribuit, sive rex episcopatum, sive sacerdos regnum, iam non homo pręrogat et

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Wenn wir die Argumentation des Normannus Anonymus bis zu d­ iesem Punkt in einem Bild zusammenfassen wollen, so eignen sich Zwillingsbilder am besten. König und Priester sind einerseits jeder für sich eine gemina persona, aufgeteilt in einen himm­lischen und irdischen Teil. Zugleich stammen aber beide wie Zwillinge von Christus ab, sie partizipieren in gleicher Weise an der Gnade des Menschensohnes. Der anonyme Verfasser erlaubt sich sogar, die beiden geradewegs zu Doppelgängern werden zu lassen, wenn er König und Priester gleichsetzt. Diese bis jetzt egalitäre Zweierbeziehung wird aber vom normannischen Autor gleich anschließend in ein hierarchisches Verhältnis überführt: „Wenn nun jemand erörtern will, warum der Priester sichtbar opferte, der König aber nicht opferte, so geschah dies deswegen, um einen gewissen Unterschied der beiden zu zeigen aufgrund der Verschiedenheit des Sakraments. Denn das Sakrament des Königs war zum Teil ein anderes als dasjenige des Priesters. Der Priester präfigurierte näm­lich die eine Natur in Christus, genauer gesagt: diejenige des Menschen, während der König die andere, diejenige Gottes, anzeigte. Der König zeigte damit die überlegenere Natur, wodurch er Gottvater gleichgestellt ist, der Priester aber die unterlegenere Natur, w ­ elche geringer ist als der Vater. Der Priester präfigurierte auch, dass Christus am Ende den Tod erleiden und sich als Gabe und Opfertier Gottvater anbieten werde, im ‚Geruch der Süße‘. Der König aber prä­ figurierte, dass er ‚in Ewigkeit herrschen werde‘ und auf Thron und himm­lischem Stuhl sitzend über jedes Fürstentum, jede Macht, Kraft und Herrschaft gebietet, dass er mit Ruhm und Ehre zu krönen sei sowie über alle Werke Gottes gesetzt sei und dass ihm ‚alles untertan sein müsse‘.“248

tribuit, sed Deus et Christus Domini. Et si verum fateri volumus: et rex sacerdos et sacerdos rex, in hoc quod christus Domini est, iure potest appellari. Nam et sacerdotis est in Spiritu Christi regere populum, et regis est sacrificare et immolare in spiritu. Ipsius etenim est exhibere se ipsum hostiam vivam, hostiam sanctam, hostiam Deo placentem [Rom. 12,1], et immolare Deo sacrificium laudis, sacrificium iusticię, sacrificium spiritus contribulati, quod totum significatum est per carnale sacrificium [Ps. 49,14; 50,19], quod sacerdos offerebat iuxta ritum visibilem sacramenti. 248 Normannus Anonymus, ed. Pellens, S. 132: Quod si quis velit discutere, cur sacerdos visibiliter sacrificabat, et rex non sacrificabat: hoc ideo fiebat, ut nonnulla in eis monstraretur esse diversitas propter diversitatem sacramenti. Nam aliud erat in parte sacramentum regis, aliud sacerdotis. Sacerdos quippe aliam pręfigurabat in Christo naturam – id est: hominis – rex aliam – id est: Dei. Ille superiorem, qua ęqualis est Deo patri, iste inferiorem, quę minor est patre. Pręfigurabat etiam sacerdos, quod Christus ad oram esset passurus mortem et traditurus semetipsum in oblationem et hostiam Deo patri, in odorem suavitatis [Eph. 5,2]. Rex autem pręfigurabat, quod regnaturus esset in ęternum [Ps. 10,16] et sessurus in solio et sede cęlesti supra omnem principatum et potestatem et virtutem et dominationem, et quod coronandus esset gloria et honore, et constituendus super omnia opera Dei, et quod sibi subicienda essent omnia [Eph. 1,21 f.].

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Nun nennt der anonyme Verfasser Saul und David als Beispiele für das von Gottvater eingesetzte, unbeschränkte Königtum. Das Reich Christi und Davids sind nun aber eins und unteilbar, es gibt nur „eine Macht, einen Ruhm, eine Würde Christi und Davids. Deswegen stehen Sitz, Stuhl, Reich, Macht, Ruhm und Würde Davids über allem, und er ist größer und heiliger als alle. Deswegen gab ihm der Herr sowohl Macht und Herrschaft selbst über die Priester des Herrn. Der Herr gab es, wiederhole ich, der nichts unrechtmäßig, sondern alles recht macht. Deswegen war es gerecht, dass der König über die Priester Macht und Herrschaft hatte.“249 Das Beispiel des Moses, aber auch Josuahs und Salomons, zeigt deut­lich, dass ein welt­licher Führer dem Priestertum übergeordnet war. Für das neue Testament lässt sich das bereits Gesagte zu den Priestern und Königen des alten Testaments noch besser belegen, da beide noch viel eher an der gött­lichen Gnade und Natur teilhaben. Nun wirkt Christus durch beide direkt auf sein Volk ein. Deshalb ist jeder – der Priester wie der König –„im Geiste sowohl Christus als auch Gott, und in seinem Amt die Figur und das Bild Christi und Gottes: Der Priester ein Bild des Priesters, der König ein Bild des Königs; der Priester ein Bild des niedereren Amtes und der Natur, näm­lich des Menschseins, der König ein Bild des höheren Amtes, näm­lich des gött­lichen Seins. Christus näm­lich, Gott und Mensch, ist der wahre und höchste König sowie Priester. Er ist König aufgrund der Ewigkeit des gött­lichen Seins, nicht gemacht, nicht geschaffen, nicht geringer oder unterschieden vom Vater, sondern gleichgestellt und eins mit dem Vater. Ein Priester ist er aber aufgrund seiner Menschwerdung, gemacht nach dem Stand des ­Melchisedech und geschaffen, und deshalb geringer als der Vater. Als König erschuf Christus alles, lenkt alles und leitet sowohl die Menschen als auch die Engel; als König erlöste er die Menschen aber nur, um sie mit sich herrschen zu lassen. Allein deswegen ist er Priester geworden. Er hat sich selbst geopfert, damit er die Menschen an seiner Herrschaft und seiner Macht teilhaben lassen kann. Überall im Testament verspricht er den Gläubigen das Himmelreich, aber nirgends das Priestertum. Da­raus ergibt sich, dass die könig­liche Macht in Christus größer ist als die priester­liche Macht, sie ist auch hervorragender, und zwar in dem Maße, wie seine Gött­lichkeit größer und hervorragender ist als sein Menschsein.“250

249 Normannus Anonymus, ed. Pellens, S.  132 f.: Unde et in spiritu unus est Christus et David, et una potestas, una gloria, una dignitas Christi et David. Quare et sedes David et solium et regnum et potestas et gloria et dignitas super omnia, et maior omnibus et universis sanctior. Ideo etiam et potestatem et imperium dedit illi Dominus super ipsos etiam sacerdotes Domini. Dominus, inquam, dedit, qui nichil iniuste, sed omnia iuste facit. Iustum ergo fuit, ut rex super sacerdotes et potestatem haberet et imperium. 250 Normannus Anonymus, ed. Pellens, S. 134: Unde et uterque in spiritu et christus et deus est, et in officio figura et imago Christi et Dei est: sacerdos sacerdotis, rex regis; sacerdos inferioris officii et naturę – id est: humanitatis – rex superioris – id est: divinitatis. Christus enim, Deus et homo,

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Indem der Normannus Anonymus in Christus den gött­lichen Aspekt vom mensch­ lichen unterscheidet, erreicht er es, die frühere Gleichstellung der beiden Mächte in eine Stufenordnung zu überführen; mit seiner Darstellung der Zwillingsnatur Christi nähert er sich allerdings der Lehre des Nestorianismus an, die auf der Synode von Ephesus 431 verworfen wurde 251. Gestützt auf diese Beweisführung verteidigt der anonyme Verfasser in den folgenden Abschnitten seines Textes erwartungsgemäß die Investitur der Priester durch die Laien und beschäftigt sich anschließend mit dem Problem der Regalienleihe. Die Abfolge der Argumente erinnert an das üb­liche Vorgehen, wenn sich unvermutet eine Zwillingslösung anbietet. Über weite Strecken vertritt der normannische Autor zwar eine Zwillingskonzeption von Herrschaft: Sowohl der König als auch der Priester leiten sich in gleicher Weise von Christus her. Erst gegen Schluss kippt die horizontale Doppelung wieder in ein vertikales Herrschaftsverhältnis um: Christus als Vater und Gott wird dem König zugeordnet, während Christus als Sohn und Mensch den untergeordneten Priester repräsentiert.

3.4  Dualität, aber nur mit Unterordnung Aufgrund der vorhergehenden Beispiele, die das Scheitern von ­Zwillingskonzeptionen dokumentierten, überrascht es nicht, dass auch die Zwei in der mittelalter­lichen Zahlen­symbolik einen entsprechend „zwei“-felhaften Ruf genießt. Die Eins bedeutet nach antikem und mittelalter­lichem Verständnis das Prinzip und den Ursprung aller Zahlen, nicht aber selbst eine Zahl 252. Sie ist zugleich ein verus et summus est rex et sacerdos. Rex est, sed ex eternitate divinitatis, non factus, non creatus, non inferior vel diversus a patre, sed ęqualis et unus cum patre. Sacerdos vero est ex a­ ssumptione humanitatis, factus secundum ordinem Melchisedech [Hebr. 6,20], et creatus, et ideo minor patre. Qui etiam secundum quod rex est, creavit omnia, regit omnia, et homines simul gubernans et angelos salvat; secundum vero quod sacerdos est, homines tantum redemit, ut secum regnare faciat. Hęc enim est tota intentio, qua sacerdos factus est. Et se ipsum obtulit in sacrificium, ut homines regni sui et potestatis regię faceret esse participes. Regnum enim cęlorum ubique scripturarum promittit fidelibus, nusquam autem sacerdotium. Hinc igitur apparet, maiorem esse in Christo regiam, quam sacerdotalem potestatem, et pręstantiorem, tanto scilicet, quanto divinitas eius maior est humanitate atque pręstantior. 251 Zur Lehre des Nestorius, der die gött­liche Natur Christi von der mensch­lichen trennen wollte, vgl. Lionel R. ­Wickham: Artikel „Nestorius, Nestorianischer Streit“, in: TRE 24 (1994), S.  276 – 286. 252 Zum Folgenden Meyer/Suntrup: Mittelalter­liche Zahlenbedeutungen, Sp. 93 – 212: Die negative Sicht der Zwei begegnet in den eingesehenen Werken vor allem bei Autoren, die sich zur mathematischen Sonderstellung der Zahl äußern. Die insgesamt eher positive Bewertung

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unteilbares Ganzes und repräsentiert die Einheit (unitas), die von der Zwei zerstört wird. Vereinzelt gibt es auch positive Beispiele, wie beispielsweise die gött­liche und mensch­liche Natur von Christus, das Alte und das Neue Testament, Gesetz und Gnade, Buchstabe und Geist oder positive Personenpaare wie Lea und Rachel oder Martha und Maria. Innerhalb der Zahlenreihe von eins bis zehn verfügt die Zwei aber auf jeden Fall über einen minderen Status. Die spätantiken Häresien wie der Arianismus und der Manichäismus vertraten ein dualistisches Weltbild, das von der ­Orthodoxie entschieden bekämpft wurde. Der wegen Irrlehre 386 nach Christus hingerichtete Priscillian wollte sich damit verteidigen, dass er eben gerade nicht ein Binionita („Entzweier“) sei, der die Einheit Gottes spalten wolle 253. Die von ihm erfundene ab­­ wertende Bezeichnung verweist auf die scharfe Ablehnung dualer Welt­anschauungen im Christentum, eine Haltung, die sich auch in den Streitschriften findet. So ver­körpert für Humbertus von Silva Candida die Dyade geradezu die Bosheit 254, und Walter von Châtillon spricht von binarius als einem numerus infamis 255. Weder dem Konzept der geminae personae war ein Erfolg beschieden, noch galt die Zwei als positive Zahl, und so erstaunt es nicht, dass auch das Modell einer Doppel­ herrschaft, also ein duales und nicht geminales Prinzip, keinesfalls in Betracht kam 256. Bereits der Vordenker der Kirchenreform, Kardinal Humbertus von Silva Candida, spricht ­dieses Problem in seinen „Drei Bücher[n] gegen die Simonisten“ (Libri tres adversus Simoniacos) an, was überrascht, denn sie entstanden vor den großen Ausein­ andersetzungen der 1070er Jahre 257. Humbertus kritisiert bereits die Auswüchse

der Zwei bei Meyer/Suntrup beruht aber auf der eingeschränkten Datenbasis, da sie nur die Werke von 17 Autoren auswerten, die sich direkt der Zahlenauslegung widmen. Der Vergleich mit den anderen Zahlen z­ wischen 1 und 10 erweist aber deut­lich die Minderstellung der Zwei. Zur positiven Deutung der Zwei in afrikanischen Kulturen siehe Anm. 428. 253 Vgl. Priscillian, Complete Works, ed. Conti, S.  34 f.: Quis enim est qui legens scribturas [sic] et ‚unam fidem unum baptisma unum deum‘ credens hereticorum dogmata stulta non damnet, qui, dum uolunt humanis conparare diuina, diuidunt unitam in dei uirtute substantiam et magnitudinem Christi tripertito ecclesiae fonte uenerabilem Binionitarum scelere partiuntur, cum scribtum [sic] sit: ‚ego sum deus et non est alius praeter me iustus et saluator non est praeter me‘ […].Weitere Hinweise zu den Binionitae ebd., S. 88 f.; S. 260; S. 265. Zu seiner Person vgl. Jacques Fontaine: Artikel „Priszillian/Priszillianismus“, in: TRE 27 (1997), S. 449 – 454. 254 Zur Ablehnung der Dyade durch Humbertus von Silva Candida siehe Anm. 292. 255 Siehe Anm. 235. 256 Zur Unterscheidung von geminalem und dualem Prinzip siehe Anm. 368. 257 Die Forschung der vergangenen Jahrzehnte hat den direkten Einfluss von Humbertus’ ­Schriften auf Kirchenreform und Investiturstreit relativiert, da seine Schriften offensicht­lich wenig verbreitet waren, vgl. Ute-­Renate Blumenthal: Artikel „Humbert von Silva Candida“, in: TRE 15 (1986), S. 682 – 685, und Hartmann: Investiturstreit, passim. Der Scharfsinn von Humbertus’ Beobachtungen und seine Vorausahnung künftiger Konflikte wirken damit umso

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klerikaler Konzeptkünste und nimmt die Verwendung von Metaphern der Doppelung explizit aufs Korn. Zuerst lesen wir bei ihm eine beredte Klage über den unglück­lichen Zustand Italiens: Überall finden sich Simonisten, die mit ihrem Schmutz das Seelenheil der Menschen ruinieren und nur allzu leicht mit ihren Redekünsten sowie S­ chmeicheleien die Fürsten in ihren Bann schlagen. Geschickt täuschen sie ihre Zuhörer, ver­mischen Bibelzitate und Aussagen der Väter und nehmen nach Art des Proteus, ständig ­wechselnde Rollen ein: Als heiterer Denker, ernster Philosoph, weltmännischer Städter, großzügiger Mäzen, strenger Richter und Gotteslästerer biegen sie alles um, was von Gott und den Menschen für die K ­ irche als nütz­lich erachtet wird. Sie nehmen die staunenden und unvorsichtigen Menschen aber aus Gewinnsucht mit Hilfe ihrer Wahnideen und Gaukeleien wie Vögel gefangen. Sie schwatzen ihnen die Ohren voll und loben die welt­liche Gewalt der Fürsten und besonders die kaiser­ liche sowie könig­liche Macht über alle Maßen, während sie die Würde der ­Kirche abwerten. „Da aber alles Irdische einem ständigen Wechsel untersteht, bisweilen wächst und dann wieder schwindet, so beurteilen sie das Verdienst und die Macht der priester­lichen Würde nach dem äußeren Erfolg oder Misserfolg der kirch­lichen Lage. Manchmal behandeln sie die K ­ irche als Mond, dem die welt­lichen Mächte wie die Sonne übergeordnet sind, manchmal gesellen sie der einen Sonne eine andere Sonne hinzu, sehr selten ordnen sie der ­Kirche im Sinne eines Sohnesverhältnisses die welt­lichen Kräfte unter. Die Täuschung aus elender Schmeichelei hat in ­unseren Tagen derart überhandgenommen, dass einer dieser Parasiten – in der Absicht, die ­Kirche in Unordnung zu bringen, und zu seinem eigenen Untergang – sich die Gunst des Volkes mit folgendem Ausspruch zu verschaffen pflegte: ‚Der römische Papst ist der Vater, der Kaiser der Sohn, ich aber bin der heilige Geist, der ­zwischen beiden hin und her eilt.‘“258

bemerkenswerter. Schieffer: Gregor VII., S. 20 geht davon aus, dass Gregor VII. die ­Thesen von Humbertus kannte, ohne dass Zitate aus dessen Werken beim Papst nachzuweisen sind. 258 Humbertus, Adversus simoniacos, ed. Thaner, S. 225: Et quia vicissitudo est omnium rerum sub sole, ut aliquando proficiant, aliquando deficiant, secundum exteriorem profectum aut defectum ecclesiasticae causae meritum et potentiam sacerdotalis dignitatis aestimant, ut modo ei velut lunae solem saeculares potestates praeponant, modo velut soli alterum solem apponant, modo – quod tamen rarissime fit – in solo filiationis nomine velut filium patri supponant. Quod impurae et improbae adulationis figmentum diebus nostris sic praevaluit, ut aliquis huiusmodi parasitorum ad confusionem sanctae ecclesiae suamque perditionem dictus episcopus popularem favorem sic sibi conciliare solitus esset: ‚Papa, inquam, Romanus est Pater, imperator Filius, ego autem, qui inter ipsos duos discurro, Spiritus sanctus‘. Einige Seiten ­später spottet Humbert erneut über die Theoretiker, die doppelte Sonnen sähen (ebd., S. 228, 46 f.). Zum bekannten Sonne/Mond-­Vergleich vgl. auch Anm. 270.

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Humbertus von Silva Candida sah voraus, dass die klerikalen Schriftsteller in den kommenden Jahrzehnten eine außergewöhn­liche Kreativität entwickelten, um die Konflikte im Rahmen der gängigen oder einer neuen Herrschaftsmetaphorik zu lösen. Untersuchen wir zuerst die dualen Lösungen bei den kaiser- und königfreund­ lichen Autoren. Hugo von Fleury verfasste um 1100 den Tractatus de regia potestate und widmete ihn dem eng­lischen König Heinrich I. ­Darin benutzte er das Verhältnis von Mann und Frau, um das Verhältnis ­zwischen sacerdotium und regnum zu versinnbild­ lichen 259. Der Verfasser beginnt mit der Schöpfung des Mannes: „2. So wie der Kopf über den Körper, so muss der König in seinem Königreich die Herrschaft erlangen. Gottvater formte auf der Welt einen Menschen, von dem s­ päter das ganze mensch­liche Geschlecht seinen Ursprung nahm. Gleich wie nun aus Gottvater Gott als Sohn Gottes ­g eboren wurde, damit durch ihn selbst jede Kreatur entsteht, so formte sich aus dem Mann die Frau, durch die jede Hervorbringung (genitura) des mensch­lichen Geschlechts entsteht. Die Frau ist – ich betone – nicht vom Mann geboren, sondern aus ihm gemacht, denn sie konnte nicht von einem einfachen Körper geboren werden. Aus Gottvater wurde aber Gott als Sohn Gottes in unaussprech­licher und unverständ­licher Weise geboren, gleich wie der Geist aus dem Geist, Gott aus Gott, damit durch ihn selbst jede Kreatur entsteht. Die Frau aber wurde aus dem Mann gemacht, damit durch sie die Mög­lichkeit der Geburt ihren Anfang nimmt. Mann und Frau sind dennoch von einer gleichen Substanz; der Mann aber steht höher, da aus dem Mann die Frau gemacht wurde, gemäß dem Satz des Apostels: ‚Das Haupt der Frau ist der Mann‘. Auch Gottvater und Sohn sind von gleicher Substanz; aber in der Abfolge, nicht aufgrund seiner Natur, steht der Vater über dem Sohn, gemäß Paulus, der sagt: ‚Das Haupt Christi ist Gott‘. Denn, wie vorher gesagt wurde, der Vater kommt von niemandem, der Sohn aber kommt vom Vater, so dass das Wesen (essentia) der höchsten Dreifaltigkeit in der Einheit der Gött­lichkeit angebetet und verehrt wird. ‚Die wichtigsten Mächte, womit diese Welt gelenkt wird, sind zwei, näm­lich die könig­liche und die priester­ liche‘260. Diese beiden Mächte beschloss der Herr Jesus Christus in seiner eigenen, einzigen Person mit Hilfe eines hochheiligen Mysteriums zu vereinen, er, der zugleich König und Priester ist: König, weil er uns lenkt, Priester aber, weil er uns durch das Opfer seines Körpers vom Schmutz unserer Sünden reinigte und mit seinem Vater versöhnte.

259 Zu seiner Person vgl. Pascale Bourgain: Artikel „Hugo von Fleury“, in: Lex.MA 5 (1991), Sp. 171. Ernst ­Sackur, der Herausgeber des Traktates in den Libelli de Lite, vermutet, dass der Text kurz nach 1102 entstand. Die betreffende Stelle findet sich in Hugo monachus Floriacensis, Tractatus de regia potestate, S. 468. 260 Dies ist ein Zitat aus der Chronik des kaiserfreund­lichen Hugo von Flavigny (1065–ca. 1114). Zu seiner Person vgl. Pascale Bourgain: Artikel „Hugo von Flavigny“, in: Lex.MA 5 (1991), Sp. 171; Lawo, Studien zu Hugo von Flavigny, S. 1 – 36.

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3. Der König nimmt das Bild Gottvaters ein, der Bischof dasjenige von Christus. Demnach scheint der König im Körper seines Reichs das Bild des allmächtigen Vaters ein­ zunehmen und der Bischof dasjenige Christi. Deswegen unterstehen offensicht­lich alle Bischöfe des Reiches zu Recht dem König, so wie der Sohn dem Vater erkennbar unterworfen ist, nicht durch seine Natur, sondern durch die Abfolge, so dass die Einheit des Reichs auf ein Prinzip zurückgeführt wird.“261

Wir sehen, wie die Partnerschaft ­zwischen Mann und Frau, die zwar von gleicher Substanz sind, sofort in ein hierarchisches Verhältnis überführt und auf das Verhältnis von König und Bischof übertragen wird. Die papstfreund­lichen Autoren entwickeln bezeichnenderweise duale Konzepte, die deut­lich weniger egalitär sind; sie heben höchstens den inneren Zusammenhang von sacerdotium und regnum hervor. So unterscheiden sich bei Honorius von Autun die Priester von den Laien wie Tag und Nacht 262. In der Einleitung

261 Hugo monachus Floriacensis, Tractatus de regia potestate, ed. Sackur, S.  468, Z.  8 – 32: 2. Quod sicut caput in corpore, ita rex in regno suo principatum debeat optinere. In mundo quoque Deus unum formavit hominem, a quo postmodum omne genus humanum traxit originem. Proinde sicut de Deo patre natus est Deus Dei filius, ut per ipsum omnis fieret creatura, ita et de viro formata est mulier, per quam fieret omnis humani generis genitura. Non est, inquam, mulier de viro nata, sed facta; quia non poterat de simplici corpore nasci. De patre vero Deo natus est Deus Dei filius ineffabiliter et incomprehensibiliter, utpote spiritus de spiritu, Deus de Deo, ut per ipsum omnis fieret creatura. Mulier vero facta est de viro, ut per eam nativitas orietur. Unius tamen substantiae vir et mulier est; sed gradu maior est vir, quia ex viro mulier, sicut testatur apostolus, dicens: ‚Caput mulieris est vir‘ [1. Kor. 11]. Unius etiam substantiae Pater et Filius est; sed ordine, non natura, Pater maior esse cognoscitur, Paulo teste, qui ait: ‚Caput Christi Deus [1. Kor. 11]‘. Nam, sicut iam praemissum est, Pater a nullo est, Filius vero de Patre est, ut summae Trinitatis essentia in unitate Deitatis adoretur et veneretur. ‚Principales etiam potestates, quibus hic mundus regitur, duae sunt regia et sacerdotalis‘ [Hugo von Flavigny]. Quas duas potestates in sua sola persona ipse dominus Iesus Christus sacrosancto mysterio gestare decrevit, qui rex simul est et sacerdos: rex, quia nos regit, sacerdos vero, quia nos sui corporis immolatione a peccatorum nostrorum sordibus emundavit et Patri suo reconciliavit. 3. Quod rex Dei patris imaginem optineat [sic], et episcopus Christi. Verumptamen rex in regni sui corpore Patris omnipotentis optinere videtur imaginem, et episcopus Christi. Unde rite regi subiacere videntur omnes regni ipsius episcopi, sicut Patri Filius deprehenditur esse subiectus, non natura, sed ordine, ut universitas regni ad unum redigatur principium. Das Argument wird von Hugo im Folgenden noch einmal aufgegriffen (Hugo monachus Floriacensis, Tractatus de regia potestate, S. 472, 33 f.).: Rex enim, sicut iamdudum premissum est, Dei patris obtinere videtur imaginem, et episcopus Christi. Zu anderen, egalitären Metaphern bei Hugo von Fleury siehe Anm. 517. 262 Honorius Augustodunensis, De offendiculo, ed. Dieterich, S. 51, 13 f. Der Traktat ist z­ wischen 1123 – 1125 entstanden, vgl. Garrigues: L’oeuvre d’Honorius Augustodunensis, Teil 3, S. 135.

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zur Summa ­Gloria deutet er sogar kurz an, dass die Ansicht vorherrsche, die Welt werde von zwei Per­sonen – dem König und dem Priester – gelenkt, ähn­lich wie ein Bau, der auf zwei Säulen ruhe 263. Gerhoch von Reichersberg versucht seinerseits, in wechselnden Bildern den Zusammenhang der beiden Gewalten darzustellen. Auch er nimmt die zwei Säulen im Tempel Salomons als Ausgangspunkt, um die beiden potestates zu ­charakterisieren 264. Im Liber de novitatibus huius temporis entwickelt er unter der Überschrift De regalibus collatis anhand der zwei Gewänder Jesu das Verhältnis ­zwischen sacerdotium und regnum: Der Menschensohn habe von Herodes ein weißes und von Pilatus ein rotes Kleid erhalten, ein Zeichen ­­ seiner geist­lichen und welt­lichen Herrschaft 265. Im Falle der Bischöfe geht Gerhoch deswegen davon aus, dass sie zwei Kleider erhalten, zuerst ein weißes, das ihren geist­lichen Stand repräsentiert, und erst anschließend einen purpurnen Überwurf, der ihre welt­liche Herrschaft darstellt 266. Das Bild der zwei Kleider wird

263 Honorius Augustodunensis, Summa gloria, ed. Dieterich, S. 63, Z. 10 f.: Quia moderamen totius humani regiminis duabus videtur personis, regali scilicet et sacerdotali, inniti, veluti machina universitatis duabus columpnis [sic] fulciri, iniungis mihi, sermone et scientia imperito, pervigil ovilis Christi ductor, stilo depromere, utrum eaedem personae pares sint in collato principatus apice, an altera alteri in dignitate sit preferenda, vel altera ab altera sit iure constituenda. 264 Gerhoch, De investigatione Antichristi, ed. Sackur, S. 343, Z. 46 f.: Sed et sapientissimus rex Salemon duas in earundem potestatum presignandarum distinctionem in templo columnas statuit, quarum unam vocavit Iachin id est firmitas, alteram Booz hoc est in robore [3. Reg. 7,21]. 265 Gerhoch, Liber de novitatibus huius temporis, ed. Thatcher, Kap. 33, S. 75 f.: Huc accedit, quod que Deus coniunxit homo separare non debet [Matth. 19,6]. Coniunxit vero ea deus Christus in sua propria persona indutus apud Herodem primo veste alba [Luk. 23,11], que sacerdotalis est, deinde apud Pilatum veste purpurea [Joh. 19,2], quae regalis est, ut ostenderet, se non solum ex pontificali, sed etiam ex imperiali dignitate super omnes principatus totius orbis dominaturum. Zur Überlieferung des 1156 entstandenen Textes und seinem Inhalt vgl. Classen: Gerhoch von Reichersberg, S. 419 f. 266 Gerhoch, Liber de novitatibus huius temporis, ed. Thatcher, Kap. 33, S. 76: Quod ita demum precaveri poterit, si episcopus nonnisi prius alba veste indutus purpuram suscipiat, quam nec amittat, nisi et alba propter infidelitatem carere debeat, ut videlicet peccatum persone in detrimentum non vertatur ecclesie; sicut iam alicubi factum scimus personis quibusdam inordinate purpuratis, antequam veste alba prout oportuit induerentur, dum, necdum spiritaliter post electionem examinati aut consecrati, sunt regalibus amplificati et ita nimis confortati, ut postmodum non potuerunt examinari, sed oporteret eos ad placitum regis et militum consecrari. Similiter personis quibusdam ante iudicium spiritale depurpuratis contigit ecclesiastica bona vastari, minui et scindi, scisso consequenter et regno, sicut Samuelis pallio scisso scissum est et regnum a Saule pallium sacerdotale scindente. Enimvero arbitrantur quidam iuxta illud apostoli: Non prius quod spiritale, sed quod animale est [1. Kor. 15,46] animalia et temporalia,

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von G ­ erhoch aber sogleich wieder in ein hierarchisches Verhältnis gebracht. Das weiße Gewand entspricht natür­lich dem geistigen Adam, das purpurne bloß dem welt­lichen  267. Gerhoch lässt es aber bei dieser Unterordnung nicht bewenden. Aufgrund der Passage aus dem Hohelied Salomonis et comae capitis tui sicut purpura regis vincta canalibus 268 entwickelt er mit Hilfe der Paronomasie von vincta zu ­tincta die These, dass es auch einen zweiten Königspurpur Christi gebe, der auf seine gött­lich legitimierte Herrschaft verweise, da das Reich des Menschensohnes ja nicht von dieser Welt sei; dieser gött­liche Purpur dürfe sich nicht von welt­lichen Geschäften beschmutzen lassen 269. que a regibus habentur, primitus electe persone conferenda et inde spiritalia consecratione percipienda, quod esset primitus purpurea, deinde alba veste indui contra ordinationem ipsius Christi, qui primitus alba, deinde purpurea veste voluit in passione sua indui. Quibus humiliter suggerimus, ut apostoli verba premissa dicta sciant non de novo, sed de veteri Adam, in quo non prius quod spiritale, sed quod animale hoc prius erat. 267 Gerhoch, Liber de novitatibus huius temporis, ed. Thatcher, Kap. 34, S. 76 f.: XXXIV. ­Collatio veteris Ade ad novum. Formavit enim Dominus hominem de limo terre [Gen. 2,7] secundum id quod in homine animale seu etiam corporale est, ac inde inspiravit in faciem eius spiraculum vite [Gen. 2,7], quod spiraculum spirituale est. Atque ideo episcopi secundum ipsum formati creduntur, qui prius in corporalibus, deinde in spiritalibus perficiuntur. Secundus vero Adam prius erat in spiritu ac deinde cepit esse in corpore, quod cum ipse in spiritu et spiritus esset, propter nos accepit mortale sive animale; ac proinde secundum ipsum fiunt episcopi, qui primo regulariter electi et spiritaliter examinati atque consecrati postremo propter imminentem necessitatem super albam vestem suscipiunt et purpuream, ne hac repudiata periclitetur ecclesia ipsis commissa. Qua si obrepente perfidia in regnum commissa iudicabuntur spoliandi, veste simul alba sunt privandi, ne item periclitetur ecclesia cum sui honoris integritate illi auferenda et alteri committenda, ut sola puniatur persona perfida, ecclesia permanente in integritate sua, quoniam, ut dictum est, que Deus coniunxit non est bonum, ut homo separet [Matth. 19,6]. Das Bild der beiden Adams begegnet bei Gerhoch häufiger, vgl. Gerhoch, Ex libello de ordine donorum sancti Spiritus, ed. Sackur, S. 279, 5 f., wo der Fürst als sekundärer Adam gedeutet wird, da er aus Lehm geformt ist: Est quippe istarum dignitatum, quibus regitur aecclesia et hic mundus, talis distinctio, qualis inter primum et secundum Adam, quorum unus de limo terrae formatus prius erat in corpore, qua haberet spiraculum sibi divinitus inspiratum, alter prius erat in spiritu, qua haberet corpus de virginea terra sibi counitum. Im gleichen Sinne auch Gerhoch, De quarta vigilia noctis, ed. Sackur, S. 518, Z. 4 f. 268 Cant. cant. 7,5. 269 Gerhoch, Liber de novitatibus huius temporis, ed. Thatcher, Kap. 35, S. 77: XXXV. ­De purpura regis vincta canalibus. Sunt ergo pariter in una persona vestis alba et purpurea, sed ita, ut sit purpura regis iuncta canalibus, frequenter scilicet in illis canalibus tinguenda, quibus et purpura Christi regis intincta dum regni sui omnia consilia et negotia secundum beneplacitum Dei patris ordinavit promovenda. Unde Pilato aliam sibi tincturam offerenti et ingerenti respondit: ‚Regnum meum non est de hoc mundo [Matth. 19,6].‘ Ac si diceret: Non me regem

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Natür­lich tauchen in den Streitschriften auch die klas­sischen binären Metaphern von Herrschaft auf: Das Sonne/Mond-­Gleichnis und die Zwei-­Schwerter-­Lehre. Die beiden Gestirne gelten seit der Spätantike als Sinnbild, um das Verhältnis von geist­licher und welt­licher Gewalt zu erfassen. In einer Studie hat bereits ­Wolfgang Weber die Wichtigkeit dieser Herrschaftsmetapher während der Auseinandersetzung ­zwischen regnum und sacerdotium erforscht. Bei den von ihm angeführten Belegen kommt er zum Schluss, dass „diese Zeugnisse jedoch in ihrer Mehrzahl nicht so angelegt sind, dass sie ausdrück­lich einen politischen Vorrang der einen und eine Unterwerfung der anderen Gewalt konstatieren“270. Dieser Befund, der eine Egalität der beiden Himmelskörper nahelegt, lässt sich angesichts vieler weiterer Belege aus den Streitschriften nicht halten, wo eine Hierarchie der Gestirne explizit postuliert wird 271. Honorius von Autun lässt in seiner Summa gloria keinen Zweifel daran bestehen, dass die Sonne über dem Mond steht 272. Gerhoch von Reichersberg sieht im regnum und sacerdotium zwar eine gemina potestas, im Lichte des Sonne-­Mond-­Gleichnisses etabliert er aber unverzüg­lich ein

nego, sed regnum meum non est de hoc mundo, quia nec ego secundum beneplacitum huius mundi regnare dispono, neque per favorem huius mundi regnum mihi collatum regnosco. Item, aliam tinturam offerebent ei fratres eius dicentes: ‚Transi hinc et vade in Iudaeam, ut et discipuli tui videant opera tua que facis. Nemo quippe in occulto quid facit et querit ipse in palam esse. Si hec facis, manifesta te ipsum mundo. Neque enim fratres eius credebant in eum‘ [ Joh. 7,3 f.]. Ecce canale plenum sordibus mundane glorie in quod iste rex glorie purpuram suam nolebat intingere. Respondens enim dixit istis consiliariis indisciplinatis: ‚Tempus meum nondum advenit, tempus autem vestrum semper est paratum. Non potest mundus odisse vos, me autem odit quia ego testimonium perhibeo de illo quia opera eius mala sunt. Vos ascendite ad diem hunc, ego autem non ascendam quia tempus meum nondum advenit‘ [ Joh. 7,6 f.]. Maluit autem iste rex glorie, mutuando consilio de canalibus divine scripture, ita regnare, ut haberet odium mundi, quam laudes mundi captando suam regalem purpuram sordidare, sicut nunc purpuram suam sordidant qui pro ampliando numero militum beneficiant vel potius inmaleficiant non solum que habent regalia, sed insuper ecclesiastica bona, etiam decimas, usui solius pietatis divinitus mancipatas. Et revera isti digni essent nudari non solum purpura, sed etiam veste alba, illi precipue, qui ad augendum non solum numerum militiae, sed etiam cumulum malitiae, portionem sacerdotum in decimis eatenus in usu ecclesiastico qualitercumque habitis diminuunt atque in laicas abusiones transferunt, sacrum de sacro auferentes atque in hoc sacrilegium grande committentes. 270 Weber: Sonne-­Mond-­Gleichnis, S. 154. 271 Die Inegalität des Konzepts betont auch Constable: Relation between Sun and Moon. 272 Honorius Augustodunensis, Summa gloria, ed. Dieterich, S. 80, Z. 14 f.: Igitur horum omnium stolidae assertiones a sensatis sunt confutandae, immo ab omnibus ratione utentibus reprobandae, cum regnum sacerdotio, populus clero iure subiaceat, et sicut sol lunae, spiritus animae, contemplativa vita activae, sic sacerdotium regno premineat.

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Abhängigkeitsverhältnis 273. Die ­g leiche Argumentation begegnet auch an w ­ eiteren Stellen in seinem Gesamtwerk 274. Am meisten stritten die Verfasser der Streitschriften aber um die berühmte Lehre von den zwei Schwertern, die Petrus von Jesus im Garten Gethsemane erhielt 275. Vom ausgehenden 5. Jahrhundert bis zum Ende des 9. Jahrhunderts bestanden die beiden Mächte nebeneinander, ohne dass eine Über- oder Unterordnung betont wurde. Mit der Auseinandersetzung z­ wischen sacerdotium und regnum änderte sich das grundlegend 276. Bekannt­lich versuchte Gottschalk in seinem für Heinrich IV. geschriebenen Manifest von 1076, die dualitas der zwei Schwerter – ganz im Sinne von Gelasius – gegen Gregor VII. zu verteidigen 277. Die Brisanz dieser berühmten 273 Gerhoch, Ex libello de ordine donorum sancti Spiritus, ed. Sackur, S. 282, Z. 27 f.: Sic nimirum, licet in sola quarta mundi etate fulserint et sacerdotium Leviticum et regnum Davidicum, quoniam ante constitutionem regni Davidici quasi obscurus fuerat honor sacerdotii Levitici, tamen ab initio mundi omnia tempora mundi usque in ipsius mundi finem decorata et informata seu decoranda et informanda sunt per hanc geminam potestatem, ita ut quemadmodum sol lunam, non quidem a semetipsa lucentem, sed ab ipso lumen suum mutuantem, sic sacerdotalis dignitas regalem antecellat semperque antecellere debeat honorificentiam, non aliter, quam sacerdotii veri splendoribus intendentem illustrem habendam. Auf diese Stelle weist auch Weber, Sonne-­ Mond-­Gleichnis, S. 155 f. hin. Zusätz­lich anzuführen wäre noch Gerhoch, Ex commentario in psalmos, ed. Sackur, S. 440, 42 f.: Zwischen dem imperium und dem sacerdotium gibt es talis distinctio, qualis est inter duo luminaria magna [Gen. 1,16], que Deus ita creavit et ordinavit, ut alterum preesset diei, alterum nocti, quia spiritualia, quibus preest domnus papa, diei, et temporalia, quibus preest domnus imperator, nocti comparantur. 274 Gerhoch, De investigatione Antichristi, ed. Sackur, S. 343, Z. 45 f.: In harum [sc. duarum potestatum] siquidem figuram etiam in principio duo magna luminaria condidit: ‚Luminare maius ut preesset diei, luminare minus ut preesset nocti [Gen. 1,16]‘. 275 Der Konflikt entzündet sich daran, dass die Evangelien die Situation im Garten Gethsemane verschieden schildern und nur an einer Stelle von zwei Schwertern die Rede ist: [Luk. 22,38]: At illi dixerunt: Domine, ecce duo gladii hic. At ille dixit eis: Satis est. [Luk. 22,50]: Et percussit unus ex illis servum principis sacerdotum, et amputavit auriculam eius dexteram. [Matth. 26,51]: Et ecce unus ex his qui erant cum Iesu, extendens manum, exemit gladium suum, et percutiens servum principis sacerdotum amputavit auriculam eius. [Mark. 14,47]: Unus autem quidam de circumstantibus educens gladium, percussit servum summi sacerdotis: et amputavit illi auriculam. [Joh. 18,10]: Simon ergo Petrus habens gladium eduxit eum: et abscidit auriculam eius dexteram. 276 Zur Änderung des Herrschaftsbildes von den zwei Schwertern in nachkarolin­gischer Zeit vgl. Steiger: Die Ordnung der Welt, S. 882. Allgemein zur Zwei-­Schwerter-­Lehre vgl. Paul Mikat: Artikel „Zweischwerterlehre“, in: HRG 1. Auflage 5 (1998), Sp. 1848 – 1859. 277 Vgl. Briefe Heinrichs IV., ed. Erdmann, Nr. 13, S. 19, Z. 3 – 9: In quo piam Dei ordinationem contempserit, quae non in uno, sed in duobus duo, id est regnum et sacerdotium principaliter consistere voluit, sicut ipse Dominus Salvator in passione sua de duorum gladiorum sufficientia typice intelligere voluit. Cui enim cum diceretur: ‚domine ecce duo gladii hic‘, respondit: ‚satis est‘,

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Szene aus dem Garten Gethsemane ist aus dem bisher G ­ esagten leicht zu v­ erstehen 278. Es ist nicht nur der Widerspruch ­zwischen den v­ erschiedenen Schilderungen bei den Evangelisten, der die Argumentationskunst der Kleriker herausforderte, sondern die dem Bild der zwei Schwerter inhärente Mög­lichkeit, den Konflikt in einer „Zwillingslösung“ aufgehen zu lassen, was dem grundsätz­lichen Monismus des jüdisch-­christ­lichen Weltbildes widersprach. Die duo ­gladii enthielten im Keim eben die Mög­lichkeit, die Auseinandersetzung z­ wischen sacerdotium und regnum in einer Metapher der egalitären Doppelung aufzufangen und zu ­bändigen 279. Eine derartige Lösung musste von vorneherein v­ erunmög­licht werden. Die auf der Seite des Papstes oder des Kaisers stehenden Kleriker und I­ ntellektuellen entledigten sich dieser Aufgabe, indem sie bekannt­lich beide Schwerter in die Hand des Papstes gaben oder eine Rangfolge ­zwischen dem geist­lichen und dem welt­ lichen Schwert etablierten 280. Im Gegensatz zu Doppelvorstellungen sind die Ansprüche auf die Oberherrschaft seitens des Papstes oder des Kaisers seit langem gut erforscht. Es kann hier deshalb genügen, die verschiedenen diesbezüg­lichen Sinnbilder kurz vorzustellen. Bei einzelnen Streitpunkten wird sich immerhin zeigen, dass gerade der doppeldeutige und significans hac sufficienti dualitate spiritualem et carnalem gladium in ecclesia esse gerendum. Zu Gottschalks Argumentation im Kontext der Streitschriftenliteratur vgl. Melve: Inventing the Public Sphere, S. 212. 278 Grundlegend Borst: Geist­liches und welt­liches Schwert, wo auch die ältere Literatur verzeichnet ist. Aufgrund der guten Erschließung der Quellen bei Borst wurde darauf verzichtet, die Stellen zur Zwei-­Schwerter-­Lehre aus den Libelli de lite hier nachzuweisen. 279 Sprach­lich ist dies fassbar in den dualen Formen von uterque oder alter, die von einzelnen Autoren im Zusammenhang mit der Zwei-­Schwerter-­Lehre gebraucht werden. Vgl. in dieser Hinsicht Deusdedit cardinalis, Libellus contra invasores, ed. Sackur, S. 300, Z. 26 f.: Pugnet sacerdos iuxta apostolum gladio verbi, ‚in promptu habens‘ [Apok. 2,16] iuxta eundem discere ‚ulcisci omnem inobedientiam‘ [2. Kor. 10,6]. Pugnet rex gladio materiali, quoniam Domini minister est et vindex in iram his, qui male agunt. Cum itaque uterque alterius officio indigeat valde, neuter alterius officium presumat, ne quod ab altero aedificatur, ab altero destruatur. Goffridus abbas Vindocinensis, Libelli, ed. Sackur, S. 692, Z. 18 f.: Voluit bonus dominus et magister noster Christus spiritualem gladium et materialem esse in defensione aecclesiae. Quod si alter ab altero retunditur, hoc fit contra illius voluntatem. Hac occasione de regno iustitia tollitur, et pax de aecclesia, scandala suscitantur et scismata, et fit animarum perditio simul et corporum. Et dum regnum et sacerdotium unum ab altero impugnatur, periclitatur utrumque. 280 Überraschenderweise griff Gregor VII. erst ab 1080 auf die Zwei-­Schwerter-­Lehre zurück, vgl. Cowdrey: Gregory, S.  608 – 617; Borst: Geist­liches und welt­liches Schwert, bemerkt, dass der Streit um die beiden Schwerter erst im Spätmittelalter abklang. Der Grund für das wachsende Desinteresse liegt in der durch das Wormser Konkordat etablierten Dualität der Mächte und im neuen Konzept der beiden Arme der Gerechtigkeit. Siehe dazu Anm. 532.

