Keine Zukunftsperspektiven für Schulen in freier Trägerschaft?: Rechtsprechung und Realität im Schutzbereich eines bedrohten Grundrechts [1 ed.] 9783428521241, 9783428121243

Die Nachfrage nach Schulen in freier Trägerschaft in der Bundesrepublik steigt ständig. Zugleich werden die finanziellen

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Keine Zukunftsperspektiven für Schulen in freier Trägerschaft?: Rechtsprechung und Realität im Schutzbereich eines bedrohten Grundrechts [1 ed.]
 9783428521241, 9783428121243

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Keine Zukunftsperspektiven für Schulen in freier Trägerschaft?

Schriften zum Öffentlichen Recht Band 1039

Keine Zukunftsperspektiven für Schulen in freier Trägerschaft? Rechtsprechung und Realität i m Schutzbereich eines bedrohten Grundrechts

Herausgegeben von Friedhelm Hufen Johann Peter Vogel

Duncker & Humblot · Berlin

Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.

Alle Rechte, auch die des auszugsweisen Nachdrucks, der fotomechanischen Wiedergabe und der Übersetzung, für sämtliche Beiträge vorbehalten © 2006 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme und Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0582-0200 ISBN 3-428-12124-4 978-3-428-12124-3 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706 θ

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Geleitwort der Herausgeber Als das Bundesverfassungsgericht 1987 (E 75, 40 ff.) sein Grundsatzurteil zur öffentlichen Finanzhilfe für Ersatzschulen fällte, erhielt es breite Zustimmung nicht nur von den freien Schulen, weil ihnen in der Auseinandersetzung mit dem Staat Recht gegeben worden war, sondern auch von rechtswissenschaftlicher Seite, weil die Begründung einer Leistungspflicht aus einem Grundrecht überzeugend gelungen war. Friedrich Müller nannte damals sein zu diesem Urteil herausgegebenes Buch optimistisch „Zukunftsperspektiven der Freien Schule". Noch nicht zwanzig Jahre später müssen wir feststellen, dass die Rechtsprechung diese Perspektive verlassen hat. Unter dem Druck der knappen öffentlichen Haushalte sind nicht nur quantitative Abstriche an der Leistungspflicht vorgenommen worden; in einem Umdeutungsprozess wurde die so überzeugende Begründung der öffentlichen Leistungspflicht qualitativ völlig verändert, mit dem Ergebnis, dass von einem wirksamen Rechtsschutz der Schulen vor überproportionalen Kürzungen der Finanzhilfe durch die Landesgesetzgeber kaum noch die Rede sein kann. Kein vernünftig Denkender kann wollen, dass freie Schulen vom Rückgang der öffentlichen Mittel verschont bleiben, wenn generell im Schuletat der Kultusminister Abstriche gemacht werden müssen. Dass für darüber hinaus gehende Kürzungen aber Maßnahmen für verfassungskonform erklärt werden, die offensichtlich gegen die Logik der verfassungsrechtlichen Leistungspflicht zur Existenzsicherung verstoßen, muss mit Besorgnis erfüllen. Nicht nur Menschen und Institutionen, sondern auch Grundrechte können in ihrer Existenz bedroht sein. Das ist dann der Fall, wenn sie unter den gegebenen Bedingungen von der größten Zahl der Berechtigten nicht mehr wahrgenommen werden können. Das veranlasste die Herausgeber, dem so hoffnungsvoll gestimmten Band Friedrich Müllers in derselben Schriftenreihe einen Nachfolgeband zur Seite zu stellen, der die Zukunftsperspektiven mit einem Fragezeichen versieht. Er hat drei Teile: einen, der die Rechtsprechung darstellt und analysiert, und einen zweiten, in dem an verallgemeinerungsfähigen Beispielen der freien Schulen verdeutlicht wird, wie realitätsfern das der neuen Rechtsprechung zugrunde liegende „herkömmliche Bild der Privatschule'4 und die nur noch auf die „Institution der Privatschulen als solche" gerichtete Interpretation des Art. 7 Abs. 4 GG ist. Die kritischen Bemerkungen zur Rechtsprechung und die Beispiele der realen Funktion freier Träger fassen die Argumente zusammen, die den freien Schulen in der politischen Auseinandersetzung zu Gebote stehen. Eine wesentliche Rolle spielen dabei die vom Steinbeis Transferzentrum Wirtschafts- und Sozialmanagement, Heidenheim, unabhängig und wissenschaftlich

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Geleitwort der Herausgeber

festgestellten tatsächlichen Kosten eines „staatlichen Schülers". Sie werden im dritten Teil dargestellt. Hier ist eine zuverlässige Vergleichsgröße gewonnen, an der die Höhe der Finanzhilfen (und indirekt die Eigenleistung der freien Schulen, also die Schulgeldeinnahmen) gemessen werden kann. Der ständige Streit um immer neue, auch doppelte Kürzungen in kryptischen Berechnungssystemen, die niemand versteht, erhält eine transparente, jedermann verständliche Grundlage. Zur Fragwürdigkeit der Debatte, ob Teile staatlicher Schülerkosten beim Vergleich mit der Finanzhilfe herauszurechnen seien, weil die staatliche Schule Aufgaben erfülle, die die freien Schulen nicht haben, bieten die Beispiele des zweiten Teils ebenfalls Anschauungsmaterial. Wir sind nicht hoffnungslos. Zwar kann die „Gefährdung der Institution Ersatzschulwesen" in ihrer begrifflichen Schwammigkeit kaum nachgewiesen werden, jedoch geben freie Träger nicht auf, nicht zuletzt, weil es sich eine Demokratie mit Bürgergesellschaft nicht leisten kann, das Prinzip Vielfalt in Freiheit im Schulwesen und das Grundrecht des Einzelnen auf Errichtung und Betrieb einer freien Schule zu minimieren. Allerdings eröffnet die Rechtsprechung mit ihrer Forderung einer hohen Eigenleistung der freien Träger, die immer Leistung der Eltern sein muss, die Perspektive eines Zweiklassen-Schulwesens, das das Grundgesetz ausdrücklich nicht will, in das die freien Träger aber gegen ihren Willen hineingedrängt werden. An der schlüssigen Gedankenführung, die der verfassungsrechtlichen Leistungspflicht zur Existenzsicherung der Ersatzschulen zu Grunde liegt, wird sich gleichwohl auch in Zukunft jede andere Ableitung von Leistungen aus Grundrechten messen lassen müssen. Wir danken allen Mitautoren für ihre kompetente Mitwirkung. Wir danken Herrn Prof. Dr. jur. h.c. Norbert Simon vom Verlag Duncker & Humblot, Berlin, für die Aufnahme des Bandes in die „Schriften zum Öffentlichen Recht" und die Betreuung der Veröffentlichung. Und wir danken in besonderem Maße der Software AG Stiftung, Darmstadt, dafür, dass sie mit einem großzügigen Zuschuss dem Band eine weite Verbreitung ermöglicht. Mainz und Berlin Januar 2006.

Friedhelm Hufen Johann Peter Vogel

Vorwort Von Friedrich

Müller, Heidelberg I.

Das Grundgesetz formuliert in seinem Artikel 7 Absatz 4 die grundrechtlichen Positionen der privaten Schulen. Neben deren freier Errichtung garantiert es auch ihren Bestand. Es geht deutlich über die Weimarer Reichsverfassung hinaus und statuiert subjektiv-rechtliche wie objektiv-rechtliche Normkomponenten. Die verfassungspolitische Bedeutung des freien Schulwesens in der pluralistischen Demokratie des Grundgesetzes wird vom Bundesverfassungsgericht (seit seiner Entscheidung in Band 27) im Sinn einer so genannten wertentscheidenden Grundsatznorm zugunsten der Schulvielfalt gewürdigt. Artikel 7 Absatz 4 verweist in seinem Text („als Ersatz für öffentliche Schulen", „ . . . nicht hinter den öffentlichen Schulen zurückstehen", „ . . . Sonderung nach den Besitzverhältnissen der Eltern ...", „wirtschaftliche und rechtliche Stellung der Lehrkräfte") noch stärker, als das die meisten Grundrechte ohnehin tun, auf tatsächliche Verhältnisse, auf allgemeine empirische Charakteristika des Sach- und des Normbereichs der Garantie. Zu diesen gehört auch, dass angesichts des Sonderungsverbots (Art. 7 Absatz 4 Satz 3) die überwältigende Mehrheit der Schulen in freier Trägerschaft ohne staatliche Hilfe nicht mehr bestehen kann - eine Umlegung der tatsächlichen Kosten auf das Schuldgeld würde zu der von der Verfassung ausgeschlossenen Standesschule führen. Das begründet normativ eine staatliche Pflicht, zu intervenieren. Allerdings gilt das nicht schon für Einzelfälle; sondern erst, aber auch immer dann, wenn sich die Grundrechtsträger typischerweise einem unüberwindbaren Ausübungshindernis gegenübersehen; wenn also eine nach generell-typisierten Merkmalen abgrenzbare Menge von Privatschulträgern allein aus eigener Leistungskraft von der durch die Verfassung gewährleisteten Freiheit keinen Gebrauch mehr machen kann.

II. Diesen normativen Vorgaben hat das Bundesverfassungsgericht im FinanzhilfeUrteil von 1987 (BVerfGE 75, 40 ff.) vorbildlich Rechnung getragen. In dieser für das Schulrecht epochemachenden Leitentscheidung anerkennt es die Verpflichtung der Länder, das private Ersatzschulwesen in seinem Bestand zu schüt-

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Vorwort

zen und es neben dem öffentlichen Schulwesen zu fördern. Darin besteht die dritte der Komponenten, die das Gericht aus seiner Interpretation von Art. 7 Absatz 4 herleitet; die beiden ersten umfassen die Freiheit der Gründung sowie die institutionelle Garantie der Privatschule. Die in den Worten des Senats „sozialstaatliche Einstandspflicht" zu Schutz und Förderung ergibt sich dabei aus einer zutreffenden Analyse des Normbereichs: das Grundgesetz habe in Art. 7 Absatz 4 Sätze 3 und 4 selbst die Voraussetzungen normiert, die ein Privatschulträger gleichzeitig und auf Dauer zu erfüllen hat, um von dem Grundrecht Gebrauch machen zu können. Das zu leisten, seien die Träger bei dem inzwischen bestehenden hohen Kostenniveau faktisch nicht mehr in der Lage. Die „generelle Hilfsbedürftigkeit privater Ersatzschulen", also in der gerichtlichen Terminologie die „Bedrohung" dieser Schulen in „ihrem Bestand" sei in dieser vom Grundgesetz statuierten Gemengelage aus normativen und tatsächlichen Faktoren „heute ein empirisch gesicherter Befund". Die so umschriebene Garantie des Art. 7 Absatz 4 Satz 1, Schulen in freier Trägerschaft zu errichten und zu betreiben, sieht das Gericht (übrigens schon seit Band 27) plausibel in einem Verfassungsgrundsatz der Schul Vielfalt (und damit in der Absage an ein staatliches Schulmonopol) begründet. Ausbalanciert wird das durch die in Art. 7 Absatz 4 Sätze 3 und 4 enthaltenen Konditionen und Schranken. Dem entsprechen für die staatliche Schutz- und Förderpflicht - in der Systematik des Finanzhilfe-Urteils - die dort genannten Grenzen der kompensierenden und ausgleichenden Intervention des Staates: angemessene Eigenleistung, kein Freistellen der Schulträger vom unternehmerischen Risiko, weder eine volle Übernahme der Kosten noch eine bessere Ausstattung als entsprechende staatliche Schulen kurz: keine Ansprüche über die Realisierung der Voraussetzungen hinaus, welche die Verfassung in Art. 7 Absatz 4 Sätze 3 und 4 selbst verlangt. Eben dies definiert zugleich das geschuldete „Existenzminimum der Institution". Dieser vom Gericht gewählte Ausdruck mag, isoliert betrachtet, mehrdeutig sein, z. B. auch als rein ökonomischer Parameter verstehbar. Im Zusammenhang der Urteilsbegründung bezeichnet er dagegen klar einen verfassungsrechtlichen Maßstab, nämlich das, was zur dauerhaften Erfüllung der in Art. 7 Absatz 4 Sätze 3 und 4 statuierten Anforderungen notwendig ist. Darüber hinaus reicht die zweite Stufe der Förderung, auf der - jenseits der Existenzsicherung des privaten Schulwesens - die Legislative der Länder dann mehr Gestaltungsfreiheit hat. Mit dieser ausgewogenen Dogmatik einer aus dem Freiheitsrecht entwickelten Schutz- und Förderpflicht des Staates hat die Leitentscheidung einen bemerkenswerten Beitrag zur modernen Grundrechtslehre geleistet: durch das Formulieren staatlicher Schutz-, Handlungs- und Förderpflichten aus den inhaltlichen Besonderheiten im Normbereich der Freiheitsgarantie, im Dienst ihrer verfassungstreuen Verwirklichung auf Dauer. Sie macht zugleich klar, dass private Ersatzschulen nicht etwa von der Exekutive abgeleitete oder die staatlichen Schulen nur entlastende Funktionen wahrnehmen. Die Privatschulgarantie ist, so wie das Grundgesetz sie normiert, ein ursprüngliches Freiheitsrecht. Es muss sich im Rahmen

Vorwort

eines staatlich aktiv ermöglichten Pluralismus des Bildungsangebots verwirklichen können. Diese Förderpflicht meint kein von Fall zu Fall entscheidbares Entgegenkommen der öffentlichen Hand, das jederzeit zur politischen Disposition stünde. Sie betrifft keine nach Aspekten politischer Opportunität zu gewährende „Subvention", sondern eine verfassungsbegründete Leistungspflicht des Staates, eine objektiv geschuldete Kompensation für die im Grundgesetz genannten Einschränkungen des Grundrechts und für das Handeln des Staates auf dem Feld seines eigenen Schulwesens. Schulen privater Träger sind nicht Doubletten der staatlichen Einrichtungen; sie sind die Akteure des vom Grundgesetz normierten dauerhaft pluralistischen Bildungswesens. Die institutionelle Garantie des Art. 7 Absatz 4 trägt ein real selbstgestaltbares System privater Schulen.

III. Diese dem Grundgesetz angemessene Dogmatik der Privatschulfreiheit und das mit ihr verbundene verfassungspolitische Modell einer Schule in der pluralistischen Bürgergesellschaft haben dem weiteren Gang der Judikatur nicht standgehalten. Einige Jahre nach dem Finanzhilfe-Urteil begann mit der Wartefrist- und der Baukostenentscheidung (1994) eine Erosion der grundgesetzlichen Vorgaben, die über den Kammerbeschluss von 1997 vorerst in den Landeskinderbeschluss von 2004 mündet - gekennzeichnet durch die Tendenz weg von der Dogmatik der Verfassung hin zur Herrschaft der Kostenökonomie. Diese Erosion steht (im Sinn der berühmten Formel von John Maynard Keynes) nur noch „unter dem kalten Stern der Knappheit". Es geht ersichtlich darum, öffentliche Mittel zu sparen, mit der Eigenleistung der Träger (und zwar inzwischen während der ganzen Betriebszeit) eine neue Finanzierungsquelle zu eröffnen und während der Genehmigungszeit (inzwischen de facto aber unbegrenzt) mit der beliebigen Belastbarkeit der Eltern das verfassungsrechtliche Sonderungsverbot zu unterlaufen. Als Grenze dieser immer restriktiveren Praxis soll jetzt nur noch die „Gefährdung der Institution Ersatzschule" gelten - ein bloß ökonomischer und in seiner Abstraktheit zudem unbrauchbarer Indikator. Der vom Grundgesetz geschaffene Grenzparameter für eine unzulässige „Gefährdung", so wie ihn das Finanzhilfe-Urteil nachvollziehbar entwickelt hatte, besteht demgegenüber in der allgemeinen Unfähigkeit der Träger, die Voraussetzungen des Schulartikels 7 Absatz 4 noch dauerhaft aus eigener Kraft zu erfüllen. Die verbindlichen Vorgaben der Verfassung werden im Lauf dieser neueren Judikatur nun nicht dogmatisch bezweifelt oder widerlegt, wohl aber faktisch ausgehöhlt. Die vor einem Jahrzehnt (in „Zukunftsperspektiven der Freien Schule, 2. Aufl. Berlin 1996, S. 7 f.) ausgesprochene Befürchtung ist insoweit wahr geworden, es könnte „Art. 7 Absatz 4 GG als Präzedenzfall dafür stehen . . . , wie eine auf rechtsdogmatisch einwandfreie Weise gewonnene leistungs- bzw. schutzpflichtrechtliche Dimensionserweiterung eines Abwehrrechts im Wege methodisch

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Vorwort

nicht überzeugender (Folge-)Erwägungen konterkariert werden kann". Die Knappheit öffentlicher Haushalte ist jedoch keine Art von überverfassungsrechtlichem Notstand. Ein solches „überpositives" Institut kennt das Grundgesetz nicht und hat es im übrigen weder verdient noch nötig. Knappe Mittel sind primär dort einzusparen, wo normativ nicht begründete, rein politisch gewollte Subventionen vorliegen - und nicht auf dem Feld des vom Grundgesetz ausdrücklich instituierten Schulwesens in freier Trägerschaft.

IV. Die höchstrichterliche Judikatur, auch die des Bundesverfassungsgerichts, kennt gelegentlich Revisionen der eigenen Praxis. Sie haben, als reflektierte und wohlüberlegte, den Gerichtshöfen auf längere Sicht zur Ehre gereicht. Das hier vorgelegte Buch verdankt sich der Einsicht in die Notwendigkeit eines erneuten Umschwungs und liefert für einen solchen vielfältige, differenzierte, der Realität gerecht werdende Überlegungen: Analysen der Spruchpraxis von Oberinstanzen und von obersten Gerichtshöfen des Bundes; eine vertiefte Diskussion der Lehre von der „Institution" Privatschule; eingehende Untersuchungen der Lage in den einzelnen Bundesländern; umfangreiche empirische Erhebungen zu Bestand und Entwicklung der Schulen, auch im europäischen Vergleich; realistische Einblicke in die Entwicklung der Schülerkosten und in die allgemeine finanzielle Lage der beteiligten Instanzen; nicht zuletzt auch eine verdienstvolle Erörterung der sozialen Funktionen der Schulen in freier Trägerschaft: sei es neben dem Staat (Arbeit mit Migranten, Hochbegabtenförderung, Freiwillige Erziehungshilfe, Sonder- bzw. Förderschulen), sei es statt des Staates (konfessionelle, berufsbildende, internationale Schulen). Von dieser Realität hat sich die neuere Judikatur Schritt für Schritt entfernt aber eben nicht auf argumentierte Weise durch Auseinandersetzung mit der eigenen Leitentscheidung; vielmehr durch Aussparen von Argumenten, durch Fallenlassen notwendiger Parameter, durch stillschweigende Inhaltsänderung früher eingeführter Begriffe, durch eine unsystematische Rücknahme vorher geklärter normativer Positionen - motiviert durch das Ziel finanzieller Schonung der Länder von Fall zu Fall und damit leider nicht frei von einer Zufälligkeit, die sich mit der transparenten Dogmatik der Leitentscheidung kaum mehr vereinbaren lässt. Diese war der in gewissem Sinn einzigartigen Konstellation gerecht geworden, welche das Privatschulwesen im Schnittbereich von Grundrechtsgarantie und Aktionsfeld der vollziehenden Gewalt, von Freiheit, Begrenzung dieser Freiheit und normierter staatlicher Interventionspflicht zur realen Gewährleistung eben dieser Freiheit darstellt. Freie Schulen haben schon seit langem Maßstäbe gesetzt, haben bahnbrechend für neue Organisationsformen und pädagogische Konzepte gewirkt. Für die Chance, Entwürfe wagen, Modelle prägen, stellvertretend Erfahrungen sammeln zu können, brauchten und brauchen sie Freiheit von rechtlicher Fremd-

Vorwort

bestimmung auf der einen Seite, von faktischem Anpassungszwang auf der andern. Das Ziel, zu dem das hier vorgelegte Buch argumentativ und versachlichend beitragen will, besteht in der Rückkehr zu einem judiziellen status quo ante, von dem mit besserem Wissen und Gewissen gesagt werden kann, er entspreche den Vorgaben der Verfassung.

Inhaltsverzeichnis Erster Teil Rechtsprechung und Gesetzgebung zur Finanzhilfe für Ersatzschulen Zwischen „struktureller Unmöglichkeit" und „Gefährdung der Institution Ersatzschulwesen". Die Rechtsprechung zur verfassungsrechtlichen Leistungspflicht des Staates gegenüber Ersatzschulen Von Johann Peter Vogel, Berlin

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Verfassungsrechtliche Grenzen der Unterfinanzierung von Schulen in freier Trägerschaft Von Friedhelm Hufen, Mainz

49

Rechtsfragen der staatlichen Finanzierung von Ersatzschulen in Nordrhein-Westfalen Von Fritz Ossenbiihl, Bonn

95

Die Entlastung des Staates als Grund der Finanzhilfe Von Martin Richter, Berlin

127

Die Landesgesetzgebung zur Finanzhilfe an Ersatzschulen (Stand 1.1. 2006) Von Johann Peter Vogel, Berlin

141 Zweiter Teil

Das realistische Bild der Schulen in freier Trägerschaft Der Bestand freier Schulen Der Bestand der Schulen in freier Trägerschaft in der Bundesrepublik Deutschland Von Johann Peter Vogel, Berlin

153

Die rechtliche und finanzielle Situation von Schulen in freier Trägerschaft in Europa Von Lies Feron, Brüssel, und Ingo Krampen, Bochum

163

Das Bildungsengagement der katholischen Kirche Von Walter Klöppel, Lingen, und Wolfgang Riemann, Hildesheim

179

Innovation an berufsbildenden Schulen Von Joachim Böttcher, Braunschweig

183

Zur faktischen Notwendigkeit der Wartefrist aus der Perspektive der Freien Alternativschulen Von Jana Scheuer, Berlin

191

14

Inhaltsverzeichnis

Flächendeckende Schulangebote durch freie Träger am Beispiel Sachsen-Anhalts Von Jürgen Banse, Magdeburg

197

Flächendeckung und Integration. Das Beispiel der Förderschulen in freier Trägerschaft in Niedersachsen. Fragen an Reinhard Pöhlker, Bad Bentheim

203

Die pädagogischen und sozialen Integrationsaufgaben der freien Schulen Nicht für alle das Gleiche, sondern für jeden das Beste. Von Hochbegabten und anderen Normalen an Schulen in freier Trägerschaft Von Ursula Heilert, Braunschweig

209

Integration von Migrantenkindern an berufsbildenden Schulen Von Joachim Böttcher, Braunschweig

225

Integration statt Selektion an Waldorfschulen Von Walter Hiller, Darmstadt

229 Dritter Teil

Die Kosten eines staatlichen Schülers Die staatlichen Schülerkosten als Vergleichsmaßstab und Berechnungsgrundlage der öffentlichen Finanzhilfe Von Johann Peter Vogel, Berlin

239

Schülerkosten in Deutschland. Eine Untersuchungsreihe über allgemeinbildende öffentliche Schulen im Jahre 2002 Von Bernd Eisinger, Peter K. Warndorf Autoren Verzeichnis

und Jochen Feldt, Heidenheim

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Erster Teil

Rechtsprechung und Gesetzgebung zur Finanzhilfe für Ersatzschulen

Zwischen „struktureller Unmöglichkeit" und „Gefährdung der Institution Ersatzschulwesen" Die Rechtsprechung zur verfassungsrechtlichen Leistungspflicht des Staates gegenüber Ersatzschulen Von Johann Peter Vogel , Berlin Von seiner ersten Entscheidung 1966 an hatte das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) in ständiger Rechtsprechung einen verfassungsrechtlichen Anspruch der Träger von Ersatzschulen gegen den Staat auf Finanzhilfe entwickelt und - im Austausch mit den unterschiedlichen Auffassungen in der Literatur - immer differenzierter begründet. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) übernimmt 1987 diese Rechtsprechung mit abweichender Begründung und unter Vertiefung der verfassungsrechtlichen Gesichtspunkte, wobei auch hier Überlegungen in der Literatur eine erhebliche Rolle spielten. Danach verwendet die Rechtsprechung zwar die gleichen Begriffe, zunehmend jedoch in anderer Bedeutung; äußerlich erscheint sie kontinuierlich, tatsächlich stellt sie die gewonnene Rechtsposition der Ersatzschulen wieder in Frage. Eine Auseinandersetzung mit der Literatur findet nicht mehr statt. Im folgenden soll diese Entwicklung dargestellt und der Argumentationswechsel herausgearbeitet werden. I. Die Ausgangslage der vom BVerfG entwickelten Förderpflicht 1. Die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts 1966-1973 Das BVerfG fand 1987 bereits eine ständige Rechtsprechung des BVerwG 1 vor, die einen verfassungsrechtlichen Anspruch der Ersatzschulträger auf öffentliche Um die zeitliche Abfolge der Entscheidungen deutlich zu machen, zitiere ich im Text die Entscheidungen lediglich mit ihrer Jahreszahl. Das genaue Zitat ergibt sich aus den Fußnoten. ι BVerwGE 1966 23, 347 ff.; 1967 27, 360 ff.; 1968 DÖV 1969, S. 395 ff.; 1969 RdJ 1969, S. 315 ff.; 1973 Buchholz 11 zu Art. 7 (4) GG Nr. 14; 1984 70, 290 ff.; 1986 74, 134 ff.; 1986 a SPE n.F. 236, Nr. 16; später 1988 79, 154 ff. Zusammenfassend Vogel, Johann Peter in: Müller, Friedrich /Jeand'Heur (Hg.): Zukunftsperspektiven der Freien Schule, Berlin 2/1996, S. 18 ff., 23 ff., 170 ff. m. w. N. 2 Hufen/Vogel

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Johann Peter Vogel

Finanzhilfe aus Art. 7 (4) GG entwickelt hatte. Ab BVerwG 1967 stabilisiert sich die Begründung des Anspruchs wie folgt: Zwar ergebe sich grundsätzlich aus einem Freiheitsrecht kein Anspruch auf Leistungen, doch seien Ausnahmen denkbar - im Falle des Grundrechts auf Errichtung von Privatschulen nach Art. 7 (4) Satz 1 GG würde die Gewährleistung der Einrichtung der Privatschule ohne staatliche Hilfe zum Erliegen kommen. Die legitime Verbesserung des Staatsschulwesens führe zu erhöhten Anforderungen an die Ersatzschulen, die aber mit dem durch das Sonderungsverbot beschränkten Schulgeld nicht zu finanzieren seien. Der verfassungsrechtliche Konflikt zwischen Sozialstaatsprinzip und Privatschulgarantie müsse unter diesen veränderten Umständen durch entsprechende Interpretation des GG aufgelöst werden. So ergebe sich ein Finanzhilfeanspruch zum einen aus der Gewährleistung des Art. 7 (4) Satz 1 GG, zum anderen aus Art. 7 (4) Satz 3 i.V. mit Art. 20 (1) GG und zum dritten aus den widerstreitenden Genehmigungsvoraussetzungen (GVn) des Art. 7 (4) Sätze 3 und 4 GG. Im einzelnen gelte folgendes: Die Finanzhilfe sei nur für Ersatzschulen wegen der GVn geboten. Der Anspruch sei nur für die Unterhaltung, nicht für die Errichtung zu erheben, denn letztere beruhe auf privater Initiative. Entscheidend sei die Hilfsbedürftigkeit, die allerdings nicht durch mangelhafte Wirtschaftsweise ausgelöst werden dürfe. Der Träger müsse alle sonstigen Hilfsquellen erschließen, bevor ein Anspruch entstehe; sein persönliches Vermögen müsse der Träger aber nicht aufopfern. Der Anspruch sei so zu bemessen, dass ein (bereits eingetretener) Niedergang der Schule wirksam verhindert werde; geringe Fehlbeträge seien aber keine bedenkliche Entwicklung. In einzelnen Entscheidungen ergibt sich noch folgendes: Ob die Entlastung des staatlichen Schulwesens ein Grund des Anspruchs sei, bleibt offen 2. Auch die Voraussetzung der Gemeinnützigkeit wird differenziert gesehen3.

2. Die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts

ab 1984

Mit BVerwGE 1984 kommen neue Nuancen in die Argumentation: Erstmals ist nicht mehr vom „Niedergang der Schule'4 die Rede, sondern von der „durch die tatsächliche Entwicklung im Bereich des Schulwesens entstandenen Gefährdung für den Fortbestand des als Institution garantierten privaten Ersatzschulwesens insgesamt". Der Anspruch ist so zu bemessen, „wie dies zur Erhaltung der Institution als solcher vonnöten ist". Ausdrücklich wird an weitergehenden Wendungen in BVerwGE 1967 nicht festgehalten 4. Zugleich wird die Eigenleistung des Trägers 2 BVerwGE 1966, 1969 und 1973 nennen die Entlastung als Grund, insbesondere BVerwGE 1967 aber nicht. 3 BVerwGE 1968 lässt die Gemeinnützigkeit (bei natürlichen Personen) nicht zu, weil keine Anforderungen gestellt werden dürfen, die über die GVn hinausgehen; BVerwGE 1986 a sieht die steuerrechtliche Gemeinnützigkeit bei juristischen Personen als zulässig an „zur Abgrenzung der Hilfsbedürftigkeit".

„Strukturelle Unmöglichkeit" und „Gefährdung der Institution Ersatzschulwesen"

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neu definiert: „Es entspricht dem herkömmlichen, der Regelung des Art. 7 (4) GG zugrundeliegenden Bild der Privatschule, dass diese ihre Existenz dem ideellen Engagement ihrer Gründer und Träger verdankt, die in eigener, auch wirtschaftliche Gesichtspunkte berücksichtigender Initiative und unter Inkaufnahme der damit verbundenen Risiken bereit sind, einen ihnen eingeräumten Freiheitsraum auszufüllen. Das rechtfertigt es, den Ersatzschulen eine ihren Interessen an der Verfolgung eigener Ziele und Vorstellungen angemessene Eigenleistung und ein dementsprechendes Unternehmerrisiko aufzubürden" 5. - An sich hätte das BVerwG die Klage einer mittellos gegründeten Schule ohne jede Eigenleistung auch mit dem Argumentationsvorrat der bisherigen Rechtsprechung abweisen können. Offensichtlich wird die Gelegenheit, nach einer langjährigen Rechtsprechungspause die Argumentation unter dem Einfluss der Literatur 6 zu überdenken, ausgenutzt.

3. Die Entscheidung des Bayrischen Verfassungsgerichtshofs

1984

Der Argumentation des BVerwG folgt der BayVerfGH 19847. Er hatte über die Verfassungswidrigkeit der in Bayern außerordentlich langen Wartefristen (obligatorische Finanzhilfe erst nach vollem Ausbau der Schule + zwei erfolgreichen Abschlussprüfungen) zu entscheiden8. Er geht aus von der Garantie der Privatschule als Institution; der Staat darf nicht zulassen, „dass alle oder sehr viele Privatschulen wegen des Wettbewerbs mit öffentlichen Schulen aus wirtschaftlichen Gründen ihren Betrieb einstellen müssten. Aus dieser auf objektivem Verfassungsrecht beruhenden Förderungspflicht des Staates zugunsten des Privatschulwesens insgesamt ist nicht eine finanzielle Garantie für die Errichtung und den Bestand jeder einzelnen Privatschule abzuleiten" (V Β 4). Für die Gestaltung der Förderung sei dem Gesetzgeber ein weiter Gestaltungsspielraum zuzubilligen; „er hat bei den Entscheidungen über den Staatshaushalt eine Vielzahl von Gesichtspunkten und Interessen gegeneinander abzuwägen"; dies könne im Wandel der Zeiten zu unterschiedlichen Bewertungen führen (V Β 5 a). Verfassungsrechtlich könne der Gesetzgeber voll ausgebaute Schulen und im Aufbau befindliche Schulen unterschiedlich behandeln; Gesichtspunkte seien dabei ζ. B. fehlende Prognose hinsicht4 BVerwGE 70, 290 ff. (II 1). Jeand'Heur, Bernd in Müller, Friedrich/Jeand'Heur (Hg.): Zukunftsperspektiven der Freien Schule, Berlin 2/1996, S. 65 spricht von einem „radikalen Wandel des BVerwG". 5 BVerwGE 70, 290 ff. (II 2). 6 Insbesondere Bernhard, R., DVB1. 1983, S. 299 ff. versucht, aus der institutionellen Bestandsgarantie eine staatliche Leistungspflicht abzuleiten. Kritisch dazu Vogel, J.-P., DVB1. 1985, S. 1214 ff.; und zur generellen Auseinandersetzung mit institutionellen Gewährleistungen Müller, Friedrich / Pieroth, Bodo / Fohmann, Lothar: Leistungsrechte im Normbereich einer Freiheitsgarantie, untersucht an der staatlichen Förderung Freier Schulen. Berlin, 1982. S. 57 ff.; Jeand'Heur, a. a. O. S. 53, 64 f. 7 BayVerfGH vom 7. 11. 1984, SPE n.F. 236, S. 4 ff. 8 Wie nach ihm BVerwGE 1988 und BVerfG 1994W. 2*

Johann Peter Vogel

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lieh Qualität und Akzeptanz, Schutz leichtsinniger Gründer vor ihrem Unternehmerrisiko, effektive Verwendung öffentlicher Mittel (V Β 5 c). - Die lange Wartefrist sei mithin verfassungsgemäß.

II. Die Grundsatzentscheidung des Bundesverfassungsgerichts 1987 Dies ist die Rechtsprechung, auf die das BVerfG 1987 trifft. In seiner Entscheidung9 beschreitet es einen anderen, ebenfalls in der Literatur vorfindlichen 10 Weg und kommt zu folgenden Feststellungen:

1. Die Entwicklung der staatlichen Schutz- und Förderpflicht Die Grundrechtsgarantie des Art. 7 (4) Satz 1 GG, Schulen in freier Trägerschaft zu errichten und zu betreiben, sei eine Absage an das staatliche Schulmonopol und Ausfluss des Verfassungsprinzips der Schulvielfalt 11. Schulen in freier Trägerschaft erfüllen neben und anstelle der staatlichen Schule eigenverantwortlich gerade auch der Privatinitiative überlassene allgemeine (öffentliche) Bildungsaufgaben12. Das Grundrecht des Einzelnen auf Errichtung und Betrieb einer Schule in freier Trägerschaft nach Art. 7 (4) Satz 1 GG werde im Falle der Ersatzschulen durch das GG selbst eingeschränkt (Art. 7 (4) Sätze 3+4 GG): diese Schulen seien genehmigungsbedürftig; Voraussetzungen seien das Nichtzurückstehen in den Bildungszielen, den Einrichtungen und der Ausbildung der Lehrkräfte; das Verbot, Schüler durch zu hohe Schulgelder „auszusondern", und die Verpflichtung, die Lehrer wirtschaftlich und rechtlich genügend zu sichern. Das BVerfG geht von einer neuen Situation aus, die sich in der empirischen Erkenntnis spiegelt, dass diese GVn von den Schulträgern nicht mehr aus eigener Kraft gleichzeitig und dauerhaft erfüllt werden können. Das Grundrecht müsse deshalb aus Gründen, die im GG selbst geregelt sind, zum Erliegen kommen. Um dies zu vermeiden, müsse die staatliche Garantie der Ausübung des Grundrechts sich erweitern zu einer Schutzund Förderpflicht; der Staat müsse die durch die ständigen Verbesserungen seines Schulwesens entstandene Unmöglichkeit auf Seiten der Schulträger, die GVn zu erfüllen, kompensieren und ausgleichen13. - Nicht die Gefährdung der Institution des Ersatzschulwesens infolge Untergangs vieler oder aller Schulen, sondern die generelle Unmöglichkeit, das durch die GVn beschränkte Grundrecht auf Errich9 BVerfGE 75, 40 ff. 10

Müller /Pieroth/Fohmann a. a. Ο. 11 BVerfGE 27, 195 ff.; 34, 164 ff.; 75, 40 ff. 12 BVerfGE 75, 40 ff. (C II 2 c); BVerwGE 27, 360 ff. (st. Rspr. bis 1984 - s. Vogel in: Müller/Jeand'Heur a. a. O. S. 18 ff.) 13 BVerfGE 75, 40 ff. (C II 2); 90, 107 ff. (Β I).

„Strukturelle Unmöglichkeit" und „Gefährdung der Institution Ersatzschulwesen"

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tung und Betrieb in Anspruch zu nehmen, ist Grund der staatlichen Leistungspflicht. Dies ist eine Absage sowohl an die Teilhabelehre als auch an die Institutionenlehre. Der Ausgleich durch die Leistungspflicht müsse so bemessen sein, dass bei einem Schulgeld, das die freie Zugänglichkeit nicht einschränken darf (Sonderungsverbot), gleichwohl die GVn in vollem Umfang erfüllt werden können (der dafür vom Gericht benutzte Begriff „Existenzminimum" ist irreführend 14). Der Eigeninitiative entspräche eine angemessene Eigenleistung des Trägers; der Schulträger soll nicht vom unternehmerischen Risiko freigestellt werden. Nach Auffassung des BVerfG besteht die Eigenleistung aus den Schulgeldeinnahmen15; mit Recht geht das BVerfG davon aus, dass die Schulträger weitere Einnahmen in aller Regel nicht haben. Ein monatliches Schulgeld von DM 170-190 (1992) liege jenseits des Sonderungsverbots 16 (nach heutigem Wert Euro 100,-). Eine bessere Ausstattung als entsprechende staatliche Schulen oder eine volle Übernahme der Kosten könne nicht verlangt werden 17. Über diese verfassungsrechtliche Leistungspflicht hinaus ist es den Ländern unbenommen, weitere Förderungen zu gewähren; bei Gewährung dieser Leistungen ist der Gesetzgeber nicht an die Bedingungen unter II.2. gebunden.

2. Bedingungen der Förderpflicht a) Die „evidente Gefährdung der Institution Ersatzschule" - gemeint ist nicht das, was BVerwG und BayVerfGH darunter verstehen, sondern, wie sich aus dem Textzusammenhang ergibt, die empirisch festgestellte generelle Unmöglichkeit der Schulträger, die GVn zu erfüllen 18 . Dieser Zusammenhang ist wichtig: welche Gefährdung der Institution wäre evidenter als die, dass die Träger die GVn generell nicht mehr erfüllen können, ihre Schulen daher von den Behörden geschlossen werden müssten? Unmöglichkeit und Gefährdung sind eines. Darüber hinaus kann Voraussetzung der Förderpflicht aber auch die individuelle Gefährdung der einzel14 Jeand'Heur, Bernd: Methodische Analyse, freiheitsrechtliche und leistungsrechtliche Konsequenzen des Finanzhilfe-Urteils. In: Müller/Jeand'Heur, a. a. O. S. 47 ff. (54). Siehe auch Niehues, Norbert: Schul- und Prüfungsrecht Bd. 1, München 3 / 2000, Rdnr. 290. 15 Deutlich BVerfGE 90, 107 ff. (Β I 2 a: „Die hierfür für die Erfüllung der GVn erforderlichen erheblichen Kosten können nicht in vollem Umfang über Schulgelder gedeckt werden". Weitere Eigenleistungen werden nicht erwähnt und hätten in der Logik der Gedankenführung auch keinen Raum). Auch schon BVerfGE 75, 40 ff. (C II 2 b).

16 BVerfGE 90, 107 ff. (Β I 3 d bb). 17 BVerfGE 75, 40 ff. (C III 3); 90, 107 ff. (Β I 2 c) ι« BVerfGE 75, 40 ff. (C III 2). Siehe auch Niehues a. a. O. Rdnr. 292 und Jach, FrankRüdiger: Die Existenzsicherung der Institution Ersatzschulwesen in Zeiten knapper Haushaltsmittel. In: Jach, Frank-Rüdiger/Jenkner, Siegfried (Hg.): Autonomie der staatlichen Schule und freies Schulwesen. Berlin, 1998, S. 75 ff. (78 f.).

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nen Ersatzschule (Bedürftigkeit) sein, wenn es sich um eine generelle, d. h. strukturelle Bedürftigkeit handelt19. b) Der weite Gestaltungsspielraum des Landesgesetzgebers bei der Ausgestaltung der Förderpflicht 20 - zu ergänzen ist: im Rahmen und in den Grenzen der Artt. 7 (4), 3 (1) GG 2 1 . Also aa) keine Anforderungen für die Förderpflicht über die GVn hinaus; maßgeblich sind allein Art. 7 (4) Sätze 3+4 GG. Dies ist logisch, denn wenn die Existenz einer Ersatzschule auf der Erfüllung der GVn beruht und die Leistungspflicht aus der Systematik der GVn heraus abgeleitet wird, können die Anforderungen an die Leistungspflicht nicht über die GVn hinausgehen; sie würden zudem eine Ungleichheit der Förderung gleich zu behandelnder Ersatzschulen bewirken. Die Landesgesetzgeber können also keine zusätzlichen Bedingungen für die Förderpflicht hinzugefügen 22. Das BVerfG exemplifiziert dies anhand einer von einem Landesgesetzgeber vorgenommenen Differenzierung der Finanzhilfe nach Schulpflichterfüllung der Schüler 23; zu ergänzen wären z. B. die Anerkennung oder der volle Ausbau der Ersatzschule, die Gemeinnützigkeit24 oder der Wohnort der Schüler. Möglich ist aber eine Differenzierung unter Berücksichtigung besonderer pädagogischer Konzepte25 und der Baukosten26; bb) Gleichbehandlung aller Ersatzschulen: im Rahmen der Gleichbehandlung darf differenziert werden nach den Kosten der einzelnen Schularten 27; cc) die Förderpflicht muss obligatorische, kalkulierbare, subjektive Ansprüche geben; freiwillige Leistungen genügen nicht 28 . c) Der Vorbehalt dessen, was vernünftigerweise von der Gesellschaft erwartet werden kann 29; ein „Möglichkeitsvorbehalt' 430 , der berücksichtigt, dass die öffentlichen Mittel auch für andere wichtige Belange zur Verfügung stehen müssen. Allerdings ist die Förderpflicht besonders herausgehoben dadurch, dass sie „direkt 19 BVerfGE 75, 40 ff. (C III 2); 90, 107 ff. (Β I 2 a). 20 BVerfGE 75, 40 ff. (C III 1); 90, 107 ff. (Β I 2 c). 21 Hufen, Friedhelm: Verfassungsrechtliche Grenzen der Unterfinanzierung von Schulen in freier Trägerschaft. Rechtsgutachten 2004 (Kurzfassung in R&B 2/2005, S. 3 ff.; Ziff. 8), ausführlicher s. u. S. 49 ff. 22 Jeand'Heur a. a. O. S. 53, 89; Niehues a. a. O., Rdnr. 289. 23 BVerfGE 75, 40 ff. (C V 1). 24 s. Fußn. 3. 25 BVerfGE 75, 40 ff. (C IV und V). 26 BVerfGE 90, 128 ff. (II). 27 BVerfGE 75, 40 ff. (C IV 2); so schon BVerwGE 27, 360 ff. 28 BVerfGE 90, 107 ff. (B II 3) 29 BVerfGE 75, 40 ff. (C III 4). 30

Friedrich Müller/Bodo Pieroth / Lothar Fohmann, a. a. O., S. 160 f.; Jeand'Heur a. a. O. S. 55 f.; Jach a. a. O. S. 91 ff.

