E-Business im industriellen Management: Theoretische Fundierung und praktische Umsetzung im Mittelstand - Göttinger Beiträge zur Betriebswirtschaft, Band 5 9783897442306, 3897442302

E-Business hat sich in der Praxis in ganz unterschiedlicher Ausgestaltung durchgesetzt. In der Forschung fehlen allerdin

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E-Business im industriellen Management: Theoretische Fundierung und praktische Umsetzung im Mittelstand - Göttinger Beiträge zur Betriebswirtschaft, Band 5
 9783897442306, 3897442302

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Inhaltsverzeichnis
von Fabian Solbach1
Autorenverzeichnis

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Göttinger Beiträge zur Betriebswirschaft Band 5 herausgegeben von Stefan Betz

Stefan Betz (Hrsg.) E-Business im industriellen Management Theoretische Fundierung und praktische Umsetzung im Mittelstand

Mit Beiträgen von Stefan Binnewies, Lars Budde, Stefan Charaus, Sönke Eggert, Dirk Kellerbach, Lars Kleeberg, Fabian Solbach, Fabian Thiemt, Torsten Walzner

Inh. Dr. Reinhilde Ruprecht e. K.

Mit 43 Abbildungen und 4 Tabellen

Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar. © Edition Ruprecht Inh. Dr. R. Ruprecht e. K., Postfach 1716, 37007 Göttingen 2006 Alle Rechte vorbehalten. Das Werk einschließlich seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urhebergesetzes bedarf der vorherigen schriftlichen Zustimmung des Verlags. Diese ist auch erforderlich bei einer Nutzung für Lehr- und Unterrichtszwecke nach § 52a UrhG. ISBN-13: 978-3-89744-230-6 ISBN-10: 3-89744-230-2

Vorwort zur zweiten Auflage E-Business hat sich als Bestandteil modernen Wirtschaftens etabliert. Noch sind es allerdings vornehmlich Großunternehmen, die Geschäftsprozesse mit elektronischer Unterstützung abwickeln und Handelstransaktionen auf elektronische Marktplätze verlagern. Im industriellen Mittelstand herrscht hingegen eine eher skeptische Einstellung gegenüber E-Business-Aktivitäten. Die Einsatzmöglichkeiten elektronisch gestützter Transaktionen im Mittelstand sind häufig nicht bekannt, und der Nutzen von E-Business-Initiativen gilt als ungewiss, während hohe Kosten als sicher gelten. Das Bild des eingebrochenen Neuen Marktes vor Augen lässt Manager im Mittelstand von Investitionen in Informations- und Kommunikationskapazitäten Abstand nehmen. Doch E-Business birgt nicht nur Risiken, sondern bietet mittelständischen Industrieunternehmen auch vielfältige Chancen: Der elektronische Geschäftsverkehr ermöglicht unter anderem kostengünstigere Formen der Kommunikation mit Geschäftpartnern sowie den Zugang zu bisher verschlossenen Märkten. Deshalb sollte das Management im Mittelstand unternehmensindividuell entscheiden, ob der zu erwartende Nutzen eines E-Business-Engagements den entsprechenden Aufwand und die einzugehenden Risiken rechtfertigt. Insofern verfolgt dieses Buch das Ziel, dem Management im Mittelstand relevantes Fachwissen zu vermitteln, das für die Entscheidung über den Einsatz von E-Business im eigenen Unternehmen nutzbringend sein kann. Zu diesem Wissen zählt die Kenntnis über theoretisch mögliche Handlungsalternativen und deren Implikationen sowie die Kenntnis über praxistaugliche Umsetzungsmöglichkeiten. Der erste Teil des Buches ist den theoretischen Grundlagen dieses Wissensgebietes gewidmet. Nach einer allgemeinen Diskussion der Anwendungspotenziale von E-Business im industriellen Mittelstand werden die einzelnen betriebswirtschaftlichen Funktionsbereiche (Beschaffung, Produktion und Absatz) detailliert auf die Chancen und Risiken des Einsatzes elektronisch gestützter Informationsund Kommunikationstechniken hin untersucht. Es folgen Diskussionen der Strategieauswahl, Planung, Realisierung und Risikoanalyse alternativer E-BusinessKonzepte. Im zweiten Teil des Buches werden Gestaltungsansätze in der Praxis vorgestellt. Ein breites Spektrum an Beiträgen gibt einen Einblick in die Umsetzung von E-Business-Vorhaben im Mittelstand und liefert weitergehende Informationen über dabei erfolgreich eingesetzte Verfahren.

Den unterschiedlichen Autoren aus Wissenschaft und Praxis gilt der Dank des Herausgebers. Jeder Verfasser hat die Frage nach den Chancen und Risiken des Einsatzes von E-Business im industriellen Mittelstand aus seinem eigenen Blickwinkel beleuchtet, so dass das Themengebiet von Forschern und Praktikern gleichermaßen intensiv erhellt wird. Ein besonderer Dank gilt dem Initiator dieses Vorhabens, Herrn Dr. Stefan Binnewies, und dem Redaktionsleiter Herrn Dipl.-Kfm. Stefan Charaus, der mit unermüdlichem Engagement, sehr sorgfältiger Arbeitsweise und im Endspurt mit sanftem Druck den erfolgreichen Abschluss dieses Buchprojekts forciert hat. Gegenüber der ersten Auflage sind die Beiträge überarbeitet und aktualisiert worden. Ein Aufsatz zur Fuzzy-Set-Theorie als Instrument des Risikomanagements für Produkte auf elektronischen Märkten ist hinzugekommen. Ein Autor der ersten Auflage hat mittlerweile seine Arbeitskraft vollständig der Praxis gewidmet. Die redaktionelle Arbeit der zweiten Auflage hat Frau Karina Machuletz übernommen, der die Autoren für ihre besondere Sorgfalt danken. Paderborn, im Oktober 2006

Stefan Betz

Inhaltsverzeichnis Theoretische Grundlagen

Einsatzmöglichkeiten des E-Business und deren Implikationen für den Mittelstand Fabian Solbach ................................................................................................... 3 Beschaffung und E-Business Torsten Walzner ................................................................................................ 15 Produktion und E-Business Sönke Eggert ...................................................................................................... 33 Absatz und E-Business Stefan Charaus .................................................................................................. 55 Planung und Realisierung von E-Business-Konzepten Stefan Binnewies ............................................................................................... 73 Auswahl einer E-Procurement-Strategie als betriebswirtschaftliches Entscheidungsproblem Stefan Betz ......................................................................................................... 91 Risikomanagement und E-Business Fabian Thiemt ................................................................................................. 111 Fuzzyfizierte Deckungsbeitragsrechnung für Produkte auf elektronischen Märkten Stefan Betz ....................................................................................................... 127

Gestaltungsansätze in der Praxis

Einsatz von Verfahren der Investitionsrechnung zur Beurteilung von E-Procurement-Investitionen Stefan Binnewies ............................................................................................. 159

VIII

Inhaltsverzeichnis

Einsatz von Verfahren der Investitionsrechnung zur Beurteilung von E-Commerce-Investitionen Dirk Kellerbach ............................................................................................... 179 Vom Desktop Purchasing zum Beschaffungsportal - E-Procurement in der Praxis Lars Kleeberg .................................................................................................. 193 Identifizierung und Auswahl von geeigneten Gütern und Dienstleistungen für E-Procurement-Lösungen - dargestellt am Beispiel der K+S Gruppe Lars Budde ....................................................................................................... 205

Autorenverzeichnis ..........................................................................................IX

Theoretische Grundlagen

Einsatzmöglichkeiten des E-Business und deren Implikationen im Mittelstand von Fabian Solbach1

1

Einleitung

In den letzten Jahren hat die Komplexität der Märkte stark zugenommen. Dieses Phänomen ist zum Teil auf immer kürzer werdende Entwicklungs- und Produktionszeiten sowie eine verstärkte Kooperation zwischen Unternehmen einer Branche zurückzuführen. Dabei erlangen moderne Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) - wie auch das world wide web - stetig wachsende Bedeutung. Die damit verbundene Aufhebung zeitlicher und räumlicher Einschränkungen der Unternehmensplanung kann den Marktteilnehmern neue Wege hinsichtlich des Erwerbs wichtiger Informationen und effizienten Wissens sowie hinsichtlich einer Steigerung innerbetrieblicher Leistungen eröffnen. Dieses gilt insbesondere für mittelständische Unternehmen, die sich jeden Tag aufs Neue behaupten müssen, um ihre Stellung am Markt zu sichern. EBusiness stellt einen Weg dar, den Regeln des Internet-Wettbewerbs und den damit verbundenen Anforderungen des Wirtschaftens gerecht zu werden. KMU sind in der Regel jedoch nicht in der Lage, die finanziellen und zeitlichen Ressourcen für die Einrichtung eines effektiven Elektronic-Business-Systems aufzubringen. Dadurch bleiben viele Möglichkeiten ungenutzt, die gegebenenfalls nicht zu unterschätzende wirtschaftliche Vorteile mit sich bringen könnten. Im Rahmen dieses Artikels sollen ausgewählte Aspekte des E-Business thematisiert werden, um dessen Chancen, aber auch existierende Risiken hinsichtlich der Einsatzbereiche und der wirtschaftlichen Auswirkungen für mittelständische Unternehmen deutlich zu machen. Dazu werden zu Beginn grundlegende Termini des E-Business und des Mittelstandes definiert. Im dritten Abschnitt werden Gestaltungsfelder erwähnt, aber auch Problembereiche aufgezeigt. Das vierte Kapitel enthält eine Zusammenfassung der Ergebnisse, eine komprimierte kritische Beurteilung der gewonnenen Erkenntnisse und einen kurzen Ausblick auf mögliche weitere Anwendungsbereiche. 1

Dipl.-Hdl. Fabian Solbach, Universität Paderborn, Department Accounting and Finance, Lehrstuhl für Produktionsmanagement und Controlling, Warburger Str. 100, 33098 Paderborn.

4

Fabian Solbach

2

E-Business als Betrachtungsgegenstand in Kleinen und Mittleren Unternehmen (KMU)

2.1

Strukturmerkmale und definitorische Abgrenzungen des E-Business

In Wissenschaft und Praxis werden die Begriffe Electronic Business (EBusiness) und Electronic Commerce (E-Commerce) unterschiedlich ausgelegt. Die beiden Begriffe unterscheidet Horvath2 in der Weise, dass sich EBusiness auf die gesamte interne und externe Wertschöpfungskette eines Unternehmens bezieht. E-Commerce hingegen wird auf eine Geschäftsbeziehung bzw. Transaktion zwischen Marktteilnehmern bezogen. Ein Zusammenhang zwischen E-Business und E-Commerce besteht darin, dass ein unternehmensexterner ECommerce nur bei adäquat installierten und funktionierenden unternehmensinternen E-Business erfolgreich sein kann.3 Eine schärfere Abgrenzung erfolgt bei Preißner4, der E-Commerce auch als eine Teilfunktion des E-Business ansieht, jedoch E-Commerce in den Mittelpunkt des E-Business stellt. Es lassen sich zwei Bereiche innerhalb des ECommerce unterscheiden, einerseits der Bereich E-Sales, andererseits EProcurement. Der Begriff E-Sales wird in der deutschsprachigen Literatur häufig mit E-Commerce gleichgesetzt und befasst sich mit dem elektronisch unterstützten Absatz des Unternehmens. Dagegen beschäftigt sich E-Procurement mit der IT-gestützten Beschaffung des Unternehmens.

E-Business E-Procurement

E-Commerce E-Sales

Abb. 1:

Elemente des Electronic Business5

Der Begriff des E-Business wird noch weiter gefasst, indem zusätzlich zu den externen Unternehmensaktivitäten auch die Abwicklung aller betriebsinternen Geschäftsprozesse miteinbezogen wird.6 Insofern beinhaltet E-Business ne2 3 4 5 6

Vgl. Horváth/Reichmann (2003), S. 179-180. Vgl. ebenda. Vgl. Preißner (2002), S. 7. In Anlehnung an Preißner (2002), S. 8. Vgl. Wirtz (2006), S. 28.

Einsatzmöglichkeiten des E-Business und deren Implikationen für den Mittelstand

5

ben E-Commerce7 die Aktivitäten E-Communication, E-Information, ECollaboration und E-Education. Den folgenden Ausführungen liegt in Anlehnung an Wirtz dieses Begriffsverständnis für E-Business zugrunde. In der Literatur werden die Ausprägungen des E-Business in der Regel nach Teilnehmern klassifiziert. Die verschiedenen Leistungen via elektronischer Netze können von diversen Akteuren ausgetauscht werden. Eine übersichtliche, allgemeine Einteilung der Positionen nehmen Hermanns/Sauter8 und Wirtz9 vor, die die Akteure in Öffentliche Institutionen (Administration), Unternehmen (Business) und Private Konsumenten (Consumer) einteilen. Zur Übersichtlichkeit dient folgende Abbildung:

Abb. 2:

Business

Consumer

Administration-toAdministration (Zusammenarbeit von Ämtern)

Business-toAdministration (z.B. KMUSteuererklärung online)

Consumer-toAdministration (z.B. Steuererklärung einer Privatperson online)

Business

Administration

Administration-toConsumer-toBusiness-to-Business Business Business (z.B. Pri(z.B. Beschaffungs(z.B. Öffentliche Aufvatperson bietet in marktplätze für träge werden online Datenbank seine ArKMU) ausgeschrieben) beitskraft an)

Consumer

Nachfrager

Administration

Anbieter

Administration-toConsumer (z.B. Sozialhilfe wird online abgewickelt)

Business-toConsumer (z.B. KMU richtet Online-Shop ein)

Consumer-toConsumer (z.B. Online-Auktionen von Privatpersonen)

Beziehungen zwischen Akteuren10

Im weiteren Verlauf der Arbeit werden der B2B- und der B2C-Commerce eine besondere Berücksichtigung finden, weil dort die größten Potenziale zu erwarten sind.11 7

Demnach wird E-Commerce als Anbahnung, Aushandlung und Abschluss von Transaktionen des Handels zwischen Wirtschaftssubjekten via elektronischer Netze verstanden. Vgl. Wirtz (2006), S. 33. 8 Vgl. Hermanns/Sauter (2001), S. 25ff. 9 Vgl. Wirtz/Kleineicken (2000b), S. 628. 10 Vgl. Merz (2002), S. 24. 11 Vgl. Abschnitt 3.2. dieser Arbeit.

6

2.2

Fabian Solbach

Die Bedeutung und Besonderheit Kleiner und Mittlerer Unternehmen

In der nationalen und internationalen Literatur gibt es keine einheitliche Auffassung über den Begriff des „Kleinen und Mittleren Unternehmens“. Zunächst wird kurz auf den gebräuchlichen nationalen Ausdruck „mittelständische Unternehmen“ eingegangen. Hierunter versteht man Wirtschaftsunternehmen, in denen in der Regel eine Person als Kapitalgeber die Hauptverantwortung trägt und in denen eine bestimmte Größenordnung nicht überschritten wird.12 Die EUKommission geht in ihren Untersuchungen von folgendem Raster aus: Unternehmensgröße Zahl der Beschäftigten Umsatz [Mio.€/Jahr] kleinst bis 9 bis 2 klein bis 49 bis 10 mittel bis 249 bis 50 groß über 249 über 50 Abb. 3:

KMU-Definition der EU13

Als Kriterien zur Abgrenzung von KMU einerseits und Großunternehmen andererseits werden neben quantitativen auch qualitative Merkmale herangezogen. Dabei ist festzustellen, dass über den Umfang oder die Auswahl der relevanten Kriterien keine Einigkeit besteht.14 Quantitative Unterscheidungsmerkmale sind Größen wie Umsatzhöhe, Anzahl der Beschäftigten, Bilanzsumme (Banken), Quadratmeter der Verkaufsfläche (Handel), Anzahl der Betten (Hotel), etc.15 Charakteristische, qualitative Merkmale können sein:16 - begrenzte finanzielle und zeitliche Ressourcen, - hohes Interesse an Selbstfinanzierung, - persönliche Kontakte zu Kunden, - große Bedeutung der Zulieferung, - Überschaubarkeit des Unternehmens für den Inhaber, - Hoher Grad an Spezialisierung. Die in der Gesetzgebung17 und Wirtschaft genannten Kleinen und Mittleren Unternehmen sind sehr vielfältig ausgeprägt und nicht einheitlich definiert. Es gibt eine Vielzahl quantitativer und qualitativer Abgrenzungskriterien. Eine für alle Branchen und Betriebe geltende und aussagefähige Abgrenzung der KMU 12 13 14 15 16 17

Vgl. Bussiek (1996), S. 17. Vgl. EU-Kommission (2003), L124/39. Vgl. Legenhausen (1998), S. 16. Vgl. Bussiek (1996), S. 17. Vgl. Bamberger/Evers (1995), S. 5. Vgl. HGB § 267. Zu Arten der verschiedenen Rechtsformen siehe Bussiek (1996), S. 22ff.

Einsatzmöglichkeiten des E-Business und deren Implikationen für den Mittelstand

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zu den Großunternehmen zu entwickeln, ist bisher weder in der einschlägigen Literatur noch in der betriebswirtschaftlichen Praxis gelungen.18 Im internationalen Sprachgebrauch werden die Ausdrücke „Small- and Mediumsized Enterprise“ (SME) bzw. „Petit et Medium Enterprise“ (PME) verwendet.19 Eine Empfehlung der Europäischen Kommission schlägt als Abgrenzungskriterium für KMU eine Beschäftigtenzahl bis zu 249 Mitarbeitern, einen jährlichen Umsatz (bzw. Bilanzsumme) von höchstens 50 Mio. € (bzw. 43 Mio. €) sowie eine Unabhängigkeit des Unternehmens vor.20 Durch die Verschiedenartigkeit der Abgrenzungen wird die besondere Problematik, eine einheitliche Abgrenzung zu erreichen, aufgezeigt. Nach dem IfM21 ist ein Unternehmen mit einem jährlichen Umsatz von 50 Mio. € und durchschnittlich 400 Beschäftigten in die Gruppe der mittleren Unternehmen einzustufen, während dieses auf EU-Ebene schon als Großunternehmen angesehen werden kann.22 Da sich innovative Unternehmen einer Internationalisierung nicht verschließen sollten, werden im Folgenden entsprechend internationaler Gepflogenheiten und der offiziellen Sprachregelung in der Gesetzgebung die Begriffe „mittelständisches Unternehmen“ und „Kleines und Mittleres Unternehmen“ (KMU) als Synonyma angesehen. Von besonderer Bedeutung ist, dass KMU in Deutschland 99,7% aller umsatzsteuerpflichtigen Unternehmen ausmachen. Sie beschäftigen 70,5% aller Arbeitnehmer und bilden rund 82,4% aller Auszubildenden aus.23 Somit tragen KMU mit einem Anteil von 49% zur Bruttowertschöpfung aller Unternehmen bei und tätigen 51,5% aller Bruttoinvestitionen.24 Daraus ist zu erkennen, dass die KMU eine Grundvoraussetzung für den Fortbestand unserer Marktwirtschaft darstellen. Die Zukunftsaussichten der KMU hängen davon ab, inwieweit ihre Stärken insbesondere in Zukunft von großer Bedeutung sind und ihre Schwächen durch entsprechende Stärken und Gegenmaßnahmen kompensiert werden können. Große Konzerne greifen - durch Unterteilung einiger ihrer Unternehmensbereiche - auf KMU-Strukturen zurück, um flexibler und konkurrenzfähiger zu sein. Die Entwicklung der KMU kann von der Mentalität eines Geschäftsführers abhängen. Eine Unabhängigkeit der Unternehmensleitung ist mit einer Kapital18 19 20 21 22

Vgl. Streithorst (2001), S. 9. Vgl. ebenda, S. 16. Vgl. EU-Kommission (2003), L124/36ff. Vgl. IfM Bonn (2006), o.S. Vgl. Streithorst (2001), S. 10. Eine Änderung der Unternehmensgrößenzahlen des IfM unter Anwendung der EU-Definition erfolgt dann, wenn die statistischen Grundlagen der amtlichen Statistik hierfür geschaffen worden sind. 23 Vgl. Meyer (2003), S. 27. 24 Vgl. IfM (2006), S. 21-22.

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Fabian Solbach

herrschaft verbunden, die zusammen mit der Überschaubarkeit zu nur sich selbst verantwortlichen Entscheidungen führt. In manchen kleinen Unternehmen fehlt häufig die Zeit, um sich intensiv mit einem Problem wie z.B. der Einführung von E-Business, auseinanderzusetzen. Die auf sich allein gestellte Führungskraft kann dazu neigen, den eigenen Kenntnisstand falsch einzuschätzen. Somit kann die knappe Ressource Arbeitskraft zu einem erheblichen Informationsmangel führen. Ebenfalls eingeschränkt sind die Beschaffung und Verwendung finanzieller Mittel. Somit sind von der knappen Ressource Kapital alle Bereiche des KMUs beeinträchtigt. Zu einer der schwierigsten und nachhaltigsten Entscheidungen von KMU gehören sicher Investitionsentscheidungen. Eine Fehlentscheidung kann eine teure und unter Umständen eine irreversible, existenzbedrohende Folge mit sich bringen. Dieses gilt somit auch für die Einführung von E-Business. Die Meinungen, in welchem Ausmaß durch die Einführung von E-Business die Effizienz in KMU gesteigert wird, variieren sehr stark. Die folgenden Ausführungen des nachstehenden Kapitels 3 sind den vier Aspekten der Außendarstellung, der Unternehmenskultur, des E-Procurements und des E-Commerces zu subsummieren.

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Möglichkeiten und Grenzen des E-Business in KMU

3.1

Gestaltungsfelder des E-Business für KMU

Die größte Chance der KMU besteht darin, mit einer informativen website ihre Produkte weltweit anzubieten. Dieses ist zwar nur ein erster, aber kein zu unterschätzender Schritt. Durch die Einführung eines webbasierten OrderingSystems, das von diversen Suchmaschinen oder Netbots25 leicht gefunden werden kann, eröffnen sich ohne großen Zeitaufwand und ohne hohe Kosten neue Märkte. Die effiziente Nutzung der IKT26 - insbesondere des Internets - eröffnet KMU neue Möglichkeiten zum Austausch von Wissen, Informationen und Leistungen, wie dies durch kein anderes Kommunikationsmittel zuvor gelungen ist. Im Gegensatz zu Großunternehmen besteht für KMU eine weitere Chance im engen, informellen Kontakt der Unternehmensleitung zu den Mitarbeitern. Ein vorbildlicher Führungscharakter kann in Verbindung mit persönlichen Gesprächen zur Motivations- und Leistungssteigerung eines Mitarbeiters im Umgang mit E-Commerce führen. 25 26

Dieses ist eine Weiterentwicklung traditioneller adaptiver Suchmaschinen. Informations- und Kommunikationstechnologie (IKT).

Einsatzmöglichkeiten des E-Business und deren Implikationen für den Mittelstand

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Ein hohes Einsparpotenzial liegt mittels E-Procurement - insbesondere bei der Beschaffung von MRO-Gütern27- im Zeitvorteil durch Prozesskostenoptimierung.28 Zudem können sich partnerschaftlich verbundene KMU zusammenschließen, um die Möglichkeiten des Internets stärker gemeinsam zu nutzen. Durch die Desktop-Purchasing-Systeme können die Transaktionskosten in der Beschaffung für KMU drastisch gesenkt werden. In der momentan wirtschaftlich schlechten Lage liegt ein besonderer Vorteil von KMU darin, auf Kundenwünsche und Entwicklungen von Märkten schnell reagieren zu können. Durch die besondere Fähigkeit der Flexibilität besitzen KMU eine hohe, ausgeprägte Innovationstätigkeit und spezialisieren sich häufig auf einzelne Produkte bzw. Marktsegmente.29 E-Business kann durch eine interaktive Gestaltung der Kundenbeziehung ein “One-to-One-Marketing“30 schaffen.31 Der Vorteil besteht darin, dass das KMU ein individuelles und speziell auf die Wünsche des Kunden abgestimmtes Angebot unterbreitet. Dadurch kann sich die Kaufbereitschaft erhöhen und die Kundenzufriedenheit und -bindung verbessern.32 Durch E-Business kann der Service weiter ausgebaut werden.33 In der Literatur wird einem guten Kundendienst eines KMUs ein hoher Stellenwert der Wettbewerbsfähigkeit zugeordnet. Denn die Qualität des Services entscheidet in immer mehr Branchen über einen langfristigen Erfolg.34 3.2

Problembereiche des E-Business für KMU

Laut einer EU-Studie verfügen zur Zeit fast 98% aller KMU über einen Internetanschluss und fast 70% aller KMU über eine eigene homepage.35 Analysten gehen davon aus, dass im Jahr 2015 bis zu 65% für KMU bezahlbare, gehostete 27

28 29 30

31 32 33

34 35

Diese indirekten Materialien, auch MRO Materialien für die Wartung (Maintenance), die Reparatur (Repair) und den Betrieb (Operations) genannt, gehen nicht direkt in die Produktion ein. Beispiele sind Schrauben oder Büromaterial. Direkte Materialien lassen sich nach der zugrunde liegenden ABC-Analyse in A-, B- und C-Materialien differenzieren. Zur weiteren Vertiefung siehe Hartmann (2002), S. 170ff. Vgl. Richter (2003), S. 54. Vgl. Biethahn (2002), S. 9. Beim „One-to-One-Marketing“ ist es für das KMU möglich, durch den Einsatz moderner Informationstechnologien, insbesondere die Erfassung und Weiterverarbeitung individueller Kundenpräferenzen aus früheren Kontakten, einzelnen Kunden bestimmte Produkte bzw. Dienstleistungen anzubieten. Vgl. Hermanns (1999), S. 93. Vgl. Hermanns (2001), S. 107. Vgl. Muther (1999), S. 55. Jedoch liegt ein Gefahrenpotenzial darin, dass dabei auch Großunternehmen zu günstigeren Konditionen anbieten können. Z.B. können auf der website des KMUs häufig gestellte Fragen und Anwendungstipps zu den jeweiligen Produkten veröffentlicht oder es kann per E-Mail ein Kontakt hergestellt werden. Vgl. Zerfaß /Haasis (2002), S. 15. Vgl. Selhofer (2003), S. 11.

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Fabian Solbach

Coustomer Relationship -Lösungen36 am weltweiten Gesamt-CRM-Markt vorzufinden sein werden.37 Mit den heute erhältlichen Lösungen ist dieses in jedem Fall möglich.38 Jedoch gibt es einen markanten Unterschied zwischen einer informativen website eines KMUs und einer automatischen elektronischen Abbildung geschäftlicher Prozessketten bis hin zu SCM-Lösungen.39 Zum momentanen Zeitpunkt sind hohe Investitionen zur Erlangung vollständiger Marktpräsenz eines KMUs durch Hard- und Software sowie Aus- und Weiterbildung notwendig. Eine von verschiedenen Schwierigkeiten wird in der Anbindung des eigenen Systems an Internetanwendungen gesehen. Diese teure Einrichtung40 amortisiert sich nicht, wenn E-Commerce nur sporadisch genutzt wird. Einsparpotenziale ergeben sich dann41, wenn die Absatzzahlen für verbrauchte Artikel automatisch an Lieferanten weitergeleitet42 und direkt zur neuen Produktion führen. Ein Mangel an qualifizierten und motivierten Mitarbeitern sowie fehlende Vertrautheit mit dem Medium stellen weitere Barrieren der Einführung dar.43 In manchen Fällen könnten Anpassungsprobleme an die Unternehmenskultur den Grund einer gehemmten Einführung des E-Business darstellen.44 Die sozialen Kontakte, die von vielen Kunden hoch geschätzt werden, treten durch EBusiness in den Hintergrund. Denn die teils jahrelangen Gepflogenheiten des Geschäftsführers sind zum individuellen Aushängeschild eines speziellen KMUs geworden. Durch E-Business können diese nicht mehr zum Ausdruck gebracht werden, und aus diesem Grund befürchten KMU, einige ihrer Kunden zu verlieren. Von betriebswirtschaftlichem Interesse sind für KMU aufgrund der dort stetig wachsenden Umsätze der B2C- und der B2B-Commerce.45 Der B2B-Einsatz ist hauptsächlich in der Automobilbranche und im Maschinenbau verbreitet.46 Zum momentanen Zeitpunkt fehlt es allerdings noch an einer leistungsfähigen

36 37 38 39 40

41 42 43 44 45 46

Zu den Zielsetzungen einer Coustomer Relationship Management-Konzeption siehe Becker (2001), S. 16ff. In Anlehnung an Wilde et al. (2004), S. 78. Im Vergleich dazu nutzten im Jahr 2003 laut EU-Studie 17,1% der KMU E-Sale und 43% E-Procurement. Vgl. Selhofer (2003), S. 11. Vgl. Richter (2003), S. 54. Supply Chain Management (SCM). Zur weiteren Vertiefung siehe Bloech et al. (2004), S. 361ff. Neben Kosten für die Einrichtung stehen Kosten für die Nutzung eines eigenen oder gehosteten Servers, für die Leitung sowie Personalkosten für die Aktualisierung der website oder der E-Mail-Beantwortung an. Vgl. Richter (2003), S. 54. Z.B. durch Barcodes via Scanner. Vgl. Doh (2003), S. 50. Vgl. Altenburg (2002), S. 7. Vgl. Abbildung 2 dieser Arbeit. Ebenso in der Chemie- und Pharmaindustrie. Vgl. Altenburg (2002), S. 7.

Einsatzmöglichkeiten des E-Business und deren Implikationen für den Mittelstand

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Kataloglösung.47 Im B2C-Bereich sind die größten Umsätze im Bücherversand, Tourismus- und Finanzdienstleistungsbereich sowie bei sonstigen elektronisch gehandelten Gütern48 zu verzeichnen. Abschließend sind Schwierigkeiten bei der Abwicklung der Zahlungsmodalitäten aufgrund potentieller Anonymität zu nennen. Es sprechen einige Gründe dafür, dass Großunternehmen bzw. Konzerne weit aus mehr von E-Business profitieren als KMU. Benutzerfreundliche Suchmaschinen, Metasuchmaschinen oder Netbots ermöglichen Einkäufern von Großunternehmen, von bislang unbekannten KMU ohne großen Aufwand Angebote einzuholen.49 Diese Markttransparenz verstärkt in zunehmendem Maße den Konkurrenzkampf zwischen den KMU bis hin zu Auftragsverlusten. Durch eine Preistransparenz auf B2B-Marktplätzen können Großunternehmen ihre Beschaffungskosten zum Nachteil einiger KMU-Zulieferer beachtlich senken. Zusätzlich stellt die Anwendung von “Mass Customization”50 durch Großunternehmen für KMU ein ernst zu nehmendes Gefahrenpotenzial dar. Anhand mancher Statistiken ist zu erkennen, dass KMU die Potenziale des E-Business längst erkannt haben. Es ist jedoch vonnöten, diese Potenziale auszuschöpfen und umzusetzen. Dabei ist es wichtig, die Chancen des E-Business zu nutzen und mögliche Risiken individuell zu analysieren, um entsprechende Gegenmaßnahmen abzuleiten. Eine länderübergreifende Unterstützung führt dabei wirksamer zu dem Ziel, das Internet besser als Instrument für KMUGeschäftstätigkeiten zu nutzen. Daher beschäftigt sich seit einigen Jahren eine Kommission der EU mit der Initiative „go digital“, um im weltweiten Vergleich einen diesbezüglichen Spitzenplatz zu verteidigen bzw. zu festigen.51 Aus diesem Grund müssen entsprechende Maßnahmen auf nationaler, regionaler bis hin zu lokaler Ebene getroffen werden. Daher bestehen in Deutschland Kompetenzzentren mit dem Ziel, die Wettbewerbsfähigkeit deutscher KMU durch Nutzung von E-Business zu stärken. Die Hauptaufgabe besteht in der Verfügbarkeit KMU-freundlicher Lösungen für den elektronischen Geschäftsverkehr, in einer besseren Nutzung komplexer Anwendungen sowie in der Kenntnisverbesserung durch Erfahrungsaustausch der E-Business-Verantwortlichen.

47 48 49 50

51

Elektronische Kataloge sind das Fundament des E-Procurements. Diese werden aber in der Konzeptionsphase lediglich als add-on behandelt. Vgl. Doh (2003), S. 50. Z.B. Softwareprogramme. Vgl. Buchholz/Müller (2003), S. 34. Das Konzept der „Mass Customization“ bezeichnet die Produktion von Gütern und Leistungen für einen (relativ) großen Absatzmarkt, die den Kunden individuell angeboten werden. Dabei sollen diese Produkte die unterschiedlichen Bedürfnisse eines jeden Nachfragers treffen und gleichzeitig sollen die Kosten ungefähr denen einer massenhaften Fertigung eines zugrund liegenden Standardproduktes entsprechen. Zur Zielerreichung siehe Reichwald/Piller (2002), S. 472. Ziel ist, die EU bis zum Jahr 2010 zur weltweit wettbewerbsfähigsten wissensbasierten Wirtschaft zu machen.

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Fabian Solbach

Kritische Schlussbetrachtung und Ausblick

E-Business ist eine grenzüberschreitende, offene Unternehmensaktivität, die den KMU neue Möglichkeiten im Sinne einer zügigeren, ressourcensparenderen, flexibleren und somit kostengünstigeren Realisierung von Produktion und Absatz entlang der gesamten Supply-Chain eröffnen kann. Voraussetzung für eine derartige Nutzung ist jedoch eine prinzipiell offene Unternehmenskultur,52 die eine kontinuierliche Anpassung der Organisationsstruktur an die Veränderung des E-Business gewährleistet. Jedes KMU muss eigenständig prüfen, ob der Einsatz von E-Commerce-Systemen durch Einbeziehung von Lieferanten und/oder Kunden auf vielfältige Art und Weise lohnenswert ist.53 Denn die Nutzung von E-Commerce verspricht nicht automatisch Erfolg. Die Anwendungspotenziale des E-Business sind branchenabhängig.54 Gleichzeitig dürfen Risiken wie eine gestiegene Markttransparenz, die dadurch entstehende Zunahme potentieller Konkurrenten und die teils hohen Implementierungskosten55 nicht außer Acht gelassen werden. Zum aktuellen Zeitpunkt besteht für KMU ein weiterer, empirischer Forschungsbedarf zur Ermittlung qualitativer und quantitativer Kriterien, um generelle Aussagen hinsichtlich der Vorteilhaftigkeit einer Nutzung moderner IKT in KMU treffen zu können. Jedoch ist zu erkennen, dass die Veränderungen, die mit E-Business verbunden sind, keine Rücksicht die Existenz Kleiner und Mittlerer Unternehmen nehmen. Daher sollte der Mittelstand E-Business als Chance betrachten und versuchen, die Potenziale, die das E-Business bietet, auszuschöpfen und anzuwenden, um so im Wettbewerb gegenüber anderen Unternehmen - die dem Markttrend folgend, zunehmend elektronische Systeme einsetzen - konkurrieren zu können. Ein end- und allgemeingültiger Ratschlag kann zur Zeit nicht gegeben werden, denn einerseits befindet sich die EU mitten in der Anwendungs- und Weiterentwicklungsphase, andererseits sind weder ökonomische, soziokulturelle Einführungsprobleme noch das technologische Potenzial vollständig zu überblicken.56 Die „E-Dimension“ muss ebenso systematisch in alle EU-Politikebenen integriert werden, damit bestehende Rechtsvorschriften - z.B. in Bereichen des Verbraucherschutzes und Produktrechts - diese Entwicklung fördern. Die politisch Verantwortlichen müssen ständig ihren Beitrag zum grenzüberschreitenden Handel leisten, indem sie das Vertrauen der Verbraucher und der Unternehmen in den elektronisch unterstützten Geschäftsverkehr durch entsprechende Gesetze 52 53 54

Vgl. Vincenti (2002), S. 45. Dazu möge das vorliegende Buch einen Beitrag leisten. Z.B. sind die KMU der Automobilzulieferindustrie teilweise gezwungen, E-Business einzuführen. Im Gegensatz dazu besteht für einen Installateurbetrieb ein geringerer diesbezüglicher Handlungsbedarf. 55 In der Regel berechnen Marktplatzbetreiber für die Nutzung einer Systemlösung eine monatliche Gebühr, so dass dieses ein Anreiz besonders für kleine Unternehmen darstellt. 56 Vgl. Nielinger (2001), S. 61.

Einsatzmöglichkeiten des E-Business und deren Implikationen für den Mittelstand

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stärken. Nur so können die Vorteile der E-Economy weitgehend ausgeschöpft werden.

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Beschaffung und E-Business von Torsten Walzner1

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Einleitung

Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für das unternehmerische Planen und Handeln sind in zunehmendem Maße komplexer und schwieriger geworden. Die Internationalisierung und Globalisierung des Wettbewerbs sowie ein Überangebot in vielen Branchen stellen hohe Anforderungen an die Unternehmensführung. Insbesondere gilt es, vorhandene Einsparpotenziale konsequent zu nutzen. Dabei sind auch die qualitativen und quantitativen Anforderungen an eine effiziente und effektive Abwicklung der Beschaffung in den vergangenen Jahren drastisch gestiegen. Vor diesem Hintergrund sind unternehmerische Beschaffungsprozesse seit längerem Gegenstand betrieblicher Reorganisationsmaßnahmen. Durch die Nutzung elektronischer Informations- und Kommunikationstechnologien wird eine Rationalisierung der Bestellprozesse angestrebt. In diesem Zusammenhang wird in der aktuellen betriebswirtschaftlichen Literatur und Praxis die Bestellabwicklung über E-Procurement-Systeme propagiert. So hat sich in Deutschland der Anteil der Unternehmen, die zumindest einen Teil ihrer Bedarfe elektronisch beschaffen, von 1999 (26 %) bis 2004 (60 %) mehr als verdoppelt.2 Dabei lassen sich allerdings deutliche betriebsgrößenabhängige Unterschiede ausmachen. Kleinere und mittlere Unternehmen haben - im Vergleich zu Großbetrieben - die Möglichkeiten einer elektronisch gestützten Beschaffung noch nicht in größerem Umfang realisiert.3 Im Rahmen dieses Beitrags sollen ausgewählte Aspekte einer elektronisch gestützten Beschaffung untersucht werden, um deren Potenziale, aber auch bestehende Grenzen deutlich zu machen. Dabei werden im Anschluss an diese Ein1

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Dr. Torsten Walzner, Georg-August-Universität Göttingen, Institut für Betriebswirtschaftliche Produktions- und Investitionsforschung, Abteilung für Industrielles Management und Unternehmensrechnung, Platz der Göttinger Sieben 3, 37073 Göttingen. Vgl. Rambøll Management (2004), S. 35. Im Rahmen der im Jahr 2004 vorgelegten Studie zur Nutzung des elektronischen Geschäftsverkehrs in kleinen und mittleren Unternehmen in Deutschland, Europa und den USA, die vom Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit in Auftrag gegeben wurde, wurden allein in Deutschland über 400 Unternehmen befragt. Dies gilt in insbesondere auch für das europäische Ausland und die USA. Vgl. ebenda, S. 35 f. Auch eine im Rahmen des „European E-Business Report 2005“ durchgeführte Untersuchung ergab, dass diejenigen 56 % der befragten 758 Unternehmen in Deutschland, die elektronische Beschaffungswege nutzen, 62 % der Arbeitnehmer repräsentieren. Vgl. E-Business Watch (2005), S. 28.

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Torsten Walzner

leitung im zweiten Abschnitt zunächst die begrifflichen und theoretischen Grundlagen der elektronischen Beschaffung erörtert. Im dritten Abschnitt werden dann mögliche Einsatzfelder des E-Procurements im Unternehmen thematisiert, die Eignung unterschiedlicher Beschaffungsobjekte für eine elektronische Beschaffung eruiert und die Auswirkungen des Einsatzes von E-ProcurementSystemen auf den Beschaffungsprozess analysiert. Der vorliegende Beitrag endet mit einer Schlussbetrachtung im vierten Abschnitt.

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Grundlagen der elektronischen Beschaffung

Dieser Abschnitt ist den Grundlagen der elektronischen Beschaffung gewidmet. Dabei steht zunächst der klassische Beschaffungsbegriff im Mittelpunkt der Untersuchung. Anschließend werden die wesentlichen Begriffe sowie grundlegende Aspekte des Einsatzes von E-Business-Lösungen im Beschaffungsbereich diskutiert. 2.1

Beschaffungsbegriff

In der betriebswirtschaftlichen Literatur und Praxis existiert neben dem Beschaffungsbegriff eine Vielzahl weiterer Termini, die teils synonym, teils differenzierend verwendet werden. Im Wesentlichen handelt es sich hierbei um die Bezeichnungen Einkauf und Materialwirtschaft.4 Dabei stimmen alle Begriffsbestimmungen in der grundlegenden Zielsetzung überein, die in einer Versorgung des Unternehmens mit allen benötigten Inputfaktoren sowie deren zieladäquater Bereitstellung zu sehen ist.5 Eine trennscharfe Abgrenzung der genannten Begriffe ist daher nur schwer möglich, so dass sich die folgende kurze Darstellung auf die wesentlichen Bedeutungsinhalte beschränkt. Der Beschaffungsbegriff stellt neben den funktionalen Aspekten der Unternehmensversorgung auch auf deren marktbezogene Elemente ab. Der unternehmerische Versorgungsprozess wird durch innerbetriebliche Erfordernisse ebenso bestimmt wie durch die jeweilige Marktkonstellation, die sich aus dem Leistungspotenzial des einzelnen Lieferanten, der aktuellen Konjunkturlage und der Marktform ergibt.6 So umfasst die Beschaffung „[...] sämtliche unternehmensund/oder marktbezogene Tätigkeiten, die darauf gerichtet sind, einem Unternehmen die benötigten, aber nicht selbst hergestellten Objekte verfügbar zu ma4

5 6

Vgl. bspw. Arnold (1997), S. 2, Koppelmann (2004), S. 5 und Wagner (2005), S. 18. Des Weiteren wird in diesem Zusammenhang vielfach auf den Logistikbegriff eingegangen. Hierbei steht die physische Versorgung der Bedarfsträger durch die Überbrückung der zeitlichen, räumlichen und mengenmäßigen Differenzen im Vordergrund. Vgl. Tempelmeier (2006), S. 2. Vgl. Arnolds/Heege/Tussing (2001), S. 21. Vgl. ebenda, S. 23.

Beschaffung und E-Business

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chen.“7 Dabei kann zwischen Beschaffungsobjekten des periodischen bzw. des laufenden Bedarfs8 und solchen des aperiodischen oder gar einmaligen Bedarfs9 unterschieden werden.10 Die Beschaffung ist in diesem Kontext nicht auf rein operative, ausführende bzw. administrative Tätigkeiten beschränkt, sondern wirkt vielmehr gestaltend und strebt eine sichere und kostengünstige Versorgung an.11 Während der Begriff der Beschaffung folglich die strategische Bedeutung hervorheben soll, wird der Terminus Einkauf oft im Zusammenhang mit ausschließlich operativen Tätigkeiten verwendet.12 Auch wird der Einkauf häufig mit der organisatorischen Einheit gleichgesetzt.13 Dem Begriff der Materialwirtschaft werden dagegen sämtliche unternehmensinternen Vorgänge subsumiert, die der wirtschaftlichen Bereitstellung von Erzeugnisstoffen bzw. Materialien des periodischen Bedarfs dienen.14 Somit kann die Materialwirtschaft durch die Vernachlässigung unternehmensübergreifender Aspekte funktional und durch die Beschränkung auf Güter des periodischen Bedarfs objektbezogen vom Beschaffungsbegriff abgegrenzt werden.15 Sowohl der Begriff des Einkaufs als auch der der Materialwirtschaft können demzufolge als Teilmenge einer umfassenden Beschaffungsfunktion verstanden werden. 2.2

E-Business in der Beschaffung

Im Zusammenhang mit der elektronisch unterstützten Abwicklung von Unternehmensfunktionen werden im aktuellen betriebswirtschaftlichen Schrifttum sowie in der Unternehmenspraxis vielfach Begriffe mit dem Zusatz „E-“ für „Electronic“ verwendet. Hierzu gehören u.a. die Termini E-Business, ECommerce, E-Procurement und E-Sales, deren Bedeutungsinhalte jeweils weitgehend uneinheitlich interpretiert werden.16 Im Folgenden werden zunächst die genannten Begriffe erläutert und voneinander abgegrenzt, bevor im Anschluss der Einsatz der Internettechnologie zur Unterstützung elektronischer Beschaffungsprozesse sowie die mit der Implementierung von E-Procurement-Lösungen verbundenen Ziele skizziert werden. 7 8

9 10 11 12 13 14 15 16

Arnold (1997), S. 3. Hierzu zählen neben Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffen sowie Zulieferteilen und Handelswaren auch Dienstleistungen, die regelmäßig im Unternehmen in Anspruch genommen werden. Zu den Beschaffungsobjekten des aperiodischen Bedarfs gehören vor allem Investitionsgüter und unterschiedliche Arten unregelmäßig benötigter Dienstleistungen. Vgl. Hartmann (2002), S. 17 ff. Vgl. Arnolds/Heege/Tussing (2001), S. 23. Vgl. ebenda, S. 22 und Hartmann (2002), S. 20. Vgl. u.a. Walzner (2003), S. 4 sowie die dort angegebene Literatur. Vgl. Arnold (1997), S. 8. Siehe hierzu auch ebenda sowie Koppelmann (2004), S. 5. Zu einer objekt- und funktionsbezogenen Abgrenzung der Beschaffung vgl. Weber (1999), S. 306 ff. Vgl. u.a. Hoffmann/Zilch (2000), S. 19 ff. und Möhrstädt/Bogner/Paxian (2001), S. 20 ff.

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Begriffe Im vorliegenden Beitrag soll E-Business als Oberbegriff der anderen genannten Bezeichnungen aufgefasst werden. Dabei werden unter E-Business sämtliche elektronischen Aktivitäten eines Unternehmens verstanden, die mit der Geschäftstätigkeit in Beziehung stehen.17 Als Beispiele können die Beantwortung von Kundenanfragen über E-Mail, die Kooperation von Geschäftspartnern in Entwicklung und Konstruktion, der elektronische Datenaustausch mit Lieferanten, die Werbung im World Wide Web sowie die elektronische Rechnungserstellung angeführt werden.18 Als Grundlage dient hierbei ein effizienter und effektiver elektronischer Datenaustausch innerhalb und über die Grenzen des Unternehmens hinaus, der durch den Einsatz von Informations- und Kommunikationstechnologien (im Folgenden IuK-Technologien) gewährleistet wird.19 Zwischen Unternehmen getätigte Geschäfte werden dabei als Businessto-Business-Beziehungen (B2B) und die Beziehungen zwischen Unternehmen und privaten Haushalten als Business-to-Consumer-Bereich (B2C) bezeichnet.20 Die oben angeführten Beispiele zeigen, dass innerhalb des E-Business verschiedene Teilbereiche identifiziert werden können, wobei der E-Commerce als elektronisch unterstützter Beschaffungs- und Absatzbereich im Mittelpunkt steht.21 Die benannten Funktionen der Beschaffung sowie des Absatzes innerhalb des ECommerce werden schließlich mit den Begriffen E-Procurement bzw. E-Sales belegt.22 Die Synthese von Beschaffung und E-Business findet folglich ihren begrifflichen Ausdruck im Terminus E-Procurement. Der Einsatz von IuKTechnologien kann sich dabei sowohl auf unternehmensinterne Beschaffungsteilprozesse als auch auf die Zusammenarbeit mit externen Partnern beziehen. Damit ein Beschaffungsvorgang dem E-Procurement zugerechnet werden kann, ist es nicht erforderlich, dass alle Phasen des Beschaffungsprozesses elektronisch abgewickelt werden; den IuK-Technologien muss jedoch eine zentrale Rolle im Rahmen der Beschaffung zukommen.23 E-Procurement lässt sich somit als die elektronische Umsetzung von unternehmens- und/oder marktbezogenen Tätigkeiten definieren, die zu einem wesentlichen Anteil auf IuK-Technologien 17 18 19 20

Vgl. Preißner (2002), S. 7. Siehe auch Kersten (2001), S. 23 und Koschate (2003), S. 8. Vgl. bspw. Möhrstädt/Bogner/Paxian (2001), S. 21 und Preißner (2002), S. 7. Vgl. u.a. Merz (2002), S. 601 f. Neben Unternehmen (Business) und privaten Endverbrauchern (Consumer) zählen auch öffentliche Institutionen (Administration) zu den Akteuren des E-Business. Eine Übersicht möglicher Kombinationen von Beteiligten des E-Business geben bspw. Hoffmann/Zilch (2000), S. 20 und Koschate (2003), S. 18 f. 21 Vgl. z.B. Kersten (2001), S. 23, Papazoglou/Ribbers (2006), S. 2 und Preißner (2002), S. 7. 22 Der englischsprachige Ausdruck Procurement kommt dem oben dargelegten Begriffsverständnis von Beschaffung nahe, während der Begriff Einkauf weitgehend dem englischen Terminus Purchasing entspricht. 23 Vgl. Bogaschewsky (1999), S. 23 ff. sowie Tripp (2002), S. 113 f. Siehe auch Koppelmann/ Brodersen/Volkmann (2001), S. 79.

Beschaffung und E-Business

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basieren und darauf gerichtet sind, einem Unternehmen die benötigten, aber nicht selbst hergestellten Objekte verfügbar zu machen.24 Dabei wird die Betrachtung im Folgenden auf den B2B-Bereich abstellen. Technologien E-Procurement wird erst durch die Schaffung von unternehmensweiten sowie unternehmensübergreifenden Netzwerken möglich. Als Trägermedium kommt dabei hauptsächlich die Internettechnologie zum Einsatz.25 Als Internet wird der weltweite Verbund von miteinander vernetzten Computern bezeichnet, die einen gemeinsamen Standard zum Austausch von Daten verwenden.26 Das Internet ist allgemein öffentlich zugänglich und unterstützt somit im Rahmen der Beschaffung bspw. den Informationsaustausch zwischen Unternehmen und deren Lieferanten sowie die globale Recherche nach geeigneten Beschaffungsobjekten und den zugehörigen Anbietern im Rahmen der Beschaffungsmarktforschung. Bleibt der Kreis der Anwender dagegen auf ein einziges Unternehmen beschränkt, wird von Intranet gesprochen. Das Intranet kann den gesamten unternehmensinternen Beschaffungsprozess unterstützen, indem z.B. interne Beschaffungsrichtlinien sowie extern gewonnene Informationen allen beteiligten Mitarbeitern zugänglich gemacht werden.27 Durch die Öffnung eines Intranets auch für ausgewählte unternehmensexterne Nutzer entsteht ein so genanntes Extranet. Dabei wird einer Gruppe von Geschäftspartnern der Zugriff auf bestimmte Informationen ermöglicht.28 Ziele Mit der Implementierung von E-Procurement-Maßnahmen werden vor allem eine Reduktion von Beschaffungskosten und -zeiten sowie qualitative Zielsetzungen verfolgt.29 Dabei sind die Ziele teils als komplementär, teils als konkurrierend zu charakterisieren. Der Schwerpunkt einer Kostenreduktion soll dabei eindeutig als Folge der Reorganisation der Beschaffungsprozesse im Bereich der Senkung der Prozesskosten liegen. Durch eine verbesserte Markttransparenz kann zusätzlich eine Reduktion der Einstandspreise erreicht werden.30 Mit dem 24

25 26 27 28 29 30

Vgl. Tripp (2002), S. 113 bzw. Tripp (2003), S. 293. Siehe hierzu auch die Definition des Beschaffungsbegriffs in Abschnitt 2.1 dieses Beitrags sowie die dort angegebene Literatur. Vgl. auch Möhrstädt/Bogner/Paxian (2001), S. 22 und Ott (2003), S. 193. Vgl. Koppelmann/Brodersen/Volkmann (2001), S. 79. Siehe hierzu auch Shaw (2003), S. 2 f. Vgl. Bogaschewsky/Kracke (1999), S. 52 und Hermanns/Sauter (2001), S. 18 f. Vgl. Roland/Kleeberg (2002), S. 305. Vgl. Bogaschewsky/Kracke (1999), S. 83 ff. Vgl. bspw. Brenner/Zarnekow (2001), S. 490 ff. und Mattern/Marlinghaus (2001), S. 38. Dabei gehen die Angaben über Einsparpotenziale in der Literatur weit auseinander, so dass die Nennung konkreter Zahlenwerte als problematisch zu charakterisieren ist. Die Möglichkeiten einer Kostenreduktion sind dabei stark von der unternehmensspezifischen Situation abhängig. Vgl. bspw. Nekolar (2003), S. 1. Eine im Jahr 2000 von ARTHUR

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Einsatz von IuK-Technologien geht i.d.R. eine Reorganisation der Beschaffungsprozesse einher, die im Zuge einer fortschreitenden Automatisierung einzelner Prozesse zu deutlichen Verkürzungen der Prozesslaufzeiten führen kann. Als Folge können wiederum Mitarbeiter von operativen Tätigkeiten entlastet und mit anderen Aufgaben betraut werden. Zeitersparnisse ermöglichen es demnach, Schwerpunkte etwa im Bereich der Qualitätsverbesserung zu setzen. Dies wird insbesondere durch eine Stärkung der strategischen Beschaffungsfunktionen erreicht, die bspw. in der Optimierung der Lieferantenbeziehungen, einer intensivierten Marktrecherche oder einer Verbesserung der Beschaffungsstrategie zu sehen sind.31

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E-Procurement im Unternehmen

In diesem Abschnitt werden zunächst mögliche Einsatzfelder bzw. Bausteine von E-Procurement-Systemen im Unternehmen untersucht. Anschließend werden die Eignung verschiedener Beschaffungsobjekte für unterschiedlich ausgestaltete E-Procurement-Lösungen und die Auswirkungen des Einsatzes von IuKTechnologien auf den Prozess der Beschaffung sowie dessen organisatorische Einbindung analysiert. 3.1

Einsatzfelder

Die elektronische Unterstützung kann - wie bereits deutlich wurde - an unterschiedlichen Stellen des Beschaffungsprozesses ansetzen bzw. eingesetzt werden. In den vergangenen Jahren haben sich die unterschiedlichen Einsatzfelder bzw. Bausteine des E-Procurements schrittweise weiterentwickelt. Hierzu zählen im Wesentlichen die Informationsversorgung und Unterstützung der unternehmerischen Kommunikation, der Einsatz von Direct Purchasing bzw. Ausschreibungen und Auktionen im Beschaffungsprozess sowie die Inanspruchnahme externer Dienstleister, die ihre Leistungen auf elektronischen Marktplätzen anbieten.32 Die einzelnen genannten Bereiche des E-Procurements werden im Folgenden erläutert.

ANDERSEN durchgeführte Studie ergab bei 90 % der befragten Mittelstands- und Großunternehmen der deutschen Industrie eine Gesamtkosteneinsparung durch E-Procurement von unter 10 %. Vgl. hierzu ausführlich Arthur Andersen (2001), insb. S. 23. 31 Vgl. hierzu und zu weiteren Zielsetzungen Backhaus (1999), S. 59, Brenner/Zarnekow (2001), S. 491, Nekolar (2003), S. 4 ff., Ott (2003), S. 194, Papazoglou/Ribbers (2006), S. 237 sowie Preißner (2002), S. 3. 32 Vgl. Brenner/Zarnekow (2001), S. 492 und Walther (2004), S. 136 f.

Beschaffung und E-Business

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Information und Kommunikation Für eine wirksame Aufgabenerfüllung ist die Beschaffung auf aktuelle Informationen und eine möglichst störungsfreie Kommunikation mit den Lieferanten sowie im Unternehmen selbst angewiesen.33 Hierbei steht im Rahmen der Informationsrecherche die Suche nach potenziellen Lieferanten und geeigneten Beschaffungsobjekten im Vordergrund. Des Weiteren werden teilweise Informationen zu neuen Produkten, eventuellen Veränderungen bei aktuellen Lieferanten sowie gültigen Zollbestimmungen benötigt. In der Vergangenheit erfolgte die Suche im Wesentlichen mit Hilfe von Fachzeitschriften, Messen oder durch Kontaktaufnahme per Telefon. Die Internettechnologie kann diese Beschaffungsmarktforschung sinnvoll unterstützen.34 Die Kommunikation sowie der Informationsaustausch mit den Lieferanten kann über E-Mail abgewickelt werden, für die Recherche kann auf das Angebot des World Wide Webs zurückgegriffen werden.35 Das Internet kann dabei unabhängig von Raum und Zeit genutzt werden, und die verfügbaren Informationen besitzen im Idealfall ein hohes Maß an Aktualität. Allerdings erschwert die Vielzahl der dargebotenen Informationen eine zielgerichtete Beschaffungsmarktforschung. Hierzu ist die Analyse und Auswahl geeigneter Recherchewerkzeuge notwendig. In diesem Zusammenhang sind insbesondere Newsgroups und Mailinglisten, Suchmaschinen sowie WebKataloge bzw. Datenbanken zu nennen. Als Newsgroups werden Diskussionsforen im Internet bezeichnet, die zu einem speziellen Thema eingerichtet werden. Sie bieten Mitarbeitern der Beschaffung die Möglichkeit, mit Kollegen anderer Unternehmen weltweit bspw. über Erfahrungen mit Lieferanten bzw. deren Produkten zu kommunizieren. Mailinglisten werden z.B. von Lieferanten angeboten, um ihre Kunden über aktuelle Entwicklungen zu informieren.36 Suchmaschinen durchsuchen Internetseiten gezielt nach eingegebenen Begriffen und erleichtern so die Recherche.37 Aufgrund der großen Anzahl der im Internet verfügbaren Informationen werden vielfach spezielle Web-Kataloge zu einzelnen Themengebieten angeboten, die Daten nach bestimmten Themenbereichen bzw. -schwerpunkten aufbereiten. Des Weiteren existieren spezielle Lieferantendatenbanken, mit deren Hilfe durch Eingabe von Stichwörtern geeignete Lieferanten z.B. regional begrenzt ausgewählt werden können. Einige Datenbanken bieten neben den Informationen zur Branchenzugehörigkeit und den benötigten

33

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Eine im Jahr 2002 von DELOITTE CONSULTING durchgeführte Befragung deutscher Unternehmen zeigt die große Bedeutung der elektronischen Unterstützung gerade auch in der allgemeinen Informationsphase. Vgl. Deloitte Consulting (2002), S. 6. Siehe hierzu auch Rambøll Management (2004), S. 34. Vgl. Bogaschewsky (1999), S. 17 ff. und Wirtz/Kleineicken (2005), S. 342. Vgl. Brenner/Zarnekow (2001), S. 492. Siehe auch Braunstetter/Hasenstab (2001), S. 506 und Wirtz/Becker (2002), insb. S. 143. Vgl. Brenner/Lux (2000), S. 77 ff. Zu unterschiedlichen Arten von Suchdiensten im Internet siehe bspw. Bogaschewsky/Kracke (1999), S. 115.

