Kundendienststrategien im Automobilsektor: Theoretische Fundierung und Umsetzung eines Konzeptes zur differenzierten Vermarktung von Sekundärdienstleistungen [1 ed.] 9783428469598, 9783428069590

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Kundendienststrategien im Automobilsektor: Theoretische Fundierung und Umsetzung eines Konzeptes zur differenzierten Vermarktung von Sekundärdienstleistungen [1 ed.]
 9783428469598, 9783428069590

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MICHAEL ROSADA

Kundendienststrategien im Automobilsektor

Vertriebswirtschaftliche Abhandlungen begründet von

Prof. Dr. h. c. Dr. Otto R. Schnutenhaus fortgeführt von Prof. Dr. Werner Hans Engelhardt und Prof. Dr. Peter Hammann

Heft 32

Kundendienststrategien im Automobilsektor Theoretische Fundierung und Umsetzung eines Konzeptes zur differenzierten Vermarktung von Sekundärdienstleistungen

Von Dr. Michael Rosada

DUßcker & Humblot . Berliß

CIP-Titelaufnahme der Deutschen Bibliothek

Rosada, Michael: Kundendienststrategien im Automobilsektor: theoretische Fundierung und Umsetzung eines Konzeptes zur differenzierten Vermarktung von Sekundärdienstleistungen / von Michael Rosada. - Berlin: Duncker u. Humblot, 1990 (Vertriebswirtschaftliche Abhandlungen; H. 32) Zugl.: Bochum, Univ., Diss., 1988 ISBN 3-428-06959-5

NE:GT

Alle Rechte vorbehalten

© 1990 Duncker & Humblot GmbH, Berlin 41 Fotoprint: Wemer Hildebrand, Berlin 65 Printed in Germany

ISSN 0409-1728 ISBN 3-428-06959-5

Vorwort Die mit GebrauchsgUtern verbundenen Dienstleistungen haben in den letzten Jahren nicht nur betrllchtlich an Umfang zugenommen, sondern immer hllufiger den Rang kaufentscheidender Faktoren erlangt. Das gilt nicht zuletzt für den Kundendienst im Automobilbereich, den die Praxis immer mehr als wichtigen strategischen Erfolgsfaktor erkennt und einsetzt. Dabei dient dieser nicht nur der Differenzierung von der Konkurrenz, sondern auch der Erhöhung der WertschOpfung. Vor allem aber verfolgt man mit dem Kundendienst das Ziel, das akquisitorische Potential gegenUber den Nachfragern zu festigen und zu erweitern. Die vorliegende Arbeit setzt sich zum Ziel, ein umfassendes Erkillrungsmodell der für Konsumenten bereitgestellten Kundendienstleistungen im Automobilbereich zu entwikkein, das die maßgeblichen Wirkungszusammenhänge aufzeigt und als Grundlage strategischer Entscheidung der Unternehmungen zu dienen vermag. Dabei ist allerdings eine segmentspezifische Betrachtung notwendig, weil Art und Umfang des Kundendienstes sowie die sich daraus ergebende Preiskomponente bei den verschiedenen Zielgruppen zu unterschiedlichen Wirkungen führen. Die Aussagen beruhen auf umfangreichen empirischen Studien des Bearbeiters und verbinden damit praktische Erkenntnisse mit wissenschaftlicher Systematik. Der Verfasser hat sich jedoch noch höhere Ziele gesetzt, indem er einen Beitrag zur theoretischen Fundierung der Dienstleistungen im allgemeinen leisten will. Ungeachtet der wachsenden gesamt- und einzel wirtschaftlichen Bedeutung sowohl der reinen als auch der mit Sachleistungen verbundenen Dienstleistungen fehlt bislang noch immer eine Theorie der Dienstleistungen. Die wissenschaftliche Behandlung begnügt sich mit branchenbezogenen und damit in ihrem Erkenntnisgehalt begrenzten Aussagen. In diese Lücke stößt die vorliegende Arbeit hinein und bietet eine in sich geschlossene theoretische Grundlage der Dienstleistung. Damit geht der Verfasser weit über die bisher vorgelegten Ansitze in der Literatur hinaus und entwickelt einen eigenstllndigen Beitrag, der die wissenschaftliche Diskussion einen wesentlichen Schritt voranzubringen im Stande ist. Es handelt sich bei der vorliegenden Arbeit sowohl um eine Weiterführung der Theorie als auch um eine Anwendung auf sehr konkrete praktische Gegebenheiten. Der Anwendungsbezug ist nicht nur - wie dies generell zu fordern ist - theoriegestützt, d.h. fußend auf bekannten theoretischen Aussagen. Vielmehr wird die Theorie selbst in sehr kreativer Weise weiterentwickelt. Damit erschließt die Arbeit in doppelter Hinsicht Neuland. Es ist zu hoffen, daß sie bei der aktuellen Diskussion der Dienst-

VI

Vorwort

leistungen hilfreich zu sein vermag und dazu beitrAgt. die vielen noch offenen Probleme in diesem Bereich einer LOsung nAherzubringen.

Bochum im Juni 1990

Prof. Dr. W.H. Engelhardt

Inhaltsverzeichnis I. ProblemsteIluni und Voraehenswelse

11. Die Funktionen des Kundendienstes Im Rahmen des Marketlnl A. Das Absatzobjekt aus Marketing - Sicht

7 7

1. Der Begriff des Absatzobjektes

7

2. Die Komponenten des Absatzobjektes

9

a. Dienstleistungen

9

(I) Der Dienstleistungsbegriff (a) Der Dienstleistungsbegriff in der Literatur

9 10

(al) Negativabgrenzung der Dienstleistungen

10

(a2) Erklärungsansätze mit Hilfe der Verwendung

11

von Dienstleistungscharakteristika (a2a) Kritische Analyse von potentiellen Dienst-

11

leistungscharakteristika (a2b) Systematisierung und kritische Analyse

16

resultierender Dienstleistungsdefinitionen

(bla) Bereitstellungsleistung

20 20 20

(b I b) Finaler Leistungserstellungsprozeß

21

(b) Eine Weiterentwicklung des Dienstleistungsbegriffes (b I) Dienstleistungsdimensionen

(blc) Leistungsergebnis (b2) Die Integration des externen Faktors als allei-

21

23

niges Merkmal der Dienstleistungsdefinition

(I) Der Begriff des Rechtsgutes

25 27 27 28 28 28

(2) Rechtsgtiter als Absatzobjekte

30

(2) Dienstleistungen als Absatzobjekte b. Sachleistungen (I) Der Sachleistungsbegriff

(2) Sachleistungen als Absatzobjekte c. Rechtsgtiter

3. Das Absatzobjekt als Verbundproblem

31

Inhaltsverzeichnis

VIII

I. Der Begriff des Kundendienstes

37 37

2. Die Stellung des Kundendienstes im Marketing-Mix

41

3. Die Kundendienstarten

43 43

B. Der Kundendienst als Teilbereich des Absatzobjektes

a. Ansätze zur Klassifizierung der Kundendienstleistungen (I) Differenzierungskriterium "Nachfrager"

44

(2) Differenzierungskriterium "zeitlicher Anfall"

45

(3) Differenzierungskriterium "externer Faktor"

46 46 46 47

(a) PrimIirleistungsorientierte Kundendienstleistungen (b) Subjektorientierte Kundendienstleistungen (c) Die Notwendigkeit zur Unterscheidung zwischen primlirleistungs- und subjektorientierten Kundendienstieistungen (d) Vergleich der Klassifizierung nach dem externen

48

Faktor mit der Literaturunterscheidung in technische und kaufmännische Kundendienstleistungen b. Typologie der Kundendienstarten

c.

50

Die Managementaufgabe Kundendienstpolitik

52

I. Die Aufgaben und der Umfang der Kundendienstpolitik

52

2. Die Determinanten der Kundendienstpolitik

57 57

a. Die Nachfrage (I) Die Unternehmenspolitik des Anbieters

58 58

(2) Die Primärleistung

59

b. Das Angebot

c. Die Konkurrenz d. Die Umwelt

63 64

(I) Technologische Entwicklungen

65

(2) Rechtlicher Rahmen der Kundendienstpolitik

66 70 70

3. Die Elemente der Kundendienstpolitik a. Kundendienstphilosophie b. Kundendienstziele

71

c. Kundendienststrategien

76

d. Kundendienstmaßnahmen

78

Inhaltsverzeichnis 111. Der Kundendienst Im Automobllberelc:h A. Die Struktur des AutomobilgeschAftes in der

IX

80 80

Bundesrepublik Deutschland I. Die Wettbewerbsverhältnisse auf dem Automobilmarkt

gO

a. Der Gruppenwettbewerb als Charakteristikum des

80

Automobilgeschlftes (I) Der Begriff des Gruppenwettbewerbs

80

(2) Die Struktur einer Gruppe im Automobilbereich

81

(3) Rechtliche Grundlagen des Gruppenwettbewerbs

84

(al Das Wettbewerbsrecht in der Europäischen Gemeinschaft

84

(b) Implikationen der Gruppenfreistellungsverordnung

86

b. Die Wettbewerbsintensität im Automobilmarkt 2. Die Erfolgspotentiale im Automobilgeschäft a. Die Primärleistungen

89 93 93

(I) Das Neuwagengeschäft

93

(2) Das GebrauchtwagengeschAft

94

(3) Interdependenzen zwischen Neuwagen-

97

und GebrauchtwagengeschAft b. Die Sekundärleistungen

100

(I) Das Teilegeschäft

100

(2) Das Sekundärrechtsgeschäft

103

(3) Das Kundendienstgeschlft

105

3. Das Zielsystem in der AutomobilindUStrie

106

B. Der Stellenwert der Kundendienstpolitik für

109

das AutomobilgeschAft I. Der Einfluß der Kundendienstpolitik auf die

109

Gestaltung der Primärleistung 2. Die Bedeutung der Kundendienstpolitik für die

111

Realisierung von Erlösen 3. Der Einfluß situativer Faktoren auf den Stellenwert der

113

Kundendienstpoltik für die Vermarktung von Automobilen a. Die Bedeutung der Kundendienstpolitik in Abhängigkeit von

113

der zu vermarktenden Automobilklasse b. Die Bedeutung der Kundendienstpolitik in Abhängigkeit von

114

der Novität der Beschaffungssituation (I) Der Fall der Erstbeschaffung

114

(2) Der Fall der Ersatzbeschaffung

116

Inhaltsverzeichnis

X

c. Die Bedeutung der Kundendienstpolitik in Abhängigkeit

118

von der Produktlebenszyklus-Phase der Primlrleistung d. Die Bedeutung der Kundendienstpolitik in Abhllngigkeit

121

vom Alter des Automobils e. Die Bedeutung der Kundendienstpolitik in Abhängigkeit

123

vom Zeitpunkt des Markteintritts eines Automobilproduzenten

c.

Die Situation bei der Vermarktung von Kundendienstleistungen

125

in der Automobilindustrie I. Das Kundendienstleistungssortiment der Automobilindustrie

a. Systematisierung der Kundendienstleistungen (l) Subjektorientierte Kundendienstleistungen

125 125 126

vor Absatz der Hauptleistung (2) Subjektorientierte Kundendienstleistungen

128

nach Absatz der Hauptleistung (3) Primlrleistungsorientierte Kundendienstleistungen

130

nach Absatz der Hauptleistung b. Interdependenzen zwischen den Kundendienstleistungen

132

2. Gruppenexterne Wettbewerber

134

3. Die Aufteilung des Kundendienstmarktes

135

a. Die Auswahl von Teilmlrkten und Indikatoren

135

b. Die Wettbewerbssituation auf drei Teilmlrkten

136

(I) Der Markt fOr Wartungsleistungen

136

(2) Der Markt fOr Reparaturleistungen

140

(3) Der Markt fOr Tuningleistungen

145

D. Beurteilung der von den Automobilgruppen

146

betriebenen Kundendienstpolitik

IV. Die Sellmentlerunl des Marktes für Kundendlenstlelstunlen

153

In der Automobllbranc:he A. Der Begriff der Marktsegmentierung

153

B. In der Automobilindustrie gebrluchliche Ansitze zur

154

Segmentierung des Marktes fOr Kundendienstleistungen

Inhaltsverzeichnis

c.

Identifikation der Segmente im Markt für Kundendienstleistungen

XI

158

I. Methodischer Ansatz

158

2. Erste Stufe: Disaggregation des Marktes für Kundendienst-

160

leistungen nach dem beobachtbaren Beschaffungsverhalten 3. Zweite Stufe: "benefit segmentation"

163

a. Der Begriff der "benefit segmentation"

163

b. Die Ermittlung der Nutzenvorstellungen

164

(I) Die Gruppe der "Buyer"

(a) Systematische Erfassung von Nutzenvorstellungen (al) Die Qualitllt und der Preis einer Dienstleistung

164 164 164

als allgemeiner Ansatzpunkt zur Bildung von Nutzenvorstellungen (a2) Kundendienstspezifische Ansatzpunkte zur Bildung

169

von Nutzenvorstellungen im Automobilmarkt (a2a) Ansatzpunkt Bereitstellungsleistung

170

(a2b) Ansatzpunkt finaler Leistungserstellungsprozeß

172

(a2c) Ansatzpunkt Leistungsergebnis (b) Abgrenzung von Nachfragesegmenten auf der Basis

174 176

differierender Nutzenvorstellungsvektoren (bI) Methodischer Ansatz

176

(b2) Bestimmung der Nutzenstiftungspotentiale

180

konkurrierender Angebotsformen im Markt für Kundendienstleistungen (b3) Bestimmung und Analyse der

188

Nutzenvorstellungsvektoren (2) Die Gruppe der "Do-it-yourself-Interessierten"

192

(a) Begriffliche Abgrenzungen

192

(b) Stabilitllt der Do-it-yourself-Bewegung

193

im Automobilsektor (c) Abgrenzung von Nachfragesegmenten auf der Basis

194

differierender Nutzenvorstellungsvektoren 4. Dritte Stufe: Beschreibung der Segmente im Markt

200

für Kundendienstleistungen S. Kritische Würdigung des methodischen Ansatzes

202

xn V.

Inhaltsverzeichnis Die str.teelsche PI.nune von Kundendlenstlelstuneen

204

Im Automobllberelch A. Die Festlegung von Kundendienstphilosophie und Kundendienstzielen

204

für eine Automobilgruppe unter den Bedingungen eines Marktes mit differenzierten Nachfragerbedtlrfnissen B. Strategien und Maßnahmen einer Automobilgruppe zur leistungs-

208

und segmentspezifischen Vermarktung von Kundendienstleistungen 1. Bestimmung der Strategiedimensionen und der Strategieebenen

208

2. Die Festlegung differenzierter Kundendienststrategien und

209

Kundendienstmaßnahmen in AbMngigkeit von der Strategieebene a. Die Ebene der einzelnen Kundendienstleistung (I) Modell zur Ableitung leistungs- und segmentspezifischer

209 209

Anforderungen an die Vermarktung von Kundendienstleistungen (2) Die Marktstimulierungsentscheidung

214

(a) Strategische Grundposition I

216

(b) Strategische Grundposition 11

221

(c) Strategische Grundposition III

224

(d) Strategische Grundposition IV

228

(3) Die Marktbearbeitungsentscheidung

233

b. Die Ebene des Kundendienstleistungsbtlndels

236

c. Die Ebene der Strategischen Geschäftsfelder

237

(I) Die Abgrenzung der Strategischen GescMftsfelder

237

(2) Die Bearbeitung der Strategischen GescMftsfelder

239

(a) Das Strategische Geschllftsfeld der sicherheits-

239

orientierten Autofahrer (al) Die Struktur der Kundendienststrategie

239

(a2) Der Einsatz von Shift-Strategien

240

(a3) Maßnahmen zur Umsetzung der Kundendienststrategie

243

(b) Das Strategische GescMftsfeld der wirtschaftlichkeits-

245

orientierten Autofahrer (bi) Die Struktur der Kundendienststrategie (b2) Maßnahmen zur Umsetzung der Kundendienststrategie (c) Das Strategische GescMftsfeld der preisreagiblen

245 246 247

Do-it-yourself- Interessierten (cl) Die Struktur der Kundendienststrategie

247

(c2) Maßnahmen zur Umsetzung der Kundendienststrategie

248

Inhaltsverzeichnis (d) Das Strategische Geschäf'tsfeld der engagierten

XIII 250

00- it - yourself- Interessierten

(dl) Die Struktur der Kundendienststrategie (d2) Maßnahmen zur Umsetzung der Kundendienststrategie d. Die Ebene des Unternehmens (1) Die Einbindung der Geschäf'tsfeldstrategien in eine

250 251 252 252

einheitliche Unternehmensstrategie (2) Organisatorische Implikationen aus einer differenzierten

253

Vermarktung von Kundendienstleistungen (3) Das Sortiment an Kundendienstleistungen

e. Die Ebene der Automobilgruppe (1) Die Implementierung eines Konzeptes zur differenzierten

255 255 256

Vermarktung von Kundendienstleistungen (2) Die Entscheidung zwischen Innovator und Imitator

257

VI. Kritische Wllrdl&uD& des &ewlhlteD ForschuD&SaDsatzes

257

Literaturverzeichnis

261

Abbildungsverzeichnis Abb. 1

Der Kundendienst im Automobilgeschlft als Teilmenge

2

möglicher Forschungsgebiete im Marketing Abb. 1: Erscheinungsformen des externen Faktors Abb. 3: Systematisierung von Dienstleistungsdefinitionen nach

15 17f.

der Anzahl der verwendeten Beschreibungsdimensionen und Zuordnungen ausgewählter Ansätze Abb. 4: Die Erfassung eines komplexen Dienstleistungsgeschlftes

33

mit Hilfe des Molekular - Modells Abb. 5: Der grundsätzliche Aufbau eines Absatzobjektes

36

Abb. 6: Die Identität von Kundendienstleistungen und

40

SekundArdienstleistungen Abb. 7: Die Integration der Kundendienstpolitik in das Spektrum

43

der Möglichkeiten zur Nachfragestimulierung Abb. 8: Typologische Erfassung der Kundendienstleistungen

51

Abb. 9: Umfang und Komponenten der Kundendienstpolitik

56

Abb. 10: Aufteilung des Gebrauchtwagenmarktes nach Angebotsformen

95

für das Jahr 1986 Abb. 11 : Wanderungsbewegungen zwischen Neu- und Gebrauchtwagenmarkt

99

in der Zeit von 1978 bis 1986 Abb. 12: Das Zielsystem einer Automobilgruppe

108

Abb. 13: Gewichte der Eigenschaftsdimension

11 5

in Abhängigkeit von der Leistungsart Abb. 14: Der Einfluß des Kundendienstes auf den Absatz von Personen-

120

kraftwagen in der Bundesrepublik Deutschland in Abhängigkeit von der Produktlebenszyklus-Phase Abb. 15: Konsumtive Kundendienstleistungstypen und -arten

133

im Automobilgeschäft Abb. 16: Die Aufteilung des Marktes fUr Wartungsleistungen

138

in der Bundesrepublik Deutschland 1986 Abb. 17: Die Aufteilung des Marktes fUr Wartungsleistungen in der Bundes-

138

republik Deutschland 1986 in Abhängigkeit vom Fahrzeugalter Abb. 18: Die Aufteilung des Marktes für Reparaturleistungen

141

in der Bundesrepublik Deutschland 1986 Abb. 19: Die Aufteilung des Marktes fUr Reparaturleistungen in der Bundesrepublik Deutschland 1986 in Abhängigkeit vom Fahrzeugalter

141

AbbildlDlgsverzeichnis Abb. 20 : Die Aufteilung des Marktes fnr Reparaturleistungen in der Bundes-

xv 143

republik Deutschland 1986 in Abhlngigkeit von unterschiedlich oft anfallenden Instandsetzungsarbeiten Abb. 21

Segmentierung des Marktes für Kundendienstleistungen im

162

Automobilbereich nach dem Kriterium Anbieterwahl Abb. 22 : Modell einer nachfrageorientierten Beurteilung der Qualitlt

166

von Dienstleistungen Abb. 23 : Items zur qualitativen Beurteilung der Dienstleistungsdimension

171

Bereitstellungsleistung eines Anbieters von Kundendienstleistungen im Automobilbereich Abb. 24 : Items zur qualitativen Beurteilung der Dienstleistungsdimension

173

finaler Leistungserstellungsprozeß eines Anbieters von Kundendienstleistungen im Automobilbereich Abb. 25 : Items zur qualitativen Beurteilung der Dienstleistungsdimension

175

Leistungserstellungsergebnis eines Anbieters von Kundendienstleistungen im Automobilbereich Abb. 26 : Beurteilung der Nutzenstiftungspotentiale von hersteller-

182

gebundenen Betrieben und konventionellen Spezialwerkstlltten Abb. 27 : Beurteilung der Nutzenstiftungspotentiale von neuen

183

Spezialwerkstltten, konventionellen Universalwerkstlltten und Tankstellen Abb. 28 : Die Relation zwischen Eigenarbeit und Bekanntenhilfe

193

bei Wartungs- und Reparaturleistungen in der Bundesrupublik Deutschland 1986 in Abhlngigkeit vom Fahrzeugalter Abb. 29 : Die Preisreagibilitlt der Nachfrage nach primArleistungs-

198

orientierten Sekundlrdienstleistungen in der Gruppe der 00-it-yourself-Interessierten Abb. 30 : Kundendienstleistungstypen als Basis der Strategieformulierung

213

Abb. 31 : Leistungsspezifische Strategieempfehlungen zur Stimulierung

233

der MArkte für Kundendienstleistungen im Automobilbereich Abb. 32 : Idealtypische Darstellung der Risikopositionen für Dienstleistungen, Rechtsgüter und Sachleistungen

260

Abkürzungsverzeichnis Abs.

- Absatz

AG

- Aktiengesellschaft

AGB-Gesetz - Gesetz zur Regelung des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen Art.

- Artikel

asw

- absatzwirtschaft

Bd.

- Band

BB

- Betriebsberater

BGB

- Bürgerliches Gesetzbuch

bzw.

- beziehungsweise

ca.

- circa

DAT

- Deutsche Automobil Treuhand

DB

- Der Betrieb

DBW

- Die Betriebswirtschaft

d.h.

- das heißt

Diss.

- Dissertation

DM

- Deutsche Mark

EG

- Europäische Gemeinschaft

EJoM

- European Journal of Marketing

EWG

- Europäische Wirtschaftsgemeinschaft

EWGV

- Vertrag zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft

f.

- folgende

ff.

- fortfolgende

Fn

z

GWB

- Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen

HB

- Handelsblatt

Fußnote

HBR

- Harvard Business Review

HGB

- Handelsgesetzbuch

Hrsg.

- Herausgeber

HWA

- Handwörterbuch der Absatzwirtschaft

HWB

- Handwörterbuch der Betriebswirtschaft

HWP

- Handwörterbuch der Produktion

IMM

- Industrial Marketing Management

i.V.m.

- in Verbindung mit

Jg.

=

JoM

- Journal of Marketing

Mio.

- Millionen

Jahrgang

Abkürzungsverzeichnis MJ

- Marketing Journal

Mrd.

- Milliarden

NJW

- Neue juristische Wochenschrift

No.

-

Nr.

- Nummer

o.

- ohne

Pkw

- Personenkraftwagen

S.

- Seite

SB

- Schaubild

SMJ

- Strategie Management Journal

Sp.

- Spalte

u.a.

-

u.a.m.

- und andere mehr

Number

unter anderem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb

UWG

z

V.

- Verfasser

vgl.

- vergleiche

Vol.

- Volume

wrp

- Wettbewerb in Recht und Praxis

z.B.

- zum Beispiel

ZfbF

= Zeitschrift für betriebswirtschaftliehe Forschung

ZFP

- Zeitschrift für Forschung und Praxis

Ziff.

- Ziffer

z.T.

- zum Teil

XVII

I. Problemstellung und Vorgehensweise Sehr häufig beginnen wissenschaftliche Arbeiten, die sich mit den Dienstleistungen und speziell ihrer Vermarktung auseinandersetzen, mit der berechtigten Aussage, daß in diesem Bereich Forschungsdefizite bestehen. 1 Als Ursache hierfür ist nicht zuletzt ein Abgrenzungsproblem anzusehen: Es bereitet Schwierigkeiten, den Untersuchungsgegenstand eindeutig zu erfassen und von den Sachleistungen zu trennen. 2 Klarheit in der Begriffslegung ist aber eine notwendige Voraussetzung für die wissenschaftliche Diskussion und Weiterentwicklung eines Themas. 3 Als Konsequenz ist daher vielfach zu konstatieren, daß entweder in kasuistischer Weise Spezialaspekte des Dienstleistungsmarketing' oder spezifische Dienstleistungsbranchen analysiert werden. & Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit dem Kundendienst im Automobilbereich, d.h. es werden Dienstleistungen betrachtet, die in Verbindung mit Sachleistungen erbracht werden. 6 Damit soll aber kein weiteres Glied in die Kette der - hilfreichen branchenorientierten Beiträge eingefügt werden. Vielmehr ist die Ableitung von allgemein für Dienstleistungen gültigen Aussagen auf der Basis einer Einzelfallbetrachtung7 intendiert. Ein solcher induktiver Forschungsansatz birgt den Vorteil in sich, daß die wissenschaftliche Lösung eines konkreten ökonomischen Problems im Mittelpunkt der Bemühungen steht. Den Zielen einer entscheidungsorientierten Marketing-Theorie8 entsprechend, wird das Untersuchungsobjekt - in diesem Fall der Kundendienst im Automobilbereich - eingehend beschrieben und in seiner Struktur analysiert. Diese Detailkenntnisse sind die Voraussetzung für die Entwicklung eines Erklärungsmodells. Ein solches Erklärungsmodell bildet aber nicht die komplexe Wirklichkeit ab, sondern

I) Vgl. u.a. Engelhardt, Werner H./Schwab, Wilfried (1982), S. 503; Gummesson, Evert (1978), S. 89; Klaus, Peter G. (1984), S. 467; Langeard, Eric (1981), S. 233; Shostack, G. Lynn (1977), S. 73; Uhlenbruck, Nikolaus (1986), S. I; einen Überblick über den Stand der Forschung bietet Langeard, Eric (1983), S. 7 f. 2) Vgl. dazu die Ausführungen in Kapitel 11. A. 2. 3) Vgl. z.B. Schneider, Dieter (1981), S. 31. 4) Vgl. Langeard, Eric (1983), S. 8. 5) Vgl. Klaus, Peter G. (1984), S. 467 f.; besonders in den Bereichen Handel und Banken gibt es vielfältige Untersuchungen: vgl. u.a. Seyffert, Rudolf (1972); Süchting, Joachim (1982). 6) Zur Begriffsabgrenzung vgl. die Ausführungen in Kapitel 11. B. 1. 7) Der Begriff der Einzelfallbetrachtung wird in einem deutlich erweiterten Sinne verwendet und umfaßt insgesamt den Kundendienst der Automobilindustrie in der Bundesrepublik Deutschland. 8) Vgl. Simon, Hermann (1986), S. 3; zur Entscheidungsorientierung der Betriebswirtschaftslehre allgemein vgl. z.B. Backhaus, Klaus/Plinke, Wulff (1986), S. 23 f.

2

I. Problemstellung und Vorgehensweise

stellt vielmehr eine Vereinfachung der Realität9 und damit eine Beschränkung auf das Wesentliche dar. Die maßgeblichen Wirkungszusammenhänge können auf diese Weise aufgezeigt und zur Ableitung von Prognosen zukünftiger Entwicklungen sowie von Gestaltungsvorschlägen herangezogen werden. IO Die gewonnenen Erkenntnisse sind abschließend im Hinblick auf ihren möglichen Transfer auf übergeordnete Fragestellungen zu prüfen: Ist das entwickelte Erklärungsmodell dazu in der Lage, auch eine adäquate Abbildung der Wirklichkeit in bezug auf den Kundendienst generell und den Bereich der Dienstleistungen insgesamt zu gewährleisten und somit die Generierung von Gestaltungsvorschlägen für hierarchisch superiore Problemstellungen zu ermöglichen, oder sind aufgrund des gewonnenen Spezialwissens notwendige Modellmodifikationen als Voraussetzung für die Realisierung der angestrebten, auf einem höheren Niveau allgemeingültigen Aussagen ersichtlich? Der Kundendienst im Automobilbereich stellt eine Teilmenge des Bereiches Kundendienst dar, der seinerseits wieder eine Teilmenge des Sektors Dienstleistungen und damit des übergeordneten Bereiches der Absatzobjekte ist. l l Dieser Sachverhalt ist in Abb. I aus der Sicht des Kundendienstes im Automobilbereich vereinfacht dargestellt.

Abb. 1: Der Kundendienst im Automobilbereich als Teilmenge möglicher Forschungsgebiete im Marketing

9) Vg!. Schneider, Dieter (1981), S. 37 und S. 45.

10) Zu Zielen und Aufgaben einer entscheidungsorientierten Marketingwissenschaft vg!. u.a. Köhler, Richard (1986), S. 6 ff.; Konrad, Eugen (1974), S. 38 ff. 11) Vg!. dazu die Ausführungen in Kapitel 11. A.

I. Problemstellung und Vorgehensweise

3

Versteht man Marketing als eine Konzeption marktorientierter Unternehmensführung 12 , die bei der Entscheidungsfindung konsequent von den Belangen auf Absatzund Beschaffungsmlrkten 13 ausgeht, so stellt die Vermarktung der Absatzobjekte ein zentrales Forschungsgebiet der Marketing-Wissenschaft dar. Entsprechend kann man die Absatzobjekte als Grundgesamtheit und die in Abb. I dargestellten Teilmengen als ihre "möglichen Welten"14 bezeichnen. Die Aufgabe der Wissenschaft ist die theoretische Erfassung eines möglichst großen Teils der Wirklichkeit, d.h. der Strukturkern einer Theorie - darunter sollen die logischen Beziehungen zwischen den zur Verdeutlichung der Umsetzung einer Lösungsidee notwendigen eindeutig definierten Begriffen verstanden werden - ist so komplex zu gestalten, daß ihm ein Großteil der realen Erscheinungen zu subsumieren ist. 15 Ein Weg zur Erreichung dieses Ziels ist der Ansatz bei einer begrenzten "möglichen Welt" wie z.B. dem Kundendienst im Automobilbereich. Für diese können testbare Hypothesen l8 formuliert werden, die innerhalb der gewlhlten "möglichen Welt" logisch wahr sind. 11 In einem nlchsten Schritt ist zu prüfen, ob diese "logische Wahrheit" der Hypothesen auch für weitere "mögliche Welten" wie - im vorliegenden Fall - den Kundendienst allgemein oder den Bereich der Dienstleistungen gilt. Ist das zutreffend, so kann der Strukturkern der Theorie des Dienstleistungsmarketing um diese neuen Erkenntnisse erglnzt werden. la Es ist das Ziel der vorliegenden Arbeit, in diesem Sinne einen Beitrag zu leisten. Von besonderem Interesse ist dabei das Gebiet der Strategischen Planung von Kundendienstleistungen und Dienstleistungen. Eine systematische Durchdringung der angesprochenen Themenkomplexe erfordert jedoch vorab eine vertiefte Auseinandersetzung mit dem Begriff der Dienstleistungen. Dem Kundendienst wird zunehmend eine besondere Bedeutung für den Erfolg eines Unternehmens bei der Vermarktung bestimmter Absatzobjekte und damit für die Realisierung strategischer Ziele - z.B. konkretisiert durch angestrebte Marktanteile -

12) Vgl. u.a. Becker, Jochen (1983), S. 2; Engelhardt, Werner H./Plinke, Wulff (1980), S. 11; Nieschlag, Robert/Dichtl, Erwin/Hörschgen, Hans (1985), S. 8 f. 13) Vgl. u.a. Blnsch, Axel (1982), S. 3 f.; Hammann, Peter/Lohrberg, Werner (1982),

S. 24 ff.

14) Vgl. Schneider, Dieter (1981), S. 45. 15) Zu den begrifflichen Abgrenzungen vgl. Schneider, Dieter (1981), S. 36 und S. 41. 16) Zum Begriff der Hypothese vgl. u.a. Schneider, Dieter (1981), S. 37 ff.; Hammann, Peter (1982), S. 148 ff. 17) Vgl. Schneider, Dieter (1981), S. 45. 18) Vgl. zu diesem Vorgehen Schneider, Dieter (1981), S. 45 ff., der allerdings auf einer anderen Aggregationsebene argumentiert.

4

I. Problemstellung und Vorgehenswcisc

sowohl auf Seiten der Wissenschaft als auch auf Seiten der Praxis konzediert. ll! Peters und Waterman haben bei ihren Untersuchungen in den Vereinigten Staaten von Amerika festgestellt, daß sich exzellente Unternehmen durch acht Merkmale auszeichnen: Die Nähe zum Kunden, d.h. das Erkennen von Bedürfnissen und die Befriedigung derselben durch eine adäquate Anreicherung von Sachleistungen mit Dienstleistungsangeboten ist eines davon. 2o Die Ursachen für diese Aufwertung des Kundendienstes zu einem Strategischen Erfolgsfaktor sind sowohl auf der Nachfrager- als auch auf der Anbieterebene zu finden. So hat ein gestiegenes verfügbares Einkommen - und ein damit verbundener höherer Lebensstandard - zu einer verstärkten Inanspruchnahme von ergänzenden Kundendienstleistungen durch Konsumenten geführt. In gleicher Weise bewirken die Zunahme der Arbeitsteilung und der Spezialisierung innerhalb des investiven Sektors 21 eine Substitution von "Make" durch "Buy".22 Unterstützung erfahren diese Tendenzen durch die höhere Komplexität verschiedener Sachleistungen, die eine Buy-Entscheidung für korrespondierende Dienstleistungen geradezu präjudiziert. 2s Der gestiegenen Bereitschaft zur Abnahme von Kundendienstleistungen entspricht ein geändertes Anbieterverhalten. Vor allem bei relativ homogenen Sachleistungen wird der Kundendienst oftmals als einzige Möglichkeit zur Differenzierung von der Konkurrenz24 und als Chance zur Verbesserung der Wertschöpfung angesehen. Hierbei stehen dem Anbieter zwei grundsätzliche Wege zur Profilierung durch Kundendienstleistungen offen. Innovative oder qualitativ überlegene Dienstleistungen verbessern den Nutzen einer Sachleistung und erzeugen so Präferenzen beim Nachfrager. Alternativ kann der Akzent allerdings auch auf die Preiswürdigkeit des Kundendienstangebotes gesetzt werden. In beiden Fällen wird der rationalen Entscheidungsfindung der Nachfrager bei der Auswahl zwischen konkurrierenden Absatzobjekten Rechnung getragen. Nicht nur zusätzliche Nutzenkomponenten 25 , sondern auch die vom Nachfrager erwarteten Kosten für in der Zukunft anfallende Kundendienstleistungen abzüglich eines Restwertes gehen neben dem Kaufpreis der Sachleistung in

19) Vg!. u.a. DOhle, Peter (1983), S. 236; Rau, Bernd (1975), S. 21 ff. und S. 279 ff.; Wagner, William B./Lagarce, Raymond (1981), S. 31. 20) Vg!. Peters, Thomas J./Waterman, Robert H.Jr.(1982), S. 13 ff. und S. 19 ff. sowie S. 157. 21) Zur Unterscheidung von konsumtiver und investiver Nachfrage vg!. Backhaus, Klaus (1982), S. I ff; Engelhardt, Werner H./Günter, Bernd (1981), S. 22 ff. 22) Zur Make-or-Buy-Entscheidung vg!. Engelhardt, Werner H./Schwab, Wilfried (1982), S. 505 f. 23) Vg!. u.a. Fischer, Gerd (1986), SB Nr. 8; Hillmann, Henning (1973), S. 249; Meffert, Heribert (1987), S. 93. 24) Vg!. u.a. Lele, Milind M./Karmarkar, Uday S. (1983), S. 124; Meffert, Heribert (1987), S. 93; Meinig, Wolfgang (1984), S. 133 f. 25) Vg!. Zimmermann, Daniel (1978), S. 97 f.

I. Problemstellung und Vorgehensweise

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den Vergleich der Vorteilhaftigkeit ein. 28 Damit ist der These von Schumpeter, wonach die dominanten Wettbewerbsparameter die Qualitätspolitik und der Kundendienst in seiner präferenzpolitischen Funktion sind 27 , nur bedingt zuzustimmen. Zwar ist der Kundendienst während der letzten Jahrzehnte in genau dieser Weise von einer unerwünschten, aber notwendigen Leistung hin zu einem Akquisitionsinstrument und eigenständigen Leistungsangebot weiterentwickelt worden 28, doch belegt die Diskussion um das Lebenszykluskosten-Konzept sehr wohl, daß bei der Strategischen Planung von Kundendienstleistungen ebenfalls die preispolitische Dimension zu beachten ist. Der Kundendienst im allgemeinen stellt sich als ein vielschichtiges und bedeutendes Untersuchungsfeld dar, an dem sowohl der Stellenwert von Dienstleistungen für das Marketing von komplexen Absatzobjekten als auch die Problematik einer Vermarktung von Dienstleistungen aufgezeigt werden können. Im besonderen trifft diese Aussage auf den Kundendienst im Automobilbereich zu. Der hohe Erlebniswert, den Nachfrager mit dem Besitz eines Kraftfahrzeuges verbinden, und die daraus resultierende Sensibilisierung für Kundendienstleistungen eröffnen den Automobilherstellern eine Fülle von Möglichkeiten, den Kundendienst akquisitorisch zu nutzen. 211 Der Einstieg in das Dienstleistungsmarketing über den Kundendienst im Automobilbereich erscheint daher dem Ziel der Arbeit adäquat und angemessen. Der Verlauf der Untersuchung kann wie folgt skizziert werden. Als Basis für die anstehenden Erörterungen werden in Kapitel 11. der Kundendienst bzw. die Kundendienstpolitik zum einen definiert und konkretisiert sowie zum anderen in ihren Funktionen für das Marketing eines Anbieters analysiert. Hierzu und zum Aufbau des beabsichtigten Erkillrungsmodells ist eine Abgrenzung von Dienst- zu Sachleistungen die Voraussetzung. Anschließend steht in Kapitel III. der Kundendienst im Automobilbereich im Mittelpunkt der Betrachtungen. Allerdings ist eine weitere Eingrenzung des Untersuchungsfeldes zwingend erforderlich. Marketingstrategien sind stets nachfrageorientiert zu konzipieren; es gibt aber auch bei Dienstleistungen grundlegende Unterschiede im Be-

26) Vg!. Bender, Paul S. (1976), S. 6; Lele, Milind M./Karmarkar, Uday S. (1983), S. 126 f. 27) Vg!. Schumpeter, Joseph A. (1975), S. 139. 28) Vg!. u.a. Bennewitz, Hans Immo (1968), S. 176 ff.; Meffert, Heribert (1982), S. 2 f.; Schulze, P.H. (1984), S. 123. 29) Gespräche mit den Kundendienstabteilungen verschiedener Automobilproduzenten in der Bundesrepublik Deutschland über die Entwicklung neuer Leistungsangebote belegen, daß in zunehmendem Maße versucht wird, diese Chancen zu verwirklichen.

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I. Problemstellung und Yorgehensweise

schaffungsverhalten zwischen Konsumenten und Organisationen.so Daher werden im Rahmen dieser Untersuchung nur die Kundendienstleistungen betrachtet, die von Konsumenten, d.h. Letztverwendern nachgefragt werden. Sl Eine solche Analyse zeigt für den Automobilsektor, daß die Hersteller die Erwartungen, die sie mit ihrem Kundendienstangebot verbinden, nicht realisieren können, sondern vielmehr das akquisitorische PotentialS2 der Kundendienstpolitik nur unzureichend nutzen. Auf der Grundlage dieser Erkenntnisse wird die Hypothese abgeleitet, daß die Implementierung einer Marktsegmentierungsstrategie notwendig ist, um die geschilderte Situation nachhaltig zu verbessern. In dem gerade beleuchteten Kapitel 111. wird der Einsatz der Kundendienstpolitik in einer ganz bestimmten Branche beschrieben. Dieser Ansatz bei einer begrenzten "möglichen Welt" ist aber nur dann erfolgversprechend, wenn es im Rahmen einer empirischen Studie gelingt, die reale Situation dieses Wirtschaftsbereiches möglichst weitgehend zu erfassen. Zu diesem Zweck wurde folgender Weg beschritten: Zum einen konnten ausführliche qualitativ konzipierte Gespräche mit Vertretern der Kundendienstabteilungen der Automobilproduzenten Bayerische Motorenwerke AG, DaimlerBenz AG, Ford-Werke AG und Volkswagenwerk AG geführt werden. Die Volkswagenwerk AG ermöglichte außerdem Interviews bei Mitgliedern ihrer Absatzorganisation, den V.A.G-Partnern. Zusätzlich konnten Kontakte mit den automobilorientierten Beratungsunternehmen autop Nord, Perkute Maschinenbau GmbH und AHM-Autohandel-Marketing GmbH genutzt werden. Zum anderen war auch der Rückgriff auf quantitative Marktanalysen möglich, weil alle genannten Parteien bereit waren, Informationsmaterial in vielfältiger Form zur Verfügung zu stellen. Die Untersuchung der konsumtiven Nachfrage nach Kundendienstleistungen in Kapitel IV. zeigt dann, daß vier Marktsegmente zu unterscheiden sind, und liefert auf diese Weise erste Hinweise für eine zielgruppenorientierte Kundendienstpolitik. In Kapitel V., dem Kernstück dieser Arbeit, werden konkrete Gestaltungsempfehlungen für die Strategische Planung des Kundendienstes mit Hilfe eines ErklArungsmodelis abgeleitet. Hierbei wird ersichtlich, daß sich der Einsatz einer Marktsegmentierungsstrategie für einen bestimmten Kundendienstleistungstyp anbietet. Die Entwick30) Vgl. u.a. Engelhardt, Werner H.jSchwab, Wilfried (1982), S. 504 f.; Krooss, Reinhart (1966), S. 67 ff. 31) Zur Abgrenzung von konsumtiver und investiver Nachfrage speziell bei Dienstleistungen vgl. u.a. Engelhardt, Werner H./Schwab, Wilfried (1982), S. 505; Grönroos, Christian (1979), S. 45 f.; Gummesson, Evert (1978), S. 89 f. 32) Zum Begriff des akquisitorischen Potentials vgl. Gutenberg, Erich (1976), S.243.

A. Das AbsalZObjekt aus Marketing-Sicht

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lung von Kundendienststrategien als ganzheitliche Aufgabe umfaßt darüber hinaus die Beachtung von fünf verschiedenen Planungsebenen: die Planung der einzelnen Dienstleistung, die gleichsam den Kern einer Kundendienstleistung bildet, die Planung der Kundendienstleistung als Bündel differierender Leistungskomponenten, die Planung der für die abgegrenzten Strategischen Geschäftsfelder marktorientiert zusammengefaßten Leistungsangebote, die Planung der Unternehmensentwicklung als Konsequenz aus kundendienstpolitischen Anforderungen und die Planung der kundendienstpolitisch induzierten Entwicklung der gesamten Automobilgruppe. Abschließend beschäftigt sich Kapitel VI. mit der Übertragbarkeit der gewonnenen Erkenntnisse auf die übergeordneten Bereiche des Kundendienstes allgemein und der Dienstleistungen generell.

11. Die Funktionen des Kundendienstes im Rahmen des Marketing A. Das Absatzobjekt aus Marketing-Sicht 1. Der Begriff des Absatzobjektes Die Absatzobjekte stellen ein primäres Forschungsgebiet der Marketing-Wissenschaft dar. In ihnen konkretisiert sich die Aufgabe einer Unternehmung, Leistungen zu erstellen, die dazu geeignet sind, eine marktmäßige Nutzung zu erfahren. S3 Ent-prechend kann man mit Gümbel Absatzobjekte als Objekte bezeichnen, "die im Absatzmarkt einer Unternehmung gegen Entgelt verwertet werden"u. Dieses Entgelt kann sowohl direkt als auch indirekt im Rahmen eines preispolitischen Ausgieichs S5 an den Anbieter fließen. Weiterhin werden selbständige und unselbständige Absatzobjekte unterschieden, wobei den letztgenannten die Aufgabe obliegt, die Vermarktung der selbständigen Absatzobjekte und somit die primäre Unternehmensaufgabe zu fördern. 36 Gerstung verläßt diese Betrachtungsebene und stellt als Charakteristikum eines Absatzobjektes die Wahlfreiheit seiner Inanpruchnahme durch den Nachfrager her-

33) Vgl. u.a. Bänsch, Axel (1982), S. I; Meffert, Heribert (1982 b), S. 27 ff.; Nieschlag, Robert/Dichtl, ErwinjHörschgen, Hans (1985), S. 2 f. 34) Gümbel, Rudolf (1963), S. 53. 35) Zum preispolitischen Ausgleich vgl. u.a. Engelhardt, Werner H./Plinke, Wulff (1980), S. 242 ff.; Meffert, Heribert (1982 b), S. 308 ff.; Nieschlag, Robert/ DichtI, Erwin/Hörschgen, Hans (1985), S. 313 Cf., die allerdings von dem m.E. aufgrund seiner Affinität zu einer gewissen ungesteuerten Zwangsläufigkeit weniger geeigneten Begriff des kalkulatorischen Ausgleichs ausgehen. 36) Vgl. Gümbel, Rudolf (1963), S. 53 f.

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11. Die Funktionen des Kundendienstes im Rahmen des Marketing

aus. 37 Bei dieser Vorgehensweise werden aber zum einen bestimmte Leistungen, die u.a. bei der Durchführung des Absatzaktes erbracht werden, nicht erfaßt bzw. nur negativ ausgegrenzt, und zum anderen bleiben Verbundeffekte unberücksichtigt. Die mangelnde Beachtung von Verbunderscheinungen ist auch der Kritikpunkt gegen Gümbels Unterscheidung der Absatzobjekte nach dem Grad ihrer Selbständigkeit, die ihre Wurzeln in der gewählten angebotsorientierten und unterauchungsspezifischen Sicht des Verfassers hat. Als Konsequenz werden bei einer generellen Übertragung dieser Differenzierung inhaltliche Verbindungen zwischen selbstlndigen und unselbständigen Absatzobjekten nur bedingt aufgedeckt, und es besteht die Gefahr, partikulare Aspekte anstelle von Interdependenzen zum Ausgangspunkt für Marketingstrategien zu wählen. Zur begrifflichen Abgrenzung der Absatzobjekte wird daher die Perspektive der Nachfrager eingenommen. Mit dem Erwerb eines Absatzobjektes ist die Befriedigung bestimmter Bedürfnisse beabsichtigt, d.h. im Mittelpunkt der Beschaffungsentscheidung stehen nicht Besitzvorstellungen, sondern Nutzenerwartungen. S8 Analog hierzu muß der Anbieter ein Denken in separaten Produkten und Dienstleistungen durch ein Denken in Nutzenerwartungen des Nachfragers substituieren. aG Eine solche Sichtweise zieht zwangsläufig eine Ausweitung des Begriffes Absatzobjekt nach sich, denn ein Absatzobjekt hat danach nicht nur die Funktion, einen bestimmten Grundnutzen zu bieten, sondern auch die Aufgabe, vielfältigen Zusatznutzen zu stiften.o&O Zur Erhaltung des Grundnutzens und zur Verwirklichung des Zusatznutzens einer Leistung U ist aber häufig das Angebot unterstützender Dienstleistungen notwendig. So müssen z.B. komplexe, langlebige Sachleistungen eine Betreuung nach dem Kauf erfahren, oder ein mit dem Erwerb einer Dienstleistung verknüpfter Prestigegewinn wird dem Kunden durch eine spezielle Ausgestaltung des Absatzaktes vermittelt. Jedesmal schließt die Sichtweise des Nachfragers die nach Gümbel zu unterscheidenden Konstrukte selbständiges und unselbständiges Absatzobjekt ein und verdeutlicht, daß im Kern einer Beschaffungsentscheidung die Wahl zwischen Leistungsbündeln steht. 42 Aus diesem Grund muß ein Anbieterunternehmen seine Wettbewerbsaktivitäten auf das gesamte Leistungsbündel ausrichten, wobei allerdings die einzelnen Komponenten des Konglo37) Vgl. Geratung, Fritz (1978), S. 25 ff. 38) Vgl. u.a. Bender, Paul S. (1976), S. 2; Hill, Wilhelm (1972), S. 97; Willerding, Thomas (1987), S. 17. 39) Vgl. Gross, Herbert (1960), S. 11 ff.; Schwarz, Hans Otto (1956), S. 95. 40) Zur terminologischen Unterscheidung vgl. Vershofen, Wilhelm (1959), S. 89. 41) Der Begriff Leistung wird als Oberbegriff für Sach-, Dienstleistungen und Rechte verwendet. 42) Zum Gedanken des Leistungsbündels vgl. u.a. LObei, Volkmar (1966), S. 35 ff.; Meinig, Wolfgang (1984), S. 136; Oxenfeldt, Alfred R. (1966), S. 599.

A. Das Absatzobjekt aus Marketing-Sicht

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merates in der Regel von unterschiedlicher Wichtigkeit für den Markterfolg sind und im Rahmen der Marketingstrategie ihrer relativen Bedeutung entsprechend' berücksichtigt werden sollen. Als Voraussetzung hierfür ist eine detaillierte Analyse der Struktur des jeweils vorliegenden Nachfrageverbundes notwendig. 4s Unter einem Absatzobjekt wird im folgenden ein Leistungsbündel verstanden, das ein Anbieter zur Befriedigung eines speziellen Nachfragebedürfnisses schnürt und am Markt gegen Entgelt verwertet. Bei komplexen Absatzobjekten erfolgt die Veräußerung des gesamten Bündels aber nicht uno actu, sondern verteilt über einen längeren Zeitraum. Eventuell werden bestimmte Komponenten des Leistungsbündels auch gar nicht abgesetzt. Trotzdem ist es sinnvoll, den Begriff des Absatzobjektes so weit zu fassen, da es aus Marketing-Sicht allein entscheidend ist, welche Leistungsbestandteile der Nachfrager bei seiner Wahl zwischen den Wettbewerbsalternativen in sein Kalkül einbezieht. Terminologisch ist das Absatzobjekt dem Bereich der Absatzverbunde zu subsumieren, da es sowohl die Realisierung von zeitpunktbezogenen - im Sinne eines Einkaufsverbundes - als auch zeitraumbezogenen Nachfrageverbunden - im Sinne der Lieferantentreue - intendiert. 44 Nachfolgend werden die möglichen Komponenten eines Absatzobjektes zuerst separat und dann in ihrem Zusammenwirken untersucht. Grundsätzlich können Sach-, Dienstleistungen und Rechte Bestandteile eines Leistungsbündels sein. Die vierte mögliche Güterart - das Nominalgut - kann nicht als Element eines Absatzobjektes, sondern nur als dessen monetäres Äquivalent fungieren und bleibt deshalb außerhalb der Betrachtung. 46

2. Die Komponenten des Absatzobjektes a. Dienstleistungen (1) Der Dienstleistungsbegriff

Eine intensive Beschäftigung mit dem Dienstleistungsbegriff ist aus mehrfacher Hinsicht erforderlich. So hat das Fehlen einer allgemein akzeptierten Definition den wissenschaftlichen Fortschritt in diesem Bereich des Marketing gehemmt, da eine kontinuierliche Forschung mit aufeinander aufbauenden Arbeiten nur begrenzt möglich ist. 43) Vgl. hierzu die Ausführungen in Kapitel 11. A. 3. 44) Zu den Begriffen des Absatzverbundes und der genannten Nachfrageverbunde vgl. Engelhardt, Werner H. (1976), S. 79 und S. 81 ff. 45) Zu den Güterarten vgl. z.B. Pfeiffer, Werner/Bischof, Peter (1974), Sp. 919 f.

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11. Die Funktionen des Kundendienstes im Rahmen des Marketing

Gerade eine klare Begriffslegung hingegen kann der Schlüssel sein, um die oftmals beklagte Heterogenität der Dienstleistungen·' durch das Herausbilden eindeutiger Typen beherrsch bar werden zu lassen. Darüber hinaus ist die Dienstleistungsdefinition die Basis einer terminologischen Erfassung des Kundendienstes.

(a) Der Dienstleistungsbegriff in der Literatur In der Literatur fehlt es nicht an Beispielen, in denen versucht wird, eine Dienstleistung beschreibend zu definieren. 47 Allerdings ist das Resultat unbefriedigend, da die gefundenen Abgrenzungen nicht trennscharf zwischen Dienst- und Sachleistungen differenzieren können und zusätzlich nur sehr wenig über das Wesen einer Dienstleistung aussagen. Eine wichtigere Rolle in der Begriffsdiskussion als die Beschreibung nehmen daher die beiden nachfolgend geschilderten methodischen Ansätze ein.

(al) Negativabgrenzung der Dienstleistungen Der Versuch, Dienstleistungen negativ zv definieren, d.h. Faktoren aufzuzeigen, die für Dienstleistungen nicht gelten, stammt traditionell aus der Volkswirtschaftslehre. So teilen die Sektorentheoretiker eine nationale Wirtschaft in Bereiche ein. Beachtung findet vor allem die Unterscheidung von drei Sektoren: dem primären, sekundären und tertiären Sektor. Unabhllngig von den jeweils gewählten Kriterien zur Abgrenzung dieser Bereiche finden die Dienstleistungen ihren Platz stets im tertiären Sektor; sie werden dabei in der Regel als Residualgröße aufgefaßt.·& Diese Behandlung der Dienstleistungen als Restposten tritt auch in der amtlichen Statistik der Bundesrepublik Deutschland auf, und zwar insbesondere in der Gruppe 718, die "sonstige Dienstleistungen" beinhaltet.·11

46) Vg!. u.a. Berry, Leonard L. (1984), S. 30; Lovelock, Christopher H. (1983), S. 9 f.; Maleri, Rudolf (1973), S. 1. 47) Vg!. z.B. die Definition der American Marketing Association (1960), in: Alexander, Ralph S. (1960), S. 21; vg!. weiterhin Sasser, W. Earl/Olsen, Paul R./ Wyckoff, D. Daryl (1978), S. 8. 48) Vg!. Clark, Colin (1957); Fisher, Allan G. (1935); Fourastie, Jean (1969); Wolfe, Martin (1955); als Überblick vg!. u.a. Camphausen-Busold, Brigiue (1981), S. 4 ff.; Corsten, Hans (1985), S. I ff.; Maleri, Rudolf (1973), S. 9 ff. 49) Zur Systematisierung in der amtlichen Statistik vg!. u.a. Berekoven, Ludwig (1983), S. 48; Meyer, Anton (1983), S. 7 ff.

A. Das Abs3tzobjekt aus Marketing-Sicht

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Zurückzuführen ist dieses Vorgehen auf die Überlegung, daß Sachleistungen aufgrund ihrer Materialität einfach zu definieren seien. 5o Dienstleistungen sollen dann als Ergebnisse jener Tätigkeiten verstanden werden, die nicht zur Erzeugung von Sachleistungen führen. n Gegen solche Negativdefinitionen ist in mehrfacher Hinsicht Kritik zu äußern. Zum einen ist der Bereich der Sachleistungen keinesfalls so leicht und eindeutig zu erfassen und abzugrenzen, wie es dem geschilderten Ansatz als Hypothese zugrunde liegt. Nach dem Kriterium der Materialität ist z.B. eine Schallplatte mit der Aufnahme eines KOnzertes eine Sachleistung. Meyer hingegen faßt sie als veredelte Dienstleistung aufn und vertritt auf diese Weise eine Position, der an anderer Stelle der vorliegenden Untersuchung entschieden widersprochen wird. 53 Zum anderen bleibt die Güterart Rechte unbeachtet. An eine Dienstleistungsdefinition muß aber der Anspruch gestellt werden, daß eine eindeutige Abgrenzung zu sämtlichen Güterarten erfolgt. Vor allem ist jedoch an Negativdefinitionen zu bemängeln, daß sie keine Basis für weiterführende Überlegungen liefern, da keine Ansätze zu einer Strukturierung des heterogenen Feldes der Dienstleistungen aufgezeigt werden. Eine Negativdefinition kann folglich nur eine Hilfslösung auf Zeit darstellen. 54

(a2) Erklärungsansätze mit Hilfe der Verwendung von Dienstleistungscharakteristika (a2a) Kritische Analyse von potentiellen Dienstleistungscharakteristika Der zweite methodische Ansatz zur Definition der Dienstleistungen nähert sich dem Untersuchungsobjekt positiv, indem nach erklärenden Merkmalen gesucht wird, die generell und ausschließlich auf Dienstleistungen zutreffen und daher eine Begriffsbestimmung ermöglichen. Hierzu werden seit geraumer Zeit Merkmalskataloge erstellt, überprüft und in unterschiedlichem Ausmaß als Bestandteile einer Dienstleistungsdefi-

50) Vgl. Maleri, Rudolf (1973), S. 14. 51) Vgl. Maleri, Rudolf (1973), S. 5; Rasmussen, Thomas (1977), S. 46. 52) Vgl. Meyer, Anton (1983), S. 119 ff. 53) Die hier vertretene Dienstleistungsdefinition schließt eine solche Auffassung aus; vgl. dazu die Ausführungen in Kapitel 11. A. 2. a. (1) (b). 54) Das sieht auch Rasmussen so, vgl. Rasmussen, Thomas (1977), S. 47f.

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II. Die Funktionen des Kundendienstes im Rahmen des Marketing

nition verwendet. 65 Ein solches Vorgehen ist immer dann angemessen, wenn man sich am Beginn einer wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit einem neuartigen Phänomen befindet, da eine Beschreibung seiner besonderen Charakteristika erste Erkenntnisse und Ansatzpunkte für weitere Analysen aufzeigen kann. Die Immaterialität nimmt in der Literatur eine herausragende Stellung bei der Diskussion der Merkmale ein, mit denen Dienstleistungen eindeutig von den übrigen Güterarten getrennt werden sollen. 56 Zwar ergeben sich in den Fällen, in denen eine Leistung als unstofflich zu bezeichnen ist, erhebliche Marketingimplikationen, doch unter definitorischen Gesichtspunkten ist das Kriterium der Immaterialität ungeeignet. So ist das Ergebnis einer Dienstleistung zum einen nicht per se unstofflich. Ein Unternehmensberater z.B. hat sehr wohl die Möglichkeit, ein Untersuchungsergebnis in vielfältiger Form aufzuzeichnen und auf diese Weise zu materialisieren. Diese Erkenntnis hat dazu geführt, daß die Literatur im Zusammenhang mit der Immaterialität Trägermedien für Dienstleistungen akzePtiert. 57 Doch wird hierdurch nur ein neues Abgrenzungsproblem geschaffen und eine Differenzierung zwischen Sach- und Dienstleistungen weiter erschwert. Das Merkmal der Immaterialität ist zum anderen auch nicht dazu geeignet, eine Besonderheit des Dienstleistungserstellungsprozesses zu kennzeichnen, da Prozesse generell unstofflich sind. Schließlich zeigt sich die Untauglichkeit des Kriteriums Immaterialität darin, daß es mit der gleichen Berechtigung - und ähnlichen Einschränkungen - von der Güterart der Rechte postuliert werden kann. Als zweites Dienstleistungscharakteristikum wird häufig die Flüchtigkeit oder NichtLagerfähigkeit genannt. 58 Diese ist für einen Dienstleistungsanbieter mit der spezifischen Herausforderung verbunden, besonders auf eine Synchronisation von Angebot und Nachfrage achten zu müssen. Allerdings ist auch die Flüchtigkeit nicht als konstituierendes Merkmal einer Dienstleistungsdefinition geeignet, denn alle Ergebnisse und Zwischenergebnisse einer Dienstleistungsproduktion, die materialisiert werden, können auch gelagert werden. Als Haupteinwand gegen dieses Charakteristikum muß aber genannt werden, daß die Flüchtigkeit ein aus der Immaterialität abgeleitetes

55) Vgl. den früh erstellten Merkmalskatalog bei Barker, Clare Wright / Anshen, Melvin (1939), S. 173; einen Überblick über die amerikanische Diskussion der Charakteristika von Dienstleistungen in der Zeit geben Dixon, Donald F./Smith, Michael F. (1983), S. 77. 56) Vgl. u.a. Berry, Leonard L. (1984), S.30; Corsten, Hans (1985), S. 90 ff.; Graumann, Jens (1983), S. 28 ff.; Meyer, Paul W./Tostmann, Thomas (1979), S. 23. 57) Vgl. u.a. Corsten, Hans (1985), S. 93 ff.; Maleri, Rudolf (1973), S. 38 f.; Meyer, Anton (1983), S. 21. 58) Vgl. u.a. Corsten, Hans (1985), S.103 ff.; Maleri, Rudolf (1973), S. 36 f.; Sasser, W. Earl/Olsen, Paul R./Wyckoff, D.Daryl (1978), S. 16 f.

A. Das AbsalZDbjekl aus Marketing-Sichl

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Merkmal ist, d.h. sie ist eine Folge 5g und damit zu Abgrenzungszwecken verzichtbar. Weiterhin wird die fehlende Möglichkeit einer Eigentumsübertragung als Besonderheit der Dienstleistungen herausgestellt. eo An materialisierten Ergebnissen kann jedoch durchaus Eigentum erworben werden. Vor allem jedoch ist auch dieses Merkmal kein unabhängiges, sondern - in den Fällen, in denen es Überhaupt akzeptiert werden kann - auf die Immaterialität einer Leistung zurückzuführen und daher ungeeignet als Kern einer Dienstleistungsdefinition. Das gleiche ablehnende Ergebnis muß auch für das häufig genannte Merkmal der IndividualitätS1 jeder Dienstleistung konstatiert werden. Sicherlich gibt es viele Dienstleistungen, die in hohem Maße individualisiert sind, d.h. allerdings nicht, daß dem Anbieter eine Standardisierungsstrategie apriori verschlossen ist. Vielmehr ist zu beobachten, daß eine Reihe von Dienstleistungen sogar automatisiert werden kann. 62 Als Beispiel seien die Geldausgabeautomaten der Banken genannt. Ein weiteres häufig genanntes Charakteristikum von Dienstleistungen ist die Simultanität von Produktion, Absatz und Verbrauch bei dieser Güterart.63 Die Gleichzeitigkeit der genannten Funktionen gilt jedoch nur für einen begrenzten Teil der Dienstleistungen und unter der Prämisse eines speziellen Begriffsverständnisses. Faßt man Absatz als Übereinkunft zwischen Anbieter und Nachfrager über eine Leistungserstellung auf, dann liegt der Absatz zeitlich vor der Produktion einer Dienstleistung. Sieht man hingegen die Entgeltzahlung als Absatz an, kann dieser vor, während und nach der Produktion erfolgen. Soll Absatz aber als der Übergang einer Dienstleistung vom Anbieter auf den Nachfrager verstanden werden, so kann er simultan zur Produktion - z.B. bei einem Konzert - oder im Anschluß an die Produktion - z.B. durch die Prllsentation einer Unternehmensberatungsleistung - erfolgen.&Io Desgleichen kann auch der Verbrauch, d.h. die Nutzung der Dienstleistung von den Übrigen Funktionen zeitlich und

59) Vgl. u.a. Berekoven, Ludwig (1983), S. 17; Booms, Bernard H./Bitner, Mary J. (1981), S. 47; Corsten, Hans (1985), S. 103. 60) Vgl. Engelhardt, Werner H.;Schwab, Wilfried (1982), S. 504; Judd, Robert C. (1964), S. 59. 61) Vgl. u.a. Berry, Leonard L. (1984), S.31; Sasser, W. Earl; Olsen, Paul R.; Wyckoff, D. Daryl (1978), S. 17; Uhlenbruck, Nikolaus (1986), S. 22. 62) Levitt spricht in diesem Zusammenhang von der Industrialisierung der Dienstleistungen, vgl. Levitt, Theodore (1984), S. 74 ff.; zu Standardisierungsmöglichkeiten vgl. auch Graumann, Jens (1983), S. 40; Levitt, Theodore (1972), S. 43ff.; Meyer, Anton (1983), S. 113 ff. 63) Vgl. u.a. Berekoven, Ludwig (1974), S. 24 ff.; Corsten, Hans (1985), S. 110 ff.; Graumann, Jens (1983), S. 35ff. 64) Vgl. Corsten, Hans (1985), S. 111 f.