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aus dem normativen Gehalt des Grundrechts selbst"31 erwächst und eine Ausgleichspflicht für eigenes staatliches Handeln ist. Demgegenüber müssen alle weniger wichtigen, d. h. nicht gleicherweise grundrechtsgebundenen Belange zurückstehen. Die aufgrund der Förderpflicht gezahlten Finanzhilfen sind keine Subventionen, die nach Opportunitätsgesichtspunkten bemessen werden können, sondern eine verfassungsbegründete Leistungspflicht des Staates32. Entsprechend wird als Beispiel angeführt die Kürzung des Gesamtetats für das Schulwesen33, bei der die Förderpflicht in gleichem Proporz gemindert werden kann wie die Finanzierung der staatlichen Schulen. Eine nach Opportunität vorgenommene Prioritätensetzung unter beliebigen Belangen („Haushaltsvorbehält"), wie der BayVerfGH meint, ist nicht gemeint.

3. Kein subjektiver Anspruch aus Art. 7 (4) GG Ein subjektiver Anspruch eines Schulträgers auf Finanzhilfe direkt aus Art. 7 (4) GG wird abgelehnt. Einen Rechtsschutz misst das BVerfG dem Schulträger nur zu in Form einer Feststellung der Verfassungswidrigkeit bei grober Untätigkeit des Gesetzgebers oder ersatzlosem Abbau der Finanzhilfe 34. * *

*

Mit dieser Entwicklung einer verfassungsrechtlichen Förderpflicht für Ersatzschulen aus Art. 7 (4) GG hat sich das BVerfG eingereiht in eine schlüssige Rechtssystematik, wie sie von Friedrich Müller erarbeitet 35 worden und inzwischen Allgemeingut der Rechtsliteratur 36, nicht allerdings der Gesetzgebung37 geworden ist. Umso erstaunlicher, dass das BVerfG in der Folgezeit nicht bei dieser Argumentationslinie geblieben ist.

III. Die weitere Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts Das BVerfG hat mit weiteren vier Entscheidungen die in der Grundsatzentscheidung 1987 entwickelten Erkenntnisse weitgehend ausgehöhlt38, indem es sich der 31 Jeand'Heur a. a. O. S. 55. 32 Müller/ Pieroth/Fohmann a. a. O. S. 160 f.; Jach a. a. O. S. 95 ff. 33 BVerfGE 75, 40 ff. (C III 4) 34 BVerfGE 90, 107 ff. (B II 2 d). So auch Müller/Pieroth/Fohmann a. a. O. S. 168 ff. 35 Grundlegend Müller/Pieroth/Fohmann a. a. O.; Kloepfer/Meßerschmidt: Privatschulfreiheit und Schulabbau. DÖV 1987, S. 193 ff.; Müller/Jeand'Heur a. a. O. 36 Z. B. Jach a. a. O. S. 75 ff.; Niehues a. a. O. Rdnr. 285 ff.; Hufen a. a. O. Ziff. 4. 37 Einige Bundesländer haben z. B. - 18 Jahre nach dem Urteil - noch immer nicht allen Ersatzschulen einen obligatorischen Anspruch auf Finanzhilfe zugestanden (§ 17 (1) PSchG BW; § 149 (1) SchG Ns.; § 28 (1) PSchG RP; § 18 (1) SchG SAt).

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Rechtsprechung des BVerwG und des BayVerfGH angepasst hat; signifikant an dieser Rechtsprechung ist die Reduktion der Rechtspositionen, die das Gericht in den ersten beiden Entscheidungen eingenommen hatte - dies in der Abkehr von der aktuellen Situation der freien Schulen hin zum „herkömmlichen Bild der Privatschule'4. Im Laufe dieser Reduktion wird die Ableitung der verfassungsrechtlichen staatlichen Förderpflicht aus Art. 7 (4) GG nicht angetastet, aber es werden verfassungsrechtliche Vorgaben aufgehoben. - Mit der zweiten Entscheidung wird mit der Bestätigung von Wartefristen ein erster Zeitraum geschaffen, in dem trotz Verpflichtung zur Einhaltung der GVn keine verfassungsrechtliche Förderpflicht eintritt und das Sonderungsverbot des Art. 7 (4) Satz 3 GG de facto suspendiert, mindestens aber relativiert wird (dazu 1.); - In der vierten Entscheidung (dem „Kammerbeschluss") wird dieser Zeitraum ohne (oder ohne genügende) Förderung auf die ganze Betriebszeit ausgedehnt (dazu 2.); - In der fünften Entscheidung wird zur Bestätigung der Landeskinderklausel die Gefährdung der Institution Ersatzschule endgültig aus dem Zusammenhang der generellen Unmöglichkeit, die Genehmigungsvoraussetzungen aus eigener Kraft zu erfüllen, gelöst und de facto unbeweisbar gemacht; außerdem wird die bisher verfassungswidrige Beürfnisprüfung de facto wieder eingeführt (dazu 3.).

1. Suspension des Sonderungsverbots durch Wartefrist Eine im Finanzhilfeurteil offen gelassene Frage betraf die nach den Anfangskosten und die nach den Investitionskosten. Die Verweisung auf die Rechtsprechung des BVerwG 39 , wonach beide Bereiche in die Eigenleistung des Schulträgers fallen, ging teilweise ins Leere. Was die Investitionskosten betraf, bezog das BVerfG sie in seiner dritten Entscheidung mit ein 40 , da zu den GVn auch die Bereitstellung gleichwertiger Einrichtungen gehöre. Unter den Anfangskosten hatte das BVerwG die Kosten vor und bis zur Genehmigung verstanden (s. ο. I 1); da insoweit noch keine GVn zu erfüllen waren, konnte sich auch nach der Rechtsprechung des 38 BVerfGE 75, 40 ff. (1987, Finanzhilfeentscheidung); BVerfGE 90, 107 ff. (1994W, Wartefristentscheidung); BVerfGE 90, 128 ff. (1994B, Baukostenentscheidung); BVerfG 1997, RuS 1997, S. 1 ff. = SPE n.F. 236, S. 133 ff. (Kammerbeschluss); BVerfGE v. 23. 11. 2004, 1 BvL 6/99 (2004, Landeskinderklausel-Beschluss; R&B 2/2005, S. 5 ff. = SPE 3. Folge 236, S. 90 ff.). 39 BVerfGE 75, 40 ff. (C III 3) mit Verweisung auf BVerwGE 27, 360 ff. und 70, 290 ff. 40 BVerfGE 90,128 ff. Siehe auch Niehues a. a. O. Rdnr. 295 f., Jeand'Heur a. a. O. S. 53 f. (dort Fußn. 27). Die Einbeziehung überlässt dem Gesetzgeber einen weiten Spielraum, sodass die Entscheidung kaum Finanzhilfe erhöhende Folgen in den Landesgesetzen hatte (Beispiel § 101 SchG B, wo die Baukosten einbezogen, aber keine über die Personalkosten hinausgehenden Mittel ausgeworfen werden).

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BVerfG keine Förderpflicht ergeben. BVerfG 1994W und BVerwG 1988 deuten dies aber um, dergestalt, dass eine Anfangszeit nach Genehmigung gemeint sei 41 . Freilich steht dem der klare Wortlaut des Art. 7 (4) Satz 1 GG entgegen; garantiert wird gerade die „Errichtung" der Schule42. Zunächst geht das BVerfG 1994W von der Begründung der Leistungspflicht, wie sie in BVerfG 1987 entwickelt wurde, aus, lässt „unerörtert", welche Rechte sich aus der Institutionsgarantie für den einzelnen Träger ergeben, und stellt auf die generelle, empirisch festgestellte Hilfsbedürftigkeit ab. Die für eine den GVn entsprechende Schule „erforderlichen erheblichen Kosten können nicht in vollem Umfang über Schulgelder gedeckt werden" (Β I 2 a). „Schutz und Förderung sind nicht auf bereits bestehende Ersatzschulen beschränkt. Sie müssen vielmehr so ausgestaltet werden, dass auch Neugründungen praktisch möglich bleiben" (Β I 2 b). - Danach hätte eine Nichtförderung nach Genehmigung als verfassungswidrig festgestellt werden müssen, denn die Feststellung, die Ersatzschulen könnten aus eigener Kraft die GVn nicht dauerhaft erfüllen, muss logischerweise für die gesamte Zeit der Genehmigung, auch für die Zeit direkt nach Genehmigung43, gelten. Überraschend wechselt das BVerfG an diesem Punkt die Argumentation: Zur weitgehenden Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers gehöre, dass keine volle Übernahme der Kosten verlangt werden kann. Zudem stehe „die Förderpflicht von vornherein unter dem Vorbehalt dessen, was vernünftigerweise von der Gesellschaft erwartet werden kann". Der Gesetzgeber müsse Prioritäten setzen und bleibe „befugt, die nur begrenzt verfügbaren öffentlichen Mittel für andere wichtige Gemeinschaftsbelange einzusetzen" (Β I 2 c). Auf diesem Hintergrund seien Wartefristen grundsätzlich vereinbar. Zweck dieser Wartefristen sei der Erfolgsnachweis für den Einsatz öffentlicher Mittel. Art. 7 (4) GG gehe „von dem herkömmlichen Bild der Privatschule" aus; der Schulträger habe „seinem Interesse an der Verwirklichung eigener Ziele und Vorstellungen eigenes finanzielles Engagement folgen" zu lassen (Β I 3 a). Öffentliche Mittel müssten effektiv verwendet werden; die Genehmigung biete keine Prognose dafür. Vom Schulträger dürfe verlangt werden, dass er sich zunächst pädagogisch bewährt und der Konkurrenz öffentlicher und privater Schulen gewachsen ist (Β I 3 b). Mag sein, dass im Falle des Scheiterns einer Schule die Zuschüsse nicht völlig nutzlos gewesen sind, aber der Staat will seine Förderung „in ein funktionierendes privates Ersatzschulwesen investieren" (Β I 3 c). - Das sind Motive, die weder einzeln noch zusammen stichhaltig genug sind, um keinerlei Finanzhilfe zu leisten - angesichts der Tatsache, dass der Schul41 So auch BayVerfGH 1984 und BVerwG 1988. Dazu Vogel, Johann Peter in: Müller/ Jeand'Heur a. a. Ο. S. 100 ff. m.w.N; Jeand'Heur a. a. O. S. 53 f. (dort Fußn. 27). 42 Müller/ Pieroth/Fohmann a. a. O. S. 160; Berkemann, J. RdJB 1987, S. 397 ff. (400 1. Sp.). 43 So auch noch BVerfGE 90, 128 ff. (C II 2); Müller/Pieroth/Fohmann a. a. O.; Berkemann a. a. O.

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träger die GVn erfüllen soll, die er nicht allein erfüllen kann. Abgesehen davon ist völlig unbewiesen, dass Gründungen in nennenswertem Umfang in den ersten zehn Jahren scheitern; seriöse Statistiken darüber gibt es nicht 44 . Kernpunkt ist die erstaunliche Aussage: „Aus der Unmöglichkeit einer vollen Selbstfinanzierung folgt noch nicht, dass jede Wartefrist als faktische Gründungssperre wirkt". Das zugemutete erhebliche finanzielle Engagement des Trägers, eine Unmöglichkeit möglich zu machen, wird überspielt damit, dass „nur eine absehbare und vorübergehende Zeit zu überbrücken ist. Auf Dauer muss dem Schulträger ... Entlastung in Aussicht stehen. Schränken Wartefristen dem Schulträger diese Perspektive übermäßig ein, wirken sie als faktische Errichtungssperre" (Β I 3 d aa). Handelt es sich beim Schulträger um Eltern oder ist das Schulgeld, wie in der überwiegenden Zahl der Fälle, die einzige Einnahme der Schule, gerät das BVerfG, das die freie Zugänglichkeit der Schulen noch einmal unterstreicht („es liegt auf der Hand, dass [1992] Beträge in der Größenordnung von monatlich 170 bis 190 DM nicht von allen Eltern gezahlt werden können"), mit der Kostendeckung während der Wartezeit in Schwierigkeiten. Diesen entwindet es sich, imdem es „zwischen Schulgeld und Beiträgen zur Eigenleistung" unterscheidet. Freier Zugang zur Schule und Beteiligung an der Gründung seien etwas Unterschiedliches. Die Eltern verfolgten mit der Gründung „eigene bildungspolitische Ziele" und müssten „Bereitschaft zu finanziellen Opfern mitbringen, die über das hinausgehen, was bloße Benutzer einer etablierten Bildungseinrichtung für Kinder zu leisten bereit sind" (Β I 3 d bb). - M.a.W.: die Gründungseltern müssen weit mehr für den Schulbesuch ihrer Kinder zahlen, als das Sonderungsverbot zulässt. Schließlich wird eine Anforderung gestellt, die die Wartefrist doch noch in Einklang bringen könnte mit den GVn, insbesondere mit dem Sonderungsverbot. Bei langen, überstandenen Wartezeiten „muss [der Gesetzgeber] allerdings einen wie immer gearteten Ausgleich vorsehen, damit die Wartefrist nicht zur faktischen Errichtungssperre wird". Diese Forderung wird jedoch gleich wieder eingeschränkt: Die Vereinbarkeit einer Wartefrist „lässt sich letztlich nur aufgrund einer Gesamtschau beurteilen", in die außer der Dauer der Wartezeit mögliche freiwillige Finanzhilfeleistungen, Schulgelderstattungen, die spätere Höhe der Finanzhilfe „und etwaige Ausgleichszahlungen einzubeziehen sind" (Β I 3 d dd). Entsprechend wird die „außergewöhnlich lange" bayrische Wartefrist bis zum vollen Ausbau zuzüglich zweier erfolgreicher Abschlussprüfungen (beim Gymnasium zehn Jahre (!)) unter dem verfassungsrechtlich zulässigen Gesichtspunkt der Erfolgskontrolle grundsätzlich gerechtfertigt und angesichts freiwilliger Leistungen (die eigentlich wegen ihrer Unkalkulierbarkeit als Schutz nicht in Frage kommen) und späterer, 44 Nach Theuersbacher, P. NVwZ 1993, S, 631 ff. (636) und RdJB 1994, S. 497 ff. (499) zeigen „Fälle aus der Praxis", dass die Genehmigung noch keine Prognose für die Zukunft sei. In den Verbänden freier Schulen sind solche Fälle nicht bekannt (dazu Scheuer unten S. 189 ff.); es kann sich also nur um nicht repräsentative Einzelfälle handeln.

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durch die Berücksichtigung von Baukosten erhöhter Finanzhilfe als verfassungsrechtlich unbedenklich angesehen, zumal das Motiv, Gründer vor leichtsinnigen Errichtungen zu schützen, begrüßenswert sei (B II 2 und 3). - Ein so gestalteter „Ausgleich" lässt Gesetzgebern freie Hand 45 . Verglichen mit den in dieser Sache vorangehenden Urteilen des BayVerfGH 1984 und des BVerwG 1988 (s. u. III 1) ist auffällig, dass das BVerfG 94W nicht mit der Gefährdung der Institution argumentiert, sondern mit der vom BVerfG 1987 entwickelten Hilfsbedürftigkeit aufgrund Unmöglichkeit. Diese Argumentation lässt sich zu diesem Zeitpunkt (1994) noch als Kritik an der Institutionenlehre, wie sie vom BayVerfGH und BVerwG vorgetragen wurden, deuten. Auch wird grundsätzlich daran festgehalten, dass sich die Eigenleistung mit dem zulässigen Schulgeld erschöpft (Β I 2 a). Es ist bedauerlich, dass eine Ausgleichsforderung nicht mit jeder Wartefrist verbunden wurde; das hätte die zu abstrakte „Errichtungssperre" und die taschenspielerische Unterscheidung von Schulgeld und zusätzlichem Bildungsengagement überflüssig gemacht. Es fällt schwer, die Vermutung zu unterdrücken,Triebfeder der Entscheidung sei eben doch die Absicherung der Einsparungen im Finanzhilfebereich der Länder gewesen. 2. Die Minimierung der Förderpflicht über die Wartefrist hinaus Der „Kammerbeschluss" 1997 hatte sich mit der Vorlage des VG Sigmaringen zugunsten des Trägers einer voll ausgebauten berufsbildenden Ersatzschule zu befassen. Dieses war der begründeten Auffassung, dass die berufsbildenden Ersatzschulen in Baden-Württemberg unzureichend und deutlich schlechter gefördert werden als die allgemeinbildenden. Dies war auch die Meinung der Regierung, doch beabsichtigte diese, wegen anderweitiger Verwendung der öffentlichen Mittel die Finanzhilfe nur langfristig und stufenweise anzuheben. Termine setzte sie freilich nicht 4 6 Die 1. Kammer des BVerfG hat der Vorlage nicht stattgegeben. In der Begründung hält die Kammer die in der Vorlage vorgetragenen Tatsachen für nicht substantiiert; das Vorlagegericht habe sich auch nicht genügend mit der Rechtsprechung des BVerfG zur Finanzhilfe auseinandergesetzt. Überraschenderweise stellt die Kammer dann diese Rechtsprechung anders, als sie bisher verlief, dar. Zwar geht es von der in BVerfG 1987 entwickelten staatlichen Leistungspflicht aus, hebt aber sofort auf den weiten Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers ab und stellt fest: „Der Staat ist nur verpflichtet, einen Beitrag bis zur Höhe des Existenzminimums der Institution Ersatzschulwesen zu leisten". Der Schulträger 45 Nur das Saarland hat keine Wartefrist eingeführt. Eine Ausgleichsregelung ist erst in den letzten Jahren in Hamburg, Hessen und Nordrhein-Westfalen getroffen worden (§ 14 (4) SchfrTrG HH, § 1 (2) ESchFinG He, § 105 (3) SchG NW). 4 6 BVerfG 1997 (A III).

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könne „seine Eigenleistung außer durch Schulgeldeinnahmen beispielsweise durch Spenden, Zuschüsse hinter ihm und die Schule in einem weiteren Sinne tragender finanzstarker Kreise oder durch Aufnahme von Krediten erbringen". Er könne nicht erwarten, „dass der Staat sämtliche Kosten übernimmt, die jenseits grundgesetzkonformer Schulgeldeinnahmen zu decken sind". Dies wird begründet mit dem „herkömmlichen Bild der Privatschule". Der Staat beteilige sich nur am zuvörderst privaten Engagement (B II 2 a aa). - Die Kammer übernimmt hier erstmals die Institution Ersatzschulwesen in der Bedeutung der Rechtsprechung des BVerwG 1984 und 1988; von genereller Hilfsbedürftigkeit aufgrund Unmöglichkeit ist nicht mehr die Rede. Neben dem Schulgeld wird eine weitere Einnahmequelle des Trägers unterstellt. Damit tritt auch in der Rechtsprechung des BVerfG ein Wandel der Argumentation ein. Zugleich weitet es Erkenntnisse von BVerfG 1994W, die dort nur für die Wartefrist galten, auf die ganze Betriebsdauer einer voll ausgebauten Schule aus. BVerfG 1997 zieht dann auch den Vorbehalt des vernünftigerweise zu Erwartenden an und hebt darauf ab, dass der Gesetzgeber Prioritäten für andere Gemeinschaftsbelange setzen müsse. „Auch kann er bei notwendigen allgemeinen Kürzungen den Gesamtetat für das öffentliche und private Schulwesen vermindern" (B II 2 a bb). - Bei den Haushaltsüberlegungen ging es aber nicht um Kürzungen des Gesamtetats, sondern um die Bedienung anderer Prioritäten. Aus einer mit Verfassungsrang ausgestatteten Förderpflicht, die BVerfG 1987 meint, wird eine nach dem Gesichtspunkt der Opportunität zu gewährende Subvention, und es wird hingenommen, dass die Finanzhilfe über eine unbestimmte jahrelange Zeit grob ungenügend bis verfassungswidrig zu niedrig bleibt 47 , während sich die Ausgaben für die staatlichen Schulen unabhängig davon entwickeln.

3. Die Zulassung von Bedingungen über die Genehmigungsvoraussetzungen hinaus a) Landeskinderklauseln Landeskinderklauseln (Lkkn) sind landesgesetzliche Beschränkungen der öffentlichen Finanzhilfe auf Landeskinder und der Ausschluss von Nicht-Landeskindern, die eine Ersatzschule des Landes besuchen, von der Finanzhilfe. Gesetzlich vorgesehen sind sie in Bremen, Hamburg und Schleswig-Holstein48. In Bremen gibt es die Lkk schon seit 1984; sie hatte aber keine Auswirkung, weil Niedersachsen seit 1985 einen Ausgleichsbetrag für die niedersächsischen Schüler an Bremen zahlte. 1995 kündigte Niedersachsen diese Vereinbarung, 1996 trat eine neue in Kraft 49 , die vorsieht, dass für niedersächsische Schüler an Staatsschulen weiterhin 47 Dazu VGH BW 2000 (s. u. IV 3). 48 § 17 PSchG HB 1984, 1990, 1999; §§ 15 (7) HmbSfTG 2001; 21 (6) 1989, 1996; § 63 (6) SchG SH 1994, 1998.

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ein Ausgleich gezahlt wird, für Schüler an Ersatzschulen aber nur noch dann, wenn sie bis zum 15. 10. 1996 aufgenommen wurden oder wenn es sich um Geschwisterkinder der bisherigen Schüler handelt. Dagegen klagten 1994/1995 zwei bremische Ersatzschulen (auch in Hamburg und Schleswig-Holstein waren Klagen anhängig, ruhten aber mit Rücksicht auf das bremische Musterverfahren). Dank der Dauer des Verfahrens gibt es inzwischen an bremischen Ersatzschulen so gut wie keine niedersächsischen Schüler mehr. b) Wohnortkriterium und Entlastung Auf die Klage (Feststellung, dass die Finanzhilfe für alle Schüler weiterhin gezahlt wird) erarbeitete das VG Bremen einen umfassenden Vorlagebeschluss an das BVerfG, weil es (mit der herrschenden Meinung 50 ) der Auffassung war, die Lkk sei verfassungswidrig. Das BVerfG 2004 51 lehnte dies ab, aus im wesentlichen zwei Gründen: aa) Der Landesgesetzgeber habe hinsichtlich der Finanzhilfegestaltung einen erheblichen Spielraum. Die Schutzpflicht des Staates nach Art. 7 (4) GG träte erst bei evidenter Gefährdung der Institution Ersatzschule ein. Diese Gefährdung läge nicht vor; die klagenden Schulen hätten jetzt mehr Schüler als 1995. - Einen Bestandsschutz der Einzelschule gäbe es nicht; er träte auch nicht ein, wenn sich Bedingungen für den Betrieb änderten oder die Schule nicht mehr angenommen werde. - Im übrigen stehe die Förderpflicht unter dem Vorbehalt dessen, was vernünftigerweise von der Gesellschaft erwartet werden könne. Der Gesetzgeber müsse Prioritäten setzen (Β I). - BVerfG 2004 setzt damit die Rechtsprechung des BVerfG 1997 fort. bb) Überraschend sind dann die Ausführungen zur Verletzung des Gleichheitssatzes des Art. 3 (1) GG. Dieser sei ebenfalls nicht verletzt. Zwar würden die Ersatzschulen untereinander unterschiedlich - je nach Zahl der beschulten Landeskinder - behandelt, doch sei dies gerechtfertigt dadurch, dass einerseits der Staat seine Mittel auf Landeskinder konzentrieren dürfe, und dass andererseits Ersatzschulen je nach Beschulung von Landeskindern den Staat unterschiedlich entlasten (B II 2 a). - Hier erscheint plötzlich der von BVerfG 87 ausdrücklich offen gelassene Entlastungsgedanke aus BVerwG 196652 wieder, nun im Sinne einer Bedürf49 Brem.ABl. 1996, S. 640 (vgl. Hamburg/Niedersachsen 1995 - BEFT Oz. 40,6, S. 151; Hamburg/Schleswig-Holstein 1991 - BEFT 40,6, S. 153 ff.; 1996 - BEFT 40,6 S. 155 (auch für Ersatzschulen). 50 Vorlagebeschluss VG Bremen v. 27. 11. 1998 (7 Κ 17044/95); Jach, Frank Rüdiger: Die Zulässigkeit von Lkkn im Privatschulrecht. DÖV 1995, S. 925 ff.; Niehues, Norbert: Schul- und Prüfungsrecht Bd. 1, München 3 / 2000, Rdnr. 289. 51 Beschluss v. 23. 11. 2004, 1 BvL 6/99 (R&B 2/2005, S. 5 ff. = SPE 3. Folge 236, S. 90 ff.). 52 Kritisch zur Entlastung schon Kloepfer, Michael / Meßerschmidt, DVB1.1983, S. 193 ff. (198); Vogel, J.-P.: DÖV1984, S. 541 ff. (546); Eiselt, DÖV 1987, S. 557 ff. (567).

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nisprüfung. Der Schülerwohnsitz wird zu einem Erfordernis des Finanzhilfeanspruchs über die GVn hinaus. Die verfassungsrechtliche Fragwürdigkeit wird in der Entscheidung nicht gesehen, jedenfalls nicht behandelt. Auch gegenüber staatlichen Schulen, die niedersächsische Kinder ohne finanziellen Ausfall aufnehmen könnten, seien Ersatzschulen ebenfalls nicht benachteiligt, weil ein Wettbewerbsnachteil nicht nachgewiesen sei; niedersächsische Kinder, die bremische Staatsschulen besuchten, seien andere als die, die bremische Ersatzschulen besuchen würden. - Dasselbe gelte für die Gesichtspunkte der freien Schülerwahl der Ersatzschulen und der freien Schul wähl der Eltern (B II b).

c) Nichterörterung wesentlicher Gesichtspunkte Bemerkenswert ist, dass das Gericht weitere Argumente des vorlegenden Gerichts und der herrschenden Meinung sowie des Stellung nehmenden BVerwG nicht behandelt: aa) Das Verfassungsprinzip der Schulvielfalt wird nicht berücksichtigt (dass also die Ersatzschulgarantie nach Art. 7 (4) GG der Verwirklichung von Vielfalt dient, nicht aber der Entlastung der Staatsschule53) , ebensowenig die Tatsache, dass die Ersatzschulgenehmigung unabhängig von der Herkunft der Schüler zu erteilen ist, und die Ersatzschule deshalb zu fördern ist, weil sie nicht mehr in der Lage ist, aus eigener Kraft gleichzeitig und dauerhaft die GVn des Art. 7 (4) Sätze 3+4 GG zu erfüllen. Nach BVerfGE 2004 müsste eine Bremer Ersatzschule, die garkeine bremischen Schüler hätte (z. B. eine Internatsschule), zwar genehmigt werden, dürfte aber ohne jeden Zuschuss bleiben,also strukturell nicht existieren können! 54 bb) Ferner wird Art. 33 (1) GG nicht gewürdigt, wonach jeder Deutsche in jedem Bundesland gleiche staatsbürgerliche Rechte und Pflichten hat, und entsprechend die Bundesländer untereinander bzw. mit dem Bund bei der Ermöglichung der Wahrnehmung der Grundrechte durch die Bürger zusammen zu wirken haben. Bremen hätte also seinen Schulträgern nicht entgegen halten dürfen, Niedersachsen halte sich nicht an seine Pflichten. Das BVerwG vertrat in seiner Stellungnahme zum Vorlagebeschluss des VG Bremen 55 den Standpunkt, dass der Ersatzschule gegenüber das Sitzland sich nicht auf eine Zahlungsverweigerung des Herkunftslandes berufen könne, das Herkunftsland eine Erstattung gegenüber dem Sitzland nicht verweigern dürfe 56 . „Die Garantie der Gründungs-, Wahl- und Be53 BVerfGE 75, 40 ff. (C II 2 c). 54 Eine Internats-Ersatzschule in Schleswig-Holstein erhält Finanzhilfe für Landeskinder, Hamburger und (obwohl von dort keine Ausgleichszahlung kommt) ausländische Schüler, für die übrigen deutschen aber nicht. 25 % der Schüler werden nicht bezuschusst. Als Internatschule findet die Schule in SH und HH nicht genügend Schüler, da ortsnahe Schüler in der Regel keine Internatschule besuchen. Die Schule ist strukturell in ihrer Existenz sehr gefährdet. 55 BVerwG zitiert in BVerfG vom 23. 11. 2004, A III 3.

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suchsfreiheit für Schulen in freier Trägerschaft ist nach Art. 7 (4) GG ohne Vorbehalt gesamtstaatlich garantiert und kann daher durch den Landesgesetzgeber nicht eingeschränkt werden". Die Bundesländer sind im Rahmen ihrer Verpflichtung zu bundestreuem Verhalten ggf. zu gemeinsamem Handeln verpflichtet, um die Garantien des Art. 7 (4) GG für jeden Bürger zu sichern 57. Wenn die Lkkn verfassungskonform sein sollen, hätte das BVerfG etwas zu den Folgen sagen müssen: Wer soll die Förderpflicht für die jeweiligen Nicht-Landeskinder an den Ersatzschulen des Landes übernehmen? Sollten die jeweiligen Herkunftsländer gemeint sein, welchen Anspruch hätte dann eine Ersatzschule gegen diese? Bisher ist einziger Verpflichteter das Sitzland; ein Anspruch gegen Herkunftsländer gibt es bisher nicht. Man stelle sich vor, eine Internatsschule müsste sich mit 15 deutschen (und wer weiß wievielen ausländischen) Ländern auseinandersetzen... Wird ein Land mit Lkk überhaupt Interesse an der Beschulung ausländischer Schüler haben? Allein der bürokratische Aufwand, aber auch die Ohnmacht einer einzelnen Schule gegenüber einer fremden Landes Verwaltung demonstrieren: Die Zulassung von Lkkn gebiert einen Rattenschwanz von Absurditäten, und man kann nur hoffen, dass sich keine anderen sparwütigen Länder dazu entschließen.

IV. Die Rechtsprechung anderer hoher Gerichte nach 1987 1. Das Bundesverwaltungsgericht Nach der Grundsatzentscheidung des BVerfG übernimmt das BVerwG die verfassungsrechtliche Begründung, behält aber seine bisherigen Erkenntnisse bei. So kommt es zu einer zwitterhaften Argumentation. BVerwG 1988 vertieft in seiner Entscheidung zur Wartefrist (in derselben Sache, in der der BayVerfGH 1984 (s. o. I 1.3) und dann das BVerfG 1994W in der Wartefristentscheidung (s. o. III 1) Stellung nehmen) die in BVerwG 1984 eingeleitete, vom BayVerfGH 1984 vertiefte Argumentation, ohne auf die vom BVerfG entwickelte Gegenposition einzugehen. Zwar wandelt es den aus der BVerwG-Rechtsprechung übernommenen verfassungsrechtlichen Anspruch auf Finanzhilfe, dem BayVerfGH folgend, in einen Feststellungsanspruch ab (II 1). Sodann führt es noch einmal aus, dass „die Grundrechtsverbürgung der Privatschulfreiheit ... den Landesgesetzgeber [verpflichtet], das Ersatzschulwesen als Institution im Räume der Gesellschaft tatsächlich lebensfähig zu erhalten. Er gleicht mit seiner Schutz- und Handlungspflicht allein den Nachteil aus, den das Privatschulwesen erleidet, weil es den in Art. 7 (4) Sätze 2 - 4 GG normierten verfassungsrechtlichen Genehmigungserfordernissen unterworfen ist, die ohne Hilfe des Staates auf die Dauer nicht eingehalten werden könnten. Das Ersatzschulwesen als Institution ist dabei Schutzobjekt; an seinen existentiellen Bedürfnissen orientiert sich der Umfang der ver56

Jach a. a. O.; Niehues a. a. O. 57 Jach, DÖV 1995, S. 931 ff.; Niehues a. a. O., Rdnr. 289 m. w. N. So auch der Vorlagebeschluss des VG Bremen, S. 66 ff.

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fassungsrechtlich gebotenen Förderung". Ein komplementärer Anspruch des einzelnen darauf, ihm die Voraussetzungen zur Rechtsausübung zu verschaffen, steht der „ . . . Freiheit zur Errichtung von privaten Schulen nicht zur Seite" (II 2). Das BVerwG leitet also aus dem Grundsatz des BVerfG 1987 und 1994 - Leistungspflicht bei struktureller Hilfsbedürftigkeit eines einzelnen Trägers - eine Hilfsbedürftigkeit erst dann ab, wenn die Institution, also das ganze Ersatzschulwesen konkret gefährdet ist. Aus der allgemein gehaltenen Garantie der Institution Ersatzschule folgt ein kaum beschränkter weiter Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers bei der Regelung der Finanzhilfe. So bleibt die Wartezeit nach Genehmigung unbeanstandet. Dies wird in eine scheinbare Kontinuität der Rechtsprechung des BVerwG gestellt, dergestalt, dass die „Kosten der Errichtung", d. h. die Kosten vor Genehmigung, die nach BVerwGE 27, 360 ff. zur Eigenleistung gehörten, uminterpretiert werden in eine „Anfangsfinanzierung", eine Finanzierung nach Beginn des genehmigten Schulbetriebs, also nach Genehmigung (II 2 a). Der dadurch entstehende Widerspruch zur Begründung der Leistungspflicht wird verschleiert durch die Ausweitung des „Unternehmerrisikos"; es umfasst in der Anfangszeit des Schulbetriebs nun auch den „Nachteil, den das Privatschulwesen erleidet, weil es den in Art. 7 (4) Sätze 2 - 4 GG normierten verfassungsrechtlichen Genehmigungserfordernissen unterworfen ist, die ohne Hilfe des Staates auf die Dauer nicht eingehalten werden könnten" (s. o.). Da zudem die außerordentlich lange bayrische Wartefrist durch gewisse freiwillige Leistungen gemildert (II 2 b) und im übrigen eine „Erneuerung des Privatschulwesens insgesamt" nicht evident gefährdet sei (II 2 c), sei die Wartefrist nicht zu beanstanden. 2. Das Landesverfassungsgericht

Mecklenburg-Vorpommern

Das LVerfG MV hatte in seiner Entscheidung vom 18. 9. 2001 58 darüber zu befinden, ob die Kürzungen der Finanzhilfe mit Haushaltsrechtsgesetz 2000 verfassungswidrig seien. Es akzeptiert, dass sich seit 1987 nichts an der Feststellung der Unmöglichkeit, die Genehmigungsvoraussetzungen gleichzeitig und aus eigener Kraft zu erfüllen, geändert habe und dass in den neuen Bundesländern von niedrigeren Eigenleistungen und erhöhtem Investitionsbedarf auszugehen sei. Allerdings betont das Gericht die Beschränkung der Förderpflicht auf die Sicherung der Institution des Ersatzschulwesens und darauf, dass die Verfassungswidrigkeit des Gesetzgebers nur bei einer Untätigkeit, einer groben Vernachlässigung der Förderpflicht oder einem Abbau aus mit Art. 7 (4) GG nicht vereinbaren Gründen festgestellt werden könne. Die Garantie eines existenzfähigen privaten Schulwesens befreie den einzelnen Schulträger nicht von „besonderen Anstrengungen", um eine Änderung der Förderbedingungen auszugleichen. Ein wesentlicher zusätzlicher Indikator für die Fragwürdigkeit einer Finanzhilfeminderung sei die dadurch erfor58 LVerfG 1 /00, RuS 4/2001, S. 5 ff = SPE 3.F. 236, S. 30 ff.

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derliche Schulgelderhöhung - die Beschwerdeführer haben „verfassungsrechtlich bedenkliche" Schulgelder von mehr als DM 300, ja DM 400 monatlich nachgewiesen. Überraschend ist dann doch, dass die Klage abgewiesen wird. Das Gericht räumt ein, dass nach BVerfGE 75, 40 ff. Ersatzschulen grundsätzlich allen Bürgern ohne Rücksicht auf ihre finanziellen Verhältnisse offen zu stehen haben. Ob Sätze von DM 170 bis 190 für 1994 nach den zwischenzeitlich erfolgten Änderungen des Familienleistungsausgleichs noch maßgeblich sein können, brauchte nach Auffassung des Gerichts nicht entschieden zu werden, denn es gäbe keine grundgesetzliche Garantie der Höhe der Finanzhilfe. Der Kernsatz: Der Gesetzgeber dürfe auch einseitige Kürzungen vornehmen, solange keine Gefährdung der Institution Ersatzschulwesen vorliege. Die Beschwerdeführer hätten nichts vorgetragen dafür, dass die Schulgeldhöhe „unter Einsatz etwaiger weiterer zumutbarer Eigenleistungen vermeidbar" gewesen wäre oder „einen flächendeckenden Effekt beschreibe". Die Gefährdung der Institution des Ersatzschulwesens sei mithin nicht nachgewiesen worden. - Hätte der Kläger das überhaupt nachweisen können? Oder hätte das Gericht - bei so hohen Schulgeldern - aufgrund seiner Offizialmaxime nicht die notwendigen Erhebungen hinsichtlich der Gefährdung veranlassen müssen? Nur in einem Punkt gab das Gericht den Schulträgern Recht: die Kürzung konnte nicht am Tag nach der Verkündung des Gesetzes einsetzen (dem 1.1. 2000), sondern erst nach einer Übergangszeit, weil alle Kalkulationen der Schulträger für das Schuljahr bereits getroffen waren. Hier nimmt das Gericht auch - nachdem es zuvor die Kürzungen minimiert hatte (lediglich „Kappung der Obergrenze der Finanzhilfe") - zur Kenntnis, dass die gesetzliche Kürzung einem Kostenanteil der Schule von 24,5% (!) entspricht und dass die dadurch notwendige Schulgelderhöhung bei dem „erheblich unter dem Bundesdurchschnitt liegenden Einkommensniveau in Mecklenburg-Vorpommern" von vielen Eltern nicht mehr aufgebracht werden könne. Die Übergangsfrist solle ihnen ermöglichen, „sich der veränderten finanziellen Lage in zumutbarer Weise allmählich anzupassen"(!).

3. Der Verwaltungsgerichtshof

Baden-Württemberg

a) Die Entscheidung vom 12. 1. 2000 Der VGH BaWü hatte in seinem Urteil vom 12. 1. 2000 59 über die Forderung einer berufsbildenden Ersatzschule auf erhöhte Finanzhilfe zu entscheiden, da der Gesetzgeber trotz Feststellung, dass die Finanzhilfe zu niedrig sei, nicht tätig geworden war (im gleichen Fall hatte der Kammerbeschluss des BVerfG (s. o. III 2) einen Vorlagebeschluss des VG Sigmaringen verworfen). Der VGH stellt sich nachdrücklich auf den Boden der Grundsatzentscheidung des BVerfG 1987 und 59 9 S 317/98, RuS 1/2000, S. 7 ff. = SPE n.F. 236, S. 157 ff. Kritisch dazu Lucas, Christian, RuS 1/2000, S. 13 ff.; Vogel, Johann Peter: Unzulänglich und doch verfassungskonform? RuS 2/2000, S. 5 ff. 3 Hufen/Vogel

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kritisiert von daher den Kammerbeschluss 1997. Er sieht eine mögliche Gefährdung der Institution Ersatzschulwesen, wenn der Gesetzgeber trotz der Erkenntnis, dass die Finanzhilfe nicht ausreicht, untätig bleibe. In seiner Kritik an der Kostenermittlung der Ersatzschulen im Bericht des Kultusministeriums 1989 geht er davon aus, dass der klagende Träger sich nur aus Schulgeld und Finanzhilfe finanzieren könne und dass die Finanzierungsvorstellungen des Kammerbeschlusses (Finanzierung durch finanzstarke Kreise hinter der Schule, Kredite und Spenden) mindestens bei einer nichtkirchlichen Einrichtung unrealistisch seien (die Einschätzung der Kammer „entspricht nicht dem Erscheinungsbild des privaten Schulwesens in Deutschland"). Der Einwand des Kultusministeriums, berufsbildende Ersatzschulen arbeiteten 20% billiger als entsprechende staatliche Schulen, wird zurückgewiesen. Das Gericht stellt fest, dass 1989/90 nur 73,6% der Kosten eines staatlichen Schülers durch die Finanzhilfe gedeckt wurden; dies war im Blick auf das dann notwendige Schulgeld (mehr als monatlich DM 130-150) unzureichend. Freilich sei das Ersatzschulwesen als Institution 1989 noch nicht „evident gefährdet" gewesen, die Regelung also noch nicht verfassungswidrig. Denn die Minderförderung habe nach einer Entscheidung des Gesetzgebers von 1989 nur vorübergehend bleiben sollen. Für die Dauer von sechs Jahren (bis zum nächsten Wirtschaftsbericht des Kultusministeriums 1995) hätten die Träger sie überbrücken können „durch vorübergehende Anhebung von Schulgeld über das höchstzulässige Maß hinaus" (!), durch Aufnahme von Krediten oder Aufzehrung von Rücklagen. Der Bericht des Kultusministeriums von 1995 habe - so das Gericht - dann gezeigt, dass schon 1992 bei einem Finanzhilfeanteil von 57,16% die Deckungslücke nicht mehr ohne Verfassungsverstoß gegen das Sonderungsverbot (DM 307 Schulgeld mtl.) geschlossen werden konnte. Der Gesetzgeber hätte also 1995 die Finanzhilfe sofort anheben müssen. Überraschend kommt trotz dieser Feststellungen das Gericht zur Abweisung der Klage: Der Träger hatte die Erhöhung für 1992 eingeklagt; für dieses Jahr gelte aber noch dieselbe Feststellung wie 1989: keine Verfassungswidrigkeit trotz Unzulänglichkeit. Ob der Gesetzgeber 1995 die Finanzhilfeerhöhung hätte rückwirkend ab 1992 durchführen müssen, sei nicht zwingend, denn er hätte sie auch verstärkt ab 1996 durchführen können. Der Förderanspruch der Ersatzschulen stehe unter dem Vorbehalt dessen, was vernünftigerweise von der Gesellschaft erwartet werden kann. „Ob sich das Unterlassen des Gesetzgebers seit 1995 unter diesen Gesichtspunkten rechtfertigen lässt . . . , bedarf jedoch keiner Entscheidung". - Nachbemerkung: Der Gesetzgeber wurde erst 1999 tätig, allerdings nur ungenügend.

