Die Weltanschauungsfreiheit: Analyse eines Grundrechts [1 ed.] 9783428536108, 9783428136100

Die Weltanschauungsfreiheit ist eines der am wenigsten erforschten Grundrechte der deutschen Verfassung. Patrick Hoffman

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Die Weltanschauungsfreiheit: Analyse eines Grundrechts [1 ed.]
 9783428536108, 9783428136100

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Schriften zum Öffentlichen Recht Band 1209

Die Weltanschauungsfreiheit Analyse eines Grundrechts Von Patrick Hoffmann

Duncker & Humblot · Berlin

PATRICK HOFFMANN

Die Weltanschauungsfreiheit

Schriften zum Öffentlichen Recht Band 1209

Die Weltanschauungsfreiheit Analyse eines Grundrechts

Von Patrick Hoffmann

Duncker & Humblot · Berlin

Der Fachbereich Rechts- und Wirtschaftswissenschaften der Johannes Gutenberg-Universität Mainz hat diese Arbeit im Jahre 2010 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten

© 2012 Duncker & Humblot GmbH, Berlin

Fremddatenübernahme: TextFormA(r)t Daniela Weiland, Göttingen Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0582-0200 ISBN 978-3-428-13610-0 (Print) ISBN 978-3-428-53610-8 (E-Book) ISBN 978-3-428-83610-9 (Print & E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Vorwort Die vorliegende Arbeit zum Thema „Weltanschauungsfreiheit“ wurde vom Fachbereich Rechts- und Wirtschaftswissenschaften der Johannes Gutenberg-Universität Mainz als Dissertationsschrift angenommen. Sie entstand im Zeitraum zwischen Juni 2008 und März 2010 auf Basis von Vorarbeiten, die ich während meines Referendariates angefertigt hatte. Die Arbeit wurde von meinem Doktorvater und Erstberichterstatter Herrn Prof. Dr. Friedhelm Hufen am Lehrstuhl für Öffentliches Recht, Staats- und Verwaltungsrecht der Johannes Gutenberg-Universität Mainz betreut und von der Konrad-Adenauer-Stiftung e. V. im Rahmen eines Promotionsstipendiums aus Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung gefördert. Zweitberichterstatter war Herr Prof.  Dr.  Uwe Volkmann. Das Rigorosum fand in Mainz am 21.12.2010 statt. Neben Herrn Prof. Dr. Friedhelm Hufen, Herrn Dr. Christian Bickenbach und Frau Gabriele Zerban, die mich umfassend von Seiten des Lehrstuhls in den Jahren meines Promotionsstudiums betreut haben, möchte ich einer Vielzahl von Menschen danken, ohne deren Hilfe die vorliegende Arbeit nicht, oder jedenfalls nicht so, zustande gekommen wäre: Für die Unterstützung bei der ersten inhaltlichen Annäherung an das Thema der Weltanschauungen möchte ich mich herzlich bei meinem pensionierten Lateinlehrer Herrn Bernhard Haus und Herrn Prof. Dr. Jörg Splett von der PTH St.  Georgen bedanken. Während der Arbeit konnte ich auf zahlreiche Gesprächs- und Diskussionspartner zurückgreifen. Besonders danken möchte ich dabei meiner kirchenrechtlich ambitionierten Kollegin Frau Ass. Jur. Anne-Kathrin Sinner und meiner Partnerin, Frau Dr. Catharina Weichert. Für das Lektorat bedanke ich mich ganz herzlich bei Frau Ass. Jur. Bianka Brach, die mir mit ihrem zeitintensiven Einsatz eine große Hilfe war. Schließlich aber möchte ich mich bei meiner Familie und meinen Eltern bedanken, ohne deren dauernde Unterstützung mir der Weg zu dieser Dissertationsschrift nicht möglich gewesen wäre. Ihnen sei daher die vorliegende Arbeit gewidmet. Darmstadt, den 31. März 2011

Patrick H. D. Hoffmann

Inhaltsverzeichnis

Einleitung

21

A. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 B. Ziele der Dissertation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 C. Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25

Erstes Kapitel

Gegenwärtiger Stand der juristischen Diskussion zur Weltanschauungsfreiheit

26

A. Abgrenzung von Weltanschauung und Religion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 I. Das „Ob“ einer Abgrenzung zwischen Weltanschauung und Religion . . . . . . . . 27 II. Das „Wie“ einer Differenzierung zwischen Weltanschauung und Religion . . . . . 29 1. Differenzierungskriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 2. Alternativität, Spezialität oder Egalität der Begriffe Weltanschauung und Religion? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 3. Was bedeutet „Transzendenz“? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 III. Konsequenzen einer Differenzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 1. Streitstand in der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 2. Streitstand in der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 a) Geistlichenprivileg im Wehrrecht (§ 11 Abs. 1 Nr. 3 WPflG) . . . . . . . . . . . 42 b) Berechtigung zur Ausstellung von Spendenquittungen für die Verfolgung weltanschaulicher Zwecke (§ 52 Abs. 2 AO) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 c) Tendenzschutz im Betriebsverfassungsrecht (§ 118 Abs. 2 BetrVG) . . . . . 46 d) Erteilung von Religionsunterricht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 e) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 3. Gesetzgebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 IV. Zwischenergebnis zur Frage der Abgrenzung von Weltanschauung und Religion 52 B. Abgrenzung der Weltanschauungsfreiheit gegenüber anderen Freiheitsrechten . . . . . 53 I. Abgrenzung: Weltanschauung und politische Anschauungen . . . . . . . . . . . . . . . 54 1. Differenzierungen in der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 2. Differenzierungen in der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58

8

Inhaltsverzeichnis 3. Tendenzen in der Gesetzgebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 4. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 II. Abgrenzung: Weltanschauungsfreiheit und Meinungsäußerung . . . . . . . . . . . . . 65 1. Systematisches Verhältnis von weltanschaulichem Bekenntnis und Meinungsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 2. Fazit: Weltanschauungsfreiheit mehr als weltanschauliches Bekenntnis? . . . . 66 III. Abgrenzung: Weltanschauung und Wissenschaftsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 1. Strikte Alternativität oder parallele Anwendbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 2. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 IV. Abgrenzung: Weltanschauung und Erwerbstätigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 1. Rechtsmissbrauch durch religiöse Verbrämung von Wirtschaftstätigkeit . . . . 73 2. Anwendung des Art. 4 GG auf wirtschaftliche Betätigungen . . . . . . . . . . . . . 75 3. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 V. Zusammenfassung zum Problemaufriss der Abgrenzungsfragen . . . . . . . . . . . . . 78

C. Auf Art. 4 Abs. 1 und Abs. 2 GG anwendbare Schranken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 I. Vorbehaltlos gewährleistetes Grundrecht aus Art. 4 Abs. 1 und 2 GG . . . . . . . . . 80 II. Kein vorbehaltlos gewährleistetes Grundrecht aus Art. 4 GG . . . . . . . . . . . . . . . 82 1. Schranke aus Art. 136 Abs. 1 WRV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 2. Schranke der Gewissensfreiheit? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 3. Differenzierung zwischen Art. 4 Abs. 1 und Art. 4 Abs. 2 GG . . . . . . . . . . . . 83 III. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 D. Zusammenfassung der vorgefundenen Problemstellungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86

Zweites Kapitel

Neubestimmung der dogmatischen Struktur der Weltanschauungsfreiheit

88

A. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 I. Die Ausdifferenzierung der Religionsfreiheit in der geschichtlichen Entwicklung bis zur Aufnahme der Weltanschauungsfreiheit in das Grundgesetz . . . . . . . . . . 88 II. Textliche Behandlung der Weltanschauungsfreiheit im Grundgesetz . . . . . . . . . . 94 1. Normen des Grundgesetzes mit textlicher Erwähnung der „Weltanschauung“ 94 2. Normen des Grundgesetzes aus dem systematischen Kontext ohne textliche Erwähnung von „Weltanschauung“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 a) Art. 3 Abs. 3 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 b) Art. 4 Abs. 2, 3 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98

Inhaltsverzeichnis

9

c) Art. 7 Abs. 2, 3 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 d) Art. 140 GG i. V. m. Art. 136, 139 und 141 WRV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 3. Ergebnisse und Fragestellungen des textlichen Überblicks . . . . . . . . . . . . . . . 101 III. Ergebnis: Differenzierter Schutzbereich der Weltanschauungsfreiheit . . . . . . . . . 103 B. Schutzbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 I. Sachlicher Schutzbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 1. Bestimmung des verfassungsrechtlichen Begriffs „Weltanschauung“ . . . . . . . 104 a) Auslegung des Wortlautes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 aa) Allgemeiner Sprachgebrauch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 (1) Begriffsdefinition bei DUDEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 (2) Begriffsdefinition bei MEYERS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 (3) Systematische Darstellung bei BROCKHAUS . . . . . . . . . . . . . . . 108 (4) Zusammenfassung zum allgemeinen Sprachgebrauch . . . . . . . . . . 110 bb) Fachsprachlicher Gebrauch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 (1) Rezeption des Begriffs „Weltanschauung“ im Grundgesetz . . . . . 112 (a) Begriffsbildung durch Anschütz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 (b) Übernahme und Begriffsverständnis durch den Parlamentarischen Rat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 (c) Fazit zum historischen Begriffsverständnis der Verfassungsgeber 116 (2) Philosophisch-Fachsprachliche Begriffsbildung . . . . . . . . . . . . . . 117 (a) Begriffsschöpfung durch Immanuel Kant . . . . . . . . . . . . . . . . 118 (b) Begriffsverwendung und objektivierende Erweiterung bei Johann Gottlieb Fichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 (c) Begriffsverwendung und spezifische Pluralität bei Friedrich Wilhelm Joseph von Schelling . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 (d) Begriffsverwendung und Verhältnis zur Religion bei Friedrich Schleiermacher . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 (e) Begriffsverwendung bei Johann Wolfgang von Goethe . . . . . 123 (f) Begriffsverwendung und Kollektivierung bei Georg Wilhelm Friedrich Hegel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 (g) Weltanschauung als umfassende unreflektierte Daseinsauffassung bei Christian Carl Josias von Bunsen . . . . . . . . . . . . . . . 125 (h) Weltanschauung bei Joseph von Görres als objektiv rationale Ordnung der Erkenntnisse über die Welt . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 (i) Weltanschauung als Weltansicht bei Alexander von Humboldt 127 (j) Die Entwicklung der Weltanschauungslehre durch Wilhelm Dilthey . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 (k) Weltanschauungsphilosophie als „wissenschaftliche Weltanschauungslehre“ bei Heinrich Rickert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 (l) Fazit zur philosophischen Begriffsbedeutung der Weltanschauung 130

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Inhaltsverzeichnis (3) Religionswissenschaftlicher Begriff der Weltanschauung . . . . . . . 133 (4) Entwicklung des aktuell in der juristischen Diskussion gebrauchten Begriffs der Weltanschauung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 (a) Fortentwicklung und Veränderung der Begriffsbedeutung . . . 136 (b) Die heutige Krise der juristischen Begriffsbedeutung und ihre Ursachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 cc) Ergebnis der Wortlautauslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 (1) Thematisch-zweckgerichtete Festlegung: Sinndeutung des Verhältnisses von Mensch und Welt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 (2) Erkenntnistheoretische Methode: Reflexion . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 (3) Inhaltlich erforderlicher Umfang: Gesamtdeutung . . . . . . . . . . . . 146 (4) Systematisches Verhältnis zum Begriff der Religion . . . . . . . . . . . 147 (5) Auflösung des Streitstandes über die Konkretisierung des Begriffs der Transzendenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 b) Systematische Erwägungen zur Begriffsbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 aa) Systematisches Verhältnis zum Begriff der Religion . . . . . . . . . . . . . . 151 bb) Erfordernis einer Gesamtdeutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 c) Historische Auslegung zur Begriffsbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 aa) Vorverständnis des Verfassungsgebers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 (1) Beispiele für Weltanschauungsgemeinschaften in den Verfassungsberatungen und der zeitgenössischen Kommentierung . . . . . . . . . 154 (2) Atheismus als Beispiel einer Weltanschauung . . . . . . . . . . . . . . . . 155 (3) Monismus als Beispiel einer Weltanschauung . . . . . . . . . . . . . . . . 157 (4) Freidenker als Beispiel einer Weltanschauung . . . . . . . . . . . . . . . . 158 (5) Materialismus als Beispiel einer Weltanschauung . . . . . . . . . . . . . 160 (6) Die Gotterkenntnis nach Mathilde Ludendorff als Beispiel einer Weltanschauung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 (7) Wertende Stellungnahme zu den zeitgeschichtlichen Erscheinungsformen von Weltanschauungen als Maßstab für die Begriffsbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 bb) Erwägungen in der Beratung des Parlamentarischen Rates zum Begriff der Weltanschauung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 (1) Maßgebliche Erwägungen zur Normgenese . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 (2) Fazit für den Inhalt des Begriffs der Weltanschauung . . . . . . . . . . 169 d) Teleologische Erwägungen zur Begriffsbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 aa) Subjektive und objektive Ziele bei der Einführung des Begriffs „Weltanschauung“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 (1) Weitergehender Schutz nicht religiöser Bekenntnisse . . . . . . . . . . 172 (2) Erfassen der ausdrücklich in der Beratung erwähnten Weltanschauungslehren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 (3) Kontinuität zur WRV und Rechtssicherheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173

Inhaltsverzeichnis

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bb) Folgenbetrachtung und Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 e) Ergebnis der Begriffsbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 2. Wirkformen der Weltanschauungsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 a) Weltanschauungsfreiheit im engeren Sinne (Art. 4 Abs. 1 GG) . . . . . . . . . 178 aa) Wortbedeutung der in Art. 4 Abs. 1 GG verwendeten Begriffe: „Glauben“, „Gewissen“ und „Bekenntnis“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 bb) Systematisch abzuleitende Bedeutung und Schutzrichtung der in Art. 4 Abs. 1 GG verwendeten Begriffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 cc) Historische Genese von Art. 4 Abs. 1 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 (1) Wesentlicher Inhalt der parlamentarischen Beratung . . . . . . . . . . . 182 (2) Zusammenfassung und Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 dd) Teleologische Erwägungen zu Art. 4 Abs. 1 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 (1) Zielsetzung des Schutzbereiches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 (2) Folgerungen für die teleologische Auslegung von Art. 4 Abs. 1 GG 187 ee) Ergebnis: sachlicher Schutzbereich der Weltanschauungsfreiheit im engeren Sinne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 (1) Weltanschauliche Glaubensfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 (2) Weltanschauliche Gewissensfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 (3) Weltanschauliche Bekenntnisfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 (a) Positive Bekenntnisfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 (b) Negative Bekenntnisfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 b) Kultusfreiheit (Art. 4 Abs. 2 GG, Art. 136 Abs. 4 WRV) . . . . . . . . . . . . . . 192 aa) Art. 4 Abs. 2 GG – positive Kultusfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 (1) Wortbedeutung der in Art. 4 Abs. 2 GG verwendeten Begriffe: „ungestörte“, „Ausübung“, „gewährleistet“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 (2) Systematische Auslegung von Art. 4 Abs. 2 GG . . . . . . . . . . . . . . 194 (3) Historische Genese des Art. 4 Abs. 2 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 (a) Wesentlicher Inhalt der parlamentarischen Beratungen . . . . . 197 (b) Zusammenfassung und Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 (4) Teleologische Erwägungen zu Art. 4 Abs. 2 GG . . . . . . . . . . . . . . 201 (a) Zielsetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 (b) Folgenbetrachtung und Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 bb) Art. 136 Abs. 4 WRV – negative Kultusfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 cc) Ergebnis: keine weltanschauliche Kultusfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 c) Weltanschauliche Kindeserziehung (Art.  6  Abs.  2  GG i. V. m. Art.  4 Abs. 1 GG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 d) Schulischer Weltanschauungsunterricht (Art. 7 Abs. 2, 3, 5 GG) . . . . . . . . 209 aa) Systematische Betrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209 bb) Historische Genese des Art. 7 Abs. 2, 3 und 5 GG . . . . . . . . . . . . . . . . 213

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Inhaltsverzeichnis (1) Überblick über die Entwicklungsgeschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . 214 (2) Wesentliche Erwägungen in der parlamentarischen Beratung . . . . 216 (3) Zusammenfassung und Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 cc) Teleologische Erwägungen zu Art. 7 Abs. 2, 3 und 5 GG . . . . . . . . . . 225 (1) Zielsetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 (2) Folgenbetrachtung und Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 dd) Ergebnis: Keine verfassungsrechtliche Garantie des schulischen Weltanschauungsunterrichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 e) Weltanschauungsgemeinschaften (Art. 137 Abs. 7 WRV) . . . . . . . . . . . . . 228 aa) Wortbedeutung der in Art. 137 Abs. 7 WRV verwendeten Termini „werden gleichgestellt“ und „Vereinigungen, die sich die gemeinschaftliche Pflege einer Weltanschauung zur Aufgabe machen“ . . . . . . . . . . . . . . 229 bb) Systematische Stellung des Art. 137 Abs. 7 WRV . . . . . . . . . . . . . . . . 229 cc) Historische Genese des Art. 137 Abs. 7 WRV und der Inkorporation in Art. 140 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233 (1) Überblick über die Entwicklungsgeschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . 233 (2) Wesentliche Erwägungen in der parlamentarischen Beratung . . . . 236 (3) Zusammenfassung und Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240 dd) Teleologische Erwägungen zu Art. 137 Abs. 7 WRV . . . . . . . . . . . . . . 243 (1) Zielvorstellungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243 (2) Folgenbetrachtung und Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 ee) Ergebnis: geschützte Wirkformen der Weltanschauungsgemeinschaften 247 II. Personaler Schutzbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248 1. Natürliche Personen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248 2. Vereinigungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249 a) Weltanschauungsgemeinschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249 b) Weltanschauliche Vereinigungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250 III. Verhältnis der Weltanschauungsfreiheit zu anderen Verfassungsnormen . . . . . . . 250 1. Religionsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251 2. Politische Anschauungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253 3. Meinungsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 258 4. Wissenschaftsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 258 5. Kunstfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260 6. Vereinigungsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260 7. Wirtschaftliche Betätigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260 a) Methodischer Ansatz zur Abgrenzung von Missbrauchsfällen . . . . . . . . . . 261 b) Materielle Beweislastverteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263 8. Freie Entfaltung der Persönlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 265

Inhaltsverzeichnis

13

C. Eingriffe und deren verfassungsrechtliche Rechtfertigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266 I. Eingriffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266 II. Schranken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 268 1. Kein Gesetzesvorbehalt aus Art. 136 Abs. 1 WRV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 268 a) Auslegung des Wortlautes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 268 b) Systematische Stellung des Art. 136 Abs. 1 WRV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269 c) Historische Genese des Art. 136 Abs. 1 WRV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 270 d) Teleologische Erwägungen zur Anwendbarkeit als Gesetzesvorbehalt . . . . 276 e) Ergebnis: Kein allgemeiner Gesetzesvorbehalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 277 2. Gesetzesvorbehalt aus Art. 136 Abs. 3 Satz 2 WRV analog . . . . . . . . . . . . . . . 278 a) Analogievoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 278 b) Inhalt des Gesetzesvorbehaltes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 280 3. Gesetzesvorbehalt aus Art. 137 Abs. 3 Satz 1 WRV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 282 4. Beschränkung durch gleichrangige Verfassungsnormen . . . . . . . . . . . . . . . . . 284 III. Verhältnismäßigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 284 D. Ausblick auf europäische und völkerrechtliche Regelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 285 I. Vergleich mit europarechtlichen Regelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 286 II. Vergleich mit EMRK und IPBPR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 288 III. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 290

Drittes Kapitel

Gleichbehandlung von Weltanschauung und Religion

292

A. Schutzaussage der Gleichheitssätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 292 I. Schutzaussage des Art. 33 Abs. 3 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 293 1. Wortlaut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 293 2. Systematische Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 294 3. Historische Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 296 4. Teleologische Erwägungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 298 5. Ergebnis: Kein spezieller Gleichheitssatz aus Art. 33 Abs. 3 GG . . . . . . . . . . 299 II. Schutzaussage des allgemeinen Gleichheitssatzes aus Art. 3 Abs. 1 GG . . . . . . . 300 B. Differenzierungsverbote . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 301 I. Besonderes Differenzierungsverbot des Art. 3 Abs. 3 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . 301 II. Besondere Differenzierungsverbote der Art. 33 Abs. 3 GG und Art. 136 Abs. 1 und Abs. 2 WRV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 306 III. Ergebnis: Inhalt der Differenzierungsverbote . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 308

14

Inhaltsverzeichnis

C. Ungleichbehandlungen und deren verfassungsrechtliche Rechtfertigung . . . . . . . . . . 309 I. Ungleichbehandlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 309 II. Verfassungsrechtliche Rechtfertigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 311 1. Tatsächliche Unterschiede . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 311 2. Auswirkung verfassungsrechtlicher Differenzierungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 314 a) Kultusfreiheit (Art. 4 Abs. 2 GG; Art. 136 Abs. 4, Art. 141 WRV) . . . . . . . 315 b) Religionsunterricht (Art. 7 Abs. 2, 3 GG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 316 III. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 317 Zusammenfassung der Ergebnisse in Thesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 320 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 322 Sachwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 334

Abkürzungsverzeichnis a. A. a. a. O. a. E. AEUV a. F. Abs. AGG AK ALR Alt. Anm. AO AöR AR ArbZG Art. Aufl. Az. BAG BAGE BayVBl. BBG Bd. Begr. Bem. BetrVG BFH BFHE BGB BGBl. BGH BGHSt BGHZ BK BRD BStBl. BTDrucks BVerfG BVerfGE BVerfGG BVerwG

anderer Ansicht am angegebenen Ort am Ende Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union alte(r) Fassung, alte Folge Absatz Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz Alternativkommentar Allgemeines Landrecht für die preußischen Staaten Alternative Anmerkung Abgabenordnung Archiv des öffentlichen Rechts Arbeitsrecht Arbeitszeitgesetz Artikel Auflage Aktenzeichen Bundesarbeitsgericht Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts Bayrische Verwaltungsblätter Bundesbeamtengesetz Band Begründer Bemerkung Betriebsverfassungsgesetz Bundesfinanzhof Sammlung der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt (römische Ziffern bezeichnen den Teil) Bundesgerichtshof Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Strafsachen Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen Bonner Kommentar Bundesrepublik Deutschland Bundessteuerblatt (römische Ziffern bezeichnen den Teil) Drucksachen des Deutschen Bundestages Bundesverfassungsgericht Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Bundesverfassungsgerichtsgesetz Bundesverwaltungsgericht

16 BVerwGE BW bzw. ca. Can. CDU CIC CSU d. h. DDP ders. DIE LINKE. Diss. DÖV DP DR Dr. DVBl e. V. EFG EGMR EGV Einl. EMRK ErfK EStG Etc. EuGRCh EuGRZ evStL EWG f/f. FamRZ FDJ FDP ff/ff. FG FKK Fn. FR FS G GewO GG ggf. GK GrSSt

Abkürzungsverzeichnis Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts Baden-Württemberg beziehungsweise circa Canon Christlich Demokratische Union Deutschlands Codex Iuris Canonici Christlich-Soziale Union in Bayern das heißt Deutsche Demokratische Partei Derselbe Die Linke (Partei) Dissertation Die Öffentliche Verwaltung Deutsche Partei European Commission of Human Rights Decisions and Reports/Décisions et Rapports Doktor Deutsches Verwaltungsblatt eingetragener Verein Entscheidungen der Finanzgerichte Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft Einleitung Europäische Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten Erfurter Kommentar Einkommensteuergesetz et cetera Charta der Grundrechte der Europäischen Union Europäische Grundrechte-Zeitschrift Evangelisches Staatslexikon Europäische Wirtschaftsgemeinschaft folgende (Seite) Zeitschrift für das gesamte Familienrecht Freie Deutsche Jugend Freie Demokratische Partei folgende Seiten Finanzgericht Freikörperkultur Fußnote Finanz-Rundschau Ertragssteuerrecht Festschrift Gesetz Gewerbeordnung Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland gegebenenfalls Gemeinschaftskommentar Großer Senat in Strafsachen

Abkürzungsverzeichnis GrStG HbdStKirchR HbdStR HDStR Hlbbd. Hrsg. HVD i. E. i. e. i. V. m. insbes. IPBPR IPO JöR Jura JuS JuSchG JW JZ KirchE KostO KPD Kurzprot. LAG LexRP Lfg. Lit. LKV LThK LV m. E. m. w. N. MD MüKo N. F. Nds.Rpfl NJW NordÖR NPD Nr. NRW NS NSDAP NVwZ NVwZ-RR NZA-RR OLG OVG

Grundsteuergesetz Handbuch des Staatskirchenrechts der Bundesrepublik Deutschland Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland Handbuch des Deutschen Staatsrechts Halbband Herausgeber Humanistischer Verband Deutschlands im Ergebnis id est in Verbindung mit insbesondre Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte Instrumentum Pacis Osnaburgense (Westfälischer Friedensschluss) Jahrbuch des öffentlichen Rechts der Gegenwart Jura. Juristische Ausbildung Juristische Schulung Jugendschutzgesetz Juristische Wochenschrift Juristenzeitung Entscheidungen in Kirchensachen seit 1946 Kostenordnung Kommunistische Partei Deutschlands Kurzprotokoll Landesarbeitsgericht Lexikon der Religionspädagogik Lieferung Literatur Landes- und Kommunalverwaltung Lexikon für Theologie und Kirche Landesverfassung meines Erachtens mit weiteren Nachweisen Maunz/Dürig Münchener Kommentar neue Folge Niedersächsische Rechtspflege Neue Juristische Wochenschrift Zeitschrift für öffentliches Recht in Norddeutschland Nationale Partei Deutschlands Nummer Nordrhein-Westfalen nationalsozialistische Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht, Rechtsprechungs-Report Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht, Rechtsprechungs-Report Oberlandesgericht Oberverwaltungsgericht

17

18 PartG PRat-Drucks. Prof. PV Red. RG RGG RGSt RLP Rn. Rsp. Rz. S. s. o. SchulG SD SED SG sog. SondGer. Sp. SPD st. StGB StL StrRG StVollzG Stw. TRE u. a. unv. v. VereinsG VerfGBbg VerwArch VG VGH Vgl. Vor. vs. VVDStRL VwVfG w. N. WNV WPflG WRV Z z. B.

Abkürzungsverzeichnis Parteiengesetz Drucksache des Parlamentarischen Rates Professor revidierte Preußische Verfassung vom 31.1.1850 Redaktion Reichsgericht Religion in Geschichte und Gegenwart Entscheidungen des Reichsgerichts in Strafsachen Rheinland-Pfalz Randnummer Rechtsprechung Randzeichen Seite siehe oben Schulgesetz Systematische Darstellungen Sozialistische Einheitspartei Deutschlands Soldatengesetz sogenannten Sondergericht Spalte Sozialdemokratische Partei Deutschlands ständige(n) Strafgesetzbuch Staatslexikon Strafrechtsreformgesetz Strafvollzugsgesetz Stichwort Theologische Realenzyklopädie unter anderem/und andere unveränderte von Vereinsgesetz Verfassungsgericht des Landes Brandenburg Verwaltungsarchiv Verwaltungsgericht(s) Verwaltungsgerichtshof Vergleiche Vorbemerkung zu gegen Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer Verwaltungsverfahrensgesetz weiter(en) Nachweis Weimarer Nationalversammlung Wehrpflichtgesetz Verfassung des Deutschen Reichs (Weimarer Reichsverfassung) Deutsche Zentrumspartei zum Beispiel

Abkürzungsverzeichnis ZDG ZevKR zit. ZRG ZStW ZUM-RD

19

Zivildienstgesetz Zeitschrift für evangelisches Kirchenrecht zitiert Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft Zeitschrift für Urheber- und Medienrecht Rechtsprechungsdienst

Zu den Abkürzungen vergleiche ferner: Kirchner, Abkürzungsverzeichnis der Rechtssprache, 6. Aufl., Berlin 2008

Einleitung Darf der Arbeitgeber ohne Mitbestimmung des Betriebsrates in einem am anthroposophischen Welt- und Menschenbild ausgerichteten weltanschaulichen Gemeinschaftskrankenhaus Überstunden für ärztliche Mitarbeiter anordnen? Wie ist zu entscheiden, wenn es gerade Inhalt der anthroposophischen Lehre ist, dass der anthroposophisch orientierte Arzt seine Patienten in ihrer Individualität und in ihrem Krankheitsbild umfassend betreut und daher die Behandlung nicht einem anderen Arzt übergeben werden kann? Mit dieser Frage hatte sich das Landesarbeitsgericht Hamm in einem Beschluss 2002 auseinanderzusetzen.1 Die Fragestellung weist dabei bereits auf drei grundlegende und weitgehend ungeklärte Rechtsfragen hin: Wann liegt eine Weltanschauung vor? Welche weltanschaulichen Handlungsformen sind überhaupt vom Grundgesetz geschützt? Und schließlich: Gebietet das Grundgesetz eine umfassende Gleichstellung von Weltanschauung und Religion, so dass im vorliegenden Fall § 118 Abs. 2 BetrVG verfassungskonform so ausgelegt werden muss, dass die Normen des Betriebsverfassungsgesetzes auch auf Weltanschauungen und deren caritative Einrichtungen keine Anwendung finden? Diesen und weiteren Fragen zum Thema der „Weltanschauung“ will die vor­ liegende Arbeit allgemein nachgehen und eine umfassende Untersuchung zum verfassungsrechtlichen Schutz der Weltanschauungsfreiheit vornehmen. Angesichts dieses Vorhabens erscheint es zweckmäßig, einleitend zunächst auf die in der Rechtswissenschaft zu den Überzeugungsfreiheiten allgemein wahrgenommenen Herausforderungen einzugehen (A.), um ausgehend von den skizzierten Fragestellungen die spezielle Intention des Dissertationsvorhabens darzustellen und einen ersten Überblick zu geben (B.). Die Einleitung beschließt sodann die Darstellung zum Gang der gesamten Untersuchung zur Weltanschauungsfreiheit (C.).

A. Einführung Fast jeden Tag wird in der allgemeinen öffentlichen Diskussion auf den Begriff der „Weltanschauung“ zurückgegriffen. Dieser wird meist im Zusammenhang mit der Bekräftigung der eigenen Meinung oder einer politischen Überzeugung verwendet. Im starken Kontrast zur häufigen Verwendung des Begriffs in der Alltags-

1 Vgl. LAG Hamm, Beschluss vom 17.5.2002, Az.: 10 TaBV 140/01; NZA-RR 2002, S. 625 = KirchE 40 (2002), S. 282.

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Einleitung

sprache steht die Erörterung der Weltanschauung in der juristischen Diskussion. Hier steht der Fülle an Normtexten, die den Begriff verwenden, nur eine sehr geringe juristische Beachtung gegenüber.2 Hinzu kommt, dass seit der Annahme des Grundgesetzes im vergangenen Jahrhundert ein tief greifender gesellschaft­licher Wandel im Bereich des von Art. 4 GG geschützten individuellen Bekenntnisses, religiöser wie weltanschaulicher Natur zu verzeichnen ist. Neben einer starken Tendenz zur Säkularisierung einerseits,3 ist andererseits das Phänomen einer zunehmenden, „entkirchlichten Religiosität“ zu beobachten,4 mit dem neue Formen individuellen Bekenntnisses einhergehen und welches die Ausdifferenzierung religiöser und weltanschaulicher Gemeinschaften fördert. Dieser Umstand begünstigt seinerseits das Entstehen neuer, bislang unbekannter Konfliktpotentiale, welche unter der Dominanz der christlichen Kirchen noch nicht relevant waren. So verwundert es kaum, dass gerade im Bereich des Art. 4 GG in den vergangenen Jahren eine zunehmende, rechtstatsächliche Dynamik zu verzeichnen war: Kruzifix-5 und Kopftuchentscheidung,6 das betäubungslose Schlachten aus religiösen Motiven,7 sowie staatliche Warnungen vor (Jugend)Sekten8 haben ihren Weg über die Fachgerichte bis zum Bundesverfassungsgericht gefunden. Diese zunehmende rechtstatsächliche Dynamik betrifft jedoch nicht nur den religiösen Bereich. Auch zur Weltanschauungsfreiheit finden sich zunehmend gericht­liche Entscheidungen: Wurde zunächst die Befreiung eines „Geistlichen“ der Church of Scientology vom Wehrdienst 1980 vom Bundesverwaltungsgericht abgelehnt,9 häuften sich später die Entscheidungen insbesondere zu Fragen der wirtschaftlichen Betätigung so genannter „Jugendreligionen“.10 1999 wurde die steuerliche Gleichbehandlung von Weltanschauungen und Religionen vom BFH ausgesprochen11 und seit den späten 90ern wurde gerichtlich die Zulassung von 2 Gleichwohl kann die Untersuchung auf einige Ausarbeitungen älterer und jüngerer Zeit zurückgreifen, die sich mit der Frage des Schutzes der Weltanschauungsfreiheit thematisch bereits vor allem im Kontext speziellerer Problemstellungen befasst haben. Vgl. hierzu u. a. Meier, Weltanschauung; Spieldiener, Weltanschauung; Veelken, Das Verbot von Weltanschauungs- und Religionsgemeinschaften; Mertesdorf, Weltanschauungsgemeinschaften. 3 Schon Hollerbach, VVDStRL 26, S. 57 (65 f.). Vgl. auch die Angaben des statistischen Bundesamtes zur Abnahme der Mitgliedszahlen der evangelischen und katholischen Kirche von über 95 % der bundesdeutschen Bevölkerung im Jahre 1966 auf ca. 60 % in 2007 bei Sacksofsky, VVDStRL 68, S. 11 f. Fn. 20, 26. 4 Hollerbach in HbdStR, § 139 Rn. 9; Kästner, JZ 1998, S. 975; Schoch in FS Hollerbach, S. 149 f. 5 BVerfG, Beschluss vom 16.5.1995, Az.: 1 BvR 1087/91, BVerfGE 93, S. 1. 6 BVerfG, Urteil vom 24.9.2003, Az.: 2 BvR 1436/02, BVerfGE 108, S. 282. 7 BVerfG, Urteil vom 15.1.2002, Az.: 1 BvR 1783/99, BVerfGE 104, S. 337. 8 BVerfG, Beschluss vom 26.6.2002, Az.: 1 BvR 670/91, BVerfGE 105, S. 279. 9 BVerwG, Urteil vom 14.11.1980, Az.: 8 C 12/79, BVerwGE 61, S. 152 ff. = NJW 1981, S. 1460 ff. 10 Vgl. BVerwG, Beschluss vom 16.2.1995, Az.: 1 B 205/93, NVwZ 1995, S. 473; BAG, Beschluss vom 22.3.1995, Az.: 5 AZB 21/94, BAGE 79, S. 319. 11 BFH, Urteil vom 23.9.1999, Az. XI R 66/98, BFHE 190, S. 278 = NVwZ 2000, S. 967 f.

A. Einführung

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Weltanschauungsgemeinschaften zur Erteilung von Bekenntnisunterricht an staatlichen Schulen thematisiert.12 Angesichts der jüngeren und jüngsten globalen Entwicklungen, welche international bereits zu verschärften, religiös intendierten Auseinandersetzungen geführt haben, ist auch im Inland, bei einer weiter anhaltenden Diversifikation persönlicher Überzeugungen, künftig noch mit einem zunehmenden Konfliktpotential zwischen der in der allgemeinen Rechtsordnung demokratisch repräsentierten Mehrheitsgesellschaft und neuen gesellschaftlichen Strömungen zu rechnen. Die allgemeine Rechtsordnung sieht sich in der Konsequenz einem verstärkten verfassungsrechtlichen Druck ausgesetzt,13 da die Berufung auf Art. 4 GG in seiner gegenwärtig vom Verfassungsgericht praktizierten weiten Auslegung die situativ-individuelle Derogation von für alle Bürger gleichermaßen geltenden allgemeinen Gesetzen ermöglicht. In der staatsrechtlichen Diskussion wurde zum System der weltanschaulichreligiösen Normen jüngst sogar die Frage aufgeworfen, ob die religiöse Freiheit in der gegenwärtigen gesellschaftlichen Situation eine Gefahr darstelle.14 In der rechtswissenschaftlichen Literatur werden ferner bereits seit einiger Zeit eine kritische Überprüfung der Interpretation des Schutzbereiches der Religionsfreiheit und eine Revision der verfassungsgerichtlichen Entscheidungen angeregt, um zu einem Wandel des Verfassungsverständnisses zu gelangen.15 Speziell mit Blick auf das Merkmal der Weltanschauung sah das Bundesverwaltungsgericht bereits die Notwendigkeit einer engen Begriffsauslegung, um einer „ausufernden Überhöhung“ bei der Abgrenzung gegenüber anderen Freiheitsrechten entgegenzuwirken.16 Das Konfliktpotential der Weltanschauung geht dabei über das der Religionsfreiheit jedoch noch hinaus: Gleichberechtigt mit der Freiheit des religiösen Bekenntnisses in Art.  4  GG aufgeführt, aber auch in den Art. 7 Abs. 5, 33 Abs. 3 und 140 GG i. V. m. 137 Abs. 7 WRV erwähnt, lässt sich die Freiheit des weltanschaulichen Bekenntnisses ungleich schwerer umreißen. Bereits die grundlegende Frage, welcher Inhalt der Weltanschauungs­freiheit in Abgrenzung zur Religion und der Freiheit des Gewissens, aber auch zu den Schutzbereichen der übrigen Freiheitsgrundrechte zukommt, ist zweifelhaft und eröffnet ein weites Feld möglicher künftiger Konflikte. Die sich hieran anschließenden Fragen nach dem Umfang der durch das Grundrecht gewährleisteten Betätigungsfreiheiten und den Schranken für seine Ausübung sind im selben Maße unklar und umstritten wie im Bereich der Religions 12 OVG Berlin, Urteil vom 8.11.1995, Az.: 7 B 34/93, KirchE 33 (1998), S. 448 ff.; VerfGBbg, Urteil vom 15.12.2005, Az.: 287/03, NVwZ 2006, S. 1052 = DÖV 2006, S. 258. 13 Schoch in FS Hollerbach, S. 149 ff. (150); Epping, Grundrechte, S. 129, Rn. 304. 14 VVDStRL 68, erster Beratungsgegenstand: Religiöse Freiheit als Gefahr?, S. 7 ff. 15 Schoch in FS Hollerbach, S. 149 ff.; Kästner, JZ 1998, S. 974 ff.; Muckel in Friauf/Höfling, Art. 4 Rn. 4 m. w. N. 16 BVerwG, Urteil vom 19.2.1992, Az.: 6 C 5/91, BVerwGE 89, S. 368 (371).

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Einleitung

freiheit. Die Disparität zwischen dem weiten Schutzbereich und dem fehlenden Gesetzesvorbehalt zeigt sich jedoch aufgrund der begrifflichen Unschärfe der Weltanschauungsfreiheit ungleich deutlicher. Es bedarf daher einer grundlegenden Studie über Inhalt und Umfang der Weltanschauungsfreiheit.

B. Ziele der Dissertation Ziel der Dissertation ist es zu einer insgesamt schlüssigen Auslegung der Überzeugungsfreiheiten beizutragen,17 denn eine einheitliche, in sich stimmige Aus­ legung von Art. 4 GG kommt nicht umhin den Bereich der Weltanschauungsfreiheit genauer abzugrenzen und mit den übrigen Wertungen abzustimmen.18 Hierbei ist vor allem der Frage nachzugehen, ob die im Normtext der Verfassung selbst angelegten Unterscheidungen, bei einer Abkehr von der vorherrschend nivellierenden Auslegung, nicht selbst bereits hinreichende Differenzierungspotentiale zur Konfliktlösung beinhalten, die durch wissenschaftliche Betrachtung noch aufgedeckt werden können. Im Einzelnen sollen daher die folgenden Fragestellungen untersucht werden: Grundlegend ist zunächst die Frage, ob und wie zwischen Weltanschauung und Religion überhaupt unterschieden werden kann. Kann und muss zwischen Welt­ anschauung und Religion unterschieden werden, so sind der Inhalt des juristischen Begriffs der „Weltanschauung“ und die damit verbundenen verfassungsrechtlich geschützten Wirkbereiche zu untersuchen. Diese sind ihrerseits wiederum von anderen verfassungsrechtlichen Begriffen und Freiheitsrechten abzugrenzen. Ferner ist das Verhältnis von Weltanschauung und Religion zueinander aufzuklären und auf die Frage einzugehen, welche rechtlichen Konsequenzen sich aus einer möglichen Unterscheidung von Weltanschauung und Religion ergeben. Entscheidend werden hierbei vor allem der Inhalt und die Reichweite der vom Grundgesetz angeordneten Gleichbehandlung von Weltanschauung und Religion zu prüfen sein. Schließlich ist auf die Eingriffsmöglichkeiten in die weltanschaulichen Freiheits- und Gleichheitsrechte einzugehen und die Frage nach dem Bestehen eines Gesetzesvorbehaltes aufzuklären. Nicht zuletzt werden auch praktische Beispiele, handhabbare Abgrenzungsmerkmale und Fragen des Beweisrechts darzustellen sein.

17 Schoch in FS  Hollerbach, S.  155 bezweifelt, dass es bislang jemals eine grundrechtsdogmatisch überzeugende und konsistente Auslegung von Art. 4 GG seitens der so genannten „herrschenden Meinung“ gab. 18 Auf die bislang in der juristischen Diskussion fehlende Begriffsbestimmung der Welt­ anschauung weist insbesondere Kästner, JZ 1998, S. 978 hin.

C. Gang der Untersuchung

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C. Gang der Untersuchung Der Gang der vorliegenden Untersuchung gliedert sich in drei Kapitel. Das erste Kapitel bildet die Darstellung der nach dem bisherigen Stand der rechtswissenschaftlichen Diskussion zur Weltanschauungsfreiheit maßgeblich diskutierten Fragestellungen. Hierbei will sich die Untersuchung jedoch nicht auf eine bloße Wiedergabe der Problemkomplexe beschränken. Die systematische Einordnung der verschiedenen Fragestellungen soll es vielmehr ermöglichen, in wertender Stellungnahme bereits weitgehend geklärte Themen von neuen und durch die anschließende Auslegung noch aufzuklärenden Bereichen abzuschichten. Um eine grundlegende Orientierung zu ermöglichen, wird dabei nochmals in die Problemstellungen der internen Abgrenzungen zwischen Weltanschauung und Religion und der externen Abgrenzung der Weltanschauungsfreiheit gegenüber anderen Freiheitsrechten unterschieden. Ferner wird auf die Frage der Anwendung eines Gesetzesvorbehaltes auf die Weltanschauungsfreiheit eingegangen. Das zweite Kapitel der Arbeit befasst sich mit der Untersuchung der Welt­ anschauungsfreiheit. Diese gliedert sich in die Feststellungen zum Schutzbereich der Weltanschauungsfreiheit, die Analyse des Verhältnisses der Weltanschauungsfreiheit zu den anderen Verfassungsnormen und die Darstellung von Eingriffen in den Schutzbereich sowie deren Rechtfertigung. Ein Schwerpunkt liegt dabei auf der eingehenden Analyse des verfassungsrechtlichen Begriffs „Weltanschauung“ unter besonderer Berücksichtigung der Entwicklung dieses Begriffs im philo­ sophischen und juristischen Fachgebrauch. Den Abschluss der Untersuchungen zur Weltanschauungsfreiheit bildet sodann ein Ausblick auf die europäischen und völkerrechtlichen Regelungen mit weltanschaulichem Bezug. Das dritte Kapitel widmet sich schließlich der Frage nach der Gleichbehandlung von Weltanschauung und Religion. Hierzu wird zunächst die Reichweite der im Grundgesetz enthaltenen Gleichheitssätze untersucht, bevor die besonderen Differenzierungsverbote im Verhältnis von Weltanschauung und Religion dargestellt werden. Ferner wird untersucht, welche Ungleichbehandlungen im Verhältnis von Weltanschauung und Religion rechtstatsächlich vorgenommen werden und wie diese verfassungsrechtlich zu rechtfertigen sind. Die Untersuchung schließt sodann mit einer Zusammenfassung der Ergebnisse und der Darstellung der wesentlichen Erkenntnisse in Thesenform.

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Erstes Kapitel

Gegenwärtiger Stand der juristischen Diskussion zur Weltanschauungsfreiheit Zu Beginn der Untersuchung soll zunächst der bisherige Stand von Rechtsprechung und Literatur zum Schutz der Weltanschauungsfreiheit dargestellt werden, um eine bessere Einordnung und Eingrenzung der Themenkomplexe zu ermöglichen. Einen Schwerpunkt bildet dabei die Betrachtung der Freiheit des weltanschaulichen Bekenntnisses. Um die praktische Bedeutung einer genaueren Untersuchung der Weltanschauungsfreiheit hervorzuheben, werden hierzu insbesondere die gegenwärtigen und vergangenen juristischen Problemstellungen betrachtet, die bereits Gegenstand gerichtlicher Auseinandersetzungen waren. Während in der Literatur vor allem über das Verhältnis und die Abgrenzbarkeit von Religion und Weltanschauung Uneinigkeit besteht, und ferner die Frage diskutiert wird, ob sich die Rechtsbegriffe noch unterscheiden lassen und welche Kriterien eine staatliche Definition überhaupt aufstellen darf, ist der Schutz des weltanschaulichen Bekenntnisses in der Praxis der Gerichte weniger ein Problem der Freiheit, als eines der Gleichheit: Zwar stellt sich auch den Gerichten die Frage, wie sich weltanschauliche Betätigungen von anderen, hier insbesondere politischen Betätigungen abgrenzen lassen. Weitgehend unbemerkt von der rechtswissenschaftlichen Literatur besteht jedoch in der Rechtsprechung ein nicht unbedeutender Dissens bezüglich der Frage der Gleichbehandlung von Religion und Weltanschauung. Zu dieser weitgehend offenen und wissenschaftlich noch nicht abschließend geklärten Frage hat auch der Bundesgesetzgeber zwischenzeitlich mittelbar durch das Gesetzgebungsverfahren zum Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz erneut Stellung genommen. Schließlich bestehen in Literatur und Rechtsprechung Differenzen über die auf Art. 4 GG möglicherweise anwendbaren Schranken. Die Frage nach der anwendbaren Schranke wurde dabei bislang vor allem im Rahmen der Religionsfreiheit diskutiert, sie lässt sich jedoch auch auf die Weltanschauungsfreiheit übertragen und ist in diesem Zusammenhang von nicht minderer Brisanz. Gerade die Problematik der auf Art. 4 GG anwendbaren Schranken setzt rechtstatsächlich einen besonderen Anreiz dafür, die Ausübung von anderen Freiheitsrechten phänotypisch als weltanschauliches Bekenntnis auszugestalten. Fasst man die angesprochenen Gesichtspunkte systematisch zusammen, stellt sich demnach in erster Linie die Frage nach der Abgrenzung der juristischen Begriffe „Weltanschauung“ und „Religion“, insbesondere hinsichtlich des „Ob“, des

A. Abgrenzung von Weltanschauung und Religion

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„Wie“ und nach den Konsequenzen einer möglichen Differenzierung (A.). Ferner schließt sich hieran die Frage nach der Abgrenzung des weltanschaulichen Bekenntnisses gegenüber anderen, nicht von Art.  4 GG geschützten Betätigungen von Freiheitsrechten an (B.). Erst abschließend wird der Streit um die ggf. auf Art. 4 GG anwendbaren Schranken relevant (C.). Den einführenden Problemaufriss schließt sodann eine erste Zusammenfassung und Bewertung der vorgefundenen Probleme und der hierzu diskutierten Lösungsansätze ab, welche die Basis für die folgenden Untersuchungen im zweiten und dritten Kapitels der Arbeit bilden (D).

A. Abgrenzung von Weltanschauung und Religion Originäres Konfliktfeld des weltanschaulichen Bekenntnisses ist seine Abgrenzung vom religiösen Bekenntnisses. Obgleich für den Bereich des Art. 4 Abs. 1 GG sowohl die Möglichkeit1 als auch die Notwendigkeit2 einer Differenzierung zwischen Weltanschauung und Religion bezweifelt werden, stellt sich die grundsätzliche Frage des „Ob“ einer Unterscheidung zwischen den Begriffen bereits zwingend vor dem Hintergrund des Textbefundes des Grundgesetzes; vor allem aber auch bei der Auslegung der einfachen Gesetze (I.). An die Frage nach dem „Ob“ einer Differenzierung schließen sich die Fragen nach dem „Wie“ einer Differenzierung und den dabei maßgeblichen Kriterien an (II.). Schließlich stellt sich, nicht zuletzt für den Rechtsanwender, die Frage nach den praktischen Konsequenzen einer akademisch ggf. möglichen Differenzierung (III.).

I. Das „Ob“ einer Abgrenzung zwischen Weltanschauung und Religion Im Grundgesetz findet der Begriff der Weltanschauung in den Art.  4 Abs.  1, Art. 7 Abs. 5, Art. 33 Abs. 3 und Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 7 WRV eine gleichgestellte Verwendung mit dem Begriff der Religion. In den Art.  3 Abs. 3, Art. 4 Abs. 2, Art. 7 Abs. 2 und 3, sowie den übrigen durch Art. 140 GG inkorporierten Vorschriften der WRV findet der Begriff der Weltanschauung hingegen keine Erwähnung, obwohl auch diese religiöse Freiheits- bzw. Gleichheitsrechte zum Gegenstand haben. Diese textliche Differenzierung des Grundgesetzes wurde 1 Vgl. u. a. Obermayer, DVBl 1981, S. 615 (618) und Muckel, Religiöse Freiheit und Staatliche Letztentscheidung, S. 135. 2 U. a. v. Campenhausen in HbdStR, § 136 Rn. 36 („folgenloser Scharfsinn“); ferner Morlok in Dreier, GG, Art.  4 Rn.  54 („nur mit Klügelei […] abzugrenzen“); noch deutlicher M. Heckel in FS 50 Jahre BVerfG, S. 395 („Kümmelspalterei überflüssiger Begriffsjurisprudenz“) der allerdings sodann die Bemühungen um eine Abgrenzung zumindest im Hinblick auf Art. 7 Abs. 3 GG achtet (ebenda, S. 396 Fn. 64); ders., ZevKR 44 (1999), S. 354 („scholas­tische Spitzfindigkeiten“).

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1. Kap.: Gegenwärtiger Stand der juristischen Diskussion

und wird in einer Vielzahl von Bundesgesetzen übernommen: In einem Teil der Gesetzestexte wird die gleichgestellte Behandlung der Weltanschauung entsprechend den vergleichbaren verfassungsrechtlichen Textstellen explizit angeordnet,3 daneben finden sich jedoch auch Gesetze, in denen der Begriff der Weltanschauung keine Verwendung findet, obwohl eine Regelung mit Bekenntnisbezug erfolgt.4 Auch in einer Vielzahl von Landesverfassungen und etlichen Landesgesetzen herrscht eine entsprechende textliche Differenzierung vor.5 Für die gerichtliche Praxis hat dieser textliche Befund das Bundesverwaltungsgericht hinsichtlich des „Ob“ einer Unterscheidung zu der Feststellung veranlasst, dass eine Differenzierung zwischen „Weltanschauung“ und „Religion“ jedenfalls möglich sein (und bleiben) müsse, solange der Gesetzgeber erkennbar von einer solchen ausgeht und textlich auf eine Unterscheidbarkeit von Weltanschauung und Religion abstelle.6 Auch das Bundesverfassungsgericht geht davon aus, dass der Staat Rechtsbegriffe grundsätzlich nach weltanschaulich neutralen Gesichtspunkten interpretieren dürfe7 und weist auf die staatliche Definitionskompetenz für verfassungsrechtliche Begriffe hin, welche auch dem Selbstverständnis einer Weltanschauung entgegenstehen könne.8 In der Literatur wird demgegenüber, vergleichbar zur Diskussion über den Begriff der Kunst in Art. 5 Abs. 3 GG, zunächst in unterschiedlichen Ausprägungen 3 §§ 166, 167 Abs. 2 StGB – die Weltanschauungsgemeinschaften wurden eigens durch das 1. StrRG vom 25.6.1969 als Ausdruck einer pluralistischen Gesellschaft neu in den Schutz der Tatbestände aufgenommen; § 55 StVollzG – hier erfolgte die Gleichstellung erst im Gesetzgebungsverfahren auf Hinweis des Bundesrates und durch Änderung im Rechtsausschuss (vgl. BTDrucks 7/3998); § 2 Abs. 1 VwVfG; § 2 Abs. 2 Nr. 3 VereinsG a. F. – in der Neu­fassung durch das Terrorismusbekämpfungsgesetz in Folge des 11.9.2001 wurde diese Bereichsausnahme sodann gestrichen, um klarzustellen, dass sich auch das Verbot religiöser und weltanschaulicher Vereine möglich ist (G  vom  4.12.2001, BGBl. I S.  3319); ferner exemplarisch: §§ 1, 9 AGG; § 75 Abs. 1 BetrVG; § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 KostO, § 8 Abs. 1 Satz 1 BBG; § 3 Abs. 1 SG. 4 Trotz Anpassungen erfolgte hingegen keine Gleichstellung in: § 11 Abs. 1 Nr. 3 WPflG, § 10 Abs. 1 Nr. 3 ZDG – Geistlichenprivileg im Wehrrecht; §§ 19 Abs. 1, 20 Abs. 1 AGG – zivilrechtliches Benachteiligungsverbot; § 118  Abs.  2  BetrVG  – Bereichsausnahme für Betriebsräte; § 18  Abs.  1  Nr.  4  ArbZG  – Ausnahme des liturgischen Bereiches vom ArbZG; § 10b Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 52 Abs. 2Nr. 2 AO – steuerliche Begünstigung von Zuwendungen. Für das AGG stellt Stein in Wendeling-Schröder/Stein, AGG, § 1 Rn. 30 daher ausdrücklich die Notwendigkeit einer Binnenabgrenzung zwischen Weltanschauung und Religion fest. Ebenso: Heun in ZRG, Kanonistische Abteilung 86 Bd. 117 (2000), S. 334 (361). 5 Vgl. u. a. Art. 43 Abs. 4 LV RLP (Gleichstellung) einerseits und §§ 16 Satz 2, 19 Abs. 1 Satz 1 und 2 Landesmediengesetz RLP (hier keine Erwähnung von Weltanschauungsgemeinschaften) andererseits. Zu den die Weltanschauung betreffenden Regelungen der Landesverfassungen vgl. ferner umfassend die Darstellung bei Mertesdorf, Weltanschauungsgemeinschaften, S. 555 ff. 6 BVerwG, Urteil vom 14.11.1980, Az.: 8 C 12/79, BVerwGE 61, S. 152 (156). 7 BVerfG, Beschluss vom 16.10.1968, Az.: 1 BvR 241/66, BVerfGE 24, S. 236, 247 f. 8 BVerfG, Kammerbeschluss vom 28.8.1992, Az.:  1 BvR  632/92, NVwZ  1993, S.  357 (358).

A. Abgrenzung von Weltanschauung und Religion

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über die Bedeutung des Selbstverständnisses des Grundrechtsträgers für die staatliche Definition der Begriffe der Weltanschauung und der Religion diskutiert.9 In Reinform vertreten würde ein solcher Ansatz zu einem staatlichen Definitionsverbot für das „Ob“ einer Unterscheidung zwischen Religion und Weltanschauung führen, da eine solche Definition bereits als Eingriff des durch den Grundrechtsträger selbst gestalteten Normbereichs angesehen werden müsste.10 Ein derart weit gefasstes Verbot wird jedoch im Ergebnis einhellig abgelehnt.11 Der Staat sei aufgrund seiner Ordnungsfunktion gehalten, objektive Kriterien zur Begriffsunterscheidung aufzustellen.12 Die Definitionshoheit über Rechtsbegriffe wird mithin zutreffend als Ausdruck staatlicher Souveränität bewertet.

II. Das „Wie“ einer Differenzierung zwischen Weltanschauung und Religion Ist die rein rechtstheoretische Unterscheidbarkeit der Begriffe „Weltanschauung“ und „Religion“ noch weitgehend unumstritten, stellt sich umso mehr die Frage anhand welcher, nach Maßgabe des Verfassungsgerichtes weltanschaulich neutralen Gesichtspunkte, eine Differenzierung im Rahmen einer juristischen Definition möglich wäre (1.). Ferner, wie sich das logische Verhältnis von Welt­ anschauung und Religion darstellen würde (2.) und welche Erwägungen eine Differenzierung ggf. unmöglich erscheinen lassen (3.). 1. Differenzierungskriterien Sofern nicht schon seitens der Norminterpreten unter Hinweis auf angeblich mangelnde Konsequenzen einer Unterscheidung gleich gänzlich auf die systematisch vorrangige definitorische Differenzierung verzichtet wird, stellen Rechtsprechung und Literatur hierfür überwiegend auf das Begriffspaar der „Immanenz“ und der „Transzendenz“ ab: Unter Religion oder Weltanschauung wird demzufolge überwiegend eine mit der Person des Menschen verbundene Gewissheit über bestimmte Aussagen zum Weltganzen sowie zur Herkunft und zum Ziel des menschlichen Lebens verstanden; hierbei lege die Religion eine den Menschen über-



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Vgl. u. a. Isak, Selbstverständnis der Kirchen und Religionsgemeinschaften, S. 224ff; Isensee, Wer definiert die Freiheitsrechte?, S. 12 ff., 60 ff.; Fleischer, Religionsbegriff, S. 105 ff. 10 Vgl. Isensee, Wer definiert die Freiheitsrechte?, S. 17 ff. 11 Isak, Selbstverständnis der Kirchen und Religionsgemeinschaften, S. 106 (Fn. 27) kommt zu dem Schluss, dass dies zwar theoretisch diskutiert, in dieser Form jedoch selbst von Vertretern eines sehr weit gefassten Begriffs des Selbstverständnisses nicht ernsthaft vertreten wird. Vgl. auch Muckel in Friauf/Höfling, GG, Art. 4 Rn. 6 m. w. N. 12 Vgl. Preuß in AK, GG, Art.  4 Rn.  13; Fleischer, Religionsbegriff, S.  127; Listl in ­HbdStKirchR, Bd. 1, S. 449 f. m. w. N.

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1. Kap.: Gegenwärtiger Stand der juristischen Diskussion

schreitende und umgreifende („transzendente“) Wirklichkeit zugrunde, während sich die Weltanschauung auf innerweltliche („immanente“) Bezüge beschränkt.13 Daneben wird teilweise als maßgebliches Kriterium14, teilweise jedoch auch nur als ein die objektive Auslegung ergänzendes sekundäres Kriterium15, auf das Selbstverständnis des jeweiligen Grundrechtsträgers, oder der jeweiligen Gemeinschaft für die Zuordnung zum Typus der Weltanschauungs- oder Religionsgemeinschaft abgestellt. Die eigene Überzeugung des Betroffenen soll demnach für die Zuordnung zum Begriff der Weltanschauung oder der Religion (mit) maßgeblich sein. Ferner kommt es im Zuge der Definition mitunter zu einer negativ Abgrenzung des Begriffs der Weltanschauung vom Begriff der Religion. Weltanschauungen seien demnach geprägt durch eine a- bzw. antireligiöse Grundlage der Erklärung des Weltganzen.16 Welche Bedeutung diesem Merkmal zukommt, ist im Einzelnen jedoch unklar und hängt überwiegend von der Position des Autors ab: Die einer kirchlichen Sicht auf weltanschauliche Gruppierungen angenäherten

13 Vgl. u. a. BVerwG, Urteil vom 15.12.2005, Az.:  7  C  20/04, NJW  2006, S.  1303 ff. unter Verweis auf die entsprechende st.  Rsp. des BVerwG. Ferner exemplarisch: v.  Campenhausen in HbdStR, § 136 Rn. 43; Kirchhof in HbdStKirchR, Bd. 1, S. 681; Winter, ZevKR 42 (1997) S. 372 (376); Mager in v. Münch/Kunig, GG, Art. 4 Rn. 60; Bergmann in Hömig, GG, Art.  4 Rn.  4; Bayer, Religions- und Gewissensfreiheit, S.  45; Neureither, Recht und Freiheit im Staatskirchenrecht, S. 220 m. w. N.; a. A. Bleckmann, Staatsrecht II, S. 748 f. der auch dann von Weltanschauung ausgehen will, wenn entweder eine reine Erklärung des Weltganzen, oder auch nur eine Deutung des Sinns des Lebens mit daraus abgeleiteten Verhaltensregeln vorliegen. Zu weiteren Definitionsansätzen in der Lit. vgl. auch Wilms in FS Maurer, S. 502. 14 Vor allem aufgrund mangelnder objektiver Abgrenzungsmöglichkeiten: Muckel in Friauf/ Höfling, GG, Art. 4 Rn. 15, v. Campenhausen in v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 137 WRV Rn.  297; Muckel, Religiöse Freiheit und staatliche Letztentscheidung, S.  137; Obermayer, DVBl 1981, S. 615 (618). 15 Isensee, Wer definiert die Freiheitsrechte?, S. 59; Bergmann in Hömig, GG, Art. 4 Rn. 5; Jarass in Jarass/Pieroth, GG, Art. 4 Rn. 14. Vgl. auch BVerfG Beschluss vom 28.8.1992, 1 BvR 632/92: „Allein die Behauptung und das Selbstverständnis […] rechtfertigen die Berufung auf diese Freiheitsgewährleistung nicht; vielmehr muss es sich auch tatsächlich, nach geistigem Gehalt und äußerem Erscheinungsbild um eine Religion […] handeln. Für die Beurteilung von Weltanschauungsgemeinschaften gilt nichts anderes.“ (NVwZ 1993, S. 357 [358]). 16 Anschütz, WRV, Art. 137 Anm. 12; Kokott in Sachs, GG, Art. 4 Rn. 22; Giese/Schunck, GG, Art. 137 WRV, Anm. 7 mit Betonung des irreligiösen oder religionsfeindlichen Charakters von Weltanschauungen; ähnlich, mit Hinweis auf den Marxismus, v.  Campenhausen in HbdStR, § 136 Rn. 43, ders. in v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 137 WRV Rn. 297; ders./de Wall, Staatskirchenrecht, S. 118; sowie weitere Nachweise bei Neureither, Recht und Freiheit im Staatskirchenrecht, S. 222 Fn. 357. Ipsen, Staatsrecht II – Grundrechte, S. 106f, Rn. 381, 383 sieht in der Weltanschauung normativ gar das Recht des Nichtglaubens statuiert und lehnt daher die Annahme einer negativen Religionsfreiheit ab. A. A. Schnorr, öffentliches Vereinsrecht, § 2 Rn. 40, der darauf verweist, dass es auch religiös und konfessionell indifferente Weltanschauungen wie den humanitären Idealismus, Realismus oder Skeptizismus gäbe, die nicht religionsfeindlich seien.

A. Abgrenzung von Weltanschauung und Religion

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Autoren sehen hierin ein maßgebliches Kriterium.17 Auch in der Selbstbetrachtung der sich als Weltanschauungsgemeinschaft bezeichnenden Gruppierungen spielt dieser Aspekt eine bedeutende Rolle.18 Demgegenüber wird diesem Kriterium teilweise auch die Entscheidungserheblichkeit abgesprochen, sofern in der Bezeichnung als a- oder antireligiös nicht ein bloß klarstellender Zusatz für den immanenten Charakter eines Bekenntnisses gesehen wird.19 Anderenfalls handele es sich um eine Definition der Weltanschauung durch die Definition der Religion, welche aufgrund der Komplexität der Definition der Religion ohne näheren Erklärungswert bleibe.20 In dieser Hinsicht lässt sich auch ein Teil der Rechtsprechung verstehen. Dieser formuliert, dass es sich bei Weltanschauungen um den Religionen vergleichbare metaphysische Gedankensysteme handele, ohne dass es auf die für Religionen prägende Gottesvorstellung ankomme.21 Hierdurch wird zwar einerseits hervorgehoben, dass es bei Weltanschauungsgemeinschaften nicht auf eine Gottesvorstellung ankomme (sie mithin oftmals auf a- bzw. antireligiöser Grundlage beruhen mögen), jedoch lässt sich dieser Formulierung andererseits auch keine Aussage dahingehend entnehmen, dass Weltanschauungen stets ohne Gottesvorstellung aus­kämen. Auf eine Gottesvorstellung kommt es zwar nicht an – damit ist sie begrifflich aber auch nicht ausgeschlossen.22 Ein derartiges Verständnis ließe zugleich auf die Ablehnung der Unterscheidung von Weltanschauung und Religion anhand der Kriterien von „Immanenz“ und „Transzendenz“ schließen23 und wird daher zunächst nur vor dem Hintergrund der vermeintlichen Belanglosigkeit einer näheren Abgrenzung verständlich. 17 Kirchhof in HbdStKirchR, Bd. 1, S. 681; Badura, Schutz von Religion und Weltanschauung, S. 38. 18 Hier ist vor allem die Entwicklungsgeschichte der verschiedenen Weltanschauungsvereinigungen zu betrachten, die sich im 19. und frühen 20. Jahrhundert gerade in Ablehnung der gesellschaftlich stark prägenden Großkirchen und ihrer Lehren entwickelt haben. Vgl. hierzu auch die Begründung für die Aufnahme der Weltanschauung in das Grundgesetz von Süsterhenn in Schick/Kahlenberg, Der Parlamentarische Rat Bd. 5, 2. Hlbbd., S. 623: „Der Anhänger einer areligiösen Weltanschauung wird sich nicht als Anhänger eines Glaubens bezeichnen.“ 19 Mertesdorf, Weltanschauungsgemeinschaften, S.  110; Ähnlich Zippelius in BK (Dritt­ bearbeitung), GG, Art. 4 Rn. 94, der nach allgemeinen Ausführungen zur Freiheit des welt­ anschaulichen Bekenntnisses klarstellt, dass Art. 4 Abs. 1 GG das Bekenntnis zu a- und anti­ religiösen Weltanschauungen mit umfasse. 20 Mertesdorf, Weltanschauungsgemeinschaften, S. 110. 21 VGH Bayern, Urteil vom 28.11.1990, Az.: 7 B 90.18, NVwZ 1991, S. 1101 (1102); BFH, Urteil vom 23.9.1999, XI R 66/98, NVwZ 2000, S. 967; VG Potsdam, Vorlagebeschluss vom 22.8.2003, Az.: 12 K 2130/01, NJW 2004, S. 123. 22 In diesem Sinne: „Neben ausgesprochen religiösen Weltanschauungsgemeinschaften existieren säkulare und auch antireligiöse Weltanschauungen“ BFH, Urteil vom 23.9.1999, XI R 66/98, NVwZ 2000, S. 967 unter Hinweis auf Reimer, in evStL, 3. Aufl., Sp. 3963, Stw.: „Weltanschauungsgemeinschaften“. 23 So VG Potsdam, Vorlagebeschluss vom 22.8.2003, Az.: 12 K 2130/01, NJW 2004, S. 123, welches unter Verweis auf den BFH zu der Auffassung gelangt, dass dann eine Unterscheidung zwischen Weltanschauung und Religion nicht mehr möglich ist.

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1. Kap.: Gegenwärtiger Stand der juristischen Diskussion

An das Kriterium der Gottesvorstellung knüpft schließlich ein weiterer Differenzierungsversuch an. Soweit für die Beurteilung als Religion das Vorhandensein einer personalen Gottesvorstellung vorausgesetzt wird, liegt es nahe, metaphysische Gedankengebäude, denen eine solche Vorstellung fehlt, als Weltanschauungen zu qualifizieren.24 Diese Auffassung sieht sich jedoch vor allem vor dem Hintergrund des Buddhismus der Kritik ausgesetzt. Dieser wird allgemein zu den Weltreligionen gezählt, obgleich es ihm an einer personalen Gottesvorstellung fehlt.25 Die Forderung nach einer personalen Gottesvorstellung wird vor dem Hintergrund der sog. Kulturadäquanz-Formel des Bundesverfassungsgerichtes verständlich. Demnach könnten sich nur solche Weltanschauungen bzw. Religionen auf den Schutz von Art. 4 GG berufen, die sich bei den heutigen Kulturvölkern auf dem Boden übereinstimmender sittlicher Grundanschauung im Laufe der Geschichte ausgebildet haben.26 Zwar wurde auf diese Begründung vom Bundesverfassungsgericht bislang nicht weiter rekurriert,27 sie bereitete aber den Boden für die Forderung nach weiterer Einschränkung auf den christlich-abendländischen Kulturkreis.28 Dieser Ansatz muss sich jedoch, nicht unberechtigt, gegen den Vorwurf des Eurozentrismus verteidigen,29 welcher auch der Forderung nach einer Abgrenzung über eine personalen Gottesvorstellung entgegenzuhalten ist. Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die gängigen Definitionen zur Unterscheidung von Weltanschauung und Religion ganz überwiegend an der Existenz einer Gottesvorstellung, sowie teilweise darüber hinaus auch an deren Ausprägung zur Abgrenzung ansetzen. Demgegenüber lassen nur vereinzelte Ansätze in der Rechtsprechung den Schluss zu, die Gottesvorstellung sei als ein für die Differenzierung indifferentes Kriterium anzusehen, ohne jedoch alternative Kriterien zur Abgrenzung der beiden juristischen Begriffe zu benennen.



24 Anschütz, WRV, Art. 137, S. 633 Fn. 1; Hamel in Bettermann/Nipperdey/Scheuner, S. 57; Spieldiener, Weltanschauung, S. 330; Mayer, Wesen und Rechtsstellung der weltanschaulichen Gemeinschaften nach der Bayrischen Verfassung vom 2.12.1946, S.  14; Mausbach, Kultur­ fragen in der Deutschen Verfassung, S. 72. 25 Preuß in AK, GG, Art. 4 Abs. 1, 2 Rn. 14; Veelken, Das Verbot der Weltanschauungs- und Religionsgemeinschaften, S. 41 m. w. N. 26 Vgl. BVerfGE 12, S. 1 (4). 27 Im Schrifttum wird wohl überwiegend angenommen, dass das Bundesverfassungsgericht diesen Ansatz in BVerfGE 41, S.  29 (50) (ausdrücklich) aufgegeben habe. Vgl. Hassemer/­ Hömig, EuGRZ 1999, S. 525 (526); Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rn. 551, Bergmann in Hömig, GG, Art. 4 Rn. 5; a. A. Badura, Schutz von Religion und Weltanschauung, S. 40 ff. unter Hinweis auf BVerfGE 24, S. 236 (245 f.), Fehlau, JuS 1993, S. 441 (443). 28 Hamel in Bettermann/Nipperdey/Scheuner, S. 57 ähnlich (jedoch wohl in der Form eines Plausibilitätskriteriums); Herzog in MD, GG, Art. 4 Rn. 67; Jarass in Jarass/Pieroth, GG, Art. 4 Rn. 8 m. w. N. 29 Veelken, Das Verbot von Weltanschauungs- und Religionsgemeinschaften, S.  70; Fleischer, Religionsbegriff, S. 87 f.

A. Abgrenzung von Weltanschauung und Religion

33

2. Alternativität, Spezialität oder Egalität der Begriffe Weltanschauung und Religion? Die soeben dargestellten, gebräuchlichen Differenzierungskriterien können zwar zur Unterscheidung von Weltanschauung und Religion verwendet werden, lassen jedoch ihrerseits hinsichtlich des logischen Verhältnisses der beiden Rechtsbegriffe zueinander einige klärungsbedürftige Fragen offen. Methodisch lassen sich dabei ausgehend von den oben angeführten Unterscheidungsansätzen zumindest drei Hauptrichtungen für eine systematische Einordnung unterscheiden. Zum einen kann die Definition als eine Unterscheidung in zwei sich gegenüberstehende Alternativen der Weltanschauung einerseits und der Religion andererseits verstanden werden. Hierbei wird die Weltanschauung sodann vor allem in Abgrenzung zur Alternative der Religion über eine a- bzw. antireligiöse Haltung definiert.30 Auch andere Vertreter der Unterscheidung von Weltanschauung und Religion anhand der Kriterien der Immanenz und der Transzendenz sprechen sich zum Teil für eine strikte Alternativität aus.31 Da insbesondere der Immanenzbezug in diesen Fällen zum Teil aus einer a- bzw. antireligiösen Haltung hergeleitet wird, sind die Übergänge dieser beiden Standpunkte fließend. Daneben bleibt mit guten Gründen jedoch auch die Deutungsmöglichkeit eines Spezialitätsverhältnisses zwischen Weltanschauung und Religion möglich. Bei dieser Auffassung tritt zum genus proximum (der mit der Person des Menschen verbundenen Gewissheit über bestimmte Aussagen zum Weltganzen sowie zur Herkunft und zum Ziel des menschlichen Lebens) für die Religion die differentia specifica des transzendentalen Bezugs hinzu. Religion wäre demzufolge ein Spezialfall der Weltanschauung mit transzendentalem Bezug.32 Dieses lässt sich vor allem vor dem Hintergrund der in der Rechtsprechung teilweise verwendeten Formulierung vertreten, dass es für die Definition der Weltanschauung nicht auf eine Einstellung zur Gottesfrage ankomme.33 Das Vorliegen einer Gottesvorstellung könnte demnach einer Einordnung als Weltanschauung auch nicht entgegen­stehen. Von den Vertretern dieser Auffassung wird zudem zur Begründung auf ein natürliches, der Alltagssprache entlehntes Begriffsverständnis von Weltanschauung abgestellt.34 Im Zuge der in jüngerer Zeit zunehmenden Diskussion zu Fragen des 30 BVerfG, Beschluss vom 8.11.1960, Az.: 1 BvR 59/56, BVerfGE S. 12, 1; vgl. ferner die in Fn. 16 genannten. 31 Mertesdorf, Weltanschauungsgemeinschaften, S. 88, 253 f. 32 In diesem Sinne v. Campenhausen in v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art.  137 WRV Rn.  298; Hufen, Staatsrecht II, § 22 Rn.  5; Isak, Selbstverständnis der Kirchen und Reli­ gionsgemeinschaften, S. 321 (29. These); Holzke, NVwZ 2002, S. 903 (904); Hess in Hess/­ Schlochauer, BetrVG, § 118 Rn. 68c; ähnlich auch: Starck in v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 4 Rn. 10. 33 Vgl. die angegebenen Verweise in Fn. 21 auf S. 31. 34 Vgl. Bleckmann, Staatsrecht II, S. 748. Vgl. ferner zum allgemeinen Sprachgebrauch die Ausführungen unter 2. Kapitel B. I. 1. a) aa).

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1. Kap.: Gegenwärtiger Stand der juristischen Diskussion

Art. 4 GG ist diese teilweise vertretende Auffassung, die vor allem eine differenzierte Auseinandersetzung mit den Rechtsbegriffen des Art. 4 GG einfordert, als im Vordringen begriffen einzuordnen. Schließlich lassen eine große Zahl von Autoren und Gerichtsentscheidungen das Verhältnis von Weltanschauung und Religion offen. Hierfür werden unterschied­ liche Erwägungen ins Feld geführt. Zum einen wird die Differenzierung anhand der oben aufgeführten Kriterien insgesamt abgelehnt,35 oder es werden deren praktische Konsequenzen negiert.36 Dies lässt sich als eine offene Alternativität37, oder aber als wahlweise Feststellung38 einordnen. Zum anderen betonen einige Autoren mit Blick auf die historische Entwicklung des Grundrechtsschutzes, dass der Begriff der Weltanschauung nicht als Gegensatz, sondern als gleichgeordnete Ergänzung des Begriffs der Religion,39 oder gar als Auffangbegriff zu sehen sei,40 der nunmehr die Abdeckung jedweder metaphysischen Überzeugung gewährleiste. Zusammenfassend kann demnach festgehalten werden, dass die Frage nach dem logischen Verhältnis der Begriffe von Weltanschauung und Religion nach Auswertung von Literatur und Rechtsprechung als weitgehend offen gelten muss. Im Rahmen der weiteren Untersuchung muss dieser abstrakten Fragestellung anhand der juristischen Auslegungsmethoden nachgegangen werden. Das logische Verhältnis der Begriffe wird dabei ggf. weiterführende Rückschlüsse auf Inhalt und Umfang der rechtlichen Gewährleistung ermöglichen. 3. Was bedeutet „Transzendenz“? Schwierigkeiten für die Abgrenzung der Begriffe von Weltanschauung und Religion ergeben sich vor allem aus der Schlüssigkeit und Akzeptanz der jeweiligen Abgrenzungskriterien. Selbstverständnis, Fixierung auf a- bzw. antireligiöse Einstellung und personale Gottesvorstellung sehen sich alle mehr oder weniger kritischen Würdigungen ausgesetzt. Das entscheidende Problem für die in der Theorie behauptete Möglichkeit einer Abgrenzung von Weltanschauung und Religion

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Muckel, Religiöse Freiheit und staatliche Letztentscheidung, S.  137; Guber, „Jugend­ religionen“, S. 13 ff.; Morlok in Dreier, GG, Art. 4 Rn. 54; Fleischer, Religionsbegriff, S. 151, 162 ff.; Muckel in Friauf/Höfling, GG, Art. 4 Rn. 15. 36 Jarass in Jarass/Pieroth, GG, Art. 4 Rn. 7; Morlok in Dreier, GG, Art. 4 Rn. 68; Heinig in evStL, Stw.: „Weltanschauung“, Sp. 2684; Jeand’Heur/Cremer, JuS 2000, S. 991 (993). Vgl. ferner die Darstellung zu den praktischen Konsequenzen einer Differenzierung ab S. 39. 37 BVerwG, Urteil vom 15.12.2005, Az.: 7 C 20/04, DVBl 2006, S. 387 (388); OVG Hamburg, Urteil vom 17.6.2004, Az.: 1 Bf 198/00, NordÖR 2005, S. 23 ff. 38 Auf Basis des Selbstverständnisses: Muckel in Friauf/Höfling, GG, Art.  4 Rn.  15 a. E.; BVerfG, Beschluss vom 26.6.2002, Az.: 1 BvR 670/91, BVerfGE 105, S. 279 (293). 39 Hollerbach, Artikel „Weltanschauungsgemeinschaften“, in StL, Bd. 5, Sp. 927 f.; ders. in HbdStR, § 138 Rn. 137. 40 Kirchhof in HbdStKirchR, Bd. 1, S. 681; Reimer, Art. „Weltanschauungsgemeinschaften“ in evStL, 3. Aufl., Sp. 3963.

A. Abgrenzung von Weltanschauung und Religion

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bezieht sich jedoch auf den Begriff der Transzendenz und seine Bedeutung als Hauptansatz der bisherigen juristischen Abgrenzung von Religion und Welt­ anschauung. Als theologisch philosophischer Terminus weist „Transzendenz“ die Schwierigkeit auf, aus juristischer Sicht jedenfalls ohne weiteres Hinterfragen und nähere Erklärung des Begriffs, nicht unmittelbar subsumptionsfähig zu sein. Bei den unterschiedlichen Versuchen einer näheren Begriffskonkretisierung setzt daher auch hier beachtliche Kritik aus der Literatur an: Die von der Rechtswissenschaft entwickelte Abgrenzung anhand der Kriterien der Immanenz und der Transzendenz tauge nicht mehr zu einer trennscharfen Abgrenzung von Weltanschauung und Religion, da diese Begriffe in der Theologie selbst hinterfragt würden. So seien theologische Konzepte entwickelt worden, die das menschliche Leben auf rein Innerweltliches verweisen würde und auf eine Synthese von Immanenz und Transzendenz abzielten.41 Eine Unterscheidung anhand der Kriterien „Immanenz“ und „Transzendenz“ wird daher grundsätzlich in Frage gestellt,42 zumindest aber als problematisch erachtet.43 Nicht nur in der wissenschaftlichen Theorie, auch anhand der vorliegenden praktischen Einordnungsversuche von Glaubensrichtungen als Weltanschauung oder Religion wird diese Problemstellung transparent.44 So haben einzelne Gemeinschaften zwar dem Grundsatz nach einen immanenten Erklärungsansatz ihres metaphysischen Gedankenkomplexes, dieser weist aber in einzelnen Punkten transzendentale Züge auf. Als instruktives Beispiel sei für die Schwierigkeiten der Abgrenzung anhand der Kriterien der Immanenz und der Transzendenz auf die Anthroposophie nach der Lehre von Rudolf Steiner verwiesen. Dieser ist einerseits eine immanente Welterklärungssicht zu eigen, die ihren Ausdruck in der zentralen Stellung des Menschen findet, der sich die Bedeutung seiner Stellung in der Welt über Wissen, nicht über Glauben erschließt, obgleich sich die gewonnene Erkenntnis nicht nur auf die physikalische Welt bezieht. Einen weiteren Aspekt der anthroposo­phischen Lehre bilden jedoch ihre Aussagen zu Christus als dem Wendepunkt für die Geschichte der Welt und der Menschheit, sowie die Vorstellung von Reinkarnation.45 Zutreffend werden in dieser Lehre daher sowohl immanente und transzendente Aspekte erkannt, dennoch wird die ­Anthroposophie fast ausnahmslos als Weltanschauung eingeordnet.46



41



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Obermayer in BK (Zweitbearbeitung), GG, Art. 140 Rn. 42. Muckel in Friauf/Höfling, GG, Art. 4 Rn. 15. 43 Morlok in Dreier, GG, Art. 137 WRV, Rn. 122. 44 Verwiesen sei hierbei nur auf die umfangreichen systematischen Darstellungen zur Einordnung verschiedener Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften bei Spieldiener, Weltanschauung, Kapitel 1, S. 3 ff. und S. 331 ff., sowie bei Mertesdorf, Weltanschauungsgemeinschaften, Kapitel 3, S. 256 ff. 45 Scherer in Lexikon der Sekten, Sondergruppen und Weltanschauungen, Sp. 52 ff., Stw.: „Anthroposophie“. 46 Mertesdorf, Weltanschauungsgemeinschaften, S. 264 (Fn. 51) m. w. N.

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1. Kap.: Gegenwärtiger Stand der juristischen Diskussion

Als Gegenbeispiel mag der Buddhismus dienen. Auch dieser kennt die Konzepte der Reinkarnation und des Karmas, sowie das Streben nach höherer Erkenntnis, um als Erlösungsziel den Zustand des Nirwanas zu erreichen und den Kreislauf der Reinkarnation zu durchbrechen. Die Vorstellung einer personifizierten Göttlichkeit ist dem Buddhismus hingegen fremd. Allgemein wird der Buddhismus gleichwohl als (Welt-) Religion angesehen.47 Nur vereinzelt wird der Buddhismus als Weltanschauung eingeordnet.48

Dieses Problem setzt zu seiner Lösung entweder eine gewichtende Entscheidung voraus,49 oder führt zu der (Wahl-) Feststellung eines „Sowohl – Als auch“50 bzw. eines „zumindest Weltanschauung, möglicherweise auch Religion“51, soweit eine Zuordnung trotz erkannter transzendentaler Bezüge nicht gänzlich offen gelassen wird,52 um sich nicht zur Frage der Einordnung als Religionsgemeinschaft positionieren zu müssen. Sofern wie einleitend beschrieben zum besseren Verständnis nähere Bestimmungen zur Umschreibung von Transzendenz gebraucht werden, sind diese der Kritik ausgesetzt, mitunter gerade keine wertneutralen Differenzierungskriterien zu sein. Die Forderung nach einer irgendwie gearteten (personalen) Gottesvor­ stellung53 sieht sich daher teilweise der Kritik ausgesetzt, dass der Glaube an einen Gott in vielen dem religiösen Spektrum zuzuordnenden Glaubensrichtungen, unter anderem dem Buddhismus, eine allenfalls untergeordnete Rolle spiele.54 Hierbei dürfte die Mehrzahl der Autoren gleichwohl die Umschreibung „Gott“ in

47



48

Mertesdorf, Weltanschauungsgemeinschaften, S. 283 f. (Fn. 167) m. w. N. Ebers, Staat und Kirche im neuen Deutschland, S. 170; Mayer, Wesen und Rechtsstellung der weltanschaulichen Gemeinschaften nach der Bayrischen Verfassung vom 2.12.1946, S. 14, 101; Mausbach, Kulturfragen in der deutschen Verfassung, S. 72; abwägend: Spieldiener, Weltanschauung, S.  333; Neureither, Recht und Freiheit im Staatskirchenrecht, S.  221 sieht daher auch die Abgrenzung anhand der Kriterien Immanenz und Transzendenz falsifiziert, da es dem Buddhismus an einem Jenseitsbezug fehle, will an ihnen aber weiter festhalten. Der ­Buddhismus sei vielmehr eine Religion, die als Anomalie die Grundregel der Abgrenzung bestätige. Apelt, Geschichte der Weimarer Verfassung, S. 329 sieht neben dem Buddhismus auch die „Mohammedaner“ als Weltanschauung. 49 Vgl. Spieldiener, Weltanschauung, S. 332 (u. a. für die anthroposophischen Gesellschaften). 50 Spieldiener, Weltanschauung, S. 331 ff. (u. a. für die Gemeinschaften: „Kirchen der Christlichen Wissenschaft“, „Hirt und Herde“, „Christengemeinschaft“, „Neu-Salem-Gesellschaft“); Vgl. auch Bergmann in Hömig, GG, Art. 4 Rn. 5. 51 Für die Rajneesh Chandra Mohan (Osho)-Bewegung: OVG NRW, Urteil vom 22.5.1990, Az.: 5 A 1223/86, KirchE 28, S. 106 ff.; insoweit bestätigend BVerfG, Beschluss vom 26.6.2002, Az.: 1 BvR 670/91, BVerfGE 105, S. 279 (293). 52 So z. B. OVG Hamburg, Urteil vom 17.6.2004, Az.: 1 Bf 198/00, NordÖR 2005, S. 23 ff. (Scientology); bestätigt durch BVerwG, Urteil vom 15.12.2005, Az.: 7 C 20/04, DVBl 2006, S. 387 (388); Muckel, Religiöse Freiheit und staatliche Letztentscheidung, S. 138 (für OshoBewegung und Vereinigungskirche – sog. „Mun-Sekte“). 53 Preuß in AK, GG, Art. 4 Abs. 1, 2 Rn. 14; Kokott in Sachs, GG, Art. 4 Rn. 19; Veelken, Das Verbot der Weltanschauungs- und Religionsgemeinschaften, S. 41 m. w. N. 54 Preuß in AK, GG, Art. 4 Abs. 1, 2 Rn. 14; ferner Holzke, NVwZ 2002, S. 903 (S. 906 Fn. 33) m. w. N.

A. Abgrenzung von Weltanschauung und Religion

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ihren Texten nur zur Illustration eines notwendigen transzendentalen Kernbestandes einer Religion gebrauchen und nur in den wenigsten Fällen tatsächlich eine personale Gottesvorstellung fordern.55 Sofern zur Charakterisierung transzendentaler Aspekte auf vorhandene Kulthandlungen abgestellt wird,56 ist anzumerken, dass wohl überwiegend auch kultische Handlungen im Sinne eines exercitium religionis nicht für eine Religionsgemeinschaft vorausgesetzt werden. Es genüge vielmehr ein irgendwie gearteter innerer Zusammenhalt, der sich nicht aus gemeinsamen kultischen Handlungen ergeben müsse.57 Mithin kann aus dem Fehlen von Kulthandlungen nicht auf das Fehlen hinreichender transzendentaler Bezüge geschlossen werden. Auch der Offenbarungscharakter,58 oder Vorstellungen zum Jenseits59 als Merkmale der Transzendenz stünden keineswegs gleichsam im Zentrum aller Religionen.60 In der gerichtlichen Praxis wird aufgrund der Schwierigkeiten der Abgrenzung überwiegend auf eine Stellungnahme verzichtet und auf die Begriffe der Religion und der Weltanschauung in Zweifelsfällen gemeinsam zurückgegriffen.61 Teilweise gehen sogar Gerichte davon aus, dass eine Unterscheidung der Begriffe der Immanenz und der Transzendenz nicht mehr möglich sei.62 Mit dem Bundesverwaltungsgericht wenden andere Gerichte die Unterscheidung in Immanenz und Transzendenz jedoch weiterhin an und bringen damit zum Ausdruck, dass eine Unterscheidung zwar schwierig sein mag, aber weiterhin möglich sei.63 Diese Auffassung wird auch überwiegend in der mit dieser Problematik befassten Literatur aufgegriffen und bestätigt.64 Anhand welcher näheren Kriterien die Bestimmung eines, für Religion hinreichenden, transzendentalen Bezuges erfolgen soll, bleibt indessen auch in diesen Stellungnahmen weitgehend offen. Es bleibt insoweit bei

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Vgl. insoweit Herzog in MD, GG, Art. 4 Rn. 66, der Gottesvorstellung zwar im Fettdruck hervorhebt, sodann aber eine metaphysische Vorstellung genügen lässt. 56 v.  Campenhausen, ZevKR 25, S.  135, 152; Mikat in Bettermann/Nipperdey/Scheuner, S. 149; ähnlich: Mager in v. Münch/Kunig, GG, Art. 4 Rn. 55, 60; Stein in Wendeling-Schröder/Stein, AGG, § 1 Rn. 33, 37 unter Hinweis auf sozialwissenschaftliche Beschreibungen. 57 Isak, Selbstverständnis der Kirchen und Religionsgemeinschaften, S. 283; Veelken, Das Verbot der Weltanschauungs- und Religionsgemeinschaften, S. 76. 58 Bleckmann, Staatsrecht II, S. 748f; Thüsing in Richardi, BetrVG, § 118 Rn. 210; Marhold in AR-Blattei, SD 1570 Rn. 183 f. 59 Mertesdorf, Weltanschauungsgemeinschaften, S. 253; Neureither, Recht und Freiheit im Staatskirchenrecht, S. 220. 60 Preuß in AK, GG, Art. 4 Abs. 1, 2 Rn. 14. 61 Tillmanns, Jura 2004, S. 619 (621) m. w. N. unter Hinweis auf BVerfGE 105, S. 279 (293). 62 BFH, Urteil vom 23.9.1999, Az.: XI R 66/98, BFHE 190, S. 278 = NVwZ 2000, S. 967; ähnlich: VG Potsdam, Vorlagebeschluss vom 22.8.2003, Az.: 12 K 2130/01, NJW 2004, S. 123. 63 BVerwG, Urteil vom 14.11.1980, Az.: 8 C 12/79, BVerwGE 61, S. 152 ff. = NJW 1981, S. 1460 ff. 64 Mertesdorf, Weltanschauungsgemeinschaften, S. 88; Isak, Selbstverständnis der Kirchen und Religionsgemeinschaften, S. 32; ähnlich Wilms in FS Maurer, S. 506 der explizit von einer Abgrenzbarkeit ausgeht, jedoch einen abweichenden Ansatz zur Unterscheidung wählt; a. A. Muckel, Religiöse Freiheit und staatliche Letztentscheidung, S. 137.

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1. Kap.: Gegenwärtiger Stand der juristischen Diskussion

der bereits eingangs getroffenen Feststellung, dass unabhängig von weiteren Voraussetzungen jede Orientierung an einer transzendentalen Wirklichkeit, die sich mit den letzten Fragen nach Ursprung, Sinn und Ziel des menschlichen Lebens befasse, rechtlich jedenfalls als Religion zu bewerten sei.65 In der weiteren Untersuchung müssen gleichwohl die vorgefundenen Abgrenzungskriterien und Interpretationen des Begriffs „transzendent“ noch bewertet werden. Darüber hinaus kann durch die Entwicklung weiterer Kriterien am Erhalt und der Sicherung, der durch das Bundesverwaltungsgericht postulierten Unterscheidungsmöglichkeit mitgewirkt werden.

III. Konsequenzen einer Differenzierung Ausgehend von der kontroversen Beantwortung der Frage nach der grundsätzlichen Möglichkeit Weltanschauung und Religion zu unterscheiden, stellt sich für die Autoren und Gerichte, welche von einer Unterscheidbarkeit ausgehen, sodann die praktisch wesentlich bedeutsamere Frage nach den rechtlichen Konsequenzen der begrifflichen Differenzierung. Hierbei lässt sich eine erhebliche Divergenz zwischen den überwiegenden Stellungnahmen in der Literatur (1.) und einzelnen Entscheidungen in der gerichtlichen Praxis feststellen (2.), welche angesichts aktueller Entwicklungen in der Bundesgesetzgebung voraussichtlich auch künftig erhebliche Bedeutung haben werden (3.). 1. Streitstand in der Literatur In der verfassungsrechtlichen Literatur werden Konsequenzen aus der begrifflichen Differenzierung überwiegend abgelehnt.66 Hierbei wird zum einen erneut auf die erheblichen tatsächlichen Schwierigkeiten bei der begrifflichen Abgrenzung abgestellt,67 die für den bekenntnisneutralen Staat angesichts der vorhandenen Annäherungen keine Differenzierung mehr zulasse.68 Zum anderen treten eine Vielzahl von Autoren auch aus rechtlicher Sicht für eine Gleichbehandlung von

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Vgl. Isak, Selbstverständnis der Kirchen und Religionsgemeinschaften, S. 321. Preuß in AK, GG, Art.  4 Abs.  1, 2 Rn.  14; Morlok in Dreier, GG, Art.  4 Rn.  54 und Art. 137 WRV Rn. 126; Kokott in Sachs, GG, Art. 4 Rn. 22; Obermayer in BK (Zweitbearbeitung), GG, Art. 140, Rn. 42; v. Campenhausen in HbdStR, § 136 Rn. 43; ders. in v. Mangoldt/ Klein/Starck, Art. 137 WRV Rn. 297; Korioth in MD, GG, Art 140/136 WRV Rn. 33. Ähnlich: Fleischer, Religionsbegriff, S. 162 ff. 67 Ehlers in Sachs, GG, Art. 140/137 WRV Rn. 37; Morlok in Dreier, GG, Art. 4 Rn. 54; ­Korioth in MD, GG, Art 140/136 WRV Rn. 33; Muckel in Friauf/Höfling, GG, Art. 4 Rn. 15. 68 Obermayer in BK (Zweitbearbeitung), GG, Art. 140, Rn. 42; Fleischer, Religionsbegriff, S. 151, 161 – der gleichwohl auf S. 164 f. für Art. 7 Abs. 3 GG die Notwendigkeit einer Differenzierung sieht und unterschiedliche Behandlungen als Sonderfälle in traditionell geprägten Bereichen unter engen Voraussetzungen zulassen will.

A. Abgrenzung von Weltanschauung und Religion

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Weltanschauung und Religion ein.69 Zur Begründung wird hierbei überwiegend auf die Gleichstellung der Begriffe in Art. 4 Abs. 1, 2 GG, die Gleichstellungsnorm des Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 7 WRV, das Differenzierungsverbot des Art. 3 Abs. 3 GG, sowie den besonderen Gleichheitssatz in Art. 33 Abs. 3 GG verwiesen, die aus Rechtsgründen bereits praktische Konsequenzen einer Differenzierung von Weltanschauung und Religion verbieten würden.70 Beachtlich sind dabei jedoch der Gebrauch einer Vielzahl von relativierenden Formulierungen und die Tatsache, dass auch einige der Autoren, die für eine Gleichbehandlung plädieren, in Ausnahmefällen Abweichungen hiervon zulassen wollen.71 Einige Stimmen in der Literatur plädieren daher offen für eine Abkehr vom Dogma der Gleichbehandlung und stellen für verschiedene Anwendungsbereiche eine differenzierte Behandlung von Weltanschauung und Religion heraus, da der Staat gestützt auf die unterschiedlichen Rechtsbegriffe zumindest dort eine unterschiedliche Position einnehmen könne oder müsse, wo diese Rechtsbegriffe unterschiedliche Verhältnisse von Religion und Weltanschauung reflektierten.72 So wird gegen eine erweiterte Anwendbarkeit von Art.  4 Abs.  2  GG auf die Weltanschauungsfreiheit als Folge eines vermeintlich einheitlichen Schutzbereiches des Art.  4  GG73 von mehreren Autoren auf die explizite sprachliche und

69 Kokott in Sachs, GG, Art. 4 Rn. 22; Morlok in Dreier, GG, Art. 4 Rn. 54; Preuß in AK, GG, Art. 4 Abs. 1, 2 Rn. 14; Heinig in evStL, „Weltanschauung“, Sp. 2684 („Axiom umfassender rechtlicher Gleichstellung“); Korioth in MD, GG, Art 140/136 WRV Rn. 33, 103 („weitgehende Gleichstellung“); Ehlers in Sachs, GG, Art. 140/137 WRV Rn. 37 („kann wegen der Gleichstellung aber in der Regel auf sich beruhen“); ebenso: v. Campenhausen in HbdStR, § 136 Rn. 43, ders. in v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 137 WRV Rn. 297; Ähnlich: Jarass in Jarass/Pieroth, GG, Art. 4 Rn. 31; Art. 140/137 WRV Rn. 3 der für eine weitgehende Gleich­ behandlung eintritt, einzelne Ungleichbehandlungen jedoch aufgrund (gesetzlich typisierend betrachteter) unterschiedlicher Aktivitäten von Weltanschauungs- und Religionsgemeinschaften, sowie andere tatsächliche Umstände zulassen will. 70 Morlok in Dreier, GG, Art. 137 WRV Rn. 126; v. Campenhausen in v. Mangoldt/Klein/ Starck, GG, Art. 137 WRV Rn. 298; Heinig in evStL, „Weltanschauung“, Sp. 2684. Ähnlich: Fleischer, Religionsbegriff, S. 162 ff.; Jarass in Jarass/Pieroth, GG, Art. 140/137 WRV Rn. 3. Für Art. 4 Abs. 1, 2 GG: Bergmann in Hömig, GG, Rn. 8. 71 Vgl. Fn. 69. Ferner: Heinig in evStL, „Weltanschauung“, Sp. 2684 welcher gesetzliche Differenzierungen in dem Maße zulassen will, wie sie auch zwischen Religionsgemeinschaften möglich seien; Ehlers, Diskussionsbeitrag zum Vortrag von Müller-Volbehr „Die sogenannten Jugendreligionen und die Grenzen der Religionsfreiheit“ abgedruckt in Essener Gespräche, Bd. 19 (1985), S. 162, (als Stellungnahme zum Beitrag von Isensee) „Die Weltanschauungsgemeinschaften sind zwar nicht in jeder Hinsicht, nach Art. 137 Abs. 7 WRV, wohl aber prinzi­ piell den Religionsgemeinschaften gleichzustellen.“ 72 Badura, Schutz von Religion und Weltanschauung, S. 36. 73 So aber die st. Rsp. des BVerfG, welches sich in BVerfGE 24, S. 236 (245 f.) explizit für die Ausweitung des Art. 4 Abs. 2 GG auch auf atheistische Feiern ausspricht. Muckel in Friauf/ Höfling, GG, Art. 4 Rn. 28 sieht dies hingegen schon als Konsequenz der behaupteten fehlender Abgrenzungsmöglichkeit. Vgl. ferner Tillmanns, Jura 2004, S. 619 (620) Fn. 21 m. w. N. zu zustimmenden Stellungnahmen in der Lit.

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1. Kap.: Gegenwärtiger Stand der juristischen Diskussion

systematische sowie genealogisch-historische Differenzierung verwiesen.74 Religionsausübung sei gerade eine Hinwendung zum Transzendenten, um seiner selbst willen, an der es Weltanschauungsgemeinschaften aufgrund der anwendbaren Abgrenzungskriterien begriffsnotwendig fehle.75 Weltanschauungen bedürften demnach keinen kultischen Handlungen, da sie nicht auf die Verehrung des Transzendenten ausgerichtet seien. Nur vereinzelt wird demgegenüber auch angesprochen, dass sich aus der textlichen Differenzierung ebenso eine geringere Schutzwürdigkeit der ungestörten Ausübung einer Weltanschauung ableiten ließe.76 Zu Art. 7 Abs. 3 GG ist umstritten, ob die Erteilung von Religionsunterricht als ordentliches Lehrfach an öffentlichen Schulen von Verfassungswegen für Weltanschauungsgemeinschaften auch das Recht umfasse, einen Weltanschauungs­ unterricht zu erteilen. Gegen die Einbeziehung von Weltanschauungsunterricht in Art. 7 Abs. 3 GG spricht die systematische Differenzierung des Grundgesetzes zwischen „Weltanschauung“ und „Religion“ und die explizite Erwähnung der Weltanschauungsschule in Art.  7  Abs.  5  GG, der eine Ausnahmeregelung zu Abs.  3 darstellt. Teilweise wird daher in Art.  7 Abs.  3  GG eine Ausnahme von dem Grundsatz der Gleichbehandlung von Weltanschauung und Religion gesehen.77 Darüber hinaus sei Art. 7 Abs. 3 GG gegenüber Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs.  7 WRV sowohl die speziellere,78 als auch die jüngere Rechtsregel.79 Auch Art. 7 Abs. 3 GG legitimiere daher Konsequenzen einer Differenzierung von Weltanschauung und Religion. 74 Mager in v. Münch/Kunig, GG, Art. 4 Rn. 60; Zippelius in BK (Drittbearbeitung), GG, Art. 4 Rn. 103; Starck in v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 4 Rn. 58; Kästner, JZ 1998, S. 974 (979); vgl. Isensee, als Diskussionsbeitrag zum Vortrag von Müller-Volbehr „Die sogenannten Jugendreligionen und die Grenzen der Religionsfreiheit“ abgedruckt in Essener Gespräche, Bd. 19 (1985), S. 161; ähnlich: Preuß in AK, GG, Art. 4 Abs. 1, 2 Rn. 12a, der aber für eine entsprechende Ausdehnung des Abs. 1 zugunsten von Weltanschauungen eintritt. Fehlau, JuS 1993, S. 441 (446) regt im Rahmen der Ausgestaltung einer Schranken zu Art. 4 Abs. 2 GG daher eine textliche Einbeziehung der Weltanschauungsfreiheit an. 75 Mager in v. Münch/Kunig, GG, Art. 4 Rn. 60. Weiter hingegen: Starck in v. Mangoldt/ Klein/Starck, GG, Art. 4 Rn. 58, der ferner den Schutzbereich des Art. 4 Abs. 2 GG über die reine Verehrung des Transzendenten hinaus aber auch auf Begräbnisse, Sammeln von Altmaterial und Krankenpflege aus karitativen Zwecken erstrecken will. Das Fehlen von Ritualen und Zeremonien nimmt auch Stein in Wendeling-Schröder/Stein, AGG, § 1 Rn. 33, 37 unter Hinweis auf sozialwissenschaftliche Beschreibungen als konstitutiv für Weltanschauungen an. 76 Wilms in FS Maurer, S. 493. 77 Starck in v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 4 Rn. 19; Fleischer, Religionsbegriff, S. 164; Janz, LKV 2004, S. 356 f.; Hanßen, LKV 2003, S. 153 (156f); Janz, LKV 2006, S. 208 (209); Heun, ZRG, Kanonistische Abteilung 86 Bd. 117 (2000), S. 334 (361 Fn. 176); Fischer, FR 2000, S.  566 (569), der Art.  7 Abs.  3  GG eine Differenzierung zwischen Abwehrrecht und Recht auf staatliche Förderung entnehmen will; a. A. i. E. M. Heckel in FS 50 Jahre BVerfG, S. 396 Fn. 64, der aber zumindest prima facie hier die Möglichkeit einer abweichenden Rechtsfolge aufgrund der Unterscheidung zwischen Weltanschauung und Religion anerkennt. 78 Janz, LKV 2004, S. 356 (357). 79 Starck in v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 4 Rn. 19 (a. A.: Robbers, Art. 7 Rn. 152 und v. Campenhausen, Art. 137 WRV Rn. 298 – ebenfalls in v. Mangoldt/Klein/Starck).

A. Abgrenzung von Weltanschauung und Religion

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Schließlich und in Konsequenz der textlichen Ungleichbehandlungen im Grundgesetz ist auch der Umfang der Gleichstellung der Weltanschauungsgemeinschaften mit den Religionsgemeinschaften durch Art. 140 GG i. V. m. 137 Abs. 7 WRV umstritten. So wird zum Teil eine Ausdehnung des Anwendungsbereiches über den Art. 137 WRV hinaus aus systematischen Erwägungen abgelehnt.80 Andere Autoren wollen die Gleichstellung auf alle Artikel der WRV, nicht jedoch darüber hinaus erstreckt sehen.81 Dieses hat entscheidende Auswirkungen für die Auslegung der Artikel 136, 138 und 141 WRV, welche textlich nur die Religionsfreiheit bzw. die Religionsgesellschaften ansprechen. Für die weitere Untersuchung muss daher die Frage nach einer zwingenden rechtlichen Gleichbehandlung von Weltanschauung und Religion gestellt werden. 2. Streitstand in der Rechtsprechung Zeigen sich die differenzierenden Ansichten in der Literatur vor allem anhand der Auslegung von Verfassungsnormen, die textlich eine unterschiedliche Behandlung von Weltanschauung und Religion suggerieren, so tritt die Frage der Abgrenzung von Weltanschauung und Religion in der gerichtlichen Praxis bislang anhand der Auslegung einfacher Rechtsnormen zu Tage. Wie einleitend bereits aufgeführt wurde,82 lassen sich bei den einfachen Gesetzen solche von zweierlei Typus unterscheiden: Zunächst gibt es die Gesetze, welche sowohl „Weltanschauung“ als auch „Religion“ im Tatbestand einer Norm aufführen. Daneben solche, welche nur das Merkmal „Religion“ kennen. Entscheidungserheblich wird die Frage nach der Abgrenzung von Weltanschauung und Religion, bzw. die Frage nach einer verfassungsrechtlich gebotenen Gleichbehandlung nur im zweiten Fall. Aussagen zu Gesetzen, die sowohl „Religion“ als auch „Weltanschauung“ erfassen, sind demnach nur für die Abgrenzung beider Begriffe gegenüber anderen Erscheinungs­ formen ergiebig. Im Folgenden sollen daher zunächst Entscheidungen aus vier Bereichen vor­ gestellt werden, bei denen eine Abgrenzung zwischen Religion und Weltanschauung erheblich wurde. Angesichts der Fülle rechtlicher Normen ist nicht auszuschließen, dass weitere Fälle entschieden wurden. Festzuhalten bleibt indes, dass der Gesetzgeber bislang nur in wenigen Fällen auf eine textliche Einbeziehung der Weltanschauung bewusst verzichtet hat. Gleichwohl kommt die Rechtsprechung bereits in den bislang bekannt gewordenen Fällen zu unterschiedlichen Auffassungen hinsichtlich der Möglichkeit und den Konsequenzen einer Differenzierung zwischen „Weltanschauung“ und „Religion“.

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Mager in v. Münch/Kunig, GG, Art. 4 Rn. 60. Maunz in MD, GG, Art. 140 GG/ Art. 137 WRV Rn. 54 (Erstbearbeitung); Weber in GKBetrVG, § 118 Rn. 221; ähnlich: v. Campenhausen in v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 137 WRV, Rn. 300 – für weiteren Anwendungsbereich vgl. aber auch Rn. 298 (s. o. in Fn. 79 auf S. 40). 82 Vgl. 1. Kapitel A. I.

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1. Kap.: Gegenwärtiger Stand der juristischen Diskussion

a) Geistlichenprivileg im Wehrrecht (§ 11 Abs. 1 Nr. 3 WPflG) Mit seiner Entscheidung vom 14.11.1980 zum Geistlichenprivileg im Wehrrecht hat das Bundesverwaltungsgericht eine in verschiedener Hinsicht bemerkenswerte Entscheidung getroffen.83 Zunächst wurde in dieser Entscheidung die später in ständiger Rechtsprechung aufgegriffene Formel der Abgrenzung von „Weltanschauung“ und „Religion“ anhand der Kriterien der Immanenz und Transzendenz erstmals verwendet. Inhaltlich hatte das Bundesverwaltungsgericht zu entscheiden, ob ein Angehöriger der Gruppe Scientology als „Geistlicher“ vom Wehrdienst gemäß § 11 Abs. 1Nr. 3 WPflG befreit bzw. entsprechend § 12 Abs. 2 WPflG zunächst vom Wehrdienst zurückgestellt werden könne. In diesem Zusammenhang kam es dann zu Konsequenzen aus der Unterscheidung zwischen „Weltanschauung“ und „Religion“. Das VG Darmstadt hatte in der Ausgangsentscheidung84 vertreten, dass im Lichte der in Art. 4 Abs. 1 GG gewährleisteten Freiheit des Glaubens und des religiösen Bekenntnisses der Bekenntnisbegriff in § 11 Abs. 1 Nr. 3 WPflG so weit auszulegen sei, dass er alle durch Art. 4 Abs. 1 GG geschützten Glaubensinhalte und Bekenntnisformen umfasse. Demnach fände § 11 Abs. 1 Nr. 3 WPflG nicht nur auf religiöse Bekenntnisse, sondern auch auf Weltanschauungsgemeinschaften Anwendung. Eine Überprüfung, ob es sich bei Scientology um eine Weltanschauungsgemeinschaft oder eine Religion handelt, konnte demnach offen gelassen werden. Das VG Darmstadt nahm somit im Ergebnis einen auf § 11 Abs. 1 Nr. 3 WPflG ausstrahlenden Gleichbehandlungsgrundsatz aus Art. 4 Abs. 1, 2 GG an. Zu dieser Feststellung nimmt das Bundesverwaltungsgericht umfassend Stellung und kommt nach erfolgter Auslegung zu dem Ergebnis, dass es rechtsfehler­ haft gewesen sei, nicht zwischen Religion und Weltanschauung zu unterscheiden, da § 11 Abs. 1 Nr. 3 WPflG Weltanschauungsgemeinschaften nicht erfasse. Eine entsprechende Ausstrahlungswirkung von Art. 4 Abs. 1, 2 GG bestehe demnach nicht. Wörtlich heißt es in der entscheidenden Passage zur Gleichbehandlung: „[…] Die wiedergegebene Auslegung des § 11 Abs. 1 Nr. 3 WPflG und insbesondere der Ausschluß der Weltanschauungsgemeinschaften von seiner Anwendung (und infolgedessen der des § 12 Abs. 2 WPflG) begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Wie sich aus Obigem ergibt, bestimmt sich das nicht nach Art. 4 Abs. 1 und 2 GG, über den § 11 Abs. 1 Nrn. 1 bis 3 WPflG wie dargelegt hinausgeht. Maßgebend für die Beurteilung sind insofern vielmehr Art. 140 GG in Verbindung mit Art. 137 Abs. 7 Satz 1 WRV, wonach den Religionsgesellschaften die Vereinigungen gleichgestellt werden, die sich die gemeinschaftliche Pflege einer Weltanschauung zur Aufgabe machen, und das Gleichheitsgebot des Art. 3 GG. Die Beschränkung der gesetzlichen Regelung auf religiöse Bekenntnisse hält sich im Rahmen des nach diesem Maßstab Zulässigen. […]“ [Hervorhebungen nicht im Original].

83 BVerwG, Urteil vom 14.11.1980, Az.: 8 C 12/79, BVerwGE 61, S. 152 ff. = NJW 1981, S. 1460 ff. 84 VG Darmstadt, Urteil vom 14.12.1978, Az.: I E 418/78, NJW 1979, S. 1056 f.

A. Abgrenzung von Weltanschauung und Religion

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Obgleich die Entscheidung vereinzelt geblieben ist, und das Bundesverwaltungsgericht später in einem obiter dictum von einer Gleichbehandlung von Weltanschauung und Religion im Wehrrecht ausgeht,85 stellte das Bundesverwaltungsgericht hierdurch erstmals bei einer entscheidungserheblichen Frage eine Ungleichbehandlung von Weltanschauung und Religion fest. Ob neben der Ausgrenzung der Weltanschauungsgemeinschaften weitere Erwägungen für die Ablehnung mitentscheidend gewesen waren, lässt sich der Entscheidung hingegen nicht direkt entnehmen. Für die erneute Verhandlung vor dem VG Darmstadt mahnt das Bundesverwaltungsgericht aber an mehreren Stellen die Überprüfung der Vergleichbarkeit der ausgeübten bzw. angestrebten Ämter mit denen im Sinne des § 11 Abs. 1 Nr. 3 WPflG an. In der Folgeentscheidung86 auf erneute Revision hin hielt das Bundesverwaltungsgericht sodann aber an seiner Entscheidung fest. Unter anderem hält es das Urteil des VG Darmstadt mit der Begründung aufrecht, dass die Feststellung, Scientology sei kein (religiöses) Bekenntnis im Sinne des § 11 Abs. 1 Nr. 3 WPflG, nicht beanstandet werden könne. Wörtlich heißt es: „Der Kläger macht geltend, daß Scientology unter die in Nr. 3 angesprochenen „anderen Bekenntnisse“ falle. Dem ist das Verwaltungsgericht nicht gefolgt. Die dafür gegebene Begründung hält der revisionsgerichtlichen Nachprüfung stand. […] Ebensowenig kann aber zweifelhaft sein, daß das Verwaltungsgericht im jetzt angefochtenen Urteil einschlägige tatsächliche Feststellungen getroffen hat, die zu treffen es in seinem ersten Urteil keinen Anlaß hatte, weil es damals von einer anderen – den Bekenntnisbegriff in § 11 Abs. 1 Nr. 3 WPflG weiter auslegenden – Rechtsauffassung ausging.“

In der Literatur87 und der Rechtsprechung88 wurde das Urteil im Folgenden auch dahingehend aufgenommen und interpretiert, dass das Bundesverwaltungsgericht die begehrte Begünstigung versagt habe, weil sich Weltanschauungsgemeinschaften im Gegensatz zu Religionsgemeinschaften nicht auf das Geistlichenprivileg des § 11 Abs. 1 Nr. 3 WPflG (entspricht: § 10 Abs. 1 Nr. 3 ZDG) berufen könnten. Auch soweit andere Senate des Bundesverwaltungsgericht in späteren Entscheidungen außerhalb des WPflG die Unterscheidung von Weltanschauung und Religion anhand der Kriterien von Immanenz und Transzendenz aufgriffen, jedoch von einer Gleichbehandlung von Weltanschauung und Religion ausgingen,89 wurde die Rechtsprechung zu § 11 Abs. 1 Nr. 3 WPflG weder explizit aufgegeben, noch war sie in einer mit den beiden obigen Urteilen vergleichbaren Weise entscheidungs 85 BVerwG, Urteil vom 7.7.2004, Az.: 6 C 17/2003, NJW 2005 S. 85 (88) (zu § 29 Abs. 1 Nr. 6 WPflG). 86 BVerwG, Urteil vom 25.5.1984, Az.: 8 C 108/82, NJW 1985 S. 393 ff. 87 Zustimmende Besprechung bei Müller-Volbehr, JuS 1981, S. 728 (729); das Ergebnis ablehnend hingegen Besprechung von Kopp, NVwZ 1982, S.  178 (179); v.  Campenhausen in v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 137 WRV, Rn. 298; ferner die praktischen Konsequenzen des Urteils darstellend u. a. Neureither, Recht und Freiheit im Staatskirchenrecht, S. 231. 88 LAG Hamm, Beschluss vom 17.5.2002, Az.: 10 TaBV 140/01; NZA-RR 2002, S. 625 = KirchE 40 (2002), S. 282. 89 BVerwG, Urteil vom 27.3.1992, Az.: 7 C 21/90, BVerwGE 90, S. 112; BVerwG, Urteil vom 19.2.1992, Az.: 6 C 3/91, BVerwGE 90, S. 1 (4).

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1. Kap.: Gegenwärtiger Stand der juristischen Diskussion

erheblich. Auch trotz jüngster Änderungen im Wehrrecht, bei der die Gleichstellung von Weltanschauung und Religion in das Soldatengesetz explizit eingeführt wurde, hat der Gesetzgeber auf eine Klarstellung in § 11 Abs. 1 Nr. 3 WPflG verzichtet.90 Mit der Literatur ist daher grundsätzlich von einer weiteren Anwendbarkeit dieser Entscheidung auszugehen.91 b) Berechtigung zur Ausstellung von Spendenquittungen für die Verfolgung weltanschaulicher Zwecke (§ 52 Abs. 2 AO) Im Urteil vom 23.09.199992 hatte sich der Bundesfinanzhof mit der Frage auseinanderzusetzen, ob ein humanistischer Verein, der sich nach seiner Satzung als Weltanschauungsgemeinschaft bezeichnet, berechtigt ist Spendenquittungen für die Förderung von weltanschaulichen Zwecken gemäß § 10b Abs. 1 Satz 1 EStG i. V. m. § 52 Abs. 2 AO auszustellen. Problematisch ist hierbei, dass die Regelbeispiele93 des § 52 Abs. 2 AO als steuerlich begünstigenden Zweck nur die Förderung von Religion ausweist, textlich Weltanschauungen jedoch nicht erfasst. In der Ausgangsentscheidung hatte es das FG Berlin94 ausdrücklich offen gelassen, ob § 10b Abs.  1  EStG mit der Verfassung zu vereinbaren ist und demnach gemäß Art.  100  Abs.  1  GG die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes herbeizuführen wäre. Das Gericht wies jedoch unter Bezugnahme auf frühere BFH Entscheidungen darauf hin, dass weltanschauliche Zwecke wohl nicht von der Regelung erfasst wären. Die Entscheidung, ob Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 7 WRV eine zwingende Gleichstellung von Weltanschauungs- und Religionsgemeinschaften vorsehe, konnte es gleichwohl offen lassen, da es davon ausging, dass sich die für Weltanschauungsgemeinschaften prägende allseitige Aufgabenerfüllung entsprechend § 60 Abs. 1 AO bereits aus der Satzung des Vereins, nicht jedoch aus außerhalb der Satzung liegenden Umständen ergeben müssten.

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Vgl. § 3 Abs. 1 SG als Anpassung im Zuge der verschiedenen Umsetzung des AGG in anderen Bundesgesetzen. Zwischenzeitlich hat § 11 Abs. 1 Nr. 3 WPflG durch die Aussetzung der Wehrpflicht faktisch seinen Anwendungsbereich verloren, so dass auch vor diesem Hintergrund Anpassungen der Norm vorläufig nicht zu erwarten sind. 91 Vgl. die Vorgenannten in Fn. 87 – dies mag auch die Vielzahl an relativierenden Stellungnahmen zur Gleichbehandlung von Weltanschauung und Religion für den Regelfall erklären (vgl. hierzu Fn. 69 auf S. 39). Vorliegend müsste es sich somit um eine solche Ausnahme handeln. 92 BFH, Urteil vom 23.9.1999, Az. XI R 66/98, BFHE 190, S. 278 = NVwZ 2000, S. 967 f. 93 Vgl. Leisner-Egensperger in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO, § 52, Rn.  102; Gersch in Klein, AO, § 52 Rn. 1 (Erst seit einer Rechtsänderung im Jahr 2007 wird eine grundsätzlich abschließende Aufzählung angenommen, wobei weitere Fälle durch die Finanzverwaltung weiterhin anerkannt werden können). 94 FG Berlin, Urteil vom 28.1.1998, Az.: 8 K 8264/97, EFG 1998, S. 1193 ff.

A. Abgrenzung von Weltanschauung und Religion

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Der Bundesfinanzhof ist in der Folgeentscheidung sodann aber davon ausgegangen, dass es sich bei dem Kläger um eine Weltanschauungsgemeinschaft handelt. Gleichwohl hat der BFH, anders als vom FG für diesen Fall erwogen, keine konkrete Normenkontrolle durch das Bundesverfassungsgericht eingeleitet, sondern im Wege verfassungskonformer Auslegung entschieden, dass § 10b Abs. 1 EStG i. V. m. § 52 Abs. 2 AO auch weltanschauliche Zwecke mit umfasse. Wörtlich heißt es in dem Urteil unter Hinweis auf verschiedene Stimmen in der Literatur: „Religion und Weltanschauung werden von der Verfassung grundsätzlich gleich behandelt; eine Differenzierung ist nicht statthaft […]. Dem Begriff der Weltanschauung kommt dabei eine Ergänzungsfunktion zu, über den alle Bekenntnisse ohne diskriminierende Unterscheidung erfaßt werden, deren Grund und Ziel eine sinnstiftende Überzeugung im umfassenden Sinn ist […]. Zwischen Weltanschauung und Religion besteht keine klare Trennung; die Übergänge sind fließend (Badura, Der Schutz von Religion und Weltanschauung durch das Grundgesetz: Verfassungsfragen zur Existenz und Tätigkeit der neuen Jugendreligionen, 1989, S. 36). Auch nach Art. 137 Abs. 7 WRV, der über Art. 140 GG Bestandteil des GG ist, werden die Weltanschauungsgemeinschaften den Religionsgemeinschaften gleichgestellt (dazu Sachs/Ehlers, a. a. O., Art. 140 Rz. 25). Angesichts dieser in verfassungsrechtlicher Hinsicht weitgehenden Gleichstellung von Religion und Weltanschauung ist § 10b EStG verfassungskonform dahingehend auszulegen, daß § 10b Abs.  1 Satz 1 EStG nicht nur religiöse Zwecke, sondern auch weltanschauliche Zwecke begünstigt“ [Hervorhebungen nicht im Original].

Eine Anfrage beim 8. Senat des Bundesverwaltungsgerichtes, ob dieser an seiner Rechtsprechung zur Differenzierung von Weltanschauung und Religion festhalte und ggf. im Anschluss hieran eine Anrufung des gemeinsamen Senates der obersten Gerichtshöfe des Bundes, erfolgte nicht. Auch wenn im vorliegenden Fall die Urteile oberster Bundesgerichte in der Frage der zwingenden verfassungsrechtlichen Gleichbehandlung von Religion und Weltanschauung inhaltlich abweichen, war diese Divergenz für den BFH mutmaßlich nicht entscheidungserheblich, da es sich bei § 52 Abs. 2 Nr. 2 AO nur um einen ausformulierten Regelfall der Gemeinnützigkeit nach Abs. 1 handelte: Es hätte damit genügt festzustellen, dass die Verfassung die Förderung einer Weltanschauung der Förderung einer Religion jedenfalls soweit gleichstellt, dass man bei der Förderung von Weltanschauung von einem ungenannten Fall der Gemeinnützigkeit nach § 52 Abs. 2 Satz 2 AO ausgehen kann. In dieser Hinsicht mag auch das ausdrückliche Festhalten des BFH95 am Urteil vom 13.12.197896 zu deuten sein.97 Darin hieß es, dass die durch Art. 137 Abs. 7 WRV angeordnete Gleichstellung von Religion und Weltanschauung nicht dazu führe, „dass die Förderung einer jeden Weltanschauung steuerrechtlich als gemeinnützige Tätigkeit zu werten ist.“ Der Sache nach ging es in dem früheren Urteil darum, dass unabhängig

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Vgl. BFH, Urteil vom 23.9.1999, Az. XI R 66/98, BFHE 190, S. 278 (284). BFH Urteil vom 13.12.1987, Az.: I R 36/76, BFHE 127, S. 352. 97 Kritisch zur Kürze der Stellungnahme des BFH, die eine zutreffende Einordnung erschwert auch Fischer, FR 2000, S. 566 (570).

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1. Kap.: Gegenwärtiger Stand der juristischen Diskussion

von der Einordnung des beklagten Ordens als Weltanschauungs- oder Religions­ gemeinschaft zunächst überhaupt eine Förderung der Allgemeinheit vorliegen muss, was aufgrund der Organisation als Geheimloge nicht der Fall war. Inhaltlich liegen daher beide Urteile des BFH auf einer Linie, da der BFH durch diese Klarstellung bereits in seinem früheren Urteil zumindest erwogen hatte, auch Weltanschauungsgemeinschaften von der Festsetzung der Körperschaftssteuer auszunehmen, obgleich der dortige Normtext ebenfalls nur die Förderung der Religion als ein Regelbeispiel der Förderung der Allgemeinheit kannte. Die Nichtvorlage der im Urteil getroffenen Feststellung des BFH erweist sich insoweit als konsequent. c) Tendenzschutz im Betriebsverfassungsrecht (§ 118 Abs. 2 BetrVG) Entgegen der Auffassung des Bundesfinanzhofs und unter ausdrücklicher Bezugnahme auf das Urteil des 8.  Senates des Bundesverwaltungsgerichtes zum Geistlichenprivileg im Wehrrecht hat das LAG Hamm in seinem Beschluss vom 17.5.2002 die Frage, ob Weltanschauungsgemeinschaften den absoluten Tendenzschutz des § 118 Abs.  2  BetrVG für sich geltend machen können, verneint.98 Die Gleichstellung von Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften in Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 7 WRV erfordere ein solches nicht. Differenzierungen zwischen Weltanschauung und Religion seien mithin statthaft. Bei dieser Entscheidung konnte sich das Gericht dabei auch auf eine seit langem im arbeitsrechtlichen Schrifttum streitig vertretene Auffassung zur Auslegung von § 118 Abs. 2 BetrVG stützen.99 In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Fall wurde von einem anthro­ posophischen Verein, den das Gericht als Weltanschauungsgemeinschaft klassifizierte, ein Krankenhaus betrieben. Im Krankenhaus kam es zu der Anordnung von Überstunden, wobei die Leitung des Krankenhauses argumentierte, die anthroposophische Ausrichtung des Hauses würde eine umfassende Betreuung des Patienten erfordern. Hierzu bedürfe es unter anderem auch der Anordnung der Überstunden. Der in dem Krankenhaus gewählte Betriebsrat sah seine Mitwirkungsrechte verletzt. Da § 118 Abs. 2 BetrVG nach seiner textlichen Fassung nur Religionsgemeinschaften vom Anwendungsbereich des Betriebsverfassungsgesetzes im Hinblick auf die Bildung und Mitwirkung von Betriebsräten ausnimmt, war zu ent 98 LAG Hamm, Beschluss vom 17.5.2002, Az.: 10 TaBV 140/01; NZA-RR 2002, S. 625 = KirchE 40 (2002), S. 282. 99 Thüsing in Richardi, BetrVG, § 118 Rn. 210; Weber in GK-BetrVG, § 118 Rn. 221; Kania in ErfK, AR, § 118 BetrVG Rn. 30; Marhold in AR-Blattei, SD 1570 Rn. 183 f.; zweifelnd Noll, Arbeitsrecht im Tendenzbetrieb, 2001, S. 105 m. w. N., dem es für eine Extension im Wege der Analogie jedoch an einem entsprechenden Bedarf fehlt. A. A. unter generellem Verweis auf die Gleichbehandlung nach Art. 137 WRV: Wedde in Däubler/Kittner/Klebe/Wedde, ­BetrVG, § 118 Rn. 106; Fitting/Kaiser/Heither/Engels/Schmidt, BetrVG, § 118 Rn. 54; Löwisch in Löwisch/Kaiser, BetrVG, § 118 Rn. 58; unter Hinweis darauf, dass Weltanschauung in Religion mit enthalten sei: Hess in Hess/Schlochauer, BetrVG, § 118 Rn. 68 ff.

A. Abgrenzung von Weltanschauung und Religion

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scheiden, ob vom absoluten Tendenzschutz auch Weltanschauungsvereinigungen erfasst sind. Unter Bezugnahme auf das Bundesverwaltungsgericht und ohne Auseinandersetzung mit abweichenden Stimmen in der Judikatur führte das Landesarbeits­ gericht aus: „Nach Auffassung der Beschwerdekammer handelt es sich bei dem Trägerverein des Gemeinschaftskrankenhauses um eine Weltanschauungsgemeinschaft […]. Auch wenn der Trägerverein des Gemeinschaftskrankenhauses als Weltanschauungsgemeinschaft im Sinne der Bestimmungen des Art. 140 GG, Art. 137 WRV angesehen wird, hat das Arbeitsgericht zu Recht erkannt, dass der Trägerverein nicht den absoluten Tendenzschutz des § 118 Abs. 2 BetrVG für sich in Anspruch nehmen kann. […] Ebenso wie das Arbeitsgericht ist auch die Beschwerdekammer der Auffassung, dass die Gleichstellung von Weltanschauungsgemeinschaften mit Religionsgemeinschaften in Art. 137 Abs. 7 WRV nicht fordert, sie von der Geltung des staatlichen Betriebsverfassungsrechtes freizustellen. Die vom Arbeitgeber für zutreffend gehaltene Auffassung führt schon keine ausdrück­ lichen Gründe an. Darüber hinaus beschränkt bereits der Wortlaut des § 118 Abs. 2 BetrVG den Ausschluss der Bestimmungen des Betriebsverfassungsgesetzes auf Religionsgemeinschaften. Der Gesetzgeber hat in § 118 Abs.  2 BetrVG den Ausschluss des Betriebsverfassungsgesetzes lediglich für Religionsgemeinschaften, nicht auch für Weltanschauungsgemeinschaften, angeordnet. Die Gleichstellung von Weltanschauungsgemeinschaften mit Religionsgemeinschaften in Art. 137 Abs. 7 WRV bezieht sich nur auf den gegebenen staatskirchenrechtlichen Rahmen. Auch andere Normen des einfachen Rechts sprechen dagegen, dass Religionsgemeinschaften und Weltanschauungsgemeinschaften in allen Bereichen auto­matisch gleichzustellen sind. So ist beispielsweise in § 2 Abs. 3 Nr. 3 des Vereinsgesetzes vom Gesetzgeber ausdrücklich normiert worden, die Weltanschauungsgemeinschaften den Religionsgemeinschaften gleichzustellen. Da es hier um den Schutz vor staat­licher Verfolgung geht, ist diese Gleichstellung auch sachlogisch. Dagegen wird § 11 Abs. 1 Wehrpflichtgesetz so ausgelegt, dass davon nur die Religionsgemeinschaften, nicht jedoch die Weltanschauungsgemeinschaften geschützt werden (BVerwG, Urteil vom 14.11.1980  – NJW 1981, 1460; GK Fabricius, a. a. O., § 118 Rz. 768). Eine ausdehnende Anwendung des § 118 Abs. 2 BetrVG auch auf Weltanschauungsgemeinschaften ist nach Auffassung der Berufungskammer auch deshalb nicht erforderlich, weil die Weltanschauung – hier diejenige des Arbeitgebers – nicht auf einem bestimmten Offenbarungsglauben beruht (Richardi/Thüsing, a. a. O., § 118 Rz. 210; GK-Fabricius, a. a. O., § 118 Rz. 767). Die auch von der Beschwerdekammer [für] zutreffend gehaltene Auffassung begegnet auch keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Weltanschauungsgemeinschaften  – wie die des Arbeitgebers – sind durch Art. 4 und 5 GG ausreichend geschützt. […]“ [Hervorhebungen nicht im Original].

Zwar wurde gegen dieses Urteil Rechtsbeschwerde eingelegt, jedoch erledigte sich das Verfahren vor dem Bundesarbeitsgericht anderweitig, so dass es insoweit nicht zu einer höchstrichterlichen Entscheidung gekommen ist. Für die weitere Untersuchung lassen sich dem Urteil gleichwohl aber zwei wichtige Fragestellungen entnehmen: Zunächst ist zu prüfen, ob eine Weltanschauung nur hinsichtlich

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1. Kap.: Gegenwärtiger Stand der juristischen Diskussion

der aus Art. 4 GG resultierenden Abwehransprüche mit der Religion gleichgestellt ist und ob der Gesetzgeber hinsichtlich darüber hinausgehender Leistungen darin frei ist, diese Weltanschauungen auch vorzuenthalten. Ferner ist zu überprüfen, wie sich eine solche Unterscheidung argumentativ, ggf. durch das vom LAG bemühte und auf entsprechende Stimmen aus der Literatur zurückgehende teleologische Argument, Weltanschauungen fehle es an einer Offenbarungskomponente,100 begründen lässt. d) Erteilung von Religionsunterricht Eine Mehrzahl von Gerichtsurteilen befasst sich mit der Erteilung von „Religionsunterricht“ durch Weltanschauungsgemeinschaften. Diese Auseinandersetzung ist vor allem vor dem Hintergrund der textlichen Fassung von Art. 7 Abs. 2, 3 und 5 GG zu sehen, die grundsätzlich eine differenzierte Beurteilung nach Fragen der Weltanschauung und Religion ermöglicht. Nachdem das OVG Berlin zunächst in diesem Zusammenhang entschieden hatte, dass es verfassungsrechtlich jedenfalls nicht zu beanstanden sei, wenn der Landesgesetzgeber Weltanschauungsgemeinschaften das Recht einräume „Religionsunterricht“ zu erteilen,101 hatte das brandenburgische Verfassungsgericht den umgekehrten Fall zu entscheiden.102 Der brandenburgische Landtag hatte sich bei der Fassung des Schulgesetzes explizit gegen eine Erteilung von Religionsunterricht durch Weltanschauungsgemeinschaften ausgesprochen. Die textliche Fassung von § 9 Abs. 2 Satz 1 ­SchulG sprach daher auch nur von Kirchen und Religionsgemeinschaften. Hintergrund dieser politischen Entscheidung war die Erwägung, das neu eingeführte Pflichtfach Lebensgestaltung-Ethik-Religionskunde (LER) nicht noch weiter durch die Zulassung von bekenntnisorientiertem Weltanschauungsunterricht auszuhöhlen, nachdem bereits Kompromisse hinsichtlich der Erteilung von Religionsunterricht gemacht wurden. Auf die Klage einer Weltanschauungsgemeinschaft hielt das VG Potsdam daher, anders als es dem BFH zu § 10b EStG noch möglich war, das Gesetz aufgrund der ausdrücklichen Fassung der Gesetzesmaterialien nicht mehr für auslegungsfähig, und legte dem brandenburgischen Verfassungsgericht die Sache zur Entscheidung vor.103 Umstritten war hierbei insbesondere, ob Art. 7 Abs. 3 GG eine einseitige Privilegierung von Religionsgemeinschaften rechtfertige. Inhaltlich 100 Vgl. Bleckmann, Staatsrecht II, S.  748f; Thüsing in Richardi, BetrVG, § 118 Rn.  210; Marhold in AR-Blattei, SD 1570 Rn. 183 f. 101 OVG Berlin, Urteil vom 8.11.1995, Az.: 7 B 34/93, KirchE 33 (1998), S. 448 ff. Diese Feststellung ist auch weitgehend unstreitig. Sie ließe sich jedenfalls auch mit der oben zur Entscheidung des LAG Hamm angesprochenen These einer Differenzierung hinsichtlich der Gleichbehandlung von Weltanschauung und Religion in Leistungs- und Abwehrrechte vereinbaren. 102 VerfGBbg, Urteil vom 15.12.2005, Az.: 287/03, NVwZ 2006, S.  1052 = DÖV 2006, S. 258. 103 VG Potsdam, Vorlagebeschluss vom 22.08.2003, Az.: 12 K 2130/01, NJW 2004, S. 123.

A. Abgrenzung von Weltanschauung und Religion

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führt das VG unter Bezugnahme auf die entsprechenden Artikel der brandenbur­ gischen Verfassung hierzu aus: „Differenzierungen sind lediglich dann zulässig und geboten, wenn innerhalb der Gesamtheit der Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften Verschiedenheiten vorliegen, die im Interesse der Glaubens-, Gewissens- und Bekenntnisfreiheit Berücksichtigung verdienen oder nicht religiös-weltanschaulicher Art sind (z. B. die Berücksichtigung der Sabbatheiligung, Staatsleistungen als Folge der Säkularisation, das Erfordernis einer Mindestschülerzahl beim Bekenntnisunterricht). […] Fördert er jedoch allein die religiösen Bekenntnisse, ohne die nicht-religiösen Bekenntnisse zu berücksichtigen oder wie vorliegend, indem er sie ausdrücklich nicht in die Begünstigung einbeziehen will, stellt er weder eine Chancengleichheit im religiösweltanschaulichen Wettbewerb her, noch zeichnet er ein zutreffendes Bild von den vorhandenen gesellschaftlichen Strömungen. […] Eine schlichte Differenzierung nach dem Inhalt der Bekenntnisse („mit Gott“ oder „ohne Gott“, transzendent oder nicht) ist dem Staat jedoch versagt, […].“ [Hervorhebungen nicht im Original].

Das Verfassungsgericht folgte sodann der Ansicht des Verwaltungsgerichtes und stellte die Unvereinbarkeit des Gesetzes mit der Verfassung fest. Der Staat sei kraft Art. 7 Abs. 3 GG nicht befugt, Weltanschauungsgemeinschaften allein aufgrund ihrer Eigenschaft als Weltanschauungsgemeinschaft die Erteilung von Weltanschauungsunterricht zu versagen, wenn er dieses für Religionsgemeinschaften einfachgesetzlich zulasse. Ungleichbehandlungen widersprächen der für und gegen jede Religion und jede Weltanschauung geltenden staatlichen Neutralität und bedürften daher einer der Landesverfassung oder dem vorrangigen Bundesrecht selbst zu entnehmenden Rechtfertigung, solange die Differenzierungen nicht im Interesse der Glaubens-, Gewissens- und Bekenntnisfreiheit Berücksichtigung verdiene bzw. nicht religiös-weltanschaulicher Art sei. Die Entscheidung jedenfalls eine schlichte Differenzierung zu untersagen und allenfalls Differenzierungskriterien zuzulassen, die im Interesse der Freiheit selbst liegen, oder aber an neutralen Differenzierungskriterien anknüpfen, liegt dabei auf einer Linie mit den in der Literatur vertretenen Ansichten, die im Grundsatz von einer Gleichbehandlung von Weltanschauung und Religion ausgehen, in bestimmten Fällen jedoch Ausnahmen zulassen wollen.104 Ein absolutes Differenzierungsverbot, wie es noch in der Entscheidung des BFH anklingt,105 fordert auch das branden­burgische Verfassungsgericht nicht. Vielmehr lässt es im Einklang mit anderen gerichtlichen Entscheidungen106 unter besonderen Umständen Ausnahmen von der Gleichbehandlung von Weltanschauungen und Religionen zu. 104

Vgl. die in Fn. 69 und 71 Genannten. Insbesondere Jarass in Jarass/Pieroth, GG, Art. 4 Rn. 31; Art. 140 / 137 WRV Rn. 3 hebt hierbei die Voraussetzungen für Ausnahmen hervor. Als Differenzierungskriterium will er die (gesetzlich typisierende)  Betrachtung von unterschied­ lichen Aktivitätsfeldern der Gemeinschaften und vergleichbare, außerhalb des Bekenntnis­ inhalts liegende tatsächliche äußere Unterschiede zulassen. 105 Vgl. 1. Kapitel A. III. 2. b). 106 BVerfG, Beschluss vom 27.11.1990, Az.: 1BvR 402/87 = BVerfGE 83, S. 130 ff. Zur Begründung der Ungleichbehandlung von Weltanschauungs- und Religionsgemeinschaften bei der Besetzung der Bundesprüfstelle: „Kirchen werden jedoch vor allem deshalb an der Tätig-

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1. Kap.: Gegenwärtiger Stand der juristischen Diskussion

e) Fazit So kontrovers die Urteile auf den ersten Blick erscheinen mögen zeigen sie doch, dass rechtstatsächlich eine Differenzierung zwischen Weltanschauung und Religion erwogen wird. Nicht das „Ob“ und die Konsequenzen einer Differenzierung stehen im Mittelpunkt der gerichtlichen Auseinandersetzungen, sondern der Umfang der notwendigen Gleichbehandlung von Religion und Weltanschauung erscheint noch nicht abschließend geklärt. Für die weitere Untersuchung muss daher der Frage nach dem Umfang und den tatsächlichen Voraussetzungen einer Gleich- bzw. Ungleichbehandlung von Weltanschauungen nachgegangen werden. Die jeweiligen Kriterien sind hierbei ebenso näher zu beleuchten, wie die Frage, ob generell zwischen Leistungs- und Abwehrrechten unterschieden werden darf. 3. Gesetzgebung Bei der Frage nach der Gleichbehandlung von Religion und Weltanschauung handelt es sich nicht um eine rein akademische Frage, die auch vereinzelt zu Entscheidungen in der gerichtlichen Praxis geführt hat. Dass es sich bei der Frage der Gleichbehandlung vielmehr um ein strukturelles Problem handelt und dieses sich auch künftig weiter auswirken wird, zeigen vielmehr die lang anhaltenden Tendenzen in der Gesetzgebung. In den unterschiedlichen Gesetzgebungsverfahren sind verschiedene Aspekte zur Gleichbehandlung von Weltanschauung und Religion nachweisbar. Im Vordergrund stand häufig der Wille, eine einheitliche Regelung für Weltanschauung und Religion zu treffen. Verschiedentlich musste sich der Gesetzgeber daher mit der Gleichstellung der Weltanschauung gegenüber der Religion, vor allem in vorkonstitutionellen Gesetzen befassen. Auf ein Beispiel wurde mit § 2 Abs. 3 Nr. 3 VereinsG a. F. bereits im Urteil des Landesarbeitsgerichtes Hamm ausdrücklich Bezug genommen. Ein weiteres Beispiel bietet die Änderung der Religionsdelikte durch das 1. Strafrechtsreformgesetz vom 25.6.1969, welches den strafrechtlichen Schutz entgegen einer vorkonstitutionellen Auffassung auch auf die Weltanschauungsgemeinschaften ausdehnte.107 keit der Bundesprüfstelle beteiligt, weil sie sich seit jeher in besonderem Maße mit der Kinderund Jugendbetreuung befaßt haben. Das gilt für weltanschauliche Gemeinschaften im Hinblick auf den Jugendschutz nicht in gleicher Weise.“ Ferner: Bayerischer VGH, Urteil vom 29.1.2007, Az.: 7 BV 06/764 = ZUM-RD 2007, S.  217 ff. Dieser führt als sachlich begründete Unterscheidungskriterien für die unterschiedliche Zuteilung von Sendezeiten und Programmplätzen die unterschiedliche gesellschaftliche Bedeutung bzw. den geringeren rechtlichen Organisationsgrad (Mitgliedszahlen) der klagenden Weltanschauungsgemeinschaft an. 107 BGBl. I 1969, S. 645; zur vorkonstitutionellen Auffassung vgl. Anschütz, WRV, Art. 137, S. 650 („Die Gleichstellung bezieht sich nur auf die in Art. 137 bezeichneten Rechte und Vorteile, […]. Vollständige Gleichstellung ist nicht beabsichtigt. So genießen die Weltanschauungs­ vereinigungen z. B. nicht den Schutz der Religionsgesellschaften nach StrGB §§ 166, 167“).