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II. Die Funktionen des Kundendienstes im RaJunen dC's Marketing

räumlich abgekoppelt werden." Das Kriterium Simultanität gilt demnach nur fllr spezielle Dienstleistungen und ausschließlich bei einer Verwendung des Begriffes Absatz im Sinne von LeistungsIlbergang. Folglich kann es nicht als konstituierendes Dienstleistungsmerkmal herangezogen werden. 86 Trotzdem stellt die Diskussion dieses Kennzeichens einen wichtigen Schritt auf dem Weg zu einer Dienstleistungsdefinition dar, denn die Interaktion zwischen Anbieter und Nachfrager rllckt in den Mittelpunkt der Betrachtungen. Nicht sinnvoll ist es jedoch, die Notwendigkeit zu einer Integration des Nachfragers in den Leistungserstellungsprozeß dem Charakteristikum der Simultanität zu subsumieren.67 Vielmehr handelt es sich hierbei um ein eigenständiges Merkmal. In der Literatur wird es gleichsam als conditio sine qua non einer Dienstleistungsproduktion bezeichnet, daß der Nachfrager einen Beitrag zur Dienstleistungserstellung zu liefern hat, indem er einen externen Faktor bereitstellt, den der Anbieter in den Produktionsprozeß integriert.68 Einige Autoren beschränken in diesem Zusammenhang das Feld möglicher externer Faktoren auf die Person des Leistungsnehmers und seine materiellen Objekte.6D Diese Sichtweise ist jedoch zu eng und trägt vor allem dem hohen Stellenwert von Informationen fllr die Dienstleistungsproduktion keine Rechnung 70; denn ohne Informationen ist es einem Anbieter regelmäßig nicht möglich, die Bedürfnisse der Nachfrager vollständig zu erkennen und adäquat Dienstleistungen zu erstellen. AItenburger kritisiert die Akzeptanz von Informationen als externe Faktoren mit dem Einwand, daß auch Sachleistungshersteller Informationen vom Markt beschaffen müssen; nach seiner Meinung verliert das Konstrukt "Integration eines externen Faktors· damit seine diskriminierende Funktion zwischen Sach- und Dienstleistungen.71 Dem ist aber eine mangelnde Differenzierung des Autors hinsichtlich Funktion und Verwendung der jeweiligen Informationen entgegenzuhalten. Ein Sachleistungsproduzent benötigt Informationen, um seine Bereitstellungsleistung72 aufzubauen, d.h. die Kombination der internen Produktionsfaktoren erfolgt als Reaktion auf die gewonnenen Marktinformationen; die Informationen werden auf diesem Weg gleichsam zu 65) Vgl. z.B. Blois, K.J. (1983), S. 254. 66) Vgl. z.B. Blois, K.J. (1983), S. 255. 67) Das geschieht bei Graumann, vgl. Graumann, Jens (1983), S. 36 ff. 68) Vgl. u.a. Corsten, Hans (1985), S. 127 f.; Maleri, Rudolf (1973), S. 75 f.; Meyer, Paul W./Tostmann, Thomas (1979), S. 23. 69) Vgl. u.a. Berekoven, Ludwig (1983), S. 23 f.; Dixon, Donald F./Smith, Michael F. (1983), S. 79; Meyer, Anton (1983), S. 22. 70)50 schließt Graumann die Informationen explizit aus dem Kreis der möglichen externen Faktoren aus, vgl. Graumann, Jens (1983), S. 38 f. 71) Vgl. Altenburger, Otto A. (1980), S. 85. 72) Im Hinblick auf diese Ausführungen vgl. Kapitel 11. A. 2. a. (I) (b) (bi).

A. Das Absatzobjekt aus Marketing-Sicht

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internen Faktoren. Anders stellt sich die Situation bei Dienstleistungsanbietern dar. Hier fließen die Informationen in den Leistungserstellungsprozeß ein, sind also von außen, d.h. von einem Nachfrager zugeführte Produktionsfaktoren, die zeitlich begrenzt mit der vorhandenen Bereitstellungsleistung des Anbieters kombiniert werden. Als externe Faktoren können folglich nur solche Informationen akzeptiert werden, die in den finalen Leistungserstellungsprozeß eingefügt werden. Diese Art von Informationen tritt jedoch ausschließlich bei der Produktion von Dienstleistungen auf, d.h. im Gegensatz zur Meinung von Altenburger wird eine diskriminierende Funktion des Konstruktes "Integration eines externen Faktors" durch die genannte Ausweitung nicht aufgehoben. Weiterhin soll das Spektrum möglicher externer Faktoren um Rechte, Pflanzen und Tiere - zu denken ist z.B. an Leistungen eines Tierarztes - sowie Nominalgüter ergänzt werden 73 (vgl. Abb. 2). Person des Leistungsnehmers Tiere und Pflanzen des Leistungsnehmers Objekte des Leistungsnehmers Externer Faktor Informationen des Leistungsnehmers Rechte des Leistungsnehmers Nominalgüter des Leistungsnehmers Abb. 2 : Erscheinungsformen des externen Faktors

Zu den Nominalgütern ist anzumerken, daß sie in ihrer Funktion als Leistungsentgelt keine externen Faktoren darstellen, da sie in diesem Fall nicht in einen Leistungserstellungsprozeß integriert, sondern als monetäres Äquivalent entrichtet werden. Ein Beispiel für eine Dienstleistung mit einem Nominalgut als externem Faktor ist hingegen die Kontenflihrung durch eine Bank.7•

73) Vgl. auch Corsten, Hans (1985), S. 129; Hilke, Wolfgang (1984), S. 8 f.; Maleri, Rudolf (1973), S. 81 ff. 74) Vgl. Hilke, Wolfgang (1984), S. 9; Maleri, Rudolf (1973), S. 86.

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II. Die Funktionen des Kundendienstes im Rahmen des Marketing

Externe Faktoren treten häufig als mehrdimensionale Verbunde auf.76 Eine Analyse der Strukturen solcher Verbunde bestätigt jedoch die dominante Stellung von Informationen als Erscheinungsform des externen Faktors in eindrucksvoller Weise. Das Konstrukt "Integration eines externen Faktors" ist ein wesensimmanentes Charakteristikum jeder Dienstleistungsproduktion. Zusätzlich wirkt es aber auch diskriminierend in bezug auf die übrigen Güterarten; denn entgegen der Ansicht von CORSTEN treten bei der Erstellung von Sachleistungen keine externen Produktionsfaktoren in der Gestalt von "beigestelIten Objektfaktoren" auf. 76 Vielmehr gehen solche Objektfaktoren in die Bereitstellungsleistung ein und erfahren derart eine Transformation in interne Potentialfaktoren. Im vorliegenden Abschnitt sind die wichtigsten in der Literatur erörterten potentiellen Charakteristika von Dienstleistungen kritisch analysiert worden. 77 Diese sind nun in unterschiedlichem Ausmaß und differierenden Kombinationen zur Ableitung von Dienstleistungsdefinitionen herangezogen worden.

(a2b) Systematisierung und kritische Analyse resultierender Dienstleistungsdefinitionen Grundsätzlich sollen mit der Herleitung eines Dienstleistungsbegriffs aus bestimmten spezifischen Kennzeichen dieser Güterart zwei Ziele erreicht werden: das Festlegen einer

eind~utigen

Trennlinie zu den Sachleistungen und eine exakte Beschreibung der

Dienstleistungen als Voraussetzung für die Gewinnung entscheidungsorientierter Aussagen. Letzteres wird erleichtert, wenn die Dienstleistungsdefinition unter Verwendung möglichst weniger Charakteristika aufgestellt werden kann, da in diesem Fall das Auffinden von Merkmalen zur Strukturierung des gesamten Untersuchungsfeldes vereinfacht wird. Nach diesen Kriterien sollen die in der Literatur zu findenden Dienstleistungsdefinitionen im Hinblick auf ihre Tauglichkeit analysiert werden. Es gibt eine große Fülle von Dienstleistungsbegriffen, weil die entsprechenden Autoren die Bedeutung der potentiellen Dienstleistungsmerkmale unterschiedlich gewich-

75) Vgl. Corsten, Hans (1985), S. 129. 76) Vgl. Corsten, Hans (1985), S. 134. 77) Zum Teil werden weitere Merkmale betrachtet, die aber von inferiorer Bedeutung für die Diskussion um den Dienstleistungsbegriff sind, vgl. dazu u.a. Barker; Clare Wright/Anshen, Melvin (1939), S. 173; Corsten, Hans (1985), S. 113 ff. und S. 135 ff.

A. Das Absatzobjekt aus Marketing-Sicht

17

ten_ 78 Systematisiert man diese Definitionen nach der Anzahl der verwendeten Beschreibungsdimensionen, so kann man vier BegriCCskategorien unterscheiden (vgL Abb_ 3)_7g

~a Kat.corieD, Vertreter

ImlDalerialillt

Flilchlilkelt

keine Ei,ealumlübertral.

IDdlylduallill

Simulianllit

externer Faklor

SODstie'

I. uDrenekllerle lDohr-

dimeusioDale Aasltze X

X

- COWELL

X

X

- DUNN 01 &l.

X

X

X

- GEORGE 01 &l.

X

X

X

- JOHNSON

X

X

X

- KLAUS

X

X

- KOTLER/BLOOM

X

X

LB.: - CHINI

X

X X X

X X X

X

X

X

XX X

X

X

X X

X

- RUSHTON/CARSON - SASSER 01 &l.

X

X

X

X

- SCHUSSEL

X

X

X

- SHOSTACK

X

X

- RATHMELL

X

XX X

X

X X X

X

2. dreldhaeDsloa&lo ......11.. z.B~

- BERRY

X

- FRIEDMAN/ CHURCHn.L

X

X

X X

- GRAUMANN

X

X

X

- GRÖNROOS(191S)

X

- HILKE

X

X

X

- LANGEARD

X

X

X

- MEYER. A.

X

X

X

- MEYER. P.W./ TOSTMANN

X

X

X

- NORMANN

X

X

X

X

X

- PARASURAMAN 01 &l.

X

X

X

- ZEITHAML

X

X

X

X

Abb. 3 : Systematisierung von DienstIeistungsdeCinitionen nach der Anzahl der ver-

wendeten Beschreibungsdimensionen und Zuordnung ausgewlhlter Ansitze (Fortsetzung der Abb. 3 siehe Seite 18)

78) Als Überblick vgL Berekoven, Ludwig (1983), S. 8 Cf.; Corsten, Hans (1985), S. 175 Cf.; Zeithaml, Valarie A./Parasuraman, A./Berry, Leonard L. (1985), S. 33 f. 79) VgL Berekoven, Ludwig (1983), S. 23; Berekoven, Ludwig (1966), S. 320 C.; Berry, Leonard L. (1984), S. 30 C.; Booms, Bernard H./Bitner, Mary J. (1981), S. 47; Carman, James M./Langeard, Eric (1980), S. 8; Chini, Leo W. (1976), S. 3; Corsten, Hans (1985), S. 185 C.; Cowell, Donald W. (1984), S. 23 ff.; (Fortsetzung der Literaturhinweise zur Abb. 3 siehe S. 18)

18

11. Die Funktionen des Kundendienstes im Rahmen des Marketing

~a }\ate&orien, Vertreter

IlnmateriaIltlit

Flüchlilkeit

keine Ei-

atntuIDs",

Obertral.

IndividualilAt

SImultaniUII

externer

Faktor

sonstl.e

3. zweidimensionale Ansitze

z.B.: - BEREKOVEN (1966)

X

- BOOMS/BITNER

X

X

- CARMAN/ LANGEARD

X

X

- CORSTEN

X

- ENGELHARDT/ SCHWAB

X

X X

X

- GRÖNROOS (1986)

X

- KLEINE

X

- MALERI

X

X

- MILLS/MARGULIES

X

X

- STANTON

X

X X

X

4. eindimensionale Ansitze

%.B.: - BEREKOVEN (1983) - GUTENBERG

X X

-JUDO - LIGHT

X X

- WAACK

X

Fortsetzung Abb. 3 : Systematisierung von Dienstleistungsdefinitionen nach der Anzahl der verwendeten Beschreibungsdimensionen und Zuordnung ausgewählter Ansätze Abb. 3 erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit, allerdings wurde versucht, das gesamte Spektrum an unterschiedlichen Auffassungen über das Wesen der Dienstleistungen angemessen zu erfassen. Die Rubrik "sonstige Charakteristika" ist notwendig, damit die Übersichtlichkeit der Darstellung nicht durch die Hinzufügung von SonFortsetzung der Literaturhinweise zur Abb. 3: Dunn, Dan T.Jr./Thomas, Claude A./Rabino, Samuel (1985), S. 4 f.; Engelhardt, Werner H./Schwab, Wilfried (1982), S. 504; Friedman, Margaret L./Chruchill, Gilbert A.Jr. (1987), S. 492; George, William R./Kelly, J. Patrick/Marshall, Claudia E. (1983), S. 65; Graumann, Jens (1983), S. 40 ff.; GrOnroos, Christian (1986), S. 651; GrOnroos, Christian (1978), S. 591; Gutenberg, Erich (1979), S. I; Hilke, Wolfgang (1984), S. 8 ff.; Johnson, Eugene M. (1970), S. 12/111 ff.; Judd, Robert C. (1964), S. 59; Klaus, Peter G. (1984), S. 469; Kleine, Dieter (1976), S. 8 ff; Kotler, Philip/Bloom, Paul N. (1984), S. 147 ff.; Langeard, Eric (1981), S. 233; Light, Donald H. (1986), S. 57; Maleri, Rudolf (1973), S. 33 ff. und S. 75 ff.; Meyer, Anton (1983), S. 13 ff.; Meyer, Paul W./Tostmann, Thomas (1979), S. 23; Mills, Peter K./ Marguelis, Newton (1980), S. 260; Normann, Richard (1987), S. 20 f.; Parasuraman, A./Zeithaml, Valarie A./Berry, Leonard L. (1985), S. 42; Rathmell, John M. (1966), S. 33 ff.; Rushton, Angela M./ Carson, David J. (1985), S. 22 f.; Sasser, W. Earl/Olsen, Paul R./Wyckoff, D. Daryl (1978), S. 15 ff.; Schlissei, Martin R. (1977), S. 37 f.; Shostack, G. Lynn (1987), S. 34; Stanton, William J. (1981), S. 441; Waack, Klaus D. (1978), S. 6 ff.; Zeithaml, Valarie A. (1984), S. 191.

A. Das Absatzobjekt aus Marketing-Sicht

19

dermeinungen, die nicht zur Basis weitergehender Erörterungen in der Literatur geworden sind, erschwert wird. Innerhalb der Kategorie "unreflektierte mehrdimensionale Ansätze" wird jeweils ein Großteil der in der Literatur genannten potentiellen Charakteristika zur Begriffsabgrenzung herangezogen. Das geschieht mit der Absicht, Anstöße für eine möglichst breite Diskussion von Besonderheiten der Dienstleistungen zu gewinnen. Ein solches Vorgehen erscheint jedoch unzweckmäßig, da es eine hohe Kasuistik als Folge der Erörterung von Spezialproblemen und eine gewisse Resignation vor der Dienstleistungsdefinition beinhaltet Die unreflektierten mehrdimensionalen Ansätze vernachlässigen die grundsätzliche Kritik an der Tauglichkeit verschiedener Charakteristika und dekken keine inneren Abhängigkeiten zwischen diesen auf. Als Grundlage für eine Theorie des Dienstleistungsmarketing sind sie letziich ungeeignet, da sie die Ableitung allgemeingültiger Aussagen eher verhindern als fOrdern. Eine Weiterentwicklung ist in den dreidimensionalen Ansätzen zu sehen. Die in dieser Kategorie vertretenen Autoren zeigen Zusammenhänge zwischen einzelnen Dienstleistungsmerkmalen auf und bewirken auf die Weise eine erste Verdichtung, die allerdings noch unzulänglich ist. Da auch die Mängel einzelner Kennzeichen nicht berücksichtigt werden und vor allem das Merkmal Immaterialität einen unangemessenen Stellenwert einnimmt, sind diese Definitionsversuche ebenfalls nicht zur Systematisierung des Dienstleistungsspektrums geeignet. Die zweidimensionalen Ansätze sind zu kritisieren, weil erneut bestimmte Abhängigkeiten zwischen Charakteristika nicht erkannt werden. Das gilt besonders für die Immaterialität, die in den Fällen, in denen sie zutrifft, eine Konsequenz aus der Notwendigkeit zur Integration eines externen Faktors ist. Darüber hinaus müssen die bereits genannten Schwächen einzelner Merkmale moniert werden. Letzteres ist auch der Einwand gegen die dargestellten eindimensionalen Ansätze. Zwar wird hier methodisch ein Weg beschritten, der eine Systematisierung des Dienstleistungsfeldes auf der Basis der jeweils hergeleiteten Definition grundsätzlich erlaubt, allerdings sind die verwendeten Merkmale Immaterialität, keine Eigentumsübertragung und Simultanität von Produktion, Absatz und Verbrauch hierzu ungeeignet. Insgesamt muß konstatiert werden, daß in der Literatur keine befriedigende Definition zu finden ist, die zum einen den Bereich der Dienstleistungen vollständig und eindeutig erfaßt sowie von den Sachleistungen trennt und zum anderen Ansätze für eine systematische Ableitung von entscheidungsorientierten Aussagen zur Vermarktung von Dienstleistungen aufzeigt. Allerdings wird auch deutlich, daß in zunehmendem Maße der Interaktionsraum zwischen Anbieter und Nachfrager in den Mittelpunkt des For-

20

H. Die Funktionen des Kundendienstes im Rahmen des Marketing

schungsinteresses gerückt ist. 80 Diese Aussage wird belegt durch die Häufigkeit, mit der die Merkmale Simultanität von Produktion, Absatz und Verbrauch sowie Integration eines externen Faktors gerade in jüngeren Arbeiten Beachtung finden. Entsprechend wird die Betonung der Interaktionen zum Anstoß für eine weitergehende Beschäftigung mit dem Dienstleistungsbegriff.

(b) Eine Weiterentwicklung des Dienstleistungsbegrijfes Die Literaturanalyse hat Anhaltspunkte dafür geliefert, daß eine Untersuchung des Interaktionsraumes zwischen Anbieter und Nachfrager den Weg zu einer geeigneten Dienstleistungsdefinition ebnen kann. Es widerspräche jedoch einem systematischen Vorgehen, apriori die prozessuale Dimension der Dienstleistung in den Vordergrund der Untersuchung zu rücken. Vielmehr kOnnen auch weitere Bestandteile einer Dienstleistung charakteristische und damit begriffsprägende Besonderheiten aufweisen. Aus diesem Grund soll eine Zerlegung der Dienstleistung in ihre Komponenten zum Ausgang der Begriffsbestimmung werden.11

(b 1) Diensüeistungsdimensionen (b la) Bereitstellungsleistung Bevor eine Unternehmung Leistungen erstellen und dem Markt erfolgversprechend offerieren kann, muß sie unter Beachtung der Wettbewerbs- und Umweltbedingungen strategische Vorstellungen hinsichtlich der zu bedienenden Abnehmergruppen, der anzubietenden Nutzenstiftungen und der von ihr zu verwendenden Fertigungstechnologien entwickeln, d.h. sie muß ihre Unternehmenszwecksetzung definieren. 82 Die erste Stufe ihrer Umsetzung erfährt die Unternehmenszwecksetzung beim Aufbau der Leistungsbereitschaft. Hierbei werden die Produktionsfaktoren, mit denen die beabsichtigten Dienstleistungen erstellt werden sollen, ausgewählt, hinsichtlich ihrer Einsatzin-

80) Vg!. u.a. die Arbeiten von Friedman, Margaret L.jChurchill, Gilbert A. Jr. (1987); GrOnroos, Christian (1986); Lovelock, Christopher H. (1983); Mills, Peter K.I Margulies, Newton (1980); Shostack, G. Lynn (1987). 81) Zur Aufgliederung einer Leistung in ihre Dimensionen vg!. Engelhardt, Werner H. (1966), S. 165 ff.

82) Vg!. u.a. Abell, Derek F. (1980), S. 27 ff.; Engelhardt, Werner Kleinaltenkamp, Michael (1986), S. 010301 ff.

H.I

A. Das AbsalWbjekt aus Marketing-Sicht

21

tensität determiniert und kombiniert. 83 Diese Potentialfaktoren können sehr verschiedenartig sein - zu ihnen zählen z.B. Personen und Betriebsmittel, aber auch Informationen oder Rechte 84 -, sie sind jedoch alle frei disponibel für das Unternehmen und daher als interne Faktoren zu bezeichnen. Unter der Bereitstellungsleistung wird die Kombination der internen Produktionsfaktoren verstanden, die die Leistungsbereitschaft eines Anbieters bewirkt und eine Leistungserstellung ermöglicht. Die Bereitstellungsleistung ist die erste Dimension einer Dienstleistung und damit der erste Bereich, in dem diskriminierende gutsspezifische Charakteristika zu finden sein können.

(b 1b) Finaler Leistungserstellungsprozeß Der finale Leistungserstellungsprozeß ist die zweite herauszubildende Dienstleistungsdimension und gleichzeitig die zweite Stufe auf dem Weg zur Realisierung der Unternehmenszwecksetzung. Durch die Integration eines externen Faktors wird die Bereitstellungsleistung derart aktiviert, daß der externe Faktor zum Element eines Produktionsprozesses wird. 85 Damit ist der finale Leistungserstellungsprozeß der Bereich, in dem die Dienstleistung produziert wird. Zu diesem Zweck ist das Zusammenwirken von externen und internen Faktoren zwingend erforderlich.

(b1c) Leistungsergebnis Das Leistungsergebnis steht am Ende des finalen Leistungserstellungsprozesses und ist dazu geeignet, einen Nutzen für den Dienstleistungsnachfrager zu stiften. In ihm konkretisiert sich mithin die Unternehmenszwecksetzung. Diese Aussagen treffen auf die in der Literatur häufig unterschiedenen Ausprägungen der zeitpunkt- und der zeitraumbezogenen Dienstleistungen gleichermaßen zu. 86 So ist das Leistungsergebnis einer 83) Vg!. u.a. Engelhardt, Werner H. (1966), S. 166; Maleri, Rudolf (1973), S. 72 f. und S. 104 ff.; Meyer, Anton (1983), S. 69 ff. 84) Zur Terminologie und zu den Arten von Produktionsfaktoren vg!. u.a. Corsten, Hans (1985), S. 80 ff.; Gutenberg, Erich (1979), S. 2 ff.; Hilke, Wolfgang (1984), S. 9; Maleri, Rudolf (1973), S. 97 ff. 85) Vg!. Maleri, Rudolf (1973), S. 107 f.; Meyer, Anton (1983), S. 74 ff. 86) Zu dieser Differenzierung vg!. u.a. Berekoven, Ludwig (1983), S. 20; Corsten, Hans (1985), S. 185 f.

22

11. Die Funktionen des Kundendienstes im Rahmen des Marketing

zeitpunktbezogenen Unternehmensberatungsleistung die PrIsentation der eruierten Resultate, und das Ergebnis einer zeitraumbezogenen Konzertleistung liegt mit dem Schluß der Darbietung als Sammlung der vermittelten musikalischen Eindrücke vor. Nicht nur bei zeitraum bezogenen Dienstleistungen kann sich der Nutzenzuwachs für den Nachfrager über den gesamten Prozeß der Leistungserstellung erstrecken; vielmehr wird der Nachfrager bei jeder Dienstleistung durch den Input eines Produktionsfaktors in die Leistungserstellung involviert und hat folglich die Möglichkeit zum permanenten Nutzenerwerb; denn er bewertet nicht nur das Ergebnis, sondern auch seine Einbindung in den Prozeß. 87 Die volle Nutzenstiftung ist jedoch in beiden Fällen erst mit dem Abschluß des finalen Leistungserstellungsprozesses möglich, d.h. sowohl zeitpunkt- als auch zeitraumbezogene Dienstleistungen enden mit einem Leistungsergebnis. Eine Unterscheidung ist daher in Ermangelung eines überzeugenden Abgrenzungskriteriums nicht sinnvoll.88 In der Form eines kurzen Exkurses sei an dieser Stelle auf die Dreiteilung der Leistung bei Engelhardt eingegangen, die als - im besonderen methodische - Basis für die hier vorgenommene Unterscheidung von drei Dienstleistungsdimensionen fungiert, mit dieser aber weder semantisch noch inhaltlich kongruent ist. Die Begriffe der Dispositions, Gefüge- und Marktleistung zeichnen sich durch eine hohe Affinität zur spezifischen Situation im Handel aus, die sich vor allem in der Herausforderung, eine ständige Leistungsbereitschaft zu gewährleisten, ausdrückt. Entsprechend differenziert wird die Bereitstellungsleistung betrachtet ihrer strategischen Komponente Dispositionsleistung wird die operative Umsetzung in Form der Gefügeleistung gegenübergestellt. Die Marktleistung schließlich umfaßt sowohl das Leistungsergebnis als auch den finalen Leistungserstellungsprozeß. 8G Auch für die vorliegende Arbeit erweist sich eine analytische Betrachtung der Leistung als vorteilhaft. Allerdings folgt die Dimensionierung hier einer streng phasenorientierten Betrachtung der Dienstleistungsproduktion.

87) Vg!. Lehtinen, UolevijLehtinen, Jarmo R. (1985), S. 300 ff. 88) Die Probleme einer "künstlichen" Abgrenzung werden bei Corsten deutlich, vg!. Corsten, Hans (1985), S. 186. 89) Vg!. Engelhardt, Werner H. (1966), S. 166 Cf.

A. Das Absatzobjekt aus Marketing-Sicht

23

(b2) Die Integration des externen Faktors als alleiniges Merkmal der Dienstleistungsdefinition Die angestrebte Weiterentwicklung der Dienstleistungsdefinition soll zum einen Sachund Dienstleistungen deutlich voneinander trennen. Zu diesem Zweck müssen die Leistungsdimensionen im Hinblick auf ihre Diskriminanzfllhigkeit untersucht werden. Zum anderen sollen auch entscheidungsorientierte Aussagen für die Vermarktung von Dienstleistungen abgeleitet werden. Die Voraussetzung hierfür ist das Auffinden allgemeingültiger, voneinander unabhllngiger Dienstleistungscharakteristika. Die Bereitstellungsleistung kann die geforderte Differenzierung zwischen den beiden betrachteten Güterarten nicht bewirken. Auch der Produzent von Sachleistungen kombiniert interne Produktionsfaktoren mit dem Ziel, eine Leistungsbereitschaft zu realisieren. Bei bestimmten Dienstleistungen können zwar mehrere Stufen der Bereitstellungsleistung unterschieden werden: So bildet im öffentlichen Personennahverkehr die Verfügbarkeit über Personal, Fahrzeuge, Gebllude, Material, Gerllte, Streckenrechte u.a.m. eine erste, das in Erwartung der Nachfrage eine bestimmte Route befahrende Fahrzeug eine weitere Stufe der Bereitstellungsleistung. Doch diese Mehrstufigkeit ist einerseits nicht von allgemeiner Gültigkeit für den Dienstleistungssektor und andererseits auch für Anbieter solcher Sachleistungen typisch, deren Leistungserstellung durch so hohe Kosten der Ingangsetzung für diverse Vorrichtungen geprllgt ist, daß diese Vorrichtungen selbst außerhalb des Produktionsprozesses nicht in den Ruhezustand versetzt werden - zu denken ist z.B. an die Hochöfen der Stahlindustrie. Schließlich ergibt eine Nutzenbetrachtung ebenfalls keine Ansatzpunkte für eine Trennung von Dienst- und Sachleistungen über die Mehrstufigkeit der Bereitstellungsleistung. Zwar verschafft eine derartig ausgeprllgte Leistungsbereitschaft des Dienstleisters dem potentiellen Kunden einen Nutzen, denn er hat die Gewißheit, eine bestimmte Leistung erwerben zu können, doch ist dieser allgemeine Sicherheitsnutzen jeder Bereitstellungsleistung unabhllngig von ihrer Ausprllgungsstufe und der betroffenen Güterart inhllrent. Der spezielle Nutzen hingegen ergibt sich jeweils erst durch die tatsllchliche Inanspruchnahme von Dienst- und Sachleistungsangeboten. Folglich ist die Bereitstellungsleistung keine diskriminanzfllhige Leistungsdimension. Das Leistungsergebnis ist ebensowenig dazu in der Lage, eine Differenzierung zwischen den beiden betrachteten Güterarten zu bewirken, denn die Immaterialitllt des Leistungsergebnisses trifft nur für einen begrenzten Teil der Dienstleistungen zu. Allein der Umstand, daß apriori das Leistungsergebnis bei Dienstleistungen tendenziell schwieriger zu determinieren ist als bei Sachleistungen, spricht vordergründig für die Diskriminanzfllhigkeit dieser Leistungsdimension. Allerdings liegt die Ursache hierfür

24

11. Die Funktionen des Kundendienstes im Rahmen des Marketing

in der dienstleistungsspezifischen Einbindung des Nachfragers in den finalen Leistungserstellungsprozeß. Einzig im finalen Leistungserstellungsprozeß gibt es eine Besonderheit, die nur bei Dienstleistungen auftritt. Daher ist ausschließlich über diese Dimension eine Differenzierung zwischen den betrachteten Güterarten möglich. Ein Dienstleistungsanbieter ist innerhalb des Leistungserstellungsprozesses in seiner Autonomie eingeschränkt, da seine Verfügungsgewalt auf die internen Produktionsfaktoren begrenzt ist. Allerdings erfordert die Dienstleistungsproduktion zwingend den zusätzlichen Einsatz eines externen Faktors, der vom Nachfrager eingebracht wird. Diese Kombination der Produktionsfaktoren ist dienstleistungsspezifisch, d.h. die Dimension finaler Leistungserstellungsprozeß ist als Basis für die Ziehung einer klaren Trennlinie zu den Sachleistungen geeignet. Merkmale zur Bestimmung der Dienstleistungsdefinition können nur aus der Leistungsdimension abgeleitet werden, in der grundlegende Unterschiede zwischen den untersuchten Güterarten festzustellen sind. Daher wird die weitere Analyse jetzt auf den finalen Leistungserstellungsprozeß beschränkt. Bei der Festlegung der Definitionsmerkmale müssen potentielle Dienstleistungscharakteristika einer strengen Prüfung hinsichtlich der Kriterien "Allgemeingültigkeit" und "Unabhängigkeit" genügen; denn es trägt wesentlich zur Klarheit eines Begriffes bei, wenn dieser mit der Hilfe von möglichst wenigen Merkmalen erläutert werden kann. 90 Die Einbindung eines externen Faktors in den finalen Leistungserstellungsprozeß ist die conditio sine qua non der Dienstleistungsproduktion. Unter einem externen Faktor sollen solche Faktoren verstanden werden, die zeitlich begrenzt in den Verfügungsbereich einer Wirtschaftseinheit gelangen und dort mit den internen Produktionsfaktoren in einen Be und/oder Verarbeitungsprozeß integriert werden. Weitere potentielle Charakteristika der Leistungserstellung - die Individualität und die Simultanität von Produktion, Absatz und Verbrauch - konnten bereits als nicht allgemeingültig identifiziert werden.11l Eine Prüfung von Merkmalen, die an anderen Leistungsdimensionen ansetzen, hat erwartungsgemäß zu dem Ergebnis geführt, daß diese weder von genereller

90) Anderer Meinung ist Hilke, der die Auffassung vertritt, daß das Wesen einer Dienstleistung nur erklärt werden kann, wenn für jede Leistungsdimension ein charakterisierendes Merkmal genannt wird; vgl. Hilke, Wolfgang (1984), S. 7 ff.; allerdings ist das vOn ihm verwendete Charakteristikum "Immaterialität" unzutreffend und die postulierte "Potential-Orientierung" eine reine Folge aus der Integration des externen Faktors. 91) Vgl. Kapitel 11. A. 2. a. (I) (a) (a2) (a2a)

A. Das AbsalZObjekt aus Marketing-Sicht

25

Gültigkeit, noch unabhängig voneinander sind, sondern als Konsequenz des Kriteriums Integration eines externen Faktors auftreten. 1I2 Die Integration eines externen Faktors wird somit zum alleinigen Merkmal der Dienstleistungsdefinition. Eine Dienstleistung liegt folglich dann vor, wenn der Anbieter einer Bereitstellungsleistung einen externen Faktor derart mit seiner Bereitstellungsleistung kombiniert, daß dadurch ein Leistungserstellungsprozeß ausgelOst wird, in dem der externe Faktor zum Produktionsfaktor wird und eine Be- und/oder Verarbei tung erfährt. Marketing hat die Analyse und Gestaltung von Marktprozessen zwischen Anbieter und Nachfrager zum Gegenstand. Diese Marktprozesse differieren deutlich in Abhängigkeit von der jeweils betroffenen Güterart. Während im Sachleistungsbereich die Produkte der Hersteller im Mittelpunkt der Austauschbeziehungen stehen, wird für Dienstleister das Leistungspotential ihrer Bereitstellungsleistung zur Akquisitionsbasis, da sie nur über die Dimension der Bereitstellungsleistung autonom disponieren kOnnen. Das Charakteristische der Marktprozesse im Dienstleistungssektor ist somit die Gewinnung des Nachfragers in einer Doppelfunktion: zum einen als Abnehmer, zum anderen als Mitproduzenten, der einen externen Faktor in den Leistungserstellungsprozeß einbringt. 93 Die Austauschprozesse setzen demnach bei Sachleistungen am Ergebnis, bei Dienstleistungen hingegen an der Produktion an. In der Konsequenz ergeben sich unterschiedliche Risikostrukturen und abweichende Schwerpunkte für Vermarktungsstrategien. Eine Dienstleistungsdefinition aus der Sicht des Marketing muß diese besondere .Funktion des Nachfragers abbilden, da hier der generelle Ansatz für Anbieteraktivitäten liegt. Die häufig herausgestellte Materialität des Ergebnisses ist dagegen von sekundärer Bedeutung. So kann z.B. ein Architekt nur dann erfolgreich sein, wenn er sich als Dienstleister verhält, eine explizite Kundeneinbindung betreibt und sich nicht aufgrund des materiellen Charakters des von ihm erstellten Gebäudes als Sachleistungsanbieter begreift.

(2) Dienstleistungen als Absatzobjekte Jeder Anbieter einer Leistung steht bestimmten Risiken gegenüber. Generell kOnnen Produktions- und Marktrisiken sowie sonstige Risiken, die z.B. aus Gesetzesvorschrif92) Vg!. Kapitel 11. A. 2. a. (I) (a) (a2) (a2b) 93) Toffler hat hierfür den Begriff des ·Prosumer" geprägt; vg!. Toffler, Alvin (1980), S. 274 ff.; vg!. in diesem Zusammenhang auch Normann, Richard (1987), S. 71 ff.

26

11. Die Funktionen des Kwidendienstes im Rahmen des Marketing

ten resultieren, unterschieden werden. 94 Allerdings ist die Risikostruktur abhängig von der zu vermarktenden Giiterart. Durch die Integration eines externen Faktors initiiert und beeinflußt der Nachfrager die Dienstleistungsproduktion. Die Risikosituation des Anbieters wird durch dieses Zusammenwirken der Marktpartner im finalen Leistungserstellungsprozeß entscheidend geprägt.~5 Der Dienstleistungsproduzent kann nur die internen Produktionsfaktoren

kontrollieren, der externe Faktor hingegen ist fiir ihn nicht frei disponibel oder in seinen Qualitätseigenschaften zu determinieren. Da jedoch das Leistungsergebnis vom Einsatz beider Gruppen von Produktionsfaktoren abhängt, erwächst dem Anbieter ein hohes Produktionsrisiko. Die notwendige Integration eines externen Faktors in seinen Leistungserstellungsprozeß bewirkt aber gleichzeitig, daß sein Marktrisiko minimal ist. Erst der Nachfrager löst den finalen Leistungserstellungsprozeß aus und steht damit von vornherein als Leistungsabnehmer fest. Fiir den Anbieter kann folglich nur in den Fällen ein Marktrisiko auftreten, in denen der Nachfrager unlauter handelt oder insolvent ist. Die Risikostruktur bei einem Angebot von Dienstleistungen ist demnach durch ein hohes Produktions- und ein sehr geringes Marktrisiko gekennzeichnet. Das Marktrisiko wird hier in einer engen Fassung ausschließlich im Zusammenhang mit dem Leistungsergebnis betrachtet. Dariiber hinaus erwächst jedem Anbieter aber auch bereits beim Aufbau einer Bereitstellungsleistung ein Risiko: Entspricht die Bereitstellungsleistung nicht den Anforderungen der Nachfrage, so drohen Unterauslastung und Wettbewerbsunfähigkeit. Dieses Marktrisiko tritt jedoch generell und unabhängig von der offerierten Giiterart auf. Aus diesem Grund kann von einer Ausweitung der gewählten engen Begriffsfassung abgesehen werden. Der Risikostruktur entsprechend miissen die unternehmenspolitischen Aktivitäten eines Dienstleisters vornehmlich auf die Reduktion des Produktionsrisikos gerichtet sein. Die Gewährleistung einer konstanten Leistungsqualität wird zum weitgehend dominierenden Haupterfolgsfaktor im Dienstleistungsgeschäft, denn die Beherrschung der Produktion, d.h. die adäquate Einbindung des externen Faktors in den finalen Leistungserstellungsprozeß ist ein Zeichen von Kompetenz mit starker Ausstrahlung auf die Wettbewerbssituation. Im Dienstleistungssektor liegt folglich die besondere Aufgabe des Marketing einerseits in der bedürfnisgerechten Behandlung des Nachfragers bei seinem Leistungsinput und andererseits in der Ausrichtung der Bereitstellungsleistung auf die Bewältigung sämtlicher Anforderungen, die aus der jeweiligen Ausprägung des externen Faktors fiir den finalen Leistungserstellungsprozeß resultieren können.

94) Vgl. Schmidt, Reinhard H./Wagner, Gerd R. (1985), S. 422. 95) Schmidt/Wagner unterscheiden in diesem Zusammenhang externe und interne Risiken, vgl. Schmidt, Reinhard H./Wagner, Gerd R. (1985), S. 422.

A. Das Absatzobjekt aus Marketing-Sicht

27

Dienstleistungen können nun zum einen den Kern eines Absatzobjektes bilden. Die Vermarktung solcher Absatzobjekte soll als Dienstleistungsgeschäft bezeichnet werden, d.h. die Güterart, die im Zentrum eines Absatzobjektes steht, bewirkt eine Prädisposition für die Marketingstrategie des Anbieters. Die Identifikation des jeweiligen Kerns erfolgt nach dem Schwerpunktprinzip. Danach wird als Kern eines Absatzobjektes derjenige Leistungsbestandteil bezeichnet, der das höchste akquisitorische Potential gegenüber der Nachfrag ausübt. 1I6 Dieser Kern ist die Primilr- oder Hauptleistung, die ein Unternehmen für den Markt erbringt und in der sich die spezielle Kompetenz des Anbieters niederschlägt.1I7 Dienstleistungen können aber auch eine unterstützende Funktion innerhalb eines Absatzobjektes einnehmen. Sie sind dann Sekundärleistungen, die die Erfolgsaussichten eines Dienstleistungs-, Sachleistungs- oder Rechtsgeschäftes positiv beeinflussen sollen. g8 Die Einordnung einer Leistung als Primllr- oder Sekundilrleistung kann nicht endgültig vorgenommen, sondern muß in zeitlichen Abständen überprüft werden. Schließlich kann die Dynamik des Marktgeschehens dazu führen, daß das Kernelement eines Absatzobjektes sein Akquisitionspotential verliert, weil der Nachfrager auf dieser Ebene keine Unterschiede mehr zwischen den Wettbewerbsangeboten wahrnimmt, während gleichzeitig ursprüngliche Sekundärleistungen einen kaufentscheidenden Charakter annehmen. Solche Entwicklungen verlagern den Kern eines Absatzobjektes und verlangen von einem erfolgsorientierten Unternehmen eine frühzeitige Neudefinition der eigenen Kompetenz und eine entsprechende Modifikation der Marketingstrategie.

b. Sachleistungen (1) Der Sachleistungsbegriff Eine Sachleistungsdefinition kann nicht an der - zwar durchgängig gegebenen - Materialität des Leistungsergebnisses ansetzen, da sich dieses Kriterium als nicht diskriminanzfähig in bezug auf Dienstleistungen erwiesen hat. Vielmehr bildet erneut der Produktionsprozeß die Basis zur Begriffslegung. Ein Sachleistungsanbieter benötigt allein interne Produktionsfaktoren zur Erstellung seines Leistungsergebnisses, d.h. er gestaltet und steuert den finalen Leistungserstellungsprozeß autonom. Seine Akquisitionsbasis ist 96) Zum Schwerpunktprinzip vg!. Shostack, G. Lynn (1977), S. 74 ff. 97) Zum Begriff der Primärleistung vg!. Hammann, Peter (1974), S. 136 f. 98) Vg!. Hammann, Peter (1974), S. 141.

28

II. Die Funktionen des Kundendienstes im Rahmen des Marketing

somit das Leistungsergebnis. Die Rolle des Nachfragers hingegen ist auf die des Abnehmers beschränkt. Eine Sachleistung liegt folglich dann vor, wenn ein Anbieter durch die Kombination und die Nutzung seiner internen Produktionsfaktoren ein Leistungsergebnis erstellt, das zu einer marktlichen Verwertung geeignet ist.

(2) Sachleistungen als Absatzobjekte

Ein Anbieter von Sachleistungen sieht sich einer grundlegend anderen Risikosituation gegenüber als ein Dienstleister. Er trägt ein tendenziell geringes Produktionsrisiko, da sämtliche Produktionsfaktoren innerhalb seiner Kontrolle und Disposition stehen und somit die Realisierung eines angestrebten Leistungsergebnisses allein von seiner eigenen Kompetenz abhängt. Allerdings ist der Sachleistungshersteller einem tendenziell hohen Marktrisiko ausgesetzt, denn in der Regel muß ein Nachfrager für das bereits gefertigte Leistungsergebnis gewonnen werden. QQ Infolgedessen müssen seine unternehmenspolitischen Aktivitäten auf den Einsatz des absatzpolitischen Instrumentariums zur Überwindung dieses Marktrisikos konzentriert sein. Auch Sachleistungen können als Primär- oder Sekundärleistungen eines Unternehmens vermarktet werden. Im ersten Fall liegt ein Sachleistungsgeschäft vor. Als Sekundärleistungen können Sachleistungen Sachleistungsgeschäfte - z.B. in Form von Handbüchern, die einem Automobil beigegeben werden -, Dienstieistungsgeschäfte - zu denken ist z.B. an Ersatzteile im Rahmen einer Reparaturleistung - oder Rechtsgeschäfte - z.B. in der Gestalt von Probestücken bei einer Lizenzvergabe - unterstützen und fördern.

c. Rechtsgüter (1) Der Begriff des Rechtsgutes

Das Recht in einer Gesellschaft kann als ein Satz von Rechtsnormen verstanden werden, der die Beurteilung von sozialen Tatbeständen auf Dauer ermöglicht und re99) In einigen Sonderfällen gibt es Ausnahmen wie z.B. beim Verkauf von Automobilen, bei denen die Nachfrage das Angebot übersteigt und eine Zuteilung vorgenommen wird. Zum Marktrisiko bei Sachleistungen vg!. Gutenberg, Erich (I976), S. 15 ff.

A. Das Absatwbjekt aus Marketing-Sicht

29

gelt. lOG Diese Rechtsnormen stammen aus unterschiedlichen Quellen: Sie sind nicht nur in Gesetzen und Rechtsverordnungen kodifiziert, sondern sie werden auch im Rahmen der Rechtsfortschreibung durch die Rechtsprechung weiterentwickelt. Schließlich können Richtlinien für Verwaltungsbehörden genannt werden, die bei der Umsetzung von geltendem Recht helfen und somit selbst zu Normen werden. lOl Rechtsgüter als Forderungen gegenüber Einzelnen oder der Allgemeinheit sind die Elemente einer solchen Rechtsordnung. Aber nicht alle Rechtsgüter im juristischen Sinne stellen auch Wirtschaftsgüter und potentielle Komponenten eines Absatzobjektes dar. Dieses gilt nur für Rechte, die u.a. verfügbar und in Markttransaktionen übertragbar sind. 102 Das trifft in besonderem Maße auf Rechtsgüter zu, die, den flexiblen Rahmen der Rechtsordnung nutzend, von Marktpartnern geschaffen werden und im Innenverhältnis zwischen ihnen wirken. So ist z.B. die Garantieleistung eine vertragliche Verpflichtung des Anbieters gegenüber seinem Abnehmer, die auf der im Bürgerlichen Gesetzbuch verankerten Gewllhrleistungspflicht beruht und gleichzeitig den Bestimmungen des Gesetzes zur Regelung des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen zu genügen hat. Als Rechtsgut eröffnet die Garantie dem Nachfrager eine über die gesetzliche Gewährleistung hinausreichende Möglichkeit zur unentgeltlichen Beseitigung von Mängeln an erstandenen Absatzobjekten durch den Hersteller. lOS Nachfolgend sollen unter Rechtsgütern oder Rechten grundsätzlich durchsetzbare Ansprüche gegenüber Einzelnen oder der Allgemeinheit verstanden werden, die verfügbar und übertragbar sind. Diese Rechte treten in zwei Formen auf. lO' Als ursprlingliche Wirtschaftsgliter begrlinden sie eine abstrakte Forderung, als abgeleitete Wirtschaftsgüter hingegen einen Anspruch auf ein exakt festgelegtes ursprlingliches Gut. lOS In die e~ste Gruppe fallen z.B. Eigentums- und Markenrechte, aus der zweiten sind für die vorliegende Arbeit besonders die Garantieleistungen von Interesse.

100) Vg!. u.a. Jahr, Günther (1975), Sp. 3375; Riegel, Klaus-Georg (1974), S. 308. 101) Zu den Quellen von Rechtsnormen vg!. Backhaus, Klaus/Plinke, Wulff (1986), S.2S. 102) Zu den Definitionsmerkmalen eines Wirtschaftsgutes vg!. z.B. Chmielewicz, Klaus (1969), S. 85. 103) Zur Garantieleistung vg!. Reinhold, Achim (1983), S. 4 f., S. 11 f. und S. 70 ff.; Schiecke, Knut (1967), S. 13 Cf. 104) Vg!. die Einteilungen bei Chmielewicz, Klaus (1969), S. 86 f.; Matthes, Winfried (1981), Sp. 1808 ff.

lOS) Vg!. z.B. Scheuch, Fritz (1982), S. 72 f.

30

11. Die Funktionen des Kundendienstes im Rahmen des Marketing

In der Kundendienstpolitik spielt die Kulanz eine wichtige Rolle, die eine im Ermessen des Anbieters liegende fallweise Ausweitung der Garantieverpflichtung

dantoUt. 106

Aus diesem Grund soll als zusätzliche dritte Form von Rechten die Kategorie der Quasi-Rechte eingeführt werden. Quasi-Rechte sind weder zugesichert noch durchsetzbar, sondern beruhen auf konkludentem Handeln. Der Nachfrager leitet aus dem üblichen Geschäftsverkehr einen Anspruch ab, dessen Nichterfilllung die Marktposition eines Anbieters erheblich verschlechtern kann. Den Rechten wird vielfach ihr Wirtschaftsgutcharakter bestritten. 107 Dieses geschieht mit dem Hinweis auf ihre allein unterstützende Funktion bei der Vermarktung von Absatzobjekten. 108 Eine solche Argumentation verkennt jedoch nicht nur die akquisitorische Bedeutung, die Rechte fallweise in den Augen der Nachfrager besitzen können, sondern auch, daß die Stellung innerhalb eines komplexen Absatzobjektes keinen Aufschluß über den Wirtschaftsgutcharakter einer Leistung geben kann.

(2) Rechtsgüter als Absatzobjekte Ein Angebot von Rechten ist vor allem mit Marktrisiken verbunden. Unter den von der Rechtsordnung gesetzten Prämissen erstellt der Anbieter weitgehend autonom und folglich mit einem begrenzten Produktionsrisiko behaftet ein Rechtsgut, das er anschließend zu einer marktlichen Verwertung nutzen kann. Die Risikostruktur legt also erneut eine Konzentration auf unternehmenspolitische Aktivitäten zur Reduktion des Marktrisikos nahe. Innerhalb eines Absatzobjektes kann das Rechtsgut dann sowohl die Primär- als auch eine Sekundärleistung sein. So stellt die Vermarktung von Lizenzen ein Rechtsgeschäft dar. Rechte vom Typ der abgeleiteten Wirtschaftsgüter können dagegen in keinem Fall zum Kern eines Absatzobjektes werden, da sie ausschließlich einen Anspruch auf vorab festgelegte Nutzenstiftungen des Angebotes bedeuten. Gleiches gilt für die Kategorie der Quasi-Rechte.

106) Vgl. Reinhold, Achim (1983), S. 11; Schiecke, Knut (1967), S. 20 f. 107) Vgl. die Literaturangaben bei Chmielewicz, Klaus (1969), S. 87 und als ein Beispiel die Ausfilhrungen von Bergner, Heinz (1967), besonders S. 591 ff. 108) Vgl. Bergner, Heinz (1967), S. 597 f.

A. Das AbsalZObjekt aus Marketing-Sicht

31

3. Das Absatzobjekt als Verbundproblem Die Formulierung einer Marketingstrategie erfordert stets eine umfassende Situationsanalyse, die die Nachfrage, den Wettbewerb, das Umfeld und die Potentiale des Anbieterunternehmens zum Gegenstand hat. 109 Wird ein komplexes Absatzobjekt, das aus einer Vielzahl miteinander verbundener Leistungselemente besteht, vermarktet, dann ist ein besonderer Schwerpunkt auf die Untersuchung des eigenen Angebots zu legen; denn eine ausgeprägte Anbieterevidenz llO ist notwendig, um Marktchancen und -risiken sowohl für das komplexe Absatzobjekt als auch für einzelne Sekundärleistungen zu erkennen und eine Gesamtstrategie sowie kompatible Partialstrategien ableiten zu können. Zu diesem Zweck müssen drei Analysestufen durchlaufen werden: Zuerst ist der Kern des Absatzobjektes zu klassifizieren, da dieser einen prädispositiven Einfluß auf die grundSätzliche Ausrichtung der Marketingstrategie ausübt. Anschließend müssen sämtliche Leistungsbestandteile des Absatzobjektes erfaßt werden. Zuletzt sind dann Struktur und Stärke der zwischen diesen Elementen bestehenden Verbundbeziehungen zu untersuchen. In Abhängigkeit vom Kern eines Absatzobjektes werden Dienstleistungs-, Sachleistungs- und Rechtsgeschäfte unterschieden, die aufgrund abweichender AnbieterNachfrager-Beziehungen spezifische Risikostrukturen aufweisen und grundsätzlich differierende Marketingstrategien erfordern. Einmal getroffene Klassifizierungen müssen jedoch ständig überprüft werden, denn zum einen können die akquisitorischen Gewichte zwischen den Leistungselementen variieren und zum anderen können neu hinzukommende Leistungsbestandteile eine Transformation des Geschäfts bewirken. Aus Sachleistungs- können Dienstleistungs- oder Rechtsgeschäfte werden et vice versa. ll1 Durch den Einsatz innovativer Verfahren der Informationsverarbeitung und der Fertigungsplanung stehen z.B. AutomobilhersteHer vor der Möglichkeit, ihre Dienstleistungskomponente dadurch auszubauen, daß dem Nachfrager eine persönlichere Gestaltung seines Fahrzeuges durch die individueHe ZusammensteHung einer Vielzahl von Modulen eröffnet wird. Der Kunde leistet seinen Informationsinput in der Vertriebsorganisation des Anbieters und löst so einen Produktionsprozeß aus, für 109) Vgl. z.B. Engelhardt, Werner H./Kleinaltenkamp, Michael (1986), S. 010201 ff. 1l0) Zum Begriff der Evidenz vgl. Engelhardt, Werner H./Schwab, Wilfried (1982), S. 506 ff.; auf die Notwendigkeit zur Schaffung von Anbieterevidenz verweist die Literatur zum Dienstleistungsmarketing, vgl. u.a. Rushton, Angela M./earson, David J. (1985), S. 29 und S. 35; Shostack, G. Lynn (1982), S. 54 f. 111) So hat ein Anbieter von Werkzeugmaschinen die Optionen, seine Absatzobjekte als Sachleistungen zu vermarkten, in bestimmten FäHen sein Know how zur Fertigung von besonderen Kundenwünschen entsprechenden Spezialmaschinen zu nutzen und damit eine Dienstleistung zu erbringen und schließlich dieses Know how rechtlich zu schützen und in Form von Lizenzen zu veräußern.

32

H. Die FWlktionen des KWldendienstes im Rahmen des Marketing

dessen Ergebnis er als Abnehmer bereits feststehtY2 Langfristig erfolgreich sind nur die Anbieter, die Nachfragerbedürfnisse rechtzeitig erkennen und befriedigen und damit der Dynamik der Marktentwicklung Rechnung tragen. Der Übergang von einem Sachleistungshersteller zu einem Dienstleister ist in diesem Zusammenhang der schwierigste Schritt, da er grundlegende Veränderungen für eine marktorientierte Unternehmensführung mit sich bringt. Der Wechsel zwischen Geschliftsarten und die Neuausrichtung der eigenen Kompetenz muß mithin frühzeitig erkannt und gestaltet werden. In der zweiten Stufe ist zur Verbesserung der Anbieterevidenz die Erfassung sämtlicher Elemente eines Absatzobjektes notwendig. Die Literatur unterbreitet hierzu eine Reihe von Vorschlägen. Ansätze, die allein die Anteile jeder involvierten Güterart aufzeigen,llS verdeutlichen zwar die prozentuale Zusammensetzung eines Absatzobjektes, sagen aber sonst nichts über dessen Komposition aus. Mit seiner Analyse des Produktbegriffs geht Levitt einen Schritt weiter, indem er zeigt, wie durch Hinzufügung von Dienstleistungen das generische Produkt bis hin zum potentiellen Produkt weiterentwickelt werden kann. ll• Schnürt Levitt das Sachleistungs-/Dienstleistungsbündel quasi implizit auf, so geschieht dieses explizit im Molekular-Modell von Shostack, in dem in Analogie zu einem Molekül die materiellen und immateriellen Komponenten des Bündels als Einheit mit einem Kern und umliegenden, verbundenen Atomen dargestellt werdenY& Das Molekular-Modell eignet sich deshalb in beson-erer Weise zur

Visualis~erung

eines Absatzobjektes. Es bildet nicht nur die Lei-

stungseinheit aus Nachfragersicht und damit den Ausgang rur die interne Kosten- und Erlösrechnung eines Anbieters ll6 ab, sondern stellt gleichzeitig den akquisitorischen Charakter der einzelnen Leistungselemente heraus. Abb. 4 zeigt ein solches MolekularModell für ein komplexes Dienstleistungsgeschlift.

112) Die technologischen Weiterentwicklungen minimieren die betriebswirtschaftlichen Nachteile einer Produktion in Kundenauftrag und eröffnen gleichzeitig neue Wege zu einer Angebotsindividualisierung durch die Erweiterung der Dienstleistungskomponente. Unter den Bedingungen der heute verbreiteten Technologie ist dagegen' zuletzt der Dienstleistungsanteil in der Automobilproduktion im Zuge eines verstärkten Angebots von Sondermodellen eher reduziert worden. Als kritische Gegenüberstellung der Konsequenzen einer Fertigung mit und ohne Kundenauftrag vgl. Schlegel, Harto (1978), S. 68 ff. 113) Vgl. die Darstellungen bei Hilke, Wolfgang (1984), S. S f. ; Sasser, W. Earl! Olsen, Paul R./Wyckoff, D. Daryl (1978), S.IO f.; Shostack, G. Lynn (1977), S. 77. 114) Vgl. Levitt, Theodore (1984), S. 100 ff.

IIS) Vgl. Shostack, G. Lynn (1917), S. 74 ff. 116) Vgl. Engelhardt, Werner H. (1977), S. 12 ff.

33

A. Das Absatzobjekt aus Marketing-Sicht

MARKTlOSDJONIERUNG

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6 : Reehtslut Abb. 4: Die Erfassung eines komplexen Dienstleistungsgeschlftes mit Hilfe des Molekular-Modells (in Anlehnung an : Shostack, G. Lynn (1977), S. 76) Der ursprUngliehe Ansatz von Shostack ist dabei in mehrfacher Hinsicht modifiziert worden. Anstelle der wenig aussagekräftigen Einteilung der Leistungskomponenten nach dem Grad ihrer Materialität werden die Elemente des jeweiligen Absatzobjektes nun gemäß ihres Wirtschaftsgutcharakters aufgefUhrt. Das Beispiel des komplexen Dienstleistungsgeschäftes erlaubt mithin eine Offenlegung der generellen Struktur von Absatzobjekten. Zum einen kann die den Kern bildende Dienstleistung eindimensional mit weiteren Dienst-, Sachleistungen und/oder RechtsgUtern verbunden sein, zum anderen können diese aber auch ihrerseits zum Kern eines integrierten partiellen LeistungsbUndeIs werden. So tritt z.B. zu einer Reparaturleistung das Ersatzteil als Sachleistung, an das u.a. häufig die Dienstleistung "Ersatzteilberatung" und das Recht "Garantie" gekoppelt sind. Innerhalb eines Absatzobjektes sind folglich - je nach Komplexität desselben - sowohl weitergehende mehrstufige als auch einfachere Leistungsstrukturen möglich. Der beschriebene Aufbau gilt grundSätzlich fUr Absatzobjekte unabhängig vom Charakter des ihnen zugrunde liegenden Geschlftstyps. Der Preis als monetäres Äquivalent des Absatzobjektes umschließt die verbundenen Leistungskomponenten. Investive und konsumtive Nachfrager lassen jedoch in zunehmendem Maße nicht nur die Anschaffungskosten, sondern die gesamten Kosten, die

34

II. Die Funktionen des Kundendienstes im Rahmen des Marketing

während der Lebensdauer eines Absatzobjektes anfallen, als Parameter in ihre Be· schaffungsentscheidung einfließen. Sie bewerten somit die Lebenszykluskosten. 11l Analog ist der Begriff des Preises auszuweiten und im Sinne eines Lebenszykluspreises zu verstehen. Der Lebenszykluspreis eines bestimmten Automobils umfaßt daher neben dem Anschaffungspreis auch zu erwartende Kosten wie z.B. flir Finanzierungs-, Inspektions-, Wartungs- und Reparaturleistungen, verbundene Opportunitätskosten, die z.B. aus der Qualität und Zeitdauer bei der Abwicklung von Kundendienstleistungen resultieren, und zu erwartende Verkaufserlöse am Ende der Nutzungsperiode. Erst mit dieser Ausweitung wird der Preis seiner Rolle als monetäres Äquivalent eines Leistungsblindels gerecht. Schließlich wird das Absatzobjekt in einem Markt positioniert, d.h. seine wesentlichen Eigenschaften werden gegenliber dem potentiellen Nachfrager herausgestellt. 1I8 Dazu tragen nicht nur das Leistungsblindel und der Lebenszykluspreis, sondern auch die Marketinginstrumente Distributions- und Kommunikationspolitik bei.lI~ Unterstlitzend wirken adjunktive Gliter wie ein bestimmtes Image oder eine gewisse Standortqualität, die als Merkmale untrennbar mit einem Anbieterunternehmen assoziiert werden und zu einem "goodwill" flihren, das der Markt dem betreffenden Unternehmen entgegenbringt. 12o Das Molekular-Modell eignet sich zur Abbildung eines dem Markt offerierten Absatzobjektes. Es visualisiert die untereinander verbundenen Leistungselemente, liefert Hinweise flir eine aktive Preispolitik - so ist es z.D. denkbar, den Schwerpunkt der Erlösplanung auf bestimmte Sekundärleistungen zu legen 121

-

und unterstlitzt die Po-

sitionierungsentscheidung. Allerdings erfordert der Entwurf einer erfolgversprechenden Marketingstrategie eine weitergehende Anbieterevidenz, die erreicht wird, wenn die vorliegenden bzw. zu schaffenden Nachfrageverbunde auf ihr Wesen hin untersucht werden. 122 Die Verbundbeziehungen zwischen den Leistungselementen eines komplexen Absatzobjektes können unterschiedlich klassifiziert werden. Bestimmte Verbunde sind flir 117) Vgl. Pfohl, Hans-Christian/Wlibbenhorst, Klaus L. (1982), S. 2 f. und S. 12 ff. ; Wlibbenhorst, Klaus L. (1986), S. 88. 118) Vgl. Decker, Jochen (1983), S. 137 f.; Shostack, G. Lynn (1977), S. 75. 119) Es wird von der Vierteilung des Marketing-Mix in "product, place, price, promotion" ausgegangen, vgl. z.B. Kotler, Philip (1974), S. 413 ff. 120) Zum Begriff der adjunktiven Gliter vgl. besonders Scheuch, Fritz (1982), S. 65 ff. 121) Vgl. Engelhardt, Werner H. (1976), S. 84; Wlibbenhorst, Klaus L. (1986), S. 89. 122) Vgl. Engelhardt, Werner H. (1976), S. 85 ff.; Engelhardt, Werner H. (1977), S. 15.

A. Das Absatzobjekt aus Marketing-Sicht

35

den Nachfrager unverzichtbar und bilden daher die Voraussetzung für eine Marktbeziehung. In diese Kategorie fallen z.B. notwendige Beratungsleistungen vor einem Kaufakt oder Dienstleistungen zur Verkaufsabwicklung. Solchen obligatorischen Verbunden stehen disponible Verbunde gegeniiber, die

nicht in jedem Fall von der

Nachfrage erwartet werden .und folglich keine unerläßlichen Bestandteile eines Absatz-

objektes darstellen. us Vom Nachfrager als obligatorisch angesehene Leistungsverbunde sind stets zu realisieren; sie determinieren mithin den Mindestumfang eines Absatzobjektes, können aber durch ihre bloße Verfiigbarkeit keine akquisitorischen Wirkungen erzielen 124, sondern nur durch das Ausmaß, in dem ihre faktische Umsetzung den Nachfragererwartungen entspricht. Hingegen bedeutet bereits die Anreicherung eines Absatzobjektes mit disponiblen Angebotsverbunden die Gewinnung zusätzlichen Akquisitionspotentials. UG Diese kreative Beschäftigung mit vorhandenen und zu schaffenden Nachfrageverbunden legt letztlich den Umfang eines Absatzobjektes fest. Die Realisierung disponibler Verbunde erweist sich dabei als geeignetes Mittel zur Leistungsdifferenzierung, da sie eine strikte Zielgruppenorientierung beinhaltet. 126 In der Konsequenz ergeben sich differierende Schwerpunkte für das Management der unterschiedlichen Angebotsverbunde: Disponible Verbunde sind ständig hinsichtlich ihrer Zielgruppenentsprechung zu überprüfen, bei obligatorischen Verbunden ist stattdessen die Umsetzung zu optimieren. Beide Verbundkategorien können sowohl zwischen der Primärleistung und Sekundärleistungen als auch nur zwischen den letztgenannten auftreten. Eine weitere geeignete Klassifikation der Nachfrageverbunde ermöglicht das Kriterium "zeitlicher Anfall", das zu einer Differenzierung in zeitpunkt- und zeitraumbezogene Verbunde führt. UT Der Anbieter eines längerlebigen Primärleistung muß vor allem darauf bedacht sein, mit seinen Leistungen zeitraumbezogenen Nachfrageverbunden Rechnung zu tragen, denn auf diese Weise hält er den Kontakt zum Kunden und hat die Möglichkeit zum Aufbau einer dauerhaften Geschäftsbeziehung. 128 Für die Entstehung von Nachfrageverbunden zeichnen unterschiedliche Ursachen verantwortlich. 129 Endogene, d.h. vom Nachfrager ausgehende Motive sind auf Kosten- und Risikoüberlegungen zurückzuführen. Daneben ist es aber auch möglich, daß 123) Vgl. Engelhardt, Werner H. (1976), S. 87 ff. 124) Vgl. Engelhardt, Werner H. (1976), S. 88 f.; Levitt, Theodore (1984), S. 101 ff. 125) Vgl. Engelhardt, Werner H. (1976), S. 88; Levitt, Theodore (1984), S. 103 ff. 126) Vgl. Engelhardt, Werner H. (1976), S. 88. 127) Vgl. Engelhardt, Werner H. (1976), S. 81 f. 128) Vgl. Levitt, Theodore (1985), S. 15. 129) Vgl. Engelhardt, Werner H. (1976), S. 82 f.

36

11. Die Funktionen des Kundendienstes im Rahmen des Marketing

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Abb. 5 : Der grundsätzliche Aufbau eines Absatzobjektes

bestimmte Nachfrageverbunde von außen durch den Anbieter aufgrund seiner Marktmacht oder durch Dritte erzwungen werden. Im Automobilbereich ist z.B. an Inspektionen, deren Durchführung notwendig zur Aufrechterhaltung von Garantiezusagen ist, oder an die zwangsläufige Verwendung einer bestimmten Ersatzteilart bei einer Reparaturleistung zu denken. Solche exogen bestimmten Nachfrageverbunde bewirken jedoch nicht nur den Vorteil einer - vorübergehend - sichereren Absatzplanung, sondern stellen gleichzeitig ein Gefahrenpotential für die Vermarktung der in Angebots-

B. Der Kundendienst als Teilbereich des Absatzobjektes

37

verbunden zusammengefaßten Leistungen und des gesamten Absatzobjektes dar, weil das entsprechende Kundenverhalten auf Zwang anstelle von Überzeugung beruht. Sobald sich dem Nachfrager Alternativlösungen eröffnen, ist seine Abwanderung nicht auszuschließen. Eine erfolgreiche Marketingstrategie für ein komplexes Absatzobjekt setzt demnach das Erkennen tatsächlicher und möglicher Nachfrageverbunde sowie der ihnen zugrunde liegenden Motive voraus. Auf dieser Basis können sinnvolle Sekundärleistungen offeriert werden, mit deren Hilfe die Bedürfnisse der Nachfrager besser zu befriedigen sind. Abschließend verdeutlicht Abb. 5 die Zusammensetzung eines Absatzobjektes und die generell zwischen den einzelnen Komponenten bestehenden Beziehungen.