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b) Die Entscheidung vom 19. 7. 2005 In einer zweiten Entscheidung musste sich der VGH mit einer zweiten Klage desselben Schulträger beschäftigen, diesmal für das Kalenderjahr 2000 60 . Der Kläger unterlag erneut. Die Urteilsbegründung übernimmt in ihren rechtlichen Teilen (2.2.1.) die umstrittenen Entscheidungen BVerfG 1997 und 2004 (s. o. III 2 und 3), auch BVerwG 1988 (s. ο. IV 1). Kurz gesagt verlor der Träger für sein Berufskolleg, weil er eine gröbliche Vernachlässigung der Berufskollegs durch den Landesgesetzgeber und damit die Gefährdung der Institution Ersatzschule hätte nachweisen müssen; diese sei aber nicht gegeben, denn nicht schon jede defizitäre Finanzhilfe sei angesichts des weiten Gestaltungsspielraums des Gesetzgebers ein Verfassungsverstoß (2.2.3.). Der Gesetzgeber hatte nämlich, nachdem der VGH im ersten Urteil für 1989 eine unzureichende Anhebung der Finanzhilfe und für 1995 eine verfassungswidrig zu niedrige Finanzhilfe festgestellt hatte, endlich den Zuschuss 1999 (!) von 82,2% der Bemessungsgrundlage61 auf 90,8% und 2004 auf 97,3% angehoben. Nach eigenen Berechnungen des VGH 2005 (auf der Basis von Zahlen des Kultusministeriums) erhöhte sich damit die Kostendeckung durch die Finanzhilfe 1999 auf 66% und 2004 auf „mindestens 70 %". Die nach Abzug des Schulgelds verbleibende, vom VGH errechnete Deckungslücke sei damit von 25% 1995 auf 4% 2004 gesunken (2.2.5.). Nach Meinung des Gerichts sei der Träger nun in der Lage, die Schulkosten, beschränkt „auf das zur Erfüllung des... auferlegten schulischen Standards Unerlässliche ... ohne Vermögenszusatz und dauernde Kreditfinanzierung zu bestreiten und auch die Folgen der früheren Unterfinanzierung auszugleichen" (2.2.5.) (die Unterfinanzierung hielt seit 1989, also seit zehn Jahren an, und soll nun, trotz immer noch bestehender, aber geringerer Unterdeckung, ausgeglichen werden können!). Die gesetzgeberische Absicht, die Finanzhilfe irgendwann auf 80% der maßgeblichen Kosten anzuheben, mag nach Meinung des Gerichts „wünschenswert" sein wegen des Ziels „eines möglichst hohen Standards" der Schule „bei gleichzeitig möglichst geringem Schulgeld", diese Hinweise zeigen aber schon, dass das Gericht dies für weit außerhalb des „Existenzminimums" liegend hält. Bemerkenswert ist auch, dass das Gericht, obwohl es in der 2. Klage um eine Zuschusserhöhung für 2000 ging, die weitere Entwicklung bis 2004 gleichsam vorwegnimmt; die Klage konnte keinen Erfolg haben, weil die Unzulänglichkeit der Finanzhilfe 2000 wegen der „raschen und deutlichen" Verbesserung bis 2004 und der Absicht des Gesetzgebers, eines Tages auf 80% Kostendeckung zu kommen, 60 9 S 47/03, Urteil vom 19. 7. 2005. R&B 4/2005. 61 Es handelt sich bei der Grundlage um „maßgebliche Kosten", also um eine Auswahl von Schulkosten eines staatlichen Schülers (s. § 18 PrivSchG BW). Die übrigen notwendigen Kosten tragen die Schulen allein. 3'

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tolerabel sei. 62 - Außerdem seien die Schülerzahlen an beruflichen Privatschulen seit 1990/91 (4%) bis 2001 /02 (6,5%) ständig gestiegen (2.2.2.). Zwei Punkte seien hervorgehoben: aa) der überraschende Widerspruch gegenüber VGH 2000 in der Beurteilung des Kammerbeschlusses und die Ratschläge, die das Gericht den Schulträgern zur Aufbringung der „angemessenen Eigenleistung" mitgibt. Im Urteil 2000 kritisierte der VGH noch BVerfG 1997 zu Recht, indem er darauf hinwies, dass weder Kreditaufnahmen noch Spenden zur Deckung laufender Kosten verwendet werden können, und dass „die wirtschaftliche Existenz jedenfalls der beruflichen Privatschulen nicht - auch nicht zu einem kleinen Teil - auf hinter dem Schulträger stehende finanzstarke Kreise gegründet werden" kann (IV 2 d (2) und (3)). Im Urteil 2005 gilt dies alles nicht mehr. Begründung: es sei 2000 „um wesentlich höhere ... Unterdeckungen" gegangen (2.2.5.). - Einspruch, Euer Ehren: Was ökonomisch prinzipiell falsch ist, kann nicht je nach Unterdeckung richtig werden. bb) Der VGH äußert sich schließlich zur Eigenleistung des Trägers und macht Vorschläge, wie sie intensiviert werden könnte. Denn „grundsätzlich können vom Schulträger auch zu den laufenden Kosten Eigenleistungen erwartet werden, die nicht aus den Schulgeldeinnahmen herrühren. Ob jede einzelne Schule solche Eigenleistungen tatsächlich erwirtschaften kann, ist ... ohne Belang [sie!]. Allerdings dürfen diese Eigenleistungen nicht in einer Höhe erforderlich sein, die zur Bestreitung der laufenden Kosten des Schulbetriebs, der im Rahmen des Existenzminimums erforderlich ist, auf Dauer den Einsatz eigenen Vermögens oder eine Kreditfinanzierung erforderlich machen" (2.2.5.). Die Vorschläge: Da sind zunächst noch einmal die ökonomisch abseitigen „Kredite, Spenden und finanzstarken Kreise", die schon BVerfG 1997 aufgezählt hat. Sodann verweist der VGH auf „Einnahmen aus kostenpflichtigen Zusatzangeboten (z. B. Mensabetrieb, kostenpflichtige Hausaufgabenbetreuung und Nachhilfe)". Weiter könne ein Förderverein mindestens „eine gewisse Unterstützung dauerhaft gewährleisten". Und schließlich nennt er „mögliche Einsparmaßnahmen bei der personellen und sächlichen Ausstattung", z. B. durch Übernahme staatlicher Klassenteiler (2.2.5.). Auch die Eltern bleiben nicht ungeschoren: Umständlich errechnet der VGH (2.2.4.), dass ein Schulgeld (am Berufskolleg) von „etwa 120 Euro [mtl.] ohne weiteres (!) verfassungsrechtlich unbedenklich" sei, denn eine „allgemeine Annahme lasse zu, dass in den letzten Jahren die Bereitschaft der Eltern in die selbst als angemessen eingeschätzte Bildung ihrer Kinder mehr zu investieren, nicht nur in bestimmten finanzkräftigen Bevölkerungskreisen, sondern auf breiter Basis gewachsen ist, was sich nicht zuletzt auch in den zum Teil stark steigenden Schülerzahlen an Privatschulen zeigt". Ohnehin erhielten ja Eltern Hilfen durch steuerli62

Mit derselben Gesamtschau hätte VGH 2000 die Verfassungswidrigkeit von 1995 auf 1992 übertragen und so dem Kläger Recht geben müssen.

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che Absetzbarkeit eines Teils des Schulgelds, durch BaföG, sozialrechtliche Leistungsansprüche und die „stark gestiegenen" kinderbezogenen Leistungen des Staates (auf sie berief sich bereits das LVerfG MV s. ο. IV 3); das dürfe bei der Errechnung des zulässigen Schulgelds mitgerechnet werden. Außerdem habe die Schule nicht nachweisen können, dass, als sie ein Schulgeld von Euro 140 bis 180 habe nehmen müssen, eine Sonderung der Schüler eingetreten sei (2.2.4.). - Wie hätte sie das bitte nachweisen sollen?

4. Zusammenfassung Zusammenfassend ergibt die derzeitige Rechtsprechung folgende - gegenüber BVerfGE 1987 - neue Grundsätze: Die verfassungsrechtlich gebotene staatliche Leistungspflicht tritt erst ein, wenn die bisher nicht schlüssig definierte „Institution des Ersatzschulwesens" evident gefährdet ist. Bis zu dieser unbestimmten Grenze hat der Gesetzgeber für die Gestaltung der Finanzhilfe einen weiten Spielraum, innerhalb dessen er die Prioritäten seines Haushalts frei bestimmen kann. Er darf sich am „Existenzminimum" der Schulen orientieren und seine finanziellen Mittel dort konzentrieren, wo er von den Ersatzschulen entlastet wird. Nach dem in der Realität nicht existenten „herkömmlichen Bild der Privatschule" wird erwartet, dass der Träger sein „Unternehmerrisiko" selbst trägt und über die Einnahmen aus verfassungskonformem Schulgeld hinaus eine Eigenleistung erbringt, um die Schulkosten zu decken. Die Eltern dürfen über das verfassungskonforme Schulgeld hinaus entsprechend ihrem eigenen Bildungsengagement finanziell belastet werden, und dies nicht nur in der ersten Zeit des Betriebs der Schule, sondern grundsätzlich. Dem Schulträger steht kein subjektiver Anspruch auf Finanzhilfe zu, schon garnicht auf bestimmte Beträge; er kann lediglich auf Feststellung der Verfassungswidrigkeit der Finanzhilfe klagen und muss dann eine grobe Verletzung der Leistungspflicht nachweisen. Nicht schon jede (auch mehrjährige) ungenügende Finanzhilfe kann als eine solche grobe Vernachlässigung angesehen werden. Verglichen mit dem Ausgangspunkt der Rechtsprechung des BVerfG heben die genannten Grundsätze die ursprüngliche Rechtsprechung nahezu gänzlich auf. Alle Gerichtsentscheidungen zur Finanzhilfe nach dem Grundsatzurteil von 1987 (die „Baukosten"-Entscheidung 1994 ausgenommen) haben gemeinsam, dass der Schulträger nicht Recht bekommt und dass die Entscheidung jeweils im Verhältnis zu früheren Entscheidungen überraschend in ihrem Gedankengang ist. Das ist überaus irritierend; eine zuverlässige rechtliche Beurteilung einer Situation durch Betroffene ist zunehmend unmöglich, Rechtssicherheit und Rechtsschutz der Schulen im Finanzhilfebereich schwinden.

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V. Die Auseinandersetzung zwischen „Institutionenlehre" und „Unmöglichkeitslehre" und ihre Konsequenzen 1. „Institutionenlehre"

und „Unmöglichkeitslehre"

Methodisch findet in der Rechtsprechung eine Auseinandersetzung darüber statt, durch welches Kriterium die verfassungsrechtliche Leistungspflicht, die grundsätzlich nicht bestritten wird, ausgelöst wird. Gegenüber stehen sich die eine Auffassung, dass dies die strukturelle Unmöglichkeit der Schulträger ist, die GVn aus eigener Kraft dauerhaft zu erfüllen 63 , und die andere Auffassung, dass dies die evidente Gefährdung der Institution des Ersatzschulwesens ist 64 . Je nach Auffassung sind die Konsequenzen sehr unterschiedlich. Zunächst scheinen die Unterschiede kaum zu greifen: Begriffe wie „Gefährdung der Institution des Ersatzschulwesens", „weiter Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers", „Vorbehalt dessen, was von der Gesellschaft vernünftigerweise erwartet werden kann", „angemessene Eigenleistung des Trägers" werden in beiden Argumentationen gleichermaßen verwendet. Freilich mit unterschiedlicher Bedeutung. Der dadurch erzeugte Eindruck der Kontinuität der Rechtsprechung täuscht über diese Gegensätze und Brüche hinweg. BVerfGE 1997 verschleiert seinen Argumentationswechsel mit dem Vorwurf an das vorlegende Gericht, es habe die bisherige Rechtsprechung des BVerfG nicht verstanden. BVerfGE 2004 stellt im Leitsatz die Gefährdung der Institution als Finanzhilfegrund heraus und nennt dies „Fortführung von BVerfGE 75, 40; 90, 107". Tatsächlich ist es nur die Fortführung von BVerfGE 1997 und hat mit den zitierten Entscheidungen nur die Begrifflichkeit gemein. Deshalb sollen im folgenden die Argumentationen und ihre Begriffe näher untersucht werden. a) Die strukturelle Unmöglichkeit, die GVn zu erfüllen, als Auslöser der verfassungsrechtlichen Leistungspflicht stützt sich auf den Wortlaut des Art. 7 (4) GG einschließlich der Sätze 3 und 4. Wenn die Verfassungsaussage, dass die Errichtung privater Schulen gewährleistet sein soll, dadurch in Frage gestellt wird, dass strukturell die GVn nicht erfüllt werden können, muss der Staat intervenieren. Dabei verwendet das BVerfG eine aus späterer Sicht der folgenden Rechtsprechung verhängnisvolle Begriffsbildung: es nennt die strukturelle Unmöglichkeit i.S. Fr. Müllers „evidente Gefährdung der Institution des Ersatzschulwesens". Das BVerfG 198765 greift die Formulierung des BVerwG auf: es entstünde eine staatliche „ . . . Handlungspflicht, wenn andernfalls der Bestand des Ersatzschulwesens als Institution evident gefährdet wäre". Freilich zitiert es dabei nicht das BVerwG, sondern BVerfGE 56, 54 ff.; und im unmittelbar folgenden Text wiederholt es noch 63

So auch Müller/Pieroth/Fohmann a. a. O., Jeand'Heur a. a. O., Hufen a. a. Ο. So Bernhard a. a. O. S. auch Häberle, Peter: Grundrechte im Leistungsstaat. VVDStRL 30(1972), S. 43 ff. 65 BVerfGE 75, 40 ff. (C III 2). 64

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einmal, dass Voraussetzung die „generelle [also strukturelle, institutionelle] Hilfsbedürftigkeit" sei, die „ein empirisch gesicherter Befund" sei. Die mit der strukturellen Unmöglichkeit begründete Leistungspflicht enthält zugleich ihre präzisen Bedingungen: Sie tritt mit dem Zeitpunkt der strukturellen Unmöglichkeit des Trägers, die GVn zu erfüllen, ein. Der Umfang ergibt sich aus den Kosten der Verwirklichung der GVn („Existenzminimum"), abzüglich einer angemessenen Eigenleistung (keine Freistellung vom „Unternehmerrisiko"). Heute besteht die Eigenleistung in aller Regel aus den Zahlungen der Eltern (Schulgeld), die ihrerseits durch die Forderung freier Zugänglichkeit begrenzt wird. Der weite Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers ist durch diese Vorgaben beschränkt; er darf keine Bedingungen für die öffentliche Leistung fordern, die über die GVn hinausgehen, muss die Selbstbestimmung der Schulen respektieren und gleiche Schulen gleich behandeln66. Die so verfassungsgestützte Leistungspflicht des Staates ist gegenüber einfachgesetzlichen Ausgaben privilegiert und begrenzt nur durch den Vorbehalt, dass sie mit anderen verfassungsgestützten Belangen ausgeglichen werden müssen (Möglichkeitsvorbehalt). Unbestimmt bleibt lediglich die Höhe der Kosten des „Existenzminimums". Wenn in diesem Zusammenhang BVerfG 1987 auf den Vergleich mit den Kosten staatlicher Schulen recurriert und feststellt, dass „die Ersatzschulen nicht beanspruchen können, eine bessere Ausstattung als vergleichbare öffentliche Schulen zu erhalten" (C III 3), dann ist daraus zu schließen, dass die Kosten der Verwirklichung der GVn den Kosten vergleichbarer staatlicher Schulen entsprechen. Die Gleichung Hufens 67, die Höhe der Finanzhilfe sei gleich den vergleichbaren Kosten einer staatlichen Schule abzüglich des verfassungskonformen Schulgelds, entspricht mithin den Vorstellungen der damaligen Entscheidung. Es stellt sich dann nur noch die Frage, wie hoch die Kosten einer staatlichen Schule sind. Diese Frage konnte bis vor einiger Zeit nicht beantwortet werden; inzwischen ist sie wissenschaftlich objektiv geklärt 68 . Das Problem, „hausgemachte" Schuldefizite von den durch die strukturelle Unmöglichkeit erzeugten Defiziten zu trennen (wie es insbesondere die Berechnungen in den Urteilen des VGH BW illustrieren), ist damit wissenschaftlich gelöst. b) Die Gewährleistung der Institution des Ersatzschulwesens basiert auf der Gewährleistung des Grundrechts auf Errichtung und Betrieb privater Schulen nach Art. 7 (4) Satz 1 GG, wobei die Institution gegenüber dem individuellen Grundrecht abgehoben ist, das konkrete individuelle Grundrecht von einer abstrakten Be66 Jeand'Heur a. a. Ο. S. 54. 67 Hufen, a. a. Ο.; Müller/Pieroth/Fohmann a. a. O. S. 156 ff. 68 Steinbeis-Transferzentrum Wirtschafts- und Sozialmanagement, Heidenheim: Schülerkosten. Eine Untersuchung über allgemeinbildende öffentliche Schulen 2002. Bisher liegen die Zahlen von Baden-Württemberg, Hessen, Sachsen, Nordrhein-Westfalen und SchleswigHolstein vor (R&B 3/2004, 1/2005, 2/2005, 4/2005 und 2/2006). Auftraggeber der Untersuchungen ist die Software AG-Stiftung, Darmstadt.

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grifflichkeit überlagert wird. Entsprechend offen bleiben die aus der Gewährleistung zu ziehenden Konsequenzen. Die Frage, wann die abstrakt gedachte Institution gefährdet und zu schützen ist, lässt sich von der abstrakten Gewährleistung her konkret nicht ableiten. So müssen Hilfsbegriffe eingeführt werden, um zu komkreten Entscheidungen zu kommen, als da sind der Haushaltsvorbehalt, der effektive Einsatz der öffentlichen Mittel, das herkömmliche Bild der Privatschule, das Unternehmerrisiko des Trägers. - Die Umdeutung dessen, was „vernünftigerweise von der Gesellschaft zu erwarten ist", in einen Haushaltsvorbehalt macht allerdings mit seiner freien Prioritätensetzung der staatlichen Ausgaben die Leistungspflicht zu einer Subvention, die nach Opportunität vergeben werden kann. Damit gerät die Umdeutung in Kollision mit dem grundrechtlichen Charakter der Leistungspflicht. - Der „effektive Einsatz der Mittel" eröffnet eine freie Verfügung über die Vergabe der Mittel und kann sich nicht nur auf mögliche besondere Umstände der Schule (Schule nach Gründung) bezogen werden, sondern auch auf das Maß der Entlastung des staatlichen Schulwesens durch die Schule; er wird damit zu einer verfassungswidrigen Bedürfnisprüfung. - Das „herkömmliche Bild der Privatschule" geht von einem Vermögensbestand der Schule aus, der heute generell nicht mehr gegeben ist; die aus diesem Bild abgeleitete erhöhte Eigenleistung des Trägers ist geeignet, eine über das verfassungskonforme Schulgeld hinausgehende Belastung der Eltern zu begründen. Damit wird das verfassungsrechtliche Sonderungsverbot faktisch aufgehoben und einer Zweiklassenschule („Standesschule") Vorschub geleistet. - Wenn dem Träger eine besondere Anstrengung zur Verwirklichung der Eigenleistung unter dem Stichwort „Unternehmerrisiko" abgefordert wird, wird übersehen, dass der Unternehmer das Risiko des Schulbetriebs selbstverständlich trägt, aber für den Bereich der Verwirklichung der GVn nicht tragen kann, denn gerade das Widerspiel zwischen Gleichwertigkeit und Sonderungsverbot in den GVn ist das, was er ohne staatliche Hilfe nicht überwinden kann. Alles in allem: Die „Institutionenlehre" birgt wegen der Unbestimmtheit ihres Ausgangspunktes die Gefahr (und sie ist bereits eingetreten), die nicht umstrittene verfassungsrechtliche Leistungspflicht auszuhöhlen und den einzelnen Schulträger ungeschützt zu lassen. Aber: „Eine einheitlich interpretierte, das Sozialstaatsprinzip enthaltende Verfassung, bei der letzteres auf die Grundrechte einwirkt, lässt es nicht mehr zu, dass ein Freiheitsrecht formal allen, faktisch aber niemandem zugute kommt" 69 . Es ist zu bedauern, dass der auch nach h.M. richtige Ansatz über die strukturelle Unmöglichkeit, den das BVerfG 1987 im Gegensatz zur „Institutionenlehre" der vorangehenden Rechtsprechung des BVerwG und des BayVerfGH 1984 entwickelt hat, mit BVerfG 1997 robust aufgegeben und die „Institutionenlehre" übernommen 69 Müller/Pieroth/Fohmann, a. a. O. S. 50.

„Strukturelle Unmöglichkeit" und „Gefährdung der Institution Ersatzschulwesen"

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wurde. Vermutlich geschah dies wegen der größeren Flexibilität ihrer Begriffsbildungen, um in Zeiten knapper öffentlicher Kassen den Landesgesetzgebern den Rücken vor verbindlichen finanziellen Ansprüchen frei zu halten.

2. Fragwürdige

Konsequenzen der „Institutionenlehre"

a) Die undefinierbare „Gefährdung der Institution" Wenn die Gefährdung der Institution Ersatzschulwesen nicht deckungsgleich mit dem Eintritt der strukturellen Unmöglichkeit, die GVn zu verwirklichen, ist, wann tritt sie dann ein? Schon die Frage, was unter " Institution des Ersatzschulwesens" gemeint sein könnte, ist allenfalls fallweise zu klären, denn im Gegensatz zum zentral organisierten staatlichen Schulwesen sind Ersatzschulen individuelle Einzelschulen oder Zusammenschlüsse solcher Schulen (z. B. Bund der Freien Waldorfschulen, Bundesverband deutscher Privatschulen; allenfalls die konfessionellen Schulen sind zu einem Teil in öffentlich-rechtlichen Schulwerken und - S t i f tungen der Landeskirchen und Diözesen zentral organisiert). So zerfällt die „Institution Ersatzschulwesen" in Träger und Schularten. Die gedanklich so klar erscheinende „Institution" erweist sich in der Konkretion wirklichkeitsfremd. Sie wird nur dann den Tatsachen und dem auf das Grundrecht des Einzelnen bezogenen Normbereich entsprechend greifbar, wenn einzelnen Schulen eine Unmöglichkeit zugemutet wird, die strukturelle, d. h. unter gleichen Umständen für alle geltende Gründe hat. Die weitere Frage ist, wann eine wie immer zusammengesetzte Gruppe von Ersatzschulen „evident gefährdet" ist? Müssen Schulen schon geschlossen haben, wieviele und weshalb? Sind Schließungen mit Neugründungen zu verrechnen? Wie soll bewiesen werden, dass Schließungen aus strukturellen (und nicht „hausgemachten") Gründen erfolgten? Die Erfahrung lehrt, dass die meisten Ersatzschulen unter unzureichenden Finanzverhältnissen weiter existieren, und sei es unter Verstoß gegen einzelne GVn (Schulgeldhöhe, Lehrerbezahlung); dagegen unternehmen erfahrungsgemäß Schulverwaltungen wohlweislich nichts, um nicht Genehmigungen in größerem Umfang widerrufen zu müssen und damit der Forderung nach verbesserter Finanzhilfe Vorschub leisten. Zudem hat die Rechtsprechung das Sonderungsverbot faktisch mindestens vorübergehend aufgehoben, sodass überhöhte Zahlungen in Schulgeld und „Bildungsengagement" aufgeteilt und kaum mehr beanstandet werden könnten. Kann dann eine „Gefährdung" überhaupt nachgewiesen werden, insbesondere, wenn es nach Auffassung des VGH BW 2000 zumutbar ist, dass Schulen über sechs Jahre lang und mehr unbestritten unzulängliche Finanzhilfe erhalten und dies „durch vorübergehende Anhebung von Schulgeld über das höchstzulässige Maß hinaus" (C IV 3) ausgleichen dürfen? Und kann eine „Gefährdung" nachgewiesen werden, solange noch in bestimmten Bereichen Schulen neu gegründet werden oder Schülerzuwächse eintreten? Entscheidender könnte die Frage sein, ob „Standesschulen" entstehen und ob Rechtsprechung und Landes-

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gesetzgeber dies begünstigen? Bei derart ungeklärten Begriffen und verzahnten Umständen kann eine Gefährdung der „Institution Ersatzschulwesen" weder festgestellt noch nachgewiesen werden. Hier ist eine Rechtsfestung entstanden, die kein Kläger überwinden kann.

b) Der uferlose Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers Der Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers hinsichtlich einer Finanzhilferegelung wächst von Urteil zu Urteil. Im Grundsatzurteil 1987 konnte der verfassungsrechtliche Rahmen dieses Spielraums noch deutlich wahrgenommen werden (C III und IV). In der Folgezeit emanzipiert sich der Gestaltungsspielraum bis in die (zeitweilige oder fortdauernde) Aufhebung des Sonderungsverbots. Insbesondere verwandelt sich der Möglichkeitsvorbehalt im Urteil des BVerfG 1987 schrittweise in einen Haushaltsvorbehalt. Aus einer der Verwirklichung eines Grundrechts dienenden und damit privilegierten Leistungspflicht ist in den späteren Entscheidungen durch selektives Zitieren der Passagen von 1987 eine staatliche Subvention geworden, die vielleicht nicht gänzlich gestrichen, aber der Höhe nach unter Opportunitätsgesichtspunkten gewährt werden kann. Was sind „andere wichtige Gemeinschaftsbelange", die ggf. zur Minderung der Leistungspflicht aus Art. 7 (4) GG führen können? Die Passage wurde aus dem „Numerus clausus"-Urteil übernommen und meinte dort in der Tat eine nicht aus einem Grundrecht, sondern aus einem Teilhaberecht abgeleitete Leistung, die unter Haushaltsvorbehalt steht70. Die aus Art. 7 (4) GG abgeleitete Leistungspflicht ist aber keine Subvention in diesem Sinne; die Belange, denen gegenüber sie zurücktreten muss, müssen gleichwertige wichtigere sein 71 . Das BVerfG benennt auch im gleichen Absatz solche Belange: Kürzung des gesamten Schuletats; der Gesetzgeber muss die Ersatzschulen nicht zulasten der staatlichen Schulen bevorzugen. Gleichwohl wird inzwischen der Gestaltungsfreiraum des Gesetzgebers und der Vorbehalt wichtiger Gemeinschaftsbelange so ausgeweitet, dass LVerfG MV zu der Feststellung kommt, einseitige, nur die Ersatzschulen treffende Kürzungen der Finanzhilfe übeschritten „nicht generell die Grenzen des gesetzgeberischen Spielraums", solange die Institution Ersatzschulwesen nicht gefährdet sei. Der Spielraum des Gesetzgebers emanzipiert sich damit aus seinem verfassungsrechtlichen Rahmen und findet seine Grenze nur noch in einem nicht nachweisbaren Abstractum. Die Erweiterung des verfassungskonformen Gestaltungsfreiraums lässt es zu, dass die Gesichtspunkte des „ effektiven Einsatzes der öffentlichen Mittel " und der „Mittelkonzentration" eine entscheidende Rolle bei der Gestaltung der Leistungspflicht erhalten: sie begründen sowöhl die Wartefrist als auch die Landeskinderklausel, also die Suspension des Sonderungsverbots und, weil die Mittelkonzentration mit der Entlastung des Staates durch die begünstigten Schulen begründet wird, 70 BVerfGE 33, 303 ff.; s. BVerfGE 75, 40 ff. (C III 4) 71 Jeand'Heur a. a. O. S. 57 ff.; Jach a. a. Ο. S. 81 ff.; Niehues a. a. O. Rdnr. 305.

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die gegen die Errichtungsgarantie des Art. 7 (4) Satz 1 GG verstoßende Bedürfnisprüfung. Es ist dem Landesgesetzgeber unbenommen, eine solche Entlastung zu prämiieren, dies aber nur im Bereich jenseits der Leistungspflicht zum „Existenzminimum".

c) Erweitertes Unternehmerrisiko und steigende Eigenleistung Es gehört selbstverständlich zur Eigenleistung eines Unternehmers, dass er das Unternehmerrisiko seines Betriebes trägt. Als Ersatzschulträger steht er aber in einer besonderen Konstellation: er muss die verfassungsrechtlichen GVn mit Niveauanforderungen und genügender Lehrerbezahlung einerseits, Schulgeldbegrenzung andererseits erfüllen und er konkurriert mit der Qualität eines Regelschulsystems, das marktunabhängig Schulgeldfreiheit gewährt und aus öffentlichen Mitteln vorgehalten wird. Zum Ausgleich genau dieses von ihm nicht zu beeinflussenden Dilemmas hat das BVerfG die Kompensationsleistung der öffentlichen Hand und die Gleichbehandlung von Ersatzschulen derselben Schulart bei der Ausgestaltung dieser Leistung entwickelt. Das Unternehmerrisiko kann überhaupt erst einsetzen, wenn die Ersatzschule von der Unmöglichkeit, die GVn zu erfüllen, frei gestellt ist und am Markt chancengleich zum staatlichen Schulwesen tätig werden kann. Der freie Träger übernimmt also das Risiko, gegen andere staatliche (und freie) Konkurrenten mit einem im Rahmen der GVn liegenden attraktiven Unterrichtsangebot und einem qualifizierten Lehrerkollegium genügend Schüler zu gewinnen, um einen Schulbetrieb pädagogisch und ökonomisch ausreichender Größenordnung aufzubauen und aufrecht zu erhalten sowie mit seinen Mitteln verantwortlich umzugehen 72 . Dazu gehört auch die Überwindung eines Standortnachteils und die Vermeidung mangelhafter Wirtschaftsführung. Nicht zu seinem Risiko kann gehören, die GVn mit dem zulässigen Schulgeld und unzureichender Finanzhilfe zu finanzieren, weil dies gerichtsnotorisch unmöglich ist. Dass ein freier Träger in dieser Konstellation „besondere Anstrengungen" unternehmen muss, gehört zu seinem Alltag; dass diese sich aber auch darauf beziehen sollen, ungenügende staatliche Förderleistungen auszugleichen, wie die Rechtsprechung meint, ist schlicht falsch. Mit dem „Wartefrist"-Urteil greift die Rechtsprechung in das Unternehmerrisiko da ein, wo es wirklich im Bereich des Unternehmers liegt: bei der Gründung; hier erschwert der „wohlmeinende" Gesetzgeber, der Gründer vor leichtfertigen Gründungen zu schützen vorgibt, dem Unternehmer die Arbeit. Das Risiko, wie tragfähig die Gründung sein wird, liegt allein beim Träger, der während der Vorbereitungen der GVn und der oft langdauernden, ins Einzelne gehenden Genehmigungsverfahren genügend belastet wird, um nicht leichtfertig zu sein. Mag auch das Genehmigungsverfahren noch keine gesicherte Prognose für die spätere Akzeptanz der Schule in der Öffentlichkeit erlauben, ist dies doch kein Grund dafür, dass Schulverwaltung und Gesetzgeber die (negative) Entscheidung anstelle des Trägers tref72 So auch Niehues a. a. O. Rdnr. 291-293.

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fen. Und noch unlogischer ist, dass der Träger ausgerechnet in dieser Anfangszeit zusätzlich jahrelang etwas fertig bringen soll, was empirisch als unmöglich festgestellt ist: die hohen Gleichwertigkeitsanforderungen mit begrenztem Schulgeld zu verwirklichen. Er könnte das nur, wenn ein Ausgleich nach der Wartefrist zu erwarten wäre. Erstaunlich, ja verblüffend werden Gerichtsentscheidungen dort, wo sie dem Unternehmer Ratschläge für die Gewinnung seiner Eigenleistung erteilen. BVerfGE 1997 spricht von Krediten und Spenden, die „finanzstarke Kreise hinter der Schule'4 gewähren könnten; das wies VGH BW 2000 bereits mit zutreffenden Argumenten zurück, übernahm es aber 2005 und fügte hinzu Einsparmaßnahmen im Bereich der personellen und sächlichen Ausstattung sowie Einnahmen von Fördervereinen, aber auch aus Mensabetrieb und für Nachhilfeunterricht (2.2.5), die offenbar gewinnträchtig betrieben werden sollen (und wieder die Eltern belasten). Diese sind nach Meinung der Gerichte auch belastungsfähig, denn sie kommen einerseits in den Genuss vielfältiger öffentlicher Förderung durch Familiengeld, steuerlichen Schulgeldabzug etc. (2.2.4.). Andererseits sind die Eltern ohnehin heute bereit, mehr für die Bildung ihrer Kinder auszugeben (2.2.4.), ja sie gewöhnen sich (!) sogar an überhöhte Schulgelder (LVerfG MP C IV). - Offensichtlich ist es Auffassung des BVerfG, dass Sonderungsverbot und soziale Integration in Zeiten knapper öffentlicher Kassen eben „vorübergehend" zurückstehen müssen.

d) Das missverstandene „Existenzminimum" Der unglückliche Begriff „Existenzminimum" für die Umschreibung des Umfangs der Finanzhilfe verführt die Gerichte, darauf hinzuweisen, dass die Finanzhilfe nicht höher als der Aufwand für entsprechende staatliche Schulen (was sie sowieso nirgends ist) und nur ein (niedriger) Zuschuss sein müsse. Es muss deshalb betont werden, dass das BVerfG mit diesem Begriff ausdrücklich den Grundbedarf, d. h. die Betriebskosten für die dauerhafte Gewährleistung der Genehmigungsvoraussetzungen meint 73 ; ein reduziertes „Notprogramm" unter verminderten GVn, wie es sich der VGH BW 2005 vorstellt, lässt das GG nicht zu und wäre auch pädagogisch unsinnig.

e) Das irreale „herkömmliche Bild der Privatschule" Hinter diesen, der „Institutionenlehre" zu dankenden Umdeutungen der im Grundsatzurteil entwickelten Maximen steht das „herkömmliche Bild der Privatschule". Zwar tauchte es auch schon in früherer Rechtsprechung auf zur Begründung der Aufrechterhaltung verfassungsrechtlich fragwürdiger Nachteile74. Das 73 So Niehues a. a. O. Rdnr. 290; auch Jeand'Heur a. a. O. S. 54.

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BVerfG 1987 hatte sich jedoch, wie übrigens schon 1966 das BVerwG 75 , gerade von diesem Bild gelöst und die neue Situation der Ersatzschule empirisch in ihrem Unvermögen, die GVn gleichzeitig und auf Dauer zu erfüllen, zur Grundlage der Leistungspflicht gemacht. In der weiteren Rechtsprechung des BVerfG wird der alte Begriff wieder neu belebt und dient dazu, die Eigenleistung erheblich auszuweiten - zunächst im Bereich der Wartefrist, dann während der ganzen Dauer des Betriebs. Zum neuen Bild gehörte auch ein zweiter Punkt: Das BVerfG 1987 hatte in Fortführung früherer Rechtsprechung76 die Gewährleistung freier Schulen als Ausfluss der wesentlichen Grundrechte (von der Menschenwürde über die freie Entfaltung und die Religionsfreiheit bis zum Elternrecht) hoch aufgehängt und die freien Schulen als unverzichtbare Bestandteile eines verfassungsrechtlich auf Vielfalt angelegten demokratischen öffentlichen Schulwesens gewertet. Das BVerfG spricht von „eigenverantwortlicher Miterfüllung der der Privatinitiative überlassenen allgemeinen (öffentlichen) Bildungsaufgabe" 77. Die so abgeleitete öffentliche Funktion freier Schulen beinhaltete eine entsprechend nachdrückliche Ausgestaltung der Gewährleistung auf der Basis der aktuellen schulpolitischen und ökonomischen Situation, in der die Schulen existieren und sich entfalten - aktuell durchaus auch schon im Sinne der Diskussion über die Schule in der Bürgergesellschaft, wie sie derzeit geführt wird 78 . Freie Schule nicht mehr als supplementäre Entlastung oder als luxuriöser Überhang eines nach eigenem Verständnis ausreichenden, staatlich vorgehaltenen Schulwesens, sondern als notwendiges Instrument bürgerlicher Bildungswünsche und bürgerlicher Übernahme von Aufgaben des öffentlichen Gemeinwohls in einem vielfältig gedachten Schulwesen. Dieses aktuelle Verständnis der Funktion freier Schulen verkommt in den folgenden Entscheidungen zu einer folgenlosen Leerformel. Schon im „Wartefrist"-Urteil verliert sich die öffentliche Funktion; von den Eltern wird, wenn sie Trägerfunktion übernehmen, erwartet, dass sie für die Verwirklichung ihrer eigenen Schulvorstellungen ein über das Schulgeld hinausgehendes Bildungsengagement übernehmen - m.a.W.: Der Staat sorgt für ein allen zumutbares staatliches (öffentliches) Schulwesen; wenn Eltern besondere (private) Bildungswünsche ha74 Z. B. BVerfGE 27, 195 ff. zur Aufrechterhaltung der Trennung von Ersatzschulgenehmigung und Beleihung mit öffentlichen Berechtigungen; BVerwGE 70, 290 zur Begründung einer Eigenleistung des Trägers. 75 BVerwGE 23, 347 ff.; 27, 360 ff. (2): „Eine die Gewährleistung ... in Frage stellende Veränderung der Verhältnisse ist seit geraumer Zeit eingetreten" usw. 76 Verweis auf BVerfGE 27, 195 ff. in BVerfGE 75, 40 ff. (C II 2 a). 77 BVerfGE 75, 40 ff. (C II 2 c). Wenn im weiteren Text (C III 3) im Zusammenhang mit der Eigenleistung von einer „Förderung individueller Freiheit" gesprochen wird, ist dies nur die Innenseite der öffentlichen Funktion und nicht etwa eine Rücknahme ins Private, wie es LVerfG MV versteht. 78 Dazu Jach, F.R.: Schulvielfalt als Verfassungsgebot, Berlin 1991; ders. Schulverfassung und Bürgergesellschaft in Europa, Berlin 1999.

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ben, sollen sie sie selbst finanzieren 79. Aus einer Mitwirkung an einer öffentlichen Aufgabe wird wieder ein privates Sonderinteresse der Bürger 80. Werden freie Schulen als private Sonderinteressen bewertet, wird die Angst verständlich, die vor dem Überhandnehmen freier Schulen besteht. Ausgerechnet in den neuen Bundesländern mit früher ausschließlich staatlichem Schulwesen herrscht sie, wo es beklagenswert wenige solcher Schulen gibt. So befürchtet der SächsVerfGH 81, dass bei gleicher Finanzierung die freien Schulen die staatlichen verdrängen könnten - eine Bemerkung, die in einem Land, in dem freie Schulen 50 Jahre lang verboten waren und 1996 gerade 2 - 3 % der Schüler freie Schulen besuchten, reichlich deplaziert wirkt. - So begründen Landtagsabgeordnete und der zuständige Minister in Mecklenburg-Vorpommern die Finanzhilfekürzung durch das HaushaltsrechtsG 2000 nachweisbar mündlich damit, dass „das ungebremste Wachstum der freien Träger gestoppt4' werden müsse (dort gingen 2000 gerade 1 % der Schüler auf freie Schulen!). (Diese Motivation wurde vom LVerfG MV mit dem Hinweis darauf, dass Gesetze vom Landtag und nicht von einzelnen Abgeordneten oder Ministern beschlossen würden, übergangen82.) Der Lkk-Beschluss des BVerfG hält es für richtig, über eine auf Landeskinder konzentrierte „Mittelkonzentration 44 Nichtlandeskinder von der Finanzhilfe auszuschließen und Tür und Tor für über die GVn hinausgehende Entlastungsgründe und Bedürfnisprüfung zu öffnen. Weil es angeblich sonst keine verfassungsrechtlichen geeigneten Mittel gegen die Ausbreitung gäbe, wird die Finanzhilfe als Steuerungsinstrument benutzt. Was also als Förderung vom BVerfG gedacht war, wird nun zur Gängelung. Viel zu früh wurden in den neuen Ländern die Wartefristen eingeführt, der Anteil der Schüler, die freie Schulen besuchen, liegt weit unter dem bundesrepublikanischen Durchschnitt 83. So bleibt die öffentliche Funktion der freien Schulen als Gewährleister verfassungsrechtlich gewollter Schulvielfalt weithin ungenutzt84, und obwohl gerade die neuen Schulen in Mitteldeutschland diesem alten Bild 79 Die Haltung steht auch hinter (in ihrer Selbverständlichkeit überflüssigen) Formulierungen in neuen Gesetzen, der Träger sei für die Finanzierung seiner Schule verantwortlich (§ 127 (1) SchG MV, § 1 (3) ESchVO SA). Das erinnert an längst überwundene Äußerungen von Politikern wie etwa die des Berliner Kultussenators Stein (1963), dass die Privatschule nicht mehr privat genannt werden könne, wenn mehr als die Hälfte der Kosten aus öffentlichen Mitteln käme (Zitat in Arbeitsgemeinschaft Freier Schulen (Hg.): Freie Schule. Stuttgart 2/1976, S. 49, Fußn. 44). so Jach, F.R. in: Jach, F.R./Jenkner, Siegfried (Hg.): a. a. O. S. 85 ff. si VerfGH Sa v. 26. 10 1996 - Vf. 18-III-95 = SPE n.F. 236, S. 126 ff. (C II 4). 82 Dabei hatte BVerfGE 1994W (II 2) dieses Argument für eine ungenügende Finanzhilfe gerade nicht gelten lassen („zu missbilligende Ziele") und für verfassungskonforme Motive auch die Stimmen einzelner Abgeordneter gelten lassen. 83 Für 2002 liegt der Durchschnitt an allgemeinbildenden Schulen in den fünf neuen Bundesländern bei 2,6% der Schüler, im Bundesgebiet insgesamt bei 6%. 84 Vogel, J.P.: Das Innovationspotential von Schulen in freier Trägerschaft, in: Schmitt, Karl (Hg.): Fünf Jahre Neugestaltung des Boldungssystems in den Neuen Bundesländern, Berlin 1996, S. 73 ff.

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schon gar nicht entsprechen, wird Recht, Schulverwaltungspraxis und Rechtsprechung vom „herkömmlichen Bild" überlagert. Mit der Rückkehr zum „herkömmlichen Bild" der Privatschule wird dem Grundsatzurteil 1987 der Boden entzogen. Die „herkömmliche Ersatzschule" der Kaiserzeit mit Trägervermögen (Liegenschaften etc.) und ohne grundgesetzliche Beschränkungen brauchte keine staatliche Finanzhilfe (gleichwohl gewährten einzelne Länder Zuschüsse). Judikative und Legislative müssen wissen, dass mit diesem Bild die reale Existenz und Funktion der freien Schulen unter dem GG nicht erfasst wird. Verfassungsrechtlich ist eine Grauzone entstanden, in der sich ständig unzureichender werdende Finanzhilfen und ständig steigernde tolerierte Grundgesetzverstöße ausbreiten.

3. Die Auflösung des Sozialgedankens im Schulwesen? Zusammenfassend wird man die Rechtsprechung so verstehen müssen, dass die Förderpflicht des Staates letztenendes nur so weit gehen muss, wie die Institution Ersatzschule nicht gefährdet wird - und diese Gefährdung ist praktisch nicht beweisbar. Oder: Eine Schule, die existiert, wird einen Anspruch auf Finanzhilfe nicht durchsetzen können, weil sie kraft ihrer Existenz ein Beweis dafür ist, dass die Institution Ersatzschule nicht gefährdet ist. Man könnte sich die Begriffsspielereien sparen: man erklärt die Knappheit öffentlicher Haushalte zu einem Überverfassungsrechtlichen Notstand, dem sich auch grundgesetzliche Ansprüche zu unterwerfen haben, denn - das weiß man ja - wo nichts ist, hat selbst der Kaiser sein Recht verloren. Art. 7 (4) GG verbindet mit seinen Regelungen eine grundrechtliche Freiheitsposition auch im Schulwesen (Abkehr vom staatlichen Schulmonopol) mit dem Prinzip der Gleichwertigkeit (Manifestation des Verfassungsprinzips der Schulvielfalt) und dem der deutschen Schule eigenen Gedanken sozialer Integration (Sonderungsverbot). Das altbackene „herkömmliche Bild der Privatschule" löst nicht nur die Gemeinsamkeit zwischen Staat und freien Trägern in der Verwirklichung der öffentlichen Bildungsaufgabe wieder auf („eigene" = private = exklusive bildungspolitische Ziele der freien Träger), sie ist auch auf dem Wege, den Integrationsgedanken aufzuheben und ein Schulwesen zu installieren, in dem sich nur „Reiche" noch freie Schulen leisten und allenfalls die Kirchen (wie lange noch?) die erforderlichen Eigenleistungen aufbringen können. Das darf die Schulpolitik nicht wollen, und will auch kein freier Träger.