A. Abgrenzung von Weltanschauung und Religion

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Die Gesetzgebung zum Strafvollzugsgesetz vom 16. März 1976108 gibt ein gutes Beispiel dafür, dass sich auch der Gesetzgeber nicht den praktischen und juristischen Schwierigkeiten der Außenabgrenzung der Weltanschauungsfreiheit gegenüber anderen, nicht durch Art. 4 GG geschützten Verhaltensweisen entziehen kann. Diese können sich daher auch auf die konkrete Gesetzgebung auswirken: Der Gesetzgeber wollte bei § 55 StVollzG durch eine abweichende Formulierung eigens sichergestellt wissen, dass marxistische Gruppen nicht unter die Begünstigung des Gesetzes fallen.109 Dieses Bemühen um eine trennscharfe Abgrenzung zwischen legislativ erwünschten und unerwünschten Verhalten kann im Ergebnis dazu führen, dass die Probleme der Außenabgrenzung zu anderen Freiheitsrechten auf die textliche Binnenabgrenzung zwischen Religion und Weltanschauung durchschlagen, da der Gesetzgeber angesichts der begrifflichen Unschärfe der Weltanschauung auf die Einführung dieses Begriffs ganz verzichtet. Dieses lässt sich an der jüngst erfolgten Gesetzgebung zum Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz verfolgen: Während die §§ 1, 9 AGG textlich eine Gleichbehandlung von Weltanschauung und Religion anordnen, wurde im Rechtsausschuss des Bundestages aus dem Gesetzentwurf der Bundesregierung die Gleichstellung der Weltanschauung aus den §§ 19 Abs. 1 und 20 Abs. 1 AGG ausdrücklich gestrichen, obwohl dies die rechtlich hoch bedeutsame Frage des zivilrechtlichen Benachteiligungsverbotes betraf. Der Grund für den Rechtsausschuss vom textlichen Vorschlag der Bundesregierung abzuweichen war hierbei die Erwägung, dass der Begriff der Weltanschauung zwar eng zu verstehen sei, gleichwohl aber die Gefahr bestehe, dass sich z. B. Anhänger rechtsradikalen Gedankengutes auf diese Vorschrift berufen würden, um Zugangsrechte zu erhalten.110 Obgleich die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN nachdrücklich kritisierte, dass hierdurch einerseits widersprüchliche Regelungen im AGG selbst getroffen würden und die Begründung der Streichung andererseits ebenfalls nicht überzeuge, da sich „Weltanschauung“ nach dem Grundgesetz auf Gemeinschaften wie Anthroposophen oder Freidenker bezöge und nicht auf bestimmte politische Überzeugungen,111 nahm der Rechtsausschuss die Beschlussempfehlung letztlich mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen die Stimmen der Fraktionen der FDP und DIE LINKE. an. In dieser geänderten Fassung wurde das AGG schließlich aus­ gefertigt und verkündet.112

108

BGBl. I 1976, S. 581. BTDrucks 7/3998: Der Ausschuss lehnt die Formulierung in § 55  StVollzG an Art.  4 Abs. 1 GG an. Die Entwurfsfassung sah zuvor die Formulierung „weltanschauliche Gemeinschaft“ vor. Dieses wurde abgelehnt, um klarzustellen, dass der dialektische Materialismus nicht in die Vorschrift mit einbezogen würde. 110 BTDrucks 16/2022, S. 13. 111 BTDrucks 16/2022, S. 12. 112 BGBl. I 2006, 1897. 109

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1. Kap.: Gegenwärtiger Stand der juristischen Diskussion

Vor dem Hintergrund der Entscheidung des brandenburgischen Verfassungs­ gerichtes zur vergleichbaren Entscheidung des Landesgesetzgebers, der die Weltanschauung ebenfalls generell ausgeschlossen sehen wollte, und unter Berücksichtigung der dargestellten Auffassungen in Literatur und Rechtsprechung, die jedenfalls eine schlichte Abgrenzung anhand der Frage „immanentes“ oder „trans­ zendentes“ Bekenntnis ohne eine Berücksichtigung weiterer, die Typisierung rechtfertigender Umstände nicht zulassen wollen, ist diese jüngste ausdrückliche Entscheidung des Bundesgesetzgebers zwischen Weltanschauung und Religion zu differenzieren, äußerst fragwürdig. Sie zeigt jedoch erneut die aktuelle Relevanz der Frage, wann und unter welchen Bedingungen eine Differenzierung zwischen Weltanschauung und Religion möglich ist.

IV. Zwischenergebnis zur Frage der Abgrenzung von Weltanschauung und Religion Für den ersten zu untersuchenden Problemkomplex betreffend die interne Abgrenzung von Weltanschauung und Religion lässt sich somit zunächst festhalten, dass die textliche Differenzierung des Grundgesetzes von verschiedenen Seiten und zu unterschiedlichen Zeiten immer wieder aufgegriffen wurde, und weiter aufgegriffen wird. Hierbei ist interessanterweise festzustellen, dass obgleich überwiegend von einer Gleichwertigkeit von Religion und Weltanschauung ausgegangen wird, eine weit größere Zurückhaltung zu verzeichnen ist, wenn eine Überzeugung als Religion qualifiziert werden soll. Gerade die Bezeichnung von „Weltanschauung“ als Auffangbegriff,113 zeigt zugleich, dass für eine Einordnung als Religion zumindest teilweise unterschwellig andere, mutmaßlich höherwertige Kriterien als für eine Weltanschauung vorausgesetzt werden, ohne diese aber konkret zu benennen. Zunächst wird daher zu untersuchen sein, ob und wie die definitorische Differenzierung zwischen Weltanschauung und Religion erfolgen kann. Hierbei wird zur hergebrachten Abgrenzung anhand der Kriterien der Immanenz und der Transzendenz Stellung zu nehmen sein, da diese, soweit überhaupt eine genauere Unterscheidung vorgenommen wird, trotz ihrer unterschiedlichen Konkretisierungen überwiegend verwendet wird. Für diese Differenzierung gilt es zu hinterfragen, anhand welcher Kriterien die Abgrenzung weiter konkretisiert werden kann, um eine überzeugendere Subsumption unter das Begriffspaar vornehmen zu können. Die strittige Frage nach dem zutreffenden systematischen Verhältnis der beiden Begriffe „Weltanschauung“ und „Religion“ wird sich sodann aus dem gefundenen Ansatz zur Abgrenzung ableiten lassen. Um ein einheitliches Konzept zu fin 113 OVG NRW, Urteil vom 22.5.1990, Az.: 5 A 1223/86, KirchE 28, S.  106; BVerfG, Beschluss vom 26.6.2002, Az.: 1 BvR 670/91, BVerfGE 105, S. 279 (293) („Jedenfalls eine Weltanschauung“); Kirchhof in HbdStKirchR, Bd. 1, S. 681.

B. Abgrenzung gegenüber anderen Freiheitsrechten

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den, muss hierbei insbesondere die systematische Stellung in den verschiedenen Grundgesetzartikeln beleuchtet werden. Abschließend lässt sich festhalten, dass aufgrund der textlichen Fassung des Art. 4 Abs. 2 GG mit einigen Stimmen in der Literatur auch der sachliche Schutzbereich der Weltanschauungsfreiheit gegenüber der Religionsfreiheit zu klären ist. Die entscheidende Frage im Verhältnis zur Religion scheint gleichwohl nicht die Frage nach einer unterschiedlichen Reichweite des Freiheitsrechtes zu sein, sondern vielmehr die Frage, wie weit die Gleichheit zwischen Weltanschauung und Religion reicht. Hierbei ist zu klären, unter welchen Voraussetzungen Unterscheidungen möglich sind, und welches die zulässigen Ausnahmen von der Gleichbehandlung sind, die sowohl von den verschiedenen Gerichtsentscheidungen als auch von jenen Stimmen in der Literatur angesprochen werden, welche im „Grundsatz“ für eine Gleichbehandlung eintreten. In diesem Zusammenhang werden einerseits die Entscheidungen zu den oben genannten Problemkomplexen zu bewerten, sowie andererseits der Frage nachzugehen sein, welche Konsequenzen hieraus für die Beurteilung der Regelung des AGG und anderer Normen des geltenden Rechts gezogen werden müssen, die sich nicht nur in Abwehransprüchen erschöpfen, sondern Leistungsrechte und finanzielle Förderung eröffnen.114

B. Abgrenzung der Weltanschauungsfreiheit gegenüber anderen Freiheitsrechten Abgrenzung gegenüber anderen Freiheitsrechten

Große Einigkeit besteht unter den Autoren hinsichtlich der Feststellung, dass der Begriff der Weltanschauung noch nicht abschließend geklärt ist115 und dies vor allem die Abgrenzung gegenüber anderen, ähnlich gelagerten Freiheitsverbürgungen erschwere. Auch soweit eine Differenzierung von Weltanschauung und Religion abgelehnt wird, wird diese Aufgabenstellung oftmals als die eigentliche Herausforderung angesehen.116 Da der Begriff der Weltanschauung in der Alltagssprache eine Vielzahl von Nuancen enthält und verschiedenste Facetten abdeckt, sind weitreichende Überschneidungen denkbar. Entsprechend viele Problemkomplexe stellen sich bei der notwendigen Abgrenzung. Im Folgenden sollen daher die Abgrenzung gegenüber der politischen Auffassung gemäß Art. 3 Abs. 3, Art. 21 GG (I.) und die Unterscheidung des weltanschaulichen Bekenntnisses gegenüber der Meinungsäußerung (II.) dargestellt werden. Hinsichtlich des Aussage­ gehaltes muss der Begriff der Weltanschauung ferner von der Wissenschaftsfrei 114 Vgl. zur über das AGG hinausgehenden grundlegenden Problematik einer entsprechenden Differenzierung zwischen Abwehransprüchen einerseits und staatlichen Förderungen und Begünstigungen andererseits unter Hinweis auf § 4 Nr. 1 GrStG und Art. 11 Abs. 5 der Fernsehrichtlinie 89/522/EWG Fischer, FR 2000, S. 566 (569). 115 Hufen, Staatsrecht II, § 22 Rn. 5; Wilms in FS Maurer, S. 493 f.; Mertesdorf, Weltanschauungsgemeinschaften, S. 46. 116 Heinig in evStL, „Weltanschauung“, Sp. 2688 f.

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1. Kap.: Gegenwärtiger Stand der juristischen Diskussion

heit des Art. 5 Abs. 3 GG abgegrenzt werden (III.). Die juristischen Diskussionen zur Stellung und Bedeutung der so genannten „Jugendreligionen“ fordern schließlich zu einer Abgrenzung gegenüber erwerbsmäßiger Betätigung nach Art. 12 GG heraus (IV.).

I. Abgrenzung: Weltanschauung und politische Anschauungen Ein wesentliches Problemfeld ist die Abgrenzung der Weltanschauungsfreiheit gegenüber der politischen Betätigung. Verantwortlich ist hierfür die Begriffsgeschichte des Wortes „Weltanschauung“, welches eine weite populär- und pseudowissenschaftliche Verbreitung seit Ende des 19. Jahrhunderts bis in die erste Hälfte des 20.  Jahrhunderts gefunden hatte. Vor allem in der Ideologie des National­ sozialismus fand der Begriff so weitreichende Verwendung, dass dieser noch heute im allgemeinen Sprachgebrauch fortwirkt und auf den ersten Blick keine trennscharfe Unterscheidung zwischen den Begriffen „Weltanschauung“, „Ideologie“ und „politischem Leitbild“ mehr zulässt.117 Eine Vielzahl unterschiedlicher Strömungen wird daher heute mit dem Begriff der Weltanschauung bezeichnet.118 In der Mitte des 20. Jahrhunderts wurden Liberalismus, Christentum, Marxismus und Nationalsozialismus als große, politische und weltanschauungsstiftende Theorien verstanden und von einer liberalen, christlichen, marxistischen und nationalsozialistischen Weltanschauung gesprochen.119 Ebenso ist auch noch heute Politik auf der Grundlage einer christlichen wie einer nationalsozialistischen Weltanschauung denkbar.120 Gleichwohl differenziert die Verfassung mit der Erwäh 117

Vgl. Reiner, Zum Begriff und Wesen der Weltanschauung, Philosophische Studien, 1 (1949), S. 141 ff. und die Ausführungen zur Entwicklung des Sprachgebrauchs im Rahmen der Wortlautauslegung, S. 105 ff. 118 Vgl. exemplarisch für die Selbstbezeichnung nationalsozialistischer Gesinnung als Weltanschauung Bayerischer VGH, Urteil vom 26.3.2007, Az.: 24 B 06.1894, BayVBl. 2008, S. 109 ff. zum Verbot einer Versammlung zum Gedenken an Rudolf Heß; aber auch anderer Organisationen: 2. Strafsenat OLG Celle der im Beschluss vom 19.3.2007, Az.: 32 Ss 4/07, Nds. Rpfl 2007, S. 185ff, die gemeinschaftliche Gesinnung der Hells Angels als „Weltanschauung“ bezeichnet. 119 Reiner, Zum Begriff und Wesen der Weltanschauung, Philosophische Studien, 1 (1949), S. 141 ff. – Abdruck eines Vortrages der im Mai 1941 erstmals vor der Kant-Gesellschaft in Kassel und später anderen Ortes gehalten wurde, vor 1949 jedoch nicht zur Veröffentlichung kam. 120 Dieser Umstand findet zumindest teilweise seinen Niederschlag in der rechtswissenschaftlichen Lit.: Für Parteiprogramme auf weltanschaulicher Grundlage (sowie deren strafrechtlichen Schutz über § 166 StGB) Hörnle in MüKo, StGB, § 166 Rn. 8; ähnlich Hassemer in Vallauri/Dilcher, S. 1316, der politische Anschauungen nur scheinbar, nicht aber „im Ernstfall“ aus dem Begriff der Weltanschauung ausgeschlossen sieht. Ähnlich auch BFH, Urteil vom 4.3.1986, Az.: VIII R 188/84, BStBl. 1986, S. 373: Zuwendungen an Parteien seien Ausfluss der auf Weltanschauung beruhenden persönlichen Einstellung.

B. Abgrenzung gegenüber anderen Freiheitsrechten

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nung der politischen Anschauung in Art. 3 Abs. 3 GG und den politischen Parteien in Art.  21  GG ausdrücklich zwischen den politischen Anschauungen und dem Phänomen der Weltanschauung, dem sie Geltung im Rahmen des Art. 4 GG einräumt. Schon aufgrund dieser begrifflichen Unterscheidung und den damit zusammenhängenden unterschiedlichen Regelungskomplexen ist eine Unterscheidung geboten.121 Im Folgenden sollen daher die Differenzierungsbemühungen in Litera­ tur (1.), Rechtsprechung (2.) und Gesetzgebung (3.) zur näheren Unterscheidung dargestellt werden, um auch insoweit ein erstes Zwischenergebnis für den weiteren Fortgang der wissenschaftlichen Untersuchung zu gewinnen (4.). 1. Differenzierungen in der Literatur In der rechtswissenschaftlichen Literatur herrschen im Wesentlichen zwei Lager vor. Strittig ist hierbei weniger, ob sich eine Weltanschauungsgemeinschaft überhaupt politisch betätigen darf, da den christlichen Kirchen seit alters her die Berechtigung zugestanden wird, sich zu politischen Tagesfragen zu äußern.122 Umstritten erscheint vielmehr, unter welchen Voraussetzungen eine einzelne politische Theorie bereits eine Weltanschauung begründet und wie diese politische Ideologie und „Weltanschauung“ rechtslogisch voneinander abzugrenzen sind. Die eine Seite innerhalb der Literatur plädiert für eine extensive Auslegung des Begriffs der Weltanschauung. Dieser erfasse auch Einzelaussagen,123 jedenfalls soweit diese aus einer systematisch begründeten und subjektiv verbindlichen Gewissheit heraus abgeleitet werden können. Demnach könnten die politischen Theorien des (Sozial-)Darwinismus und Marxismus sowie die ökonomischen Theorien des Ordoliberalismus oder des Keynesianismus124, aber auch ein ökozentrisches Weltbild125 oder der Pazifismus126 eigene Weltanschauungen darstellen. 121

Vgl. auch Muckel in Friauf/Höfling, GG, Art. 4 Rn. 11. Grundlegend schon BVerwG, Urteil vom 17.1.1964, Az.: 7 C 50/62, BVerwGE 18, S. 14 (15). 123 So Bleckmann, Staatsrecht II, S. 750 f. ausgehend von der Überlegung, dass Art. 4 Abs. 1 GG jede subjektive Überzeugung schütze. Auf die Ableitung aus einem System komme es daher nicht an. 124 Preuß in AK, GG, Art. 4 Abs. 1, 2 GG, Rn. 14; ähnlich Zippelius in BK (Drittbearbeitung), GG, Art. 4 Rn. 94. 125 Hörnle in MüKo, StGB, § 166 Rn. 8; Müller, Grundrechte in der Schweiz, S. 83. 126 Blum, Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit (Art.  9  EMRK), S.  79; Müller, Grundrechte in der Schweiz, S. 83 unter Hinweis auf die Zulassungsentscheidung der Euro­ päischen Kommission für Menschenrechte im Fall Arrowsmith vs. Vereinigtes Königreich vom 12.10.1978, DR 19, S. 5, 19. Im Rahmen des Art. 9 EMRK handelt es sich hierbei jedoch um die Auslegung des Rechtsbegriffs „conviction“. Zwar wird in der amtlichen deutschen Übersetzung hierfür der Begriff der Weltanschauung eingesetzt – bei „conviction“ handelt es sich jedoch um einen weiter gefassten Rechtsbegriff. Vgl. Däubler, NJW 2006, S. 2608; zum Vergleich des Grundgesetzes mit europäischen und völkerrechtlichen Regelungen siehe ferner 2. Kapitel D. 122

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1. Kap.: Gegenwärtiger Stand der juristischen Diskussion

Demgegenüber wird jedoch überwiegend eine restriktive Auslegung vorgezogen. Der Gegenauffassung folgend erfasst der Begriff der Weltanschauung gerade keine Einzelaussagen,127 seien diese auch systematisch begründet, sondern erfasse nur solche metaphysischen Gedankensysteme, die über eine ähnliche Breite und Geschlossenheit, wie die im abendländischen Kulturkreis bekannten Religionen verfügen.128 Andernfalls bestünde die Gefahr, dass die Weltanschauungsfreiheit, bezöge man sie auch auf die jeweiligen Einzelaussagen, zu einer zweiten allgemeinen Handlungsfreiheit werde.129 Politischen Anschauungen läge jedenfalls regelmäßig keine vergleichbare Gesamtsicht zugrunde.130 Entsprechenden politisch ausgerichteten Vereinigungen fehle es daher zumeist an der für Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften konstitutiven allseitigen Aufgabenerfüllung.131 Teilweise wird daneben ergänzend auch auf systematische Erwägungen verwiesen. Der Begriff der politischen Partei aus Art. 21 GG sei gegenüber dem Begriff der Weltanschauungsgemeinschaft der vorrangige. Wer „Partei“ im Sinne des Grundgesetzes sei, nach der Konkretisierung in § 2  PartG also als eine Vereinigung von Bürgern, die zumindest für längere Zeit, durch Teilnahme an Wahlen und durch die Vertretung in den Parlamenten auf die politische Willens­bildung Einfluss nehmen will, könne demnach keine Weltanschauungsgemeinschaft mehr sein. Weltanschauungsgemeinschaften mögen demgegenüber jedoch auf andere Art und Weise auf die politische Willensbildung Einfluss nehmen, da im Umkehrschluss jedenfalls auch kein Monopol der Parteien auf die politische Willensbildung im Volke bestehe.132 Neben den vorgestellten Erwägungen wird vor allem in der älteren Literatur für die Abgrenzung schließlich auf das Topos der Schwerpunktbildung rekurriert. Weltanschauungsgemeinschaft könnte demnach nur eine solche Vereinigung sein, die sich nicht dem Schwerpunkt ihrer Tätigkeit nach mit politischer Willensbildung und Umsetzung ihrer Gesellschaftsentwürfe befasst, auch wenn sie ihre Ziele mit weltanschaulicher Motivation begründet.133 Ebenso wie bei der paralle 127

Bayer, Religions- und Gewissensfreiheit, S. 45. Starck in v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 4 Rn.18. 129 Herzog in MD, GG, Art. 4 Rn. 67, Starck in v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 4 Rn. 60 f.; Bergmann in Hömig, GG, Art. 4 Rn. 5. 130 Starck in v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 4 Rn. 61 f.; Bergmann in Hömig, GG, Art. 4 Rn. 4; Badura, Schutz von Religion und Weltanschauung, S. 39; Zippelius in BK (Drittbearbeitung), GG, Art. 4 Rn. 94, der aber die Ableitung einer politischen Einzelfrage aus einer welt­ anschaulichen Gesamtkonzeption zulassen will. 131 Veelken, Das Verbot von Weltanschauungs- und Religionsgemeinschaften, S. 61. 132 Veelken, Das Verbot von Weltanschauungs- und Religionsgemeinschaften, S.  45, 60 f.; Mertesdorf, Weltanschauungsgemeinschaften, S. 225f; ähnlich v. Campenhausen in HbdStR, § 136 Rn. 72. 133 v. Campenhausen in HbdStR, § 136 Rn. 73; Muckel in Friauf/Höfling, GG, Art. 4 Rn. 14; Püttner in Engstfeld/Haack, Juristische Probleme im Zusammenhang mit den sog. neuen Jugendreligionen, S. 104 („Hauptzweck“); Reichert in Reichert/van Look, Handbuch des Vereins- und Verbandsrechts, Rn. 2912; Schnorr, Öffentliches Vereinsrecht, § 2 Rn. 39, 40 („Hauptzweck“). 128

B. Abgrenzung gegenüber anderen Freiheitsrechten

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len Frage der wirtschaftlichen Betätigung wird hierin ein Rechtsmissbrauch unter dem Vorwand weltanschaulicher Betätigung gesehen.134 Überschneidungen der verschiedenen Theorien sind jedoch bei der Einordnung des theoretischen Marxismus als Weltanschauung auszumachen.135 Nur vereinzelt wird die Zuordnung des Marxismus zum Kanon der Weltanschauungen mit der jedenfalls für das restriktive Lager konsistenten Begründung abgelehnt, der Marxismus befasse sich im Wesentlichen mit der Umgestaltung der Gesellschaftsordnung; Erkenntnis über die Stellung des Menschen in der Welt werde nicht als Eigenwert angestrebt, sondern sei hierfür lediglich das Mittel zum Zweck. Diese partielle Zielsetzung sei für eine Weltanschauung jedoch nicht ausreichend, da sie sich auf den Teilbereich eines Weltbildes beschränke und sie den Marxismus daher als (bloße) politische Ideologie kennzeichne.136 Ebenfalls nur vereinzelt wird in der Literatur die Frage nach der Einordnung des Nationalsozialismus und ihm nahe stehender Gruppierungen explizit problematisiert, die in Rechtsprechung und Gesetzgebung zuletzt verstärkt thematisiert wurde. Teilweise wird hierbei, abhängig von der jeweiligen individuellen Ausprägung der Anschauung, die Einordnung als Weltanschauung angenommen.137 Andererseits wird auch diese Einschätzung, ebenso wie die Einordnung des Marxismus, kritisch hinterfragt. Hierbei wird angezweifelt, dass es sich um eine hinreichend geschlossene Gesamtsicht auf die Welt handelt. Nationalsozialismus sei nach dieser Ansicht allenfalls eine politische Ideologie.138

134

Rudroff, Das Vereinigungsverbot nach Art.  9 Abs.  2 GG und dessen verwaltungsrechtliche Auswirkungen, S.  23 f.; Muckel in Friauf/Höfling, GG, Art.  4 Rn.  14. Die Stellungnahme von Muckel bedient sich hierbei unterschiedlichen Argumenten, die im Rahmen der wirtschaft­lichen Betätigung teilweise sowohl der „Vorwand-“, als auch der „Nebenzweck-“, oder „Schwerpunkttheorie“ zugeordnet werden. Wörtlich heißt es: „die politische Betätigung [darf] nicht das eigentliche Ziel der betreffenden Vereinigung sein, während das Religiöse nur als Vorwand dient und bloße Randerscheinung ist.“ Die Argumentation unterstreicht, dass es hierbei unabhängig von der konkreten Wortwahl i. E. jedenfalls stets um die Feststellung eines Rechtsmissbrauches anhand objektiver Kriterien geht. 135 Hierfür: Zippelius in BK (Drittbearbeitung), GG, Art. 4 Rn. 94 und Herzog in MD, GG, Art.  4 Rn.  67 unter Hinweis auf BVerfGE 25, S.  230 (233 f.); Ob dies auch innerhalb des ­politisch-institutionellen Bereich gelten soll, erscheint jedoch fraglich. Gegen die Einordnung marxistischer Parteien als Weltanschauungsgemeinschaft vgl. Obermayer, DVBl 1981, S. 615 (618). 136 Mertesdorf, Weltanschauungsgemeinschaften, S. 371; Casper, Artikel: „Weltanschauung“ in StL, Bd. 5, Sp. 926; Schnorr, Öffentliches Vereinsrecht, § 2, Rn. 40. 137 Mertesdorf, Weltanschauungsgemeinschaften, S. 376 m. w. N. 138 Schnorr, Öffentliches Vereinsrecht, § 2, Rn.  40; Casper, Artikel: „Weltanschauung“ in StL, Bd. 5, Sp. 926, der politische Ideologie in Abgrenzung zu einer Weltanschauung als kritikunfähig und basierend auf der Leugnung von Erkenntnissen der Wissenschaft und Philosophie charakterisiert. Das Bekenntnis einer Weltanschauung sei in diesem Zusammenhang nicht das eigentliche Ziel, sondern diene nur der auf die eigene Durchsetzung abzielenden Handlungsertüchtigung.

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1. Kap.: Gegenwärtiger Stand der juristischen Diskussion

2. Differenzierungen in der Rechtsprechung Trotz der, bereits im Ansatz stets auf den konkreten Einzelfall bezogenen, Abgrenzungsbemühungen der Rechtsprechung zwischen „politischer Überzeugung“ und „Weltanschauung“ lässt sich in der Judikatur zumindest ein gewisser Trend zur Einschränkung des Anwendungsbereiches des Art. 4 Abs. 1 GG im Hinblick auf politische Betätigungen durch die Definition des Begriffs der Weltanschauung entnehmen. Nach Auffassung der Rechtsprechung schade die Einmischung in politische Tagesfragen jedoch nicht der Zuordnung einer Gruppe zum Bereich der Weltanschauungsgemeinschaften. Eine Unterteilung in „echte“ und „unechte“ Weltanschauungsgemeinschaften wie sie der Bayerische Verwaltungsgerichtshof noch vorgenommen hatte und die der in der Literatur vertretenen Schwerpunkt­ bildung nicht unähnlich ist, wurde vom Bundesverwaltungsgerichtabgelehnt. Politische Betätigung als solche ist mithin kein negatives Definitionsmerkmal der Weltanschauungsfreiheit: Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof urteilte noch unter Bezugnahme auf eine in der damaligen Literatur teilweise vertretene Auffassung,139 sowie eine Stellungnahme des Bundesinnenministeriums, dass „echte“ Weltanschauungsgemeinschaften sich darauf beschränkten, das Weltganze und die Stellung des Menschen in ihm geistig zu erkennen und zu bewerten, während „unechte“ Weltanschauungsgemeinschaften von der Grundlage einer Weltanschauung ausgehend ihren Hauptzweck darin suchen, Staat, Gesellschaft und Rechtsordnung nach ihren Wertungen umzugestalten.140 Diese Auffassung wurde jedoch durch das Bundes­ verwaltungsgericht verworfen. Den Weltanschauungsgemeinschaften steht seiner Ansicht nach vielmehr ein den Religionsgemeinschaften vergleichbarer Öffentlichkeitsanspruch zu. Dies habe zur Folge, dass sie nicht schon durch eine poli­ tische Tätigkeit außerhalb des geistig-weltanschaulichen Raumes die Eigenschaft einer Weltanschauungsvereinigung im Sinne des Grundgesetzes verlören.141 Diese frühe Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes142 hat bislang soweit ersichtlich Bestand und prägte die Diskussion hinsichtlich des „Ob“ der Zulässigkeit von politischer Betätigung durch Weltanschauungsgemeinschaften in der Literatur. Gleichwohl bleibt festzustellen, dass das Bundesverwaltungsgericht zwar im Ludendorff Bund für Gotterkenntnis trotz seiner politischen Ausrichtung anders als der Bayerische Verwaltungsgerichtshof noch eine Weltanschau 139

Schnorr, Öffentliches Vereinsrecht, § 2 Rn. 36, 39 f. BayVBl. 1965, S. 170 (171 f.); vgl. BVerwGE 37, S. 344 (362). 141 BVerwG, Urteil vom 23.3.1971, Az.: 1 C 54.66, BVerwGE 37, S. 344 (362 f.). 142 Den Nachweisen bei Listl, Das Grundrecht der Religionsfreiheit, S.  362 (Fn.  35) folgend handelt es sich bei der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes um eine der wenigen Entscheidung, die im Zeitraum von 1949 bis 1970 sich überhaupt mit dem Phänomen des weltanschaulichen Bekenntnisses im Sinne des Art. 4 Abs. 1 GG auseinandersetzt. Zuvor war in zwei Entscheidungen von 1955 und 1961 lediglich die Einordnung der FKK Bewegung an­ gesprochen worden, und i. E. offen geblieben. 140

B. Abgrenzung gegenüber anderen Freiheitsrechten

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ungsgemeinschaft sah,143 seither jedoch dieses Prädikat keiner politisch orientierten, insbesondere keiner rechtsgerichteten Gruppierung mehr zuerkannt hat. Diese singuläre Einordnung des Ludendorff Bundes mag daher vorwiegend historische Gründe haben. Denn nach Ansicht der Kritiker hätte es für die Einordnung als Weltanschauungsgemeinschaft, aufgrund des auf das Biologische beschränkten Weltbildes des Bundes, aus religionsphilosophischer Sicht auch an einem hinreichenden systematischen Bemühen um die Erfassung des Weltganzen fehlen können.144 Das Bundesverwaltungsgericht ließ in seiner Entscheidung jedoch die Pflege des religionsphilosophischen Gedankengutes von Dr. Mathilde Ludendorff in Wort und Schrift für ein ausreichendes systematisches Bemühen genügen, stützte sich auf die Anerkennung der Gemeinschaft als Weltanschauungsgemeinschaft durch die NS-Ministererlasse vom 26.11.1936 und 8.5.1937 und führte aus, dass der nach 1945 eingetretene Wandel der politischen Anschauungen nicht dazu führe, dass dem Bund für Gotterkenntnis nunmehr die Eigenschaft als Weltanschauungsgemeinschaft abzusprechen wäre.145 Seither bemüht sich die Rechtsprechungdemgegenüber, wie von Listl bereits angedeutet, um eine positive Abgrenzung von weltanschaulichen und politischen Vereinigungen anhand der Definitionsmerkmale des Begriffs der Weltanschauung und stellt insoweit höhere Anforderungen. Vom Einzelnen verlangt sie nunmehr konsequent eine Überzeugung von einer Gesamtsicht der Welt, die sich an der Stellung des Menschen in der Welt, seiner Herkunft und seinen Zielen, sowie der Beziehung zu höheren Mächten und tieferen Seinsschichten orientiert.146 Überzeugungen zu einzelnen Teilaspekten des Lebens genügen nicht.147 Für Weltanschauungsgemeinschaften verlangt die Rechtsprechung daher eine allseitige Aufgabenerfüllung.148 In seinem Urteil vom 7.7.2004, zum Fall der vom Verfassungsschutzbericht der NPD zugeschriebenen „Weltanschauung“ des Nationalismus, kam das Bundesverwaltungsgericht schließlich zu der sehr weitreichenden Feststellung, dass „eine politische Überzeugung […] nicht unter diesen Begriff von Weltanschauung [falle], selbst wenn sie Sichtweisen von Politik und Gesellschaft sehr umfassend erklärt.“149

Ob dieser Aussage eine grundsätzliche systematische Differenzierung zwischen „politischer Überzeugung“ und „weltanschaulichem Bekenntnis“ zugrunde liegt, wie sie auch teilweise in der Literatur vorgenommen wird, oder ob diese gericht 143

BVerwG, Urteil vom 23.3.1971, Az.: 1 C 54/66, BVerwGE 37, S. 344 (366 f.). Listl, DÖV 1973, S. 181 (184). 145 BVerwG, Urteil vom 23.3.1971, Az.: 1 C 54/66, BVerwGE 37, S. 344 (366 f.). 146 BVerwG, Urteil vom 7.7.2004, Az.: 6 C 17.03, NJW 2005, S. 85 (88); Bayerischer VGH, Urteil vom 26.3.2007, Az.: 24 B 06.1894, BayVBl. 2008, S. 109 ff. 147 BVerwG, Urteil vom 19.2.1992, Az.: 6 C 5/91, BVerwGE 89, S. 368 (370 f.). 148 BVerwG, Urteil vom 23.2.2005, Az.: 6 C 2/04, NJW 2005, S. 2101 (2102); LAG Hamm, Beschluss vom 17.05.2002, Az.: 10 TaBV 140/01, NZA-RR 2002, S. 625 (626). 149 BVerwG, Urteil vom 7.7.2004, Az.: 6 C 17/03, NJW 2005, S. 85 (88). 144

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1. Kap.: Gegenwärtiger Stand der juristischen Diskussion

liche Feststellung nur Ausdruck eines sehr hohen Maßes an richterlicher Überzeugung für die Feststellung eines weltanschaulichen Bekenntnisses in Abgrenzung zur politischen Überzeugung ist, muss im Folgenden ebenso näher untersucht werden, wie die Frage, nach welchen Kriterien eine solche Abgrenzung letztlich erfolgen kann. Einstweilen bleibt fraglich, wie weit sich einerseits der Begriff des weltanschaulichen Bekenntnisses, dem freiheitlichen Geist des Grundgesetzes folgend, interpretieren lässt.150 Andererseits aber selbst sehr umfassende Erklärungen von Staat und Gesellschaft nach Auffassung der Rechtsprechung nicht für die Annahme einer Weltanschauung genügen sollen, obgleich Teile der Literatur unter Berufung auf das Bundesverfassungsgericht im theoretischen Marxismus eine Weltanschauung sehen.151 Hierzu ist zunächst auf die Aussagen des Bundesverfassungsgerichtes zurückzugreifen. In dem von Herzog für die Einordnung des theoretischen Marxismus als Weltanschauung zitierten Verfahren handelt es sich um die Verfassungsbeschwerde eines Funktionärs der FDJ,152 der sich gegen seine Verurteilung wegen Hochverrates wendet: In seiner Verurteilung läge die Bestrafung der Betätigung für den wissenschaftlichen Marxismus-Leninismus. Der Beschwerdeführer rügt dies unter anderem auch als Verletzung von Art. 4 Abs. 1.153 Hierzu führte das Verfassungsgericht aus: „Die Würdigung durch den Bundesgerichtshof […] verletzt […] weder Art. 3 Abs. 3 noch Art.  4 Abs.  1 GG. Die Strafbarkeit nach § 129 StGB wird nicht wegen einer bestimmten politischen Anschauung bejaht […]; auch wird nicht die weltanschauliche Überzeugung als solche, sondern die Beeinträchtigung erheblicher Gemeinschaftswerte und Rechtsgüter für strafbar gehalten.“154

In seinem Beschluss unterstellt das Bundesverfassungsgericht die Haltung des Beschwerdeführers demnach sowohl als politische Anschauung, als auch als weltanschauliche Überzeugung. Eine nähere Auseinandersetzung mit der Abgrenzung zwischen „politischer Überzeugung“ und „weltanschaulichem Bekenntnis“ unterbleibt jedoch, da jedenfalls keine Verletzung dieser Grundrechte vorliegt. Ob aus dieser Passage tatsächlich der Rückschluss gezogen werden kann, beim wissenschaftlichen Marxismus-Leninismus handele es sich nach Auffassung des Verfassungsgerichtes um eine Weltanschauung, muss vor dem Hintergrund der zeitlich früheren Ausführungen des Verfassungsgerichtes zum KPD-Verbot155 kritisch hinterfragt werden:

150

Vgl. Listl, DÖV 1973, S. 181 (184). Vgl. Herzog in MD, GG, Art. 4 Rn. 67, sowie die in Fn. 135 auf S. 57 aufgeführten Quel-

151

len.

152

BVerfG, Beschluss vom 12.2.1969, Az.: 1 BvR 42/69, BVerfGE 25, S. 230. BVerfGE 25, S. 230 (232). 154 BVerfGE 25, S. 230 (233 f.). 155 BVerfG, Urteil vom 17.8.1956, Az.: 1 BvB 2/51, BVerfGE 5, S. 85.

153

B. Abgrenzung gegenüber anderen Freiheitsrechten

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In dem damaligen Verfahren trug die KPD unter anderem vor, ihre gesamte Tätigkeit anhand der Theorie des Marxismus-Leninismus auszurichten. Ein Verbot nach Art. 21 Abs. 2 GG käme daher nicht in Betracht, weil eine Rechtsnorm kein adäquater Maßstab zur Beurteilung einer wissenschaftlichen Weltanschauung sei. Sie sehe daher Art. 5 Abs. 3 GG verletzt.156 Obgleich als „wissenschaftliche Weltanschauung“ bezeichnet, orientiert sich das Bundesverfassungsgericht hinsichtlich des Prüfungsmaßstabes am Parteivortrag und prüft hier ausschließlich Art. 5 Abs. 3 GG, ohne auf Art. 4 Abs. 1 GG einzugehen. Dabei führte es aus: „[Es] kann ganz dahingestellt bleiben, ob, wie von der KPD behauptet, die Lehren der von ihr als maßgebend angesehenen politischen Schriftsteller in ihrer Gesamtheit ein einheit­ liches geschlossenes Lehrgebäude von den die Entwicklungen von Staat, Gesellschaft und Wirtschaft beherrschenden Gesetzen darstellt. Soweit es sich hierbei um […] Wissenschaft im Sinne des Art. 5 Abs. 3 GG handelt, ist […] [diese] nicht Gegenstand dieses Verfahrens; ihr wissenschaftlicher Wahrheitsgehalt kann der Beurteilung eines Gerichtes nicht unterliegen. […] Die eindeutig bestimmbare Grenze zwischen wissenschaftlicher Theorie und politischem Ziel liegt dort, wo die betrachtend gewonnenen Erkenntnisse von einer politischen Partei, also einer ihrem Wesen nach zu aktivem Handeln im staatlichen Leben entschlossene Gruppe, in ihren Willen aufgenommen, zu Bestimmungsgründen ihres politischen Handelns gemacht werden.“157

Auf eine Weltanschauung des Marxismus geht das Verfassungsgericht in seinem Urteil somit gar nicht erst ein. Von einer verfassungsrechtlich gesicherten Einordnung des Marxismus als Weltanschauung kann daher nicht ausgegangen werden. Die vom Bundesverfassungsgericht entwickelten Kriterien zur Abgrenzung von Art. 5 Abs. 3 GG und Art. 21 GG lassen sich jedoch als sinngemäße Begründung auf die spätere Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes übertragen, nach der eine politische Überzeugung gerade nicht unter den Begriff der Weltanschauung fällt. Als einheitliche Kriterien der gerichtlichen Entscheidungen ließe sich ein gemeinsamer Stand auf Basis der getroffenen Feststellungen demnach wie folgt zusammenfassen: „Politische Überzeugung“ und „weltanschauliches Bekenntnis“ sind rechtlich unterschiedliche Erscheinungen. Politische Überzeugung zeichnet sich, nach Auswertung der Rechtsprechung, durch den Willen aus, das staatliche Leben in Politik und Gesellschaft durch Gestaltung der Rechtsordnung zu verändern. Aus einer weltanschaulichen Überzeugung lassen sich demgegenüber zwar ebenfalls politische Stellungnahmen ableiten, sie ist aber von einer politischen Anschauung strukturell so verschieden, dass selbst dann der Schutz des weltanschaulichen Bekenntnisses erhalten bleibt, wenn eine Gemeinschaft überwiegend politisch tätig wird, ohne dabei jedoch politische Partei im Sinne des Art. 21 GG zu sein. Um zu einer umfassenden mit den obigen Ergebnissen konsistenten Sicht der Rechtsprechung zu kommen, muss ferner eine praktische Lösungsmöglichkeit für 156

BVerfGE 5, S. 85, (145). BVerfGE 5, S. 85, (145 f.).

157

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1. Kap.: Gegenwärtiger Stand der juristischen Diskussion

die Frage der genauen Abgrenzung zwischen politischer Anschauung und weltanschaulichem Bekenntnis gefunden werden. Die Rechtsprechung nimmt diese Unterscheidung bislang vor, ohne dabei die näheren Kriterien offen zu legen. Mit Blick auf die in der Literatur vertretenen Ansätze könnte man zur Abgrenzung von der Weltanschauung politische Ideologien daher als Einzelüberzeugungen werten, und für die Annahme einer Weltanschauung demgegenüber ein umfassendes über den Bereich von Staat, Gesellschaft und Rechtsordnung hinausgehendes Bekenntnis fordern.158 Diese Abgrenzung mag indessen nicht immer ausreichend sein, da ggf. auch über eine Einzelüberzeugung hinausgehende Bezüge einer politischen Anschauung vorliegen mögen. Um die von der Rechtsprechung angenommene strukturelle Verschiedenheit von politischer Anschauung und weltanschaulicher Überzeugung gleichwohl aufrecht zu erhalten, bietet es sich daher an, vergleichbar mit den Fällen der wirtschaftlichen Betätigung, zusätzlich nach der teleologischen Ausrichtung abzugrenzen159 und sich auch zur Abgrenzung von politischen Auffassungen der in der Literatur vertretenen Vorwand-Theorie anzunähern.160 Nach der Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts soll zwar nicht „schon“ eine politische Tätigkeit außerhalb des geistig-weltanschaulichen Raumes dazu führen, dass der Schutz des Art. 4 Abs. 1 GG nicht mehr gewährt wird, dies schließt aber den Verlust dieses Schutzes unter Vorliegen weiterer Voraussetzungen nicht aus. 3. Tendenzen in der Gesetzgebung Die Notwendigkeit der Unterscheidung zwischen politischen Vereinigungen und Weltanschauungsgemeinschaften wurde von Seiten der Politik bereits früh aufgegriffen. Schon in der Beratung des Parlamentarischen Rates wurde auf die Frage von Mangoldts hin, mit Blick auf den Bund für Gotterkenntnis (Ludendorff) e. V. diskutiert, wie mit politischen Vereinigungen zu verfahren sei, die sich als Weltanschauungsgemeinschaft tarnen, um aufgrund dieser Tarnung die Verfassung zu bekämpfen.161 Zwar konnte sich der Ausschuss nicht zu einer Aufnahme in den späteren Art. 18 GG (Verwirkungen von Grundrechten) entschließen, hielt jedoch im Protokoll der Ausschusssitzung fest, dass der Missbrauch der Freiheit der 158 Vgl. Schnorr, öffentliches Vereinsrecht, § 2 Rn. 40, der in der Auseinandersetzung mit den Formen der Staats-, Rechts- und Gesellschaftsordnung nur einen Teil des für eine Weltanschauung erforderlichen Umfang eines Weltbildes sieht. Sowie ferner die im 1.  Kapitel B. I. 1. in Fn. 127–130 genannten Vertreter einer restriktiven Auslegung, die vergleichbar mit ­BVerwGE 89, S. 368 (370 f.) Überzeugungen von Teilaspekten des Lebens nicht für Welt­anschauung genügen lassen wollen. 159 Vgl. 1. Kapitel B. IV. 160 Vgl. Rudroff, Das Vereinigungsverbot nach Art.  9 Abs.  2 GG und dessen verwaltungsrechtliche Auswirkungen, S. 23 f.; Muckel in Friauf/Höfling, GG, Art. 4 Rn. 14. 161 Ausschuss für Grundsatzfragen, 26.  Sitzung, 30.  November 1948, Schick/Kahlenberg, Der Parlamentarische Rat, Bd. 5, 2. Hlbbd., S.755 f. Vgl. ferner 2. Kapitel B. I. 1. d) bb).

B. Abgrenzung gegenüber anderen Freiheitsrechten

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Meinungsäußerung den Missbrauch der Freiheit der Religionsausübung und die Bekenntnisfreiheit mit umfasse, und die Tarnung als Weltanschauung zum Kampf gegen die Verfassung einen solchen Missbrauch darstelle. In der Stellungnahme des Bundesinnenministeriums vom 5.6.1962 im Verbotsverfahren des Bund für Gotterkenntnis (Ludendorff)  e. V. vor dem bayerischen VGH wird diese Argumentation erneut aufgegriffen, und ausgeführt, dass die vorbehaltslose Gewährung der grundrechtlichen Garantien zu einer begrifflichen Unterscheidung von Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften einerseits und politischen Vereinigungen andererseits führen müsse. Eine Vereinigung, zu deren Grundsätzen eine aktive Einflussnahme in Richtung auf eine Gestaltung oder Veränderung der gesellschaftlichen oder staatlichen Ordnung gehöre, sei daher nicht als Weltanschauungsgemeinschaft anzusehen.162 Auch wenn diese Einschätzung vom Bundesverwaltungsgericht nicht geteilt wurde, ist verschiedenen Gesetzesberatungen das durchgehende Anliegen des Gesetzgebers zu entnehmen, politische Vereinigungen nicht über den Begriff der Weltanschauung mit einzubeziehen. So lehnte der Rechtsausschuss des Bundestages bei seiner Beratung des Strafvollzugsgesetzes die Formulierung der Gleichstellung von Weltanschauungs- mit Religionsgemeinschaften für den Bereich der Anstaltsseelsorge entgegen dem bisherigen Vorschlag enger an die Formulierung des Art. 4 Abs. 1 GG an, um klarzustellen, dass Vereinigungen auf Grundlage des dialektische Materialismus nicht in die Vorschrift mit einbezogen würden. So heißt es nun mehr in § 55 StVollzG: „Vereinigungen, die sich die Pflege eines weltanschaulichen Bekenntnisses zueigen gemacht haben“, anstelle der zunächst vorgeschlagenen Formulierung: „weltanschauliche Vereinigung“.163 Will man hierin mehr als nur eine sprach­ liche Variation sehen, müsste man einen qualitativen Unterschied zwischen Weltanschauungsgemeinschaft und weltanschaulicher Vereinigung machen. Anhaltspunkte hierfür bietet die Rechtsprechung, die eine allseitige Aufgabenerfüllung für Weltanschauungsgemeinschaften voraussetzt. Dies mag für politisch motivierte weltanschauliche Vereinigungen nicht der Fall sein. Problematisch erscheint hierbei jedoch, dass das Bundesverfassungsgericht den Schutz des Art.  4  GG auch für weltanschauliche Vereinigungen eröffnet hat, die sich nicht die allseitige, sondern nur die partielle Pflege des weltanschaulichen Lebens ihrer Mitglieder zum Ziel gemacht haben.164 Dem Gesetzgeber steht es jedoch grundsätzlich frei, an die qualitative Unterscheidung zwischen Weltanschauungsgemeinschaften und welt­ anschaulichen Vereinigungen auch Rechtsfolgen anzuknüpfen. Die sprachliche 162

BayVBl. 1965, S. 170 (171 f.). BTDrucks 7/3998. 164 BVerfG, Beschluss vom 16.10.1968, Az.: 1 BvR 241/66; BVerfGE 24, S. 236 (1. Leitsatz); Ehlers in Sachs, GG, Art. 140/Art. 137 WRV Rn. 3 verweist daher darauf, dass sich auch weltanschauliche Vereinigungen auf den Schutz des Art. 4 Abs. 1 GG berufen könnten. Die Unterscheidung von Weltanschauungsgemeinschaften und weltanschaulichen Vereinigungen beruhe i. E. darauf, dass letzteren lediglich der Schutz über die inkorporierten Artikel der WRV verwehrt sei. 163

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1. Kap.: Gegenwärtiger Stand der juristischen Diskussion

Unterscheidung deutet ferner auf eine stärkere Gewichtung des Bekenntnisses hin, so dass zumindest unter der Prämisse eines strukturellen Unterschieds zwischen „Bekenntnis“ und „politischer Betätigung“165 auch unter diesem Gesichtspunkt das gesetzgeberische Ziel erreicht werden kann. Wie dargestellt hat zuletzt die Erwägung des Rechtsauschusses bei der Beratung des AGG dazu geführt, den Begriff der Weltanschauung gänzlich aus §§ 19, 20 AGG zu streichen, um einen Missbrauch zu vermeiden, obwohl gesehen wurde, dass diese Entscheidung auch „echte“ Weltanschauungsgemeinschaften betrifft. Auf die beachtliche Kritik der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN166 schloss sich der Rechtsausschuss zunächst der in der Rechtsprechung und Teilen der Literatur gebräuchlichen Definition für Weltanschauung an und folgerte, dass der Begriff eng zu verstehen sei und mithin eine mit der Person des Menschen verbundene Gewissheit über bestimmte Aussagen zum Weltganzen, sowie zur Herkunft und zum Ziel menschlichen Lebens erfasse, und auf innerweltliche Bezüge beschränkt sei. Gleichwohl sei es aber aufgrund der reinen Gefahr des Missbrauchs z. B. durch Anhänger rechtsradikalen Gedankengutes gerechtfertigt, das Merkmal „Weltanschauung“ nicht aufzunehmen und insoweit aus dem Entwurf zu streichen.167 Insgesamt bleibt daher festzustellen, dass von Seiten des Gesetzgebers und der zugrunde liegenden politischen Zielsetzung stets eine klare Abgrenzung der Weltanschauungsfreiheit von politischen Auffassungen gefordert wurde. Die Bemühungen scheiterten jedoch letztlich an der begrifflichen Unschärfe des Begriffs „Weltanschauung“. Die Forderung dennoch eine eindeutige Ausgrenzung poli­ tischer Auffassungen zu erreichen, führt jedenfalls im Fall des AGG zur überschießenden Regelung – an entscheidender Stelle wurde ganz auf das Tatbestandsmerkmal „Weltanschauung“ verzichten. 4. Fazit Die Auswertung des bisherigen Diskussionsstandes zeigt, dass eine Abgrenzung von weltanschaulichem Bekenntnis gegenüber politischer Betätigung dringend geboten erscheint. Dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes ist hierbei dem Grunde nach zuzustimmen: Weltanschauungsgemeinschaften kommt ein Öffentlichkeitsanspruch zu, der sich auch auf die Teilhabe und Einflussnahme auf das politische Leben erstreckt. Mit dieser Erkenntnis droht jedoch die Unterscheidung von weltanschaulichem Bekenntnis und politischer Meinungsäußerung eine schwierige Gratwanderung zu werden. Entscheidend wird es mithin darauf ankommen in der folgenden Untersuchung die Merkmale herauszuarbeiten, die eine 165

Wie zuletzt auch vom BVerwG, NJW 2005, S. 85 (88) (s. o.) postuliert. BTDrucks 16/2022, S. 12. – Vgl. 1. Kapitel A. III. 3. 167 BTDrucks 16/2022, S. 13.

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B. Abgrenzung gegenüber anderen Freiheitsrechten

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Weltanschauung ausmachen und diese ins Verhältnis zu einer allgemeinen politischen Gesinnung des Individuums zu setzen, um hierdurch eine Abgrenzung zu ermöglichen.

II. Abgrenzung: Weltanschauungsfreiheit und Meinungsäußerung Aus den soeben erwogenen Problemstellungen zur Abgrenzung von politischer Gesinnung und Weltanschauung lässt sich bereits auf die Problematik der Abgrenzung von Weltanschauungsfreiheit und Meinungsäußerung schließen. Hierbei ist es für die weitere Untersuchung der Fragestellung zweckmäßig, zunächst das systematische Verhältnis von weltanschaulichem Bekenntnis und Meinungsäußerung zu betrachten (1.), um hieraus erste Hypothesen für den weiteren Gang der Untersuchungen zu gewinnen (2.). 1. Systematisches Verhältnis von weltanschaulichem Bekenntnis und Meinungsfreiheit Allgemein wird das Verhältnis von weltanschaulichem Bekenntnis und Meinungsäußerung als einen solches der Spezialität verstanden.168 Während die von Art.  5  Abs.  1  GG geschützte Meinungsfreiheit jede Kundgabe von beliebigen subjektiven Äußerungen und Werturteilen, mithin jede subjektiv wertende Betrachtung von Tatsachen, Verhaltensweisen und Verhältnissen erfassen soll, hat die Freiheit des weltanschaulichen Bekenntnisses eine mit der Person des Menschen verknüpfte Gewissheit über den Bestand und den Inhalt bestimmter subjektiver Wahrheiten zum Gegenstand.169 Zwischen beiden Freiheitsrechten bestehe mithin eine so fundamentale Verschiedenheit, dass es schon fraglich erscheine, ob Überschneidungen überhaupt in Betracht kommen können.170 Die Spezialität wird folglich nicht nur in inhaltlicher Hinsicht (Äußerung zu einer mit der Person des Menschen verknüpften Wahrheit) definiert,171 sondern 168 BVerfG, Beschluss vom 19.10.1971, Az.: 1 BvR 387/65, BVerfGE 32, S. 98 (107); Herzog in MD, GG, Art. 4 Rn. 18; Kokott in Sachs, GG, Art. 4 Rn. 32, 140; Morlok in Dreier, GG, Art. 4 Rn. 188; Schmidt-Jortzig in HbdStR, § 141 Rn. 37; Mager in v. Münch/Kunig, GG, Art. 4 Rn. 87; Zippelius in BK (Drittbearbeitung), GG, Art. 4 Rn. 98; Hofmann in Schmidt-Bleibtreu/ Hofmann/Hopfauf, GG, Art. 4 Rn. 56; ähnlich Preuß in AK, GG, Art. 4 Abs. 1,2 Rn. 14; a. A. v. Campenhausen in HbdStR, § 136 Rn. 87 (völlige Eigenständigkeit). 169 Starck in v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 4 Rn. 153; Muckel in Friauf/Höfling, GG, Art. 4 Rn. 10. 170 BVerfG, Beschluss vom 19.10.1971, Az.: 1 BvR 387/65, BVerfGE 32, S. 98 (107). 171 Für Preuß in AK, GG, Art. 4 Abs. 1, 2 Rn. 14 scheint hingegen neben der subjektiven Gewissheit, aufgrund seines weiten Verständnisses des Begriffs „Weltanschauung“ die Ableitung aus einem Gesamtsystem den wesentlichen Unterschied zur bloßen Meinung auszumachen, ohne sich auf den notwendigen thematischen Inhalt der Aussage festzulegen.

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1. Kap.: Gegenwärtiger Stand der juristischen Diskussion

auch in qualitativer Hinsicht. Im Gegensatz zur Meinungsfreiheit, die eine wertende Stellungnahme, ein für richtig halten genügen lässt, setzt die Freiheit des weltanschaulichen Bekenntnisses qualitativ erhöhte Anforderungen. Sie ist für den Betroffenen in besonderem Maße verbindlich:172 Es ist subjektive Gewissheit der Aussage notwendig. Illustrierend wird in der Literatur daher darauf hingewiesen, dass weltanschauliches Bekenntnis nicht jede philosophische Lehrmeinung erfasst, die man objektiv für richtig hält. Bekenntnis erfordere vielmehr das Eintreten des ganzen Menschen für das absolut Gültige, für die Wahrheit; eine absolute Weltordnung.173 Allgemeine Äußerungen zu Themen des Glaubens und des Bekenntnisses in Artikeln kirchlicher Publikationsorgane fallen daher unter die Freiheit der Meinungsäußerung und der Presse, soweit sie diese Qualität nicht erreichen.174 Selbiges soll für Rundfunksendungen ohne Verkündigungscharakter gelten.175 Aufgrund der vom Verfassungsgericht postulierten fundamentalen Unterschiede wird in der Literatur auch ein wechselseitiger Ausschluss der Bekenntnisfreiheit gegenüber der Meinungsfreiheit vertreten. So kämen beide Freiheiten bei kontinentaleuropäischer Betrachtung aus unterschiedlichen historischen Wurzeln, welche eigenständige Facetten menschlicher Persönlichkeit ansprechen und die Anwendung eines lex specialis Verhältnisses bei genauerer Betrachtung überflüssig machten.176 Die Möglichkeit diese theoretisch gut begründbare Unterscheidung in der Rechtsanwendung letztlich auch zutreffend umzusetzen, wird jedoch kritisch hinterfragt.177 2. Fazit: Weltanschauungsfreiheit mehr als weltanschauliches Bekenntnis? Die Abgrenzung der Meinungsfreiheit vom weltanschaulichen Bekenntnis kann nicht isoliert von der vorangegangenen Problemstellung betrachtet werden. Vielmehr muss sie im Gesamtzusammenhang mit der Abgrenzung der Bekenntnis­ freiheit gegenüber der Äußerung politischer Ansichten gesehen werden, da die Meinungsfreiheit in unserer demokratischen und pluralistischen Gesellschaft ge-

172

Muckel in Friauf/Höfling, GG, Art. 4 Rn. 10. Hamel in Bettermann/Nipperdey/Scheuner, S. 57; ähnlich Staps, Bekenntnisfreiheit – ein Unterfall der Meinungsfreiheit?, S. 184. 174 Kokott in Sachs, GG, Art. 4 Rn. 140; Wendt in v. Münch/Kunig, GG, Art. 5, Rn. 115; Hofmann in Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Hopfauf, GG, Art. 4 Rn. 56. 175 v. Campenhausen in HbdStR, § 136 Rn. 87. 176 Staps, Bekenntnisfreiheit – ein Unterfall der Meinungsfreiheit?, S. 184; ähnlich v. Campenhausen in HbdStR, § 136 Rn. 87. 177 Morlok in Dreier, GG, Art.  4 Rn.  188; Kokott in Sachs, GG, Art.  4 Rn.  140; Starck in v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 4 Rn. 153. 173

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rade der Verbreitung unterschiedlicher politischer Auffassungen im Kampf um die bessere Ausrichtung des Gemeinwesens dient. Die aktuellen Einschätzungen zur systematischen Einordnung der beiden Freiheitsrechte geben bereits die Richtung vor, in der ein zweistufiger Abgrenzungsversuch unternommen werden kann: Zunächst wird zu überprüfen sein, ob es sich bei der jeweiligen Einzelaussage überhaupt um eine Weltanschauung bzw. um eine Äußerung auf Basis eines weltanschaulichen Systems handelt. Liegt eine solche vor, wäre sodann zu überprüfen, ob hierin thematisch und qualitativ auch ein Bekenntnis gesehen werden kann. Für eine solche Abgrenzung sind im weiteren Verlauf der Untersuchung praktisch taugliche Kriterien zu entwickeln. Ferner gilt es zu hinterfragen, ob das weltanschauliche Bekenntnis nicht insgesamt auf die dargestellte thematische und qualitative Spezialität gegenüber der Meinungsfreiheit zu begrenzen wäre.178 Mit anderen Worten, ob der „Weltanschauungsfreiheit“ über das weltanschauliche Bekenntnis im engeren Sinne hinaus noch ein eigener Anwendungsbereich verbleibt. Zwar hat das Bundesverfassungsgericht für den Bereich der Religionsfreiheit bereits klargestellt, dass die Religionsfreiheit nicht nur das Haben, Bilden und Behalten einer subjektiven Überzeugung erfasse, sondern auch die Freiheit schütze, umfassend nach seiner religiösen Überzeugung zu leben.179 Wie diese Rechtsprechung für den unscharfen Bereich der Weltanschauungsfreiheit übertragen werden kann, ohne die obigen Wertungen zur thematischen und qualitativen Abgrenzung der Freiheit des Bekenntnisses zu unterlaufen und eine zweite allgemeinen Handlungsfreiheit für persönliche Anschauungen zu eröffnen,180 muss jedoch problematisiert werden und bei der Auslegung Berücksichtigung finden. Gewiss stellt eine umfassende Ausrichtung des Lebens an weltanschaulichen Lehrsätzen eine schützenswerte Entfaltung der individuellen Persönlichkeit dar. Ob angesichts der diffizilen Abgrenzung von anderen Freiheitsbereichen dieser Schutz jedoch stets über Art. 4 GG erreicht werden muss, sollte hinterfragt wer 178

Vgl. den Ansatz von Preuß in AK, GG, Art. 4 Abs. 1, 2, Rn. 12a; ähnlich will Herzog in MD, GG, ausgehend von seiner Kritik an der gegenüber Art. 4 Abs. 1 GG ausufernden Weite von Art.  4 Abs.  2  GG nach der Rsp. des BVerfG (Art.  4, Rn.  105: „allgemeine Handlungsfreiheit überrollende Spezialvorschrift“) diesen Umstand dadurch lösen, dass er in Rn. 114 ff. dann auch für die Anwendung der Schranken der allgemeinen Handlungsfreiheit eintritt. Auch mit dem Bundesverfassungsgericht könnte im Hinblick auf die Entscheidungen BVerfGE 24, S. 236 (245); 32, S. 98 (106 f.); 41, S. 29 (49) durchaus vertreten werden, dass Art. 4 Abs. 2 GG nur deklaratorische Bedeutung zukommt; im Umkehrschluss also jeweils die Voraussetzungen des Art. 4 Abs. 1 GG gegeben sein müssen. 179 Seit BVerfG, Beschluss vom 19.10.1971, Az.: 1 BvR 387/65, BVerfGE 32, S. 98 (106) st. Rsp. 180 Vgl. u. a. Herzog in MD, GG, Art. 4 Rn. 67, Muckel in Friauf/Höfling, GG, Art. 4 Rn. 3ff; Starck in v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 4 Rn. 60 f.; Bergmann in Hömig, GG, Art. 4 Rn. 5. Kritisch angemerkt auch bei Preuß in AK, GG, Art. 4 Abs. 1,2 Rn. 12a, der i. E. den umfassenden Schutz vermittels eines weiten Bekenntnisbegriffs aus Art. 4 Abs. 1 GG, nicht aber Abs. 2 herleitet.

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1. Kap.: Gegenwärtiger Stand der juristischen Diskussion

den.181 Nach von Campenhausen zeige sich das Bundesverfassungsgericht daher auch gerade beim Rückgriff auf Art. 4 GG restriktiv, soweit andere Grundrechte ebenfalls einschlägig sind, die überwiegend für die Verwirklichung eines effektiven Grundrechtsschutzes genügen.182 Für viele Problemstellungen, die bereits nach Art. 5 Abs. 1 GG oder Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG grundrechtlich geschützt und zulässig sind, muss Art. 4 Abs. 1 GG, zur Wahrung seiner Konturen im Bereich der Weltanschauung, und um im Ergebnis nicht zur oft gebrauchten „kleinen Münze“ zu werden, bereits heute nicht mehr ergänzend herangezogen werden, um zu praktisch vertretbaren Ergebnissen zu kommen. Als Arbeitshypothese zur Auflösung der uneinheitlichen Ansätze und Motive in Gesetzgebung, Rechtsprechung und Literatur erscheint insoweit der Ansatz erwägenswert, den Verfassungstext insgesamt beim Wortlaut zu nehmen und die Weltanschauungsfreiheit im engeren Sinne auf die Freiheit des weltanschaulichen Bekenntnisses zu beschränken und ferner im Rahmen der Auslegung genau zu untersuchen, ob und welche verfassungsrechtlichen Normen darüber hinaus noch spezielle Regelungen zu weltanschaulichen Freiheits- und Gleichheitsrechten enthalten, die eine Erweiterung der Weltanschauungsfreiheit über diesen Kernbereich hinaus rechtfertigen.

III. Abgrenzung: Weltanschauung und Wissenschaftsfreiheit Die Abgrenzung der Weltanschauungsfreiheit zur Wissenschaftsfreiheit wurde bislang noch nicht umfassend beleuchtet. Grund hierfür mag einerseits sein, dass nach dem vorherrschenden Verständnis beide Freiheitsrechte verfassungs­ immanenten Schranken unterliegen und daher praktisch noch kein Bedürfnis nach Abgrenzung entstanden ist. Andererseits wird jedoch gerade im Bereich der zum Teil  auf wissenschaftlicher Begründung fußenden Weltanschauungen eine Abgrenzung zweifelhaft.183 Bei einer Detailbetrachtung wird daher deutlich, dass es durchaus unterschiedliche Auffassungen in der Rechtswissenschaft zu der Frage gibt, ob eine Weltanschauung an den wissenschaftlichen Kriterien „Richtig“ und „Falsch“ gemessen werden kann (1.). Dies weist auf eine weitere, durch die nähere Untersuchung aufzuklärende Grundsatzfrage zum Begriff der Weltanschauung hin (2.).

181 Instruktiv führt Hamel in Bettermann/Nipperdey/Scheuner, S. 38 f. aus, dass jeder Mensch des von der allgemeinen Handlungsfreiheit geschützten Raumes zur Entfaltung der Persönlichkeit bedürfe, Bekenntnis gleichwohl aber nur die Bezeugung des Glaubens und der Stimme des Gewissens gegenüber Dritten sei. 182 v. Campenhausen in HbdStR, § 136 Rn. 87 m. w. N. zur Rsp. des BVerfG. 183 Badura, Schutz von Religion und Weltanschauung, S. 39.

B. Abgrenzung gegenüber anderen Freiheitsrechten

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1. Strikte Alternativität oder parallele Anwendbarkeit Bei näherer Betrachtung lassen sich in der Literatur zumindest drei Posit­ionen für die Differenzierung zwischen Weltanschauung und Wissenschaft aus­machen. Zum ersten sind jene zu nennen, nach denen Weltanschauung nicht jede philosophische Lehrmeinung erfasst. Diese seien den Kategorie „Richtig“ und „Falsch“ zugänglich, wohingegen eine Weltanschauung sich an solchen Kriterien nicht messen lassen kann, da sie von einer subjektiven (Glaubens)Gewissheit ausgeht, die nicht zu hinterfragen sei.184 Im Unterschied zur Wissenschaft diene eine Weltanschauung daher auch ihrem Sinn und Zweck nach dazu, durch die in ihren Lehren vermittelte lebenspraktische Überzeugung die freie Entfaltung der Persönlichkeit zu fördern, nicht jedoch dazu zum Gewinn vertiefter wissenschaftlicher Erkenntnis durch theoretische Betrachtung beizutragen.185 Das Bekenntnis zu einer Lehrmeinung als Wissenschaftler dürfe daher nicht mit religiösem Bekenntnis verwechselt werden.186 Bei der Differenzierung von Wissenschaft und Weltanschauung sei daher insbesondere auf die wissenschaftliche Methode als Quelle des Erkenntnisgewinns abzustellen.187 Auf der hierzu entgegengesetzten Seite ist die Ansicht zu nennen, nach der sich auch Weltanschauungen grundsätzlich auf Richtigkeitskriterien hinterfragen lassen müssten. Anders als die religiöse Überzeugung seien die Grundthesen von Weltanschauung aufgrund ihrer Herkunft aus dem menschlichen Vorstellungsvermögen falsifizierbar.188 Ist die weltanschauliche Überzeugung demnach hinsichtlich ihrer Grundannahmen wissenschaftlich zu hinterfragen und einer Nachprüfung als höherer Erkenntnis gerade nicht entzogen, vermag sich aus diesem Kriterium keine Unterscheidung zwischen wissenschaftlicher Theorie und Weltanschauung zu ergeben. Im Unterschied zur Religion, die von nicht beweisfähigen Glaubenssätzen ausgehe, strebten Weltanschauungen rationale, beweisfähige Erkenntnismethoden an.189 Schließlich sind diejenigen Vertreter anzuführen, die trotz teilweise erkannter Unterschiede zwischen den Kriterien der Weltanschauungs- und der Wissenschaftsfreiheit davon ausgehen, dass beide Grundrechte nebeneinander Anwen 184 Morlok in Dreier, GG, Art. 4 Rn. 43; Veelken, Das Verbot von Weltanschauungs- und Religionsgemeinschaften, S. 44; ähnlich Mager in v. Münch/Kunig, GG, Art. 4 Rn. 88. Vgl. ferner 1. Kapitel B. II. 1. 185 Badura, Schutz von Religion und Weltanschauung, S. 39. 186 Starck in v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 4 Rn. 154 unter Hinweis auf BVerfGE 90, S. 1 (12) wonach über gute oder schlechte Wissenschaft, Wahrheit oder Unwahrheit von Ergebnissen seinerseits nur wissenschaftlich geurteilt werden könne. 187 Hofmann in Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Hopfauf, GG, Art. 4 Rn. 56; Mager in v. Münch/ Kunig, GG, Art. 4 Rn. 88; Guber, „Jugendreligionen“, S. 10 betont daher die prinzipielle Offenheit der Wissenschaft gegenüber dem Irrtum in Abgrenzung zu weltanschaulichen Lehren. 188 Wilms in FS Maurer, S. 503; ihm folgend sein Schüler Bohusch, Grundlagen der Glaubensfreiheit, § 2 S. 17. 189 Schnorr, öffentliches Vereinsrecht, § 2 Rn. 40.

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1. Kap.: Gegenwärtiger Stand der juristischen Diskussion

dung finden können,190 sofern die für die Weltanschauung konstitutive subjektive Gewissheit der wissenschaftlichen Aussage erreicht wird.191 Ebenso wie sich demnach ein Hochschullehrer des Fachbereiches Theologie sowohl auf den Schutz aus Art. 4 GG, wie aus Art. 5 Abs. 3 GG berufen dürfte,192 müsste dies auch für den Bereich der Philosophie gelten und eine parallele Berufung sowohl auf die Weltanschauungsfreiheit nach Art. 4 Abs. 1 GG als auch auf die Wissenschaftsfreiheit möglich sein.193 2. Fazit Es zeigt sich mithin, dass vorliegend eine Grundsatzfrage offensichtlich noch ungeklärt ist. Nach den bisherigen Erwägungen spricht vieles für eine stärkere Trennung zwischen Weltanschauungsfreiheit und Wissenschaftsfreiheit anhand der erstgenannten Ansicht. Gerade die qualitative Abgrenzung des Bekenntnisses nach Art.  4  Abs.  1  GG gegenüber der bloßen Meinungsäußerung nach Art. 5 Abs. 1 GG über den Grad der subjektiven Gewissheit der geäußerten Überzeugung lässt sich auch auf den Spezialfall der Äußerung einer wissenschaftlichen Lehrmeinung nach Art. 5 Abs. 3 GG übertragen. Folgte man hingegen der Gegenauffassung und würde Weltanschauungen auch an Richtigkeitskriterien messen, eröffnete dies ein weites Feld staatlicher Beurteilung von Überzeugungsinhalten, vor dem Art. 4 Abs. 1 GG seinem Sinn und Zweck nach eine freiheitliche Gesellschaft gerade schützen soll. Hinter der zweiten Auffassung stehen aber, jedenfalls auf den zweiten Blick, ebenso überlegenswerte Motive. Geht man von einer grundsätzlichen Abgrenzung zwischen Weltanschauung und Religion anhand der Frage aus, ob die Überzeugung auf einer außerhalb der menschlichen Erkenntnis liegenden Offenbarung beruht, so erscheint die Messbarkeit der Weltanschauung anhand der Kategorien „Richtig“ und „Falsch“ durchaus bedenkens- und die parallele Anwendbarkeit von Wissenschaft- und Weltanschauungsfreiheit überlegenswert. Diese Annahme zur Herkunft der Überzeugung vorausgesetzt, beruht die gesamte Weltanschauung immer auf rein menschlichem Vorstellungsvermögen. Die Möglichkeit eines 190

Kokott in Sachs, GG, Art. 4 Rn. 22; Preuß in AK, GG, Art. 4 Abs. 1, 2 Rn. 14. A. A. ­Mager in v. Münch/Kunig, GG, Art. 4 Rn. 88 (Nur hinsichtlich des Gegenstandes kann Identität be­ stehen, nicht hinsichtlich der Methode). 191 Preuß in AK, GG, Art. 4 Abs. 1, 2 Rn. 14. Ob eine solche subjektive Gewissheit nicht ihrerseits der Annahme von Wissenschaft im Sinne von Art. 5 Abs. 3 GG entgegensteht, da die wissenschaftlichen Grundannahmen nicht mehr hinterfragt, sondern in glaubensmäßiger Überzeugung vorausgesetzt werden, wird hingegen nicht näher thematisiert. 192 Hufen, Staatsrecht II, § 22 Rn. 20. 193 A. A. Starck in v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 5 Rn. 357 wonach die Grenze der Wissenschaft bei der Umsetzung in aktives Handeln erreicht werde. Der Philosoph, der zur Tat schreite, um die Welt zu verändern stehe daher nicht mehr unter dem Schutz der Wissenschaftsfreiheit.

B. Abgrenzung gegenüber anderen Freiheitsrechten

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Irrtums ist daher der Quelle der Erkenntnis schon immanent, anders als bei einer nicht vom Menschen her stammenden Überzeugung kraft göttlicher Offenbarung. Das hohe Schutzniveau des Art.  4 Abs.  1  GG erscheint daher seinem Sinn und Zweck nach bei solchen Überzeugungen möglicherweise nicht mehr in gleicher Weise angemessen, bei denen der Grundrechtsträger bereits aufgrund der Abkunft der Überzeugung aus einer rein menschlichen Vorstellung von der Grundannahme der Möglichkeit des Irrtums ausgeht, oder ausgehen muss. Dieser Ansatz könnte, auch für den Fall, dass die Auffassung der Nachprüfbarkeit anhand der Kriterien „Richtig“ und „Falsch“ nicht geteilt werden kann, eine Erklärung dafür bieten, warum aus teleologischer Erwägung heraus Weltanschauung und Religion mit­ unter strukturell typisiert in bestimmten Fällen legislativ unterschiedlich behandelt werden. In der Praxis mag sich für die Abgrenzung von Weltanschauung und Wissenschaft schließlich die Frage stellen, ob z. B. nationalsozialistisches Gedankengut, welches aufgrund seiner erwiesenen Falsifizierung nicht unter dem Schutz des Art. 5 Abs. 3 GG verbreitet werden kann, weil kein planvolles Streben nach Erkenntnis ersichtlich ist, bei grundsätzlich paralleler Anwendbarkeit der Freiheitsrechte, stattdessen weitere Verbreitung als „Bekenntnis“ einer Weltanschauung finden kann. Auch für diese Unterscheidung müssen die Voraussetzungen einer Weltanschauung herausgearbeitet werden. Ferner zeigt das Beispiel auch, dass den Schranken der Weltanschauungsfreiheit für den Fall, dass der Schutzbereich er­ öffnet ist noch nachgegangen werden muss.

IV. Abgrenzung: Weltanschauung und Erwerbstätigkeit Die Frage der Finanzierung von religiösen Gemeinschaften und Gruppen ist keine neue. Schon Goethe lässt in seinem Faust von 1808 den Mephisto klar­ stellen: „Die Kirche hat einen guten Magen, hat ganze Länder aufgefressen und doch noch nie sich übergessen“.194 Bereits dieses Zitat impliziert die Frage, wie viel wirtschaftliche Betätigung der Einordnung einer Gemeinschaft als Reli­gionsoder Weltanschauungsgemeinschaft entgegensteht. Die Frage, ob eine Weltanschauungsgemeinschaft im Schutzbereich des Art. 4 GG tätig wird, ist daher von großer praktischer Bedeutung. Unterschiedliche Regelungsregime können auf die im Wesentlichen gleiche Tätigkeit Anwendung finden, oder bedürfen mit Blick auf die Überzeugungsfreiheit des Art. 4 GG einer genaueren Auslegung. Als Beispiel mag hier die Anwendung der GewO dienen: Bei der Auslegung des Gewerbe­ begriffs wird für das Merkmal der Gewinnerzielungsabsicht teilweise angenommen, dass diese auch bei Unternehmungen mit mittelbar karitativem Zweck gegeben sei, da als Voraussetzung für die Einordnung als Gewerbe allein eine Ge 194

Goethe, Faust I, Verse 2836–2838 (nach Reclam Universal Bibliothek Nr. 1).

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1. Kap.: Gegenwärtiger Stand der juristischen Diskussion

winn-Erzielungs-Absicht, nicht aber eine spezielle Gewinn-Verwendungs-Absicht gefordert sei.195 In seiner Entscheidung zur „Aktion Rumpelkammer“196 hat das Bundesverfassungsgericht den Schutzbereich des Art. 4 Abs. 1, 2 GG für karitative Sammlungen jedoch auch dann als eröffnet angesehen, wenn sie lediglich mittelbar einem karitativen Zweck dienen.197 Die unbestimmten Rechtsbegriffe der GewO müssten demnach auch für Weltanschauungen mit Blick auf Art. 4 GG ausgelegt werden, soweit dessen Anwendungsbereich eröffnet ist. War die Tatsache der Gewinnerzielung bei religiösen Gemeinschaften angesichts der jahrhundertealten Tradition der gesellschaftlich prägenden Großkirchen lange unstreitig, beschäftigte sich die juristische Literatur und die Rechtsprechung erstmals intensiver mit der Frage, ob die Absicht der Gewinnerzielung der Einordnung in den Schutzbereich der Religions- oder Weltanschauungsfreiheit entgegenstehen könnte, angesichts des Aufkommens der sog. „Jugendreligionen“.198 Ihren vorläufigen Abschluss fand diese Diskussion mit der „Bhagwan-Entscheidung“ des Bundesverwaltungsgerichtes.199 Demnach entfalle die Einordnung als Weltanschauungs- oder Religionsgemeinschaft nicht bereits dadurch, dass sich eine Überzeugungsgemeinschaft wirtschaftlich betätige. Hierfür sprechen entscheidende Argumente. Wie das Bundesverwaltungsgericht zutreffend ausführt, bedarf jede verfasste Gemeinschaft finanzielle Mittel, um ihre Ziele verwirklichen zu können. Im Gegensatz zu den als Körperschaften des öffentlichen Rechtes verfassten Kirchen besteht für viele Gemeinschaften nicht die Möglichkeit sich über Steuererhebungen zu finanzieren. In welcher Weise die Gemeinschaften gleichwohl ihren Finanzbedarf decken muss ihnen daher in erster Linie selbst überlassen werden. Sie sind keineswegs von vorneherein auf Beitragserhebung, Spenden und andere freiwillige oder unentgeltliche Zuwendungen beschränkt. Ausgehend von der oben ausgeführten Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts zur Abgrenzung gegenüber politischer Betätigung200 bestätigte das Bundesverwaltungsgericht ferner erneut, dass auch mit Blick auf die wirtschaftliche Betätigung keine Unterscheidung in „echte“ bzw. „unechte“ Weltanschauungs­ gemeinschaften getroffen werden kann. Wörtlich heißt es im Urteil:

195 Tettinger in Tettinger/Wank, GewO § 1 Rn. 22 und 18 ff. Anders nur, wenn der Gewinn direkt dem idealen Zweck zugute kommt und nicht erst anfällt und dann weitergeleitet wird; ähnlich und teilweise a. A. insoweit Kahl in Landmann/Rohmer, GewO, Einl. Rn. 56, der zunächst auf die unmittelbare Förderung gemeinnütziger Zwecke abstellt, dann aber auch Tätigkeiten aus dem Gewerbebegriff ausscheidet, die nur aus religiösen oder anderen ideellen Motiven ausgeübt werden; für Gewerblichkeit hingegen auch Ruthig in Ruthig/Storr, Öffentliches Wirtschaftsrecht S. 111 f. 196 BVerfG, Beschluss vom 16.10.1968, Az.: 1 BvR 241/66; BVerfGE 24, S. 236. 197 BVerfGE 24, S. 236 (249 f.). 198 Vgl. Überblick bei Kremser, ZevKR 39 (1994), S. 160 ff.; Fehlau, JuS 1993, S. 441 (444) m. w. N. in Fn. 38. 199 BVerwG, Urteil vom 27.3.1992, Az. 7 C 21/90, BVerwGE 90, S. 112 (116). 200 BVerwG, Urteil vom 23.3.1971, Az.: 1 C 54.66, BVerwGE 37, S. 344 (362 f.).

B. Abgrenzung gegenüber anderen Freiheitsrechten

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„Diese Rechtsprechung trifft nicht nur auf die politische Betätigung, sondern ebenso auf die wirtschaftliche Betätigung einer Religions- oder Weltanschauungsgemeinschaft zu. Sie beruht auf der Erwägung, daß die Gefahren, die mit einer religions- oder weltanschauungsfremden Betätigung solcher Gemeinschaften verbunden sein können, nicht mit einer einschränkenden Definition des Grundrechtstatbestands, sondern in der Weise zu bewältigen sind, daß neben Art. 4 GG die für die betreffende Betätigung einschlägigen allgemeinen Gesetze zur Anwendung gebracht werden, […].“

Auf Basis dieser grundsätzlichen Klarstellung der Zulässigkeit des „Ob“ wirtschaftlicher Betätigung von Weltanschauungsgemeinschaften ergeben sich für das Verhältnis von Weltanschauung zur wirtschaftlichen Betätigung im Wesentlichen zwei Aspekte, denen in der folgenden Untersuchung noch nachgegangen werden muss. Erstens stellt sich die Frage, unter welchen Voraussetzungen auf Grund des allgemeinen Gedankens des Rechtsmissbrauchs bei einer religiös-weltanschaulichen Verbrämung rein wirtschaftlichen Handelns die Eröffnung des Schutzbereichs der Weltanschauungsfreiheit im Einzelfall dennoch abgelehnt werden kann (1.). Zweitens stellt sich die Frage, wann und in welcher Art und Weise Art. 4 Abs. 1, 2 GG bei der Anwendung der allgemeinen Gesetze Schutzwirkung für wirtschaftliche Betätigung von Weltanschauungsgemeinschaften entfaltet (2.). Die hierzu von der Rechtsprechung und Literatur vertretenen Ansätze sind für die weitere Untersuchung schließlich zusammenzufassen und zu bewerten (3.). 1. Rechtsmissbrauch durch religiöse Verbrämung von Wirtschaftstätigkeit Im Spannungsfeld zwischen normativer Abscheidung und praktischer Kon­ kordanz von wirtschaftlicher Betätigung und Weltanschauungsfreiheit stellte sich der Literatur wie der Rechtsprechung vor allem am Beispiel der Gemeinschaft ­Scientology die Frage, unter welcher Voraussetzung ausnahmsweise die Berufung auf Art. 4 GG aus Gründen des Rechtsmissbrauchs gänzlich versagt werden sollte. In Literatur und Rechtsprechung bestand dahingehend Einigkeit, dass das Grundgesetz normativ eine Unterscheidung zwischen „Weltanschauung“ einerseits und „wirtschaftlicher Betätigung“ im Sinne des Art. 12 GG andererseits vorsieht und daher insoweit auch unterschiedliche Regelungssysteme zum Ansatz bringt, wenn nur eines der beiden Freiheitsrechte tatsächlich gegeben ist.201 Im Ergebnis wird hierzu wohl allgemein auf das Institut des Rechtsmissbrauchs zurückgegriffen.202 Unter welchen Voraussetzungen dieses aber Anwendung fin 201 Vgl. Magen in Umbach/Clemens, GG, Art. 140 Rn. 121, der auf dieser Basis sodann für eine Unterscheidung anhand von normativen Kriterien eintritt; Muckel in Friauf/Höfling, GG, Art. 4 Rn. 11; Badura, Schutz von Religion und Weltanschauung, S. 44 f. 202 Der Rückgriff auf dieses Institut wird nicht immer offen thematisiert, so dass sich dem geneigten Leser der Eindruck ergeben kann, ein „zu viel“ der Wirtschaftstätigkeit könnte originär religiösem Handeln schaden. Nach dem oben gewählten Ansatz des BVerwG dürfte es aber

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1. Kap.: Gegenwärtiger Stand der juristischen Diskussion

det, da kein religiös-weltanschauliches Handeln mehr vorliegt, sondern dieses de facto nur vorgeschoben wird, um rein wirtschaftliche Aktivität zu tarnen, ist vor allem in der Literatur umstritten. Hierzu werden mehrere Ansätze in verschiedenen Spielarten vertreten, wobei zwei Hauptansätze zu unterscheiden sind: Einerseits wird in der Literatur auf den Schwerpunkt der Betätigung einer Vereinigung abgestellt, um möglichen Missbrauch zu ermitteln.203 Dieser Ansatz muss aber als von der Rechtsprechung überholt angesehen werden, da das Bundesverwaltungsgericht, wie oben ausgeführt analog zu seiner Entscheidung betreffend der politischen Betätigung von Weltanschauungsgemeinschaften, eine Abgrenzung nach Schwerpunktkriterien abgelehnt hat.204 Ähnliches muss für die vergleichbaren Stimmen in der Literatur gelten, die dann eine Unzulässigkeit annehmen wollen, wenn das überzeugungsgeleitete Handeln neben der wirtschaftlichen Betätigung nur noch einen Nebenzweck darstellt, der Hauptzweck aber in der wirtschaftliche Betätigung zu sehen ist.205 Stattdessen wird andererseits überwiegend und näher am Gedanken des Rechtsmissbrauchs orientiert darauf abgestellt, dass eine unzulässige Maskierung bzw. Verbrämung rein wirtschaftlicher Tätigkeit dann vorliege, wenn überzeugungsgeleitetes Handeln nur als Vorwand zur effektiveren Ausübung der Erwerbstätigkeit genutzt werde.206 Weitgehend offen bleibt jedoch die Frage nach den Kriterien, wann überzeugungsgeleitetes Handeln nur als Vorwand angesehen werden kann. Hierbei wird auf objektive, gewichtige Indizien zurückzugreifen sein, die auf die subjektive Motivation der Handelnden schließen lassen, da der Einwand keinen Schwellenwert geben, in dem religiöses Handeln in rein kommerzielles Handeln umschlägt. Richtigerweise liegt bei echten Missbrauchsfällen von Anfang an überhaupt kein nach Art.  4  GG schutzwürdiges Verhalten vor, obgleich eine solche subjektive Motivation vorge­ geben wird. Diesen Umstand gilt es in der Praxis anhand von Indizien aufzudecken. 203 v. Campenhausen in HbdStR, § 136 Rn. 73. 204 Zudem bleibt unklar, wie ein Schwerpunkt ermittelt würde, zumal ein Schwerpunkt begrifflich auch bei unwesentlichem Überwiegen der wirtschaftlichen Betätigung gegeben wäre. 205 Dostmann, DÖV 1999, S. 993 (994, 998); Muckel, Religiöse Freiheit und staatliche Letztentscheidung, S. 134. Vgl. BVerwG, Urteil vom 6.11.1997, Az.: 1 C 18/95; NJW 1998 S. 1166, 1168 zu der im Rahmen der Entziehung der Rechtsfähigkeit gemäß §§ 21, 22, 43 Abs. 2 BGB maßgeblichen Frage, ob wirtschaftliche Betätigung als Nebenzweck noch dem Hauptzweck eines Idealvereins zuzurechnen ist. 206 BVerwGE 90, S. 112 (116 ff.); BAG, Beschluss vom 22.3.1995, Az.: 5 AZB 21/94, BAGE 79, S. 319 (338); nach VGH BW, Urteil vom 2.8.1995, Az.: 1 S 438/94, NJW 1996, S. 3358 (3361) soll auch für den Entzug der Rechtsfähigkeit gemäß § 43 Abs. 2 BGB im Lichte des Art. 4 GG nur das Vorliegen eines Vorwandes, nicht aber das Überschreiten eines wirtschaft­ lichen Nebenzwecks genügen – anders nachfolgend jedoch das BVerwG (vgl. Fn. 205); Muckel in Friauf/Höfling, GG, Art. 4 Rn. 11; Morlok in Dreier, GG, Art. 4 Rn. 70; Kokott in Sachs, GG, Art. 4 Rn. 69; Ehlers in Sachs, GG, Art. 140 Rn. 6; Jeand’Heur/Cremer, JuS 2000, S. 991 (993); a. A. Di Fabio, JuS 1997, S. 1 (5) in Fn. 57 der aus dem Blickwinkel grundrechtlich begrenzter staatlicher Information fordert, dass der Nachweis ganz überwiegender wirtschaft­ licher Tätigkeit im Sinne der „Schwerpunkttheorie“ genügen müsse, damit der Schutz des Art. 4 GG entfalle. Der Sache nach handelt es sich um eine berechtigten Einwand aus dem Bereich der Beweislast.

B. Abgrenzung gegenüber anderen Freiheitsrechten

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des Rechtsmissbrauchs gerade darauf beruht, objektiv unter einem Anschein zu handeln, der subjektiv nicht gegeben ist – das geltend gemachte Recht sich entgegen dem äußeren Anschein daher nicht auf den behaupteten Schutz von Art. 4 GG stützen lässt.207 Zutreffend erkennt Mertesdorf hierbei eine Annäherung der Schwerpunkttheorie an die Vorwandtheorie, da der Schwerpunkt der Tätigkeit als wesentliches Indiz des Rechtsmissbrauchs herangezogen wird.208 In der weiteren Untersuchung wird zu klären sein, ob sich aus der Auslegung eine Präferenz für eine der in der Literatur vertretenen Varianten zur Feststellung des Rechtsmissbrauchs ableiten lässt. Ferner müssen auch im Hinblick auf diese Fragestellung die subjektiven Voraussetzungen der Ausübung der Weltanschauungsfreiheit untersucht werden. Für die praktische Rechtsanwendung wird es demgegenüber darauf ankommen eine Methode zu entwickeln, wie die subjektiven Voraussetzungen der Weltanschauungsfreiheit geprüft werden können. Hierzu ist auf die materielle Beweislastverteilung einzugehen. 2. Anwendung des Art. 4 GG auf wirtschaftliche Betätigungen Nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes bleibt die Frage nach der Art und Weise der Anwendung des Art. 4 GG auf die allgemeinen Rechtsnormen zur wirtschaftlichen Betätigungen weitgehend offen. Im Urteil heißt es dazu: „Der Schutz des Art. 4 GG bleibt der Gemeinschaft demnach im Prinzip erhalten und wird nur insoweit zurückgedrängt, als dies zum Schutz kollidierender Rechtsgüter anderer erforderlich ist.“209 Der nähere Inhalt dieser Aussage bleibt auslegungsbedürftig. Anknüpfend an den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 4.10.1965210 wird daher sogar vertreten, dass wirtschaftliche Betätigung grundsätzlich keine Erscheinungsform der Religionsausübung sei, auch dann nicht, wenn ihre Verfolgung mittelbar weltanschaulichen Zielen dient.211 In dem Beschluss heißt es: 207 Vgl. Teichmann in Soergel, BGB, § 242 Rn. 14, der diesen Fall des Rechtsmissbrauchs unter die Gruppe des Normenmissbrauchs subsumiert, und zutreffend darauf hinweist, dass „im Eigentlichen um die Frage der zweckentsprechenden Gesetzesauslegung bzw. Interpretation des betreffenden Rechtsinstitutes“ handelt. Es handelt sich daher um keinen für § 242 BGB typisches Regel-Ausnahmeverhältnis. Bereits das objektiv scheinbar vorhandene Rechtsinstitut ist bei zutreffender Auslegung nicht einschlägig. Dies hat wichtige Konsequenzen für die Frage der Beweislastverteilung bzw. die Konsequenzen fehlender richterlicher Überzeugung. 208 Mertesdorf, Weltanschauungsgemeinschaften, S. 210 ff. 209 BVerwG, Urteil vom 27.3.1992, Az.: 7 C 21/90, BVerwGE 90, S. 112 (118). 210 BVerfG, Beschluss vom 4.10.1965, Az.: 1 BvR 498/62, BVerfGE 19, S. 129 (133). 211 v. Campenhausen in HbdStR, § 136 Rn. 72, 90; Preuß in AK, GG, Art. 4 Abs. 1,2 Rn. 27; Jarass in Jarass/Pieroth, GG, Art.  4 Rn.  17; Mager in v. Münch/Kunig, GG, Art.  4 Rn.  57; ­Kokott in Sachs, GG, Art. 4 Rn. 69; ähnlich Starck in v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 4 1, 2 Rn. 40 (vollständiger Ausschluss für gewerbliche Tätigkeit – jedoch ohne nähere Definition von „gewerblich“).

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1. Kap.: Gegenwärtiger Stand der juristischen Diskussion „Die von der Beschwerdeführerin beanstandete Besteuerung verstößt nicht gegen das Grundrecht der Kultusfreiheit. Art. 4 Abs. 2 GG […] Diese finanzielle Belastung hat nämlich nicht die Religionsausübung als solche zum Gegenstand, sondern knüpft nur an einen religionsneutralen Vorgang an. Der Verkauf von Speisen und Getränken sowie die Vermietung von Unterkünften sind nicht selbst Gegenstand der Religionsausübung, mögen sie ihr auch mittelbar dienen.“

Der scheinbare Widerspruch zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes vom 16.10.1968212 hinsichtlich der Zulässigkeit des „Ob“ wirtschaftlicher Betätigung wird dabei dadurch aufgelöst, dass es sich bei karitativen Sammlungen oder Spenden und vergleichbaren wirtschaftlich relevanten Akten um ein unmittelbares religiöses Bekenntnis im Sinne von Art. 4 Abs. 1 GG handeln soll.213 Für diese überzeugende Annahme kann auf die dezidierten Ausführungen des Bundesverfassungsgerichtes in seinem Beschluss verwiesen werden. Darin heißt es auszugsweise: „Jedenfalls ergibt sich aus den hier angestellten allgemeinen Erwägungen über die Natur der Religionsfreiheit für die zu treffende Entscheidung, daß eine karitative Sammlung nur unter bestimmten Voraussetzungen religiösen Charakter hat und den Schutz des Art. 4 Abs. 2 GG beanspruchen darf. […] die Gabe muß einer bestimmten religiösen Gesinnung oder Haltung des Spenders, sei es der Barmherzigkeit oder der Nächstenliebe, entspringen oder Ausdruck persönlichen Einsatzes für eine gerechte und gute Sache aus glaubensmäßiger Überzeugung sein. Christliche Liebestätigkeit ist nach dem Selbstverständnis der christlichen Kirchen also etwas anderes als ein sozialer Vorgang, der sich in der Fürsorge für Arme, Elende und Bedürftige aus Mitverantwortung für den Nächsten im Interesse eines friedlichen Zusammenlebens im Staat erschöpft und lediglich aus sozialen Gründen das Existenzminimum des Nächsten sichert, […] [Hervorhebungen nicht im Original].“214

Demnach ließe sich die vorherrschende Auffassung wie folgt zusammenfassen: Die generell für wirtschaftliche Tätigkeiten geltenden Regelungen blieben für Weltanschauungsgemeinschaften grundsätzlich anwendbar, soweit es sich ent­ weder von vorneherein um keine Manifestation des Bekenntnisses handelt, oder nur nach dem jeweiligen Selbstverständnis ein weltanschauliches Bekenntnis vorliegt, dieses aber objektiv nach Art und Umstand des Falles nicht bewiesen werden kann (Art. 4 Abs. 1 GG also hinsichtlich seines Schutzbereiches nicht anwendbar ist). Die Ausstrahlungswirkung des Grundrechts aus Art. 4 GG bleiben demgegenüber zumindest in echten Kollisionslagen zwischen Bekenntnis und Wirtschafts­ tätigkeit bei der Auslegung zu berücksichtigen.215 212

BVerfG, Entscheidung vom 16.10.1968, Az.: 1 BvR 241/66; BVerfGE 24, S. 236. Herzog in MD, GG, Art. 4 Rn. 106; Preuß in AK, GG, Art. 4 Abs. 1, 2 Rn. 27; Mager in v. Münch/Kunig, GG Art. 4 Rn. 57; Badura, Schutz von Religion und Weltanschauung, S. 44. 214 BVerfG 24, S. 236 (249). 215 BVerwG 90, S.  112 (116); Badura, Schutz von Religion und Weltanschauung, S.  60; ­Guber, „Jugendreligionen“, S. 87 ff.; Preuß in AK, GG, Art. 4 Abs. 1, 2 Rn. 27. Für Kollisionen, die darauf beruhen, dass die jeweilige wirtschaftliche Betätigung (nur) nach dem Selbstverständnis der Gemeinschaft „Bekenntnis“ darstellen, vertritt Kokott in Sachs, GG, Art.  4 Rn. 69, vergleichbar wie Morlok in Dreier, GG, Art. 4 Rn. 70, eine Beschränkung nur durch 213

B. Abgrenzung gegenüber anderen Freiheitsrechten

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Nach Ansicht von Rechtsprechung und Literatur ist ferner auf Eingriffsebene zu beachten, dass sich die Regeln des Wirtschaftsrechts regelmäßig religionsneutral verhalten. Sie träfen die Weltanschauungsgemeinschaften nicht wegen ihrer Überzeugung als solcher, oder wegen ihrer überzeugungsmäßigen Motivation härter als andere Normadressaten.216 Daher könnten sie sich insoweit auch nur auf Art. 2 Abs. 1 und Art. 12 Abs. 1 GG berufen.217 Soweit ein Rückgriff auf Art. 12 Abs. 1 GG in Ermangelung der Ausübung eines Berufes im Einzelfall einmal jedoch nicht in Betracht kommen sollte, wird dies zum Teil seinerseits als ein Indiz für einen bekenntnismäßigen Vertrieb gewertet, der wie ausgeführt in besonderem Maße unter dem Schutz von Art. 4 Abs. 1 GG steht.218 Eine Anwendung von Art. 4 Abs. 1 GG erschiene demnach nur in echten Kollisionsfällen mit bekenntnisgeleiteten Tätigkeiten angezeigt, bei denen Anhänger einer Weltanschauung zudem wegen ihrer Überzeugung als solcher, oder wegen ihrer überzeugungsmäßigen Motivation härter als vergleichbare Dritte betroffen werden. Ob dies in der Rechtsfolge zum Zurücktreten der dem Schutz anderer Rechtsgüter dienenden allgemeinen Vorschriften führt, ist erst auf der Rechtfertigungsebene zu klären. In Auslegung der einleitenden Formulierung des Bundesverwaltungsgerichtes wird daher vertreten, dass Normen des Wirtschaftsrechts grundsätzlich Anwendung fänden, weil und soweit sie dem Schutz vorrangiger kollidierender Rechtsgüter von Verfassungsrang insbesondere den Rechten Dritter dienen. Im Übrigen träten sie jedoch hinter dem Schutz der Religionsfreiheit zurück.219 Insoweit sie Anwendung finden, sei im Wege der praktischen Konkordanz für den Einzelfall ein angemessener Ausgleich zu finden, wobei die allgemeinen Gesetze umso mehr zum Tragen kommen sollen, je geringer die religiös-welt­ anschaulichen Elemente und die subjektive Betroffenheit seien.220

kollidierende Verfassungsrechte Dritter. Dieser spricht jedoch nicht von Bekenntnis, sondern formuliert: „von […] weltanschaulichen Motiven bestimmt“. Ob damit auch ein qualitatives Minus bloßer weltanschaulicher Motivation für jede wirtschaftliche Tätigkeit ausreichen soll, um sie vom Schutzbereich des Art. 4 GG zu erfassen, erscheint nicht sicher. 216 Mager in v. Münch/Kunig, GG, Art.  4 Rn.  57; Tettinger in Tettinger/Wank, GewO § 1 Rn. 21; Vgl. VG Hamburg, Urteil vom 11.12.1990, Az.: 17 VG 978/88, NVwZ 1991, S. 806 (811 f.); auch OVG Bremen, Urteil vom 25.2.1997, Az.: 1 BA 46/95, NVwZ-RR S. 408 (409) kommt i. E. daher zu der Feststellung, dass es für gewerbliche Betätigungen jedenfalls einer Gewerbeanmeldung bedürfe, unabhängig davon, ob es sich beim Kläger überhaupt um eine Weltanschauungs- oder Religionsgemeinschaft handelt. 217 Kokott in Sachs, GG, Art. 4 Rn. 69. 218 So v. Campenhausen in HbdStR, § 136 Rn. 90, für den „nicht-professionellen“ Verkauf von Bekenntnisschriften. 219 Morlok in Dreier, GG, Art. 4 Rn. 127. 220 Jarass in Jarass/Pieroth, GG, Art. 4 Rn. 13a, 21.

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1. Kap.: Gegenwärtiger Stand der juristischen Diskussion

3. Fazit Als Fazit für die weitere Untersuchung lässt sich aus den dargestellten Erwägungen als erstes Ergebnis festhalten, dass wirtschaftliche Betätigung von Weltanschauungsgemeinschaften als zulässig angesehen wird und kein negatives Definitionskriterium darstellt. Wirtschaftliche und weltanschauliche Betätigung können demnach nebeneinander auf denselben Sachverhalt Anwendung finden. Eine Ausnahme hierzu kann in den Fällen des Rechtsmissbrauchs gesehen werden. Hierbei fehlt es entweder an den Voraussetzungen einer für Weltanschauungsgemeinschaften konstitutiven Lehre, sowie oder alternativ an der subjektive Überzeugung des jeweils handelnden Einzelnen von einer solchen Lehre, denn nur wenn objektiv und subjektiv das Bekenntnis einer Weltanschauung gegeben ist, kann Art. 4 GG Schutzwirkung entfalten. Eine Aufgabe der Untersuchung wird es daher sein zu prüfen, ob sich aus der Auslegung gegenüber den zahlreichen Ansätzen der Literatur ein bevorzugtes Kriterium zum Feststellen eines Rechtsmissbrauches ermitteln lässt. Im Übrigen hat die Betrachtung der Ansätze in Literatur und Rechtsprechung zu der Art und Weise der parallelen Anwendbarkeit von weltanschaulicher und wirtschaftlicher Betätigung gezeigt, dass es einer durchgehend sorgfältigen Betrachtung der jeweiligen Voraussetzungen der Weltanschauungsfreiheit nicht nur auf der Ebene des Schutzbereichs, sondern auch auf der Ebene des Eingriff und der Rechtfertigung bedarf. Insoweit ist eine entsprechende Aufgliederung der Untersuchung geboten. Hinsichtlich des Eingriffs ist die weltanschauliche Neutralität wirtschaftsrechtlicher Regelungen zu thematisieren. Auf der Ebene der Recht­ fertigung wird vor allem der Frage nach den anwendbaren Schranken und des Ausgleichs im Wege der praktischen Konkordanz nachzugehen sein.

V. Zusammenfassung zum Problemaufriss der Abgrenzungsfragen In Anbetracht der mannigfaltigen Abgrenzungsfragen bleibt zunächst festzuhalten, dass die Verfassung den Freiheitsschutz des Grundgesetzes bewusst in unterschiedlichen Artikeln differenziert ausgestaltet hat, um Gleiches gleich, unterschiedliche Lebenssachverhalte aber unterschiedlich behandeln zu können. Die Abgrenzung zwischen den einzelnen Freiheitsverbürgungen und ihren unterschiedlichen Rechtsfolgen vorzunehmen, bleibt daher eine Aufgabe der staatlichen Organe und steht nicht zur Disposition derjenigen, die einen entsprechenden Grundrechtsschutz behaupten.221 Abgrenzungskriterien sind und bleiben erforder 221 Vgl. zur Berücksichtigung des Selbstverständnisses die Diskussion1. Kapitel A. I.; sowie Badura, Schutz von Religion und Weltanschauung, S. 44. Ferner zur Kritik und praktischen Umsetzung 2. Kapitel B. III. 7. b).

B. Abgrenzung gegenüber anderen Freiheitsrechten

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lich. Sie müssen sich gleichwohl überzeugend aus dem Normsystem des Grundgesetzes ableiten lassen. Bereits die schlaglichtartige Beleuchtung einzelner Abgrenzungsprobleme zeigt hierbei, dass die inhaltliche Untersuchung des Begriffs „Weltanschauung“ auch mit Blick auf die übrigen Freiheitsrechte erfolgen muss: Lässt sich Weltanschauung tatsächlich an den Kriterien „Richtig“ und „Falsch“ messen? Erfasst das Bekenntnis einer Weltanschauung auch Einzelaussagen zu bestimmten, eng umrissenen thematischen Fragen und wenn ja, wie lässt sich Weltanschauung dann von Politik, Wissenschaft und Meinungsäußerung abgrenzen? Erst unter Anwendung der juristischen Auslegungsmethoden wird sich im Rahmen der weiteren Untersuchung die Frage nach dem spezifischen Bedeutungsgehalt des weltanschaulichen Bekenntnisses näher beantworten lassen. Daneben stellt sich das Problem, praktische Kriterien für die Ausbildung richterlicher Überzeugung zu schaffen. Diese dürfen nicht mit inhaltlichen Kriterien der Definition von Weltanschauung verwechselt werden. Die Schwierigkeit der Rechtsanwendung liegt jedoch nach den bisher aufgezeigten Problemkomplexen vor allem in der Ermittlung subjektiver Tatsachen, insbesondere in der persönlichen Überzeugung des Einzelnen und seiner Handlungsmotivation. Für die Ermittlung dieser subjektiven Umstände wird auf das Vorliegen objektiver Hilfskriterien zurückzugreifen sein. Anderenfalls wird sich das Selbstverständnis der Weltanschauungsgemeinschaften nicht in dem geforderten Maße berücksichtigen lassen. Unter diesem Gesichtspunkt werden einige Konkretisierungsansätze der Literatur und Rechtsprechung der näheren Betrachtung bedürfen, ohne vorschnell als staatliche Inhaltskontrolle verworfen zu werden.222 Auch die Abgrenzung der bereits vom Parlamentarischen Rat gesehenen Missbrauchsfälle der Weltanschauungs­ freiheit weist über die bloße inhaltliche Unterscheidung der Weltanschauung von wirtschaftlicher und politischer Tätigkeit hinaus und wird daher auch als Frage des Beweisrechts zu thematisieren sein.223

222 Vgl. Einerseits: Herzog in MD, GG, Art. 4 Rn. 67 der für weltanschauliche Bekenntnisse metaphysische Gedankensysteme fordert, die „über eine ähnliche Geschlossenheit und Breite verfügen, wie die im abendländischen Kulturkreis bekannten Religionen.“ Zustimmend zitieren diesen Starck in v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 4 Abs. 1, 2 Rn. 33 und BVerwG, Urteil vom 19.2.1992, Az.: 6 C 3/91, BVerwGE 90, S. 1 (4) („Bei allen gebotenen Abstrichen an deren Vollkommenheit […] aber dennoch wenigstens […].“). A. A. unter Hinweis auf (mög­ liche) unzulässige Inhaltskontrolle: v. Campenhausen, Neue Religionen im Abendland, ZevKR 25 (1980), S.  135 (151), Veelken, Das Verbot von Weltanschauungs- und Religionsgemeinschaften, S. 75; Fleischer, Religionsbegriff, S. 154. 223 Vgl. 2. Kapitel B. III. 7. b).

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1. Kap.: Gegenwärtiger Stand der juristischen Diskussion

C. Auf Art. 4 Abs. 1 und Abs. 2 GG anwendbare Schranken Als letzter größerer Problemkomplex muss im Vorfeld der näheren Untersuchung abschließend auf das Schrankenproblem des Art. 4 Abs. 1 und Abs. 2 GG eingegangen werden. Schlagwortartig lässt sich hierbei konstatieren, dass das Grundgesetz regelmäßig einem weit gefassten Schutzbereich die Möglichkeit einer weitgehenden Einschränkbarkeit gegenüberstellt, während Freiheitsrechte mit engem Anwendungsbereich regelmäßig auch nur unter engen Voraussetzungen weiter beschränkt werden können. Schließlich sieht das Grundgesetz eine Einschränkung bestimmter Grundrechte nur durch kollidierendes Verfassungsrecht vor. Versteht man Art. 4 Abs. 1 und Abs. 2 GG daher mit dem Bundesverfassungsgericht als vorbehaltlos gewährtes Grundrecht, welches nur durch kollidierendes Verfassungsrecht einschränkbar ist (I.), entspricht dies sehr hohen Anforderungen an die weitere Einschränkbarkeit. Zugleich muss man jedoch angesichts der Unschärfe des Begriffs „Weltanschauung“ und der weiten Auslegung des Bundesverfassungsgerichtes zur Religionsfreiheit, welche allgemein auch auf die Welt­ anschauungsfreiheit übertragen wird, konstatieren, dass der engen Schranke ein weit gefasster Schutzbereich gegenübersteht. Verglichen mit dem Schutzbereich des Art. 2 Abs. 1 GG wird daher bereits von einer allgemeinen religiösen Handlungsfreiheit gesprochen.224 Von einer im Vordringen befindlichen Auffassung wird daher versucht, die Disparität zwischen Schutzbereich und Schrankenziehung auf Schrankenebene durch Etablierung eines auf Art. 4 GG anwendbaren Gesetzesvorbehaltes aufzulösen (II.)

I. Vorbehaltlos gewährleistetes Grundrecht aus Art. 4 Abs. 1 und 2 GG Nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts unterliegt Art.  4 Abs.  1 und 2  GG keinem ausdrücklichen Gesetzesvorbehalt.225 In dieser Ansicht wird das Bundesverfassungsgericht von einem großen Teil der Literatur bestärkt.226 Dass es an einem ausdrücklichen Gesetzesvorbehalt fehlt, bedeutet allerdings keineswegs, dass das Bundesverfassungsgericht und mit ihm die Vertreter dieser Auffassung in Rechtsprechung und Literatur von einer schrankenlosen Gewährleistung der in Art. 4 Abs. 1 und 2 GG gewährten Freiheiten ausgehen. Vielmehr findet nach die 224

Herzog in MD, GG, Art. 4 Rn. 5, 67.; Muckel in Friauf/Höfling, GG, Art. 4 Rn. 4. BVerfG, Beschluss vom 19.10.1971, Az.: 1 BvR 387/65, BVerfGE 32, S. 98 (108) (1. Senat); BVerfG, Beschluss vom 11.4.1972, Az.: 2 BvR 75/71; BVerfGE 33, S. 23 (31) (2. Senat). 226 Morlok in Dreier, GG, Art. 4 Rn. 111 ff.; Kokott in Sachs, GG, Art. 4 Rn. 118; v. Campenhausen in v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 136 WRV Rn. 6 im Anschluss an Maurer, ZevKR 49 (2004), S. 311 (330) m. w. N. 225

C. Auf Art. 4 Abs. 1 und Abs. 2 GG anwendbare Schranken

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ser Auffassung jede Ausübung grundrechtlicher Freiheit ihre Grenze in der grundrechtlich geschützten Ausübung der Freiheit Dritter sowie anderer kollidierender Rechtsgüter von Verfassungsrang.227 Die Auflösung der durch eine Kollision entstehenden Konfliktlagen stellt regelmäßig eine wesentliche, dem parlamentarischen Gesetzgeber vorbehaltene Wertentscheidung dar, so dass es zur Auflösung entsprechender Konfliktlagen im Ergebnis auch bei Annahme eines vorbehaltlos gewährleisteten Grundrechts jedenfalls eines einfachen Gesetzes zur Einschränkung der Religionsfreiheit bedarf.228 Dies ergibt sich aus dem Vorbehalt des Gesetzes nach Art.  19 Abs.  1  GG, da andernfalls ein vorbehaltlos gewährleistetes Grundrecht in formaler Hinsicht einfacher zu beschränken wäre als ein nur mit Gesetzesvorbehalt gewährtes Grundrecht. Lediglich hinsichtlich der sich aus Art. 4 GG und Art. 140 GG i. V. m. Art. 136 Abs.  3  Satz  1 WRV ergebenden Freiheit sein Bekenntnis zu verschweigen, hat das Bundesverfassungsgericht bislang in Art.  136  Abs.  3  Satz  2  WRV i. V. m. Art.  140  GG einen ausdrücklichen Gesetzesvorbehalt anerkannt. Demnach findet das Recht des Einzelnen seine Zugehörigkeit zu einer Religions- oder Weltan­ schauungsgemeinschaft zu verschweigen seine Grenze unter den Voraussetzungen eines zum Zwecke der statistischen Erhebung erlassenen Parlamentsgesetzes.229 Hingegen sei Art.  136 Abs.  1 WRV bereits seinem Wortlaut nach als Diskriminierungsverbot, nicht aber als Schranke der Religionsfreiheit zu verstehen.230 Oder werde jedenfalls hinsichtlich seiner historischen Funktion als Grundrechtsschranke im Grundgesetz von Art.  4 Abs.  1,  2  GG überlagert und verdrängt.231 Einer weiteren Ansicht nach komme Art.  136  Abs.  1  WRV jedoch noch Bedeutung als kollidierende Verfassungsnorm zu. Wie Art.  3 Abs.  3  GG normiere Art. 136 Abs. 1 WRV das Verbot einer Begünstigung wegen eines Bekenntnisses. Dem demokratisch legitimierten Gesetzgeber obliege es daher, mit der Ausgestaltung des einschränkenden Gesetzes eine Abwägung zwischen den entgegengesetzten Verfassungsnormen herbeizuführen.232

227

BVerfG, Beschluss vom 26.5.1970, Az.: 1 BVR 83, 244 und 345/69, BVerfGE, 28, S. 243 (261); Hassemer/Hömig, EuGRZ 1999, S. 525 (528); Wendt in v. Münch/ Kunig, Art. 5 Rn. 96. 228 BVerfG, Beschluss vom 27.11.1990, Az.: 1 BvR 402/87, BVerfGE 83, S. 130 (142); Morlok in Dreier, GG, Art. 4 Rn. 116; Schoch in FS Hollerbach, S. 161; Winkler, Kollisionen zwischen Grundrechten und anderen verfassungsrechtlichen Schutznormen, S. 345 m. w. N. 229 BVerfG, Urteil vom 15.12.1983, Az.: 1 BvR 209, 269, 362, 420, 440, 484/83, BVerfGE 65, S. 1 (38 f.). 230 Kokott in Sachs, GG, Art. 4 Rn. 122; Preuß in AK, GG, Art. 140 Rn. 37; Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Rn. 437; Korioth in MD, GG, Art. 136 WRV Rn. 54; Winter, Staatskirchenrecht der Bundesrepublik Deutschland, S. 120; a. A. Bock, AöR 123, S.  444 (471), nachdem das Diskriminierungsverbot nur für die staats­bürgerlichen Rechte, nicht aber die staatsbürgerlichen Pflichten gelten solle. Insoweit handle es sich um einen Vorbehalt der Geltung der allgemeinen Gesetze. 231 Nunmehr auch v. Campenhausen in v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 136 WRV Rn. 6 im Anschluss an Maurer, ZevKR 49 (2004), 311 (330) m. w. N. 232 Jarass in VVDStRL 68, S. 106f; Jarass in Jarass/Pieroth, GG, Art. 4 Rn. 28.

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1. Kap.: Gegenwärtiger Stand der juristischen Diskussion

II. Kein vorbehaltlos gewährleistetes Grundrecht aus Art. 4 GG Nach gegenteiliger Auffassung stellt Art. 4 GG kein vorbehaltlos gewährleistetes Grundrecht dar. Unter den Vertretern dieser im Vordringen befindlichen Auffassung findet sich das Bundesverwaltungsgericht233 und eine zunehmende Anzahl von Stimmen aus der rechtswissenschaftlichen Literatur.234 Hierbei sind jedoch einige grundlegend unterschiedliche Strömungen zu berücksichtigen. Vorherrschend wird innerhalb dieser Auffassung vertreten, dass Art.  4 Abs.  1 und Abs. 2 GG hinsichtlich der Glaubensfreiheit und der Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses ihre Schranke in Art.  136 Abs.  1 WRV fän‑ den (1.). Nur vereinzelt wird vertreten, der Gesetzesvorbehalt erstrecke sich auch auf die Ausübung der Gewissensfreiheit (2.). Ferner wird von einer weiteren Ansicht zwischen Art. 4 Abs. 1 und Art. 4 Abs. 2 GG in der Anwendung der Gesetzes­ vorbehalte differenziert (3.). 1. Schranke aus Art. 136 Abs. 1 WRV Art. 136 Abs. 1 WRV lautet in der von der gewöhnlichen Diktion des Grundgesetzes abweichenden sprachlichen Fassung der deutschen Verfassung vom 11. August 1919: „Die bürgerlichen und staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten werden durch die Ausübung der Religionsfreiheit weder bedingt noch beschränkt“. Ausgehend von der Überlegung, dass zu den staatsbürgerlichen Pflichten auch die Befolgung der Gesetze gehört, von der die Ausübung der Religionsfreiheit nicht dispensiere, wird in Art. 136 Abs. 1 WRV ein Vorbehalt der Einschränkung durch allgemeines Gesetz gesehen.235 Vergleichbar mit der zu Art. 5 Abs. 2 GG geführten Diskussion236 wird von den Vertretern dieser Auffassung ein Gesetz als allgemein angesehen, das sich nicht gegen eine bestimmte Religionsausübung richtet, sondern das dem Schutz anderer, in der konkreten Konfliktlage vorrangiger Rechtsgüter zu dienen bestimmt ist.237

233

BVerwG, Urteil vom 23.11.2000, Az.: 3 C 40/99, BVerwGE 112, S. 227 (232). Zippelius in BK (Drittbearbeitung), GG, Art.  4 Rn.  89; Starck in v. Mangoldt/Klein/ Starck, GG, Art. 4 Rn. 88; Preuß in AK, GG, Art. 4 Abs. 1, 2 Rn. 30; Schoch in FS Hollerbach, S. 163 f.; Ehlers in Sachs, GG, Art. 140 Rn. 4; Muckel in Friauf/Höfling, GG, Art. 4 Rn. 47 f. m. w. N. auch zur Gegenansicht. 235 Zippelius in BK (Drittbearbeitung), GG, Art. 4 Rn. 89; Starck in v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 4 Abs. 1, 2 Rn. 88; Ehlers in Sachs, GG, Art. 136 WRV Rn. 4; Preuß in AK, GG, Art. 4 Abs. 1, 2 Rn. 30; a. A. BVerfG, Beschluss vom 11.4.1972, Az.: 2 BvR 75/71; BVerfGE 33, S. 23 (30 f.). 236 Preuß in AK, GG, Art. 4 Abs. 1, 2 Rn. 30; Starck in v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 4 Abs. 1, 2 Rn. 91. 237 Starck in v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 4 Abs. 1, 2 Rn. 92. 234

C. Auf Art. 4 Abs. 1 und Abs. 2 GG anwendbare Schranken

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Ebenfalls im Spektrum der zu Art. 136 Abs. 1 WRV vertretenen Auffassungen wird diskutiert, dass Art. 136 Abs. 1WRV im Gesamtzusammenhang der inkor­ porierten Artikel der WRV nur die kollektive Religionsausübung beschränke, jedoch keine Schranke für die individuelle Religionsausübung darstelle.238 Soweit überhaupt thematisiert wird, ob sich Art. 136 WRV entgegen seinem Wortlaut auch auf die Freiheit des weltanschaulichen Bekenntnisses erstrecke, wird dies mit der Begründung bejaht, dass das Grundgesetz in Art.  4 Abs.  1  GG eine Gleichstellung239 bezwecke, die im Ergebnis auch auf Art. 136 WRV ausstrahle. 2. Schranke der Gewissensfreiheit? Während nahezu allgemein von der Unbeschränkbarkeit der Gewissensfreiheit sowohl hinsichtlich des „forum internum“ zur Gewissensbildung als auch hinsichtlich des „forum externum“, also der Ausübung der Gewissensfreiheit im Einzelfall, ausgegangen wird,240 vertritt Herdegen, dass auch die Gewissensfreiheit der Einschränkung des Art. 136 Abs. 1 WRV unterliegen müsse. Für diese Erwägung wird darauf abgestellt, dass sich letztlich alle Gewissensentscheidungen auf eine weltanschauliche oder religiöse Grundlage stellen ließen und daher andernfalls eine Umgehung des Gesetzesvorbehaltes aus Art. 136 Abs. 1 WRV möglich wäre. Im Wege des Erst-Recht-Schlusses müsse daher, um entsprechendem „Missbrauch“ vorzubeugen, Art. 136 Abs. 1 WRV extensiv ausgelegt und entgegen seinem Wortlaut auch auf die Ausübung der Gewissensfreiheit erstreckt werden.241 Bemerkenswert an diesem Ansatz erscheinen die Nähe der Religion zum Gewissen und das damit verbundene Anerkenntnis weltanschaulicher Gewissensentscheidungen. 3. Differenzierung zwischen Art. 4 Abs. 1 und Art. 4 Abs. 2 GG Der von Herzog verfolgten Differenzierung zwischen Art.  4 Abs.  1  GG und Art.  4  Abs.  2  GG hinsichtlich der Anwendung eines Gesetzesvorbehaltes liegt folgende Erwägung zu Grunde: Während Art. 4 Abs. 1 GG hinsichtlich der Freiheit des Glaubens und des Gewissens das ohnehin unproblematische forum internum schütze, und die Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses einen fest umrissenen Schutzbereich erfasse,242 komme Art. 4 Abs. 2 GG 238 Das Verfassungsgericht wendet das für alle geltende Gesetz jedenfalls im Rahmen des Art. 137 Abs. 3 WRV als Schranke des Selbstbestimmungsrechts der Religionsgemeinschaften an. Vgl. BVerfG, Beschluss vom 4.6.1985, Az.: 2 BvR 1703, 1718/83 und 856/84, BVerfGE 70, 138 (166 ff.). Hierauf weist zutreffend Ehlers in Sachs, GG, Art. 140 Rn. 4 hin. 239 Starck in v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 4 Abs. 1, 2 Rn. 92. 240 Starck in v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 4 Abs. 1, 2 Rn. 94. 241 Herdegen, Gewissensfreiheit, S. 288. 242 Herzog in MD, GG, Art. 4 Rn. 80 ff.

84

1. Kap.: Gegenwärtiger Stand der juristischen Diskussion

besondere Bedeutung zu.243 In der Auslegung des Bundesverfassungsgerichtes erfasse Art.  4  Abs.  2  GG schlichtweg jede auf religiöse Handlungsmotivation fußende Betätigung. Angesichts der derart weit verstandenen religiösen Handlungsfreiheit sei es daher sachgerecht, die Schranken des Art.  2 Abs.  1  GG zu übertragen.244 Für diese Analogie spreche, dass beide Grundrechte Handlungsfreiheiten sind und in ihrer Auslegung entsprechend weit verstanden werden. Auch der historische Wille des Verfassungsgebers und die frühen Stimmen der rechtswissenschaftlichen Literatur sprächen für eine Schrankenleihe.245 Dem Einwand der bewussten Streichung des Gesetzesvorbehaltes in Art.  4  GG entgegnet Herzog, dass es sich gleichwohl um eine planwidrige Lücke handeln müsse, da der Verfassungsgeber erkennbar jedenfalls von irgendeiner gesetzlichen Einschränkungsmöglichkeit ausgegangen sei.246 Hinsichtlich des in Art.  4 Abs.  1  GG geschützten weltanschaulichen Bekenntnisses verbliebe es hingegen bei der Parallelität zur Meinungsfreiheit. Die Bekenntnisfreiheit schütze lediglich spezieller, dem sachlichen Gehalt nach aber mit Art. 5 Abs. 1 GG identisch, die Äußerung von Glaubensinhalten. Herzog leitet daraus die Anwendung von Art. 5 Abs. 2 GG auf Art. 4 Abs. 1 GG in Form der Bekenntnisfreiheit ab, ohne es jedoch zu unterlassen auf den gegenüber Art. 5 Abs. 1 GG nochmals erhöhten Stellenwert der in Art.  4 Abs.  1  GG vorgenommenen besonderen Privilegierung hinzuweisen. Begründet wird diese Übertragung neben dem Argument der Sachnähe der Schranke vor allem mit den sachlich gerechtfertigten Resultaten der Schrankenleihe.247 Einen ähnlichen Ansatz verfolgt de constitutio ferenda Fehlau. Ebenfalls von einer Differenzierung zwischen Art. 4 Abs. 1 GG als Glaubensfreiheit und Art. 4 Abs. 2 GG als Religionsausübungsfreiheit ausgehend,248 stellt dieser die nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes problematische „uferlose Weite“ 243

Herzog in MD, GG, Art. 4 Rn. 99 ff. Herzog in MD, GG, Art. 4 Rn. 111, 114. 245 So die in den fünfziger Jahren vorherrschende Auffassung in Lit. und Rsp. Vgl. Hamann, GG, Art. 4 Anm. 4; Klein in v. Mangoldt/Klein, GG, Art. 4 Anm. III 5a; zu Art. 12 Abs. 1 GG OVG Münster, Urteil vom 11.4.1951, 3 A 795/50, DVBl 1952, S. 378 und ablehnend BGH, Gutachten vom 28.4.1952, Az.: VRG  3/52, DVBl 1953, S.  471 (473); offen OVG RLP, Urteil vom 16.10.1956, Az.: 2 A 15/56, FamRZ 1957, S. 98 (100); a. A. und aufgegeben durch ­BVerfG, Beschluss vom 19.10.1971, Az.: 1 BvR 387/65, BVerfGE 32, S. 98 (107), der aus systematischen Erwägungen heraus explizit die Anwendung der Schranken aus Art. 2 Abs. 1 GG ablehnte. 246 Herzog in MD, GG, Art. 4 Rn. 114. 247 So auch Herzog in MD, GG, Art. 4 Rn. 90f; ähnlich auch Magen in Umbach/Clemens, GG, Art. 136 WRV Rn. 44, der den Gesetzesvorbehalt daher auf die Ausweitung des Schutz­ bereiches durch das BVerfG im Bereich des Art. 4 Abs. 2 GG beschränken will. A. A. auch im Hinblick auf die Schrankenleihe aus Art. 5 Abs. 2 GG: BVerfG, Beschluss vom 19.10.1971, Az.: 1 BvR 387/65, BVerfGE 32, S.  98 (107) (1.  Senat). Es bleibt jedoch fraglich, ob unter Berücksichtigung der besonderen Privilegierung die Anwendung der Schranke des Art. 5 Abs. 2 GG auf Art. 4 Abs. 1 GG praktisch tatsächlich zu anderen Ergebnissen führen würde, oder ob es sich nicht lediglich wie die Ausführungen Herzogs nahelegen, um einen akade­ mischen Streit um den überzeugenderen Weg handelt, der jeweils zum identischen Ziel führt. 248 Fehlau, JuS 1993 S. 441. 244

C. Auf Art. 4 Abs. 1 und Abs. 2 GG anwendbare Schranken

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des Art.  4 Abs.  2  fest249 und will dem Problem auf Schrankenebene begegnen. Hierbei prüft er die Anwendung von Art. 136 WRV auf den gesamten nach dem Bundesverfassungsgericht einheitlichen Schutzbereich des Art.  4 Abs.  1,  2  GG. Gerade im Hinblick auf die Beschränkung der Glaubensfreiheit lehnt er diese Auffassung ab und regt eine Grundgesetzänderung zur Schaffung eines Schrankenvorbehaltes für die in Art. 4 Abs. 2 GG enthaltene Religionsausübungsfreiheit an.250

III. Fazit Für eine Gesamtbetrachtung der Freiheit des weltanschaulichen Bekenntnisses muss im Rahmen der Untersuchung angesichts der unterschiedlichen Stimmen in Rechtsprechung und Literatur auch Stellung zur Frage der auf die Weltanschauungsfreiheit anwendbaren Schranken genommen werden. Die aufgezeigte Disparität zwischen Schutzbereich und anwendbarer Schranke erscheint insbesondere für die praktische Rechtsanwendung auf den ersten Blick die größte Bedeutung zu besitzen. In der nachfolgenden Untersuchung wird sich dabei zeigen, ob hierbei ggf. zwischen der weltanschaulichen Bekenntnisfreiheit im engeren Sinne und der Erweiterung des Schutzbereiches im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes zu differenzieren ist. Für die Bekenntnisfreiheit im engeren Sinne erscheint fraglich, ob nach einer näheren Bestimmung des Schutzbereiches der Frage nach den anwendbaren Schranken noch größere Bedeutung zukommen wird. Dies muss sich erst noch zeigen. Bereits Herzog weist hinsichtlich der Einschränkbarkeit durch allgemeines Gesetz zutreffend darauf hin, dass der Freiheit des weltanschaulichen Bekenntnisses gegenüber der Meinungsfreiheit eine noch gesteigerte Bedeutung zukomme. Im Ergebnis dürfte sich daher die Frage der Abwägung im Rahmen der praktischen Konkordanz ohne direkt anwendbare Schranke der abstrakten Frage nach der Vorrangigkeit eines gegenüber der Bekenntnisfreiheit noch höherrangigerem allgemeinen Gesetzes annähern. Dieser Abwägung müssen sich jedoch auch die Vertreter der Anwendung eines Gesetzesvorbehaltes stellen. So stellt Kremser bezeichnend fest, dass allgemeine Schrankengesetze vielmehr nur bereits bestehende immanente Verfassungsschranken deklaratorisch zum Ausdruck bringen.251 Außerhalb des Bekenntnisses im engeren Sinne erscheint die teilweise vertretene Differenzierung der anwendbaren Schranken jedoch erwägenswert, ist doch die weite Ausdehnung des Schutzbereiches durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes die eigentliche Quelle der Disparität zwischen Schranke und Schutzbereich. Wesentlich wird hierbei der Umfang des Anwendungsbereiches 249

Fehlau, JuS 1993 S. 441 (442 f.). Fehlau, JuS 1993 S. 441 (444 f.). 251 Kremser, ZevKR 39 (1994), S. 160 (172). Ähnlich Korioth in MD, GG, Art. 136 WRV Rn. 54 a. E. 250

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1. Kap.: Gegenwärtiger Stand der juristischen Diskussion

des Art. 4 Abs. 2 GG für den Bereich der Weltanschauungsfreiheit sein. Hat die bisherige systematische Darstellung jedoch gerade für diesen Bereich bereits die Kritik an einer allzu unreflektierten Übertragung der Anwendung, der für die Religionsfreiheit entwickelten Grundsätze auf den Bereich der Weltanschauungsfreiheit geschärft, so muss sich auch die von Starck formulierte Begründung der über den Wortlaut hinausgehenden Erstreckung der Schranke des Art. 136 WRV auf die Weltanschauungsfreiheit erst noch genauer hinterfragen lassen.

D. Zusammenfassung der vorgefundenen Problemstellungen Die aufgeführten Problemkomplexe und deren Lösungsansätze zeigen die Schwerpunkte für die weitere Untersuchung auf. Grundsätzlich muss zunächst die Frage nach dem „Ob“ und dem „Wie“ einer Differenzierung zwischen Welt­ anschauung und Religion geklärt werden. Scheint die Frage des „Ob“ schon aus dem Ansatzpunkt der Rechtsprechung und der textlichen Fülle von Verfassung und einfachen Gesetzen pragmatisch geklärt, so ist die Frage nach den möglichen Differenzierungskriterien umso dringender. Hier vermag eine eingehende Analyse der Wortbedeutung von Weltanschauung, sowie die systematische und historische Betrachtung Lösungsansätze zu bieten und der Frage nachzugehen, ob das Grund­gesetz eine Differenzierung zwischen diesen beiden Phänomenen wie bislang angenommen überzeugen kann. Nur für den Fall, dass keine Differenzierung zwischen Weltanschauung und Religion möglich sein sollte, ist der Weg zu einem einheitlichen Schutzbereich der Religionsfreiheit vorgezeichnet. Anderenfalls wird es eine Frage der teleologischen Erwägungen sein, ob man unterschiedliche Standards zwischen Religion und Weltanschauung grundsätzlich hinnehmen kann, oder ob untragbare Schutzlücken entstünden und das Grundgesetz allgemein eine gleiche Behandlung von Weltanschauung und Religion erfordert. In jedem Fall wird die Schlüssigkeit der in der Rechtsprechung teilweise bereits praktizierten Differenzierung und der damit zusammenhängenden Konsequenzen zu prüfen sein. Weitere Aufgabe der Untersuchung wird es sein, den Schutzbereich der Weltanschauungsfreiheit zu konkretisieren und gegenüber anderen Freiheiten abzugrenzen. Die systematische Analyse wird sich hierbei der aufgeworfenen Frage stellen müssen, ob die Weltanschauungsfreiheit ggf. auf die Freiheit des weltanschaulichen Bekenntnisses beschränkt werden muss. Nur hinsichtlich der internen Abgrenzung gegenüber der Religionsfreiheit dürfte dabei die Überprüfung der vorherrschenden Abgrenzung über das Kriterium von „Immanenz“ und „Transzen­ denz“ im Mittelpunkt stehen. Hierbei muss der unscharfe Begriff der Transzendenz weiter unter Berücksichtigung der bisher in der Rechtswissenschaft vorgenommenen Versuche konkretisiert werden. Besondere Bedeutung wird in jedem Fall die externe Abgrenzung gegenüber den übrigen Freiheitsrechten haben, da sie

D. Zusammenfassung der vorgefundenen Problemstellungen

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von der Binnenunterscheidung und ihrer Systematik unabhängig sind, gleichwohl aber, wie der Problemaufriss gezeigt hat, aufgrund neuerer Phänomene erheblicher Abgrenzungsbedarf besteht. Hier wird auf die Vorüberlegungen und Lösungs­ ansätze einzugehen sein, um zu überprüfen, welche hiervon nach einer Konkretisierung der Weltanschauungsfreiheit weiterhin tragfähig sind. Abschließend wird auch auf die Frage der gesetzlichen Beschränkungen der Weltanschauungsfreiheit und die Möglichkeit eines Gesetzesvorbehaltes einzugehen sein. Diese Erwägung ist nicht unabhängig von der Bestimmung des Schutzbereiches zu sehen, sondern umso drängender, je eher auch nach der Analyse ein undifferenzierter und schwer abgrenzbarer Bereich fortbesteht, der einer allgemeinen weltanschaulichen Handlungsfreiheit nahe käme.

2

Zweites Kapitel

Neubestimmung der dogmatischen Struktur der Weltanschauungsfreiheit Im zweiten Kapitel wird die dogmatische Strucktur der Weltanschauungs­ freiheit umfassend untersucht. Die historische Entwicklung der Weltanschauungsfreiheit aus der Religionsfreiheit und die Aufgliederung des Grundrechtes in unterschiedliche Textpassagen sind dabei als grundlegende Darstellung den übrigen Untersuchungen in einem allgemeinen Teil  vorangestellt (A.) Daran schließen sich die Ausführungen zum Schutzbereich (B.) und zur Rechtfertigung von Eingriffen in den Schutzbereich (C.) an. Den Abschluss des Kapitels bildet ein Ausblick auf die völker- und europarechtlichen Regelungen zur Weltanschauungsfreiheit (D.).

A. Allgemeines Als Vorarbeiten für die anschließenden spezielleren Untersuchungen sind zunächst die historische Entwicklung der Weltanschauungsfreiheit aus der Religionsfreiheit (I.) und die unterschiedliche textliche Behandlung der Weltanschauungsfreiheit in den verschiedenen Normen des Grundgesetzes (II.) als grundlegende Gegebenheiten allgemein vorangestellt. Hieraus lässt sich bereits eine Ausdifferenzierung unterschiedlicher Wirkformen der Weltanschauung ableiten, die der Annahme eines einheitlichen Schutzbereiches entgegensteht (III.).

I. Die Ausdifferenzierung der Religionsfreiheit in der geschichtlichen Entwicklung bis zur Aufnahme der Weltanschauungsfreiheit in das Grundgesetz Die Weltanschauungsfreiheit stellt keine isolierte juristische Sonderregelung dar, sondern steht in der Traditionslinie der Religionsfreiheit. Bis hin zu ihrer heutigen textlichen Fassung im Grundgesetz teilt sie viele Differenzierungen mit der Religionsfreiheit, die sich bei dieser erst im Laufe eines langen historischen Prozesses entwickelt haben. Für das bessere Verständnis der Regelungen der Welt­ anschauungsfreiheit ist es daher angebracht, sich die wesentlichen Entwicklungen der Religionsfreiheit bis zur Schöpfung der Weltanschauungsfreiheit zu vergegenwärtigen:

A. Allgemeines

89

Der Religionsfreiheit wird sowohl in der allgemeinen Wahrnehmung als auch in der juristischen Betrachtung eine kaum zu überschätzende Bedeutung beigemessen. So sei die Religionsfreiheit eines der essentiellsten und fundamentalsten aller Menschenrechte, welches sich gerade aufgrund ihrer engen Beziehung zur Würde des Menschen ergebe.1 Unabhängig von früheren, bis in die Antike zurück­ reichenden Ursprüngen kann für die verfassungsrechtliche Entwicklung der Religionsfreiheit in Deutschland, wegen ihrer mittelbaren Folgen, auf die Reformation als Ausgangspunkt für die Entwicklung der Religionsfreiheit zurückgegriffen werden,2 auch wenn sie zunächst nicht für Glaubensfreiheit, sondern für Glaubenszweiheit gesorgt hat.3 Die Reformation führte zu einer Auflösung der Unipolarität von Staat und Religion und eröffnete die Möglichkeit zu einer Differenzierung von Kirche und Staat4 als grundlegender Voraussetzung eines gegen den Staat gerichteten religiösen Abwehrrechts. Wesentliche Bedeutung für die Entwicklung der Religionsfreiheit in Deutschland kommt dabei den Friedensschlüssen zwischen den Konfessionen im Augsburger Religionsfrieden von 1555, sowie in besonderem Maße dem Westfälischen Frieden von 1648 zu.5 War zwar auch zuvor von den Kirchenlehrern und den Reformatoren die Freiheit des irrenden Gewissens theologisch anerkannt, so umfasste diese jedoch nicht das öffentliche Bekenntnis eines abweichenden Glaubens. Vielmehr konnte in der Öffentlichkeit jedermann zur Teilnahme an religiösen Handlungen und Unterweisungen gezwungen werden.6 Der Augsburger Religionsfriede eröffnete dem Landesherrn insoweit das Recht, die von ihm nicht zur Landesreligion erhobene andere Konfession ausnahmsweise unter Bedingungen und Beschränkungen zu dulden, oder aber zu verbieten und ihre Anhänger zu vertreiben. § 24 gab in diesem Zusammenhang mehr als Rechtsreflex denn als subjektives Recht den Angehörigen der anderen Konfession unter der Bedingung der Zahlung einer Nachsteuer das Recht zur Emigration in ein Territorium ihres Bekenntnisses.7



1

Vgl. BVerfG, Beschluss vom 19.10.1971, Az.: 1 BvR 387/65, BVerfGE 32, S, 98 (106); Herzog in MD, GG, Art. 4 Rn. 11. 2 v. Campenhausen in HbdStR, § 136, S. 372, Rn. 6; Starck in v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 4 Abs. 1, 2 Rn. 2; Morlok in Dreier, GG, Art. 4 Rn. 3. 3 Anschütz in Anschütz/Thoma, HDStR, § 106 S. 675 (676); Morlok in Dreier, GG, Art. 4 Rn. 3; Starck in v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 4 Abs. 1, 2 Rn. 2 (Glaubensspaltung). 4 v. Campenhausen in HbdStR, § 136, S. 372, Rn. 6. Starck in v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 4 Abs. 1, 2 Rn. 1 verweist für eine beginnende Trennung von Staat und Kirche bereits auf die Auseinandersetzungen im Investiturstreit des Hochmittelalters. 5 Vgl. Preuß in AK, GG, Art. 4 Abs. 1, 2, Rn. 2; Starck in v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 4 Abs. 1, 2 Rn. 2 f. 6 v. Campenhausen in HbdStR, § 136, S. 373, Rn. 8; Hamel in Bergmann/Nipperdey/Scheuner, Die Grundrechte, Bd. 4, 1. Hlbbd., S. 39. 7 v. Campenhausen in HbdStR, § 136, S. 376, Rn. 13; Starck in v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 4 Abs. 1, 2 Rn. 2; Muckel in Friauf/Höfling, GG, Art. 4 Rn. 1; Morlok in Dreier, GG, Art. 4 Rn. 3.

