Die Wissenschaft und das geschichtliche Christenthum: Vorwort zu einem Grundrisse der christlichen Wissenschaft [Reprint 2022 ed.] 9783112680148

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Die Wissenschaft und das geschichtliche Christenthum: Vorwort zu einem Grundrisse der christlichen Wissenschaft [Reprint 2022 ed.]
 9783112680148

Table of contents :
Vorwort
Uebersicht
Einleitung
I. Die Begriffe der Wissenschaft und des geschichtlichen Christenthums
1. Die Wissenschaft
2. Das geschichtliche Christenthum
II. Das gegenseitige Verhältniß der Wissenschaft und des geschichtlichen Christenthums
Einleitung
1. Das Verhältniß der Wissenschaft zu' dem geschichtlichen Christenthume
2. Das Verhältniß des geschichtlichen Christenthums zu der Wissenschaft
III. Die christliche Wissenschaft

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Die Wissenschaft und

das geschichtliche Christenthum Vorwort zu einem Grundrisse der christlichen Wissenschaft.

Von

Dr. Albert Peip.

Berlin, 1853. Verlag von Georg Reimer.

An

F. W I. von Schelling.

e? l>nen insonderheit,

geliebtester Ireund meiner

Jugend, bietet sich dieses Schriftchen dar als ein Denk­

mal der Liebe.

In jüngster Zeit ist anders als ehedem

wenig Liebliches, viel Häßliches auf Sie losgestürmt.

Das hat seine Gründe, die sich alle an dem Grunde vereinen und brechen, der, ehe die Welt war, gelegt ist.

Sie trifft das gemeinsame Loos der diesem Grunde wiedereingeborenen: so lange sie auf der Erde sind, haben die Rechenmeister an

ihnen abzusiehn

und ;u

theilen; für die Unterirdischen sammeln sie Groschen zu Ehrensäulen.

Seit der ersten Stunde, die ich in Ihrem Zim­

mer, bis ;u der heutigen, die ich draußen Ihnen )>ir Seite verlebt, haben Sie mit Ihrem offenen, keuschen Blick in die göttlichen und weltlichen Dinge mich ge-

fesselt, nicht als einen Unecht, sondern als einen Freien,

in demselben Haushalte desselben Hausherrn zwar

anders regelnd und ordnend, doch in nnstörbar-trau­ licher Geistesgütergenieinschaft.

Solcher Gemeinschaft

Zeugniß hab' ich nun abgelegt.

Die Gewalt unablenkbarer Einflüsse hat die wissenschaft nach gerade in einen Zustand versetzt,

über­

weichen der Jammer erklärlicher scheint als der Drost. Dennoch gehört die Erde den Meisen, deren Wandel

im Himmel.

Dort ist die Lebensftage der Wissenschaft

entschieden, ihr aber die lvahl gelassen: entweder geht

sie zu Christo, oder sie geht zum Teufel.

Berlin, den 19. November 1852.

Seite

Einleitung........................................................................................ 1 I. Die Begriffe der Wissenschaft und des geschichtlichen Christen­ thums ............................................................................. . 3 1. Die Wissenschaft................................................................ 3 2. Das geschichtliche Christenthum.......................................... 20 II. Das gegenseitige Verhältniß der Wissenschaft und des geschicht­ lichen Christenthums. ..."............................................... 28 1. Das Verhältniß der Wissenschaft zu' dem geschichtlichen Christenthume................................................................... 29 2- Das Verhältniß des geschichtlichen Christenthums zu der Wissenschaft........................................................................ 37 III. Die christliche Wissenschaft.................................................... 48

Ifte Grundrisse der Wissenschaft sind die Meilensteine auf

der Bahn

der

fortschreitenden Menschheit.

Fortschreiten

ist mehr als wegschreiten: wer fortschreitet, hat ein Ziel.

Mir als einem Christen, dessen Fortschritt zugleich Rückschritt zu Christo, ist das Ziel von Ihm gesteckt, und indem ich

einen Grundriß der Wissenschaft entwerfe, hab' ich zum

Ziele dieß, daß die Wissenschaft christlich sei. Der christlichen Wissenschaft Aufgabe ist:

das ge­

schichtliche Christenthum als das Mittlerthum der

Wissenschaft dem Menschengeiste zu beweisen, welcher

sich von dieser ihm zweifelhaften Bedeutung desselben über­

zeugen will.

Der wissenschaftliche Zweifel überhaupt und insonder­ heit in Sachen des Christenthums ist lediglich auf seinem

eigenen Grund und Boden und mit seinen eigenen Waffen, auf dem Grund und Boden

und

mit den Waffen

der

Wissenschaft, zu überwinden. Keine Ueberwindung ohne Kampf.

gefaßt.

Auf ihn bin ich

Wer und wie auch die Gegner sein mögen: sie

werden, insofern sie wissenschaftlich, d. i. nicht mit verein­

zelten Behauptungen und Versicherungen, den Tagesblättern hin und wiederhüpfen,

wie sie etwa in

geschweige mit 1

2 Verdächtigung, Spott und Hohn feiger Witzlinge, sondern mit einem gründlichen,

gliedlich-geordneten Wissen, dazu

mit dem Mannesernste der Gesinnung mir begegnen, ihre

und meine hierher

nicht

gehörige

Persönlichkeit aus dem

Spiele lassend, — sie werden stäts einen ebenbürtig-ehren­

haften, somit des Kampfes werthen Kämpfer finden. Die wissenschaftlichen Gegner und die wissenschaftlichen Parteigenossen, die abgeneigten und die geneigten Leser, stehn

unter dem für sie beide gleichwichtigen Einflüsse der Ge­ schichte der Wissenschaft: da ich denn, um mich mit der

Gegenwart entweder in's Gleiche oder auseinander zu setzen, an die Vergangenheit, deren Folge sie ist, anknüpfen muß. Hiermit werd' ich also beginnen, das Ganze dieser Abhand­ lung aber folgendermaßen theilen.

Ich werde erstens dem

Begriffe der Wissenschaft den des geschichtlichen Christen­ thums an die Seite stellen; zweitens ihr gegenseitiges

Verhältniß darthun; im Fall ihrer Einigung drittens

in ihre Einheit, in die christliche Wissenschaft, einleiten. Versteht sich:

alles in der Weise eines Vorworts, welches

ich, von außen genöthigt, dem Grundrisse voraussende als einen Vorläufer, ein Vorläufiges, eine Jnhaltöanzeige.

Es will für sich gering angeschlagen sein, nur die erwar­ tende Aufmerksamkeit derer, denen die Gegenwart der Wissen­

schaft keinen

Frieden läßt noch bietet, auf ein Künftiges

lenken, das ihm, seinen Begriffen, Urtheilen, Schlüssen, erst den gemeinsamen Grund und Halt giebt.

I. Die Begriffe der Wissenschaft und des geschichtlichen Christenthums. 1.

Die Wissenschaft.

§er sprüchwvrtlich schwere Anfang ist auch den Hylikern nicht leicht geworden.

So heißen die alten ionischen For­

scher, die das Recht ansprechen dürfen, für die Väter der

Wissenschaft zu gelten: denn sie haben laut einer ehrwürdi­ gen Ueberlieferung zuerst es erstrebt und in etwas erreicht,

nicht dieß und jenes, sondern überhaupt zu wissen.

Das

Ueberhaupt in der Kindheitssprache der Heiden erscheint alsobald denen, die sich auf die Deutung der Vvlkereigen-

thümlichkeiten verstehn, als dasselbe, nur eben in's Heidnische

überseht und mit Heidnischem versetzt, was in der Sprache der Juden von vorn herein Gott ist.

Wunderlich genug

haben sie ihr Ueberhaupt als das Wasser, das, sich hier verdichtend, dort verdünnend, zum wechsclvollen All der Dinge

wird, als die Luft, von diesen Dingen ein- und ausgeath­

met, ja als das Unbestimmte bestimmt.

Zwar eine Macht 1*

4 ist nicht zu verkennen in solchen Bestimmungen; aber der Anfang und Umfang dieser Macht bleibt dunkel.

Einen entschiedenen Schritt vorwärts in'S Hellere thun Die Zahl ist ein Uebersinnliches, dem

die Zahlenlehrer.

doch das Sinnliche noch

zunächst alles

anhaftet.

Wissenschaftliche:

nicht sehn oder Horen.

ist diesen gerade und

Uebersinnlich aber ist

das Ueberhaupt läßt

sich

Was nun jenen dicht und dünn,

ungerade.

Danach haben

sie den

Punkt und die Linie wie die Seele und die Gerechtigkeit

in Gedankenbilder gefaßt, die auch ein nicht sonderlich gescheidter Kopf lächerlich machen kann, im Fall er nicht das

Begreifen für gerathener hält als das Belachen.

Begriffen

will zumal der köstlichste Faden in ihrem Zahlengewebe sein: alles und jedes ist durch die Drei bestimmt.

Hät­

ten sie weiter nichts gesagt: dieß schon sicherte sie vor Ge­

ringschätzung.

Aber ihre Lehre und ihr Leben bergen man­

ches Hohe. Der Zahlen sind viele.

Eleaten hervor;

es

ist das

Das Eine thut sich bei den

ausschließende,

rein gedachte

Sein; alles Andere scheint zu sein, ist nicht, außer in der

Meinung der Menschen: dahingegen Heraklit zwischen Sein und Nichtsein einen fließenden Unterschied setzt: alles fließt.

Empedokles und die Atomisten treten in die Mitte: der Erstere mit seiner Doppelkraft gegenüber den vier Ele­ menten, die Letzteren mit ihrem leeren Raume gegenüber der

Fülle der Atome. Unter Trunkenen ein Nüchterner, sieht Anaragoras zu

5 Anfang alles beisammen, hinterher den alles ordnen­ Schade nur, daß er selber nicht geordnet

den Verstand.

Gemeinplätze locken

hat.

und täuschen.

Er giebt einen

abgezogenen Begriff, ein Allgemeingültiges, unterläßt aber dessen Sonderung, folgerechte

Durchführung, Anwendung,

wodurch denn doch erst die Allgemeinheit sich bewährt. Das hat vor allen Sokrates beklagt, und seine Klage ist um so tiefer, als in ihm, dem reinen Griechen, der

das in den Früheren noch mehr oder minder beiherspielende Morgenland

gründlich

verabschiedet,

das Bewußtsein der

Wissenschaft und der ihr eigenen Bestimmtheit erwacht.

Die

Früheren hatten ein Wissen, Sokrates hat ein in Entste­

hung und Bedeutung bewußtes Wissen; die Früheren zogen den Gegenstand,

Sokrates zieht zugleich mit ihm die Er­

kenntniß- und Behandlungöweise der Wissenschaft in Be­

tracht.

Darein ist sein zwiefaches Verdienst um dieselbe zu

setzen, das ihm ein nicht viel Späterer zugestehn und jeder

Spätere lassen müssen: die Herstellung des Allgemeinen, des Ueberhaupt, aus dem Besonderen und die hierdurch bedingte

Bildung der Gattungsbegriffe.

So kommt des Anaragoras

ordnender Verstand wieder zu Ehren, den das Mißverständ­

niß der Sophisten zu Schanden gemacht.

Diese Falschmün­

zer waren nahe d'ran, mit ihrem unordentlichen Verstände

die Wissenschaft zu versinnlichen, somit zu vernichten; So­ krates rettet mit ihrer Uebersinnlichkeit ihr Dasein.

Was

er gefordert und in Beispielen geleistet, hat

sein Schüler regelmäßig vollzogen.