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somit gefähr­liche, da zwillingsähn­liche Charakter einzelner Herrschaftsmetaphern die Autoren veranlasste, besonders stark auf einem monistischen Prinzip und der Überordnung respektive Unterordnung zu beharren. Die Etablierung einer Hierarchie durch Abstammung begegnete bereits beim ­Normannus Anonymus, wo der König als Typus Gottvaters über dem Priester als Gottessohn Jesus steht. Die Autoren der päpst­lichen Partei verwendeten ähn­ liche B ­ ilder. Gregor VII. betont die päpst­liche Autorität und fordert u­ nbedingten Gehorsam ein 281. Bei Petrus Damiani repräsentiert die ­Kirche dagegen eine fürsorg­ liche M ­ utter, die ihren Sohn, den Kaiser, umsorgt und schützt. Bei Placidus von Nonantola sind die Fürsten grundsätz­lich filii, nie domini oder patres 282. Gerhoch von Reichersberg sieht in der K ­ irche die ­Mutter und in den Priestern die Väter 283 der Könige  . Die Erfassung der Herrschaftsverhältnisse durch Körpermetaphern ist seit der Antike vertraut und begegnet erwartungsgemäß auch in den Streitschriften; die diesbezüg­lichen Stellen sind bereits von Tilmann Struve vorgestellt worden 284. Die kirch­lichen Autoren setzen, indem sie eine Gedankenfigur Augustins übernehmen, die welt­liche Herrschaft mit dem natür­lichen Körper ineins und sehen in der geist­ lichen Gewalt das übergeordnete Prinzip, das diesen corpus beseelt. Dagegen wird in den Texten der kaiserfreund­lichen Partei der Körper gleichsam durch einen vertikalen Schwenk von oben nach unten erfasst: Der Kopf dominiert die übrigen Körperteile, der König leitet das Volk. Eine andere Sicht des Körpers, die das Spiegelbild­liche, Zwillingsmäßige der Körperteile erfasst – zwei Augen, zwei Ohren, zwei Hände, zwei Beine usf. –, eine Sehweise, die einem horizontalen Schwenk entspricht, taucht bereits in der Antike bei Tyconius auf, dessen Schriften Augustin beeinflussen 285. Tyconius ging von einer bipartitio des corpus Christi in eine gute rechte und in eine schlechte linke Seite aus, d. h., trotz der sichtbaren Spiegelbild­lichkeit wird erneut eine Hierarchie ­zwischen den Körperhälften eingeführt.

281 Cowdrey: Gregory, S. 520 – 529, S. 555 – 558. 282 Placidus monachus Nonantulanus, Liber de honore ecclesiae, ed. Heinemann/Sackur, S. 585; S. 635, Z. 40. Zu Placidus von Nonantola vgl. Glauco Maria Cantarella: Artikel „Placidus von Nonantola“, in: Lex.MA 6 (1993), Sp. 2194 f. 283 Gerhoch, De investigatione Antichristi, ed. Sackur, S. 393, Z. 8 f. 284 Struve: Organolo­gische Staatsauffassung, vor allem S. 98 – 115; S. 295 – 298. Hinweise zum Weiterwirken der paulinischen Auffassung der K ­ irche als corpus bei Oexle: Die funktionale Dreiteilung der ‚Gesellschaft‘ bei Adalbero von Laon, S. 10 – 12. 285 Zu Tyconius vgl. Rauh: Bild des Antichrist. Zu dessen Körpermetapher vgl. Struve: Organo­ lo­gische Staatsauffassung, S. 47 f.

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Während des Konflikts ­zwischen sacerdotium und regnum tauchen ­solche Vor­ stellungen nur am Rande auf. In der Orthodoxa defensio imperialis, die um 1111 in Farfa entstand und lange Zeit Gregor von Catino zugeschrieben wurde 286, begegnen wir zuerst dem gängigen Herrschaftsbild des Königs als caput ecclesiae. Danach fährt der anonyme Autor aber fort: „Die g­ leiche heilige K ­ irche besitzt aber Glieder, die für spezielle Pflichten vorgesehen sind, sie hat eine linke und eine rechte Hand. Die ­Kirche selbst sagt ja im Hohelied Salomonis: ‚Seine Linke ist unter meinem Haupt, und seine Rechte wird mich umfangen.‘ Die Linke bezeichnet das Königtum, mit der Rechten aber ist das Priestertum gemeint. Die Linke des Bräutigams, d. h. Christi, unter dem Haupt der K ­ irche wird deshalb so genannt, weil sie durch welt­liche Vorgesetzte im Zeit­lichen schützt und stützt. Seine Rechte aber wird sie, die K ­ irche, umfangen, weil sie dank der Einrichtung des Priestertums ihn selbst als Urheber erkennt, dank dem sie das ewige Leben verdienen wird, so wie er selbst dem Vater sagt: ‚Dies ist das ewige Leben, damit sie dich als einen und wahren Herrn erkennen und denjenigen, den du sandtest, als Jesus Christus‘.“287 Der Verfasser entwickelt anschließend anhand der Körper­metapher die bekannten Vorstellungen des harmonischen Zusammen­wirkens der Gliedmaßen im Interesse der Gesamtkirche: Die Augen entsprechen den ­Doktoren, die anderen das geistige Licht vermitteln; die Ohren repräsentieren die demütigen Zuhörer, die Nasenlöcher die Analytiker, die z­ wischen den Düften der Tugenden und dem Gestank der Sünden unterscheiden können; der Mund steht für die Erzieher; die Hände bezeichnen diejenigen, die anderen das Lebens­notwendige verschaffen, wie die Almosengeber; die Füße verweisen auf diejenigen, die U ­ nschuldige befreien und Kranke behandeln. Eine derartige Zusammenarbeit ist für das Weiterbestehen der 286 Zur Verfasserfrage vgl. Herbert Zielinski: Artikel „Gregor von Catino“, in: Lex.MA 4 (1989), Sp. 1682; Wattenbach/Holtzmann/Schmale (Hg.): Deutschlands Geschichtsquellen/ Sachsen und Salier, S. 892. Zitiert wird im Folgenden nach der Ausgabe in den Libelli de Lite, wo Gregor (um 1060–nach 1130) noch als Autor angenommen wird. 287 Gregorius Catinensis monachus Farfensis, Orthodoxa defensio imperialis, ed. Heinemann, S. 536, Z. 18 f.: Quod vero caput eclesiae regem debeamus intelligere, ammonet scriptura divina […]. Z.  29 f.: Habet etiam sancta eadem eclesia singula membra propriis officiis deputata, habet levam, habet dextram. Ipsa enim dicit in Canticis canticorum: ‚Leva eius sub capite meo et dextera illius amplexabitur me Cant. 8,3‘; et per levam regnum, per dexteram vero intelligitur sacerdotium. Leva enim sponsi, id est Christi, sub capite eclesie dicitur, quia prelatis secularibus tuetur temporaliter et substentatur. Dextera autem eius amplexabitur, quia sacerdotali institutione ipsum novit auctorem, quo vitam eternam merebitur habere, sicut patri ipse dicit: ‚Haec est vita eterna, ut cognoscant te unum et verum dominum et quem misisti Iesum Christum [Joh. 17,3].‘ Im Frühchristentum war das caput ecclesiae noch Christus selber; erst seit dem 7. Jahrhundert wird in zunehmendem Maße die Stadt Rom damit gleichgesetzt, vgl. Johrendt: Diener des Apostel­ fürsten, S.  317 – 319.

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Christenheit unabdingbar. Deswegen muss jedem Glied das Seine zugestanden werden, vor allem auch dem Kaiser, der wie Christus das Haupt der K ­ irche bildet. Erneut beobachten wir, wie Zwillingslösungen – die Aufteilung des kirch­lichen Körpers in eine linke und eine rechte Seite – zwar anfäng­lich entwickelt, dann aber zugunsten einer hierarchischen Ordnung aufgegeben werden. Einer der wenigen Fälle, in denen der Körperbau mit seinen korrespondierenden Gliedmaßen wertfrei gedeutet wird, begegnet im weit verbreiteten Elucidarium des Honorius von Autun. Hier wird der Körper des Menschen als Spiegelbild des Makrokosmos interpretiert 288. Eine Illustration des Textes findet sich in einer Handschrift des Benediktinerklosters Prüfening bei Regensburg 289. Die Ausführungen von Honorius werden hier am Körper Christi illustriert. Die rechte Hand des Gottessohnes bezieht beispielsweise den Geschmack aus dem Wasser, die linke Hand den Tastsinn aus der Erde, die Nasenlöcher entsprechen Mars und Venus. Die verbreitete Gattung der „Aderlassmännchen“ berücksichtigt ebenfalls die Mikro­kosmos/Makrokosmos-­Beziehung, wenn der Einfluss der Gestirne auf die inneren Organe gezeigt wird. Hier steht aber die spiegelbild­liche Lesart des Körpers nicht mehr im Vordergrund: Die Planeten beziehen sich entweder auf die rechts liegende Leber oder auf das Herz links im Brustkorb, das heißt die Körper­ seiten werden aufgeteilt. Grundsätz­lich wird der mensch­liche Körper in den Streitschriften aber vom Kopf her „gelesen“, das heißt eine einzige Instanz regelt die Bewegung des Leibes. Einer ­binären Aufteilung sind die Autoren grundsätz­lich abhold, und sie preisen immer wieder den Wert eines einheit­lichen Prinzips. Humbertus von Silva ­Candida, dessen Ablehnung des Sonne-­Mond-­Gleichnisses wir bereits kennengelernt haben, schimpft auch über diejenigen, die sich von Gott abwenden und das Unteilbare teilen wollen 290. In Anlehnung an Johannes Scotus Eriugena hebt er zuerst die Einheit der Dreifaltigkeit hervor, indem er darauf hinweist, dass jeder einzelne Gegenstand der sichtbaren Welt durch Maß, Zahl und Gewicht bestimmt sei, und zwar gleichzeitig und unauflös­lich 291. Humbertus bemerkt – immer noch sinngemäß

2 88 Vgl. die Ausgabe von Lefèvre: Elucidarium, S. 114 – 118 [Zusammenfassung]; S. 371 f. [Text]. 289 Vgl. Boeckler: Regensburg-­Prüfeninger Buchmalerei, S. 20 f. sowie die Abbildung 1. 290 Humbertus, Adversus simoniacos, ed. Thaner, S. 229, Z. 4 f.: […] perpendant, quam aversi a Deo incedant, qui dividere individua laborant. 291 Humbertus, Adversus simoniacos, ed. Thaner, S. 229, Z. 7 f.: Omnia enim, quae in una sapientia sua Deus fecit, trinitate, qua subsistunt, insignivit, ubi omnibus mensuram, numerum et pondus habere dedit. Quae tria contemporaliter et inseparabiliter omnibus creaturis insunt, nec quodlibet eorum prius aut posterius duobus reliquis aut sensibiliter ab illis separabile inveniri poterit. Sive enim mensuram sive numerum sive pondus in quibuslibet corporeis naturis consideres, pariter et inseparabiliter in ipsa tria nasci, esse, crescere, decrescere et interire etiam sensibus

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Eriugena folgend – darauf: „Aus ­diesem allem erfahren wir in vielfältiger Weise, dass Gott bei sich und in seinen Werken die Monade empfiehlt und über alles schätzt, zugleich aber besonders die Dyade, die etwas von ihm abtrennt, verachtet und hasst. Die unteilbare Monade näm­lich führt dank der Gnade ihrer Natur auch das Abgetrennte wieder zur unteilbaren Einheit zurück und verbindet es in unteilbarer Weise. Die gespaltene Dyade aber versucht, mit der Bosheit ihrer schlechten Veranlagung auch das Unteilbare zu trennen. Die Monade hingegen, unverletz­ lich und friedfertig, kennt nichts anderes, als sich vom Getrennten, Auseinander­ strebenden und Privaten zurückzuziehen und es mit dem eigenen Unteilbaren, das allen gemeinsam und gegenwärtig ist, zu vereinen. Auf der Gegenseite versucht die Dyade als verletzte und schismatische Schänderin nichts anderes, als etwas aus dem sich selbst ähn­lichen Unteilbaren und dem gemeinsamen Gut herauszubrechen und abzuschneiden. Diese Dyade hat sich zweifellos von der unveränder­lichen und unteilbaren Monade entfernt und zuerst für sich nach einem Ort, nach einem privaten sowie einsamen Sitz in der Nähe des Nordwinds gesucht; dann hat sie den Menschen von Gott getrennt. Diese Dyade sagt in ihrer Art durch den Mund einer Hure: ‚Weder für mich, noch für dich, sondern es soll geteilt werden.‘ Die ­g leiche Dyade versucht auch durch einen anderen im Evangelium, die Teilung der ewigen Monade schmackhaft zu machen, indem sie spricht: ‚Sag meinem Bruder, dass er mit mir das Erbe teilen soll.‘ Ihr entgegnet die selige Monade, indem sie sich auf ihre Unerschütter­lichkeit beruft: ‚O Mensch, wer hat mich zum Richter über euch und zum Zerteiler berufen?‘ Und wenn du alle Werke Gottes betrachtest, so wirst du bemerken, dass sie dank der Monade durchaus fortbestehen, infolge der Dyade aber untergehen. So wie die Monade für sie der Grund ihres Fortbestehens ist, so ist die Dyade der Anfang ihres Aufhörens. Denn so lange die Vielfalt und die Überzahl der Glieder und Teile durch die Einheit bestimmt werden und sich dem ganz ­Eigenen anschließen, bestehen sie fort; sobald sie aber sich der Dyade nähern, hören sie auf und beginnen unterzugehen.“292 Angesichts dieser theoretischen

corporis senties. Zum Vorbild des Johannes Scotus Eriugena vgl. die Einleitung zur Edition in den Libelli de Lite, Bd. 1, S. 97 f. 292 Humbertus, Adversus simoniacos, ed. Thaner, S. 229, Z. 26 f.: Ex quibus omnibus multipliciter docemur Deum tam in se quam et in omnibus operibus suis commendare atque super omnia diligere monadem et apprime detestari et odisse a se quodlibet abscidentem diadem. Monas enim individua suae naturae beneficio etiam dividua individuae unioni reducit et individue conectit. Dias autem dividua sui vitii maleficio etiam individuum dividere quaerit. Illa tanquam inviolabilis et pacifica nil nisi a dividuis, diversis et privatis retrahere atque suo omnibus communi et praesenti individuo unire novit. E contrario ista tanquam violata violatrix et scismatica nil nisi ab individuo consimili et communi bono abrumpere et abscindere temptat. Haec procul dubio ab illo incommutabili et individua monade ultro recedens prius privatae et solitariae sedis locum sibi

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Überlegungen überrascht es nicht, dass Humbert jede Aufteilung innerhalb der ­Kirche schärfstens verurteilt. Er sieht darin geradezu einen Ehebruch 293 und ruft aus: „O ihr g­ espaltenen Spalter, erkennt doch jetzt oder auch s­ päter, dass das Un­ geteilte nicht geteilt werden kann. Und ihr anderen, pflichtet den Spaltern nicht bei, wenn ihr für eure und ihre Seelen gottgefällig sorgen wollt.“294 Gegenüber ­diesem rhetorischen Feuerwerk von Humbertus zugunsten eines ­strengen Monismus wirken die Passagen in anderen Texten, worin ein einheit­ liches Prinzip verteidigt wird, geradezu gemäßigt. So bezeichnet Hugo von Fleury, der die könig­liche Oberherrschaft verteidigt, eine Trennung der beiden Gewalten ebenfalls als Sünde 295. Bruno, Bischof von Segni, setzt den Körper Christi mit der ­Kirche gleich; wenn sich ein Glied davon trenne, gehöre es nicht mehr zur ­Kirche und gehe zugrunde 296. Bei Placidus von Nonantola geht derjenige, der die corporalia aecclesiae von den spiritualia aecclesiae sondert, gleich vor, wie wenn er die Seele vom Körper scheidet. Zugleich ist damit die K ­ irche dem Untergang geweiht, denn damit entstehen zwei Türen für die Schafe des Hirten Christus 297. Ganz allgemein ist für Placidus alles in der ­Kirche gleich heilig. Eine Aus- oder Abgrenzung ist aufgrund der umfassenden päpst­lichen Verfügungsgewalt, wie sie die „­Konstantinische Schenkung“ verspricht, nicht mög­lich 298. Der Tractatus de scismaticis geißelt grundsätz­lich in lateribus aquilonis exploravit [Is. 14,13], deinde hominem a Deo divisit. Haec quoque more suo per meretricem dixit: ‚Nec michi nec tibi, sed dividatur [3. Reg. 3,26]‘. Haec etiam in euangelio per alium persuadere cupit aeternae monadi divisionem dicens: ‚Dic fratri meo, ut dividat mecum hereditatem [Luk. 12,13]‘; cui beata monas reclamans naturae suae impassibilitatem sic praedicavit: ‚Homo, quis me constituit iudicem aut divisorem super vos? [Luk. 12,14]‘ Et si omnia opera divinitatis consideres, monade prorsus ea subsistere, diade autem interire invenies. Quibus sicut monas est subsistendi principium, sic et dias desistendi initium. Nam quandiu diversitas et numerositas membrorum seu partium unione censetur vel toto suo conectitur, subsistit; ubi autem ad diadem accedit, desistere et interire incipit. Eine Anspielung auf die monas findet sich auch im Dialogus de pontificatu sanctae Romanae ecclesiae, ed. Boehmer, S. 529, Z. 25 f.: Merito autem ad monadem omnia referuntur, cum a monade surgant omnia; ipse enim finis, qui et principium, ipse et . 293 Humbertus, Adversus simoniacos, ed. Thaner, S. 231, Z. 23 f. 294 Humbertus, Adversus simoniacos, ed. Thaner, S. 235, Z. 43 f.: O vos divisi divisores et tandem vel sero individua dividi non posse cognoscite, iamque divisoribus nolite acquiescere, si cupitis animabus vestris et illorum secundum Deum consulere. 295 Hugo monachus Floriacensis, Tractatus de regia potestate, ed. Sackur, S. 494, Z. 21 f. 296 Bruno episcopus Signinus, Libellus de symoniacis, ed. Sackur, S. 555, Z. 42 f.; S. 556, Z. 10 f. 297 Placidus monachus Nonantulanus, Liber de honore ecclesiae, ed. Heinemann/Sackur, S. 586, Z. 26 f. [Version B]. Zum Bild der Türe, die der gute Hirte bewacht, vgl. Wiesheu: Hirtenrede, S.  313 – 316. 298 Placidus monachus Nonantulanus, Liber de honore ecclesiae, ed. Heinemann/Sackur, S.  633 – 635.

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die dualitas der Kirchenspaltung und verlangt auch von den neutral Gebliebenen eine klare Stellungnahme 299. Gerhoch von Reichersberg beklagt sich in seinem Werk De investigatione Antichristi, das er in den Jahren 1160 – 1163 verfasste, bitter über die scissura dualitatis, die innerhalb der Diözesen des Reichs nur Kriege und Blutvergießen nach sich zog 300. In seinem Liber de novitatibus huius temporis aus dem Jahre 1156 wendet er sich entschieden gegen die dialectici, ­welche den Stein der ­Kirche spalten wollen 301. In den späteren Passagen seines Werks beschwört er immer wieder die una persona Christi 302.

299 Tractatus de scismaticis, ed. Dieterich/Böhmer, S. 119, Z. 16 f. 300 Gerhoch, De investigatione Antichristi, ed. Sackur, S. 328, Z. 19 f.: Hainricus vero, iam non rex, sed tyrannus, episcopos aliosque fideles ecclesiae suae parti non communicantes de propriis sedibus proturbat eisque alios non episcopos, sed scismaticos et hereticos superponit, vixque in regno suo episcopatus inveniebatur, in quo dualitatis huius scissura non esset. Hinc iam cedes, hinc membrorum in laicis et clericis truncationes et oculorum effossiones, hinc publice civium contra cives congressiones aliis pro pastoribus legittimis [sic], aliis vero contra pastores dimicantibus. Zur Datierung vgl. Classen: Gerhoch von Reichersberg, S. 421 – 424. 301 Gerhoch, Liber de novitatibus huius temporis, ed. Thatcher, Kap. 4, S. 43 f.: Helyu turbulentus [gemeint ist Petrus von Wien, ein Anhänger Gilberts von Poitiers] contra me insurgit, irruens ex adverso, quasi turbo ad dispergendum me, si involvendo sententias sermonibus, prout ipsi videtur, exquisitis, sed prout ego arbitror, imperitis, ut, nisi Dominus de turbine illi pro me respondere dignetur, tota salus mea, immo totius ecclesie periclitetur graviter, quoniam, non ut cumque flumen illiditur domui Dei fundate supra petram, sed ipsam, quod auditu horrendum est, nititur subfodere aut findere, petram. Que, licet habeat foramina, in quibus nidificat columba, utpote clavis et lancea per milites cavata, non confringi vel scindi potuit aut poterit, sicut scriptum est: ‚Os non comminuetis ex eo‘ [ Joh. 19,36] quia nec tunica eius inconsutilis scissa fuit, sed integra permansit. Petra enim est Christus, petra indivisa, petra solida, nullius umquam susceptibilis divisionis, totus in paterna, totus in materna substantia, totus in ecclesia regnante in celis, totus in ecclesia perigrinante ac militante super terram, sursum invitans ad gloriam, deorsum confortans ad patientiam. […] Propheta vidit humanam in Christo naturam ‚quasi aspectum christalli‘ [Ezek. 1,22], videlicet commutatam a sua mutabilitate in soliditatem non angelicam, qualis et sanctis hominibus permittitur, sed omnino divinam. Nostris temporibus dialectici vel potius heretici vident eam vix ad angelorum dignitatem provectam. 302 Gerhoch, Liber de novitatibus huius temporis, ed. Thatcher, Kap. 12, S. 55: Frustra ergo laborant novi doctores huius temporis idcirco Dei substantiam sequestrando ab incarnatione ne, hac incarnata, videatur pater incarnatus et spiritus sanctus, quorum una est cum filio substantia, ut fides habet catholica, quia sicut in humanis, cum tota humanitatis natura sit in una sui persona, tantum illa paciente vel moriente, non necesse est alias eisdem nature personas conpati vel conmori. In einem eigenen Kapitel verteidigt Gerhoch dann die similitudo, aequalitas et unitas naturalis der Dreifaltigkeit (Gerhoch, Liber de novitatibus huius temporis, ed. Thatcher, Kap. 15, S. 57).

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Die ersehnte Einheit ließ sich aber nicht mehr herstellen. Die Auseinander­ setzungen ­zwischen den Parteien waren zu einem Nullsummenspiel geworden, in dem „der Gewinn des einen Spielers gleich dem Verlust des anderen ist“303. Nicht nur die päpst­liche Partei, auch die kaiser­liche hielt unbeirrt an ihrem Anspruch auf Oberherrschaft fest 304.

303 Die Definition nach Fuchs-­Heinritz/Lautmann/Rammstedt/Wienold (Hg.): Lexikon der Soziologie, S. 469. Im Gegensatz dazu stehen die – auch in der Wirk­lichkeit weitaus häufigeren – „Nicht-­Nullsummenspiele“, in denen beide Spieler gleichzeitig Gewinne oder Verluste erzielen. 304 Walther: Imperiales Königtum, S. 37 – 39.

4.  Zwillinge statt Zwiespalt? 4.1  Zwillinge in Antike und christlichem Mittelalter 4.1.1  Zwillinge, das verwirrende Wunder Zwillingsgeburten sind häufiger, als wir denken: Durchschnitt­lich jede 40. Geburt ist eine Zwillingsgeburt, wobei sich je nach Region große Unterschiede zeigen 305. Bei den Yoruba kommt bei jeder sechsten Geburt ein Zwillingspärchen auf die Welt 306, in Japan nur bei jeder hundertsten; in Nordeuropa dürfen sich Mütter eher über Zwillings­geburten freuen als in Südeuropa. 75 % aller Zwillingsgeburten sind zweieiig (dizygot), und von diesen weisen wiederum 50 % ein unterschied­liches Geschlecht auf. Derzeit nehmen Mehrlingsgeburten zu; der Grund sind Fruchtbarkeitsbehandlungen und spät gebärende Frauen 307. Zu erinnern ist auch an das Phänomen des Teratoms: Wenn sich die Eizelle nach dem 14. Tag noch einmal aufteilt, bilden sich im Körper verborgene Geschwülste, die auf ein nicht herausgebildetes Zwillingsgeschwister hinweisen. Viele Menschen tragen ­solche Teratome in sich, ohne davon zu wissen, denn mindestens 4 % aller Zeugungen könnten zu Zwillingsgeburten führen 308. Zwillinge haben seit jeher die Menschen fasziniert und verunsichert, vor allem die Männer 309. Wie war es mög­lich, dass ihre Partnerin plötz­lich zwei Kinder auf die Welt brachte? In einer Zeit ohne medizinisch-­anatomisches Wissen drängte sich für die Väter der Verdacht auf, die ­Mutter der beiden Neugeborenen habe ein zweites Kind mit einem anderen Mann gezeugt 310. Dieser Argwohn verstärkte sich, wenn zweieiige Zwillinge den Bauch der ­Mutter verließen.

305 Rathmayr: Zwillinge, S. 1; regionale Unterschiede der Zwillingshäufigkeit waren bereits in der Antike bekannt, vgl. ebd., S. 67 f.; S. 75 f. Weitere Hinweise bei Pellegrini: Les jumeaux dans le monde; Imperato/Imperato (Hg.): Twins and Double Beings, am Beispiel der Bamana in Mali; zu den Zwillingsdarstellungen der Bamana vgl. dies.: Twins. Einen vergnüg­lich-­nachdenk­lichen Einstieg ins Zwillingsthema bietet das Lesebuch von Kröhnke/ Kröhnke, Zwillinge. 306 Afrika verfügt über die höchste Rate von Zwillingsgeburten, vgl. Peek: Beginning to Rethink Twins, S. 2 f. 307 Peek: Beginning to Rethink Twins, S. 3. 308 Peek: Beginning to Rethink Twins, S. 4 f. 309 Reiches Bildmaterial zu Mehrfachgeburten bietet Speert: Iconographia Gyniatrica, S. 377 – 408. 310 Mencacci: Fratelli amici, S. 10 – 14; Frey: Zwillinge und Zwillingsmythen, S. 65 f.

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Aus heutiger Sicht erscheint das Misstrauen der Väter lächer­lich – abgesehen vom seltenen Fall der Doppelbefruchtung (Superfekundation), bei der eine Frau kurz hinter­einander mit zwei verschiedenen Männern Geschlechtsverkehr hat und gleichzeitig zwei Eier befruchtet werden.311 Das Unbehagen vieler patriarchaler Gesellschaften gegenüber Zwillingsgeburten beruht aber zweifellos auf der ewigen Un­­sicher­­heit aller Männer, die das römische Recht in die einprägsame Kurzformel mater semper certa goss.

4.1.2  Die antike Gesellschaft und ihre Zwillinge Diese Situation erklärt auch die höchst gegensätz­lichen Verhaltensweisen, mit denen bereits in der griechisch-­römischen Antike auf eine Doppelgeburt reagiert wurde 312. Angesichts vielfältiger antiker Traditionen, denen das mittelalter­liche Christentum verpflichtet war, werden im Folgenden zuerst die entsprechenden Bezeichnungen für Zwillinge und anschließend die antiken Wahrnehmungs- und Erklärungsmuster von Zwillingsgeburten dargestellt.

311 Ein solcher Fall wird in der Basler Zeitung vom 18. Mai 2009 geschildert, als der Vater von Zwillings­knaben elf Monate nach der Geburt große Unterschiede z­ wischen den beiden feststellen musste. Die Frau gab ihren Seitensprung zu, der Vater verzieh ihr und adoptierte das Kuckuckskind. 312 Im Folgenden wird nur auf die griechisch-­römische Antike eingegangen; einen guten Forschungsüberblick zum Nahen Orient und zur Indogermanistik bietet Dasen: Jumeaux et Jumelles, S. 13 – 16; vgl. auch Dasen: Jumeaux dans l’Antiquité classique. Im ­Z oroastrismus spielen Doppelgottheiten (Ahura Mazda versus Ahriman) ebenfalls eine große Rolle, wobei es sich um einen radikalen Dualismus und nicht um eine Zwillingskonzeption handelt (Bianchi: Twins, S. 100). Hinweise zum Urmenschen „Yima“/„Yama“ („Zwilling“) in den indo-­iranischen Religionen bei Peter Gerlitz: Artikel „Ursprungsmythen,“ , in: TRE 31 (2000), S. 450 – 458; in den Veden/Upanischaden sind die Aśvin, die p ­ rotoypischen Helfer der Menschen, ebenfalls Zwillinge, vgl. Thomas Oberlies: Artikel „Veda und ­Upanishaden“, in: TRE 34 (2002), S. 557 – 565. Zur Unterscheidung ­zwischen Zwillings­ konzeptionen und Dualismus siehe Anm. 364. Zwillingsgottheiten waren ebenfalls im Alten Ägypten bekannt, vgl. Bianchi: Dualism, S. 511 f.; Chappaz: Jumeaux en Égypte ancienne; Mencacci: ­Fratelli amici, S. 50 – 55; Peek: Beginning to Rethink Twins, S. 35, Anm. 14. Zur Bandbreite des Verhaltens betreffend Zwillinge vgl. Dasen: Jumeaux et Jumelles, S. 13: „Certaines sociétés intègrent les jumeaux dans le système familial; signes d’une intervention divine, ils sont l’objet des cultes. D’autres sociétés s’emploient à réduire une anomalie jugée dangereuse; un des enfants ou les deux sont mis à mort.“ In ihrem Fazit (S. 280) hält sie bezüg­lich der antiken Gesellschaft fest: „Quel que soit le domaine, médical, religieux ou anthropologique, l’ambivalence est la règle.“

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Im Griechischen werden Zwillinge als δίδυμοι bezeichnet; das Wort ist eine Ver­ doppelung von δύο (zwei) und unterstreicht also die Zweiheit 313. Das Adjektiv bezieht sich meistens auf paarige Körperteile, beispielsweise die Hände oder die Hoden. Das La­­ teinische verwendet eine andere indogermanische Wurzel, wenn es von gemini oder in der Verkleinerungsform von gemelli spricht. Neuerdings werden die Wörter in Zusammen­ hang mit gignere und genus gebracht, was die gemeinsame Geburt von Zwillingen hervorhebt 314. Geminus als Begriff gilt aber als derart eindeutig, dass ­Quintilian den Ausdruck fratres gemini als typisches Beispiel für einen Pleonasmus ansah. Wer sich mit der antiken Kultur beschäftigt, dem fällt sofort auf, dass Zwillingsgottheiten in der Mythologie sehr häufig auftauchen, und zwar sowohl eineiige als auch zweieiige 315. Dass angeb­lich zwei Männer an der Zeugung beteiligt waren, konnte damit entschuldigt werden, dass es sich bei einem Vater um einen Gott handelte – vorzugsweise Zeus/Jupiter, dessen Untreue notorisch war 316. Dementsprechend waren im Falle der Dioskuren Polydeukes unsterb­lich, Kastor aber hatte eine beschränkte Lebenszeit auf Erden. Das ­gleiche Muster begegnet bei Alkmene, die vom Götter­ vater getäuscht worden war: Er näherte sich ihr näm­lich in der Gestalt ihres irdischen Mannes Amphitryon. Das Ergebnis war der Heros Herakles und ein einfacher Erdenbürger namens Iphikles. Neben dem Muster eines je gött­lichen und mensch­lichen Erzeugers gab es auch das Konzept, dass Zwillinge von einem einzigen Gott oder von einem irdischen Vater abstammten. Sogar die Doppelbefruchtung durch zwei irdische Männer wurde als besonders schänd­liches Ereignis in Betracht gezogen, wie das Beispiel der Pasiphaë zeigt. Dizygote (zweieiige) Zwillinge zogen im besonderen Maße den Verdacht auf sich, einer Doppelbeziehung der M ­ utter entsprungen zu sein: Sie galten geradezu als „falsche Zwillinge“317. Neben der unsicheren Zeugung wurden sie auch verdächtigt, 313 Zu den Bezeichnungen für Zwillinge im Griechischen und Lateinischen vgl. Dasen: Jumeaux et Jumelles, S. 16 – 18. Auch Paare von Freundinnen und Freunden werden metaphorisch als „Zwillinge“ bezeichnet. 314 Walde/Hofmann: Lateinisches Etymolo­gisches Wörterbuch, Bd. 1, Artikel geminus, S.  586 f. weist auf die unsichere Herleitung hin und denkt am ehesten an eine Herleitung vom Wortstamm „pressen, strotzen“. Neuerdings aber Vaan: Etymological dictionary of Latin, S. 256: Von „gigno = give birth to, genus = offspring“. 315 Zum Folgenden vgl. Rathmayr: Zwillinge, S. 1 – 14, und insbesondere Mencacci: Fratelli amici; Dasen: Jumeaux et Jumelles, mit einer guten Bilddokumentation. Die große Zahl antiker Zwillingspaare erlaubt es nicht, sie hier alle aufzuzählen. Berühmt ist vor allem das Beispiel von Apollon und Artemis; vgl. dazu Abbildung 2. 316 Gleiche Vorstellungsweisen begegnen auch bei heutigen afrikanischen Gesellschaften, vgl. Peek: Beginning to Rethink Twins, S. 5; Grootaers: Twinship, am Beispiel der Ubanga (Demokratische Republik Kongo). 317 Mencacci: Fratelli amici, S. 96 – 108.

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bereits im Mutterleib eine inzestuöse Beziehung zu haben, was ihre Existenz ebenfalls fragwürdig erscheinen ließ 318. Die antike Gesellschaft begegnet deshalb den Zwillingsgeburten zuerst mit einer Art Scheu, was sich am besten mit der Doppelbedeutung des lateinischen sacer er­­ klären lässt: „heilig“ und gleichzeitig auch „verflucht“. Zwillinge entsprechen somit dem, was heute mit dem ursprüng­lich polyne­sischen Ausdruck „tabu“ bezeichnet wird 319. Die römische Gesellschaft mit ihrem ausgeprägten Hang, alle mög­lichen Natur­erscheinungen als Vorzeichen zu behandeln, sah dementsprechend in Zwillings­ geburten bisweilen einen gött­lichen Hinweis auf drohendes Ungemach 320. Die neuere Forschung betont allerdings die grundsätz­lich positiven ­Eigenschaften von Zwillingen, die ihnen die antike Gesellschaft zuschrieb. Im Kontext der g­ riechischen Mythologie hält Véronique Dasen drei „compétences gémellaires“ fest: Zwillinge garantieren Stabilität, sie fördern die Fortpflanzung und vermitteln ­zwischen den Menschen und der Götterwelt 321. Im Falle der griechischen Gesellschaft fällt allerdings auf, dass in literarischen Quellen und in der Ikonographie reale Zwillinge eher selten erwähnt werden. Ob dies als Ausfluss religiöser Scheu oder als Folge von erhöhter Mortalität interpretiert werden muss, bleibt vorläufig offen 322. Francesca Mencacci kam in ihrer umfassenden Studie zum Schluss, dass die römische Gesellschaft gegenüber dem Zwillingsphänomen sehr positiv eingestellt war 323; Véronique 318 Rathmayr: Zwillinge, S.  21 – 24; Dasen: Jumeaux et Jumelles, S. 166; S. 227 f. Die besondere, eben auch dubiose Nähe von Zwillingen führte dazu, dass Zwillingspaare sich absicht­lich mit anderen Zwillingspaaren verbanden (ebd., S. 105 f.). Inzestvorstellungen begegnen auch bei heutigen afrikanischen Gemeinschaften, vgl. die Hinweise bei Lamp: Fiction, S. 218 – 220. 319 Rathmayr: Zwillinge, S. 33 – 35. Auch Harris: Boanerges, S. 119 – 128 spricht bereits von einem „twin-­taboo“. 320 Rathmayr: Zwillinge, S. 41. 321 Dasen: Jumeaux et Jumelles, S. 169 erläutert dies am Beispiel der Dioskuren: „Les récits mythiques attribuent aux jumeaux un ensemble de compétences liées aux concepts d’assistance et de fécondité. Ces pouvoirs […] peuvent être groupés en trois catégories. La première concerne le rôle stabilisateur des jumeaux, associé à leur nature guerrière. Leur bravoure et leur solidarité en font les patrons de la jeunesse en armes et des athlètes. Leur protection s’étend aux navigateurs et aux voyageurs en général. Garants des serments et des relations contractuelles, ils assurent la cohésion de la vie civique et la prospérité de l’Etat. La deuxième se rapporte aux forces de la (ré)génération. Les jumeaux sont associés à la protection de la procréation, et plus largement de la santé; leur dimension cosmique, alliée à leur caractère salvateur les destinent également à jouer un rôle funéraire important. Le troisième groupe concerne leur fonction d’intermédiaires entre les hommes et les dieux comme patrons de la divination et des arts.“ 322 Vgl. die vorsichtigen Schlussfolgerungen bei Dasen: Jumeaux et Jumelles, S. 232. 323 Mencacci: Fratelli amici, S. 4 – 10; S. 23; S. 193 und passim. Eine Ausnahme bilden Drillinge und noch größere Mehrlingsgeburten, die zu den schlechten Vorzeichen gerechnet wurden (ebd., S. 47 – 49). Vgl. dazu auch Dasen: Jumeaux et Jumelles, S. 272 – 274.

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Dasen unterstreicht diesen Befund 324. Für die Römerinnen und Römer bildeten Zwillingspärchen das Idealbild der „symmetrischen Liebe“, und ihre Unzertrenn­lichkeit wurde immer wieder hervorgehoben 325. Dass Romulus, der Gründer Roms, seinen Zwillingsbruder Remus tötete, steht allerdings in scharfem Kontrast zu ­diesem Befund. Eine Lösung ­dieses Widerspruchs ist bis jetzt nicht gefunden worden; es scheint allerdings, dass es bereits in der Antike verschiedene Erzähltraditionen gab, in denen nicht Romulus, sondern einer seiner Gefährten den Mord an Remus vollzog 326. Überhaupt scheint die Sage der töd­lich verfeindeten Zwillingsbrüder die Ausnahme zu bilden, ­welche die Regel bestätigt, dass Zwillinge im antiken Rom ein hohes Ansehen genossen. Bezeichnenderweise war einer der frühesten Tempel auf dem Forum Romanum den Dioskuren Castor und Pollux gewidmet, die unzählige Male in der bildenden Kunst dargestellt wurden 327. Auch das antike Drama kannte die vielen, zumeist komischen Mög­lichkeiten, die ähn­lich aussehende Personen boten. Die berühmteste Verwechslungskomödie sind die Menaechmi des Plautus. Sie beeinflussten die „Comedy of Errors“ von William Shakespeare, der seinerseits als Vater von Zwillingen ein Kenner der Materie war 328. Der humoristische Kontext verweist schließ­lich auch auf die berühmten Kugelmenschen, mit denen Aristophanes das mensch­liche Liebesbegehren in Platons „Symposion“ erklärt. Ursprüng­lich hätten die Menschen eine Kugelform besessen, mit vier Extremitäten und zwei Gesichtern. Dies habe zu drei Menschenformen geführt: Mann – Mann, Frau – Frau, Mann – Frau. Die Stärke dieser Kugelmenschen veranlasste Zeus, sie zu teilen, und deswegen suchten wir bis heute unablässig die uns fehlende andere Hälfte 329. Nicht nur die antike Mythologie, Kunst und Philosophie war gegenüber dem Zwillingsphänomen aufgeschlossen, auch die antike Medizin versuchte seit dem 5. Jahrhundert vor Christus das Phänomen der Doppelgeburten immer wieder

324 Dasen: Multiple Births; dies.: Jumeaux et Jumelles, S. 234 – 278. 325 Mencacci: Fratelli amici, S. 64 – 68; S. 74 – 82. 326 Mencacci: Fratelli amici, S. 194 – 200. Vgl. auch Dasen: Jumeaux et Jumelles, S. 141 f., die Stellen aus Ovid und Servius anführt, worin der Brudermord verneint wird; bezeichnenderweise gibt es auch keine bild­liche Überlieferung von Romulus’ Tat. 327 Dasen: Jumeaux et Jumelles, dokumentiert mit reichem Bildmaterial die antiken D ­ arstellungen von Zwillingsgeschwistern. 328 Zur Verwechslung von Zwillingen vgl. Rathmayr: Zwillinge, S. 112 – 115, wobei dies auch zu ernsten Vorfällen führen konnte, wenn der eine Zwilling anstelle des andern bestraft wurde. 329 Platon lässt Aristophanes hier den alten Mythos der Molioniden humoristisch umsetzen, vgl. Dasen: Jumeaux et Jumelles, S. 149. Überraschenderweise begegnen ­solche Vorstellungen auch bei heutigen Gemeinschaften in Afrika, vgl. Peek: Beginning to Rethink Twins, S.  11 f.

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zu erklären 330. Die männ­liche Sicht überwog anfäng­lich auch hier: Zwillinge entstünden aus einem Übermaß und einer Aufspaltung des männ­lichen Samens; einige Mediziner sahen darin auch ein ­­Zeichen gesteigerter weib­licher Fruchtbarkeit 331. Später wurde der Grund in der besonderen Beschaffenheit der weib­ lichen Gebärmutter gesucht, die aus mehreren Ausstülpungen bestehe und somit Mehrfach­g eburten ermög­liche. Die antiken Ärzte verg­lichen die Menschen zudem mit T ­ ieren 332 und kamen mehrheit­lich zum Schluss, dass auch Zwillinge nur bei einem e­ inzigen Geschlechtsverkehr entstehen. Sie widersprachen damit der ­mytho­­­­­­lo­g ischen ­Deutung einer doppelten Zeugung. Aristoteles ging in der Folge überraschenderweise aber wieder von zwei Zeugungsakten aus, wobei er als Erster die Beispiele der anstößigen Doppelbefruchtung (Superfekundation) heranzog. Bei gleichgeschlecht­lichen Zwillingen nahm er hingegen ebenfalls eine Aufspaltung des Samens an. Diese medizinischen Traditionen wurden in der ganzen Antike beibehalten, mit Ausnahme von Soranos aus Ephesos, der um 100 nach Christus in Rom tätig war. Er unterschied verschiedene Stadien der Empfängnis und erklärte, dass die Aufteilung in zwei Embryos zu einem späteren Zeitpunkt stattfinde 333. Die Erkenntnisse von ­Soranos wurden von einem ansonsten unbekannten Mustio (auch: Muscio/Musio) um 500 ins Lateinische übertragen und gelangten so in den Westen; dabei wurden insbesondere die Kindslagenbilder häufig kopiert 334. Die antiken medizinischen Schriften wurden im Mittelalter immer wieder abgeschrieben, so dass die Vorstellungen einer Aufspaltung des Samens und einer Gebärmutter, die mehrere Nistplätze anbietet, die ganze Zeit erhalten blieben. Interessanterweise spielen Zwillinge auch beim Kirchenvater Augustin eine wichtige Rolle, allerdings nicht aus medizinischen Gründen, sondern um die Astrologie als Wissenschaft zu widerlegen. Trotz eines praktisch identischen Geburtstermins ent­ wickelten sich gemäß Augustinus Zwillinge häufig gänz­lich verschieden, insbesondere

330 Rathmayr: Zwillinge, S. 53 – 67. Zusammenfassend und ausführ­lich Dasen: Jumeaux et Jumelles, S.  21 – 49. 331 Mencacci: Fratelli amici, S. 14 – 18. 332 Als tierische Vergleiche wurden Häsinnen und Stuten beigezogen, bei denen Mehrlings­geburten häufig vorkommen; daraus wurde der Schluss gezogen, dass Zwillingsmütter einen Hang zur Lüsternheit haben, vgl. Mencacci: Fratelli amici, S. 18 – 46. 333 Zu Soranos und seiner Behandlung des Zwillingthemas vgl. Dasen: Jumeaux et Jumelles, S. 14. 334 Zu Soranos und Mustio (Muscio/Musio) vgl. Klaus-­Dietrich Fischer: Artikel „Soran im Mittelalter“, in: Lex.MA 7 (1995), Sp. 2055 f.; Rowland: Medieval Woman’s Guide to Health, S. 20 – 22; zu den Kindslagenbildern vgl. ebd., S. 38 f. Der Originaltext des Mustio samt deutscher Übersetzung in Mustio: Gynaecia; Rösslin: Rosengarten, ed. Klein/Keil.