ß. Der Kundendienst als Teilbereich des Absatzobjektes 1. Der Begriff des Kundendienstes Die mangelnde Eindeutigkeit des Begriffes Kundendienst wird seit langem in der Literatur kritisiert. lso Dieser Vorwurf an die terminologische Abgrenzung des Untersuchungsgebietes ist insbesondere darauf zurückzuführen, daß zwar bestimmte Merkmale des Kundendienstes allgemein akzeptiert werden, daneben jedoch autorenspezifisch weitere Charakteristika in die jeweiligen Definitionen einfließen. Vor diesem Hintergrund dürfte das unterschiedliche Kundendienstverständnis in der Praxis durchaus verstllndlich sein. lsl Am stärksten und gleichzeitig kontroversesten wird die Auffassung diskutiert, daß dem Kundendienst nur solche Leistungen zu subsumieren sind, die vom Anbieter freiwillig, d.h. ohne vertraglichen Anspruch des Nachfragers erbracht werden. 132 Mit dieser Eingrenzung soll das besondere Akquisitionspotential des Kundendienstes unterstrichen werden, das sich in der Bereitschaft des Anbieters zur Befriedigung außerordentlicher Nachfragerwünsche äußert. Gegen eine solche Sichtweise können vielfältige Einwände erhoben werden. So ist es nicht in jedem Fall ersichtlich, ob eine Kundendienstleistung freiwillig oder aufgrund einer wettbewerblieh erzwungenen Kulanz130) Vgl. u.a. Bennewitz, Hans I. (1986), S. 46 f. und S. 61 ff.; Hammann, Peter (1974), S. 135; Mollberg, Harald (1983), S. 4 ff.; Ott, Werner (1960), Sp. 3615. 131) Vgl. die ausführliche Auseinandersetzung mit dem Kundendienstverständnis in der Praxis bei Bennewitz, Hans I. (1968), S. 48 ff. 132) Als Vertreter dieser Ansicht vgl. Bennewitz, Hans I. (1968), S. 73 und S. 76 ff.; Krooss, Reinhart (1966), S. 16 ff.; Mollberg, Harald (1983), S. 5; Nieschlag, Robert/ Dichtl, Erwin I Hörschgen, Hans (1985), S. 217.

38

II. Die Funktionen des Kundendienstes im Ralunen des Marketing

regelung und damit auf der Basis eines Quasi-Rechtes erbracht wird. lu Vor allem aber führt die Akzeptanz des Kriteriums Freiwilligkeit als konstitutives Merkmal des Kundendienstes zu einem doppelten Dilemma. Zum einen zlhlen Leistungen aus der Erfüllung eines Wartungsvertrages oder einer Garantieverpflichtung nicht zum Kundendienst, obwohl verglichen mit gleichartigen jedoch separat vom Nachfrager erworbenen Kundendienstleistungen nur die Abwicklungsmodalitlten anders gestaltet sind. l34 Zum anderen unterliegt ein Hersteller langlebiger Gebrauchsgüter der gesetzlichen Auflage, Ersatzteile zur Verfügung zu stellen. lU Aus dieser Pflicht resultierende Leistungsangebote können demnach ebenfalls nicht zum Kundendienst gezlhlt werden. Eine solche künstliche Unterscheidung ist nicht hilfreich für die Ableitung kundendienstpolitischer Empfehlungen und wirkt darüber hinaus geradezu konterkarierend auf Bestrebungen, ein einheitliches Kundendienstverstlndnis in der Praxis herbeizuführen. l36 Somit ist festzuhalten, daß eine Kundendienstleistung nicht notwendig auf freiwilliger Basis erbracht werden muß. 137 Das traditionell in der älteren Kundendienstliteratur postulierte Merkmal der Unentgeltlichkeit l88 von Kundendienstleistungen wird heute einhellig abgelehnt. l311 Schließlich werden Kundendienstleistungen nicht unentgeltlich erbracht, sondern nur direkt oder indirekt - in der Form eines preispolitischen Ausgleichs - in Rechnung gestellt. HO Neben diesen verstlrkt diskutierten Aspekten erweisen sich auch vereinzelt genannte Beschreibungsmerkmale als ungeeignet für eine Kundendienstdefinition. So fordert z.B. Gerstung für Kundendienstleistungen, daß der Nachfrager über ihre Inanspruchnahme frei entscheiden kann. l4l Damit klammert der Autor jedoch willkürlich vom Anbieter geschaffene exogene Nachfrageverbunde aus dem Spektrum der Kundendienstleistungen aus.

133) Vgl. Rau, Bernd (1975), S. 32. 134) Vgl. Gerstung, Fritz (1978), S. 37 f. 135) Vgl. z.B. Konrad, Eugen (1974), S. 6 f. 136) Vgl. auch Konrad, Eugen (1974), S. 7 f. 137) Als weitere Vertreter dieser Ansicht vgl. auch Hammann, Peter (1974), S. 141; Klein-Blenkers, Fritz (1979), Sp. 999 f.; Meffert, Heribert (1982 b), S. 382. 138) Vgl. den ausführlichen Literaturhinweis bei Bennewitz, Hans I. (1968), Fn. 1 f., S. 72. 139) Vgl. u.a. Bennewitz, Hans I. (1968), S. 72 f.; Klein-Blenkers, Fritz (1979), Sp. 999 f.; Rau, Bernd (1975), S. 29. 140) Vgl. auch Hammann, Peter (1974), S. 139 f. 141) Vgl. Gerstung, Fritz (1978), S. 25 ff. und S. 42 ff.

B. Der KWidendienst als Teilbereich des Absatzobjektes

39

Einen Zugang zur angestrebten Begriffsabgrenzung erOffnet allein der Nebenleistungscharakter von Kundendienstleistungen. Generell wird in der Literatur die Ansicht vertreten, daß Anbieter Kundendienstleistungen als Nebenleistungen einsetzen, um auf diese Weise den Absatz ihrer Hauptleistung zu fOrdern. HZ Der Kundendienst unterstützt mithin als zuslltzliches Akquisitionspotential die Vermarktungschancen der Primlirleistung. 14S Konsequent ist daher die Auffassung, Kundendienstleistungen als SekundlIrleistungen zu bezeichnen. 144 Allerdings kann diese Begriffslegung nicht voll überzeugen, weil bestimmte Fragen offen bleiben. So bringt die Unterscheidung in Primllr- und SekundlIrleistungen vielfliltige Probleme mit sich, da eine solche Klassifizierung nur einzelfallspezifisch, d.h. für einen bestimmten Anbieter vorgenommen werden kann. H5 Insbesondere ist aber die Gleichsetzung von Kundendienst- und SekundlIrleistungen zu weitgehend, da letztere explizit sowohl Sach- als auch Dienstleistungen umfassen. 146 Als hilfreich zur Beantwortung beider Fragen erweist sich ein Rückgriff auf das Konstrukt des Absatzobjektes. Der Anbieter versucht, die Nachfragebedürfnisse mit einem bestimmten Leistungsbündel zu befriedigen. Die Primllrleistung in einem solchen Bündel ist immer die Komponente mit dem höchsten akquisitorischen Potential, die gleichsam die Grund voraussetzung für den Aufbau einer Geschl1ftsbeziehung zum Kunden darstellt. Die Differenzierung in Primllr- und Sekundllrleistungen erfordert somit zwingend einen funktionalen Ansatz, indem vom konkreten Absatzobjekt ausgegangen wird und die Beziehungen zwischen den einzelnen Leistungskomponenten analysiert werden. Nicht ihre Art bestimmt die Klassifizierung einer Leistung, sondern ihre Stellung im Absatzobjekt. So ist die Reparatur eines Automobils die Primllrleistung eines reinen Werkstattbetriebs, hingegen die Sekundllrleistung eines Unternehmens, das mit Fahrzeugen des bearbeiteten Typs auch Handel treibt. Darüber hinaus soll der Begriff Kundendienst eine Gruppe von Leistungen bezeichnen, für die sinnvolle Gestaltungsempfehlungen abgeleitet werden kOnnen. Aus diesem Grund müssen die erfaßten Leistungen gewisse prinzipielle Ähnlichkeiten aufweisen. Die Subsumtion von Dienst- und Sachleistungen sowie eventuell von Rechtsgütern 142) Vgl. u.a. Diller, Hermann / Lorch, Klaus (1987), S. 117; Koch, Waldemar (1958), S. 703; Theisen, Paul (1974), Sp. 1155. 143) Den Zusatzcharakter von Kundendienstleistungen unterstreichen u.a. Bennewitz, Hans I. (1968), S. 73; Hilb, Rolf (1972), S. 10; LObeI, Volkmar (1966), S. 33; Melcher, Peter N. (1972), S. 12. 144) Vgl. Hammann, Peter (1974), S. 141. 145) Vgl. Gerstung, Fritz (1978), S. 28 ff.; Konrad, Eugen (1974), S. 7 f. 146) Vgl. Hammann, Peter (1974), S. 141.

40

H. Die Funktionen des Kundendienstes im Rahmen des Marketing

wirkt aber geradezu konterkarierend, da vor allem die Risikostrukturen bei der Vermarktung dieser drei Wirtschaftsgüter in starkem Maße differieren. Diese Überlegungen erfordern als Konsequenz, daß nur Sekundlrdienstleistungen als Kundendienstleistungen angesehen werden sollen. lU Allerdings hat bereits Abb. 5 gezeigt, daß auch auf der Sekundlrleistungsebene hlufig komplexe Leistungsbündel offeriert werden. So treten zur Dienstleistung Reparatur die Sachleistung Ersatzteil und das Rechtsgut Garantie, wohingegen z.B. der Verkauf von Ersatzteilen stets mit einer Vertriebsleistung kombiniert ist. Bei der Ausrichtung seines Marktverhaitens muß der Anbieter solcher Leistungsverbunde die Interdependenzen zwischen den Angebotskomponenten beachten. as Der bestimmende Einfluß auf die Vermarktungsstrategie geht jedoch wieder vom akquisitorischen Kernelement des Leistungsbündels aus, das erneut nach dem Schwerpunktprinzip festzulegen ist.

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Der Angebotsverbund auf der Sekundärlei-

stungsebene weist sich damit in seiner Struktur als Mikrokosmos des Absatzobjektes aus. Liegt sein Schwerpunkt auf der Dienstleistungskomponente, so wird das gesamte Bündel zu den Sekundlrdienstleistungen gerechnet. Entsprechend gehOrt das skizzierte Reparaturbeispiel in den Bereich Kundendienst, nicht aber der Ersatzteilverkauf, der ein Sekundärsachleistungsgeschlft darstellt. Abb. 6 verdeutlicht, daß der Kundendienst nicht mit dem gesamten Bereich der heterogenen Sekundärleistungen, sondern nur mit einem Sektor, den Sekundlrdienstleistungen, gleichgesetzt wird. S.kUDcllr.ach-

S.kuDcllrdl••• II.lsluDlea • KUDd ••dl.astl.lslulllell

Abb. 6 : Die Identität von Kundendienstleistungen und Sekundärdienstleistungen

147) Eine andere Meinung vertreten Gerstung und Mollberg, die auch Sachleistungen zum Bereich des Kundendienstes zlhlen; vg!. Gerstung, Fritz (1978), S. 40 f.; Mollberg, Harald (1983), S. 8 und S. 38 ff. 148) Vg!. Raffee, Hans (1961), S. 134. 149) Vg!. Kapitel II. A. 3. dieser Arbeit.

B. Der Kundendienst als Teilbereich des Absatzobjektes

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Unter dem Begriff Kundendienst sollen daher sämtliche Dienstleistungen und dienstleistungsdeterminierte Angebotsverbunde verstanden werden, die Bestandteil eines Absatzobjektes sind und als Sekundärleistungen die Vermarktung der Primärleistung fördern und unterstützen.

2. Die Stellung des Kundendienstes im Marketing-Mix Es gibt vielfältige Möglichkeiten zur Gliederung der Marketing-Instrumente. 150 Weitgehend durchgesetzt hat sich die Vierteilung des Marketing-Mix in Produkt-, Preis-, Distributions- und Kommunikationspolitik. l61 Aufgrund der starken Affinität des Begriffes Produktpolitik mit dem Bereich der Sachleistungen wird nachfolgend allerdings substituierend der Ausdruck Leistungspolitik verwendet. 152 Als problematisch erweist sich jedoch die Beantwortung der Frage, ob die Kundendienstpolitik in dieses Spektrum eingeordnet werden kann oder als eigenständige Komponente das Marketing-Mix ergänzen muß. Zur Klärung scheint es zwingend erforderlich, zwischen einer Instrumental- und einer Leistungssicht zu differenzieren. Die Marketing-Mix Betrachtung gliedert die Möglichkeiten eines Anbieters zur Nachfragestimulierung funktional, indem die Instrumentalebene als Schnittlegung gewählt wird. Mit diesem Ansatz wird das Ziel verfolgt, die potentiellen Vermarktungsmaßnahmen erfassen, planen und schließlich optimal gestalten zu können. Die Kundendienstpolitik kann dabei letzIich eindeutig in das Marketing-Mix integriert werden, obwohl sie von einigen Autoren unzutreffend zur Werbung und somit zur Kommunikationspolitik gerechnet wird153; diese Autoren verkennen jedoch die Tatsache, daß der Kundendienst nur zum Werbeargument oder durch die ihn tragenden Institutionen zum Werbeträger werden kann 154, daß aber das Wesen der Kommunikationspolitik in einer vom Anbieter ausgehenden Beeinflussung des Marktes durch Informationen

150) Vg\. die Überblicke bei Gerstung, Fritz (1978), S. 64 ff; Hammann, Peter (1974), S. 141 ff. 151) Vg\. u.a. Kotler, Philip (1974), S. 42 und S. 413 ff.; Meffert, Heribert (1982 b), S. 81 ff.; Nieschlag, Robert/Dichtl, Erwin/Hörschgen, Hans (1985), S. 23 ff. und S. 91 ff.; Wagner, Gerd R. (1978), S. 41 f. 152) Von der Leistungspolitik sprechen u.a. auch Gerstung, Fritz (1978), S. 67 ff.; Meffert, Heribert (1982 a), S. 16. 153) Vg\. Gutenberg, Erich (1976), S. 380 f.; Ott, Werner (1960), Sp. 3615; Seyffert, Rudolf (1966), S. 987 ff. 154) Vg\. Bennewitz, Hans I. (1968), S. 185 ff.

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H. Die Funktionen des Kundendienstes im Ra1unen des Marketing

liegt 155 , wohingegen im Kundendienst vom Nachfrager initiierte Sekundärdienstleistungen erbracht werden. Vielmehr ist die Kundendienstpolitik der Leistungspolitik zuzurechnen 158; denn diese hat die Aufgabe, die Zusammensetzung des Absatzobjektes sowie die Ausgestaltung der einzelnen Leistungskomponenten zu planen und umzusetzen und umfaßt daher ebenfalls die Sekundärdienstleistungen. Auf diese Weise wird eine aufeinander abgestimmte leistungspolitische Profilierung des Absatzobjektes erst ermöglicht. Einige Autoren betonen, daß der Kundendienst ein eigenständiges Marketing-Instrument sei, das zum Aufbau von Akquisitionspotential geeignet und sich hinsichtlich seiner Wirkungs- und Einsatzmechanismen von anderen absatzpolitischen Instrumenten nachhaltig unterscheide. 157 Zum Teil wird postuliert, die Kundendienstpolitik gleichbedeutend neben die genannten vier Teilbereiche des Marketing-Mix zu stellen. 158 Zwar sind auch für Sekundärdienstleistungen durchaus preis-, distributions- und kommunikationspolitische Maßnahmen festzulegen, doch wird bei dieser Betrachtung die gewählte funktionale Schnittlegung durch eine objektbezogene substituiert. Zum Ausgang der Analyse werden nun die einzelnen Leistungskomponenten eines Anbieters und die jeweils mit ihnen zusammenhängenden Instrumentalentscheidungen. Nur unter diesem Blickwinkel ist eine Eigenständigkeit der Kundendienstpolitik zu bejahen: Sie tritt als ein Bereich der Sekundärleistungspolitik neben die Primärleistungspolitik. Das Zusammenspiel von Instrumental- und Leistungssicht zeigt Abb. 7. Durch die Unterscheidung von Instrumental- und Leistungssicht erfährt der Kundendienst eine doppelte Einstufung im Rahmen der Absatzpolitik. Allerdings stehen diese Zuordnungen nicht auf derselben hierarchischen Ebene, sondern es gilt das Primat der Instrumentalsicht. Hier müssen die horizontalen Interdependenzen zwischen den einzelnen Leistungskomponenten beachtet und in die jeweils adäquate Entscheidung für das gesamte Absatzobjekt umgesetzt werden. So steht z.B. die Leistungspolitik für Sekundärdienstleistungen in engem Zusammenhang mit der für die Primärleistung, und das Leistungsentgelt im Sinne eines Lebenszykluspreises berücksichtigt sämtliche zu bepreisende Komponenten. In Abb. 7 wird aber auch deutlich, daß vertikale Interdependenzen zwischen den einzelnen Instrumentalbereichen bestehen. Die erfolgreiche Vermarktung eines Absatzobjektes setzt zwar in erster Linie ein abgestimmtes Zusam-

ISS) Vgl. z.B. Engelhardt, Werner H./Plinke, Wulff (1980), S. 171. 156) Vgl. u.a. Konrad, Eugen (1974), S. 17 f.; Nieschlag, RobertjDichtl, Erwin/Hörschgen, Hans (1985), S. 216; Schulze, P.H. (1984), S. 124. 157) Vgl. u.a. Bennewitz, Hans I. (1968), S. 21 ff.; Konrad, Eugen (1974), S. 16 f. 158) Vgl. Mollberg, Harald (1983), S. 29; Rau, Bernd (1975), S. 9 ff.

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B. Der Kundendienst als Teilbereich des AbsalZobjektes

menspiel der Leistungskomponenten voraus, allerdings ist darQber hinaus die Homogenisierung des Marketing-Mix fQr jede Leistungskomponente zwingend erforderlich.

Abs3tzobjeJct PrimlrleiJtual

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Sekuadlr-

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LeiJlUagspolitik Preispolitik Disuibutionspolitik KommuaikatiollQOlitik

Abb. 7 : Die Integration der Kundendienstpolitik in das Spektrum der MOglichkeiten zur NachCragestimulierunl

Nachfolgend wird der Begriff der Kundendienstpolitik aus der Leistungssicht verstanden und beinhaltet insofern sämtliche Instrumentalentscheidungen, die im Zusammenhang mit Sekundärdienstleistungen anfallen. Diese mQssen ständig mit den für das gesamte Absatzobjekt geltenden Erfordernissen abgestimmt werden, d.h. vor allem, daß nur solche Kundendienstleistungen Gegenstand der Betrachtung sein kOnnen, die im Rahmen der Leistungspolitik als Komponenten des Absatzobjektes festgelegt werden. Auf diese Weise wird dem Primat der Instrumentalsicht Rechnung getragen.

3. Die Kundendienstarten a. Ansätze zur Klassifizierung der Kundendienstleistungen Die Klassifizierung der Kundendienstleistungen ist der erste Schritt zu einer systematischen Erfassung und Strukturierung dieses Untersuchungsfeldes; gleichzeitig fOrdert sie die Anbieterevidenz und liefert Hinweise fQr eine sortimentspolitische Abstimmung

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II. Die Funktionen des Kundendienstes im Rahmen des Marketing

der Sekundärdienstleistungen. 16g Vor dem Hintergrund der spezifischen Situation in der Automobilindustrie sind die nachfolgend diskutierten Klassifizierungsansätze von besonderem Interesse. Generell kann es darüber hinaus sinnvoll sein, Sekundärdienstleistungen nach dem Ort, an dem sie erstellt werden l60 oder nach der Institution, die sie erbringt 16l , zu unterscheiden. Für den Kundendienst in der Automobilindustrie sind diese Kriterien jedoch aufgrund der für diesen Wirtschaftsbereich charakteristischen organisatorischen Regelungen 162 nicht trennscharf, sondern bewirken eine nahezu einheitliche Zuteilung. Ebenso wird auf eine Differenzierung in Muß-, 8011- und Kann-Leistungen l6S verzichtet, weil zum einen die exakte Zuordnung einer Sekundärdienstleistung problematisch sein kann 1" und zum anderen mit dieser Einteilung implizit eine zu starke Einengung der Anbieterkreativität auf den Bereich der KannLeistungen verbunden ist.

(1) Differenzierungskriterium ,,Nachfrager" Die Anforderungen an die Ausgestaltung von Kundendienstleistungen werden entscheidend von der Nachfragerseite geprägt. Aufgrund des variierenden Beschaffungsverhaltens und der differierenden Bedürfnisstrukturen erweist es sich als zweckmäßig, das Spektrum der Sekundärdienstleistungen nach der Art ihrer Nutzung einzuteilen. 16i Entsprechend können investive und konsumtive Kundendienstleistungen unterschieden werden. Die essentielle Bedeutung dieser Klassifizierung soll an einem Beispiel aus dem Automobilsektor gezeigt werden: Ein investiver Nachfrager unterhält häufig einen Fahrzeugpark und einen begrenzten Werkstattbetrieb; sowohl seine Verhandlungsposition gegenüber einem Anbieter von Kundendienstleistungen als auch seine leistungsspezifischen Wünsche weichen daher völlig von denen eines konsumtiven Nachfragers ab.

159) Fürst verweist ausdrücklich auf die Notwendigkeit einer ausgewogenen Kombination von Kundendienstarten. Vgl. Fürst, Reimar (1975), Sp. 2410. 160) Vgl. Konrad, Eugen (1974), S. 9; Meffert, Heribert (1982 a), S. 5 f. 161) Vgl. u.a. Fischer, Gerd (1986), SB Nr. 8; Weber, Michael R. (1982), S. 550 f.; Willerding, Thomas (1987), S. 6 Cf. und S. 76 Cf. 162) Vgl. die Ausführungen in Kapitel 111. 163) Vgl. u.a. Lo, Luling (1979), S. 28 ff.; Meffert, Heribert (1982 a), S. 17; Schönrock, Arnold (1982), S. 8S f.; vgl. in diesem Zusammenhang auch Hammann, Peter (1982), S. ISO f., der obligatorische und fakultative Leistungen unterscheidet. 164) Vgl. die Zuordnung der Beispiele bei Hammann, Peter (1982), S. 151. 165) Vgl. z.B. analog Engelhardt, Werner H,fSchwab, Wilfried (1982), S. 504 f.

B. Der Kundendienst als Teilbereich. des Absatzobjektes

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(2) Differenzierungskriterium "zeitlicher Anfall" Im zeitlichen Verlauf einer Geschäftsbeziehung verändern sich zum einen die Anforderungen der Nachfrager an die Kundendienstpolitik und zum anderen die Aufgaben, die mit einer Erbringung von Sekundärdienstleistungen aus Anbietersieht verbunden werden. l66 Während der Nachfrager nach dem Erwerb einer Primärleistung vor allem an der Sicherung ihres Gebrauchsnutzen interessiert ist, stellt in dieser Phase die Gewinnung von Informationen über das tatsächliche Nutzungsverhalten der Hauptleistung ein zentrales kundendienstpolitisches Anliegen des Anbieters dar. Völlig anders gestaltet sich die Situation für beide Marktpartner hingegen vor dem Erwerb der Primärleistung durch den Nachfrager. Entsprechend werden in der Literatur Kundendienstleistungen vor und nach dem Kauf sowie während des Kaufes unterschieden. le7 Faßt man jedoch den tatsächlichen Verkaufsakt als Zeitpunkt auf, so muß die Rubrik während des Kaufes zwangsläufig entfallen. Ferner ist eine Eingrenzung auf den Kauf als Mittel des Leistungsübergangs unzweckmäßig, denn dieselben kundendienstpolitischen Konsequenzen erwachsen auch aus einem Miet- oder Leasingvertrag über die Primärleistung. l68 Nach dem Kriterium "zeitlicher Anfall" können demnach Sekundärdienstleistungen vor und nach dem Absatz der Hauptleistung unterschieden werden. Als Vertreter einer engen Auffassung versteht Meffert unter Kundendienst ausschließlich die Leistungen, die nach dem Absatz der Primärleistung anfallen. leg Dieser Sichtweise kann jedoch nicht gefolgt werden, da sie willkürlich eine Gruppe von Dienstleistungen aus den Betrachtungen ausschließt. 170

166) Zu den Aufgaben der Kundendienstpolitik vg!. Kapitel 11. C. 1. 167) Vg!. u.a. Bender, Paul S. (1976), S. 6 ff.; Schwab, Wilfried (1984), S. 13 f.; Wagner, William B. (1987), S. 9. 168) Auch Fischer berücksichtigt in diesem Zusammenhang explizit die Miete als Möglichkeit des Leistungsübergangs. Vg!. Fischer, Gerd (1986), SB Nr. 18. 169) Vg!. Meffert, Heribert (1982 a), S. 8; die gleiche Ansicht vertritt Lo, vg!. Lo, Luling (1979), S. 10. 170) Die Argumentation von Meffert ist nicht überzeugend, sondern verrät im Gegenteil Ungenauigkeiten, die zum einen aus der institutionellen Sichtweise des Verfassers (Problem: Verkauf versus Kundendienst) und zum anderen aus seinem Dienstleistungsverständnis herrühren; vg!. Meffert, Heribert (1982a), S. 7 f; die enge Auffassung wird auch explizit von Gerstung abgelehnt; vg!. Gerstung, Fritz (1978), S. 39 f.

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11. Die Funktionen des Kundendienstes im Rahmen des Marketing

(3) Differenzierungskriterium ,,externer Faktor"

(a) Primär/eistungsorientierte Kundendienst/eistungen Bei der Erstellung von Dienstleistungen wird stets zumindest ein Produktionsfaktor vom Nachfrager eingebracht. Gemäß der Art dieses externen Faktors können zwei Gruppen von Sekundärdienstleistungen unterschieden werden, die in ihrer kundendienstpolitischen Funktion und in ihrem akquisitorischen Potential voneinander abweichen. Kundendienstleistungen können einerseits direkt an der Primärleistung verrichtet werden. In diesen Fällen fügt der Nachfrager die Hauptleistung eines Absatzobjektes als externen Faktor in den finalen Leistungserstellungsprozeß ein und initiiert so eine Be oder Verarbeitung der Primärleistung. In der Regel ist der externe Faktor aber von komplexer Natur und umfaßt zusätzlich Informationen; von entscheidender Bedeutung ist in diesem Zusammenhang jedoch nur, daß die Primärleistung selbst ebenfalls als Produktionsfaktor in die Erstellung einer Sekundärdienstleistung eingeht. Solche Kundendienstleistungen werden nachfolgend als primärleistungsorientiert bezeichnet. Die Definition des externen Faktors setzt weiterhin voraus, daß dieser nur zeitlich begrenzt in den Verfügungsbereich des Anbieters gelangt. Damit können primärleistungsorientierte Kundendienstleistungen nur nach dem Absatz der Hauptleistung erbracht werden. Als Beispiele für diese Gruppe von Sekundärleistungen sind vor allem Wartungsund Reparaturleistungen zu nennen.

(b) Subjektorientierte Kundendienst/eistungen Andererseits können Kundendienstleistungen aber auch direkt am Nachfrager erbracht werden. In diesem Fall wird die Erstellung einer Sekundärdienstleistung von einem externen Faktor ausgelöst, der sich in Informationen, dem Verhalten oder der Person des Nachfragers konkretisiert und als Ausdruck von Bedürfnissen, die aus der spezifischen Situation des Nachfragers resultieren, zu interpretieren sind. Die Beziehung einer solchen Sekundärdienstleistung zur Primärleistung ist folglich eine mittelbare, d.h. insbesondere, daß die Hauptleistung selbst kein Element des in den finalen Leistungserstellungsprozeß zu integrierenden externen Faktors sein kann. Diese zweite Kategorie von Sekundärdienstleistungen soll subjektorientiert genannt werden. Nicht eine Ver.richtung an der Primärleistung, sondern die Unterbreitung von z.B. Finanzierungsvorschlägen, das Schaffen einer angenehmen Kaufsituation oder die Beratung sind die In-

B. Der Kundendienst als Teilbereich des Absatzobjektes

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halte subjektorientierter Kundendienstleistungen. Diese Sekundlrdienstleistungen können sowohl vor als auch nach dem Absatz der Hauptleistung anfallen.

(c) Die Notwendigkeit zur Unterscheidung zwischen primiirleistungsund subjektorientierten Kundendienstleistungen Die Klassifizierung der Kundendienstleistungen nach dem einzubindenden externen Faktor zeigt deutlich, daß differenzierte Anforderungen an die Bereitstellungsleistung eines Anbieters gestellt werden. Während die Erbringung primärleistungsorientierter Sekundärdienstleistungen insbesondere Ansprliche an die fachspezifische Komponente der Bereitstellungsleistung formuliert, tritt bei subjektorientierten Kundendienstleistungen die Interaktionsfähigkeit der internen Produktionsfaktoren in den Vordergrund. In der ersten Kategorie wirken die Charakteristika der Hauptleistung prägend, in der zweiten hingegen dominieren strategische Vorstellungen des Anbieters in bezug auf die gestaltung des Interaktionsprozesses mit dem Nachfrager. Doch die vorgenommene Differenzierung ist nicht nur notwendig im Hinblick auf die Planung der Bereitstellungsleistung, sondern sie leistet auch Hilfestellungen bei akquisitorischen Überlegungen. Der Anfall von primärleistungsorientierten Sekundlrdienstleistungen wird weitgehend von den Erfordernissen der Hauptleistung determiniert. Mithin liegt die Aufgabe dieser Leistungskategorie weniger in der Initiierung von Kundenkontakten, als vielmehr in der Auslösung und Realisierung von Nachfrageverbunden, die neben Sekundlrsachleistungen und -rechten vor allem auch subjektorientierte Sekundärdienstleistungen umfassen. Primärleistungsorientierte Sekundärdienstleistungen werden gleichsam zum Kern von obligatorischen und disponiblen Sekundärleistungsblindeln; so ist z.B. die Abwicklung der Zahlungs- und Rechnungsmodalitäten generell an eine Reparaturleistung gekoppelt, während dieselbe Reparaturleistung gleichzeitig eine Chance für den Anbieter darstellt, die Anwesenheit des Nachfragers zur Erbringung weiterer subjektorientierter Sekundärdienstleistungen wie beispielsweise eine Beratung liber Zubehörteile zu nutzen. Diese Funktion können subjektorientierte Kundendienstleistungen nur sehr bedingt ausflillen. Die Aufgaben dieser Leistungskategorie liegen vielmehr in der sinnvollen Ergänzung der primärleistungsorientierten Sekundärdienstleistungen und darliber hinaus in der Schaffung von akquisitorisch besonders wichtigen, positiven Anlässen flir Kundenkontakte. Letzteres kann im Automobilbereich z.B. durch das Angebot spezieller Beratungen oder die Abwicklung von Pannenkursen geschehen. Solche Kontakte sollen positiv genannt werden, weil nicht ein Defekt der

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11. Die Funktionen des Kundendienstes im Rahmen des Marketing

Primärleistung, sondern ein aus der allgemeinen Situation des Nachfragers stammendes Bedürfnis zu ihrem AuslOser wird. Eine aktive Kundendienstpolitik kann sich nicht auf primärleistungsorientierte Aktivitäten beschränken. Vielmehr bietet erst eine umfassende Beachtung der Nachfragerbedürfnisse die Chance, das volle Akquisitionspotential des Kundendienstes durch die Entwicklung kreativer Leistungen zu nutzen.

(d) Vergleich der Klassifizierung von Kundendienstleistungen nach dem externen Faktor mit der Literaturunterscheidung in technische und kaufmännische Kundendienstleistungen Eine in der Literatur gebräuchliche Klassifizierung unterscheidet technische und kaufmännische Kundendienstleistungen. l71 Unter den erstgenannten werden Sekundärdienstleistungen verstanden, die ausschließlich in Verbindung mit technischen Sachleistungen - für solche Sachleistungen gelten die Merkmale der technischen Komplexität, der Hochwertigkeit und der Langlebigkeit - und nach deren Absatz erbracht werden. 172 Im Gegensatz hierzu kOnnen kaufmännische Kundendienstleistungen auch vor dem Absatz der Primirleistung erstellt werden und sind nicht zwingend an eine bestimmte Wirtschaftsgutart gekoppelt. l7S Sie stellen eine ResidualgrOße dar, die sämtliche nicht in den relativ homogenen Bereich der technischen Kundendienstleistungen fallenden Sekundärdienstleistungen auffangen SOIl.174 Diese Klassifizierung ist allerdings weder trennscharf noch unmißverständlich. 175 Kundendienstleistungen kOnnen nicht zweifelsfrei zugeordnet werden, da das Kriterium "im Zusammenhang mit technischen Gütern"176 nicht zu eindeutigen Ergebnissen führt. So wird die Schulung im Gebrauch einhellig als technische Kundendienstlei171) Vgl. u.a. Bennewitz, Hans I. (1968), S. 79 ff.; Hünerberg, Reinhard (1984), S. 180; Schacie, Heinz C. (1968), S. 81 ff. 172) Vgl. u.a. Bennewitz, Hans I. (1968), S. 79, S. 81 ff. u. S. 108 ff.; Knipp, HansPeter (1985), S. 21 ff.; Rau, Bernd (1975), S. 43 u. S. 45 f. 173) Vgl. Bennewitz, Hans I. (1968), S. 80 u. S. 142 f. 174) Vgl. u.a. Gerstung, Fritz (1978), S. 110; Krooss, Reinhart (1966), S. 21; Rau, Bernd (1975), S. 43 ff. 175) Anderer Meinung ist Bennewitz, der in der diskutierten Unterscheidung die schlrfstmOgliche Abgrenzung von Kundendienstarten sieht. Vgl. Bennewitz, Hans I. (1968), S. 86 f.

176) Bennewitz, Hans I. (1968), S. 88.

B. Der Kundendienst als Teilbereich des Absatzobjektes

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stung akzeptiert177, obwohl sie ebenfalls in Verbindung mit einer PrimärdienstIeistung notwendig sein kann und mithin zur Gruppe der kaufmännischen KundendienstIeistungen gezAhlt werden müßte. Auch ein Unternehmensberater schult seine Klienten z.B. in der Handhabung eines von ihm entwickelten Management-Informationssystems. Analog kann die Einordnung weiterer Kundendienstleistungen kritisiert werden. Der Reparatur eines Automobils entspricht beispielsweise die Modifikation bzw. Anpassung einer Werbestrategie durch die betreffende Agentur. Die Unterscheidung in technische und kaufmännische SekundärdienstIeistungen basiert noch auf dem traditionellen Marketing-Denken in Sachleistungen. Betrachtet man die in den jeweiligen Kategorien diskutierten Beispiele, so wird deutlich, daß als eigentliches Ziel dieser Differenzierung die separate Erfassung der Kundendienstleistungen, die an der jeweiligen Primärleistung erbracht werden, angestrebt wird. Die in dieser Arbeit vertretene Unterscheidung von primärleistungs- und subjektorientierten Sekundärdienstleistungen ist dazu weitaus besser in der Lage 178 und verhindert gleichzeitig eine unzweckmäßige Einschränkung auf eine bestimmte Wirtschaftsgutart. Zusätzlich kann auf den wenig aussagekrAftigen Terminus "kaufmännische Kundendienstleistung" verzichtet werden. 17!! Abzulehnen sind schließlich auch die inhaltlich verwandten Klassifizierungen in "Kundendienstleistungen mit und ohne Zusammenhang mit der Ware"1SO sowie in "produkt- und kundenbezogene Serviceleistungen"181. Zum einen treten Kundendienstleistungen ex definitione immer im Zusammenhang mit der Ware - also der Primärleistung - und dem Kunden auf und zum anderen werden keine zweifelsfreien Zuordnungen einzelner Leistungen ermOglicht. 182 Zu diesem Zweck muß man einen Schritt weitergehen und nach der Art des vom Nachfrager eingebrachten externen Faktors differenzieren.

177) Vg!. z.B. Knipp, Hans-Peter (1985), S. 25 f. 178) Es entfällt z.B. das Problem, die "Schulung im Gebrauch" im Gegensatz zur "Veranstaltung von Kursen" als technische KundendienstIeistung zu begründen; vg!. Bennewitz, Hans I. (1968), S. 90 ff. u. S. 156 ff. 179) Zur Kritik an dieser Bezeichnung vg!. Krooss, Reinhart (1966), S. 21; Schade, Heinz C. (1968), S. 121. 180) Vg!. Koch, Waldemar (1958), S. 703. 181) Vg!. Gerstung, Fritz (1978), S. 113 ff. 182) So rechnet Gerstung die Produktberatung zu den produktbezogenen Serviceleistungen, obwohl diese Leistungsart konkret auf individuelle Nachfragerbedürfnisse eingeht und eine andersweitige Eingruppierung durchaus denkbar erscheint. Vg!. Gerstung, Fritz (1978), S. 114 und S. 121 ff.

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H. Die Funktionen des Kundendienstes im Rahmen des Marketing

b. Typologie der Kundendienstarten Genau wie Klassifizierungen beabsichtigen auch Typologien die Systematisierung eines komplexen Untersuchungsfeldes. Allerdings sind sie als Weiterentwicklung der bislang erörterten Ansätze zu verstehen, da sie!ur Bildung von Typen mehrere Differenzierungskriterien gleichzeitig heranziehen. Mit dem Aufbau einer Typologie werden vor allem zwei konkrete Ziele verfolgt Zum einen soll eine Datenreduktion erreicht werden, d.h. das komplexe Untersuchungsfeld wird durch Typen dargestellt, die mit einer begrenzten Anzahl von Merkmalen beschrieben werden, und zum anderen wirkt diese Vereinfachung als stimulierender Denkanstoß z.B. für sortimentspolitische Überlegungen. IU Kombiniert man die drei diskutierten Klassifizierungsmerkmale, so erhAlt man Kundendienstleistungen, die hinsichtlich ihres zeitlichen Anfalls, des eingebrachten externen Produktionsfaktors und der Art ihrer Nutzung differieren. Eine solche Aufspaltung in Kundendiensttypen liefert einen strukturierten Überblick über das Feld der Sekundärdienstleistungen und ist daher insbesondere bei der Sortimentsplanung eines Anbieters hilfreich. Dieser erkennt Notwendigkeiten zur Schwerpunktsetzung, Abrundung, Ergänzung oder Eliminierung innerhalb seines Spektrums an offerierten Kundendienstleistungen. Diese vorliegende Typologie ist aber nur begrenzt dazu geeignet, als Ausgangspunkt zur Planung von Vermarktungsstrategien für einzelne Kundendienstleistungen genutzt zu werden. Hierzu müssen andere Differenzierungskriterien für die Typenbildung herangezogen werden l84 , weil die in einer Typologie verwendeten Merkmale jeweils entsprechend dem mit dieser Systematisierung verfolgten Zweck auszuwählen sind. Abb. 8 zeigt eine dreidimensionale Typologie nach den genannten Klassifizierungsansätzen. Von den kombinatorisch zu ermittelnden acht Kundendienstarten sind jedoch nur sechs von praktischer Relevanz, denn die Felder der primärleistungsorientierten, vor dem Absatz der Hauptleistung anfallenden Sekundärdienstleistungen bleiben sowohl in Bezug auf konsumtive als auch auf investive Nachfrager leer, da primärleistungsorientierte Kundendienstleistungen ex definitione immer nach dem Absatz der Hauptleistung erbracht werden (vg!. Abb. 8, Felder 5 und 7).

183) Vg!. u.a. Lovelock, Christopher H. (1983), S. 10; Meyer, Anton (1983), S. 37 f.; Mills, Peter K.jMargulies, Newton (1980), S. 255. 184) Vg!. hierzu die Typologie in Kapitel V. B. 2. a. (I)

B. Der Kundendienst als Teilbereich des Absatzobjektes

51

Nachfracer

zeillicher AIIr.1I

~:

(1) : subjektorientierte, konsumtive Kundendiensdeistung vor Absatz der Hauptleistung (2) : subjektorientierte, konsumtive Kundendiensdeistung nach Absatz der Haupdeistung (3) : subjektorientierte, investive Kundendiensdeistung vor Absatz der Haupdeistung (4) : subjektorientierte, investive Kundendienstleistung nach Absatz der Hauptleistung [(5) : primllrleistungsorientierte, konsumtive Kundendiensdeistung vor Absatz der Haupdeistung) (6) : primllrleistungsorientierte, konsumtive Kundendiensdeistung nach Absatz der Haupdeistung [(7) : primllrleistungsorientierte, investive KundendienstIeistung vor Absatz der Hauptleistung) (8) : primlirleistungsorientierte, investive KundendienstIeistung nach Absatz der HauptIeistung

Abb. 8 : Typologische Erfassung der Kundendiensdeistungen

52

11. Dic FWlktioncn des KWldendienstes im Rahmen des Marketing

c. Die Managementaufgabe Kundendienstpolitik 1. Die Aufgaben und der Umfang der Kundendienstpolitik Die Aufgaben der Kundendienstpolitik sind vielfilitig und können auf verschiedene Weise systematisiert werden. 18i Allerdings differenziert die Literatur nicht immer exakt zwischen Aufgaben und Zielen der Kundendienstpolitik. Unter Aufgaben oder Funktionen sollen nachfolgend die generellen Einsatz- und Wirkungsbereiche der Sekundllrdienstleistungspolitik verstanden werden; Ziele hingegen werden nur in einer konkreten Entscheidungssituation formuliert. 188. 187

abgeleitet

und

nach

Möglichkeit

operational

Die Kundendienstpolitik hat zwei grundlegende Aufgaben zu erfüllen. Zum einen muß sie einer auf den Markt gerichteten akquisitorischen Funktion genügen, zum anderen sollen Informationen vom Markt für das Unternehmen gewonnen werden. Aus Anbietersieht konkretisiert sich die akquisitorische Funktion des Kundendienstes in den Bestrebungen, Präferenzen für das eigene Absatzobjekt aufzubauen, das Vertrauen der Nachfrager auf Dauer zu gewinnen l88 sowie Sekundllrdienstleistungserlöse zu erwirtschaften. 1811 Von der Kundendienstpolitik soll ein positiver Imagetransfer auf die Hauptleistung und das gesamte Leistungsprogramm des Unternehmens ausgehen. I90 ,191 Gleichzeitig dient das Angebot von Sekundirdienstleistungen zur Erhaltung von Kundenkontakten und zur Differenzierung des Absatzobjektes. 11l2 Auf diese Weise erfüllt die Kundendienstpolitik ihre akquisitorische Aufgabe gegenüber der Primlrleistung lllS und fördert mithin die Absatzchance der Hauptleistung sowohl auf der 185) Als Beispiel vgl. die Dreiteilung bei Lo, Luling (1979), S. 16 f.; Meffert, Heribert (1981), S. 3 f. 186) Vgl. Becker, Jochen (1983), S. 16 ff. 187) Entsprechend sollen die Zielkataloge bei Hammann und Simon als Aufgabenkataloge interpretiert werden. Vgl. Hammann, Peter (1982), S. 152 f.; Simon, Leonhard S. (1965), S. 33. 188) Vgl. u.a. Fischer, Gerd (1986), SB Nr. 8; Lo, Luling (1979), S. 16. 189) Zur Bedeutung von Kundendiensterlösen vgl. u.a. Koring, D. (1984), S. 39; Watzlawek, K.-H. (1984), S. 31; Weber, Michael R. (1987), S. 54 f.; Wegwart, Jürgen (1982), S. 116 f. 190) Zum Imagebegriff vgl. u.a. Hammann, Peter/Erichson, Bernd (1978), S. 125; Trommsdorff, Volker (1975), S. 79. 191) Zum Imagetransfer vgl. u.a. Hammann, Peter (1982), S. 161 f.; Salleck, Kurt (1975), S. 380. 192) Vgl. z.B. Weinhold-Stünzi, Heinz (1986), S. 1. 193) Vgl. u.a. Konrad, Eugen (1974), S. 89 ff.; Mollberg, Harald (1983), S. 187 ff.; Schwab, Wilfried (1984), S. 20 ff.

C. Die Managementaufgabe Kundendienstpolitik

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horizontalen als auch der vertikalen Ebene. lll4 Zwar können Erstkllufer durch das Kundendienstimage eines Anbieters oder durch die subjektorientierten SekundIrdienstleistungen vor dem Absatz der Hauptleistung gewonnen werden 1g" doch die Stirke der Kundendienstpolitik liegt eindeutig auf der vertikalen Ebene, d.h. in der Transformation von Kunden in Starnmkunden. lll6 Damit obliegt der Kundendienstpolitik eine zentrale absatzpolitische Aufgabe, denn das Hauptaugenmerk im Marketing ist auf die dauerhafte Bindung von Kunden gerichtet. Die Akquisition neuer Kunden ist nicht nur schwieriger, sondern aufgrund der regelmllßig höheren Vertriebskosten darüber hinaus bedeutend teurer als das Halten von Starnmkunden. 1gr Solche Stammkunden zeichnen sich durch eine besondere Markentreue gegenüber der Primirleistung aus, die sich in einfachen bzw. modifizierten Wiederholungskllufen llußert. 198

Zu-

slltzlich sind sie für eine vermehrte Abnahme von Sekundllrleistungen empfllnglich, die wiederum sowohl die Erlös- als auch die Bindungsbestrebungen des Anbieters unterstützt. Wird das Absatzobjekt indirekt vertrieben 1gg, dann eröffnet die Erbringung von Kundendienstleistungen dem einzelnen Handelsbetrieb ebenfalls die Chance zur Profilierung und die Möglichkeit zum Aufbau einer dauerhaften Beziehung des Nachfragers zur eigenen Ladenstitte. 200 Mit dem grundsitzlichen Angebot von Sekundirdienstleistungen wird folglich die Realisierung von Markentreue intendiert, die spezifische Ausgestaltung der Kundendienstleistungen hingegen soll die Ladentreue begründen, d.h. die Kundendienstpolitik birgt ein weitreichendes Profilierungspotential für Hersteller und Handel. Abschließend sind die Unterstützung der übrigen Marketing-Instrumente 201 sowie die Schaffung neuer bzw. die Auslastung vorhandener Arbeitspilltze'02 als weitere Aufgaben der Kundendienstpolitik aus Anbietersieht zu nennen.

194) Zu dieser Unterscheidung vgl. Krooss, Reinhart (1966), S. 48 ff. 195) Vgl. u.a. Krooss, Reinhart (1966), S. 48 ff.; Weber, Michael R. (1987), S. 58. 196) Vgl. u.a. Krooss, Reinhart (1966), S. 51 ff.; Rau, Bernd (1975), S. 39 ff. 197) So beziffert Bender das Kostenverhilitnis zwischen der Gewinnung neuer Kunden und der Bindung alter Kunden mit 6:1; vgl. Bender, Paul S. (1976), S. 4 f.; vgl. in diesem Zusammenhang auch Engelhardt, Werner H. (1974), Sp.1805; Krooss, Reinhart (1966), S. 52 ff.; Levitt, Theodore (1985), S. 16. 198) Zum Konzept der Markentreue vgl. Nolte, Hartmut (1975), besonders S. 109 ff. 199) Zu den grundsitzlichen organisatorischen Gestaltungsalternativen in der Kundendienstpolitik vgl. Schwab, Wilfried (1984), S. 67 ff.; Willerding, Thomas (1987), S. 6 ff. und S. 49 ff. 200) Zum Konzept der Ladentreue vgl. Nolte, Hartmut (1975), S. 146 ff. 201) Vgl. z.B. Meffert, Heribert (1987), S. 93. 202) Vgl. Schwab, Wilfried (1984), S. 41 ff.

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11. Die Funktionen des Kundendienstes im Rahmen des Marketing

Eine konkrete Gestalt nehmen diese akquisitorischen Aufgaben der Kundendienstpolitik an, wenn man sie aus der Perspektive des Nachfragers untersucht. Mit dem Erwerb eines Absatzobjektes strebt der Nachfrager die Befriedigung von BedUrfnissen an; die Sekundärdienstleistungen sind dabei ein wichtiger Faktor fUr die Sicherung der Kundenzufriedenheit. 203 Zu diesem Zweck mUssen Kundendienstleistungen vor dem Erwerb der Hauptleistung insbesondere auf die Erleichterung der Beschaffungssituation und die Information des Nachfragers gerichtet sein. 2CH Nach dem Erwerb der Hauptleistung sollen dann die primärleistungsorientierten Sekundärdienstleistungen den Gebrauchsnutzen 206 , die Wirtsehaftlichkeit206 und die Werterhaltung 207 der Hauptleistung sichern sowie das Risiko eines Unfalls minimieren 208 , das Angebot subjektorientierter Sekundärdienstleistungen eine Reduktion möglicher Dissonanzen z.B. durch ein adäquates Beschwerdemanagement2011 anstrebt, um auf diese Weise negative Kundenerlebnisse in positive zu wandeln 210 sowie das in Verbindung mit der Entscheidung rur eine bestimmte Primärleistung empfundene Risik0211 des Nachfragers zu senken und den Aufbau einer markentreuen Einstellung zu ermöglichen. Betrachtet man schließlich den Einfluß der Kundendienstpolitik auf die Wettbewerbssituation, so bedeutet die akquisitorische Nutzung der Kundendienstpolitik eine Substitution von preis- durch präferenzpolitische Maßnahmen. 212 Obwohl im Rahmen der Lebenszykluskosten-Bewertung des Nachfragers auch Sekundärdienstleistungen als Kostenfaktor BerUcksichtigung finden

213,

ist die Kundendienstpolitik doch vor allem

zum Aufbau von Präferenzen beim Nachfrager und somit zur Erreichung eines Wettbewerbvorteils geeignet, der nachhaltig abschirmend gegenUber Konkurrenzaktivitäten

203) Vgl. u.a. Bruhn, Manfred (1982 b), S. 207 und 227 ff.; Simon, Leonhard S. (1965), S. 33 ff. 204) Vgl. u.a. Bennewitz, Hans I. (1968), S.165 f.; Gerstung, Fritz (1978), S. 147 ff. 205) Vgl. u.a. Lo, Luling (1979), S. 16; Meffert, Heribert (1981), S. 3 f.; Rau, Bernd (1975), S.61; Voth, Dietrich (1977), S.141. 206) Vgl. Bennewitz, Hans I. (1968), S. 112 f.; Rau, Bernd (1975), S. 61. 207) Vgl. Bennewitz, Hans I. (1968), S. 113. 208) Vgl. Bennewitz, Hans I. (1968), S. 113 f.; Rau, Bernd (1975), S. 62. 209) Zum Stellenwert des Beschwerdemanagements im Zusammenhang mit Kundenzufriedenheit vgl. Bruhn, Manfred (1982 a), S. 15 ff.; Riemer, Martin (1986), S. 21 ff. 210) Vgl. Hammann, Peter/Schuchard-Ficher, Christiane (1983),-S. 66 f.; Konrad, Eugen (1974), S. 97. 211) Vgl. die Ausführungen zum empfundenen Risiko in Kapitel V.B.2.a.(2)(a) 212) Vgl. Hammann, Peter (1974), S. 143 f.; Gerstung, Fritz (1978), S. 229. 213) Vgl. Kapitel I.

C. Die Managementaufgabe Kundendienstpolitik

55

wirkt und eine schwer zu überwindende Eintrittsbarriere auf Märkten flir komplexe Absatzobjekte bildet. 2u Daneben erfüllt die Kundendienstpolitik eine wichtige Funktion bei der Beschaffung von Informationen. Wittek stellt fest, daß die Mehrzahl der Anstöße für Innovationen nicht vom Hersteller, sondern vom Anwender stammen. UI Die Nahtstelle zwischen Anbieter und Nachfrager ist jedoch der Kundendienst. Die Kontakte aus der Erbringung dieser Leistungen mlissen folglich systematisch ausgewertet werden, da sie nicht nur Aufschllisse über das Verhalten der Primärleistung im Gebrauch, sondern auch in Bezug auf Konkurrenzangebote, Nachfragebedlirfnisse und - im Fall des indirekten Vertriebs - eingeschaltete Absatzmittler geben. Anfälligkeiten bzw. Anpassungsbedürftigkeiten der Hauptleistung sowie die Schwierigkeiten beim Einsatz korrigierender Maßnahmen werden erst mit einer Zeitverzögerung und nur unter tatsächlichen Nutzungsbedingungen vollkommen aufgedeckt. Bei der Erbringung primärleistungsorientierter Kundendienstleistungen werden somit Informationen gewonnen, die einerseits notwendig flir die WeiterentwiCklung der Hauptleistung und andererseits unverzichtbar für die Planung und Vermarktung des gesamten Absatzobjektes sind. 2l11 Gleichzeitig resultieren aus den Kontakten, die in Verbindung mit primärleistungs-, aber auch subjektorientierten Sekundärdienstleistungen entstehen, vielflltige Gesprächsmöglichkeiten mit dem Kunden, in denen dessen Bedürfnisse deutlich werden, die dann zur Entwicklung neuer Leistungsangebote flihren können. ur Der Kundendienst ist gleichsam ein Stimulus für Forschungs- und Entwicklungsarbeiten sowohl auf der Hauptleistungs- als auch auf der Sekundärleistungsebene. Darüber hinaus eröffnen diese Kundenkontakte Möglichkeiten, allgemein die Erfahrungen des Nachfragers mit Absatzobjekten der Konkurrenten zu erkunden und speziell die Sekundärdienstleistungspolitik der Wettbewerber kennenzulernen. 2l8 Dieses Wissen ist eine entscheidende Voraussetzung flir die Ableitung konkurrenzorientierter Marketing-Strategien. 2l9 Schließlich ist die Kundendienstpolitik in den Fällen, in denen die Primärleistung indirekt vertrieben wird, die Sekundärdienstleistungen hingegen vom Hersteller erbracht werden, ein probates Mittel zur Überprl)fung, inwieweit die Aktivitäten der Absatzmittler ihre Funktion innerhalb der mehrstufigen Marketingstrategie des Herstellers erfüllen oder 214) Vg!. Peters, Thomas J./Waterman, Robert H. Jr. (1982), S. 181 f.; Schwab, Wilfried (1984), S. 33; Wagner, William B. (1987), S. 8 ff. 215) Vg!. Wittek, Burkhard (1987), S. 35. 216) Vg!. u.a. Gebauer, E. (1984), S. 21; Salleck, Kurt (1975), S. 382; Tein, H. (1984), S. 20; Weber, Michael R. (1983), S. 38. 217) Vg!. u.a. Krooss, Reinhart (1966), S. 57 ff.; Rau, Bernd (1975), S. 63 ff. 218) Vg!. u.a. Lo, Luling (1979), S. 17; Weber, Michael R. (1984), 12.9., S. 1. 219) Als Überblick zu konkurrenzorientierten Marketingstrategien vg!. Becker, Jochen (1983), S. 186 ff.

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H. Die Funktionen des Kundendienstes im Rahmen des Marketing

ob Maßnahmen zur Gegensteuerung notwendig sind. 22o Als Fazit kann festgehalten werden, daß die direkte Verbindung zum Nachfrager dem Anbieter Informationen sichert, die unverzichtbar flir den Aufbau einer starken Wettbewerbsposition auf einem Markt für komplexe Absatzobjekte sind. Die Informationsfunktion tritt damit als zweite Aufgabe der Kundendienstpolitik neben die akquisitorische Funktion.

Kundendienstpolitik

Abb. 9 : Umfang und Komponenten der Kundendienstpolitik

Zur

Lösu~g

dieser vielfältigen inhaltlichen Herausforderungen ist es erforderlich, die

Kundendienstpolitik als eigenständige Managementaufgabe zu verstehen. Der Umfang dieser Managementaufgabe ergibt sich aus einer allgemeinen Analyse der Bezeichnung Politik. Grundsätzlich werden mit dem Begriff der Politik die Bildung und Vorgabe von Zielen sowie das Fällen von Entscheidungen assoziiert. 221 Diese Merkmale treffen auch auf einen an Effizienzkriterien orientierten Einsatz der Kundendienstpolitik zu. 222 Entsprechend erfordert ein adäquates Management der Sekundärdienstleistungen den Aufbau eines Zielsystems, in dem sich zum einen eine übergeordnete kundendienstpolitische Grundhaltung widerspiegelt und das zum anderen eine Vorgabefunktion flir die Planung und Umsetzung von strategischen und operativen Maßnahmen erfüllt, d.h. ein erfolgreiches Kundendienstmanagement basiert auf einem eigenen Selbstverständnis, aus dem Ziele, Strategien und Maßnahmen abgeleitet werden (vgl. 220) Vgl. Krooss, Reinhart (1966), S. 56 f.; Rau, Bemd (1975), S. 63. 221) Vgl. Sandig, Curt (1966), S. 6. 222) Vgl. Gerstung, Fritz (1978), S. 58.

c. Die Managernenraufgabe KWidendienstpolitik

57

Abb. 9). Die konkreten Entscheidungsbereiche der Kundendienstpolitik werden deutlich, wenn man die in Abb. 7 dargestellte Leistungssicht einnimmt : Sie reichen von der Gestaltung der einzelnen Sekundärdienstleistung bis hin zu ihrer Kommunikation. 223 Allerdings darf die Kundendienstpolitik nicht als isolierte Managementaufgabe begriffen werden; sie unterliegt vielmehr einer Reihe prägender Einflüsse, unter denen besonders die übergeordnete Unternehmenspolitik des Anbieters zu beachten ist. Aus diesem Grund sollen nachfolgend zuerst die Einflußgrößen und im Anschluß die Komponenten der Kundendienstpolitik erörtert werden.

2. Die Determinanten der Kundendienstpolitik a. Die Nachfrage SekundArdienstleistungen sollen zusätzliche Präferenzen für ein Absatzobjekt erzeugen. Dazu ist es erforderlich, daß sie den Bedürfnissen der Abnehmer entsprechen. Diese Nachfragerbedürfnisse sind somit eine wichtige Einflußgröße, ihre Kenntnis und Umsetzung in adäquate Leistungsangebote die entscheidende Voraussetzung für eine erfolgreiche Kundendienstpolitik. Weiterhin hat sich die Kundendienstpolitik in ihrer akquisitorischen Funktion an der Neuartigkeit der Beschaffungssituation für den Nachfrager zu orientieren. Liegt ein Erstkauf22' vor, so fehlen dem Nachfrager eigene Erfahrungen mit primärleistungsorientierten Kundendienstleistungen. Dem Anbieter steht nur die Möglichkeit offen, sich durch seine subjektorientierten Sekundärdienstleistungen vor dem Absatz der Hauptleistung zu profilieren oder Referenzen für die Qualität der primärleistungsorientierten Kundendienstleistungen beizubringen bzw. auf ein gutes Kundendienstimage verweisen zu können. Anders verhAlt es sich beim Wiederholungskauf. Hier besitzt der Nachfrager Kenntnisse über das Spektrum möglicher Sekundärdienstleistungen und damit ein höheres Maß an Evidenz verglichen mit dem Fall des "new task". Ist der Nachfrager bereits Kunde des Anbieters, so kann dieser seine vielfältigen primArleistungs- und subjektorientierten Kundendienstleistungen zur Profilierung nutzen, hat der Nachfrager jedoch nur Erfahrungen mit dem Absatzobjekt eines Konkurrenten, dann entspricht die Situation tendenziell der des Erstkaufs. Damit die Kundendienst223) VgI. Abb. 7. Anderer Meinung ist Gerstung, der eine Begrenzung auf Gestaltung und Programmplanung vornimmt; vgI. Gerstung, Fritz (1978), S. S8 f. Dieser Auffassung kann aufgrund der in Abb. 7 dargestellten differenzierten Sicht der Kundendienstpolitik nicht gefolgt werden. 224) Zum Kaufklassenansatz vgI. Robinson, Patrick J./Faris, Charles W./Wind, Yoram (1967), S. 22 ff.

58

II. Die Funktionen des Kundendienstes im Rahmen des Marketing

politik ihrer akQuisitorischen Funktion gerecht werden kann, ist ihre Akzentsetzung der jeweiligen Beschaffungskonstellation anzupassen. 225 Darüber hinaus muß im Rahmen des Kundendienstmanagements geprüft werden, welche Sekundärdienstleistungen in den Dispositionsraum einer Make-or-Buy-Entscheidung fallen und folglich auf diese Weise konkurrenzgefährdet sind. Von besonderer Bedeutung für die Kundendienstpolitik ist schließlich die Beschliftigung mit der Frage, welche Sekundärdienstleistungen bzw. welche spezifische Ausprägung einer Kundendienstleistung von welchen Nachfragern als zum Absatzobjekt gehörend betrachtet werden. Lassen sich in dieser Hinsicht Nachfragesegmente unterscheiden und isolieren - so könnten z.B. die Sekundärdienstleistungsbedürfnisse in Abhlingigkeit von der Art der Primärleistungsnutzung differieren -, dann kann der Kundendienst zur segmentspezifischen Individualisierung des Absatzobjektes eingesetzt werden.

b. Das Angebot (1) Die Unternehmenspolitik des Anbieters Der Anbieter selbst grenzt das Entscheidungsfeld der Kundendienstpolitik ein, indem er ihren Aktionsraum definiert und die sekundärdienstleistungspolitischen Aktivitäten durch die Vorgabe übergeordneter Ziele steuert; denn die Kundendienstpolitik ist keine isoliert zu bearbeitende Managementaufgabe, sondern ein integraler Bestandteil der Unternehmenspolitik im allgemeinen und spezieller Vermarktungsstrategien im besonderen. Die Unternehmenspolitik ordnet den Kundendienst organisatorisch ein 228 und ist verantwortlich für die Mittelzuweisung; darüber hinaus prAgt die strategische Ausrichtung des Unternehmens auf bestimmte Geschliftsfelder die grundsätzlichen Möglichkeiten und Grenzen der Sekundärdienstleistungspolitik. Der endgültige Einsatz der Kundendienstpolitik als Element des Marketing-Mix wird konkret bei der Formulierung der Marketing-Strategie für ein bestimmtes Absatzobjekt festgelegt. Hier müssen sämtliche Marketing-Instrumente so aufeinander abgestimmt werden, daß ein größtmögliches Maß an Synergieeffekten realisiert werden kann. Insbesondere ist das Verhliltnis zwischen der Primärleistung und den unterstützenden Sekundärdienstleistungen zu fixieren; denn sowohl auf der Ressourcen- als auch auf der Zielebene kann

225) Vgl. hierzu die ergänzenden Ausführungen in Kapitel 11. C. b (2). 226) Zur organisatorischen Eingliederung des Kundendienstes vgl. u.a. Bender, Paul S. (1976), S. 19 ff.; Fussbahn, Karl-Heinz (1982), S. 127 ff.; Schönrock, Arnold (1982), S. 81 ff.

c. Die Managemenlaufgabc KundendienslpoJilik

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es durchaus zu konfliktären Beziehungen kommen. 227 Trifft der erste Fall nur unter der Prämisse zu, daß der Hersteller auch die Kundendienstleistungen unmittelbar anbietet, so ist das zweite Problemfeld zumindest in der kurzen Frist von genereller Bedeutung. 228 Eine Kundendienstpolitik, die zu sehr auf die Erwirtschaftung eigener Erlöse bzw. Gewinne ausgerichtet ist, kann dazu führen, daß der Ersatzzeitpunkt der Hauptleistung hinausgezögert und auf diese Weise eine Erlös- bzw. GewinnschmlUerung bei der Primlrleistung bewirkt wird. 22G Der Kundendienst wird mithin nur dann seinen Funktionen gerecht, wenn er stringent in den Rahmen der Unternehmenspolitik eingebunden wird.

(2) Die Primärleistung Die Primlrleistung übt einen entscheidenden Einfluß auf die Kundendienstpolitik aus. 230 Handelt es sich bei der Hauptleistung um eine Sachleistung, so substituiert z.B. die Verllngerung der Lebensdauer von Verschleißteilen bestimmte primlrleistungsorientierte Sekundlrdienstleistungen wie Reparaturen. Auch das Erfordernis für subjektorientierte Sekundlrdienstleistungen kann gesenkt werden, wenn beispielsweise die Erkllrungsbedürftigkeit der Hauptleistung herabgesetzt wird. Die Beschaffenheit der Primlrleistung determiniert den Umfang und die Ansatzpunkte der Kundendienstpolitik in doppelter Hinsicht. Vordergründig erkllrt sie die Notwendigkeit des Angebots primlrleistungsorientierter Sekundlrdienstleistungen. Des weiteren ist sie jedoch eine wichtige Bestimmungsgröße für das Verhalten des Nachfragers bei der Auswahl und der Bewertung alternativer Absatzobjekte, indem sie maßgeblich Struktur und Intensitlt des Suchprozesses beeinflußt, und definiert somit auch die Anforderungen an subjektorientierte Sekundlrdienstleistungen. Zerlegt man das Konstrukt "Beschaffenheit der Primlrleistung" in seine Einzelteile, so lassen sich zwei Kategorien von Hauptleistungen mit differierenden Konsequenzen für die Kundendienstpolitik abgrenzen.

227) Vgl. Meffert, Heribert (1981), S. 13 ff. 228) Bei einer langfristigen Betrachtung kann die geschilderte konfliktlre Ziel beziehung in eine harmonische überführt werden; vgl. Kapitel 11. C. 3. b.. 229) Vgl. Meffert, Heribert (1981), S. 16 f. 230) Vgl. u.a. Mollberg, Harald (1983), S. SO; Weber, Michael R. (1984), 11. 9., S. 1.