In Plato keimt die

6 dem Gegenstände der Wissenschaft, dem Einen, einzig ent­ sprechende einheitliche Erkenntniß- und Behandlungsweise: ihm ist die Wissenseinheit der Grundbegriff der Wissenschaft; ihr Zweck die Seligkeit; ihr Gegenstand das Eine, welches eins mit dem Allgemeinen und Ewigen, welches das Wahre, Schöne, Gute. Doch wie es zu geschehn pflegt, daß ein Aeußerstes das äußerste Gegentheil wirkt, hat sich Plato aus dem Sinn­ lichen der Sophisten in ein nicht nur UebersinnlicheS, son­ dern Unsinnliches geflüchtet. Aber wenn er sterben will, um zu wissen, so ruft Aristoteles in's Leben zurück. Sein Vater ist nicht umsonst Arzt gewesen. Im Zwecke mit Plato einverstanden, da ihm das Denken das Süßeste und Beste däucht, entfaltet er die einheitliche Weise der Wissenschaft, das Begreifen, zum Urtheilen und Schließen; ihren Gegen­ stand aber faßt er dergestalt, daß er, was Plato als das seiende Eine, Allgemeine, Ewige und als das nichtseiende Viele, Einzele, Veränderliche gegen einander über gesetzt, unter den Gesichtspunkt der Wirklichkeit und Möglich­ keit stellt. Die Ruhe weicht der Bewegung: sowohl das Eine, statt zu sein, als das Viele, statt nicht zu sein, wird; aber das Werden ist unendlich. Mit dem Schlagworte des dritten Menschen hat Aristoteles nicht nur den Plato zu schlagen, sondern sinnig das Räthsel der Wissenschaft zu lösen getrachtet. Die unmittelbare Folge dieses mannigfach gewandelten Grundgedankens ist die Befestigung der bei Plato noch schwankenden drei Theile des Ganzen. Der

7 erste Theil, den Aristoteles,

obgleich nicht gewöhnlich, die

Theologie nennt, handelt von dem Wesen des Einen; der zweite, die Physik, von der Natur als dem Schauplatze

des Vielen; der dritte, die Ethik, gipfelt in dem Staate, welcher, wenn er sein Ziel erreicht, als der Zustand der

tugendhaften Menschen die in ihnen vollendete Na­ tur dem Wesen deS Einen öffnet.

Aristoteles

ist

der wissenschaftlichste Heide.

An der

von ihm gereichten Nahrung zu zehren, haben Jahrhunderte

sich begnügt, und seine geschichtlich-nächsten Nachfolger, die nicht dafür können, daß er ihr Vorgänger, würden, gegen ihn gehalten, schwerlich die Aufmerksamkeit des Betrachters

an sich ziehn, wäre nicht in ihnen erst der heidnische Geist

der Freiheit zu seinem Rechte gekommen.

Das ist in den

Stoikern, Epikuräern und Skeptikern geschehn.

Sie treffen

überein in dem Streben nach der Unabhängigkeit des Men­

schen von allem Außermenschlichen, welche sie als den Zweck

der Wissenschaft preisen.

Sie gehn auseinander in der

Wahl der Mittel: die Stoiker sind für ein maß- und lust­ loses, wörterreiches Tugendheldenthum;

die Epikuräer für

eine gemessene Lustigkeit, die den Bewohnern der Zwischen­

welten keinen Kummer macht, Gleiches um Gleiches for­

dernd; die Skeptiker vollends sind die verzweifelt-Wei­

sen, die ihre Sache auf nichts gestellt haben.

Wenn man die Eleaten durch eins und alles kenn­ zeichnet, so möchte man's mit den Skeptikern durch eins und nichts thun.

In dieses Elend des Nichts hat der

8 einst hochfliegende

Griechengeist seine Schwingen niederge­

Solche Niederlage ist kläglicher noch als die bei Chä-

legt.

ronea.

Die ebnete doch einem Aristoteliker den Weg zur

Herrschaft; in jener reift Griechenland zur Provinz der Rö­ mer heran. Als

diese sich der Wissenschaft zukehrten,

warm sie

nicht mehr die Römer, die den Hannibal besiegten.

In

ihren Forschungen ist nicht ihr Selbst, darum kein Ernst und keine Folge.

Sie borgen sich mancherlei, aber verun­

treuen das Lehn.

Zuletzt

verschmilzt Griechisches

und

Römisches

und

Anderes noch in denen, die mit Gewalt zu Plato zurück­ springen.

Ihr Sprung ist der Todessprung der heidnischen

Wissenschaft.

Inzwischen regt sich in der alten Welt ein neues Le­ ben, und indeß die Schulen der Weltweisen leer werden, füllt sich die Kirche.

Weisheit gestiftet. mittminne.

Doch hat auch sie ihre Schulen der

Freilich liegt ein beträchtlicher Zeitraum

Die Scholastiker haben das Kirchliche

geschult; aber ihrem löblichen Wissenseifer sind beengende

Schranken gesetzt, und was er innerhalb derselben errungen,

gehört süglicher in die Geschichte der Kirche als in die der Wissenschaft, welche erst,

alö sie aufhört, die Magd des

Kirchenglaubens zu sein, der Kirche dient. Den Freimuth eines Scotus Erigena und die Demuth der deutschm kirchlichen Mystik einigend, ist Jakob

Böhme der erste wissenschaftliche Kirchendiener.

Er hat

9 als

den

alleinseligmachenden Gegenstand der Wissenschaft

den dreieinigen Gott in kantigem Umriß und, was dem Plato daS schlechthin Andere des Einen, dem Aristoteles noch der Raub an dem Wesen war, als etwas, das zu

lieben fei, gezeichnet.

Ob ihn gleich das einem, der bloß

Füße messen lernen, Unermeßliche übermannt, so schrumpfen

doch gegen feine Großheit etliche Menschenalter der Wissen­ schaft zusammen, und obgleich seine Werke wie ein Urwald

sind, wo durch das Heer der Riefenbäume nur hin und wieder

ein Schimmer des gewohnten Tageslichts mühsam herdurch­

bricht, so wird ihm doch der ehrlich erarbeitete Ehrenname

des deutschen Weisen bleiben, so lang' eS Köpfe und Herzen giebt.

Das Ziel ist da, unverrückbar; der weitere

Verlauf ist die nähere Bestimmung und die Annäherung.

Was ihm nämlich mangelt, die Gewältigung seines Gegenstands, hat Cartesius vorbereitet durch die Reiuigung des Selbstbewußtseins; aber in dem Begreifen von Geist

und Leib, von Uebersinnlichem und Sinnlichem, ist ihm jener weit zuvor.

Und nicht nur ihm; auch dem, der die zwei

dem sie einigenden Dritten unterordnet als den Doppel­

schein feines Wesens. Dieses Doppelte wird in feinen zwei Richtungen ver­

folgt.

Die eine nehmen zunächst die Engländer, dann die

Franzosen: jene mit gediegener Nüchternheit, diese mit mehr

und mehr lockerem Witzrauschen.

In die andere begeben

sich die Deutschen. Beide münden in Kant, als welcher dem Sinnlichen

10 auf der Seite des Denkens, dem Übersinnlichen auf der

Seite des Handelns und doch auch wieder beidem auf bei­ den Seiten zu Recht hilft.

gerem Grad als

Den Griechen in nicht gerin­

den Neueren verwandt,

hat er richtend

und sichtend das Gesammteigenthum der Wissenschaft ge­ wissenhaft berechnet.

Zwar seine Summe, daß der Verstand

nicht an Gott und die göttlichen Weltmächte rührt, ist eine

Verneinung; aber unter der Decke dieses Nein liegt ein Ja, dessen Tragweite von den Späteren erprobt worden.

Diese

haben zuvörderst, der kirchlichen Ueberlieferung scheinbar ab­ hold, die Dreieinigkeit des menschlichen Ich, immerhin unbewußt, dargethan, welches Ich, unbeschränkt, die Schranke

des Nicht-Jch denkend setze und handelnd aufhebe; sie haben dann das menschliche Ich zu dem

göttlichen

Ich hinauf- und weiterhin, umgekehrt, jenes aus diesem ab­

geleitet, die wissenschaftliche Arbeit als das, da alles ein Schluß, in fortlaufenden Vernunftschlüssen sich bewegende

Verhältniß des Menschen zu dem dreieinigen Gott gegliedert und den Genuß, den diese Arbeit gewähre, die Seligkeit

genannt.

So wird die Wissenschaft gegenwärtig begriffen.

Die

zwiefache Nothwendigkeit, das Geschichtliche, für dessen Aus­

wahl und Beurtheilung doch immer der eigens gebildete Be­ griff maßgebend ist, diesem voranzustellen und an dem Be­

griffe gerade die drei Seiten des Zwecks, des Gegenstands und der Weise zu unterscheiden, kann erst innerhalb des Zu­ sammenhangs der Wissenschaft erhellen; der Gedankengang

11

jedes Vorworts hat, für sich betrachtet, in seinem Warum etwas Dunkeles, insofern er in Wahrheit ein Gang von Gedanken ist. Was nun die eigene Bildung des Begriffs der Wis­ senschaft anlangt, so versteht sich, wenn das Wissen, die Wissenschaft ohne Zusatz einen Sinn haben soll, daß für mich mein Begriff der allgemein-menschliche ist: ein Ver­ ständniß, aus welchem alles wissenschaftliche Reden, somit auch Bücherschreiben beruht. Ich bestrebe mich, zu deuten, was meiner Einsicht nach in jedem selbstbewußten, weltbe­ wußten, Gottbewußten Menschen hin und wiederwogt, — so die Bewußtseinsthatsachen in Bewußtseinsthaten um­ zuformen. Der Wille zu wissen ist nicht das Erste in der Wissenschaft, sondern das Zweite. Ihm setze nicht ich voraus, sondern ist vorausgesetzt die innere Nvthigung. In­ nere, nicht äußere. Es giebt keinen Wissens zwang, nur einen Wissensdrang, einen Wissenstrieb, einen Wissenözug. Falsch ist es, wenn ich sage: ich will wissen ist dasselbe als ich kann nicht anders, ich muß wissen; richtig, wenn ich sage: ich will wissen, weil ich nicht anders kann, weil ich wissen muß. Das Erste in der Wissenschaft ist, daß ich gedrängt, getrieben, gezogen werde, daß ich leide, daS Zweite, daß ich thun, denken und handeln, wissen wolle; daß Erste die Abhängigkeit, das Zweite die Selbst­ ständigkeit; das Erste der Gehorsam, das Zweite die Frei­ heit. Die Wissenschaft will erlitten sein: ohne Leiden

12 und Leidenschaft keine Wissenschaft; aber sie will auch ge­

wollt sein.

Indem

ich

leide, fühl' ich.

Das Gefühl ist das

ganze Sein des Menschen, das zugeschlossene, einfache Ich.

Wie aber kann ihm, dem Ganzen, ein Wille, eine Sehnsucht, ein Bedürfniß entquellen?

Wie kann das Ganze,

das als zugeschlossen, einfach keinen Gegenstand des Wil­

lens als sich selber hat, ergänzt sein wollen?

Wie kann

es ganz sein und doch nicht ganz, entzwei?

Ich

habe das Werden der

Entzweiung

und

das

Werden des Willens, sie zu vernichten, in der Erinnerung, im Bewußtsein, dergestalt, daß zu den Begriffen jener Ent­ zweiung und dieses Willens sich die Begriffe der Schuld

einerseits und der Verdienstlosigkeit andererseits gesellen. Mein Wissen, mein Denken und Handeln, mein Wille ist

der Grund des Gefühls, ist Schuld an dem Gefühle, wel­ ches zu seiner unwillkürlichen, somit, im Gegensatze gegen das

verschuldete Gefühl, unverdienten Folge das n e u e Wollen h a t,

das neue Denken und Handeln, das neue Wissen, das neue Fühlen haben soll.

Das Gefühl strebt durch den Willen

zur Thätigkeit, zum Denken und Handeln, durch das Denken und Handeln zum Wissen, durch das Wissen wieder zum Gefühle.

Der Ausgangs- und der Zielpunkt der Wissen­

schaft ist das Gefühl.

Der Ausgangspunkt ist das ver­

schuldete Sein, welches ganz und doch nicht ganz, entzwei

ist und den Willen der Ergänzung, also den Willen seines

Gegentheils, hat.

Der Zielpunkt ist das unverdiente Sein,

13 das wieder ganze; denn wenn eS nicht ganz gewesen und seinem Wesen nach ganz wäre: wie könnte eS ent­ zwei sein und dem entzweiten der Wille, ganz zu sein, un­ willkürlich durch den Drang, Trieb, Zug einkommen? Jenes verschuldete Sein ist die Unseligkeit; dieses unverdiente Sein die Seligkeit. Ich bin unselig, weil ich weiß; ich will wissen, um selig zu sein. Die Seligkeit ist der Zweck der Wissenschaft. Was will ich wissen? Nicht dieß, nicht jenes (das gäbe zur Noth eine Wissenschaft, nicht die Wissenschaft), nicht die Welt, welche dieß und jenes enthält (das gäbe eine Vielheit, beziehungsweise eine Gesammtheit von Wissenschaf­ ten, immer nicht die Wissenschaft), sondern, der Welt und dem, was in ihr ist, ab- und in mich eingekehrt, will ich überhaupt wissen, Gott wissen. Gott ist der alleinige Gegenstand der Wissenschaft. Aber was bleibt mir, wenn die Welt mir nicht mehr gehört, nur ich mir gehöre, was bleibt mir zu wissen, als ich selbst? Also will ich mich wissen. Und doch bin auch ich in der Welt, gehöre der Welt und zu der Welt, ob sie gleich mir nicht gehöre. Also will ich, indem ich Gott wissen will, mich nicht wissen. Ein scheinbarer Wider­ spruch, dessen Lösung: ich will mich nicht wissen als sol­ chen, wie ich mich weiß, d. i. getrennt von Gott, vermischt mit der Welt, bloß weltlich, verweltlicht; ich will mich als solchen wissen, wie ich mich nicht weiß, d. i. entweltlicht, geeinigt mit Gott.