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im Falle von zweieiigen Geburten; dies widerlege den Aberglauben vom Einfluss der Gestirne 335. Die antiken Naturwissenschaftler verfügten über einen ausgeprägten Beobachtungs­ sinn, und deshalb überrascht es nicht, dass viele der uns bekannten Eigenheiten bei Zwillingspaaren auch den damaligen Forschern auffielen 336. Zu nennen sind die Ähn­lichkeit eineiiger oder die starken Unterschiede zweieiiger Zwillinge sowie die genetische Disposition zu Zwillingsgeburten in einer Familie. Auf psycholo­gischer Ebene verzeichnen die antiken Autoren ebenfalls Beobachtungen, die bis heute ihre Gültigkeit haben: Die Unzertrenn­lichkeit von Zwillingsgeschwistern, die Dominanz eines der beiden Zwillinge, verbissene Streitigkeiten und manchmal sogar verbrecherische Zwillinge 337. Die Eltern wiederum gingen ähn­lich wie heute vor: Entweder ließen sie ihren Kindern die ­g leiche Erziehung angedeihen, oder sie förderten sie entsprechend ihren Begabungen. Ob sie diese gleich kleideten, ist nicht überliefert, aber ähn­ lich klingende Namen scheinen beliebt gewesen zu sein, und zwar sowohl bei ein­ eiigen als auch zweieiigen Zwillingen: Faustus und Fausta, Geminus und Gemellus, ­Theronike und Theraphone 338. Manchmal erhielten die Neugeborenen auch Namen, die einen Gegensatz bezeichnen: Canus und Niger, Hieros und Asylos, oder – im Falle der zweieiigen Zwillinge von Antonius und Kleopatra – Alexandros-­Helios und Kleopatra-­Selene. Eltern aus dem Sklavenstand gaben ihren Kindern mythische Zwillingsnamen wie Amphion und Zethos, um ihren Kindern auf diese Weise ein gewisses gesellschaft­liches Ansehen zu verschaffen 339. Im Vergleich dazu können wir uns schwer vorstellen, dass Zwillinge, deren Eltern Christen sind, den Namen Jakob und Esau tragen, geschweige denn Perez und Serach 340. Das Gedankenspiel zeigt, dass in dieser Hinsicht Antike und christ­liches Mittelalter grundsätz­lich verschieden sind. 335 Zur Rolle der Astrologie im Kontext von Zwillingsgeburten vgl. Rathmayr: Zwillinge, S. 65 f.; S. 118 – 124. Augustin greift dabei ein Thema auf, das bereits bei Cicero behandelt wird, vgl. Dasen: Jumeaux et Jumelles, S. 270 f. 336 Vgl. zum Folgenden Rathmayr: Zwillinge, S. 75 – 78. 337 Rathmayr: Zwillinge, S. 89 – 100. 338 Die Namen nach Dasen: Jumeaux dans l’Antiquité classique. Alliterierende Namen sind auch in anderen Kulturkreisen beliebt, vgl. die amüsanten Hinweise bei Harris: Boanerges, S.  291 – 296. 339 Rathmayr: Zwillinge, S.  109 – 111; Mencacci: Fratelli amici, S. 126 – 193. Ähn­lich klingende Namen sind noch heute üb­lich, wie Cécile-­Odile, Tim-­Tom (ebd., S. 56). 340 Interessanterweise ist dies in Benin und Togo mög­lich, weil hier ältere Zwillingsverehrungen sich über die von Missionaren vermittelten bib­lischen Inhalte legen und sie positiv umdeuten. Micheli: Double Portraits, S. 153, erwähnt, dass in ­diesem Kontext Zwillingskinder problem­ los als Jakob und Esau getauft werden.

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Im Gegensatz zu heute waren die Überlebenschancen von Zwillingen in vor­ modernen Zeiten bedeutend geringer, was auch den antiken Medizinern bewusst war 341. Dennoch lassen sich bereits im antiken Griechenland Zwillingsgeburten nachweisen 342; das gilt in erhöhtem Maße auch für die römische Gesellschaft 343. Grab­ inschriften und (seltene) Funde zeugen vom traurigen Schicksal früh verstorbener Zwillingsgeschwister 344. In Rom bürgerte sich der Brauch ein, dass der überlebende Zwilling den Beinamen Vopiscus erhielt 345. Dennoch gibt es eine Reihe von historisch belegten Zwillingen, darunter auch ­kriminelle Paare wie Aristogeiton und Eunomos oder Faustus Cornelius Sulla mit ­seiner nymphomanen Zwillingsschwester Fausta Cornelia 346. Am berühmtesten sind aber wohl Germanicus Iulius Caesar und Tiberius Iulius Caesar, die Söhne von Drusus und Livia und somit Enkel des Kaisers Tiberius. Letzterer war über diese Doppelgeburt derart glück­lich, dass er im Senat damit prahlte; leider starb Germanicus sehr früh, und Tiberius wurde von Caligula ermordet. Anders war die Situation im 2. Jahrhundert nach ­Christus. Als Faustina dem Kaiser Mark Aurel 161 die Zwillinge Commodus und Antonius Geminus schenkte, wurden Medaillen geprägt, ­welche die beiden Kinder abbildeten 347. Neben der Doppelherrschaft – der Dyarchie –, die im Folgenden behandelt wird, spielte in antiken Adelsherrschaften bisweilen die Primogenitur, d. h. das Erst­ geburtsrecht, eine wichtige Rolle, gleich wie im Falle von Esau und Jakob. Wenn nicht geklärt werden konnte, wer von den beiden Zwillingen zuerst auf die Welt kam, hatte dies ernste Konsequenzen. Als Beispiel führten die antiken Autoren Romulus und Remus an, aber auch Zwillinge, die um den verwaisten Thron ihres Vaters nach Sitte des Landes kämpften; unglück­licherweise kamen beide bei d­ iesem Zweikampf um 348. 341 Rathmayr: Zwillinge, S. 80 – 85. Der Verlust eines Zwillingteils führte häufig zu großer Trauer der Eltern, da das überlebende Kind ständig an das verstorbene erinnerte, vgl. ebd., S. 114. Ausführ­lich dazu Mencacci: Fratelli amici, S. 82 – 96. 342 Dasen: Jumeaux et Jumelles, S. 200 – 228, mit Beispielen für reale Zwillingsgeburten, die in Inschriften oder Schriftzeugnissen belegt sind. 343 Dasen: Jumeaux et Jumelles, S. 234 – 238. 344 Eindrück­liche Beispiele für archäolo­gisch nachgewiesene Zwillingsbegräbnisse bei Dasen: Jumeaux et Jumelles, S. 50 – 53, sowie Grabinschriften aus der römischen Provinz, ebd., S. 251 – 259; ebd., S. 267 – 269, sind Grabinschriften verzeichnet, die der überlebende Zwilling seinem verstorbenen Partner stiftet. 345 Dasen: Jumeaux et Jumelles, S. 17: Die Herkunft ist unsicher, vermutet wird ein Ursprung aus keltisch-­ligurischen Dialekten, was bedeuten würde „eine Person mit zwei Seelen“: Die eigene und die des verstorbenen Zwillingsgeschwisters. 346 Rathmayr: Zwillinge, S. 43 – 52. 347 Gedda: Twins in History and Science, S. 19. 348 Rathmayr: Zwillinge, S. 101 – 105. Weitere Beispiele zur Rivalität unter Zwillingen bei Dasen: Jumeaux et Jumelles, S. 138 – 144, am Beispiel von Eteokles und Polyneikes.

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Im römischen Recht taucht das Erstgeburtsrecht nur am Rande auf, wobei paradoxer­weise dasjenige Kind, das den Mutterleib als zweites verlässt, als erst­geborenes gilt; dasjenige, das zuerst das Licht der Welt erblickt, galt als ­später gezeugt 349. Die Geburtsreihenfolge spielt eine wichtige Rolle bei einem jener vertrackten Beispielfälle, wie sie die römische Rechtsliteratur liebt: Der Sklavin Arescusa wird in einem Testament die Freiheit für den Fall versprochen, dass sie drei Kinder zur Welt bringt. Nachdem Arescusa zwei Kinder geboren hat, trägt sie in ihrer dritten Schwangerschaft Zwillinge aus. Ist nun das erstgeborene Zwillingsgeschwister unfrei, während das zweite als viertes Kind der Arescusa frei ist? Ulpian benützt d­ ieses Beispiel, um zu zeigen, dass in bestimmten Fällen nicht nach Recht, sondern nach der Sachlage des Einzelfalls entschieden werden muss: Beide Zwillinge sollen als frei gelten 350. Aus der römischen Rechtsprechung wird auch ersicht­lich, dass Zwillingssklaven bei den Römern einen besonderen Wert hatten, desgleichen Sklavinnen, die Zwillinge auf die Welt brachten 351. Handel und Verfassung von Sparta spiegeln schließ­lich am stärksten die Verehrung wider, die Zwillingen entgegengebracht wurde. Die spartanische „dokana“ war ein Statuentypus, der ausschließ­lich den Dioskuren vorbehalten war; nach ihm soll das astrolo­gische ­­Zeichen für Zwillinge () gestaltet sein 352. Die „dokana“ von Castor und Pollux zeigt sich in den zwei Pfeilern, die den Anfang einer vergitterten Kultbrücke markierten; diese führte zu einem Heiligtum, das zur Beschwörung von Eiden bei Handelsverträgen diente 353. Die antike Gesellschaft kannte auch Formen der Zwillingsherrschaft. In Sparta gab es seit jeher zwei Könige (Dyarchie, Doppelherrschaft), was zweifellos auf die besondere Verehrung der Dioskuren zurückzuführen ist. Herodot bietet zudem eine „historische“ Erklärung: Als das Zwillingspaar Eurysthenes und Prokles zur Welt kamen und ihr Vater starb, wollten die Spartaner den Älteren zum König krönen. Wer aber war der Erstgeborene? Die ­Mutter gab keine Auskunft, da sie beide Söhne 349 Zazzo: Le paradoxe des jumeaux, S. 98. Parallelen für diese Vorstellung gibt es auch in Afrika. In Togo gilt der zweitgeborene Zwilling als älteres Geschwister, da es den jüngeren vorausschickt, um die Welt zu erkunden, vgl. Frey: Zwillinge und Zwillingsmythen, S. 18. 350 Vgl. Maximilian Herberger: Artikel quaestio iuris/quaestio facti, in: Historisches Wörterbuch der Philosophie 7 (1989), Sp. 1739 – 1743. 351 Mencacci: Fratelli amici, S. 62; Rathmayr: Zwillinge, S. 111 f. 352 Mencacci: Fratelli amici, S. 64 – 66. 353 Silver: Taking ancient mythology economically, S. 95 – 114, insbesondere S. 113: „Twins represent a class of agents who carried out various duties, including commercial ones, for a cultic house. They are heroizations of the twin pillars of the latticed cult-­gate. In association with the goddess behind the lattice they witnessed oaths, provided space for the display of merchandise for sale, stored valuables, sponsored commercial festivals, and performed many other functions.“

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gleich liebte. Das Orakel in Delphi wusste auch nicht weiter. Es riet den Spartanern, beide als Könige zu betrachten, dem – weiterhin unbestimmten – Älteren aber mehr Ehre zu erweisen. Erst ein Messenier wusste Rat: Derjenige der beiden, der von der ­Mutter zuerst gestillt wurde, war der Erstgeborene. Dies war Eurysthenes, der hinfort mehr geehrt wurde; die Spartaner behielten ihre Doppelherrschaft aber bei 354. Die Herrschaft durch zwei Personen war in der Antike auch anderwärts verbreitet und kann als Weiterleben von Zwillingskonzeptionen verstanden werden: Zwei Konsuln regierten Rom, zwei Sufeten das mächtige Karthago, die Gegnerin Roms 355. Überhaupt lässt sich für die griechische Antike eine explizite „géméllité politique“ feststellen, wenn zwei Brüder, die politisch tätig sind, als Dioskuren auf Münzen abgebildet werden 356; das ­g leiche Phänomen begegnet in verstärktem Maße in Rom 357. Ein kurzer Blick auf die germanische Welt bestätigt auch hier die Präsenz von Zwillings­konzeptionen in vorchrist­licher Zeit. Da die Dioskuren bei mehreren indogermanischen Völkern belegt sind, überrascht es nicht, dass sie auch bei den ­Germanen vorkommen, wie dies bereits von Tacitus vermerkt wird 358. Dementsprechend be­­gegnen auch doppelte Anführer bei antiken Germanenzügen, und sie repräsentieren eine Dyarchie, wie wir sie bei den Spartanern beobachten 359; ein typisches Beispiel sind die Wandalen, deren Anführer bezeichnenderweise alliterierende Namen wie „Raos“ und „Raptos“ trugen 360. Auch der von Tacitus erwähnte germanische Gott Tuisto wird als „Zwitter“ gedeutet, denn in der nordischen Mythologie verbindet sich die Vorstellung „von der Erde als uranfäng­licher Gebärerin mit dem Gedanken eines androgynen

3 54 Vgl. dazu Rathmayr: Zwillinge. 355 Heutige Dyarchien sind das Fürstentum Andorra, aber auch das von den Lozi bewohnte Barotseland in Sambia, wo sich vor der Kolonialisierung eine Frau und ein Mann die Herrschaft teilten. 356 Dasen: Jumeaux et Jumelles, S. 228. 357 Dasen: Jumeaux et Jumelles, S. 248. 358 Vgl. zum Folgenden Ward: The Divine Twins; Karl Hauck: Artikel „Dioskuren“, in: Real­ lexikon der Germanischen Altertumskunde 5 (1984), S. 482 – 494, mit reicher Dokumentation und Bildmaterial. Die südskandinavischen Stämme übernahmen in der Spätantike für ihre Münzen die spätantiken Kaiserdarstellungen und verdoppelten sie (ebd., S. 491). Zu Felsbildern mit Zwillingen vgl. Bertil Almgren: Artikel „Felsbilder“, in: ebd. 8 (1994), S. 353. Weitere Hinweise bei O’Brien: Dioscuric Elements; zum slawischen Bereich Shapiro: Dioscurism. 359 Vgl. Hans H. ­Anton/Heinrich Beck u. a.: Artikel „Sakralkönigtum“, in: Reallexikon der Germanischen Altertumskunde 26 (2004), S. 179 – 320, S. 237 f. 360 Vgl. Volker Bierbrauer: Artikel „Wandalen“, in: Reallexikon der Germanischen Altertumskunde 33 (2006), S. 168 – 217; S. 173 – 176. Gemäß Ammianus Marcellinus sollen sich bei den Burgundern ein König und ein Priester die Oberherrschaft geteilt haben (Ammianus ­Marcellinus, Res Gestae ed. Rolfe, Lib. XXVIII, 5, 14, S. 168.

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Wesens, das am Anfang der mensch­lichen Ahnreihe steht“361. Noch älter ist die Figur des Ymir, der sprach­lich mit dem lateinischen Ausdruck geminus („Zwilling“) und den altindischen Zwillingsgöttern Yama/Yami identifiziert wird; im Lettischen hat sich mit dem gleichen Wortstamm der Name „Jumis“ für eine Zwillingsfrucht oder einen hermaphroditischen Dämon erhalten 362. Wie sehr Zwillingsgeburten in der germanischen Gesellschaft geschätzt wurden, zeigt sich darin, dass für den Mord an einer Frau, die Zwillingskinder erwartete und während der Schwangerschaft getötet wurde, das vierfache Wergeld zu zahlen war – eine ungeheure Summe 363.

4.1.3  Geminal ≠ Dual: Sprachen und das geminale Prinzip Die antiken Doppelherrschaften verweisen nicht nur auf mytholo­gische ­Vorstellungen, sondern finden auch ihre linguistische Entsprechung im Dualis, der ein Wesens­ merkmal indogermanischer Sprachen bildet und über ein Formensystem verfügt, um Zweiheiten zu bezeichnen. Bereits Wilhelm von Humboldt widmete ­diesem Phänomen 1827 eine eigene Studie. Seine Beobachtungen sind in unserem Kontext von großer Bedeutung. Humboldt wandte sich dem Dualis zu, weil „das Dasein dieser merkwürdigen Sprachform sich ebensowohl aus dem natür­lichen Gefühl des uncultivierten Menschen als aus dem feinen Sprachsinn des höchst gebildeten er­klären lässt“364. Nach einem Überblick über den Dualis in den verschiedensten, auch außereuropäischen Sprachen unterscheidet Humboldt drei Anwendungsgebiete: Beim ersten geht es um die Zweiheit von Sprecher und Hörer, beim zweiten um paarweise vorhandene Körperteile, beim dritten Anwendungsgebiet geht es ganz allgemein um eine Bezeichnung für Zweiheit. Diese Anwendungsgebiete können sich auch überschneiden. Humboldt sieht im Dualis aber auf jeden Fall mehr als eine bloße Bezeichnung für den Zahlbegriff „zwei“: „Eine, doch vielleicht noch nicht ganz ungewöhn­liche, allein durchaus irrige Ansicht ist es, wenn man den Dualis bloß als einen zufällig für die Zahl ‚zwei‘ eingeführten, beschränkten Pluralis ansieht.“365 Vielmehr kann der Dualis dem Begriff der „Zweiheit“ zugeordnet werden. „Nach dieser

361 Vgl. Heinrich Beck: Artikel „Erde“, in: Reallexikon der Germanischen Altertumskunde 7 (1989), S. 436 – 441; S. 440. Vgl. auch Günther Neumann: Artikel „Twisto“, in: ebd. 31 (2006), S. 342 f. 362 Vgl. Hermann Reichert: Artikel „Mythische Namen“, in: Reallexikon der Germanischen Altertumskunde 20 (2002), S. 461 – 472; S. 471. 363 Vgl. Gundolf Keil: Artikel „Schwangerschaft“, in: Reallexikon der Germanischen Altertumskunde 27 (2004), S. 413 – 419; S. 417. 364 Humboldt: Über den Dualis, S. 571. Vgl. zu Folgendem auch Fritz: Der Dual, S. 16 – 18. 365 Humboldt: Über den Dualis, S. 581.

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Vorstellung ist der Dualis gleichsam ein Collectiv–Singularis der Zahl ‚zwei‘, da der Pluralis nur gelegent­lich, nicht aber seinem ursprüng­lichen Begriff nach, die Vielheit wieder zur Einheit zurückführt. Der Dualis theilt daher als Mehrheitsform und als Bezeichnung eines geschlossenen Ganzen zugleich die Plural- und Singular-­Natur.“366 Bevor Humboldt diesen Begriff der Zweiheit anhand von Gegensatzpaaren erläutert und abschließend die Dialogsituation als Ursituation für den Gebrauch des Dualis beschreibt, geht er auf die Formung der Wirk­lichkeit durch Sprache ein: „Die Sprache ist aber durchaus kein bloßes Verständigungsmittel, sondern der Abdruck des Geistes und der Weltsicht der Redenden; die Geselligkeit ist das unentbehr­liche Hülfsmittel zu ihrer Entfaltung, aber bei weitem nicht der einzige Zweck, auf den sie hinarbeitet, der vielmehr seinen Endpunkt doch in dem Einzelnen findet, insofern der Einzelne von der Menschheit getrennt werden kann. Was also aus der Außenwelt und dem Innern des Geistes in den grammatischen Bau der Sprachen überzugehen vermag, kann darin aufgenommen, angewendet und ausgebildet werden, und wird es wirk­lich, nach Maßgabe der Lebendigkeit und Feinheit des Sprachsinns und der Eigen­­thüm­ lichkeit seiner Ansicht.“367 Unwillkür­lich denkt man an den berühmten Ausspruch Wittgensteins: „Die Grenzen meiner Sprache bedeuten die Grenzen meiner Welt.“ In einer kürz­lich erschienen sprachvergleichenden Studie zum Dual bestätigt und ergänzt Matthias Andreas Fritz den Befund Humboldts. So kann er nach­weisen, dass der Dual geradezu eine sprach­liche Universalie darstellt und keinesfalls auf die indogermanischen Sprachen beschränkt ist 368. Im Laufe seiner Untersuchung kann der Verfasser die „Gegebenheiten der Wirk­lichkeit“ rekonstruieren, an denen die ­Kategorie „Dual“ ihren Ausgang nimmt. Es ist einerseits die Paarigkeit doppelt 366 Humboldt: Über den Dualis, S. 584. 367 Humboldt: Über den Dualis, S. 587. 368 Fritz: Der Dual, S. 2 f.: „Die Kategorie Dual ist eine sprach­liche Erscheinung, die in verschiedenen Sprachen auftritt, ohne dass diese nach heutiger Kenntnis auf eine gemeinsame Wurzel zurückgehen, etwa die indogermanischen oder semitischen Sprachen. Dadurch aber, dass dieselbe Erscheinung in voneinander unabhängigen Sprachen auftreten kann, werden diese Sprachen einander typolo­g isch ähn­lich. Wenn nun eine sprach­liche Kategorie un­­abhängig in verschiedenen Sprachen vorkommt, die nicht miteinander verwandt sind und auch nicht einander benachbart sind, so dass die Gemeinsamkeit durch Sprachkontakt bedingt sein könnte, so scheint diese Kategorie eine bestimmte begriff­liche Kategorie im Denken des Menschen darzustellen.“ Ebd., S. 262: „Eine allgemein zu gewinnende Erkenntnis hat durch diese Untersuchungen eine sprach­liche Bestätigung aus der Zeit der mensch­lichen Vorgeschichte erhalten, näm­lich dass das Konzept der Dualität im Denken des Menschen aufgrund zweier strukturell differenter natür­licher Gegebenheiten existiert, zum einen aufgrund der Körpersymmetrie und zum anderen aufgrund der Kommunikationssituation. Dass die Ergebnisse insgesamt durch die sprachtypolo­g ischen Universalien bestätigt werden, sei hier ausdrück­lich hervorgehoben.“

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vorhandener Körperteile, andererseits die Kommunikationssituation 369. Im vor­ liegenden Zusammen­hang spielt vor allem die erstere Gegebenheit eine wichtige Rolle. Körperteile, die paarig vor­handen sind, gehen auf einen gleichen Ursprung – den Körper – zurück; sie gehorchen dem Prinzip der „Inalienabilität“. Dass sie gezählt werden können – die „Determination“ – ist hingegen sekundär, wie das folgende, heutige Beispiel vor Augen führt 370: „Er hat die Arme gebrochen.“ = „Er hat beide Arme gebrochen“. Sobald wir die Determination „zwei“ einführen, entsteht ein völlig neuer Sinn: „Er hat zwei Arme gebrochen.“ Das sind zweifellos – und auch unglück­licherweise – die Arme einer anderen Person. Der daraus zu ziehende Rückschluss ist eindeutig: Nicht die Dualität, sondern die Zwillingsanordnung unserer Extremitäten bestimmt letzt­lich unser Sprach- und Weltverständnis, ohne dass wir dies im Alltag bemerken. Dass die spiegelbild­liche Anordnung der Körperteile mit dem Zwillings­phänomen verknüpft wurde, lässt sich gerade für die antike Kultur häufig nachweisen. So meinte Plutarch, dass die Natur in weiser Voraussicht dafür gesorgt habe, dass Frauen zwei Brüste haben, so dass im Fall einer Zwillingsgeburt beide Kinder gestillt werden k­ önnen  371. Die doppelt vorhandenen Organe – Augen, Ohren, aber auch Hoden und Eierstöcke – nehmen bei Plutarch das Idealbild der Freundschaft und der Brüder­lichkeit vorweg, und ihre Paarigkeit wird mit Wörtern des Stammes „didym-“ beschrieben. Im Lateinischen begegnet dasselbe Phänomen, wenn mit gemin- die ent­sprechenden Körperteile beschrieben werden 372. Ähn­lich wie beim Dualis für Körperteile versucht auch unsere Alltagssprache, dem Phänomen von Doppelgeburten gerecht zu werden 373. Wir sprechen immer von „Zwillingen“ in einem Plural, der eigent­lich ein Geminal sein sollte, und wir ­müssen zu einer Umschreibung greifen, wenn wir einen Teil des Zwillingspaares ­bezeichnen w ­ ollen. Ein Zwilling bleibt aber immer das Zwillingsgeschwister eines a­ nderen Zwillings­geschwisters.

369 Fritz: Der Dual, S. 10. 370 Das folgende Beispiel nach Fritz: Der Dual, S. 253. Vgl. auch S. 224, wo nachgewiesen wird, dass der Dual „originär die intrin­sisch kollektive Paarigkeit und sekundär auch die Zweiheit des Zahlworts“ enthält. Duale Personalformen begegnen heute nur noch im Nordfrie­sischen, vgl. ebd., S. 156 f. 371 Rathmayr: Zwillinge, S. 79. 372 Mencacci: Fratelli amici, S. 68 – 74: „Le parti del corpo gemelle“. 373 Das Folgende nach Mencacci: Fratelli amici, S. 56 – 60, die einen Überblick über die entwicklungspsycholo­g ischen Forschungen zu Zwillingen gibt. Zur psycholo­g ischen Entwicklung von Zwillingen vgl. das Standardwerk von Zazzo: Les jumeaux, Bd. 1, S.  424 – 507.

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Die Einmaligkeit der Zwillingsbeziehung zeigen schließ­lich auch moderne Forschungen zum Spracherwerb und zur psycholo­gischen Entwicklung von eineiigen Zwillingspaaren. Wenn sie angesprochen werden, wenden sie sich gleichzeitig der betreffenden Person zu, denn sie haben Schwierigkeiten, den Namen dem richtigen Individuum zuzuordnen. Wenn sie gemeinsam vor einem Spiegel stehen, sind sie oft nicht in der Lage, sich darin zu erkennen. Der schwierige Schritt, „ich“ sagen zu können, verzögert sich bei ihnen, und selbst erwachsene Zwillinge können schlecht ­zwischen „ich“ und „wir“ unterscheiden. Beispiele aus der franzö­sischen Sprache zeigen, dass es zu Neuschöpfungen kommt wie „mon tien“ („mein Deines“) oder dass die beiden sich mit „vous“, dem Personalpronomen der 2. Person Plural, ansprechen. Die Entwicklungspsychologie beurteilt diese Phänomene in widersprüch­licher Weise, indem sie darin entweder einen eindrück­lichen Beleg für eine intensive Beziehung sieht oder sie als ­­Zeichen einer drohenden Isolation samt psychischer Erkrankung interpretiert 374. Der sprach­liche Befund, der sich aus der Geschichte des Dualis ergibt, ist für die Fragestellung ­dieses Buches von zentraler Wichtigkeit. Duale Prinzipien werden in der Theologie und Philosophie seit langem untersucht und diskutiert, aber hinter diesen Prinzipien steht – sprachgeschicht­lich gesehen – häufig der Bezug auf den realen Zwillings­bau unseres Körpers 375. Dieses geminale Prinzip unterscheidet sich grundlegend von dualen Vorstellungswelten, denn es bezieht sich auf eine gemeinsame Herkunft und stellt diese in den Vordergrund: Unsere Arme, Hände, Beine, Ohren, Nasenlöcher usf. existieren nicht unabhängig voneinander, sondern gehören untrennbar zu unserem Körper. Geminale Vorstellungen orientieren sich an einer gemeinsamen Deszendenz, während duale Vorstellungen allein die Differenz, die Unterscheidung sowie die Diastase betonen und die damit verbundene Instabilität hervorheben 376. 374 Zazzo: Les jumeaux, Bd. 1, S. 450 f. bringt eine Reihe von eindrück­lichen Beispielen für die „confusion des formes pronominales“. 375 Die fehlende Unterscheidung z­ wischen Dualismus und Zwillingskonzepten zeigt sich bei den Forschungen von Ugo Bianchi: Zwar bietet er einen guten Überblick über die verschiedenen Zwillingsmythen, er orientiert sich aber in erster Linie an einer Religionsgeschichte des Dualismus, so dass Zwillingskonzepte für ihn sekundär sind (Bianchi: Dualism; ders.: Twins). 376 Vgl. Karen Gloy; Traugott Holtz; Rudolf Suntrup; Klaus Herrmann: Artikel „Zahl/ Zahlenspekulation/Zahlensymbolik“, in: TRE 36 (2004), S. 447 – 478: „Kennzeichnend für den Dual ist, daß er nicht zwei ­gleiche Einheiten bezeichnet wie in 1 + 1 = 2, sondern Polarität, Gegensätz­lichkeit, Symmetrie, Spiegelbild­lichkeit, Ambivalenz, wie sie in biolo­gischen und lebenswelt­lichen Phänomenen zu beobachten ist: in Systole und Diastole, Ein- und Ausatmen, Männ­lichem und Weib­lichem, Tag und Nacht, Aktivität und Passivität, und ihre prägnanteste Gestalt im chine­sischen Yin-­Yang-­Zeichen oder in dem in mittelalter­lichen und in Renaissance-­Texten benutzten androgynen Wesen oder in dem von Johann Wolfgang von

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4.1.4  Das christliche Mittelalter und seine Zwillinge Die Streitschriften, die während des Konflikts ­zwischen sacerdotium und regnum entstanden und eine Lösung suchten, weisen – wie wir sahen – eine Zwillingslösung von sich und stehen damit in diametralem Gegensatz zu antiken Vorstellungen von Doppelherrschaft. Wie verhielt sich die mittelalter­liche Gesellschaft aber gegenüber realen Zwillingen? Archäolo­gisch sind Zwillinge bis jetzt relativ selten nachgewiesen. In einem Steinkistengrab von Biel-­Mett (Kanton Bern, Schweiz) wurden zwei männ­liche Skelette gefunden, die starke Übereinstimmungen im Körperbau zeigen. Es handelt sich um zwei relativ große Männer (176 und 180 cm), wovon der eine sicher über 60 Jahre alt war. Die Forschung vermutet aufgrund verschiedener Merkmale, dass es sich um Zwillinge handelte 377. In den lateinischen Quellen des Mittelalters sind reale Zwillinge hin und w ­ ieder belegt. Vom Heiligen Bonifatius berichtet sein Biograph Willibald, dass er ungefähr im Jahre 722 nach Amöneburg bei Marburg gelangte, wo er seine Missionstätigkeit erfolgreich fortsetzte. Dieser Ort wurde von Zwillingsbrüdern (gemini germani) mit den alliterierenden Namen Dettic und Deorulf geleitet, die sich von Bonifatius über­ zeugen und sich zum christ­lichen Glauben bekehren ließen 378. Ludwig der Fromme, der Sohn und Nachfolger Karls des Großen, kam 778 mit einem Zwillingsbruder namens Lothar auf die Welt, der allerdings bald nach der Geburt starb 379. Die Erinnerung an ihn wurde aber wachgehalten. Aimion von Fleury (gestorben nach 1008) berichtet in seinen Miracula Sancti Benedicti, dass in Casseuil, das an der Garonne liegt, der kleine Sarg Lothars vorhanden gewesen sei 380. So sind Nithard und Hartnid, die Enkelkinder Karls des Großen, ebenfalls Zwillingsbrüder gewesen, worauf auch ihre ähn­lich lautenden Vornamen hinweisen 381. Goethe im West-­öst­lichen Divan herangezogenen Ginkgoblatt hat, das ihn zum Gedicht veranlasste: ‚Ist es ein lebendig Wesen, das sich in sich selbst getrennt, sind es zwei, die sich erlesen, daß man sie als Eines nennt‘.“ 377 Ulrich-­Bochsler: Verwandtschaftsdiagnose. 378 Vitae Sancti Bonifatii, ed. Levison, Kap. 6, S. 27. 379 Vgl. Josef Fleckenstein: Artikel „Ludwig der Fromme“ , in: Lex.MA 5 (1991), Sp. 2171 f. 380 Miracles de Saint Benoît, ed. De Certain, S. 96: […] in qua [ecclesia], si bene visa recordor, permodicum habetur sarcophagum, in quo frater Ludovici Pii geminus esse putatur sepultus. Zu Aimoin von Fleury vgl. Karl Ferdinand Werner: Artikel „Aimoin von Fleury“, in: Lex.MA 1 (1980), Sp. 242 f. 381 Zu Nithard (um 800 – 845) vgl. Hans-­Werner Goetz: Artikel „Nithard“, in: Lex.MA 6 (1993), Sp. 1201. In seinem Geschichtswerk erwähnt Nithard seinen Bruder nur kurz: Qui [Nithards Vater Angilbert] ex eiusdem magni regis [Karl der Große] filia nomine Berehta Hartnidum fratrem meum et me Nithardum genuit. (Nithard, Historiarum Libri, ed. Müller, Lib. 4, Kap. 5,

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Thietmar von Merseburg (975 – 1018) berichtet an der Wende zum Jahr 1000, dass Mathild, die Tochter des Markgrafen Thiedrich, sich unglück­licherweise mit einem Slawen namens Prebizlavus verheiratete, der sie von der Ausübung ihrer Pflichten als Christin abhielt. Der Himmel fügte es allerdings, dass der finstere Gatte von den Zwillingsbrüdern (confratribus geminis) Ugio und Uffico während der Weihnachtszeit erschlagen wurde 382. Am 25. Februar 967 gibt Bischof Wigfried der K ­ irche Saint-­Cyr bei Verdun den Zehnten der Kapelle Saint-­Martin d’Ailly zurück. Das Dokument ist unterzeichnet mit Signum Gotberti et Milonis geminorum; offensicht­lich verfügten die Zwillingsbrüder über ein gemeinsames Siegel 383. Der Abt Richard des Klosters St. Vanne bei Verdun bezeugt im Jahre 1025, dass verschiedene adelige Frauen in sein Kloster eintreten wollen, darunter Bona cum filiabus geminis Eredescendi et Ruspendi 384. Am 26. August 1058 tauschen Bischof Ellenhard und das Domkapitel von ­Freising je drei Unfreie aus. Dabei wird vom Bischof eine Frau namens Diemŏt dem Dom­ kapitel übergeben cum gemina prole, wobei ihre bisherigen Rechte unbedingt gewahrt werden sollen 385. Um 1090 tritt der Ritter Anselm von Brixia in das Kloster von Cluny ein; seine Frau Raimodis wünscht ein Begräbnis in Cluny und die Aufnahme ins Totengedenken der Mönche. Zu d­ iesem Zweck übereignen beide dem Kloster ein Grundstück in Estavel und Tartarel mit dessen Hörigen sowie einen Weinberg; die entsprechende Urkunde trägt auch das Zeichen ­­ ihrer Enkelkinder, die Zwillinge sind: Guzerannus de Cortavax und Rodbertus de Cristul 386. Der flämische Ritter Eustace I. ­Grenier, der am ersten Kreuzzug teilnahm und danach die Städte Sidon, Caesarea und Jericho als Lehen erhielt, heiratete ­Emelota (Emma), die Nichte des Patriarchen Arnoul de Chocques. Wilhelm von Tyrus ­berichtet: „Von Emelota erhielt der erwähnte Herr Eustace Zwillingssöhne geschenkt, Eustace junior, den Herrn von Sidon, und Walter, der Caesarea vorstand.“387

S. 48). Die karolinigsche Herrscherfamilie scheint für Zwillingsgeburten prädestiniert gewesen zu sein, vgl. die Hinweise bei Hartmann: Königin im frühen Mittelalter, insbesondere S. 191 f. 382 Thietmar von Merseburg, Chronik, ed. Holtzmann, S. 204. 383 Chronique et chartes Saint-­Mihiel, ed. Lesort, Nr. 28, S. 125. 384 Urkunden Kloster St. Vanne zu Verdun, ed. Bloch, Teil 1, S. 433. 385 Traditionen des Hochstifts Freising, ed. Bitterauf, Bd. 2, Nr. 1463, S. 314. 386 Recueil des Chartes de l’Abbaye de Cluny, ed. Bernard/Bruel, Bd. 4, S. 816 f.: […] et signa duorum geminorum filiorum ejus. 387 Willelmi Tyrensis, Chronicon, ed. Huygens, Lib. 14, Cap. 15, Bd. 63a, S. 652: Ex qua [Emelota] praedictus dominus Eustachius filios susceperat geminos, Eustachium juniorem, urbis Sidoniensis dominum, et Galterum, qui Caesareae praefuit.

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Guta, die Tochter König Rudolfs von Habsburg, gebar ihrem Mann Wenzel II. von Böhmen ebenfalls Zwillinge, die aber kurz nach der Geburt verstarben 388. Schließ­lich erwähnt Enea Silvio Piccolomini in den Commentarii, dass seine ­Mutter 18 Kinder zur Welt brachte, darunter eine Reihe von Zwillingen; nur zehn erreichten aber das Erwachsenenalter 389. Die mittelalter­lichen medizinischen Vorstellungen orientierten sich im Falle von Zwillingsgeburten zuerst stark an antiken Vorbildern, gleich wie die Medizin des arabisch-­islamischen Mittelalters. Prägend waren die Texte von Soranos in der Übersetzung des Mustio sowie Galen 390. Neu war seit dem Hochmittelalter die Vorstellung, die Gebärmutter verfüge über sieben Kammern; diese Lehre gelangte von Byzanz via die Medizinschule von Salerno in den Westen 391. Dank der vergrößerten Speichermög­lichkeit der Gebärmutter ließen sich Zwillingsgeburten auf folgende Weise leicht erklären: In den drei Kammern auf der linken Seite entwickeln sich die weib­lichen Föten, da sie unter dem Einfluss der kühlen Milz stehen; die rechts liegenden Kammern lassen männ­liche Föten heranwachsen, denn sie liegen in der Nähe der warmen Leber. Die mittlere Kammer schließ­lich fördert die Herausbildung von Zwittern. Der Gebärmutter, die im Lateinischen auch als matrix bezeichnet wird, werden dabei prägende Kräfte eingeräumt, so dass an der Entstehung eines Kindes sowohl der Vater als auch die M ­ utter beteiligt waren; damit lassen sich die Ähn­lichkeiten ­zwischen Eltern und Kindern erklären 392. Die gelehrte Vorstellung einer siebenkammerigen Gebärmutter verbreitete sich schnell in den Volkssprachen und galt bis in die Frühe Neuzeit als verbind­liche

388 Bloh: Zwillinge, S. 16. 389 Piccolomini, Commentarii, ed. Totaro, Lib. I, Cap. 1, S. 6: Quae [die M ­ utter] adeo fecunda fuit, ut saepe gemellos peperit. Ex ea Silvius [der Vater] duodeviginti liberos sustulit, non tamen ultra decem simul aggregavit […]. 390 Zu den antiken Erklärungen von Zwillingsgeburten siehe Anm. 330. Zur Medizin des arabisch-­ islamischen Mittelalters und ihren Vorstellungen von Zwillingsentwicklung vgl. Weisser: Zeugung, S. 161 – 286. Soranos und Mustio bilden auch die wichtigsten Quellen bei Eucharius Rösslin, Der Rosengarten, dem ersten gedruckten Werk zur Geburtshilfe und zum Hebammen­ wesen aus dem Jahre 1513. Vgl. dazu Mustio, Gynaecia; Rösslin, Rosengarten, ed. Klein/Keil, S. 165. Ein Beispiel für die Vermittlung arabisch-­islamischer Kenntnisse bezüg­lich Zwillingsgeburten findet sich in Abbildung 8. 391 Vgl. zum Folgenden Reisert: Siebenkammeriger Uterus; Kruse: Verborgene Heilkünste, S. 232 – 252, mit Hinweisen auf volkssprach­liche Überlieferungen. Für den franzö­sischsprachigen Bereich Hüe: Jumeaux, S. 360 – 362. 392 Zur Prägekraft der matrix vgl. den Ausschnitt aus dem Traktat des Guillaume de Conches (um 1080–um 1154), abgedruckt bei Reisert: Siebenkammeriger Uterus, S. 67 f.

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Lehrmeinung 393. Dabei wurden auch neue Vorschläge eingebracht: Die Lage auf der linken oder rechten Seite oder in der Mitte beeinflusst nicht das Geschlecht des zukünftigen Kindes, sondern seinen Charakter, so dass weib­liche Föten, die sich in der Nähe der Leber entwickeln, männ­liche Eigenschaften entwickelten und um­­ gekehrt. Dass sich das Konzept der siebenkammerigen Gebärmutter so schnell und breit durchsetzte, erklärt sich durch seine Fähigkeit, antike Vorstellungen von Mehrfachbefruchtungen sowie von ungewöhn­licher Spermamenge mit einem angeb­lichen „anatomischen“ Befund zu verknüpfen 394. Nur kurz sei hier noch auf die mittelalter­liche Astrologie eingegangen, die in einer engen Verknüpfung mit der damaligen Medizin steht 395. Gemäß der gängigen Säftelehre beeinflussten die Gestirne die mensch­liche Gesundheit, und in d ­ iesem Zusammenhang spielt auch das Sternzeichen der Zwillinge eine wichtige Rolle. Ab­ bildungen von Zwillingen sind dementsprechend häufig in den einschlägigen Handschriften zu finden 396. Die Literatur des Mittelalters benützt das Zwillingsmotiv in unterschied­lichen Zusammenhängen. Im mittelfranzö­sischen „Lai du Fresne“ der berühmten Marie de France werden einem bretonischen Ritter Zwillingstöchter geboren 397. Darauf fragt er seinen Freund, der in der Nachbarschaft lebt, ob er der Pate eines Mädchens werden wolle. Als der Freund zusagt, spottet dessen Frau über die ­Mutter der Zwillings­mädchen: Das Pärchen sei das Ergebnis eines Ehebruchs, denn die Nachbarin habe sowohl mit ihrem Ehemann als auch ihrem Geliebten geschlafen. Leider nimmt der erste Zwillingsvater diesen Volksglauben für bare Münze, und er verstößt seine ­Gattin. Die üble Nachrede der Nachbarin wird alsbald bestraft, denn die ­Spötterin bringt ebenfalls zwei Mädchen zur Welt. Da sie nicht das g­ leiche Schicksal wie ihre Vorgängerin erleiden will, plant sie die Ermordung eines der Mädchen. Glück­licherweise bietet ihre Magd ihr an, eines der Mädchen heim­lich wegzubringen und vor einer Klosterpforte niederzulegen. Die unglück­liche ­Mutter handelt gemäß den Ratschlägen der Magd, wickelt das Kind in ein wertvolles

393 Zu Vesal und seinem Spott über die Vorstellung einer siebenkammerigen Gebärmutter vgl. Reisert: Siebenkammeriger Uterus, S. 89 f. 394 Die Verknüpfung verschiedener Theorien wird besonders im altfranzö­sischen „Secrets des dames“ deut­lich (entstanden z­ wischen 1418 und 1453): „Die Anzahl der Mehrlinge wird also durch die Menge des in die matrix eingebrachten Samens vorgegeben und durch die Verfügbarkeit an Nidations‚orten‘ – an ‚lieux ou chambres‘ – nach oben hin begrenzt“, vgl. Reisert: Siebenkammeriger Uterus, S. 65. 395 Vgl. dazu Tester: History of Western Astrology; Mentgen: Astrologie und Öffent­lichkeit. 396 Vgl. dazu die Beispiele bei Hüe: Jumeaux, S. 366. 397 Zu Marie de France (um 1130 – 1200) vgl. Renate Kroll: Artikel „Marie de France“, in: Lex. MA 6 (1993), Sp. 287 f. Zu den Zwillingen Fresne und Coudre vgl. Hüe: Jumeaux, S.  355 – 357.

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Tuch, legt einen Ring bei und überlässt es seinem Schicksal. Die Kleine wird vom Klosterpförtner in der Nähe einer Esche entdeckt; der brave Mann denkt wegen der kostbaren Beigaben sofort an ein Drama in höheren Gesellschaftsschichten. Er bringt das Mädchen zu seiner Tochter, die es neben ihrem zweiten Kind stillt, und anschließend zur Äbtissin, die das Findelkind auf den Namen „Fresne“ („Esche“) tauft und als ihre eigene Nichte ausgibt. Das Mädchen entwickelt sich prächtig und erblüht zu großer Schönheit, die den benachbarten Ritter Buron auf den Plan ruft. Er beschenkt das Kloster reich­lich, allerdings mit der heim­lichen Absicht, mög­lichst oft in der Nähe von Fresne zu sein. Schließ­lich überredet er Fresne, das Kloster zu verlassen und zu ihm auf seine Burg zu ziehen. Fresne ist ein­verstanden, nimmt aber Tuch samt Ring mit sich. Nachdem sie einige Jahre in wilder Ehe leben, will Buron seine Fresne heiraten, aber die Vasallen ­protestieren: Fresne ist von ungewisser Herkunft, und sie können sie nicht als Gattin ihres Lehensherrn akzeptieren. Sie schlagen ihm nun eine andere Schönheit vor, näm­lich „Coudre“ („coudrier“, „Haselstrauch“), die in der Nähe lebt; diese Wahl sei zu empfehlen, denn die Esche schenke keine Nahrung, der Haselstrauch aber sehr wohl. Buron ist wohl oder übel einverstanden, er hält um die Hand von Coudre an, die ihm zugesprochen wird. Fresne schickt sich in ihr Los, ja sie hilft sogar bei den Hochzeitsvorbereitungen und schmückt das Brautgemach, wobei sie das Tuch, in dem sie ausgesetzt worden war, als Bettdecke benützt. Die Brautmutter will das Hochzeitsgemach für ihre Tochter Coudre inspizieren und entdeckt den ihr wohlbekannten Stoff: Fresne und Coudre sind Zwillingsschwestern! Die Hochzeit wird nicht vollzogen, Buron darf Fresne heiraten, und Coudre findet ebenfalls einen neuen, ehrbaren Gatten. Der „Lai du Fresne“ zeigt das Misstrauen, das der Volksglaube den Zwillingsgeburten entgegenbringt. Die beiden Schwestern sind zweieiig, denn die ­Mutter erkennt Fresne nicht, als sie Coudre dem Ritter Buron zuführen will; einzig die Ähn­lichkeit in der Namengebung, die sich an Bäumen orientiert, verbindet die beiden. Der glück­liche Ausgang widerlegt schließ­lich das negative Urteil, das anfäng­lich geäußert wird. Ein Echo des „Lai du Fresne“ findet sich in der „Histoire de Gilion de ­Trasignyes et de Dame Marie, sa femme“398. Ritter Gilion aus dem Hainaut (Hennegau) werden die Zwillingssöhne Girart und Jehan geboren, über die er sich aber nicht freuen kann, da er ins Heilige Land ziehen muss. Er vollbringt dort Heldentaten und heiratet Gracienne, eine Tochter des dortigen Sultans, da er die irrtüm­liche Nachricht

398 Prosafassung eines älteren franzö­sischen Versromans aus dem 13. Jahrhundert; sie stammt aus dem 15. Jahrhundert. Vgl. Hans-­Manfred Schuh: Artikel „Gilles de Chin“, in: Lex.MA 4 (1989), Sp. 1454. Zum Folgenden Hüe: Jumeaux, S. 357 – 359.