60

11. Die Funktionen des Kundendienstes im Rahmen des Marketing

Anthony hat den Wert einer Sachleistung zum Ausgangspunkt seiner Klassifikation gemacht. 231 Zwar unterscheiden sich die von ihm aufgezeigten Produktkategorien hinsichtlich ihrer sekundärdienstleistungspolitischen Erfordernisse, doch der Ansatz muß in mehrfacher Weise erweitert werden. Grundsätzlich sind auch Dienstleistungen und Rechte als Hauptleistungen in die Betrachtung aufzunehmen, die ihrerseits nicht auf primärleistungsorientierte Sekundärdienstleistungen beschränkt sein darf. Vor allem aber ist der Wert der Hauptleistung - darunter soll das Verhältnis der Anschaffungsausgaben zum verfügbaren Einkommen des Nachfragers verstanden werden - allein kein ausreichendes Kriterium zur Charakterisierung des genannten Konstrukts. Die kundendienstpolitischen Anforderungen hängen darüber hinaus von der Komplexität232 und der Langlebigkeit233 der Primärleistung ab. Als komplex soll eine Leistung beschrieben werden, die aus isolierbaren Teilbereichen besteht und eine Vielzahl von Schnittstellen beinhaltet. Mit steigender Komplexität wachsen Störanfälligkeit und Erklärungsbedfirftigkeit einer Leistung. Weiterhin korreliert das Fehlerpotential regelmäßig positiv mit der Nutzungsdauer einer Hauptleistung. Entsprechend sind alle drei Einflußgrößen bei der Bildung von Kategorien, die das Verhältnis zwischen der Beschaffenheit einer Primärleistung und der Kundendienstpolitik widerspiegeln, zu berücksichtigen. Ist eine Hauptleistung komplex, langlebig und von hohem Wert, so kann konstatiert werden, daß tendenziell ein ausgeprägter Bedarf für primärleistungsorientierte Sekundärdienstleistungen vorherrscht et vice versa. In der Konsequenz können zwei Kategorien von Absatzobjekten unterschieden werden: solche mit einer Vielzahl verbundener primärleistungsorientierter Kundendienstleistungen und solche mit einem diesbezüglich begrenzten Sortiment. In die erste Gruppe fallen z.B. Automobile oder umfangreiche Unternehmensberatungsleistungen, in die zweite hingegen die Beförderung durch den öffentlichen Nahverkehr, Kleidung, aber auch Luxusgüter wie Diamanten. Das letzte Beispiel zeigt deutlich, daß es nicht ausreichend ist, wenn die genannten Merkmale teilweise erfüllt sind - in diesem Fall sind die Langlebigkeit und der hohe Wert gegeben. Vielmehr gilt nur für Hauptleistungen, die tendenziell hochwertig, komplex und langlebig sind, daß ein vielfältiges Angebot primärleistungsorientierter Sekundärdienstleistungen erwartet wird und somit eine Chance zur Profilierung darstellt. Aussagen zum Zusammenhang zwischen der Hauptleistung und subjektorientierten Kundendienstleistungen mfissen zwischen Sekundärdienstleistungen differenzieren, die vor bzw. nach dem Erwerb der Primärleistung anfallen. Während ffir den Fall der 231) Vg!. Anthony, Eugen A. (1970), S. 17 f. 232) Vg!. Konrad, Eugen (1974), S. 74 f.; MoUberg, Harald (1983), S. 52. 233) Vg!. Krooss, Reinhart (1966), S. 63; Mollberg, Harald (1983), S. 50.

C. Die Managementaufgabe Kundendienstpolitik

61

subjektorientierten Kundendienstleistungen nach dem Erwerb die Erkenntnisse zu den primärleistungsorientierten Sekundärdienstleistungen analog übernommen werden können, bedarf es bei der letzten Gruppe von Kundendienstleistungen einer grundsätzlichen Analyse des Beschaffungsverhaltens von Nachfragern. Dieses unterliegt dem prägenden Einfluß von zwei Determinanten : dem Wert der Hauptleistung und den Erfahrungen des Nachfragers mit der Hauptleistung. Auf die Kriterien Komplexität und Langlebigkeit kann verzichtet werden, da vom Merkmal Wert in diesem Fall eine irradiierende Wirkung ausgeht. Nach ihrem Wert können wieder zwei Gruppen von Primärleistungen unterschieden werden, die signifikant voneinander abweichende Anforderungen an die Kundendienstpolitik formulieren. Nimmt man das Kriterium Erfahrung hinzu, so lassen sich jeweils zwei Subkategorien herausbilden. Generell kann festgestellt werden, daß ein Nachfrager bei steigendem Wert der Hauptleistung ihren Erwerb als riskant betrachtet; sein finanzielles Risiko wächst, da die Gefahr einer Fehlentscheidung zu stärkeren monetären Sanktionen führt. Gleichzeitig empfindet der Nachfrager auch ein höheres sozialpsychologisches und funktionales Risiko. 2M Als Folge strebt er eine Verbesserung seiner Beschaffungssituation an. Dazu bietet sich unter anderem eine Technik zum Abbau der Beurteilungsunsicherheit in bezug auf das betrachtete Absatzobjekt an, die in einer erweiterten Informationssuche und -verarbeitung besteht. 23 & Die Aufgabe der Kundendienstpolitik ist es, diese Informationen bereitzustellen und desweiteren Surrogate zu schaffen, die dem Nachfrager Sicherheit vermitteln. Letzteres kann z.B. durch subjektorientierte Sekundärdienstleistungen erreicht werden, die auf eine atmosphärische Beeinflussung der Anbieter-Nachfrager-Interaktion abzielen. Der Schwerpunkt des Kundendiensteinsatzes variiert dann in Abhängigkeit von der Erfahrung, die ein Nachfrager mit dem Erwerb einer Primärleistung besitzt. Liegt der Fall einer erstmaligen Beschaffung vor, so ist das Nachfragerverhalten als extensiv zu charakterisieren. 236 Der potentielle Kunde betrachtet nicht nur eine Vielzahl alternativer Primärleistungen, sondern bezieht auch jede ihm transparente Sekundärdienstleistung in sein Kalkül ein. Das eröffnet der Kundendienstpolitik eine Vielzahl von Möglichkeiten, zur Profilierung des eigenen Absatzobjektes beizutragen. Gleichzeitig muß versucht werden, Entscheidungsmuster beim Nachfrager aufzubauen, die geeignet sind, die Struktur eines erneuten Beschaffungsprozesses zu prägen. Eine gute Beratung 234) Zu den Komponenten des empfundenen Risikos vg!. Grunert, Klaus/Saile, Heinz (1977), S.438; Müller-Hagedorn, Lothar (1986), S. 117 f. sowie die dort zitierte Literatur. 235) Vg!. u.a. Kroeber-Riel, Werner (1984), S. 362; Nolte, Hartmut (1975), S. 242 ff. 236) Vg!. Howard, John A./Sheth, Jagdish N. (1969), S. 27 und S. 418.

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11. Die Funktionen des Kundendienstes im Rahmen des Marketing

vor dem Erwerb der Hauptleistung kann weitreichende positive EinflOSse auf das gesamte Anbieter-Nachfrager-Verhllltnis ausüben und für die Zukunft zu einem wichtigen Beurteilungskriterium werden. Die Akzente der Kundendienstpolitik sind anders zu setzen, wenn ein erfahrener Nachfrager den Erwerb einer bestimmten PrimIrleistung wiederholt. In diesem Fall liegt ein vereinfachtes Beschaffungsverhalten vor, d.h. der potentielle Kunde grenzt sowohl das Alternativenfeld als auch die Menge seiner Entscheidungskriterien ein. 231 Hier hat die Kundendienstpolitik die Aufgabe, die subjektorientierten SekundIrdienstleistungen, die eine Beurteilung konkurrierender Absatzobjekte nachhaltig prllgen, zu identifizieren und zu optimieren. Ist hingegen der Wert einer Hauptleistung gering, dann wird auch ihr Erwerb als weniger riskant empfunden. Entsprechend verlieren die Beratung und Information des Nachfragers als subjektorientierte Sekundllrdienstleistungen an Gewicht. In seiner Beschaffungsentscheidung vergleicht der Nachfrager nur wenige Alternativen und berücksichtigt bei seiner Wahl eine geringe Zahl von Beurteilungskriterien. Besitzt er keine Erfahrungen mit der Primllrleistung, so besteht für den Anbieter die Möglichkeit, ein impulsives Nachfrageverhalten 238 durch subjektorientierte Kundendienstleistungen, die die Beschaffungssituation vereinfachen und atmosphllrisch angenehm gestalten, auszulösen. Liegen jedoch Erfahrungen mit der Hauptleistung vor, dann erfolgt die Auswahlentscheidung habitualisiert. 2S~ In diesem Fall ist die akquisitorische Funktion der subjektorientierten SekundIrdienstleistungen auf ein Minimum begrenzt. Entsprechen diese Kundendienstleistungen allerdings den Nachfragererwartungen nicht in optimaler Weise, so besteht die Gefahr einer Abwanderung von Kunden. Ein habitualisiertes Beschaffungsverhalten wird eher nach negativen als nach positiven Kundendiensterlebnissen modifiziert. Abschließend kann festgehalten werden, daß aus der Beschaffenheit der Hauptleistung nicht nur Folgerungen für die Notwendigkeit sowie für die Einsatzmöglichkeiten von primllrleistungs-, sondern auch subjektorientierten Sekundllrdienstleistungen gezogen werden können.

237) Vgl. Howard, John A./Sheth, Jagdish N. (1969), S. 27 und S. 418. 238) Vgl. z.B. Nieschlag, Robert/Dichtl, Erwin/Hörschgen, Hans (1985), S. 266 und S. 396 f .. 239) Vgl. Howard, John A./Sheth, Jagdish N. (1969), S. 27 und S. 418.

c. Die Managementaufgabe Kundendienstpolitik

63

c. Die Konkurrenz Der Erfolg einer Marketing-Strategie hängt nicht zuletzt davon ab, inwieweit es gelingt, eine starke Position gegenliber den Wettbewerbern aufzubauen und zu behaupten. 240 Eine stAndige Konkurrenzanalyse ermöglicht die Erstellung von Reaktionsprofilen, aus denen entnommen werden kann, welche Strategien und Maßnahmen der Wettbewerber unter welchen Prämissen zu erwarten sind. 241 Flir die Vermarktung eines komplexen Absatzobjektes ist es wichtig, daß diese Untersuchung auch Informationen zum Einsatz der Kundendienstpolitik bei der Konkurrenz beinhaltet; denn solche Erkenntnisse eröffnen nicht nur die Chance, freie sekundlrdienstleistungspolitische Felder zu besetzen, sondern auch die Möglichkeit, frlihzeitig erfolgreiche Aktionen der Wettbewerber zu imitieren und auf diese Weise eigene Nachteile zu verhindern. 242 Damit die Konkurrenzanalyse ihrer Funktion als Impulsgeber flir die eigene Kundendienstpolitik gerecht werden kann, mlissen zwei verschiedene Wettbewerbsebenen betrachtet werden. Zum einen steht der Anbieter in einem Wettbewerbsverhältnis mit Unternehmen, die gleichartige Hauptleistungen offerieren, zum anderen jedoch mit Anbietern spezieller Dienstleistungen, die seinen K undendienstleistungen funktional entsprechen. Auf der erstgenannten Ebene findet der Wettbewerb nicht zwischen den Primlrleistungen, sondern zwischen den Absatzobjekten statt. Mit zunehmender Ähnlichkeit der Hauptleistungen verlagern sich die Aktivitäten auf den Bereich der Sekundärdienstleistungen. 243 In diesem Fall ist es von besonderer Bedeutung, das Kundendienstangebot der Konkurrenz zu analysieren, um der Gefahr von Wettbewerbsnachteilen vorzubeugen. Denkbar ist aber auch eine Situation, in der relative Qualitltsvorsprlinge der Konkurrenten bei der Primärleistung durch Sekundärdienstleistungen, die den Erwartungen der Nachfrager besser entsprechen, kompensiert werden sollen. Beide Male wird mit der Hilfe vergleichsweise besserer Kundendienstleistungen eine Stärkung der Wettbewerbsposition flir das eigene Absatzobjekt angestrebt. Eine besondere Herausforderung flir die Kundendienstpolitik eines Anbieters kann von unabhängigen Dienstleistern ausgehen. Offerieren diese Leistungen, die in einem substitutionalen Verhältnis zu den Sekundärdienstleistungen des Primärleistungsanbieters stehen, kann die Kundendienstpolitik des Letztgenannten in ihrer Effizienz er240) Vgl. z.B. Engelhardt, Werner H./Kleinaltenkamp, Michael (1986), S. 010308. 241) Zur Konkurrenzanalyse vgl. Porter, Michael E. (1983), S. 80 ff. 242) Vgl. Krooss, Reinhart (1966), S. 74 f. 243) Vgl. u.a. Bänsch, Axel (1982), S. 125; Wagner, William B./Lagarce, Raymond (1981), S. 32.

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H. Die Funktionen des Kundendienstes im Rahmen des Marketing

hebliehe Einbußen erfahren. So verlieren im Automobilsektor Vertragswerkstätten wichtige Kundenkontakte an freie Werkstätten und damit eine Möglichkeit zur Bindung der Nachfrager an die Hauptleistung. Diese unabhängigen Dienstleister können vor allem durch die konsequente Verfolgung einer Preis-Mengen-Strategie

244

zu star-

ken Konkurrenten der Kundendienstanbieter avancieren. Ihre Spezialisierung auf bestimmte Dienstleistungen und die damit verbundene vergleichsweise günstigere Kostenstruktur, die sich insbesondere in einem geringeren Gemeinkostenblock widerspiegelt, der u.a. auf den fehlenden Primärleistungsvertrieb zurückzuführen ist, ermöglichen ein solches Wettbewerbsverhalten. Für die eigene Kundendienstpolitik ist die Beobachtung der unabhängigen Dienstleister in doppelter Hinsicht wichtig. Zum einen können sich diese Dienstleister aufgrund ihrer spezifischen Ausgangsvoraussetzungen an preissensible Nachfragesegmente wenden und auf dieser Wettbewerbsebene ein Datum setzen. Der Primärleistungsanbieter wird dadurch angehalten, die Effizienz seines Kundendienstes zu verbessern und unter Umständen über differierende Organisationsformen nachzudenken, die zu einer Beseitigung der nachteiligen Kostenstruktur führen. Weiterhin bewirkt diese Preiskonkurrenz implizit, daß der Hauptleistungsanbieter sich stärker auf seine eigenen Wettbewerbsvorteile besinnt und diese entsprechend herausstellt. Zum anderen zielt die Spezialisierung der unabhängigen Dienstleister darauf ab, die ausgewählten Tätigkeitsbereiche optimal auszufüllen. Der Primllrleistungsanbieter kann auf diese Weise einen Impuls für die Verbesserung seiner eigenen Leistungen erhalten. Grundsätzlich besteht aber auch die Möglichkeit, das Auftreten unabhängiger Dienstleister in anderer Hinsicht zu nutzen. Sind für einen Anbieter die Sekundärdienstleistungen weder unter akquisitorischen noch unter informatorischen Gesichtspunkten von Bedeutung, dann kann er auf den Kundendienst weitgehend verzichten und die Betreuung seiner Hauptleistungen bei diesen Dienstleistern belassen. 245 Die Verkleinerung seines Absatzobjektes und die damit verbundene Verbesserung seiner Kostenstruktur ermöglicht ihm dann die Vermarktung seiner Hauptleistung im Rahmen einer Preis-Mengen-Strategie.

d. Die Umwelt Der Anbieter und seine Marktpartner bzw. -kontrahenten sind Elemente einer bestimmten Umwelt und als solche den Regelungen dieser Umwelt und in ihr stattfin244) Zur Preis-Mengen-Strategie vg!. Becker, Jochen (19g3), S. III ff. 245) Vg!. Krooss, Reinhart (1966), S. 71. Unter dem heute vorherrschenden Wettbewerbsbedingungen kann ein solcher Ansatz nur ausnahmsweise erfolgversprechend sein.

C. Die Managementaufgabe Kundendienstpolitik

65

denden Entwicklungen unterworfen. Flir die Kundendienstpolitik erscheinen vor allem die technologischen und rechtlichen Rahmenbedingungen von Bedeutung. 248

(1) Technologische Entwicklungen

Neue Technologien können das Anforderungsprofil flir Kundendienstleistungen nachhaltig verindern. 247 Führen sie zu einer Qualitativen Anreicherung der zu erbringenden Tltigkeiten, so gilt für den Kundendienstbereich, daß die Durchführung notwendiger Umstrukturierungsmaßnahmen zeitaufwendig ist, da zuerst das entsprechende Personal mit den Neuerungen z.B. in Form einer Schulung vertraut gemacht werden muß. Aus diesem Grund sollen technologische Entwicklungen ständig beobachtet und frühzeitig im Hinblick auf ihre mögliche Verwendung sowohl für die Hauptleistung als auch fllr Sekundlrdienstleistungen geprüft werden, um so eine schnelle Anpassung der Kundendienstpolitik erreichen zu können. Eine technologische Modernisierung der Primlrleistung kann eine Qualitative Auf-, aber auch eine Abwertung des Kundendienstes bewirken. So hat die Verwendung elektronischer Bauteile vielfach dazu gefllhrt, daß Komponenten nicht mehr repariert, sondern komplett ausgetauscht werden; damit entfllit eine bestimmte Sekundlrdienstleistung. Auf der anderen Seite werden jedoch häufig höhere Anforderungen an die Fehlerdiagnose gestellt. Die konkreten Auswirkungen einer technologischen Verlnderung der Primlrleistung auf die Kundendienstpolitik können letztlich nur im Einzelfall beurteilt werden. Von besonderem Interesse fllr die Kundendienstpolitik sind solche technologischen Neuheiten, die bei der Erbringung von Sekundlrdienstleistungen ansetzen und diese verbessern bzw. erleichtern; denn sie bergen Kostensenkungspotentiale in sich und eröffnen gleichzeitig die Möglichkeit zu einer höheren KundendienstQualitlt248 , wie am Beispiel elektronischer Geräte zur Fehlerdiagnose , die eine Automobilreparatur unterstützen, aufgezeigt werden kann. 2411 Technologische Entwicklungen haben in erster Linie einen Einfluß auf primlrleistungsorientierte Sekundlrdienstleistungen. Allerdings erhöhen sie häufig die Komplexitlt der Primlrleistung und verindern derart das Informationsbedürfnis beim Nach246) Zu den verschiedenen Teilbereichen der Umwelt vgl. Engelhardt, Werner H./ Kleinaltenkamp, Michael (1986), S. 010312 ff. 247) Vgl. Weber, Michael R. (1983), S. 38 und S. 43. 248) Vgl. Meffert, Heribert (1987), S. 101. 249) Vgl. z.B. O.V. (1985 d), S. 228 ff.

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11. Dic FWlktionen des KWldendienstes im Rahmen des Marketing

frager. Insofern wirken sie auch auf die Gestaltung subjektorientierter Sekundllrdienstleistungen ein.

(2) Rechtlicher Rahmen der Kundendienstpolitik Marketing und Recht stehen in einem gewissen Spannungsverhllltnis zueinander. Auf der einen Seite begrenzt das Recht den Entscheidungsraum eines Unternehmens, auf der anderen Seite schützt es jedoch bestimmte erreichte Positionen25o und kann sogar als Impulsgeber rur unternehmerisches Handeln angesehen werden. Auch die Kundendienstpolitik wird von der Rechtsordnung, deren Pfeiler neben den Gesetzen Verordnungen, Verwaltungsvorschriften und vor allem die Rechtsprechung sind, in diesem Sinne beeinflußt. Nachfolgend sollen aus der Vielzahl der zu beachtenden Vorschriften 251 diejenigen aufgezeigt werden, die besonders wichtig erscheinen. In Anlehnung an Abb. 7 können sie nach dem kundendienstpolitischen Entscheidungsbereich, den sie jeweils tangieren, untergliedert werden. Aufgrund der Tatsache, daß Kundendienstleistungen nicht per se vom Primllrleistungsersteller erbracht werden, sondern auch auf vertraglich angeschlossene Partner übertragen werden können, erscheint eine Fallunterscheidung angebracht, da die Anwendung vertraglicher Vertriebssysteme, die sich auf das gesamte Absatzobjekt oder Teile desselben wie z.B. die Sekundllrdienstleistungen erstrecken, zur Beachtung zuslltzlicher Rechtsvorschriften, die das Innenverhllltnis der kooperierenden Parteien regeln, zwingt. Diese Besonderheiten werden im Anschluß an die Bestimmungen, die unabhllngig vom gewllhlten Distributionsweg einzuhalten sind, erörtert. Die Mehrheit der Rechtsvorschriften greift auf der Ebene der Leistungspolitik. Der Anbieter wird durch das BGB dazu verpflichtet, Mllngelschllden an der Hauptleistung sowie Mllngelfolgeschllden, die durch die Hauptleistung verursacht werden, zu beheben. 252 Er unterliegt den Vorschriften der Gewllhrleistung nach §§ 459 ff. BGB bzw. §§ 633 ff. BGB und der Produzentenhaftung. 253 Beide Normen können Kundendienst-

leistungen initiieren: Die Abgeltung eines Gewllhrleistungsanspruches ist in der Form 250) Vg!. Ahlert, Dieter/Pollmüller, Dieter (1978), S. 123 ff. 251) Als Übersicht vg!. die Abb. bei Ahlert, Dieter/Flocke, Hans-Joachim (1982), S.249. 252) Vg!. Ahlert, Dieter/Flocke, Hans-Joachim (1982), S. 242 f. 253) Im Fall der Produzentenhaftung können Ansprüche bislang aus Vertrllgen sowie aus den Vorschriften der §§ 823 I, 823 11 LV.m. speziellen Schutzgesetzen und § 826 BGB abgeleitet werden. Zukünftig 5011 dann als Umsetzung der EG-Produkthaftungsrichtlinie das Produkthaftungsgesetz, das im Entwurf vorliegt, Gültigkeit besitzen.

c. Die Managementaufgabe Kundendienstpolitik

67

einer Nachbesserung möglich 254 ; im Zusammenhang mit der Produzentenhaftung kann der Gefahr eines Instruktionsfehlers - d.h. einer mangelnden Aufklärung des Nachfragers über die Primärleistung - durch eine m!lndliche Unterweisung im Gebrauch als Ergänzung zur Gebrauchsanweisung begegnet werden. 255 Aber auch fehlerhafte Sekundärdienstleistungen ziehen die skizzierten Rechtsfolgen nach sich258 , d.h. die Kundendienstpolitik wird ebenfalls einer gerichtlichen Leistungs!lberpr!lfung unterworfen. Allerdings hat der Anbieter grundsätzlich die Möglichkeit, die Gewährleistungsvorschriften individualvertraglich oder, und das ist der Regelfall, durch die Verwendung Allgemeiner Geschäftsbedingungen abzuändern. Die Grenzen der Vertragsfreiheit steckt das AGB-Gesetz ab, das auf diese Weise Umfang und Ausgestaltung der Kundendienstpolitik beeinflußt. 257 Der in den §§ 157, 242 BGB formulierte Grundsatz von Treu und Glauben schließlich verpflichtet den Hersteller komplexer Primärsachleistungen zur Bereithaltung von Ersatzteilen. 258 Damit wird nicht nur festgelegt, welche Sekundärsachleistungen anzubieten sind, sondern auch zwingend das Spektrum der zu offerierenden Kundendienstleistungen um die bei der Veräußerung von Ersatzteilen obligatorischen Sekundärdienstleistungen erweitert. Gleichzeitig ist diese Rechtsvorschrift als Impuls f!lr ein Angebot disponibler Kundendienstleistungen zu verstehen. So kann die Vorhaltung von Ersatzteilen den Versuch auslösen, die eigene Wertschöpfungskette um korrespondierende Einbauarbeiten auszuweiten. Die Leistungspolitik im Kundendienst wird zusätzlich durch das Warenzeichen- und das Ladenschlußgesetz tangiert. Stellt letzteres eine Beschränkung der zeitlichen Leistungsbereitschaft bei solchen Sekundärdienstleistungen dar, die zwingend innerhalb einer Verkaufsstelle in Anwesenheit des Kunden erbracht werden, bietet das Warenzeichengesetz hingegen die Möglichkeit zum Aufbau einer gesch!ltzten Rechtsposition. 259 Seit 1979 können in der Bundesrepublik Deutschland auch Dienstleistungen 254) Vgl. Ahlert, Dieter/Flocke, Hans-Joachim (1982), S. 243 und S. 259. 255) Zum Wesen des Instruktionsfehlers und zu dessen Einordnung als mögliche Ursache f!lr den Eintritt der Produzentenhaftung vgl. Ahlert,Dieter/Flocke, HansJoachim (1982), S. 243 f. und S. 248 ff.; Backhaus, Klaus/Plinke, Wulff (1986), S. 150. 256) Vgl. Ahlert, Dieter/Flocke, Hans-Joachim (1982), S. 244 f. 257) Vgl. Ahlert, Dieter/F1ocke, Hans-Joachim (1982), S. 260 ff. Das AGB-Gesetz bestimmt weiterhin, daß f!lr jede Kundendienstleistung ein Auftrag vorzuliegen hat, der nicht durch den Anbieter ergänzt werden darf. Damit wird der Dispositionsspielraum des Anbieters und gleichzeitig eine Komponente seiner Leistungspolitik eingeengt. Zur geänderten Rechtssprechung in diesem Punkt vgl. Bundesgerichtshof (1987), S. 2395 ff. 258) Vgl. Ahlert, Dieter/F1ocke, Hans-Joachim (1982), S. 271 Cf.; Konrad, Eugen (1974), S. 57 f.; Mollberg, Harald (1983), S. 95 f. 259) Auf die Bedeutung des Ladenschlußgesetzes f!lr die Kundendienstpolitik verweist auch Gerstung; vgl. Gerstung, Fritz (1978), S. 200 f.

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II. Die Funktionen des Kundendienstes im Rahmen des Marketing

markiert werden; diese Ausweitung des Warenzeichengesetzes hat die Chancen zur Profilierung durch das Kundendienstangebot erheblich verbessert, da nun einzelne Sekundärdienstleistungen wettbewerblieh abgesichert und mit allen Vorteilen eines Markenartikels offeriert werden können. 260 Rechtliche Rahmenbedingungen existieren ebenfalls für die Bepreisung von Kundendienstleistungen. Alle Sekundärdienstleistungen, die dem Bereich "gewerbliche Leistungen des täglichen Bedarfs" subsumiert werden können, unterliegen den Vorschriften des Rabattgesetzes, durch die Nachlässe zu Wettbewerbszwecken untersagt werden, falls diese bestimmte Grenzen überschreiten. Nicht unter das Rabattgesetz fallen nur die Kundendienstleistungen solcher explizit ausgeschlossener Berufsgruppen, deren Tätigkeit das Attribut "geistig hOherstehend" beigemessen wird. 2l1l Darüber hinaus kann die Zugabeverordnung greifen, wenn Sekundärdienstleistungen gegen ein nach herrschender Verkehrsauffassung unangemessen niedriges Entgelt im Zusammenhang mit dem Absatz der Hauptleistung offeriert bzw. erbracht werden262 , d.h. der Preisspielraum nach unten wird für diejenigen Kundendienstleistungen eingegrenzt, die im allgemeinen separat zu bezahlen sind. Hierzu zählen vor allem primärleistungsorientierte Sekundärdienstleistungen. Mit diesen Vorschriften will die Zugabeverordnung nicht den Preiswettbewerb im Kundendienst, sondern die durch eine bewußte Senkung der Preistransparenz in bezug auf das Absatzobjekt bedingte emotionale Anlockung des Nachfragers verhindern. 283 Die Kommunikation von Kundendienstleistungen hat insbesondere zwei Rechtsvorschriften zu genügen. Zum einen begrenzt die Zugabeverordnung den Einsatz von Sekundärdienstleistungen im Rahmen der Verkaufsförderung, zum anderen müssen Werbemaßnahmen für Kundendienstleistungen mit den Bestimmungen des UWG kompatibel sein. Konkret kann letzteres eine Überprüfung der Lauterkeit von Werbeaussagen nach den §§ I und 3 UWG nach sich ziehen. 264

260) Vgl. hierzu die ausführliche Darstellung bei Graumann, Jens (1983), besonders S. 42 ff., S. 64 ff. und S. 121 ff. 261) Zu den Anwendungsvoraussetzungen des Rabattgesetzes vgl. besonders Baumbach, AdolfjHefermehl, Wolfgang (1981), S. 1696 f. und S. 1727; zu den einzelnen Nachlaßformen vgl. ebenda S. 1702 ff. 262) Vgl. Baumbach, AdolfjHefermehl, Wolfgang (1981), S. 1618 ff. und S. 1669 ff. 263) Zu den Zielen der Zugabeverordnung vgl. Baumbach, AdolfjHefermehl, Wolfgang (1981), S. 1607 ff. Der amerikanische Automobilmarkt zeigt plastisch die Gefährdung der Preistransparenz durch einen übersteigerten Zugabewettbewerb, der sich u.a. in der Abgabe eines Pelzmantels beim Erwerb eines Neuwagens äußert; vgl. o.V. (1987), S. 13. 264) Vgl. Gerstung, Fritz (1978), S. 199 f.

C. Die Managementaufgabe Kundendienslpolilik

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ÜbertrAgt ein PrimArleistungsersteller die Erbringung der SekundArdienstleistungen auf vertraglich angeschlossene Unternehmen, dann sind neben den skizzierten rechtlichen Rahmenbedingungen vor allem die Vorschriften des GWB zu beachten, die auch die Distribution von Kundendienstleistungen betreffen. Bei der Selektion von KundendiensttrAgern sind die Bestimmungen der §§ 22 IV, V und 26 11 GWB zu beachten, die einem marktmAchtigen Anbieter die unbillige Behinderung anderer Unternehmen untersagen, d.h. ein solcher Anbieter muß die Exklusion potentieller KundendiensttrAger fundiert begründen kOnnen. 26 & ErgAnzend werden bei PrimArsachleistungen häufig Bindungen für den Vertrieb bzw. den Bezug von Ersatzteilen angestrebt. Diese Verabredungen unterliegen zusAtzlich der Überprüfung nach § 18 GWB. 266 Die Errichtung eines vertraglichen Vertriebssystems hat darüber hinaus zur Folge, daß auch für weitere Entscheidungsbereiche der Kundendienstpolitik der rechtliche Rahmen um Vorschriften aus dem GWB zu ergAnzen ist. In der Leistungspolitik wird der PrimArleistungsersteller durch § 15 GWB eingeschränkt, der VertrAge über die Gestaltung der Geschlftsbedingungen gegenüber Dritten als Element eines solchen Vertriebssystems untersagt. § 15 GWB verhindert ebenfalls, daß der PrimArleistungsersteller seine Preisvorstellungen für Kundendienstleistungen direkt durchsetzen kann. 267 Selbst einer indirekten Realisierung von Preisvorstellungen für Kundendienstleistungen sind sehr enge Grenzen gesetzt, da unverbindliche Preisempfehlungen für SekundArdienstieistungen durch § 38 a I, 11 GWB generell ausgeschlossen werden und bestenfalls für Ersatzteile, die ja Elemente einer Kundendienstleistung sein kOnnen, erlaubt sind. 268 Schließlich greifen immer dann die Vorschriften der Artikel 85, 86 EWGV, wenn ein vertragliches Vertriebssystem, das in Westeuropa praktiziert wird, wettbewerbsbeschrAnkend im Gemeinsamen Markt wirkt. 26Q Ist ein Vertriebssystem für Kundendienstleistungen allerdings juristisch abgesichert und nicht über die genannten Anspruchsgrundlagen aufiOs- bzw. einschrAnkbar, so stellt es gleichsam eine Rechtsposition dar, die vielfAltigen Schutz durch entsprechende Gesetzesvorschriften genießt. 27o

265) Zu den rechtlichen EingriffsmOglichkeiten exkludierter Dritter vg!. u.a. Lehmpfuhl, Rolf-S. (1981), S. 244; Pollmüller, Heinz-Dieter (1981), S.158 f. 266) Vg!. u.a. Ahlert, Dieter/Flocke, Hans-Joachim (1982), S. 273 ff.; Pollmüller, Heinz-Dieter (1981), S. 155 ff. Zur Konkurrenz der Anspruchsgrundlagen aus § 18 bzw. § 26 11 GWB vg!. die abweichenden Ansichten bei Lehmpfuhl, Rolf-S. (1981), besonders S. 247 ff. und Leube, Jutta (1981), S. 453 ff. 267) Zum § 15 GWB vg!. z.B. die Ausführungen bei Pollmüller, Heinz-Dieter (1981), S. 153 ff. 268) Vg!. Ahlert, Dieter/Aocke, Hans-Joachim (1982), S. 284 f. 269) Vg!. Pollmüller, Heinz-Dieter (1981), S. 160 ff. Einen Überblick über die Handhabung dieser supranationalen Vorschriften geben z.B. JOrges, Christian/ Hiller, Eugen/Holzschenk, Knut/Micklitz, Hans W. (1985), S. 98 ff. 270) Vg!. Pollmüller, Heinz-Dieter (1981), S. 184 ff.

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H. Die Funktionen des Kundendienstes im Rahmen des Marketing

Weiterhin ist auch im Kundendienst grundsätzlich auf die Einhaltung von Bestimmungen zum Schutz der Arbeitnehmer zu achten. Z71 Daneben können weitere allgemeine Rechtsvorschriften branchenspezifisch auf die Kundendienstpolitik wirken. F6r den Kundendienst im Automobilbereich ist das Umweltrecht eine vorrangig zu beachtende Determinante. So regelt § Sa des Abfallgesetzes die Überwachung der Altöle von ihrer Sammlung bis zu ihrer Beseitigung oder Verwertung, während § Sb des Abfallgesetzes festlegt, daß ein Verkäufer von Motor- und Getriebeölen R6cknahmestellen f6r Altöle einzurichten hat. Z72 Letzteres bedeutet für einen Werkstattbetrieb die Pflicht zum Angebot der Kundendienstleistung "Altölentsorgung", wohingegen die erstgenannte Vorschrift nicht nur den Ablauf derjenigen primllrleistungsorientierten Sekundärdienstleistungen, bei denen Altöle anfallen, mitbestimmt, sondern auch Rahmenbedingungen für die Werkstattorganisation setzt. Ein Anbieter muß im konkreten Fall die Ausrichtung seiner Kundendienstpolitik an den jeweiligen Ausprägungen der skizzierten Einflußfaktoren orientieren. Erst im Anschluß an eine intensive Auseinandersetzung mit diesen Determinanten kann er die Elemente der Managementaufgabe Kundendienstpolitik effizient gestalten und aufeinander abstimmen. Nach Beendigung der Analysephase sollen nun die einzelnen Komponenten der strategischen Planung von Sekundllrdienstleistungen beleuchtet werden.

3. Die Elemente der Kundendienstpolitik 273 a. Kundendienstphilosophie Am Beginn der strategischen Planung steht die Formulierung der Unternehmensphilosophie, in der ein Anbieter seine spezielle Kompetenz und sein Selbstverständnis ausdrückt. Diese Unternehmensphilosophie soll ein realistischer Leitfaden f6r den zukünftigen Kurs des Unternehmens und ein eigenständiger Koordinationsmechanismus zur Abstimmung des Mitarbeiterverhaltens sein; damit wird sie letztlich zur Voraussetzung für das Entstehen einer "corporate identity". 274

271) Vgl. Meffert, Heribert (1987), S. 101. 272) Vgl. Schweer, Dieter (1986), S. 2373; Versteyl, Ludger-Anselm (1987), S. 2343 ff. 273) Vgl. als erneuten Überblick Abb. 9. 274) Vgl. u.a. Becker, Jochen (1983), S. 23 ff.; Engelhardt, Werner H./Kleinaltenkamp, Michael (1986), S. 0 I 0303 f.

c. Die Managementaufgabc Kundendienstpolitik

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Die Kundendienstphilosophie wird aus der übergeordneten Unternehmensphilosophie abgeleitet und intendiert die Verankerung einer speziellen bereichsspezifischen corporate identity. Gerade für den Kundendienst ist die Definition des eigenen Selbstverständnisses von besonderer Bedeutung, da seine Mitarbeiter in ständigem Kontakt mit dem Nachfrager stehen und einen festen Rahmen benötigen, an dem sie ihr Interaktionsverhalten unabhängig von der Hierarchiestufe, der sie angehören, ausrichten können. 275 Schließlich erfordert die Erbringung von Sekundärdienstleistungen nicht nur fachliches Können, sondern daneben auch die Fähigkeit, den Kunden jeweils bedürfnisentsprechend zu behandeln. Deshalb benötigt der Kundendienst eine Philosophie, in der Antworten auf grundlegende Fragestellungen wie z.B. die folgenden gegeben werden: - Soll ein aktives oder ein passives Kundendienstverhalten praktiziert werden? - Stellt der Kundendienst eine Chance oder eine Belastung dar? - Wann ist die Erbringung primärleistungsorientierter Sekundärdienstleistungen und wann die Initiierung eines Ersatzkaufs zu prllferieren? - Welche Interaktionstechniken sollen verwendet werden? - Welche. Technologien prägen primärleistungsorientierte Sekundärdienstleistungen? - Versteht sich der Kundendienst als Innovator oder als Imitator?

b. Kundendienstziele Ziele sind Orientierungsgrößen für unternehmerisches Handeln, die einen zu erreichenden ·Zustand bezeichnen und somit gleichzeitig einen Beurteilungsmaßstab rur potentielle bzw. durchgeführte Strategien und Maßnahmen darstellen. 276 Sie sind Ausdruck eines gestalterischen Willens, der aus der Reflexion einer ganz konkreten Unternehmenssituation erwächst. Um ihren Funktionen gerecht zu werden, miissen sie möglichst operational formuliert werden 277 , d.h. es sind Zielgruppe, -inhalt, -ausmaß und -periode zu bestimmen. 271 Kundendienstziele sind so zu wählen, daß sie eine Mittel-Zweck-Beziehung mit der übergeordneten Kundendienstphilosophie eingehen. Gleichzeitig mlissen sie mit den 275) Vgl. auch Weber, Michael R. (1984), 10. 9., S. I; Weber, Michael R. (1983), S.38. 276) Vgl. u.a. Becker, Jochen (1983), S. 8; Mag, Wolfgang (1977), S. 26. 277) Vgl. z.B. Kuhn, Alfred (1982), S. 20. 278) Vgl. Becker, Jochen (1983), S. 16 ff.; Engelhardt, Werner H./Kleinaltenkamp, Michael (1986), S. 010407 ff.

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II. Die Funktionen des Kundendienstes im Rahmen des Marketing

Oberzielen, die für das ganze Unternehmen oder die entsprechenden Hauptleistungen gelten, kompatibel sein. 279 Sie können sowohl für den gesamten Kundendienstbereich als auch für einzelne Sekundllrdienstleistungen oder spezielle Aktionen festgelegt werden. Zur Systematisierung bietet sich insbesondere an, Kundendienstziele danach zu unterscheiden, ob sie die Erfüllung der akquisitorischen oder der informatorischen Sekundllrdienstleistungsaufgaben lenken sollen. Der Kundendienst kann in seiner Akquisitionsfunktion durch die Vorgabe ökonomischer, d.h. in Geld- oder Mengendimensionen ausgedrückter Ziele gesteuert werden. 2Bo Allerdings ist in diesem Zusammenhang der Einsatz von Gewinn- oder Umsatzgrößen nur unter Beachtung strikter Prämissen möglich. Aufgrund des unterstützenden Charakters von Sekundllrdienstleistungen gegenüber der jeweiligen Primllrleistung führt die strikte Verfolgung einer Gewinn- oder Umsatzmaximierung im Kundendienst in der kurzen Frist durch die HinauszOgerung des Ersatzzeitpunktes für Primärleistungen zu einer Konterkarierung der entsprechenden Hauptleistungsziele und somit zu einer Schmilierung des Unternehmensergebnisses. 2B1 Langfristig kann dieser Zielkonflikt aufgelöst werden, da der Anfall primllrleistungsorientierter Sekundllrdienstleistungen vom Absatz der Hauptleistung abhängig ist. Auf Dauer ist eine Ergebnisverbesserung im Kundendienst mithin nur im Anschluß an eine ebensolche Entwicklung bei der Primllrleistung möglich. Daher erscheinen die ökonomischen Größen Gewinn und Umsatz einzig als langfristige Vorgaben für den Kundendienst sinnvoll. Eine besser geeignete monetllre Zielgröße stellt hingegen ein zu realisierender Umsatzanteil am Markt für Kundendienstleistungen dar. Der Blick des Primärleistungserstellers wird dadurch auf den Substitutionswettbewerb, dem seine Sekundllrdienstleistungen durch konkurrierende Dienstleistungsanbieter ausgesetzt sein können, gelenkt; werden Sekundllrdienstleistungen durch Vertragspartner erbracht, so finden auch diese im Marktanteil eine taugliche Maßgröße für die Planung ihrer eigenen Unternehmensentwicklung. Allerdings ist die Verwendung dieser monetllren Zielgröße an die Kenntnis des Marktvolumens für Kundendienstleistungen und insofern an aufwendige Eigenuntersuchungen oder das Vorhandensein von Branchenanalysen gebunden. Einfacher zu ermitteln sind hingegen Kundenkontaktzahlen. Es können sowohl Steigerungsraten für die absolute Kontaktanzahl als auch für die Kontakthäufigkeit je Kunde als Ziele vorgegeben werden. Mit der letztgenannten Größe wird der Betreuungsgrad je Nachfrager erfaßt. Ein steigender Betreuungsgrad ist ein Indikator für ein 279) Vgl. u.a. Gerstung, Fritz (1978), S. 226 ff.; Meffert, Heribert (l982a), S. 9; Rau, Bernd (1975), S. 34 ff. 280) Vgl. Lo, Luling (1979), S. 18. 281) Diese Problematik des Gewinnziels stoßen auch Gerstung und Lo an; vgl. Gerstung, Fritz (1978), S. 229 f.; Lo, Luling (1979), S. 21 f.

C. Die Managementaufgabc Kundendienslpolitik

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wachsendes Stammkundenbewußtsein beim Nachfrager. Im Gegensatz zu den monetären AusprAgungen ökonomischer Zielvorgaben ist diese mengenorientierte Variante ebenfalls im Hinblick auf nicht separat zu entgeltende Kundendienstleistungen anwendbar. Zu bedenken ist aber, daß eine steigende Kontaktzahl nicht per se positiv zu bewerten ist, da sie auch Ausdruck verstärkter GewAhrleistungsansprQche als Folge von QualitAtsminderungen auf der PrimAr- oder SekundArleistungsebene sein kann. Die ökonomischen Ziele stoßen in ihrer Verwendung als Steuerungsgröße fQr die Akquisitionsfunktion des Kundendienstes auf Grenzen. Daher bietet es sich an, zumindest ergAnzend auf psychographische Zielvorgaben zurQckzugreifen, denn zwischen der tatsächlichen Nachfrage nach Sekundärdienstleistungen und der psychologischen Einstellung gegenQber denselben besteht eine deutlich positive Korrelation. 282 Psychographische Ziele können vor allem fQr den Kundendienst insgesamt oder fQr größere Teilbereiche daraus vorgegeben werden; denn wenn zu stark untergliederte Bezugsobjekte wie z.B. einzelne Sekundärdienstleistungen gewählt werden, sind häufig keine klaren diesbezQglichen Einstellungsmuster beim Kunden nachweisbar. Bei psychographischen Zielen ist besonders an die Festlegung eines zu erreichenden Imagewertes oder Zufriedenheitsgrades zu denken. Dem Image als Summe der Einstellungen gegenQber einem bestimmten Meinungsgegenstand wird auch von der Praxis zunehmende Bedeutung als Indikator und somit Steuerungsgröße fQr den Unternehmenserfolg beigemessen 283; denn das Image ist ein Ausdruck fQr das Vertrauen des Marktes in die LeistungsfAhigkeit und Kompetenz eines Anbieters. Da SekundArdienstleistungen Elemente eines Absatzobjektes sind, kann das Image des Kundendienstes indirekt Qber das Image des Absatzobjektes oder sogar des gesamten Unternehmens miterfaßt werden. Allerdings sind die psychologischen Wirkungen kundendienstpolitischer Aktivitäten dann nur unter der Prämisse einer strengen ceteris-paribus-Klausel festzustellen, d.h. es muß die - unrealistische - Annahme getroffen werden, daß allein der Parameter Kundendienst modifiziert wird und fQr Veränderungen der genannten Imagewerte verantwortlich zeichnet, während die Qbrigen Einflußfaktoren in ihrem Aktivitätsniveau und ihrer Wirkung konstant gehalten werden können. Zu besseren Ergebnissen führt die direkte Ermittlung des Kundendienstimage. Dabei werden die Einstellungen der Nachfrager bezQglich der SekundArdienstleistungen eines Anbieters erhoben und zu einem Vorstellungsbild verdichtet. 2M Imagewerte fQr den 282) Vgl. Lo, Luling (1979), S. 18; Melcher, Peter N. (1972), S. 48. 283) Vgl. z.B. Breitschwerdt, Werner (1987), S. 276 f. In einer 1986 erstellten Studie gestehen 83,1% der befragten WirtschaftsfQhrungskräfte dem Image eines Unternehmens eine entscheidende Bedeutung fQr den Unternehmenserfolg zu; vgl. RQssmann, Kar! Heinrich (1986), S. 208 und S. 210. 284) Vgl. Lo, Luling (19;9), S. 22.

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II. Die Funktionen des Kundendienstes im Rahmen des Marketing

gesamten Kundendienst oder Teile daraus wie z.B. den Bereich der konsumtiven primärleistungsorientierten Sekundärdienstleistungen kOnnen zu unterschiedlichen Vergleichen herangezogen werden : Eine zeitliche Betrachtung zeigt, inwieweit die eigene Kundendienstpolitik zu einer Veränderung von Nachfragereinstellungen geflihrt hat, wohingegen eine Ausweitung der Betrachtungen um die entsprechenden Imagewerte der Konkurrenten die eigene relative Wettbewerbsposition auf den Märkten flir komplexe Absatzobjekte, aber auch flir Sekundärdienstieistungen zu Tage bringt und als Basis strategischer Überlegungen dienen kann. Eine zweite wichtige psychographische ZielgrOße ist die generelle Kundenzufriedenheit mit einem bestimmten Sekundärdienstleistungsangebot. Zu ihrer Bestimmung eignet sich besonders eine Kundenbefragung, aus der dann der jeweils vorherrschende Grad an Zufriedenheit ersichtlich wird. 285 Dabei kOnnen einzelne Stufen der Zufriedenheit unterschieden werden, die von einer aktiven, sich in Wiederkäufen und einer positiven Mund-zu-Mund-Kommunikation äußernden Zufriedenheit bis zur aktiven Unzufriedenheit, die anhand der genau entgegengesetzten Symptome zu beschreiben ist, reichen. 28e Flir einen Anbieter ist es wichtig, eine permanente Ausweitung der Gruppe aktiv zufriedener Kunden zu realisieren. Auch liber die GrOße Zufriedenheit kann mithin eine sinnvolle Steuerung der Kundendienstpolitik erfolgen. Allerdings dlirfen diese globalen psychographischen Ziele nicht in ihrer Aussagekraft liberschlltzt werden. Unbewußt läßt ein Nachfrager in seine Kundendienstbewertung auch Erfahrungen mit der Primärleistung des Anbieters einfließen, da gerade diese eine irradiierende Wirkung auf die Beurteilung des komplexen Absatzobjektes und jeder einzelnen Leistungskomponente ausliben. Dieser Zusammenhang wird deutlich, wenn man flir den Automobilbereich die Kundendienstzufriedenheit in Beziehung zur Hauptleistungszufriedenheit setzt. Kunden der Vertragshllndler bzw. -werkstätten, die mit ihrem Fahrzeug hochzufrieden sind, beurteilen die Sekundärdienstleistungen zu 81 v.H. mit gut oder besser, wohingegen solche, die mit ihrem Automobil mäßig zufrieden sind, nur zu 44 v.H. dem Kundendienst eine gute oder bessere Note erteilen. 287 Aus dieser Gegenliberstellung wird ersichtlich, daß die Einstellung zur Hauptieistung einen prädispositiven Einfluß auf die Einstellung zum Kundendienst hat. Dieser Zusammenhang ist bei der Prlifung der Erreichung psychographischer Ziele zu beachten, da ansonsten die Gefahr erheblicher Fehleinschätzungen droht. So muß ein zurlickge-

285) Zur Bestimmung der Kundenzufriedenheit vgl. Bruhn, Manfred (l982a), S. 19 ff.; Riemer, Martin (1986), S. 20 ff. 286) Vgl. Bennewitz, Hans I. (1968), S. 234 f.; Oxenfeldt, Alfred R. (1966), S. 661 f. 287) Diese Zahlen entstammen einer internen Untersuchung der Volkswagenwerk AG.

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C. Die Managementaufgabe Kundendienslpolilik

hendes Kundendienstimage nicht Ausfluß einer verfehlten Kundendienstpolitik sein, sondern kann allein auf Qualitltsproblemen bei der Primlrleistung beruhen. Die diskutierten globalen psychographischen Ziele sind verdichtete Konstrukte. Simon zeigt, daß sich die Zufriedenheit mit dem Kundendienst aus der Zufriedenheit des Nachfragers mit der jeweiligen Ausprägung der einzelnen Sekundlrdienstleistungsdimensionen ergibt. 288 Entsprechendes gilt fUr die Zielgröße Kundendienstimage. Das bedeutet, daß auch spezielle psychographische Ziele vorgegeben werden können, die konkret an der Ausgestaltung der Sekundlrdienstleistungsdimensionen ansetzen. Aufgrund von Erkenntnissen aus empirischen Untersuchungen kommen in diesem Zusammenhang sowohl die Dimension Qualitlt als auch die Dimension Preis bzw. ihre jeweiligen Komponenten in Betracht. So können z.B. Maßgrößen flir die Zufriedenheit der Nachfrager mit der Mlngelbeseitigung, der Termintreue und dem Preisniveau im Kundendienst oder dem Kontaktverhalten der Kundendienstmitarbeiter aufgestellt werden. Allerdings sind bei der Auswahl geeigneter spezieller psychographischer Ziele branchenspezifische Besonderheiten zu beachten. 2811 Daneben hat sich die Beschwerdezufriedenheit als brauchbarer Indikator fUr das Konstrukt Kundenzufriedenheit erwiesen. Beschwerden treten als Folge konkreter Leistungsprobleme auf; sie setzen demnach dann ein, wenn die genannten speziellen psychographischen Ziel vorgaben im Einzelfall nicht erreicht worden sind. Gelingt es dem Anbieter, gelußerte Dissonanzen nachtrlglich auszurlumen, verbessert er die Zufriedenheit seiner Nachfrager und das Image seines Kundendienstes. Daher ist als Zielgröße eine möglichst hohe Ausprlgung der Beschwerdezufriedenheit anzustreben. In vollem Umfang kann ein Beschwerdemanagement seiner Funktion als Element der Sekundlrdienstleistungspolitik

aber erst

gerecht werden, wenn gleichzeitg versucht wird, "unvoiced complaints", die sich zum großen Teil in einer Nachfragerabwanderung lußern, zu verhindern, d.h. in eine explizite Beschwerde zu transformieren. Aus diesem Grund muß die spezielle psychographisehe Zielvorgabe in bezug auf die zu realisierende Beschwerdezufriedenheit eine

doppelte sein. 2oo Als Fazit kann festgehalten werden, daß auf der psychographischen Ebene ein differenziertes Zielsystem aus globalen und speziellen Vorgaben errichtet

288) Vgl. Simon, Leonhard S. (1965), S. 33 ff. 289) Zu den Dimensionen der globalen psychographischen Ziele vgl. die empirischen Studien von Adler, Lee/Hlavacek, James D. (1978), S. 636; Bauer, Hans H. (1983), S. 23 ff.; Bruhn, Manfred (1982a), S. 41 f.; Martilla, John A./James, John C. (1977), S. 77 f.; Zimmermann, Daniel (1978), S. 123 ff. 290) Zur Beschwerdezufriedenheit vgl. Bruhn, Manfred (1986), S. lOS ff.; Riemer, Martin (1986), S. 22 ff.

76 werden kann

II. Die Funktionen des Kundendienstes im Ra1unen des Marketing

2111,

mit dem eine adäquate Steuerung der Kundendienstpolitik ermög-

licht wird. 2112 Generell ist der Kundendienst auch in seiner informatorischen Funktion einer Lenkung durch Zielvorschriften zugänglich. So kann festgelegt werden, welchen Informationsbeitrag er für die Neu- und Weiterentwicklung von Leistungsangeboten bzw. hinsichtlich der Analyse von Konkurrenz- oder Absatzmittleraktivitäten zu erbringen hat. Problematisch ist allerdings die Überprüfung der Zielerreichung, da die Qualität und nicht die Quantität bei der Bewertung von Informationen ausschlaggebend ist. Diese Qualität zeigt sich jedoch häufig erst mit einer Zeitverzögerung wie z.B. bei der Umsetzung einer neuen Leistungsidee. Entsprechend haben informatorische Zielvorgaben für den Kundendienst vor allem den Zweck, die Aufmerksamkeit der jeweiligen Mitarbeiter zu schärfen und eine stärkere Identifikation mit dem eigenen Unternehmen zu erzeugen. Insgesamt ist zu konstatieren, daß wegen der doppelten Funktion der Sekundärdienstleistungen und der limitierten Aussagekraft einzelner Vorgaben ein multidimensionales Zielsystem zur Steuerung der Kundendienstpolitik notwendig ist, das sowohl ökonomische als auch globale und spezielle psychographische sowie informatorische Zielvorschriften beinhaltet. Die optimale Zusammenstellung und Abstimmung des Zielsystems muß dann einzelfallabhlngig durch den jeweiligen Anbieter erfolgen.

c. Kundendienststrategien Während die Elemente Kundendienstphilosophie und -ziele eine Lenkungsfunktion für die Kundendienstpolitik innehaben, liegt die Aufgabe der Kundendienststrategien und -maßnahmen in der Umsetzung dieser Vorgaben und damit in der Realisierung angestrebter Positionen. Eine Strategie zeichnet dabei den Weg vor, auf dem ausgewählte Ziele verwirklicht werden sollen. Sie bestimmt jedoch nicht nur die Stoßrichtung des Anbieterverhaltens, sondern stellt gleichsam einen Kanal dar, der den Spielraum operativer Maßnahmen eingrenzt, diese Aktivitäten aber auch bündelt und ausrichtet, um so Synergieeffekte zu erreichen. 293 Bei der Formulierung von Kundendienststrategien

291) Zum grundsätzlichen Zusammenhang zwischen globalen und speziellen psychographischen Zielen vgl. u.a. Lo, Luling (1979), S. 22 f.; Meffert, Heribert (1987), S. 94 f. 292) Als kritischen Überblick zur Bestimmung und Messung von Kundenzufriedenheit bei Reparaturen im Automobilbereich vgl. StandQP, D./Hesse, H.-W. (1985), S. 3 ff. 293) Vgl. Ansoff, Igor (1966), S. 125 ff.; Becker, Jochen (1983), S.68 ff.

C. Die Managementaufgabe Kundendienstpolitik

77

ist besonders ihr Mittelcharakter gegenUber Marketing- und Unternehmensstrategien zu beachten. 2G4 Eine Kundendienststrategie soll das Anbieterverhalten in vier Dimensionen explizit prädisponieren. 2I11 An zentraler Stelle steht die Frage nach der Zielgruppenorientierung einer Strategie. Hier ist zu entscheiden, ob unterschiedliche Marktsegmente fUr ein Absatzobjekt vorliegen und - wenn dies der Fall ist - ob solche mit einer differenzierten Sekundärdienstleistungspolitik, die ftlr jedes relevante Marktsegment eine eigene Kundendienststrategie vorsieht, bearbeitet werden soll. In diesem Zusammenhang ist fUr alle Sekundärdienstleistungen zu Uberprtlfen, in welcher Weise eine segmentspezifische Modifikation vorgenommen werden kann. Der Erfolg einer Kundendienststrategie ist vom Ausmaß der Übereinstimmung zwischen den einzelnen Leistungsangeboten und den BedUrfnissen der anvisierten Zielgruppe abhängig. Als nächstes ist ftlr jede Kundendienststrategie die Art der intendierten MarktstimuIierung festzulegen. Grundsätzlich bieten sich dabei zwei Alternativen der Leistungsgestaltung an, mit denen die Befriedigung von NachfragerwUnschen versucht werden kann. Zum einen besteht im Rahmen einer Präferenzstrategie die Möglichkeit, den Kundennutzen durch eine Qualitative Verbesserung und Anreicherung des eigenen Leistungsangebots zu erhöhen. Hier versucht der Anbieter, Präferenzen für seine Sekundärdienstleistungen beim Nachfrager aufzubauen, die nicht durch preispolitische Maßnahmen eines Wettbewerbers zu erschüttern sind. Zum anderen kann der Markt durch besonders preisgünstige Kundendienstleistungen stimuliert werden. Im Mittelpunkt einer solchen Preis-Mengen-Strategie steht ftlr einen Anbieter das ständige Bemühen um eine Kostenreduktion, die durch die Verwirklichung von economies of scale und economies of scope herbeigefUhrt werden kann. 2G6 Die Entscheidung für eine Marktstimulierungsalternative ist in Abhängigkeit von den Bedürfnissen des jeweils angesprochenen Marktsegments zu fällen. Bei der Formulierung einer Kundendienststrategie ist auch die Wettbewerbsdimension zu beachten. 297 Der Anbieter steht vor der grundsätzlichen Wahl, eine an das Konkurrenzverhalten angepaßte imitierende oder eine davon abweichende innovative Strategie zu verfolgen. Innovative Kundendienststrategien bieten die Möglichkeit zur Dif294) VgI. auch Engelhardt, Werner H./Kleinaltenkamp, Michael (1986), S. 010501. 295) VgI. auch Engelhardt, Werner H./Kleinaltenkamp, Michael (1986), S. 010503, die vier ähnliche Dimensionen einer Marketingstrategie herausstellen. 296) Zur Marktstimulierung vgI. Becker, Jochen (1983), S. 97 ff.; Engelhardt, Werner H./Kleinaltenkamp, Michael (1986), S. 010503 ff.; Gilbert, Xavier/Strebel, Paul J. (1985), o.S. 297) VgI. z.B. Engelhardt, Werner H./Kleinaltenkamp, Michael (1986), S. 010507.

78

II. Die Funktionen des Kundendienstes im Rahmen des Marketing

ferenzierung und Profilierung, allerdings ist ihr erfolgreicher Einsatz durch die tendenziell einfache Imitierbarkeit von Dienstleistungen zeitlich begrenzt. Zusltzlich ist der Strategiestil zu determinieren, d.h. ein Anbieter muß sich fIlr ein defensives oder aggressives Wettbewerbsverhalten entscheiden. Entschließt sich ein Primärleistungsersteller dazu, in die Erbringung von Kundendienstleistungen auch vertraglich angeschlossene Partner einzubeziehen, so wird die Gestaltung der Kooperation zur vierten Dimension bei der Strategieformulierung. 2118 Insbesondere mlissen dann die Formen der generellen Zusammenarbeit und die jeweiligen Beiträge zur Umsetzung einer Kundendienststrategie zwischen den Kooperationspartnern festgelegt werden. In der Automobilindustrie ist z.B. häufig die Situation anzutreffen, daß die Entwicklung von Sekundärdienstleistungsangeboten verstärkt beim Automobilproduzenten liegt, wohingegen die Leistungen selbst von VertragshIndiern bzw. -werkstätten erbracht werden. Vor allem hat der Primärleistungsersteller bei der Planung von Kundendienststrategien demnach über Wege nachzudenken, die eine optimale Erfüllung der Sekundärdienstleistungsfunktionen gewährleisten und eine bewußte oder unbewußte Konterkarierung durch den Vertragspartner ausschließen. Im Kooperationsfall muß eine Kundendienststrategie daher auch die spezielle Leistungsaufteilung berücksichtigen und die jeweiligen Partikularinteressen in Einklang bringen. Die Formulierung einer Kundendienststrategie umfaßt folglich die Ausrichtung auf eine bestimmte Zielgruppe, die Wahl der Marktstimulierungsalternative und des Wettbewerbsverhaltens sowie die Entscheidung, eine Leistung allein oder in Kooperation mit anderen Unternehmen zu erbringen.

d. Kundendienstmaßnahmen Im Sinne einer entscheidungsorientierten Marketing-Konzeption bilden die Kundendienstmaßnahmen schließlich das letzte Glied der Kundendienstpolitik. Als operative Konkretisierung einer Kundendienststrategie stehen sie am Ende des Planungsprozesses und leiten in die Implementierungsphase über. Grundsätzlich bewegen sich Kundendienstmaßnahmen im vorgegebenen Strategiekanal. Allerdings stellen sie gleichzeitig eine ManOvriermasse für den Anbieter dar, mit deren Hilfe er auf unerwartete Verhaltensweisen des Marktes reagieren und im Extremfall eine gesamte Strategie modifizieren kann. 299 298) Vgl. auch Engelhardt, Werner H./Kleinaltenkamp, Michael (1986), S. 010507. 299) Vgl. Becker, Jochen (1983), S. 71.

C. Die Managementaufgabe KWlIlendienstpolitik

79

Auf der Maßnahmenebene werden für jede Sekundirdienstleistung konkrete Instrumentalentscheidungen getroffen. Im Vordergrund steht dabei die Leistungspolitik, die sich besonders mit der Festlegung und Sicherung eines bestimmten Qualitlltsniveaus beschäftigt. In der Preispolitik ist nicht nur die EntgelthOhe für einzeln oder im Nachfrageverbund erworbene Kundendienstieistungen zu bestimmen, sondern auch auf die Einhaltung einer ausgewogenen Preisstruktur zwischen sllmtlichen SekundIrdienstleistungen, die nach einer einheitlichen Strategie vermarktet werden, zu achten. Kommunikationspolitische Aktivitäten müssen ebenfalls abgestimmt werden; sie sollen sich gegenseitig unterstützen und aufeinander aufbauen. Zwar filit die Distributionspolitik in Verbindung mit Sekundllrdienstieistungen weitgehend in den Bereich der strategischen Entscheidungen, doch ist es durchaus denkbar, daß in speziellen Situationen operative distributionspolitische Kundendienstmaßnahmen eingeleitet werden müssen. So kann z.B. im Kooperationsfall der Vertragspartner mit einer Reparatur überfordert und zur Einschaltung des Primllrleistungserstellers gezwungen sein. Auf diese Weise kommt es zu einer operativen Modifikation der Absatzwegeentscheidung. Schließlich müssen die Instrumentaientscheidungen für jede Kundendienstieistung so koordiniert werden, daß den zwischen ihnen existierenden Interdependenzen Rechnung getragen und ein größtmögliches Maß an Synergieeffekten realisiert wird. In den voranstehenden Ausführungen ist der Kundendienst in seiner generellen Funktion als Teilbereich eines Absatzobjektes dargestellt worden. Weiterhin wurden in allgemeiner Form die Aufgaben, die Determinanten und die Elemente einer marktorientierten Kundendienstpolitik herausgearbeitet. Die gewonnenen Einsichten werden nun auf die Gegebenheiten in einer speziellen Branche, der Automobilindustrie, übertragen. Im Anschluß an die Beschreibung der Grundzüge des Automobilgeschllftes erfolgt daher eine detaillierte Analyse der kundendienstpolitischen Situation in diesem Wirtschaftszweig. Auf diese Weise wird die Basis für die Ableitung weiterführender Erkenntnisse in bezug auf die Vermarktung von Sekundirdienstleistungen gelegt.

80

III. Der Kundendienst im AutomobiJbereich

111. Der Kundendienst im Automobilbereich A. Die Struktur des Automobilgeschäftes in der Bundesrepublik Deutschland 1. Die WettbewcrbsverhäUnisse auf dem Automobilmarkt a. Der Gruppenweubewerb als CharakrerisrikwlI des Auromobilgeschäfres

(1) Der Begriff des Gruppenwettbewerbs Die Wahl des indirekten Vertriebsweges ist charakteristisch für die Distributionspolitik solcher Produzenten, die ihre Leistungen einer breit gestreuten Nachfrage anbieten. Allerdings ist der Absatz über den Handel mit einer Vielzahl von Problemen verbunden. 1 So kann ein Hersteller nur dann eine effiziente Umsetzung seiner Vennarktungsstrategie bis zur Nachfragestufe erreichen, wenn er die Marketing-Führerschaft im Absatzkanal innehat, d.h. den Handel zu konformem Verhalten veranlassen kann.' Dieser Durchgriff wird umso notwendiger, je höher der Stellenwert von Kundendienstleistungen als akquisitorisches Potential einzuschltzen ist. Zumindest bestimmte subjektorientierte Sekundlrdienstleistungen vor dem Absatz der Primlrleistungen wie z.B. die Abwicklung eines Kaufvorganges fallen regelmlßig in den Verantwortungsbereich des Handels. Erbringen die Absatzmittler darüber hinaus primlrleistungsorientierte Sekundlrdienstleistungen, dann wichst die Gefahr, daß die Marketing-Strategie des Herstellers durch Aktivitlten auf der Handelsebene konterkariert wird. Dem Hersteller der Primlrleistung steht eine Reihe von Möglichkeiten offen, Einfluß auf daS Verhalten seiner Absatzmittler auszuüben. 3 In Branchen mit hohen Anforderungen an die Kundendienstpolitik hat sich das "Kontraktmarketing"" als AbsatzkanaIstrategie etabliert. Dabei setzt der Produzent seine Vermarktungsstrategie mit Hilfe eines vertraglichen Vertriebssystems durch.' Die Verteilung von Rechten und Pflichten zwischen dem Hersteller und ausgewlhlten Absatzmittlem wird in schriftlichen Vereinbarungen dokumentiert. Vielfach beschrlnken einzelne Klauseln die Vertragspartner in ihrem Beschaffungs- und Absatzverhalten auf der Primlr-, aber auch der Sekun1) Vgl. z.B. Engelhardt, Werner H./Plinke, Wulff (1980), S. 149.