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2. Kap.: Neubestimmung der dogmatischen Struktur

Im Westfälischen Frieden8 wurde dieser Rechtszustand im Wesentlichen beibehalten und auf die Reformierten, als dritter Konfession neben den Katholiken und den Lutheranern, erstreckt.9 Es zeigen sich hierin jedoch erste, für den historischen Vergleich bedeutsame Normierungen unterschiedlicher Aspekte der Religionsfreiheit, die auch in späteren Kodifizierungen wieder aufgenommen wurden. So findet sich eine Regelung, welche den Konfessionen den Besitz an Kirchen und zugehörigem Gut anhand der Besitzverhältnisse am Stichtag vom 1. Januar 1624 garantiert.10 Ferner wurde die Religionsausübung in dem Umfang gewährt, wie sie im Jahre 1624 zugelassen war, so dass gemäß Art. V §§ 31, 32 IPO auch die beiden andersgläubigen Konfessionen in diesem Fall öffentlich ihre Religion neben der Landesreligion ausüben durften (exercitium religionis).11 Bestand ein solches Recht nicht, so blieb das Recht zur Emigration bestehen, der Landesherr wurde aber dazu verpflichtet, für den Fall dass von dem Emigrationsrecht kein Gebrauch gemacht werde, seine andersgläubigen Untertanen zu tolerieren.12 Dies beinhaltete das Recht seinem irrenden Gewissen weiter zu folgen, in dem Sinne dass der Glauben beibehalten, sowie eine Hausandacht gepflegt werden durfte. Öffentlich durfte der Glaube im Gottesdienst hingegen nur in einem benachbarten Territorium der jeweiligen Konfession bekannt werden.13 In den Regelungen des Westfälischen Friedens findet sich damit bereits eine Regelung über den Erhalt des Bestands von Kirchengut, wie es sich inhaltlich ähnlich auch in Art. 138 Abs. 2 WRV findet. Ferner wird deutlich zwischen öffentlicher Religionsausübung und öffentlichem Bekenntnis und der als Freiheit des (irrenden) Gewissens bezeichneten Glaubensfreiheit unterschieden. Dieser wird in der Hausandacht ein über das forum internum hinausgehender Bereich zugestanden, der jedoch auf die Privatsphäre beschränkt ist und nicht in die Öffentlichkeit dringen darf. Die Religionsausübung kann hingegen der Sozialsphäre zugerechnet werden und wird Andersgläubigen nur in dem Umfang zugestanden, wie sie im Jahre 1624 gewährt wurde. Die Rechte des Westfälischen Friedens betrafen jedoch nur die drei darin anerkannten Konfessionen, nicht jedoch andere christliche Glaubensgemeinschaften und Freikirchen, die als Sekten weiterhin verboten waren.14 8 Instrumentum Pacis Osnaburgense (IPO). Die nachfolgenden Angaben zu den darin enthaltenen rechtlichen Regelungen beziehen sich auf die Übersetzung des Quellentextes bei Buschmann, Kaiser und Reich, S. 289 ff. 9 Art. VII § 1 Satz 1 IPO [Gleichstellung des reformierten Bekenntnisses]; v.  Campen­ hausen in HbdStR, § 136, S. 376, Rn. 14; Peuß in AK, GG, Art. 4 Abs. 1, 2 Rn. 2; Starck in v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 4 Abs. 1, 2 Rn. 3. 10 Art. V § 2 Satz 1 IPO [Normaltag]; v. Campenhausen in HbdStR, § 136, S. 377, Rn. 14. 11 v. Campenhausen in HbdStR, § 136, S. 377, Rn. 14; Starck in v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 4 Abs. 1, 2 Rn. 3. 12 v. Campenhausen in HbdStR, § 136, S. 377, Rn. 14; Starck in v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 4 Abs. 1, 2 Rn. 3. 13 v. Campenhausen in HbdStR, § 136, S. 377, Rn. 14; Peuß in AK, GG, Art. 4 Abs. 1, 2 Rn. 2. 14 Art. VII § 2 Satz 4 IPO [Sektenverbot]; vgl. v. Campenhausen in HbdStR, § 136, S. 373, Rn. 19.

A. Allgemeines

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Für den Bereich des preußischen Staates, der über den Norddeutschen Bund später für das gesamte Deutsche Reich bedeutsam wird, wurde die Toleranz, entgegen dem in der IPO statuierten Verbot der Duldung von Sekten, neben den drei anerkannten Konfessionen auch auf diese Bekenntnisformen durch § 2 des Wöllnerschen Religionsediktes ausgedehnt, wobei jedoch Beschränkungen in Bezug auf die öffentliche Äußerung abweichender Meinungen beibehalten wurden.15 Auch dies zeigt eine Abgrenzung, der durch Toleranz gewährten Duldung der Glaubensfreiheit unter Einschluss der Hausandacht, von der Freiheit zu öffent­ lichem Bekenntnis. Im ALR von 1794 wurde dieser Rechtszustand kodifiziert und teilweise erweitert.16 Die prägende Formulierung „Glaubens- und Gewissensfreiheit“ aus § 2 des II. Teil des 11. Titels17 zeigt dabei, dass unter der historischen Freiheit des „irrenden Gewissens“ zunehmend auch die Freiheit des Glaubens verstanden wurde und die Begriffe Glauben und Gewissen insoweit ineinander übergingen. Die §§ 24, 25 ALR billigen das Recht zur Religionsausübung mit Anspruch auf Turm und Glocken weiterhin nur den drei Konfessionen des Westfälischen Friedens zu. Die §§ 5, 6 ALR enthalten demgegenüber für den weiteren Vergleich re­levante Bestimmungen zur negativen Bekenntnisfreiheit, die insoweit als ein Vorläufer der späteren Regelungen des Art. 136 WRV gesehen werden können. Demnach durfte der Staat von einem Untertan die Auskunft über die Zugehörigkeit zu einer Religionspartei nur fordern, wenn „die Kraft und Gültigkeit gewisser bürgerlicher Handlungen davon abhängt.“ Gleichwohl durften aber selbst in diesem Fall „nur diejenigen nachtheiligen Folgen für den Gestehenden [damit] verbunden werden, welche von seiner dadurch, vermöge der Gesetze, begründeten Unfähigkeit zu gewissen bürgerlichen Handlungen oder Rechten von selbst fließen.“ Praktischer Hintergrund dieser Regelung war unter anderem wohl die Gewährung besonderer Rechte, wie die Befreiung vom Wehrdienst für die Mitglieder einiger Sekten, die einerseits mit der Pflicht zur Zahlung von Sondersteuern und anderseits mit dem Verlust gewisser bürgerlicher Rechte einherging.18 So stellte das sogenannte „Gnadenprivilegium für die Mennonitengemeinden im Königreich Preußen“ vom 25.03.1780 diese einerseits auf ewig vom Militärdienst frei, legte den Gemeinden aber eine jährliche Zahlung von 5000 Talern auf. Durch spätere Edikte wurden die Gewerbefreiheit und der Grundstückserwerb der dienstverweigernden Mennoniten beschränkt. Für den westlichen Teil  der preußischen Monarchie wurde durch Kabinettsorder vom 16.5.1830, also unter Geltung des ALR, verfügt, dass Mennoniten, welche den Militärdienst ableisteten, den übrigen christlichen Un 15 v. Campenhausen in HbdStR, § 136, S. 374, Rn. 18; Preuß in AK, GG, Art. 4 Abs. 1,2 Rn. 3; Hamel in Bergmann/Nipperdey/Scheuner, Die Grundrechte, Bd. 4, 1. Hlbbd., S. 44. 16 Starck in v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 4 Abs. 1, 2 Rn. 4. 17 Die folgenden §§ des ALR sind, soweit nicht besonders gekennzeichnet, alle solche des II. Teils des 11. Titels. 18 Preuß in AK, GG, Art.  4 Abs.  1, 2 Rn.  3; Böckenförde, VVDStRL 28, S.  62 Fn.  89 m. w. N.

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2. Kap.: Neubestimmung der dogmatischen Struktur

tertanen gleichgestellt wurden. Wer hingegen aus Gewissensgründen vom Militärdienst befreit wurde, durfte keine Anstellung beim Staat annehmen, ihm war der Grundstückserwerb verboten und er musste jährlich eine Steuer von drei Prozent des Jahreseinkommens entrichten.19 In Kenntnis dieser historischen Regelung spricht viel für die Annahme, dass Art. 136 Abs. 1 und 2 WRV eine Absage an solche durch Gesetz begründete, grundsätzliche Unfähigkeiten für allgemein zulässige bürgerliche Handlungen und Rechten darstellt (z. B. Grundbuchfähigkeit, Gewerbefreiheit), während es zutreffend erscheint Art. 136 Abs. 3 Satz 2 WRV dahingehend auszulegen, dass es auch weiterhin erlaubt sein soll, von der Zugehörigkeit zu einer Religionsgemeinschaft spezielle Rechte und Pflichten abhängig zu machen. Als erste deutsche Verfassung nahm die Verfassung des Kurfürstentums Hessen vom 5. Juni 1831 in §§ 29 und 30 die Bekenntnisfreiheit auf.20 Hierbei folgte sie dem Vorbild der französischen Charte vom 14. August 1830. Damit wurde über die Freiheit der Hausandacht hinaus und außerhalb der öffentlichen Religionsausübung erstmals das Recht gewährt, in der Öffentlichkeit Bekenntnisentscheidungen zu treffen und zu vollziehen. Das Recht zur positiven Bekenntnisäußerung ist damit verfassungsrechtlich jünger als die bereits 1794 im ALR gewährte Freiheit, sein Bekenntnis zu verschweigen. Dies erklärt die eigenständige Hervorhebung von Art.  136 Abs.  3  Satz  1 WRV gegenüber der jüngeren Bekenntnisfreiheit in Art. 4 Abs. 1 GG und stärkt die Annahme, Art. 136 Abs. 3 Satz 1 WRV der historischen Entwicklung folgend insoweit eigenständige Bedeutung beizumessen und nicht als redundante Regelung gegenüber der in Art. 4 Abs. 1 GG mit geschützten negativen Bekenntnisfreiheit anzusehen. Die Paulskirchenverfassung von 1849 bestimmte in Artikel 14 demgegenüber: „Die Religionsfreiheit und die ihrer öffentlichen Ausübung sowie die Freiheit der Meinungsäußerung auf allen Gebieten werden gewährleistet […]“ Damit geht sie einerseits über die §§ 24, 25 ALR hinaus, indem sie die Kultusfreiheit auf alle Religionsgemeinschaften erstreckt, die öffentliche Freiheit des Bekenntnisses wird jedoch, in engem Sachzusammenhang mit der Religionsausübungsfreiheit, als Meinungsfreiheit geschützt. Dass diese Meinungsfreiheit hier im religiösen Kontext verstanden wird, zeigt auch der Inhalt des systematisch anschließenden Art. 15,21 der das Recht der negativen Kultusfreiheit als Vorläufer zu Art. 138 Abs. 4 WRV verbürgt und dessen eigenständige textliche Tradition gegenüber der positiven Religionsausübungsfreiheit des Art. 4 Abs. 2 GG begründet.



19



20

Hecker, Die Kriegsdienstverweigerung im Deutschen und Ausländischen Recht, S. 9. Hamel in Bergmann/Nipperdey/Scheuner, Die Grundrechte, Bd. 4, 1. Hlbbd., S. 45; Morlok in Dreier, GG, Art. 4 Rn. 3; v. Campenhausen in HbdStR, § 136, S. 384, Rn. 27 m. w. N. 21 Artikel 15: „Niemand kann gezwungen werden, auf irgendeine Weise an der Ausübung und an den Feierlichkeiten eines Kultus mitzuwirken, noch die von einem Kultus vorgeschriebenen Ruhetage einzuhalten.“

A. Allgemeines

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Die revidierte Preußische Verfassung vom 31.  Januar  1850, welche die wesentlichen Regelungen der Paulskirchenverfassung übernahm,22 spricht in Art. 12 die Gewährleistung der Freiheit des religiösen Bekenntnisses, der Vereinigung zu Religionsgesellschaften und der gemeinsamen häuslichen und öffentlichen Religionsausübung aus. Es wurde mithin weiterhin zwischen privater und öffent­ licher Religionsausübung differenziert, wobei an die Stelle der Meinungsfreiheit wieder die Freiheit des Bekenntnisses trat. Ferner wurde durch Art. 12 Satz 2 PV der Genuss der bürgerlichen und staatsbürgerlichen Rechte unabhängig vom reli­ giösen Bekenntnis gewährt und damit die Regelung der Art. 136 Abs. 2 WRV und Art. 33 Abs. 3 Satz 1 GG textlich vorweggenommen. Für das gesamte Deutsche Reich wird diese Gleichstellung im Jahre 1871 durch Übernahme des Gesetzes des Norddeutschen Bundes vom 3. Juli 1869 erreicht, die im Ergebnis Art.  12  Satz 2 PV in Bundesrecht umwandelt.23 Darin heißt es „Alle noch bestehenden, aus der Verschiedenheit des religiösen Bekenntnisses her­ geleiteten Beschränkungen der bürgerlichen und staatsbürgerlichen Rechte werden hierdurch aufgehoben. Insbesondere soll die Befähigung zur Teilnahme an Gemeinde- und Landesvertretungen und zur Bekleidung öffentlicher Ämter vom religiösen Bekenntnis unabhängig sein.“ Diese als Klarstellung der allgemeinen Regelung gedachte Formulierung findet als eigenständige Gewährleistung des unbeschränkten Zugangs zu öffentlichen Ämtern Eingang in Art. 136 Abs. 2 WRV, sowie in leicht erweiterter Form in Art. 33 Abs. 2 Satz 1 GG. Die historische Entwicklung der Ausdifferenzierung der mit der Religionsfreiheit verbundenen Rechte beschließen sodann die Regelungen der WRV, welche erstmals auch den Begriff der Weltanschauung in die Verfassung einführten. Art.  135  Abs.  2  WRV stellte klar, dass die Religionsfreiheit nicht nur kollektiv, sondern auch individuell zu verstehen ist.24 Weltanschauungen wurden von der Verfassungsgebenden Nationalversammlung als tatsächliches Phänomen vor­ gefunden25 und in der WRV zunächst in zwei Artikeln dem für die Religionsfreiheit bestehenden Rahmen angenähert.26 Art. 137 Abs. 7 WRV erstreckte bestimmte korporative Freiheiten der Religionsgesellschaften auf Vereinigungen, die sich die gemeinschaftliche Pflege einer Weltanschauung zur Aufgabe gemacht haben.27 Ferner wurde der Begriff der Weltanschauung auch in Art.  147  WRV verwen 22 v. Campenhausen in HbdStR, § 136, S. 384 f., Rn. 28; Preuß in AK, GG, Art. 4 Abs. 1, 2 Rn. 4. 23 v. Campenhausen in HbdStR, § 136, S. 385 f., Rn. 29; Preuß in AK, GG, Art. 4 Abs. 1, 2 Rn. 4. 24 Hufen, Staatsrecht II, § 22 Rn. 1. 25 Zu Weltanschauungsgemeinschaften in der Verfassungsberatung vgl. 2.  Kapitel  B. I.  1. c) aa) (1). 26 Zu den inhaltlichen Beratungen der Nationalversammlung vgl. ferner 2. Kapitel B. I. 1. a) bb) (4) (a) und 2. Kapitel B. I. 1. c) aa) (1). 27 Zum zeitgenössischen Verständnis von Art.  137 Abs.  7 WRV vgl. 2.  Kapitel  B. I.  2. b) (4) (a).

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2. Kap.: Neubestimmung der dogmatischen Struktur

det, der von einer öffentlichen Volksschule ihres Bekenntnisses oder ihrer Weltanschauung spricht. Durch das Grundgesetz wurden die Regelungen zur Weltanschauungsfreiheit zuletzt um das spezielle Differenzierungsverbot des Art.  33 Abs.  3  Satz  2  GG erweitert,28 der insoweit die frühere Regelung des Art. 136 Abs. 2 WRV ergänzt. Ferner wurde mit der Aufnahme des weltanschaulichen Bekenntnisses in Art.  4 Abs.  1  GG klargestellt, dass sich das durch Art.  135 Abs.  2  WRV ein­geführte individuelle Verständnis der Bekenntnisfreiheit auch auf die Weltanschauung bezieht.29

II. Textliche Behandlung der Weltanschauungsfreiheit im Grundgesetz Bereits bei einer kursorischen Betrachtung ist die unterschiedliche textliche Erwähnung der Weltanschauung in den verschiedenen Normen des Grund­gesetzes auffällig. Neben der historischen Entwicklung soll daher auch die normtext­liche Basis als Ausgangspunkt für die nachfolgende Untersuchung im allgemeinen Teil vorangestellt werden. Hierbei sind die Artikel mit textlicher Erwähnung der Weltanschauung (1.) den Artikeln gegenüber zu stellen, die die Weltanschauung nicht erwähnen, obwohl sie im systematischen Kontext zu ihr stehen (2.). Hieraus lassen sich für die nachfolgende Untersuchung erste Ergebnisse über die allgemeinen Begriffsstrukturen und deren Verhältnis zueinander ableiten. Ferner treten aufgrund der komplexen Normstruktur Fragestellungen zur Auslegung zutage, denen in der nachfolgenden Untersuchung nachzugehen ist (3.). 1. Normen des Grundgesetzes mit textlicher Erwähnung der „Weltanschauung“ Das Grundgesetz enthält in den folgenden vier Passagen eine ausdrückliche textliche Erwähnung des Begriffs der Weltanschauung. In zwei Fällen findet der Begriff „Weltanschauung“ hierbei unmittelbar als Nomen Verwendung. Daneben wird einmal das Adjektiv „weltanschaulich“ und einmal das Kompositum „Weltanschauungsschule“ gebraucht. Artikel 4 (1) Die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und die Freiheit des religiösen und welt­ anschaulichen Bekenntnisses sind unverletzlich. […]



28



29

Vgl. zur näheren Darstellung 3. Kapitel B. I. Vgl. ausführlich 2. Kapitel B. I. 2. a) dd) (1). Der Parlamentarische Rat verfolgte die Absicht eine unter Geltung der WRV geführte Literaturdebatte klarzustellen.

A. Allgemeines

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Artikel 7 […](5) Eine private Volksschule ist nur zuzulassen, wenn die Unterrichtsverwaltung ein besonderes pädagogisches Interesse anerkennt oder, auf Antrag von Erziehungsberechtigten, wenn sie als Gemeinschaftsschule, als Bekenntnis- oder Weltanschauungsschule errichtet werden soll und eine öffentliche Volksschule dieser Art in der Gemeinde nicht besteht.[…] Artikel 33 […](3) Der Genuß bürgerlicher und staatsbürgerlicher Rechte, die Zulassung zu öffent­ lichen Ämtern sowie die im öffentlichen Dienste erworbenen Rechte sind unabhängig von dem religiösen Bekenntnis. Niemandem darf aus seiner Zugehörigkeit oder Nichtzugehörigkeit zu einem Bekenntnisse oder einer Weltanschauung ein Nachteil erwachsen.[…] Artikel 140 Die Bestimmungen der Artikel 136, 137, 138, 139 und 141 der deutschen Verfassung vom 11. August 1919 sind Bestandteil dieses Grundgesetzes. Artikel 137 [WRV] […] (7) Den Religionsgesellschaften werden die Vereinigungen gleichgestellt, die sich die gemeinschaftliche Pflege einer Weltanschauung zur Aufgabe machen. […]

Im näheren textlichen Umfeld der Verwendung des Begriffs „Weltanschauung“ finden sich demnach bestimmte weitere Begriffe. So stellt Art. 4 Abs. 1 GG die Begriffe des Glaubens, des Gewissens und des religiösen Bekenntnisses durch die vorgenommene Aufzählung unmittelbar mit dem weltanschaulichen Bekenntnis in normative Beziehung. Soll die Unterscheidung zwischen religiösem und welt­ anschaulichem Bekenntnis hierbei eine logische Bedeutung zukommen, ist durch die adjektivische Verwendung eine Differenzierung in zwei unterschiedliche Bekenntnisarten anzunehmen. Während Art. 4 Abs. 1 GG demnach den Begriff des Bekenntnisses sowohl in der Formulierung religiöses als auch weltanschauliches Bekenntnis kennt, unterscheidet sich hiervon sowohl die Formulierung in Art. 7 GG als auch in Art. 33 GG. Dort heißt es „Bekenntnis- oder Weltanschauungsschule“ bzw. „Niemandem darf aus seiner Zugehörigkeit oder Nichtzugehörigkeit zu einem Bekenntnisse oder einer Weltanschauung ein Nachteil erwachsen.“ „Bekenntnis“ wird hier als solches der Weltanschauung ohne adjektivische Konkretisierung direkt gegenübergestellt. Hieraus lässt sich einerseits schließen, dass der Verfassungsgeber anders als in Art.  4  GG auch zwischen „Bekenntnis“ als solchem und „Weltanschauung“ einen logischen Unterschied macht. Art.  137 Abs.  7  WRV bestätigt demgegenüber die in Art. 4 GG vorgenommene Differenzierung des Verfassungsgebers in Religion und Weltanschauung als rechtlich grundsätzlich unterschiedliche Aspekte, indem eine Gleichstellung zwischen Religionsgesellschaften und Vereinigungen, die sich die Pflege einer Weltanschauung zur Aufgabe gemacht haben, eigens angeordnet wird. Aufgrund des unterschiedlichen Sprachgebrauchs erscheint daher fraglich, wie sich das systematische Verhältnis der Begriffe des Bekenntnisses und der Religion zueinander gestaltet, wenn beide der Weltanschauung gegenübergestellt werden und es zugleich ein weltanschauliches Bekenntnis geben soll.

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2. Kap.: Neubestimmung der dogmatischen Struktur

Eine Auflösung dieser unterschiedlichen Verwendung des Begriffs „Bekenntnis“ lässt sich über die nähere Betrachtung der Formulierung in Art. 33 Abs. 3 GG gewinnen. Im ersten Satz findet hier der aus Art. 4 Abs. 1 GG bekannte Begriff „religiöses Bekenntnis“ Verwendung. Im unmittelbar darauf folgenden Satz verwendet der Verfassungsgeber sodann jedoch die Formulierung „Bekenntnis oder Weltanschauung“. Die unmittelbare systematische Nähe und die Stellung innerhalb des gleichen Absatzes lässt den zweiten Satz dabei als unmittelbare Ergänzung und nähere Erklärung der normativen Regelung des ersten Absatzes erscheinen. Dies lässt den Schluss zu, dass im Grundgesetz eine synonyme Verwendung der Begriffe „Bekenntnis“ und „Religion“ erfolgt, wie sie auch im historischen Kontext von 1949 von der damaligen Wortbedeutung gedeckt wäre.30 Der Begriff „­Bekenntnis“ kann demnach in einer doppelten Hinsicht gebraucht werden: Einmal in einer Sammelfunktion, die sowohl Weltanschauung als auch Religion e­rfassen kann und für die die klarstellende Beifügung der Adjektive „weltanschaulich“ und „religiös“ typisch ist, und zum Anderen ohne Beifügung eines klarstellenden Adjektivs als Synonym zur Religion und in Gegenüberstellung zur Welt­ anschauung. Zu überprüfen bleibt, ob diese Auslegung auch auf die Verwendung des Begriffs der Bekenntnis- und Weltanschauungsschule in Art. 7 Abs. 5 GG übertragen werden kann. Demnach würde „Bekenntnis“, hier ohne klarstellendes Adjektiv, ­synonym für Religion verwendet. Hierfür spricht auch die dem Art. 33 Abs. 3 GG entsprechende direkte Gegenüberstellung des Begriffs der Weltanschauung in „Weltanschauungsschule“. Demnach wären gleichberechtigt private Volksschulen religiöser wie weltanschaulicher Prägung zulässig. Würde hingegen der Begriff Bekenntnisschule in Art. 7 Abs. 5 GG so verstanden werden, dass er bereits neben dem religiösen auch das weltanschauliche Bekenntnis erfasst, wäre der ebenfalls in Art. 7 Abs. 5 GG verwendete Begriff der Weltanschauungsschule demgegenüber sinnentleert. Eine abweichende Auffassung müsste daher dem Begriff „Weltanschauungsschule“ eine neue Bedeutung zuweisen. Mit der Auslegung durch Anschütz erscheint es zwar durchaus möglich, den Begriff in einer neuen Bedeutung als „weltliche Schule“ ohne jedwede Art von Überzeugungseinflüssen zu ver­stehen. Diese Auslegung erscheint jedoch nicht stichhaltig: Eine Begriffsverwendung von Weltanschauung in der Bedeutung „weltlich“ findet im Vergleich zur obigen Auslegung keine systematische Stütze im Grundgesetz. Die Auslegung von Anschütz beruht demgegenüber auf einer Verkürzung von Weltanschauung auf antireligiöse Inhalte.31 Auch die Binnensystematik des Art. 7 GG, der durchgehend einen Werteunterricht an staatlichen und damit bereits weltlichen Schulen vorsieht, spricht gegen diese Auslegung. Die Bekenntnisschule in Abs. 5 weist in 30 A. A. Fleischer, Religionsbegriff, S. 10, der von einer Gleichsetzung der Begriffe Glaube und Religion ausgehen will, jedoch einen Unterschied zwischen Religion und Bekenntnis sieht. Die Regelung des Art. 33 Abs. 3 Satz 2 GG habe nach seiner Auffassung lediglich aus sprachlichen Gründen auf die Wiederholung des Adjektivs „religiös“ verzichtet. 31 Vgl. zur Auslegung durch Anschütz näher 2. Kapitel B. I. 1. a) bb) (1) (a).

A. Allgemeines

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diesem Zusammenhang auf die gesteigerte Bedeutung von Wertevermittlung an privaten Volksschulen hin. Die Gleichsetzung von Bekenntnis- und Weltanschauungsschule kann daher schwerlich für eine Freiheit der Weltanschauungsschulen von Werteunterricht herangezogen werden. Die erste Auffassung ist für die Auslegung von Art. 7 Abs. 5 GG daher vorzuziehen. Auch Art. 7 Abs. 5 GG stützt somit die für das Verhältnis von „Religion“, „Bekenntnis“ und „Weltanschauung“ ermittelte Bedeutung. 2. Normen des Grundgesetzes aus dem systematischen Kontext ohne textliche Erwähnung von „Weltanschauung“ Aus der Analyse der Textstellen mit einer ausdrücklichen Erwähnung der Weltanschauung ließ sich folgern, dass diese in einem Regelungskontext mit den dort ebenfalls verwendeten Begriffen des Religiösen, des Glaubens, des Gewissens und des Bekenntnisses steht.32 Diese Begriffe finden im Grundgesetz jedoch nicht nur im Zusammenhang mit der Weltanschauung Verwendung, sondern werden darüber hinaus auch eigenständig in weiteren Regelungen des Grundgesetzes gebraucht, ohne dass die Weltanschauung in diesem Kontext erwähnt wird. Für die Beurteilung des textlichen Gesamtzusammenhangs müssen daher auch Art. 3 Abs. 3 GG (a), Art. 4 Abs. 2, 3 GG (b), Art. 7 Abs. 2, 3 GG (c) und mehrere durch Art. 140 GG inkorporierte Bestimmungen der WRV (d) betrachtet werden. a) Art. 3 Abs. 3 GG Artikel 3 […] (3) Niemand darf wegen […] seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. […]

Die Regelung des Art.  3 Abs.  3  GG ist für den weltanschaulichen Normenkomplex des Grundgesetzes aus zwei Erwägungen heraus von besonderer Bedeutung. Einerseits verbietet er die Bevorzugung oder Benachteiligung aus Gründen des Glaubens und greift damit einen in Art. 4 Abs. 1 GG verwendeten Begriff auf. Zum anderen spricht er von religiösen und politischen Anschauungen. Bedeutsam erscheint hierbei einerseits die Verwendung einer Pluralformulierung, während im übrigen Grundgesetz von einem „Bekenntnis“ oder dem „religiösen Bekenntnis“ anstelle von Anschauungen und durchgehend im Singular gesprochen wird. Die Formulierung „Anschauungen“ findet sich demgegenüber nur als Teil des Wortes „Weltanschauung“ und hier ebenfalls im Singular. „Weltanschauung“ wird in Art. 3 Abs. 3 GG jedoch überhaupt nicht aufgeführt, obwohl diese, wie Art. 4 Abs. 1 GG zeigt, in engem Zusammenhang zu den verwendeten Begrif

32

Vgl. 2. Kapitel A. II. 1.

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2. Kap.: Neubestimmung der dogmatischen Struktur

fen des Glaubens und der Religion steht. Schließlich normiert Art. 3 Abs. 3 GG das Verbot der Bevorzugung oder Benachteiligung aufgrund von „politischen Anschauungen“ und zeigt dadurch, dass die Verfassung hierin eine weitere eigenständige Kategorie sieht, die sich von den übrigen Begriffen des weltanschaulichen Normenkomplexes unterscheidet. b) Art. 4 Abs. 2, 3 GG Artikel 4 […] (2) Die ungestörte Religionsausübung wird gewährleistet. (3) Niemand darf gegen sein Gewissen zum Kriegsdienst mit der Waffe gezwungen ­werden. […]

Obgleich sowohl die Freiheit des religiösen wie des weltanschaulichen Bekenntnisses in Art. 4 Abs. 1 GG hervorgehoben wird, sieht Art. 4 Abs. 2 GG nur die Gewährleistung der ungestörten Religionsausübung vor. Im unmittelbaren text­ lichen Vergleich mit Art. 4 Abs. 1 GG lässt sich für Religion in logischer Hinsicht dadurch feststellen, dass sie nach Einschätzung des Verfassungsgebers auch in anderer Art und Weise als in der durch Art. 4 Abs. 1 GG geschützten Form des Bekenntnisses ausgeübt werden kann. Für die Ausübung der Weltanschauung lässt sich dieser textliche Schluss hingegen nicht ziehen. Art. 4 Abs. 3 GG erwähnt hingegen nur das „Gewissen“, ohne hierbei auf „Religion“ oder „Weltanschauung“ einzugehen und stellt die Gewissensentscheidung in engen Zusammenhang zur Verweigerung des Kriegsdienstes mit der Waffe. Eine weitere Erwähnung des Gewissens als Begriff aus dem weltanschaulichen Normenkomplex findet sich noch in Art. 38 Abs. 1 GG, wo die Gewissensentscheidung von Abgeordneten und deren Freiheit von Aufträgen und Weisungen thematisiert wird. Ferner kennt Art. 12a GG die Begriffe der Gewissensgründe und der Gewissensentscheidung. Die in Art.  4 Abs.  1  GG gewährte Freiheit des Gewissens lässt sich textlich folglich in diesem Zusammenhang als konkrete Zustimmung oder Ablehnung bedeutender Einzelfragen und damit zusammenhängend ge­forderter Handlungen konkretisieren. c) Art. 7 Abs. 2, 3 GG Artikel 7 […] (2) Die Erziehungsberechtigten haben das Recht, über die Teilnahme des Kindes am Religionsunterricht zu bestimmen. (3) Der Religionsunterricht ist in den öffentlichen Schulen mit Ausnahme der bekenntnisfreien Schulen ordentliches Lehrfach. Unbeschadet des staatlichen Aufsichtsrechtes wird der Religionsunterricht in Übereinstimmung mit den Grundsätzen der Religionsgemeinschaften erteilt. Kein Lehrer darf gegen seinen Willen verpflichtet werden, Religionsunterricht zu erteilen.[…]

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Art. 7 Abs. 2 und 3 GG kennen die Begriffe des Religionsunterrichtes und der bekenntnisfreien Schule. Der Begriff der Weltanschauung oder des Weltanschauungsunterrichts wird nicht verwendet. Als eine Gegenüberstellung von Weltanschauung und Religion könnte daher allenfalls die Formulierung „Der Religions­ unterricht ist in den öffentlichen Schulen mit Ausnahme der bekenntnisfreien Schulen ordentliches Lehrfach“ angesehen werden. Der Begriff der bekenntnisfreien Schule wird jedoch textlich nicht anderweitig aufgegriffen und muss noch näher bestimmt werden. Art. 7 Abs. 5 GG kennt demgegenüber aber die Bekenntnis- und die Weltanschauungsschule als Sonderformen. Das Verhältnis der Bekenntnis- und Weltanschauungsschule zur bekenntnisfreien Schule ist daher für das textliche Verständnis von Art. 7 GG aufzuklären: Die in Art. 7 Abs. 3 GG vorgenommene antithetische Gegenüberstellung von Religionsunterricht und bekenntnisfreier Schule stützt die bereits getroffene Feststellung, dass „Religion“ und „Bekenntnis“ innerhalb des Art.  7  GG synonym verwendet werden.33 Es fehlt an der Verwendung eines klarstellenden Adjektivs, welches auf die Einbeziehung von Weltanschauung in den Begriff der Bekenntnisschule schließen ließe.34 Gegenteiliges lässt sich auch nicht aus einer systematischen Gleichsetzung von bekenntnisfreier Schule im Sinne des Abs. 3 und Weltanschauungsschule im Sinne des Abs.  5 herleiten, da „Weltanschauungsschule“ weder in der Begriffsbedeutung „weltliche Schule“ noch in der Bedeutung von „weltanschaulich geprägter Schule“ einen logischen Widerspruch zu dem von Art. 7 Abs. 3 GG als Ausnahme angesehenen Ausschluss von Religionsunterricht begründen würde. In beiden Fällen müsste jedenfalls kein Religionsunterricht an dieser Schulform erteilt werden.35 Für die Begriffsrelationen erscheint es daher zutreffend, bei einer Bekenntnisschule von einer Schule religiöser Prägung auszugehen, die bei einer bekenntnisfreien Schule nicht besteht, da sie weltanschaulich geprägt oder religiös-weltanschaulich neutral ausgerichtet ist. Eine „Weltanschauungsschule“ ist demnach auch eine bekenntnisfreie Schule, wohingegen eine „bekenntnisfreie Schule“ begrifflich keine Weltanschauungsschule sein muss.



33



34

Vgl. 2. Kapitel A. II. 1. Vgl. Schmitt-Kammler in Sachs, GG, Art. 7 Rn. 49 Fn. 169, der die bislang mangelnde begriffliche Klarheit der Abgrenzung von bekenntnisfreier Schule und Weltanschauungsschule aufgreift und von einer Vierteilung des Schulsystems ausgeht. Die Schultypen des Grund­ gesetzes seien demnach: (1) religiös geprägte Bekenntnisschule, (2) weltanschaulich „positiv“ geprägte Weltanschauungsschule, (3) Schulen ohne religiös-weltanschauliche Prägung, (4) Gemeinschaftsschulen mit unterschiedlichen Weltanschauungen und Bekenntnissen. 35 Vgl. Schmitt-Kammler in Sachs, GG, Art.  7 Rn.  49 Fn.  169 der aufgrund seiner dar­ gelegten Unterscheidung sowohl Weltanschauungsschulen, wie Schulen ohne weltanschaulichreligiöse Prägung, folgerichtig als „bekenntnisfrei“ bezeichnet, da an beiden Schulformen kein Religionsunterricht erteilt wird. Ebenso Pieroth in Jarass/Pieroth, GG, Art. 7, Rn. 10.

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2. Kap.: Neubestimmung der dogmatischen Struktur

d) Art. 140 GG i. V. m. Art. 136, 139 und 141 WRV Artikel 140 Die Bestimmungen der Artikel 136, 137, 138, 139 und 141 der deutschen Verfassung vom 11. August 1919 sind Bestandteil dieses Grundgesetzes. Artikel 136 [WRV] Die bürgerlichen und staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten werden durch die Ausübung der Religionsfreiheit weder bedingt noch beschränkt. Der Genuß bürgerlicher und staatsbürgerlicher Rechte sowie die Zulassung zu öffentlichen Ämtern sind unabhängig von dem religiösen Bekenntnis. Niemand ist verpflichtet, seine religiöse Überzeugung zu offenbaren. Die Behörden haben nur soweit das Recht, nach der Zugehörigkeit zu einer Religionsgesellschaft zu fragen, als davon Rechte und Pflichten abhängen oder eine gesetzlich angeordnete statistische Er­ hebung dies erfordert. Niemand darf zu einer kirchlichen Handlung oder Feierlichkeit oder zur Teilnahme an religiösen Übungen oder zur Benutzung einer religiösen Eidesform gezwungen werden. Artikel 139 [WRV] Der Sonntag und die staatlich anerkannten Feiertage bleiben als Tage der Arbeitsruhe und der seelischen Erhebung gesetzlich geschützt. Artikel 141 [WRV] Soweit das Bedürfnis nach Gottesdienst und Seelsorge im Heer, in Krankenhäusern, Strafanstalten oder sonstigen öffentlichen Anstalten besteht, sind die Religionsgesellschaften zur Vornahme religiöser Handlungen zuzulassen, wobei jeder Zwang fernzuhalten ist.

Die Regelungen der WRV kennen mit den Formulierungen „religiöse Überzeugung“, „religiöse Übung“ und „religiöse Handlung“ weitere dem systematischen Kontext der Weltanschauung zuzuordnende Begriffe. Während sich aus dem Begriff „religiöse Überzeugung“ inhaltliche Anforderungen für die Ausübung einer Religion entnehmen lassen, zeigen die Formulierungen „religiöse Übung“ und „religiöse Überzeugung“ neben der in diesem Artikel ebenfalls gebrauchten Fassung des religiösen Bekenntnisses erneut, ebenso wie Art. 4 Abs. 2 GG, dass es neben dem Bekenntnis weitere Formen der Religionsausübung gibt. Auch hier werden jedoch keine Ausübungsformen der Weltanschauung genannt. Im Gegensatz zu Art. 137 Abs. 7 WRV findet die Weltanschauung in den anderen inkorporierten Artikeln der WRV keine Erwähnung. So spricht Art. 136 WRV ausdrücklich von „Religionsfreiheit“. Ferner sticht der häufige Gebrauch des Adjektivs „religiös“ hervor, so dass der Umfang der Gleichsetzung von weltanschaulicher Vereinigung und Religionsgesellschaft geprüft werden muss, zumal auch in dem systematisch hinter Art. 137 Abs. 7 WRV stehenden Art. 141 WRV nur von Religionsgesellschaften gesprochen wird. Art.  141  WRV setzt die Begriffe der „Seelsorge“ und des „Gottesdienstes“ in Verbindung zur Religionsgesellschaft. Art. 139 WRV nimmt diese textliche Beziehung mittelbar auf, indem der Begriff

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der „seelischen Erhebung“ dem „Sonntag“ zugeordnet wird, an dem gemäß der christlichen Tradition regelmäßig Gottesdienste stattfinden. Im Zusammenhang mit der weitgehenden textlichen Ausklammerung der Weltanschauung aus den Gewährleistungen der inkorporierten Artikel der WRV erscheint es schließlich bedeutsam, dass Art. 33 Abs. 3 Satz 1 GG im Wortlaut fast identisch die Gewährleistung des Art. 136 Abs. 2 WRV wiederholt. Art. 33 Abs. 3 Satz 1 GG und Art. 136 Abs. 2 WRV sprechen in diesem Zusammenhang jedoch ausdrücklich nur vom religiösen Bekenntnis, erst durch Art. 33 Abs. 3 Satz 2 GG wird die Weltanschauung in den Regelungskomplex einbezogen. Auch die Regelung des Art. 136 Abs. 1 WRV verweist lediglich auf die Ausübung der Religionsfreiheit und lässt entsprechend Art. 4 Abs. 2 GG, Art. 136 Abs. 4WRV und Art. 141 WRV eventuelle Ausübungsformen der Weltanschauung unerwähnt. 3. Ergebnisse und Fragestellungen des textlichen Überblicks Als Ergebnis des ersten systematischen Überblicks kann zunächst festgehalten werden, dass das Grundgesetz die Begriffe des Glaubens, der Weltanschauung, des Gewissens und der politischen Anschauungen unterscheidet. Eine vollständige Identität zwischen den Begriffen ist daher nicht anzunehmen. Dies ist ins­ besondere im Verhältnis von Weltanschauung zu politischen Anschauungen hervorzuheben. Der Begriff der Religion findet im Grundgesetz vielfältige Verwendung  – als Substantiv jedoch nur in der Form des Kompositums als Religionsunterricht, Religionsfreiheit, Religionsgemeinschaft, Religionsgesellschaft oder Religionsausübung. Der textliche Überblick hat insoweit ergeben, dass der Begriff „Religion“ als Substantiv im Grundgesetz unter der synonym gebrauchten Form „Bekenntnis“ verwendet wird. Hierfür sprach die Gegenüberstellung von Religionsunterricht und bekenntnisfreier Schule in Art. 7 Abs. 3 GG und die sprachliche Parallelität zwischen Art. 33 Abs. 3 Satz 1 GG, der das religiöse Bekenntnis erwähnt, und in Satz 2 das Bekenntnis sodann der Weltanschauung gegenüberstellt. Der Begriff Bekenntnis wird vom Grundgesetz jedoch drei Mal auch in der Bezeichnung als „religiöses Bekenntnis“36 und einmal als „weltanschauliches Bekenntnis“ verwendet. Diese adjektivische Differenzierung ist zu häufig, um sie zu vernachlässigen. Aus systematischen Gesichtspunkten ist vielmehr eine abweichende Intention in der Verwendung mit Adjektiv zu sehen. Hierfür spricht, dass „Bekenntnis“ bereits Religion bedeutet und eine Tautologie bei der Bezeichnung als „religiöses Bekenntnis“ ebenso wenig anzunehmen ist wie ein anderes litera

36

Ferner bezieht sich auch Art.  136 Abs.  3  Satz  1 WRV mit der Formulierung „religiöse Überzeugung zu offenbaren“ ersichtlich auf das in Art. 136 Abs. 2 WRV erwähnte religiöse Bekenntnis. Zwischen der Offenbarung einer religiösen Überzeugung und dem Bekenntnis zu einer Religion besteht sachlich kein Unterschied.

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2. Kap.: Neubestimmung der dogmatischen Struktur

risches Stilmittel,37 da ebenfalls von einem weltanschaulichen Bekenntnis gesprochen wird. Für die nachfolgende Untersuchung ist daher hinsichtlich der beiden Verwendungsformen des Begriffs Bekenntnis dahingehend zu unterscheiden, dass unter Weltanschauung und Bekenntnis innere Überzeugung verstanden werden, wohingegen beim religiösen und weltanschaulichen Bekenntnis die Wort­ bedeutung des Bekenntnisses als Kundgabe einer Überzeugung nach außen hin im Vordergrund steht. Durch die Annahme das Weltanschauung und Bekenntnis eine innere Über­ zeugung umschreiben, besteht eine Nähe der Begriffe zum Begriff des Glaubens. Dieser wird ebenso wie „Bekenntnis“ und „Weltanschauung“ im Grundgesetz stets im Singular verwendet und in Art. 3 Abs. 3 GG mit den im Plural vorhandenen religiösen und politischen Anschauungen ins Verhältnis gesetzt. Diese Unterscheidung dürfte für die systematische Differenzierung zwischen Weltanschauung und politischer Anschauung von größerer Bedeutung sein. Die logische Verbindung der religiösen und politischen Anschauungen mit dem Begriff des Glaubens deutet hierbei ferner darauf hin, dass innere Umstände gemeint sind, die jedoch im Gegensatz zum Glauben aufgrund der Pluralformulierung nicht einheitlich und umfassend, sondern vielfältiger Natur sind. Dies dürfte eine Einschränkung ihrer thematischen Breite bedingen. Für die Frage nach der Unterscheidung von Religion und Weltanschauung und deren Konsequenzen lassen die zahlreichen unterschiedlichen textlichen Normierungen differenzierte Aussagen erwarten. Schon der Überblick über die Normen zeigt eine Fülle von Verfassungsbestimmungen, die keinen textlichen Bezug zur Weltanschauung oder der Freiheit des weltanschaulichen Bekenntnisses aufweisen, wohl aber Regelungen enthalten, die sich auf verschiedene Formen der Religionsausübung beziehen. Auf Basis des bisherigen Überblicks lässt sich auch bereits eine bewusste Gegenüberstellung von Weltanschauung und Bekenntnis verzeichnen, wie sie insbesondere bei Art. 33 Abs. 3 Satz 2 GG deutlich wird. Dieser wird bei der Auslegung des Begriffs der Weltanschauung nachzugehen sein. Da Art. 4 Abs. 2 GG und Art. 136 Abs. 4 WRV sowie Art. 141 WRV über das Bekenntnis hinausgehende Ausübungsformen der Religionsfreiheit kennen, diese Artikel aber ebenso wie Art. 136 Abs. 1 WRV nur auf die Ausübung der Religionsfreiheit Bezug nehmen, ist zu klären, worauf diese übereinstimmende Nichterwähnung der Weltanschauungsfreiheit beruht. Diese könnte entweder darin begründet liegen, dass die Weltanschauungsfreiheit keine über das Bekenntnis hinausgehenden Ausübungsformen kennt, oder aber ggf. eine bewusste Differenzierung vor­ genommen wurde. Für die Frage des Umfangs der Gleichbehandlung von Weltanschauung und Religion wird insoweit einerseits auf die Reichweite der Gleichstellungswirkung des 37 Als weiteres Stilmittel wäre ein Hendiadyoin denkbar, das auf eine Verstärkung der Wortbedeutung abzielt.

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Art. 137 Abs. 7 WRV einzugehen sein, da die Weltanschauung in den übrigen inkorporierten Artikeln der WRV unerwähnt bleibt. Ferner wird der textlichen Erkenntnis nachzugehen sein, dass Art.  33 Abs.  3  Satz  1GG die Bestimmung des Art. 136 Abs. 2 WRV nahezu wortlautidentisch wiederholt, aber in Satz 2 um die Erwähnung der Weltanschauung ergänzt.

III. Ergebnis: Differenzierter Schutzbereich der Weltanschauungsfreiheit Übereinstimmend lässt sich als Ergebnis der Betrachtung der historischen Entwicklung und der textlichen Ausgestaltung des weltanschaulichen Normenkomplexes für die weitere Untersuchung allgemein festhalten, dass von einem differenzierten Schutzbereich der Weltanschauungsfreiheit auszugehen ist. Die historische Auslegung hat zunächst gezeigt, dass sich der Schutz der Religionsfreiheit in einem lang andauernden Prozess stetig ausdifferenziert hat. Durch die historische Entwicklung wurden unterschiedliche Schutzrichtungen entwickelt und unterschiedlichen juristischen Begriffen zugeordnet. Die Weltanschauungsfreiheit teilt dabei nicht nur die historische Traditionsline. In Art. 137 Abs. 7 WRV wurde vielmehr explizit die Anwendung historisch gewachsener Rechte der Religionsauf die Weltanschauungsgemeinschaften angeordnet. Die Ausgestaltung des Art. 4 Abs. 1 GG ist unmittelbar im Anschluss an die Vorgängerregelung des Art. 135 Abs.  2  WRV erfolgt. Art.  33 Abs.  3  GG wiederholt Art.  136 Abs.  2  WRV mit einer Ergänzung um die Weltanschauung. Vorbehaltlich der näheren Erwägungen des Parlamentarischen Rates bei der Ausgestaltung der Schutzbereiche ist daher für die Weltanschauungsfreiheit von einer Ausgestaltung anhand der historisch gewachsenen unterschiedlichen Schutzbereiche und Wirkformen der Religions­ freiheit auszugehen. Auch die Betrachtung der verschiedenen Textstellen aus dem Kontext der Weltanschauungsfreiheit spricht für einen differenzierten Schutzbereich. Der Überblick hat insoweit gezeigt, dass es zu einer weitgehend unveränderten Auf- und Übernahme verschiedener, im Rahmen der historischen Entwicklung ausgebil­ deter Differenzierungen in das Grundgesetz gekommen ist. Dies spricht dafür, diesen Differenzierungen auch weiterhin eigenständige Bedeutung zukommen zu lassen und nicht von einem einheitlichen Schutzbereich auszugehen.

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2. Kap.: Neubestimmung der dogmatischen Struktur

B. Schutzbereich Hinsichtlich des Schutzbereiches der Weltanschauungsfreiheit ist in den sachlichen Schutzbereich  (I.) und den personalen Schutzbereich  (II.) zu unterscheiden. Der sachliche Schutzbereich widmet sich dabei der Frage, welches Verhalten inhaltlich vom Schutz der Weltanschauungsfreiheit erfasst wird. Der personale Schutzbereich geht der Frage nach, wer sich auf diesen Schutz für sein Verhalten berufen kann. Schließlich ist das Verhältnis des so konkretisierten Schutzbereichs der Weltanschauungsfreiheit zu den anderen Verfassungsnormen aufzuklären und der Schutzbereich entsprechend abzugrenzen (III.).

I. Sachlicher Schutzbereich Um den sachlichen Schutzbereich der Weltanschauungsfreiheit näher zu bestimmen, ist es notwendig zunächst den verfassungsrechtlichen Begriff der Weltanschauung selbst zu definieren (1.), da sich hierauf alle Wirkformen der Weltanschauungsfreiheit beziehen. Wie einleitend bereits im Rahmen der allgemeinen Betrachtung festgestellt, ergibt sich der Schutzbereich der Weltanschauung nicht aus einer einheitlichen Verfassungsnorm, sondern ist in unterschiedlichen Verfassungsnormen differenziert ausgestaltet worden.38 Daher sind in einem zweiten Schritt die unterschiedlichen inhaltlichen Schutzrichtungen und deren verfassungsrechtliche Normierungen einzeln zu untersuchen, um die verschiedenen Wirkformen der Weltanschauungsfreiheit darzustellen (2.). 1. Bestimmung des verfassungsrechtlichen Begriffs „Weltanschauung“ Um die Bedeutung des Begriffs der Weltanschauung sowie ähnlicher Wort­ verwendungen und den damit jeweils umschriebenen Sinngehalt zu bestimmen, ist auf die juristischen Auslegungsmethoden zurückzugreifen. Hierdurch können jene Tatsachen-, Wert- und Sollensvorstellungen ermittelt werden, die normativ durch den entsprechenden Begriff bezeichnet werden.39 Trotz der bezüglich der Herangehensweise teilweise unterschiedlichen Auffassung in der rechtswissenschaft­ lichen Literatur erscheint es für die Auslegung zweckmäßig, auf den auf von ­Savigny zurückgehenden klassischen Auslegungskanon zurückzugreifen,40 um

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39

Vgl. Ergebnis der einführenden Darstellung zur Weltanschauungsfreiheit, 2. Kapitel A. III. Vgl. Zippelius, Juristische Methodenlehre, S. 42. 40 Kritisch hierzu: Rüthers, Rechtstheorie, S. 426 ff. (429), der mit Recht einerseits auf die starke Vereinfachung verweist, andererseits hervorhebt, dass dieser unterschiedliche Auslegungen für den Gesetzestext „im gesunden Zustand“ (grammatisch/ logisch/ historisch/ systematisch) und bei unbestimmten oder unrichtigem Ausdruck des Gesetzes vorsah, der im Gegensatz hierzu sodann eine gestufte Ermittlung der teleologischen Auslegung empfahl.

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den zutreffenden Normgehalt zu ermitteln. Daher wird sich die Auslegung zunächst dem Wortlaut (a) widmen, um sodann die Auslegung durch systematische Er­wägungen (b) und eine Betrachtung der Historie (c) zu ergänzen. Ferner sollten teleologische Erwägungen zum Sinn und Zweck des normativen Begriffs die klassische Auslegung beschließen (d) und eine abschließende Ermittlung der Bedeutung des Begriffs der Weltanschauung ermöglichen (e). a) Auslegung des Wortlautes Da sich alle übrigen Auslegungsmethoden an der Auslegung des möglichen Wortsinns orientieren, erscheint es konsequent mit der Auslegung der Wortbedeutung des Begriffs „Weltanschauung“ zu beginnen. Die nachfolgende Auslegung kann dann nicht mehr über den, durch den Wortsinn vorbestimmten, äußersten möglichen Inhalt hinausgehen.41 Grundlage aller spezielleren Wortlautauslegung ist zunächst die Bestimmung der Wortbedeutung im allgemeinen Sprachgebrauch (aa). Hierbei darf die Auslegung jedoch nicht stehen bleiben. Gerade angesichts der philosophischen Vorprägung des Begriffs der Weltanschauung einerseits, sowie der begrifflichen Unschärfe des allgemeinen Sprachgebrauchs andererseits, darf ein Blick auf den fachsprachlichen Gebrauch in der Rechtswissenschaft und anderen Disziplinen jedenfalls soweit nicht unterbleiben (bb), als davon ausgegangen werden kann, dass sich der Gesetzgeber diese bei der Begriffsbildung zu eigen machen wollte.42 Zusammenfassend soll schließlich das Ergebnis der Wortlautauslegung betrachtet werden, um auf dieser Basis erste nähere Aussagen zur Begriffsbestimmung zu treffen (cc). aa) Allgemeiner Sprachgebrauch Da der Terminus des „weltanschaulichen Bekenntnisses“ nicht durch den Gesetzgeber anderweitig im Wege einer Legaldefinition vordefiniert wurde, erhält der Begriff der Weltanschauung seine grundlegende Sinnbedeutung zunächst durch seine Verwendung im Sprachgebrauch der Allgemeinheit.43 Zur Ermittlung die 41 Zippelius, Juristische Methodenlehre, S. 48; Larenz/Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 144 mit weiteren Nachweisen der Anerkennung dieser Grenze in Rsp. und Lit. 42 Zippelius, Juristische Methodenlehre, S. 45. Ob sich der Gesetzgeber die philosophisch vorgeprägte Begriffsbestimmung tatsächlich zu eigen machen wollte, oder den Begriff ggf. nur in seiner trivialisierten allgemeinsprachlichen Bedeutung Verwendung finden sollte, wird auch im Rahmen der historischen Auslegung zur Normgenese zu betrachten sein. Für die Bayrische Verfassung vom 2.12.1946 verweist Mayer, Wesen und Rechtsstellung der weltanschaulichen Gemeinschaften nach der Bayrischen Verfassung vom 2.12.1946, S. 3 daher wie hier zutreffend darauf, dass der „Sprachgebrauch im praktischen Leben, in der Wissenschaft und in der Gesetzgebung“ für die Begriffsbedeutung wesentlich sei, da „der Begriff Weltanschauung als bekannt voraus“ gesetzt wurde. 43 Zippelius, Juristische Methodenlehre, S. 46.

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2. Kap.: Neubestimmung der dogmatischen Struktur

ses Sprachgebrauchs muss hierbei in Ermangelung eigener belastbarer empirischer Daten auf die Begriffsdarstellung in den allgemeinen Nachschlagewerken der deutschen Sprache zurückgegriffen werden. Die qualifizierte redaktionelle Bearbeitung dieser Werke erleichtert hierbei die wissenschaftliche Bearbeitung, birgt jedoch die Gefahr bereits von einem Vorverständnis der Redaktion geprägt zu sein. Um diesem Umstand hinreichend Rechnung zu tragen, versucht die nachfolgende Betrachtung sich der Breite des Begriffs im allgemeinen Sprachgebrauch durch die Auswahl einer größeren Zahl von Nachschlagewerken zu nähern und die trotz redaktioneller Aufarbeitung vorhandenen unterschiedlichen Nuancen der Definition hervorzuheben. Im Folgenden sollen daher sowohl die Definitionen des DUDEN (1), von MEYERS (2) und des BROCKHAUSES (3) betrachtet werden, bevor zusammenfassend die ermittelten Gemeinsamkeiten des allgemeinen Sprachgebrauches hervorgehoben werden können (4). (1) Begriffsdefinition bei DUDEN Ausgehend von der Textfassung des Art. 4 Abs. 1 GG: „Die Freiheit des […] weltanschaulichen Bekenntnisses [ist] unverletzlich.“ Verzeichnet der DUDEN für das Adjektiv „weltanschaulich“ die allgemeine Sprachbedeutung „auf einer Weltanschauung beruhend“44 und verweist somit inhaltlich für die Bestimmung des Sinngehaltes des im Normtext verwendeten Adjektivs auf den Begriff der „Welt­ anschauung“. Daher soll bei der folgenden Betrachtung des allgemeinen Sprachgebrauchs die Bedeutung des Substantivs im Mittelpunkt stehen, wohingegen der im Sprachgebrauch des Grundgesetzes angelegte adjektivische Bezug auf den Begriff des Bekenntnisses Gegenstand der weiteren systematischen Auslegung sein wird. Für die Bedeutung des Substantivs „Weltanschauung“ verzeichnet der DUDEN, abhängig von der jeweils verwendeten Ausgabe, sodann leicht abweichende Begriffserklärungen. Weltanschauung sei demnach „die [ursprünglich subjektive Vorstellung von der Welt]: Gesamtheit von Anschauungen, die die Welt und die Stellung des Menschen in der Welt betreffen.“45 Sowie weiterhin, „[wie zuvor]; Einstellung gegenüber der Welt, geistige Grundhaltung (18. Jh.; zunächst in der Bedeutung: subjektive Vorstellung von der Welt)“.46 Oder aber auch, eine „bestimmte Art, die Welt, die Natur und das Wesen der Menschen zu begreifen“.47 Während die Ausgangsdefinition somit in großer Übereinstimmung mit der in der Rechtsprechung und Literatur vorherrschenden Definition48 sowohl die Not

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45

Duden, Das große Wörterbuch der deutschen Sprache, Bd. 8, S. 3891. Duden, Das große Wörterbuch der deutschen Sprache, Bd. 8, S. 3891. 46 Duden, Etymologie, S. 807. 47 Duden, Bedeutungswörterbuch, S. 749. 48 Unter Religion oder Weltanschauung wird überwiegend eine mit der Person des Menschen verbundene Gewissheit über bestimmte Aussagen zum Weltganzen sowie zur Herkunft

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wendigkeit von Aussagen zur Stellung des Menschen in der Welt betont und in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes hierfür nicht auf die Lehre einer Gruppe, sondern auf die jeweilige subjektive Vorstellung verweist, ließe sich für die Streitfrage, ob auch einzelne Ansichten zu bestimmten Themen genügen, um Weltanschauungen zu begründen, feststellen, dass eine Gesamtheit von Anschauungen gefordert wird. Dies spricht für die in Literatur und Rechtsprechung überwiegend geäußerte Forderung nach einer Gesamtsicht, die sich aus mehreren in irgendeiner Art und Weise systematisch zueinander in Beziehung stehenden Einzelauffassungen zusammensetzt. Der Gegenansicht ist hierbei zuzugeben, dass die unter Wiederholung der Ausgangsdefinition gegebene nähere Erklärung als „Einstellung gegenüber der Welt“, oder „geistige Grund­ haltung“ diese Forderung nach einer aus einer Mehrzahl von Auffassungen gebildeten Gesamtsicht leicht abschwächt, ohne ihr jedoch eindeutig entgegenzutreten. Bezeichnend ist festzustellen, dass sich die Definition des DUDEN nicht zur Streitfrage hinsichtlich der systematischen Einordnung der Weltanschauung einlässt. Die in der Rechtswissenschaft vorwiegend vorgenommene Unterteilung in immanenten und transzendenten Überzeugungsinhalt wird nicht aufgenommen. Zwar wird von der dritten Definition angemerkt, dass Weltanschauung auch die Art bezeichnen kann, wie „die Welt die Natur und das Wesen der Menschen“ begriffen werden kann. Unter den aufgeführten Definitionen ließe sich jedoch auch Religion als eine (besondere) Weltanschauung verstehen. Der Auffassung, Religion sei nur ein Spezialfall einer Weltanschauung, stehen die bisherigen Erkenntnisse zum allgemeinen Sprachgebrauch jedenfalls nicht entgegen. (2) Begriffsdefinition bei MEYERS Einen weiteren für die Untersuchung relevanten Begriff führt MEYERS ein, wo Weltanschauung als „im Unterschied zum naturwissenschaftlichen Weltbild eine auf das Ganze der Welt und der menschlichen Existenz abzielende Sinndeutung“49 definiert wird. Übereinstimmend mit der Definition des Duden wird eine Gesamtsicht gefordert, wobei Sinn und Zweck der in der Weltanschauung liegenden Sinndeutung der menschlichen Existenz stärker hervorgehoben werden, als es die Formulierung von der Stellung des Menschen in der Welt vermag, ohne sich dabei in der Sache von der bisherigen Definition zu unterscheiden. Bezeichnend ist hierbei jedoch die vorgenommene Gegenüberstellung von naturwissenschaftlichem Weltbild einerseits und existenzieller Sinndeutung andererseits. Mit der durch ­MEYERS vorgenommenen Prononcierung der Definition lässt sich eindeutig im und zum Ziel des menschlichen Lebens verstanden; die Religion lege dabei eine den Menschen überschreitende und umgreifende („transzendente“) Wirklichkeit zugrunde, während sich die Weltanschauung auf innerweltliche („immanente“) Bezüge beschränkt. Vgl. hierzu 1.  Kapitel A. II. 1. 49 Meyers, Neues Lexikon, Bd. 10, S. 340.

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2. Kap.: Neubestimmung der dogmatischen Struktur

Streit um die Abgrenzung von Wissenschaftsfreiheit und weltanschaulichem Bekenntnis Stellung beziehen. Weltanschauung ist demnach etwas anderes als die naturwissenschaftliche fundierte Begründung eines Weltbildes. Es geht nicht um wissenschaftlichen Erkenntnisgewinn sondern um existenzielle Sinndeutung. Dem von MEYERS formulierten allgemeinen Sprachgebrauch folgend unterscheiden sich Weltanschauung und Wissenschaft demnach bereits in der Zielrichtung ihrer Tätigkeit. Ob sie sich auch dem Gegenstand ihrer Betrachtung nach unterscheiden, muss hingegen noch näher aufgeklärt werden. Hierfür wird es notwendig sein, den von MEYERS zur Abgrenzung vorgebrachten, mit der Weltanschauung verwandten Begriff des Weltbildes näher zu beleuchten, um ggf. auch hinsichtlich des Gegenstands der Betrachtung Unterschiede zwischen Wissenschaft und Weltanschauung auszumachen.50 (3) Systematische Darstellung bei BROCKHAUS Um der noch unklaren Frage nach der systematischen Einordnung der Weltanschauung im allgemeinen Sprachgebrauch und ihrem Verhältnis zu dem Begriffspaar Immanenz und Transzendenz nachzugehen, muss auf eine umfassendere Worterklärung zurückgegriffen werden. Diese kann bei BROCKHAUS gefunden werden, welcher als enzyklopädisches Werk umfassender zum Begriff der Weltanschauung Stellung nimmt. Zur Begriffsgeschichte verweist dieser zunächst auf Kant als Schöpfer des Begriffs der Weltanschauung und auf die mithin im wissenschaftlichen Sprachgebrauch der Philosophie zu findende Ursprungsbedeutung.51 Der Begriff „Weltanschauung“ habe seitdem zahlreichen Wandlungen unterlegen und „dient heute als Sammelbezeichnung für alle religiösen, ideologischen, nationalökonomischen, politischen und andere Leitauffassungen vom Leben und der Welt als einem Sinnganzen sowie zur Deutung des persönlichen und gemeinschaftlichen Standorts für das individuelle Lebensverständnis. […]“52 Entgegen den Wörterbüchern des Dudenverlags und der Darstellung im Lexikon von MEYERS zeichnet der BROCKHAUS ein leicht abweichendes Bild vom allgemeinen Sprachgebrauch. Zwar bleiben sowohl die Anforderungen an „Weltanschauung“ hinsichtlich des Verständnisses von Leben und Welt als ein Ganzes, als auch die teleologische Zielsetzung als Sinndeutung für das persönliche und gemeinschaftliche Leben erhalten. Hierfür sollen gleichwohl alle Arten von Leitauffassungen genügen. Der Begriff „Weltanschauung“ wird ferner in seiner sprach­lichen Präzision eingeschränkt und als Sammelbezeichnung verstanden. Anders als bei den bisherigen Darstellungen lässt sich aus dieser Defi 50 Vgl. hierzu die Darstellung zum philosophisch-fachsprachlichen Begriffsgebrauch, 2. Kapitel B. I. 1. a) bb) (2). 51 Vgl. hierzu auch die folgende Darstellung zur Begriffsgenese durch Kant, 2.  Kapitel B. I. 1. a) bb) (2). 52 Brockhaus, Die Enzyklopädie, Bd. 24, S. 16.

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nition die in der ­juristischen Diskussion postulierte Unergiebigkeit des allgemeinen Sprachgebrauchs für die Auslegung ableiten.53 Soweit diese Resignation auch nicht geteilt werden kann, lässt sich auf Basis dieses Verständnisses des allgemeinen Sprachgebrauchs jedoch auch die Ansicht rechtfertigen, Einzelauffassungen seien vom Begriff der Weltanschauung gedeckt. Für die Entscheidung dieser Streitfrage muss demnach auch auf andere Auslegungskriterien als den allgemeinen Sprachgebrauch zurückgegriffen werden, um die im Rahmen der verschiedenen Deutungen des allgemeinen Sprachgebrauchs überzeugendste Auslegungs­ variante zu ermitteln. Gleichwohl bietet die Darstellung des BROCKHAUS mit dem Verweis auf Kant und den zwischenzeitlich eingetretenen Begriffswandel weitere wichtige Anhaltspunkte für die nachfolgende Untersuchung. Die Prägung des Begriffs im außerrechtlichen fachsprachlichen Gebrauch der Philosophie rechtfertigt einen intensiveren Blick auf diesen Aspekt im Rahmen der Wortlautauslegung, da sie erst von dieser ausgehend Eingang in den allgemeinen Sprachgebrauch gefunden hat. Die verschiedenen Deutungsangebote des allgemeinen Sprachgebrauchs können vor diesem Hintergrund nochmals verifiziert werden. Aufgrund des weiterhin angesprochenen Wandels des Begriffsverständnisses erscheint es schließlich angebracht zu ermitteln, wie die Rezeption des Begriffs „Weltanschauung“ im fachsprachlichen Gebrauch der Rechtswissenschaft erfolgte und welche Begriffsbedeutung hierbei zugrunde gelegt wurde. Im Zusammenhang mit der nachfolgenden Betrachtung des fachsprachlichen Gebrauchs des Begriffs der Weltanschauung sollen auch die weiteren Ausführungen des BROCKHAUS zur systematischen Einordnung des Begriffs der Weltanschauung an dieser Stelle noch erörtert werden, auch insoweit sie über den allgemeinen Sprachgebrauch hinausgehende Ausführungen enthalten. Systematisierend heißt es dort: „Weltanschauungen sind keine wissenschaftlichen Systeme sondern Deutungsauffassungen in der Form persönlicher Überzeugungen von der Grundstruktur, Modalität und Funktion des Weltganzen. Sofern Weltanschauungen Vollständigkeit anstreben, gehören dazu Menschen- und Weltbilder, Wert-, Lebens- und Moralanschauungen. Früher wurde versucht, individuelle Weltanschauungstypen aufzustellen (z. B. E. Spranger, W. Dilthey), heute werden Unterscheidungen nach den sechs wichtigsten Leitprinzipien der Weltanschauung vorgezogen: das Individuum (z. B. Humanismus), die Gemeinschaft (z. B. Sozialismus), die Zukunft (Leben der Nachkommen; utopische Weltanschauungen), Allmacht (z. B. die Religionen), die Tat (z. B. Materialismus, Anarchismus), die Wirklichkeit (z. B. Pragmatismus, Monismus). Viele Weltanschauungen unterliegen derzeit einer Krise hinsichtlich ihrer Kohärenz und Überzeugungskraft, was zur Bewegung hin zu einer privaten Weltanschauung geführt hat, die sich aus Bruchstücken der unterschiedlichsten Weltanschauungen zu­sammensetzen. […]“54

53 So z. B. Mayer, Wesen und Rechtsstellung der weltanschaulichen Gemeinschaften nach der Bayrischen Verfassung vom 2.12.1946, S. 3. 54 Brockhaus, Die Enzyklopädie, Bd. 24, S. 16.

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2. Kap.: Neubestimmung der dogmatischen Struktur

Deutlich stellt BROCKHAUS hierbei entsprechend den vorangegangen Darstellungen den Unterschied zwischen Weltanschauung und wissenschaftlichen Systemen heraus und verweist hierbei auf die persönliche Überzeugung als Abgrenzungskriterium. Der Begriff des Weltbildes wird ebenfalls wieder aufgenommen, jedoch nicht als Abgrenzungskriterium gegenüber der Naturwissenschaft, sondern als eine von zahlreichen möglichen Überzeugungsinhalten einer Weltanschauung. Ebenfalls in Übereinstimmung mit den bisherigen Befunden wird die Möglichkeit einer subjektiven, individuellen, ja privaten Weltanschauung deutlich betont. Für die juristische Betrachtung fruchtbar scheint auch die implizit zum Ausdruck kommende Erwägung, dass der allgemeine Sprachgebrauch jedenfalls keine Vollständigkeit, Kohärenz und Überzeugungskraft von Weltanschauungen voraussetzt, diese aber von der jeweiligen Weltanschauung durchaus angestrebt werden kann. Für die bislang offen gelassene Frage, ob Religion nach dem Verständnis des allgemeinen Sprachgebrauchs als eine Form von Weltanschauung verstanden werden kann, lässt sich den Ausführungen des BROCKHAUS eine eindeutige Antwort entnehmen. Religion wird explizit als Ausprägung einer speziellen weltanschaulichen Leitidee aufgeführt. Die hierbei hervorgehobene systematische Anleihe an früheren philosophischen Ordnungsmodellen weist jedoch bereits über den all­ gemeinen Sprachgebrauch hinaus und zeigt deutlich die wechselseitige Beeinflussung des allgemeinen und des fachsprachlichen Wortgebrauchs auf. (4) Zusammenfassung zum allgemeinen Sprachgebrauch Zusammenfassend ist festzustellen, dass der Begriff der Weltanschauung im allgemeinen Sprachgebrauch nicht monolithisch gebraucht wird, sondern sich aus einer Vielzahl einzelner Facetten zusammensetzt, welche ein breites Spektrum an Deutungsmöglichkeiten für die nachfolgende Auslegung eröffnen. Der allgemeine Sprachgebrauch ist dabei jedoch keinesfalls als unergiebig zu bewerten. Gemeinsam ist dem Sprachgebrauch vielmehr, dass es bei „Weltanschauung“ um eine aus verschiedenen Wert-, Lebens- und Moralvorstellungen zusammengesetzte Gesamtsicht auf die Welt handelt, die nicht von (natur)wissenschaftlich begründeten Systemen, sondern von der menschlich-natürlichen Fähigkeit zur überzeugungsmäßigen, d. h. nicht notwendigerweise rationalen, Erkenntnis von Sinnzusammenhängen ausgeht und deren Zweck in einer Sinndeutung der menschlichen Existenz zu suchen ist. Dies ermöglicht bereits hinsichtlich der Zielrichtung eine gewisse Differenzierung gegenüber anderen Phänomenen. Für die weitere Untersuchung deutet der allgemeine Sprachgebrauch ferner an, dass Kohärenz und Überzeugungskraft der Gesamtauffassung final angestrebt, nicht aber erreicht sein muss und Bekenntnisäußerungen auf den Inhalt von Weltanschauung bezogen sein müssen. Auf der anderen Seite bleibt festzustellen, dass der allgemeine Sprachgebrauch für den Begriff der Weltanschauung zwar eine relative Abgrenzung gegenüber

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wissen­schaftlichen Erkenntnissystemen vollzieht,55 jedoch weder zwingend ein logisches Alternativitätsverhältnis von Weltanschauung und Religion vorsieht, wie dieses die einleitende Darstellung von Rechtsprechung und Literatur hätte vermuten lassen.56 Noch wird eine klare Abgrenzung von politischen Ansichten einerseits und Weltanschauung andererseits ermöglicht. Insoweit ist der allgemeine Sprachgebrauch uneinheitlich, insbesondere hinsichtlich der Frage, ob auch thematische Einzelauffassungen genügen, um eine Weltanschauung zu begründen. Die zutreffende Auslegung muss daher durch ergänzende Kriterien ermittelt werden. Ganz im Gegenteil zu der nahe liegenden juristischen Einschätzung sind „Religion“ und „politische Anschauungen“ vielmehr auch im allgemeinen Sprachgebrauch vom möglichen Wortsinn des Begriffs „Weltanschauung“ miterfasst. Jedenfalls, soweit im Bereich der politischen Überzeugung nicht zugleich die übereinstimmende Betonung der umfassenden Sinndeutung der menschlichen Existenz als Sinn und Zweck von Weltanschauung entgegensteht. bb) Fachsprachlicher Gebrauch Hinsichtlich der Begriffsprägung im fachsprachlichen Gebrauch kann zwischen dem Gebrauch in der außerrechtlichen Fachterminologie und dem Gebrauch in der Rechtssprache unterschieden werden. Hierbei ist jedoch zu beachten, dass der Begriff der Weltanschauung zunächst im Rahmen der philosophischen Fach­ sprache geprägt wurde, bevor er von der Rechtswissenschaft übernommen wurde. Die außerrechtliche Fachterminologie darf daher nur soweit bei der Auslegung berücksichtigt werden, als davon ausgegangen werden kann, dass sich der Verfassungsgeber die vorhandene Begriffsbildung tatsächlich zu Eigen machen wollte.57 Zunächst sollen daher die näheren Umstände und die Reichweite der Rezeption des philosophisch-fachsprachlichen Gebrauches durch den Verfassungsgeber ermittelt werden (1). Hierbei muss zumindest teilweise der historisch-genetischen Auslegung vorgegriffen werden, um den Nachweis der Übernahme durch den Parlamentarischen Rat bei der Konzeption des Grundgesetzes zu führen. Daran anschließend soll dann die Entwicklung der philosophischen Fach­ sprache bis zur Übernahme in die Rechtssprache nachgezeichnet werden (2) und ein kurzer Vergleich zur Begriffsverwendung im theologisch-fachsprach­lichen Kontext gezogen werden (3). Abschließend soll das historische Begriffsverständ 55 So explizit bei MAYERS und BROCKHAUS, wohingegen zumindest nach Duden wissenschaftliche Systeme vom möglichen Wortsinn noch mit umfasst scheinen. 56 Veelken, Das Verbot der Weltanschauungs- und Religionsgemeinschaften, S. 19 geht daher davon aus, dass sich eine sichere Abgrenzung von Religion und Weltanschauung aus der Alltagssprache heraus nicht ermitteln lasse. Zutreffender erscheint jedoch die Erkenntnis, dass jedenfalls das vorwiegend angenommene Gegensatzverhältnis von Weltanschauung und Religion sich durch den allgemeinen Sprachgebrauch nicht bestätigen lässt. 57 Zippelius, Juristische Methodenlehre, S. 45.

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2. Kap.: Neubestimmung der dogmatischen Struktur

nis von Welt­anschauung bei Aufnahme in das Grundgesetz und die Veränderung der Begriffsbedeutung durch den Gebrauch in der Rechtssprache untersucht werden (4). (1) Rezeption des Begriffs „Weltanschauung“ im Grundgesetz Obgleich die Aufnahme der Weltanschauung in Art. 4 GG teilweise als die bedeutendste Leistung des Parlamentarischen Rates im Bereich der Überzeugungsfreiheit angesehen wird,58 fand der Begriff bereits in der WRV Verwendung. Bereits in den ersten Kommentaren zum Grundgesetz wird daher, sofern überhaupt zu der Frage der Weltanschauung Stellung genommen wird, ausdrücklich auf die Begriffsprägung durch die Definition von Anschütz in seinem Kommentar zur WRV verwiesen.59 Zunächst soll daher diese von Anschütz geprägte Begriffs­ bildung dargestellt werden  (a), um sodann deren Übernahme durch den Parlamentarischen Rat zu belegen (b) und das historische Begriffsverständnis der Ver­ fassungsgeber festzustellen (c). (a) Begriffsbildung durch Anschütz Anschütz hatte sich als Kommentator mit der Definition des Begriffs der Weltanschauung auseinanderzusetzen, der textlich erstmals in dem Art.  137 Abs.  7 WRV normiert wird.60 „Weltanschauung“ sei demnach eine „Lehre, welche das Weltganze universell zu begreifen und die Stellung des Menschen in der Welt zu erkennen und zu bewerten sucht (nach H Rickert).“61 Die Definition von Anschütz erfolgte mithin ursprünglich unter explizitem Verweis auf die philoso­ phische Lehre von Rickert und den durch die philosophische Fachsprache geprägten Gebrauch des Begriffs der Weltanschauung.62 Konsequent formulierte Anschütz daher für das Verhältnis von Weltanschauung und Religion der philosophischen Vorprägung folgend zunächst noch gleichordnend: „Die religionslose



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Ipsen, Staatsrecht II – Grundrechte, S.107, Rn. 382. Wernicke in BK (Erstbearbeitung), GG, Art. 4 Anm. 1b); Heinig in evStL, „Weltanschauung“, Sp. 2683, verweist für die Begriffsdefinition folglich auch auf Anschütz als „klassische“ Quelle; ebenso die zeitgenössische Feststellung durch Mayer, Wesen und Rechtsstellung der weltanschaulichen Gemeinschaften nach der Bayrischen Verfassung vom 2.12.1946, S. 4 f. 60 Heun in ZRG, Kanonistische Abteilung 86, Bd. 117 (2000), S. 334 (349 f.). Heun hebt dabei hervor, dass es sich hierbei um eine Erwähnung handelt, die sich ausschließlich auf die korporativen Rechte der Religionsgesellschaften erstreckt. – Vgl. hierzu die Darstellung im 2. Kapitel A. I. und B. I. 1. c). 61 Anschütz, WRV, 6. unv. Aufl., Art. 137, Nr. 11 (Abs. 7), S. 367 f. 62 In der späteren Aufl. bleibt die Definition im Wortlaut identisch, der Klammerzusatz mit Hinweis auf den Ursprung der Definition bei Rickert entfällt jedoch (Vgl. 4. Bearbeitung in 14. Aufl., Berlin 1933).

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(insbes. atheistische) Weltanschauung ist genauso freigegeben wie die religiöse (theistische) [Weltanschauung].“63 Erst sodann folgert Anschütz mit Blick auf die im rechtlichen Kontext erfolgte systematische Gleichstellung von Religion und Weltanschauung durch Art. 137 Abs. 7 WRV: „Die hier angeordnete Gleichstellung der Weltanschauungsvereinigungen mit den Religionsgesellschaften bedeutet unverkennbar zugleich eine Gegenüberstellung von Religion und Weltanschauung. Es kann sich nur um solche Weltanschauungen handeln, die auf anderen als religiösen Grundlagen ruhen: irreligiöse, oder doch religionsfreie Weltanschauungen (Atheismus, Materialismus, Monismus).“64 In dieser ersten von der philosophischen Vorprägung abgelösten eigenständigen juristischen Definition wird folglich noch der Ursprung des Begriffs der Welt­ anschauung in der philosophischen Fachsprache deutlich. Auch wird „Weltanschauung“ aufgrund dieser Vorprägung als ein Begriff erkannt, der vom Wortlaut her sowohl Religionen als auch areligiöse Einstellungen erfasst. Erst aus der systematischen Gleichstellung in Art. 137 Abs. 7 WRV wird gewissermaßen aus dem argumentum ad absurdum gefolgert, dass Weltanschauungen im Rechtssinne nur solche sein können, die nicht bereits durch den Religionsbegriff erfasst sind. Als Abgrenzungskriterium deutet sich bei Anschütz hierfür bereits die Einstellung zur Gottesfrage (atheistisch/ theistisch) an. In der Kommentierung zu den „Schulartikeln“ Art.  146 und 149 WRV greift Anschütz diesen von ihm geprägten juristischen Begriff der Weltanschauung erneut in der obigen Bedeutung eines Gegensatzes zu Religion auf, wobei er den Begriff Weltanschauungsschulen jedoch darüber hinaus synonym zu bekenntnisfreien Schulen65 und „weltlichen“ Schulen verwendet, an denen die Erteilung von Religionsunterricht ausgeschlossen sei, und diese daher in einem noch stärkeren Sinne weltlicher seien, als die öffentliche Regelschule.66 Hierbei verstärkt sich die Verkürzung des juristischen Begriffs der Weltanschauung als bloßem Ausschluss von Religion im Sinne einer Freiheit von jeder Religion.67 Die Möglichkeit, an Schulen einer bestimmten Weltanschauung Unterricht in dieser zu erteilen, spricht Anschütz in seiner Kommentierung nicht an, obgleich er zuvor neben dem Atheismus den Monismus und Materialismus als weitere Weltanschauungen im juristischen Sinne aufgeführt hat.



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Anschütz, WRV, Art. 135, S. 619 (Fn. 2). Anschütz, WRV, 6. unv. Aufl., a. a. O. 65 Anschütz, WRV, 6. unv. Aufl., Art. 146, Nr. 4, S. 384. 66 Anschütz, WRV, 6. unv. Aufl., Art. 149, Nr. 1, S. 389. 67 So sieht Ipsen, Staatsrecht II – Grundrechte, S. 106f, Rn. 381, 383 in der Weltanschauung normativ das Recht des Nichtglaubens gewährleistet und lehnt daher die Annahme einer negativen Religionsfreiheit ab.

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(b) Übernahme und Begriffsverständnis durch den Parlamentarischen Rat Der Begriff der Weltanschauung wird aufgrund der so genannten kritischen Würdigung des Grundgesetzes durch Prof. Thoma vom 25.  Oktober  194868 als „weltanschauliches Bekenntnis“ erstmals in die Beratungen des Parlamentarischen Rates eingeführt, der hierdurch die Erweiterung der Freiheit des Bekenntnisses neben der Religion auf alle Überzeugungen erreichen wollte.69 In der 24. Sitzung des Ausschusses für Grundsatzfragen vom 23.  November  1948 wurde die Freiheit des weltanschaulichen Bekenntnisses sodann auf Vorarbeit des Allgemeinen Redaktionsausschusses vom 16.  November  194870 in leicht abgewandelter Fassung in die neue Verfassung aufgenommen.71 Für das historische Begriffsverständnis der Mitglieder des Parlamentarischen Rates lässt sich den Materialien hierbei entnehmen, dass „Weltanschauung“ als Ergänzung zum hergebrachten Begriff des Glaubens und der Religion gesehen wurde, da es auch Weltanschauung mit areligiöser Prägung gebe, die im Verständnis ihrer Anhänger nicht vom Begriff des Glaubens abgedeckt werden. Zur Begründung seines Formulierungsvorschlags „(1) Es besteht unbeschränkte Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses. (2) Die ungestörte Religionsausübung usw. (wie Entwurf).“ führte Thoma aus, dass nicht die Freiheit des Glaubens und der Überzeugung geschützt werden müsse „ – wer sollte die antasten können?  – “ sondern das Bekenntnis zu aller Überzeugungen geschützt werden müsse.72 Der Vorsitzende des Ausschusses für Grundsatzfragen von Mangoldt (CDU) wollte daher, unterstützt durch einen Formulierungsvorschlag des Ab­geordneten Heuss (FDP), die von Thoma bezweckte besondere Hervorhebung des Schutzes des forum externum anstelle der Formulierung religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses durch die einheitliche Formulierung „die Freiheit ihres Bekenntnisses“ erreichen.73 Hierdurch hätten die Begriffe des Glaubens und des Bekenntnisses einheitlich für religiöse und weltanschauliche Überzeugungen den Schutzbereich des forum internum wie des forum externum abgedeckt. Hier­gegen wendet sich der Abgeordnete Süsterhenn (CDU) erfolgreich mit dem Hinweis, dass sich die Fassung nicht auf das rein Religiöse beschränke, sondern neben das Religiöse das Weltanschauliche stelle, da „der Anhänger einer areligiösen Welt­anschauung […] sich nicht als Anhänger eines Glaubens bezeichnen“ 68 PRat-Drucks. Nr.  244; Pikart/Werner in Schick/Kahlenberg, Der Parlamentarische Rat, Bd. 5, 1. Hlbbd., S. 376. 69 Nach dem Bericht v. Doemming/Füsslein/Matz in Leibholz/v. Mangoldt, JöR Bd. 1 N. F., S. 73. 70 PRat-Drucks. Nr. 282. 71 PRat-Drucks. Nr. 308. 72 PRat-Drucks. Nr. 308 nach Schick/Kahlenberg, Der Parlamentarische Rat, Bd. 5, 2. ­Hlbbd., S. 367. 73 PRat-Drucks. Nr. 244 nach Schick/Kahlenberg, Der Parlamentarische Rat, Bd. 5, 2. ­Hlbbd., S. 623.

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würde.74 Vom Abgeordneten Bergsträsser (SPD) wird in diesem Zusammenhang auf die Freidenker verwiesen.75 Der logische Gegenschluss hieraus, dass Weltanschauung demgegenüber stets eine areligiöse Einstellung voraussetze, lässt sich den Protokollen des Parlamentarischen Rates indessen nicht entnehmen, da der Vorschlag Süsterhenns nur eine Ergänzung des ansonsten umfassenden Vorschlags von Mangoldts hinsichtlich der in der vorherigen Formulierung ggf. nicht hin­ reichend berücksichtigten areligiösen Anschauungen darstellt. Für die maßgebliche Frage, mit welcher Bedeutung die Mitglieder des Parlamentarischen Rates den Begriff der Weltanschauung in das Grundgesetz übernommen haben, kann neben den in den Materialien zum Grundgesetz zum Ausdruck gekommenen Erwägungen vor allem auf die authentische Kommentierung des Grundgesetzes durch von Mangoldt zurückgegriffen werden, um die dürftige Quellenlage zu ergänzen. Dieser nimmt im Rahmen der Kommentierung zu Art. 4 und Art.  140  GG als ehemaliger Vorsitzender des Ausschusses für Grundsatz­ fragen in seinem 1953 erschienenen Werk Stellung zu der Frage der Übernahme von Begriffen aus der WRV und formuliert zu Art. 140 GG „[…] macht es sogar notwendig immer wieder auf die unter der WeimRV. entwickelten Grundsätze zurückzugreifen, wie sie insbesondere bei Anschütz a. a. O. niedergelegt sind, auf den daher hier zu verweisen ist. Vor allem zum Begrifflichen wird dort auch weiter Wesentliches zu entnehmen sein.“76 Diese Übernahme unter Verweis auf die von Anschütz vorgenommene Begriffsprägung findet sich ferner ebenfalls in der Kommentierung durch Süsterhenn, der als Justiz- und Kultusminister von Rheinland Pfalz im Vorwort seiner authentischen Kommentierung der Rheinlandpfälzischen Verfassung ausdrücklich auf seine Expertise aus der Mitarbeit im Parlamentarischen Rat und den vorangegangenen Gremien und verfassungsgebenden Versammlungen verweist. Zu Art. 43 Verf. RLP heißt es dort: „Weltanschauung ist jede Lehre, welche das Weltganze universell zu begreifen und die Stellung des Menschen in der Welt zu erkennen und zu bewerten sucht (ebenso Anschütz, Bem. 12 zu Art. 137 im Anschluss an H. Rickert).“77 Dass der Parlamentarische Rat nicht nur irreligiöse Überzeugungen vom Begriff der Weltanschauung abgedeckt sah, zeigt sich deutlich in der Kommentierung durch Süsterhenn, der neben irreligiösen Weltanschauungen hierbei von religionsfreien Weltanschauungen spricht, und hierzu einerseits die Beispiele von Anschütz („Monismus, Atheismus, Materialismus“) in geänderter Reihenfolge aufzählt und

74 PRat-Drucks. Nr. 244 nach Schick/Kahlenberg, Der Parlamentarische Rat, Bd. 5, 2. ­Hlbbd., S. 623. 75 PRat-Drucks. Nr. 244 nach Schick/Kahlenberg, Der Parlamentarische Rat, Bd. 5, 2. ­Hlbbd., S. 623. 76 v. Mangoldt, Das Bonner Grundgesetz, Art. 140, S. 662. 77 Süsterhenn/Schäfer, Kommentar der Verfassung für Rheinland Pfalz, Art.  43 LV RLP, S. 207.

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aufgrund des Beispiels von Bergsträsser durch die Freidenker ergänzt.78 Wie Anschütz spricht Süsterhenn sodann auch davon, dass die Gleichstellung der Welt­ anschauungsgemeinschaften „zugleich aber eine scharfe Gegenüberstellung von Religion und Weltanschauung bedeutet“.79 Anhand dieser Quellenlage lässt sich demnach die bewusste Übernahme des Begriffs der Weltanschauung zumindest in der durch Anschütz vorgenommenen juristischen Begriffsprägung folgern. Weder bei Thoma, der als Professor für Staats- und Öffentliches Recht in Bonn lehrte, noch in der Diskussion des Parlamentarischen Rates wurde über den unter „Weltanschauung“ zu verstehenden Begriffsgehalt gesprochen. Die mit einem konkreten Beispiel angeregte Dis­kussion zeigt vielmehr, dass über Fraktionsgrenzen hinweg im Ausschuss einmütig von einem begrifflichen Vorverständnis ausgegangen wurde. Dieses Vorverständnis lässt sich in der Kommentierung durch von Mangoldt und Süsterhenn auf die Kommentierung des Begriffs in der WRV durch Anschütz zurückführen, wobei die Kommentierung bei Süsterhenn durch den Hinweis auf die Lehre Rickerts ferner belegt, dass die Herkunft des Begriffs „Weltanschauung“ aus dem fachsprachlichen Gebrauch der Philosophie den Mitgliedern des Parlamentarischen Rates durchaus bewusst war. (c) Fazit zum historischen Begriffsverständnis der Verfassungsgeber Die für die weitere Untersuchung maßgebliche Frage nach der Bedeutung des fachsprachlichen Gebrauches in der Philosophie für die Begriffsprägung der Rechtswissenschaft kann dahingehend beantwortet werden, dass sich der Parlamentarische Rat unter Übernahme der von Anschütz vorgenommenen Begriffsdefinition durch dessen expliziten Verweis auf die Lehre von Rickert die philo­ sophische Vorprägung des Begriffs der Weltanschauung zumindest mittelbar zu Eigen gemacht hat. Der in der Philosophie entwickelte Sprachgebrauch ist mithin für die nähere Bestimmung der Begriffsbedeutung zu berücksichtigen.80 Jedoch sind gegenüber der durch den philosophisch-fachsprachlichen Gebrauch geprägten Konkretisierung einzelne Abweichungen zugunsten einer eigenständigen juristischen Begriffsbildung denkbar. So zeichnet sich bereits bei Anschütz im Bezug auf das Verhältnis von Weltanschauung und Religion eine auf der philosophischen Prägung basierende eigenständige juristische Begriffsbildung ab, die ebenfalls in der Diskussion des Parlamentarischen Rates anklingt. Nach dem historischen Wortverständnis des Parlamentarischen Rates scheint „Weltanschauung“ 78 Süsterhenn/Schäfer, Kommentar der Verfassung für Rheinland Pfalz, Art.  43 LV RLP, S. 207. 79 Süsterhenn/Schäfer, Kommentar der Verfassung für Rheinland Pfalz, Art.  43 LV RLP, S. 208. 80 Ebenso für die Bayerische Verfassung vom 2.12.1946, Mayer, Wesen und Rechtsstellung der weltanschaulichen Gemeinschaften nach der Bayrischen Verfassung vom 2.12.1946, S. 5.

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demnach religionsfreie und areligiöse Überzeugungen zu erfassen. Aufgrund des Formulierungsvorschlags durch von Mangoldt und Heuss, von einem einheitlichen Bekenntnis auszugehen, könnte man darüber hinaus religiöse Weltanschauungen vom Begriff der Weltanschauung ebenfalls erfasst sehen. Wie die Bezugnahme auf das Begriffsverständnis bei Anschütz und die Kommentierung durch Süsterhenn jedoch zeigen, erfasst das Begriffsverständnis des Parlamentarischen Rates unter „Weltanschauung“ aufgrund der in der abschließenden Fassung explizit zum Ausdruck kommenden Gegenüberstellung von Religion und Weltanschauung dem­ gegenüber jedoch keine religiöse Weltanschauung. Nach dem Begriffsverständnis des Verfassungsgebers kann demnach Weltanschauung nicht als Oberbegriff zur Religion angesehen werden. (2) Philosophisch-Fachsprachliche Begriffsbildung Der Begriff „Weltanschauung“ ist eine der Philosophie entstammende Wortschöpfung. Ausgehend von seiner Entstehung in der Philosophie des späten 18.  Jahrhunderts hat er nicht nur Eingang in den allgemeinen Sprachgebrauch im deutschsprachigen Raum gefunden. Ohne weitere Übersetzung wurde der Begriff als deutsches Lehnwort in andere Sprachen übernommen.81 Dies spricht für eine spezifische, anders nicht gleichwertig zu umschreibenden Bedeutungsgehalt von „Weltanschauung“, den es näher zu beleuchten gilt. Auch die nachweis­ liche Bezugnahme der Mitglieder des Parlamentarischen Rates auf die von Rickert vor­genommene Begriffsdefinition zeigt die Absicht der Verfassungsväter, grundsätzlich vom philosophisch-fachsprachlich vorgeprägten Wortsinn ausgehen zu wollen. Zumindest hinsichtlich des spezifischen Begriffskerns82 ist daher keine Abweichung zugunsten einer eigenständigen juristischen Begriffsbestimmung anzunehmen, sondern von einer rezeptiven Übertragung in die Rechtssprache auszugehen.83 Auch in der Philosophie wurde der Begriff der Weltanschauung jedoch in seiner historischen Entwicklung zu verschiedenen Zeitpunkten unterschiedlich gebraucht. Um daher einen in die Rechtssprache übernommenen Begriffskern zu untersuchen, gilt es die Entwicklung bis hin zum Begriffsgebrauch durch ­Rickert nachzuzeichnen, auf den die Definition durch Anschütz zurückgeht. Hierbei sind zumindest zwei größere Entwicklungslinien zu unterscheiden: Bei der von 81 Vgl. z. B. im Englischen: „weltanschauung“ sowie die direkte Übersetzung „world-view“ Ebenso im Französischen. Daneben findet hier die Umschreibung „conception du monde“ Verwendung. 82 I. e. die Wortbedeutung im engeren Sinne, ohne die Frage nach dem systematischen Verhältnis zum Begriff der Religion. 83 Auch das Bundesverwaltungsgericht verweist für die Begriffsbestimmung daher zutreffend darauf, dass es sich um eine philosophische Wortschöpfung handelt. Vgl. BVerwG, Urteil vom 19.2.1992, Az.: 6 C 5/91, BVerwGE 89, S. 368 (369).

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Kant (a) ausgehenden Begriffsprägung durch Fichte (b), Schelling (c), Schleiermacher  (d), Goethe  (e), Hegel  (f)  und Bunsen  (g) wird Weltanschauung als zunächst subjektives, später objektiviertes und kollektives Vermögen zur Ausbildung einer wissenschaftlich nicht zu begründenden, transzendentalen Gesamtauf­fassung durch ordnende Abstraktion von Erfahrungen begriffen. Demgegenüber lässt sich die Entwicklungslinie der Wortbedeutung bei Görres (h) und Alexander von Humboldt (i) als ein objektiv rationales und naturwissenschaftlich geprägtes Verständnis der Welt und ihrer Zusammenhänge zusammenfassen. Diese im Ansatz unterschiedlichen Entwicklungslinien haben schließlich mit zur unterschiedlichen Ausprägung der Begriffe Weltanschauung und Weltbild geführt. Während „Weltanschauung“ hierbei vorwiegend das transzendente Vermögen zur Ausbildung einer subjektiv umfassenden Gesamtsicht der Welt bezeichnet, bezeichnet „Weltbild“ vornehmlich das Ergebnis dieser Überlegung. Der Zusammenhang zwischen Weltanschauung und Weltbild bleibt daher bestehen. Welt­ bilder aber genügen bescheideneren Ansprüchen – sie verzichten auf umfassende und systematische Erklärung des Weltganzen, auf allgemeine Geltung, auf wertende Stellungnahmen oder auf exakte Begriffsbildung.84 Die bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts in der philosophischen Fachsprache zusammenfassend entwickelten Aspekte der Wortbedeutung waren aufgrund des sodann stärker einsetzenden allgemeinen Gebrauchs des Begriffs „Weltanschauung“ in der Alltagssprache und der allgemeinen gesellschaftlichen Diskussion einer Begriffsverflachung ausgesetzt. Der als Krise der Philosophie angesehenen Subjektivierung und der damit einhergehenden unwissenschaftlichen Begriffsverwendung traten unter anderem Dilthey mit der Begründung seiner systematisierenden Typologie der Weltanschauungslehren entgegen (j). In diesem Zusammenhang ist schließlich die Begründung der Weltanschauungs-Philosophie als wissenschaft­ liche Weltanschauungslehre durch Rickert (k) einzuordnen, von der aus schließlich die Übertragung in die Rechtssprache erfolgte. Hierbei hat sich der im 19. Jahrhundert entwickelte Begriffskern weitgehend erhalten. Es erfolgte in dieser Phase der Rückbesinnung jedoch eine mit der Verschiebung einzelner Akzente einhergehende Akzentuierung der zuvor allzu vielfältig entfalteten Begriffsnuancen (l). (a) Begriffsschöpfung durch Immanuel Kant Als Schöpfer des Begriffs „Weltanschauung“ wird allgemein Immanuel Kant angesehen.85 Dieser verwendete den Begriff der Weltanschauung nachweislich in 84 Thomé in Ritter/Gründer/Gabriel, Historisches Wörterbuch der Philosophie, Bd.  12, Sp. 461 Stw.: „Weltbild“. Auch diese Abgrenzung wird vom BVerwG im Urteil vom 19.02.1992, Az.: 6 C 5/91, BVerwGE 89, S. 368 (370) als zutreffend rezipiert. 85 Vgl. u. a. zum Stw. „Weltanschauung: Moxter in Müller, TRE, Bd. 35, S. 546; Herms in Betz/Browning/Janowski/Jüngel, RGG, Sp. 1401.

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seinem Werk „Kritik der Urteilskraft“ von 1790.86 Darin versucht Kant aufzu­ zeigen, dass die Vernunft zu allen gegebenen Größen, auch im Unendlichen, nach Totalität strebt, mithin nach Zusammenfassung in einer Anschauung. Dieses Vermögen habe zwar keine Bedeutung im Hinblick auf die theoretische Fähigkeit zum Erkenntnisgewinn, ermögliche aber die Reflexion der Vernunft auf ihre Fähigkeit, eine Gesamtauffassung der Welt zu bilden und sich zu dieser Auffassung in Beziehung zu setzen.87 „Weltanschauung“ umschreibt demnach nach Kant zunächst eine persönliche Art die Welt trotz ihrer durch die eigenen Sinne wahrgenommenen Unendlichkeit zu begreifen.88 Bei Kant steht „Weltanschauung“ demnach für die Fähigkeit des Menschen zur subjektiven Abstraktion von der Gesamtheit der Sinneseindrücke zur Ausbildung eines über das rationale Begreifen hinausgehenden Verständnisses. Am deutlichsten wird durch den von Kant gezogenen Vergleich mit der Mathematik die Abgrenzung des überzeugungsmäßigen Verständnisses einer Weltanschauung von wissenschaftlich begründeter Kenntnis. „Weltanschauung“ habe keine Bedeutung in „theoretischer Absicht zum Behuf des Erkenntnisvermögens“, sie führe vielmehr zu einer „Erweiterung des Gemüts, welches die Schranken der Sinnlichkeit in anderer (der praktischen) Absicht zu überschreiten sich vermögend fühlt.“89 Eine Unterscheidung von Weltanschauung und Religion findet sich bei Kant nicht, ebenso wenig eine Unterscheidung von Immanenz und Transzendenz. „Weltanschauung“ geht zwar von den innerweltlich erfassten Sinneseindrücken aus, die von Kant beschriebene Fähigkeit, daraus eine nach wissenschaftlichen Kriterien nicht mehr beweisbare, vom menschlichen Verständnis aber angestrebte widerspruchsfreie Gesamtauffassung abzuleiten und sich zu dieser für die praktische Absicht in Beziehung zu setzen, kann ihrerseits vielmehr als bewusstes Transzendieren verstanden werden.90

86 Kant, Kritik der Urteilskraft, § 26 (B 92 f.): „Das gegebene Unendliche aber dennoch ohne Widerspruch auch nur denken zu können, dazu wird ein Vermögen das selbst übersinnlich ist, im menschlichen Gemüte erfordert. Denn nur durch dieses und dessen Idee eines Noumenons, welches selbst keine Anschauung verschattet, aber doch der Weltanschauung, als bloße Erscheinung, zum Substrat unterlegt wird, wird das Unendliche der Sinnwelt in der reinen intellektuellen Größenschätzung, unter einem Begriff ganz zusammengefasst, obzwar es in der mathematischen durch Zahlenbegriffe nie ganz gedacht werden kann.“ 87 Thomé in Ritter/Gründer/Gabriel, Historisches Wörterbuch der Philosophie, Bd. 12, S. 454. 88 Vgl. Wilms in FS Maurer, S. 501; Spieldiener, Weltanschauung, S. 49 f. 89 Kant, Kritik der Urteilskraft, § 26 (B 93). 90 Vgl. Meier, Weltanschauung, S. 71 ff. (73) nach dem der Begriff Weltanschauung transzen­ dental geprägt ist, da er die im Erkenntnisvermögen selbst liegende apriorische Bedingungen des Erkennens umschreibe.

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(b) Begriffsverwendung und objektivierende Erweiterung bei Johann Gottlieb Fichte Der Begriff der Weltanschauung findet sich bei Fichte sowohl in dem Werk „Versuch einer Critik aller Offenbarung“ von 1791, als auch im späteren Werk „Grundlagen des Naturrechts“ von 1796. Ähnlich wie Kant verwendet Fichte den Begriff der Weltanschauung im Zusammenhang seines Programms einer Ableitung von Welt und Bewusstsein aus dem eigenen Ich. Dieses ist typisch für die Philosophen nachkantischer idealistischer Systeme, welche das von Kant postulierte Vermögen des Menschen zur Bildung einer Weltanschauung aus ihren eigenen Annahmen abzuleiten versuchen.91 „Weltanschauung“ beinhaltet hierbei eine subjektive Ordnung der Welt unter dem Gesichtspunkt des besseren Verständnisses der Zusammenhänge,92 bei deren Zusammenschau die in ihr wirksamen Gesetzmäßigkeiten von Natur- und Moralkausalität trotz ihrer Gegensätzlichkeiten zugunsten einer vereinheitlichten Sichtweise aufgehoben werden.93 „Weltanschauung“ ist folglich in der Tradition der Transzendentalphilosophie des deutschen Idealismus auch bei Fichte zunächst eine Beschreibung erkenntnistheoretischer Ableitung.94 Erst im späteren Wortgebrauch zwischen 1810 und 1813 erhält der Begriff durch Fichte eine für die nachfolgende Entwicklung entscheidende, weitergehende Bedeutung. In dem Bemühen, „Weltanschauung“ aus der Subjektivität zu lösen und zu objektivieren, postuliert Fichte Weltanschauung sei nicht dem einzelnen Individuum zugeordnet, sondern zugleich „Anschauung einer Summe organisierter Leiber freier Iche [… als] unmittelbarer Ausdruck des Einen Lebens“.95 Zwar geht Fichte hierbei noch von einer einzigen unteilbaren Weltanschauung aller In­ dividuen aus, wenn er formuliert: „Diese Weltanschauung des Einen und unteilbaren Ich nennt man auch äußere Anschauung“. Sie sei „objektives allgemeingültiges Sein“ und „die Eine und gemeinsame Weltanschauung Aller“.96 Seine Begründung aber, die einheitliche äußere Anschauung gründe sich auf „das Eine, sich gleiche Leben“,97 bildet bereits den Ansatz für die spätere Entwicklung, die Weltanschauung nicht als einheitlich zu begreifen, sondern eine Vielzahl von Weltanschauungen spezifischer kultureller Gruppen zu propagieren, deren Lebens­umstände nach

91 Vgl. Thomé in Ritter/Gründer/Gabriel, Historisches Wörterbuch der Philosophie, Bd. 12, S. 454. 92 Spieldiener, Weltanschauung, S. 50. 93 Meier, Weltanschauung, S. 74. 94 Meier, Weltanschauung, S. 77. 95 J. G. Fichte, Die Thatsachen des Bewusstseyns, Vorlesung Universität zu Berlin WS 1810/11 in Sämtliche Werke, 1. Abtheilung: Zur theoretischen Philosophie, Bd. 2, S. 614. 96 J. G. Fichte, Die Thatsachen des Bewußtseins, Vortrag 1813 in Nachgelassene Werke, Bd. 1, S. 519, 524. 97 J. G. Fichte, Die Thatsachen des Bewusstseyns, Vorlesung Universität zu Berlin WS 1810/11 in Sämtliche Werke, 1. Abtheilung: Zur theoretischen Philosophie, Bd. 2, S. 614.

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unterschiedlichen Kriterien (z. B. historische Zugehörigkeit, Schicht, Klasse, Nation, Rasse) vergleichbar sind.98 (c) Begriffsverwendung und spezifische Pluralität bei Friedrich Wilhelm Joseph von Schelling Als weiteren Vorläufer der aus der späteren Konzeption Fichtes heraus aufbauend entwickelten Pluralität von Weltanschauungen lässt sich auch auf die Verwendung des Begriffs der Weltanschauung bei Schelling verweisen. In seiner Schrift „Ersten Entwurf des Systems einer Naturphilosophie“ von 1799 geht dieser der Frage der Vernunftbegabung von Tieren nach und kommt zu dem Ergebnis, dass von Vernunft jedenfalls in einem übertragenen Sinne gesprochen werden könne, da auch Tiere nach der artspezifischen Wahrnehmung der Welt handeln würden. In diesem Zusammenhang heißt es sodann: „Gleichwie nämlich die menschliche Vernunft die Welt nur nach einem gewissen Typus vorstellt, dessen sichtbarer Abdruck die menschliche Organisation ist, ist jede Organisation Abdruck eines gewissen Schematismus der Weltanschauung. Gleichwie wir wohl einsehen, dass unsere Weltanschauung bestimmt ist durch unsre ursprüngliche Beschränktheit, ohne dass wir erklären können, warum wir gerade so beschränkt, warum unsere Weltanschauung gerade diese ist und keine andre, so können auch das Leben und das Vorstellen der Thiere nur eine besondre obschon unbegreifliche Art von ursprünglicher Beschränktheit seyn, und nur diese Art von Beschränktheit würde sie von uns unterscheiden.“99

Schelling geht auch in seinem weiteren Werk bereits von der Beschränkung der Weltanschauung durch die spezifische Stellung des Menschen im Weltgefüge aus und sieht die Ursache hierfür einerseits zwar vergleichbar mit Kant in der menschlichen Beschränkung der Verarbeitung von Sinneseindrücken, weist darüber hinaus aber auf die weitere Beschränkung durch die individuelle Lebenssituation hin.100 Schon in seinem Werk von 1799 heißt es daher an späterer Stelle: „Es muss für jedes Endliche eine Gränze der Weltanschauung geben; diese ursprüng­liche Beschränktheit ist für die intellectuelle Welt eben das, was für die physische Welt die Schwerkraft ist, das was das Individuum an ein bestimmtes System von Dingen fesselt und ihm seine Stelle im Universum anweist. Nun ist aber die Weltanschauung bestimmt noch innerhalb eines bestimmten Systems in Ansehung jedes einzelnen Objects. Dadurch kommt Beschränktheit in die Beschränktheit.“101

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Vgl. Thomé in Ritter/Gründer/Gabriel, Historisches Wörterbuch der Philosophie, Bd. 12, Sp. 458, Stw.: „Weltanschauung“. 99 Schelling, Erster Entwurf eines Systems der Naturphilosophie, Dritter Hauptabschnitt, in Baumgartner/Jacobs/Jantzen/Krings (Ges. Hrsg.), Historisch-Kritische Ausgabe, Reihe  I: Werke, Bd. 7, Jacobs/Ziche (Hrsg.), Stuttgart 2001, S. 198 = S. 200 des Erstdrucks von 1799. 100 Vgl. Meier, Weltanschauung, S. 81 ff.; Spieldiener, Weltanschauung, S. 50. 101 Schelling, Erster Entwurf eines Systems der Naturphilosophie, Dritter Hauptabschnitt, in Baumgartner/Jacobs/Jantzen/Krings (Ges. Hrsg.), Historisch-Kritische Ausgabe, Reihe  I: Werke, Bd. 7, Jacobs/Ziche (Hrsg.), Stuttgart 2001, S. 269 = S. 317 des Erstdrucks von 1799.

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Auch Schelling kann demnach ebenso wie Fichte und Kant der Transzendentalphilosophie zugerechnet werden, die „Weltanschauung“ zur Bezeichnung eines erkenntnistheoretischen Vorgangs verwendet, wobei Schelling, für die spätere Entwicklung bedeutend, bereits auf die individuellen Lebensumstände als mitprägend für die Ausbildung von Weltanschauung hinweist. (d) Begriffsverwendung und Verhältnis zur Religion bei Friedrich Schleiermacher In die, von der kantschen Begriffsschöpfung ausgehenden Konkretisierung des fachsprachlichen Bedeutungsgehaltes fügt sich die Begriffsverwendung durch Schleiermacher ein, der den Begriff „Weltanschauung“ bereits in seiner Schrift „Über Religion“ von 1799 verwendet. Der kantschen Begriffsbildung der Weltanschauung als einer in der Reflexion erfassbaren Syntheseleistung des Subjektes fügt Schleiermacher vergleichbar mit dem Ansatz von Schelling eine Komponente der Lebenserfahrung hinzu. „Weltanschauung“ sei demnach das Ergebnis eines Bildungsprozesses, durch den das rezeptive Chaos des Neugeborenen zu einer Totalität aller Eindrücke, unter Einschluss des Bewusstseins der menschlichen Zustände, transformiert werde.102 Es handelt sich um eine vernunftbegründete, ver­ stehensorientierte Gesamtsicht der Welt.103 Für die weitere juristische Betrachtung bedeutsam erscheint ferner, dass „Weltanschauung“ bei Schleiermacher aufgrund der thematischen Konzeption seiner Schrift explizit in einen Zusammenhang mit der Religion gestellt wird. Das „Weltanschauung“ in diesem Zusammenhang erstmals als Gegenbegriff zur religiösen Anschauung verwendet würde, die sich vor allem mit dem Verhältnis des Menschen zu Gott befasse, kann indessen nicht gefolgt werden.104 Zum Verhältnis von Weltanschauung und Religion heißt es vielmehr: „Auch die Welt ist ein Werk, wovon Ihr nur einen Teil überseht, und wenn dieser vollkommen in sich selbst geordnet und vollendet wäre, könnt ihr Euch von dem Ganzen keinen hohen Begriff machen. Ihr sehet, dass dasjenige, was oft dazu dienen soll die Religion zurückzuweisen, vielmehr einen größeren Wert für sie hat in der Weltanschauung, als die

102 Schleiermacher, zur Pädagogik. 20.  Stunde (1813). Sämtliche Werke III/9 (1835–84) 621.209 nach Thomé in Ritter/Gründer/Gabriel, Historisches Wörterbuch der Philosophie, 2004, Bd. 12, S. 453. 103 Vgl. Spieldiener, Weltanschauung, S.  51. Schleiermacher steht damit allerdings in der aufgezeigten, von Kant ausgehenden Traditionsline, Weltanschauung als Methode des Verständnisses zu begreifen, die es ermöglicht die mit menschlichen Sinnen nicht umfänglich erfassbare Welt gleichwohl auf einer höheren Abstraktionsebene zu erfassen. Der Auffassung Spieldieners Weltanschauung würde von Schleiermacher „erstmals“ und „im Gegensatz zu den bisherigen Verwendungsweisen“ in dieser Bedeutung gebraucht kann daher so nicht gefolgt werden. 104 So aber: Spieldiener, Weltanschauung, S. 51.

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Ordnung, die sich zuerst darbietet.“105 „Weltanschauung“ erscheint demnach vielmehr für das Verständnis einer Gottesidee entscheidet. Aus der Ordnung der Welt in der Weltanschauung lässt sich für Schleiermacher Gottesanschauung und Gottesidee begreifen und ein vertieftes Verständnis gewinnen.106 „Weltanschauung“ und „Religion“ erscheinen daher nicht als Gegenbegriffe, vielmehr bietet auch die Weltanschauung für die Religion als ursprüngliche Ordnung im Sinne Schleiermachers einen „größeren Wert“. Hierbei impliziert „ursprüngliche Ordnung“ eine Veränderung der in der Weltanschauung erfassten Sicht auf die Welt durch die Einwirkung von Gottesanschauung und Gottesidee. Darin liegt eine spezifische Qualität der Religion, die sie aber nicht als Gegenbegriff kennzeichnet, sondern ihr vielmehr neben der ursprünglichen Weltanschauung in der Gottesanschauung und Gottesidee eine weitere Erkenntnisquelle zum Verständnis des Ganzen zuweist. (e) Begriffsverwendung bei Johann Wolfgang von Goethe Die in der zweiten Hälfte des 19.  Jahrhunderts beginnende individualistische Subjektivierung des Begriffs der Weltanschauung wird unter Hervorhebung des lebensgeschichtlichen Elementes auch am Beispiel der Verwendung bei Goethe deutlich. Dieser verwende den Begriff der Weltanschauung in seinem Werk „Dichtung und Wahrheit“ von 1813 in der Bedeutung der Fähigkeit eines empirischen und durch Erfahrung geprägten Individuums, seine Lebenswelt zu konstruieren.107 Sie schließt an die durch Schelling und Schleiermacher erweiterte Begriffs­bildung an, und betont die Bedeutung der Beobachtung und der Reflexion bei der Zusammenfassung und Ordnung der Weltanschauung aus der Lebens- und Welterfahrung heraus.108 Die Begriffsverwendung bei Goethe weist daher noch eine strukturelle Ähnlichkeit zur transzendentalphilosophischen Begriffsbestimmung auf, zeigt aber zugleich Ansätze für die später im allgemeinen Sprachgebrauch wirksam werdende synonyme Verwendung von Weltanschauung und persönlicher Über­zeugung, indem er sie in die Sphäre der persönlichen Lebensgestaltung verweist.109 Die Begriffsverwendung bei Goethe zeigt demnach einerseits eine Verstetigung des Bedeutungskerns der Weltanschauung als einer aus der individuellen Wahrnehmung und Erfahrung durch Abstraktion gewonnenen höheren Erkenntnis über die Ordnung der Welt und bietet durch die vereinfachte Verwendung zugleich Anhaltspunkte für die sich aus der philosophischen Fachsprache herauslösende Begriffsveränderung im allgemeinen Sprachgebrauch. Zudem zeigt sie erste 105 Schleiermacher, Über Religion. Reden an die Gebildeten unter ihren Verächtern. 2. Rede: Über das Wesen der Religion. In Rothert (Hrsg.), Hamburg 1958 (Nachdruck 1970), S. 47. Entspricht S. 83–85 der Erstausgabe von 1799. 106 Vgl. Meier, Weltanschauung, S. 88. 107 Vgl. Thomé in Ritter/Gründer/Gabriel, Historisches Wörterbuch der Philosophie, Bd. 12, Sp. 453. 108 Vgl. Spieldiener, Weltanschauung, S. 52. 109 Meier, Weltanschauung, S. 105 f.

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Ansätze zu einer über die bloße Art und Weise der Betrachtung und des Begreifens hinausgehenden Wortbedeutung, welche auf die Beantwortung existenzieller Sinnfragen abzielt, da sie in der persönlichen Lebensgestaltung eine praktische Antwort auf das durch Weltanschauung gewonnene Verständnis sieht. (f) Begriffsverwendung und Kollektivierung bei Georg Wilhelm Friedrich Hegel In den Werken von Hegel findet der Begriff der Weltanschauung häufige Verwendung. Hegel sieht die Bildung von Weltanschauungen vor allem in einem historisch, kollektiven Kontext. Die geschichtliche Abfolge von Weltanschauungen begreift Hegel als eine Stufenfolge von Weltanschauungen, in welcher der Geist zum wahren Begriff seines absoluten Wesens gelange. „Weltanschauung“ wird von Hegel als eine Form der Selbstanschauung des Geistes begriffen:110 als des bestimmten „aber umfassenden Bewußtseyns des Natürlichen, Menschlichen und Göttlichen“ das zur allgemeinen geistigen Entwicklung beiträgt.111 Seine Begriffsverwendung kann dabei durchaus in der Tradition von Fichte und Schleiermacher gesehen werden,112 auch wenn Hegel „Weltanschauung“ nicht nur subjektiv-individuell, sondern vorwiegend als kollektives Phänomen unter Berücksichtigung ihrer Fundierung in einer geschichtlichen Epoche oder der sie prägenden Kultur versteht. Soweit Hegel einen überindividualistischen, kollektiven Ansatz für Weltanschauung wählt, ist diese Wandlung des Begriffs bereits in der späteren objektivierenden Auffassung Fichtes einer einheitlichen Weltanschauung aller Menschen angelegt. Die von Hegel hierbei in geschichtliche Dimensionen gestellte Bedeutung des Bildungs- und Erkenntnisfortschritts kann ebenfalls in der Entwicklungslinie von Schelling und Schleiermacher gesehen werden. Auch diese stellten auf die subjektive Bildung- und Erkenntnismöglichkeit bei der Ausbildung von Weltanschauung als wesentliches Kriterium ab. Gleichwohl findet der Begriff „Weltanschauung“ bei Hegel nunmehr so häufige und vielfältige Ver­ wendung, dass ausgehend von seinen prägnant formulierten Ansätzen, einerseits von einer Pluralität von Weltanschauungen auszugehen ist, und diese andererseits kollektiven Gruppen von Menschen mit gemeinsamem Merkmal zugeordnet wird, so dass sich die spätere Verwendung des Begriffs im allgemeinen Sprachgebrauch deutlich vorzeichnet.113 Neben der herausgearbeiteten und sich unter anderen Aspekten und Ansatz­ punkten verstetigenden Begriffsbedeutung sind für die juristische Betrachtung 110 Vgl. Thomé in Ritter/Gründer/Gabriel, Historisches Wörterbuch der Philosophie, Bd. 12, Sp. 454. 111 Hegel in Glockner, Sämtliche Werke, Teil 12, Bd. 1, S. 111. 112 Vgl. Spieldiener, Weltanschauung, S. 53. 113 Vgl. Meier, Weltanschauung, S. 137 ff.

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auch die Aussagen Hegels zur Bedeutung des Verhältnisses von Weltanschauung zu Religion von Bedeutung. In seiner „Einleitung in die Religionsphilosophie“ von 1824 führt Hegel aus, dass jeder Mensch in einer gewissen Modalität mit dem Bereich des Religiösen verbunden sei. Für seine persönliche Einstellung komme es hierbei „wesentlich auf das Verhältnis der Religion zu seiner übrigen Weltanschauung an und darauf bezieht sich und wirkt wesentlich die philosophische Erkenntnis.“114 „Religion“ könne daher, seinem Wortgebrauch in der Vorlesung über Ästhetik folgend, als Teil einer weitergehenden Weltanschauung verstanden werden.115 „Weltanschauung“ könnte demnach mit Hegel als ein Oberbegriff zur Religion interpretiert werden. Ausgehend von den vorangegangenen Überlegungen zum Verhältnis von Religion und Weltanschauung bei Schleiermacher deutet die im Hegel-Zitat ebenfalls zum Ausdruck kommende Syntheseleistung der philosophischen Erkenntnis jedoch auch die Möglichkeit einer Auslegung in eine andere Richtung an. Ist es dem Zitat folgend Aufgabe der philosophischen Erkenntnis für ein zutreffendes Verhältnis von Weltanschauung und Religion zu sorgen, so kann die Religion auch bei Hegel als weitere Quelle der Erkenntnis verstanden werden. Aufgabe der philosophischen Erkenntnis wäre es demnach, die Synthese der durch Reflexion eigener Wahrnehmung und Lebenserfahrung gewonnenen Einsicht mit der durch religiöse Erfahrungen gewonnenen Anschauung zu einem ganzheitlichen Verständnis zu vollziehen. (g) Weltanschauung als umfassende unreflektierte Daseinsauffassung bei Christian Carl Josias von Bunsen Vergleichbar zu der Begriffsverwendung bei Schleiermacher, für den die Weltanschauung eine ursprüngliche Ordnung der Welt darstellt, die sich zu religiösen Vorstellungen in Beziehung setzen muss, um zu einem erweiterten Verständnis des Ganzen zu kommen, verwendet Bunsen den Begriff „Weltanschauung“ in seinem Werk „Gott in der Geschichte oder der Fortschritt des Glaubens an eine sittliche Weltordnung“ von 1857/58 als überindividuelle, ursprüngliche Kulturen und Völkern zugrunde liegende natürliche, das heißt nicht rationale Daseinsauffassung, auf welcher später reflektierte Weltbetrachtungen erst aufbauen.116 „Weltanschauung“ wird als solche deutlicher in den Kontext der Beantwortung existenzieller Sinnfragen gestellt. Seine Begriffsverwendung ist jedoch auch insoweit bedeutsam, da „Welt­ anschauung“ erstmals im Vorgriff auf die späteren Weltanschauungslehren von Dilthey und Rickert als Ordnungsbegriff einer Theorie verwendet wird, um Strukturen zu bezeichnen. Weltanschauung und Weltbetrachtung werden Vorstufen der 114

Hegel in Glockner, Sämtliche Werke, Teil 15, Bd. 1, S. 23. So Spieldiener, Weltanschauung, S. 53. 116 Spieldiener, Weltanschauung, S. 54.

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Entfaltung von Weltweisheit und Philosophie.117 Deutlich macht Bunsen auch das Verhältnis der wissenschaftlichen Weltbetrachtung zur Weltanschauung, welche in „Wechselwirkung und Widerstreit“ steht.118 „Weltanschauung“ sei demnach das Ursprüngliche, Allgemeine, die in den Völkern und Kulturen unterschiedlich wirkende Uranlage, welche sich als gemeinsame Grundlage und Ausgangspunkt immer wieder Geltung verschafft.119 „Während der Jahrhunderte der Entwicklung“ träten beide Phänomene „Weltanschauung und Weltbetrachtung, volksmäßiges Gottesbewusstsein und philosophische Forschung über dasselbe oft in tragischen Widerstreit.“120 Bunsen unterscheidet folglich auch zwischen Weltanschauung und Gottesbewusstsein, wobei „Weltanschauung“ die „ursprüngliche Ausstattung des Menschengeschlechtes“121 ist und schließlich in Wechselwirkung mit Weltbetrachtung und philosophischer Erkenntnis auch zur Erkenntnis der Einheit der Ideen des Wahren, Guten und Schönen „in Gott“122 führt. (h) Weltanschauung bei Joseph von Görres als objektiv rationale Ordnung der Erkenntnisse über die Welt Bei Görres findet sich eine leicht abgewandelte Verwendung des Wortes Weltanschauung, welche zu der begriffsverwandten Wortverwendung als Weltbild hinführt. In den 1807 erschienenen „Teutschen Volksbüchern“ findet „Weltanschauung“ zwar in der Bedeutung als Gesamtanschauung Verwendung, jedoch steht das gesammelte und geordnete Wissen im Vordergrund, so dass sich Weltanschauung als Ergebnis einer objektiven Ordnung der wissenschaftlichen Betrachtung der Welt darstellt.123 „Weltanschauung“ sei demnach „das ganze Gebiet des mensch­ lichen Wissens in seinen allgemeinen, großen Massen zu überschauen.“124 Es fehlt bei seiner Begriffsverwendung hierbei insbesondere der subjektive Charakter von Weltanschauung, der sich bei den anderen Philosophen aus der Ordnung der Welt durch die Betrachtung eines Subjekts oder eine Gruppe von Personen ergibt, der aus gleicher Merkmalsprägung heraus eine einheitliche Betrachtung der Welt zugeschrieben wird.125 Gleichwohl kennt Görres in seinen späteren Werken auch die abweichende Wortbedeutung als subjektive Weltsicht und stellt vergleichbar dem Ansatz bei

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Vgl. Meier, Weltanschauung, S. 171. Bunsen, Gott in der Geschichte, S. 48. 119 Vgl. Meier, Weltanschauung, S. 176. 120 Bunsen, Gott in der Geschichte, S. 50. 121 Bunsen, Gott in der Geschichte, S. 48 122 Bunsen, Gott in der Geschichte S. 49. 123 Vgl. Spieldiener, Weltanschauung, S. 52. 124 Görres/Schellberg/Müller, Geistesgeschichtliche und literarische Schriften I, Bd. 3 (1803– 1808), Die teutschen Volksbücher, S. 275 ff. (293 [Schlusswort]). 125 Meier, Weltanschauung, S. 94. 118

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Hegel „Weltanschauung“ in den Kontext gemeinsamer geschichtlicher Auffassung von Kulturen und spezifischen Gruppen.126 So spricht Görres explizit auch von „christlicher Weltanschauung“, in der der christliche Glaube wesentliches Element für die Ordnung der Welt sei.127 (i) Weltanschauung als Weltansicht bei Alexander von Humboldt Die Wortverwendung Weltanschauung durch Alexander von Humboldt in seinem Werk „Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung“ unterscheidet sich von dem durch Kant geprägten transzendentalphilosophischen Wortgebrauch. „Weltanschauung“ steht hierbei für die physikalische Weltbeschreibung als solche.128 Weltanschauung ergibt sich hier aus dem Studium der Natur mit dem Ziel „der allmähligen Auffassung des Begriffs von dem Zusammenwirken der Kräfte in einem Naturganzen“129 sie ist „das selbstständige Streben der Vernunft nach Erkenntnis von Naturgesetzen“,130 geht aber mit der Beschreibung von übergreifenden Zusammenhängen über die Erkenntnis der Einzelwissenschaften hinaus.131 In der naturwissenschaftlich beeinflussten Betrachtung der Welt und der ihr innewohnenden Zusammenhänge steht Humboldt außerhalb der transzendentalphilosophischen Entwicklungslinie. Die Grundbedeutung der Wortverwendung kann in ihrer Objektivierung zwar Anleihen bei Görres nehmen, führt jedoch im Ergebnis zu der einleitend bereits dargestellten Unterscheidung von Weltanschauung und Weltbild, welche ausgehend von der gemeinsamen Ursprungsverwendung der beiden Worte bis heute mit unterschiedlichem Bedeutungsgehalt gebraucht wird.132 (j) Die Entwicklung der Weltanschauungslehre durch Wilhelm Dilthey In der zweiten Hälfte des 19.  Jahrhunderts wird „Weltanschauung“ zu einem Schlüsselbegriff des allgemeinen gesellschaftlichen Diskurses.133 In Anbetracht der mannigfaltigen Konzepte von Weltanschauungen kommt es zu einer allgemei 126

Meier, Weltanschauung, S. 96. Görres, Über Grundlage, Gliederung und Zeitfolge der Weltgeschichte. Drei Vorträge gehalten an der Universität in München im November, 1829 in Strodl (Hrsg.), 2. Aufl., München 1880, S. 174 nach Meier, Weltanschauung, S. 95. 128 Meier, Weltanschauung, S. 162. 129 v. Humboldt, Kosmos, Bd. 1, S. XIII. 130 v. Humboldt, Kosmos, Bd. 2, S. 138. 131 Vgl. Spieldiener, Weltanschauung, S. 53. 132 Vgl. Thomé in Ritter/Gründer/Gabriel, Historisches Wörterbuch der Philosophie, Bd. 12, Sp. 455, Stw.: „Weltanschauung“ und Sp. 460 ff., Stw.: „Weltbild“. 133 Thomé in Ritter/Gründer/Gabriel, Historisches Wörterbuch der Philosophie, Bd. 12, Sp. 456, Stw.: „Weltanschauung“. 127

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nen Verflachung des Begriffsgebrauchs.134 Die zunehmende Subjektivierung und der Verzicht auf methodisch begründetes wissenschaftliches Vorgehen unter Verweis auf die eigene Intuition135 wird als Krise der Philosophie wahrgenommen, welche ihre Wissenschaftlichkeit insgesamt in Frage zu stellen droht. Dilthey und andere Philosophen seiner Zeit machen Weltanschauungen daher selbst zum Gegenstand der philosophischen Forschung. Durch den historischen Vergleich von Weltanschauungen ordnet Dilthey diese und begründet in der Tradition Schleiermachers stehend136 die Weltanschauungslehre, deren Aufgabe es sei „das Verhältnis des menschlichen Geistes zu den Rätseln der Welt und des Lebens zur Dar­ stellung zu bringen.“137 Dilthey folgt dabei der Vorstellung, dass alle Weltanschauung aus der Vergegenständlichung dessen entspringe, was der Mensch in Wahrnehmung und Vorstellung von der Welt erfährt.138 Interessant ist dabei die von Dilthey getroffene Unterscheidung in „Weltbild“, „Lebenswürdigung und Weltverständnis“ und „Ideale“, die jede Weltanschauung in sich vereinige und in ein systematisches Verhältnis setze. „Weltbild“ sei demnach die untere Schicht im Aufbau einer Weltanschauung und enthalte die gegenständliche Auffassung von der Welt. Das Weltbild werde im Hinblick auf die Lebenserfahrung gewürdigt, um zu einem Weltverständnis zu gelangen. Daraus erst ergebe sich eine Ausbildung oberster Grundsätze als Lebensideal, die zu obersten Normen des Handelns werden und für die persönliche und gesellschaftliche Lebensführung relevant werden.139 Durch Dilthey wird hierbei im Vergleich zu früheren philosophischen Konzepten das Handeln nach dem erreichten Weltverständnis als praktische Antwort der theoretischen Erkenntnis besonders hervorgehoben. An die Phase der weitgehend abgeschlossenen philosophischen Begriffsbildung schließt sich durch die Lehre Diltheys eine Phase der wissenschaftlich-objektiven Systematisierung angesichts der in der 2.  Hälfte des 19.  Jahrhunderts entwickelten Vielzahl subjektiver Weltanschauungen an. In Weiterführung der Entwicklung bleibt jedoch festzuhalten, dass „Weltbild“ und „Weltanschauung“ von Dilthey ebenfalls begrifflich und hinsichtlich ihrer Qualität unterschieden werden. Sofern sich das Weltbild allein aus der gegenständlichen Anschauung der Welt speist und weitere menschliche Erfahrungen erst sodann hinzukommen, bezeichnet die Summe aus Weltbild und Lebenserfahrung das, was bei Schleiermacher als „ursprüngliche Ordnung“ der Weltanschauung bezeichnet wird. Auch Dilthey er 134

Meier, Weltanschauung, S. 215; Thomé in Ritter/Gründer/Gabriel, Historisches Wörterbuch der Philosophie, Bd. 12, Sp. 457, Stw.: „Weltanschauung“. 135 Vgl. Wieland, Die aristotelische Physik, S. 16. 136 Thomé in Ritter/Gründer/Gabriel, Historisches Wörterbuch der Philosophie, Bd. 12, Sp. 457, Stw.: „Weltanschauung“. 137 Dilthey, Das Wesen der Philosophie (1907), in Gesammelte Schriften Bd. 5, S. 406. 138 Meier, Weltanschauung, S. 292. 139 Dilthey, Die Typen der Weltanschauung und ihre Ausbildung in den metaphysischen Systemen, in Gesammelte Schriften Bd. 8, S. 82–84.

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kennt hierbei die Notwendigkeit eines weiteren Reflexionsprozesses und betont für die juristische Betrachtung weiterführend erstmals deutlich den Umstand, dass sich Normen für die praktische Lebensführung aus dieser höchsten Reflexionsstufe ableiten können. Aus seiner Weiterentwicklung von „Weltanschauung“ zum Systembegriff lässt sich schließlich auch die Einordnung von Weltanschauung als Oberbegriff zur Religion ableiten. (k) Weltanschauungsphilosophie als „wissenschaftliche Weltanschauungslehre“ bei Heinrich Rickert Im Zusammenhang mit der von Dilthey entwickelten Weltanschauungslehre und der philosophisch-fachsprachlichen Entwicklung des Weltanschauungsbegriffs steht die Begriffsbildung bei Rickert in einem engen Verhältnis zu den tra­ ditionellen Philosophien.140 Von ihm ausgehend findet der Begriff der Weltanschauung über Anschütz und die Rezeption des Parlamentarischen Rates Eingang in das Grundgesetz. In Abgrenzung der Philosophie als Wissenschaft gegenüber den zahlreichen zeitgenössischen Weltanschauungslehren führt Rickert in seinem Werk von 1934 zur Definition der Philosophie als Wissenschaft aus, diese sei: „die Lehre vom Ganzen der Welt, […] deren Sätze sich logisch oder theoretisch begründen lassen.“ Weltanschauungen seien hingegen „Ansichten, […] die sich auf den Sinn oder die Bedeutung des gesamten menschlichen Daseins im Weltganzen beziehen und die zugleich für das „praktische“ Verhalten der Menschen, die an sie glauben, maßgebend werden können, ja müssen.“141 Weltanschauungen dieser Art würden sich daher auf „das Gesamtsein des Menschen“ beziehen und ließen sich aufgrund ihrer daraus resultierenden atheoretischen Impulse nicht wissenschaftlich begründen.142 Die wissenschaftliche Weltanschauungslehre nach Rickert klassifiziert die aus den Kulturen ableitbaren und in ihnen ruhenden Weltanschauungen, in dem sie die Besonderheiten der kulturellen Eigenwerte untersucht und betrachtet. Dadurch bringe die Weltanschauungslehre die Vielfalt der verschiedenen Grundwerte ins Bewusstsein und zeige, welche inhaltlich unterschiedlichen Werte „Weltanschauung“ beeinflussen, sie tragen, zu einander im Verhältnis stehen, und sich zu mehr oder weniger komplexen Weltanschauungsgebilden ausformen.143 Deutlich tritt im Werk von Rickert nochmals die Abgrenzung atheoretischer Weltanschauung zur Wissenschaft hervor, die sich bereits aus der ursprünglichen philosophischen Begriffsentwicklung ergeben hatte. 140

Meier, Weltanschauung, S. 269. Zum Vergleich die von Anschütz hieraus nach Rickert gewonnene Definition von Weltanschauung als Lehre, welche das Weltganze universell zu begreifen und die Stellung des Menschen in der Welt zu erkennen und zu bewerten sucht. 142 Rickert, Grundprobleme der Philosophie, § 1 S. 1 und S. 2. 143 Meier, Weltanschauung, S. 272. 141

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2. Kap.: Neubestimmung der dogmatischen Struktur

Zum Verhältnis der Weltanschauung zu politischen Anschauungen und Religion lässt sich dem Werk Rickerts demgegenüber entnehmen, dass „So gewiß Kunst, Politik, Religion und andere sich nicht in Wissenschaft auflösen lassen, so gewiß sind Weltanschauungen, die sich vor allem auf Kunst, Politik, Religion oder andere atheoretische Lebensmächte stützen, nicht restlos mit dem zur Deckung zu bringen, was man wissenschaftlich zu begründen vermag.“144 Rickert sieht mithin die Gemeinsamkeit von Weltanschauung, Religion und Politik im atheoretischen Ansatz und ihrer Bedeutung für das menschliche Leben. Gleichwohl verwendet Rickert die Bezeichnung „Weltanschauung“ nicht synonym mit Politik und Religion, sondern kennzeichnet diese als maßgebliche Quelle für die Bildung einer Weltanschauung. (l) Fazit zur philosophischen Begriffsbedeutung der Weltanschauung Die von der Begriffsschöpfung durch Immanuel Kant ausgehende Prägung der Bedeutung von „Weltanschauung“ steht ihrem Bedeutungskern nach eindeutig in der Tradition der Transzendentalphilosophie. Trotz unterschiedlicher Ausformung und Weiterentwicklung durch einzelne Autoren und Schriften, lässt sich als gemeinsamer Begriffskern der philosophisch-fachsprachlichen Verwendung bis zur einsetzenden Begriffsverflachung in etwa folgender Bedeutungsinhalt über­ greifend zusammenfassen: „Weltanschauung“ bezeichnet eine auf der Reflexion eigener Subjektivität („Selbstanschauung des Geistes“; „Ableitung aus dem Ich“) auf Sinneswahrnehmung und Erfahrungen („Totalität aller Eindrücke“) beruhende intuitive, d. h. aufgrund der Unendlichkeit im Letzten nicht mehr vollständig verstandesmäßig zu erfassende, Gesamtauffassung zur Stellung des Menschen in der Welt, die dem Einzelnen oder Gruppen mit gleichartiger Wahrnehmung zu eigen sein kann, sowie ferner die aus dieser Gesamtsicht ihrerseits abgeleitete Fähigkeit, die Welt intellektuell zu erfassen. Alle in der Entwicklungslinie Kants stehenden Philosophen bis hin zu Görres kennen zumindest auch die subjektive Fundierung der Gesamtsicht der Welt aus der Reflexion der Sinneseindrücke. Ziel der Ausbildung von Weltanschauung ist hierbei allgemein die Reflexion der Erfahrung eigener Subjektivität und Beschränktheit. „Weltanschauung“ dient dazu, durch höhere Abstraktion die nicht fassbare Vielfalt der Sinneseindrücke intellektuell durch systematisierende Einordnung zu erfassen. Die zur Reflexion herangezogenen Quellen menschlicher Erfahrung werden durch Schelling von den Sinneseindrücken zunächst auf die individuellen Lebensumstände erweitert. Schleiermacher bezieht sodann die Totalität aller Ein­drücke 144

Rickert, Grundprobleme der Philosophie, § 1, S. 3.