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Kontaktadressen auch Produktabbildungen bzw. vollständige Kataloge an.38 Als katalogbasierte Beschaffung kann auch das Direct Purchasing aufgefasst werden, das im Anschluss vorgestellt wird. Direct Purchasing Das Direct Purchasing gehört zu den Kernelementen des E-Procurements und umfasst das direkte Bestellen von Artikeln aus elektronischen Produktkatalogen durch autorisierte Mitarbeiter. Der Bestellvorgang wird damit von der Beschaffungsabteilung auf den Bedarfsträger selbst verlagert. Direct PurchasingSysteme unterstützen neben der Artikelauswahl und der Bestellanforderung vielfach auch die Rechnungs- und Zahlungsabwicklung. Zur Realisierung kommen unterschiedliche Systemarchitekturen in Frage.39 Im Wesentlichen kann zwischen Shop-Systemen und Desktop Purchasing-Systemen differenziert werden, die sich durch die Zuordnung der elektronischen Kataloge unterscheiden. Bei den Shop-Systemen befinden sich die Kataloge auf Seite der Lieferanten (Lieferanten- bzw. Sellside-Kataloge). Der Bedarfsträger kann auf diese über das Internet oder ein speziell bereit gestelltes Extranet zugreifen. Für den Abnehmer entstehen in diesem Zusammenhang keine Kosten für den Aufbau und die Pflege des Katalogs. Insbesondere für finanzschwache kleine und mittlere Unternehmen erscheint der Rückgriff auf derartige Lieferantenkataloge geeignet. Allerdings unterscheiden sich Kataloge und deren Funktionalitäten von Anbieter zu Anbieter, so dass eine katalogübergreifende Suche in der Regel nicht möglich ist und ein erhöhter Lernaufwand für den Nutzer entsteht.40 Diese Nachteile sollen Desktop Purchasing-Systeme überwinden, bei denen die Katalogverantwortlichkeit beim abnehmenden Unternehmen liegt (Käufer- bzw. Buyside-Kataloge). Die Kataloge werden dabei in regelmäßigen Abständen von den Lieferanten an ihre Abnehmer übermittelt und dort - in ein einheitliches Katalogformat konvertiert - in die Desktop Purchasing-Systeme integriert. Die Bedarfsträger greifen meist über Intranet auf die bereit gestellten Kataloge zu.41 Für Bedarfe, die sich nicht sinnvoll über Kataloge beschaffen lassen, bieten sich z.B. Ausschreibungen und Auktionen an. Ausschreibungen und Auktionen Ausschreibungen im Internet ermöglichen es dem Nachfrager, Angebote für einen detailliert beschriebenen Bedarf einzuholen und ein für ihn geeignetes Angebot auszuwählen. Durch den hohen Verbreitungsgrad des Internets kann 38 39 40

Vgl. Brenner/Lux (2000), S. 87 ff. Siehe hierzu auch Block (2001), S. 83 ff. Vgl. Brenner/Zarnekow (2001), S. 493 f. sowie Wirtz/Kleineicken (2005), S. 342. Zu diesen und weiteren Vor- und Nachteilen von Shop-Systemen vgl. u.a. Dolmetsch (2000), S. 142 f. sowie Papazoglou/Ribbers (2006), S. 244. 41 Vgl. Brenner/Zarnekow (2001), S. 493 ff. Zur Darstellung ausgewählter Desktop Purchasing-Systeme vgl. bspw. Dolmetsch (2000), S. 217 ff. und Nekolar (2003), S. 37 ff.

Beschaffung und E-Business

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dabei eine große Anzahl potenzieller Lieferanten angesprochen werden.42 Einkaufsorientierte Auktionen stellen eine Weiterentwicklung von Ausschreibungen dar, bei der die Bieter ihre Gebote zusätzlich kontinuierlich verändern bzw. nachbessern können.43 Beiden Ansätzen kommt durch die elektronische Unterstützung eine wachsende Bedeutung im Rahmen der Beschaffung zu, da die Nutzung moderner IuK-Technologien eine effektivere und effizientere Durchführung der Ausschreibungs- bzw. Auktionsprozesse ermöglicht; insbesondere kann eine Reduktion der Prozesskosten sowie der Prozesslaufzeiten erreicht werden.44 Allerdings verfügen die meisten Unternehmen über wenig Erfahrung in diesem Bereich und scheuen den hohen Zeitaufwand sowie die Kosten für die Implementierung und Pflege entsprechender Systeme,45 so dass sich auf dem Markt eine Vielzahl externer Dienstleister etabliert hat, die ihre Leistungen auf elektronischen Marktplätzen anbieten. Dienstleister auf elektronischen Marktplätzen Alle beschriebenen Bereiche des E-Procurements werden auch durch Dienstleister auf elektronischen Marktplätzen angeboten. Auf einem elektronischen Marktplatz treffen mehrere Anbieter und Abnehmer aufeinander;46 die zugehörige Kommunikation erfolgt dabei auf elektronischem Weg und ist als zeit- und ortsunabhängig zu charakterisieren. Das Zusammentreffen einer großen Zahl von Unternehmen mit entsprechender Nachfrage- und Angebotsmacht hat für beide Seiten Vorteile durch eine erhöhte Markttransparenz und die Möglichkeit, auf externes Know-how zurückzugreifen.47 So übernehmen Dienstleister die Durchführung von Ausschreibungen und Auktionen sowie im Rahmen des Direct Purchasings bspw. die Aufgabe des Katalogmanagements.48 Des Weiteren stellen externe Anbieter vielfältige Informationsangebote zusammen. Die Teilnahme an elektronischen Marktplätzen und die Inanspruchnahme der dort angebotenen Dienstleistungen ist vor allem für kleine und mittlere Unter-

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Vgl. u.a. Preißner (2002), S. 129 ff. Siehe auch Heydenreich (2002), S. 36 f. Einkaufsorientierte Auktionen werden auch als Reverse Auctions bezeichnet, um diese von klassischen (Verkaufs-) Auktionen abzugrenzen. Im B2B-Bereich sind Verkaufsauktionen selten; sie finden bspw. Anwendung, wenn ein Produkt mit großem Nachfrageüberhang verkauft werden soll. Vgl. hierzu Preißner (2002), S. 129 ff. Vgl. Brenner/Zarnekow (2001), S. 498 f sowie Peters (2000), S. 968. Zur Vorbereitung und Durchführung internetgestützter Ausschreibungen und Auktionen siehe auch Schreiner/Ruck (2003), S. 42 ff. Vgl. bspw. Mattes (2001), S. 67. Einen Überblick über unterschiedliche Typen elektronischer Marktplätze gibt Bogaschewsky (2002), S. 36 ff. Vgl. Rätz (2003), S. 70. Zu weiteren Erfolgsfaktoren von B2B-Marktplätzen siehe z.B. Wirtz/ Mathieu (2002), S. 224 f. Eine Darstellung der Aufgaben des Katalogmanagements gibt u.a. Preißner (2002), S. 92 f.

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Torsten Walzner

nehmen zu empfehlen, die nicht über die nötigen Ressourcen zur Verwirklichung eigener Systeme verfügen.49 3.2

Beschaffungsobjekte

Ein Unternehmen benötigt eine Vielzahl an Beschaffungsobjekten. Dabei sind nicht alle Bedarfe in gleichem Maße für eine elektronisch gestützte Beschaffung geeignet bzw. stellen unterschiedliche Anforderungen an eine E-ProcurementLösung. So hängt auch der Schwerpunkt der Unterstützung des Beschaffungsprozesses von der Art der jeweiligen Beschaffungsobjekte ab.50 In der Literatur werden dabei verschiedene Kriterien zur Einteilung von Beschaffungsobjekten herangezogen.51 Häufig wird zwischen Objekten der direkten und indirekten Beschaffung unterschieden. Objekte, die direkt für die Produktion oder Bereitstellung höherwertiger Produkte genutzt werden, können dabei der direkten Beschaffung zugeordnet werden. Indirekte Bedarfe dagegen tragen nur mittelbar zum Unternehmensziel bei, indem sie die direkte Wertschöpfungskette unterstützen.52 Innerhalb der direkten Produktivmaterialien kann wiederum zwischen A-, Bund C-Gütern unterschieden werden.53 Während A-Gütern bei einem niedrigeren Anteil am Gesamtbeschaffungsvolumen ein hoher Wertanteil zugeordnet werden kann, machen C-Güter einen wertmäßig geringen, aber mengenmäßigen großen Anteil aller zu beschaffenden Materialien aus.54 Die den A-Gütern zu subsumierenden Beschaffungsobjekte, die unter Umständen individuell ausgestaltet sind, fließen direkt in den Produktionsprozess ein und üben einen entscheidenden Einfluss auf die Qualität und Kosten der erstellten Produkte aus. Somit hat die Beschaffung von A-Gütern eine hohe strategische Relevanz, zumal das Fehlen dieser Objekte zu Produktionsstillständen führen kann. Aus diesem Grund kommt der Auswahl geeigneter Lieferanten eine große Bedeutung zu. Die Versorgung der Produktion muss sicher gestellt werden, ohne dass sich der Abnehmer in eine zu starke Abhängigkeit begibt.55 Im Rahmen eines E49 50 51 52

53 54

55

Vgl. z.B. Brenner/Zarnekow (2001), S. 500, Iliev/Rüegg (2005), S. 21 und Kollmann (2001), S. 46 ff. Vgl. u.a. Roland/Kleeberg (2002), S. 306. So wurde bspw. in Abschnitt 2.1 bereits zwischen periodisch und aperiodisch zu beschaffenden Bedarfen differenziert. Vgl. u.a. Preißner (2002), S. 75 und Tripp (2002), S. 114. Zu anderen Differenzierungskriterien vgl. z.B. Block (2001), S. 80 ff., Dolmetsch (2000), S. 43 f. und Koppelmann/Brodersen/Volkmann (2001), S. 83. Zur zugrunde liegenden ABC-Analyse siehe bspw. Arnolds/Heege/Tussing (2001), S. 38 ff., Tempelmeier (2006), S. 8 ff. sowie Weber (1999), S. 322 ff. B-Güter sind vom Wert- und Mengenanteil stets zwischen diesen beiden Klassen einzuordnen. Demzufolge liegen auch die Implikationen für eine Beschaffung von B-Gütern stets im Kontinuum zwischen den Empfehlungen für A- und C-Güter. Auf eine explizite Betrachtung von B-Gütern soll daher im Folgenden verzichtet werden. Vgl. Tripp (2002), S. 116. Siehe hierzu auch Weber (1999), S. 323.

Beschaffung und E-Business

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Procurement-Systems steht in diesem Zusammenhang die elektronische Unterstützung der Informationsgewinnung und unternehmensübergreifenden Kommunikation im Mittelpunkt. So kann z.B. die Lieferantenauswahl durch Lieferantenbewertungen bzw. die Durchführung von Ausschreibungen und Auktionen im Internet ebenso unterstützt werden, wie die Kommunikation zwischen Lieferanten und Abnehmern in der Phase des Produktdesigns. Darüber hinaus müssen die Produktionsplanungen entlang der gesamten Wertschöpfungskette aufeinander abgestimmt werden.56 Bei C-Gütern handelt es sich regelmäßig um einfache Bauteile bzw. Materialien, die zwar in großen Stückzahlen, aber mit geringem Wert bezogen werden. Diese Beschaffungsobjekte sind meist standardisierte Produkte, die von einer Vielzahl unterschiedlicher Lieferanten bezogen werden können.57 Daher sollte ein E-Procurement-System den Zugang zu mehreren Lieferanten ermöglichen und dem Nachfrager direkte Vergleichsmöglichkeiten eröffnen. Der hohe Standardisierungsgrad der Objekte ermöglicht dabei den Einsatz von Katalogen.58 Durch eine Automatisierung der Beschaffungsprozesse soll insbesondere eine Reduzierung des relativ hohen Anteils der Transaktionskosten an den Gesamtkosten erreicht werden.59 Auch bei C-Gütern ist der Einsatz von internetgestützten Ausschreibungen bzw. Auktionen denkbar. Zu den indirekten Beschaffungsobjekten gehören im Wesentlichen Gebrauchs- und Verbrauchsmaterialien. Als Hauptgruppe sollen hier die so genannten MRO-Materialien,60 wie z.B. Büromaterialien, Werkzeuge oder EDVZubehör, betrachtet werden. Die Nachfrage nach diesen stark standardisierten Objekten entsteht in nahezu allen Unternehmensbereichen, so dass in der Regel eine Vielzahl an kleineren Bestellungen mit hohen Transaktionskosten anfällt. Über Direct Purchasing-Systeme kann eine dezentrale Bestellung durch den Bedarfsträger ermöglicht werden. Dabei können die Angebote verschiedener Lieferanten miteinander verglichen werden; gleichzeitig kann durch die Beschränkung der Auswahl auf eine Gruppe von Lieferanten unter Umständen eine Verbesserung der Beschaffungskonditionen erreicht werden. Der wesentliche Unterschied zwischen MRO-Materialien und C-Gütern ist darin zu sehen, dass letztere zentral beschafft werden.61 Des Weiteren lassen sich auch Dienstleistungen in-

56

57 58

59 60 61

Vgl. Block (2001), S. 82 und Tripp (2002), S. 116 f. Die unternehmensübergreifende Abstimmung der Produktionsplanungen innerhalb der Wertschöpfungskette wird häufig als Supply Chain Management bezeichnet. Vgl. hierzu ausführlich bspw. Göpfert (2004). Vgl. z.B. Hirschsteiner (2002), S. 78 und Möhrstädt/Bogner/Paxian (2001), S. 11 ff. Vgl. Tripp (2002), S. 117. Allerdings eignen sich mit zunehmender Funktionalität elektronische Produktkataloge auch für die Abbildung höherwertiger Güter (A- und B-Güter) sowie individuellerer Artikel. Vgl. hierzu Brenner/Zarnekow (2001), S. 493. Vgl. Nekolar (2003), S. 6 f., Tripp (2002), S. 117 sowie die dort angegebene Literatur. MRO steht für Maintenance (Instandhaltung), Repair (Reparaturen) und Operations (Betrieb). Vgl. ebenda, S. 118 f.

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ternetbasiert beschaffen, sofern sich die Leistung hinreichend genau spezifizieren und darstellen lässt.62 Im Rahmen der Beschaffung von Investitionsobjekten, wie z.B. Anlagen und Maschinen, hängt der Einsatz der E-Procurement-Lösung von deren strategischer Relevanz ab. Bei strategisch besonders wichtigen Beschaffungsobjekten steht - analog zu A-Gütern - die Informationsbereitstellung und Kommunikation im Vordergrund. Bei Investitionsobjekten, die keine komplexe unternehmensspezifische Anpassung erfordern, kann eine Lieferantenauswahl mittels Auktionen und Ausschreibungen erfolgen.63 Die Auswahl der Beschaffungsobjekte, deren Bezug elektronisch unterstützt erfolgen soll, muss in jedem Fall unternehmensindividuell getroffen werden.64 Da der Beschaffung geringwertiger Verbrauchsmaterialien im Unternehmen oft die gleiche Bedeutung wie der Beschaffung von strategisch wichtigen Produkten geschenkt wird und die Beschaffungsprozesse häufig in weiten Teilen identisch sind, sollten die Einsparpotenziale zunächst in diesem Bereich genutzt werden. Kleine und mittlere Unternehmen, die Investitionsausgaben für eigene EProcurement-Systeme scheuen, sollten dabei auf externe Dienstleistungsanbieter zurückgreifen. 3.3 Beschaffungsprozesse Es ist bereits an mehreren Stellen deutlich geworden, dass der Einsatz von IuKTechnologien in der Beschaffung je nach Einsatzfeld und Beschaffungsobjekt unterschiedliche Auswirkungen auf die einzelnen Beschaffungsteilprozesse bzw. die organisatorischen Strukturen im Unternehmen hat.65 Im Allgemeinen werden bei einem Vergleich des traditionellen Beschaffungsablaufs mit dem Prozess beim Einsatz von E-Procurement-Lösungen die Vorteile der elektronischen Abwicklung deutlich. Ein Großteil der Prozesse kann zeitlich verkürzt werden; andere Prozesse entfallen sogar gänzlich.66 Die Verkürzung der Prozesslaufzeiten hat i.d.R. positive Kosteneffekte. Des Weiteren fördert die Implementierung von E-Procurement-Systemen im Wesentlichen eine stärkere Integration der Lieferanten, eine fortschreitende Dezentralisierung der Bestellabwicklung sowie die 62 63 64 65

Siehe hierzu ausführlich Walzner (2003), insb. S. 22 f. Siehe auch Roland/Kleeberg (2002), S. 307 f. Siehe hierzu auch den Beitrag von BUDDE in diesem Band. Da die vielfältigen organisatorischen und prozessualen Ausgestaltungsmöglichkeiten des E-Procurements im Rahmen dieses Beitrags nicht erschöpfend behandelt werden können, beschränkt sich die Betrachtung im Folgenden auf die grundlegenden Auswirkungen des Einsatzes elektronisch gestützter Beschaffungssysteme. Eine detaillierte Analyse der Konsequenzen des E-Procurements auf den traditionellen Beschaffungsprozess findet sich bei Koppelmann/ Brodersen/Volkmann (2001), S. 81 ff. und Wirtz (2002), S. 181 ff. Zu weiteren Aspekten vgl. bspw. Brumberg/Hüttemann (2002), S. 436 ff. sowie Roland/ Kleeberg (2002), S. 311 ff. 66 Vgl. Nekolar (2003), S. 19 ff. sowie die Darstellung bei Hohaus (1999), S. 10.

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(organisatorische) Trennung von strategischen und operativen Beschaffungsaufgaben.67 Die Schaffung unternehmensübergreifender Netzwerke auf Basis der Internettechnologie ermöglicht eine enge Kooperation zwischen Abnehmer- und Zulieferunternehmen und eröffnet insbesondere auch kleinen und mittleren Unternehmen Einsparpotenziale.68 Durch einen intensiven, zeitnahen Austausch von Informationen können die Prozesse der beteiligten Unternehmen besser aufeinander abgestimmt und die Lieferanten somit in die Wertschöpfungskette des Abnehmers integriert werden. Dies hat Einfluss sowohl auf die Ausgestaltung der strategischen als auch der operativen Beschaffungsaufgaben. So kann z.B. die Entwicklung einzelner Beschaffungsobjekte gemeinsam erfolgen, die Verantwortlichkeit für eine fristgerechte Bereitstellung dagegen vom abnehmenden Unternehmen auf den Lieferanten übertragen werden.69 Ferner führt bspw. die Implementierung von Desktop Purchasing-Systemen zu einer Verlagerung der Bestellabwicklung in die einzelnen, den Bedarf meldenden Unternehmensbereiche. Diese dezentrale Abwicklung operativer Beschaffungsaufgaben ermöglicht eine Entlastung der zentralen Beschaffungsabteilung im Unternehmen; diese kann sich dann vorwiegend strategischen Fragestellungen widmen. Dabei kommt einer intensiveren Beschaffungsmarktforschung sowie der Pflege und Weiterentwicklung der Beziehungen zu bestehenden und potenziellen Lieferanten eine Schlüsselfunktion zu.70 Ein E-Procurement-System sollte darüber hinaus stets in ein zentrales Beschaffungscontrolling eingebunden werden, damit jederzeit regulierend in die einzelnen Prozesse eingegriffen werden kann.71 Mögliche Folgekosten der Dezentralisierung der Beschaffungsaufgaben aufgrund von Qualitätsmängeln oder Terminverzögerungen in der Produktion müssen vermieden werden.72 Für die Gewährleistung des reibungslosen Ablaufs der elektronischen Beschaffung entstehen im Unternehmen neue Aufgabenfelder, die zum Teil ein hohes Maß an technischem Know-how erfordern, welches wiederholt insbesondere in kleinen und mittleren Unternehmen fehlt. So muss die E-Procurement-Lösung in die bestehende (IT-) Infrastruktur des Unternehmens integriert und fortlaufend gewartet und weiterentwickelt werden. Diese Aufgaben werden i.d.R. den IT-Abteilungen zugeordnet oder an externe Dienstleister vergeben.73 Neben technischen Problemen können besonders auch die Einstellungen und Verhal67 68

69 70 71 72 73

Vgl. Tripp (2002), S. 139. In diesem Zusammenhang erscheint auch die Schaffung von Kommunikationsnetzwerken kleiner und mittlerer Unternehmen zur gemeinsamen Beschaffung denkbar. Auf diese Weise könnten Nachteile gegenüber großen Unternehmen kompensiert werden. Vgl. ebenda, S. 139 f. Siehe auch Kersten/Kern (2002), S. 13 ff. sowie Peukert/ Ghazvinian (2001), S. 195 f. Siehe hierzu auch Abschnitt 2.3 dieses Beitrags sowie die dort angegebene Literatur. Vgl. Tripp (2002), S. 139. Zu Aufgaben und Instrumenten eines Beschaffungscontrollings vgl. z.B. Reichmann (2001), S. 343 ff. Siehe auch Nekolar (2003), S. 16. Vgl. Tripp (2002), S. 140 sowie die dort angegebene Literatur.

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Torsten Walzner

tensweisen der Mitarbeiter zu Schwierigkeiten beim Einsatz von EProcurement-Systemen führen.74 Hierbei gilt es, mit Hilfe von Schulungen und organisatorischer Neugestaltung gewachsene Mentalitäten und Strukturen zu überwinden. Die notwendige Akzeptanz einer elektronischen Beschaffung wird nur dann erreicht, wenn die zugrunde liegende Strategie und der daraus resultierende Nutzen im Unternehmen ausreichend kommuniziert werden.75

4

Schlussbetrachtung

Im vorliegenden Beitrag wurden - ausgehend von den Begriffen der Beschaffung und des E-Business - ausgewählte Aspekte einer elektronisch gestützten Beschaffung diskutiert. Zum Einsatz gelangen dabei so genannte EProcurement-Systeme, die im Wesentlichen auf der Internettechnologie basieren und mit deren Hilfe Beschaffungsprozesse verkürzt, Beschaffungskosten gesenkt und die Beschaffungsabläufe qualitativ verbessert werden sollen. Als wesentliche Einsatzfelder bzw. Bausteine des E-Procurements wurden die Informations- und Kommunikationsfunktion, der Einsatz von Direct Purchasing, Ausschreibungen und Auktionen sowie die Bedeutung elektronischer Marktplätze und externer Dienstleistungsanbieter vorgestellt. In Abhängigkeit von den spezifischen Eigenschaften eines Beschaffungsobjekts unterscheiden sich die Anforderungen an eine unternehmerische E-Procurement-Lösung. Wichtige Ansatzpunkte liefern in diesem Zusammenhang der Standardisierungsgrad und die strategische Bedeutung der Objekte sowie das Beschaffungsvolumen. Die konkrete Ausgestaltung eines E-Procurement-Systems muss in jedem Fall den unternehmensspezifischen Anforderungen genügen. Die Implementierung elektronischer Beschaffungssysteme unterstützt dabei die notwendige Reorganisation zentraler Beschaffungsprozesse. Durch die Verlagerung operativer Aufgaben auf den Bedarfsträger kann sich die zentrale Beschaffungsabteilung zunehmend strategischen Fragestellungen widmen. Die Potenziale des Einsatzes von EProcurement-Lösungen lassen sich allerdings nur dann in vollem Umfang realisieren, wenn insbesondere die Schaffung unternehmensübergreifender Prozesse gelingt. Die Restrukturierungen im Unternehmen sind dabei nur der erste Schritt. Die Integration der Lieferanten im Rahmen eines Supply Chain Managements stellt eine der größten Herausforderungen an E-Procurement-Strategien in der Unternehmenspraxis dar. Einer effektiven und effizienten Gestaltung der Beschaffungsprozesse wird auch in den nächsten Jahren eine wichtige Bedeutung zukommen. Der stetig 74

So benennt auch die bereits zitierte Studie von DELOITTE CONSULTING als wesentliche Hemmnisse bei der Einführung von E-Procurement-Lösungen im Unternehmen die technische Komplexität der Aufgabenstellung, die Ablehnung durch die Mitarbeiter und die fehlenden Voraussetzungen bei den Lieferanten. Vgl. Deloitte Consulting (2002), S. 10. Siehe hierzu auch Rambøll Management (2004), S. 57. 75 Siehe auch Mattern/Marlinghaus (2001), S. 40 und Preißner (2002), S. 16 f.

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wachsende Kostendruck wird weiterhin zu Rationalisierungsmaßnahmen in allen Unternehmensbereichen führen. In diesem Zusammenhang wird die Zahl der Betriebe, die einen Teil ihrer benötigten Objekte elektronisch beschaffen, weiter zunehmen. Dabei hat insbesondere ein hoher Anteil der mittelständischen Unternehmen die im Beitrag genannten Nutzenpotenziale von E-ProcurementSystemen noch nicht in vollem Umfang realisiert.

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Produktion und E-Business von Sönke Eggert1

1

Einleitung

Sowohl in der Wissenschaft als auch in der unternehmerischen Praxis stehen in Zusammenhang mit E-Business die Außenbeziehungen eines Unternehmens im Fokus der Betrachtung. Insbesondere werden im Rahmen des E-Commerce dabei die Aspekte der elektronischen Beschaffung sowie des elektronischen Absatzes diskutiert.2 Die Auswirkungen der Internettechnologie auf den unternehmensinternen Funktionsbereich der Produktion werden dagegen vergleichsweise selten oder nur beiläufig behandelt.3 Zurückzuführen ist dieser Tatbestand zum einen auf die durch den Einsatz der Internettechnologie entstandenen neuen Märkte. Denn notwendigerweise stehen die Funktionsbereiche eines Unternehmens, die den direkten Zugang zu diesen Märkten ermöglichen, im Mittelpunkt der Diskussion. Zum anderen spielt der Einsatz unterschiedlichster Informationstechnologien in der Produktion bereits seit über vier Jahrzehnten eine entscheidende Rolle4 und bildet u.a. die Grundlage der Produktionsplanungs- und steuerungssysteme. Die Nutzung der Internettechnologie in diesem Bereich ist eine konsequente Fortführung der Entwicklung, wobei die Technologie an sich häufig nur als notwendige Voraussetzung neuer Konzeptionen bzw. Managementansätze betrachtet wird. In den Vordergrund der Diskussion sind diesbezüglich insbesondere die auf der Internettechnologie basierenden Möglichkeiten der Vernetzung getreten. Dabei wird neben einer Verbesserung innerbetrieblicher Abläufe in erster Linie auf die zwischenbetriebliche Zusammenarbeit abgezielt, die allgemein unter dem Stichwort Supply Chain Management diskutiert wird. Es ist also festzuhalten, dass die Produktion, als Funktionsbereich betrachtet, vom Thema E-Business keineswegs unberührt bleibt. Eine direkte Beeinflussung ist durch die Anwendung verschiedener Informations- und Kommunikationstechnologien (im Speziellen der Internettechnologie) in der innerbetrieblichen 1 2

3 4

Dr. Sönke Eggert, tätig im Bereich Logistik Feinplanung und Steuerung eines Konzerns der stahlverarbeitenden Industrie. Electronic (E-)Commerce bildet mit den Teilaspekten der elektronischen Beschaffung (EProcurement) und des elektronischen Absatzes (E-Sales) einen Teilbereich des EBusiness. Vgl. Walzner (2003), S. 4f, Hoppe (2002), S. 12f u. 16 sowie den Beitrag von CHARAUS. Vgl. Olhager/Rudberg (2003), S. 334. Vgl. Kurbel (2003), S. 15.

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Sönke Eggert

Kommunikation gegeben.5 Des Weiteren bewirkt die im E-Business zu beobachtende Intensivierung der unternehmensübergreifenden Abstimmung zumindest eine indirekte Beeinflussung des betrachteten Funktionsbereichs. Im vorliegenden Beitrag werden die verschiedenen Einflüsse des E-Business auf die industrielle Produktion aufgezeigt sowie ein Überblick über die konkreten Einsatzmöglichkeiten und -grenzen des E-Business in diesem Bereich gegeben. Die Betrachtung beschränkt sich nicht auf die Internettechnologie, sondern ist allgemein auf die Entwicklung der im Produktionsbereich eingesetzten Informationssysteme ausgerichtet. Der Internettechnologie kommen dabei Aufgaben der Vernetzung und Integration der Systeme zu. Neben diesen funktionalen Neuerungen im Bereich der Produktion, die insbesondere das innerbetriebliche Zusammenspiel der Funktionsbereiche sowie die unternehmensübergreifende Abstimmung betreffen, werden auch die methodischen Potenziale der im Bereich der Produktion eingesetzten Informationssysteme dargestellt. Im folgenden zweiten Abschnitt werden dazu zunächst die bereits angedeuteten Zusammenhänge von E-Business und Produktion konkretisiert. Darauf aufbauend werden im dritten Abschnitt die Auswirkungen des E-Business sowohl auf den Produktionsbereich eines einzelnen Unternehmens als auch auf die Produktion im Netzwerkverbund anhand ausgewählter Informationssysteme dargestellt und bewertet. Der Beitrag endet mit einer Zusammenfassung im vierten Abschnitt.

2

Abgrenzung des Untersuchungsgegenstands

Aufbauend auf einer Definition des Begriffs der Produktion sowie Diskussion der im Bereich der Produktionsplanung und -steuerung zu erfüllenden Aufgaben, werden im Folgenden die vielfältigen Interdependenzen zwischen der Produktion und den übrigen Funktionsbereichen sowie der Umwelt der Unternehmung dargestellt. Der Definition des Begriffs des E-Business schließt sich eine Konkretisierung des Untersuchungsgegenstandes dieses Beitrags an. In der Einleitung wurde bereits angedeutet, dass die Produktion als betrieblicher Funktionsbereich betrachtet wird. Diese Sichtweise folgt einer engen Definition, nach der die Produktion eine Phase des betrieblichen Wertschöpfungsprozesses darstellt und lediglich die Kombination von Produktionsfaktoren6 im Rahmen der Be- und Verarbeitung von Gütern umfasst. Die Produktion ist damit von anderen Funktionsbereichen, wie beispielsweise Beschaffung und Absatz, abzugrenzen.7 Darüber hinaus ist der Untersuchungsgegenstand auf die industrielle Produktion beschränkt, also auf die Be- und Verarbeitung von Sachgütern im Industriebetrieb. 5 6 7

BIETHAHN spricht in diesem Zusammenhang von E-Production. Vgl. Biethahn (2002), S. 187. Zur Klassifizierung der Produktionsfaktoren vgl. Gutenberg (1983), S. 3ff. Vgl. Corsten (2004), Dyckhoff (2003), S. 5, S. 1, Zahn/Schmid (1996), S. 10f u. S. 65.

Produktion und E-Business

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Die Produktion bildet ein Subsystem der Unternehmung und steht mit anderen Subsystemen, wie beispielsweise dem Beschaffungs-, Absatz-, Personal-, Finanz- oder Technologiesystem, direkt in Verbindung.8 So ist die Planung und Steuerung der Produktion ohne Berücksichtigung der engen Kopplung mit diesen Subsystemen und des entsprechend intensiven gegenseitigen Informationsaustauschs nicht vorstellbar. Darüber hinaus sind indirekte Einflüsse der Umwelt auf das Produktionssystem zu berücksichtigen. Sie gehen von denjenigen Subsystemen der Unternehmung aus, die den Zugang zu den Märkten (Beschaffungs-, Absatz-, Arbeits-, Kapital- und Technologiemarkt) herstellen. Die Märkte werden wiederum durch die Umwelt in sozialer, politischer, rechtlicher, technologischer, ökonomischer und ökologischer Hinsicht beeinflusst. So sind bezüglich E-Business insbesondere in technologischer und ökonomischer Hinsicht signifikante Auswirkungen auf die genannten Märkte zu beobachten. Über die direkt mit den Märkten verbundenen Subsysteme wirken diese Einflüsse schließlich auch auf die Produktion ein.9 Infolgedessen beschränkt sich der vorliegende Beitrag nicht auf das Produktionssystem an sich, sondern berücksichtigt auch dessen Beziehungen zu den anderen an der Wertschöpfung unmittelbar oder mittelbar beteiligten Systemen. Betrachtet wird dabei insbesondere die Produktionsplanung und -steuerung (PPS), die eine zielgerichtete,10 zukunftsorientierte Definition von Handlungsanweisungen für das Produktionssystem einer Unternehmung sowie deren Überwachung und Anpassung umfasst. Die Festlegung der Handlungsanweisungen erfolgt dabei in zeitlicher und mengenmäßiger Hinsicht unter Berücksichtigung bereits vorliegender bzw. erwarteter Aufträge sowie der verfügbaren Kapazitäten.11 Diese Definition lässt bereits die enge Verknüpfung der Funktionsbereiche untereinander erkennen. Offensichtlich sind beispielsweise die Beziehungen zu den Funktionen des Absatzes und der Beschaffung. Ohne verlässliche Daten aus diesen Bereichen sind die Aufgaben der PPS nicht zufrieden stellend zu erfüllen. Schließlich erscheint eine isolierte Betrachtung des Funktionsbereichs der Produktion vor dem Hintergrund der aktuell üblichen Ausrichtung der Planung und Steuerung an funktionsübergreifenden Geschäftsprozessen als wenig sinnvoll. Neben der damit angestrebten innerbetrieblichen Verbesserung der Abläufe

8 9 10

Vgl. Günther/Tempelmeier (2005), S. 2, Corsten (2004), S. 2f. Vgl. Koschate (2003), S. 11. Grundsätzlich verfolgt die PPS die Zielsetzungen der Kostenminimierung oder Erlösmaximierung. Aufgrund vielfältiger Probleme bei der Bestimmung der entscheidungsrelevanten Kosten werden üblicherweise produktionswirtschaftliche Ersatzziele definiert. Zu ihnen gehören z.B. die Minimierung der Durchlaufzeiten und Lagerbestände sowie die Maximierung der Termintreue und Kapazitätsauslastung. Diese Ersatzziele können allerdings in einer konfliktären Beziehung zueinander stehen. Vgl. Adam (1999), S. 325. 11 Vgl. Bloech et al. (2004), S. 6, Corsten (2004), S. 511, Zäpfel (2001), S. 56. Eine differenziertere Darstellung der PPS-Aufgaben erfolgt in Abschnitt 3.1.

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wird zunehmend auch die unternehmensübergreifende Betrachtung gesamter Wertschöpfungsketten im Rahmen des Supply Chain Managements verfolgt.12 Unter E-Business wird im vorliegenden Beitrag der Einsatz der Informations- und Kommunikationstechnologie zur Unterstützung sämtlicher, mit der Geschäftstätigkeit einer Unternehmung in Beziehung stehender Aktivitäten verstanden.13 E-Business ist dabei nicht auf zwischenbetriebliche Aktivitäten beschränkt, sondern schließt ausdrücklich auch die innerbetriebliche Kommunikation und Datenverarbeitung ein.14 Des Weiteren ist E-Business nicht auf den Einsatz des Internets mit seinen Standards und Protokollen zu reduzieren. Vielmehr sind entsprechend eines weiten Begriffsverständnisses des E-Business sämtliche in der Unternehmung eingesetzten Informationssysteme sowie deren Zusammenwirken zu berücksichtigen. Der Internettechnologie kommt dabei bezüglich des Zusammenwirkens bzw. der inner- und zwischenbetrieblichen Kommunikation eine Schlüsselrolle zu. Sie bietet die Chance, eine Integration der verschiedenen speziellen Informationssysteme zu erreichen (E-Business im engeren Sinne). Unter der Verbindung Produktion und E-Business ist schließlich der Einsatz der Informations- und Kommunikationstechnologie zur Unterstützung sämtlicher, mit der Be- und Verarbeitung von Sachgütern in Beziehung stehender Aktivitäten einer einzelnen Unternehmung bzw. eines Unternehmensnetzwerks zu verstehen.15 Neben den Aufgaben der Produktionsplanung und -steuerung, die sich in erster Linie auf den Funktionsbereich der Produktion beziehen, sind die relevanten Austauschbeziehungen zu den übrigen Funktionsbereichen der Unternehmung sowie zu Partnerunternehmen im Netzwerk zu berücksichtigen.16 Innerbetrieblich ist damit neben den produktionsbereichsorientierten klassischen PPS-Systemen sowie der Lösung des Manufacturing Resource Planning der funktionsübergreifende Ansatz des Enterprise Resource Planning zu betrachten. Die im Rahmen des Supply Chain Managements eingesetzten Advanced Planning Systems kommen zusätzlich zur innerbetrieblichen Planung und Steuerung auch überbetrieblich zum Einsatz. Dabei werden im vorliegenden Beitrag zwar einige technologische Aspekte angesprochen, insgesamt liegt der Schwerpunkt der Ausführungen jedoch auf der Analyse von Funktionsumfang und Problemlösungsunterstützung der genannten Informationssysteme sowie deren Integration.

12 13 14 15

16

Vgl. Günther/Tempelmeier (2005), S. 313, Kurbel (2003), S. 18, Hellingrath et al. (2004), S. 192. Vgl. auch Hoppe (2002), S. 13, Preißner (2002), S. 7, Merz (2002), S. 601f. Merz (2002), S. 601, Hoppe (2002), S. 13. Der in der Literatur anzutreffende Begriff E-Production (auch E-Manufacturing) findet hier keine Verwendung, da er in der Regel den Einsatz der Internettechnologie und/oder den Aspekt der zwischenbetrieblichen Kooperation in den Vordergrund stellt (vgl. Lang (2002), S. 127f, Biethahn (2002), S. 187f, Schüber (2001), S.7, Blecker (2001), S. 16f) und somit für den hier definierten Untersuchungsgegenstand zu kurz greift. Vgl. hierzu auch Schüber (2001), S.7f.

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3

37

Informationssysteme der Produktionsplanung und -steuerung

Wie bereits erwähnt, werden Informationssysteme seit geraumer Zeit zur Lösung der komplexen Planungs- und Steuerungsaufgaben im Bereich der Produktion eingesetzt. Dabei ging es anfangs in erster Linie um die Aufbereitung der planungsrelevanten Daten sowie die Generierung zulässiger Lösungen anhand von zum Teil sehr einfachen Heuristiken.17 Obwohl diese Ansprüche aus heutiger Sicht als sehr gering einzustufen sind, bilden die damals entwickelten PPSSysteme die Grundlage der aktuellen Entwicklungen. Einige der aus wissenschaftlicher und technischer Sicht mittlerweile als überholt geltenden Lösungsansätze befinden sich im Rahmen von PPS- und ERP-Systemen auch heute noch im praktischen Einsatz. Abhilfe sollen hier die Advanced Planning Systems schaffen. Sie bilden die neueste Generation der im Bereich der PPS eingesetzten Informationssysteme.18 Die Ausführungen dieses Abschnitts zielen darauf ab, zunächst ein Grundverständnis der Aufgaben von PPS-Systemen sowie ihrer Lösungsstruktur zu vermitteln. Aufbauend auf einer kritischen Würdigung sowie den aus den jeweiligen Schwächen abgeleiteten notwendigen Verbesserungsvorschlägen werden im weiteren Verlauf die verschiedenen Entwicklungsstufen der Systeme dargestellt sowie auf die Möglichkeiten und Grenzen des Einsatzes der Internettechnologie hin untersucht. 3.1

Grundlegende Struktur klassischer PPS-Systeme

Unter Produktionsplanungs- und -steuerungssystemen werden Systeme verstanden, die einzelne oder auch sämtliche Aufgaben der Produktionsplanung und -steuerung (PPS) rechnergestützt erfüllen.19 Im Rahmen der Produktionsplanung erfolgt die mittelfristige (taktische) Planung der Produktionsprozesse, bevor diese tatsächlich ausgeführt werden. Die Produktionssteuerung ist dagegen auf die kurzfristige (operative) Planung der Produktionsprozesse ausgerichtet und gestaltet diese während ihrer Ausführung.20 Da PPS-Systeme nur einen Teil der unternehmerischen Gesamtplanungsaufgabe abdecken und einen begrenzten Zeitraum betrachten, ist festzuhalten, dass sie insgesamt die Merkmale eines Partialplanungsansatzes aufweisen.21 Obwohl die Komplexität der Planungsaufgabe durch diese Einschränkung bereits deutlich reduziert wird, ist eine simultane Lösung des Partialplanungsproblems nicht praktikabel, da sie nicht in einem angemessenen Zeitraum erreichbar ist. Die 17 18 19 20 21

Vgl. Kistner/Steven (2001), S. 260 u. 266. Vgl. Corsten (2004), S. 520, Steven/Krüger (2004), S. 175, Hoff/Endres (2002), S. 50. Vgl. Corsten (2004), S. 520, Adam (1998), S. 597f. Vgl. Kistner/Steven (2001), S. 254, Schütte/Siedentopf/Zelewski (1999), S. 144f. Die Totalplanung erhebt den Anspruch, alle Funktionsbereiche einer Unternehmung sowie ihre gesamte Lebensdauer zu umfassen. Vgl. Adam (1996), S. 93f.

38

Sönke Eggert

PPS-Gesamtaufgabe wird deshalb in Teilaufgaben zerlegt, die in der Regel streng sukzessiv und ohne Rückkopplung abgearbeitet werden (vgl. Abb. 1).22 Teilgebiet der PPS

Hauptfunktionen der PPS

Grunddatenverwaltung

Produktionsplanung

Produktionssteuerung

Abb. 1:

Teilfunktionen der PPS

Produktionsprogrammplanung

- Prognoserechnung - Grobplanung - Kundenauftragsverwaltung

Mengenplanung (Materialwirtschaft)

- Stücklistenauflösung - Bestandsführung - Verbrauchsorientierte - Lagerdisposition - Losgrößenrechnung

Termin- und Kapazitätsplanung (Zeitwirtschaft)

- Durchlaufterminierung - Kapazitätsbedarfsrechnung - Kapazitätsterminierung - Reihenfolgeplanung

Auftragsfreigabe

- Auftragsfreigabeentscheidung - Belegerstellung

Auftragsveranlassung

- Arbeitsverteilung

Auftragsüberwachung

- Kundenauftrags- und - Fertigungsauftragsüberwachung - Kapazitätsüberwachung

Strukturierung der Produktionsplanung und -steuerung23

Die Produktionsprogrammplanung legt Art, Menge und Termin der zu produzierenden Enderzeugnisse auf der Grundlage von Absatzprognosen bzw. vorliegenden Kundenaufträgen fest. Innerhalb der Mengenplanung wird ermittelt, welche Rohstoffe, Fremdteile und Zwischenprodukte zur Befriedigung des Primärbedarfs in welchen Mengen und zu welchem Zeitpunkt gefertigt oder bestellt werden müssen. Die Termin- und Kapazitätsplanung umfasst die Bestimmung der Start- und Endtermine aller Arbeitsvorgänge. Dabei werden innerhalb der Durchlaufterminierung zunächst grobe Bearbeitungszeiten und -termine ermittelt. Die Kapazitätsterminierung stimmt anschließend Kapazitätsbedarf und -angebot aufeinander ab. Im Rahmen der Auftragsfreigabe wird überprüft, ob al22

Vgl. Stahlknecht/Hasenkamp (2005), S. 357, Corsten (2004), S. 509ff, Rohde (2003), S. 1018, Adam (1998), S. 124f. Im Rahmen der Simultanplanung wird die gleichzeitige Ermittlung der zieloptimalen Ausprägung aller Variablen der zugrunde liegenden Problemstellung angestrebt. Sie setzt damit die Kenntnis sämtlicher Interdependenzen zwischen den Handlungsalternativen und den Variablen voraus. Vgl. Corsten (2004), S. 509. 23 In Anlehnung an Corsten (2004), S. 521.

Produktion und E-Business

39

le zur Ausführung der anstehenden Aufträge benötigten Produktionsfaktoren auch tatsächlich bereitstehen. Für die freigegebenen Aufträge werden die im Produktionsprozess benötigten Informationen zusammengestellt und an den Fertigungsbereich übermittelt (Auftragsveranlassung). Im Rahmen der Auftragsüberwachung werden mit Hilfe der Betriebsdatenerfassung schließlich Fertigungsfortschritt und Kapazitätsauslastung überwacht.24 Die verschiedenen PPS-Funktionen benötigen zur Ausführung ihrer Aufgaben eine Fülle von Informationen. Diese werden im Rahmen der Grunddatenverwaltung in einer zentralen Datenbank gehalten und den einzelnen PPSModulen durch geeignete Schnittstellen zugänglich gemacht. Über die Datenbank erfolgt im Wesentlichen auch die Kommunikation der Module untereinander.25 Aus heutiger Sicht ist die Internettechnologie für den Einsatz im Bereich der Grunddatenverwaltung prädestiniert. Da diese Technologie während der Entwicklung klassischer PPS-Systeme jedoch noch nicht zur Verfügung stand, sei hier bezüglich der Standardisierung von Daten und Schnittstellen mittels Internettechnologie auf die Ausführungen in Abschnitt 3.3 verwiesen. Traditionelle PPS-Systeme verfolgen das Ziel, die im Rahmen der PPS erforderlichen Daten für alle Aufgabenbereiche verfügbar zu machen sowie praktikable, zulässige Lösungen zu generieren. Dabei greifen die einzelnen Module in erster Linie auf einfache Heuristiken zurück, die keine unmittelbare Orientierung an den Unternehmenszielen ermöglichen. Des Weiteren erfolgen die planenden Schritte unter Vernachlässigung von Engpasskapazitäten, so dass die Erstellung zulässiger Pläne im Rahmen der Kapazitätsplanung problematisch sein kann. Eine ggf. notwendige Revision der vorgegebenen Pläne wird jedoch nicht konsequent unterstützt. Erforderlich wäre die Berücksichtigung der Engpasskapazitäten bereits bei der Planung des Produktionsprogramms, da dieses eine Vorgabe für alle übrigen Planungsebenen darstellt und letztlich auch die Kapazitätsbelastung bestimmt. Ein weiterer wesentlicher Kritikpunkt besteht in der Verwendung mittlerer Durchlaufzeiten. Sie werden auf der Grundlage von Vergangenheitswerten geschätzt und als Parameter in der Termin- und Kapazitätsplanung verwendet, obwohl sie eigentlich ein Ergebnis dieser Planungaufgabe darstellen.26

24

Vgl. Stahlknecht/Hasenkamp (2005), S. 361f, Corsten (2004), S. 521ff, Kistner/Steven (2001), S. 263, Zäpfel (1996), Sp. 1395f. 25 Vgl. Leßweng/Lanninger/Thome (2004), S. 222, Kistner/Steven (2001), S. 259f. In den Datenbanken werden im Wesentlichen auftragsbezogene Daten (z.B. Liefertermine und Auftragszustände), Strukturdaten der Produktion (Stücklisten, Maschinenfolgen, Bearbeitungsdauern, Maschinenkapazitäten, Kundenstammdaten etc.) sowie Bestands- und Bewegungsdaten der Produktion (z.B. Auftragsbestände, Lagerbestände und Maschinenzustände) gehalten. Vgl. Kistner/Steven (2001), S. 260f. 26 Vgl. Corsten (2004), S. 531, Kistner/Steven (2001), S. 263ff, Adam (1999), S. 327.

40

3.2

Sönke Eggert

Manufacturing Resource Planning

Als erste Stufe der Weiterentwicklung klassischer PPS-Systeme, die sich insbesondere auf die Produktionsprogrammplanung sowie Teilaspekte der Funktionsintegration bezieht, ist der Ansatz des Manufacturing Resource Planning (MRP II) anzusehen.27 MRP II generiert in einem hierarchischen Ansatz auf der obersten Planungs- bzw. Managementebene zunächst einen unter den verschiedenen Funktionsbereichen abgestimmten gemeinsamen Geschäftsplan.28 Auf der Grundlage des Geschäftsplans wird anhand von hoch aggregierten29 Daten aus den Bereichen Absatz, Beschaffung, Produktion und Finanzen unter Berücksichtigung einer groben unternehmensweiten Ressourcenplanung ein zulässiges Produktionsprogramm generiert. Dieses gilt als Grundlage des Master Production Scheduling (MPS), in dessen Rahmen der Primärbedarf mittels einer groben Kapazitätsplanung ermittelt wird. Der durch das MPS-Modul bestimmte Primärbedarf stellt wiederum die Vorgabe der Mengenplanung (Material Requirements Planning, MRP) bzw. der Termin- und Kapazitätsplanung (Capacity Requirements Planning, CRP) dar. Im Rahmen eines Abstimmungsprozesses werden mittels MRP zunächst Mengenpläne bestimmt, für die das CRP-Modul im Anschluss die Kapazitätsbeanspruchung simuliert und bei Bedarf die Planrevision im MRP-Modul anstößt. Dabei kommen innerhalb der Module weiterhin die Methoden klassischer PPS-Systeme zum Einsatz. Bezüglich der Steuerung bietet das MRP II-Konzept keine Neuerungen.30 Somit lassen sich vier wesentliche Weiterentwicklungen des klassischen PPS-Ansatzes durch MRP II erkennen. Erstens bietet MRP II auf der obersten Planungsebene eine Unterstützung der Geschäftsplanung und ermöglicht dabei eine grobe Abstimmung von Absatz- und Produktionsprogramm. Auf der Basis hoch aggregierter Daten erfolgen auf dieser Ebene zweitens eine Abstimmung verschiedener Funktionsbereiche und damit ein erster Schritt der Funktionsintegration. Drittens werden auf jeder Planungsebene die verfügbaren Ressourcen überprüft, wobei die Aggregation der zugrunde liegenden Daten mit größerer Nähe zum Fertigungsprozess von Ebene zu Ebene abnimmt. Lässt sich auf einer Planungsebene kein zulässiger Plan erstellen, so erfolgen viertens gemäß hierar-

27

Vgl. Corsten (2004), S. 532, Kistner/Steven (2001), S. 256. MRP II hat seinen Ursprung im Ansatz des Material Requirements Planning (MRP). Da MRP jedoch auf den Aufgabenbereich der Mengenplanung beschränkt ist und darüber hinaus im MRP II-Konzept Anwendung findet, wird dieser Ansatz hier nicht explizit betrachtet, sondern unter dem Begriff MRP II subsumiert. 28 Vgl. Corsten (2004), S. 534, Zäpfel (1999), S. 291. 29 Der Grad der Aggregation beschreibt die Detailliertheit der in der Planung verwendeten Daten, wobei ein hoher Aggregationsgrad für ein geringes Maß an Details steht. So lassen sich beispielsweise Produkte in Produktgruppen oder Kapazitäten in Kapazitätsblöcke aggregieren. Vgl. Fleischmann/Meyer/Wagner (2002), S. 85. 30 Vgl. Corsten (2004), S. 532ff, Schneeweiß (2002), S. 284ff, Kistner/Steven (2001), S. 256f.

Produktion und E-Business

41

chischer Planung eine Rückkopplung zur jeweils vorgelagerten Planungsebene sowie eine dortige Planrevision.31 Da MRP II im Rahmen der Mengen-, Termin- und Kapazitätsplanung weiterhin auf geschätzte mittlere Durchlaufzeiten zurückgreift, bleibt ein Kernproblem klassischer PPS-Systeme ungelöst. Außerdem werden die Disponenten weiterhin nicht durch optimierende Verfahren bei ihrer Arbeit unterstützt. Vielmehr sind sie darauf angewiesen, die jeweiligen Mengenpläne simulationsgestützt auf ihre ressourcenmäßige Zulässigkeit zu prüfen. Auf diese Weise werden zulässige Pläne generiert, deren Güte allerdings stark von der Erfahrung der planenden Person abhängt. Eine durchgängige Ausrichtung an den produktionswirtschaftlichen Zielen findet somit auch im MRP II-Konzept keine Berücksichtigung.32 3.3

Enterprise Resource Planning

Bezüglich klassischer PPS-Systeme sowie der MRP- bzw. MRP II-Ansätze besteht bereits eine theoretische Fundierung der Konzepte, die in der dargestellten Form allgemein akzeptiert ist. Eine ähnliche Aussage lässt sich für ERPSysteme derzeit nicht treffen. Vielmehr werden zu ihrer Charakterisierung Gemeinsamkeiten der Lösungen bedeutender Anbieter auf dem Markt für ERPSysteme (wie z.B. SAP, Oracle, PeopleSoft) herangezogen.33 ERP-Systeme bauen zwar auf den zuvor erläuterten Konzepten auf, sind dabei allerdings nicht auf den Bereich der industriellen Produktion fokussiert. Vielmehr sind sie branchenneutral einsetzbar und bieten durch ihre Erweiterung um Module der Buchhaltung, Kosten- und Leistungsrechnung, Personalwirtschaft etc. einen funktionsübergreifenden Ansatz.34 ERP-Systeme haben den Anspruch, sämtliche Geschäftsprozesse einer Unternehmung zu planen, zu steuern und zu kontrollieren.35 Die Ausrichtung an Geschäftsprozessen erfordert die Abkehr von der rein funktionsorientierten Sichtweise36 sowie die Schaffung einer einheitlichen Datenbasis für die gesamte 31 32 33 34 35 36

Vgl. Corsten (2004), S. 513f u. 536, Rohde (2003), S. 1018, Zäpfel (1999), S. 295f. Vgl. Kistner/Steven (2001), S. 263, Zäpfel (1999), S. 296, Adam (1999), S. 326f. Vgl. Hansmann/Neumann (2002), S. 327. Vgl. Leßweng/Lanninger/Thome (2004), S. 219ff, Stadtler (2005a), S. 16. Vgl. Corsten (2004), S. 537. Die isolierte Betrachtung der einzelnen Funktionsbereiche strebt optimale Problemlösungen des jeweiligen Aufgabenbereichs an. Die Interdependenzen zu den übrigen Unternehmensbereichen werden dabei vernachlässigt, so dass es zu redundanten Aufgabenerfüllungen kommt und ein enormer Koordinationsbedarf bei der Abstimmung der Teilbereiche entsteht. Eine wirtschaftliche Erfüllung einer Aufgabe, an der mehrere Funktionsbereiche beteiligt sind (z.B. die Auftragsabwicklung im Industriebetrieb), ist auf diese Weise nur schwer zu erreichen. Im Rahmen der Prozessorientierung werden nun diese funktionsübergreifenden Aufgaben – die Geschäftsprozesse – fokussiert. Die Prozesse werden hierzu zunächst modelliert und die Aufgabenerfüllung insgesamt an den Zielen der Unternehmung ausgerichtet. Vgl. Becker/Hansmann/Serries (2003), S. 26.

42

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Unternehmung. Somit wird die durch MRP II zum Zwecke der Geschäfts- und Produktionsprogrammplanung gewährleistete Teilintegration der Daten (hohes Aggregationsniveau) auf sämtliche im Rahmen der innerbetrieblichen Wertschöpfung erforderlichen Ressourcen (geringe Aggregation) ausgedehnt.37 Auf diese Weise vollenden ERP-Systeme den Integrationsgedanken der des MRP IIKonzepts. Damit wird erstmals die vollständige Integration der Bereiche Produktion, Beschaffung und Absatz eines Unternehmens gewährleistet und folglich die direkte Anbindung der PPS an diejenigen Unternehmensbereiche ermöglicht, die mit den Teilaspekten des E-Procurement und E-Sales den Aufgabenbereich des E-Commerce ausgestalten.38 ERP-Systeme sind somit u.a. in der Lage, den Prozess der Auftragsabwicklung zu unterstützen.39 Angestoßen wird dieser Prozess beispielsweise über einen elektronischen Marktplatz. Der hergestellte Kundenkontakt führt nach einer Prüfung der Erfüllbarkeit bezüglich Menge, Qualität, Preis, Liefertermin etc. zu einem konkreten Kundenauftrag. Dem Absatzbereich werden dafür alle benötigten Daten durch das ERP-System zur Verfügung gestellt. Die genaue Auftragsspezifikation wird schließlich im System hinterlegt, sowie die Auftragsbearbeitung und -überwachung in den unmittelbar folgenden Teilprozessen angestoßen. Im Rahmen des Teilprozesses der PPS wird die Auftragsspezifikation aus der Datenbank in das MRP II-System übernommen und im nächsten Planungslauf berücksichtigt. Als Ergebnis der Mengenplanung wird u.a. der Nettobedarf im ERP-System hinterlegt und via Email die Beschaffung angestoßen. Im Beschaffungsbereich werden daraufhin (ggf. mittels EProcurement) Maßnahmen zur Bedarfsdeckung eingeleitet. Die erfolgreiche Bedarfsdeckung wird wiederum an den Teilprozess der PPS gemeldet, der entsprechend des aktuellen Produktionsplans über die Auftragsfreigabe den eigentlichen Fertigungsprozess anstößt. Der Bearbeitungsfortschritt wird über die Betriebsdatenerfassung40 protokolliert und an das MRP II- bzw. ERP-System gemeldet. Da im ERP-System im Idealfall also zu jedem Zeitpunkt der genaue Auftragsstatus hinterlegt ist, lassen sich die entsprechenden Daten in einer Form aufbereiten, die dem Kunden eine Statusverfolgung über das Internet ermöglicht. Diese ist im Bedarfsfall über ein Tracking-System auch auf den Versand der Ware auszudehnen. 37 38 39

Vgl. Kistner/Steven (2001), S. 273. Vgl. Walther (2004), S. 135, Gronau (2001), S. 64. Vgl. Wienecke (2003), S. 61. Zur konkreten Ausgestaltung der Prozessunterstützung durch ein ERP-System vgl. z.B. Birn (2003), S. 230ff. 40 Betriebsdatenerfassungs- (BDE-) Systeme, protokollieren die Bestands- und Bewegungsdaten der Produktion während der laufenden Fertigungsprozesse (vgl. Ibelings (2003), S. 41). Sie unterstützen damit den im Rahmen der klassischen PPS-Systeme erläuterten Aufgabenbereich der Grunddatenverwaltung, die im Zuge der Datenintegration nun vollständig durch die ERP-Systeme realisiert werden kann. Die Erfassung der Betriebsdaten ist auch ein Aufgabenbereich der weiter unten in diesem Abschnitt erläuterten Manufacturing Execution Systems (MES).