Verfassungsrechtliche Grenzen der Unterfinanzierung von Schulen in freier Trägerschaft Vom individuellen Grundrechtsschutz zum „Schutz der Institution Ersatzschulwesen"* Von Friedhelm Hufen, Mainz I. Einleitung - Problemstellung In der Bundesrepublik Deutschland können Schulen in freier Trägerschaft („Privatschulen") nicht ohne staatliche Förderung existieren. Sie erhalten daher durch die Landesgesetzgebung abgesicherte Zuschüsse, die im einzelnen variieren, aber zumeist aus Sonderzuschüssen und der Regelförderung bestehen. Für die Ersatzschulen1 - also solche freien Schulen, die inhaltlich einem öffentlichen Schultyp entsprechen - wird die Regelförderung zumeist in Prozentanteilen an den Kosten staatlicher Schulen bzw. Schüler ausgedrückt2. Dieses größtenteils seit mehreren Jahrzehnten bestehende bewährte System der Förderung ist in der jüngeren Vergangenheit erkennbar unter Druck geraten. Unter Berufung auf notwendige Sparmaßnahmen in den Landeshaushalten wird die Ersatzschulfinanzierung in den meisten Bundesländern „überprüft", wobei diese Überprüfung zumeist Kürzungen der pauschalen Ansätze3, Stagnation der Zuschüsse trotz faktischer Kostensteigerung, so genannte „Karenzzeiten" bis zum Einsatz staatlicher Förderung bei Neugründungen ohne rückwirkende Ausgleichszahlungen und größte Zurückhaltung bei Investitionskosten und Baukostenzuschüssen bedeutet. Mittelbare Kürzungen entstehen dadurch, dass den öffentlichen Schulen Mittel entzogen werden, die dann über die Prozentzahlen auf die Schulen in freier Trägerschaft „durchschlagen". Konkrete und akute Probleme * Der Beitrag beruht auf einem Rechtsgutachten, das der Verf. im Auftrag der Software AG-Stiftung erstattet hat. 1 Zum (nicht allein bundesrechtlich zu bestimmenden) Begriff BVerwG, NVwZ 1998, 60. 2 Übersicht dazu bei J. P. Vogel, Das Recht der Schulen und Heime in freier Trägerschaft (3. Aufl. 1997), 146 ff.; Abgeordnetenhaus von Berlin, wissenschaftlicher Parlamentsdienst, Gutachten über die Vereinbarkeit von geplanten Kürzungen der Zuschüsse für Privatschulen mit Art. 7 Abs. 4 des Grundgesetzes, Berlin 19. 6. 2002 (Umdruck), S. 8. 3 So z. B. in Hessen von 85% auf 80%, in Berlin von 97% auf 93%, in Schleswig-Holstein von 85% auf 80%. 4 Hufen/Vogel

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können durch pauschale Haushaltssperren entstehen4. Selbst die Schließung eines ganzen Schultyps im öffentlichen Bereich zur Umgehung der Förderpflicht für entsprechende Ersatzschulen ist bereits Realität5. Die negativen Folgen für die Schulen in freier Trägerschaft sind bereits jetzt erkennbar. Neugründungen sind ohne ruinöse Investitionskosten und Risiken der „Gründungseltern" kaum noch möglich oder es entstehen im Widerspruch zu Art. 7 Abs. 4 Satz 3 GG „Schulen für Besserverdienende" 6. Bestehende Schulen leben finanziell „von der Hand in den Mund", müssen Personal entlassen und haben in Bezug auf Lehrerbezahlung und Ausstattung Probleme mit der permanenten Erfüllung der Genehmigungsvoraussetzungen. Die geschilderte Entwicklung spielt sich vor dem Hintergrund einer immer mehr erkennbaren „Trendwende" in der Rechtsprechung zur Privatschulfinanzierung ab. Während bis in die Neunziger Jahre hinein die staatliche Förderung durch die Rechtsprechung des BVerfG und auch der Verwaltungsgerichtsbarkeit verfassungsrechtlich abgesichelt war 7 , sind Tendenzen erkennbar, dass die Rechtsprechung kein wirksames Mittel mehr selbst gegen existenzgefährdende Kürzungen darstellt. So geraten die „privatschulfreundlichen" früheren Urteile des BVerfG entweder in Vergessenheit, oder sie werden nur in solchen Passagen zur Kenntnis genommen und zitiert, aus denen sich eine Legitimation für die Versagung individueller Ansprüche zu ergeben scheint. Beliebte Formeln sind dabei: • die Betonung der nur institutionellen, aber nicht individuellen Gewährleistung des Art. 7 Abs. 4 GG, • die Reduzierung des verfassungsrechtlich Gebotenen auf ein fiktives „Existenzminimum", • die Betonung der Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers, • der Hinweis auf das „unternehmerische Risiko" und die Möglichkeit, für Privatschulen „herkömmlicher Prägung" zusätzliche Finanzmittel durch Spenden, Kredite oder den Einsatz mächtiger Trägergruppen zu gewinnen, • die Beschränkung der Kostenerstattung auf bestimmte Gruppen („Landeskinder" usw).

4

Dazu bereits Petermann, Hauswirtschaftliche Sperre und Ersatzschulen, NWVB1. 1994, 368; Übersicht und Problemeinführung bei Jach, Die Existenzsicherung der Institution Ersatzschulwesen in Zeiten knapper Haushaltsmittel. Umfang und Grenzen der Finanzhilfepflicht des Staates vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des BVerfG, in: FS J. P. Vogel (1998), 76 ff. 5 So die Berufsfachschulen Kosmetik in Sachsen-Anhalt (§ 37 Abs. 2 der VO über das berufsbildende Schulwesen in Sachsen-Anhalt i.d.F. vom 20.07. 2004 [GVB1. 2004, 412]). 6 Vgl. den Bericht in der FAZ vom 16. 3. 2002, S. 4. 7

Dazu F. Müller/B. Jean d'Heur, Zukunftsperspektiven der Freien Schule, 2. Aufl. (1996).

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So sind in jüngerer Vergangenheit immer wieder Versuche gescheitert, eine Verbesserung der Situation auf gerichtlichem Wege zu erreichen 8. Noch bedenklicher erscheint, dass die geschilderten Formeln mehr und mehr aus ihrem ursprünglichen Zusammenhang gerissen werden und als beliebige „Kürzungsargumente" in den entsprechenden Gesetzesbegründungen aufgegriffen werden. Vor dem geschilderten Hintergrund geht es im folgenden darum, die konkreten verfassungsrechtlichen Schutzgehalte und Schutzfunktionen des Grundrechts aus Art. 7 Abs. 4 GG in Erinnerung zu rufen (II) und herauszuarbeiten, wie in diese Freiheiten durch die Kombination aus Zulassungsvoraussetzungen und Mittelkürzungen eingegriffen wird (III). Anschließend sollen die wichtigsten Rechtfertigungsmusler für eine Einschränkung der Förderungspflicht einer kritischen Analyse unterzogen werden (IV). In einer Art „Fallstudie" geht es schließlich um die konkrete Beurteilung der Situation in Baden-Württemberg, die in ihrem empirischen Teil auf dem Kostengutachten von Eisinger u. a. (2004) zu den vergleichbaren Kosten von Schülern an staatlichen Schulen aufbaut (V).

II. Verfassungsrechtlicher Rahmen: der Schutzbereich von Art. 7 Abs. 4 GG 1. Übersicht über die Rechtsprechung a) Das BVerfG hat schon früh eine staatliche Einstandspflicht für die Schulen in freier Trägerschaft bejaht. Sah es anfangs die Förderpflicht noch wegen der Entlastungsfunktion der Freien Schulen für das öffentliche Schulwesen als gegeben an9, so treten spätestens mit der Entscheidung BVerfGE 75, 40 ff. aus dem Jahre 1987 Aspekte wie der Bestand des Privatschulwesens selbst, die Schulvielfalt und die sozial staatliche Funktion der Freien Schulen in den Mittelpunkt. Unterschiedlich war die Begründung des Gerichts im Hinblick auf institutionelle und individuelle Elemente der Grundrechtsgewährleistung. So wurde seit der Entscheidung BVerfGE 75, 40 (67 f.) die institutionelle Komponente in den Mittelpunkt gerückt 10 . Diese den „Bestand der Institution Ersatzschule" betonende Grundrechtssicht kommt seither in Formulierungen zum Ausdruck wie, erst dann bestehe eine Handlungspflicht, wenn der Bestand des Ersatzschulwesens als Institution evident gefährdet wäre 11 ; diese Handlungspflicht sei darauf begrenzt, das „Existenzminimum der Institution" zu sichern 12.

8 Exemplarisch die „Landeskinder-Entscheidung" des BVerfG vom 23.11. 2004, BVerfGE 112, 74 ff. = NVwZ 2005, 315, dazu Hufen JuS 2005, 642; Vogel, RdJB 2005, 255 spricht von einem „Zerfall der Rechtsprechung". 9 BVerfGE 27, 195 (201). 10 Wohl zurückgehend auf Häberle, Wesensgehaltsgarantie, S. 96 ff. i» BVerfGE 75, 40 (67). 4*

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Auch in der bisher am weitesten gehenden Entscheidung zur Förderpflicht aus dem Jahre 199413 finden sich die immer wiederkehrenden Formulierungen über den „Schutz der Institution Ersatzschule" und die Aussage, dass aus Art. 7 Abs. 4 GG vor allem eine objektive Förderpflicht folge. Auch betont das BVerfG die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers bei der Erfüllung der institutionellen Garantie. Daneben aber rekurriert das Gericht in bisher nicht wieder erreichter Deutlichkeit auch auf das Grundrecht als subjektives und individuelles Recht und betont, dass der subjektive Anspruch auf Gründungsfreiheit und Schulvielfalt nicht leer laufen dürfe 14. So müsse der Staat verhindern, „ dass das Freiheitsrecht kaum noch wahrgenommen " werden könne. Insofern könne sich aus Art. 7 Abs. 4 GG über dessen Abwehrcharakter hinaus ein Anspruch auf staatliche Förderung ergeben. Hier geht das Gericht eindeutig nicht nur über den Abwehrcharakter des Grundrechts, sondern auch über dessen institutionelle Interpretation in der bisherigen Rechtsprechung hinaus und betont mehrfach den individualrechtlichen Anspruch der „Gründungseltern". Die am gleichen Tag ergangene Entscheidung BVerfGE 90, 128 (141) stellt dann zwar wieder primär auf den objektiven bzw. institutionellen Gehalt der Förderpflicht ab, gibt einer entsprechenden Individualverfassungsbeschwerde aber immerhin insoweit statt, als der Staat nicht berechtigt ist, Investitionshilfen in Gestalt von Baukostenzuschüssen vollends zu versagen. Dazu sei er jedenfalls im Rahmen der Regelbeihilfe verpflichtet. In einer Entscheidung vom 4. 3. 199715 nimmt eine Kammer des Ersten Senats dann nicht nur die individualrechtliche Sichtweise deutlich zurück. Sie verschärft vielmehr auch die einschränkenden Tendenzen der institutionellen Interpretation. So gehöre es zum „herkömmlichen Bild" der Ersatzschule, dass diese auf eigenes Vermögen der hinter ihr stehenden finanzstarken Kräfte, auf eigene Spender und die Aufnahme von Krediten verwiesen werden kann. Der Staat sei nicht verpflichtet, das Risiko des „Unternehmers" zu übernehmen. Gegenüber der bisher konsistenten Rechtsprechung des Senats kann diese Entscheidung nur als „Ausreißer" bezeichnet werden, der sich zum einen auf einen Einzelfall bezieht und zum anderen in der Literatur auf einhellige Kritik gestoßen ist. Eine grundsätzliche „Trendwende" konnte in einer solchen Kammerentscheidung aber nicht gesehen werden. Erst im Beschluss vom 09. 11. 2004 16 ist von der individuellen Komponente nicht mehr die Rede, und die Gründungsfreiheit geht quasi in der Sicherung der „Institution Ersatzschulwesen" auf. Erst dann werde eine Handlungspflicht ausgelöst, wenn andernfalls der Bestand des Ersatzschulwesens als Institution „evident gefährdet" wäre. Klargestellt wird, dass die einzelne Schule keinen Bestandsschutz 12

Treffende Zusammenfassung bei Gröschner, in: Dreier, GG, Bd. I, 1996, Art. 7 Rn. 103 f.; kritisch Denninger, in: Handbuch des Staatsrechts (HStR) Bd. V (1992), § 113, S. 318. 13 BVerfGE 90, 107(116). 14 BVerfGE 90, 107 (114 ff.). 15 RuS 1997, Heft 1 - hier zitiert nach JURIS Nr. KVRE 272709701. 16 BVerfGE 112, 83 ff.

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genießt (S. 84). Eine institutionelle Gefährdung wird verneint, weil die Schülerzahl der Klägerin des Ausgangsverfahrens weiterhin zunimmt und auch sonst im betroffenen Bundesland Erwerbsschulen bestehen und sogar in ihrer Schülerzahl wachsen (S. 86). b) Die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist in sich uneinheitlich, kommt in der Gesamttendenz aber zu ähnlichen Ergebnissen. Während sie ursprünglich 17 individualrechtliche Leistungsansprüche wegen der „Entlastungsfunktion" freier Schulen bejahte und geradezu als Prototyp einer leistungsrechtlichen Umdeutung des Freiheitsrechtes gewertet werden konnte, hatte das Gericht schon 1984 diesen Anspruch der Höhe nach durch die Erhaltung der Institution Ersatzschulwesen begrenzt 18. In der neuesten Entscheidung beruft sich das BVerwG ausschließlich auf die institutionelle Seite der Rechtsprechung des BVerfG zur Erhaltung des Ersatzschulwesens und nimmt einen Verfassungsverstoß erst dann an, wenn der Gesetzgeber die Pflicht zur Erhaltung des Ersatzschulwesens „gröblich vernachlässigt, weil bei weiterer Untätigkeit der Bestand des Ersatzschulwesens evident gefährdet wäre" 19 . Im Ergebnis wird hier also nur eine Minimalförderpflicht bei evidenter Existenzgefährdung des gesamten Ersatzschulwesens zugebilligt. Von subjektiven Förderansprüchen ist nicht mehr die Rede. c) Trotz teilweise deutlich „privatschulfreundlicher" Garantien der entsprechenden Landesverfassungen findet sich auch in der jüngeren Rechtsprechung der Landesverfassungsgerichtsbarkeit kaum eine Abweichung von den bereits zitierten Formeln. So betont etwa der Sächsische Verfassungsgerichtshof 20, dass ein Entschädigungsanspruch nur dem Grunde nach, nicht aber der Höhe nach aus der sächsischen Verfassung folge. Die Grenze sei erst bei einer Existenzgefährdung der Institution Freie Schulen erreicht. Ähnlich betont auch das Landesverfassungsgericht Mecklenburg-Vorpommern 21 die Sicherung der Freien Schulen als Institution, sieht aber immerhin noch das Gebot der Schulvielfalt. d) In ähnlicher Weise rückt auch die Rechtsprechung der Verwaltungsgerichtshöfe bzw. Oberverwaltungsgerichte der Länder den Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers und die nur institutionelle Sichtweise in den Mittelpunkt 22 . Den vorläufigen Höhepunkt bildet die Entscheidung des VGH Mannheim vom 19. 07. 2005 23 , die eine Gefährdung der Institution erst bei gröblicher Vernachlässigung 17 BVerwGE 23, 344 (347); 27, 360 (365). 18 BVerwGE 70, 290 (292); dazu Denninger (Fn. 12), S. 317; weitere Entscheidungen BVerwGE 74, 134 (136); 79, 154 (155). 19 BVerwG, Buchholz 421, Kultur- und Schulwesen Nr. 128, hier zitiert nach JURIS Nr. WBRE 410008059. 20 SächsVerfGH, DÖV 1997, 205. 21 LVerfG MV, DVB1. 2001, 1753 (1756). 22 Exemplarisch VGH Mannheim, RuS 2000, 1 ff.; OVG Schleswig, 15. 8. 1997, JURIS Nr. MWRE 102869800; OVG Schleswig, NordÖR 2001, 303. 23 RuB 2005, 11 ff.

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durch den Landesgesetzgeber annimmt und den Schulen pauschal die Finanzierbarkeit durch Kredite und Spenden empfiehlt. Im folgenden soll es weniger um die empirischen Unterstellungen dieser Rechtsprechung als vielmehr darum gehen, die dogmatischen Hintergründe der in der Rechtsprechung erkennbaren Entindividualisierung dogmatisch in Frage zu stellen. Die Arbeit befolgt dabei bewusst der traditionellen Gliederung, in der zunächst der Schutzbereich der Norm und sodann geklärt wird, ob in der Unterfinanzierung ein Eingriff in das Grundrecht vorliegt. Schließlich wird gefragt, ob die verschiedenen Argumentationsmuster der jüngeren Rechtsprechung ausreichen um festgestellte Eingriffe in die Schutzpflicht des Staates zu rechtfertigen. 2. Gründungsfreiheit a) Der freiheitsrechtliche Ursprung des Grundrechts Betrachtet man die Rechtsprechung zur Gründungsfreiheit von Privatschulen, dann fällt auf, dass in der Regel ohne besondere Begründung sogleich die leistungsrechtliche Komponente betont und die (nur) institutionelle Bedeutung des Grundrechts in den Blick genommen wird. Dabei wird aber verkannt, dass die Gründungsfreiheit zunächst einmal ein subjektives Individualgrundrecht ist, dessen Ursprung in der klassischen Abwehrfunktion gegenüber staatlichen Eingriffen liegt. Auch die Gründungsfreiheit im Sinne eines nahezu klassischen individuellen Abwehrrechts gewährleistet, dass der Staat Individuen grundsätzlich nur in den in Art. 7 Abs. 4 GG und anderen Verfassungsnormen genannten Bedingungen an der Gründung Freier Schulen hindern darf 24 . b) Leistungsabhängigkeit der Grundrechtsverwirklichung als Besonderheit des Art. 7 Abs. 4 GG In der geschilderten abwehrrechtlichen Deutung der Gründungsfreiheit ist eine rechtliche Garantie für positive Leistungen des Staates zur Verwirklichung der Freiheit noch nicht enthalten. Wenn das BVerfG also immer wieder formulierte, der Staat müsse die Freien Schulen so fördern, dass auch unter heutigen Bedingungen Neugründungen möglich bleiben 25 , dann sind die dogmatischen und faktischen Voraussetzungen für diese leistungsstaatliche Wendung in Erinnerung zu rufen. Wie bei anderen Freiheitsrechten hieße es auch bei Art. 7 Abs. 4 GG, den Schutz24 Diese Sicht der Gründungsfreiheit findet sich in nahezu allen einschlägigen Entscheidungen. Vgl. etwa BVerwGE 27, 195 (200); 75, 40 (46); 90, 107 (114); Robbers, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. I (1999), Rn. 165 ff., 168; zur klassisch abwehrrechtlichen Bedeutung der Freiheitsrechte allgemein BVerfGE 7, 198 (204 f.). 2 5 BVerfGE 75, 40 (63); 90, 107 (116).

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gehalt des Grundrechts zu überdehnen, würde der Staat voreilig für die finanziellen Voraussetzungen grundrechtlicher Freiheiten haftbar gemacht. So folgt aus Art. 13 GG kein Anspruch auf die Subventionierung einer Wohnung; der Anspruch auf Arbeitsförderung ist gesetzlich begründet, aber nicht durch Art. 12 GG usw. 26 . Zwar schützt Art. 7 Abs. 4 GG besondere herausgehobene Handlungsmöglichkeiten 27 . Verlangt der Inhaber eines Verhaltensgrundrechts aber die Zuteilung faktischer Grundlagen des geschützten Verhaltens, so ist dies begründungsbedürftig; insbesondere muss hervorgehoben werden, warum gerade in diesem Fall das wirtschaftliche Substrat für die Grundrechtsverwirklichung staatlicherseits bereitgestellt werden muss. Werden die Besonderheiten des Art. 7 Abs. 4 GG und die Verantwortung des Staates gerade in diesem Bereich nicht exakt herausgearbeitet, dann besteht die Gefahr, dass die Rechtsprechung zu Art. 7 Abs. 4 GG als eine Art besonderer Blüte einer „leistungsrechtlichen Euphorie" der 70er bis 90er Jahre des vorigen Jahrhunderts gesehen wird, die jetzt wieder einer realistischen und damit rein abwehrrechtlichen Deutung der Grundrechte Platz machen müsse. Tendenzen zu einer solchen Sichtweise sind in der bildungspolitischen Diskussion und auch in den eingangs zitierten neueren Urteilen durchaus erkennbar.

Deshalb sind der besondere Kontext und die besonderen Abhängigkeiten hervorzuheben, unter denen die FreiheitsVerwirklichung gerade im Fall von Art. 7 Abs. 4 GG steht28 und klarzustellen, dass es sich eben nicht um ein „Freiheitsrecht wie jedes andere" handelt. Ausgeübt werden kann diese Freiheit nämlich nur unter Rahmenbedingungen, die in vielfältiger Weise vom Staat gesetzt und beeinflusst um nicht zu sagen monopolisiert - sind. Der freiheitliche Schutzbereich ist hier nicht durch einen allgemeinen „offenen Bildungsmarkt" bestimmt; es handelt sich vielmehr um einen staatlich monopolisierten, durch zahllose Bedingungen, Zulassungsschranken und Anpassungszwänge dominierten Bereich. So wie z. B. die Berufsfreiheit des Arztes heute leer läuft, wenn er nicht Zugang zum staatlich monopolisierten und finanzierten Bereich des Vertragsarztrechts erlangt 29, läuft die Privatschulgründungsfreiheit leer, wenn die Grundrechtsinhaber nicht Zugang zu diesem staatlich finanzierten und monopolisierten „Gesamtsystem Bildung" finden. Wirtschaftlich gesehen besteht zudem eine erhebliche Ungleichheit des Wettbewerbs mit dem milliardenschwer subventionierten öffentlichen Bildungsbereich. Schon deshalb kann es bei der Förderung freier Schulen nicht um eine beliebig zu gewährende und ggf. auch wieder einzuziehende originäre Leistung gehen. In der Sache handelt es sich vielmehr um einen Ausgleichsanspruch für eine Vielzahl rechtlicher und faktischer Eingriffe in die Gründungsfreiheit und ungleiche Wett26 Dazu Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts (20. Aufl. 1995), Rn. 82. 27 Dazu Jörn Ipsen, JZ 1995, 473 (477). 28 Ähnlicher Ansatz bei Albers, Faktische Grundrechtsbeeinträchtigungen als Schutzbereichsproblem, DVB1. 1996, 233 (238). 29 So zu Recht bereits BVerfGE 11, 30 (39) - Kassenarzt.

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bewerbschancen. Gründungsfreiheit heißt unter heutigen Bedingungen auch kompensierende Wettbewerbsgleichheit 30. Es sind aber nicht nur das staatliche „Fast-Monopol" und die Ungleichheit des Wettbewerbs mit der „öffentlichen Konkurrenz", die dem „Abwehrrecht Gründungsfreiheit" eine leistungsrechtliche Komponente zuwachsen lassen: Es sind auch vielfältige strukturelle Bedingungen und Einflussnahmen (Ingerenzen) 31, die die Ausübung der grundrechtlichen Freiheit bedingen und bestimmen. So ist der Schutzbereich der Gründungsfreiheit nicht wie bei anderen Freiheitsrechten dem gesellschaftlichen Sektor zugeordnet, er befindet sich vielmehr im „öffentlichen Raum". Die Freiheit ist hier strukturiert und determiniert durch strikte Regeln, Zugangsvoraussetzungen und Anpassungszwänge, denen die Freien Schulen - insbesondere die Ersatzschulen - ausgesetzt und in die sie eingebunden sind. Grundrechtsdogmatisch bestehen hier eine Vielzahl von Eingriffen und Beeinträchtigungen der Gründungsfreiheit. Diese ist nur wahrnehmbar, wenn der Staat wenigstens durch eine Gewährleistung der Existenzgrundlagen die Gründung trotz der geschilderten Bedingungen ermöglicht und dadurch die Vorteile der öffentlichen Schulen wenigstens annähernd kompensiert. Die staatliche Förderung Freier Schulen erfolgt also nicht im verfassungsrechtlich nahezu beliebigen Raum des Subventionsrechts. Bei den Förderungsansprüchen aus Art. 7 Abs. 4 GG handelt es sich auch nicht um eine leistungsrechtliche Umdeutung des Abwehrrechts, sondern um Ausgleichsansprüche der Grundrechtsinhaber für staatliche Eingriffe in die Gründungsfreiheit und strukturelle Erschwerungen der Wahrnehmbarkeit des Grundrechts. Ausgeglichen werden müssen auch gravierende Wettbewerbsnachteile zum staatlichen Schulwesen. Die freiheitsrechtliche Bedeutung des Grundrechts einerseits, die Schutzpflicht 32 und damit die Garantenstellung des Staates für die Erfüllung grundrechtlicher Freiheit andererseits hängen eng zusammen und sind beide der abwehrrechtlichen Funktion des Grundrechts zugeordnet.

Daraus folgt: Es besteht ein Verfassungssatz, demzufolge die sich aus Art. 7 Abs. 4 GG ergebende Garantie verletzt ist, wenn auch unter Erbringung einer angemessenen Eigenleistung unter den gegebenen Bedingungen keine neuen Schulen gegründet werden können. Die bestehenden Eingriffe und ungleichen Wettbewerbschancen sind durch staatliche Förderung zu kompensieren. Das ist nicht lediglich eine institutionelle, sondern eine individuelle Garantie, auf deren Erfüllung ein ebenso individueller Anspruch unmittelbar aus Art. 7 Abs. 4 GG besteht.

30 Jach, DÖV 1990,506. 31 Diesen Begriff führt zu Recht J.P. Vogel, DVB1. 1985, 1214 (1217) im Hinblick auf die Genehmigungsvoraussetzungen ein. 32 Isensee, HdbStR V, § 111, Rn. 5.

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c) Konsequenzen Als Konsequenz hat die Rechtsprechung des BVerfG Förderungsansprüche aus der Gründungsfreiheit abgeleitet33. Die gleichwohl als verfassungsrechtlich zulässig beurteilte Einführung angemessener Wartefristen wurde durch das BVerfG ausdrücklich als Ausnahme von der Regel gesehen und mit dem notwendigen Erfolgsnachweis und der Überlebensfähigkeit und Ernsthaftigkeit des Vorhabens begründet 34 . Ist der Erfolgsnachweis gelungen, dann lebt der volle Förderungsanspruch und zwar von Anfang an - wieder auf. Schon daraus folgt, dass sich nach erfolgreichem Bestehen des „Eignungstests" und nach Ablauf der Wartefrist ein aus Art. 7 Abs. 4 GG i.V. mit Art. 3 GG abzuleitender Anspruch auf Nachzahlung der in der Wartefrist an sich angefallenen Förderungssummen besteht. Auch ist in Erinnerung zu rufen, dass das BVerfG in einem ansonsten eher restriktiven Urteil festgestellt hat, auch die Investitionskosten, also insbesondere Baukosten, „müssten bei der Förderung jedenfalls berücksichtigt werden" 35 . Schon daraus ergibt sich, dass Versuche der Länder, die „Karenzfristen" zu verlängern oder rückwirkende Erstattungen zu vermeiden, auf Übereinstimmung mit der Gründungsfreiheit des Art. 7 Abs. 4 GG zu prüfen sind.

3. Schulvielfalt

und Wahlfreiheit

Das BVerfG hat aus Art. 7 Abs. 4 GG, teilweise auch aus dem elterlichen Erziehungsrecht (Art. 6 Abs. 2 GG), eine Absage an ein staatliches Schulmonopol und das Gebot der Schulvielfalt abgeleitet36. Freie Schulen werden also als gleichberechtigte und gleichrangige Alternativen zum öffentlichen Schulwesen begriffen 37. Der Staat müsse insofern von Verfassungswegen Konkurrenz gegen sich gelten lassen. Damit hat das BVerfG die Schulvielfalt und den schulischen Pluralismus gleichsam als öffentliche Aufgabe institutionalisiert. Der Beitrag der einzelnen Schule zur Schulvielfalt kann und muss bei der Gewährung staatlicher Zuschüsse berücksichtigt werden 38. Das geht nach der Rechtsprechung sogar soweit, dass der öffentliche Zweck die Enteignung eines Privatgrundstücks zugunsten einer Freien Schule rechtfertigt 39. Schulvielfalt richtet sich auch gegen den Staat selbst. Er hat die besondere Prägung von Schulen zu berücksichtigen. Die immer wieder zu be33 BVerfGE 90, 107 (114) und BVerfGE 90, 128 (138). 34 BVerfGE 90, 107 (117) und BVerfGE 90, 128 (138). 35 BVerfGE 90, 128 (138); dazu bereits Pieroth, DÖV 1992, 593 (599); zu den Grundlagen F. Müller, Zukunftsperspektiven der Freien Schulen (1988) 202 ff., 216 ff., 239. 36 BVerfGE 34, 165 (196); 88, 40 (46); 90, 107 (114). 37 Robbers, in: von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Bd. I (1999), Art. 7 Rn. 155 ff. 38 BVerfGE 90, 107 (118); Niehues, Schul- und Prüfungsrecht I (2000), Rn. 221; Jach, Schulvielfalt als Verfassungsgebot (1991). 39 BGH, NJW 1989, 216; BVerfG (KammerE), NJW 1999, 2659.

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obachtende Tendenz staatlicher Stellen zum Schutz öffentlicher Schulen gegenüber „zuviel Privatschulen" findet insofern keine verfassungsrechtliche Basis 40 . Es ist vielmehr geklärt, dass aus Art. 7 Abs. 4 GG ein Gebot der Schulvielfalt abgeleitet werden kann. Aus denselben Gründen dürfen Schüler eines bestimmten Ersatzschultyps bei der Übernahme von Schülerbeförderungskosten nicht auf die nächste öffentliche Schule der entsprechenden Schulstufe verwiesen werden 41 (VGH Kassel, NVwZ-RR 2003, 433). Auffällig ist allerdings, dass dieses Gebot nahezu ausschließlich als objektives Gebot ohne individualrechtliche Ausformung und als Bestandteil der institutionellen Gewährleistung eines „Ersatzschulwesens" gesehen wird. Übersehen wird dabei, dass Schul Vielfalt und damit untrennbar verbundene Wahlfreiheit auch eine individuelle Komponente hat. Dies kann in dreifacher Weise begründet werden: a) Schon die oben untersuchte individuelle Gründungsfreiheit ist verfassungsrechtlich gewährleistet, sie stellt gleichsam den Singular des Gebots der Schulvielfalt dar. b) Wenn die Schulvielfalt eine öffentliche Aufgabe ist, dann hat derjenige, der nach entsprechender Zulassung und Prüfung sich an der Erfüllung dieser öffentlichen Aufgabe beteiligt, einen verfassungsrechtlich abgesicherten Anspruch auf angemessene Beteiligung an den dafür vorgesehenen öffentlichen Mitteln. Auch hier stellt das Recht der Freien Schulen keine Ausnahme dar. So hat das BVerfG z. B. aus Art. 12 I GG i.V.m. Art. 3 GG und dem Sozialstaatsgebot abgeleitet, dass private Betreuer einen Anspruch auf angemessene Vergütung für ihre Betreuungsleistung haben42, weil sie in soweit eine öffentliche Aufgabe erfüllen. Auch dies ist ein Ausgleich für den andernfalls gefährdeten Schulpluralismus. Dieser Ausgleichsanspruch ist keinesfalls nur institutionell zu interpretieren; er besteht vielmehr sehr konkret und sehr individuell. Daraus folgt: Freie Träger schulischer Alternativen zum öffentlichen Schulwesen haben einen Anspruch auf Förderung insofern, als sie an der Erfüllung der öffentlichen Aufgabe Schulvielfalt beteiligt sind. Es besteht ein Verfassungssatz, nachdem die sich aus Art. 7 Abs. 4 GG ergebende Garantie verletzt ist, wenn diese Aufgabe nicht in angemessener Weise durch finanzielle Leistungen kompensiert wird und sich Schulvielfalt nicht mehr entfalten kann. c) Bereits in seinem Urteil zur hessischen Förderstufe 43 hat das BVerfG darauf hingewiesen, dass das Grundrecht der Eltern aus Art. 6 Abs. 2 GG nicht nur die Wahlfreiheit bezüglich der innerhalb des staatlichen Schulwesens bestehenden Angebote umfasse, sondern dass es sich auch auf gleichwertige Ersatzschulen bezie40 So zu Recht LVerfG MV, DVB1. 2001, 1753 (1758). 41 VGH Kassel, NVwZ-RR 2003, 433. 42 BVerfG, Beschluss vom 7. 11. 2001, 1 BvR 325/94 u. a., http://www.bverfg.de/entscheidungen/rk20011107_lbvr032594, Abs. 26. 43 BVerfGE 34, 165 (197 f.).

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he, die im Verhältnis zu staatlichen Schulen nicht allein wegen ihrer andersartigen Erziehungsformen und Inhalte verhindert werden dürften 44. Auf diese Entscheidung hat das BVerfG in seiner Wartefristenentscheidung 45 Bezug genommen und damit den Zusammenhang von Schulvielfalt und Wahlfreiheit klargestellt. Auch aus Art. 6 Abs. 2 GG folgt allerdings nicht ein originäres Teilhaberecht der Eltern in dem Sinne, dass der Staat ihnen abweichend vom staatlichen Schulsystem uneingeschränkt besondere Erziehungsformen und -inhalte zur Verfügung stellen muss. Er darf aber solche Schulen auch nicht in ihrer Entstehung benachteiligen bzw. behindern. Tut er dies, wie z. B. durch die Genehmigungsvoraussetzungen des Art. 7 Abs. 4 Satz 3 GG, so ist dies nur zulässig, wenn hierfür ein angemessener Ausgleich besteht. Andernfalls wären die Eltern auf die „staatliche Monopolschule" verwiesen, die Grundrechtsausübung wäre uneingeschränkt an das jeweilige staatliche Angebot gebunden. Die Eltern könnten nicht einmal unter Einsatz erheblicher Finanzmittel wirtschaftlich gesunde Schulen gründen, weil solche nur unter Zahlung von Schulgeldern existieren könnten, die gegen das Sonderungsverbot (dazu sogleich) des Art. 7 Abs. 4 Satz 3 GG verstoßen würden. Schulvielfalt hat auch insofern also eine individuelle Komponente. Die schulische Wahlfreiheit aus Art. 6 Abs. 2 GG wird verletzt, wenn unter Einhaltung der Genehmigungsvoraussetzungen faktisch keine neuen Freien Schulen gegründet werden können und bereits existierende gefährdet werden. Auch hierbei handelt es sich nicht lediglich um eine institutionelle Garantie, sondern um einen individuellen Ausgleichsanspruch. d) Grundrechtlich gebotene Ausgleichspflicht für Genehmigungsvoraussetzungen: In der tragenden Passage des Beschlusses vom 9. 3. 1994 hat das BVerfG ausgeführt 46: „Jedenfalls muss der Staat dagegen Vorsorge treffen, dass das Grundrecht als subjektives Recht wegen der seinem Träger durch Art. 7 Abs. 4 Satz 3 und 4 GG auferlegten Bindungen praktisch kaum noch wahrgenommen werden kann. Insofern kann sich aus Art. 7 Abs. 4 GG über dessen Abwehrcharakter hinaus ein Anspruch auf staatliche Förderung ergeben".

Das Gericht hat ferner darauf hingewiesen, dass die privaten Ersatzschulen in ihren Lehrzielen und Einrichtungen sowie in der wissenschaftlichen Ausbildung ihrer Lehrkräfte nicht hinter den öffentlichen Schulen zurückstehen dürfen (Art. 7 Abs. 4 Satz 3 GG) und dass die wirtschaftliche und rechtliche Stellung ihrer Lehrkräfte genügend gesichert sein muss (Art. 7 Abs. 4 Satz 4 GG). Beides sei nur mit hohem Kostenaufwand zu erreichen. Der Staat habe die Anforderungen an die Gleichwertigkeit privater Schulen fortlaufend verschärft. Er habe den Standard seiner eigenen schulischen Einrichtungen gehoben und die Besoldung seiner Lehrer 44 Ähnlich auch BVerfGE 88, 40 (46). 45 BVerfGE 90, 107(114). 46 BVerfGE 90, 107 (114 f.).

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stetig verbessert. Dem müssten die privaten Ersatzschulen sich anpassen. Dies könnten sie nur unter Inkaufnahme erheblicher Kosten vermeiden, die sie - wiederum wegen der Bindung aus Art. 7 Abs. 4 Satz 3 GG („Sonderungsverbot") - nicht erheben dürften. Es folgt der entscheidende Satz: „Soll die Privatschulfreiheit nicht leer laufen, schuldet der Staat deshalb einen Ausgleich für die vom Grundgesetz errichteten Hürden".

Das Sonderungsverbot und die anderen in Art. 7 Abs. 4 GG genannten Genehmigungsvoraussetzungen bilden also nicht etwa die eigentliche „Anspruchsgrundlage" für staatliche Leistungen. Es handelt sich vielmehr um eine verfassungsimmanente Schranke der Gründungsfreiheit. Diese legt den freien Schulen im staatlichen Interesse Gebote auf, die durch die Privatschulgesetze der Länder konkretisiert sind. Diese dürfen sich nach dem eindeutigen Gebot der Verfassung nicht allein aus Schulgeld finanzieren, weil dies - wie der Blick auf andere westliche Verfassungsstaaten, insbesondere die USA und Großbritannien, zeigt - zu einer der deutschen Schultradition gänzlich widersprechenden Herausbildung von finanzstarken „Eliteschulen" führen würde, in denen sich nur noch Kinder begüterter Eltern versammeln 47. Diese unerwünschte soziale Segregation hätte auch negative Folgen für das öffentliche Schulwesen. Insofern ist Art. 7 Abs. 4 Satz 3 GG eine sozialstaatlich unverzichtbare Komplementärgarantie zur Gründungsfreiheit, die allerdings aus grundrechtsdogmatischer Sicht einen Eingriff in ebendiese Gründungsfreiheit darstellt. Dieser würde - wie das BVerfG zu Recht festgestellt hat zu einer faktischen Gründungssperre führen, wenn der Staat nicht die sich aus dieser Konstellation ergebenden Nachteile durch staatliche Leistungen ausgleichen würde. Auch insofern handelt es sich nicht einfach um einen letztlich disponiblen originären Teilhabeanspruch, sondern um die Erfüllung einer Ausgleichspflicht des Staates gegenüber staatlich gebundenen Grundrechtsträgern 48. Eine Ersatzschule muss allen Bürgern ohne Rücksicht auf die Einkommensverhältnisse der Eltern offen stehen49. Die Höhe der zu zahlenden Beträge muss so bemessen sein, dass auch „Nichtbesserverdienende" sie zu zahlen in der Lage sind. Oder umgekehrt formuliert: Die Förderung muss so hoch sein, dass Freie Schulen gegründet und die Genehmigungsvoraussetzungen dauerhaft erfüllt werden können. Wenn dieser Zusammenhang in der Rechtsprechung grundsätzlich anerkannt wird und damit feststeht, dass das verfassungsrechtliche „Existenzminimum" exakt mit der Erfüllung dieser Genehmigungsvoraussetzungen bezeichnet ist, dann steht zugleich fest, dass der Zwang zu überhöhten Schulgeldern jenes Existenzminimum gefährdet. Ähnlich verhält es sich mit nicht kompensierten Wartefristen, auch wenn den „Gründungseltern" durch das BVerfG ein erhöhter Eigenbetrag für die Gründungsphase - nicht aber darüber hinaus! 47

Konsequenterweise hat der BFH, JZ 2005, 944, die steuerliche Absetzbarkeit von Schulgeldern davon abhängig gemacht, dass diese das Sonderungsverbot nicht verletzen. 4 » Ähnlich Niehues, Schul- und Prüfungsrecht I (2000), Rn. 286. 49 So bereits BVerfGE 75, 40.

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zugemutet worden ist. Demgegenüber kann nicht eingewandt werden, aus dem Zusammenhang von Sonderungsverbot und Förderpflicht lasse sich über die „erlaubte" Höhe des Schulgelds und - als deren Kehrseite - die notwendigen Ausgleichszahlungen keine hinreichend konkreten Aussagen treffen. Es sei jedenfalls nicht möglich, diese unmittelbar aus Art. 7 Abs. 4 GG abzuleiten. Vielmehr sei es Sache des Gesetzgebers, die exakten Ausgleichsbeiträge festzulegen.

Betrachtet man aber den genannten Zusammenhang genau, dann wird deutlich, dass die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers nicht so groß ist, wie es auf den ersten Blick erscheint. Das BVerfG selbst hat festgestellt, dass Beträge in der Größenordnung von monatlich DM 170,- bis 190,- nicht von allen Eltern gezahlt werden können und damit gegen das Sonderungsverbot verstoßen 50. Schulgeld in dieser Höhe wurde sogar als zweifelsfrei verfassungswidrig bezeichnet. Eine „Regelgröße" ist damit also nicht gemeint und kann auch durch den Staat nicht in dem Sinne reklamiert werden, dass alle darunter liegenden Schulgelder unbedenklich seien51. Im Wege des „Erst recht - Schlusses" muss aber davon ausgegangen werden, dass jedenfalls Schulgelder in dieser Größenordnung oder gar oberhalb dieser Größenordnung gegen das Sonderungsverbot verstoßen. Es ist insofern Ergebnis eines Rechenexempels, wo die Obergrenze des Schulgelds und damit die Untergrenze der staatlichen Förderung liegen. Bezugsgrößen sind neben dem Schulgeld und dem zumutbaren Eigenbeitrag nur die vergleichbaren Kosten, die für einen staatlichen Schüler gezahlt werden. Bei der Ermittlung dieses Prozentsatzes geht es um eine verfassungsrechtliche Größe, deren Ermittlung gleichwohl nicht im Wege der reinen Verfassungsauslegung möglich ist, sondern nur auf Grund exakter finanzwissenschaftlich gestützter Angaben über die genannten Bezugsgrößen erfolgen kann. Es sei also festgehalten: Das Freiheitsrecht aus Art. 7 Abs. 4 GG verlangt, dass auch unter den gegebenen Bedingungen Schulen gegründet und unterhalten werden können, in denen die Genehmigungsvoraussetzungen in Art. 7 Abs. 4 Satz 3 und 4 GG, insbesondere das Sonderungsverbot, dauerhaft eingehalten werden können. Kann die Höhe des Schulgeldes nur noch von bestimmten Elterngruppen getragen werden und können andere Elterngruppen aus wirtschaftlichen Gründen ihre Kinder nicht mehr auf Freie Schulen schicken, dann ist das Grundrecht verletzt. Insofern ist der Gestaltungsspielraum des Landesgesetzgebers beschränkt. Auch hier handelt es sich nicht „nur" um eine objektivrechtliche oder institutionelle Garantie, sondern um einen individuellen Anspruch der einzelnen Schule, bzw. der Eltern.