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unter Einschluss des menschlichen Bewusstseins in die Ausbildung von Welt­ anschauung mit ein, so dass Goethe bereits vereinfacht auf Bildung, Lebens- und Welterfahrung als Quellen der Ausbildung einer Weltanschauung abstellt. Dieser auf das Subjekt bezogene Kern von „Weltanschauung“ wird durch die spätere Deutung Fichtes, im besonderen Maße aber durch die Begriffsverwendung bei Görres und vor allem bei Hegel objektiviert, indem die Sichtweise des Einzelnen im Zusammenhang mit einer sich nach bestimmten gemeinsamen Merkmalen zusammengesetzten, kollektiven Bezugsgruppe verallgemeinert wird. Als gemeinsamer Begriffskern lässt sich auch das Intuitive, im letzten nicht mehr vollständig wissenschaftlich zu Ergründende der Weltanschauung fest­ stellen. Dies ist durch die Prägung des Begriffs im fachsprachlichen Gebrauch der Transzendentalphilosophie bedingt. Einzig Humboldt, der nicht zumindest in Teilen auf diese philosophische Tradition zurückgeführt werden kann, geht von einer wissenschaftlich rationalen Begründbarkeit der Ausbildung einer Weltanschauung aus. Deutlich wird hierdurch die Begründung des von der Weltanschauung ab­ weichenden Wortstammes des Weltbildes, welches auch der wissenschaftlichen Begründung zugänglich ist. Für das Verhältnis von Religion und Weltanschauung lässt sich aus der fachsprachlichen Begriffsprägung zunächst eine negative Bestimmung ziehen. „Weltanschauung“ und „Religion“ werden nicht anhand der Kriterien von Immanenz und Transzendenz unterschieden. Der Begriff „Weltanschauung“, aus der Transzen­dentalphilosophie stammend, greift in der Abstraktion aus der immanenten Welt vielmehr ebenfalls in eine höhere Verständnisebene über. „Weltanschauung“ scheint daher in seiner bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts vorgenommenen Begriffsprägung auch kein Gegenbegriff zur Religion zu sein. Fraglich erscheint hingegen, ob man aufgrund des fachsprachlichen Gebrauches von einem Ober­ begriff ausgehen kann.145 Soweit der Begriff der Weltanschauung von Görres, Schleiermacher und Hegel ins Verhältnis zur Religion gesetzt wird, dient Weltanschauung als Bezugspunkt zur Gottesidee, „als Ordnung, die sich zuerst darbietet.“ In diesem Zusammenhang wird Weltanschauung auch als „ursprüngliche Ordnung“ von Bunsen verwendet. Die Weltanschauung wirkt sich Hegel folgend daher entscheidend auf das Verhältnis zur Religion aus. Wenn Görres von einer christlichen Weltanschauung spricht, so wird dem Verständnis von Gott und der Gottesidee ihrerseits Einfluss auf die durch die Weltanschauung vorgenommene Ordnung der Welt und der Stellung des Menschen in ihr eingeräumt. Nach der zunächst erfolgten Begriffsbestimmung ist ein Spezialitätsverhältnis von Weltanschauung und Religion daher nicht zwingend. Lässt sich mithin relativ genau sagen, was Weltanschauung im Verhältnis zur Religion nach der philosophischen Begriffsprägung nicht ist, nämlich ein 145 So Spieldiener, Weltanschauung, S.  57, der einräumt das eine Unterscheidung von Religion und Weltanschauung nicht erfolge, Weltanschauung aber zumeist als Oberbegriff erscheine.

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Gegenbegriff, so erscheint eine positive Bestimmung schwierig. Gleichwohl soll ein entsprechender Versuch unternommen werden: Weltanschauung kann im Ausgangspunkt ihrer Reflexion menschlicher Subjektivität zwar umfassend auf alle Erfahrungen und Sinneseindrücke zurückgreifen, ist dabei aber hinsichtlich ihrer Quellen auf die immanente Welt beschränkt. Erst in der Einordnung und Abstraktion dieser Erfahrungen erfolgt in der intuitiven Erfassung größerer Zusammenhänge ein Übergreifen ins Transzendentale. Auf dieser Ebene muss sich Weltanschauung mit der Gottesidee auseinander und sich mit ihr ins Verhältnis setzen. Von daher ist sie „Ordnung, die sich zuerst darbietet“ und ist als erstes Ergebnis „für das Verhältnis zur Religion entscheidend“. Werden aus Reflexion gewonnene Weltanschauung im engeren Sinne und Gottesidee, als möglicher Quelle weiterer Erkenntnis, in Verhältnis zueinander gesetzt, müssen sich hieraus Folgerungen für das Verständnis als Ganzes, für eine Weltanschauung im weiteren Sinne ergeben: Die ursprüngliche durch Reflexion gewonnene Ordnung der Welt kann sich mit Blick auf die Gottesidee verändern und die Ordnung der Welt unter diesem Gesichtspunkt neu erfolgen. Für diese Weltanschauung im weiteren Sinne bietet sich in Anlehnung an Bunsen zur besseren Unterscheidung die Bezeichnung „Weltweisheit“ an. Hierbei darf jedoch nicht verkannt werden, dass Görres und Hegel eine Objek­ tivierung der Betrachtung der Weltanschauung durch eine kollektive Bezugsgruppe vornehmen. Sieht man „christlich“ als gemeinsames kulturell-objektivierendes Merkmal bereits im Ausgangspunkt als ausschlaggebend für die gemeinsame Weltsicht an, so kann das Ergebnis der objektivierten Reflexion im Verhältnis zu anderen Bezugsgruppen zutreffend auch nur als „christliche Weltanschauung“ beschrieben werden. Ferner wird eine genaue Bestimmung des Verhältnisses von Weltanschauung zur Religion auch dadurch erschwert, dass sowohl die Reflexionsleistung als solches, als auch das Ergebnis der Reflexion und das Ergebnis des Vergleichs der Reflexion mit anderen Quellen, seien es Gottesidee oder neuere wissenschaftliche Erkenntnisse, als „Weltanschauung“ bezeichnet werden. Zur positiven Bestimmung des Verhältnisses von Weltanschauung und Religion lässt sich daher auf Basis der bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts entwickelten Begriffsbildung festhalten, dass die Annahme eines eigenständigen Weltanschauungsbegriffs als aliud zur Religion bei der Betrachtung von Weltanschauung im engeren Sinne näher liegt, da Religion und Weltanschauung aufgrund unterschiedlicher Ausgangspunkte und abweichendem methodischen Vorgehen nicht notwendigerweise ein übereinstimmendes genus proximum aufweisen müssen. Hingegen lässt sich für Weltanschauung im Sinne einer „Weltweisheit“, die sich aus unterschiedlichen Erkenntnisquellen speist, feststellen, dass Religion sich unter dieser Voraussetzung als speziellere Erscheinung unter den einheitlichen Oberbegriff der Weltanschauung subsumieren lässt, da sie eine spezielle Form und Quelle der Erkenntnis umschreibt, thematisch übergreifend aber insgesamt eine Sinndeutung des menschlichen Lebens angestrebt wird.

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Auch bei der wissenschaftlichen Aufnahme des Begriffs durch Dilthey und ­ ickert bleibt der Begriffskern der Weltanschauung erhalten, auch wenn zwischenR zeitlich eine Verflachung des Begriffsgebrauchs eingetreten ist.146 So bleibt es bei dem Gegensatz von Weltanschauung und Wissenschaft, sowie der Unterscheidung von Weltbild und Weltanschauung. Auch eine Abkehr von der Reflexion als Quelle der Weltanschauungen erfolgt nicht. „Weltanschauung“ soll weiterhin „das Gesamtsein des Menschen“ betreffen. Es kommt aber zu einer verstärkten Akzentuierung der Bedeutung von Weltanschauung für das Handeln des Menschen. Praktische Konsequenzen, die sich aus den durch die Weltanschauung gewonnenen Antworten zu den Sinnfragen menschlicher Existenz ableiten, sind von größerer Bedeutung, so dass hierin die wesentlichste Akzentverschiebung in der späteren philosophisch-fachsprachlichen Entwicklungslinie gesehen werden kann. Auch lassen die Ausführungen Diltheys und die ambivalente Stellungnahme Rickerts zum Verhältnis Weltanschauung und Religion darauf schließen, dass innerhalb der in der Weltanschauungsphilosophie gewonnenen wissenschaftlichen Ordnung „Weltanschauung“ zunehmend als Oberbegriff und Religion als ein Spezialfall hierzu verstanden wurde. (3) Religionswissenschaftlicher Begriff der Weltanschauung Neben dem Gebrauch im Bereich der Philosophie findet der Begriff der Welt­ anschauung auch in der religionswissenschaftlichen Fachsprache Verwendung. Daher soll an dieser Stelle arrondierend auch auf den Begriff der Weltanschauung aus theologischer Sicht eingegangen werden, um einen Vergleich mit der Begriffsverwendung in der Philosophie zu ermöglichen. In dem 1901 im Herder-Verlag erschienenen zwölfbändigen Kirchenlexikon ist der Begriff der Weltanschauung noch nicht verzeichnet.147 Daher ist auch für den theologisch- fachsprachlichen Gebrauch eine Übernahme der philosophischen Begriffsbildung anzunehmen. Heutige Werke verweisen entsprechend konsequent auf den Begriffsursprung der Weltanschauung im Bereich der Philosophie, auf Kant und die an ihn anknüpfende philosophische Entwicklung.148 Die in der philosophischen Diskussion bereits aufgezeigte Unterscheidung von Weltbild und Weltanschauung wird im theologischen Bereich ebenfalls übernommen.149 „Welt 146

So in seiner Analyse auch Spieldiener, Weltanschauung, S. 55. Hergenröther/Kaulen, Kirchenlexikon oder Encyklopädie der katholischen Theologie und ihrer Hülfswissenschaften, 12 Bd. „Trier bis Zwingli“. 148 Hempelmann in evStL, „Weltanschauung“, Sp. 2685; Söhngen in LThK, 2. Aufl., Bd. 10, Stw.:  „Weltanschauung“, Sp.  1027; Moxter in Müller, TRE, Bd.  35, Stw.: Weltanschauung, S. 546 ff.; Herms in Betz/Browning/Janowski/Jüngel, RGG, Stw.: „Weltanschauung“, Sp. 1401 ff. 149 Hempelmann in evStL, „Weltanschauung“, Sp. 2686 führt zur Unterscheidung zwischen Weltbild und Weltanschauung aus: Erstere habe mehr beschreibenden und weniger wertenden Charakter und deute auf eine Gesamtschau hin, ohne jedoch die Frage nach der Stellung des Menschen in der Welt und Woher und Wohin des Kosmos aufzunehmen. 147

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bild“ bezeichne empirische wissenschaftliche Erkenntnis von einzelnen Phänomenen bzw. die systematische Zusammenstellung solcher Erkenntnisse zur Stellung der Erde in Weltall, Weltraum und Weltzeit, wohingegen Weltanschauung eine diese Erkenntnis übersteigende Auffassung der Welt als Totalität bezeichne.150 Eine Weltanschauung greife demnach weit über die Wissenschaft hinaus und suche zu erkennen „was über und vor aller Wissenschaft liegt […]. Darum sei eine Weltanschauung nicht nur erdacht und bedacht, sondern ist vielmehr ein Gewachsenes aus den Tiefen und Urbildern der Menschenseele.“151 Die aus der Rechtssprache kommende begriffliche Trennung zwischen immanentem Bezug (= Weltanschauung) und transzendentem Bezug (= Religion) wird teilweise zur Kenntnis genommen, jedoch nicht durchgängig geteilt.152 Eine Differenzierung zwischen Weltanschauung und Religion wird zum Teil als nicht notwendig erachtet und auf „katholische Weltanschauungsprofessuren“ bzw. Ansätze einer „christlichen Weltanschauung“ verwiesen.153 Für die Unterscheidung von Weltanschauung und Religion aus theologischer Sicht bemerkenswert erscheint daher folgender von Söhngens unter Verweis auf Thomas von Aquin unterbreiteter Abgrenzungsvorschlag: „Auch wenn Weltanschauung rechtens hinschaut über die Welt und nach Spuren des Göttlichen sucht, so tut sie dies von menschlichem Blick von der Welt und dem Menschen her, während die göttliche Offenbarung Gott uns durch sein Wort sich selbst erschließt, so dass wir im Glauben Gott und Welt von Gott her betrachten und sozusagen mit göttlichem Blick, so wie Gott selber sein Wesen und seine Werke schaut und kundtut.“154 Deutlich wird hierbei nochmals der bereits im Rahmen des philosophischen Sprachgebrauchs entwickelte, unterschiedliche Ausgangspunkt von „Weltanschauung“ als einer Reflexion aus menschlichem Blick auf die Welt her und der Interpretation der Religion als Deutung der Welt von Gott her. Dabei wird auch im theologischen Kontext der Weltanschauung durchaus transzendentaler Charakter zugebilligt, wenn sie nach Spuren des Göttlichen sucht. Der Unterschied zwischen Weltanschauung und Religion folgt daher hier nicht durch Gegenstand und Ziel der Betrachtung, sondern aus der methodischen Blickrichtung. Systematisierend wird dieser Ansatz von Herms als ein Versuch eingeordnet, Religion und Weltanschauung durch die für Religion teilweise als charakteristisch angesehenen Erschließungs- und Offenbarungsereignisse zu unterscheiden. Dann sei Religion von Weltanschauung als rein subjektiver Wirklichkeitsdeutung unabhängig, „ja sogar etwas konstitutiv anderes als W. (nämlich nicht wie diese aktiv vom Subjekt her konstruiert, sondern von diesem erlitten), allerdings mit einer solchen [Religion] kompatibel“, soweit die Weltanschauung nicht ihrerseits eine solche Offenbarung konstruktivistisch bereits ausschließe. Durch so verstandene 150

Herms in Betz/Browning/Janowski/Jüngel, RGG, Stw.: „Weltanschauung“, Sp. 1402. Söhngen in LThK, 2. Aufl., Bd. 10, Sp. 1028 zum Stw.: „Weltanschauung“. 152 Heining in evStL, „Weltanschauung“, Sp. 2684 f. Auch Moxter in Müller, TRE, Bd. 35, Stw.: Weltanschauung, S. 545 und 548 f. zeigt die Mehrdeutigkeit des Rechtsbegriffs auf. 153 Hempelmann in evStL, „Weltanschauung“, Sp. 2690. 154 Söhngen in LThK, 2. Aufl., Bd. 10, S. 1028 zum Stw.: „Weltanschauung“. 151

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Weltanschauung und Religion gewonnene Einsichten können zu einander in Wechselbeziehung stehen. Treffe die Religion Aussagen zur Weltschöpfung, so enthalte sie eine Weltanschauung. Umgekehrt müsse jedoch nicht jede Weltanschauung religiöse Aussagen enthalten.155 Verstehe man Religion ihrerseits hingegen einem anderen Ansatz folgend bereits in einem weiteren Sinne als eine geschichtliche Bestimmtheit des unmittelbaren Selbstbewusstseins, welche nur fakultativ theistisch geprägt sein muss, so wäre diesem alternativen Ansatz folgend Weltanschauung von Religion nur in ihrer allein vom Subjekt ausgehenden Sinnstiftung unterschiedlich, hinsichtlich reflexiver Methode und Ergebnis aber identisch.156 (4) Entwicklung des aktuell in der juristischen Diskussion gebrauchten Begriffs der Weltanschauung Schließlich gilt es, den spezifisch juristischen Sprachgebrauch und seine Entwicklung für die aktuell vorherrschende Auslegung des Wortsinns zu beleuchten. Grundsätzlich ist dabei festzustellen, dass sich der Verfassungsgeber unbestrittener Maßen einer speziellen juristischen Kunstsprache bedienen könnte, die sich von der Wortverwendung im allgemeinen oder fachsprachlichen Gebrauch unterscheidet. Dies ist vor allem dann der Fall, wenn es komplexe Sachverhalte präziser zu regeln gilt, als dieses bei Verwendung des allgemeinen Sprachgebrauchs möglich wäre.157 Eine eigene Legaldefinition des Begriffs der Weltanschauung sieht die Verfassung jedoch ebenso wenig vor, wie für die korrespondierenden Begriffe des Glaubens, der Religion oder des Bekenntnisses. Auch vor dem Hintergrund der Geltungskraft der Verfassung im Bewusstsein der Bevölkerung erscheint es wenig überzeugend, von einem rein juristischen Begriff der Weltanschauung im Grundgesetz auszugehen, der für die Sinnbedeutung des Begriffs der Weltanschauung abweichend vom allgemeinen und fachsprachlichen Gebrauch prägend geworden wäre. Dieses muss mit Recht bezweifelt werden.158 Für das Grundgesetz und die Beratungen des Parlamentarischen Rates ist vielmehr, wie ausgeführt, die Rezeption des Begriffs der Weltanschauung aus der philosophischen Fachsprache nachweisbar.159 Gleichwohl fand der Begriff der Weltanschauung schon früh erste Verwendung in der parlamentarischen und juristischen Diskussion,160 so dass neben dem all 155

Herms in Betz/Browning/Janowski/Jüngel, RGG, Stw.: „Weltanschauung“, Sp. 1403. Herms in Betz/Browning/Janowski/Jüngel, RGG, Stw.: „Weltanschauung“, Sp. 1403. 157 Larenz/Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S 141. 158 Ebenso: Veelken, Das Verbot von Weltanschauungs- und Religionsgemeinschaften, S. 19f; Fleischer, Religionsbegriff, S. 22 f. 159 Vgl. Darstellung zur indirekten Rezeption des philosophischen Begriffs durch die Übernahme der Definition von Anschütz, 2. Kapitel B. I. 1. a) bb) (1) (b). 160 Für die umfassende Dokumentation des Vorkommens des Begriffs Weltanschauung, ausgehend von seinem ersten Auftreten in der Badischen Ständeversammlung von 1845 bis zu den Beratungen des Parlamentarischen Rates 1949, sei verwiesen auf Spieldiener, Weltanschauung, S. 57–109. 156

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gemeinsprachlichen auch ein juristisch gefärbtes Vorverständnis des Begriffs zu berücksichtigen ist. Daher gilt es die spezifisch juristische Begriffsentwicklung nachzuvollziehen und mit den Befunden zum allgemein- und fachsprachlichen Gebrauch in Verhältnis zu setzen, auch um die gegenwärtige Krise der juristischen Definition der Weltanschauung in Abgrenzung zur Religion besser zu verstehen. Im Zentrum der Betrachtung soll daher ausgehend von Anschütz die juristische Fortentwicklung des Begriffs in Rechtsprechung und Literatur beleuchtet werden (a), um die gegenwärtige Krise des juristischen Begriffs der Weltanschauung hinsichtlich ihrer Gründe zu beleuchten (b). (a) Fortentwicklung und Veränderung der Begriffsbedeutung Angesichts der vom Zeitgeist geprägten Entwicklung neuer, weltanschaulich geprägter Vereinigungen war bereits vor Anschütz im Rahmen der Verhandlungen der Verfassungsgebenden Nationalversammlung das Verhältnis von Religion zu Weltanschauung thematisiert worden, da es zunehmend als wissenschaftlich fragwürdig angesehen wurde, Weltanschauungen als Religionen zu bezeichnen.161 In der Verfassungsgebenden Nationalversammlung herrschte daher zumindest in Teilen das Verständnis vor, es komme für die Abgrenzung auf die religiöse Beziehung zu einer personalen Gottheit an.162 Besonders deutlich wird dies durch die Ein­ schätzung Mausbachs, auch der Buddhismus sei eine Weltanschauung, da er „eine Gottheit annehme, zu der der Mensch nicht in religiöse Beziehung treten kann.“163 Diese Erwägung wurde von der zeitgenössischen Literatur bestätigt und weiter ausdifferenziert, so dass Weltanschauungen zum einen solche Anschauungen wären, die die Existenz eines persönlichen Gottes leugnen (religionsfeindliche Gruppe), oder aber solche sind, die eine Gottheit annehmen, zu der der Mensch nicht in religiöse Beziehung treten kann (religionsfreie Gruppe).164 Hierbei wird jedoch insbesondere betont, dass diese Weltanschauungsgemeinschaften „das Weltganze und die Stellung des Menschen zu ihm von anderer als religiöser Grundlage aus zu erkennen suchen.“165 Erkennt Mausbach mit Blick auf den Buddhismus demnach noch eine Gottheit an und unterscheidet nur hinsichtlich des personalen Gottesbildes, wird Weltanschauung insofern auf eine andere Art der

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Mausbach, Kulturfragen in der deutschen Verfassung, S. 72. Verhandlungen der Verfassungsgebenden Nationalversammlung, Stenographische Berichte des dt. Reichstags 1919/20, Bd. 328, S. 1661. Erwiderung des berichterstattenden Abgeordneten Mausbach: „[…]Monistenbünde, oder ähnliche Weltanschauungsvereine, die einen persönlichen Gott leugnen […]“. 163 Mausbach, Kulturfragen in der deutschen Verfassung, S. 72. 164 Vgl. Ebers in Nipperdey, WRV, Bd. 2, S.  361 ff. (373); Mausbach, Kulturfragen in der deutschen Verfassung, S. 72, mit teilweise unterschiedlicher Zuordnung der Weltanschauungen innerhalb dieser Gruppen. 165 Ebers in Nipperdey, WRV, Bd. 2, S. 373. 162

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Erkenntnis verwiesen und eine weitergehende Trennung der Begriffe Religion und Weltanschauung vollzogen. Die Unterscheidung von Weltanschauung und Religion einerseits und die Abgrenzung dieser Erscheinungsformen insbesondere von politischer Betätigung andererseits, wird ebenfalls bereits zu diesem Zeitpunkt diskutiert. Schon 1920 merkt daher Mausbach an, dass die Unterscheidung zwischen Weltanschauungsgemeinschaften und modernen Religionsformen praktisch oft unmöglich sein dürfte,166 wohingegen Ebers diese Unterscheidung nur für „oft schwierig“ erachtet und die Abgrenzung von Weltanschauung und Religion gegenüber Bestrebungen auf den Gebieten „der Gesundheitspflege (Scientisten), der Wissenschaft, [und] der Politik (Kommunismus)“ thematisiert und auf den „wahren Charakter der Ver­einigung“ zur Unterscheidung abstellen will, den es zu erkennen gelte.167 Auch Kädell sieht die Schwierigkeiten der Abgrenzung von Weltanschauungsvereinen und politischen Parteien und spricht sich mit Blick auf die Zentrumspartei für eine restriktive Anerkennungspraxis aus.168 Anschütz stellt daher in seiner Kommentierung für die Unterscheidung auf die allseitige Aufgabenerfüllung ab, welche eine Religionsgemeinschaft von anderen Gruppierungen unterscheide169 und begründet ausgehend von der Definition Rickerts aus der systematischen Stellung in der Ver­ fassung heraus die strikte Unterscheidung von Weltanschauung und Religion. Zur näheren Konkretisierung des Begriffs der Religion kommt es schließlich auch durch die Entwicklung in der Rechtsprechung. Eine Religionsgemeinschaft setze demnach einen religiösen Kultus, oder, in Abkehr von der früheren Rechtsprechung des Reichsgerichtes170, ein Glaubensbekenntnis voraus, und erfordere über das Abhalten von Gottesdiensten hinaus die Wahrnehmung einer allseitigen Aufgabenerfüllung.171 Dies bringt hinsichtlich der Kulthandlungen eine weitere Abgrenzung der Religion von der Weltanschauung mit sich, da diese sich gerade über die Ablehnung der Verehrung einer persönlichen Gottheit charakterisiert, oder der Annahme einer Gottheit, zu der man nicht in persönliche Beziehung treten kann und es daher keiner Kulthandlungen bedarf. Die durch die Herleitung von Anschütz begründete grundlegende Trennung zwischen Religion und Weltanschauung wird vor allem hinsichtlich der areligiösen 166

Mausbach, Kulturfragen in der deutschen Verfassung, S. 72. Ebers, Staat und Kirche im Neuen Deutschland, S.  170, Anm.  3. Auch der Begriff der „Pflege“ sei für die Abgrenzung problematisch, weil hierunter bei weiter Auslegung auch Versammlungen, Vorträge oder auch schon die Verbreitung von Druckschriften gefasst werden könnte. Vgl. hierzu auch die im Wesentlichen auf die Verbreitung von Schriftgut bezogene Tätigkeit des Ludendorff Bundes, 2. Kapitel B. I. 1. c) aa) (6). 168 Kädell, ZStW 41 (1920), S. 717. 169 Anschütz, WRV, Art. 137, S. 633. 170 RG, Urteil vom 22.1.1907, Az.: 4 1245/06, RGSt 39, S. 388 ff. 171 SondGer. Darmstadt, Urteil vom 26.3.1934 Az.: S M 26/34, JW 1934, S. 1744 ff. (1746). Es deutet ferner das Verbot der Doppelmitgliedschaft an. Mittelbar bestätigt durch das Reichsgericht im Urteil vom 24.9.1935, Az.: 1 D 235/35, RGSt 69, S. 341 ff. (345). 167

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Prägung in den frühen Kommentierungen zum Grundgesetz aufgegriffen.172 Bedeutend für die Verfestigung einer juristischen Begriffsentwicklung unter Ausschluss und als Gegenbegriff zur Religion erscheint hierbei für die Begriffsprägung unter der Geltung des Grundgesetzes das erste Urteil des Bundesverfassungsgerichtes mit Bezug zu einem weltanschaulichen Bekenntnis. Ein Anhänger des Bundes für Gotterkenntnis (Ludendorff) e. V.173 hatte gestützt auf Art. 4 GG Verfassungsbeschwerde erhoben. Das BVerfG formuliert in diesem Zusammenhang, dass das Grundgesetz die Glaubensfreiheit zunächst unabhängig davon gewährleiste, ob „es sich dabei um ein religiöses Bekenntnis oder eine irreligiöse – religionsfeindliche oder religionsfreie – Weltanschauung [handelt].“174 Das Bundesverfassungsgericht greift hierbei die unter der Geltung der Weimarer Reichsverfassung vorherrschende Untergliederung der Weltanschauungen in die Gruppe der religionsfeindlichen und religionsfreien Weltanschauungen auf und weist beiden Gruppen das Prädikat „irreligiös“ zur Unterscheidung der Weltanschauung von einem religiösen Bekenntnis zu. Die von Anschütz aus der systematischen Stellung der Weltanschauung unter Geltung der WRV entwickelte strikte Unterscheidung von Weltanschauung und Religion wird dadurch übernommen und unter Geltung des Grundgesetzes fortgeführt. Historische Ansätze zu einer anderweitigen Differenzierung zwischen Religion und Weltanschauung, wie sie auch im juristischen Begriffsgebrauch bei Mausbach nachweisbar sind, wurde nicht aufgegriffen. Nur teilweise wird demgegenüber in der rechtswissenschaftlichen Literatur noch an der ursprünglichen Begriffsdefinition von Rickert festgehalten,175 und „Weltanschauung“ als Oberbegriff definiert, der die Religionen mit einschließt.176 Den abschließenden Schritt in der Entwicklung einer von den philosophischen Ursprüngen vollends gelösten juristischen Begriffsprägung vollzieht die Definition der Weltanschauung durch ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes vom 14.11.1980. Das Bundesverwaltungsgericht führt hierbei den von Obermayer entwickelten Vorschlag, Religion und Weltanschauung anhand der Kriterien Im­ manenz und Transzendenz zu differenzieren, erstmals in die Rechtsprechung ein, woraus sich in der Folge eine ständige Rechtsprechung entwickelt.177 172

Leibholz/Rinck, GG, Art. 4 Rn. 1. Vgl. zu dieser Vereinigung auch die Ausführungen im 2. Kapitel unter B. I. 1. c) aa) (6). 174 BVerfG, Beschluss vom 8.11.1960, Az.: 1BvR 59/56, BVerfGE 12, S. 1 (3). 175 „Weltanschauung ist jede Lehre […], welche das Weltganze universell zu begreifen und die Stellung des Menschen in der Welt erkennen und zu bewerten sucht.“ (Model, GG, Art. 4 S. 26) – freilich ohne Hinweis auf Anschütz oder Rickert. In späteren Auflagen findet sich nur noch eine verkürzte Formulierung: „Weltanschauung ist jede Lehre, welche das Weltganze universell zu begreifen sucht.“ (vgl. Model/Müller, GG, Art. 4 Rn. 4). 176 v.  Campenhausen in v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art.  137 WRV Rn.  298; ähnlich: Starck in v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 4 Rn. 10. 177 BVerwG, 8 C 12/79, Urteil vom 14.11.1980, BVerwGE 61, S. 152 ff. – zur hieraus ab­ geleiteten st. Rsp. vgl. BVerwG, Urteil vom 15.12.2005, Az.: 7 C 20/04, NJW 2006, S. 1303 ff. 173

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Der bereits bei Anschütz angedeutete und vom Verfassungsgericht übernommene Differenzierungsvorschlag, zur Unterscheidung von Weltanschauung und Religion auf die jeweilige Einstellung zur Gottesfrage abzustellen und zwischen religiös und irreligiös zu unterscheiden, wurde zunächst intensiv in der Kommentierung von Obermayer178 thematisiert. Dieser setzt sich einleitend mit der historisch entwickelten philosophischen Begriffsbestimmung zur Weltanschauung auseinander und versteht diese als jene subjektiven Entwürfe, in denen das Individuum die Gesamtheit aller Dinge in die Einheit eines Sinnganzen füge und auf sich selbst und das eigene Lebensverständnis zurückbezieht.179 Ausgehend von dieser historischen Begriffsbildung mit klarem Bezug zu der in der Weltanschauung liegenden Reflexionsleistung und mit Blick auf die nachfolgend abgeleitete juristische Verwendung des Begriffs formuliert er sodann: „es läge nahe […] nur solche Zusammenschlüsse als Religionsgemeinschaften zu betrachten, die von der Existenz Gottes als einer den Menschen überschreitenden und umgreifenden („transzen­denten“) Wirklichkeit ausgehen. Unter dieser Voraussetzung wären alle Sinnvorstellungen, die den Menschen lediglich aus innerweltlichen („immanenten“) Bezügen begreifen, als Überzeugungen von Weltanschauungsgemeinschaften zu beurteilen.“ Sogleich führt er jedoch Bedenken gegen die Unterscheidung anhand des Begriffspaares Immanenz und Transzendenz aus, da diese bislang in der Philosophie und Theologie verwendete Abgrenzungsformel „für den Glauben oder Nichtglauben an Gott“ aufgrund neuerer theologischer und philosophischer Konzeptionen unscharf geworden sei. Gleichwohl wird gerade dieser von Obermayer im Grunde selbst aufgrund der fachsprachlichen Verwendung als problematisch hinterfragte Unterscheidungsansatz vom Bundesverwaltungsgericht unkritisch übernommen. So heißt es: „§ 11 Abs. 1 Nr. 3 WPflG ist aus sich heraus nach Wortlaut und Zweck dahin auszu­ legen, daß die Vorschrift an die Unterscheidung zwischen Religionsgemeinschaften und Weltanschauungsgemeinschaften und an traditionelle Auffassungen von Religion anknüpft und nur Bekenntnisse religiösen Charakters im Auge hat, die also den Menschen nicht lediglich aus innerweltlichen („immanenten“) Bezügen begreifen, sondern von einer den Menschen überschreitenden und umgreifenden („transzendenten“) Wirklichkeit ausgehen (vgl. Obermayer in Bonner Kommentar a. a. O. Rd. 42).“ Der Verweis auf Obermayer belegt zwar seine geistige Urheberschaft hinsichtlich der neu eingeführten Unterscheidung anhand der Begriffe „immanent“ und „transzendent“, lässt aber dessen kritische Reflexion außer Betracht. Dahinter scheint nach der Quellenlage erkennbar die Absicht des Bundesverwaltungsgerichtes zu stehen, den im Verfahren zumindest als Gutachter beteiligten Obermayer mit seiner eigenen Kommentierung zu widerlegen. Deutlich belegt diesen Zusammenhang eine andere Passage des Urteils. Wörtlich heißt es dort: „Daß § 11 Abs.  1  Nrn.  1  bis  3 WPflG keine von der Verfassung geforderte Regelung 178

Obermayer in BK (Zweitbearbeitung), GG, Art. 140 Rn. 42. Nach Wieland, Die Aristotelische Physik, 1962, S. 16.

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ist, scheint dem Senat in den Gutachten von Prof. Dr. Obermayer vom 2. Oktober 1975, vom 5. Juli 1976 und vom 20. September 1979 nicht entsprechend berücksichtigt. […] (anders insoweit noch Obermayer, zur Verfassungsmäßigkeit und zur Auslegung des Geistlichenprivilegs im Wehrrecht, DÖV 1976, 80 (83))“.180 Ausschlaggebend für die mithin keineswegs unmittelbar auf Obermayer zurückgehende Möglichkeit der Unterscheidung von Weltanschauung und Religion anhand der Kriterien Immanenz und Transzendenz scheint vielmehr die Erwägung gewesen zu sein, dass bestehende Abgrenzungsschwierigkeiten, welche sich aus der fließenden Grenze zwischen Atheismus und Theismus für die Unterscheidung von Weltanschauung und Religion ergeben, es nicht rechtfertigten gänzlich auf eine Unterscheidung zu verzichten, auf die eine gesetzliche Vorschrift erkennbar abstellt und die der traditionellen juristischen Unterscheidung entspricht.181 Das Begriffspaar Immanenz und Transzendenz findet ausgehend von dieser Entscheidung seither vor allem in der ständigen Rechtsprechung der Verwaltungsund Arbeitsgerichte Verwendung,182 ohne dass hierbei näher auf die problematische Entwicklung der juristischen Begriffsbildung eingegangen wird. Auch die Literatur stellt seither für die Unterscheidung von Weltanschauung und Religion vor allem auf das Begriffspaar der Immanenz und der Transzendenz ab,183 so dass von einer vorherrschenden Meinung gesprochen werden kann, obgleich sich daneben auch weiterhin in der Literatur eine Vielzahl von weiteren Definitionsansätzen zur Bestimmung des Begriffs der Weltanschauung finden lassen.184 (b) Die heutige Krise der juristischen Begriffsbedeutung und ihre Ursachen Der Inhalt des weitgehend von der Rechtsprechung geprägten juristischen Begriffs der Weltanschauung erweist sich heute angesichts einer Vielzahl neuer Problemstellungen als weitgehend unklar.185 Diese Krise kommt jedoch nicht über­ 180

BVerwG, Urteil vom 14.11.1980, Az.: 8 C 12/79, BVerwGE 61, S. 152 (155). BVerwG, Urteil vom 14.11.1980, Az.: 8 C 12/79, BVerwGE 61, S. 152 (156). 182 Vgl. BVerwG, Urteil vom 27.3.1992, Az.: BVerwG 7 C 21/90, BVerwGE 90, S. 112 (115); BVerwG, Gerichtsbescheid vom 8.8.2005, Az.: 6 A 1/04; BVerwG, Urteil vom 15.12.2005, Az.: 7 C 20/04, NJW 2006, S. 1303ff; VGH BW, Beschluss vom 21.1.1993, Az.: 1 S 2616/92, ­KirchE 31 (1997), S. 23 ff.; OVG Hamburg, Beschluss vom 24.8.1994, Az.: Bs III 326/93, NVwZ 1995, S.  498 ff.; BAG, Beschluss vom 22.3.1995, Az.: 5 AZB 21/94, BAGE 79, S.  319 ff.; LAG Hamm, Beschluss vom 17.5.2002, Az. 10 TaBV 140/01, NZA-RR 2002, S. 625 ff. 183 v. Campenhausen in HbdStR, § 136 Rn. 43; Kirchhof in HbdStKirchR, Bd. 1, S. 681; Winter, ZevKR 42 (1997), S. 372 (376); Mager in v. Münch/Kunig, GG, Art. 4 Rn. 60, Bergmann in Hömig, GG, Art. 4 Rn. 4; Neureither, Recht und Freiheit im Staatskirchenrecht, S. 220 m. w. N. 184 Vgl. Nachweise bei Wilms in FS Maurer, S. 502 f. 185 Vgl. Hufen, Staatsrecht II, § 22 Rn. 5; Wilms in FS Maurer, S. 493 f.; Mertesdorf, Welt­ anschauungsgemeinschaften, S. 46 und die Darstellung der verschiedenen Problemkonstella­ tionen im 1. Kapitel. 181

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raschend, sondern ist angesichts der obigen Darlegungen bereits in der historischen Entwicklung der juristischen Begriffsbildung selbst angelegt: Die Verfassungsgebende Nationalversammlung entschied sich im Zuge der WRV, das zeitgeschichtlich seit Ausgang des 19.  Jahrhunderts gesellschaftlich tatsächlich existierende Phänomen der Weltanschauungsgemeinschaften verfassungsrechtlich durch die Erwähnung im Normtext zu würdigen, da die Vorstellung vorherrschte, diese Gruppen seien den Religionsgemeinschaften zwar strukturell ähnlich, jedoch im Einzelnen auch so unterschiedlich, dass sie sich ihrerseits mit dem hergebrachten Begriff der Religion nicht zutreffend umschreiben ließen.186 Wie die rechtlich vollzogene Unterscheidung demgegenüber praktisch überhaupt umgesetzt werden sollte, war von Beginn an umstritten und wurde nicht erst unter Geltung des Grundgesetzes als schwierig beurteilt.187 Das Ausmaß der Begriffskrise ist hierbei auf zumindest zwei Umstände zurückzuführen: Einerseits lassen sich weder die gegenwärtig herrschende Unterscheidung von Religion und Weltanschauung anhand der Kriterien von Immanenz und Transzendenz direkt auf den allgemeinen oder historisch-fachsprachlichen Wortgebrauch zurückführen, noch waren die Begriffe Religion und Weltanschauung als das Gegensatzpaar angelegt, zu dem es in der juristischen Begriffsbildung in Folge der Definition von Anschütz geworden ist. Andererseits wurden die ausgehend von der Verfassungsgebenden Nationalversammlung in Rechtsprechung und Lite­ratur entwickelten alternativen Abgrenzungsbemühungen zwischenzeitlich weitestgehend aufgegeben, ohne dass die neuen Abgrenzungsmodelle einen adäquaten Ersatz böten. Gegen das Erfordernis einer personalen Gottesvorstellung und dem Erfordernis eines Glaubensbekenntnisses oder von Kulthandlungen wird aus heutiger Sicht überwiegend eingewendet, dass dieses Erfordernis eine zu starke Fixierung auf den europäischen Kulturraum in sich trage und den weit gefassten Religions­begriff des Grundgesetzes verkennen.188 Allgemein wird daher jede Art von Überzeugung für ausreichend gehalten, ohne dass es eines fixierten Glaubensbekenntnisses oder eines personalen Gottesbildes bedarf.189 Ferner sei die Überzeugung an sich und ihre Vermittlung an Dritte ein hinreichender Selbstzweck. Verlange man darüber hinaus kultische Handlungen, würde man einen Weg der Vermittlung und damit eine Ausgestaltungsform des Bekenntnisses vorschreiben.190 186

Vgl. einerseits die Darstellung der juristischen Fortentwicklung des Begriffs, 2.  Kapitel  B. I.  1.  a)  bb)  (4)  (a). Ferner die Darstellung der verschiedenen zeitgenössischen Welt­ anschauungsgemeinschaften, 2. Kapitel B. I. 1. c) aa) (1). Zur Einschätzung des Berichterstatters Mausbach: ders., Kulturfragen in der deutschen Verfassung, S. 72. 187 Vgl. 2. Kapitel B. I. 1. a) bb) (4) (a). 188 Veelken, Das Verbot von Weltanschauungs- und Religionsgemeinschaften, S. 70 f. 189 Preuß in AK, GG, Art. 4 Abs. 1, 2 Rn. 14; Veelken, Das Verbot der Weltanschauungs- und Religionsgemeinschaften, S. 41; Fleischer, Religionsbegriff, S. 143 m. w. N. 190 Veelken, Das Verbot von Weltanschauungs- und Religionsgemeinschaften, S. 75.

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Die vom Bundesverwaltungsgericht alternativ vorgeschlagene Abgrenzung über die Kriterien der Immanenz und der Transzendenz geht dabei allerdings zumindest in gleichem Maße von falschen Grundannahmen aus. Dabei kann zunächst dahingestellt bleiben, ob eine Unterscheidung zwischen Immanenz und Transzendenz zur heutigen Zeit überhaupt noch möglich ist.191 Die dargelegte philosophische Entwicklung des Begriffs weist „Weltanschauung“ viel mehr selbst dem Bereich der Transzendentalphilosophie zu192 und wertet den Umstand der Ausbildung einer Gesamtanschauung der Welt aus der Reflexion und Abstraktion eigener Erfahrungen als transzendentalen Akt.193 Eine Unterscheidung von Religion und Weltanschauung anhand des Merkmales der Transzendenz ist daher aufgrund des transzendentalen Gehaltes von „Weltanschauung“ bei bloßer Betrachtung des Ergebnisses der Anschauung augenscheinlich weder möglich noch sinnvoll.194 Auch „Weltanschauung“ greift, wie vom Begriff „transzendent“ beschrieben, in der Abstraktion über die sinnliche Erfahrung des einzelnen Menschen von der objektiv wahrnehmbaren Umwelt hinaus. Trifft diese Überlegung jedenfalls für das Ergebnis der Betrachtung zu, muss es jedoch noch nicht für den Ausgangspunkt und die bei der Aus­bildung einer Weltanschauung verwendeten Methode gelten, so dass jedenfalls insoweit noch Differenzierungspotential für die weitere Untersuchung besteht. Schließlich bleibt anzumerken, dass Anschütz selbst die juristische Verengung der Weltanschauung zum Gegenbegriff der Religion aus rein normsystematischen Erwägungen heraus einräumt. Auch hier zeigt die fachsprachliche Begriffsgeschichte, dass die Annahme eines sich wechselseitig ausschließenden Gegen­ begriffs wenig überzeugend ist, sondern dass „Weltanschauung“ ebenso als aliud, nämlich als andersartige Ergänzung der religiösen Betrachtung, oder aber als Oberbegriff zur Religion verstanden werden kann. Zur Auflösung der im juristischen Sprachgebrauch bestehenden Probleme kann daher auch die Aufgabe des in seiner Enge verfehlten Gegensatzes religiös – irreligiös beitragen. Gerade die erste Definition des Verfassungsgerichtes zeigte hierbei, dass der Begriff der Weltanschauung stets auch Gesamtansichten mit umfasste, die sich indifferent zu religiösen Aussagen verhielten. Eine (negativ) wertende Stellungnahme zu religiösen Begriffsinhalten anderer Gesamtsichten kann daher auch bei ausschließlich juris 191 Insoweit bezweifelt von Morlok in Dreier, GG, Art. 4 Rn. 54; Muckel in Friauf/Höfling, GG, Art. 4 Rn. 15; Obermayer in BK (Zweitbearbeitung), GG, Art. 140, Rn. 42. 192 Vgl. u. a. 2. Kapitel B. I. 1. a) bb) (2) (b); ferner Moxter in Müller TRE, Bd. 35, Stw.: Weltanschauung, S. 546. 193 Vgl. 2. Kapitel B. I. 1. a) bb) (2) (a); Meier, Weltanschauung, S. 71 ff. (73). 194 Folgt man der in Bleckmann, Staatsrecht II, S. 743 Rn.10 zustimmend abgedruckten Religionsdefinition aus der Brockhaus-Enzyklopädie, 17. Aufl., Bd. 15, S. 636, so soll es neben transzendenten Religionen auch rein immanente Religionsauffassungen geben, die sich auf das religiöse Erleben des im Menschen selbst verlaufenden seelischen Geschehens beschränken. Die Unterscheidung anhand der Kriterien Immanenz und Transzendenz würde demnach nicht nur am hier beschriebenen transzendentalen Vermögen zur Ausbildung einer Weltanschauung kranken, sondern ggf. auch an einem immanenten Religionsverständnis scheitern.

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tischer Betrachtungsweise nur ein möglicher, keineswegs aber ein notwen­diger Bestandteil von Weltanschauung sein und ist daher als Differenzierungskriterium untauglich. cc) Ergebnis der Wortlautauslegung Die bereits durch Auslegung des allgemeinen Sprachgebrauchs gewonnenen Erkenntnisse konnten durch die Betrachtung des fachsprachlichen Wortgebrauches und der Begriffsgenese spezifiziert und bestätigt werden. Hierbei hat es sich gezeigt, dass der Begriff der Weltanschauung, so wie er heute vorherrschend in der juristischen Diskussion verwendet wird, ursprünglich durch Übernahme einer philosophisch-fachsprachlichen Definition in die Rechtswissenschaft Eingang gefunden hat. Die juristische Begriffsentwicklung ist an diesem Punkt jedoch nicht stehengeblieben, sondern fortgeschritten. Hierdurch ergibt sich hinsichtlich der Unterscheidung von Weltanschauung und Religion gegenwärtig in Teilen ein Widerspruch zwischen der juristischen und der philosophischen Wortbedeutung, welcher sich auch im allgemeinen Sprachgebrauch noch auswirkt. Diesen gilt es durch eine veränderte Interpretation aufzulösen. In wertender Betrachtung des unterschiedlichen Sprachgebrauchs lassen sich daher nach der Wortlautauslegung nunmehr nähere Aussagen zum Inhalt des Begriffs der Weltanschauung machen. Als eigenständigen Begriffskern der Weltanschauung lässt sich insoweit fest­ halten, dass er eine sinnstiftende Gesamtauffassung zur Stellung des Menschen in der Welt bezeichnet, die durch Reflexion eigener Subjektivität und Erfahrungen intuitiv im Wege der Abstraktion gewonnen wurde und für das eigene Leben maßgeblich ist. Hierin liegt sowohl eine thematisch-zweckgerichtete Festlegung (1), als auch eine Festlegung zu Ausgangspunkt und Methode der Erkenntnisgewinnung  (2), sowie des inhaltlich erforderlichen Umfangs der Weltanschauung  (3). Seinem derart festgestellten Begriffskern nach ist „Weltanschauung“ unabhängig vom Begriff der Religion definiert. „Weltanschauung“ per se ist nach seinem Wortlaut kein Gegenbegriff zur Religion. Die Auslegung nach dem Wortlaut lässt vielmehr drei unterschiedliche systematische Alternativen zu (4), von denen vorbehaltlich weiterer Auslegung das Verständnis von Weltanschauung als einem aliud zur Religion aufgrund der juristisch-historischen Begriffsprägung vorzugswürdig erscheint. Der in dieser Art und Weise konkretisierte Begriffskern bietet einen neuen Ansatz zur Auflösung der in der Rechtswissenschaft bislang diskutierten Fragestellung, wie der Begriff der Transzendenz näher zu konkretisieren ist (5).

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(1) Thematisch-zweckgerichtete Festlegung: Sinndeutung des Verhältnisses von Mensch und Welt Die thematische Ausrichtung von „Weltanschauung“ als Sinndeutung, die auf „das Ganze der Welt und der menschlichen Existenz“195 abzielt, entspricht sowohl dem heutigen allgemeinen Sprachgebrauch als auch der in der philosophischen Fachsprache bis zum Ende des 19. Jahrhunderts entwickelten Wortprägung,196 die trotz später eintretenden veränderten Begriffsverwendungen in dieser Bedeutung über die Definition bei Rickerts durch Anschütz von der Rechtswissenschaft übernommen wurde.197 Übereinstimmend sehen die als Quellen des allgemeinen Sprachgebrauchs herangezogenen Wörterbücher Weltanschauung als eine geistige Auffassung, die eine Antwort auf die Sinnfrage aus der thematischen Befassung mit den dualistischen Polen von Mensch und Welt heraus zu geben sucht.198 Diese thematische Orientierung entspricht damit noch der von Kant vorgegebenen Wortbedeutung als Fähigkeit des Menschen die Welt zu begreifen, welche den fachsprachlichen Gebrauch in der Philosophie entscheidend prägte.199 Soweit sich die Zweckrichtung im allgemeinen Sprachgebrauch jedoch auf die Beantwortung existenzieller Sinnfragen richtet, ist dies nur eine der in der ursprünglichen Begriffsverwendung angelegten Nuancen, welche aber in der späteren wissenschaftlichen Systematisierung durch Dilthey und Rickert entscheidendes Gewicht bekommt200 und somit durch den fachsprachlichen Gebrauch ebenfalls bestätigt wird. Der Gebrauch des Wortes „Weltanschauung“ im theologischen Kontext steht der thematischen Fundierung auf der Betrachtung von Mensch und Welt ebenfalls nicht entgegen, sondern unterstützt diesen. Für die Zweckrichtung von „Weltanschauung“ als einer über das Weltverständnis hinausgehende Sinndeutung für menschliches Leben und Existenz lässt sich dabei auf die diskutierte Vergleichbarkeit von Religion und Weltanschauung verweisen.201 Auch die Begriffsverwendung und Entwicklung im juristisch geprägten Sprachgebrauch stützt die abgeleitete Wortbedeutung in ihrer Zielrichtung auf die Sinndeutung menschlicher Existenz hin. Ausgehend von der Begriffsdefinition durch Anschütz und bis zur heute herrschenden Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes wird „Weltanschauung“ gerade im Vergleich zu religiösen, und in 195

Vgl. Meyers, Neues Lexikon, Bd. 10, S. 340. Vgl. zur philosophischen Begriffsentwicklung, 2. Kapitel B. I. 1. a) bb) (2). 197 Vgl. zur Begriffsrezeption, 2. Kapitel B. I. 1. a) bb) (1). 198 Vgl. zum Ergebnis der Auslegung des allgemeinen Sprachgebrauchs, 2. Kapitel B. I. 1. a) aa) (4). 199 Vgl. zur Begriffsbedeutung im philosophischen Sprachgebrauch, 2. Kapitel B. I. 1. a) bb) (2) (l). 200 Vgl. zum Sprachgebrauch bei Dilthey und Rickert, 2. Kapitel B. I. 1. a) bb) (2) (l) und (k). 201 Vgl. die Darstellung des Sprachgebrauchs u. a. im theologischen Umfeld, 2.  Kapitel B. I. 1. a) bb) (3). 196

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Abgrenzung zu anderen Gruppen als thematisch auf die Beantwortung der Sinnfragen menschlicher Existenz ausgerichtet verstanden, wobei am dualistischen Ansatz des Verhältnisses von Mensch und Welt jedoch nur unter explizitem Ausschluss religiöser Erklärungen festgehalten wird.202 (2) Erkenntnistheoretische Methode: Reflexion Der Begriff „Weltanschauung“ gibt seinem Begriffsgehalt nach nicht nur die thematische Beschäftigung und die Zielrichtung, sondern auch die Methode der Erkenntnisgewinnung durch Reflexion vor. Der allgemeine Sprachgebrauch deckt hierbei die Bezeichnung einer besonderen Methode der Erkenntnisgewinnung als Weltanschauung ab, diese ist auch eine „bestimmte Art, die Welt, die Natur und das Wesen der Menschen zu begreifen.“203 Die Begriffsentwicklung in der Philosophie bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts verweist für diese bestimmte Art explizit auf die Reflexion von Sinneseindrücken und Erfahrungen als methodische Quelle der Ausbildung von Weltanschauung.204 Tritt sie auch im späteren Gebrauch nicht mehr deutlich hervor, und wird daher in die juristische Begriffsbildung nicht ausdrücklich übernommen, so wurde sie jedoch nicht aufgegeben. Sowohl Diltheys als auch Rickerts Ansätze lassen sich auf Reflexion als Quelle der Weltanschauung zurückführen205 und auch die juristische Unterscheidung zwischen immanentem und transzendentem Erklärungs­ansatz zur Abgrenzung von Religion und Weltanschauung deutet auf die Fundierung der Weltanschauung durch Reflexion von Sinneseindrücken und Lebenserfahrung hin.206 Auch historische juristische Quellen weisen bereits auf die gegenüber der Religion verschiedene Art der Weltbetrachtung hin, soweit darauf verwiesen wird, dass Weltanschauungsgemeinschaften „das Weltganze und die Stellung des Menschen zu ihm von anderer als religiöser Grundlage aus zu erkennen suchen.“207 Besondere Stütze erhält dieser Ansatz zur Festlegung des Begriffsgehaltes auf ein bestimmtes methodisches Vorgehen durch Ansätze im theologischen Bereich, die eine Unterscheidung von Weltanschauung und Religion gerade auf dem Unterschied von Reflexion eigener Erfahrungen und göttlicher Offenbarung aufzubauen suchen.208 Angesichts der Problematik und aufgezeigten Unergiebigkeit der im juristischen Bereich noch vorherrschenden Unterscheidung anhand der Kriterien von Immanenz und Transzendenz erscheint es daher berechtigt, hinsichtlich des 202

Vgl. die Darstellung des spezifisch juristischen Sprachgebrauchs, 2.  Kapitel  B. I.  1.  a) bb) (4). 203 Duden, Bedeutungswörterbuch, S. 749. 204 Vgl. Ergebnis zum philosophischen Sprachgebrauch, 2. Kapitel B. I. 1. a) bb) (2) (l). 205 Vgl. zum Sprachgebrauch bei Dilthey und Rickert, 2. Kapitel B. I. 1. a) bb) (2) (l) und (k). 206 Vgl. auch zum Lösungsansatz für die juristische Bedeutungskrise, 2. Kapitel B. I. 1. a) bb) (4) (b). 207 Ebers in Nipperdey,WRV, Bd. 2, S. 373. 208 Vgl. zum theologisch-fachsprachlichen Gebrauch, 2. Kapitel B. I. 1. a) bb) (3).

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Begriffskerns der Weltanschauung in besonderer Weise auf die Reflexion als Methode der Ausbildung von Weltanschauung zu verweisen und diese deutlich hervorzuheben. (3) Inhaltlich erforderlicher Umfang: Gesamtdeutung Hinsichtlich des inhaltlich erforderlichen Umfanges ist nach der Auslegung des Wortlautes auf eine Gesamtdeutung zu bestehen, thematische Einzelauffassungen genügen demnach nicht, um eine Weltanschauung zu begründen. Der allgemeine Sprachgebrauch ist hinsichtlich dieser Auslegung nicht einheitlich, lässt jedoch eine entsprechende Tendenz erkennen. Insbesondere die Verwendung bei ­DUDEN und MAYERS sprechen für das Erfordernis einer Gesamtdeutung.209 Soweit BROCKHAUS auch Einzelauffassungen genügen lassen würde, sind die Ausführungen mehrdeutig, da auch hier ein Sinnganzes, bzw. Überzeugungen zu Grundstruktur, Modalität und Funktion des Weltganzen gefordert werden, Vollständigkeit aber nicht vorausgesetzt ist, oder angestrebt werden muss.210 Eine Gesamtdeutung ist daher schon dann anzunehmen, wenn durch die thematische Ausrichtung grundsätzlich die gesamte Welt hinsichtlich der Sinneseindrücke und Erfahrungen umfassend in den Blick genommen wird und nicht von vorneherein eine spezifische thematische Begrenzung erfolgt. In der inhaltlichen Tiefe der Weltanschauung als zweitem Schritt ist sodann keineswegs Vollständigkeit er­ forderlich. Für die Bestätigung dieses Auslegungsergebnisses lässt sich insbesondere der fachsprachliche Gebrauch im Bereich der Philosophie heranziehen. Ausgehend von Kant wird hierbei die Totalität des menschlichen Bewusstseins in den Blick genommen,211 wobei früh bereits erkannt wird, dass die inhaltliche Tiefe von Weltanschauungen hingegen abhängig von individuellen Erkenntnismöglichkeiten ist.212 Zwar sind nach dem philosophischen Gebrauch eine Vielzahl von Weltanschauungen denkbar, diese beziehen sich jedoch auf unterschiedliche Personengruppen, historische oder geographische, sowie kulturelle Gegebenheiten.213 Eine Mehrzahl von Weltanschauungen innerhalb einer Person oder einer einheitlichen Personengruppe, wie sie bei thematischen Einzelauffassungen theoretisch denkbar wären, konnte demgegenüber nicht belegt werden. Auch im theologischen Sprachgebrauch wird mit Weltanschauung die Auffassung der Welt als Totalität bezeichnet.214 Schließlich stellt die von Anschütz bei 209

Vgl. 2. Kapitel B. I. 1. a) aa) (1) und (2). Vgl. 2. Kapitel B. I. 1. a) aa) (3). 211 Vgl. Darstellungen zu Kant, 2. Kapitel B. I. 1. a) bb) (2) (a) und Schleiermacher, 2. Kapitel B. I. 1. a) bb) (2) (d). 212 Vgl. Darstellung zu Schelling, 2. Kapitel B. I. 1. a) bb) (2) (c). 213 Vgl. Darstellung zu Hegel, 2. Kapitel B. I. 1. a) bb) (2) (f). 214 Herms in Betz/Browning/Janowski/Jüngel, RGG, Stw.: „Weltanschauung“, Sp. 1402. 210

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Rickert für den juristischen Bereich übernommene Definition ebenfalls auf das Weltganze, respektive den Versuch ab, die Welt universell zu begreifen.215 Auch sprechen weder der weitere Gebrauch in der juristischen Begriffsentwicklung noch der Gebrauch im theologischen Kontext dafür, Einzelauffassungen genügen zu lassen. Im Gegenteil, bereits die früh in der Rechtswissenschaft diskutierte Abgrenzung der Weltanschauung von anderen ähnlich gelagerten Phänomenen zeigt die Gefahren für die begriffliche Prägnanz, die mit der Zulassung von thematischen Einzelauffassungen einhergehen würde. Das Ergebnis, für Weltanschauung als Teil des Begriffskerns eine Gesamtsicht zu fordern, lässt sich mithin nach Betrachtung der Wortlautauslegung gut begründen und erscheint überzeugend, wobei darauf hinzuweisen bleibt, dass hinsichtlich des Inhaltes und Ergebnisses von „Weltanschauung“ jedoch kein Erfolg im Sinne einer tatsächlich allumfassenden Aussage vorausgesetzt wird, sondern nur in Ansatzpunkt und reflektiver Methode eine entsprechende allgemeine thematische Ausrichtung gefordert wird. (4) Systematisches Verhältnis zum Begriff der Religion Als weiteres Ergebnis der Wortlautanalyse lässt sich festhalten, dass Welt­ anschauung keinen begrifflichen Gegensatz zur Religion umschreibt. Der vom Wortlaut umfasste Bedeutungsgehalt des Begriffs „Weltanschauung“ lässt sich vielmehr ohne eine irgendwie geartete Gegenüberstellung zum Begriff des Religiösen mit eigenständigen Begriffsmerkmalen umschreiben. Sowohl allgemeiner Sprachgebrauch als auch der Gebrauch in fachsprachlich philosophisch-religiösen Kontexten haben dementsprechend gezeigt, dass Weltanschauung entweder den begrifflichen Gehalt der Religion bereits mit umfasst, oder aber eine eigenständige Art der Weltwahrnehmung und Reflexion beschreibt, der sich keine nähere Aussage zur inhaltlichen Einstellung gegenüber Religion entnehmen lässt.216 Nur die bisherige juristische Begriffsverwendung zeigt eine Gegenüberstellung von Weltanschauung und Religion als gegensätzliche Konzepte zur Sinndeutung menschlichen Lebens. Dies beruht jedoch vorwiegend auf systematischen Erwägungen und ist weder dem Wortlaut noch der von Anschütz bei Rickert übernommenen Definition immanent.217 Auch im Bereich der Rechtswissenschaft zeigt die Begriffsentwicklung demgegenüber, dass „Weltanschauung“ im juristischen Sinne zumindest stets auch solche Phänomene umfassen sollte, die „religionsfrei“ sind.218 Weltanschauung ist mithin auch im juristischen Sinne ohne thematischen Bezug zur Religion denkbar. Der hieraus abgeleitete Umkehrschluss, dass jeder 215

Vgl. die Rezeption durch Anschütz, 2. Kapitel B. I. 1. a) bb) (1) (a). Vgl. das Ergebnis der philosophisch-fachsprachlichen Betrachtung, 2.  Kapitel  B. I.  1. a) bb) (2) (l) und des religionswissenschaftlichen Wortgebrauchs, 2. Kapitel B. I. 1. a) bb) (3). 217 Vgl. Darstellung zu Anschütz, 2. Kapitel B. I. 1. a) bb) (1) (a). 218 Vgl. Darstellung zur juristischen Fortentwicklung des Begriffs, 2. Kapitel B. I. 1. a) bb) (4) (a). 216

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(nicht negierende) religiöse Bezug das Vorliegen einer Weltanschauung ausschließen muss, findet indessen keinerlei Stütze im übrigen Wortgebrauch und der Begriffsgeschichte. Er ist auch logisch nicht zwingend, sofern der aus der Begriffsgeschichte abgeleiteten These gefolgt wird, dass Weltanschauung jede Art von sinnstiftende Gesamtauffassung zur Stellung des Menschen in der Welt umfasst, die durch Reflexion eigener Subjektivität und Erfahrungen intuitiv im Wege der Abstraktion gewonnen wurde und mithin auf vollständig eigenständigen Kriterien beruht. Entgegen der im juristischen Gebrauch üblicheren Einschätzung ist daher mit dem allgemeinen Sprachgebrauch auf Basis der Begriffsgeschichte ein zwingender Gegensatz von Weltanschauung und Religion nach der Analyse des Wortlautes abzulehnen. Die Ablehnung des Gegensatzverhältnisses von Weltanschauung und Religion in Folge der Wortlautauslegung zwingt dazu, das systematische Verhältnis von Weltanschauung zu Religion neu zu überdenken. Hierbei lassen sich dem Begriffsgebrauch drei unterschiedliche Ansätze zur Einordnung entnehmen. Zum einen wird der Begriff der Weltanschauung sprachlich als Oberbegriff zur Religion verwendet, zum anderen beschreibt „Weltanschauung“ eine eigenständige Wahrnehmungsart, die Religion mit erfassen kann, aber nicht muss. Innerhalb dieser Auffassung kann Weltanschauung daher auch als einer von zwei nicht deckungsgleichen Kreisen verstanden werden, zwischen denen eine Schnittmenge besteht. Darüber hinaus erscheint jedoch auch weiterhin ein aliud-Verhältnis möglich, bei dem keine Überschneidung der beiden Begriffsinhalte gegeben ist. Für die Annahme eines Spezialitätsverhältnisses zwischen „Weltanschauung“ als Oberbegriff und „Religion“ lässt sich, soweit überhaupt Aussagen hierzu getroffen wurden, auf den allgemeinen Sprachgebrauch in der Darstellung bei BROCKHAUS219, wie auch auf maßgebliche Autoren innerhalb der philosophischen Begriffsentwicklung verweisen.220 Auf Basis dieser Überlegung kommt der Religion als spezifisches Unterscheidungsmerkmal gegenüber der allgemeiner gedachten Weltanschauung das Vorhandensein religiöser Offenbarungs- oder Erweckungserlebnisse als weiterer Erkenntnisquelle zu, die eine zweite methodische Blickrichtung vom Göttlichen her auf den Menschen und die Welt annimmt. Logisch unterstellt diese Annahme jedoch einen weltanschaulichen Merkmalskern, der allen Religionen wie Weltanschauungen gemeinsam zu Eigen ist und der sich bislang einer näheren Spezifizierung auf Basis der Untersuchungen entzieht. Gegen die Annahme von Weltanschauung als Oberbegriff kann grundsätzlich auf den allgemeinen Sprachgebrauch bei DUDEN und MAYERS verwiesen werde, der Weltanschauung unabhängig von Religion definiert und dabei keine Aussage zum systematischen Verhältnis trifft.221 Auch Teile des philosophischen Sprach­gebrauchs lassen sich gegen die Annahme einer Weltanschauung als Ober 219

Vgl. 2. Kapitel B. I. 1. a) aa) (3). Vgl. Fazit zum philosophischen Sprachgebrauch, 2. Kapitel B. I. 1. a) bb) (2) (l). 221 Vgl. Vgl. 2. Kapitel B. I. 1. a) aa) (1) und (2).

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begriff und zugunsten einer eigenständigen, von dem Begriff der Religion unabhängigen Definition anführen.222 Innerhalb dieser Auslegungsvariante muss unterschieden werden, ob es gleichwohl eine Überschneidung zwischen den un­ abhängig definierten Begriffen gibt. Für die Annahme einer Schnittmenge zweier nicht vollständig deckungsgleicher Begriffe kann hierbei auf die unterschiedlichen Ansatzpunkt und Methoden verwiesen werden.223 Religion wird demgegenüber häufig auch Aussagen zur Stellung des Menschen in der Welt treffen, und die durch Reflexion gewonnenen Erkenntnisse mit einbeziehen. Ohne eine umfassende Analyse des Begriffs der Religion erscheint es jedoch eine zu weitgehende Forderung, von Religionen stets eine derartige Aussage zum Ganzen der Welt und der Stellung des Menschen darin zu fordern. Es ist vielmehr logisch jedenfalls nicht auszuschließen, dass sich eine Religion mit Aussagen zu höheren Mächten und tieferen Seinsschichten und deren Beziehung zu den Menschen begnügt, ohne Aussagen zur vom Menschen sinnlich wahrnehmbaren Welt zu treffen.224 Nimmt man den historischen Wortgebrauch der Verfassungsgeber zum Ausgangspunkt, so kann „Weltanschauung“ gegenüber der Religion auch als vollständiges aliud verstanden werden, bei dem keine Überschneidung mit dem Begriff der Religion besteht. Hierfür spricht insbesondere die juristische Begriffsentwicklung, die durchgängig bei allen Schwierigkeiten von einer klaren Abgrenzbarkeit von Religion und Weltanschauung ausgeht.225 Auch soweit der theologische Sprachgebrauch eine Unterscheidung von Weltanschauung und Religion vorsieht, wird auf die unterschiedlichen Ausgangspunkte der Erkenntnis von Reflexion und göttlicher Offenbarung verwiesen, die die Welt in einem Fall von der Position des Menschen und im anderen Fall aus der Blickrichtung Gottes betrachtet.226 Entgegen Teilen des allgemeinen Sprachgebrauchs, die sich auf die philo­ sophisch historische Tradition stützen können, ist dem historischen Wortgebrauch des Verfassungsgebers und der darauf begründeten Tradition einer eigenständigen juristischen Begriffsbildung, vorbehaltlich und mit Blick auf die noch folgende systematische, historische und teleologische Auslegung, der Vorzug einzuräumen und „Weltanschauung“ als ein aliud ohne Überschneidung zur Religion zu definieren. Diese Auslegung hält sich noch innerhalb des durch den allgemeinen Sprachgebrauch aufgezeigten Rahmens und lässt sich durch die in der Begriffsentwicklung gebildete eigenständige Definition der Weltanschauung rechtfertigen. Die Definition von Weltanschauung ist mithin dahingehend zu ergänzen, dass „Weltanschauung“ eine auf der Reflexion eigener Subjektivität, Sinneswahrneh 222

Vgl. Fazit zum philosophischen Sprachgebrauch, 2. Kapitel B. I. 1. a) bb) (2) (l). Vgl. den Lösungsansatz für das juristische Begriffsproblem, 2.  Kapitel  B. I.  1. a)  bb) (4) (b) und zur Reflexion als Methode, 2. Kapitel B. I. 1. a) cc) (2). 224 Vgl. Herms in Betz/Browning/Janowski/Jüngel, RGG, Stw.: „Weltanschauung“, Sp. 1403. 225 Vgl. zur juristischen Begriffsentwicklung, 2. Kapitel B. I. 1. a) bb) (4) (a). 226 Vgl. 2. Kapitel B. I. 1. a) bb) (3). 223

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mung und Erfahrungen beruhende sinnstiftende Gesamtauffassung zur Stellung des Menschen in der Welt bezeichnet, die intuitiv im Wege der Abstraktion gewonnen wurde, ohne dabei auf Erschließungs- und Offenbarungsereignissen zu beruhen, und die für das eigene Leben maßgeblich ist. (5) Auflösung des Streitstandes über die Konkretisierung des Begriffs der Transzendenz Auf Basis der zur Wortlautanalyse getroffenen Feststellungen ist damit die Auflösung des im Rahmen des Problemaufrisses aufgezeigten Streits über die Konkretisierung des Begriffs der Transzendenz möglich.227 Der Auffassung von Obermayer, der in Abgrenzung von Weltanschauung und Religion von einer Synthese der Begriffe der Immanenz und Transzendenz ausging, ist zuzugeben,228 dass die Analyse letztlich gezeigt hat, dass die Reflexionsleistung als wesentlicher Teil der Weltanschauung transzendent verstanden werden kann. Gleichwohl können auch die bisherigen Ansätze, die zur Konkretisierung des Unterschieds von Immanenz und Transzendenz entwickelt wurden, im Sinne der vorgenommenen neuen Bestimmung des Begriffs der Weltanschauung angepasst werden. So wiesen verschiedene Autoren bereits zu Recht für die Abgrenzung auf den Offenbarungscharakter von Religion hin.229 Dieser Ansatz zur Unterscheidung hat sich bestätigt, ohne dabei jedoch fest am Begriff der Offenbarung verhaftet zu sein. Sofern die weiterhin in der Diskussion befindlichen Kriterien des Vorliegens einer (perso­nalen) Gottesoder Jenseitsvorstellung, sowie die Vornahme kultischer Handlungen als Indiz für die Existenz einer nach der jeweiligen Vorstellung vorhandenen, außerhalb der natürlichen Auffassungsgabe des Menschen liegenden weiteren Erkenntnisquelle interpretiert werden können, lassen sie sich in den neuen Abgrenzungsvorschlag als weitere Kriterien zur Objektivierung integrieren. Im Ergebnis kommt es folglich darauf an, auf die Reflexionsleistung als methodischen Ansatz und im Ausgangspunkt der Reflexion auf immanente Erkenntnisquellen abzustellen, während das Reflexionsergebnis auch transzendentale Aspekte beinhalten kann. b) Systematische Erwägungen zur Begriffsbestimmung Im Verhältnis zur Auslegung des Wortlautes kann die Auslegung des systematischen Zusammenhangs nur wenige Ansätze zur Konkretisierung des Begriffs der Weltanschauung beisteuern. Ihre Stärke liegt vor allem in der Betrachtung der unterschiedlichen Wirkbereiche der Weltanschauungsfreiheit. Gleichwohl las 227

Vgl. zum Streitstand die Darstellung im 1. Kapitel unter A. II. 3. Obermayer in BK (Zweitbearbeitung), GG, Art. 140 Rn. 42. 229 Bleckmann, Staatsrecht II, S. 748f; Thüsing in Richardi, BetrVG, § 118 Rn. 210; Marhold in AR-Blattei, SD 1570 Rn. 183 f. 228

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sen sich zwei Konsequenzen für die Bestimmung des Begriffs der Weltanschauung in systematischer Hinsicht aus seiner Verwendung im Grundgesetz ziehen: Obwohl zwischen dem Begriff der Weltanschauung und der Religion eine inhaltliche Nähe besteht, ist Weltanschauung vom Begriff der Religion systematisch ab­zugrenzen (aa). Ferner legt die systematische Auslegung nahe, inhaltlich eine Gesamtsicht zu fordern und thematische Einzelauffassungen nicht als Welt­ anschauung zu qualifizieren (bb). aa) Systematisches Verhältnis zum Begriff der Religion Auf Basis der Wortlautauslegung waren mehrere Deutungsalternativen zum systematischen Verhältnis von Weltanschauung und Religion möglich.230 Auf Basis der durch die juristische Begriffsverwendung geprägten Wortbedeutung und unterstützt durch Ansätze aus dem Bereich der Theologie war innerhalb der möglichen Wortbedeutungen dem Wortsinn von Weltanschauung als einem aliud zur Religion der Vorzug gegeben worden. Daher wurde angenommen, dass keine begrifflichen Überschneidungen zum Begriff der Religion gegeben sind. Diese Auslegung kann entgegen den anderen Auslegungsvarianten, welche insbesondere nach der philosophischen Begriffsentwicklung möglich gewesen waren, auch durch die systematische Auslegung bestätigt werden: Der allgemeine systematische Überblick hat bereits gezeigt, dass das Grund­ gesetz in einer Vielzahl von Artikeln Weltanschauung und Religion unterscheidet. Systematisch ist hieraus als erster Schritt auf Basis des argumentum ad absurdum zu folgern, dass sich die Begriffe auch unterscheiden lassen, da der Verfassungsgeber keine tautologische Differenzierung vornimmt. Eine bloße Klarstellung ohne eigenen inhaltlichen Erklärungswert kann demgegenüber für die Erwähnung der Weltanschauung ausgeschlossen werden, da in Art. 137 Abs. 7 WRV ­eigens eine Erstreckung des Normbereiches angeordnet wird und Art.  4  Abs.  1  GG, Art.  7 Abs.  5  GG und Art.  33 Abs.  3  Satz  2  GG Weltanschauung und Religion bzw. dessen Synonymbegriff Bekenntnis eigens gleichrangig aufzählen. Um eine Klarstellung deutlich zu machen, hätte demgegenüber eine allgemeine Norm genügt, oder aber die Gleichstellung hätte konsequent durchgehalten werden müssen. Zahlreiche Normen verzichten jedoch auf die Erwähnung der Weltanschauung im Kontext der Religion.231 Das konkrete systematische Verhältnis der Begriffe der Religion und des Bekenntnisses ist daher in einem zweiten Schritt zu ermitteln. Hierfür war auf Basis der Wortlautauslegung von drei möglichen Alternativen ausgegangen worden: Der Stellung von „Weltanschauung“ als Oberbegriff zur Religion. Ferner die Gleichordnung von „Weltanschauung“ und „Religion“ mit einer Schnittmenge zwischen 230

Vgl. 2. Kapitel B. I. 1. a) cc) (4). Vgl. 2. Kapitel A. II. 2.

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den beiden Begriffen. Schließlich die Annahme der Weltanschauung als aliud zur Religion, so dass es zu keiner Überschneidung der Begriffe kommt. Gegen die Annahme der Weltanschauung als Oberbegriff zur Religion lässt sich aus systematischer Sicht einwenden, dass das Grundgesetz der Tendenz folgt, allgemeine Tatbestände vor den spezielleren zu regeln.232 Die Weltanschauung wird jedoch in allen Fällen der textlichen Erwähnung der Religion nachgeordnet. Besonders die Regelung des Art. 33 Abs. 3 Satz 2 GG spricht dabei dafür, dass Religion nicht in der Weltanschauung enthalten ist, da sich in diesem Fall der Schutz der Religion auch ohne eigene Erwähnung bereits im Wege des Schlusses a majorem ad minus ergeben würde. Gegen eine Schnittmenge von Weltanschauung und Religion spricht neben der durchgängig gleichordnenden Aufzählungsweise ferner, dass eine solche zu Lasten der Abgrenzbarkeit der Begriffe gehen würde. Bereits aufgrund der unterschiedlichen Normierungen muss systematisch jedoch von einer Unterscheidbarkeit ausgegangen werden. Die Annahme eines aliud-Verhältnisses der Weltanschauung zur Religion ohne Schnittmenge zwischen den Begriffen erscheint daher überzeugender, wenn auch eine Schnittmenge nicht ganz ausgeschlossen werden kann. Der Annahme eines aliud-Verhältnisses steht es dabei aber nicht entgegen, dass es sich nach der Wortlautauslegung sowohl bei Weltanschauung als auch bei Religion um sinnstiftende Gesamtsichten der Welt handelt, die sich beide mit der Stellung des Menschen in der Welt, seiner Herkunft und seinen Zielen befassen. Eine derartige thematische Nähe von Weltanschauung und Religion lässt sich vielmehr auch systematisch aus der durchgehenden Erwähnung im gleichen Regelungskontext erwarten. bb) Erfordernis einer Gesamtdeutung Bereits im Rahmen des Überblicks über die Normstruktur der Weltanschauungsfreiheit war festgestellt worden, dass das Grundgesetz einerseits mit den religiösen und politischen Anschauungen des Art. 3 Abs. 3 GG eine Pluralformulierung der „Anschauungen“ kennt, von „Weltanschauung“ aber gleichwohl durchgehend im Singular spricht. Auf Basis der Wortlautauslegung war für die thematische Breite der Weltanschauung eine Gesamtdeutung gefordert worden. Diese Forderung findet durch die unterschiedliche Erwähnung von Anschauungen einerseits und der Weltanschauung andererseits auch eine Stütze in der systematischen Auslegung. Die Aufzählung der Religion in Art. 3 Abs. 3 GG lässt nachfolgend im systematischen Vergleich mit Art. 4 Abs. 1, Art. 7 Abs. 5 GG und insbesondere mit dem thematisch nahestehenden besonderen Differenzierungsverbot des Art. 33 Abs. 3 Satz 2 GG die Erwähnung der Weltanschauung erwarten. Stattdessen fügt der Ver 232 Vgl. z. B. das Verhältnis der Meinungsfreiheit in Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG zur Presse­freiheit in Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG und zu den Sonderformen der wissenschaftlichen und künstlerischen Äußerung in Art. 5 Abs. 3 GG.

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fassungsgeber an dieser Stelle aber den nur in dieser Norm des Grundgesetzes vorkommenden Begriff der politischen Anschauungen ein. Dies legt in systematischer Hinsicht einen bewussten Verzicht auf die Erwähnung der Weltanschauung in Art  3 Abs.  3  GG und damit eine inhaltliche Differenzierung nahe.233 Im Vergleich zu den übrigen Erwähnungen der Weltanschauung im Singular lässt der Vergleich mit den politischen Anschauungen daher den systematischen Schluss zu, dass für eine Weltanschauung im Unterschied zur politischen Anschauung nicht bereits eine beliebige thematische Einzelauffassung genügen soll, sondern es für das Vorliegen einer Weltanschauung einer thematisch umfassenderen Gesamt­ deutung bedarf. c) Historische Auslegung zur Begriffsbestimmung Im Rahmen der Wortlautauslegung wurde ferner bereits deutlich, dass die Mitglieder des Parlamentarischen Rates bei der Übernahme des Begriffs der Weltanschauung diesem ein gemeinsames Vorverständnis zugrunde legten, welches sich aus der Verwendung des Begriffs der Weltanschauung in der WRV und dessen Kommentierung durch Anschütz ergab.234 Für die Bestimmung des Begriffs der Weltanschauung anhand der historischen Auslegung muss daher einerseits dieses zeitgenössische Vorverständnis näher untersucht werden  (aa). Andererseits wurden auch in den inhaltlichen Beratungen des Grundsatzausschusses des Parlamentarischen Rates konkrete Anforderungen an den Begriffsinhalt der Weltanschauung thematisiert, die es zu untersuchen gilt (bb). aa) Vorverständnis des Verfassungsgebers Um das Vorverständnis des Verfassungsgebers aufzudecken, gilt es zunächst zu untersuchen, welche Gruppen in den Verfassungsberatungen und auf Basis der Kommentierungen zur WRV als Weltanschauungsgemeinschaften verstanden wurden (1), um diese Gruppen im Anschluss näher zu betrachten (2) – (6). Hierdurch können Rückschlüsse auf den nach dem Vorverständnis notwendigen Inhalt und der veränderten gesellschaftlichen Bedeutung von weltanschaulichen Lehren gezogen werden (7).

233 Die bewusste Entscheidung des Grundsatzausschusses des Parlamentarischen Rates lässt sich auch durch die Normgenese bestätigen: Der Grundsatzausschuss setzt für Art. 3 Abs. 3 GG die vorgesehene Fassung von Prof. Thoma nicht um, die eine Erwähnung der Weltanschauung vorgesehen hatte. Vgl. Pikart/Werner in Schick/Kahlenberg, Der Parlamentarische Rat, Bd. 5, 1. Hlbbd., S. 375; v. Doemming/Füsslein/Matz in Leibholz/v. Mangoldt, JöR Bd. 1 N. F., S. 68. 234 Vgl. 2. Kapitel B. I. 1. a) bb) (1) (b).

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(1) Beispiele für Weltanschauungsgemeinschaften in den Verfassungsberatungen und der zeitgenössischen Kommentierung Für die Gleichstellung von Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften in Art.  137  WRV sprach sich im Rahmen der Beratungen zur WRV erstmals der Abgeordnete Katzenstein (SPD) aus, ohne jedoch den Begriff der Weltanschauungsgemeinschaft hierbei näher zu definieren oder konkrete Beispiele für Weltanschauungsgemeinschaften zu nennen.235 Der Begriff wurde jedoch zuvor bereits von dem Abgeordneten Naumann (DDP) verwendet,236 der als Beispiele für Vereine, die sich mit Weltanschauungsfragen befassen, Monisten und Freidenker nannte.237 Für die Annahme eines authentischen Willens, mit der Gleichstellung in Art.  137  Abs.  7  WRV gerade diese Vereinigungen zu erfassen, spricht hierbei der Umstand, dass die Aufnahme der Weltanschauungsgemeinschaften in Art. 137 WRV letztlich auf einen gemeinsamen Antrag von Abgeordneten der SPD und der DDP zurückgeht, wenn auch auf Seiten der DDP der Abgeordnete Ablaß und nicht Naumann selbst als Antragsteller aufgeführt wird.238 Auch der Abgeordnete Mausbach (Z) nannte „Monistenbünde oder ähnliche Vereine, die einen persönlichen Gott leugnen“, als explizites Beispiel für Welt­ anschauungsgemeinschaften und wollte darunter solche Vereine erfassen, die vom wissenschaftlichen Standpunkt nicht als rein religiös gelten könnten.239 Zu diesen in der Verfassungsberatung zur WRV genannten Beispielen für Weltanschauungsgemeinschaften kommen als Quelle für den Parlamentarischen Rat weitere Beispiele durch die Kommentierung hinzu. So wird in der den Mitgliedern des Parlamentarischen Rates bekannten klassischen Kommentierung der WRV durch Anschütz240 auf der Basis der Erwägungen der Verfassungsgebenden Nationalversammlung die Einteilung in religionsfreie und irreligiöse Weltanschauungen vorgenommen. Darin werden dem Monismus als weitere Beispiele der Atheismus und der Materialismus zur Seite gestellt, ohne jedoch die Freidenker als eigenständige Gruppe zu nennen.241 In der Diskussion des Parlamentarischen Rates wurden durch den Abgeordneten Bergsträsser (SPD) jedoch erneut gerade diese Freidenker als Beispiel einer Weltanschauungsgruppe erwähnt.242 Ferner wurde, im Zusammenhang mit der Mög 235

Bohusch, Grundlagen der Glaubensfreiheit, S. 166; Verhandlungen der WNV, Bd. 336, S. 201. Bohusch, Grundlagen der Glaubensfreiheit, S. 171. 237 Verhandlungen der WNV, Bd. 336, S. 191. 238 Verhandlungen der WNV, Bd. 336, S. 205. 239 Verhandlungen der WNV, Bd. 338, S. 1661. 240 Vgl. die Darstellung zur Übernahme durch den Parlamentarischen Rat, 2. Kapitel B. I. 1. a) bb) (1) (b). 241 Anschütz, WRV, 6. unv. Aufl., Art. 137 Nr. 11 (Abs. 7), S. 367 f. 242 PRat-Drucks. Nr. 244, Ausschuss für Grundsatzfragen, 24. Sitzung, 23. November 1948, nach Schick/Kahlenberg, Der Parlamentarische Rat, Bd. 5, 2. Hlbbd., S. 623. 236

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lichkeit des Missbrauchs der weltanschaulichen Bekenntnisfreiheit zum Kampf gegen das Grundgesetz, als Konkretisierung zu der allgemeinen Ausführung des Vorsitzenden von Mangoldt (CDU), durch den Abgeordneten Wunderlich (SPD), der Bund für Gotterkenntnis (Ludendorff) e. V. genannt. Der hieran anschließende Zwischenruf der Abgeordneten Nadig (SPD) „Deutschgläubigkeit“ dürfte hingegen nur den anderen Abgeordneten als eine nähere Erklärung zum Inhalt der Lehre des Ludendorff-Bundes gedient haben, und weist auf eine informelle Verständigung der Abgeordneten über die Einordnung des Bundes entsprechend der Vorrede durch von Mangoldt und Wunderlich hin.243 Aufgrund der expliziten Nennung der Freidenker und der sog. Deutschgläubigen in der Beratung des Parlamentarischen Rates können in diesen Gruppen Archetypen für Weltanschauungen nach dem Willen des historischen Verfassungsgebers gesehen werden. Der Umstand, dass in der Beratung zur WRV ferner an verschiedenen Stellen Monisten bzw. Monistenbünde genannt wurden, spricht dafür auch diese in die nachfolgende Betrachtung mit einzubeziehen. Das in der Kommentierung durch Anschütz hingegen zwar die Monisten, sowie der Atheismus und der Materialismus, nicht jedoch die Freidenker als Weltanschauung genannt werden, könnte darauf hindeuten, dass hier eine thematische Überschneidung besteht, in welcher der Begriff des Freidenkertums letztlich aufgeht. Daher sollen auch diese beiden Begriffe in die Betrachtung des historischen Vorverständnisses mit einbezogen werden, um die inhaltliche Schnittmenge mit dem Frei­ denkertum zu ermitteln. (2) Atheismus als Beispiel einer Weltanschauung Zunächst soll der Atheismus betrachtet werden, der als Beispiel einer Weltanschauungsgruppierung durch die Kommentarliteratur zur WRV eingeführt wurde. Der Begriff „Atheismus“ bezeichnet seinem Bedeutungskern nach nur die Ablehnung einer bestimmten (personalen) Gottesvorstellung, während die übrige inhaltliche Konzeption offen und durch andere Vorstellungsmodelle ausfüllungs­fähig bleibt.244 Historisch lässt sich der europäische Atheismus als Ablehnung der jeweils vorherrschenden theistischen Idee nachweisen. Ablehnung und Kritik am antiken polytheistischen Pantheon wurden demnach ursprünglich auch dann als Atheismus verstanden, soweit sie auf eine monotheistische Konzeption zurück­ zuführen waren.245 243

PRat-Drucks. Nr. 338, Ausschuss für Grundsatzfragen, 26. Sitzung, 30. November 1948 nach Schick/Kahlenberg, Der Parlamentarische Rat, Bd. 5, 2. Hlbbd., S.755 f. 244 Zum Stw.: „Atheismus“ vgl.: Figl in StL, Bd. 1, Sp. 380 f.; Hoheisel in Kasper, LThK, 3. Aufl., Bd. 1, Sp. 1132, Seckler, ebend., Sp. 1135 f. 245 Figl in StL, Bd. 1, Sp. 380 f., Stw.: „Atheismus“; Lochman in Fahlbusch, Evangelisches Kirchenlexikon, Bd.  1, Sp.  302, Stw.: „Atheismus“; Schneemelcher in evStL, „Atheismus“, Sp. 127.

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Unter der vorherrschenden Stellung des Christentums wendete sich der Atheismus hingegen gegen die dort propagierte personale Gottesvorstellung,246 während aufkommende östliche Religionsentwürfe ohne personale Gottesvorstellung von dieser Kritik aufgrund der Relativierung des göttlichen Prinzips kaum betroffen waren, da sie die damals aktuelle atheistische Position der Ablehnung einer personalen Gottesvorstellung teilten.247 Vor diesem Hintergrund erklärt sich auch die Stellungnahme des Abgeordneten Mausbach (Z), den Buddhismus in seinem Werk als Weltanschauung einzuordnen,248 da er in seiner christlich geprägten Stellung als Priester und Dompropst, sowie Ordinarius für Moral und Apologetik in Münster249 eine personale Gottesvorstellung vertrat, und als gemeinsames Definitionsmerkmal aller Weltanschauungen in der Nationalversammlung folglich auch allgemein die Ablehnung einer personalen Gottesvorstellung annahm.250 Vor dem Hintergrund dieser historischen Definition erscheint die Aufnahme des Atheismus als Weltanschauung in die historische Kommentarliteratur als weiteres nicht explizit genanntes Beispiel konsequent, da alle atheistischen Strömungen zumindest das von Mausbach als für Weltanschauungen maßgeblich bezeichnete Definitionskriterium der Ablehnung einer personalen Gottesvorstellung notwendigerweise beinhalteten. Insoweit bietet die Verfassungsberatung zum Begriff der Weltanschauungsgemeinschaft eine Stütze für die Einbeziehung des Atheismus als Weltanschauung. Atheismus im Sinne des Fehlens einer personalen Gottesvorstellung darf jedoch gerade mit Blick auf asiatische Hochreligionen nicht allgemein mit Areligiosität gleichgesetzt werden.251 Sollen sich Religion und Weltanschauung nach den bisherigen Erwägungen weiter ausschließen, so wäre Atheismus als Teil einer inhalt­ lichen Konzeption folglich nur ein notwendiges, aber kein hinreichendes Kriterium, um vom Vorliegen einer Weltanschauung auszugehen.

246 Figl in Baer/Gasper/Müller/Sinabell, Lexikon neureligiöser Gruppen, Szenen und Welt­ anschauungen, Sp. 95, 98, Stw.: „Atheismus“. 247 Figl in Baer/Gasper/Müller/Sinabell, Lexikon neureligiöser Gruppen, Szenen und Welt­ anschauungen, Sp. 98, Stw.: „Atheismus“. 248 Mausbach, Kulturfragen in der deutschen Verfassung, S. 72. 249 Mertens in StL, Bd. 3, Sp. 1057, Stw.: „Mausbach“. 250 Vgl. Verhandlungen der WNV, Bd. 338, S. 1661. Unzutreffend erscheint daher der relativierende Auslegungsversuch zur Auffassung Mausbachs bei Bohusch, Grundlagen der Glaubensfreiheit, S. 199 f., da Mausbach in seinem Werk Kulturfragen in der deutschen Verfassung, auf S. 72 den Buddhismus tatsächlich als Weltanschauung einordnet. 251 Seckler, in Kasper, LThK, 3. Aufl., Bd.  1, Stw.: „Atheismus“, Sp.  1136; Figl in Lexikon neureligiöser Gruppen, Szenen und Weltanschauungen, Sp. 94. Schneemelcher in evStL, „Atheismus“, Sp. 126, merkt hierzu zutreffend an, dass dies seinerseits einen Religionsbegriff voraussetzt, der nicht auf den Glauben an einen persönlichen Gott beschränkt ist und weist auf einen entsprechenden Streit in der Religionswissenschaft hin.

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(3) Monismus als Beispiel einer Weltanschauung Als eines von zwei expliziten Beispielen für Weltanschauungsgemeinschaften werden in der Diskussion der Nationalversammlung sowohl von Mausbach (Z) als auch von Naumann (DDP) die Monisten genannt, so dass insoweit von einer größeren Übereinstimmung hinsichtlich der Charakterisierung als Weltanschauungsgemeinschaft innerhalb der Nationalversammlung ausgegangen werden kann. Der Begriff des Monismus bezeichnet hierbei ein Konzept, bei dem alles Vielfältige auf ein einziges Prinzip zurückgeführt wird.252 Historisch wird er in verschiedenen Spielarten vertreten, so dass ein idealistischer Monismus vom materialistischen, voluntaristischen und neutralem Monismus unterschieden werden kann.253 Soweit in der Verfassungsberatung von Monistenbünden die Rede ist, dürfte hiermit vor allem der 1906 in Jena gegründete, auf Ernst Haeckel zurückgehende Deutscher Monistenbund gemeint sein, der eine antiklerikale Haltung mit einer an den Ergebnissen der Naturwissenschaften orientierten Rückführung auf ein monistisches Prinzip verband.254 Besondere Bedeutung innerhalb des monistischen Verbandes hatte die Verbreitung der Lehre in Form der Predigt, sowie die Darstellung von Leben- und Weltverständnis in zahlreichen öffentlichen Publikationen.255 Als Ziele der Bewegung werden die Einführung einer religiös neutralen Eidesformel, die Trennung von Kirche und Staat, die Simultanschule mit konfessionslosem „Moralunterricht“ und die Förderung der Feuerbestattung genannt.256 Seinen größten Zuspruch hatte dieser in der Zeit vor dem ersten Weltkrieg, wonach er bis zu seiner Auflösung durch die Nationalsozialisten 1933 rasch an Bedeutung verlor.257 Maßgebend für die einheitlich-monistische Weltanschauung sollte nach der Satzung des Verbandes die Naturerkenntnis sein.258 Wesentlicher Inhalt der Lehre war die Rückführung allen Geschehens auf einheitliche den ganzen Kosmos regelnde Gesetzmäßigkeiten, die als Naturgesetze teilweise bereits aufgedeckt, teilweise noch wissenschaftlich erforscht werden müssten.259 Festzustellen bleibt insoweit, dass der Begriff des Monismus als solcher ebenfalls wie der Begriff des Atheismus, nur ein Grundprinzip bezeichnet und daher für die Ausfüllung durch atheistische, antiklerikal-freigeistliche, materialistische oder humanistische Ideen grundsätzlich offen bleibt. Innerhalb der in einer Gruppe tatsächlich ausgeformten Weltanschauung kann es daher zu Überschneidungen der einzelnen Zuordnungen kommen. 252 Faber in Baer/Gasper/Müller/Sinabell, Lexikon neureligiöser Gruppen, Szenen und Weltanschauungen, Sp. 828 f., Stw.: „Monismus“; Ollig in Kasper, LThK, 3. Aufl., Bd. 7, Sp. 411, Stw.: „Monismus“; Mehlhausen/Dunkel in Müller, TRE, Bd. 23, S. 212. 253 Ollig in Kasper, Lexikon für ThK, 3. Aufl., Bd.  7, Sp.  412, Stw.: „Monismus“; Mehl­ hausen/Dunkel in Müller, TRE, Bd. 23, S. 212. 254 Ollig in Kasper, LThK, 3. Aufl., Bd. 7, Sp. 413 Stw.: „Monistenbund“. 255 Spieldiener, Weltanschauung, S. 38; Mehlhausen/Dunkel in Müller, TRE, Bd. 23, S. 216. 256 Mehlhausen/Dunkel in Müller, TRE, Bd. 23, S. 216. 257 Ollig in Kasper, LThK, 3. Aufl., Bd. 7, Sp. 412 f. Stw.e: „Monismus/ Monistenbund“. 258 Mehlhausen/Dunkel in Müller, TRE, Bd.  23, S.  216; Mertesdorf, Weltanschauungs­ gemeinschaften, S. 372. 259 Mertesdorf, Weltanschauungsgemeinschaften, S. 375.

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(4) Freidenker als Beispiel einer Weltanschauung Als weitere weltanschauliche Gruppierung wurden sowohl in der Verfassungsberatung zur WRV wie auch in den Beratungen zum Grundgesetz die Frei­denker erwähnt. Dieser Begriff bezeichnet gemäß der ersten Satzungsbestimmung des 1880 gegründeten internationalen Freidenkerbundes jede Bestrebung rationalistisches Gedankengut zu verbreiten, die Gesellschaft von religiösen Vorurteilen zu befreien und für die Freiheit des Gewissens einzutreten.260 Spieldiener sieht in den Freidenkern daher mit gewissem Recht eine Sammelbezeichnung für Gemeinschaften, deren Gemeinsamkeiten darin bestehen sollen, nicht von christlichen Wurzeln aus weiterentwickelt worden zu sein, sondern von Anfang an auf neuzeitlichen, naturwissenschaftlichen oder philosophischen Grundlagen begründet zu sein.261 Der Ursprung des Begriffs des Freidenkers lässt sich gleichwohl auf eine religiöse Verbindung zurückführen. Molyneux bezeichnete in einem Brief an Locke 1697 den Autor des Buches „Christianity not mysterious“, John Toland, als „freethinker“, da dieser sich um eine vernunftmäßige, widerspruchsfreie Erklärung des Christentums bemühte.262 Als weitere Gemeinsamkeit der Ende des 19. Jahrhunderts entstehenden kulturpolitischen Freidenkerbewegung wird demgegenüber ferner der atheistische Ansatz genannt, in seiner bereits beschriebenen Bedeutung als Ablehnung der historisch vorherrschenden religiös-institutionellen Lehren und Bindungen.263 In unterschiedlicher Ausprägung war daher die Trennung von Kirche und Staat und die Zurückdrängung des Einflusses der Kirchen auf das öffent­ liche Leben freidenkerisches Programm, welches sich unter anderem durch die Förderung der Feuerbestattung und die Vornahme von Kinder- und Jugendweihen als Ersatz für kirchlich-sakramentale Handlungen an Wendepunkten des Lebens konkretisierte.264 Trotz in vielerlei Hinsicht unzureichender Quellenlage über den Inhalt von Lehre und Überzeugung der einzelnen Freidenkergruppen265 wird auch von weltanschaulichem Jugendunterricht berichtet.266 260 Mehlhausen in Müller, TRE, Bd. 11, S. 491 Stw.: „Freidenker“; Vgl. ferner Feiereis in Kasper, LThK, 3. Aufl., Bd. 4, Sp. 92, Stw.: „Freidenker“ der auf eine Selbstbezeichnung in einem Freidenkerlexikon von 1759 verweist, wonach Skeptiker, Indifferentialisten, Naturalisten und Atheisten zu den Freidenkern gerechnet werden. 261 Spieldiener, Weltanschauung, S. 35 f. 262 Mehlhausen in Müller, TRE, Bd. 11, S. 489 Stw.: „Freidenker“; Reinalter in Fahlbusch, Evangelisches Kirchenlexikon, Bd. 1, Sp. 1348 Stw.: „Freidenker“; Feiereis in Kasper, LThK, 3. Aufl., Bd. 4, Sp. 92, Stw.: „Freidenker“. 263 Mehlhausen in Müller, TRE, Bd. 11, S. 490, Stw.: „Freidenker“ hält die negative Abgrenzung von der kirchlichen Lehre aufgrund der Weite des Begriffs „Freidenker“ sogar für das charakteristische Merkmal des deutschen Freidenkertums. Reinalter in Fahlbusch, Evangelisches Kirchenlexikon, Bd. 1, Sp. 1348 Stw.: „Freidenker“ weist auf die synonyme Verwendung von „Freidenker“ und Atheist im 19. und 20. Jahrhundert hin. 264 Vgl. Reinalter in Fahlbusch, Evangelisches Kirchenlexikon, Bd. 1, Sp. 1348 Stw.: „Freidenker“. 265 Vgl. Kritik bei Mehlhausen in Müller, TRE, Bd. 11, S. 491, Stw.: „Freidenker“. 266 Fincke in Baer/Gasper/Müller/Sinabell, Lexikon der neureligiösen Gruppen, Szenen und Weltanschauungen, Sp. 394, Stw.: „Freidenker/Freigeistige Bewegung“.

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Als geistige Quellen des Ende des 19.  Jahrhunderts aufkommenden Freidenkertums werden zum einen die Religionskritik Feuerbachs, ferner der zunehmende natur­wissenschaftlich-mechanistische Erkenntnisfortschritt und die hierauf aufbauenden Theorien sowie der dialektische Materialismus angesehen.267 Der auf den naturwissenschaftlichen Erkenntnisfortschritt gegründete Deutsche Monistenbund wird daher ebenfalls dem Freidenkertum zugerechnet; sein besonderer Verdienst sei die Verbreitung des freiheitlichen Gedankengutes im Bürgertum gewesen, während sich das proletarische Freidenkertum durch eine stärkere Hervorhebung des dialektischen Materialismus hiervon unterschieden habe.268 Die weitere Spaltung269 der Freidenkerbewegung in einen sozialdemokratischen und einen proletarischen Freidenkerverband, sowie die zunehmende Politisierung der Freidenkerbewegung während der Weimarer Republik werden als ein Grund für den Niedergang von ca. 600.000 auf heute ca. 20.000 Mitglieder270 verantwortlich gemacht. Zu Recht wird jedoch auch auf die veränderten politischen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen und die nunmehr weitgehend erreichte Freiheit des Denkens verwiesen,271 um zu erklären, warum die Freidenkerbewegung heute nicht mehr die gesellschaftliche Beteiligung findet, die sie vor dem Verbot der Freidenkerorganisationen und Verbände 1933 hatte. Als gegenwärtig bedeutendster, der historischen Entwicklungslinie der Freidenkerbewegung zuzurechnender Verband wird der Humanistische Verband Deutschlands hervorgehoben, der aus dem Deutschen Freidenkerverband mit Sitz in Westberlin hervorgegangen ist, der seinerseits dem 1933 aufgelösten sozialdemokratischen Freidenkerverband thematisch nahe stand.272 Unter Beibehaltung hergebrachter Formen der Freidenkerbewegung (Jugendweihen, Jugendfeiern, Lebenskundeunterricht) tritt dieser heute eher für eine umfassende Gleichberechtigung mit den Kirchen ein, als traditionalistisch eine Abschaffung der Privilegien dieser Gruppen zu fordern.273 267 Fincke in Baer/Gasper/Müller/Sinabell, Lexikon der neureligiösen Gruppen, Szenen und Weltanschauungen, Sp.  394, Stw.: „Freidenker/Freigeistige Bewegung“; Feiereis in Kasper, LThK, 3.  Aufl., Bd.  4, Sp.  92, Stw.: „Freidenker“; Reinalter in Fahlbusch, Evangelisches Kirchenlexikon, Bd.  1, Sp.  1348, Stw.: „Freidenker“; Mehlhausen in Müller, TRE, Bd.  11, S. 490 f., Stw.: „Freidenker“. 268 Feiereis in Kasper, LThK, 3. Aufl., Bd. 4, Sp. 92, Stw.: „Freidenker“. 269 Mehlhausen in Müller, TRE, Bd. 11, S. 491, Stw.: „Freidenker“. 270 Fincke in Baer/Gasper/Müller/Sinabell, Lexikon der neureligiösen Gruppen, Szenen und Weltanschauungen, Sp. 394, 397. Stw.: „Freidenker/Freigeistige Bewegung“. 271 Mehlhausen in Müller, TRE, Bd. 11, S. 492, Stw.: „Freidenker“. 272 Fincke in Baer/Gasper/Müller/Sinabell, Lexikon der neureligiösen Gruppen, Szenen und Weltanschauungen, Sp.  394 ff. Stw.: „Freidenker/Freigeistige Bewegung“; Mertesdorf, Welt­ anschauungsgemeinschaften, S.  345 weist auf die Wurzeln in der Freidenkerbewegung hin, ordnet den HVD jedoch als bedeutenden Vertreter eines eigenständigen humanistischen Spektrums ein. Spieldiener, Weltanschauung, S. 42 sieht mit der Humanistischen Union hingegen den Humanismus in der freidenkerischen Tradition. 273 Fincke in Baer/Gasper/Müller/Sinabell, Lexikon der neureligiösen Gruppen, Szenen und Weltanschauungen, Sp. 396 f. Stw.: „Freidenker/Freigeistige Bewegung“. A. A. Feiereis in

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(5) Materialismus als Beispiel einer Weltanschauung Schließlich wurde in der Kommentierung der WRV der Materialismus als Weltanschauung genannt. Unter dem Oberbegriff des Materialismus wird dabei eine Reihe von Theorien eingeordnet, deren Gemeinsamkeit in der Vorrangigkeit des Stofflich-physischem besteht.274 Unter diesen Oberbegriff lässt sich auch der Monismus einordnen, der als ontologischer Materialismus den Grund der Wirklichkeit auch hinsichtlich ihrer moralisch-ideellen Realität auf Eigenschaften der Materie und deren Wechselwirkungen zurückführt.275 Als weiteres Beispiel kann ferner der historische Materialismus genannt werden, der die geschichtliche Entwicklung auf materielle Begebenheiten wie den Besitz an Produktionsmitteln zurückführt.276 Die materialistischen Theorien sind in ihrer Vielfalt dabei insgesamt kaum durch einen einheitlichen Lehrbestand geprägt, sondern erweisen sich in der historischen Betrachtung oftmals als Ablehnung andererseits vorherrschender (ideeller) Theorien.277 Neben dem Verständnis als theoretischer Erklärungsansatz lässt sich der Mate­ rialismus daneben auch als heuristische Devise deuten. Als Realität wird demnach nur anerkannt, was sich durch naturwissenschaftliche Messung beschreiben und somit auf eine materielle Grundlage zurückführen lässt.278 Soweit aufgrund des gegenwärtigen Standes der Wissenschaften eine Beschreibung eines tatsächlich wahrnehmbaren Phänomens (wie Willensbildung oder Gewissen) noch nicht auf materielle Gegebenheiten zurückgeführt werden kann, wird für diese der materialistischen Theorie folgend gleichwohl eine noch aufzuklärende materielle Grundlage unterstellt,279 so dass der Materialismus eine progressive Haltung zum technischen Fortschritt mittelbar unterstützt. In dem hier vor allem maßgeblichen weltanschaulichen Kontext lässt sich zunächst feststellen, dass Materialismus als solcher nicht zwingend als areligiös oder religionskritisch bezeichnet werden muss,280 sondern durchaus pantheistische281 ­ asper, LThK, 3. Aufl, Bd. 4, Sp. 93, Stw.: „Freidenker“, der das traditionelle Ziel der BeseiK tigung des Einflusses der Kirchen auf das Leben und die Gesellschaft durch Verbreitung eines atheistischen Humanismus für die gesamte Freidenkerbewegung weiterhin als maßgeblich ansieht. 274 Löw in StL, Sp. 1054, Stw.: „Materialismus“; Lutz-Bachmann in Kasper, LThK, 3. Aufl., Bd. 7, Sp. 1465, Stw.: „Materialismus“. 275 Lutz-Bachmann in Kasper, LThK, 3. Aufl., Bd. 7, Sp. 1465, Stw.: „Materialismus“. Ähnlich Lütterfelds in Fahlbusch, Evangelisches Kirchenlexikon, Bd. 3, Sp. 339 f. Stw.: „Materialismus“, der im Materialismus eine Variante des Monismus sieht. 276 Löw in StL, Bd. 3, Sp. 1054, Stw.: „Materialismus“. 277 Lutz-Bachmann in Kasper, LThK, 3. Aufl., Bd. 7, Sp. 1465, Stw.: „Materialismus“. 278 Löw in StL, Bd. 3, Sp. 1054, Stw.: „Materialismus“. 279 Schmidt in Müller, TRE, Bd. 22, S. 263 f. 280 Lutz-Bachmann in Kasper, LThK, 3. Aufl., Bd. 7, Sp. 1465 f., Stw.: „Materialismus“. 281 Lütterfelds in Fahlbusch, Evangelisches Kirchenlexikon, Bd. 3, Sp. 340, Stw.: „Materialismus“ unter Verweis auf Diderots.

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oder deistische Erklärungsmodelle282 hinsichtlich des Ursprungs der Materie zulässt. Anders als zu Beginn des 20. Jahrhunderts und während der Hochphase materialistisch inspirierter Weltanschauungstheorien noch allgemein angenommen, erscheint heute nach Entdeckung der Atomkernspaltung auch der Begriff der Materie als solcher wieder ungeklärt.283 In Ermangelung einer belastbaren Definition von Materie erscheint daher die frühere Parallelität von religionskritischem Atheismus und materialistischer Erklärung des Ursprungs und der Zusammensetzung der Welt weniger zwingend. Ausgehend von der heuristischen Methode orientiert sich der Materialismus auch stärker als metaphysisches Lehrgebäude an praktisch oder geschichtlich begrenzten Aufgabenstellungen und kommt daher zu bestimmten Einzelaussagen, die sich eher für die Kritik an anderen Lehrmeinungen eignen, als dass sich daraus in der Zusammenschau eine umfassende Sinndeutung für das menschliche Leben ergibt. Der Grundthese, dass sich alles Wirkliche auf Materie zurückzuführen lässt, kommt an sich kein Eigenwert zu; hieraus lässt sich allenfalls indirekt eine Maxime der Lebensgestaltung entwickeln.284 Gibt es auf Basis des theoretischen Materialismus keine andere Realität als die sinnlich wahrnehmbare, so können daraus für die begrenzte Zeit menschlicher Existenz, neben dem auf größtmöglichen Konsum angelegten Vulgärmaterialismus,285 zum einen die Hervorhebung und Steigerung menschlicher Solidarität als Sinndeutung angeboten werden,286 wie man sie im Humanismus finden mag. Zum anderen mag die in der Umwelt wahrgenommene Materie selbst etwas Ursprüng­ liches darstellen, welches den Menschen überdauert und zugleich Gegenstand und Quelle seiner innerweltlichen Selbsterfahrung ist und daher Verehrung und Respekt verdient.287 Zusammenfassend lässt sich daher im Vergleich zu den anderen in der Kommentierung genannten Beispiele für Weltanschauungen feststellen, dass der Monismus als eine spezielle Form des Materialismus verstanden werden kann und eine atheistische Position die Ausbildung eines materialistischen Weltbildes fördert und umgekehrt.288 Es besteht folglich ein enger wechselseitiger Zusammenhang zwischen den von Anschütz als nähere Erläuterung von Weltanschauung aufgeführten Beispielen. 282

Schmidt in Müller, TRE, Bd. 22, S. 267. Vgl. Löw in StL, Bd. 3, 1987, Sp. 1057, Stw.: „Materialismus“. 284 Vgl. Schmidt in Müller, TRE, Bd. 22, S. 264 m. w. N. 285 Löw in StL, Bd. 3, Sp. 1054 a. E., Stw.: „Materialismus“. Weniger drastisch spricht Lütterfelds in Fahlbusch Evangelisches Kirchenlexikon, Bd. 3, Sp. 339, Stw.: „Materialismus“, von materiellem Wohl und optimale Befriedigung der Bedürfnisse. 286 Schmidt in Müller (Hrsg.), TRE, Bd. 22, S. 264. 287 Vgl. Lutz-Bachmann in Kasper, LThK, 3. Aufl., Bd. 7, Sp. 1466, Stw.: „Materialismus“ (Natur- und Kosmosverehrung). 288 Schon im antiken Griechenland wurde von Platon erkannt, dass die Schriften Demokrits mit der Begründung der materialistischen Idee sich i. E. gegen das Götterpantheon wandten (vgl. Löw in StL, Bd. 3, Sp. 1055, Stw.: „Materialismus“). Atheismus bedeutete in seiner damaligen Wortbedeutung aber gerade Kritik am polytheistischen Pantheon (Vgl. S. 155). 283

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(6) Die Gotterkenntnis nach Mathilde Ludendorff als Beispiel einer Weltanschauung Als letztes im Parlamentarischen Rat bei der Beratung des Grundgesetzes genanntes Beispiel einer Weltanschauung soll die Gotterkenntnis nach Mathilde Ludendorff dargestellt werden. Diese basiert auf den philosophischen Schriften Mathilde Ludendorffs zu einer „deutschen Gotterkenntnis“. Ausgehend von der Erkenntniskritik Kants werden Gottesvorstellungen dabei als ein, die Kategorie der Vernunft überschreitender, Ausdruck der Suche des Menschen nach Lebens­ erfüllung gedeutet und zwischen der Erscheinung und dem dahinterstehenden Wesen der Erscheinung unterschieden. Ähnlich Schopenhauers Intuition von der Welt als objektiviertem Willen wird hinter der Erscheinungswelt eine Vorstellung von Gott, dem Jenseits, dem Absoluten und Transzendenten gesehen und als Wesen der Dinge verstanden, welches sich in ihrem Willen äußere. Die Weltanschauung nach Ludendorff gründet sich von diesen Erwägungen ausgehend auf zwei Elementen: dem Vernunfterkennen und dem Gotterleben des Ichs. Während das Vernunfterkennen die Erscheinungswelt und ihre Gesetze in naturwissenschaftlicher Art aufdecke, ermöglicht das Ich ein intuitives Erleben des hinter den Erscheinungen stehen Wesens der Dinge und hat Anteil an diesen. Das Wesen aller Erscheinung wird als göttlich verstanden, Gottesbegriffe und insbesondere Vorstellungen von einem persönlichen Gott werden aber als Fehlgriffe der menschlichen Vernunft beurteilt. Ziel des menschlichen Lebens sei es schließlich, der Weltanschauung folgend, dieses bewusste Erkennen und Erleben des Göttlichen und den Gotteinklang der Seele zu erreichen.289 Der Zwischenruf von Frau Nadig (SPD) „Deutschgläubigkeit“ in der Beratung des Parlamentarischen Rates weist über diesen Kernbestand hinausgehend aber bereits auf einen weiteren, den deutschvölkischen Aspekt der Weltanschauungslehre Ludendorffs hin. So komme nicht nur dem Einzelnen in seinem Ich­erleben die Intuition des Göttlichen zu, das intuitive Erkennen des Wesens der Dinge werde darüber hinaus vielmehr über eine Verbindung des Einzelnen mit der jeweiligen Volksseele auch kollektiv beeinflusst. Diese Intuition sei umso stärker gegeben, als die Volksseele nicht durch negative Einflüsse der Rassemischung und von Fremdlehren verschüttet sei, und eine Übereinstimmung zwischen Rassetugenden und dem von der Volksgemeinschaft ererbtem Gotterleben bestehe.290 Zur Pflege und Verbreitung der Weltanschauungslehre Mathilde Ludendorffs wurde nach mehreren Vorläuferorganisationen 1937 die „Vereinigung für Deutsche 289

Vgl. die Darstellungen zum Inhalt der Weltanschauungslehre bei Krech/Kleiminger, Handbuch Religiöse Gemeinschaften und Weltanschauungen, S. 618; Schmid/Schmid, Kirchen, Sekten, Religionen, S. 491 f.; Spieldiener, Weltanschauung, S. 20. 290 Vgl. Krech/Kleiminger, Handbuch Religiöse Gemeinschaften und Weltanschauungen, S. 618 und S. 627 unter Bezugnahme auf „Aus der Gotterkenntnis meiner Werke“ von ­Mathilde Ludendorff, S. 64 ff.

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Gotterkenntnis (L)“ gegründet.291 Durch Ministerialerlasse vom 26. November 1936 und vom 8. Mai 1937 konnte die Eintragung der Zugehörigkeit zur Vereinigung anstelle der Eintragung des religiösen Bekenntnisses in öffentlichen Vordrucken und Urkunden vorgenommen werden, worin eine Anerkennung der Vereinigung als Weltanschauungsgemeinschaft gesehen wurde.292 1951 wurde die Gemeinschaft in „Bund für Gotterkenntnis (L) e. V.“ umbenannt.293 Am 25. Mai 1961 wurde der Verein vom bayrischen Innenministerium wegen Verstoßes gegen die verfassungsmäßige Ordnung und den Gedanken der Völkerverständigung verboten.294 Nach Rückverweisung durch das Bundesverwaltungsgericht im Jahre 1971 wurde das Verbot nach 15-jährigem Rechtsstreit 1976 wieder aufgehoben.295 Als Grund für die schnelle Wiedergründung des Bundes nach dem 2. Weltkrieg wird eine relative Ferne und organisatorische Selbstständigkeit gegenüber dem NS-Regime gesehen.296 Seine Mitgliederzahl wurde nach dem 2. Weltkrieg auf ca. 4000 Mitglieder geschätzt.297 Der Erwerb der Mitgliedschaft setzt als Bekenntnisakt den Kirchenaustritt voraus.298 Der Bund selbst kennt seiner Weltanschauung folgend keine Kulthandlungen,299 so dass die Pflege des Werkes vor allem im Vertrieb von Schriften und Vortragsveranstaltungen besteht.300 Mitglieder des Bundes sollen ferner dazu angehalten sein, ihre Kinder durch Lebenskundeunterricht im Sinne der Gotterkenntnis zu erziehen.301 (7) Wertende Stellungnahme zu den zeitgeschichtlichen Erscheinungsformen von Weltanschauungen als Maßstab für die Begriffsbestimmung Nach der Einzelbetrachtung der historisch als Weltanschauungen aufgeführten Einzelpositionen ist festzuhalten, dass sich einerseits zwischen den weltanschau 291 Krech/Kleiminger, Handbuch Religiöse Gemeinschaften und Weltanschauungen, S. 617; Schmid/Schmid, Kirchen, Sekten, Religionen, S. 492. 292 BVerwG, Urteil vom 23.3.1971, Az.: I C 54/66, BVerwGE 37, S. 344 ff. 293 Schmid/Schmid, Kirchen, Sekten, Religionen, S.  492; BVerwG, Urteil vom 23.3.1971, Az.: I C 54/66, BVerwGE 37, S. 344 ff. 294 BVerwG, Urteil vom 23.3.1971, Az.: I C 54/66, BVerwGE 37, S. 344 ff. 295 Schmid/Schmid, Kirchen, Sekten, Religionen, S. 492; a. A. Krech/Kleiminger, Handbuch Religiöse Gemeinschaften und Weltanschauungen, S. 618 die 1977 als Aufhebungsdatum angeben. 296 Krech/Kleiminger, Handbuch Religiöse Gemeinschaften und Weltanschauungen, S. 615. 297 Schmid/Schmid, Kirchen, Sekten, Religionen, S. 492. 298 Krech/Kleiminger, Handbuch Religiöse Gemeinschaften und Weltanschauungen, S. 630. Vor diesem Hintergrund vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 8.11.1960, Az.: 1BvR 59/56; BVerfGE 12, S. 1 ff. 299 Baer in Baer/Gasper/Müller/Sinabell, Lexikon neureligiöser Gruppen, Szenen und Weltanschauungen, Sp. 878, Stw.: „Neugermanisches Heidentum“; Schmid/Schmid, Kirchen, Sekten, Religionen, S. 492; Spieldiener, Weltanschauung, S. 20. 300 Schmid/Schmid, Kirchen, Sekten, Religionen, S. 492; Krech/Kleiminger, Handbuch Religiöse Gemeinschaften und Weltanschauungen, S. 618; Spieldiener, Weltanschauung, S. 20. 301 Schmid/Schmid, Kirchen, Sekten, Religionen, S. 492; Krech/Kleiminger, Handbuch Religiöse Gemeinschaften und Weltanschauungen, S. 618.

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lichen Positionen erhebliche Übereinstimmungen gezeigt haben und anderseits wichtige Entwicklungslinien der Begriffsentwicklung nachgezeichnet werden konnten. Diese haben ihren Fortgang und ihren Niederschlag in der späteren Betrachtung gefunden und sind für die Auflösung der bestehenden juristischen Pro­ blemkomplexe von großer Bedeutung, da sich vieles erst vor dem Hintergrund des historischen Kontextes bewertend einordnen lässt. Zunächst kann festgestellt werden, dass das zeitgeschichtliche Phänomen der Weltanschauungsgemeinschaften als Massenbewegung sich vor allem auf den Zeitraum zwischen Ende des 19. Jahrhunderts und der Mitte des 20. Jahrhunderts erstreckt, mit einer Hochphase nach dem ersten Weltkrieg bis zu den ersten Verboten von Massenorganisationen ab 1933. Hieraus erklärt sich eine intensivere Befassung der Verfassungsgebenden Nationalversammlung mit den Weltanschauungen als einem effektiven gesellschaftlichen Phänomen, während Weltanschauungen in den Beratungen des Parlamentarischen Rates in den Jahren 1948/49 nur am Rande der Beratungen zur Religionsfreiheit und ferner im Kontext der Abkehr vom Nationalsozialismus thematisiert wurden. Die aktuelle gesellschaftliche Bedeutung von Weltanschauungen und Weltanschauungsgemeinschaften hatte sich zwischen den Verfassungsberatungen stark gewandelt. Die historischen Beispiele von Weltanschauungsgemeinschaften in den für den Parlamentarischen Rat maßgeblichen Quellen illustrieren ferner die Auslegung des normativ im Begriff der Weltanschauung umschrieben Phänomens, da auf zeitgeschichtliche Vorbilder reagiert wurde. Dies lässt einen Vergleich und eine Überprüfung der bisherigen Auslegung anhand der beispielhaft genannten Welt­ anschauungsgemeinschaften zu: Hatte die bisherige Auslegung insoweit gezeigt, dass hinsichtlich der inhalt­ lichen Tiefe und thematischen Geschlossenheit von Weltanschauungen keine allzu hohen Anforderungen zu stellen sind,302 so kann man diese These durch die historische Einordnung der Freidenker als Weltanschauungsgemeinschaft bestätigt sehen. Differenziert ist nach der historischen Auslegung hingegen die Frage zu beantworten, ob auch Einzelansichten dem Kriterium der Weltanschauung genügen können. Die Kommentierung durch Anschütz, der in Atheismus, Monismus und Materialismus jeweils Weltanschauungen sehen will, legt dies nahe. Ihr kann gleichwohl nicht gefolgt werden. Die eingehende Untersuchung des Inhaltes dieser Lehren hat gezeigt, dass zwischen diesen als Weltanschauungen genannten historischen Positionen erhebliche Übereinstimmungen und Schnittmengen bestehen, welche sich gegenseitig ausfüllen und ergänzen, so dass in der zusammenfassenden Betrachtung durchaus eine umfassende Weltanschauung angenommen werden kann, auch wenn es der jeweiligen Einzelposition an thematischer Spezifikation fehlt. In seiner Kommentierung scheint Anschütz auch vielmehr den in der Natio 302 Vgl. Ergebnis der Wortlautauslegung zur strukturell notwendigen Gesamtbetrachtung, 2. Kapitel B. I. 1. a) cc) (3).

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nalversammlung mehrfach tatsächlich gebrauchten Begriff der Freidenker, als ausdrücklich genanntes Beispiel für eine Weltanschauung, in seine jeweiligen Hauptströmungen aufgegliedert zu haben, um eine größere inhaltliche Präzision seiner Kommentierung zu erreichen. Dies legt die genauere historische Betrachtung jedenfalls nahe. So hatte sich gezeigt, dass in der Fachliteratur eine große Übereinstimmung dahingehend besteht, die Freidenkerbewegung als historisch wirksames gesellschaftliches Massenphänomen gerade durch die drei bei Anschütz einzeln dargestellten Strömungen gespeist zu sehen: Die Religionskritik (Atheismus), die fortschreitende naturwissenschaftliche Erkenntnis (Monismus) und den (dialektischen) Materialismus.303 Aus der veränderten zeitlichen Perspektive des Parlamentarischen Rates erscheint es gerade daher auch verständlich, die Freidenker als Beispiel der Weltanschauung zu nennen, und damit das sich gegenseitig beeinflussende weltanschauliche Gesamtphänomen dieser Strömung zu beschrieben, ohne auf den Monismus als speziellere Erscheinungsform einzugehen, wie es noch in der WNV der Fall war. Es ist daher an der Voraussetzung einer Gesamtdeutung für eine Weltanschauungsgemeinschaft festzuhalten. Mit der Einordnung der Freidenkerbewegung in die Gruppe der Weltanschauungen durch die WNV und den Parlamentarischen Rat, die ohne nähere Spezifikation des jeweiligen thematischen Inhaltes allein mit Blick auf das gesellschaftlich relevante Gesamtphänomen erfolgte, ist schließlich der Grundstein zu den heutigen juristischen Abgrenzungsproblemen der Weltanschauung gegenüber anderen Freiheitsrechten gelegt worden. Aus dem historischen Kontext dieser Entwicklungslinie werden die Spannungsfelder in der Abgrenzung von Religion und Weltanschauung, politischer Ideologie und Wissenschaft verständlich. Im Folgenden soll daher noch näher auf das für die Begriffsbestimmung der Weltanschauung wesentliche Verhältnis zum Begriff der Religion eingegangen werden, welches auch einen Vergleich mit den bisherigen Auslegungsergebnissen ermöglicht.304 Die historische Betrachtung hat gezeigt, dass das Spannungsfeld der Abgrenzung von Religion und Weltanschauung aus der atheistischen Strömung der Frei­ denkerbewegung entsteht, welche sich zeitgeschichtlich vor allem gegen die Kirche, ihre Privilegien und mit ihr gegen die personale Vorstellung eines Gottes richtet. Die historische Betrachtung bestätigt hierbei aber auch die bislang angenommene Auslegung, wonach Weltanschauung und Religion nicht über das Begriffspaar „immanent“ und „transzendent“ abgegrenzt werden kann. „Weltanschauung“ beinhaltet demnach zwar, aufgrund der Stellung der Freidenker­ bewegung als Gegenbewegung zur Position der in Deutschland vorherrschenden christlichen Kirchen, eine Ablehnung eines personalen Gottesbildes, wie es auch in der historischen Definition der Weltanschauung durch Mausbach hervorge­hoben 303

Vgl. Die Darstellungen der zeitgenössischen Weltanschauungsgemeinschaften im 2. Kapitel unter B. I. 1. c) aa). 304 Für die Bedeutung der historischen Entwicklungslinien für die Abgrenzung der poli­ tischen Ideologie und der Wissenschaftsfreiheit vgl. 2. Kapitel B. III. 2. und 4.

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wird. In diesem engen, zeitgeschichtlich und geographisch begrenzten Sinne ist die Freidenkerbewegung atheistisch. Der Gedanke der Transzendenz ist Weltanschauungen dabei aber nicht zwingend fremd, da die Auslegung gezeigt hat, dass Atheismus in diesem historisch engen Verständnis nicht gleichbedeutend mit Ir­ religiosität ist. Die Beispiele zum Monismus und Materialismus haben vielmehr gezeigt, dass diese freidenkerischen Grundpositionen durchaus mit deistischen oder pantheistischen Einstellungen zu vereinbaren sind. Auch die Lehre von Mathilde Ludendorff spricht von dem „Göttlichen“ im Wesen aller Dinge und wendet sich gegen personal-konkretisierte Gottesvorstellungen. In diesem Sinne können die angeführten Weltanschauungen daher in ähnlicher Weise transzendent und damit nach herkömmlicher Vorstellung religiös genannt werden, wie der Buddhismus oder andere asiatische Hochreligionen ohne personales Gottesbild. Soll es trotz der im Wege der historischen Auslegung gewonnenen Einsicht, dass sich Atheismus und Religiosität nicht ausschließen, aufgrund der bisherigen Systematik der juristischen Texte und dem daraus entsprechend erkennbaren Willen des Gesetzgebers gleichwohl bei einem Alternativverhältnis von Weltanschauung und Religion bleiben,305 muss dieses Spannungsverhältnis aufgelöst werden. Hierzu könnten entweder religiöse Formen, die keine personale Gottesvorstellung kennen aus dem juristischen Begriff der Religion ausgeschieden werden, wie es historisch der von Mausbach vorgebrachten und noch heute in der Religions­ wissenschaft teilweise vertretenen Ansicht entsprechen würde, oder es müsste eine Definition der Weltanschauung gefunden werden, die eine Unterscheidung zur Religion auch dann ermöglicht, wenn ein weitergehendes Religionsverständnis zugrundegelegt wird, das sich von der christlichen Vorstellung eines personalen Gottesbildes löst. Im Rahmen der Analyse der Begriffsgeschichte wurde nach der bisherigen Auslegung daher erwogen, auf die Erkenntnismethode der Weltanschauung abzustellen und unter Weltanschauung eine auf der Reflexion eigener Subjektivität, Sinneswahrnehmung und Erfahrungen beruhende sinnstiftende Gesamtauffassung zur Stellung des Menschen in der Welt zu verstehen, die intuitiv im Wege der Abstraktion gewonnen wurde. Die Abgrenzung zur Religion wurde dabei über die gegenüber dem Hauptteil der Definition einschränkenden Wendung gezogen, dass Weltanschauung nicht auf Erschließungs- und Offenbarungsereignissen beruhen darf, um somit die Eigenart der Religion als einer außerhalb des Menschen stehenden Erkenntnisquelle zu umschreiben. Hinsichtlich des auf der Begriffsgeschichte beruhenden Hauptteils des Definitionsversuchs hält dieser Definitionsvorschlag auch dem historischen Vergleich mit den als Weltanschauung bezeichneten Lehren stand: So stimmen gerade die freidenkerischen Strömungen des Materialismus als heuristische Devise und die 305 Vgl. Ergebnis der Wortlautauslegung zum systematischen Verhältnis, 2.  Kapitel  B. I. 1. a) cc) (4) und die einleitend dargestellte Gegenüberstellung von Weltanschauung und Religion im Textbefund der Verfassung, 2. Kapitel A. II.

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Lehre des Monistenbundes von der Förderung der Naturerkenntnis durch Auf­ decken der Naturgesetze in dem Ansatz überein, dass eine Weltanschauung durch Bewertung der menschlichen Sinneserfahrung gewonnen wird, auch wenn das Element der intuitiven Abstraktion nicht deutlich hervortritt.306 Deutlicher bestätigt diesen Ansatz aber, auch aufgrund ihrer großen Nähe zu den philosophischen Theorien, die Lehre des Bundes für Gotterkenntnis. Demnach erfolgt vom durch Beobachtung gewonnenen naturwissenschaftlichen Weltbild hin zur Weltanschauung gerade eine intuitiv-geistige Abstraktion, wodurch der Mensch aufgrund seiner speziellen Fähigkeit zur Gesamtbetrachtung tiefere Einsicht in die Wesen der Dinge erhält, als es bei rein wissenschaftlicher Betrachtung der Fall wäre. Insgesamt lässt sich daher festhalten, dass die anhand der Wortlautauslegung ermittelte Begriffsbedeutung, durch die auf die Betrachtung der für das Vorverständnis des Verfassungsgebers maßgeblichen weltanschaulichen Gruppierungen gestützte historische Auslegung bestätigt werden kann. bb) Erwägungen in der Beratung des Parlamentarischen Rates zum Begriff der Weltanschauung Um über das Vorverständnis hinaus auch die konkreten Erwägungen des Parlamentarischen Rates zum Inhalt des Begriffs der Weltanschauung darzustellen, empfiehlt es sich, zunächst auf die Entwicklung der Normsetzung und die hierzu geäußerten maßgeblichen Erwägungen einzugehen (1). Hieraus lässt sich sodann der nähere Inhalt der Weltanschauung ableiten, wie er sich anhand der Betrachtung der Normgenese darstellt (2). (1) Maßgebliche Erwägungen zur Normgenese Ausgangspunkt für den Begriffsinhalt der für die Weltanschauung maßgeb­ lichen Normgenese war der Entwurf von Herrenchiemsee, der in seinem Art. 6 die Fassung vorsah: „(1) Glaube, Gewissen und Überzeugung sind frei.“307 Zur fünften Sitzung des Ausschusses für Grundsatzfragen hatte ein Redaktionskomitee des Grundsatzausschusses bestehend aus Frau Weber (CDU) und Frau Nadig (SPD)308 daraus folgenden Vorschlag für die Fassung des Art.  4 Abs.  1 GG formuliert: „(1) Die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und der Überzeugung ist unverletzlich.“ Zur Übernahme des Begriffs der Überzeugung aus dem Herrenchiemseer Entwurf entgegen der ebenfalls denkbaren Übernahme der Fassung der WRV, 306 Dieses könnte jedoch ansatzweise im Verweis auf noch nicht aufgedeckte Naturgesetze oder andere noch abzuleitende Gesetzmäßigkeiten gesehen werden, so dass auch hier von einer intuitiven Abstraktion gesprochen werden kann [vgl. 2. Kapitel B. I. 1. c) aa) (3)]. 307 v. Doemming/Füsslein/Matz in Leibholz/v. Mangoldt, JöR, Bd. 1 N. F., S. 73. 308 Vgl. Protokoll der 4. Ausschusssitzung vom 23.09.1948 bei Pikart/Werner in Schick/Kahlenberg, Der Parlamentarische Rat, Bd. 5, 1. Hlbbd., S. 87 a. E.

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in dem nur Glaubens- und Gewissensfreiheit genannt wurden, führte Frau Weber für das Redaktionskomitee aus: „Wir wollten mit dieser Fassung auch moralische Grundsätze und Überzeugungen einbeziehen; die Beschränkung auf Glaube und Gewissen genügt nicht ganz.“ Die für die weitere Normgenese des Art. 4 Abs. 1 maßgebliche Fassung: „(1) Es besteht unbeschränkbare Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses.“ wurde zunächst durch Prof. Thoma in seiner kritischen Würdigung vom 25.10.1948 eingeführt. Er begründete seinen Änderungsvorschlag damit, dass der Artikel seinem Sinngehalt nach nicht die Freiheit des Glaubens und der Überzeugung schützen müsse, „wer sollte die antasten können?“. Vielmehr gehe es darum „die Freiheit des offenen Bekenntnisses aller Überzeugungen“ zu schützen.309 Unter Bezugnahme auf die vom Allgemeinen Redaktionsausschuss bearbeitete Stellungnahme Thomas, führte von Mangoldt (CDU) in die umfangreichen Be­ratungen zur Religionsfreiheit ein, die die ganze 24. Sitzung über andauerten. Von Mangoldt stellte dabei einleitend fest, dass die Formulierung des Redaktionsausschusses „die Freiheit der Überzeugung weg“ gelassen „und dafür die Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses“ eingesetzt habe. Eberhard (SPD) äußerte daraufhin, dass er diesen Vorschlag für eine Verbesserung halte, worauf von Mangoldt unter Hinweis auf Fraktionsberatungen der CDU und den Entwurf der Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen,310 skeptisch darauf verwies, „dass die Freiheit des Bekenntnisses schon in der Meinungsfreiheit liegt.“ Auf die Entgegnung von Süsterhenn (CDU), der die auf die Anregung ­Thomas zurückgehende Formulierung ebenfalls für eine Verbesserung hielt, ging der Ausschuss jedoch dazu über, eine sprachliche Formulierung unter Beibehaltung des weltanschaulichen Bekenntnisses zu diskutieren. Hierzu fragt von Mangoldt, „ob wir die Freiheit der Überzeugung herausstreichen sollen.“311 Dieses erfolgte sodann, ohne dass weitere Erwägungen hierzu dokumentiert sind. Kurz darauf schlug von Mangoldt für Art. 4 Abs. 1 GG die Formulierung „ihres Bekenntnisses“ anstelle der Fassung vom religiösen und weltanschaulichen Bekenntnis vor. Hierzu wendete Süsterhenn sodann ein, dass die bisherige Fassung sich nicht auf das rein Religiöse beschränke, wenn neben dem Religiösen das Weltanschauliche stehe, da „der Anhänger einer areligiösen Weltanschauung […] sich nicht als Anhänger eines Glaubens bezeichnen [wird].“312 Für den Begriffsinhalt der Weltanschauung erscheint weiterhin die 32. Sitzung des Grundsatzausschusses von Bedeutung. Hier schlug Süsterhenn (CDU) vor, den späteren Art. 136 Abs. 3 Satz 2 WRV um die Erwähnung der Weltanschauungsgemeinschaften zu ergänzen, da es „nicht konsequent“ sei, „man könnte dar 309

Pikart/Werner in Schick/Kahlenberg, Der Parlamentarische Rat, Bd. 5, 1. Hlbbd., S. 376. Pikart/Werner in Schick/Kahlenberg, Der Parlamentarische Rat, Bd. 5, 1. Hlbbd., S. 223. 311 Pikart/Werner in Schick/Kahlenberg, Der Parlamentarische Rat, Bd. 5, 2. Hlbbd., S. 622. 312 Pikart/Werner in Schick/Kahlenberg, Der Parlamentarische Rat, Bd. 5, 2. Hlbbd., S. 623.

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aus schließen, nach der Zugehörigkeit zu einer Weltanschauungsgemeinschaft darf unbeschränkt gefragt werden.“313 Daraufhin wurde die Frage aufgeworfen, wie auf eine entsprechende Frage zu antworten sei, „wenn jemand überhaupt nichts nach der Richtung aufzuweisen hat?“ Nach Ansicht von Süsterhenn müsste dann die entsprechende Frage entfallen „– der berühmte Strich“314. (2) Fazit für den Inhalt des Begriffs der Weltanschauung Zum Inhalt des Begriffs der Weltanschauung kann der dargestellten Genese zweierlei entnommen werden: Zunächst kann festgehalten werden, dass der Begriff der Weltanschauung an die Stelle des Begriffs der Überzeugung getreten ist. Wie die Ausführungen der Abgeordneten Weber darlegen, wollte bereits der erste Entwurf des Redaktionskomitees mit dieser Formulierung, neben Glauben und Gewissen auch moralische Überzeugungen schützen. Die durch von Mangoldt aufgeworfene Frage, ob der Begriff der Überzeugung nach Aufnahme des von Thoma alternativ vorgeschlagenen „weltanschaulichen Bekenntnisses“ gestrichen werden soll, zeigt an, dass trotz ähnlicher Schutzrichtung grundsätzlich keine vollständige Identität zwischen den beiden Begriffen besteht, sonst hätte es nicht der Frage bedurft. Für die Begriffsauslegung folgt daraus, dass es mit der historischen Auslegung vereinbar ist, an Weltanschauungen höhere Anforderungen als an bloße moralische Überzeugungen zu stellen. Dass der Begriff des weltanschaulichen Bekenntnisses an die Stelle der Überzeugung getreten ist, bestärkt jedoch die These hinsichtlich des weltanschaulichen Bekenntnisses als subjektive Voraussetzung zumindest innere Überzeugung zu fordern.315 Für eine entsprechend hohe Anforderung spricht auch, dass sich der Grundsatzausschuss bewusst war, dass Menschen gegebenenfalls weder ein religiöses, noch ein weltanschauliches Bekenntnis haben, sondern es auch Fälle gibt, die gar kein Bekenntnis aufweisen. Die bloße Irreligiosität allein begründet demnach also noch keine Weltanschauung.316 Als weiteres Merkmal der Weltanschauung wurde in der Beratung des Grundsatzausschusses die Areligiosität betont. Neben der entsprechenden Aussage durch Süsterhenn hebt dies auch die bereits thematisierte Nennung der Freidenker als Weltanschauungsgemeinschaft in der Beratung durch Bergsträsser (SPD) her­ vor,317 da die historische Betrachtung für diese Gruppe eine starke Inhomogenität

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Pikart/Werner in Schick/Kahlenberg, Der Parlamentarische Rat, Bd. 5, 2. Hlbbd., S. 928. Pikart/Werner in Schick/Kahlenberg, Der Parlamentarische Rat, Bd. 5, 2. Hlbbd., S. 929. 315 Vgl. hierzu auch die Darstellung im 2. Kapitel unter B. I. 2. a) ee) (1). 316 Vgl. hierzu die Feststellung, dass Atheismus kein hinreichendes Merkmal ist, um von einer Weltanschauung auszugehen, 2. Kapitel B. I. 1. c) aa) (2). 317 Vgl. Pikart/Werner in Schick/Kahlenberg, Der Parlamentarische Rat, Bd.  5, 2.  Hlbbd., S. 623. 314

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mit dem verbindenden Merkmal der Areligiosität gezeigt hatte.318 Entgegen anderer möglicher Auslegungen bestärkt dies die Auffassung von einer strikten Trennung von Religion und Weltanschauung.319 d) Teleologische Erwägungen zur Begriffsbestimmung Als vierte Methode sich der Bestimmung des Begriffs der Weltanschauung zu nähern, soll die teleologische Auslegung bemüht werden, deren Gegenstand die Auslegung nach Sinn und Zweck der Norm ist.320 Die genaue Ermittlung der ­ratio legis321 für eine juristische Begriffsformulierung ist methodisch anspruchsvoll. Für die weitere Untersuchung weist der Begriff der ratio legis jedoch bereits selbst darauf hin, dass hierunter sowohl der Grund für eine gesetzliche Regelung als auch der Zweck des Gesetzes verstanden werden kann.322 Daher erscheint es sinnvoll, zunächst die Zielsetzungen der Verfassungsgebung zu ermitteln (aa), um in einem zweiten Schritt im Rahmen einer Folgenbetrachtung zu ermitteln, welche Aus­ legungsvarianten die Zielsetzungen am zweckmäßigsten verwirklichen und diese zu bewerten (bb). aa) Subjektive und objektive Ziele bei der Einführung des Begriffs „Weltanschauung“ Die Ziele bei der Einführung des Begriffs der Weltanschauung müssen ihrerseits zunächst ermittelt werden, um als überzeugende Auslegungsgesichtspunkte zu fungieren.323 Hierfür bieten sich zumindest zwei unterschiedliche methodische Vorgehensweisen an: Einerseits kann auf die im Gesetzgebungsverfahren selbst geäußerten Motive des Verfassungsgebers zur Ermittlung des Zwecks abgestellt werden. Andererseits ließe sich über die Intention des Verfassungsgebers hinaus auch auf andere, vermeintlich objektivere Kriterien abstellen, denn auch die systematische Stellung einer Norm im Gesamtgefüge des Grundgesetzes, die Bedeutung des Normprogramms einer Verfassungsregelung in der Gesellschaft sowie die problemorientierte Interpretation der Rechtsanwender lassen über die histo­rischen Erwägungen hinaus Rückschlüsse auf zweckmäßige Motive zu.324 318

Vgl. die Darstellung zur Freidenkergemeinschaft, 2. Kapitel B. I. 1. c) aa) (4). Vgl. insoweit die Ergebnisse der Wortlautauslegung [2. Kapitel B. I. 1. a) cc) (4)] und der systematischen Auslegung [2. Kapitel B. I. 1. b) aa)]. 320 Schwintowski, Juristische Methodenlehre, S. 76 unter Verweis auf BGHZ 2, S. 176 (184); 87, S. 381 (383); Horn, Einführung in die Rechtswissenschaft und Rechtsphilosophie, S. 124 Rn. 182. 321 Horn, Einführung in die Rechtswissenschaft und Rechtsphilosophie, S.  125 Rn.  183; Schwintowski, Juristische Methodenlehre, S. 77. 322 Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 336. 323 Müller/Christensen, Juristische Methodik, Bd. I, S. 95 f. 324 Vgl. Müller/Christensen, Juristische Methodik, Bd. I, a. a. O. 319

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In dieser, für die teleologische Auslegung ausschlaggebenden Frage nach der zutreffenden Ermittlung der Kriterien, welche auf eine bestimmte verfassungsrechtliche Zielsetzung schließen lassen, verdeutlicht sich ein grundsätzlicher methodischer Streit zwischen zwei Auslegungstheorien, die verkürzt als subjektive und objektive Auslegungstheorie bezeichnet werden.325 Während die subjektive Auslegungstheorie darauf gerichtet ist, den Willen des historischen Normgebers zu ermitteln, will die objektive Theorie den Willen der Norm selbst ermitteln.326 Ist zwischen den Auslegungstheorien zu entscheiden, spricht für die subjektive Auslegungstheorie entscheidend, dass ein vom Gesetzgeber formulierter Normtext keinen eigenen Willen haben kann,327 der als kollektives Gremium unmittelbar demokratisch legitimierte Verfassungsgeber hingegen gerade die Aufgabe hatte, stellvertretend für die Rechtsgemeinschaft sich einen Willen zu bilden und diesem im Verfassungstext Ausdruck zu verleihen. Auch die demokratische Einbindung der Judikativen im System der Gewaltenteilung spricht für den Vorrang der subjektiven Auslegung und gegen von den Motiven der Legislativen losgelöste Ersatz­gesetzgebung durch Richterspruch.328 Grundsätzlich ist der subjektiven Auslegungstheorie daher der Vorzug einzuräumen. Die subjektive Auslegung hat indessen auch Nachteile. Nicht immer lässt sich der Wille des Gesetzgebers abschließend ermitteln.329 Die systematische Stellung einer Norm lässt jedoch beispielsweise auch Rückschlüsse auf einen nicht explizit geäußerten Willen des Verfassungsgebers zu. Planwidrige Regelungslücken lassen sich ferner durch die Übertragung allgemein zum Ausdruck gebrachter Wertungen des Gesetzgebers schließen. Die teleologische Auslegung lässt sich daher nicht auf die Ermittlung und Vollziehung der Wertungen des Verfassungsgebers reduzieren. Bei der Ermittlung der Zielsetzung bei der Einführung des Begriffs der Weltanschauung in das Grundgesetz sind daher auch „objektive“ Kriterien zu berücksichtigen,330 ohne 325 Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 316; schärfer: Rüthers, Rechtstheorie, S. 489 („erstaunlich falsch gewählten und irreführenden Bezeichnungen“). 326 Vgl. Rüthers, Rechtstheorie, S. 489. 327 So auch Rüthers, Rechtstheorie, S.  489, der zutreffend darauf verweist, dass nur Autor oder Rezipient einem Text Sinn geben können; a. A. Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 317 der unter Verweis auf Nikolai Hartmann das Gesetz selbst der Seinsschicht des objektiven Geistes zuordnet und darin ein „geistiges Sein“ erkennt, das „als ein solches in der Zeit existiert und mit ihr fortgeht.“ 328 Vgl. Rüthers, Rechtstheorie, S. 432 f. Rn. 705 ff. 329 Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 317 verweist darauf, dass auch die subjektive Auslegung aus dem empirisch belegbaren den wirklichen Willen des Gesetzgebers ableiten wolle. 330 Die praktische Rechtsanwendung steht oft in einem Spannungsverhältnis zwischen dem Grundsatz der Gewaltenteilung, der Gewähr effektiven Rechtsschutzes, sowie den weiteren Funktionen des Rechts bei der Organisation eines gedeihlichen Miteinanders zwischen unterschiedlichsten Interessen innerhalb einer staatlichen Gemeinschaft. Als Kehrseite des staat­ lichen Gewaltmonopols darf der Rechtsschutz auch dann nicht verweigert werden, wenn sich der Wille des Gesetzgebers nicht ermitteln lässt. Daher muss für die sachgerechte Entscheidung des Einzelfalls auf objektivierte Kriterien zurück gegriffen werden dürfen.