2) Zum Begriff der Marketing-Führerschaft vgl. Meier, Christian J. (1979 I), S. 111 f. 3) Als Überblick vgl. u.a. Arbeitskreis "Marketing in der Investitionsgüterindustrie" der SchmalenbachgesellschaftjDeutsche Gesellschaft für Betriebswirtschaftslehre e.V. (1986), S. 118; Engelhardt, Werner H.jPlinke Wulff (1980), S. 149 ff.

4) Zum Begriff des Kontraktmarketing vgl. Tietz, BrunojMathieu, Günter (1979), S. 20 u. S. 224 ff. S) Zum Begriff des vertraglichen Vertriebssystems vgl. u.a. Ahlert, Dieter (1987), S. 216 f.; Ahlert, Dieter (1981 b), S. 16 ff.

A. Struktur des Automobilgeschäftes in der BRD

81

dlrleistungsebene durch entsprechende Ausschließlichkeitsbindungen. Auf diese Weise soll ein Marketing-Konzept realisiert werden, das bezüglich des gesamten Leistungsbündels, vor allem jedoch hinsichtlich der Erbringung von Kundendienstleistungen sowohl ein einheitliches Auftreten gegenüber dem Endnachfrager als auch eine deutliche Trennung vom Wettbewerb gewährleistet. 6 Vertragliche Vertriebssysteme dienen zur Absicherung von vertikalen Kooperationen zwischen Partnern unterschiedlicher Distributionsstufen. 7 Mit Blick auf die Automobilindustrie sind besonders die Fälle von Interesse, in denen der Primärleistungshersteller zum Systemträger wird und Vertreter zumindest einer Handelsebene in seine Marketing-Strategie einbindet. Solche vertraglichen Vertriebssysteme bezwecken zum einen, daß ein bestimmter Standard8 bei der Erbringung von Sekundärdienstleistungen von jedem angeschlossenen Absatzmittler eingehalten wird; zum anderen sollen diese Absatzmittler weitgehend unzugänglich für den Vertrieb von Leistungen konkurrierender Primärleistungshersteller sein. Als Resultat ergibt sich eine Wettbewerbssituation, deren prägendes Element nicht die Rivalität einzelner Händler bei ihrem Bemühen um den Nachfrager ist, sondern das Auftreten eines Anbieterverbundes aus Hersteller und Vertriebspartnern. Diese formen gleichsam eine Gruppe, die ihre Aktivitäten nach einer gemeinsamen Marketing-Strategie ausrichtet. In Analogie zur "countervailing-power-These" von Galbraith9 zieht die Bildung einer Gruppe in einem bestimmten Markt als Antwort i.d.R. das Entstehen weiterer Kooperationen auch auf derselben Marktseite nach sich, so daß es zu einem Wettbewerb zwischen Gruppen kommt. Daneben kOnnen Gruppen aber auch mit Einzelhändlern oder direkt vertreibenden Primärleistungsherstellern konkurrieren. IO Entsprechend liegt eine Situation des Gruppe~wettbewerbs

erst dann vor, wenn die Rivalität zwischen Gruppen charakteri-

stisch für einen Markt ist.

(2) Die Struktur einer Gruppe im Automobilbereich In der Automobilbranche stellt die Wahl des direkten Vertriebsweges für Personenund Kombinationskraftwagen den Ausnahmefall dar. Allein die Daimler-Benz AG 6) Vgl. Ahlert, Dieter (1981 a), S. 45 f.; Tietz, Bruno (1981), S. 19. 7) Vgl. Tietz, Bruno (1981), S. 14 f.; darüber hinaus kOnnen vertragliche Vertriebssysteme auch von Teile- bzw. Einsatzstoffeherstellern initiiert werden und umfassen . dann ebenfalls Weiterverarbeiter als Kontraktpartner. 8) Zum Begriff des Standards vgl. Kleinaltenkamp, Michael (1987), S. 115 Cf. 9) Vgl. Galbraith, John Kenneth (1956), S. 110 ff. 10) Vgl. Tietz, Bruno (1981), S. 47 f.; Tietz, Bruno (1983), S. 237 f.

82

III. Der Kundendienst im Automobilbereich

vertreibt einen bedeutenden Teil ihrer Neuwagen in der Bundesrepublik Deutschland ohne die Einschaltung von rechtlich und wirtschaftlich selbständigen Händlern. Stattdessen erfolgt der Absatz unmittelbar an Werksangehörige oder über werkseigene Niederlassungen. Daneben gibt es jedoch auch bei der Daimler-Benz AG den indirekten Vertrieb durch angeschlossene Händler, die im Bereich der Primmachleistungen den Status von Handelsvertretern, im Bereich der Sekundärsachleistungen wie z.B. Ersatzteile aber die Position von Eigenhändlern innehabenY Generell kann daher für die Automobilindustrie konstatiert werden, daß die Distribution mittelbar über einen in vertraglichen Vertriebssystemen gebundenen Handel erfolgt und demnach für diesen Wirtschaftssektor eine typische Situation des Gruppenwettbewerbs gegeben ist. Eine Gruppe aus der Automobilbranche umfaßt den Hersteller als Systemtrliger sowie Partner auf der Groß- und Einzelhandelsebene. 12 Dabei wird die Großhandelsfunktion teilweise von Werksniederlassungen - wie bei der Daimler-Benz AG - oder von herstellerabhängigen Vertriebszentren - wie bei der Volkswagenwerk AG -, z.T. aber auch von Haupthändlern - wie im Fall der Fordwerke AG - wahrgenommen. lS Nur letztere sind Eigenhändler und müssen als solche durch die Einbindung in ein vertragliches Vertriebssystem auf ihre GruppenzugehOrigkeit und -loyalität verpflichtet werden. Auf der Einzelhandelsstufe schließlich sind neben den Werksniederlassungen und den Haupthändlern vor allem VertragShändler und -werkstätten aktiv. Die Rolle der Vertragswerkstätten ist hierbei eine doppelte: Beim Vertrieb von Gebrauchtwagen, Teilen und Kundendienstleistungen sind sie Eigenhändler, in bezug auf das Neuwagengeschäft hingegen Kommissionäre oder Vermittler.

I'

Eine Gruppe aus der Automobilbranche ist ein komplexes Gebilde, das regelmäßig Vertreter aller drei Distributionsstufen umfaßt. Jeder Partner ist mit bestimmten Aufgaben gegenüber dem Markt und auch der Gruppe selbst betraut. So ist der Hersteller vorrangig für die Versorgung der Gruppe mit Neuwagen und Teilen zuständig. Während er die erstgenannten stets selbst produziert, werden letztere in erheblichem Maße von Zulieferern bezogen. Dem Großhandel obliegt dann die Logistikfunktion. Als erste Verteilerstufe für Neuwagen und Teile überbrückt er allerdings nicht nur den Raum vom Hersteller zum Einzelhandel, sondern auch umgekehrt; so werden gebrauchte Teile zur Aufbereitung an den Produzenten geliefert. Der Einzelhandel schließlich 11) Vg!. Jung, Hans (1980), S. 199 f.; Panzer, Siegfried (1981), S. 138 f.; Tietz, Bruno (1981), S. 184 f. 12) Vg!. Tietz, Bruno (1981), S. 47. 13) Vg!. Panzer, Siegfried (1981), S. 141; Tietz, Bruno (1981), S. 184 f. 14) Vg!. Tietz, Bruno (1981), S. 185; als quantitativen Überblick zum Distributionsnetz der wichtigsten in der Bundesrepublik Deutschland engagierten Automobilhersteller vg!. o.V. (1985c), S. 1274 ff.

A. Struktur des Automobilgeschllftes in der BRD

83

setzt als zweite Verteilerstufe die Sachleistungen an die Endnachfrage ab. Weiterhin betreibt er das GebrauchtwagengeschIlft und ist hierbei sowohl fO.r die Beschaffung als auch die Vermarktung zuständig. Darüber hinaus erbringen Groß- und Einzelhandel weitere Dienstleistungen für den Hersteller, indem sie notwendige Marktinformationen bereitstellen. So werden die im Gebrauch auftretenden Stärken und Schwächen der Sachleistungen beobachtet, Garantiefälle nach den detaillierten formalen Anforderungen des Herstellers beschrieben sowie Statistiken über Sachleistungsverkllufe und realisierte Betreuungsgrade im Kundendienst für unterschiedliche Aggregationsebenen z.B. für einen einzelnen Vertragshändler oder eine ganze Region - erstellt und an den Produzenten weitergeleitet. Auch in die Kundendienstpolitik selbst sind alle drei Distributionsstufen integriert. Der Einzelhandel erbringt zwar die Sekundärdienstleistungen gegenüber der Nachfrage, jede Stufe jedoch kann neue Kundendienstleistungen initiieren bzw. den Anstoß zur Modifikation vorhandener Sekundärdienstleistungsangebote geben. So betrauen die Hersteller bestimmte interne Abteilungen mit der Durchführung von Forschungsprojekten zur Verbesserung der Wartungs- und Reparaturtechnik, zum Werkstatt-Management einschließlich der Gewinnung neuer Kundengruppen oder auch zur architektonischen Gestaltung der Kundenkontakträume. 16 Umfangreiche Schulungen der Vertragshllndler und -werkstätten sollen zum einen die Umsetzung neuer kundendienstpolitischer Impulse sicherstellen und zum anderen das kundendienstpolitische Know how verfestigen und zu einer Homogenisierung des Sekundlrdienstleistungsangebots innerhalb der gesamten Gruppe beitragen. Zu diesem Zweck führt der Hersteller in Verbindung mit dem Großhandel regelmäßige Seminare und Konferenzen durch; ergänzt werden diese Maßnahmen durch "on-the-job" - Schulungen beim Vertragspartner und den Einsatz elektronischer Lehrprogramme. 16 Die Vertreter der Einzelhandelsstufe artikulieren ihrerseits Bedürfnisse, Erfahrungen und Forderungen in diesen Schulungen oder durch Gremien wie einen Händlerbeirat und nehmen auf diese Weise ebenfalls Einfluß auf die gruppeninterne Ausrichtung der Kundendienstpolitik. Kundendienstpolitische Überlegungen für den Automobilbereich haben diesem Beziehungsgeflecht Rechnung zu tragen. Bei der Entwicklung von Strategien zur Vermarktung von Sekundärdienstleistungen sind partikulare Interessen der einzelnen Distributi-

15) Die Volkswagenwerk AG hat z.B. Projekte zur Einbindung von Do-it-yourselfInteressierten in den Werkstattbetrieb der V.A.G-Partner, zum zukünftigen Erscheinungsbild ihrer Vertragspartner und zur Implementierung bzw. Verbesserung des Lackiergeschllftes durchgeführt. 16) Als Überblick über den Umfang der Schulungsmaßnahmen vg!. o. V. (1985c), S. 1284 ff.; Rühl, Günter/ Auriga, M.-J./Hantsch, G./Herzog, M./Käfer, H./POhlandBlock, H. (1977), S. 367 ff.

84

III. Der Kundendienst im Automobilbereich

onsstufen mit übergeordneten Gruppeninteressen abzugleichen und in Einklang zu bringen.

(3) Rechtliche Grundlagen des Gruppenwettbewerbs

(a) Das Wellbewerbsrecht ill der Europäischen Gemeinschaft Die vertraglichen Vertriebssysteme als Stützpfeiler des Gruppenwettbewerbs in der Automobilindustrie beinhalten Ausschließlichkeitsbindungen, und zwar in Form von Bezugsbindungen für die Partner auf der Handelsebene und in Form von Absatzbindungen für den HerstellerP Diese Regelungen betreffen sowohl den Primär- als auch den Sekundärsachleistungsbereich. Danach sollen Vertragshändler exklusiv die Kraftfahrzeuge des systemtragenden Produzenten vertreiben und auf Ident- bzw. Nachbauteile zugunsten der ausschließlichen Verwendung von Original-Teilen verzichten. 11 Mit der Fixierung auf Original-Ersatzteile versucht der Hersteller nicht zuletzt, Einfluß auf die Qualität primärleistungsorientierter Kundendienstleistungen zu gewinnen, um so die Wettbewerbsposition des von ihm angebotenen Leistungsbllndels, das aus der Primär leistung und adäquaten Sekundärleistungen besteht, zu stärken. Allerdings steIlen Vertriebsbindungen dieser Art einen potentiellen Störfaktor für ein marktwirtschaftliches System dar, weil sie leicht zu einer unbilligen Behinderung von Konkurrenten werden können.l~ Entsprechend besteht im deutschen Wettbewerbsrecht die Möglichkeit, solche Ausschließlichkeitsbindungen nach § 18 GWB bzw. §§ 26 11, 37a 11 GWB zu untersagen und aufzuheben. zu Tatsächlich waren die Vertriebsbindun-gen im Ersatzteilbereich lange Zeit Gegenstand rechtlicher Auseinandersetzungen; in letzter Instanz sind sie jedoch vom Bundesgerichtshof gebilligt worden. 21 Die in der Bundesrepublik Deutschland von den Automobilherstellern und -importeuren praktizierten vertraglichen Vertriebssysteme entfalten ihre wettbewerblichen Wirkungen aber nicht nur im nationalen Raum, sondern auch im Gemeinsamen Markt der 17) Zur Terminologie vgl. z.B. Schmidt, Ingo (1981), S. 90. 18) Zur Abgrenzung dieser Differenzierung im Teilebereich vgl. u.a. Engelhardt, Werner H./Seibert, Klaus (1980), S. 449; Jörges, Christian/Hiller, Eugen/Holzschek, Knut/Micklitz, Hans-W. (1985), S. 44 ff. und S. 141 ff.; Reuter, Rolf (1979), S. 294 f. 19) Vgl. Engelhardt, Werner H./Seibert, Klaus (1981), S. 136. 20) Zum Anwendungsbereich dieser Vorschriften vgl. z.B. Bunte, Hermann-Josef (1980), S. 1154 f. 21) Das zeigen die Beschlüsse zu den Ausschließlichkeitsbindungen der Volkswagenwerk AG; vgl. Bundeskartellamt (1979); Kammergericht Berlin (1979); Bundesgerichtshof (1981); als Überblick vgl. JOrges, Christian/ Hiller, Eugen/Holzschek, Knut/Micklitz, Hans-W. (1985), S. 157 ff.

A. Struktur des Automobilgeschäftes in der BRD

85

Europäischen Gemeinschaft. Insofern ist den Vorschriften des EWG-Vertrages Rechnung zu tragen. Art. 85 I EWG-Vertrag verbietet sowohl horizontal als auch vertikal ausgerichtete wettbewerbs behindernde Praktiken, wenn von diesen eine spürbare Beeinflussung des Handels zwischen Mitgliedstaaten zu erwarten ist. Nach Art. 85 11 EWG-Vertrag sind solche Vereinbarungen nichtig. Allerdings besteht die Möglichkeit, gemäß Art. 85 III EWG-Vertrag eine Freistellung für ansonsten verbotene vertragliche Regelungen zu erwirken. Diese kann für einzelne Vereinbarungen oder für eine Gruppe von Vereinbarungen erteilt werden, wenn dadurch gesamtwirtschaftliche Vorteile realisiert werden können und der Grundsatz der Verhllltnismäßigkeit gewahrt bleibt. Aus pragmatischen Überlegungen wird der Weg der Gruppenfreistellung favorisiert, da in diesem Fall nicht jedes einzelne vertragliche Vertriebssystem überprüft werden muß, sondern stattdessen ein generelles Regelwerk erstellt wird, dem die jeweiligen Vertrllge zu genügen haben. Werden die festgelegten Bestimmungen erfüllt, dann tritt die Unwirksamkeitsfolge nach Art. 85 I, 11 EWG- Vertrag für weUbewerbsbehindernde Vereinbarungen nicht ein. 22 Das europäische Wettbewerbsrecht ist ein höherrangiges Recht und daher dem natio-

nalen Wettbewerbsrecht der Mitgliedstaaten in der Europäischen Gemeinschaft übergeordnet. 23 Seit dem 1. Juli 1985 ist eine Gruppenfreistellung in Kraft, in der präzisiert ist, welchen Bedingungen vertragliche Vertriebsbindungen für Primllr- und Sekundllrsachleistungen in der Automobilbranche zu genügen haben, um legalisiert zu werden. 24 Die Bestimmungen der Gruppenfreistellungsverordnung stellen somit eine rechtliche Determinante für die Kundendienstpolitik der Anbieter auf dem deutschen Markt dar, denn

s~e

definieren die Handlungsspielrllume im Verhllltnis zwischen Hersteller und

Handelsstufe. Als Rechtsnorm verdrIlngen sie die Entscheidung des Bundesgerichtshofes zur Vertriebsbindung im Ersatzteilsektor.

22) Vgl. Hölzler, Heinrich/Wissel, Holger (1986), S. 59 ff.; als ausführliche Darstellung vgl. z.B. Meier, Christian J. (1979 11), S. 40 ff. und S. 95 ff.; zum Thema Freistellung vgl. weiterhin Ebel, Hans-Rudolf/Genzow, F. Christian (1985), S. 741; Pfeffer, Joachim (1985), S. 1242 f.; Weltrich, Ortwin (1987), S. 2293 f.; bislang wurde in der Automobilbranche nur für den Hindiervertrag der Bayerischen Motorenwerke AG eine Einzelfreistellung erteilt, vgl. hierzu Meier, Christian J. (1979 11), S. 61 Cf. 23) Vgl. Ebel, Hans-Rudolf/Genzow, F. Christian (1985), S. 743; Pfeffer, Joachim (1985), S. 1243. 24) Vgl. im Wortlaut Kommission (1984), S. 208 Cf.

86

III. Der KWldendienst im Automobilbereich

(b) Implikationen der Gruppenfreiste/lungsverordnung 25 Die Gruppenfreistellungsverordnung für Vertriebssysteme in der Automobilindustrie beinhaltet eine Vielzahl von Regelungen für die Partnerschaft zwischen Hersteller und Handel. Grundsätzlich ist danach eine Kontraktklausel erlaubt, die es den Vertragshändlern verbietet, Neuwagen, die mit den Kraftfahrzeugen des Systemträgers im

Wettbewerb stehen, anzubieten. 26 Will ein Vertragshändlersein Sortiment um eine Zweitmarke erweitern, so hat der Hersteller die Möglichkeit, seine notwendige Zustimmung vom Nachweis sachlich gerechtfertigter Gründe abhängig zu machen. 27 Eine Markenausschließlichkeit beim Vertrieb von Neuwagen wird folglich als generell freistellungsfähig angesehen. 28 Bindungen im Ersatzteilsektor hingegen gelten nicht als grundsätzlich freisteIlungsfähig. 2Q Bei Ersatzteilen, die qualitativ zumindest gleichwertig mit Original-Teilen sind, darf der Händler nicht in seiner Bezugsentscheidung eingeschränkt werden.30 Allerdings eröffnet die Gruppenfreistellungsverordnung dem Hersteller trotzdem Möglichkeiten, Einfluß auf die Ersatzteilpolitik des Vertragspartners zu nehmen. So kann er seine angeschlossenen Händler und Werkstätten verpflichten, - den Endverbraucher in allgemeiner Form darauf hinzuweisen, wenn Ersatzteile Dritter bei Werkstattleistungen verwendet werden;Sl - den Endverbraucher gesondert darauf hinzuweisen, wenn Ersatzteile Dritter bei einer Werkstattleistung Verwendung finden, obwohl auch entsprechende OriginalTeile zur Verfügung stehen;S2

25) Die Gruppenfreistellungsverordnung für die Automobilbranche ist vielfach in der Literatur gewürdigt worden; vg!. stellvertretend Creutzig, Jürgen (1985), S. 97 ff.; Ebel, Hans-Rudolf/Genzow, F. Christian (1985), S. 743 ff.; Jörges, Christian/Hiller, Eugen/Holzschek, Knut/Micklitz, Hans-W. (1985), S. 317 ff.; Pfeffer, Joachim (1985), S. 1242 ff.; Weltrich, Ortwin (1987), S. 1294 ff.; Wissel, Hoiger/Geriach, Eckehard (198S), S. 2134 f. 26) Art. 3 Ziff. 3 Gruppenfreistellungsverordnung, vg!. Kommission (1984), S. 211. 27) Art. 5 11 Ziff. la Gruppenfreistellungsverordnung, vg!. Kommission (1984), S. 213. 28) Vg!. Ebel, Hans-Rudolf/Genzow, F. Christian (1985), S. 743. 29) Vgl. Ebel, Hans-Rudolf/Genzow, F. Christian (1985), S. 743. 30) Erwägungsgrund 8 der Gruppenfreistellungsverordnung, vg!. Kommission (1984), S. 209; negativ formuliert in Art. 3 Ziff. 4 Gruppenfreistellungsverordnung, vg!. Kommission (1984), S. 211. 31) Art 4 I Ziff. 8 Gruppenfreistellungsverordnung, vg!. Kommission (1984), S. 212. 32) Art 4 I Ziff. 9 Gruppenfreistellungsverordnung, vg!. Kommission (1984), S. 212.

A. Struktur des Automobilgeschllftes in der BRD

87

- in Gewlhrleistungs- und KulanzflUlen sowie bei Rückrufaktionen ausschließlich Original-Teile zu verwenden;3S - eine nach Schätzung des Produzenten notwendige Mindestvorratsmenge an OriginalTeilen zu lagern. S4 Schließlich steckt die Gruppenfreistellungsverordnung den Rahmen für die Legitimation von Vereinbarungen ab, die den Absatz von Neuwagen und Ersatzteilen allgemein" und an Wiederverkäufer36 , den Gebietsschutz eines HIlndiers S7, die Einsetzung von Unterhllndlern durch einen Hlndler38, die RabattpolitikSlI, die Erbringung von Kundendienstleistungen an in fremden Mitgliedstaaten erworbenen Kraftfahrzeugen 40 und die Beendigung eines Vertragsverhllltnisses zwischen Hersteller und Händler bzw. Werkstatt41 betreffen. Die Bestimmungen der Gruppenfreistellungsverordnung haben weitreichende Konsequenzen für die Kundendienstpolitik im Automobilbereich. Mit der grundsätzlichen Akzeptanz des Exklusivvertriebs bei Neuwagen wird die heute in der Bundesrepublik Deutschland überwiegend vorzufindende Distributionskonzeption bestätigt. Generell erleichtert die Beschrllnkung auf ein Fabrikat das Angebot bedürfnisgerechter Kundendienstleistungen, da die Struktur des für die Produktion von Sekundärdienstleistungen notwendigen externen Faktors aufgrund der besseren Möglichkeiten, Nachfrageranforderungen und die technische Beschaffenheit der Primärleistung apriori zu definieren, tendenziell überschaubar bleibt. Die Spezialisierung auf die Erzeugnisse eines Herstellers eröffnet außerdem in den Augen des Nachfragers die Chance zum Nachweis von Kompetenz gerade im Bereich der primärleistungsorientierten Sekundllrdienstleistungen. Zusätzlich wird der Idee des Leistungsbündels verstllrkt Rechnung 33) Art 4 I Ziff. 7 Gruppenfreistellungsverordnung, vgl. Kommission (1984), S. 212. 34) Art 4 I Ziff. 4 Gruppenfreistellungsverordnung, vgl. Kommission (1984), S. 212. 35) Art 2, Art. 3 Ziff. I, 2 Gruppenfreistellungsverordnung, vgl. Kommission (1984),

S. 211.

36) Art 3 Ziff. 10 a, bund Ziff. 11 Gruppenfreistellungsverordnung, Vgl. Kommission (1984), S. 212. 37) Art. 3 Ziff. 8 a, bund Ziff. 9, Art. 5 11 Ziff. Ib Gruppenfreistellungsverordnung, Vgl. Kommission (1984), S. 212 f. 38) Art. 3 Ziff. 6, 7 Gruppenfreistellungsverordnung, vgl. Kommission (1984), S. 211 f. 39) Art. 5 I Ziff. 2c Gruppenfreistellungsverordnung, vg!. Kommission (1984), S.213. 40) Art. 5 I 1 Ziff. la, b Gruppenfreistellungsverordnung, vgl. Kommission (1984), S.213. 41) Art. 5 11 Ziff. 2, 3 Gruppenfreistellungsverordnung, vgl. Kommission (1984), S.213.

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III. Der Kundendienst im Automobilbereich

getragen und ein doppelter Imagetransfer vom Neuwagen auf den Kundendienst et vice versa angeregt. Die Bestimmungen der Gruppenfreistellungsverordnung zu den Bereichen "Gebietsschutz, Einsetzen von Unterhändlern und Beendigung eines Vertragsverhlltnisses" hingegen beinhalten Implikationen für die Organisation des Kundendienstes. Von besonderem Interesse für die Kundendienstpolitik sind aber die Aussagen der EG-Kommission zum Ersatzteilsektor. Im Gegensatz zu der bis zum Jahre 1985 in der Bundesrepublik Deutschland gültigen Regelung können Vertragshlndler nicht mehr zum ausschließlichen Bezug von Original-Teilen verpflichtet werden. Unterstützung erfährt die Öffnung des Vertriebssystems für qualitativ zumindest gleichwertige Ersatzteile durch das den Hersteller betreffende ausdrückliche Verbot, kumulierte Rabattezu gewähren, d.h. aggregierte Neuwagen- und Ersatzteilumsätze als Basis für Preisnachllsse zu wählen. Indem in dieser Regelung der Gruppenfreistellungsverordnung implizit von einer Trennung zwischen Neuwagen- und Ersatzteilmarkt ausgegangen wird, kommt es nicht zu einer strukturellen Wettbewerbsbenachteiligung der Teilehersteller. Allerdings kann trotzdem nicht davon ausgegangen werden, daß die Vertragshändler und -werkstätten ihren Ersatzteilbedarf in größerem Umfang auf dem freien Teilemarkt decken werden. Zwar ist zu vermuten, daß gerade bei Identteilen der geforderte Qualitätsstandard erfüllt wird, doch die vier dem Automobilproduzenten explizit offenstehenden Möglichkeiten zur Beeinflussung der Ersatzteilpolitik seiner Partner sind gleichsam Instrumente zur Durchsetzung einer faktischen Bezugsbindung. Zum einen liegt die Lagerhaltung nicht in der autonomen Disposition des Handels. So kann der Hersteller festlegen, welche Original-Teile z.B. für Gewährleistungsarbeiten in welchem Umfang vorgehalten werden müssen. Auf diese Weise werden die Kosten der Lagerhaltung und das verfügbare finanzielle Potential für die Bevorratung von Ident- bzw. Nachbauteilen determiniert. Zum anderen wird der Handel in einen Erklärungszwang gebracht, wenn er Ersatzteile Dritter für Werkstattleistungen verwendet. Daraus erwachsen ihm vor allem gegenüber solchen Werkstattkunden Nachteile, die am Einbau von Original-Teilen interessiert sind. Dieses Bedürfnis ist häufig bei Fahrern relativ neuer Automobile festzustellen und somit beim wichtigsten Klientel von Vertragshlndlern und -werkstätten. Da Erfahrungen in der Bundesrepublik Deutschland belegen, daß faktische Bezugsbindungen im Ergebnis dieselben Wirkungen erzielen wie vertragliche42 , kann aufgrund der Gruppenfreistellungsverordnung nicht auf ein verändertes Beschaffungsverhalten des Einzelhandels geschlossen werden.

42) Vgl. Engelhardt, Werner H./Seibert, Klaus (1980), S. 450; Engelhardt, Werner H./Seibert, Klaus (1981), S. 137 f.

A. Struktur des AutomobilgeschlIftes in der BRD

89

Insgesamt ist zu konstatieren, daß auch die EG-Kommission vom Gedanken des LeistungsbUndels mit den Komponenten Kraftfahrzeug und Kundendienst ausgegangen ist; denn den Automobilproduzenten werden weitreichende Eingriffsmöglichkeiten in die Kundendienstleistungen der Vertragspartner zugestanden, da sie die Qualitllt der zur Erbringung von primllrleistungsorientierten Sekundllrdienstleistungen notwendigen Sekundllrsachleistungen bestimmen. Auch die formale Öffnung der vertraglichen Vertriebssysteme fUr Ident- bzw. Nachbauteile widerspricht dem nicht, weil sie an die Gewllhrleistung eines bestimmten Qualitlltsstandards gekoppelt ist. Obwohl Automobilhersteller und -importeure in der Bundesrepublik Deutschland den status quo im Ersatzteilgeschllft aus der Zeit bis zum Jahre 1985 mit Hilfe faktischer Vertriebsbindungen aufrecht erhalten können, sollte ein Umdenkungsprozeß Platz greifen. Es schadet nicht nur der Umsetzung einer kontinuierlichen Kundendienstpolitik, wenn als ultima ratio ein Verstoß gegen faktische Bindungen mit dem Ausschluß des jeweiligen Partners geahndet wird, sondern ein solches Vorgehen fUhrt auch zu einer finanziellen Belastung des Herstellers, da dem Vertragshllndler ein Ausgleichsanspruch in Analogie zum Anspruch des Handelsvertreters nach § 89 b HGB und eventuell ein Investitionsersatzanspruch zusteht.'s Stattdessen mUssen Hersteller und Handel in einer von starkem Wettbewerb geprllgten Marktsituation eine Einheit bilden, die nicht auf Zwang beruht. Nur so kann das volle Akquisitionspotential der Gruppe ausgeschöpft werden. Die Bestimmungen der Gruppenfreistellungsverordnung fUr den Ersatzteilsektor sollten daher als Anregung begriffen werden, neue Wege in der Kundendienstpolitik zu beschreiten.

b. Die Wettbewerbsintensität im Automobilmarkt Der Automobilmarkt besteht aus einer Reihe von Partialmllrkten, wobei grundslltzlich Primllr- und Sekundllrleistungsmllrkte unterschieden werden können. Beide Bereiche sind weiteren Differenzierungen zugllnglich. So sind die Primllrleistungen entsprechend ihrer Nutzungsphase in Neu- und Gebrauchtfahrzeuge einzuteilen. Aussagen zur Wettbewerbsintensitllt in der Automobilbranche können daher strenggenommen nur in Verbindung mit dem jeweils betrachteten Partialmarkt getroffen werden. Allerdings de43) Zum Begriff des Vertragshllndlers und zu seiner Abgrenzung gegenUber dem Handelsvertreter vgl. Ahlert, Dieter (198Ia), S. 85 f. und besonders Ulmer, Peter (1969), S. 183 ff. und S. 205 ff.; zur kontroversen Diskussion des von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes akzeptierten Ausgleichsanspruchs aufgrund analoger Anwendung von § 89 b HGB vgI. u.a. Bechtold, Rainer (1984); Foth, Dietmar (1987b); Hollmann, Hermann (1985); Semler, Franz-Jörg (1985), S. 2493 ff.; Stumpf, HerbertjHesse, Hannes (1987); Westphalen, Friedrich Graf von (1984); zum Investitionsersatzanspruch vgI. Foth, Dietmar (1987a); Ulmer, Peter (1969), S. 459 ff.

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III. Der Kundendienst im Automobilbereich

terminiert die Konkurrenzsituation auf dem Markt für Neufahrzeuge die Verhältnisse auf den übrigen Partialmärkten, weil sowohl das Gebrauchtwagen- als auch das Sekundärleistungsgeschäft abhängige Nachfolgegeschllfte darstellen. Insofern ist der Neuwagenmarkt dazu geeignet, als Indikator für die generelle Wettbewerbsintensität in der Automobilbranche zu dienen. Er verkörpert das Basisgeschäft und ist zusätzlich der einzige Bereich, der ausschließlich vom Wettbewerb zwischen den Automobilgruppen geprägt wird. Auf den anderen Partialmärkten hingegen treten gruppenexterne Anbieter als Konkurrenten in Erscheinung. Nachfolgend wird die Wettbewerbsintensität im Automobilmarkt an der Situation im Geschäft mit neuen Personen- und Kombinationskraftwagen festgemacht, d.h. zum einen erfolgt eine weitere Spezialisierung durch die Ausklammerung des Sektors neuer Lastkraftwagen und zum anderen wird auf eine tiefere Unterscheidung in Fahrzeugklassen44 verzichtet. Für die Volkswirtschaft der Bundesrepublik Deutschland besitzt die Automobilindustrie einen hohen Stellenwert. So garantiert diese Branche direkt oder indirekt jeden siebten Arbeitsplatz46 , und ihre Produkte stehen als Symbol für die Leistungsfähigkeit der heimischen Industrie - immerhin ist die deutsche Automobilwirtschaft nach der japanischen weltweit führend im Export von Fahrzeugen; sie setzt rund 60 v.H. ihrer Erzeugnisse im Ausland ab. 46 Die Konstellation von starken inländischen Herstellern und freiem Zugang für ausländische Wettbewerber läßt die Bearbeitung des Automobilmarktes Bundesrepublik Deutschland als eine äußerst schwierige, aber auch als eine sehr reizvolle Herausforderung erscheinen47 , denn im Falle des Erfolges profiliert man sich als kompetenter Anbieter und kann dieses Image zur Stärkung der eigenen Position bei Engagements in weiteren Märkten nutzen. Diese besondere Situation prägt den Intergruppenwettbewerb im deutschen Automobilmarkt und damit die erste Dimension des Konstruktes Wettbewerbsintensität, nämlich die Konkurrenzbeziehungen zwischen den Anbietergruppen. 48 Wählt man den Konzentrationsgrad als Indikator für die Stärke des Intergruppenwettbewerbs, so erweist sich der Markt für Personen- und Kombinationskraftwagen als vermachtet mit oligopolistischen Angebotsstrukturen. 411 Der kumulierte Marktanteil der fünf führenden Automobilgruppen beträgt für das Jahr 1987

44) Vgl. dazu die Ausführungen in Kapitel III. A. 2. a. (I). 45) Vgl. u.a. Blüthmann, Heinz (1986), S. 17; Wolf, Dieter (1985), S. 231. 46) Vgl. u.a. Aral AG (Hrsg.) (1985), S. 0186; Axel Springer Verlag AG (Hrsg.) (1987), S. I u. S. 9 ff; Mehler, Ha. A./Albrecht, Norbert (1987), S. 128 ff. 47) Vgl. Hess, Josef (1986), S. 23; Niederleithinger, Ernst (1985), S. 133 ff. 48) Synonym wird der Begriff Interbrand-Wettbewerb verwendet, vgl. Meier, Christian J. (1979 I), S. 260. 49) Vgl. Jörges, Christian/Hiller, Eugen/Holzschek, Knut/Micklitz, Hans-W. (1985), S.322.

A. Struktur des AutomobiJgeschäftes in der BRD

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immerhin 70,5 v.H. 5o, d.h. nach der Oligopolvermutung gemäß § 22 GWB liegt ein enges Oligopol vor. Zusätzlich ist die Marktstruktur durch das Auftreten vieler kleiner Konkurrenten charakterisiert, die Anteile zwischen 0,1 v.H. und 4,5 v.H. innehaben. 61 Allerdings lassen rein morphologische Betrachtungen nur erste Vermutungen im Hinblick auf die Wettbewerbsintensität in der Automobilbranche zu. Entscheidend ist indessen das Marktverhalten der Anbietergruppen. 62 Hier zeigt sich, daß auch von kleinen Konkurrenten bedeutende Wettbewerbsimpulse ausgehen. So hat das Konglomerat der japanischen Anbieter in einem Zeitraum von zwei Dekaden rund 15 v.H. des deutschen Automobilmarktes erobert. 53 Der Wettbewerbseinfluß der kleinen Anbietergruppen wird vor dem Hintergrund ihrer z.T. festzustellenden Spezialisierung auf besondere Klassen des Neuwagenmarktes wie z.B. die Klasse der Geländefahrzeuge und ihrer daraus resultierenden stärkeren relativen Bedeutung in diesen Partialmärkten noch offensichtlicher. Insgesamt ist zu konstatieren, daß die Marketing-Aktivitäten der kleinen Anbieter von den großen Automobilgruppen durchaus als Herausforderung begriffen werden; da gleichzeitig auch zwischen den letztgenannten intensive Konkurrenzbeziehungen bestehen, kann dem Neuwagenmarkt in der Bundesrepublik Deutschland die Existenz wirksamen Wettbewerbs konzediert werden. 54 Nicht zuletzt die liberalen Markteintrittsbestimmungen garantieren einen funktionsfähigen Intergruppenwettbewerb, indem sie ein Engagement neuer Konkurrenten ermöglichen. Der Intragruppenwettbewerb 55 bildet die zweite Dimension des Konstruktes Wettbewerbsintensität. Ihm werden diejenigen Konkurrenzbeziehungen subsumiert, die innerhalb einer Anbietergruppe und somit zwischen Vertragshändlern bzw. -werkstätten derselben Absatzorganisation auftreten. Die Automobilhersteller gewähren ihren Vertriebspartnern nur einen begrenzten Gebietsschutz, indem sie zwar untersagen, daß Gruppenmitglieder über ihre festgelegten geographischen Grenzen hinaus aktiv Nachfrager akquirieren, gleichzeitig aber auch die jeweiligen Gebietsgrößen weitgehend autonom definieren und im Bedarfsfall - dieser kann z.B. gegeben sein, wenn ein Händler permanent seine Soll-Verkaufszahlen im Neuwagengeschäft unterschreitet variieren. Auf diese Weise implementieren sie eine systemimmanente Wettbewerbssi-

50) Vg!. Deutsche Automobil Treuhand (Hrsg.) (1988b), S. 2. 51) Vg!. Deutsche Automobil Treuhand (Hrsg.) (1988b), S. 2. 52) Vg!. Schmidt, Ingo (1981), S. 36 ff. 53) Vg!. Deutsche Automobil Treuhand (Hrsg.) (l988b), S. 2. 54) Vg!. auch Niederleithinger, Ernst (1985), S. 137 ff., dessen vorsichtige Beurteilung zum gleichen Ergebnis gelangt. 55) Synonym wird der Begriff Intrabrand-Wettbewerb verwendet, vg!. Meier, Christian J. (1979 I), S. 260 f.

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III. Der Kundendienst im AUlOmobilbereich

tuation, die zu einem intensiven Intragruppenwettbewerb flihrt. 58 So hat eine Befragung von V.A.G-Partnern der Volkswagenwerk AG im Vertriebszentrum Unna gezeigt, daß sowohl Händler als auch Werkstätten ihre Hauptkonkurrenten generell in den Mitgliedern der eigenen Absatzorganisation sehen. 57 Diese Einschätzung trifft flir das Neuwagen-, das Teile und das Werkstattgeschäft gleichermaßen zu. Als Konsequenz ergeben sich wichtige Schlußfolgerungen flir die Gestaltung der Kundendienstpolitik, weil hier ein Interessenkonflikt dergestalt vorliegt, daß dem Hersteller an einem homogenen Sekundärdienstleistungsniveau innerhalb der gesamten Gruppe gelegen ist, wohingegen der einzelne Partner gerade durch die Profilierung im Kundendienst eine Differenzierung von anderen Mitgliedern der Absatzorganisation anstrebt, denn nur in diesem Bereich verfligt er liber die flir solche Marketing-Aktivitäten notwendigen Freiheitsgrade. Letztlich ist es aber auch flir den Hersteller vorteilhaft, das aus der größeren Marktnähe resultierende Innovationspotential seiner Absatzmittler zu fördern, anstatt durch eine strikte Standardisierung der Kundendienstpolitik die Entwicklung von Ideen flir neue, mit dem sonstigen Sortiment kompatiblen Sekundllrdienstleistungen zu hemmen. Die kundendienstpolitischen Aufgaben des Herstellers beinhalten demnach vornehmlich die Sicherung und Weitergabe des von der Gruppe erworbenen Know how; darliber hinaus soll der Produzent Impulse flir neue Sekundärdienstleistungen geben, ohne jedoch den Raum flir differenzierende Modifikationen seitens des Händlers oder der Werkstatt zu beschneiden. Eine nachfrageorientiert arbeitende, leistungsstarke Absatzorganisation ist nur dann aufzubauen, wenn dem einzelnen Mitglied die Möglichkeit zur - begrenzten - Individualisierung und zum Erwerb temporärer Wettbewerbsvorteile gegeben wird, selbst falls als Konsequenz die gruppenweite Umsetzung eines erfolgversprechenden Leistungsangebots verhindert und die Realisierung eines homogenen Qualitätsstandards in der Kundendienstpolitik der Automobilgruppe erschwert wird. Als Pendant des gewollten Intragruppenwettbewerbs ist eine bedingte Eigenverantwortlichkeit der Vertragshändler bzw. -werkstätten bei der Ausgestaltung ihrer Sekundärdienstleistungsangebote unverzichtbar. 58

S6) Vgl. auch Kattge, Rolf (1986), S. 36S. S7) Eigene Erhebung, Herbst 1985. S8) Nicht in die kundendienstpolitische Eigenverantwortlichkeit der Absatzmittler

fallen jedoch z.B. Entscheidungen zur Abwicklung von Gewährleistungsarbeiten oder zur bewußten Minderung der Leistungsqualität.

A. Struktur des AUlOmobilgeschäftes in der BRD

93

2. Die Erfolgspotentiale im Automobilgeschäfl a. Die Primärleistungen (1) Das Neuwagengeschäft Der Absatz von Neuwagen, also von solchen Fahrzeugen, die erstmals zum Straßenverkehr zugelassen werden, bildet die Basis des Automobilgeschlftes, denn er ist die notwendige Voraussetzung rur die Erzielung von Erlösen aus dem Angebot von Gebrauchtwagen, Teilen, Kundendienstleistungen oder Sekundlrrechtsgütern. Als Primirleistung steht der Neuwagen demnach im Mittelpunkt unterschiedlicher Verbundbeziehungen. Für den Hersteller, die Großhandelsebene und die Vertragshindier, nicht aber die Vertragswerkstltten ist das Neuwagengeschlft der Haupterlöstrlger und erwirtschaftet darüber hinaus die höchsten kumulierten Deckungsbeitrlge. 611 Allerdings erzielen Vertragshändler beim Absatz von Neuwagen eine im Vergleich zu anderen Geschäftsbereichen deutlich geringere Umsatzrentabilität. 60 Somit ist das Neuwagengeschlft selbst insbesondere ftir den Hersteller lukrativ. Entsprechend gestalten sich auch die jeweiligen Möglichkeiten zur Einflußnahme auf das Marketing. Die Rolle des Handels ist darauf begrenzt, Anregungen zur Weiterentwicklung der Primlrleistung aus dem Markt aufzunehmen, aufzubereiten und an den Produzenten weiterzugeben. Ansonsten verbleibt den Vertragspartnern nur eine indirekte Form des Einwirkens auf das Neuwagengeschlft über den Kundendienst. Verantwortlich ftir die technische, funktionelle und ästhetische Konzeption des Automobils und folglich rur die Auswahl der anzusprechenden Zielgruppen sowie die Definition der Konkurrenzbeziehungen, d.h. letztlich für die gesamte Ausrichtung im Intergruppenwettbewerb ist allein der Hersteller. Das Entwicklungspotential des Neuwagenmarktes in der Bundesrepublik Deutschland ist differenziert zu beurteilen. In den Jahren 1986 und 1987 konnten jeweils Rekordabsatzzahlen rur Personen- und Kombinationskraftwagen realisiert werden61, aber diese Absatzsteigerungsraten sind zukünftig nicht mehr erzielbar. 62 Zwar ist kurzfristig eine Stabilisierung auf hohem Niveau möglich, langfristig muß jedoch mit einem deutlichen Rückgang der Neuzulassungen gerechnet werden." Insofern ist eine Wett59) Diese Ergebnisse gehen bzgl. der Einzelhandelsebene auf eine eigene Untersuchung bei V.A.G-Partnern der Volkswagenwerk AG im Vertriebszentrum Unna, Herbst 1985 zurück. 60) Vgl. auch Ahm Autohandel Marketing (Hrsg.) (1985), Anhang o. S. 61) Vgl. o. V. (1988d), S. 14. 62) Vgl. Kornhardt, Ullrich (1986), S. 260 ff. 63) Vgl. dazu ausführlich Deutsche Shell AG (Hrsg.) (1987), S. 10 f., S. 14, S. 24 ff. und S. 28.

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III. Der Kundendienst im Automobilbereich

bewerbsverschärfung zu erwarten. Die Chancen innerhalb des Neuwagengeschlftes verlagern sich mithin verstärkt vom quantitativen zum qualitativen Wachstum.64 So hat vor allem ein verändertes Anspruchsniveau der Nachfrager, das in einer Präferierung besser ausgestatteter Fahrzeuge größerer Hubraumklassen seinen Niederschlag gefunden hat, dazu geführt, daß der durchschnittliche Neuwagenpreis 1986 auf 23.600 DM angestiegen ist und damit seit 1981 kumuliert eine Steigerung von 40 v.H. erfahren hat. Eingedenk der vielfältigen Möglichkeiten, neue technologische Erkenntnisse in Zusatznutzen stiftende Produktkomponenten umzusetzenI", ist mittelfristig mit einer Bestätigung dieses Trends zu rechnen. Allerdings dürfen die Chancen des qualitativen Wachstums nicht überschltzt werden, da die Einsetzbarkeit einer solchen MarketingStrategie vom permanent verfügbaren Einkommen der jeweils anzusprechenden Nachfragesegmente limitiert wird. e6

(2) Das Gebrauchtwagengeschäft Ein weiteres Erfolgspotential der Automobilgruppen liegt im Handel mit Fahrzeugen, die zum wiederholten Male für den Straßenverkehr zugelassen werden sollen. Flir die Absatzorganisation der Produzenten stellen Gebrauchtwagen genau wie Neuwagen Primllrleistungen dar, die nicht nur mit Sekundllrsach- und -dienstleistungen, sondern auch mit Sekundärrechten verbunden sind.67 Das Gebrauchtwagengeschäft wird sowohl auf der Beschaffungs- als auch auf der Absatzseite von den Vertragshllndlern oder den Niederlassungen disponiert. Diese stehen dabei in einem engen Wettbewerbsverhlltnis zum reinen Gebrauchtwagenhandel einerseits und zum Handel zwischen Privatpersonen andererseits. Unabhlngig von der Wahl des Indikators - Anzahl der Besitzumschreibungen oder Umsatz im Gebrauchtwagenverkauf - erweist sich der Handel zwischen Privatpersonen als die dominante Angebotsform auf dem Gebrauchtwagenmarkt (vgl. Abb. 10).

64) Vgl. u.a. Commerzbank (Hrsg.) (1986), S. 7; Hahn, Carl Horst (1986), S. 42 f.; o. V. (l987b), S. 12. 65) Vgl. Deutsche Automobil Treuhand (Hrsg.) (l987a), S. 38 f.; Kornhardt, Ullrich (1986), S. 265 ff.; vgl. auch die Preisprognosen bis zum Jahr 2000 bei Berg, Hartmut (1986), S. 199 f. 66) Vgl. Hess, Josef/Schlfer, Waldemar (1987), S. 18; zur Realisierung eines qualitativen Wachstums im Automobilgeschlft vgl. Müller, Wolfgang (l987a), S. 86 ff. 67) Zur Garantiepolitik bei Gebrauchtwagen vgl. Brachat, Hannes (1984), S. B6; Kornhardt, Ullrich (1984), S. 26; Mobil Oil AG (Hrsg) (l980b), S. 71.

95

A. Struktur des Automobilgeschäftes in der BRD

~ form

Indikator

Besitzumschreibungen - absolut - relativ Umsatz - absolut - relativ

Einzelhandel der Automobilindustrie

reiner Gebrauchtwagen handel

Privathandel

~

2,1 Mio. 33,9 %

0,7 Mio. 11,3 %

3,4 Mio. 54,8 %

6,2 Mio. 100 %

22,7 Mrd.DM 42,8 %

5,1 Mrd.DM 9,6 %

25,3 Mrd. DM 47,6 %

53,1 Mrd.DM 100 %

Abb. 10 : Aufteilung des Gebrauchtwagenmarktes nach Angebotsformen für das Jahr 1986111 Aus der Gegenüberstellung dieser Ergebnisse wird deutlich, daß die Automobilgruppen vor allem hOherpreisige Gebrauchtwagen absetzen. slI Eine differenzierte Betrachtung nach den Charakteristika Alter der Fahrzeuge und Anzahl der Vorbesitzer70 offenbart zuslUzlich, daß die Position der Vertragshlndler und Werksniederlassungen besonders beim Verkauf llterer Automobile schwach ist. Aus diesem Grund können die Bedürfnisse von Erst- und Zusatzklufern, die weitgehend preisorientiert entscheiden, nur sehr bedingt erfiUlt werden. 71 Gerade im Wettbewerb um die Erschließung solcher preissensiblen Marktsegmente" stellen die gOitigen Mehrwertsteuerbestimmungen für den ·institutionellen Handel ein gravierendes Hindernis dar, denn im Unterschied zur Situation im Privathandel muß der Nachfrager hier auch die Mehrwertsteuer auf den Preis des Gebrauchtwagens oder - im Agenturfall - auf die Provision des Absatzmittlers entrichten. 72 Nicht zuletzt diese Benachteiligung hat dazu geführt, daß die Handelsstufe der Automobilgruppen im Gebrauchtwagengeschlft hlufig nur geringe Deckungsbeitrlge erwirtschaftet und als Konsequenz die Nutzung dieses Erfolgspotentials vernachlissigt. 7S

68) Zu den Zahlenangaben vgl. Deutsche Automobil Treuhand (Hrsg.) (1987a), S. 5 f. 69) Vgl. auch Deutsche Automobil Treuhand (Hrsg.) (1987a), S. 9 ff. 70) Zur Bedeutung dieser Kriterien für das Gebrauchtwagengeschlft vgl. Kater, Wolfgang (1973), S. 107 ff. 71) Vgl. Deutsche Automobil Treuhand (Hrsg.) (1987a), S. 7 f., S. 11, S. 14 und S. 26 f. 72) Vgl. u.a. Arbeiter, Friedrich (1985), S. 31; KU\glich, Rolf (1985), S. 77; Komhardt, Ullrich (1984), S. 110.

96

III. Der Kundendienst im Automobilbereich

Eine Reihe von Gründen spricht jedoch dafür, diese Einstellung zu revidieren und eine Intensivierung des Gebrauchtwagengeschlftes zu betreiben. Zum einen besitzen die Automobilgruppen traditionelle Stärken bei der Vermarktung gebrauchter Automobile, die z.B. in der Sortimentspolitik, der Beratung und Betreuung oder auch im Zustand der angebotenen Fahrzeuge liegen. T4 Zum anderen eröffnen Erfahrungen mit dem Einsatz elektronischer Informationssysteme oder dem Privatleasing gerade für AbsatzmittIer einer Anbietergruppe neue Chancen im Gebrauchtwagengeschäft. So kann im Rahmen einer gruppeninternen Kooperation das aktuelle Fahrzeugangebot der teilnehmenden Partner mit Hilfe dieser Informationssysteme erfaßt und nach bestimmten Suchkriterien geordnet dem Nachfrager via Bildschirm dargeboten werden. 75 fließen hingegen im Leasingverfahren abgesetzte Neuwagen nach Ablauf des Vertrages an den Händler zurück, dann ist damit gleichzeitig eine strukturelle Verbesserung des Gebrauchtwagenangebotes verbunden, weil eine bestimmte Betreuung solcher Fahrzeuge verpflichtend ist und regelmäßig innerhalb der jeweiligen Automobilgruppe erfolgt. Te Vor allem aber ist der Gebrauchtwagenmarkt ein dynamischer Wachstumsmarkt, und zwar sowohl qualitativ als auch quantitativ"; denn zum einen stimuliert das qualitative Wachstum beim Neuwagenabsatz das Gebrauchtwagengesch!ft erst mit einer zeitlichen Verzögerung und zum anderen kann ein geändertes Prlferenzmuster der Nachfrager zugunsten gebrauchter Automobile festgestellt werden. Daher ist bis zum Jahre 1990 mit einer Annäherung der Umsatzvolumina von Gebraucht- und Neuwagenmarkt zu rechnen. TI Schließlich spricht jedoch hauptsächlich die deutliche Affinität des Gebrauchtwagengeschäftes zum Neuwagengeschlft für eine verstärkte Pflege dieses vernachlässigten Erfolgspotentials.

73) Diese Ergebnisse gehen auf eine eigene Untersuchung bei V.A.G-Partnern der Volkswagenwerk AG im Vertriebszentrum Unna im Herbst 1985 zurilck; vgl. auch Ahm Autohandel Marketing (Hrsg.) (1985), Anhang o. S.; Mobil Oil AG (Hrsg.) (1980a),S. 68 ff. 74) Vgl. u.a. Brachat, Hannes (1985d), S. 16; Deutsche Automobil Treuhand (Hrsg.) (1987a), S. 34 f.; o. V. (1985b), S. 1430. 75) Vgl. Brockhoff, Klaus (1985), S. 56 ff; Kornhardt, Ullrich (1984), S. 56 ff., insbesondere S. 67 ff. 76) Vgl. Kornhardt, Ullrich (1984), S. 23 f.; zur Bedeutung des Leasing als Absatzform im Automobilsektor vgl. z.B. Mehler, Ha. A./Albrecht, Norbert (1987), S. 101 ff. 77) Vgl. Deutsche Automobil Treuhand (Hrsg.) (1987a), S. 1 ff., S. 9 f. und S. 16 f. 78) Vgl. u.a. Creutzig, Jürgen (1986), S. 274; Gebhardt, Peter (1986), S. 87; Kornhardt, Ullrich (1984), S. 111.

A. Struktur des Automobilgeschäftes in der BRD

97

(3) Interdependenzen zwischen Neuwagen- und Gebrauchtwagengeschäft Zwischen Neu- und GebrauchtwagengeschAft besteht ein enger Zusammenhang. 92 v.H. der Erstklufer erwerben ein gebrauchtes Fahrzeug 711 , d.h. die erste Möglichkeit zur direkten Kontaktaufnahme mit dem potentiellen Nachfrager bietet dem Absatzmittler das Angebot adllquater Gebrauchtwagen. Wird diese Chance genutzt, kann eine frühzeitige Bindung des Nachfragers an die eigene Automobilgruppe erreicht werden. Voraussetzung hierfür ist allerdings, daß die Bedürfnisse des Kunden mit Hilfe des offerierten Leistungsbündels befriedigt werden. In diesem Fall kann beim Nachfrager eine MarkenloyalitAt aufgebaut werden, die sich idealtypisch in der Realisierung einer Beschaffungskette konkretisiert: Nach dem ersten Gebrauchtwagen werden mit steigendem permanent verfügbaren Einkommen Qualitativ bessere Gebrauchtund schließlich eventuell sogar Neuwagen erworben. so Ein derartiger zeitraumbezogener Verbund resultiert aus einem auf Risikovermeidung ausgerichteten Beschaffungsverhalten des Nachfragers. Die KomplexitAt der Entscheidungssituation wird reduziert, indem die an ein Automobil und die dazugehörigen SekundArleistungen gerichteten Erwartungen mit den eigenen Erfahrungen verglichen werden. Sind diese weitgehend deckungsgleich, dann kommt es zu einem Wiederholungskauf. 81 Ein solches Ergebnis hAngt maßgeblich von der Kundenbetreuung nach dem Fahrzeugerwerb ab, in der etwaige MAngel der PrimArleistung abgestellt werden können und der Besitzer in seiner Entscheidung bestAtigt sowie zu gegebener Zeit auf Alternativen aufmerksam gemacht werden kann. Aber obwohl das GebrauchtwagengeschAft von den VertragshAndlern und Werksniederlassungen eher nachlässig betrieben wird, kann bereits heute festgestellt werden, daß immerhin 44 v.H. aller Gebrauchtwagenklufer markentreu sind." In Anbetracht der dominanten MarktsteIlung des Privathandeis ist diese LoyalitAt vor allem auf Erfahrungen mit der Sachleistung Automobil zurückzuführen. Für den institutionellen Handel besteht die Möglichkeit, die Rate der MarkenloyalitAt mit Hilfe der Kundendienstpolitik entsprechend zu erhöhen. Dadurch erreicht nicht nur der einzelne HAndler eine Bindung des Nachfragers an sein Unternehmen, sondern die gesamte Automobilgruppe stArkt auf diese Weise ihre Position im Intergruppenwettbewerb; denn 68 v.H. der von der Absatzorganisation vertriebenen Gebrauchtwagen sind vom SystemtrAger produzierte Fahrzeuge.8S Bei markentreuem Nachfragerverhalten kommt es unter der PrAmisse, daß mit steigendem Einkommen eine PrAferenz für den 79) Diese Angabe gilt für das Jahr 1986, vgl. Deutsche Automobil Treuhand (Hrsg.) (1987a), S.ll. 80) Vgl. auch Mobil Oil AG (Hrsg.) (1980b), S. 73 f. 81) Vgl. auch Kater, Wolfgang (1973), S. 295 ff. 82) Vgl. Deutsche Automobil Treuhand (Hrsg.) (1987a), S. 27. 83) Vgl. Deutsche Automobil Treuhand (Hrsg.) (1987a), S. 8.

98

ßI.

Der Kundendienst im Automobilbereich

Erwerb von Neuwagen besteht, am Ende der individuellen Beschaffungsketten zu einem gewichtigen Impuls für das Neuwagengeschäft des Herstellers. Das Gebrauchtwagengeschäft erweist sich somit als bedeutsamer Stimulus für den Absatz von Neuwagen. Hier besteht die erste Möglichkeit, mit dem potentiellen Kunden in Kontakt zu treten und in Verbindung mit der Sekundlrleistungspolitik nachhaltige Präferenzen für das eigene Angebot zu erzeugen. Daher sollten Automobilgruppen die Struktur ihres Gebrauchtwagenprogramms im Hinblick auf die Anforderungen der Erstkäufer überprüfen und wettbewerbsflhigen Fahrzeugen der unteren Preisklassen ein stlrkeres

Ge~

wicht innerhalb ihres Sortiments einräumen. Das Angebot solcher Gebrauchtwagen stellt gleichsam eine Investition in die Zukunft dar, d.h. kurzfristige Gewinnziele werden von der Absicht dominiert, durch den Nachweis von Kompetenz das Vertrauen des Nachfragers in einer Phase zu erwerben, in der dieser aufgrund seiner Einkommenssituation die Vorteilhaftigkeit der konkurrierenden Leistungsbündel sehr kritisch prüft. Das Konstrukt der Beschaffungskette basiert auf der Prämisse, daß beim Nachfrager

eine generelle Präferenz für Neuwagen existiert, die - sobald keine Einkommensrestriktionen greifen - ehemalige Gebrauchtwagenkäufer zu. Neuwagenkäufern werden läßt. Allerdings ist dieses Einstellungsmuster nur bei bestimmten Nachfragesegmenten vorzufinden. Daneben gibt es aber auch die Entwicklung, daß ehemalige Neuwagenkäufer bei der nächsten Beschaffungsentscheidung gebrauchte Automobile bevorzugen. Seit 1982 hat diese letztgenannte Gruppe von Abwanderern sogar ein zahlenmäßiges Übergewicht erlangt (vg!. Abb. 11). Diese Stlrkung des Gebrauchtwagenmarktes ist nicht allein auf individuelle Einkommensveränderungen zurückzuführen, sondern vor allem auf die hohe Akzeptanz für gebrauchte Güter in breiten Nachfragegruppen. Gerade bei Automobilen können sich 66,2 v.H. der Nachfrager einen Gebrauchtkauf "durchaus· und nur 20,8 v.H. "sicher nicht· vorstellen." Die deutliche Ausprägung der Gebrauchtkaufakzeptanz in dieser Güterkategorie liefert ein beachtliches Indiz dafür, daß die Entscheidung im Fall der Automobilbeschaffung weitgehend von ökonomischen Überlegungen und nicht von emotionalen Einstellungen dominiert wird. Der extrem starke Wertverlust von bis zu 39 v.H. im ersten ZulassungsjahrN verringert die Attraktivität eines Neuwagens und läßt qualitativ hochwertige, relativ neue Gebrauchtwagen als eine vernünftige Alternative erscheinen. Daneben erhllt der Gebrauchtwagenmarkt einen zusätzlichen Impuls 84) Vgl. Gebhardt, Peter (1986), S. 102 ff. 8S) Diese Angabe gilt für das Modell S2Si der Bayerischen Motorenwerke AG für das Zulassungsjahr 1987, allerdings sind ähnlich hohe Wertverluste auch für andere Marken zu konstatieren; vgl. Deutsche Automobil Treuhand (Hrsg.) (1988b), S. S.

A. Struktur des Automobilgeschäftes in der BRD

99

von prestigeorientierten Nachfragegruppen, die bei gleichen Anschaffungsausgaben mit der Entscheidung für ein gebrauchtes Automobil einen Aufstieg innerhalb der Fahrzeugklassen realisieren." Auch unter diesen Aspekten zeigt sich folglich die Notwendigkeit für eine Automobilgruppe, beide MArkte für PrimArleistungen engagiert und nachhaltig zu bearbeiten.

1.000 900

800

(In Toe!. StOcII)

-r - - - - - - ....... - -zum - -_ -------, m_vom _

lB -vom_.zum Neuw_

700

600 500 400

300

200 100 O ~~~~~~~~~~~~~~~~

78

'SO

'82

'84

'86

Abb. 11: Wanderungs bewegungen zwischen Neu- und Gebrauchtwagenmarkt in der Zeit von 1978 bis 1986 (Quelle: Deutsche Automobil Treuhand (Hrsg.) (1987a), S. 2) Als Fazit kann ein interdependentes Verhältnis mit bedeutsamen Austauschbeziehungen zwischen Neuwagen- und Gebrauchtwagenmarkt festgestellt werden. Die Attraktivität der Neuwagen spiegelt sich in einer entsprechenden Nachfrage wider und determiniert auf diese Weise den Umfang des Gebrauchtwagenangebots einer bestimmten Marke. Gleichzeitig gehen vom Gebrauchtwagenmarkt wesentliche Einflüsse auf die Nachfrage nach Neuwagen aus; denn hier wird der Wiederverkaufspreis eines Automobils ermittelt. Da der Fahrer eines Neuwagens im Durchschnitt nach vier Jahren einen Fahrzeugwechsel vOllzieht87, geht der dann erlösbare Wiederverkaufswert als wichtiges Kriterium in die Beschaffungsentscheidung des Nachfragers ein. 88 Das Ge-

86) Zu diesen Ausführungen vgl. auch Kornhardt, Ullrich (1984), S. 31 ff. 87) Vgl. Deutsche Automobil Treuhand (Hrsg.) (1987a), S. 45; Panzer, Siegfried (1981), S.82. 88) Vgl. auch Bauer, Hans H. (1983), S. 24; Deutsche Automobil Treuhand (Hrsg.) (1987a), S. 43.

100

III. Der Kundendienst im Automobilbereich

brauchtwagengeschlft ist somit nicht nur eine Folge, sondern zugleich auch eine Voraussetzung des Neuwagengeschlftes.8g Einen maßgeblichen Einfluß auf den Wiederverkaufswert eines Fahrzeuges Ilbt neben der Langzeitqualität der Primärleistung Automobil das Angebot von Sekundärleistungen und hier insbesondere von Kundendienstleistungen aus; diese Faktoren bestimmen das in der jeweiligen Lebenszyklusphase vorhandene Nutzenpotential eines Kraftfahrzeuges. Die f6r die Bereiche Neu- und Gebrauchtwagengeschäft aufgezeigten Interdependenzen bestehen demnach ebenfalls zwischen Primär- und Sekundärleistungen. Auf der einen Seite determinieren Neu- und Gebrauchtwagenmarkt das Marktvolumen fllr Sekundärleistungen, auf der anderen Seite wirkt das Sekundärleistungsangebot Ilber die Beeinflussung des Wiederverkaufswertes auf den Primärleistungsabsatz ein.

b. Die Sekundärleistungen (1) Das Teilegeschäft Heute beträgt die durchschnittliche Lebensdauer eines Automobils ungefähr elf Jahre. 1IO Während dieser Zeit hat eine Anbietergruppe die Chance, mit dem Absatz von Sekundärleistungen Erlöse zu erwirtschaften und eine dauerhafte Bindung des Kunden zu verwirklichen. Der Partialbereich der Sekundärsachleistungen oder Teile umfaßt einerseits die Ersatzteile und andererseits die ZubehOrartikel. Ersatzteile substituieren defekte bzw. in ihrer Funktion beeinträchtigte Komponenten der Primärleistung mit dem Ziel, dem Nachfrager eine weitere adäquate Nutzung der Primärleistung zu ermöglichen. g1 Sie sind sowohl in neuem als auch gebrauchtem Zustand erhältlich. In der letztgenannten Rubrik unterscheidet man zusätzlich zwischen Austauschteilen, die eine Überarbeitung erfahren haben, und Gebrauchtteilen. ZubehOrartikel hingegen stehen in einer komplementären Beziehung zur Primärleistung. Sie ergänzen bzw. variieren die Grundausstattung eines Automobils und sind somit Bestandteil einer Individualisierungsstrategie, die speziellen Nachfragebedllrfnissen hinsiChtlich einer Modifikation des Fahrzeugäußeren - z.B. durch Spoiler, Sonnendächer oder Sportfelgen -, des Innenraums - z.B. durch Schalensitze oder Sportlenkräder sowie der Informations- und Sicherheitsausstattung - z.B. durch Zusatzinstrumente oder Handbücher bzw. Feuerlöscher oder Schneeketten - Rechnung trägt. 89) Vgl. Brachat, Hannes (1986), S. 330; Kornhardt, Ullrich (1986), S. 269. 90) Vgl. O.V. (1987b), S. 12; Panzer, Siegfried (1981), S. 78 f. 91) Vgl. Ihde, Gösta B./Merkel, Helmut H. (1980), S. 76.