14 Zweitens.

Ich will die Welt nicht wissen.

Aber sie

ist in meinem Bewußtsein, ich weiß sie und kann sie nicht

los werden noch los werden wollen; denn wenn ich die Welt, zu welcher ich gehöre, nicht wissen will: wie kann

ich mich wissen wollen?

Und ich will mich doch wissen.

Ein zweiter scheinbarer Widerspruch, dessen Lösung: ich will

die Welt nicht als solche wissen, wie ich sie weiß, d. i. getrennt von Gott, vermischt mit mir; ich will die Welt als solche wissen, wie ich sie nicht weiß, d. i. so, daß ich, indem

ich sie weiß, sie doch nicht weiß, daß sie ist und nicht ist, daß sie nichts für sich selbst, nichts gegen Gott ist.

Drittens.

Ich

will Gott wissen.

Aber

indem ich

mich getrennt von Ihm weiß, weiß ich Ihn getrennt von

mir, und da ich doch auch mich wissen will und getrennt von Ihm bin, so will ich Gott auch nicht wissen.

Ein

dritter scheinbarer Widerspruch, dessen Lösung: ich will Gott

nicht als solchen wissen, wie ich Ihn weiß, d. i. getrennt

von mir; ich will Ihn als solchen wissen, wie ich Ihn nicht weiß, d. i. geeinigt mit mir.

Diese drei zusammen: ich will den Gott wissen, wel­ cher mich nicht auS- und die Welt so einschließt, daß sie

ist und nicht ist. Und welchen Gott weiß ich?

Um Ihn zugleich mit

mir zu wissen, mußt' ich mein Ich zu dem Ueberhaupt stei­ gern, mich zu Ihm erheben.

Der Mensch kann Gott

nur menschlich wisse», und wer nicht in sich geht und

zu sich kommt, kommt nicht zu Gott.

Freilich auch dann

15 um von sich zu

nicht, wenn er nicht zu sich

kommt,

scheiden: seine Erhebung ist

die vor- und rücksichtslose

Entäußerung der Eigenheit, der eigenen Macht, Möglichkeit, Wirklichkeit.

Die Bestimmung meines Ich ist die durch das

Nun aber bin

Selbstbewußtsein vermittelte Persönlichkeit.

ich, indem ich an die Wissenschaft trete, wissen will, mit mir entzweit, in Zwiespalt, nicht in Frieden, unzufrieden, —

Mensch noch, doch Unmensch.

Also weiß ich da, mich stei­

gernd, über mir, dem Verweltlichten, und über der Welt, an die ich mich verloren, einen

chem ebenfalls

die Entzweiung,

In Verhältniß

zu

einander

persönlichen Gott, in wel­ ebenfalls

gesetzt, ist

der Zwiespalt.

der menschliche

Zwiespalt die Furcht deS Ohnmächtige», der göttliche Zwiespalt der Zorn des Allmächtigen.

Ich weiß einen Gott des Zorns, den ich fürchte; ich will einen Gott wissen, der nicht zürnt, den ich nicht fürchte.

Ist dieser Gott und waS ist Er in der Bejahung? Ich weiß es nicht, weiß nur den Gott, den ich nicht wissen

will, und'muß doch, um nicht in's Blaue zu gerathen, wissen, was ich will, was ich wissen will, muß, da der Wille der Uebergang ist aus dem wissenschaftlichen Leiden, dem Fühlen, in das wissenschaftliche Thun, das Denken

und Handeln, leidentlich - t.hätig sein, in dieser l e id en t -

lichen Thätigkeit die Bürgschaft haben für den Erfolg der nachherigen reinen Thätigkeit, — muß vorwissen, um

nachzuwissen.

Aber ich kann den Gott, den ich wissen

will, das göttliche Ja, nicht wissen, weil, um Ihn zu

16 wissen, ich midj; wissen muß und ich meine Entzweiung,

daS menschliche Nein, weiß: ein Wissen, welches ich, der Ohnmächtige, weil das Ueberhaupt, zu welchem ich mich gesteigert habe, der von mir getrennte Gott, alle Macht

hat, nicht ändern kann.

Ich kann nicht, — es müßte

denn Gott Sich in's Mittel schlagen, die Aenderung ver­ mitteln, den Abstand ausgleichen, der Uebergeschichtliche in

die Geschichte der Menschheit eintreten, Mensch werden, Sein Selbstbewußtsein geändert, d. i. menschlich, zu mir hcrabsenken, damit ich mein Selbstbewußtsein geändert,

d. i. göttlich, zu Ihm zu steigern vermöge. Hier nun hat für mich das geschichtliche Christenthum

seine wissenschaftliche Stelle.

Durch dasselbe

werd'

ich

Person, wieder Person, und nun wird jener dreifache, des Könnens ermangelnde, an sich selbst verzweifelnde Wille zu

der einfachen, der Befriedigung sicheren Sehnsucht nach dem

überweltlichen, persönlichen und dreieinigen Haupt und Schöpfer der Welt.

Als den Schöpfer weiß ich auch den

Zürnenden, aber nicht als den dreieinigen Schöpfer, weil

ich mich fürchtend nicht meine Dreieinigkeit weiß.

Dage­

gen weiß ich, wieder Person, in der Welt wieder göttlich geworden, mich dadurch, daß ich ein Anderes weiß, dessen

Gegensatz mich in mich zurückwendet; aber dieses Andere ist nun kein schlechthin, kein letztlich Anderes für mich, son­

dern geeignet, der Einheit meines Ich, als mein Anderes, eingefügt zu werden.

Ich bin ein wissendes Ich, ein mit­

tels des Anderen gewußtes Ich, ein das wissende und das

17 gewußte mit einander, das Andere mit beiden einigendes

Ich: ich bin die Einheit dieser drei.

Daher ist die Bestim­

mung meines Ich die Einheit dreier Bestimmungen: Drei­

einigkeit.

Soll ich mich mit Gott geeinigt, Ihn zugleich

mit mir wissen, so muß Gott persönlich und dreieinig sein; nur daß Seine Dreieinigkeit, zu welcher ich mich erho­ ben habe, eine über mir erhabene ist: Er ist, was ich

bin, dreieinig; Er ist, was ich nicht bin, der Schöpfer der

Welt.

Der Begriff des dreieinigen Schöpfers ist der Be­

griff davon, daß Gott Selbstzweck, die Welt Sein durch Ihn selbst vermitteltes Mittel ist, ein Mittelding, ein Zwitter­

wesen, ist und nicht ist.

erklärt sich folgendermaßen.

Dieses ihr Sein und Nichtsein Da sie, um kein schlechthin,

kein letztlich Anderes für Gott zu sein, den Anfang und das Ende nicht aus und in sich selbst, sondern aus und in

Gott, in und mit der Zeit, ein zeitliches Sein, Gott aber,um als das Ueberhaupt auch über der Zeit selbstbe­

wußt und persönlich zu sein, ewig einen Gegensatz haben

muß: so ist eine Welt vor der Welt, eine innergött­ liche Natur, eine Geburt der Dinge in Gott, nothwen­

dig und eine ewige Möglichkeit der Welt von ihrer zeitlichen Wirklichkeit, eine ewige Schöpfung der Gattungen von der zeitlichen Schöpfung der Einzelwesen zu unterscheiden.

Die

Welt ist, insofern die Einzelwesen sich zur Gattung hinauf­

gestimmt, ist nicht, insofern sie sich vereinzelt haben. Als Mittel ist sie zweckmäßig geschaffen, somit dreieinig-

keitlich; aber weil sie die Bestimmung hat, bestimmt zu 2

18 sein, endlich, so hat auch ihre Dreieinigkeit ein bestimm­ tes Ende, eine von dem Schöpfer gesetzte Gränze.

Diese

Gränze ist die Gränze der Wissenschaft als Weltwissen­

schaft.

Dieselbe

hat in

dem wieder Person gewordenen

Menschen von vorn herein, vor aller sinnlichen Wahr­

nehmung, Beobachtung, einigkeitliche

Erfahrung u. s. w. das

Gesetz, weiß,

daß es

auf alles und jedes anzuwenden ist;

drei-

allgemein-gültig,

aber die besondere

Bestimmung der besonderen Fälle ist sinnlich wahr­

zunehmen, zu beobachten, zu erfahren u. s. w., und da eben ist, wie der Welt, so der Wissenschaft ihre Gränze gesetzt.

Begränzt, theilt sich die eine allgemeine Wissenschaft in viele

besondere Wissenschaften, welche mannigfach verschränkt in einander greifen und durch jene bedingt sind wie jene wie­

der durch diese. Dreieinigkeit.

Der Theilungsgrund

ist

die

göttliche

Den Weltbegriff herangezogen und den Selbst­

zweck in Anfang, Mitte, Ende auseinander gelegt, so ist

Gott, auf den Anfang gesehn, der Herr der Schöpfung:

für Herrschen und Anfängen haben die Griechen ein Wort;

auf die Mitte gesehn, der Mittler der Schöpfung; auf

das Ende gesehn, der Vollender der Schöpfung. Dem Gegenstand entspricht die Weise. Die Wissen­

schaft ist der

menschliche Widerhall deö

göttlichen

Drei­

klangs, das menschliche Denken der Dank für Gottes Ge­

danken, das Nachdenken, das Anerkennen dessen, was der vordenkende Schöpfer den Geschöpfen zu erkannt hat.

ist Wissen nicht nur gedacht-,

Doch

sondern auch gehandelt-,

19 nicht nur erkannt-, sondern auch behandelt haben, beides Der Wille zu wissen bethätigt sich durch das

in einem.

Jedes Verhältniß ist

Verhältniß zu seinem Gegenstände.

zwiefach: ein Nehmen und ein Geben, ein Aufnehmen und

ein Hingeben; ich verhalte mich zu einem Gegenstände, d. i. ich nehme ihn in mich aus und ich gebe mich ihm hin.

Die

Aufnahme ist das Denken, die Hingabe das Handeln, wel­ ches so freilich ein anderes als das Handthieren.

Jedes

von beiden ist, wenn wissenschaftlich, dreieinigkeitlich: das

Denken, indem es die Stufen der Vorstellung, des Verstan­ des, der Vernunft; das Handeln, indem es die Stufen des

Vorsatzes, der Absicht, des Zwecks (in der aristotelisch-höch­

sten

Bedeutung)

Das vorstellungsmäßige,

durchschreitet.

verständige, vernünftige Denken, das vorsätzliche, absichtliche,

zweckmäßige

Handeln,

beides

in

dem

leidentlich-thätigen

Willen dreieinigkeitlich vorausgesetzt, daS ist die Weise der

Wissenschaft.

Wird schließlich der eigens gebildete Begriff mit dem

geschichtlich gebildeten verglichen, so bekundet seine Bildung die Einheit und den Unterschied der Gebilde: wie denn

jeder Forscher nicht aus Ursprünglichkeitssucht ein Werk der

Laune für die flüchtige Lust der Neugier ersinnen, sondern, auf den Gang des Weltwesens und den Mahnruf der Ge­ schichte achtend, dem Ihrigen das Seinige bescheidentlich ein­ gliedern soll.

Die

Wissenschaft

ist

die

Wissenseinheit,

deren Zweck, die Seligkeit, durch daS dreieinig2*

20 keitliche Verhältniß des Menschen zu dem drei­

einigen Gott ausgeführt wird.

2.

Das geschichtliche Christenthum.

Das Christenthum ist nicht die christliche Religion, mit

welcher es besonders da oft verwechselt wird, wo, wie hier, von dem gehabten Christenthume die Rede, sondern die gemeinsame Unterlage für die christliche Religion, für die christliche Naturbetrachtung und Kunst, für die christliche Ge­ schichtsforschung und das christliche Staatsleben: wie ja denn

auch das Griechenthum sich nicht auf die griechische Religion einschränkt u. s. w.