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erhält, seine Gattin Marie sei inzwischen verstorben. Girart und Jehan ziehen nun in den Orient, um ihren Vater zu suchen. Nach abenteuer­lichen Erlebnissen, ­welche die früheren Heldentaten ihres Vaters widerspiegeln, finden sie Gilion, der zusammen mit ihnen und Gracienne ins Hennegau zurückkehrt. Die beiden Frauen ent­schließen sich aufgrund der Umstände, in ein Kloster einzutreten, während Gilion noch einmal seinem Schwiegervater in Babylon zu Hilfe eilt. Er stirbt in einer Schlacht, sein Herz wird aber in seine Heimat gebracht, wo es ­zwischen den Gräbern von Gracienne und Marie ruht. Im Gegensatz zum ersten Gedicht wird die Zwillingsgeburt in der „Histoire de Gilion de Trasignyes“ nicht als mög­licher Fehltritt der M ­ utter beschrieben. Die beiden Söhne dienen vielmehr dazu, die Zwischenstellung ihres Vaters z­ wischen einer christ­lichen und einer heidnischen Gattin zu präfigurieren. Dementsprechend sind Girart und Jehan ebenfalls als zweieiige Zwillinge konzipiert. Der Unterschied von Zwillingen wird auch im „Roman de Valentin et d’Ourson“ aus dem 14. Jahrhundert thematisiert. Die beiden werden nach der Geburt getrennt; Valentin wächst an einem adligen Hof auf, während Ourson von einer Bärin erzogen werden. Später treffen die beiden Zwillingsbrüder im Kampf aufeinander, können sich aber nicht besiegen. Schließ­lich ergibt sich Ourson, wird an einer Kette ins Schloss von Valentin geführt und lässt sich dort den Pelz scheren. Nun erscheint erwartungsgemäß ein schöner Jüngling, der sprechen lernt und sich nun als der verlorene Bruder zu erkennen gibt. Um jeg­liche Rivalität zu vermeiden, zieht sich Ourson wieder in den Wald zurück, wo er als Eremit stirbt. In der mittelhochdeutschen Literatur bleibt das Zwillingsphänomen immer etwas „Besonderes, wenn nicht gar Fragwürdiges“399. Dies zeigt sich insbesondere beim bekannten Werk „Gregorius“ des Hartmann von Aue: Zweieiige Zwillinge begehen Inzest und zeugen einen Sohn namens Gregorius, der ausgesetzt wird und von seiner Herkunft anfäng­lich nichts weiß. Als Ritter vollbringt Gregorius Heldentaten und gewinnt dabei Herz und Hand einer schönen Dame, die er heiratet, ohne zu wissen, dass es sich um seine ­Mutter handelt. Schließ­lich kommt die Wahrheit an den Tag. Die ­Mutter zieht sich ins Kloster zurück, während Gregorius auf einer einsamen Insel die härtesten Bußleistungen auf sich nimmt. Nach vielen Jahren geschieht ein W ­ under: Gott bestimmt Gregorius zum zukünftigen Papst, der wiederum seine ­Mutter von ihrer Schuld befreien kann. Hartmanns Legende thematisiert also das bereits bekannte Stereotyp des Inzests von Zwillingen 400.

399 Bloh: Zwillinge, S. 4 f. Das Thema der Zwillingsgeschwister ist in der deutschsprachigen Literatur des Hochmittelalters eher selten belegt; erst im 15. und 16. Jahrhundert findet sich eine Reihe von Werken, die insbesondere franzö­sische Vorlagen verarbeiten. 4 00 Bloh: Zwillinge, S. 10 f.

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In der „Crescentia“-Geschichte aus der ein wenig früher entstandenen Kaiser­ chronik wird hingegen die Rivalität ­zwischen Zwillingsbrüdern durchgespielt, die fatalerweise auch noch den gleichen Namen „Dietrich“ tragen. Die beiden unter­ scheiden sich in ihrem Äußeren, wobei der besser Aussehende dies benützt, um seinem Bruder die Ehefrau Crescentia auszuspannen. Als die Affäre auffliegt, wird Crescentia mit dem Tode bestraft, worauf beide Brüder zur Strafe am Aussatz erkranken. Nach weiteren Turbulenzen wird Crescentia schließ­lich gerettet, die Brüder sind geheilt, der „schöne“ Dietrich tritt mit Crescentia ins Kloster ein, während der von der Natur weniger Verwöhnte die Herrschaft über das Fürstentum übernimmt 401. In Ulrich von Etzenbachs „Wilhelm von Wenden“ begegnet dagegen das antike Ideal der Freundschaft im mittelalter­lichen Gewand: Boizlabe und Dânus werden als Zwillingsöhne von ihrem Vater, der sich in einer Notlage befindet, verkauft und nachher getrennt, sie finden sich aber wieder und werden schließ­lich zu einer Stütze des Vaters. Als sich dieser zurückzieht, verwalten sie einträchtig und gemeinsam das Land. „Die Differenzen, die diese Zwillinge gegenüber dem Allgemeinen bereits bei der Geburt v­ erkörpern, sind so in einem einmütigen Gemeinschaftsakt zum Verschwinden gebracht.“402 Alle hier behandelten literarischen Werke behandeln das Zwillingsphänomen als eine Herausforderung, als „Vorwurf “ – so die wört­liche Bedeutung von „Problem“ – der Natur: Immer wird die Frage nach dem Unterschied, nach der Differenz gestellt 403. Diese Haltung scheint sich in der neueren Literatur zu verstärken, wo die Angst vor dem Doppelgänger einen unbefangenen Umgang mit Zwillingen verhindert 404. Zwillingsgeschwister als Heilige waren dem Mittelalter hingegen vertraut, wobei die häufigen Doppelnamen nicht immer auf „reale“ Zwillinge hinweisen; vielmehr verstecken sich hinter diesen Zwillingsnamen antike Traditionen, inbesondere die Verehrung der Dioskuren Castor und Pollux 405. Dies geht so weit, dass auch nicht eindeutige Heiligenpaare wie Protasius und Gervasius nachträg­lich zu Zwillingen erklärt werden 406. 4 01 Bloh: Zwillinge, S. 7, S. 12 f. 4 02 Bloh: Zwillinge, S. 8 f.; S. 13. 4 03 Bloh: Zwillinge, S. 7 – 10. 4 04 Vgl. dazu Anm. 576. 4 05 James Rendel Harris widmete dem Weiterleben der Dioskuren in christ­lichem Kontext ­mehrere Werke, vgl. Harris: Cult of the heavenly twins; Harris: Boanerges. Fragwürdig ist sein Vorgehen, wenn er ähn­lich klingende oder alliterierende Heiligennamen zu Zwillingen erklärt, ohne dafür einen Quellenbeleg nachweisen zu können. Im Falle von Cosmas und Damian ist die Anknüpfung an Castor und Pollux aber unbestritten, vgl. Dasen: Jumeaux dans l­ ’Antiquité classique, S. 143; Ripoll: Figuration des jumeaux, S. 86 – 97. 4 06 Vgl. dazu die eingehende Diskussion bei Harris: Cult of the heavenly twins, S. 86 – 94; Hüe: Jumeaux, S. 363 f. Weitere Beispiele für Heiligenpaare, die als Nachfolger der Dioskuren gelten können, bietet Ward: The Divine Twins, S. 82: Florus und Laurus, Kastoulos and Polyeuctes,

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An erster Stelle stehen hier Cosmas und Damian, die immer im Doppel auf­ treten 407. Der Legende nach waren sie syrische Ärzte, die 303 den Märtyrertod er­­ litten. Sie h ­ atten zuvor viele Kranke unentgelt­lich behandelt und auf diese Weise zum Christen­tum bekehrt. Cosmas und Damian wurden zu den Patronen der Ärzte, Chirurgen sowie Bader und erfreuten sich bereits sehr früh einer großen Beliebtheit. Sie sind die ersten orienta­lischen Heiligen, die bereits im 4. Jahrhundert in den ­römischen Messkanon aufgenommen wurden, und bereits im 6. Jahrhundert wurden ihre ­Reliquien hoch gehandelt. Bekannt sind sie vor allem als Hausheilige der Medici, die ihren Familien­namen mit den heiligen Ärzten ineins setzten, und bis heute sind sie die Stadt­heiligen von Florenz. Essen, Hildesheim sowie Bremen besaßen ebenfalls Reliquien der Zwillingsbrüder und bildeten die norddeutschen Zentren der Cosmas und Damian-­Verehrung, die insgesamt europaweit verbreitet war 408. Berühmt war vor allem die Legende, dass Cosmas und Damian erfolgreich einen Kranken behandelten, dessen rechtes Bein amputiert werden musste 409. Sie fanden einen bereits verstorbenen Afrikaner, dem sie das Bein abnahmen und es dem noch lebenden Patienten ansetzten. Dieser gesundete sogleich und konnte sich wieder wie früher fort­ bewegen. Die Szene wurde häufig abgebildet, wobei der optische Reiz der Geschichte vom „Mohrenbein“ darin lag, dass der Geheilte verschiedenfarbige Gehwerkzeuge hatte. Aus dem Blickwinkel der Zwillingskonzeptionen fällt auf, dass hier erneut die Doppelung der Extremitäten als Ausgangspunkt genommen wird, um funktional g­ leiche Körperteile mit einem Unterscheidungsmerkmal vor­zustellen: Iden­tität und sekundäre Dualität werden auf einen Blick sichtbar 410. Das ­gleiche Bedürfnis der Differenzierung lässt

Sebastian und Rochus, Johannes und Philippus. Zu den Märtyrerpaaren der ersten christ­lichen Jahrhunderten vgl. Eracle: Martyrs jumelés. 4 07 Zu Cosmas und Damian vgl. Harris: Cult of the heavenly twins, S. 96 f.; Wolfgang Artelt: Artikel „Kosmas und Damian“, in: Lexikon der christ­lichen Ikonographie 7 (1974), Sp. 344 – 352; Hans Reinhard Seeliger: Artikel „Kosmas und Damianos“, in: LThK 3. Auflage 6 (1997), Sp.  395 f.; Hüe: Jumeaux, S. 364 f. Vom 6. bis zum 14. Jahrhundert sind 48 Wunderheilungen der frühchrist­lichen syrischen Zwillinge Cosmas und Damian überliefert, vgl. Frey: Zwillinge und Zwillingsmythen, S. 75. 4 08 An der Ausbreitung des Kults waren häufig auch hochgestellte Persön­lichkeiten beteiligt, vgl. Wittmann: Volksdevotion Cosmas und Damian, S. 100 f.; daneben gibt es eigent­liche ­Traditionswanderungen, wie das Beispiel des Cosmas- und Damianfestes in Utica/New York zeigt, das von süditalienischen Baumwollwebern eingeführt wurde (ebd., S. 104 f.). Zur Ver­ ehrung von Cosmas und Damian in Norddeutschland und insbesondere in Bremen vgl. Kloft: Reliquien und Volksfrömmigkeit. 4 09 Die Legendentexte liegen gesammelt und mit eng­lischer Übersetzung in Douglas/Twombly (Hg.): The Phantom Limb Phenomenon, S. 399 – 414, vor. Ein spätmittelalter­liches Altarbild aus dem deutschen Südwesten illustriert das Wunder, vgl. Abbildung 9. 410 Vgl. dazu auch die Ausführungen bei Ripoll: Figuration des jumeaux, S. 91 – 93.

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sich auch bei den Bildern der Zwillingsbrüder beobachten. Während sie auf früheren Darstellungen unterschiedslos wieder­gegeben werden, setzt mit der Zeit eine wachsende Differenzierung ein, die mit Hilfe medizinisch-­pharmazeutischer Werkzeuge geschieht. Cosmas wird als universitär gebildeter Arzt gezeigt, der eher mit Hilfe eines Uringlases Diagnosen stellt, während Damian die handwerk­liche Seite repräsentiert, indem er eine Medikamententasche oder chirur­gische Werkzeuge trägt 411. Dass Beine als körper­liches Abbild einer Zwillingsbeziehung wahrgenommen werden, spiegelt sich auch darin, dass die Schutzpatrone der Schuster und Handschuh­macher ebenfalls als Doppel auftreten. Ob Crispinus und Crispianus Zwillinge waren, wird in den Legenden nicht explizit erwähnt, aber die Ähn­lichkeit der Namen legt es nahe; ü­ b­­licher­­­­­­weise werden sie auch als Paar abgebildet 412. Bekannt waren auch der Heilige ­Benedikt, der Gründer des gleichnamigen Ordens, und seine Schwester, die Heilige ­Scholastika; beide galten als Zwillingsgeschwister. Sie wurden aber bedeutend weniger als Doppel­figuren abgebildet wie Cosmas und Damian oder Crispinus und Crispianus 413. Als „echte“ Z ­ willinge, als gemini fratres, werden schließ­lich Ferreolus und Ferrutius in den Legenden bezeichnet; sie sind Märtyrer und werden in der Diözese Besançon am 16. Juni gefeiert 414. Gottvater und sein Sohn als identische Personen? Ein vereinzeltes visuelles Beispiel für diese Vorstellung findet sich auf der Krönung Mariens von Enguerrand Quarton, die nach 1454 entstand und sich in Villeneuve-­lès-­Avignon befindet. Die außergewöhn­liche Darstellung wird darauf zurückgeführt, dass der Auftraggeber Jean de Montagnac in seinem ausführ­lichen Vertrag mit dem Maler explizit festhielt: En ce Paradis doit estre la sainte trinité, et du père au filz ne doit avoir nulle différence. Der Grund für diesen Wunsch wird in den Verhandlungen Roms mit der orthodoxen ­Kirche während der 1430er Jahre gesehen. Das Bild soll die Identität von Vater und Sohn – das berühmte filioque des Glaubensbekenntnisses – vor Augen führen, was dazu führt, dass sie für den Betrachter wie Zwillinge erscheinen 415. 4 11 Julien: Côme et Damien, S. 48 f. 412 Zu Crispinus und Crispinianus und der ungeklärten Frage ihrer Zwillingsbruderschaft vgl. Harris: Cult of the heavenly twins, S. 73 f.; Friederike Tschochner-­Werner: Artikel „Crispin und Crispianus“, in: Lexikon der christ­lichen Ikonographie 6 (1974), Sp. 3 – 7; Hüe: Jumeaux, S. 363; Gros: Inclassables jumeaux, S. 40. 413 Gedda: Twins in History and Science, S. 19. Vgl. auch Pius Engelbert: Artikel „Benedikt“, in: LThK 3. Auflage 2 (1994), Sp. 203 f.; Michaela Puzicha: Artikel „Scholastica“, in: ebd., Bd. 9, Sp. 198 f. Zu den Abbildungen vgl. Vincent Mayr: Artikel „Benedikt“, in: Lexikon der christ­lichen Ikonographie 5 (1973), Sp. 351 – 364; Christel Squarr: Artikel „Scholastica“, ebd. 8 (1976), Sp. 313 – 315. 414 Harris: Cult of the heavenly twins, S. 71. 415 Chiffoleau: La croyance et l’image, S. 17. Zur Kartause von Villeneuve-­lès-­Avignon und den Auftraggebern des Gemäldes, das Papst Innozenz VI. (gest. 1362) gewidmet war, vgl. Girard/

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4.2  Der kulturanthropologische Blick von außen: Zwillinge in Afrika und Amerika Die auf den ersten Blick naive Frage, warum Papst und Kaiser nicht Zwillinge sein konnten, zeitigte das Ergebnis, dass im jüdisch-­christ­lichen Weltbild kein Platz für geminale Lösungen vorhanden war. Stattdessen entwickelte sich ein instabiles Verhältnis ­zwischen sacerdotium und regnum, was zu einem ständigen Aushandeln innerhalb ­dieses Gegensatzes führte. Ausgangspunkt für diesen Befund waren einerseits das Alte sowie das Neue Testament und die darin behandelten Zwillingsfiguren, die Bibelauslegung sowie die Streitschriften des 11. und 12. Jahrhunderts, die den Konflikt diskutierten und zu lösen versuchten. Die Auseinandersetzungen führten in der Folge zu einer vorläufigen Absteckung der Einflusssphären ­zwischen geist­licher und welt­licher Herrschaft, was sich direkt auf das Alltagsleben der christ­lichen Ein­ wohnerschaft Westeuropas auswirkte: Ketzer und widerständige Personen erfuhren bei Strafverfolgungen die Aufgabenteilung ­zwischen geist­lichem und welt­lichem Arm an der eigenen Seele sowie am eigenen Körper. Diese duale Lösung unterschied das mittelalter­liche Westeuropa grundlegend von der vorangehenden griechischen und römischen Antike. Aus methodischer Sicht verknüpft die vorliegende Arbeit eine Reihe von Frage­ stellungen, die eigent­lich zu verschiedenen Teildisziplinen der Geschichtsforschung gehören: Kirchengeschichte, Ideengeschichte, Rechtsgeschichte, Institutionen­ geschichte, Mentalitätengeschichte. Mög­lich wird dies, weil die Untersuchung von einem „fait typique“ ihren Ausgangspunkt nimmt; Vorbild für eine derartige Vor­ gehensweise sind beispielsweise die Forschungen von Marcel Mauss 416. Zwillinge sind ein derartiger „fait typique“, denn sie gehören zu den „überzeit­lichen Gemeinsamkeiten“417 aller Menschen. Somit entspricht die Frage nach der gemina potestas am ehesten denjenigen Problem­kreisen, denen sich die Historische Anthropologie widmet. Dabei geht es um eine Grundbefind­lichkeit, um eine Realität mensch­lichen Lebens, näm­lich um die Geburt von Zwillingen, mit denen Frauen und Männer in verschiedenen Gesellschaften und Zeiten unterschied­lich umgehen. Le Blévec: Chartreuses du pays d’Avignon, S. 18, S. 55. Das Bild von Quarton ist kein Einzel­ fall, wie das Beispiel bei Ripoll: Figuration des jumeaux, S. 85 zeigt, wo Gottvater und Sohn in einer Handschrift des 15. Jahrhunderts ebenfalls identisch gezeichnet sind; ­zwischen ihnen befindet sich der Heilige Geist als Taube. 416 Vgl. zu Marcel Mauss und seinen Werken Deliège: Histoire de l’anthropologie, S. 68 – 80; zum „fait typique“ bei Mauss vgl. Dumont: Essais sur l’individualisme, S. 178. 417 Winterling: Historische Anthropologie, S. 11.

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Die für eine jeweilige Gesellschaft eigentüm­liche Form, mit der sie Doppel­ geburten begegnet, bezeichnet auch den Unterschied der Historischen ­Anthropologie zur traditionellen, philosophisch orientierten Anthropologie. Letztere stellt die ­ahis­torischen Konstanten des Menschseins ins Zentrum ihrer Überlegungen, was oft in die For­mulierung von Gemeinplätzen mündet 418. Die Historische Anthropologie setzt dagegen implizit anthropolo­gische Konstanten voraus, hütet sich aber gleich­ zeitig davor, sie in irgendeiner Weise festzulegen. Sie bilden höchstens die verborgene, aber letzt­lich nicht in Worte zu fassende Struktur, von der man weiß und die sich nicht sagen lässt. Ihre sich in der Zeit verändernden Erscheinungsformen bilden das Forschungsobjekt der Historischen Anthropologie 419. Die Anfänge der Historischen Anthropologie gehen auf Anregungen aus Amerika, dem angelsäch­sischen Sprachraum und Frankreich zurück 420. Seit den 1970er Jahren fasst die Historische Anthropologie auch im deutschsprachigen Raum Fuß. In Freiburg im Breisgau besteht seit 1975 ein Institut für Historische Anthropologie; seit 1993 gibt es auch eine Zeitschrift mit gleichnamigem Titel. Die Entwicklung der Historischen Anthropologie verdankt vor allem der Ethno­ logie viele und entscheidende Anregungen. Gerade der interkulturelle Vergleich lässt den Eigensinn vergangener und gegenwärtiger Gesellschaften deut­lich hervor­treten 421. Im Falle der gemina potestas wurden in der vorliegenden Arbeit die antiken

418 Dies hat sich in letzter Zeit geändert. Vgl. dazu Nipperdey: Historische Anthropologie, S. 92: „Philosophie und philosophische Anthropologie haben inzwischen den Vorrang der Kategorie der Substanz vor den Kategorien der Relation abgebaut.“ Zur Kritik am Konzept des MENSCHEN und an der Vorstellung anthropolo­gischer Universalien vgl. auch Tanner: Historische Anthropologie, S. 12, S. 97 – 100. Zur wachsenden Historisierung der früheren ahistorischen Anthropologie vgl. auch den Forschungsüberblick bei Delacroix/Dosse: Historiographies, S. 42 – 53 [Bensa]. 419 Martin: Überlegungen zu einer historischen Anthropologie, S. 152: Die Historische Anthro­ pologie „fragt nach mensch­lichen Grundphänomenen unter dem Gesichtspunkt ihrer Zeit­ lichkeit, ihrer Veränderbarkeit, ihrer je spezifischen Bedeutung für Gruppen und Kulturen“. Die Orientierung an den mensch­lichen Grundphänomenen unterscheidet die Historische Anthropologie von der älteren, im deutschen Sprachraum gepflegten Kulturgeschichte, die sich einzig an Hochkulturen orientierte. Vgl. dazu Sokoll: Kulturanthropologie und Historische Sozialwissenschaft, S. 214 f. 420 Vgl. Winterling: Historische Anthropologie, wo die verschiedenen wissenschaft­lichen Traditionsstränge nachgewiesen werden, die zur heutigen Historischen Anthropologie in der deutschen Geschichtsforschung führten. Die Entwicklung der Disziplin im inter­nationalen Kontext behandelt Tanner: Historische Anthropologie, der insbesondere auch die Traditions­ stränge herausarbeitet, die in die Zeit der Aufklärung zurückreichen. 421 Zum Einfluss der Ethnologie auf die Historische Anthropologie und die Wichtigkeit des interkulturellen Vergleichs vgl. van Dülmen: Historische Anthropologie, S.  12 – 16; S.  104 – 106.

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Vorstellungen mit denjenigen des jüdisch-­christ­lichen Weltbilds verg­lichen. Was nun noch fehlt, ist der Vergleich mit außereuropäischen Kulturen. Wie verhalten sie sich gegenüber dem Phänomen von Zwillingsgeburten, und ist ihnen ein geminales Prinzip ähn­lich vertraut, wie wir es von Apollon und Artemis, von Castor und Pollux oder von den antiken Dyarchien her kennen? Eine derartige Fragestellung ist keineswegs neu, wie ein Blick in die Wissen­ schaftsgeschichte zeigt. Bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts sammelte der Religions­wissenschafter James Rendel Harris (1852 – 1941) eine Vielzahl von ­Belegen zur Frage, wie die verschiedenen „Naturvölker“ mit Zwillingsgeburten um­­gingen; dabei stand er im engen Kontakt mit Vorläufern der heutigen Historischen Anthro­pologie wie James George Frazer (1854 – 1917)422. Entsprechend der damaligen Wissenschaftstradition behandelte er die Belege allerdings nicht in ihrem sozialen Kontext, so dass aus seinen Bergen von Belegen nur grobe Schlüsse gezogen werden können 423. In vielen Fällen wiederholte sich aber offensicht­lich das antike Muster 424. Zwillingsgeburten weisen entweder auf eine Untreue der M ­ utter hin oder sind ein bedroh­liches Vorzeichen, das der Himmel schickt. Die Folgen waren verheerend: Ausschluss der M ­ utter mit den Neugeborenen, bisweilen sogar Tötung. Auch die Vorstellung einer verbotenen Beziehung zweieiiger Zwillinge im Mutterleib begegnete außerhalb Europas 425. In einigen Fällen reagierte die Gesellschaft aber in völlig entgegengesetzter Weise: Zwillingsgeburten werden als gött­liches Geschenk gesehen 426. Die entsprechenden Belege sind auf der ganzen Welt verstreut: Bei den Tanala (Madagaskar) entsprangen Zwillinge sogar dem höchsten Gott Zanahary, und auf den Molukken verdankten 422 Vgl. Harris: Boanerges, S. ­V III, S. 4, 47, S. 106 usf. Zu Frazer vgl. Deliège: Histoire de l’anthropologie, S. 37 – 44. James Rendel Harris publizierte eine Reihe von Forschungen zum Thema, wobei er seine Belegsammlung mit jeder weiteren Publikation erhöhte; einen vor­ läufigen Abschluss bietet Harris: Boanerges. 423 Vgl. Deliège: Histoire de l’anthropologie, S. 41 am Beispiel von Frazer: „En isolant ainsi des traits culturels, on s’interdit de les comprendre vraiment, car toute culture est un ensemble intégré. De plus, en faisant de l’accumulation des faits le principe essentiel de sa méthode scientifique, l’analyse comparative se condamne à la superficialité.“ Zur grundsätz­lichen Kritik am „armchair anthropologist“ vgl. ebd., S. 144 f. 424 Zu den folgenden Belegen vgl. die Auflistung bei Rathmayr: Zwillinge, S. 16 – 19, der sich auf Harris und weitere Forschungsarbeiten stützt. Die Zeitschrift „Parabola. The magazine of myth and tradition“ bietet in Bd. 19.2, „Twins“, Mai 1994, eine Fülle von weiteren antiken und außereuropäischen Beispielen für die Verehrung von Zwillingen. 425 Rathmayr: Zwillinge, S. 21 – 24. 426 Zum Folgenden vgl. Rathmayr: Zwillinge, S. 20 f. Rathmayr hält die Vorstellung einer Gottvaterschaft von Zwillingen für die ältere Ansicht. Dies gilt auch für die römische Gesellschaft, vgl. ebd., S. 39.

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sie ihre Entstehung dem Himmelsgott Upulero. Die Lillooet (Britisch-­Kolumbien) hielten den Berggeist, den Grizzlybären, für den wahren Vater von Zwillingen, und auch die Mohave (Kalifornien) glaubten an einen übernatür­lichen Ursprung. Auf Vanuatu sah man sie als Geschenk des mächtigen Gottes Tagaro an. Daneben gab es auch Mittelwege z­ wischen Verdammung und Vergött­lichung von Müttern mit ihren Zwillingen 427. Alle diese Beispiele werden bei Harris aber als bloße Einzelbelege präsentiert, ohne dass das Phänomen von Doppelgeburten in die gesamte Gesellschaft eingebettet wird.

4.2.1  Afrika: Andia und Ansèè Einen neuen, methodisch überzeugenden Zugang präsentiert ein Sammelband zu afrikanischen Zwillingsvorstellungen, der den Untertitel „Double Trouble, Twice Blessed“ trägt. Der Herausgeber Philip M. ­Peek geht in der Einleitung kritisch auf die ältere Forschung ein, die bloß die Ablehnung oder Tötung von Zwillingen in afrikanischen Gesellschaften hervorhebt: „Previously, study of twins in Africa has focused on the problems they seem to cause for their parents and communities, but a closer examination of beliefs and practices throughout Africa and the African Diaspora demonstrates that in many cultures there is an acceptance of twins which is embedded in larger worldviews and epistemologies often based on complementary dualities. This provides a far more positive and enriching perspective on twins […]. We can no longer assume twins are only causes of antagonisms and conflicts, because they can also stand for ideals of harmony and interdependence.“ Die Fixierung der Ethnographen auf die Beseitigung von Zwillingsgeburten widerspiegelt eine Faszination für das Grauen, die mehr über die Einstellung der Forschenden als über die reale afrikanische Gesellschaft verrät 428. Eine weitere Eigenheit der einschlägigen Literatur liegt darin, dass sie bei Zwillingen immer die Differenz in den Vordergrund stellt: Wie unterscheiden sich – insbesondere eineiige – Zwillinge? Demgegenüber pflegen afrikanische Gesellschaften die gemeinsame Herkunft und die neun Monate gemeinsamen Lebens im Bauch der M ­ utter zu betonen 429. Wie in den antiken Kul 427 Rathmayr: Zwillinge, S. 29 f.: Mütter werden mit ihren Zwillingen abgesondert. 4 28 Peek: Beginning to Rethink Twins, S. 2 f.; zur anthropolo­g ischen Forschungsgeschichte mit ihrem Hang zum „sensationalism“ vgl. ebd., S. 6 – 10. Zur Faszination der neueren Anthropologie für das Zwillingsphänomen vgl. auch Gros: Inclassables jumeaux, S. 33 – 35, und den Überblick zur älteren Forschung bei Renne/Bastian: Reviewing Twinship in Africa. 429 Peek: Beginning to Rethink Twins, S. 3: „A distinction between kinds of twins based on physical appearance is paramount for popular Western thinking about twins, but, intriguingly, is

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turen variiert die Bandbreite der Verhaltensweisen gegenüber Doppelgeburten derart, dass benachbarte Völker völlig verschieden reagieren können: „Altogether, it is clear that however they are explained, whether they are abhorred or desired, the unique biological nature of twins has always defined them as a special category in some way.“430 Zwillinge spielen in afrikanischen Gesellschaften aber immer noch eine zentrale Rolle, und dies nicht als Problem, sondern als dessen Lösung, da sie Wunder und Fruchtbarkeit repräsentieren 431. Ihre Stellung ist derart zentral, dass auch in Gemeinschaften, die infolge Sklavenhandels in Amerika entstanden, die Verehrung von Zwillingen weiter besteht 432. Es kann deshalb kein Zweifel bestehen, dass „twins and twinning, doubles and dualities, pairs and couples, dyads and dialogics“ in Afrika eine besondere Stellung besitzen. Ausgehend von einer Anekdote, in der sich Zwillinge in Kamerun im Spaß als „binoculars“ bezeichnen, unterstreicht Peek die Wichtigkeit eines neuen Blicks: „Indeed, one needs both elements for complete functioning, whether the elements be binoculars or twins. In order to see one image more completely, we need two lenses. It is as basic as the ancient wisdom that a coin has two sides. The interplay of dualities can take many forms, but the meaning is relationship. Twins are only twins in relation to each other, and it is this interactive relationship that finds expression throughout Africa. »433 Die Beiträge des Sammelbandes von Peek dokumentieren, wie Gemeinschaften in Mali, Sierra Leone, Burkina Faso, Nigeria, der Demokratischen Republik Kongo, der Republik Kongo, der Zentralafrikanischen Republik, Namibia und Mosambik sich mit dem Phänomen der Zwillingsgeburten in (zumeist) positiver Weise not emphasized or even noticed by most African peoples. In Africa, the criterion for twinness is not superficial similarity but the shared womb experience.“ Vgl. auch ebd., S. 27 f.: „It is the immediacy of the womb, not simple external similarity, which establishes ‚real‘ twinness, an intimacy which transcends all other relationships.“ 430 Peek: Beginning to Rethink Twins, S. 3 – 6; selbst z­ wischen einzelnen Dörfern können Unterschiede bestehen. Beispiele für einen positiven Umgang afrikanischer Ethnien mit Zwillingen bei Harris: Boanerges, S. 49 – 128: Dies gilt für die Mapasa/Ngombe am Oberlauf des Kongo (S. 84 – 86), bei den Massai (S. 114 – 119) und bei einer Reihe weiterer Völker (S. 119 – 128). Rathmayr: Zwillinge, S. 20 f.: Bei den Fô (Burkina Faso) waren Zwillinge die Kinder G ­ ottes, gleich wie bei den Bakena (Demokratische Republik Kongo). Loeb: Twin Cult, S. 167, weist auf das Volk der Ambo in Ostafrika hin, wo Zwillinge Königsnamen erhalten und als Doppel­ könige behandelt werden. 431 Peek: Beginning to Rethink Twins, S. 6. Weitere Hinweise zur Wichtigkeit der Zwillinge in afrikanischen Kulturen bei van Beek: Forever Liminal, S. 164 f. 432 Peek: Beginning to Rethink Twins, S. 18 f., mit dem Titel „Africa in the Americas“; vgl. auch S.  22 f. 433 Peek: Beginning to Rethink Twins, S. 10.

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auseinandersetzen 434. Die Zwei gilt in afrikanischen Kulturen wie bei den Yoruba als heilige Zahl, im Gegensatz zum Christentum 435. Die Yoruba sind auch in ­anderer Hinsicht ein wichtiger Referenzpunkt bei der Frage, wie eine Gesellschaft sich gegenüber Zwillingen verhält. Einerseits wird bei den Yoruba der höchste Anteil von Zwillings­ geburten beobachtet 436, andererseits scheint sich ihre Einstellung gegenüber Doppel­ geburten grundlegend gewandelt zu haben. Ältere Quellen sprachen von einer konse­ quenten Tötung neugeborener Zwillinge; diese Ablehnung wird in den letzten Jahrhunderten durch eine große Verehrung abgelöst 437. Das Zwillingsmotiv durchzieht die afrikanische Literatur und die Künste 438, gehört aber auch zur Alltagskultur. So eröffneten die berühmten Zwillingsschiedsrichter Lassana und Housseini Pare aus Burkina Faso den Afrika Cup 2006439. Afrika­nische Photoautomaten stellen durch Spiegelung verfertigte Doppelporträts zur Verfügung, und Paare von Freundinnen oder Freunden versuchen sich durch Kleidung und äußer­liche Anpassung als Zwillinge zu präsentieren 440. Wenn eines der Zwillingsgeschwister stirbt, wird die Erinnerung an das Verstorbene weiterhin durch eine Statue wachgehalten 441. Die 1994 durchgeführte Feldstudie von Anne Mayor bei den Dogon in der Nähe von Bandiagara (Mali) illustriert, worin die positive Präsenz von Zwillingen in Afrika besteht; gleichzeitig dokumentiert die Studie jahrhundertealte Traditionen, die derzeit am Verschwinden sind 442. Die Mythologie der Dogon ist dank den Forschungen von Marcel Griaule und Germaine Dieterlen bekannt, die sie im Verlauf der Sechzigerjahre

434 Einzig die Gemeinschaft der Win in Burkina Faso empfindet gegenüber Zwillingen das Gefühl der „uneasiness“, vgl. Cooksey: Twins, S. 119. 435 Lawal: Sustaining the Oneness in Their Twoness, S. 83, am Beispiel der Yoruba. Zur Zahl Zwei im Mittelalter siehe Anm. 252. 436 Allgemein zur hohen Zahl von Zwillingsgeburten in Afrika siehe Anm. 306. 437 Dazu und zur schwierigen Quellenlage Renne: Twinship in an Ekiti Yoruba town; Lawal: Sustaining the Oneness in Their Twoness, S. 87 – 89; weitere Hinweise zum Wechsel der Einstellungen bei Renne: Ambiguous Ordinariness, S. 308. Zu Darstellungen von Zwillingen in der Kunst der Yoruba vgl. Lawal: Twoness in Yoruba Art. 438 Zur Repräsentation von Zwillingen in der afrikanischen Kunst vgl. Peek: Couples or Doubles, und die Beiträge im Heft von African Arts 41 (2008). 439 Micheli: Double Portraits, S. 154. 4 40 Peek: Beginning to Rethink Twins, S. 16 – 18. Vgl. dazu mit Bildmaterial Micheli: Doubles and Twins; Micheli: Double Portraits. 4 41 Imperato/Imperato: Twins and Double Beings, S. 55 f.; Lamp: Temne Twins, zeigt Statuen für verstorbene Zwillingsgeschwister bei den Temne (Sierra Leone). 442 Vgl. zum Folgenden Mayor: Jumeaux dogon. Beispiele für die Zwillingsverehrung der Dogon sind die Zwillingsstatue (vgl. Abbildung 4) und die Gabengefäße für Zwillinge (vgl. Abbildung 5).

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publizierten. Der Schöpfergott Amma war der Meinung, dass nur Zwillings­geburten (Mann/Frau) das Ideal des Menschseins repräsentieren. Er schuf deshalb acht Zwillings­ paare, von denen alle späteren Menschen abstammen. Aus d­ iesem Grund muss ein Neugeborenes mit seinen Armen und Beinen gleichzeitig die Erde berühren, um mit der Seele der beiden gegensätz­lichen Geschlechter in Kontakt zu kommen. Kinder gelten dementsprechend als bisexuelle Wesen, deren Geschlechtszugehörigkeit sich erst mit der Zeit herausbildet 443. Wie sich diese Glaubenswelt auf die mythisch-­historische Geschichte der Dogon auswirkt, berichtet als wichtigster Gewährsmann der berühmte Griot Bonzon Areta Togo, der von 1897 – 1994 in Sadiakanda lebte. In seiner Erzählung geht es um das Zusammentreffen der nomadischen Jäger der Dogon mit den sesshaften Tellem, die schon längere Zeit auf dem Felsen von Bandiagara leben. Die Verbindung der b­ eiden Gemeinschaften wird als Geburt der Zwillingsbrüder Andia und Ansèè geschildert; ihr Vater ist Erneme aus dem Stamm der Dogon, ihre M ­ utter ist Yasama aus dem Stamm der Tellem. Der Mythos widerspiegelt historische Ereignisse, die sich z­ wischen dem 13. und dem 15. Jahrhundert abspielten. Bis vor kurzem erhielten deshalb alle Zwillinge in Sadiakanda feste Namen, wobei die Abfolge beim Geburtsvorgang festgehalten wurde 444: ♂ (♂) ♀ (♀) ♀ (♂) ♂ (♀)

Andia (Ansèè) Yadia (Yasèè) Yadia (Ansèè) Andia (Yasèè)

Nach der Geburt erfolgt bis heute eine Reihe von Ritualen: Befestigung von Amuletten an den Fußknöcheln, Einflechten von Kaurischnecken ins Kopfhaar, die Feier der ersten Rasur. Für verstorbene Zwillinge wird ein eigener Altar errichtet, und ihre Amulette werden an nachkommende Generationen weitergegeben 445. Zwillinge ­gelten als Garanten von Reichtum und Einkommen. Aus ­diesem Grund bitten viele 4 43 Vgl. dazu Imperato/Imperato: Twins and Double Beings, S. 50: Die Bamana in Mali gehen davon aus, dass jeder Mensch in seinem Innern sowohl männ­liche als auch weib­liche Anteile besitzt. „Thus, a human’s spiritual elements reflect both twinning and androgyny.“ 4 44 Zu Bonzon Areta Togo vgl. Abbildung 6. Auch bei den Yoruba in Nigeria erhält der erstgeborene und der zweitgeborene Zwilling einen festgelegten, unterschied­lichen Namen. Das Gleiche lässt sich in Ghana beobachten, vgl. Frey: Zwillinge und Zwillingsmythen, S. 76 f. 4 45 Ähn­liche Bräuche begegnen auch anderwärts in Afrika. Wenn bei den Yoruba ein Zwilling stirbt, erhält der andere eine Holzstatue seines verstorbenen Geschwisterpaares, vgl. Frey: Zwillinge und Zwillingsmythen, S. 80.

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Mütter von Zwillingen um Almosen, das Passanten gerne geben, um auf diese Weise vom Glück einer Doppelgeburt profitieren zu können 446. Alle diese Traditionen sind aber vom Aussterben bedroht, da der Islam in Mali erfolgreich missioniert 447. Hier wie auch anderwärts lässt sich beobachten, dass monotheistische Religionen die alte Zwillingsverehrung verdrängen, gleich wie dies das Christentum am Ende der Antike mit den heidnischen Zwillingsgöttern bewirkte, die nur in der Form von Heiligenverehrung weiter lebten. Andererseits gelangte die afrikanische Zwillingsverehrung durch den Sklavenhandel nach Amerika. So findet sich der Voodoo-­Kult aus Benin, bei dem Doppelgeburten eine wichtige Rolle spielen, wieder in Kuba 448, in Haiti und der Dominikanischen Republik 449. Der Candomblé-­Kult in Brasilien übernahm ebenfalls die afrikanische Traditionen aus dem Kontext von Doppelgeburten 450. 4 46 Vgl. dazu neben den Photos in Mayor: Jumeaux dogon, auch Peek: Beginning to Rethink Twins, S. 15. Ein Beispiel aus Mali findet sich in Abbildung 7. 4 47 Zu dieser Entwicklung vgl. Mayor: Jumeaux dogon, S. 205, und allgemein Gros: Inclassables jumeaux, S. 27 f.: „Les sociétés explicitement dualistes, dont le monde de pensée et les institutions admettent des moitiés irréductibles et des paires de principe qui se correspondent, sont très à l’aise pour utiliser une logique binaire par définition illustrable avec les naissances gémellaires. En revanche les grandes religions monothéistes fondées sur un livre unique inspiré (judaïsme, christianisme, islamisme) ont nettement condamné les potentiels de médiation symbolique ou réelle des jumeaux. L’unité imposée en matière de doctrine et de liturgie par la classe sacerdotale a tôt fait de désamorcer l’association des naissances multiples avec le pouvoir d’intermédiaire entre les croyants et le Dieu unique. Dans le jumeau magicien pointait l’hérésie.“ Vgl. zum Verschwinden alter afrikanischer Zwillingskulturen infolge musli­ mischer und christ­licher Missionierung auch die Hinweise bei Bastian: Abominable twins; Masquelier: Powers; Peek: Beginning to Rethink Twins, S. 22; Imperato/Imperato: Twins and Double Beings, S. 58; Lawal: Sustaining the Oneness in Their Twoness, S. 93. Micheli: Double Portraits, S. 153 f. erwähnt dagegen in Timbuktu die Djingareyber Moschee (erbaut 1325 – 1330), wo das Grab von Zwillingsheiligen mit Namen Allassan und Alousseini verehrt wird. Sie erinnern damit an Hassan und Hussein, die Söhne des Propheten Ali, die in Westafrika als Zwillinge angesehen werden. Dementsprechend heißen die berühmten Fußballschiedsrichter und Zwillinge aus Burkina Faso auch Lassana und Housseini Pare. Adama und Awa sind Zwillinge für die Musliminnen in Benin und Togo; sie beziehen sich auf Adam und Eva, die als Zwillingspaar am Beginn der Schöpfung stehen. Zum Einfluss der Missionierung auf die Zwillingsverehrung in Amerika siehe Anm. 470. 448 Flores-­Pena: Worship of the Sacred Twins, zur Lucumí-Religion und ihrer Zwillings­ verehrung auf Kuba, was auf die Yoruba-­Sklaven zurückgeht. Der Ausdruck „Voodoo“ hat sich ein­gebürgert und wird hier beibehalten; korrekt wäre die Bezeichnung „Vodou“, vgl. Houlberg: Twins, S. 272. 4 49 Zu den Zwillingen im Voodoo-­Kult von Benin vgl. Brand: Jumeaux au Sud-­Bénin. Zu Haiti und der Dominikanischen Republik Houlberg: Twins. 450 Capone: Divine Children.

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Auch andere Rituale im Kontext der Zwillingsverehrung wandern von einem Kontinent zum andern. In New York betätigen sich Zwillinge aus dem Stamm der Luba (Demokratische Republik Kongo) als Seher, gleich wie dies in ihrer afrika­ nischen Heimat üb­lich ist 451.

4.2.2  Amerika: Luchs und Coyote Auffallend ist, wie sehr Zwillingsfiguren in der Vorstellungswelt des prä­kolumbianischen Amerika präsent sind 452. 1991, ein Jahr vor dem Jubiläum von Kolumbus’ Schifffahrt nach Amerika, publizierte Claude Lévi-­Strauss eine Studie, die sich der indianischen Mythologie in der Neuen Welt widmete. Der Ethnologe und Strukturalist griff dabei ein Thema auf, das ihn seit langem beschäftigte: der „südamerikanische Dualismus“ und seine Entsprechungen in Nordamerika 453. Am Beispiel von Luchs und Coyote wird gezeigt, dass die einheimischen Kulturen von einem Gegensatzpaar ausgehen, das der Welt zugrunde liegt, wobei Lévi-­Strauss mit seinem Buch zwei Ziele verfolgt. Einerseits kann er eine Entsprechung z­ wischen dem Strukturalismus samt dessen binärem Aufbau und der Welt der Mythen nachweisen und somit seine wissenschaft­liche Methode mit der ethnolo­gischen Feldforschung verbinden 454. Andererseits – und dieser Aspekt ist hier nur wichtig – gelingt es Lévi-­Strauss, den Sieg der wenigen Konquistadoren über die zahlenmäßig überlegenen Indianerstämme überzeugend zu erklären. Sowohl die Azteken als auch die Inkas rechneten seit jeher mit der Ankunft des Anderen an sich. In ihrem Weltbild gab es gleichsam eine Leerstelle, die von den europäischen Eroberern eingenommen werden konnte. Sie selber sahen sich als Luchse – und die Konquistadoren wohl als Coyoten –, aber sie konnten den (weißen) Coyoten, die bei ihnen landeten, nichts entgegensetzen, denn sowohl Luchs als auch Coyote waren seit ewig und auch für immer Gegenspieler 455. So kam es, dass die Indianer zwar das

4 51 Nooter Roberts: Children of the Moon, S. 264 f. 452 Eine erste Übersicht bietet bereits Harris: Boanerges, S. 20 – 25, S. 132 – 160. 453 Lévi-­Strauss: Luchsgeschichte, S. 15. Zum Werk von Lévi-­Strauss vgl. die Einführung bei Deliège: Histoire de l’anthropologie, S. 201 – 220. 454 Lévi-­Strauss orientiert sich dabei am Strukturfunktionalismus der britischen Anthropologie, insbesondere an Alfred Reginal Radcliffe-­Brown (1881 – 1955), der die Aufteilung von Gesellschaften in zwei Hälften untersuchte (Deliège: Histoire de l’anthropologie, S. 170 – 179. Zu den beiden unterschied­lichen Charakteren von Luchs und Coyote vgl. die Abbildungen 3a und 3b. 455 Lévi-­Strauss: Luchsgeschichte, S. 231 – 246, insbesondere die Anmerkung S. 241 zur Leerstelle des Coyoten, die von den Weißen eingenommen wurde. Vgl. auch ebd., S. 250: Der amerikanische Mythos findet sich mit der Bipolarität ab und versucht, nichts daran zu ändern.