Produktion und E-Business

43

Das Beispiel zeigt einige Möglichkeiten auf, wie typische E-CommerceElemente in einem ERP-System zum Einsatz kommen können. Neben diesen Erweiterungen des Funktionsumfangs, die jeweils eine Schnittstellendefinition zwischen ERP-System und E-Commerce-Anwendung erfordern, ist ein Trend zur konsequenten Nutzung von Internettechnologien zum Zwecke der Kommunikation erkennbar, der die Schnittstellenproblematik überwindet.41 Im Mittelpunkt dieser Entwicklung steht das standardisierte Datenaustauschformat XML (eXtensible Markup Language).42 XML kann die innerbetriebliche Kommunikation standardisieren, indem ein ERP-System eingesetzt wird, das bezüglich der Speicherung aller ERP-Daten sowie der innerbetrieblichen Kommunikation vollständig auf XML basiert. Unterstützen im Idealfall alle innerbetrieblich eingesetzten Anwendungen diesen Standard, ist mit dem zentralen ERP-System eine schnittstellenfreie, vollständig durch Internetbrowser gestützte Kommunikation möglich.43 Einzelne, nicht auf XML basierende Anwendungen können über eine entsprechende Schnittstelle eingebunden werden – dies gilt ebenfalls für das zentrale ERP-System.44 Auch in der zwischenbetrieblichen Kommunikation ergeben sich durch XML neue Möglichkeiten, die im folgenden Abschnitt 3.4 näher betrachtet werden. Eine Gruppe von Informationssystemen, die das ERP-System bei der operativen Planung und Steuerung der eigentlichen Fertigungsprozesse unterstützen, bilden die Manufacturing Execution Systems (MES).45 MES vollziehen die Anbindung der Fertigungsleitsysteme an das ERP-System und zielen auf eine termingerechte und ressourcenschonende Abwicklung der Aufträge, wobei sie in der Lage sind, frühzeitig auf Ressourcen- und Materialengpässe hinzuweisen und Gegenmaßnahmen einzuleiten.46 Wird die vertikale Integration in der Unternehmung auch in diesem Bereich konsequent durch Internetstandards unterstützt, so ist eine schnittstellenfreie Kommunikation bis zur untersten Ebene der 41 42

43

44 45 46

Vgl. insb. zur Schnittstellenproblematik Schmidt et al. (2004), S. 218ff. XML bildet einen Standard zum strukturierten Dokumenten- und Datenaustausch. Dabei beruht XML nicht auf einem fixen Format sondern ist als Metasprache zu verstehen, die Regeln bereitstellt, um unterschiedlichste Dokumente zu beschreiben und zu klassifizieren. Vgl. Nurmilaakso/Kettunen/Seilonen (2002), S. 588, Anders/Jungmann/Schramm (2002), S. 1051. Vgl. Witte (2004), S. 37ff, Läpple (2003), S. 55f, Nurmilaakso/Kettunen/Seilonen (2002), S. 586ff, Werner (2002), S. 416, Grabowski/Arnold/Erkayhan (2002), S. 13ff. Die Bestrebung, eine schnittstellenfreie Kommunikation sämtlicher in einer Unternehmung eingesetzten Informationssysteme mittels eines gemeinsamen Standards zu realisieren, wird im Allgemeinen als Enterprise Application Integration (EAI) bezeichnet. Vgl. Rohde (2003), S. 1018. Vgl. Witte (2004), S. 38. Vgl. Mussbach-Winter/Wiendahl (2003), S. 14, Mönch/Schmalfuß (2003), S. 33. FrommAyaß (2000), S. 45. Vgl. Mussbach-Winter/Wiendahl (2003), S. 16. MES sind darauf angewiesen, die Bestands- und Bewegungsdaten der Produktion während der laufenden Fertigungsprozesse aufzunehmen und decken somit den Aufgabenbereich der bereits angesprochenen BDESysteme ab.

44

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Fertigungsprozesse möglich. In der Konsequenz werden z.B. die Aufgaben der Fernwartung und -konfiguration erleichtert, Kunden- und Konstruktionsdaten ohne Medienbrüche verarbeitet sowie der Zugriff auf Echtzeit-Daten der Fertigung (Maschinenzustände, Kapazitätsauslastung etc.) im Rahmen der Produktionsplanung ermöglicht.47 Tendenziell wirken sich Prozessunterstützung und Datenintegration durch die Reduzierung von Durchlaufzeiten sowie eine Erhöhung der Termintreue positiv auf die Effizienz der Prozesse sowie durch eine Erhöhung der Kapazitätsauslastung und Verringerung der Lagerbestände auf den effizienten Ressourceneinsatz aus.48 Somit tragen ERP-Systeme zwar zur Verbesserung der innerbetrieblich ablaufenden Prozesse und der damit einhergehenden Abstimmung der Funktionsbereiche untereinander bei, Aufgaben der zwischenbetrieblichen Abstimmung werden jedoch nicht konsequent unterstützt. Darüber hinaus halten sich die methodischen Fortschritte im Bereich der Produktion in Grenzen, da hier weiterhin die MRP II-Logik zum Einsatz kommt.49 Die geäußerte Kritik bezüglich des MRP II-Methodik lassen sich somit uneingeschränkt auf ERPSysteme übertragen. 3.4

Advanced Planning Systems

Advanced Planning Systems (APS) bilden die aktuelle Generation betrieblicher Informationssysteme, die den Aufgabenbereich der PPS beeinflussen. Ihre Entstehung lässt sich im Wesentlichen auf die funktionale und methodische Erweiterung der ERP- bzw. MRP II-Systeme zurückführen.50 In methodischer Hinsicht streben APS eine Überwindung der Schwächen der MRP II-Logik an. Dieser Anspruch wird u.a. durch den Terminus advanced ausgedrückt.51 In funktionaler Hinsicht verfolgen APS die Ausweitung der durch den ERP-Ansatz gewährleisteten unternehmensinternen Integration auf die unternehmensübergreifende Planung und Steuerung im Sinne des Supply Chain Managements (SCM).52 Die Bezeichnung advanced wird in der Literatur auch so interpretiert, dass die Vertreter dieser Generation von Informationssystemen nicht eigenständig einsetzbar sind, sondern vielmehr eine Ergänzung der ERP-Systeme bilden. APS 47 48 49 50 51 52

Vgl. Kracke (2002), S. 46f und Koschate (2003), S. 11f, Schüber (2001), S. 8. Vgl. Corsten (2004), S. 538. Vgl. Stadtler (2005a), S. 18, Steven/Krüger (2004), S. 175. Vgl. Aurich/Wagenknecht (2003), S. 16. Vgl. Prockl (2004), S. 516. Vgl. Aurich/Wagenknecht (2003), S. 16, Grunow/Günther/Viergutz (2002), S. 14, Steven/Krüger (2004), S. 174ff. Als Kernmerkmale des SCM lassen sich die konsequente Ausrichtung am Bedarf des Endkunden, die unternehmensübergreifende Geschäftsprozessorientierung und eine kooperative Zusammenarbeit der einzelnen an der Supply Chain beteiligten Unternehmungen identifizieren. Vgl. Corsten (2004), S. 539. Zum Zusammenhang von PPS und SCM vgl. ausführlich Eggert (2006), S. 80ff.

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ersetzen und ergänzen die Planungsfunktionalitäten bzw. -methoden der ERPSysteme, nutzen allerdings weiterhin deren Datenbankstruktur und Prozessunterstützung.53 Schließlich wird in einer praxisorientierten Sicht unter advanced auch die Bereitstellung typischer E-Commerce-Elemente, wie sie in Abschnitt 3.3 dargestellt wurde, verstanden. Da diese jedoch keine neue Planungsmethodik bieten sondern vielmehr die funktionale Erweiterung informationstechnisch unterstützen, wird ihr Einsatz hier nicht als zwingendes APS-Merkmal angesehen.54 Für diese Sichtweise spricht auch, dass ERP-Systeme die Integration von E-Commerce-Funktionalitäten bereits grundsätzlich ermöglichen und der aktuelle Trend in der Weiterentwicklung der ERP-Systeme durch die Anwendung der Internettechnologie geprägt ist. Allerdings bedingen sich gerade die Neuerungen, die bezüglich der funktionalen Ausweitung der APS und die informationstechnischen Neuerungen, die den ERP-Systemen zugeordnet werden, gegenseitig.55 Eine klare Aussage, welchen Systemen die Weiterentwicklungen in diesem Bereich zuzuschreiben sind, ist folglich nicht möglich. Dies ist insbesondere vor dem Hintergrund nachzuvollziehen, dass APS eine Ergänzung und keine vollständige Ablösung der ERP-Systeme darstellen und somit in beiden Bereichen Weiterentwicklungen selbstverständlich sind. Da sich die Ausführungen in Abschnitt 3.3 bereits an den charakteristischen Gemeinsamkeiten der ERP-Systeme führender Hersteller orientieren und das Spektrum der APS-Lösungen durch einige Spezialanbieter erweitert wird, fällt eine theoretische Fundierung der APS schwer. Dass die Hersteller, wie z.B. i2 Technologies und SAP, ihre Lösungen mittlerweile um Funktionen erweitert haben, die nicht den eigentlichen Aufgabenbereich der APS betreffen, erschwert eine einheitliche Definition zusätzlich.56 Eine Orientierung bieten jedoch die von RHODE/MEYR/WAGNER bezüglich des Aufbaus und der Funktionalitäten unterschiedlicher Systeme identifizierten Gemeinsamkeiten, die sie in Form der Supply Chain Planning Matrix visualisieren (vgl. Abb. 2).57 Diese stellt das Aufgabenspektrum der APS anhand der Fristigkeit des Planungshorizonts und

53 54 55 56

Vgl. Stadtler (2005a), S. 24, Prockl (2004), S. 516. Vgl. Walther (2004), S. 136, Aurich/Wagenknecht (2003), S. 16. Vgl. Walther (2004), S. 134ff, Hellingrath et al. (2004), S. 194. Vgl. Rohde (2003), S. 1018, Günther/Tempelmeier (2005), S. 330. Darüber hinaus nehmen ERP-Anbieter einzelne SCM-Module in ihr System auf, ohne eine im Sinne dieses Beitrags vollständige APS-Lösung zu bieten. Vgl. Hellingrath et al. (2004), S. 195. 57 Vgl. Rohde/Meyr/Wagner (2000), S. 10, Corsten (2004), S. 540. Zu einer differenzierteren Betrachtung gelangen STEVEN/KRÜGER, indem sie die Aspekte der operativen Planung und Steuerung hervorheben. Darüber hinaus ordnen sie die Materialbedarfsplanung dem jeweiligen ERP-System der einzelnen Akteure zu (vgl. Steven/Krüger (2004), S. 179). GÜNTHER/TEMPELMEIER gelangen zu einer APS-Grundstruktur, die zwar eine unterschiedliche Anordnung der Module wählt, inhaltlich jedoch nahezu der Supply Chain Planning Matrix entspricht. Wie auch STEVEN/KRÜGER sehen sie die Materialbedarfsplanung als Bestandteil des ERP-Systems an. Zusätzlich weisen sie ein Modul zum netzwerkbezogenen Bestandsmanagement aus (vgl. Günther/Tempelmeier (2005), S. 331).

46

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des Bezugs zu ausgewählten Funktionsbereichen dar und differenziert zwischen netzwerk- und unternehmungsbezogenen Modulen. Distribution

Absatz

Strategische Netzwerkplanung

kurzfristig

mittelfristig

Produktionsprogrammplanung

Abb. 2:

Nachfrageplanung Materialbedarfsplanung

Produktionsgrobplanung

Distributionsplanung

Produktionsfeinplanung

Transportplanung

Verfügbarkeitsprüfung

netzwerkbezogene Module

Produktion

unternehmungsbezogene Module

langfristig

Beschaffung

Supply Chain Planning Matrix58

Das netzwerkbezogene Aufgabenspektrum bietet gegenüber den bisher vorgestellten Ansätzen neben den vordergründigen Weiterentwicklungen im funktionalen Bereich auch methodische Neuerungen. Im Modul der strategischen Netzwerkplanung erfolgt die Konfiguration der Supply Chain, indem vor allem langfristige, schwer zu korrigierende Entscheidungen z.B. in Hinblick auf das grundsätzliche Produktionsprogramm, die Standorte der Partnerunternehmen oder die Distributionsstruktur getroffen werden. Im Rahmen der Nachfrageplanung werden die Absatzmengen prognostiziert sowie Sicherheitsbestände berechnet. Das Modul der Produktionsprogrammplanung erfüllt die Aufgabe, aufeinander abgestimmte Beschaffungs-, Produktions- und Distributionspläne zu bestimmen. Diese wesentliche Koordinationsaufgabe erfordert eine Reduzierung der Planungskomplexität, die durch eine Aggregation der Daten sowie die Konzentration auf potenzielle Engpasskapazitäten i. Allg. exakte Problemlösungen ermöglicht. Das Modul der Kundenauftragsannahme schlägt auf der Grundlage aktueller Bestände und Kapazitäten der einzelnen Akteure der Supply Chain Preise und Liefertermine für konkrete Kundenaufträge vor. Dabei werden bei marktorientierter Produktion anhand der Verfügbarkeitsprüfung (Available to Promise, ATP) zuverlässige Lieferterminzusagen generiert, die sich an den aktuell verfügbaren Beständen bzw. den bereits geplanten Produktionsmengen orientieren. Bei auftragsbezogener Produktion erstreckt sich die erforderliche Prüfung im Rahmen des Capable to Promise (CTP) auf Zwischenprodukte und Rohstoffe 58

Vgl. Meyr/Wagner/Rohde (2005), S. 109 und Corsten (2004), S. 540.

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sowie die aktuell verfügbaren Kapazitäten. Die Distributionsplanung entscheidet, welche Mengen eines Produkts an welchen Standorten zu lagern und über welche Routen sie zu transportieren sind. Die Transportplanung stellt Methoden zur Auswahl von Transportmitteln, Zusammenstellung von Ladungen und Tourenplanung bereit. Mithilfe dieser Methoden legt sie unter Beachtung von Liefer- und Fertigstellungsterminen Transportpläne fest.59 Die unternehmungsbezogen auszuführenden Module bieten insbesondere methodische Neuerungen, greifen dabei jedoch auf unternehmungsübergreifend abgestimmte Daten zurück. Den Ausgangspunkt der Produktionsgrobplanung bilden die Vorgaben des überbetrieblich bestimmten Produktionsprogramms sowie das Modell der Produktionsprozesse der jeweils betrachteten Unternehmung, welches sich auf die detaillierte Abbildung potenzieller Engpasskapazitäten beschränkt. Im Rahmen der Grobplanung, die als simultane Mengen-, Termin- und Kapazitätsplanung realisiert werden kann, werden die Durchlaufzeiten unter Berücksichtigung der Engpässe bestimmt. Für diejenigen Aktivitäten, die keinen Engpass beanspruchen, werden dabei feste Vorgabezeiten unterstellt. Im Ergebnis der Produktionsgrobplanung liegen konkrete Mengen- und Kapazitätsbedarfe in Form eines Produktionsplans vor. Die Produktionsfeinplanung greift diese Ergebnisse auf und konkretisiert den Produktionsplan vor einem kurzfristigen Horizont für die einzelnen Produktionsbereiche. Sie legt konkrete Fertigungs- und Montageaufträge fest, terminiert sie und gibt sie schließlich frei. Im Rahmen der Materialbedarfsplanung führen die einzelnen Akteure der Supply Chain Planungsaufgaben wie die Lieferantenauswahl und Materialdisposition bzw. die Bestimmung von Sicherheitsbeständen und Bestellgrößen aus.60 Zwischen den Modulen der Supply Chain Planning Matrix findet ein intensiver wechselseitiger Informationsaustausch statt. Die netzwerkbezogenen Aufgaben werden dabei unter Rückgriff auf die Datenbestände der dezentralen ERPSysteme erfüllt. Ihre Ergebnisse, wie z.B. aggregierte Produktions- und Distributionspläne, bilden wiederum die Vorgaben für die unternehmungsbezogenen Aufgaben und werden an die ERP-Systeme der einzelnen Akteure der Supply Chain weitergegeben. Den dezentralen ERP-Systemen obliegen neben den durch APS unterstützten Planungsaufgaben insbesondere die operativen Aufgaben der innerbetrieblichen Steuerung, die zum Teil durch spezielle Informationssysteme übernommen werden. So lässt sich z.B. die Produktionssteuerung durch ein MES unterstützen.61 Insgesamt verschärfen APS damit die bezüglich der ERPSysteme identifizierte Schnittstellenproblematik, denn die überbetriebliche Planung der Supply Chain ist auf eine einheitliche Definition der auszutauschenden Daten angewiesen. Da eine Abstimmung der einzelnen, dezentral eingesetzten 59

Vgl. Corsten (2004), S. 540ff, Günther/Tempelmeier (2005), S. 266f u. S. 334, Rohde (2003), S. 1018, Dudek/Rohde/Sürie (2002), S. 50, Steven/Krüger (2004), S. 180ff. 60 Vgl. Hellingrath et al. (2004), S. 200, Corsten (2004), S. 541, Steven/Krüger (2004), S. 185. Zum generellen Ablauf der Produktionsplanung durch APS vgl. Stadtler (2005b), S. 198ff. 61 Vgl. Hellingrath et al. (2004), S. 203, Steven/Krüger (2004), S. 185.

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Systeme zu aufwändig wäre, ist hier ein einheitlicher Kommunikationsstandard vorzugeben, der zu einer Entkopplung der Systeme führt. Diese Entkopplung kann über Enterprise Application Integration- (EAI-) Systeme erreicht werden. EAI-Systeme regeln die unternehmensübergreifende, aber auch -interne Kommunikation über ein einheitliches, häufig XML-basiertes Datenformat.62 Dabei stellt XML eine Alternative zum Electronic Data Interchange (EDI) dar, einem Ansatz, der auf den Austausch standardisierter Daten zwischen mindestens zwei Partnerunternehmen abzielt. EDI ist durch die Installation einer speziellen Anwendungssoftware jedoch mit erheblichen Investitions- und Betriebskosten verbunden, die insbesondere für KMU abschreckend wirken. Durch die Nutzung von XML ist der Datenaustausch plattformunabhängig über das Internet mittels Internet-Browser zu realisieren. Obwohl in diesem Zusammenhang auf ein spezielles EDI-System verzichtet werden kann und somit eine Barriere für KMU abgebaut wird, existieren dennoch Schnittstellen, sobald eines der Partnerunternehmen den XML-Standard entweder nicht innerbetrieblich nutzt oder eine unterschiedliche inhaltliche Definition der XML-Daten vorliegt.63 Die vorstehenden Erläuterungen verdeutlichen, dass insbesondere der Anspruch der funktionalen Weiterentwicklung durch APS im Vergleich zu ERPSystemen gegeben ist. Mittels Datenintegration und Abstimmung der Teilpläne führen APS zu einer verbesserten unternehmensübergreifenden Zusammenarbeit, die sich beispielsweise in der Verkürzung von Durchlaufzeiten, im Abbau von Sicherheitsbeständen, in der Erhöhung der Prognosequalität sowie einer hohen Termintreue äußert.64 Allerdings ist festzuhalten, dass APS von einer zentralen Planungsinstanz ausgehen und damit insbesondere zum Einsatz kommen, wenn die Supply Chain einen starken Partner aufweist, der aufgrund der Abhängigkeiten seiner Lieferanten und Abnehmer die Einführung eines APS vorschreibt (hierarchische Ausrichtung). Entsprechend sind APS nur eingeschränkt für heterarchische Supply Chains geeignet, deren Akteure rechtlich selbständig sind und gleichberechtigt agieren. In diesem Fall ist weder die durch APS unterstellte gemeinsame Entscheidungsinstanz noch die grundsätzliche Bereitschaft zur Offenlegung sämtlicher zur Planung benötigter Informationen gegeben. Zum Einsatz kommen hier Ansätze des Collaborative Planning, die es ermöglichen, dezentral erstellte Pläne verhandlungsbasiert miteinander abzustimmen.65 Inwiefern APS die Ansprüche bezüglich der methodischen Fortschritte erfüllen können, soll im Folgenden geklärt werden. Zunächst ist festzuhalten, dass APS einen hierarchischen Planungsansatz aufweisen, da sie die Gesamtaufgabe in Teilprobleme gliedern, zwischen denen entsprechend des Planungshorizonts 62 63

Vgl. Kilger/Müller (2004), S. 233, Rohde (2003), S. 1020. Vgl. Schmidt et al. (2004), S. 223, Werner (2002), S. 416, Grabowski/Arnold/Erkayhan (2002), S. 13ff. WERNER spricht in diesem Zusammenhang von Web-EDI. 64 Vgl. Corsten (2004), S. 543f, Schönsleben/Hieber (2000), S. 23. 65 Vgl. Rautenstrauch (2004), S. 371f, Steven/Krüger (2004), S. 187, Rohde (2003), S. 1019. Vgl. ausführlich Eggert (2006), S. 87ff.

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Über- bzw. Unterordnungsbeziehungen bestehen und deren Lösungen aufeinander abgestimmt werden müssen. Somit ist der Anspruch einer durch APS ermöglichten Simultanplanung nicht erfüllt. Des Weiteren ist zu beachten, dass APS nicht in der Lage sind, optimale Lösungen des Gesamtproblems gezielt zu generieren. Selbst wenn für alle Teilprobleme eine optimale Lösung gefunden wird, ergibt deren Zusammenführung nicht zwangsläufig das Gesamtoptimum. Darüber hinaus werden in einigen Modulen lediglich heuristische bzw. regelbasierte Verfahren eingesetzt, die nur in Ausnahmefällen zu einer optimalen Lösung gelangen.66 Auch wenn somit das unrealistische Maximalziel einer simultanen, optimierenden Totalplanung durch APS nicht erreicht wird, sind bei näherer Betrachtung dennoch einige methodische Fortschritte im Vergleich zum MRP IIKonzept auszumachen.67 So beschränkt sich die netzwerkbezogene Produktionsprogrammplanung, die ihr traditionelles Pendant ersetzt, auf die Betrachtung potenzieller Engpasskapazitäten, wodurch sogar ein Einsatz optimierender Verfahren in diesem Bereich ermöglicht wird. Darüber hinaus bieten die Module der Produktionsgrob- und -feinplanung methodische Alternativen zu den traditionellen PPS- und MRP II-Ansätzen aus dem Bereich der Termin- und Kapazitätsplanung. Diesbezüglich ist festzuhalten, dass mit den Metaheuristiken sowie dem Ansatz des Constraint Programming68 nun Verfahren im Rahmen der PPS verwendet werden, die für diesen Bereich als neu gelten.69 In Verbindung mit der Fokussierung auf Engpasskapazitäten sowie einer sinnvollen Aggregation der Daten gewährleisten diese Verfahren sogar simultane Lösungen der Mengen-, Termin und Kapazitätsplanung. Ein genereller Einsatz optimierender Verfahren ist hier allerdings auch weiterhin nicht gewährleistet. Neben dem deutlichen Fortschritt, den APS im funktionalen Bereich mit sich bringen, sind somit auch Neuerungen im methodischen Bereich zu erkennen. Gerade hier besteht allerdings noch ein enormes Weiterentwicklungspotenzial. So ist in den nächsten Jahren neben dem verstärkten Einsatz der bereits erwähn66 67

Vgl. Corsten/Gössinger (2001), S. 34ff. Diesbezüglich sei angemerkt, dass die Systemanbieter in der Regel nicht offen legen, wie die in den Modulen eingesetzten Verfahren konkret ausgestaltet sind (vgl. Günther/Tempelmeier (2005), S. 332, Dudek/Rohde/Sürie (2002), S. 52). 68 Metaheuristiken verfolgen eine Strategie, die es durch das Akzeptieren zwischenzeitlicher Verschlechterungen der Zielfunktionswerte ermöglicht, ggf. vorteilhaftere lokale Kostenminima zu bestimmen. Der Ansatz des Constraint Programming verfolgt die Zielsetzung der Kostenminimierung nicht unmittelbar anhand einer Zielfunktion, sondern beruht auf der Vorgabe einzuhaltender Restriktionen und generiert somit zumindest zulässige Produktionspläne. Beide Ansätze garantieren jedoch keineswegs eine optimale Problemlösung. Vgl. Günther/Tempelmeier (2005), S. 334, Dudek/Rohde/Sürie (2002), S. 50. 69 DUDEK/ROHDE/SÜRIE identifizieren zusätzlich den Einsatz der gemischt-ganzzahligen Programmierung sowie von Sukzessivplanungsansätzen. Letztere entsprechen der Methodik klassischer PPS-Systeme, bieten also keine Neuerung. Gemischt-ganzzahlige Lösungsansätze sind zwar theoretisch in der Lage, exakte Lösungen zu generieren, für den Praxiseinsatz, der durch umfangreiche Problemstellungen gekennzeichnet ist, sind sie jedoch ungeeignet, da hier exakte Lösungen nur mit unangemessenem Aufwand generierbar sind. Vgl. Dudek/Rohde/Sürie (2002), S. 50 u. Aurich/Wagenknecht (2003), S. 16.

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ten neueren Verfahren beispielsweise mit Lösungen aus den Bereichen der Multiagentensysteme und Künstlichen Neuronalen Netze zu rechnen.70

4

Schlussbetrachtung

Im vorliegenden Beitrag wurde zunächst die Einbindung des Funktionsbereichs der Produktion in das Gesamtsystem der Unternehmung analysiert. Hier wurde deutlich, dass die Planung und Steuerung der Produktion nur unter Beachtung der Beziehungen zu den anderen Subsystemen sowie der indirekten Einflüsse der Umwelt erfolgen kann. Die Beziehungen zwischen E-Business und Produktion wurden dabei einerseits (einem weiten Begriffsverständnis folgend) bezüglich des Einsatzes verschiedener Informationssysteme im Bereich der PPS identifiziert, zu denen neben denjenigen Systemen, die die Kernaufgaben der PPS unterstützen, auch typische E-Commerce-Anwendungen gehören, die im Beschaffungs- und Absatzbereich eingesetzt werden. Andererseits wurde (einem engen Begriffsverständnis folgend) die konkrete Anwendung der Internettechnologie betrachtet, der insbesondere Aufgaben der Vernetzung sowie Standardisierung des Informationsaustauschs der inner- und überbetrieblich eingesetzten Systeme zukommen. Sie ist damit als Werkzeug der funktionalen Integration anzusehen, die anhand der Entwicklung der Informationssysteme – ausgehend von klassischen PPS-Systemen über MRP II und ERP bis hin zu den aktuell diskutierten APS – aufgezeigt wurde. Mittels ERP und APS lässt sich in Zusammenhang mit Internetstandards heute theoretisch die vollständige Integration einer Supply Chain erreichen, wobei horizontal alle beteiligten Akteure und vertikal sämtliche Ebenen der Unternehmungshierarchie bis hinunter zur Fertigungssteuerung einheitlich auf der Basis von XML miteinander kommunizieren. Dieses Idealbild entspricht jedoch nicht der derzeitigen unternehmerischen Praxis, die durch den Einsatz heterogener, auf den jeweiligen Aufgabenbereich spezialisierter Systeme geprägt ist. Um die bestehende Schnittstellenproblematik zu entschärfen, wird durch EAI eine Entkopplung über einen gemeinsamen, meist XML-basierten Standard angestrebt. Hier bedarf es jedoch weiterhin der Schnittstellendefinition zwischen den einzelnen Anwendungen und dem EAI-System. Die schnittstellenfreie Kommunikation sämtlicher Systeme stellt damit insgesamt das Ziel der weiteren Entwicklungen dar. Neben den funktionalen Aspekten wurde auch das methodische Potenzial der im Bereich der Produktion eingesetzten Informationssysteme analysiert. Hier wurden im Hinblick auf die klassischen PPS-Systeme Schwächen identifiziert, die durch MRP II und ERP nur zum Teil überwunden werden konnten. Erst durch den Einsatz von APS sind deutliche Fortschritte erreicht worden, die insbesondere die Bereiche der Produktionsprogrammplanung sowie der Termin- und Kapazitätsplanung betreffen. Gerade im Rahmen der Termin- und Kapazitätsplanung ist eine Anwendung op70

Gronau/Ibelings (2002), S. 46.

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timierender Verfahren jedoch weiterhin nicht gewährleistet, so dass hinsichtlich der Planungsmethoden ein hohes Weiterentwicklungspotenzial festzustellen ist.

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Absatz und E-Business von Stefan Charaus1

1

Einleitung

Viele Unternehmen wären heute finanziell besser gestellt, wenn sie in den neunziger Jahren dem Trend, in E-Business zu investieren, nicht gefolgt wären. Was ist passiert? Die Informations- und Kommunikationstechnologie erlebte in Form des Internets eine Revolution. Getrieben von viel versprechenden Marktstudien wurde der Eindruck erweckt, E-Business würde das klassische Geschäft revolutionieren. Kosteneinsparpotenziale und Geschäftsexpansionsraten im zweistelligen Prozentbereich galten als sicher. Der Zusammenbruch der New Economy zur Jahrtausendwende brachte jedoch zutage, wie viele Unternehmen und Investoren sich von optimistischen Visionen haben blenden lassen. E-Business gilt seitdem nicht mehr als Einbahnstraße auf dem Weg zum Erfolg.2 Klassische wirtschaftswissenschaftliche Untersuchungsgegenstände, wie das Verhältnis von Kosten zu Erträgen oder von Chancen zu Risiken, treten gegenüber den euphorischen Visionen der neunziger Jahre wieder in den Vordergrund. Die Rückbesinnung auf klassische Methoden mündet in der Forderung nach fundierten Geschäftsmodellen für das E-Business, die auf einer an der Wettbewerbssituation des einzelnen Unternehmens ausgerichteten Planung beruhen.3 Der vorliegende Beitrag soll als Antwort auf diese Forderung E-Business aus der Sicht der klassischen Absatztheorie untersuchen. Im Mittelpunkt stehen hierbei insbesondere kleine und mittlere Unternehmen (KMU). Die zunehmende Verbreitung von E-Procurement4 unter den Kunden der KMU führt dazu, dass sie sich im Absatzbereich verstärkt mit dem Thema E-Business beschäftigen müssen. Wenn die KMU nicht in der Lage sind, elektronische Schnittstellen zu den E-Procurement-Systemen ihrer Kunden aufzubauen, werden sie diese Kunden an ihre Konkurrenz verlieren. Das Ignorieren von E-Business ist für KMU 1

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Dipl.-Kfm. Stefan Charaus, Georg-August-Universität Göttingen, Institut für Betriebswirtschaftliche Produktions- und Investitionsforschung, Platz der Göttinger Sieben 3, 37073 Göttingen. Vgl. European e-Business Market Watch (2002), S. 6ff. (European e-Business Market Watch ist eine Initiative der Europäischen Kommission) sowie OECD (2002), S. 70ff., Buckley/Montes (2002), S. 9ff. Vgl. Krüger/Bach (2001), S. 30ff., Amor (2002), S. 38f., Birkhofer (2001), S. 83f., Dholakia et al. (2001), S. 74f. Siehe hierzu auch den Beitrag von WALZNER in diesem Band.

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Stefan Charaus

folglich mit einem Risiko verbunden. Gleichzeitig ist aber auch ein Engagement in E-Business für KMU mit Risiken verbunden.5 E-Business-Systeme können hohe Investitionen erfordern, deren Rückflüsse ungewiss sind. Die Betreuung der Systeme erfordert qualifiziertes Fachpersonal, das mit hohen Personalkosten verbunden ist.6 Damit sich KMU in diesem Dilemma für oder gegen ein EBusiness-Vorhaben entscheiden können, müssen sie ihre Handlungsalternativen sowie die daraus resultierenden Chancen und Risiken kennen. Der vorliegende Beitrag versucht einen Überblick über diese Handlungsalternativen im Absatzbereich zu liefern. Nach diesem einleitenden Abschnitt werden im zweiten Abschnitt begriffliche Grundlagen erläutert. Im dritten Abschnitt werden ausgewählte Einsatzmöglichkeiten von E-Business im Absatzbereich aufgezeigt. Als konzeptueller Bezugsrahmen dienen dabei der operative Absatzprozess sowie grundlegende Absatzstrategien. Im vierten Abschnitt wird ein Vorgehen zur Planung ganzheitlicher E-Business-Vorhaben im Absatzbereich skizziert, mit dem Handlungsalternativen analysiert und gegeneinander abgewogen werden können.

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Grundlagen

2.1

Der Absatzbegriff

Absatz wird nach GUTENBERG als die Leistungsverwertung der in einem Unternehmen erstellten Sachgüter und Dienstleistungen verstanden.7 Diese Leistungsverwertung erfolgt durch das Angebot der Produkte auf dem Absatzmarkt, der neben dem eigenen Angebot durch die Bedürfnisse der Nachfrager und der Angebote der Konkurrenten determiniert ist.8 Die Summe der eigenen Angebote ergibt das Absatzprogramm. Es bestimmt, welche Produkte in welchen Mengen zu welchen Preisen und Zeiten auf welchen Absatzmärkten unter Zuhilfenahme welcher Absatzpolitik9 angeboten wer-

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7 8 9

Siehe hierzu auch den Beitrag von THIEMT in diesem Band. Im Vergleich zu Großunternehmen sind KMU diesbezüglich benachteiligt, da sie die Investitionen und Kosten über ein vergleichsweise geringes Geschäftsvolumen amortisieren bzw. decken müssen. Vgl. Europäische Kommission (2001a), S. 7f. Vgl. Gutenberg (1984), S. 1ff. Vgl. Wöhe/Döring (2000), S. 479. Das Ziel der Absatzpolitik ist es, zur Durchsetzung der Absatzstrategie, Absatzwiderstände zu überwinden. Liegt z.B. ein Käufermarkt vor, d.h. das Angebot auf dem Markt ist größer als die Nachfrage, so muss die Absatzpolitik versuchen, die Nachfrage für die eigenen Angebote zu stimulieren. Typische Instrumente der Absatzpolitik sind Produktgestaltung, Preispolitik, Kommunikationspolitik und Distributionspolitik. Vgl. Dichtl/ Helm (2002), S. 215, Gutenberg (1984), S. 7ff., Wöhe/Döring (2000), S. 517ff.

Absatz und E-Business

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den.10 Nach ANSOFF lassen sich anhand der Unterscheidung, ob auf neuen oder bestehenden Märkten mit neuen oder bestehenden Produktfeldern agiert werden soll, vier grundlegende Absatzstrategien unterscheiden: Marktdurchdringung, Marktexpansion, produktpolitische Expansion und Diversifikation.11 Die operative Durchführung des Absatzes lässt sich in die Teilphasen Absatzanbahnung, -durchführung, -abwicklung und After-Sales-Betreuung unterteilen. Die Absatzanbahnung umfasst die Herstellung des Kontaktes mit einem potenziellen Abnehmer der Leistungen sowie den Einsatz absatzpolitischer Maßnahmen. In der Absatzdurchführung werden Aufträge entgegengenommen, Kaufverträge geschlossen sowie Rechnungen gestellt. Es folgt die Phase der Absatzabwicklung, in der die Warenauslieferung und das Inkasso stattfinden. In der letzten Phase, der After-Sales-Betreuung, werden Retouren und Beschwerden bearbeitet sowie produktbezogene Beratungen und Dienstleistungen angeboten.12 Eng verwandt mit dem Absatzbegriff ist der Marketing-Begriff. „Marketing ist die bewusst marktorientierte Führung des gesamten Unternehmens...“13 Marketing umfasst die Planung und Förderung von Austauschprozessen auf allen unternehmensrelevanten Märkten im Hinblick auf die Unternehmensziele. In seiner engsten Auslegung, als Absatzmarketing, ist Marketing synonym zur Absatzfunktion zu verstehen. Im weiteren Sinn umfasst Marketing jedoch alle Märkte, auf denen das Unternehmen präsent ist, wie z.B. auch den Beschaffungsmarkt (Beschaffungsmarketing).14 2.2

E-Business

In der Literatur lässt sich eine Vielzahl von Definitionen für den Begriff EBusiness finden.15 Dem vorliegenden Beitrag sei folgende Definition des EBusiness-Begriffs zugrunde gelegt: „Electronic Business bezeichnet als Oberbegriff unterschiedliche Formen des Einsatzes elektronischer Kommunikationsund Kooperationsmechanismen zur Realisierung, Unterstützung und Optimierung von Geschäftsprozessen.“16 Electronic Commerce stellt einen Teilbereich des E-Business dar, der den Handel mit Gütern und Dienstleistungen umfasst.17 Im Zentrum des E-Commerce steht somit die Geschäftstransaktion zwischen 10 11 12 13 14 15 16 17

Vgl. Wöhe/Döring (2000), S. 485f., Gutenberg (1984), S. 64ff. Vgl. Ansoff (1957), S. 114, Meffert (1998), S. 233ff, Kotler/Bliemel (1999), S. 111ff, Marr/Picot (1991), S. 659, Bloech et. al. (2004), S. 128ff., Löser (2000), S. 85ff. Vgl. Falk/Wolf (1992), S. 118ff., Kotler et al. (2002), S. 41f. Meffert (1998), S. 7. Vgl. Wöhe/Döring (2000), S. 581ff., Kotler/Bliemel (1999), S. 17f., Dichtl/Helm (2002), S. 215., Marr/Picot (1991), S. 625ff. Eine ausführliche Aufstellung findet sich z.B. bei Schwarze/Schwarze (2002), S. 18ff. Zwißler (2002), S. 9. Vgl. Zwißler (2002), S. 15f., Schwarze/Schwarze (2002), S. 21ff., Birkhofer (2001), S. 25ff.

58

Stefan Charaus

Käufer und Verkäufer. Anhand des Transaktionsmediums lässt sich E-Commerce in einem engeren und einem weiteren Sinne verstehen. Im engeren Sinne bezieht sich E-Commerce auf Internet Transaktionen18, im weiteren Sinne werden auch klassische Formen der elektronischen Geschäftsabwicklung, wie z.B. EDI, einbezogen.19 Zur Unterscheidung von E-Commerce in der Beschaffung und im Absatz hat sich für den Beschaffungsbereich der gesonderte Begriff EProcurement durchgesetzt.20 Auf die Abgrenzung weiterer Begriffe mit dem Präfix „E-“ soll an dieser Stelle verzichtet werden, da diese Begriffe häufig weniger als Fachworte, sondern eher als „Buzz-Worte“21 anzusehen sind.22 Um die Komplexität des Objektes „E-Commerce-Geschäftsprozess“ zu verringern, bietet es sich an, verschiedene Beschreibungssichten einzuführen. Es lassen sich vier Sichten auf einen E-Commerce-Geschäftsprozess identifizieren: 1. 2. 3. 4.

Physische Infrastruktur, Software Anwendungen, Intermediation zwischen Marktteilnehmern, Transaktion zwischen den Marktteilnehmern.23

Im Folgenden sollen die 3. und 4. Ebene im Mittelpunkt stehen, da sie den Kern der wirtschaftlichen Aktivität bilden. Aus dem Blickwinkel eines Unternehmens lässt sich anhand des Handelspartners ferner die gängige Unterscheidung des E-Commerce in Business-to-Business (B2B) und Business-toConsumer (B2C) treffen.24

18

19 20

21

22

23 24

“An internet transaction is the sale or purchase of goods or services, whether between businesses, households, individuals, governments, and other public or private organisations, conducted over the Internet. The goods and services are ordered over those networks, but the payment and the ultimate delivery of the good or service may be conducted on or off-line.”, OECD (2002), S. 89. Auf diese Unterscheidung haben sich die OECD Staaten in 2000 geeinigt, siehe OECD (2002), S. 89. Zum EDI und E-Commerce siehe z.B. Dörflein/Hennig (2000), S. 181ff. Die Differenzierung der Begriffe in E-Commerce für den Absatzbereich und E-Procurement für den Beschaffungsbereich darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich beide Begriffe auf die gleiche Handelstransaktion beziehen. Buzz-Worte werden in der Managementpraxis gezielt eingesetzt, um die Einstellung des Adressaten gegenüber dem Sprecher so zu verändern, dass der Sprecher seine persönlichen Interessen durchsetzen kann. Buzz-Worte wirken, indem sie beim Adressaten eine Kompetenzvermutung gegenüber dem Sprecher induzieren und indem sie die Aussagen des Sprechers über Assoziationen mit anderen positiv bewerteten Begriffen oder Konzepten verknüpfen. So war das Präfix „E-“ lange Zeit mit positiven Begriffen wie „modern“, „wirtschaftlicher Erfolg“ und „Wachstum“ verknüpft. SCHOLL und BELARDO bemerken hierzu treffend: „E-Business, E-Commerce, E-Government, E-Everything – the list of e-prefixed common and uncommon, sense-making and nonsensical buzz terms could effortlessly be expanded ad infinitum.“ Scholl/Belardo (2001), S. 3. Vgl. Internet Indicators (2001), S. 38ff. Internet Indicators ist ein Projekt der University of Texas unter Leitung von WHINSTON. Vgl. Wirtz (2000), S. 628f. Auf weitere Abgrenzungen soll hier verzichtet werden.

Absatz und E-Business

59

Zahlreiche Studien wurden in jüngerer Zeit durchgeführt, um den Status Quo des Einsatzes von E-Business in KMU zu bestimmen.25 Abb. 1 zeigt eine Auswahl von Ergebnissen aus einer aktuellen Erhebung der Europäischen Kommission26. Die Ergebnisse zeigen deutlich, dass die nötige technische Infrastruktur bereits in vielen KMU vorhanden ist. Die Aktivitäten der KMU konzentrieren sich zur Zeit hauptsächlich auf E-Procurement. Eine elektronische Vernetzung der Geschäftsprozesse wird in ersten Ansätzen realisiert.27 Readiness

Activity

Integration

Impacts

Verfügbarkeit der Infrastruktur

Intensität und Frequenz des Engagements

Intensität der Vernetzung von Geschäftsprozessen

Wirtschaftlicher Einfluss auf das Unternehmen

z

94% nutzen Computer

z

52% haben eigene Seiten im WWW

z

83% haben einen Internet Zugang (davon 28% über Modem)

z

z

71% Nutzen das World Wide Web (WWW)

13% verkaufen online (für 85% davon ist die Webseite der einzige online Verkaufskanal)

z

29% haben ein unternehmenseigenes Intranet

z

34% kaufen online ein

z

5% handeln auf B2B Marktplätzen

z

9% der online verkaufenden Unternehmen nutzen im online Verkauf vollintegrierte backend Systeme

z

Mit dem Ergebnis ihrer E-BusinessAktivitäten sind 14% „sehr zufrieden“, 74% „zufrieden“

z

42% tauschen elektronisch Dokumente mit Lieferanten aus

z

Der online Verkauf wirkte für 20% „sehr positiv“ und für 37% „positiv“ auf den Umsatz

z

13% kollaborieren mit Geschäftspartnern in der Produktentwicklung

z

Der online Verkauf wirkte für 28% „sehr positiv“ und für 35% „positiv“ auf die Qualität des Kundenservices

z

Der online Verkauf wirkte für 17% „sehr positiv“ und für 25% „positiv“ auf die Kosten für Logistik und Lagerhaltung

z

Abb. 1: 25

7% nutzen eine Customer Relationship Software

Status Quo des E-Buiness in KMU28

Siehe z.B. European e-Business Market Watch (2003), 7ff., Europ. Kommission (2003), S. 3ff., OECD (2002), S. 3ff., U.S. Department of Commerce (2002), S. vff., Internet Indicators (2001), S. 1ff., Shaw (2000), S. 3ff, Silberer/Rengelshausen (2000), S. 276ff. 26 Die Europäische Kommission versucht im Rahmen des eEurope Aktionsplans mit der GoDigital Initiative, Klein- und Mittelständische Unternehmen bei der Aufnahme des elektronischen Geschäftsverkehrs zu unterstützen. Zentrale Maßnahmen im Rahmen der GoDigital Initiative sind die Messung des Verbreitungsgrades von E-Business und Benchmarking. Vgl. Europäische Kommission (2001b), S. 4ff. 27 Zur elektronischen Vernetzung von Geschäftsprozessen siehe u.a. Charaus (1997), S.85ff. 28 Quelle: In Anlehnung an European e-Business Market Watch (2003), S. 11ff. Die Bewertungen der “Impacts” beziehen sich auf eine Bewertungsskala mit vier möglichen Antworten (z.B. sehr positiv, positiv, negativ, sehr negativ). In die Studie sind Antworten von über 9.000 Unternehmen, differenziert nach Größe und Branche, eingeflossen.

60

3

Stefan Charaus

E-Business aus Sicht der klassischen Absatztheorie

Für die Mehrheit der Unternehmen steht bei ihrem ersten Engagement im EBusiness - neben einer erhöhten Marktdurchdringung - die Verbesserung bestehender Absatzprozesse im Vordergrund.29 Deshalb sollen im Folgenden zuerst die Möglichkeiten und Grenzen von E-Business in Bezug auf den operativen Absatzprozess und im Anschluss E-Business in Bezug auf die strategische Absatzplanung untersucht werden. 3.1

E-Business im operativen Absatzprozess

Zur Realisierung oder Unterstützung von Absatztransaktionen kann E-Business in allen vier Phasen des operativen Absatzprozesses eingesetzt werden.30 Im Folgenden sollen typische Einsatzmöglichkeiten vorgestellt werden. Absatzanbahnung In der Phase der Absatzanbahnung wird der Kontakt zum potenziellen Abnehmer hergestellt. E-Business kann in dieser Phase insbesondere zur Unterstützung der Kommunikationspolitik eingesetzt werden. Mit einer Homepage im Internet kann ein Unternehmen kostengünstig und überregional die eigenen Produkte vielen potenziellen Kunden vorstellen. Komplexe Produkte lassen sich von potenziellen Abnehmern auf der Homepage zusammenstellen und konfigurieren. Die zeitlich asynchrone Kommunikation verkürzt dabei die zeitaufwändigen Abstimmungsprozesse zwischen Anbieter und Abnehmer. Weitere kommunikationspolitische Maßnahmen sind z.B. Online-Events, Bannerwerbung sowie One-to-One Marketing.31 Alternativ zum direkten Kontakt können Anbieter und Nachfrager indirekt, d.h. über elektronische Marktplätze, miteinander in Verbindung treten. Auf dem Marktplatz stellt der Anbieter seine Produkte in Form standardisierter elektronischer Produktkataloge vor und kann bei Bedarf kundenfreundliche Konfigurationsfunktionalitäten anbieten. Im Idealfall schaltet dieser Marktplatz unnötige Zwischenhändler und Prozessschritte aus (Desintermediation), wodurch höhere Margen möglich werden und Transaktionskosten sinken.32 Hierbei ist allerdings zu beachten, dass Transaktionskosteneinsparungspotenziale durch E-Business nicht immer ohne Weiteres zu realisieren sind.33 Aus der einheitlichen Produkt29 30

Vgl. Fritz (2001), S. 146f., European e-Business Market Watch (2003), S. 26f. Vgl. Wiedemann (2001), S. 114ff., Nomikos (2002), S. 166ff., Ammann/Flühmann (2002), S. 267f., Wirtz/Becker (2002), S. 87, Heil (1999), S. 12ff. 31 Vgl. Conrady (2002), S. 39ff., Hampe/Althans (2002), S. 253ff., Wiedemann (2001), S. 114ff., Stolpmann (2002), S. 175ff., Röder (2000), S. 151ff., Berndt et al. (2001), S. 195ff., Riedl (2000), S. 244ff. 32 Vgl. Holzmüller/Schlüchter (2002), S. 3ff. 33 Liegen die Einsparungspotenziale z.B. in einer Arbeitszeitersparnis, so ergibt sich das Problem, dass Personalkosten in der Regel nicht kurzfristig abbaubar sind. Um die reale

Absatz und E-Business

61

präsentation ergeben sich für den Anbieter allerdings auch Nachteile. Die Standardisierung kann z.B. Produktdifferenzierungsstrategien verhindern, und Recherchefunktionen ermöglichen Nachfragern den Preisvergleich mit Konkurrenzprodukten. Diese erhöhte Markttransparenz verstärkt den Preisdruck auf den Anbieter. Folglich muss der Anbieter prüfen, ob die Summe der positiven wirtschaftlichen Effekte aufgrund der Desintermediation die Summe der gegebenenfalls eintretenden negativen wirtschaftlichen Effekte aufgrund erhöhter Markttransparenz und Marktplatzbetreibergebühren übertrifft. 34 Eine weitere Maßnahme zur Förderung der Absatzanbahnung mittels EBusiness ist die Nutzung des Internets zu Marktforschungszwecken.35 Z.B. können Unternehmen mittels Marktforschung neue Abnehmer für ihre Produkte finden. Besonders interessant für KMU sind hierbei Großkonzerne mit hohem Beschaffungsvolumen, da diese das Internet zunehmend zur Beschaffung nutzen. Im Rahmen des E-Procurements stellen sie potenziellen Lieferanten Informationen über vorhandene Bedarfe sowie über Regeln zur Anbahnung von Geschäftsbeziehungen zur Verfügung. Erst diese Informationen ermöglichen es KMU, in dem ansonsten unüberschaubaren Geschäftseinheitennetzwerk von Großkonzernen, Nachfrager für die eigenen Produkte und die zugehörigen Ansprechpartner zu identifizieren.36 Absatzdurchführung In der Absatzdurchführung erfolgt der Abschluss des Kaufvertrags.37 Diese Phase lässt sich durch den Einsatz von E-Business vollautomatisch realisieren. Dem Käufer werden auf der Homepage des Unternehmens oder auf dem elektronischen Marktplatz alle für den Vertragsabschluss nötigen Informationen, wie z.B. Preis, Lieferkonditionen, AGB, geliefert, und es wird ihm eine OnlineBestellmöglichkeit zur Verfügung gestellt. Kalkulationssysteme ermöglichen es dabei dem Kunden, Produkte, Liefermöglichkeiten und Zahlungsart gemäß seiner Präferenzen zusammenzustellen. Während die Unternehmenshomepage in der Regel Festpreise, ggf. erweitert um Rabattstaffeln, angibt, ermöglichen elektronische Marktplätze weitere Mechanismen der Preisfindung. So lassen sich z.B. gruppen-, zeit- und mengenbezogen differenzierte Preise elektronisch reali-

34 35 36

37

Ersparnis zu bestimmen, muss in diesem Fall geprüft werden, inwiefern sich die gesparte Arbeitszeit in andere gewinnbringende Tätigkeiten einsetzen lässt oder ob durch die Arbeitszeitersparnis auf ursprünglich geplante Einstellungen neuer Mitarbeiter verzichtet werden kann. Vgl. Nomikos (2002), S. 166f., Wirtz/Mathieu (2001), S. 827, Heil (1999), S. 25ff., Voigt (2001), S. 53ff., Strader/Shaw (2000), S. 82f. Vgl. Heyn (2000), S. 233ff., Hampe/Althans (2002), S. 279ff. Die Siemens AG (Einkaufsvolumen im GJ 01/02 ca. 45 Mrd. Euro) bietet z.B. im Rahmen ihrer E-Procurement-Lösung „click2procure“ potenziellen Lieferanten u.a. Informationen über Bedarfe, Ansprechpartner, Einkaufsrichtlinien sowie Lieferantenauswahl und -bewertung an. Siehe . Zum Verständnis der Rechtsnatur von Handelstransaktionen im E-Commerce siehe z.B. Gesmann-Nuissl (2001), S. 68ff. oder Cichon (1999), S. 205ff.

62

Stefan Charaus

sieren. Typische Formen der dynamischen Preisfindung auf elektronischen Märkten sind beispielsweise Auktionen und Börsen.38 Absatzabwicklung In der Phase der Absatzabwicklung erfolgt die Lieferung der Produkte, und das Inkasso des Rechnungsbetrags findet statt. Da es sich bei den Absatzprodukten in der Mehrheit um physische Produkte handelt, lässt sich der Transport nicht durch E-Business realisieren. Trotzdem kann E-Business hier zur Unterstützung der Geschäftsprozesse eingesetzt werden. Auf der Homepage oder auf dem elektronischen Marktplatz können z.B. Funktionen zur Auswahl von Logistikdienstleistern oder Tracking & Tracing Funktionen integriert sein. Außerdem ist eine vollautomatische Erstellung von Transport- und Rechnungspapieren möglich. Zur Bezahlung von Rechnungen kommen im E-Business in der Regel klassische Verfahren zum Einsatz. Die Verwendung von elektronischen Zahlungsmitteln befindet sich noch im Entwicklungsstadium.39 After-Sales-Phase In der After-Sales-Phase kann dem Kunden bei auftretenden produktbezogenen Problemen erste Hilfe, z.B. in Form von technischen Dokumentationen und bekannten Problemlösungen, angeboten werden. Reparatur- und Wartungsarbeiten an physischen Produkten lassen sich jedoch in der Regel nicht auf elektronischem Wege ausführen und erfordern den Einsatz von entsprechendem Personal. E-Business kann hierbei eine unterstützende Funktion übernehmen, z.B. über Online-Problemlösungsdatenbanken sowie in Form einer elektronischen Verbreitung und Verfolgung von Störungsmeldungen. In der After-SalesPhase schließt sich der Kreis zur Phase der Absatzanbahnung, denn jeder bestehende Kunde ist potenzieller Kunde für zukünftige Geschäfte. E-Business kann hierbei insbesondere in Form von Electronic Customer Relationship einen Beitrag zum One-to-One Marketing und somit auch zur Kundenbindung leisten.40 3.2

E-Business in der strategischen Absatzplanung

Neben der Verbesserung operativer Absatzprozesse steht die Unterstützung von Absatzstrategien im Zentrum des Interesses der Unternehmen. Im Folgenden werden Ansätze aufgezeigt, wie E-Business zur Unterstützung und Verwirklichung von Absatzstrategien eingesetzt werden kann. Als Strukturierung des Un38

Vgl. Wiedemann (2001), S. 115, Nomikos (2002), S. 167ff., Borchert (2001), S. 200ff., Klein (2000), S. 627ff., Birkhofer (2001), S. 32f., Kotler et al.(2002), S. 186f., Schneider/ Gerbert (2000), S. 181f., Skiera/Spann (2000), S. 547ff. 39 Vgl. Nomikos (2002), S. 168f., Werner (2002), S. 167ff., Lang (2002), S. 183ff., Borchert (2001), S. 202ff und zu elektronischen Zahlungssystemen Schwarze/Schwarze (2002), S. 137ff., Kou (2003), S. 301ff. sowie Kraus/Zhome (2000), S. 125ff. 40 Vgl. Nomikos (2002), S. 169, Göldi (2001), S. 30ff., Bliemel/Fassott (2000), S. 12ff., Hünerberg/Mann (2000), S. 360ff., Röder (2000), S. 151ff.

Absatz und E-Business

63

tersuchungsgegenstandes dient hierbei die Unterteilung der Strategien nach ANSOFF41 in Markdurchdringung, Marktexpansion, produktpolitische Expansion und Diversifikation. Marktdurchdringung Ziel der Marktdurchdringungsstrategie ist es, mit einem bestehenden Produktfeld auf einem bestehenden Markt einen höheren Marktanteil zu erhalten. Drei Ansätze zur Erhöhung des Marktanteils lassen sich unterscheiden: Steigerung des Umsatzes mit eigenen Kunden, Abwerbung von Kunden der Konkurrenz sowie die Gewinnung neuer Kunden für das Produkt.42 E-Business lässt sich auf vielfältige Weise nutzen, um eine Marktdurchdringungsstrategie zu forcieren. Ein Hebel für eine Marktanteilssteigerung ist der Produktpreis. Durch den Einsatz von E-Business können, wie bereits dargestellt, z.B. Transaktionskosten gesenkt werden, wodurch eine Preissenkung möglich wird. Durch den niedrigeren Preis lässt sich die Absatzmenge sowohl mit bestehenden Kunden als auch mit neuen Kunden erhöhen.43 Ob aus der gesteigerten Absatzmenge allerdings auch eine Umsatzsteigerung resultiert, hängt im Einzelfall von den Nachfrageelastizitäten ab. Ein anderer Hebel zur Umsatzsteigerung ist der vom Kunden wahrgenommene Nutzen des Produkts. Aus einer Erhöhung des Kundennutzens folgt ceteris paribus in der Regel eine Umsatzsteigerung. E-Business kann an zwei Punkten ansetzen, um den (Netto-)Kundennutzen zu erhöhen: 1. Erhöhung des Produktnutzens und 2. Senkung des mit dem Erwerb verbundenen Aufwands. Wesentlicher Ansatzpunkt zur Steigerung des Produktnutzens ist eine Individualisierung des Produkts, die z.B. durch ein E-Business-basiertes Mass Customization unterstützt werden kann. Die Senkung des mit dem Erwerb verbundenen Aufwands für den Kunden kann mit E-Business realisiert werden, indem es diejenigen Transaktionskosten senkt, die der Abnehmer der Produkte tragen muss.44 Des Weiteren lässt sich E-Business zur Unterstützung einer auf höhere Marktdurchdringung ausgerichteten Kommunikationspolitik einsetzen.45 Als Beispiel lässt sich hier die Online-Werbung anführen.46 Marktexpansion Ziel der Marktexpansionsstrategie ist es, mit einem bestehenden Produktfeld neue Märkte zu erschließen. Hierzu lassen sich drei Ansätze unterscheiden: An41 42 43

Siehe hierzu Abschnitt 2.1. Vgl. Kotler/Bliemel (1999), S. 111f. Vgl. Schwarze/Schwarze (2002), S. 50, Schinzer/Thome (2000), S. 16f., Durth (2000), S. 637ff., Lee (2001), S. 354f., Dholakia et al. (2001), S. 80f. 44 Vgl. Bliemel/Fassott (2000), S. 12ff., Kotler/Bliemel (1999), S. 48ff., Fulkerson/Shank (2000), S. 423ff. 45 Lampe (1996), S. 121f. 46 Siehe auch Abschnitt 3.1.

64

Stefan Charaus

sprechen neuer Abnehmergruppen, Entwickeln neuer Distributionskanäle sowie Erarbeiten neuer geografischer Märkte.47 Das Ansprechen neuer Abnehmergruppen und die Entwicklung neuer Distributionskanäle können mittels E-Business etwa durch das Ausschalten von Intermediären realisiert werden. So ermöglichen bspw. elektronische Marktplätze den direkten Vertrieb der Produkte vom Hersteller zum Endverbraucher unter Ausschaltung des Zwischenhandels. Die Nutzung des Internets als Kommunikationsmedium des E-Business ermöglicht den Unternehmen, auch auf neuen geografischen Märkten potentielle Kunden anzusprechen. Jedoch ist E-Business nur bedingt geeignet, Handelshemmnisse (wie z.B. rechtliche und kulturelle Besonderheiten oder aufwändige internationale Zahlungsmodalitäten) zu überwinden. Zudem sind bei der Erschließung geografisch entfernter Märkte steigende Logistikkosten zu berücksichtigen.48 Produktpolitische Expansion Ziel der produktpolitischen Expansion ist es, neue Produktfelder auf bestehenden Märkten zu erschließen. Ausgangspunkt sind hier Kundenwünsche, die durch die bestehenden Produkte nicht erfüllt werden. Zur Befriedigung dieser Kundenwünsche dienen entweder weiterentwickelte oder neue Produkte.49 Zur Unterstützung dieser Strategie lässt sich E-Business bspw. in Form eines Electronic Customer Relationship Managements als „Ideen- und Informationslieferant“50 für die Entwicklung neuer Produkte einsetzen. Auch in nachgelagerten Phasen der Forschung und Entwicklung kann E-Business die Geschäftsprozesse unterstützen, indem es bspw. die Aktivitäten von dezentralen Forschungsabteilungen koordiniert und verknüpft. Neue Produktideen können online mit bestehenden Patenten verglichen werden. Ferner können neu entwickelte Produkte den Kunden mittels E-Business virtuell vorgestellt werden, um deren Marktchancen zu ergründen.51 Einer produktpolitischen Expansion kommt im E-Business insofern eine besondere Bedeutung zu, als dass sie der E-Business-bedingten erhöhten Preistransparenz entgegenwirkt. Diversifikation Ziel der Diversifikationsstrategie ist es, neue Produktfelder in neuen Märkten zu erschließen. Es lassen sich die horizontale, vertikale und laterale Diversifikationsstrategie unterscheiden. Bei der horizontalen Diversifikation bleibt ein sachlicher Zusammenhang zwischen dem neuen und alten Produktfeld bestehen. 47 48 49 50 51

Vgl. Kotler/Bliemel (1999), S. 112. Vgl. Tomczak et al. (2000), S. 225, Löser (2000), S. 104ff., Fariselli et al.(1999), S. 272f. Vgl. Marr/Picot (1991), S. 662. Lampe (1996), S. 123. Vgl. Kotler et al. (2002), S. 103ff., Schwarze/Schwarze (2002), S. 243ff., Koschate (2002), S. 141, Hampe/Althans (2002), S. 257f., Theobald (2000), S. 306.