50 BVerfGE 90, 107(119). 51 Dazu ausführlich Jach, FS Vogel (1998), S. 76 ff., 90; Niehues, Schul- und Prüfungsrecht I (2000) Rn. 256, sieht die Grenze schon bei DM 150,- pro Monat je Kind überschritten. Das Kultusministerium Baden-Württemberg und die FDP-Fraktion im Landtag BadenWürttemberg bezeichneten 1989 ein Schulgeld noch als adäquat, das nicht wesentlich über DM 1.200,- pro Kind und Jahr liegt; vgl. LT-Drs. 10/1933, S. 8.

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4. Schutz der Institution Wie oben dargelegt hat die Rede vom institutionellen Grundrechtsschutz in der Rechtsprechung zu Art. 7 Abs. 4 GG schon früh eine Rolle gespielt. Spätestens in der Entscheidung vom März 1994 52 hat das BVerfG aber klargestellt, dass es sich bei den aus Art. 7 Abs. 4 GG abzuleitenden Gewährleistungen und Ausgleichspflichten nicht lediglich um institutionelle Gewährleistungen, sondern um individuelle Ansprüche handelt. Es hat damit in einer Art „individueller Wendung4' seine eigene vorherige Rechtsprechung53 korrigiert, die Art. 7 Abs. 4 GG vornehmlich als institutionelle Garantie gesehen hatte. Gleichwohl bestimmt die Rede von der zu verhindernden „evidenten Gefährdung der Institution" oder gar des „Existenzminimums der Institution4' seither weit mehr die Interpretation von Art. 7 Abs. 4 GG als die eindeutig individualrechtlich geprägten Passagen der Entscheidung aus dem Jahre 199454. Dieser Tendenz mag das BVerfG selbst Vorschub geleistet haben, als es seine Ausführungen zur Gewährleistungspflicht und den individuellen Ansprüchen wieder einschränkte, indem es die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers betonte und ausführte, aus Art. 7 Abs. 4 Satz 1 GG folge kein verfassungsunmittelbarer Anspruch auf Gewährung staatlicher Finanzhilfe, „gar noch in bestimmter Höhe" 55. Selbst in dieser Passage ist aber keineswegs die Rede von einer nur institutionellen Garantie oder gar der Zurückdrängung auf das Existenzminimum einer Institution. Das Gericht betont vielmehr nur den Gestaltungsspielraum, aber auch die Bindung des Gesetzgebers. Der Gegensatz lautet also nicht: „individuell vs. institutionell", sondern allenfalls „originär (d. h. unmittelbar aus der Verfassung abgeleitet) vs. der Konkretisierung durch den Gesetzgeber bedürftig". Eine völlige Entindividualisierung und die Zurückdrängung auf ein abstraktes Existenzminimum einer ebenso abstrakten Institution lassen sich jedenfalls aus der maßgeblichen Entscheidung des BVerfG nicht ableiten. Ältere Äußerungen sind durch die Entscheidung aus dem Jahre 1994 überholt. Nicht ein fiktives Existenzminimum ist der Maßstab; Maßstäbe sind vielmehr Gründungsfreiheit, Schulvielfalt und individuelle Ausgleichsansprüche für staatlich auferlegte Pflichten und die Erfüllung öffentlicher Aufgaben. Unabhängig davon bleibt aber festzuhalten, dass selbst in der restriktivsten Interpretation aus Art. 7 Abs. 4 GG eine institutionelle Garantie zugunsten des Bestandes der Privatschulen folgt. Diese ist spätestens dann verletzt, wenn es unter den gegebenen Bedingungen und unter Einhaltung der Genehmigungsvoraussetzungen nicht mehr zur Neugründung und dauerhaften Einrichtung von Freien 52 BVerfGE 90, 107 ff. 53 BVerfGE 75, 40 (61). 54 Gut zusammengefasst bei Gröschner in: Dreier, GG, Bd. I (1996), Art. 7 Rn. 103 f.; treffend kritisiert ist diese Auffassung bei Denninger (Fn. 12), S. 318. 55 BVerfGE 90, 107(116).

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Schulen eines bestimmten Typs kommen kann. Das Gebot der Schulvielfalt schließt es aus, abstrakt von „der Institution Ersatzschulwesen" o.ä. zu reden. Schulvielfalt besteht vielmehr nur dann, wenn es innerhalb des „Ersatzschulwesens" mehrere Grundtypen von Schulen in freier Trägerschaft gibt und diese in ihrer Existenz und Neugründung dauerhaft gesichert sind.

5. Objektive Schutzpflicht Neben dem individualrechtlichen und dem institutionellen Ansatz der Grundrechtsinterpretation ist seit längerem in der allgemeinen Grundrechtsdogmatik von „objektiven Schutzpflichten" die Rede, die dem Staat zum Schutz einzelner Grundrechtsgarantien obliegen56. Objektive Schutzpflichten hat das BVerfG bisher vor allem im Hinblick auf den Schutz von Leben und Gesundheit anerkannt 57. Von „staatlichen Schutz- und Förderpflichten" zugunsten des Grundrechts aus Art. 7 Abs. 4 GG spricht das BVerfG auch in der Entscheidung vom 9. 3. 199458. Diese Pflicht habe zum Ziel, dem Grundrechtsträger durch Leistungen namentlich finanzieller Art die Ausübung des Grundrechts zu ermöglichen. Es wird damit ausdrücklich der Schutz des Einzelnen angesprochen, während vom Schutz der Institution nicht die Rede ist. Inhaltlich sei der grundrechtliche Schutzanspruch des Einzelnen darauf gerichtet, dass der Gesetzgeber diejenigen Grenzen und Bindungen beachtet, die seinem politischen Handlungsspielraum durch die Schutz- und Förderpflicht gesetzt sind. Im Unterschied zur institutionellen Garantie bezieht sich die objektive Schutzpflicht auf jeden einzelnen Grundrechtsträger, also auch auf gründungswillige Eltern und Eltern, die ihre Kinder wegen zu geringer Förderung nicht auf Schulen in freier Trägerschaft schicken können. Das hat die wichtige Konsequenz der Klage- bzw. Beschwerdebefugnis in allen gerichtlichen und verfassungsgerichtlichen Verfahren wegen zu geringer Förderung, zeigt aber auch, dass die institutionelle Sichtweise nicht die einzige Schutzfunktion des Grundrechts darstellt. Die objektive Schutzpflicht ist allerdings nicht originär und umfassend, sie bezieht sich „auf die Prüfung einer Untätigkeit, einer groben Vernachlässigung und eines ersatzlosen Abbaues getroffener Maßnahmen " 5 9 . Das liegt auf der Linie der übrigen „Schutzpflichtentscheidungen" des Gerichts, in denen immer wieder ein großer Spielraum des Gesetzgebers im Hinblick auf die Art der Erfüllung der Schutzpflicht betont wurde. Betrachtet man aber den oben entwickelten Schutz56 Allgemein dazu Isensee, HdbStR § 111, Rn. 77; H.H. Klein, NJW 1989, 1633. 57 BVerfGE 39, 1 (41); 46, 160 (164); 49, 89 (141); 79, 174 (201); 88, 203 (251). Allgemein dazu Hermes, Das Grundrecht auf Schutz von Leben und Gesundheit (1987), 410; Jarass, FS BVerfG (2001), 36 ff. 58 BVerfGE 90, 107(117). 59 BVerfGE 90, 107 (117) - unter Verweis auf Hund, in: FS für Zeidler (1987), S. 1445 (1457).

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gehalt von Art. 7 Abs. 4 GG (effektive Griindungsfreiheit, Gebot der Schulvielfalt, Ausgleich für staatliche Genehmigungsvoraussetzungen und Wettbewerbsnachteile gegenüber dem staatlichen Schulwesen), so wird deutlich, dass der eigentliche Inhalt der Schutzpflicht keineswegs nur der Schutz vor „völliger Untätigkeit, grober Vernachlässigung oder ersatzlosem Abbau" sein kann, dass vielmehr die Betonung auf der Schutz- und Förderpflicht selbst liegt, die auch dem Ermessen des Gesetzgebers eine „Grenze nach unten" setzt. Inhaltlich ist die Schutzpflicht also keineswegs enger als sie das BVerfG selbst bezeichnet hat, indem es z. B. statuiert hat, dass Neugründungen unter allen Umständen möglich bleiben müssen und der Staat die Verantwortung für die Schulvielfalt trägt. Adressat der Schutzpflicht ist vor allem der für die einschlägige Sachregelung zuständige Gesetzgeber. Die ihm zu Gebote stehenden Spielräume sind zwar durch die Verfassungsgerichtsbarkeit zu beachten; es gibt aber eine äußerste Grenze, bei der auch die Gerichtsbarkeit festzustellen hat, dass eine Verletzung der Schutzpflicht vorliegt. Adressaten sind auch die Gerichtsbarkeit und die Verwaltung, die die Gesetze verfassungskonform, d. h. auch unter Beachtung der Schutzpflicht, anzuwenden haben. Festzuhalten ist daher: Den Staat trifft nicht nur eine Pflicht zum Schutz der „Institution Ersatzschulwesen". Ihm obliegt auch eine objektive Schutzpflicht gegenüber den einzelnen Grundrechtsträgern, dass die sich aus Art. 7 Abs. 4 GG ergebenden Garantien auch unter heutigen Bedingungen erfüllt werden können.

6. Verhältnis von individueller und institutioneller Bedeutung des Grundrechts Es hat sich gezeigt, dass die Formel von der „nur institutionellen Bedeutung der Förderpflicht" weder Art. 7 Abs. 4 GG noch der Rechtsprechung des BVerfG entspricht. Diese Formel geht letztlich auf die zur Weimarer Zeit diskutierte Lehre von den institutionellen Garantien 60 zurück, die seinerzeit als Konsequenz des Fehlens subjektivrechtlicher Ansprüche diskutiert wurde. Unter der Geltung des Grundgesetzes, insbesondere von Art. 1 Abs. 3 GG, kann aber nicht die Rede davon sein, dass bei Verletzung eines individuellen Grundrechts der einzelne Grundrechtsinhaber mit der Betonung lediglich institutioneller Inhalte „vertröstet" wird, und die institutionelle und die individuelle Seite der Grundrechts gegeneinander ausgespielt werden können. Eine abstrakte Verpflichtung des Staates zum Erhalt der abstrakten Institution unabhängig vom konkreten geschützten Individuum ist unter dem Grundgesetz gar nicht denkbar 61. Auch dann, wenn das 60 Vgl. insbesondere Carl Schmitt, Verfassungslehre, 1928, S. 170 ff. und Häberle, Wesensgehaltsgarantie des Art. 19 Abs. 2 GG, 1962; 3. Aufl. 1983; Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 20. Aufl. (1995) S. 127. 61 Anders aber anscheinend Alexy, Theorie der Grundrechte (1986), 229 ff., 241.

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BVerfG vom Schutz der Institution redet, hat es letztlich immer die „hinter der Institution stehenden" konkreten Menschen und Grundrechtsinhaber im Blick 6 2 . Errichtungsfreiheit und Wahlfreiheit gelten also nicht nur einer abstrakten „Institution Ersatzschulwesen" oder gar nur deren „Existenzminimum", sondern konkreten Grundrechtsträgern. Droht das individuelle Grundrecht aus Art. 7 Abs. 4 GG leer zu laufen, so löst dies Leistungsansprüche gegenüber dem Staat und die Schutzpflicht des Gesetzgebers gegenüber den davon betroffenen Freien Schulen aus. 7. Gleichbehandlung mit staatlichen Schulen In der Bundesrepublik Deutschland besteht ein umfassender Wettbewerb zwischen öffentlichen und Schulen in Freier Trägerschaft. Das Gebot der Schulvielfalt und die Gründungsfreiheit bedeuten, dass die Freien Schulen dabei nicht nur durch Art. 7 Abs. 4 GG - also durch ein Freiheitsrecht - im Wettbewerb mit den staatlichen Schulen geschützt sind. Auch aus Art. 3 GG ergibt sich ein grundsätzlicher Anspruch auf Chancengleichheit. Das ist der tiefere Sinn der Aussage, die Schulvielfalt richte sich auch gegen den Staat selbst: Dieser muss die Gleichheit des Wettbewerbs beachten und staatlich verursachte Ungleichheiten durch kompensatorische Maßnahmen ausgleichen63. Auch oberhalb der Schwelle der Existenzgefährdung darf der Staat daher bei der Zumessung von Mitteln Freie Schulen gegenüber den staatlichen Schulen nicht bevorzugen oder benachteiligen. Die Attraktivität gegenüber Schülern und Lehrern muss gesichert sein. Letzteres gilt vor allem in Zeiten eines wieder bestehenden Lehrermangels. Auch der Gleichheitssatz begrenzt also die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers. Es besteht zwar kein Gebot zur Bevorzugung Freier Schulen64. Die Ausrichtung der Fördermaßnahmen an staatlichen Schulkosten (unter Abzug eines gewissen Eigenanteils) ist zulässig65 und möglicherweise sogar geboten. Der Gleichheitssatz gebietet es auch, dass es nicht zu unterschiedlichen Bewertungen gleichartiger Kosten und anderer maßgeblicher Berechnungsfaktoren kommt. Umgekehrt darf die Förderung sich nicht allein an solchen Bezugsgrößen ausrichten, die im Verhältnis öffentlicher und freier Schulen gänzlich unterschiedlich sind. So ist zwar die Ausrichtung an den Betriebskosten vergleichbarer öffentlicher Schulen gleichheitskonform, nicht aber die alleinige Anwendung des Maßstabs der Lehrergehälter, weil dieser die Sachkosten nicht erfassen würde. Unzulässig ist es auch, wenn 62 Denninger (Fn. 12), S. 317 ff. 63 Zentral dazu BVerfGE 75, 40 (71 ff.); zur Ausgleichspflicht des Staates bei von diesem selbst verursachten Benachteiligungen bereits Hufen, Gleichheitssatz und Bildungsplanung (1975), 143 ff. 64 BVerfGE 75, 40 (68); 90, 107 (116). 65 BVerfGE 90, 128 (144); VGH Mannheim, ES VGH 50, 238 = JURIS Nr. MWRE 101210000; Bay VGH, VGHE 48, 83 ff. 5 Hufen/Vogel

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notwendige Kürzungen allein im Bereich Freier Schulen vorgenommen werden, ohne dass es zugleich zu Kürzungen im Bereich staatlicher Schulen kommt 66 . Es besteht also ein Verfassungssatz, nach dem die sich aus Art. 7 Abs. 4 und Art. 3 GG ergebende Garantien verletzt sind, wenn unter gegebenen Bedingungen staatliche Schulen gegenüber gleichwertigen und als solchen anerkannten Freien Schulen bevorzugt werden. Eine Ungleichbehandlung kann dabei auch darin liegen, dass die Besonderheiten Freier Schulen nicht beachtet werden und dadurch es zu einer verfassungswidrigen Gleichbehandlung ungleicher Tatbestände kommt.

ΠΙ. Eingriffe in Grundrechtspositionen 1. Allgemeines Nicht nur direkte oder indirekte Verbote und Belastungen sind Eingriffe in den Schutzbereich eines Grundrechts. Einen Eingriff kann auch die Verletzung einer objektiven Schutzpflicht oder der institutionellen Garantie darstellen. Nicht jede Rücknahme einer grundrechtsfördernden staatlichen Leistung ist dabei aber bereits gleichbedeutend mit einem Grundrechtseingriff. Insbesondere liegt in der Kürzung von Beträgen der Finanzhilfe im allgemeinen, auch wenn diese der Grundrechtsausübung dienen, noch kein Grundrechtseingriff im traditionellen Sinne. Wenn der Gesetzgeber einen Gestaltungsspielraum hinsichtlich der Übernahme von Kosten hat, dann ist es durchaus denkbar, dass innerhalb dieses Gestaltungsspielraums Kürzungen vorgenommen werden, ohne dass diese sogleich einen Grundrechtseingriff bedeuten67. Das kann aber nur gelten, solange tatsächlich noch ein Gestaltungsspielraum besteht, d. h. solange es einen „Überschuss" an Kürzungsmöglichkeiten gibt, ohne dass die oben herausgearbeiteten Elemente des unabdingbaren Grundrechtsschutzes in Gefahr geraten. Bewegt sich die bestehende Förderung in einem Bereich, der für die Verfassungsgebote der Schulvielfalt, der Gründungsfreiheit und der Ausgleichspflicht für das Sonderungsverbot bereits unabdingbar ist, dann folgt daraus zwangsläufig, dass in jeder weiteren Kürzung ein Eingriff in diese Verfassungspositionen liegt 68 . So kann beim derzeitigen Bestand nicht nur davon ausgegangen werden, dass sich Freie Schulen unter Einhaltung der Genehmigungsvoraussetzungen nicht ohne öffentliche Förderung betreiben lassen; es ist auch davon auszugehen, dass die staatlichen Förderungen sich schon jetzt auf einem Niveau bewegen, das im Grunde schon nicht mehr den geschilderten verfassungs66 VGH Mannheim, ES VGH 50, 238 = JURIS Nr. MWRE 101210000. 67 Zu diesem Zusammenhang BVerfGE 70, 40 (68); 90, 107 (116) - keine Pflicht zur vollen Kostenübernahme; Niehues, Schul- und Prüfungsrecht I (2000), Rn. 306. 68 Allg. zum Zusammenhang von Grundrechtseingriff und Leistungsentzug etwa WeberDürler, VVDStRL 57 (1998), 77 ff.

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rechtlichen Rahmenbedingungen entspricht 69. Das Förderungssystem enthält umso weniger „Reserven" für nicht grundrechtsrelevante Kürzungen und fehlende Kompensationen für Kostensteigerungen. Es ist vielmehr davon auszugehen, dass Kürzungen und fehlende Angleichungen bei gestiegenen Kosten die Gründungsfreiheit, Schulvielfalt und die Einhaltung des Sonderungsverbots zumindest erheblich gefährden. Sie stellen damit im grundrechtlichen Sinne nicht „nur" die Verweigerung einer Leistung, sondern Eingriffe in den Schutzbereich grundrechtlicher Freiheiten dar. Die verweigerte Anpassung bei steigenden Kosten steht dabei der Kürzung gleich. Hinzu kommt, dass durch eine oft langfristige Förderung ein Vertrauenstatbestand entsteht. Betroffene müssen sich auf lange Zeit gewährte Förderungen verlassen können. Sie werden sich in der Regel durch vertragliche Vereinbarungen mit den Lehrern und anderem Personal, durch langfristige Kreditverträge und Investitionen rechtlich oder faktisch gebunden haben, wobei die Höhe des staatlichen Zuschusses jeweils die betriebswirtschaftliche Kalkulationsgrundlage für solche Bindungen darstellt. Kürzungen sind schon deshalb - wenn überhaupt - nur nach angemessenen Übergangsfristen möglich 70 . Wenn eine staatliche Förderung die Gründungsfreiheit, Schulvielfalt und Einhaltung der Genehmigungsvoraussetzungen sichert und es im System angelegt ist, dass der Zuschuss stets nur so hoch ist, dass diese Mindestbedingungen eingehalten werden können, dann stellen die Kürzung der Förderung stets einen Eingriff in die grundrechtliche Garantie des Art. 7 Abs. 4 Satz 3 GG dar. Dasselbe gilt für ein „Einfrieren" der Förderung trotz eindeutig gestiegener und weiter steigender Kosten. Auch dieser Eingriff betrifft nicht lediglich eine institutionelle Garantie bzw. objektive Schutzpflicht, sondern er richtet sich gegen die subjektive Rechtsposition der von der jeweiligen Kürzung Betroffenen. Wie jeder andere Grundrechtseingriff wird die Kürzung oder Nichtanpassung zur Grundrechtsverletzung, wenn sie nicht durch verfassungsrechtliche Gründe gerechtfertigt werden kann. Besteht ein Gebot zur staatlichen Intervention, wenn das Grundrecht aus Art. 7 Abs. 4 GG nicht mehr wahrgenommen werden kann, so liegt in der Nicht- oder Schlechtwahrnehmung der Intervention gleichfalls ein Grundrechtseingriff 71. 2. Eingriffe

in die Gründungsfreiheit

Eingriffe in die Gründungsfreiheit drohen ganz allgemein von linearen Kürzungen, denen auch neu gegründete Schulen in der kritischen Phase ihrer Existenz 69 So explizit für die Zeit seit 1992 VGH Mannheim, Urteile vom 12. 1. 2000-9 S 317/98 und - 9 S318/98 - . 70 Ähnlich auch Niehues, Schul- und Prüfungsrecht I (2000), Rn. 307; Kloepfer/Meßerschmidt, DVB1. 1983, 193. 71 Dazu ausführlich Müller/Pieroth/Fohmann, Leistungsrechte im Normbereich einer Freiheitsgarantie, 1982, S. 156 ff. *

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ausgesetzt sind. Unabhängig von bestehenden Wartefristen werden gerade „junge Schulen" durch lineare Kürzungen besonders getroffen. Auch wenn die „Älteren" weiter existieren können, gefährden solche Kürzungen daher in besonderer Weise die Gründungsfreiheit. Eine besondere Rolle bei KürzungsVorschlägen spielen seit jeher Wartefristen, d. h. solche Fristen, in denen die Schulen nach der Neugründung erfolgreich arbeiten müssen, bevor die staatliche Förderung einsetzt. Das BVerfG hat solche Wartefristen zwar grundsätzlich mit der staatlichen Schutz- und Förderpflicht für vereinbar gehalten 7 2 . Dies geschah aber nicht, um dem Staat Einsparungen zu ermöglichen. Alleiniger Zweck ist vielmehr der Erfolgs- bzw. Bewährungsnachweis. Für die Dauer der Frist und die Art des Erfolgsnachweises hat das BVerfG ausdrücklich ausgeführt, beides dürfe nicht dazu führen, dass die Wartefrist sich als Sperre für die Errichtung neuer Schulen auswirke. Allerdings hat es ein erhöhtes finanzielles Engagement auf Seiten der „Gründungseltern" für zumutbar gehalten. Allgemein aber gilt: Wartefristen sind nur zur Erprobung der Ernsthaftigkeit und der Erfolgsaussichten einer Schulgründung zulässig. Sie dienen grundsätzlich nicht der Ermöglichung von Sparmaßnahmen. Ist der Erfolgsnachweis erbracht, so besteht eine Verpflichtung des Gesetzgebers, - jedenfalls bis auf einen ggf. erhöhten Eigenanteil - der Schule einen nachträglichen Anteil an den Kosten der „Gründungsjahre" zu erstatten. So gesehen ist der finanzielle Beitrag der „Gründungseltern" nichts anderes als ein nach erfolgreicher „Probezeit" der Schule zu kompensierendes Darlehen. Sehen die Landesgesetze eine solche Erstattung nicht vor oder liegt die Wartefrist über der vom BVerfG offensichtlich vorausgesetzten Grenze von drei Jahren, so ist in der Regel davon auszugehen, dass eine verfassungswidrige faktische Errichtungssperre gegeben ist. Auch das Sonderungsverbot gilt vom ersten Tag an. Nicht erstattete verlorene Zuschüsse können in der Regel nur besonders finanzkräftige Eltern leisten. Wartefristen ohne nachträgliche Erstattung verletzen also nicht nur die Gründungsfreiheit, sondern auch das Sonderungsverbot. Auszugehen ist hierbei stets vom Einzelfall. In die Gründungsfreiheit wird also nicht erst eingegriffen, wenn überhaupt keine Schule mehr gegründet werden kann. Eine Verletzung des konkreten Grundrechts liegt vielmehr bereits dann vor, wenn ein ansonsten erfolgversprechender Gründungsversuch daran scheitert, dass die staatliche Förderung zu spät einsetzt, von unzumutbaren Elternbeiträgen ausgeht oder keinen nachträglichen Ausgleich für die überproportional erbrachten Eigenleistungen ermöglicht. Ähnliches gilt für Investitionszuschüsse, insbesondere Baukostenzuschüsse, Darlehen usw. Es ist unter heutigen Voraussetzungen davon auszugehen, dass nur finanzkräftige private Schulträger oder oberhalb der „Sonderungsschwelle" des Art. 7 Abs. 4 Satz 3 GG liegende, besonders wohlhabende „Gründungseltern" die Kosten für den Bau und die Ausstattung einer Schule tragen können. Deshalb hat auch das BVerfG festgestellt, es sei mit Art. 7 Abs. 4 Satz 1 GG unvereinbar, bei der staatlichen Finanzhilfe für Ersatzschulen die Kosten für die Beschaffung der erforderlichen Schulräume völlig unberücksichtigt zu lassen (BVerfGE 90, 128). Ein Eingriff in dieses Grundrecht besteht deshalb aber nicht erst dann, wenn es überhaupt keine Investitionszuschüsse seitens des Staates gibt, sondern auch dann, wenn sich die Höhe oder die Konditionen der Zuschüsse als faktische Errich72 BVerfGE 90, 107(117).

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tungssperre auswirken. Auch insofern gilt: Der Staat muss die Schulträger konkret und individuell so fördern, dass auch unter heutigen Bedingungen Neugründungen möglich bleiben und in die Lage versetzt werden, die „kritische Anfangszeit" zu überleben.

In diesem Sinne sind alle neueren Vorschläge über die Einführung von Wartefristen, die Streichung von nachträglichen Zuschüssen oder die Begrenzung von Investitionskosten verfassungsrechtlich auf den Prüfstand zu stellen. Erweisen sich solche Vorschläge als Gründungssperre, so sind sie verfassungswidrig. Punktuelle Entlastungen einzelner Eltern, Stipendien usw. reichen hierfür ausdrücklich nicht aus73. Das Sonderungsverbot des Art. 7 Abs. 4 Satz 3 GG gilt grundsätzlich auch für die Ausübung der Gründungsfreiheit. Es schließt aus, dass es nur wohlhabenden Eltern möglich ist, Privatschulen zu gründen und damit von ihrer Wahlfreiheit Gebrauch zu machen.

3. Eingriffe

in Schulvielfalt

und Wahlfreiheit

Gründungsfreiheit, Schulwahl und Schulvielfalt stehen in einem nicht begründungsbedürftigen inneren Zusammenhang. Das Gebot der Schul Vielfalt wird nur dann beachtet, wenn von der Gründungsfreiheit noch Gebrauch gemacht werden kann. Umgekehrt gilt allerdings, dass die Schulvielfalt nicht bereits dann verletzt ist, wenn eine einzelne Schule - insbesondere aus „hausgemachten" Gründen - gefährdet ist oder sogar geschlossen werden muss. Anders verhält es sich aber, wenn ein ganzer Schultyp mangels Förderung in seiner Existenz bedroht ist 7 4 oder wenn die Gefährdung externe oder strukturelle Gründe hat, und es die eine Schule nur früher trifft als die andere. Dann kann auch das Ende einer einzelnen Schule Indiz für eine Verletzung der Förderungspflicht insgesamt sein. Entscheidend ist auch insofern, dass die Schulvielfalt nicht nur objektives Gebot oder institutionelle Garantie ist, sondern auch eine subjektive Komponente (Recht einzelner Eltern auf Wahlfreiheit und Vielfalt) hat. Unterschreitet die staatliche Förderung ein Maß, das diese Schulvielfalt gefährdet, dann ist nicht nur eine etwaige Institutsgarantie verletzt, sondern es liegt auch ein Eingriff in konkrete Grundrechte einzelner Betroffener vor. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn ein bestimmter Schultyp nicht mehr zur Verfügung steht. Ausnahmen gut situierter Schulen und Eltern haben hierbei außer Betracht zu bleiben.

73 So ausdrücklich BVerfGE 90, 107 (119). 74 So auch VGH Mannheim, ESVGH 50, 238 - zitiert nach JURIS Nr. MWRE 101210000.

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4. Grundrechtseingriff durch nicht hinreichenden Ausgleich für Sonderungsverbot und andere Genehmigungsvoraussetzungen Aus dem zuvor Gesagten folgt, dass eine Verletzung sowohl der institutionellen Gewährleistung als auch des individuellen Grundrechts aus Art. 7 Abs. 4 Satz 1 GG vorliegt, wenn die staatlichen Fördermittel nicht ausreichen, um die Schule unter dauerhafter Einhaltung der Genehmigungsvoraussetzungen zu gründen und zu betreiben. Während die übrigen Eingriffe in Grundrechtspositionen aus Art. 7 Abs. 4 GG im Zusammenhang von staatlichen Fördermaßnahmen nur sehr einzelfallbezogen sind und die Rechtsprechung insofern große Gestaltungsspielräume des Gesetzgebers betont, ist der Verstoß gegen die staatliche Ausgleichspflicht im Zusammenhang mit dem „Sonderungsverbot 4' im Grunde genommen sehr einfach und mathematisch genau zu bestimmen. Ein solcher Eingriff liegt vor, wenn die Fördermaßnahmen allgemein oder konkret nicht ausreichen, um eine Schule oder einen bestimmten Schultyp zu betreiben, ohne dass Schulgelder erhoben werden, die vom „Normalbürger 44 nicht bezahlt werden können. Die „Meßlatte44 muss jedenfalls unter dem durch das BVerfG 1994 als verfassungswidrig bezeichneten Betrag von seinerzeit DM 170,- pro Monat pro Kind, also bei etwa DM 150,- = ca. 76 € liegen 75 . Dieser Betrag muss nur - obwohl auch das nicht unproblematisch ist 7 6 - um die Steigerungszahlen der Lebenshaltungskosten seither erhöht werden. Dann besteht ein Anhaltspunkt dafür, was die Schulen an Schulgeldern einzunehmen berechtigt sind, und was der Staat als zumutbare Eigenbeteiligung voraussetzen darf. Wie noch im einzelnen nachzuweisen sein wird, stehen außer Schulgeld und staatlichen Förderungsmitteln weitere Finanzquellen in aller Regel nicht (mehr) zur Verfügung. Insbesondere darf sich die Schulförderung nicht an einem wie auch immer „herkömmlichen" Bild der Ersatzschule und damit an dem heutigen Ausnahmefall solcher Schulen orientieren, die entweder durch versteckte Schulgelder in Höhe von hohen Spenden oder durch Eigenbeiträge von Kirchen, Gewerkschaften und ähnlichen Vereinigungen gesichert sind. Veränderungen haben sich auch im Hinblick auf das Mindestgehalt der Lehrer ergeben. Mag es in den vergangenen Jahrzehnten möglich gewesen sein, engagierte Lehrer auch dann für die Freien Schulen zu interessieren, wenn die im staatlichen Schuldienst erreichbaren Gehälter nicht gezahlt werden konnten, so zeigt schon die derzeitige Spannungslage auf dem „Arbeitsmarkt", dass die Freien Schulen in existentielle Bedrohung geraten, wenn sie im Hinblick auf Bezahlung, Versorgung usw. den Lehrern nicht dieselben Bedingungen bieten können wie die staatlichen Schulen. Ein „eingefrorener" oder sinkender Personal75 Das Sonderungsverbot ist nach der Entscheidung BVerfGE 90, 107 (119) aus dem Jahr 1994 bereits deutlich verletzt, wenn Schulgelder von monatlich DM 170 bis 190 je Kind und Monat überschritten werden. Die verfassungsrechtlich hinnehmbare Grenze dürfte damals also bei etwa DM 150,- gelegen haben. 76 Eltern scheinen gerade bei gestiegenen Lebenshaltungskosten eher überproportional zusätzliche Ausbildungskosten für die Kinder in Kauf zu nehmen.

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Zuschuss ist unter diesen Voraussetzungen stets als Grundrechtseingriff zu werten. Die fehlende Förderung schlägt hier bei gleichzeitiger Aufrechterhaltung des Sonderungsverbots in Art. 7 Abs. 4 Satz 3 GG und des Sicherungsgebots bez. der wirtschaftlichen und rechtlichen Stellung der Lehrer in Satz 4 derselben Vorschrift in eine faktische Gefährdung der institutionellen Existenz, aber auch in eine Gefährdung jeder einzelnen Schule um.

Insgesamt stellt es eine Existenzbedrohung der Freien Schulen insgesamt und einen Eingriff in die individuelle Privatschulfreiheit dar, wenn staatliche Kürzungsmaßnahmen dazu führen, dass eine Schule nur noch unter Inkaufnahme eines Verstoßes gegen das Sonderungsverbot durch nur von wohlhabenden Eltern aufzubringende Schulgelder betrieben werden kann oder Lehrergehälter gezahlt werden müssen, die die wirtschaftliche und rechtliche Existenz der Lehrer i.S. von Art. 7 Abs. 4 Satz 4 GG nicht mehr hinreichend sichern.

5. Verletzung der institutionellen

Garantie

Selbst diejenigen, die in der Förderungspflicht aus Art. 7 Abs. 4 GG nur eine institutionelle Garantie sehen, können sich darin jedenfalls nicht auf die maßgebliche Entscheidung des BVerfG vom 9. 3. 199477 berufen. In dieser Entscheidung hat das BVerfG die ältere Rechtsprechung zur Garantie der Privatschule als Institution 7 8 nur kurz erwähnt und es ausdrücklich offen gelassen, welche Rechte sich aus dieser Garantie „als Institution" ergeben. Zur untere Grenze selbst einer entindividualisierten Garantenpflicht führt das Gericht aber immerhin aus: „Jedenfalls muss der Staat dagegen Vorsorge treffen, dass das Grundrecht als subjektives Recht wegen der seinem Träger durch Art. 7 Abs. 4 Satz 3 und 4 GG auferlegten Bindungen praktisch kaum noch wahrgenommen werden kann."

Das Gericht verbindet hier also in auffälliger Deutlichkeit die institutionelle und die individualrechtliche Deutung des Grundrechts. Ungeachtet dessen kann auch eine institutionelle Garantie in verfassungswidriger Weise verletzt werden. Wann das im Falle der Privatschulfreiheit exakt der Fall ist, hat das BVerfG - abgesehen von der zitierten Formulierung - immer offen gelassen79. So steht lediglich fest, dass es einen „Umschlag" von einer grundrechtsirrelevanten Förderungspraxis in eine Verletzung der institutionellen Garantie geben kann. Die sich auf BVerfGE 75, 40 (61 f.) berufenden Gerichte machen sich allerdings wenig Mühe damit, den exakten Punkt dieses „Umschlags" festzustellen. In der Regel begnügen 77 BVerfGE 90, 107(117). 78 Unter Hinweis auf BVerfGE 6, 309 (375); 75,40 (61). 79 So auch Robbers, in: von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Bd. I (1999), Art. 7 Rn. 165 ff., 174.

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Friedhelm Hufen sie sich mit Formulierungen wie, eine Verletzung der institutionellen Garantie „liege jedenfalls noch nicht vor". Es folgen dann in der Regel die bekannten „Leerformeln" von der „nur dem Grunde, nicht der Höhe nach bestehenden Förderungspflicht" 80, dem „Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers" oder die Zurückdrängung der institutionellen Garantie auf eine Garantie eines wie auch immer gearteten, jedenfalls im zu entscheidenden Fall noch nicht gefährdeten Existenzminimums81. Desgleichen wird auf Formeln wie „nicht ganz ungeeignet oder völlig unzulänglich" aus anderen Urteilen des BVerfG 82 Bezug genommen.

Das alles kann aber nicht vergessen machen, dass es sehr wohl konkrete Schwellen staatlicher Tätigkeit gibt, jenseits derer auch ein als institutionelle Garantie verengt interpretiertes Recht verletzt sein kann 83 . Den „Schlüssel" bietet hier wiederum der Bezug auf Gründungsfreiheit, Schulvielfalt und Sonderungsverbot: Können Schulen nicht ohne Verstoß gegen das Sonderungsverbot gegründet werden oder existieren, dann liegt darin eben die Verletzung der Garantie der Institution. Ungeachtet immer möglicher Sonderfälle liegt eine Verletzung der institutionellen Garantie vor, wenn Schulen nur dann gegründet werden oder weiter existieren können, wenn das Schulgeld oberhalb einer schon im vorigen Kapitel genannten Grenze liegt, die das BVerfG für das Jahr 1994 mit DM 170,- bis DM 190,- pro Monat pro Kind relativ exakt angegeben hat. Es scheint plausibel, dies auf einen Förderungsanteil von mindestens 80% bis 85% (gemessen an den Kosten eines „staatlichen Schülers") umzurechnen, denn der verbleibende Eigenanteil von 15 bis 20% entspricht insgesamt etwa der Höhe des nach der zitierten Entscheidung des BVerfG zulässigen Schulgelds84.

Unzulässig ist es dagegen, noch unterhalb der genannten Zahlen nach weiteren Schwellen zu suchen und Verletzungen der institutionellen Garantie erst bei Berührung von „Kernbereichen", „Minimalgarantien", „Existenzminima" usw. anzunehmen. Mit den geschilderten Existenzbedingungen ist - um es nochmals zu betonen - zugleich der Kern und das Minimum der Garantie aus Art. 7 Abs. 4 GG bereits erreicht. Ein darunter liegendes Minimum oder darüber hinaus gehender Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers kommen nicht mehr in Betracht. Ist die Institutionsgarantie verletzt, dann steht auch fest, dass der Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers überschritten ist. Einer Verfassungsklage kann dann nicht mehr entgegen gehalten werden, der Gesetzgeber habe bei der Erfüllung der Einstandspflicht einen Gestaltungsspielraum. so So SächsVerfGH, DÖV 1997, 205. 81 So LVerfG MV, DVB1. 2001, 1753; BVerfG, KammerE vom 4. 3. 1997, JURIS Nr. KVRE 272709701; im Grunde genommen auch VGH Mannheim, ESVGH 50, 238 - JURIS Nr. MWRE 101210000 - , dort freilich bezogen nicht auf die Existenz des Ersatzschulwesens insgesamt, sondern auf einen bestimmten Schultyp. Kritisch zur Rechtsprechung Vogel, RuS 2002, S. 6. 82 Vgl. etwa BVerfGE 88, 203 (262). 83 Dazu Hesse, FS Mahrenholz (1994), 541 (549); Murswiek, HdbStR, § 112, Rn. 99; Alexy, Theorie der Grundrechte (1986), 464. 84 Dazu Vogel, RuS 2002, 7.

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6. Verletzung der objektiven Schutzpflicht Steht bei der Verletzung der institutionellen Garantie die Einrichtung als Ganzes im Vordergrund, so richtet sich die staatliche Schutzpflicht wiederum auf den einzelnen Grundrechtsträger. Schutzpflichten hat das BVerfG aus einer ganzen Reihe von Grundrechten abgeleitet, selbst im „Paradefall" des Art. 2 Abs. 2 GG aber selten dazu Stellung genommen, wann eine solche Schutzpflicht verletzt ist 85 . Das hindert aber nicht daran, auch im Fall der Schutzpflicht für die Freiheitsgewähr aus Art. 7 Abs. 4 GG konkrete Schwellen festzustellen, unterhalb deren jedenfalls eine Verletzung der Schutzpflicht vorliegt. Auch das ist keine verfassungspolitische Kalkulation, sondern Aufgabe ganz gewöhnlicher Verfassungsinterpretation 86. Danach ist die Schutzpflicht für eine Grundrechtsposition jedenfalls dann verletzt, wenn die geschützte Grundrechtsposition nicht oder nicht mehr wahrgenommen werden kann. Besteht demnach eine Schutzpflicht des Staates für die Gründungsfreiheit von Freien Schulen, so ist diese verletzt, wenn unter den gegebenen Bedingungen keine Neugründungen mehr möglich sind. Trifft den Staat die Pflicht, dafür zu sorgen, dass die Existenz Freier Schulen unter Einhaltung des Sonderungsverbots möglich ist und möglich bleibt, so wird gegen diese Pflicht verstoßen, wenn Freie Schulen nur noch unter Inkaufnahme von nicht verfassungskonformen Schulgeldern aufrechterhalten bleiben können. Hier kann man mit einer „moderneren" Begriffsbildung auch davon reden, dass das „Untermaßverbot" 87 verletzt ist. Wertungs- und Gestaltungsspielräume des Gesetzgebers bestehen unterhalb dieser Schwelle dann nicht mehr. Eine entsprechende gesetzgeberische Lösung ist verfassungswidrig 88. Eine Verletzung der Schutzpflicht kommt dabei auch grundsätzlich dann in Betracht, wenn der Gesetzgeber ohne Beachtung seiner Schutzpflicht allein die Wahrung anderer Ziele, z. B. des staatlichen Bildungswesens oder Haushaltsaspekte, verfolgt.

85 Anders in BVerfGE 39, 1 und 88, 203 (253) - Abtreibung. 86 Hesse, FS Mahrenholz (1994), S. 541 (545). 87 Dazu dissenting vote Mahrenholz / Sommer, BVerfGE 88, 338 (342); allgemein auch Isensee, HdbStR, § 111, Rn. 5. 88 Ähnlich Möstl, DÖV 1998, 1029. Kritisch zum Untermaßverbot Michael, JuS 2001, 148; Schlink, FS 50 Jahre BVerfG (2001), S. 445 ff.; allg. zur Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers bei Verwirklichung einer Schutzpflicht noch BVerfG (KammerE), NJW 1996, 651 - Ozonalarm; BVerfG (KammerE), NJW 1996, 651 - Höchstgeschwindigkeit; BVerwG, NJW 1996, 1297 - Rauchverbot auf Inlandsflügen; Hermes, Das Grundrecht auf Schutz von Leben und Gesundheit (1987), S. 43 ff.; Unruh, Zur Dogmatik der grundrechtlichen Schutzpflichten (1996); Holoubek, Grundrechtliche Gewährleistungspflichten (1997); Jarass (Fn. 55), S. 35 ff.