■ Das Beiwort geschichtlich ist hier nur in gegnerischem Sinn gebraucht, nicht in dem Sinn einer A r t des Christen­ thums als der Gattung: für mich giebt es kein anderes

Christenthum als das geschichtliche.

Geschichtlich aber ist es

sowohl nach der Seite hin, daß es ein Geschehenes, ja das Geschehene, ein Ereigniß ist, ja das Ereigniß der Geschichte,

als nach der hin, daß es der Weltheilsordnung, der göttlichen Schichtenordnung sich einordnet, nicht nur die Juden

gleichwie die Heiden mit Gott, sondern auch das Judenthum und das Heidenthum, die bisher durch einen Zaun getrennten, mit einander versöhnt, vermittelt, einigt und so einigt, daß in ihm, dem einigenden, zwar weder die Be­

schneidung noch die Vorhaut gilt, aber deßungeachtet das

21 Jüdische und das Heidnische nicht schlechthin, sondern in Erfüllung aufgelöst sind.

Das geschichtliche Christenthum ist allgemein das der heiligen Schrift, geschichtlich-bestimmt das der Bekenntniß­

schriften der evangelischen Kirche.

Die beiden alten Grund-

Satze und Schätze der letzteren erweisen die Einheit ihres Christenthums, und des allgemeinen.

Damit ist zugleich daS

Urtheil über die gegenwärtige katholische Kirche gefällt.

Zwischen dieser und der evangelischen ist ein Widerspruch, nicht nur ein Gegensatz; ein Widerspruch, dadurch allein lös­

bar, daß die katholische sich verneint, protestantisch wird, gegen sich selber protestirt und sich bejaht, reformirt, in ih­

rer ursprünglichen Reinheit wieder herstellt, die ihr, aber auch in ihr verborgenen Schätze hebt.

Der Zweck des Christenthums ist die Kirche.

Als

Gemeinschaft ist sie entstanden und besteht durch die

Rede, das vorzugsweise menschliche Mittel der Mitthei­ lung, Theilnehmung und Gemeinschaftsbildung.

Ihr Ent­

stehen gründet sich auf die mündliche Rede Jesu Christi

und der ersten Christen, welche Rede die Fortsetzung ist der

vorchristlich-christlichen, mündlichen und schriftlichen Rede; ihr Bestehen auf die schriftliche Rede derselben.

Die

Schriftlichkeit ist nothwendig, wenn die Rede nicht nur

menschliche, sondern menschheitliche Bedeutung, Folge und Stätigkeit haben, somit die r ä u m l i ch - z e i t l i ch e n Schranken

der Mündlichkeit aufheben soll.

Die Benennung die

heilige Schrift oder die Schrift, welche dann so hoch über

22 den Schriften steht als des Menschen Sohn über den Men­ schen, ist durch den Gehalt und die Form der fortgesetzten und

fortsehenden Rede,

ingleichen durch die Anerkennung

dieses GehaltS und dieser Form von Seiten der Bestand

suchenden und bestehenden Kirche bedingt.

Die Trennung

der Schrift von der Kirche und der Kirche von der Schrift gefährdet beide gleich.

Der Geist, der die Schriftsteller ge­

trieben, als der Geber und der die Gabe nehmende Geist der

Leser soll ein und derselbe heilige sein über dem an sich

todten und tödtenden Buchstaben, Seinem Leibe, und soll die Heiligkeit der Gabe den Nehmern bezeugen; indeß wird dieses

Sollen zum Können nur in der Kirche: der dritte Glaubens­ artikel weiß nichts von einem heiligen Geiste der Unkirchlichen.

Gott hat Sich durch die von Ihm eingegebene Schrift geoffenbart;

aber

daS

ist nicht die Offenbarung Gottes,

welcher Sich fortwährend auch anders, doch immer chri-

stenthumsmäßig, d. i. Sich christlich und Christliches, offenbart.

Die Schriftoffenbarung und die andere stehn in

wechselseitigen Bezügen; nur daß jene in der Kirche, als

welche durch sie besteht, für diese maßgebend ist. Die Offenbarung ist die Antwort Gottes auf die Sünde

des Menschen; das durch die letztere Verschlossene wird durch

die erstere geöffnet und

offenbar.

Begleitet wird sie von

dem Wunder als dem Rückschlag Gottes gegen den Schlag, welchen der Mensch durch die Sünde der Natur versetzt hat, — dem göttlichen Strich durch die menschliche nicht zur Schau, sondern zum Glauben.

Rechnung,

23 Die Sünde, deren Möglichkeit nothwendig, ist das Ver­ hältniß des Menschen zu dieser, d. i. der von Gott ge­ lösten, gottlosen, aus dem Mittel des Mittlers zum Selbst­ zweck entstellten Welt. Ihr Grund ist die teuflisch-mensch­ liche Eigensucht: der Mensch, in den Willen des Teufels, des Fürsten dieser Welt, einwilligend, sucht für seine Be­ trachtung und Behandlung in der Schöpfung das den Ge­ schöpfen, sich und den anderen Geschöpfen, Eigene statt deS dem Schöpfer Eigenen, dient dem Geschöpfe mehr denn dem Schöpfer. Ihre Folge ist die Vereitlung des Menschen in dem zwiefachen Wortsinne, seine Verselbstung und seine Vernichtigung (Eitles ist Selbstisches und Nichti­ ges zusammen), da diese Welt wider Gott und vergänglich, der Mensch aber bestimmt ist, für Gott zu sein und die Speise, welche bleibt, zu wirken. Er hat so seine Bestim­ mung verfehlt, von dem Fleische, worauf er gesä't, Verderben geärntet, ist durch sein im Denken und Handeln eitles Ver­ hältniß zu dem Eitlen eitel geworden, vereitelt, in Rück­ sicht auf das, was sein Leben sein soll, todt, getödtet von dem Mörder von Anfang, unselig, statt selig zu sein. Weil aber der Mensch, das Einzelwesen, seiner Naturanlage nach Gattungswesen, so ist die Sünde, die Einzelsünde, Gattungs­ sünde. Daher geschieht die Offenbarung der Gattung und ihr gemäß. Der Zweck der Offenbarung ist die Verchristlichung der Gattung; die christliche Gattung, gegliedert als Gemeinschaft, die Kirche. Die Kyriake weis't auf den Kyrios: der Gegenstand

24

des Christenthums ist der Gottmensch Jesus Christus, welcher mitteninne nicht nur steht, sondern, frei-gehorsam dem bewußten Willen des Vaters und dem mehr oder min­ der unbewußten Willen der Menschengattung, zufolge so der Sendung des Ersteren wie der Sehnsucht der letzteren, Sich gestellt hat zwischen Gott und Mensch als Mittler. Der christliche Gott ist persönlich und dreieinig; die christliche Dreieinigkeit Gottes aber nach der Seite der Thä­ tigkeit das auf Ihn selbst als Selbstzweck, auf die Welt als Sein durch Ihn selbst vermitteltes Mittel gerichtete Den­ ken und Handeln, beides in einem: die Selbstliebe Gottes, der die Liebe ist, — der nicht von, sondern in dem heili­ gen Geiste gestiftete ewige Liebebund des Vaters und des Sohnes. Und zwar ist Gott Vater, insofern aus Ihm; Sohn, insofern durch Ihn; heiliger Geist, insofern zu Ihm, d.i. dazu die Welt geschaffen ist, daß Er nicht nur alles, sondern alles in allem sei. Das natürliche und natürlich-sittliche Ver­ hältniß von Vater und Sohn ist durch die Persönlichkeit des wissenden und d(s gewußten Gottes, des ersten und des zweiten göttlichen Selbst, gesetzt: der Sohn, der Natus, ist die innergöttliche Natur und vermittelt die außergöttliche. Die Persönlichkeit des dreieinigen Gottes ist schrift­ gemäß; schriftwidrig (nicht unkirchlich, obgleich nicht alt­ kirchlich noch allgemein-kirchlich) ist die dreifache Persönlichkeit Gottes. Diese ewige Dreieinigkeit wird um der Sühnung der Sünde willen geschichtlich in dem Gottessöhne, der Men-

25 schensohn ist, in Jesu Christo: die Welt voller Gestalten vor

der Gestaltung der Welt, welche, indem durch den Sohn,

in Ihm, dem Erstgeborenen vor allen Creaturen, geschaffen

ist und besteht, die Allheit der Gattungen überhaupt und

im Besonderen, weil die Sünde menschlich, die Men­ sch engattung verwirklicht sich in Gestalt eines Einzelwesens,

das unendliche Gotteswort, dessen endliches Gleichniß die Welt, wird Fleisch: der Hohe erniedrigt Sich. So hat Er, dessen GotteSliebe Menschenliebe und dessen Menschenliebe Gottesliebe, Sich Seiner Klarheit entäußernd, um die Menschen an ihre Klarheit zu erinnern, durch

Seinen freien Gehorsam den Ihn verklärenden Vater und die durch die Sünde und das Sündenübel getrübte Menschengattung zugleich verklärt, jenem für diese stell­

vertretend genuggethan, den Teufel, den Sünder von Anfang, auSgestoßen, die Menschengattung entsündigt, da Er in der Erniedrigung eben die zum einzelen Men­

schen geword ene Menscheugattung ist, nicht eines, sondern des Menschen Sohn, und vem Einzelen das neue

Gebot gegeben, zu lieben, wie Er geliebt, was für

diesen Einzelen besagt, sein Einzelwesen zur Gattung aus­ zuweiten, damit er gleich der Gattung entsündigt werde. Seine Liebe ist Sein Leben; aber insofern Er, der Sünd-

lose, für die sündige Menschheit lebt, muß Sein Leben

Leiden sein, ja Tod.

Und doch wieder der Tod, der Leben

ist, der Tod, der als die That, als die Unthat der Sünde, an dem einen Sündloftn vollbracht, als das äußerste Wider-

26 spiel von Gut und Bose, der bösen verblendeten Menschheit die Augen öffnet und mit seinem Ernste dem Spiel ein Ende macht, den Fluch, der Ihn getroffen, in ihren Segen,

Seine Wunden in ihr Heilmittel verkehrend.

Darum muß

Er nicht nur sterben, in Gestalt sündlichen Fleisches, ja als

der Sünder aller Sünder unter das Gesetz gethan, dessen

Ende Er ist, verurtheilt durch das Judenthum und durch das Heidenthum: als Gottes Sohn wider Gott, als König wider den Kaiser, sondern muß auch auferstehn, muß lei­

den und muß verherrlicht werden, muß der Prophet, der Hohepriester, der König sein; was Er prophezeit, ist nur

dieß: Ich bin der Hohepriester, und Ich bin der König. Aus dem Gottmenschenthume Jesu Christi ist der ganze

zweite Glaubensartikel

mit begrifflich-geschichtlicher Noth­

wendigkeit herzuleiten, dabei das Gottmenschliche und Gott­

menschliche nicht zu trennen, aber zu scheiden und zu eini­ gen.

Zu scheiden; denn der Gottmensch als das Haupt

deS Leibes der Menschheit ist unnachahmlich,

dahingegen

der Gott men sch als der Erstgeborene unter vielen Brüdern will, daß der Mensch nicht nur Ihm, dem Beispielgeber,

sondern Ihn nachahme, d. i. Christ sei, vollkommen in Ihm, mitleide und mitverherrlicht werde.

Zu einigen;

denn die christliche Kirche oder die Kirche des Evangeliums will, auf das Bedürfniß ihres gegenwärtigen Zustands ge­ sehn, weder die lutherische noch die reformirte Son­

derkirche sein: die Einigung des Gott menschlichen und Gott­ menschlichen ist die Einigung eben dieser Sonderkirchen zu

27 der evangelischen Kirche, und ihre Einigung hervor brin­

gen nichts als ihre Einheit in den Grund- und Folge­ sätzen zum Bewußtsein bringen.

Die Weise des Christenthums ist der Glaube, durch die Gnade GotteS in dem Menschen gewirkt.

Aus Gna­

den durch den Glauben werden die Menschen zu Chri­

sten: das ist ihr Wahlspruch und Kennzeichen; das griechi­ sche Wort, welchem das deutsche Glaube nur halb entspricht, geht mit auf die göttliche Ursachlichkeit.

die Vorbereitung und Bereitung

möglichen;

der Glaube in

des

Die Gnade ist

bei Menschen Un­

seiner eigenthümlich-christlichen

Bedeutung in einem das Denken und Handeln des Ge­

müths, welches dm Gottmenschen in sich aufnimmt und dem Gottmenschen sich hingiebt,

christlichte Wille;

Ihn erlebt, — der der-

das Gemüth aber der zugleich lei­

dende und thätige, der leidentlich-thätige Geist.