Absatz und E-Business

65

So können z.B. beide Produktfelder auf einem ähnlichen technologischen Knowhow aufbauen. Die vertikale Diversifikation hingegen integriert ein Ursprungsproduktfeld mit vor- oder nachgelagerten Stufen der Wertschöpfungskette zu einem neuen Produktfeld. Mit einer lateralen Diversifikation wird eine vollständige Trennung von bestehenden und verwandten Produktfeldern und Märkten vollzogen.52 Von den vier Strategien birgt die Diversifikationsstrategie das höchste Risiko, denn der gleichzeitige Vorstoß in neue Produktfelder und neue Märkte erfordert viel neues Wissen über ungewohnte Leistungserstellungsprozesse und Marktgegebenheiten. Eine Möglichkeit, um sich dieses Know-how anzueignen, ist das Eingehen von Kooperationen und strategischen Allianzen. E-Business kann hierbei etwa zur Suche nach Kooperationspartnern eingesetzt werden. Sind Kooperationspartner identifiziert, lässt sich E-Business als Koordinationsinstrument einsetzen, um die Partner in einem virtuellen Unternehmen zusammenzuführen, das Märkte, die den einzelnen Partnern sonst verschlossen gewesen wären, mit Produkten zu bedienen in der Lage ist.53

4

Strategische Planung von E-Business-Vorhaben im Absatzbereich

Planung soll nach SCHWEITZER als „ein geordneter, informationsverarbeitender Prozess zum Erstellen eines Entwurfs, welcher Maßnahmen für das Erreichen von Zielen vorausschauend festlegt“54, verstanden werden. Da ein Engagement in E-Business einem Investitionsvorhaben55 entspricht, lassen sich die Phasen des Investitionsplanungsprozesses auf die Planung von E-Business-Vorhaben übertragen. Der Planungsprozess für E-Business-Vorhaben gliedert sich analog in die Phasen: Zielbildung, Problemerkenntnis und –analyse, Alternativensuche, Prognose sowie Bewertung und Entscheidung.56 Die mit dem E-Business-Vorhaben verfolgten Ziele bilden sich aus der Absatzstrategie, die sich wiederum aus der Strategie des Gesamtunternehmens ableitet.57 Die Phase der Problemerkenntnis und –analyse umfasst die detaillierte Feststellung der Ist-Situation und deren Abweichung zur gewünschten Soll52 53 54 55

56 57

Vgl. Meffert (1998), S. 235. Vgl. Lampe (1996), S. 123, Röder (2000), S. 149, Zerfaß/Saehrendt (2000), S. 66, European e-Business Market Watch (2002), S. 24. Schweitzer (2001), S. 18. Eine Investition soll hier nach KERN verstanden werden als eine für „längere Frist beabsichtigte Bindung finanzieller Mittel in materiellen oder immateriellen Objekten, mit der Absicht, diese Objekte in Verfolgung einer individuellen Zielsetzung zu nutzen.“ Kern (1974), S. 8. Vgl. Götze/Bloech (2004), S. 16ff. Siehe hierzu auch die Beiträge von BINNEWIES und KELLERBACH in diesem Band. Zur Bestimmung von Strategien für das Gesamtunternehmen siehe Götze/Mikus (1999), S. 91ff. und für die Ableitung von Strategien für Geschäftseinheiten siehe ebd., S. 135ff.

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Stefan Charaus

Situation. Die vereinfachte, problemorientierte Darstellung der Realität dient ferner als Grundlage zur Konstruktion des Entscheidungsmodells.58 Für ein E-Business-Vorhaben kann man aufbauend auf einer Geschäftsprozessmodellierung die Geschäftsprozesselemente bestimmen, die sich durch E-Business ersetzen oder ergänzen lassen.59 In der Phase der Alternativensuche werden komplexe Handlungsbündel, die zur Erreichung der Ziele in Frage kommen, zusammengestellt. Die Handlungsbündel beinhalten Aussagen über Maßnahmen, Ressourcen, Termine und Personen. In der folgenden Prognose-Phase erfolgt die Abschätzung der Variablenentwicklung. Im E-Commerce wird neben den gängigen Prognoseverfahren60 häufig das sog. Benchmarking, d.h. der Vergleich mit anderen Unternehmen, zur Prognose herangezogen. Hierbei ist kritisch zu hinterfragen, ob die jeweiligen Unternehmen vergleichbar sind und ob die Daten plausibel erscheinen. Aussagen über zukünftiges Umsatzwachstum lassen sich z.B. anhand des Modells von HAX/MAJLUF auf ihre Plausibilität überprüfen.61 In der Bewertungsphase wird das Investitionsobjekt im Hinblick auf den Zielerreichungsgrad bewertet62, und in der Entscheidungsphase wird letztendlich die beste Alternative ausgewählt.63 Die Investitionsplanung wird in der Regel nicht von einer einzelnen Person durchgeführt. Verschiedene Teilschritte erfordern verschiedene Spezialisten: Experten für das operative Geschäft, für E-Business und für die wirtschaftswissenschaftlichen Methoden. Die Entscheidung über die Realisation der E-BusinessInvestition wird aufgrund des damit verbundenen hohen Risikos64 in der Regel von der Unternehmensführung getroffen. Als Entscheidungsvorlage dient der Unternehmensführung ein Geschäftsplan, der in konsolidierter Form die Investitionsplanung wiedergibt. Abb. 2 stellt die Inhalte eines solchen Geschäftsplans zusammenfassend dar.65 Die umfassenden Analysen, die dieser Geschäftsplan 58 59 60 61

62

63 64

65

Vgl. Charaus (2004), S. 51ff. Vgl. Zwißler (2002), S. 251ff. Vgl. Brockhoff (2001), S. 715ff. Zum Modell von HAX/MAJLUF siehe Rosenberg (1993), Sp. 1938ff. und zur Prüfung von Prognosen: Arbeitskreis „Externe und interne Überwachung der Unternehmung“ der Schmalenbach-Gesellschaft für Betriebswirtschaftslehre (2003), S. 105ff. Zur Bewertung von E-Business-Strategien siehe z.B. Steiner/Schneider (2001), S. 225ff., Kensy/Stindt (2001), S. 251ff., Buchheister et al. (2001), S. 175ff., Schwarze/Schwarze (2002), S. 216ff., Lee et al. (2002), S. 41ff und zu allgemeinen Bewertungsansätzen siehe Damodaran (2002), S. 11ff. Vgl. Götze/Bloech (2004), S. 19ff. Zur Bestimmung kritischer Erfolgsfaktoren bei einem E-Business-Engagement von KMU siehe Jeffcoate et al. (2002), S. 122ff. Das Risiko ergibt sich besonders für kleine und mittelständische Unternehmen aus der Diskrepanz zwischen dem hohen Investitionsvolumen und dem in der Regel geringen Umsatzzuwachs. Vgl. European e-Business Market Watch (2002), S. 28f. und Birkhofer (2001), S. 83f. Zum Risikomanagement siehe auch den Beitrag von THIEMT in diesem Band. Häufig werden Entscheidungsvorlagen in Form von Präsentationen erstellt. Hierbei ist zu beachten, dass Präsentationen eine starke suggestive Überzeugungskraft besitzen, die Mängel in der adäquaten Berücksichtigung von Problemkomplexität verschleiern kann.

Absatz und E-Business

67

erfordert, sind nötig, um ein ganzheitliches Konzept für das E-Business-Engagement zu entwickeln. Die Entwicklung eines E-Business-Konzeptes muss immer unter Berücksichtigung des Kontextes, der durch das Gesamtsystem Unternehmen gebildet wird, stattfinden.66 Plansynopsis 1.

Zusammenfassung

Ist-Situation 2. 3. 4. 5. 6.

Inhalte der Unternehmensstrategie Zusammensetzung des Geschäftsportfolios Stärken / Schwächen Analyse Abbildung des Geschäftsumfelds Chancen / Gefahren Analyse

Alternative Geschäftsmodelle 7. 8. 9. 10. 11. 12. 13. 14.

Prognosen

Inhalte der Geschäftsstrategien Gestaltung der Leistungsmodelle Feasibility-Analysen Evaluation von Erlösmodellen Gestaltung der Marketing Modelle Risiko Analysen Contingent Claim Analysen Sensitivitätsanalysen

15 16. 17. 18. 19.

Bildung von Szenarien Erstellung eines Umsatzplans Erstellung eines Finanzplans Erstellung eines Ressourceneinsatzplans Plausibilitätsprüfung

Schlussfolgerung 20. Bewertung der alternativen Geschäftsmodelle

Abb. 2:

5

Elemente eines Geschäftsplans für E-Commerce Vorhaben67

Schlussbetrachtung

Der vorliegende Beitrag liefert einen Überblick über Einsatzmöglichkeiten von E-Business im Absatz. Im Bezugsrahmen der einzelnen Phasen des operativen Absatzprozesses sowie im Rahmen der Absatzstrategien nach ANSOFF wurden ausgewählte E-Business-Initiativen skizziert. Im Anschluss folgte die Betrachtung des Planungsprozesses für Investitionen in E-Business. Im Internet findet sich unter eine Sammlung überzeugender Geschäftspläne von letztendlich gescheiterten New Economy Unternehmen. Vgl. Schmundt (2004), S. 126ff. 66 Vgl. Biethahn (2002), 19f. 67 Zur Vertiefung siehe u.a. Timmers (1998), S. 4, Wirtz (2000), S. 629, Rentmeister/ Klein (2001), S. 355ff., Krüger/Bach (2001), S. 31ff., Birkhofer (2001), S. 142 ff., Schwarze/ Schwarze (2002), S. 212f., Koschate (2002), S. 140ff., Reis (2001), S. 123ff., Koushik/ Straeten (2000), S. 111ff., Kotler/Bliemel (1999), S. 144ff., Schweitzer (2001), S. 19f., Horváth et al. (2001), S. 46ff.

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Stefan Charaus

Als Ergebnis bleibt festzuhalten, dass für alle Unternehmen Erfolgspotenziale in der Nutzung von E-Business im Absatz bestehen. Online Marketing, Electronic Customer Relationship Management und Online Marktforschung lassen sich mit vergleichsweise geringen Investitionen realisieren. Ein Verzicht auf den Einsatz von E-Business kann für KMU eine Gefahr darstellen, wenn ihre Kunden dem Markttrend folgen und zunehmend elektronische Beschaffungssysteme einsetzen. Sind die KMU nicht in der Lage, sich an die Schnittstellen dieser Systeme anzupassen, werden sie Kunden verlieren. Kritischer Erfolgsfaktor für alle E-Business Vorhaben ist eine ganzheitliche Planung im Vorfeld. Sie kontrolliert, dass rational und möglichst objektiv gehandelt wird und nicht nur einem Hype gefolgt wird.

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Planung und Realisierung von E-Business-Konzepten

von Dr. Stefan Binnewies1

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Einleitung

In den vergangenen Jahren hat die Diskussion um die sogenannte New Economy in der Betriebswirtschaftslehre einen breiten Raum eingenommen. Im Mittelpunkt der Betrachtung standen dabei vor allem neu gegründete Unternehmen, wie z.B. Online-Broker oder Online-Seller, die mit neuen Geschäftsmodellen ihre Aktivitäten weitgehend auf die durch die neuen Internet-Technologien entstandenen Märkte beschränkten. Die jüngsten Erfahrungen haben allerdings gezeigt, dass nur wenige dieser Unternehmen profitabel am Markt agieren, der Internet-Hype also genauso schnell vorüber gegangen ist wie er entstand. Nur wenige Unternehmen konnten sich am Markt etablieren.2 Insbesondere die im vorliegenden Herausgeberband fokussierten Mittelstandsunternehmen haben sich bei der Nutzung der durch die neuen Technologien entstandenen Verbesserungspotenziale bisher schwer getan. Zwar kommen verschiedene Studien zu dem Ergebnis, dass nahezu alle Unternehmen mit einer eigenen Homepage im Internet vertreten sind. Eine weitergehende Etablierung elektronischer Medien im Unternehmen hat aber nur unzureichend stattgefunden.3 Wird nach den konkreten Gründen für diese bisher nicht vorzufindende Durchdringung der mittelständischen Unternehmen mit Informations- und Kommunikationstechnologie gefahndet, so werden in der betriebswirtschaftlichen Literatur nahezu ausschließlich Aspekte angeführt, die aus der Größe der hier betrachteten KMU resultieren. So zeichnen sich diese Unternehmen in der Regel dadurch aus, dass sie nur über begrenzte Ressourcen verfügen. Darüber hinaus führen vor allem begrenzte finanzielle Mittel, Defizite an konzeptionellem ITKnow-how und niedrige Skalenerträge dazu, dass die Investition in neue Internettechnologien mit einem im Vergleich zu Grossunternehmen deutlich höheren

1 2 3

Dr. Stefan Binnewies, Linde AG Unternehmenszentrale, Bereich Controlling Betriebswirtschaft, Abraham-Lincoln-Strasse, Wiesbaden Vgl. z.B. Basu, R.: (2002), S. 19; European e-Business Market Watch: (2002), S. 6 ff. Siehe o.V.: (2001), S. 325, allgemein zu einer aktuellen state-of-the-art-Analyse des EBusiness in KMUs siehe auch TechConsult: (2003).

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Stefan Binnewies

Risiko verbunden sind.4 LÜNINCK fügt die geringe Markttransparenz auf der Anbieterseite von Internetlösungen als weiteren Grund für die Zurückhaltung von KMU an.5 Abgeschreckt durch eine Vielzahl öffentlich kommunizierter Umsetzungsprobleme bei Projekten geraten die Vorteile, die die neuen Möglichkeiten gerade für KMUs bieten, in den Hintergrund der Diskussion. Potenziale, die sich zum Beispiel daraus ergeben, dass die Bedeutung einer geografischen Distanz von Geschäftspartnern oder Kunden an Gewicht verliert oder dass die Größe eines Unternehmens im Internet nicht unmittelbar erkennbar ist,6 werden nur selten erkannt. Weiterhin muss nach wie vor ein Defizit an Wissen und Verständnis über das Gesamtspektrum der Möglichkeiten der Internet-Technologien insbesondere im Mittelstand festgestellt werden. Während u.a. SCHUBERT/WÖLFLE diesen Aspekt als kritischen Erfolgsfaktor für die Implementierung bezeichnen, zeigt BRANDSTETTER auf, dass die neuen Optionen zur Ausgestaltung des eigenen Geschäftsmodells immer noch weitgehend auf die Vertriebsperspektive beschränkt sind.7 Allerdings ist aktuell eine zunehmende Sensibilisierung für die strategische Relevanz der digital gestützten Geschäftstätigkeit festzustellen.8 Während in der Vergangenheit wiederholt in Studien das geringe Tempo und die niedrige Intensität des Engagements des Mittelstands beim Thema Internet kritisiert und als strategischer Wettbewerbsnachteil kommuniziert wurde stellt sich diese Verhaltensweise nun als Entwicklungschance dar. Gemäß dem Motto „Aus den Fehlern der anderen lernen“ haben KMU aktuell in der Phase der Konsolidierung die Chance, „... sich mit mehr Ruhe und Überlegung dem Thema E-Business zu widmen und auf bewährte Konzepte und Lösungen zu setzen.“9 Dabei werden unter Konzepten und Lösungen im Allgemeinen verschiedene Teilbereiche und Softwaresysteme für bestimmte Problembereiche verstanden. Zum Teil werden auch die Bezeichnungen Geschäftsmodelle/Technologien für diese Umsetzungsalternativen verwendet.10 Diese Umsetzungsmöglichkeiten wie z.B. elektronische Marktplätze, E-Mail-Nutzung oder Communities, werden nachfolgend als E-Business-Konzepte bezeichnet.11 Auf dem oben genannten Motto setzt der vorliegende Aufsatz an. Es ist zu analysieren, wo genau die angesprochenen Fehler bei der Planung und Um4

Vgl. Leimstoll, U.: (2001), S. 132 ff und S. 155 ff, allgemein zu Chancen und Risiken des E-Business siehe z.B. Sauter, M.: (1999), S. 103 ff. 5 Vgl. Lüninck, J.: (2002), S. 1. 6 Vgl. hierzu z.B. Delfs, J./Neubauer, B./Müller, J.: (1999), S. 1999; Wirtz, J.: (2000), S. 5. 7 Vgl. Schubert, P./Wölfle, R.: (2000); Brandstetter, C.: (2003). 8 Siehe o.V.: (2001), S. 325. 9 Lüninck, J.: (2002), S. 1, ähnlich auch Eugster, J.: (2002), S. 44; Amor, D.: (2002), S. 38 f. 10 Siehe z.B. Eugster, J.: (2002), S. 45; Müller, A./von Thienen, L.: (2002), S. 56. 11 Für einen detaillierten Überblick zu diesen Ansätzen siehe z.B. Biondo, S./Eyholzer, K./ Fux, M.: (2001).

Planung und Realisierung von E-Business-Konzepten

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setzung von E-Business-Projekten liegen und wie diese in einem Vorgehensmodell vermieden werden können. Ein erster Ansatzpunkt hierfür ist die Auseinandersetzung mit den im Umfeld der behandelten Problemstellung verwendeten Kernbegriffen.

2

Begriffliche Grundlagen und Zusammenhänge

Bereits die einführenden Ausführungen haben gezeigt, dass in der Praxis kein einheitliches Verständnis darüber vorliegt, was genau unter den jeweils diskutierten Themeninhalten zu verstehen ist. Im Einzelnen sind dies vor allem zunächst die folgenden Begriffe: E-Business, E-Commerce und E-Procurement. Aussagen, wie z.B. „E-Business ist doch letztendlich nur ein Web-Shop für Endkunden“, deuten darauf hin, dass bereits durch die Begriffsverwirrung Fehlinterpretationen und Falscheinschätzungen von Chancen entstehen.12 Im Hinblick auf eine fundierte Analyse ist es im betrachteten Kontext aufgrund der auch in der Literatur vorzufindenden unterschiedlichen Interpretationen notwendig, die in der Diskussion verwendeten Begriffe kurz darzustellen und zu definieren. Während der Begriff E-Procurement bereits durch die Begriffsgebung sehr deutlich auf die Unterstützung und Integration von Beschaffungsprozessen durch Internet-Technologien ausgerichtet ist,13 bestehen hinsichtlich des ECommerce verschiedene Ausgestaltungen. Zum einen sind zunächst Meinungen zu finden, die E-Commerce als die vertrieblichen Aktivitäten der Wertschöpfungskette bezeichnen.14 Weiter gefasste Definitionen verstehen unter E-Commerce auch Kaufaktivitäten und damit beziehen damit das E-Procurement in den Begriff des E-Commerce mit ein. Einige Autoren setzen auch die Begriffe ECommerce und E-Business gleich und sehen dann die Benutzung des Internets, eine digitale Kommunikation sowie die elektronische Verarbeitung von Kaufund Verkaufstransaktionen als hierin einbezogen an.15 Es erscheint allerdings angemessen, aus dem im Rahmen der vorliegenden Analyse eingenommenen Blickwinkel diese weite Begriffsfassung des E-Commerce als ungeeignet anzusehen. So können die Fehlinterpretationen des Gesamtpotenzials des E-Business u.a. auf die Verwendung dieser weiten Interpretation zurückgeführt werden. Da mit dem Begriff E-Commerce unweigerlich eine gewisse Assoziation mit der Vertriebsfunktion einhergeht, kann durchaus eine falsche Vorstellung über die Anwendungsfelder des E-Business entstehen. Dies soll aber vermieden werden. 12 13

Zu weiteren, ähnlich gelagerten Aussagen siehe Brandstetter, C: (2003). Vgl. Nenninger, M.: (1999), S. 6; Eugster, J.: (2002), S. 45. Anzumerken bleibt lediglich, dass sich der Begriff E-Procurement damit nicht nur auf den eigentlichen Einkauf sondern auf das gesamte Beschaffungswesen bezieht. 14 Siehe z.B. Möhrstedt, D./Bogner, P./Paxian, S.: (2001), S. 22. 15 Vgl. u.a. Loebbecke, C.: (2001), S. 95 f.

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Stefan Binnewies

Daher wird hier bei der Definition des E-Commerce auf die Vertriebsperspektive abgestellt. Somit stellen E-Commerce und E-Procurement Teilbereiche des EBusiness als übergelagerten Begriff dar. Aber auch diese Sichtweise erscheint möglicherweise als zu eng, denn hier steht der Transformationsprozess als Teil der Wertschöpfungskette außen vor. Insofern wäre es sinnvoller, E-Business als Unterstützung aller relevanten Wertschöpfungsprozesse durch Internet-gestützte und angrenzende Technologien zu verstehen.16 Soll dann die in der Diskussion verwendete Terminologie verwendet werden, so könnte zusätzlich zum E-Procurement ausgerichtet auf die Beschaffungsprozesse und dem E-Commerce als Ebene der Vetriebsprozesse ein Teilbereich der E-Transformation oder E-Produktion als verbleibender Teil der Wertschöpfungskette definiert werden. Dieser würde dann im Wesentlichen den Produktionsprozess sowie alle indirekten Bereiche umfassen. Da jedoch bezogen auf das einzelne Unternehmen die Möglichkeiten des E-Business im direkten Transformationsprozess im wesentlichen auf die Verbesserung und Integration von Informationsflüssen und somit nicht auf eine unmittelbare Änderung des Produktionsprozesses ausgerichtet sind, spricht SCHUBERT in diesem Zusammenhang von E-Organization. Hierunter wird die interne Kommunikation zwischen Mitarbeitern oder Prozessen mittels Internet-Technologien verstanden. Damit wird das Ziel verfolgt, alle relevanten Informationen zum richtigen Zeitpunkt in adäquater Form abzubilden sowie das Wissen der Mitarbeiter in Informationssystemen zu sichern.17 Die beschriebene Sichtweise der Begriffsausgestaltung ist in Abbildung 1 noch einmal zusammenfassend dargestellt. Dabei werden gleichzeitig einige grundsätzliche Begrifflichkeiten im Kontext eingeordnet. Während Internet, Extranet und Intranet alle auf identischen Technologien basierende, aber sich in Bezug auf öffentlichen Zugang und Informationsaustausch unterscheidende Netzwerke darstellen, sind die Szenarien Businessto-Business, Business-to-Consumer und Consumer-to-Business als Akteursstrukturen aufzufassen. Diese bilden das Ergebnis der Gegenüberstellung von den an den Geschäftsprozessen beteiligten Gruppen.18 Supply Chain Management (SCM) und Customer Relationship Management (CRM) basieren weitgehend auf Internettechnologien und stellen auf die Integration von Prozessen ab. Unter SCM wird dabei vielfach die Gestaltung, Lenkung und Entwicklung von logistischen Ketten über verschiedene Wertschöpfungsstufen hinweg verstanden.19 CRM zielt darauf ab, die Verwirklichung einer höheren Kundenorientie16

Siehe gleichgerichtet auch Basu, R.: (2002), S. 19; Paisie, J.: (2001), S. 66; Kersten, W.: (2001), S. 23. 17 Vgl. hierzu Schubert, P.: (2000), S. 3 ff. Diese Sichtweise wird z.B. aufgegriffen bei Eugster, J.: (2002), S. 45; Biondo, S./Eyholzer, K./Fux, M.: (2001), S. 4. 18 Hierzu und zur Vertiefung siehe Wirtz, J.: (2000), S. 23. Es sei angemerkt, dass die genannten Strukturen nur ein Teilspektrum aller denkbaren Kombinationen darstellen. 19 Siehe Biondo, S./Eyholzer, K./Fux, M.: (2001), S. 6. Es sei kurz angemerkt, dass ein SCM bisher in KMU aufgrund zu hoher erwarteter Projektkosten eine untergeordnete Rolle spielt. Allerdings können im Zuge der zunehmenden Globalisierung und der voran-

Planung und Realisierung von E-Business-Konzepten

77

rung zu unterstützen. Der Ansatz soll Anwendungen und Funktionen aus den Bereichen Marketing und Vertrieb integrieren.20 Beide Ansätze beziehen sich weitgehend auf den Einsatz von Informationstechnologien in Verbindung mit der integrativen Gestaltung von Prozessen und Datenbanken. Sie sind im Umfeld der neuen Internettechnologien entstanden und werden vor allem durch Softwareberatungen vermarktet.

E-Business E-Procurement Partner/ Lieferant

Extranet Business-to-Business

Supply Chain Management

Abb. 1:

E-Organization

Unternehmen

Intranet

E-Commerce

Internet

Kunden

Business-to-Business Business-to-Consumer Consumer-to-Business

Customer Relationship Management

Inhalte und Begriffe des E-Business21

Aus der Argumentation zur Begriffsinterpretation sowie der eingehenden Literaturanalyse wird deutlich, dass der Begriff E-Organization bisher noch keine weite Verbreitung gefunden hat. Allerdings kann in der Ausrichtung dieser Ebene des E-Business auf die Bezugsebene Information ein wichtiger Hinweis auf eine Trennung der bisher auf derselben Argumentationsebene geführten Diskussion aller Teilbereiche des E-Business gesehen werden. Dies wird noch deutlicher, wenn der in jüngster Zeit vermehrt verwendete Begriff der ETransformation in die Diskussion mit einbezogen wird. Wesentlich für das Verständnis des E-Transformation-Aspekts ist die unterschiedliche Bezugsebene im Gegensatz zum E-Commerce bzw. E-Procurement. Während dort eine klare Fokussierung auf Güter und Dienstleistungen vorhanden ist, muss die Betrachschreitenden Integration von Lieferanten – somit vielen KMU – in die SCM-Prozesse von Grossunternehmen hierauf ausgerichtete Themenstellungen auch für kleine und mittlere Unternehmen durchaus interessant sein. 20 Siehe hierzu und zur Vertiefung Geiger, C.: (2001), S. 23 f. 21 In Anlehnung an Schuber, P.: (2000), S. 3. Es sei darauf hingewiesen, dass sich das in der Abbildung dargestellte Begriffsmodell auf eine Wertschöpfungsstufe bezieht. Wird diese gewechselt, kann der vorherige Kunden z.B. zum Lieferanten auf der nächst höheren Stufe werden.

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tungsperspektive im Bereich E-Transformation auf die in den definierten Bereichen ablaufenden Prozesse ausgerichtet werden. „ETransformation implements and enables a general process innovation to sustain the competitivness of a firm.“22 Diese Argumentation verdeutlicht, dass im Umfeld des E-Business verschiedene Analyseebenen relevant sind. Nachfolgend ist daher zum einen zu untersuchen, welche Gruppen bzw. Ebenen von Betrachtungsobjekten zur systematischen Auseinandersetzung mit den Einsatzmöglichkeiten neuer Internet-Technologien herangezogen werden können. In diesem Zusammenhang soll von Betrachtungsebene gesprochen werden. Gleichzeitig stellt sich die Frage, ob es bei den zu behandelnden E-Business-Konzepten Unterschiede in der Realisierungstiefe gibt. D.h., es ist darauf einzugehen, welche Realisierungsmöglichkeiten überhaupt bestehen und ob diese zum Zweck einer systematischen Planung zu verschiedenen Konzeptgruppen zusammengefasst werden können. In diesem Zusammenhang wird nachfolgend von Realisierungsebenen gesprochen. Die beiden Komponenten Betrachtungs- und Realisierungsebene stellen einen Ansatzpunkt zur Planung und Realisierung von E-Business-Konzepten dar und sollen nachfolgend erläutert werden.

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Betrachtungsebenen von E-Business-Konzepten

Im Rahmen bisheriger E-Business-Projekte stand vielfach die Frage im Vordergrund, ob mit Hilfe der neuen Technologien neue Märkte erschlossen werden können. Setzte sich ein mittelständisches Unternehmen mit dieser Aufgabenstellung auseinander und kam z.B. auf Basis einer Marktpotenzialanalyse zu dem Resultat, dass für das bestehende Leistungsportfolio keine Potenziale im Absatz von Produkten oder Dienstleistungen über das Internet gesehen werden, so wurden weitere Analysen der E-Business-Möglichkeiten nicht vorgenommen.23 Problematisch an dieser Vorgehensweise ist, dass damit Anwendungsmöglichkeiten aus dem hier als prozessorientiert bezeichneten Bereich ungenutzt bleiben. Selbst wenn mit E-Commerce keine wesentlichen Verbesserungspotenziale verbunden sind, können sich aus den Möglichkeiten des E-Business verschiedenste andere Ansatzpunkte zur Umdefinition von Prozessen und Strukturen er22

Kim, H./Choung, J.: (2002), S. 1. Es ist darauf hinzuweisen, dass in der Literatur auch unterschiedliche Interpretationen des Begriffs E-Transformation vorliegen. Während hier nur auf die Einsatzmöglichkeiten der neuen Internet-Technologien eingegangen wird, kann E-Transformation zum Teil auch noch weiter gesehen werden. „We define an e-transformed company as a company that has implemented a combination of aggressive deployment of e-business enablers and decapitalized itself of asset-intensive, low-margin, value-destroying businesses and supply-chain components.“ Paisie, J.: (2001), S. 66. In dieser Definition kommt zum Ausdruck, dass neben dem E-Business noch weitere Elemente eine Rolle spielen. Diese Charakterisierung erscheint aber für das hier angestrebte Ziel als zu weitgehend und soll nicht herangezogen werden. 23 Siehe hierzu die Ausführungen in Abschnitt 1.

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geben. So kann beispielsweise das Internet genutzt werden, um den Vertriebsmitarbeitern täglich aktuelle Informationen zur Verfügung zu stellen, das Reporting neu zu organisieren oder den Einkauf von C-Teilen über das Internet abzuwickeln. Aktuell ist allerdings bemerkbar, dass sich auf Basis der in den vergangenen Jahren gemachten Erfahrungen die Betrachtungsperspektive ausweitet und im Schwerpunkt verschiebt. „Nachdem in den Anfangsjahren der Online-Vertriebskanal (z.B. ein Online-Shop oder ein Portal) häufig als Ersatz für traditionelle Vertriebskanäle gesehen wurde, hat sich das Bild gewandelt.“24. Vielmehr belegen verschiedenste Studien den Trend, das Hauptaugenmerk im Umfeld des EBusiness bei KMU zukünftig darauf zu legen, traditionelle Geschäftsprozesse zu analysieren und mit Hilfe der Internettechnologien effizienter zu gestalten. „Geht es um die bloße Erwartungshaltung, erteilen Mittelständler dem Aspekt Kosteneinsparung gegenüber möglichen neuen Absatzchancen inzwischen deutlich den Vorzug.“25 Begründet durch die bisher stark zu beobachtende Gleichsetzung von EBusiness mit E-Commerce wurden somit Verbesserungspotenziale in den Bereichen E-Organisation und E-Procurement in KMU bisher weniger realisiert. Hier ist nach den Gründen für diese Vernachlässigung zu fragen. Wird in der Literatur nach Hinweisen hierfür gesucht, so liegt die Schlussfolgerung nahe, dass zum Teil methodische und konzeptionelle Schwächen bei der Durchführung von E-Business-Projekten ausschlaggebend für dieses Defizit sind. Mit der Erkenntnis der Nutzenpotenziale von Internet-Technologien ging die Gefahr einher, dass Unternehmen Ihre Gesamtstrategie aus den Augen verlieren und durch die Implementierung von rudimentären Einzellösungen Synergien nicht nutzen. Dies resultierte aus einer oftmals nicht geschlossenen und systematischen Planung und Realisierung von E-Business-Konzepten. Überhastete Investitionen, unzureichende Integrationen in existierende Geschäftsprozesse und -modelle sowie unzureichende Vorstellungen über die exakten Inhalte von Implementierungsprojekten machen deutlich, dass ein ganzheitlicher Planungsprozess (beginnend auf der strategischen Ebene) sowie die Einbindung in die Unternehmensstrategie erforderlich sind.26 Von besonderer Bedeutung ist dabei der Startpunkt, die Analyse der aktuellen Position eines Unternehmens. Diesbezüglich führen DETTLING/ HALDIMANN aus, dass im Rahmen einer Situationsanalyse ChancenPrioritäten zu setzen sind, im Rahmen derer die Frage beantwortet wird, durch welche E-Business-Anwendungen Effizienz- und/oder Absatzsteigerungen möglich sind.27 Diese beiden Aspekte können nach der hier eingenommenen Sichtweise als unterschiedliche Betrachtungsebenen des E-Business aufgefasst wer24 25

O.V.: (2002), S. 1. ECIN: (2002), S. 1, ähnlich auch Schmidt, A.: (2003), S. 1; O.V.: (2002), S. 1; Eugster, J.: (2002), S. 45. 26 Vgl. Steinle, C.: (2001), S. 331; Cotter, S.: (2002), S. 31. 27 Vgl. Dettling, W./Haldimann, C.: (1999), S. 18.

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den, die sich im Hinblick auf die Schwerpunkte und primären E-Business-Ziele signifikant unterscheiden.28 Während auf der Absatzebene Ziele, wie z.B. die Steigerung des Absatzes oder die Absatzsicherung im Vordergrund stehen, richtet sich die Prozess- bzw. Effizienzebene vornehmlich auf Kostensenkung, Produktivitätssteigerung und Prozessbeschleunigung aus.29 Obwohl also bereits mit Beginn der Diskussion von E-Business-Potenzialen die beiden Betrachtungsebenen Absatzsteigerung und Effizienzsteigerung bekannt waren, wurden in der konkreten Projektarbeit oftmals nicht alle Chancen genutzt. Wie bereits weiter oben erwähnt wurde, kann ein Grund hierfür in der anfänglich zu beobachtenden, stufenweisen Anordnung der Potenzialgruppen Absatz und Effizienz gesehen werden. Wurde auf Stufe 1, der Analyse von Absatzpotenzialen, entschieden, aufgrund nicht gegebener Marktchancen E-Business-Anwendungen nicht zu nutzen, wurde der Prozess der Situationsanalyse nicht selten abgebrochen und somit das grundsätzlich gleichrangige Potenzial der Effizienzsteigerung außer Acht gelassen. Dieses Manko muss durch eine geeignete Vorgehensweise bei der Projektumsetzung behoben werden.

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Realisierungsebenen von E-Business-Konzepten

In der Literatur werden verschiedene Realisierungsebenen des E-Business bzw. seiner Teilbereiche diskutiert. Diese können als grob gegliederte Entwicklungsstufen eines evolutionären Prozesses gesehen werden und unterscheiden sich hinsichtlich des Grades der Interaktion zwischen den Beteiligten einer Transaktion, der Kosten, der organisatorischen Auswirkungen und des potenziellen Nutzens.30 Dabei werden in der Diskussion des E-Commerce und des E-Procurement weitgehend identische Entwicklungsschritte unterschieden. Dies ist insbesondere daher nachvollziehbar, da beide Aspekte lediglich eine Annäherung an ein und dieselbe Fragestellung aus zwei verschiedenen Betrachtungsperspektiven darstellen. Wird von der Endverbraucherstufe abgesehen, steht einem Anbieter über eine Realisierungsebene zwangsläufig auch ein Nachfrager gegenüber, der sich auf mindestens der gleichen Realisierungsebene befindet. Weiterhin scheint es plausibel, zumindest grundsätzlich auch für den Teilbereich der EOrganization von der Gültigkeit der nachfolgend dargestellten Realisierungsebenen auszugehen. Der Entwicklungsprozess beginnt im Rahmen des E-Commerce mit der Bereitstellung von Informationen auf einer Homepage und findet seine Fortsetzung 28

Ähnlich können auch die Ausführungen von LEIMSTOLL aufgefasst werden. Der Autor differenziert durch Heranziehen der Koordinationsformen Markt, Unternehmung und Kooperation ebenfalls Schwerpunkte und Zielsetzungen des E-Business. Siehe hierzu Leimstoll, U.: (2002), S. 2. 29 Vgl. z.B. Bogaschewsky, R.: (1999), S. 15 ff; Paisie, J.: (2001), S. 66; Leimstoll, U.: (2002), S. 2 und allgemein Sauter, M.: (1999), S. 103 ff. 30 Vgl. Porra, J.: (2000), S. 391 f.

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im Aufbau individueller Angebote und der Integration von Support-Dienstleistungen. Der eigentliche Verkaufsakt wird in der nächsten Evaluationsstufe mit dem Angebot einer Bestellfunktion auf der Homepage bzw. nachfolgend dann mit der Einbindung einer direkten Bezahlfunktion abgebildet.31 Ähnlich können die Realisierungsebenen des E-Procurement unterschieden werden. So stellen BRENNER/ZARNEKOW beispielsweise eine Unterteilung in Information, Kommunikation, Direct Purchasing, Ausschreibungen, Marktplätze und Internet Supply Chain dar.32 Diese unterscheidet sich zwar in der Darstellungsform von der genannten E-Commerce-Einteilung, es lassen sich aber leicht Gemeinsamkeiten finden, die in der späteren Planung und Realisierung von E-BusinessKonzepten eine wichtige Rolle spielen können. Wie bereits oben angemerkt, kann eine ähnliche Untergliederung leicht auch für den bisher nicht definierten Bereich E-Organization gebildet werden. So könnte im Produktionsprozess etwa die Absatz- und Produktionsplanung oder aktuelle Kennzahlen im Intranet dargestellt werden, um so allen Verantwortlichen an verschiedensten Standorten die zur Planung und Steuerung relevanten Informationen zur Verfügung zu stellen. Ein nächster Schritt könnte darin gesehen werden, per internetbasiertem Workflow standortübergreifende Statusmeldungen im Produktionsprozess abzuwickeln oder sogar eine Maschinenbelegungsplanung standortübergreifend voll integriert zu gestalten. Auffällig ist, dass nahezu alle in der Literatur zu den verschiedenen Teilbereichen des E-Business zu findenden Ausführungen den Realisierungsebenen Information, Kommunikation und Transaktion zugeordnet werden können.33 Diese Ebenen stellen im Allgemeinen einen evolutionären Prozess dar, können also auch als Entwicklungsstufen angesehen werden.34 Wesentlich für die im Rahmen des vorliegenden Artikels anvisierte Planung und Realisierung von E-Business-Konzepten ist nun, dass sich diese Stufen wie bereits oben erwähnt durch unterschiedliche Kosten- und Nutzenwirkungen, Gradualitäten der Interaktivität mit Partnern bzw. Kunden sowie der organisatorischen Auswirkungen auszeichnen. In der genannten Reihenfolge der Realisierungsebenen steigen sowohl Kosten als auch Nutzen und nimmt die Integrativität und auch die Organisationsveränderung.35 Die abgeleiteten Realisierungsebenen können nun im Rahmen der später zu entwickelnden Vorgehensweise mit dem Ziel einer Komplexitätsreduzierung der Entscheidungssituation verwendet werden.

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Vgl. hierzu z.B. Schinzer, (1997), S. 25 sowie zu detaillierteren Ausführungen zu den einzelnen Realisierungsebenen neben genanntem Autor auch Earl, M.: (2000), S. 33 ff. Zur Vertiefung siehe auch die Ausführungen von CHARAUS in diesem Herausgeberband. Vgl. Brenner/Zarnekow: (2001), S. 492. Vgl. ähnlich auch Zerfass, A./Haasis, K.: (2002), S. 10. Vgl. Porra, J.: (2000), S. 391 f. Vgl. z.B. Zerfass, A./Haasis, K.: (2002), S. 10; Schinzer, H.: (1997), S. 25.

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Vorgehensweise zur Realisierung von Effizienzpotenzialen des E-Business

5.1

Trennung der beiden Betrachtungsebenen und Ausrichtung auf die Unternehmensstrategie

Unter der Annahme, dass der herausgearbeitete Aspekt zumindest einen wesentlichen Grund für die bisherige Zurückhaltung von KMU darstellt, ist danach zu fragen, wie dieser Vorgehensfehler zukünftig vermieden werden kann. Wichtige Hinweise für einen möglichen Lösungsansatz hierfür wurden bereits angeführt. Es wurde festgestellt, dass sich Teile von E-Business-Potenzialen auf Produkte bzw. Dienstleistungen beziehen, andere Elemente aber auf Prozesse abzielen. Darüber hinaus zeigte sich, dass sich die Zielsetzungen, auf die der Einsatz der neuen Internettechnologien für diese beiden Gruppen ausgerichtet ist, deutlich unterscheiden. Steht absatzseitig z.B. die Frage im Vordergrund, ob das vertriebene Produkt überhaupt im Internet verkauft werden kann oder ob es sinnvolle Dienstleistungen im Zusammenhang mit dem originären Produkt gibt, die über das Internet dem Kunden angeboten werden können, fokussiert die Prozessbetrachtung anders. Hier geht es vornehmlich darum, Prozesse zu beschleunigen, Kosten zu senken und Produktivitätssteigerungen zu erzielen. Hier werden somit eher Effizienzaspekte angesprochen. Wird nun als Argumentationsbasis der allgemeine Prozess des Strategischen Managements herangezogen und der in der Literatur vorzufindenden Interpretation des E-Business als Bestandteil der Grundstrategie eines Unternehmens gefolgt,36 so kann für die Trennung der beiden Betrachtungsebenen im Rahmen einer Situationsanalyse plädiert werden. Schließlich unterscheidet der Prozess des Strategischen Managements auch zwischen einer Umweltanalyse und einer Unternehmensanalyse.37 Zwar kann diese Unterteilung im Umfeld des E-Business nicht eindeutig vorgenommen werden, es erscheint aber doch angemessen, von einer größtenteils möglichen Trennung der relevanten Aspekte auszugehen. Ähnlich sieht dies auch EUGSTER, der z.B. die Unternehmensstrategie in die zwei Betrachtungsgruppen MarketingKonzepte/-maßnahmen und den strategischen Einsatz von Informationstechnologien unterteilt. Er zeigt auf, dass E-Business verschiedene Potenziale für diese beiden Bereiche bieten kann.38 In der betriebswirtschaftlichen Literatur wird nach wie vor der grundsätzliche strategische Charakter der Thematik E-Business betont. Allerdings hat sich diesbezüglich die Betrachtungsperspektive deutlich geändert. Wurde anfänglich noch oftmals davon gesprochen, dass eine eigene E-Business-Strategie notwendig ist, bzw. zum Teil sogar gefordert, die gesamte Unternehmensstrategie am E36 37 38

Vgl. z.B. Steinle, C.: (2001), S. 331; Koushik, S.; Straeten, D.: (2000), S. 93. Siehe z.B. Welge, M./Al-Laham, A.: (1999), S. 97. Vgl. Eugster, J.: (2002), S. 45.

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Business auszurichten, findet aktuell eine andere Argumentation statt. „Die Planung und Umsetzung konkreter Internet- und E-Business-Anwendungen muss immer in einen Gesamtprozess eingebunden sein, der die Auswirkungen neuer Medien auf die gesamte Unternehmensstrategie prüft und entsprechende Weichenstellungen veranlasst.“39 Aufgrund der hohen Komplexität der zu beantwortenden Fragen, der hohen langfristigen Potenziale und der im Hinblick auf die Ressourcen- und Mittelbindung enormen Auswirkungen auf ein Unternehmen sind Grundsatzentscheidungen hinsichtlich der Einführung oder Veränderung von Geschäftsprozessen oder -modellen durch E-Business-Konzepte grundsätzlich in den allgemeinen Prozess des Strategischen Managements einzubinden.40 Allerdings soll hier nicht von einer eigenen E-Business-Strategie gesprochen werden. Vielmehr sind diesbezügliche Aspekte im Standardprozess des Strategischen Managements, bestehend aus den Phasen Zielbildung, strategische Analyse, Strategieformulierung, Strategieumsetzung und Strategiekontrolle, einzubinden.41 Vor diesem Hintergrund soll daher hier argumentiert werden, dass im Rahmen des Strategischen Managements die beiden Betrachtungsebenen im Rahmen der erforderlichen Strategischen Analyse getrennt und parallel durchgeführt werden. Im Rahmen der Strategieformulierung und -umsetzung sind dann wieder übergreifende, ganzheitliche Aspekte einzubeziehen. Hierdurch soll sichergestellt werden, dass alle Potenziale des E-Business in die Entscheidungsfindung eingehen. Da wie bereits ausgeführt Effizienzpotenziale bisher zum Teil vernachlässigt wurden und eine Schwerpunktverschiebung hin zu dieser Interpretation von E-Business stattfindet, soll nachfolgend darauf eingegangen werden, wie die Planung und Realisierung von E-Business-Konzepten – eingebunden in den allgemeinen Prozess des Strategischen Managements – auf dieser Betrachtungsebene ganzheitlich stattfinden kann. Aufgrund der mehrfach betonten Ressourcenknappheit insbesondere in kleinen und mittleren Unternehmen muss dieser Ansatz pragmatisch gestaltet und mit angemessenem Aufwand in der Praxis umsetzbar sein. 5.2

Wertkettenanalyse als Ausgangspunkt des Strategischen Managements

Wie bereits mehrfach argumentiert wurde, ist es von besonderer Wichtigkeit, bei der Planung und Realisierung von E-Business-Konzepten die Gesamtperspektive nicht aus dem Auge zu verlieren. Aus diesem Grund wird im Rahmen der im Planungsprozess erforderlichen Vorgehensweise notwendig, alle im Unternehmen strategisch relevanten Aktivitäten in die Analyse einzubeziehen. Ein In39

Zerfass, A./Haasis, K.: (2002), S. 22. Analog auch Eugster, J.: (2002), S. 45; Lüninck, J.: (2002), S. 2. 40 Vgl. u.a. Eggers, B.: (2001), S. 87; Marr, B./Neely, A./Adams, C.: (2001), S. 13. 41 Zu den Phasen des Strategischen Managements sowie zur allgemeinen Vertiefung siehe z.B. Welge, M./Al-Laham, A.: (1999); Götze, U./Mikus, B.: (1998).

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strument, das diese Anforderungen abdecken kann, ist die von PORTER entwickelte Darstellung der betrieblichen Leistungserstellung mittels der Wertkette.42 Dieser Ansatz geht von der Annahme aus, dass sich Wettbewerbsvorteile nicht aus der Perspektive des Gesamtunternehmens analysieren lassen, und nimmt daher eine Untergliederung in strategisch relevante Aktivitäten vor. Weiterhin werden primäre Aktivitäten, die sich mit der physischen Herstellung des Produktes bzw. einer Dienstleistung befassen, sowie unterstützende Aktivitäten unterschieden. Letztere sind zur Ausführung der primären Aktivitäten notwendig. Dieses Konzept, welches in der ursprünglichen Konstruktion auf die Aufdeckung von Wettbewerbsvorteilen ausgerichtet ist, kann auch für die Analyse von Nutzungsmöglichkeiten von E-Business-Konzepten eingesetzt werden.43 Allerdings ist hinsichtlich der in der Literatur vorzufindenden Ausführungen kritisch festzustellen, dass der Ansatz der Wertkettenanalyse nur unvollständig dargestellt wird. Die Ausführungen nahezu aller Autoren beschränken sich darauf, anhand der Wertkette Anwendungsmöglichkeiten zu nennen. Weitere Schritte werden aber nicht erläutert. Zur vollständigen Analyse der Wertkette werden in der Literatur jedoch verschiedenste Schritte vorgeschlagen, die weit über diese reine Nennung von Anwendungsmöglichkeiten hinausgehen. Hier soll in Anlehnung an die von WELGE/AL-LAHAM genannte Vorgehensweise aufgezeigt werden, welche weiteren Schritte notwendig sind. Dies setzt bei der Phase der groben Ermittlung von Schwerpunkten an.44 Zielsetzung dieses Schrittes in der allgemeinen Wertkettenanalyse ist es herauszuarbeiten, welchen Kategorien der Wertkette besondere Beachtung zu widmen ist und welche Kategorien eher vernachlässigbar sind. Im Kontext des EBusiness bedeutet dies, Schwerpunkte des möglichen Einsatzes von E-BusinessKonzepten zu definieren. Hierzu können nun die weiter oben abgeleiteten Realisationsebenen des E-Business herangezogen werden. Für jede Wertaktivität45 sind separat (etwa Brainstorming) in Zusammenarbeit mit Funktionsverantwortlichen Einsatzmöglichkeiten zu erarbeiten und anschließend pro Wertaktivität die nach Einschätzung der Beteiligten zweckmäßigste Realisierungsebene des EBusiness anzugeben. Hierdurch erhalten die Beteiligten einen ersten Eindruck über die Schwerpunkte der Einsatzpotenziale des E-Business und über die Grundstruktur ihrer Entscheidungssituation. Wird beispielsweise festgestellt, dass hauptsächlich die Kommunikationsebene als Realisierungsebene relevant 42

Vgl. zu den folgenden Ausführungen zur Wertkette Porter, M.: (1996), S. 63 ff sowie zu einer zusammenfassenden Darstellung z.B. Welge, M./Al-Laham, A.: (1999), S. 238 ff. 43 Vgl. z.B. Lüninck, J.: (2002), S. 3; Eugster, J.: (2002), S. 46; Zerfass, A./Haasis, K.: (2002), S. 12 ff. 44 Die Phasen der Definition der Wertkette und der Abgrenzung von Wertkette und Organisationsstruktur sind im Prozess des Strategischen Managements nicht explizit auf Aspekte des E-Business auszurichten. 45 Die Wertkette besteht grundsätzlich aus den sogenannten Kategorien von Aktivitäten, wie z.B. Marketin, Vertrieb oder Kundendienst. Diese werden auf der nächsten Detaillierungsebene weiter untergliedert in Wertaktivitäten. Siehe hierzu z.B. Welge, M./ Al-Laham, A.: (1998), S. 243 f.

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ist, unterscheiden sich die Handlungsschritte zur Umsetzung hierauf ausgerichteter Projekte deutlich von dem Fall, dass der Schwerpunkt der Realisierungsebene auf der Transaktionsebene liegt. Die Investition in ein durchgängiges E-MailKonzept ist zweifelsohne unkritischer als die Implementierung einer E-Commerce-Software. Die nächsten Schritte der Wertkettenanalyse sehen dann die Analyse der Verflechtungen, der Kostenschwerpunkte und der Differenzierungsschwerpunkte vor.46 Bezogen auf den hier verfolgten Ansatz sollte hierunter eine systematische Gegenüberstellung und Evaluation verstanden werden. Hierzu können die ermittelten Schwerpunkte zunächst getrennt voneinander etwa durch eine grobe Abschätzung der Realisierungskosten für alle im Rahmen des Brainstorming für einen Schwerpunkt ermittelten Umsetzungsvarianten und der Gegenüberstellung erwarteter Nutzenpotenziale im Hinblick auf Zeit, Kosten und ähnliche Aspekte erfolgen. Hierdurch wären die Kosten- und Differierungsschwerpunkte abgedeckt. Von besonderer Wichtigkeit ist aber bereits in dieser Phase, dass die Analyse der Verflechtungen der möglichen Umsetzungsvarianten Berücksichtigung finden. Vor einer Entscheidung hinsichtlich des Ausscheidens oder der Priorisierung einzelner Alternativen sollte (z.B. im Rahmen eines übergeordneten Workshops) eine transparente und fachbereichsübergreifende Zielsetzung formuliert werden, unter deren Maßgabe alle Entscheidungen getroffen werden.47 Die Wertkettenanalyse mündet darin, ein Gesamtkonzept für die Nutzung von E-Business-Potenzialen zu definieren. Basierend auf den genannten Schritten werden im Idealfall für jeden der Teilaspekte des E-Business, damit also für E-Procurement, E-Organization und E-Commerce, die jeweiligen Konzeptalternativen genannt, die realisiert werden können.48 Aus den ermittelten Umsetzungsmöglichkeiten sind nun diejenigen auszuwählen, mit denen die getroffene Zielsetzung am besten erreicht werden kann. Kriterien zur Bewertung einzelner Möglichkeiten können allgemein z.B. die interne Durchführbarkeit oder der Aufbau von Stärken sein.49 In einem ersten Schritt werden hierzu zunächst unzulässige Lösungen aussortiert, was mit Hilfe einer Checkliste erfolgen kann. Hierzu werden die entscheidungsrelevanten Eigenschaften formuliert. Auf die Grundstruktur solcher Checklisten für den Bereich E-Procurement wird z.B. von ARNDT detailliert eingegangen.50 Mit dieser Vorgehensweise kann einfach und gut nachvollziehbar die Menge der Alternativen im Entscheidungsproblem reduziert werden. Von den genannten Autoren 46 47 48

Vgl. Welge, M./Al-Laham, A.: (1998), S. 242 sowie die dort angegebene Literatur. Siehe Lüninck, J.: (2002), S. 3. Im Grunde genommen stellt dieser Schritt die Strategiefindung und –abstimmung im allgemeinen Prozess des Strategischen Managements dar. Da dieser aber eher als kreativer Prozess zu sehen ist soll hier nicht vertiefend darauf eingegangen werden. Zur Vertiefung siehe z.B. Welge, M./Al-Laham, A.: (1998), S. 311 ff. 49 Siehe hierzu und zur Vertiefung Götze, U./Mikus, B.: (1999), S. 46. 50 Siehe hierzu die Ausführungen von ARNDT (Entwicklung einer Checkliste zur Auswahl von E-Procurement-Systemen) im vorliegenden Herausgeberband.

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wird ebenfalls dargestellt, wie mit Hilfe geeigneter Ansätze der Portfolioanalyse oder der Nutzwertanalyse51 die Alternativenmenge weiter verkleinert und letztendlich mit Verfahren der Investitionsrechnung eine vorteilhafte Umsetzungsalternative ausgewählt werden kann.52 Es sei daher an dieser Stelle auf eine Vertiefung verzichtet und auf die genannten Ausführungen verwiesen. In der Literatur sind darüber hinaus vielfältige Ansätze zu finden, die explizit auf die Strategieumsetzung und die Strategiekontrolle der E-BusinessAspekte eingehen. Während z.B. EGGERS einen grundsätzlichen Ansatz des strategieorientierten Controllings von E-Business-Projekten vorstellt, nennen einige Autoren auch die Balanced Scorecard als geeignetes Instrument zur Strategieimplementierung.53 Dieser Ansatz wird insbesondere auch im Rahmen der strategischen Kontrolle von E-Business-Aktivitäten genannt. Da in der Literatur bereits sehr erschöpfend auf die Ausgestaltung von diesbezüglichen Ansätzen eingegangen wird, sei hier ebenfalls auf eine Vertiefung verzichtet.54 5.3

Zusammenfassung der Ergebnisse und Ausblick

Die Zielsetzung des vorliegenden Aufsatzes lag darin, Gründe für die bisherige Zurückhaltung kleiner und mittelständischer Unternehmen bei der Nutzung von Potenzialen des E-Business herauszuarbeiten. Diesbezüglich wurden im Wesentlichen die unklare Begriffsverwendung und teilweise stufenweise Beurteilung von Absatz- und Effizienpotenzialen herausgearbeitet. Hierzu wurde empfohlen, dass zur systematischen Aufdeckung und Nutzung der Anwendungspotenziale des E-Business eine Trennung der Analysebereiche in die Betrachtungsebenen Absatz (ausgerichtet auf Produkte und Dienstleistungen) und Effizienz (fokussiert insbesondere auf Prozessverbesserungen) stattfinden sollte. Durch die parallele Bearbeitung dieser beiden Betrachtungsebenen kann gewährleistet werden, dass zukünftig ein breiteres Spektrum kleiner und mittelständischer Unternehmen die insbesondere im Effizienzbereich zu realisierenden Verbesserungspotenziale nutzt. Weiterhin wurde angedeutet, wie der Ansatz der Wertkettenanalyse dazu herangezogen werden kann, diese Rationalisierungspotenziale zu erkennen, systematisch zu strukturieren und in einen ganzheitlichen Evaluierungsprozess zu integrieren. Neben den angesprochenen Aspekten ist es von besonderer Wichtigkeit, abschließend noch einmal auf den zukünftigen Bedeutungsanstieg insbesondere der hier angesprochenen Prozessaspekte, die Objekt der Effizienzebene sind, hinzuweisen. So wurde bereits erwähnt, dass ein Supply Chain Management ge51 52

Siehe zu dieser Methode z.B. Götze, U./Bloech, J.: (1998), S. 140 ff. Als Beispiel kann hier die Vorgehensweise von MERTENS ET AL. genannt werden. Vgl. Mertens, P. et al.: (1998), S. 179 ff. 53 Vgl. Eggers, B.: (2001). 54 Siehe hierzu Marr, B./Neely, A./Adams, C.: (2001); Schäffer, U./Weber, J.: (2001); Basu, R.: (2002).

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rade für mittelständische Unternehmen als ein Bindeglied der Logistikkette von Grossunternehmen immer wichtiger wird. Dies kann zukünftig in die Bildung einer vierten Realisierungsebene münden, der Kollaboration. Hierunter ist das Betreiben wesentlicher Unternehmensprozesse, wie z.B. Produktentwicklung, Vertriebsplanung und oder Personalentwicklung, zusammen mit anderen Unternehmen zu verstehen.55 So erscheint es durchaus möglich, dass Konzerne ihre Zulieferer und damit eine Vielzahl der hier fokussierten KMU nicht nur auf Basis der Qualität und des Preises aktueller Produkte oder Dienstleistungen auswählen. Vielleicht treten Aspekte, wie die Fähigkeit Prozesse unternehmensübergreifend integriert abbilden zu können oder den Entwicklungsprozess ganzheitlich (z.B. für ein neues Fahrzeugmodell in der Automobilindustrie auf einer einheitlichen Softwarebasis) abwickeln zu können, bald in den Vordergrund. Hier können dann die auf den anderen Realisierungsebenen entwickelten Fähigkeiten und das erworbene Wissen als Ressource angesehen werden, die somit einen Wettbewerbsfaktor der Zukunft darstellen könnten. Dies verdeutlicht nachdrücklich die Wichtigkeit, die insbesondere die hier herausgestellten Effizienzpotenziale, die im Kern auf die Gestaltung der betrieblichen Leistungsprozesse ausgerichtet sind, für mittelständische Unternehmen haben.