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2. Kap.: Neubestimmung der dogmatischen Struktur

hierdurch die Bedeutung des historischen Willens des demokratisch unmittelbar legitimierten Verfassungsgebers zu verkennen.331 Als maßgebliche Ziele bei der Einführung des Begriffs der Weltanschauung in das Grundgesetz kann daher sowohl auf die Erwägungen der Mitglieder des Grundsatzausschusses zurückgegriffen werden, nicht religiöse Bekenntnisse (1) und die ausdrücklich aufgeführten Freidenker und die Lehre des Ludendorff Bundes zu erfassen (2), als auch auf das Kriterium der Kontinuität und Rechtssicherheit abgestellt werden (3), dass objektive und zeitgenössische Erwägungen in sich vereint. (1) Weitergehender Schutz nicht religiöser Bekenntnisse Als Beleg dafür, dass der Grundsatzausschuss des Parlamentarischen Rates den Schutz nicht religiöser Bekenntnisse durch die Einführung des Begriffs der Weltanschauung bezweckte, lässt sich auf eine oben bereits dargestellte Passage aus der 24.  Sitzung des Grundsatzausschusses verweisen.332 Hierzu wendete Süsterhenn (CDU) ein, dass die Neufassung sich nicht mehr auf das rein Religiöse beschränke, da „der Anhänger einer areligiösen Weltanschauung […] sich nicht als Anhänger eines Glaubens bezeichnen [wird].“333 Die Zielsetzung den Schutzes des Art. 4 Abs. 1 GG über die Religion hinaus auch auf nicht religiöse Bekenntnisse auszudehnen, entspricht dabei ferner den Motiven des Schreibens von Prof. Thoma vom 25. Oktober 1948,334 der durch seinen Formulierungsvorschlag die Erweiterung der Freiheit des Bekenntnisses neben der Religion auf alle Überzeugungen erreichen wollte,335 und auf dessen Anregung sich der Grundsatzausschuss bezog. (2) Erfassen der ausdrücklich in der Beratung erwähnten Weltanschauungslehren Ferner werden in den Beratungen des Parlamentarischen Rates, wie bereits dargestellt, ausdrücklich die Freidenker336 und der Ludendorff Bund337 als Weltan 331

Für eine Einbeziehung von „subjektiven“ und „objektiven“ Momenten in die teleologische Auslegung spricht sich auch Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 318 aus. Diese wird auch von Koch/Rüßmann, Juristische Begründungslehre, S. 178 unter der Bezeichnung „Vereinigungstheorie“ vertreten. 332 Vgl. Pikart/Werner in Schick/Kahlenberg, Der Parlamentarische Rat, Bd. 5, 2. Hlbbd., S. 622 f. 333 Pikart/Werner in Schick/Kahlenberg, Der Parlamentarische Rat, Bd. 5, 2. Hlbbd., S. 623. 334 PRat-Drucks. Nr. 244. Vgl. hierzu weiterführend ferner die Darstellung der historischen Genese von Art. 4 Abs.1 GG im 2. Kapitel unter B. I. 2. a) cc). 335 Nach dem Bericht v. Doemming/Füsslein/Matz in Leibholz/v. Mangoldt, JöR Bd. 1 N. F., S. 73. 336 PRat-Drucks. Nr. 244, Ausschuss für Grundsatzfragen, 24. Sitzung, 23. November 1948, nach Schick/Kahlenberg, Der Parlamentarische Rat, Bd. 5, 2. Hlbbd., S. 623. 337 PRat-Drucks. Nr. 338, Ausschuss für Grundsatzfragen, 26. Sitzung, 30. November 1948 nach Schick/Kahlenberg, Der Parlamentarische Rat, Bd. 5, 2. Hlbbd., S.755 f.

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schauungsgemeinschaften erwähnt. Für die teleologische Begriffsbestimmung ist als Zielsetzung daraus zu folgern, dass insbesondere diese Lehren mit dem Begriff der Weltanschauung erfasst sein sollten. (3) Kontinuität zur WRV und Rechtssicherheit Als drittes maßgebliches Ziel bei der Einführung des Begriffs der Weltanschauung in das Grundgesetz muss die Kontinuität zur WRV und das objektive Ziel der Rechtssicherheit festgestellt werden. Für den beabsichtigten Inhalt des Begriffs der Weltanschauung wurde bereits festgestellt, dass sowohl von Mangoldt als auch Süsterhenn in ihren authentischen Kommentierungen auf die Kommentierung der WRV durch Anschütz verweisen.338 Dass der Parlamentarische Rat insgesamt eine Übernahme des Begriffs der Weltanschauung aus der WRV beabsichtigte, kann systematisch auch aus der unveränderten Inkorporierung des Art. 137 WRV geschlossen werden.339 Diese dient dem objektiven Gesetzgebungsziel, mit der Verwendung bestimmt gefasster und in ihrer Bedeutung vorgeprägter Rechtsbegriffe, eine höhere Rechtssicherheit einer Regelung zu erzielen, als mit der Einführung bislang unbekannter Termini. bb) Folgenbetrachtung und Bewertung Die ermittelten Zielsetzungen lassen sich durch die bislang ermittelte Aus­ legung des Begriffs der „Weltanschauung“ weitgehend widerspruchsfrei verwirklichen. Ausgangspunkt für Auslegung des Begriffsinhalts unter teleologischen Gesichtspunkten muss hierbei das Ziel sein, Rechtssicherheit durch Übernahme des aus der WRV bekannten Rechtsbegriffs der Weltanschauung zu erreichen. Die teleologische Auslegung hebt damit die juristisch-fachsprachliche Vorprägung des Begriffs besonders hervor, ohne die etymologischen Entstehung des Begriffs im Bereich der Philosophie zu negieren. Die Frage des systematischen Verhältnisses von Weltanschauung und Religion ist daher aus teleologischer Sicht vor allem an der juristischen Vorprägung des Begriffsverständnisses und der Systematik zu orientieren. Von einem aliud-Verhältnis auszugehen340 hält daher der teleolo­ gischen Überprüfung stand. Auch die Einwendung Süsterhenns, der von einer areligiösen Weltanschauung sprach, legt dabei nahe,341 dass teleologisch keine Überschneidung des Begriffs der Weltanschauung mit der Religion bezweckt war. 338 Vgl. die Darstellung zur Übernahme des Begriffsverständnisses durch den Parlamenta­ rischen Rat, 2. Kapitel B. I. 1. a) bb) (1) (a). 339 Vgl. Art. 140 GG. 340 Vgl. 2. Kapitel B. I. 1. a) cc) (4). 341 PRat-Drucks. Nr. 244 nach Schick/Kahlenberg, Der Parlamentarische Rat, Bd. 5, 2. ­Hlbbd., S. 623.

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2. Kap.: Neubestimmung der dogmatischen Struktur

Aus der Zielsetzung, einerseits die ausdrücklich in der Beratung des Parlamentarischen Rates erwähnten Weltanschauungsgemeinschaften zu erfassen und darüber hinaus Kontinuität zur WRV zu bieten, lässt sich für die Begriffsbildung ferner die Folgerung ableiten, dass die Definition der Weltanschauung unter teleologischen Gesichtspunkten zumindest diese Gruppen einschließen muss. Die historische Auslegung hatte insoweit bereits gezeigt, dass sich diese Weltanschauungsgemeinschaften unter den aus der Auslegung des Wortlautes abgeleiteten Begriff der Weltanschauung subsumieren lassen, so dass sich auch die dahingehende Zielsetzung des Verfassungsgebers in der Folge verwirklichen lässt.342 Problematisch erscheint demgegenüber mit Blick auf die Verwirklichung des Zieles der Rechtssicherheit, dass auch zur Zeit der Beratung des Parlamentarischen Rates bereits Abgrenzungsschwierigkeiten des Begriffs der Weltanschauung von der politischen Betätigung diskutiert wurden und bekannt waren.343 Gleichwohl ist die weitere Ausdehnung des Schutzes der Verfassung durch den Begriff der Weltanschauung auf weitere nichtreligiöse Überzeugungen eine nachweisbare Zielvorstellung. Als Folge daraus sind aber objektiv noch größere Abgrenzungsschwierigkeiten zu erwarten, so dass hier ein Zielkonflikt vorliegt. Angesichts der zu Art. 18 GG dokumentierten Beratungen des Grundsatzausschusses muss aber davon ausgegangen werden, dass zusätzliche Abgrenzungsschwierigkeiten der Weltanschauung, zumindest gegenüber politischer Betätigung, bewusst in Kauf genommen wurden: Die betreffende Passage zu Art. 18 GG beginnt mit der Feststellung des Vorsitzenden von Mangoldt (CDU), es müsse geprüft werden, welche Grundrechte zum Kampf gegen die freiheitliche und demokratische Grundordnung missbraucht werden könnten. Nach einer Aufzählung stellte er zunächst fest: „Zweifelhaft ist es bei der Religionsfreiheit, der Glaubensfreiheit“. Woraufhin Wunderlich (SPD) einwendete, „jemand könne seine eigene Sekte gründen“, so dass von Mangoldt schließlich feststellt: „Es ist möglich, dass man die Religionsfreiheit zum Kampf gegen die Verfassung ausnutzt. […], vor allen Dingen wenn man darunter auch das weltanschauliche Bekenntnis versteht. Mit dem weltanschaulichen Bekenntnis kann man geradezu einen neuen Nazismus aufmachen. Es könnte eine neue Weltanschauung sein, die sich religiös tarnt und auf Grund dieser Tarnung nachher die Verfassung bekämpft.“ Von Mangoldt macht daher den Vorschlag wie folgt zu formulieren: „Wer die Freiheit der Meinungsäußerung einschließlich der Freiheit der Religionsausübung oder der Bekenntnisfreiheit … missbraucht.“ Hiergegen wendete sich von Frau Weber (CDU), bestärkt durch Bergsträsser (SPD), mit dem Argument: „Es klinge schlecht, […] dann kommt gleich das Wort Kulturkampf auf.“ Um diesem Einwand zu begegnen, schlug von Mangoldt daher 342

Vgl. 2. Kapitel B. I. 1. c) aa) (7). Vgl. Mausbach, Kulturfragen in der deutschen Verfassung, S. 72; Ebers, Staat und Kirche im Neuen Deutschland, S.  170, Anm.  3; Kädell, ZStW 41 (1920), S.  717 und 2.  Kapitel B. I. 1. a) bb) (4) (a). 343

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abschließend vor: „Dann sagen wir, wir verstehen es unter der Freiheit der Meinungsäußerung, und wenn es jemand tarnt, fällt es unter Freiheit der Meinungs­ äußerung.“ Woraufhin Frau Nadig (SPD) schließlich bat, dieses Verständnis im Protokoll festzuhalten.344 Der Grundsatzausschuss des Parlamentarischen Rates geht in der Folgenabwägung mithin von einer Abgrenzbarkeit der Weltanschauung gegenüber dem Missbrauch zur politischen Meinungsäußerung aus, ohne die näheren Kriterien zu darzulegen. Als Ergebnis der Folgenbetrachtung lässt sich daher feststellen, dass die teleologische Auslegung, soweit sich ihr Merkmale für die Begriffsdefinition entnehmen lassen, die bisherige Auslegung des Begriffsinhaltes bestätigt. Angesichts der vom Parlamentarischen Rat bereits vorhergesehenen und der Rechtswissenschaft mithin überantworteten Abgrenzungsschwierigkeiten ist in der weiteren Untersuchung jedoch darauf zu achten, dass der mit dem Begriffsinhalt verbundene Schutz auch in Folge der Auslegung noch eine rechtssichere Abgrenzung der Weltanschauung ermöglicht. e) Ergebnis der Begriffsbestimmung Als Ergebnis der Begriffsbestimmung kann insgesamt festgestellt werden, dass die durch die Wortlautauslegung ermittelten Inhalte der Definition der Welt­ anschauung durch die übrigen Auslegungsmethoden bestätigt und gefestigt wurden. So hatte die Wortlautauslegung zunächst gezeigt, dass Weltanschauung sich thematisch mit der Beantwortung existenzieller Sinnfragen auseinandersetzt. Die Untersuchung der Beratungen des Parlamentarischen Rates hat hierzu ergänzend gezeigt, dass der Begriff der Weltanschauung an die Stelle der Überzeugung trat, und daher zumindest subjektiv die Überzeugung von der weltanschaulichen Thematik gefordert werden muss.345 Auch systematische und teleologische Auslegung haben in dieser Hinsicht eine inhaltliche Nähe zu den Anforderungen der Religion aufgezeigt, ohne dass jedoch eine begriffliche Identität anzunehmen wäre.346 Als Ergebnis der Begriffsauslegung ist Weltanschauung demnach jede, auf der Reflexion eigener Subjektivität, Sinneswahrnehmung und Erfahrungen beruhende, sinnstiftende Gesamtauffassung zur Stellung des Menschen in der Welt, die in­tuitiv im Wege der Abstraktion gewonnen wurde, ohne dabei auf externen Erschließungs- und Offenbarungsereignissen zu beruhen, und die aufgrund subjektiver Überzeugung für das eigene Leben maßgeblich ist. Erläuternd zum Verständnis der in dieser Definition enthaltenen Bestandteile haben sich aus der Auslegung die folgenden näheren Umschreibungen ableiten lassen: 344

Pikart/Werner in Schick/Kahlenberg, Der Parlamentarische Rat, Bd. 5, 2. Hlbbd., S. 755 f. Vgl. 2. Kapitel B. I. 1. c) bb) (2). 346 Vgl. 2. Kapitel B. I. 1. b) aa) und d) aa) (1).

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2. Kap.: Neubestimmung der dogmatischen Struktur

Zum Erfordernis der Gesamtauffassung hatte die historische Auslegung gezeigt, dass inhaltlich keine allzu große Tiefe der Weltanschauung gefordert werden kann, da diese auch nicht bei allen zeitgenössischen Vorbildern vorhanden war.347 Diese Feststellung wird zusätzlich durch die Untersuchungen zur philosophischen Begriffsbildung gestützt.348 Da die systematische Auslegung gleichwohl eine Gesamtbetrachtung fordert,349 und auch in teleologischer Hinsicht eine bessere Abgrenzung der Weltanschauung geboten ist,350 ist Gesamtauffassung dahingehend zu verstehen, dass eine Weltanschauung jedenfalls hinsichtlich ihrer thematischen Ausrichtung grundsätzlich die gesamte Welt hinsichtlich der Sinneseindrücke und Erfahrungen umfassend in den Blick nehmen muss und nicht von vorneherein eine spezifische thematische Beschränkung erfolgen darf. Hinsichtlich der inhaltlichen Tiefe ist sodann keine systematisch umfassende Ausarbeitung notwendig. Aufgrund der juristischen Begriffsbildung, die im Wesentlichen durch die Systematik und die teleologische Auslegung gestützt wird, haben die Begriffe Weltanschauung und Religion keine Schnittmenge.351 Weltanschauung ist in diesem Sinne entgegen anderer Auslegungsmöglichkeiten kein Oberbegriff, sondern ein aliud zum Begriff der Religion. Für die Annahme einer fehlenden Überschneidung von Weltanschauung und Religion lässt sich auch auf die Lehre zeitgenös­sischer Weltanschauungsgemeinschaften verweisen, die eine starke Abgrenzung gegenüber den hergebrachten christlichen Glaubensvorstellungen verfolgten. Auch die historische Auslegung lässt sich daher mit einer entsprechenden Unterscheidung vereinbaren.352 Hierdurch ist es allerdings notwendig, Religion aus der Definition der Welt­ anschauung auszugrenzen. Um dies zu erreichen, wird einerseits in der Definition die Reflexion als Methode intuitiver Gesamtbetrachtung hervorgehoben und andererseits postuliert, dass Weltanschauung nicht auf externen Erschließungs- und Offenbarungsereignissen beruhen darf. Auf die Reflexion als wesentliche Methode der Ausbildung einer Weltanschauung abzustellen, wurde dabei aus der Analyse der philosophischen Begriffsentwicklung im Rahmen der Wortlautauslegung entwickelt.353 Diese Annahme konnte insbesondere durch die Betrachtung der Lehren des vom Parlamentarischen Rat als Weltanschauungsgemeinschaft bezeichneten Ludendorff Bundes bestätigt werden.354 347

Vgl. 2. Kapitel B. I. 1. c) aa) (7). Vgl. 2. Kapitel B. I. 1. a) cc) (3). 349 Vgl. 2. Kapitel B. I. 1. b) bb). 350 Insbesondere im Hinblick auf die bereits vom Parlamentarischen Rat diskutierte Möglichkeit zur rechtsmißbräuchlichen Berufung auf die Weltanschauungsfreiheit, vgl. Pikart/Werner in Schick/Kahlenberg, Der Parlamentarische Rat, Bd. 5, 2. Hlbbd., S. 755 f. 351 Vgl. 2. Kapitel B. I. 1. a) cc) (4), sowie b) aa) und d) bb). 352 Vgl. 2.  Kapitel  B. I.  1.  c)  aa)  (7) und die Verwendung des Begriffs „areligiöse Welt­ anschauung“ zur Begründung der Sonderstellung des weltanschaulichen Bekenntnisses durch Süsterhenn (Schick/Kahlenberg, Der Parlamentarische Rat Bd. 5, 2. Hlbbd., S. 623). 353 Vgl. 2. Kapitel B. I. 1. a) cc) (2). 354 Vgl. 2. Kapitel B. I. 1. c) aa) (6). 348

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Die Abgrenzung zur Religion über den Ausschluss externer Erschließungs- und Offenbarungsereignisse vorzunehmen, folgt maßgeblich einem entsprechenden Ansatz aus dem religionswissenschaftlichen Bereich, der im Rahmen der Untersuchung der fachsprachlichen Begriffsverwendung ermittelt wurde.355 Dieser lässt sich mit dem allgemeinsprachlichen Gebrauch, der gerade auf eine Welt-Anschauung abstellt, vereinbaren. Angesichts der historisch, wie philosophisch-begrifflich keinesfalls eindeutigen systematischen Abgrenzung zur Religion bietet dieser Ansatz zumindest eine durch die Untersuchung belegbare Grundlage für die Unterscheidung. Hinsichtlich der bislang vor allem in der Rechtsprechung in diesem Zusammenhang vorgezogenen Abgrenzung nach den Merkmalen der Immanenz und der Transzendenz musste hingegen festgestellt werden, dass auch die Ausbildung einer Weltanschauung als transzendenter Akt verstanden werden kann.356 Die Immanenz der Weltanschauung begründet sich daher in der Auswahl ihrer Betrachtungsquellen, nicht jedoch im Ergebnis der Gesamtanschauung. Auch diese Erkenntnis stellt der explizite Ausschluss von externen Erschließungs- und Offenbarungsereignissen in der Definition der Weltanschauung besser heraus. 2. Wirkformen der Weltanschauungsfreiheit Die Weltanschauungsfreiheit wird in unterschiedlichen inhaltlichen Schutzrichtungen von der verfassungsrechtlichen Normierung verwirklicht. Um nach der Klärung des Zentralbegriffs „Weltanschauung“ den gesamten sachlichen Schutzbereich der Weltanschauungsfreiheit darzustellen, ist der Frage nachzugehen, welche Wirkformen von den einzelnen Bestimmungen jeweils erfasst werden. Die Untersuchung der Wirkformen des Freiheitsrechts beginnt daher mit Art. 4 Abs. 1 GG  (a)  und wird mit der Frage fortgesetzt, ob auch Art.  4 Abs.  2  GG auf die Weltanschauung bezogene Gewährleistungen enthält (b). Der Überblick über die Systematik der weltanschaulichen Freiheitsrechte legt es dabei nahe, in diesem Zusammenhang auch auf Art. 136 Abs. 4 WRV einzugehen, der in seiner Verbürgung der negativen Kultusfreiheit unmittelbar auf Art. 4 Abs. 2 GG bezogen ist. Systematisch zwischen der allgemeinen Freiheit des weltanschaulichen Bekenntnisses und den Fragen des schulischen Weltanschauungsunterrichtes stehend, ist sodann kurz auf die Freiheit zur weltanschaulichen Kindeserziehung einzugehen (c). Unmittelbar daran schließt sich die Frage an, wie Art. 7 GG im Bezug auf Welt­anschauungsunterricht an staatlichen Schulen auszulegen ist  (d.). Den Abschluss der Untersuchung bilden schließlich die Ausführungen zu den kollektiven Wirkformen der Weltanschauungsfreiheit durch den Schutz der Weltanschauungs­ gemeinschaften in Art. 137 Abs. 7 WRV (e).

355

Vgl. Söhngen in LThK, 2. Aufl., Bd. 10, S. 1028 zum Stw.: „Weltanschauung“. Vgl. 2. Kapitel B. I. 1. a) cc) (5).

356

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2. Kap.: Neubestimmung der dogmatischen Struktur

a) Weltanschauungsfreiheit im engeren Sinne (Art. 4 Abs. 1 GG) Der allgemeine Überblick über die Normen der Weltanschauungsfreiheit hat bereits gezeigt, dass Art.  4  Abs.  1  GG die Zentralnorm der Weltanschauungsfreiheit bildet, da sie die Begriffe des Glaubens, des Gewissens und des reli­ giösen und weltanschaulichen Bekenntnisses enthält, welche über ihre Stellung in Art. 4 Abs. 1 GG hinaus für den gesamten Normenkomplex von Bedeutung sind. Zunächst sollen daher die Begriffe selbst näher auf ihren Bedeutungsgehalt untersucht werden  (aa), um sodann aus der systematischen Stellung der Begriffe innerhalb von Art.  4 Abs.  1  GG und aus der Stellung von Art.  4 Abs.  1  GG zu den übrigen Absätzen und im Gesamtsystem des Grundgesetzes systematisch begründete Aussagen zum hier maßgeblichen Bedeutungsgehalt und der jeweiligen Schutzrichtung treffen zu können (bb). Für die Auslegung der in Art. 4 Abs. 1 GG enthaltenen Freiheitsrechte ist ferner auf die Erwägungen des Parlamentarischen Rates im Rahmen der Normgenese einzugehen (cc). Schließlich werden die maß­ geblichen teleologischen Erwägungen untersucht (dd), um den sachlichen Schutzbereich des Art. 4 Abs. 1 GG zusammenfassend darzustellen (ee). aa) Wortbedeutung der in Art. 4 Abs. 1 GG verwendeten Begriffe: „Glauben“, „Gewissen“ und „Bekenntnis“ Der in Art. 4 Abs. 1 GG verwendete Begriff des Glaubens kann zweierlei Wortbedeutungen zugerechnet werden. Zum einen kann er in der Bedeutung einer gefühlsmäßigen, nicht von Beweisen abhängigen Gewissheit gebraucht werden, als einer Überzeugung von Etwas, das man für wahr hält.357 In dieser Wortbedeutung ist mithin noch nicht näher festgelegt, an was geglaubt wird, es verbleibt bei der Beschreibung eines inneren Zustandes ohne nähere thematische Spezifikation, so dass auch der Glaube an eine Weltanschauung vom Wortsinn erfasst ist. Erst als weitere Wortbedeutung wird unter „Glauben“ die Konfession verstanden, der jemand angehört.358 Der statistisch häufigste Fall des Glaubens als Zugehörigkeit zu einer Religionsgemeinschaft hat sich so im Sprachgebrauch als eigenständige Begriffsbedeutung fixiert, obwohl es sich gegenüber der erstgenannten, weiter gefassten Wortbedeutung nur um einen thematischen Spezialfall handelt.359 Ohne nähere systematische Analyse der Begriffsverwendung kann daher keineswegs ausgeschlossen werden, dass die Begriffsverwendung des Grundgesetzes, der ersten

357

Duden, Bedeutungswörterbuch, S. 304. Duden, Bedeutungswörterbuch, S. 304. 359 Zu weitgehend daher Fleischer, Religionsbegriff, S. 10 f., der Glaube und Religion im Begriffsgebrauch des Grundgesetzes gleichsetzen will. 358

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Wortbedeutung folgend, im „Glauben“ auch den Glauben an eine Weltanschauung mit umfasst. Unter dem Begriff des Gewissen wird demgegenüber ein sittliches Empfinden von Gut und Böse verstanden.360 Ein unmittelbarer Zusammenhang mit der für wahr geglaubten subjektiven Überzeugung besteht nicht, vielmehr stellt das Gewissen einen Bewertungsmaßstab für Handlungen dar. Gewissensentscheidungen werden sich gleichwohl in ihrer Bewertung regelmäßig von geglaubten Überzeugungen und den ihnen zugrunde liegenden Wertemaßstäben beeinflussen lassen, so dass dem sprachlichen Bedeutungsgehalt nach auch weltanschaulich geleitete Bewertungen von Gut und Böse neben religiösen Gewissensentscheidungen denkbar sind.361 Unter Bekenntnis kann schließlich sowohl der Vorgang des Bekennens, i. e. das offene Aussprechen als auch der Vorgang des positiven Eintretens für etwas, des „sich bekennen“, verstanden werden.362 Der Begriff kennzeichnet mithin die Handlungsform als einen Akt der Kommunikation und weist darüber hinaus darauf hin, dass man „sich“ zu etwas bekennt, was wiederum eine innere Überzeugung von etwas voraussetzt. Wie bei der Bedeutung des Begriffs Glauben, der gerade diese innere Überzeugung von etwas umschreibt, verwundert es daher nicht, wenn auch der Begriff des Bekenntnisses in einer weiteren Wortbedeutung ebenfalls synonym mit dem Begriff der Konfession verwendet wird,363 da die religiöse Überzeugung den historisch häufigsten Fall einer inneren Überzeugung darstellt, für die man positiv durch offenes Aussprechen eintreten kann. Die doppelte Verwendung von Bekenntnis im Grundgesetz mit und ohne adjektivischen Zusatz lässt sich daher auch dieser unterschiedlichen Wortbedeutung zuordnen: Während ohne adjektivischen Zusatz Bekenntnis synonym für den Begriff der Religion verwendet wird, wird mit klarstellendem Adjektiv der Handlungsvorgang des „sich bekennen“ zu einer inneren Überzeugung bezeichnet.364 bb) Systematisch abzuleitende Bedeutung und Schutzrichtung der in Art. 4 Abs. 1 GG verwendeten Begriffe In systematischer Hinsicht lässt sich für die Bedeutung der Begriffe aus Art. 4 Abs. 1 GG ableiten, dass Glaube in der Bedeutung von einer inneren Überzeugung von Etwas, das man für wahr hält, gebraucht wird und Bekenntnis hier 360

Duden, Bedeutungswörterbuch, S. 302. Vgl. zur Möglichkeit weltanschaulich geleiteter Gewissensentscheidungen: Jarass in Jarass/Pieroth, GG, Art. 4 Rn. 8; Bergmann in Hömig, GG, Art. 4 Rn. 9; Bleckmann, Staatsrecht II, S. 753 Rn. 28. 362 Duden, Bedeutungswörterbuch, S. 127. 363 Duden, Bedeutungswörterbuch, S. 127. 364 Vgl. auch die Darstellung zu den Ergebnissen des textlichen Überblicks im 2. Kapitel unter A. III. 361

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2. Kap.: Neubestimmung der dogmatischen Struktur

in der Bedeutung des positiven Eintretens für eine glaubensmäßige Überzeugung durch einen offenen Akt der Kommunikation verstanden wird. Beide Begriffe sind demnach nicht auf den Bereich des Religiösen beschränkt. Innerhalb des Art. 4 Abs. 1 GG spricht für diese Auslegung die systematische Abfolge der Begriffe, die ausgehend vom Glauben zunächst zum Gewissen übergeht und abschließend dann vom religiösen wie weltanschaulichen Bekenntnis spricht. Während Glaube zu Beginn des Satzes die Grundlage für die weiteren Begriffe bildet, und vollständig den Bereich des forum internum bezeichnet,365 bietet das Gewissen einerseits einen inneren Beurteilungsmaßstab, bezieht sich aber (auch) auf äußerlich erkennbare Handlungen und Ereignisse, die vom Glauben geprägt sein können.366 Das Bekenntnis schließlich umfasst seinerseits die nach außen kommunizierte innere Glaubensüberzeugung.367 Glaube ist somit ein dem Bekenntnis und dem Gewissen zumindest teilweise vorgelagerter Begriff. Das mit Glaube im Sinne des Art.  4 Abs.  1  GG sowohl religiöse, wie welt­ anschauliche Überzeugungen bezeichnet sein müssen,368 zeigt auch die nähere Spezifizierung des Begriffs des Bekenntnisses. Da Art. 4 Abs. 1 GG von weltanschaulichem, wie religiösem Bekenntnis spricht, kann Bekenntnis hierbei nicht in der verkürzten Bedeutung von Konfession verstanden werden. Für das Verständnis von Bekenntnis als einem Akt der Kommunikation spricht weiterhin der systematische Vergleich mit Art.  136 Abs.  3  Satz  1 WRV.369 Dieser spricht ausdrücklich davon, dass niemand verpflichtet sei, seine religiöse Überzeugung zu offenbaren. Aufgrund der sachlichen und systematischen Nähe zu dem zuvor in Art.  136  Abs.  2  WRV thematisierten religiösen Bekenntnis liegt die Annahme einer inhaltsgleichen Umschreibung auf der Hand. In dem Bestreben, gleiche Begriffe innerhalb des Grundgesetzes möglichst einheitlich auszulegen, muss diese Begriffsbedeutung im Sinne eines kommunikativen Aktes auch auf das religiöse und weltanschauliche Bekenntnis des Art. 4 Abs. 1 GG übertragen werden.

365

Für Glaubensfreiheit als eine auf die rein innere Überzeugung beschränkte Freiheit auch Muckel in Friauf/Höfling, GG, Art. 4 Rn. 18; Mager in v. Münch/Kunig, GG, Art. 4 Rn. 17; Herzog in MD, GG, Art. 4 Rn. 66; Zippelius in BK (Drittbearbeitung), GG, Art. 4 Rn. 32 und 49 f.; Listl in HbdStKirchR, Bd. 1, S. 456. Zur inneren Freiheit einen Glauben zu haben, gehört es jedoch sachlogisch auch unter entsprechenden Rahmenbedingungen die Möglichkeit zu haben, einen Glauben frei zu bilden. In dieser Hinsicht kommt der Glaubensfreiheit eine gewisse Außenwirkung zu. (Vgl. Zippelius in BK (Drittbearbeitung), GG, Art. 4 Rn. 45, der hier­unter auch die Weitergabe des Glaubens fassen will. Dies ist jedoch Teil der Bekenntnisfreiheit). 366 Muckel in Friauf/Höfling, GG, Art. 4 Rn 57 f.; Böckenförde, VVDStRL 28, S. 51; Herzog in MD, GG, Art. 4 Rn. 135; Kokott in Sachs, GG, Art. 4 Rn. 79 f. 367 Vgl. Herzog in MD, GG, Art. 4 Rn. 82; Kokott in Sachs, GG, Art. 4 Rn. 32; Zippelius in BK (Drittbearbeitung), GG, Art. 4 Rn. 54; Fehlau, JuS 1993, S. 446. 368 Vgl. so auch die wohl h. M.: Jarass in Jarass/Pieroth, GG, Art.  4 Rn.  7; Mager in v. Münch/Kunig, GG, Art. 4 Rn. 12; Bayer, Religions- und Gewissensfreiheit, S. 23 m. w. N. 369 So auch: Mager in v. Münch/Kunig, GG, Art. 4 Rn. 33; Bayer, Religions- und Gewissensfreiheit, S. 24 m. w. N.

B. Schutzbereich

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Schützt aber Art.  4 Abs.  1  GG demnach hinsichtlich der nach außen gerichteten Kommunikation des Glaubens sowohl religiöse wie weltanschauliche Inhalte, so kann die nach außen getragene innere Seite des Glaubens nicht auf reli­ giöse Inhalte beschränkt sein. Der Schutz des Glaubens in Art. 4 Abs. 1 GG als der Schutz einer inneren Überzeugung umfasst vielmehr sachlogisch zwingend auch den Schutz der inneren Überzeugung von einer Weltanschauung.370 Neben Art. 4 Abs. 1 GG lässt sich für eine entsprechende Schutzrichtung der Freiheit des Glaubens, des Gewissens und des religiösen wie weltanschaulichen Bekenntnisses auch auf die systematisch vorangehenden und nachfolgenden Artikel des Grundgesetzes verweisen: Auch Art. 3 Abs. 3 GG spricht dafür, unter Glauben mehr als die dort explizit separat aufgeführten religiösen Anschauungen zu verstehen, da ansonsten der Begriff des Glaubens weitgehend leer laufen würde. Die in Art. 5 GG unmittelbar im Anschluss an die religiöse und weltanschauliche Bekenntnisfreiheit normierte Meinungsfreiheit betont ebenfalls den kommunikativen Aspekt des speziellen Schutzes der Freiheit des Bekenntnisses einer religiösen oder weltanschaulichen Überzeugung.371 Für die Annahme in Art. 4 Abs. 1 GG neben Art. 5 GG gleichwohl den besonderen Schutz von Bekenntnisäußerungen zu sehen, spricht ferner die Sachnähe zur Gewährung der Glaubensfreiheit und der unterschiedlichen Möglichkeiten zur Einschränkung, da die Bekenntnisfreiheit systematisch so dem Gesetzesvorbehalt des Art. 5 Abs. 2 GG entzogen ist. Für die Freiheit des weltanschaulichen und religiösen Bekenntnisses zeigt der systematische Vergleich mit Art. 136 Abs. 3 WRV i. V. m. Art. 140 GG überdies, dass die Bekenntnisfreiheit zwischen der positiven Freiheit und der negativen Freiheit, nicht zur Offenbarung seines Bekenntnisses verpflichtet zu sein, differenziert. Art. 136 Abs. 3 Satz 1 WRV regelt hierbei ausdrücklich die negative Seite der in Art. 4 Abs. 1 GG enthaltenen Freiheit des religiösen Bekenntnisses. Aufgrund der Gleichordnung von religiösem und weltanschaulichem Bekenntnis in Art. 4 Abs. 1 GG erscheint es systematisch daher überzeugend, die negative Freiheit für das Bekenntnis der Weltanschauung bereits in Art. 4 Abs. 1 GG mit enthalten zu sehen. Art. 136 Abs. 3 Satz 1 WRV wäre folglich nur eine Spezialregelung für den Fall der Religionsfreiheit. Systematisch spiegelbildlich zur positiven Äußerungsfreiheit und aufgrund der klarstellenden Beispiele in Art. 136 Abs. 3 WRV und Art. 7 Abs. 3 Satz 3 GG lässt sich schließlich feststellen, dass die negative Bekenntnisfreiheit systematisch (nur) die Freiheit umfasst, keine eigene Bekenntnisäußerung abgeben zu müssen, jedoch keinen darüber hinausgehenden Konfrontationsschutz bietet.372

370

So auch: Starck in v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 4 Rn. 10. Auf die Bekenntnisfreiheit als spezielle Meinungsfreiheit verweisen auch Muckel in ­Friauf/Höfling, GG, Art. 4 Rn. 22; Preuß in AK Art. 4 Rn. 17; Herzog in MD, GG, Rn. 7, 83; Bayer, Religions- und Gewissensfreiheit, S. 49. 372 Vgl. so auch Mückl in BK (Vierbearbeitung), GG, Art. 4 Rn. 120 f., 123. 371

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2. Kap.: Neubestimmung der dogmatischen Struktur

Für die Freiheit des Gewissens stützt der systematische Vergleich mit den Regelungen der Art.  4  Abs.  3, Art.  12a und des Art.  38  Abs.  1  GG die aus der Betrachtung der systematischen Stellung des Gewissens innerhalb des Gefüges von Art.  4 Abs.  1  GG und seiner Wortbedeutung abgeleitete Auslegung: Die in Art. 4 Abs. 1 GG gewährte Freiheit des Gewissens bezieht sich demnach auf die konkrete Zustimmung oder Ablehnung von (bedeutenden) Einzelfragen373 und damit zusammenhängend geforderten Handlungen374 als subjektiv zwingendes Ergebnis375 des inneren Bewertungsvorgangs anhand der sittlichen Kriterien von Gut und Böse. cc) Historische Genese von Art. 4 Abs. 1 GG Für die Auslegung des Bedeutungsinhaltes von Art. 4 Abs. 1 GG kann neben der bereits im Überblick dargestellten historischen Entwicklung der Normen der Religionsfreiheit maßgeblich auf die Beratungen des Parlamentarischen Rates zurückgegriffen werden. Hierzu sollen zunächst die wesentlichen inhaltlichen Gesichtspunkte der Beratung des Parlamentarischen Rates dargestellt werden (1). Anschließend sollen Genese und Aussprache zusammenfassend kommentiert und bewertet werden, um hieraus den Bedeutungsinhalt von Art. 4 Abs. 1 GG abzuleiten, wie er sich nach der historischen Auslegung darstellt (2). (1) Wesentlicher Inhalt der parlamentarischen Beratung Seine wesentliche Formulierung erhielt der Art.  4  Abs.  1  GG bereits in der Fassung des Allgemeinen Redaktionsausschuss vom 16.11.1948, der formulierte „(1) Die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses ist unverletzlich.“376 Hierin griff er die kritische Würdigung durch Prof. Thoma vom 25.10.1948 auf, der den Begriff der Weltanschauung in die Beratungen zum Grundgesetz eingebracht hatte.377 Nach intensiven Beratun-

373 Vgl. Art. 38 Abs. 1 GG zur Gewissensfreiheit des Abgeordneten bei der Ausübung seines Mandates. 374 Art. 4 Abs. 3 GG beschreibt insoweit mit der Formulierung „Kriegsdienst mit der Waffe“ explizit eine Handlung, die sich, wie sich aus der besonderen Betonung „mit der Waffe“ ergibt, auf die damit zusammenhängende Gewissensfrage der Ablehnung des Einsatzes von potentiell tödlicher Gewalt bezieht. 375 Sieht man Art.  4  Abs.  3  GG als speziell ausformulierten Sonderfall des allgemeinen Grundsatzes der Gewissensfreiheit (u. a.: Jarass in Jarass/Pieroth, GG, Art. 4 Rn. 52a), so kann aus der Formulierung „gegen seinen Willen“ in Art. 4 Abs. 3 GG auch allgemein darauf geschlossen werden, dass eine Gewissensentscheidung subjektiv als zwingend empfunden werden muss. 376 Pikart/Werner in Schick/Kahlenberg, Der Parlamentarische Rat, Bd. 5, 2. Hlbbd., S. 580. 377 Pikart/Werner in Schick/Kahlenberg, Der Parlamentarische Rat, Bd. 5, 1. Hlbbd., S. 376.

B. Schutzbereich

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gen übernahm der Grundsatzausschuss den Vorschlag des Redaktionsausschusses in sprachlich lediglich leicht geänderter Fassung. Im Rahmen der Beratungen der 24. Sitzung des Grundsatzausschusses machte der Abgeordnete Heuss (FDP) hinsichtlich der Übernahme der Formulierung des Redaktionsausschusses den Einwand geltend, ob Glaube und religiöses Bekenntnis nicht das Gleiche seien, und wendete sich gegen eine „gewisse Tautologie“. Der Begriff des Glaubens in Abgrenzung zum Bekenntnis wurde daraufhin von den Abgeordneten Süsterhenn (CDU) und Bergsträsser (SPD) in seiner Bedeutung konkretisiert: Bekenntnis sei nach Süsterhenn etwas, „was in die Öffentlichkeit hineintritt und hineinwirkt, während Glaube ein innerer Vorgang sei.“ Auch als solcher sollte Glaube aber geschützt sein. Bergsträsser knüpft ebenfalls an die Unterscheidung „öffentlich – nicht öffentlich“ für die Abgrenzung an und betonte seinerseits, dass Glaube das sei, „was ich zunächst nur privat äußern kann. Er muss aber auch vor Verfolgung geschützt werden.“ Für das Bekenntnis verwies er auf die Zeugen Jehovas, die in der Nazi-Zeit wegen ihres Bekenntnisses verfolgt wurden. Heuss erklärt daraufhin, dass er zunächst die Empfindung gehabt habe, „dass der Schutz des Glaubens beides deckt, den Glauben wie das Bekenntnis dieses Glaubens“ sich „aber gegen die Unterscheidung nicht wehren“ werde.378 Für das vom Grundsatzausschuss insgesamt intendierte Verhältnis der Begriffe des Art. 4 Abs. 1 GG zueinander erscheint auch die später in der Sitzung getroffene zusammenfassende Feststellung Süsterhenns wesentlich, dass Glaube und Gewissen innere Tatbestände darstellen: Hinzu käme „das Bekenntnis des religiösen und weltanschaulichen Glaubens“, schließlich die Religionsausübung. Diese sei „mehr als bloßes Bekenntnis, sondern drücke sich in Kulthandlungen, Liturgie usw. aus und wirkt auf diese Weise in den öffentlichen Raum hinein.“ Auch von Mangoldt stellte insoweit fest: „Wir haben zunächst den Glauben und das Gewissen. Das ist das Innere. Dieses Innere stellen wir dem Außen, dem Bekenntnis gegenüber.“ Dieses seien zwei Beziehungen derselben Freiheit, wie Bergsträsser feststellte.379 (2) Zusammenfassung und Bewertung Für die Frage des Verhältnisses der Begriffe Glaube, Bekenntnis und Religions­ ausübung ergibt die Entstehungsgeschichte des Art.  4 Abs.  1  GG ein differenzierteres Bild. Als einheitliche Meinung des Grundsatzausschusses kann dabei zunächst als Grundthese festgestellt werden, dass sich der Glaube sowohl im Bekenntnis als auch in der Religionsausübung nach außen hin zeigt. Im Übrigen gestaltet sich die Abgrenzung hingegen schwieriger, da für die Unterscheidung der 378

Pikart/Werner in Schick/Kahlenberg, Der Parlamentarische Rat, Bd. 5, 2. Hlbbd., S. 622 f. Pikart/Werner in Schick/Kahlenberg, Der Parlamentarische Rat, Bd. 5, 2. Hlbbd., S. 623.

379

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2. Kap.: Neubestimmung der dogmatischen Struktur

Begriffe „Glaube“, „Bekenntnis“ und „Religion“ auf unterschiedliche Abgrenzungskriterien zurückgegriffen wurde. In der Lesung des Grundsatzausschusses lassen sich für die Abgrenzung der unterschiedlichen Handlungsmodalitäten des Art. 4 GG sowohl die Begriffspaare Internum/Externum als auch Öffentlich/Privat nachweisen. Das Verhältnis dieser Abgrenzungskriterien zueinander wurde seinerseits jedoch nicht ausdrücklich offengelegt. Der Begriff des Bekenntnisses wurde durch die Ausführungen von Mangoldts in der 24. Sitzung des Grundsatzausschuss zunächst in Form und Inhalt der Meinungsfreiheit angenähert, ohne dass sich hierzu eine inhaltlich wesentlich abweichende Auffassung im Ausschuss zeigte.380 Der Grund für eine gleichwohl eigenständige Regelung in Art.  4  GG ist wohl in der ausdrücklich thematisierten Sachnähe zum Glauben zu sehen.381 „Bekenntnis“ wird mit Blick auf die verwendeten Abgrenzungskriterien dabei als ein in die Öffentlichkeit tretendes Externum verstanden, das sich von der Religionsausübung dadurch unterscheidet, dass diese noch darüber hinaus gehe und, vermutlich aufgrund der regelmäßig kollektiven Form,382 stärker in die Öffentlichkeit wirkt, als das bloße Bekenntnis. Das Bekenntnis umfasst dabei in seiner positiven wie negativen Form auch das Bekenntnis einer Weltanschauung. Für das negative Bekenntnis folgt dies aus der von Süsterhenn vorgeschlagenen Ergänzung des späteren Art. 136 Abs. 3 Satz 2 WRV um die Weltanschauungsgemeinschaften.383 Die Arbeitshypothese in der Bekenntnisfreiheit eine thematisch und subjektiv qualifizierte Spezialform der Meinungsfreiheit zu sehen,384 wird durch die Betrachtung der Entstehungsgeschichte der Norm bestätigt. Ihr neben Art. 5 GG eigenständige Bedeutung zukommen zu lassen, rechtfertigt auch die bewusste Abkehr von der im Entwurf der Vereinten Nationen niedergelegten angelsächsischen Tradition, Bekenntnis als Teil  der Meinungsäußerung zu begreifen.385 Für die Auslegung des Wirkbereichs der Weltanschauungsfreiheit kann ferner festgestellt werden, dass während der gesamten Entstehungsgeschichte nicht in Zweifel gezogen wurde, dass „Glaube“ auch die weltanschauliche Überzeugung 380 Vgl. die insoweit aufgrund des Diskussionszusammenhangs vorgezogene Darstellung im 2. Kapitel unter B. I. 1. c) bb) (1). 381 Ferner lässt sich nicht ausschließen, dass mittelbar auch der unterschiedliche Gesetzesvorbehalt für eine eigenständige Regelung sprach, auch wenn hierfür keine ausdrücklichen Anmerkungen nachgewiesen werden konnten. 382 Vgl. die nachfolgende Darstellung zur Auslegung des Art. 4 Abs.  2  GG unter 2.  Kapitel B. I. 2. b) und die Beispiele für Religionsausübungen in der Beratung des Grundgesetzes im 2. Kapitel bei B. I. 2. b) aa) (3) (a) und C. II. 1. c). 383 Vgl. auch die aufgrund des Zusammenhangs vorgezogene Darstellung, 2.  Kapitel  B. I. 1. c) bb) (1). 384 Vgl., 1. Kapitel B. II. 385 Vgl. Pikart/Werner in Schick/Kahlenberg, Der Parlamentarische Rat, Bd.  5, 1.  Hlbbd., S. 223. Zur näheren Darstellung der unterschiedlichen historischen Entwicklung der Religionsfreiheit in Kontinental-Europa und den angelsächsischen Ländern vgl. Hamel in Bettermann/ Nipperdey/Scheuner, S. 57.

B. Schutzbereich

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erfasst. Süsterhenn spricht in diesem Kontext sogar wörtlich vom weltanschau­ lichen Glauben.386 Lediglich für den Umfang des sachlichen Schutzbereichs der Glaubensfreiheit ist die Spezifizierung aufgrund der Verwendung von unterschiedlichen Abgrenzungskriterien in der Beratung nicht ohne eine wertende Stellungnahme möglich. Während von Mangoldt und Süsterhenn beständig vom Glauben als Internum sprechen, weist Bergsträsser den Glauben nämlich dem Bereich der Privatsphäre zu, und stellt fest, dass er auch insoweit geschützt werden müsse, auch wenn er nicht ohne weiteres beeinträchtigt werden könne. Die Abgrenzung privat/öffentlich ist hierbei aber nicht mit der Abgrenzung intern/äußerlich deckungsgleich. Die auftretende Diskrepanz entspricht vielmehr der auch in der Literatur behandelten Frage, ob dem Glauben neben seiner Funktion als Internum ein Außenbereich im Bereich der Privatsphäre zukommt.387 Zu Gunsten der Auslegungsvariante Bergsträssers spricht dabei der Umstand, dass es andernfalls nach der Konzeption des Parlamentarischen Rates zu einer Schutzlücke für private, nicht kollektive Glaubensäußerungen kommen würde. Öffentliche Glaubensäußerungen werden durch die Bekenntnisfreiheit und die Religionsausübungsfreiheit geschützt. Soweit die Religionsausübungsfreiheit jedoch nach der Klarstellung des Parlamentarischen Rates auch private Handlungen schützt,388 muss hier aufgrund der historischen und normativen Beispiele gleichwohl von einer kollektiven Ausübung ausgegangen werden,389 so dass es bei der Schutzlücke für individuell-private Glaubensäußerungen verbliebe. Auch die geschichtliche Ausdifferenzierung der Religionsfreiheit hatte gezeigt, dass die Freiheit des irrenden Gewissens und die Hausandacht als nicht öffent­ liche Formen des forum externum bekannt waren und vom Recht zur öffentlichen Ausübung eines Glaubens unterschieden wurden.390 Da diese Freiheiten in individueller und kollektiver Form, soweit eine Hausandacht auch im Kreis der Familie 386

Pikart/Werner in Schick/Kahlenberg, Der Parlamentarische Rat, Bd. 5, 2. Hlbbd., S. 623. Vgl. Zippelius in BK (Drittbearbeitung), GG, Art. 4 Rn. 45 macht geltend, dass zur inneren Freiheit des Glaubens es auch gehöre, unter entsprechenden äußeren Rahmenbedingungen die Möglichkeit zu haben einen Glauben frei bilden zu können. In dieser Hinsicht kommt der Glaubensfreiheit auch eine gewisse Außenwirkung zu. Für Glaubensfreiheit als eine auf die rein innere Überzeugung beschränkte Freiheit hingegen Muckel in Friauf/Höfling, GG, Art. 4 Rn. 18; Mager in v. Münch/Kunig, GG, Art. 4 Rn. 17; Herzog in MD, GG, Art. 4 Rn. 66; Zippelius in BK (Drittbearbeitung), GG, Art. 4 Rn. 32 und 49 f.; Listl in HbdStKirchR, Bd. 1, S. 456. 388 Vgl. Pikart/Werner in Schick/Kahlenberg, Der Parlamentarische Rat, Bd.  5, 2.  Hlbbd., S. 764. 389 So ausdrücklich Süsterhenn: „religiösen Kumulativaktes“ (vgl. Pikart/Werner in Schick/ Kahlenberg, Der Parlamentarische Rat, Bd. 5, 2. Hlbbd., S. 624). Als Einzelbeispiele warden in der Beratung u. a. „Liturgie“ (Pikart/Werner in Schick/Kahlenberg, Der Parlamentarische Rat, Bd. 5, 2. Hlbbd., S. 623); „Prozession“ und Begräbnis (Pikart/Werner in Schick/Kahlenberg, Der Parlamentarische Rat, Bd. 5, 2. Hlbbd., S. 628) genannt. 390 Vgl. die Darstellung der historischen Differenzierung in Entwicklung und Gestattung von Hausandacht einerseits und öffentlichem Gottesdienst andererseits, 2. Kapitel A. I. 387

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2. Kap.: Neubestimmung der dogmatischen Struktur

ausgeübt wurde, mithin Äußerungsformen im Privatbereich zuließen, erscheint es konsequent, zur Freiheit des Glaubens nicht nur innere Überzeugungen zu zählen, sondern auch alle äußeren Erscheinungsformen des Glaubens im Bereich der Privatsphäre hierunter zu fassen. Auch nach der ausdrücklichen Klarstellung Bergsträssers und der Einwendung von Heuss, er gehe davon aus, dass Glaubensfreiheit auch die Äußerung erfasse, ist nicht davon auszugehen, dass der Grundsatzausschuss hinter den historischen Bestand der Glaubensfreiheit zurückgehen wollte. dd) Teleologische Erwägungen zu Art. 4 Abs. 1 GG Für die Fassung der Bekenntnisfreiheit in Art. 4 Abs. 1 GG lassen sich mehrere Zielsetzungen belegen, wobei die gewählte Formulierung vor allem als Reaktion auf einen Streitstand zur WRV zu verstehen ist (1). Diese Zielsetzung lässt sich hinsichtlich der Folgenbetrachtung auch widerspruchsfrei im Rahmen der mög­ lichen Auslegung des Schutzbereiches von Art. 4 Abs. 1 GG umsetzen (2). (1) Zielsetzung des Schutzbereiches Der Parlamentarische Rat verfolgte nachweislich das Ziel mit der ausdrücklichen Aufnahme der weltanschaulichen Bekenntnisfreiheit in Art. 4 Abs. 1 GG eine bislang bestehende juristische Streitfrage klarstellend auszuräumen. Von Anschütz war entgegen C. Schmitt zur WRV vertreten worden, dass die in Art. 135 WRV postulierte Glaubensfreiheit religionslose (insbesondere atheistische) Weltanschauungen im selben Maße schütze wie religiöse (theistische) Weltanschauungen.391 Da dem Grundsatzausschuss die historischen Unterschiede zwischen der Freiheit des Glaubens, des Gewissens und des Bekenntnisses bewusst waren,392 wurde die sprachliche Fassung des Art. 4 Abs. 1 GG vor allem entsprechend gewählt, um durch die klarstellende Aufnahme der Bekenntnisfreiheit die obige juristische Streitfrage zugunsten des gleichmäßigen Schutzes aller Bekenntnisse zu lösen.393 Auch in seinem Bericht gegenüber dem Plenum betont von Mangoldt den Geist der Toleranz, der sich bei Art. 4 GG am gleichmäßigen Schutz des weltanschaulichen Bekenntnisses zeige.394 Obgleich dieses Motiv allenfalls mittelbar aus den Protokollen des Grundsatzausschusses hervorgeht, erscheint von Mangoldt diese 391 Vgl. Anschütz, WRV, Art. 135, S. 619 (Fn. 2). A. A. Schmitt in Anschütz/Thoma, HDStR, § 101 S. 584 – Die WRV identifiziert sich mit drei Gewährleistungen darunter „Freiheit der Religionsübung – nicht der antireligiösen Überzeugungen – (Art. 135)“. 392 Vgl. 2. Kapitel I. 2. a) cc) (1). 393 Vgl. v. Mangoldt, Das Bonner Grundgesetz, Art. 4 (Anm. 2) S. 55. 394 Parlamentarischer Rat, Schriftlicher Bericht zum Entwurf des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland, Bonn 1948/49, S. 8.

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Hervorhebung für die Begründung der textlichen Fassung des Art. 4 Abs. 1 GG von so großer Bedeutung, dass er seinen Bericht im Rahmen der Kommentierung von Art. 4 GG fast wörtlich wiederholt.395 Im Rahmen der authentischen Kommentierung durch von Mangoldt führt dieser als weiteres Motiv für die Aufnahme des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses aus, dass Art. 4 Abs. 1 GG in der Bekenntnisfreiheit auch das Recht enthalten solle, zu verschweigen was man glaubt. Diese Freiheit werde durch Art. 136 Abs. 3 WRV nur nochmals besonders verbürgt.396 (2) Folgerungen für die teleologische Auslegung von Art. 4 Abs. 1 GG Der Reaktion des Parlamentarischen Rates auf die Literaturdebatte unter Geltung der WRV lassen sich aufgrund der authentischen Kommentierung durch von Mangoldt folgende Erwägungen für die teleologische Auslegung entnehmen: Erstens war dem Parlamentarischen Rat bewusst, dass es verschiedene Erscheinungsformen der Glaubensfreiheit gab und in der Literatur zwischen dem Schutz der Religion und der Weltanschauung differenziert wurde. Daher kann in Art. 4 Abs. 1 GG für die verwendeten Begriffe von unterschiedlichen Schutz­ richtungen ausgegangen werden. Den Verfassungsgebern war es aber zweitens aufgrund der Debatte wichtig streitentscheidend klarzustellen, dass im Bereich des Art. 4 Abs. 1 GG eine Gleich­ behandlung von Weltanschauung und Religion aus Gründen der Toleranz beabsichtigt war. Daher gebietet die teleologische Auslegung für Art.  4 Abs.  1  GG einen gleichmäßigen Schutz der Weltanschauung; auch unter den Begriffen des Glaubens und des Gewissens. Schließlich hob von Mangoldt in seiner Kommentierung drittens eigens hervor, dass auch der Schutz der negativen Bekenntnisfreiheit in Art. 4 Abs. 1 GG enthalten sei, da ein beschlossene Änderungsvorschlag durch Süsterhenn durch die Aufnahme von Art. 136 Abs. 3 WRV redaktionell nicht umgesetzt worden war,397 und der einseitigen Erwähnung des religiösen Bekenntnisses in Art. 136 Abs. 3 WRV anderenfalls Gegenteiliges hätte entnommen werden können. Der Schutz der negativen weltanschaulichen Bekenntnisfreiheit ist daher bewusst über Art. 4 Abs. 1 GG erfasst, während für das religiöse Bekenntnis Art. 136 Abs. 3 Satz 1 WRV die speziellere und gegenüber Art. 4 Abs. 1 GG daher vorrangige Spezialvorschrift ist. 395

v. Mangoldt, Das Bonner Grundgesetz, Art. 4 (Anm. 2) S. 55. v. Mangoldt, Das Bonner Grundgesetz, Art. 4 (Anm. 2) S. 55. 397 Vgl. hierzu die Darstellung zur Ergänzung des Verbotes nach der religiösen Zugehörigkeit zu fragen um die Zugehörigkeit zu einer Weltanschauung, S. 199. Die Planwidrigkeit der Streichung dieser Ergänzung in der Schlussfassung wird im Hinblick auf einen möglichen Gesetzesvorbehalt unten bei 2. Kapitel C. II. a) dargestellt. 396

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2. Kap.: Neubestimmung der dogmatischen Struktur

ee) Ergebnis: sachlicher Schutzbereich der Weltanschauungsfreiheit im engeren Sinne Auf Basis der Auslegungsergebnisse lässt sich für Art. 4 Abs. 1 GG festhalten, dass sich die bereits in der allgemeinen Einführung aufgezeigte Differenzierung des Schutzes der Weltanschauungsfreiheit in verschiedene Verfassungsnormen398 auch in der Binnenstruktur des Art. 4 Abs. 1 GG fortsetzt. Nach Wortlaut, Systematik, historischer Entwicklung der Religionsfreiheit, der Normgenese und den hierzu dokumentierten teleologischen Erwägungen ist von einem differenzierten Schutzbereich auszugehen. Es sind daher für die Wirkformen der Weltanschauungsfreiheit im engeren Sinn des Art. 4 Abs. 1 GG, die weltanschauliche Glaubensfreiheit (1), die weltanschauliche Gewissensfreiheit (2) und die Freiheit des weltanschaulichen Bekenntnisses (3) zu unterscheiden. (1) Weltanschauliche Glaubensfreiheit Die positive Freiheit des Glaubens schützt die Ausbildung399 und die Existenz einer inneren Überzeugung. Als subjektives Merkmal setzt sie ihrer Wortbedeutung nach Gewissheit von einer Überzeugung voraus.400 Dies entspricht der Qualität der für den Begriff der Weltanschauung ermittelten subjektiven Voraus­ setzung.401 Thematisch stimmen die vorstehend untersuchten Auslegungskerien der Systematik, der Entwicklung der Norm und Zielsetzung des Verfassungsgebers darin überein, unter dem Begriff des Glaubens neben religiöser auch weltanschauliche Überzeugungen zu erfassen. Der Wortlaut lässt eine dahingehende Auslegung ebenfalls zu. Als Wirkbereich umfasst die Glaubensfreiheit zunächst den Bereich des ­forum internum.402 Neben dem Haben eines weltanschaulichen Glaubens ist jedoch auch die Ausbildung einer subjektiven Überzeugung vom Schutzbereich erfasst. Dies setzt die Freiheit voraus, den räumlichen Bereich seiner Privatsphäre so gestal 398

Vgl. 2. Kapitel A. III. Bayer, Religions- und Gewissensfreiheit, S. 26 weist zutreffend darauf hin, dass auch die Ausbildung des Glaubens geschützt ist. Ansonsten bliebe die Glaubensfreiheit gänzlich ohne äußeren Bezug. Gerade die negative Seite der Glaubensfreiheit zeigt, dass der Schutz des Glaubens nur unvollkommen wäre, wenn neben dem „nicht haben müssen“ nicht auch das „nicht ausbilden müssen“ geschützt wäre. 400 Vgl. Duden, Bedeutungswörterbuch, S. 304. 401 Vgl. 2. Kapitel B. I. 1. e). 402 Vgl. v. Mangoldt: „Wir haben zunächst den Glauben und das Gewissen. Das ist das Innere […]“ (Pikart/Werner in Schick/Kahlenberg, Der Parlamentarische Rat, Bd. 5, 2. Hlbbd., S.  623); für entsprechende Auslegung auch Muckel in Friauf/Höfling, GG, Art.  4 Rn.  18; ­Mager in v. Münch/Kunig, GG, Art.  4 Rn.  17; Herzog in MD, GG, Art.  4 Rn.  66; Zippelius in BK (Drittbearbeitung), GG, Art.  4 Rn.  32 und 49 f.; Listl in HbdStKirchR, Bd.  1, S. 456. 399

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ten zu können, dass die Ausbildung und Beibehaltung eines Glaubens möglich ist.403 Dies schließt zur Vermeidung von systematischen Schutzlücken und angesichts der historischen Formen der Hausandacht und den Erwägungen im Rahmen der Normgenese auch die Ausübung weltanschaulicher Praktiken alleine oder gemeinsam mit Familienangehörigen und Dritten ein. Über den Bereich des forum internum hinaus schützt daher die Glaubensfreiheit auch weltanschauliche Äußerungsformen im Bereich der Privatsphäre, wie Meditations- und Reflexionsübungen. Dabei muss es in Abgrenzung zur Bekenntnisfreiheit nicht zu irgendeiner Form kommunikativer Äußerung kommen.404 Zum Schutzbereich des Art. 4 Abs. 1 GG gehört neben der positiven auch die negative Glaubensfreiheit, da die Freiheit der Ausbildung einer Überzeugung logisch voraussetzt, nicht dazu gezwungen zu werden, eine bestimmte Überzeugung ausbilden zu müssen.405 Dies dürfte jedoch nur extreme Fälle erfassen.406 Sie gewährt nur eine spiegelbildliche Freiheit zur positiven Glaubensfreiheit und umfasst daher das Recht den Bereich seiner räumlichen Privatsphäre so zu gestalten, dass man nicht zur Ausbildung einer weltanschaulichen Überzeugung gezwungen wird. Ein weitergehender Konfrontationsschutz, sich überhaupt nicht mit dem positiven Bekenntnis Dritter auseinandersetzen zu müssen, lässt sich daher nicht aus der negativen Glaubensfreiheit ableiten.407 Dies legt auch die systematische Gleichordnung von Bekenntnisfreiheit und Glaubensfreiheit in Art. 4 Abs. 1 GG nahe. (2) Weltanschauliche Gewissensfreiheit Unter dem Begriff des Gewissen wird nach dem Ergebnis der Wortlautauslegung ein sittliches Empfinden von Gut und Böse verstanden, dass einen Bewertungsmaßstab für Verhalten bietet.408 Die in Art. 4 Abs. 1 GG normierte Gewissensfreiheit steht dabei zwar nicht direkt mit einer für wahr geglaubten Überzeugung in Verbindung, die Auslegung hat jedoch ergeben, dass sich Gewissensentscheidungen gleichwohl in ihrer Bewertung von geglaubten Überzeugungen und den ihnen 403 Vgl. 2.  Kapitel  B. I.  2.  a)  cc)  (2) und Zippelius in BK (Drittbearbeitung), GG, Art.  4 Rn. 45. 404 Vgl. zum Inhalt der Bekenntnisfreiheit sogleich unter 2. Kapitel B. I. 2. a) ee) (3). 405 So auch Muckel in Friauf/Höfling, GG, Art. 4 Rn. 19 m. w. N. zur negativen Glaubens­ freiheit. 406 Wie z. B. Suggestion und Indoktrination durch Gehirnwäsche. Vgl. Morlok in Dreier, GG, Art. 4 Rn. 58. Von „Psychotechniken“ spricht auch der Endbericht der Enquete Kommission des Deutschen Bundestages zu den „Sog. Sekten und Psychogruppen“, BTDrucks 13/ 10950. 407 So auch Kästner, JZ 1998, 981; Würtenberger in FS  Knöpfle, S.  397 (399 ff.); Starck in v. Mangold/Klein/Starck, Art. 4, Rn. 24; Morlok in Dreier, GG, Art. 4 Rn. 149; Muckel in ­Friauf/Höfling, GG, Art. 4 Rn. 19. 408 Vgl. 2. Kapitel B. I. 2. a) aa).

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zugrunde liegenden Wertemaßstäben beeinflussen lassen. Neben religiös geprägten Gewissensentscheidungen können Bewertungen von Gut und Böse, von Gerecht und Ungerecht daher auch weltanschaulich geleitet sein.409 Vom Wirkbereich schützt die weltanschauliche Gewissensfreiheit neben dem forum internum nach dem Ergebnis der systematischen Auslegung410 auch die konkrete Zustimmung oder Ablehnung bedeutender Einzelfragen, sowie damit zusammenhängend geforderter Handlungen, so dass für diesen Bereich im Einzelfall auch ein noch über die Glaubens- und Bekenntnisfreiheit hinausgehender Schutz erreicht werden kann.411 Das Abwehrrecht der Gewissensfreiheit schützt hierbei davor, zu Handlungen gezwungen zu werden, deren Vornahme subjektiv auch aus religiös oder weltanschaulich geprägten sittlichen Überzeugungen von Gut und Böse heraus zwingend abgelehnt wird. Es erfasst damit neben dem forum internum auch das äußere Handeln nach seinem Gewissen.412 Für die Gewissensfreiheit konnte anhand der Auslegungsmethoden keine spezielle Aussage zum Umfang einer negativen Gewissensfreiheit ermittelt werden. Es ist hierbei aber anzumerken, dass sich die Gewissensentscheidung nach dem durch die Auslegung ermittelten positiven Inhalt auf die Ablehnung einer staat­ licherseits geforderten Handlung oder Unterlassung bezieht.413 Das Konzept spiegelbildlicher negativer Freiheitsrechte scheint daher auf die Gewissensfreiheit nur eingeschränkt übertragbar.414 Da es im Ergebnis keine Freiheit zur Gewissenlosigkeit geben kann, ist der Rechtsprechung zuzustimmen, soweit diese die Gewissensfreiheit auf die Abwehr von staatlichem Zwang zu Handlungen beschränkt und nicht zu einer darüber hinausgehenden Wertentscheidung ausweitet, den Bürger von einem Zwang zu einer Gewissensentscheidung möglichst weitgehend zu befreien.415

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So auch Jarass in Jarass/Pieroth, GG, Art. 4 Rn. 8; Bergmann in Hömig, GG, Art. 4 Rn. 9; Bleckmann, Staatsrecht II, S. 753 Rn. 28. 410 Vgl. 2. Kapitel B. I. 2. a) bb). 411 So auch Schoch in FS Hollerbach, S. 159 m. w. N. 412 Vgl. auch Starck in v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art.  4 Rn.  68; Mager in v. Münch/­ Kunig, GG, Art. 4 Rn. 23; Kokott in Sachs, GG, Art. 4 Rn. 79 f. m. w. N. auch zur Gegenansicht; a. A. Zippelius in BK (Drittbearbeitung), GG, Rn. 47 (reines Internum). 413 Mager in v. Münch/Kunig, GG, Art. 4 Rn. 27f; Morlok in Dreier, GG, Art. 4 Rn. 88. 414 So auch Bayer, Religions- und Gewissensfreiheit, S. 37. A. A. Bethge in HbdStR, § 137, Rn. 16; Morlok in Dreier, GG, Art. 4 Rn. 86 m. w. N. 415 Vgl. die Rsp. des BGH zu § 17 StGB, der für das Vorliegen eines vermeidbaren Verbotsirrtums darauf abstellt, ob der Irrtum über die Verbotenheit einer Handlung unter Anspannung des Gewissens vermeidbar gewesen wäre (GrSSt, Az.: 2/51, BGHSt 2, S. 194 (201); BGH, Az.: 2 StR 612/52, BGHSt 4, S. 1, 5). Bestünde, wie teilweise postuliert, eine Freiheit sein Gewissen nicht betätigen zu müssen, wäre jeder Verbotsirrtum unvermeidbar und eine Bestrafung wegen Vorsatzes ausgeschlossen.

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(3) Weltanschauliche Bekenntnisfreiheit Die Bekenntnisfreiheit wird für den weltanschaulichen Bereich vollständig durch Art. 4 Abs. 1 GG normiert. Gleichwohl lässt sie sich in positive Bekenntnisfreiheit (a) und negative Bekenntnisfreiheit (b) unterscheiden. (a) Positive Bekenntnisfreiheit Die positive Bekenntnisfreiheit umfasst das Recht eine Weltanschauung nach außen hin offenkundig zu machen416 und regelt somit einen Wirkbereich des forum externum. Zur Bekenntnisfreiheit gehört, wie sich auch aus Art. 136 Abs. 3 Satz 2 WRV systematisch ableiten lässt, die Zugehörigkeit zu einer Weltanschauungsgemeinschaft nach außen hin zu dokumentieren.417 In inhaltlicher und qualitativer Hinsicht unterscheidet sich die Bekenntnisfreiheit von der Meinungsfreiheit durch ihre thematische Restriktion auf die Kundgabe von Glaubensinhalten, dies setzt anders als bei der Meinungsfreiheit kein bloßes „für möglich halten“, sondern aufgrund der für Weltanschauung und Glauben ermittelten subjektiven Anforderungen Gewissheit von der verkündeten Aussage voraus.418 Sie kann sich gleichwohl jeder Form der kommunikativen Einwirkung auf Dritte bedienen.419 Als praktisch bedeutsamstes Anwendungsbeispiel fällt insbesondere die Unterweisung und Weitergabe eines Glaubens an Dritte in den Anwendungsbereich der Bekenntnisfreiheit.420 (b) Negative Bekenntnisfreiheit Die teleologische Auslegung hatte gezeigt, dass im Geist der Toleranz hinsichtlich des Bekenntnisses die Gleichstellung des weltanschaulichen und religiösen 416

Vgl. zum Wortlaut: Duden, Bedeutungswörterbuch, S.  127; zur Systematik: Herzog in MD, GG, Art. 4 Rn. 82; Kokott in Sachs, GG, Art. 4 Rn. 32; Zippelius in BK (Drittbearbeitung), GG, Art. 4 Rn. 54; Fehlau, JuS 1993, S. 446 und zur Bewertung der parlamentarischen Beratung 2. Kapitel B. I. 2. a) cc) (2). 417 Vgl. 2. Kapitel B. I. 2. a) bb). 418 Vgl. 2. Kapitel B. I. 1. e). 419 Diese Interpretation der vorstehenden Auslegungskriterien stützen u. a. auch Kokott in Sachs, GG, Art.  4 Rn.  32 f. und Mager in v. Münch/Kunig, GG, Art.  4 Rn.  17. Mit Recht verweist sie darauf, dass nicht auch die gesamte weltanschaulich motivierte Lebensführung unter der Freiheit des Glaubens oder des Bekenntnisses verstanden werden kann, soll sich Art.  4 Abs.  1,  2  GG nicht zu einer undifferenzierten weltanschaulichen allgemeinen Handlungsfreiheit wandeln. 420 Dies wird ferner durch die insoweit mit weitergehenden Beispielen unterlegten völkerund europarechtlichen Rechtstexte hervorgehoben [vgl. 2.  Kapitel  D.] und für den Bereich der weltanschaulichen Erziehung auch durch Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG geschützt [vgl. 2. Kapitel B. I. 2. c.].

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Bekenntnisses vom Parlamentarischen Rat beabsichtigt wurde.421 Obgleich für den Bereich des religiösen Bekenntnisses Sonderregelungen für die negative Bekenntnisfreiheit bestehen, hatte die systematische Auslegung gezeigt, dass diese für die negative weltanschauliche Bekenntnisfreiheit bereits in der allgemeinen Norm des Art. 4 Abs. 1 GG enthalten sein sollen.422 Im Vergleich zu Art.  136  Abs.  3  Satz  1  WRV ergibt sich hieraus für die in Art.  4 Abs.  1  GG enthaltene negative weltanschauliche Bekenntnisfreiheit, dass grundsätzlich niemand verpflichtet ist, aktiv ein Bekenntnis zu äußern, oder jemanden entsprechend der für religiöse Bekenntnisse bestehenden Sonderregelung in Art. 7 Abs. 3 Satz 3 GG in einem weltanschaulichen Bekenntnis unterrichten muss. Ein darüberhinaus gehender Konfrontationsschutz besteht jedoch nicht.423 Ferner muss im Folgenden noch untersucht werden, wie weit Art.  136  Abs.  3 Satz 2 WRV auch als Einschränkung der negativen weltanschaulichen Bekenntnisfreiheit herangezogen werden kann.424 b) Kultusfreiheit (Art. 4 Abs. 2 GG, Art. 136 Abs. 4 WRV) Der allgemeine Überblick über die Normen der Weltanschauungsfreiheit hatte für Art. 4 Abs. 2 GG und Art. 136 Abs. 4 WRV bereits gezeigt, dass beide Artikel über die Bekenntnisfreiheit hinausgehende Wirkformen der Religionsausübung kennen, übereinstimmend jedoch textlich die Weltanschauungsfreiheit nicht erwähnen.425 Auffällig war hierbei, dass Art.  4 Abs.  2  GG die ungestörte positive Ausübung der Religionsfreiheit gewährleistet, während Art. 136 Abs. 4 WRV die Freiheit vom Zwang zur Ausübung erfasst. Für die Untersuchung, ob und wie weit Art. 4 Abs. 2 GG und Art. 136 Abs. 4 WRV auch Wirkformen der Weltanschauungsfreiheit schützen, soll diese Unterscheidung in positive (aa) und negative Kultusfreiheit (bb) daher aufgegriffen werden, um zu einer gemeinsamen Bewertung zu kommen. aa) Art. 4 Abs. 2 GG – positive Kultusfreiheit Ausgehend von den in Art. 4 Abs. 2 GG verwendeten Begriffen (1), sollen die systematische Auslegung (2) und die Betrachtung der Normgenese (3) die Frage der Wirkformen näher beleuchten, um abschließend teleologischen Erwägungen für die Fassung von Art. 4 Abs. 2 GG nachzugehen (4). 421

Vgl. 2. Kapitel B. I. 2. a) dd). Vgl. 2. Kapitel B. I. 2. a) bb). 423 Vgl. ebenso Mückl in BK (Vierbearbeitung), GG, Art. 4 Rn. 120 f., 123. 424 Zur analogen Anwendung von Art.  136 Abs.  3  Satz  2 WRV als Gesetzesvorbehalt vgl. 2. Kapitel C. II. 2. 425 Vgl. 2. Kapitel A. II. 3. 422

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(1) Wortbedeutung der in Art. 4 Abs. 2 GG verwendeten Begriffe: „ungestörte“, „Ausübung“, „gewährleistet“ Der in Art. 4 Abs. 2 GG verwendete Begriff „ungestört“ bedeutet zunächst die Gewährleistung der Freiheit der Religionsausübung von Störungen. Unter dem Begriff jemanden bei etwas „stören“ wird indessen nicht die komplette Verhinderung eines Vorhabens verstanden. Stören bezeichnet vielmehr ein Belästigen, ein Ablenken von einem Vorhaben, das gehemmt und ärgerlicherweise aufgehalten wird.426 Die Summe der unterschiedlichen Begriffsnuancen zeigt hierbei deutlich, dass die Störung keine zielgerichtete Verhinderung ist, sondern auch, wenn nicht vor allem, eine mittelbare Beeinträchtigung gemeint ist, die das eigentliche Ziel nicht in Frage stellt, die Zielerreichung aber ärgerlicherweise aufhält, den Ablauf zum Ziel hemmt und die Handelnden auf dem Weg zum Ziel ablenkt oder belästigt. Mit der Religionsausübung werden von der Verfassung in Art. 4 Abs. 2 GG zwei Begriffe verbunden. Für den Begriff „Ausüben“ können zumindest zwei grund­ legende Bedeutungen unterschieden werden, zunächst kann unter „Ausüben“ eine regelmäßige, oder über eine längere Zeit hin ausgeführte Übung oder Vorgang verstanden werden. Darüber hinaus kann es auch eine Anwendung oder Einwirkung von etwas auf jemanden beschreiben, so im Falle von Machtausübung oder dem Ausüben von Druck.427 Bei der hier verwendeten Begriffszusammensetzung der Religionsausübung legt die systematische Auslegung die erste Verwendung des Begriffs in seiner zuerst genannten Bedeutung nahe: Die Stellung von Art. 4 Abs. 2 GG im Abschnitt über die Grundrechte und der systematische Vergleich mit den übrigen Freiheitsrechten weist bereits darauf hin, dass es sich hierbei um ein individuelles Abwehrrecht im Verhältnis von Bürger und Staat handelt, welches die Freiheit der Ausübung einer persönlichen Betätigung vor staatlichem Zwang schützt.428 Nur ausnahmsweise entfalten die Grundrechte demgegenüber unmittelbare Wirkung im Verhältnis zwischen Privaten, und könnten damit die Anwendung von Grundrechten des einen Bürgers zur Einschränkung der Handlungsfreiheit eines anderen legitimieren.429 Für ein Verständnis von „Religionsausübung“ im erstgenannten Sinne spricht auch der Vergleich mit Art.  136 WRV i. V. m. Art.  140  GG. In Abs.  4 wird hier von „religiösen Übungen“ gesprochen, die sich systematisch einerseits auf die in 426

Duden, Bedeutungswörterbuch, S. 617. Duden, Bedeutungswörterbuch, S. 107. 428 Mit Recht weist Anschütz in der Kommentierung zu Art. 136 Abs. 4 WRV (S. 628, Nr. 6) daher darauf hin, dass in der Verfassungsgebenden Nationalversammlung unstrittig war, dass die Kirchen auf ihre Mitglieder durchaus Zwang (vgl. „Sonntagspflicht“ des Can. 1247 CIC) zur Teilnahme an religiösen Übungen ausüben dürfen. 429 Nur Art. 9 Abs. 3 Satz 2 GG entfaltet unmittelbare Drittwirkung. Im Übrigen haben die Grundrechte nur mittelbare Drittwirkung. Vgl. Hufen, Staatsrecht II, § 7 Rn. 8 f. 427

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Abs. 1 bereits erwähnte „Ausübung der Religionsfreiheit“ beziehen und andererseits eine Erweiterung der vorangestellten konkreten Beispiele der „kirchlichen Handlung“ oder „Feierlichkeit“ auf ähnliche religiöse Handlungen bieten. Mit dem Wort gewährleistet wird schließlich im allgemeinen Begriffsverständnis umschrieben, dass jemand Gewähr dafür bietet, d. h. Sorge dafür trägt, dass etwas so verläuft wie es erwartet wird, oder angegeben wurde.430 Der Verfassungsgeber verwendet hingegen nicht den Begriff „geschützt“. Im begrifflichen Kontext des Art. 4 Abs. 2 GG trägt der Staat mithin aktiv Sorge dafür, dass die regelmäßigen oder über längere Zeit ausgeführten religiösen Übungen ohne Störungen, d. h. vor allem auch ohne mittelbare Beeinträchtigungen möglich sind. (2) Systematische Auslegung von Art. 4 Abs. 2 GG Während das weltanschauliche Bekenntnis in Art. 4 Abs. 1 GG gegenüber dem religiösen Bekenntnis eigenständig hervorgehoben wird, findet die Ausübung einer Weltanschauung neben der Gewährleistung der ungestörten Religionsausübung im Abs. 2 keine eigene Erwähnung mehr. Gleichwohl wird vertreten Art. 4 Abs. 2 GG auch auf die Ausübung eines weltanschaulichen Bekenntnisses zu erstrecken, da Art. 4 Abs. 1 und Abs. 2 GG einen einheitlichen Schutzbereich bilden würden,431 oder die Gleichbehandlung in Art. 4 Abs. 1 GG jedenfalls auf Abs. 2 übertragen werden muss.432 Beide Erwägungen überzeugen in systematischer Hinsicht nicht. Gegen einen einheitlichen Schutzbereich von Art. 4 Abs. 1 und Abs. 2 GG spricht zunächst die formale Trennung in zwei separate Absätze. Ferner regelt eine Fülle unterschiedlicher Verfassungsnormen den Bereich der Überzeugungsfreiheiten.433 Erst aus ihrem Zusammenspiel lässt sich eine Gesamtkonzeption entnehmen. Systematisch erscheint es daher nicht überzeugend, gerade zwischen den Teilregelungen des Art. 4 Abs. 1 GG und des Abs. 2 eine Einheit anzunehmen, zumal auch Abs. 3 als eigenständige Regelung gegenüber dem ersten Absatz begriffen wird.434 Auch kann die Wertung des Art. 4 Abs. 1 GG, das religiöse und weltanschauliche Bekenntnis gleichmäßig zu schützen, aus systematischer Hinsicht nicht auf 430

Duden, Bedeutungswörterbuch, S. 300. So das Bundesverfassungsgericht in st. Rsp. (vgl. Übersicht bei Hassemer/Hömig, ­EuGRZ 1999, S. 525) und großen Teilen der Lit. vgl. Jarass in Jarass/Pieroth, GG, Art. 4 Rn. 1; Morlok in Dreier, GG, Art. 4 Rn. 61, 79; v. Campenhausen/de Wall, Staatskirchenrecht, S. 51; Badura, Schutz von Religion und Weltanschauung, S.  24; Müller-Volbehr, DÖV 1995, S.  301 m. w. N. 432 Wegen mangelnder inhaltlicher Abgrenzbarkeit von Weltanschauung und Religion: Muckel in Friauf/Höfling, GG, Art. 4 Rn. 28. 433 Vgl. 2. Kapitel A. II. 434 So i. E. auch Muckel in Friauf/Höfling, GG, Art. 4 Rn. 4 der neben dem differenzierten Wortlaut zudem m. w. N. auch auf die unterschiedliche Entstehungsgeschichte verweist. Vgl. hierzu die historische Ausdifferenzierung der unterschiedlichen religiösen Gewährleistungen im 2. Kapitel unter A. I. 431

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Abs.  2 übertragen werden. Angesichts der innerhalb des Grundgesetzes in viel­ fältiger Weise vorhandenen unterschiedlichen Regelungen, die sich auf Religion und Glaube beziehen, die Weltanschauung aber unerwähnt lassen, kann hier von keinem Redaktionsversehen ausgegangen werden. Hiergegen spricht insbesondere die große inhaltliche und textliche Nähe der Regelungen von Art. 4 Abs. 1 und Abs. 2 GG. Demzufolge müsste Art. 4 Abs. 2 GG gegenüber dem ersten Absatz jedoch eine eigenständige Bedeutung zukommen. Dem Wortlaut „Ausüben“ folgend müsste eine regelmäßige oder über eine längere Zeit hin ausgeführte religiöse Übung oder ein religiöser Vorgang gefordert werden, so dass Art. 4 Abs. 2 GG gegenüber Art. 4 Abs. 1 GG als besondere Gewährleistung der religiösen Kultusfreiheit verstanden werden kann.435 Es wird jedoch auch darauf hingewiesen, dass die Kultusfreiheit inhaltlich auch aus der Bekenntnisfreiheit abgeleitet werden könnte und dies für die von Art. 4 Abs. 2 GG nicht erwähnten Ausübung eines weltanschau­ lichen Bekenntnisses auch geboten sei.436 Für eine eigenständige systematische Bedeutung der Kultusfreiheit neben der Bekenntnisfreiheit spricht aber die Hervorhebung in einem eigenen Absatz. Zutreffend wird daher einerseits auch auf die unterschiedlichen historischen Wurzeln von Kultus- und Bekenntnisfreiheit,437 sowie den Umstand verwiesen, dass die Kultusfreiheit deutlicher auch eine kollektive Ausübung umfasse,438 und daher eine eigenständige Erwähnung in Abs. 2 berechtigt sei. Obgleich der Verfassungsgeber in Art. 137 WRV i. V. m. Art. 140 GG für den Bereich der kollektiven Ausübung zwar spezielle Normen für Religionsgesellschaften und Weltanschauungsvereinigungen geschaffen hat, wird im systematischen Vergleich mit Art.  136 Abs.  4 WRV deutlich, dass für die religiöse Kultusfreiheit im Sinne des Art. 4 Abs. 2 GG gleichwohl ein eigener Anwendungsbereich verbleibt. In dem durch Art. 136 Abs. 4 WRV ausgesprochenen Verbot, jemanden zur Teilnahme an einer kirchlichen Handlung, Feierlichkeit oder religiösen Übung zu zwingen, ist explizit die negative Kultusfreiheit statuiert,439 so dass 435 So auch: Hense, Glockenläuten und Uhrenschlag, S. 216; Muckel in Friauf/Höfling, GG, Art. 4 Rn. 29; Preuß in AK, GG, Art. 4 Abs. 1, 2 Rn. 26; Bayer, Religions- und Gewissensfreiheit, S. 51; ähnlich Starck in v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 4 Rn. 12 der aber den Abwehrcharakter bereits in Art. 4 Abs. 1 GG enthalten sieht. Auch in der Entscheidung BVerfG, Beschluss vom 5.2.1991, Az.: 2 BvR 263/86, BVerfGE 83, S. 341 (354) wird die Freiheit der privaten und öffentlichen Religionsausübung in Klammern durch den Begriff der Kultus­freiheit erläutert bzw. definiert. Darin kann aber gleichwohl keine Änderung der st. Rsp. zum einheit­ lichen Schutzbereich von Art. 4 GG gesehen werden. 436 Preuß in AK, GG, Art. 4 Abs. 1,2 Rn. 12a; Starck in v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 4 Rn.  58; Zippelius in BK (Drittbearbeitung), GG, Art.  4 Rn.  103. A. A. Mager in v.  Münch/­ Kunig, GG, Art. 4 Rn. 55 wonach der Aspekt der Kommunikation (des Bekennens) gegenüber Dritten im Rahmen der Kultusfreiheit hinter dem Aspekt der Verehrung des Göttlichen zurücktritt und derart eine Abgrenzung von Bekenntnis und Kultus ermöglicht. 437 Mager in v. Münch/Kunig, GG, Art. 4 Rn. 54 f. 438 Starck in v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 4 Rn. 12. 439 Muckel in Friauf/Höfling, GG, Art.  4 Rn.  37; Mager in v.  Münch/Kunig, GG, Art.  4 Rn. 58.

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es über­zeugend erscheint, in Art. 4 Abs. 2 GG die Normierung des positiven Gegenstücks zu erkennen. Für eine Reduktion von Art. 4 Abs. 2 GG auf den Bereich der religiösen, nicht aber der weltanschaulichen Kultusfreiheit kann neben Art.  136 Abs.  4 auch auf Art. 141 WRV verwiesen werden. Art. 141 WRV normiert unter anderem, dass jeder Zwang bei der Anstaltsseelsorge fernzuhalten ist und stellt damit eine Spezialnorm zu Art. 136 Abs. 4 WRV dar;440 auch Art. 141 WRV nimmt jedoch textlich nur auf religiöse Kulthandlungen Bezug. Mittelbar für einen ausschließlich religiösen Bezug spricht in diesem Zusammenhang auch der ausdrückliche Schutz des Sonntages zur seelischen Erhebung gemäß Art. 139 WRV, der in engem Zusammenhang mit der Religionsausübung durch christliche Gemeinschaften gesehen wird.441 Schließlich erwähnt auch Art. 136 Abs. 1 WRV nur die Ausübung der Religionsfreiheit,442 und Art. 138 Abs. 2 WRV gewährt nur Religionsgesell­ schaften und religiösen Vereinen den Schutz des Eigentums und anderer Rechte für Kultuszwecke. Auf einen weiteren Aspekt, der für eine Unterscheidung von Kultusfreiheit und Bekenntnisfreiheit spricht, weist der Gebrauch der Begriffe „ungestört“ und „­gewährleistet“ in Abs. 2 hin. Diese können auch als eine von Art. 4 Abs. 1 GG sachlich abweichende Schutzrichtung und Intensität des Schutzes verstanden werden. Nimmt man diese Unterscheidung des Verfassungsgebers ernst, so kann durch die ausdrückliche Normierung der Gewährleistung der ungestörten Religionsausübung darauf hingewiesen werden, dass im Bereich der Religionsausübung auch und im besonderen Maße die Freiheit von mittelbar-faktischen staatlichen Kultusbeeinträchtigungen gewährleistet werden muss. Diese richten sich nicht gegen das im Kultus zum Ausdruck gebrachte Bekenntnis, sondern beeinträchtigen die Kultusfreiheit im Vollzug der Rahmenhandlung als solche, so dass auch vor diesem Hintergrund die systematischen Erwägungen für die Annahme einer eigenstän­ digen Kultusfreiheit in Art. 4 Abs. 2 GG sprechen.

440

Herzog in MD, GG, Art. 4 Rn. 58. Vgl. BVerfG, Urteil vom 1.12.2009, 1 BvR 2857/07. Demnach seien evangelische Landeskirche und katholisches Bistum befugt, sich auf den Schutz des Art.  139  WRV i. V. m. Art.  4 Abs.  1,  2  GG als subjektives Recht zu berufen, da er funktional in Zusammenhang mit der Verwirklichung der Religionsausübung nach dem Bekenntnis der Kirchen steht. Erst Art. 139 WRV begründe, i. V. m. Art. 4 Abs. 1, 2 GG, einen Schutzanspruch des Sonntages gegenüber dem Staat. In der Konsequenz dieser Rechtsprechung sieht das Grundgesetz damit im Sonntagsschutz eine Privilegierung von solchen Religionsgemeinschaften vor, die gerade den Sonntag zur Religionsausübung nutzen. Das Urteil ist, soweit hier dargestellt, mit 5 zu 3 Stimmen ergangen. 442 Zur Bedeutung des Art. 136 Abs. 1 GG vergleiche die Auslegung im 3. Kapitel unter B. II. 441

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(3) Historische Genese des Art. 4 Abs. 2 GG Für die historische Auslegung des Bedeutungsinhaltes von Art. 4 Abs. 2 GG soll zunächst erneut die Entwicklungsgeschichte von Art. 4 Abs. 2 GG beleuchtet werden (a), um hieraus die wesentlichen Erwägungen des Parlamentarischen Rates abzuleiten und zu bewerten (b). (a) Wesentlicher Inhalt der parlamentarischen Beratungen Der Entwurf von Herrenchiemsee sah für den späteren Art. 4 GG folgende Fassung vor: „(1)  Glaube, Gewissen und Überzeugung sind frei. (2)  Der Staat gewährleistet die ungestörte Religionsausübung.“443 Zur fünften Sitzung des Ausschusses für Grundsatzfragen hatte das Redaktionskomitee bestehend aus Frau Weber (CDU) und Frau Nadig (SPD)444 hingegen folgenden Vorschlag ausge­ arbeitet: „(1)  Die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und der Überzeugung ist unverletzlich. (2) Die ungestörte Religionsausübung wird im Rahmen der allgemeinen Gesetze gewährleistet. (3) Niemand darf gezwungen werden, an einer kirchlichen Handlung oder Feierlichkeit oder religiösen Übung teilzunehmen oder eine religiöse Eidesformel zu benutzen. (4)  Niemand ist verpflichtet, seine religiöse Überzeugung zu offenbaren. Nach der Zugehörigkeit zu einer Religionsgesellschaft darf nur gefragt werden, wenn davon Rechte und Pflichten abhängen oder wenn eine gesetzlich angeordnete statistische Erhebung es erfordert.“445 Der Grundsatzausschuss stimmte dieser Fassung mit dem Gesetzesvorbehalt für Abs. 2 zunächst zu, und machte sie sich mit einer kleineren sprachlichen Änderung in Abs. 3 zu Eigen.446 Aus der Fassung des Allgemeinen Redaktionsausschusses vom 16.11.1948, der den Vorschlag Thomas in die Beratungen einarbeitete, ergab sich für die Freiheit der ungestörten Religionsausübung wenig Neues. Darin hieß es: „(1) Die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses ist unverletzlich. (2) Die ungestörte Religionsausübung wird gewährleistet. Die allgemeinen Gesetze bleiben unberührt“. An Abs. 3 und 4 sah er nur sprachliche Änderungen vor.447 Mit dem zweiten Absatz, der die Gewährleistung der ungestörten Religionsausübung enthielt, befasste sich der Grundsatzausschuss inhaltlich erstmals in seiner 443

v. Doemming/Füsslein/Matz in Leibholz/v. Mangoldt, JöR, Bd. 1 N. F., S. 73. Vgl. Protokoll der 4. Ausschusssitzung vom 23.09.1948 bei Pikart/Werner in Schick/Kahlenberg, Der Parlamentarische Rat, Bd. 5, 1. Hlbbd., S. 87 a. E. 445 v. Doemming/Füsslein/Matz in Leibholz/v. Mangoldt, JöR Bd. 1 N. F., S. 73. 446 Auf Vorschlag durch v. Mangoldt (CDU) wurde „religiösen Übung“ in „religiösen Übungen“ geändert. Vgl. Pikart/Werner in Schick/Kahlenberg, Der Parlamentarische Rat, Bd.  5, 1.  Hlbbd., S.  109; Parlamentarischer Rat, Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland (Entwürfe), Bonn 1948/49, S. 2. 447 Pikart/Werner in Schick/Kahlenberg, Der Parlamentarische Rat, Bd. 5, 2. Hlbbd., S. 580. 444

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2. Kap.: Neubestimmung der dogmatischen Struktur

24.  Sitzung näher. Für das systematische Verhältnis von Art.  4 Abs.  2  GG und Art. 136 Abs. 4 WRV erscheint dabei der Vorschlag von Mangoldts (CDU) von Bedeutung, Abs.  2 und Abs.  4 als einen Absatz zusammen zu fassen, da dieses eine klare Gliederung ergebe: „auf der einen Seite das Positive, nämlich die Freiheit der Religionsausübung; auf der anderen Seite die Freiheit von Zwang zu einer Religionsausübung.“ Inhaltlich merkte Süsterhenn (CDU) an, dass man dies als das Verbot der Störung des „religiösen Kumulativaktes“ interpretieren könnte.448 Für das vom Grundsatzausschuss insgesamt intendierte Verhältnis der Begriffe des Art. 4 GG zueinander erscheint auch die später in der Sitzung getroffene zusammenfassende Feststellung Süsterhenns wesentlich, Religionsausübung sei „mehr als bloßes Bekenntnis, sondern drücke sich in Kulthandlungen, Liturgie usw. aus und wirkt auf diese Weise in den öffentlichen Raum hinein.“449 Nach intensiven Beratungen übernahm der Grundsatzausschuss schließlich den Vorschlag des Redaktionsausschusses in sprachlich leicht geänderter Fassung. Er fügte als Satz 2 das Recht zur Vereinigung zu Religions- und Weltanschauungs­ gemeinschaften an und strich den Gesetzesvorbehalt nunmehr gänzlich aus Abs. 2, so dass sich die folgende Fassung ergab: „(1) Die Freiheit des Glaubens und des Gewissens wie die Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses sind unverletzlich. Das Recht der Vereinigung zu Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften wird anerkannt. (2) Die ungestörte Religionsausübung wird gewährleistet. (3) Niemand darf gehindert oder gezwungen werden, an einer kirchlichen Handlung oder Feierlichkeit oder an religiösen Übungen teilzunehmen oder eine religiöse Eidesformel zu benutzen. (4)  Niemand ist verpflichtet, seine reli­ giöse Überzeugung zu offenbaren. Nach der Zugehörigkeit zu einer Religions­ gesellschaft darf gefragt werden, wenn davon Rechte und Pflichten abhängen, oder wenn eine gesetzlich angeordnete statistische Erhebung es erfordert.“450 Diese Fassung wurde schließlich auch vom Hauptausschuss in erster Lesung an­ genommen.451 In der 26. Sitzung am 30.11.1948 befasste sich der Grundsatzausschuss nochmals mit Abs. 2, da die Kirchen die Fassung „Die ungestörte öffentliche und private Religionsausübung wird gewährleistet“ aufgenommen wissen wollten. Der Ausschuss debattierte im Anschluss daran, was unter „privater Religionsausübung“ zu verstehen sei. Heuss (FDP) führt dazu aus, dies sei eine häusliche Zusammenkunft einer Sekte am Sonntagnachmittag, die ihren Spezialgottesdienst abhalte, weil der

448

Pikart/Werner in Schick/Kahlenberg, Der Parlamentarische Rat, Bd. 5, 2. Hlbbd., S. 624. Pikart/Werner in Schick/Kahlenberg, Der Parlamentarische Rat, Bd. 5, 2. Hlbbd., S. 623. 450 v. Doemming/Füsslein/Matz in Leibholz/v. Mangoldt, JöR Bd. 1 N. F., S. 76. 451 Parlamentarische Rat, Verhandlungen des Hauptausschusses, Bonn 1948/49, S.  209 f.; v. Doemming/Füsslein/Matz in Leibholz/v. Mangoldt, JöR Bd. 1 N. F., S. 76. Es wurde über die Absätze einzeln, hinsichtlich des vierten Absatzes sogar Satzweise abgestimmt. Als fünfter Absatz wurde auf Antrag der SPD-Fraktion zusätzlich das Recht auf Kriegsdienstverweigerung aus Gewissensgründen eingeführt. 449

B. Schutzbereich

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normale Pfarrer ihnen nicht fromm genug sei.452 Der Ausschuss kam im Anschluss darin überein, dass die bisherige Fassung „am weitestgehenden“ sei bzw. „weitergehend als öffentlich und privat“ und beließ es bei der Formulierung.453 Zwischen der ersten und zweiten Lesung im Hauptausschuss wurde auf Anregung von Süsterhenn (CDU) in der 32. Sitzung des Grundsatzausschusses am 11.1.1949 beschlossen, in Abs. 4 statt Religionsgesellschaft „Religions- und Weltanschauungsgemeinschaft“ einzufügen.454 Diese Änderung wurde in zweiter Lesung in der 43. Sitzung des Hauptausschusses am 18.1.1949 angenommen.455 Zur vierten Lesung des Hauptausschusses lag schließlich ein Änderungsvorschlag des Allgemeinen Redaktionsausschusses vor, der vorsah, Satz  2 des ersten Absatzes sowie die Absätze 3 und 4 zu streichen.456 Ferner wurde vorgeschlagen in die Bestimmung des späteren Art. 140 GG zusätzlich eine Verweisung auf Art. 136 WRV aufzunehmen.457 Mit der Annahme dieses Vorschlages durch den Hauptausschuss458 erhielt der Artikel seine abschließende Gestalt. (b) Zusammenfassung und Bewertung Nach der Erörterung in der 24. und 26. Sitzung des Grundsatzausschusses lässt sich der Inhalt des Begriffs der Religionsausübung klar umgrenzen. Sie ist nach den gebrauchten Beispielen und Erläuterungen stets eine kollektive Glaubensäußerung, die in privater wie öffentlicher Form erfolgen kann, wobei die private kollektive Glaubensäußerung nach der Diskussion in der 26.  Sitzung eher eine Sonderform darstellt. Der Regelfall ist hingegen die öffentlich kollektive Glaubensäußerung, die stärker in die Öffentlichkeit ausstrahlt als das bloße Bekenntnis und zu der aufgrund der kollektiven Ausübung in effektiverem Maße Zwang ausgeübt werden kann, so dass die Freiheit vom Zwang zur Religionsausübung als eigenständiges Recht besonders hervorgehoben wurde. In Abgrenzung zum Bekenntnis kann daher weiterhin hervorgehoben werden, dass Süsterhenn mit „Kulthandlungen“ und „Liturgie“, ebenso wie die vorgesehenen Legalbeispiele „kirchlichen Handlung“, „Feierlichkeit“ und „religiösen Übungen“, Rahmenhandlungen umschreibt, innerhalb derer es zu Glaubensäußerungen kommt. 452

Pikart/Werner in Schick/Kahlenberg, Der Parlamentarische Rat, Bd. 5, 2. Hlbbd., S. 762. Pikart/Werner in Schick/Kahlenberg, Der Parlamentarische Rat, Bd. 5, 2. Hlbbd., S. 764. Erstes Zitat: v. Mangoldt (CDU), zweites Zitat: Heuss (FDP). 454 Pikart/Werner in Schick/Kahlenberg, Der Parlamentarische Rat, Bd. 5, 2. Hlbbd., S. 928 f., 956. 455 Parlamentarische Rat, Verhandlungen des Hauptausschusses, Bonn 1948/49, S. 545. 456 Parlamentarischer Rat, Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland (Entwürfe), Bonn 1948/49, S. 197. 457 Parlamentarischer Rat, Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland (Entwürfe), Bonn 1948/49, S. 239. 458 Parlamentarische Rat, Verhandlungen des Hauptausschusses, Bonn 1948/49, S. 745 f. 453

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2. Kap.: Neubestimmung der dogmatischen Struktur

Der Vorschlag durch von Mangoldt und die nähere Erläuterung durch Süsterhenn459 bestätigen dabei die Annahme, dass Art. 4 Abs. 2 GG und Art. 136 Abs. 4 WRV wechselseitig aufeinander bezogene Gewährleistungen der positiven, respektive negativen Religionsausübungsfreiheit sind.460 Im Hinblick auf die kontroverse Frage, ob Art. 4 Abs. 2 GG auch auf die Weltanschauungsfreiheit übertragen werden kann,461 muss festgestellt werden, dass kein Beispiel der kollektiven Ausübung einer Weltanschauung diskutiert wurde, obwohl die Betrachtung zeitgenössischer Weltanschauungsgruppierungen gezeigt hat, dass gerade die im Parlamentarischen Rat genannte Gruppe der Freidenker durchaus Feierlichkeiten wie die Jugendweihe pflegte, die als kollektive Bekenntnisform im selben Maße geeignet wäre in die Öffentlichkeit zu wirken wie eine religiöse Feierlichkeit.462 Der positive Nachweis der Übertragbarkeit konnte mithin durch die Betrachtung der Normgenese nicht geführt werden. Für die Gegenansicht lässt sich hingegen feststellen, dass bis in die 4. Lesung des Hauptausschusses, also bis zu einem sehr späten Zeitpunkt und mit einem hohen Maß an parlamentarischer Rezeption darauf geachtet wurde, dass in Abs. 1 Satz 1 das weltanschauliche und religiöse Bekenntnis genannt wurde und in Abs. 1 Satz 2 ausdrücklich sowohl die Vereinigung zu Religions- als auch Weltanschauungsgemeinschaften erwähnt war. Gleichwohl spricht Art. 4 Abs. 2 GG von Religionsausübung und der reziprok hierauf bezogene, im späteren Art. 136 Abs. 4 WRV aufgegangene, Abs. 3 des Entwurfes ausdrücklich nur von kirchlicher Handlung oder Feierlichkeit, sowie von religiösen Übungen.463 Nimmt man hinzu, dass der Grundsatzausschuss mit Billigung des Hauptausschusses in Abs. 4 eigens den Begriff der Weltanschauungsgemeinschaft zusätzlich neben der Religionsgemeinschaft eingefügt hat, so liegt die Annahme einer bewussten Entscheidung des Verfassungsgebers die Weltanschauungsgemeinschaften in Abs. 2 und Abs. 3 des Entwurfes nicht zu erwähnen näher, als ein gesetzgeberisches Versehen anzunehmen. Die Begründung mit der der Grundsatzausschuss und diesem folgend der Hauptausschuss den Begriff der Weltanschauungsgemeinschaft im Abs. 4 Satz 2 einfügt, zeigt vielmehr, dass der Verfassungsgeber sich der Möglichkeit einer entsprechenden Auslegung bewusst war und überall dort von Weltanschauungs­ gemeinschaften spricht, wo diese auch gemeint waren. Eine Argumentation wonach diese Klarstellung überflüssig wäre, da nach der Konzeption des Grundgesetzes ohnehin von einer umfassenden Gleichstellung von Weltanschauung und Religion auszugehen sei, lässt sich hingegen nicht nachweisen. Dann hätte es auch nicht der Klarstellung in Abs. 4 bedurft. 459

Vgl. Pikart/Werner in Schick/Kahlenberg, Der Parlamentarische Rat, Bd. 5, 2. Hlbbd., S. 624. Vgl. 2. Kapitel B. I. 2. b) aa) (2); ferner Muckel in Friauf/Höfling, GG, Art. 4 Rn. 37; Mager in v. Münch/Kunig, GG, Art. 4 Rn. 58. 461 Vgl. die Darstellung dieses Problemkomplexes 1. Kapitel A. III. 1. 462 Vgl. Reinalter in Fahlbusch, Evangelisches Kirchenlexikon, Bd. 1, Sp. 1348 Stw.: „Freidenker“. 463 Vgl. 2. Kapitel B. I. 2. b) aa) (3) (a). 460

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(4) Teleologische Erwägungen zu Art. 4 Abs. 2 GG Abschließend ist im Rahmen der Auslegung der Frage nachzugehen, welche Zielsetzung mit der Fassung des Art. 4 Abs. 2 GG verfolgt wird (a), um zu bewerten, welche Auslegung die Umsetzung dieser Ziele am besten ermöglicht (b). (a) Zielsetzungen Für die Fassung des Art. 4 Abs. 2 GG sind aus den zugänglichen Quellen mehrere Zielsetzungen zu entnehmen, die als Begründung für eine entsprechende textliche Formulierung ohne die Erwähnung der Weltanschauungsfreiheit angeführt werden können. Für die fehlende Erwähnung der Ausübung einer Weltanschauung kann dabei zunächst auf die allgemein veränderte gesellschaftliche Akzeptanz von Weltanschauungen verwiesen werden. Die Betrachtung zeitgenössischer Welt­anschauungsvereinigungen hatte bereits ergeben, dass die zur Zeit der Entstehung der WRV noch als Massenphänomen bestehenden Weltanschauungsvereinigungen weitgehend bedeutungslos geworden waren.464 Von Mangoldt führt in seiner authentischen Kommentierung zu Art. 4 Abs. 2 GG sogar explizit aus, dass es für die besondere Zusicherung staatlichen Schutzes für kleine Sekten und weltanschauliche Vereinigungen am öffentlichen Interesse fehle.465 Die Aussage macht einen bewussten Unterschied zu der zuvor in der Kommentierung von Art. 4 Abs.  1  GG hervorgehobenen Gleichbehandlung von Weltanschauung und Religion im Rahmen der Bekenntnisfreiheit.466 Unter Geltung der WRV waren Weltanschauungsgemeinschaften ebenfalls nicht von dem eng mit Art. 4 Abs. 2 GG verbundenen strafrechtlichen Schutz der ungestörten Religionsausübung erfasst.467 Da Rechtssicherheit durch Übernahme von Regelungen der WRV und deren Auslegung ein weiteres objektives Ziel des Parlamentarischen Rates war,468 spricht dies ebenfalls nicht dafür, entgegen dem öffentlichen Interesse und der bisherigen Rechtslage in Art. 4 Abs. 2 GG die Weltanschauungsfreiheit trotz gesunkener Bedeutung aufzunehmen. Ferner lässt sich der Beratung des Parlamentarischen Rates als verfassungs­ rechtliche Konsequenz auf die NS-Zeit ein gesteigertes Bedürfnis nach dem Schutz der Verfassung vor antidemokratischer politischer Agitation entnehmen. Dieses konkretisiert sich bei der Beratung des Art.  18  GG gerade am Beispiel 464

Vgl. die Bewertung der Weltanschauungsgemeinschaften als zeitgeschichtliches Phänomen im 2. Kapitel unter B. I. 1. c) aa) (7). 465 v. Mangoldt, Das Bonner Grundgesetz, Art. 4 (Anm. 3) S. 56. 466 Vgl. v. Mangoldt, Das Bonner Grundgesetz, Art. 4 (Anm. 2) S. 55. 467 Vgl. Anschütz, WRV, Art.  137, Anm.  12 („Vollständige Gleichstellung ist nicht beabsichtigt. So genießen die Weltanschauungsvereinigungen z. B. nicht den Schutz der Religionsgesellschaften nach StrGB §§ 166, 167“). Gebhard, WRV, Art. 137 Anm. 15; Giese, WRV, Art. 137 Anm. 8; Kiesow, JZ 1919, S. 875. A. A. Kädell, ZStW 41 (1920), S. 717. 468 Vgl. 2. Kapitel B. I. 1. d) aa) (3).

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2. Kap.: Neubestimmung der dogmatischen Struktur

einer Welt­anschauungsgemeinschaft.469 Den Beratungen ist als Motiv möglicher Ungleichbehandlung von Weltanschauung und Religion mithin auch das erhöhte Risiko des politischen Missbrauchs der Ausübung einer Weltanschauung nicht fremd. In diesem Zusammenhang ist ebenfalls darauf hinzuweisen, dass der Begriff der Weltanschauung gerade im Nationalsozialismus weite Verbreitung erfahren hat.470 Im Rahmen der Diskussion zur Bedeutung von Art. 4 Abs. 2 GG wird zugunsten der Religion dabei gerade hervorgehoben, dass die ungestörte Religionsausübung während der nationalsozialistischen Diktatur nicht möglich war,471 und die Kirchen als Institutionen gewisse Verdienste im Widerstand gegen die Diktatur erworben hatten und besondere Bedeutung bei der Schaffung einer neuen sittlichen Grundlage staatlicher Gemeinschaft haben.472 In der authentischen Kommentierung durch von Mangoldt wird zur Begründung der Diskussion um das im späteren Art. 136 Abs. 4 WRV enthaltene Verbot, jemanden an der Teilnahme von kirchlichen Handlungen zu hindern, zur Begründung daher „auf das Gesicht der Zeit“ verwiesen.473 Auch in seiner abschließenden Fassung kann Art. 4 Abs. 2 GG mithin als besondere Reaktion auf die jüngsten historischen Entwicklungen gesehen werden.474 Ferner wurde die faktische gesellschaftliche Bedeutung der Kirchen thematisiert, die auch im Grundgesetz ihren Ausdruck finden müsse.475 Dies alles spricht dafür, in der auf Religion bezogenen Norm des Art. 4 Abs. 2 GG eine bewusste Förderung der Religionsausübung anzunehmen. Als objektives Regelungsziel lässt sich neben der Rechtssicherheit ferner das Bestreben nach sachgerechten Regelungen anführen. Daher sind Normen ohne Anwendungsbereich im Rahmen der Gesetzgebung möglichst zu vermeiden. Auf Basis des Auslegungsergebnisses zum Inhalt des Begriffs der Weltanschauung lässt sich für den weltanschaulichen Bereich aber feststellen, dass per definitionem im weltanschaulichen Bereich keine Notwendigkeit zur kultischen Verehrung 469 Vgl. Pikart/Werner in Schick/Kahlenberg, Der Parlamentarische Rat, Bd.  5, 2.  Hlbbd., S. 755 f. 470 Vgl. Thomé in Ritter/Gründer/Gabriel, Historisches Wörterbuch der Philosophie, Bd. 12, Sp. 457, Stw.: „Weltanschauung“ und Reiner, Zum Begriff und Wesen der Weltanschauung, Philosophische Studien, 1 (1949), S. 141 ff. 471 Vgl. Pikart/Werner in Schick/Kahlenberg, Der Parlamentarische Rat, Bd.  5, 2.  Hlbbd., S.  622, 763 f.; 838 a. E.; Parlamentarische Rat, Verhandlungen des Hauptausschusses, Bonn 1948/49, S. 257. 472 Vgl. Pikart/Werner in Schick/Kahlenberg, Der Parlamentarische Rat, Bd.  5, 2.  Hlbbd., S. 630, 810, 838; Parlamentarische Rat, Verhandlungen des Hauptausschusses, Bonn 1948/49, S. 257 f. 473 v. Mangoldt, Das Bonner Grundgesetz, Art. 4 (Anm. 3) S. 56. 474 Auch das BVerfG, Beschluss vom 16.10.1968, Az.: 1 BvR 241/66, BVerfGE 24, 236 (245) kommt zu dem Schluss, dass Art. 4 Abs. 2 GG eine besondere Reaktion des Verfassungsgebers auf die „Störungen der Religionsausübung unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft“ darstelle. 475 Parlamentarische Rat, Verhandlungen des Hauptausschusses, Bonn 1948/49, S. 256.

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einer außerhalb des Menschen stehenden Erkenntnisquelle besteht.476 Es fehlt damit an einem für Art. 4 Abs. 2 GG maßgeblichen Schutzgrund, der erst die Ausgliederung der Religionsausübung aus dem Schutzbereich der Bekenntnisfreiheit rechtfertigt. Dem lässt sich zwar entgegenhalten, dass Weltanschauungsvereinigungen mit Versammlungen, Jugendweihe, Trauung, Predigten und Begräbnissen, jedenfalls teilweise eine Reihe von Handlungen kennen und kannten, die in ihrer äußeren Form den religiösen Kulthandlungen des Art.  4 Abs.  2  GG entsprechen. Welt­ anschauung richtet sich in ihrer Zielsetzung jedoch auch hier nach außen, um intellektuell durch das (gemeinsame) Bekenntnis auf Mitglieder und Dritte zur Bestärkung in der Ausbildung einer weltanschaulichen Gesamtsicht einzuwirken. Es fehlt an einer Komponente der kultischen Verehrung.477 (b) Folgenbetrachtung und Bewertung Betrachtet man die ausdrücklich in der Kommentierung durch von Mangoldt niedergelegte Intention, sowie die mittelbar aus den zeitgenössischen Quellen ableitbare Zielsetzung, spricht eine an subjektiv teleologischen Zielen orientierte Auslegung dafür, in Art. 4 Abs. 2 GG die einseitige Begünstigung religiöser Ausübungshandlungen zu sehen. Hinzu kommt, dass bei einem bewussten Ausschluss von Weltanschauung aus dem Anwendungsbereich des Art. 4 Abs. 2 GG auch die Fragestellung offen gelassen werden kann, ob Weltanschauungen überhaupt ihrem Sinngehalt nach besonders in der Ausübungshandlung geschützt sein müssen. Es besteht insofern daher nicht die objektive Gefahr eine Norm ohne Anwendungsbereich geschaffen zu haben. Eine Beschränkung der Weltanschauungsfreiheit auf die in Art. 4 Abs. 1 GG geschützten Wirkformen erleichtert demgegenüber gerade die Abgrenzung zu anderen Betätigungsformen und senkt damit die auch bereits vom Parlamentarischen Rat gesehene Gefahr, die Weltanschauungsfreiheit zum politischen Meinungskampf zu missbrauchen. Diese Gefahr ist aufgrund der unklaren inhaltlichen Vergleichbarkeit von religiöser und weltanschaulicher „Kulthandlung“ und der daraus resultierenden Unschärfe des Wirkbereichs hier be­ sonders zu berücksichtigen. Demgegenüber würde eine teleologische Auslegung, welche die Vereinheit­ lichung der Schutzbereiche des Art.  4  Abs.  1 und 2  GG vorsieht, die positive Folge haben, dass einerseits Schutzlücken zwischen den einzelnen grundrechtlichen Gewährleistungen, wie sie in der textlichen Differenzierung der unter-

476

Vgl. 2. Kapitel B. I. 1. e). Ferner: Mager in v. Münch/Kunig, GG, Art. 4 Rn. 55, 60 und Stein in Wendeling-Schröder/Stein, AGG, § 1 Rn. 33, 37 unter Hinweis auf sozialwissenschaftliche Beschreibungen. 477 Vgl. Mager in v. Münch/Kunig, GG, Art. 4 Rn. 55.

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2. Kap.: Neubestimmung der dogmatischen Struktur

schiedlichen Gewährleistungen angelegt sind, ausgeschlossen werden konnten.478 Andererseits würde die Rechtssicherheit auch dadurch erhöht, dass alle mit der Ausübung zusammenhängenden Betätigungsformen jedenfalls unter den einheitlichen Schutz des Art. 4 Abs. 1, 2 GG fallen. Auch dies würde die Abgrenzungsproblematik zugunsten einer weiten Ausdehnung des Anwendungsbereiches von Art. 4 Abs. 2 GG entschärfen. Dieser unter objektiv teleologischen Gesichtspunkten möglichen Auslegung ist jedoch entgegenzuhalten, dass die Darstellung der gegenwärtigen diskutierten juristischen Probleme bei der Anwendung der Weltanschauungsfreiheit gerade gezeigt haben, dass eine Ausweitung des Anwendungsbereiches von Art. 4 Abs. 2 GG Abgrenzungsprobleme keineswegs auflöst,479 obwohl das Bundesverfassungsgericht in seiner Rechtsprechung für eine entsprechende teleologische Auslegung eingetreten ist.480 Vielmehr werden aufgrund dieser Auslegung die Disparität von Schutzbereich und Schranke thematisiert,481 und selbst vom Bundesverwaltungsgericht entgegen dem Bundesverfassungsgericht als Lösungsmöglichkeit die Anwendung eines Gesetzesvorbehalts vorgeschlagen.482 Auch sind die zur teleologischen Begründung einer weiten Ausdehnung postulierten Schutzlücken keineswegs als unerträglich zu beschreiben. Wie ausgeführt, wird für die Weltanschauungsfreiheit bereits ein hohes Schutzniveau durch die dreifache Gewährleistung der weltanschaulichen Glaubens, Gewissens und Bekenntnisfreiheit in Art. 4 Abs. 1 GG erreicht. Für den Schutz des über die weltanschauliche Bekenntnisfreiheit hinausgehenden Rahmens kann für Jugendweihen, Trauungsfeiern, Begräbnisse und sonstige Versammlungen auf den Schutz durch Art. 8 GG sowie die noch zu untersuchenden Inhalte der Gewährleistung der kollektiven Weltanschauungsfreiheit durch Art. 140 GG verwiesen werden. Sich und sein Leben an den Geboten einer Weltanschauung auszurichten, ist je nach Inhalt, darüber hinaus jedenfalls durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützt, der im Rahmen des Allgemeinen Persönlichkeitsrechtes zudem ggf. i. V. m. Art.  1 Abs.  1  GG zu sehen ist. Die Folgenbetrachtung der im Rahmen der teleologischen Betrachtung mög­lichen unterschiedlichen Auslegungsergebnisse sprechen mithin dafür, Art. 4 Abs.  2 GG auch unter teleologischen Gesichtspunkten so auszulegen, dass die Ausübung einer Weltanschauung nicht erfasst ist.

478

Vgl. BVerfG, Beschluss vom 19.10.1971, Az.: 1 BvR 387/65, BVerfGE 32, S. 98 (107). Vgl. die Darstellung der externen Abgrenzungsprobleme im 1. Kapitel unter B. 480 Vgl. zur st. Rsp. u. a. BVerfG, Urteil vom 24.9.2003, Az.: 2 BvR 1436/02, BVerfGE 108, S. 282 (297). 481 Vgl. 1. Kapitel C. III. 482 BVerwG, Urteil vom 23.11.2000, Az.: 3 C 40/99, BVerwGE 112, S. 227 (232). 479

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bb) Art. 136 Abs. 4 WRV – negative Kultusfreiheit Wie Art. 136 Abs. 3 WRV normiert auch Art. 136 Abs. 4 WRV ein negatives Freiheitsrecht. Während Art.  136  Abs.  3  WRV eine spezielle Ausformulierung der negativen religiösen Bekenntnisfreiheit483 enthält, normiert Abs.  4 die negative Kultusfreiheit.484 Sie umfasst die Freiheit, nicht an einer kirchlichen Handlung oder Feierlichkeit teilnehmen zu müssen, oder zu einer religiösen Übung wie einer Eidleistung gezwungen zu werden. Wie die übrigen, teilweise nicht ausdrücklich normierten negativen Freiheitsrechte, stellt sie das Gegenstück zu der in Art. 4 Abs. 2 GG normierten positiven Kultusfreiheit dar. Mithin stellt sie vom Zwang zur aktiven Vornahme von Kultushandlungen frei, gewährt jedoch keinen Konfrontationsschutz.485 Eine Erstreckung des Art. 136 Abs. 4 WRV auf die Freiheit nicht an der Ausübung einer Weltanschauung teilnehmen zu müssen, legt hierbei weder der Wortlaut nahe, der mit religiösen Übungen, kirchlichen Feierlichkeiten und religiösen Eidesform sich gleich drei Mal ausdrücklich auf den religiösen Bereich bezieht, noch erscheint dies aus systematischen Erwägungen heraus geboten: Bereits die positive Kultusfreiheit war nach Auslegung von Art. 4 Abs. 2 GG auf die Gewährleistung der ungestörten Religionsausübung beschränkt, deren systematisches Gegenstück Art.  136 Abs.  4 WRV ist. Besteht keine besondere Ausübungsfreiheit, so muss auch keine gesonderte negative Freiheit bestehen. Auch die mit den Begriffen des Art. 136 Abs. 4 WRV in Zusammenhang stehenden Art. 136 Abs. 1, Art. 138 Abs. 2, Art. 139, Art. 141 WRV sehen nur religiöse Ausübungsformen vor. Die historische Auslegung zeigt ferner, dass der Grundsatzausschuss in seiner 24. Sitzung die Formulierung von den „religiösen Übungen“ bewusst gewählt hat, da Bergsträsser (SPD) hiermit einen historisch bestimmt geprägten Begriff der katholischen Kirche verwenden wollte, den er auf die „Geistlichen Übungen des Ignatius von Loyola“ zurückführte.486 Als Beispiel für den Zwang zu der Teilnahme an einer „Feierlichkeit“487 bzw. einer „religiösen Handlung“488 im Sinne des Art. 138 Abs. 4 WRV, zu der man gezwungen werden kann, wird schließlich auf die 483

So zu Art. 136 Abs. 3 WRV auch Muckel in Friauf/Höfling, GG, Art. 4 Rn. 25; Mager in v. Münch/Kunig, GG, Art. 4 Rn. 38; Bergmann in Hömig, GG, Art. 140 Rn. 6. Vgl. ferner: 2. Kapitel unter B. I. 2. a) ee) (3) (b). 484 Zu der Annahme einer Bedeutung von Art. 136 Abs. 4 WRV als negative Kultusfreiheit kommen auch Muckel in Friauf/Höfling, GG, Art.  4 Rn.  37; Hellermann, Die sog. negative Seite der Freiheitsrechte, S. 161 f.; Mager in v. Münch/Kunig, GG, Art. 4 Rn. 58; Bergmann in Hömig, GG, Art. 140 Rn. 7. 485 Vgl. Mückl in BK (Viertbearbeitung), GG, Art. 4 Rn. 120 f., 123. 486 Vgl. Pikart/Werner in Schick/Kahlenberg, Der Parlamentarische Rat, Bd.  5, 2.  Hlbbd., S.  624. Auch Süsterhenn (CDU) stimmte ausdrücklich dem Plural als besserem Begriff zu, wollte sich hingegen die Begründung nicht zu eigen machen. 487 Pikart/Werner in Schick/Kahlenberg, Der Parlamentarische Rat, Bd. 5, 2. Hlbbd., S. 624 (v. Mangoldt). 488 Pikart/Werner in Schick/Kahlenberg, Der Parlamentarische Rat, Bd. 5, 2. Hlbbd., S. 624 (Süsterhenn).

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2. Kap.: Neubestimmung der dogmatischen Struktur

Teilnahme an einer Fronleichnamsprozession verwiesen. Aufgrund der bewussten Verwendung des aus Sicht Bergsträssers bestimmten Begriffs der religiösen Übungen und des nachfolgend von anderen Abgeordneten verwendeten Beispiels, muss daher davon ausgegangen werden, dass, wie auch für Art. 4 Abs. 2 GG bereits dargelegt, eine bewusste Beschränkung der negativen Kultusfreiheit auf den religiösen Bereich gewollt war. Für die nähere Bestimmung des Inhaltes der Kultusfreiheit erscheint neben der bereits erwähnten Fronleichnamsprozession das von Art.  136 Abs.  4 WRV verwendete inhaltskonkretisierende Beispiel der religiösen Eidesform ergiebig. Hierbei handelt es sich um die zeitgenössisch übliche Beifügung religiöser Inhalte zur Schwurformel489 ggf. unter der Verwendung eines religiösen Schwurgegenstandes.490 Es geht hingegen nicht, wie die Betonung der Form zeigt, um die Verweigerung des Eides als solchem, dessen besondere Bedeutung sich historisch ebenfalls aus dem Religiösen heraus ableitet. Dies ist für die Abgrenzung zur negativen Bekenntnisfreiheit bedeutsam.491 Obgleich es sich bei dem Eid um eine ausschließlich eigenhändig vornehmbare Handlung handelt,492 kann trotz des Legalbeispiels der religiösen Eidesform auch weiterhin für die Religionsausübung im Allgemeinen als einer kollektiven Handlung ausgegangen werden. Denn im Gegensatz zum Eid ist es für die Eidesform gerade von Bedeutung, dass der Eid von jemandem abgenommen und somit in einem kollektiven Rahmen geleistet wird. Dies zeigen auch die Beispiele des Art. 56 und Art. 64 Abs. 2 GG, die als äußere Form die Eidesleistung vor dem ganzen Bundestag bzw. vor den versammelten Mitgliedern des Bundestages und des Bundesrates vorsehen. cc) Ergebnis: keine weltanschauliche Kultusfreiheit Für den Schutzbereich der Religionsfreiheit konnte aus unterschiedlichen Normen der eigenständige Schutz der Kultusfreiheit herausgearbeitet werden. Dieser findet sich vor allem in den Art. 4 Abs. 2 GG, Art. 136 Abs. 4, Art. 141 WRV. Aspekte der Kultusfreiheit finden sich ferner in Art.  138 Abs.  2 WRV hinsichtlich des Vermögensschutzes für Kultuszwecke und Art. 139 WRV hinsichtlich des 489

Vgl. z. B. § 64 StPO. Vgl. BVerfG, Beschluss vom 17.7.1973, Az.: 1 BvR 308/69, BVerfGE 35, S. 366 ff. Als Begründung für das Vorhalten von Kreuzen in Gerichtssälen wird in der Entscheidung darauf verwiesen, dass diese als Schwurgegenstände dienen können bzw. sollen. 491 Für die Verweigerung des Eides als solchem, auch ohne religiöse Eidesformel, ist auf die negative Bekenntnisfreiheit abzustellen. Dafür muss in der Eidesleistung trotz Verzicht auf die religiöse Beifügung gleichwohl, z. B. aufgrund des historischen Herkommens des Eides als ritueller Selbstverfluchung, subjektiv eine religiöse Bekenntnishandlung gesehen werden, zu der niemand gemäß Art. 136 Abs. 3 Satz 1 WRV gezwungen werden darf. Vgl. 2. Kapitel unter B. I. 2. a) ee) (3) (b). 492 Vgl. Müller in MüKo, StGB, Vor § 153 ff., Rn. 16 unter Verweis auf eine allgemeine Meinung m. w. N. 490

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Sonntagsschutzes. Bereits nach ihrem Wortlaut sehen diese Regelungen aber keine Anwendung auf Weltanschauungen vor.493 Die systematische Auslegung hatte dabei ergeben, dass sowohl aufgrund der formalen Trennung des Art. 4 GG in zwei Absätze, als auch aufgrund der insgesamt aufeinander abgestimmten Normen kein einheitlicher Schutzbereich von Art. 4 Abs. 1, 2 GG gegeben ist494 und daher keine Erstreckung des Abs.  2 auf die Weltanschauung erfolgt.495 Die historische Auslegung legte ferner den Schluss nahe, dass diese Unterscheidung im Gesetzgebungsverfahren auch bewusst getroffen worden war.496 Ausgehend vom Sinn und Zweck der Kultusfreiheit, deren besonders privilegierte subjektive Zielsetzung insbesondere die Verehrung höherer Mächte ist,497 hat die teleologische Auslegung schließlich ergeben, dass es eine Reihe von Motiven gab, die gegen eine Gleichstellung sprachen498 und sich in der Rechtsentwicklung auch als objektiv rechtspolitische Zielsetzungen bestätigt haben, die gegen eine teleologisch ebenfalls mögliche extensive Auslegung der Weltanschauungsfreiheit angeführt werden können.499 Soweit Weltanschauungen der äußeren Form nach gleichwohl kultähnliche Handlungsformen kennen,500 deren Zielsetzung sich nicht in der Ausübung der Bekenntnisfreiheit erschöpft,501 finden insoweit die allgemeinen Regelungen, insbesondere Art. 8 GG Anwendung. Für das bereits angesprochene Beispiel des Verbotes eines Aufmarsches ­nationalsozialistischer Gruppen zum Gedenken an Rudolf Heß502 kommt es mithin nicht darauf an, ob der Nationalsozialismus als Weltanschauung angesehen werden kann.503 Zumindest für ihm nahestehende Lehren, wie die des Ludendorff Bundes, muss dieses nämlich bestätigt werden.504 Art. 4 Abs. 2 GG ist jedoch ermessensfehlerfrei in die Abwägung nicht einzustellen gewesen, da dieser aus 493

Vgl. 2. Kapitel unter A. II. 2. und B. I. 2. b). So auch: Muckel in Friauf/Höfling, GG, Art. 4 Rn. 4; Mückl in BK (Viertbearbeitung), GG, Art. 4 Rn. 5; ders. Staat 40, S. 107 ff. mit weitergehender Begründung; Hellermann, Die sog. negative Seite der Freiheitsrechte, S.  127f, 138 ff.; Hense, Glockenläuten und Uhrenschlag, 209 f. m. w. N. zur differenzierten Behandlung von Abs. 2; Huster, Die ethische Neutralität des Staates, S. 380 ff.; Mager in v. Münch/Kunig, GG, Art. 4 Rn. 17, 33, 55; Schoch in FS Hollerbach, S. 157; Kästner, JZ 1998, 979 f. 495 Vgl. 2. Kapitel unter B. I. 2. b) aa) (2). 496 Vgl. 2. Kapitel unter B. I. 2. b) aa) (3). 497 Vgl. S. 203. 498 Vgl. 2. Kapitel unter B. I. 2. b) aa) (4) (a). 499 Vgl. 2. Kapitel unter B. I. 2. b) cc). 500 So z. B. die Jugendweihe der Freidenkerbewegungen (vgl. Reinalter in Fahlbusch, Evangelisches Kirchenlexikon, Bd. 1, Sp. 1348 Stw.: „Freidenker“). 501 Dies ist sorgsam zu prüfen. Aufgrund der besonderen subjektiven Zielsetzung und Konzeption der Weltanschauung dürfte unabhängig von der äußeren Form regelmäßig der Bekenntnischarakter im Vordergrund stehen. Von der Bekenntnisfreiheit geschützte Zielsetzung von Versammlungen, Jugendweihen, Trauungen, Predigten und Begräbnissen kann die intellektuelle Einwirkung durch das (gemeinsame) Bekenntnis auf Mitglieder und Dritte zur Bestärkung in der Ausbildung einer weltanschaulichen Gesamtsicht sein. 502 In Anlehnung an Bayerischer VGH, Urteil vom 26.3.2007, Az.: 24 B 06.1894, BayVBl. 2008, S. 109 ff. 503 Zum Streitstand vgl. 1. Kapitel unter B. I. 504 Zur Lehre des Ludendorff-Bundes vgl. 2. Kapitel unter B. I. 1. c) aa) (6). 494

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2. Kap.: Neubestimmung der dogmatischen Struktur

schließlich auf die Ausübung einer Religion anzuwenden ist. Für die über das Bekenntnis einer Weltanschauung hinausgehende kollektive Rahmenhandlung ist demnach alleine auf Art. 8 GG abzustellen.

Für den Inhalt von Art.  4 Abs.  2 GG hat die Auslegung ergeben, dass hiervon öffentliche oder private kollektiv-religiöse Kulthandlungen erfasst sind. Kulthandlungen sind hierbei über einen gewissen Zeitraum andauernde, nach dem Inhalt des jeweiligen Bekenntnisses in ihrer äußeren Form ritualisierte Handlungen, die insbesondere der „Gottes“verehrung dienen. Aufgrund der notwendigen äußeren Form und der stärker „in die Öffentlichkeit“ wirkenden Handlung sind sie für Hemmungen und Beeinträchtigungen besonders anfällig. Ihre störungsfreie Ausübung wird daher auch gegenüber mittelbaren Beeinträchtigungen von Art. 4 Abs. 2 besonders gewährleistet. Die in Art. 136 Abs. 4 WRV statuierte negative Kultusfreiheit räumt demgegenüber spiegelbildlich das Recht ein, nicht an religiösen Kulthandlungen teilnehmen zu müssen, gewährleistet aber keinen darüber hinausgehenden Konfrontationsschutz. Die Abgrenzung zur negativen Bekenntnisfreiheit ergibt sich aus der für die Kultusfreiheit erforderlichen äußeren Form. Wer die äußere Form einer geforderten Bekenntnishandlung, wie z. B. die religiöse Eidesform, ablehnt, kann sich auf Art. 136 Abs. 4 WRV berufen. Wer hingegen die Bekenntnishandlung als solches ablehnt, also überhaupt keinen Eid aufgrund seines Herkommens als religiöser Bekenntnishandlung ablegen will, muss sich auf die negative Bekenntnis­ freiheit berufen. Anhänger einer Weltanschauung können sich daher sowohl auf die negative Kultusfreiheit als auch auf die negative religiöse Bekenntnisfreiheit berufen. c) Weltanschauliche Kindeserziehung (Art. 6 Abs. 2 GG i. V. m. Art. 4 Abs. 1 GG) Im Rahmen der Darstellung zu Art. 4 Abs. 1 GG ist bereits ausgeführt worden, dass die weltanschauliche Glaubensfreiheit die Ausbildung einer Weltanschauung und die weltanschauliche Bekenntnisfreiheit die Weitergabe eines weltanschau­ lichen Bekenntnisses schützen. Soweit aus dem Erziehungsrecht der Eltern gemäß Art. 6 Abs. 2 GG i. V. m. Art. 4 Abs. 1 GG zutreffend das Recht auf religiöse Kindeserziehung abgeleitet wird,505 ist dies auch auf die weltanschauliche Kindes­ erziehung übertragbar.506

505

Vgl. Hufen, Staatsrecht II, § 22 Rn. 20. Ebenso: BVerfG, Beschluss vom 17.12.1975, Az.: 1 BvR 63/68, BVerfGE 41, S. 29 (47): „das Recht zur Erziehung ihrer Kinder in jeder, also auch in weltanschaulich-religiöser Hinsicht.“ 506

B. Schutzbereich

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d) Schulischer Weltanschauungsunterricht (Art. 7 Abs. 2, 3, 5 GG) Zu Art. 7 Abs. 2, 3 und 5 GG hatte der einleitende Überblick bereits gezeigt, dass Art. 7 Abs. 2 und 3 GG Regelungen zum schulischen Religionsunterricht enthalten, während die Weltanschauung nur in Abs. 5 als Weltanschauungsschule enthalten ist.507 Hinsichtlich der Bedeutung von „Weltanschauungsschule“ war ferner untersucht und festgestellt worden, dass Weltanschauungsschule hier im Vergleich zum Oberbegriff der „bekenntnisfreien Schule“ des Art. 7 Abs. 3 Satz 1 GG und der „Bekenntnisschule“ des Art. 7 Abs. 5 GG als eine Schule weltanschaulicher Prägung zu verstehen ist.508 Für die Wortlautauslegung kann daher auf die umfangreiche Darstellung zum Begriff der Weltanschauung verwiesen werden.509 Im Rahmen der nachfolgenden Untersuchung ist ferner noch auf die systematische Analyse (aa), die Untersuchung der Entwicklungsgeschichte der Norm (bb) und die teleo­logische Erwägungen zu Art. 7 Abs. 2, 3 und 5 GG (cc) einzugehen, um daraus den weltanschaulichen Wirkbereich des Art. 7 GG abzuleiten (dd). aa) Systematische Betrachtung Bei der Regelung des Art. 7 Abs. 3 GG handelt es sich nach nahezu einhelliger Auffassung um eine staatliche Institutionsgarantie des Religionsunterrichtes,510 welches systematisch das Recht der Eltern aus Art.  7 Abs.  2  GG ergänzt, über die Teilnahme ihres Kindes am Religionsunterricht zu bestimmen. Dieser Auffassung ist zuzustimmen. Art. 7 Abs. 3 GG statuiert, dass in den öffentlichen Schulen, mit Ausnahme der bekenntnisfreien Schulen, Religionsunterricht als ordentliches Lehrfach in Übereinstimmung mit den Grundsätzen der Religionsgemeinschaft zu erteilen ist. Die Regelung des Art. 7 Abs. 3 Satz 3 GG, wonach kein Lehrer gezwungen werden darf, gegen seinen Willen Religionsunterricht zu erteilen, ist hingegen als besondere Klarstellung der bereits durch Art. 136 Abs. 3 WRV gewährleisteten negativen Bekenntnisfreiheit anzusehen.511

507

Vgl. 2. Kapitel unter A. II. 1 und 2. c). Vgl. auch Schmitt-Kammler in Sachs, GG, Art. 7 Rn. 49 Fn. 169 und Pieroth in Jarass/ Pieroth, GG, Art. 7, Rn. 10. 509 Vgl. 2. Kapitel B. I. 1. 510 Geis in Friauf/Höfling, GG, Art.  7 Rn.  50; Robbers in v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 7 Rn. 129; Schmitt-Kammler in Sachs, GG, Art. 7 Rn. 43; Hemmerich in v. Münch/Kunig, GG, Art. 7 Rn. 23. 511 Vgl. S. 181. So auch Muckel in Friauf/Höfling, GG, Art. 4 Rn. 25. Trotz der textlichen Beschränkung des Art. 7 Abs. 3 GG auf Religionsunterricht scheint es angemessen, diesen aufgrund der inhaltlichen Konzeption des Unterrichts als besondere Klarstellung der negativen Bekenntnisfreiheit und nicht der negativen Kultusfreiheit anzusehen. Soweit an einer Schule Weltanschauungsunterricht erteilt wird, findet anstelle von Art.  7 Abs.  3  Satz  3  GG mithin Art. 4 Abs. 1 GG direkte Anwendung. 508

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2. Kap.: Neubestimmung der dogmatischen Struktur

Die in Art. 7 Abs. 3 GG angesprochene Ausnahme der bekenntnisfreien Schule wird in Art. 7 Abs. 5 GG wieder aufgegriffen. Diese Regelung lässt, neben den an die Garantie des Art. 7 Abs. 3 GG gebundenen öffentlichen Volksschulen, ebenso Gemeinschaftsschulen, sowie Bekenntnis- und Weltanschauungsschulen auf Antrag von Erziehungsberechtigen als private Volksschulen zu. Als bekenntnisfreie Schulen im Sinne des Art. 7 Abs. 3 GG könnten mithin Gemeinschafts- und Weltanschauungsschulen in Betracht kommen. Die Auslegung hatte dabei ergeben, dass bekenntnisfreie Schulen auf Grundlage der grundgesetzlichen Systematik sowohl weltanschaulich geprägt oder religiös-weltanschaulich neutral („welt­liche Schule“) ausgerichtet sein können, da in beiden Fällen kein Religionsunterricht erteilt wird.512 Eine weltanschauliche Prägung ist jedenfalls nicht vom Begriff der Bekenntnisschule mit umfasst, da „Bekenntnis“ in Art.  33 Abs.  3  GG und Art. 7 Abs. 3 GG synonym mit dem Begriff der Religion verwendet wird, und sich eine entsprechende Auslegung auch an dieser Stelle gebietet. Die sprachlich-systematische Verklammerung von Bekenntnis- oder Weltanschauungsschule in Art. 7 Abs. 5 GG über „-schule“ lässt aber die Deutung zu, dass zwischen Bekenntnis- und Weltanschauungsschulen eine größere systema­ tische Gemeinsamkeit besteht, als mit der zuvor genannten Gemeinschaftsschule, welche nicht mit den beiden anderen Schulformen verklammert wurde. Dies spricht dafür, in der Weltanschauungsschule eher eine weltanschaulich geprägte Schule zu sehen, die der religiös geprägten Bekenntnisschule gegenübergestellt wird.513 Hierfür ließe sich ferner auf die Parallelität zu Art. 4 Abs. 1 GG verweisen, der durch die Erwähnung von weltanschaulichem und religiösem Bekenntnis alle Bekenntnisformen abdecken will.514 Ebenso würde die Formulierung Bekenntnisund Weltanschauungsschule alle Schulformen abdecken, bei denen eine besonders prägende Überzeugung existiert, während für Schulformen ohne besondere religiöse und weltanschauliche Prägung, mithin in diesem Sinne „weltliche“ Schulen, zumindest die Form der Gemeinschaftsschule verbliebe.515 Bekenntnisfrei im Sinne des Art. 7 Abs. 2 GG wäre eine Schule aber weiterhin bereits dann, wenn sie nicht durch eine Religionsgemeinschaft spezifisch geprägt wird. Dies kann sowohl an Gemeinschafts- wie Weltanschauungsschulen der Fall sein. Für die Frage, ob Art. 7 GG auch das Recht auf einen Weltanschauungsunterricht einer Weltanschauungsgemeinschaft legitimiert, muss nach zusammenfas 512

So i. E. auch Geis in Friauf/Höfling, GG, Art. 7 Rn. 55; Hemmerich in v. Münch/Kunig, GG, Art. 7 Rn. 26. 513 So auch Hemmerich in v. Münch/Kunig, GG, Art. 7 Rn. 44 unter zutreffendem Verweis auf BVerwG, Urteil vom 16.2.1992, Az.: 6 C 5.91, BVerwGE 89, S. 368 ff. wonach eine Weltanschauungsschule stets eine gemeinsame weltanschauliche Überzeugung voraussetze, wie sie bei einer multikonfessionellen Schule nicht gegeben sei. 514 Vgl. zur teleologischen Erwägung des Art. 4 Abs. 1 GG ab S. 186. 515 Ähnlich Geis in Friauf/Höfling, GG, Art. 7 Rn. 97 der unter Gemeinschaftsschulen die konfessionsübergreifende christliche oder weltliche Schulen versteht, die weithin als Regelschule vorgegeben sei.