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7. Konsequenzen für das Individualgrundrecht In den beiden frühen Schulfinanzierungsurteilen des Bundesverwaltungsgerichts 89 sowie in der Entscheidung des BVerfG aus dem Frühjahr 1994 90 tritt gegenüber der institutionellen Garantie der Schutz individueller Freiheit klar hervor. Ist die Institution gefährdet, dann liegt darin auch ein Eingriff in das individuelle Grundrecht. Der Staat hat Vorkehrungen zu treffen, damit das Grundrecht auch subjektiv ausgeübt werden kann. Diese Verbindung von institutioneller und individueller, von subjektiver und objektiver Garantie wird auch in anderen Bereichen immer wieder deutlich; so etwa, wenn in der Rechtsprechung zur Wissenschaftsfreiheit vom Recht des einzelnen Wissenschaftlers auf solche staatlichen Maßnahmen die Rede ist, die zum Schutz seines grundrechtlich gesicherten Freiraums unerlässlich sind 91 oder wenn im Mitbestimmungsurteil 92 davon die Rede ist, dass Grundrechte in den besonders gefährdeten Bereichen menschlicher Freiheit durch den Staat zu sichern sind. Objektive Verpflichtungen bestehen also immer um der subjektiven Verpflichtung willen; die Institution ist geschützt, weil das Individuum geschützt ist. In einer groß angelegten Habilitationsschrift hat Ute Mager wurde erst kürzlich herausgearbeitet, dass der Kern staatlicher Einrichtungs- und Institutsgarantien letztlich immer der Schutz der in den Einrichtungen handelnden Individuen und deren Autonomie ist 9 3 . Dagegen vermittelt die neuere Rechtsprechung zur Förderungspflicht gegenüber Freien Schulen eher den Eindruck, dass die institutionelle und objektive Grundrechtssicht die individuelle und subjektive verdrängt hat. Dem hat auch das BVerfG mit seiner starken Betonung des Schutzes des „Ersatzschulwesens als Institution" Vorschub geleistet. Demgegenüber ist festzustellen, dass subjektive und objektive, individuelle und institutionelle Grundrechtsfunktionen gerade im Fall der Förderung von Freien Schulen eng zusammenhängen. Zwar ist es richtig, dass nicht in jedem Einzelfall aus der Verletzung institutioneller Verpflichtungen auch subjektive Handlungspflichten folgen. So kann es durchaus sein, dass die Institution der Freien Schulen insgesamt in verfassungswidriger Weise gefährdet ist, obwohl gleichzeitig einzelne gut situierte Freie Schulen durchaus unter Beachtung der Genehmigungsvoraussetzungen fortexistieren können, insofern individualrechtlich also nicht betroffen sind. Umgekehrt kann der Gesetzgeber gegenüber einer Gruppe von Schulen verfassungsrechtlich verbürgte Individualansprüche verletzen, ohne dass deshalb bereits eine Gefährdung der Institution als solcher droht.

Insgesamt aber besteht ein komplementäres Verhältnis von individueller und institutioneller Gefährdung. Verletzt der Gesetzgeber seine objektiven Handlungs89 BVerwGE 23, 347 (360). 90 BVerfGE 90, 107(114). 91 BVerfGE 35, 79 (115). 92 BVerfGE 50, 337. 93 Mager, Einrichtungsgarantien. Entstehung, Wurzeln, Wandlungen und grundgesetzmäßige Neubestimmung einer dogmatischen Figur des Verfassungsrechts (2003).

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pflichten, so ist in der Regel davon auszugehen, dass alle davon betroffenen Grundrechtsträger auch im individualrechtlichen Sinne verletzt sind. Deshalb ist es unzulässig, individualrechtliche Positionen schon deshalb auszuschließen, weil das Grundrecht „nur" eine institutionelle Komponente habe. Zu beachten ist auch der „Effekt der KumulationSetzt der Staat durch Subventionierung eigener öffentlicher Schulen, durch erhöhte Anforderungen an die Genehmigungsvoraussetzungen, durch Verbesserung der Bezahlung seiner eigenen Lehrkräfte und durch das Sonderungsverbot selbst erschwerte Bedingungen für die fortbestehende Wahrnehmbarkeit des Grundrechts, so hat er diese summierten Grundrechtseingriffe durch entsprechende staatliche Leistungen auszugleichen94. Zusammenfassend sei festgehalten: Die institutionelle und objektive Förderungspflicht des Staates zugunsten der Freien Schulen besteht zwar unabhängig von subjektiven Ansprüchen. Der Vorwurf der Verletzung objektiver Pflichten kann nicht mit dem Argument ausgeräumt werden, dass der Einzelne keinen Anspruch auf Förderung in bestimmter Höhe habe. Wird aber eine Verletzung der objektiven und institutionellen Pflicht festgestellt, so wirken sich die Rechtsfolgen individualrechtlich (Verletzung der individuellen Gründungsfreiheit, Wahlfreiheit und Kompensationsansprüche) aus, wenn die jeweils beschwerdeführende Schule konkret von einer Verletzung der objektiven Schutzpflicht betroffen ist.

8. Verletzung des Gleichheitsgebots in Bezug auf öffentliche

Schulen

Wie das BVerfG mehrfach hervorgehoben hat, ist die anteilsmäßige Ausrichtung der Zuschüsse Freier Schulen an den entsprechenden staatlichen Schulkosten zulässig95. Ebenso zulässig soll es sein, bestimmte institutionelle Kosten nicht in Anschlag zu bringen, weil diese in der Regel bei Freien Schulen nicht anfallen. Auch vor dem Hintergrund des allgemeinen Gleichheitssatzes (Art. 3 Abs. 1 GG) hat der Gesetzgeber aber einen Gestaltungsspielraum für die Bemessung der staatlichen Zuschüsse. Das Heißt aber nicht, dass das Gleichbehandlungsgebot öffentlicher und privater Schulen (und privater Schulen untereinander) nicht existiert. Erfüllung des Gleichheitssatzes heißt hier vor allem „Systemgerechtigkeit". Entscheidet sich der Gesetzgeber für eine prozentuale Bemessung der Zuschüsse an Hand der Kosten entsprechender „staatlicher Schüler", so heißt dies sogleich, dass es unzulässig ist, bestimmte Kosten bei der Bemessung „herauszurechnen", soweit diese auch bei den Freien Schulen anfallen. So wäre es - um nur ein Beispiel zu nennen - unzulässig, auf die erhöhten staatlichen Versorgungsmaßnahmen gegenüber den Lehrkräften hinzuweisen, wenn gleich belastende Versorgungsansprüche gegenüber den Freien Schulen entweder unmittelbar entstehen oder durch Arbeitnehmer94 Zum kumulativen oder additiven Grundrechseingriff allg. Hufen, VVDStRL 57 (1998), 131 (Disk.); Lücke, DVB1. 2001, 1469. 95 BVerfGE 90, 128 (144); zuletzt etwa VGH Mannheim, ESVGH 50, 238 - zitiert nach JURIS Nr. MWRE 1012100009.

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Friedhelm Hufen anteile zur Altersversorgung erbracht werden müssen. Auch ist es unzulässig, den im staatlichen Schulbereich erforderlichen Verwaltungsaufwand gänzlich unberücksichtigt zu lassen, wenn auch im Bereich Freier Schulen durchaus entsprechende Verwaltungskosten entstehen.

IV. Schranken grundrechtlicher Freiheit: Zur verfassungsrechtlichen Beurteilung einzelner Rechtfertigungsversuche für Kürzungsmaßnahmen 1. Allgemeines Liegt ein Eingriff in ein Grundrecht vor, so kann dieser dennoch durch gesetzliche Schranken oder durch Verfassungsgüter gerechtfertigt sein. Das gilt auch bei Eingriffen in die Gründungs- oder Wahlfreiheit. Gleichwohl passt das geläufige Schranken - und Rechtfertigungsschema der Grundrechtsdogmatik für die hier behandelte Fragestellung kaum. Zum einen geht es nicht um Grundrechtsschranken im klassischen Sinne. Zum anderen lässt sich eine festgestellte Verletzung der individuellen, der institutionellen Garantie oder der staatlichen Schutzpflicht nicht mehr „rechtfertigen", weil der Grundrechtsverstoß bereits feststeht, wenn sich unter den gegebenen Bedingungen das Grundrecht aus Art. 7 Abs. 4 GG nicht mehr wahrnehmen lässt. Deshalb kann es in der Folge nur darum gehen, die in der Rechtsprechung entwickelten und mit eigentümlicher Monotonie wiederholten Begründungsformeln für Kürzungen und deren Rechtfertigung durch die Gerichte auf den verfassungsrechtlichen Prüfstand zu stellen.

2. Gesetzesvorbehalt kein Entscheidungsspielraum für die Exekutive Festzuhalten ist zunächst, dass die staatlichen Fördermaßnahmen für die Grundrechtsausübung im Bereich von Art. 7 Abs. 4 GG von wesentlicher Bedeutung sind. Aus der „Wesentlichkeitstheorie" 96 und der Bedeutung der Frage für die reale Grundrechtsausübung folgt aber auch, dass Kürzungen nicht der Exekutive überlassen bleiben dürfen, sondern gleichfalls unter Gesetzesvorbehalt stehen. Insbesondere darf das Gesetz keinen Kürzungsspielraum für die - oft der öffentlichen „Konkurrenz" verpflichtete - Exekutive bieten. Kürzungen müssen also mindestens dem Haushaltsgesetzgeber vorbehalten bleiben.

96 Diese besagt: Der Gesetzgeber muss das für die Grundrechtsausübung Wesentliche selbst regeln. Grundgelegt bereits in BVerfGE 33, 125 (155 ff.); ausformuliert in der Rechtsprechung zum Gesetzesvorbehalt in der Schule: BVerfGE 34, 165 (192) - Förderstufe; BVerfGE 41, 251 (259) - Speyer-Kolleg; BVerfGE 45, 400 (417) - Oberstufenreform; BVerfGE 47, 46 (78) - Sexualkunde.

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Verfassungsrechtlich nicht hinnehmbar ist es auch, wenn die eigentliche gesetzliche Regelung den verfassungsrechtlichen Mindestrahmen unterschreitet, die Lage aber durch exekutive Ausgleichsmaßnahmen wie freiwillige Leistungen, Härtefallregelungen, Stipendien usw. „erträglich" gestaltet wird. Das hat das BVerfG in seiner Entscheidung vom April 199497 klar zum Ausdruck gebracht, als es die „bayerische Lösung", in der die überlangen Wartefristen durch „freiwillige Leistungen" als kompensiert bezeichnet wurden, für verfassungsrechtlich bedenklich gehalten hat. Maßgebliche Gesichtspunkte sind hier nicht nur die Verlässlichkeit der Maßnahmen, sondern der Gesetzesvorbehalt für grundrechtsrelevante Staatsentscheidungen und die denkbare Befangenheit exekutiver Behörden gegenüber den Freien Schulen. Auch bei Kürzungen wird dem Gesetzesvorbehalt also nur dann Rechnung getragen, wenn die wesentlichen Aspekte, insbesondere Maßstäbe, Voraussetzungen und effektive Kürzungsfolgen im Gesetz erkennbar geregelt sind.

3. Finanzlage der Länder/ Vorbehalt des Möglichen Ohne Zweifel stellen die Finanzprobleme der Länder zumindest faktisch den wesentlichen Hintergrund und die maßgebliche Begründung für Kürzungsmaßnahmen gegenüber Freien Schulen dar. Es ist aber fraglich, ob allein unter Hinweis auf budgetäre Probleme und den „Vorbehalt des Möglichen" ein Eingriff in die Substanz der Privatschulförderung gerechtfertigt werden kann. Wie oben dargelegt, hat das BVerfG den „Vorbehalt des Möglichen" und damit den Hinweis auf die Haushaltsknappheit und die Erfüllung anderer wichtiger Staatsaufgaben in nahezu allen Privatschulurteilen selbst ins Spiel gebracht 98. Kann der Gesetzgeber den konkreten Leistungsanspruch des einzelnen Ersatzschulträgers selbst bestimmen, dann soll es auch möglich sein, dass er den Finanzrahmen an den zur Verfügung stehenden Mitteln und der Notwendigkeit der Erfüllung auch anderer staatlicher Aufgaben ausrichtet. Es kann daher nicht verwundern, dass gerade in jüngerer Zeit die Gerichte den „Vorbehalt des Möglichen" zunehmend betonen99. Dabei wird das Argument aus seinen ursprünglichen Begründungszusammenhängen gelöst und völlig abstrakt zur Rechtfertigung jeglicher Kürzung - unabhängig von deren Folgen - eingesetzt. Der Einzelne könne von der Gemeinschaft eben nur das verlangen, was finanziell möglich sei. Der Staat habe auch den anderen Belangen und dem gesamtwirtschaftlichen Gleichgewicht Rechnung zu tragen. In Zeiten knapper Kassen müssten sich daher auch die Privatschulen nach der insgesamt kürzer gewordenen Decke strecken. In dieser Undifferenziertheit verkennen die Gerichte mit dieser Formulierung allerdings die Besonderheiten des Art. 7 Abs. 4 GG. Kennzeichnend ist bereits, dass sich auch das BVerfG auf das Numerus clausus-Urteil 1 0 0 beruft, in dem erstmals der „Vorbehalt des Möglichen" dem Vorwurf grenzenlosen Anspruchsden97 BVerfGE 90, 107(124). 98 BVerfGE 33, 303 (333) - Numerus clausus; 75, 40 (68); 90, 107 (116 f.); dazu Jach, FS Vogel (1998), S. 76 (92). 99 LVerfG MV, DVB1. 2001, 1753; Bay VGH, VGHE 48, 33. •oo BVerfGE 33, 303 (333); aufgenommen jeweils in BVerfGE 75,40 (68); 90, 107 (116).

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kens entgegen gehalten wurde. Seinerzeit ging es um die Ableitung originärer Teilhabeansprüche unmittelbar aus dem Grundrecht des Art. 12 GG und es galt klarzustellen, dass der einzelne Grundrechtsträger keinen unbegrenzten Anspruch auf Ausweitung der Universitätskapazitäten - etwa im Fach Zahnmedizin - aus Art. 12 GG ableiten konnte. Wie oben dargelegt, liegen die Voraussetzungen bei Art. 7 Abs. 4 GG aber ganz anders. Hier dient die Förderung letztlich dem Ausgleich für staatlich gesetzte Schutzbereichsvoraussetzungen und Eingriffe, die der Einzelne nicht beeinflussen kann und die die Wahrnehmung des Freiheitsrechts unmöglich machen würden, fände kein staatlicher Ausgleich statt. Schon daraus wird deutlich, dass der „Vorbehalt des Möglichen" und damit auch die Finanzlage der Länder zumindest dann kein Argument für Kürzungen sein kann, wenn diese Kürzungen in die grundrechtswesentliche Substanz der Förderung eingreifen. Das gilt umso mehr, als sich die Freien Schulen in der Regel durch langfristige Bindungen selbst auf bestimmte staatliche Fördermaßnahmen eingerichtet haben. So können sie nicht etwa vertragliche Verpflichtungen gegenüber Lehrern einfach kündigen, weil die staatlichen Mittel zu deren Erfüllung fehlen 101 . Auch die Haushaltssperre darf das oben herausgearbeitete Existenzminimum nicht unterschreiten - ein Existenzminimum, das mit der Existenzmöglichkeit identisch ist. Sinn der institutionellen Garantie ist es gerade, die Institution der Freien Schulen auch dann in ihrer Existenz zu schützen, wenn es dem Gesetzgeber aus welchen Gründen auch immer nicht konveniert, die Existenz der Institution zu sichern. Der Vorbehalt des Möglichen kann daher eine Existenzgefahrdung nicht rechtfertigen. Das gilt zumindest solange, wie es das Grundgesetz den Freien Schulen durch die Genehmigungsvoraussetzungen des Art. 7 Abs. 4 Satz 3 GG verbietet, durch die Erhebung kostendeckender Schulgelder den Ausfall staatlicher Fördermaßnahmen zu kompensie„ren 102

Im übrigen ist der „Vorbehalt des Möglichen" kein Freibrief für das Unterschreiten bestehender Förderungspflichten. Hier müsste der Gesetzgeber zumindest in einem nachvollziehbaren Verfahren die Betroffenen anhören, Prioritäten setzen und begründen 103; er muss insbesondere erkennen lassen, ob er den grundsätzlichen verfassungsrechtlichen Rang des Förderungsanspruchs in sein Ermessen aufgenommen hat. Sind der individuelle wie der institutionelle Schutzanspruch also dadurch verletzt, dass unter den Genehmigungsvoraussetzungen des Art. 7 Abs. 4 GG eine Freie Schule nicht mehr gegründet und betrieben werden kann, dann kann auch die Finanzlage der Länder und der „Vorbehalt des Möglichen" nicht als Begründung für diese Grundrechtsverletzung herangezogen werden. Der Staat muss dann - ggf. •oi So zu Recht Petermann, NWVB1. 1994, 368, 369. 102 Zu der notwendigen Erfüllung institutioneller Garantien auch Hesse, FS Mahrenholz (1994), S. 541; Niehues, Schul- und Prüfungsrecht I (2000), Rn. 288; Jach FS J.-P. Vogel (1998), 76 (94). 103 So in einem vergleichbaren Fall (Kürzungen im Hochschulbereich) BerlVerfGH, NVwZ 1997, S. 790.

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durch Umschichtungen in den Haushalten - dafür sorgen, dass das Grundrecht unter den gegebenen Bedingungen noch wahrgenommen werden kann 104 . Die Formel vom „Vorbehalt des Möglichen" hat unter Hinweis auf die Knappheit der Finanzmittel, also gegenüber der institutionellen Gewährleistung und den individuellen Ausgleichsansprüchen, keinen eigenständigen verfassungsrechtlichen Stellenwert.

4. Gestaltungsfreiheit

des Gesetzgebers

Die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers bei der Erfüllung der individuellen wie der institutionellen Gewährleistung aus Art. 7 Abs. 4 GG hat das BVerfG selbst immer wieder betont 105 . Es hat damit zum Ausdruck gebracht, dass die Erfüllung des Anspruchs aus Art. 7 Abs. 4 GG in seinen Einzelheiten dem demokratisch legitimierten Gesetzgeber obliegt und dass es nicht Sache der Gerichte ist, unmittelbar aus Art. 7 Abs. 4 GG einzelne Beträge auszuwerfen. Wie die anderen Formeln wurde auch die „Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers" aber aus diesem Begründungszusammenhang herausgelöst und bildet nunmehr eine beliebig einsetzbare (und eingesetzte) Begründung für den Teilrückzug des Staates aus der Privatschulförderung 106. Auch hierbei werden die verfassungsrechtlichen Grundbedingungen verkannt, unter denen das BVerfG vom „Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers" gesprochen hat. Zum einen geht es bei dieser Formel nicht um das „Ob" der Förderung, sondern ausschließlich um das „Wie". Bei grundsätzlich uneingeschränkter Verpflichtung zur Existenzsicherung der Freien Schulen gibt das BVerfG dem Gesetzgeber einen Spielraum für die Art und Weise der Erfüllung dieses Anspruchs. So obliegt es beispielsweise dem gesetzgeberischen Ermessen, ob er Privatschulförderung in der Form von Regelsätzen oder gezielten Einzelzuschüssen vorsieht, ob er die Förderung an die entsprechenden Sätze und Kosten staatlicher Schulen koppelt usw. Keinesfalls aber rechtfertigt der Gestaltungsspielraum ein Unterschreiten der eigentlichen institutionellen und individuellen Gewährleistungen aus Art. 7 Abs. 4 GG, die ja gerade dadurch gekennzeichnet sind, dass sie auch für den Gesetzgeber gelten. Ist die Existenz der Freien Schulen dadurch bedroht, dass unter den beste104 So im Ansatz VG Berlin, NVwZ 1999, 909. los BVerfGE 75, 40 (68); 90, 107 (116, 128); aus der Rechtsprechung der Landesverfassungsgerichte etwa SächsVerfGH, DÖV 1997, 205; ausführlich Niehues, Schul- und Prüfungsrecht I (2000) Rn. 306. 106 So etwa im BVerfG (KammerE) vom 4. 3. 1997, JURIS Nr. KVRE 272709701; SächsVerfGH, DÖV 1997, 205; VGH Mannheim, 12. 1. 2000, ESVGH 50, 238 - JURIS Nr. MWRE 101210000. In letztgenannter Entscheidung wurde sogar eine konkrete Verletzung der Leistungspflicht für die Vorjahre festgestellt, aber trotzdem auf den Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers verwiesen.

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henden Genehmigungsvoraussetzungen die Gründungsfreiheit und der Betrieb der Freien Schulen unmöglich gemacht wird, so steht schon damit fest, dass Art. 7 Abs. 4 GG verletzt ist. Dann kann auch der gesetzgeberische Gestaltungsspielraum keine zusätzliche Rechtfertigung für den Grundrechtseingriff eröffnen. Die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers besteht nicht unabhängig von der institutionellen Gewährleistung, sie ist vielmehr durch diese begrenzt. Unterschreitet der Gesetzgeber den nach der institutionellen und der individuellen Garantie bestehenden Gestaltungsspielraum, dann stellt es einen handgreiflichen Zirkelschluss dar, eben diese Unterschreitung damit zu begründen, der Gesetzgeber habe einen Gestaltungsspielraum. Die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers bietet keine zusätzliche Rechtfertigung dafür, den verfassungsrechtlichen Ausgleichs- und Schutzanspruch unter das oben geschilderte Minimum zu verringern. Liegt eine Existenzgefährdung vor, so ist das Ermessen des Gesetzgebers vielmehr auf Null reduziert. Eine weitere Grenze kann sich aus dem rechtsstaatlichen Vertrauensschutz ergeben. Im Vertrauen auf die Erfüllung der Förderungspflicht haben sich zahlreiche Freien Schulen ihrerseits gegenüber Lehrern, Kreditgebern, Eltern usw. gebunden 1 0 7 und müssen darauf vertrauen können, dass die verfassungsrechtlichen Mindestgewährleistungen weiterhin eingehalten werden. Sind Kürzungen ins Auge gefasst, so ist zumindestens eine angemessene Übergangszeit verfassungsrechtlich geboten.

5. Nur institutionelle

- nicht individuelle

Garantie

Das BVerfG hat in den entscheidenden Judikaten von 1987 und 1994 ausdrücklich die institutionelle Gewährleistung - wie bei allen anderen Fällen institutioneller Garantien - als zusätzliche Absicherung der individuellen Gewährleistung ausgeformt und begründet 108. Eine Verletzung individueller Gewährleistung kann also nicht mit der Erwägung begründet werden, der Einzelne habe nicht die Gefährdung der gesamten „Institution Freie Schule" nachgewiesen. Umgekehrt kann ein Verstoß gegen die institutionelle Gewährleistung und die objektive Schutzpflicht des Staates nicht deshalb verneint werden, weil der Einzelne keinen individuellen Förderungsanspruch in bestimmter Höhe hat. Das entsprach auch der historischen Lehre von der institutionellen Garantie als ergänzender, nicht ersetzender Gewährleistung individueller Freiheit. In der gegenwärtigen Rechtsprechung scheint sowohl dieser historische Hintergrund als auch die Grundsatzentscheidungen BVerfGE 75, 40; 90, 107 partiell aus dem Blick geraten zu sein. So ist die Rede davon, dass aus Art. 7 Abs. 4 GG kein Anspruch des Einzelnen

107 Kloepfer/ Messerschmidt, DVB1. 83, 193 (201); in diesem Sinne auch LVerfG MV LKV 2002, 27 (31). los BVerfGE 75, 40; 90, 107.

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auf Förderung in bestimmter Höhe folge, weil Art. 7 Abs. 4 GG nur eine institutionelle Garantie enthalte. Gerade in diesem Punkt vollzieht auch das BVerfG selbst im Beschluss zur Landeskinderklausel eine radikale Umorientierung. Dieser Beschluss betont zwar im 1. Leitsatz eine „Fortführung von BVerfGE 75, 40; 90, 107", macht aber in demselben Leitsatz bereits klar, dass es den Sinne der „fortgeführten" Rechtsprechung geradezu in das Gegenteil verkehrt. Geschützt sei nicht das Individuum, sondern der gestand des Ersatzschulwesens als Institution", die zudem „als Institution evident gefährdet' sein muss, um eine konkrete Förderungspflicht auszulösen109. Schon auf den ersten Blick wird deutlich, dass es sich bei dem gestand des Ersatzschulwesens als Institution" nicht um einen Rechtsbegriff handeln kann, der die Grenze zwischen Förderpflicht und Nichtbestehen einer Förderpflicht markieren könnte. In jüngeren Judikaten dient er auch zumeist nur dazu, individuelle Ansprüche ad absurdum zu führen und das Gericht vor der heiklen Aufgabe zu entbinden, dem Gesetzgeber eine Verletzung der Förderungspflicht bescheinigen zu müssen. Das Gericht verweist sodann 110 auf die wachsenden Schülerzahlen der konkreten und anderer Bremer Ersatzschulen und kommt zu dem Schuss, dass die verfassungsrechtlich geschützte Institution in Bremen nicht gefährdet sei. Von der verfassungsrechtlich geschützten Gründungsfreiheit und dem Gebot der Schulvielfalt ist nicht die Rede. Das Gericht vollendet damit die früher nur angedeutete Abkehr vom individuellen Grundrechtsschutz zum ausschließlich institutionellen und auch noch mit sehr weitgehenden Gestaltungs- und Abwägungsspielräumen des Gesetzgebers ausgestatteten institutionellen Schutz. Es verkennt dabei, dass der institutionelle Grundrechtsschutz - wenn überhaupt - nur eine zusätzliche Absicherung individueller Gewährleistungen sein kann, nicht aber an deren Stelle tritt. Die Förderungspflicht wird bei dieser Rechtsprechung geradezu unkalkulierbar, denn Freie Schulen existieren in allen Bundesländern und haben auch wachsenden Zuspruch. Das aber liegt am erkennbaren Bedarf nach Schulvielfalt und dem eigenen Profil dieser Schule und kann nicht in Relation zur staatlichen Förderungspflicht gesehen werden. Ob Schulen existieren und ob sie wachsen, stellt somit keinen tauglichen Parameter für die Schutzpflicht dar. Entscheidend ist, ob unter den gegebenen Bedingungen die wesentlichen Inhalte der Freiheitsgarantie ohne Verstoß gegen das Sonderungsverbot des Artikel 7 Absatz 4 Satz 3 GG wahrgenommen werden können. Das ist aber nur der Fall, wenn die Existenz der Schulen konkret und nicht etwa nur eines fiktiven „Ersatzschulwesens" nicht evident gefährdet ist. Eine Freie Schule ist immer dann in ihrer Existenz evident gefährdet, wenn es schon rein rechnerisch nicht möglich ist, aus der Summe von erlaubtem Schulgeld und staatlicher Förderung zu existieren. Ist das nicht der Fall, dann ist die Schutzpflicht verletzt. Dass sich die Bedingungen für den Betrieb einer Schule ändern können und einzelne Schulen, aus welchen Gründen auch immer, nicht mehr angenommen werden und dadurch ihre Lebensfähigkeit verlieren (so BVerfGE 112, 74, 84), ist selbstverständlich. Das Gericht verkennt aber, dass es in den meisten Fällen nicht solche Faktoren sind, die zu einer Existenzgefährdung führen, sondern dass es sehr wohl allein um die Finanzierung geht.

Nimmt man die Argumentation des Gerichts wörtlich, so gerieten die freien Schulen in ein unauflösliches Dilemma. Können sie wirtschaftlich existieren, so ist 109 BVerfGE 112, 74 (84); ähnlich bereits in der Entscheidung des LVerfG MecklenburgVorpommern vom 18. 9. 2001, DVB1. 2001, 1753. no BVerfGE 112,74,85. 6 Hufen/Vogel

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dies ein Beleg dafür, dass die „Untergrenze der staatlichen Einstandspflicht" noch nicht erreicht ist. Der „Erfolg" einer Schule oder der Erfolg der freien Schulen insgesamt vermindert also streng genommen die staatliche Förderungspflicht. Gerät aber eine Schule an den unteren Rand der Existenzmöglichkeit, so wird ihr entgegen gehalten, die einzelne Schule genieße keinen Bestandsschutz und könne nicht verlangen, vom Staat auch dann noch gefördert zu werden, wenn sich die Bedingungen ihrer Existenz verändert haben. Auch hier zeigt sich, wie verfehlt es ist, den Schutz der Institution und des individuellen Grundrechtsträgers in der Weise gegeneinander auszuspielen, wie dies in den zitierten Formen des BVerfG geschieht. Deren Widersinnigkeit zeigt sich auch beim Vergleich mit anderen Grundrechten und grundrechtsähnlichen Gewährleistungen. So hat das BVerfG institutionelle Garantien z. B. für den Schutz von Ehe und Familie (BVerfGE 6, 55, 72), für die Kirchen (BVerfGE 6, 309), für den Rundfunk (BVerfGE 12, 205, 260) und für die kommunale Selbstverwaltung (BVerfGE 1, 167, 173) angenommen. Bei diesen Garantien würde es zu Recht als geradezu absurd erscheinen, wenn die staatliche Schutzpflicht nicht auch und sogar hauptsächlich zugunsten der einzelnen Familie, der Rundfunkanstalt, der Kirche oder der Kommune gelten würde oder wenn sogar behauptet würde, eine Grundrechtsverletzung liege erst vor, wenn überhaupt keine Ehen mehr geschlossen, keine Religionsgemeinschaft mehr bestände, die Kommunen von der Landkarte der Bundesrepublik verschwunden und die öffentlichen Rundfunkanstalten als Ganzes durch allein gewinnorientierte private Einrichtungen ersetzt wären. Gerade aus diesem Vergleich wird deutlich, dass die Schutzpflicht unabhängig von einer fiktiven „Institution als Ganzes" und deren evidenter Gefährdung besteht und gerade auch den einzelnen Grundrechtsträgern zugute kommt. Der Vergleich mit der Institution Rundfunk oder auch der Institution Hochschule zeigt dabei, dass die Einstandspflicht des Staates für die Realisierbarkeit der Freiheit durchaus auch finanzielle Dimensionen hat. Jedenfalls berechtigt diese nicht, den individualrechtlichen Grundrechtsschutz aufzugeben und nur noch die Institution zu schützen.

Auch fragt sich, ob in der Vorgabe eines so schlicht undefinierbaren Maßstabs nicht eine Versagung des rechtlichen Gehörs liegt, weil hier eine Argumentationsund Beweislast aufgebürdet wird, die niemand erfüllen kann. Ist die Existenz des Ersatzschulwesens nicht gefährdet, solange es noch irgendwo im Lande Ersatzschulen gibt? Ist das schon dann der Fall, wenn ein bestimmter Typ von Ersatzschule nicht mehr existiert? Oder dann, wenn - wofür vieles spricht - es keine neuen Ersatzschulen mehr gibt, die Gründungsfreiheit also nicht mehr wahrgenommen werden kann. Letztlich bleibt es dabei, dass die institutionelle Garantie des Art. 7 Abs. 4 GG nicht auf eine abstrakte Institution, sondern nur auf die institutionelle Absicherung der in diesem Grundrecht gewährleisteten Freiheitsrechten unter den erschwerten Bedingungen der Zulassungsvoraussetzungen des Art 7 Abs. 4 S. 3 GG liegen kann. Schutzgüter sind und bleiben also die Gründungsfreiheit und die Freiheit der Schul wähl. Können diese durch Unterfinanzierung nicht mehr real wahrgenommen werden, dann ist die Existenz des Grundrechts als Institution gefährdet - nicht erst dann, wenn in einem bestimmten Bereich keine entsprechende Ersatzschule mehr

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existiert. Ein individueller Anspruch besteht jedenfalls insoweit, als Zuschüsse gewährleisten müssen, dass Schulen gegründet und die Genehmigungsvoraussetzungen dauerhaft eingehalten werden können. Ist das nicht der Fall, dann kann der einzelne Grundrechtsträger nicht mit dem Argument zurückgewiesen werden, dass das „Ersatzschulwesen" als Ganzes (noch) nicht gefährdet ist oder dass Schulen vom gleichen Schultyp deshalb fortexistieren können, weil sie auf andere Finanzquellen zurückgreifen können. Liegt ein Verstoß gegen die institutionelle Garantie und eine Nicht- oder Schlechterfüllung der Schutzpflicht vor, dann kann und muss die Verfassungsgerichtsbarkeit dies auch feststellen.

6. Erhöhter Eigenanteil für eigenes Profil? Im Zeichen der jüngsten „Kürzungsdebatte" wird sogar der Wille zur Eigenständigkeit und die eigene Profilbildung gelegentlich als Grund für Kürzungen benannt. So findet sich in der Kammerentscheidung des BVerfG vom 4. 3. 1997 111 der Satz, der Privatschulträger habe ein eigenes Interesse an der Verwirklichung seiner Ziele; dies müsse sich auch in einem besonderen eigenen finanziellen Engagement niederschlagen. Diese Argumentation verkennt bereits, dass in allen Privatschul(finanzierungs)gesetzen ein Eigenanteil der jeweiligen Schulträger vorgesehen ist, der neben den möglicherweise geringeren Kosten auch durch das Eigeninteresse gerechtfertigt ist 1 1 2 . Schon deshalb ist es unzulässig, das „Eigenprofil" zum Anlass für darüber hinaus gehende erneute Kürzungen zu machen. Im Kern aber widerspricht dieses Argument auch geradezu fundamental dem eigentlichen Sinn der Garantie aus Art. 7 Abs. 4 GG und damit auch dem Grund der Förderung Freier Schulen. Die Profilbildung ist nämlich gerade Element der Schulfreiheit und damit eigentlicher Sinn der Unterstützung. Wie das BVerfG zu Recht hervorgehoben hat, ist die Schulvielfalt kein „Privatinteresse" der Träger Freier Schulen, sondern ein öffentlicher Belang, der gerade wegen der relativ geringen „Binnenpluralität" im öffentlichen Schulwesen immer wichtiger wird 1 1 3 . Gerade die Erprobung besonderer pädagogischer Konzepte, das Abweichen vom herkömmlichen Schulsystem und die Profilbildung sind also öffentliche Belange. Gerade insofern erfüllen die Freien Schulen öffentliche Bildungsaufgaben; gerade hierin liegt der Sinn der Absage an ein Schulmonopol des Staates. Zwar können Privatschulen keine bessere Ausstattung als vergleichbar öffentliche Schulen bean111 BVerfG (KammerE) vom 4. 3. 1997, JURIS Nr. KVRE 272709701. 112 VGH Mannheim, ESVGH 50, 238 - JURIS Nr. MWRE 101210000. 113 Zur Forderung nach Schulvielfalt nachdrücklich BVerfGE 75, 40 (63) und 90, 107 (114). Zur Begründung aus der Wahlfreiheit der Eltern BVerfGE 34, 165 (196); 88, 40 (46). 6*

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spruchen 114; es ist aber ausgeschlossen, ihnen eine schlechtere Ausstattung nur deshalb zuzumuten, weil sie ein eigenes Profil verwirklichen.

7. Unternehmerisches Risiko In enger Parallelität zu dem bereits besprochenen Argument des „Eigeninteresses'4 steht in einigen Urteilen zur Förderung der Freien Schulen das Argument des „Unternehmerrisikos 44, dass der Staat den Freien Schulen nicht abnehmen könne 1 1 5 . Stehen unternehmerische Ziele im Vordergrund, dann scheint es gerechtfertigt, dem „Unternehmer 44 betriebswirtschaftliche Risiken jedenfalls nicht in vollem Umfang abzunehmen und von ihm auch den dauerhaften Einsatz des „Betriebskapitals44 zu erwarten. Auch dieses Argument taugt aber nicht als Begründung für zusätzliche Kürzungen. Zwar ist es spätestens seit der Entscheidung BVerfGE 90, 107 (116) anerkannt, dass dem Träger Freier Schulen zugemutet werden kann, für eine Übergangszeit die Risiken der Schulgründung zu tragen. Dieses Argument diente dem BVerfG seinerzeit zur Begründung der Wartefrist. Kennzeichnend ist aber, dass die zitierte Entscheidung den Begriff des „Unternehmers 44 nicht benutzt. Es ist vielmehr von idealistisch geprägten „Gründungseltern 44 die Rede, die sich zusammentun und aus eigener Kraft eine Initiative zur Gründung einer Freien Schule bilden. Die Wartefrist ist vor diesem Hintergrund keine betriebswirtschaftlich-unternehmerische Risikoabschätzung, sondern ein Test auf Ernsthaftigkeit und Anfangserfolg. Mit der Begriffsbildung „Privatschulunternehmer 4' aber erhält die gesamte Argumentation eine völlig andere Richtung. Im Gegensatz zu Schulträgern sind Unternehmer nach der herkömmlichen Definition diejenigen, die über die Ressourcen eines Betriebs im Rahmen der Marktwirtschaft bestimmen und deren Ziel damit die Gewinnerwirtschaftung ist. Im Mittelpunkt steht der Kapitaleinsatz und die Kapitalvermehrung. Der Unternehmer entscheidet über Ausrichtung und Einsatz betriebswirtschaftlicher Steuerungsmittel 116. Dagegen ist in den meisten Fällen die Gründung von Freien Schulen heute von vornherein nicht mehr auf Gewinnerzielung abgestellt. Es geht allein darum, die Kosten für eine Schulgründung und den fortlaufenden Betrieb der Schule aufzubringen. Dazu stehen in der gegenwärtigen Situation neben den notwendigerweise begrenzten Schulgeldanteilen nur öffentliche Mittel zur Verfügung. Ein Ge114 BVerfGE 75, 40 (68); BVerfGE 90, 107 (116). 115 BVerfGE 75, 40 (68); ohne den Begriff des „Unternehmers" zu erwähnen, ist der Grundgedanke auch maßgeblich in BVerfG (KammerE) vom 4. 3. 1997, JURIS Nr. KVRE 272709701. 116 So etwa J.-H. Müller, Stichwort „Unternehmer", in Herders Staatslexikon Band 5, S. 546.

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winn könnte allenfalls dann erzielt werden, wenn, anders als in Art. 7 Abs. 4 Satz 3 GG vorgesehen, den tatsächlichen Kosten entsprechende oder diese sogar übersteigende Schulgelder vorgesehen würden. Für den heutigen Normalfall der Freien Schulen kann das „Unternehmerische" aber keine Rolle spielen. Das Unternehmerrisiko taugt deshalb nicht als verfassungsrechtliches Argument.

8. Dauerhafter Rückgriff auf eigene Mittel herkömmliches Bild der Privatschule Während das BVerfG in der tragenden Entscheidung aus dem Jahre 1994 vom Leitbild einer von der Initiative der „Gründungseltern" getragenen Schulgründung ausging, zeichnet der Kammerbeschluss aus dem Jahre 1997 ein Bild der „herkömmlichen Privatschule", die nicht nur ihre Existenz dem ideellen und materiellen Engagement ihrer Gründer verdankt, sondern auch auf wirtschaftlichen Grundlagen beruht, die durch „in einem weiteren Sinne tragende finanzstarke Kräfte" gebildet werden 117 . Neben den „finanzstarken Kräften" müsse die Schule auch eigenes Vermögen, mobilisierte Spenden und die Aufnahme von Krediten ins Auge fassen, um etwaige Finanzierungslücken zu schließen. In der Konsequenz bedeutet dies, dass erhöhte Eigenleistungen nicht nur für die Gründungsphase, sondern für die gesamte „Betriebsdauer" vorgesehen werden können 118 . Dem gegenüber ist zu Recht angemerkt worden, dass schon die Zusammenfassung Freier Schulträger zu einem „herkömmlichen Bild der Privatschule" der grundgesetzlich vorausgesetzten Schulvielfalt und individueller Prägung nicht entspricht 119. Die Kammer scheint hier erkennbar vom früheren Bild kirchlicher Schulen mit hohem eigenen Vermögen oder Stiftungskapital auszugehen. Es dürfte aber ein Leichtes sein, empirisch nachzuweisen, dass die überwiegende Zahl Freier Schulen heute weder über ein Stiftungskapital noch über „dahinter stehende finanzstarke Kräfte" verfügt, die dauerhaft einen erhöhten Eigenanteil an den Gründungs- und den laufenden Kosten zu tragen imstande wären. Gerade angesichts der Bindungen des Art. 7 Abs. 4 GG und der notwendigen fortdauernden Erfüllung der Genehmigungsvoraussetzungen ist es unter heutigen Bedingungen völlig illusorisch, eine Freie Schule aus Eigenmitteln oder Spenden zu betreiben. Vollends wäre es sogar fahrlässig, dies mit der Hilfe von Krediten zu tun 1 2 0 .

Die Verletzung der institutionellen Einstandspflicht und individueller Leistungsansprüche kann also nicht damit begründet werden, für eine bestimmte Gruppe potentieller (und finanziell potenter) Träger liege eine solche Verletzung nicht vor, H7 BVerfG (KammerE), JURIS Nr. KVRE 272709701; ähnl. jetzt VGH Mannheim, 19. 7. 2005, Recht und Bildung 2005, 11 ff. us So bereits VGH Mannheim, ESVGH 50, 238 - JURIS Nr. MWRE 101210000; zur Zumutbarkeit von Eigenleistungen siehe auch VGH Mannheim, DVB1. 2005, 1531. 119 J.-P. Vogel, RdJB 1998, 206; ders., RuS 2002, 3; Jach, in: FS Vogel (1998), S. 76, 82. 120 So zu Recht auch Niehues, Schul- und Prüfungsrecht I (2000) Rn. 298; in diesem Sinne auch VGH Mannheim, ESVGH 50, 238 - JURIS Nr. MWRE 101210000.

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weil diese auf finanzstarke Kräfte und eigenes Vermögen zurückgreifen können. Es ist vielmehr davon auszugehen, dass die übergroße Mehrzahl Freier Schulen allein aus den erhöhten Mitteln der „Gründungseltern" getragen werden und ohne eine nach der „Karenzfrist" einsetzende und die Gründungsphase später wieder kompensierende finanzielle Förderung des Staates nicht existenzfähig wären. Die zitierte Kammerentscheidung des BVerfG stellt also selbst einen Verstoß gegen die Grundbedingungen der institutionellen Gewährleistung aus Art. 7 Abs. 4 GG dar, weil sie die Schulvielfalt missachtet und - wie zu Recht ausgeführt wurde - im Ergebnis dazu führen würde, dass es Freie Schulen nur noch für die Kirchen, Gewerkschaften und die „Reichen" geben könnte 121 .

9. Beschränkung auf „Landeskinder" Schülerinnen und Schüler an Freien Schulen wechseln oft täglich die Landesgrenzen, um zu einer Schule in Freier Trägerschaft zu gelangen. Das ist besonders bei Schulen mit eigenem pädagogischen Profil der Fall, hat aber oft auch den einfachen Grund des „Hinausziehens" der Eltern aus einem städtischen Ballungsgebiet. Solche „Bewegungen" haben im öffentlichen Schulwesen allenfalls im Hinblick auf die „Sprengelpflicht" im Bereich der Grundschule Bedeutung. Sehr selten kommt es vor, dass die Schulträger städtischer Schulen Schüler „aus dem Landkreis" abzulehnen versuchen. Hier wie auch bisher im Bereich der Finanzierung Freier Schulen wurden die Probleme durch Ausgleichsregelungen gelöst, bis im „Bremer Fall" eine Einigung mit dem Land Niedersachsen ausblieb und daraufhin das Land Bremen die Förderung für niedersächsische Kinder an Bremer Privatschulen einstellte. Welche Probleme für Schulträger, Eltern und Schüler entstehen, muss nicht betont werden. Diese auch in der Literatur umstrittene 122, ,Landeskinderklausel" wurde in der Entscheidung des BVerfG vom 23.11. 2004 123 gebilligt. Dies wird zum einen mit der schon oben kritisierten Formel von der (nicht vorliegenden) evidenten Gefährdung des „Ersatzschulwesens" begründet 124. Auch geht das Gericht mit keinem Wort darauf ein, dass der Rückzug des „Sitzlandes" aus der Förderung für „einpendelnde" Schülerinnen und Schüler die wirtschaftliche Existenz einer freien Schule sehr wohl gefährden kann. Auch hätte es nahe gelegen, dem Land die Verpflichtung aufzuerlegen, im Rahmen seines Gestaltungsspielraums selbst einen finanziellen Ausgleich mit dem Bundesland, aus dem die Schüler stammen, herbeizuführen. Interessant ist auch die Begründung, mit der das BVerfG eine Verletzung des Gleichbehandlungsgebots verneint 125 . Zwar erkennt das Gericht, dass die Ersatzschulen, die neben „Landeskindern" auch Schüler mit Wohnsitz in einem anderen Bundesland aufnehmen, 121 Vogel, RuS 2002, S. 6. 122 Für die Zulässigkeit etwa Löwer/Müller-Terpitz, RdJB 1999, 169. 123 BVerfGE 112, 74 (83 ff.). 124 BVerfGE 112,74,85. 125 BVerfGE 112,74,87.