Der

Glaube hat zu seinem Vorher die Buße, zu seinem Nach­

her die Liebe, durch welche er thätig, rein-thätig, ist die Wirklichkeit jener und die Möglichkeit dieser; um beider wie

um seinetwillen, da die Buße die Gattungssünde büßt, die Liebe die Gattung liebt, der Gottmensch die Gattung liebend entsündigt, ist er Kirchenglaube.

So binden sich Anfang und Ende.

Das geschichtliche Christenthum ist das Mit­

tel der Beseligung, welche der Gottmensch JesuS Christus, der Mittler, dem gläubigen Menschen

in der Kirche, der Gemeinschaft der Gläubigen,

vermittelt.

II.

Das gegenseitige Verhältniß der Wissenschaft nnd des geschichtlichen Christenthums. Ein Anderes ist ein Verhältniß, ein Anderes eine Be­

ziehung.

Beide sind ein Zusammenhang; aber jenes ist ein

innerer, diese ein äußerer.

Eine Beziehung zum Christen-

thume hat die Wissenschaft auch da, wo sie ihr Kleid mit

einem Lappen vom Christenthume flickt nnd es nicht Wort

haben will, daß zwischen Christenthum und Widerchristen­ thum,

wie weiterhin zwischen Theismus und Atheismus,

zwischen Monarchie und Anarchie, kein Drittes ist,

kein

Mittleres, kein Friede, sondern das Schwert; wo sie, nach ihrer Weise selbstständig, durch reines Denken mit Gott wie mit der natürlichen und geistigen Welt nahezu fertig,

zu guter Letzt, gleichsam Anstandshalber, unter Anderem des Christenthums erwähnt und so erwähnt, daß die Vermu­ thung sich regt, ohnedieß möcht' alles ihr glücklich ablaufen.

Und wieder, eine Beziehung zur Wissenschaft hat das Christenthum auch da, wo es, um aus der Gefühlsdämme­

rung in die Bewußtseinshelle zu treten, einer Art von Denk-

29 lehre bedürftig, der vorhandenen, gleichviel wie angelegten

und ausgeführten, Wissenschaft ein und das andere Mal sich bedient als eines

nothwendigen Uebels, dem sonst

auszuweichen mehr als räthlich sei.

Hier handelt es sich

taut der Überschrift darum, ihr gegenseitiges Verhältniß darzuthun: die Wissenschaft ist in sich christlich, daS Chri­

stenthum

in sich wissenschaftlich;

Andere, strebt zum Anderen,

das

Eine

fordert

daS

seiner theilhaft zu werden; so

doch, daß das Ganze nicht zu dem wissenschaftlichen Christenthume sich gestaltet, sondern zu der christlichen Wissenschaft,

die mit dem Christenthume steht und fällt.

Das

ist des

Alexandriners gnostische Pistis und pistische Gnosis,

zur Einheit, zur Wahrheit geworden.

1.

Das Verhältnis? der lvissenschaft zu dem geschicht­

lichen (hristenthume. Das vorhin über die Wissenschaft wissenschaftlich Ge­ sagte ist nun in's Christliche zu übertragen, und umgekehrt.

In der Wissenschaft ist dem Willen zu wissen das Ge­ fühl der Unseligkeit in dem Wissenszuge vorausgesetzt.

An

dieses Gefühl, an diesen Zug, an diesen Willen knüpft daS

Christenthum an.

Der Zug ist ihm der Zug deS VaterS

zu dem Sohne, der selbst die Weisheit, göttliche Weis­

heit, und zur Weisheit den Menschen gemacht worden. Der Wille ist ihm die Einwilligung in den Willen des Ziehers;

der Wollende

ändert

den Sinn,

thut Buße,

30 hört auf die Stimme seines besseren Selbst, seines Ge­

wissens: Gewissen, Gewißheit, Wissenschaft, das hängt

alles innig zusammen.

Die Unseligkeit endlich ist ihm der

Tod des Menschen, — das Heimweh des Geistes, gegen ihr über die Seligkeit das Leben, das ewige Leben.

Dem

entsprechend, ist die Wissenschaft dahin gelangt, daß sie als

Lehre, Weisheitslehre, nichts als die Weisung und Anwei­ sung zum seligen Leben sein wollen.

Doch die Be­

dingung des menschlichen Lebens ist die Geburt; die Bedin­ gung des Lebens, welches ein Wied erleben, ein Aufleben

nach dem Tod ist, die Wiedergeburt.

Nun aber kann

der Mensch nicht sich selbst gebären, sondern wird geboren.

Also, schließt das Christenthum, kann der durch die Sünde entstellte Mensch, das Geschöpf Gottes, nur durch eine neue

Schöpfung Gottes, durch eine neue Geburt von Gott,

von

oben her,

wieder hergestellt werden;

der ersten

Schöpfung muß die zweite folgen, die Erlösung, der Mittler der ersten die zweite vermitteln.

Andererseits, in der Wissen­

schaft, soll der bloß weltliche, durch seine Schuld, durch sein Verhältniß zu der bloßeu, d. i. gottlosen, Welt verweltlichte Mensch sich entweltlichen, sich zu Gott verhalten.

ist jenes Verhältniß, die Verweltlichung,

Nun aber

eben die Sünde;

die Folge der Verweltlichung, das Verweltlicht-sein, eben

der Tod; die Entweltlichung eben die Wiedergeburt.

Also

muß der Schluß der Wissenschaft derselbe sein wie der des

Christenthums: was der Mensch soll, vermag

er nicht

durch sich selbst, — je weniger bedürftig, desto dürftiger; bei

31 Menschen ist's unmöglich: der Gattungstod ist der Gattungs­ sünde Sold; gottlos, ohnmächtig, vermag der Mensch nur

durch Gott wieder zu werden, waö er gewesen; daß er tüchtig,

ist von Gott, der als der allmächtige Dränger,

Treiber, Zieher das Wollen und das Vollbringen wirkt. Nicht von selbst, durch die Steigerung seiner Persönlich­

keit, gelangt er zu der des dreieinigen GotteS; natürlich vernimmt er nichts von Seinem Geiste; er, der Entzweite,

der nicht Drei-, sondern Uneinige, dessen Selbstbewußt­ sein das Bewußtsein der Verwüstung, der Zertrümmerung ist, der Wurm des Nichts in ihm, der Lohn für die Ver­

weltlichung , für den Genuß des Wurmstichigen, — er

wird selbstbewußt, wird Person, eine neue Creatur, erst durch Christum und in Christo, dem letzten Adam, dem

anderen Menschen, tilgt. einem

der den Zorn

und die Furcht

Durch das Christenthum erst wird dem Menschen in die menschliche Dreieinigkeit und die göttliche des

Vaters, des Sohnes, des heiligen Geistes gegeben, geoffen­

bart; woraus es dann in der Wissenschaft ankommt, ist,

daß der geoffenbarte Gott dem Menschen offenbar werde als das gesuchte Ueberhaupt, daß der Mensch, das von außen ihm Gegebene verinnerlichend, sich der Wahrheit des drei­

einigen Gottes, des Vaters als des Herrn, des Sohnes als

des Mittlers, des heiligen Geistes als des Vollenders der

Schöpfung, vergewissere, — wisse, was ihm von Gott gegeben ist.

So lange zwischen Tod und Leben

nicht nur ein Gegensatz ist, sondern ein Widerspruch; so

32 lange die Triebfeder der Wissenschaft nicht der Gegensatz ist

von Mensch und Welt, sondern der Widerspruch in dem

einen Menschen

als Doppelmenschen

zwischen

dem,

der er ist, und dem, der er sein soll, —nicht der Zweifel nur, sondern die Verzweiflung; so lange die gute Gat­ tung und die böse Gattung über dem guten Einzelwesen

und dem bösen Einzelwesen persönlich sind, mit dem Ernst um das Böse der Ernst um das Gute fehlt: so lange kann

der sündige, verweltlichte Mensch zu dem heiligen Gott über

ihm und der Welt denkend und handelnd sich nur verhalten mittels des Verhältnisses zu dem Gott, welcher weltlich,

aber nicht verweltlicht, welcher Mensch ist, aber sündlos, zu dem Gottmenschen, dem Friedefürsten, welcher den Widergott«

menschen, den Störenfried, vom Himmel fallen sieht

und der durch die Sünde unseligen Gattung in der Kirche, der christlichen Gattung, der menschlichen Fortsetzung Seiner

gottmenschlichen Persönlichkeit, die Beseligung vermittelt, die in Adam gestorbene in Sich lebendig macht.

des

Der Zwiespalt

menschlichen Seins spaltet das göttliche:

die ewige

Dreieinigkeit muß (das christliche Rückwärtssehn, die christ­ liche Rücksicht heischt nun, was die noch nicht christliche von

dem Gott überhaupt heischt) geschichtlich, das den

Zweck

der Wissenschaft

auöführende Verhältniß zu jener,

das Denken und Handeln, welches auf die ewige Drei­ einigkeit sich richtet, die Liebe, durch das Verhältniß zu

dieser, durch das Denken und Handeln, welches auf die geschichtliche Dreieinigkeit sich richtet, durch das Mittel-

33 Verhältniß zu dem Mittler, durch den Glauben, —

die reine Thätigkeit durch die leidentliche vermittelt werden. Dieß ist der Schwerpunkt dessen, worum es hier sich han­

delt.

Sich handelt für alle Menschen und für den gan­

zen Menschen.

Für alle Menschen.

Alle Menschen sind unselig,

wollen selig sein, wollen wissen: der erste Satz der ari­ stotelischen Metaphysik hat noch keinen Widerleger gefunden

(ein Anderes ist die Wissenschaft, ein Anderes die Wiffen-

schaftslehre; diese gehört einer bestimmten Beruföklasse, zu jener sind alle berufen), und alle Menschen sind Sünder,

wollen entsündigt, versöhnt sein.

Beide, die Wissenschaft

und das Christenthum, sind allgemein-menschlich.

Freilich

zur Zeit nur der Bestimmung nach, so daß das Wollen ein Sollen ist: schlimm genug, wenn noch nicht alle, von dem Kleinsten an bis zu dem Größten, Gott ken­

nen, Gott wissen, wenn der Bauer, indem die Glocke

seines Kirchthurms auöläutet mit dem Dreimaldrei, nichts

weiß, als daß Dreimaldrei Neun ist, und schlimm genug,

wenn der Geschichtslehrer

vierhundertsechsundsiebzig Jahre

nach Christi Geburt die alte Geschichte enden

läßt; aber

der je gegenwärtige Zustand darf nicht der Grund des Ur­ theils über ewige Rathschlüsse sein, und weder Hügel noch Berge verkümmern der fu r ch t l o s e n k l e i n e n H e e r d e die ent­

zückende und entrückende Aussicht in das ihr verheißene Reich. Für den ganzen Menschen.

So geht es nimmer­

mehr, daß der Mensch eine Geschäfftstheilung vornimmt 3

34

und eine Selbsttheilung: daß das eine Ich ein Sünder ist, Buße thut, treu dem Glauben der Väter die Kirche besucht und die Wissenschaft wo nicht als das Netz des Widersachers, doch als das Hirngespinnst hochmüthig - geistreicher Pflaster­ treter an den Nagel hängt, indeß das andere Ich, auf der vermeinten Hohe des vermeinten Zeitbewußtseins angelangt, mitleidig zu Betschwestern hinabsieht und, auf eigenen Füßen stehend, durch reines Denken sich beseligt, dieses, nicht die Gottesfurcht, für der Weisheit Anfang hält. Son­ dern in ein und demselben Ich eiihveber beides, die Wissen­ schaft und das Christenthum, oder keins von beiden. Das Christenthum will bett ganzen Menschen oder nichts von ihm. Die Wissenschaft hat denselben Willen, ist nicht eine Sammlung von Ansichten, die man ohne Weiteres, ohne Folge annehmen und ablehnen, nicht etwas, das man so haben kann, wie man etwa ein Umschlagetuch hat, es umthut rind abthut, nicht eine Geschmackssache außer in dem Sinne, wo Himmel und Hölle auch Geschmackssache ist. Sie will eine Seinsänderung des ganzen Menschen wirken. So gefaßt und getrieben, fordert sie, da der ganze, ein und derselbe Mensch Sünder ist und versöhnt sein und wissen und selig sein will, den Mittler der Beseligung, den sühnendeil Versöhner, der selbst die Weisheit; das geschichtliche Christenthum erfüllt die Forderung. Dennoch weist jene wiederholentlich dieses zurück, ver­ schweigt oder beschwichtigt lieber die Forderung, als daß sie sich in dem Falle finde, für die Leistung zu danken, wo sie

35 nicht gar diese vertuscht, sich oder Andere oder sich und

Andere täuschend.