B. Schutzbereich

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sender Betrachtung daher festgehalten werden, dass der Verfassungsgeber nicht nur in der Verfassung allgemein, sondern gerade auch innerhalb des Art.  7  GG textlich zwischen weltanschaulicher und religiöser Prägung differenziert und die Formulierungen des Art.  7 Abs.  2 und 3  GG gleichwohl einzig auf den Religionsunterricht bezieht. Es erscheint daher überzeugender, aus dem Wortlaut des Art. 7 Abs. 2 und 3 GG sowie der systematischen Stellung des Art. 7 Abs. 5 GG als Ausnahmevorschrift zu folgern, dass der Verfassungsgeber sich bewusst gegen eine Institutionsgarantie zugunsten des Weltanschauungsunterrichts entschieden hat, als aus der bloßen Erwähnung der Weltanschauungsschule in Abs. 5 das Gegenteil ableiten zu wollen.516 Die große Mehrheit innerhalb der Rechtswissenschaft will hingegen gleichwohl Art. 7 Abs. 2 und 3 GG auch auf die Weltanschauungsgemeinschaften anwenden. Hierfür werden unterschiedliche systematische Argumentationen herangezogen: Eine erste Auffassung will dieses über die Anwendung von Art. 137 Abs. 7 WRV i. V. m. Art.  140  GG erreichen.517 Die dort vollzogene Gleichstellung der Welt­ anschauungsgemeinschaften sei auch auf Art.  7 Abs.  3  GG zu übertragen. Dieser Auffassung ist jedoch entgegenzuhalten, dass sie die textlichen Unterschiede in Art.  7  GG nivelliert, die auch in anderen Regeln der Verfassung ihren Ausdruck gefunden haben.518 Ferner setzt sie sich nicht mit den zahlreichen Stimmen in der Literatur auseinander, die Art. 137 Abs. 7 WRV nicht über den Bereich des Art. 137 WRV519 hinaus anwenden wollen, oder aus systematischen Erwägungen seine Anwendung zumindest auf die Normen der WRV beschränkt sehen wollen.520 Es sprechen zwingende, aus der systematischen Stellung des Art. 137 WRV 516 Starck in v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 4 Rn. 19, der zugunsten von Art. 7 Abs. 3 GG gegenüber Art.  137  Abs.  7  WRV zudem die lex posterior Regel anwenden will. Dies erscheint im Hinblick auf den einheitlichen Erlass des Grundgesetzes in all seinen Teilen bedenklich. Ferner: Bergmann in Hömig, GG, Art. 140 Rn. 20; Fleischer, Religionsbegriff, S. 164; i. E. so auch Janz, LKV 2004 S. 356 (357). Bereits unter Geltung der zu Art. 7 Abs. 5 GG und Art.  7 Abs.  3  Satz  1  GG nahezu wortlautgleichen Vorschriften der Art.  146 Abs.  3 und Art. 149 WRV sieht Gebhard, WRV, Art. 137 Anm. 15 eine bewusste Entscheidung gegen die Anwendung der Gleichstellung von Art. 137 Abs. 7 WRV. 517 Implizit BVerwG, Urteil vom 17.6.1998, Az.: 6 C 11/97, NVwZ 1999, S. 769 (773); ausdrücklich VerfGBbg, Urteil vom 15.12.2005, Az.: VerfGBbg 287/03, DÖV 2006, S. 260.; Geis in Friauf/Höfling, GG, Art. 7 Rn. 49; Schmitt-Kammler in Sachs, GG, Art. 7 Rn. 21 Fn. 128; Link in HbdStKirchR, Bd.  2, S.  500; Hildebrandt, Das Grundrecht auf Religionsunterricht, S. 223 f. 518 Vgl. 2. Kapitel A. II. 2. 519 So Hollerbach in HbdStR, § 138, Rn.  137 a. E.; Hemmerich in v. Münch/Kunig, GG, Art. 140 Rn. 36; Magen in Umbach/Clemens, GG, Art. 140 Rn. 122; Bergmann in Hömig, GG, Art. 140 Rn. 20; Anschütz, WRV, Art. 137, Anm. 12; Giese, WRV, Art. 137, Anm. 8; Gebhard, WRV, Art. 137 Anm. 15; Schwankhart in FS von der Heydte, S. 1193 (1194); Bayer, Religionsund Gewissensfreiheit, S.  97; Lindner, Entstehung und Untergang von Körperschaften des öffentlichen Rechts, S.  50 (Fn.  214); Janz, LKV 2004, S.  356 (357). Ferner angedeutet bei ­Muckel, Religiöse Freiheit und staatliche Letztentscheidung, S. 135 f. 520 Maunz in MD, GG, Art. 137 WRV, Rn. 54 (Erstbearbeitung); v. Campenhausen in v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 137 WRV, Rn. 300.

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2. Kap.: Neubestimmung der dogmatischen Struktur

abgeleitete Argumente dagegen, in ihm eine Generalklausel zu sehen und über den in Art.  137 WRV hinaus formulierten Anwendungsbereich zu erstrecken.521 Die Anwendung von Art. 137 Abs. 7 WRV auf Art. 7 GG ist daher abzulehnen. Eine zweite Auffassung will hingegen neben Art. 137 Abs. 7 WRV kumu­lativ auch den systematischen Vergleich zu Art. 4 Abs. 1, 2 GG heranziehen, um eine Einbeziehung des Weltanschauungsunterrichtes zu rechtfertigen.522 Der einheitliche Schutzbereich des Art.  4  Abs.  1 und 2  GG bewirke auch im kollektiven Bereich eine Gleichstellung von Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften, weshalb im Rahmen des Art.  7 Abs.  3  GG auch die Erteilung von Weltanschauungsunterricht durch Weltanschauungsgemeinschaften zuzulassen sei. Dieser Ansicht ist zum einen entgegenzuhalten, dass die systematische Auslegung keinen einheitlichen Schutzbereich von Art. 4 Abs. 1 und Abs. 2 GG hergibt. Die Schutzbereiche des Art. 4 Abs. 1 und Abs. 2 GG sind aufeinander abgestimmt und beinhalten unterschiedliche Gewährleistungen. Der systematische Vergleich zwischen Art. 4 Abs. 2 GG, Art. 136 Abs. 4 WRV und Art. 141 WRV, sowie den weiteren Normen mit Bezug zur Kultusfreiheit hat überdies ergeben, dass, sich alle diese Normen übereinstimmend nur auf religiöse Handlungsformen beziehen.523 Art.  4  Abs.  1  GG ist daher keine über die Freiheit des Bekenntnisses hinausgehende Aussage zu einer allgemeinen Gleichbehandlung von Weltanschauung und Religion zu entnehmen. Weiterhin berücksichtigt diese Auffassung nicht, dass selbst unterstellt den Fall Art. 4 Abs. 1, 2 GG würde die grundsätzliche Gleich­ behandlung von Weltanschauung und Religion anordnen, aufgrund vergleichbarer Regelungen im Grundgesetz524 nicht ausgeschlossen werden kann, dass Art. 7 GG hierzu aufgrund seiner sprachlichen Formulierung und systematischen Fassung eine Ausnahmeregelung darstellt.525 Vereinzelte Auffassungen wollen demgegenüber Art. 7 Abs. 3 GG auf Weltanschauungsgemeinschaften anwenden, indem sie unter den Begriff der Religionsgemeinschaften subsumiert werden.526 Hierfür lässt sich zwar die These der fehlenden Unterscheidbarkeit von Weltanschauung und Religion heranziehen,527 sie hält aber weder dem Ergebnis zum Begriffsinhalt der Weltanschauung528 noch der 521

Vgl. zur näheren Argumentation die Darstellung zur Auslegung des Art. 137 Abs. 7 WRV im 2. Kapitel unter B. I. 2. e). 522 OVG Berlin, Urteil vom 8.11.1995, Az.: 7 B 34.93, KirchE 33, S. 448 (451) [Zitiert wird Art. 137 Abs. 1 WRV – dem Sinn nach gemeint sein dürfte aber Abs. 7]; Czermak, NVwZ 2003, S. 949 (951); ders., Religions- und Weltanschauungsrecht, S. 157 Rn. 296 jeweils unter kumulativer Bezugnahme auf Art. 137 Abs. 7 WRV. 523 Vgl. 2. Kapitel B. I. 2. b) cc). 524 Z. B. Art. 12 a GG als Ausnahme zu Art. 12 Abs. 2 GG für den Wehr- und Zivildienst, der im Übrigen ein weitgehendes Verbot öffentlicher Dienstpflichten statuiert. 525 So auch Fleischer, Religionsbegriff, S. 164; Janz, LKV 2004, S. 356 (357). 526 Oebbecke, DVBl 1996, S. 336 (339). 527 Obermayer, DVBl 1981, 615 (618); Muckel, Religiöse Freiheit und staatliche Letztentscheidung, S. 135. 528 Vgl. 2. Kapitel B. I. 1. e).

B. Schutzbereich

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durchgehenden systematischen Differenzierung des Verfassungsgebers in Welt­ anschauung und Religion stand. Auch die Möglichkeit einer analogen Anwendung von Art.  7 Abs.  3  GG auf Weltanschauungsgemeinschaften wird thematisiert.529 Fraglich erscheint hierbei bereits, ob eine Art.  7 Abs.  3  GG entsprechende Institutionsgarantie überhaupt analogiefähig ist. Die Erwähnung der Weltanschauung in Art. 7 Abs. 5 GG spricht indessen gegen das Vorliegen einer regelungsbedürftigen Lücke,530 da sie, auch mit Blick auf die übrigen Regeln des Grundgesetzes, vielmehr für eine bewusste Entscheidung des Verfassungsgebers gegen die Berücksichtigung der Weltanschauung in Art. 7 Abs. 3 GG spricht. Zusammenfassend bleibt demnach festzuhalten, dass Art. 7 Abs. 3 GG mit der Institutionsgarantie zugunsten des Religionsunterrichtes durch Religionsgemeinschaften eine Regelung getroffen hat, die sich unter systematischen Gesichtspunkten als solche nicht auf Weltanschauungsunterricht durch Weltanschauungsgemeinschaften übertragen lässt. Die Verfassung enthält mit Art. 7 GG folglich eine weitere Regelung, die von einer Differenzierung von Weltanschauung und Religion ausgeht und hieran unterschiedliche Rechtsfolgen knüpft. Die Institutionsgarantie zugunsten des Religionsunterrichtes lässt es dem Gesetzgeber dabei allerdings unbenommen, Weltanschauungsunterricht entsprechend den Vorgaben zum Religionsunterricht auf einfachgesetzlicher Basis einzuführen.531 bb) Historische Genese des Art. 7 Abs. 2, 3 und 5 GG Bei der historischen Auslegung des Art. 7 GG soll die Genese der Absätze 2, 3 und 5 betrachtet werden, um der bereits im Rahmen der systematischen Auslegung diskutierten Frage nachzugehen, ob Religionsunterricht im Sinne des Art. 7 GG auch die Lehre einer Weltanschauung erfassen soll. Ferner wird auch aus historischer Sicht auf das komplexe Verhältnis der Weltanschauungsschule zu den übrigen Schulformen einzugehen sein. Aufgrund des Umfangs der Beratungen soll hierzu zunächst ein Überblick über die Entwicklungsgeschichte vorangestellt werden (1), der Art. 7 GG in den Kontext der übrigen Beratungen des Parlamentarischen Rates einordnet. Sodann werden die wesentlichen inhaltlichen Erwägungen der parlamentarischen Beratung zum Religionsunterricht dargestellt (2). Abschließend soll die Genese von Art. 7 GG bewertet und in den Zusammenhang mit den übrigen Regelungen gestellt werden (3).

529

Renck, BayVBl. 1992, S. 519 f. So auch Hanßen, LKV 2003, S. 153 (157). 531 BVerwG, Beschluss vom 7.8.1996, Az.: 6 B 19/96, NJW 1997, S. 1796; im Ansatz auch Hildebrandt, Das Grundrecht auf Religionsfreiheit, S. 223 f. 530

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2. Kap.: Neubestimmung der dogmatischen Struktur

(1) Überblick über die Entwicklungsgeschichte Nachdem bereits in den Plenardebatten verschiedentlich über das Recht der religiösen Erziehung gesprochen worden war, wurde erst in die 24. Sitzung des Grundsatzausschusses ein Formulierungsvorschlag am 23.11.1948 durch die CDU/ CSU-Fraktion eingebracht. Zu den Fragen des Religionsunterrichtes lautete es dort: „(1) Pflege und Erziehung der eigenen Kinder ist das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Dieses Recht ist auch bei der Bestimmung des religiös-weltanschaulichen Charakters der Schule und durch Sicherung der Unterrichtsfreiheit zu wahren. […]. (2) Der Religionsunterricht ist ordentliches Lehrfach in allen Schulen. Er wird nach den Grundsätzen der Kirche in ihrem Auftrage erteilt.“532 Der für die 29. Sitzung des Grundsatzausschusses am 4.12.1948 von der CDU/ CSU-Fraktion eingebrachte modifizierte Textvorschlag blieb in den hier wesentlichen Teilen unverändert. Insbesondere blieb es bei den Formulierungen von Abs. 1 Satz 2 und Absatz 2 Satz 2.533 Da keine Einigung erzielt werden konnte, kam kein gemeinsamer Vorschlag des Grundsatzausschusses zu Stande, so dass der Antrag unverändert auch der ersten Lesung in der 21. Sitzung des Hauptausschusses am 7.12.1948 zugrundelag.534 Bei der satzweisen Abstimmung wurde Abs. 1 Satz 2 hierbei mit 11 gegen 10 Stimmen abgelehnt, während Abs. 2 Satz 2 unter Änderung des Begriffs „Kirche“ in „Kirchen“ eine Mehrheit von 11 gegen 5 Stimmen fand.535 Ebenfalls auf dieser Sitzung brachte der Abgeordnete Seebohm (DP) einen Antrag zur Frage der Privatschulen ein, dessen hier wesentlicher Passus lautete: „Ihre Zulassung darf nicht aus religiösen, weltanschaulichen oder politischen Gründen versagt werden.“ Über den Antrag wurde jedoch nicht abgestimmt.536 Der Begriff der Religionsgemeinschaften wird erstmals vom Vorschlag des Allgemeinen Redaktionsausschusses am 13.12.1948 in Abs. 2 an die Stelle des Begriffs der Kirchen gesetzt.537 Die vom Grundsatzausschuss in der 32. Sitzung am 11.1.1949 diskutierte redaktionelle Neufassung sah hingegen weiterhin den Be 532 Pikart/Werner in Schick/Kahlenberg, Der Parlamentarische Rat, Bd. 5, 2. Hlbbd., S. 634 Fn. 28, 645; v. Doemming/Füsslein/Matz in Leibholz/v. Mangoldt, JöR Bd. 1 N. F., S. 103. 533 v. Doemming/Füsslein/Matz in Leibholz/v. Mangoldt, JöR Bd. 1 N. F., S. 103. 534 v.  Doemming/Füsslein/Matz in Leibholz/v. Mangoldt, JöR Bd.  1 N. F., S.  104; Pikart/­ Werner in Schick/Kahlenberg, Der Parlamentarische Rat, Bd. 5, 2. Hlbbd., S. 835; Parlamentarische Rat, Verhandlungen des Hauptausschusses, Bonn 1948/49, S. 245. 535 Parlamentarische Rat, Verhandlungen des Hauptausschusses, Bonn 1948/49, S.  254; v. Doemming/Füsslein/Matz in Leibholz/v. Mangoldt, JöR Bd. 1 N. F., S. 105. 536 Parlamentarische Rat, Verhandlungen des Hauptausschusses, Bonn 1948/49, S. 254 a. E.; v. Doemming/Füsslein/Matz in Leibholz/v. Mangoldt, JöR Bd. 1 N. F., S. 112. 537 v. Doemming/Füsslein/Matz in Leibholz/v. Mangoldt, JöR Bd. 1 N. F., S. 105; Parlamentarischer Rat, Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland (Entwürfe), Bonn 1948/49, S. 87.

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griff der Kirchen vor.538 In der 2.  Lesung des Hauptausschusses am 18.1.1949 wurde sodann auch Abs. 2 Satz 2 in der Fassung des Grundsatzausschusses mit 11 gegen 10 Stimmen gestrichen, nachdem zuvor bereits die Aufnahme des Satzes „Bei der religiös-weltanschaulichen Gestaltung der öffentlichen Schulen ist der Wille der Erziehungsberechtigten zu berücksichtigen“ mit 11 gegen 9 Stimmen erneut keine Mehrheit gefunden hatte.539 Unmittelbar darauf erfolgte jedoch die Annahme eines Antrages des Abgeordneten Heuss (FDP) in geänderter Form zu Abs. 2, so dass dieser nach der zweiten Lesung des Hauptausschusses folgende Fassung fand: „(2)  Die Erziehungsberechtigten haben das Recht, über die Teilnahme des Kindes am Religionsunterricht zu bestimmen. Der Religionsunterricht ist in den öffentlichen Volks-, Mittel- und Berufsschulen und in höheren Lehranstalten ordentliches Lehrfach. Er wird, unbeschadet des staatlichen Aufsichtsrechts, nach den Grundsätzen und Lehren der Religionsgemeinschaften erteilt. Kein Lehrer kann gegen seinen Willen verpflichtet werden, Religionsunterricht zu erteilen.“540 Sie entspricht in Satz 3 dem Vorschlag des Allgemeinen Redaktionsausschusses und führt in Satz 4 zusätzlich zu den bisherigen Beratungen ein Verweigerungsrecht für Lehrer ein. Der Antrag des Abgeordneten Heuss enthielt für die Frage der Privatschulen ebenfalls eine Regelung in Abs. 3: Demnach sollte das Recht zur Errichtung privater Schulen gewährleistet werden, während das Nähere durch Landesgesetz bestimmt werden sollte.541 Dieser Passus wurde ohne Änderungen durch den Hauptausschuss angenommen.542 Für die dritte Lesung des Hauptausschusses lag folgender Vorschlag des interfraktionellen Fünferausschusses vom 5.2.1949 vor, der die Fassung des Haupt­ ausschusses in unterschiedliche Absätze aufgliederte und eine Ausnahme vom Religionsunterricht für bekenntnisfreie Schulen einführte, sowie detailliert die Frage der Privatschulen regelte: „(1) Das gesamte Schulwesen steht unter der Aufsicht des Staates. (2) Die Erziehungsberechtigten haben das Recht, über die Teilnahme des Kindes am Religionsunterricht zu bestimmen. (3) Der Religionsunterricht ist in den öffentlichen Volks-, Mittel- und Berufsschulen und in höheren Lehranstalten mit Ausnahme der bekenntnisfreien Schulen ordentliches Lehrfach. Er wird, unbeschadet des staatlichen Aufsichtsrechts, nach den Grundsätzen und Lehren der Religionsgemeinschaften erteilt. Kein Lehrer kann gegen seinen Willen verpflichtet werden, Religionsunterricht zu erteilen. (4)  Das Recht zur Errichtung von privaten Schulen wird gewährleistet. […] (5) Private Volksschulen sind nur zugelassen, wenn für eine Minderheit von Erziehungsberechtigten eine öffent­ 538 v. Doemming/Füsslein/Matz in Leibholz/v. Mangoldt, JöR Bd. 1 N. F., S. 106; Pikart/Werner in Schick/Kahlenberg, Der Parlamentarische Rat, Bd. 5, 2. Hlbbd., S. 936 ff. (938). 539 v. Doemming/Füsslein/Matz in Leibholz/v. Mangoldt, JöR Bd. 1 N. F., S. 107f; Parlamentarische Rat, Verhandlungen des Hauptausschusses, Bonn 1948/49, S. 567. 540 v. Doemming/Füsslein/Matz in Leibholz/v. Mangoldt, JöR Bd. 1 N. F., S. 108 f. 541 v. Doemming/Füsslein/Matz in Leibholz/v. Mangoldt, JöR Bd. 1 N. F., S. 112. 542 Parlamentarische Rat, Verhandlungen des Hauptausschusses, Bonn 1948/49, S. 567.

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liche Volksschule ihres Bekenntnisses oder ihrer Weltanschauung in der Gemeinde nicht besteht oder die Unterrichtsverwaltung ein besonders pädagogisches Interesse anerkennt.“543 Der Hauptausschuss nahm diesen Vorschlag in seiner 47. Sitzung am 8.2.1949 an.544 In der vierten Lesung beschloss der Hauptausschuss für Art. 3 in seiner 57. Sitzung am 5.5.1949 auf gemeinsamen Vorschlag des Allgemeinen Redaktionsausschusses und der Abgeordneten Zinn (SPD) und Dehler (FDP) die abschließende Fassung: Der Religionsunterricht ist in den öffentlichen Schulen mit Ausnahme der bekenntnisfreien, ordentliches Lehrfach. Unbeschadet des staatlichen Aufsichtsrechts wird der Religionsunterricht in Übereinstimmung mit den Grundsätzen der Religionsgemeinschaften erteilt. Kein Lehrer kann gegen seinen Willen verpflichtet werden, Religionsunterricht zu erteilen.545 Gegenüber dem vorhergehenden Entwurf waren somit die durch den Vorschlag der FDP eingeführten Konkretisierungen der Schulformen wieder entfallen. Ferner wurde ebenfalls der durch den Antrag der FDP aufgenommene Zusatz „und Lehren“ zurückgenommen. Für den Abs. 5 lag folgender Änderungsvorschlag des Allgemeinen Redaktionsausschusses vor: „(5) Eine private Volksschule ist nur zuzulassen, wenn die Unterrichtsverwaltung ein besonderes pädagogisches Interesse anerkennt oder, auf Antrag von Erziehungsberechtigten, wenn sie als Gemeinschaftsschule, als Bekenntnis- oder Weltanschauungsschule errichtet werden soll und eine öffentliche Volksschule dieser Art in der Gemeinde nicht besteht.“546 Dieser Änderungsvorschlag wurde ebenfalls angenommen. Der wiederholte Antrag der CDU-Fraktion, den Satz „Bei der religiös-weltanschaulichen Gestaltung des Schulwesens ist dem Willen der Erziehungsberechtigten Rechnung zu tragen“ einzufügen, wurde hingegen erneut abgelehnt.547 (2) Wesentliche Erwägungen in der parlamentarischen Beratung In der 24. Sitzung des Grundsatzausschusses wurde erst am Ende der Beratungen zum Elternrecht der Antrag der CDU im Wortlaut eingeführt, der auch die Frage des Religionsunterrichts behandelte. Süsterhenn (CDU) wies dabei darauf hin, dass die Formulierung des zweiten Absatzes der Eingabe des Landesbischofs Wurm entnommen sei. Bergsträsser (SPD) und Bauer (SPD) sahen Beratungs­ 543

Parlamentarischer Rat, Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland (Entwürfe), Bonn 1948/49, S. 174. 544 Parlamentarische Rat, Verhandlungen des Hauptausschusses, Bonn 1948/49, S. 615. 545 v. Doemming/Füsslein/Matz in Leibholz/v. Mangoldt, JöR Bd. 1 N. F., S. 111; Parlamentarischer Rat, Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland (Entwürfe), Bonn 1948/49, S. 198. 546 Parlamentarischer Rat, Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland (Entwürfe), Bonn 1948/49, S. 198. 547 Parlamentarische Rat, Verhandlungen des Hauptausschusses, Bonn 1948/49, S. 760 f.

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bedarf in der Fraktion, so dass von Mangoldt (CDU) die Diskussion vertagte und die Sitzung schloss.548 In der 29. Sitzung des Grundsatzausschusses führte zunächst Heuss (FDP) aus, dass er einen Rechtsanspruch der Eltern auf die Gestaltung des Charakters der Schule als unvereinbar mit „den Grundlagen des Föderativen“ ansehe.549 Zum Religionsunterricht führte er aus, dass er fast bereit sein würde „die Kinder von Eltern, die aus der Religionsgemeinschaft ausgetreten sind, zu zwingen einen Religionsunterricht zu besuchen, weil die ganze deutsche Geschichte nicht verstanden werden kann, ohne dass man den fundamentalen Beitrag des Christentums für den Aufbau des geistigen und kulturellen Lebens begreift.“550 Als Erwiderung auf die erste Aussage durch Heuss wendete Frau Weber (CDU) ein, es sei „das Recht der Eltern den weltanschaulichen Charakter der Schule zu bestimmen und auch die Privatschulen neben der öffentlichen Schule zu fördern.“551 Gegen die Wahlfreiheit der Eltern, den Charakter der Schule zu bestimmen, wendete sich jedoch Eberhard (SPD), der unter Verweis auf Heuss ebenfalls die Gefahr von kleinen Schulen sah, welche die zusätzlich aufgrund der konfessionellen Trennung eine dauerhafte Unterscheidung in Flüchtlinge und Einheimische mit sich bringen könnten.552 Ferner warf Bergsträsser ein, dass der Antrag der CDU/CSU-Fraktion auf die Abschaffung der Simultanschule hinauslaufe. Da die SPD „nicht nur unsere Schule durchsetzen, sondern […] auch den anderen die weltanschauliche Ausgestaltung der Schule zugestehen [wolle]“, solle es bei der Regelung durch die Länder verbleiben.553 Als zusätzliches Gegenargument brachte er ferner die Gefahr von Standesschulen vor, nachdem Süsterhenn (CDU) vorgebracht hatte, dass die Möglichkeiten zum Kompromiss „viel, viel geringer“ sei, da mit dem Antrag „der weltanschauliche Bereich berührt“ werde.554 Die Wiederholung des Argumentes durch Bergsträsser, „Hier entsteht dann, dass eine konfessionelle oder weltanschauliche Minderheit einen Anspruch hat, von diesem finanziell so geschwächten Staate die Übernahme von Kleinschulen zu verlangen“555, zeigt dass trotz der häufigeren Verwendung des Begriffs der Weltanschauung als Oberbegriff in der all­gemeinen Diskussion über die Wahlfreiheit gleichwohl auch am Gegensatzpaar Konfession und Weltanschauung festgehalten wurde. Trotz der ungelösten Diskussion über das Elternrecht bei der Festlegung der Schulform zeigte die Zusammenfassung durch Süsterhenn: „Außerdem hat Herr 548

Pikart/Werner in Schick/Kahlenberg, Der Parlamentarische Rat, Bd. 5, 2. Hlbbd., S. 645 ff. Pikart/Werner in Schick/Kahlenberg, Der Parlamentarische Rat, Bd. 5, 2. Hlbbd., S. 809. 550 Pikart/Werner in Schick/Kahlenberg, Der Parlamentarische Rat, Bd. 5, 2. Hlbbd., S. 810. Zu beachten ist jedoch, dass sich der oben wiedergegebene Sinn erst unter Berücksichtigung der nachträglichen Streichungen aus dem Protokoll ergibt. Vgl. ebenda, Fn. 17. 551 Pikart/Werner in Schick/Kahlenberg, Der Parlamentarische Rat, Bd. 5, 2. Hlbbd., S. 811. 552 Pikart/Werner in Schick/Kahlenberg, Der Parlamentarische Rat, Bd. 5, 2. Hlbbd., S. 812. 553 Pikart/Werner in Schick/Kahlenberg, Der Parlamentarische Rat, Bd. 5, 2. Hlbbd., S. 813. 554 Pikart/Werner in Schick/Kahlenberg, Der Parlamentarische Rat, Bd. 5, 2. Hlbbd., S. 815. 555 Pikart/Werner in Schick/Kahlenberg, Der Parlamentarische Rat, Bd. 5, 2. Hlbbd., S. 817. 549

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2. Kap.: Neubestimmung der dogmatischen Struktur

Kollege Dr. Bergsträsser erklärt, Religionsunterricht sei eine Selbstverständlichkeit, werde nicht bestritten, wenigstens dem Prinzip nach“, mit anschließendem Zwischenruf durch Bergsträsser: „Auch praktisch nicht!“,556 dass zwischen FDP, CDU und SPD Einigkeit bei der Frage der Erteilung von Religionsunterricht bestand. Heuss bekräftigte seine Befürwortung des Religionsunterrichts in diesem Zusammenhang nochmals ausdrücklich, indem er ausführte: „Ich habe immer zu denen gehört, die eine weltliche Schule nicht sehr geliebt haben, weil ich sie als eine Verarmung der Schule angesehen habe. Die religiöse Überzeugung gewinnt der Mensch aber erst, wenn er älter ist.“557 Bei der Beratung in der 21. Sitzung des Hauptausschusses am 7.12.1948 setzt sich die Diskussion zum Elternrecht im Wesentlichen unverändert fort, ohne dass der Antrag schließlich eine Mehrheit fand. Die Begründung durch Frau ­Weber (CDU) es müsse möglich sein, dass „religiöse oder  – und das betone ich ausdrücklich – auch andere Minderheiten Schulen ihres Bekenntnisses verlangen kön­ nen“558, zeigte noch einmal deutlich, dass die Wahlfreiheit der Schulform auch in weltanschaulicher Hinsicht und als Gegensatz zur Religion beabsichtigt war. Gleichwohl wurde in der Diskussion auch allgemein von „weltanschaulichen Kämpfen“559, „weltanschaulich getrennte höhere Schulen“560 oder gar „kirchlichen Weltanschauung“561 gesprochen. Im Hinblick auf die Frage der Erteilung von Religionsunterricht führte indessen sogar Renner (KPD) aus, dass er auf dem Standpunkt stehe, „dass das eine An­ gelegenheit der Religionsgemeinschaften ist. Ich bin auch der Meinung, dass den Religionsgemeinschaften das Recht auf Erteilung von Religionsunterricht, sogar in den Räumen der Schule meinetwegen, konzediert werden kann und muss.“562 Die Erteilung von Religionsunterricht in der (Volks)Schule durch Religions­ gemeinschaften scheint demnach allgemeiner Konsens gewesen zu sein. Erst beim Vorschlag des Allgemeinen Redaktionsausschusses vom 13.12.1948, in Abs. 2 an der Stelle des Begriffs der „Kirchen“ von Religionsgemeinschaften zu sprechen, wird angemerkt, „der Begriff der Kirchen dürfte zu eng sein, da es Religionsgemeinschaften gibt, die nicht als Kirchen im eigentlichen Sinne an­erkannt sind.“563 Den Beratungen der 32. Sitzung des Grundsatzausschusses lässt sich demgegenüber eine weitere Begründung von Frau Weber (CDU) für die Notwendigkeit des Religionsunterrichtes entnehmen. Man lebte „heute nicht mehr in der 556

Pikart/Werner in Schick/Kahlenberg, Der Parlamentarische Rat, Bd. 5, 2. Hlbbd., S. 823. Pikart/Werner in Schick/Kahlenberg, Der Parlamentarische Rat, Bd. 5, 2. Hlbbd., S. 825. 558 Parlamentarische Rat, Verhandlungen des Hauptausschusses, Bonn 1948/49, S. 246. 559 Parlamentarische Rat, Verhandlungen des Hauptausschusses, Bonn 1948/49, S. 246. 560 Parlamentarische Rat, Verhandlungen des Hauptausschusses, Bonn 1948/49, S. 248. 561 Parlamentarische Rat, Verhandlungen des Hauptausschusses, Bonn 1948/49, S. 251. 562 Parlamentarische Rat, Verhandlungen des Hauptausschusses, Bonn 1948/49, S. 251. 563 Parlamentarischer Rat, Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland (Entwürfe), Bonn 1948/49, S. 87 Anm. 2. 557

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Zeit vor dem Kriege, sondern in einer Zeit, die einen ganz anderen sittlichen Aufbau unseres Volkes verlangt. Ich meine das von jeder Sicht aus, auch von der Sicht derer, die nicht den Religionsunterricht, sondern nur den Unterricht auf sitt­licher Grundlage wollen. […] dass Jugendliche neben dem rein Beruflichen irgendwie eine Einführung in ewige Werte erhalten“, sei daher unbedingt notwendig.564 In der zweiten Lesung des Hauptausschusses führte Heuss (FPD) mit Blick auf seinen mehrheitlich angenommenen Änderungsantrag zur inhaltlichen Ausgestaltung des Religionsunterrichtes aus, dass ein „Mann, der mit Religion keine Verbindung hat, gerade das Beste schuldig bleiben muss, was Religionsunterricht geben kann. Der rein technische, biblische Geschichtsunterricht reiche da […] noch nicht ganz aus. Es muss einer irgendwie schon in einer inneren Bindung stehen, um diese Darstellung nicht bloß als historisches Denkmaterial oder Wissensmaterial, sondern irgendwie auch als ein religiöses Glaubensmaterial anzusehen.“ Er habe daher eine Formulierung gewählt, „der die staatliche Schulaufsicht bei An­erkennung der Mitwirkung der Kirchen bei dem Religionsunterricht aufrecht­ erhält.“ Erst im Hinblick auf die Ablehnung eines Staatsmonopols im Schulbereich habe er den Satz beantragt, das Recht zur Errichtung von Privatschulen zu gewährleisten, damit Schulen einer besonderen Neigung, „sei es weltanschaulich, sei es pädagogisch-technisch, […] als Möglichkeit“ für Eltern oder eine freie Gruppe in Betracht komme.565 Der Abgeordnete Renner (KPD) stellte im weiteren Verlauf der Sitzung fest, dass in einem Antrag der CDU „zum Problem Religion und Religionsgemeinschaft […] gewisse Formulierungen […] wörtlich aus dem Verfassungsentwurf des Volksrates abgeschrieben waren. […] mit einigen bezeichnenden Einschränkungen. […] nämlich […], dass die Rechte, die Sie für ihre kirchlichen Organisationen fordern, auch allen Organisationen weltanschaulicher Art zuzubilligen sind.“566 Er behielt aber seine in der ersten Lesung geäußerte Grundposition bei, 564

Pikart/Werner in Schick/Kahlenberg, Der Parlamentarische Rat, Bd. 5, 2. Hlbbd., S. 937. Parlamentarische Rat, Verhandlungen des Hauptausschusses, Bonn 1948/49, S. 558. 566 Parlamentarische Rat, Verhandlungen des Hauptausschusses, Bonn 1948/49, S. 559. Die Äußerungen beziehen sich vermutlich auf Art. 35 Abs. 5 des Entwurfs der SED für eine Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik vom 14.11.1946 oder einer späteren Entwurfsfassung zu Art. 43 Abs. 5 der Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik vom 7.10.1949. Anders als diese Fassungen enthält der vermutlich angesprochene Antrag der CDU/ CSU, des Zentrums und der DP vom 29.01.1948 keinen mit Art. 137 Abs. 7 WRV identischen Passus. (Vgl. v. Doemming/Füsslein/Matz in Leibholz/v. Mangoldt, JöR Bd. 1 N. F., S. 899f.) Weitergehende Regelungen zu Fragen der Behandlung einer Weltanschauung und deren Gleichstellung enthielt jedoch auch der mit „Religion und Religionsgemeinschaften“ überschriebene V. Abschnitt der DDR-Verfassung nicht. Lediglich Art. 48 Satz 2 statuierte weiterhin, dass ein Kind ab dem Alter von 14 Jahren unabhängig von seinen Eltern über seine Zugehörigkeit zu einer Weltanschauungsgemeinschaft entscheiden kann. Thematisch dürfte die Anmerkung des Abgeordneten Renner daher der Entstehungsgeschichte des Art. 140 GG zuzuordnen sein, und sich weniger auf die Frage des Religionsunterrichtes in Abgrenzung zum Weltanschauungsunterricht beziehen. 565

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dass „Religionsunterricht Angelegenheit der Religionsgemeinschaften ist“ und er im Namen seiner Partei „die Ausübung dieses Rechts durch Organe der Kirche“ bejahe.567 Für die weitere Beratung zum Grundgesetz erscheint schließlich die Fest­ stellung des Abgeordneten Zinn (SPD) erheblich, der zur beschlossenen Fassung feststellte, dass mit Abs. 2 das Recht der Eltern auf freie Wahl der Schulform praktisch aufgehoben sei, denn mit der Einführung des Religionsunterrichtes nach den Grundsätzen der Religionsgemeinschaften als ordentliches Lehrfach an allen Schulen „verbieten [Sie] hier die weltliche Schule. Sie verbieten jede Schule, in der ein anderer als ein kirchlicher Religionsunterricht erteilt werden kann. […] Sie verbieten eine Schule wie die Waldorfschule, an der kein Religionsunterricht im kirchlichen Sinne erteilt wird.“568 Der zur dritten Lesung des Hauptausschusses vorliegende Entwurf des interfraktionellen Fünferausschusses, der eine Ausnahme vom Religionsunterricht für bekenntnisfreie Schulen und eine abweichende Regelung der Privatschulfrage vorsah, dürfte durch diese Einlassung Zinns (SPD) wesentlich beeinflusst worden sein. Einer archivierten Stellungnahme von Seebohm (DP) vom 4.2.1949 zu den Vorschlägen des Fünferausschusses lässt sich zur Frage der bekenntnisfreien Schule entnehmen: „Es ist authentisch zu interpretieren, dass unter ‚bekenntnisfreien Schulen‘ nur ‚weltliche oder konfessionslose Schulen‘ zu verstehen sind.“569 Dies lässt einen entsprechenden Rückschluss auf die hinter der Formulierung stehende Absicht des Fünferausschusses zu, ohne jedoch den damit eingeführten Begriff der konfessionslosen Schule näher aufzuklären. Eine inhaltliche Aussprache im Hauptausschuss erfolgte trotz der umfangreichen Änderungsvorschläge nicht.570 Auch zu den für die vierte Lesung des Hauptausschusses vorgeschlagenen Änderungen des Allgemeinen Redaktionsausschusses wurde keine Begründung angegeben.571 Die Aussprache in der vierten Lesung beschränkte sich im Wesent-

567

Parlamentarische Rat, Verhandlungen des Hauptausschusses, Bonn 1948/49, S. 560. Parlamentarische Rat, Verhandlungen des Hauptausschusses, Bonn 1948/49, S. 565. 569 Feldkamp in Stelzl/Kahlenberg, Der Parlamentarische Rat, Bd. 11, S. 93 Fn. 8 Anm. 3b). Dem Protokoll der interfraktionellen Besprechung vom 11.2.1949 lässt sich weiterhin entnehmen, dass die Schulen in Bremen und Berlin „bekenntnisfrei“ im Sinne des Grundgesetzes sein sollen (Vgl. Feldkamp in Stelzl/Kahlenberg, Der Parlamentarische Rat, Bd. 11 S. 99 und S. 99 Fn. 8). In der abschließenden Beratung zu Art. 7 Abs. 3 Satz 1 GG im interfraktionellen Unterausschuss am 4.5.1949 wurde handschriftlich hinter dem Wort bekenntnisfrei zusätzlich „weltlich“ eingefügt. Dies verweist auf den entsprechenden dem Wortlaut von Art. 149 Abs. 1 WRV und deutet ferner, wie im Abschlussbericht durch v. Brentano ausgeführt (Parlamentarischer Rat, Schriftlicher Bericht zum Entwurf des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland, S.  77), darauf hin, dass zudem ein Gleichlauf zur Auslegung der WRV angestrebt war. 570 Parlamentarische Rat, Verhandlungen des Hauptausschusses, Bonn 1948/49, S. 615. 571 Parlamentarischer Rat, Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland (Entwürfe), Bonn 1948/49, S. 198. 568

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lichen auf die Reihenfolge der abzustimmenden Anträge, so dass ebenfalls keine inhaltliche Aussprache zu den Änderungsvorschlägen erfolgte.572 Hintergrund der umfangreichen Änderungen dürften gleichwohl die Ergebnisse der interfraktionellen Besprechungen gewesen sein. So enthielt das Protokoll der Sitzung vom Nachmittag des 28. April 1949 folgende Ergebnisse: „Art. 7 b: Soll bleiben, aber geändert werden. Die SPD sprach sich für den Änderungsantrag der FDP aus, das Wort „Berufsschulen“ zu streichen. Abs. 3 solle die Fassung wie in der Weimarer Reichsverfassung erhalten; CDU: das sei eine Abschwächung, aber man sei eventuell bereit, die Weimarer Formulierungen zu akzeptieren, wenn gesagt würde: „in den Schulen“. Abs.  5 SPD: er sei redaktionell verbesserungs­ bedürftig; CDU: einverstanden.“573 Eine abschließende Fassung wurde zudem nochmals auf einer Sitzung am 4. Mai 1949 beraten.574 In ihrem schriftlichen Bericht für die Beratung im Plenum legen sowohl von Mangoldt als auch von Brentano (beide CDU) dar, dass der Begriff der bekenntnisfreien Schule nach den Grundsätzen des Art.  149  WRV bzw. ferner Art.  146 Abs.  2 WRV interpretiert werden soll.575 Unter bekenntnisfreien Schulen verstand von Mangoldt demnach „bekenntnisfreie und weltliche Schulen“, die „keine Bekenntnis- oder Simultanschulen sind, d. h. in denen der Schüler weder nach den religiösen und sittlichen Grundsätzen seines Bekenntnisses von Lehrern gleichen Bekenntnisses unterrichtet und erzogen wird, noch Unterricht und Er­ziehung allgemein christlich gebunden ist.“576 Auch von Brentano sprach in seinem Bericht ausdrücklich davon, dass Religionsunterricht „nach der Interpretation des Verfassungsgesetzgebers […] nur sein“ soll: ein bekenntnismäßig gebundener Unterricht über dessen Lehrinhalt die Religionsgemeinschaften entscheiden.577 (3) Zusammenfassung und Bewertung Zum Gang der Beratungen lassen sich drei wesentliche Aspekte zusammenfassen: Die Wahlmöglichkeiten der Eltern hinsichtlich der Gestaltung des Charakters der Schule hat zu keinem Zeitpunkt eine parlamentarische Mehrheit gefunden. Hingegen beruhte die Erteilung von Religionsunterricht in der Schule im Grundsatz auf einem über alle Fraktionen hinweggehenden Konsens. Die Frage 572

Parlamentarische Rat, Verhandlungen des Hauptausschusses, Bonn 1948/49, S. 759 ff. Feldkamp in Stelzl/Kahlenberg, Der Parlamentarische Rat, Bd. 11, S. 211. 574 Feldkamp in Stelzl/Kahlenberg, Der Parlamentarische Rat, Bd. 11, S. 268. 575 Parlamentarischer Rat, Schriftlicher Bericht zum Entwurf des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland, PRat-Drucks. 850, 854, Anlage zum stenographischen Bericht der 9. Plenarsitzung vom 6.5.1949, S. 10, 77. 576 Parlamentarischer Rat, Schriftlicher Bericht zum Entwurf des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland, S. 10. 577 Parlamentarischer Rat, Schriftlicher Bericht zum Entwurf des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland, S. 76. 573

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2. Kap.: Neubestimmung der dogmatischen Struktur

der Errichtung von Privatschulen ist dabei jedenfalls zum Teil als ein Kompromiss im Zusammenhang mit der Gestaltung der Schulform zu sehen. Sie wurde erst in einem späten Stadium aufgegriffen und erst weitergehend ausformuliert, als absehbar war, dass hinsichtlich der verbindlichen Gestaltung der öffentlichen Schule nach dem Elternwillen keine Einigung zu erzielen war. Zum Verhältnis von Weltanschauung und Religion lässt sich der Auslegung der Genese von Art. 7 GG entnehmen, dass in allen rechtsförmlich formulierten Anträgen stets die Weltanschauung der Religion respektive dem Bekenntnis gegenüber gestellt wurde, während in der allgemeinen Debatte der Begriff der Weltanschauung auch zur Bezeichnung des Gesamtkomplexes als ein Oberbegriff herangezogen wurde. Dies kann als weiteres Indiz für eine vom allgemeinen Sprachgebrauch abweichende Bedeutung im rechtlichen Kontext herangezogen werden.578 Bei der systematischen Auslegung von Art. 7 GG konnten letzte Zweifel hinsichtlich der Bedeutung der Begriffe „bekenntnisfrei“ und „Weltanschauungsschule“ noch nicht ausgeräumt werden. Als Ergebnis der Normgenese muss unter bekenntnisfrei aber „weltliche oder konfessionslose Schulen“ verstanden werden.579 Dies erscheint inhaltlich gleichbedeutend mit der im Bericht durch von Mangoldt gebrauchten (in Teilen tautologischen) Wendung von der „bekenntnisfreie[n] und weltliche[n] Schule“.580 Hingegen spricht die Entstehungsgeschichte des Begriffs der Weltanschauungsschule dafür, unter Weltanschauungsschule gerade nicht die weltliche Schule, sondern dem Entwurf der dritten Lesung folgend, eine Schule mit einer weltanschaulichen Prägung zu verstehen. Insbesondere, da sich CDU und SPD in der interfraktionellen Besprechung lediglich darauf geeinigt hatten, nur noch eine redaktionelle Neufassung vorzunehmen. Unter einer „weltlichen Schule“ ist nach den parlamentarischen Beratungen stets eine Schule verstanden worden, in der kein Religionsunterricht erteilt wird, so dass die Auslegung in diesem Fall für eine laizistische Gestaltung spricht. Unklar bleibt, was unter einer konfessionslosen Schule zu verstehen ist. Begrifflich dürften hierunter Schulen zu verstehen sei, die nicht durch eine Konfession geprägt werden. Der authentischen Interpretation im Bericht durch von Mangoldt nach sind es Schulen, die keine Bekenntnis- oder Simultanschule sind.581 Aufgrund der stark religiösen Prägung des Begriffs Konfession und seiner weitgehenden Gleichsetzung mit dem Begriff des Bekenntnisses, der auch durch die synonyme Verwendung im Bericht von Mangoldts erneut deutlich wird, kann diese Auslegung auch Weltanschauungsschulen umfassen, da Weltanschauungsschu-

578

Vgl. hierzu auch 2. Kapitel B. I. 1. a) (4). So i. E. auch Geis in Friauf/Höfling, GG, Art. 7 Rn. 55; Hemmerich in v. Münch/Kunig, GG, Art. 7 Rn. 26 580 Parlamentarischer Rat, Schriftlicher Bericht zum Entwurf des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland, S. 10. 581 Parlamentarischer Rat, Schriftlicher Bericht zum Entwurf des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland, S. 10. 579

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len gerade nicht durch eine religiöse Konfession geprägt werden. Eine Weltanschauungsschule wäre demnach auch eine bekenntnisfreie Schule im Sinne des Art. 7 Abs. 3 GG. Bemerkenswert ist die Nennung der Waldorfschule durch den Abgeordneten Zinn in diesem Zusammenhang. Da sich die Einführung der Ausnahme vom Religionsunterricht für bekenntnisfreie Schulen am wahrscheinlichsten auf die Einlassung Zinns zurückführen lässt, kann die Waldorfschule möglicherweise auch als Beispiel für eine bekenntnisfreie Schule in der Form der konfessionslosen Schule gesehen werden. Da die Waldorfschulen durch die anthroposophischen Lehren Rudolf Steiners geprägt sind und in der Anthroposophie zumeist eine Welt­ anschauung gesehen wird,582 könnte die Waldorfschule überdies auch ein Beispiel für eine Weltanschauungsschule sein.583 Diese Folgerungen sind zwar aufgrund der Betrachtung der Normgenese möglich, aber letztlich aus verschiedenen Gründen nicht zwingend. Zum einen spricht Zinn selbst von „einem anderen als kirchlichen Religionsunterricht“ an Waldorfschulen, was durch die ausdrückliche Bezugnahme auf „kirchlichen“ Religionsunterricht dafür sprechen könnte, dass Zinn die Waldorfschulen nicht weltanschaulich sondern in einer speziellen Art religiös geprägt empfunden haben könnte. Ferner greift der Einwand Zinns im Ergebnis nicht, da Religionsunterricht nach Art. 7 Abs. 3 GG auch in der Entwurfsfassung bereits nur an öffentlichen Schulen als ordentliches Lehrfach angesehen wurde, die Waldorfschulen jedoch als Privatschulen bestanden. In systematischer Hinsicht nicht unproblematisch erscheint dabei auch, dass die Waldorfschulen ferner aufgrund der entsprechende Einlassungen durch Heuss in den Beratungen des Grundsatzausschusses,584 jedenfalls mit der ebenfalls in Art. 7 Abs. 5 GG eingeführten Ausnahme des „besonderen pädagogischen Interesses“ umschrieben sein dürften. Aufgrund der unterschiedlichen Entwicklungslinien aus Elternrecht, verpflichtendem Religionsunterricht an öffentlichen Schulen und Privatschulfreiheit erscheint es dabei zwar auch nicht ausgeschlossen, dass bei den Waldorfschulen sowohl die Ausnahme des pädagogischen Interesses als auch der Fall der Weltanschauungsschule im Sinne des Abs. 5 gegeben sein könnte. Aus der durch den Parlamentarischen Rat mit Mehrheit vorgenommenen Einfügung in Art. 7 Abs. 3 GG lässt sich trotz der dabei ausdrücklich erwähnten anthroposophisch geprägten Waldorfschule jedoch nicht sicher ableiten, dass diese auch Weltanschauungsschulen im Sinne des Art. 7 Abs. 5 GG sein

582

Vgl. die Darstellung auf S. 35 in Fn. 46. Sieht man in der ausdrücklichen Erwähnung der Waldorfschule ein Beispiel einer Welt­ anschauungsschule, wäre auch die Anthroposophie eine weitere in den Beratungen des Parlamentarischen Rates wenn auch nur mittelbar erwähnte Weltanschauungslehre. 584 Pikart/Werner in Schick/Kahlenberg, Der Parlamentarische Rat, Bd. 5, 2. Hlbbd., S. 817. „Wir haben, obwohl mir Rudolf Steiner durchaus fernsteht, zugelassen, einige dieser WaldorfSchulen aufzumachen, weil sich hier interessante Experimente ergeben, die für die öffentlichen Schulen wichtig sein könnten.“ 583

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2. Kap.: Neubestimmung der dogmatischen Struktur

sollen und der Parlamentarische Rat demzufolge auch in der Anthroposophie eine Weltanschauung gesehen hätte.585 Entgegen der in der Literatur und Rechtsprechung vertretenen allgemeinen Gleichbehandlung von Weltanschauung und Religion muss nach der Betrachtung der Normgenese von Art. 7 GG daran festgehalten werden, dass „Religionsunterricht“ Weltanschauungsunterricht nicht mitumfasst. Deutlich wird dies zunächst durch die noch in der ersten Lesung des Hauptausschusses mit großer Mehrheit angenommene Fassung, dass der Religionsunterricht nach den Grundsätzen und im Auftrag der Kirchen erteilt wird. Weltanschauungsgemeinschaften waren in dieser Sprachfassung aufgrund des eindeutigen Wortlautes gerade nicht erfasst. Auf die enge begriffliche Beschränkung des Begriffs der Kirchen weist auch die Anmerkung durch den Allgemeinen Redaktionsausschuss hin. Die auf seinen Vorschlag hin vorgenommene Abänderung zu Religionsgemeinschaften erweitert den Begriff zwar, umfasst jedoch Weltanschauungsgemeinschaften ebenfalls nicht. Die parlamentarische Debatte zeigt keinerlei Anhaltspunkte, dass eine so weitgehende Erweiterung des Begriffs gewollt war; sie belegt eher das Gegenteil. So äußerte Heuss, dass er sogar aus der Kirche Ausgetretene zum Religionsunterricht verpflichten wolle und verweist hierfür auf die fundamentale Bedeutung des Christentums für die Kultur des Landes und ergänzt, dass biblischer Geschichtsunterricht den Religionsunterricht nicht ersetzen könne. Die Hinweise auf Christentum und Bibel sprechen dabei eindeutig gegen ein Verständnis von Religionsunterricht als Weltanschauungsunterricht. Auch Frau Weber grenzt den Religionsunterricht gegen sonstigen Unterricht auf sittlicher Grundlage ab. Sogar der Abgeordnete Renner spricht von der Erteilung von Religionsunterricht durch Organe der Kirche, obwohl er in unmittelbarem Zusammenhang zuvor noch ausdrücklich auf eine Schlechterstellung der Weltanschauungsgemeinschaften nach einem anderen Antrag der CDU hingewiesen hatte. Dass es sich bei der textlichen Formulierung um eine bewusste Beschränkung des Unterrichtsprivilegs auf Religionsgemeinschaften handelte und keineswegs um ein gesetzgeberisches Versehen belegt, dass während der ganzen parlamentarischen Beratung durchaus über das religiös-weltanschauliche Bestimmungsrecht der Eltern gestritten wurde, und auch im Übrigen bei förmlichen Fassungen Weltanschauung stets als Gegenbegriff zur Religion verwendet wurde. Gleichwohl wurde die Erteilung von Weltanschauungsunterricht nicht aufgenommen. Auch beide Berichterstatter für das Plenum nehmen unabhängig voneinander in ihren schriftlichen Berichten deutlich Bezug auf die christlichreligiöse Prägung des Religionsunterrichtes. Von Brentano verweist insoweit ausdrücklich darauf, dass die authentische Interpretation des Verfassungsgebers strikt einzuhalten sei. Selbst wenn man die Einwendung durch den Abgeordneten Zinn trotz aller Unwägbarkeiten so versteht, dass Waldorfschulen anthroposophisch geprägte Welt 585 Zur Einordnung der Anthroposophie als Weltanschauung in der Literatur vgl. Mertesdorf, Weltanschauungsgemeinschaften, S. 264 (Fn. 51) m. w. N.

B. Schutzbereich

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anschauungsschulen sind und an diesen Schulen „ein anderer als kirchlicher Religionsunterricht“ erteilt wird, liegt es vor dem Hintergrund der übrigen Aussagen näher, aus der daraufhin erfolgten Einfügung der Ausnahme für bekenntnisfreie Schulen im Umkehrschluss zu folgern, dass der Religionsunterricht zumindest an den übrigen Schulen religiös geprägt sein muss, als mit dem argumentum e simile anzunehmen, das auch weltanschauliche Unterweisungen Religionsunterricht im Sinne des Art. 7 Abs. 3 GG wären.586 cc) Teleologische Erwägungen zu Art. 7 Abs. 2, 3 und 5 GG Abschließend ist im Rahmen der Auslegung der Frage nachzugehen, welche Zielsetzung mit der Fassung des Art. 7 Abs. 2, 3 und 5 GG verfolgt wurden (1), um zu bewerten, welche Auslegung die Umsetzung dieser Ziele am besten ermöglicht (2). (1) Zielsetzungen Als ein den gesamten Regelungskomplex überspannendes Motiv geht aus den Beratungen des Parlamentarischen Rates zum Grundgesetz die Frage nach der Abgrenzung der Bundeskompetenz gegenüber der Zuständigkeit der Bundesländer hervor. Diese Argumentation wurde vor allem von Seiten der FDP und der SPD Fraktion gegenüber weitergehenden Vorschlägen der Fraktionen der CDU/ CSU, des Zentrums und der DP vorgebracht. Soweit Regelungen getroffen werden sollten, die über den Bereich der individuellen Überzeugungsfreiheit hinausgehen sollten, wurde stets die fehlende Kompetenz des Bundes für Kulturfragen hervorgehoben und die Zuständigkeit der Länder betont.587 Besonders im Bereich der Schulorganisation wurden die unterschiedlichen Regelungen in den Verfassungen und Gesetzen der Länder betont, die durch eine bundeseinheitliche Re­gelung beeinträchtigt werden könnten.588 Das bei der Formulierung der Grundrechte auf die Gesetzgebung der Länder Rücksicht zu nehmen sei, wurde auch bereits in 586 Schließlich lässt diese Argumentation auch außer Betracht, dass an Waldorfschulen neben kirchlichem Religionsunterricht auch Religionsunterricht durch freie religiöser Gemeinschaften wie der Unterricht der Christengemeinschaft, sowie der sog. „Freie Christliche Religionsunterricht“ angeboten wird. Diese Unterrichtsformen könnten von Zinn ebenso gemeint worden sein, ohne dass sich hieraus eine Parallelität von Weltanschauungs- und Religionsunterricht ableiten ließe. 587 Vgl. Pikart/Werner in Schick/Kahlenberg, Der Parlamentarische Rat, Bd.  5, 2.  Hlbbd., S.  635, 636, 640, 807; Parlamentarische Rat, Verhandlungen des Hauptausschusses, Bonn 1948/49, S. 256, 258, 489. 588 Vgl. Pikart/Werner in Schick/Kahlenberg, Der Parlamentarische Rat, Bd.  5, 2.  Hlbbd., S. 646, 809 f. (unter Verweis auf Regelungen in Württemberg-Baden, Südbaden, Hessen-Nassau und Hessen-Darmstadt), 813 ff.

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2. Kap.: Neubestimmung der dogmatischen Struktur

der einleitenden Beratung des Grundsatzausschusses thematisiert.589 Gleichwohl wurde jedoch teilweise die Notwendigkeit gesehen, gewisse Minimalregelungen aufzunehmen und den Ländern dann die Möglichkeit zur näheren Ausgestaltung zu überlassen, vor allem um möglichen Landesgesetzen der Ostländer mit SEDMehrheit vorzubeugen.590 Als Motiv gegen eine über einen einheitlichen Mindestbestand hinausgehende, umfassend bundeseinheitliche Regelung lässt sich daher zusammenfassend auf die Kultur- und Verfassungshoheit der Länder als Beweggrund der verfassungsgebenden Versammlung verweisen. Als weiteres Motive für die Herausnahme der Weltanschauungsfreiheit aus der bundeseinheitlichen Garantie des Religionsunterrichtes lässt sich auf eine bewusste Abkehr von dem, von den Nationalsozialisten zumindest im Land Württemberg bereits eingeführten Weltanschauungsunterricht verweisen.591 Besonders vor diesem Hintergrund erscheint verständlich, warum der für die FDP von Württemberg-Baden in den Parlamentarischen Rat gewählte Abgeordnete Heuss als ­Liberaler Religionsunterricht auch für Schüler forderte, deren Eltern aus der Kirche ausgetreten sind.592 Von verschiedenen Seiten wurden ferner die Bedeutung des christlichen Unterrichts und die Unterrichtung in ewigen, nicht vom Menschen ausgehenden Werten besonders hervorgehoben.593 Dies ist ebenfalls im Zusammenhang mit der Abkehr von der Ideologie des Nationalsozialismus zu sehen. Schließlich ist auch für den Bereich des Art.  7  GG eine weitgehende Orientierung am Regelungszustand der WRV festzustellen, so dass auch hier von der Ziel­ setzung eine rechtssichere, weil erprobte, Regelung zu schaffen ausgegangen werden kann.

589

Vgl. Die Stellungnahme durch Heuss in der 3.  Sitzung des Grundsatzausschusses am 21.9.1948 bei Pikart/Werner in Schick/Kahlenberg, Der Parlamentarische Rat, Bd. 5, 1. Hlbbd., S. 43. 590 Pikart/Werner in Schick/Kahlenberg, Der Parlamentarische Rat, Bd. 5, 2. Hlbbd., S. 630, 635 a. E., 638, 807 f.; Parlamentarische Rat, Verhandlungen des Hauptausschusses, Bonn 1948/ 49, S. 257. 591 Neben der allgemeinen Einflussnahme auf die Wertevermittlung im Religionsunterricht ist für das Land Württemberg ab 1937/38 die Einführung von nationalsozialistischem Weltanschauungsunterricht für vom Religionsunterricht abgemeldete Kinder belegt. Mit Billigung durch den Reichsminister Rust warben das Kultusministerium und die lokalen Parteiführungen dafür, Kinder vom Religionsunterricht abzumelden. An bestimmten Schultypen wurde jedoch Weltanschauungsunterricht durch die Schulbehörden als Pflichtfach eingeführt. (Vgl. Helmreich, Religionsunterricht in Deutschland, S. 245 ff.; Rickers in LexRP, Bd. 2, Sp. 1390, Stichwort: „Nationalsozialismus“ m. w. N.). 592 Pikart/Werner in Schick/Kahlenberg, Der Parlamentarische Rat, Bd. 5, 2. Hlbbd., S. 810. 593 Vgl. Pikart/Werner in Schick/Kahlenberg, Der Parlamentarische Rat, Bd.  5, 2.  Hlbbd., S. 937; Parlamentarische Rat, Verhandlungen des Hauptausschusses, Bonn 1948/49, S. 256.

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(2) Folgenbetrachtung und Bewertung Aus den dargelegten Zielsetzungen lässt sich im Rahmen der teleologischen Auslegung die Folgerung ableiten, dass Weltanschauungsunterricht nicht vom Begriff des Religionsunterrichts erfasst ist. Soweit Larenz in seiner Methodenlehre hervorhebt, es sei wesentlicher Teil der Folgenbetrachtung, bestehende Wertungswidersprüche zu vermeiden, durch die Auslegung entstehende Gesetzeswidersprüche jedoch in jedem Fall auszuschließen,594 bleibt festzustellen, dass sich diese Auslegung mit den zu Art. 4 Abs. 2 GG gefundenen Ergebnissen vereinbaren lässt. Ein möglicher Widerspruch könnte jedoch aufgrund der Nähe des Religionsunterrichts zur Weitergabe des Bekenntnisses darin zu sehen sein, dass Art. 4 Abs. 1 GG eine Gleichbehandlung aller Bekenntnisse anstrebt. Bei Art. 7 GG sieht von Mangoldt, der in seiner authentischen Kommentierung diesen Aspekt bei Art. 4 Abs. 1 GG hervorhebt, den „Ruf nach Toleranz“ allerdings gerade in der Einführung der bekenntnisfreien Schule als Ausnahme vom Religionsunterricht verwirklicht.595 Gegen eine Institutsgarantie zugunsten des Weltanschauungsunterrichts ließe sich ferner auf die allgemeine Zielsetzung des Grundgesetzes verweisen, einen Gegenentwurf zum NS-Regime zu entwickeln. In diesem Zusammenhang wäre es als widerspruchsfreie Abkehr vom NS-Weltanschauungsunterricht zu sehen, Welt­ anschauungen vom Anwendungsbereich des Art. 7 Abs. 3 GG auszunehmen. Entsprechend zeigen die Beratungen und die Einführung der Ausnahme des Art. 141 GG auch auf, dass der Parlamentarische Rat mit dem Religionsunterricht grundsätzlich ein bundeseinheitliches Minimum an Werteunterricht garantieren wollte. Darüber hinaus bleiben den Ländern nach der Zielsetzung des Parlamentarischen Rates in Ausübung der Kultushoheit weitgehende Ausgestaltungsmöglichkeiten. Art. 7 GG steht daher der Einführung von Weltanschauungsunterricht durch Landesgesetz nicht entgegen.596 dd) Ergebnis: Keine verfassungsrechtliche Garantie des schulischen Weltanschauungsunterrichts Hinsichtlich der Frage, ob Art. 7 Abs. 3 Satz 1 GG auch die Erteilung von Weltanschauungsunterricht als ordentliches Lehrfach legitimiert, hat die Auslegung ergeben, dass Weltanschauungsunterricht sprachlich nicht vom Begriff des Reli­ gionsunterrichtes erfasst ist, sondern Weltanschauung und Religion unterscheiden werden müssen.597 Die allgemeine Übersicht über den Normkomplex hatte 594

Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 334 f. v. Mangoldt, Das Bonner Grundgesetz, Art. 7 Anm. 1, S. 74. 596 Vgl. OVG Berlin, Urteil vom 8.11.1995, Az.: 7 B 34/93, KirchE 33 (1998), S. 448 ff. 597 Vgl. systematisches und historisches Auslegungsergebnis: 2.  Kapitel B. I. 2. d)  aa) und bb) (3). A. A. aber Oebbecke, DVBl 1996, S. 336 (339), der Weltanschauungsunterricht im Begriff des Religionsunterrichts enthalten sieht. 595

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2. Kap.: Neubestimmung der dogmatischen Struktur

insoweit ebenfalls bereits gezeigt, dass das Grundgesetz zwischen Weltanschauung und Religion differenziert und keine allgemeine Gleichstellung anordnet.598 Auch hatte die Binnensystematik des Art. 7 GG ergeben, dass als Ausnahme vom Religionsunterricht in Art. 7 Abs. 5 GG eigens die Errichtung von Weltanschauungsschulen erwähnt wird und auch dies systematisch gegen eine Gleichstellung in Art. 7 Abs. 3 GG spricht.599 Ferner konnte die historische Auslegung belegen, dass es während der Beratungen keinerlei Hinweise auf eine Erstreckung von Reli­gionsunterricht auch auf Weltanschauungen gab, sondern im Gegenteil explizit zunächst von Kirchen gesprochen wurde, was für eine eindeutig religiös intendierte Bedeutung spricht.600 Schließlich hat die teleologische Auslegung gezeigt, dass es mit dem Ziel, einen bundeseinheitlichen Mindeststandard festzulegen, zu ver­einbaren ist, eine Erweiterung von Art. 7 Abs. 3 GG über den Religionsunterricht hinaus auf die Erteilung von Weltanschauungsunterricht in die Kompetenz der Länder zu legen.601 Für die einleitend aufgeworfene Fragestellung, ob eine Weltanschauungsgemeinschaft gestützt auf Art. 7 Abs. 3 Satz 1 GG von der Schulverwaltung die Zulassung zur Erteilung von Weltanschauungsunterricht verlangen kann, ist demnach festzuhalten, dass sich aus Art. 7 Abs. 3 Satz 1 GG ein solches Recht nicht ergibt. Ein solches Recht könnte sich jedoch aus dem anwendbaren Landesrecht ergeben. Ferner ist noch zu untersuchen, ob sich aus dem Grundgesetz ggf. ein Anspruch auf Gleichbehandlung ergibt.602 e) Weltanschauungsgemeinschaften (Art. 137 Abs. 7 WRV) Abschließend ist für die Untersuchung der Wirkbereiche der Weltanschauungsfreiheit auf die Reichweite der in Art.  137 Abs.  7  WRV angeordneten Gleichstellung von Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften einzugehen. Hierzu soll zunächst der in Art. 137 Abs. 7 WRV verwendete Wortlaut untersucht werden (aa). Ferner ist auf die systematische Stellung der Norm (bb) und ihre histo­ rische Entwicklung  (cc)  einzugehen. Zuletzt sind die mit Art.  137 Abs.  7 WRV verfolgten Zielsetzungen zu untersuchen (dd), um als Ergebnis den Wirkbereich des Art. 137 Abs. 7 WRV festzustellen (ee).

598

Vgl. 2. Kapitel A. III. Vgl. 2. Kapitel B. I. 2. d) aa). 600 Vgl. 2. Kapitel B. I. 2. d) bb) (2) und (3). 601 Vgl. 2. Kapitel B. I. 2. d) cc) (2). 602 Vgl. insoweit die folgenden Darstellungen des 3. Kapitels.

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aa) Wortbedeutung der in Art. 137 Abs. 7 WRV verwendeten Termini „werden gleichgestellt“ und „Vereinigungen, die sich die gemeinschaftliche Pflege einer Weltanschauung zur Aufgabe machen“ Für „gleichstellen“ verzeichnet der DUDEN die Wortbedeutungen in „gleicher Weise behandeln“ und „den gleichen Rang zuweisen“.603 Der allgemeine Sprachgebrauch des Verbs gleichstellen hebt damit die systematische Unterscheidung der beiden Begriffe Weltanschauung und Religion nochmals hervor und weist darauf hin, dass beide Begriffskategorien trotz ihrer Unterschiede in gleicher Weise behandelt werden sollen und ihnen der identische Stellenwert zukommt. Da es sich bei „gleichstellen“ um ein transitives Verb handelt,604 ist aus dem Terminus „werden gleichgestellt“ keine zeitliche Komponente eines noch zu erfüllenden Gesetzgebungsauftrags abzuleiten. Die Gleichstellung soll vielmehr bereits unmittelbare Rechtsfolge der normativen Anordnung sein.605 Für den Begriff „gemeinschaftlich“ wird die Wortbedeutung „von mehreren als Gruppe durchgeführt“ angegeben.606 Für „Pflege“ erläutert der DUDEN als eine mögliche Wortbedeutung „das beständige Vornehmen bestimmter Handlungen zur Erhaltung oder Verbesserung eines bestimmten Zustands“.607 Eine Vereinigung, die sich die gemeinschaftliche Pflege einer Weltanschauung zur Aufgabe gemacht hat, wäre mithin nach dem Wortlaut der organisatorische Zusammenschluss einer Gruppe, die durch beständige Handlungen sich die Erhaltung oder Verbreitung einer Weltanschauung zur Aufgabe gemacht hat. Hieraus ergeben sich Anforderungen an den Grad der gemeinschaftlichen Organisation und die zeitliche Dauer des Zusammenschlusses. Ferner sind objektiv Handlungen zur Erhaltung oder Förderung einer Weltanschauung notwendig. Aus dem Begriff der Weltanschauung als Gesamtanschauung kann ferner die Anforderung abgeleitet werden, sich allen Aspekten dieser Weltanschauung zu widmen, da ansonsten keine Erhaltung der Weltanschauung im Sinne des Begriffs der „Pflege“ denkbar ist. bb) Systematische Stellung des Art. 137 Abs. 7 WRV Art. 137 WRV enthält neben dem Verbot der Staatskirche in Abs. 1 eine ganze Reihe von Freiheitsrechten, die auf Religionsgesellschaften zugeschnitten sind. So gewährt Abs. 2 die religiöse Vereinigungsfreiheit, Abs. 3 statuiert das Selbstverwaltungsrecht, Abs. 4 verweist hinsichtlich der Möglichkeit zum Erwerb der Rechtsfähigkeit auf das bürgerliche Recht, Abs. 5 eröffnet Religionsgesellschaften 603

Duden, Etymologie, S. 306. Duden, Etymologie, S. 306. 605 So auch Mertesdorf, Weltanschauungsgemeinschaften, S. 502 f. m. w. N. 606 Duden, Etymologie, S. 290. 607 Duden, Etymologie, S. 486.

604

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2. Kap.: Neubestimmung der dogmatischen Struktur

den Status als Körperschaft des öffentlichen Rechts, Abs. 6 berechtigt die in solcher Art und Weise korporierten Religionsgesellschaften zur Erhebung von Steuern. Maßgeblich für die Anwendung dieser Freiheitsrechte auf Vereinigungen, die sich die Pflege einer Weltanschauung zur Aufgabe gemacht haben, ist Art.  137 Abs. 7 WRV. Während aus der systematischen Stellung von Abs.  7 und seinem Wortlaut weitgehend unstreitig hervorgeht, dass dieser zumindest innerhalb des Art.  137 WRV eine umfassende Gleichstellung von Religionsgesellschaften und Welt­ anschauungsgemeinschaften bewirkt,608 ist umstritten, ob die Gleichstellung durch Art.  137 Abs.  7  WRV darüber hinaus auf alle inkorporierten Artikel der WRV Anwendung finden kann,609 oder allgemeine Geltung für alle Normierungen des Grundgesetzes besitzt.610 Aus systematischer Hinsicht ist zunächst darauf hinzuweisen, dass die Regelung innerhalb des Art. 137 WRV keineswegs an einer exponierten Stelle steht. Die systematische Stellung der Norm spricht daher gegen die Annahme einer all­gemeinen Geltung.611 Eine allgemeine Aussage der Fassung: „Religion und Weltanschauung werden gleichbehandelt“, findet sich im Grundgesetz hingegen nicht.612 Die Vorschrift des Art. 137 Abs. 7 WRV betrifft auch nur kollektive Rechtspositionen und ist nicht ohne weiteres auf Individualrechtspositionen übertragbar.613 Im Gegenteil: Bereits der allgemeine Überblick hatte gezeigt, dass eine Vielzahl von Regelungen des Grundgesetzes zwischen Weltanschauung und Religion differenzieren bzw. 608 So Hollerbach in HbdStR, § 138, Rn.  137 a. E.; Hemmerich in v. Münch/Kunig, GG, Art. 140 Rn. 36; Magen in Umbach/Clemens, GG, Art. 140 Rn. 122; Bergmann in Hömig, GG, Art. 140 Rn. 20; Anschütz, WRV, Art. 137, Anm. 12; Giese, WRV, Art. 137, Anm. 8; Gebhard, WRV, Art. 137 Anm. 15; Schwankhart in FS von der Heydte, S. 1193 (1194); Bayer, Religions- und Gewissensfreiheit, S.  97; Lindner, Entstehung und Untergang von Körperschaften des öffentlichen Rechts, S. 50 (Fn. 214); Janz, LKV 2004, S. 356 (357); Ferner angedeutet bei ­Muckel, Religiöse Freiheit und staatliche Letztentscheidung, S. 136. 609 Maunz in MD, GG, Art. 137 WRV, Rn. 54 (Erstbearbeitung); v. Campenhausen in v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 137 WRV, Rn. 300. 610 Ohne nähere inhaltliche Auseinandersetzung ggf. implizit in BVerwG, Urteil vom 23.3.1971, Az.: I C 54.66, BVerwGE 37, 344 (362 f.); Jarass in Jarass/Pieroth, GG, Art. 137 WRV Rn. 3; Korioth in MD Art. 140/137 WRV Rn. 103; Morlok in Dreier, GG, Art. 137 WRV, Rn. 126. 611 Magen in Umbach/Clemens, GG, Art. 140 Rn. 122; Bergmann in Hömig, GG, Art. 140 Rn. 20 der zur weiteren Begründung eine systematische Parallele zu Art. 106 Abs. 9 GG zieht. Mit dieser Gleichstellung sei Art. 137 Abs. 7 WRV zu vergleichen. Wolle der Gesetzgeber hingegen eine Geltung im ganzen Grundgesetz, so bringe er dieses wie in Art. 116 Abs. 1 und Art. 121 GG explizit zum Ausdruck. Dieser Ansicht ist zuzustimmen, da es sich sowohl bei Art. 116 Abs. 1, als auch bei Art. 121 ebenfalls wie bei Art. 140 GG um Normen des XI. Abschnitts handelt und daher eine systematische Vergleichbarkeit gegeben ist. 612 Vgl. zur historischen Ablehnung eines entsprechenden, auf die umfassende Gleichstellung von Weltanschauungs- und Religionsgemeinschaften bezogenen Regelungsvorschlages – Eingabe Nr.  181 der Konferenz der Kirchen der britischen Zone unter Präses D.  Koch vom 25.10.1948 – durch den parlamentarischen Rat (Pikart/Werner in Schick/Kahlenberg, Der Parlamentarische Rat, Bd. 5, 2. Hlbbd., S. 633). 613 So auch Bayer, Religions- und Gewissensfreiheit, S. 97.

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den Begriff der Weltanschauung gar nicht enthalten, obwohl sie sich thematisch mit Glaube und Religion befassen.614 Hierin ist aufgrund der Fülle der Regelungen systematisch kein Versehen des Verfassungsgebers zu erblicken. Darüber hinaus findet der Begriff der Religionsgesellschaft neben dem Art. 137 WRV nur noch in den Art. 136 Abs. 3 Satz 2 WRV, Art. 138 WRV und Art. 141 WRV Verwendung, so dass in teilweiser Einschränkung der zweiten Auffassung eine Anwendung der Gleichstellung innerhalb der inkorporierten Normen der WRV jedenfalls auch auf diese Regelungen zu beschränken ist. Die Gleichstellung auch auf Art. 139 WRV zu erstrecken, wird soweit ersichtlich auch nicht vertreten. Zugunsten einer extensiveren Anwendung von Art. 137 Abs. 7 WRV über den Bereich des Art. 137 WRV hinaus, kann auf Art. 136 Abs. 3 Satz 2 WRV verwiesen werden, da zumindest im Rahmen der hier formulierten Ausnahme von der negativen Bekenntnisfreiheit eine Erstreckung auf die Weltanschauungsgemeinschaften erfolgen muss, da anderenfalls das den Weltanschauungsgemeinschaften gemäß Art. 137 Abs. 6 i. V. m. Abs. 7 WRV zustehende Steuererhebungsrecht faktisch leer laufen würde.615 Zu klären bleibt daher, ob neben der Erstreckung auf Art. 136 Abs. 3 Satz 2 WRV die Gleichstellung auch auf die übrigen Artikel aus systematischer Hinsicht angenommen werden kann. Hiergegen spricht zum einen die systematische Stellung der Normen des Art.  138 WRV und Art.  141 WRV. Anders als Art.  136 Abs.  3 Satz  2 WRV gehen sie der Gleichstellung des Art.  137 Abs.  7 WRV nicht voraus, sondern folgen ihr nach. Da die Normen auch nicht in einem engeren Zusammenhang mit den Regelungen des Art. 137 WRV stehen, kann hierin eine bewusste Abweichung gesehen werden, da der Verfassungsgeber eine dem Art. 137 Abs. 7 WRV entsprechende Regelung anderenfalls an das Ende des Sinnabschnittes, oder auch an dessen Anfang hätte stellen können. Auch die inhaltlichen Ausgestaltungen der Art. 138 und Art. 141 WRV sprechen andererseits gegen eine über die systematische Stellung hinausgehende Anwendung von Art. 137 Abs. 7 WRV. Die Regelung des Art. 138 WRV befasst sich in Abs. 1 mit der Ablösung bestehender Staatsleistungen an Religionsgesellschaften und in Abs. 2 mit der Gewährleistung des Eigentums und anderer Rechte der Religionsgesellschaften und religiösen Vereine an ihren für Kultus-, Unterrichts- und Wohltätigkeitszwecke bestimmten Anstalten, Stiftungen und sonstigen Vermögen. Da die weltanschauliche Vereinigungsfreiheit historisch erst durch Art. 137 Abs. 2 i. V. m. Abs. 7 WRV geschaffen wurde, kann sich Art. 138 Abs. 1 WRV sachlogisch nur auf Religionsgemeinschaften beziehen, so dass eine Ablösung bestehender Rechte infolge der WRV gar nicht in Betracht kommt.616 In diesem systematischen Zusammenhang ist auch die Gewährleistung des Art. 138 Abs. 2 WRV zu sehen.617 614

Vgl. 2. Kapitel A. III. Zur näheren Auslegung des Art. 136 Abs. 3 Satz 2 WRV vgl. 2. Kapitel C. II. 2. 616 Vgl. Mertesdorf, Weltanschauungsgemeinschaften, S. 542 m. w. N. 617 Bayer, Religions- und Gewissensfreiheit, S. 97.

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2. Kap.: Neubestimmung der dogmatischen Struktur

Soweit der Abs. 2 anders als Abs. 1 zeitlich flexibel ausgestaltet und nicht unwandelbar auf den Zeitpunkt der Verfassungsgebung fixiert ist, könnte durch eine Extension des Art.  138 Abs.  2 WRV auf Weltanschauungsgemeinschaften zwar auch gegenwärtig der Schutz ihres Eigentums erreicht werden. Dies stünde ferner in einem gewissen sachlichen Zusammenhang mit den durch Art. 137 Abs. 7 WRV im Übrigen gewährten Rechten der Vereinigungsfreiheit und der Steuererhebung, die eine Mittelverwendung zugunsten des Vereinigungszwecks erfordert.618 Die systematische Auslegung zeigt indessen, dass die Weltanschauungsvereinigungen einerseits insoweit ausreichend durch Art. 14 GG i. V. m. Art. 19 Abs. 3 GG geschützt sind, so dass aus Sachgründen eine Extension des Art. 137 Abs. 7 WRV nicht angezeigt ist. Andererseits erfasst Art. 138 Abs. 2 WRV ausschließlich Vermögen für Kultus-, Unterrichts- und Wohltätigkeitszwecke. Da die Auslegung insoweit bereits ergeben hatte, dass weder die weltanschauliche Kultusfreiheit noch die Institution des Weltanschauungsunterrichts durch das Grundgesetz garantiert werden, läge eine systematische Gleichbehandlung hierzu zumindest ebenso nahe, wie der Bezug zu der in Art.  137  WRV gewährten Vereinigungs- und Steuer­ erhebungsfreiheit. Die in Art.  141  WRV normierte Anstaltsseelsorge stellt schließlich ihrerseits zum einen explizit auf das Bedürfnis nach Gottesdienst und Seelsorge ab, dieses soll zum anderen Religionsgemeinschaften zur Zulassung berechtigen, um religiöse Handlungen vorzunehmen. Neben dem Begriff der Religionsgemeinschaft müssten daher auch die Begriffe „religiöse Handlung“, „Gottesdienst“ und „Seelsorge“ für Weltanschauungsgemeinschaften angepasst interpretiert werden.619 Für eine bewusste Beschränkung auf den Bereich des Religiösen620 spricht dagegen auch hier der systematische Vergleich mit den Regelungen des Art. 4 Abs. 2 GG und Art. 136 Abs. 4 WRV, die auch in diesen Fällen die (negative) Kultusfreiheit auf den Bereich des Religiösen beschränken. Zusammenfassend lässt sich der systematischen Auslegung mithin entnehmen, dass Art. 137 Abs. 7 WRV alle in Art. 137 WRV normierten Freiheiten für Weltanschauungsgemeinschaften anwendbar macht, sowie ferner auch Art. 136 Abs. 3 Satz  2 WRV im Lichte des Art.  137 Abs.  6 WRV extensiv interpretiert werden muss. Darüber hinaus findet Art. 137 Abs. 7 WRV unter systematischen Gesichtspunkten jedoch weder allgemein, noch auf die übrigen Normen der WRV An­ wendung.

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Mertesdorf, Weltanschauungsgemeinschaften, S. 543. Schwankhart in FS von der Heydte, S. 1193 (1194), weist daher mit Recht darauf hin dass auch der Begriff der „religiösen Handlung“ Weltanschauungsgemeinschaften als Berechtigte ausschließt. 620 So auch Bergmann in Hömig, GG, Art. 140, Rn. 20; Anschütz, WRV, Art. 141, Anm. 1; Hemmerich in v. Münch/Kunig, GG, Art. 140 Rn. 44; Gebhard, WRV, Art. 141, Anm. 3; Bayer, Religions- und Gewissensfreiheit, S. 107 m. w. N. auch zur herrschenden Gegenansicht. 619

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cc) Historische Genese des Art. 137 Abs. 7 WRV und der Inkorporation in Art. 140 GG Die Beratungen zu Art. 137 Abs. 7 WRV i. V. m. Art. 140 GG erfassen eine Vielzahl von Erwägungen, die zum Teil bereits dargestellt wurden. Die folgende Analyse soll sich daher im Wesentlichen auf die Untersuchung der Erwägungen zum Staatskirchenrecht beschränken. Darüber hinaus ist jedoch auf die Art und Weise der redaktionellen Einfügung des Art. 140 GG einzugehen, um der Frage nachzugehen, welchen Anwendungsbereich Art. 137 Abs. 7 WRV hat. Aufgrund des Umfangs der Darstellung soll auch hier zunächst ein Überblick über die Entwicklungsgeschichte des Art. 140 GG gegeben werden (1), um sodann die zugehörigen maßgeblichen Erwägungen des Parlamentarischen Rates aufzuzeigen (2). In der Betrachtung des Gesamtsystems der Inkorporationen des Art. 140 GG ist darüber hinaus aber auch auf die zuletzt durch die Inkorporierung des Art. 136 WRV mit einbezogenen individualrechtlichen Bestimmungen einzugehen, um zu einer umfassenden Zusammenfassung und Bewertung zu kommen (3). (1) Überblick über die Entwicklungsgeschichte Ausgangspunkt der Entwicklung des Art. 140 GG in seiner heutigen Fassung war ein Antrag der CDU/CSU, des Zentrums und der DP vom 29.1.1948,621 mit folgendem Wortlaut: „(1)  Die Kirchen werden in ihrer Bedeutung für die Wahrung und Festigung der religiösen und sittlichen Grundlage des menschlichen Lebens anerkannt. Es besteht keine Staatskirche. (2) Die Kirchen und Religionsgesellschaften ordnen ihre Angelegenheiten selbständig aus eigenem Recht. Sie haben das Recht, ihre Ämter ohne Mitwirkung des Staates und der politischen Gemeinde zu verleihen und zu entziehen. (3) Kirchen und Religionsgesellschaften sowie ihre Einrichtungen behalten, ohne deshalb einer besonderen Staatsaufsicht zu unterliegen, die Rechte von Körperschaften öffentlichen Rechts, soweit sie diese bisher besaßen. Anderen sind die gleichen Rechte auf Antrag zu verleihen, wenn sie durch die Verfassung oder die Zahl ihrer Mitglieder die Gewähr der Dauer bieten. Bei der Ausübung des ihnen eigenen Rechts, Steuern zu erheben, können Kirchen und Religionsgesellschaften sich der staatlichen Steuerlisten bedienen. (4) Das Eigentum und andere Rechte der Kirchen und Religionsgesellschaften sowie ihrer Einrichtungen an ihren für Kultus-, Unterrichtsund Wohltätigkeitszwecke bestimmten Anstalten, Stiftungen und sonstigen Vermögen sowie das Recht zum Neuerwerb von Eigentum, auch von Grundbesitz, zur Erfüllung ihrer Aufgaben werden gewährleistet. (5) Die den Kirchen und Religionsgesellschaften gemäß Gesetz, Vertrag oder anderen Rechtstiteln zustehenden Leistungen des Staates, der politischen Gemeinden oder Gemeindeverbände können nur durch Vereinbarung abgelöst werden. (6) Die von den Kirchen und Religionsgesellschaften oder ihren Organisationen unterhaltenen Wohlfahrts- und Erziehungseinrichtungen werden als gemeinnützig im Sinne der Steuer­

621

PRat-Drucks. 321.

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2. Kap.: Neubestimmung der dogmatischen Struktur

gesetzgebung anerkannt. (7) Die am 1. Januar 1945 bestehenden Verträge mit den Kirchen bleiben in Kraft, bis sie durch neue, von den Ländern abzuschließende Vereinbarungen abgelöst sind.“622

Mit diesem Antrag befasste sich zunächst der Ausschuss für Grundsatzfragen auf seiner 29.  Sitzung am 4.  Dezember 1948, ohne aufgrund der im Ausschuss bestehenden Stimmengleichheit von 5:5 einen Vorschlag des Ausschusses an den Hauptausschuss abzugeben.623 In der 22. Sitzung des Hauptausschusses am 8. Dezember 1948 wurde der Antrag nach Aussprache mit 11:10 Stimmen abgelehnt. Daraufhin schlug der Abgeordnete Süsterhenn (CDU) als Ergebnis der von Teilen des Ausschusses zur Ablehnung vorgebrachten Bedenken vor, die folgende Bestimmung neu in das Grundgesetz aufzunehmen: „(1) Die Bestimmungen der Artikel 137, 138 Abs.  2, 139 und 141 der Deutschen Verfassung vom 11. August 1919 werden aufrechterhalten. (2) Die am 8. Mai 1945 bestehenden Verträge mit den Kirchen bleiben in Kraft, bis sie durch neue, von den Ländern abzuschließende Verträge ersetzt werden.“624 Da im Ausschuss weiterhin Bedenken gegen die Aufrechterhaltung des Reichskonkordates von 1933 bestanden, wurde Abs. 2 nur in der Fassung „Die am 8. Mai 1945 bestehenden Verträge zwischen den Ländern und den Kirchen […]“ mit 11:8 angenommen,625 während Abs.  1 ohne Änderungen nunmehr eine Stimmenmehrheit von 12:9 auf sich vereinigen konnte.626 Zur zweiten Lesung des Hauptausschusses lag eine Anmerkung des Allgemeinen Redaktionsausschusses vor, der sich mit der Frage befasste, ob die WRV noch in Geltung sei und daher aufrechterhalten werden könne. Ferner merkte der Ausschuss an, dass es gesetzestechnisch bedenklich sei, einige wenige Vorschriften der WRV aufrecht zu erhalten. Es sei zweckmäßiger, ihren Inhalt und Wortlaut in das Grundgesetz aufzunehmen. Zum Teil  überschnitten sich die Regelungen des Art. 137 WRV zudem mit den im Entwurf des Grundgesetzes bei den Grundrechten noch vorgesehenen Regelungen zur religiösen Vereinigungsfreiheit.627 Der für die Übergangsvorschriften zuständige Organisationsausschuss empfahl hin­ gegen aufgrund seiner Beratungen in der 30. Sitzung vom 13.1.1949 dem Haupt­ ausschuss die weitgehend unveränderte Annahme des Artikels.628 In der zweiten

622

v. Doemming/Füsslein/Matz in Leibholz/v. Mangoldt, JöR Bd. 1 N. F., S. 899 f. Pikart/Werner in Schick/Kahlenberg, Der Parlamentarische Rat, Bd. 5, 2. Hlbbd., S. 839 f. 624 v. Doemming/Füsslein/Matz in Leibholz/v. Mangoldt, JöR Bd. 1 N. F., S. 902. 625 Die Ursprungsfassung wurde mit 11:10 abgelehnt (vgl. Parlamentarische Rat, Verhandlungen des Hauptausschusses, Bonn 1948/49, S. 261). 626 Parlamentarische Rat, Verhandlungen des Hauptausschusses, Bonn 1948/49, S. 260 f. 627 Parlamentarischer Rat, Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland (Entwürfe), Bonn 1948/49, S. 205 (zu Art. 138 c-5). 628 Büttner/Wettengel in Stelzl/Weber, Der Parlamentarische Rat, Bd. 13, 2. Hlbbd., S. 1068 ff. (1071). Klarstellend sollte in Abs. 2 die Formulierung „bis die Länder neue Verträge abschließen“ eingefügt werden, um klarzustellen, dass keine Verpflichtung der Länder zum Abschluss neuer Verträge durch das Grundgesetz begründet wird. 623

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Lesung am 14.1.1949 in der 39. Sitzung des Hauptausschusses wurde eine erneute Beschlussfassung trotz vorangegangener Beratung jedoch ausgesetzt.629 Für die dritte Lesung in der 51.  Sitzung des Hauptausschusses am 10.2.1949 lag sodann ein Vorschlag des interfraktionellen Fünferausschusses vom 5.2.1949 vor, den Abs. 2 zu streichen, um insoweit auf allgemeine Regelungen zurückzugreifen, und ferner auch Art. 138 Abs. 1 WRV in den Verweis mit aufzunehmen.630 Diesen Vorschlag nahm der Hauptausschuss ohne Aussprache bei zwei Gegen­ stimmen an.631 Zur vorangegangenen dritten Lesung des Art.  4  GG am 8.2.1949 lagen dem Hauptausschuss Änderungsvorschläge des Allgemeinen Redaktionsausschusses632 und des Fünferausschusses633 vor. Diesen war der Hauptausschuss jedoch nur teilweise gefolgt, so dass sich gegenüber der in der zweiten Lesung beschlossenen Fassung634 hinsichtlich des hier maßgeblichen ersten und vierten Absatzes nur geringfügige Änderungen ergaben.635 Zur vierten Lesung des Hauptausschusses in der 57. Sitzung am 5. Mai 1949 lag zum späteren Art.  4  GG dann aber ein Änderungsvorschlag des Allgemeinen Redaktionsausschusses vor, der auf Basis der zwischenzeitlich im Hauptausschuss zum späteren Art. 140 GG geführten Beratungen nunmehr vorsah, Satz 2 des ersten Absatzes von Art.  4  GG zu streichen.636 Art.  140  GG beinhaltete bereits den Verweis auf Art. 137 WRV. Ferner wurde vorgeschlagen, in die Bestimmung des späteren Art.  140  GG zusätzlich eine Verweisung auf Art.  136 WRV aufzunehmen, um dadurch die Absätze 3 und 4 des Art. 4 GG ebenfalls streichen zu können.637 Mit der Annahme dieses Vorschlages durch den Hauptausschuss638 erhielt der Art.  4  GG seine abschließende Gestalt. Später in der vierten Lesung kam es sodann entsprechend dem Vorschlag des Allgemeinen Redaktionsaus-

629

v. Doemming/Füsslein/Matz in Leibholz/v. Mangoldt, JöR Bd. 1 N. F., S. 906. Parlamentarischer Rat, Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland (Entwürfe), Bonn 1948/49, S. 194 (Art. 139 und Art. 148/1) = PRat-Drucks. 591 vom 5.2.1949. 631 Parlamentarische Rat, Verhandlungen des Hauptausschusses, Bonn 1948/49, S. 682. 632 Zum Inhalt vgl. Parlamentarischer Rat, Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland (Entwürfe), Bonn 1948/49, S. 120. 633 Zum Inhalt vgl. Parlamentarischer Rat, Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland (Entwürfe), Bonn 1948/49, S. 173 f. 634 Vgl. Darstellung des damaligen Beratungsstandes zu Art. 4 GG, S. 197. 635 Zum Inhalt vgl. v.  Doemming/Füsslein/Matz in Leibholz/v. Mangoldt, JöR Bd.  1 N. F., S. 78. Der erste Satz des Artikels wurde entsprechend seiner späteren Endfassung umformuliert. In Abs. 4 wurde das gestrichene „nur“ wieder aufgenommen und das Wort „statistisch“ gestrichen. 636 Parlamentarischer Rat, Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland (Entwürfe), Bonn 1948/49, S. 197. 637 Parlamentarischer Rat, Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland (Entwürfe), Bonn 1948/49, S. 239. 638 Parlamentarische Rat, Verhandlungen des Hauptausschusses, Bonn 1948/49, S. 745 f. 630

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schusses639 als Konsequenz der bei Art. 4 GG zuvor vorgenommenen Streichungen auch dazu, dass Art. 136 WRV in die Verweisung des Art. 140 GG mit aufgenommen wurde.640 Die weiteren Beratungen im Plenum brachten dann keine Veränderungen der Regelung mehr mit sich. (2) Wesentliche Erwägungen in der parlamentarischen Beratung In der Beratung des Grundsatzausschusses führte Süsterhenn (CDU) zur Begründung des Antrags von CDU/CSU, Zentrum und DP aus: „Wir sind der Überzeugung, dass das Recht auf Glaubensfreiheit, auf Gewissensfreiheit, Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bezirks und das Recht auf Freiheit der Religionsausübung zweifellos ein von allen Seiten unbestrittenes echtes klassisches Grundrecht darstellt. Ich betrachte den Passus über die Kirchen als logische Fortsetzung dieses Ge­dankens. […] Ich sehe hier etwas die Konkretisierung des Rechts der religiösen Koalitions­freiheit, und dieses Recht jetzt nicht nur abstrakt zum Ausdruck gebracht, sondern dieses Recht angewandt auf die konkrete geschichtliche Situation, in der wir uns einmal in Deutschland befinden, wo dieses demokratische Recht der Religionsfreiheit zwar von Kirchen und weltanschaulichen Gemeinschaften ausgeübt wird. Ich will zunächst rein systematisch zu diesem kirchlichen Komplex Stellung nehmen.“

Dieser ausschließlich auf die systematische Ableitung aus der Religionsfreiheit gestützten Begründung entgegnete Bergsträsser (SPD), dass „Bestimmungen über die Kirche“ in die Länderverfassungen und nicht in die Bundesverfassung hineingehörten. Heuss (FPD) hingegen sah in der reichseinheitlichen Regelung der WRV vor allem eine historische Reaktion auf die Gesetzgebung Preußens und bestärkte die Position, dass es sich um eine Länderangelegenheit handeln solle. Als weiteres Argument verwies er ferner auf seine persönlichen Erfahrungen von erheb­ lichen staatskirchenrechtlichen Schwierigkeiten in seiner Zeit als Kultusminister. Es müsse erst einmal ein „kirchenrechtlicher Spezialist“ gehört werden, um die rechtlichen Konsequenzen des Antrags überhaupt herauszustellen. Entgegen der Argumentation von Heuss sah Süsterhenn die Notwendigkeit zur bundeseinheit­ lichen Regelung jedoch nicht nur historisch, sondern aufgrund der Erfahrungen des Nationalsozialismus nach wie vor als gegeben an. Wörtlichen Bezug auf die Weltanschauung nimmt Heuss mittelbar auch mit folgender Äußerung: „Die Kirchen sind kein Ergebnis der Koalitionsfreiheit […]. Die Kirchen sind historische Persönlichkeiten ganz anderer Natur als irgendein Verein. Wir wissen, dass da weltanschauliche Bindungen in den Länderverfassungen sind, und es ist schon in Weimar gesagt worden, es kann der Augenblick entstehen, wo sie Körperschaften des öffentlichen Rechts werden.“ Neben der Erwähnung 639 Parlamentarischer Rat, Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland (Entwürfe), Bonn 1948/49, S. 239 (Art. 148/1). 640 Parlamentarische Rat, Verhandlungen des Hauptausschusses, Bonn 1948/49, S. 765.

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der Weltanschauung durch Süsterhenn und Heuss konzentrierte sich die weitere Diskussion jedoch ausschließlich auf den Begriff der Kirche und deren Verhältnis zum Staat.641 In der Beratung im Hauptausschuss setzte sich die bereits aufgezeigte Dis­ kussion fort. Zu einem Fortschritt kommt es als Höpker-Aschoff (FDP) die Möglichkeit vorschlug, „man [könne] in irgendeiner Weise auf die Bestimmungen der Weimarer Verfassung Bezug nehmen“ und so den antragstellenden Fraktionen einerseits die weiterhin bestehende Notwendigkeit einer bundeseinheitlichen Regelung zugestand, zugleich jedoch das zweite durch Heuss vorgebrachte Argument aufrechterhielt, indem nicht näher abzuschätzende (finanzielle) Konsequenzen einer Änderung des Verfassungswortlautes vermieden werden sollten. Gerade diesen Punkt betonte Höpker-Aschoff unter umfassendem Rückgriff auf seine persönlichen Erfahrungen als preußischer Finanzminister aufgrund von dreijährigen Verhandlungen mit der Kurie.642 Im Übrigen wurde auch die Diskussion im Hauptausschuss durch den Begriff der Kirche unter starker Betonung des christlichen Aspekts geprägt. Für die Frage nach der Gleichbehandlung von Weltanschauungs- und Religionsgemeinschaften erscheinen dabei vor allem die folgenden beiden Diskussionsbeiträge von wesentlicher Bedeutung. Zum ersten leitete Süsterhenn (CDU) die Diskussion über den Antrag mit den Worten ein: „Die Parteien, die diesen Antrag gestellt haben, sind der Überzeugung, dass es unmöglich ist, im Grundgesetz an der geschichtlichen Tat­sache der Existenz der Kirchen schweigend vorüberzugehen. Unser Gemeinschaftsleben im Staat lässt sich, rein geschichtlich und kulturell betrachtet, von der Tatsache des Christentums nicht loslösen. Herr Kollege Dr. Heuss hat gerade diesen Gesichtspunkt gestern in einer meines Erachtens sehr wirksamen Weise zur Geltung gebracht, indem er erklärt hat, er würde sogar für die weltliche Schule eine Beseitigung des Religionsunterrichtes ablehnen, […]“.643 Kommt hierin zumindest indirekt zum Ausdruck, dass die Kirchen aufgrund ihrer geschichtlichen Rolle durch den Antrag besonders, ggf. auch gegenüber Weltanschauungsgemeinschaften privilegiert werden sollen, kommt dieser Aspekt noch wesentlich deutlich in der Kritik des Abgeordneten Renner (KPD) zur Sprache. Dieser wäre auf der Basis des Verfassungsentwurfes des Deutschen Volksrates bereit gewesen, den Antrag der Fraktionen zu unterstützen, „unter der Voraussetzung, dass Sie konzedieren, dass alle Zusammenschlüsse von Bürgern dieses Staates, die eine andere sittliche Weltanschauung haben, dieselben Rechte haben müssen, wie Sie sie für die Kirchen verlangen. Das haben sie aus dem Entwurf des Volksrates weggelassen. […]“.644 641

Pikart/Werner in Schick/Kahlenberg, Der Parlamentarische Rat, Bd. 5, 2. Hlbbd., S. 835–840. Parlamentarische Rat, Verhandlungen des Hauptausschusses, Bonn 1948/49, S. 258 f. 643 Parlamentarische Rat, Verhandlungen des Hauptausschusses, Bonn 1948/49, S. 255. 644 Parlamentarische Rat, Verhandlungen des Hauptausschusses, Bonn 1948/49, S. 258. Vgl. ferner zum Entwurf des Volksrates und zur parallelen Einlassung anlässlich der Diskussion des Religionsunterrichtes Fn. 566 auf S. 219. 642

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2. Kap.: Neubestimmung der dogmatischen Struktur

Nach der Annahme des Vorschlags, die Art. 137 ff. WRV in das Grundgesetz zu inkorporieren, ergaben sich für den weltanschaulichen Bereich keine wesentlichen Veränderungen. Die Diskussion war weiterhin durch den Begriff der Kirche und den Streit über die Fortgeltung des Reichskonkordates geprägt. Einzig der Äußerung von Zinn (SPD) in der 46. Sitzung des Hauptausschusses am 20.1.1949 zum Abschluss der zweiten Lesung ließe ggf. den Schluss zu, dass sich der Parlamentarische Rat der Veränderung für die Weltanschauungsgemeinschaften durch die Übernahme der Verweisung überhaupt bewusst war. Zinn setzt sich dabei für die Streichung des ganzen Artikels ein, da er „ein Privileg für diese Institutionen – die Kirchen und ähnliche Gemeinschaften – dar[stellt], während alle anderen früher verfassungsrechtlich garantierten Rechte, zum Beispiel auf dem Gebiet der Wirtschafts- und Sozialordnung, unter den Tisch fallen.“645 Hinsichtlich den nur fragmentarisch überlieferten Erwägungen der interfrak­ tionellen Besprechungen lässt sich den Aufzeichnungen der interfraktionellen Besprechung vom 27.  Januar 1949 durch Leisewitz entnehmen: „In groben Zügen bietet sich jetzt folgendes Bild: […] 3. die kulturellen und Kirchenrechte sollen wie bisher beibehalten werden.“646 Was darauf schließen lässt, dass sich die CDU/ CSU in diesem Punkt vor allem gegen die SPD durchsetzen konnte, was wiederum das stark veränderte Abstimmungsergebnis mit nur zwei Gegenstimmen in der dritten Lesung erklären würde. Aus einer Aktennotiz durch von Brentano (CDU) vom 3. Februar 1949 lässt sich hingegen entnehmen, dass sich anlässlich der Sitzung des Fünferausschusses am 2.2.1949 „Erhebliche neue Schwierigkeiten“ im Hinblick auf Elternrecht und die Verweisungsnorm ergeben hätten, die im damaligen Entwurf als Art. 138 c (5) enthalten war.647 Welcher Natur diese Schwierigkeiten waren und von welcher Seite sie ausgingen, lässt sich anhand der verfügbaren Materialien nicht aufklären. Unter Hinweis darauf, dass „die FDP sich aber ausdrücklich mit dem Abs. 1 (Übernahme der Vorschriften aus der Weimarer Verfassung) einverstanden erklärt hat, […]“ schlägt von Brentano in seiner Notiz Adenauer, Lehr und Kaufmann (alle CDU) die Beibehaltung der Bestimmung vor.648 Der Stellungnahme durch Seebohm (DP) lässt sich demgegenüber entnehmen, dass sich die DP gegen die vom Fünferausschuss nunmehr vorgeschlagene Aufnahme von Art.  138 Abs. 1 WRV in die Verweisung wendet, der die einseitige Ablösung von Staatsleistungen er 645

Parlamentarische Rat, Verhandlungen des Hauptausschusses, Bonn 1948/49, S. 599. Feldkamp in Stelzl/Kahlenberg, Der Parlamentarische Rat, Bd. 11, S. 76. Vgl. ferner den Bericht an den Hessischen Ministerpräsidenten durch Leisewitz am 27.1.1949 auf S. 78 Fn. 2 zur Erläuterung der Hauptverhandlungspunkten der interfraktionellen Besprechung heißt es dort unter Nr. 3: „ […] und die Rechtsstellung der Kirchen, die entsprechend der Forderungen der CDU/CSU unbeschadet der Kulturhoheit der Länder unter sinngemäßer Anwendung der in der Weimarer Verfassung getroffenen Regelungen und unter Aufrechterhaltung der mit den Kirchen abgeschlossenen Verträgen gesichert werden sollen.“ 647 Feldkamp in Stelzl/Kahlenberg, Der Parlamentarische Rat, Bd. 11, S. 91. 648 Feldkamp in Stelzl/Kahlenberg, Der Parlamentarische Rat, Bd. 11, S. 93. 646

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möglicht.649 Dies lässt die Vermutung zu, dass es sich bei der Aufnahme um einen Kompromiss zugunsten der SPD handelt, da dies Bergsträsser (SPD) in der 39. Sitzung des Hauptausschusses ursprünglich verlangt hatte.650 Auch anlässlich der 3. Lesung des späteren Art. 4 GG in der 47. Sitzung des Hauptausschusses am 8.2.1949 fand keine wesentliche inhaltliche Aussprache mehr statt. Auf Vorschlag Süsterhenns (CDU) nahm der Ausschuss aber die Änderung des Fünferausschusses für Art.  4  Abs.  1  Satz  2  GG, die von „religiösen und weltanschaulichen Gemeinschaften“ sprach, mit der Begründung zurück, dass es sich bei dem Begriff der Religionsgemeinschaft doch um einen „Terminus technicus“ des Staatskirchenrechts handele, während „der Begriff „religiöse Gemeinschaft“ auch irgendwelche sonst nicht fassbaren freien Gebilde umfassen würde.“651 Als weitere mögliche Erwägung, die für eine Verweisung auf die Vorschriften der WRV spricht, erscheint der Vorschlag von Zinn (SPD) in der interfraktionellen Besprechung vom Nachmittag des 23. April 1949. Darin regt er an, in der „kultur- und kirchenpolitischen Frage“ generell auf die Weimarer Verfassung und den Stand des Jahres 1933 zurückzugehen. Adenauer (CDU) erklärte hierzu, dass „der Vorschlag Zinn […] einer ernsten Nachprüfung unterzogen [werde].“652 Während aus den Ergebnissen des interfraktionellen Unterausschusses vom 24. ­April 1949 noch hervorgeht, dass zumindest auch über die Anwendbarkeit der Art. 140, 143, 145, 164 und 174 WRV beraten wurde, und für die Übernahme von Art. 164 WRV sogar der Vorschlag einer alternativen Fassung erarbeitet wurde,653 erklärte Süsterhenn (CDU) in der interfraktionellen Besprechung vom Abend des 24. April sodann: „Er habe den Vorschlag Zinn begrüßt, um ihn zu prüfen, damit komme man aber nicht weiter. Er würde es sehr begrüßen, wenn Sie ihre Forderung in den Orkus würfen, oder zu einer Parteierklärung verwendeten.“654 Maßgeblich für die Ausdehnung der Verweisung auf Art.  136  WRV scheint demnach hingegen ausschließlich die zwischen den Fraktionen auf Vorschlag der SPD in Frankfurt ausgehandelte Komprimierung der Grundrechte geworden zu sein. Bei dem späteren Artikel 4 GG erfolge diese durch Streichung der Absätze 3 und 4 des Entwurfs und deren Übertragung nach Art. 140 GG.655 Aufgrund einer diesbezüglichen Frage des Abgeordneten Renner (KPD), der eine „Schlechterstellung“ in der Streichung sah, führte der Abgeordnete Zinn (SPD) aus: „Dem Herrn Renner ist ein Irrtum unterlaufen. Im Zusammenhang mit dieser Änderung beantragen wir, in Artikel 148/1 eine Bestimmung aufzunehmen, wonach die 649

Vgl. Feldkamp in Stelzl/Kahlenberg, Der Parlamentarische Rat, Bd. 11, S. 93, Fn. 8 i). Parlamentarische Rat, Verhandlungen des Hauptausschusses, Bonn 1948/49, S. 489. 651 Parlamentarische Rat, Verhandlungen des Hauptausschusses, Bonn 1948/49, S. 614. 652 Vgl. Feldkamp in Stelzl/Kahlenberg, Der Parlamentarische Rat, Bd. 11, S. 162 f. 653 Vgl. Feldkamp in Stelzl/Kahlenberg, Der Parlamentarische Rat, Bd. 11, S. 191 f. 654 Feldkamp in Stelzl/Kahlenberg, Der Parlamentarische Rat, Bd. 11, S. 172. 655 Vgl. Feldkamp in Stelzl/Kahlenberg, Der Parlamentarische Rat, Bd. 11, S. 191 f.

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Artikel 136 ff. der Weimarer Verfassung weitergelten.“ Eine weitere Aussprache erfolgte nicht. Der Antrag auf Streichung wurde bei einer Gegenstimme angenommen, während der Antrag des Abgeordneten Renner auf erneute Hinzufügung des Satzes „mit überwältigender Mehrheit gegen 1 Stimme abgelehnt“ wurde.656 In der Empfehlung des Redaktionsausschusses vom 28. April 1949 kam ferner die Streichung des Art. 4 Abs. 1 Satz 2 GG hinzu. Wörtlich heißt es hierzu im Bericht als Begründung ebenfalls: „Dafür wird in Art. 148–1 noch Art. 136 Weimarer Verfassung zitiert.“657 Das durch dieses Vorgehen auch Art. 136 Abs. 1 und 2 WRV in­ korporiert wurde, lässt sich daher eher vor dem Hintergrund des pragmatischen Ansatzes von Zinn und Bergsträsser (SPD) verstehen, die insgesamt auf die Weimarer Verfassung zurückgehen wollten und eine einzelne Aussparung aus dem Gesamtkomplex auch bei Art. 138 Abs. 1 WRV abgelehnt hatten. (3) Zusammenfassung und Bewertung Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die Entstehung der staatskirchenrechtlichen Regelungen des Art. 140 GG durch Verweis auf die Art. 137 ff. WRV im Kern auf den Willen der CDU/CSU, des Zentrums und der DP zurückzu­führen ist, die Kirchen und Religionsgesellschaften einseitig gegenüber den gewöhn­ lichen Vereinen zu privilegieren. Dabei wurde versucht nicht nur die bestehenden Privilegien in die neue Verfassung zu übertragen, sondern auch einzelne entscheidende Verbesserungen zugunsten der Kirchen herbeizuführen. Da der Antrag jedoch in dieser Weite keine Mehrheit fand, wurde gemeinsam mit der FDP der Kompromiss gefunden, insoweit zumindest den Wortlaut der Weimarer Verfassung zu übernehmen. Während die SPD sich gegen die Regelung des ganzen Komplexes, ohne Berücksichtigung weiterer Fragen der Wirtschafts- und Sozialordnung stellte, wollte die FDP dadurch den bisherigen Rechtszustand konservieren, um Rechtsunsicherheiten durch die abweichende Auslegung des neuen Verfassungsrechts und schwierige intertemporale Rechtsfragen zu vermeiden. Die Aufnahme des Art.  136 WRV in die Verweisung beruht hingegen auf Erwägungen zur re­ daktionellen Neufassung des Individualgrundrechtes aus Art. 4 GG im Zuge einer optischen Verschlankung des Grundrechtsteils. Für die Frage der Bedeutung von Art. 137 Abs. 7 WRV im Gefüge des Grund­ gesetzes lässt sich der historischen Auslegung damit entnehmen, dass zunächst keine über die Freiheit der Vereinigung zu Weltanschauungsgemeinschaften hinausgehende Privilegierung im Grundgesetz enthalten war. Dies war auch nicht von den antragstellenden Fraktionen gewollt, wie sich insbesondere aus den im Kern unwidersprochenen Aussagen der KPD Fraktion entnehmen lässt. Regelungen zu Weltanschauungsgemeinschaften hatte der gemeinsame Antrag nicht vorgesehen, 656

Parlamentarische Rat, Verhandlungen des Hauptausschusses, Bonn 1948/49, S. 745. Feldkamp in Stelzl/Kahlenberg, Der Parlamentarische Rat, Bd. 11, S. 218 Fn. 2 Nr. 5.

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auch nicht mittelbar, da ausdrücklich auf Kirchen als Beispiel für Religionsgemeinschaften abgestellt wurde. Bemerkenswert erscheint hierbei, dass damit eine Eingabe der Konferenz der Kirchen der britischen Zone, die in 70 Exemplaren dem Parlamentarischen Rat übersandt worden war, in diesem Punkt gerade nicht umgesetzt wurde. Die Kirchenkonferenz hatte als siebten Punkt gefordert allgemein zu regeln: „[…] VII. Die Bestimmungen dieses Grundgesetzes über Religionsgemeinschaften sind auf Vereinigungen, die sich die gemeinsame Pflege einer Weltanschauung zur Aufgabe machen, entsprechend anzuwenden […]“ nachdem zuvor in den ersten sechs Punkten eine umfassende Regelung in Anlehnung an die Weimarer Reichsverfassung unter Einschluss des Religionsunterrichts, der Anstaltsseelsorge und der vermögensrechtlichen Positionen der Kirchen gefordert worden war.658 Eine entsprechende, nach ihrer systematischen Stellung und dem Wortlaut allgemein auf alle Regelungen des Grundgesetzes anwendbare Gleichstellung der Weltanschauungsgemeinschaften sah der von den Fraktionen ein­gebrachte Antrag jedoch gerade nicht vor. Im Gegenteil, die Weltanschauungsgemeinschaften wurden gar nicht, noch nicht einmal in einer Art. 137 Abs. 7 WRV entsprechenden eingeschränkten systematischen Reichweite erwähnt. Erst die Kritik der FDP führt zu einer Berücksichtigung der Weltanschauungsgemeinschaften, ohne dass dieses allerdings ausweislich der Beratungsprotokolle ausdrücklich beabsichtigt wurde. Die Kritik der FDP richtete sich vielmehr gegen Rechtsunsicherheiten durch einen veränderten Verfassungstext und Probleme der intertemporalen Rechtsanwendung. Wollten CDU/CSU, FDP, Zentrum und DP gemeinsam auf entsprechenden Druck der FDP zumindest erreichen, dass der Status quo erhalten blieb, so spricht dies gegen eine über Art. 137 WRV hinausgehende Bedeutung von Abs. 7. Die FDP wollte den ursprünglichen Rechts­ zustand unter Vermeidung einer veränderten Auslegung bewahren. Die klassischen Interpretationen der WRV gingen jedoch gerade nur von einer Anwendbarkeit des Abs.  7 im Gefüge des Art.  137 WRV aus.659 Auch soweit die Berichterstattung zum Plenum darauf verweist, dass die Regelungen der WRV im Lichte der Beratungen des Grundgesetzes neu ausgelegt werden müssen, eine gegenüber früherer Auslegung veränderte Interpretation also möglich und teilweise gewünscht ist, bezieht sich dies nicht auf die Interpretation des Art. 137 Abs. 7 WRV. Während die FDP staatskirchenrechtliche Veränderung gerade zu vermeiden wünschte, 658 Eingabe Nr.  181 der Konferenz der Kirchen der britischen Zone unter Präses D.  Koch vom 25.10.1948 nach Pikart/Werner in Schick/Kahlenberg, Der Parlamentarische Rat, Bd. 5, 2. ­Hlbbd., S. 633 Fn. 24. 659 Anschütz, WRV, Art. 137, Anm. 12, Art. 141, Anm. 1; Gebhard, WRV, Art. 137 Anm. 15, Art. 141 Anm. 3, Art. 149 Anm. 2; Giese, WRV, Art. 137 Anm. 8; Kiesow, JZ 1919, S. 875; Schoen, VerwArch 29, S. 27 Fn. 55. Magen in Umbach/Clemens, GG, Art. 140 Rn. 122 Fn. 373 will mit Verweis auf die Äußerungen des Abgeordneten Ablaß darüber hinaus belegen, dass es die verfassunggebende Nationalversammlung eine vereinsrechtliche Gleichstellung bezweckte. Tatsächlich lässt sich der Einlassung entnehmen, dass die Weltanschauungsgemeinschaften durch ihre Erwähnung in Art. 137 Abs. 7 WRV jedoch gerade gegenüber den gewöhnlichen Vereinen besser gestellt werden sollten.

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haben die CDU/CSU, das Zentrum und die DP bewusst von einer Erwähnung der Weltanschauungsgemeinschaften in ihrem Antrag abgesehen. Hierfür spricht nicht nur die entsprechende Kritik der KPD, sondern auch der Vergleich mit der Ent­stehungsgeschichte des Art.  7 und des Art.  4  GG, bei der zur gleichen Zeit Welt­anschauung ausdrücklich diskutiert und in die Normtexte mit aufgenommen wurde. Dies nur im Falle des gemeinsamen Antrags zum Staatskirchenrecht zu unterlassen, spricht für eine entsprechende Absicht. Nach der historischen Auslegung fehlt es daher an Anhaltspunkten, dass entgegen der in der Literatur teilweise postulierten systematischen Anwendbarkeit tatsächlich eine über Art. 137 WRV hinausgehende Bedeutung des Abs. 7 bezweckt war. Nach der historischen Auslegung ist Art. 136 WRV hingegen aufgrund seiner grundgesetzlichen Entwicklungsgeschichte in engen Zusammenhang mit den, in Art. 4 GG geregelten Individualgrundrechten zu sehen, während nur eine lose Verbindung zu den staatskirchenrechtlichen Bestimmungen der Art. 137 ff. WRV besteht. Auch hier zeigt sich erneut, dass der Verfassungsgeber ganz bewusst verschiedene Aspekte des Schutzbereichs der Religionsfreiheit unterschieden hat. Die Aufnahme von Art. 136 WRV in die Verweisung des Art. 140 GG ist konkret auf den Willen zurückzuführen, den Grundrechtsteil zu verschlanken. Eine weitere Verbindung besteht zu dem Vorschlag möglichst homogen auf die Regelungen der WRV zurückzugehen, wenn überhaupt schon eine Verweisung in Art. 140 GG vorgesehen werden soll. Die tradierten Motive der interfraktionellen Beratung sprechen dabei für die Annahme rein redaktioneller Änderungen. Für diese These spricht weiterhin, dass die Streichung der Absätze 3 und 4, sowie des zweiten Satzes des ersten Absatzes des späteren Art. 4 GG erst sehr spät im parlamentarischen Verfahren und ohne Aussprache erfolgten. Nimmt man hinzu, dass der Änderungsvorschlag vom Allgemeinen Redaktionsausschuss eingebracht wurde und die ausdrückliche Erklärung des Abgeordneten Zinn dahingehend zu verstehen ist, das die von Renner befürchtete Schlechterstellung gerade nicht eintreten soll, so erhärtet sich die Annahme einer rein redaktionellen Änderung; eine inhaltliche Abänderung war mithin nicht bezweckt. Hat der Parlamentarische Rat sich also nicht bewusst gegen die vorher bestehenden Fassungen entschieden, sondern sah sie auch in der Endfassung enthalten, so müssen die in den Beratungen geäußerten Er­ wägungen zu den entsprechenden Passagen des Art. 4 GG in die Auslegung der inkorporierten Artikel der WRV einfließen und diese im Sinne des Ergebnisses der inhaltlichen Beratungen beeinflussen. So zeigt beispielsweise die bewusste Übertragung der negativen Freiheitsrechte in die Art.  136 Abs.  2, Abs.  3 WRV, dass diese sich von anderen Gewährleistungen des Art. 4 GG abgrenzen lassen. Dies spricht nochmals für eine eigenständige Bedeutung dieser Regelungen und gegen einen einheitlichen Schutzbereich, da ansonsten das Ziel der Verschlankung des Grundrechtsteils auch durch eine ersatzlose Streichung hätte erreicht werden können.

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dd) Teleologische Erwägungen zu Art. 137 Abs. 7 WRV Im Rahmen der Auslegung soll abschließend der Frage nachgegangen werden, welche weiteren Zielsetzungen mit der Aufnahme der inkorporierten Normen der WRV in Art. 140 GG und im Speziellen hinsichtlich der Aufnahme des Art. 137 Abs. 7 WRV verfolgt werden (1). In der Folgenbetrachtung ist sodann erneut darauf einzugehen, welche teleologische Auslegungsvariante diese Ziel­ setzungen bestmöglich umsetzt (2). (1) Zielvorstellungen Aus der Darstellung der historischen Erwägungen des Verfassungsgebers lassen sich bereits wesentliche objektive und subjektive Zielsetzungen ableiten. So wurde mehrfach hervorgehoben, dass die weitgehende Übernahme der WRV zum einen intertemporale Rechtsprobleme vermeiden und zum anderen die objektive Rechtssicherheit auch dadurch gewährleisten sollte, dass weiterhin auf die gefestigte Verfassungstradition und deren Auslegung zurückgegriffen werden kann.660 Aus den Anträgen der Fraktionen der CDU/CSU, des Zentrums und der DP lässt sich darüberhinaus die Motivation herleiten, die christlichen Kirchen in ihrer gesellschaftlichen Stellung zu stärken, wenigstens aber den Regelungszustand der WRV mit leichten Verbesserungen in das Grundgesetz zu übertragen,661 ohne aber die der SPD wichtigen Regelungen der Lebens- und Sozialordnung ebenfalls aufnehmen zu müssen.662 Aufgrund des engen Zeitplans des Parlamentarischen Rates erschien daher die Übernahme des in Weimar erzielten Kompromisses als bester Weg.663 Die übrigen Teile der Lebens- und Sozialordnung sollten den zum Teil bereits bestehenden Länderverfassungen überlassen bleiben, die sehr viel Zeit auf die Beratungen dieser Teile verwandt hatten.664 660 Vgl. die Darstellung dieser auf die FDP zurückgehenden inhaltlichen Position auf S. 240 und 241. 661 Vgl. 2. Kapitel B. I. 2. e) cc) (1); ferner: Parlamentarische Rat, Verhandlungen des Hauptausschusses, Bonn 1948/49, S. 256. 662 Vgl. Pikart/Werner in Schick/Kahlenberg, Der Parlamentarische Rat, Bd.  5, 2.  Hlbbd., S. 637. 663 Vgl. Darstellung der Erwägungen insbesondere der interfraktionellen Beratungen ab S. 238. Ferner: Parlamentarische Rat, Verhandlungen des Hauptausschusses, Bonn 1948/49, S.  490, Bergsträsser (SPD): „Diese Artikel der Verfassung von Weimar sind ein geschlossenes Ganzes; sie sind von den Parteien als Ganzes gewollt und beschlossen worden.“ 664 Vgl. die einleitende Ausführungen durch v. Mangoldt in der 3. Sitzung des Grundsatzausschusses am 21.9.1948 bei Pikart/Werner in Schick/Kahlenberg, Der Parlamentarische Rat, Bd. 5, 1. Hlbbd., S. 41 f., 46, ferner S. 51: Einschränkung Bergsträssers die Forderung nach gleichem Lohn für gleiche Arbeit sei keine Regelung des Soziallebens. Die Erweiterung der Grundrechte um Grundregeln für das wirtschaftliche und kulturelle Leben wurde sodann nochmals auf der 8.  Sitzung am 7.10.1948 thematisiert und mehrheitlich abgelehnt, da die notwendige Beratungsintensität die zeitlichen Vorgaben sprengen würde und dem provisorischen

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In diesem Zusammenhang kann als weiteres, den gesamten Regelungskomplex der Weltanschauungsfreiheit überspannendes Motiv auf die Abgrenzung der Bundeskompetenz gegenüber der Zuständigkeit der Bundesländer verwiesen werden. Als allgemeines Regelungsziel lässt sich, wie vor allem die Regelungen des II. Abschnitts „Der Bund und die Länder“ zeigen, dahinter die Etablierung eines effektiven Föderalismus als Zielsetzung erkennen. Das föderale Argument wurde hierbei vor allem von Seiten der FDP und der SPD Fraktion gegenüber weitergehenden Vorschlägen der Fraktionen der CDU/CSU, des Zentrums und der DP vorgebracht. Soweit Regelungen getroffen werden sollten, die über den Bereich der individuellen Überzeugungsfreiheit hinausgingen, wurde stets auch die fehlende Kompetenz des Bundes für Kulturfragen hervorgehoben und die Zuständigkeit der Länder betont.665 Auch im Staatskirchenrecht wurde darauf verwiesen, dass die bislang bestehenden Verfassungen der Bundesländer staatskirchenrechtliche Regelungen vorsehen, in die eine Bundesregelung eingreifen würde.666 Das bei der Formulierung der Grundrechte daher auf die Gesetzgebung der Länder Rücksicht zu nehmen sei, wurde jedoch auch bereits in der einleitenden Beratung des Grundsatzausschusses thematisiert.667 Als dem Föderalismus gegenläufiges Argument wurde demgegenüber die Notwendigkeit betont, gewisse bundeseinheitliche Minimalregelungen aufzunehmen um so möglichen Landesgesetzen der Ostländer mit SEDMehrheit zumindest teilweise vorzubeugen.668Als wesentliche Zielvorgaben lässt sich damit festhalten, dass ohne großen Zeitaufwand eine rechtssichere Regelung für die Organisation der gesellschaftlich hoch relevanten und mit eigenen Eingaben am Verfassungsprozess unmittelbar beteiligten christlichen Kirchen geschaffen werden sollte, ohne über das hierzu notwendige Maß hinaus in die föderativen Kompetenzen der Länder eingreifen zu müssen. ­ harakter der Verfassung widerspreche. Gleichwohl meldete die CDU Fraktion Beratungs­ C bedarf für das Elternrecht und Schulfragen an, woraus Heuss bereits folgerte, dass dann auch Aussagen über die Kirchen getroffen werden müssten (vgl. Pikart/Werner in Schick/Kahlenberg, Der Parlamentarische Rat, Bd. 5, 1. Hlbbd., S. 215 ff.; vgl. ferner 2. Hlbbd., S. 635, 636 zum Verzicht auf Regelung der Lebensordnung). 665 Vgl. Pikart/Werner in Schick/Kahlenberg, Der Parlamentarische Rat, Bd.  5, 2.  Hlbbd., S.  635, 636, 640, 807; Parlamentarische Rat, Verhandlungen des Hauptausschusses, Bonn 1948/49, S. 256, 258, 489. 666 Vgl. Pikart/Werner in Schick/Kahlenberg, Der Parlamentarische Rat, Bd.  5, 2.  Hlbbd., S. 630 („üblichen grundsätzlichen kirchenrechtlichen Bestimmungen, wie sie in den Länderverfassungen, z. B. in Bayern, enthalten sind.“); S.  625 (Hinweis auf Regelungen der hessischen Verfassung zur religiösen und weltanschaulichen Vereinigungsfreiheit); S. 639 (Gewährleistung des Selbstbestimmungsrechtes in der hessischen Verfassung und Mitwirkungsrechte der Landesregierung bei Bischofsernennungen); S. 642, 763 f. (Anstaltsseelsorge), 836 f., 839; Parlamentarische Rat, Verhandlungen des Hauptausschusses, Bonn 1948/49, S. 256. 667 Vgl. Die Stellungnahme durch Heuss in der 3.  Sitzung des Grundsatzausschusses am 21.9.1948 bei Pikart/Werner in Schick/Kahlenberg, Der Parlamentarische Rat, Bd. 5, 1. ­Hlbbd., S. 43. 668 Pikart/Werner in Schick/Kahlenberg, Der Parlamentarische Rat, Bd. 5, 2. Hlbbd., S. 630, 635 a. E., 638, 807 f.; Parlamentarische Rat, Verhandlungen des Hauptausschusses, Bonn 1948/49, S. 257.

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(2) Folgenbetrachtung und Bewertung Die vom Parlamentarischen Rat gewählte Lösung über eine möglichst um­ fassende Inkorporierung und damit inhaltliche Übernahme des anlässlich der Beratungen der WRV bereits erarbeiteten Kompromisses erscheint als beste Folgerung aus den ermittelten Zielsetzungen. Für die Weltanschauungsfreiheit lässt sich daraus zunächst ableiten, dass der Rechtszustand unter Geltung der WRV erhalten werden sollte. Dies spricht dafür auch im Rahmen der teleologischen Auslegung zunächst davon auszugehen, dass Art. 137 Abs. 7 WRV nur eine Gleichstellung innerhalb des Art. 137 WRV bezweckt, da die damalige Kommentierung nahezu einhellig von einer entsprechend beschränkten Anwendung ausging.669 Entgegen dem andererseits durch von Mangoldt postulierten Geist der Toleranz zwischen weltanschaulichen und religiösen Bekenntnisformen670 hätte dies aber auch eine bewusste Ungleichbehandlung von Weltanschauungs- und Religionsgemeinschaften zur Folge. Nimmt man aber hierzu zur Kenntnis, dass von Mangoldt in der authentischen Kommentierung des Art. 140 GG mehrfach gerade auf die Ausführungen Heckels verweist,671 so erscheint trotz der bewussten Gleichstellung von Weltanschauung und Religion im individuellen Bereich eine gewollte Ungleichbehandlung in anderen Bereichen nicht ausgeschlossen, denn diesen vermeintlichen Widerspruch arbeitet Heckel für den korporativen Bereich besonders heraus.672 Deutlicher als durch die Indizien in der Kommentierung durch von Mangoldt,673 lässt sich die Konsequenz einer bewussten Ungleichbehandlung von Weltanschauung und Religion der Kommentierung der Rheinland-Pfälzischen Verfassung durch Süsterhenn entnehmen. Im Vorwort weist dieser ausdrücklich auf seine Erfahrungen in der verfassungsgebenden Versammlung des Bundes und des Landes hin, die in seine Kommentierung als Justiz- und Kultusminister von RheinlandPfalz eingeflossen seien.674 Zu Art.  43  LV  RLP heißt es sodann: „Die Gleich­ 669

Anschütz, WRV, Art. 137, Anm. 12, Art. 141, Anm. 1; Gebhard, WRV, Art. 137 Anm. 15, Art. 141 Anm. 3, Art. 149 Anm. 2; Giese, WRV, Art. 137 Anm. 8; Kiesow, JZ 1919, S. 875; Schoen, VerwArch 29, S. 27 Fn. 55. A. A. Apelt, Geschichte der Weimarer Verfassung, S. 329. Apelt schreibt 1946 jedoch einerseits aus der Retrospektive und versteht andererseits auch Zusammenschlüsse der „Mohammedaner“ und „Buddhisten“ als Weltanschauungsgesellschaften. 670 Parlamentarischer Rat, Schriftlicher Bericht zum Entwurf des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland, Bonn 1948/49, S. 8. 671 v. Mangoldt, Das Bonner Grundgesetz, Art. 140 S. 661 ff. 672 J. Heckel in FS Rudolf Smend, S. 109. 673 Vgl. auch: Verweise auf die Auslegungen zur WRV durch Anschütz (v.  Mangoldt, Das Bonner Grundgesetz, Art. 4 Anm. 2, Art. 140 S. 662); kein öffentliches Bedürfnis zum Schutz von Sekten und Weltanschauungsgemeinschaften (v.  Mangoldt, Das Bonner Grundgesetz, Art. 4 Anm. 3, S. 56 a. E.); „Ruf nach Toleranz“ bei Art. 7 GG in der bekenntnisfreien Schule als Ausnahme vom Religionsunterricht verwirklicht (v. Mangoldt, Das Bonner Grundgesetz, Art. 7 Anm. 1, S. 74.). 674 Süsterhenn/Schäfer, Kommentar der Verfassung für Rheinland Pfalz, S. 6.

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2. Kap.: Neubestimmung der dogmatischen Struktur

stellung dieser Weltanschauungsgemeinschaften, die zugleich aber eine scharfe Gegenüberstellung von Religion und Weltanschauung bedeutet, bezieht sich aber nur auf die in Art. 43 bezeichneten Rechte und Vorteile […]. Vollständige Gleichbehandlung ist nicht beabsichtigt (Anschütz, Bem. 12.  zu Art.  137)“,675 womit Süsterhenn einerseits wörtlich auf die Kommentierung der WRV durch Anschütz anspielt, entsprechend der Kommentierung durch von Mangoldt und dem im Parlamentarischen Rat geschlossenen Kompromiss ausdrücklich auf diesen Auslegungsstand verweist und im Fettdruck die für ihn maßgebliche, fehlende Gleichstellung von Religion und Weltanschauung hervorhebt. Die Kommentierung durch Süsterhenn zur Rheinland-Pfälzischen Verfassung deutet bereits darauf hin, dass die Bundesländer, als Folge der föderativen Zielsetzung im Hinblick auf die Weltanschauungsfreiheit, in ihren Verfassungen und in ihrer Gesetzgebung durchaus in Ausübung ihrer Kultus- und Verfassungshoheit über die bundeseinheitlichen Vorgaben hinausgehen, sie aber nicht unterschreiten dürfen. Bemerkenswert für die Folgenbetrachtung erscheint daher ein Vergleich zwischen der oben bereits zitierten Verfassung des Landes Rheinland-Pfalz vom 18. Mai 1947 und der durch den Abgeordneten Bergsträsser im Rahmen der Beratungen immer wieder zitierten Verfassung des Landes Hessen vom 1. Dezember 1946. Während Art.  43 Abs.  4  LV  RLP nur eine partielle Gleichstellung der Weltanschauungsgemeinschaften enthält und diese auch in Art. 44–46 LV RLP ausdrücklich neben den Kirchen und Religionsgemeinschaften genannt werden, enthält Art. 48 LV RLP, der die Anstaltsseelsorge regelt, gerade keinen Verweis auf die Weltanschauungsgemeinschaften. Anders die Hessische Verfassung: Bereits die gesetzliche Überschrift des IV. Abschnitts lautet „Staat, Kirchen, Religionsund Weltanschauungsgemeinschaften“, nicht bloß „Kirchen und Religionsgemeinschaften“, wie in der Verfassung des Landes Rheinland-Pfalz. Art. 54 LV Hessen lässt sodann Weltanschauungsgemeinschaften ausdrücklich zur Anstaltsseelsorge zu, soweit ein entsprechendes Bedürfnis besteht. Die fehlende Gleichstellung von Weltanschauungs- und Religionsgemeinschaften durch die Bundesverfassungsgesetzgebung respektiert demnach die zur Zeit der Beratungen bereits bestehenden und mutmaßlich bekannten unterschiedlichen Rechtslagen in den Ländern. Auch dies spricht dafür, als Folge eine eigenständige über die bundeseinheitlichen Mindestforderungen hinausgehende Regelung der Bundesländer zuzulassen.676 Schließlich eröffnet eine solcher, föderativer Ansatz 675 Süsterhenn/Schäfer, Kommentar der Verfassung für Rheinland Pfalz, Art.  43 LV RLP, Anm. 4 S. 208. 676 Dies erkennt auch Süsterhenn in seiner Kommentierung, die alle seit 1946 erlassenen Verfassungen vergleichend berücksichtigt (Vgl. Vorwort bei Süsterhenn/Schäfer, Kommentar der Verfassung für Rheinland Pfalz, S.  5). Daher heißt es zur Gleichstellungsnorm des Art. 43 Abs. IV LV RLP im Anschluss an die oben wiedergegebene Passage: „So genießen in Rh-Pf die Weltanschauungsgemeinschaften nicht das Recht, eigene Lehranstalten zu errichten

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den Ländern die Möglichkeit zu sachnahen Entscheidungen im Hinblick auf den Umfang des Schutzes der Weltanschauungsgemeinschaften. Hierdurch kann flexibel abgewogen werden, ob ggf. in Abkehr zum Nationalsozialismus oder im Vergleich zur bedeutenden Stellung anderer Gemeinschaften in einem Land kein öffentliches Bedürfnis zum Schutz einer Weltanschauungsgemeinschaft besteht,677 andererseits aber möglicherweise gerade aufgrund der besonderen, landesspezifischen Struktur Weltanschauungsgemeinschaften weitergehende Rechte z. B. zur Erteilung von Weltanschauungsunterricht an staatlichen Schulen eingeräumt werden sollten.678 ee) Ergebnis: geschützte Wirkformen der Weltanschauungsgemeinschaften Durch Art. 137 Abs. 2, 7 WRV wird zunächst grundlegend die weltanschauliche Vereinigungsfreiheit gewährleistet.679 Aufgrund der ursprünglich in Art. 4 Abs. 1 Satz  2  GG vorgesehenen Regelung der weltanschaulichen Vereinigungsfreiheit und deren rein redaktioneller Verlagerung nach Art. 140 GG680 ist sie auch weiterhin als Grundrecht anzusehen, da mit der Verschlankung des Grundrechtsteils gerade keine Schlechterstellung bezweckt werden sollte. Sie ist daher ebenso wie die negative Religionsfreiheit und die negative Kultusfreiheit, die nach Art. 136 Abs. 2 und 3 WRV übertragen wurden, in den Anwendungsbereich des Art.  93 Abs.  1 Nr. 4 a GG einzubeziehen und kann mit Verfassungsbeschwerde geltend gemacht werden.681 und zu unterhalten (Art.  42), haben nicht die Garantie der Staats- und Gemeindeleistungen (Art. 45) und eigene Feiertage (Art. 47), dürfen auch nicht in den öfftl. Anstalten Handlungen vornehmen (Art. 48). Dagegen wird ihr Vermögen zusammen mit dem in Art. 44 genannten gegen Säkularisation geschützt und damit mit dem Kirchgut auf eine Stufe gestellt. Ebenso haben ihre sozialen Einrichtungen und Schulen die Gemeinnützigkeitsvermutung des Art. 46 für sich.“ (Süsterhenn/Schäfer, Kommentar der Verfassung für Rheinland Pfalz, Art. 43 LV RLP, Anm. 4 S. 208). Dies spricht im Umkehrschluss dafür, dass Süsterhenn abweichende Regelungen anderer Bundesländer bekannt war, und dass er trotz Art. 31, 142 GG von der Möglichkeit zu einer rechtswirksamen Ausgestaltung abweichender Rechte und Pflichten durch die Landesverfassung ausging. 677 Vgl. Insoweit die Begründung v. Mangoldts für die Fassung von Art. 4 Abs. 2 GG, S. 201. 678 Vgl. Entscheidung des OVG Berlin zum Schulgesetz des Landes Berlin auf S. 48. 679 Vgl. 2. Kapitel B. I. 2. e) bb). 680 Vgl. 2. Kapitel B. I. 2. b) aa) (3) (a); Parlamentarischer Rat, Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland (Entwürfe), Bonn 1948/49, S. 197. 681 Vgl. i. E. entsprechend: BVerfG, Beschluss vom 5.2.1991, Az.: 2 BvR 263/86, BVerfGE 83, S. 341 (2. Leitsatz). Das Bundesverfassungsgericht bezieht hierfür allerdings die ausdrückliche Regelung des Art. 137 Abs. 2 Satz 1 WRV in den seiner Auffassung nach einheitlichen Schutzbereich des Art. 4 Abs. 1, 2 GG mit ein. Auch unter der Annahme einer eigenstän­digen Bedeutung von Art.  137  Abs.  2  Satz  1  GG muss aber eine hierauf gestützte Verfassungs­ beschwerde möglich sein, ohne dass es des Rückgriffs auf Art. 4 GG bedarf. Wie hier: Ehlers in Sachs, GG, Art. 136 WRV, Rn. 1; Korioth in MD, GG, Art. 136 WRV, Rn. 10.