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gegenüber den nur Landeskinder „beschulenden" Ersatzschulen benachteiligt werden. Doch sei dies letztlich durch das Ziel der Konzentration der Haushaltsmittel auf die Aufgabenerfüllung gegenüber den landesansässigen Schülern (sie!) gerechtfertigt. Die verfassungsrechtliche Frage ist aber gerade, ob diese „Konzentration auf die landesansässigen Schüler und Eltern" verfassungsgemäß ist. Dem Gericht unterläuft also ein handgreiflicher Zirkelschluss, der auch nicht dadurch abgemildert wird, dass die stereotype Formel vom Vorbehalt des von der Gesellschaft vernünftigerweise zu Erwartenden zur weiteren Begründung zusätzlich angeführt wird. Überdies dienen hier rein fiskalische Erwägungen zur Begründung einer evidenten Ungleichbehandlung - eine in der gesamten übrigen Rechtssprechung des Gerichts zu Art. 3 GG nie akzeptierte Rechtfertigung einer Ungleichbehandlung. Auch das oben bereits kritisierte „Entlastungsargument" (staatliche Förderung wegen der Entlastung öffentlicher Schulen durch die Schulen in freier Trägerschaft 126) wird hier durch das BVerfG unverdientermaßen „wiederbelebt". Selbst das „gesamtwirtschaftliche Gleichgewicht" wird herangezogen, bevor mit dem Hinweis auf die Landeskompetenz der wohl einzige verfassungsrechtlich relevante Aspekt benannt wird 1 2 7 . Nicht geklärt wird aber, warum die für die öffentlichen Schulen geltende Gegenseitigkeitsvereinbarung zwischen Niedersachsen und Bremen nicht auf Freie Schulen erstreckt wird bzw. erstreckt bleibt. Das sich hier zeigende Ungleichgewicht wird allein auf die Freien Schulen mit Schülern aus anderen Bundesländern verlagert.

Insgesamt hätte das Gericht bei Zugrundelegung seiner eigenen Rechtsprechung zu Art. 7 Abs. 4 und Art. 3 GG sehr wohl zu dem Ergebnis kommen müssen, dass die Bremische „Landeskinderklausel verfassungswidrig ist. Zumindest wäre dem Land aufzuerlegen gewesen, die Ausgleichsregelung mit dem Land Niedersachsen durch Verhandlungen mit diesem auf die Schüler an Ersatzschulen zu erstrecken. V. Insbesondere: Die Lage in Baden-Württemberg 1. Vorbemerkung Nach der Erarbeitung der verfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen und der Grenzen für Kürzungsmaßnahmen wird es nunmehr darum gehen, diese Ergebnisse auf die konkrete Lage anzuwenden, wie sie sich gegenwärtig im Lande Baden-Württemberg darstellt. Wie oben dargelegt, bilden die Schülerkosten der entsprechenden allgemeinbildenden Öffentlichen Schulen den entscheidenden Bezugspunkt für die zentralen verfassungsrechtlichen Parameter, d. h. Gründungsfreiheit, Wahlfreiheit, Chancengleichheit, Sonderungsverbot. Für diese Kosten konnte das Rechtsgutachten auf die Untersuchung von Eisinger /Feldt/Wahrendorf/Ziehr/Unmüssig, Schülerkosten in Baden-Württemberg. Eine Untersuchung über allgemeinbildende Öffentliche Schulen im Jahr 2002, zurückgreifen. Hinsichtlich der Zuschussbeträge pro Schüler für die baden-württem126 Dazu BVerwGE 23, 347, 350; 27, 360, 362). 127 BVerfGE 112, 74, 88.

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bergischen Waldorfschulen bezieht sich die Untersuchung auf eine Tabelle des Arbeitsbereichs Bildungsökonomie der Freien Hochschule für Anthroposophische Pädagogik e.V., Mannheim, die für das Jahr 2004 für die Grundschulklassen 1 - 4 einen Förderungsbetrag von € 2.053-, für die Sekundarstufenklassen 5 - 1 2 einen solchen von € 4.039,- und für die Sekundarstufenklasse 13 einen Wert von € 4.179,- ausweist. Der Mittelwert für das Gymnasium dürfte deshalb etwa €4.100- betragen.

2. Verfassungsrechtlicher

Maßstab

Vor Nennung der Zahlen seien die oben herausgearbeiteten verfassungsrechtlichen Parameter des finanziellen Existenzminimums Freier Schulen nochmals kurz zusammengefasst: • Die institutionelle Garantie und die Wahlfreiheit sind verletzt, wenn Freie Schulen wirtschaftlich nicht mehr zu führen sind. • Das Gebot der Schulvielfalt ist verletzt, wenn ein Zustand erreicht ist, bei dem die Wahlfreiheit unter Beachtung der grundgesetzlichen Genehmigungsvoraussetzungen „praktisch kaum noch wahrgenommen" werden kann. • Die finanzielle Einhaltbarkeit der Genehmigungsvoraussetzungen kennzeichnet das „Existenzminimum", an dem auch der gesetzgeberische Spielraum endet. • Das durch das Bundesverfassungsgericht bestätigte Sonderungsverbot ist nach der Entscheidung BVerfGE 90, 107 (119) aus dem Jahr 1994 bereits deutlich verletzt, wenn Schulgelder von monatlich DM 170 bis 190 je Kind und Monat überschritten werden. Die verfassungsrechtlich hinnehmbare Grenze dürfte damals also bei etwa DM 150,- gelegen haben. Dem entspricht für das Jahr 2004 selbst bei Zugrundelegung einer (großzügig bemessenen) Steigerung der Lebenshaltungskosten von 3% p.a. gleich 30% für die letzten 10 Jahre, eine Summe von DM 195 = € 100. Diese kennzeichnet zugleich die verfassungsrechtlich noch zulässige Differenz zwischen den Kosten eines Schülers an Öffentlichen Schulen einerseits und des Zuschusses für einen entsprechenden Schüler an Schulen in Freier Trägerschaft andererseits. Nach den zuvor herausgearbeiteten verfassungsrechtlichen Grundlagen lässt sich das Existenzminimum Freier Schulen vereinfacht auf die Formel bringen: Mindestförderung genbetrag.

= Schülerkosten an Staatlichen Schulen minus zulässiger Ei-

Verfassungsrechtliche Grenzen der Unterfinanzierung 3. Das Existenzminimum

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- real

Für die verfassungsrechtliche Beurteilung sind nunmehr die ermittelten Grenzwerte des verfassungsrechtlichen Minimums, die durch die Untersuchung von Eisinger u. a. nachgewiesenen Schülerkosten für allgemeinbildende Öffentliche Schulen mit den Zuschussbeträgen in Bezug zu setzen. Zu beachten ist dabei, dass die Untersuchung von Eisinger sich auf das Jahr 2002 bezieht und bis 2004 eine erhebliche Kostensteigerung unterstellt werden muss. Selbst wenn es aber bei den Kosten für Öffentliche Schüler geblieben sein sollte, ergibt der Vergleich mit den Zuschussbeträgen für Freie Waldorfschulen erhebliche Diskrepanzen. a) Besonders eklatant sind diese Differenzen im Bereich der Grundschulen. Hier beträgt nach Eisinger u. a. die Gesamtsumme aus Basiswert, Anpassungswert 1 und 2: pro Schüler € 5.364,89 p.a. = € 447,07 p.m. Dem steht im Jahr 2004 (ohne die ab Schuljahr 04/05 geplanten Zuschusskürzungen) für die Waldorfschulen ein Betrag von pro Schüler € 2.053,- p.a. = € 171,08 p.M. gegenüber. Die Differenz zwischen öffentlichen und privaten Schüler beträgt also exakt € 275- p.M. Das ist fast das Dreifache des durch das Bundesverfassungsgericht vorausgesetzten, ohne Verstoß gegen das Sonderungsverbot erreichbaren Eigenbetrags von € 100,-. Exakt € 175,- sind ungedeckt, insofern ist das Existenzminimum unterstritten. Zu beachten ist auch, dass die Förderungsquote auch unter 40% Prozent der Gesamtkosten gesunken ist 1 2 8 . Selbst ein Vergleich des Basiswerts, also der reinen Personalkosten zeigt eine Differenz von € 3.445,- für Staatliche Schulen zu € 2.053,- des Pauschalbetrags für Freie Waldorfschulen. Die Förderungsquote beträgt auch insofern nur 59%. Das Bild für die Gymnasien ist kaum weniger deutlich. Hier steht einer Förderung für die öffentlichen Schulen von rund € 7.016,74 jährlich = € 584,- monatlich, eine Schülerförderung der Freien Waldorfschulen (gemittelt) von € 4.100,jährlich = € 341,- monatlich gegenüber. Die Differenz beträgt € 243,- pro Monat. Auch diese Zahl beträgt fast dass Zweieinhalbfache des monatlichen Schulgelds, das das BVerfG ohne Verstoß gegen das Sonderungsverbot erlaubt hat. Allein auf die Personalkosten 2002 bezogen, beträgt die Deckungssumme etwa 79% - auch dies weit unter den in anderen Bundesländern vorausgesetzten Minimalzahlen für eine verfassungskonforme Kostendeckung.

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Für Hamburg hat der Verband Deutscher Privatschulen ausweislich seines Informationsdienstes im April 2003 ausgerechnet, dass dort nur 56% eines „Staatsschülers" gezahlt werden; in Berlin wurde eine Herabsetzung der Personalkosten von 97% auf 90% als existenzgefährdend betrachtet (FAZ 11.3. 2002, S. 4).

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Nach dieser Formel zeigen die Zahlen für Baden-Württemberg, dass die Freien Schulen unterhalb des verfassungsrechtlichen Existenzminimums finanziert werden. Diese Zahlen sind besonders krass im Grundschulbereich, aber auch im Bereich der Sekundärschulen existenzbedrohend. Es ist daher festzustellen, dass schon jetzt die finanzielle Förderung in BadenWürttemberg den verfassungsrechtlichen Vorgaben nicht entspricht. Um so mehr wären weitere Kürzungen eindeutig verfassungswidrig.

Zusammenfassung in Thesen 1. In der Bundesrepublik Deutschland können Schulen in Freier Trägerschaft nicht ohne staatliche Förderung existieren. Das bewährte System der staatlichen Förderung gerät aber seit einigen Jahren zunehmend unter den Druck erheblicher Sparmaßnahmen. 2. Auch in der Rechtsprechung zur Förderung Freier Schulen zeichnet sich längst ein „Rückwärtstrend" ab. Die verfassungsrechtlichen Maßstäbe geraten entweder in Vergessenheit oder werden einseitig auf bestimmte Formeln beschränkt, die scheinbar eine Unterfinanzierung Freier Schulen legitimieren. 3. Im Grundsatz wird die staatliche Förderungspflicht für Freie Schulen von der gesamten Rechtsprechung bejaht. Die Rechtsprechung des BVerfG variiert dabei zwischen individuellen und institutionellen Begründungselementen. Zuletzt in der „Wartefrist-Entscheidung" aus dem Jahre 1994 (BVerfGE 90, 107 ff.) hat das BVerfG klargestellt, dass jede institutionelle und objektive Verpflichtung letztlich der subjektiven und individuellen Wahrnehmung des Grundrechts dient und dass individuelle Rechte wie die Gründungsfreiheit und Wahlfreiheit im Mittelpunkt der verfassungsrechtlichen Gewährleistung stehen. In der Rechtsprechung seither ist dieser Gesichtspunkt aber wieder in den Hintergrund getreten und macht einer fast ausschließlich auf die institutionelle Gewährleistung des „Existenzminimums" ausgerichteten Deutung Platz. 4. Ungeachtet aller institutionellen, objektiven und teilhaberechtlichen Deutungen handelt es sich bei der Gründungsfreiheit um ein „klassisches Abwehrrecht" der Träger Freier Schulen gegen staatliche Eingriffe. Die Besonderheit dieses Abwehrrechts besteht lediglich darin, dass es wegen der faktischen Monopolisierung des Schulwesens durch den Staat, der Einbindung in das staatliche Berechtigungssystem und der Genehmigungsvoraussetzungen des Art. 7 Abs. 4 S. 3 GG ohne staatliche Förderung nicht wahrgenommen werden kann. So gesehen sind die Förderungsansprüche nicht originäre Leistungsansprüche an den Staat; es geht vielmehr um Ausgleichsansprüche für Eingriffe in das klassische Abwehrrecht. 5. Auch das Gebot der Schulvielfalt hat nicht lediglich objektive oder institutionelle Bedeutung. Im Kern folgt dieses Gebot aus dem subjektiven Recht der Wahlfreiheit bezüglich verschiedener Schulformen. Auch dieses Recht kann unter gege-

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benen Bedingungen nur wahrgenommen werden, wenn der Staat die gegenüber den öffentlichen Schulwesen bestehenden Wettbewerbsnachteile und Anpassungszwänge ausgleicht. Das elterliche Wahlrecht aus Art. 7 Abs. 4 GG i.V. mit Art. 6 Abs. 2 GG wird verletzt, wenn unter Einhaltung der GenehmigungsVoraussetzungen faktisch keine neuen Freien Schulen gegründet werden können und bereits existierende gefährdet werden. 6. Nach der Rechtsprechung des BVerfG muss der Staat dagegen Vorsorge treffen, dass das Grundrecht der Gründungsfreiheit als subjektives Recht wegen der seinem Träger durch Art. 7 Abs. 4 Satz 3 und 4 GG auferlegten Bindungen „praktisch kaum noch wahrgenommen" werden kann. Damit ist klargestellt, dass es sich bei den Genehmigungsvoraussetzungen um einen Eingriff in die Gründungsfreiheit handelt, der verfassungsrechtlich nur hinnehmbar ist, wenn der Staat sicherstellt, dass auch unter diesen Voraussetzungen Freie Schulen gegründet und erhalten werden können. 7. Aus Art. 7 Abs. 4 GG folgt - unabhängig von konkreten individualrechtlichen Ansprüchen - die Gewährleistung der Institution Freier Schulen. Auch diese dient aber letztlich immer den in der Institution tätigen Individuen und umfasst auch als institutionelle und individuelle Garantien die Gründungsfreiheit, die Schulvielfalt und die dauerhafte Erfüllbarkeit der Genehmigungsvoraussetzungen. Für diese hat der Staat unter Einsatz angemessener Finanzmittel einzutreten. Die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers besteht nicht unabhängig von der institutionellen Gewährleistung, ist vielmehr durch diese begrenzt. 8. Den Staat trifft nicht nur eine Pflicht zum Schutz der Institution Ersatzschulwesen als Ganzes, ihm obliegt auch eine objektive Schutzpflicht gegenüber den einzelnen Grundrechtsträgern. Bei der Erfüllung der Schutzpflicht hat der Gesetzgeber zwar einen Gestaltungsspielraum, dieser ist aber seinerseits durch das Grundrecht begrenzt. Die Schutzpflicht ist verletzt, wenn Freie Schulen nicht mehr gegründet werden oder ohne Verstoß gegen die Genehmigungsvoraussetzung des Art. 7 Abs. 4 Satz 3 GG faktisch nicht mehr betrieben werden können. 9. Institutionelle Deutung des Grundrechts, individuelle Ausgleichsansprüche und objektive Schutzpflichten stehen nicht isoliert nebeneinander, bedingen vielmehr einander. Ist die Institutsgarantie in der Weise verletzt, dass neue Schulen nicht mehr gegründet werden können, so folgt daraus auch ein Eingriff in die subjektive Gründungsfreiheit. 10. Aus Art. 7 Abs. 4 GG i.V. mit Art. 3 GG folgen grundsätzliche Gleichbehandlungsansprüche sowohl mit staatlichen Schulen als auch der Freien Schulen untereinander. Gleiches darf nicht ungleich, Ungleiches darf nicht gleich behandelt werden. 11. Wenn auch nicht jede Rücknahme einer Leistung gleichbedeutend mit einem Grundrechtseingriff ist, so kommt die Leistungskürzung zumindest dann einem Eingriff gleich, wenn sie dazu führt, dass Freie Schulen nicht mehr gegründet wer-

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den können oder in ihrer Existenz gefährdet sind. Es ist davon auszugehen, dass schon die derzeitige Förderung am unteren Rand der Existenzgewähr Freier Schulen liegt. 12. Wartefristen sind nur zur Erprobung der Ernsthaftigkeit und der Erfolgsaussichten einer Schulgründung zulässig. Sie dienen grundsätzlich nicht der Ermöglichung von Sparmaßnahmen. Ist der Erfolgsnachweis erbracht, so besteht eine Verpflichtung des Gesetzgebers, der Schule einen nachträglichen Anteil an den Kosten der „Gründungsjahre" zu erstatten. Dasselbe gilt für die Investitionskosten. 13. Es stellt eine Existenzbedrohung der Freien Schulen insgesamt und einen Eingriff in die individuelle Privatschulfreiheit dar, wenn staatliche Kürzungsmaßnahmen dazu führen, dass Schulen nur noch unter Inkaufnahme eines Verstoßes gegen das Sonderungsverbot, d. h. unter Inkaufnahme von nur durch wohlhabende Eltern aufzubringenden Schulgeldern, betrieben werden können. 14. Die institutionelle und objektive Förderungspflicht des Staates zu Gunsten der Freien Schulen besteht zwar unabhängig von subjektiven Ansprüchen einzelner Schulträger. Der Vorwurf der Verletzung objektiver Pflichten kann aber nicht mit dem Argument ausgeräumt werden, dass der Einzelne keinen subjektiven Anspruch auf Förderung in bestimmter Höhe habe. Die objektive Schutzpflicht besteht vielmehr gegenüber jedem einzelnen Grundrechtsträger. 15. Aus der „Grundrechtswesentlichkeit" der Förderung Freier Schulen folgt, dass der Gesetzgeber selbst die grundlegenden Voraussetzungen, Maßstäbe und Verfahrensaspekte der Förderung festlegen muss. Grundrechts wesentliche Entscheidungen dürfen nicht der Exekutive überlassen werden. 16. Der „ Vorbehalt des Möglichen " und die Rücksichtnahme auf die Finanzlage der Länder können in keinem Fall dazu führen, dass die verfassungsrechtlichen Schutzansprüche unterlaufen werden. Sind der individuelle wie der institutionelle Schutzanspruch dadurch verletzt, dass unter den Genehmigungsvoraussetzungen des Art. 7 Abs. 4 Satz 3 GG eine Freie Schule nicht mehr gegründet und betrieben werden kann, dann können auch die Finanzlage der Länder und der „Vorbehalt des Möglichen" nicht als Begründung für diese Grundrechtsverletzung herangezogen werden. 17. Auch der Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers ist dann kein zusätzliches Argument, um Kürzungen zu rechtfertigen. Unterschreitet der Gesetzgeber den nach der institutionellen und der individuellen Garantie bestehenden Gestaltungsspielraum, dann stellt es vielmehr einen handgreiflichen Zirkelschluss dar, eben diese Unterscheidung damit zu begründen, der Gesetzgeber habe einen Gestaltungsspielraum. 18. Die Schulvielfalt und damit das besondere Profil von Freien Schulen sind kein privat zu verfolgendes und zu finanzierendes „Sonderinteresse"; sie liegen vielmehr im öffentlichen Interesse. Deshalb ist es unzulässig, dass angestrebte „Eigenprofil " zum Anlass für Kürzungen staatlicher Förderungen zu machen.

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19. Das Bild des „Privatschulunternehmers", dem die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit und die Risiken der Privatschulgründungen zugemutet werden können, ist verfehlt. Freie Schulen werden nicht von gewinnorientierten Unternehmern, sondern von idealistisch geprägten „Gründungseltern" gegründet. Das Unternehmerrisiko taugt daher nicht als verfassungsrechtliches Argument. 20. Ein Bild der „Privatschule herkömmlicher Prägung" existiert nicht und stellt schon daher kein verfassungsrechtliches Argument dar. Unter heutigen Bedingungen ist den Schulen weder der dauerhafte Rückgriff auf „hinter der Initiative stehende finanzstarke Träger" noch auf Kredite oder Spenden allein zumutbar. Die Verletzung der institutionellen Einstandspflicht und der individuellen Leistungsansprüche kann nicht damit begründet werden, für eine bestimmte Gruppe potentieller (und finanziell potenter) Träger liege eine solche Verletzung nicht vor. 21. Die „Fallstudie Baden-Württemberg" ergibt, dass schon jetzt die finanzielle Förderung in diesem Bundesland den verfassungsrechtlichen Vorgaben nicht entspricht. Um so mehr wären weitere Kürzungen verfassungswidrig.

Rechtsfragen der staatlichen Finanzierung von Ersatzschulen in Nordrhein-Westfalen* Von Fritz Ossenbühl, Bonn Fragestellung Unter dem Datum vom 3. November 2003 hat die Landesregierung für Nordrhein-Westfalen den Entwurf eines Gesetzes über die Entlastung des Haushalts und über die Erhebung eines Entgelts für die Entnahme von Wasser aus Gewässern Wasserentnahmeentgeltgesetz des Landes Nordrhein-Westfalen (Haushaltsbegleitgesetz 2004/2005) vorgelegt.1 Auf dem Titelblatt des Entwurfs wird zur Begründung des Gesetzes Folgendes ausgeführt: „A Problem Aufgrund der anhaltenden Wachstumsschwäche in der Bundesrepublik hat sich die Finanzsituation der öffentlichen Haushalte weiter verschlechtert. Die Steuereinnahmen im Jahre 2005 werden aller Voraussicht nach lediglich auf dem Niveau des Jahres 2000 liegen. Es sind daher Einsparungen und /oder Einnahmeverbesserungen vorzunehmen, die nachhaltig zu einer strukturellen Haushaltsverbesserung beitragen. Β Lösung Zur Verwirklichung dieses Ziels ist es unumgänglich, Leistungen, die auf Landesgesetzen beruhen, einzuschränken und ein Wasserentnahmeentgelt einzuführen. Zu diesem Zweck ist ein Haushaltsbegleitgesetz zu erlassen."

Der Entwurf sieht ein sog. Artikel-Gesetz vor. In mehreren Artikeln werden unterschiedliche landesrechtliche Regelungen geändert. Artikel 5 betrifft das Gesetz über die Finanzierung der Ersatzschulen (Ersatzschulfinanzierungsgesetz - EFG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 27. Juni 1961 (GV.NW S. 230), zuletzt geändert durch Gesetz vom 25. September 2001 (GV.NW S. 708). Dieses Gesetz sieht in § 6 Abs. 1 vor, dass der Schulträger einer Ersatzschule als Eigenleistung 15 v.H. der fortdauernden Ausgaben der Ersatzschule aufzubringen hat. Nach dem Gesetzentwurf der Landesregierung soll die Eigenleistung des Ersatzschulträgers auf 18 v.H., also um 3 v.H. erhöht werden. Dabei sind jedoch zwei * Rechtsgutachten erstattet dem Katholischen Büro Nordrhein-Westfalen, Kommissariat der Bischöfe in NW Januar 2004. ι LTDrucks. 13/4528.

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Modifikationen vorgesehen: zum einen soll die Erhöhung stufenweise erfolgen, zum anderen soll mit Ablauf des 31. Dezember 2008 wieder die heute gültige Rechtslage eintreten und die Eigenleistung des Ersatzschulträgers auf 15 v.H. begrenzt sein. Für die stufenweise Erhöhung sind folgende Vomhundertsätze vorgesehen: Haushaltsjahr 2004 bis 31. 07. 2004 ab 01. 08. 2004

15 v.H. 16 v.H.

Haushaltsjahr 2005 bis 31. 07. 2005 ab 01. 08. 2005

16 v.H. 17 v.H.

Haushaltsjahr 2006 bis 31. 07. 2006 ab 01. 08. 2006

17 v.H. 18 v.H.

Würde die Erhöhung der Eigenleistung am 31. Dezember 2008 enden, so würde die vorgesehene stufenweise Erhöhung der Eigenleistung bedeuten, dass die Ersatzschulträger für den Zeitraum von 2004 bis 2008 insgesamt 15 v.H. mehr an Eigenleistung erbringen müssten als nach bisher geltendem Recht. Vor diesem Hintergrund stellen sich folgende Fragen: 1. Ist die in Artikel 5 des Gesetzesentwurfs der Landesregierung vom 3. November 2003 (LTDrucks 13/4528 S. 13) vorgesehene Erhöhung der Eigenleistung der Ersatzschulträger verfassungsrechtlich zulässig? 2. Würde sich das Ergebnis der verfassungsrechtlichen Beurteilung ändern, wenn die Erhöhung auf 1,5 v.H. reduziert und in dieser Höhe auf das Schuljahr 2005 beschränkt würde?

I. Rechtliche Grundlagen 7. Vorbemerkung „Ersatzschulen sind Privatschulen, die nach dem mit ihrer Errichtung verfolgten Gesamtzweck als Ersatz für eine in dem Land vorhandene oder grundsätzlich vorgesehene öffentliche Schule dienen sollen. Sie unterscheiden sich damit von den Ergänzungsschulen, für die vergleichbare öffentliche Schulen in der Regel nicht bestehen und in denen der Schulpflicht nicht genügt werden kann."2 Um Ersatzschule zu sein, muss die Privatschule in ihren wesentlichen Merkmalen einer vom 2 BVerfGE 27, 195 (201 f.).

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öffentlichen Schulwesen vorgehaltenen Schulart entsprechen.3 Dem entspricht die Regelung des § 36 Abs. 3 SchOG N W 3 a : „Privatschulen sind Ersatzschulen, wenn im Lande entsprechende öffentliche Schulen allgemein bestehen oder grundsätzlich vorgesehen sind."

Als Privatschulen sind die Ersatzschulen in die Privatschulgarantie des Art. 7 Abs. 4 GG ebenso eingeschlossen wie in die über das Grundgesetz hinausgehenden Verbürgungen des Art. 8 Abs. 4 der Landesverfassung für Nordrhein-Westfalen (LVerfNW). Maßgeblich für die gestellte Gutachtenfrage sind beide vorgenannten verfassungsrechtlichen Grundlagen. Darauf ist sogleich einzugehen. Die Frage der Ersatzschulfinanzierung ist in den Ländern höchst unterschiedlich geregelt. Dies gilt nicht nur für die erheblich differierenden Förderungsmodelle (Art der Berechnung der Zuschüsse, Voraussetzungen der Gewährung von Zuschüssen etc.), sondern vor allem auch für den Umfang der verfassungsrechtlichen Garantie der Zuschussgewährung. Der verfassungsrechtlich garantierte Anspruch der Privatschulen auf Gewährung eines Zuschusses, wie er in Art. 8 Abs. 4 Satz 3 LVerfNW zum Ausdruck kommt, hat in anderen Landesverfassungen keine Parallele. Aus diesem Grunde haben Vergleiche zwischen den unterschiedlichen Regelungen der einzelnen Länder von vornherein keine tragfähige Grundlage. Die Rechtslage der Ersatzschulfinanzierung in Nordrhein-Westfalen kann nur durch eine Auslegung speziell des Art. 8 Abs. 4 Satz 3 LVerfNW erschlossen werden. Der hier zu erörternde Gesetzentwurf der Landesregierung Nordrhein-Westfalen betreffend die Erhöhung des Eigenanteils der Ersatzschulfinanzierung reflektiert den verfassungsrechtlichen Hintergrund der Ersatzschulen nicht, sondern behandelt die Finanzierungsfrage wie einen Gegenstand, der der unbeschränkten politischen Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers unterliegt. Wie die folgenden Darlegungen zeigen werden, sind dieser Ausgangspunkt und diese Grundvorstellung der Landesregierung jedoch unzutreffend. Die jetzt näher darzustellenden verfassungsrechtlichen Grundlagen der Privatschulfreiheit enthalten vielmehr eine Reihe inhaltlicher und vor allem prozeduraler Vorgaben für den Landesgesetzgeber, die seinen politischen Gestaltungsspielraum einengen und deren Nichtbeachtung als Verfassungsverstoß einzuordnen ist, der zur Verfassungswidrigkeit eines Gesetzes führen kann. Das Schwergewicht des nachstehenden Gutachtens besteht deshalb darin, die verfassungsrechtlichen Vorgaben für die Frage der Finanzierung der Ersatzschulen im Einzelnen zu erörtern und zu konkretisieren, um hieran die im Gesetzentwurf vorgesehene Regelung zu messen.

3

Vgl. Hans Heckel / Hermann Avenarius, Schulrechtskunde, 6. Auflage, 1986, S. 148. Außer Kraft seit 1. August 2005. Seitdem gilt das Schulgesetz NRW, dessen § 100 Abs. 2 lautet: „Schulen in freier Trägerschaft sind Ersatzschulen, wenn sie in ihnen Bildungsund Erziehungszielen im wesentlichen Bildungsgängen und Abschlüssen entsprachen, die nach diesem Gesetz oder auf Grund dieses Gesetzes vorhanden oder vorgesehen sind." 3a

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2. Ansprüche der Privatschulen aus der Institutsgarantie für Privatschulen gemäß Art 7 Abs. 4 GG In Art. 7 Abs. 4 Satz 1 GG heißt es lapidar: „Das Recht zur Errichtung von privaten Schulen wird gewährleistet."

Diesem Satz, der als Institutsgarantie der Privatschule verstanden wird, ist verbal nicht anzusehen, dass er auch einen verfassungsrechtlich abgesicherten Anspruch auf finanzielle Unterstützung von Privatschulen durch den Staat einschließt. Indessen haben Bundesverwaltungsgericht und Bundesverfassungsgericht einen solche grundsätzliche staatliche Verpflichtung aus Art. 7 Abs. 4 GG abgeleitet.

a) Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts Das Bundesverwaltungsgericht hat die Rechtsprechung zur finanziellen Gewährleistung der Privatschulen gemäß Art. 7 Abs. 4 GG bereits im Jahre 1966 eröffnet und in mehreren Entscheidungen fortentwickelt. 4 Am Anfang standen als Begründungselemente für den verfassungsrechtlichen Finanzgewährleistungsanspruch der Privatschulen der Wettbewerbsgedanke, die Konkurrenz zwischen öffentlichen Schulen und Privatschulen, und die Vorstellung der Staatsentlastung. Die sozialstaatliche Fortentwicklung der öffentlichen Schulen durch Schulgeldfreiheit, Lehrmittelfreiheit und andere Vergünstigungen wie beispielsweise Studienbeihilfen habe, so führt das Bundesverwaltungsgericht aus, die Lage der Privatschulen wesentlich verschlechtert, weil der Anreiz, Schüler zu erhalten, sich erheblich vermindert habe. Überdies habe der Staat für diejenigen Schüler, die Privatschulen besuchen, die sozialstaatlichen Vergünstigungen erspart. Dies zusammengenommen müsse dazu führen, dass ein Anspruch auf Subventionierung aus Art. 7 Abs. 3 und 4 GG nicht grundsätzlich ausgeschlossen werden könne.5 Dieser erste vorsichtige Ansatz ist alsbald auf eine breitere Begründungsgrundlage gestellt worden. Die Grundvorstellung hat sich allerdings nicht verändert. Das Grundgesetz garantiert die Institution der Privatschule neben den öffentlichen Schulen, wendet sich also gegen ein Schulmonopol des Staates und entscheidet sich für ein pluralistisches Schulwesen. Es entspricht diesem pluralistischen Kon4 BVerwGE 23, 347; 27, 360; 52, 339 (346); 70, 290; 74, 134; 79, 154; aus dem Schrifttum: Kloepfer/ Meßerschmidt, Privatschulfreiheit und Subventionsabbau, DVB1 1983, 193; Müller/Pieroth/Fohmann, Leistungsrechte im Normbereich einer Freiheitsgarantie, 1982, S. 29 ff.; Link, Privatschulfinanzierung und Verfassung, JZ 1973, 1; derselbe, Staatliche Subventionierung konfessioneller Privatschulen, in: Festschrift für Willi Geiger, 1989, 599; Eiselt, Zur Privatschulsubventionierung, DÖV 1987, 557; Pieroth, Die staatliche Ersatzschulfinanzierung und der Schulhausbau, DÖV 1992, 593. 5 BVerwGE 23, 347.

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zept im Schulwesen, „das Ersatzschulwesen als Institution im Räume der Gesellschaft tatsächlich lebensfähig zu erhalten". 6 Dies bedeutet vor allem auch, dass der Staat seine Schulen gegenüber den Privatschulen nicht so attraktiv machen darf, dass für die Schüler kein Anreiz mehr besteht, eine Privatschule zu besuchen. Die sozialstaatliche Fortentwicklung der staatlichen Schulen darf nicht im Ergebnis dazu führen, dass die Privatschulen von den staatlichen Schulen verdrängt werden. Die Institutionsgarantie der Privatschule gemäß Art. 7 Abs. 4 GG erfordert deshalb einen Ausgleich. „Die Verpflichtung des Staates, den auch um dieses (sozialen) Fortschrittes willen notleidenden Ersatzschulen wirtschaftliche Hilfe zu gewähren, folgt somit aus seiner Pflicht, sich um eine gerechte Sozialordnung auf dem Gebiet des öffentlichen Schulwesens zu bemühen".7 Die „verfassungsrechtlich verankerte Notwendigkeit und Verpflichtung des Staates, die Einrichtung der privaten Ersatzschulen zu erhalten", ist inzwischen fester Bestandteil der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts. 8 Allerdings hat das Bundesverwaltungsgericht die früher geäußerte Auffassung, der Anspruch auf Privatschulsubvention sei ein verfassungsunmittelbarer Leistungsanspruch, der keiner besonderen landesrechtlichen Regelung bedürfe, 9 aufgegeben und betont, dass „ein die gesetzlichen Regelungen ersetzender oder ergänzender verfassungsunmittelbarer Leistungsanspruch nicht in Betracht" komme. 10 Die Finanzgewährleistungsgarantie des Art. 7 Abs. 4 GG bedarf also der Umsetzung durch den zuständigen Landesgesetzgeber. Art. 7 Abs. 4 GG bildet keine unmittelbare Anspruchsgrundlage, auf die eine Leistungsklage gegen den Staat gestützt werden könnte. Aber andererseits ist der Gesetzgeber auch keineswegs frei. Er ist vielmehr verpflichtet, eine verfassungsrechtlich einwandfreie Regelung der Ersatzschulfinanzierung zu schaffen. Tut er dies nicht oder ist seine Regelung defizitär, so liegt entweder in dem Unterlassen des Gesetzgebers oder in der unzureichenden Regelung ein legislatives Verhalten vor, welches verfassungsgerichtlich überprüft und gerügt werden kann. Für die hier gestellten Gutachtenfragen wichtig sind namentlich die Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts zur „Reichweite des Anspruchs". Dabei geht es um die Frage, in welchem Maß und Umfang der Landesgesetzgeber verpflichtet ist, den aus Art. 7 Abs. 4 GG resultierenden Finanzgewährleistungsanspruch zu normieren. Diese Frage bildet nichts anderes als die Kehrseite des Problems, welches mit der Suche nach dem Umfang der zulässigen Quote des Eigenanteils des Privatschulträgers zu beschreiben ist. Was die Frage des Eigenanteils resp. des Maßes und Umfangs der staatlichen Finanzierung von Privatschulen anbetrifft, so hat 6 BVerwGE 79, 154(158). 7 BVerwGE 27, 364. 8 BVerwGE 79, 154(155). 9 So BVerwGE 23, 347 (350). 10 BVerwGE 79, 154(156). 7*

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das Bundesverwaltungsgericht in seiner bisherigen Rechtsprechung u. a. folgende Direktiven und Grenzen aufgezeigt: - Erstens wird bemerkt, dass Art. 7 Abs. 4 GG dem Erfordernis einer Eigenleistung des Privatschulträgers nicht entgegensteht. Eine Vollfinanzierung der Privatschulen wird durch Art. 7 Abs. 4 GG nicht gefordert. Vielmehr entspricht dem „herkömmlichen, der Regelung des Art. 7 Abs. 4 zu Grunde liegenden Bild der Privatschule, dass diese ihre Existenz dem ideellen Engagement ihrer Gründer und Träger verdankt, die in eigener, auch wirtschaftliche Gesichtspunkte berücksichtigender Initiative und unter Inkaufnahme der damit verbundenen Risiken bereit sind, einen ihnen eingeräumten Freiheitsraum auszufüllen". 11 - Zweitens wird daraus gefolgert: „Das rechtfertigt es, den Ersatzschulen eine ihren Interessen an der Verfolgung eigener Ziele und Vorstellungen angemessene Eigenleistung und ein dementsprechendes Unternehmerrisiko aufzubürden". - Drittens kann sich eine Ersatzschule auf den bundesverfassungsrechtlich gebotenen Förderungsanspruch erst dann berufen, wenn sie aus „finanziellen Gründen existenzgefährdet ist". Wichtig ist ein weiterer Zusatz. Die mit dem Topos der „Existenzgefährdung" umschriebene Situation, die einen finanziellen Förderungsanspruch auslöst, bezieht sich nicht auf die einzelne konkrete Ersatzschule, sondern auf das Ersatzschulwesen als Ganzes (zumindest in einem Land). Denn als Institutionsgewährleistung garantiert Art. 7 Abs. 4 GG (lediglich) die Erhaltung und den Bestand der „Institution der Privatschule als solcher". Die „angemessene Eigenleistung" kann also im Landesgesetz durchaus generell nach Erfahrungssätzen bestimmt werden und sozusagen an einem lebensfähigen Modell orientiert sein. Eine Ersatzschule, die trotz der auf diese Weise ermittelten „Regelförderung" finanziell nicht existieren kann, wird auf das „Unternehmerrisiko" verwiesen und hat keinen zusätzlichen Anspruch. 12 Weitere detaillierte Eingrenzungen des Förderungsanspruchs aus Art. 7 Abs. 4 GG werden den obigen Grundsätzen hinzugefügt, beispielsweise - Die Ausgliederung von finanziellen Verlusten aus dem Förderungsanspruch, die durch eine nicht sachgemäße, insbesondere unwirtschaftliche Führung der Schule entstanden sind, - der Vorrang von „sonstigen Hilfsquellen", durch die ein Fehlbetrag vermieden werden kann, - die Ausklammerung von Anlaufkosten für eine Karenzzeit (Wartezeit), also keine Finanzierung „von Anfang an". 13 Auf diese und weitere spezielle Eingrenzungen des Förderungsanspruchs ist noch an späterer Stelle zurückzukommen, soweit sie für die hier gestellten Fragen relevant erscheinen. 11 BVerwGE 70, 290 (293). 12 So BVerwGE 70, 290 (292 f.). 13 Vgl. BVerwGE 27, 360 (365); 79, 154 (159).

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b) Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts Das Bundesverfassungsgericht hat die vom Bundesverwaltungsgericht entwickelte Konzeption eines aus Art. 7 Abs. 4 GG abgeleiteten Förderungsanspruchs für Privatschulen in einer Grundsatzentscheidung aus dem Jahre 1987 - von einigen nicht wesentlichen Details abgesehen - übernommen und fortgeführt. 14 Die wesentlichen Elemente der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sind folgende: aa) Die staatliche Förderungspflicht aus Art. 7 Abs. 4 GG erweist sich als Kompensation für die in der Verfassung selbst vorgesehenen Beschränkungen der Privatschulfreiheit, die ihrerseits dem Ziel der Gleichwertigkeit und Einheitlichkeit des Schulwesens dienen. „Private Schulträger sind bei dem bestehenden Kostenniveau heute nicht mehr in der Lage, aus eigener Kraft sämtliche in Art. 7 Abs. 4 Sätze 3 und 4 GG aufgeführten Genehmigungsvoraussetzungen gleichzeitig und auf Dauer zu erfüllen." 15 Insbesondere versperrt ihnen das verfassungsrechtliche Gebot, „eine Sonderung der Schüler nach den Besitz Verhältnissen der Eltern" nicht zu fördern, die Möglichkeit, kostendeckende Schulgelder zu erheben. Aus diesem Grunde entsteht eine „sozialstaatliche Einstandspflicht" des Staates,16 ohne die Art. 7 Abs. 4 Satz 1 „zu einem wertlosen Individualgrundrecht auf Gründung existenzunfähiger Ersatzschulen und zu einer nutzlosen institutionellen Garantie verkümmern" würde. 17 bb) Daneben wird als weiterer Grund für die staatliche Mitfinanzierung der Privatschulen vom Bundesverwaltungsgericht die Entlastung des Staates durch private Schulträger genannt. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht in seiner im Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht abgegebenen Stellungnahme nochmals ausdrücklich betont und ausgeführt, der „innere Grund" für den Förderungsanspruch sei in der verfassungsrechtlich gewährleisteten Einrichtung der Privatschulen und ihrer in Gestalt der Ersatzschulen bedeutsamen und den Staat in seiner Bildungsaufgabe unterstützenden und entlastenden Teilnahme am öffentlichen Bildungswesen zu sehen.18 Ob die Entlastungsfunktion ein weiterer „innerer Grund" für den staatlichen Förderungsanspruch darstellt, hat das Bundesverfassungsgericht indes offen gelassen und bemerkt, dass die staatliche Schutzpflicht privater Ersatzschulen „jedenfalls nicht vorrangig in einer Art Aufwendungsersatz für die Wahrnehmung staatlicher (hoheitlicher) Aufgaben durch private, sondern in der Förderung eigenverantwort14 15 16 π

BVerfGE BVerfGE BVerfGE BVerfGE

75, 40; 90, 107. 75, 40 (63). 75,40 (65). 75,40 (65).

ι» Vgl. die Darstellung im Sachbericht des Urteils BVerfGE 75, 40 (49 f.).