A. Struktur des Automobilgeschäftes in der BRD

101

Die Angabe exakter Umsatzzahlen fll.r den Bereich der Sekundlrsachleistungen ist aufgrund von Erhebungs- und Abgrenzungsschwierigkeiten problematisch. Es kann aber davon ausgegangen werden, daß rund 44 Mrd. DM mit dem Absatz von Teilen umgesetzt werden!l2; extrahiert man das Erstausrll.stungsgeschllft, so verbleibt ein Marktvolumen von 18 Mrd. DM." Davon entfallen rund 4 Mrd. DM auf den Verkauf von ZubehOrartikeln; allein im Bereich des "show tuning", der optischen Fahrzeugaufbereitung, werden 0,5 Mrd. DM erwirtschaftet.~ Diese Daten sind Ausdruck der Individualisierungsbedll.rfnisse bestimmter Nachfragesegmente. Die restlichen 14 Mrd. DM stammen aus dem Absatz von Ersatzteilen einschließlich Reifen!l5, wobei sich der Großteil des Umsatzes auf sehr wenige Ersatzteilpositionen verteilt.ge Obwohl die Lebensdauer von Teilen stetig erhOht wird, ist dieser gesamte Sektor des Automobilgeschäftes noch immer ein Wachstumsmarkt; denn einerseits dehnt sich der Fahrzeugbestand in der Bundesrepublik Deutschland weiterhin aus und andererseits eröffnet das Streben nach Individualität auch zukll.nftig gerade fIl.r die Vermarktung von ZubehOrartikeln gute Perspektiven.!l7 Ca. 40 v.H. der gesamten Teile eines Automobils sind captive parts, d.h. sie werden von den Fahrzeugherstellern produziert. Bei diesen Eigenkonstruktionsteilen halten die Anbietergruppen in der Regel eine monopolistische Position inne, weil aus wirtschaftlichen Überlegungen ein konkurrierendes Engagement fll.r unabhängige Teileproduzenten wenig lukrativ erscheint; denn von den Automobilproduzenten selbst werden vor allem die Teile gefertigt, die die Lebensdauer des gesamten Fahrzeuges determinieren und entsprechend selten ausgetauscht werden m\l.ssen.!II Diese Situation spiegelt sich im unterproportionalen Anteil der captive parts am Teileumsatz wider.!j!j Bei den übrigen Teilen treten auf der Großhandelsstufe vor allem der Fachgroßhandel und die Vertriebsorgane der unabhängigen Teileproduzenten, auf der Einzelhandelsebene hingegen die unabhlngigen Betriebe des Kraftfahrzeughandwerks, der Teilefachhandel, 92) Vgl. o.V. (1987a), S. 18; Vetter, Herbert W. (1985), S. 17. 93) Vgl. MeyerhOfer, Walter/Wolk, Helmut (1985), S. 15; o.V. (1987e), S. 17. 94) Vgl. Axel Springer Verlag AG (Hrsg.) (1987), S. 65. 95) Vgl. MeyerhOfer, Walter/Wolk, Helmut (1985), S. 15. 96) Nach Angaben der Daimler-Benz AG werden mit 13 v.H. der Ersatzteilpositionen 95 v.H. des Ersatzteilumsatzes erzielt; ähnliche Ergebnisse gelten fll.r die Il.brigen Automobilgruppen, vgl. JOrges, Christian/Hiller, Eugen/Holzschek, Knut/ Micklitz, Hans-W. (1985), S. 33 f. 97) Vgl. Axel Springer Verlag AG (Hrsg.) (1987), S. 23 und S. 65; Berg, Hartmut (1986), S. 201 f.; o.V. (1987a), S. 18. 98) Vgl. Ihde, GOsta B./Merkel, Helmut H. (1980), S. 77; JOrges, Christian/ Hiller, Eugen/Holzschek, KnutjMicklitz, Hans-W. (1985), S. 31 ff.; o.V. (1987a), S. 18. 99) Zu Werksabgabepreisen beträgt dieser Anteil der captive parts 13,2 v.H., vgl. MeyerhOfer, Walter/Wolk, Helmut (1985), S. 16 und S. 18.

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III. Der Kundendienst im Automobilbereich

aber auch Verbrauchermllrkte und Tankstellen als bedeutsame Wettbewerber in Erscheinung. Angesichts eines Marktanteils von 52 v.H. auf der Einzelhandelsstufe kann den Automobilgruppen generell eine starke Stellung im Teilegeschlft konzediert werdenYIO Dieses gilt jedoch nicht für jeden Bereich: Im Reifenmarkt wird z.B. lediglich ein Anteil von 17 v.H. und beim Absatz von Zubehörartikeln insgesamt ebenfalls nur von 25 v.H. realisiert. IOI Das Erfolgspotential Teilegeschlft ist sowohl für den Fahrzeugproduzenten als auch den angeschlossenen Handel ein wichtiger Erlöstrtger. Für den Hersteller erscheint es aber besonders attraktiv, da er sich zum einen im Bereich der captive parts in der Position eines Monopolisten befindet; zum anderen kann er aufgrund seiner Nachfragemacht gegenüber Zulieferern, die auch in das Erstausrüstungsgeschlft involviert sind, günstige Konditionen beim Bezug der Teile, die er als Original-Teile markiert über seine Vertriebsorganisation anbietet, durchsetzen. Obwohl der Hersteller diese Vorteile nur bedingt an seine Absatzmittler weitergibt, erwirtschaften auch diese im Teilebereich eine hOhere Umsatzrentabilitlt als mit dem Absatz der Primllrleistungen. 102 Deshalb ist die gesamte Automobilgruppe an einer Intensivierung des Teilegeschlftes interessiert. Bedenklich ist allerdings, wenn zu diesem Zweck die Rabattpolitik als Stimulus Verwendung findet und im Ergebnis der von gruppenexternen Werkstätten oder privaten, den Einbau selbst durchführenden Nachfragern zu entrichtende Teilepreis unterhalb des für die eigene Kundendienstabteilung gültigen internen Verrechnungspreises liegt. Eine solche aufgrund der bei Vertragshllndlern üblichen organisatorischen Trennung von Teileverkauf und Werkstatt durchaus realistische Situation kann kurzfristig zu einer Umsatzausweitung führen; gleichzeitig wird aber eine Verschlechterung der Wettbewerbsfähigkeit im Bereich der primllrleistungsorientierten Sekundlrdienstleistungen in Kauf genommen, die langfristig zu einer Gefllhrdung des Primlrleistungsabsatzes und damit letztlich auch zu einer Beeintrlchtigung des Teilegeschlftes führen kann. Die Chancen, mit dem Angebot von Sekundllrleistungen eine Bindung des Nachfragers an die eigene Automobilgruppe zu erzielen, steigen hingegen, wenn ein Ersatzteil oder ZubehOrartikel als integraler Bestandteil einer Kundendienstleistung verlußert wird. In diesem Fall hat die Anbietergruppe größere Möglichkeiten zum Nachweis von Kompetenz und somit zum Aufbau des für ein markentreues Verhalten der Nachfrager notwendigen Vertrauensverhältnisses.

100) Vgl. MeyerhOfer, Walter/Wolk, Helmut (1985), S. 16 ff. 101) Vgl. Brachat, Hannes (1985h), S. 14; eine interne Studie der Volkswagenwerk AG ermittelt einen eigenen Marktanteil bei ZubehOrartikeln von 16 v.H. für das Jahr 1981. 102) Vgl. Ahm Autohandel Marketing (Hrsg.) (1985), Anhang o. S.

A. Struktur des Automobilgeschäftes in der ßRD

103

Die Haupterfolgsfaktoren im Teilegeschäft sind auf der einen Seite der Preis und auf der anderen Seite die Qualität der offerierten Leistung. WAhrend die Wettbewerbsfllhigkeit der Automobilgruppen auf der Preisebene dadurch gefAhrdet wird, daß auch weniger gilngige Teile sowie Ersatzteile für ausgelaufene Modellreihen vorrlltig zu halten sind lOl1 , kOnnen diese Anbieter aufgrund ihrer Hersteller-Hlndler-Kooperation nachhaltige Wettbewerbsvorteile bei den Qualitätsdimensionen Paßgenauigkeit und VerfQgbarkeit der Teile sowie Beratung beim Kauf gewinnen, die von der Konkurrenz nur unter erheblichen Schwierigkeiten aufzuholen sind. lM Die Chancen der Automobilgruppen liegen beim Absatz von Teilen in der Ausweitung dieser StArken bis hin zu einer Überführung des Sekundllrsachleistungsgeschäftes in ein Sekundllrdienstleistungsgeschllft.

(2) Das Sekundärrechtsgeschäft Eine wichtige Komponente des Automobilgeschäftes stellt das Angebot eines Systems von aufeinander abgestimmten Sekundllrrechten dar. Garantiezusagen nehmen hierbei eine herausragende Position ein. Am Beispiel der Fordwerke AG wird die enge Verzahnung zwischen den einzelnen Garantieleistungen deutlich. 105 Mit dem Erwerb eines Neuwagens ist eine Fahrzeug-Garantie verbunden, die eine unentgeltliChe Behebung von KorrosionsschIlden an der Karosserie für sechs Jahre und von mechanischen Mllngeln am Kraftfahrzeug fQr ein Jahr zusagt. Durch den Kauf des Ford GarantieSchutzbriefes kann der Nachfrager die Zusagen der Fahrzeug-Garantie hinsichtlich der Beseitigung mechanischer Mingel auf das zweite und dritte Jahr nach dem Erwerb des Automobils ausdehnen. Beide Sekundllrrechte sind für den Kunden an die Verpflichtung gekoppelt, Wartungs- und Inspektionsarbeiten bei einem Vertreter der FordGruppe durchführen zu lassen. Diese Bindung eines Nachfragers über einen Zeitraum, der nahezu deckungsgleich mit der durchschnittlich für Neuwagen gültigen Haltedauer ist, soll den Aufbau von Markentreue ermOglichen. Zielen solche Garantiezusagen eindeutig auf die Befriedigung von Bedürfnissen der Neuwagenkllufer, so ist die Langzeit-Reparatur-Garantie primllr auf eine Stimulierung des Werkstattgeschäftes ausgerichtet, da dem Kunden - unentgeltlich - zugesichert wird, daß er die von einem Betrieb der Ford-Gruppe erbrachten mechanischen Reparaturleistungen im Wiederho103) Vgl. dazu erneut die Aufteilung der Ersatzteilpositionen nach ihrer Umschlagshllufigkeit für Automobilgruppen bei JOrges, Christian/Hiller, Eugen/ Holzschek, Knut/Micklitz, Hans-W. (198S), S. 33; konkurrierende Teileanbieter kOnnen auf die Positionen mit geringer Umschlagshllufigkeit weitgehend verzichten. 104) Vgl. auch Ihde, GOsta B./Merkel, Helmut H. (1980), S. 76. lOS) Diese Ausführungen gehen auf interne Unterlagen der Fordwerke AG zurück.

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III. Der Kundendienst im Automobilbereich

lungsfall nicht erneut zu bezahlen hat. Gleichzeitig werden Prlferenzen fUr Automobile und Teile der Fordwerke AG geschaffen, da die Langzeit-Reparatur-Garantie nur in Verbindung mit diesen Sachleistungen zugestanden wird. Ausgeschlossen von diesen Garantiezusagen sind jedoch Verschleiß-, Wartungs-, Karosserie- und Lackarbeiten. Als Abrundung gewAhrt die Fordwerke AG eine einjlhrige Werksgarantie auf markierte Teile der Anbietergruppe. Mit diesen Sekundlrrechten erwirbt der Nachfrager einen direkten Leistungsanspruch gegenUber der Automobilgruppe. Daneben wird ihm hAufig die Möglichkeit vermittelt, PrimArleistungs- und Reparaturrisiken auf selbstindige Unternehmen der Versicherungsbranche zu Ubertragen. 1oe Eine weitere Variante von SekundArrechtsgeschlften zwischen der Automobilgruppe und dem Nachfrager liegt in der Form von Wartungs- und Reparaturvertrlgen vor, die den Kunden gegen ein vorab fixiertes Entgelt fnr einen festgelegten Zeitraum von der Verpflichtung befreien, bestimmte anfallende SekundArdienstieistungen separat zu bezahlen. FUr beide Seiten wird so die Kalkulationssicherheit erhöht. Schließlich wird das System der Sekundlrrechte durch das Quasi-Recht der Kulanz um eine flexible Komponente ergAnzt. Im Sekundlrrechtsgeschlft hat die direkte Erzielung von Erlösen nur einen untergeordneten Stellenwert inne. Der hier zu erwirtschaftende Umsatz ist im Vergleich zu den Möglichkeiten, die in den Ubrigen Erfolgspotentialen realisiert werden können, gering. Entsprechend wichtiger ist die Funktion der Sekundlrrechte als Stimulus fnr das PrimArieistungs-, das Teile- und das Kundendienstgeschlft. GroßzUgige Garantiezusagen sollen die Quaiitit der angebotenen Automobile und Teile verdeutlichen und so einen Vorteil im Intergruppenwettbewerb begrUnden. Gleichzeitig erhAlt das Kundendienstgeschlft einen Impuls, da der Nachfrager seine AnsprQche gegenUber dem Anbieter nur aufrecht erhalten kann, wenn er bestimmte prirnlrleistungsorientierte Sekundlrdienstieistungen bei Absatzmittlern des Herstellers durchfUhren lAßt. Auf diese Weise - ebenso wirkt der Abschluß von Wartungs- und Reparaturvertrlgen - entzieht sich die Automobilgruppe vor allem im Bereich der wettbewerbsgeflhrdeten Kundendienstleistungen der Konkurrenz freier Dienstieistungsanbieter. Die SekundArrechte im Automobilgeschlft sind fUr den Nachfrager hAufig mit der Verpflichtung zur Abnahme bestimmter Werkstattleistungen gekoppelt. Insofern erhOhen sie nicht nur die Absatzchancen der sonstigen Primlr- und Sekundlrleistungen, sondern begrUnden darüber hinaus für eine gewisse Zeit die zum Aufbau einer Stammkundschaft unverzichtbaren Kontakte zwischen der Automobilgruppe und dem Nachfrager. 106) Zum Problem der Abgrenzung von Garantiezusagen und Versicherungen vgl. o. V. (1985e), S. 152.

A. Struktur des AUlOmobilgeschäftes in der BRD

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(3) Das Kundendienstgeschäft Das Kundendienstgesch1ft schließlich ist die Domlne der Absatzmittler. In diesem

Bereich sind die Automobilproduzenten in ihren MOglichkeiten zur Einflußnahme darauf begrenzt, Sekundlrdienstleistungskonzepte zu eruieren, eventuell in Werksniederlassungen zu erproben und ihren Partnern zu prIsentieren sowie durch Schulungen ein annAhernd homogenes Kundendienstniveau innerhalb ihrer gesamten VertriebsorBanisation zu realisieren. Letztlich entscheiden jedoch die Vertragshlndler und -werkstAtten, inwiefern sie solche Impulse aufnehmen und umsetzen. Für die Absatzmittler ist das KundendienstgeschAft ein wichtiger EriOstrAger. VertragswerkstAtten erzielen den überragenden Anteil ihrer UmsAtze mit dem Verkauf von Wartungs- und Reparaturieistungen l07 , aber auch für Vertragshlndler ist der Werkstattbereich sehr lukrativ, da hier die vergleichsweise hOchste UmsatzrentabilitAt erwirtschaftet wird. lot Allerdings treffen diese Aussagen nicht generell für Kundendienstleistungen zu, sondern beschrAnken sich weitgehend auf den Bereich der primIrleistungsorientierten Sekundlrdienstleistungen. Daneben gibt es eine Reihe von vor allem subjektorientierten Sekundlrdienstleistungen, die ohne ein direktes Entgelt erbracht werden. Als Hauptziel ist demnach auch für das KundendienstgeschAft die dauerhafte Bindung eines Nachfragers an die jeweilige Automobilgruppe und somit die Schaffung eines Akquisitionspotentials, das besonders dem Primlrleistungsabsatz zugute kommen soll, anzusehen. 108 In diesem Zusammenhang beinhaltet die Konstruktion des Vertriebspartnertyps Vertragswerkstatt ein gewisses Konfliktpotential. Eine Vertragswerkstatt partizipiert nur in ihrer Funktion als Vermittler direkt am Neuwagengesch1ft, ansonsten wirkt sich der Absatz neuer Automobile erst langfristig auf die Marktchancen ihres Leistungsangebotes aus. Insofern besteht die Gefahr, daß die FOrderung des PrimArleistungsabsatzes - z.B. durch das frühzeitige Aufzeigen von Alternativen zum Fahrzeug des Nachfragers - zugunsten eines verstlrkten Verkaufs von primlrleistungsorientierten Sekundlrdienstleistungen vernachUlssigt wird. Eine Prognose der Entwicklungen im Kundendienstgesch1ft ist sehr problematisch. Das gilt in erster Linie für den aufgrund seiner ErlOswirksamkeit besonders beachteten Teilbereich der Werkstattleistungen, den eine Vielzahl von Faktoren in z.T. gegenlAu-

107) Vgl. Kornhardt, Ullrich (1986), S. 275 ff. 108) Das hat eine eigene Untersuchung bei V.A.G.-Partnern der Volkswagenwerk AG im Vertriebszentrum Unna, Herbst 1985 ergeben; vgl. auch AHM Autohandel Marketing (Hrsg.) (1985), Anhang o.S. 109) Vgl. z.B. Brachat, Hannes (1985e), S. 34.

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III. Der Kundendienst im Automobilbereich

figer Weise beeinflußt. uo So haben die Anstrengungen der Automobilindustrie bewirkt, daß neue Fahrzeuggenerationen ein geringeres Wartungs- und Reparaturpotential je Neuwagen darstellen, gleichzeitig erfährt dieser Effekt aber durch die Ausweitung des Fahrzeugbestandes eine Kompensation. Eine generell pessimistische Einschltzung der Marktchancen für primärleistungsorientierte Sekundlrdienstleistungen ist daher nicht angebracht. IU Zumindest in der kurzen Frist dominieren die stimulierenden Impulse sogar; immerhin ist der Markt für Wartungs- und Reparaturleistungen im Jahre 1986 gegenüber dem Vorjahr nach der Zahl der Vorkommnisse, d.h. der durchgeführten Arbeiten um 5,9 v.H. gewachsenY2 Darüber hinaus darf jedoch das potentielle Angebot an primlrleistungsorientierten Sekundlrdienstleistungen nicht als unveränderbare Konstante gesehen werden, sondern es ist vielmehr stindig nach Möglichkeiten zu suchen, neue Leistungen zu schaffen und der Nachfrage zu offerieren. Gerade der Bereich Ökologie definiert Anforderungen an das Automobil, die durchaus Chancen für das Kundendienstgesch1ft beinhalten. So hat bereits die vorgeschriebene Abgassonderuntersuchung zu einer Erhöhung des Wartungs- und Reparaturpotentials je Fahrzeug geführt. Aber auch die verstärkte Integration elektronischer Bauteile in das Automobil eröffnet die Möglichkeit, das Spektrum der primlrleistungsorientierten Sekundlrdienstleistungen um innovative Leistungsangebote zu erweitern. Zum Kundendienstgesch1ft zAhlen jedoch ebenfalls die subjektorientierten SekundIrdienstleistungen. Die spezielle Situation in der Automobilbranche mit einem sich verschlrfenden Wettbewerb u3 und der grundsltzliche Trend zu einer vermehrten Dienstleistungsnachfrage gerade in Verbindung mit Sachleistungen Ilßt für die Zukunft eine Angebotsausweitung bei diesen Leistungstypen erwarten. Insgesamt kann daher ein wachsendes Kundendienstgesch1ft prognostiziert werden.

3. Das Zielsystem in der Automobilindustrie Die Vermarktung von Automobilen ist eine sehr komplexe Aufgabe, da zum einen die Interessen von in der Kooperationsform einer Anbietergruppe gemeinsam agierenden Partnern aus drei verschiedenen Distributionsstufen zu einem Ausgleich gebracht werden müssen und zum anderen die unterschiedlichen Erfolgspotentiale so aufeinander 110) Vgl. Berg, Hartmut (1986), S. 202 f. 111) Im einzelnen vgl. Kapitel III. C. 3. b. (I) und (2); diese pessimistische Ansicht vertritt z.B. Haack, Ernst (1986), S. 348 ff. 112) Vgl. Deutsche Automobil Treuhand (Hrsg.) (l987b), S. 30 ff. 113) Vgl. die Ausführungen in Kapitel III. B. 3. c..

A. Strulctur des Automobilgeschäftes in der BRD

107

abzustimmen sind, daß ein größtmögliches Maß an Synergieeffekten realisiert werden kann. Langfristig können die einzelnen Partner nur so erfolgreich sein wie die Automobilgruppe insgesamt, d.h. die auf den jeweiligen Distributionsebenen erzielten Ergebnisse stehen in einem stark interdependenten Verhältnis zueinander. Diese Struktur des Automobilgeschäftes spiegelt sich im Zielsystem einer Anbietergruppe wider (vgl. Abb. 12). Die Marketing-Aktivitäten einer Automobilgruppe werden durch die Vorgabe von ökonomischen und psychographischen Zielen gesteuert. Dabei repräsentiert das Konstrukt Erfolg, das eine Konkretisierung in absoluten Größen wie Gewinn oder Dekkungsbeitrag, aber genauso in relativen Größen wie Marktanteil oder return on investment erfahren kann, die ökonomische Zieldimension. Auch Vorgaben fOr die Intragruppenbeziehungen wie z.B. den Informationsaustausch können hier subsumiert werden. Auf der psychographischen Ebene werden Imageziele definiert. Sie sind Ausdruck der einem Anbieter von der Nachfrage zuerkannten Kompetenz und bedingen somit den Markterfolg. Konsumtive und investive Nachfrager bewerten eigene und fremde Erfahrungen mit dem Sekundärdienstleistungsgeschäft eines Absatzmittlers. Auf diese Weise wird das Kundendienstimage des Betriebes, die maßgebliche Determinante des Unternehmensimage, geprägt. Das realisierte Unternehmensimage ist entscheidend fOr den Kundendienst-, den Sachleistungs- sowie den Sekundärrechte-Erfolg und somit letztlich ror den Unternehmenserfolg. 114 In analoger Weise beeinflussen das Sachleistungs- und das Sekundärrechte-Image den Unternehmenserfolg eines AbsatzmittlersY& Image und Erfolg der Großhändler in einer Automobilgruppe werden dann zum einen durch die gewichtete Summe der Imagewerte ihrer ihnen zugeordneten Absatzmittler und zum anderen durch die vom jeweiligen Großhändler selbst durchgefOhrten akquisitorischen Maßnahmen bestimmt. Das Image des Herstellers schließlich hängt nicht nur von seinem Sachleistungsangebot und weiteren Marketing-Aktivitäten z.B. in den Bereichen Umweltschutz, Motorsport oder Wissenschaftsförderung ab, sondern darOber hinaus von der Qualität seiner Vertriebsorganisation. Insofern fließt die gewichtete Summe der von allen Großhändlern erreichten Imagewerte - die die gewichtete Summe sämtlicher Imagewerte der Absatzmittler auf der Einzelhandelsebene umfaßt - in das Bild ein, das die Nachfrager vom Automobilproduzenten haben. Der Imagebeitrag der Ver

114) Vgl. u.a. Clausen, Claus (1981), S. 6; Leu, Ernst (1986), S. 35; Spengler, Erich (1987), S. 223 f. 115) Zur Rolle des Produkt- und Unternehmensimage im Automobilgeschäft vgl. auch Jung, Hans (1980), S. 73 ff. und S. 80 ff.

III. Der Kundendienst im AUlOmobilbereich

108

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Abb. 12 : Das Zielsystem einer Automobilgruppe

B. Stellenwen der Kundendienstpolitik für das Automobilgeschäft

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triebsorganisation ist somit auch ursAchlich für den ökonomischen Erfolg des Herstellers. Die Beachtung dieser Zielinterdependenzen erhöht die Profilierungschancen einer Automobilgruppe im Intergruppenwettbewerb. Einerseits ist der Erfolg des Herstellers von der Leistungsfähigkeit seiner Vertriebsorganisation abhlngig, andererseits jedoch wirkt der Produzent auf das ökonomische Ergebnis des einzelnen Absatzmittlers ein, indem er das Sachleistungs- und SekundArrechte-Image weitgehend prAgt sowie das Kundendienstimage der VertragshAndler, -werkstätten und Niederlassungen zusammen mit der Großhandelsstufe beeinflußt. Es liegt deshalb im Interesse jeder Distributionsstufe, den Erfolg der übrigen Ebenen zu fördern, da letztlich erst ein solches Verhalten die Verwirklichung der eigenen Ziele ermöglicht. Darüber hinaus wird aus diesem Zielsystem deutlich, daß ein starker Intragruppenwettbewerb auf der Einzelhandelsebene durchaus die Wettbewerbsposition einer Automobilgruppe verbessern kann. So kommen innovative Sekundärdienstleistungen nicht nur dem Image und dem Erfolg des jeweiligen Absatzmittlers zugute, sondern sie initiieren geradezu Aktivitäten der konkurrierenden Gruppenmitglieder und schlagen sich vor allem unmittelbar im Image der gesamten Vertriebsorganisation nieder. Diese Strukturanalyse hat gezeigt, daß die Kundendienstpolitik eine wichtige Position im AutomobiIgeschAft innehat. Allerdings variiert die Bedeutung der Sekundlrdienstleistungen in Abhlngigkeit gewisser situativer Faktoren. Anschließend wird daher der Stellenwert des Kundendienstes für die Vermarktung von Kraftfahrzeugen sowohl unter grundsAtzlichen als auch situationsspezifischen Fragestellungen nAher untersucht.

B. Der Stellenwert der Kundendienstpolitik für das Automobilgeschäft 1. Der Einfluß der Kundendienstpolitik auf die Gestaltung der Primärleistung Die Erbringung von SekundArdienstleistungen erfordert die Integration eines externen Faktors durch den Nachfrager. Ihre aus solchen Kontaktmöglichkeiten resultierende besondere MarktnAhe lAßt die Vertragshlndler und -werkstätten sowie Niederlassungen zu einer wichtigen Informationsquelle fl)r die Forschung und Entwicklung im Automobilsektor werden; denn diese Absatzmittler können nicht nur frühzeitig den Wandel von Nachfragebedürfnissen erkennen, sondern auch die PrimArleistung Kraftfahrzeug unter variierenden Bedingungen im Gebrauch beobachten, eventuell bislang verborgene SchwAchen entdecken und ihre Abstellung anregen. Die Sammlung, Aufbereitung

110

III. Der Kundendienst im Automobilbereich

und Auswertung solcher Informationen obliegt dabei den Kundendienstabteilungen der Hersteller. Der Informationsaustausch erfolgt sowohl informell als auch institutionalisiert. Zum einen teilen Absatzmittler ihre Erfahrungen im Rahmen der Betreuungsbesuche, die Ausdruck der routinisierten kundendienstpolitischen Zusammenarbeit zwischen den Distributionsstufen sind, den Vertretern des zustAndigen Großhlndlers bzw. Herstellers mit. Zum anderen gibt es festgelegte Seminare oder Gremien wie den Hlndlerbeirat, in denen die Marktbeobachtungen der Einzelhandelsvertreter gezielt erfragt, diskutiert und zusammengefaßt werden. Vor allem aber ist die permanente schriftliche Unterrichtung des Herstellers durch die Absatzmittler über Fahrzeugmlngel und Probleme bei ihrer Beseitigung sowie über die zeitliche Verteilung von Schadensflllen ein wesentliches Element der Kooperation in einer Automobilgruppe. Insofern dient ein umfangreiches Berichtswesen zur Steuerung des Informationsflusses. 1l6 Die Kundendienstabteilungen der Hersteller werten diese Informationen aus und setzen sie in Vorschllge für die Gestaltung der Primlrleistung um.u 7 So werden Kundendienstlastenhefte, in denen z.B. Anforderungen hinsichtlich des Wartungsumfangs, der Wartungs- und Reparaturfreundlichkeit oder der technologischen Weiterentwicklung dokumentiert werden, und Qualitlltslastenhefte, die z.B. einem eruierten Wandel der Nachfragebedürfnisse Rechnung tragen, formuliert und in den Forschungs- und Entwicklungsprozeß des Automobilproduzenten eingebracht. Darüber hinaus kann der Kundendienst auch direkt Bestandteile der Primlrleistung konzipieren. Beispiele hierfür sind die Service-Intervallanzeige und ihre Weiterentwicklung zur on board-Diagnose der Bayerischen Motorenwerke AG. Erglnzend zur üblichen Bestimmung der Wartungsnotwendigkeit nach der Anzahl der von einem Fahrzeug zurückgelegten Kilometer werden bei der Service-Intervallanzeige die Motordrehzahl, die -temperatur und die Zeit als Indikatoren für den Verschleiß automatisch abgegriffen und ausgewertet. In Abhlngigkeit von der individuellen Fahrweise kann so eine Verlängerung der Wartungsintervalle zwischen 10 v.H. und 60 v.H. erreicht werden. Diese Zeitrlume werden mit der on board-Diagnose noch weiter ausgedehnt, da jetzt der tatsächliche Verschleiß bestimmter Teile über Sensoren ermittelt wird und mithin der eingebaute Sicherheitsspielraum zwischen zwei Wartungszeitpunkten erneut reduziert werden kann.u s Die Service-Intervallanzeige und die on board-Diagnose sind somit besonders 116) Vgl. hierzu Spengler, Erich (1987), S. 218 ff. 117) Diese Ausführungen gehen auf interne Unterlagen der Bayerischen Motorenwerke AG zurück; vgl. aber auch Borgward, Claus (1987), S. 11. 118) Diese Angaben basieren auf internen Unterlagen der Bayerischen Motorenwerke AG.

B. Stellenwert der Kundendienstpolitik: für das Automobilgeschäft

111

plastische Beispiele flir den Einfluß der Kundendienstpolitik auf die Gestaltung der Primllrleistung. Die bei der Erbringung von Sekundllrdienstleistungen gewonnene Erkenntnis, daß die Wartungskosten von den Nachfragern vielfach als zu hoch angesehen werden, ist zum Ausgang flir die Entwicklung einer präferenzschaffenden Produktmodifikation geworden. Daneben haben die Kundendienstabteilungen der Hersteller auch einen Einfluß auf die Garantiepolitik einer Automobilgruppe, da sie liber umfangreiche Daten hinsichtlich der Eintrittswahrscheinlichkeit von Schadensfällen verfligen.

2. Die Bedeutung der Kundendienstpolitik f"Ur die Realisierung von Erlösen Nach einer Untersuchung in den Vereinigten Staaten von Amerika setzt die Ford Motor Company Primlr- und Sekundärleistungen im Wert von insgesamt mehr als 100.000 amerikanische Dollar an jeden Stammkunden ab. Einen wichtigen Beitrag zur Erzielung dieser Erlöse leistet der Kundendienst. 1111 Mit dem Besitz eines Automobils ist flir den Nachfrager grundsätzlich die Notwendigkeit verbunden, bestimmte Werkstattleistungen in Anspruch zu nehmen. Die Erbringung solcher primärleistungsorientierter Sekundllrdienstleistungen führt somit unmittelbar zu Lohn- und auch Teileumsätzen in der Anbietergruppe, und zwar in einem Verhältnis von durchschnittlich 49 v.H. zu SI v.H. je geleisteter Monteureinheit. 120 Weiterhin beeinflussen subjektorientierte Sekundärdienstleistungen indirekt die Erlöse im Sekundärrechtsgeschäft und beim Absatz von unverbauten Teilen, da sie geeignet sind, Präferenzen für die gruppeninternen Angebote zu schaffen. Langfristig können diese· Umsätze jedoch nur gesichert werden, wenn der Kunde in bezug auf die Primllrleistung ein markentreues Nachfrageverhalten zeigt, d.h. die dem Kundendienst zurechenbare Bedeutung für die Erlössituation einer Automobilgruppe hängt entscheidend von der akquisitorischen Wirkung ab, die Sekundllrdienstleistungen auf das Neuund Gebrauchtwagengeschlft ausüben. Für den Nachfrager hat der Kundendienst die Funktion eines Grundbedürfnisses inne, von dessen Erfüllung die Wahl der Automobilmarke mitbestimmt wird. Entspricht die Sekundärdienstleistungspolitik eines Anbieters nicht in vollem Umfang den Anforderungen eines Nachfragen, dann steigt die Wahrscheinlichkeit, daß das Leistungsbündel 119) Vgl. Franco, John J. (1984), S. 10. 120) Vgl. Panzer, Siegfried (1981), S. 64.

112

III. Der Kundendienst im Automobilbereich

einer anderen AutomobiIgruppe prlferiert wird et vice versa. 121 Tatsächlich sind Markenwechsler mit ihrer Werkstatt im Durchschnitt weniger zufrieden als Stammkunden. 122 Dabei bewirkt eine nachlassende Kundenzufriedenheit im Bereich der Sekundärdienstleistungen sogar einen Uberproportionalen RUckgang der Markenloyalitlt. 12S Mithin besteht eine positive Korrelation zwischen dem Kundendienstimage einer Automobilgruppe und der Markentreue ihrer Nachfrager. Die Anbietergruppe mit der höchsten Anzahl Stammkunden verfUgt gleichzeitig Uber das beste Kundendienstimage et vice versa. 12" Die Automobilproduzenten weisen den Zusammenhang zwischen der Akzeptanz von Sekundlrdienstleistungen und dem Nachfrageverhalten in bezug auf Primlrleistungen mit eigenen Untersuchungen nach. So konstatiert die Bayerische Motorenwerke AG fUr 1985, daß 83 v.H. ihrer Nachfrager die Qualität des Kundendienstes als Determinante in ihre Entscheidung fUr eine bestimmte Fahrzeugmarke einfließen lassen und daß immerhin 62 v.H. der Nachfrager den Kundendienst als wichtiges Element ihres BeschaffungskalkUls ansehen. Die Fordwerke AG fUhrt das Wiederkaufverhalten ihrer Kunden explizit auf die Zufriedenheit mit der Primärleistung und mit den Sekundärdienstleistungen zurUck. Nach ihren Erkenntnissen ist bei mit dem Kundendienst unzufriedenen Nachfragern die Absicht, einen Neuwagen wieder bei demselben Absatzmittler zu erwerben, um 74 v.H. geringer ausgeprlgt als bei solchen Nachfragern, die mit den erbrachten Sekundlrdienstleistungen zufrieden sind; wenn aber der Einfluß dieses wichtigen Bindungsfaktors zwischen Anbieter und Nachfrager reduziert wird, steigt nicht nur fUr den betroffenen Absatzmittler, sondern auch fUr die gesamte Automobilgruppe die Gefahr, einen Kunden zu verlieren. Die Volkswagenwerk AG schließlich hat einen direkten quantitativen Zusammenhang zwischen dem Serviceimage-Wert eines Absatzmittlers und der Markenloyalitlt der jeweils betreuten Kunden ermittelt. Wird der Kundendienstimage-Wert stetig gesteigert, dann kann nach dieser Untersuchung der Anteil von Kunden mit Wiederkaufabsicht auf bis zu 96 v.H. vergrößert werden. 125

121) Vgl. auch Bennewitz, Hans I. (1968), S. 249, Fn. 5; Borgward, Claus (1987), S. 11; Brachat, Hannes (1986), S. 330 f. 122) Vgl. Bauer, Hans H. (1983), S. 30 f. 123) Eine Untersuchung in der Automobilindustrie Quantifiziert dieses Verhlltnis wie folgt Bei einem Absinken der Kundenzufriedenheit um 5 v.H. bzw. 10 v.H. bzw. 15 v.H. sinkt die Markentreue um 1 v.H. bzw. 3 v.H. bzw. 5 v.H.; vgl. CLAUSEN, Claus (1985), S. 6. 124) Diese Bewertung geht auf eine zusammenfassende Betrachtung der Ergebnisse von Schulthes und einer internen Studie der Volkswagenwerk AG aus dem Jahre 1983 zurUck; zum Teilgebiet der Markentreue vgl. Schulthes, Peter (1986), S. 162.

B. Stellenwert der Kundendienstpolitik für das Automobilgeschäft

113

Die Kundendienstpolitik hat somit im Automobilgeschlft einen hohen Stellenwert für die langfristige Sicherung der ErlOse inne. Abschließend wird analysiert, ob die Bedeutung der SekundlrdienstIeistungen für die Vermarktung von Kraftfahrzeugen in Abhängigkeit vom Eintritt bestimmter situativer Faktoren variiert.

3. Der EinOuß situativer Faktoren auf den Stellenwert der Kundendienstpolitik f"tir die Vermarktung von Automobilen a. Die Bedeutung der Kundendienstpolitik in Abhängigkeit von der zu vermarktenden Automobilklasse Das Automobilangebot in der Bundesrepublik Deutschland umfaßt sehr heterogene

Primärleistungen, die im Wert und in ihrer segmentspezifischen Ausrichtung deutlich voneinander differieren. Da aber gerade die Hauptleistung eine wichtige Determinante der Kundendienstpolitik darstellt, bedarf die Beurteilung des Stellenwertes von SekundärdienstIeistungen für die Vermarktung von Kraftfahrzeugen einer differenzierenden Betrachtung. Entsprechend wird das Automobilangebot in Klassen eingeteilt, die jeweils auf die Befriedigung einer bestimmten Bedürfnisstruktur der Nachfrage ausgerichtet sind. Anhand von Beschreibungsmerkmalen wie Neuwagenpreis oder HubraumgrOße werden vier Fahrzeugklassen unterschieden: eine untere, eine mittlere und eine obere Klasse 126 sowie die Sonderklasse, zu der Sport- und Freizeitwagen gehOren. Von der zu vermarktenden Automobilklasse geht ein starker Einfluß auf die Kundendienstpolitik aus, allerdings weniger auf ihren grundsätzlichen Stellenwert im Rahmen einer Marketing-Strategie als vielmehr auf die Ausgestaltung einzelner Sekundärdienstleistungen und die Zusammensetzung des gesamten Kundendienstangebotes. So weisen die genannten Untersuchungen der Automobilhersteller keine signifikanten fahrzeugklassenspezifischen Unterschiede für die Bedeutung von Sekundlrdienstleistungen im Automobilgeschäft nach127, wohl aber definieren die jeweiligen Automobilklassen differierende inhaltliche Herausforderungen für die Kundendienstpolitik.

125) Zu den Ergebnissen bzgl. der Volkswagenwerk AG vgl. Spengler, Erich (1987), S. 221 ff.; die übrigen Angaben gehen auf interne Untersuchungen der betroffenen Hersteller zurück. 126) Vgl. auch Kater, Wolfgang (1973), S. 100 f. 127) Das geht vor allem aus einer internen Studie der Bayerischen Motorenwerke AG aus dem Jahre 1986 hervor.

III. Der Kundendienst im Automobilbereich

114

Die eingesetzte Technologie z.B. im Bereich der Antriebs- oder Bremssysteme variiert erheblich zwischen einem Fahrzeug der unteren und einem solchen der oberen Klasse oder der Sonder klasse. Diese Diskrepanz wird durch einen verstärkten Einsatz elektronischer Bauteile in hochpreisigen Modellen zukünftig sogar vergrößert. Infolgedessen ist der Anteil primlrleistungsorientierter Sekundlrdienstleistungen, deren Erbringung aufgrund ihres Schwierigkeitsgrades ein hohes Know how erfordert, bei Automobilen der oberen Klasse und der Sonderklasse tendenziell größer als bei solchen der unteren bzw. der mittleren Klasse. Weiterhin ist zu erwarten, daß Nachfrager von Fahrzeugen der oberen Klasse bzw. der Sonderklasse die Kundendienstpolitik der jeweiligen Anbietergruppe vor allem unter qualitativen Gesichtspunkten beurteilen, wohingegen bei Nachfragern von Automobilen der unteren und mittleren Klasse der Lebenszykluspreis eines Fahrzeuges - und damit auch der Preis der einzelnen Sekundärdienstleistungen verstärkt die Funktion eines gleichgewichtigen Bewertungskriteriums einnimmt. Im ersten Fall kann das Angebot von Kundendienstleistungen daher tendenziell eher undifferenziert auf die Erfüllung weitgehend homogener Qualitltserwartungen der Nachfrager ausgerichtet sein, wlhrend im zweiten Fall der Erfolg der Kundendienstpolitik in großem Maße von der Beachtung segmentspezifischer Bedürfnisse abhingt. Zusltzlich wird die Ausgestaltung subjektorientierter Sekundlrdienstleistungen von der zu vermarktenden Automobilklasse beeinflußt. So stellen vor allem Besitzer von Fahrzeugen der oberen Klasse bzw. der Sonderklasse hohe Anforderungen an Beratungsleistungen und insbesondere an die atmosphlrische Gestaltung der jeweiligen AnbieterNachfrager-Interaktion.

b. Die Bedeutung der Kundendienstpolitik in Abhängigkeit von der Novität der Beschaffungssituation (1) Der Fall der Erstbeschaffung Der Nachfrager empfindet beim Erwerb von Automobilen generell ein hohes Risiko, das er zu reduzieren versucht, indem die Wahl eines bestimmten Fahrzeuges von der Bewertung eines umfassenden Alternativenfeldes anhand einer Vielzahl von Beurteilungskriterien abhlngig gemacht wird. 12B Ein solches extensives Beschaffungsverhalten zielt auf eine Objektivierung des Entscheidungsprozesses ab. Nicht allein die Primirleistungen, sondern die gesamten Leistungsbündel werden miteinander verglichen. Im Fall der Erstbeschaffung - das ist die erstmalige Beschaffung eines Kraftfahrzeugs überhaupt - verfügt der Nachfrager über geringe eigene Erfahrungen mit dem Lei128) Vgl. auch Willerding, Thomas (1987), S. 14 ff.

ß. Stellenwert der Kundendienslpolitik für das AUlOmobilgeschlift

115

stungsbündel Automobil. Daher ist er in verstärktem Maße auf Informationen von Freunden und Bekannten, aus Presseorganen, aber auch von Absatzmittlern der Automobilgruppen angewiesen. Insofern haben subjektorientierte Sekundlrdienstleistungen vor dem Absatz der Hauptleistung wie z.B. die Beratung und die interaktive Behandlung des Nachfragers grundsätzlich einen wichtigen Stellenwert bei der Akquisition von Erstkäufern inne. Allerdings darf der verhaltenssteuemde Einfluß dieser Kundendienstleistungen nicht überschätzt werden, da der Großteil der Erstbeschaffungen auf dem privaten Gebrauchtwagenmarkt abgewickelt wird und mithin nur geringe Chancen zu einer solchen Profilierung für die Anbietergruppen bestehen.

Vertrauensei,ensch.'ren, credence qU2liries Erfahrunpei,enschaClCn. cxperience qualities SucheieenschaC!en, se.reh qualirles

Abb. 13: Gewichte der Eigenschaftsdimensionen in Abhängigkeit von der Leistungsart

Auch ansonsten hat die Kundendienstpolitik eine eher untergeordnete Bedeutung für die Vermarktung von Automobilen an Erstkllufer inne. Zu erkillren ist dieses mit den besonderen Anforderungen an die Beurteilung von Dienstleistungen aus Nachfragersieht. Generell sind bei der Bewertung einer Leistung drei Qualitlltsdimensionen zu unterscheiden: die search quaiities oder Sucheigenschaften, die experience qualities oder Erfahrungseigenschaften und die credence qualities oder Vertrauenseigenschaften. 1211 Das Gewicht jeder Eigenschaftsdimension variiert jedoch mit der betrachteten Leistungsart (vgl. Abb. 13). So sind die Sucheigenschaften, die bereits vor der tatsächlichen Beschaffung einer Leistung offensichtlich sind, vor allem bei Sachleistungen und Rechtsgütern vorhanden. Solche search qualities stellen bei Automobilen z.B. das Design und die Verarbeitung oder bei Garantien die gebotenen Konditionen dar. Dienstleistungen hingegen verfügen nur in der Form von Surrogaten wie dem Preis oder dem Erscheinungsbild der internen Kontaktfaktoren über die Dimension der Sucheigenschaften, da ein Leistungsergebnis, die eigentliche Basis der search qualities,

129) Vgl. hierzu Zeithaml, Valarie A. (1984), S. 191 ff.

116

IlI. Der Kundendienst im Automobilbereich

erst im Anschluß an die Einbindung des Nachfragers in den finalen Leistungserstellungsprozeß entsteht. Entsprechend wichtiger ftir die Bewertung einer Dienstleistung sind daher die selbst erlebten Erfahrungen bei der Einbindung in den Leistungserstellungsprozeß und mit dem Leistungsergebnis. Zwar besitzen auch bei Sachleistungen und Rechtsgtitern die experience qualities eine große Bedeutung, doch gerade im Dienstleistungsbereich resultiert aus der Zufriedenheit des Nachfragers hAufig eine stabile Marktbeziehung, da der Wechsel zu einem anderen Anbieter aufgrund der weitgehend fehlenden Dimension der search qualities als besonders risikoreich empfunden wird. Dieses Defizit bei den Sucheigenschaften ist dartiber hinaus ausschlaggebend ftir den hohen Stellenwert, den die mit einer Leistung verbundenen Vertrauenseigenschaften bei der Bewertung von Dienstleistungen einnehmen. Solche credence qualities sind Ausdruck der einem Anbieter zugebilligten Kompetenz und einer vom Nachfrager deshalb empfundenen Sicherheit; sie gehen nur begrenzt auf eigene Erfahrungen des Nachfragers zurtick, sondern resultieren vornehmlich aus dem im Markt erworbenen Image eines Anbieters. Als Fazit kann mithin konstatiert werden, daß im DienstIeistungsbereich die Vertrauens - und Erfahrungseigenschaften einen hohen Stellenwert bei der Beurteilung einer Leistung innehaben, wAhrend dieses bei Sachleistungen und Rechtsgtitern vor allem auf die Such- und Erfahrungseigenschaften zutrifft. Der Erstkllufer eines Automobils besitzt aber keine eigenen Erfahrungen mit der Kundendienstpolitik einer Anbietergruppe und ist daher bei der Bewertung dieser Komponente des Leistungsbtindels weitgehend auf die globale Dimension der credence qualities angewiesen. Anders verhAlt es sich bei der Sachleistung Automobil, dem Kern des Absatzobjektes. Auf dieser Ebene verftigt der Nachfrager tiber eine Vielzahl von Sucheigenschaften zur Fundierung seiner Beschaffungsentscheidung. Im Fall des Ersterwerbs geht somit beim Vergleich unterschiedlicher Leistungsbtindel eine irradiierende Wirkung von der PrimArleistung aus, wohingegen die Sekundllrdienstleistungen die Funktion einer conditio sine qua non innehaben, d.h. ein Mindestmaß an Vertrauen in den Kundendienst einer Anbietergruppe ist zwar die unabdingbare Voraussetzung flir die Wahl eines entsprechenden Automobils, doch die SekundArdienstleistungen selbst können keine eigenständige Profilierung des Absatzobjektes bewirken.

(2) Der Fall der Ersatzbeschaffung Ein Nachfrager , der sein Automobil durch ein anderes substituiert, verftigt tiber eigene Erfahrungen mit dem Leistungsbtindel. Im Fall der Ersatzbeschaffung ist daher die Intention der Kundendienstpolitik nicht dieselbe wie bei der Erstbeschaffung. Es sollen nicht neue Kunden akquiriert, sondern bereits einmal gewonnene Nachfrager langfristig gebunden werden.

B. Stellenwert der Kundendicnstpolitik für das Automobilgeschllft

117

Zu einem überragenden Anteil wird der Absatz von Personenkraftwagen in der Bundesrepublik Deutschland vom Ersatzbedarf determiniert. 130 Da die Untersuchungen der Anbietergruppen zur Bedeutung der Kundendienstpolitik im Rahmen des Automobilgeschlftes nicht nach Erst- bzw. Ersatzbeschaffung differenzieren, können die Ergebnisse der Studien somit allein auf den Fall der Ersatzbeschaffung bezogen werden. Demnach ist der Stellenwert von Sekundlrdienstleistungen unter dem Gesichtspunkt der Nachfragerbindung sehr hoch. 1S1 Dieses geht auch aus einer Analyse des Nomura Research Institute zur Wettbewerbsposition der japanischen Hersteller im amerikanischen Automobilmarkt hervor: Defizite in der Kundenbetreuung haben dort eine deutliche Verschlechterung der Nachfragerloyalität gegenüber japanischen Angeboten bewirkt. 1U Zurückzuführen ist die hohe Bedeutung der Kundendienstpolitik für den Fall der Ersatzbeschaffung auf das grundslltzliche Bestreben des Nachfragers, die Komplexität seiner Entscheidungssituation zu reduzieren. iSS Daher bewertet ein Kunde vor allem die aus seiner Sicht wichtigsten positiven und negativen Erfahrungen, die er mit dem Leistungsbündel einer Anbietergruppe gewonnen hat. Bei der Ersatzbeschaffung kann er auch dem Kundendienstbereich experience qualities zuordnen und beurteilt aus diesem Grund die Sekundlrdienstleistungspolitik einer Automobilgruppe nicht mehr global über die Dimension der Vertrauenseigenschaften, sondern detailliert auf der Basis von ausgewllhlten erlebten Erfahrungseigenschaften. Erst jetzt gelangen die besonderen Stärken des Dienstleistungsgeschäftes zur Entfaltung: Da der Nachfrager ein tendenziell hOheres Risiko bei der Beschaffung von Dienstleistungen als beim Erwerb von Sachleistungen oder Rechtsgütern empfindet,l34 können positive Erfahrungen mit Sekundirdienstleistungen in besonderem Maße zum Aufbau eines vertrauensvollen Anbieter-Nachfrager- Verhilltnisses und somit zur Verbesserung der Markentreue beitragen et vice versa. Im Fall der Ersatzbeschaffung besitzt die Kundendienstpolitik mithin die Möglichkeit, die Profilierung des gesamten Leistungsbündels entscheidend zu prllgen und auf diese Weise einen irradiierenden Einfluß auf die Attraktivität des Absatzobjektes auszuüben.

130) Vgl. hierzu im Detail die Ausführungen in Kapitel III. B. 3. c. 131) Vgl. auch Rau, Bernd (1975), S. 41. 132) Vgl. o.V. (1988c), S. 15. 133) Vgl. Howard, John A./Sheth, Jagdish N. (1969), S. 27. 134) Vgl. hierzu ausfUhrlich Kapitel V. B. 2. a.

118

III. Der Kundendienst im Automobilbereich

c. Die Bedeutung der Kundendienstpolitik in Abhängigkeit von der Produktlebenszyklus-Phase der Primärleistung Im Produktlebenszyklus-Modell wird die ökonomische Entwicklung einer gesamten Leistungskategorie oder einer bestimmten Leistungsart in betriebswirtschaftlichen Erfolgsgrößen abgebildet und zeitbezogen erklärt. Bei einer idealtypischen Betrachtung können deutlich differierende Phasen unterschieden werden, die durch voneinander abweichende Verllnderungsraten im Bereich der abhängigen Variablen gekennzeichnet sind. Der Aussagegehalt des Produktlebenszyklus-Modells liegt mithin in der Beschreibung eines Zusammenhangs zwischen der Ausprägung von Erfolgsgrößen und der unabhängigen Variablen Zeit. Implizit können aus diesem Konzept aber auch Handlungsempfehlungen modelltheoretisch abgeleitet werden, da jede Phase im Grundsatz durch eine spezifische Wettbewerbssituation und entsprechend variierende MarketingStrategien der konkurrierenden Anbieter geprllgt ist. l36 Die Lebenszyklus-Phase der Primllrleistung determiniert das relative Gewicht der Sekundirdienstleistungen als akquisitorisches Potential fIlr die Vermarktung komplexer Absatzobjekte. Bis in die Reifephase hinein dominieren eindeutig Charakteristika der Hauptleistung die Bewertung alternativer LeistungsbUndel durch den Nachfrager, wllhrend dem Kundendienst - außer in der kurzen Zeit der MarkteinfUhrung, in der subjektorientierte Sekundärdienstleistungen die Informations- und Vertrauensdefizite der potentiellen Kunden in bezug auf das neue Angebot reduzieren mil.ssen - eine tendenziell geringe Bedeutung beigemessen wird. Entsprechend liegt das Hauptaugenmerk der Anbieter auf einer technologischen und ästhetischen Verbesserung bzw. Verfeinerung der Primirleistung. Im Verlauf der Reifephase verringern sich die Möglichkeiten, Wettbewerbsvorteile fUr das eigene LeistungsbUndel durch eine Variation der Hauptleistung zu erreichen; denn zum einen beschrllnkt die realisierte Primllrleistungsqualitllt das Potential fUr solche Innovationen und zum anderen hat ein verschärfter Wettbewerb zum Ausscheiden von Grenzanbietern gefUhrt; die verbliebenen Konkurrenten indessen verfUgen Uber ein llhnliches primirleistungsorientiertes Know how. Vor allem aber prllferiert der Nachfrager jetzt Verbesserungen im bislang vom Anbieter vernachlässigten Kundendienstbereich gegenUber nur bedingt wahrnehmbaren Hauptleistungsmodifikationen, so daß Wettbewerbsvorteile vornehmlich durch die Erbringung bedUrfnisgerechter Sekundirdienstleistungen zu erzielen sind. In der Sllttigungsphase konkurriert dann eine begrenzte Anzahl Anbieter, die sowohl auf der Primär- als auch der Sekundllrleistungsebene Erfahrungen erworben und Kompetenz nachgewiesen haben, in einem stagnierenden Markt um Nachfrager, die bei der Bewertung komplexer 135) Vgl. hierzu u.a. Meffert, Heribert (l982b), S. 339 ff.; Nieschlag, Robert( DichtI, ErwinjHörschgen, Hans (1985), S. 168 ff.

B. Stellenwert der Kundendienstpolitik für das Automobilgeschäft

119

Absatzobjekte die Charakteristika der Hauptleistung und des Kundendienstes in ihr Kalkül einbeziehen. Eine Profilierung ist somit nur durch die Optimierung des gesamten Leistungsbündels oder durch das Erreichen eines irradiierenden Wettbewerbsvorteils bei einer Leistungskomponente möglich. Der Kundendienstpolitik kommt dabei eine besondere Bedeutung zu, da sie die Chance zum Aufbau einer dauerhaften unique selling proposition eröffnet, wohingegen relative Vorsprünge im Bereich der Primlrleistung während dieser Marktphase in der Regel nur für einen begrenzten Zeitraum realisiert werden können. 138 In der Degenerationsphase schließlich zieht der Nachfrager grundsätzlich dieselben Kriterien zur Bewertung alternativer Absatzobjekte wie in der Sättigungsphase heran. Allerdings bewirkt das Verhalten der Anbieter eine allmähliche Verlagerung innerhalb seiner Präferenzstruktur; denn die sinkenden Absatzzahlen schmlUern die Gewinnaussichten der Anbieter und veranlassen so einerseits weitere Wettbewerber, aus dem Markt auszuscheiden, und andererseits die verbleibenden Konkurrenten zu einer stärkeren Kostenorientierung, um der wachsenden Bedeutung des Preiswettbewerbs genügen zu können. Daher wird auf Innovationen im Primär- und Sekundärleistungsbereich weitgehend verzichtet und stattdessen ein Absatzobjekt, das dem etablierten Standard entspricht, mit preispolitischen Anreizen offeriert. Einsparungsmöglichkeiten eröffnet aber gerade der Verzicht auf die Erbringung kostenintensiver Sekundärdienstleistungen. Da der Nachfrager zunehmend eine solche Leistungsreduktion zugunsten preislicher Zugeständnisse akzeptiert - indem er z.B. Reparaturleistungen selbst übernimmt oder von unabhängigen Dienstleistern bezieht -, geht der Stellenwert der Kundendienstpolitik für die Vermarktung komplexer Leistungsbündel wieder zurück. Das Angebot von Sekundärdienstleistungen ist somit besonders wichtig für den Markterfolg eines Absatzobjektes, wenn die Primärleistung die Reifephase nahezu durchlaufen und die Sättigungsphase noch nicht verlassen hat. Der Automobilmarkt in der Bundesrepublik Deutschland befindet sich in dieser Sättigungsphase. 1S7 Das belegen sowohl der Konzentrationsprozeß in der Automobilindustrie, der sich in vielfältigen Verflechtungen zwischen konkurrierenden Anbietern manifestiert, die von Kooperationen auf unterschiedlichen Ebenen über Beteiligungen bis hin zur Übernahme reichen138 , als auch der ausgeprägte Ersatzbedarf als Stimulus der Nachfrage. 1S11 Der Anteil des Ersatzbedarfs an den Neuzulassungen ist von durch136) Vgl. auch die Ausführungen in Kapitel III. B. 3. e. 137) Vgl. u.a. Rühl, Günter/Hantsch, G./Heinen, E./Schulte, A. (1984), S. 3; Schmücker, Toni (1977), S. 30. 138) Vgl. u.a Blüthmann, Heinz/Gröteke, Friedhelm (1986), S. 17 f.; Cohrs, HansJürgen (1986), S. 159 ff.; Hertenberger, Gerhard (1985 I), S. 54 ff.; Hertenberger, Gerhard (1985 11), S. 38 ff.; Naisbitt, John (1985), S. 91 ff. 139) Generell zu den Indikatoren einer Marktsättigung vgl. u.a. Meffert, Heribert (1983), S. 193 f.; Porter, Michael E. (1980), S. 238 ff.

120

III. Der KWldendienst im Automobilbereich

schnittlieh rund 65 v.H. in den Jahren 1971 bis 1980 auf durchschnittlich ca. 80 v.H. in den Jahren 1981 bis 1985 angestiegen. Nach einer Stabilisierung auf diesem Niveau ist ab 1991 sogar ein durchschnittlicher Anteil des Ersatzbedarfs von mehr als 95 v.H. an den Neuzulassungen zu erwarten, d.h. das Wachstumspotential des Automobilbe-

standes erfährt eine stetige Verringerung. uo Der Lebenszyklusphase der Primärleistung entsprechend ist der Kundendienstpolitik heute ein hoher Stellenwert ftlr den Erfolg im Automobilgeschlft zu konzedieren.

l&wIsk; --Pkw - Absatz

------ KD-induücner PKW-Absatz

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Abb. 14: Der Einfluß des Kundendienstes auf den Absatz von Personenkraftwagen in der Bundesrepublik Deutschland in Abhlngigkeit von der Produktlebenszyklus-Phase

Abb. 14 stellt den Lebenszyklus der Produktkategorie Personenkraftwagen fUr den Markt Bundesrepublik Deutschland idealtypisch dar. Zusätzlich ist eine Kurve ftlr den kundendienstpolitisch-induzierten Fahrzeugabsatz eingetragen. Als kundendienstpolitisch-induziert soll der Absatz eines Automobils dann bezeichnet werden, wenn die Sekundlrdienstleistungspolitik einen entscheidenden Beitrag fUr den Vermarktungserfolg leistet. In der Wachstumsphase mißt der Nachfrager dem Kundendienst einer Automobilgruppe nur eine geringe Bedeutung bei, da zum einen die erlebten kundendienstpolitischen Erfahrungen und zum anderen das Sekundlrdienstleistungsangebot 140) Vgl. Deutsche Shell AG (Hrsg.) (1987), S. 24 ff. und S. 28 ff.; vgl. auch Dicht!, Erwin (1983), S. 10 f.; Habbel, Wolfgang R. (1986), S. 29; Organization for Economic Cooperation and Development (Hrsg.) (1983), S. 23 ff.; RUhl, GUnter/Hantsch, G.I Heinen, E./Schulte, A. (1984), S. 5 ff.

B. Stellenwert der Kundendienslpolitik: für das AUlOmobilgeschäft

121

begrenzt sind. Während der Reifephase mit einem weiterhin hohen Anteil Erstkllufer wird die Kundendienstpolitik zur conditio sine qua non im Automobilgeschllft. d.h. der Nachfrager erwirbt nur dann das Automobil eines bestimmten Herstellers. wenn das ergänzende Sekundllrdienstleistungsangebot seine Mindestanforderungen erfüllt. Somit steigt die Zahl der kundendienstpolitisch-induzierten Fahrzeugkllufe an. In der Sättigungsphase schließlich beziehen nahezu alle Nachfrager die Sekundllrdienstleistungspolitik der konkurrierenden Anbietergruppen explizit in ihr Entscheidungskalkül für den Erwerb eines Personenkraftwagens ein. Erst in der - hypothetischen - Degenerationsphase wird der Einfluß des Kundendienstes· auf den Erfolg im Automobilgeschllft wieder auf die Funktion einer conditio sine qua non zurückgehen.

d. Die Bedeutung der Kundendienstpolitik in Abhängigkeit vom Alter des Automobils Das Automobil als langfristiges Gebrauchsgut erfährt in der Zeit zwischen seiner

Erstzulassung und seiner statistischen LOschung häufig einen mehrfachen Besitzerwechsei. d.h. es wird sowohl im neuen als auch gebrauchten Zustand zum Objekt einer Beschaffungsentscheidung. Allerdings ist diese Unterteilung aufgrund ihrer mangelnden Trennschärfe nicht zur Herleitung differenzierter Aussagen hinsichtlich des Stellenwertes der Kundendienstpolitik für die Vermarktung von Automobilen geeignet; denn dem GebrauchtwagengeschIlft wird nicht nur der Absatz von Jahreswagen. sondern ebenfalls der Absatz von sehr alten Fahrzeugen subsumiert. Unter kundendienstpolitischen Gesichtspunkten weisen die Beschaffungsentscheidungen im Neu- und Jahreswagenfall aber stärkere Gemeinsamkeiten auf als im Fall eines Jahreswagen und eines zehnjährigen Fahrzeuges. so daß das Alter eines Automobils zum eigentlichen Untersuchungsmerkmal werden muß. Darüber hinaus korreliert das Kundendienstverhalten der Nachfrager mit dem Wert. den sie ihrem Automobil beimessen. Dieser aber variiert mit dem Alter des Fahrzeuges und weniger mit dem Tatbestand. ob ein Automobil in neuem oder gebrauchtem Zustand erworben wird. Daher muß die - verbreitete - statische durch eine dynamische Betrachtung ersetzt werden. lU Adler und Hlavacek konstatieren. daß die Anforderungen der Nachfrager an die Kundendienstpolitik eines Anbieters dergestalt abhängig vom Preis der Primär leistung sind. daß bei einem hohen Primärleistungspreis die Qualität der Sekundärdienst141) Allerdings wird vielfach gerade nach dem Erwerb eines Neu- oder Gebrauchtwagens unterschieden. um das Kundendienstverhalten der Nachfrager zu analysieren. Signifikante Differenzen müssen aber auf den Einflußfaktor Fahrzeugalter zurückgeführt werden; vgl. u.a. Deutsche Automobil Treuhand (Hrsg.) (1987b). S. 24 f.; Panzer. Siegfried (1981). S. 218 ff.

122

III. Der Kundendienst im Automobilbereich

leistungen wichtiger als das zu entrichtende Entgelt ist et vice versa. Aus diesem Zusammenhang leiten sie die These ab, daß mit zunehmendem Alter einer hochpreisigen Hauptleistung der Nachfrager dem Sekundärdienstleistungspreis einen hOheren Stellenwert beimißt und so eine Verschiebung in der grundsätzlichen Qualitäts-Preis-Relation herbeigeführt wird. 142 Für den Automobilbereich kann diese Überlegung durchaus nachgewiesen werden. In der Regel sinkt der Wiederverkaufswert eines Fahrzeugs mit steigendem Fahrzeugalter und als Konsequenz auch die Wertschätzung des Nachfragers für sein Automobii. Entsprechend verändert sich das Kundendienstverhalten des Nachfragers. Auf der einen Seite verzichtet er aus wirtschaftlichen Gründen auf die Erbringung bestimmter primärleistungsorientierter Sekundllrdienstleistungen wie z.B. umfangreicher Inspektionsarbeiten14S, auf der anderen Seite wechselt seine Vorstellung über die adäquate Befriedigung seiner primärleistungsorientierten Kundendienstbedürfnisse, da er das zu entrichtende Entgelt für Sekundärdienstleistungen in Relation zum Fahrzeugwert setzt. Die Entscheidung über die generelle Inanspruchnahme einer Kundendienstleistung und die Art ihrer Durchführung erfolgt mithin in verstärktem Maße preisorientiert. 144 Dieses Verhalten hat auch Rückwirkungen auf die Nachfrage nach subjektorientierten Sekundärdienstleistungen, die nach dem Absatz der Hauptleistung angeboten werden: Der Kunde verzichtet vielfach auf Zusatzleistungen und ist vornehmlich an der preisgünstigen Befriedigung seines Grundbedürfnisses interessiert. Darüber hinaus beeinflußt das Alter eines Automobils in entscheidendem Maße Art und Menge der notwendig zu erbringenden primllrleistungsorientierten Sekundllrdienstleistungen. So treten bestimmte Verschleißreparaturen erst nach längerem Gebrauch des Fahrzeugs auf, dann aber in einer Häufung, die dazu führt, daß Automobile, die seit mindestens acht Jahren genutzt werden, die hOchste Instandsetzungsquote aufweisen. 145 Schließlich werden mit zunehmendem Fahrzeugalter die subjektorientierten Sekundllrdienstleistungen, die vor dem Absatz der Hauptleistung erbracht werden, wieder wichtiger, denn der Anbieter hat nun die Chance, dem Kunden Alternativen zum vorhandenen Automobil aufzuzeigen und auf diese Weise einen neuen Beschaffungsvorgang zu initiieren. Der externe Faktor, den der Nachfrager notwendigerweise in die Produktion einer Sekundärdienstleistung integriert, variiert zwangsläufig mit dem steigenden Alter eines Automobils, denn die Konstitution des Objektes Fahrzeug unterliegt zeitbedingten Veränderungen. Ein modifizierter externer Faktor ist aber als starkes Indiz für einen Wandel der Bedürfnisstruktur des Nachfragers zu interpretieren, da zwischen den Be142) Vgi. Adler, Lee/Hlavacek, James D. (1978), S. 635 ff. 143) Vgi. Deutsche Automobil Treuhand (Hrsg.) (1987b), S. 11 f. und S. 15. 144) Vgi. auch die Ausführungen in Kapitel IV. C. 145) Vgi. Deutsche Automobil Treuhand (Hrsg.) (l987b), S. 18 f.