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Ungleichgewicht ­zwischen ihnen und den neu angekommenen Weißen feststellten, zugleich aber über ein „dichotomisches Modell verfügten, das ihnen erlaubte, diesen Gegensatz und seine Folgereihe in Bausch und Bogen in ein Gedankensystem zu übertragen, in dem sie einen gewissermaßen reservierten Platz innehatten, dergestalt, dass der Gegensatz, einmal eingeführt, auch sofort wirksam zu werden begann“456. Das Paar Luchs/Coyote wird von Lévi-­Strauss in einer ganzen Reihe von Mythen nachgewiesen; gleichzeitig geht er auch auf die Haltung der präkolumbianischen Kulturen gegenüber realen Zwillingen ein. Dabei hebt er hervor, dass es eine große Spannweite von Verhaltensweisen gibt, von völliger Ablehnung bis hin zu kultischer Verehrung von Doppelgeburten. So räumen in Paraguay die Mbya-­Guaraní-­Indianer zwar in ihrer Mythologie den Zwillingen einen herausragenden Platz ein, sie töten aber bei einer Zwillingsgeburt eines der Kinder, da sie – wie in der europäischen Antike – davon ausgehen, die ­Mutter sei von einem anderen Mann geschwängert worden. Gleichzeitig verehren die in Peru ansässigen Inkas die Zwillinge sowohl in ihrer Glaubenswelt als auch real 457. An beiden Enden des Kontinents, im äußersten Norden oder Süden, herrscht ein eigent­licher „Schrecken vor Zwillingen“, während die mittleren Gebiete wechselnde Einstellungen pflegen, die sich sogar bei be­­nachbarten Stämmen stark unterscheiden können 458. Das Verhältnis ­zwischen Zwillingen wird von Lévi-­Strauss als dynamisch geschildert, womit auch dem Vorwurf begegnet wird, der Strukturalismus gehe von s­ tarren Strukturen aus. Die auf Dualität beruhenden Mythen „stellen die allmäh­liche Organisation der Welt und der Gesellschaft in Gestalt einer Reihe von Zweiteilungen dar, aber ohne dass sich z­ wischen den nach jeder Etappe ergebenden Teilen je wirk­liche Gleichheit einstellte: Auf irgendeine Weise ist ein Teilbereich dem anderen immer überlegen. Von ­diesem dynamischen Ungleichgewicht hängt das reibungslose Funktionieren des Systems ab, das ohne es zu jedem Zeitpunkt davon bedroht wäre, in einen Zustand der Trägheit zu verfallen. Was diese Mythen implizit verkünden, ist, dass die Pole, z­ wischen denen sich die Phänomene der Natur und das Leben-­in-­ Gesellschaft einordnen – Himmel und Erde, Feuer und Wasser, Oben und Unten, Nähe und Ferne, Indianer und Nicht-­Indianer, Mitbürger und Fremde usw. – keine

456 Lévi-­Strauss: Luchsgeschichte, S. 83. 457 Lévi-­Strauss: Luchsgeschichte, S. 81. 458 Lévi-­Strauss: Luchsgeschichte, S. 141. Beispiele eines positiven Umgangs mit Zwillingen in Südamerika bringt auch Frey: Zwillinge und Zwillingsmythen, S. 79: Die Mohave-­Indianer halten Zwillinge für gött­lichen Ursprungs, desgleichen die Cocopa-­Indianer. Diese behandeln Zwillinge außerordent­lich zuvorkommend, da sie deren Rückkehr in den Himmel verhindern wollen. Vgl. auch Zazzo: Le paradoxe des jumeaux, S. 78: Bei den Guyaki-­Indianern in Paraguay drückt etwas Einzelnes Unvollständigkeit aus: „[…] l’unité est exprimée par un négatif, littéralement: qui n’est pas accouplé.“

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Zwillinge sein können. Der mensch­liche Geist müht sich ab, sie zu paaren, ohne dass es ihm gelänge, Parität z­ wischen ihnen herzustellen. Denn es sind ebendiese gestuft-­ differentiellen Abstände in der Form, wie sie das mythische Denken entwirft, die die Maschine des Universums in Schwung setzen.“459 Schließ­lich vergleicht Lévi-­Strauss auch die Neue Welt mit der antiken Welt und geht auf die Dioskuren ein. Gestützt auf die älteren Forschungen von Georges Dumézil und am Beispiel der Dioskuren konstatiert er für die Antike das Bedürfnis, die Zwillingsbrüder wieder zu einer Einheit werden zu lassen, und sieht darin den hauptsäch­lichen Unterschied z­ wischen den zwei Kulturen 460. Dies lässt sich anhand neuerer Forschungen nicht aufrechterhalten 461, und bereits das Beispiel von Apollon und Artemis/Diana zeigt, dass Zwillingsgeschwister durchaus verschiedene Auf­gaben übernehmen und sich somit unterscheiden können. Auf bib­lische Beispiele geht Lévi-­ Strauss gar nicht ein. Schieß­lich unterscheidet er auch nicht z­ wischen „geminal“ und „dual“, wenn er einerseits von Zwillingen und der „notion de gémellité“462 spricht, andererseits (und auch häufiger) von der „idéologie bipartite des Amérindiens“463, vom „dualisme instable“464 und vom „dualisme en perpétuel déséquilibre“.465 459 Lévi-­Strauss: Luchsgeschichte, S. 82. Vgl. auch ebd., S. 258, Anmerkung: Der Dualismus bringt eine Gesellschaft hervor, die „ihre Dynamik aus dem Wechselspiel ­zwischen Rezi­prozität und Hierarchie bezieht.“ Zwischen diesen Gegensätzen sind allerdings Abstufungen mög­lich, was auch für den Strukturalismus Folgen hat (ebd., S. 208): „Im Zuge einer mythischen Transformation kommt es ständig vor, dass eine Opposition degeneriert. Eine Opposition ­zwischen Widersprüchen wird zu einer Opposition ­zwischen Gegensätzen, und die weicht wiederum einer Differenz von Graden.“ 4 60 Lévi-­Strauss: Luchsgeschichte, S. 250: „Dumézil hat beharr­lich auf die Gleichheit, ja sogar Unterschiedslosigkeit der Zwillinge in der indoeuropäischen Tradition verwiesen […]. In ganz Europa umkreisen die volkstüm­lichen Vorstellungen hinsicht­lich der Zwillinge das Thema ihrer vollständigen Identität“. 4 61 Siehe Anm. 321. Vgl. auch die diesbezüg­liche Kritik bei Bloh: Zwillinge, S. 3 f., wobei das Gegenbeispiel von Romulus und Remus nicht unbedingt zutrifft. 4 62 Lévi-­Strauss: Histoire de Lynx, S. 295 = Lévi-­Strauss: Luchsgeschichte, S. 245: „Begriff der Zwillingshaftigkeit“. 4 63 Lévi-­Strauss: Histoire de Lynx, S. 299 = Lévi-­Strauss: Luchsgeschichte, S. 247: „zweigeteilte Ideologie der amerikanischen Indianer“. 4 64 Lévi-­Strauss: Histoire de Lynx, S. 306 = Lévi-­Strauss: Luchsgeschichte, S. 253: „in­­ stabiler Dualismus“. 4 65 Lévi-­Strauss: Histoire de Lynx, S. 311 = Lévi-­Strauss: Luchsgeschichte, S. 256: „in ­ewigem Ungleichgewicht schwankender Dualismus“. Die fehlende Differenzierung z­ wischen dem Zwillingspänomen und dualen Strukturen ergibt sich aus der Tendenz von Lévi-­Strauss, ein System zu rekonstruieren, das philosophischen Ansprüchen genügt, in dem aber die Menschen abwesend sind. Vgl. dazu Deliège: Histoire de l’anthropologie, S. 203; S. 219: „Lorsque le structuralisme s’écarte de l’empirisme, il tend aussi à s’éloigner de l’anthropologie sociale et à se

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Diese strukturalistische Sicht, die im Falle des Zwillingphänomens immer die Gegensätze hervorhebt, wird von der aktuellen anthropolo­g ischen Forschung zu westafrikanischen Gesellschaften entschieden in Frage gestellt: „It is evident that more peoples in Africa find positive associations for twins than negative […]. The older stereotype which guided previous study – that twins were abominations or social anomalies – can no longer be our only framework 466.“ In diese Kritik wird das Werk von Claude Lévi-­Strauss explizit einbezogen, der zusammen mit Victor Turner bloß das Konfliktpotential von Zwillingsgeburten unterstreicht 467. ­Diesem einseitigen, strukturfunktionell orientierten Befund ist ein Denkmodell der Kom­ ple­mentarität – der Zwillingshaftigkeit – entgegenzuhalten, wofür gerade das Beispiel der Azteken und Inkas stehen kann: Sie hielten in ihrer Vorstellungswelt eine Leerstelle frei, worin das Andere Platz nehmen konnte – allerdings zu ihrem eigenen und schreck­lichen Schaden. Walter Müller, der die Waldindianer Nordamerikas erforschte, schildert im ­Kapitel „Die feind­lichen Zwillinge“ ausführ­lich die entgegengesetzten Prinzipien bei den Irokesen, gleichzeitig stellt er aber ein Bestreben fest, „die Zweiseitigkeit der Grund­ erscheinung zu verklammern und zu bewahren“468. Besonders deut­lich wird dies bei offensicht­lichen Widersprüchen in den iroke­sischen Schöpfungsmythen, wenn die Urmutter Awenahi vordergründig ihren bösen Feuersteinenkel Tawiskaron mehr liebt als dessen gutartigen Zwillingsbruder Teharonhiawagon; Müller sieht darin eine besondere Qualität und gar eine tiefsinnige Wendung der iroke­sischen Phi­losophie: „Weder die Urmutter noch der Feuerstein sind böse, sie stellen vielmehr ein notwendiges und unaufhebbares Element der Weltschau dar und existieren deshalb noch heute. Die Dualität er­lischt nicht mit dem Fall des bösen Bruders, sie dauert fort und wird weiter dauern, solange die Welt steht. Dieses Fortleben der mythischen Toten bewirkt der iroke­sische Kult.“469 faire ainsi philosophie ou idéologie. Lévi-­Strauss lui-­même semble hésiter entre une ethnologie et une anthropologie, entre la connaissance de la réalité sociale et la recherche d’universaux de l’esprit humain.“ Die fehlende Unterscheidung von dual und geminal lässt sich bereits in den Werken von James Rendel Harris verfolgen, was zu einer Anhäufung disparater Beispiele führt. Aus wissenschaftsgeschicht­licher Sicht sind seine Werke aufschlussreich, da sie im Kontext der sich etablierenden Anthropologie und der Werke von James Frazer entstanden, den Harris immer wieder zitiert, bspw. Harris: The cult of the heavenly twins, S. 27. Zu Frazer vgl. Deliège: Histoire de l’anthropologie, S. 37 – 44. 4 66 Peek: Beginning to Rethink Twins, S. 9 f. 4 67 Victor Turner beschrieb Zwillingsgeburten als einen Vorgang, der die gesellschaft­liche Organisation der Ndembu in Sambia bedrohte. Zu seiner Person und seinen Forschungen vgl. Deliège: Histoire de l’anthropologie, S. 257 – 268. 4 68 Müller: Waldindianer, S. 114 – 142; das Zitat S. 114. 4 69 Müller: Waldindianer, S. 128.

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Wie stark der Einfluss christ­licher Missionare die bestehenden Zwillingsmythen aber verdrängte, zeigt das Beispiel von Häuptling Handsome Lake (1735 – 1815) vom Stamm der Seneca, die zur Familie der Irokesen gehören. Handsome Lake sah in einer Anpassung der überlieferten Religionsvorstellungen an das Christentum eine Mög­lichkeit, das Überleben seiner Gemeinschaft zu ermög­lichen. Deswegen trat er für eine Aufhebung derjenigen Zeremonien ein, die für den „bösen“ Zwillingsbruder Tawiskaron bestimmt waren; auf diese Weise hoffte er den Vorwurf zu vermeiden, die Seneca würden den Teufel verehren 470. Daneben lässt sich auch eine flexiblere Form der Anpassung beobachten. So ­wurden die vorhandenen Zwillingsvorstellungen mit katho­lischen Heiligen verknüpft, wie der Erfolg von Cosmas und Damian in Brasilien zeigt 471. Bereits die erste K ­ irche von 1535 in Igaraçu war den Zwillingsbrüdern geweiht, und sie wurden in die l­ okalen Kulte von Candomblé und Umbanda integriert. Sie schmücken heute Dosen mit Alter­nativmedizin, Gummibälle und Spielzeug, da sie Patrone der Kinder sind, und ein häufig gedruckter Comic ist ihrer Lebensgeschichte gewidmet. In Rio de Janeiro sind sie derart populär, dass die meist zu zweit auftretenden Polizisten in den 1980er-­ Jahren sogar den Übernamen „Cosmas und Damian“ trugen 472. Die Doppelheiligen tauchen auch anderwärts auf, beispielsweise in der Lucumí-­Religion auf Kuba 473, auf Haiti 474, in Brasilien 475 oder bei zurückgekehrten Afro-­Brasilianern in Benin 476.

470 Müller: Waldindianer, S. 134 f.; zu Handsome Lake vgl. ebd. das Stellenverzeichnis S. 391. Das neue Selbstbewusstsein der Lakotas geht bezeichnenderweise derzeit mit einer Auf­wertung des alten Zwillingskultes einher, und Zwillingsgeburten werden als günstiges Vorzeichen für eine bessere Zukunft des Stammes interpretiert, vgl. Gerber/Rüegsegger: Dualité et gémellité dans la culture lakota. 471 Julien: Côme et Damien, S. 57 – 61, mit eindrück­lichem Bildmaterial. 472 Wittmann: Volksdevotion Cosmas und Damian, S. 95 f. mit weiteren Hinweisen zu den lokalen, synkretistischen Kulten. 473 Flores-­Pena: Worship of the Sacred Twins, S. 108 f. 474 Houlberg, Twins, S. 273, S. 277. 475 Capone: Divine Children, S. 290 f. 476 Micheli: Double Portraits, S. 152 f. Es handelt sich um Mitglieder der Yoruba und Fon, die nach Benin zurückkehrten.

Abbildungen

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Abbildung 1  Das Bild stammt aus einem Codex des Klosters Prüfening und illustriert die dem Mittelalter geläufige Ansicht, dass der Körper des Menschen als Mikrokosmos in seinem Aufbau den Makrokosmos widerspiegelt. Die Beischriften zitieren den weit verbreiteten E ­ lucidarius des Honorius von Autun. Albert Boeckler, der die Regensburg-­Prüfeninger Buchmalerei eingehend erforschte, weist auf die kunstvolle Bildgestaltung hin: „Stilistisch bemerkenswert scheint besonders das Komposi­tionelle: die Betonung der Mitte, die absolute Symmetrie […].“ (Boeckler: Regensburg-­Prüfeninger Buchmalerei, S. 21). Standort: Clm. 13002, fol. 1, Bayrische Staatsbibliothek München Abbildung 2  Die Marmorstatuette aus dem Maxentius-­Theater in Rom (ca. 300 nach Christus) zeigt Leto auf der Flucht mit dem kleinen Apollon, der seine Ärmchen ausstreckt, und Artemis, die verschüchtert auf ihrer Schulter sitzt. Es handelt sich um einen verbreiteten Figurentyp, wie kaiserzeit­liche Statuen und Münzen aus Kleinasien belegen. Die Fundsitua­ tion legt nahe, dass auf den Konflikt mit den lykischen Bauern angespielt wird, wie ihn Ovid in den Metamorphosen (Met. VI, 331 – 381) beschreibt (Dasen: Jumeaux et Jumelles, S. 65. Standort: Louvre, Paris, CA 687, Abbildung: Deutsches Archäolo­gisches Institut Rom, Dia 34.2003

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Abbildungen

Abbildungen 3a und 3b  Die beiden Bilder aus Brehms Tierleben verdeut­lichen den gegensätz­ lichen und gleichzeitig aufeinander bezogenen Charakter des majestätischen Luchses (Lynx borealis) und des Tricksters Coyote (Canis latrans). Herkunft: Luchs, aus: Brehms Tierleben, Säugetiere – Erster Band, 3. Auflage, neu herausgegeben von Eduard Pechuel-­Loesche, Leipzig/Wien 1893, S. 517. Coyote, aus: Brehms Tierleben, Säugetiere – Zweiter Band, 3. Auflage, neu herausgegeben von Eduard Pechuel-­Loesche, Leipzig/Wien 1900, S. 49.

Abbildungen

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Abbildung 4  Statue der Dogon, Höhe 22 cm, geformt vom Schmied Ambara Guindo aus Kaoli (Mali) zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Die Zwillingsköpfe verweisen darauf, dass die Statue dazu diente, Gaben oder Besitztümer zu verdoppeln (erworben 1988, Privatsammlung Genf ). Aufnahme: Anne Mayor, Unité d’Anthropologie, Département de Génétique et Évolu­tion, Université de Genève

Abbildung 5  Zwillingsgefäß, hergestellt in Dimbal (Mali) 1994 von Mariam Ghana, Ehefrau des alten Schmieds Goumè Arama (Herkunft: Musée d’Ethnographie de Genève). Ein solches Tongefäß erhielten Zwillinge, wenn ihnen zwanzig Tage nach ihrer Geburt zum ersten Mal die Haare rasiert wurden. Die Schalen dienten dazu, während der Opferzeremonien das Blut eines Hahns sowie den Hirsebrei aufzufangen. Derartige Zwillingsgefäße durften nur von Frauen hergestellt werden, die bereits die Menopause hinter sich hatten. Die Opferschalen waren mit der Vorstellung einer doppelten Fruchtbarkeit verknüpft und hätten Frauen im gebärfähigen Alter gefährden können. Aufnahme: Anne Mayor, Unité d’Anthropologie, Département de Génétique et Évolu­tion, Université de Genève

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Abbildungen

Abbildung 6  Der Griot – Sänger und Dichter – Bonzon Areta Togo, der von 1897 – 1994 in Sadiakanda (Mali) lebte und die Geschichte der Zwillinge Andia und Ansèè erzählte (Mayor: Jumeaux dogon). Aufnahme: Anne Mayor, Unité d’Anthropologie, Département de Génétique et Évolu­tion, Université de Genève

Abbildung 7  Eine Frau bittet in Bamako (Mali) um eine Gabe für sich und ihre Zwillinge. Aufnahme: Anne Mayor, Unité d’Anthropologie, Département de Génétique et Évolu­tion, Université de Genève

Abbildungen

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Abbildung 8  Das Bild intrauteriner Zwillinge stammt aus einer Handschrift, die die Vermittlung medizinischer Kenntnisse aus der arabischen Kultur in den Westen dokumentiert. Es handelt sich um das Werk Chirurgia von Albuchasim, das von Girardus Cremonensis in Toledo im 12. Jahrhundert übersetzt wurde. Standort: Clm 161, 40r, Bayrische Staatsbibliothek München Abbildung 9  Das Altarbild zeigt das Beinwunder von Cosmas und Damian; es wird dem Meister des Stettener und Schnaiter Altarretabels zugeschrieben und entstand um 1500. Standort: Landesmuseum Württemberg, Stuttgart, WLM 989, Foto: P. ­Frankenstein, H. ­Zwietasch

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Abbildungen

Abbildung 10  Die Miniatur aus dem Heidelberger Sachsenspiegel (vgl. die Vorderseite des Buches) zeigt Papst und Kaiser in freundschaft­licher Umarmung, um das Zusammenwirken von geist­licher und welt­licher Gerichtsbarkeit zu illustrieren. Sobald aber die Zweischwerterlehre angesprochen wird (Landrecht, Buch I, Paragraph 1), zeigen die Illustra­tionen in den erhaltenen Handschriften des Sachsenspiegels immer die imperiale Version: Christus verleiht gleichzeitig und unabhängig das eine Schwert dem Papst, das andere Schwert dem Kaiser. Damit ist die Gleichstellung von geist­lichem und welt­lichem Oberhaupt visualisiert. Diese Darstellungsform findet sich sowohl in der Oldenburger Handschrift (CIM I 410, fol. 6) als auch in der Wolfenbütteler Handschrift (Cod. Guelf. 3.1 Aug. 2o, fol. 10r). In der Heidelberger Handschrift (Cpg 164) fehlt leider das Buch I des Landrechts. Auch spätere Handschriften des Sachsenspiegels halten an der imperialen Tradi­tion fest, wie das Beispiel einer Lüneburger Handschrift aus dem 15. Jahrhundert zeigt (Hayduk, Rechtsidee und Bild, S. 172 und Tafel 77 / Abb. 79). Die Abbildung 10 zeigt die Version in der Dresdener Handschrift (Mscr. Dresd. M. 32, fol. 4r), wie sie in der Faksimileausgabe von Karl von Amira in den Zwanzigerjahren publiziert wurde. Am Ende des Zweiten Weltkriegs wurde die Handschrift stark beschädigt. In seinem Kommentar nennt Karl von Amira weitere imperiale Versionen sowie im Gegenzug eine kuriale Darstellung auf einem Wandgemälde des Klosters Prüfening: Hier reicht der Heilige Peter dem rechts stehenden Papst das eine und dem links stehenden Kaiser das andere Schwert (Dresdener Sachsenspiegel ed. Amira, Bd. 2, Teil 1, S. 135 – 137). Das Prüfeninger Wandbild stammt aus dem 12. Jahrhundert und ist eine der frühesten bild­lichen Darstellung der Zweischwerterlehre, die der geist­lichen Gewalt die Oberherrschaft zuspricht (Stein, Romanische Wandmalereien, S. 108 – 112). Der Schwabenspiegel vertritt im Gegensatz zum Sachsenspiegel ebenfalls die kuriale Tradi­tion. In einer Heidelberger Handschrift (Cpg 176, fol. 18r), die Schwabenspiegel und Sachsenspiegel gleichzeitig aufführt, wird dennoch wieder die imperiale Tradi­tion bevorzugt: Christus verleiht das Schwert dem Papst zu seiner Rechten und dem Kaiser zu seiner Linken (Hayduk, Rechtsidee und Bild, S. 171 f. und Tafel 98 / Abb. 100, wobei im Gegensatz zur Verfasserin festzuhalten ist, dass sowohl Papst als auch Kaiser auf einem Podest gleicher Höhe stehen). Herkunft: Dresdener Sachsenspiegel ed. Amira, Bd. 1 (Abbildungen), Teil 1, Tafel 7.

Abbildungen

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Abbildung 11  Obwohl das Decretum Gratiani als kanonistischer Rechtstext eigent­lich das kuriale Konzept der zwei Gewalten – die Oberherrschaft und somit die zwei Schwerter stehen dem Heiligen Stuhl zu – vertreten sollte, zeigen die Miniaturen zum Decretum Gratiani häufig eine Gleichstellung und damit implizit eine Zusammenarbeit der Gewalten, wie dies der Bologneser Rechtsgelehrte auch in seiner Gesetzessammlung betonte. Auffällig ist vor allem eine Handschrift der Biblioteca Vaticana, worin Gott in rotem Kleid die Schwerter verleiht und gleichzeitig die beiden Universalgewalten mit ihrer Gefolgschaft gezeigt werden (Stickler, Verhältnis der beiden Gewalten, S. 347; Kocher, Z ­­ eichen und Symbole des Rechts, Abbildung 105). Der Papst zur Rechten des Schöpfers erhält ein Buch und die Tiara, der Kaiser zur Linken ein Schwert sowie die Krone. Kleriker und Krieger sind durch ihre Kleidung, aber auch durch ihre Behausung – links eine ­Kirche, rechts ein welt­liches Gebäude – gekennzeichnet. Trotz Gleichstellung besteht also eine strikte Trennung der beiden Bereiche: Papst und Kaiser sitzen nicht gemeinsam auf dem gleichen Thron (vgl. Umschlagabbildung und Abbildung 10). Herkunft: Biblioteca Apostolica Vaticana, Ms. lat. 1366, fol. 1r, entstanden in Frankreich, 14. Jahrhundert

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Abbildungen

Abbildungen 12a und 12b  Herkunft: Bibliothèque de Genève, Ms. lat. 60, fol. 1v; 2r. Zur Interpretation der beiden Miniaturen siehe Anm. 544.

5.  Papst und Kaiser: Zwei statt Zwillinge 5.1  Wormser Konkordat als bloß duales Prinzip: Getrennt zusammenleben Erst im Jahre 1122, also fast 50 Jahre nach dem Streit ­zwischen Kaiser und Papst, kam es zu einer Vereinbarung, die für beide Seiten einen Kompromiss bildete und nicht als endgültige Regelung gedacht war 477. „Auf der Grundlage der Koexistenz von unvereinbaren Standpunkten“ ging die Geschichte weiter 478. Aus dem Provisorium wurde – wie so häufig – ein „Providurium“, wie der Schweizer Volksmund im Scherz zu sagen pflegt.

477 Vgl. zum Folgenden Classen: Wormser Konkordat; einen Überblick über die Forschung bietet Hartmann: Investiturstreit, S. 92 – 94. Die auf der Lobwiese geschlossene Verein­ barung wurde erst ­später „Wormser Konkordat“ genannt und gilt bis heute als einer der wichtigsten Texte der deutschen Verfassungsgeschichte; dies steht im Gegensatz zur zeit­ genös­sischen Wahrnehmung, vgl. Schieffer: Rechtstexte des Reformpapsttums, S. 62 – 68. Die Überlieferung des Textes selber ist unvollständig; letzthin wurde sogar die Gültigkeit der Vereinbarung angezweifelt, wobei die sofortige Wirkung des pactum dennoch überrascht, vgl. Zey: Romzugsplan Heinrichs V., insbes. S. 493 f. Offensicht­lich handelte es sich um eine Vereinbarung, die in erster Linie der Sch­lichtung des jahrzehntealten Streits diente; sie erhielt erst s­ päter die Wichtigkeit eines Verfassungsdokuments, vgl. Schilling: ­Wormser Konkordat, mit dem Hinweis auf S. 175 f., dass noch im selben Jahr eine ­Investitur mit Szepter erfolgte. Vgl. auch Töbelmann: Stäbe der Macht, S. 220: „Das Wormser Konkordat war aber nicht Wegweiser in eine neue Zeit, sondern Friedensschluss für eine konkrete Konflikt­ situation.“ Winkler: Geschichte des Westens, S. 55 f. spricht von einem „Waffenstillstand von Worms“. Zum (vorläufigen) Text des „Wormser Konkordats“ vgl. Quellenband zum Investiturstreit, hg. von Laudage/Schrör, S. 224 – 227. Die Vor­läufigkeit der Vereinbarung zeigt sich auch darin, dass Papst Calixt II. auf dem nachfolgenden Laterankonzil die Unterstützung der Kardinäle benötigte, um das Abkommen bestätigen zu lassen, vgl. Laudage: Rom und das Papsttum, S. 43 – 45. Er selber hielt das Ereignis für so wichtig, dass er den Text der kaiser­lichen Zusage von Worms im Lateran abbilden ließ, vgl. Herklotz: Kunst und Propaganda, S. 150. 478 Die Formulierung nach Tellenbach: West­liche K ­ irche, S. 212, der fortfährt: „Königtum und Episkopat, Klerus und Laien, die geist­lichen und welt­lichen Führungsschichten waren eben so sehr aufeinander angewiesen, dass man sich in der praktischen Auseinandersetzung über die von den Päpsten und ihren Helfern geforderten Neuerungen, über die von Königen und ihren geist­lich-­welt­lichen Führungsschichten behaupteten Positionen, notwendigerweise überall mit einem modus vivendi provisorisch abfinden musste.“

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Auf der Lobwiese vor Worms trafen sich der Kaiser, seine Berater und drei Kardinäle, um in einem kurzen Schriftstück das Verhältnis z­ wischen Reich und K ­ irche zu ordnen. Der Kaiser verzichtete darauf, inskünftig Bischöfe und Äbte mit Ring und Stab in ihr Amt einzusetzen (zu „investieren“); stattdessen sollten Geist­liche völlig unabhängig die Wahl und die Weihe vornehmen. Die gewählten Geist­lichen er­­hielten dagegen vom Kaiser ein Szepter, das ihre welt­liche Herrschaft symbolisierte 479. Diese Vereinbarungen wurden allerdings regional differenziert. Im teutonicum regnum durfte der König bei den Wahlen anwesend sein und bei Meinungs­verschiedenheit während der Wahl seine Ansicht kundtun; das Szepter erhielten die gewählten Kirchen­ fürsten vor ihrer Weihe mit Ring und Stab. Außerhalb des teutonicum regnum verlief der Vorgang umgekehrt: zuerst kirch­liche Wahl und Weihe, dann Übergabe des Szepters. Unabhängig von diesen vertrag­lichen Feinheiten entstand eine klare zeit­liche Zweiteilung des Vorgangs, wenn Bischöfe und Äbte gewählt, geweiht und eingesetzt wurden: Hier die kirch­liche Sphäre, dort der welt­liche Bereich. Die damit verbundene Trennung war für alle Anwesenden erfahrbar und dank den verliehenen Gegen­ ständen auch sichtbar. Es war vor allem die Verleihung des Szepters, die Aufsehen erregte. Ring und Stab waren seit jeher die Abzeichen der Bischöfe gewesen und blieben es; das Szepter in ihren Händen bedeutete hingegen eine Neuerung. Das Investiturritual wurde nun zerlegt, in „Einzelakte“ aufgelöst und in einen räum­lich-­ zeit­lichen Ablauf gebracht 480. Überall waren die Menschen froh, dass die Auseinandersetzungen zu einem ­wenigstens vorläufigen Ende gekommen waren, und nun begann sich die strikte ­Trennung ­zwischen geist­lichem und welt­lichem Bereich in der Praxis langsam, aber stetig zu entfalten 481. Dieser Prozess bestand aus Selbstvergewisserung und ­Zurückweisung 479 Töbelmann: Stäbe der Macht, S. 143 – 171: Das Szepter ist in jedem Fall das Zeichen ­­ des Königs, der monarchischen Gewalt. Vgl. zum Zepter als Zeichen ­­ für den welt­lichen Herrschaftsbereich eines Bischofs auch Lorenz Laubenberger: Artikel „Zepter“, in: HRG 1. Auflage 5 (1998), Sp. 1669 – 1672. 480 Zur Auflösung des Investiturrituals in „Einzelakte“ vgl. Dendorfer: Wormser Konkordat, S. 327. 481 Schieffer: Rechtstexte des Reformpapsttums, S. 67 mit Verweisen auf die – nur spär­lich überlieferten – Schilderungen von „korrekten“ Investituren. Immerhin wurde unter Lothar III. (reg. 1125 – 1137) bei zehn von 25 Bischofserhebungen die Übergabe des Zepters vor der Weihe nachgewiesen, wie es die Vereinbarungen von Worms verlangten, vgl. Crone: Reichskirchenpolitik Lothars III., S. 262. Auffällig ist die Tatsache, dass das in der deutschen Forschung seit dem 19. Jahrhundert so stark hervorgehobene Wormser Konkordat in der zeitgenös­sischen Chronistik eine gewisse Beachtung fand, danach aber ziem­lich schnell in Vergessenheit geriet, vgl. Schieffer: Der Investiturstreit im Bilde der Zeit nach 1122. Vgl. kritisch zum ­an­­­­­geb­lich epochalen Einschnitt von 1122 auch Schilling: Guido von Vienne – Papst Calixt III., S.  547 – 549; S.  586 – 588.

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von Ansprüchen der Gegenseite, wobei der erste Aspekt vor allem für die welt­lichen Herrschaften wichtig war. Sie mussten nun die Regeln für ihr Reich festlegen, das eben von dieser Welt war. Dies geschah unabhängig von klerikalen Vorgaben, aber mit Seitenblicken auf die bereits vorhandenen Leistungen des Papsttums, dessen Rechtstexte den Rahmen für das sacerdotium vorgaben. Das Wormser Konkordat ist deshalb nicht als vertrag­licher Abschluss eines Rechtsstreits zu sehen, sondern es diente aufgrund – oder vielleicht auch dank – seiner Unschärfen als Ausgangspunkt für die Entwicklung eines recht­lichen Rahmenwerks wie beispielsweise des Lehnswesens 482. Differenzieren und Definieren waren bei der Ausdifferenzierung der zwei Herrschaftsbereiche also vonnöten, und wie in so vielen anderen Fällen hatte dies bereits Humbertus von Silva Candida vorausgesehen, als er sich bereits vor 1076 zur differentia clericorum et laicorum äußerte: Beide Personengruppen sollen durch Kleidung, Handlungsweise, Gesprächsform und auch während der Messe voneinander streng geschieden sein, jede soll die von den Vätern gesetzten Grenzen, die termini patrum, beachten 483. In dieser Hinsicht stimmen der radikale Reformer Humbertus und die Verfasser auf der kaiser­lichen Seite sogar überein, die ebenfalls den Klerus vom Laienstand trennen wollen. So wirft Beno dem Papst Gregor VII. vor, er habe wie Kain nicht richtig zu unterscheiden gewusst. Mit Hilfe der polemischen Gegenüberstellung von recte offerre und non recte dividere überhäuft Beno seine Gegner mit einer Kaskade von Vorwürfen 484. Die Orthodoxa defensio imperialis verlangt nach der M ­ utter aller

482 Vgl. in der Auseinandersetzung mit Classen: Wormser Konkordat, die Neueinschätzung bei Dendorfer: Wormser Konkordat, S. 327: „Eine einhellig vasallitische Deutung der im Wormser Konkordat gefundenen Lösung setzte sich erst Jahrzehnte nach dem Investiturstreit durch.“ 483 Humbertus, Adversus simoniacos, ed. Thaner, S. 208, Z. 29 f.: De differentia clericorum et laicorum et de studio beati Gregorii in talibus. Ex quibus pariter edocemur, quod sicut clerici saecularia negotia, sic et laici ecclesiastica praesumere prohibentur. Et sicut clerici a laicis, sic laici removentur a clericis tam ex licentia mutuae accusationis quam et testificationis. Et quemadmodum clerici a laicis habitu et professione, sic discreti debent esse actu et conversatione, ut neuter eorum officium alterius aut hereditariam sortem sibi praeripiat, sed uterque terminos a sanctis patribus et orthodoxis principibus positos attendat. Nam sicut clerici a laicis etiam intra parietes basilicarum locis et officiis, sic et extra separari et cognosci debent negotiis. Ideo laici sua tantum, id est saecularia, clerici autem sua tantum, id est ecclesiastica negotia, disponant et provideant. Der Ausdruck termini patrum bezieht sich auf das Sprichwort Salomons: Non transgrediaris terminos antiquos, quos posuerunt patres tui [Prov. 22,28]. Tellenbach: West­liche ­Kirche, S. 263 f., weist auf das Bedürfnis der Differenzierung hin, betont aber, dass letzt­lich alle Gläubigen der „Kirchengesellschaft“ des Mittelalters angehören. 484 Benon, Contra Gregorium VII et Urbanum II, ed. Francke, S. 390, Z. 3 f.: Dominus ait ad Cain: ‚Si recte offeras et non recte dividas, peccasti‘ [Gen. 4,7]. Et tu quidem, Hildebrande, recte optulisti, dum preceptum beati Petri ad medium reduxisti dicentis: ‚Cui Clemens non loquitur,

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Tugenden, nach der Unterscheidungskraft, der discretio, die nötig wie das Salz für die Speisen sei, um die Krieger von den Betern zu trennen 485. Auch der Abt Gottfried von Vendôme (um 1070 – 1132) sieht in der discretio die entscheidende Qualität, und er warnt mit einem hübschen Sinnbild davor, dass sich die ­Kirche zu stark schneuze, so dass sie aus der Nase zu bluten beginne, und dass sie beim Wegputzen eines roten Fleckens auf einem Gefäß ­dieses selbst zerbreche 486. Gratian fasst in seinem Decretum schließ­lich die gregorianische Sicht bündig zusammen, indem er Klerus und Laien scharf trennt und Erstere zum überlegenen genus Christianorum erklärt 487. Gerhoch von Reichersberg versucht schließ­lich durch das Konzept eines geistigen und eines körper­lichen Adams die distinctio z­ wischen den zwei Gewalten zu erfassen, wobei er allerdings keinen Zweifel an der Überlegenheit des spirituellen Adam lässt 488. In seinem Psalmenkommentar geißelt er das babylonische Chaos, in dem spiritualia und saecularia vermischt seien und die Kleriker, gleich wie Kentauren, Mischwesen dar­stellten; das Beispiel Christi zeige, wie wichtig die Unterscheidungskraft sei, und der Respekt vor den termini patrum sei für alle verpflichtend 489. Die termini, mit denen weder nec vos ei loquimini.‘ Non recte autem divisisti, immo non recte dividendo peccasti, dum beatissimo Clementi, clementissimo et moderatissimo pastori […] te, crudelissimum et omnem ordinem canonicum precipitantem […] inique comparasti. 485 Orthodoxa defensio imperialis, S. 538, Z. 41 f.: Dei enim ministri sunt principes, et si ipsorum ministeriis eclesia caruerit, defensionem amittet terreni dominii, quam nisi habuerit, ab impiis invadetur, a tirannis opprimetur et quibuscumque perversis destruetur. Sacramentum autem eclesiasticis viris iuxta sanctorum canonum interdictionem nulli seculari convenit prebere. Sed in hoc utenda est matre virtutum, vera scilicet discretione, que sicut sal pulmentis omnibus, ita hec necessaria est religiosorum omnium actis. 486 Goffridus abbas Vindocinensis, Libelli, ed. Sackur, S. 692, Z. 28 f.: Habeat autem aecclesia pacem, et regnum iustitiam; habeat rex consuetudinem, sed bonam, et non quam male reposcit, sed quam supra diximus investituram. Habeat aecclesia suam libertatem, sed summopere caveat, ne, dum nimis emunxerit, eliciat sanguinem, et dum rubiginem de vase conatur eradere, vas ipsum frangatur. Hoc est praecipuum discrecionis membrum, ne quis qualibet actione aecclesiae a sathana circumveniatur. Zu Gottfried von Vendôme vgl. Joachim Ehlers: Artikel „Gottfried von Vendôme“, in: Lex.MA 4 (1989), Sp. 1607. 487 Vgl. Prosdocimi: Chierici, der zeigt, dass Gratian verschiedene Quellen verschmolz, ohne dass deren Herkunft eindeutig zu klären ist. 488 Zum Bild der zwei Adams bei Gerhoch siehe Anm. 267. 489 Gerhoch, Ex commentario in psalmos, ed. Sackur, S. 452, Z. 32 f.: Verbi gratia, in clero hi qui cum sint valenter literati, dicuntur tamen et sunt acephali et, ut ait Ysidorus, ypocentauris assimilati, qui nec equi nec homines mixtum genus et confusum in se representantes neque clericali neque laicali disciplina utentes, ex eo quod vocantur clerici vel canonici, cum sint synagoga satane, volunt pro suo libitu aecclesiasticos honores partim sibi usurpare, partim sui similibus vel etiam nequioribus conferre. Horum quidam precipuas in aecclesia dignitates et sedes occupant atque cives Ierusalem tanto gravius gravant, quanto licentius in ipsa Ierusalem regi Babilonis militant, secularia spiritalibus miscendo et

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Papst noch Kaiser zufrieden seien, tauchen auch in Gerhochs Libellus de ordine donorum sancti Spiritus auf 490. Gerhoch beschwört die ideale Zusammenarbeit ­zwischen Priestern und Königen des Alten Testaments mit der entsprechenden distinctio congrua potestatis omnia ita confundendo, ut, si videas huiusmodi hominem, neque in habitu neque in conversatione valeas perpendere illius professionem. […] [S. 453, Z. 3 f.]: Diligit enim tales confusiones rex Babilonis, ut spiritalia et secularia insimul confusa representent quodammodo chaos antiquum [Gen. 1,2], quando adhuc terra erat inanis et vacua et tenebrae erant super abyssum. Sed, ne semper talis esset confusio rerum, spiritus Dei ferebatur super aquas, ut ex tanta rerum confusione produceret formas discretas et ab invicem sua proprietate distinctas. Multo nunc benignius fertur super aquas babtismi, ut ex his ad lucem producat quicquid illud pulchritudinis et iocunditatis fuit. Unde sibimet ipsi applaudebat, antequam quicquam faceret aeterna Dei sapientia, ludens in orbe terrarum, pro deliciis habens esse cum filiis hominum. Haec eadem novissime diebus istis loquens in carne propria hominibus et manens cum hominibus, ipsos cum quibus manebat homines inter se discrevit, aliter loquens discipulis suis in monte, aliter turbis in loco campestri: ostendens videlicet, quod sui discipulatus electi sectatores a turbis hominum secernendi sibique in monte celsioris conversationi iungendi essent. […] [S. 454, Z. 39 f.] : Nunc autem, quia episcopi quidam sic tyrannizant, ut etiam innocentes personas et spiritales militum suorum gladiis interdum exponant, esurimus et sitimus hanc iusticiam, ut iudicia et negocia spiritalia per spiritales et secularia per seculares ita peragantur, ne termini a patribus constituti negligantur. Talibus iudiciis in aecclesia Christi distincte ordinatis confunderetur et excluderetur omnino rex Babilonis, princeps tenebrarum et confusionis, qui nunc rebus male mixtis et confusis gloriatur se abundare filiis et filiabus multiplicatis super numerum filiorum et filiarum Ierusalem. Zur Babilonica confusio vgl. auch ebd., S. 460, Z. 10 f. 490 Gerhoch, Ex libello de ordine donorum sancti Spiritus, ed. Sackur, S. 274, Z. 39 f.: Ego autem, quomodo dixi aliquando quae Dei sunt Deo et quae cesaris cesari reddenda [Matth. 22,21], ita sum notatus tanquam pontificum et regum adversarius, quia neuter ordo suo iure suisque terminis vult esse contentus, dum et reges pontificialia et pontifices usurpant sibi regalia atque inter has concertationes fides periclitatur. Die termini tauchen auch an zwei weiteren Stellen auf, vgl. Gerhoch, Ex libro de edificio Dei, ed. Sackur, S. 158, Z. 4 f.: Invenimus ergo iuxta quendam modum clericos proprium habentes posse ab aecclesia stipendiari; milites vero ministros nusquam invenimus ita in patrum scriptis commendari, ut de rebus aecclesiae debeant beneficiari. Sancti etenim pontifices, apostolorum successores, modernorum precessores non habuerunt milites ministros, sed de clericis et monachis probatos cubicularios; neque super facultates aecclesiae laicos prefecerunt, sed economos sive vicedominos de clericis elegerunt. Clericis ergo solummodo res pauperum tractandas ad dispensandas commiserunt, quia terminos patrum transgredi noluerunt qui laicis quantumcunque religiosis nullam in aecclesiae oblationibus administrandis facultatem permittunt. At nunc laicos vicedominos, et super bona pauperum prepositos, necnon episcoporum ministros contra patrum consuetudinen videmus; et in conviviis eorum magis strepitum ex turba militum ac scutariorum quam aliquid de scriptis patrum sonare dolemus. Neque enim simul se capiunt patrum collationes et militum confabulationes: et fortasse milites ministros offenderet, si vox lectoris in mensa paulo altius resonaret. Gerhoch, De investigatione Antichristi, ed. Sackur, S. 392, Z. 29 f.: Unam quoque de magnis duabus columnis a facie templi tulisti [3. Reg. 7,21], si vel sacerdotio in spiritualibus vel regno in temporalibus sua iura negaveris. Melius utraque potestas suis erit terminis contenta, ne aliena presumens de suo perdere mereatur.