Literatur Amor, D.: Geschäftsmodelle im E-Business, in: Pepels, W. (Hrsg.): E-Business-Anwendungen in der Betriebswirtschaft, Herne/Berlin, 2002, S. 36-51 Basu, R.: Measuring e-Business Performance, in Professional Consultancy, Heft 2/2002, S. 19-22 Biondo, S./Eyholzer, K./Fux, M.: E-Business-Leitfaden für KMU, Strategien und Potenziale für den Interneteinsatz in KMU, Brig/Bern, 2001 Bogaschewsky, R.: Elektronik Procurement – Neue Wege der Beschaffung, in: Bogaschewsky, R. (Hrsg.): Elektronischer Einkauf, Gernsbach 1999, S. 13-40 Brandstetter, C.: Die grössten Hürden und Irrtümer des E-Business - und was KMU daraus lernen können, Dokumentation zum Vortrag auf Kongress: E-Business im Mittelstand, Berlin, 27.03.03 Brenner, W./Zarnekow, R.: E-Procurement, in: Hermanns, A./Sauter, M. (Hrsg.): Management-Handbuch Electronic Commerce: Grundlagen, Strategien, Praxisbeispiele, 2. Auflage München 2001, S. 491-498 Cotter, S.: Taking the measure of e-marketing success, in: Journal of Business Strategy, Heft 2, 2002, S. 30-36 Delfs, J./Neubauer, B./Müller, J.: E-Business-Aktivitäten im Mittelstand, Leitfaden EBusiness, Frankfurt 1999 Dettling, W./Haldimann, C.: E-Business, in: Manager Bilanz, Heft 7, 1999, S. 14-19 Earl, M.: Evolving the E-Business, in: Business Strategy Review, Heft 2, 2000, S. 33-38 ECIN: eBusiness im Mittelstand: Ziele und Probleme, 2002, Online im Internet: (Stand 19.11.03) Eggers, B.: Strategieorientiertes Controlling von E-Business-Projekten, in: krp-Sonderheft, Heft 2, 2001, S. 87-91 55

Siehe z.B. Biondo, S./Eyholzer, K./Fux, M.: (2001), S. 26. Der Begriff und Inhalt der Kollaboration im Umfeld des E-Business wird z.B. von der Unternehmensberatung Boston Consulting Group verwendet.

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Planung und Realisierung von E-Business-Konzepten

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Auswahl einer E-Procurement-Strategie als betriebswirtschaftliches Entscheidungsproblem von Prof. Dr. Stefan Betz1

1

Problemstellung

Nach einer Umfrage des Bundesverbandes Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik e.V. (BME) aus dem Jahre 2002 hat die Bedeutung des Themas E-Procurement in kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) signifikant zugenommen.2 Betrug der Anteil der Unternehmen mit elektronischer Beschaffung an allen KMU im Jahre 1999 in Deutschland noch 25%, so erhöhte sich dieser Anteil innerhalb von nur zwei Jahren3 auf 50 %. Diese Verdoppelung zeigt zum einen die für KMU gestiegene Aktualität von Problemstellungen aus dem Bereich des E-Procurements, zum anderen legt sie die Vermutung nahe, dass in den nächsten Jahren mit einem weiter wachsenden Interesse an E-Procurement auch seitens der KMU zu rechnen sein dürfte. Dabei werden längst nicht alle Produktionsfaktoren auf elektronischem Wege beschafft: Der Schwerpunkt des Einsatzes aller Instrumente eines E-Procurement-Systems liegt auf den Repetierfaktoren, und zwar auf denjenigen Werkstoffarten, die in umfangreichen Mengen beschafft werden, geringwertig, standardisiert und mit einem niedrigen Beschaffungsrisiko behaftet sind.4 Für derartige Verbrauchsfaktorarten wird im Folgenden der Frage nachgegangen, unter welchen Bedingungen welche E-Procurement-Strategie zu empfehlen ist. Konkreter lautet die im Rahmen des vorliegenden Beitrags zu lösende Problemstellung: Welche Beschaffungsstrategie ist für eine gegebene Werkstoffart vor einem langfristigen Planungshorizont im Hinblick auf eine im Vorfeld festzulegende Zielsetzung optimal, wenn die betrachtete Werkstoffart auf elektronischem Wege beschafft wird?

1

2 3 4

Prof. Dr. Stefan Betz, Universität Paderborn, Fakultät für Wirtschaftswissenschaften, Lehrstuhl für Produktionsmanagement und Controlling, Warburger Str. 100, 33098 Paderborn. Vgl. BME (2002), S. 3-19. Vgl. Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (2001), S. 2-12. Vgl. zur Klassifikation von Beschaffungsobjektarten im E-Procurement: Friedrich/Zeller (2001), S. 75-76; Roland/Kleeberg (2002), S. 306-308.

92

Stefan Betz

Die Beantwortung dieser Frage kann nur gelingen, wenn zuvor diejenigen Annahmen spezifiziert werden, auf deren Grundlage die Untersuchung durchgeführt werden soll. Dies geschieht im zweiten Kapitel. Auf Basis der dort erörterten Prämissen werden dann im dritten Kapitel mögliche Varianten von E-Procurement-Strategien vorgestellt, wobei die diesbezüglichen Ausführungen nicht auf ein deskriptives Niveau beschränkt bleiben; vielmehr wird jede Beschaffungsstrategie auch einer Beurteilung unterzogen. Erfolgt diese Evaluation im Rahmen des dritten Kapitels eher verbal, so findet im vierten Kapitel eine eher quantitativ ausgerichtete Bewertung statt. Hierbei wird jeder E-ProcurementStrategie der durch ihren Einsatz ausgelöste Kapitalwert an entscheidungsrelevanten Auszahlungen5 zugeordnet, wodurch eine Vergleichbarkeit der diskutierten Beschaffungsstrategien erreicht wird. Diejenige Strategie, die den niedrigsten Kapitalwert bedingt, lässt sich dann als zieloptimal einstufen, so dass das im Rahmen dieses ersten Kapitels aufgeworfene Problem unter Berücksichtigung einiger im fünften Kapitel anzuführender Einschränkungen innerhalb des sechsten Kapitels einer zusammengefasst formulierten Lösung zugeführt werden kann.

2

Grundlegende Annahmen

Das im ersten Kapitel konkretisierte Problem wird im Rahmen des vorliegenden Beitrags auf der Grundlage verschiedener Prämissen gelöst. Zu diesen Annahmen gehören: a) Der Planungszeitraum [0;T], innerhalb dessen die zieloptimale E-Procurement-Strategie für KMU zu ermitteln ist, umfasst mehrere Perioden. Daher eignet sich als Entscheidungsunterstützungsinstrument insbesondere die Investitionsrechnung.6 b) Um die Lösung des hier betrachteten Entscheidungsproblems zu vereinfachen, wird im Folgenden von einer diskreten Betrachtung mit i als Zinssatz, (1 + i) − t als Abzinsungsfaktor und t als Periode abgerückt; vielmehr wird unter Inkaufnahme annähernder statt exakter Ergebnisse die stetige Betrachtung gewählt,7 bei der i die Verzinsungsenergie, e − it den Abzinsungsfaktor und t ∈ [0; T] jeden beliebigen Zeitpunkt kennzeichnet.8 5 6 7 8

Hinsichtlich der Einzahlungen wird hier implizit von einer Irrelevanz für die gesuchte Problemlösung ausgegangen. Vgl. Bitz u.a. (2002), S. 75-189; Götze (2006), S. 49-130; Kruschwitz (2005), S. 27-192. Vgl. Küpper (2005), S. 148-156. Vgl. zur Überführung der diskreten in die stetige Betrachtung und umgekehrt: Swoboda (1996), S. 34-37.

Auswahl einer E-Procurement-Strategie

93

c) Produktion und Absatz verlaufen weitgehend synchron,9 d.h. die Verbrauchsfaktoreinsatzmengen der jeweils betrachteten Werkstoffart entwickeln sich synchron zu den Absatzmengen. Hieraus resultiert für die Logistik, dass eine über den Sicherheitsbestand10 hinausgehende Endproduktlagerhaltung nicht erforderlich ist. Die Implikationen einer absatzsynchronen Fertigung für die elektronische Beschaffung von KMU hängen davon ab, ob die sich in den jeweiligen Faktorverbräuchen äußernden Kapazitätsbedarfe im Zeitablauf konstant sind oder variieren.11 d) Die folgenden Parameter müssen gegeben sein:12 die Produktionsmengen x bzw. x t , in [PE]/[PZE]; die Produktionskoeffizienten λ n , in [FE]/[PE] oder [ZE]/[PE]; die Produktionsfaktorpreise bei Synchronisation bzw. Emanzipation von Beschaffung und Produktion q Sn bzw.

q En , in [GE]/[FE] oder [GE]/[ZE]; die fixen Auszahlungen A Sfn bzw. E , in [GE]/[PZE]; die Lagerkostensätze k Ln , in [GE] /([FE] ⋅ [PZE]) ; Α fn die Sicherheitsbestände SB n , in [FE]; der Bestellrhythmus t B , in [PZE].

Auf Basis dieser Annahmen werden nun im folgenden Kapitel unterschiedliche Strategien einer elektronischen Beschaffung erörtert.

3

Diskussion alternativer E-Procurement-Strategien

Zur elektronischen Beschaffung von Verbrauchsfaktoren sind zwei Strategien als Extremformen (und unzählige Strategien als Mischformen der beiden Extremausprägungen) denkbar:13 Zum einen können die elektronische Beschaffung und der Verbrauch der jeweiligen Werkstoffart zueinander synchron verlaufen (vgl. Abschnitt 3.1.); zum anderen kann die elektronische Beschaffung unabhängig vom Einsatz der betrachteten Faktorart erfolgen (vgl. Abschnitt 3.2.). Beide E-Procurement-Strategien werden im Rahmen dieses Kapitels dargestellt und beurteilt.

9 10 11 12

Vgl. Adam (2001), S. 375-379; Zäpfel (2001), S. 114-115. Vgl. zum Begriff des Sicherheitsbestandes: Bloech u.a. (2004), S. 183-185. Vgl. Günther/Tempelmeier (2005), S. 138-150. Dabei stehen [PE], [PZE], [FE], [ZE] und [GE] für Produkt-, Planungszeit-, Faktor-, Zeitbzw. Geldeinheiten. 13 Vgl. Betz (2003), S. 367.

94

3.1

Stefan Betz

Verbrauchssynchrones E-Procurement

Eine fertigungssynchrone Beschaffung liegt genau dann vor, wenn die Lieferanten ihre Werkstoffe qualitativ und quantitativ dem Produzenten jeweils zu denjenigen Zeitpunkten zur Verfügung stellen, zu denen sie als Inputs in der Fertigung benötigt werden. Insbesondere in der Automobil-, Elektro- und Hausgeräteindustrie ist heute eine produktionssynchrone Beschaffung üblich,14 so dass die Lieferanten - unter ihnen auch viele KMU - in ihrer eigenen Produktion ein Höchstmaß an Flexibilität gewährleisten müssen. Zuweilen wird in diesem Zusammenhang auch von der „atmenden Fabrik“ gesprochen.15 Die Vorteile einer Just-in-Time-Beschaffung liegen auf der Hand: Einerseits ist keine über den Sicherheitsbestand hinausgehende Lagerhaltung erforderlich;16 andererseits reduziert eine verbrauchssynchrone Beschaffung die Risiken von Veralterung, Verderb, Beschädigung, Schwund etc. Beide Vorteile stellen sich unabhängig davon ein, ob die Beschaffung der jeweiligen Werkstoffe auf traditionellem oder elektronischem Wege erfolgt. Ein weiterer, allein den E-Procurement-Strategien vorbehaltener Vorteil besteht in der möglichen Inanspruchnahme elektronischer Marktplätze.17 Derartige virtuelle Marktplätze bieten unterschiedliche Arten von Serviceleistungen an, wie z.B. die Angabe möglicher Lieferanten für verschiedene Werkstoffarten, die Vorauswahl zuverlässiger und qualitätsfähiger Anbieter, die Beurteilung der Lieferanten durch ehemalige Kunden u.a.18 Tendenziell ist dabei festzustellen, dass die Nutzung des Internets die Transparenz elektronischer Märkte - auch für KMU - in den vergangenen Jahren deutlich erhöht hat.19 Zwar bietet die hierdurch ebenfalls gestiegene Preistransparenz20 den Vorteil, dass auch KMU ihre Einkaufspreise in der Tendenz reduzieren können; jedoch gelingt diese Preissenkung im Fall des verbrauchssynchronen E-Procurements nur ansatzweise, da im Vergleich zur Emanzipation häufiger geringe Mengen bestellt und angeliefert werden, so dass in der Regel die Möglichkeit entfällt, durch zusammengefassten Einkauf Preisvorteile zu erzielen. Neben diesem Nachteil einer fertigungssynchronen Beschaffung ist sowohl für traditionelle als auch für elektronische Märkte negativ festzustellen, dass im Falle einer Just-in-Time-Beschaffung höhere Risiken von Fehlmengen und Fertigungsunterbrechungen bzw. -stillständen in Kauf zu nehmen sind.21 14 15 16 17 18 19 20 21

Vgl. Wildemann (2001), S. 41. Vgl. Hadamitzky/Mayer (2002), S. 736. Hiermit sind zwangsläufig geringere Kapitalbindungskosten verknüpft. Vgl. Bogaschewsky (2002), S. 29-40; Kersten u.a. (2002), S. 20-25; Scheer (2002), S. 946-950. Vgl. Eden (2002), S. 75-76. Vgl. zur Nutzung von Internettechnologien in der Beschaffung: Roland/Kleeberg (2002), S. 305-311. Neben der Preistransparenz impliziert die Markttransparenz zusätzlich auch eine Lieferanten-, Produkt- und Verfügbarkeitstransparenz auf elektronischen Märkten. Vgl. Nowak/Buhmann (2001), S. 11.

Auswahl einer E-Procurement-Strategie

95

Diese Nachteile lassen sich bei einer Emanzipation von Faktorbeschaffung und Faktoreinsatz nicht beobachten, wie der folgende Abschnitt offen legt. 3.2

Verbrauchsunabhängiges E-Procurement

Eine einsatzunabhängige Beschaffung liegt genau dann vor, wenn die für die Fertigung erforderlichen Werkstoffe zeitlich jeweils vor ihrem geplanten Einsatz in der Produktion angeliefert werden. Einem konstanten Verbrauch könnte beispielsweise eine zeitlich vorgelagerte, losweise Anlieferung gegenüberstehen; ein saisonaler Verbrauch könnte etwa durch eine zuvor stets konstante Anlieferung abgedeckt werden. Die Vorteile einer traditionellen wie auch elektronischen Stock-SourcingStrategie22 liegen zum einen in der Sicherung eines stetigen Fertigungsvollzuges, zum anderen in der Möglichkeit einer Verringerung der Beschaffungskosten durch die Inanspruchnahme von mengenabhängigen und zeitraumbezogenen Rabatten. Im Fall der elektronischen Beschaffung besteht ein weiterer Vorteil von verbrauchsunabhängigen Einkaufsstrategien darin, für die einzelnen Bestellvorgänge elektronische Kataloge stärker nutzen zu können. Ein katalogbasiertes Desktop-Purchasing23 ist zwar grundsätzlich auch für den Fall der Synchronisation von Produktion und Beschaffung einsetzbar, jedoch sind die häufige Bestellung und Anlieferung von jeweils geringen Mengen sehr viel zeitaufwändiger und kostenintensiver als die seltene Bestellung und Anlieferung von jeweils großen Mengen. Daher bietet sich ein Desktop-Purchasing für eine verbrauchsunabhängige E-Procurement-Strategie sehr viel eher an als für eine verbrauchssynchrone Beschaffung.24 Letztlich ist auch die Aggregation von Bestellmengen verschiedener KMU im Fall der Emanzipation organisatorisch sehr viel besser durchführbar als im Fall der Synchronisation. Diese Aggregationsstrategie impliziert eine weitere Beschaffungskostensenkung, dadurch dass eine unternehmensübergreifende Bedarfsvolumenbündelung die Verhandlungsposition der KMU verbessert. Für KMU als Nachfrager sinkt somit der Faktorpreis aus zwei Gründen: steigende Marktmacht aufgrund der Aggregation von Bestellmengen25 und zunehmende Preistransparenz aufgrund der Nutzung des Internets. Trotz dieser Vielfalt an Vorteilen bringt ein verbrauchsunabhängiges E-Procurement auch einige Nachteile mit sich: Die im Falle der Emanzipation erforderliche Vorratshaltung löst nicht nur Lagerraumbedarf, Lagerhaltungs- und Kapitalbindungskosten aus; es entstehen vielmehr ebenfalls die unterschiedlichsten 22 23

Vgl. ebenda. Man bezeichnet es auch als „Direct Purchasing“. Diese Art der Beschaffung ist internetbasiert, katalogorientiert und dezentralisiert. 24 Vgl. zu weiteren Ausführungen hinsichtlich der Einsetzbarkeit von Desktop-PurchasingSystemen: Roland/Kleeberg (2002), S. 318-321; Sibbel/Hartmann (2002), S. 497-503. 25 Vgl. Eden (2002), S. 47; Melzer-Ridinger (2002), S. 33; Gronemeyer (2001), S. 57.

96

Stefan Betz

Risiken einer traditionellen wie auch elektronischen Stock-Sourcing-Strategie. Hierzu gehört zum Beispiel die Gefahr einer frühzeitigen Veralterung der zu lagernden Güter. Unter Abwägung aller Vor- und Nachteile der verbrauchssynchronen bzw. -unabhängigen E-Procurement-Strategie26 können dann KMU im Einzelfall ihre individuelle Wahl treffen. Soll diese betriebswirtschaftliche Entscheidung intersubjektiv überprüfbar gefällt werden, bietet es sich an, die den jeweiligen E-Procurement-Strategien zuordenbaren Zahlungsströme abzuschätzen und im Rahmen einer Investitionsrechnung zur Unterstützung der zu treffenden Vorteilhaftigkeitsentscheidung auszuwerten. Dies geschieht im vierten Kapitel.

4

Ermittlung zieloptimaler E-Procurement-Strategien

Als Extremformen möglicher elektronischer Beschaffungsstrategien werden im Folgenden die Synchronisation und die Emanzipation von Beschaffung und Einsatz einer gegebenen Werkstoffart betrachtet. Von diesen beiden Strategien wird dann vor einem langfristigen Planungshorizont diejenige Handlungsoption als zieloptimal eingestuft, die den Kapitalwert an entscheidungsrelevanten Zahlungsströmen optimiert. Dabei wird die Auswahl der E-Procurement-Strategie getrennt danach getroffen, ob im Zeitverlauf konstante oder variierende Faktorbedarfe vorliegen. 4.1

Konstante Faktorverbräuche

Die Überlegungen dieses Abschnitts gehen davon aus, dass die Produktionsmenge in jeder Zeiteinheit des Planungszeitraums identisch ist. Bei wie im zweiten Kapitel angenommenen konstanten Produktionskoeffizienten bedeutet die Prämisse gleichbleibender Faktorbedarfe, dass der Verbrauch an Werkstoffen in jeder Planungszeiteinheit ebenfalls identisch ist.27 Für diese Konstellation werden im Folgenden die zur Diskussion stehenden E-Procurement-Strategien hinsichtlich ihres jeweiligen Erfüllungsgrades der Zielsetzung einer Kapitalwertoptimierung untersucht. Anschließend erfolgt dann die Auswahl der zieloptimalen Handlungsalternative. 4.1.1

Zielorientierte Bewertung alternativer E-Procurement-Strategien

Als Entscheidungskriterium zur Auswahl einer zieloptimalen Beschaffungsalternative wird vor einem langfristigen Planungshorizont der Kapitalwert herangezogen.28 Wenn man davon ausgehen kann, dass die Entscheidung zwischen 26 27 28

Vgl. Betz (2003), S. 367-370. Vgl. ebenda. Vgl. ebenda, S. 367.

Auswahl einer E-Procurement-Strategie

97

Synchronisation und Emanzipation von Beschaffung und Produktion keinen Einfluss auf die Einzahlungen ausübt, dann genügt zur Entscheidungsfindung der Vergleich zwischen den beiden Auszahlungskapitalwerten. Zieloptimal ist dann diejenige Handlungsoption, die zum niedrigsten Kapitalwert führt.29 Für die beiden hier relevanten Entscheidungsalternativen ergibt sich: a) Verbrauchssynchrones E-Procurement Im Fall einer Just-in-Time-Sourcing-Strategie30 lautet der Kapitalwert an Auszahlungen:31 T

(1)

C S0 n = ∫ (q Sn ⋅ λ n ⋅ x + A Sfn + k Ln ⋅ SB n ) ⋅ e −it dt 0

= (q Sn ⋅ λ n ⋅ x + A Sfn + k Ln ⋅ SB n ) ⋅

1 − e −iT . i

Die für ein verbrauchssynchrones E-Procurement von KMU kapitalwertrelevanten Größen haben für die Entscheidungsfindung unterschiedliche Bedeutung:

29 30

-

Der Faktorpreis q Sn ist entweder ein aus elektronischen Katalogen ableitbarer Festpreis32 oder ein sich infolge von Auktionen, Ausschreibungen bzw. Börsen ergebender dynamischer Preis.33 Da q Sn auch die Beschaffungsnebenkosten (wie z.B. Verpackungs- oder Transportkosten) enthält, dürfte der Faktorpreis bei Synchronisation tendenziell höher sein als bei Emanzipation, denn beim verbrauchssynchronen E-Procurement werden häufiger geringere Mengen bestellt und angeliefert als beim verbrauchsunabhängigen E-Procurement. Dies gilt insbesondere auch für KMU, die im Vergleich zu Großbetrieben eine deutlich geringere Marktmacht haben.

-

Der Produktionskoeffizient λ n kennzeichnet den zeit- oder mengenmäßigen Verbrauch des Faktors n pro Produkteinheit. Seine Ausprägung dürfte in der Regel unabhängig von der E-Procurement-Strategie sein.

Vgl. Abschnitt 4.1.2. Vgl. Eßig (2001), S. 68; Nowak/Buhmann (2001), S. 11. Olbermann/Seebacher (2002), S. 39-42, sprechen im Fall der elektronischen Just-in-Time-Beschaffung von einer ESynchronisation. 31 Vgl. Betz (2003), S. 368. 32 Der Einkauf hat mit den Lieferanten Rahmenverträge verhandelt, die den Festpreis enthalten. Vgl. Hadamitzky/Mayer (2002), S. 730. 33 Vgl. Roland/Kleeberg (2002), S. 308-309.

98

Stefan Betz

-

Der Output x ist ebensowenig abhängig von der jeweils gewählten Beschaffungsstrategie.

-

Die fixen Auszahlungen für Faktorart n im Fall eines verbrauchssynchronen E-Procurements (A Sfn ) umfassen bestellvorgangsabhängige Kosten (z.B. Bestellabwicklungs-, Qualitätsprüfungskosten), vorratsmengenunabhängige Lagerkosten34 (z.B. Miete für den Lagerraum, Löhne und Gehälter für das Lagerpersonal), Kosten der zeitweiligen Fertigungsunterbrechung (z.B. erhöhte Transportkosten für eine Express-Anlieferung von Materialien als Fehlmengenkosten) und Transaktionskosten (z.B. Kosten für die Einführung von Informations- und Kommunikationstechnologien).35

-

Der Lagerhaltungskostensatz k Ln enthält die für Ein- und Auslagerungsvorgänge anfallenden Kosten, die in den lagernden Faktormengen enthaltenen Kapitalbindungskosten und die Kosten der von einem elektronischen Marktplatz angebotenen, durch externe Logistikdienstleister erbringbaren Zusatzdienstleistungen (wie z.B. Lagerung und Verpackung). Dieser Kostensatz ist unabhängig von der gewählten E-Procurement-Strategie.

-

Der Sicherheitsbestand SB n soll planmäßig nicht in Anspruch genommen werden. Infolge des Einsatzes moderner Informations- und Kommunikationstechnologien ist eine höhere Transparenz bezüglich der Materialverfügbarkeit beim Lieferanten gegeben. Daher kann der Kunde seinen für dieses Material angelegten Sicherheitsbestand reduzieren.36 Diese Folge tritt unabhängig von der eingesetzten Beschaffungsstrategie ein.

Die Ausprägung einiger Parameter hat somit keinen Einfluss auf die Lösung des hier diskutierten Entscheidungsproblems. Welche Größen hingegen welche Bedeutung für die Wahl der zieloptimalen Beschaffungsstrategie haben, kann man erst ermessen, wenn als Pendant zu Gleichung (1) der für eine einsatzunabhängige, elektronische Beschaffung relevante Kapitalwert ermittelt worden ist.

34 35 36

Vgl. zu den Logistikkosten: Nissen (2001), S. 48-55. Vgl. zu Einsparpotenzialen: BME (2002), S. 10. Vgl. Betz (2003), S. 368.

Auswahl einer E-Procurement-Strategie

99

b) Verbrauchsunabhängiges E-Procurement Im wie hier vorliegenden Fall eines konstanten Faktorbedarfs drückt sich die einsatzunabhängige Beschaffung von Werkstoffen in der Regel darin aus, dass größere Faktormengen losweise bestellt und angeliefert werden. Für eine Stock-Sourcing-Strategie37 lautet dann der Kapitalwert an Auszahlungen:38

(2)

E C0En = [q En ⋅ λ n ⋅ x + A fn + k Ln ⋅ (SBn + λ n ⋅ x ⋅

e −it B + it B − 1 1 − e −iT )] ⋅ . 1 i ⋅ (1 − e −it B )

Gleichung (2) enthält drei Parameter, die eine unterschiedliche Ausprägung der zu den beiden Beschaffungsstrategien gehörenden Auszahlungskapitalwerte bedingen können:

37 38 39 40 41

-

Der Faktorpreis q En dürfte zum einen wegen niedrigerer Materialbeschaffungsnebenkosten und zum anderen wegen höherer Mengenrabatte geringer als der Faktorpreis q Sn ausfallen. Letztere Ursache dürfte insbesondere auch für KMU zutreffen, da für KMU das Aushandeln von Rahmenverträgen mit zeitraumbezogenen Rabatten deutlich schwieriger als für Großunternehmen ist.

-

E Die fixen Auszahlungen A fn dürften niedriger als A Sfn sein,39 weil im Fall der Emanzipation erstens seltener bestellt wird und daher geringere bestellvorgangsabhängige Kosten anfallen, zweitens ein geringeres Fehlmengenrisiko besteht und deshalb niedrigere Kosten einer zeitweiligen Fertigungsunterbrechung zu verzeichnen sind und drittens die Organisation eines reibungslosen Ablaufs internet-gestützter Beschaffungsprozesse weniger aufwändig ist, weshalb die Höhe der Transaktionskosten - insbesondere auch für KMU - geringer ausfällt. Demgegenüber sind die Lagerbestände und damit auch die fixen Lagerhaltungskosten im Falle einer verbrauchsunabhängigen E-ProcurementStrategie höher als bei Synchronisation.40 Per Saldo dürften allerdings bei einsatzsynchronem E-Procurement fixe Mehrauszahlungen im Vergleich zur Emanzipation anfallen.41

Vgl. Nowak/Buhmann (2001), S. 11. Vgl. Betz (2003), S. 369. Vgl. ebenda. Vgl. zu den Logistikkosten: Nissen (2001), S. 48-55. Vgl. zu Einsparpotenzialen: BME (2002), S. 10.

100

Stefan Betz

-

Der Bestellrhythmus t B gibt an, in welchem Zeitintervall bestellt und angeliefert wird.42 Da trotz kontinuierlichen Bedarfs losweise beschafft wird, entsteht ein über dem Sicherheitsbestand liegender Vorrat, dessen Höhe von der Ausprägung des Parameters t B abhängt. Für t B = 0 geht das einsatzunabhängige in das verbrauchssynchrone E-Procurement über.

Die drei genannten Parameter prägen somit die Höhe des Auszahlungskapitalwertes für ein verbrauchsunabhängiges E-Procurement. Ob letzteres einer verbrauchssynchronen, elektronischen Beschaffung gegenüber vorzuziehen ist, wird im folgenden Abschnitt eruiert. 4.1.2

Auswahl der zieloptimalen E-Procurement-Strategie

Durch die Gegenüberstellung der beiden Auszahlungskapitalwerte (1) und (2) lässt sich diejenige Strategie einer elektronischen Beschaffung ermitteln, die zum geringeren Kapitalwert an entscheidungsrelevanten Auszahlungen führt. Im Fall der Werkstoffart n sollte eine verbrauchssynchrone statt einer verbrauchsunabhängigen E-Procurement-Strategie gewählt werden, wenn gilt:43 E ) < k Ln ⋅ λ n ⋅ x ⋅ (3) C S0 n < C 0En ⇔ (q Sn − q En ) ⋅ λ n ⋅ x + (A Sfn − A fn

e −it B + it B − 1 i ⋅ (1 − e −it B )

.

Ungleichung (3) kann man inhaltlich wie folgt interpretieren:44

42 43 44

-

Der erste Summand der linken Seite gibt die variablen Beschaffungsmehrauszahlungen der Synchronisation gegenüber der Emanzipation an. Im Wesentlichen beruhen diese darauf, dass im Falle einer verbrauchssynchronen E-Procurement-Strategie Materialbeschaffungsnebenkosten höher und Rabattinanspruchnahmemöglichkeiten geringer als im Falle einer verbrauchsunabhängigen E-Procurement-Strategie sind.

-

Der zweite Summand der linken Seite kennzeichnet die fixen Mehrauszahlungen der Synchronisation gegenüber der Emanzipation. Hierzu gehören hauptsächlich bestellvorgangsabhängige Kosten, auf zeitweilige Produktionsunterbrechungen zurückzuführende Kosten wie auch mit dem Einsatz neuer Informations- und Kommunikationstechnologien verbundene Kosten. Zu saldieren sind diese Mehrkosten einer einsatzsynchronen E-Procurement-Strategie mit den relevanten Minderkosten,

Theoretisch könnte t B für jede Faktorart n unterschiedlich angesetzt werden. Vgl. Betz (2003), S. 369. Als Bezugszeitraum wird im Folgenden stets die Planungszeiteinheit gewählt.

Auswahl einer E-Procurement-Strategie

101

die in durch geringere Vorratsbestände bedingten, niedrigeren fixen Lagerhaltungskosten bestehen.45 -

Die rechte Seite bringt die variablen Lagerminderauszahlungen einer verbrauchssynchronen statt verbrauchsunabhängigen E-ProcurementStrategie zum Ausdruck.46 Diese Auszahlungsersparnis einer fertigungssynchronen Beschaffung ist auf den Lagerminderbestand der Synchronisation gegenüber der Emanzipation zurückzuführen und fällt umso größer aus, je höher der Bestellrhythmus t B angesetzt wird.

Wenn nun also die Summe an Mehrauszahlungen der einsatzsynchronen gegenüber der einsatzunabhängigen E-Procurement-Strategie geringer als die entsprechende Auszahlungsersparnis ist, dann sollte die Synchronisation der Emanzipation gegenüber vorgezogen werden und umgekehrt.47 Eine derart formulierte Handlungsempfehlung kann allerdings nur dann abgegeben werden, wenn die Produktionsmenge in allen Planungszeiteinheiten identisch ist. Welche Handlungsoptionen unter welchen Bedingungen zieloptimal sind, wenn die Produktionsmenge während des Planungszeitraums variiert, wird im nächsten Abschnitt untersucht. 4.2

Variierende Faktorverbräuche

Für die Auswahl einer zieloptimalen E-Procurement-Strategie muss man im Fall variierender Faktorbedarfe die Verbrauchsentwicklung während des Planungszeitraums prognostizieren können. Mit dem unterstellten Bedarfsverlauf lassen sich dann die Auszahlungskapitalwerte der zur Diskussion stehenden Beschaffungsstrategien ermitteln (Abschnitt 4.2.1). Ein Vergleich der jeweiligen Kapitalwerte legt anschließend offen, welche E-Procurement-Strategie als zieloptimal einzustufen ist (Abschnitt 4.2.2). 4.2.1

Zielorientierte Bewertung alternativer E-Procurement-Strategien

Ausgegangen wird hierbei von saisonal schwankenden Produktionsmengen,48 die in der folgenden allgemeinen Sinusfunktion zum Ausdruck kommen:49 (4) 45

46 47 48 49

x t = a ⋅ sin( b ⋅ t + c) + x ∀ t ∈ [0; T] . Theoretisch kann dieser Saldo auch negativ ausfallen, so dass die Minderauszahlungen der Synchronisation dann als positiver Betrag auf der rechten Seite von Ungleichung (3) anzuführen sind. Vgl. Betz (2003), S. 369-370. Vgl. ebenda. Wegen Annahme c) des zweiten Kapitels resultieren diese Schwankungen aus einer saisonalen Absatzmengenentwicklung. Die Produktionsmenge x kennzeichnet den während des Planungszeitraums durchschnittlich herzustellenden Output. Vgl. Betz (2003), S. 361.

102

Stefan Betz

Die Parameter a, b und c der Sinusfunktion (4) stehen für die Amplitude, die Kreisfrequenz und den Phasenwinkel der Sinusschwingungen und lassen sich am ehesten durch eine Abbildung der allgemeinen Sinuskurve erläutern:50 xt xt

a π

0

Abb. 1:

x

b

c b

T

t

Allgemeine Sinuskurve

Bei gemäß Gleichung (4) saisonal schwankenden Produktionsmengen stellen sich wegen der konstanten Produktionskoeffizienten51 zwangsläufig auch entsprechend saisonal schwankende Produktionsfaktorverbräuche ein. Für eine elektronische Beschaffung, die die Abdeckung dieser schwankenden Bedarfe sicherstellt, werden im Folgenden zwei Strategien diskutiert und mittels Auszahlungskapitalwertes einer quantitativen Bewertung zugeführt. a) Verbrauchssynchrones E-Procurement Der Planungszeitraum, für den der Kapitalwert einer Just-in-Time-SourcingStrategie52 ermittelt wird, ist aus Vergleichbarkeitsgründen bei saisonalen Schwankungen nicht beliebig festlegbar. Vielmehr sollte er derart abgegrenzt sein, dass sich die saisonalen Hochs und Tiefs untereinander ausgleichen. Hier wird vorgeschlagen, als Bezugszeitraum den ersten vollständigen

50 51 52

Vgl. ebenda. Vgl. Annahme d) des zweiten Kapitels. Just-in-Time-Sourcing erfordert eine reibungslose und fehlerfreie Kommunikation zwischen den jeweiligen Partnern der Versorgungskette. Vgl. Nowak/Buhmann (2001), S. 11.

Auswahl einer E-Procurement-Strategie

103

Saisonzyklus zu wählen, wodurch als Planungshorizont Τ =

2π zum Einsatz b

kommt.53 Unter dieser Bedingung lautet der Kapitalwert an entscheidungsrelevanten Auszahlungen im Fall eines einsatzsynchronen E-Procurements: T

(5)

1 C S0 n = ∫ (q Sn ⋅ λ n ⋅ x t + A Sfn + k Ln ⋅ SB n ) ⋅ e −it dt = [ ⋅ (q Sn ⋅ λ n ⋅ x + A Sfn i 0 + k Ln ⋅ SB n ) + q Sn ⋅ λ n ⋅

a i2 + b2

⋅ (i ⋅ sin c + b ⋅ cos c)] ⋅ (1 − e

−i⋅

2π b ).

Die Parameter der Gleichung (5) sind allesamt unabhängig vom Zeitpunkt t ∈ [0, T] . Insbesondere könnten allerdings die fixen Auszahlungen A Sfn im Zeitablauf variieren.54 Für die Lösung des hier betrachteten Entscheidungsproblems müsste man dann aber auch den Funktionsverlauf A Sfn ( t ) während des Planungszeitraums kennen. Daneben könnten weitere, den Auszahlungskapitalwert C S0 n mitbestimmende Größen während des Zeitintervalls [0; T ] variieren. Eine Berücksichtigung solcher im Zeitablauf schwankender Größen wäre sowohl bei Synchronisation als auch bei Emanzipation von Beschaffung und Produktion möglich. b) Verbrauchsunabhängiges E-Procurement Im Falle des wie hier vorliegenden saisonal schwankenden Faktorbedarfs lässt sich eine vom Werkstoffeinsatz unabhängige, elektronische Beschaffung beispielsweise dadurch realisieren, dass trotz eines saisonalen Werkstoffbedarfs in jeder Planungszeiteinheit eine identische Faktormenge bestellt und angeliefert wird. Für eine derartige Stock-Sourcing-Strategie55 beträgt dann der zugehörige Kapitalwert an entscheidungsrelevanten Auszahlungen:

53 54

Vgl. Betz (2003), S. 363. Beispielsweise gehen Wirtz/Mathieu (2002), S. 225, von einer Senkung der Transaktionskosten im Zeitablauf aus. 55 Vgl. Nowak /Buhmann (2001), S. 11.

104

Stefan Betz

(6)

1 a E C 0En = [ ⋅ (q En ⋅ λ n ⋅ x + A fn + k Ln ⋅ SB n ) + k Ln ⋅ λ n ⋅ ⋅ i b 2π

−i⋅ 1 i ⋅ cos c − b ⋅ sin c ( + )] ⋅ (1 − e b ) . 2 2 i i +b

Das durch Gleichung (6) hinsichtlich seines Auszahlungskapitalwertes gekennzeichnete einsatzunabhängige E-Procurement dürfte für KMU insbesondere bei variierenden Werkstoffbedarfen organisatorisch sehr viel eher realisierbar sein als die Synchronisation von elektronischer Beschaffung und Produktion. Welche der beiden E-Procurement-Strategien allerdings aus rein quantitativer Sicht56 zu favorisieren ist, wird im nächsten Abschnitt eruiert. 4.2.2

Auswahl der zieloptimalen E-Procurement-Strategie

Durch einen Vergleich der beiden Auszahlungskapitalwerte (5) und (6) lässt sich diejenige Beschaffungsstrategie ermitteln, die den Kapitalwert an entscheidungsrelevanten Auszahlungen minimiert. Danach ist für Werkstoffart n die Synchronisation von elektronischer Beschaffung und Produktion der Emanzipation gegenüber genau dann vorzuziehen,57 wenn gilt: E C S0 n < C 0En ⇔ (q Sn − q En ) ⋅ λ n ⋅ x + (A Sfn − A fn ) + q Sn ⋅ λ n ⋅

a ⋅i

i + b2 i ⋅ cos c − b ⋅ sin c a ). ⋅ (i ⋅ sin c + b ⋅ cos c) < k Ln ⋅ λ n ⋅ ⋅ (1 + i ⋅ b i2 + b2

(7)

2

Eine ökonomische Interpretation von Ungleichung (7) gelingt wie folgt:58 -

56

Der erste Summand der linken Seite kennzeichnet die variablen Beschaffungsmehrauszahlungen der Synchronisation gegenüber der Emanzipation für den während des Planungszeitraums durchschnittlichen Faktorverbrauch der Werkstoffart n. Dieser Betrag stimmt exakt mit den variablen Beschaffungsmehrauszahlungen bei konstantem Faktorbedarf überein,59 wenn man den Durchschnittswert der variierenden Faktorverbräuche als Vorgabewert des konstanten Faktorbedarfs ansieht.

D.h. organisatorische Aspekte gehen in die Entscheidungsfindung nur in demjenigen Ausmaß ein, in dem sie Zahlungsströme auslösen. 57 Vgl. zum Nutzen einer gut synchronisierten, strategisch gesteuerten Versorgungskette: Boele u.a. (2002), S. 449. 58 Als Bezugszeitraum wird auch hier die Planungszeiteinheit gewählt. 59 Vgl. Abschnitt 4.1.2.

Auswahl einer E-Procurement-Strategie

105

-

Der zweite Summand der linken Seite gibt die fixen Mehrauszahlungen einer verbrauchssynchronen gegenüber einer verbrauchsunabhängigen E-Procurement-Strategie an und entspricht formal exakt der AuszahE bei konstantem Faktoreinsatz.60 Zu beachten lungsdifferenz A Sfn − A fn ist allerdings hierbei, dass Minuend und Subtrahend dieser Differenz bei variierenden Faktorbedarfen jeweils eine andere Ausprägung als bei konstanten Faktorverbräuchen annehmen können.

-

Der dritte Summand der linken Seite ist in Ungleichung (3) des Abschnitts 4.1.2 nicht enthalten. Er quantifiziert die bei einsatzsynchronem statt einsatzunabhängigem E-Procurement anfallenden Beschaffungsmehr- bzw. -minderauszahlungen,61 die auf den Zinseffekt der Auszahlungsschwankungen innerhalb eines mehrperiodigen Planungszeitraums zurückzuführen sind.

-

Die rechte Seite von Ungleichung (7) bringt die Lagerminderauszahlungen der Synchronisation gegenüber der Emanzipation von Beschaffung und Produktion zum Ausdruck.62 Dieser Betrag unterscheidet sich vom Pendant der konstanten Faktorbedarfe, da in Abschnitt 4.1.2 bei gleichbleibendem Verbrauch losweise bestellt und angeliefert wird, während hier bei saisonalem Verbrauch eine pro Planungszeiteinheit konstante Menge beschafft wird.

Zusammenfassend lautet die für konstante und schwankende Faktorbedarfe gleichermaßen geltende Handlungsempfehlung:63 Wenn die Mehrauszahlungen der Synchronisation gegenüber der Emanzipation geringer als die gleichzeitig festzustellenden Minderauszahlungen sind, dann sollte die einsatzsynchrone der einsatzunabhängigen E-Procurement-Strategie gegenüber vorgezogen werden und umgekehrt. Diese Auswahl einer Strategie der elektronischen Beschaffung als Lösung eines betriebswirtschaftlichen Entscheidungsproblems trifft allerdings nur unter verschiedenen Annahmen zu, die im nächsten Kapitel kritisch hinterfragt werden.

60 61

Vgl. ebenda. Wenn es sich um Beschaffungsminderauszahlungen der Synchronisation handelt, dann sollten diese nicht als negativer Betrag auf der linken Seite von Ungleichung (7) mit den anderen Größen saldiert werden, sondern man sollte sie als positiver Betrag neben den Lagerminderauszahlungen der Synchronisation auf der rechten Seite von Ungleichung (7) neben den Beschaffungsminderauszahlungen ausweisen. 62 Die Lagerminderauszahlungen bei Synchronisation sind darauf zurückzuführen, dass im Vergleich zur Emanzipation kein über den Sicherheitsbestand hinausgehender Mehrlagerbestand erforderlich ist. 63 Vgl. Kapitel 6 zur ausführlicheren Version der hier sehr komprimiert abgegebenen Handlungsempfehlung.

106

5

Stefan Betz

Kritische Beurteilung der Ergebnisse

Die Handlungsempfehlungen des vierten Kapitels gelten nicht uneingeschränkt. Daher werden im Folgenden die Grenzen der aufgezeigten Lösungsansätze dargelegt und Möglichkeiten zu deren Beseitigung oder Aufweichung aufgezeigt. a) Für die Lösung des hier diskutierten Entscheidungsproblems ist die Kenntnis einer Vielzahl von Daten erforderlich. Beispielsweise müssen zur Beurteilung einer E-Procurement-Strategie die jeweils relevanten Faktorpreise bekannt sein. Sind diese nicht gegeben, so muss eine möglichst realistische Abschätzung ihrer Ausprägungen während des Planungszeitraums vorgenommen werden. Dies gelingt etwa mit Hilfe von Prognoseverfahren. Wie man derartige Verfahren einsetzen kann, hat Hansmann64 am Praxisbeispiel saisonaler Absatz- und Produktionsmengenentwicklungen von Luftbefeuchtungssystemen eines mittelständischen Produzenten illustriert. Statt einer idealtypischen Sinuskurve lassen sich nämlich für KMU durchaus auch anders geartete Produktionsmengenverläufe prognostizieren. Sind die entsprechenden Schwankungen nur sehr gering, trotzdem aber vorhanden, kann - wie auch in allen übrigen Fällen einer mangelnden Konstanz problemrelevanter Daten - für den Planungszeitraum ein Erwartungswert angesetzt werden.65 b) Bei der Auswahl zieloptimaler Handlungsoptionen im vierten Kapitel wurde davon ausgegangen, dass sowohl hinsichtlich der elektronisch beschafften Faktormenge als auch hinsichtlich der im Fall der Emanzipation von Beschaffung und Produktion zeitweise zu lagernden Faktormenge keine Kapazitätsrestriktionen bestehen. D.h. theoretisch können der Einkauf und das Lager unendlich hohe Mengen aller Werkstoffarten beschaffen bzw. vorrätig halten. Will man daher Mengenrestriktionen einführen, so gelingt dies beispielsweise im Rahmen von LP-Ansätzen, innerhalb derer Einkaufs- bzw. Lagermengenbeschränkungen formal abgebildet werden können.66 c) Alle Handlungsempfehlungen des vierten Kapitels sind nur Näherungslösungen, da für die Zuordnung von Ein- und Auszahlungen zu den unterschiedlichen Zeitpunkten des mehrperiodigen Planungszeitraums eine stetige Betrachtung gewählt wurde.67 Strebt man hingegen eine ex-

64 65

Vgl. Hansmann (2001), S. 272-274. Der hierbei begangene Fehler ist umso geringer, je schwächer die Schwankungen sind. Vgl. Betz (2003), S. 370-371. 66 Vgl. Günther/Tempelmeier (2005), S. 138-150. 67 Vgl. Annahme b) des 2. Kapitels und Küpper (2005), S. 148-156.

Auswahl einer E-Procurement-Strategie

107

akte Lösung des hier diskutierten Entscheidungsproblems an, so muss man die aufwändigere diskrete Betrachtung durchführen.68 d) Die im dritten Kapitel beschriebenen und beurteilten Handlungsalternativen werden im vierten Kapitel einer quantitativen Bewertung unterzogen. Qualitative Aspekte bleiben dabei weitgehend unberücksichtigt. Ausgeblendet werden beispielsweise Fragen zur organisatorischen Umsetzbarkeit von einsatzsynchronen bzw. -unabhängigen E-ProcurementStrategien,69 die sich etwa in Überlegungen zu den Möglichkeiten und Grenzen der Einführung von Desktop-Purchasing-Systemen70 in KMU konkretisieren lassen. Eingedenk dieser einschränkenden Anmerkungen kann man nun im folgenden Kapitel eine zusammenfassende Antwort auf die im ersten Kapitel formulierte Frage liefern, um das dort aufgeworfene Entscheidungsproblem einer bedingten Lösung zuzuführen.

6

Zusammenfassung

Gegenstand des vorliegenden Beitrags war die Diskussion der Fragestellung, unter welchen Bedingungen welche E-Procurement-Strategie für eine gegebene Repetierfaktorart den Kapitalwert an entscheidungsrelevanten Auszahlungen minimiert. Unter bestimmten Annahmen, die im zweiten Kapitel dezidiert vorgestellt wurden, erfolgte im dritten Kapitel eine eher qualitativ ausgerichtete Beschreibung und Beurteilung alternativer Strategien einer elektronischen Beschaffung. Als Ergebnis dieser Überlegungen lässt sich die eher unbefriedigende Handlungsempfehlung ableiten: KMU sollten die Vor- und Nachteile einer verbrauchssynchronen bzw. -unabhängigen E-Procurement-Strategie gegeneinander abwägen und anschließend diejenige Beschaffungsstrategie wählen, die in Gesamtwürdigung aller Beurteilungsaspekte die günstigste Bewertung erfährt. Will man eine solche eher vage Aussage durch eine von außenstehenden Dritten nachvollziehbare Feststellung ersetzen, so bietet es sich an, die alternativen E-Procurement-Strategien eher quantitativ und gleichzeitig intersubjektiv überprüfbar zu beurteilen, wie dies im vierten Kapitel geschehen ist. Das Ergebnis dieser Analyse lautet: Unter der Zielsetzung einer Minimierung des Kapitalwertes an entscheidungsrelevanten Auszahlungen ist

68

Wie man beide Sichtweisen ineinander überführen kann, lässt sich allgemein zeigen. Vgl. Swoboda (1996), S. 34-37. 69 Vgl. Betz (2003), S. 371-372. 70 Vgl. Roland/Kleeberg (2002), S. 321-325.

108

Stefan Betz

-

bei konstanten Faktorverbräuchen die einsatzsynchrone der einsatzunabhängigen E-Procurement-Strategie gegenüber genau dann vorzuziehen, wenn die hiermit verknüpften Lagerauszahlungsersparnisse die gleichzeitig hinzunehmenden variablen und fixen Mehrauszahlungen übertreffen,

-

bei variierenden Faktorverbräuchen für die Synchronisation statt für die Emanzipation zu votieren, wenn die hierdurch ausgelösten Lagerminderauszahlungen höher sind als die Summe aus den gleichzeitig zu leistenden variablen Beschaffungsmehrauszahlungen (einschließlich eines etwaig zu beobachtenden Zinseffekts) und den ebenfalls anfallenden fixen Mehrauszahlungen.

Diese Problemlösung basiert auf diversen Annahmen, deren einschränkende Wirkungen auf die abgegebenen Handlungsempfehlungen innerhalb des fünften Kapitels kritisch hinterfragt wurden. Des Weiteren enthält dieses Kapitel einige Vorschläge, wie man darauf reagieren kann, wenn einzelne Prämissen nicht erfüllt sind. Die Untersuchung der Fragestellung, welche Konsequenzen die Aufhebung welcher der hier getroffenen Annahmen auf die Lösung des hier diskutierten Entscheidungsproblems haben kann, bleibt weiterer Forschung vorbehalten.

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Auswahl einer E-Procurement-Strategie

109

Günther, Hans-Otto/Tempelmeier, Horst: Produktion und Logistik, 6. Auflage, Berlin u.a. 2005. Hadamitzky, Michael C./Mayer, Stephan: e-Logistik: Logistik-Management im e-BusinessZeitalter, in: Krystek, Ulrich/Zur, Eberhard (Hrsg.): Handbuch Internationalisierung, 2. Auflage, Berlin u.a. 2002, S. 723-740. Hansmann, Karl-Werner: Industrielles Management, 7. Auflage, München/Wien 2001. Kersten, Wolfgang u.a.: Leistungsspektrum virtueller Märkte, in: Beschaffung Aktuell Special (49), 2002, Heft 7, S. 20-25. Kruschwitz, Lutz: Investitionsrechnung, 10. Auflage, München 2005. Krystek, Ulrich/Zur, Eberhard (Hrsg.): Handbuch Internationalisierung, 2. Auflage, Berlin u.a. 2002. Küpper, Hans-Ulrich: Controlling, 4. Auflage, Stuttgart 2005. Manschwetus, Uwe/Rumler, Andrea (Hrsg.): Strategisches Internetmarketing, Wiesbaden 2002. Melzer-Ridinger, Ruth: Implementierung des E-Procurements, in: Beschaffung Aktuell (49), 2002, Heft 3, S. 32-40. Nissen, Volker: Elektronischer Einkauf von Logistikleistungen über einen UnternehmensMarktplatz, in: Information Management (16), 2001, Heft 11, S. 48-55. Nowak, Michael/Buhmann, Michael: E-Procurement-Strategien, in: Information Management (16), 2001, Heft 11, S. 7-13. Olbermann, Tobias/Seebacher, Uwe G.: E-Synchronisation der Angebots- und Nachfragekette, in: Beschaffung Aktuell (49), 2002, Heft 9, S. 39-42. Roland, Folker/Kleeberg, Lars: Strategisches Beschaffungsmarketing, in: Manschwetus, Uwe/ Rumler, Andrea (Hrsg.): Strategisches Internetmarketing, Wiesbaden 2002, S. 303-327. Scheer, August-Wilhelm u.a.: Elektronische Marktplätze in Deutschland: Status quo und Perspektiven, in: Das Wirtschaftsstudium (31), 2002, S. 946-950. Sibbel, Rainer/Hartmann, Felix: Potenziale elektronischer Marktplätze für das Beschaffungsmanagement, in: Wirtschaftswissenschaftliches Studium (31), 2002, S. 497-503. Swoboda, Peter: Investition und Finanzierung, 5. Auflage, Göttingen 1996. Wildemann, Horst: Das Just-in-Time-Konzept, 5. Auflage, München 2001. Wirtz, Bernd/Mathieu, Alexander: Erfolgsfaktoren und Perspektiven von B2B-Marktplätzen, in: Das Wirtschaftsstudium (31), 2002, S. 223-228. Zäpfel, Günther: Grundzüge des Produktions- und Logistikmanagements, 2. Auflage, München/Wien 2001.

Risikomanagement und E-Business von Dr. Fabian Thiemt1

1

Begriff des E-Business

Die Neuartigkeit und die Entwicklungsdynamik elektronisch unterstützter Markt- und Unternehmensprozesse haben bisher die Herausbildung allgemein akzeptierter einheitlicher Begriffe verhindert. Vielmehr wird in diesem Zusammenhang eine regelrecht inflationäre Verwendung von „E-Begriffen“ beklagt.2 Am häufigsten sind in der Literatur die Bezeichnungen „E-Commerce“ und „EBusiness“ zu finden, die oft als austauschbar angesehen werden. Dem wird hier nicht gefolgt. E-Commerce beschreibt die Nutzung von Telekommunikationsmedien und dabei vor allem des Internets als zentrales Medium zum Austausch, inklusive Einkauf und Verkauf, von Produkten und Dienstleistungen auf physischem oder digitalem Wege. Dagegen ist der Begriff E-Business weitergefasst, indem er auch den einem Einkauf oder Verkauf vorgelagerten Austausch von Informationen berücksichtigt, ohne dass zwangsläufig eine Geschäftstransaktion stattfinden muss.3 Das unterschiedliche Ausmaß der Abdeckung von marktlichen Transaktionsphasen durch die dem E-Commerce bzw. E-Business zu subsumierenden Aktivitäten verdeutlicht die nachfolgende Abbildung: E-Business

Informationsphase

Vereinbarungsphase

Abwicklungsphase

E-Commerce

Abb. 1:

Transaktionsphasen

Beim E-Business handelt es sich um einen neuen Weg des Managements, der Auswirkungen auf zahlreiche Elemente der unternehmerischen Wertschöp1 2 3

Dr. Fabian Thiemt, E.ON Energie AG, Geschäftsfeldsteuerung International/Services, Brienner Straße 40, 80333 München. Vgl. Picot, A./Reichwald, R./Wigand, R.T. (2003), S. 337. Vgl. Greenstein, M./Feinman, T.M. (2000), S. 1f.; Loebbecke, C. (2001), S. 95; Awad, E.M. (2002), S. 3-5; Schwarze, J./Schwarze, S. (2002), S. 17; Walzner, T. (2003), S. 4f.

112

Fabian Thiemt

fungskette haben kann.4 Dementsprechend lassen sich Regeln und Erfahrungen aus dem traditionellen Management nur bedingt auf das E-Business übertragen, wie folgende Entwicklungen beispielhaft zeigen:5 -

Informationstransparenz hinsichtlich Wettbewerbern und Zulieferern, Individualisierung von Massenmärkten, niedrige Markteintrittsbarrieren, Erfolgsrelevanz von Netzeffekten, hohe Bedeutung des Faktors Zeit.

Standen in der „Goldgräberstimmung“ zu Beginn des E-Business nahezu ausschließlich dessen Vorteile6 im Vordergrund, offenbarten sich im Laufe der Zeit auch eine Reihe gewichtiger Nachteile7, die es in das unternehmerische Kalkül einzubeziehen gilt, wenn ein Unternehmen dauerhaft erfolgreich tätig sein will. Diese Nachteile und daraus resultierende Risiken einer systematischen Betrachtung zu unterziehen, ist Gegenstand des Risikomanagements. Gemäß einer empirischen Untersuchung weisen E-Business-Aktivitäten bei kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) gegenüber Großunternehmen einen deutlich niedrigeren Verbreitungsgrad auf, so dass hier mit einigem Nachholbedarf zu rechnen ist.8 Dem Risikomanagement kommt bei KMU folglich insbesondere die Aufgabe zu, Entscheidungen über die Aufnahme und die konkrete Ausgestaltung gewisser E-Business-Aktivitäten zu unterstützen, indem die damit verbundenen Risiken transparent gemacht werden.

2

Risiko und Risikomanagement als grundlegende Begriffe

2.1

Risiko

Obwohl sich die betriebswirtschaftliche Forschung schon in der Anfangszeit dieser Disziplin mit dem Phänomen des Risikos beschäftigt hat, ist es bisher nicht gelungen, sich auf eine allgemeingültige Risikodefinition zu einigen. Der hier zugrunde gelegte Risikobegriff beruht auf zwei Komponenten: einer wertenden, wirkungsbezogenen sowie einer informatorischen, ursachenbezogenen Komponente.9 4 5 6 7 8 9

Vgl. Greenstein, M./Feinman, T.M. (2000), S. 9. Vgl. Horváth, P./Knust, P./Schindera, F. (2001), S. 46; Awad, E.M. (2002), S. 5. Vgl. dazu z.B. Hermanns, A./Sauter, M. (1999), S. 853f.; Greenstein, M./Feinman, T.M. (2000), S. 3-6; Awad, E.M. (2002), S. 13-17; Schwarze, J./Schwarze, S. (2002), S. 48-51. Vgl. dazu z.B. Hermanns, A./Sauter, M. (1999), S. 854f.; Awad, E.M. (2002), S. 17-20; Schwarze, J./Schwarze, S. (2002), S. 115-117. Vgl. KPMG (2000), S. 6. Vgl. Helten, E. (1979), S. 73-76; Braun, H. (1984), S. 26f.; Hölscher, R. (2000), S. 304.

Risikomanagement und E-Business

113

Die wertende, wirkungsbezogene Komponente orientiert sich allgemein an subjektiven Zielvorstellungen und umfasst somit negative Zielverfehlungen. Dadurch muss Risiko als subjektbezogener Begriff interpretiert werden, denn ein Tatbestand kann für die eine Person mit Risiko behaftet, für die andere Person zwar unsicher, aber frei von Risiko sein, wenn keine ihrer persönlichen Zielsetzungen gefährdet ist.10 Die informatorische, ursachenbezogene Komponente bezieht sich auf einen Informationszustand, der Risiko über objektive und subjektive Wahrscheinlichkeiten für das Eintreten zukünftiger Ereignisse beschreibt. Risiko ist somit die Möglichkeit der negativen Zielverfehlung aufgrund des unsicheren Informationszustandes.11 2.2

Risikomanagement

Das Hauptziel des Risikomanagements besteht darin, die Unternehmensführung zu unterstützen, die Unternehmensexistenz nachhaltig zu sichern. Hierfür ist es notwendig, alle Risiken zu berücksichtigen, die die Unternehmensexistenz gefährden können.12 Aufgabe des Risikomanagements ist es, gravierende Abweichungen von denjenigen Unternehmenszielen zu verhindern, die die Unternehmensleitung vorgibt.13 Um sämtliche Risiken berücksichtigen zu können, ist es erforderlich, Risikoaspekte bei allen Führungstätigkeiten zu berücksichtigen. Der Kernpunkt des Risikomanagements ist deshalb in der Erzeugung eines erhöhten Risikobewusstseins im gesamten Unternehmen zu sehen.14 Risikobewusstsein umfasst das Wissen über die ständig vorhandenen Risiken und deren Wirkungsmöglichkeiten.15

3

Prozess des Risikomanagements im E-Business

Die betriebswirtschaftliche Literatur ist sich durchaus bewusst, dass in einem Bereich wie dem E-Business in besonderem Maße Aktivitäten des Risikomanagements nötig sind. BITTNER und KRAUSE unterteilen die Risiken, denen EBusiness-Aktivitäten ausgesetzt sind, in Umwelt- und Prozessrisiken. Diese beiden grundsätzlichen Risikokategorien werden auf der nächsten Stufe noch weiter verfeinert.16 Ein anderer Vorschlag stammt von VIEHLAND, der seine Betrachtung auf die seiner Ansicht nach bedeutendsten drei aus der Vielzahl der poten10 11 12 13 14

Vgl. Streitferdt, L. (1973), S. 7f. Vgl. Helten, E. (1979), S. 73-76; Braun, H. (1984), S. 26f. Vgl. Braun, H. (1984), S. 57f.; Hahn, D. (1987), S. 138. Vgl. Mikus, B. (1996), S. 108. Vgl. Braun, H. (1984), S. 58f.; Hahn, D. (1987), S. 139; Fasse, F.-W. (1995), S. 19; Hinterhuber, H.H. (1998), S. 12; PricewaterhouseCoopers (1999), S. 20. 15 Vgl. Braun, H. (1984), S. 75. 16 Vgl. Bittner, M./Krause, E. (2001), S. 125f.