Und

das

im Munde

nicht nur der

Pfuscher, auch der Auserwählten, der Begabten, ja charis­ matisch - Begabten.

Hier nachzukommen, warum, ist dien­

licher, als durch Verketzerung, geschweige Verdammung, sich leichtfertig aus der Sache zu ziehn.

Einerseits ist es der ungeschichtliche Sinn, der in ur­ sprünglich -edeler Schwärmerei sich gegen das Christenthum

hin und wiederkehrt wie gegen das Vaterland; dem zu Ge­ fallen das je gegenwärtige Geschlecht, statt ein Glied zu

sein in der Kette der Geschlechter, von vorn oder (was auf

eins hinausläuft) von hinten anfangend, statt eines begränzten Kirchenlebens ein, scheinbar christliches, Allerweltleben

beginnen soll, das- doch gar kein Leben wäre; denn was zu

weit führt, führt zu nichts. Andererseits aber macht die plumpe Weise, wie gerad--

herzige, wohlmeinende Christen bisweilen den Wissenschaft­ lichen beizukommen suchen, viele der Letzteren gegen das so Dargereichte wo nicht gehässig, doch stutzig,

— ohnehin

solche, die entweder in einer willkürlich-ausschließenden Rich­ tung befangen sind oder sich zwar wer weiß wie oft ihres Unglücks, aber ihr Lebtag nicht ihrer Unseligkeit bewußt

worden; Christus ist die Thür, doch muß man nicht mit der Thür in's Haus fallen, vielmehr bei aller Entschieden­ heit den Heiden ein Heide sein, lindern, ohne zu mindern,

schön fahren mit den Leuten. Wenn beiderseits die Schuld genugsam erkannt und

3*

36 gut gemacht ist, so steht der Einigung nichts im Wege, und über kurz oder lang werden alle, die vordem mit Recht sich nicht überreden ließen,

sich überzeugen, daß, wie die

Kirche gleichsam zum Voraus die Gemeinschaft der Seligen, so das Christenthum die gebundene, latente Wissenschaft

ist, diese das gelöste, offenkundige Christenthum, der Glaube die Vorwegnahme deS Wissens, — die gewisse

Zuversicht dessen, waS man hofft: der Ausgangspunkt die

Unseligkeit; der Zielpunkt die Seligkeit; der Weg die Liebe, das dreieinigkeitliche Verhältniß zu der ewigen Dreieinigkeit des VaterS, des SohneS, des heiligen Geistes; der Durchgangöpunkt aus dem Wege der Glaube (niemand kommt

zum Vater denn durch

den Sohn); auch alles nach dem alles

nach

Christo

scheinbar

Sündenfalle

vorchristliche,

unchristliche

wahre Denken und gute Handeln vermittelt

durch das mehr oder minder unbewußte Vorwissen als

das

Schattenbild

des

ersehnten (was die Juden

betrifft,

verheißungsmäßig ersehnten) zukünftigen Glaubens an

den Mittler der Schöpfung, ohne den nichts thunlich; da­ her nicht nur erlaubt, sondern nothwendig, ein Christliches

(wenngleich nicht dasselbe Christliche) in Abraham wie in

Aristoteles oder Spinoza, eine» platonischen u. s. w. Glau­ ben anzuerkennen.

So innig er und die Liebe verwachseir

sind, eben so innig das Christenthum und die Wissenschaft. AuS der Luft gegriffen ist, was die Einen schwätzen, eö

komme nicht auf den Glauben an, nur auf die Liebe; aus der Luft gegriffen, was die Anderen, jener sei mehr werth

37 als diese.

der von dem

Derselbe Apostel,

Glauben das

Höchste und Tiefste geredet, hat, ein Minnesänger vor den

Minnesängern, mit seinem Loblied von der Liebe alles über­ tönt, was

alte und neue Liebesdichtcr ihren Göttern und

ihren Mädchen gesungen, — und hat's nicht beim Reden

und Tönen bewenden lassen: ist Glaubensheld, ist Liebes­

held geworden.

Freilich der Zeit nach

geht der Glaube

der Liebe voran, der Saame der Frucht.

Aber wie doch

wieder jener schon diese enthält, so gewährt und bewahrt

der Glaube den Strahlen der wissenschaftlichen Thätigkeit

den Liebe-Brennpunkt, die Weihe, den Adel, die LebenSwärme, die Lebens fülle, die Würde zugleich mit der An­

muth, und der platonische EroS ist der Bruder, wenngleich der Stiefbruder der christlichen Agape, — ihr in demselben Grade verwandt, als das Gastmahl, daS ihn feiert, dem

Liebesmahle der Gläubigen.

Sein Mangel, ihr Mangel

läßt aus begabten Wißbegierigen bloßeGelehrte werden,

von denen man sagen samt: vor lauter Kenntnissen wissen

sie nichts, und der Wust des Stoffs, dessen Last sie erliegen,

verwüstet den formenden Geist.

2. Das Verhältniß des geschichtlichen Christenthums zu der Wissenschaft. Das Christenthum hat Wmtder, aber ist kein Wunder.

Und gesetzt, es wäre eiuS: der forschende Menschengeist soll es begreifen, das Christliche als das Menschliche, die

38 Christlichkeit als die Menschlichkeit.

Zwar zunächst

ist der Christ an sein Christenthum gebunden mit allen Fäden seines Daseins, wie der Jude an sein Judenthum, der Heive

an fein Heidenthum: er kann es nicht los werden, er mag sich stellen wie er will.

Geht er dann aber, herangewachsen,

in die Fremde, so wird ihm das Heimische fremd, daS Kind­ liche kindisch, und er will das Kindische abthun: der Zweifel beginnt, die Prüfung, — der Freiheitskrieg des Geistes ge­

DaS ist Naturlaus, ist Schicksal.

gen die Fremdherrschaft.

Bei Gott kein Ding unmöglich.

Gewiß.

Aber es soll

auch kein Ding dem denkenden Menschen ein Unding sein. Schon eben darum strebt das Christenthum zur Wissenschaft,

um sich zu fassen, um den Sieg des Zweifels und den Waf­ fenstillstand, den Müßiggang der Empfindelei, zu verhindern.

Doch nicht genug.

Das Gottmenschenthum will nichts

für sich selber, kein Selbstzweck fein, sondern Mittel, aber

das Mittel, das Brot des Lebens, das lebendige Wasser,

dessen Strome überallhin fließen.

So will anch der Glaube

gerade als wirklicher, lebendiger, erleuchteter Glaube nur das

lichte Liebe leb en in Gott wirken, für sich die Bedeutung des Vermögens, der Möglichkeit ansprechend:

So will auch

die Kirche als die Gemeinschaft der Gläubigen gleich ihrem

Haupt Unterthan sein dem Reiche des heiligen Geistes als der Gemeinschaft der Seligen, die nur uneigentlich Kirche heißt.

Dieser dreifache Wille verkündet sich in dem einzigen Gebote des Christenthums.

zu Gott.

Das einzige Gebot ist die Liebe

Das einzige; denn da der Sohn nicht nur er-

39

niedrigt, sondern anch erhöht, durch Ihn nicht nur Gott in die Menschengattung, sondern auch diese, dem verklärten, verewigten Leibe des Gottmenschen einverleibt, zu einem Leibe getauft, in Gott eingesenkt, nicht nur der Himmel auf die Erde, sondern auch die Erde in den Himmel gebracht ist, in welchem fortan der Wandel der Irdischen sein soll: so ist das andere Gebot, das der Nächstenliebe, dem vornehmsten und größten gleich, und der ein Lügner, welcher spricht, er liebe Gott, und seinen Bruder haßt. Nun aber ist der christliche Gott dreieinig; die christliche Liebe zu Gott die Gegenliebe des Menschen, Seines Ebenbilds; die menschliche Liebe überhaupt als die Wirklichkeit des Glaubens, wie dieser, das Denken und Handeln in einem: sie giebt, indem sie nimmt, und nimmt, indem sie giebt. Also ist das einzige Gebot des Christenthums das im Denken und Handeln dreieinigkeitliche Ver­ hältniß zu dem dreieinigen Gott. So lange nun dieß die Sache der Wissenschaft ist, so lange ist mit ihm die Wissenschaft von dem Christenthume geboten. Gebo­ ten nun in dem einfachen Sinne nicht minder als in dem Doppelsinne, da das Christenthum die Wissenschaft nicht nur gebietet, sondern auch bietet; geboten als das Ge­ meingut und nothwendige Gemeingut der Menschen, die ja alle Wissende, selbstbewußte, weltbewußte, Gottbewußte Personen, nicht alle gelehrt in der engeren und strenge­ ren Bedeutung des Worts, aber alle weise sein, früh weise und, da Gott niemand liebt, er bleibe denn bei der

40

Weisheit, durch die Weisheit selig werden sollen. Diese Weisheit ist keineswegs nur die unmittelbar-christologische, sondern (Schriftstcllen die Menge zeugen dafür) die, welche allerdings auch Wcltweiöheit, aber darum nicht die Weisheit dieser Welt, fleischliche Weisheit ist. Sie, angeblich im Dienste dcS Christenthums, von diesem abwenden wie eine ansteckende Krankheit ist unklug, ja schamund gottlos. Gott will keine Thoren noch Dummköpfe zu Bürgern Seines Reichs, vielmehr, daß alle, nachdem sie geprüft, welches da sei der Wille des Vaters, zur Kenntniß nicht nur, sondern zur Erkenntniß der Wahr­ heit kommen, als Seines den Sohn verklärenden Geistes Kinder in die ganze Wahrheit geleitet werden, alles Heimliche und Verborgene wissen, wissen, wie die Welt gemacht ist, alle Dinge, auch die Tiefen der Gottheit, erforschen. Die christlichen Priester als eine Kaste stammen auö Rom, das ehedem Vestalinnen hatte; aber die evangelische Kirche will das allgemeine Priesterthum der Gläubigen, die alle mit einander das heilige Feuer bewahren sollen, welches der alle Schätze der Weis­ heit iil Sich verbergende und bergende, als die Weisheit selbst zuvorgepriesene Gottmensch auf Erden anzuzünden ge­ kommen. Deßungeachtet ist jener klägliche Afterdienst nicht eine Seltenheit: er wird, was noch kläglicher, besonders von denen geübt, die für vorzugsweise-christlich gelten wollen, jene vierte Partei in Corinth weit überbietend. Diese VornehmGläubigen halten das, was sie die Weisheit dieser Welt

41 nennen, so viel möglich, von sich nach beiden Seiten mensch­ licher Thätigkeit.

Es dünkt sie bedenklich, zu denken, zu

grübeln, zu sinnen, wie sie'S heißen, über die Dreieinig­

keit, die beiden Naturen des Gottmenschen u. s. w. als über ewig verschlossene, finstere Dinge, — und sie reden doch von einer Offenbarung, reden doch von einem Lichte

Sie rufen: glaube nur, liebe nur!

der Welt. Glaube!

An wen?

sus Christus?

mensch?

Wen?

An Jesum Christum.

Der Gottmensch.

Was ist Je­

Was ist das, der Gott­

Darüber sinne nicht, glaube nur, glaube!

Gott über alles.

Gut.

Was ist Gott?

Liebe!

Die Juden haben

einen Gott, die Heiden auch; wodurch unterscheidet sich der

Gott der Christen von dem der Inden und der Heiden? Er ist dreieinig.

Was ist das, dreieinig?

nicht, liebe nur, liebe! ist nackte Thatsache.

Darüber sinne

DaS klingt wie ein Mährchen und

AIS ob eine Mahnung, in'S Ge-

lag hinein zu glauben und zu lieben, an selbstbewußte

Geister, dagegen die Warnung vor den unnützen Wor­ ten und dem faulen Geschwätz an den Wind gerichtet wäre!

Insgesammt

genommen,

ist die gegenwärtige

Christenheit über dergleichen hinaus, — läßt die blin­ den Leiter wie Leitlinge fahren, hält sich nach wie

vor an die Sinnenden mit frohem Selbstgefühl, mit Stolz

und Freuden, indeß sie den Nichtsinnenden, den neuen Alogern, gegeniiber verschiedene andere Empfindlingen hegt,

und das Christenthum hat all die Unbilden, die es von den Seinigen erleiden müssen, preiswürdig übertragen; nur

42 die schwören zu der Fahne solcher Faulheit, bei denen es mit dem Sinnen seinen Haken hat, weil ihr Schlüs­ sel der Erkenntniß eingerostet.