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utriusque 491. In seinem letzten Werk, der Quarta vigilia noctis, zitiert er schließ­lich aus einem Gedicht, das die discretio magna eines Vermittlers herbeiwünscht: „Der Papst sucht den König aus seinem Reich zu vertreiben; der König will im Gegenzug voller Wut dem Papst seine Würde rauben. Wenn es jemanden in der Mitte gäbe, um den Streit zu sch­lichten, so dass der König sein Reich, der Papst seine Würde besitzt, dann entstünde ­zwischen jedem der beiden Übel eine wichtige Unterscheidung.“492

Zwar blieb ein derartiger Vermittler ein frommer Wunsch Gerhochs von Reichersberg, aber es war Ivo von Chartres, „ein Mann der Praxis und kluger Politiker“, der bereits bestehende Konzepte, wie sich spiritualia und temporalia unter­scheiden ließen, aufnahm und verbreitete 493. Für den Bereich der welt­lichen Herrschaft setzte sich schließ­lich die Bezeichnung regalia durch 494. Der Ausdruck verweist bereits mit seinem Wortstamm auf die Königsherrschaft, und er taucht auch im Wormser Konkordat auf, allerdings nur im Dokument, das der Papst für den ­Kaiser ausstellte: „Der Gewählte aber soll von Dir durch das Szepter die Regalien entgegennehmen, und er soll das leisten, was er Dir wegen dieser [Regalien] von Rechts wegen schuldet.“ Dabei handelte es sich um einen schwammigen Begriff, der sich gerade deswegen für eine Anwendung in den verschiedensten Bereichen bewährte; so sprachen auch

491 Gerhoch, Ex commentario in psalmos, ed. Sackur, S. 465, Z. 30 f.: sic in regno Christi cooperantur sibi in bonum regalis potestas et sacerdotalis dignitas, ita ut omnis David suum habeat Nathan [2. Reg. 12,13], quem audiat, et omnis Ezechias per sibi contemporaneum regatur Ysaiam [Is. 39,5 f.] et omnis Iosias per suum deploretur Ieremiam [Agg. 1,1 f.] et omnis Zorobabel subminister sit Iesu sacerdotis magni: habita nimirum distinctione congrua potestatis utriusque, sicut docent regulae patrum dignitates ambas recte distinguentium. 492 Gerhoch, De quarta vigilia noctis, ed. Sackur, S. 519, Z. 13 f.: Querit apostolicus regem depellere regno; Rex furit econtra papatum tollere papae. Si foret in medio, qui litem rumpere posset, Sic, ut rex regnum, papatum papa teneret, Inter utrumque malum fieret discretio magna. Die Vorlage ­dieses Gedichts, das Gerhoch kannte, findet sich anonym in Libelli de lite, Bd. 2, S. 172, Z.  20 f. 493 Hoffmann: Ivo von Chartres, S. 414; vgl. auch ebd., S. 416: „Was er sagte, war im Kern nicht neu, aber dass er es sagte, war wesent­lich.“ 494 Ivo von Chartres äußert sich nur beiläufig zu den regalia, vgl. Hoffmann: Ivo von Chartres, S. 406. Der Begriff taucht in zeitgenös­sischen Texten hingegen durchaus auf, vgl. ebd. die Belege S. 403; S. 423. Zu den Regalien vgl. Dieter Hägermann; Elisabeth Lalou; Karl Schnith; János M. ­Bak; Stanislaw Russocki; Daniela Novarese: Artikel „Regalien, -politik, -recht“, in: Lex.MA 7 (1995), Sp. 556 – 561; neuere Literatur bei Hartmann: Investiturstreit, S. 81 f.

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die Päpste s­ päter von den regalia Sancti Petri 495. Implizit aber hatte im Wormser Konkordat die kirch­liche Seite zugeben müssen, dass sie durch ihre Besitztümer in welt­ liche Angelegenheiten verwickelt war. Wie ein welt­licher Lehensmann verwalteten die Geist­lichen nun das ihnen anvertraute Gut, und sie sahen sich trotz Protesten auch gezwungen, einen Lehenseid (homagium) zu leisten 496. Bezeichnenderweise wurde das Wormser Konkordat auch in keine der großen kirch­lichen Rechtssammlungen aufgenommen; das Decretum Gratiani zitiert es nicht und lässt auch den Problembereich der Regalien bewusst undefiniert 497. Und wer das 495 Zum „Tabu“ der Regalien vgl. Hoffmann: Ivo von Chartres, S. 437 f.: „Die Entfaltung der juristischen Begriffe hielt im Investiturstreit mit der politischen Entwicklung nicht Schritt. Was sich zunächst bei Anglonormannen und deutschen Gregorianern wie eine geschickte Bewältigung der Investiturfrage ausnahm: die Unterscheidung ­zwischen Temporalien und Spiri­tualien, führte zwar einen fruchtbaren Gesichtspunkt in die Diskussion ein, hätte aber noch der theoretischen Vertiefung bedurft, damit sämt­liche Widersprüche aufgelöst wären. Dass es dazu nicht gekommen ist, ist der Unnachgiebigkeit der K ­ irche zuzuschreiben, die nicht gewillt war, unmissverständ­lich und ein für allemal den welt­lichen Herrscher als Miteigentümer eines großen Teils ihres Besitzes anzuerkennen. Stattdessen behalf sie sich mit Ivos Dispensationstheorie und suchte vorerst eine de facto-­Lösung jenseits des Rechts. Die Umstände brachten es mit sich, dass diese s­ päter all­gemein verbind­lich werden sollte. Die kommenden Zwistigkeiten ­zwischen regnum und sacerdotium berührten den Punkt nicht mehr und setzten ihn höchstens als erledigt voraus, wie das etwa bei dem Streit um die könig­liche Zwischennutzung der Regalien beim Tod eines Prälaten der Fall war. Die Päpste des 12. und 13. Jahrhunderts sprachen in ihren Briefen und Dekretalen unbekümmert von den Regalien wie von etwas Selbstverständ­lichem. Was den skrupulösen Reformern 1122 als ein fauler Kompromiss erschienen war, das eroberte sich binnen kurzer Frist überall Geltung, wohl nicht zuletzt, weil man das inhärente juristische Problem wie ein Tabu unerörtert ließ.“ 496 Vgl. dazu Tellenbach: West­liche ­Kirche, S. 225: „So wuchsen die ­Kirchen über ihre Lehen erst recht in die Verbundenheit mit der ‚Welt‘ hinein.“ Vgl. zum Treueid der Bischöfe auch Minninger: Von Clermont, und die Literaturhinweise bei Hartmann: Investiturstreit, S. 82. Zur Wahrnehmung der Regalrechte durch Bischöfe vgl. Hehl: Krieg, S. 129: „In der Diskussion um den Kriegsdienst, den die Bischöfe des Reichs leisteten, zeigt sich, dass dabei die Person des Amtsträgers gleichsam verdoppelt werden konnte. Allgemein hatte sich die Auffassung durchgesetzt, nur diejenigen Bischöfe, die vom Herrscher mit Regalien ausgestattet worden waren, seien zu solchem Kriegsdienst verpflichtet, während diejenigen ohne Regalien­ besitz dem Herrscher keine derartige Leistung schuldeten. Die Summa Elegantius in iure diuino fasst den Sachverhalt in der Formel zusammen, dass die Bischöfe mit Regalienbesitz ‚in den Angelegenheiten Gottes das Amt des Bischofs, in den Angelegenheiten der Welt das Amt des Herzogs ausüben würden‘.“ Vgl. zur Entwicklung auch Borgolte: Die mittelalter­liche ­Kirche, S. 22: Die direkte ottonisch-­sa­lische Königsherrschaft über die K ­ irche wurde durch die Lehenshoheit des Reiches über die Regalien der Kirchenfürsten ersetzt, die Reichskirche wurde durch den Lehenseid feudalisiert. 497 Hoffmann: Ivo von Chartres, S. 434 – 436; zum Unbehagen der späteren Dekretisten bei der Definition der regalia vgl. Benson: Obligations of Bishops.

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Triumph­gemälde im Lateranpalast zu den Wormser Vereinbarungen sah, konnte nur die Er­­klärung des Kaisers lesen, während diejenige des Papstes mit der Erwähnung der ominösen regalia fehlte 498. Tatsäch­lich verstanden beide Parteien unter der Bezeichnung regalia zwei unterschied­liche Rechtsbereiche. Für die Päpste handelte es sich um Rechte, die zum abstrakt verstandenen, transpersonalen Reich gehörten (Pertinenzprinzip), von denen die übrigen welt­lichen Besitztümer der ­Kirche, die so genannten oblationes und erb­lichen Besitzungen, deren Verwaltung der K ­ irche gänz­lich zustand, streng zu trennen waren. Für den Kaiser entsprachen die regalia den­jenigen Rechten und Besitzungen, die alle vom König stammten und das so genannte „Reichskirchengut“ (Provenienzprinzip) bildeten 499. Der Widerspruch z­ wischen diesen beiden Regaliendefinitionen belastete die Beziehungen ­zwischen Papst- und Kaisertum schwer, insbesondere während des Konflikts z­ wischen Alexander III. und F ­ riedrich Barbarossa 500. Er ließ sich erst im Verlauf des 13. Jahrhunderts lösen, und zwar im Rahmen der Entwicklung des Lehensrechtes und des Heerschildrechts. Nun werden die regalia mit der administratio temporalium, der Ausübung welt­licher Herrschaft und vor allem der Blutgerichtsbarkeit, gleichgesetzt 501. Die Verwicklung der K ­ irche in welt­liche Dinge quälte überzeugte Kirchen­reformer, wie das Beispiel Gerhochs von Reichersberg zeigt. Der Propst hatte immer wieder versucht, „Aufgaben und Recht der ­Kirche und Welt, regalia und ecclesiastica, zu scheiden“, um die vorherrschende confusio und permixtio zu umgehen 502. Dabei wandelte sich seine Interpretation der Regalien grundlegend: „Gerhoch hatte zuerst K ­ irche und Welt scharf scheiden wollen, dann den Bischöfen das Verfügungsrecht über die Regalien zuerkannt, schließ­lich das Investiturrecht der Könige eingeräumt. […] Die aktive Lehnsfähigkeit der K ­ irche hatte er, widerwillig genug, einräumen ­müssen; die passive lehnte er jetzt und allezeit ab.“ Letzten Endes aber fand Gerhoch zu keiner Lösung 503, und seine Unzufriedenheit mit der verwaschenen Definition der Regalien im ­Wormser Konkordat zeigt, dass er klarsichtig die Folgen des Arrangements ­zwischen Papst und Kaiser voraussah 504. Im Spätmittelalter entwickelte sich die Regalien­verleihung an

498 Vgl. die großformatige Abbildung bei Ladner: Papstbildnisse des Mittelalters, Bd. 1, S. 199, Tafel XIX; Herklotz: Kunst und Propaganda. 499 Fried: Regalienbegriff, S. 523 – 525. 500 Vgl. dazu Laudage: Alexander III. und Barbarossa, S. 241 – 259, insbesondere S. 242: „Als einer der beiden wichtigsten Beweggründe für das Handeln Alexanders III. und Friedrich Barbarossas sind sicher­lich die Auffassungsunterschiede über den Rechtsstatus und Umfang der Petrusregealien zu bezeichnen“; S. 255: Bis in die Zeit Innozenz III. (1198 – 1216) gelang es nicht, „in der Frage der Petrusregalien eine grundsätz­liche Klärung herbeizuführen“. 501 Krieger: König, Reich und Reichsreform, S. 84 – 88. 502 Classen: Gerhoch, S. 44 f. 503 Classen: Gerhoch, S. 178 f.; S. 317. 504 Classen: Wormser Konkordat, S. 429.

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geist­liche Würdenträger zu einer gängigen Praxis der welt­lichen Herrschaftsausübung; dennoch schrieb sie die Trennung der beiden Gewalten fort.505 Das Wormser Konkordat bot eine duale Kompromisslösung an, es führte zur Konsti­ tuierung eines genuin welt­lichen Bereichs und bestimmte somit das Zusammen­leben der Menschen in den kommenden Jahrhunderten. Das neue Verhältnis ­zwischen den beiden Gewalten „spielte sich praktisch ein, weil weder die welt­liche noch die geist­liche Gewalt stark genug war, um den Widerpart ganz zu überwältigen“506. Diese „Diastase“ bewirkte eine „Teilung der Welt und der Menschheit in zwei autonome Reiche, die nicht geographisch, wohl aber durch eine s­ oziale Grenze voneinander geschieden waren. Dem Prinzip nach und zunehmend auch in der Praxis gab es in jeder Gemeinschaft – im großen Ganzen der christ­lichen Weltgemeinschaft ebenso wie in jedem noch so entlegenen Bauernhof – eine klerikale Enklave mit besonderen Kompetenzen und Funktionen, mit eigenem Grund und Boden, eigenen Einkünften, mit besonderen Gesetzen und ‚Gewohnheiten‘, einer eigenen Rechtsprechung, be­völkert von Menschen, die sich von allen anderen durch ihre besondere Lebensweise, vorgegeben durch das Gebot des Zölibats, unterschied.“507 Selbstverständ­lich setzte sich diese Trennung nur langsam durch, aber sie erwies sich in der Folge als ent­scheidendes Charakteristikum des okzidentalen Europas 508. In der Geschichtswissenschaft wird dieser Dualismus festgestellt, aber nur zurückhaltend als Bruch gedeutet 509. So wird darauf verwiesen, dass sacerdotium und regnum immer noch 505 Vgl. dazu die Studie von Hlaváček: Regalienverleihungen. 506 Borst: Welt­liches und geist­liches Schwert, S. 122. 507 Moore: Erste europäische Revolution, S. 31. 508 Vgl. Dietmar Willoweit: Artikel „Wormser Konkordat“, in: HRG 1. Auflage 5 (1998), Sp. 1528 – 1530; Sp. 1529 f.: „Mit dem Wormser Konkordat ist ein erster Schritt zur Auflösung der bis dahin bestehenden Einheit des welt­lichen und geist­lichen Herrschaftswesens getan worden und die für das okzidentale Europa charakteristische Entwicklung, ­welche in den säkularen Staat einmünden sollte, eingeleitet worden. Denn die welt­lichen Gewalten sahen sich schließ­ lich – nachdem weder die römische Idee des sacrum imperium noch der frühneuzeit­liche Konfessionalismus dauerhafte Lösungen geboten hatten – genötigt, ihre Legitimations­bedürfnisse eigenständig, d. h. innerwelt­lich zu befriedigen. Andererseits hat das Wormser Konkordat auch eine umfassende welt­liche Herrschaft der ­Kirche unmög­lich gemacht, obwohl auch ­dieses Thema noch einige Jahrhunderte aktuell blieb. So, d. h. universalgeschicht­lich gesehen, haben mit dem Wormser Konkordat beide Vertragschließenden verloren und gewonnen, vor allem aber eine wesent­liche Bedingung auf dem Weg in die Neuzeit gesetzt.“ 509 Zum langsamen Auseinandertreten der beiden Mächte vgl. auch Werner Goez: Artikel „Investitur­streit“, in: TRE 16 (1987), Sp. 245: „Das Ende des Investiturstreites brachte nur eine Teillösung der anstehenden Probleme; nicht zuletzt mittels der durch ihn in Gang ­gesetzten Gedankenarbeit von Publizisten, Juristen und Theologen war das Konflikt­potential ­zwischen sacerdotium und regnum verringert, aber nicht umfassend beseitigt worden. Insofern ­bedeutet der Investiturstreit nur eine erste Spannungsphase innerhalb der langfristigen, mindestens bis zum frühen 14. Jahrhundert virulenten Gesamt­problematik des Verhältnisses der

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in der Christianitas als übergreifender Einheit aufgehoben waren, aber diese Zugehörigkeit wurde gerade nicht von einer unabhängigen Instanz, sondern eben vom hierarchisch höher s­ tehenden Papsttum festgelegt 510. Bereits in seinem berühmten und umfangreichen Brief an H ­ ermann von Metz vom 11. März 1081 hält Gregor VII. unmissverständ­lich fest, dass die päpst­liche Jurisdiktion über den welt­lichen Mächten steht 511. In einer neueren Darstellung wird der seit dem Konkordat herrschende Dualismus hingegen durchweg positiv gedeutet. Heike Johanna Mierau sieht darin eine Vorstufe der modernen Gewaltenteilung, wobei vorab zu bemerken ist, dass die ­triadische Machtverteilung, wie sie Montesquieu s­ päter vorschlagen wird, eben keine binäre und somit besonders konfliktreiche Lösung anbietet. Die von der Verfasserin immer ­wieder zitierte Bipolarität von sacerdotium und regnum wird als Vorbild gepriesen: „Die Bipolarität der kaiser­lichen und päpst­lichen Gewalt lässt sich entgegen den bisherigen E ­ inschätzungen als vormoderne Aufteilung von sich bewusst gegenseitig beschränkenden regimina zur Herstellung gesellschaft­licher Ordnung innerhalb der Christenheit begreifen und kann auf diese Weise als Teil der Entstehungsgeschichte moderner Staat­lichkeit gewertet werden.“512 Die „Idee der christ­lichen ­Universalität mit bipolarer Ausrichtung“ wird damit zu einem Ideal, das im Mittelalter zur „Sicherung der christ­lichen Weltordnung“ dient513. Dabei wird übersehen, dass einzig der Heilige Stuhl die Zu­­gehörigkeit zur christ­lichen Weltordnung bestimmte, so dass es sich um eine Bipolarität mit unterschied­licher Machtverteilung handelt. Mierau blendet dies aus und biegt die Konkurrenz von Papst und Kaiser in eine K ­ ooperation um. Bezeichnender­weise bricht die Darstellung mit der ­Refomation und dem Zer­brechen der idealisierten „christ­lichen Weltordnung“ ab. Das labile Macht­gleichgewicht und die häufigen Konflikte z­ wischen den beiden Häuptern der Christenheit ­lassen sich aber nicht einmal aus den Kapitelüberschriften verdrängen, auch wenn die positive Bipolarität praktisch auf jeder Seite beschworen wird 514. Gegen

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Universalgewalten. Man hat von einer ‚Diastase‘ von Geist­lichem und Welt­lichem gesprochen, die durch das Ringen um die Libertas ecclesiae eingeleitet worden sei. Auf lange Sicht ist dies richtig, aber den Zeitgenossen kam es noch nicht voll zum Bewusststein.“ Zum Dualismus vgl. die abschließenden Ausführungen bei Tellenbach: West­liche ­Kirche, S. 271 f., der allerdings im „gelebten Leben der ­Kirche“ die alte Einheit erblickt und somit einen gemäßigten Monismus vertritt. Register Gregors VII., ed. Caspar, Buch VIII/21, S.  544 – 563. Mierau: Kaiser und Papst, S. 7. Mierau: Kaiser und Papst, S. 9. Die Kapitelüberschriften lauten (auswahlsweise): „Das ottonische Kaisertum und die Dominanz über die Päpste – Das sa­lische König- und Kaisertum im Streit mit Rom – Das staufische Kaisertum und der Versuch des Ausgleichs – Die Absetzung Friedrichs II. – Das Papsttum als Spitze von Reich und Christenheit? – Der Streit ­zwischen Ludwig dem Bayern und Johannes XXII. – Neues Zusammenwirken in der Zeit Karls IV. – Päpst­liche Hierokratie gegen kaiser­ liche Weltlenkung“.

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den Strich gelesen belegt die Arbeit von Mierau ungewollt die hier vertretene These, dass im aus­gehenden 11. Jahrhundert ein Bruch innerhalb der west­lichen Christen­ heit stattfand. Eine Rückkehr in die Zeit Gerhards von Cambrai, der un­­befangen das Zwillings­verhältnis von geist­licher und welt­licher Macht beschrieb, war spätestens nach 1122 nicht mehr mög­lich 515. Geblieben war aber die Sehnsucht nach einem idealen Zusammenwirken von geist­ licher und welt­licher Macht. Dies zeigen die Ausführungen bei Hugo von Fleury, der in seinem Traktat um 1100 verschiedene Metaphern anführt, die auf Gleichrangigkeit und wechselseitigem Respekt beruhen 516: „Für diese beiden Gewalten [= die könig­liche und die priester­liche] nahm die Weisheit Gottes fleisch­liche Gestalt, worin sie erblickt werden können, an; sie barg diese Mächte in der Einheit ihrer Person und verband sowie verknüpfte sie dabei wechselseitig in einer Art Brüder­lichkeit, auf dass immer ein einziges Band der Liebe ­zwischen in ihnen besteht, das niemals entzweit werden soll, und auf dass beide aneinander treu hängen, sich wechselseitig verbünden und zusammen­fügen. Die irdischen Stellvertreter benötigen immer ihre Hilfe und Unterstützung, und wenn sie nicht untereinander übereinstimmen, so schwankt der gesamte Körper der ­Kirche, und das Volk gerät in unsicheres Gelände. Demnach sagte der Herr selbst im Evangelium, dass an ‚diesen beiden Geboten das ganze Gesetze und die Propheten hängen‘ [Matth. 22,40], und weil es erkennbar ist, dass es eine Zwillingszuneigung [caritas gemina] ist, richtete der Herr und Gott passenderweise zwei Mächte in der ­Kirche ein, denen er die Verteilung von allem, was sich innerhalb der ­Kirche vollzieht, verschaffte und ­anvertraute.“517 In der Folge bietet Hugo einen historischen Abriss zu den Königen und Propheten des Alten Testaments und schließt das Kapitel mit einem noch­maligen Appell an die Freundschaft der beiden Mächte, wobei er zur Verstärkung einzelne Formulierungen vom Anfang wiederholt: „Deshalb ist es passend und geziemend, dass diese beiden Gewalten immer aneinander in wechselseitiger brüder­licher Liebe hängen, und dass sie sich in gegenseitiger Sorge beschützen. Wenn sie näm­lich nicht wechselseitig übereinstimmen, so schwankt

5 15 Zu Gerhard von Cambrai siehe Anm. 157. 516 Zum Konzept Hugos, der das Verhältnis ­zwischen König und Bischof mit demjenigen von Mann und Frau parallalelisiert, siehe Anm. 261. 517 Hugo monachus Floriacensis, Tractatus de regia potestate, ed. Sackur, S.  483, Z.  8 – 20: Quas duas potestates ipsa Dei sapientia carnem, in qua videri posset, assumens, in unitate suae personae suscepit, et eas in ea ideo quadam germanitate sibi mutuo sociavit atque coniunxit, ut et unum sit in eis vinculum caritatis semper, quod numquam disiungatur, et ut ambae sibi invicem fideliter adherentes mutuo socientur et conpaginentur. Vicaria enim sui ope vel opitulatione semper indigent, et nisi sibi invicem conveniant, fluctuat omne corpus aecclesiae, et per incerta populus evagatur. Proinde quia in duobus praeceptis totam legem et prophetas pendere ipse Dominus dixit in euangelio, et quia caritas gemina esse dinoscitur […], duas convenienter potestates Deus et dominus omnium in aecclesia statuit, quibus dispensationem omnium, quae intra ipsam geruntur, committere procuravit.

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der gesamte Körper der K ­ irche, und das Volk gerät vom Weg ab. Durch diese beiden Gewalten näm­lich wird es wie durch zwei starke und feststehende Säulen gestützt und aufrecht erhalten. Durch diese beiden Gewalten werden seine [= des Volkes] Geschöpfe gleichsam mit zwei Flügeln umfangen und vor den Widrigkeiten dieser Welt geschützt.“518 Dieses Idealbild der Zusammenarbeit ließ sich mit dem Wormser Konkordat nicht realisieren. Es bot der Rivalität und der hierarchischen Konkurrenz von sacerdotium und imperium aber wenigstens einen vorläufigen Rahmen, in dem die ­früheren Konflikte geregelt vollzogen wurden, ohne sie aufzuheben. Ungelöste Konflikte enthalten aber immer ein dynamisches Element, denn um die andere Seite in Schach zu halten, muss jede der beiden Parteien nicht nur die gegnerische, sondern auch die eigene Po­ sition mit ihren Ansprüchen kennen. Indem das Wormser Konkordat die Universal­ gewalten voneinander schied, bot es den Anlass, die eigenen Herrschaftsansprüche klarer zu f­ assen, und die Entwicklung des Kirchenrechts zog die Aus­bildung des welt­lichen Rechts nach sich 519. Letzteres mündete in das Konzept moderner Staat­ lichkeit, das seine Entstehung nicht einer statischen „Bipolarität“, sondern dem ste­ tigen Antrieb durch einen un­gelösten Konflikt verdankte 520. Wie aber ging die ­Kirche mit ihrer Verwicklung in welt­liche Geschäfte um? 518 Hugo monachus Floriacensis, Tractatus de regia potestate, ed. Sackur, S.  485, Z.  7 – 16: Unde congruit et valde conveniens est, ut hae duae potestates sibi invicem fraterna caritate semper adhereant, et ut se mutua sollicitudine tueantur. Nam nisi invicem conveniant, fluctuat omne corpus aecclesiae, et per devia populus agitatur. His enim duabus potestatibus quasi duabus columpnis fortibus atque firmissimis fulcitur atque sustentatur. His etiam duabus potestatibus quasi alis duabus ab adversitatibus mundi huius fetus eius ambiuntur et proteguntur. 519 Goez: Papsttum und Kaisertum, S. 120: „Aber trotz aller Bemühungen auf beiden Seiten, das Übergewicht einer der beiden Universalgewalten nicht nur theoretisch zu begründen, sondern auch praktisch umzusetzen, blieb der Dualismus von Kaiser und Papst bis zum Ende des Mittelalters bestehen. Trotz oftmals erbitterter, sogar mit ausdrück­lichem Vernichtungswillen geführter Auseinandersetzungen, vor allem in der späten Stauferzeit und unter Ludwig dem Bayern, aber auch im Spätmittelalter, als sich die Tendenz zur diplomatischen Regulierung schwerer Konflikte durchzusetzen begann, beeinflussten und bereicherten sich die beiden Universalgewalten stets gegenseitig. Das Ringen miteinander förderte die Besinnung auf die eigene Wertigkeit, die Konkretisierung tatsäch­licher Herrschaftsrechte und die Konzentration auf die politische Autorität; deren theoretische Begründung trieb die Institutionalisierung auf beiden Seiten voran und führte, wenn auch zu Zeiten unfreiwillig, zu fruchtbarem Ideen­ austausch und kulturellem Transfer.“ 520 So aus der Sicht des 12. Jahrhunderts auch Bisson: Crisis, S. 8 f.: „The Investiture Conflict was the first and most celebrated incident of a prolonged crisis of Power. […] writers drawn to justify actions or claims gave expression to ideas about authority, office, election, and competence (or suitability) that were to win renewed currency in the twelfth-­century church and must be supposed to have influenced those, themselves often clerics, at work in kingdoms and lay principalities as they were fitted out with institutitions. Out of this ‚crisis of church and

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5.2  Blutige Geschäfte für den weltlichen Arm Für die Anhänger der libertas ecclesiae war die Verwaltung der regalia ein heikles Thema, da die päpst­liche Partei im Konflikt ­zwischen sacerdotium und regnum zuvor ein überaus düsteres Bild der welt­lichen Herrschaft entworfen hatte. Für den Verfasser des Traktats De ordinando pontifice ist die Sache eindeutig: „Wenn wir so recht die Wahrheit sagen dürfen, erfüllen die Kaiser eher die Aufgabe des Teufels mit Schwert und Blut, indem sie – indes die Vergehen eigent­lich durch Buße und mit geist­licher Korrektur ausgemerzt werden sollten – sich selber wie Wahnsinnige beim Morden oder beim Abhacken von Körpergliedern benehmen; gemäß der Gnade Gottes ist dies aber völlig abscheu­lich.“521 Gregor VII. schreibt am 15. März 1081 an Bischof ­Hermann von Metz seinen berühmten Brief, worin er die Überlegenheit des Priestertums drastisch schildert und die welt­liche Herrschaft als teuf­lische Einrichtung anprangert: „Wer wüsste nicht, dass Könige und Fürsten von jenen ihren Ursprung genommen haben, die von Gott nichts wussten, sondern mit Hochmut, Raub, Treulosigkeit und Mord, kurz: mit Verbrechen jeder Art, auf Betreiben des Fürsten dieser Welt, eben des Teufels, über ihresgleichen, also Menschen, in blinder Gier und unerträg­licher Anmaßung sich zu erheben trachteten? Diese mithin, wenn sie die Priester des Herrn zu beugen streben, mit wem können sie dann besser verg­lichen werden als mit dem, der das Haupt ist von allen Söhnen des Übermuts? Der den höchsten Priester selbst, das Haupt der Bischöfe, den Sohn des Allerhöchsten [= Christus] versuchte und, indem er ihm alle Reiche der Welt anbot, sagte: Das alles will ich Dir geben, wenn Du niederfällst und mich anbetest.“522 An dieser und auch in weiteren Stellen seines state‘, to employ the usual but problematic term, came the organizing of ecclesiastical government. Might not a crisis, in considerable measure the same crisis, have played his part in the beginning of lay government?“ Zur weiteren Entwicklung in Westeuropa siehe Anm. 570. 521 Anonym, De ordinando pontifice, ed. Schmale-­Ott, S.  14, 4 – 7: Si verius liceat nobis dicere, potius offitio diaboli funguntur [imperatores] in gladio et sanguine, ut, dum per penitentiam eruantur vitia spirituali resecatione, ipsi insaniant vel in cede vel in membrorum carnali obtruncatione; quod secundum gratiam apud Deum omnino est abhominabile. Zum Text vgl. Anton: De ordinando pontifice, S. 54; zur Emendation von surguntur (Ausgabe in den Libelli de Lite) in funguntur vgl. ebd., S. 83, Z. 261 – 265. Weitere Hinweise zu abwertenden Urteilen gegenüber der welt­lichen Herrschaft bei Minninger: Von Clermont, S. 85; S. 95 f.; Tellenbach: West­liche ­Kirche, S. 262. 522 Zitiert und übersetzt von Schieffer: Gregor VII., S. 87; der Originaltext im Register ­Gregors VII., ed. Caspar, Buch VIII, Nr. 21, Bd. 2, S. 552. Zur Diskussion dieser Stelle in der Forschung, die verschiedene Traditionsstränge für Gregors harsches Urteil heraus­arbeitet, vgl. Stürner: Peccatum und Potestas, S. 133. Sehr bald wurden Stellen auch von anderen Autoren papstfreund­licher Schriften zitiert, vgl. ebd., S. 136. Dies geschah insbesondere in kirchenrecht­lichen Sammlungen, vgl. Beulertz: Gregor VII. als Publizist, S. 15. Vor allem

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Briefwerks wird deut­lich, dass der Reformpapst die bereits bestehende, ältere Kritik an welt­licher Herrschaft radikal verschärfte 523. Auf lange Sicht aber schadete dies der Position des Papsttums: „Fraglos war es auch ganz im Sinne Gregors VII., zumal der polemischen Äußerungen seiner späten Jahre, dass der Rang der Könige in der christ­lichen Weltordnung neu bestimmt, ihr gött­licher Auftrag strikt an geist­liche Vermittlung geknüpft und ihre Amtsführung der Strafgewalt ihrer Seelenhirten unterworfen wurde (oder werden sollte). Doch die List des Weltgeistes lag bereits darin, dass die ein gutes Stück weit getriebene Entsakralisierung die Monarchen und ihre intellektuellen Parteigänger sehr bald zur Suche nach innerwelt­lichen, säkularen Herrschaftsbegründungen drängte, aus denen sie schon im 12. Jahrhundert neues Selbstbewusstsein zu beziehen begannen.“524 Die meisten klerikalen Autoren des 11. und 12. Jahrhunderts, ­welche die Vorherrschaft des Priesterstandes verteidigten, wiesen den Fürsten bestenfalls die Aufgabe zu, geist­liche Anweisungen in die handfeste Praxis umzusetzen und auf diese Weise das Weiterbestehen eines Gemeinwesens zu garantieren. Die Distanz zu welt­lichen Geschäften ließ sich mit dem Pauluswort „Niemand, der für Gott kämpft, verstrickt sich in welt­liche Angelegenheiten“ (Nemo militans Deo implicat se negotiis saecularibus) begründen, das auch in den Libelli de lite häufig zitiert wird 525. Hinzu kommt das grundsätz­liche Verbot für die Kleriker, Blut zu vergießen, entsprechend der Passage im Matthäus-­Evangelium „Jeder, der das Schwert nimmt, wird durch das Schwert umkommen“ (Omnis qui accipit gladium, gladio peribit)526; auch darauf wird in den Libelli immer wieder hingewiesen. In diesen Zusammenhang gehört der berühmte Rechtssatz ecclesia non sitit sanguinem („Die ­Kirche dürstet nicht nach Blut“). Er zeigt das Dilemma an, in dem sich die aber provozierten die historischen Beispiele eine Gegendarstellung der kaiser­lich-­könig­lichen Partei, vgl. ebd., S. 20 – 28. Blumenthal: Gregor VII., S. 290 – 298 belegt, wie Gregor VII. „das negative Bild eines Herrschertums, das, von Dämonen beherrscht, ein Glied des Teufels ist“, in Briefen entwarf, daneben aber die Zusammenarbeit mit Fürsten durchaus nicht verschmähte, vorausgesetzt, sie akzeptierten die Oberhoheit des päpst­lichen Stuhls. Die flexible Haltung Gregors VII. zeigt sich auch darin, dass er sich gegenüber Laien nicht verachtend äußerte, vgl. ebd., S. 281 – 290. 523 Vgl. Stürner: Peccatum und Potestas, S. 135. Vgl. auch zusammenfassend Stürner: ­Gregors VII. ­Sicht vom Ursprung der herrscher­lichen Gewalt. 524 Schieffer: Papal Revolution, S. 29. Tellenbach: West­liche ­Kirche, S. 269, betont ebenfalls, dass die Päpste sich nach dem gregorianischen Zeitalter zwangsläufig und zuweilen auch widerwillig mit der Welt beschäftigen mussten. 525 Die Stelle findet sich 2. Tim. 2,4. Auf die Wichtigkeit dieser Maxime weist Oexle: ­Funktionale Dreiteilung, S. 23, S. 36 hin. 526 Matth. 26,52. Die entsprechenden Stellen in den Libelli de lite lassen sich durch die Register der Bibelstellen am Ende jedes Bandes finden.

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Papstkirche nach dem Wormser Konkordat befand. Sie besaß kein Recht, das Schwert zu führen, war aber auf das Schwert letzt­lich angewiesen, um ihren Herrschafts­ anspruch aufrechtzuerhalten. Das kanonische Recht setzte im Verlauf des 12. Jahrhunderts strengstens durch, dass Kleriker nicht an Prozessen teilnehmen d­ urften, bei denen es um Leben und Tod ging. Gleiches galt bei Turnieren und ­Duellen. Geist­liche Herren wie Bischöfe waren also auf welt­liche Vögte angewiesen, die in ihrem Namen Todesurteile vollzogen. Dies wurde im Kontext der anwachsenden Ketzerbewegungen und deren Bekämpfung immer notwendiger und war seit dem 13. Jahrhundert üb­lich. Folter war den geist­lichen Ketzerjägern erlaubt, die sich nach vollzogener pein­licher Befragung aber wechselseitig von ihren Vergehen lossprechen konnten. Die Päpste und Kleriker entsprachen damit den Schreibtischtätern von heute, die Personen hinrichten lassen, ohne sich die Hände schmutzig zu machen. In großem Stile taten die Stellvertreter Petri dies vor allem bei den „Kreuzzügen“ des Spätmittelalters, die sich immer häufiger gegen aufrührerische Untertanen richteten und nicht mehr die Ungläubigen im Visier hatten 527. Die Verknüpfung von kirch­licher Verurteilung mit welt­licher Acht zeigt sich auch im Mainzer Reichslandfrieden, den Kaiser Friedrich II. im August 1235 erlässt: Wer die K ­ irche schädigt und ex­­kommuniziert, verfällt automatisch der Reichsacht.528 Wie sehr dies die Kleriker belasten konnte, zeigen erneut die einschlägigen Stellen bei Gerhoch von Reichersberg. Er äußert eindring­liche Mahnungen an die Geist­lichen, sich von Krieg und Bluturteilen fernzuhalten; dies ist umso begreif­ licher, als Gerhoch ja die welt­lichen curiae von cruor herleitet 529. Er verdammt die Bischöfe, die zu Gerichte sitzen und im Falle eines Todesurteils sich kurz ent­fernen, um den Anschein zu erwecken, sie seien – getreu den kanonischen Ge­­setzen – an der Verhandlung nicht beteiligt 530. Auffallend ist allerdings, wie Gerhoch in sei 527 Vgl. Adalbert Erler: Artikel „Ecclesia non sitit sanguinem“, in: HRG 1. Auflage 1 (1971), Sp.  795 – 798. Günter Jerouschek, Artikel „Ecclesia non sitit sanguinem“, in: HRG 2. Auflage 1 (2008), Sp. 1174 – 1176. Zu den Kreuzzügen, die nach dem Fall von Akkon 1291 stattfanden, vgl. Housley: Later crusades. 528 MGH Const. 2, Nr. 196/196a, S. 241 – 263. Es handelt sich um den ersten Landfrieden, der sowohl in Latein als auch in Deutsch veröffent­licht wurde. 529 Siehe Anm. 227. 530 Gerhoch, Ex libro de edificio Dei, ed. Sackur, S. 179, Z. 7 f.: Sed ita se ab isto gladio tam terribiliter interdicto elongaverunt [die Apostel] suosque successores elongari voluerunt, ut sacris canonibus testentur episcopos effusores ac reos humani sanguinis, qui, quamvis legali, tamen saeculari, presumunt interesse iudicio sanguinis. Quondam enim si causa iudicialiter et saeculariter coram principe tractabatur, nullus catholicus episcopus tali se causae inserebat, quae per mortem vel membrorum mutilationem punienda erat, nisi forte post recte factum iudicium ad eripiendum inopem de manu fortiorum eius, sicut legitur fecisse beatus Nicolaus. Econtra moderni quidam episcopi causas mundanas cum regibus et principibus examinant,

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nem s­ päter geschriebenen Commentarius in psalmum LXIV von seinem früheren Rigorismus abrückt und mit der Frage ringt, ob Bischöfe und Priester sich nicht im Notfall an einem Krieg dennoch beteiligen dürfen. Er rät ihnen sogar, in Extremfällen mit einem Schleier der Entschuldigung (pallium excusationis) die schlimmsten Auswüchse zu bedecken, um nicht als Mörder dazustehen 531. Die Unsicherheit Gerhochs ergibt sich aus dem Widerspruch ­zwischen den Regeln

expeditiones ordinant; ubi non unius hominis, sed multorum, sanguis fundatur, ubi inopes de manu fortiorum eius non eripiantur: sed rustici et inopes miserabiliter affligantur, quando milites non utuntur consilio Iohannis, hoc militibus, si volunt salvari, consulentis, ut n­ eminem concutiant, neque calumpniam faciant, sed contenti sint stipendiis suis [Luk. 3,14]. Quid ergo miramur, quod gladium Dei a sanguine prohibent, qui per milites negotium rapinae, per p­ rincipes iudicium sanguinis exercent? Miserrimo excusationis pallio episcopi quidam utuntur, qui tractandis et examinandis causis intersunt. Sed in fine, quando ipsa iudicialis sententia datur, ad hoc se per momentum unius horae subtrahunt, ut sic videantur canonum scita servare, quae prohibent episcopos iudicio sanguinis interesse. Et etiam plerumque conantur sententiam ultionis avertere, quam ipsi prius studuerunt predictare. Das ­g leiche Verbot für die Priester, Blut zu vergießen, begegnet auch bei Gerhoch, De investigatione Antichristi, ­ irche, an Bluturteilen beteiligt zu sein, ed. Sackur, S. 344, Z. 14 f. Das Unbehagen der K widerspiegelt auch die Rede von Paschalis II., die Suger von Saint-Denis dem Papst für das Jahr 1107 in den Mund legt, vgl. Dendorfer: Wormser Konkordat, S. 310. 531 Gerhoch, Ex commentario in psalmos, ed. Sackur, S. 453, Z. 36 f.: Sed alia sunt iudicia et negocia, que spiritalis homo sedens in cathedra Moysi per semetipsum potest amministrare [Matth. 23,2], alia quae debet sensatis laicis committere, precipue quae spectant ad vindictam malefactorum, contra quos minister armatus et iudex cinctus non sine causa gladium portat, quem nemo debet sua presumptione accipere, ne gladium accipiens gladio pereat [1. Petr. 2,14; Rom. 13,4; Matth. 26,52]; sed aecclesiastica potestate ordinante secularem atque interdum frenante, interdum stimulante, sic per sanctos iudicentur nationes, ut ipsis iuste dominantibus munda sit manus et lingua sacerdotis a negotio sanguinis. Neque enim sanguis per iudicem cinctum, licet ab episcopo constitutum, fusus imputandus est episcopo, si tamen eidem iudici non sinit esse potestatem liberam seu violentiam contra iusticiam. Sic enim legimus a pontificibus Romanis quosdam regum seu principum pro inutilitate vel nequicia sua excommunicatos et destitutos, aliosque pro illis constitutos, ut hi quos provexerunt non solum ex instituto, sed etiam ex precepto eorum gladio vindice persequerentur hostes aecclesiae vel regni. Sane in talibus bellis movendis pro defensione patriae seu aecclesiae, sacerdotali quoque tuba cum principis edicto consonante, sic se lingua sacerdotalis debet cohibere, ne se videatur mortibus etiam hostium commiscere; […] [S. 454, Z. 31 f.]: Audiant haec episcopi, qui ultro et contra iusticiam plerumque bella movent, gwerras excitant et plerumque innocentes etiam personas truncari et morte tenus male tractari precipiunt officiumque militis et sacerdotis in una persona confundunt, comitis et pontificis dignitatem simul amministrant, hostibus non tyrannizantibus, verum ea quae pacis et gratiae sunt humiliter querentibus, gladios intentant et eos occidi vel truncari precipiunt: quos utinam vivos capi preciperent et a mortibus eorum sibi caverent! Qui si capi se non permittentes a militibus episcoporum occiderentur, qualicunque pallio excusationis verecunda patrum tegerentur [Gen. 9,23], ne homicidae viderentur. Einige Seiten

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einer christ­lichen Lebensführung und seinen persön­lichen Erfahrungen realer Gewalt, die eine Gegenwehr herausforderten. Bereits bei den Auseinandersetzungen nach 1076 ließ sich beobachten, dass die mittelalter­lichen Autoren versuchten, mit einer Reihe von dualen Metaphern – Sonne/ Mond, Zwei Schwerter, Zwei Säulen usf. – das Verhältnis z­ wischen sacerdotium und regnum zu erfassen. Der ­gleiche Vorgang lässt sich auch beim hier be­­sprochenen Problem der Strafverfolgung beobachten. Die bereits seit der Spätantike bekannte traditio curiae, die Überweisung straffälliger Geist­licher und Laien an die iudices saeculares, wird nun mit einem Körperbild veranschau­licht: Der geist­liche und der welt­liche Arm arbeiten zusammen 532. Im Lichte der vorangehenden D ­ iskussion von geminalen und dualen Prinzipien stellen wir fest, dass hier eigent­lich eine geminale Lösung gefunden wurde, denn der Dualis leitet sich ja von paarig vorhandenen Körperteilen ab 533. Während das Beispiel von Jakob und Esau keine Mög­lichkeit einer Zwillingslösung bot, so war dies wenigstens durch die Körpermetapher der beiden Arme mög­lich. Gratian erwähnt dementsprechend im zweiten Teil des Decretums den „welt­lichen Arm“, das brachium saeculare, als er die Bestrafung von Übeltätern, die Priester malträtieren, bespricht 534. Eine Durchsicht der mittellateinischen Wörterbücher europäischer Länder ergibt, dass sowohl im deutschsprachigen Raum 535, in Böhmen 536, in Jugoslawien 537,

s­ päter verurteilt Gerhoch aber wieder erneut die Teilnahme von Klerikern an Bluturteilen, vgl. ebd., S. 465, Z. 16 f. 532 Vgl. dazu den Überblick von R. ­L aprat in: Dictionnaire de droit canonique, Bd. 2, „Bras séculier, appel au“, Sp. 980 – 1060. Der brachium saeculare als Terminus technicus findet sich in Sp. 1023, Sp. 1041 f., Sp. 1046 f. Zur heiklen Abgrenzung ­zwischen kanonischem und welt­ lichem Recht vgl. Kéry: Gottesfurcht, S. 586 – 600, wo die Degradation von Klerikern und ausnahmsweise eine Auslieferung an den welt­lichen Arm behandelt wird. 533 Vgl. dazu Anm. 369. 534 Gratian, Decretum, C 17. 4. 23, ed. Friedberg, S. 821, 13: De presbiterorum flagellatoribus et occisoribus, predonibus, scilicet qui seculari brachio minime cohercentur, iuxta preceptum Domini placet fraterno amore conueniantur secundo ac tertio. Gratian zitiert aus einem Brief von Papst Nikolaus aus den Jahren 860 – 867. Beim Stand der Forschung muss offenbleiben, ob Gratian diesen Text aus dem Dekret Ivos von Chartres oder aus der 3-Bücher-­Sammlung übernahm, vgl. Peter Landau: Artikel „Gratian (von Bologna“, in: TRE 14 (1985), S. 124 – 130, insbes. S. 127; allgemein Georg May; Klaus Schlaich: Artikel „Kirchenrechtsquellen“, in: TRE 19 (1990), S. 1 – 151. 535 Frühe Belege stammen von 1206 (Brief von Papst Innozenz III. an Bischof Hugo von Ferrara betreffend das Bistum Trient, abgedruckt im Tiroler Urkundenbuch) und 1249 (Das Domkapitel von Speyer überlässt dem Kloster Maulbronn Pfarrerträgnisse propter disidium [sic] inter Romanam ecclesiam et brachium seculare, abgedruckt im Urkundenbuch zur Geschichte der Bischöfe zu Speyer), vgl. zu beiden Belegen Mittellateinisches Wörterbuch, Bd. 1, Sp. 1555. 536 Erstbeleg von 1248, vgl. Latinitatis Medii Aevi Lexicon Bohemorum, Bd. 1, S. 430. 537 Erstbeleg von 1314, vgl. Lexicon Latinitatis Medii Aevi Iugoslaviae, Bd. 1, S. 130.