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Die Wirkung der verfassungsrechtlichen Gleichstellung durch Art. 137 Abs. 7 WRV hinsichtlich der übrigen durch Art.  140 GG aufgenommenen korpora­ tiven Wirkformen der Weltanschauungsfreiheit ist auf die Rechtspositionen des Art. 137 WRV beschränkt.682 Weder nach ihrer systematischen Stellung, noch ihrer historischen und teleologischen Konzeption ordnet Art. 137 Abs. 7 WRV eine umfassende Gleichstellung der Weltanschauungsgemeinschaften an. Lediglich Art. 136 Abs. 3 Satz 2 WRV ist aus Gründen des systematischen Zusammenhangs mit Art. 137 Abs. 6 WRV und den Ergebnissen der weiteren Auslegung, die insoweit eine rein redaktionelle Verkürzung belegt, extensiv auch auf Weltanschauungen zu beziehen.683 Kollektive geschützte Wirkformen der Weltanschauungs­ freiheit sind demnach auch das weltanschauliche Selbstverwaltungsrecht aus Art. 137 Abs. 3 WRV, die Möglichkeit zum Erwerb der Rechtsfähigkeit nach bürgerlichem Recht gemäß Art. 137 Abs. 4 WRV und des Status als Körperschaft des öffentlichen Rechts gemäß Art. 137 Abs. 5 WRV. Art. 137 Abs. 6 WRV berechtigt die in solcher Art und Weise korporierten Weltanschauungsgemeinschaften schließlich zur Erhebung von Steuern. Den Bundesländern steht es allerdings offen in Ausübung ihrer Kompetenzen in ihrer Verfassung, oder durch ihre Landesgesetzgebung über diesen im Grundgesetz verankerten Schutz der Weltanschauungsgemeinschaften hinauszugehen. Im Ergebnis kann der Entscheidung des Brandenburgischen Landesverfassungsgerichts zur Zulässigkeit von bekenntnismäßigem Weltanschauungsunterricht im Land Brandenburg daher zugestimmt werden, da die Entscheidung des Verfassungsgerichtes auf der Auslegung der Landesverfassung beruht.684 Soweit das Verfassungsgericht jedoch darauf abstellt, dass Religion und Weltanschauung bereits nach der Konzeption des Grundgesetzes zwingend gleich zu behandeln wären, kann der Begründung nicht gefolgt werden.

II. Personaler Schutzbereich Hinsichtlich des personalen Schutzbereiches der Weltanschauungsfreiheit ist zwischen dem Recht des Einzelnen und dem Recht von Personenmehrheiten zu unterscheiden. Es ist daher zwischen natürliche Personen (1.) und Vereinigungen im Sinne des Art. 19 Abs. 3 GG zu differenzieren (2.) 1. Natürliche Personen Auf den sachlichen Schutzbereich der individuellen Weltanschauungsfreiheit in ihren unterschiedlichen Wirkformen kann sich hinsichtlich der durch und in Verbindung mit Art. 4 Abs. 1 GG geschützten Wirkformen jedermann berufen. Auf 682

Vgl. 2. Kapitel B. I. 2. e) bb) und cc) (3), sowie dd) (2). Vgl. 2. Kapitel B. I. 2. e) bb). Ferner: 2. Kapitel C. II. 2. 684 VerfGBbg, Urteil vom 15.12.2005, Az.: VerfGBbg 287/03, LKV 2006 S. 218 ff.

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eine bestimmte Staatsangehörigkeit kommt es nicht an. Die Geltendmachung der individuellen Weltanschauungsfreiheit setzt jedoch wie allgemein Grundrechtsmündigkeit voraus. Für Art. 4 Abs. 1 GG ist die Grundrechtsmündigkeit durch das Gesetz über die religiöse Kindererziehung von 1921685 legal typisiert worden. Das Gesetz findet laut § 6 auf die Erziehung der Kinder in „einer nicht bekenntnismäßigen Weltanschauung“ entsprechende Anwendung. Auch das noch 2008 vom Bundesgesetzgeber zuletzt geänderte Gesetz zum personalen Schutzbereich reflektiert damit die begriffliche Unterscheidung in Weltanschauung und Bekenntnis als Synonym für Religion. Diese auch im Grundgesetz zu findende Begriffsverwendung hatte sich bereits im Rahmen der Feststellungen zum allgemeinen systematischen Überblick gezeigt.686 Gemäß § 5 steht dem Kind demnach nach der Vollendung des 14. Lebensjahrs die Entscheidung darüber zu, sich zu einer bestimmten Weltanschauung zu bekennen. Mit Vollendung des zwölften Lebensjahrs kann das Bekenntnis zu einer Weltanschauung nicht mehr gegen seinen Willen erzogen werden. 2. Vereinigungen Hinsichtlich der Personenmehrheiten spricht das Grundgesetz in Art. 19 Abs. 3 GG die Anwendbarkeit der Grundrechte für inländische juristische Personen aus, soweit die Grundrechte ihrem Wesen nach Anwendung finden können. Genauer ergibt sich aus der inkorporierten Regelung des Art. 138 Abs. 2 WRV ferner, dass Religionsgesellschaften von religiösen Vereinen zu unterscheiden sind. Auch das Bundesverfassungsgericht differenziert entsprechend in Religionsgemeinschaften und religiöse Vereinigungen.687 Diese Differenzierung ist auch auf den weltanschaulichen Bereich zu übertragen.688 Es ist daher in den personalen Schutzbereich der Weltanschauungsgemeinschaften  (a)  und der weltanschaulichen Vereinigungen zu differenzieren (b). a) Weltanschauungsgemeinschaften Eine Weltanschauungsgemeinschaft ist ein Zusammenschluss einer Mehrheit von Personen, welcher eine organisatorische Binnenstruktur aufweist und für eine gewisse Dauer angelegt ist. Sie wird nach außen hin gekennzeichnet durch das grundsätzliche Bekenntnis der Mitglieder zu einem gemeinsamen, umfassenden 685 RGBl. 1921, S. 939. Zuletzt geändert durch Artikel 63 des G vom 17.12.2008 (BGBl. I S. 2586). 686 Vgl. 2. Kapitel A. II. 3. 687 BVerfG, Beschluss vom 16.10.1968, Az.: 1 BvR 241/66; BVerfGE 24, S. 236 (1. Leitsatz); Ehlers in Sachs, GG, Art. 140/Art. 137 WRV Rn. 3 verweist daher darauf, dass sich auch weltanschauliche Vereinigungen auf den Schutz des Art. 4 Abs. 1 GG berufen könnten. 688 Vgl. ebenso Mertesdorf, Weltanschauungsgemeinschaften, S. 243 f.

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weltanschaulichen Konsens.689 Weltanschauungsgemeinschaften können neben den entsprechend anwendbaren Bestimmungen des Art.  4  Abs.  1  GG sich auf die Rechte aus Art.  137 WRV berufen. Insbesondere die weltanschauliche Vereinigungsfreiheit des Abs.  2 und das Selbstbestimmungsrecht der Weltanschauungsgemeinschaften aus Abs. 3 stehen ihnen zu. Unter den Voraussetzungen des Art. 137 Abs. 5 WRV können Weltanschauungsgemeinschaften ferner die Rechte einer Körperschaft des öffentlichen Rechts eingeräumt werden. Dies beinhaltet gemäß Art. 137 Abs. 6 WRV das Recht zur Steuererhebung. b) Weltanschauliche Vereinigungen Weltanschauliche Vereinigungen sind Vereinigungen, die nicht die Stellung einer Weltanschauungsgemeinschaft erreichen, da es aufgrund partieller Zielsetzung an einem umfassenden weltanschaulichen Konsens der Mitglieder fehlt.690 Der Zusammenschluss zu weltanschaulichen Vereinigungen wird von Art.  9  GG geregelt. Hierfür spricht sowohl der ausdrückliche Wortlaut des Art. 137 Abs. 2 WRV, der im Unterschied zu Art. 138 Abs. 2 WRV nur die Freiheit zur Vereinigung zu einer Religionsgesellschaft, nicht aber die Vereinigung zu einem religiösen Verein erfasst. Dies lässt sich auch auf die Weltanschauungsgemeinschaften über­ tragen, da der Entwurf des Grundsatzausschusses vor der rein redaktionellen Streichung ebenfalls nur von Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften in Art. 4 Abs. 1 Satz 2 GG sprach.691 Weltanschauliche Vereinigungen können sich daher nicht auf die Rechte aus Art. 137 WRV berufen. Unter den Voraussetzungen des Art. 19 Abs. 3 GG findet jedoch die Weltanschauungsfreiheit aus Art. 4 Abs. 1 GG auch auf weltanschauliche Vereinigungen Anwendung.692

III. Verhältnis der Weltanschauungsfreiheit zu anderen Verfassungsnormen Der Schutzbereich der Weltanschauungsfreiheit ergibt sich neben den dargestellten positiven Definitionen ferner auch aus der Abgrenzung zu anderen Verfassungsnormen. Daher ist auf das Verhältnis der Weltanschauungsfreiheit zum Schutzbereich der Religionsfreiheit (1.), zum verfassungsrechtlichen Begriff der 689

Vgl. die Untersuchungen zur Begriffsbedeutung im 2. Kapitel unter B. I. 2. e) aa). Ferner als Ergebnis einer eingehenden Untersuchung hierzu ausführlich: Mertesdorf, Weltanschauungsgemeinschaften, S. 243. 690 Vgl. die Darstellung im 1. Kapitel unter B. I. 4. Ebenso Mertesdorf, Weltanschauungsgemeinschaften, S. 244. 691 Vgl. Darstellung des Entwurfs und seiner Behandlung im 2. Kapitel unter B. I. 2. b) aa) (3) (a). 692 Vgl. BVerfG, Beschluss vom 16.10.1968, Az.: 1 BvR 241/66; BVerfGE 24, S. 236 (1. Leitsatz); Ehlers in Sachs, GG, Art. 140/Art. 137 WRV Rn. 3 und die Darstellung auf S. 63.

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politischen Anschauung  (2.), zur Meinungsfreiheit  (3.), zur Wissenschaftsfreiheit (4.), zur Kunstfreiheit (5.), zur Vereinigungsfreiheit (6.), zur wirtschaftlichen Betätigung (7.) und zur freien Entfaltung der Persönlichkeit einzugehen (8.). 1. Religionsfreiheit Zur Abgrenzung von Religion und Weltanschauung konnte hinsichtlich des „Ob“ einer Differenzierung von Weltanschauung und Religion bereits einleitend festgehalten werden, dass die Kompetenz zu dieser Differenzierung beim Staat und seinen Organen liegt.693 Ferner greifen einfachgesetzliche Rechtsnormen diese Differenzierung auf, so dass auch faktisches Bedürfnis nach Unterscheidung besteht.694 Als maßgebliche Kritik musste daher noch untersucht werden, ob sich Weltanschauung und Religion aufgrund einer Annäherung der Begriffe gegen­ wärtig noch unterscheiden lassen.695 Im Rahmen der Auslegung des Wortlautes konnte durch die Betrachtung der Begriffsentwicklung insoweit jedoch nachgewiesen werden, dass ein spezifisch weltanschaulicher Bedeutungskern besteht.696 Die Annahme fehlender Abgrenzungsmöglichkeiten ist demgegenüber auf eine vom philosophischen Kontext zunehmend abgelöste juristische Begriffsinterpretation zurückzuführen, die maßgeblich zur Krise der Begriffsbedeutung beigetragen hat.697 Durch Rückbesinnung auf die Kriterien der Reflexion und des immanenten Ausgangspunktes der Gesamt­ betrachtung lässt sich dieser Konflikt jedoch auflösen, obwohl der Ausbildung einer Weltanschauung, wie den Vertretern einer zu großen Annäherung von Weltanschauung und Religion zuzugestehen ist, in der Abstraktionsleistung zur Gesamtbetrachtung auch transzendentale Aspekte innewohnen.698 Als weiterer Einwand gegen eine Abgrenzung von Weltanschauung und Religion wurde auf fehlende praktische Konsequenzen dieser Abgrenzung verwiesen.699 Die Analyse des Schutzbereiches der Weltanschauungsfreiheit konnte aber belegen, dass das Grundgesetz bei zutreffender Norminterpretation selbst Rechtsfolgen an die Unterscheidung von Weltanschauung und Religion knüpft und auch durch Art. 137 Abs. 7 WRV keine allgemeine Gleichstellung anordnet.700 693

Vgl. die Darstellung auf S. 29. Vgl. S. 28 Fn. 3–5, sowie die Darstellung der Gerichtsurteile im 1. Kapitel unter A. II 2. 695 Vgl. einleitend 1. Kapitel unter A. I, sowie die Darstellung zur Veränderung des juristischen Weltanschauungsbegriffs im 2. Kapitel unter B. I. 1. a) bb) (4). 696 Vgl. 2. Kapitel B. I. 1. a) cc). 697 Vgl. die Darstellung der juristischen Begriffskriese, 2. Kapitel B. I. 1. a) bb) (4) (b). 698 Vgl. Darstellung des Ergebnisses der Wortlautauslegung 2. Kapitel unter B. I. 1. a) cc) (4) und (5), sowie der Betrachtung der während der Normentstehung als Weltanschauung bezeichneter Gemeinschaften [2. Kapitel unter B. I. 1. c) aa) (7)]. 699 Vgl. u. a. v. Campenhausen in HbdStR, § 136 Rn. 36 („folgenloser Scharfsinn“), sowie im 1. Kapitel unter A. III 1. die Darstellung des Streitstands in der Literatur. 700 Vgl. die Ergebnisdarstellungen im 2. Kapitel unter B. I. 2. b) cc), d) dd) und e) ee). 694

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2. Kap.: Neubestimmung der dogmatischen Struktur

Zum systematischen Verhältnis von Weltanschauung und Religion hat die Auslegung dabei ergeben, dass der juristische Begriff der Weltanschauung weder als ein Oberbegriff,701 noch als ein Gegenbegriff zur Religion,702 sondern als ein aliud zu verstehen ist, bei dem die spezifisch juristische Begriffsbildung dazu führt, dass entgegen anderer möglicher Wortlautinterpretationen keine Schnittmenge zum Begriff der Religion besteht.703 Für das „Wie“ der Abgrenzung folgt daraus, dass zunächst die spezifisch weltanschaulichen Definitionsvoraussetzungen gegeben sein müssen. Die vorherrschende Abgrenzung über die Kriterien der Immanenz und der Transzendenz ist daher, neben dem durch die Untersuchung neu hervorgehobenen methodischen Ansatz der Reflexion,704 auf den Ausgangspunkt der Gesamtbetrachtung zu beschränken.705 Darauf weist auch die Ansicht hin, die für die Annahme einer Religion im juristischen Sinne auf das Vorliegen eines Offen­ barungscharakters abstellen will.706 Zur Abgrenzung gegenüber religiösen Erscheinungsformen hat die Auslegung weiterhin ergeben, dass die Differenzierungsansätze nach dem Vorliegen einer personalen Gottesvorstellung707, oder einer antireligiöser Haltung708 zwar auf historischen Erwägungen beruhen und ihre Berechtigung angesichts einer weltanschaulich-freidenkerischen Massenbewegung hatten, die einer vom Einfluss der christlichen Kirchen geprägten Gesellschaft gegenüberstand.709 Sie mögen daher als weitere Indizien herangezogen werden, einen hinreichenden Unterscheidungsansatz bieten sie demgegenüber aber nicht. Die Unterscheidung nach der Notwendigkeit von Kulthandlungen nach dem Selbstverständnis der jeweiligen Gemeinschaft bietet ein größeres Unterscheidungspotential, da Weltanschauungsgemeinschaften nach der teleologisch-systematischen Konzeption des Grundgesetzes aufgrund einer anderen subjektiven Zielsetzung von der religiösen Kultus­ 701 Offen hierfür noch die Erwägung zur Einordnung nach der Darstellung des philosophischfachsprachlichen Gebrauchs (Vgl. S. 131). 702 Vgl. 2. Kapitel unter B. I. 1. a) cc) (4). 703 Vgl. 2. Kapitel unter B. I. 1. e). 704 Vgl. 2. Kapitel unter B. I. 1. a) cc) (2). 705 Vgl. 2. Kapitel unter B. I. 1. a) cc) (3), sowie die entsprechenden Erwägungen auf den S. 132, 142, 149 und 150. 706 Vgl. Bleckmann, Staatsrecht II, S.  748f; Thüsing in Richardi, BetrVG, § 118 Rn.  210; Marhold in AR-Blattei, SD 1570 Rn. 183 f. 707 Vgl. Anschütz, WRV, Art.  137, S.  633 Fn.  1; Hamel in Bettermann/Nipperdey/Scheuner, S. 57; Spieldiener, Weltanschauung, S. 330; Mayer, Wesen und Rechtsstellung der weltanschaulichen Gemeinschaften nach der Bayrischen Verfassung vom 2.12.1946, S. 14; Mausbach, Kulturfragen in der Deutschen Verfassung, S. 72. 708 Vgl. Anschütz, WRV, Art.  137 Anm.  12; Kokott in Sachs, GG, Art.  4 Rn.  22; Giese/ Schunck, GG, Art. 137 WRV, Anm. 7; ähnlich v. Campenhausen in HbdStR, § 136 Rn. 43, ders. in v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 137 WRV Rn. 297; ders./de Wall, Staatskirchenrecht, S.  118; sowie weitere Nachweise bei Neureither, Recht und Freiheit im Staatskirchenrecht, S. 222 Fn. 357. 709 Vgl. die Darstellungen zu den Weltanschauungsgemeinschaften als zeitgeschichtliches Massenphänomen im 2. Kapitel unter B. I. 1. c) aa).

B. Schutzbereich

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freiheit ausgenommen sind.710 Hierbei muss jedoch berücksichtigt werden, dass es historisch nachweisbar einerseits auch Weltanschauungsgemeinschaften gab, welche sich zumindest der äußeren Form nach kultischer Handlungsformen be­ dienten,711 und es andererseits auch Religionsgemeinschaften geben mag, die keine Kulthandlungen kennen.712 Zur praktischen Durchführung der Abgrenzung von Weltanschauung und Religion muss abschließend festgehalten werden, dass der Begriff der Weltanschauung unabhängig vom Begriff der Religion als aliud definiert wurde und anhand der dargelegten Kriterien daher auch praktisch eine wesentlich verbesserte Abgrenzung möglich ist. Um entsprechend der juristischen Begriffsprägung jedoch auch theoretisch eindeutig eine Schnittmenge mit der Religion auszuschließen, bedürfte es einer juristischen Definition des Begriffs der Religion. Für diese muss aufgrund des im Begriff der Weltanschauung angelegten allein immanenten Ausgangspunktes zumindest gefordert werden, dass sie neben anderen Kriterien auf eine irgendwie geartete Erfahrung außerhalb des Menschen liegender Erkenntnisquellen abstellt. 2. Politische Anschauungen Für die Abgrenzung von Weltanschauung und Politik hatte bereits die ein­ leitende Problemdarstellung erheblichen Unterscheidungsbedarf ergeben.713 Die Untersuchung der Begriffsentwicklung hat hierzu zunächst gezeigt, dass ein komplexer Zusammenhang zwischen der Übernahme des Begriffs der Weltanschauung in das Grundgesetz, dessen Prägung im allgemeinen Sprachgebrauch und der eingetretenen inhaltlichen Abflachung und zunehmenden Verwendung des Wortes in der politischen Auseinandersetzung bestand.714 Zwar umschreibt demnach der allgemeine wie philosophisch-theologische Sprachgebrauch das Ziel von Weltanschauung als Sinnstiftung durch das Verständnis der eigenen Subjektivität im Gefüge des Weltganzen.715 Teile des allgemeinen Sprachgebrauchs wiesen jedoch darauf hin, dass auch politische Leitauffassungen Weltanschauungen sein können.716 Die philosophische Begriffsentwicklung zeigte 710

Vgl. 2. Kapitel unter B. I. 2. b) cc); im Ergebnis ebenso: Mager in v. Münch/Kunig, GG, Art. 4 Rn. 60; Zippelius in BK (Drittbearbeitung), GG, Art. 4 Rn. 103; Starck in v. Mangoldt/ Klein/Starck, GG, Art. 4 Rn. 58; Kästner, JZ 1998, S. 974 (979). 711 Vgl. z. B. die Kinder- und Jugendweihen der Freidenker (Reinalter in Fahlbusch, Evangelisches Kirchenlexikon, Bd. 1, Sp. 1348 Stw.: „Freidenker“). 712 Vgl. Herms in Betz/Browning/Janowski/Jüngel, RGG, Stw.: „Weltanschauung“, Sp. 1403 der auf die nur fakultativ theistisch Prägung von Religionen hinweist. 713 Vgl. 2. Kapitel B. I. 714 Vgl. die umfassende Darstellung zur Begriffsbedeutung im 2. Kapitel B. I. 1. 715 Vgl. die Ergebnisse zum allgemeinen und philosophischen Sprachgebrauchs 2.  Kapitel unter B. I. 1. a) aa) (4) und bb) (2) (l). 716 Vgl. Darstellung zur Begriffsbedeutung nach BROCKHAUS, 2. Kapitel B. I. 1. a) aa) (3).

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2. Kap.: Neubestimmung der dogmatischen Struktur

ferner, dass gerade gleichförmige Gruppeninteressen und Lebensauffassungen als Kriterien geeignet sind, um zu gleichartigen Gesamtsichten und Einschätzungen der Welt als Ganzes zu kommen. Ferner wurde festgestellt, dass jede auf das Ganze ausgerichtete Sichtweise ohne Anforderung an deren inhaltliche Tiefe für eine Weltanschauung genügt.717 Daher kann es auch Gesamtsichten der Welt geben, die sämtliche Reflexion mensch­ lichen Lebens inhaltlich auf die Stellung im ökonomischen Prozess beziehen, oder unter rassistischen Gesichtspunkten verkürzen. Diesen fehlt es dabei nicht notwendigerweise an der zunächst auf umfassende Reflexion ausgerichteten Breite, so dass das Vorliegen einer Weltanschauung nicht an der Abgrenzung zur monothematischen Einzelerklärung scheitern würde. Politische Überzeugungen können als Ergebnis der Begriffsauslegung daher gerade durch eine zugrunde liegende gemeinsame Weltanschauung gestiftet sein.718 Der theoretische Marxismus mag als ein viel zitiertes Beispiel einer solchen, politische Überzeugungen stiftende, Weltanschauung angesehen werden.719 Auch die Betrachtung der historischen Beispiele hat ergeben, dass die Frei­ denkerbewegung sich entlang der damaligen politischen Gruppen in eine bürgerliche, sozialdemokratische und kommunistische Fraktion spaltete720 und so das Spannungsfeld zwischen politischen Anschauungen und Weltanschauung mit begründete. Zu diesem Spannungsfeld dürfte schließlich auch die Nähe der NSDAP zu bestimmtem in Weltanschauungsgemeinschaften verbreitetem Gedankengut und nicht zuletzt das Verbot von Weltanschauungsgruppen im Zuge der politischen Gleichschaltung Deutschlands beigetragen haben. Der historischen Betrachtung konnte dabei aber keine Identität zwischen Weltanschauungslehre und poli­ tischem Programm entnommen werden. Die Betrachtung des Wortlautes von Art.  3 Abs.  3  GG und der grundgesetz­ lichen Systematik721 hat die Notwendigkeit einer sachlichen Unterscheidung von Weltanschauung und Politik gezeigt. Diese wurde im Rahmen der Auslegung dadurch bestärkt, dass einerseits bereits vor der Einführung des Grundgesetzes die Abgrenzung von Weltanschauung und Politik diskutiert wurde.722 Anderseits lassen auch verschiedene Beratungsgegenstände des Parlamentarischen Rates darauf schließen, dass Weltanschauung und Politik unterschieden werden sollten:

717

Vgl. 2. Kapitel unter B. I. 1. a) cc) (3). Ebenso: Puhlmann, Scientology und die Begriffe Religion und Weltanschauung im Grundgesetz, S. 172; Fleischer Religionsbegriff, S. 147. 719 Vgl. Zippelius in BK (Drittbearbeitung), GG, Art. 4 Rn. 94 und Herzog in MD, GG, Art. 4 Rn. 67. 720 Vgl. im 2. Kapitel unter B. I. 1. c) aa) (4) die Darstellung zur Freidenkerbewegung. 721 Vgl. 2. Kapitel unter A. II. 3. 722 Vgl. S. 137 für die Darstellung der insbesondere mit Blick auf Parteien geführte histo­ rische Diskussion. 718

B. Schutzbereich

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Hierfür kann zunächst die Diskussion zu Art. 18 GG angeführt werden.723 Die weltanschauliche Tarnung zum politischen Kampf gegen die Verfassung wird explizit als Missbrauch der Freiheit verstanden und nicht Art.  4  GG sondern Art. 5 GG zugeordnet. Auch die Beratungen zu Art. 7 GG lassen durch den Antrag der DP einen Blick auf das systematische Verhältnis von Weltanschauung und Politik zu.724 Der Antrag zur Frage der Privatschulen lautete dort: „Ihre Zulassung darf nicht aus religiösen, weltanschaulichen oder politischen Gründen versagt werden.“ Obwohl der Antrag abgelehnt wurde, kann die darin vorgesehene Trennung zwischen der Versagung aus weltanschaulichen und politischen Gründen als ein weiteres Indiz für die These gesehen werden, dass der Parlamentarische Rat von einer strikten Unterscheidbarkeit von Weltanschauung und Politik ausging. Schließlich ist als Beleg für die Unterscheidung von Weltanschauung und Politik nach dem Begriffsverständnis des Parlamentarischen Rates auf die Beratungen zu Art. 3 Abs. 3 GG abzustellen: So hatte Prof. Thoma in seiner kritischen Würdigung vom 25.10.1948,725 ohne nähere Begründung im erläuternden Teil seines Schreibens,726 anstelle der bisherigen Fassung für den fraglichen Absatz des späteren Art. 3 GG die Formulierung „Niemand darf seiner Abstammung, seiner Rasse, seines Glaubens, seiner religiösen und politischen Weltanschauung oder seiner Zugehörigkeit zu einer sozialen Klasse wegen bevorrechtigt oder benachteiligt werden“ vorgeschlagen.727 Der Vorschlag durch Thoma wurde jedoch nicht übernommen. Das sich sowohl der Grundsatzausschuss als auch der Allgemeine Redaktionsausschuss trotz belegbarer, intensiver Befassung mit Thomas Vorschlägen728 hier gegen eine Übernahme entschieden haben, lässt auf einen entsprechenden Willen des Verfassungsgebers schließen. Zum einen widerspricht der Terminus der „religiösen Weltanschauung“, welcher auf den Begriff der Weltanschauung als Oberbegriff zur Religion schließen ließe, der Gegenüberstellung von Religion bzw. Bekenntnis und Weltanschauung durch die übrigen Artikel des

723 Vgl. Pikart/Werner in Schick/Kahlenberg, Der Parlamentarische Rat, Bd.  5, 2.  Hlbbd., S. 755 f. 724 Vgl. Parlamentarische Rat, Verhandlungen des Hauptausschusses, Bonn 1948/49, S. 254 a. E.; v. Doemming/Füsslein/Matz in Leibholz/v. Mangoldt, JöR Bd. 1 N. F., S. 112. 725 PRat-Drucks. Nr.  244; Pikart/Werner in Schick/Kahlenberg, Der Parlamentarische Rat, Bd. 5, 1. Hlbbd., S. 361 ff. 726 Vgl. Pikart/Werner in Schick/Kahlenberg, Der Parlamentarische Rat, Bd.  5, 1.  Hlbbd., S. 373. 727 Vgl. Pikart/Werner in Schick/Kahlenberg, Der Parlamentarische Rat, Bd.  5, 1.  Hlbbd., S. 375; v. Doemming/Füsslein/Matz in Leibholz/v. Mangoldt, JöR Bd. 1 N. F., S. 68. 728 Vgl. S. 182 ff. Die Stellungnahme von Dehler (FDP), der durch den Allgemeinen Redaktionsausschuss eingefügte Begriff „Heimat und Herkunft“ sei auf eine Anregung Thomas zurückzuführen und solle die „soziale Lage“ beschreiben, (Vgl. Pikart/Werner in Schick/Kahlenberg, Der Parlamentarische Rat, Bd.  5, 2.  Hlbbd., S.  750; v.  Doemming/Füsslein/Matz in Leibholz/v. Mangoldt, JöR Bd. 1 N. F., S. 69.) zeigt ebenfalls, dass sich der Allgemeine Redaktionsausschuss intensiv mit dem Vorschlag Thomas befasst hat, der insoweit wörtlich nur von „einer sozialen Klasse“ spricht. (Vgl. PRat-Drucks. Nr. 244; Pikart/Werner in Schick/Kahlenberg, Der Parlamentarische Rat, Bd. 5, 1. Hlbbd., S. 361 ff.).

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Grund­gesetzes.729 Zum anderen widerspricht die hier vorgeschlagene Einführung „politischer Weltanschauungen“ in das Grundgesetz den bereits dargestellten Abgrenzungsbemühungen von Politik und Weltanschauung. Als Ergebnis der Untersuchungen zum Schutzbereich der Weltanschauungsfreiheit ist daher von einer formal strikten Unterscheidbarkeit beider Begriffe auszugehen, wie sie auch vom Bundesverwaltungsgericht bereits in einer seiner Entscheidungen postuliert wurde.730 Vom Schutzbereich der kollektiven Welt­ anschauungsfreiheit kann daher für Zusammenschlüsse von Personen als erstes eine positive Abgrenzung anhand der vorrangigen Merkmale einer politischen Partei im Sinne des Art. 21 GG vorgenommen werden. Zweitens können für den Bereich der kollektiven Weltanschauungsfreiheit gemäß Art. 137 WRV Weltanschauungsgemeinschaften von anderen politischen Gruppierungen, welche nicht die Qualität einer Partei im Sinne des Art. 21 GG erreichen, über die Definition der Weltanschauungsgemeinschaft abgegrenzt werden.731 Hierbei muss auch überprüft werden, ob ein Missbrauch der Weltanschauungsfreiheit vorliegt, indem sich eine politische Gruppierung als Weltanschauungsgemeinschaft tarnt. Aufgrund der dargestellten Diskussionen im Parlamentarischen Rat legt die nähere Untersuchung hierbei die Anwendung der Vorwandtheorie732 zur Feststellung eines Missbrauchs nahe, da von „religiöser Tarnung“ für eine tatsächlich unter die Meinungsfreiheit fallende Tätigkeit ausgegangen wurde.733 Dies spricht dafür, dass es nach der Vorstellung des Parlamentarischen Rates bereits an subjektiven Voraussetzungen des Art. 4 GG fehlt, wie es auch die Vorwandtheorie annimmt, und es daher zu keiner Schwerpunktabgrenzung zwischen zwei grundsätzlich eröffneten Grund­rechten kommt. Abrenzungsschwierigkeiten verbleiben demnach noch für Fälle des Art.  4 Abs. 1 GG, wenn im kollektiven Bereich eine weltanschauliche Vereinigung von einer politischen Gruppierung abgegrenzt werden muss. Dies entspricht für den Einzelnen weitgehend der Fragestellung, wann eine politische Aussage noch unter den Schutz der weltanschaulichen Bekenntnisfreiheit fällt. Für die Unterscheidung muss hierbei auf die unterschiedliche Zielrichtung und Methode von Welt­ anschauung und politischer Betätigung abgestellt werden. Zwar mögen politische Gruppierungen grundsätzlich die Bindung ihrer Sympathisanten stärker über eine gemeinsame weltanschauliche Geisteshaltung als über ihre am Einzelthema orientierten, konkreten thematischen Zielvorstellungen

729

Vgl. die Darstellung zum textlichen Überblick im 2. Kapitel unter A. II. 1. BVerwG, Urteil vom 7.7.2004, Az.: 6 C 17/03, NJW 2005, S. 85 (88). Vgl. auch S. 59. 731 Zur Definition des Begriffs der Weltanschauungsgemeinschaften vgl. 2.  Kapitel  B.  II. 2. a). Dabei wird insbesondere auf das Merkmal „Pflege“ einer Weltanschauung abzustellen sein. 732 Vgl. zu den Abgrenzungstheorien bei Rechtsmissbrauch 2. Kapitel B. III. 7. a). 733 Pikart/Werner in Schick/Kahlenberg, Der Parlamentarische Rat, Bd. 5, 2. Hlbbd., S. 755 f. 730

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erreichen,734 wesentlicher Unterschied zwischen sinnstiftender Weltanschauung und daraus abgeleiteten politischen Anschauungen ist jedoch die Ausrichtung der Politik an konkreten Zielen zur Veränderung gesellschaftlicher Realitäten. „Weltanschauung“ ist demgegenüber kein Zukunftsentwurf, sie liegt in der Reflexion der Gegenwart begründet und hat keine primär auf gesellschaftspolitische Ver­ änderung ausgerichtete Motivationskraft.735 Ziel von Weltanschauung ist die Sinnstiftung an sich durch das Verständnis der eigenen Subjektivität im Gefüge des Weltganzen. Daher muss zwischen „Weltanschauung“ als umfassender, zugrundeliegender Überzeugung einerseits und der weltanschaulich fundierten Ausformung in der konkreten Handlung zur Erreichung eines politischen Zieles andererseits, als mögliche Gegenstände rechtlicher Auseinandersetzung unterschieden werden. In Anlehnung an das Urteil des Bundesverfassungsgericht zum Verbot der KPD736 muss daher innerhalb des sachlichen Schutzbereiches der Weltanschauungsfreiheit zwischen dem Bekenntnis und der Verbreitung einer durch betrachtende Erkenntnis gewonnenen Weltanschauung als solcher, sowie der Verwirklichung konkreter politischer Zielvorstellungen unterschieden werden. Soweit eine Weltanschauung dabei nur eine Vorfrage für die konkrete politische Handlung darstellt, ist es daher nicht sachgerecht, den Schutzbereich der Freiheit des weltanschaulichen Bekenntnisses zu eröffnen.737 Als ein Beurteilungskriterium ließe sich daher danach unterscheiden, welche Bedeutung z. B. der für politisches Handeln regelmäßig maßgeblichen Überzeugung von Staat, Gesellschaft und Rechtsordnung innerhalb der jeweiligen Gesamtanschauung zukommt. Während bei einer weltanschaulichen Überzeugung einer glaubensmäßigen Erkenntnis dieser Bereiche bereits ein Eigen­ wert zukommt, wäre eine Erkenntnis der entsprechenden Verhältnisse für eine politische Anschauung gleichsam nur als Vorfrage und im Hinblick auf die subjektiv final eigentlich angestrebte Veränderung der Gesellschaft von Relevanz. Für das in der Literatur diskutierte Beispiel des Marxismus als Weltanschauung kann vor diesem Hintergrund folgende Unterscheidung vorgenommen werden: Unter der Prämisse, dass der historische Materialismus nach Marx und Engels die gesamte Geschichte des Menschen durch die materiellen Produktionsverhältnisse bedingt sieht, also eine Gesamtanschauung gegeben ist, sind die für notwendig gehaltenen Schritte zur konkreten Umgestaltung der künftigen Produktionsverhältnisse gleichwohl politische Ansichten. Soweit sie über das bloße Bekenntnis der Anschauung hinausgehen, unterfallen Sie nicht dem Schutzbereich der Welt­ anschauungsfreiheit, auch wenn die Annahme der Wirksamkeit der politisch beabsichtigten Maßnahmen für das zu erreichende Ziel erst vor dem Hintergrund der subjektiven Überzeugung von einer zutreffenden weltanschaulichen Beschreibung der zugrundeliegenden Be­ gebenheiten verständlich wird. 734 Vgl. dazu auch den auf Max Weber zurückgehenden Begriff der Weltanschauungspartei (Schmid in Handwörterbuch des politischen Systems der Bundesrepublik Deutschland, Stw. „Parteien“, S. 514). 735 Meier, Weltanschauung, S. 216. 736 BVerfG, Urteil vom 17.8.1956, Az.: 1 BvB 2/51, BVerfGE 5, S. 85, 145 f. 737 Vgl. Veelken, Das Verbot von Weltanschauungs- und Religionsgemeinschaften, S.  45; Fleischer, Religionsbegriff, S. 146 f.

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2. Kap.: Neubestimmung der dogmatischen Struktur

3. Meinungsfreiheit Die Frage der Abgrenzung der Meinungsfreiheit von der Weltanschauungsfreiheit hatte sich vor dem Hintergrund der Reichweite der weltanschaulichen Bekenntnisfreiheit gestellt.738 Die Auslegung zum Wirkbereich der weltanschau­ lichen Bekenntnisfreiheit hat hierbei die Annahme bestätigt, dass es sich bei der Bekenntnisfreiheit um einen Spezialfall der Meinungsfreiheit handelt.739 Die Anwendung des Schutzbereiches der weltanschaulichen Bekenntnisfreiheit schließt für die Reichweite seines Anwendungsbereiches mithin die parallele Anwendung der allgemeineren Meinungsfreiheit hinsichtlich aller in Art. 5 Abs. 1 GG geregelten Formen aus. 4. Wissenschaftsfreiheit Auch das Problem der Abgrenzung von Weltanschauung und Wissenschaft wurde als allgemeine Problemstellung bereits zu Beginn der Untersuchung thematisiert.740 Der Ursprung des Spannungsfeldes zwischen Wissenschaft und Weltanschauung konnte durch die Betrachtung der zeitgenössischen Weltanschauungsgemeinschaften näher beleuchtet werden. Es ergibt sich vor allem aus der Abwendung der Freidenkerbewegung vom irrationalen kirchlichen Dogma und durch die alternative Hinwendung zu den als rational propagierten Naturwissenschaften, wie es sich in besonderes prägnanter Weise in den evolutionsbiologischen Schriften des Zoologen Haeckels zeigte.741 Darüber hinaus konnte im Rahmen der Wortlautauslegung unter anderem dargestellt werden, dass Weltanschauungen selbst Gegenstand wissenschaftlicher Systematisierung im Rahmen der Weltanschauungslehre waren.742 Hieraus und aus der Betrachtung des Materialismus743 kann gefolgert werden, dass erkenntnistheoretische Methoden für sich noch keine Weltanschauung darstellen, weil aus einer solchen, vermeintlichen Gesamtauffassung für sich genommen noch keine verbindlichen Aussagen für das eigene Leben folgen. Der historische Versuch der Freidenker, höhere Überzeugungskraft als die damals vorherrschenden kirchlichen Lehren durch vermeintlich naturwissenschaftlich belegbare Thesen zu erreichen, ist nur ein Aspekt innerhalb des Gesamtphänomens der freidenkerischen Weltanschauung, nicht ihr alleiniger Selbstzweck. Für die Abgrenzung hat der für Weltanschauung ermittelte Begriffskern dem­ gegenüber ergeben, dass „Weltanschauung“ kein wissenschaftliches, sondern ein 738

Vgl. 1. Kapitel B. II. Vgl. 2. Kapitel B. I. 2. a) ee) (3). 740 Vgl. 1. Kapitel B. III. 741 Vgl. 2. Kapitel B. I. 1. c) aa) (3) und (4). 742 Vgl. 2. Kapitel B. I. 1. a) bb) (2) (j). 743 Vgl. 2. Kapitel B. I. 1. c) aa) (5).

739

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intuitives, überzeugungsmäßiges Erschließen beschreibt. „Wissenschaft“ und „Welt­ anschauung“ bleiben aufgrund ihres methodischen Vorgehens derart verschieden, dass keine Überschneidung zwischen den Begriffen besteht. Subjektive Gewissheit durch intuitiv überzeugungsmäßiges Erschließen einer Position und wissenschaftlich methodisches Vorgehen schließen einander aus. Es kann daher der Ansicht des Schrifttums mit guten Argumenten gefolgt werden, die von einer wechselseitigen Exklusivität ausgeht.744 Hinsichtlich der im Rahmen des Problemaufrisses ebenfalls aufgeworfenen Frage­stellung, ob sich eine Weltanschauung wie eine wissenschaftliche These an den Begriffen von „richtig“ und „falsch“ messen lassen muss,745 kann nach der Analyse folglich festgehalten werden, dass die entsprechende Theorie von Wilms746 abzulehnen ist. Sie wurde durch die Begriffsanalyse widerlegt. Für eine klare Abgrenzung zwischen Wissenschaft und Weltanschauung lässt sich dabei erstens auf die klare Trennung im allgemeinen Sprachgebrauch verweisen.747 Ferner spricht auch der weit überwiegende Gebrauch im Rahmen der philosophischen Begriffsentstehung gegen eine wissenschaftliche Weltbetrachtung innerhalb einer Weltanschauung.748 Zwar lassen sich auch Vertreter für die Annahme einer objektiv, wissenschaftlich nachvollziehbaren Weltanschauung anführen,749 diese bleiben jedoch in der Minderheit. Auch die im allgemeinen Sprachgebrauch, deutlicher aber im fachsprachlichen Gebrauch der Philosophie und der Theologie vorherrschenden Differenzierungen in die Begriffe Weltbild und Weltanschauung, mit jeweils unterschiedlicher Begriffsbedeutung hinsichtlich der Art und Weise der Weltbetrachtung, stützen die strikte Unterscheidung zwischen einer intuitivüberzeugungsmäßigen Weltanschauung und einem wissenschaftlichen Weltbild. Auch in der juristischen Begriffsentwicklung wurde die Weltanschauung stets in der Nähe der Religion, nicht aber der Wissenschaft gesehen,750 so dass die Differenzierung zwischen rein wissenschaftlich-gegenständlichem Weltbild und überzeugungsmäßig erfassender Weltanschauung im Ergebnis auch für den juristischen Bereich zustimmend von der Rechtsprechung zur Kenntnis genommen wurde.751

744

Vgl. die Nachweise in den Fn. 184–187 auf S. 69. Vgl. die Problemdarstellung im 1. Kapitel unter B. III. 1. 746 Wilms in FS Maurer, S. 503; ihm folgend sein Schüler Bohusch, Grundlagen der Glaubensfreiheit, § 2 S. 17. 747 Vgl. zu den Ergebnissen der Analyse des allgemeinen Sprachgebrauchs, 2. Kapitel unter B. I. 1. a) aa) (4). 748 Vgl. zu den Ergebnissen der Analyse des philosophischen Sprachgebrauchs, Vgl. 2. Kapitel B. I. 1. a) bb) (l). 749 Vgl. die Darstellung zu Humboldt, 2. Kapitel B. I. 1. a) bb) (2) (i). und Görres 2. Kapitel B. I. 1. a) bb) (2) (h). 750 Vgl. Die Darstellung zur juristischen Begriffsentwicklung, Vgl. 2. Kapitel B. I. 1. a) bb) (a). 751 Vgl. insoweit die Erwägungen des BVerwG im Urteil vom 19.2.1992, Az.: 6 C 5/91, ­BVerwGE 89, S. 368 (369 f.). 745

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5. Kunstfreiheit Für das Verhältnis der Kunstfreiheit zur Weltanschauungsfreiheit hat die Auslegung der weltanschaulichen Bekenntnisfreiheit ergeben, dass sich diese jeder Form der kommunikativen Einwirkung auf Dritte bedienen kann.752 Dies umfasst auch künstlerische Darstellungen. Da Art. 5 Abs. 3 GG systematisch ebenso wie die Bekenntnisfreiheit aus Art. 4 Abs. 1 GG einen Spezialfall der Meinungsfreiheit bildet, schließen sich beide Grundrechte wechselseitig auch nicht aus, sondern kommen nebeneinander zur Anwendung. Im Rahmen der Rechtfertigung eines Eingriffs kann jedoch über die Zielrichtung des Eingriffs ggf. vorrangig auf eines der beiden beteiligten Grundrechte abgestellt werden. Der Illustrator einer weltanschaulichen Bekenntnisschrift kann sich mithin sowohl auf seine weltanschauliche Bekenntnisfreiheit, als auch auf seine Kunstfreiheit berufen. Wird der Vertrieb der Schrift untersagt, kann jedoch danach unterschieden werden, ob sich das Verbot vorrangig auf den Inhalt des Bekenntnisses als solches (z. B. wegen religionsfeindlicher (§ 166  StGB) oder volksverhetzender Bekenntnisinhalte, dann Bekenntnisfreiheit), oder auf die Art und Weise der graphischen Darstellung des Bekenntnisinhalts stützt (z. B. wegen der im Buch enthaltenen obszönen und jugendgefährdenden Illustrationen, dann Kunstfreiheit).

6. Vereinigungsfreiheit Für die Abgrenzung zur Vereinigungsfreiheit aus Art.  9 Abs.  1  GG hatte die Auslegung des Art. 137 Abs. 2 WRV i. V. m. Art. 137 Abs. 7 WRV ergeben, dass die Freiheit der Vereinigung zu Weltanschauungsgemeinschaften sich vorrangig aus Art. 137 Abs. 2 WRV ergibt.753 Hinsichtlich der Vereinigung zu weltanschau­ lichen Vereinen ist jedoch Art. 9 Abs. 1 GG mangels vorrangiger Spezialvorschrift unmittelbar anwendbar.754 7. Wirtschaftliche Betätigung Die Abgrenzung von wirtschaftlicher Betätigung und Weltanschauungsfreiheit wurde bereits im Rahmen der Problemdarstellung thematisiert. Die Untersuchung der Wirkbereiche der Weltanschauungsfreiheit hat dabei ergeben, dass es zu einer Überschneidung von wirtschaftlicher Betätigung und Weltanschauungsfreiheit im Bereich des weltanschaulichen Bekenntnisses kommen kann, wenn es sich bei der wirtschaftlichen Tätigkeit nach dem Inhalt der jeweiligen glaubensmäßigen Überzeugung auch um die Manifestation eines Bekenntnisses handelt. 752

Vgl. 2. Kapitel B. I. 2. a) ee) (3). Ferner: Kokott in Sachs, GG, Art. 4 Rn. 32 f.; Mager in v. Münch/Kunig, GG, Art. 4 Rn. 17. 753 Vgl. 2. Kapitel B. I. 2. e) ee). 754 Vgl. 2. Kapitel B. II. 2. b).

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Dies entspricht der vom Bundesverfassungsgericht explizit herausgehobenen Feststellung, dass eine caritative Sammlung unter den Schutz des Art. 4 Abs. 1 GG fällt, wenn und soweit „die Gabe […] einer bestimmten religiösen Gesinnung oder Haltung des Spenders […] entspringen oder Ausdruck persönlichen Einsatzes für eine gerechte und gute Sache aus glaubensmäßiger Überzeugung [sind]“.755 Da für die Weltanschauung keine weitergehende Freiheit der Ausübung im Sinne des Art. 4 Abs. 2 GG festgestellt werden konnte, bedarf es darüberhinaus auch keiner weitergehenden Abgrenzung. Wirtschaftliche Tätigkeiten ohne Bekenntnischarakter fallen mithin nicht in den Schutzbereich der Weltanschauungsfreiheit, auch wenn ihre Gewinne zur Förderung weltanschaulicher Handlungen verwendet werden. Der gewinnorientierte Verkauf von Bekenntnisschriften oder die entgeltliche Unterweisung in einer Weltanschauung sind durch Art. 4 Abs. 1 GG geschützt. Der sonstige gewerbliche Verkauf von Speisen und Getränken ohne Bekenntnischarakter ist hingegen auch dann nicht von Art. 4 Abs. 1 GG geschützt, wenn er z. B. anlässlich weltanschaulicher Zusammenkünfte erfolgt, oder der Gewinn zugunsten einer Weltanschauungsgemeinschaft verwendet werden soll.

Für die Anwendung dieser Abgrenzung in der gerichtlichen Praxis hatte sich ferner die Forderung ergeben, den Begriff der Weltanschauung zu konkretisieren und neue Ansätze zur Ermittlung eines im Einzelfall hinreichenden subjektiven Bekenntnisses zu entwickeln.756 Während für den Inhalt des Begriffs der Weltanschauung insoweit vor allem auf die umfangreichen Feststellungen der Untersuchung verwiesen werden kann,757 bedarf es noch weiterer Ausführungen zur Abgrenzung von Fällen des Rechtsmissbrauchs (a) und Erwägungen zur materiellen Beweislastverteilung (b) a) Methodischer Ansatz zur Abgrenzung von Missbrauchsfällen Im Rahmen des Problemaufrisses waren zur Abgrenzung der Weltanschauungsfreiheit gegenüber Fällen des Rechtsmissbrauchs die in der Literatur diskutierten Kriterien vorgestellt worden. Als Vorschläge wurden dabei vertreten auf den Schwerpunkt der Betätigung abzustellen, Haupt und Nebenzweck zu unterscheiden, oder zu überprüfen, ob die Weltanschauung nur als Vorwand für anderweitige Betätigungen genutzt wird.758 Der allgemeine Einwand des Rechtsmissbrauchs beruht jedoch nicht im Umschlagen einer gerade noch zulässigen wirtschaft­lichen Betätigung in ein unzulässiges „Zuviel“, sondern auf der Erwägung, dass ein objektiv gesetzter Anschein der weltanschaulichen Betätigung von vornherein sub 755 BVerfG, Beschluss vom 16.10.1968, Az.: 1 BvR 241/66, BVerfGE S. 24, 236 (249). Vgl. S. 76. 756 Vgl. 1. Kapitel B. IV. 1. 757 Vgl. 2. Kapitel B. I. 1. 758 Vgl. 1. Kapitel B. IV. 1.

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2. Kap.: Neubestimmung der dogmatischen Struktur

jektiv nur gewollt ist, um deren rechtliche Privilegierungen nutzen zu können.759 Dies entspricht im Wesentlichen den Voraussetzungen der Vorwandtheorie, die vergleichbar auch vom Parlamentarischen Rat im Rahmen der Beratungen zu Art. 18 GG als Abgrenzung zwischen Weltanschauungsfreiheit und politischer Betätigung erwogen wurde.760 Demnach wäre vor allem das für die Weltanschauung maßgebliche subjektive Kriterium der Gewissheit genau zu überprüfen, um festzustellen, ob ein Vorwand vorliegt. Interessant erscheint in diesem Zusammenhang auch der Ansatz von Fleischer,761 der wirtschaftliche ebenso wie politische Betätigung vom Schutzbereich des Art.  4 Abs.  1  GG ausnehmen will, soweit diese sich nur als Vorfrage mit einer weltanschaulichen Fragestellung befasst.762 Es wäre demnach danach zu unterscheiden, ob „nur“ auf weltanschaulicher Grundlage gehandelt werden soll, oder aber das Bekenntnis einer subjektiven Gewissheit selbst im Vordergrund steht.763 Ein solcher Ansatz wurde in der vorliegenden Untersuchung bereits zur Unterscheidung von weltanschaulichem Bekenntnis und politischer Betätigung gewählt.764 Auch in Abgrenzung zur wirtschaftlichen Betätigung ist eine derartige Überprüfung des subjektiv notwendigen Bekenntnisinhalts möglich, da gerade in den hier abzuscheidenden Missbrauchsfällen regelmäßig nicht das Bekenntnis zu einer subjektiven Überzeugungsgewissheit als Hauptfrage im Mittelpunkt steht, sondern die Überlegung wie vor dem Hintergrund und der geschäftsfördernden Etablierung eines weltanschaulich geprägten Milieus möglichst effektiv anderen Zielsetzungen nachgegangen werden kann.765 Diese anderweitige Zielsetzung lässt sich als Umschreibung der Voraussetzung des „Vorwandes“ verstehen, da sie die objektiv im Rahmen der Weltanschauung vorgegebene, überzeugungsmäßige Motivation ersetzt und damit die Annahme des rechtsmissbräuchlichen Verhaltens begründet. 759

Vgl. Teichmann in Soergel, BGB, § 242 Rn. 14 (Fallgruppe des Normenmissbrauchs). Vgl. die Darstellung der Beratung auf S. 174. 761 Fleischer, Religionsbegriff, S.  146 f. Im Anschluss an diesen auch Veelken, Das Verbot von Weltanschauungs- und Religionsgemeinschaften, S. 45. 762 Der Begriff „Vorfrage“ wird im Folgenden entsprechend der Begriffsbildung im Inter­ nationalen Privatrecht verwendet. Er kennzeichnet mithin einen von der zu lösenden Hauptfrage (hier: wirtschaftliche oder politische Betätigung) abgegrenzten Themenkomplex, der zwar für die Beantwortung der Hauptfrage von Bedeutung sein kann, aufgrund der (strukturellen) Verschiedenheit der Lebenssachverhalte aber vom Gesetzgeber dem Regelungsbereich einer anderen (Kollisions-)Norm unterworfen wurde. 763 Vergleichbar hierzu kann auf die Aussage auf S. 57 zurückgegriffen werden, wonach der Marxismus zwar Erkenntnisse über die Stellung des Menschen in der Welt biete, diese aber nicht als Eigenwert (dann Hauptfrage und folglich Weltanschauung), sondern als Mittel zum Zweck der Umgestaltung der gesellschaftlichen Verhältnisse (also Vorfrage zur eigentlichen Hauptfrage) begreife. 764 Vgl. die Darstellung auf S. 257. 765 Zutreffend charakterisiert dies auch Casper, Artikel: „Weltanschauung“ in StL, Bd.  5, Sp.  926, der Weltanschauung in diesem Zusammenhang nur als auf die Durchsetzung der eigentlichen Ziele gerichtete Methode der Handlungsertüchtigung beschreibt. 760

B. Schutzbereich

263

b) Materielle Beweislastverteilung Bereits im Rahmen der Problemdarstellung deutete es sich an, dass sich die größten praktischen Probleme bei der Ermittlung des zutreffenden Sachverhalts ergeben. Kommt es nach dem Ergebnis der Auslegung für die Eröffnung des Schutzbereiches der Weltanschauungsfreiheit, insbesondere in den gerade vorgestellten Fällen der Abgrenzung gegenüber Konstellationen des Rechtsmissbrauchs, auf subjektive Merkmale an, so bedarf es um so größerer Anstrengung bei der Ermittlung der objektiven Tatsachen, um daraus auf das Vorliegen der subjektiven Motivation zu schließen. In der bisherigen Praxis wurde vom Bundesverwaltungsgericht daher gefordert, dass der Grundrechtsträger, der sich auf die Freiheit des Art. 4 Abs. 1 GG beruft, seine subjektive Motivation glaubhaft dargelegt werden muss.766 In ständiger Rechtsprechung fordert das Bundesverwaltungsgericht und mit ihm Teile der Literatur zudem, dass Weltanschauungen eine vergleichbare Breite und Geschlossenheit aufweisen müssen, wie die im abendländischen Kulturkreis bekannten Religionen.767 An dieser inhaltlichen Voraussetzung wurde jedoch quali­ fizierte Kritik geübt, da sie eine neutralitätswidrige Verengung des Schutzbereichs der Weltanschauungsfreiheit darstelle.768 Nicht nur das Ergebnis der historischen Auslegung im Vergleich zu den mit dem Begriff „Weltanschauung“ umschriebenen Gruppierungen,769 sondern auch die Rechtsprechung selbst geht davon aus, dass keine besonders hohen inhaltlichen Anforderungen zu stellen sind.770 Den Ergebnissen der Auslegung kann ebenfalls keine entsprechende inhaltliche Restriktion entnommen werden, auch nicht der systematischen Gegenüberstellung von Religion und „Weltanschauung“ in verschiedenen Artikeln des Grundgesetzes. Eine mit dem wertenden Vergleich verbundene inhaltliche Aussage über eine Qualität der Lehre bleibt daher problematisch und ist dem Staat dem Grundsatz nach auch verwehrt.771 Einziges inhaltliches Kriterium bleibt demnach, dem Ergebnis der Auslegung folgend, das Erfordernis einer Gesamtbetrachtung, welche Weltanschauungen von thematischen Einzelaussagen unterscheidet.772 766

BVerwG, Urteil vom 25.8.1993, Az.: 6 C 8/91, BVerwGE 94, S. 82 (87); Jarass in Jarass/ Pieroth, GG, Art. 4 Rn. 13. 767 BVerwG im Urteil vom 19.2.1992, Az.: 6 C 5/91, BVerwGE 89, S. 368 (371); Herzog MD, GG, Art. 4 Rn. 67; Jarass in Jarass/Pieroth, GG, Art. 4 Rn.8; Mückl in BK (Viertbearbeitung), GG, Art. 4 Rn. 78; Starck in v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 4 Rn. 33 m. w. N. 768 Muckel in Friauf/Höfling, GG, Art. 4 Rn. 8; Isak, Selbstverständnis der Kirchen und Religionsgemeinschaften, S.  207; Veelken, Das Verbot von Weltanschauungs- und Religionsgemeinschaften, S. 73 ff.; Fleischer, Religionsbegriff, S. 154; v. Campenhausen, ZevKR 25, S. 135 (151 f.). 769 Vgl. 2. Kapitel B. I. 1. c) aa) (7). 770 BVerwG, Urteil vom 19.2.1992, Az.: 6 C 5/91, BVerwGE 89, S. 368 (371). 771 Zu Recht daher kritisch: Kästner, JZ 1998 S. 979 m. w. N. zur Kritik an einer qualitativen Überprüfung. 772 Vgl. 2. Kapitel B. I. 1. a) cc) (3).

264

2. Kap.: Neubestimmung der dogmatischen Struktur

Angesichts der Notwendigkeit, eine Gesamtbetrachtung festzustellen und die Plausibilität des vorgetragenen Selbstverständnisses prüfen zu können, ist das Gericht jedoch auf einen Vergleichsmaßstab angewiesen. Gerade die aus dem gerichtlichen Alltag bekannten Einlassungen, die auf einem weit gefassten Begriffsverständnis der Weltanschauung beruhten,773 zwingen mit Süsterhenn zu der Feststellung, dass niemand berechtigt ist mit der Weltanschauungsfreiheit „Firle­ fanz“774 zu betreiben. Die vom Bundesverwaltungsgericht und Teilen der Literatur vorgebrachte Überprüfung der Breite und Geschlossenheit der Lehre anhand des Vergleichs mit dem Gericht bekannten Überzeugungslehren sollte daher im Rahmen der Feststellung, der für die Eröffnung des Schutzbereiches relevanten subjektiven Tatsachen, als bloßer Maßstab der Plausibilitätsprüfung und Beweis­ würdigung erhalten bleiben. Abschließend bleibt daher festzustellen, dass derjenige, der sich auf den Schutzbereich des Art. 4 Abs. 1 GG beruft, die materielle Beweislast für den Fall trägt, dass sich seine Behauptung nicht hinreichend zur Ausbildung einer entsprechenden richterlichen Überzeugung beweisen lässt.775 Dies soll nicht mit der Auf­fassung im Widerspruch stehen, zur effektiven Verwirklichung der Grundrechte im Zweifel eine weite Schutzbereichsauslegung zugunsten der Freiheit vorzunehmen.776 Auch das Bundesverfassungsgericht betont vielmehr, dass zunächst nach dem geistigen Gehalt und äußeren Erscheinungsbild (feststellbar) tatsächlich eine Weltanschauung vorliegen muss,777 bevor der Schutzbereich der Weltanschauungsfreiheit überhaupt eröffnet und seine Reichweite zu prüfen ist. Gerade in Missbrauchskonstellationen bei der Abgrenzung zur wirtschaftlichen Betätigung muss daher nochmals betont werden, dass es genügt anhand von Indizien die richterliche Überzeugung vom Vorliegen der subjektiven Voraussetzungen (i. e. subjektiv erforderliche Gewissheit vom Inhalt einer Weltanschauungslehre) der Weltanschauungsfreiheit zu erschüttern. Der in der Praxis kaum jemals zu führende Vollbeweis, dass es sich bei

773 Vgl. die Bezeichnung von Hellsangels als Weltanschauung in OLG Celle, Beschluss vom 19.3.2007, Az.: 32 Ss 4/07, Nds.Rpfl 2007 S. 185 ff. 774 24. Sitzung des Ausschusses für Grundsatzfragen am 23.11.1948 (vgl. Pikart/Werner in Schick/Kahlenberg, Der Parlamentarische Rat, Bd. 5 2. Hlbbd., S. 626). 775 Vgl. für die Anwendbarkeit dieser allgemeinen Beweislastregel auch im Verfassungsrecht: Weber-Grellet, Beweis- und Argumentationslast im Verfassungsrecht, S. 34. 776 Hinsichtlich des Grundsatzes in dubio pro libertate kann zwischen Auslegungsregel und Beweislastregel unterschieden werden (vgl. Weber-Grellet, Beweis- und Argumentationslast im Verfassungsrecht, S. 39). Während diese Regelung als Auslegungsregel zu einem effektiven Grundrechtsschutz führt, der auch bislang unbekannte Phänomene abdecken kann, erscheint die Anwendung als Beweislastregel problematisch. Ohne sachliche Legitimation wird hier ein tatsächlich nicht ermittelbarer Sachverhalt als gegeben unterstellt. Zu Recht ablehnend gegen „In dubio pro libertate“ als eine allgemeine Beweislastregel daher auch Weber-Grellet, Beweisund Argumentationslast im Verfassungsrecht, S. 42. 777 Vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 28.8.1992, 1 BvR 632/92, NVwZ 1993, S. 357 f. im Anschluss an die gleichlautende Rechtsprechung des BVerfG zu Religionen in BVerfG, Beschluss vom 5.2.1991, Az.: 2 BvR 263/86, BVerfGE 83, S. 341 (353).

B. Schutzbereich

265

einer Weltanschauungsvereinigung um die bewusste und ziel­gerichtete Tarnung eines „geistesmagischen Konzerns“778 handelt, muss daher nicht erbracht werden. 8. Freie Entfaltung der Persönlichkeit Hinsichtlich der Frage, ob Art. 4 Abs. 1 GG auch das Recht gibt, sein Leben umfassend nach den Grundsätzen seines weltanschaulichen Bekenntnisses zu gestalten, hat die Auslegung ergeben, dass ein derart weitgehendes Recht nicht gewährt wird. Wortlaut, Systematik und historische Entwicklung sprechen für einen bewusst differenzierten Schutzbereich. Zwar hat die teleologische Auslegung ein Bedürfnis zur Vermeidung von Schutzlücken ergeben,779 gravierende Schutzlücken bestehen jedoch nicht, da jedes weltanschaulich motivierte Verhalten, welches nicht unter den Schutzbereich der weltanschaulichen Freiheitsrechte fällt, zumindest unter den Schutz von Art. 2 Abs. 1 GG ggf. in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG fällt.780 Gerade die teleologische Betrachtung spricht aufgrund der Gefahren, die mit der Disparität von Schutzbereich und Schranke verbunden sind, gegen die Weltanschauungsfreiheit als einer zweiten, weltanschaulich motivierten allgemeinen Handlungsfreiheit.781 Für weltanschaulich motivierte Handlungsformen, die nicht unter den vorrangigen Schutzbereich der weltanschaulichen Glaubens-, Gewissens- und Bekenntnisfreiheit fallen, noch durch Art.  137 WRV geschützt sind, ist demnach in entsprechender Anwendung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts782 Art. 2 Abs. 1 GG anwendbar. Bart- und Haartrachten, Speisegebote und andere Verhaltensweisen können weltanschaulich motiviert sein. Nicht in jeder äußerlich sichtbaren Handlung liegt jedoch eine drittgerichtete, kommunikative Bekenntnisäußerung. Auch soweit sich die Glaubensfreiheit auf das forum externum erstreckt, ergibt sich daraus kein Schutzanspruch für den Bereich der Sozialsphäre. Der Schutz vor Eingriffen richtet sich insoweit nach Art. 2 Abs. 1 GG. Für das „Reiten im Walde“783 macht es mithin keinen Unterschied, ob es aus sportlichen Gründen erfolgt, oder ob dahinter die weltanschauliche Motivation steht, zum Gewinn höherer Erkenntnis eins mit der Natur und Mitgeschöpfen zu werden.

778

Vgl. zur Bezeichnung: Thiede, Scientology  – der geistesmagische Konzern, Das Parlament 1993, Beilage Nr. 41 f. S. 25 ff. 779 Vgl. 2. Kapitel B. I. 2. a) dd). 780 Vgl. 2. Kapitel B. I. 2. b) aa) (4) (b). 781 Vgl. zur Darstellung der Problemstellung der Disparität von Schutzbereich und Schranke einerseits 1. Kapitel C. III. und zur Bewertung 2. Kapitel B. I. 2. b) aa) (4) (b). 782 So die Rsp. des BVerfG seit Urteil vom 16.1.1957, 1 BvR 253/56, BVerfGE 6, S. 32 (37) „Elfes“; Jarass in Jarass/Pieroth, GG, Art. 2 Abs. 1 Rn. 2. 783 Vgl. BVerfG, Beschluss vom 6.6.1989, Az.: 1 BvR 921/85, BVerfGE 80, S. 137 (152).

266

2. Kap.: Neubestimmung der dogmatischen Struktur

C. Eingriffe und deren verfassungsrechtliche Rechtfertigung Nach der Analyse des Schutzbereiches der Weltanschauungsfreiheit sollen nunmehr mögliche Eingriffe in die unterschiedlichen Schutzrichtungen dargestellt werden (I.), um anhand dieser Beispiele zu untersuchen, welche Schranken auf die Weltanschauungsfreiheit jeweils Anwendung finden (II.). Ergänzend sind schließlich noch Erwägungen zur Verhältnismäßigkeitsprüfung darzustellen (III.).

I. Eingriffe In den Schutzbereich der Weltanschauungsfreiheit kann auf vielfältige Art und Weise eingegriffen werden. Zutreffend unterscheidet die gegenwärtige Grundrechtsdogmatik daher den „klassischen“ Eingriff von mittelbaren und faktischen Eingriffen784 und definiert „Eingriff“ erweiternd als jedes zurechenbare staatliche Handeln, das dem einzelnen ein Verhalten, das in den Schutzbereich eines Grundrechts fällt, ganz oder teilweise unmöglich macht.785 Um einen Eingriff festzustellen, muss daher zunächst überprüft werden, ob eine grundrechtlich geschützte Handlung ganz oder teilweise unmöglich gemacht wird. Staatliches Handeln, welches die Grundrechtsausübung lediglich erschwert oder als lästig empfunden wird, begründet noch keinen Eingriff.786 Gerade bei der Vielzahl „glaubensneutraler“ Gesetze, die mittelbar weltanschauliche Handlungen erschweren, muss Art. 3 Abs. 3 GG beachtet werden: Niemand darf allein wegen seiner glaubens­ mäßigen Überzeugung bevorzugt werden.787 Für einen Eingriff in die Weltanschauungsfreiheit muss sich daher aus dem Inhalt des Bekenntnisses heraus eine echte Kollisionslage ergeben, die sich dadurch auszeichnet, dass ein Grundrechtsträger gerade wegen seiner überzeugungsmäßigen Motivation härter als andere Normadressaten betroffen wird. Die Anzeigepflicht des § 14 GewO begründet daher auch dann keinen Eingriff in die Weltanschauungsfreiheit, wenn dadurch die Aufnahme des Vertriebs von Bekenntnisschriften verzögert wird.788 In dem Verbot alkoholische Getränke an Minderjährige auszuschenken (§ 9 ­JuSchG), liegt nur dann ein Eingriff in die Weltanschauungsfreiheit, wenn ohne Alkoholgenuss die Missionierung z. B. aufgrund bestimmter spiritueller Vorstellungen ganz oder zumindest bei einem Teil der Gäste unmöglich ist. Nur dann ist der Gastwirt aufgrund seiner weltanschaulichen Motivation härter als andere Normadressaten betroffen, da er nicht nur in seiner wirtschaftlichen 784

Hufen, Staatsrecht II, § 8 Rn. 5 ff.; Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rn. 251 ff. Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rn. 253; Bleckmann/Eckhoff, DVBl 1988, S. 373 ff. 786 Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rn. 256 f. 787 So zutreffend auch Jarass in Jarass/Pieroth, GG, Art. 4 Rn. 28 und ders. in VVDStRL 68, S. 106, der hierfür aber vorrangig auf Art. 136 Abs. 1 WRV abstellen will. Zu Art. 3 Abs. 3 GG vgl. weiterhin 3. Kapitel B. I. 788 Vgl. zur Fallgestaltung: OVG Hamburg, Urteil vom 6.7.1993, Az.: Bf VI 12/91, NVwZ 1994, S. 192 f. 785

C. Eingriffe und deren verfassungsrechtliche Rechtfertigung

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Zielsetzungen beeinträchtig wird, sondern auch die angestrebte Missionierung nicht erreichen kann. Erst dies rechtfertigt es, nicht nur eine Berufsausübungsregel, sondern einen Eingriff in die Bekenntnisfreiheit anzunehmen.

Als Eingriff in die Glaubensfreiheit, die auch die Ausbildung eines Glaubens umfasst, wäre es demnach anzusehen, wenn die Anstaltsleitung die Zustellung von Postsendungen mit Bekenntnisschriften an einen Gefangenen untersagt. Je nachdem, ob das Verbot gegenüber dem Gefangenen oder aber gegenüber den Bediensteten und dem Absender ausgesprochen wird, wäre zwischen klassischem und mittelbarem, weil drittgerichteten, Eingriff zu differenzieren.789 Als Eingriff in die weltanschauliche Vereinigungsfreiheit ist das Verbot einer Weltanschauungsgemeinschaft anzusehen.790 Staatliche Warnungen vor weltanschau­lichen Gruppierungen dürften hingegen vorrangig als unmittelbare Beeinträchtigung der Bekenntnisfreiheit angesehen werden, da sie die Missionstätigkeit der Weltanschauungsgemeinschaft selbst beeinträchtigen. Soweit Warnungen jedoch durch die öffentliche Wahrnehmung eines nicht näher bestimmten Adressatenkreises und dessen dadurch verändertes Verhalten, Weltanschauungsgemeinschaften die Unterstützung nehmen und eine verbotsähnliche Existenzgefährdung verursachen, liegt eine faktischer Eingriff in die weltanschauliche Vereinigungsfreiheit vor.791 Auch in die negative Weltanschauungsfreiheit kann eingegriffen werden. Beeinträchtigungen der negativen weltanschaulichen Glaubensfreiheit, also des Rechtes keine Weltanschauung ausbilden zu müssen, erscheinen gegenwärtig unproblematisch.792 Gerade vor dem Hintergrund der geschichtlichen Erfahrungen des 20. Jahrhunderts ist es jedoch ein wesentliches Freiheitsrecht, nicht durch staatliche Indoktrination oder Maßnahmen gleicher Wirkung gezwungen zu werden, eine bestimmte Weltanschauungslehre annehmen zu müssen. Eingriffe in die negative Bekenntnisfreiheit sind demgegenüber häufiger anzutreffen. Soweit Weltanschauungsgemeinschaften Steuererhebungsrechte besit­ zen,793 können Angabepflichten in der Einkommenssteuerklärung bestehen. Ferner ist an statistische Erhebungen zu denken. Auch zugunsten Dritter kann eine Pflicht bestehen das Bekenntnis offenzulegen, etwa im Rahmen einer gericht­ lichen Befragung zur Sicherung des Kindeswohls gemäß §§ 1779 Abs. 2 Satz 2 und 1801 BGB, oder bei der Einstellung in einen Tendenzbetrieb, der dem welt­ anschaulichen Selbstverwaltungsrecht des Art. 137 Abs. 3 WRV unterliegt.

789

Vgl. Hufen, Staatsrecht II, § 8 Rn. 9. Vgl. zur Fallgestaltung BVerwG, Urteil vom 23.3.1971, Az.: 1 C 54.66, BVerwGE 37, S. 344. 791 Ähnlich Hufen, Staatsrecht II, § 8 Rn. 10 (Existenzgefährdung durch wirtschaftliche Beeinträchtigung als faktischer Grundrechtseingriff). 792 Vgl. Morlok in Dreier, GG, Art. 4 Rn. 58, der Suggestion und Indoktrination durch Gehirnwäsche aufzählt. 793 Z. B. Der Bund für Geistesfreiheit Bayern (vgl. Mertesdorf, Weltanschauungsgemeinschaften, S. 287). 790

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2. Kap.: Neubestimmung der dogmatischen Struktur

II. Schranken Bereits im Rahmen der Problemdarstellung war zur Fragestellung der auf die Weltanschauungsfreiheit anwendbaren Schranken festgestellt worden, dass es in jedem Fall der Einschränkung durch ein Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes bedarf, um einen Eingriff zu rechtfertigen.794 Offen blieb demgegenüber die Frage, ob und ggf. in welchem Umfang das Grundgesetz einen Gesetzesvorbehalt für die Weltanschauungsfreiheit vorsieht, auf dem ein solches einschränkendes Gesetz beruhen kann. Nachfolgend soll daher untersucht werden, ob und in wie weit Art.  136 Abs.  1 WRV  (1.), Art.  136 Abs.  3  Satz  2 WRV  analog  (2.), oder Art. 137 Abs. 3 Satz 1 WRV (3.) als Gesetzesvorbehalt Anwendung finden können. Schließlich ist auf die Möglichkeit der Beschränkung durch kollidierendes Ver­fassungsrecht einzugehen (4.). 1. Kein Gesetzesvorbehalt aus Art. 136 Abs. 1 WRV Für die Frage, ob sich aus Art. 136 Abs. 1 WRV ein Gesetzesvorbehalt ergibt, ist abermals auf die sogenannten klassischen Auslegungskriterien zurückzu­greifen  (a – d), um die Anwendbarkeit von Art. 136 Abs. 1 WRV als Gesetzesvorbehalt zu ermitteln (e). a) Auslegung des Wortlautes Seinem Wortlaut nach enthält Art.  136  Abs.  1  WRV zunächst ein Differen­ zierungsverbot:795 Durch die Ausübung der Religionsfreiheit werden die bürger­ lichen und staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten weder bedingt noch beschränkt, bleiben also unverändert. Darüber hinaus könnte der Formulierung „Pflichten werden durch die Ausübung der Religionsfreiheit weder bedingt noch beschränkt“ jedoch auch ein Gesetzesvorbehalt entnommen werden.796 Dahinter steht die Überlegung, dass, wenn die durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes bestehenden Pflichten nicht durch die Ausübung der Religionsfreiheit beschränkt werden können, diese ihrerseits die Ausübung der Religionsfreiheit begrenzen würden. Unabhängig von der Streitfrage, ob der Wortlaut für die Bevorzugung einer der beiden möglichen Deutungen spricht,797 ist hinsichtlich der Weltanschauungs­ 794 Vgl. entsprechend BVerfG, Beschluss vom 27.11.1990, Az.: 1 BvR 402/87, BVerfGE 83, S. 130 (142); Morlok in Dreier, GG, Art. 4 Rn. 116; Schoch in FS Hollerbach, S. 161; Winkler, Kollisionen zwischen Grundrechten und anderen verfassungsrechtlichen Schutznormen, S. 345 m. w. N. 795 Ehlers in Sachs, GG, Art. 136 WRV, Rn. 2; v. Campenhausen in v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 136 WRV, Rn. 8; Jarass in Jarass/Pieroth, GG, Art. 136 WRV, Rn. 1 (Verpflichtung zur Gleichbehandlung). 796 So Jarass in Jarass/Pieroth, GG, Art. 136 WRV, Rn. 1 a. E. m. w. N. 797 Vgl. zur Streitdarstellung 1. Kapitel C.

C. Eingriffe und deren verfassungsrechtliche Rechtfertigung

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freiheit festzustellen, dass der Wortlaut eindeutig nur die Ausübung der Religionsfreiheit erfasst. Da bereits festgestellt wurde, dass kein einheitliches Grundrecht der Religions- und Weltanschauungsfreiheit besteht,798 welches durch den Begriff der „Religionsfreiheit“ umfassend bezeichnet werden könnte, spricht der Wortlaut des Art. 136 Abs. 1 WRV jedenfalls gegen eine Anwendung auf die Weltanschauungsfreiheit. Über die eindeutige Grenze des Wortlautes hinaus ist daher allenfalls eine analoge Anwendung zu prüfen.799 b) Systematische Stellung des Art. 136 Abs. 1 WRV Der systematische Vergleich des Art.  136 Abs.  1 WRV mit dem im Wortlaut ähnlichen Art.  4 Abs.  2  GG zeigt, dass auch Art.  4 Abs.  2  GG hinsichtlich seines Schutzbereiches auf die ungestörte Religionsausübung beschränkt ist.800 Ferner wurde Art. 4 Abs. 2 GG als Gewährleistung der Kultusfreiheit ausgelegt,801 die ihrerseits im Zusammenhang mit den Regelungen der Art. 136 Abs. 4, Art. 139, Art. 141 WRV zu sehen ist. Auch diese sehen wie Art. 136 Abs. 1 WRV textlich keine Anwendung auf die Weltanschauungsfreiheit vor.802 Zentralnorm der Weltanschauungsfreiheit ist hingegen Art. 4 Abs. 1 GG. Ein ausdrücklicher Gesetzesvorbehalt oder Hinweis auf Art. 136 Abs. 1 WRV ist dort nicht vorgesehen. Auch für eine Schrankenübertragung aus anderen Grundrechten wie Art. 2 Abs. 1 GG oder Art.  5  Abs.  2  GG bietet die systematische Auslegung des Grundgesetzes keine hinreichenden Anhaltspunkte. Im Gegenteil hierzu lässt sich die eigen­ ständige Regelung der weltanschaulichen Bekenntnisfreiheit in Art. 4 Abs. 1 GG systematisch gerade als Privilegierung gegenüber der Schrankenbestimmung des Art. 5 Abs. 2 GG für sonstige Meinungsäußerungen auffassen. Darüber hinaus zeigt der Art.  136 Abs.  1  WRV in seiner Normstruktur eine erhebliche systematische Nähe zu den Regelungen der Art.  3  Abs.  3, Art.  33 Abs. 3 Satz 1 GG und Art. 136 Abs. 2 WRV. Für den Regelungsgehalt dieser Normen wird jedoch nicht von einem Gesetzesvorbehalt, sondern von einem Differenzierungsverbot ausgegangen.803 Da die Ausübung der Religionsfreiheit gemäß Art.  4 Abs.  2  GG entgegen einem textlich engen Verständnis des Art.  136 798 Vgl. einerseits im 2. Kapitel unter A. III. und andererseits die Darstellung der einzelnen Wirkformen der Weltanschauungsfreiheit unter B. I. 2. 799 Für eine Ausdehnung des Art. 136 Abs. 1 WRV auf die Weltanschauungsfreiheit: Starck in v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 4 Abs. 1, 2 Rn. 92. 800 Vgl. 2. Kapitel A. II. 2. b). 801 Vgl. 2. Kapitel B. I. 2. b). 802 Vgl. 2. Kapitel A. II. 2. d). 803 So auch die Vertreter eines Gesetzesvorbehaltes: Vgl. Jarass in Jarass/Pieroth, GG, Art. 3 Rn. 116 (auch Diskriminierungsverbot); Starck in v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 3 Rn. 377 ff. (Differenzierungsverbote). Vgl. auch Ehlers in Sachs, GG, Art. 136 WRV, Rn. 2; v.  Campenhausen in v.  Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art.  136 WRV, Rn.  8; Jarass in Jarass/ Pieroth, GG, Art. 136 WRV, Rn. 1 (Verpflichtung zur Gleichbehandlung).

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2. Kap.: Neubestimmung der dogmatischen Struktur

Abs.  1  WRV unstrittig Rechte (Kultusfreiheit) und korrespondierende Pflichten (z. B. Sonntagspflicht) begründen kann, lässt sich systematisch folgern, dass Art. 136 Abs. 1 WRV demnach nicht die Regelung entnommen werden kann, dass die Ausübung der Religionsfreiheit überhaupt keine Rechte und Pflichten begründet. Daher kann „durch die Ausübung“ im Sinne des Art. 136 Abs. 1 WRV nur bedeuten, dass über die Ausübung der Religionsfreiheit hinaus hierdurch nicht die Anwendbarkeit allgemeiner bürgerlicher Rechte und Pflichten bedingt werden kann; allgemeine Rechte und Pflichten dürfen mithin nicht von dem individuellen Umstand abhängig gemacht werden, ob und wie eine Religion ausgeübt wird.804 Zusammenfassend lässt sich daher festhalten, dass der systematische Vergleich mit den Regeln der Kultusfreiheit gegen eine Anwendbarkeit von Art. 136 Abs. 1 WRV als Gesetzesvorbehalt auf die Weltanschauungsfreiheit spricht. Darüber hinaus hat der Vergleich der systematischen Funktion mit den Differenzierungsverboten des Art. 3 Abs. 3, Art. 33 Abs. 3 Satz 1 GG und Art. 136 Abs. 2 WRV ergeben, dass Art. 136 Abs. 1 WRV ebenfalls ein Differenzierungsverbot zu entnehmen ist. Dieses Differenzierungsverbot erfasst jedoch nur durch die Ausübung der Religionsfreiheit entstehende Rechte und Pflichten, nicht die Ausübung der Religionsfreiheit selbst. Welche Reichweite die Religionsausübungsrechte selbst gegenüber der allgemeinen Rechtsordnung haben, kann sich daher nicht aus Art. 136 Abs. 1 WRV ergeben. Ist demnach die Anwendbarkeit des Art. 136 Abs. 1 WRV als Gesetzesvorbehalt allgemein also auch im Bereich der Religionsfreiheit fraglich, und haben sich gerade für den Bereich der Religionsausübung, die durch Art. 136 Abs. 1 WRV allenfalls erfasst wird, strukturelle systematische Unterschiede zwischen Kultus­freiheit und Weltanschauungsfreiheit ergeben, kommt auch eine analoge Anwendung des Art. 136 Abs. 1 WRV mangels eines vergleichbaren Regelungssachverhaltes nicht in Betracht. c) Historische Genese des Art. 136 Abs. 1 WRV Entgegen dem Entwurf von Herrenchiemsee805 sah der Entwurf des Redak­ tionskomitees des Grundsatzausschusses zur fünften Sitzung806 einen Gesetzesvorbehalt in Abs. 2 für die ungestörte Religionsausübung vor. Abs. 2 lautete: „(2) Die ungestörte Religionsausübung wird im Rahmen der allgemeinen Gesetze gewährleistet.“ Für die Einfügung des Gesetzesvorbehaltes verwies Frau Weber (CDU) 804

Vgl. hierzu die historischen Beispiele auf S. 92, wonach z. B, Grundbuchfähigkeit, die Fähigkeit der Bekleidung öffentlicher Ämter und Sonderabgaben von der Ausübung einer bestimmten religiösen Praxis abhängig gemacht haben. Hiergegen wendet sich die Regelung des Art. 136 Abs. 1 WRV. 805 Vgl. zum Wortlaut des Vorschlags für den späteren Art. 4 Abs. 2 GG die Darstellung auf S. 197. 806 Vgl. v. Doemming/Füsslein/Matz in Leibholz/v. Mangoldt, JöR Bd. 1 N. F., S. 73.

C. Eingriffe und deren verfassungsrechtliche Rechtfertigung

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zur Begründung auf die Fassung der Weimarer Verfassung und führte aus, man habe durch die leicht abgeänderte Regelung „zum Ausdruck bringen wollen, daß auch die Religionsausübung im Rahmen der allgemeinen Gesetze gewährleistet wird.“807 Durch diese Fassung wird gleichwohl schon ein Unterschied in der Terminologie von Absatz 1 („unverletzlich“) und Abs. 2 („Im Rahmen allgemeiner Gesetze gewährleistet“) ersichtlich. In der kritischen Würdigung durch Thoma808 tritt dieser Unterschied sodann ganz eindeutig nochmals hervor. Neben der systematischen Stellung als zweiter Satz in Abs. 2 heißt es in seinem Formulierungsvorschlag für Abs. 1 ausdrücklich: „Es besteht unbeschränkbare Freiheit […]“. Der Gesetzesvorbehalt ist hier eindeutig ausschließlich als Beschränkung des zweiten Absatzes gedacht. Der Allgemeine Redaktionsausschuss formulierte auf Basis dieser Eingabe daher für die 24. Sitzung des Grundsatzausschusses in seiner Fassung vom 16.11.1948 folgenden redaktionellen Vorschlag für den späteren Art.  4  GG: „(1)  Die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses ist unverletzlich. (2)  Die ungestörte Religionsausübung wird gewährleistet. Die allgemeinen Gesetze bleiben unberührt […]“.809 Durch die Aufgliederung des zweiten Absatzes in zwei Sätze wird dabei ebenfalls deutlicher als in der zuvor angegebenen Begründung des Redaktionskomitees hervorgehoben, dass der Gesetzesvorbehalt auf die Religionsausübung bezogen ist. In der 24. Sitzung äußerte zunächst Eberhard (SPD) zum Gesetzesvorbehalt in Abs. 2 Satz 2, er „wäre dafür das wegzustreichen.“810 Hierzu äußerte ­Süsterhenn (CDU) dass die CDU Fraktion Wert darauf lege, „die ungestörte Religionsausübung in der Verfassung ausdrücklich festzulegen, und zwar so, dass dieses Recht nicht durch allgemeinen Gesetzesvorbehalt aufgeweicht werden kann.“ Die Forderung, dass sich die Religionsausübung in die allgemeine Ordnung einfügen müsse, sei durch die Neufassung von Art. 2 GG gewahrt. Dieser Forderung stimmt auch Bergsträsser (SPD) unter dem Hinweis zu, dass auch die hessische Ver­fassung einen Gesetzesvorbehalt für die Religionsausübung nicht kenne.811 Die Einwendung durch von Mangoldt (CDU) Art.  2  GG könne als lex generalis ggf. nicht zur Anwendung kommen, entgegnet Süsterhenn: „Selbst wenn diese Gefahr besteht, ist das Risiko, wenn ein störrischer Pfarrer sich weigert, seine Prozession trotz Maul- und Klauenseuche abzusagen, geringer als die Gefahr, daß die ungestörte Religionsausübung durch einfaches Gesetz gestört oder gar gehindert werden kann. Bei Abwägung des Für und Wider entscheide ich mich für die erstere Lösung.“

807

Pikart/Werner in Schick/Kahlenberg, Der Parlamentarische Rat, Bd. 5, 1. Hlbbd., S. 109 f. Pikart/Werner in Schick/Kahlenberg, Der Parlamentarische Rat, Bd. 5, 1. Hlbbd., S. 376. 809 Pikart/Werner in Schick/Kahlenberg, Der Parlamentarische Rat, Bd. 5, 2. Hlbbd., S. 580. 810 Pikart/Werner in Schick/Kahlenberg, Der Parlamentarische Rat, Bd. 5, 2. Hlbbd., S. 625. 811 Pikart/Werner in Schick/Kahlenberg, Der Parlamentarische Rat, Bd. 5, 2. Hlbbd., S. 626.

808

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2. Kap.: Neubestimmung der dogmatischen Struktur

Hiergegen wendete sich Frau Nadig (SPD), die das Beispiel der Überführung des Leichnams eines an einer ansteckenden Krankheit Gestorbenen bildet und zu dem Schluss kommt: „Daher halte ich es für notwendig, die Worte „im Rahmen des allgemeinen Gesetzes“ zu belassen.“ Daraufhin wurde die Diskussion nochmals fortgesetzt,812 bis Heuss (FDP) einwendete „Es ist die Frage, ob Art. 2 diesen Fall deckt.“ Hierauf entgegnete von Mangoldt, dass „bisher sämtliche Juristen [den Gesetzesvorbehalt] für notwendig gehalten“ haben und verweist auf Thoma813 und den bayrischen Entwurf.814 Darauf bringt Heuss den Vorschlag des Allgemeinen Redaktionsausschusses nochmal ins Gespräch, der die Fassung „Die allgemeinen Gesetze bleiben unberührt.“ vorschlägt. Süsterhenn weist erst im Anschluss auf diese Diskussion als weiteres Argument darauf hin, dass „die Kirchen sich schlechter gestellt fühlen als Presse, Rundfunk und Film“, bei denen bestimmte Gesetzgebungsbereiche explizit genannt worden seien.815 Ferner äußert jetzt Heile (DP) seine „Partei hat ähnliche Bedenken wie Herr Dr. Süsterhenn.“ Erst danach und nach erneuter Erklärung von Bergsträsser, man sei mit der Auffassung von Süsterhenn einverstanden,816 tritt von Mangoldt mit den Worten „Ich darf also annehmen, dass die überwältigende Mehrheit die Streichung der Worte „im Rahmen der allgemeinen Gesetze“ wünscht.  – Ich stelle das fest.“817 in die Abstimmung über die Streichung des Gesetzesvorbehaltes ein. Die Normgenese zeigt damit, dass sich der Parlamentarische Rat bewusst und in Kenntnis der Konsequenzen gegen die Einführung eines Gesetzesvorbehaltes für die Religionsausübung entschieden hat. Der Gesetzesvorbehalt war nicht nur spätestens seit dem Vorschlag des Allgemeinen Redaktionsausschusses ausdrücklich auf die Kultusfreiheit beschränkt, auch die durch Süsterhenn und Nadig gewählten Beispiele der Prozession bzw. des Begräbnisses eines Toten sind dem Bereich der Kultusfreiheit, nicht etwa der Bekenntnisfreiheit entnommen. Von den Befürwortern eines Art. 4 Abs. 1 und Abs. 2 GG umfassenden Gesetzesvorbehaltes wird zwar behauptet, der Parlamentarische Rat in seiner Gesamtheit sei von der Beschränkbarkeit der Religionsfreiheit durch Art.  2  GG ausge­ gangen; da sich dieses als eine Fehlvorstellung erwiesen habe, könne nunmehr auf Art. 136 Abs. 1 WRV zurückgegriffen werden, um dem Willen nach Beschränkbarkeit des Art.  4  GG gleichwohl zur Durchsetzung zu verhelfen.818 Die nähere 812 Vgl. insgesamt Pikart/Werner in Schick/Kahlenberg, Der Parlamentarische Rat, Bd.  5, 2. Hlbbd., S. 628. 813 Pikart/Werner in Schick/Kahlenberg, Der Parlamentarische Rat, Bd. 5, 1. Hlbbd., S. 367, 376. 814 Entwurf eines Grundgesetzes bearbeitet durch das Bayrische Staatsministerium des Inneren auf Basis des Verfassungskonventes von Herrenchiemsee. (vgl. Pikart/Werner in Schick/ Kahlenberg, Der Parlamentarische Rat, Bd. 5, 1. Hlbbd., S. 498 Fn. 7). 815 Pikart/Werner in Schick/Kahlenberg, Der Parlamentarische Rat, Bd. 5, 2. Hlbbd., S. 629. 816 Pikart/Werner in Schick/Kahlenberg, Der Parlamentarische Rat, Bd. 5, 2. Hlbbd., S. 630. 817 Pikart/Werner in Schick/Kahlenberg, Der Parlamentarische Rat, Bd. 5, 2. Hlbbd., S. 632. 818 Vgl. u. a. Starck in v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 4 Abs. 1, 2 Rn. 88; Ehlers in Sachs, GG, Art. 140/ 136 WRV Rn. 4; Preuß in AK, GG, Art. 4 Abs. 1, 2 Rn. 30.

C. Eingriffe und deren verfassungsrechtliche Rechtfertigung

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Betrachtung der Entstehungsgeschichte zeigt jedoch, dass diese Argumentation nicht trägt. Die Erwägung, dass sich die Religionsausübung unabhängig vom Gesetzesvorbehalt in die allgemeine Ordnung einfügen müsse, wird zwar von Süsterhenn vorgebracht, von Mangoldt weist in diesem Zusammenhang aber sogleich auf das Spezialitätsverhältnis von Art. 4 GG zu Art. 2 GG hin. Auch auf die erneute Einlassung durch Heuss, der ebenfalls auf Art.  2  GG verweist, bestärkt von Mangoldt seine Argumentation erneut durch den Hinweis, dass bislang alle Quellen aus juristischer Sicht einen Gesetzesvorbehalt für notwendig erachtet haben. Der Parlamentarische Rat war sich der systematischen Frage der Anwendbarkeit des Art.  2  GG als Gesetzesvorbehalt daher durchaus bewusst und hat sich in Kenntnis des Risikos einer Fehlannahme gleichwohl für die Streichung entschieden. Deutlich belegt dies nochmals die Einlassung Süsterhenns: „Selbst wenn diese Gefahr besteht […]. Bei Abwägung des Für und Wider entscheide ich mich für die erstere Lösung.“ und die durch Frau Nadig daraufhin ausdrücklich vertretene Gegen­position, es aufgrund des Risikos beim Vorbehalt des allgemeinen Gesetzes zu belassen. Für die Annahme, dass Süsterhenns Begründung die Entscheidung zur Streichung tatsächlich trug, spricht dabei auch, dass Bergsträsser für die SPD und Heile für die DP sich ausdrücklich auf Süsterhenns Ausführungen in ihren Einlassungen bezogen. Ferner mag für die Streichung gesprochen haben, dass Süsterhenn damit entgegen der persönlichen Ansicht von Mangoldts einen entsprechenden Antrag der CDU-Fraktion einbringt, und Bergsträsser als Sprecher der SPD ausdrücklich auf die Hessische Verfassung verweist, die keinen entsprechenden Gesetzesvorbehalt vorsieht. Dies wiegt insoweit schwer, als damit ein, der Einlassung von Mangoldts entgegenstehender, Hinweis auf bereits erfolgreich umgesetzte Rechtspraxis verbunden ist, die zu belegen scheint, dass es keines Gesetzesvorbehaltes bedarf. Schließlich mag auch der durch Süsterhenn vorgebrachte systematische Vergleich zum Gesetzesvorbehalt der Meinungsfreiheit mitentscheidend gewesen sein, da eine Schlechterstellung der Kirchen gegenüber den Presseorganen zu vermeiden war. Angesichts dieser intensiven und unter Austausch einer Mehrzahl von Argumenten geführten Diskussion ist festzuhalten, dass die durch von Mangoldt und Nadig vertretene Gegenauffassung zur Beibehaltung des Gesetzesvorbehaltes gerade keine Mehrheit gefunden hat. Erst zur vierten Lesung des Hauptausschusses lag sodann ein Änderungs­ vorschlag des Allgemeinen Redaktionsausschusses vor, der vorsah, in die Bestimmung des späteren Art.  140  GG zusätzlich eine Verweisung auf Art.  136 WRV aufzunehmen.819 Sieht man hierin keine redaktionelle sondern eine inhaltliche Abänderung, nämlich die Wiedereinführung des Gesetzesvorbehaltes, so spräche diese Entstehungsgeschichte dafür, wie es auch schon in der systematischen Auslegung aufgezeigt wurde, in dem Gesetzesvorbehalt allenfalls eine Beschränkung 819 Parlamentarischer Rat, Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland (Entwürfe), Bonn 1948/49, S. 239.

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2. Kap.: Neubestimmung der dogmatischen Struktur

der Religionsausübung, nicht aber des Glaubens, Gewissens und Bekenntnisses zu sehen.820 Da die Einführung des Art.  136  Abs.  1  WRV in das Grundgesetz aber auf einen Vorschlag des Allgemeinen Redaktionsausschusses zurück geht, liegt die Annahme näher, dass hierdurch keine inhaltliche Änderung der nach profunder Diskussion gefundenen Fassung bezweckt war. Dafür spricht schließlich auch, dass der in Art. 135 Satz 3 WRV enthaltene, ausdrücklich formulierte Gesetzesvorbehalt, auf den von Mangoldt zur Stärkung seiner Argumentation ebenfalls hingewiesen hatte,821 gerade nicht in die vom Allgemeinen Redaktionsausschuss vorgesehene Verweisung übernommen wurde. Auch die Auswertung der nur fragmentarisch überlieferten interfraktionellen Besprechungen, auf welchen der Vorschlag des Allgemeinen Redaktionsausschusses beruht, legen nahe, dass tatsächlich nur eine Komprimierung des Grundrechtsteils des Grundgesetzes und keine inhaltliche Änderung bezweckt waren.822 In seiner Berichterstattung für das Plenum wies der Abgeordnete von Brentano (CDU) für Art. 140 GG schließlich als wesentliche Erwägung für eine veränderte Interpretation der Art. 136 ff. WRV darauf hin, dass dieser eingebettet in das gesamte Wertesystem des Grundgesetzes verstanden werden müsse,823 und dass „soweit die Weimarer Verfassungsartikel im Widerspruch zu anderen Bestimmungen des Grundgesetzes stehen“ letztere vorgehen und erstere nicht mehr anwendbar seien. Hierzu wählte er als Beispiel, dass eigentlich gemäß Art.  136 WRV „die Religionsfreiheit durch die allgemeinen Staatsgesetze und die auf ihr beruhenden Pflichten beschränkt“ wäre. „Dagegen hat der jetzige Verfassungsgeber die Un­ verletzlichkeit der Religionsfreiheit und die Gewährleistung der ungestörten Religionsausübung in Art. 4 Abs. 2 des Grundgesetzes in unbedingter Form ohne Statuierung irgendeiner dem Art. 135 Satz 3 der W. V. entsprechenden Einschränkung ausgesprochen.“ Von Brentano hob daher gegenüber dem ganzen Plenum vor der Schlussabstimmung nochmals deutlich hervor, dass in Art. 136 Abs. 1 GG gerade kein Gesetzesvorbehalt zu sehen ist. Auch gegen eine Schrankenleihe aus Art.  2 Abs.  1  GG führte von Brentano aus: „Diese, dem Recht der allgemeinen Handlungsfreiheit gezogenen Schranken gelten allerdings  – mit Ausnahme des Rechts der Glaubens- und Gewissensfreiheit – für alle Grundrechte, […]. Zusammenfassend ist zu sagen: Sofern nicht dabei jeweils die in Artikel 2 Abs. 1 normierten Schranken eingreifen, bildet ein Spezialgesetz überhaupt keine Schranke für das Recht auf freie Religionsausübung.“ Bei staatlich nicht anerkannten Feiertagen beispielsweise, oder wenn 820

Vgl. 2. Kapitel C. II. 1. b). So ausdrücklich auch Schoch in FS Hollerbach, S. 165. Vgl. Pikart/Werner in Schick/Kahlenberg, Der Parlamentarische Rat, Bd.  5, 2.  Hlbbd., S. 627. 822 Vgl. 2. Kapitel B. I. 2. e) cc) (3). 823 Parlamentarischer Rat, Schriftlicher Bericht zum Entwurf des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland, S. 73. 821

C. Eingriffe und deren verfassungsrechtliche Rechtfertigung

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die religiöse Überzeugung die Heiligung des Samstages gebietet, bestehe daher heute ein verfassungsmäßiges Recht auf die Befreiung von der Schulpflicht. „Soweit Art. 136 Abs. 1 der W. V. dem entgegensteht, ist er also künftig nicht mehr anwendbar.“824 Die Darstellungen von Brentanos zur Frage des Gesetzesvorbehaltes belegen eindrucksvoll die hierzu bereits erwogenen Thesen. In seinem Bericht zeigt sich eindeutig, dass zwischen der Einschränkung der Glaubens und Gewissensfreiheit des Abs.  1 und der ungestörten Religionsausübung in Abs.  2 differenziert wird. Während von ihm erstere Rechte ausdrücklich sogar von der allgemeinen Beschränkung durch den Schrankentrias des Art. 2 GG ausgenommen werden, muss er die fehlende Einschränkbarkeit der Religionsausübung des Art.  4 Abs.  2  GG durch Art.  136  Abs.  1  WRV erst mit umfangreichem Verweis auf die Entstehungsgeschichte und die Beratungen herleiten. Dies spricht dafür, dass Art. 136 Abs. 1 WRV wenn überhaupt, dann nur als Einschränkung des Art. 4 Abs. 2 GG gesehen wurde, jedoch aufgrund der ausdrücklichen Ablehnung des Gesetzesvorbehaltes in der Beratung, in Art. 136 Abs. 1 WRV überhaupt kein Gesetzesvorbehalt gesehen werden darf. Die bewusst vorgenommene Klarstellung durch den Berichterstatter des Plenums zeigt, dass diese Interpretationsmöglichkeit noch vom Parlamentarischen Rat selbst gesehen wurde, eine inhaltliche Änderung durch die Aufnahme des Art. 136 Abs. 1 WRV jedoch nicht bezweckt war, da es sich nach zutreffender Einschätzung um eine redaktionelle Änderung handelte. Daher musste der Berichterstatter das Plenum auf die bezweckte Interpretation hinweisen, um zu belegen, dass das angestrebte Auslegungsergebnis auch durch die redaktionelle Neufassung nicht beeinträchtigt wurde und der Änderung daher trotz entsprechender Bedenken zugestimmt werden kann. Die Differenzierung der einzelnen Anwendungsbereiche des Gesetzesvorbehaltes im Bericht zeigt jedoch nicht zuletzt erneut auch, dass der historische Verfassungsgeber keineswegs von einem einheitlichen Schutzbereich und einer gleichmäßigen Verbürgung in Art.  4 Abs.  1 und Abs. 2 GG ausgegangen ist, sondern sich der Möglichkeit zur Differenzierung sehr wohl bewusst war. Zu kurz greift daher die Interpretation durch Stimmen in der Literatur, dass der Parlamentarische Rat jedenfalls von einer Einschränkbarkeit des Art. 4 GG ausgegangen ist und daher ein Gesetzesvorbehalt konstruiert werden muss, wenn dieser schon nicht aus Art. 2 GG hergeleitet werden kann. Von Brentano verwirft ausdrücklich den Gedanken an eine Beschränkung durch Art. 136 Abs. 1 WRV. Den Schrankentrias des Art. 2 GG aus Rechten Dritter, verfassungsmäßiger Ordnung und dem Sittengesetz sieht von Brentano auch nicht als Generalklausel uferloser Weite, sondern als selbstverständliche, letzte Einschränkung aller verfassungs­ mäßig gewährter Rechte, mit Ausnahme der Glaubens- und Gewissensfreiheit. In dieser durch von Brentano umschriebenen Funktion des Schrankentrias scheint die 824 Parlamentarischer Rat, Schriftlicher Bericht zum Entwurf des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland, S. 74 f.

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2. Kap.: Neubestimmung der dogmatischen Struktur

Beschränkung von Art. 4 GG durch kollidierendes Recht von Verfassungsrang der historischen Intention jedoch besser zu entsprechen als jede Form des ausdrücklich abgelehnten Gesetzesvorbehaltes. d) Teleologische Erwägungen zur Anwendbarkeit als Gesetzesvorbehalt Zur teleologischen Interpretation kann als Zielvorstellung zunächst festgehalten werden, dass historisch eine starke Stellung der ungestörten Religionsfreiheit im Grundgesetz gewollt war. Die Religionsausübung sollte sich ihrerseits allerdings, wie die Verweise auf den Schrankentrias des Art. 2 Abs. 1 GG zum Ausdruck bringen, grundsätzlich durchaus in die allgemeine verfassungsmäßige Ordnung ein­ fügen. Die objektive Interpretation legt ebenfalls die Forderung nach einem angemessenen Verhältnis zwischen Schutzbereich und Eingriffsmöglichkeiten nahe,825 wobei insbesondere die Ausdehnung des Schutzbereiches der Religionsausübung über den in Art. 4 Abs. 2 GG verbürgten Bereich der Kultusfreiheit hinaus, die Annahme eines Gesetzesvorbehalts erforderlich machen würde,826 um eine Disparität zwischen Schutzbereich und Eingriffsmöglichkeiten zu verhindern. Betrachtet man in der Folgenabschätzung die Auslegungsalternativen, in Art. 136 Abs. 1 WRV einen Gesetzesvorbehalt oder keinen Gesetzesvorbehalt für die Weltanschauungsfreiheit zu sehen, ist es mit diesen Zielvorstellungen vereinbar, in Art. 136 Abs. 1 WRV keinen Gesetzesvorbehalt zu sehen: Zunächst sind durch die Folgenbetrachtung Widersprüche zu vermeiden.827 Da Art. 4 Abs. 2 GG, Art. 136 Abs. 4, Art. 139 und Art. 141 WRV hinsichtlich der Ausübung nur die Religion, nicht aber die Weltanschauung erfassen, wäre es ein Widerspruch entgegen dem Schutzbereich den Gesetzesvorbehalt aus Art.  136 Abs.  1 WRV auf Rechtfertigungsebene auch auf die Weltanschauungsfreiheit auszudehnen. Im Gegenteil erscheint es konsequent mit der systematischen Auslegung anzunehmen, dass wenn der Religionsfreiheit in ihrer Ausübung gegenüber der Weltanschauungsfreiheit weitere Rechte im Sinne einer Kultusfreiheit zukommen, in der Regelung des Art.  136 Abs.  1 WRV deutlich zum Ausdruck zu bringen, dass über diese hinaus keine weiteren Rechte und Pflichte durch die Ausübung bedingt werden können. Dies entspricht der Zielsetzung, bei historisch motivierter Privilegierung der Religionen durch das Grundgesetz, im Geiste der Toleranz, jedenfalls zu weitreichende Benachteiligungen aufgrund der Zugehörigkeit zu einer Weltanschauung auszuschließen. 825 Vgl. auch im Rahmen der Problemstellung zum Gesetzesvorbehalt thematisierte Disparität von Schutzbereich und Schranke, 1. Kapitel C. III. 826 Vgl. Magen in Umbach/Clemens, GG, Art.  136 WRV Rn.  44 der den Gesetzesvorbehalt daher auch auf die Ausweitung des Schutzbereiches durch das BVerfG im Bereich des Art. 4 Abs. 2 GG beschränken will. 827 Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 334 f.

C. Eingriffe und deren verfassungsrechtliche Rechtfertigung

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Auch hinsichtlich der Zielsetzung, eine Disparität von Schutzbereich und Eingriffsmöglichkeiten auszuschließen, kann festgestellt werden, dass es hierzu keines Gesetzesvorbehaltes für die Weltanschauungsfreiheit bedarf. Der Schutz­bereich der Weltanschauungsfreiheit bleibt hinter dem Schutz der Religionsfreiheit zurück; eine umfassende Freiheit, allgemein nach seiner weltanschaulichen Überzeugung handeln zu dürfen, besteht nicht. Das Einfügen der Weltanschauungsfreiheit in die allgemeine verfassungsrechtliche Ordnung kann daher in hinreichendem Maße durch die Beschränkung durch kollidierendes Verfassungsrecht erreicht werden, ohne dass es hierzu des Vorbehaltes eines allgemeinen Gesetzes bedarf. In diesem Zusammenhang ist schließlich darauf hinzuweisen, dass auch die Wertung ein Gesetz als „allgemein“ zu bezeichnen voraussetzt, dass in Abwägung mit der Weltanschauungsfreiheit das Normziel des Gesetzes als vorrangig betrachtet werden kann.828 Für das in der teleologischen Folgenbetrachtung relevante faktische Ergebnis kann daher auch kein großer Vorteil der Beschränkung durch allgemeines Gesetz im Vergleich zur Beschränkung durch kollidierendes Verfassungsrecht für die Reichweite der Eingriffsmöglichkeiten erkannt werden. Die teleologische Interpretation erfordert daher ebenfalls keine Auslegung des Art. 136 Abs. 1 WRV als Gesetzesvorbehalt für die Weltanschauungsfreiheit. e) Ergebnis: Kein allgemeiner Gesetzesvorbehalt Als übereinstimmendes Ergebnis der vier Auslegungsmethoden kann festgehalten werden, dass die Weltanschauungsfreiheit weder in direkter noch analoger Anwendung einem allgemeinen Gesetzesvorbehalt aus Art. 136 Abs. 1 WRV unterliegt. Bereits der Wortlaut gibt keine Erstreckung über die Ausübung der Religionsfreiheit hinaus auf die Weltanschauungsfreiheit her. Die systematische und die teleologische Auslegung sprechen gegen eine Vergleichbarkeit der Regelungssachverhalte, da, soweit überhaupt ein Gesetzesvorbehalt in Art. 136 Abs. 1 WRV gesehen werden kann, dieser nur Art. 4 Abs. 2 GG und damit kultische Ausübung der Weltanschauungsfreiheit erfassen würde, nicht aber die Freiheit des Glaubens, des Bekenntnisses, des Gewissens, oder der weltanschaulichen Vereinigungs­freiheit.829 Die ausführliche Darstellung zur Normgenese belegt ferner, dass der nur auf Art. 4 Abs. 2 GG bezogene Gesetzesvorbehalt bewusst gestrichen worden ist und es daher neben der Vergleichbarkeit der Regelungen auch an der Analogievoraussetzung der planwidrigen Regelungslücke fehlt. Insoweit hat auch die teleologische Auslegung gezeigt, dass es keines allgemeinen Gesetzesvorbehaltes bedarf, um das Einfügen der Weltanschauungsfreiheit in die verfassungsmäßige Ordnung und die Parität von Schutzbereich und Eingriffsmöglichkeiten sicherzustellen. 828 Ähnlich ebenso Kremser, ZevKR 39 (1994), S. 160 (172) und Korioth in MD, GG, Art. 136 WRV Rn. 54 a. E. 829 Vgl. so aber: Lenz, Vorbehaltlose Freiheitsrechte, S. 35 f.

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2. Kap.: Neubestimmung der dogmatischen Struktur

2. Gesetzesvorbehalt aus Art. 136 Abs. 3 Satz 2 WRV analog Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Volkszählungsurteil in Art.  136 Abs. 3 Satz 2 WRV einen Gesetzesvorbehalt zur Einschränkung der negativen religiösen Bekenntnisfreiheit gesehen. Zu untersuchen ist daher, ob sich diese Annahme auch auf die negative weltanschauliche Bekenntnisfreiheit übertragen lässt. Der Wortlaut von Art. 136 Abs. 3 Satz 2 WRV erwähnt die Weltanschauungsfreiheit oder Weltanschauungsgemeinschaften nicht. Jedoch wird ausdrücklich die Zugehörigkeit zu einer Religionsgesellschaft genannt, denen die Weltanschauungsgemeinschaften durch Art. 137 Abs. 7 WRV zumindest im Anwendungs­bereich des Art. 137 WRV gleichgestellt sind. Daher kommt eine analoge Extension der Regelung des Art. 137 Abs. 7 WRV in Betracht, soweit die Analogievoraussetzungen gegeben sind (a). Liegen die Analogievoraussetzungen vor, muss untersucht werden, welchen Inhalt der Gesetzesvorbehalt für die Weltanschauungsfreiheit hat (b). a) Analogievoraussetzungen Um eine Analogie annehmen zu können, müsste eine ausfüllungsbedürftige, planwidrige Regelungslücke für einen vergleichbaren Regelungssachverhalt vor­ liegen.830 Der systematische Vergleich von Art. 136 Abs. 3 WRV mit Art. 4 Abs. 1 GG hat insoweit gezeigt, dass beide Normen Regelungen zum religiösen Bekennt­ nis enthalten, in Art. 4 Abs. 1 GG das weltanschauliche Bekenntnis dem religiö­ sen jedoch ausdrücklich gleichgeordnet wird, während Art. 136 Abs. 3 WRV eine solche Regelung nicht vorsieht.831 Der Vergleich der übrigen Wirkbereiche der Weltanschauungsfreiheit im Bereich des Art. 4 Abs. 1 GG hat auch für die Freiheit des Glaubens und des Gewissens eine einheitliche Anwendung für religiöse wie weltanschauliche Formen ergeben. Die systematische Auslegung spricht daher für eine Vergleichbarkeit der weltanschaulichen mit der religiösen Bekenntnisfreiheit. Ferner erscheint es widersprüchlich und damit planwidrig in Art. 4 Abs. 1 GG die weltanschauliche Bekenntnisfreiheit umfassend gleichzustellen, diese in Art. 136 Abs.  3  WRV aber nicht vorzunehmen, obwohl Art.  136 Abs.  3  Satz  1  WRV nur einen speziellen Aspekt der allgemeinen Bekenntnisfreiheit besonders herausstellt. Für eine Planwidrigkeit des Art. 136 Abs. 3 Satz 2 WRV spricht im systema­ tischen Vergleich mit Art. 137 WRV ferner, dass Art. 137 Abs. 6 WRV auch Weltanschauungsgemeinschaften das Recht zur Steuererhebung zugesteht. Dieses Recht würde aber leerlaufen, wenn die Zugehörigkeit zu einer Weltanschauungsgemein 830

Rüthers, Rechtstheorie, Rn. 878 ff. (Lücke), Rn. 886 (Planwidrigkeit), Rn. 889 ff. (Ana­ logie), Rn. 906 ff. (Ausfüllungsbedüftigkeit). Zu Analogie vgl. auch Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 381 ff. 831 Vgl. 2. Kapitel B. I. 2. a) ee) (3).

C. Eingriffe und deren verfassungsrechtliche Rechtfertigung

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schaft, anders als durch Art. 136 Abs. 3 Satz 2 WRV für Religionsgemeinschaften geregelt, verschwiegen werden dürfte. Die Annahme eines planwidrigen Versehens wird auch durch die Betrachtung der Normgenese des Art. 136 Abs. 3 Satz 2 WRV gestützt. In der 32. Sitzung des Grundsatzausschusses schlug Süsterhenn (CDU) eigens vor, die Passage des Fragerechtes um die Erwähnung der Weltanschauungsgemeinschaften zu ergänzen, da die bisherige Fassung „nicht konsequent“ sei, „man könnte daraus schließen, nach der Zugehörigkeit zu einer Weltanschauungsgemeinschaft darf unbeschränkt gefragt werden.“832 Der Grundsatzausschuss ist dieser Begründung gefolgt und hat die zuvor bestehende Lücke des Gesetzesvorbehaltes mithin auch als ausfüllungsbedürftig empfunden. Die so geänderte Fassung wurde in zweiter Lesung vom Hauptausschuss in seiner 43.  Sitzung am 18.1.1949 ohne nähere Aussprache833 bei nur noch einer Gegenstimme des Abgeordneten Greve (SPD) angenommen.834 Für die Annahme der Planwidrigkeit, der in der Endfassung dennoch entstandenen Lücke spricht, dass der Redaktionsausschuss die Streichung zugunsten der Aufnahme des Art. 136 WRV in die Verweisung des Art. 140 GG empfohlen hat.835 Mithin sollte damit eine redaktionelle, nicht aber eine inhaltliche Änderung, vorgenommen werden. Dies belegt auch die auf ausdrückliche Nachfrage im Hauptausschuss abgegebene Erklärung, es werde mit der Streichung in Art. 4 GG keine Schlechterstellung bezweckt.836 Schließlich spricht auch die bewusste Streichung des Gesetzesvorbehaltes für die Freiheit der Religionsausübung nicht gegen die Annahme eines Gesetzesvorbehaltes für die weltanschauliche Bekenntnisfreiheit. Während der Grundsatzausschuss ausführlich die Streichung dieses Gesetzesvorbehaltes in der 24. Sitzung diskutiert hat,837 ließ er den Gesetzesvorbehalt im nachfolgenden Absatz nicht nur bestehen, wie dargestellt fügte er in der 43. Sitzung bewusst und in Kenntnis der Bedeutung der Vorschrift auch die Weltanschauungsgemeinschaften noch in den Gesetzesvorbehalt ein. Als argumentum ex contrario lässt sich aus der bewussten Einfügung der Weltanschauungsgemeinschaften in Abs.  4 vielmehr schließen, dass Abs. 2 und der darin enthaltene Gesetzesvorbehalt ausdrücklich nur für die Kultusfreiheit, nicht aber für die Weltanschauungsfreiheit, als religiöser Ausübungsform gedacht war.838 Die bewusste Streichung in Abs. 2 steht damit der An 832

Pikart/Werner in Schick/Kahlenberg, Der Parlamentarische Rat, Bd. 5, 2. Hlbbd., S. 928. Parlamentarische Rat, Verhandlungen des Hauptausschusses, Bonn 1948/49, S. 545. 834 Kurzprotokoll der 43. Sitzung vom 18.01.1949, PRat-Drucks. Nr. 547, S. 2. 835 Feldkamp in Stelzl/Kahlenberg, Der Parlamentarische Rat, Bd. 11, S. 218 Fn. 2 Nr. 5. 836 Vgl. die ausführliche Darstellung der Verhandlung im Hauptausschuss unter 2.  Kapitel B. I. 2. e) cc) (2) (insbesondere auf S. 240). 837 Vgl. die eingehende Darstellung der Diskussion unter 2. Kapitel C. II. 1. c). 838 Vgl. auch die systematische Stellung des auf Satz  1 bezogenen Gesetzesvorbehalt, der im Entwurf für Art. 4 Abs. 2 Satz 2 GG vorgesehen war, wie die Textfassung des Entwurfs auf S. 271 zeigt (Pikart/Werner in Schick/Kahlenberg, Der Parlamentarische Rat, Bd. 5, 2. ­Hlbbd., S. 580). 833

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2. Kap.: Neubestimmung der dogmatischen Struktur

nahme einer planwidrigen Streichung in Abs. 4 nicht entgegen, die Analogievoraussetzungen sind daher gegeben. b) Inhalt des Gesetzesvorbehaltes Art. 136 Abs. 3 Satz 2 WRV analog enthält einen Gesetzesvorbehalt für die negative weltanschauliche Bekenntnisfreiheit. Zu untersuchen ist daher der Umfang und die Voraussetzungen unter denen ein Eingriff erfolgen darf. Seinem Wortlaut nach erfasst Art. 136 Abs. 3 Satz 2 WRV nur die Frage der Zugehörigkeit zu einer Weltanschauungsgemeinschaft. Systematisch ist die Angabe der Zugehörigkeit zu einer Weltanschauung ein Teil der weltanschaulichen Bekenntnisfreiheit.839 Darüber hinaus umfasst die Bekenntnisfreiheit jedoch auch weitergehende Ausübungsformen, die vom Gesetzesvorbehalt nicht erfasst sind. Der Anwendungs­ bereich des Art. 136 Abs. 3 Satz 2 WRV ist damit auf einen inhaltlich klar umgrenzten Ausschnitt der negativen Bekenntnisfreiheit beschränkt. Dem Wortlaut des Art. 136 Abs. 3 Satz 2 WRV nach sind Eingriffe in den so umgrenzten Bereich der negativen Weltanschauungsfreiheit nur zulässig, wenn eine gesetzlich angeordnete statistische Erhebung dies fordert, oder Rechte und Pflichten davon abhängen. Hinsichtlich des Wortes „statistisch“ ist hierbei anzumerken, dass der Hauptausschuss noch in der dritten Lesung des Art. 4 GG am 8.2.1949 diesen Begriff gestrichen hat.840 Da der Hauptausschuss in seiner vierten Lesung dem Vorschlag des Redaktionsausschusses mit der umfassenden Verweisung auf Art. 136 WRV gefolgt ist, ist das Wort „statistisch“ gleichwohl wieder im Grundgesetz enthalten. Wie oben bereits umfassend ausgeführt, sollte hierdurch jedoch keine inhaltliche Veränderung mehr vorgenommen werden,841 so dass auch hier von einem planwidrigen Versehen des Verfassungsgebers auszugehen ist. Zu klären ist ferner, welche Rechte und Pflichten mit Art. 136 Abs. 3 Satz 2 WRV umschrieben werden, da Art.  3 Abs.  3  GG andererseits ausführt, dass niemand wegen seines Glaubens bevorzugt oder benachteiligt werden darf und Art.  136 Abs. 1 WRV anordnet, dass durch die Ausübung der Religionsfreiheit Rechte und Pflichten weder bedingt noch beschränkt werden. Hierzu ist auf die ausführliche Diskussion im Hauptausschuss einzugehen. In der ersten Lesung des Hauptausschusses stellte der Abgeordnete Renner (KPD) nämlich eine, für das Verständnis des vom Parlamentarischen Rat intendierten Verhältnis von Art. 3 Abs. 3 GG zu Art. 136 Abs. 3 WRV, bemerkenswerte Frage: Er bat um Aufklärung darüber, welche Rechte angesichts der wörtlich iden­ tischen Formulierung zu Art. 136 Abs. 3 WRV in Abs. 4 des Vorschlags einerseits und der Art. 3 Abs. 3 GG entsprechenden Formulierung andererseits „aus der Zu 839

Vgl. 2. Kapitel B. I. 2. a) ee) (3) (a). Vgl. die Anmerkung auf S. 235 in Fn. 635. 841 Vgl. die Darstellung auf S. 274.

840

C. Eingriffe und deren verfassungsrechtliche Rechtfertigung

281

gehörigkeit zu einer Religionsgesellschaft auf Grund der Verfassung resultieren“ können. Während von Mangoldt (CDU) hierzu das Beispiel von einem Lehrer bildet, nach dessen Konfession man müsse fragen dürfen, wenn er einen bestimmten Unterricht erteilt, bildete Laforet (CSU) das Beispiel eines Stifters, der bestimmt habe, das Ansprüche aus einer Stiftung nur Angehörigen einer bestimmten Kon­ fession zustehen. Diese Erklärungen wurden vom Hauptausschuss ohne weitere Aussprache gebilligt, wobei es erwähnenswert erscheint, dass anschließend über den Absatz 4 des Vorschlages satzweise abgestimmt wurde und Satz 2, der das Fragerecht gestattete zunächst vier Gegenstimmen erhielt.842 In der Zweiten Lesung stimmte jedoch nur noch der Abgeordnete Greve (SPD) gegen die Fassung,843 so dass sogar Renner die Erläuterung zwischenzeitlich mittelbar gebilligt hatte. Die von den Abgeordneten von Mangoldt und Laforet angeführten Erläuterungen sowie die Einlassung des Abgeordneten Renner sprechen dafür, mögliche Widersprüche zwischen Art. 136 Abs. 3 Satz 2 WRV und den Differenzierungsverboten als Scheinkollision aufzulösen. Die Beispiele geben insbesondere darüber Auskunft, was unter Rechten und Pflichten im Sinne des Art.  136 Abs.  3  Satz 2 WRV verstanden werden kann: Sofern sich Renner zunächst dahingehend einlässt, dass ihm die Pflichten klar seien, ist anzunehmen, dass die bekannteste Pflicht der Kirchensteuerzahlung aus Art. 137 Abs. 6 WRV durch Art. 136 Abs. 3 Satz 2 WRV erfasst sein soll. Auch das Beispiel von Mangoldts, der Erteilung von Religionsunterricht durch konfessionell gebundene Lehrkräfte, ist durch Art.  7 Abs. 3 GG verfassungsrechtlich besonders legitimiert. Das Beispiel eines privaten Stifters, der Angehörige eines bestimmten Glaubens begünstigen will, durch Laforet zeigt daher deutlicher, dass Art. 136 Abs. 3 Satz 2 WRV in seiner ersten Alternative Benachteiligung bzw. Begünstigung im Verhältnis zwischen Bürgern erfassen soll, an denen der Staat durch seine Behörden nur mittelbar beteiligt ist. Aus den geäußerten Beispielen lässt sich daher ableiten, dass die damals bereits lange bestehenden Regelungen der §§ 1779 Abs. 2 Satz 2 und 1801 BGB nach den Vorstellungen des Parlamentarischen Rates weiterhin verfassungsmäßig bleiben sollten. Diese berechtigen den Staat, einen Vormund unter Berücksichtigung der Konfession des Mündels auszusuchen und ähneln daher hinsichtlich des rechtfertigenden Erziehungsgedankens dem Beispiel von Mangoldts. Weiter abstrahierend lässt sich den Beispielen entnehmen, dass es über das Verhältnis Staat  – Bürger hinaus bei der Frage nach der Zugehörigkeit zu einer Weltanschauungsgemeinschaft stets auch um Rechte und Rechtspositionen Dritter geht: Den Anspruch der Weltanschauungsgemeinschaft auf Beiträge oder Steuern, das Recht der Schüler auf Erziehung im eigenen Glauben als Teil ihrer Persönlichkeitsrechte oder das Recht des Stifters auf zweckentsprechende Verwendung des 842

Parlamentarische Rat, Verhandlungen des Hauptausschusses, Bonn 1948/49, S. 209 f. Neben dem Fragesteller haben also zumindest noch 3 weitere Mitglieder gegen den Vorschlag gestimmt, zuletzt aber nur noch eine Gegenstimme aus den Reihen der SPD. 843 Kurzprotokoll der 43. Sitzung vom 18.01.1949, PRat-Drucks. Nr. 547, S. 2.

282

2. Kap.: Neubestimmung der dogmatischen Struktur

Stiftungsertrags. Die Auslegung der während der Normgenese diskutierten Beispiele spricht daher dafür, einerseits zwischen unmittelbaren Bevorzugungen oder Benachteiligungen wegen der Glaubenszugehörigkeit im Zwei-Personen-Verhältnis zwischen Bürger und Staat im Sinne der Differenzierungsverbote, und DreiPersonen-Verhältnissen mit dem Staat als bloß mittelbar Beteiligtem anderseits zu differenzieren. Während erstere Bevorzugungen und Benachteiligungen allenfalls aufgrund spezieller verfassungsrechtlicher Legitimation zuzulassen sind, spricht die Regelung des Art. 136 Abs. 3 Satz 2 WRV dafür im Drei-Personen-Verhältnis Bevorzugungen oder Benachteiligungen aus der Frage nach der Zugehörigkeit zu einer Weltanschauungsgemeinschaft dann zuzulassen, wenn sie auf Rechten Dritter beruhen, oder eine gegenüber einem Dritten bestehende Pflicht aufgrund der Zugehörigkeit besteht und der Staat nur mittelbar an der Bevorzugung und Begünstigung beteiligt ist. Die Bevorzugung oder Begünstigung treten dann nicht alleine „wegen des Glaubens“ ein, sondern erst weil der Staat zur Verwirklichung der Rechtsposition des Dritten tätig wird. Der vermeintliche Widerspruch von Art. 136 Abs. 3 Satz 2 WRV zu Art. 3 Abs. 3 GG ist somit aufgehoben. Gleichzeitig würde der Art. 137 Abs. 1 WRV zugrundeliegende Gedanke ebenfalls gewahrt und indirekt bestätigt, dass der Staat sich seinen Bürgern gegenüber nicht mit einer bestimmten Religion identifiziert und daher den Bürger nicht im direkten Verhältnis benachteiligen oder bevorzugen darf. Der Wortlaut des Art.  136 Abs. 3 Satz 2 1. Alt. WRV nährt im Vergleich zur 2. Alt. ferner die Frage, ob es überhaupt eines Gesetzes bedarf, oder ob Behörden auch ohne gesetzliche Ermächtigung in die negative Bekenntnisfreiheit zum Schutz der Rechte Dritter eingreifen dürfen? Da Art. 19 Abs. 1 GG den Vorbehalt des Gesetzes für Eingriffe in Grundrechte thematisiert und Art. 20 Abs. 3 GG die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung anordnet erscheint es insoweit näherliegend, unter Berücksichtigung der Streichung des Wortes „statistisch“ davon auszugehen, dass sich „gesetzliche“ auch auf die vorhergehende behördliche Befragung beziehen soll. Eine behördliche Befragung zum Schutz von Rechten Dritter erscheint dabei ein spezieller Fall der allgemeinen Erhebung zu sein. Daher ist dem argumentum e simile hier der Vorzug vor dem argumentum e contrario einzuräumen. Zusammenfassend kann der Staat demnach in den Teilbereich der negativen Weltanschauungsfreiheit hinsichtlich der Frage nach der Zugehörigkeit zu einem Bekenntnis auf gesetzlicher Grundlage eingreifen, sofern davon Rechte und Pflichten gegenüber Dritten abhängen, oder aber eine Erhebung dies erfordert. 3. Gesetzesvorbehalt aus Art. 137 Abs. 3 Satz 1 WRV Gemäß Art.  137 Abs.  3  Satz  1 WRV i. V. m. Art.  137 Abs.  7 WRV wird das Selbstverwaltungsrecht der Weltanschauungsgemeinschaften durch die Schranken der für alle geltenden Gesetze beschränkt. Angesichts des eindeutigen Wortlautes ergeben sich an der Auslegung als Gesetzesvorbehalt nur vor dem Hintergrund des systematischen Vergleiches zu Art. 4 Abs. 1 GG und Art. 137 Abs. 3 Satz 2 WRV

C. Eingriffe und deren verfassungsrechtliche Rechtfertigung

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Zweifel hinsichtlich des Umfangs der Geltungsreichweite. Wie dargelegt sind die weltanschauliche Freiheit des Glaubens, des Gewissens und des Bekenntnisses mit Ausnahme des zu Art. 136 Abs. 3 Satz 2 WRV dargelegten Umfangs keinem Gesetzesvorbehalt unterworfen. Die historische Auslegung hatte hierzu ergeben, dass einerseits der Gesetzesvorbehalt bewusst gestrichen wurde844 und im Plenum des Parlamentarischen Rates durch von Brentano ferner die Auffassung ver­treten wurde, Regelungen der WRV müssten im gewandelten Licht des Grundgesetzes ausgelegt werden.845 Hieraus ergibt sich, dass Art. 4 Abs. 1 GG innerhalb seines Anwendungsbereiches bei Art. 137 Abs. 3 Satz 1 WRV zu berücksichtigen ist, soweit Glaubensfreiheit, Gewissensfreiheit und Bekenntnisfreiheit sich mit dem Selbstverwaltungsrecht aus Art. 137 Abs. 3 Satz 1 WRV überschneiden. Der Gesetzesvorbehalt wird dadurch i. E. teilweise überlagert.846 Art.  4 Abs.  1  GG schützt die Ausbildung des Glaubens. Damit sind auch die Inhalte der weltanschaulichen Glaubenslehre und deren Interpretation geschützt. Die Art und Weise wie im kollektiven Umfeld eine Glaubenslehre gebildet und verändert und verbindlich festgestellt wird, könnte jedoch auch als Akt der Selbstverwaltung gesehen werden. Der Vorrang des Art. 4 Abs. 1 GG gegenüber dem Art. 137 Abs. 3 Satz 1 WRV versagt es dem Staat daher, durch allgemeines Gesetz auch den Weltanschauungsgemeinschaften beispielsweise vorzuschreiben, dass für juristische Personen allgemein eine interne Willensbildung nur maßgeblich ist, wenn die Entscheidungsfindung zuvor demokratisch ausgestaltet wurde. Außerhalb des Anwendungsbereichs des Art. 4 Abs. 1 GG greift Art. 137 Abs. 3 Satz 1 WRV jedoch weiterhin ein. So ist die Bezahlung der Mitarbeiter einer Weltanschauungsgemeinschaft zwar eine Frage der Organisation eigener Angelegenheiten im Sinne des Art. 137 Abs. 3 Satz 1 WRV, der Schutzbereich des Art. 4 Abs. 1 GG greift jedoch nicht ein. Ein allgemeiner gesetzlicher Mindestlohn könnte daher gestützt auf Art. 137 Abs. 3 Satz 1 WRV in das Selbstverwaltungsrecht der Weltanschauungsgemeinschaften eingreifen.

Ferner wird der Gesetzesvorbehalt des Art. 137 Abs. 3 Satz 1 WRV durch Satz 2 beschränkt. Demnach kann auch durch allgemeines Gesetz keine Mitwirkung des Staates oder der Gemeinden an der Vergabe von Ämtern begründet werden. Ein allgemeines Gesetz kann wegen Art. 137 Abs. 3 Satz 2 WRV daher auch dann nicht zur Förderung der tatsächlichen Durchsetzung der Gleichberechtigung von Mann und Frau und zur Beseitigung bestehender Nachteile (Vgl. Art. 3 Abs. 2 GG) eine Zustimmungspflicht bei der Vergabe von Leitungspositionen einer Weltanschauungsgemeinschaft begründen, wenn die geschlechtsspezifische Vergabe von Ämtern kein Glaubensinhalt einer Weltanschauungsgemeinschaft im Sinne des Art. 4 Abs. 1 GG wäre. Dies schließt eine entsprechende vertragliche Vereinbarung einer Zustimmungspflicht zwischen Staat und Weltanschauungsgemeinschaft jedoch nicht aus.

844

Vgl. 2. Kapitel C. II. 1. c). Vgl. Parlamentarischer Rat, Schriftlicher Bericht zum Entwurf des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland, S. 73. 846 v. Campenhausen in v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 137 WRV, Rn. 192 sieht dies als Auslegungsproblem mit der Frage wann ein Gesetz als allgemein anzusehen ist. Vgl. hierzu bereits S. 85. Für Überlagerung durch Art. 4 GG auch Hufen, Staatsrecht II, § 23 Rn. 9 m. w. N. 845

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2. Kap.: Neubestimmung der dogmatischen Struktur

4. Beschränkung durch gleichrangige Verfassungsnormen Soweit nach dem Ergebnis der Untersuchung außerhalb der Anwendungs­ bereiche der Art.  136 Abs.  3  Satz  2 WRV und Art.  137 Abs.  3 WRV kein ausdrücklicher Gesetzesvorbehalt für die Weltanschauungsfreiheit besteht, kann eine Beschränkung nur aufgrund grundrechtlich geschützter Ausübung von Freiheiten Dritter sowie aufgrund anderer kollidierender Rechtsgüter von Verfassungsrang erfolgen.847 Insoweit muss geprüft werden, ob tatsächlich eine grundrechtlich geschützte Freiheit Dritter oder ein Rechtsgut von Verfassungsrang vorliegt, in das durch die Ausübung der Weltanschauungsfreiheit tatsächlich eingegriffen wird.848

III. Verhältnismäßigkeit Konnte ein Eingriff durch oder aufgrund eines verfassungsmäßigen Gesetzes in den Schutzbereich festgestellt werden, welches seinerseits durch eine anwendbare Schranke gedeckt ist, muss zur Überprüfung der Verletzung des Grundrechts oder der Rechtfertigung des Eingriffs abschließend eine Prüfung der Verhältnismäßigkeit erfolgen. Hierzu muss der Eingriff geeignet, notwendig und angemessen sein, um das legitime Ziel zu verfolgen.849 Im Rahmen der Abwägungsentscheidung zur Angemessenheit sind daher schließlich auch die Eingriffsrichtung des allgemeinen Gesetzes und die Intensität und der Umfang der Auswirkung des Eingriffs auf die tatsächliche Ausübung der Weltanschauungsfreiheit zu berücksichtigen. Soweit fraglich ist, ob es hierbei auf den subjektiven Inhalt der Weltanschauung oder eine objektivierende Auslegung abzustellen ist, erscheint es ein dem Freiheitsgehalt und der Wertigkeit des Grundrechtes angemessener Ansatz zu sein, zunächst das Selbstverständnis der Gemeinschaft zu berücksichtigen. Da der Umfang der praktischen Konkordanz in jedem Fall bereits auf einer beidseitig abwägenden objektivierten Betrachtung beruht, kann auf eine Aufklärung der tatsächlichen Intensität der Beeinträchtigung jedenfalls dann verzichtet werden, wenn die hochwertigen Schutzzielen des allgemeinen Gesetzes bereits die subjektiv behauptete Intensität der Beeinträchtigung übertreffen. Die Schutzziele des den Eingriff legitimierenden Gesetzes sind daher umfassend herauszuarbeiten und darzustellen und mit der Intensität des Eingriffes abzuwägen. Wie dargelegt kann das Verbot des Alkoholausschanks an Minderjährige unter besonderen Voraussetzungen einen Eingriff in die Bekenntnisfreiheit darstellen.850 Ob die Glaubenslehre 847 Vgl. die Darstellung im 1. Kapitel unter C. I. zur Herleitung der verfassungsimmanenten Schranken. 848 Dies setzt ggf. eine umfassende „umgekehrte“ Grundrechtsprüfung voraus, vgl. Hufen, Staatsrecht II, § 9 Rn. 34. 849 Vgl. Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rn. 289; Hufen, Staatsrecht II, § 9 Rn. 15 ff. 850 Vgl. einleitende Darstellung zu dieser Fallkonstellation auf S. 266.

D. Ausblick auf europäische und völkerrechtliche Regelungen

285

tatsächlich nach ihrem Selbstverständnis aufgrund bestimmter spiritueller Vorstellungen den Alkoholgenuss zwingend erfordert, muss dann nicht mehr überprüft werden, wenn die Regelungsziele des Jugendschutzgesetzes im Rahmen der Abwägung selbst das behauptete Selbstverständnis überwiegen. Hierbei kann objektiv einerseits auf Seiten des Eingriffs u. a. auf die Schutzgüter des Jugendschutzes, des Schutzes des Selbstbestimmungsrechts und des Gesundheitsschutzes verwiesen werden. Andererseits ist objektiv auf Seiten der Weltanschauungsfreiheit zu berücksichtigen, dass selbst nach dem Selbstverständnis nur eine Missionierungstechnik gegenüber einer bestimmten Personengruppe betroffen ist. Die Verbreitung und der Bestand der Weltanschauung sind als solches also nicht gefährdet, soweit andere Verbreitungswege möglich sind, oder die Missionierung auch noch bei Volljährigen erfolgen kann. Der Eingriff ist daher gerechtfertigt, ohne dass es einer objektiven Aufklärung des tatsächlichen Inhaltes der Weltanschauung bedarf.