Ehe sie eine Frage über

Himmel und Erde beantworten, sehn sie bänglich erst in

ihren Heften und Büchern nach: ihr Christenthum ist eine gestempelte Satzung, das nicht oder anders gestempelte

ihnen freies

schem

Wehen

jagt

Des

Menschen-

und

und

ein

Weltwesen

metaphysi­

vor

zum

wie

Höhe

der

aus

Geistes

Furcht

ihnen

Rheumatismus,

daö

der

Ketzerei.

eitel

Hohne

dessen,

verinnerlicht

hat,

mit der Last der Sünde auch die Last des Gesetzes und

der Satzungen den Seinigen ab- und auf Sich genommen, möchten sie, daß immerdar die Göze obenauf, um die Les-

singe mit Füßen zu treten; daß immerdar die Menschen Knechte

der

oder

des

oder

Zwinglis

so

Menschen

KephaS

im Handeln.

oder

oder

wären,

des

Calvins.

entweder

Apollos,

Und

des

entweder wie

im

Paulus

Luthers Denken,

Wohl haben sie da auch eine Weisheit,

aber eine, die sich entweder gar nicht rechtfertigen läßt oder nur von ihren Kindern.

Sich vergessen ist daö Höchste

oder daö Niedrigste, je nachdem man sich vergißt oder sich vergißt.

Wie sie nur bequemer Weise mit ihrem Gott

in's Reine gekommen, lassen sie den Maßstab für das, was

in der Gesellschaft der Menschen ehrt und schändet, den sittlichen Maßstab für das Weltliche, eben der Welt­

weisheit Maßstab, geruhig bei Seite liegen, und unver­ sehens thut sich aus den vermeinten Kindern Gottcö und

43 (nach Rede, Mienen, Gebärden, ihrem Schein und Ge­

werbeschein eines gottseligen Wesens, zu urtheilen) Lieblingskindern Gottes, oft gar stark und üppig, das

arge Weltkind hervor. ein weites Gewissen.

Sie haben einen engen Kopf und

Sie, nicht die unkirchlichen Freigeister

mit ihren kräftigen Irrthümern, noch die Kirchlichen,

denen die Schlaffheit des Klagens und Anklagenö zum guten Tone gehört, sie unterwühlen die Kirche, deren Säulen sie zu sein glauben: der Herr im Himmel, glauben sie, sei ihnen

persönlich verpflichtet, weil sie sich Seiner und Seiner Sache auf Erden so vorsorglich annehmen.

Das ist auch

ein Glaube, — geistlich nicht arm, wie er es sein sollte, und arm, wie er es nicht sein sollte; aber mit so einem kann dem, der die Wahrheit ist, schwerlich gedient sein, viel­

mehr wohl dem Lügner von Anfang, der bekanntlich auch glaubt — und zittert.

Kein Wunder übrigens,

wenn die so Gläubigen nach ihrer Weise den Gegen­

stand modeln, drüben die göttliche Dreieinigkeit sehn und hüben, gegen ihr über, die Welt: da sie den», mit Schalk­ heit umgehend, diese wie jene fälschen.

Die ächte Drei­

einigkeit ist die, welche den Sohn als den Mittler sowohl der ersten als der zweiten Schöpfnng, die Welt als Sein

Mittel hat, den Vater und den heiligen Geist alö das A und das O zu der Mitte des Mittlers und des Mittels; der Christ soll die Welt nicht kleinmüthig-feige räumen, son­

dern überwinden, damit nicht sie durch den Gottmenschen

umsonst überwunden s e i und der Glaube eitel, soll sie h a -

44

beit, wenngleich so haben, als hätt' er sie nicht, soll sie wissen und nicht wissen, soll nicht meinen, erachte den Schöpfer hoch, indem er die Schöpfung gering achtet, soll beides sein: gottsinnig und weltgewandt, vertieft und ausgebreitet, tanbenfalschlos und schlangenklug, Kiud an der Bosheit, an dem Verständnisse vollkommen. Die Deschäfftignng mit dem Weltlichen ist ihm, dem nicht ein-, sondern allseitig wiedergeborenen, nicht etwa mir verzeihlich, sondern daö Unterlassen derselben sündlich. Wirkliche Frömmigkeit ist nur die wirkende, und für die Wirksamkeit ist die Welt wie die Bedingung, so der Stoff, der Vorwurf. Die Sch ei «frommen aber, die sich selbst vermessen, daß sie fromm seien, frohlocken: bleibt immerhin bei euerer weltlichen Kunst und Wissenschaft it. s. w.; wenn'S zuletzt zur weltgerichtlicheu Entscheidung kommt, so gilt das alles nichts: da sind wir doch besser angeschrieben! Gelind beurtheilt, übersehn sie, daß daS Christenthum, weit entfernt, abgezogen-geistig zu feilt, den heiligen Geist und die Auferstehung deS Flei­ sches, in einen Glaubensartikel gebracht hat, — des Fleisches, dessen gehörige Färbung den Theologen eben so selten gelingt als den Malern. Das Gebot des Chri­ stengottes an den Menschen ist erst dann erfüllt, dieser erst dann zu Ruh' und Frieden gelangt, wenn er Christi und alles sein ist; wenn alle seine natürlichen Fähig­ keiten in gesundem Gleichmaß zu christlichen Fertig­ keiten geworden sind; wenn er nicht das Mindeste,

45 kein Sandkorn, keinen Grashalm, nichts in aller Welt an­ ders als dreieinigkeitlich, d. i. anders

als so be­

trachtet und behandelt, daß er es unter den Gesichts­ punkt nicht der Ewigkeit nur (daS wollte Spinoza), son­ dern der Dreieinigkeit stellt; wenn er keinen Augenblick

seines Lebens, in Leid und Freud', in Ernst und Scherz,

anders als dreieinigkeitlich lebt, den Augenblick ver­

ewigend.

WaS einst der eleatische Weise dem Jüngling

Sokrates gesagt, hat auch heute noch seine Währung: nur daß es

sich in dem Grade steigert, als das Christeulhnm

über dem Griechenthume steht.

Es ist das freilich nicht

leichten Kaufs, nicht über Nacht zu haben, nicht die Sache der erste» besten obenhin gerührten oder rührenden Hörer

oder Prediger des Worts, sondern durch und durch sauere Müh' und Arbeit, —. sauer und doch jedem unendlich­

süß, der erfahrungsmäßig weiß, worein dcS schnell dahin fahrenden

Daseins Köstlichkeit zu setzen.

Wer einmal

das Leben im Geiste (das christlich-ki rchliche Leben ist nichts weiter als das gründliche Leben im Geiste, näm­ lich dieses Leben, gegründet auf den übermenschlich - mensch­

lichen

Grund), wer einmal dieses Leben, daö allein dem

Menschen Werth und Würde giebt, begonnen hat, der wird,

nicht nur jährlich, auch nicht nur sonntäglich, sondern tag­ täglich seinen Geburtstag feiernd, den Tag seiner Wieder­ geburt, tagtäglich erwachen, wachen und ein sch lasen

mit dem einen Gedanken der Erscheinung des Reichs, wel­

ches nicht eins, aber vereint ist mit der Kirche und dem

46 Staate des Evangeliums.

Das aber ist das Reich des

heiligen Geistes und der heilige Geist nichts ohne den Vater

und den Sohn.

So wahr der Mensch das Eben­

bild Gottes, des Dreieinigen, sein soll, so wahr soll all sein Thun dreieinigkeitlich sein, und wenn

Geistliche ein anderes Sollen predigen, so ist ihnen der Geist gedämpft, das Leben ein Gottesdienst, das

Leben nicht nur, sondern auch Wandeln im Geiste, das Beten ohne Unterlaß eine todte Redeformel und die Kirche zusammengeschrumpft zu dem Gebäude vor ihrem Ar­

beitzimmer.

Zumal fordern, daß der Mensch an die All­

gegenwart Gottes glaube, heißt denn doch (wenn Gott dreieinig, wenn der Glaube der christliche Glaube, wenn das Christenthum beides ist, Sauerteig und Senfkorn) fordern,

daß der Mensch, je von seinem Standort aus, leb' er häus­ lich oder bürgerlich oder wie sonst, treib' er Ackerbau oder

Gewerbe oder Handel n. s. w., gleichviel, durch Christi Ver­

mittlung denkend und handelnd in allem und jedem den dreieinigen Gott sich vergegenwärtige.

In die­

sem Sinn an die Allgegenwart Gottes glauben — wei­ ter ist von dem Menschen nichts zu fordern, weiter hat er nichts zu thun.

Daß aber solche That ohne die christ­

liche Wissenschaft sich thun lasse, können auf die Dauer nur die meinen, deren Christenthum und deren Wissenschaft in der Wiege verkümmert.

Nun die beiden Schlußsätze über die Wissenschaft und

über das geschichtliche Christenthum zusammengehalten, so ist,

wenn jene zu ihrem Zwecke die Seligkeit, dieses sich als das Mittel der Beseligung erwiesen hat, dieses das Mittlcrthum jener; so ist Christus wie der Mittler zwischen Gott und Mensch, so auch der Mittler der Wissenschaft, der ihren Anfang mit ihrem Ende vermittelt, ohne den der Mensch, weil überhaupt, auch wissenschaft­ lich nichts thun kann; so ist wissenschaftlich gebildet nur, wer das Bild des Gottmenschen in sich ein­ und ausgebildet; so wird das nach Weisheit hungrige Menschengeschlecht nicht eher satt, als bis es das Brot deS Lebens gegessen, — die harte Rede verdaut; so ist die Wissenschaft, einmal ihrer Modesprache zu huldigen, erst daun absolut, wenn sie Absolution erlangt hat.

III.

Die christliche Wissenschaft. Das Ergebniß der bisherigen Forschung ist dieß.

unseligen

Menschen

beseligt das

durch

Den

Jesum

Christum göttlich und menschlich vermittelte dreieinigkeitliche Verhältniß zu dem drei einigen Gott. Die wahre, christlich- und wissenschaftlich-wahre, Seligkeit ist

die Gottseligkeit.

Durch die Weise des Christenthums, den

Glauben, wird die Weise der Wissenschaft, das dreieinigkeitliche Denken und Handeln; durch den Gegenstand des

Christenthums, den Gottmcnschen oder den geschichtlich - drei­ einigen Gott, den Gott wie Er leibt und lebt, der Gegen­

stand der Wissenschaft, der ewig-dreieinige Gott; durch den Zweck des Christenthums, die Kirche, der Zweck der Wis-

seuschaft, die Seligkeit, vermittelt: Christenthum und Wissen­

schaft, so durchdrungen, das ist die christliche Wissenschaft. Sie hat drei Theile: die Lehre von der Unseligkeit, die

Lehre von der Beseligung, die Lehre von der Seligkeit; Leh­

ren, die ich, an Schriftnamen anknüpfend, die Taläporio-

49

logte, die Soteriologie, die Makariologie nenne. Der zweite Theil hat drei Abtheilungen: die Lehre von der Möglichkeit der Beseligung, die Lehre von dem Mittler der Beseligung Jesus Christus, die Lehre von der wirklichen Beseligung. Der ganze zweite Theil handelt also von der durch Jesum Christum ermöglichten und verwirklichten Beseligung: nicht ich, sondern Christus in mir mag seine Ueberschrift lauten. Die dritte Abtheilung dieses zweiten Theils hat drei Abschnitte: die Lehre von dem Reiche des Vaters, die Lehre von dem Reiche des Sohnes, die Lehre von dem Reiche des heiligen Geistes. Diese Lehren nenn' ich, den reinen Wortsinn im Auge, die Theologie, die Physik, die Metaphysik. Das Ganze und Große der christlichen Wissenschaft ist einfach, scheint auf der Hand zu liegen. Es kann im­ merhin eine alte Geschichte heißen. Alt ist es, ja der Anlage nach das Allerälteste, das, was war, ehe die Welt war, vor ihr von Gott verordnet. Geschichte ist es, ja die Geschichte, nicht Gottes (der ist übergeschichtlich), sondern des Gottmenschen und der Menschheit, die Sein ist und wird. Die Arbeit aber, deren Lohn göttlicher­ seits die christliche Wissenschaft ist, menschlicherseits mit jenem Ausdrucke belohnen, das ist auch eine alte Geschichte, nämlich die Geschichte von dem Ei des Columbus. Die besonderen Wissenschaften, welche hier unter der Theologie und der Metaphysik verstanden werden, läßt als christliche allenfalls auch der Gegner in etwas gewähren. 4

50 Doch was will eine christliche Physik? hat, es ist noch nicht lange her, das Hohnlächeln gefragt: von deren Christlich­ keit könne doch die Rede nicht seht.