114

Fabian Thiemt

ziellen E-Business-Risiken beschränkt, nämlich auf das Wettbewerbsrisiko, das Übergangsrisiko und das Geschäftspartnerrisiko.17 Andere Risikoauflistungen, die hier nicht vertiefend behandelt werden sollen, fokussieren insbesondere das Internet als technologische Basis des E-Business. Im Rahmen der kommerziellen Internetnutzung wird immer wieder offensichtlich, dass dieses Medium nicht für wirtschaftliche Zwecke, sondern für einen ungehinderten Austausch von Informationen, Daten und Dateien entwickelt wurde. Die hierfür erforderliche Offenheit stellte in der Anfangszeit des Internets jedoch kein Problem dar, weil sich der Anwenderkreis auf eine ziemlich homogene Benutzergruppe beschränkte, die vorwiegend aus Wissenschaftlern bestand. Mit der Öffnung für eine breite Öffentlichkeit und der zunehmenden ökonomischen Internetnutzung traten eine Vielzahl an Sicherheitsrisiken zutage.18 Wie schon die Unterschiede der beiden Vorschläge verdeutlichen, handelt es sich bei diesem Vorgehen um autorenbezogene und exemplarische Darstellungsversuche, die nicht für sich in Anspruch nehmen können, auf sämtliche EBusiness-Aktivitäten anwendbar zu sein. Dieser Kritikpunkt wiegt schwer, weil die Geschäftsmodelle im E-Business äußerst heterogen sind. Unter einem Geschäftsmodell wird die vereinfachte modellmäßige Erfassung des Leistungssystems einer Unternehmung verstanden.19 Darüber hinaus ist gegen derartige Risikoklassifizierungen einzuwenden, dass ihre Unterteilungen nicht überschneidungsfrei sind. Beispielsweise ist bei dem Vorschlag von BITTNER/KRAUSE nicht eindeutig zu klären, wann ein Umwelt- oder ein Prozessrisiko vorliegt, handelt es sich bei der Abgrenzung der Unternehmensumwelt vom Unternehmen doch um ein nahezu klassisches betriebswirtschaftliches Problem.20 Weiterhin ist problematisch, dass bei dieser Vorgehensweise von Anfang an bestimmte Risiken ausgeblendet werden. Das geschieht bei BITTNER/KRAUSE, indem den Umweltnicht die Inweltrisiken gegenübergestellt werden, und VIEHLAND fokussiert von vornherein nur drei Risiken. Insbesondere in einem Bereich wie dem E-Business ist diese Selektion von Risiken sehr fragwürdig, trägt doch dessen Entwicklungsdynamik dazu bei, dass ein steter Wechsel bezüglich der gerade bedeutsamen Risiken vorliegt. Ein umfassender und systematischer Umgang mit Risiken ist mit den dargestellten Ansätzen folglich nicht möglich. Abhilfe schafft ein konsequentes Risikomanagement. Dessen Aufgaben lassen sich am Risikomanagementprozess festmachen, der in seinem Ablauf an den allgemeinen Managementprozess angelehnt ist. Das Schema umfasst die Phasen Risikoidentifikation, Risikobewertung, Risikobewältigung und Risikokontrolle,

17 18 19 20

Vgl. Viehland, D.W. (2002), S. 9-11. Vgl. Illik, J.A. (2002), S. 225f. Vgl. Corsten, H. (2003), S. 82. Vgl. dazu Schanz, G. (1994), S. 357f.

Risikomanagement und E-Business

115

wobei die beiden ersten Phasen häufig zur Risikoanalyse zusammengefasst werden.21 3.1

Risikoidentifikation

Die Risikoidentifikation stellt den Grundbaustein des Risikomanagementprozesses dar. Indem sich hier entstehende Mängel in die nachfolgenden Phasen fortpflanzen, beeinflusst diese Phase maßgeblich die Effektivität des gesamten Risikomanagementprozesses.22 Das Ziel der Risikoidentifikation besteht in der raschen, vollständigen und sorgfältigen Erfassung der bereits existierenden und der frühzeitigen Prognose zu erwartender Risiken.23 Die Vielfalt potenzieller unternehmensinterner und unternehmensexterner Risikobereiche führt zu einer hohen Komplexität der Risikoidentifikation. Diese Komplexität kann dadurch reduziert werden, dass Risikobereiche nach bestimmten Kriterien kategorisiert werden. Hier wird die Differenzierung in operative und strategische Risiken als sinnvoll erachtet, da sich anhand derer die zur Anwendung kommenden Methoden unterscheiden lassen. Im Gegensatz zu den vorab kritisierten Risikokategorisierungen deckt diese auch sämtliche Risiken ab. Bei strategischen Risiken handelt es sich um komplexe Problemsituationen, in denen globale Unternehmensziele gefährdet werden, so dass der Bestand des gesamten Unternehmens oder zumindest wesentlicher Unternehmensteile in Frage gestellt wird. Strategische Risiken wirken langfristig und hängen von zahlreichen Handlungsfaktoren ab. Daraus folgt ein hoher Grad informatorischer Unvollkommenheit, wodurch die Quantifizierung derartiger Risiken nahezu unmöglich wird. Demgegenüber erstrecken sich operative Risiken auf relativ einfach durchschaubare Problemsituationen wie einzelne Teilbereiche unternehmerischen Handelns. Da operative Risiken kurzfristig wirken, weisen sie einen geringeren Grad informatorischer Unvollkommenheit auf und lassen sich folglich einfacher quantifizieren.24 Während sich operative Risiken auf bestehende Geschäftsmodelle beschränken, beziehen strategische Risiken auch alternative Geschäftsmodelle mit ein. Die Ausfalleffektanalyse ist ein auf der Systemtheorie basierender Ansatz, der die Aufdeckung operativer Risiken bezweckt. Den Ausgangspunkt der Analyse stellt die Definition eines intakten Systems des Unternehmens dar, z.B. eines Online-Buchhändlers. Im Anschluss wird dieses System in solche Teilkomponenten zerlegt, die in Abhängigkeit von ihrer Größe gegebenenfalls einer wei21

Vgl. Fasse, F.-W. (1995), S. 78f.; Hänggi, R. (1996), S. 104; KPMG (1998), S. 16-27; Ostarhild, J. (1999), Hölscher, R. (2000), S. 317; Burger, A./Buchhart, A. (2002), S. 31. 22 Vgl. Hermann, D.C. (1996), S. 41; KPMG (1998), S. 17; Ostarhild, J. (1999), S. 15; Hölscher, R. (2000), S. 317; Gebhardt, G./Mansch, H. (2001), S. 151. 23 Vgl. Zellmer, G. (1990), S. 26f.; KPMG (1998), S. 17; Ostarhild, J. (1999), S. 15. 24 Vgl. Thiemt, F. (2003), S. 15.

116

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tergehenden Untergliederung bedürfen. Als Teilkomponenten bieten sich die Transaktionsphasen an, da sie bei sämtlichen E-Business-Geschäftsmodellen vorliegen. Die drei Phasen lassen sich dann noch tiefer untergliedern, wobei diese Differenzierung vom jeweiligen Geschäftsmodell abhängt. So umfasst etwa die Abwicklungsphase eine Lieferungs- und eine Zahlungsphase. Die Zahlung kann auf herkömmlichen Zahlungswegen, wie Rechnung, Nachnahme oder Lastschriftverfahren, und auch mit Hilfe elektronischer Zahlungssysteme25 durchgeführt werden. Für jede dieser Komponenten erfolgt dann eine Suche nach dem Ort der möglichen Fehlerentstehung sowie nach der Art und Weise, wie diese Fehler zum Ausdruck kommen.26 In diesen Schritt gilt es vor allem, die täglich mit der jeweiligen Komponente befassten Unternehmensmitarbeiter einzubeziehen, weil bei ihnen die größten Kenntnisse darüber zu vermuten sind. Der letzte Schritt untersucht, welche Störungen des Gesamtsystems durch die Störungen einzelner Komponenten hervorgerufen werden können. Ausgangspunkt:

Zerlegung des

Definition mög-

intaktes System

Systems in

licher Störungen

licher Störungen

Komponenten

der Komponenten

des Gesamtsystems

Abb. 2:

Ableitung mög-

Grundsätzliche Vorgehensweise der Ausfalleffektanalyse27

Während die Ausfalleffektanalyse ausgehend von einer gestörten Systemkomponente potenzielle Störungen eines nicht im Soll-Zustand befindlichen Systems ermittelt, führt die Fehlerbaumanalyse die Störung eines Gesamtsystems auf die relevanten Ursachen zurück. Für einen genau definierten Funktionsdefekt als Ausgangspunkt werden zunächst sekundäre Störungsursachen ermittelt, die einen direkten Zusammenhang zu dem Funktionsdefekt aufweisen, bevor diese in weitere sekundäre Störungsursachen zu untergliedern sind. Erst dann, wenn keine tiefergehende Aufgliederung mehr möglich ist, lassen sich die primären Störungsursachen benennen. Aus der Perspektive des Risikomanagements ergibt sich eine Baumstruktur, bei der ein hochaggregiertes Risiko in sekundäre und primäre Risiken zerlegt wird.28 Dient wieder ein Online-Buchhändler als Beispiel, kann ein Funktionsdefekt darin bestehen, dass Kunden keine Bestellungen absenden können. Hierfür lassen sich beispielsweise die Kapazität des Servers

25 26 27 28

Vgl. dazu Corsten, H. (2003), S. 92-102. Vgl. Hölscher, R. (2000), S. 318f. Modifiziert entnommen aus: Hölscher, R. (2000), S. 319. Vgl. Hölscher, R. (2000), S. 320.

Risikomanagement und E-Business

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des Online-Buchhändlers oder eine fehlerhafte Programmierung von dessen Homepage als sekundäre Störungsursachen anführen. Ausgangspunkt: gestörtes System

sekundäre Störungen

ggf. weitere sekundäre Störungen

primäre Störungen

Abb. 3:

Grundsätzliche Vorgehensweise der Fehlerbaumanalyse29

Beide Verfahren tragen durch einheitliche Formblätter zu einer stimmigen Dokumentation und vollständigen Identifikation operativer Risiken bei. Für einen kombinierten Einsatz beider Methoden spricht, dass die Fehlerbaumanalyse im Gegensatz zur Ausfalleffektanalyse Interdependenzen zwischen unterschiedlichen Risiken einbezieht.30 Des Weiteren fördern beide Verfahren durch das Mitwirken von Mitarbeitern die Sensibilisierung für Risiken und erfüllen somit eine Kernaufgabe des Risikomanagements. Das jeweilige Geschäftsmodell bedrohende Risiken dürften vor allem aus der hohen Marktdynamik im Rahmen des E-Business resultieren. Deswegen ist es von Bedeutung, mittels vorausschauender Risikoerkennung Zeit zu gewinnen. Ein Instrument, das hierfür geeignet zu sein scheint, sind Frühaufklärungssysteme der dritten Generation.31 Den Ausgangspunkt derartiger Frühaufklärungssysteme bildet die Überlegung, dass sich als Diskontinuitäten bezeichnete Trendbrüche oder Paradigmenwechsel durch „schwache Signale“ so frühzeitig ankündigen, dass noch Reaktionen durchführbar sind. Als schwache Signale werden in der Regel qualitative Informationen bezeichnet, wie etwa Meinungen oder Stellungnahmen bestimmter Persönlichkeiten oder Organisationen.32 Nicht nur durch die rechtzeitige Signalisierung bedeutsamer Ereignisse, sondern auch 29 30 31

Modifiziert entnommen aus: Hölscher, R. (2000), S. 321. Vgl. Hölscher, R. (2000), S. 320; Burger, A./Buchhart, A. (2002), S. 91. Zu Frühaufklärungssystemen der ersten, zweiten und dritten Generation vgl. Bea, F.X./Haas, J. (2005), S. 293-298. 32 Vgl. Bea, F.X./Haas, J. (2005), S. 299-306.

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durch die Berücksichtigung von Paradigmenwechseln scheint dieses Instrument für den Einsatz zur Risikoidentifikation im Rahmen des E-Business geradezu prädestiniert zu sein; denn in einem am Anfang seiner Entwicklung stehenden Bereich ist mit einer Vielzahl derartiger Trendbrüche zu rechnen. Somit handelt es sich hierbei um ein Verfahren zur Erfassung strategischer Risiken. Die Risikoidentifikation bezweckt die vollständige Erfassung aller Risiken. Dieses Ziel ist wenig realistisch und weiterhin unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten nicht vertretbar, weil die nötige Informationsbeschaffung zu hohe Kosten verursacht. Theoretisch liegt das optimale Ausmaß der Risikoidentifikation dort, wo der Grenzpreis der Informationsbeschaffung gleich ihrem Grenznutzen ist. Praktisch ist dieser Grenznutzen nicht ermittelbar, so dass anderweitige Lösungen zu suchen sind. Mitunter wird deswegen vorgeschlagen, sich auf die wesentlichen Risiken zu beschränken.33 In dieser frühen Phase kann es aber sehr gefährlich sein, Risiken von vornherein auszublenden. Schließlich lässt sich nur ex post feststellen, ob es sich um wesentliche Risiken handelt oder nicht.34 3.2

Risikobewertung

Das Ziel der Risikobewertung besteht in der qualitativen und quantitativen Beurteilung identifizierter Risiken.35 Mitunter bereitet es allerdings Schwierigkeiten, die Risikoidentifikation und die Risikobewertung trennscharf voneinander abzugrenzen, weil bereits die Risikoidentifikation Bewertungen beinhaltet.36 Während die qualitative Risikobewertung die Analyse der Ursache-WirkungsStruktur eines Risikos behandelt, erfolgt die quantitative Risikobewertung anhand der Risikodeterminanten Zielverfehlung, gemessen in Geldeinheiten, und Eintrittswahrscheinlichkeit.37 Aufgrund ihres Zukunftsbezugs sind die Risikodeterminanten Eintrittswahrscheinlichkeit und negative Zielverfehlung unsicher und lassen sich nur mittels subjektiver Schätzungen ermitteln. Zum einen hängt die Qualität derartiger Schätzungen vom Umfang der zur Verfügung stehenden Datenmenge ab. Zum anderen müssen die verfügbaren Daten auf gleichen oder zumindest ähnlichen Rahmenbedingungen beruhen. Nur wenn diese beiden Bedingungen erfüllt sind, lassen sich empirisch gehaltvolle Aussagen bezüglich der Bewertung identifizierter Risiken treffen.38 Und auch dieses Vorgehen ist insofern problematisch, als implizit unterstellt wird, dass sich eine in der Vergangenheit beobachtete Risikosituation auf eine neue Sachlage übertragen lässt. Weiterhin wird ange33 34 35 36 37

Vgl. KPMG (1998), S. 17; PricewaterhouseCoopers (1999), S. 9. Vgl. Thiemt, F. (2003), S. 34. Vgl. KPMG (1998), S. 21. Vgl. Hermann, D.C. (1996), S. 42. Vgl. Hänggi, R. (1996), S. 58; Hermann, D.C. (1996), S. 42f.; Hölscher, R. (2000), S. 323. 38 Vgl. Braun, H. (1984), S. 230f.

Risikomanagement und E-Business

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nommen, dass sich die Zukunft in keiner Weise von der Vergangenheit unterscheidet. Datenmaterial, das diesen hohen Anforderungen genügt, liegt häufig nur bei technischen Risiken vor, für die auch auf betriebsexterne Statistiken, z.B. von Versicherungsunternehmen, zurückgegriffen werden kann.39 Für Risiken im Bereich des E-Business dürfte die verfügbare Datenmenge zu gering sein, um damit die Risikobewertung zu fundieren. Zudem lässt die schnelle Veränderlichkeit im Unternehmensumfeld die Übertragbarkeit bekannter auf neue Sachlagen grundsätzlich fraglich erscheinen. Wenn sich keine Zahlenwerte für die beiden Risikodeterminanten abschätzen lassen, weil die beiden Bedingungen für empirisch gehaltvolle Aussagen nicht erfüllt sind, können Expertenschätzungen Abhilfe leisten. Als Experten können in diesem Fall wieder die Unternehmensmitarbeiter fungieren. Falls sich die beiden Risikodeterminanten Klassen zuordnen lassen, kann ein Risikoportfolio zum Einsatz kommen. Die Klasseneinteilung lässt sich unterschiedlich detailliert vornehmen. Im vorliegenden Fall wird es als hinreichend angesehen, die Ordinate bzw. Abzisse jeweils dreifach zu unterteilen, so dass sich eine Neunfelder-Portfoliomatrix ergibt:40 Eintrittswahrscheinlichkeit

• : Risiken •C wahrscheinlich

mittel

hoch 7

möglich

gering

•B

hoch 8

mittel 4

9 hoch

5

6

•A unwahrscheinlich

gering

gering 1

unbedeutend

Abb. 4:

mittel 2

moderat

3 wesentlich

negative Zielabweichung

Risikoportfolio41

Es ist für jedes identifizierte Risiko abzuschätzen, ob ein Risikoeintritt wahrscheinlich, möglich oder unwahrscheinlich bzw. die negative Zielabweichung wesentlich, moderat oder unbedeutend ist. Die Beurteilung der Zielabweichung beinhaltet die Berücksichtigung der jeweiligen Unternehmenssituation, denn 39 40 41

Vgl. Braun, H. (1984), S. 230f.; Fasse, F.-W. (1995), S. 81; Hölscher, R. (2000), S. 323f. Vgl. KPMG (1998), S. 22f. Modifiziert entnommen aus: KPMG (1998), S. 23.

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eine betragsmäßig exakt gleichgroße negative Zielabweichung zieht für ein KMU andere Konsequenzen nach sich als für ein Großunternehmen. In den Feldern 1, 2, 4 sind geringe, in den Feldern 3, 5, 7 mittlere und in den Feldern 6, 8, 9 hohe Risikopotentiale abgetragen. Ein großer Vorteil des Risikoportfolios, insbesondere auch für KMU, ist in der einfachen und anschaulichen Darstellung zu sehen. Durch die Klassifizierung der jeweiligen Betrachtungsobjekte trägt die Verwendung des Risikoportfolios zum Entstehen eines Risikobewusstseins bei und erfüllt damit eine wichtige Aufgabe des Risikomanagements. Da die Einschätzung der Ausprägungen der Portfoliodimensionen für ein Risiko selbst größerer Unsicherheit unterliegt, suggeriert die Darstellung in Punktform jedoch eine nicht vorhandene Sicherheit. Abhilfe kann in diesem Zusammenhang die Verwendung einer Punktewolke schaffen. Indem die Einschätzungen der Dimensionsausprägungen der daran beteiligten Experten nicht mehr in einem Durchschnittswert zusammengefasst, sondern als Punktewolke in das Portfolio eingezeichnet werden, lässt sich die Unsicherheit transparent machen. Weiterhin ist problematisch, dass die Abgrenzung der Achsen wie auch die Zuordnung der Eintrittswahrscheinlichkeiten zu den Klassen subjektiven Bewertungsakten unterliegen. Zudem kann die Dynamik im Zeitverlauf marginale Veränderungen hinsichtlich der Zuordnung zu den jeweiligen Klassen für Eintrittswahrscheinlichkeit bzw. negative Zielabweichung bewirken, wodurch sich die Einschätzung des betreffenden Risikos verändert. Mitunter wird gefordert, derartige Bewertungen quantitativ auszudrücken, weil auf diese Weise besser erkennbar sein soll, ob die Risiken eine Gefährdung der Unternehmensexistenz darstellen können, etwa bei drohender Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung. Dazu ist es erforderlich, die verbal abgefragten Einteilungen für die beiden Risikodeterminanten über Punkte- oder Intervallschemata im Nachhinein in Prozentwerte bei den Eintrittswahrscheinlichkeiten und in Geldeinheiten bei der negativen Zielabweichung zu überführen.42 Diesem Vorschlag sollte nur dann gefolgt werden, wenn sich die beteiligten Personen der Tatsache bewusst sind, dass die quantitative Bewertung in dieser Situation eine Genauigkeit vortäuscht, die tatsächlich nicht gegeben ist und die beispielsweise dazu führen kann, ein bestimmtes Risiko voreilig als ungefährlich für das Unternehmen einzustufen. Denn letztlich sind auch diese Risikobewertungen mit Unsicherheit behaftet.43 Unter Berücksichtigung der Komplexität sowie in Anbetracht von KostenNutzen-Aspekten empfiehlt sich eine Beschränkung auf jene Risikomomente, die weitreichende Konsequenzen für die Unternehmung als Ganzes oder einzelne Teilbereiche haben können, auch wenn ein derartiges Vorgehen suboptimal ist. Der Risikomanagementprozess wird immer wieder von neuem durchlaufen, so dass eine dauerhafte Ausblendung momentan weniger bedrohlicher Risiken 42 43

Vgl. Emmerich, G. (1999), S. 1082f. Vgl. Thiemt, F. (2003), S. 39f.

Risikomanagement und E-Business

121

vermieden wird und im Falle eines geänderten Bedrohungspotentials entsprechende Reaktionen eingeleitet werden können.44 Die weitere Betrachtung erstreckt sich somit nur auf diejenigen Risiken, denen im Risikoportfolio eine mittlere oder hohe Bedeutung beigemessen wurde. 3.3

Risikobewältigung

Gegenstand der Risikobewältigung sind die Suche, Auswahl und Durchsetzung von Maßnahmen zur Beeinflussung des Risikos, um den vom Unternehmen gewünschten Sicherheitsgrad zu realisieren. In diesem Zusammenhang stehen verschiedene Bewältigungsmaßnahmen zur Verfügung, die sich in ursachen- und wirkungsbezogene differenzieren lassen. Während ursachenbezogene Maßnahmen darauf abzielen, die Wahrscheinlichkeit des Eintritts ungünstiger Zustände zu reduzieren, setzen wirkungsbezogene Maßnahmen an der Risikodeterminante Zielabweichung an und bezwecken die Verminderung derartiger Zielabweichungen.45 In der Literatur werden vier grundsätzliche Maßnahmen der Risikobewältigung unterschieden:46 1. Bei der Risikovermeidung handelt es sich um eine sehr radikale Maßnahme der Risikobewältigung, weil sie das Unterlassen risikobehafteter betrieblicher Aktivität bedeutet. Eine Entscheidung für diese Maßnahme geht mit dem bewussten Verzicht auf Gewinn als Risikoprämie einher. Um Risikovermeidung handelt es sich beispielsweise dann, wenn ein Online-Buchhändler darauf verzichtet, Musik-CDs in sein Sortiment aufzunehmen. Sinnvoll ist diese Maßnahme bei Aktivitäten, die eine schwerwiegende Gefährdung der Unternehmensexistenz bedeuten und die sich gar nicht bzw. nicht mit vertretbarem Aufwand absichern lassen. Da hierbei sowohl die Wahrscheinlichkeit ihres Eintretens als auch die Höhe einer möglichen ungünstigen Zielabweichung auf null herabgesetzt werden, liegt eine simultan ursachen- und wirkungsbezogene Maßnahme vor. 2. Die Risikoverminderung kann entweder durch die Verringerung der Eintrittswahrscheinlichkeit oder der negativen Zielabweichung erreicht werden. Im ersten Fall liegt eine ursachen-, im zweiten Fall eine wirkungsorientierte Maßnahme vor. Um Risiken zu verringern, die daraus resultieren, dass die Kunden nicht diejenigen sind, die sie vorgeben zu sein, können beispielsweise Passwörter zur Anwendung kommen. Der Risikoverminderung ist die Risikodiversifikation zu subsumieren. Unter der Risikodiversifikation wird eine Risikostreuung verstanden. 44 45 46

Vgl. Fasse, F.-W. (1995), S. 82. Vgl. Mikus, B. (1999), S. 98. Vgl. Fasse, F.-W. (1995), S. 85-92; Hermann, D.C. (1996), S. 44f.; KPMG (1998), S. 23-25.

122

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3. Ziel der Risikoübertragung ist die Überwälzung möglicher Konsequenzen negativer Zielabweichungen auf andere Wirtschaftssubjekte (wie Zulieferer, Abnehmer oder auch Versicherungen) durch entsprechende Vertragsvereinbarungen. Da in diesem Fall an die Zielabweichungen angeknüpft wird, handelt es sich um eine wirkungsbezogene Maßnahme. 4. Im Rahmen des Risikoselbsttragens wird das Risiko bewusst selbst übernommen, beispielsweise bei kleineren Risiken oder bei Restrisiken, die trotz der Anwendung der übrigen Maßnahmen übrig bleiben. Eine Zuordnung zu ursachen- oder wirkungsbezogenen Bewältigungsmaßnahmen lässt sich nicht eindeutig durchführen. Im Zuge der Anwendung von Maßnahmen der Risikobewältigung in einem hoher Marktdynamik unterliegenden Bereich wie dem E-Business gilt es vor allem, deren Inkubationszeit zu berücksichtigen. Die Inkubationszeit beschreibt die Zeitspanne zwischen der Implementierung und dem Eintritt der Wirkung einer Maßnahme. Außerdem ist die Wirkungsdauer einer Risikobewältigungsmaßnahme, das heißt der Zeitraum zwischen erst- und letztmaliger Wirkung, zu beachten. Eng damit verbunden ist die Flexibilität im Sinne der Anpassungsfähigkeit von Risikobewältigungsmaßnahmen an Änderungen der jeweiligen Risikodeterminanten. Zudem sollte dem Umstand Rechnung getragen werden, dass Risikobewältigungsmaßnahmen Nebenwirkungen haben können, die andere Risiken hervorrufen oder in ihrer Höhe beeinflussen können.47 Hinsichtlich solcher Nebenwirkungen ist der Umstand zu beachten, dass das E-Business einen hohen Neuartigkeitsgrad aufweist und deswegen nur relativ geringe Kenntnisse über Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge vorliegen. Wurden solche Kenntnisse gewonnen, erschwert eventuell die Veränderungsdynamik deren Übertragbarkeit auf neue Tatbestände. Der Risikomanagement-Mix bezeichnet diejenige Kombination von Risikobewältigungsmaßnahmen, die den angestrebten Sicherheitsgrad zu minimalen Kosten realisiert. Die große Anzahl zu bewältigender Risiken und Kombinationen von Risikobewältigungsmaßnahmen erschwert diese Auswahl. Theoretisch ist derjenige Maßnahmenmix optimal, bei dem die Grenzkosten der Risikobewältigung gleich dem Grenznutzen der dadurch erreichten Sicherheit sind. In der Praxis dürfte dieses Optimum kaum zu finden sein. Während sich die jeweiligen Kosten messen lassen, ist der Nutzen in Form eines Sicherheitszuwachses kaum zu quantifizieren.48

47 48

Vgl. Stahl, W. (1992), S. 71f. Vgl. Farny, D. (1979), S. 30; Stahl, W. (1992), S. 74; Ostarhild, J. (1999), S. 30.

Risikomanagement und E-Business

3.4

123

Risikokontrolle

Die Risikokontrolle dient der Überprüfung der Wirksamkeit und Effizienz der durchgeführten Risikomanagementmaßnahmen in den vorangegangenen Prozessschritten. Im Kern handelt es sich hierbei um einen Lernprozess, der dazu beitragen soll, durch die Analyse tatsächlich oder beinahe eingetretener Risiken den nächsten Durchlauf des Risikomanagementprozesses effizienter zu gestalten. Zudem wird so das Risikobewusstsein der Mitarbeiter erhöht.49 Aufgrund der großen Veränderungsgeschwindigkeit im Umfeld des E-Business ist dem Risikomanagement große Bedeutung beizumessen, und es erscheint folglich empfehlenswert, den Risikomanagementprozess im Vergleich zu anderen Geschäftsmodellen häufiger zu durchlaufen. Ein Dilemma der Risikokontrolle liegt in der ex-post-Betrachtung begründet. Wenn eine bedeutende Zielabweichung eintritt, ohne dass entsprechende Risikobewältigungsmaßnahmen getroffen wurden, wird dem Risikomanagement Versagen unterstellt. Bleibt eine mögliche negative Zielabweichung aus, lässt sich die Notwendigkeit des Risikomanagements nur schwer belegen.50 Des Weiteren ist eine Überprüfung von Risikobewältigungsmaßnahmen ohne eingetretene Zielabweichung nicht möglich.51

4

E-Business-Risikomanagement

Das E-Business ist aufgrund seiner Neuartigkeit und Veränderungsdynamik in hohem Maße Risiken ausgesetzt. Dem tragen bestehende Literaturvorschläge zum Umgang mit diesen Risiken ebenso wenig Rechnung wie den Anforderungen an ein systematisches Risikomanagement. Ein solches wird jedoch ermöglicht, indem ein Risikomanagementprozess immer wieder von neuem durchlaufen wird. Dabei ist in der Phase der Risikoidentifikation der Unterscheidung in operative und strategische Risiken besondere Beachtung zu schenken, weil hierfür unterschiedliche Instrumente einzusetzen sind. Zur Identifikation operativer Risiken wurden die Ausfalleffekt- und die Fehlerbaumanalyse, zur Identifikation strategischer Risiken Frühaufklärungssysteme auf der Basis schwacher Signale vorgeschlagen. Die Risiken lassen sich mit Hilfe des Risikoportfolios bewerten. Für Risiken, denen dabei eine mittlere oder hohe Bedeutung beigemessen wurde, sind risikopolitische Maßnahmen zu erarbeiten. Den Abschluss des Risikomanagementprozesses bildet die Risikokontrolle. Während Frühaufklärungssysteme in Großunternehmen relativ weit verbreitet sind,52 lassen sich diesbezüglich für KMU nur Vermutungen anstellen. Tenden49 50 51 52

Vgl. Betz, S. (2001), S. 491. Vgl. Farny, D. (1979), S. 31f.; Hermann, D.C. (1996), S. 48. Vgl. Thiemt, F. (2003), S. 46. Vgl. Welge, M.K./Al-Laham, A. (1997), S. 797-799.

124

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ziell dürfte deren Verbreitungsgrad bei KMU allerdings geringer ausfallen, weil Planungs- und Kontrollsysteme53 dort grundsätzlich gegenüber Großunternehmen weniger genutzt werden54 und es sich bei Frühaufklärungssystemen um Bestandteile solcher Systeme handelt. Auch die Portfolio-Methode, der das Risikoportfolio zu subsumieren ist, kommt gemäß derselben empirischen Untersuchung in zahlreichen Großunternehmen zum Einsatz.55 Für die Anwendung der Portfolio-Methode bei KMU gelten ähnliche Überlegungen wie bei den Frühaufklärungssystemen. Daraus folgt für KMU die Notwendigkeit zur Einführung derartiger Instrumente des Risikomanagements gerade vor dem Hintergrund, dass sie im Vergleich zu Großunternehmen aufgrund ihrer in der Regel schlechteren finanziellen Möglichkeiten eine höhere Anfälligkeit gegenüber Risiken aufweisen. Im Zuge der Einführung der genannten Instrumente erwerben die Mitarbeiter der KMU zudem methodische Kenntnisse, die sich über das Risikomanagement hinaus im Rahmen von Planungs- und Kontrollaktivitäten nutzen lassen.

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53 54 55

Vgl. dazu Betz, S. (2002), Sp. 986-995. Vgl. Schanz, G. (1994), S. 318f. Vgl. Welge, M.K./Al-Laham, A. (1997), S. 799.

Risikomanagement und E-Business

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Fuzzyfizierte Deckungsbeitragsrechnung für Produkte auf elektronischen Märkten von Prof. Dr. Stefan Betz1

1

Problemstellung

Hat ein Unternehmen vor einem langfristigen Planungshorizont festgelegt, auf welchen Produktfeld-Markt-Segmenten es innerhalb der nächsten zehn Jahre aktiv werden bzw. bleiben will, so ist mittelfristig zu entscheiden, welche Produktfelder durch welche Produktgruppen konkretisiert werden sollen, bevor innerhalb eines kurzfristigen Planungszeitraums zur Diskussion steht, welche Produktarten aus welchen Produktgruppen in welchen Mengen hergestellt werden sollen2. Letztere Frage ist Gegenstand der operativen Produktionsprogrammplanung, im Rahmen derer vor einem Planungshorizont von bis zu einem Jahr bestimmt werden soll, welche Zusammensetzung des kurzfristigen Produktionsprogramms eine zuvor festgelegte Zielsetzung optimiert3. Forschung und Praxis unterstellen dabei als Produktionsstruktur in der Regel die mehrstufige Mehrproduktproduktion, die am ehesten in der Form einer verbundenen Produktion und nur in seltenen Fällen in der Ausprägung einer unverbundenen Produktion zu beobachten ist4. Dabei richten die wissenschaftlichen Untersuchungen zur operativen Produktionsprogrammplanung ihren Fokus teils auf die Alternativ- teils auf die Kuppelproduktion. Während letztere Produktionsstruktur nur dann vorliegt, wenn aus einem Produktionsprozess zwangsweise mindestens zwei Produktarten hervorgehen5, lässt sich die Alternativproduktion genau dann beobachten, wenn im Rahmen der Produktionsplanung ex ante entschieden werden kann, ob alternativ Produktart A oder B oder beide Produktarten gemeinsam hergestellt werden soll(en)6. Gegenstand des vorliegenden Beitrags ist der in der 1

2 3 4 5 6

Prof. Dr. Stefan Betz, Universität Paderborn, Fakultät für Wirtschaftswissenschaften, Lehrstuhl für Produktionsmanagement und Controlling, Warburger Str. 100, 33098 Paderborn. Vgl. Adam (2001), S. 129-131; Bloech u. a. (2004), S. 125-134; Hansmann (2001), S. 307-311. Vgl. Zahn/Schmid (1996), S. 260-290. Vgl. Adam (2001), S. 221-254. Vgl. Weber (1999), S. 140-143. Vgl. Bloech u. a. (2004), S. 133-140.

128

Stefan Betz

Realität häufiger zu beobachtende Fall einer mehrstufigen Alternativproduktion, für den das einperiodige Produktionsprogramm zieloptimal zu planen ist. Als Zielsetzungen werden dabei in Forschung und Praxis gleichermaßen die Gewinnmaximierung, die Deckungsbeitragsmaximierung oder die Kostenminimierung unterstellt7. Wenn man davon ausgeht, dass die Periodenerlöse von der Zusammensetzung des operativen Produktionsprogramms abhängen, während die Fixkosten kurzfristig entscheidungsirrelevant sind, empfiehlt sich als die zu verfolgende Zielsetzung in diesem Zusammenhang die Deckungsbeitragsmaximierung. In der Literatur existieren bereits etliche Untersuchungen zur operativen Planung des deckungsbeitragsmaximalen Produktionsprogramms bei mehrstufiger Alternativproduktion8. Dabei werden in der Regel drei Fälle unterschieden, deren Entstehen darauf zurückzuführen ist, dass zur jeweiligen Ermittlung des optimalen Produktionsprogramms drei verschiedene Wege einzuschlagen sind. Als Unterscheidungskriterium zwischen den drei genannten Fällen dient die Anzahl der unternehmensintern zu beobachtenden Engpässe, die die Herstellung sämtlicher Produktarten mit positivem Stückdeckungsbeitrag in ihren jeweiligen Absatzhöchstmengen verhindern. In den ersten beiden Fällen (kein bzw. ein Engpass) lassen sich die deckungsbeitragsmaximalen Produktionsmengen mit Hilfe einfacher Entscheidungskriterien (absoluter bzw. relativer Deckungsbeitrag) bestimmen; im dritten Fall (mehr als ein Engpass) sind dagegen Verfahren der linearen Programmierung einzusetzen. Der vorliegende Beitrag bezieht sich auf die ersten beiden Fälle, die in der Literatur unter der Annahme, dass alle entscheidungsrelevanten Parameter durch scharfe Zahlen zum Ausdruck gebracht werden, bereits eingehend diskutiert wurden. Rückt man nun allerdings von dieser einschränkenden Annahme ab, weil etwa die herzustellenden Produkte auf elektronischen Märkten mit noch auszuhandelnden Preisen9 verkauft werden, so bietet es sich an, für einzelne Parameter, wie zum Beispiel die Stückerlöse, unscharfe Zahlen oder unscharfe Intervalle zuzulassen10. Hierdurch wird u.a. eine Anpassung der zu verfolgenden Zielsetzung erforderlich: Man muss von der einfachen Deckungsbeitragsmaximierung zur Maximierung des fuzzyfizierten Deckungsbeitrags übergehen, wenn man das betriebswirtschaftliche Entscheidungsproblem einer Optimierung des operativen Produktionsprogramms lösen will. Somit lautet die im Rahmen des vorliegenden Beitrags zu beantwortende Fragestellung: Wie lässt sich vor einem kurzfristigen Planungshorizont das deckungsbeitragsmaximale Programm von auf elektronischen Märkten anzubietenden Pro7 8

Vgl. Adam (2001), S. 216-221. Vgl. Adam (2001), S. 221-249; Bloech u. a. (2004), S. 132-169; Zahn/Schmid (1996), S. 265-290. 9 Vgl. Henkel (2001), S. 9-11; Schwickert/Pfeiffer (2000), S. 10-18; Wirtz (2001), S. 331-338. 10 Vgl. zur Unschärfetheorie und zu ihrer Abgrenzung von der Wahrscheinlichkeitstheorie: Balke (2004), S. 43-45.

Fuzzyfizierte Deckungsbeitragsrechnung für Produkte auf elektronischen Märkten

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dukten ermitteln, wenn ausgewählte, entscheidungsrelevante Parameter fuzzyfiziert werden? Zur Lösung dieser Problemstellung wird der folgende Weg eingeschlagen: Kapitel 2 enthält die themenrelevanten Grundlagen zur Deckungsbeitragsrechnung bei Alternativproduktion sowie zur Fuzzy-Set-Theorie. Auf Basis dieser Grundlagen wird in Kapitel 3 aufgezeigt, wie sich mit Hilfe eines fuzzyfizierten absoluten Deckungsbeitrags11 ermitteln lässt, welche Produktarten in Absatzhöchstmengen herzustellen sind (Abschnitt 3.1.). In diesem Fall ist allerdings die Annahme zu treffen, dass kein unternehmensinterner Engpass vorliegt. Wenn dagegen ein Engpass zu beobachten ist, muss ein fuzzyfizierter relativer Deckungsbeitrag bestimmt werden, um entscheiden zu können, welche Produktarten in welchen Mengen gefertigt werden sollen (Abschnitt 3.2.). Kapitel 4 enthält dann eine kritische Beurteilung der gewonnenen Erkenntnisse, und Kapitel 5 liefert eine zusammenfassende Antwort auf die obige Fragestellung.

2

Themenrelevante Grundlagen

Im Folgenden werden die für den vorliegenden Beitrag wesentlichen Grundlagen zur Deckungsbeitragsrechnung einerseits und zur Fuzzy-Set-Theorie andererseits gelegt. Die Diskussion der Fragestellung, wie eine fuzzyfizierte Deckungsbeitragsrechnung für Produkte auf elektronischen Märkten konkret gelingen kann, ist Gegenstand des dritten Kapitels. 2.1

Deckungsbeitragsrechnung bei mehrstufiger Alternativproduktion

Die Vorgehensweise zur Ermittlung des deckungsbeitragsmaximalen Produktionsprogramms hängt bei mehrstufiger Alternativproduktion davon ab, auf wie vielen Fertigungsstufen des betrachteten Unternehmens die jeweilige Kapazität ausreicht, um alle Produktarten mit positivem Stückdeckungsbeitrag in Absatzhöchstmengen herzustellen12. Die Literatur unterscheidet hierbei die folgenden drei Fälle13: - kein Engpass, - ein Engpass, - mehr als ein Engpass.

11

Im Folgenden werden die Adjektive „unscharf“ und „fuzzyfiziert“ als synonyme Begriffe verwendet. 12 Vgl. Adam (2001), S. 221-249; Bloech u. a. (2004), S. 132-169; Zahn/Schmid (1996), S. 265-290. 13 Vgl. ebenda.

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2.1.1 Kein Engpass

Wenn keine vertraglich oder anders bedingten Verpflichtungen bestehen, bestimmte Produktarten in vorgegebenen Mengen herzustellen, sollten nur diejenigen Produktarten gefertigt werden und somit die Kapazitäten der verschiedenen Fertigungsstufen belasten, die mit einem positiven Stückdeckungsbeitrag verknüpft sind14. In die Überprüfung, ob eine der von den Produktarten zu durchlaufenden Fertigungsstufen einen Engpass darstellt, sind also nur diejenigen Produktarten einzubeziehen, für die gilt15: M

(1) DBn = p n − ∑ k mn > 0. m =1

Dabei bedeuten16: DBn : absoluter Stückdeckungsbeitrag der Produktart n, in [GE]/[PE], Stückerlös der Produktart n, in [GE]/[PE], k mn : variable Stückkosten der Produktart n auf Fertigungsstufe m, in [GE]/[PE].

pn :

Alle auf elektronischen Märkten anzubietenden Produktarten, für die Ungleichung (1) erfüllt ist, sollten in ihren jeweiligen Absatzhöchstmengen in das operative Produktionsprogramm aufgenommen werden17. Dies ist aber nur dann möglich, wenn die Herstellung der jeweiligen Absatzhöchstmengen auf keiner Fertigungsstufe zu einem Engpass führt18. Insofern ist für alle Stufen m = 1 (1) M zu prüfen, ob der jeweilige Kapazitätsbedarf bei Produktion der Absatzhöchstmengen von dem jeweiligen Kapazitätsfonds gedeckt werden kann. Ist dies für alle M Stufen der Fall, so liegt kein Engpass vor. Gilt hingegen für eine oder mehrere Fertigungsstufe(n), dass der jeweils vorhandene Kapazitätsvorrat von dem durch die Absatzhöchstmengen ausgelösten Kapazitätsbedarf übertroffen wird, so liegt ein bzw. mehr als ein Engpass vor, weshalb der absolute Deckungsbeitrag als für die Zusammensetzung des Produktionsprogramms relevantes Entscheidungskriterium nicht länger verwendbar ist. 2.1.2 Ein Engpass

Wenn die Kapazität genau einer Fertigungsstufe nicht ausreicht, um alle Produktarten mit positivem Stückdeckungsbeitrag in Absatzhöchstmengen herstellen zu können, dann muss entschieden werden, welche Produktarten in welchen 14 15

Vgl. zu Ausnahmen: Bloech u. a. (2004), S. 140. Für den Index n der Produktarten gilt: n = 1 (1) N, für den Index m der Fertigungsstufen: m = 1 (1) M. 16 Dabei steht [GE] für Geldeinheiten und [PE] für Produkteinheiten. 17 Vgl. Zahn/Schmid (1996), S. 265-267. 18 Vgl. Adam (2001), S. 221-224.

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Mengen produziert werden sollen. Das zugehörige Entscheidungskriterium ist der relative Deckungsbeitrag19, der inhaltlich zum Ausdruck bringt, welcher Deckungsbeitrag erwirtschaftet wird, wenn eine Engpasseinheit dazu genutzt wird, die jeweils betrachtete Produktart herzustellen. Formal lässt sich dieser relative Deckungsbeitrag wie folgt ermitteln20: (2) DBrn =

DBn a mn

mit21 DBrn : relativer Deckungsbeitrag der Produktart n, in [GE]/[FE], a mn :

Produktionskoeffizient der Produktart n auf der Engpassstufe m , in [FE]/[PE].

Für alle auf elektronischen Märkten angebotenen Produktarten mit positivem Stückdeckungsbeitrag wird dieser relative Deckungsbeitrag ermittelt. In der Reihenfolge abnehmender relativer Deckungsbeiträge werden dann so lange alle Produktarten mit ihren jeweiligen Absatzhöchstmengen in das operative Produktionsprogramm aufgenommen, bis der Kapazitätsfonds der Engpassstufe erschöpft ist22. Dieses in der Literatur allgemein anerkannte Procedere führt unter der Annahme eines Engpasses zur deckungsbeitragsmaximalen Zusammensetzung des operativen Produktionsprogramms, da die in Faktoreinheiten zum Ausdruck kommende knappe Kapazität der Engpassstufe von den unterschiedlichen Produktarten derart in Anspruch genommen wird, dass zunächst diejenigen Produktarten in maximal möglichen Mengen hergestellt werden, die pro knapper Engpasseinheit den größtmöglichen Deckungsbeitrag erwirtschaften. Sobald unter den zu durchlaufenden Fertigungsstufen mehr als ein Engpass zu identifizieren ist, kann das optimale Produktionsprogramm nicht mehr mit Hilfe einfacher Entscheidungskriterien bestimmt werden. 2.1.3 Mehr als ein Engpass

Das deckungsbeitragsmaximale Produktionsprogramm lässt sich im Fall mehrerer Engpässe grundsätzlich nur unter Einsatz von Methoden der linearen Programmierung ermitteln23. Als Zielfunktion bietet sich in diesem Zusammenhang

19 20 21 22 23

Vgl. ebenda, S. 224-227; Bloech u. a. (2004), S. 140-142; Zahn/Schmid (1996), S. 267-269. Vgl. Adam (2001), S. 226. Dabei steht [FE] für Faktoreinheiten. Vgl. Zahn/Schmid (1996), S. 268. Vgl. Corsten (2004), S. 239-258; Dyckhoff (2000), S. 221-227; Hansmann (2001), S. 339-352.

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die Maximierung des Gesamtdeckungsbeitrags an, wobei unterschiedliche Nebenbedingungen zu berücksichtigen sind: - Es dürfen nur nicht-negative Mengen produziert werden. - Die herzustellenden Mengen dürfen die maximal absetzbaren Mengen nicht übertreffen. - Die von den zu fertigenden Mengen beanspruchte Kapazität darf den vorgegebenen Kapazitätsfonds nicht übersteigen. Alle drei Arten von Nebenbedingungen sind als lineare Ungleichungen formulierbar, und auch die Zielfunktion ist linear, so dass die als Variablen zum Ausdruck kommenden, herzustellenden Mengen der elektronisch gehandelten Produktarten n = 1 (1) N mit Hilfe der Simplexmethode oder anderer Verfahren der linearen Programmierung in der Regel problemlos bestimmt werden können24. Dabei ist allerdings die Annahme zu treffen, dass sämtliche entscheidungsrelevanten Parameter gegeben und im Planungszeitraum konstant sind. Offen bleibt dagegen die Frage, wie das optimale Produktionsprogramm im Falle unscharf formulierter Parameter gefunden werden kann, wobei unmittelbar einsichtig ist, dass die Komplexität des jeweils einzuschlagenden Lösungsweges davon abhängt, wie viele Parameter zu welchem Grad fuzzyfiziert werden. Daher sollen im folgenden Abschnitt die Grundlagen der Fuzzy-Set-Theorie geklärt werden, bevor anschließend im dritten Kapitel für ausgewählte Parameter eine Fuzzyfizierung erfolgt und deren Implikationen für die operative Produktionsprogrammplanung analysiert werden. 2.2

Fuzzy-Set-Theorie

Der Grundgedanke der Fuzzy-Set-Theorie besteht darin, dass die zukünftigen Ausprägungen entscheidungsrelevanter Parameter und Variablen in der Regel nicht exakt prognostizierbar sind, sondern eher nur in unscharfen Bandbreiten vorhergesagt werden können25. Wenn beispielsweise erwartet wird, dass der zukünftige Stückerlös eines auf einem elektronischen Markt angebotenen Produktes „hoch“ ausfallen dürfte, dann ist mit dieser Erwartung ein bestimmtes Intervall von Stückerlösen verknüpft, innerhalb dessen die überwiegende Mehrheit von Fachleuten den zukünftigen Erlös pro Mengeneinheit als hoch einstufen dürfte. Außerhalb dieses Intervalls dürfte es an beiden Seiten jeweils noch eine Bandbreite von Stückerlösen geben, die zumindest von einem Teil der Fachleute als „hoch“ (statt „mittel“ bzw. „sehr hoch“) klassifiziert werden würden. Außerhalb des durch die beiden Bandbreiten ergänzten Intervalls dürfte man allerdings

24 25

Vgl. Bloech u. a. (2004), S. 156-169. Vgl. Mißler-Behr (2001), S. 29-38.

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kaum ein Urteil von Fachleuten finden, das den entsprechenden Stückerlös als „hoch“ kategorisieren würde. Die hier beispielhaft illustrierte Idee eines als zukünftig „hoch“ eingeschätzten Stückerlöses lässt sich auf beliebig viele betriebswirtschaftliche Sachverhalte übertragen. Insofern ist die Fuzzy-Set-Theorie dazu geeignet, im Rahmen der Lösung betriebswirtschaftlicher Entscheidungsprobleme eingesetzt zu werden26. Zukünftig unscharfe, nicht exakt prognostizierbare Tatbestände werden dabei durch so genannte Zugehörigkeitsfunktionen27 abgebildet, die jeweils zum Ausdruck bringen, zu welchem Grad die Ausprägung eines bestimmten Merkmals (z. B. Stückerlös) eine bestimmte Eigenschaft (z. B. hoch) erfüllt28. Der jeweilige Zugehörigkeitsgrad kann dabei zwischen 0 und 1 liegen. Für das Abbild von Zugehörigkeitsfunktionen existiert eine Vielfalt unterschiedlicher Möglichkeiten29. Durchgesetzt hat sich allerdings die Links-RechtsDarstellung unscharfer Intervalle, bei der einem bestimmten Teilbereich der möglichen Ausprägungen eines betrachteten Merkmals (der so genannten 1-Niveaumenge) ein Zugehörigkeitsgrad von 1 zugewiesen wird und bei der links und rechts von diesem Teilbereich Funktionsverläufe zum Ausdruck bringen, welcher Merkmalsausprägung welcher Zugehörigkeitsgrad zwischen 0 und 1 zugewiesen wird30. Handelt es sich bei diesen beiden so genannten Referenzfunktionen um Geraden31, so lässt sich die LR-Darstellung unscharfer Intervalle durch die folgende Abbildung illustrieren32:

26 27 28 29 30 31 32

Vgl. Klemm-Bax (2000); Mißler-Behr (2001); Steinrücke (1997). Vgl. Biewer (1997), S. 54-57; Erben (2000), S. 70-72; Mißler-Behr (2001), S. 38-41; Zimmermann (1996), S. 11-16. Anders ausgedrückt: Es geht um die Frage, zu welchem Grad ein betrachtetes Element x einer unscharfen Menge X zugehört. Vgl. Leisewitz (1999), S. 57-60. Vgl. zu alternativen, möglichen Verläufen von Zugehörigkeitsfunktionen: Klemm-Bax (2000), S. 38-44; Mißler-Behr (2001), S. 39; Tietze (1999), S. 53. Vgl. Mißler-Behr (2001), S. 53-57. Lineare Zugehörigkeitsfunktionen besitzen wegen ihrer Einfachheit die größte Anwendungsrelevanz. Vgl. Mißler-Behr (2001), S. 54. Vgl. ebenda, S. 50-57; Sibbel/Lutschewitz (2004), S. 41-43.

134

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μ (x) 1-Niveaumenge

1,0

0,5

x m

m -A A

A

mr + r

mr r

A

0-Niveaumenge

Abb. 1: Trapezförmige Zugehörigkeitsfunktion Das Intervall [ m A ; m r ] kennzeichnet die 1-Niveaumenge; die linke und die rechte Spannweite ( A bzw. r) bringen die beiden Bandbreiten, innerhalb derer die spezifizierte Eigenschaft des betrachteten Merkmals zu einem Zugehörigkeitsgrad von ] 0;1 [ erfüllt wird, zum Ausdruck. Außerhalb der 0-Niveaumenge trifft die ausgewählte Eigenschaft auf das betrachtete Merkmal nicht zu. Die formale Schreibweise für die graphisch abgebildete Zugehörigkeitsfunktion lautet33: (3) μ ( x ) = ( A; m A ; m r ; r ) Derartige LR-Darstellungen unscharfer Intervalle lassen sich für beliebig viele betriebswirtschaftlich relevante Plandaten, deren zukünftige Ausprägung – wie im Fall der elektronisch gehandelten Produkte – nur in der Form eines Intervalls angegeben werden kann34, heranziehen. Dabei ist es im Rahmen der Lösung betriebswirtschaftlicher Entscheidungsprobleme häufig erforderlich, arithmetische Operationen (wie Addition, Subtraktion, Multiplikation und Division) durchzuführen. Im Falle unscharfer Intervalle bedarf es hierzu der Anwendung klar definierter Regeln, die von der Literatur bereits vorgeschlagen wurden35. Welche von diesen Regeln warum für das im Rahmen des vorliegenden

Alternativ wäre als Schreibweise möglich: μ ( x ) = ( m A ; m r ; A; r ) . Vgl. Biewer (1997), S. 135-138. 34 Vgl. zum Dynamic Pricing: Jayaraman/Baker (2003), S. 470-477; Sackmann/Strüker (2006), S. 35-37; Wirtz (2001), S. 453-461. 35 Vgl. Biewer (1997), S. 144-151; Jenßen (1999), S. 104-106; Keuper (2002), S. 461-465; Mißler-Behr (2001), S. 57-60; Sibbel/Lutschewitz (2004), S. 41-43. 33

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Beitrags zu lösende Entscheidungsproblem zum Einsatz gelangen bzw. in welcher Form modifiziert werden sollen, wird im folgenden Kapitel diskutiert.

3

Fuzzyfizierte Deckungsbeitragsrechnung bei mehrstufiger Alternativproduktion

In Kapitel 2 sind u. a. die Grundlagen der operativen Produktionsprogrammplanung erläutert worden. Im Folgenden wird nun für die beiden Fälle eines fehlenden und eines vorhandenen Engpasses aufgezeigt, wie das deckungsbeitragsmaximale Produktionsprogramm ermittelt werden kann, wenn ausgewählte Parameter fuzzyfiziert werden. Für auf elektronischen Märkten angebotene Produkte ist dabei die unscharfe Formulierung des Stückerlöses von besonderer Bedeutung; trotzdem sollen auch andere für den Einsatz einer Deckungsbeitragsrechnung relevante Parameter fuzzyfiziert werden, damit die Erkenntnisse dieses Beitrags unschwer auf einen größeren Kreis von zu erstellenden Produkten übertragen werden können. 3.1

Kein Engpass

Reicht auf allen Fertigungsstufen die jeweilige Kapazität aus, um alle Produktarten mit positivem Stückdeckungsbeitrag in Absatzhöchstmengen herzustellen, liegt kein Engpass vor. Geht man davon aus, dass im Rahmen einer operativen Planung die Kapazitäten der verschiedenen Fertigungsstufen bekannt sind36, bleiben als Parameter, deren unscharfe Formulierung zu diskutieren ist, übrig: - der Stückerlös der Produktart n, mit n = 1 (1) N, - die variablen Stückkosten der Produktart n, mit n = 1 (1) N, auf der Stufe m, mit m = 1 (1) M, und - der Produktionskoeffizient der Produktart n, mit n = 1 (1) N, auf der Stufe m, mit m = 1 (1) M. Während die ersten beiden Parameter das hier relevante Entscheidungskriterium des absoluten Deckungsbeitrags in seiner Höhe determinieren37, beeinflusst der dritte Parameter lediglich den jeweiligen Kapazitätsbedarf auf den M Fertigungsstufen. Daher werden im Folgenden sowohl die Stückerlöse als auch die variablen Stückkosten fuzzyfiziert, wohingegen die Produktionskoeffizienten durch scharfe Zahlen zum Ausdruck gebracht werden, zumal ihre unscharfe

36 37

D. h. der Kapazitätsfonds jeder Fertigungsstufe ist als scharfe Zahl formulierbar. Vgl. Götze (2004), S. 152.

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Formulierung Gegenstand des Abschnitts 3.2. sein wird, da das dort relevante Entscheidungskriterium von der Höhe des Produktionskoeffizienten abhängt38. Das für den hier zu diskutierenden Fall „Kein Engpass“ relevante Entscheidungskriterium ist der absolute Deckungsbeitrag, der sich als Differenz aus Stückerlös und variablen Stückkosten ergibt. Wenn beide Größen unscharf formuliert werden, ist zur Ermittlung des absoluten Deckungsbeitrags als arithmetische Operation die Subtraktion zweier unscharfer Intervalle durchzuführen. Sei μ A ( x ) die Zugehörigkeitsfunktion des Minuenden und μ B ( x ) die Zugehörigkeitsfunktion des Subtrahenden, gelte außerdem für beide Funktionen39: (4) μ A ( x ) = ( A A ; mAA ; m rA ; rA ) und (5) μ B ( x ) = ( A B ; mAB ; m rB ; rB ) , dann lautet die Zugehörigkeitsfunktion der Differenz40: (6) μ A −B ( x ) = ( A A + rB ; m AA − m rB ; m rA − mAB ; rA + A B ) . Graphisch lässt sich die Subtraktion zweier Zugehörigkeitsfunktionen wie folgt illustrieren41: µ (x)

1,0

0,5

µA-B (x)

µ B (x)

µA (x)

x

Abb. 2: Subtraktion trapezförmiger Zugehörigkeitsfunktionen Die durch Gleichung (6) zum Ausdruck kommende Regel zur Durchführung einer Subtraktion zweier unscharfer Intervalle ist in der Literatur unumstritten42. 38 39 40

Vgl. Adam (2001), S. 226. Vgl. Gleichung (3). Vgl. Biewer (1997), S. 148; Hauke (1998), S. 67; Jenßen (1999), S. 85-86; Mißler-Behr (2001), S. 57-59; Sibbel/Lutschewitz (2004), S. 41-43. 41 Vgl. Mißler-Behr (2001), S. 58-59.