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Papst und Kaiser: Zwei statt Zwillinge

in den Niederlanden 538, in England 539, in Dänemark 540, Ungarn 541 und Schweden 542 alle Belege für brachium saeculare frühestens aus dem 13. Jahrhundert stammen. Diese Arbeitsteilung wird auch in den Miniaturen visualisiert, ­welche die Handschriften des Decretums ergänzen, wobei diese Bilder besonders ins Auge fallen, da sie meistens am Anfang eines Codex stehen. Überraschenderweise wird im juristischen Kontext die Gleichrangigkeit der beiden Gewalten betont, denn meistens übergibt Christus mit der rechten Hand eine Mitra oder ein Buch und mit der linken – allerdings schlechteren – Hand eine Krone oder ein Schwert 543. Auch das gemeinsame Sitzen auf einem Thron, wie es das berühmte Bild im Sachsenspiegel zeigt, taucht in den Miniaturen zu Gratians Werk auf 544. Offensicht­lich sahen die Juristen des Kirchenrechts ein, dass sie auf die Mithilfe welt­licher Gewalten angewiesen waren. 538 Erstbeleg von 1284, vgl. Lexicon Latinitatis Nederlandicae Medii Aevi, Bd. 1, S. 151; der Beleg stammt aus dem Urkundenbuch von Utrecht. 539 Erstbeleg von 1235, vgl. Dictionary of Medieval Latin from British sources, Bd. 1, S. 212. 540 Erstbeleg von 1257, vgl. Lexicon Mediae Latinitatis Danicae, Bd. 2, S. 81. 541 Erstbeleg aus den Jahren 1208 – 1218; Zweitbelege aus einer Synode in Buda im Jahre 1279, vgl. Lexikon Latinitatis Medii Aevi Hungariae, Bd. 1, S. 355 f. 542 Erstbeleg von 1232, vgl. Glossarium mediae Latinitatis Sueciae, Bd. 1, S. 104. 543 Vgl. dazu Stickler, Verhältnis der beiden Gewalten, der allerdings darauf hinweist, dass der geist­liche Stand immer auf der rechten und somit besseren Seite von Christus sitzt (S. 358). Das Fazit überrascht aber dennoch (S. 357): „Es wird vor allem klar, daß in der zentralen Epoche der theoretischen Auseinandersetzung ­zwischen Sacerdotium und Imperium, d. h. vom 12. bis zum 15. Jahrhundert nicht nur die Mehrzahl der Buchmaler, sondern beinahe ihre Gesamtheit, was den Ursprung der beiden Gewalten angeht, entschieden dualistisch dachte. Trotz der Theorien, die sich um die verschiedenen Bilder und Ausdrucksformen der beiden Gewalten ranken wie etwa Gold und Blei, Sonne und Mond, die beiden Schwerter, trotz der kirch­lichen Dokumente wie Unam Sanctam, wo überall ein Abweichen vom alten Dualismus und ein Vormarsch, wenn nicht ein Sieg der hierokratischen Lehre des Ursprungs aller welt­ lichen Gewalt vom Papst gesehen wird, wissen die Miniaturen des Gratianischen Dekrets wenig von einer derartigen Auffassung zu berichten.“ 544 Zu den Abbildungen des Sachsenspiegels und seiner imperialen Tradition vgl. das Titelbild ­dieses Buches und die Abbildung 10. Beispiele aus Handschriften des Decretums finden sich bei Abbildung 11 und den Abbildungen 12a und 12b. Die beiden letztgenannten Abbildungen in einer Handschrift des Decretum Gratiani aus Bologna (Mitte des 14. Jahrhunderts) verdeutlichen noch einmal das Paradox: Visuell werden die Universalgewalten zuerst gleich behandelt, danach bleiben ihre Machtsphären aber deutlich getrennt, und letztlich geht das Recht von Petrus aus, dessen Stellvertreter auf Erden der Papst ist. Auf der ersten Miniatur zu Beginn des Decretum verleihen zwei Engel die Herrschaftszeichen der beiden Universalgewalten: Mitra und Krone. Hier lässt sich kein Unterschied erkennen. Die folgende Seite zeigt Papst und Kaiser nebeneinander auf einem Doppelthron, ähnlich wie das Bild aus dem Sachsenspiegel (vgl. Vorderseite dieses Buches). Ihre jeweilige Gefolgschaft teilt sich hingegen auf die linke und rechte Buchseite auf: Kleriker und Laien erhalten

Blutige Geschäfte für den weltlichen Arm

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Die Theologen hingegen hielten an einer strengen Hierarchie fest. Ein anonymer Traktat aus der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts fasst die Arbeitsteilung ­zwischen den beiden Armen knapp und mit drastischer Anschau­lichkeit zusammen: „Die ­Kirche wird näm­lich in zwei Teile aufgeteilt, den einen, der mit Gott im Himmel herrscht, und den anderen, der noch mit der Absicht zu obsiegen auf Erden kämpft. Jener Teil aber, der noch im Himmel zusammen mit Gott kämpft und herrscht, steigt und ergießt sich von ihm in drei Mal drei Hierarchiestufen herab. [Es folgen die himm­ lischen Hierarchiestufen gemäß Dionysios Aeropagita]. Jener Teil aber, der noch auf Erden herrscht und kämpft, wird in zwei Mal drei Hierarchiestufen auf­geteilt, die auf zwillingsmäßig zugeordneten Seiten (geminis lateribus) und vom Herrn Papst, der den Rang von König und Papst einnahm, unterschieden werden, dergestalt allerdings, dass die Schriftkundigen die rechte, die Laien die linke Seite einnehmen. Man muss aber zur Kenntnis nehmen, dass der unterste Rang der Schriftkundigen und Kleriker würdiger ist als der höchste Grad der Laien. So aber lautet die Rangfolge: Den ersten Rang hat der Herr Papst inne, von dem auf der rechten Seite die Patriarchen, Kardinäle und Erzpriester, die Erzbischöfe, Bischöfe, Priester, Diakone, Subdiakone, Diener – also die Exorzisten und die übrigen – abgesondert werden. Auf der linken Seite aber stehen an erster Stelle die Kaiser, die Könige, die Herzöge, dann die Konsuln, Fürsten und Barone, schließ­lich die Ritter und die Hirten, wie ja unter ‚Hirten‘ alle Handwerke begriffen werden. Um diese alle zu lenken und zu s­ chützen, wird der Papst mit Zwillings­aus­zeich­ nungen (geminis insignibus) verherr­licht; er wird auch durch Zwillingsschwerter (geminis gladiis) geschützt, näm­lich dem materiellen und dem geist­lichen Schwert. Da es aber schänd­lich ist, Diebe aufzuhängen, und weil die ­Kirche es verabscheut, Augen auszustechen und Füße abzuhacken und was sonst noch unter den Menschen geschieht, hat sie, um die Gerechtigkeit zu bewahren und das Band der mensch­ lichen Gesellschaft zu erhalten, das Szepter und das materielle Schwert den Kaisern und Königen verliehen, woraus sich klar ergibt, dass sie die Henker der K ­ irche sind. Für sich behielt er aber den Hirtenstab und das geist­liche Schwert, so dass der

die geistlichen oder die weltlichen Gesetzestexte. Über allem aber thront Petrus mit Schlüssel und Gesetzesbuch. Sein visueller Gegenpart ist der genau in der Mitte sitzende Schreiber im blauen Kleid, der mit gesenktem Kopf seiner Arbeit nach geht. Will er bewusst keinem der beiden Stände angehören? Zur Handschrift, deren Illustratoren derzeit mit „Maître de 1346“ und „l’Illustratore di Bologna“ identifiziert werden, vgl. Isabelle Jeger, Catalogue des manuscrits latins 1 – 250 de la Bibliothèque de Genève, Genève 2013, S. 286 f. (= http://doc.rero.ch/record/31283?ln=fr). Stickler, Verhältnis der beiden Gewalten, S. 348, schreibt die Miniatur dem Bologneser Buchmaler Niccolò zu, was heute nicht mehr geteilt wird.

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Papst und Kaiser: Zwei statt Zwillinge

Papst die Sorge um die Seelen, die Könige und Kaiser aber die Sorge um die Körper wahrnehmen.“545

5.3  Zweiheit trotz Sehnsucht nach Einheit: Das westeuropäische Spätmittelalter Das Wormser Konkordat als Verlegenheitslösung, mit der man sich in den folgenden Jahrhunderten arrangierte, führte in Westeuropa zu einer Gesellschaft, an deren Spitze bis zum Beginn der Moderne die drei Stände standen. Dabei hob sich der Klerus scharf von den beiden Laienständen ab, wie es sich aus dem Streit ­zwischen sacerdotium und regnum ergeben hatte. Vorerst betraf dies im Spätmittelalter allerdings nur einen Teil der Christianitas. Der Vergleich mit dem Oströmischen Reich zeigt, dass die Auseinandersetzungen ­zwischen Papst und Kaiser ein Konflikt waren, der sich auf das damalige Westeuropa, genauer: das Weströmische Reich beschränkte. In Byzanz taugte Canossa bloß zur Parodie. Für die griechischen Schriftsteller verhielt sich Heinrich IV. einfach lächer­ lich, denn der oströmische Kaiser ließ sich zwar von Kirchenfürsten sehr wohl tadeln

545 Vgl. dazu Dahan: Tractatus quidam: Der Text enthält philosophische Ansichten, die sowohl der Kathedralschule von Chartres als auch der Schule von Saint-­Victor in Paris zugeschrieben werden können. Er scheint für den Schulgebrauch geschrieben worden zu sein (S. 179) und reflektiert somit weit verbreitete Ansichten; die zitierte Passage findet sich auf S. 193: Diuiditur namque Ecclesia in duas partes, in eam que cum Deo in celis regnat et in eam que adhuc triumphatura in terris militat. Illa uero que in celis adhuc cum deo militat, regnat, ab ipso in terternas descendit et defluit gerarchias: [Es folgen die himm­lischen Hierarchiestufen gemäß Dionysios Aeropagita]. Illa autem que in terris adhuc regnatura dimicat, in biternas gerarchias diuiditur, que geminis lateribus et a domino papa locum, qui rex fuit et sacerdos, optinente dirimantur, ita tamen quod litterati dextrum, laici sinistrum latus teneant. Et sciendum quod infimus gradus litteratorum et clericorum dignior est supremo gradu laicorum. Sic autem descendunt: primum locum tenet dominus papa, a quo dextro latere dimittuntur patriarche, cardinales et primates, archiepiscopi, episcopi, sacerdotes, diaconi, subdiaconi, acoliti, ut in his exorchiste et ceteri intelligantur. Sinistro autem latere primo loco imperatores, reges, duces, demum consules, principes et barones, demum milites et pastores, sic ut in pastoribus omnes artifices intelligantur. Ad hos omnes regendos, protegendos geminis decoratur insignibus; geminis etiam gladiis munitur, materiali scilicet et spirituali gladio. Sed, quoniam turpe est suspendere latrones et Ecclesia abhorret exoculare et truncare pedes et cetera que fiunt inter homines, ad conseruandam iustitiam et ad retinendum uinculum humane societatis, sceptrum et materialem gladium imperatoribus, regibus tribuit, unde patet ipsos esse carnifices Ecclesiae. Sibi autem uirgam pastoralem et spiritualem gladium retinuit, ut sic curam animarum, reges uero et imperatores gererent corporum.

Das westeuropäische Spätmittelalter

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und tat auch Buße, aber er war nie bereit, seine Macht zu teilen. Die Unlösbarkeit des Konflikts im Westen brachte hingegen eine Dynamik mit sich, die Marie Theres Fögen eindring­lich beschreibt: „Die Ausdifferenzierung von Kaiser und K ­ irche, von Politik und Religion wurde ein intensiver, säkularer Prozess der gegenseitigen Behinderung und Irritation, der eben dadurch hochproduktiv und erfindungsreich war.“ Die Zweischwerterlehre – vor allem auch das Konzept des geist­lichen und welt­lichen Arms – führt zu „Zweischneidigkeit und Doppeldeutigkeit, Spannung und Konflikt. Doch Doppelungen sind gleichzeitig kreativ, sind Einheit und Differenz, sind […] Grundlage anschließender Unterscheidungen und damit verstärkter Chancen für Evolution. Die zwei Schwerter hatten über Jahrhunderte ebendiese Eigenschaften: für Unruhe, Eruptionen, neue Finten der Stabilisierung und immer wieder a­ nschließende Variation mit neuen Differenzen zu sorgen. […] Das byzantinische politische System verweigerte klare Doppelungen und harte Spaltungen, hielt Konflikte latent und führte sie von Mal zu Mal in die Einheit des einen Herrschers und des einen Schwertes, das ein einziger Gott einem einzigen Menschen verliehen hat, zurück.“546 Dieses monistische System in Byzanz unterschied sich völlig von den Ent­wicklungen im Reich und in den westeuropäischen Königreichen wie Frankreich sowie England. So war im regnum Teutonicum die byzantinische Rückführung auf das eine Schwert in der Hand eines einzigen Herrschers nach den geschilderten Ereignissen nicht mehr mög­lich. Die Königswahl hatte bereits seit der Aufgliederung des Karolingerreiches im 9. und 10. Jahrhundert eine „reichkonstitutive Wirkung. Sie eint geradezu die Großen der ‚Stämme‘ zum ‚Reich‘.“547 Die Ereignisse von 1076/1077 und die spätere Absetzung Kaiser Heinrichs IV. im Jahre 1105/1106 verstärkten die Entwicklung derart, dass die Nachfolge auf dem König- und Kaiserthron nun grundsätz­lich durch eine Wahl geregelt wurde 548. Die Herrscherfamilie konnte sich nicht auf eine persön­liche Tradition berufen, sondern sie war abhängig von der Zustimmung durch die Großen des Reichs. Wenn also der Kaiser an Einfluss verlor, so stärkte dies im Gegenzug die übrigen Fürsten, die sich nun als Garanten des Reichs sahen und im Papsttum eine Stütze fanden 549. Der Kaiser wurde immer mehr zu einem Treuhänder, zu einem Verwalter des Reichs

546 Fögen: Canossa, S. 215. 547 Fried: Formierung Europas, S. 77. 548 Zur Entwicklung des Wahlprinzips nach der Versammlung in Forchheim 1077 vgl. Hartmann: Investiturstreit, S.  91 f.; Weinfurter: Ende Heinrichs IV., S.  345 f., S.  350 ff.; ders.: Ordnungs­ wandel, S. 20 f.; Muylkens: Gegenkönige. 549 Zur „neuen Wertigkeit“ der Beziehungen z­ wischen Adel und K ­ irche vgl. Zotz: Situation des Adels, S. 348 – 350. Mit der Mög­lichkeit, an den Papst zu appellieren, verstärkten die Fürsten eine Tradition aus der Karolingerzeit; vgl. dazu Fried, Laienadel und Papst, S. 376 – 379.

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auf Lebenszeit 550. Von einer grundlegenden „Entsakralisierung“ des Königtums im regnum Teutonicum wird heute allerdings nicht mehr ausgegangen. Zwar kam es zu einer Krise der sakral legitimierten Königsherrschaft, aber die Gottesnähe des Königs blieb erhalten 551. Seine Aufgabe wurde nun aber stärker als Amt angesehen, während im Gegenzug „die Figur des Kaisers unter den europäischen Königen gleichsam aufging“552. Trotz des Wormser Konkordats blieb aber das Verhältnis z­ wischen den Päpsten und den staufischen Kaisern konfliktbeladen. Von einer „Einheit der west­lichen Christenheit unter Kaiser und Papst“553 konnte nur vorübergehend und im Verlauf des Spätmittelalters immer seltener die Rede sein 554. Wie sehr die Großen des Reichs hingegen an Macht gewonnen hatten, lässt sich an einem regelrechten Bauboom ablesen: An die Stelle der früheren Holztürme traten steinerne Wohntürme, die den adligen Anspruch auf Herrschaft sichtbar re­­ präsentierten 555. Die adlige Herrschaft wurde „verdichtet und verört­licht“, und zwar

550 Dendorfer: König und Fürsten in der späten Salierzeit. Zur Stärkung des Adels vgl. auch Zotz: Situation des Adels, S. 345 f. 551 Erkens: Krise sakral legitimierter Königsherrschaft, S. 101: Man kann „nicht von einem Misserfolg der Behauptung der herrscher­lichen Sakralität durch die späten Salier, Staufer und deren Nachfolger sprechen“. Im gleichen Sinne Tellenbach: West­liche ­Kirche, S. 269; Borgolte: Die mittelalter­liche ­Kirche, S. 23. Vgl. zur Entsakralisierungsthese in der Forschung Hartmann: Investiturstreit, S.  90 f.; S.  101 – 103. Körntgen: Sakrales Königtum, S. 129 f., weist darauf hin, dass es außerhalb des Reichs zu einer zunehmenden Sakralisierung des Königtums kommt, vor allem im franzö­sischen Königreich („les rois thaumaturges“). 552 Hehl: König, S. 16 – 26, weist nach, dass das Ergebnis der Auseinandersetzungen weniger eine Entsakralisierung bedeutete, sondern dass fortan die Aufgaben von Bischof und König als Amt verstanden wurden. 553 Mierau: Kaiser und Papst, S. 249. 554 Vgl. bei Mierau: Kaiser und Papst, die Passagen, die dem Ideal der Bipolarität diametral widersprechen, S. 207: „Nichts […] scheint schwieriger zu sein als die Anerkennung eines Zustandes der Gleichrangigkeit. Wie eine Waage schwankte unter dem Einwurf von immer neuen Gewichten mit den Waagschalen päpst­licher und kaiser­licher Gewalt auch das Reich. Die ausgeg­lichene Stagnation der Gewichte, die anfangs als Ideal aufgefasst wurde, wurde zum Problem der Verfassungsrealität und zum Streitpunkt der politischen Theorie.“ S. 259: „Die Anerkennung des höheren Ranges geist­licher Entscheidung innerhalb der auf den Gottesstaat strebenden Gesellschaft führte zur Selbstbegrenzung der welt­lichen Macht und zur Bindung der Mächtigen an christ­liche Werte. Letzt­lich handelte es sich um eine Selbstbeschränkung in Ehrfurcht vor Gott und dem Jüngsten Gericht. Bischöfe und Päpste sollten den Kaisern helfen, wenn ihnen die gött­liche Gnade fehlte, wenn also gött­liche ­­Zeichen nahe legten, dass Umkehr geboten schien.“; S. 261: „Mit den sich im Streit gegenseitig behindernden ­Hierarchieund Machtstrukturen musste jede Generation der Kaiser und Päpste neu fertig werden.“ 555 Böhme: Burgenbau der Salierzeit. Ausführ­licher Böhme: Anfänge adligen Burgenbaus, wo einerseits nachgewiesen wird, dass bereits um 1000 nach Christus der Burgenbau intensiviert

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mit den Komponenten „Herrschaftszentrum, Raumerfassung durch Burgenbau und Gründung von Städten“556. Besonders deut­lich zeigte sich der Machtgewinn erwartungsgemäß bei den Reichsbischöfen. Sie sahen sich – wie das römische Oberhaupt – als Nachfolger des Heiligen Petrus und kreierten neue Siegel. Diese zeigen den Bischof, wie er auf einem Thron sitzt und den Bischofsstab in der einen, das Evangelium in der andern Hand trägt. Diese neuen Bischofsiegel sollten einen geist­lichen Würdenträger mit großer Macht repräsentieren. Parallel begannen die Bischöfe, ihre Diözesen straff zu verwalten; der König durfte ihnen bei ihrer Amtsführung nicht mehr hineinreden 557. Die ­Kirche hatte ihre Oberherrschaft behaupten können. Für das 12. Jahrhundert lässt sich deshalb zusammenfassend sagen: „So kam es, dass nicht das römische Kaisertum, sondern das Papsttum zur einzigen allgemein anerkannten Institution im abendländischen Hochmittelalter wurde.“558 Zwangsläufig geriet damit das Papsttum auch mit den anderen welt­lichen Herrschern in Konflikt. Was bedeutete dies für den König von Frankreich und von England? Die Könige von Frankreich hatten sich seit dem Anfang der Auseinandersetzung ­zwischen Papst und Kaiser mit dem Heiligen Stuhl geschickt arrangiert, und die guten Beziehungen setzten sich auch im 12. Jahrhundert fort: Das franzö­sische Königreich blieb la „fille aînée de l’Église“559, bis die franzö­sischen Könige das Papsttum in ihre Kontrolle bekamen und den Heiligen Stuhl zu Beginn des 14. Jahrhunderts nach Avignon verlegen ließen 560. Im Falle der eng­lischen Könige kam es in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts hingegen zu dramatischen Auseinandersetzungen. Zwar schloss König Heinrich I. bereits im Jahre 1107 ein Konkordat mit der ­Kirche, worin er auf die Investitur mit wurde; die Salierzeit brachte dagegen eine „Monumentalisierung“ des Burgenbaus, insbesondere aufgrund der Steinbautechnik. Weitere Hinweise bei Hartmann: Investiturstreit, S. 105. 556 Zotz: Situation des Adels, S. 350 – 355. 557 Seibert: Bischöfe als Häupter der Ordnung. Zur erstarkten Stellung der Bischöfe vgl. auch Dilcher: Deutsche Bischofsstadt; Weinfurter: Heinrich IV. und die Bischöfe, S. 415 f.; ders.: Canossa – Entzauberung der Welt, S. 132 f.; ders.: Bischof und Reich. Die Aus­ richtung der Mainzer Erzbischöfe auf Rom und die damit verbundene Zentralisierung weist Burkhardt: Mainzer Erzbischöfe, nach. 558 Schieffer: Reformpapsttum seit 1046, S. 108. Vgl. auch Becker: Das 12. Jahrhundert als Epoche der Papstgeschichte, S. 321: Im 12. Jahrhundert „kehrt sich die aus dem früheren Mittel­alter überkommene Gesellschaftskonzeption im okzidentalen Europa um: Nicht mehr der Kaiser erscheint als Haupt und als der Verteidiger der Christenheit, sondern der Papst.“ Die Kontinuität des Papsttums hing auch nicht von dynastischen Unwägbarkeiten wie bei den welt­lichen Herrschern ab; einzig Gegenpäpste konnten zeitweilig den Primat Roms in Frage stellen. 559 Siehe Anm. 78. 560 Siehe Anm. 565.

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Ring und Stab verzichtete 561. Im Gegenzug mussten die geist­lichen Würdenträger aber vor ihrer Weihe einen Lehenseid für das Kirchengut leisten. Das Verhältnis blieb aber gespannt, und die wachsende Entfernung und entschiedene Grenzziehung ­zwischen geist­lichem und welt­lichem Herrschaftsbereich lassen sich am Beispiel der Briefsammlungen beobachten, ­welche die vier Erzbischöfe von Canterbury im Zeitraum von 1070 – 1170 hinterließen. Von Lanfranc über Anselm und Theobald bis Th ­ omas Becket verschärft sich der Ton deut­lich und erreicht einen eigent­lichen Höhepunkt unter dem Letztgenannten, der bekannt­lich seine störrische Haltung mit dem Tod bezahlte. Die Briefsammlung Beckets „hebt sich in ganz wesent­lichen Punkten von den Briefsammlungen seiner Amtsvorgänger ab“. Das zeigt sich vor allem bei ­seiner Verwendung von Bibelzitaten. „Anders als seine Vorgänger hat er auch ausge­ sprochene Lieblingsstellen aus dem Alten Testament, allen voran aus Ezechiel. Die dort e­ ntlehnten Bilder sind blutig, teilweise auch blutrünstig und wirken bedroh­lich. Manchmal geht auch der ursprüng­liche Sinnzusammenhang verloren, und es bleibt nur noch die visuelle Drastik übrig.“562 Der Vergleich der vier Briefsammlungen zeigt überdies, wie das Decretum Gratiani langsam rezipiert wurde und schließ­lich gegen den König eingesetzt werden konnte. Die juristische Verankerung der Papstkirche diente nun auch in England dazu, dem Priestertum eine Sonderstellung zu garantieren 563. Die Ermordung Beckets konnte von Heinrich II. nur mit einer umfassenden Bußleistung gesühnt werden, und im Abkommen von Avranches 1172 musste er die geist­liche Jurisdiktion über den Klerus freigeben. Mit Innozenz III. (1198 – 1216) stand das Papsttum, das seinen institutionellen Vorsprung ausgebaut hatte, auf dem Gipfel seiner Macht. Mit dem IV. ­Laterankonzil hatte es 1215 die plenitudo potestatis erreicht; bezeichnenderweise wird um 1200 das Papsttum auch in muslimisch-­arabischen Quellen als geistige und welt­liche Führungsmacht wahrgenommen 564. Knapp 100 Jahre ­später veröffent­lichte Papst Bonifaz VIII. (1294 – 1303) am 18. November 1302 die Bulle Unam sanctam, die den absoluten Herrschaftsanspruch der ­Kirche vertrat. Weniger als ein Jahr ­später erfolgte der jähe Sturz, und Bonifaz VIII. war Gefangener des franzö­sischen Königs 565. Der

5 61 Vollrath, England und die Päpste, S. 243 f. 562 Zingg: Briefsammlungen Canterbury, S. 245; vgl. zur Gesamtentwicklung auch die Schlussfolgerungen ebd., S. 292 – 298. 563 Zum Einsatz von Gratians Werk in Konflikten mit welt­lichen Herrschern seit Erzbischof Theobald (reg. 1138 – 1161) vgl. Zingg: Briefsammlungen Canterbury, S. 259 – 254. 564 Vgl. dazu Oesterle, Kalifat und Königtum, S. 47 – 64; Beihammer: Römische K ­ irche und Papsttum. 565 Vgl. zum Herrschaftskonzept von Bonifaz VIII. und seinem anschließenden Fall Johrendt/ Müller (Hg.): Rom und die Regionen, S. 2: „Verkürzt ausgedrückt war der Papst nicht nur ein ideeller Bezugspunkt für die ­Kirchen, sondern die Ausrichtung an ihm und der Gehorsam

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Niedergang des ehemals mächtigen Papsttums setzte sich fort. Es folgte die Zeit des päpst­lichen Exils in Avignon, das Große Abendländische Schisma, die halbfertige Erneuerung der ­Kirche dank der Reformkonzilien, schließ­lich die Rückkehr der Stellvertreter Petri nach Rom. Die berühmte und umstrittene „Krise des 14. Jahrhunderts“ wird heute nicht mehr bloß mit dem Schwarzen Tod und den damit verbundenen wirtschaft­lichen Verwerfungen erklärt, sondern vor allem als Wegfall jeg­licher religiöser und somit auch emotionaler Sicherheit gedeutet. Heribert Müller diagnostiziert deshalb mit guten Gründen eine „kirch­liche Krise des Spätmittelalters“566. Selbst als der Heilige Stuhl wieder in die Ewige Stadt zurückgekehrt war, konnte nicht mehr an die Situation des IV. ­Laterankonzils angeknüpft werden. Die Päpste des 15. und 16. Jahrhunderts entsprachen in keiner Weise mehr dem Idealbild der hochmittelalter­ lichen Kirchenreformer. Sie herrschten über einen gut organisierten Staat und führten mit Hilfe ihrer Heere das Schwert, gleich wie ihre welt­lichen Herrscherkollegen 567. Päpste, Kaiser, Könige und Fürsten ließen eine buntscheckige westeuropäische Staatenwelt entstehen, die bis 1453 in einem diametralen Gegensatz zum immer noch bestehenden oströmischen Reich stand. Dennoch blieb der Traum von einer einheit­lichen Oberherrschaft weiterhin be­­ stehen. Am eindrück­lichsten zeigt dies ein Plan Maximilians I., des letzten Reichsoberhaupts vor der Reformation. Im Jahre 1511 erwog er ernsthaft, die Nachfolge des plötz­lich erkrankten Julius II. anzutreten und Tiara sowie Kaiserkrone in einer Person zu vereinen. So schrieb er am 16. September 1511 an den Marschall des ­Tiroler Regiments, Paul von Liechtenstein, einen langen Brief, worin er seine Papstwahlpläne darlegte: Nun finden wir in uns selbs, auch in grund also ist, uns nicht bil­lichers höhers oder pessers zu zusteen, als berüert bapstumb zu überkhomen 568. Zwei Tage ­später äußerte er sich im scherzhaften Ton gegenüber seiner Tochter, sie müsse ihn, falls er Papst geworden sei, nach seinem Tode als Heiligen verehren. Die ältere Forschung sah darin ein Hirngespinst, aber Hermann Wiesflecker konnte nachweisen, dass es

ihm gegenüber war von allen Gläubigen gefordert. In dieser Engführung waren das persön­liche Seelen­heil und die Unterordnung unter den Papst zwei Seiten derselben Medaille – ein unerhörter Anspruch, der das Papsttum und das Ausmaß der von ihm beanspruchten Kompetenzen in neue Höhen zu heben schien.“ Das Attentat von Anagni zeigte, „dass er mit der Bulle ‚Unam sanctam‘ ledig­lich einen Anspruch formuliert hatte, dessen Umsetzung jedoch nicht automatisch und konsequent erfolgte, der vielmehr auch Widerspruch und Widerstand hervorrief “. Zur Selbstdarstellung von Bonifaz VII., auch mittels Kunstwerken, vgl. Schimmelpfennig: Bonifaz VIII. 566 Zur Krisendiskussion und zur eigent­lichen Krise der ­Kirche vgl. Müller: Kirch­liche Krise, S.  1 – 5. 567 Frenz: Das Papsttum im Mittelalter, S. 97 – 103; Borgolte: Die mittelalter­liche K ­ irche, S. 47; zum 15. Jahrhundert vgl. Schimmelpfennig: Papst als Territorialherr. 568 Vgl. zum Folgenden Wiesflecker: Neue Beiträge; das Zitat S. 330.

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Maximilian I. durchaus ernst war. Wie so häufig in seinem Falle waren finanzielle Begehr­lichkeiten die Auslöser ­dieses Plans, aber ähn­liche Absichten waren bereits früher am Hof des Habsburgers aufgetaucht. Hinzu kam das nicht allzu weit zurückliegende Beispiel des Felix’ V., der als ehemaliger Herzog von Savoyen vom Basler Konzil 1439 zum Gegenpapst gewählt worden war und sogar zusammen mit seinen Söhnen seine erste Messe zelebrierte 569. Zeitgenös­sische Prophezeihungen, wie sie die Reformatio ­Sigismundi dokumentiert, erwarteten überdies einen Priesterkaiser, der an die Spitze der gesamten Christenheit treten werde. Das diplomatische Ränkespiel während der italienischen Kriege ließ diesen Plan Maximilians erwartungsgemäß scheitern. Dennoch zeigt er, dass das ungelöste Problem, wie denn das Verhältnis von sacerdotium und regnum in einer höheren Einheit aufzuheben sei, weiterhin die Menschen beschäftigte. Nach dem Tode Maximilians I. verschärfte die Reformation den Gegensatz von geist­licher und welt­licher Gewalt und führte zum endgültigen Bruch. Die Fürsten im Reich bestimmten nun als „Notbischöfe“ sowohl das religiöse als auch das welt­ liche Leben ihrer Untertanen. Sie trieben den Prozess der Säkularisierung voran und legten die Grundlagen für jenes Gebilde, für das Westeuropa seitdem steht: Den säkularen Staat.

569 Zu Felix V. vgl. jetzt Giessmann: Felix V.

6.  Der Westen und die globale Gegenwart: Die Wiederentdeckung der Zwillingsspur? Am Anfang ­dieses Buches wurde die Frage aufgeworfen, wie die Geschichte Europas im 11. und 12. Jahrhundert charakterisiert werden könnte. Der Vorstellung einer eigent­lichen Revolution steht dabei die gemäßigte Version eines langsamen, aber tiefgreifenden Wandels gegenüber. Übereinstimmung findet sich allerdings im Punkt, dass die religiösen Massenbewegungen ein neues Phänomen darstellen. Sie begleiten und steigern den Konflikt ­zwischen sacerdotium und regnum. Offensicht­lich ließen sich diese Auseinandersetzungen nicht mit bisher gültigen Vorstellungen und Argumenten lösen, und die scharfe Trennung der spiritualia von den temporalia ließ eine Gesellschaftsformation entstehen, die für das mittelalter­liche Europa neu war: Innerhalb von Europa entstand nun der „Westen“, der sich seit dem 16. Jahrhundert auch über den Atlantik nach Amerika zu erstrecken begann, wie dies Heinrich August Winkler aus der Sicht der neuzeit­lichen Historiographie konstatiert 570. Das Papsttum hatte nicht nur den Bruch mit der Ostkirche vollzogen, sondern sich auch von den welt­lichen Herrschern distanziert 571. „Die Unterscheidung ­zwischen geist­licher und welt­licher Gewalt erscheint im historischen Rückblick als Keimzelle der Gewaltenteilung überhaupt, als Freisetzung von Kräften, die sich erst durch diese Trennung voll entfalten und weiter ausdifferenzieren konnten. […] Wäre eine der beiden Seiten als Sieger aus dem fast fünfzig Jahre währenden Investiturstreit hervorgegangen, die europäische Geschichte hätte einen anderen Verlauf genommen. Aus einem vollständigen Sieg des Papsttums konnte nur eine Theokratie, aus einem Sieg des Königtums nur ein Staatskirchentum byzantinischer oder anderer Prägung erwachsen. Der historische Kompromiss aber, mit dem der Konflikt endete, setzte die Kräfte frei, die Europa und den Westen dauerhaft prägen sollten. Die Trennung von geist­licher und welt­licher Gewalt führte zur Herausbildung von zwei unterschied­lichen Rechtssystemen […]. Rationalisierung, Verwissenschaft­lichung, Professionalisierung: die Trennung von

5 70 Zur Begriffsgeschichte des „Westens“ vgl. Winkler: Geschichte des Westens, Bd. 1, S. 17 – 24. 571 Winkler: Geschichte des Westens, Bd. 1, S. 20: „Im Bereich der Ostkirche fehlte der Dua­lismus ­zwischen Papst und Kaiser beziehungsweise König; die geist­liche Gewalt blieb der welt­lichen untergeordnet“; zur unaufhebbaren Spaltung ­zwischen Rom und Byzanz vgl. ebd., S. 53 f. Im gleichen Sinne auch Müller-­Mertens, Imperium und Regnum, S. 593: „Die gegen- und wechselseitige Beziehung von Papsttum und Kaisertum und mit ihr das Imperium drücken, in Parenthese gesagt, ein eigenes und charakteristisches Grundverhältnis Lateineuropas, des Okzidents oder des Abendlandes aus. Anders als in der griechisch-­orthodoxen und der islamisch-­arabischen Welt bestand, modern gesprochen, ein Nebeneinander von ­Kirche und Staat.“

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Der Westen und die globale Gegenwart

geist­licher und welt­licher Gewalt war eine der Bedingungen für alles, was es seit dem 11. Jahrhundert im Okzident als Fortschritt gab. Bis zur modernen Gewaltenteilung, der Trennung von gesetzgebender, ausführender und rechtsprechender Gewalt, war es zwar noch ein weiter Weg. Aber ohne die Urform der Gewaltenteilung, wie sie beim Ausgang des Investiturstreits vereinbart wurde, wäre die spätere Ausdifferenzierung der politischen Sphäre nicht vorstellbar gewesen. Die Säkularisierung, von der das Mittelalter noch weit entfernt war, wurde erst mög­lich, nachdem der Herrschaftsbereich des Papstes von dem des Kaisers oder Königs abgehoben und Macht durch Gegenmacht vertrag­lich begrenzt war. […] Der Dualismus z­ wischen geist­licher und welt­licher Gewalt, der für den Okzident bestimmend blieb, war im Ansatz bereits ein Pluralismus: die Voraussetzung dafür, dass sich Widerspruch entfalten und den Gang der Entwicklung beeinflussen konnte.“572 Dabei handelte es sich aus globalgeschicht­licher Perspektive vorerst um ein Randphänomen, denn das damalige Westeuropa befand sich am Rand der Ökumene 573. Erst in der Folgezeit entwickelte dieser Dualismus seine besondere Dy­­ namik und prägte zukünftig Westeuropa und den Westen insgesamt: Die Diastase von geist­lichem und welt­lichem Bereich ließ sich auch jetzt nicht mehr in einem Bild zwillings­mäßiger Herrschaft aufheben. Winkler sieht darin eine Bedingung für den „Fortschritt“ des Westens. Ob diese unterschwellig positive Wertung zutrifft, der ein teleolo­gisches Geschichtsverständnis zugrunde liegt, sei hier ausdrück­lich dahingestellt. Derzeit beobachten wir dagegen, dass der Westen seine Vormachtstellung einbüßt und in einer globalen Welt seinen Platz finden muss. Diese wäre der Moment, um sich auf ein Zwillingsmodell zu besinnen, das die Partnerschaft in den Vordergrund stellt und die gemeinsame Herkunft aller Menschen im Auge behält. Eine wichtige Rolle bei d ­ iesem tiefgreifenden Wandel können die Gesellschaftswissenschaften spielen. 572 Winkler: Geschichte des Westens, Bd. 1, S. 20, S. 57, S. 61. Maier: Canossa heute, S. 626 deutet diese Entwicklung positiv: „Es war wohl für viele neu und ungewohnt, dass nun in der einen Christenheit zwei recht­lich selbständige Gebilde, ­Kirche und Staat, existierten – Gebilde, die miteinander rivalisieren und kämpfen, aber auch verhandeln und Verträge schließen konnten. In den Konkordaten von Westminster und Troyes (1107) und im Wormser Konkordat von 1122 – den ersten Konkordaten der Weltgeschichte überhaupt – wurde ein Modell erprobt, das sich von da an für Jahrhunderte behaupten und bewähren sollte: Staat und K ­ irche im Verhältnis des Vertrags, auf gleicher Höhe miteinander sprechend und verhandelnd, gemeinsame Probleme in ‚gemischten Zonen‘ schied­lich-­fried­lich regelnd, beiderseits grundsätz­lich auf Vereinnahmung verzichtend. Das war in vieler Hinsicht neu. Es war eine zukunftsträchtige Form der Freiheit und des Ausgleichs.“ Diese harmonische Sicht ist nur mög­lich, wenn mit einem Weiterbestehen religiöser Grundüberzeugungen gerechnet wird, vgl. ebd.: „Der Gehorsam von Christen gegenüber den staat­lichen Gewalten ist von Anfang an eingebettet in eine fundamentale Reduktion welt­licher Macht. […] Der zur Eigenständigkeit befreiten Welt steht die ­Kirche als Hüterin des Gottesgedächtnisses gegenüber. […] Künftig bildet der Gottesbezug den großen Vorbehalt, die absolute Grenze für das mensch­liche Handeln schlechthin.“ 573 Borgolte: Mittelalter in der größeren Welt, S. 47 – 49.

Die Wiederentdeckung der Zwillingsspur?

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Sie sollten ihn erklärend begleiten und eine kulturanthropolo­gische Perspektive entwickeln, die auch eine historische Dimension enthält. Selbstverständ­lich geht es nicht darum, nach dem „linguistic turn“, dem „iconic turn“ und dem „spatial turn“ nun auch einen „twin turn“ in den Gesellschaftswissenschaften einzuläuten und eine neue Geschichte sub specie gemellitatis zu schreiben.574 Für die Forschung wäre es in Zukunft aber sicher reizvoll, die Frage „Wie hältst du es mit den Zwillingen?“ an die verschiedenen Kulturen in der Vergangenheit und in der Gegenwart zu stellen. So wäre zu untersuchen, wie die andere große monotheistische Religion – der Islam – das Zwillingsphänomen im Verlauf seiner Geschichte behandelt 575. Im Europa und Amerika der Gegenwart werden Zwillinge zweifellos nicht mehr als etwas Fragwürdiges und Besonderes gesehen, wie der Erfolg von berühmten Paaren wie den Kessler-­Zwillingen zeigt. Würde aber ein Paar seine Zwillingssöhne auf die Namen Jakob und Esau taufen? Hinzu kommt, dass ein latentes Unbehagen gegenüber dem ­Phänomen des Doppelgängertums bestehen bleibt, denn der Westen hebt die Individualität hervor und fühlt sich in seiner Sorge um Identität bedroht, insbesondere bei eineiigen Zwillingen 576. Für die west­liche Gesellschaft ist das Paar der Idealfall: „Le couple avec ses fluctuations et sa diversité, le double, cette expérience propre à notre espèce, cette distance à soi-­même qui nous fait objet et sujet […]“. Dagegen verunsichern Z ­ willinge weiterhin: „Ce même individu en deux exemplaires est une mise en question de la singularité de tout être, de mon être, une offense à ma propre identité. Qui suis-­je? Est-­il supportable, est-­il imaginable qu’un autre puisse être pareil à moi, totalement? C’est un défi à ma conviction d’être unique, d’être moi.“577 Das Motiv des Doppelgängertums – das Wort „Doppeltgänger [sic]“ wird 1796 von Jean Paul geprägt – beherrscht auch die Literatur der Moderne, wobei die düsteren Aspekte überwiegen 578. Dazu passt, dass west­liche Psychologen davon abraten, eineiige Zwillinge durch gemeinsame Kleidung hervorzuheben, denn dies könnte die individuelle Entwicklung stören. Ähn­lich argumentierte auch noch das katho­lische Lexikon für Theologie und ­Kirche (Ausgabe von 1965), wo unter dem Stichwort „Zwillinge“ zu lesen ist: „Mehrlingsschwangerschaften widersprechen dem in der Humanontogenese implizierten Dialogverhältnis M ­ utter : Kind und weichen so vom Trend der geistpersonalen Hominisation ab.“579 Trotz aller Freude an Zwillingen bleibt also immer noch ein Rest von Ambivalenz in den west­lichen Gesellschaften übrig. 5 74 Zu den „turns“ in den Kulturwissenschaften vgl. Bachmann-­Medick, Cultural turns. 575 Zum Verschwinden der Zwillingsverehrung in Mali unter dem Einfluß des Islams siehe Anm. 447. 576 Vgl. dazu Vidal: Jumeaux et la psychologie, S. 70 – 72; Gros: Inclassables jumeaux, S. 47. 577 Zazzo: Le paradoxe des jumeaux, S. 82 f. 578 Zum Motiv des Doppelgängers vgl. Frenzel: Motive der Weltliteratur, S. 94 – 113; für Z ­ willinge in der neueren Literatur sei auf Frey: Zwillinge und Zwillingsmythen, verwiesen. 579 Vgl. Ekkart Sauser; Miran Vodopivec: Artikel „Zwillinge, Mehrlinge“, in: LThK 2. Auflage 10 (1965), Sp. 1432. Das negative Urteil wird mit der Kritik an Fruchtbarkeitsbehandlungen verknüpft.

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Die Kenntnis außereuropäischer Umgangsweisen mit Zwillingen lehrt uns ein völlig anderes Verhalten, wie Philip M. Peek in Bezug auf afrikanische Beispiele festhält: „But a twin is not a copy. Even with the technology of cloning available to us, twins are somehow more. They are the ‚real‘ thing – they are and are not like each other, but we do know that they are each equally ‚real‘. While we can never really see ourselves (mirrors give us only reversals and photographs are never satisfactory), identical twins do see ‚themselves‘. […] Twins provide the ultimate relational event – a twin cannot be a twin without another. They only exist in relation to the other. […] Twinness seems far more related to symmetry, reconciliation, harmony, and synthesis than to oppositions and conflicts. […] We now understand more fully how twins provide models for behavior and means by which to understand our world better.“ 580 Hinzuzufügen ist, dass die Zwillingsbeziehung sich nicht an Geschlechterrollen orientiert, denn sie bietet alle drei Mög­lichkeiten – Mann & Frau, Frau & Frau, Mann & Mann – an. Zwillinge vermitteln als Geschenk der Natur das Bild einer Zweierbeziehung jenseits der Geschlecht­lichkeit, geprägt von einem Wechselspiel gleichrangiger Partner. Selbstverständ­lich gibt es Einzelfälle von Zwillingen, die sich entweder spinnefeind oder ausgesprochen böse sind 581. Positiv betrachtet entwerfen Zwillinge hingegen das Bild einer geglückten Doppelwertigkeit und einer Abkehr vom Einerlei 582. Sie lassen eine Kultur der Differenz auf der Basis gleicher Herkunft und eines gemeinsamen Erfahrungsschatzes erahnen, und diese geteilten Erfahrungen setzen bereits im Mutter­leib ein, wenn der Herzton des Zwillingsgeschwisters vernehmbar ist. Letzt­lich zeigen uns Zwillinge, dass es nicht bloß das Eigene und Fremde gibt, sondern eben auch das Eigene zusammen mit dem näherliegenden, vertrauteren Anderen.

5 80 Vgl. zum Folgenden Peek: Beginning to Rethink Twins, S. 26 – 28. 581 Berühmt waren in den Sechzigerjahren die kriminellen Londoner Zwillinge Ronnie und ­R­­eggie Kray. 582 Vgl. van Wolputte: Twins and Intertwinement, S. 64: Zwillinge müssen nicht als Teil des „symbolic discourse“ einer Gesellschaft überinterpretiert werden. Ihre Wirkung liegt auf metaphorischer Ebene, indem sie unsere Phantasie anregen. Dieser Umstand „evokes the image of twins as both doubles and couples, as being ‚two‘ but also ‚one‘ without, however, this ambivalence being perceived as problematic. On the contrary, it is an ambivalence that permeates the life-­world, and that is perceived as being at its source.“ Vgl. ebd., S. 72 f., auch die Kritik an der gängigen strukturfunktionalistischen Interpretation des Zwillingphänomens, das angeb­lich als Störenfried innerhalb eines ausbalancierten Systems wirke.