Jetzt aber, da die in­

der von Ewigkeit in Gott gelegte

nergöttliche Natnr,

Grund der Welt, die in und mit der Zeit entstanden, das

All der Dinge als der Weltgedanken Gottes, wieder einmal

die Denker, nicht nur die theologischen, in kaum geahntem Grade reizt und die Gereizten zur Utttersttchttng treibt; jetzt, da das Mangelhafte der gegenwärtigen allgemeiiteit Wissen­ schaft gerade in der Physik, gegenüber dem staunenswerthen,

fast überfließenden Gewinnste der Natur er fa hr u n g, zumal der ftanzösischen und englischen, am Offensten zu Tag ge­

kommen:

jetzt darf auch die außergöttliche, die in'd Da-

scin gerufene, das Abbild jenes Urbilds, der wissenschaft­

lichen Verchristlichnng, der christlichen Erklärung, die immer auch Verklärung ist, nicht widerstehn, damit der Hohn in

Verwunderung umschlage, wo nicht

gar,

falls

er deren

überhaupt fähig, in Bewunderung, gewahrend, wie doch der Weltarzt der einzige Staarstecher ist, der inmitten einer altklugen Blindenzunst

das

Kindesauge wiedergiebt, den

reinen Natursinn, welcher,

was er sieht,

ohne Bei­

mischung, ohne Zuthat, rein sieht, — unbefleckt empfängt.

Die

wissenschaftliche

Eintheilnng

der

besonderen

Wissenschaften soll dem Forscher nicht verleidet werden durch

die Bemerkung, wie eine Wissenschaft an lauter angeblich­

gründlichem Eintheilen

zu Grund geht.

Eintheilung ist nicht des Menschen.

Die rechte

Der Gegenstand der

51 Wissenschaft ist eingetheilt, Gott nicht ein Gott der

Unordnung: der Mensch hat nur zu ringen, daß das Ein­ getheilte ihm zu Theil werde, — daß auf den Logos,

den alle Dinge tragenden göttlichen Eintheilungsgrund, der menschliche Syllogismus sich gründe.

Was die Theologie betrifft, d. i. die Lehre von der Persönlichkeit Gottes oder von dem Reiche des Vaters, so

ist in dem Vater, dem Sohne, dem heiligen Geiste die ganze Gottheit, und ihre dreieinigkeitliche Bestimmtheit entfaltet sich

in dreimaldrei Begriffen, welche in Hinsicht auf die Welt Doppelbegriffe werden: das Eine und das Viele, das All­

gemeine und das Einzele, das Ewige und das Veränder­ liche; das Innere und das Aeußere, der Inhalt und der Umfang, die Ursache und das Werkzeug; das Wesen und

der Schein, der Gehalt und die Form, der Zweck und das

Mittel.

Das alles will weiter nichts sagen als: der christ­

liche oder dreieinige Gott ist weder bloß über der Welt noch bloß in der Welt; Er schafft sie aus Liebe, aber

Seine Liebe ist kein Belieben, sondern Nothwendigkeit.

Die Physik ist die Lehre von der Natur als dem

göttlichen — im Dienste des Vaters gewirkten und, insofern der Mensch sie nicht in die Sünde, aber in das Sünden­

übel verflochten und dadurch entstellt hat, von dem Men­

schen wieder herzustellenden — Kunstwerk oder von dem Reiche des Sohnes.

Ich sondere Natur und Kunst, nm

sie beiderseits in einander über- und aufgehn zu lassen.

Die

Natur theil' ich in die irdische, die thierische, die mensch-

4*

52 liche; das Wort irdisch gebrauch' ich mit dem gleichsam um­ gekehrten Rechte wie Welttheil, Weltgeschichte u. s. w., —

übrigens nach

dem Vorgang englischer Physiker.

Als ge­

schaffene stellt sie, durch den je zweiten der achtzehn obge­ nannten Begriffe bestimmt, die Kehrseite der schöpferischen

Dreieinigkeit dar; es thut sich wieder das Dreimaldrei hervor, indem ich bei jeder Natur ihr Verhältiriß zu allen Naturen, zu sich selbst, zu den ihr gleichartigen Naturen in Betracht

ziehe.

Der Gegenstand der Kunst, das Schöne, ist mir

daS von dem Wahren und dem Guten, dem Höchsten für

das Denken und dem Höchsten für das Handeln, durchschie­ nene Natürliche; der Gottmensch ist das persönlich-Schöne,

— herrlichen

Adels.

Weisen

der Kunst hab' ich drei:

die der Erhabenheit, die der Innigkeit, die der Schönheit;

in der letzten decken sich Weise und Gegenstand.

Die Arten

der Kunst nenn' ich, wie hergebracht, Bild-, Ton-, Rede­

kunst.

Die irdische Natur ist auf das Bild, die thierische

aus das Bild und den Ton, die menschliche auf das Bild,

den Ton und die Rede angelegt.

In der Metaphysik, d. i. in der Lehre von dem Reiche des heiligen Geistes, entsprechen den drei Naturen der

bewußtlose, bewußte, selbstbewußte Geist, ferner den drei natür­

lichen Verhältnissen die drei Verhältnisse des Geistes zu allen Geistern, zu sich selbst, zu den ihm gleichartigen Geistern. Der selbstbewußte menschliche Geist allein hat gesündigt, hat

in Gefolg und Gemäßheit der Sünde seine Geschichte.

Die

Geschichte ist der Sühneversuch, — nicht das Gericht, welches

53 erst nach dem Sühneversuch eintritt.

Sie verläuft sich durch

drei Welten: die jüdische, die griechisch-römische, die deutsche;

die anderen Völkerwelten gehören nicht in die christliche

allgemeine Wissenschaft.

Der Grundbegriff der ersten

ist der Gehorsam, der der zweiten die Freiheit, der der

dritten der freie Gehorsam.

Der Deutsche, wie ihn Tacitus

schildert, sondert sich ab und ist dem Führer treu,—

ist von Natur zwar nicht Christ, aber christlich; denn Christus

will nicht Knechte, sondern Freunde, solche, die frei-ge­ horsam sind, zu Seinen Jüngern.

Das Christenthum

ist das deutsche Volksthum.

Die Geschichte dreht sich

um den Staat.

Der christliche Staat ist der durch die

Kirche (hier nicht im Sinn einer Staats an st alt, sondern

im Sinne der Gemeinschaft der Gläubigen) vermittelte Volkszustand.

Die christliche Staats form ist die constitu-

tionelle Monarchie, als in welcher die beiden Bestimmungen des Gehorsams und der Freiheit förmlich den Zustand

zu Stand

bringen, den Status constituiren: das

Staatsgesetz ist sowohl über dem Volke als in dem Volke.

Der christliche Fürst verhält sich zu seinem Volke wie Chri­ stus zur Gemeinde, also wie der Gatte zur Gattin, nicht

wie der Vater zu den Kindern.

Als das Haupt von

Gottes Gnaden hat er die Hauptrolle, will, fordert Gehorsam; die Vertretung nicht der Einzelwesen, die un­

vertretbar sind, sondern der Stände als des im Volksleben Ständigen, Beständigen,

wahrt die Freiheit des

einwilligenden Volkswillens.

Die gemeinsame Ge-

54 währ der beiderseitigen Rechte ist des Glaubens Ge­ rechtigkeit.

Jenes taciteische Nebelbild der deutschen Vergangenheit Der freie

ist ein lichtes Vorbild der deutschen Zukunft.

Gehorsam allein baut Deutschlands Staat, er allein auch

Deutschlands Wissenschaft. Die ächt-deutsche ist die christliche, und jeder, der

unbewunden behauptet oder nach behauptet, dem Görlitzer

Schuhmacher sei mit Recht der Name des

deutschen

Weisen zugelegt worden, sollte sich's zur Ueberlegung ge­ nommen haben, daß und wie dieser Jakob Böhme den Weg

zu Christo verfaßt hat, er, der andererseits den rechten

Glauben als den rechten Willen bezeichnet.

Die christliche Wissenschaft ist keine Magd, aber auch keine Wilde.

Sie athmet nicht in der Schwüle der Ge­

fangenschaft, sondern auf der Alpenhöhe der Freiheit; aber was sie athmet, ihre Luft, ist die Gnade.

Sie beugt sich vor keiner Priesterkaste, nur vor einem Priester, dem Hohen; sie verachtet alle Geheimnißkrämerei,

nur ein Geheimniß nicht, das kündlich-große. Vor ihres Gottes Antlitz gestellt, weiß sie, daß die Liebe

zwar das Ende der Weisheit ist, aber ihr Anfang die Furcht.

Sie lebt das Leben der Natur mit, das Wonneweben

des Schöpfers in Seiner Schöpfung, daS Rauschen Seines Werdespruchs; schätzt die Kenner und geht in ihre Schule;

55 aber sie achtet das Wissen höher als den Rausch und die Kunde.

Sie hat Augen für einen Dom mit

seinen Säulen und Bogen, für des Bildhauers Venus, das Weib der Dichtung, für des MalerS Madonna, das wahre

Weib der Weiber; aber sie hat auch Ohren für das Seufzen und die Sehnsucht der Creatur nach der Auferstehung des Fleisches.

Sie erlustigt sich

an

den

weltlichen Lust­

spielen des Griechen und des Briten, ob sie gleich lehrt, was sie gelernt hat, daß die Welt und das Spiel ihrer

Lust vergeht. Sic sieht auf der Geschichtöbühne nicht Puppen, son­

dern Menschen, aber über Menschen und menschlichem Ge­ schehn

den

göttlichen

Schichtmeister, — in die Zeit,

Seine Fügung, sich fügend, doch fröhlich in Hoffnung. Sie macht den König nicht zum Volksknechte und das Volk nicht zum Königsknechtc, sondern den freien König und

das freie Volk zu Staatsdienern.

Sie kann den ausschließend-Freien wie den ausschlie­ ßend Gehorsamen in Staat und Kirche nur zurufen: prüft

doch! Was ihr habt, haben wir auch; aber wir haben mehr. Und sie ruft es ihnen zu, jetzt zu.

Diese Stimme reicht

nicht weit; doch die dem Glauben ähnliche Weissagung lautet: trotzdem wird sie sein wie ein Glockenschall in der

Frühe: wird Schlafende wecken; Zerstreute sammeln und ver­ sammeln; das innere Nein des Zweifels, des Sohnes der Nacht, übertönen in allen, denen das Herz der Jugend

mit seiner Lieb' und seinem Hasse noch

nicht

gebrochen

56 ist, noch nicht erstickt der morgmroth-glühende Sinn für

das Hohe. Ja, Morgenroth!

Es dämmert der Tag,

kommt, Deutschlands christliche Wissenschaft. welche kommt im Namen des Herrn.

geht aus von Preußen.

da sie

Das ist die, Die deutsche

Was Deutschland für die an­

deren Länder, ist ja Preußen für Deutschland.

Das preu­

ßische Volk nennt sich mit gerechtem Stolze das Volk der

Wissenschaft, möchte die Weisheit herunterholen aus die

Erde und die Weisen in den Himmel heben; aber es hat auch nicht von ungefähr einen König, der mit seinem

Hause dem Herrn dienen will.

Druck von Carl Schultze in Berlin.

Im Verlage von Georg Reimer in Berlin ist erschienen: Gesammelte Schriften von

I. v. Nadowi h. 1r und 2r Band. Geh. 3 Thlr. 20 Sgr.

Fr. Schleiermacher's Briefwechsel

mit

I.

Chr.

Gaß.

Mit einer biographischen Vorrede herausgegeben von

W. Gaß. Geh. i Thlr. 10 Sgr.

Ueber den Gei st und

sein Verhältniß in der Natur. Geh. 2 Thlr.

Geschichte der homerischen Poesie. Von

I. F. Lauer. Geh. 1 Thlr. 10 Sgr.

Beiträge zum

Evangelium Au«

den

Thomas

der

Arbeit.

Schriften

Carlhle's

mitgetheilt und eingclcitct von

I. Neuberg. Geh. IThlr.