B. Stellenwert der Kundendienstpolitik für das Automobilgeschtift

123

dürfnissen und dem in die Erstellung einer Sekundärdienstleistung eingegebenen Faktor ein kausaler Zusammenhang besteht. Die Automobilgruppen kOnnen mithin nur dann eine erfolgreiche Kundendienstpolitik betreiben, wenn sie unterschiedlichen Nachfragebedürfnissen, die u.a. auf das jeweilige Fahrzeugalter zurückzuführen sind, durch ein adäquates Sekundärdienstleistungsangebot Rechnung tragen. Insofern hat das Alter eines Automobils vor allem einen Einfluß auf die Ausrichtung der Kundendienstpolitik eines Anbieters, daneben aber auch auf den Stellenwert der Kundendienstpolitik als akquisitorisches Potential; denn gerade eine überzeugende Betreuung der Automobile in ihrer kritischen, d.h. pflege- und reparaturintensiven Phase fUhrt zu einem Anstieg des Wiederverkaufswertes und wird so zum Stimulus für das Entstehen von Markenloyalität. Eine solche Ausrichtung der Sekundärdienstleistungspolitik kann heute den Erwerb eines nachhaltigen Wettbewerbsvorteils bewirken, da bislang keine Automobilgruppe systematisch die aus dem Fahrzeugalter resultierenden differierenden Erfordernisse in Kundendienstangebote umsetzt. 148

e. Die Bedeutung der Kundendienstpolitik in Abhängigkeit vom Zeitpunkt des Markteintritts eines Automobilproduzenten Grundsätzlich kOnnen Automobilgruppen Wettbewerbsvorteile sowohl durch die Ausgestaltung ihrer Primär- als auch ihrer Sekundärleistungsangebote erzielen. In geSättigten Märkten wie der Bundesrepublik Deutschland gewinnt dabei zunehmend die Kundendienstpolitik an Bedeutung, da der Aufbau von Präferenzen beim Nachfrager durch das Design oder die technische Konzeption eines Automobils aufgrund einer Annäherung im Know how der führenden Konkurrenten ständig erschwert wird. Nicht das Primärleistungsangebot, sondern der Nachweis von Kompetenz auf der Sekundärdienstleistungsebene wird infolgedessen zur entscheidenden Markteintrittsbarriere für "newcomer". So verfügen selbst die japanischen Automobilgruppen, deren erste Aktivitäten im deutschen Markt immerhin bis zu zwanzig Jahren zurückliegen, auch heute noch über ein qualitativ deutlich schwächer eingeschätztes Kundendienstnetz als ihre deutschen Wettbewerber147; aus diesem Grund sind ihren Bestrebungen zu einer weiteren Expansion in die Teilmärkte der hochpreisigen Fahrzeugklassen enge Grenzen gesetzt.

146) Vgl. dazu die Ausführungen in Kapitel 111. C. 3. b. 147) Das geht aus einer persönlichen Mitteilung der Bayerischen Motorenwerke AG hervor.

124

III. Der Kundendienst im Automobilbereich

Die im deutschen Automobilmarkt etablierten Anbieter stehen daher vor der Aufgabe, sich stllndig um die Verbesserung ihrer eigenen Kundendienstorganisation und ihres Sekundllrdienstleistungsangebotes zu bemühen. Auf diese Weise kOnnen sie einen dauerhaften, nur schwer zu kompensierenden Wettbewerbsvorteil erwerben; denn die Optimierung der Kundendienstpolitik ist sehr zeit- und kostenintensiv, da zum einen die Aktivitllten unterschiedlicher Distributionsstufen aufeinander abgestimmt und zum anderen kompetente Partner auf der Einzelhandelsebene gewonnen und geschult werden müssen. Die Kundendienstpolitik erOffnet somit den etablierten Anbietern die Chance, ihre Position gegenüber neuen Konkurrenten durch die Errichtung einer wirksamen Markteintrittsbarriere zu schützen. Newcomer im Automobilmarkt der Bundesrepublik Deutschland müssen hingegen frühzeitig und konsequent am Aufbau ihres Kundendienstnetzes und an der bedürfnisgerechten Gestaltung ihres SekundllrdienstIeistungsangebotes arbeiten, weil ihre ExpansionsmOglichkeiten entscheidend von der adllquaten Betreuung der Kunden bei allen im Zusammenhang mit dem Fahrzeug auftretenden Fragen oder Problemen abhllngen. ua So haben die japanischen Anbieter zu Beginn ihres Engagements vornehmlich Fahrzeuge der unteren Klasse oder der unteren Mittelklasse preisaggressiv vermarktet und dabei den Kundendienst vernachillssigt. Mit einer solchen Strategie kann aber nur ein begrenztes Nachfragesegment erreicht werden, das entweder den Anschaffungspreis einer Primllrleistung hOher bewertet als ihren Lebenszykluspreis oder bei der Beschaffung primllrleistungsorientierter SekundllrdienstIeistungen über individuelle Freirllume verfügt und insofern unabhllngig vom Kundendienst der jeweiligen Automobilgr\lppe ist. Vor allem jedoch stOßt diese einseitig preisorientierte MarketingStrategie beim Versuch, Fahrzeuge der gehobenen Mittelklasse oder der oberen Klasse anzubieten, an ihre Grenzen. Hier ist das Kundendienstangebot stets eine unverzichtbare, Prllferenzen schaffende Komponente des Leistungsbündels eines Anbieters. Für den newcomer stellt sich somit die Aufgabe, vom Zeitpunkt seines Markteintritts an intensive kundendienstpolitische Aktivitllten zu entwickeln, um auf diese Weise das vorrangige Hemmnis einer Markterschließung zu beseitigen. Allerdings ist der Wettbewerbsvorteil der etablierten Anbieter auf der Sekundllrdienstleistungsebene nur sehr schwer und erst langfristig aufzuholen. Zum einen setzt der Aufbau einer kundendienstpolitischen Infrastruktur die Gewinnung qualifizierter Vertriebs partner voraus. Da newcomer gegenüber ihren etablierten Konkurrenten komparative Nachteile z.B. hinsichtlich des Marktrisikos aufweisen, müssen sie besondere Anreize schaffen, um erstklassige Hllndier und Werkstlltten in ihre Distributionsorganisation integrieren zu kOnnen. Zuslltzlich erfordert der Aufbau eines Vertriebssystems spezielle Kenntnisse bezüglich der Arbeitsmentalitllt und der Kooperationsbereitschaft solcher Partner sowie 148) Vgl. auch Cha, Soo-Ryeon (1985), S. 182.

C. Situation bei der Vermarktung von KundendienstIeistungen

125

der zu beachtenden rechtlichen Rahmenbedingungen. Schließlich muß die Zusammenarbeit der unterschiedlichen Distributionsstufen optimiert werden. Zum anderen sind genaue Marktkenntnisse erforderlich, um ein bedürfnisgerechtes Sekundärdienstleistungsangebot zu erstellen. Sind für den Automobilsektor deutliche Tendenzen zu einem globalen Wettbewerb 1." im Bereich der PrimArleistung zu konstatieren, so wird im Gegensatz dazu in der Kundendienstpolitik länderspezifischen Besonderheiten der Nachfrage Rechnung getragen. Die SekundArdienstleistungen haben mithin die Aufgabe, ein im Kern auf einen globalen Weltmarkt zugeschnittenes Leistungsbündel an regional differierende Nachfragebedürfnisse anzupassen. Die Überwindung der Markteintrittsbarriere Kundendienst ist daher für newcomer mit hohen Marktinvestitionen verbunden. Die spezifische Bedeutung der Kundendienstpolitik für das AutomobiIgeschAft variiert folglich auch mit dem Zeitpunkt des Markteintritts eines Wettbewerbers. Da eine erfolgreiche Markterschließung mit dem Nachweis von Kompetenz auf der SekundArdienstleistungsebene eng verbunden ist, stehen gerade neue Konkurrenten vor der besonderen Herausforderung, der Kundendienstpolitik ein hohes Gewicht im Rahmen ihrer Marketing-Strategie zu geben. Insgesamt ist zu konstatieren, daß der Stellenwert der Kundendienstpolitik für die Vermarktung von Automobilen durchaus vom Eintritt bestimmter Faktoren, die charakteristisch für die Primärleistungs-, die Beschaffungs- oder die Anbietersituation sein können, beeinflußt wird. Die konkrete Ausgestaltung des SekundArdienstleistungsangebotes hängt somit maßgeblich von den situativen Gegebenheiten in einem Markt ab.

C. Die Situation bei der Vermarktung von KundendienstIeistungen in der Automobilindustrie 1. Das Kundendienstleistungssortiment der Automobilindustrie a. Systematisierung der Kundendienstleistungen Das Kundendienstleistungssortiment der Automobilindustrie ist sehr umfangreich und aufgrund einer Vielzahl von individualisierten Leistungsangeboten einer Totalerfassung nur schwer zugänglich. Allerdings ist eine Auflistung sämtlicher Sekundärdienstlei149) Zum Phänomen des globalen Wettbewerbs vgl. u.a. Henzler, HerbertjRall, Wilhelm (1985a), S. 176 ff.; Henzler, Herbert/Rall, Wilhelm (l985c), S. 166 ff.; Levitt, Theodore (1984), S. 37 ff.; Ohmae, Kenichi (1985), S. 1 ff. und S. 121 ff.

126

III. Der Kundendienst im Automobilbereich

stungsangebote auch nicht sinnvoll, da eine solche Betrachtung eine statische ist, wohingegen es bei einer Beschränkung auf die systematische Abgrenzung von Kundendienstleistungsarten möglich ist, dynamischen Entwicklungen Rechnung zu tragen. Nach den Kriterien "zeitlicher Anfall der Sekundärdienstleistung" und "Art des zu integrierenden externen Faktors" können drei Kundendienstleistungstypen unterschieden werden: subjektorientierte Kundendienstleistungen vor Absatz der Hauptleistung, subjektorientierte Kundendienstleistungen nach Absatz der Hauptleistung und primärleistungsorientierte Kundendienstleistungen nach Absatz der Hauptieistung l60 (vgl. Abb. 8). Zusätzlich ist nach dem Merkmal "Nachfrager" zwischen investiven und konsumtiven Sekundärdienstleistungen zu differenzieren. Auf diese Einteilung wird jedoch verzichtet, da Strategien zur Vermarktung von Kundendienstleistungen von der Beschaffungssituation, die für investive und konsumtive Nachfrager grundlegend voneinander abweicht - so besitzen investive Nachfrager hllufig einen Fahrzeugpark oder verfügen über eigene Werkstattkapazitllten -, derart prädisponiert werden, daß eine Fokussierung auf einen Bereich angebracht erscheint. Ihrer dominanten MarktsteIlung entsprechend wird nachfolgend nur das Marketing für konsumtive Sekundllrdienstleistungen analysiert. l61

(1) Subjektorientierte Kundendienstleistungen vor Absatz der Hauptleistung Beim Typ der subjektorientierten Kundendienstleistungen vor Absatz der Hauptleistung können vier Sekundllrdienstleistungsarten unterschieden werden. Zum einen gibt es Kundendienstleistungen, die auf eine primärleistungsbezogene Bedarfsweckung beim Nachfrager abzielen. In diese Kategorie fallen z.B. die Fahrzeugprllsentation, die Ausrichtung von Veranstaltungen wie einen "Tag der offenen Tür", der Ausbau von Händler- oder Werkstatträumlichkeiten zu einem Treffpunkt für Automobilfreunde sowie die Durchführung von Pannenkursen. 162 Solche Sekundärdienstleistungen sollen dem potentiellen Nachfrager im Rahmen eines positiven Kontaktes einen ersten Eindruck über das Leistungsangebot einer Automobilgruppe vermitteln.

150) Ex definitione gibt es keine primärleistungsorientierten Kundendienstleistungen vor Absatz der Hauptleistung. 151) Immerhin werden nahezu 70 v.H. aller Neuwagen von Privatpersonen erworben, vgl. Rühl, Günter/Hantsch, G./Heinen, E./Schulte, A. (1984), S. 14 f. Zur Dominanz der privaten Abnehmer bei primärleistungsorientierten Sekundllrdienstleistungen vgl. auch Berekoven, Ludwig (1983), S. 255. 152) Vgl. auch Linke, Klaus (1986), S. 178 ff.

C. Situation bei der Vermarktung von KundendiensUeistungen

127

Die zweite Kundendienstleistungsart umfaßt beratende Sekundlrdienstleistungen, die den Informationsstand des grundsitzlich am Erwerb eines Leistungsbündels interessierten Nachfragers verbessern. Zu diesen zlhlen die Ermittlung des konkreten Bedarfs, die gleichsam die Voraussetzung für eine bedürfnisgerechte Beratungsleistung darstellt, die Beratung selbst, die das Erllutern der Primlrleistung sowie das Aufzeigen von Alternativen umfaßt, die Demonstration der Fahrzeugfunktionen und schließlich eine Probefahrt. Darüber hinaus wird der Nachfrager über das Sekundlrdienstleistungsangebot und hier besonders das Kundendienstangebot der Automobilgruppe informiert, wobei vor allem im Falle des Neuwagengeschlfts dem Bereich der Finanzdienstleistungen ein besonderer Stellenwert zukommt. Alle Sekundlrdienstleistungen die sich mit der Unterbreitung und Abwicklung eines konkreten Angebots befassen, kOnnen zu einer weiteren Kundendienstleistungsart aggregiert werden. Der Anbieter muß dem Kunden nicht nur die Konditionen für den Erwerb des neuen Automobils, sondern hlufig auch für die Inzahlungnahme eines Altfahrzeuges nennen. Letzteres erfordert zusltzlich eine eingehende Untersuchung des Kundenfahrzeuges. Am Ende dieser Aktivitäten steht dann die Durchführung des Absatzvorganges, die von der Fixierung des Kaufvertrages bis zur Abwicklung der Zahlungen reicht. Sind die ersten drei Sekundlrdienstleistungsarten dieses Kundendienstleistungstyps jeweils für eine bestimmte Phase des Beschaffungsprozesses im Automobilgeschlft charakteristisch, so wird die vierte Sekundlrdienstleistungsart, die auf eine Erleichterung und Verbesserung der Interaktionen zwischen Anbieter und Nachfrager abzielt, phasenübergreifend erbracht. Das Zurverfügungstellen von Parkraum und die atmosphlrische Beeinflussung der Kundenwahrnehmungen beim Erwerb eines Automobils gehOren ebenso in diese Kategorie von Sekundlrdienstleistungen wie die Erstellung zusltzlicher Kundendienstleistungen, die Ausdruck einer streng nachfrageorientierten Denkhaltung sind. Solche zusltzlichen Sekundlrdienstleistungen wie z.B. das Reichen von Speisen und Getrlnken, die Verkürzung von Wartezeiten durch die Präsentation von Videofilmen und das Auslegen von Zeitschriften oder die Beaufsichtigung und Unterhaltung von Kindern der Nachfrager wlhrend des Besuchs in den Verkaufsrlumen beabsichtigen, aufgrund einer zuvorkommenden Behandlung den Kunden an den jeweiligen Hlndler und mithin auch an die Automobilgruppe zu binden. Schließlich ist die Gestaltung des Interaktionsprozesses ein wichtiger Faktor für den Aufbau eines Vertrauensverhlltnisses zwischen Anbieter und Nachfrager, da der Kunde gerade bei der Beurteilung dieser Sekundlrdienstleistungen über ausgeprlgte Bewertungsmuster verfügt.

128

III. Der Kundendienst im Automobilbereich

(2) Subjektorientierte Kundendienstleistungen nach Absatz der Hauptleistung Auch der Typ der subjektorientierten Kundendienstleistungen nach Absatz der Hauptleistung kann in vier SekundArdienstieistungsarten unterteilt werden. Dabei sind die drei ersten SekundArdienstleistungsarten jeweils charakteristisch für eine bestimmte Phase während der Nutzung der Hauptleistung, wohingegen die letzte erneut phasenunabhlngig erbracht wird. Bereits bei der Übereignung des Automobils an den Nachfrager fallen vielflltige subjektorientierte Sekundlrdienstleistungen an. Sind die Übergabe des Fahrzeuges und die Unterweisung des Nachfragers im Gebrauch15S obligatorische Kundendienstleistungen, so stellen die Anmeldung des neuen Automobils und die gleichzeitige Abmeldung eines - eventuell vorhandenen - Altfahrzeuges des Kunden beim Straßenverkehrsamt ebenso fakultative Kundendienstleistungen dar wie die Durchführung der Hauptuntersuchung beim Technischen Überwachungsverein im Rahmen des Gebrauchtwagengeschlftes. Gerade die Erbringung solcher fakultativer SekundArdienstleistungen kann eine hohe Zufriedenheit und als Konsequenz das Entstehen von Markenloyalitlt beim Nachfrager bewirken, weil der Kunde jetzt seine ersten Erfahrungen mit dem erworbenen Automobil wlhrend der tatsächlichen Nutzung gewinnt. Darüber hinaus setzt mit der Fahrzeugübereignung die Abwicklung vereinbarter Finanzdienstleistungen ein. In der anschließenden Phase des Automobilgebrauchs zielt eine Reihe subjektorientierter SekundArdienstleistungen auf die Vorbereitung von Folgegeschlften mit dem Kunden ab, die zur Erwirtschaftung von Erlösen durch den Absatz von Ersatz- und Zubehörteilen, Fahrzeugpflegeartikeln, SekundArrechten wie z.B. Wartungs- und Reparaturvertriigen sowie primlrleistungsorientierten SekundlrdienstIeistungen fOhren sollen. Zum Zwecke der Bedarfsweckung müssen erneut Kontaktmöglichkeiten zwischen Anbieter und Nachfrager in Form von Pannenkursen bzw. speziellen Veranstaltungen oder mit Hilfe der Durchführung von Wettbewerben, in deren Mittelpunkt das Automobil steht, bzw. der Institutionalisierung eines Treffens von Automobilfreunden geschaffen werden. Vor allem aber sind die bedürfnisgerechte Beratung sowie die liberzeugende Abwicklung slmtlicher mit einem solchen Folgegeschlft verbundenen subjektorientierten SekundArdienstleistungen - und zwar von der konkreten Angebotsunterbreitung bis hin zur Rechnungserstellung bei einem erhaltenen Auftrag - dazu geeignet, das Vertrauen des Nachfragers zu gewinnen und weitere Folgegeschlfte zu akquirieren.

153) Zu Umfang und Ziel der Unterweisung im Gebrauch vgl. u.a. Gerstung, Fritz (1978), S. 138 ff.; Krooss, Reinhart (1966), S. 29 ff.

C. Situation bei der VcnnarktWlg von KWldendiensticistWlgen

129

Eine besonders wichtige subjektorientierte Sekundärdienstleistungsart nach Absatz der Hauptleistung setzt zu dem Zeitpunkt ein, an dem der Nachfrager den Ersatz seines Automobils durch ein anderes Fahrzeug erwägt. Der Anbieter kann diesen Prozeß durch beratende Kundendienstleistungen nicht nur begleiten und versuchen, ein Automobil der von ihm vertretenen Marke abzusetzen, sondern gleichsam initiieren, indem er besonders bei der Erbringung primärleistungsorientierter Sekundärdienstleistungen, aber auch im Rahmen z.B. telefonischer Erkundigungen nach der Zufriedenheit des Nachfragers, die in Abhängigkeit vom Fahrzeugalter regelmäßig durchgeführt werden können, alternative Wirtschaftlichkeitsberechnungen anstellt und auf die Vorteilhaftigkeit einer Fahrzeugsubstitution verweist. Auf diese Art werden subjektorientierte Sekundärdienstleistungen nach Absatz der Hauptleistung in den Typ der subjektorientierten Sekundärdienstleistungen vor Absatz der Hauptleistung überführt. Schließlich fallen bestimmte Kundendienstleistungen unabhängig von der Phase der Primärleistungsnutzung an. Solche Sekundärdienstleistungen sollen den Interaktionsprozeß zwischen Anbieter und Nachfrager erleichtern und als Konsequenz die Beseitigung oder zumindest eine Reduktion möglicher Dissonanzen, die in bezug auf das gesamte Leistungsbündel auftreten können, bewirken. Neben den bereits beim Typ der subjektorientierten Kundendienstleistungen vor Absatz der Hauptleistung in diesem Zusammenhang genannten Sekundärdienstleistungen bieten sich jetzt als zusätzliche Kundendienstleistungen vor allem die telefonische Erkundigung nach der Zufriedenheit des Kunden mit erworbenen Leistungen und im Falle der Erbringung primärleistungsorientierter Kundendienstleistungen deren exakte Erläuterung einerseits sowie die Beförderung des Nachfragers oder das Angebot eines Ersatzfahrzeuges andererseits an. Auch die Übernahme der RaumüberbrQckungsfunktion, d.h. bestimmte Wartungsund Reparaturarbeiten werden direkt am Wohnort des Nachfragers durchgefahrt, sowie die Bereitstellung von Arbeitsräumen mit Telefon- und Personal Computer-Ausstattung, in denen der Kunde Wartezeiten produktiv überbrücken kann, sind durchaus sinnvoll und praktikabel. U4 Alle Sekundärdienstleistungen dieser Art zielen auf eine nachdrückliche Bestärkung des Kunden hinsichtlich der Richtigkeit seiner Beschaffungsentscheidungen ab.

154) Vgl. Hill, Michael (1987), S. 19.

130

1II. Der Kundendienst im Automobilbereich

(3) Primärleistungsorientierte Kundendienstleistungen nach Absatz der Hauptleistung Der Typ der primArleistungsorientierten Kundendienstleistungen nach Absatz der Hauptleistung läßt sich in sechs Sekundllrdienstleistungsarten unterteilen, die bezüglich der mit ihrer Erbringung beabsichtigten Wirkungen deutlich voneinander differieren. So kann im Vordergrund der Anbieterbemühungen das Bestreben stehen, ein Kun-

denfahrzeug filr eine begrenzte Zeit in den eigenen Verfilgungsbereich zu bringen. Zu diesem Zweck hat der Anbieter die Möglichkeit, den Transport des Automobils vom Nachfrager zur Werkstatt und zurück zu übernehmen. Eine herausragende Bedeutung filr diesen Kundendienstleistungstyp hat die Sekundllrdienstleistungsart Diagnose inne. Das gilt besonders in Verbindung mit der Fahrzeugannahme, da hier in einer eingehenden Untersuchung die Schwachstellen am Automobil des Nachfragers zu identifizieren sind. Das Ergebnis dieser Prüfung determiniert nicht nur das mit der Erbringung weiterer primirleistungsorientierter Sekundirdienstleistungen sowie dem Absatz von Teilen und Sekundirrechten zu realisierende Erlöspotential des Anbieters l l&, sondern auch das Vertrauen des Kunden in die Kompetenz des Dienstleisters. Darüber hinaus tritt die Kundendienstleistung Diagnose im Zusammenhang mit der Durchfilhrung anderer primirleistungsorientierter Sekundirdienstleistungen wie z.B. Reparaturarbeiten auf, da versteckte Fahrzeugmllngel häufig erst im Verlauf solcher Tlltigkeiten ersichtlich werden. Von diesen Untersuchungen streng zu trennen ist die Sekundllrdienstleistungsart Inspektion, ·bei der festgelegte Komponenten des Automobils systematisch in bestimmten Intervallen hinsichtlich ihres Verschleißgrades überprüft werden, um so die Funktionssicherheit und Leistungsfllhigkeit des gesamten Fahrzeuges zu gewllhrleisten. Inspektionen werden in Abhängigkeit von der zeitlichen bzw. intensitlltsmllßigen Nutzung des Automobils nach Maßgabe des Herstellers oder nach dem individuellen Sicherheitsempfinden des Kunden durchgefilhrt. Entsprechend können eine große und eine kleine Inspektion, sonstige Inspektionen z.B. vor einer Urlaubsfahrt oder saisonal bedingt im Frühjahr bzw. Herbst sowie der Motortest unterschieden werden. 168 Die Notwendigkeit zu einer Inspektion kann demnach sehr wohl ein Ergebnis der Diagnose bei der Fahrzeugannahme sein.

ISS) Vgl. auch o.V. (1986a), o. S.

156) Zur Inspektion vgl. u.a. Deutsche Automobil Treuhand (Hrsg.) (1987 b), S. 3 ff.; Konrad, Eugen (1974), S. 23 f.; Krooss, Reinhard (1966), S. 31 f.; Rau, Bernd (1975), S. 54 ff.

c. Situation bei der Vennarktung von Kundendienstleistungen

131

In einem engen sowohl zeitlichen als auch inhaltlichen Zusammenhang mit der Inspektion steht die

primirleistungsorientierte Sekundllrdienstleistungsart Wartung.

Hierzu zAhlen alle Maßnahmen, die geeignet sind, einem Fahrzeugschaden vorzubeugen. So werden bestimmte Komponenten des Automobils wie z.B. Filter gereinigt, Hilfsstoffe wie z.B. das Motoröl gewechselt, Einstellungen z.B. am Vergaser oder an der Zündanlage neu justiert und Verschleißteile wie z.B. Bremsbeiige und Zündkerzen ausgetauscht. Hlufig erfolgen diese Wartungsarbeiten im Anschluß an eine Inspektion, da die vom Automobilhersteller vorgegebenen Untersuchungsintervalle solchen, mit dem Gebrauch eines Fahrzeuges verbundenen Abnutzungserscheinungen Rechnung tragen. U7 Mit der Erbringung von Kundendienstleistungen der primilrleistungsorientierten Sekundllrdienstleistungsart Reparatur168 wird hingegen die Wiederherstellung der Gebrauchsfllhigkeit eines Automobils angestrebt. Äußere Einwirkungen wie Unflllie oder unsachgemllße Nutzung eines Fahrzeuges können genauso wie der Verschleiß, dem ein Automobil in vielfIlltiger Weise unterliegt, die Ursache von Schilden sein, zu deren Behebung eine Instandsetzung notwendig ist. Zu der sehr umfangreichen Sekundllrdienstleistungsart Reparatur zAhlen das komplette Auswechseln von Teilen, die Instandsetzung defekter Teile, die erforderliche funktionale und eventuell optische Abstimmung des Fahrzeuges nach der Integration von Komponenten sowie die Kontrolle der durchgeführten Arbeiten. UD Schließlich wird als sechste primirleistungsorientierte Sekundllrdienstleistungsart die dem Individualisierungsstreben vieler Nachfrager Rechnung tragende Fahrzeugmodifikation angeboten. Das Automobil des Kunden kann durch die Erbringung von Tuningleistungen sowohl in optischer als auch in technischer Hinsicht gegenüber seinem ursprünglichen Zustand verllndert werden. Diese Sekundllrdienstleistungsart umfaßt demnach zum einen die visuelle Aufbereitung eines Fahrzeuges, die bei dem Aufkleben von Dekorstreifen, dem Auftragen einer besonderen Lackierung oder dem Anbringen von Spoilern beginnt und bis zum kompletten Umbau eines geschlossenen Automobils zu einem Cabriolet reicht, zum anderen aber auch die Modifikation technischer Fahrzeuggegebenheiten z.B. im Bereich der Straßenlage durch die Verbreiterung der Radabstllnde oder hinsichtlich der Geschwindigkeit durch den Einbau stllrkerer Motoren. 157) Zur Wartung vgl. u.a. Panzer, Siegfried (1981), S. 114 f.; Rau, Bernd (1975), S. 56 f.; Schwab, Wilfried (1984), S. 4. 158) Synonym wird der Begriff Instandsetzung verwendet, vgl. auch Schwab, Wilfried (1984), S. 4. 159) Zur Reparatur vgl. u.a. Krooss, Reinhart (1966), S. 32 f., Panzer, Siegfried (1981), S. 115 f.; Rau, Bernd (1975), S. 50 ff.

132

III. Der Kundendienst im Automobilbereich

Insgesamt ist zu konstatieren, daß primärleistungsorientierte Kundendienstleistungen vonehmlich die Gebrauchsfähigkeit eines Automobils sicherstellen und derart zu einer Stabilisierung seines Wertes beitragen sollen. Auf diese Weise wird gleichzeitig der vom Nachfrager beim Besitz eines Fahrzeuges empfundene Prestigenutzen bewahrt. Die bedürfnisgerechte Erbringung primär leistungsorientierter Kundendienstleistungen kann mithin die Zufriedenheit des Kunden mit einem Leistungsbündel entscheidend fördern und den Aufbau von nachhaltigen Präferenzen für eine bestimmte Anbietergruppe bedingen. Besonders geeignet sind hierzu SekundArdienstleistungen aus dem Bereich Fahrzeugmodifikation, da in diesem Fall nicht technische Notwendigkeiten des Automobils einen Kontakt zwischen Anbieter und Nachfrager gleichsam erzwingen, sondern ein solcher aus dem Wunsch des Kunden nach einer Individualisierung seines Automobils und insofern aus einer positiven Einstellung des Nachfragers zum Leistungsbündel resultiert.

b. Interdependenzen zwischen den Kundendienstleistungen Im sehr umfangreichen Kundendienstleistungssortiment einer Automobilgruppe (als zusammenfassenden Überblick vgl. Abb. 15) gibt es eine Vielzahl von Interdependenzen zwischen den einzelnen Sekundärdienstleistungen, die sich aus Marketing-Sicht vor allem in entsprechenden Angebots- und Erlösverbunden niederschlagen. Angebotsverbunde treten zum einen innerhalb eines Kundendienstleistungstyps auf. So werden zur Unterstützung subjektorientierter Sekundärdienstleistungen wie z.B. der Beratung beim Automobilkauf oder der Übereignung des Fahrzeuges regelmäßig solche Kundendienstleistungen erbracht, die eine Erleichterung des Interaktionsprozesses zwischen dem Anbieter und dem jeweiligen Nachfrager bewirken. Im Bereich der primärleistungsorientierten Kundendienstleistungen bilden hingegen häufig Inspektions- und Wartungsarbeiten einen Angebotsverbund. Zum anderen werden jedoch gleichfalls

typenübergreifende

Sekundärdienstleistungsbündel

geschnürt.

Hierbei

kommt den primärleistungsorientierten Kundendienstleistungen eine besondere Rolle zu, da sie in überwiegendem Maße sowohl den Kontakt zum Nachfrager herstellen und auf diese Weise erst die Voraussetzung zur Integration eines für die Dienstleistungsproduktion unverziehtbaren externen Faktors schaffen - als auch den Kern solcher partiellen Absatzobjekte darstellen. Die Durchführung von z.B. Reparaturarbeiten eröffnet dem Anbieter neben der reinen Auftragsabwicklung die Möglichkeit, zusätzliche subjektorientierte Kundendienstleistungen wie eine Beratung über das sonstige Sekundärdienstleistungsangebot der Automobilgruppe oder die Vorteilhaftigkeit eines

c. Situation bei der Vermarktung von Klllldendienstleistungen

133

Fahrzeugwechsels zu erbringen. Primlrleistungsorientierte Kundendienstleistungen werden mithin zum Ausgangspunkt sowohl obligatorischer als auch fakultativer Angebotsverbunde, die jeweils subjektorientierte Sekundlrdienstleistungen beinhalten.

~ zeitlicher Anfall

Faktor

vor Absatz der HauptIeistung

nach Absatz der Hauptleistung

subjektorientiert

primlrleistungsorientiert

- Bedarfsweckung - Beratung - Angebotserhebung und -abwicklung - Erleichterung des Interaktionsprozesses

/.

- Übereignung - Vorbereitung von FolgegeschIften - Initiierung eines Primlrleistungsgeschäftes - Erleichterung des Interaktionsprozesses

-

Fahrzeugtransport Diagnose Inspektion Wartung Reparatur Modifikation

Abb. 15 : Konsumtive Kundendienstleistungstypen und -arten im Automobilgeschäft

Weiterhin existieren auch auf der ErlOsebene enge Beziehungen zwischen den einzelnen Kundendienstleistungen. Da der Nachfrager nur bei einem Teil des Sekundlrdienstleistungssortiments einer Automobilgruppe die Entrichtung eines direkten Entgeltes akzeptiert, nutzt der Anbieter das Instrument des preispoIitischen Ausgleichs und schafft auf diese Weise ErlOsverbunde. FUr subjektorientierte SekundlrdienstIeistungen vor Absatz der Hauptleistung ist in der Regel die Primlrleistung der Entgelttriger, wohingegen bei den betroffenen subjektorientierten Sekundlrdienstleistungen nach Absatz der Hauptleistung diese Funktion von Ersatz- und ZubehOrteilen, vor allem aber von den fUr direkte Entgeltforderungen besonders geeigneten primlrleistungsorientierten Kundendienstleistungen Ubernommen wird. Langfristig sollte das Streben der Anbieter jedoch darauf gerichtet sein, die Akzeptanz des Kunden fUr eine separate Bepreisung jeder Sekundlrdienstleistung zu erhOhen. Eine genaue Zurechnung zu entrichtender Entgelte hilft dem Nachfrager bei der Bestimmung des Lebenszykluspreises eines Absatzobjektes und verbessert so seine Position beim Vergleich konkurrierender LeistungsbUndel.

134

III. Der Kundendienst im Automobilbereich

Eine erfolgreiche Kundendienstpolitik im Automobilbereich erfordert die strikte Beachtung dieser vielflUtigen Zusammenhänge zwischen den einzelnen Sekundirdienstieistungen. Dabei kann die in Automobilgruppen häufig anzutreffende, eine sekundärdienstleistungspolitische Gesamtsicht behindernde institutionelle Beschränkung des Kundendienstes auf den after-sales-Bereich durchaus konterkarierend wirken.

2. Gruppenexterne Wettbewerber Bei der Planung ihrer kundendienstpolitischen Aktivitäten müssen die Automobilgruppen eine Reihe von Konkurrenzbeziehungen beachten. Im Bereich der subjektorientierten Sekundärdienstleistungen gilt dieses insbesondere filr Informations- und Beratungsleistungen, die in einem engen SubstitutionsverhlUtnis zu gleichartigen Leistungen von Print- und Rundfunkmedien stehen. So gibt es in Zeitschriften, Fernseh- oder Rundfunksendungen vielflUtige Testberichte, die zum einen die Primärleistungen Neuund Gebrauchtwagen, zum anderen aber auch die Sekundärleistungen Kundendienst, Teile und Rechtsgliter der einzelnen Anbietergruppen zum Untersuchungsgegenstand haben und derart dem Nachfrager die Möglichkeit eröffnen, konkurrierende Absatzobjekte miteinander zu vergleichen. Diese substituierenden Leistungen gefährden die Position der Automobilgruppen als den Nachfrager beratende Institution und mithin ein wichtiges Profilierungspotential zur Akquisition und Bindung von Kunden in erheblichem Maße. Als Anbieter von primär leistungsorientierten Sekundlrdienstieistungen stehen die Automobilgruppen hingegen in weitreichenden Konkurrenzbeziehungen zu Unternehmen, die gleichartige Leistungen als Primärdienstieistungen vermarkten. Dabei kann das breite Spektrum ihrer Wettbewerber l80 nach Leistungsumfang und -schwerpunkt in sieben Angebotsformen eingeteilt werden. Von untergeordneter Bedeutung sind in diesem Zusammenhang die Werksniederlassungen und Vertragspartner anderer Automobilgruppen, da der Nachfrager diese nur unter besonderen Umständen wie z.B. in einer Notsituation oder aufgrund einer persönlichen Präferenz frequentiert. Wichtige Konkurrenten sind hingegen konventionelle Werkstätten mit einem umfassenden Leistungsangebot, konventionelle Spezialwerkstätten mit einem auf eine bestimmte Baugruppe wie Z.B. Kraftfahrzeugelektrik oder Karosserie und Lack konzentrierten Leistungsangebot, neue Spezialwerkstätten flir Verschleißreparaturen sowie Wartungs- und 160) Vgl. in diesem Zusammenhang Mehler, Ha. A./Albrecht, Norbert (1987), S. 91 ff.; Panzer, Siegfried (1981), S. 138 ff.; ROhl, GOnter/Auriga, M.-J./ Hantsch, G./Herzog, M./Klfer, H./Pöhland-Block, H. (1977), S. 109 ff.; ROhl, GOnter/Hantsch, G./Heinen, E./Schulte, A. (1984), S. 61 ff. und S. 118 ff.

c. Situation bei der Vennarktung von Kundendienstleistungen

135

Reparaturleistungen offerierende Tankstellen. Darüber hinaus gibt es eine Gruppe sonstiger Wettbewerber, zu der z.B. Autoradio-, Vergaser- und Kühler-Dienste zählen, die zwar ebenfalls auf eine Baugruppe spezialisiert sind, jedoch nur eine geringe Marktbedeutung innehaben. Schließlich hat der Nachfrager die Möglichkeit, auf die Fremdbeschaffung solcher Leistungen zu verzichten und stattdessen im Rahmen des Do-it-yourself selbst tätig zu werden. Im Bereich der primärleistungsorientierten Sekundärdienstleistungen nimmt das Do-it-yourself somit gleichsam den Status einer eigenständigen Angebotsform ein. Angesichts der hohen Bedeutung primärleistungsorientierter Sekundärdienstleistungen für den Aufbau einer langfristigen Geschäftsbeziehung zwischen einer Automobilgruppe und dem Kunden sowie der intensiven und vielfältigen Wettbewerbsbeziehungen gerade in Verbindung mit diesem Leistungstyp wird eine dezidierte Konkurrenzanalyse auf dieser Ebene zu einem wesentlichen Element der strategischen Planung von Kundendienstleistungen.

3. Die Aufteilung des Kundendienstmarktes a. Die Auswahl von Teilmärkten und Indikatoren Die Automobilhersteller in der Bundesrepublik Deutschland befinden sich nicht in der Position, das bei ihren jeweiligen Primärleistungskunden jeweils anfallende Nachfragepotential für Kundendienstleistungen vollständig an die eigene Organisation zu binden, sondern müssen sich vielmehr mit gruppenexternen Wettbewerbern in die Leistungserstellung teilen. Um die relative Bedeutung dieser Konkurrenten im Kundendienstmarkt feststellen zu können, ist es aus zwei Gründen erforderlich, den Bereich der primärleistungsorientierten Sekundärdienstleistungen in den Mittelpunkt der Betrachtung zu rücken. Zum einen gibt es nur für diesen Leistungstyp verläßliche Daten und zum anderen - und das ist der entscheidende Aspekt - können subjektorientierte Sekundärdienstleistungen häufig nur im Verbund mit primärleistungsorientierten Kundendienstleistungen erbracht werden, so daß von der Aufteilung der primärleistungsorientierten Sekundl'lrdienstleistungsmärkte durchaus auf die Wettbewerbsverhältnisse in den Märkten für subjektorientierte Kundendienstleistungen geschlossen werden kann. Nachfolgend werden drei Partialmärkte analysiert, und zwar die Märkte für Wartungs-, Reparatur- und Tuningleistungen. Auf diese Weise werden auch die übrigen primärleistungsorientierten Kundendienstleistungsarten weitgehend miterfaßt (vgl. Abb. 15) : Während die Diagnose als obligatorische Leistungskomponente den explizit

136

III. Der Kundendienst im Automobilbereich

betrachteten Leistungsarten stets vorangestellt ist und der Fahrzeugtransport ausschließlich in Verbindung mit den untersuchten Leistungsarten durchgeführt wird, ist die Erbringung der Leistungsart Inspektion eine notwendige Voraussetzung für einen Großteil der anfallenden Wartungsarbeiten. Von einer separaten Analyse der ausgesparten Partialmlrkte sind daher keine weiterführenden Erkenntnisse zu erwarten. Bei der Ermittlung der jeweiligen Marktanteile wird auf den Indikator "Vorkommnisse" abgestellt, d.h. die Anzahl der Kontakte zwischen Anbietern und Nachfragern bildet den Maßstab zur Beurteilung der Wettbewerbssituation. Für die Wahl dieses rein mengenorientierten Indikators sprechen vor allem die positive Korrelation zwischen der Kontakthlufigkeit und der erzielten Kundenloyalitlt sowie die Tatsache, daß ein Wertmaßstab auf Basis der erwirtschafteten Erlöse wegen der fehlenden Lohnkomponente beim Do-it-yourself zu einer Unterschltzung der Bedeutung dieser Angebotsform führen muß. Allerdings sind mit dem Indikator "Vorkommnisse" auch Nachteile verbunden. So kann einerseits die Erfassung der das Ziel der Kundenbindung konterkarierenden Mehrfachkontakte - solche Mehrfachkontakte treten auf, wenn eine mlngelbehaftete Leistungserstellung eine Nachbesserung erfordert - nicht ausgeschlossen werden. Andererseits trlgt die Gleichgewichtung jeder Leistung der strategischen Ausrichtung der Wettbewerber, die sich in einer bestimmten Auftragsstruktur niederschlägt, nur bedingt Rechnung. Aus diesem Grund muß die Konkurrenzanalyse auf den betrachteten Partialmlrkten bis zur Ebene von Leistungsgruppen oder sogar einzelnen primlrleistungsorientierten Sekundlrdienstleistungen hinabreichen. Die Quantitativen Analysen bezüglich der Aufteilung des Wartungs- und Reparaturmarktes entstammen einer im Auftrag der Deutschen Aotumobil Treuhand GmbH durchgeführten reprlsentativen Untersuchung161 . Da interne Studien der Automobilhersteller in der Bundesrepublik Deutschland generell zu tendenziell gleichen Ergebnissen gelangen, kann auf der Basis dieser herstellerübergreifenden Analyse argumentiert werden. Nur im Bereich der Tuningleistungen muß aus datentechnischen Gründen auf eine unternehmensinterne Untersuchung zurückgegriffen werden.

b. Die Wettbewerbssituation auf drei Teilmärkten (1) Der Markt für Wartungsleistungen

Im Jahre 1986 haben die Vertragspartner und Werksniederlassungen der Automobilhersteller durchschnittlich S6 v.H. aller an Fahrzeugen der von ihnen betreuten Marke 161) Vgl. Deutsche Automobil Treuhand (Hrsg.) (1987b).

C. Situation bei der Vennarknmg von KWldendienstleisnmgen

137

angefallenen Wartungsleistungen durchgeführt. Demgegenüber ist ein Anteil von 22 v.H. auf sonstige Dienstleister wie Werkstätten jeglicher Art oder Tankstellen und von 16 v.H. auf den Bereich des Do-it-yourself entfallen (vgl. Abb. 16). Berücksichtigt man, daß die Erbringung von Wartungsarbeiten auch für freie Werkstätten und Tankstellen, die im Gebrauchtwagengeschllft tätig sind, primärleistungsorientierte Sekundärdienstleistungen darstellen, so bezieht trotzdem ein großer Teil der Nachfrager Wartungsarbeiten bei Bedarf nicht vom Veräußerer der Hauptleistung, d.h. der Primllrleistungsanbieter hat dann keine Möglichkeit zum Aufbau einer Kundenbindung. Diese Situation ist aber vor dem Hintergrund, daß jedes Fahrzeug ursprünglich von der Vertriebsorganisation der Hersteller als Neuwagen abgesetzt wird, für die Automobilgruppen in hohem Maße unbefriedigend: Sie können die Chancen der Kundendienstpolitik nur bedingt nutzen, denn immerhin substituieren Nachfrager in 44 v.H. aller möglichen Fllle Sekundllrdienstleistungen der betrachteten Art durch entsprechende Dienstleistungen sonstiger Anbieter oder Eigenarbeit. Differenziert man die Analyse des Marktes für Wartungsleistungen nach dem Alter des Fahrzeugs, an dem solche Tätigkeiten durchgeführt werden, dann zeigt sich, daß der Marktanteil der Automobilgruppen mit zunehmendem Fahrzeugalter kontinuierlich von 86 v.H. auf 41 v.H. absinkt. Gleichzeitig weisen sonstige Dienstleister ihre relativ stärkste Position bei Besitzern von Automobilen im Alter zwischen sechs und acht Jahren auf, während das Do-it-yourself besonders häufig von Fahrern noch älterer Fahrzeuge als akzeptable Alternative angesehen wird (vgl. Abb. 17). Dieser kausale Zusammenhang zwischen den jeweiligen Marktanteilen der Konkurrenten und dem Alter des zu betreuenden Automobils resultiert zum einen aus der Kaprizierung der herstellergebundenen Betriebe auf die Befriedigung der mit dem Besitz verhältnismäßig junger Fahrzeuge einhergehenden Bedürfnisse, zum anderen aber auch aus der Tatsache, daß die Bindung Hersteller - Kunde mit jedem Wiederverkauf des Automobils schwächer wird; denn gerade der im Gebrauchtwagengeschllft dominierende Privatverkauf nimmt den Vertretern der Automobilgruppen die Möglichkeit, mit dem ansonsten im Rahmen des Absatzvorgangs obligatorischen ersten Kontakt das Verhalten des neuen Fahrzeughalters bei der Beschaffung von Sekundärdienstleistungen zu prädisponieren. Schließlich differieren die Anteile der konkurrierenden Angebotsformen am Markt für Wartungsleistungen in Abhängigkeit von der Komplexität der zu erbringenden Tätigkeit. Realisieren die herstellergebundenen Werkstätten 66 v.H. aller Aufträge zur DurchfOhrung einer großen Inspektion, die aus einer Gruppe aufeinander aufbauender und z.T. komplizierter Leistungen besteht, so sinken ihre Marktanteile in den Bereichen Pflege- und Wartungsdienst sowie sonstige Inspektion und Motortest auf 56 v.H.

138

1Il. Der KWldendienst im Automobilbereich

Wartungsmarkt 1986

Keine Angabe

Abb. 16:

Die Aufteilung des Marktes für Wartungsleistungen in der Bundesrepublik Deutschland 1986 (Quelle: Deutsche Automobil Treuhand (Hrsg.) (l987b), S. 30)

100% Keine Angabe -n,.,....,....".,.r--."""....,.".....,"""'....,.,,........,....~...--"""~.....Do-lt-yourHlf Sonstige WerkstetVTanketelle

Vertrags·

werketatt

O% .......IUJIUIL....

Abb. 17:

Die Auf teilung des Marktes für Wartungsleistungen in der Bundesrepublik Deutschland 1986 in Abhllngigkeit vom Fahrzeugalter (Quelle: Deutsche Automobil Treuhand (Hrsg.) (1987b), S. 8)

C. Situation bei der Vermarktung von Kundendienstleistungen

139

bzw. 46 v.H., wAhrend die übrigen Dienstleister und vor allem der Do-it-yourselfSektor umgekehrt bei diesen mit einem geringeren Schwierigkeitsgrad versehenen Wartungs- und Inspektionsarbeiten deutlich stArker von den Nachfragern berücksichtigt werden. 162 Insgesamt kann konstatiert werden, daß die Automobilgruppen ihren Anteil am Markt für Wartungsleistungen nach dem scharfen Einbruch im Jahre 1984 auf einem Niveau stabilisiert haben 163 , das hinsichtlich der Auslastung vorhandener Werkstattkapazitllten annAhernd zufriedenstellend ist, nicht so jedoch im Hinblick auf die Ausnutzung des mit der Akquisition von WartungsauftrAgen verbundenen Kundenkontaktpotentials. Allerdings resultiert die akzeptable KapazitAtsauslastung vornehmlich aus der stArkeren absoluten Nachfrage nach Wartungsleistungen, die ihrerseits hauptsAchIich auf die beachtliche Ausweitung des Fahrzeugbestandes wAhrend der letzten Jahre zurückzuführen ist. 1M Einem weiteren Wachstum des Automobilbestandes sind aber enge Grenzen gesetzt, so daß bereits in naher Zukunft ein geringeres Potential für Wartungsarbeiten wahrscheinlich ist; denn die Hersteller streben permanent nach einer Reduktion des Wartungsbedarfs ihrer Fahrzeuge, um auf diese Weise die für den Kunden mit dem Besitz eines Automobils verbundenen Lebenszykluskosten zu senken und derart eine StArkung ihrer WettbewerbsfAhigkeit im Vergleich zu konkurrierenden Anbietergruppen zu erreichen. Durch den Einsatz technologisch verbesserter Fahrzeugkomponenten wie der kontaktlosen elektronischen Zündung, des hydraulischen Ventilspielausgleichs oder der selbstnachstellenden Kupplung ist der Wartungsbedarf eines Automobils von 2,7 Stunden p.a. im Jahre 1980 auf 2,6 Stunden p.a. im Jahre 1985 gesenkt worden. Bis zum Jahre 1990 sollen nur noch 2,1 Stunden p.a. für die Durchführung von Wartungsarbeiten je Fahrzeug notwendig sein. 165 Diese Daten sind das Ergebnis einer bestandsbezogenen Betrachtung, d.h. die Altersstruktur der zu den jeweiligen Zeitpunkten vorhandenen Automobile wird berücksichtigt. Noch deutlicher wird der Erfolg der Hersteller, wenn die Reduktion des Wartungsbedarfs je Fahrzeug modelljahrbezogen analysiert wird. Nach einer internen Untersuchung der Volkswagenwerk AG verringert sich dann die Zahl der notwendigen Stunden für Wartungsarbeiten von 2,3 Stunden p.a. bei einem Fahrzeug des Baujahres 1980 auf 1,1 Stunden p.a. bei einem solchen des Baujahres 1990. Die Auswirkungen dieser Fahrzeugverbesserungen auf das Potential für Wartungsleistungen können nun nicht mehr durch gegenlAufige Effekte aufgrund 162) Vgl. Deutsche Automobil Treuhand (Hrsg.) (1987b), S. 11, S. 13 und S. 15. 163) Vgl. Deutsche Automobil Treuhand (Hrsg.) (I987b), S. 6. 164) Deutsche Automobil Treuhand (Hrsg.) (I987b), S. 30. 165) Vgl. O.V. (I986a), o.S.; vgl. in diesem Zusammenhang auch die entsprechenden Übersichten zur Entwicklung des Wartungs- und Reparaturbedarfs bei Clausen, Claus (1985), S. 10; Kattge, Rolf (1986), S. 358.

140

111. Der Kundendienst im Automobilbereich

von Zuwlchsen im Automobilbestand kompensiert werden; daher wird der Markt fll.r Wartungsleistungen zukll.nftig auch aus Grll.nden der Auslastung von Werkstattkapazitlten noch stlrker umkämpft sein, wobei die herstellergebundenen Betriebe besonden frühzeitig von dieser Entwicklung betroffen sein werden. Immerhin fll.hren gerade sie überdurchschnittlich häufig Wartungsarbeiten an jll.ngeren Kundenfahrzeugen durch und werden entsprechend schneller mit der modelljahrbezogenen Reduktion des Wartungsbedarfs je Fahrzeug konfrontiert. Die Automobilgruppen müssen deshalb aus zwei Grll.nden um eine Verbesserung ihrer Position im Markt fll.r Wartungsleistungen bemüht sein: Zum einen ist die Erhöhung der Kundenkontakte gleichsam die Voraussetzung fll.r eine Intensivierung der kundendienstpolitisch induzierten dauerhaften Nachfragerbindung und zum anderen ist bereits die Sicherung der heutigen Werkstattauslastung durch Wartungsauftrlge kll.nftig nur im Zuge einer angemessenen Marktanteilserweiterung möglich. Obwohl eine tendenzielle Venchiebung im Bereich der Wartungsleistungen hin zu Arbeiten höherer Komplexitlt ein solches Streben der herstellergebundenen Betriebe unterstll.tzt, stehen diese doch grundsitzlich vor der Aufgabe, bei der Planung ihrer primlrleistungsorientierten Sekundlrdienstleistungsangebote stlrker bislang vernachlässigte Nachfragerbedürfnisse zu berll.cksichtigen.

(2) Der Markt für Reparaturleistungen Auch im Bereich der Kundendienstleistungsart Reparatur ist die Wettbewerbsposition der Automobilgruppen unbefriedigend. Zwar stellen die herstellergebundenen Betriebe wieder die dominierende Angebotsform dar, doch mehr als die Hilfte aller Nachfrager deckt ihren Bedarf an Reparaturleistungen anderweitig. So haben die Werkstätten der Automobilgruppen im Jahre 1986 nur durchschnittlich 43 v.H. aller an Fahrzeugen ihrer Marke angefallenen Reparaturleistungen erbracht, wlhrend 26 v.H. dieser Tltigkeiten im Rahmen des Do-it-yourself und 24 v.H. der Arbeiten von sonstigen Dienstleistern durchgefll.hrt worden sind (vgl. Abb. 18). Alle herstellergebundenen Betriebe zusammen konnten in absoluten Zahlen ca. 15,3 Mio. Kundenkontakte durch die AkQuisition von Reparaturauftrlgen realisieren, wohingegen gleichzeitig rund 20,2 Mio. weitere Kontaktmöglichkeiten von ihnen ungenutzt blieben l66 und damit ebenso viele Gelegenheiten zur zusltzlichen Profilierung im Intergruppenwettbewerb durch die Erbringung subjektorientierter Sekundlrdienstleistungen und zur Festigung einer kundendienstpolitisch induzierten Markenloyalitlt beim Nachfrager.

166) Vgl. Deutsche Automobil Treuhand (Hrsg.) (I987b), S. 31.

c. Situation bei der Vermarktung von Kundendienstleistungen

141

Reparaturmarkt 1986 (mit Unfallreparaturen)

.t....

Tank-

Abb. 18:

Keine

Angabe

Die Aufteilung des Marktes für Reparaturleistungen in der Bundesrepublik Deutschland 1986 (Quelle: Deutsche Automobil Treuhand (Hrsg.) (1987b), S. 31)

100 % K.lneAngabe Do-It-vClUrHIf Sonstiga Werk-

mttITankatelle

Vertrag.-

werkstatt

Abb. 19:

Die Aufteilung des Marktes für Reparaturleistungen in der Bundesrepublik Deutschland 1986 in Abhängigkeit vom Fahrzeugalter (Quelle: Deutsche Automobil Treuhand (Hrsg.) (1987b), S. 25)

142

III. Der Kundendienst im Automobilbereich

Als wichtige Determinante des Beschaffungsverhaltens bei Kundendienstleistungen erweist sich erneut das Alter des Fahrzeuges, an dem primlrleistungsorientierte Sekundärdienstleistungen durchzuführen sind. Während der Anteil der Automobilgruppen am Markt für Reparaturleistungen mit zunehmendem Fahrzeugalter kontinuierlich von 76 v.H. auf 32 v.H. absinkt, verläuft diese Entwicklung bei den konkurrierenden Angebotsformen umgekehrt proportional. Sowohl das Do-it-yourself als auch die Gruppe der sonstigen Dienstleister erreichen ihre relativ stärkste Wettbewerbsposition bei Besitzern von mindestens acht Jahre alten Fahrzeugen: Hier realisieren sie einen Marktanteil von 32 v.H. bzw. 28 v.H. (vgl. Abb. 19)187. Mithin führt die vornehmlich festzustellende Ausrichtung der herstellergebundenen Betriebe auf die Befriedigung von Bedürfnissen, die Besitzer verhältnismäßig junger Automobile mit der Abwicklung eines Instandsetzungsauftrags assoziieren,

gerade

dann zu einer

nachlassenden

Kundenbindung, wenn Reparaturvorkommnisse aufgrund des nutzungsbedingt höheren Fahrzeugverschleißes besonders häufig werden. l88 Analysiert man den Markt für Reparaturleistungen schließlich auf der Ebene einzelner spezifizierter Instandsetzungsarbeiten, so zeigt sich, daß die relativen Wettbewerbspositionen der konkurrierenden Angebotsformen in Abhängigkeit von dem jeweils für die Erbringung einer Leistung notwendigen Know how deutlich variieren (vgl. Abb. 20). Die Werkstätten der Automobilgruppen haben eine überdurchschnittlich starke MarktsteIlung bei solchen Arbeiten inne, die sich durch eine hohe Komplexität, d.h. durch besonders weitreichende Anforderungen an die Fähigkeit zur Diagnose einer Störung und zu ihrer anschließenden Beseitigung auszeichnen. Dazu zählen z.B. Instandsetzungsarbeiten an der Motorelektrik oder am Getriebe. Hier müssen die Bereitstellungsleistung des Anbieters und insbesondere die fachliche Qualifikation seines Personals hohen Ansprüchen genügen. 18g Allerdings ist gerade die Erbringung dieser komplizierten Leistungen relativ selten notwendig und schafft folglich nur eine unterdurchschnittliche Anzahl Kundenkontakte. Umgekehrt werden weniger komplexe, jedoch weitaus häufiger anfallende Reparaturarbeiten wie die Ausbesserung von Rostschäden oder die Instandsetzung der Auspuffanlage überdurchschnittlich oft im Do-ityourself-Verfahren durchgeführt. Da die Gruppe der sonstigen Werkstätten im Bereich der Reparaturarbeiten ein sehr heterogenes Konglomerat von Betrieben mit differierendem Selbstverständnis und entsprechend variierender Schwerpunktlegung bildet, verfügt diese Angebotsform nicht generell über Wettbewerbsvorteile bei Instandset167) Diese Aufstellung beinhaltet nicht den Bereich der Unfallreparaturen, für den allerdings ähnliche Verteilungen gelten; vgl. Deutsche Automobil Treuhand (Hrsg.) (1987 b), S. 29. 168) Vgl. Deutsche Automobil Treuhand (Hrsg.) (1987 b), S. 19, S. 21 und S. 26 f. 169) Vgl. Deutsche Automobil Treuhand (Hrsg.) (1987 b), S. 22 f.

c. Situation bei der Vennarktung von KundendienstIeistungen

143

zungsleistungen hoher oder geringer Komplexität. Vielmehr verzeichnen die sonstigen Werkstätten sowohl bei Tätigkeiten an der Motorelektrik als auch bei der Beseitigung von Rostschäden oder dem Auswechseln von Stoßdämpfern überdurchschnittlich hohe Marktanteile.

Durchfilhnmg D

10

50

60

70

110

1110%

Häufigkeit VOD InstIDdsetzuDgsarbeiten 1986

lOv.H.

Mat....l.ktrtk

6 v.H. 6 v.H. 11v.H.

Motor

25 v.H.

4 v.H.

stalldimpfar

2S v.H.

11 v.H. 13 v.H.

Rastschäd.n

gV_II.W.b1aIl ~ Do-It..y--'fIT_btelle

!3s-tiD.w.........n KHleAnpbe

Abb. 20: Die Aufteilung des Marktes filr Reparaturleistungen in der Bundesrepublik Deutschland 1986 in Abhängigkeit von unterschiedlich oft anfallenden Instandsetzungsarbeiten (Quelle: Deutsche Automobil Treuhand (Hrsg.) (l987b), S. 20 LV.m. S. 23) Gemessen an der Zahl der Vorkommnisse 170 stellt die Leistungsart Reparatur für die Automobilgruppen nach der Leistungsart Wartung das wichtigste Potential zur Auslastung der Werkstattkapazitäten und zum Aufbau einer kundendienstpolitisch induzierten Markentreue beim Nachfrager dar. Mit dem realisierten Marktanteil von 43 v.H. haben die herstellergebundenen

Betrieb~

im Jahre 1986 hier zwar ihr bestes Ergebnis

170) Vgl. dazu Deutsche Automobil Treuhand (Hrsg.) (1987 b), S. 30 f.

144

IlI. Der KWldcndicnst im Automobilbereich

wlhrend der laufenden Dekade erzielt l71 , doch ist die Tatsache, daß 57 v.H. aller möglichen Instandsetzungsauftrlge nicht akquiriert werden konnten, wenig zufriedensteIlend. Dieses gilt vor allem vor dem Hintergrund, daß ein zuklinftig schrumpfender Markt flir Reparaturleistungen zu einem hirteren Konkurrenzkampf um jeden Kundenkontakt flihren wird. Die Automobilhersteller bemlihen sich permanent um eine angemessen verllngerte Lebensdauer der Verschleißteile in ihren Fahrzeugen, um so die Vermarktungschancen ihres Absatzobjektes im Intergruppenwettbewerb zu erhöhen. Auf diese Weise werden sie den Reparaturbedarf je Automobil bestandsbezogen von 5,6 Stunden p.a. im Jahre 1980 auf 4,3 Stunden p.a. im Jahre 1990172 und modelljahrbezogen - dieser Indikator ist in Anbetracht der Kundenstruktur wieder besonders wichtig flir herstellergebundene Werkstltten - von 5,3 Stunden p.a. auf 4,2 Stunden p.a. bis zum Ende dieser Dekade senken.n' Zwar sind die Wirkungen dieser Reduktion im Vergleich zu den Verlnderungen auf dem Markt flir Wartungsleistungen weniger dramatisch, doch auch sie dominieren den Effekt, den eine im gleichen Zeitraum zu erwartende Ausweitung des Fahrzeugbestandes auf das Instandsetzungspotential ausliben wird. Folglich mlissen die Automobilgruppen klinftig sowohl aus Grlinden einer Auslastung ihrer Werkstattkapazitlten als auch vor allem unter dem Aspekt einer festeren Bindung des Nachfragers an das eigene Leistungsblindel einen höheren Anteil am Markt flir Reparaturleistungen anstreben. Die aus der stlndig wachsenden technologischen Komplexität der Automobile174 resultierenden Verschiebungen innerhalb des Bedarfs nach Reparaturleistungen hin zu Arbeiten mit einem höheren Schwierigkeitsgrad und somit zugunsten des Bereichs solcher Instandsetzungsleistungen, bei denen die herstellergebundenen Betriebe liber Wettbewerbsvorteile verrligen, kann in diesem Zusammenhang durchaus hilfreich sein; allerdings entbindet diese Entwicklung nicht von der Notwendigkeit, stlrkere Anstrengungen bei der Vermarktung derjenigen Reparaturleistungen zu entfalten, die geringere Ansprliche an das fachliche Know how des Anbieters stellen. Denn angesichts der hohen Bedeutung von experience qualities flir die Beurteilung von Dienstleistungen stellt jeder nicht akquirierte Instandsetzungsauftrag nicht nur eine verpaßte Chance zur Intensivierung der kundendienstpolitisch induzierten Kundenloyalitlt in bezug auf die Hauptleistung Automobil dar, sondern birgt darliber hinaus die Gefahr, daß der Kunde im Falle der Zufriedenheit mit den Leistungen einer konkurrierenden Angebotsform auch auf den Erwerb anderer primlrleistungsorientierter Sekundlrdienstleistungen bei den herstellergebundenen Be171) Nur im Partialbereich der Unfallreparaturen konnte im Jahr 1981 ein besseres Ergebnis erzielt werden; vgl. Deutsche Automobil Treuhand (Hrsg.) (1987 b), S. 22 und S. 28; Deutsche Automobil Treuhand (Hrsg.) (1985), S. 18 und S. 23. 172) Vgl. o. V. (l986a), o. S. 173) Diese Daten entstammen einer internen Untersuchung der Volkswagenwerk AG. 174) Zu denken ist besonders an den zunehmenden Elektronikanteil in einem Fahrzeug.

c. Situation bei der Vennarktung von Kundendienstleistungen

145

trieben verzichtet und mithin seine Bindung an die Fahrzeugmarke weiter gelockert wird. Zur Realisierung ihrer kundendienstpolitischen Ziele ist daher für Automobilgruppen eine verstärkte Berücksichtigung von Bedürfnissen bislang vernachlässigter Nachfragesegmente unumgänglich.