7.  Quellen Die verwendeten Abkürzungen entsprechen der Siglenliste des Deutschen Archivs zur Erforschung des Mittelalters, hg. von den Monumenta Germaniae Historica. Ammianus Marcellinus, Res Gestae, ed. John Carew Rolfe, London 1935 – 1939 (The Loeb Classical Library, 300; 315; 331). Annales Augustani, ed. Georg Heinrich Pertz, in: MGH SS 3, Hannover 1839, S. 124 – 136. Anonym, De ordinando pontifice [seu rectius de iudicando pontifice], in: Quellen zum Investiturstreit. Teil 2: Schriften über den Streit ­zwischen Regnum und Sacerdotium, ed. und übersetzt von Irene Schmale-­Ott (Ausgewählte Quellen zur Deutschen Geschichte des Mittelalters/Freiherr vom Stein-­Gedächtnisausgabe, XIIb), Darmstadt 1984, S. 46 – 67. Anonym, De unitate ecclesiae conservanda, in: Quellen zum Investiturstreit. Teil 2: Schriften über den Streit ­zwischen Regnum und Sacerdotium, ed. und übersetzt von Irene Schmale-­Ott (Ausgewählte Quellen zur Deutschen Geschichte des Mittelalters/Freiherr vom Stein-­Gedächtnisausgabe, XIIb), Darmstadt 1984, S. 272 – 579. Anulf von Mailand, Liber gestorum recentium, ed. Claudia Zey, Hannover 1994 (MGH SS rer. Germ., 67). Benonis aliorumque cardinalium schismaticorum contra Gregorium VII et Urbanum II scripta, ed. Kuno Francke, in: MGH Ldl 2, Hannover 1892, S. 366 – 422. Bibel/Die Heilige Schrift des Alten und des Neuen Testaments, Zürich 1971. Biblia Latina cum glossa ordinaria. Facsimile reprint of the editio princeps, Adolf Rusch, Strassburg 1480/81, ed. Karlfried Froeh­lich/Margaret T. ­Gibson, Turnhout 1992. Biblia Sacra iuxta Vulgatam Clementinam. Nova editio, ed. Albertus Colunga; Laurentius Turrado, Madrid 61982. Bonaventura: Commentarius in Evangelium Ioannis, in: Bonaventura, Opera Omnia, Bd. 6: Commentarii in sacram scripturam, Quarachi 1893, S. 237 – 532. Bonizonis episcopi Sutrini Liber ad amicum post editionem Jaffeanam, recognovit Ernst Dümmler, in: MGH Ldl 1, Hannover 1891, S. 568 – 620. Bruno, Der Sachsenkrieg, in: Quellen zur Geschichte Kaiser Heinrichs IV., ed. und übersetzt von Franz-­Josef Schmale/Irene Schmale-­Ott (Ausgewählte Quellen zur deutschen Geschichte des Mittelalters/Freiherr vom Stein-­Gedächtnisausgabe, XII), Darmstadt 1963, S.  191 – 407. Brunonis episcopi Signini libellus de symoniacis, ed. Ernst Sackur, in: MGH Ldl 2, Hannover 1892, S. 543 – 562. Chronique et chartes de l’abbaye de Saint-­Mihiel, publiées par André Lesort, Paris 1909 – 1912 (­Mettensia, 6). Constitutiones et acta publica imperatorum et regum, 911 – 1197, ed. Ludwig Weiland, Bd. 1, Hannover 1893 (MGH Const., 1). Constitutiones et acta publica imperatorum et regum, 1298 – 1313, ed. Jakob Schwalm, Hannover/­Leipzig 1906 – 1911 (MGH Const., 4/1 – 2).

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Literatur

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Literatur

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Literatur

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Dendorfer, Jürgen: Zur Einleitung, in: Dendorfer, Jürgen/Deutinger, Roman (Hg.): Das Lehnswesen im Hochmittelalter. Forschungskonstrukte – Quellenbefunde – Deutungsrelevanz, Ostfildern 2010 (Mittelalter-­Forschungen, 34), S. 11 – 40. Deutinger, Roman: Das hochmittelalter­liche Lehnswesen: Ergebnisse und Perspektiven, in: Dendorfer, Jürgen/Deutinger, Roman (Hg.): Das Lehnswesen im Hochmittelalter. Forschungskonstrukte – Quellenbefunde – Deutungsrelevanz, Ostfildern 2010 (Mittelalter-­Forschungen, 34), S. 443 – 462. Deutinger, Roman: Simonisten rechtfertigen sich. Mittelalter­liche Antworten auf den Vorwurf der Simonie, in: Zeitschrift für Kirchengeschichte 120 (2009), Heft 2, S. 145 – 159. Deutinger, Roman: Staat­lichkeit im Reich der Ottonen – ein Vergleich, in: Pohl, Walter/ Wieser, Veronika (Hg.): Der frühmittelalter­liche Staat – europäische Perspektiven, Wien 2009 (Forschungen zur Geschichte des Mittelalters 16), S. 133 – 144. Dictionary of Medieval Latin from British sources, prepared by R. ­E. Latham, London 1975 f. Dictionnaire de droit canonique, hg. von Raoul Naz, Paris 1935 – 1965. Dictionnaire de spiritualité ascétique et mystique, doctrine et histoire, fondé par Marcel Viller, Paris 1937 – 1995. Die deutsche Literatur des Mittelalters. Verfasserlexikon, zweite, völlig neu bearbeitete Auflage von ­Burghart Wachinger, Berlin/New York 21977 – 2008. Die Salier. Macht im Wandel, hg. vom Historischen Museum der Pfalz Speyer/Institut für Fränkisch-­Pfälzische Geschichte und Landeskunde, Redaktion Laura Heeg, Heidelberg, Bd. 1: Essays, ­München 2011 [= Ausstellungskatalog]. Die Salier. Macht im Wandel, hg. vom Historischen Museum der Pfalz Speyer/Institut für Fränkisch-­Pfälzische Geschichte und Landeskunde, Redaktion Laura Heeg, Heidelberg, Bd. 2: Katalog, ­München 2011 [= Ausstellungskatalog]. Dilcher, Gerhard: Die deutsche Bischofsstadt ­zwischen Umbruch und Erneuerung. Stadtherr­ liche Rechtspositionen und bürger­liche Emanzipation im Gefolge des Investiturstreits, in: Jarnut, Jörg/Wemhoff, Matthias u. a. (Hg.): Vom Umbruch zur Erneuerung? Das 11. und beginnende 12. Jahrhundert – Positionen der Forschung, München 2006 (Mittelalterstudien, 13), S. 499 – 510. Duby, Georges: Le Moyen Âge. De Hugues Capet à Jeanne d’Arc, Paris 1987 (Histoire de France Hachette). Dumont, Louis: Essais sur l’individualisme. Une perspective anthropologique sur l’idéologie moderne, Paris 1983 (Collection esprit). Ehlers, Caspar: Dem Himmel so nah… Das Jahrhundert der Salier 1024 – 1125, in: Die Salier. Macht im Wandel, hg. vom Historischen Museum der Pfalz Speyer/Institut für Fränkisch-­ Pfälzische Geschichte und Landeskunde, Heidelberg, Bd. 1: Essays, München 2011, S. 26 – 33. Eldevik, John: Episcopal Power and Ecclesiastical Reform in the German Empire. Tithes, Lordship, and Community, 950 – 1150, Cambridge 2012 (Cambridge Studies in Medieval Life and Thought, Fourth Series, 86). Eracle, Jean: À quels saints se vouer? Ou les martyrs jumelés des premiers siècles, in: Savary, Claude/Gros, Christophe (Hg.): Des jumeaux et des autres, Genf 1995, S. 103 – 124. Erkens, Franz-­Reiner: Der pia Dei ordinatione rex und die Krise sakral legitimierter Königsherrschaft in spätsa­lisch-­frühstaufischer Zeit, in: Jarnut, Jörg/Wemhoff, Matthias u. a.

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Literatur

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Literatur

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Literatur

Golinelli, Paolo: Die Rezeption des Canossa-­Ereignisses und das Bild der Markgräfin Mathilde in Italien, in: Stiegemann, Christoph/Wemhoff, Matthias (Hg.): Canossa 1077 – Erschütterung der Welt. Geschichte, Kunst und Kultur am Aufgang der Romanik, Band 1: Essays, München 2006, S. 592 – 602. Gottschall, Dagmar: Das Elucidarium des Honorius Augustodunensis. Untersuchungen zu seiner Überlieferungs- und Rezeptionsgeschichte im deutschsprachigen Raum mit Ausgabe der nieder­deutschen Übersetzung, Tübingen 1992 (Texte und Textgeschichte, 33). Graus, František: Pest – Geißler – Judenmorde. Das 14. Jahrhundert als Krisenzeit, Göttingen 21988 (Veröffent­lichungen des Max-­Planck-­Instituts für Geschichte, 86). Graus, František: Struktur und Geschichte. Drei Volksaufstände im mittelalter­lichen Prag, Sigmaringen 1971 (Vorträge und Forschungen. Hg. vom Konstanzer Arbeitskreis für mittelalter­liche Geschichte. Sonderband, 7). Grootaers, Jan-­Lodewijk: Snake, Bush, and Metaphor. Twinship among Ubangians, in: Peek, Philip M. (Hg.): Twins in African and Diaspora Cultures. Double Trouble, Twice Blessed, Bloomington/Indiana 2011, S. 183 – 205. Gros, Christophe: Inclassables jumeaux, et pourtant. Place et signification des jumeaux en anthropologie sociale, in: Savary, Claude/Gros, Christophe (Hg.): Des jumeaux et des autres, Genf 1995, S. 25 – 50. Grosse, Rolf: La fille aînée de l’Église: Frankreichs K ­ irche und die Kurie im 12. Jahrhundert, in: Johrendt, Jochen/Müller, Harald (Hg.): Römisches Zentrum und kirch­liche Peripherie, ­Berlin/New York 2008 (Neue Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen, Philo­lo­gisch-­Historische Klasse, Neue Folge, 2), S. 299 – 321. Grosse, Rolf: Scire et posse. Ludwig VI. von Frankreich, in: Lubich, Gerhard (Hg.): Heinrich V. in seiner Zeit. Herrschen in einem europäischen Reich des Hochmittelalters. Wien/ Köln/Weimar 2013 (Forschungen zur Kaiser- und Papstgeschichte des Mittelalters. Beihefte zu J. ­B. Böhmer: Regesta Imperii, 34), S. 233 – 252. Hägermann, Dieter: Das Papsttum am Vorabend des Investiturstreits: Stephan IX. (1057 – 1058), ­Benedikt X. (1058) und Nikolaus II. (1058 – 1061), Stuttgart 2008 (Päpste und Papsttum, 36). Hamilton, Louis I.: A Sacred City. Consecrating Churches and Reforming Society in Eleventh-­Century Italy, Manchester 2010 (Manchester Medieval Studies). Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte. Hg. von Adalbert Erler/Ekkehard Kaufmann, unter Mitarbeit von Wolfgang Stammler. Redaktion von Dieter Werkmüller, 5 Bde., Berlin 1971 – 1998. Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte. Hg. von Albrecht Cordes/Heiner Lück u. a., ­Berlin 2008 f. Harris, James Rendel: Boanerges, Cambridge 1913. Harris, James Rendel: The cult of the heavenly twins, Cambridge 1906. Hartmann, Martina: Die Königin im frühen Mittelalter, Stuttgart 2009. Hartmann, Wilfried: Der Investiturstreit, München 32007 (Enzyklopädie deutscher Geschichte, 21). Hartmann, Wilfried: Discipulus non est super magistrum (Matth. 10,24). Zur Rolle der Laien und der niederen Kleriker im Investiturstreit, in: Mordek, Hubert (Hg.): Papsttum, K ­ irche und Recht im Mittelalter. Festschrift für Horst Fuhrmann, Tübingen 1991, S. 187 – 200.

Literatur

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Literatur

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Literatur

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Seibert, Hubertus: Kommunikation – Autorität – Recht – Lebensordnung. Das Papsttum und die monastisch-­kanonikale Reformbewegung, in: Jarnut, Jörg/Wemhoff, Matthias u. a. (Hg.): Vom Umbruch zur Erneuerung? Das 11. und beginnende 12. Jahrhundert – Positionen der Forschung, München 2006 (Mittelalterstudien, 13), S. 11 – 30. Shapiro, Michael: Neglected Evidence of Dioscurism (Divine Twinning) in the Old Slavic Pantheon, in: The Journal of Indo-­European Studies 10 (1982), S. 137 – 166. Silver, Morris: Taking ancient mythology economically, Leiden/New York/Köln 1992. Smith, Lesley J.: The Glossa ordinaria. The making of a medieval Bible commentary, Leiden/ Boston 2009 (Commentaria, 3). Sokoll, Thomas: Kulturanthropologie und Historische Sozialwissenschaft, in: Winterling, Aloys (Hg.): Historische Anthropologie, Stuttgart 2006, S. 211 – 238. Speert, Harold: Iconographia Gyniatrica. A pictorial history of gynecology and obstetrics, ­Philadelphia 1973. Spiess, Karl-­Heinz: Zur Einführung, in: Ders. (Hg.): Ausbildung und Verbreitung des Lehnswesens im Reich und in Italien im 12. und 13. Jahrhundert, Ostfildern 2013 (Vorträge und Forschungen, 76), S. 9 – 16. Steiger, Heinhard: Die Ordnung der Welt. Eine Völkerrechtsgeschichte des karolin­gischen Zeitalters (741 – 840), Köln/Weimar/Wien 2010. Stein, Heidrun: Die romanischen Wandmalereien in der Klosterkirche Prüfening, Regensburg 1987 (Studien und Quellen zur Kunstgeschichte Regensburgs 1). Stickler, Alphons Maria: Ursprung und gegenseitiges Verhältnis der beiden Gewalten nach den ­Miniaturen des Gratianischen Dekrets, in: Studia Gratiana 20 (1976), S. 339 – 359. Stiegemann, Christoph/Wemhoff, Matthias (Hg.): Canossa 1077 – Erschütterung der Welt. Geschichte, Kunst und Kultur am Aufgang der Romanik, Band 1: Essays, München 2006 [= Ausstellungskatalog]. Stiegemann, Christoph/Wemhoff, Matthias (Hg.): Canossa 1077 – Erschütterung der Welt. Geschichte, Kunst und Kultur am Aufgang der Romanik, Band 2: Katalog, München 2006 [= Ausstellungskatalog]. Struve, Tilman: Das Problem der Eideslösung in den Streitschriften des Investiturstreits, in: Zeitschrift der Savigny-­Stiftung für Rechtsgeschichte. Kanonistische Abteilung 75 (1989) S.  107 – 132. Struve, Tilman: Die Entwicklung der organolo­gischen Staatsauffassung im Mittelalter, Stuttgart 1978 (Monographien zur Geschichte des Mittelalters, 16). Struve, Tilman: Die Salier und das römische Recht. Ansätze zur Enwicklung einer säkularen Herrschaftstheorie in der Zeit des Investiturstreits, Stuttgart 1999 (Abhandlungen der geistes- und sozialwissenschaft­lichen Klasse der Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz, Jahrgang 1999, 5). Struve, Tilman: Heinrich IV. – Herrscher im Konflikt, in: Jarnut, Jörg/Wemhoff, Matthias u. a. (Hg.): Vom Umbruch zur Erneuerung? Das 11. und beginnende 12. Jahrhundert – Positionen der Forschung, München 2006 (Mittelalterstudien, 13), S. 55 – 70. Struve, Tilman: War Heinrich IV. ein Wüstling? Szenen einer Ehe am sa­lischen Hofe, in: Münsch, Oliver/Zotz, Thomas (Hg.): Scientia Veritatis. Festschrift für Hubert Mordek zum 65. Geburtstag, Ostfildern 2004, S. 273 – 288.

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Literatur

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Literatur

Wattenbach, Wilhelm/Holtzmann, Robert: Deutschlands Geschichtsquellen im Mittelalter. Die Zeit der Sachsen und Salier, Neuausgabe besorgt von Franz-­Josef Schmale, 3 Bde., Darmstadt 1967 – 1971 [Bd. 1: Zeitalter des Ottonischen Staates (900 – 1050); Bd. 2: Zeitalter des Investiturstreits (1050 – 1125); Bd. 3: Italien (1050 – 1125); England (900 – 1135); Nachträge]. Weber, Wolfgang: Das Sonne-­Mond-­Gleichnis in der mittelalter­lichen Auseinandersetzung ­zwischen Sacerdotium und Regnum, in: Becker, Hans-­Jürgen/Dilcher, Gerhard u. a. (Hg.): Rechts­geschichte als Kulturgeschichte. Festschrift für Adalbert Erler, Aalen 1976, S.  147 – 178. Weilandt, Gerhard: Krise des Königshofes – Krise der Kunst? Zum Einfluss gesellschaft­ licher Kräfte auf die künstlerischen Traditionen im späten 11. Jahrhundert, in: Jarnut, Jörg/Wemhoff, Matthias u. a. (Hg.): Vom Umbruch zur Erneuerung? Das 11. und beginnende 12. Jahrhundert – Positionen der Forschung, München 2006 (Mittelalterstudien, 13), S.  453 – 468. Weinfurter, Stefan: Bischof und Reich. Wandel der Autoritäten und Strukturen in der späten Salierzeit, in: Stiegemann, Christoph/Wemhoff, Matthias (Hg.): Canossa 1077 – Erschütterung der Welt. Geschichte, Kunst und Kultur am Aufgang der Romanik, Band 1: Essays, München 2006, S. 150 – 158. Weinfurter, Stefan: Canossa als Chiffre. Von den Mög­lichkeiten historischen Deutens, in: Hasberg, Wolfgang/Scheidgen, Hermann-­Josef (Hg.): Canossa. Aspekte einer Wende, Regensburg 2012, S. 124 – 140. Weinfurter, Stefan: Canossa. Die Entzauberung der Welt, München 2006. Weinfurter, Stefan: Das Ende Heinrichs IV. und die neue Legitimation des Königtums, in: Althoff, Gerd (Hg.): Heinrich IV., Ostfildern 2009 (Vorträge und Forschungen 69), S.  331 – 354. Weinfurter, Stefan: Heinrich IV. und die Bischöfe im Jahre 1076: „Unheilige Neuerungen“ und „neue Religion“, in: Jarnut, Jörg/Wemhoff, Matthias u. a. (Hg.): Vom Umbruch zur Erneuerung? Das 11. und beginnende 12. Jahrhundert – Positionen der Forschung, München 2006 (Mittelalterstudien, 13), S. 403 – 416. Weinfurter, Stefan: Lehnswesen, Treueid und Vertrauen. Grundlagen der neuen Ordnung im hohen Mittelalter, in: Dendorfer, Jürgen/Deutinger, Roman (Hg.): Das Lehnswesen im Hochmittelalter. Forschungskonstrukte – Quellenbefunde – Deutungsrelevanz, Ostfildern 2010 (Mittelalter-­Forschungen, 34), S. 443 – 462. Weinfurter, Stefan: Ordnungswandel in der späten Salierzeit, in: Die Salier. Macht im Wandel, hg. vom Historischen Museum der Pfalz Speyer/Institut für Fränkisch-­Pfälzische Geschichte und Landes­kunde, Heidelberg, Bd. 1: Essays, München 2011, S. 18 – 25. Weinfurter, Stefan: Wie das Reich heilig wurde, in: Jussen, Bernhard (Hg.): Die Macht des Königs. Herrschaft in Europa vom Frühmittelalter bis in die Neuzeit, München 2005, S.  190 – 204. Weisser, Ursula: Zeugung, Vererbung und pränatale Entwicklung in der Medizin des arabisch-­ islamischen Mittelalters, Erlangen 1983. Wetzstein, Thomas: Canossa – ein Wendepunkt in der Kommunikationsgeschichte, in: Hasberg, ­Wolfgang/Scheidgen, Hermann-­Josef (Hg.): Canossa. Aspekte einer Wende, Regensburg 2012, S. 112 – 123.

Literatur

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Literatur

Zey, Claudia: Stand und Perspektiven der Erforschung des päpst­lichen Legatenwesens im Hochmittelalter, in: Johrendt, Jochen/Müller, Harald (Hg.): Rom und die Regionen. Studien zur Homogenisierung der lateinischen ­Kirche im Hochmittelalter, Berlin/Boston 2012 (Neue Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen, Philolo­ gisch-­Historische Klasse, Neue Folge, 19/Studien zu Papstgeschichte und Papsturkunden), S.  157 – 168. Zimmermann, Harald: Der Canossagang von 1077. Wirkungen und Wirk­lichkeit, Mainz/ Wiesbaden 1975 (Akademie der Wissenschaften und Literatur. Abhandlungen der geistesund sozialwissenschaft­lichen Klasse, Jahrgang 1975, 5). Zingg, Roland: Die Briefsammlungen der Erzbischöfe von Canterbury, 1070 – 1170. Kommunikation und Argumentation im Zeitalter der Investiturkonflikte, Köln/Weimar/Wien 2012 (Zürcher Beiträge zur Geschichtswissenschaft 1). Zotz, Thomas: Die Situation des Adels im 11. und frühen 12. Jahrhundert, in: Jarnut, Jörg/ Wemhoff, Matthias u. a. (Hg.): Vom Umbruch zur Erneuerung? Das 11. und beginnende 12. Jahrhundert – ­Positionen der Forschung, München 2006 (Mittelalterstudien, 13), S.  341 – 356. Zotz, Thomas: Päpst­licher Auftrag und fürst­liche Verantwortung. Gregor VII. und der südwestdeutsche Adel 1073 – 1075, in: Münsch, Oliver/Zotz, Thomas (Hg.): Scientia Veritatis. Festschrift für Hubert Mordek zum 65. Geburtstag. Ostfildern 2004, S. 261 – 272.

Personen und Orte Mittelalterliche Autoren werden entsprechend ihrem Lemma im Lexikon des Mittelalters zitiert. Das Register verzeichnet ebenfalls die Namen von Autorinnen und Autoren, auf deren Forschungen Bezug genommen wird. Glaubensrichtungen sind, da personenbezogen, ebenfalls aufgeführt. Zwillingsnamen, die dank Alliteration ähnlich tönen, tauchen gemeinsam auf; bei unterschiedlichen Anfangsbuchstaben wie „Castor“ und „Pollux“ wird auf das Zwillingsgeschwister verwiesen. Aaron  70, 71 Abel 64 Abendland  31 f., 159, 163 Abraham  55, 64 Adalbero von Laon  48, 85 Adam  64, 81, 122, 140, 147 Adelheid (Eupraxia, Praxedis)  14, 15 Afrika  7, 12, 28, 76, 92, 94 – 96, 100, 113, 115, 117 – 127, 166 Ägypten 93 Ahriman 93 Ahura Mazda  93 Aimion von Fleury  78 f., 89, 106, 147 Akkon 151 Albuchasim 133 Alexander III. 144 Alexandrinisches Schisma  30, 51, 67, 69 Alexandros-Helios 98 Ali, Prophet  122 Alkmene  51, 94 Allassan 122 Alousseini 122 Altindisch 102 Ambo 119 Amerika  12, 18, 115 – 117, 119, 121, 122 – 127, 163, 165 Amma 121 Ammianus Marcellinus  101 Amöneburg 106 Amphion, vgl. Zethos  98 Amphitryon  51, 94 Anagni 161 Anastasios 47

Andia  12, 118, 120 f., 132 Andorra 101 Angelsachsen  30, 46, 116 Angilbert 106 Anglonormannen 143 Ansèè  12, 118, 121, 132 Anselm von Laon  55, 160 Anselm von Brixia  107 Antichrist 65 Antonius  98, 99 Apenninenhalbinsel 45 Apollon  94, 117, 125, 129 Arabien  108, 133, 160, 163 Arama, Goumè  131 Arescusa 100 Arius, Arianismus  69, 72 Aristogeiton 99 Aristophanes 96 Aristoteles  59, 97 Arnulf von Chocques  197 Artemis / Diana  94, 117, 125, 129 Aśvin 93 Asylos 98 Augsburg  51 f. Augustin  47, 55, 85, 97 f. Augustus 24 Avignon  114 f., 159, 161 Avranches 160 Awa 122 Awenahi 126 Azteken  123, 126

196

Babylon  111, 140, 141 Bakena 119 Balkan 36 Bamako 132 Bamana  92, 121 Bandiagara  120 f. Barotseland 101 Bartlett, Robert  27 f. Basel  50, 162 Becket, Thomas  160 Beda Venerabilis  55, 62, 66 Benedikt  87, 106, 114 Benin  98, 122, 127 Benno II. 50 Beno  139, 167 Benzo von Alba  49 Berehta 106 Berman, Harold J.  18 Bernold von Konstanz  34 Berold von Soissons  47 Besançon 114 Biel-Mett 106 Bloch, Marc  25 Böhmen  108, 153 Bois, Guy  26 Boizlabe 112 Bologna  18, 23, 25, 135, 153 – 155 Bona 107 Bonaventura  57 f., 167 Bonifatius 106 Bonifaz VIII.  160, 161 Bonizo von Sutri  49 Bonzon Areta  121, 132 Booz 80 Borgolte, Michael  31 f. Brasilien  122, 127 Brehm, Alfred  130 Bremen 113 Bretagne 109 Brixen 14 Bruno von Magdeburg  14 Bruno von Segni  89 Buda 154 Burgund, Burgunder  26, 33, 45, 101

Personen und Orte

Burkhart von Fenis  50 Burkina Faso  119, 120, 122 Buron 110 Byzanz, vgl. auch Griechenland, Konstantinopel  12, 43, 47 f., 108, 156 f., 161, 163 Caesarea 107 Caligula 99 Calixt II.  30, 41, 137, 138 Cambrai  47 f., 52, 147 Candomblé  122, 127 Canossa  11, 14 – 17, 20, 22 – 24, 26, 30, 38, 45, 48 f., 61, 156 f., 159, 164 Canterbury  60, 160 Canus 98 Casseuil 106 Castor / Kastor, vgl. auch Pollux  11, 54, 94, 96, 100, 112, 117 Celan, Paul  63 Cham 64 Chartres  24, 30, 142, 143, 153, 156 Christentum  7, 9, 11, 16 f., 21 f., 28, 31 f., 34 – 37, 41, 43, 46 f., 49, 51 – 58, 60, 62 f., 70, 76, 84, 86 f., 93, 95, 97 – 99, 101, 103, 105 – 107, 109, 111 – 113, 115, 117, 122, 127, 140 – 142, 145 – 147, 150, 153, 156, 158 f., 162, 164 Christus, vgl. auch Jesus  35, 43, 45, 48, 56, 64 f., 67, 70 – 81, 84 – 89, 90, 134, 140, 149, 154 Cicero, Marcus Tullius  98 Claudius von Turin  55 Cluny  26, 38, 50, 107 Cocopa 124 Commodus 99 Cosmas, vgl. Damian  112 – 114, 127, 133, 181 Coudre, vgl. Fresne  109 f. Crescentia 112 Crispinus und Crispianus  114 Damian, vgl. Cosmas  Damiani, Petrus   19, 42, 62, 85 Dänemark  20, 154 Dânus 112

Personen und Orte

Dasen, Véronique  93 – 99, 101, 112, 129 David  71, 74, 83, 142 Delphi 101 Dettic und Deorulf  106 Deutschland  11, 14, 16 – 18, 28 – 30, 35 – 38, 40 f., 44 f., 51, 59, 63, 111, 113, 116, 137 f., 143, 151, 153 Diemŏt 107 Dieterlen, Germaine  120 Dietrich 112 Dimbal 131 Dionysios Aeropagita  155 f. Dioskuren, vgl. Castor und Pollux  Djingareyber Moschee  122 Dogon  120 f., 131 f. Dominikanische Republik  122 Dresden 134 Drusus 99 Duby, Georges  29 Dumézil, Georges  125 Dümmler, Ernst  61 f. Edom, Edomiter  53, 55 Eichstätt 40 Eike von Repgow  4 Ellenhard 107 Elsass 59 Embrico von Mainz  58 Emelota (Emma)  107 England  11, 26, 30, 41, 46, 63, 78, 154, 157, 159 f. Ephesus 75 Erdmann, Carl  61 Eredescendi 107 Erneme 121 Esau  65 – 70, 98 f., 153, 165 Essen 113 Estavel 107 Eteokles, vgl. Polyneikes  99 Eunomos 99 Europa, vgl. auch Westeuropa  11, 12, 16 – 18, 22, 25 – 29, 31 – 36, 42 – 46, 63, 92, 113, 115, 117, 123 – 125, 145, 149, 153, 156 – 159, 161 – 166

197

Eurysthenes, vgl. Prokles  100 f. Eustace I. Grenier  107 Eva 122 Ezechias 142 Ezechiel 160 Fausta 98 Fausta Cornelia  99 Faustina 99 Faustus 98 Febvre, Lucien  11, 52 Felix V.  162 Ferreolus und Ferrutius  114 Florenz 113 Florus 112 Fô 119 Fögen, Marie Theres  157 Fon 127 Forchheim 157 Forum Romanum  96 Franken  26 f., 39 f., 43 – 46 Frankreich  11, 19, 25, 26 – 30, 33, 36, 39, 45 f., 105, 108 – 111, 116, 135, 157 – 160 Frazer, James George  117 Freiburg im Breisgau  116 Freising 107 Fresne, vgl. Coudre  Friedrich Barbarossa  23 f., 30, 42, 144 Friedrich II. 151 Friedrich, Herzog  51 Fritz, Matthias Andreas  103 Fritzlar 51 Frutolf von Michelsberg  49 Galen 108 Garonne 106 Gelasius I.  47 f., 83 Geminus und Gemellus  98 Gerhard I. von Cambrai  47, 48, 52, 147 Gerhoch von Reichersberg  55, 62 – 67, 70, 80 – 85, 90, 140 – 144, 151 – 153 Germanen  41, 101 f. Germanicus Iulius Caesar  99 Gervasius, vgl. Protasius  112

198

Personen und Orte

Gethsemane  83 f. Ghana 121 Ghana, Mariam  131 Gilbert von Auxerre  56 Gilbert von Poitiers  90 Gilion de Trasignyes  110 f. Girardus Cremonensis (Girolamo di Cremona) 133 Girart und Jehan, Zwillingssöhne von Gilion de Trasignyes  110 f. Goez, Werner  15, 22, 24, 29, 35, 37 – 42, 44, 49, 60, 62, 145, 148 Gotbert, vgl. Milo  107 Gottfried von Vendôme  140 Gottschalk von Aachen  83 f. Gracienne, vgl. Gilion  110 f. Gratian  12, 18, 22 f., 135, 140, 143, 153 f., 160 Gregor VII.  14 – 24, 28, 30, 31 – 42, 45, 49 – 51, 62, 77, 83 – 85, 139, 146, 149, 150 Gregor I.   47 Gregor von Catino  86 Gregorianer  20, 23, 28, 38, 140, 143, 150 Gregorius 111 Griaule, Marcel  120 Griechenland, vgl. auch Byzanz, Konstantinopel  43, 48, 54, 72, 93, 94 f., 99, 101, 115, 156, 163 Guibert von Nogent  56 Guindo, Ambara  131 Gundekar (Gundechar) II. 40 Guta 108 Guyaki 124 Guzerannus de Cortavax  107 Habermas, Jürgen  60 Habsburger  108, 162 Hainaut (Hennegau)  110 Haiti  122, 127 Handsome Lake  127 Harris, James Rendel  112 Hartmann von Aue  111 Hartnid, vgl. Nithard  106 Hassan 122 Hastings 30

Hegel, Georg Wilhelm Friedrich  52 Heidelberg  4, 134 Heiliges Land  110 Heinrich I.  78, 159 Heinrich II. 160 Heinrich III.  37, 44 f., 49 Heinrich IV.  14 – 16, 34 f., 40, 45, 49 – 51, 61, 83, 90, 156 – 159 Heinrich V.  14 f., 23, 35, 137 Heinrich von Septimello  69 Heinrich, Patriarch  51 Hennegau, vgl. Hainaut  Herakles  51, 94 Hermann von Metz  16, 19, 146, 149 Herodes 80 Herodot 100 Hieros 98 Hildebrand, vgl. Gregor VII.  Hildesheim 113 Hof (Ortschaft)  51 Honorius Augustodunensis  63 – 67, 69 f., 79, 80, 82, 87, 129 Hugo von Cluny  50 Hugo von Ferrara  153 Hugo von Flavigny  78 Hugo von Fleury  78 f., 89, 147 f. Hugo von St. Viktor  57 Humbertus von Silva Candida  62, 76 – 78, 87 – 89, 139 Humboldt, Wilhelm von  102 f. Hussein 122 Idung von St. Emmeran  63 Igaraçu 127 Indianer  123 – 127 Indien 54 Indogermanisch  93 f., 101 – 103 Inkas  123 – 125 Innozenz III.  144, 153, 160 Innozenz VI. 114 Iphikles  51, 94 Irland 28 Irokesen  126 f. Isaak  52 – 57, 64 f., 68

Personen und Orte

Isidor von Sevilla  47 Islam, vgl. auch Mohammed, Muslime  58, 108, 122, 163, 165 Ismael  64, 68 Israel, vgl. auch Judentum  53 – 57, 66 Italien  11, 19, 23 f., 28, 33 f., 36, 44 f., 77, 113, 162 Ivo von Chartres  29 f., 142 f., 153 Jahwe  52, 54, 65 Jakob  11, 13, 52 – 59, 64 – 70, 98 f., 153, 165 Japan 92 Japhet 64 Jaromir von Prag  42 Jean de Montagnac  114 Paul, Jean  165 Jeanne d›Arc  29 Jehan, vgl. Girart  Jericho 107 Jerusalem  36 f., 140 f. Jesus, vgl. auch Christus  54, 57, 78 f., 83, 85 f., 142 Johannes, vgl. Philippus  113 Johannes Scotus Eriugena  87 f. Johannes Trithemius  56 Johannes X.  40 Johannes XXII. 146 Johrendt, Jochen  10 Josuah 74 Juda 53 Judas 15 Judentum, vgl. auch Israel  11, 26, 31 f., 36, 41, 55 – 58, 66, 69, 84, 103, 115, 117, 122 Jugoslawien 153 Julius II. 161 Jumis 102 Kain  64, 139 Kamerun 119 Kanaan  53, 68 f. Kantorowicz, Ernst  70 Kaoli 131 Kapetinger  29 f., 46 Karl der Große  24, 42 f., 106

199

Karl III. 40 Karl IV. 146 Karolinger  39, 43 f., 47, 83, 157 Karthago 101 Kastoulos 112 Kleinasien 129 Kleopatra 98 Kleopatra-Selene 98 Köln 40 Kolumbus 123 Kongo, Demokratische Republik (Zaïre)  94, 119, 123 Kongo, Republik  94, 119, 123 Konstantin der Große  24 f., 43, 69 f., 80 Konstantinopel, vgl. auch Byzanz, Griechenland 48 Konstanz 34 Kuba  122, 127 Lakota 127 Landulf 41 Lanfranc 160 Lateran  43, 137, 144, 160 f. Laurent von Lüttich  49 Laurus 112 Le Goff, Jacques  29 Lea 76 Leo IX. 34 Leto 129 Lettland 102 Lévi-Strauss, Claude  123 – 126 Leviticus 83 Leyser, Karl  33, 35 Libyen 58 Lillooet 118 Litauen 28 Liudolfinger, vgl. Ottonen  Livia 99 Lothar III. 138 Lothar 106 Louis VII. 29 Lournand 26 Lozi 101 Luba 123

200

Personen und Orte

Lucumí  122, 127 Ludwig der Bayer  146 Ludwig der Fromme  106 Lüneburg 134 Lüttich  15, 35, 49 Lykien 129 Mâcon 26 Märtl, Claudia  9 Mailand  34, 36, 41, 60 Mainz  58, 151, 159 Mali  92, 119 – 122, 131 f., 165 Mani, Manichäismus  76 Mapasa 119 Marburg 106 Maria  76, 114 Marie de France  109 Marie, vgl. Gilion  Mark Aurel  99 Mars 87 Martha 76 Massai 119 Mathild 107 Mathilde von Tuszien  14, 22 – 24 Maulbronn 153 Mauss, Marcel  115 Maximilian I.  161 f. Mayor, Anne  120 Mbya-Guaraní 124 Medici 113 Melchisedech  74 f. Melve, Leidulf  61 Mencacci, Francesca  95 Messenien 101 Metz 15 Mierau, Heike Johanna  146 Milo, vgl. Gotbert  107 Mirbt, Carl  60 Mohammed, vgl. auch Islam, Muslime  58 Mohave  118, 124 Molioniden 96 Molukken 117 Montesquieu, Charles de Secondat, Baron de 146

Moore, Robert I.  26 f. Mosambik 119 Moses  67, 69, 74, 152 Mudéjares 27 Müller, Harald  10 Müller, Heribert  161 Müller, Walter  126 f. Muslime, vgl. auch Islam, Mohammed  26 – 28, 31, 45 f., 122, 160 Mustio (Muscio/Musio)  97, 108 Namibia 119 Nathan 142 Ndembu 126 Nembroth 64 Nestorius, Nestorianismus  75 New York  113, 123 Nicolaus 151 Niederlande 154 Niger 98 Nigeria  119, 121 Nikolaiter, Nikolaitismus  38, 41 Nikolaus II.  40, 42, 153 Nithard, vgl. Hartnid  106 Noah  64, 67 Norbert von Augsburg  51 Norbert von Iburg  49 f. Normannen  17, 21, 26 f., 30, 36, 45, 51, 143 Normannus Anonymus  70 – 75, 85 Norwegen 20 Oldenburg 134 Orient  16, 21, 43, 93, 111, 113 Osnabrück 50 Otto I.  24 Ottonen  44, 143, 146 Ourson, vgl. Valentin  111 Ovid  96, 129 Paderborn 11 Paraguay 124 Pare, Housseini und Lassana  120 Paris  129, 156

Personen und Orte

Paschalis II. 152 Pasiphaë 94 Paul von Liechtenstein  161 Paulus  54, 78, 85, 150 Peek, Philip M.  118, 166 Pellens, Karl  70 Perez, vgl. Serach  52 f., 98 Peru 124 Peter von Andlau  59 Petrus  22, 24, 28, 30, 36 f., 43, 45, 68 f., 83, 139, 143 f., 151, 154 f., 159, 161 Petrus Cantor  69 Petrus von Wien  90 Philipp I.  30 Philippe II. Auguste  29 Philippus, vgl. Johannes  113 Piccolomini, Enea Silvio  108 Pilatus 80 Placidus von Nonantola  85, 89 Platon 96 Plautus  51, 96 Plutarch 104 Polen 20 Pollux, vgl. auch Castor / Kastor  11, 54, 94, 96, 100, 112, 117 Polyeuctes 112 Polyneikes, vgl. Eteokles  99 Polynesien 95 Prag 42 Präkolumbien  123 f. Priscillian 76 Prokles, vgl. Eurysthenes  100 Protasius, vgl. Gervasius  112 Proteus 77 Prüfening  87, 129, 134 Quarton, Enguerrand  114 Quintilian 94 Rachel 76 Radcliffe-Brown, Alfred Reginal  123 Raimodis 107 Radulfus von Laon  55 Raos und Raptos  101

201

Rebekka  52 – 56, 59, 68 Regensburg  51, 87, 129 Reims 34 Rembrandt Harmenszoon van Rijn  13, 53 Remigius 34 Rheinland 36 Richard 107 Rio de Janeiro  127 Rochus, vgl. Sebastian  113 Rodbertus de Cristul  107 Rom, Römer, vgl. auch Petrus   11 f., 16, 19 f., 22 – 25, 28, 30 f., 34, 38, 42 – 45, 47 – 51, 53, 55, 59, 64 f., 67, 77, 86, 93, 95 – 97, 99 – 101, 113 f., 115, 117, 135, 145 f., 152 f., 150, 156, 159 – 161 Romulus und Remus  51, 96, 99, 125 Rosenstock-Huessy, Eugen  18 Rösslin, Eucharius  97, 108 Rudolf von Habsburg I.  108 Rudolf von Rheinfelden  38 Ruspendi 107 Russland 31 Sachsen 51 Sachsenspiegel  4, 11, 48, 134, 154 Sackur, Ernst  78 Sadiakanda  121, 132 Sahlins, Peter  28 Saint-Vanne 107 Saint-Cyr 107 Saint-Martin d’Ailly  107 Saint-Victor 156 Salerno  17, 108 Salier  14 f., 23 – 25, 29, 35, 44 f., 86, 143, 146, 158 f. Salomon  54, 74, 80 f., 86, 139 Sambia  101, 126 Samuel 80 Saul  70 f., 74, 80 Savoyen 162 Scholastika 114 Schwaben 38 Schwabenspiegel 134 Schweden 154

202

Personen und Orte

Sebastian, vgl. Rochus  113 Sem 64 Seneca 127 Serach, vgl. Perez  52 f., 98 Serbien 20 Servius 96 Seth 64 Shakespeare, William  96 Sidon 107 Sierra Leone  119 f. Simon Magus  38 Skandinavien  28, 101 Slawen  27, 101, 107, 153 Soissons 47 Soranos aus Ephesos  97, 108 Spanien  20, 27, 33, 46 Sparta  100 f. Speyer  11, 35, 153 Spinoza, Baruch de  28 Staufer  148, 158 Stephan von Rouen  51 Struve, Tilmann  85 Suchan, Monika  61 Sufeten, Karthago  101 Suger von Saint-Denis  152 Sulla, Faustus Cornelius   99 Sutri 37 Syrien 113

Vanuatu 118 Valentin, vgl. Ourson  111 Vanuatu 118 Venus 87 Verdun 107 Vesal 109 Villeneuve-lès-Avignon 114 Vopiscus 99

Tacitus, Publius Cornelius  101 Tamar 53 Tanala, Madagaskar  117 Tartarel 107 Tawiskaron und Teharonhiawagon  126 Tellem 121 Tellenbach, Gerd  37 Temne 120 Theobald 160 Theraphone und Theronike  98 Thietmar von Merseburg  107 Thomas von Aquin  57 Thomas 54 Tiberius Iulius Caesar  99 Tiberius 99

Walahfrid Strabo  56 f. Walter von Châtillon  67, 69 f., 76 Walter, vgl. Eustace I.   107 Wandalen 101 Warin von Beauvais  47 Weber, Wolfgang  82 Wenzel II. 108 Westeuropa, vgl. Europa  12, 18, 22, 25 – 27, 31 f., 42, 44 f., 63, 97, 108, 115, 133, 137, 149, 156 f., 159, 161 – 165 Westminster 164 Wigfried 107 Wilhelm von Conches  108 Wilhelm von Holland  42 Wilhelm von Tyrus  107

Timbuktu 122 Tirol  153, 161 Togo  98,100, 121 f., 132 Toledo 133 Trient 153 Troyes 164 Tuisto 101 Turner, Victor  126 Tyconius 85 Ugio und Uffico  107 Ulpian 100 Ulrich von Etzenbach  112 Umbanda  Ungarn  20, 44, 51, 154 Upulero 118 Urban II.  17, 30, 36 Utica 113 Utrecht 154

Personen und Orte

Willibald von Eichstätt  106 Win, Burkina Faso  120 Winkler, Heinrich August  163 Wittgenstein, Ludwig  103 Wolfenbüttel 134 Worms, Wormser Konkordat  8, 12, 14, 16, 30, 35, 41

Yadia 121 Yama und Yami  93, 102 Ymir 102 Yoruba  92, 120 – 122, 127 Zethos, vgl. Amphion  98 Zeus / Jupiter  51, 94, 96

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Heike JoHanna Mier au

k aiser und PaPst iM Mittel alter

Päpsten und Kaisern war nach mittelalterlicher Auffassung die Führung der Christenheit gemeinsam anvertraut. Die jeweiligen Kompetenzen und Einflussbereiche waren jedoch nicht unumstößlich festgeschrieben, sondern unterlagen den sich wandelnden realpolitischen Machtkonstellationen. Beide Gewalten trugen nicht unabhängig voneinander, sondern gemeinsam Ver­ antwortung für die christliche Gesellschaft. Ohne ein fundiertes Wissen über diese weltliche und geistliche Führung kann das Mittelalter nicht verstan­ den und beurteilt werden. Heike Johanna Mierau legt mit diesem Buch eine moderne Überblicksdarstellung für die Zeit von Konstantin dem Großen und Papst Silvester bis zur Reformation vor und bewertet den oft spannungs­ geladenen Dualismus zwischen den Herrschern im Licht der jüngeren For­ schung neu. 2010. 328 S. mit 20 S/w-Abb. Auf 16 tAf. Gb. mit Su. 155 x 230 mm. iSbN 978-3-412-20551-5

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CLEMENS GANTNER

FREUNDE ROMS UND VÖLKER DER FINSTERNIS DIE PÄPSTLICHE KONSTRUKTION VON ANDEREN IM 8. UND 9. JAHRHUNDERT

Das Papsttum im 8. und 9. Jahrhundert sah sich unter wechselnden politischen Rahmenbedingungen mit einer Vielzahl von Anderen und Fremden konfrontiert, zum Teil im Zuge einer durchaus selbstbewussten geistlichen Machtpolitik: die Päpste waren in ihrer Interaktion mit den Anderen mitten im politischen Geschehen Italiens. Das Papsttum kommunizierte mit Anderen und über Andere, deren Alterität aber oft erst entsprechend artikuliert, defi niert und konstruiert werden musste. Clemens Gantner untersucht drei Beispiele, die auf jeweils verschiedene Art und Weise das Papsttum im behandelten Zeitraum besonders geprägt haben: die Repräsentation des „byzantinischen“ oder „griechischen“ Kaiserreichs, jene der Langobarden und Franken im 8. Jahrhundert und der einseitig dargestellte Konfl ikt mit „Sarazenen“ genannten muslimischen Gruppen im 9. Jahrhundert. 2014. 322 S. 3 TAB. UND 2 GRAPH. BR. 170 X 240 MM | ISBN 978-3-205-79593-3

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