D. Ausblick auf europäische und völkerrechtliche Regelungen Abschließend zur Betrachtung der Weltanschauungsfreiheit soll ein Ausblick auf die europäischen und völkerrechtlichen Regelungen gegeben werden, da diese einerseits im Rahmen einer systemkonformen Auslegung thematisiert werden851 und andererseits für die Betrachtung möglicher Rechtsentwicklungen von Bedeutung sind. Bei der systemkonformen Auslegung geht es dabei allgemein um die Problemstellung angesichts des letztlich über Art. 23 Abs. 1 Satz 2 GG und Art. 249 AEUV legitimierten Anwendungsvorrangs des Europarechts und der gemäß Art. 25 GG und Art. 59 Abs. 2 GG gebotenen völkerrechtsfreundlichen Auslegung zu einer Interpretation einer Norm zu gelangen, die einen Konflikt mit übergeordneten Systemen vermeidet, indem sie entgegenstehende Auslegungsergebnisse verwirft, oder aber zu einer Auslegung führt, die auch im Vergleich zu systematisch übergeordneten Rechtsquellen die Normgeltung erhält.852 Hinsichtlich der Auslegung des Grundgesetzes ist dabei jedoch zu beachten, dass es im Rang über den in einfaches Bundesrecht umgesetzten völkerrechtlichen Verpflichtungen steht853 und das Europarecht nur innerhalb seines Anwendungsbereiches Anwendungsvorrang genießt, verfassungsrechtliche Normen aber keineswegs außer Kraft setzt.854 Abschließend soll daher ein Blick auf die europarechtlichen Vorgaben (I.) und die völkerrechtlichen Verpflichtungen der Bundesrepublik Deutschland im Bereich der Weltanschauungsfreiheit (II.) geworfen werden, um die Systemkonformität der Auslegungsergebnisse zur Weltanschauungsfreiheit beurteilen zu können (III.). 851

Vgl. Höpfner, Die systemkonforme Auslegung, S. 141 ff. Rüthers, Rechtstheorie, S. 467 Rn. 763. 853 Herdegen, Völkerrecht, S. 159 § 22 Rn. 6. Allgemeine Regeln des Völkerrechts gehen gemäß Art. 25 Satz 2 GG den einfachen Bundesgesetzen vor, stehen aber gleichwohl unterhalb der Verfassung. 854 Vgl. Haratsch/Koenig/Pechstein, Europarecht, S. 95 Rn. 187 f. 852

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2. Kap.: Neubestimmung der dogmatischen Struktur

I. Vergleich mit europarechtlichen Regelungen Innerhalb der europäischen Regelungen findet der Begriff der Weltanschauung an prominenter Stelle in der deutschen Sprachfassung der Europäischen Grundrechtecharta Verwendung. Wörtlich heißt es dort: „Art.  10  (1) Jede Person hat das Recht auf Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit. Dieses Recht umfasst die Freiheit die Religion oder Weltanschauung zu wechseln, und die Freiheit seine Religion oder Weltanschauung einzeln oder gemeinsam mit anderen öffentlich oder privat durch Gottesdienst, Unterricht, Bräuche und Riten zu bekennen.“ Hierbei sind zwei wesentliche Unterschiede zur Fassung des Grundgesetzes zu bemerken. Erstens wird die Weltanschauungsfreiheit in Art. 10 Abs. 1 Satz 2 ­EuGRCh als Unterfall der Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit des ersten Satzes behandelt. Zweitens wird in Satz 2 entgegen der sprachlichen Fassung von Art. 4 Abs. 2 GG ausdrücklich auch die Weltanschauung neben der Religionsfreiheit bei der Ausübung der Kultusfreiheit in Gottesdienst, Bräuchen und Riten sowie im Unterricht erwähnt. Aufgrund der abweichenden textlichen und systematischen Struktur kann sich daraus potentiell ein erheblicher Unterschied zu den Ergebnissen der Verfassungsauslegung ergeben. Gleichwohl ist jedoch darauf hinzuweisen, dass die Beispiele durch die Voranstellung des Gottesdienstes eine religiöse Prägung erhalten und auch die nachfolgenden Beispiele in diesem Zusammenhang zu sehen sind, zumal die Anbetung und der Lobpreis in Bräuchen und Riten als Vollziehung transzendentaler, unbedingter Ordnung855 strukturell eine Eigentümlichkeit der Religionsausübung darstellen und daher nicht ohne weiteres auf Weltanschauungen übertragbar sind.856 In der Kommentarliteratur wird darauf hingewiesen, dass es an Entscheidungen zur Weltanschauungsfreiheit bislang fehlt, und der Gerichtshof bei einigen Entscheidungen zu religionsgeprägten Sachverhalten sich erst in einer Entscheidung explizit mit der Religionsfreiheit befasst hat.857 Aus der Entstehungsgeschichte ist jedoch auf eine enge Orientierung an der Auslegung der EMRK zu schließen.858 Hinsichtlich der Weltanschauungsfreiheit wird dabei auch im europäischen Kontext auf die Notwendigkeit der Abgrenzung zur politischen und wirtschaftlichen Betätigung verwiesen und dafür die besondere Verknüpfung mit der personalen Identität hervorgehoben.859 Zwischenzeitlich hat die Grundrechtscharta der Europäischen Union mit dem Vertrag von Lissabon Rechtsverbindlichkeit erlangt.860 In Ermangelung von An 855

Vgl. Hamel in Bettermann/Nipperdey/Scheuner, S. 62. Vgl. hierzu auch die Erwägungen auf S.  203 zur teleologischen Begründung der ent­ sprechenden inhaltlichen Einschränkung der Religionsausübung. 857 Muckel in Tettinger/Stern, Europäische Grundrechte-Charta, Art. 10 Rn. 3. 858 Vgl. Muckel in Tettinger/Stern, Europäische Grundrechte-Charta, Art. 10 Rn. 2, 19. 859 Vgl. Muckel in Tettinger/Stern, Europäische Grundrechte-Charta, Art. 10 Rn. 20. 860 Der Vertrag von Lissabon (BGBl. 2008 II S.  1038) ist nach seinem Art.  6 Abs.  2 am 1.12.2009 (Vgl. BGBl. 2009 II S. 1223) für die Bundesrepublik Deutschland in Kraft getreten. 856

D. Ausblick auf europäische und völkerrechtliche Regelungen

287

wendungsbeispielen muss der Frage, ob der unterlassenen Erwähnung der Welt­ anschauung in Art. 10 Abs. 1 Satz 1 EuGRCh tatsächlich keine Unterscheidungswirkung zukommt,861 einstweilen jedenfalls entgegengehalten werden, dass der Begriff der Weltanschauung wörtlich in Satz 2 nur in der deutschen Sprachfassung vorkommt, obwohl der Begriff als Lehnwort auch in andere Sprachen, unter anderem in das Englische und Französische, unverändert Eingang gefunden hat.862 Gleichwohl verweist die englische Sprachfassung aber auf „belief“ und die Französische auf „conviction“, nicht jedoch auf „weltanschauung“. Dass es sich hierbei um keinen Einzelfall in der Formulierung handelt, sondern dieser unterschiedliche Sprachgebrauch auf einem generellen Unterschied in den europäischen Rechtssprachen beruht, zeigte Däubler bereits 2006 auf, der diesen Umstand in einem Kommentar zum Sprachgebrauch der EU-Antidiskriminierungsrichtlinie anschaulich darlegte: Alle anderen der 19 damals gleichberechtigt neben dem Deutschen verwendeten Amtssprachen haben keinen äquivalenten Begriff zum deutschen Begriff der Weltanschauung verwendet.863 Art. 17 Abs. 2 AEUV statuiert für weltanschauliche Gemeinschaften daher auch nur, dass die Union insoweit den Status achtet, den solche Gemeinschaften nach den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften genießen. Dies ermöglicht es noch deutlicher auf europäischer Ebene für die in der deutschen Sprachfassung als „welt­ anschauliche Gemeinschaften“ bezeichneten Gruppen auf die jeweils unterschiedlichen Vorstellungen und Rechtstraditionen der Einzelstaaten einzugehen. Das europäische Recht zeigt sich daher im Ergebnis für die Fragen der Auslegung der Weltanschauungsfreiheit nur eingeschränkt ergiebig und legt nahe, dass es sich bei der Weltanschauung um einen spezifisch deutschen Rechtsbegriff handelt, der durch deutsches Recht auszufüllen ist. Die weitere Entwicklung auf europäischer Ebene wird gleichwohl zu beobachten sein.864

861 So ausdrücklich klarstellend Muckel in Tettinger/Stern, Europäische Grundrechte-Charta, Art. 10 Rn. 22. 862 Vgl. Fn. 81 auf S. 117. 863 Däubler, NJW 2006, S. 2608 f.; Vgl. auch Däubler in Däubler/Bertzbach, AGG, § 1 Rn. 61 ff. mit ausführlicher Darstellung zur sprachlich weitergehenden Fassung der EU Normen (insbes. Art. 13 EGV). 864 Neben den sprachlichen Divergenzen bleibt insbesondere zu prüfen, ob sich Art.  10 ­EuGRCh mit der ausdrücklichen Erwähnung der Weltanschauung im Rahmen der Aufzählung der Kultusfreiheit nicht bewusst von der textlichen Fassung des Grundgesetzes unterscheiden wollte, wofür zumindest spricht, dass die Aufnahme der näheren Erläuterungen auf einen Kompromissvorschlag des Präsidiums zurückgeht (vgl. Charte 4360/00 Convent 37 Art. 14; Muckel in Tettinger/Stern, Europäische Grundrechte-Charta, Art. 10 Rn. 2) und diesem der ehemalige Bundespräsident und Bundesverfassungsrichter Roman Herzog vorsaß.

288

2. Kap.: Neubestimmung der dogmatischen Struktur

II. Vergleich mit EMRK und IPBPR Auf den ersten Blick weitgehend identisch zu Art.  10  EuGRCh sehen Art.  9 EMRK und Art. 18 des IPBPR in ihrer deutschen Übersetzung ähnliche Gewährleistungen der Weltanschauungsfreiheit vor. In Art. 9 Abs. 1 EMRK heißt es hier: „Jede Person hat das Recht auf Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit; dieses Recht umfasst die Freiheit, seine Religion oder Weltanschauung zu wechseln, und die Freiheit, seine Religion oder Weltanschauung einzeln oder gemeinsam mit anderen öffentlich oder privat durch Gottesdienst, Unterricht oder Praktizieren von Bräuchen und Riten zu bekennen.“865 In Art. 18 Abs. 1 IPBPR heißt es nahezu übereinstimmend: „Jedermann hat das Recht auf Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit. Dieses Recht umfaßt die Freiheit, eine Religion oder eine Weltanschauung eigener Wahl zu haben oder anzunehmen, und die Freiheit, seine Religion oder Weltanschauung allein oder in Gemeinschaft mit anderen, öffentlich oder privat durch Gottesdienst, Beachtung religiöser Bräuche, Ausübung und Unterricht zu bekunden.“866

Übereinstimmung besteht mit Art. 10 EuGRCh jedenfalls insoweit, als das einleitend jeweils nur auf die Religionsfreiheit Bezug genommen wird und die Weltanschauung erst als nähere Ausgestaltung der Religionsfreiheit erscheint. Im Gegensatz zu Art. 10 EuGRCh wird in der Ausgestaltung von Art. 18 Abs. 1 IPBPR textlich jedoch besonders hervorgehoben, dass es sich um „religiöse“ Bräuche handeln soll. Die weiterhin mit den Gottesdiensten beginnenden Fassungen sprechen daher ebenfalls für die Annahme, dass es sich insgesamt um religiöse Kultusformen handeln soll.867 Auch das zu Art. 10 EuGRCh dargestellte Problem der abweichenden Sprachfassungen wiederholt sich bei den vorliegenden Formulierungen. So sprechen die amtliche englische und französische Fassung der EMRK und des IPBPR von „belief“ respektive von „conviction“; freilich hier mit dem Unterschied, dass diese Sprachen alleine für die Interpretation der EMRK maß­ geblich sind. In der Kommentierung zur EMRK weist Frowein darüber hinaus darauf hin, dass der systematische Vergleich mit Art. 2 des ersten Zusatzprotokolls zeige, dass mit Unterricht im Sinne des Art. 9 EMRK nicht der schulische Unterricht gemeint sein könne.868 Diese Erkenntnis ließe sich auf Grund der Entstehungsgeschichte zumindest auch auf Art. 10 EuGRCh, wenn nicht auch auf Art. 18 Abs. 1 IPBPR übertragen. Konsequent wird in der Kommentierung durch Frowein angesichts des vom Begriff des Gottesdienstes ausgehenden, religiös geprägten Sprachgebrauchs die Freiheit der Ausübung der Weltanschauung auch nur im Rahmen der Verbrei 865 Fassung der Bekanntmachung vom 17.5.2002 (BGBl. II S. 1054) in einer sprachlich überarbeiteten deutschen Übersetzung. 866 Fassung der Bekanntmachung vom 15.11.1973 (BGBl. II S. 1534). 867 Die Frage aufwerfend, jedenfalls angesichts der früheren noch nicht zwischen der deutschen, österreichischen und schweizer Fassung bereinigten Übersetzungen, auch Frowein in Frowein/Peukert, EMRK, Art. 9 Rn. 12. 868 Frowein in Frowein/Peukert, EMRK, Art. 9 Rn. 11.

D. Ausblick auf europäische und völkerrechtliche Regelungen

289

tung des Bekenntnisses durch Verkündigung und Unterrichtung erwähnt.869 Dies entspricht auch dem einzigen mit Bezug zur Weltanschauungsfreiheit vorgebrachten Fall zu Art. 9 EMRK. Im Fall Arrowsmith hatte die damals zur Vorprüfung zuständige Kommission entschieden, dass auch eine pazifistische Überzeugung unter den Begriff „conviction“ des Art.  9  EMRK fallen könne.870 Einschränkend führte die Kommission gegenüber dem weiten Begriff der „conviction“ jedoch aus, dass der Rechtsbegriff des Praktizierens von Bräuchen und Riten („practise“) keine Ausübung erfasse, die nicht selbst direkter Ausdruck eines Bekenntnisses sei. Eine bloße Beeinflussung oder Motivation einer Handlung durch ein Bekenntnis genüge hingegen nicht. Daher wurde Art. 9 EMRK im vorliegenden Fall nicht auf das Verteilen von Flugblättern angewendet, die Soldaten zum Widerstand gegen einen Einsatz in Nordirland aufforderten, und unterschiedliche Möglichkeiten hierzu aufzeigten.871 Die zur Entscheidung abgedruckte abweichende Meinung von Opsahl belegt dabei, dass die Kommission eine Grenze zwischen Manifestation eines Bekenntnisses und Motivation durch ein Bekenntnis ziehen wollte.872 Die ebenfalls abgedruckte entgegengesetzte Auffassung von Klecker kommt daher auch zu dem Schluss, dass es sich bei zutreffender Beurteilung der Fakten im vorliegenden Fall durchaus um die Manifestation eines Bekenntnisses handele.873 Bei näherer Betrachtung können entscheidende Parallelen zwischen den Auslegungsergebnissen zur Weltanschauungsfreiheit des Grundgesetzes und der Interpretation und Anwendung von Art. 9 EMRK und Art. 18 Abs. 1 IPBPR gezogen werden: Zunächst zeigt sich auch hier die Bedeutung der Abgrenzung allgemeiner politischer Meinungsäußerung von der Verkündigung eines weltanschaulichen Bekenntnisses. Ferner sprechen auch hier jedenfalls die authentischen englischen und französischen Textfassungen gegen eine allzu vorschnelle Ausdehnung von Art. 9 EMRK auf eine weltanschauliche Kultusfreiheit, bevor die wesensmäßige Übertragbarkeit der beschriebenen Handlungen auf weltanschauliche Betätigungen geklärt ist. Gerade die Auslegung der Europäischen Kommission für Menschenrechte im Fall Arrowsmith lässt der Sache nach für Weltanschauungen darauf schließen, dass sich die durch Art. 9 EMRK geschützte Ausübungsform auf die Bekenntnisfreiheit beschränkt. Sonstiges durch Weltanschauung motiviertes oder beeinflusstes Verhalten soll gerade nicht unter Art. 9 EMRK fallen. Dieses Ergebnis bestärkt einerseits die im Rahmen der Auslegung ermittelte enge Auslegung der Bekenntnisfreiheit, wonach sich deren Aussage gerade auf die Kundgabe eines 869

Frowein in Frowein/Peukert, EMRK, Art. 9 Rn. 11 ff. Zulassungsentscheidung der Europäischen Kommission für Menschenrechte im Fall Arrowsmith vs. Vereinigtes Königreich, Nr. 7050/75 vom 12.10.1978, DR 19, S. 5, 19. 871 Arrowsmith vs. Vereinigtes Königreich, DR 19, S. 5, 19 f. 872 Arrowsmith vs. Vereinigtes Königreich, DR 19, S. 26. 873 Bemerkenswert ist hierbei, dass die a. A. keineswegs an der von der Mehrheit aufgestellten rechtlichen Voraussetzung der Manifestation eines Bekenntnisses ansetzt, sondern auf tatsächlicher Ebene argumentiert, im vorliegenden Fall sei die Manifestation eines pazifistischen Bekenntnisses im Sinne einer „practise“ gegeben. Vgl. Arrowsmith vs. Vereinigtes Königreich, DR 19, S. 29 f. 870

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2. Kap.: Neubestimmung der dogmatischen Struktur

Glaubens beziehen muss.874 Ferner spricht auch Art. 9 EMRK trotz seines gegenüber Art. 4 Abs. 2 GG weiter gefassten Wortlautes nicht zwingend dafür, die Kultusfreiheit auch auf die Ausübung einer Weltanschauung zu erstrecken, da sich die Kommission im Falle des Pazifismus als „conviction“ im Sinne des Art. 9 EMRK gerade zu einer im Ergebnis an die Bekenntnisfreiheit angenäherten einschränkende Auslegung des Begriffs der „practise“ entschieden hatte. Für die Auslegung der Bekenntnisfreiheit im Rahmen des Art. 4 Abs. 1 GG kann der näher illustrierenden Fassung von Art.  9 Abs.  1  EMRK und Art.  18 Abs.  1 IPBPR schließlich weitergehend entnommen werden, dass nicht nur die schlichte Bekenntnisäußerung, sondern auch die Unterweisung in einer Überzeugung dem Schutzbereich der Bekenntnisfreiheit unterfällt, da sie der Weitergabe und Verbreitung des Bekenntnisses dienen und einen Unterfall der Verkündigungsmethoden darstellt.875

III. Fazit Als Ergebnis des Ausblicks auf die europa- und völkerrechtlichen Regelungen kann zunächst festgehalten werden, dass die Verwendung des Begriffs der Weltanschauung in supra- und internationalen Rechtstexten der bisher entwickelten Auslegung nicht entgegensteht. Der Begriff der Weltanschauung wird nur in der deutschen Fassung der Europäischen Grundrechtscharta authentisch verwendet. Wie in den authentischen Fassungen der EMRK und des IPBPR legen jedoch auch hier die anderen amtlichen Sprachfassungen eine von der Begriffsbedeutung des Grundgesetzes abweichende Interpretation nahe. Im internationalen Kontext dürfte daher im Sinne des Rechtsbegriffs „conviction“ davon auszugehen sein, dass bereits jede Art von bloßer Überzeugung im Sinne eines „für richtig halten“ genügt, und daher im Einzelfall geringere Anforderungen an das Vorliegen einer Überzeugung, als an das Vorliegen einer Weltanschauung zu stellen sind.876 Gleichwohl zeigt insbesondere die Auslegung der Europäischen Kommission für Menschenrechte, dass trotz oder gerade aufgrund der geringeren inhaltlichen Anforderungen, zulässige Handlungsformen restriktiv betrachtet werden und nicht die bloße Motivation oder Beeinflussung einer Handlung durch eine Überzeugung für die Eröffnung des Schutzbereiches genügen soll. Ebenso vergleichbar mit den im Rahmen der Auslegung vorgeschlagenen Ansätzen lässt sich der Interpretation 874

Vgl. 2. Kapitel B. I. 2. a) ee) (3). Vgl. 2. Kapitel B. I. 2. a) ee) (3) (a). 876 Vgl. Däubler, NJW 2006, S. 2608 f.; ähnlich zu Art. 18 IPBPR Puhlmann, Scientology und die Begriffe Religion und Weltanschauung im Grundgesetz, S. 140. A. A. Blum, Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit (Art. 9 EMRK), S. 79. Der den Begriff der „conviction“ inhaltlich an den Begriff der Weltanschauung angeglichen sieht. Auch die EMRK würde hierfür eine in gewisser Art und Weise zusammenhängende Sichtweise auf fundamentale Probleme verlangen. Ebenso: Puhlmann, S. 141. 875

D. Ausblick auf europäische und völkerrechtliche Regelungen

291

der Kommission der Sache nach ebenfalls eine Beschränkung des Schutz­bereichs der Weltanschauungsfreiheit entnehmen. Eine allgemeine weltanschauliche Handlungsfreiheit, bei der eine bloße weltanschauliche Motivation zur Eröffnung des Schutzbereiches genügt, zeichnet sich jedenfalls auch nicht auf der Ebene supraoder internationaler Normsetzung ab. Die Notwendigkeit einer Abgrenzung der Weltanschauungsfreiheit gegenüber anderen Freiheitsrechten besteht daher in jedem Fall fort. Für eine grundsätzliche Differenzierung von Weltanschauung und Religion auch auf internationaler Ebene lässt sich demgegenüber einerseits auf die angeführten textlichen Unterscheidungen verweisen. Ferner schließt die hervorgehobene Erwähnung der Religion, des Gottesdienstes und der Beachtung religiöser Bräuche in den unterschiedlichen Textfassungen von EuGRCh, EMRK und IPBPR eine einseitige Privilegierung religiöser Kultusfreiheit nicht aus. Umso mehr, wenn man die restriktive Auslegung der Europäischen Kommission für Menschenrechte im Fall des „praktizierten“ Pazifismus betrachtet und die teleologische Erwägung überträgt, dass nur religiöse Überzeugungen wesensmäßig gottesdienstlicher und anderer kultischer Handlungen bedürfen.877 Hier wird die weitere Rechtsentwicklung zu betrachten sein. Insbesondere wird sich nach der Ratifikation des EU Reformvertrages zeigen müssen, ob die Interpretation von Art. 10 EuGRCh gemäß seiner Entstehungsgeschichte sich weiterhin an der Auslegung zur EMRK orientiert, oder ob sich eine eigenständige Rechtsentwicklung ergibt.

877 Vgl. S. 203; Mager in v. Münch/Kunig, GG, Art. 4 Rn. 55, 60 und Stein in WendelingSchröder/Stein, AGG, § 1 Rn. 33, 37.

3

Drittes Kapitel

Gleichbehandlung von Weltanschauung und Religion Nach der Untersuchung der Weltanschauungsfreiheit bleibt noch die Frage nach dem Umfang der Gleichbehandlung von Weltanschauung und Religion offen. Die Darstellung zum gegenwärtigen Stand der juristischen Diskussion hatte bereits gezeigt, dass in der gerichtlichen Praxis überwiegend allein die Frage nach der Reichweite der Gleichbehandlung von Weltanschauung und Religion umstritten ist.1 Die Schlussfolgerungen aus der Auslegung der Freiheitsrechte hatten nun ergeben, dass bestimmte Verfassungsnormen die Weltanschauungsfreiheit nicht erfassen und die Religionsfreiheit dadurch privilegieren.2 Abschließend muss daher der Fragestellung nachgegangen werden, inwieweit und unter welchen Voraussetzungen Religion und Weltanschauung gleichbehandelt werden müssen, um die Untersuchung zur Weltanschauungsfreiheit abzuschließen. Hierfür ist zunächst die Schutzaussage der Gleichheitssätze herauszuarbeiten, die eine Gleichbehandlung von Weltanschauung und Religion erst anordnen (A.). Sodann ist zu untersuchen, welche absoluten Differenzierungsverbote bestehen  (B.), um der Frage nachzugehen, unter welchen Voraussetzungen andere Ungleichbehandlungen von Welt­ anschauung und Religion verfassungsrechtlich gerechtfertigt sein können (C.).

A. Schutzaussage der Gleichheitssätze Als Gleichheitssätze, die eine Gleichbehandlung von Weltanschauung und Religion anordnen könnten, kommt einerseits Art. 33 Abs. 3 GG als spezieller Gleichheitssatz in Betracht, der in seinem zweiten Satz auch die Weltanschauung textlich erwähnt (I.). Andererseits kann in jedem Fall auch auf den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG zurückgegriffen werden, der die Gleichheit aller Menschen vor dem Gesetz anordnet (II.).



1



2

Vgl. 1. Kapitel A. III. 2. Vgl. im 2. Kapitel unter B. I. 2. b) cc) (Kultusfreiheit) und B. I. 2. d) dd) (Garantie des Religionsunterrichts).

A. Schutzaussage der Gleichheitssätze

293

I. Schutzaussage des Art. 33 Abs. 3 GG Um die Schutzaussage des Art.  33 Abs.  3  GG näher zu bestimmen und dabei der Frage nachzugehen, ob in dem zweiten Satz ein spezieller Gleichbehandlungssatz für Weltanschauung und Religion zu sehen ist, ist die Verfassungsnorm auszu­legen. Hierzu soll erneut auf die klassischen Auslegungsmethoden nach Savigny zurückgegriffen werden  (1 – 4), um daraus die Schutzaussage des Art.  33 Abs. 3 GG abzuleiten (5). 1. Wortlaut Seinem Wortlaut nach enthält Art. 33 Abs. 3 Satz 1 GG eine besondere Ausprägung des Verbotes der religiösen Diskriminierung,3 welches über die kommunikative religiöse Bekenntnishandlung hinaus durch den zweiten Satz auch auf die bloße Zugehörigkeit zu einer Religion4 und einer Weltanschauung ausgedehnt wird.5 Zugehörigkeit bedeutet dabei lediglich, „zu etwas gehörend, dazu­gehörig“6 und setzt für sich genommen damit keinen kommunikativen Akt voraus. Bekenntnis steht daher hier, ohne adjektivischen Zusatz, synonym für den Begriff der Religion und nicht für die, dem Grundgesetz ebenfalls bekannten Formulierungen, „Religionsgemeinschaft“ oder „Religionsgesellschaft“.7 Entsprechend muss Weltanschauung im Kontext des Art. 33 Abs. 3 Satz 2 GG auch als bloße Überzeugung von einer Weltanschauung verstanden werden. „Zugehörigkeit zu einer Weltanschauung“ entspricht daher in seiner rechtlichen Bedeutung dem Begriff des „Glauben“, der das Haben und die Ausbildung einer Weltanschauung schützt.8 Art. 33 Abs. 3 Satz 2 GG setzt weiterhin begrifflich auch nicht die Zugehörigkeit zu einer Weltanschauungsgemeinschaft,9 sondern zu einer Weltanschauung als solcher voraus, so dass auch weltanschauliche Gemeinschaften oder rein individuelle

3



4

Hufen, Staatsrecht II, § 40 Rn. 12. Vgl. zur hier synonymen Verwendung von „Religion“ und „Bekenntnis“, 2. Kapitel A. II. 3. 5 Ebenso: Jachmann in v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 33 Rn. 26 (Erweiterung um Benachteiligungsverbot in Richtung der Weltanschauungen). 6 Duden, Bedeutungswöterbuch, S. 778. 7 Vgl. hierzu einerseits die textliche Fassung der Art. 136 ff. WRV (Religionsgesellschaft) und Art. 7 Abs. 3 GG (Religionsgemeinschaft), sowie andererseits die einleitenden Feststellungen zum Sprachgebrauch des GG hinsichtlich der synonymen Verwendung von Bekenntnis und Religion unter 2. Kapitel A. II. 3. 8 Vgl. die Feststellungen zum Schutzbereich der Glaubensfreiheit, 2. Kapitel B. I. 2. a) ee) (1). 9 Vgl. zur bewusst differenzierten Verwendung weltanschaulicher Begriffsbildungen im Grundgesetz, 2. Kapitel A. II. Die Untersuchung der Normgenese hat ferner gezeigt, dass der Parlamentarische Rat auch den Begriff der Weltanschauungsgemeinschaft kannte (vgl. S. 198, v. Doemming/Füsslein/Matz in Leibholz/v. Mangoldt, JöR Bd. 1 N. F., S. 76) und ein Bewusstsein für die Verwendung Staatskirchenrechtlicher termini technici bestand (vgl. S.  239, Parlamentarische Rat, Verhandlungen des Hauptausschusses, Bonn 1948/49, S.  614). Daher ist davon auszugehen, dass dem abweichenden Wortlaut von Weltanschauung statt Weltanschauungsgemeinschaft hier Bedeutung zukommt.

294

3. Kap.: Gleichbehandlung von Weltanschauung und Religion

Überzeugungen, die die Voraussetzungen des Art. 137 Abs. 7 WRV nicht erreichen, von Art. 33 Abs. 3 Satz 2 GG erfasst werden. Auch dies spricht dafür, begrifflich eine Parallelität von „Zugehörigkeit zu einer Weltanschauung“ und „haben eines Glaubens“ auszugehen. Ein über dieses Diskriminierungsverbot hinausgehender spezieller Gleichheitssatz lässt sich dem Wortlaut des Art. 33 Abs. 3 GG hingegen nicht entnehmen. 2. Systematische Auslegung Systematisch lässt sich der Abs.  3 innerhalb des Art.  33  GG mit den Abs.  1 und  2 vergleichen. Im Gegensatz zu diesen ordnet der dritte Absatz nicht die Gleichheit der staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten in den Bundesländern, oder die Gleichheit des Zugangs zum öffentlichen Amt an. Daher liegt die Annahme nahe, in Abs. 3 keinen Gleichheitssatz sondern ein Differenzierungsverbot zu sehen. Logisch ist jedoch auch der systematische Schluss möglich, aufgrund der Ähnlichkeit zu den vorangehenden Absätzen auch in Abs. 3 einen Gleichheitssatz zu sehen. Die weitere systematische Auslegung muss zeigen, welche der beiden Auslegungsvarianten näher liegt. Im systematischen Vergleich mit anderen ähnlichen Bestimmungen des Grundgesetzes zeigt Art. 3 GG dabei, dass es keine atypische Konstellation ist, im ersten Absatz einen Gleichheitssatz anzunehmen und im darauf folgenden dritten Absatz ein Differenzierungsverbot zu sehen.10 Systematisch steht die Regelung des Art.  33  Abs.  3  GG ferner auch den Regelungen des Art.  136  Abs.  1 und Abs.  2  WRV nahe. Hinsichtlich der Unabhängigkeit des Genusses bürgerlicher und staatsbürgerlicher Rechte vom religiösen Bekenntnis sehen Art.  33 Abs.  3 und Art.  136  Abs.  2  WRV sogar identische Regelungen vor.11 Für Abs.  1 hat die Auslegung ferner bereits ergeben, dass darin kein Gesetzesvorbehalt, sondern ebenfalls ein Differenzierungsverbot zu sehen ist, welches an die Religionsausübung anknüpft.12 Da Art. 136 Abs. 2 WRV textlich weitgehend inhaltsgleich zu Art. 33 Abs. 3 GG ausgestaltet ist, seinerseits aber keine enge systematische Verbindung zu vorangehenden speziellen Gleichheitssätzen aufweist, ist es daher insgesamt näherliegend, aufgrund des Vergleiches mit weiteren Normen des Grundgesetzes, hinsichtlich der systematischen Stellung in Art. 33 Abs. 3 GG ein Differenzierungsverbot anzunehmen.

10

Vgl. Hufen, Staatsrecht II, § 40 Rn.  7; Starck in v.  Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art.  3, Rn. 377 ff. 11 BVerfG, Beschluss vom 25.10.1988, Az.: 2 BvR 745/88, BVerfGE 79, 69 (75); Lecheler in Friauf/Höfling, GG, Art. 33 Rn. 32; ähnlich v. Campenhausen in v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 136 WRV Rn. 14 für den Art. 33 Abs. 3 GG als weitergehende Norm insgesamt vorgeht. 12 Vgl. 2. Kapitel C. II. 1. e). Für ein Differzierungsverbot i. E. auch: Ehlers in Sachs, GG, Art. 136 WRV, Rn. 2; v. Campenhausen in v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 136 WRV, Rn. 8; Jarass in Jarass/Pieroth, GG, Art. 136 WRV, Rn. 1.

A. Schutzaussage der Gleichheitssätze

295

Für den Inhalt des Differenzierungsverbotes muss systematisch zwischen Art. 33 Abs. 3 Satz 1 GG und Satz 2 differenziert werden. Für eine Beschränkung der Bedeutung des ersten Satzes auf den Bereich der Religion spricht dabei neben dem systematischen Vergleich zum Verbot der Staatskirche in Art.  137 Abs.  1 WRV auch der Umstand, dass nur im zweiten Satz von Art. 33 Abs. 3 Satz 2 die Weltanschauung eigens erwähnt wird. Daher ist in Art. 33 Abs. 3 Satz 1 GG von einer bewussten Beschränkung auf das religiöse Bekenntnis auszugehen.13 Diese Wertung lässt sich aufgrund der großen textlichen und inhaltlichen Nähe auch auf Art. 136 Abs. 1 und Abs. 2 WRV übertragen, die ihrerseits ebenfalls nur religiöses Bekenntnis und Religionsausübung schützen. Fraglich ist indessen, wie das Benachteiligungsverbot des Art. 33 Abs. 3 Satz 2 GG zu interpretieren ist, da ein weites Verständnis des Begriffs „Nachteil“, als jeder ungünstige Umstand, der sich für jemanden gegenüber anderen negativ auswirkt,14 in systematischen Widerspruch zu anderen Regelungen des Grundgesetzes gerät. So zeigt die Auslegung des Art. 136 Abs. 3 Satz 2 WRV, dass Behörden nach der Zugehörigkeit zu einer Weltanschauungs- oder Religionsgemeinschaft fragen dürfen, da an die Zugehörigkeit zu einer Religionsgemeinschaft gerade Rechte und Pflichten angeknüpft werden.15 Deutlicher zeigt dies noch Art. 137 Abs. 6 i. V. m. Abs. 7 WRV, da die Pflicht zur Steuerzahlung auch für Mitglieder von Weltanschauungsgemeinschaften besteht.16 Die Verfassung geht mithin davon aus, dass Rechte und Pflichten an die Mitgliedschaft in einer Religionsoder Weltanschauungsgemeinschaft anknüpfen können, während Art.  33 Abs.  3 Satz 2 GG dies als Nachteil bei streng wörtlicher Betrachtung verbieten würde. Diese scheinbare Perplexität lässt sich nur dadurch vermeiden, dass unter der Wendung „Zugehörigkeit zu einem Bekenntnis oder Weltanschauung“ etwas anderes verstanden wird als die „Mitgliedschaft in einer Religions- oder Weltanschauungsgemeinschaft“ im Sinne des Art. 136 Abs. 3 Satz 2 WRV.17 Im systematischen Vergleich zu Art. 3 Abs. 3 GG kann daher unter Zugehörigkeit zu einem Bekenntnis oder einer Weltanschauungen die, objektiv in irgendeiner diskriminierungsanfälligen Form manifestierte, innere Überzeugung von einem entsprechenden Glauben

13 So auch Höling in BK (Drittbearbeitung), GG, Art. 33 Rn. 403; Bayer, Religions- und Gewissensfreiheit, S. 134 Fn. 122; ähnlich Lechler in Friauf/Höfling, GG, Art. 33 Rn. 32. 14 Duden, Bedeutungswörterbuch, S. 457. 15 Vgl. die Erwägungen zu Art. 136 Abs. 3 Satz 2 WRV im 2. Kapitel unter C. II. 2. 16 Vgl. Mertesdorf, Weltanschauungsgemeinschaften, S. 540 f. m. w. N. 17 Vgl. ähnlich Lecheler in Friauf/Höfling, GG, Art.  33 Rn.  32, der darauf hinweist dass „­religiöses Bekenntnis“ im Sinne des Art. 33 Abs. 3 GG nicht die Zugehörigkeit zu einer Religionsgemeinschaft bedeutet. Aufgrund der offenen Formulierung, die auch Differenzierungen im einfachen Recht ermöglicht, erscheint im Gegensatz dazu nicht überzeugend, die Perplexität dadurch aufzulösen, indem in Art. 7 Abs. 5 GG oder Art. 137 Abs. 6 WRV besondere Rechtfertigungen für Einzelfällen durch kollidierendes Verfassungsrecht gesehen werden, im Übrigen Art. 33 Abs. 3 Satz 2 GG aber weit auszulegen. A. A. so aber Höling in BK (Drittbearbeitung), GG, Art. 33 Rn. 420; Jarass in Jarass/Pieroth, GG, Art. 136 WRV Rn. 3 m. w. N.

296

3. Kap.: Gleichbehandlung von Weltanschauung und Religion

gesehen werden,18 da Glaube nach der bisher erfolgten Auslegung ebenfalls gleichermaßen Weltanschauung und Religion als Gegenstand der Überzeugung schützt. Art.  33 Abs.  3  Satz  2  GG würde mithin eine inhaltsgleiche Regelung zu Art.  3 Abs.  3  GG treffen,19 indem es den Teilaspekt des Benachteiligungsverbotes aus Glaubensgründen wiederholt und mit der Formulierung Nichtzugehörigkeit klarstellt, dass auch Fälle des Nichtvorliegens eines Glaubens erfasst sind.20 Schließlich legt die systematische Stellung der Regelung in Art. 33 Abs. 3 GG einen engeren Bezug zu Fragen der Zulassung zu öffentlichen Ämtern nahe. Daher spricht auch der Ort der Regelung dafür, dass Art.  33 Abs.  3  Satz  2  GG keine Art.  3 Abs.  3  GG inhaltlich überschreitende Generalklausel zugunsten eines umfas­ senden Benachteiligungsverbotes, sondern eine spezielle Ausformulierung des in Art. 3 Abs. 3 GG niedergelegten Diskriminierungsverbotes enthält. 3. Historische Auslegung Der für die Betrachtung der Weltanschauungsfreiheit maßgebliche Entstehungsprozess des Art. 33 Abs. 3 GG beginnt erst mit dem am 2.3.1949 dem Parlamentarischen Rat von den Militärgouverneuren überreichten Memorandum, in dem dieser aufgefordert wurde in möglichst hohem Grade sicherzustellen, dass jeder Bürger Zutritt zu den öffentlichen Ämtern hat, Einstellung und Beförderung ausschließlich von seiner Eignung abhängen und der öffentliche Dienst einen unpolitischen Charakter hat.21 Um diesen für das Grundgesetz allgemein geltenden Voraussetzungen zu genügen, fügte der Allgemeine Redaktionsausschuss in seinem Vorschlag vom 2.5.1949 Abs. 3 in seiner heutigen Fassung in Art. 33 GG ein, ohne hierzu eine erklärende Anmerkung zu machen.22 Der Hauptausschuss nahm diesen Vorschlag ohne Aussprache anstelle der bisherigen Fassung der dritten Lesung in seiner 57. Sitzung vom 5.5.1949 mit 20 Stimmen einstimmig ohne Gegenstimme oder Enthaltung an.23 Auch im Plenum wurde die Fassung des Art. 33 Abs. 3 GG ohne Aussprache gebilligt.24 Als einzig weiteren Hinweis zur Begründung der Formulierung des Art. 33 Abs. 3 GG wird im Jahrbuch des öffentlichen Rechts der

18



19

Ähnlich Lecheler in Friauf/Höfling, GG, Art. 33 Rn. 32. Für einen inhaltlichen Gleichlauf von Art. 33 Abs. 3 GG und Art. 3 Abs. 3 GG vgl. dem Grundsatz nach auch Starck in v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 3 Rn. 702; Masing in Dreier, GG, Art. 33 Rn. 56; Höfling in BK (Drittbearbeitung), GG, Art. 33 Rn. 387, 400; Bayer, Religions- und Gewissensfreiheit, S. 134. 20 Bei genauerem Hinsehen ist aber auch dieser Fall bereits von Art. 3 Abs. 3 GG erfasst, da es sich bei der Benachteiligung aus Gründen des Nichtglaubens um das Gegenereignis zu der durch Art. 3 Abs. 3 GG verbotenen Bevorzugung aus Glaubensgründen handelt. 21 v. Doemming/Füsslein/Matz in Leibholz/v. Mangoldt, JöR Bd. 1 N. F., S. 313 f. 22 Parlamentarischer Rat, Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland (Entwürfe), Bonn 1948/49, S. 205; v. Doemming/Füsslein/Matz in Leibholz/v. Mangoldt, JöR Bd. 1 N. F., S. 172. 23 PRat-Drucks. 932, Kurzprotokoll 57. Sitzung, S. 20; Parlamentarischer Rat, Verhandlungen des Hauptausschusses, Bonn 1948/49, S. 751. 24 v. Doemming/Füsslein/Matz in Leibholz/v. Mangoldt, JöR Bd. 1 N. F., S. 314.

A. Schutzaussage der Gleichheitssätze

297

Gegenwart auf die früheren Regelungen des Art. 136 Abs. 1 und Abs. 2 der WRV verwiesen.25 Darüber hinaus ließe sich noch auf den von Bergsträsser (SPD) aufgestellten Katalog der Grundrechte vom 21.9.1948 verweisen. Dieser sah einen einheitlichen Gleichheitsartikel vor, der in Abs. 1 die Gleichheit des Menschen vor dem Gesetz ohne Unterschied der religiösen und politischen Überzeugung statuierte, in Abs. 3 Bevorzugungen und Benachteiligungen aus Gründen der religiösen und politischen Anschauung verbat und in Abs. 4 schließlich den gleichen Zugang zu öffentlichen Ämtern für jedermann vorsah.26 Aus der Entstehungsgeschichte des Art. 33 Abs. 3 GG lässt sich für die Aus­ legung damit entnehmen, dass ohne nähere Erörterung einstimmig eine Regelung des Allgemeinen Redaktionsausschusses übernommen wurde, der darin eine dem Grundgesetz allgemein zugrundeliegende Bedingung der Militärgouverneure umgesetzt hat. Daher ist von einer redaktionellen Anpassung auszugehen, die lediglich bereits bestehende Regelungen, wie Art. 3 Abs. 3 GG und Art. 136 Abs. 1 und Abs. 2 WRV übernimmt und für den Anwendungsfall des öffentlichen Dienstes klarstellt. Die dabei gegenüber dem Art. 136 Abs. 2 WRV zusätzlich eingefügte Formulierung „die im öffentlichen Dienste erworbenen Rechte“ hebt dabei nochmals deutlich hervor, dass sich das Verbot der Diskriminierung nicht unmittelbar auf die durch die Ausübung der Religionsfreiheit entstehenden Rechte bezieht, sondern auf solche, die einen anderen rechtlichen Tatbestand wie die im öffent­ lichen Dienst entstehenden Rechte, an die Ausübung der Religionsfreiheit oder ein religiöses Bekenntnis anknüpfen wollen.27 Aus den fragmentarisch überlieferten interfraktionellen Besprechungen lässt sich darüberhinaus entnehmen, dass der Redaktionsausschuss am 28. April 1949 für Abs. 3 noch formuliert hatte: „Der Genuss bürgerlicher und staatsbürgerlicher Rechte, die Zulassung zu öffentlichen Ämtern sowie die im öffentlichen Dienst erworbenen Rechte sind unabhängig vom religiösen Bekenntnis.“28 Dies entspricht weitestgehend dem zum damaligen Zeitpunkt auch noch nicht über Art. 140 GG inkorporierten oder in Art.  4  GG berücksichtigten Art.  136  Abs.  2  WRV.29 Zu

25



26

50.



v. Doemming/Füsslein/Matz in Leibholz/v. Mangoldt, JöR Bd. 1 N. F., S. 314. Pikart /Werner in Schick/Kahlenberg, Der Parlamentarische Rat, Bd. 5, 1. Hlbbd., S. 16,

27 Vgl. die Auslegung zu Art. 136 Abs. 1 WRV im 2. Kapitel unter C. II. 1. und die histo­ rischen Beispiele der von der Religionsausübung abhängigen Zugangsmöglichkeiten zum öffentlichen Dienst, zur Grundbuchfähigkeit etc. auf S. 92. 28 Feldkamp in Stelzl/Kahlenberg, Der Parlamentarische Rat, Bd. 11, S. 216 Fn. 11. 29 Das Art. 33 Abs. 3 GG teilweise über den schließlich durch Art. 140 GG inkorporierten Art.  136 Abs.  2 WRV hinausgeht, mit seiner eindeutigen Formulierung aber vor allem „das Grundgesetz nach der bezeichneten Richtung damit erheblich verstärkt“ und frühere Zweifelsfälle gar nicht erst aufkommen lassen will, wird auch durch von Brentano (CDU) in der Berichterstattung fürs Plenum hervorgehoben (vgl. Parlamentarischer Rat, Schriftlicher Bericht zum Entwurf des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland, S. 75). Daraus lässt sich aber auch folgern, dass jedenfalls grundsätzlich ein Gleichlauf zwischen den Vorschriften beabsichtigt war.

298

3. Kap.: Gleichbehandlung von Weltanschauung und Religion

Abs.  3 ist ferner die am Nachmittag des 28. April in der interfraktionellen Besprechung geäußerte Auffassung Laforets (CSU) überliefert. „[Abs. 3] bedeute seines Erachtens, wenn jemand das religiöse Bekenntnis wechselt, kann ihm dadurch kein Nachteil entstehen. Praktisch gesprochen heißt dies z. B.: ein Lehrer tritt aus der Kirche aus, daraus kann ihm kein Nachteil erwachsen. Er habe gegen Abs. 3 keine Bedenken.“30 Die wörtliche Übernahme des Begriffs „Nachteil“ aus der Begründung Laforets in den, im ursprünglichen Entwurf des Redaktionskomitees noch nicht vorgesehenen, Art. 33 Abs. 3 Satz 2 GG und die damit zusätzlich aufgenommene Ausdehnung auf Weltanschauungen spricht dafür, dass Satz 2 die authentische Auslegung im Sinne der in der interfraktionellen Besprechung geäußerten Interpretation von Art. 33 Abs. 3 Satz 1 GG sicherstellen sollte. Aufgrund der Entstehungsgeschichte ist daher davon auszugehen, dass Art. 33 Abs. 3 GG keine weitergehende Bedeutung als allgemeine Gleichstellungsnorm von Weltanschauung und Religion zukommt. Vielmehr ist Art. 33 Abs. 3 GG als redaktionelle Ausformulierung entsprechend den Regelungen der übrigen Gleichheitsnormen auszulegen. Hierfür spricht auch, dass die erstmalige Erwähnung der Regelung über den gleichen Zugang zu öffentlichen Ämtern im Katalog der Grundrechte von Bergsträsser in einem einheitlichen Gleichheitsartikel erfolgte. Die Entstehungsgeschichte legt es überdies nahe, Art. 33 Abs. 3 Satz 2 GG aufgrund der entsprechenden Forderung der Militärgouverneure restriktiv vor allem auf die unmittelbar vorausgehenden Rechte des öffentlichen Dienstes zu beziehen. Die Interpretation durch Laforet könnte überdies dafür sprechen, den Begriff des Nachteils im Sinne der Einschränkung einer bereits bestehenden Rechtsposition auszulegen. Um in Art. 33 Abs. 3 GG demgegenüber eine maßgebliche inhaltliche Veränderung des im Übrigen sehr ausführlich diskutierten und komplexen Regelungsverhältnisses von Weltanschauung und Religion zu sehen, fehlt es jedenfalls an jeder inhaltlichen Basis in der Entstehungsgeschichte. 4. Teleologische Erwägungen Zu der mit Art. 33 Abs. 3 GG bezweckten Zielvorstellung weist die historische Auslegung bereits darauf hin, dass einer Beanstandung der Siegermächte begegnet werden sollte, die eine Verletzung allgemeiner Prinzipien rügten, die sie zur Bedingung der Verfassungsgebung gemacht hatten.31 Von daher ist als wesentliche Zielsetzung von dem bereits mehrfach hervorgehobenen Geist der Toleranz des Grundgesetzes auszugehen.32 Hinsichtlich der Folgenbetrachtung ist dabei darauf zu achten, dass eine weitreichende Interpretation des Art. 33 Abs. 3 Satz 2 GG zu Normwidersprüchen mit der Auslegung der weltanschaulichen Freiheitsrechte

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31

Feldkamp in Stelzl/Kahlenberg, Der Parlamentarische Rat, Bd. 11, S. 216 f. Vgl. 3. Kapitel A. I. 3. 32 Vgl. Parlamentarischer Rat, Schriftlicher Bericht zum Entwurf des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland, Bonn 1948/49, S. 8 (v. Mangoldt).

A. Schutzaussage der Gleichheitssätze

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führen würde, die es allgemein zu vermeiden gilt.33 Dies legt es nahe, aus teleo­ logischen Erwägungen heraus in Art.  33  Abs.  3  Satz  2  GG keinen speziellen Gleichheitssatz anzunehmen, der eine umfassende Gleichstellung von Weltanschauung und Religion anordnet. Es genügt den Zielvorstellungen hingegen ein Diskriminierungsverbot anzunehmen, welches in seiner Auslegung so beschränkt ist, dass es zu keinen Normwidersprüchen mit den inkorporierten Bestimmungen des Art. 136 Abs. 3 Satz 2 WRV und Art. 137 Abs. 6 i. V. m. Abs. 7 WRV kommt. 5. Ergebnis: Kein spezieller Gleichheitssatz aus Art. 33 Abs. 3 GG Als Ergebnis der Auslegung des Art. 33 Abs. 3 GG ist festzuhalten, dass Wortlaut und systematische Auslegung gegen die Annahme eines speziellen Gleichheitssatzes sprechen. Auch der teleologischen Zielvorstellung würde ein Diskriminierungsverbot genügen. Die historische Auslegung zeigte demgegenüber zwar, dass der Zugang zum öffentlichen Dienst, grundsätzlich so ausgestaltet werden sollte, dass die Möglichkeit eines gleichen Zugangs besteht. Da die Abs. 1 und 2 des Art. 33 GG insoweit aber bereits spezielle Gleichheitssätze vorsehen, spricht insbesondere die redaktionelle Einfügung des Abs. 3 ohne weitere Aussprache dafür, in Abs. 3 lediglich eine klarstellende Interpretation zum Diskriminierungsverbot des Art. 3 Abs. 3 GG zu sehen. Für die Annahme eines umfassenden speziellen Gleichheitssatzes, der die Gleichbehandlung von Weltanschauung und Religion allgemein anordnet, lässt die Auslegung demgegenüber keinen Raum. Inhaltlich ist Art. 33 Abs. 3 Satz 1 GG auf das religiöse Bekenntnis beschränkt,34 so dass es im Hinblick auf die Weltanschauung auf die Schutzaussage des Art. 33 Abs. 3 Satz 2 GG ankommt. Nachteile aus der Zugehörigkeit oder nicht Zugehörigkeit zu einer Weltanschauung dürfen somit nicht entstehen. Zugehörigkeit zu einer Weltanschauung bedeutet insoweit das Haben eines weltanschaulichen Glaubens.35 Unter Nachteil kann grundsätzlich jeder ungünstige Umstand verstanden werden, der sich für jemanden gegenüber anderen negativ auswirkt.36 Die histo­ rische Auslegung legt nahe, unter Nachteil im Sinne einer authentischen Interpretation der interfraktionellen Beratungen vor allem den nachträglichen Wegfall von bestehenden Rechtspositionen zu verstehen.37



33



34

Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 334 f. Vgl. für den auf das religiöse Bekenntnis beschränkten Wortlaut und die Feststellungen zur Systematik zwischen Satz 1 und Satz 2 die Darstellung auf S. 295. Ebenso: Höling in BK (Drittbearbeitung), GG, Art. 33 Rn. 403; Bayer, Religions- und Gewissensfreiheit, S. 134 Fn. 122; ähnlich Lechler in Friauf/Höfling, GG, Art. 33 Rn. 32. 35 Vgl. 3. Kapitel A. I. 1. 36 Duden, Bedeutungswörterbuch, S. 457. 37 Vgl. 3. Kapitel A. I. 3.

300

3. Kap.: Gleichbehandlung von Weltanschauung und Religion

II. Schutzaussage des allgemeinen Gleichheitssatzes aus Art. 3 Abs. 1 GG Art. 3 Abs. 1 GG ordnet die Gleichheit aller Menschen vor dem Gesetz an. In seiner ständigen Rechtsprechung legt das Bundesverfassungsgericht dieses Gebot dahingehend aus, dass Gleiches gleich und Ungleiches entsprechend seiner Eigenart ungleich zu behandeln ist.38 Wesensmäßig gleiche Tatbestände dürfen daher nicht ungleich, wesensmäßig ungleiche Tatbestände nicht gleich gehandelt werden.39 Dies setzt die Bildung von Vergleichsgruppen voraus, um verschiedene Tatbestände miteinander vergleichen zu können.40 Für den Vergleich von Weltanschauung und Religion hat die Auslegung des Begriffs der Weltanschauung ergeben, dass Religion und Weltanschauung darin übereinstimmen, dass beide eine sinnstiftende Gesamtauffassung zur Stellung des Menschen in der Welt umschreiben, die aufgrund subjektiver Überzeugung für das eigene Leben maßgeblich ist und geglaubt und bekannt werden kann. Welt­ anschauung und Religion unterscheiden sich jedoch dadurch, dass Weltanschauung auf der Reflexion eigener Subjektivität, Sinneswahrnehmung und Erfahrungen und nicht auf externen Erschließungs- und Offenbarungsereignissen beruht. Für die Reichweite des Gleichbehandlungsgebotes aus Art. 3 Abs. 1 GG bedeutet dies, dass grundsätzlich eine Gleichbehandlung von Weltanschauung und Religion geboten ist, soweit ihr Charakter als sinnstiftende Gesamtauffassung Gegenstand der gesetzlichen Regelung ist. Hingegen ist es durch Art.  3 Abs.  1  GG geboten dann eine gesetzliche Differenzierung vorzunehmen, wenn der unterschiedliche Charakter der Erkenntnisquellen maßgeblich den Regelungsgegenstand prägt, wie dies bei kultischen Handlungen der Fall ist. Dies entspricht auch der durch die Auslegung gewonnen Interpretation der weltanschaulichen Freiheitsrechte. Hinsichtlich des Glaubens, des Gewissens und des Bekenntnisses sieht das Grundgesetz in Art. 4 Abs. 1 GG eine Gleichbehandlung vor. Auch hinsichtlich der durch Art. 137 Abs. 7 WRV angeordneten Gleichstellung von Weltanschauungs- und Religionsgemeinschaften steht die gemeinsame sinnstiftende Gesamtauffassung im Vordergrund, die eine Unterscheidung der Weltanschauungs- und Religionsgemeinschaften gegenüber den sonstigen Vereinigungen des Art. 9 GG rechtfertigt. Im gesamten durch die Art. 4 Abs. 2 GG, Art. 136 Abs.  1, Abs.  4 WRV, Art.  138 Abs.  2 WRV, Art.  139 WRV und Art.  141 WRV geprägten Bereich der Kultusfreiheit werden hingegen einseitig Regelungen für

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BVerfG, Beschluss vom 24.3.1976, Az.: 2 BvR 804/75, BVerfGE 42, S. 64 (72). Jarass in Jarass/Pieroth, GG, Art. 3 Rn. 1; Hufen, Staatsrecht II, § 39 Rn. 5. 40 Hufen, Staatsrecht II, § 39 Rn.  4. Grundsätzlich müssen die Vergleichsgruppen nur in einem Merkmal übereinstimmen, um eine Ungleichbehandlung in einem anderen Bereich zu prüfen. Bereits eine fehlende Vergleichbarkeit soll nach dem BVerfG jedoch ausnahmsweise gegeben sein, wenn Sachverhalte unterschiedlichen Ordnungssachverhalten angehören, die unterschiedlichen systematischen und sozialgeschichtlichen Zusammenhängen stehen (BVerfG, Beschluss vom 18.6.1975, Az.: 1 BvL 4/74, BVerfGE 40, S. 121 [139 f.]).

B. Differenzierungsverbote

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die Religionsfreiheit vorgenommen. Hier steht die Notwendigkeit zur kultischen Verehrung einer außerhalb des Menschen stehenden Erkenntnisquelle im Vordergrund, die Weltanschauungen ihrerseits nicht aufweisen. Art.  3 Abs.  1  GG ordnet in diesem Bereich mithin eine Gleichbehandlung nicht nur nicht an, sondern verlangt sogar eine Ungleichbehandlung dieser wesensmäßig ungleichen Tat­bestände.

B. Differenzierungsverbote Über die Anordnung der Gleichbehandlung im Rahmen des Art. 3 Abs. 1 GG sieht das Grundgesetz im Verhältnis der Weltanschauung zur Religion darüber hinaus mehrere Differenzierungsverbote vor.41 Diese schließen bestimmte Begründungen für eine Ungleichbehandlung aus und konkretisieren damit die inhaltliche Reichweite der Gleichstellung von Weltanschauung und Religion.42 Als besondere Differenzierungsverbote im Verhältnis von Weltanschauung und Religion soll daher Art.  3  Abs.  3  GG hinsichtlich der Verbote der Ungleichbehandlung wegen des Glaubens und wegen der religiösen und politischen Anschauungen untersucht werden (I.). Weiterhin ist auf die Reichweite der inhaltlich ähnlichen, besonderen Differenzierungsverbote aus Art. 33 Abs. 3 GG, sowie Art 136 Abs. 1 und 2 WRV einzugehen (II.), um insgesamt den Inhalt der Differenzierungs­verbote darzu­stellen (III.).

I. Besonderes Differenzierungsverbot des Art. 3 Abs. 3 GG Neben der Bevorzugung oder Benachteiligung wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache und seiner Heimat und Herkunft verbietet Art. 3 Abs. 3 GG auch Bevorzugungen oder Benachteiligungen wegen des Glaubens und der religiösen und politischen Anschauungen. Damit knüpfen alle übrigen Diskriminierungsverbote, mit Ausnahme der drei letztgenannten, an äußerlich erkennbare objektive Merkmale an, die einer Person zudem überwiegend unwandelbar anhaften und sie so in ihrer Persönlichkeit prägen.43 Die mit der Aufnahme dieser speziellen Diskriminierungsverbote verbundene Abkehr vom 41 Zur Unterscheidung in Gleichheitssätze und Differenzierungsverbote vgl. allgemein Hufen, Staatsrecht II, § 40 Rn. 1. 42 Hufen, Staatsrecht II, § 40 Rn. 1. 43 Vgl. Klein in v. Mangoldt/Klein, GG, S. 209, 211 der zutreffend in Geschlecht, Abstammung, Rasse, Sprache, Heimat und Herkunft als äußere Merkmale und Glaube, sowie der religiösen und politischen Anschauungen als innere Merkmale unterscheidet. Starck in v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 3 Rn. 383 weist darauf hin, dass die Merkmale der Sprache und der Heimat wandelbar seien.

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3. Kap.: Gleichbehandlung von Weltanschauung und Religion

Herrenchiemseer Entwurf44 ist historisch auf die Übernahme einer fast identischen Fassung aus Art. 2 Satz 4 LV Baden vom 28.5.1947 zurückzuführen, die sich nur hinsichtlich der Wortreihung unterscheidet.45 Als Berichterstatter des Redaktionskomitees führte der Abgeordnete Bergsträsser (SPD) hierzu aus, dass die Hervorhebung dieser Diskriminierungsverbote zur Konkretisierung des Gleichheitssatzes im Hinblick auf die Erfahrungen der Vergangenheit richtig erschien.46 Überträgt man das aus dem systematischen Überblick gewonnene Verständnis des Glaubens als innerer Überzeugung eines Menschen47 auf Art.  3 Abs. 3 GG, so stellt der Charakter als innerer Umstand eine Besonderheit des Glaubens als Merkmal innerhalb der Aufzählung des Art. 3 Abs. 3 dar. Ferner unterscheidet sich der Glaube dadurch, dass er sich im Rahmen der nach Art. 4 Abs. 1 GG gewährten Freiheit wandeln kann und sich auch daher viel stärker von den anderen Merk­ malen des Art. 3 Abs. 3 GG unterscheidet. Dies wird auch durch die Beratungen des Grundsatzausschusses des Parlamentarischen Rates bestärkt: Gegen die Streichung des Begriffs des Glaubens äußerte von Mangoldt (CDU) man solle den Glauben als erstes Merkmal voranstellen. Hierauf entgegnete Bergsträsser (SPD), dass dies die „natürlichen Dinge“ trenne. „Geschlecht, Abstammung, Rasse, Sprache, Heimat und Herkunft sind die äußeren Dinge, das andere sind die inneren Dinge“. Von daher käme nur eine komplette Voranstellung auch von religiöser und politischer Anschauung in Betracht, da der Duktus nicht zerrissen werden dürfe.48 Vergleichbares muss hinsichtlich der Einordnung als „innere Dinge“ daher auch für die religiösen und politischen Anschauungen gelten. Der Allgemeine Redak­ tionsausschuss wollte nach den Ausführungen des Abgeordneten Wunderlich (SPD) den Begriff des Glaubens sogar streichen und den gesamten Komplex „nicht doppelt aufführen“. Da von Mangoldt und Bergsträsser, die als Mitglieder des Redaktionskomitees ursprünglich den Begriff des Glaubens in Art. 3 Abs. 3 GG neben der religiösen Anschauung eingeführt hatten,49 sich bereits zuvor dafür aus 44 Vgl. v. Doemming/Füsslein/Matz in Leibholz/v. Mangoldt, JöR Bd. 1 N. F., S. 66. Der Entwurf erschöpfte sich soweit in der Formulierung der Gleichheit vor dem Gesetz. 45 v. Doemming/Füsslein/Matz in Leibholz/v. Mangoldt, JöR Bd. 1 N. F., S. 67 Fn. 4; Pikart/ Werner in Schick/Kahlenberg, Der Parlamentarische Rat, Bd. 5, 1. Hlbbd., S. 142, Fn. 43 (mit Verweis auf Art. 2 Satz 3 LV Baden). 46 Vgl. Pikart/Werner in Schick/Kahlenberg, Der Parlamentarische Rat, Bd.  5, 1.  Hlbbd., S.  142; v.  Doemming/Füsslein/Matz in Leibholz/v. Mangoldt, JöR Bd.  1 N. F., S.  67 (hier: „wichtig erschien“). 47 Vgl. 2. Kapitel B. I. 2. a) ee) (1). 48 Pikart/Werner in Schick/Kahlenberg, Der Parlamentarische Rat, Bd. 5, 2. Hlbbd., S. 750. 49 Zur 6. Sitzung des Ausschusses für Grundsatzfragen am 5.10.1948 legte das aus den Abgeordneten von Mangoldt (CDU), Bergsträsser (SPD) und Zinn (SPD) bestehende, für die Sitzungen vom 30.9 und 1.10.1948 um die Abgeordnete Weber (CDU), und die Abgeordneten Wunderlich (SPD) und Heuss (FDP) erweiterte Redaktionskomitee des Grundsatzausschusses (vgl. Pikart/Werner in Schick/Kahlenberg, Der Parlamentarische Rat, Bd.  5, 1.  Hlbbd.,

B. Differenzierungsverbote

303

sprachen, den Begriff im Normtext „drin“ zu lassen, bzw. Zustimmung hierzu signalisierten, machte auch Wunderlich gegen die kumulative Formulierung keine Bedenken geltend.50 Fraglich bleibt damit, ob eine Tautologie zwischen Glauben und religiöser Anschauung besteht, oder ob beiden Regelungen eigenständige Bedeutung zukommt.51 Bergsträsser stellte insoweit fest, dass der Begriff des Glaubens „den religiösen Anschauungen nahe“ sei und schlug den Begriff der Konfession anstelle des Glaubens vor, da dieser als „das Sichtbare am Glauben“ auch die Äußerung des Glaubens einschließe. Daraufhin schlug von Mangoldt den aus seiner Sicht für diesen Umstand treffenderen Begriff des Bekenntnisses vor. Dem stimmte Bergsträsser, der nach eigenem Bekunden „in diesen Dingen auf der absoluten Toleranz“ besteht, unmittelbar zu. Auch die Abgeordnete Weber (CDU) hielt diese Formulierung für besser. Von Mangoldt formulierte daher für das Protokoll, dass unter Glauben im Sinne des Art. 3 Abs. 3 GG hier auch das Bekenntnis verstanden werde,52 womit sich Bergsträsser einverstanden erklärte. Dieser führte zur Begründung nochmals aus, dass eine ungleiche Behandlung erst aus dem Bekenntnis hergeleitet werden könne, da „anders […] der Glaube nicht offenkundig“ werde.53 Auf Basis dieser Diskussion stimmte der Grundsatzausschuss sodann der Formulierung des Art. 3 Abs. 3 GG unter Beibehaltung des Begriffs des Glaubens zu.54 Die Diskussion zeigt, dass „Glaube“ anders als der Begriff der religiösen Anschauungen auch den Glauben und das Bekenntnis einer Weltanschauung umfassen soll, da der Hinweis Bergsträssers auf die absolute Toleranz „in diesen Dingen“, nach dem im vorangegangenen Vorschlag nur von „Konfession“ zu sprechen, anders kaum verständlich ist.55 Es wird ferner deutlich, dass es sich beim Begriff des Glaubens einerseits um einen inneren Vorgang handeln soll, es andererseits aber auch eine objektive Manifestierung des Glaubens als Anknüpfungspunkt einer Diskriminierung geben kann. Dies bestätigt nochmals die Auslegung, nach S. 116 Fn. 35 unter Verweis auf Kurzprot. Z 12/45, Bl. 112–115) erstmals eine dem späteren Art. 3 Abs. 3 GG ähnliche Fassung vor, in dem die Fassung des Chiemseeer Entwurfes unter anderem durch die Formulierung „Niemand darf seiner Abstammung, seiner Rasse, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauung wegen benachteiligt oder bevorzugt werden.“ erweitert wurde (Vgl. PRat-Drucks. Nr. 110; Pikart/Werner in Schick/Kahlenberg, Der Parlamentarische Rat, Bd.  5, 1.  Hlbbd., S.  117 f., Fn.  2; v.  Doemming/Füsslein/Matz in Leibholz/v. Mangoldt, JöR Bd. 1 N. F., S. 67.). 50 Pikart/Werner in Schick/Kahlenberg, Der Parlamentarische Rat, Bd. 5, 2. Hlbbd., S. 750. 51 So die wohl h. M. vgl. Osterloh in Sachs, GG, Art. 3 Rn. 302; Heun in Dreier, GG, Art. 3 Rn. 132 m. w. N. 52 Vgl. die inhaltlich verkürzte Zusammenfassung bei v. Doemming/Füsslein/Matz in Leib­ holz/v. Mangoldt, JöR Bd. 1 N. F., S. 69. 53 Pikart/Werner in Schick/Kahlenberg, Der Parlamentarische Rat, Bd. 5, 2. Hlbbd., S. 750. 54 PRat-Drucks. Nr. 326; v. Doemming/Füsslein/Matz in Leibholz/v. Mangoldt, JöR Bd. 1 N. F., S. 69. 55 Im Ergebnis so auch Gubelt in v. Münch/Kunig, GG, Art. 3 Rn. 101.

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3. Kap.: Gleichbehandlung von Weltanschauung und Religion

der der Glaubensfreiheit auch ein forum externum zukommen muss.56 Bei dem Begriff der Anschauungen ergibt sich hingegen nicht nur aus den Beratungen, sondern auch aus der Systematik des Grundgesetzes, dass es sich hierbei zwingend um rein innere Vorgänge handeln muss. Während der demokratische Staat nämlich die inneren Überzeugungen und Anschauungen seiner Bürger respektieren kann, so dass sich z. B. ein reines Gesinnungsstrafrecht verbietet,57 zeigen Art. 18, Art. 21 Abs. 2 und Art. 33 Abs. 4 und 5 GG deutlich, dass eine Grenze dort besteht, wo diese Gesinnung nach außen gebracht wird und gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung verstößt und mit einem Treueverhältnis zum Staat unvereinbar wird.58 Gegen eine reine Doppelung von Glauben und religiösen Anschauungen spricht auch die Gegenüberstellung mit dem Begriff der politischen Anschauung und der Gebrauch der Pluralformulierung „Anschauungen“,59 denn die Auslegung zum Begriff der Weltanschauung hatte einerseits ergeben, dass hiermit eine um­fassende Anschauung gemeint ist, und innerhalb einer Person nur jeweils eine Weltanschauung vorliegt, da sich in der Begriffsgeschichte nur beim Vergleich von unterschiedlichen Gruppen ein Mehrzahlgebrauch nachweisen lässt.60 Andererseits konnte belegt werden, dass die politischen Anschauungen von der Weltanschauung abgegrenzt werden müssen.61 Die Formulierung „seiner religiösen und politischen Anschauungen“ in Art. 3 Abs. 3 GG weist dabei deutlich darauf hin, dass Art.  3 Abs. 3 GG davon ausgeht, dass innerhalb einer Person mehrere religiöse und politische Anschauungen vorliegen können. Eine Identität zwischen dem Begriff der politischen Anschauungen und dem Begriff des Glaubens ist daher nicht anzunehmen.62 Hier bestärkt die textliche Fassung „seines Glaubens“ im Gegenteil die Auslegung, dass innerhalb derselben Person nur jeweils ein Glaube vor­ liegen kann. Folglich muss der Fassung „seiner religiösen und politischen Anschauungen“ insgesamt ein eigenständiger Bedeutungsinhalt zukommen, da keine Tautologie der Begriffe des Glaubens und der religiösen und politischen Anschauungen ge­

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Vgl. 2. Kapitel B. I. 2. a) ee) (1). Weber in Baumann/Weber/Mitsch, § 3 Rn. 16 f. 58 Für politische Anschauungen geht auch das BVerfG davon aus, dass Art. 3 Abs. 3 GG lediglich das Haben einer politischen Anschauung schützt, nicht jedoch die Betätigung nach außen – vgl. BVerfG, Beschluss vom 22.5.1975, Az.: 2 BvL 13/73, BVerfGE 39, S. 334 (368); a. A. Sondervotum Simon zu BVerfG, Beschluss vom 8.3.1983, Az.: 1 BvR 1078/80, BVerfGE 63, S. 266 (304). Zustimmend zum BVerfG hingegen auch BAG, Urteil vom 12.3.1986, Az.: 7 AZR 20/83, BAGE 51, S. 246 (255). 59 Vgl. den systematischen Überblick über die grundgesetzlichen Regelungen, 2.  Kapitel A. II. 2. a). 60 Vgl. die entsprechende Feststellung auf S.  146 im Rahmen der Analyse des Begriffs „Weltanschauung“. 61 Vgl. 2. Kapitel B. III. 2. 62 Vgl. entsprechend auch die Feststellung in BVerwG, Urteil vom 7.7.2004, Az.: 6 C 17/03, NJW 2005, S. 85 (88) zur Unterscheidung von politischer Anschauung und Weltanschauung.

B. Differenzierungsverbote

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geben ist. Die inhaltliche Bedeutung des Begriffs „Anschauungen“ lässt sich dabei vor allem aus der Verwendung des vorangestellten Begriffs „politisch“ ableiten: Im systematischen Vergleich zeigt Art. 21 GG, dass Parteien an der politischen Willensbildung des Volkes mitwirken. Die nach Art.  21 Abs.  1  Satz  2  GG vorgeschriebenen binnendemokratischen Strukturen fördern dabei eine Ausrichtung der Partei, an der zu einem Thema bei ihren Mitgliedern mehrheitlich vorherrschenden Auffassung und ermöglicht so, dass auf eine entsprechende Veränderung der gesellschaftlichen Ordnung entsprechend der mehrheitlichen Vorstellungen hingewirkt wird. Das Parteien auf die Veränderung der gesellschaftlichen Ordnung hinwirken, ergibt sich dabei systematisch ebenfalls aus dem Verbotsgrund des Art.  21 Abs.  2  GG. Politische Anschauung kann demnach systematisch als eine Zielvorstellung zur Veränderung der gesellschaftlichen Ordnung in einem bestimmten Themenfeld definiert werden. Daher ist es auch möglich, dass eine Person Vorstellungen zu mehreren Themenfeldern hat und daher auch eine Mehrzahl politischer Anschauungen innerhalb derselben Person vorliegen kann. Die Pluralformulierung und die systematische Nähe der religiösen Anschauungen zu den politischen Anschauungen spricht im Rahmen der Auslegung dafür, unter religiösen Auffassungen entsprechend solcher Art Ideen zu begreifen, die sich ebenfalls mit der Ordnung der Gesellschaft befassen, ihren Ursprung aber im Unterschied zu den politischen Anschauungen in einer religiösen Überzeugung haben. Dass die politischen und religiösen Anschauungen nicht im Kontext des Glaubens, sondern der Meinungsäußerung im öffentlichen Diskurs zu sehen sind, belegen auch die dem Redaktionskomitee bei der Formulierung des Art. 3 Abs. 3 GG zur Verfügung stehenden Beratungsunterlagen. Neben der wörtlichen Vorlage aus der Badischen Verfassung lag diesem nämlich auch ein Entwurf der Vereinten Nationen zur Erklärung der Menschenrechte vor, über den zumindest Bergsträsser (SPD)63 und von Mangoldt (CDU) verfügten, da dieser hieraus im Zusammenhang mit der Beratung der speziellen Diskriminierungsverbote in der zweiten Lesung des Grundsatzausschusses zitiert,64 und der den Abgeordneten als Vervielfältigung eines Artikels der Neuen Zeitung vom 7.10.1948 als Drucksache zur Verfügung gestellt wurde.65 In Art. 2 des Entwurfs lautet die entsprechende Passage: „Jede Person ohne irgendwelchen Unterschied, sei es der Rasse, der Farbe, des Geschlechtes, der Sprache, der Religion, der politischen oder sonstigen Meinung, des Vermögens oder sonstigen Standes, des nationalen oder sozialen Ur

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Pikart/Werner in Schick/Kahlenberg, Der Parlamentarische Rat, Bd. 5, 1. Hlbbd., S. 220 Fn. 1 belegen, dass insbesondere Bergsträßer schon vor der Publikation am 7.10.1948 in der Neuen Zeitung im Besitz einer Fassung des bereits im Dezember 1947 beschlossenen Entwurfs gewesen sein muss, so dass dieser trotz der erst später erfolgten vervielfältigten Veröffent­ lichung bereits den Beratungen des Redaktionskomitees zugrundegelegen haben kann. 64 Vgl. Pikart/Werner in Schick/Kahlenberg, Der Parlamentarische Rat, Bd.  5, 2.  Hlbbd., S. 751. 65 PRat-Drucks. Nr.  144; Pikart/Werner in Schick/Kahlenberg, Der Parlamentarische Rat, Bd. 5, 1. Hlbbd., S. 220 ff.

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3. Kap.: Gleichbehandlung von Weltanschauung und Religion

sprungs, kann sich auf alle in der vorliegenden Erklärung proklamierten Rechte und Freiheiten berufen.“66 Die Wirkung des Art.  3  Abs.  3  GG lässt sich folglich dahingehend zusammenfassen, dass hierdurch einerseits ein Diskriminierungsverbot hinsichtlich der inneren Überzeugung67 statuiert wird, die sowohl weltanschauliche, wie religiöse Überzeugungen schützt. Darüber hinaus werden einzelne Anschauungen zur Gestaltung der gesellschaftlichen Ordnung ebenfalls von Art. 3 Abs. 3 GG durch die Formulierung „religiöse und politische Anschauungen“ geschützt. Da es sich hierbei um innere Vorgänge handelt, die Motive der Meinungsäußerung sein können und das Grundgesetz, wie der systematische Vergleich gezeigt hat, selbst Benachteiligungen wegen einer öffentlich geäußerten Anschauung zulässt, kann dieser Aspekt des Art. 3 Abs. 3 nur als Gedankenfreiheit verstanden werden. Diese Freiheit der Gedanken ist klassisches liberales Gedankengut,68 hat jedoch der bisherigen Auslegung von Art.  4 Abs.  1  GG folgend dort keine eigene Berücksichtigung gefunden, so dass es überzeugend erscheint der von anderen Stellen des Grund­gesetzes stark abweichenden Formulierung der „religiösen und politischen Anschauung“ in dieser Hinsicht eigenes Gewicht beizumessen.69 Für die Differenzierung von Weltanschauung und Religion bleibt daher allein das Verbot der Differenzierung wegen des Glaubens maßgeblich, welches nach der Protokollerklärung des Grundsatzausschusses auch Bekenntnisäußerungen erfassen soll.

II. Besondere Differenzierungsverbote der Art. 33 Abs. 3 GG und Art. 136 Abs. 1 und Abs. 2 WRV Zu Art. 33 Abs. 3 Satz 2 GG ist bereits festgestellt worden, dass hierin ein zu Art. 3 Abs. 3 GG im Wesentlichen inhaltsgleiches Differenzierungsverbot zu sehen ist. Die Zugehörigkeit zu einer Weltanschauung unterscheidet sich insoweit

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Vgl. Pikart/Werner in Schick/Kahlenberg, Der Parlamentarische Rat, Bd.  5, 1.  Hlbbd., S. 221. Die Aufnahme des Merkmals der Sprache in Art. 3 Abs. 3 GG ist unmittelbar auf die Erwähnung in Art. 2 des Entwurfes zurückzuführen. Nach dem Verlesen des Entwurfs fragte v. Mangoldt hier: „Müssen wir das nicht noch hineinsetzen?“(vgl. Pikart/Werner in Schick/ Kahlenberg, Der Parlamentarische Rat, Bd. 5, 2. Hlbbd., S. 751). Daher ist eine Anlehnung der Fassung „religiöse und politische Anschauungen“ des Redaktionskomitees an „politischen oder sonstigen Meinung“ im Sinne des Entwurfs sehr wahrscheinlich. 67 Und darüber hinaus für den Bereich der Privatsphäre, vgl. S. 189. 68 Vgl. Bury, Die Geschichte der Gedankenfreiheit, Übers. von Thesing nach der Ausgabe von 1944. 69 A. A. Starck in v.  Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art.  4 Rn.  34 f. der die Gedankenfreiheit von Art. 4 Abs. 1 GG umfasst sieht, hierbei aber verkennt, dass der Begriff des Glaubens in Art. 4 Abs. 1 GG anders als Art. 3 Abs. 3 GG z. B. politische Anschauungen nicht mit ein­ bezieht.

B. Differenzierungsverbote

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nicht von dem durch Art. 3 Abs. 3 GG vor Diskriminierung geschützten Haben eines weltanschaulichen Glaubens.70 Art.  33 Abs.  3  Satz  1  GG und Art.  136 Abs.  1, Abs.  2 WRV enthalten weit­ gehend übereinstimmende Regelungen. Soweit man ihnen daher eigenständigen Inhalt zumessen will, kann sich dieser nur aus den leichten textlichen Differenzen ergeben. So nimmt Art. 136 Abs. 1 WRV im Unterschied zu den beiden anderen Bestimmungen neben den Rechten auch die Pflichten in Bezug, woraus teilweise unzutreffend die Annahme eines Gesetzesvorbehaltes für die Ausübung der Religionsfreiheit abgeleitet wird.71 Die Auslegung hat hierzu jedoch ergeben, dass Art. 136 Abs. 1 WRV es untersagt, durch die Ausübung der Religionsfreiheit weitere Rechte und Pflichten zu bedingen. Als weiteren Unterschied lässt sich da­ rüberhinaus nachweisen, dass Art. 136 Abs. 2 WRV und Art. 33 Abs. 3 Satz 1 GG anders als Art. 136 Abs. 1 WRV auf den „Genuss“ von Rechten beziehen. Daraus kann gefolgert werden, dass einerseits die Nutzung bürgerlicher und staatsbürgerlicher Rechte, darüber hinaus aber auch bereits die Existenz von Rechten und Pflichten unabhängig von der Ausübung der Religionsfreiheit sein sollen. Während Art. 136 Abs. 1 WRV dabei schließlich auf die Religionsausübung im Sinne der Kultusfreiheit abstellt, erfassen Art. 33 Abs. 3 Satz 1 GG und Art. 136 Abs. 2 WRV das religiöse Bekenntnis, also die kommunikative Verbreitung religiöser Glaubensüberzeugungen.72 Art.  33 Abs.  3  Satz  1  GG und Art.  136 Abs.  2  WRV unterscheiden sich ihrerseits wiederum nur durch die „im öffentlichen Dienst erworbenen Rechte“. Diese spezielle Beifügung zu Art. 33 Abs. 3 Satz 1 GG illustriert dabei, das wie zu Art.  136  Abs.  1  WRV bereits dargelegt, es Art.  33  Abs.  3  Satz  1  GG und Art.  136 Abs.  2 WRV nicht um das Gebot geht, die Freiheit des religiösen Bekenntnisses diskriminierungsfrei auszugestalten, sondern es verboten ist, an ein religiöses Bekenntnis den darüber hinausgehenden Erwerb weiterer Rechte, wie die im öffentlichen Dienst erworbenen, anzuknüpfen.

70 Vgl. auch Jachmann in v.  Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art.  33 Rn.  26. Zur Vergleichbarkeit von Art. 33 Abs. 3 und Art. 3 Abs. 3 GG allgemein auch Battis in Sachs, GG, Art. 33, Rn. 42; Kunig in v. Münch/Kunig, Art. 33 Rn. 35. Letzterer hebt nochmals ausdrücklich hervor, dass Art. 33 Abs. 3 Satz 2 GG nur die Zugehörigkeit, nicht aber die Ausübung erfasst. Dies ist konsequent, da das Grundgesetz über das Bekenntnis hinaus im Gegensatz zur auch in Satz 2 erwähnten Religion für Weltanschauungen keine Ausübungsformen kennt. 71 Vgl. die Darstellung im 1. Kapitel unter C. II. 1. 72 Art. 33 Abs. 3 Satz 1 GG und Art. 136 Abs. 2 WRV entsprechen damit wiederum dem erst durch die Protokollerklärung um den Begriff des Bekenntnisses erweiterten Verständnis des Glaubens aus Art. 3 Abs. 3 GG.

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3. Kap.: Gleichbehandlung von Weltanschauung und Religion

III. Ergebnis: Inhalt der Differenzierungsverbote Soweit sich aus Art.  3  Abs.  1  GG eine Gleichbehandlungspflicht von Welt­ anschauung und Religion ergibt, da beide eine sinnstiftende Gesamtauffassung zur Stellung des Menschen in der Welt umschreiben, die aufgrund subjektiver Überzeugung für das eigene Leben maßgeblich ist und geglaubt und bekannt werden kann, ist es zunächst gemäß Art. 3 Abs. 3 GG unzulässig, Differenzierungen im Bereich der Glaubensfreiheit vorzunehmen.73 Demnach darf eine Ungleichbehandlung weder allein an das Internum der weltanschaulichen Überzeugung, noch an deren, ohne Bezug zur Öffentlichkeit im Bereich der Privatsphäre auftretenden, externen Manifestation anknüpfen. Die Protokollfeststellung des Grundsatzausschusses zu Art. 3 Abs. 3 GG,74 sowie die Formulierung und die im Rahmen der interfraktionellen Beratung geäußerten Interpretation zu Art. 33 Abs. 3 Satz 2 GG75 sprechen ferner dafür, Ungleichbehandlungen zwischen Weltanschauung und Religion auch im Bereich der Bekenntnisfreiheit insoweit zu untersagen, als ein Nachteil allein auf dem Umstand der Bekenntnisäußerung beruht. Dies entspricht auch der Gleichordnung von religiösem und weltanschaulichem Bekenntnis in Art. 4 Abs. 1 GG.76 Das Differenzierungsverbot des Art. 33 Abs. 3 Satz 2 GG trifft eine zu Art. 3 Abs. 3 GG inhaltsgleiche Regelung, hebt dabei aber hervor, dass zum Bereich der durch das Differenzierungsverbot des Art. 3 Abs. 3 GG geschützten Glaubensfreiheit insbesondere die Zugehörigkeit zu einer Weltanschauung gehört.77 Die weiteren Differenzierungsverbote betreffen hingegen den Bereich der Religion und schützen daher die Weltanschauung nur mittelbar. Gemäß Art. 136 Abs. 1 GG dürfen von der Ausübung der Religionsfreiheit im Sinne der Kultusfreiheit nicht die Existenz darüberhinausgehender allgemeiner Rechte und Pflichten abhängig gemacht werden. Entsprechend verbieten Art. 136 Abs. 2 WRV und Art. 33 Abs. 3 Satz 1 GG, den Genuss weitergehender Rechte von einem religiösen Bekenntnis abhängig zu machen.78



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Vgl. 3. Kapitel B. I. Unter Glauben werde hier auch das Bekenntnis verstanden (vgl. v. Doemming/Füsslein/ Matz in Leibholz/v. Mangoldt, JöR Bd. 1 N. F., S. 69). 75 Feststellung Laforets (CSU), aus dem Kirchenaustritt solle kein Nachteil erwachsen (vgl. Feldkamp in Stelzl/Kahlenberg, Der Parlamentarische Rat, Bd. 11, S. 216 f.). 76 Vgl. 2. Kapitel B. I. 2. a) ee) (3) (a). 77 Vgl. so bereits auch die Feststellung zur Glaubensfreiheit, 2.  Kapitel  B. I.  2.  a)  ee)  (1) (­Haben einer Weltanschauung). 78 Vgl. 3. Kapitel B. II.

C. Ungleichbehandlungen

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C. Ungleichbehandlungen und deren verfassungsrechtliche Rechtfertigung Die Darstellung der gegenwärtigen juristischen Problemkonstellationen aus dem Bereich der Weltanschauungsfreiheit hatte mehrere Fälle aufgezeigt, in denen zwischen Weltanschauung und Religion differenziert wurde.79 Um die Frage aufzuklären, unter welchen Voraussetzungen Ungleichbehandlungen von Welt­ anschauung und Religion verfassungsrechtlich gerechtfertigt sein können, sind daher zunächst die verschiedenen Fälle von Ungleichbehandlungen darzustellen und zu überprüfen, ob es angesichts der durch Art. 3 Abs. 1 GG angeordneten Reichweite der Gleichbehandlung einer verfassungsrechtlichen Rechtfertigung der Ungleichbehandlung bedarf (I.). Sodann ist festzustellen, welche unterschiedlichen Rechtfertigungen vorgebracht werden können (II.). Schließlich ist darzulegen, ob damit die Ungleichheit im Ergebnis gerechtfertigt ist, oder ob eine unzulässige Ungleichbehandlung vorliegt (III.).

I. Ungleichbehandlungen Einfachgesetzlich angeordnete Ungleichbehandlungen von Weltanschauung und Religion konnte im Rahmen der Untersuchung in einer Mehrzahl von Fällen festgestellt werden. Nachfolgend sollen daher die thematisierten Fälle der Ungleichbehandlung aufgegriffen und überprüft werden. Zunächst ist dabei der Fall des § 11 Abs. 1 Nr. 3 WPflG zu nennen, der hauptamtlich tätige Geistliche anderer Bekenntnisse als solche des evangelischen und römisch-katholischen Bekenntnisses vom Wehrdienst befreit.80 Über den Sinn und Zweck der Norm wurde strittig diskutiert,81 als ein Normzweck wurde dabei die Aufrechterhaltung der Seelsorge und des Kultes im Verteidigungsfall genannt.82 Darüber hinaus kann in der Norm jedoch auch eine gesetzlich typisierte Gewissensentscheidung aufgrund des Glaubensinhaltes gesehen werden, die anders als andere Gewissensentscheidungen bereits durch eine der Diakonatsweihe entsprechende dauernde Entscheidung objektiv verfestigt wurde, und daher keine Gefahr der Umgehung des Wehrdienstes eröffnet. Hinsichtlich des ersten Normziels, der Aufrechterhaltung des Kultus rechtfertigt Art. 3 Abs. 1 GG bereits nicht die Gleichstellung von Weltanschauung und Religion, sondern fordert eine unterschiedliche Behandlung, da Weltanschauungen keine kultische Verehrung außerhalb des Menschen liegender Erkenntnisquellen vorsehen.83 Lediglich soweit in § 11 Abs. 1 Nr. 3 WPflG vorrangig eine normative Typisierung des Glaubensinhaltes und einer darauf beruhenden Ge

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Vgl. 1. Kapitel A. III. 2. Vgl. zum Fall unter 1. Kapitel A. III. 2. a). 81 Vgl. v. Campenhausen in v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 136 WRV Rn. 7 m. w. N. 82 Vgl. Obermayer, DÖV 1976, S. 81ff zu diesem Argument aus den Gesetzesberatungen. 83 Vgl. 2. Kapitel B. I. 2. b) cc).

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3. Kap.: Gleichbehandlung von Weltanschauung und Religion

wissensentscheidung gesehen wird, würde Art.  3 Abs.  1  GG grundsätzlich eine Gleichbehandlung verlangen, so dass eine rechtfertigungsbedürftige Ungleichbehandlung gegeben wäre. § 52 Abs.  1 AO84 geht von einer Gemeinnützigkeit aus, wenn die Allgemeinheit auf materiellem, geistigem oder sittlichem Gebiet selbstlos gefördert wird. § 52 Abs. 2 Nr. 2 AO nennt als Beispiel jedoch nur die Förderung der Religion. Da festgestellt wurde, dass auch Weltanschauungen subjektiv verbindliche, sinnstiftende Gesamtauffassung bieten, ordnet Art.  3 Abs.  1  GG hier ebenfalls eine Gleichbehandlung an, da eine vergleichbare selbstlose Förderung auf geistigem und sittlichem Gebiet gegeben ist. Die Formulierung des § 52 Abs.  2  Nr.  2 AO nur auf die Religion abzustellen, ist daher ebenfalls eine rechtfertigungsbedürftige Ungleichbehandlung. § 118 Abs. 2 BetrVG85 nimmt Religionsgemeinschaften und ihre karitativen und erzieherischen Einrichtungen unbeschadet deren Rechtsform insgesamt von der Geltung des BetrVG aus, während § 118 Abs. 1 BetrVG im Grundsatz nur Ausnahmen vorsieht, soweit die Eigenart des Unternehmens oder des Betriebs der Anwendung des BetrVG entgegensteht. Aufgrund der systematischen Stellung des Abs. 2 ist daher davon auszugehen, dass der Gesetzgeber hier eine gesetzliche Typisierung vorgenommen hat, nach der bei Religionsgemeinschaften allgemein davon ausgegangen werden kann, dass die Anwendung des BetrVG der Eigenart als Religionsgemeinschaft entgegensteht. Da dies eine typisierende Betrachtung der Glaubenslehre voraussetzt, liegt entgegen Art. 3 Abs. 1 GG eine Ungleichbehandlung auf dem Gebiet des Glaubens zwischen Weltanschauungs- und Religions­ gemeinschaften vor. § 9 Abs. 2 Satz 1 SchulG des Landes Brandenburg86 sah vor, dass nur Kirchen und Religionsgemeinschaften Religionsunterricht in den staatlichen Schulen erteilen dürfen, nicht aber Weltanschauungsgemeinschaften. Die Auslegung hatte ergeben, dass die Weitergabe des Glaubens wesentlicher Teil der Bekenntnisfreiheit ist,87 und die Bekenntnisfreiheit aufgrund des historischen Verständnisses des Parlamentarischen Rates als von Art. 3 Abs. 3 GG miterfasst angesehen werden soll.88 Da Art. 4 Abs. 1 GG ferner zeigt, dass Weltanschauungen und Religionen hinsichtlich ihrer sinnstiftenden Gesamtauffassung bekannt werden können, liegt auch in diesem Fall eine grundsätzlich rechtfertigungsbedürftige Ungleichbehandlung im Sinne des Art. 3 Abs. 1 GG vor. Ferner wurde dargelegt, dass die §§ 19 und 20 AGG die Weltanschauung vom Schutz vor Benachteiligung im Zivilrechtsverkehr ausdrücklich ausnehmen, wäh

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Vgl. zum Fall unter 1. Kapitel A. III. 2. b). Vgl. zum Fall unter 1. Kapitel A. III. 2. c). 86 Vgl. zum Fall unter 1. Kapitel A. III. 2. d) 87 Vgl. 2. Kapitel B. I. 2. a) ee) (3) (a). 88 Vgl. die Darstellung zur Beratung des Art. 3 Abs. 3 auf S. 303.

C. Ungleichbehandlungen

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rend die Weltanschauung in den §§ 1 und 9 AGG der Religion gleichgestellt wird.89 Als Grund für diese gesetzlich typisierte Ungleichbehandlung ließ sich dem Gesetzgebungsverfahren entnehmen, dass sich Rechtsradikale nicht auf das zivilrechtliche Benachteiligungsverbot berufen können sollen.90 Diese Regelung erfasst daher, hinsichtlich der damit bezeichneten Gruppen jedenfalls, eine Einschränkung der Möglichkeiten zur Betätigung des Bekenntnisses. Soweit über diese, vom Gesetzgeber im Gesetzgebungsverfahren speziell benannten Gruppen hinaus jedoch auch alle weiteren Personen aufgrund der überschießenden Re­gelung91 ebenfalls ausgenommen werden, nur weil sie einer Weltanschauung angehören, liegt bereits eine rechtfertigungsbedürftige Ungleichbehandlung auf dem Gebiet der Glaubensfreiheit vor.

II. Verfassungsrechtliche Rechtfertigung Als Rechtfertigungen für die einfachgesetzliche Ungleichbehandlung von Weltanschauung und Religion können zwei unterschiedliche Argumentationsansätze unterschieden werden. Einerseits können tatsächliche Unterschiede zwischen Weltanschauung und Religion eine Ungleichbehandlung rechtfertigen, da insoweit kein im Sinne des Art. 3 Abs. 1 GG vergleichbarer Sachverhalt gegeben ist (1.). Darüber hinaus können Ungleichbehandlungen durch entsprechende verfassungsrechtliche Differenzierungen legitimiert sein (2.). 1. Tatsächliche Unterschiede Die Darstellung der Ungleichbehandlungen hat zahlreiche Fälle der Differenzierung von Weltanschauung und Religion ergeben, die den Bereich der Glaubensfreiheit betreffen. Gemäß Art. 3 Abs. 3 GG und Art. 33 Abs. 3 Satz 2 GG ist eine Differenzierung wegen des Glaubens und der Zugehörigkeit zu einer Welt­ anschauung unzulässig.92 Um eine solche unzulässige Differenzierung allein wegen des Glaubens oder der Zugehörigkeit zu einer Weltanschauung handelt es sich jedoch nicht, soweit die Differenzierung an tatsächliche bestehende Unterschiede anknüpft, da dann die unterschiedliche Behandlung nicht allein auf dem Glauben beruht. Entsprechend hat das Bundesverfassungsgericht in dem Verfahren Josefine Mutzenbacher93 explizit entschieden, dass der Gesetzgeber auf tatsächliche Unterschiede in der gesellschaftlichen Betätigung und Verbreitung von Religions- und

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Vgl. zur Darstellung des Gesetzgebungsverfahrens S. 51 f. Vgl. BTDrucks 16/2022, S. 13. 91 Vgl. S. 64. 92 Vgl. 3. Kapitel B. III. 93 BVerfG, Beschluss vom 27.11.1990, Az.: 1 BvR 402/87, BVerfGE 83, S. 130 ff.

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3. Kap.: Gleichbehandlung von Weltanschauung und Religion

Weltanschauungsgemeinschaften als Maßstab gesetzlicher Differenzierung abstellen darf und auch insoweit keine verfassungswidrige Ungleichbehandlung vorliegt.94 Eine absolute Gleichbehandlung zwischen Weltanschauung und Religion ist mithin auch nicht nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gefordert.95 Die Auslegung hat ferner gezeigt, dass auch der Verfassungsgeber bei der Ausgestaltung des Grundgesetzes an tatsächliche Unterschiede zwischen Weltanschauung und Religion in der gesellschaftlichen Akzeptanz, Verbreitung und Missbrauchsgefahr zur argumentativen Rechtfertigung angeknüpft hat.96 Die Rechtfertigung der Differenzierung von Weltanschauung und Religion anhand tatsächlicher Unterschiede wird daher schließlich in zutreffender Weise auch von der Fachgerichtsbarkeit aufgegriffen. So soll jedenfalls das tatsächlich unterschied­ liche Bedürfnis nach Seelsorge in der Bevölkerung97 oder die unterschiedliche Anzahl von Mitgliedern98 eine unterschiedliche Behandlung von Weltanschauung und Religion rechtfertigen können. Für die oben dargestellten Ungleichbehandlungen lässt sich daher feststellen, dass § 11 Abs. 1 Nr. 3 WPflG nicht allein an den Glauben anknüpft, sondern aufgrund der unterschiedlichen Anzahl der Mitglieder von Weltanschauungs- und Religionsgemeinschaften im Verteidigungsfall tatsächlich ein unterschiedliches Bedürfnis nach Seelsorge in der Bevölkerung besteht,99 das es rechtfertigt Angehörige einer Weltanschauungsgemeinschaft nicht von der Wehrpflicht zu befreien, zumal einige Weltanschauungsgemeinschaften überhaupt keine kultähn­ lichen Handlungen pflegen.100 Hinsichtlich § 52 Abs. 2 Nr. 2 AO erscheinen hingegen keine tatsächlichen Unterschiede zwischen Weltanschauungs- und Religionsgemeinschaften zu bestehen, soweit beide ohnehin die weiteren Voraussetzungen des § 52  Abs.  1  AO erfül 94 Vgl. BVerfGE 83, S. 130 (150 f.). Demnach ist es zulässig, dass § 9 Abs. 2 Nr. 8 GjS Vertreter von Religionsgemeinschaften zur Mitwirkung bei Entscheidung der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften beruft, nicht jedoch Vertreter von Weltanschauungsgemeinschaften. Dies sei durch die besondere (tatsächliche) Befassung der Kirchen mit der Kinder- und Jugendbetreuung gerechtfertigt. Zu weiteren einfachgesetzlichen Unterscheidungen zwischen Weltanschauungs- und Religionsgemeinschaften vgl. auch Fn. 4 auf S. 28. 95 Die Entscheidung zeigt ferner, dass auch nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes, die von einem einheitlichen Schutzbereich der Religionsfreiheit ausgeht, die Unterscheidung zwischen Weltanschauung und Religion aufgrund einfachgesetzlicher Normierung verfassungsrechtlich relevant werden kann und Weltanschauung und Religion daher voneinander grundsätzlich auch unterschieden werden können. Vgl. hierzu 1. Kapitel A. I. zum „Ob“ der Differenzierung zwischen Weltanschauung und Religion. 96 Vgl. 2. Kapitel B. I. 2. b) aa) (4) (a). 97 BVerwG, Urteil vom 14.11.1980, Az.: 8 C 12/79, BVerwGE 61, 152 (158f). 98 So bei der Vergabe von Rundfunksendezeiten an Weltanschauungsgemeinschaften: Bayerischer VGH, Urteil vom 29.1.2007, Az.: 7 BV 06.764, ZUM-RD 2007, S. 217 (221 f.). 99 BVerwG, Urteil vom 14.11.1980, Az.: 8 C 12/79, BVerwGE 61, S. 152 (158f). 100 Vgl. z. B. die Darstellung zur Gotterkenntnis nach Mathilde Ludendorff, 2. Kapitel B. I. 1. c) aa) (6). Auch Müller-Volbehr, JuS 1981, S. 729 verweist als tatsächlichen Unterschied darauf, dass Weltanschauungen kein konstituierendes, den Kultus realisierendes Amt kennen würden.

C. Ungleichbehandlungen

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len müssen, die Allgemeinheit auf materiellem, geistigem oder sittlichem Gebiet selbstlos zu fördern, um in den Genuss der Feststellung der Gemeinnützigkeit zu kommen. Ferner ist zu berücksichtigen, dass Art. 136 Abs. 1, 2 WRV es gerade untersagen die Existenz und den Genuss weitergehender Rechte, wie der steuer­lichen Gemeinnützigkeit allein von der Ausübung einer Religion und dem religiösen Bekenntnis abhängig zu machen. Daher muss es ohnehin vorrangig auf das Vorliegen der Voraussetzungen des § 52 Abs. 1 AO ankommen. Die Entscheidung des BFH § 52 Abs. 2 Nr. 2 AO im Wege der verfassungskonformen Auslegung auch auf Weltanschauungen auszudehnen,101 erscheint daher folgerichtig. § 118  Abs.  2  BetrVG wurde als gesetzliche Typisierung eines Anwendungskonflikts des BetrVG mit der Eigenarten einer Religionsgemeinschaft verstanden. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass die Ausübung der Religionsfreiheit gemäß Art. 136 Abs. 1 WRV allein nicht die Dispens von über die Kultusfreiheit hinausgehenden allgemeinen Pflichten begründen kann. Die generelle Befreiung von der Anwendung des BetrVG geht auch über den Bereich der Kultusfreiheit hinaus. Die Typisierung erscheint daher auf der Erwägung zu beruhen, dass Religion eine für das eigene Leben maßgeblich sinnstiftende Gesamtauffassung ist, von der eine glaubensmäßige subjektive Überzeugung besteht. Daher wird es typischerweise zu Konflikten mit den Regelungen des BetrVG kommen, da der Glaube die Berücksichtigung gegenläufiger Interessen einfordert. Diese typisierende Erwägung trägt zwar die Sonderregelung des § 118 Abs. 2 ­ etrVG gegenüber Abs. 1, jedoch keine Differenzierung der Religion gegenüber B der Weltanschauung innerhalb des Abs.  2, da auch Weltanschauungen auf vergleichbaren glaubensmäßigen Grundlagen beruhen und daher typisiert auch ein vergleichbares Konfliktpotential bieten. Tatsächliche Unterschiede, die gleichwohl eine Unterscheidung rechtfertigen, sind nicht ersichtlich. So zeigen das Beispiel der vom Arbeitgeber im Verfahren des LAG Hamm geltend gemachten Einwendungen deutlich, dass ein tatsächlich vergleichbarer Sachverhalt hinsichtlich der Gefährdungslage bestehen kann:102 Die als Weltanschauung klassifizierte anthro­ posophische Überzeugung erfordere gerade eine durchgehende und umfassende Betreuung des Patienten durch einen Arzt. Die Mitwirkung eines Betriebsrates bei der Anordnung von Überstunden zur Gewährleistung dieser Betreuung gefährdet daher das Bekenntnis der überzeugungsgeleiteten Tendenz des Betriebs in einer vergleichbaren Art und Weise, wie dies bei einer von einer Religionsgemeinschaften geführten Einrichtungen der Fall wäre. Als tatsächliche Umstände, die die Differenzierung des § 9 Abs. 2 Satz 1 ­SchulG des Landes Brandenburg zwischen Weltanschauungs- und Religionsgemeinschaften rechtfertigen könnten, wären weltanschaulich-religiöse Sachzwänge des jeweiligen Landes zu nennen. Daher hat das Bundesverfassungsgericht vor die 101

Vgl. BFH, Urteil vom 23.9.1999, Az. XI R 66/98, BFHE 190, 278 = NVwZ 2000, S. 967 f. Vgl. Tatbestandsdarstellung zum Beschluss des LAG Hamm vom 17.5.2002, Az.: 10 TaBV 140/01; NZA-RR 2002, S. 625 = KirchE 40 (2002), S. 282. 102

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3. Kap.: Gleichbehandlung von Weltanschauung und Religion

sem Hintergrund die mit einer Entscheidung des Landesgesetzgebers zugunsten christlicher Gemeinschaftsschulen einhergehende faktische Begünstigung eines religiösen Bekenntnisses für zulässig erachtet.103 So wäre ein möglicher Differenzierungsgrund, dass Weltanschauungsgemeinschaften im Gegensatz zu Religionsgemeinschaften nicht über vergleichbar ausgestaltete Lehrpläne oder hinreichend qualifizierte Lehrkräfte verfügen würden, oder aber die Anzahl der Mitglieder der Weltanschauungsgemeinschaften einen sinnvollen weltanschaulichen Ersatz­ unterricht nicht erwarten ließen. Zu diesen tatsächlichen Unterscheidungsmöglichkeiten hat das Landesverfassungsgericht jedoch festgestellt, dass im Land Brandenburg kein hinreichend tatsächlicher Unterschied zwischen der Anzahl der Anhänger einer Religion und einer Weltanschauungsgemeinschaft besteht und dass im Nachbarland Berlin von der betroffenen Weltanschauungsgemeinschaft vergleichbar qualifizierter Unterricht in ihrer Weltanschauung erteilt wird.104 Es ist daher mit der gerichtlichen Feststellung davon auszugehen, dass keine die Differenzierung rechtfertigenden tatsächlichen Unterschiede bestehen. Schließlich ist auf die §§ 19  und  20  AGG einzugehen. Tatsächliche Unterschiede, die eine Unterscheidung von Weltanschauung und Religion hinsichtlich des Schutzes vor Benachteiligung im Zivilrechtsverkehr rechtfertigen könnten, wären gegeben, wenn es sich bei weltanschaulichen Bekenntnisäußerungen typischer Weise wie vom Gesetzgeber zur Begründung angegeben, um solche mit rechtsextremem Inhalt handeln würde, die keine vergleichbare Akzeptanz in der Bevölkerung finden und andere Rechtsgütern von Verfassungsrang, wie das Recht der persönlichen Ehre und die Menschenwürde regelmäßig verletzten. Bereits im Gesetzgebungsverfahren wurde jedoch zum Ausdruck gebracht, dass soweit sich Rechtsextreme überhaupt auf die Weltanschauungsfreiheit berufen könnten, diese Argumentation jedenfalls nicht die Weite der vorgesehenen Streichung tragen, da Weltanschauung vor allem anthroposophisches und freidenkerisches Gedankengut erfasse.105 Insoweit ist daher auch kein tatsächlicher Unterschied ersichtlich, vielmehr ist entgegen Art. 33 Abs. 3 Satz 2 GG und Art. 3 Abs. 3 GG von einer Benachteiligung wegen der Zugehörigkeit zu einer Weltanschauung auszugehen. 2. Auswirkung verfassungsrechtlicher Differenzierungen Neben der Differenzierung aus tatsächlichen Gründen können auch im Grundgesetz selbst zwischen Weltanschauung und Religion vorgesehene Unterscheidungen eine unterschiedliche Behandlung rechtfertigen. So hat das Bundesverfassungsgericht bereits früh in einer Entscheidung zu Fragen der Umsatzsteuer­befreiung106 103 BVerfG, Beschluss vom 17.12.1975, Az.: 1 BvR 63/68, BVerfGE 41, S. 29; BVerfG, Beschluss vom 17.12.1975, Az.: 1 BvR 428/69, BVerfGE 41, S. 65 (78). 104 VerfGBbg, Urteil vom 15.12.2005, Az.: 287/03, NVwZ 2006, S. 1052 = DÖV 2006, S. 258. 105 Vgl. zur Darstellung S. 52; BTDrucks 16/2022, S. 12. 106 BVerfG, Beschluss vom 4.10.1965, Az.: 1 BvR 498/62, BVerfGE 19, S. 129 ff.

C. Ungleichbehandlungen

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darauf hingewiesen, dass es jedenfalls sachgerecht im Sinne von Art. 3 Abs. 1 GG sei, vom Grundgesetz getroffene Unterscheidungsmerkmale in einfachgesetz­liche Regelungen umzusetzen. Insoweit sei keine Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes gegeben; das Grundgesetz selbst verlange keine schematische Gleichbehandlung.107 Als im Grundgesetz angelegte Unterscheidungsmerkmale zwischen Weltanschauung und Religion kommen daher die Regelungen der Kultusfreiheit (a) und die Gewährleistung des Religionsunterrichtes (b) als weitere verfassungsrechtliche Rechtfertigungen einer Differenzierung in Betracht. a) Kultusfreiheit (Art. 4 Abs. 2 GG; Art. 136 Abs. 4, Art. 141 WRV) Die Untersuchungen zur Kultusfreiheit hatten gezeigt, dass diese nur religiöse, nicht aber weltanschauliche Handlungsformen umfasst, da die Kultusfreiheit der Verehrung höherer Mächte und außerhalb des Menschen liegender Erkenntnis­ quellen dient.108 Eine diese besondere Privilegierung rechtfertigende subjektive Zielsetzung liegt bei Weltanschauungen nicht vor. Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes zur Befreiung eines Scientology-Mitgliedes von der Wehrpflicht hebt mit Blick auf diese Erwägung daher bemerkenswert hervor, dass Art. 141 WRV die Weltanschauungsgemeinschaften ausdrücklich nicht erwähne,109 um die in § 11 Abs. 1 Nr. 3 WPflG enthaltende Differenzierung von Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften zu rechtfertigen. Soweit § 11 Abs. 1 Nr. 3 WPflG der Sicherung der Kultusausübung im Verteidigungsfall dient,110 wird die unterschiedliche Behandlung von Weltanschauungen und Religionen durch die Regelungen des Grundgesetzes zur Kultusfreiheit legitimiert. Es handelt sich hierbei auch nicht um ein über den Anwendungsbereich der Kultusfreiheit hinausgehenden Anwendungsfall, vielmehr ist die Ausübung der Kultusfreiheit selbst unmittelbar eingeschränkt, wenn es im Verteidigungsfall an entsprechend den Voraussetzungen des § 11 Abs. 1 Nr. 3 WPflG in Kulthandlungen geschulten Personen fehlt. Deutlich wird die durch die Kultusfreiheit legitimierte Differenzierung von Weltanschauung und Religion auch am Beispiel des § 18 Abs. 1 Nr. 4 ArbZG. Nur der liturgische Bereich von Kirchen und Religionsgemeinschaften wird hier von der Anwendung des ArbZG ausgenommen. Eine Gleichbehandlung von Welt­ anschauung und Religion sieht die Norm nicht vor.111 Die textliche Fassung des 107

Vgl. BVerfGE 19, S. 129 (134). Vgl. die Darstellung auf S. 203 und im 2. Kapitel unter B. I. 2. b) cc). 109 BVerwG, Urteil vom 14.11.1980, Az.: 8 C 12/79, BVerwGE 61, S. 152 ff. (159). 110 Vgl. BVerwG, Urteil vom 14.11.1980, Az.: 8 C 12/79, BVerwGE 61, S. 152 (158f). und Obermayer, DÖV 1976, S. 81 ff. 111 Anzinger/Koberski, ArbZG, § 18 Rn. 23, verweisen darauf dass § 18 Abs. 1 Nr. 4 ArbZG keine konstitutive Ausnahme, sondern eine Klarstellung zu Art. 4 Abs. 2 GG sei und sich daher nur auf die Religionsausübung beziehe. Teilweise a. A. Baeck/Deutsch, ArbZG, § 18 Rn. 25: Der Gesetzgeber habe sich bewusst für den gegenüber Art. 4 Abs. 2 GG engeren Begriff der Liturgie entschieden. Die in der Kommentierung aufgezählten Beispiele von Taufe, Abendmahl, 108

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3. Kap.: Gleichbehandlung von Weltanschauung und Religion

ArbZG bestätigt dadurch mittelbar ebenfalls die Auslegung, dass sich die Welt­ anschauungsfreiheit nicht auf den Bereich der Kultusfreiheit erstreckt.112 Einer Legitimierung der durch die ebenfalls arbeitsrechtliche Norm des § 118 Abs.  2  BetrVG angeordneten Ungleichbehandlung von Weltanschauungen und Religionen steht demgegenüber Art. 136 Abs. 1 WRV entgegen. Zwar weist das LAG Hamm zur Rechtfertigung der Ungleichbehandlung auf den Religionen zukommenden „Offenbarungscharakter“ hin113 und verweist damit auf einen zur Kultusfreiheit gehörenden Aspekt, der Religionen von Weltanschauungen unterscheiden kann.114 In seiner Reichweite geht § 118 Abs. 2 BetrVG jedoch anders als § 18 Abs. 1 Nr. 4 ArbZG ersichtlich über den Schutzbereich der Kultusfreiheit hinaus. Solcherart über Art. 4 Abs. 2 GG hinausgehende Rechte von der Ausübung der Religionsfreiheit abhängig zu machen, wird jedoch gerade von Art. 136 Abs. 1 WRV untersagt.115 Soweit das LAG mit dem Hinweis auf den Offenbarungscharakter der Religionen auf das besondere Maß der Verbindlichkeit von Religionen hinweisen will, welche eine Befreiung von der Anwendung des BetrVG rechtfertige, wurde hingegen dargelegt, dass Weltanschauungen in gleicher Art und Weise subjektive Verbindlichkeit für den Einzelnen entfalten und daher dieser Unterschied keine Differenzierung gestattet.116 b) Religionsunterricht (Art. 7 Abs. 2, 3 GG) Hinsichtlich der Untersuchung des Art. 7 Abs. 2, 3 GG wurde festgestellt, dass das Grundgesetz als bundesweiten Mindeststandard nur die Erteilung von Reli­ gionsunterricht festschreibt, es Bundesländern jedoch unbenommen ist, über diese Mindestanforderung unter Berücksichtigung der eigenen landesspezifischen Gegebenheiten hinauszugehen.117 Auch in der rechtswissenschaftlichen Literatur wird in Art. 7 GG daher teilweise eine Sondernorm gesehen, die eine ungleiche

Lesung, Predigt, Gottesdienst, Stundengebet, Kasualien, Andachten und Prozessionen entsprechen jedoch alle ebenfalls dem in der vorliegenden Arbeit restriktiv auf den Bereich der Kultusfreiheit gegenüber der weitergehenden Auslegung des BVerfG beschränkten Bereich des Art. 4 Abs. 2 GG. 112 Vgl. 2. Kapitel B. I. 2. b) cc). 113 Vgl. die ausführliche Darstellung der Urteilsbegründung auf S. 47. 114 Vgl. 2. Kapitel B. I. 2. b) cc). 115 Vgl. 3. Kapitel B. III. 116 Vgl. 2. Kapitel B. I. 1. e), ebenso weist auch das BVerwG im Urteil vom 19.2.1992, Az.: 6 C 5/91, BVerwGE 89, S. 368 (370 f.) darauf hin, dass Weltanschauungen den Menschen zu sinnentsprechenden Werturteilen hinführen, und die so gewonnene individuelle Wahrheitsüberzeugung einer Sinn- und Werteordnung zur subjektiv verbindlichen Gewissheit werden. A. A. Wilms in FS Maurer, S. 503. Da Weltanschauungen menschliche Gedankensysteme seien, wäre ihnen die Fehlbarkeit erkennbar inhärent. Daher käme ihnen keine der Religion vergleichbare subjektiv verbindliche Gewissheit zu. 117 Vgl. 2. Kapitel B. I. 2. d) dd).

C. Ungleichbehandlungen

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Behandlung von Weltanschauungsunterricht und Religionsunterricht legitimiert.118 Die Entstehungsgeschichte des § 9 Abs. 2 Satz 1 SchulG des Landes Brandenburg zeigt deutlich, dass zunächst gar keine Ausnahme vom Pflichtunterricht in Lebensgestaltung, Ethik, Religionskunde (LER) geplant war und die im Wege des Vergleichs vor dem BVerfG geschaffene Neuregelung vor allem die Bedenken der evangelischen und katholischen Kirchen auf Vereinbarkeit dieser Regelung mit der Bundesverfassung ausräumen sollte.119 Diese wollten mithin gerade die durch Art.  7 Abs.  2,  3  GG gewährleisteten Mindeststandards gewahrt sehen. Bundes­ verfassungsrechtlich würde die auf den Religionsunterricht beschränkte Fassung des Art. 7 Abs. 2, 3 GG daher die Ungleichbehandlung von Weltanschauung und Religion im Bereich der Bekenntnisfreiheit legitimieren. Das Landesverfassungsgericht hat weitergehend jedoch festgestellt, dass die Landesverfassung gleichwohl eine Gleichstellung von Weltanschauung und Religion fordern würde. Dieser Argumentation kann im Ergebnis, nicht aber in der Begründung gefolgt werden.

III. Ergebnis Art. 3 Abs. 1 GG gebietet eine Gleichbehandlung von Weltanschauung und Religion, soweit vergleichbare Sachverhalte gegeben sind.120 Dies ist vor allem im Bereich der Glaubens- und der Bekenntnisfreiheit der Fall.121 Darüberhinaus gebietet auch die durch Art. 137 Abs. 7 WRV angeordnete Gleichstellung eine teilweise Gleichbehandlung von Weltanschauung und Religion im kollektiven Bereich.122 Willkürliche Differenzierung zwischen Weltanschauung und Religion sind insoweit verboten. Die im Regelungszusammenhang mit Art.  3 Abs.  1  GG stehenden Differenzierungsverbote konkretisieren hierbei noch den Tatbestand der willkürlichen Differenzierung. Eine Unterscheidung von Weltanschauung und Religion kommt zusammen­ fassend demnach nur in Betracht, wenn und soweit diese entweder grundgesetzlich durch die Unterscheidung zwischen weltanschaulichen und religiösen Freiheitsrechten legitimiert ist,123 oder auf tatsächlichen Unterschieden der öffentlichen Erscheinungsform beruhen.124 Eine willkürliche Differenzierung ist im Bereich der negativen Bekenntnisfreiheit mit Blick auf Art. 136 Abs. 3 Satz 2 WRV auch dann nicht anzunehmen, wenn die aus der Frage nach der Zugehörigkeit zu einer Be 118 Starck in v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 4 Rn. 19; Fleischer, Religionsbegriff, S. 164; Janz, LKV 2004, S. 356 f., Hanßen, LKV 2003, S. 153 (156f), Janz, LKV 2006, S. 208 (209), Heun in ZRG, Kanonistische Abteilung 86 Bd. 117 (2000), S. 334 (361 Fn. 176), Fischer, FR 2000, S. 566 (569). 119 Vgl. BVerfG, Beschluss vom 11.12.2001, Az.: 1 BvF 1/96 u. a., NVwZ 2002, S. 980 f. 120 Vgl. 3. Kapitel A. II. 121 Vgl. 2. Kapitel B. I. 2. a) ee). 122 Vgl. 2. Kapitel B. I. 2. e) ee). 123 Vgl. 3. Kapitel C. II. 2. 124 Vgl. 3. Kapitel C. II. 1.

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3. Kap.: Gleichbehandlung von Weltanschauung und Religion

kenntnisgemeinschaft resultierenden Unterschiede in der Behandlung von Weltanschauung und Religion auf schützenswerten Rechten und Pflichten Dritter beruhen.125 Anhand dieses Maßstabs liegt für den generellen Ausschluss der Weltanschauung aus §§ 19 und 20 AGG keine hinreichende verfassungsrechtliche Rechtfertigung vor. Gerade der Unterschied zu den §§ 1 und 9 AGG macht deutlich, dass die Anhänger einer Weltanschauung anders als die Angehörigen einer Religion, nur vom Anwendungsbereich der §§ 19 und 20 AGG ausgeschlossen werden, weil sie die Anhänger einer Weltanschauung sind. Die in der Differenzierung liegende Benachteiligung der Anhänger einer Weltanschauung verstößt gegen das Differenzierungsverbot des Art. 33 Abs. 3 Satz 2 GG. In ihrer wörtlichen Fassung sind die §§ 19 und 20 AGG verfassungswidrig.126 Da der Gesetzgeber bewusst darauf verzichtet hat die Weltanschauung ins­ gesamt aufzunehmen, liegt auch keine im Wege der verfassungskonformen Auslegung ausfüllungsfähige Lücke vor.127 Für eine der gesetzgeberischen Intention folgende Beschränkung des Ausschlusses von Weltanschauungen auf solche mit rechtsradikalen Betätigungsformen128 fehlt es an einer hinreichend konkreten Umschreibung der tatsächlich missbilligten weltanschaulichen Handlungsformen. §§ 19, 20 AGG sind daher insoweit für nichtig zu erklären, wobei dem Gesetzgeber ggf. eine Frist zur verfassungskonformen Ausgestaltung eingeräumt werden kann. Hinsichtlich der Unterscheidung zwischen Weltanschauung und Religion in § 118 Abs. 2 BetrVG musste festgestellt werden, dass keine tatsächlichen Unterschiede zwischen Weltanschauung und Religion ersichtlich sind, die eine entsprechende Privilegierung der Weltanschauungsgemeinschaften rechtfertigen könnten. Die Rechtfertigung kann aufgrund des Art. 136 Abs. 1 WRV auch nicht an die Privilegierung der religiösen Kultusfreiheit anknüpfen, da der Anwendungsbereich des § 118 Abs. 2 BetrVG ersichtlich weiter gefasst ist und über den Anwendungsbereich der Kultusfreiheit hinaus weitergehende Rechte eröffnet. Ebenso wie bei § 52 Abs. 2 Nr. 2 AO ist hier jedoch eine verfassungskonforme Auslegung möglich. Hingegen ist die Unterscheidung zwischen Weltanschauung und Religion in § 11 Abs. 1 Nr. 3 WPflG sowohl aufgrund der gesetzlich typisierten Betrachtung tatsächlich bestehender Unterschiede, als auch durch die verfassungsrechtliche Privilegierung der Kultusfreiheit gerechtfertigt. Eine Ungleichbehandlung ist daher aufgrund insoweit fehlender Vergleichbarkeit sogar durch Art. 3 Abs. 1 GG geboten. Eine dem ehemaligen § 9 Abs. 2 Satz 1 SchulG des Landes Brandenburg 125

Vgl. 2. Kapitel C. II. 2. b). So auch Wendeling-Schröder in Wendeling-Schröder/Stein, AGG, Vor. § 19 Rn. 4 m. w. N. 127 A. A. für die Möglichkeit Weltanschauung im Wege verfassungskonformer Auslegung unter das Merkmal der Religion zu fassen: Franke/Schlichtmann in Däubler/Bertzbach, AGG, § 19 Rn. 17. 128 Vgl. S. 51; BTDrucks 16/2022, S. 13. 126

C. Ungleichbehandlungen

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entsprechende Privilegierung des Religionsunterrichtes gegenüber dem Weltanschauungsunterricht wäre schließlich bundesverfassungsrechtlich trotz der Ungleichbehandlung im Schutzbereich der Bekenntnisfreiheit durch Art.  7 Abs.  2, 3 GG gerechtfertigt, da dieser einen bundeseinheitlichen Mindeststandard bewusst nur für die Erteilung von Religionsunterricht vorsieht.129

129

Vgl. 2. Kapitel B. I. 2. d) dd).

Zusammenfassung der Ergebnisse in Thesen Eigenständige Bedeutung der Weltanschauungsfreiheit 1. Das Grundgesetz unterscheidet zwischen Weltanschauung und Religion. Diese Unterscheidung kann durch die Rechtswissenschaft nachvollzogen werden und ist nicht faktisch unmöglich. 2. Verfassung und die einfachen Gesetze knüpfen an die juristische Unterscheidung von Weltanschauung und Religion unterschiedliche Rechtsfolgen, so dass in theoretischer Hinsicht Unterscheidungsbedarf besteht. Auch in praktischer Hinsicht hat die Rechtsprechung bereits Konsequenzen aus der Unterscheidung von Weltanschauung und Religion erkennen lassen. Es bedarf daher einer genauen Definition der Weltanschauung. Inhalt der Weltanschauungsfreiheit 3. Weltanschauung ist jede auf der Reflexion eigener Subjektivität, Sinneswahrnehmung und Erfahrungen beruhende sinnstiftende Gesamtauffassung zur Stellung des Menschen in der Welt, die intuitiv im Wege der Abstraktion gewonnen wurde, ohne dabei auf externen Erschließungs- und Offenbarungsereignissen zu beruhen, und die aufgrund subjektiver Überzeugung für das eigene Leben maßgeblich ist. 4. Aufgrund der juristischen Begriffsbildung haben die Begriffe „Weltanschauung“ und „Religion“ keine Schnittmenge. Weltanschauung ist in diesem Sinne, entgegen anderer Auslegungsmöglichkeiten, kein Oberbegriff, sondern ein aliud zum Begriff der Religion. 5. Es besteht kein einheitlicher Schutzbereich der Weltanschauungsfreiheit. Hinsichtlich der Weltanschauungsfreiheit ist in Glaubens-, Bekenntnis- und Ge­ wissensfreiheit, sowie Rechte der Weltanschauungsgemeinschaften zu unterscheiden. Eine allgemeine weltanschauliche Handlungsfreiheit, sein Leben nach einer weltanschaulichen Überzeugung zu gestalten, besteht nicht. 6. Der grundgesetzliche Schutz der Weltanschauung umfasst nicht die Kultusfreiheit. Auch eine verfassungsrechtliche Garantie des Weltanschauungsunterrichts besteht nicht. Weitergehende landesgesetzliche Regelungen zur Zulassung von Weltanschauungsgemeinschaften zum Unterricht an staatlichen Schulen sind jedoch zulässig.

Zusammenfassung der Ergebnisse in Thesen

321

Rechtfertigung von Eingriffen in die Weltanschauungsfreiheit 7. Die Weltanschauungsfreiheit unterliegt keinem Gesetzesvorbehalt aus Art. 136 Abs.  1  WRV. Einschränkungen sind durch kollidierende verfassungsrecht­ liche Rechtspositionen zu legitimieren, soweit nicht für Teilbereiche der Weltanschauungsfreiheit auf Gesetzesvobehalte aus Art. 136 Abs. 3 Satz 2 WRV analog oder aus Art. 137 Abs. 3 Satz 1 i. V. m. Abs. 7 WRV zurückgegriffen werden kann. In jedem Fall bedarf es hierzu eines formellen Gesetzes. Der Gesetzgeber ist gehalten, Rechtsprechung und Verwaltung durch demokratisch legitimierte Entscheidung in diesem Gesetz hinreichend bestimmte Kriterien an die Hand zu geben, um im Einzelfall eine zutreffende Abwägungsentscheidung im Wege der praktischen Konkordanz zu ermöglichen. Gleichbehandlung von Weltanschauungsfreiheit und Religion 8. Das Grundgesetz ordnet keine allgemeine Gleichstellung von Weltanschauung und Religion an. Eine unterschiedliche Behandlung von Weltanschauung und Religion ist zulässig, soweit die Unterscheidung durch die grundgesetz­ liche Privilegierung religiöser Erscheinungsformen legitimiert ist. Ferner ist sie zulässig, soweit sie auf tatsächlichen Unterschieden der öffentlichen Erscheinungsform beruht, oder Rechte Dritter und korrespondierende Pflichten davon abhängen. Eine Differenzierung darf jedoch in keinem Fall willkürlich erfolgen, oder gegen ein verfassungsrechtliches Differenzierungsverbot verstoßen. Verhältnis der Weltanschauungsfreiheit zu anderen Verfassungsnormen 9. Die Weltanschauungsfreiheit ist anhand der in der Definition vorgenommenen Begriffskonkretisierung von anderen Freiheitsrechten zu unterscheiden. Die im Rahmen der Untersuchung herausgearbeitete Akzentuierung der einzelnen Schutzbereiche leistet dazu einen weiteren wichtigen Beitrag. Zwischen Weltanschauungsfreiheit, politischer und wissenschaftlicher Betätigung besteht keine Identität. Fälle des Rechtsmissbrauchs sind allgemein anhand der Vorwandtheorie abzuschichten. 10. Zuordnungsprobleme aufgrund tatsächlicher Schwierigkeiten in der Sachverhaltsfeststellung sind anhand der Verteilung der materiellen Beweislast zu lösen. Das Vorliegen begünstigender Umstände ist hinreichend glaubhaft zu machen. Ein Gedankensystem, das hinsichtlich Breite und Geschlossenheit den im abendländischen Kulturkreis bekannten Religionen vergleichbar ist, kann insoweit nur als Plausibilitätskriterium gefordert werden. Eine entsprechende materielle Voraussetzung für die Annahme einer Weltanschauung ist nicht gegeben.

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Sachwortverzeichnis Abgabenordnung  28, 44, 45, 310, 312, 313, 318 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz  28, 44, 51, 53, 64, 310, 311, 314, 318 Allgemeines Landrecht für die preußischen Staaten  91, 92 Anschütz  96, 112, 113, 115, 116, 117, 129, 135, 136, 137, 138, 139, 141, 142, 144, 146, 147, 153, 154, 155, 161, 164, 173, 186, 193, 245, 246 Anstaltsseelsorge  63, 196, 232, 241, 244, 246 Anthroposophie  21, 35, 36, 46, 51, 223, 224, 313, 314 Arbeitszeitgesetz  28, 315, 316 Atheismus  39, 113, 115, 140, 154, 155, 156, 157, 158, 160, 161, 164, 165, 166, 169 Augsburger Religionsfrieden  89 Bauer  216 Bekenntnis  68, 179, 180, 184 Bekenntnisunterricht  23, 49 Bergsträsser  115, 116, 154, 169, 174, 183, 185, 186, 205, 206, 216, 217, 218, 236, 239, 240, 243, 246, 271, 272, 273, 297, 298, 302, 303, 305 Betriebsverfassungsgesetz  21, 28, 46, 47, 310, 313, 316, 318 Brentano, von  221, 238, 274, 275, 283, 297 Buddhismus  32, 36, 136, 156, 166 Bundesbeamtengesetz  28 Bunsen  118, 125, 126, 131, 132 Bürgerliches Gesetzbuch  74, 75, 262, 267, 281 Charta der Grundrechte der Europäischen Union  286, 287, 288, 291 Codex Iuris Canonici  193 Dehler  216, 255 Differenzierungsverbot  39, 49, 94, 152, 268, 269, 270, 294, 301, 306, 308, 318, 321

Dilthey  109, 118, 125, 128, 129, 133, 144, 145 Eberhard  168, 217, 271 Einkommensteuergesetz  44, 45, 48 Europäische Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten  55, 286, 288, 289, 290, 291 Fichte  118, 120, 122, 124 Freidenker  51, 115, 116, 154, 155, 158, 164, 169, 172, 200, 258, 314 Freikörperkultur  58 Geistlichenprivileg  42, 43, 46, 140, 315 Gesetzesvorbehalt  24, 25, 80, 81, 82, 83, 84, 85, 87, 181, 184, 192, 197, 198, 204, 268, 269, 270, 271, 272, 273, 274, 275, 276, 277, 278, 279, 280, 282, 283, 284, 294, 307, 321 –– Art. 136 Abs. 3 Satz 2 WRV analog  278, 280, 282 Gewerbeordnung  71, 72, 266 Gewissen  23, 49, 83, 89, 90, 91, 94, 95, 97, 98, 101, 158, 160, 167, 169, 178, 179, 180, 182, 183, 185, 187, 189, 190, 197, 198, 274, 277, 283, 286, 288, 300 Glaube  178, 179, 180, 181, 183, 185, 188 Goethe  71, 118, 123, 131 Görres  118, 126, 127, 130, 131, 132, 259 Gottesvorstellung  31, 32, 33, 34, 36, 37, 141, 155, 156, 166, 252 Greve  279, 281 Grundsteuergesetz  53 Haeckel  157 Hausandacht  90, 91, 92, 185, 189 Hegel  118, 124, 125, 127, 131, 132 Heuss  114, 117, 183, 186, 198, 199, 215, 217, 218, 219, 223, 224, 226, 236, 237, 244, 272, 273, 302

Sachwortverzeichnis Höpker-Aschoff  237 Humanismus  44, 109, 159, 161 Humboldt, Alexander von  118, 127, 131, 259 Immanenz  29, 31, 33, 35, 36, 37, 42, 43, 52, 86, 108, 119, 131, 138, 139, 140, 141, 142, 145, 150, 177, 252 Instrumentum Pacis Osnaburgense  90, 91 Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte  288, 289, 290, 291 Jugendschutzgesetz  266 Kant  108, 109, 118, 119, 120, 121, 122, 127, 130, 133, 144, 146 Katzenstein  154 Kirchengut  90, 206, 232 Kostenordnung  28 Kulthandlungen  37, 40, 137, 141, 163, 183, 196, 198, 203, 208, 252, 253, 315 Kultusfreiheit  76, 92, 192, 195, 196, 205, 206, 207, 208, 209, 212, 232, 247, 253, 269, 270, 272, 276, 279, 286, 287, 290, 291, 292, 300, 307, 308, 313, 315, 316, 318 –– als Rechtfertigung für Ungleichbehandlung  315 –– keine positive weltanschauliche  40, 206, 207, 289, 320 –– negative  177, 205, 206, 208 –– positive  192 Laforet  281, 298 Lebensgestaltung-Ethik-Religionskunde (LER)  48, 317 Ludendorff Bund für Gotterkenntnis  58, 62, 63, 138, 155, 162, 163, 172, 176, 207 Mangoldt, von  82, 91, 114, 115, 116, 117, 153, 155, 168, 169, 173, 174, 183, 185, 186, 187, 197, 199, 200, 201, 202, 203, 205, 211, 217, 221, 222, 227, 235, 243, 245, 246, 269, 271, 272, 273, 274, 281, 302, 303, 305, 306 Marxismus  30, 54, 55, 57, 60, 61, 254, 257, 262 Materialismus  51, 63, 109, 113, 115, 154, 155, 159, 160, 161, 164, 166, 257, 258

335

Mausbach  136, 137, 138, 141, 154, 156, 157, 165, 166 Monismus  109, 113, 115, 136, 154, 155, 157, 159, 160, 161, 164, 166 Nadig  155, 162, 167, 175, 197, 272, 273 Nationalsozialismus  54, 57, 157, 164, 202, 207, 226, 236, 247 Naumann  154, 157 Parteiengesetz  56 Paulskirchenverfassung  92, 93 politische Anschauungen  54, 55, 59, 60, 61, 62, 97, 98, 101, 102, 130, 152, 153, 251, 254, 257, 297, 301, 302, 303, 304, 305, 306 Preußische Verfassung  93 Religion  29, 31 –– Begriff der  27, 30, 34, 101, 137, 141, 143, 147, 149, 151, 165, 166, 179, 210, 252, 253, 293 –– Offenbarungscharaker  37, 47, 48, 70, 71, 134, 145, 148, 149, 150, 166, 175, 176, 177, 252, 300 –– personale Gottesvorstellung  136, 141, 156, 165, 166 –– religiöses Bekenntnis  76, 96, 101, 138, 183, 295, 297, 307 –– Systematisches Verhältnis zur Weltanschauung  24, 33, 34 Religionsausübung  40, 63, 75, 76, 82, 83, 84, 85, 90, 91, 92, 93, 98, 100, 101, 102, 114, 174, 183, 184, 185, 192, 193, 194, 195, 196, 197, 198, 199, 200, 202, 203, 205, 206, 236, 269, 270, 271, 272, 273, 274, 275, 276, 279, 286, 294, 295, 297, 307, 315 –– negative Religionsausübungsfreiheit  200, 205 –– strafrechtlicher Schutz  50, 201 Religionsfreiheit  23, 24, 26, 30, 41, 53, 67, 76, 77, 80, 81, 82, 86, 88, 89, 90, 92, 93, 100, 101, 102, 103, 164, 168, 174, 181, 182, 184, 185, 188, 192, 194, 196, 206, 236, 242, 247, 250, 251, 268, 269, 270, 272, 274, 276, 277, 280, 286, 288, 292, 297, 301, 307, 308, 312, 313, 316 –– historische Entwicklung  88, 89

336

Sachwortverzeichnis

Religionsgemeinschaft  30, 36, 37, 46, 72, 77, 92, 101, 137, 178, 200, 209, 210, 217, 219, 232, 239, 293, 295, 310, 313 Renner  218, 219, 224, 237, 239, 242, 280, 281 Rickert  112, 115, 116, 117, 118, 125, 129, 130, 133, 137, 138, 144, 145, 147 Säkularisierung  22 Savigny, von  104, 293 Schelling  118, 121, 122, 123, 124, 130 Schleiermacher  118, 122, 123, 124, 125, 128, 130, 131 Schutzbereich, einheitlicher  207, 320 Scientology  22, 36, 42, 43, 73, 254, 315 Seebohm  214, 220, 238 Selbstverständnis  28, 30, 31, 34, 76, 79, 252, 284, 285 Soldatengesetz  28, 44 Sozialismus  109 Strafgesetzbuch  28, 50, 54, 60, 190, 201, 206, 260 Strafrechtsreformgesetz  28 Strafvollzugsgesetz  28, 51, 63 Süsterhenn  31, 114, 115, 116, 117, 168, 169, 172, 173, 176, 183, 184, 185, 187, 198, 199, 200, 205, 216, 217, 234, 236, 237, 239, 245, 246, 264, 271, 272, 273, 279 Tendenzschutz  46, 47, 310 Thoma  114, 116, 153, 168, 169, 172, 182, 255, 271, 272 Transzendenz  29, 31, 33, 34, 35, 36, 37, 42, 43, 52, 86, 108, 119, 131, 138, 139, 140, 141, 142, 143, 145, 150, 166, 177, 252 Überzeugungsfreiheiten  21, 24, 194 Vereinsgesetz  28, 50 Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union  285, 287 Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft  287 Verwaltungsverfahrensgesetz  28 Weber  167, 169, 174, 197, 217, 218, 224, 270, 302, 303

Wehrpflichtgesetz  28, 42, 43, 44, 139, 309, 312, 315, 318 weltanschauliche Vereinigung  51, 63, 201, 249, 250, 256 Weltanschauung  21, 30, 31, 59, 60, 118, 143, 175, 181, 287, 320 –– als Weltweisheit  126, 132 –– Begriff der  25, 27, 28, 30, 34, 45, 51, 53, 54, 55, 56, 61, 63, 64, 93, 94, 96, 99, 102, 104, 105, 108, 109, 110, 111, 112, 113, 114, 115, 116, 117, 118, 120, 121, 123, 124, 129, 131, 133, 135, 136, 140, 142, 143, 148, 150, 151, 153, 164, 167, 169, 170, 171, 172, 173, 174, 175, 182, 188, 202, 209, 217, 222, 229, 231, 252, 253, 255, 261, 286, 287, 290, 300, 304 –– christliche Weltanschauung  131, 132, 134 –– Gesamtdeutung  146, 152, 153, 165 –– Gleichbehandlung  22, 24, 25, 26, 38, 39, 40, 41, 42, 43, 44, 45, 46, 48, 49, 50, 51, 53, 102, 187, 194, 201, 212, 224, 227, 228, 232, 237, 245, 246, 268, 292, 299, 300, 301, 308, 309, 310, 311, 312, 315, 316, 317, 318, 321 –– inhaltliche Breite und Geschlossenheit  56, 79, 263, 264, 321 –– inhaltlich erforderlicher Umfang  143, 146 –– juristische Begriffsbildung  116, 136, 143, 145, 149, 252, 320 –– Methode der Erkenntnisgewinnung  143, 145 –– Systematisches Verhältnis zur Religion  24, 33, 34, 52, 148, 151, 176, 252, 320 –– Unterscheidung von Meinung  65 –– Unterscheidung von politischen Anschauungen  54, 55, 56, 57, 58, 61, 62, 64, 102, 253, 254, 255, 256 –– Unterscheidung von Religion  24, 26, 27, 28, 29, 31, 32, 33, 37, 38, 41, 42, 43, 48, 52, 53, 102, 119, 134, 137, 138, 139, 140, 141, 142, 143, 145, 148, 149, 150, 166, 177, 222, 251, 252, 287, 291, 314, 315, 317, 318, 320, 321 –– Unterscheidung von Wissenschaft  69, 71 –– weltanschauliches Bekenntnis  26, 61, 66, 76, 95, 101, 114, 169 Weltanschauungsfreiheit  21, 22, 23, 56, 58, 177, 178, 285, 321

Sachwortverzeichnis –– Abgrenzung von Verwirklichung politischer Anschauungen  57, 64, 256 –– Abgrenzung zu Erwerbstätigkeit  71, 72, 73, 75, 76, 77, 260 –– Abgrenzung zur Wissenschaftsfreiheit  68, 69, 70, 258 –– Anwendbare Schranken  40, 80, 268, 278, 282, 284 –– Disparität von Schutzbereich und Schranke  24, 204, 268, 277 –– Eingriffe in die  266 –– Grundrechtsmündigkeit  249 –– Unterscheidung von Meinungsäußerung  66, 67, 258 –– Vorwand zum Rechtsmissbrauch  63, 73, 74, 256, 261, 321 –– weltanschauliche Bekenntnisfreiheit  85, 155, 186, 187, 191, 192, 256, 258, 260, 269, 280 –– weltanschauliche Gewissensfreiheit  188, 189, 190 –– weltanschauliche Glaubensfreiheit  188, 189 –– weltanschauliche Vereinigungsfreiheit  231, 247, 250, 260, 267 Weltanschauungsgemeinschaft  22, 23, 28, 30, 31, 35, 39, 40, 41, 42, 43, 44, 45, 46, 47,

337

48, 49, 50, 55, 56, 57, 58, 59, 62, 63, 64, 71, 72, 73, 74, 76, 77, 78, 79, 81, 93, 103, 116, 136, 137, 139, 141, 145, 153, 154, 156, 157, 163, 164, 165, 168, 169, 173, 174, 176, 177, 184, 191, 198, 199, 200, 201, 202, 210, 211, 212, 213, 219, 224, 228, 230, 231, 232, 237, 238, 240, 241, 242, 245, 246, 247, 248, 249, 250, 252, 253, 254, 256, 258, 260, 261, 267, 278, 279, 280, 281, 282, 283, 293, 295, 310, 312, 314, 315, 318, 320 –– Unterscheidung von weltanschaulicher Vereinigung  63, 250 Weltanschauungsschule  40, 94, 95, 96, 99, 209, 210, 211, 213, 216, 222, 223 Weltanschauungsunterricht  40, 48, 49, 99, 177, 209, 210, 211, 212, 213, 219, 224, 226, 227, 228, 232, 247, 248, 317, 319, 320 Weltbild  55, 57, 59, 107, 108, 110, 118, 126, 127, 128, 131, 133, 161, 167, 259 Westfälischer Friede  89, 90, 91 Wunderlich  155, 174, 302 Zinn  216, 220, 223, 224, 225, 238, 239, 242, 302 Zivildienstgesetz  28, 43