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Problematisch ist ihre Umsetzung innerhalb betriebswirtschaftlicher Entscheidungsprobleme genau dann, wenn die die Differenz A - B abbildende Zugehörigkeitsfunktion auch negative Ausprägungen des Merkmals x zulässt, diese jedoch ökonomisch nicht erwünscht oder nicht interpretierbar sind. Ersteres ist etwa beim Gewinn als Differenz aus Erlösen und Kosten, letzteres beispielsweise bei den im Rahmen des Target-Costing-Ansatzes diskutierten erlaubten Kosten als Differenz aus dem am Markt erzielbaren Stückerlös und dem stückbezogenen Plangewinn der Fall43. Für die unscharfe Produktionsprogrammplanung bei mehrstufiger Alternativproduktion ohne Engpass ist diejenige Konstellation ökonomisch unerwünscht, bei der eine Produktart n einen negativen absoluten Deckungsbeitrag erwirtschaftet. Insofern muss für jede elektronisch gehandelte Produktart n ermittelt werden, ob die Differenz aus Stückerlös und variablen Stückkosten tatsächlich auch positiv ist, damit die Herstellung von Produktart n empfohlen werden kann. Somit ist zu klären, unter welchen Bedingungen das Ergebnis einer unscharfen Subtraktion als positiv klassifizierbar ist44. Eine weiche Formulierung könnte lauten, dass eine unscharfe Differenz genau dann als positiv zu rubrizieren ist, wenn sämtliche Elemente der 1-Niveaumenge größer als 0 sind. Als strengere Bedingung könnte man allerdings auch formulieren, dass eine unscharfe Differenz nur dann als positiv einzustufen ist, wenn alle Elemente der 0Niveaumenge größer als 0 sind. Beide Bedingungen sind vertretbar, so dass die entsprechende Entscheidung im Vorfeld des Einsatzes der Fuzzy-Set-Theorie getroffen werden sollte. Wählt man die weiche Formulierung für den Tatbestand, wann eine unscharfe Differenz positiv ist, so dürften im Vergleich zur strengen Formulierung mehr Produktarten die Bedingung (1) erfüllen, weshalb die Wahrscheinlichkeit des Eintritts eines Engpasses größer sein dürfte. Wie im Falle des Vorhandenseins eines Engpasses das deckungsbeitragsmaximale Produktionsprogramm bestimmt werden kann, wenn ausgewählte Parameter fuzzyfiziert werden, wird im folgenden Abschnitt erläutert. 3.2

Ein Engpass

Wenn die Kapazität einer Fertigungsstufe nicht ausreicht, um alle elektronisch gehandelten Produktarten mit positivem Stückdeckungsbeitrag in Absatzhöchstmengen herzustellen, kann auch im Rahmen einer unscharfen Produktionsprogrammplanung mit Hilfe des relativen Deckungsbeitrags entschie-

42

Vgl. zu einer geringfügigen Modifikation: Jenßen (1999), S. 102-104; Sibbel/Lutschewitz (2004), S. 42-43. 43 Vgl. Götze (2004), S. 273. 44 Anders ausgedrückt: Es ist ein unscharfes Intervall (die Differenz) mit einer scharfen Zahl (null) zu vergleichen.

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den werden, welche Produktarten in welchen Mengen im optimalen Produktionsprogramm enthalten sein sollten. 3.2.1 Entscheidungskriterium: relativer Deckungsbeitrag

Gemäß Gleichung (2) ergibt sich der relative Deckungsbeitrag als Quotient aus absolutem Deckungsbeitrag und Produktionskoeffizient auf der Engpassstufe45. Lassen sich dann für Dividend und Divisor jeweils eine lineare Zugehörigkeitsfunktion formulieren, so ist für die Ermittlung des relativen Deckungsbeitrags ein Quotient aus zwei linearen Zugehörigkeitsfunktionen zu bilden. Für diese arithmetische Operation einer Division unscharfer Intervalle wird in der Literatur vorgeschlagen, das jeweilige Ergebnis nicht durch die exakte Lösung einer nicht-linearen Zugehörigkeitsfunktion, sondern durch die Näherungslösung einer linearen Zugehörigkeitsfunktion zum Ausdruck zu bringen46, da lineare Funktionsverläufe weitere Berechnungen erleichtern. Im Folgenden werden die beiden in der Literatur vorgeschlagenen Näherungslösungen47 dargestellt und anhand eines Vergleichs mit der exakten Lösung beurteilt. Anschließend wird eine weitere lineare Näherungslösung entwickelt, die die exakte Lösung genauer zu approximieren in der Lage ist. Gegeben sei μ A ( x ) als Zugehörigkeitsfunktion des Dividenden (hier: des absoluten Deckungsbeitrags) und μ B ( x ) als Zugehörigkeitsfunktion des Divisors (hier: des Produktionskoeffizienten auf der Engpassstufe). Beide Bestandteile des Quotienten (hier: des relativen Deckungsbeitrags) seien lineare Zugehörigkeitsfunktionen in LR-Darstellung, wie sie bereits durch die Gleichungen (4) und (5) zum Ausdruck gebracht wurden: (4) μ A ( x ) = ( A A ; mAA ; m rA ; rA ) und (5) μ B ( x ) = ( A B ; mAB ; m rB ; rB ) . Für den relativen Deckungsbeitrag als Quotient aus den beiden Zugehörigkeitsfunktionen (4) und (5) ergibt sich keine lineare Zugehörigkeitsfunktion, so dass die komprimierte Schreibweise von Gleichung (3) für den relativen Deckungsbeitrag nicht zum Einsatz gelangen kann. Vielmehr muss eine umständlichere, die Nicht-Linearität der Zugehörigkeitsfunktion berücksichtigende Schreibweise für den Quotienten gewählt werden48: 45 46

Vgl. Adam (2001), S. 226. Vgl. Biewer (1997), S. 149; Hauke (1998), S. 67; Jenßen (1999), S. 88; Mißler-Behr (2001), S. 57. 47 Im Folgenden werden diese beiden Näherungslösungen als Tangenten- und als Sekantenlösung bezeichnet. 48 Vgl. zu einer anderen Darstellungsform: Biewer (1997), S. 147.

Fuzzyfizierte Deckungsbeitragsrechnung für Produkte auf elektronischen Märkten

(7) μ A:B ( x ) =

139

μA ( x ) μB ( x )

⎧ m − AA wenn x ≤ AA ⎪0, m rB + rB ⎪ ⎪ m rB ⋅ x − m AA m AA − A A m + 1, wenn ≤ x ≤ AA ⎪ r x m r m rB A ⋅ + + B A rB B ⎪ ⎪⎪ m AA m rA wenn = ⎨1, ≤x≤ m rB m AB ⎪ ⎪ m rA − m AB ⋅ x m rA m +r + 1, wenn ≤ x ≤ rA A ⎪ A x r m m ⋅ + AB AB − A B A ⎪ B ⎪ m +r wenn x ≥ rA A ⎪0, m AB − A B ⎪⎩

Diese exakte Zugehörigkeitsfunktion eines Quotienten aus zwei linearen Zugehörigkeitsfunktionen in LR-Darstellung lässt sich graphisch wie folgt illustrieren49: μA:B (x)

1,0

0,5

m

AA

mr

B



AA

+ rB

m

AA

mrB

mrA m

G

AB

m rA + rA m

AB

x

− AB

Abb. 3: Exakte Zugehörigkeitsfunktion eines Quotienten zweier trapezförmiger Zugehörigkeitsfunktionen Um diesen nicht-linearen Verlauf der exakten Zugehörigkeitsfunktion eines Quotienten durch einen linearen Verlauf zu approximieren, sind in der Literatur zwei Vorschläge unterbreitet worden50, die im Folgenden dargestellt und beur49 50

Vgl. zu einem Zahlenbeispiel: ebenda, S. 140. Vgl. Dubois/Prade (1978), S. 619-622; Dubois/Prade (1980), S. 55-56.

140

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teilt werden sollen. In Anlehnung an die Art und Weise, wie man sich diese beiden Näherungslösungen graphisch veranschaulichen kann, werden sie im Rahmen dieses Beitrags als Tangenten- bzw. Sekantenlösung bezeichnet. (a)

Tangentenlösung (D. h. die linke und die rechte Referenzfunktion bilden jeweils eine Tangente an die exakte Zugehörigkeitsfunktion im linken bzw. rechten Eckpunkt der 1-Niveaumenge.) In diesem Fall lassen sich exakte und annähernde Zugehörigkeitsfunktion einer Division zweier linearer Zugehörigkeitsfunktionen wie folgt abbilden51: μ A:B (x)

1,0

0,5

mA A − A A m r B + rB

mA A mr B

m rA mA B

m rA + r A m B − AB A

x

Abb. 4: Tangentenlösung einer Division Für die graphisch dargestellte Tangentenlösung ist als komprimierte Formulierung der linearen Zugehörigkeitsfunktion möglich52:

(8)

T μ TA:B ( x ) = ( A TA:B ; m TA , A:B ; mTr, A:B ; rA:B )

⎛ A ⋅ m rB + rB ⋅ mAA mAA m rA A B ⋅ m rA + rA ⋅ mAB ⎞ ; ; ; =⎜ A ⎟. m 2rB m rB m AB m A2B ⎝ ⎠

In der Literatur besteht weitgehend Einigkeit darüber, dass die Tangentenlösung genau dann eine gute Approximation der exakten Zugehörigkeitsfunktion liefert, wenn die linken und die rechten Spannweiten der beiden Referenzfunk-

51

Die beiden Eckpunkte der 0-Niveaumenge der Tangentenlösung lassen sich problemlos bestimmen, ihr jeweiliger Term ist allerdings komplex, weshalb er in der Abbildung nicht enthalten ist. 52 Vgl. Biewer (1997), S. 149; Hauke (1998), S. 67; Jenßen (1999), S. 88; Mißler-Behr (2001), S. 57.

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tionen für Dividend und Divisor relativ gering sind53. Die positive Einschätzung der Tangentenlösung gilt also nur sehr eingeschränkt, da die genannte Bedingung häufig nicht erfüllt sein dürfte. Ein weiteres Problem der Tangentenlösung lässt sich recht deutlich an ihrer graphischen Illustration erkennen54: Die durch die linke, konkav verlaufende, exakte Referenzfunktion zum Ausdruck kommende Unschärfe wird durch die linke, linear verlaufende, annähernde Referenzfunktion der Tangentenlösung systematisch überschätzt; demgegenüber führt die Approximation der rechten, konvex verlaufenden, exakten Referenzfunktion durch die rechte, linear verlaufende, annähernde Referenzfunktion der Tangentenlösung zu einer systematischen Unterschätzung der entsprechenden Unschärfe55. Inwieweit die genannten Kritikpunkte auch auf die zweite von der Literatur vorgeschlagene Näherungslösung einer Division zweier linearer Zugehörigkeitsfunktionen zutreffen, wird im Folgenden untersucht. (b)

Sekantenlösung (D. h. die linke und die rechte Referenzfunktion bilden jeweils eine Sekante durch die exakte Zugehörigkeitsfunktion, und zwar als Verbindungslinie zwischen Anfangs- und Endpunkt der jeweiligen exakten Referenzfunktion.)

Graphisch lassen sich exakte und annähernde Zugehörigkeitsfunktion im Fall der Sekantenlösung wie folgt darstellen56: μ A:B (x)

1,0

0,5

m AA − A A m r B + rB

m AA mrB

m rA mA B

m rA + r A m −A AB B

x

Abb. 5: Sekantenlösung einer Division 53 54 55

Vgl. Dubois/Prade (1978), S. 620; Dubois/Prade (1980), S. 55. Es handelt sich hierbei um ein generelles und nicht nur punktuell auftretendes Problem. Dabei kann keine Aussage darüber getroffen werden, inwieweit sich Über- und Unterschätzung der jeweiligen Unschärfe kompensieren. 56 In Abhängigkeit von der Krümmung der jeweiligen exakten Referenzfunktion stellt sich eine unterschiedliche Qualität der Sekantenlösung ein.

142

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Zu dieser graphisch illustrierten Sekantenlösung lässt sich als lineare Zugehörigkeitsfunktion in komprimierter Fassung formulieren57:

(9)

S μsA:B ( x ) = ( ASA:B ; mSA , A:B ; mSr, A:B ; rA:B )

⎛ A ⋅ m rB + rB ⋅ m AA m AA m rA A B ⋅ m rA + rA ⋅ m AB ⎞ = ⎜⎜ A ; ; ; ⎟⎟ . ⎝ m rB ⋅ ( m rB + rB ) m rB m AB m AB⋅ ( m AB − A B ) ⎠

In der Literatur wird die Sekantenlösung genau dann empfohlen, wenn die linke und/oder die rechte Spannweite einer oder beider Referenzfunktion(en) nicht vernachlässigbar gering ist58. Insofern müsste die Sekantenlösung in der Praxis relativ häufig zum Einsatz gelangen. Nachteilig ist jedoch, dass die durch die linke, exakte Referenzfunktion zum Ausdruck kommende Unschärfe wegen ihres konkaven Funktionsverlaufs durch die zugehörige Sekante systematisch unterschätzt wird, wohingegen die rechte, exakte Referenzfunktion wegen ihres konvexen Verlaufs durch eine Sekante approximiert wird, die eine systematische Überschätzung der entsprechenden Unschärfe zur Folge hat. Vergleicht man die beiden Näherungslösungen der Literatur miteinander, so wird offensichtlich, dass beide Lösungen unbefriedigend sind, da die durch die exakte Zugehörigkeitsfunktion zum Ausdruck kommende Unschärfe von beiden Näherungslösungen teils über-, teils unterschätzt wird. Insofern erscheint es angebracht, nach einer Näherungslösung zu suchen, die die exakte Zugehörigkeitsfunktion besser als die beiden vorgestellten Lösungen zu approximieren in der Lage ist. Die Abbildungen der beiden Literatur-Lösungen lassen bereits vermuten, dass eine Zwischenlösung empfehlenswert sein könnte. Die Grundidee, der im Folgenden nachgegangen wird, lautet dabei: Gesucht ist diejenige lineare Zugehörigkeitsfunktion, für die die Fläche zwischen exakter und annähernder (linker bzw. rechter) Referenzfunktion jeweils minimal wird. Wegen des konkaven (bzw. konvexen) Verlaufs der linken (bzw. rechten) Referenzfunktion59 müssen die beiden approximativen, linearen Referenzfunktionen ihr jeweiliges exaktes Pendant schneiden60. Offen bleibt allerdings, wo genau dieser Schnittpunkt liegt. Seine Bestimmung ist unter der o. g. Zielsetzung einer Minimierung der Fläche zwischen exakter und annähernder Zugehörigkeitsfunktion allgemein gültig und eindeutig möglich, allerdings sehr aufwändig.

57

Man erkennt, dass Gleichung (9) in Gleichung (8) übergeht, wenn der Sonderfall rB = A B = 0 eintritt.

58 59 60

Vgl. Biewer (1997), S. 146. Vgl. ebenda, S. 140. Hierdurch tritt das Problem ein, dass die zur Flächenermittlung einzusetzende Integralrechnung positive und negative Ergebnisse liefern wird, deren Saldierung im Rahmen der Gesamtflächenbestimmung zu verhindern ist.

Fuzzyfizierte Deckungsbeitragsrechnung für Produkte auf elektronischen Märkten

143

Die im Folgenden als „Flächenminimierungslösung“ bezeichnete dritte Variante einer Näherungslösung führt zu nachstehender Graphik61: μ A:B (x)

1,0

0,5

x m AA − A A m r B + rB

mA A mr B

m rA + r A mA − A B B

m rA mA B

Abb. 6: Flächenminimierungslösung einer Division Die hier abgebildete, annähernde Zugehörigkeitsfunktion lässt sich formal in komprimierter Fassung wie folgt darstellen62: F (10) μ FA:B ( x ) = ( A FA:B ; m AF, A:B ; m Fr, A:B ; rA:B )

⎛ A A ⋅ m rB + rB ⋅ m AA m m A B ⋅ m rA + rA ⋅ m AB =⎜ ; AA ; rA ; ⎜ m rB ⋅ m rB + 0,5 ⋅ rB m rB m AB m AB ⋅ m AB − 0,5 ⋅ A B ⎝

(

)

(

)

⎞ ⎟. ⎟ ⎠

Die Flächenminimierungslösung (10) ist eine der Tangenten- und Sekantenlösung gleichermaßen überlegene Approximation für den Quotienten aus zwei linearen Zugehörigkeitsfunktionen63. Insofern ist es auch problemlos möglich, für den relativen Deckungsbeitrag als Quotient aus absolutem Deckungsbeitrag und Produktionskoeffizienten der Engpassstufe eine Zugehörigkeitsfunktion mit Hilfe der Flächenminimierungslösung zu formulieren64. Somit ist es gelungen, einen gangbaren Weg zur Ermittlung des unscharfen relativen Deckungsbeitrags aufzuzeigen, so dass nun als zweiter Schritt im Rahmen der fuzzyfizierten Deckungsbeitragsrechnung mit einem Engpass die 61

Auch in diesem Fall lassen sich die beiden Eckpunkte der 0-Niveaumenge der Näherungslösung problemlos bestimmen. Da beide Terme allerdings sehr komplex sind, fehlen sie in der Abbildung aus Gründen der Übersichtlichkeit. 62 Gleichung (10) geht für den Sonderfall r = A = 0 in Gleichung (8) über. B B 63

Die tatsächlich zu beobachtende Unschärfe wird weder über- noch unterschätzt, und dieser Vorteil der Flächenminimierungslösung wird nicht durch eine unangemessen zunehmende Komplexität der Näherungslösung (10) erkauft. 64 Die Entwicklung einer neuen Näherungslösung erfüllt also keinen Selbstzweck.

144

Stefan Betz

relativen Deckungsbeiträge aller Produktarten in eine fallende Reihenfolge zu bringen sind. 3.2.2 Reihung der Produktarten mittels Flächenhalbierungsverfahrens

Im vorangegangenen Abschnitt ist erläutert worden, wie für eine Produktart n die Zugehörigkeitsfunktion ihres jeweiligen relativen Deckungsbeitrags ermittelt werden kann. Problematisch ist nun allerdings, diese zum Teil sehr unterschiedlich verlaufenden Zugehörigkeitsfunktionen in eine Rangordnung fallender relativer Deckungsbeiträge zu bringen, da sich die angesprochenen Verläufe zum Teil überschneiden und zum Teil in ihrem Kern und/oder ihren Spannweiten erheblich differieren65. Nach einem Vorschlag aus der Literatur, dem sog. Flächenhalbierungsverfahren66, lässt sich das Problem der Bildung einer Reihenfolge unterschiedlicher Merkmalsausprägungen wie folgt lösen: (a) Für jede Zugehörigkeitsfunktion wird diejenige Stelle x H (d. h. hier: derjenige relative Deckungsbeitrag DBrH ) identifiziert, bei der (bzw. dem) die Fläche unterhalb der Zugehörigkeitsfunktion halbiert wird67. Beispiel: μ

(x )

1,0

0,5

x xH

Abb. 7: Flächenhalbierungsverfahren (b) Nach Bestimmung der Flächenhalbierungspunkte für alle N Produktarten bildet man eine fallende Reihenfolge dieser x H − Werte. (c) In dieser Rangfolge werden dann die Produktarten mit ihrer jeweiligen Absatzhöchstmenge auf der Engpassstufe eingeplant, bis deren Kapazität erschöpft ist68. 65 66

Vgl. zu einer diesbezüglichen graphischen Darstellung: Mißler-Behr (2001), S. 61. Vgl. ebenda, S. 60-63. 67 Dabei kann x im Bereich der linken Spannweite, im Gipfelbereich oder im Bereich der H rechten Spannweite liegen.

Fuzzyfizierte Deckungsbeitragsrechnung für Produkte auf elektronischen Märkten

145

Bei dieser Vorgehensweise tritt das folgende Problem auf: Unabhängig davon, ob der Kapazitätsfonds der Engpassstufe vor Einplanung jedweder elektronisch gehandelten Produktart eine scharfe oder unscharfe Zahl darstellt, gehört zu dem Kapazitätsfonds der Engpassstufe nach Einplanung der ersten (und jeder weiteren) Produktart ein unscharfes Intervall mit linearer Zugehörigkeitsfunktion in LR-Darstellung69. Hieraus ergibt sich die Frage, ob die Kapazität der Engpassstufe genau dann erschöpft ist, wenn erstmals das niedrigste Element oder das zum Flächenhalbierungspunkt gehörende Element oder das größte Element der 0-Niveaumenge der die unscharfe Restkapazität der Engpassstufe abbildenden Zugehörigkeitsfunktion den Wert 0 annimmt. Aus Konsistenzgründen wird in diesem Zusammenhang vorgeschlagen, das zum Flächenhalbierungspunkt gehörende Element als Entscheidungsgrundlage auszuwählen70. Insofern sind sowohl für die Bildung der Reihenfolge aller N Produktarten wie auch für die anschließend durchzuführende Kapazitätsbelastungsrechnung mehrfach Flächenhalbierungspunkte zu ermitteln, wie auch durch den folgenden Abschnitt deutlich wird, im Rahmen dessen die unscharfe Produktionsprogrammplanung bei mehrstufiger Alternativproduktion mit einem Engpass durch ein konkretes Zahlenbeispiel veranschaulicht wird. 3.2.3 Illustration anhand eines Beispiels

Für drei auf elektronischen Märkten angebotene Produktarten A, B und C seien sowohl für die jeweiligen absoluten Deckungsbeiträge als auch für die jeweiligen Produktionskoeffizienten auf der Engpassstufe die folgenden linearen Zugehörigkeitsfunktionen in LR-Darstellung gegeben71: (a) Produktart A

a μ DB A ( x ) = ( 4; 8;10, 2 ) und μ A ( x ) = ( 0,5;1; 2;1)

(b) Produktart B

a μ DB B ( x ) = ( 8;12;14;1) und μ B ( x ) = ( 0, 25;1;1; 3 )

(c) Produktart C

μ CDB ( x ) = (10; 36; 60; 40 ) und μ Ca ( x ) = (1; 5; 6; 2 )

68 69

Vgl. Abschnitt 2.1.2. Wenn der Subtrahend im Rahmen einer Differenz durch eine lineare Zugehörigkeitsfunktion in LR-Darstellung zum Ausdruck gebracht wird, dann ist das Ergebnis einer Subtraktion unabhängig vom Tatbestand, ob der Minuend scharf oder unscharf formuliert wird, ebenfalls eine lineare Zugehörigkeitsfunktion in LR-Darstellung. Vgl. Mißler-Behr (2001), S. 57-59. 70 Der Flächenhalbierungspunkt der den jeweiligen relativen Deckungsbeiträgen zugewiesenen Zugehörigkeitsfunktionen hat die Rangfolge, in der die verschiedenen Produktarten in das operative Produktionsprogramm eingeplant werden, determiniert. 71 Vgl. Gleichung (3).

146

Stefan Betz

Mit Hilfe von Gleichung (7) lassen sich dann für alle drei Produktarten die exakten Zugehörigkeitsfunktionen der relativen Deckungsbeiträge ermitteln. Dabei handelt es sich in allen drei Fällen um nicht-lineare Funktionsverläufe, wie durch die unten stehenden Gleichungen und Abbildungen deutlich wird72. Da die relativen Deckungsbeiträge der drei Produktarten in eine fallende Reihenfolge gebracht werden sollen73, enthalten alle Abbildungen der jeweiligen exakten Zugehörigkeitsfunktion des relativen Deckungsbeitrags den entsprechenden Flächenhalbierungspunkt, anhand dessen dann im Anschluss die abnehmende Rangfolge festgelegt werden kann. Für die drei auf elektronischen Märkten angebotenen Produktarten erhält man somit als Zugehörigkeitsfunktionen ihres relativen Deckungsbeitrags: (a) Produktart A ⎧ ⎪0, ⎪ ⎪3 x − 4 , ⎪ x+4 ⎪ rDB μ A ( x ) = ⎨1, ⎪ 24 − x ⎪ , ⎪ x+4 ⎪0, ⎪ ⎩

wenn x ≤

4 3

4 ≤x≤4 3 wenn 4 ≤ x ≤ 10

wenn

wenn 10 ≤ x ≤ 24 wenn x ≥ 24

Graphische Veranschaulichung74: μ Ar DB( x ) 1,0

0,75

0,5

0,25

6

xH

12

18

24

x

A

Abb. 8: Zugehörigkeitsfunktion des relativen Deckungsbeitrags von Produktart A 72

Anhand der Abbildungen wird ferner ersichtlich, dass die linken Referenzfunktionen jeweils konkav verlaufen, während die rechten Referenzfunktionen jeweils konvex gekrümmt sind. Vgl. zu weiteren Beispielen: Biewer (1997), S. 140. 73 Vgl. Abschnitt 2.1.2. 74 Vgl. zu weiteren Beispielen: Mißler-Behr (2001), S. 60-63.

Fuzzyfizierte Deckungsbeitragsrechnung für Produkte auf elektronischen Märkten

147

Entsprechende Berechnungen75 führen zum Flächenhalbierungspunkt von: x ≈ 8,95. H A

(b) Produktart B ⎧0, ⎪ 4x − 4 ⎪ , ⎪ 3x + 8 ⎪ μ rDB B (x) = ⎨1, ⎪ 60 − 3x ⎪ , ⎪ x+4 ⎪⎩0,

wenn x ≤ 1 wenn 1 ≤ x ≤ 12 wenn 12 ≤ x ≤ 14 wenn 14 ≤ x ≤ 20 wenn x ≥ 20

Graphische Veranschaulichung76: r DB

μ B (x)

1,0 0,75 0,5 0,25 4

8

H

x B 12

16

20

x

Abb. 9: Zugehörigkeitsfunktion des relativen Deckungsbeitrags von Produktart B Für den Flächenhalbierungspunkt ergibt sich: x HB ≈ 10,38.

75 76

Hierbei ist auf die Integralrechnung zurückzugreifen. Dass der Flächenhalbierungspunkt nicht innerhalb des Gipfelbereichs liegt, dürfte eher die Ausnahme sein.

148

Stefan Betz

(c) Produktart C ⎧0, ⎪ 4x − 13 ⎪ , ⎪ x+5 ⎪ μ CrDB (x) = ⎨1, ⎪100 − 4x ⎪ , ⎪ x + 40 ⎪⎩0,

wenn x ≤ 3, 25 wenn 3, 25 ≤ x ≤ 6 wenn 6 ≤ x ≤ 12 wenn 12 ≤ x ≤ 25 wenn x ≥ 25

Graphische Veranschaulichung77: r DB

μ C (x)

1,0 0,75 0,5 0,25

5

H 10 x C 15

20

25

x

Abb. 10: Zugehörigkeitsfunktion des relativen Deckungsbeitrags von Produktart C Als Flächenhalbierungspunkt lässt sich ermitteln: x CH ≈ 11, 26. Auf der Grundlage der exakten Zugehörigkeitsfunktionen78 lautet die Einplanungsreihenfolge der drei Produktarten: C – B – A. Hat man statt der exakten Zugehörigkeitsfunktionen die drei oben vorgestellten Näherungslösungen mit ihren linearen Zugehörigkeitsfunktionen in LRDarstellung gewählt, so erhält man die folgenden Flächenhalbierungspunkte und Einplanungsreihenfolgen:

77

Eine geringfügige Erhöhung von A ac hätte zur Folge, dass der Flächenhalbierungspunkt im Bereich der rechten Referenzfunktion läge. Vgl. zu unterschiedlichen Lagen der Flächen-halbierungspunkte: Mißler-Behr (2001), S. 61. 78 Genauer: ihrer Flächenhalbierungspunkte.

Fuzzyfizierte Deckungsbeitragsrechnung für Produkte auf elektronischen Märkten

149

- auf Basis der Tangentenlösung79: x TA ≈ 7, 75; x TB ≈ 1,99; x TC ≈ 10, 68

Rangordnung: C – A – B, - auf Basis der Sekantenlösung80: x SA ≈ 9,83; x SB ≈ 11, 75; x SC ≈ 11,56

Rangordnung: B – C – A, - auf Basis der Flächenminimierungslösung81: x FA ≈ 8,97; x BF ≈ 10, 79; x CF ≈ 11, 29

Rangordnung: C – B – A. Es zeigt sich somit, dass die drei Näherungslösungen zu unterschiedlichen Einplanungsreihenfolgen führen können, so dass die Zusammensetzung des gesuchten operativen Produktionsprogramms je nach eingesetzter Näherungslösung unterschiedlich ausfallen kann. Für die Einplanungsreihenfolge, die sich auf Basis der exakten Zugehörigkeitsfunktionen ergeben hat, wird im Folgenden anhand einer Kapazitätsbelastungsrechnung aufgezeigt, wie sich das deckungsbeitragsmaximale Produktionsprogramm ermitteln lässt82. Hierzu seien neben den obigen Informationen die folgenden Daten gegeben: Die Absatzhöchstmenge belaufe sich für alle drei Produktarten auf jeweils 1000 Produkteinheiten pro Planungszeiteinheit, und als Kapazität der Engpassstufe sei ein Fonds von 8000 Faktoreinheiten83 pro Planungszeiteinheit verfügbar84. Die Einplanungsreihenfolge C – B – A signalisiert nun, dass in einem ersten Schritt zu prüfen ist, ob die Kapazität der Engpassstufe ausreicht, um Produktart C in Absatzhöchstmenge herstellen zu können. Die Zugehörigkeitsfunktion der Restkapazität der Engpassstufe nach Einplanung von Produktart C lautet85: (0; 8000; 8000;0) – (1; 5; 6; 2) · 1000 = (0; 8000; 8000;0) – (1000; 5000; 6000; 2000) = (2000; 2000; 3000; 1000).

79 80 81 82

Vgl. Gleichung (8). Vgl. Gleichung (9). Vgl. Gleichung (10). Es ist unmittelbar einsichtig, dass unterschiedliche Einplanungsreihenfolgen zu unterschiedlichen Produktionsprogrammen führen können. Dies muss nicht nachgewiesen werden. 83 Bei den Faktoreinheiten kann es sich auch um Kapazitätszeiteinheiten handeln. 84 Die Ausgangskapazität der Engpassstufe wird als scharfe Zahl formuliert. 85 Vgl. zur Multiplikation von Skalaren mit linearen Zugehörigkeitsfunktionen in LR-Darstellung: Sibbel/Lutschewitz (2004), S. 42.

150

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Für diese Zugehörigkeitsfunktion86 ist nun zu prüfen, ob ihr Flächenhalbierungspunkt noch positiv ist87. Man erhält: x HRest = 2250 > 0.

Somit ist in einem zweiten Schritt zu eruieren, ob Produktart B, die an zweiter Position der Einplanungsreihenfolge steht, ebenfalls in Absatzhöchstmenge hergestellt werden kann. Die neue Restkapazität nach Einplanung von Produktart B lautet: (2000; 2000; 3000; 1000) – (250; 1000; 1000; 3000) = (5000; 1000; 2000; 1250). Auch hier ist zu klären, ob der Flächenhalbierungspunkt positiv ist88. Es ergibt sich: x HRest ≈ 541, 48 > 0.

In einem dritten und letzten Schritt ist festzustellen, in welchem Umfang die verbliebene Produktart A noch in das Produktionsprogramm eingeplant werden kann89. Die vom Output der Produktart A abhängige Restkapazität nach Einplanung von A lautet: (5000; 1000; 2000; 1250) – (0,5xA; 1xA; 2xA; 1xA) = (5000 + xA; 1000 – 2xA; 2000 – xA; 1250 + 0,5xA). Nach einigen Vorüberlegungen90 wird deutlich, dass der gesuchte Flächenhalbierungspunkt x HRest = 0

im Kernbereich der die Restkapazität der Engpassstufe nach Einplanung von Produktart A zum Ausdruck bringenden Zugehörigkeitsfunktion liegen muss. Bei einer Gesamtfläche unterhalb dieser Zugehörigkeitsfunktion im Umfang von 1,75 · xA + 4125

86 87 88 89 90

Die Subtraktion von trapezförmigen Zugehörigkeitsfunktionen führt stets wieder zu trapezförmigen Zugehörigkeitsfunktionen. Vgl. Rommelfanger (1994), S. 43. Nur dann kann von einer positiven Restkapazität ausgegangen werden, die für weitere Produktarten verplanbar ist. Wäre der Flächenhalbierungspunkt negativ, so lautete die Konsequenz, dass von Produktart B weniger als die Absatzhöchstmenge herstellbar wäre. Hierbei kann es sich nicht um die Absatzhöchstmenge handeln, da ansonsten kein Engpass vorläge. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass gelten muss: 0 < xA < 1000.

Fuzzyfizierte Deckungsbeitragsrechnung für Produkte auf elektronischen Märkten

151

lässt sich dann die zum o. g. Flächenhalbierungspunkt gehörende Produktionsmenge der Produktart A problemlos ermitteln; sie beträgt: x *A =

4500 ≈ 346,15. 13

Das optimale Produktionsprogramm lautet somit91: x *A = 346; x *B = 1000; x*C = 1000.

Dasselbe Ergebnis stellt sich ein, wenn als Näherungsverfahren die Flächenminimierungslösung gewählt wird. Die beiden Näherungslösungen der Literatur (Tangenten- und Sekantenverfahren) führen in der Regel zu anderen Zusammensetzungen des optimalen Produktionsprogramms, da sie eine von der exakten Lösung abweichende Einplanungsreihenfolge der drei Produktarten empfehlen. Somit zeigt das hier betrachtete Beispiel, dass die Lösung betriebswirtschaftlicher Entscheidungsprobleme auf der Grundlage der Fuzzy-Set-Theorie u.a. davon abhängt, ob zur Problemlösung die exakten oder die annähernden Verläufe der entscheidungsrelevanten Zugehörigkeitsfunktionen herangezogen werden. Hat man sich für die approximativen, linearen Funktionsverläufe entschieden, so kann die Problemlösung je nach eingesetztem Näherungsverfahren unter Umständen signifikant variieren. Insofern ist im Vorfeld einer unscharfen Betrachtung betriebswirtschaftlicher Entscheidungsprobleme festzulegen, wie die Verläufe relevanter Zugehörigkeitsfunktionen ausgeprägt sein sollten92. Welche Vor- und Nachteile die Einbeziehung von unterschiedliche Grade an Unschärfe abbildenden Zugehörigkeitsfunktionen in die Deckungsbeitragsrechnung haben kann, wird im folgenden Kapitel diskutiert.

4

Beurteilung der Ergebnisse

Durch den vorliegenden Beitrag wird die Möglichkeit einer Fuzzyfizierung der Deckungsbeitragsrechnung für Produkte auf elektronischen Märkten aufgezeigt. Ansatzpunkt ist dabei die unscharfe Formulierung von entscheidungsrelevanten Parametern. Hierdurch werden unsichere Erwartungen hinsichtlich der Zukunft in die Deckungsbeitragsrechnung integriert, wodurch sich dem Vorwurf realitätsferner Annahmen fest vorgegebener und gleichzeitig konstanter Parameter begegnen lässt93. Dabei muss allerdings beachtet werden, dass die Anzahl zu fuzzyfizierender Parameter nicht zu hoch angesetzt wird, da die Ergebnisse arithmetischer Ope91 92 93

Es wird davon ausgegangen, dass nur ganzzahlige Produkteinheiten herstellbar sind. Vgl. zur Diskussion zwischen Tangenten- und Sekantenlösung: Hauke (1998), S. 66-67. Vgl. zu einem Überblick der Annahmen: Zahn/Schmid (1996), S. 261-263.

152

Stefan Betz

rationen mit derartigen Parametern immer unschärfer werden, je mehr Operatoren fuzzyfiziert worden sind94. Insofern sollten im Rahmen betriebswirtschaftlicher Entscheidungsprobleme stets nur ausgewählte Parameter unscharf formuliert werden95. Im Fall der Deckungsbeitragsrechnung bei mehrstufiger Alternativproduktion ohne Engpass bietet es sich an, die für Produkte auf elektronischen Märkten nur in Bandbreiten prognostizierbaren Stückerlöse wie auch die variablen Stückkosten zu fuzzyfizieren, weil der absolute Deckungsbeitrag als Differenz aus diesen beiden Größen für die optimale Zusammensetzung des Produktionsprogramms entscheidungsrelevant ist96. Liegt dagegen ein Engpass vor, so sollte neben dem absoluten Deckungsbeitrag auch der Produktionskoeffizient auf der Engpassstufe unscharf formuliert werden, da der Quotient aus beiden Größen den relativen Deckungsbeitrag bildet, der für die operative Produktionsprogrammplanung bei einem Engpass entscheidungsrelevant ist. Wie ein Quotient aus zwei linearen Zugehörigkeitsfunktionen gebildet werden kann, ist in der Literatur bereits eingehend erörtert worden97: Auch wenn die Zugehörigkeitsfunktionen von Dividend und Divisor linear verlaufen, ist das exakte Abbild des entsprechenden Quotienten in der Regel eine nicht-lineare Zugehörigkeitsfunktion. Da für nicht-lineare Funktionsverläufe arithmetische Operationen sehr viel schwieriger durchzuführen sind, wird in der Literatur vorgeschlagen, die exakte Zugehörigkeitsfunktion eines Quotienten durch einen linearen Funktionsverlauf zu approximieren. Die in der Literatur üblicherweise verwendeten Näherungslösungen haben allerdings den Nachteil, dass sie die tatsächliche Unschärfe des Quotienten systematisch über- bzw. unterschätzen. Dieser Vorwurf trifft auf die im vorliegenden Beitrag entwickelte Flächenminimierungslösung nicht zu, weshalb sie die beiden Literaturvorschläge (Tangenten- und Sekantenlösung) dominiert98. Hat man dann den relativen Deckungsbeitrag als Quotient aus absolutem Deckungsbeitrag und Produktionskoeffizient auf der Engpassstufe ermittelt, so verlangt die Deckungsbeitragsrechnung bei einem Engpass, dass die verschiedenen Produktarten nach fallenden relativen Deckungsbeiträgen sortiert werden. Bei ganz unterschiedlich verlaufenden Zugehörigkeitsfunktionen der betrachteten Produktarten ist dieses Ziel der Bildung einer Reihenfolge nicht ohne Weite-

94 95

Vgl. Biewer (1997), S. 152. Außerdem unterliegt die unscharfe Formulierung von Parametern vielfältigen subjektiven Einflüssen. Vgl. Mißler-Behr (2001), S. 38. 96 Über die Ergebnisse einer Differenz linearer Zugehörigkeitsfunktionen in LR-Darstellung besteht in der Literatur weitgehend Einigkeit. Vgl. zum jüngsten Stand der Diskussion: Sibbel/Lutschewitz (2004), S. 41-43. 97 Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die Ergebnisse einer Division (wie auch anderer arithmetischer Operationen) nicht unumstritten sind. Vgl. Hauke (1998), S. 65-67. 98 Denn die entsprechenden Zugehörigkeitsfunktionen sind nur unwesentlich komplexer als im Fall der Tangenten- bzw. Sekantenlösung.

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res zu erreichen. Durch den Einsatz des Flächenhalbierungsverfahrens99 gelingt die Ermittlung der Flächenhalbierungspunkte, auf deren Grundlage eine Rangordnung der verschiedenen Produktarten erstellt werden kann. In dieser Reihenfolge werden dann die Produktarten in ihren jeweiligen Absatzhöchstmengen in das optimale Produktionsprogramm eingeplant, bis die Kapazität der Engpassstufe erschöpft ist. Die hierzu erforderliche Kapazitätsbelastungsrechnung muss unscharf durchgeführt werden, da die jeweiligen Kapazitätsbedarfe (in der Form der Produktionskoeffizienten) ebenfalls unscharf formuliert worden sind. Im Rahmen einer unscharfen Kapazitätsbelastungsrechnung stellt sich das Problem ein, dass nach der Einplanung jeder Produktart erneut zu prüfen ist, ob auf der Engpassstufe noch eine Restkapazität besteht oder nicht. Insofern muss stets überlegt werden, welcher Punkt der die jeweilige Restkapazität abbildenden Zugehörigkeitsfunktion entscheidungsrelevant ist. Für die Auswahl dieses Punktes existieren keine festen Regeln, d. h. der entsprechenden Entscheidung wohnt eine gewisse Willkür inne. Dasselbe gilt für die Deckungsbeitragsrechnung ohne Engpass, bei der alle Produktarten mit positivem Stückdeckungsbeitrag in Absatzhöchstmengen herzustellen sind. Auch hier muss entschieden werden, welcher Punkt der Zugehörigkeitsfunktion des absoluten Deckungsbeitrags betrachtet werden soll, um die Frage der Aufnahme der betrachteten Produktart in das Produktionsprogramm beantworten zu können. Insofern ist die Lösung betriebswirtschaftlicher Entscheidungsprobleme nicht immer ganz willkürfrei, wenn ausgewählte Parameter fuzzyfiziert werden100. Daher ist es umso wichtiger, die jeweiligen Zugehörigkeitsfunktionen möglichst realitätsgetreu abzubilden und im Falle annähernder Zugehörigkeitsfunktionen die exakten Verläufe durch den Einsatz von Näherungsverfahren so gut wie möglich zu approximieren. Wägt man die aufgezeigten Vor- und Nachteile einer Fuzzyfizierung der Deckungsbeitragsrechnung für Produkte auf elektronischen Märkten gegeneinander ab, so lässt sich die im ersten Kapitel des vorliegenden Beitrags aufgeworfene Fragestellung komprimiert wie folgt beantworten.

5

Zusammenfassung

Wenn ausgewählte, entscheidungsrelevante Parameter fuzzyfiziert werden, dann kann man das deckungsbeitragsmaximale Produktionsprogramm vor einem kurzfristigen Planungshorizont folgendermaßen bestimmen. (1) Liegt kein Engpass vor, so sind nur diejenigen elektronisch gehandelten Produktarten mit ihren jeweiligen Absatzhöchstmengen in das optimale Produktionsprogramm aufzunehmen, die einen positiven Stückdeckungs99

Vgl. zur Klasse der Rangordnungsverfahren, zu denen das Flächenhalbierungsverfahren gehört: Mißler-Behr (2001), S. 60-63. 100 Vgl. Mißler-Behr (2001), S. 38.

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beitrag aufweisen. Hat man die Stückerlöse wie auch die variablen Stückkosten unscharf formuliert, so muss geklärt werden, welcher Punkt der den absoluten Deckungsbeitrag abbildenden Zugehörigkeitsfunktion zur Entscheidung über das Vorzeichen des Stückdeckungsbeitrags herangezogen werden sollte. Hier wird der Flächenhalbierungspunkt vorgeschlagen. (2) Liegt genau ein Engpass vor, so muss für jede elektronisch gehandelte Produktart der relative Deckungsbeitrag ermittelt werden. Dieser Quotient aus absolutem Deckungsbeitrag und Produktionskoeffizient der Engpassstufe ist näherungsweise am besten mit Hilfe des Flächenminimierungsverfahrens zu bestimmen. Anhand des Flächenhalbierungspunkts können dann alle Produktarten nach fallenden relativen Deckungsbeiträgen sortiert werden. In dieser Reihenfolge werden die Produktarten im Rahmen einer unscharfen Kapazitätsbelastungsrechnung in das optimale Produktionsprogramm eingeplant, bis die Kapazität der Engpassstufe erschöpft ist. Hier muss dann geklärt werden, welcher Punkt der die jeweilige Restkapazität abbildenden Zugehörigkeitsfunktion die entsprechende Grundlage der Entscheidung über die Ausschöpfung der begrenzten Kapazität bildet. Unabhängig davon, ob die Deckungsbeitragsrechnung für Produkte auf elektronischen Märkten einen Engpass zu berücksichtigen hat oder nicht, lautet eine der zentralen Voraussetzungen für die Fuzzyfizierung der Deckungsbeitragsrechnung, dass die jeweiligen Verläufe der Zugehörigkeitsfunktionen bekannt sein müssen. Je schwieriger es ist, die notwendigen Funktionsverläufe zu prognostizieren, desto größer ist die Gefahr, die deckungsbeitragsmaximale Zusammensetzung des operativen Produktionsprogramms zu verfehlen. Insofern muss auch in Zukunft der Abschätzung von Zugehörigkeitsfunktionsverläufen besondere Aufmerksamkeit geschenkt werden. Dies gilt umso mehr, wenn in der Fertigung mehrere Engpassstufen zu beobachten sind. Allerdings bleibt die Diskussion der Fragestellung, wie das deckungsbeitragsmaximale Produktionsprogramm bei mehr als einem Engpass unter Hinzuziehung der Fuzzy-Set-Theorie ermittelt werden kann, weiterer Forschung vorbehalten.

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Gestaltungsansätze in der Praxis

Einsatz von Verfahren der Investitionsrechnung zur Beurteilung von E-Procurement-Investitionen von Dr. Stefan Binnewies1

1

Einleitung

Wie bereits an anderer Stelle dieses Sammelbandes dargestellt wurde, haben die neuen Internettechnologien auch Optimierungspotenziale im Bereich der Beschaffung aufgezeigt.2 Die Beschaffung umfasst allgemein sämtliche operativen, administrativen sowie zusätzlich alle strategischen Aufgaben zur Versorgung eines Unternehmens mit Dienstleistungen und Gütern.3 Im vorliegenden Artikel soll insbesondere die Beschaffung sogenannter C-Teile untersucht werden. Unter der Annahme, dass im Mittel 85% aller bestellten Artikel dem Bereich der Verbrauchsartikel zuzurechnen sind, birgt insbesondere der Einkauf von CArtikeln erhebliches Einsparungspotenzial in sich. Obwohl C-Artikel nur einen geringen Anteil des wertmäßigen Beschaffungsvolumens repräsentieren (im Beispiel 5%), sind 60% aller Bestellvorgänge und 75% der Lieferanten in diesem Beschaffungsprozess gebunden.4 In den aktuellen Veröffentlichungen zur internetbasierten Beschaffung werden nahezu durchgängig die hohen Potenziale genannt, die durch eine Implementierung des E-Procurement ausgeschöpft werden können. Im Vordergrund stehen dabei Kosten und Zeitvorteile. Nur rudimentär werden aber konkrete Vorgehensweisen dargestellt, auf Basis derer insbesondere auch mittelständische Unternehmen die Vorteilhaftigkeit einer Investition in eine E-ProcurementLösung beurteilen können. Hier setzt der vorliegende Aufsatz an. Basierend auf einer detaillierten quantitativen und qualitativen Analyse sowohl des traditionellen, d.h. ohne Internettechnologien abgebildeten Beschaffungsprozesses, als auch der Vorgehensweise bei Nutzung von E-Procurement-Lösungen sollen die

1 2 3

4

Dr. Stefan Binnewies, Linde AG Unternehmenszentrale, Controlling Betriebswirtschaft, Wiesbaden. Vgl. hierzu die Beiträge von WALZNER und ARNDT in diesem Sammelband. Vgl. Eyholzer/Hunziker (1999), S. 2. Da im Folgenden vor allem auf C-Teile fokussiert werden soll, kann auf eine explizite Darstellung der strategischen Aufgaben des Beschaffungsprozesses verzichtet werden. Auch für die hier anfallenden Schritte stellt das EBusiness Konzepte bereit, auf die hier aber nicht weiter eingegangen werden soll. Vgl. Möhrstedt/Bogner/Paxian (2001), S. 11. Die Zahlen beziehen sich auf dort erwähnte Studien.

160

Stefan Binnewies

Unterschiede zwischen den beiden Alternativen vermittelt werden.5 Außerdem soll durch die Anwendung einfacher Verfahren der Investitionsrechnung aufgezeigt werden, welche Größen bei der Entscheidungsfindung eine tragende Rolle spielen und wie bei einer Beurteilung von Prozessalternativen vorgegangen werden kann. Hierzu ist es vorab notwendig, den zugrunde gelegten Beschaffungsprozess kurz zu erläutern. In der betriebswirtschaftlichen Literatur werden unterschiedliche Ansätze eines allgemeinen Beschaffungsprozesses diskutiert. Hier soll im Rahmen der Analyse davon ausgegangen werden, dass ein Beschaffungsprozess aus den Phasen Bedarfsentstehung und Bedarfsidentifikation, Genehmigung und Budgetkontrolle, Bedarfsanforderung prüfen und Bestellanforderung anlegen, Bestellung ausführen, Wareneingang und Warenprüfung, Rechnungsprüfung und Rechnungseingangsbuchung sowie dem abschließenden Schritt der Zahlung besteht.6 Dieser Prozess wird nachfolgend für die beiden genannten Abbildungsvarianten im Hinblick auf Medienbrüche als ein Haupttreiber für Prozesskosten und -dauer und als ein Hauptansatzpunkt eines integrativen E-Procurement-Prozesses sowie im Hinblick auf die Bearbeitungsdauer und die Bearbeitungskosten analysiert und dann einer Vorteilhaftigkeitsbeurteilung unterzogen. Der Betrachtungsschwerpunkt soll dabei nicht auf der Darstellung in der Praxis als gültig anzusehenden Prozesskosten liegen. Vielmehr liegt die Hauptzielsetzung darin, die wesentliche Unterschiede beider Prozessvarianten im Sinne einer idealtypischen Ausprägung7 herauszuarbeiten und zu verdeutlichen, wie durch den Einsatz einfacher Verfahren der Investitionsrechnung eine Entscheidung hinsichtlich des Einsatzes von E-Procurement-Lösungen fundiert werden kann.

5 6 7

Zum angedeuteten Know-how-Defizit siehe auch die Ausführungen von BINNEWIES im vorliegenden Sammelband. Zu den folgenden Ausführungen vgl. Dolmetsch (2000), S.125 ff. sowie Möhrstedt/ Bogner/Paxian (2001), S. 53 ff. Die beiden zu betrachtenden Prozessvarianten werden im Rahmen der Analyse als reine Ausprägungen der jeweiligen Gruppe betrachtet. Es sei angemerkt, dass selbstverständlich auch Mischformen der beiden Alternativen, d.h. eine Implementierung von Internetlösungen lediglich für einzelne Teilprozesse, denkbar sind. Die Analyse würde dann analog zur hier für die beiden idealtypischen Ausprägungen vorgestellten Methodik erfolgen.

Beurteilung von E-Procurement-Investitionen

2

Analyse des traditionellen Beschaffungsprozesses

2.1

Quantitative Analyse

2.1.1

161

Medienbrüche

Als Medienbrüche werden Schnittstellen innerhalb der Datenerfassung und Datenverarbeitung bezeichnet.8 Sie ergeben sich, wenn Daten von einem Medium auf ein anderes übertragen werden müssen oder wenn Daten unterschiedlicher Medien miteinander verglichen werden. Auf der Grundlage des traditionellen Beschaffungsprozesses lassen sich mehrere solcher Bruchstellen identifizieren. Sie sollen im Folgenden kurz aufgezeigt werden: Der erste Medienbruch ergibt sich beim Vergleich von Preisen (1). Um einen aussagekräftigen Preisspiegel erstellen zu können, müssen die Preisinformationen mehrerer Angebote zusammengetragen und in graphischer Form aufbereitet werden. Nach erfolgter Auswahl eines Artikels werden die auf Papier vorliegenden Daten der Bedarfsanforderung in das ERP-System eingegeben (2).9 Das System erzeugt eine Bestellung, die wiederum per Post oder als Fax verschickt wird (3). Der Lieferant übernimmt die Bestelldaten in sein System, sofern er mit einer entsprechenden Software arbeitet. Die Bestellung verursacht also zwei Medienbrüche: einen im eigenen Unternehmen und einen beim Lieferanten. Da sich diese Analyse jedoch auf den internen Prozess bezieht, werden Vorgänge auf Seiten des Lieferanten nicht beachtet. Der nächste Bruch entsteht, wenn die Daten des Lieferscheins in das Warenwirtschaftssystem eingepflegt werden (4). Außerdem muss die eingegangene Rechnung mit den Daten der Bestellung verglichen werden (5). Anschließend muss auch die Rechnung im System verbucht werden (6). Die abschließende Zahlungsanweisung, die von der Buchhaltung ausgelöst wird, erzeugt einen weiteren Medienbruch (7). Je nach individueller Ausgestaltung des Beschaffungsprozesses variiert die Anzahl der erzeugten Medienbrüche. Für den beispielhaft vorgestellten Prozess sollen die sieben ermittelten Schnittstellen zugrunde gelegt werden. 2.1.2

Zeitliche Analyse

In zeitlicher Hinsicht sollen zwei Kriterien in die Betrachtung einbezogen werden: zum einen die reine Bearbeitungsdauer für einzelne Teilprozesse. Zum anderen soll die gesamte Durchlaufzeit des Prozesses von der Bedarfsentstehung bis zur Zahlungsanweisung als Kriterium herangezogen werden. Die Durchlaufzeit bezieht sich dabei nicht nur auf die Zeit, in der Mitarbeiter innerhalb des 8 9

Vgl. Möhrstedt/Bogner/Paxian (2001), S. 87. Die Abkürzung ERP steht für Enterprise Resource Planning und fasst Software zur integrierten betrieblichen Planung und Steuerung verschiedener Funktionsbereiche zu einer Gruppe zusammen. Als Beispiel kann SAP R/3 genannt werden.

162

Stefan Binnewies

Prozesses durch spezifische Aufgaben gebunden sind, sondern auch auf Liegezeiten von Bedarfszetteln oder Bestellungen, Abstimmungszeiten sowie interne und externe Transportzeiten.10 In der Praxis werden die unterschiedlichsten Versprechungen gemacht, was Einsparungspotenziale anbetrifft, die angeblich durch internetbasierte Beschaffungssysteme zu erreichen sind. Viele dieser Angaben entstammen den Vertriebsabteilungen diverser Lösungsanbieter und dienen der gezielten Werbung für das eigene Produkt. Daher genügen sie wohl kaum wissenschaftlichen Anforderungen und sollten daher mit einer gewissen Skepsis betrachtet werden. Es gibt jedoch durchaus Veröffentlichungen, die Ergebnisse fundierter Studien sind. So hat z.B. die Actio Managementberatung eine solche Untersuchung im Rahmen der Ist-Analyse innerhalb eines konkreten Projektes durchgeführt und veröffentlicht. Als Ergebnis dieser Studie konnte eine effektive Bearbeitungszeit von 115 Min. bei einer Durchlaufzeit von elf Tagen für den Beschaffungsprozess ermittelt werden.11 Eine ähnliche Studie wurde von der Emaro AG durchgeführt. In dieser Studie werden ebenfalls Einsparungspotenziale, die sich durch Einsatz eines E-Procurement-Systems ergeben, analysiert.12 Die Ergebnisse sind vergleichbar. Als effektive Bearbeitungszeit werden hier 105 Min. angegeben.13 Eine Studie, die in besonderem Maße hervorzuheben ist, ist eine im Einkauf der Flughafen Frankfurt Main AG (FAG) durchgeführte Untersuchung des Beschaffungsprozesses im Bereich des C-Artikelmanagements.14 Das vorgestellte Konzept zur Abbildung des internetbasierten Einkaufs wurde mit dem Materialwirtschaftspreis des Bundesverbandes Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik e.V. (BME) ausgezeichnet.15 Zum damaligen Zeitpunkt stellte es die Vorlage für eine interne Entscheidungsfindung dar. Einzelne Beschaffungsteilprozesse wurden sehr detailliert in die Untersuchung einbezogen. Daher sollen neben den Studien der Actio Managementberatung und der Emaro AG schwerpunktmäßig die ermittelten Daten der am Frankfurter Flughafen durchgeführten Studie die Basis für die Untersuchungen innerhalb der vorliegenden Analyse bilden. Die ermittelte effektive Bearbeitungszeit in dieser Analyse beträgt 182 Min. Es fällt auf, dass dieser Zeitraum wesentlicher länger als im Fall der beiden zuvor erwähnten ist. Diese Tatsache lässt sich darauf zurückführen, dass den Untersuchungen unterschiedliche Beschaffungsprozesse zugrunde gelegt wurden. So bildete die Marktsondierung bei der FAG-Studie beispielsweise einen eigenständigen Teilprozess. Dies war in den beiden anderen Analysen nicht der Fall.

10 11 12

Vgl. Möhrstedt/Bogner/Paxian (2001), S. 15. Vgl. Actio Managementberatung (2001), S. 15. Die Untersuchungen der Emaro AG beziehen sich auf ein Industrieunternehmen mit ca. 5000 Mitarbeitern in sechs Ländern. Der Jahresumsatz beträgt 800 Mio. Euro. 13 Vgl. o.V.(a) (2001). In dieser Studie wurde die Durchlaufzeit nicht ermittelt. 14 Vgl. Konhäuser (1999), S. 94. 15 Vgl. o.V.(b) (2001).

Beurteilung von E-Procurement-Investitionen

163

Als Durchlaufzeit wurde am Beispiel des Frankfurter Flughafens ein Wert von dreißig Tagen ermittelt.16 Im Rahmen der vorliegenden Analyse sollen nur die ausgewählten und vorgestellten Teilprozesse in die Betrachtung einbezogen werden. Die Werte der Studien wurden teilweise übernommen, teilweise jedoch aus Plausibilitätsgründen angepasst. So bildete das „Prüfen auf Anlagenkontierungspflicht“ in der FAG-Studie ebenfalls einen eigenständigen Teilprozess, der mit einer Bearbeitungsdauer von 7 Min. belegt wurde. Diese Maßnahme entspricht allerdings kaum der idealtypischen Vorgehensweise bei der Bestellung von C-Artikeln. Für den Frankfurter Flughafen mag diese Prüfung notwendig sein, nicht jedoch für die Bestellung von Büromaterial in einem mittelständischen Unternehmen. Abb. 1 fasst die bisherigen Ergebnisse der quantitativen Analyse zusammen. Traditioneller Prozess Beschaffungsteilprozess

Medienbrüche

Bearbeitungsdauer (in Minuten)

Durchlaufzeit (in Tagen)

Bedarfsentstehung

-

0

0

Bedarfsidentifikation

-

10

0

Bedarfsanforderung ausfüllen

-

5

1

Bedarfsanforderung genehmigen

-

2

1

Bedarfsanforderung weiterleiten

-

5

0

Bestelldaten prüfen

-

5

0

Lieferantensuche

-

15

1

Preisvergleiche

1

5

0

Bestellung anlegen

1

5

0

Bestellung versenden

1

5

2

Ware entgegennehmen + prüfen

-

10

1

Wareneingang verbuchen

1

7

0

Ware verteilen und einlagern

-

5

1

Rechnungsprüfung

1

5

1

Rechnung verbuchen

1

5

0

Zahlungsanweisung

1

5

1

Summe

7

94 Minuten

9 Tage

Abb. 1:

Medienbrüche und zeitorientierte Bewertung des traditionellen Prozesses

Für den beispielhaft vorgestellten traditionellen Beschaffungsprozess soll also eine effektive Bearbeitungsdauer der einzelnen Teilprozesse von 94 Min. bei einer Durchlaufzeit von neun Tagen angenommen werden. Transport- und Liegezeiten einzelner Dokumente beanspruchen hierbei sicherlich den größten Anteil für sich. 16

Dieser Wert fällt so hoch aus, weil das Zahlungsziel von vierzehn Tagen komplett einberechnet wurde.