(3) Der Markt für Tuningleistungen Zum Abschluß ist der Erfolg der Automobilgruppen bei der Vermarktung der Kundendienstleistungsart Modifikation zu analysieren. Eine separate Untersuchung dieses Bereiches ist notwendig, da die Motive des Nachfragers bei der Beschaffung von Tuningleistungen einerseits und Wartungs- bzw. Reparaturleistungen andererseits deutlich differieren. Beabsichtigt der Kunde mit dem Erwerb der letztgenannten Leistungen die Erhaltung bzw. die Wiederherstellung der Gebrauchsfähigkeit seines Fahrzeuges, so zielen Tuningleistungen auf eine Verllnderung des Automobils ab, d.h. das Individualisierungsstreben löst die Nachfrage nach solchen Leistungen aus. Zudem ist die Dringlichkeit bei der Durchführung von Arbeiten zur Fahr:z:eugmodifikation weitaus geringer; mithin können diese zeitlich flexibler geplant werden. Insgesamt bewirkt diese Konstellation eine spezifische Bedürfnisstruktur beim Nachfrager und folglich besondere beschaffungspolitische Präferenzen in Verbindung mit dieser primärleistungsorientierten Kundendienstleistungsart. Entsprechend unterscheidet sich die Aufteilung des Marktes für Tuningleutungen grundlegend von der Aufteilung der Märkte für Wartungs- bzw. Reparaturleistungen. Allerdings ist die Quantifizierung der jeweiligen Marktanteile problematisch, da hinsichtlich der Kundendienstleistungsart Modifikation keine uneingeschränkt geeignete Datenbasis zur Verfügung steht. Als Ausweg kann aber eine interne Studie der Volkswagenwerk AG für das Jahr 1981 dienen, die das Beschaffungsverhalten der Besitzer von Volkswagen/ Audi-Automobilen bei nicht unfallbedingten Karosserie- und Lackarbeiten untersucht. Auf diese Weise wird zwar weder das komplette Spektrum der Tuningleistungen erfaßt, noch kann verhindert werden, daß auch Arbeiten zur Behebung von Rostschllden und somit Reparaturleistungen Berücksichtigung finden, doch die starke Affinität zwischen Tuningleistungen und nicht unfallbedingten Karosserieund Lackarbeiten erlaubt es immerhin, letztere in der Funktion eines Indikators zur Ableitung von Tendenzaussagen heranzuziehen. Den weitaus größten Anteil am Markt für nicht unfallbedingte Karosserie- und Lackarbeiten hat der Bereich des Do-it-yourself inne: 62 v.H. aller angefallenen Tä-

146

III. Der Kundendienst im Automobilbereich

tigkeiten werden in Eigenarbeit oder mit Hilfe von Bekannten durchgefOhrt. Die sonstigen Dienstleister hingegen akquirieren nicht mehr als 11 v.H. aller möglichen Aufträge. Deutlich geringer als bei den Obrigen primärleistungsorientierten Kundendienstleistungen flUlt auch der Anteil der herstellergebundenen Werkstätten am Markt fOr nicht unfallbedingte Karosserie- und Lackarbeiten aus: Nur jeder vierte Nachfrager präferiert diese Angebotsform. Allein bei Besitzern von bis zu vier Jahre alten Fahrzeugen dominieren die Werkstätten der Automobilgruppen mit einem Marktanteil von 54 v.H.; allerdings sind hier auch Garantie- und Kulanzfälle enthalten. Mit zunehmendem Fahrzeugalter schwächt sich dann die Wettbewerbsposition der herstellergebundenen Betriebe kontinuierlich bis auf einen Anteil von 18 v.H. in der Gruppe der Halter von Ober acht Jahre alten Automobilen ab. Umgekehrt steigt die relative Marktbedeutung des Do-it-yourself-Sektors mit dem Fahrzeugalter von 36 v.H. auf 70 v.H. an. Die sonstigen Dienstleister schließlich besitzen eine Oberdurchschnittlich starke Wettbewerbsstellung bei Besitzern von zwischen vier und acht Jahre alten Automobilen. Aus der Analyse des Marktes fOr Karosserie- und Lackarbeiten kann gefolgert werden, daß die Werkstätten der Automobilgruppen mit ihrem Angebot im Bereich der Kundendienstleistungsart Modifikation den BedOrfnissen der Nachfrager nur sehr bedingt entsprechen. Auf diese Weise wird sowohl eine Möglichkeit zur Optimierung der Werkstattauslastung als auch gleichzeitig zur HerbeifOhrung positiver Kundenkontakte nicht adäquat genutzt. Gerade mit der DurchfOhrung von Tuningleistungen, die nicht aus Garantie- oder Kulanzverpflichtungen resultieren, können herstellergebundene Betriebe Präferenzen beim Nachfrager aufbauen und seine dauerhafte Bindung an das eigene Leistungsbündel erreichen, denn den Anlaß solcher Arbeiten bildet stets der Wunsch des Kunden nach einer Individualisierung seines Fahrzeuges und nicht eine technologische Notwendigkeit der Sachleistung Automobil. Daher tritt für die Automobilgruppen das Erfordernis, neue Nachfragesegmente zu erschließen, im Bereich der Kundendienstleistungsart Modifikation noch deutlicher als bei den übrigen primärleistungsorientierten Sekundlrdienstleistungen hervor.

D. Beurteilung der von den Automobilgruppen betriebenen Kundendienstpolitik Lange Zeit ist die Kundendienstpolitik von den Automobilgruppen eher als notwendiges Übel denn als Chance zur dauerhaften Bindung des Nachfragers begriffen worden. So wurden in den sechziger Jahren die Erbringung primärleistungsorientierter Sekun-

därdienstleistungen offerierende Tankstellen nicht als Konkurrenten, sondern als

D. Beurteilung der betriebenen Kundendienstpolitik

147

hilfreiche Entlastung der eigenen Werkstattkapazitlten betrachtet. 175 Aufgrund eines permanenten Nachfrageüberhanges bei primArleistungsorientierten Kundendienstleistungen sahen herstellergebundene Betriebe noch am Ende der siebziger Jahre ihre Hauptaufgabe in der Verteilung von Werkstattleistungen und nicht in der Eruierung und Befriedigung spezieller Nachfragebedürfnisse. 176 Erst in den achtziger Jahren haben entstandene Werkstattüberkapazitlten und vor allem die Einsicht in den hohen Stellenwert der Kundendienstpolitik für die Beschaffung von Marktinformationen, den Aufbau von Markenloyalitlt sowie die Erzielung von Erlösen und damit für den Erfolg im Automobilgeschäft zu einer Umkehr im Denken der Anbieter geführt: Heute wird die Kundendienstpolitik von den Automobilgruppen allgemein als Chance zum Erwerb eines nachhaltigen Wettbewerbsvorteils verstanden. 177 Allerdings entspricht die Situation der Automobilgruppen bei der Vermarktung von Sekundärdienstleistungen nicht diesem der Kundendienstpolitik beigemessenen hohen Stellenwert. Vor allem eine Realisierung der angestrebten Nachfragerbindung erscheint angesichts der wenig zufriedenstelIenden Anteile der herstellergebundenen Betriebe an den Markten für primärleistungsorientierte SekundArdienstieistungen gefährdet, denn mangelnde Werkstattkontakte behindern sowohl den Aufbau von Prllferenzen durch die Verdeutlichung der eigenen fachlichen Kompetenz als auch gleichzeitig eine Profilierung über das Angebot subjektorientierter Kundendienstleistungen. Darüber hinaus kann eine kundendienstpolitisch induzierte Markenloyalitlt nur erreicht werden, wenn die erbrachten SekundArdienstieistungen den Qualitativen Anforderungen der Nachfrager entsprechen. Die Werkstattleistungen der herstellergebundenen Betriebe stehen jedoch häufig in der Kritik. So werden gerade Arbeiten am Automobil relativ oft von Kunden beanstandet. 178 Zusätzlich decken anonyme Tests mit präparierten Fahrzeugen immer wieder Fehler bei der Durchführung primärleistungsorientierter Sekundärdienstleistungen auf. 171! Eigene negative Erfahrungen und solche negativen Quasi-Erfahrungen schwächen aber nicht nur das Kundendienstimage der Automobilgruppe, sondern auch das Unternehmensimage des jeweiligen Automobilproduzenten und erschweren auf diese Weise die Transformation von Nachfragern in einen Stammkunden. Insgesamt ist zu konstatieren, daß die Chancen der Kundendienstpolitik für den Erfolg 175) Vgl. Bennewitz, Hans I. (1968), S. 123 f. 176) Diese Aussage stützt sich auf Gespräche mit den Kundendienstabteilungen der Automobilhersteller; vgl. auch Kattge, Rolf (1986), S. 355 ff. 177) Diese Einschätzung resultiert aus Gesprächen mit den Kundendienstabteilungen der Automobilhersteller sowie Vertretern der Absatzorganisationen; vgl. auch Clausen, Claus (1985), S. 9. 178) Vgl. Bruhn, Manfred (1982a), S. 34 f. 179) Vgl. u.a. Caroselli, Manfred (1987), S. 19 ff.; o.V. (1981), S. 30 ff.; o.V. (1983), S. 22 ff.

148

III. Der Kundendienst im Automobilbereich

im Automobilgeschllft nicht adäquat verwertet werden und insbesondere bei der Gewinnung von Kundenkontakten durch die Erbringung von Werkstattleistungen gravierende Defizite bestehen. Die Ursachen für die Diskrepanz zwischen den Möglichkeiten der Kundendienstpolitik und ihrer tatsächlichen Nutzung im Automobilsektor sind vielschichtig. Zum einen beeinflußt die sehr komplexe Struktur einer Automobilgruppe nachhaltig die Ausgestaltung der Sekundllrdienstieistungspolitik, da ein konfliktäres Aufeinandertreffen von Gruppen- und Eigeninteressen gleichsam programmiert ist. Zwar stellt die Kreativität selbständiger Vertriebs- und Kundendienstpartner ein wesentliches Element bei der Entwicklung innovativer Sekundllrdienstleistungen dar, doch gleichzeitig wird die Durchsetzung eines einheitlichen Kundendienstniveaus maßgeblich beeinträchtigt Während für den Automobilproduzenten die Profilierung seiner Vertriebsorganisation im Intergruppenwettbewerb entscheidend ist, strebt der einzelne Absatzmittler vornehmlich nach Vorteilen im Intragruppenwettbewerb. Der Einfluß des Herstellers auf die Kundendienstpolitik und das Kundendienstimage der Automobilgruppe ist demnach begrenzt Bei der Umsetzung geplanter Leistungsangebote ist er auf die Akzeptanz und Mitwirkung seiner Vertragshllndler und -werkstätten angewiesen, die ihrerseits individuelle Freiheitsgrade für die konkrete Ausgestaltung der vorgeschlagenen Sekundllrdienstieistungen verlangen. Daher kann für die gesamte Automobilgruppe kein homogenes Angebot von Kundendienstieistungen, sondern nur die Einhaltung eines unteren Standards bezüglich der Qualität und des Umfangs der offerierten Leistungen garantiert werden. Zudem ist die Korrektur eines einmal erworbenen Kundendienstimage und mithin die notwendige Realisierung von Fortschritten bei der Vermarktung primärleistungsorientierter Sekundllrdienstleistungen für eine Automobilgruppe äußerst schwierig und sehr zeitaufwendig; denn kundendienstpolitische Neuerungen werden in der Regel erst von eigenen Werksniederlassungen und innovativen Vertragspartnern adaptiert und nur bei einem definitiven Erfolgsnachweis von der kompletten Absatzorganisation übernommen. Die komplexe Struktur einer Automobilgruppe kann folglich sowohl eine rasche Reaktion auf Marktverllnderungen als auch eine einheitliche Steuerung des Leistungsangebotes behindern und damit eine suboptimale Ausnutzung der kundendienstpolitischen Chancen bewirken. Zum anderen trägt eine mangelnde ganzheitliche Sicht des Automobilgeschllftes zu kundendienstpolitischen Mißerfolgen bei. Der Kundendienst wird von Herstellern und Absatzmittlern institutionell abgegrenzt und inhaltlich sowie organisatorisch vornehmlich auf das WerkstattgeSChIlft nach Absatz der Hauptleistung beschränkt. Auf diese Weise werden Interdependenzen zwischen den verschiedenen Erfolgspotentialen verdeckt, und die Verwirklichung möglicher Synergieeffekte wird erschwert. So bewirkt

D. Beurteilung der betriebenen Kundendienstpolitik

149

die Zuordnung der beim Absatz eines Automobils anfallenden Dienstleistungen in den Verantwortungsbereich der Abteilung Verkauf anstelle der Abteilung Kundendienst, daß Werkstattmitarbeiter ihre Aufgabe nicht darin sehen, den Kunden eventuell zu Lasten von WerkstatterlOsen rechtzeitig auf die Vorteilhaftigkeit eines Fahrzeugwechsels hinzuweisen und derart eine markentreue Ersatzbeschaffung einzuleiten. Stattdessen geflhrden Abteilungsegoismen das systematische Ineinandergreifen der einzelnen Sekundlrdienstleistungen und damit die ÜberfUhrung der Geschlftsbeziehung in eine permanente; denn eine mangelnde BerUcksichtigung seiner Gesamtinteressen weckt beim Kunden ein GefUhl der Übervorteilung und erzeugt negative Einstellungen gegenUber dem kompletten Absatzobjekt der Automobilgruppe. Ein weiteres Koordinationsproblem kann zwischen den Bereichen Teileverkauf und Kundendienst auftreten. Die Effizienz des Teileverkaufs wird nach der HOhe der erwirtschafteten ErlOse beurteilt. UnberUcksichtigt bleibt dabei die Struktur der Abnehmer von Ersatz und ZubebOrteilen, d.h. Verkäufe an die eigene Werkstatt werden nicht bOher gewichtet als solche an private oder gewerbliche Nachfrager. Auf diese Weise wird fUr den Teileverkauf kein Anreiz geschaffen, im Sinne der eigenen Werkstatt zu beraten und akQuisitorisch tätig zu werden, obwohl sich der einzelne Absatzmittler ebenso wie die Automobilgruppe gerade durch einen Angebotsverbund aus der Sachleistung Teil und - zumindest - einer primlrleistungsorientierten Sekundlrdienstleistung wie z.B. dem erglnzenden Teileeinbau weitaus nachhaltiger beim Kunden profilieren kOnnen. Vielmehr wird hlufig einseitig eine den Zielen der Kundendienstpolitik wenig fOrderliche Stimulierung des Teilegeschlftes durch die Gewlhrung von Rabatten sowohl an Do-ityourself-Interessierte als auch gewerbliche Werkstattkonkurrenten verfolgt. Schließlich ist die weitgehende Vernachlässigung des Gebrauchtwagengeschlftes seitens der Automobilgr.uppen zu kritisieren. Da der Kaufort der Hauptleistung einen prldispositiven Einfluß auf die Entscheidungen des Nachfragers bei der Beschaffung von Werkstattleistungen ausUbt180, kann eine Verbesserung des Gebrauchtwagenangebotes eine Ausweitung der Anteile herstellergebundener Betriebe an den Mlrkten fUr primlrleistungsorientierte Sekundlrdienstleistungen nach sich ziehen, indem Kontakte zu bisher kaum erschlossenen Nachfragergruppen hergestellt werden. Entsprechend ist insgesamt zu konstatieren, daß die Diskrepanz zwischen den MOglichkeiten und der tatslchlichen Nutzung der Kundendienstpolitik in der Automobilbranche auch aus einer mangelnden Berücksichtigung der Zusammenhinge im Automobilgeschlft resultiert. Mit einer Verbesserung des Gebrauchtwagenangebotes kOnnen erste Kontakte, die letztlich eine notwendige Voraussetzung rur den vermehrten Absatz von Sekundlrdienstleistungen darstellen, auch zu bislang nicht erreichten Besitzern von Fahrzeugen der eigenen Marke hergestellt werden. DarUber hinaus gilt es, die Koordination aller Kundendienstleistungen durch organisatorische oder informelle Veränderungen so zu verbes180) Vgl. RUhl, GUnter/Hantsch, G./Heinen, E./Schulte, A. (1984), S. 156.

150

III. Der Kundendienst im Automobilbereich

sern, daß die Erfüllung des Zielsystems einer Automobilgruppe (vgl. Abb. 12) nicht durch Abteilungsegoismen gefährdet wird. Die entscheidende Ursache für die suboptimale Nutzung der Kundendienstpolitik bei der Vermarktung von Automobilen liegt jedoch in der Ausgestaltung des Sekundlrdienstleistungsangebotes. Ein Indiz hierfür sind die Anteile der herstellergebundenen Werkstätten an den Märkten für primärleistungsorientierte Sekundärdienstleistungen, die durchweg nur in den Gruppen der Besitzer relativ junger Fahrzeuge zufriedensteIlend sind. Bei diesen Kunden ist aber zu berücksichtigen, daß sie häufig Werkstattleistungen wie z.B. eine Inspektion nachfragen, um auf diese Weise ihre Garantieansprüche hinsichtlich des Automobils aufrechtzuerhalten. Daher kann vermutet werden, daß ein wichtiger Teil der insgesamt von den Automobilgruppen akquirierten WerkstattauftrAge vornehmlich Ausdruck eines exogen erzwungenen Nachfrageverbundes ist. Besitzer Alterer Fahrzeuge hingegen prAferieren bei der Beschaffung von primärleistungsorientierten Sekundärdienstleistungen verstärkt konkurrierende Angebotsformen, die sich als Reaktion auf die unzureichende Beachtung von Markterfordernissen durch die Automobilgruppen etabliert haben. Die herstellergebundenen Betriebe erfüllen im Bereich der primärleistungsorientierten Kundendienstleistungen mithin nur die Bedürfnisse bestimmter Nachfragegruppen. Demnach muß konstatiert werden, daß die entscheidende kundendienstpolitische Schwäche der Automobilgruppen in einer unzureichenden Marktorientierung liegt. Nicht die Analyse und Befriedigung von Nachfragerbedürfnissen, sondern die Verwirklichung von Anbieterinteressen bildet den wichtigsten Ausgangspunkt für die Planung und Umsetzung von Sekundärdienstleistungsangeboten. Aus dieser Situation erwachsen einerseits Probleme bei der - vor allem in Anbetracht der Produktlebenszyklus-Phase von Automobilen in der Bundesrepublik Deutschland - äußerst wichtigen Bindung von Stammkunden, weil eine adäquate Betreuung des Nachfragers während der gesamten Lebensdauer eines Fahrzeuges nicht gewährleistet ist und somit Bruchstellen innerhalb der Geschäftsbeziehung zwischen dem Kunden und der Automobilgruppe programmiert sind; andererseits kann die Kundendienstpolitik nur einen geringen Beitrag zur Akquisition von Erstklufern leisten, da gerade die Bedürfnisse von Besitzern älterer Automobile unzureichend befriedigt werden. Die Effizienz der Kundendienstpolitik in der Automobilbranche kann daher nur erhOht werden, wenn eine konsequente Marktsegmentierungsstrategie betrieben wird, die systematisch die Bedürfnisse der unterschiedlichen Nachfragergruppen eruiert und diese Erkenntnisse in differenzierte Sekundärdienstleistungsangebote überführt. Die Entscheidung zur Bearbeitung bzw. Nichtbearbeitung eines bestimmten Marktsegmentes darf nicht das zufällige Ergebnis einer traditionell gewachsenen Entwicklung sein,

D. Beurteilung der betriebenen Kundendienstpolitik

151

sondern muß bewußt und in Abstimmung mit der strategischen Ausrichtung der jeweiligen Automobilgruppe getroffen werden. In der Automobilindustrie werden vielfältige Maßnahmen zu einer verbesserten Nutzung der Kundendienstpolitik diskutiert und auch implementiert. Allerdings sind diese vornehmlich operativ ausgerichtet und beabsichtigen anstelle einer grundsätzlichen Neuorientierung lediglich eine Modifikation der praktizierten Sekundärdienstleistungspolitik. So werden Grundregeln für eine Optimierung der Abwicklung von Werkstattaufträgen oder für eine erfolgversprechende Kundenakquisition bzw. -bindung aufgestellt lal und Vorschläge zur baulichen Gestaltung der Kundenkontakträume unterbreitet. la2 Daneben führen einzelne Absatzmittler eigenständige Aktionen zur Erschließung neuer Nachfragergruppen durch. Die bislang erworbenen Erfahrungen zeigen jedoch, daß bei solchen Kundengruppen wie z.B. den Do-it-yourself-Interessierten nur dann eine Veränderung des Beschaffungsverhaltens erreicht werden kann, wenn diese innovativen Anbieteraktivitäten im Rahmen eines Gesamtkonzeptes für die jeweilige Automobilgruppe und nicht isoliert erfolgen, weil ansonsten das Image der Automobilgruppe und speziell der Absatzorganisation konterkarierend wirkt. lU Ein fehlender systematischer Ansatz ist auch der Hauptkritikpunkt an preispolitischen Vorschlägen zur Verbesserung der Vermarktungschancen für primärleistungsorientierte Sekundärdienstleistungen. Ausgehend von einer deckungsbeitragsorientierten Preisuntergrenze als Minimalforderung, bei der die auftragsbezogenen Kosten erwirtschaftet werden, sollen am Wettbewerb ausgerichtete Niedrigpreise für einige Werkstattleistungen gebildet und verlangt werden. Für solche preispolitischen Aktivitäten werden nach statistischen Gesichtspunkten konkurrenzgefährdete Arbeiten wie z.B. Auspuffreparaturen aus dem Kundendienstleistungssortiment ausgewählt; zusätzlich kann eine fahrzeugspezifische Einengung erfolgen, so daß diese Werkstattleistungen zu wettbewerbsorientierten Niedrigpreisen nur bei ausgesuchten Modellen bestimmter Jahrgänge, deren Besitzer eher selten herstellergebundene Betriebe frequentieren, offeriert werden. lU Mit diesem pauschalen Vorgehen ist für die Automobilgruppen jedoch auch die Gefahr entgangener Erlöse verbunden. So können nun diejenigen Nachfragersegmente, die zur Entrichtung eines höheren Entgelts für die betroffenen primärlei-

181) Vgl. u.a. Brachat, Hannes (1985c), S. 29; Brachat, Hannes (1985g), S. 25. 182) Vgl. z.B. Niederberghaus, Lothar (1985), S. 102 ff. 183) Auf diesen Zusammenhang kann der begrenzte Erfolg von Vertriebspartnern der Volkswagenwerk AG beim Versuch, die Gruppe der Do-it-yourself-Interessierten stärker an das eigene Haus zu binden, zurückgeführt werden. 184) Ein solcher preispolitischer Ansatz wird z.B. von der Bayerischen Motorenwerke AG diskutiert; vgl. auch o.V. (1986c), S. 8; Rühl, Günter/ Auriga, M.-J.j Hantsch, G./Herzog, M.jKllfer, H./pöhland-Block, H. (1977), S. 214 ff.

152

III. Der Kundendienst im Automobilbereich

stungsorientierten Sekundärdienstleistungen bereit sind, eine Konsumentenrente l85 realisieren. Erfolgversprechender erscheint daher der Weg, im Rahmen einer Marktsegmentierungsstrategie segmentspezifisch differenzierte Leistungsangebote zu entwickeln und derart die Konsumentenrente weitgehend abzuschOpfen. In diese Richtung gehen Bestrebungen, dem Nachfrager bei der Beschaffung einer Werkstattarbeit die WahlmOglichkeit zwischen zwei alternativen Leistungsbllndeln, die hauptsächlich hinsichtlich des Umfangs und des Preises differieren, zu erOffnen. l16 Dieser Ansatz muß systematisch weiterentwickelt werden, und zwar sowohl in bezug auf eine fundierte Segmentierung des Marktes fllr Kundendienstleistungen als auch im Hinblick auf die Auswahl der Sekundllrdienstleistungen, die fIlr eine differenzierte Vermarktung geeignet sind; eine a priori-Beschrllnkung des Einsatzes dieser Marketing-Strategie auf einige primärleistungsorientierte Sekundllrdienstleistungen hingegen entspricht nicht der umfassenden Bedeutung der Kundendienstpolitik fIlr das Automobilgeschllft. Die Aktivitäten der Automobilgruppen zeigen, daß die suboptimale Nutzung der Kundendienstpolitik vor allem durch die Ansprache bislang vernachillssigter Nachfragergruppen korrigiert werden soll. Allerdings wird die praktizierte Kundendienstpolitik in diesem Zusammenhang zuwenig generell in Frage gestellt; daher ist kurzfristig keine grundlegende Veränderung der Sekundllrdienstleistungsangebote zu erwarten. Der Beitrag der Kundendienstpolitik zur Bildung von Präferenzen fIlr das eigene Absatzobjekt kann jedoch nachhaltig gesteigert werden, wenn eine konsequente Marktsegmentierungsstrategie betrieben wird. Auf diese Weise werden nicht nur unterschiedliche Nachfragebedllrfnisse im Rahmen eines aufeinander abgestimmten Gesamtkonzeptes adäquat befriedigt, sondern es wird auch dem besonderen Flexibilitätspotential von Dienstleistungen Rechnung getragen; denn im Gegensatz zur Produktion von Sachleistungen ist eine Umstellung der Bereitstellungsleistung bei der Erbringung verschiedenartiger Dienstleistungen grundsätzlich problemlos und nicht kostenintensiv: So kann eine Reparaturleistung zwar segmentspezifisch differieren -etwa durch die Addition von Zusatzleistungen -, doch trotzdem ist derselbe Mechaniker am selben Arbeitsplatz mit einer ähnlichen Ausrllstung zu ihrer Durchfllhrung in der Lage. Eine Nutzung dieser doppelten Chance der Marktsegmentierungsstrategie kann den Erfolg der Automobilgruppen bei der Vermarktung von Sekundllrdienstleistungen mithin entscheidend verbessern. Da im Bereich der primllrleistungsorientierten Kundendienstleistungen vornehmlich Bilndel aus Dienst und Sachleistungen angeboten werden, ist auf diese Weise gleichzeitig eine fIlr die Gesamtinteressen der Automobilgruppen vorteilhafte Umsetzung der Bestimmungen zum Ersatzteilwesen aus der Gruppenfreistellungsverordnung mOglich. 185) Zum Begriff der Konsumentenrente vgl. z.B. Olt, Alfred E. (1979), S. ISO. 186) Vgl. Brachat, Hannes (198Sb), S. 24 ff; Brachat, Hannes (19850, S. 18 ff.

153

A. Der Begriff der Marktsegmentierung

Nachdem die unzureichende Nachfrageorientierung als wichtigste kundendienstpolitische Schwllche der Automobilgruppen herausgearbeitet worden ist, wird anschließend in Kapitel IV. der Markt für Kundendienstleistungen segmentiert.

IV. Die Segmentierung des Marktes für Kundendienstleistungen in der Automobilbranche A. Der Begriff der Marktsegmentierung Ein Anbieter strebt mit der Verfolgung einer Marktsegmentierungsstrategie die Steigerung der Effizienz seiner auf den Nachfrager gerichteten Aktivitllten an, indem er versucht, dessen Bedürfnisse genau zu analysieren, deutlich zu beschreiben und gezielt zu erfüllen. Auf diese Weise beabsichtigt er eine Optimierung seines Mitteleinsatzes sowie

die

Realisierung

von

Wettbewerbsvorteilen gegenüber

potentiellen

und

tatsllchlichen Konkurrenten oder eine bessere MarktausschOpfung. Entsprechend umfaßt die Marktsegmentierung drei grundlegende Aufgabenkomplexe: Zum einen ist ein Markt derartig in Teilmärkte zu disaggregieren, daß Abnehmer zu Gruppen zusammengefaßt werden kOnnen, die homogener auf bestimmte absatzpolitische Maßnahmen reagieren als die Nachfrager in ihrer Gesamtheit; zum anderen müssen die zu bearbeitenden Marktsegmente ausgewählt werden, d.h. ein Anbieter hat bewußt zu entscheiden, welche. Teilmllrkte er mit einem spezifischen Angebot zu erschließen versucht; und letzlich umspannt der Begriff Marktsegmentierung auch die Umsetzung dieser Entscheidung durch eine adllquate Ausrichtung des Marketing-Mix ·auf die Bedürfnisstruktur im jeweiligen Marktsegment. Die Marktsegmentierungsstrategie setzt somit bei der Beschaffung und Aufbereitung von Informationen über die Nachfrager in einem bestimmten Markt ein, beinhaltet die strategischen Entscheidungen der Segmentwahl sowie der Segmentstimulierung und mündet in die operative Planung des MarketingMix" Im folgenden beschäftigt sich Kapitel IV. ausschließlich mit der Marktforschungsaufgabe im Rahmen einer Marktsegmentierungsstrategie. Nach einer Diskussion der in der Automobilbranche gebrlluchlichsten Ansitze zur Disaggregation des Marktes für Kundendienstleistungen wird ein dreistufiges Verfahren zu seiner Segmentierung entwikkelt und vorgestellt. Die strategische Planung von Sekundllrdienstleistungen speziell I) Zum Begriff der Marktsegmentierung vgl. u.a. BOhler, Heymo (1977), S. 10 ff.; Freter, Hermann (1983), S. 17 f.; Hammann, Peter (1985), S. 010106 ff.; Kaiser, Andreas (1978), S. 10 ff.; Thiess, Michael (1986), S. 635 f.

154

IV. Die Segmentierung des Marktes für Kundendienstleistungen

unter dem Gesichtspunkt einer Marktsegmentierungsstrategie sowie grundsätzliche Überlegungen zu ihrer Implementierung sind dann Gegenstand von Kapitel V.

B. In der Automobilindustrie gebräuchliche Ansätze zur Segmentierung des Marktes für Kundendienstleistungen In der Automobilindustrie gelangt eine Vielzahl unterschiedlicher Segmentierungsansätze zur Anwendung. Allerdings sind die praktizierten Vorgehensweisen wenig überzeugend, da sie zum einen systematische Mllngel beinhalten und zum anderen nur eindimensional strukturiert sind, d.h. sie gehen von einem einzigen beobachtbaren Charakteristikum, mit dem entweder der Nachfrager oder die Primärleistung Automobil beschrieben und klassifiziert werden kann, aus und versuchen derart, Segmente im Markt für Kundendienstleistungen voneinander abzugrenzen sowie die jeweiligen Bedürfnislagen zu skizzieren. Soweit überhaupt beim Kunden angesetzt wird, ist häufig eine Differenzierung zwischen konsumtiver und investiver Nachfrage nach Sekundärdienstleistungen festzustellen. 1 Zwar sind generelle Unterschiede im Beschaffungsverhalten von Organisationen und Privatpersonen evident, doch ist diese Unterteilung zu grob, um die Herausarbeitung von homogen auf absatzpolitische Maßnahmen eines Anbieters reagierenden Abnehmergruppen zu ermöglichen. Insofern ist diese Unterscheidung allein unzureichend und nur ein erster Schritt im Rahmen der Marktsegmentierung. Ansonsten werden Merkmale der Primärleistung Automobil wie z.B. die Kriterien Personenkraftwagen versus Nutzfahrzeug oder die Modellklasse, der ein Fahrzeug angehört, zur Zeriegung des Marktes für Kundendienstleistungen herangezogen. Dabei wird implizit ein differierendes Beschaffungsverhalten bei Sekundärdienstleistungen in Abhängigkeit von genau bezeichneten Primärleistungscharakteristika unterstellt. Allerdings erweist sich auch dieses pragmatische Vorgehen als zu wenig trennscharf und somit nicht zweckentsprechend. Während die Unterscheidung nach Personenkraftwagen und Nutzfahrzeugen nicht tief genug greift und nicht mehr als die Ableitung von Tendenzaussagen zur Art und Dringlichkeit anfallender primärleistungsorientierter Sekundärdienstleistungen ermöglicht, belegen Untersuchungen einiger Automobilhersteller, daß das kundendienstpolitische Beschaffungsverhalten nur geringfügig in Abhllngigkeit von der betrachteten Modellklasse variiert. Beide primärleistungsbezogenen KlassifizierungsI) Gespräche mit der Kundendienstabteilung eines Herstellers sowie Absatzmittlern einer anderen Automobilgruppe belegen, daß dieser Ansatz und die beiden nachfolgend geschilderten Vorgehensweisen durChaus zum Ausgangspunkt für differenzierte Kundendienststrategien werden.

B. Gebräuchliche Ansätze zur Segmentierung des Marktes

155

merkmale erweisen sich mithin schon für die Beschreibung von Segmenten im Markt für Kundendienstleistungen als unbrauchbar; noch weniger sind sie jedoch dazu geeignet, als Ausgangspunkt für die dezidierte Ermittlung der Bedürfnisstrukturen unterschiedlicher Nachfragergruppen herangezogen zu werden. Etwas ausführlicher sollen zwei weitere Segmentierungsansätze dargestellt werden. Die Beratungsgesellschaft AHM Autohandel Marketing teilt die Gesamtheit der Automobilbesitzer in der Bundesrepublik Deutschland nach dem deskriptiven Kriterium Haushaltseinkommen ein und findet auf diese Weise drei Kundengruppen, die hinsichtlich ihrer Einstellung und ihres tatsächlichen Verhaltens bei der Beschaffung von Sekundärdienstleistungen differieren. 2 Die Gruppe Al mit dem höchsten Haushaltseinkommen, zu der im Durchschnitt jeder fünfte Werkstattkunde zu zählen ist, erwirbt alle zwei bis vier Jahre einen Neuwagen und wünscht vor allem eine problemlose Nutzung des Automobils. Sie präferiert herstellergebundene Betriebe und erwartet eine schnelle, zuverlässige Durchführung der primärleistungsorientierten Kundendienstleistungen sowie eine kompetente Beratung. Daneben existiert eine Gruppe B2, die rund 30 v.H. aller möglichen Werkstattkunden, d.h. aller Besitzer von Fahrzeugen einer bestimmten Marke in einem abgegrenzten Gebiet umfaßt. Diese Nachfrager kaufen in Abständen von vier bis sechs Jahren einen Neu- oder Gebrauchtwagen und streben insbesondere dessen kostengünstige Nutzung an. Entsprechend versuchen sie, den Ersatzzeitpunkt für ihr Fahrzeug durch eine kombinierte Beschaffung von wertstabilisierenden Vorsorgeuntersuchungen einerseits und preisgünstigen bzw. zeitwertgerechten Wartungs- und Reparaturarbeiten andererseits hinauszuzögern. Nahezu 50 v.H. aller potentiellen Werkstattkunden werden der einkommensschwächsten Gruppe C3 zugerechnet, deren Mitglieder durchweg Gebrauchtwagenbesitzer sind, die vorrangig nach preislich attraktiven Wegen zur Durchführung unbedingt notwendiger primärleistungsorientierter Sekundärdienstleistungen suchen, um auf diese Weise die Verkehrstauglichkeit ihrer Fahrzeuge zu sichern. Positiv ist zu diesem Segmentierungsan satz anzumerken, daß mit dem Haushaltseinkommen ein deskriptives Merkmal Anwedung findet, das Rückschlüsse auf die Preissensibilität von Nachfragergruppen bei der Beschaffung von Kundendienstleistungen ermöglicht und daher zur Beschreibung von Segmenten in diesem Markt geeignet ist. Allerdings ist dieses Kriterium in -der Praxis nur schwer abzugreifen. Kritisch ist jedoch vor allem zu konstatieren, daß dieser Segmentierungsansatz weder dazu in der Lage ist, eine eindeutige Trennung zwischen den herausgestellten Kundengruppen herbeizuführen - so besteht hinsichtlich der explizit aufgeführten Bedürfnisse in den Gruppen B2 und C3 ein fließender Übergang -, noch die komplexen Bedürfnismuster in den verschiedenen Marktsegmenten tatsächlich zu

2) Vg!. Ahm Autohandel Marketing (Hrsg.) (0. J.), S. 9 f.

156

IV. Die Segmentierung des Marktes für Kundendienstleistungen

eruieren, da ausschließlich die Implikationen aus den jeweiligen Ausprägungen eines einzigen Faktors betrachtet werden. Ein weiteres häufig angewandtes Vorgehen zur Disaggregation des Marktes fUr Kundendienstleistungen beschreibt die einzelnen Nachfragergruppen entweder nach dem Alter ihrer Fahrzeuge oder unter dem Aspekt, ob ihre Mitglieder Neu- respektive Gebrauchtwagenbesitzer sind. Auf der Basis einer solchen Klassifizierung werden dann Aussagen zu Einstellungen und zum Verhalten der verschiedenen Kundengruppen bei der Beschaffung von Sekundärdienstleistungen abgeleitet. '1 Implizit wird mithin ein kausaler Zusammenhang zwischen dem Zustand der Primllrleistung Automobil und den kundendienstpolitischen Präferenzen der Nachfrager unterstellt. In diesem Kontext ist jedoch das Kriterium des Fahrzeugalters vorzuziehen, da es eindeutigere Rückschillsse auf den Wert, den ein Besitzer seinem Automobil beimißt, ermöglicht." Auch dieser Segmentierungsansatz führt zur Unterscheidung von drei Kundengruppen. So bevorzugen Abnehmer, die ein bis zu vier Jahre altes Fahrzeug besitzen, erstklassige primlrleistungs- und subjektorientierte Sekundlrdienstleistungen und zeichnen sich durch eine starke Bindung zum jeweiligen herstellergebundenen Werkstattbetrieb aus. Halter von zwischen vier und acht Jahre alten Fahrzeugen hingegen suchen kostengünstige Werkstattlösungen und vergleichen daher alternative Leistungsangebote besonders unter dem Gesichtspunkt der EntgelthOhe. Die Gruppe der Fahrer von Automobilen, die älter als acht Jahre sind, beschafft ausschließlich unumgängliche primärleistungsorientierte Sekundlrdienstleistungen und bewertet konkurrierende Problemlösungen vornehmlich nach dem zu entrichtenden Preis, da die Verkehrstauglichkeit des Fahrzeuges nur für einen begrenzten Zeitraum gesichert werden soll. In Anbetracht der generellen Korrelation zwischen dem Charakteristikum Fahrzeugalter und den sekundlrdienstleistungspolitischen Präferenzen der Nachfrager ist zu konstatieren, daß sich das Merkmal Fahrzeugaiter grundsätzlich zur Beschreibung von Segmenten im Markt für Kundendienstleistungen eignet. Auf diese Weise können durchaus Nachfragergruppen deskriptiv erfaßt werden, die in ihrem kundendienstpolitischen Beschaffungsverhalten differieren, wenngleich gewisse Unzulänglichkeiten dieses Vorgehens nicht übersehen werden dürfen, die sich z.B. darin äußern, daß Do-it-yourself-Interessierte nicht ausschließlich unter Fahrern älterer Automobile, sondern bereits bei Besitzern von bis zu zwei Jahre alten Fahrzeugen auftreten.' Allerdings ermöglicht dieser Ansatz keine differenzierten Rückschlüsse auf die jeweilige Ausprägung der komplexen Bedürfnisstrukturen in den verschiedenen Marktsegmenten. Die alleinige Betrachtung des 3) Diesen Ansatz präferieren u.a. die Bayerischen Motorenwerke AG und die Volkswagenwerk AG. 4) Vgl. hierzu Kapitel III. B. 3. d. dieser Arbeit. S) Vgl. Abb. 17 sowie Abb. 19 dieser Arbeit.

B. Gebräuchliche Ansätze zur Segmentierung des Marktes

157

Merkmals Fahrzeugalter erlaubt nur die Ableitung pauschaler Aussagen zur Veränderung der Qualität-Preis-Relation bei der Beurteilung alternativer Sekundlrdienstleistungsangebote durch potentielle Abnehmer. Insofern kann der Vielschichtigkeit der Bedürfnisse in jedem Marktsegment nicht adlquat Rechnung getragen werden. Einzig die Gruppe der qualitätsorientierten Kunden, die ihren Sekundlrdienstleistungsbedarf vornehmlich bei herstellergebundenen Anbietern deckt, bildet hier eine Ausnahme, da regelmlßige Marktforschungsuntersuchungen seitens der Automobilhersteller die Wichtigkeit einzelner Kriterien für die Bewertung konkurrierender Kundendienstangebote sowie die Erfüllung dieser Anforderungen durch die eigene Absatzorganisation erheben. Der systematische Einsatz einer Marktsegmentierungsstrategie setzt jedoch voraus, daß nicht nur die spezifischen Bedürfnisse einer bereits erschlossenen Nachfragergruppe bekannt sind, sondern daß darüber hinaus die Bedürfnismuster slmtlicher potentieller Kundengruppen erfaßt und voneinander abgegrenzt werden. Da aber einerseits der verwendete Segmentierungsansatz hierzu nicht in der Lage ist und andererseits de facto ein heterogenes kundendienstpolitisches Beschaffungsverhalten vorliegt, mündet die von den Automobilgruppen bislang weitgehend verfolgte Strategie eines undifferenzierten Marketing, d.h. es wird eine vollständige Abdeckung des Marktes für Kundendienstleistungen mit einem einheitlichen Marketing-Programm angestrebt, ungewollt in eine Strategie des konzentrierten Marketing, weil nur ein bestimmtes Marktsegment überhaupt noch angesprochen wird. 6 Grundsltzlich ist an den in der Automobilindustrie gebrluchlichen Vorgehensweisen zur Segmentierung des Marktes für Kundendienstleistungen neben der einseitigen Ausrichtung auf die mit der Erbringung von primlrleistungsorientierten SekundIrdienstleistungen verbundenen Nachfragerbedürfnisse vor allem zu kritisieren, daß regelmlßig von einem einzigen deskriptiven, selbst zur Identifikation von Marktsegmenten nur bedingt geeigneten Klassifizierungsmerkmal ausgehend kausale Beziehungen zum kundendienstpolitischen Beschaffungsverhalten der Nachfrager hergeleitet werden. Solcherart wird die komplexe Bedürfnisstruktur in den jeweiligen Kundengruppen nicht erkannt und folglich das Potential einer Marktsegmentierungsstrategie nicht adlquat genutzt. In der Konsequenz führt diese Situation zu einem suboptimalen Einsatz der Kundendienstpolitik im Rahmen des Automobilgeschlftes.

6) Zu den Begriffen der Marktparzellierungsstrategien vg!. z.B. Becker, Jochen (1983), S. 128 ff.

158

IV. Die Segmentierung des Marktes für Kundendienstleistungen

C. Identifikation der Segmente im Markt für Kundendienstleistungen 1. Methodischer Ansatz Die Segmentierung eines Dienstleistungsmarktes weist grundlegende Unterschiede zur Disaggregation eines Sachleistungsmarktes auf, sofern bei der Herausarbeitung homogener Teilmärkte auf Differenzierungskriterien wie Einstellungen und Nutzenerwartungen abgestellt wird. 7 Diese Segmentierungsmerkmale formulieren zwar erhebliche methodische Anforderungen hinsichtlich des Nachweises ihrer nachfragerindividuellen Ausprägung, doch sie begründen gleichzeitig einen kausalen Zusammenhang zwischen den Bedürfnissen eines potentiellen Abnehmers und seinem Beschaffungsverhalten; mithin besitzen gerade diese Ansätze eine hohe Relevanz für die Ermittlung homogener Marktsegmente.' Bei der Beschaffung von Sachleistungen verfügt der Nachfrager über produktspezifische Einstellungen und Nutzenerwartungen, d.h. seine Ansprüche und Bedürfnisse sind unmittelbar auf das Sachleistungsangebot gerichtet und können durch dessen Erwerb befriedigt werden. Damit verbleibt dem Anbieter die Aufgabe, diese Bedürfnisse zu eruieren und für ihre adäquate Umsetzung in Produkte zu sorgen. Abweichend jedoch stellt sich die Situation im Dienstleistungssektor dar. Aus der notwendigen Integration eines externen Faktors durch den Nachfrager bei der Erstellung einer Dienstleistung resultiert einerseits eine Involvierung des Abnehmers in den finalen Leistungserstellungsprozeß und damit eine mehr oder weniger enge Zusammenarbeit zwischen Anbieter und Nachfrager sowie andererseits anstatt eines apriori feststehenden Leistungsergebnisses ein weitgehend ungenaues Leistungsversprechen. In der Konsequenz entwickelt der Nachfrager deshalb weniger produkt- bzw. leistungsspezifische als vielmehr anbieterspezifische Einstellungen und Nutzenerwartungen, d.h. jetzt werden zusätzlich Ansprüche und Bedürfnisse gegenüber dem Dienstleistungsanbieter selbst herausgebildet.1I Die Aufgabe des Dienstleisters besteht nun darin, diese Bedürfnisse in ihrer Gesamtheit zu eruieren und sowohl in zielgruppengerechte Leistungsangebote als auch in eine zielgruppenadäquate Ausgestaltung des eigenen Unternehmens zu transformieren. Die Marktsegmentierung ist fOlglich im Dienstleistungssektor eine komplexere AufgabensteIlung als im Sachleistungsbereich; denn neben den leistungsspezifischen müssen vor allem die anbieterspezifischen Bedürfnisse der Nach7) Anders verhllit es sich im Hinblick auf die ansonsten diskutierten Segmentierungskriterien, vgl. hierzu KotIer, Philip/Bloom, Paul N. (1984), S. 94 ff.; allerdings zeigen diese Autoren nicht die Besonderheiten bei der Segmentierung eines Dienstleistungs~ marktes nach den Merkmalen "Einstellung" und "Nutzenerwartung" auf. 8) Vgl. u.a. Bauer, Erich (1976), S. 142 f.; Freter, Hermann (1983), S. 73 ff. und S. 96 ff.; Lynn, Susan A. (1986), S. 13. 9) Die herausragende Eignung der Anbietercharakteristika für die Disaggregation eines Dienstleistungsmarktes weist Lynn in einer empirischen Studie nach; vgl. Lynn, Susan A. (1986), S. 17 f.

C. Identifikation der Segmente im Markt für KundendienslIeistungen

159

frager erkannt und umgesetzt werden, da ansonsten die Chancen bei der Vermarktung von Dienstleistungen entscheidend geschmälert werden. Entsprechend stehen bei der Segmentierung des Marktes für Kundendienstleistungen die anbieterspezifischen Bedürfnisse der Nachfrager im Mittelpunkt der Betrachtung. Dabei findet ein dreistufiges Verfahren Anwendung 10: In einem ersten Schritt wird der Markt für Sekundlrdienstleistungen nach dem beobachtbaren Beschaffungsverhalten der Nachfrager zerlegt. Aufgrund etablierter Konkurrenzbeziehungen können so im Zeitablauf stabile Nachfragergruppen herausgearbeitet werden, die sich in ihrer Anbieterwahl voneinander unterscheiden. Dieser Ansatz ermöglicht aber noch keine detaillierten RückschlUsse auf die Bedürfnisstrukturen in den jeweiligen Nachfragergruppen; daher ist die Informationsbasis fUr eine erfolgversprechende differenzierte Marktbearbeitung nicht ausreichend. Aus diesem Grund werden in einem zweiten Schritt mit Hilfe der benefit segmentation - ein Vorgehen, das besonders für den Dienstleistungssektor geeignet istl l

-

die Nachfragerbedürfnisse, die eine bestimmte

Anbieterwahl begründen können, eruiert. Ausgehend von einem allgemeinen Erklärungsmodell zur Beurteilung der Dienstleistungsqualität wird zu diesem Zweck ein automobilmarktspezifisches Kriterienset erhoben, das die AnsprUche der Nachfrager nach Kundendienstleistungen gegenUber den konkurrierenden Angebotsformen erfaßt. Auf der Basis einer umfangreichen sekundlrstatistischen Datensammlung erfolgt anschließend eine Bewertung, inwieweit die unterschiedlichen Anbieter den formulierten Ansprüchen genUgen. Diese Bewertung ermöglicht nun einen Rückschluß auf den Nutzen, den ein Nachfrager mit dem Bezug einer Dienstleistung bei einem bestimmten Wettbewerber zu realisieren beabsichtigt, und somit eine Zerlegung des Marktes für Kundendi~nstleistungen

stellungen. 12

in Nachfragersegmente mit jeweils eigenständigen Nutzenvor-

Im Bereich der Do-it-yourself-Interessierten muß dieses Verfahren mo-

difiziert werden: Die Nutzenvorstellungen dieser Kundengruppe können identifiziert werden, indem die einer Make-Entscheidung zugrunde liegenden psychographischen Faktoren Motive und Einstellungen analysiert werden. Schließlich werden die herausgearbeiteten Marktsegmente in einem dritten Schritt nach beobachtbaren Kriterien beschrieben, die entweder an der Person oder an der Primärleistung des Nachfragers ansetzen, um so eine segmentspezifische Ansprache zu erleichtern.

10) Vgl. hierzu auch den Vorschlag von Böhler, Heymo (1977), S. 149. 11) Vgl. Lynn, Susan A. (1986), S. 20. 12) In bezug auf Investitionsgütermärkte postulieren HlavacekjReddy bzw. Meinig ein ähnliches Vorgehen; vgl. Hlavacek, James D.jReddy, N. Mohan (1986), S. 12 ff.; Meinig, Wolfgang (1985), S. 141 ff.

160

IV. Die Segmentienmg des Marktes für Kundendienstleistungen

Mit der Durchflihrung dieses verzahnten dreistufigen Segmentierungsansatzes wird vornehmlich das Ziel verfolgt, die Eignung eines bestimmten methodischen Vorgehens zur Disaggregation des Marktes flir Kundendienstleistungen aufzuzeigen: Eine Einteilung der Nachfrager nach dem beobachtbaren Beschaffungsverhalten legt offen, weIche Angebotsformen systematisch zu analysieren sind, um Kundensegmente nach Nutzenvorstellungen abgrenzen zu kOnnen; diese Segmente werden dann durch beobachtbare Merkmale beschrieben. Insofern steht eine Methode im Vordergrund des Interesses. Darliber hinaus kann mit dem verfiigbaren statistischen Material der Markt fiir Kundendienstleistungen im Automobilbereich eindeutig segmentiert werden; somit tritt ein inhaltlicher Aspekt neben den methodischen. Schließlich liefert die von anbieterspezifischen Bedlirfnissen ausgehende Disaggregation des Marktes fiir Sekundlrdienstleistungen auch einen Beitrag zur gerade von den Automobilgruppen auf diesem Gebiet bislang weitgehend vernachllssigten Konkurrenzanalyse.

2. Erste Stufe: Disaggregation des Marktes rur Kundendienstleistungen nach dem beobachtbaren BeschatTungsverhalten Es gibt eine Vielzahl von Merkmalen, nach denen ein heterogener Gesamtmarkt in homogene Teilmlrkte zerlegt werden kann. 13 Daher ist es sinnvoll, die Auswahl der jeweils heranzuziehenden Marktsegmentierungskriterien nur im Hinblick auf den konkreten Einzelfall vorzunehmen. Allerdings kOnnen einige grundsätzliche Anforderungen an diese Merkmale formuliert werden: Segmentierungskriterien sollen in einem bestimmten Markt meßbar und mOglichst einfach sowie kostenglinstig erfaßbar sein, eine zeitlich stabile Diskriminierungsfähigkeit besitzen, Ansatzpunkte flir eine gezielte Marktbearbeitung erOffnen und vor allem einen deutlichen Bezug zum Beschaffungsverhalten der Nachfrager aufweisen. U Generell kann festgestellt werden, daß aus dem beobachtbaren Beschaffungsverhalten abgeleitete Merkmale diese Bedingungen weitgehend erflillen. Insbesondere zeichnen sie sich durch eine hohe Beschaffungsverhaltensrelevanz aus, denn schließlich setzen sie am Beschaffungsergebnis und nicht an der Begrlindung einer Beschaffungsentscheidung an. l i Im Dienstleistungssektor ist es sinnvoll, aus diesem Merkmalsbereich 13) Zur Klassifizierung dieser Merkmale vgl. u.a. BOhler, Heymo (1977), S. 62 ff.; Hammann, Peter (1985), S. 010109 f.; Kaiser, Andreas (1978), S. 35 ff.; Kindt, Volkmar (1978), S. 610 f. 14) Vgl. u.a. Freter, Hermann (1983), S. 43 f.; Hammann, Peter (1985), S. 010110 f.; Kuhn, Wilhelm (1984), S. 76 ff. 15) Vgl. Freter, Hermann (1983), S. 93 ff.

C. Identifikation der Segmente im Markt für Kundendienstleistungen

161

das Kriterium Anbieterwahl herauszugreifen, da solcherart Nachfragergruppen unterschieden werden können, die in ihren Prlferenzen für bestimmte Angebotsformen nachweislich differieren und denen deshalb tendenziell voneinander abweichende anbieterspezifische Bedürfnisstrukturen unterstellt werden können. Dieses Vorgehen bietet sich vor allem bei einem Markt wie dem für Kundendienstleistungen im Automobilbereich an, der durch stabile Wettbewerbsbeziehungen zwischen einer Vielzahl konkurrierender Angebotsformen, die teilweise als Reaktion auf spezielle Nachfragerbedürfnisse entstanden sind, gekennzeichnet ist. Eine Segmentierung des Kundendienstmarktes im Automobilbereich nach dem Kriterium Anbieterwahl kann sich auf eine breite quantitative und qualitative Analysebasis in der Literatur stützenYI Allerdings setzen diese Untersuchungen regelmäßig bei den primlrleistungsorientierten Sekundärdienstleistungen an. Trotzdem bleibt ihr Aussagegehalt für die vorliegende Fragestellung weitgehend ungeschmälert, da der betrachtete Kundendienstleistungstyp in den meisten Fällen die Erbringung subjektorientierter Sekundärdienstleistungen - und zwar durch dieselbe Angebotsform - erst initiiert. Grundsätzlich ist die Gesamtheit der potentiellen Nachfrager nach Kundendienstleistungen in die Gruppe der "Buyer", also der Abnehmer von Sekundlrdienstleistungen, und in die Gruppe der "Do-it-yourself-Interessierten", die im Hinblick auf SekundIrdienstleistungen eine Make-Entscheidung prlferieren, einzuteilen. Die Buyer können darüber hinaus in Nachfrager herstellergebundener und herstellerungebundener Anbieter differenziert werden, wobei letztere zusltzlich nach dem von ihnen bevorzugten Dienstleistertyp zu klassifizieren sind (vgl. Abb. 21). Nach dem Kriterium Anbieterwahl können demnach sieben Segmente im Markt für Kundendienstleistungen unterschieden werden. Dabei umfaßt das Segment der Buyer bei herstellergebundenen Werkstätten annähernd SO v.H. aller potentiellen Nachfrager, wlhrend das Segment der Do-it-yourself-Interessierten einerseits und die Segmente der Buyer bei herstellerungebundenen Werkstltten andererseits den Rest der potentiellen Nachfrager nahezu paritItisch untereinander aufteilen. 17 Die Segmentierung nach dem Kriterium Anbieterwahl kann aber nur als ein erster Schritt bei der Disaggregation des Marktes fIlr Kundendienstleistungen im Automobil16) Vgl. besonders Deutsche Automobil Treuhand (Hrsg.) (l987b), S. 30 ff.; Panzer, Siegfried (1981), S. 138 ff.; Rühl, Günter/Hantsch, G./Heinen, E./Schulte, A. (1984), S. 60 ff.; Schubert, Wolfgang (1986), S. 297 f. 17) Diese Angaben spiegeln die durchschnittliche Marktbedeutung der jeweiligen Angebotsform wider, d.h. sie stellen nicht auf die Größe eines Nachfragesegmentes in bezug auf eine bestimmte Kundendienstleistung ab.

162

IV. Die Segmentierung des Marktes für Kundendienstleistungen

I

Nachfrager

I Do-it-yourselfInteressierte

Buyer bei:

I

I

herstellergebundenen Werkstätten

I

konventionellen Werkstätten mit umfassendem Leistungsangebot

II

herstellerungebundenen Werkstätten

I konventionellen Spezial werkstätten

I

I I

I

neuen Spezialwerkstätten

Tankstellen

I sonstigen Werkstätten

Abb. 21: Segmentierung des Marktes für Kundendienstleistungen im Automobilbereich nach dem Kriterium Anbieterwahl

bereich angesehen werden. Vor allem ermOglicht dieser Ansatz allein noch nicht den Einsatz segmentspezifischer Marketing-Strategien. da die Bedürfnisse, die eine bestimmte Anbieterwahl begründen, weitgehend unbekannt bleiben. So ist es durchaus vorstellbar, daß unterschiedliche Angebotsformen vom selben Marktsegment als ProblemlOser angesehen werden, sei es substitutiv als Konkurrenten oder komplementär aufgrund differierender Dienstleistungssortimente. Unter diesen Umständen kOnnen gleiche Bedürfnisstrukturen in nach dem Kriterium Anbieterwahl getrennten Nachfragersegmenten auftreten; mithin ist gruppenübergreifend eine homogene Reaktion auf Marketing-Maßnahmen zu erwarten. Zusätzlich ist häufig ein Anbieterwechsel der Kunden in Abhllngigkeit von der zu beschaffenden primärleistungsorientierten Sekundärdienstleistung festzustellen. la Eine segmentspezifische Bearbeitung des Marktes für Kundendienstleistungen setzt demnach nicht nur eine explizite Auseinandersetzung mit den anbieterspezifischen, sondern auch den leistungsspezifischen Bedürfnissen der Nachfrager voraus.

18) Vgl. hierzu die unterschiedliche Aufteilung der Märkte für spezielle primärleistungsorientierte Sekundärdienstleistungen in Abb. 20.

c. IdentifIkation der Segmente im Markt für KundendienstIeistungen

163

Eine Zerlegung des Marktes für Kundendienstleistungen nach dem Kriterium Anbieterwahl ist aber dennoch wichtig, da so die vom Nachfrager präferierten Angebotsformen herausgearbeitet werden können. Die benefit segmentation als zweite Stufe der Marktsegmentierung setzt hier ein, erfaßt die jeweiligen anbieterspezifischen Nutzenvorstellungen und ermöglicht derart Rückschlüsse auf die Bedürfnisstrukturen der Nachfrager. In diesem Zusammenhang wird das Segment der Buyer bei sonstigen Werkstätten (vgl. Abb. 21) nicht weiter betrachtet, da es sich hier um ein Konglomerat aus Sub-Segmenten - wie z.B. der Buyer bei Kühler-Diensten - handelt, die stets nur über eine geringe Marktbedeutung verfügen und somit nicht dem Tragfähigkeitsprinzip der Marktsegmentierung genügen.l~

3. Zweite Stufe: "benefit segmentation" a. Der Begriff der "benefit segmentation" Der Ansatz der benefit segmentation basiert auf der Grundüberlegung, daß die Beschaffungsentscheidung eines Nachfragers das Resultat eines Vergleiches zwischen seinen speziellen Nutzenvorstellungen, die er mit dem Erwerb einer Leistung verbindet, und dem Potential einer bestimmten Leistung zur Befriedigung dieser Nutzenerwartungen 20 darstellt. Diese Nutzenerwartungen wiederum sind eine detaillierte Renektion der objektspezifischen Bedürfnisse eines Nachfragers. Das Ziel eines Anbieters besteht nun darin, mit seinem Angebot diesen Nutzenvorstellungen weitgehend zu entsprechen, um auf diese Weise einen Wettbewerbsvorteil gegenüber der Konkurrenz oder eine bessere Marktausschöpfung zu erreichen. Entsprechend fll.hrt die Zerlegung eines Marktes nach dem Kriterium Nutzenvorstellungen zur Herausbildung von Segmenten, die sowohl einen deutlichen Bezug zum tatsächlichen Beschaffungsverhalten der Nachfrager aufweisen als auch zahlreiche Ansatzpunkte fll.r ein zielgruppengerechtes Marketing offenlegen. Ein Nachfrager assoziiert aber vielfältige Nutzenerwartungen mit jeder Leistung. Entscheidend für die Abgrenzung von Marktsegmenten ist daher die jeweilige Konfiguration dieser Nutzenvorstellungen, d.h. die Zusammensetzung und Gewichtung des Bündels von Nutzenerwartungen. Nachfrager, die durch denselben Vektor der gewichteten Nutzenvorstellungen beschrieben werden können, gehören demnach zu einem Marktsegment. Die benefit segmentation stellt mithin ein in hohem Maße geeignetes Verfahren zur Disaggregation eines Marktes dar, das allerdings im Hinblick auf die exakte Bestimmung der Nutzenvorstellungsvektoren auch besondere 19) Zum Tragfähigkeitsprinzip vgl. u.a. Becker, Jochen (1983), S. IS7; Engelhardt, Werner H.jPlinke, Wulff (1980), S. S8 f. 20) Die Begriffe Nutzenvorstellung und Nutzenerwartung werden synonym verwendet.

164

IV. Die Segmentierung des Marktes für Kundendienstleistungen

Anforderungen an die Methoden der Informationsgewinnung und -verarbeitung formuliert. 21 Im Dienstleistungssektor wird die Bedürfnisstruktur der Nachfrager durch die Gruppe der anbieterspezifischen Bedürfnisse dominiert. Daher müssen bei der Zerlegung des Marktes für Kundendienstleistungen die Nutzenvorstellungen, die ein Nachfrager mit der Wahl einer bestimmten Angebotsform verbindet, eruiert und zur Abgrenzung von Marktsegmenten herangezogen werden. 22 In diesem Zusammenhang werden die Gruppe der Buyer und die Gruppe der Do-it-yourself-Interessierten getrennt behandelt, weil die Besonderheiten einer Make-Entscheidung einen eigenstlndigen Ansatz zur Erhebung der Nutzenerwartungen zwingend erfordern.

b. Die Ermittlung der Nutzenvorstellungen (1) Die Gruppe der "Buyer" Eine Segmentierung des Marktes für Kundendienstleistungen nach dem Kriterium Nutzenvorstellungen umfaßt die Bearbeitung von zwei Aufgabenkomplexen: Zum einen müssen die auftretenden anbieterspezifischen Bedürfnisse der Nachfrager, die sich in konkreten an die Wahl einer bestimmten Angebotsform gekoppelten Nutzenerwartungen äußern, systematisch hergeleitet werden; zum anderen sind die Gewichte der verschiedenen Nutzenerwartungen innerhalb jedes Nutzenvorstellungsbündels zu bestimmen. Mit der Beantwortung dieser beiden Fragestellungen ist die Ausprägung der Nutzenvorstellungsvektoren weitgehend bekannt und kann zur Bildung homogener Nachfragesegmente genutzt werden.

(a) Systematische Erfassung von Nutzenvorstellungen (al) Die Qualität und der Preis einer Dienstleistung als allgemeiner Ansatzpunkt zur Bildung von Nutzenvorstellungen Sowohl interne Studien der Automobilhersteller als auch Untersuchungen in der Literatur belegen, daß die Anbieterwahl eines Nachfragers bei der Beschaffung von Kun21) Zur benefit segmentation vgl. besonders Haley, Russell I. (1968), S. 31 ff.; im Sinne einer zusammenfassenden Würdigung dieses Ansatzes vgl. auch Bauer, Erich (1976), S. 185 ff.; Beane, T. P./Ennis, D. M. (1987), S. 23 f.; BOhler, Heymo (1977), S. 103 ff.; Kuhn, Wilhelm (1984), S. 213 ff.; Meinig, Wolfgang (1985), S. 141 f. 22) Vgl. in diesem Sinne auch Lynn, Susan A. (1986), S. 14 ff.

C. Identifdtation der Segmente im Markt für Kundendienstleistungen

165

dendienstleistungen insbesondere mit seinen individuellen Vorstellungen zum Verhältnis von Preis und Qualität einer Sekundllrdienstleistung zu begründen ist. Deutlich wird dabei auch, daß die Nachfrager einzelne QualitAtskomponenten getrennt bewerten und ihnen ein unterschiedliches Gewicht beimessen, d.h. differenzierte Nutzenerwartungen bezüglich bestimmter QualitAtskomponenten bilden." Zur Erfassung der gesamten Nutzenvorstellungen eines Nachfragers bei der Beschaffung von Sekundärdienstleistungen ist es folglich erforderlich, die Konglomerate Preis und Qualität in ihre Bestandteile zu zerlegen, denn jede Preis- bzw. QualitAtskomponente kann den Aufbau spezieller Nutzenerwartungen auslOsen. Auf der Preisebene gibt es zwei Aspekte, die für den Nachfrager von ausschlaggebender Wichtigkeit bei der Formulierung von Nutzenvorstellungen gegenüber einem Anbieter von Kundendienstleistungen sind. Einerseits ist die HOhe der Entgeltforderung eines Anbieters in Relation zu den Wettbewerbspreisen und andererseits die Bestimmtheit einer Preisforderung, d.h. die Tatsache, ob der Preis bereits vor oder erst nach Erbringung einer Sekundllrdienstleistung verbindlich festgesetzt wird, bedeutsam für die Einschätzung der preislichen Attraktivität einer Angebotsform. Weitaus komplexer gestaltet sich die Zerlegung des Konglomerates Qualität. Zu diesem Zweck ist in einem ersten Schritt aus den Erkenntnissen der Literatur zum Dienstleistungsmarketing ein allgemeines Modell zu entwickeln, das die Beurteilung der Qualität von Dienstleistungen durch den Nachfrager erklärt (vgl. Abb. 22 24). Die QualitAt einer Dienstleistung kann ein Nachfrager allein auf der Basis seiner Wahrnehmungen bewerten; denn eindeutige Kriterien als Maßstab zu einer objektiven Beurteilung von Dienstleistungsqualität kOnnen aufgrund der vielfältigen Implikationen aus der notwendigen Integration eines externen Faktors in den Dienstleistungserstellungsprozeß nur sehr vereinzelt definiert werden. Insofern ist es notwendig, auf das Konstrukt wahrgenommene Dienstleistungsqualitllt abzustellen. 2& Diese wahrgenommene Dienstleistungsqualität bildet das Resultat eines Vergleiches zwischen der erwar23) Vgl. u.a. Adler, Lee/Hlavacek, James D. (1978), S. 635 ff.; Clausen, Claus (1985), S. 6 f.; Martilla, John A./James, John C. (1977), S. 77 f.; Panzer, Siegfried (1981), S. 204 ff.; Rühl, Günter/ Auriga, M.-J./Hantsch, G./Herzog, M./Käfer, H./POhlandBlock, H. (1977), S. 105 ff.; Rühl, Günter/Hantsch, G./Heinen, E./Schulte, A. (1984), S. 161 ff.

24) Abb. 22 geht in ihren Grundzügen auf eine Darstellung bei Parasuraman, A./ Zeithaml, Valarie A./Berry, Leonard L. (1985), S. 48 zurück, beinhaltet aber eine Vielzahl von Modifikationen wie z.B. neuere Forschungsergebnisse der genannten Autoren. 25) Vgl. u.a. GrOnroos, Christian (1986), S. 652; Parasuraman, A./Zeithaml, Valerie A./Berry, Leonard L. (1986), S. 1.

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