164

Stefan Binnewies

2.1.3

Kostenorientierte Analyse

„Der hohe Anteil der Gemeinkosten an der betrieblichen Wertschöpfung beruht vor allem auf dem gestiegenen Umfang an vorbereitenden, planenden, steuernden und überwachenden Tätigkeiten in den Bereichen Forschung und Entwicklung, Beschaffung und Logistik.“17 Dieses Zitat entstammt der Fachliteratur und lässt sich sicherlich auch auf den Bereich der Beschaffungsprozesskosten übertragen, wie die kostenorientierte Analyse verdeutlicht. Im Folgenden sollen die betrachteten Teilprozesse anhand ihrer jeweiligen Bearbeitungsdauer mit Kosten bewertet werden. Dem Anspruch einer Prozesskostenrechnung kann und soll die folgende Analyse nicht gerecht werden. Jedoch ist dies auch nicht das Ziel dieses Elaborats. Trotzdem soll an den Gedanken der Prozesskostenrechnung angeknüpft werden, in der sachlich zusammenhängende Teilprozesse zu kostenstellenübergreifenden Hauptprozessen zusammengefasst werden.18 Dazu sollen die bereits benannten Teilprozesse betrachtet werden. Im Ganzen bilden sie den zugrunde liegenden Beschaffungsprozess. Zur Festlegung eines Kostenfaktors soll auf die bereits erwähnten Studien zurückgegriffen werden.19 So wurden bei den Untersuchungen der Actio Managementberatung Kosten in Höhe von 1,11 Euro pro Mitarbeiter und Minute auf Basis einer Vollkostenrechnung ermittelt. Für die Kosten des Beschaffungsprozesses ergibt sich somit ein Betrag von 127,65 Euro pro Bestellvorgang.20 Die Emaro AG kommt auf ein ähnliches Ergebnis. Bei einem Vollkostensatz von 1,23 Euro pro Mitarbeiter und Minute wird hier eine Summe von 129,57 Euro für den Ablauf einer Bestellung genannt.21 In der FAG-Studie wird ein Kostensatz von 0,77 Euro zugrunde gelegt.22 Obwohl dieser Wert leicht von den beiden zuvor genannten abweicht, kommen aufgrund der detaillierteren Aufspaltung des gesamten Prozesses Kosten in Höhe von 141,12 Euro zustande.23 Da die FAG-Studie auch in der Literatur häufig zitiert wird, soll in der vorliegenden Untersuchung der am Frankfurter Flughafen ermittelte Kostensatz von 0,77 Euro Verwendung finden.24 Zur Ermittlung der Kosten je Teilprozess wird die jeweilige Minutenanzahl mit diesem Kostensatz multipliziert. Abb. 2 zeigt die Ergeb17 18 19

20 21 22

23 24

Coenenberg (1999), S. 221. Vgl. Horváth (1998), S. 532 ff. Es sei an dieser Stelle angemerkt, dass die nachfolgend angegebenen Kostensätze des Beschaffungsprozesses direkt aus der Primärliteratur entnommen sind. Bei Berechnung der Kostensätze auf Basis der im Rahmen der vorliegenden Analyse angegebenen Werte ergeben sich leichte Differenzen zu diesen Endwerten, die auf Rundungsdifferenzen zurückzuführen sind. Vgl. Actio Managementberatung (2001), S. 15. Vgl. o.V.(a) (2001). Dieser Wert entstand auf der Basis einer Vollkostenrechnung (Personen- und Sachkosten) der Abteilung FIF-B2 des Frankfurter Flughafens aus dem Jahr 1996. Vgl. Konhäuser (1999), S. 94. Vgl. Konhäuser (1999), S. 94. Vgl. Brenner/Zarnekow (2001), S. 488 sowie Möhrstedt/Bogner/Paxian (2001), S. 15.

Beurteilung von E-Procurement-Investitionen

165

nisse der kostenorientierten Bewertung des traditionellen Prozesses. Demzufolge entstehen Kosten in Höhe von 72,38 Euro bei einer Bearbeitungsdauer von 94 Min. für den traditionellen Prozess. Traditioneller Prozess Beschaffungsteilprozess

Abteilung

Bearbeitungsdauer

Kosten 0,00 €

Bedarfsentstehung

Bedarfsträger

0

Bedarfsidentifikation

Bedarfsträger

10

7,70 €

Bedarfsanforderung ausfüllen

Bedarfsträger

5

3,85 €

Bedarfsanforderung genehmigen

Bedarfsträger

2

1,54 €

Bedarfsanforderung weiterleiten

Bedarfsträger

5

3,85 €

Bestelldaten prüfen

Einkauf

5

3,85 €

Lieferantensuche

Einkauf

15

11,55 €

Preisvergleiche

Einkauf

5

3,85 €

Bestellung anlegen

Einkauf

5

3,85 €

Bestellung versenden Ware entgegennehmen + prüfen

Einkauf

5

3,85 €

Wareneingang

10

7,70 €

Wareneingang verbuchen

Wareneingang

7

5,39 €

Ware verteilen und einlagern

Wareneingang

5

3,85 €

Rechnungsprüfung

Rechnungswesen

5

3,85 €

Rechnung verbuchen

Rechnungswesen

5

3,85 €

Zahlungsanweisung

Rechnungswesen

5

3,85 €

-

94 Min.

72,38 €

Summe

Abb. 2:

2.2

Kostenorientierte Bewertung des traditionellen Prozesses

Qualitative Betrachtungsweise

Es gibt eine Reihe von Einflussfaktoren, die die Qualität des traditionellen Beschaffungsprozesses in entscheidender Weise beeinflussen. So lässt sich beispielsweise bei vielen Einkaufsabteilungen eine Überlastung im operativen Aufgabenbereich feststellen. Aufgrund dieser Tendenz verändert sich das Tätigkeitsfeld vieler Einkäufer. Anstatt umfassende Beschaffungsaufgaben wahrzunehmen, geht viel Zeit bei der alltäglichen Bestellabwicklung verloren. Strategische Aufgaben, wie die Marktbeobachtung, die Auswahl neuer Lieferanten, das Aushandeln von Rahmenverträgen, die Beurteilung der Lieferantenqualifikation oder auch die einfache Kontaktpflege zum Lieferanten, werden häufig vernachlässigt.25 Viele Einkaufsabteilungen, gerade in klein- und mittelständischen Unternehmen, verkümmern aufgrund der Überlastung mit operativen Tätigkeiten zu reinen Bestellabteilungen. Hinzu kommt, dass die Beschaffung sämtlicher Pro25

Vgl. Eyholzer (1999), S. 6 sowie Block (2001), S. 77.

166

Stefan Binnewies

dukte in der Regel über den zentralen Einkauf abgewickelt wird. Aufgrund der zentralen Organisation sind selbst bei geringwertigen Gütern viele unterschiedliche Abteilungen am Prozess beteiligt. Unnötige Rückfragen beim Bedarfsanforderer erhöhen die Komplexität des Prozesses. Der Einkauf kann in der Regel keine Auskünfte über die bestellten Artikel geben, insbesondere in bezug auf technische Details. Sobald also Rückfragen seitens des Lieferanten auftreten, fungiert der Einkauf als Bindeglied zwischen Bedarfsanforderer und Lieferant. Diese Vorgehensweise ist wenig effizient. Andererseits können persönliche Gespräche auch dazu führen, Missverständnisse aufzudecken und den Kontakt zum Lieferanten zu verbessern. Dieser Aspekt sollte positiv bewertet werden.26 In vielen Unternehmen ist Papier immer noch das am häufigsten verwendete Medium innerhalb des traditionellen Beschaffungsprozesses. Die manuelle Weitergabe von Bedarfszetteln erhöht nicht nur die Durchlaufzeit, sondern kann auch Fehler auslösen. Beide Faktoren wirken sich multiplikativ auf die verursachten Kosten aus. Ein weiterer Nachteil von Papier ist, dass in Papierform vorliegende Produktkataloge teilweise sehr schnell veralten. Dies ist besonders auf solchen Märkten der Fall, in denen häufig neue Produkte auf den Markt gelangen, wie z.B. in der Computerbranche. Hinzu kommt, dass Papierkataloge nicht ständig allen Bedarfsträgern zur Verfügung stehen.27 Ein weiteres Problem, welches sich in der Praxis häufig beobachten lässt, ist das des unkontrollierten Einkaufs. Um schneller und einfacher an benötigte Artikel zu gelangen, kommt es häufig vor, dass Mitarbeiter eigenständig und außerhalb verhandelter Rahmenverträge Bestellungen aufgeben (Maverick Buying28).29 Dabei werden Bedarfsanforderungen erst im Nachhinein ausgefüllt. Selbst bei Existenz eines ERP-Systems können die relevanten Daten und Belege nachträglich im System erzeugt werden. Allerdings werden auf diesem Weg häufig falsche Preise oder Lieferanten gewählt. Solche Verfehlungen können nicht rückgängig gemacht werden. Die mangelnde Prozessverlässlichkeit führt zu langen und unsicheren Wiederbeschaffungszeiten.30 Höhere Lagerbestände und Mehrfachbestellungen können die Folge sein. Erhöhte Lagerbestände führen wiederum zu höheren Lagerkosten. Der Anstieg der Kapitalbindungskosten ist eine weitere Folge.31 Der traditionelle Beschaffungsprozess ist also nicht nur durch eine hohe Komplexität

26 27 28

Vgl. ebenda, S. 5 f. Vgl. Dolmetsch (2000), S. 12. Dieser Begriff stammt aus den USA. Unter „Maverick Buying“ ist die Beschaffung außerhalb verhandelter Rahmenverträge zu verstehen. Ebenso gebräuchlich für diesen Sachverhalt, aber einfacher zu interpretieren, ist der Begriff „Off-Contract-Buying“. 29 Vgl. Flicker (2001), S. 20 sowie Nenninger/Lawrenz (2001), S. 8. 30 Vgl. Dolmetsch (2000), S. 12. 31 Vgl. Arnolds/Heege/Tussing (2001), S. 34. An dieser Stelle sollte allerdings differenziert werden. Bei der Beschaffung von geringwertigem Verbrauchsmaterial spielt der Aspekt der Kapitalkostenbindung sicherlich eine untergeordnete Rolle.

Beurteilung von E-Procurement-Investitionen

167

bei den Informationsflüssen und unzureichende Transparenz gekennzeichnet.32 Daneben existieren weitere Ineffizienzen, wie die Ausführungen bis zu diesem Punkt verdeutlichen.33

3

Analyse der Beschaffung mit E-Procurement-Systemen

3.1

Quantitative Betrachtungsweise

3.1.1

Medienbrüche

Teilweise bieten E-Procurement-Systeme dem Benutzer die Möglichkeit, detaillierte Anfragen an ausgewählte Lieferanten zu versenden. Der jeweilige Lieferant kann seine Produkt- und Preisinformationen per Eingabemaske in das Anfrageformular eintragen und an den Kunden zurücksenden. Dieser hat die Möglichkeit, mehrere Angebote auf diese Art und Weise anzufordern und einzusehen. Aus dem System heraus lässt sich nun ein Preisspiegel erstellen, in dem die Angebote direkt miteinander verglichen werden können. Diese Vorgehensweise ermöglicht es, die Erstellung, das Versenden und das Vergleichen von Angeboten ohne Medienbruch in einem System abzubilden. Das Internet unterstützt diesen Prozess in geeigneter Weise. Die Verwendung von Papier entfällt. Sobald ein Warenkorb definiert und freigegeben ist, wird bei erfolgter Genehmigung aus dem System heraus eine Bestellung generiert. Ist der Lieferant an das System angebunden, kann er den Eingang der Bestellung im System bestätigen. Ebenso ist er in der Lage, eine elektronische Rechnung an den Kunden zu versenden. Da Rechnung und Bestellung automatisch miteinander verglichen werden, entfällt der Schritt der gesonderten Rechnungsprüfung.34 Auch der Zahlungslauf kann durch einen Workflow automatisch ausgelöst werden. Aufgrund dieser Ausführungen lässt sich die Aussage treffen, dass innerhalb des internetbasierten Prozesses in der hier unterstellten idealtypischen Form keine Medienbrüche entstehen.35 Das einzige papierbasierte Formular ist der Lieferschein, der mit dem Wareneingang übergeben wird. Da die Daten des Lieferscheins nicht mehr auf ein anderes Medium übertragen werden müssen, liegt jedoch kein Medienbruch vor. 3.1.2

Zeitliche Analyse

An dieser Stelle soll wieder auf das Datenmaterial der bereits erwähnten Studien zurückgegriffen werden. Dabei ermittelte die Actio Managementberatung eine effektive Bearbeitungsdauer für den Beschaffungsvorgang von 35 Min. Als 32 33 34 35

Vgl. Block (2001), S. 76. Vgl. Nenninger/Lawrenz (2001), S. 5 ff. sowie Dolmetsch (2000), S. 11 ff. Vgl. Möhrstedt/Bogner/Paxian (2001), S. 95. Vgl. Nenninger (1999), S. 17.

168

Stefan Binnewies

Durchlaufzeit werden zwei Tage genannt.36 Das Resultat der Emaro AG ist wiederum ähnlich. Hier beträgt die errechnete Bearbeitungszeit 36,5 Min.37 Auch bei der zeitlichen Analyse weichen die Ergebnisse der FAG-Studie teilweise von denen der beiden anderen Studien ab. Die sehr geringe SollBearbeitungszeit von 18 Min. lässt sich dadurch erklären, dass beispielsweise innerhalb der Studie der Actio Managementberatung ein Teilprozess „Informationsbeschaffung“ mit 15 Min. bewertet wird. Dieser Schritt wurde beim Frankfurter Flughafen nicht beachtet. Der Teilprozess „Erstellen Bestellanforderung“ dauert 10 Min. während er in der FAG-Studie mit 5 Min. in die Analyse eingeht.38 Alle drei Studien bilden die Grundlage für die Bewertung, die im Rahmen dieser Arbeit vorgenommen wird. Wie zuvor, wurden einige der Daten aus Plausibilitätsgründen angepasst. Abb. 3 stellt dar, wie die einzelnen Teilprozesse in zeitlicher Hinsicht beurteilt wurden. Die gesamte, effektive Bearbeitungszeit beträgt hier 36 Min. bei einer Durchlaufzeit von drei Tagen. E-Procurement Medienbrüche

Bearbeitungsdauer (in Minuten)

Durchlaufzeit (in Tagen)

Bedarfsentstehung

-

0

0

Bedarfsidentifikation

-

8

0

Bedarfsanforderung ausfüllen

-

5

1

Bedarfsanforderung genehmigen

-

1

0

Beschaffungsteilprozess

Bedarfsanforderung weiterleiten

-

0

0

Bestelldaten prüfen

-

0

0

Lieferantensuche

-

0

0

Preisvergleiche

-

5

0

Bestellung anlegen

-

0

0

Bestellung versenden

-

0

0

Ware entgegennehmen + prüfen

-

10

1

Wareneingang verbuchen

-

2

0

Ware verteilen und einlagern

-

5

1

Rechnungsprüfung

-

0

0

Rechnung verbuchen

-

0

0

Zahlungsanweisung

-

0

0

Summe

0

36 Minuten

3 Tage

Abb. 3:

36 37 38

Medienbrüche und zeitorientierte Bewertung des internetbasierten Prozesses

Vgl. Actio Managementberatung (2001), S. 15. Vgl. o.V.(a) (2001). Vgl. Konhäuser (1999), S. 94.

Beurteilung von E-Procurement-Investitionen

3.1.3

169

Kostenorientierte Analyse

Die Actio Managementberatung kommt bei einem Kostensatz von 1,11 Euro (je Mitarbeiter und Minute) und einer Bearbeitungsdauer von 35 Min. auf Gesamtkosten von 38 Euro für den internetbasierten Prozess.39 Die Emaro AG bewertet eine Minute pro Mitarbeiter mit 1,23 Euro, was zu Gesamtkosten von 45,04 Euro führt (Bearbeitungsdauer: 36,5 Min.).40 In Analogie zum vorherigen Abschnitt soll auch hier zunächst der Kostensatz von 0,77 Euro der FAG-Studie zur kostenorientierten Bewertung herangezogen werden. Für den Frankfurter Flughafen ergeben sich aufgrund der geringen Bearbeitungszeit Gesamtkosten von 14,32 Euro.41 Hier sollen jedoch die Zeiten des Beispielprozesses zur Bewertung herangezogen werden. In Abb. 4 werden die Ergebnisse zusammengefasst. E-Procurement Beschaffungsteilprozess

Abteilung

Bearbeitungsdauer

Kosten

Bedarfsentstehung

Bedarfsträger

0

0,00 €

Bedarfsidentifikation

Bedarfsträger

8

6,16 €

Bedarfsanforderung ausfüllen

Bedarfsträger

5

3,85 €

Bedarfsanforderung genehmigen

Bedarfsträger

1

0,77 €

Bedarfsanforderung weiterleiten

Bedarfsträger

0

0,00 €

Bestelldaten prüfen

Bedarfsträger

0

0,00 €

Lieferantensuche

Bedarfsträger

0

0,00 €

Preisvergleiche

Bedarfsträger

5

3,85 €

Bestellung anlegen

Bedarfsträger

0

0,00 €

Bestellung versenden

Bedarfsträger

0

0,00 €

Ware entgegennehmen + prüfen

Wareneingang

10

7,70 €

Wareneingang verbuchen

Bedarfsträger

2

1,54 €

Ware verteilen und einlagern

Wareneingang

5

3,85 €

Rechnungsprüfung

Bedarfsträger

0

0,00 €

Rechnung verbuchen

Bedarfsträger

0

0,00 €

Zahlungsanweisung

Bedarfsträger

0

0,00 €

-

36 Minuten

27,72 €

Summe

Abb. 4:

3.2

Kostenorientierte Bewertung des internetbasierten Prozesses

Qualitative Betrachtungsweise

Durch die workflowgestützte Automatisierung erlaubt die Beschaffung mit EProcurement-Systemen eine durchgängige Unterstützung des Beschaffungspro39 40 41

Vgl. Actio Managementberatung (2001), S. 15. Vgl. o.V.(a) (2001). Vgl. Konhäuser (1999), S. 94.

170

Stefan Binnewies

zesses. Dadurch können nicht wertschöpfende Tätigkeiten wie Genehmigungen und Kontrollen eliminiert werden. Ebenso führt die Automatisierung einerseits zu mehr Transparenz durch die Möglichkeit der Statusverfolgung, andererseits werden durch die Reduzierung manueller Tätigkeiten und Medienbrüche auch potenzielle Fehlerquellen auf ein Minimum verringert. Mit der Verkürzung der Durchlaufzeit und somit auch des Wiederbeschaffungszyklus wird eine geringere Lagerhaltung ermöglicht, was schließlich zu geringeren Kapitalbindungskosten führt.42 Auch die Bündelung des Bestellvolumens kann zu günstigeren Preisen führen, sofern das erhöhte Volumen pro Lieferant während der Verhandlung von Rahmenverträgen die günstigeren Preise ermöglicht.43

4

Vergleich der vorgestellten Prozesse

4.1

Quantitativer Vergleich

4.1.1

Allgemeine Gegenüberstellung

In Abb. 5 werden nochmals die zuvor ermittelten Zeiten und Kosten abgebildet. Aus dieser Darstellung ist erkennbar, dass sich die Beschaffungsprozesskosten durch die Unterstützung eines E-Procurement-Systems von 72,38 Euro auf 27,72 Euro reduzieren lassen. Das entspricht einer Einsparung von 44,66 Euro pro Beschaffungsvorgang. Die effektive Bearbeitungszeit verkürzt sich dabei von 94 (traditionell) auf 36 Min. (internetbasiert). Das entspricht einer Verkürzung von 58 Min. Durch die Nutzung eines E-Procurement-Systems würde sich ebenso eine Verkürzung der Durchlaufzeit von neun auf drei Tage realisieren lassen. Es erscheint angemessen, durch die Eliminierung sämtlicher Medienbrüche von einer geringeren Anzahl an Fehlern im Prozessablauf auszugehen. Allerdings beziehen sich die angegebenen Zahlen auf das in dieser Arbeit vorgestellte Beispiel. Daher sind die Ergebnisse nicht auf alle mittelständischen Unternehmen übertragbar. Somit ist es sinnvoller, anstelle von absoluten Beträgen prozentuale Einsparungspotenziale zu ermitteln. Der internetbasierte Prozess verspricht insofern eine Einsparung gegenüber dem traditionellen Prozess von 61,70%, bezogen auf die zeitliche und kostenorientierte Bewertung. Die Beschaffung von C-Artikeln stellt zwar einen sinnvollen Einstieg in das E-Procurement dar, trotzdem sei an dieser Stelle nochmals darauf hingewiesen, dass sich diese Zahlen auf den Beispielprozess beziehen und deshalb nicht repräsentativ für alle Bestellungen sind.

42 43

Vgl. Weiber/Meyer/Ebert (2001), S. 1656 sowie Nenninger/Lawrenz (2001), S. 16. Vgl. Eyholzer (1999), S. 20 f. Zur Einsparung durch Bündelungseffekte vgl. Möhrstedt/ Bogner/Paxian (2001), S. 99.

Beurteilung von E-Procurement-Investitionen

171

Bearbeitungsdauer Beschaffungsteilprozess Bedarfsentstehung Bedarfsidentifikation

Traditionell

E-Procurement

Kosten Traditionell

E-Procurement

0

0

0,00 €

0,00 €

10

8

7,70 €

6,16 €

Bedarfsanforderung ausfüllen

5

5

3,85 €

3,85 €

Bedarfsanforderung genehmigen

2

1

1,54 €

0,77 €

Bedarfsanforderung weiterleiten

5

0

3,85 €

0,00 €

Bestelldaten prüfen

5

0

3,85 €

0,00 € 0,00 €

15

0

11,55 €

Preisvergleiche

Lieferantensuche

5

5

3,85 €

3,85 €

Bestellung anlegen

5

0

3,85 €

0,00 € 0,00 €

Bestellung versenden

5

0

3,85 €

10

10

7,70 €

7,70 €

7

2

5,39 €

1,54 €

Ware verteilen und einlagern

5

5

3,85 €

3,85 €

Rechnungsprüfung

5

0

3,85 €

0,00 €

Ware entgegennehmen + prüfen Wareneingang verbuchen

Rechnung verbuchen

5

0

3,85 €

0,00 €

Zahlungsanweisung

5

0

3,85 €

0,00 €

94 Minuten

36 Minuten

72,38 €

27,72 €

Summe

Abb. 5:

Vergleich der zeit- und kostenorientierten Bewertung: traditionell vs. internetbasiert

Im Rahmen der kostenorientierten Bewertung konnte eine Differenz von 44,66 Euro pro Transaktion zwischen beiden Prozessen ermittelt werden. Dabei wurde ein wesentliches Kriterium vernachlässigt, indem für beide Prozesse ein identischer Kostensatz in Höhe von 0,77 Euro pro Mitarbeiter und Minute zur Bewertung herangezogen wurde. Durch die Investitionsauszahlung, die für ein E-Procurement-System getätigt werden muss, würde sich jedoch als logische Konsequenz der Vollkostensatz für das internetbasierte Beschaffungsszenario erhöhen. Dieser Aspekt wird häufig nicht betrachtet. Auch den drei im Rahmen dieser Arbeit zitierten Studien liegt für beide Prozesse ein identischer Kostensatz zugrunde, was jedoch aus Sicht der Kostenrechnung nicht gerechtfertigt werden kann. In der folgenden Wirtschaftlichkeitsbetrachtung soll diesem Umstand Rechnung getragen werden. Zur Ermittlung der Kosten des traditionellen Prozesses wurde die Zeit (94 Min.) mit dem Kostensatz (0,77 Euro) multipliziert, was zu Kosten von 72,38 Euro pro Beschaffungsvorgang (Transaktion) führt. Die Differenz in Höhe von 44,66 Euro zwischen den Kosten des traditionellen und des internetbasierten Prozesses kann als Wert für die maximal zulässige Erhöhung der Kosten pro Transaktion interpretiert werden. Konkret würde dies bedeuten, dass die Vorteilhaftigkeit der Investition in das E-Procurement gewährleistet werden kann, solange der Kostensatz geringer als 2,01 Euro pro Mitarbeiter und Minute ist.

172

4.1.2

Stefan Binnewies

Kostenvergleichsrechnung

Ein weiterer Vergleich lässt sich anhand der Anzahl der durchgeführten Transaktionen durchführen, was im Folgenden im Rahmen einer Kostenvergleichsrechnung veranschaulicht werden soll. Mit der Kostenvergleichsrechnung, als Instrument der statischen Verfahren der Investitionsrechnung, lassen sich die Kostenverläufe beider Prozesse in Abhängigkeit von der Anzahl der getätigten Transaktionen auf recht einfache Art und Weise darstellen und miteinander vergleichen.44 Dabei lassen sich die Kosten für den traditionellen Beschaffungsprozess bestimmen, indem die Kosten pro Transaktion als variable Kosten (K var trad ) mit der Anzahl der Transaktionen multipliziert werden (Kostenfunktion Ktrad):45 (1)

K trad (x ) = K var trad ⋅ x

Die Kosten des internetbasierten Beschaffungsprozesses beinhalten zusätzlich zu den variablen Kosten die Kosten für das E-Procurement-System. Hier sollen zunächst die Kosten für die Investitionsauszahlung (I0) in die Betrachtung einfließen. Die Investitionsauszahlung beinhaltet Kosten für die Implementierung, die Inbetriebnahme sowie Schulungs- und Beratungskosten und beträgt im vorliegenden Fall eine einmalige Zahlung in Höhe von 25.564,6 Euro.46 Daraus ergibt sich die folgende Kostenfunktion (Kint): (2)

var K int (x ) = I 0 + K int ⋅x

Abb. 6 zeigt die Kostenentwicklung beider Prozesse in Abhängigkeit der Anzahl der Transaktionen auf Basis der Kostenfunktionen (1) und (2). Durch Gleichsetzen der Kostenfunktionen (1) und (2) lässt sich die Anzahl der Transaktionen ermitteln, die für beide Beschaffungsprozesse identische Kosten verursacht. Im hier betrachteten Beispiel entstehen bei 573 Transaktionen (gerundeter Wert) identische Kosten. In Abb. 7 wird dieser Sachverhalt graphisch veranschaulicht.

44

Zum Ablauf und Anwendungsbereich der Kostenvergleichsrechnung vgl. Götze/Bloech (1995), S. 53 ff. 45 Die Abkürzung trad. steht dabei für den traditionellen Prozess, die nachfolgend verwendete Abkürzung int. repräsentiert den internetbasierten Prozess. 46 Das im Rahmen dieser Ausführungen verwendete Datenmaterial basiert auf einem fiktiven Beispiel, welches auf Basis von Durchschnittswerten öffentlich verfügbarer Analysen gebildet wurde. Die Kosten beziehen sich auf ein Szenario, welches ca. 200 Anwendern (max. 40 Anwendern gleichzeitig) erlaubt, auf ein System zuzugreifen.

Beurteilung von E-Procurement-Investitionen

Anzahl Transaktionen

Abb. 6:

173

Kosten (traditionell)

Kosten (internetbasiert)

100

7.238,00 €

28.336,60 €

200

14.476,00 €

25.592,32 €

300

21.714,00 €

33.880,60 €

400

28.952,00 €

36.652,60 €

500

36.190,00 €

39.424,60 €

600

43.428,00 €

42.196,60 €

700

50.666,00 €

44.968,60 €

800

57.904,00 €

47.740,60 €

900

65.142,00 €

50.512,60 €

1.000

72.380,00 €

53.284,60 €

1.500

108.570,00 €

67.144,60 €

2.000

144.760,00 €

81.004,60 €

5.000

361.900,00 €

164.164,60 €

10.000

723.800,00 €

302.764,60 €

Transaktionsabhängige Kostenentwicklung: traditionell vs. internetbasiert

Kosten in EURO Ktrad

75.000

Kint

50.000

573

25.000

Anzahl Transaktionen 250

Abb. 7:

500

750

1000

Graphische Veranschaulichung der Kostenentwicklung

In bezug auf die Vorteilhaftigkeit lässt sich demzufolge die Aussage treffen, dass sich insgesamt ab einer Anzahl von 573 Transaktionen die Investition in die Anschaffung eines E-Procurement-Systems aufgrund der geringeren Kosten lohnt. Aus der Abbildung lässt sich weiterhin entnehmen, dass sich infolge des

174

Stefan Binnewies

flacheren Verlaufs der Kostenfunktion Kint die Vorteilhaftigkeit des internetbasierten Szenarios im Verhältnis zum traditionellen Szenario mit steigender Transaktionszahl immer stärker ausprägt. Die Kostenvergleichsrechnung als einperiodiges, statisches Verfahren der Investitionsrechnung lässt sich zwar einfach durchführen, berücksichtigt jedoch nicht den Kostenverlauf über mehrere Perioden hinweg. Außerdem wurde bis zu diesem Zeitpunkt lediglich die Investitionsauszahlung berücksichtigt. Monatliche Gebühren für die Wartung und Pflege des Systems wurden vernachlässigt. Diese Kriterien sollen im weiteren Verlauf der Überlegungen Beachtung finden. 4.1.3

Dynamische Amortisationsrechnung

Mit der dynamischen Amortisationsrechnung steht ein Verfahren zur Verfügung, welches neben der Entwicklung der Ein- und Auszahlungen über mehrere Perioden gleichfalls die Verzinsung der einzelnen Beträge durch entsprechende Diskontierung berücksichtigt. Auf Basis der zu ermittelnden Kapitalwerte lässt sich die für das Beispiel anzusetzende Amortisationszeit berechnen.47 Um dieses Verfahren auf die vorliegende Problemstellung übertragen zu können, müssen zunächst einige Annahmen getroffen werden. Insgesamt sollen 200 User Zugriff auf das System haben, wovon maximal 40 User gleichzeitig zugriffsberechtigt sind. Die Investitionsauszahlung beträgt wie zuvor 25.564,60 Euro. Als regelmäßige, jährliche Auszahlungen fallen Kosten in Höhe von 85.897,04 Euro an. Die wertmäßige Differenz zwischen traditionellem und internetbasiertem Prozess (44,66 Euro) ist für den Fall der Realisierung eines E-Procurement-Systems eine Minderauszahlung, die als negative Auszahlung bzw. positive Einzahlung interpretiert werden kann. Diese Einzahlungen sind wiederum abhängig von der Anzahl der Transaktionen. Daher soll folgende realistische Annahme gelten: Jeder der 200 User generiert eine Bestellung pro Monat, wodurch ein Gesamtvolumen von 2400 Bestellungen pro Jahr entsteht. Demzufolge lassen sich Einzahlungen in Höhe von 107.184 Euro jährlich bestimmen, die einen positiven CashFlow48 von 21.287 Euro pro Jahr (107.184 € minus 85.897 €) auslösen.

47

Zum Ablauf sowie zum Anwendungsbereich der dynamischen Amortisationsrechnung vgl. Götze/Bloech (1995), S. 102 ff. 48 Als Cash Flow soll hier vereinfachend die in diesem Fall positive Differenz zwischen den Ein- und Auszahlungen, die ein System verursacht, angenommen werden.

Beurteilung von E-Procurement-Investitionen

175

Die Formel zur Berechnung der dynamischen Amortisationszeit lautet: Τ*

(3)

− I 0 + ∑ CFt ⋅ (1 + i )− t = 0 , t =1

mit T* als dynamische Amortisationszeit. Bei gleicher Verteilung der Cash Flows innerhalb der Perioden lässt sich die exakte dynamische Amortisationszeit mit Hilfe der linearen Interpolation ermitteln: T*

(4)

T *ex = T * +

I 0 + ∑ CFt ⋅ (1 + i )− t t =1

CF

T

*

⋅ (1 + i )− T

*

.

Zur Berechnung der Kapitalwerte wird die folgende Formel verwendet: Τ

(5)

C 0 = − I 0 + ∑ CFt ⋅ (1 + i )− t .49 t =1

T* ist in derjenigen Periode erreicht, in der die Summe der diskontierten Cash Flows der einzelnen Perioden erstmalig größer als die Investitionsauszahlung ist. In Abbildung 8 wird die Entwicklung der Cash Flows innerhalb der ersten drei Perioden dargestellt:

CFt

CFt ⋅ (1+ i )− t

∑ CF ⋅ (1 + i )

1

21.287

20.082,08

20.082,08

2

21.287

18.945,35

39.027,43

3

21.287

17.872,98

56.900,41

t

Abb. 8:

T

−t

t

t =1

Entwicklung der Cash Flows

Somit ist T* gleich zwei. Durch Einsetzen der ermittelten Werte in Formel (4) ergibt sich eine exakte dynamische Amortisationszeit von 1,29 Jahren bzw. einem Jahr und 106 Tagen.

49

Vgl. hierzu Götze/Bloech (1995), S. 90 ff.

176

4.2

Stefan Binnewies

Qualitativer Vergleich

Die Vorteile der internetbasierten Beschaffung gegenüber dem traditionellen Beschaffungsszenario sind in erster Linie in dem verbesserten Informationsfluss zwischen allen Beteiligten sowie in den indirekten Effekten zur Kosteneinsparung zu sehen. Die Ausführungen bis zu diesem Zeitpunkt haben dies verdeutlicht.50 Trotzdem lassen sich einige Bereiche identifizieren, die durchaus Kritik am internetbasierten Szenario zulassen. So werden sowohl in der Praxis als auch in der Wissenschaft die Verlagerung operativer Tätigkeiten auf den Bedarfsträger und die damit einhergehenden Freiräume innerhalb der Einkaufsabteilungen angeführt. Sicherlich erweist sich dieser Wandel als Vorteil für den strategischen Einkauf. Allerdings darf an dieser Stelle nicht vergessen werden, dass eine Entlastung des Einkaufs zugleich auch eine Belastung des Bedarfsträgers bedeutet, auch wenn sich diese Belastung durch die Dezentralisierung und die damit verbundene Verteilung des Bestellvolumens für den einzelnen Bedarfsträger gering halten lassen dürfte. Ein weiterer Aspekt bezieht sich auf die papierbasierten Produktkataloge. Diese bieten Herstellern und Händlern die Möglichkeit, ihre Produkte direkt beim Kunden zu präsentieren. Die Darstellungsqualität ist häufig besser, als dies bei der Darstellung von Produkten über den Bildschirm der Fall ist. Ebenso gilt Papier als vertrauenswürdiges Medium, welches fast überall verfügbar ist. Weiterhin wird der Gebrauch von gedruckten Katalogen als selbstverständlich angenommen. Der Umgang mit elektronischen Katalogen muss hingegen erst erlernt werden, was sich im Übrigen auch generell auf den Umgang mit E-Procurement-Systemen übertragen lässt.51 Aus einer ganzheitlichen Betrachtung heraus lässt sich jedoch feststellen, dass die Vorteile der Beschaffung mit E-Procurement-Systemen im Vergleich zu den Nachteilen überwiegen. Die angesprochenen Verbesserungspotenziale erscheinen auf den ersten Blick ausnehmend hoch. Daher soll an dieser Stelle darauf hingewiesen werden, dass hier ein idealtypischer internetbasierter Beschaffungsprozess betrachtet wurde. Das bedeutet, dass z.B. angenommen wurde, dass Lieferanten Zugang zum System haben. Ebenso wurden die entsprechenden Schnittstellen zum ERP-System des Unternehmens vorausgesetzt. Es gibt einige weitere Faktoren, die erfüllt sein müssen, um eine reibungslose Nutzung von EProcurement-Systemen zu ermöglichen. Auch das unternehmerische Umfeld spielt bei dieser Betrachtung eine wichtige Rolle.

5

Zusammenfassung

Als Ergebnis der Wirtschaftlichkeitsbetrachtung ließ sich die Aussage treffen, dass mit 573 Transaktionen eine relativ geringe Anzahl an Transaktionen im 50 51

Zum zu erwartenden Nutzen vgl. Möhrstedt/Bogner/Paxian (2001), S. 62 f. Vgl. Hentrich (2001), S. 22 f.

Beurteilung von E-Procurement-Investitionen

177

Rahmen einer Kostenvergleichsrechnung zur Vorteilhaftigkeit des internetbasierten Beschaffungsszenarios führt. Auch die Zeit, innerhalb welcher sich das E-Procurement-Projekt amortisiert, ist als sehr gering einzuschätzen. Aus dieser Betrachtung heraus sollte die Investition in das E-Procurement unterstützt werden. Ein weiterer Kostenblock - die Transaktionskosten - wurden bei dieser Betrachtung vernachlässigt. Unter dem Begriff „Transaktionskosten“ werden Kosten für Information und Kommunikation in den Phasen der Anbahnung, der Vereinbarung, der Abwicklung, der Kontrolle und der Anpassung im Rahmen arbeitsteiliger Aufgabenerfüllung zusammengefasst.52 Der Grund dafür, dass im Rahmen dieser Analyse keine Transaktionskosten berücksichtigt wurden, ist in der problematischen Quantifizierbarkeit dieser Kostenart zu sehen. Es ist jedoch davon auszugehen, dass aufgrund der Nutzung der Internettechnologie die anfallenden Transaktionskosten bei Verwendung von E-Procurement-Systemen geringer ausfallen dürften als bei der traditionellen Variante. Es kann insgesamt festgestellt werden, dass bei gegebenem Transaktionsvolumen die Höhe der Anschaffungskosten bzw. Implementierungskosten sowie die Höhe der transaktionsbezogenen Prozesskosten wesentliche Entscheidungsgrößen sind. Während sich vor diesem Hintergrund die Implementierung eigener Buy-Side-Lösungen aufgrund hoher Implementierungskosten weitgehend nicht durchsetzt, stellen neben den von Anbietern der C-Produkte genutzten Sell-SideLösungen vor allem branchenspezifische oder produktspezifische InternetMarktplätze eine interessante Alternative dar. Für KMU bietet sich insbesondere letztgenannte Lösung an, da im Allgemeinen keine interne Software, ein geringer Beratungs- und Supportaufwand sowie keine Lizenzkostenpauschale anfallen. Der Betreiber des Marktplatzes bietet einen Service an, dessen Nutzung häufig durch ein Transaktionsentgelt und/oder eine monatliche Gebühr abgerechnet wird. Hierdurch wird diese Alternative auch für kleine Unternehmen interessant, und die Vorteilhaftigkeit kann u.a. mittels der hier vorgeschlagenen Vorgehensweise bestimmt werden.

Literaturverzeichnis Actio Managementberatung (Hrsg.): Die E-Procurement-Strategie für Ihr Unternehmen – CTeile-Beschaffung, Düsseldorf 2001. Arnolds, Hans; Heege, Franz; Tussing, Werner: Materialwirtschaft und Einkauf, 10. A., Wiesbaden 2001. Block, Carl H.: Professionell einkaufen mit dem Internet, München 2001. Brenner, Walter; Zarnekow, Rüdiger: E-Procurement – Potenziale, Einsatzfelder und Entwicklungstrends, in: Hermanns, Arnold; Sauter, Michael (Hrsg.): Management – Handbuch Electronic Commerce, München 2001, S. 487 – 502. Coenenberg, Adolf Gerhard: Kostenrechnung und Kostenanalyse, 4. A., Landsberg/Lech 1999. Dolmetsch, Ralph: eProcurement – Einsparungspotenziale im Einkauf, München 2000.

52

Vgl. Picot (1991), S. 344.

178

Stefan Binnewies

Eyholzer, Kilian: Electronic Purchasing – Arbeitsbericht Nr. 116, Bern 1999. Online im Internet: (Stand: 30/07/1999; Abruf: 26/09/2001) Eyholzer, Kilian; Hunziker, Daniel: Internet-Einsatz in der Beschaffung – Arbeitsbericht Nr. 118, Bern 1999. Online im Internet: (Stand: 30/07/1999; Abruf: 26/09/2001). Flicker, Alexandra; Höller, Johann: E-Commerce auf Basis von Internettechnologien im Beschaffungswesen – Kurzfassung einer Studie des European Research Center in Purchasing and Supply, Linz 2001. Götze, Uwe; Bloech, Jürgen: Investitionsrechnung, 2. A, Berlin 1995. Hentrich, Johannes: B2B-Katalogmanagement – E-Procurement und Sales im Collaborative Business, Bonn 2001. Horváth, Peter: Controlling, 7. A., München 1998. Konhäuser, Christian: C-Artikelmanagement im Intranet/Internet, in: Bogaschewsky, Ronald (Hrsg.): Elektronischer Einkauf, Gernsbach 1999, S. 75 - 96. Möhrstedt, Detlef G.; Bogner, Philipp; Paxian, Sascha: Electronic Procurement planen – einführen – nutzen - von der Konzeption zu optimalen Beschaffungsprozessen, Stuttgart 2001. Nenninger, Michael; Lawrenz, Oliver: B2B-Erfolg durch eMarkets, Braunschweig/Wiesbaden 2001. Nenninger, Michael: Electronic Procurement – Neue Beschaffungsstrategien durch Desktop Purchasing Systeme (KPMG-Studie), München 1999. o.V.(a): Online im Internet: (Stand: 05/07/2001; Abruf: 29/10/2001). o.V.(b): Online im Internet: (Stand: 12/12/2001; Abruf: 13/12/2001). Picot, Arnold: Ein neuer Ansatz zur Ausgestaltung der Leistungstiefe, in: Zeitschrift für betriebswirtschaftliche Forschung (43), Heft 4, 1991, S. 336-357. Weiber, Rolf; Meyer, Jörg; Ebert, Holger: Grundlagen des Electronic Procurement, in: WISU (30), Heft 12, 2001, S. 1653 - 1661.

Einsatz von Verfahren der Investitionsrechnung zur Beurteilung von E-Commerce-Investitionen von Dipl.-Kfm. Dirk Kellerbach1

1

Einleitung

Der Untergang vieler börsennotierter Internet-Unternehmen hat Ernüchterung über allzu euphorische Prognosen in Bezug auf E-Commerce eintreten lassen. Bei Investitionen in E-Commerce ist die gebotene Vorsicht nun auch in der Praxis zu beobachten. Gescheiterte E-Commerce-Investitionen haben deutlich gezeigt, wie wichtig es ist, die Chancen derartiger Investitionen den jeweiligen Risiken gegenüberzustellen, wobei insbesondere auch auf jeweils vorhandene Kapazitäten abzustellen ist. Vor diesem aktuellen Hintergrund soll im vorliegenden Beitrag auf die Möglichkeit eingegangen werden, die Unsicherheit von ECommerce-Investitionen in geeigneter Form zu untersuchen, um sie dann im Rahmen von Verfahren der Investitionsrechnung abzubilden. Ergebnis soll dann die Beurteilung von mit Unsicherheit behafteten Investitionen in E-CommerceKapazitäten sein. Um dies zu erreichen, soll auf der Grundlage des Investitionsentscheidungsprozesses auf E-Commerce-spezifische Chancen und Risiken, insbesondere finanzieller Art, eingegangen werden. Diesbezüglich werden Verfahren zur Verdeutlichung von Unsicherheitsstrukturen in den Mittelpunkt der Untersuchung gerückt. Die Auswahl dieses Themenschwerpunktes erfolgt aufgrund der außerordentlichen Bedeutung von Unsicherheit, deren jeweiligen Unsicherheitsstrukturen und der nur unzureichenden Berücksichtigung von Unsicherheit in der Praxis.

1 Dipl.-Kfm. Dirk Kellerbach, Wurzerstr. 194A, 53175 Bonn.

180

Dirk Kellerbach

2

Qualitative und quantitative Untersuchungen in Investitionsentscheidungen

2.1

Investitionsentscheidungsprozess

Wenn die Frage nach der Investition in neue Kapazitäten gestellt wird, dann ist zu deren Beantwortung ein Investitionsentscheidungsprozess zu durchlaufen. Dieser lässt sich im Idealfall in vier Phasen des Managementzyklus (Analyse, Planung, Realisation und Kontrolle) untergliedern. Im Folgenden wird der Entscheidungsprozess von Investitionen in die Analysephase (bestehend aus Anregung und Situationsanalyse), die Planungsphase (bestehend aus der Festlegung von Zielen und Strategien), die Realisationsphase und die Kontrollphase unterteilt. Abb. 1 stellt diesen Entscheidungsprozess grafisch dar. Situationsanalyse und Anregung

Analysephase

Festlegung von Zielen Formulierung (alternativer) Strategien

Planungsphase

Beurteilung und Entscheidung

Realisation

Realisationsphase

Kontrolle

Kontrollphase

Abb. 1: Investition als Entscheidungsprozess In der Analysephase ist die Anregung der erste Schritt für die Idee, eine Investition durchzuführen. Dies impliziert, dass Probleme aufgedeckt und beseitigt werden sollen2. Bezogen auf Investitionen in E-Commerce-Kapazitäten ergeben sich vielfältige Anknüpfungsspunkte. Diese können beispielsweise im Bedarf nach Kostensenkungspotenzialen oder neuen Distributionskanälen wie auch im Anschluss an neue Kommunikationsformen liegen.3 Um o.g. Anregungen zu erhalten, werden umfangreiche Informationen bezüglich der Ausgangssituation benötigt. Es empfiehlt sich daher, eine kontinuierliche Situationsanalyse mit den Bereichen Umwelt- und Unternehmensanaly2 3

Vgl. Kruschwitz (2005), S. 7ff. Vgl. Eggs / Franke (2004), S. 13.

Beurteilung von E-Commerce-Investitionen

181

se durchzuführen. Als Ergebnis einer Zusammenführung aller Möglichkeiten und Grenzen entsteht die „Chancen-Risiken-Analyse“4. Aufgrund der Ergebnisse der Analysephase lassen sich problemadäquate Ziele ableiten. Ein einfaches Beispiel zu diesem Teilbereich der Planungsphase ist das Ziel, im Internet zu E-Commerce-Zwecken präsent zu sein. Dieser Bestandteil der Planungsphase ist insbesondere vor dem Hintergrund der Ableitung von Entscheidungskriterien, die eine spätere Auswahl von zu realisierenden ECommerce-Investitonen erst ermöglichen, wichtig. So beinhaltet die Phase der Formulierung von Strategien konkrete Pläne zur Verwirklichung der Ziele. Ein Beispiel ist die geplante Errichtung eines Online-Shops im Internet, um das Ziel der Aktivität im Internet zu E-Commerce-Zwecken umzusetzen. Sinn dieser Phase ist es, verschiedene Alternativen zu suchen und zu identifizieren. Im nächsten Schritt, der Beurteilung und Entscheidung, gilt es, zwischen Alternativen (Strategien) auszuwählen. Da es sich bei den Alternativen um Investitionen handelt und diese nach qualitativen und quantitativen Gesichtspunkten5 zu beurteilen sind, bieten sich Verfahren der Investitionsrechnung zur Beurteilung quantitativer Wirkungen an. Ferner stehen verschiedene andere Methoden (wie Checklisten, Scoring-Verfahren etc.) zur Messung von sog. Imponderabilien bei der Schätzung subjektiver Urteile zur Verfügung.6 In der Realisationsphase werden i.d.R. zunächst detaillierte Projektplanungen zur Vorbereitung der eigentlichen Errichtung von Kapazitäten vorangetrieben. Dieser Phase lassen sich Vorbereitungsmaßnahmen, wie Probeläufe, die Ausbildung von Arbeitskräften oder ähnliches, zuordnen.7 Im Rahmen der Kontrollphase sollen Abweichungen von den prognostizierten Zuständen aufgedeckt werden, so dass den Ursachen für solche Abweichungen begegnet werden kann. Hierzu sollten spezielle Abweichungsanalysen durchgeführt werden. 2.2

Chancen-Risiken-Analyse

Soll auf Chancen und Risiken eines Prozesses abgestellt werden, so bietet sich im Rahmen einer Situationsanalyse die sog. „Chancen und Risiken-Analyse“ an. Diese ist das Ergebnis der Zusammenführung von Umwelt- und Unternehmensanalyse. Bei der Untersuchung der Unternehmensumwelt ist zwischen näherer

4 5

6 7

Siehe Abschnitt 2.2. Unter quantitativen Gesichtspunkten sollen dabei Auswirkungen verstanden werden, die zählbar sind und aufgrund dessen numerisch beurteilt werden können. Qualitative Faktoren entziehen sich hingegen objektiver Messbarkeit und sind daher nur aufgrund von subjektiven Entscheidungen zu berücksichtigen. Vgl. Kruschwitz (2005), S. 23. Vgl. Götze (2006), S. 14f.

182

Dirk Kellerbach

und weiterer Umwelt (Mikro- und Makroumwelt) zu differenzieren.8 Neben der Umweltanalyse sind unternehmensspezifische Stärken und Schwächen im Rahmen der Unternehmensanalyse zu ermitteln. Abb.2 zeigt das vorgeschlagene Schema zur Ermittlung von Chancen und Risiken. Diese lassen sich nur zum Teil quantifizieren. Daher sollten die ECommerce-Kapazitäten ebenfalls anhand von qualitativen Faktoren beurteilt werden. Situationsanalyse

Umweltanalyse

weiteres Umfeld

Unternehmensanalyse

näheres Umfeld

Stärken und Schwächen

Chancen-Risiken-Analyse

qualitativ

quantitativ

Abb. 2: Chancen – Risiken – Analyse

2.2.1 Qualitative Untersuchungen von E-Commerce-Investitionen

Qualitative Faktoren eines Investitionsobjektes zielen auf die Güte bzw. Beschaffenheit einer Investition. Auch wenn sich der Einfluss qualitativer Faktoren sich nicht mit dem gleichen Umfang in der Literatur, wie der der quantitativen Faktoren niederschlägt, so ist doch darauf hinzuweisen, dass qualitative Ausprägungen in der Praxis (besonders im Bereich neuer Technologien, wie der des ECommerce), eine große Bedeutung im Rahmen von Investitionsentscheidungen erfahren. Die relevanten Faktoren von E-Commerce-Investitionen können je nach Ausprägung der Investition unterschiedlich sein. Ist als Zielsetzung formuliert, einen neuen Vertriebskanal zu erschließen bzw. sich absatzseitig im Internet in Form eines Online-Shops zu etablieren, so unterscheiden sich die Kriterien von denen des Ziels der Realisierung eines E-Procurement-Projektes oder der Anbindung an ein ERP-System. Für einen Online-Shop im Internet können qualitative Faktoren z.B. in der Steigerung des Bekanntheitsgrades, der Gewinnung und Bindung neuer Abnehmer, der Intensivierung von Kundenkontakten oder der Optimierung der Vertriebsstruktur bestehen.9

8 9

Vgl. u.a. Götze / Rudolph (1994), S. 6f. Vgl. Link / Schmidt (2001), S.79.

Beurteilung von E-Commerce-Investitionen

183

Wie diese Faktoren im Rahmen der Entscheidungsfindung zu berücksichtigen sind, ist von den jeweiligen Endscheidungsträgern festzulegen. Diesbezüglich ist anzumerken, dass Scoring-Verfahren, wie die Nutzwertanalyse, lediglich relative, nicht jedoch absolute Vorteilhaftigkeiten ermitteln können.10 Es bleibt daher festzuhalten, dass in E-Commerce-Projekten qualitative Faktoren von großer Bedeutung sind, jedoch quantitative Untersuchungen zur Ermittlung absoluter Vorteilhaftigkeiten durchgeführt werden sollten. 2.2.2 Quantitative Untersuchungen von E-Commerce-Investitionen

Als Zielsetzung von Investitionen wird in der Literatur11 i.d.R. die Verwendung finanzieller Mittel zur Vermögens- bzw. Einkommensmaximierung betrachtet. Daher erscheint es sinnvoll, Überlegungen über die finanziellen Auswirkungen von E-Commerce-Investitionen anzustellen. Die Stärken der klassischen Verfahren der Investitionsrechnung sind ebenso wie die Schwächen im Hinblick auf ihre Operationalität weitestgehend bekannt und sollen an dieser Stelle nicht thematisiert werden. Probleme ergeben sich insbesondere im Rahmen der Ermittlung der relevanten Daten und der Prämisse der Sicherheit. Unsicherheit in Bezug auf E-Commerce besteht sowohl in den Bereichen Ein- und Auszahlungen (bzw. Kosten und Erlösen), als auch hinsichtlich der Nutzungsdauer der Investitionsobjekte. In der Praxis ist zu beobachten, dass in Folge von Problemen bei der Datenbeschaffung oft sehr einfache Verfahren (wie Kostenvergleiche) Anwendung finden. Dies ist problematisch, da die Kosten nicht isoliert von den Leistungen betrachtet werden können. Insofern ist von diesem Vorgehen Abstand zu nehmen. Sind relevante Daten (z.B. Umsätze) zu schätzen, so verschafft die Annahme, dass qualitative Faktoren letztlich zur Erreichung quantitativer Ziele beitragen, einen Ansatz, das Datenproblem strukturiert zu betrachten. Inhaltlich kommt dies der Erstellung eines Business-Cases gleich. Dieser umfasst neben den Bereichen Erlös- und Kostenplanung auch den Finanzierungs- und Investitionsplan.12 Neben vorhandenen Informationen können Erfahrungen aus der Vergangenheit, Experimente sowie intensive Beobachtungen im relevanten Umfeld Datenquelle sein.13 Da es sich bei E-Commerce-Projekten – insbesondere, wenn keine Projekterfahrung vorliegt – als schwierig erweisen könnte, die Daten auf dieser Basis valide zu schätzen, sollten weitere Berechnungen durchgeführt werden. Die folgenden Verfahren sollen helfen, Unsicherheit zu verdeutlichen und in die Investitionsrechnung zu implementieren.

10 11 12 13

Vgl. ebenda, S. 79. Vgl. u.a. Kruschwitz (2005), S. 9ff. sowie Gerke / Bank (2003), S. 28ff. Vgl. Eggers (2001), S. 88f. Vgl. Link / Schmidt (2001), S. 79.

184

Dirk Kellerbach

2.2.2.1 Sensitivitätsanalyse

Die Sensitivitätsanalyse ist ein Instrument zur Darstellung der Zusammenhänge zwischen Ausgangsdaten und Zielwerten der Investitionsrechnung. Im Rahmen der Sensitivitätsanalyse sind zwei Verfahren bzw. Fragestellungen zu unterscheiden. Beim sog. „Verfahren der kritischen Werte“, wird untersucht, wie weit sich eine Inputgröße verändern darf, bis eine Outputgröße gegen ein bestimmtes vorgegebenes Niveau stößt (etwa KW>0). Eine andere Variante dieses Verfahrens zielt darauf ab, zu überprüfen, wie sich eine Outputgröße bei festgelegter Variation einer oder mehrerer Inputgrößen verändert. Soll auf das Verfahren der kritischen Werte abgestellt werden, so ist inhaltlich die Sensitivitätsanalyse in vier Schritten durchzuführen14: 1. 2. 3. 4.

Auswahl der als unsicher betrachteten Inputgrößen (Preis, Absatz, etc.) Formulierung eines Modells unter Berücksichtigung von Abhängigkeiten Vorgabe eines zulässigen Schwankungsintervalls der Outputgröße Bestimmung des resultierenden Schwankungsintervalls für die jeweils betrachtete Inputgröße

Das vorgeschlagene Procedere lässt sich am besten anhand eines Beispiels verdeutlichen. Dabei wird erneut das Exempel des Online-Shops gewählt. Prinzipiell ist die Sensitivitätsanalyse unabhängig vom zu Grunde gelegten Verfahren. Hier soll als Anwendungsbeispiel die Kapitalwertmethode herangezogen werden. Als besonders unsicher seien in einem E-Commerce-Projekt Absatzmenge und –preis identifiziert worden (Hyper-Wettbewerb). Zunächst soll nur die Absatzmenge als variabel betrachtet werden. Unter Berücksichtigung der vereinfachenden Annahme periodengleicher Absatzmengen (xkrit) lautet die Bestimmungsgleichung für einen Kapitalwert von null bei A0 =40.500 €, i = 7%, P1/2 = 40 €, P3 = 38 € bei Herstell- Versandkosten von jeweils 25 € und laufenden Auszahlungen für den Online-Shop von 18.000 €: 0 = −40 .500 +

15 ⋅ xkrit . − 18 .000 15 ⋅ xkrit . − 18 .000 13 ⋅ xkrit . − 18 .000 + + 1,07 1,07 2 1,07 3

Wird nun die Gleichung nach kritischen Menge xkrit. aufgelöst, so ergibt sich für diesen Wert eine durchschnittliche Absatzmenge von ~ 2.326 Stück. Durchschnittliche Absatzmengen, die unter dieser Grenze liegen, verursachen demnach negative Kapitalwerte. Um einen besseren Überblick zu bekommen, empfiehlt es sich, nicht nur von absoluten Werten auszugehen, sondern die ermittelte

14

Vgl. Kruschwitz (2005), S. 327.

Beurteilung von E-Commerce-Investitionen

185

Untergrenze zu dem angestrebten Planwert (hier 2.500 Stück) ins Verhältnis zu setzen. Hier errechnet sich ein Planerreichungsgrad von 2 . 326 [ Stück ] = 93 , 04 % , 2 . 500 [ Stück ]

d.h. die durchschnittlichen Plan-Absätze dürfen um ungefähr 6,9 % sinken, bis der Kapitalwert negativ und die Investition somit absolut unvorteilhaft wird. Den kritischen Werten ist der Status eines „Break-Even-Points“ zuzuschreiben.15 Das bisherige Verfahren beruhte auf der Annahme, nur eine Variable sei unsicher und die anderen Parameter blieben konstant. Mithilfe der Sensitivitätsanalyse können jedoch auch mehrere Variablen gleichzeitig untersucht werden. Dabei gilt, dass bei der Variation von n Inputgrößen eine (n-1)-dimensionale Punktemenge entsteht (n=2 führt zu einer kritischen Linie, n=3 zu einer kritischen Fläche).16 Im Rahmen des oben beschrieben Procedere äußert sich dies durch die modifizierte Formulierung des obigen Modells, wobei die Gleichung dann nach einer als unsicher angesehenen Größe aufgelöst wird. Eine wichtige Annahme besteht in der Unabhängigkeit der betrachteten Größen voneinander. Bestehen funktionale Abhängigkeiten, etwa zwischen Preis und Absatz, so sind hinter diesen stehende Größen zu untersuchen. Dies ist am Besten anhand eines Beispiels zu erläutern: Bestehen funktionale Abhängigkeiten zwischen Preis und Absatz p( x) =

33 .432 ,6 + 25 x

durch die Funktion p i = a - b ⋅ x i und sollen Auswirkungen der Variation von Preis und Absatz untersucht werden, so sind bezüglich des Preises die von einander unabhängigen Größen a, b und xi einzubeziehen. In dem hier vorgestellten Modell sollen der Kapitalwert erneut als Zielgröße angenommen und die Merkmale Preis und Absatz untersucht werden. Dabei wird von den Annahmen ausgegangen, die Merkmale seien unabhängig voneinander und fielen in jeder Periode in gleicher Höhe an. Die Funktion, die Preis und Absatz für Kapitalwerte von null in Beziehung setzt, lautet dann:

15 16

Vgl. Franke / Hax (2003), S. 254f. Vgl. Blohm / Lüder / Schaefer (2006), S. 233.

186

80 70 60 50 40 30 20 10 0

Dirk Kellerbach

KW>0

KW