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licher Miterfüllung der durch Art. 7 Abs. 4 Satz 1 GG gerade auch der Privatinitiative überlassenen allgemeinen (öffentlichen) Bildungsaufgaben" bestehe.19 cc) Aus Art. 7 Abs. 4 Satz 1 GG folgt kein verfassungsunmittelbarer Anspruch auf Gewährung staatlicher Finanzhilfe, schon gar nicht in bestimmter Höhe. „Der konkrete Leistungsanspruch des einzelnen Ersatzschulträgers wird durch das Gesetz bestimmt." 20 Damit stellt sich die Frage, inwieweit dem Gesetzgeber Entscheidungsfreiheiten belassen sind und inwieweit er durch verfassungsrechtliche Vorgaben gebunden ist. Auf diese Frage gibt das Bundesverfassungsgericht differenzierende Antworten. dd) Die den Staat treffende Schutzpflicht wird erst dann ausgelöst, „wenn andernfalls der Bestand des Ersatzschulwesens als Institution evident gefährdet wäre". 21 Indessen ist das Vorliegen dieser Situation heute unstreitig. Das Bundesverfassungsgericht trifft mehrfach die Feststellung: „Die generelle Hilfsbedürftigkeit privater Ersatzschulen ist heute ein empirisch gesicherter Befund." 22 Dass der Staat effektive Finanzleistungen erbringen muss, steht deshalb heute außer Frage. Es geht allein um den Umfang und die Höhe solcher Finanzleistungen sowie die Art und Weise der Finanzierung. Diese Differenzierungen sind allerdings zumal für die hier in Rede stehende rechtliche Fragestellung wichtig und im Einzelnen festzuhalten; insbesondere auch deswegen, weil sie in den Entscheidungsgründen des Bundesverfassungsgerichts fast ununterscheidbar ineinander übergehen. Auseinanderzuhalten sind danach die Aussagen des Bundesverfassungsgerichts - zur Art und Weise der Finanzierung , d. h. über die Finanzierungsmodelle (direkte oder indirekte Finanzierung, Defizitdeckungsverfahren, Schülerkopfquoten etc.), - zum sachlichen Umfang der Förderung (z. B. keine Anfangsfinanzierung, Unterscheidung zwischen Betriebs- und Investitionskosten), - zur Höhe der Finanzzuschüsse. In diesem Rahmen - aber auch beim Umfang der Leistungen - spielt die Höhe der „Eigenleistung" eine maßgebliche Rolle. ee) Eine „weitgehende eigenständige Gestaltungsfreiheit" konzediert das Bundesverfassungsgericht den Ländern als den für die Gesetzgebung zuständigen Instanzen für die Art und Weise der Erfüllung der Förderungspflicht, also für den Zuschnitt der Fördermodelle. 23 Diese „weitgehende eigenständige Gestaltungsfreiheit" steht den Ländern jedoch nicht zu im Hinblick auf Umfang und Höhe der Förderung. Dies kann schon deswegen nicht sein, weil sich gerade bei diesen Fragen entscheidet, wie schwach 19 BVerfGE 75, 40 (66). 20 BVerfGE 90, 107(117). 21 BVerfGE 75, 40 (67). 22 BVerfGE 75, 40 (67); 90, 107 (115). 23 BVerfGE 75, 40 (67).

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oder wie stark die Privatschulfreiheit fortbesteht. Wenn die Institutionsgarantie der Privatschulfreiheit eine echte Verfassungsgarantie sein soll, dann richtet sich ihre Schutzrichtung gerade gegen den Staat und damit selbstredend auch gegen den staatlichen Gesetzgeber, der seinerseits nicht plein pouvoir haben kann in der Frage, wie viel er den Privatschulen an finanzieller Unterstützung zukommen lässt. ff) Was die Höhe der staatlichen Zuwendungen betrifft, so stellt das Bundesverfassungsgericht fest, dass der Staat nur verpflichtet sein könne, „einen Beitrag bis zur Höhe des Existenzminimums der Institution zu leisten". 24 Diese Aussage hört sich schon wegen des Begriffs „Existenzminimum" sehr restriktiv an, zumal der verwendete Begriff falsche Assoziationen zum Lebensstandard des Menschen auslöst, die aber, wie näheres Nachdenken zeigt, völlig unpassend sind. Das „Existenzminimum" der Privatschulen umfasst eben doch alles, was erforderlich ist, um in einem zum öffentlichen Schulwesen vergleichbaren und gleichwertigem Maße Schule zu halten. Insoweit gibt es keine sichtbaren Klassenunterschiede in den Standards der Existenz, die zwischen ganz arm und sehr reich variieren. Deshalb war auch zu erwarten, dass das Bundesverfassungsgericht in diesem Zusammenhang sogleich auf den Vergleich mit den Kosten des öffentlichen Schulwesens zurückgreift und bemerkt, dass eine „Orientierung" an den Kosten des öffentlichen Schulwesens nicht zu beanstanden sei. Die Privatschulen können also im Grundsatz keine bessere Ausstattung als die öffentlichen Schulen verlangen. Aber andererseits kann der Staat sie aber auch nicht hinter dem Standard vor öffentlichen Schulen zurücklassen. Bei all diesen abstrakten Maßstäben bleibt die „angemessene Eigenleistung" indessen eher im Hintergrund und vor allem ohne Annäherung an irgendwelche greifbaren Maßstäbe. Auch das Bundesverfassungsgericht beschränkt sich insoweit auf die lapidare Feststellung, dass „selbstverständlich" auch jeder Ersatzschulträger eine „angemessene Eigenleistung" erbringen müsse. Was indessen „angemessen" ist, bleibt offen, war aber auch vom Gericht nicht des Näheren zu konkretisieren. 25 gg) Wichtig für die Bemessung der staatlichen Förderungspflicht erscheint schließlich eine weitere Feststellung des Bundesverfassungsgerichts. Die staatliche Förderpflicht wird von vornherein unter den „Vorbehalt" gestellt, „was vernünftigerweise von der Gesellschaft erwartet werden kann". 26 In erster Linie habe der Gesetzgeber in eigener Verantwortung unter Berücksichtigung auch anderer Gemeinschaftsbelange und der Bedürfnisse des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts darüber zu befinden. Bei notwendigen allgemeinen Kürzungen für den Gesamtetat dürfe der Gesetzgeber auch die Finanzmittel für 24 BVerfGE 75,40 (68). 25 BVerfGE 75,40 (68). 26 BVerfGE 75, 40 (68); 90, 107 (116 f.) (gemeint ist wohl statt „Gesellschaft" der , Staat").

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das öffentliche und private Schulwesen herabsetzen und damit auch die Basis für den Einsatz öffentlicher Finanzmittel im staatlichen und privaten Bildungsbereich verändern. 27 In der jüngsten einschlägigen Entscheidung wird hinzugefügt, dass der Gesetzgeber „Prioritäten" setzen müsse.28 Auf die Äußerungen zum „Gemeinschaftsvorbehalt" der Förderungspflicht des Staates, die etwas Selbstverständliches auszudrücken scheinen, jedoch den falschlichen Eindruck erwecken, als befreie Finanznot den Gesetzgeber ohne weiteres von verfassungsrechtlich begründeten Pflichten, wird noch an späterer Stelle des Näheren zurückzukommen sein. 3. Der verfassungsrechtliche Ausgleichsanspruch gemäß Art. 8 Abs. 4 Satz 3 LVerfNW Art. 8 Abs. 4 Satz 1 LVerfNW bestimmt: „Für die Privatschulen gelten die Bestimmungen des Artikels 7 Abs. 4 und 5 des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland vom 23. Mai 1949 zugleich als Bestandteil dieser Verfassung."

Diese an sich überflüssige Bestimmung verschafft der bundesverfassungsrechtlich begründeten Privatschulfreiheit auch eine landesverfassungsrechtliche Grundlage. Von praktischer Bedeutung kann die Einbeziehung des Art. 7 Abs. 4 und 5 GG in die LVerfNW dann werden, wenn es um die verfassungsgerichtliche Kontrolle von Landesgesetzen am Maßstab der Landesverfassung geht; des Weiteren auch, wenn die Garantien der Privatschulfreiheit im Grundgesetz oder in der Landesverfassung sachlich auseinanderfallen sollten. 29 Problematisch ist freilich des Weiteren die Frage, mit welchem Inhalt der Art. 7 Abs. 4 GG durch die in Art. 8 Abs. 4 Satz 1 LVerfNW zum Ausdruck kommende Verweisung in das nordrhein-westfälische Landesrecht inkorporiert worden ist. Da Grundrechtsbestimmungen des Grundgesetzes infolge der notwendigen Konkretisierung weitgehend ihren Inhalt nicht sozusagen durch Einstellung in das Grundgesetz „mitgebracht" haben, sondern durch Interpretation durch das Bundesverfassungsgericht empfangen, fragt sich, ob Art. 7 Abs. 4 LVerfNW mit seinem „historischen Gehalt" inkorporiert worden ist oder in der Auslegung resp. Konkretisierung, die er bis heute durch das Bundesverfassungsgericht erhalten hat. Das Verständnis des Art. 8 Abs. 4 Satz 1 LVerfNW als „statische Verweisung" 30 sowie der Hinweis auf die Eigenständigkeit des Landesverfassungsrechts sprechen eher für die historische Variante. 31 Darauf ist hier nicht des Weiteren einzugehen. 27 BVerfGE 75, 40 (68 f.); 90, 107 (116 f.). 28 BVerfGE 90, 107(116). 29 Vgl. Ennuschat, in: Löwer/Tettinger, Kommentar zur Verfassung des Landes Nordrhein-Westfalen, 2002, Art. 8 Rn. 74. 30

So Ennuschat, a. a. O.

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Für die hier gestellten Fragen ist entscheidend, dass Art. 8 Abs. 4 LVerfNW in zwei Punkten über die grundgesetzliche Verbürgung der Privatschulfreiheit hinausgeht. Zum einen in der Anordnung der Gleichberechtigung von genehmigten Privatschulen und entsprechenden öffentlichen Schulen (Art. 8 Abs. 4 Satz 2) und zum andern durch die Statuierung eines ausdrücklichen spezifischen verfassungsrechtlichen Anspruchs auf Zuschussgewährung in Art. 8 Abs. 4 Satz 3 LVerfNW, der wie folgt lautet: „Sie (seil, die genehmigten Privatschulen) haben Anspruch auf die zur Durchführung ihrer Aufgaben und zur Erfüllung ihrer Pflichten erforderlichen öffentlichen Zuschüsse."

Dieser landesverfassungsrechtliche Ausgleichsanspruch unterscheidet sich wesentlich von dem grundgesetzlichen Subventionsanspruch aus Art. 7 Abs. 4 GG. Der grundgesetzliche Subventionsanspruch ist kein sozusagen originär statuierter verfassungsrechtlicher Anspruch im Sinne eines subjektiven öffentlichen Rechts, sondern er ist erst im Laufe der Zeit durch Veränderung der Umstände dem Garantiebereich des Art. 7 Abs. 4 GG zugewachsen und als Resultat einer Grundgesetzinterpretation nach wie vor in seiner gesamten Profilierung dem Interpretationsmandat des Bundesverfassungsgerichts überantwortet. Er ist auch kein verfassungsunmittelbarer Anspruch. Der landesverfassungsrechtliche Ausgleichsanspruch des Art. 8 Abs. 4 Satz 3 LVerfNW hingegen ist ein originärer, d. h. vom Verfassungsgeber bewusst in die Verfassung eingestellter, als subjektiv-öffentliches Recht ausgeformter Anspruch und nicht (nur) das Produkt einer Auslegung durch ein Verfassungsgericht. Dies hat nicht nur für die Stabilität des Anspruchs, sondern auch für seine konkrete Ausformung entscheidende Bedeutung. Allerdings bestimmt die Landesverfassung für die Privatschulen als Anspruchsberechtigte keine konkrete bezifferbare Anspruchsgröße. Dies wäre auch gar nicht möglich. Auch enthält Art. 8 Abs. 4 Satz 3 LVerfNW lediglich unbestimmte Rechtsbegriffe („erforderlich"), keine konkreten Zuschussmaßstäbe. Auch insoweit entspricht die Verfassungsvorschrift den üblichen und praktisch kaum anders denkbaren Gepflogenheiten. Die Verfassung kann, wenn sie ihrer Bedeutung und Funktion gerecht werden will, eine auf längere Dauer gerichtete Grundordnung des Staates zu schaffen, nur Grundsätze formulieren und muss schon deshalb auf detaillierte Ausformungen verzichten, um nicht das politische Leben zu zementieren. Die konkrete Leistungshöhe muss also ergänzend zur Verfassung durch einfaches Landesgesetz bestimmt werden. Insoweit verleiht Art. 8 Abs. 4 Satz 3 LVerfNW in der Tat den Privatschulen (nur) einen verfassungsunmittelbaren Anspruch auf Förderung (nur) „dem Grunde nach". 32 Aber die „Ergänzungsgesetzgebung" des einfachen Landesgesetzgebers im Hinblick auf den verfassungsrechtlich verankerten Förderungsanspruch ist verfas31

Vgl. Grawert, Verfassung für das Land Nordrhein-Westfalen, Kommentar, 1998, Art. 8 Anm. 10. 32 VerfGH NW OVGE 30, 306 (310).

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sungsrechtlich vorgeprägt. Der Begriff der „Erforderlichkeit" ist als unbestimmter Verfassungsbegriff kein Blankettbegriff für politische Beliebigkeit, sondern ein normativer Begriff, der der Auslegung bedürftig, aber auch fähig ist, wie schon die sachlichen Zusätze, die mit diesem Begriff verbunden sind („zur Durchführung ihrer Aufgaben und zur Erfüllung ihrer Pflichten erforderliche öffentliche Zuschüsse"), deutlich belegen. Insofern enthält Art. 8 Abs. 4 Satz 3 LVerfNW für den Landesgesetzgeber verfassungsrechtliche Vorgaben, die seine politische Gestaltungsfreiheit dirigieren und zugleich einengen und seine gesetzgeberischen Entscheidungen verfassungsgerichtlich kontrollfähig machen.33 Diese grundsätzliche rechtliche Orientierung steht in Einklang mit der bisherigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes für das Land Nordrhein-Westfalen (VerfGH NW) und des Oberverwaltungsgerichts für Nordrhein-Westfalen (OVG NW). 3 4 Allerdings muss hinzugefügt werden, dass der VerfGH NW der hier im Mittelpunkt stehenden Frage nach der Bemessung der Eigenleistung aus dem Wege gegangen ist, obwohl er Gelegenheit hatte, diese Frage zu beantworten. Die heute bestehende Situation einer allgemein existierenden Finanznot des Staates ist selbstredend kein Einzelfall. Aus denselben Gründen, die in dem hier in Rede stehenden Gesetzentwurf der Landesregierung vorgebracht werden, wurde Anfang der 80er Jahre versucht, die staatlichen Zuschüsse an die Privatschulen zu kürzen. 35 In Nordrhein-Westfalen wurde durch Art. 3 des Haushaltsfinanzierungsgesetzes (HFG) vom 16. Dezember 1982 (GV.NW S. 732) § 6 des Ersatzschulfinanzierungsgesetzes (EFG) vom 27. Juni 1961 (GV.NW S. 230) mit Wirkung ab 1. Januar 1982 geändert. Nach der Neufassung hatte der Schulträger als Eigenleistung 10 v.H. statt bisher 15 v.H. der fortdauernden Ausgaben der Ersatzschule aufzubringen. Dagegen entfiel die Anrechnung der Bereitstellung der Schulräume mit 7 v.H. und der Schuleinrichtung mit 2 v.H. der Ausgaben auf die Eigenleistung. Dadurch erhöhte sich die Eigenleistung von bisher 6 v.H. auf neu 10 v.H. der fortdauernden Ausgaben. Nicht mehr zu den fortdauernden Ausgaben gehörten Mietoder Pachtzinsen oder sonstige Vergütungen. Diese gesetzliche Regelung war in gewissem Sinne eine Mogelpackung, die dem VerfGH NW die Möglichkeit eröffnete, die gesamte Regelung der Erhöhung der Eigenleistung schon deshalb für verfassungswidrig und deshalb nichtig zu erklären, weil sie die Miet- oder Pachtzinsen aus der Zuschussgewährung ausklammerte. Entschieden wurde damit zwar über einen Teilaspekt des Umfangs der Eigenleistung, nicht aber über dessen Höhe. 36 Aus diesem Grunde ist die genannte 33 Vgl. VerfGH NW OVGE 30, 306 (310). 34 Vgl. VerfGH NW OVGE 30, 306; OVG NW, DVB1 1983, 358; dazu Ralf Bernhard, Zu den verfassungsrechtlichen Grenzen staatlicher Sparmaßnahmen bei der Privatschulfinanzierung, DVB1 1983, 299. 35 Vgl. Kloepfer/ Meßerschmidt, Privatschulfreiheit und Subventionsabbau, DVB1 1983, 193; Ralf Bernhard, Zu den verfassungsrechtlichen Grenzen staatlicher Sparmaßnahmen bei der Privatschulfinanzierung, DVBL 1983, 299.

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Entscheidung des VerfGH NW auch keine Hilfe für die hier gestellte Frage nach der Zulässigkeit der Kürzung bislang gewährter Zuschüsse gemäß Art. 8 Abs. 4 Satz 3 LVerfNW. Auch das OVG NW behandelt in seiner einschlägigen Entscheidung vom 28. Mai 1982 nur einen Teilaspekt der Eigenleistung.37 Ausgangspunkt der Entscheidung ist die abstrakte Feststellung, dass öffentliche Zuschüsse erst dann erforderlich sind, wenn die Eigenmittel nicht ausreichen. Sodann widmet sich die genannte Entscheidung der Frage, wer mit seinen Finanzmitteln aus Sicht des Schulträgers bei dieser Rechnung einzubeziehen ist. Darauf ist noch an späterer Stelle zurückzukommen. Das Problem der Höhe der Eigenleistung ist also bislang ungelöst. Das Dilemma besteht darin, dass Art. 8 Abs. 4 Satz 3 LVerfNW den Privatschulen auch finanziell einen gesicherten Status verschaffen will, aber andererseits keine konsentierten materiellen Maßstäbe bestehen, die die Höhe der Eigenleistung als Faktor für die Bemessung des erforderlichen öffentlichen Zuschusses bestimmen. Fest steht nach dem Verfassungstext nur, dass ein „öffentlicher Zuschuss" jedenfalls eine Vollfinanzierung der Privatschulen schon begrifflich ausschließt. Dies steht außer Streit. Im Folgenden geht es deshalb um die Frage, ob sich die bislang von den Kommentatoren ebenso wie von den damit beschäftigten Gerichten sorgsam vermiedene Frage nach der Höhe der Eigenleistung rechtlich so bewältigen lässt, dass die in Art. 8 Abs. 4 Satz 3 LVerfNW beabsichtigte Finanzierungsgarantie möglichst wirksam wird und nicht zur Gänze dem politischen Belieben des Gesetzgebers ausgeliefert wird. Diese Frage wird bezogen auf den konkreten Gesetzentwurf erörtert.

II. Auslegung und Anwendung des verfassungsrechtlichen Ausgleichsanspruchs gemäß Art. 8 Abs. 4 Satz 3 LVerfNW 7. Vorrang gegenüber einfachgesetzlich begründeten Ansprüchen und Leistungen - Abwägung mit anderen Gemeinwohlbelangen In Zeiten der staatlichen Finanznot erscheint nichts überzeugender als der in der politischen Rhetorik immer wieder zu hörende Satz: „Alle müssen sparen" und die daran anschließende Folgerung: „Auch die Privatschulen können davon nicht ausgenommen werden". Dem Motto „In der Not sind alle gleich" entspricht das in der politischen Praxis vielfach geübte bei Subventionsabbau eingesetzte sog. Rasen36

Vgl. Ralf Bernhard, Zu den verfassungsrechtlichen Grenzen staatlicher Sparmaßnahmen bei der Privatschulfinanzierung, DVB1 1983, 299 (304). 37 OVG NW, DVB1 1983, 358

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mäherprinzip. In allen Talk-Runden wird uns von den Politikern immer wieder versichert, dass die Rasenmähermethode beim Subventionsabbau die „gerechteste Methode" sei. In gewisser Weise ist auch der hier in Rede stehende Gesetzentwurf der Landesregierung von der Rasenmähermethode geprägt, wenn es im Vorblatt heißt, es sei unumgänglich, „Leistungen, die auf Landesgesetzen beruhen, einzuschränken". Schon in diesem Ansatz des Gesetzesentwurfs liegt ein grundlegender Fehler mit verfassungsrechtlicher Relevanz. Dass das Rasenmäherprinzip für die Kürzung staatlicher Zuschüsse kein sachlich vertretbares Prinzip sein kann, weiß jedermann schon aus seiner eigenen Haushaltsführung, die ebenso wie die des Staates in einen finanziellen Engpass führen kann. Dann gilt es nicht gleichmäßig zu kürzen, sondern, wie es das Bundesverfassungsgericht in einem einschlägigen Urteil zum Ausdruck gebracht hat, „Prioritäten zu setzen".38 Solche „Prioritäten" werden aber nicht nur nach subjektiven politischen Bewertungen gebildet, also nicht nach dem freien politischen Ermessen der entscheidenden staatlichen Instanzen. „Prioritäten" können auch rechtlich vorgegeben sein. Und dies in mehrfacher Hinsicht. Für eine Kürzung ungeeignet sind beispielsweise von vornherein staatliche Ausgaben, die auf Verpflichtungen beruhen, über die der Staat selbst nicht verfügen kann. So kann der Staat nicht unter Hinweis auf seine Finanznot kurzerhand seine vertraglichen Leistungen gegenüber anderen Staaten oder gegenüber privaten Vertragspartnern kürzen. Seiner Kürzungsbefugnis entzogen sind auch Leistungen, die auf Rechtsnormen beruhen, die von ihm nicht geändert werden können. Bundesgesetzlich bestimmte, von den Ländern zu erbringende Staatsleistungen können nicht von den Ländern gekürzt werden, um den Haushaltsausgleich herzustellen. Diese an sich selbstverständlichen Feststellungen überhaupt zu erwähnen, erscheint notwendig, um ins Bewusstsein zu bringen, dass es auch auf derselben Staatsebene, eben hier der Länder, staatliche Leistungen unterschiedlicher Rangordnung gibt, die ihrerseits entsprechend ihrer Rangordnung nicht einer einheitlichen ungeteilten Dispositionsbefugnis der Landesgesetzgeber unterliegen. Verfassungsrechtlich abgesicherte Ansprüche haben einen höheren Rang als Ansprüche oder Staatsleistungen, die lediglich auf einfachen Landesgesetzen beruhen, also nicht auf Grund verfassungsrechtlicher Verpflichtung gewährt werden, sondern dem politischen Ermessen des Landesgesetzgebers entsprechen. Aus diesem Grunde ist es schon unzutreffend, wenn auf dem Deckblatt des hier in Rede stehenden Gesetzesentwurfs von „Leistungen, die auf Landesgesetzen beruhen", gesprochen wird, die „einzuschränken" sind und sodann in Artikel 5 des Gesetzesentwurfs das Ersatzschulfinanzierungsgesetz einbezogen werden. Bei den Finanzleistungen der Ersatzschulfinanzierung handelt es sich eben nicht um „Leistungen, die auf Landesgesetzen beruhen", sondern um verfassungsrechtlich abgesicherte, von Art. 8 Abs. 4 Satz 3 LVerfNW getragene „erforderliche öffentliche Zuschüsse", die 38 BVerfGE 90, 107(116).

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nicht ohne weiteres zur Disposition des Landesgesetzgebers stehen. Mit anderen Worten: die Landesregierung verkennt in ihrem Gesetzesentwurf den Verfassungsrang der Ersatzschulfinanzierung und damit deren Vorrang gegenüber staatlichen Leistungen, die auf einfachen Landesgesetzen beruhen. Darin liegt ein Verstoß gegen den verfassungsrechtlichen Vorrang der Ersatzschulfinanzierung. Der Verfassungsrang der Ersatzschulfinanzierung kann auch nicht ohne Einfluss bleiben, wenn es darum geht, notwendige allgemeine Kürzungen im Staatshaushalt auf die einzelnen Ausgaben des Staates zu verteilen, also die Ausgaben für die Privatschulen mit den Ausgaben für andere Gemeinwohlbelange abzuwägen. Wie schon früher dargetan, hat das Bundesverfassungsgericht in seinen Urteilen zur Privatschulfinanzierung hervorgehoben, dass die staatliche Förderpflicht unter dem Vorbehalt dessen stehe, was vernünftigerweise von der Gesellschaft erwartet werden könne. Der Gesetzgeber in erster Linie entscheide in eigener Verantwortung darüber, wie die staatlichen Mittel auch unter Berücksichtigung anderer Gemeinwohlbelange einzusetzen seien. Hier freilich stellen sich die Rangfragen in einem anderen Zusammenhang. Es ist keine Frage, dass der Gesetzgeber darüber entscheiden können muss, ob mit den beschränkt zur Verfügung stehenden Mitteln beispielsweise Bildung oder Sicherheit oder beides in einem gewissen möglichen Umfang gefördert werden sollen. Und es dürfte trotz Pisa-Studie schwer sein, bei zunehmender Kriminalität die Sicherheit der Bürger, die den Staat in seiner heutigen Form historisch legitimiert, ohne weiteres zurückstellen zu wollen. Auch die Sicherheit hat einen verfassungsrechtlichen Rang.39 Doch darum geht es hier nicht. Immerhin hat das Bundesverfassungsgericht eine rechtliche Orientierungsmarke gesetzt, die maßgeblich sein muss. Falls Kürzungen auch dort notwendig werden, wo die verfassungsrechtlich abgesicherte Ersatzschulfinanzierung in Rede steht, dürfen für die öffentlichen und die privaten Schulen weniger Mittel als bisher bereitgestellt werden. 40 Dies bedeutet, Kürzungen müssen öffentliche und private Schulen gleichermaßen treffen. Keine von beiden darf benachteiligt werden; ebenfalls ein Verfassungserfordernis, welches für Nordrhein-Westfalen in Art. 8 Abs. 4 Satz 2 LVerfNW festgelegt ist. Von alldem ist aber in dem hier in Rede stehenden Gesetzentwurf keine Rede. Angesichts der Betroffenheit verfassungsrechtlicher Ansprüche dürfte indes ein Minimum an Transparenz auch verfassungsrechtlich gefordert sein. Darauf ist zurückzukommen.

39 Vgl. Isensee, Das Grundrecht auf Sicherheit, 1983. 40 BVerfGE 75, 40 (68 f.); 90, 107 (116 f.).

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2. Das Kernproblem: Anspruch auf den „ erforderlichen

" Zuschuss

a) Rechtliche Bedeutung des Begriffs „erforderlich" Das Kernproblem des Ausgleichsanspruchs der Privatschulen gemäß Art. 8 Abs. 4 Satz 3 LVerfNW liegt in der rechtlichen Bedeutung und normativen Erfassung des Begriffs „erforderlich". An der normativen Deutung dieses Begriffs bewährt und bewahrheitet sich der Verfassungsrang des Ausgleichsanspruchs gemäß Art. 8 Abs. 4 Satz 3 LVerfNW. Bemerkenswerterweise wird in den Kommentierungen und bisherigen einschlägigen Entscheidungen erst gar nicht der Versuch unternommen, die „Erforderlichkeit" als Rechtsbegriff der Verfassung ernst zu nehmen und in seiner Bedeutung für den Landesgesetzgeber auszuloten. Stattdessen wird mehr oder weniger pauschal auf den Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers verwiesen, dem hinsichtlich Art und Umfang die Konkretisierung des Ausgleichsanspruchs überantwortet sei. 41 Nicht - jedenfalls nicht hinlänglich - erörtert wird die Frage, ob und inwieweit der Landesgesetzgeber bei seiner Gesetzgebungsaufgabe an verfassungsrechtliche Vorgaben gebunden ist, genauer gesagt: inwieweit solche verfassungsrechtlichen Vorgaben für den einfachen Landesgesetzgeber aus dem Begriff „erforderlich" resultieren, die der Gesetzgeber bei seiner Kompetenzwahrnehmung beachten muss. Einen einzelnen Aspekt hat der VerfGH NW allerdings zu Recht hervorgehoben, indem er ausführt: „Das Gesetz muß den unbestimmten Verfassungsbegriff „erforderlich" durch Maßstäbe konkretisieren, aus denen sich mit genügender Bestimmtheit und Voraussehbarkeit ergibt, in welcher Höhe, nach welchen Kriterien und nach welchem Verfahren (z. B. Defizitdeckungs- oder Pauschalverfahren) die Privatschulen Zuschüsse zu ihren Gesamtkosten zu erwarten haben. Es darf den Umfang des Leistungsrechts aus Art. 8 Abs. 4 Satz 3 LVerfNW nicht dem Ermessen der Verwaltung anheim geben, sondern muß ihn selbst bestimmen." 42

Diese Aussage betrifft jedoch nur ein Kompetenzproblem, also ein Element der Gewaltenteilung, nämlich die Abgrenzung der Kompetenzen zwischen Legislative und Exekutive; übrigens ein Problem, welches seine Antwort schon unter dem Aspekt des Gesetzes Vorbehaltes findet und nicht erst aus Art. 8 Abs. 4 Satz 3 LVerfNW folgt. Das sich hier stellende Problem ist jedoch nicht die Frage, wer die Konkretisierung vornehmen darf: Gesetzgeber oder Verwaltung, sondern vielmehr die Frage, welchen verfassungsrechtlichen Bindungen jene Instanz, die die Konkretisierung vornimmt, unterliegt. Es geht also um eine inhaltliche Frage, nicht um eine bloße Kompetenzfrage. Und diese inhaltliche Frage betrifft die normative Substanz des 41

Vgl. etwa Ennuschat, in Löwer/Tettinger, Kommentar zur Verfassung des Landes Nordrhein-Westfalen, 2002, Art. 8 Rn. 85. 42 VerfGH NW OVGE 30, 306 (310 f.).

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Verfassungsbegriffs der „Erforderlichkeit". Immerhin betont auch der VerfGH NW, dass der Landesgesetzgeber bei der gesetzlichen Festlegung von Details des Ausgleichsanspruchs den „in Art. 8 Abs. 4 Satz 3 LVerfNW normierten verfassungsrechtlichen Vorgaben zu entsprechen" habe und der Gerichtshof qualifiziert den Terminus „erforderlich" als „unbestimmten Verfassungsbegriff'. 43 Als Rechtsbegriff der Verfassung muss der Terminus „erforderlich" aber eine gewisse normative Substanz haben, d. h. inhaltliche oder prozedurale Direktiven enthalten, an die sich der Landesgesetzgeber bei Erlass eines Ausführungsgesetzes zum Ausgleichsanspruch zu Art. 8 Abs. 4 Satz 3 LVerfNW halten muss, will er dem Verdikt der Verfassungswidrigkeit entgehen. Es scheidet deshalb von vornherein die Möglichkeit aus, den Begriff der „Erforderlichkeit" als bloßen Verweis auf die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers zu deuten, wie dies in den einschlägigen Kommentierungen immer wieder anklingt. Solche aus dem Begriff „erforderlich" resultierenden verfassungsrechtlichen Vorgaben für den Landesgesetzgeber können nicht etwa mit der These geleugnet werden, es sei widersprüchlich, einerseits dem Gesetzgeber das Mandat zuzuordnen, Umfang und Höhe des Ausgleichsanspruchs zu bestimmen und damit den verfassungsrechtlichen Ausgleichsanspruch, der nur „dem Grunde nach" existiert, dem Umfang und der Höhe nach zu ergänzen, ihn aber andererseits an verfassungsrechtliche Vorgaben zu binden. Die Verbindung zwischen Ausgestaltungsmandat des Gesetzgebers und seiner Bindung an verfassungsrechtliche Vorgaben ist vielmehr bei der Konkretisierung von Grundrechten eine durchaus bekannte, wenn auch in vieler Hinsicht nicht unproblematische Erscheinung. 44 Paradebeispiele sind etwa Art. 6 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 GG. Diese Vorschriften geben dem Gesetzgeber die Befugnis zur Regelung von Ehe und Familie sowie Eigentum, enthalten aber zugleich auch verfassungsrechtliche Vorgaben für den Inhalt solcher Regelungen. Mit dem Begriff „erforderlich" in Art. 8 Abs. 4 Satz 3 LVerfNW wird also nicht das Ende des Verfassungsrechts signalisiert und auf die unumschränkte gesetzgeberische Gestaltungsfreiheit verwiesen, sondern zwar ein legislatives Mandat und eine legislative Pflicht zur Ergänzungsgesetzgebung begründet, aber zugleich auch eine verfassungsrechtliche Bindung des Gesetzgebers statuiert, die seine Gestaltungsfreiheit eingrenzt. Um diese Eingrenzung geht es im Folgenden. b) Was ist „erforderlich" im Sinne des Art. 8 Abs. 4 Satz 3 LVerfNW? Die entscheidende Frage, die Beantwortung verlangt, bezieht sich auf die Höhe der von den Schulträgern zu erbringenden Eigenleistung. Die Eigenleistung kommt 43 VerfGH NW OVGE 30, 306 (310). 44 Vgl. etwa Jestaedt, Grundrechtsentfaltung durch Gesetz, 1999; Gellermann, Grundrechte in einfachgesetzlichem Gewände, 2000; Comils, Die Ausgestaltung der Grundrechte, 2004.

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aber im Text des Art. 8 Abs. 4 Satz 3 LVerfNW nicht vor. Vielmehr ist die Rede (nur) von den „erforderlichen öffentlichen Zuschüssen'4. Erklärungsbedürftig ist aus diesem Grunde zunächst die Frage, welcher normative Zusammenhang zwischen dem Verfassungsbegriff der „Erforderlichkeit" einerseits und der Eigenleistung andererseits besteht, wenn nach dem Normtext der Begriff „erforderlich" (lediglich) auf die Höhe des öffentlichen Zuschusses, nicht aber auf die Eigenleistung bezogen ist. Der normative Zusammenhang zwischen „Erforderlichkeit" des öffentlichen Zuschusses einerseits und Eigenleistung des Privatschulträgers andererseits ist rechnerisch zu begründen. Vom Normtext her gesehen begründungsbedürftig ist zunächst, dass überhaupt eine Eigenleistung verlangt werden kann, was freilich unbestritten ist und sich aus dem herkömmlichen, von den Freiheitsgarantien der Verfassungen übernommenen „Bild der Privatschule" ergibt. 45 Für Nordrhein-Westfalen folgt das Erfordernis der Eigenleistung schon aus dem Text von Art. 8 Abs. 4 Satz 3 LVerfNW, wo von „Zuschüssen" die Rede ist, also dem Gegensatz einer staatlichen Vollfinanzierung. Besteht eine Eigenleistungspflicht, so ist „erforderlich" nur derjenige öffentliche Zuschuss, der nicht den schon durch andere Einnahmen sowie der gebotenen Eigenleistung gedeckten Gesamtbedarf der Privatschule bedient. Insoweit ist die Höhe der Eigenleistung ein Faktor, der die Höhe des „erforderlichen öffentlichen Zuschusses" bestimmt. Da die Eigenleistung ihrerseits keine rechnerisch vorgegebene Größe darstellt, sondern selbst wiederum durch den Gesetzgeber bestimmt wird, ist die „Erforderlichkeit" im Sinne des Art. 8 Abs. 4 Satz 3 LVerfNW zugleich auch auf die Höhe der Eigenleistung der Privatschulträger bezogen. Erforderlich ist danach derjenige öffentliche Zuschuss, der zur Deckung des Gesamtbedarfs der Privatschule unter Abzug der zu bestimmenden Eigenleistung gezahlt werden muss. Fraglich bleibt dann allerdings noch, nach welchen Kriterien die Höhe der Eigenleistung bestimmt werden muss. Bleibt man zunächst bei der „originären" Bezugsgröße der „Erforderlichkeit", nämlich dem „öffentlichen Zuschuss", so ergeben sich hinsichtlich des Gesamtbedarfs der Privatschulen ziemlich klare verfassungsrechtliche Vorgaben. Der „erforderliche öffentliche Zuschuß" an die Privatschulen ist so zu bemessen, dass er wie sich aus dem Verfassungstext ergibt - „zur Erfüllung ihrer Aufgaben und zur Erfüllung ihrer Pflichten" ausreicht, also - die Eigenleistung zunächst einmal beiseite gelassen - den Gesamtbedarf abdeckt. Über den Gesamtbedarf einer Privatschule lassen sich im Wesentlichen auf Grund rechnerischer Größen ziemlich genaue konsentierte Berechnungen aufstellen. Personal- und Sachkosten (insbesondere Räume) für das Schulehalten lassen sich auf Grund vorgegebener Unterrichtsprogramme, Stundenzahlen, Klassenstärken etc. hinreichend genau definieren. Schulen sind keine Produktionsbetriebe. 45 Vgl. BVerwGE 70, 290 (293); BVerfGE 75, 40 (68).

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Nennenswerte Rationalisierungspotentiale sind deshalb hier nicht zu erwarten. Ein besonderes Management, welches solche Rationalisierungspotentiale bieten könnte, ist nicht ersichtlich. Hier liegen die Probleme der vorgegebenen Fragestellung nicht. Sie liegen in der Frage, in welchem Maße die Privatschulträger an den Gesamtkosten beteiligt werden sollen. Die Antworten der Rechtsprechung auf diese Frage sind ebenso unterschiedlich wie pauschal und deshalb wenig behilflich. So heißt es in einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts: „Es entspricht dem herkömmlichen, der Regelung des Art. 7 Abs. 4 GG zugrundeliegenden Bild der Privatschule, dass diese ihre Existenz dem ideellen Engagement ihrer Gründer und Träger verdankt, die in eigener, auch wirtschaftliche Gesichtspunkte berücksichtigender Initiative und unter Inkaufnahme der damit verbundenen Risiken bereit sind, einen ihnen eingeräumten Freiheitsraum auszufüllen. Das rechtfertigt es, den Ersatzschulen eine ihren Interessen an der Verfolgung eigener Ziele und Vorstellungen angemessene Eigenleistung und dementsprechendes Risiko aufzubürden." 46

„Eigeninteresse" und „Unternehmerrisiko" sind allerdings Topoi, die zwar herangezogen werden können, um eine Eigenleistung „dem Grunde nach" zu rechtfertigen. Sie geben aber keine Hilfe für die Bemessung dieser Eigenleistung. In einer anderen Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts wird bemerkt: „Der Gesetzgeber, der über Art und Ausmaß der staatlichen Förderung des Ersatzschulwesens entscheidet, wird darum in seinem Gestaltungsspielraum nur dahin begrenzt, daß er das Ersatzschulwesen als Institution existenzfähig halten muß". 47

Diese aus der Institutionsgarantie der Privatschulfreiheit resultierende Grenzmarke der „Existenzfähigkeit" resp. „Existenzgefährdung" lässt sich pragmatisch auf die Frage reduzieren: Wie viel Eigenleistung kann den Privatschulträgern aufgebürdet werden, ohne dass sie sich wegen der Höhe der Belastung von dem Betrieb der Ersatzschulen zurückziehen? Inwieweit diese Grenze rechtlich definiert werden kann, sollen die folgenden Ausführungen zeigen. Zuvor sei ein kurzer Einschub gestattet.

c) Keine Entlastung durch die Erhebung von Schulgeldern Es liegt nahe anzunehmen, dass sich die Höhe der Eigenleistung durch Erhebung von Schulgeldern vermindern lässt, sodass die Privatschulträger sich von einer Erhöhung der Eigenleistung ihrerseits wiederum durch Abwälzung entlasten können. Zur Frage der Erhebung von Schulgeldern ergeben sich aus den Verfassungsgewährleistungen der Privatschulfreiheit folgende Vorgaben. Art. 7 Abs. 4 Satz 3 GG bestimmt, dass die Genehmigung einer Ersatzschule dann zu versagen ist, wenn „eine Sonderung der Schüler nach den Besitzverhältnissen der Eltern geför46 BVerwGE 70, 290 (293); BVerfGE 75, 40 (68). 47 BVerwGE 79, 154(158). 8 Hufen/Vogel

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dert wird". Dieses Genehmigungserfordernis wird teilweise dahin verstanden, dass damit die Erhebung von Schulgeldern schon bundesverfassungsrechtlich versperrt sei. Das Bundesverfassungsgericht interpretiert den Art. 7 Abs. 4 Satz 3 GG jedoch dahin, dass (lediglich) „überhöhte" Schulgelder unzulässig seien, was man auch immer darunter verstehen mag. 48 In Nordrhein-Westfalen besteht gemäß § 1 Abs. 1 Satz 2 Schulfinanzierungsgesetz Schulgeldfreiheit für die öffentlichen Schulen. Für die Privatschulen heißt es in Art. 9 Abs. 2 Satz 3 LVerfNW: „Soweit der Staat für die öffentlichen Schulen Schulgeldfreiheit gewährt, sind auch die in § 8 Abs. 4 genannten Privatschulen berechtigt, zu Lasten des Staates auf die Erhebung von Schulgeld zu verzichten."

Die Privatschulen sind also im Gegensatz zu den öffentlichen Schulen rechtlich nicht gehindert, Schulgelder zu erheben. Nach dem Defizitdeckungsverfahren des Ersatzschulfinanzierungsgesetzes würde die Erhebung von Schulgeldern jedoch die den Privatschulträgern auferlegte Eigenleistungsquote nicht verändern. Denn die Eigenleistungsquote bemisst sich nach den „fortlaufenden Ausgaben der Ersatzschule", die ihrerseits von der Einnahmeseite unbeeinflusst bleibt. Eine Entlastung der Privatschulträger durch die Erhebung von Schulgeldern scheidet also nach dem derzeit geltenden Finanzierungsmodell in Nordrhein-Westfalen aus.

d) Wer definiert die „Erforderlichkeit"? Nach dem oben Gesagten ist „erforderlich" im Sinne des Art. 8 Abs. 4 Satz 3 LVerfNW ein öffentlicher Zuschuss, wenn anders die Existenzfähigkeit der Ersatzschulen als Institution gefährdet wäre. Welche (Über-)Dosis an geforderter Eigenleistung aus dieser Sicht für die Privatschulen sozusagen tödlich ist, weiß man genau erst, wenn es zu spät ist. Soweit darf es nach den verfassungsrechtlichen Vorgaben aber gerade nicht kommen. Fraglich ist also, an welche Werte und zahlenmäßige Orientierungen man sich halten kann. Richtig ist, dass es sich bei der Frage nach der „Existenzfähigkeitsgrenze" um eine Feststellung handelt, die nicht voll rational fixierbar ist, in gewissem Sinne also eine Prognoseentscheidung darstellt. Prognoseentscheidungen ihrerseits werden weitgehend in die Beurteilungsfreiheit der entscheidenden Instanz gestellt. Dies gilt für den Gesetzgeber ebenso wie für die Verwaltung. Da Prognoseentscheidungen durch einen nicht behebbaren Rest an Ungewissheit gekennzeichnet sind, wird generell für Prognoseentscheidungen ein erhebliches Maß an Anstrengungen gefordert, um den ungewissen Rest möglichst gering zu halten und die Prognoseentscheidung nicht in einen Willkürakt entgleiten zu lassen.49 48 BVerfGE 75, 40 (64). 49 Vgl. Ossenbühl, Die Kontrolle von Tatsachenfeststellungen und Prognoseentscheidungen durch das Bundesverfassungsgericht, BVerfG und GG I, 1976, S. 458 (504 f.); Breuer, in:

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Der rationalisierbare Teil einer Prognoseentscheidung bezieht sich nicht in erster Linie auf deren Ergebnis, sondern auf deren Zustandekommen. Denn Prognosen sind keine Erkenntnisse, sondern Wahrscheinlichkeitsurteile. Für Voraussagen aber gibt es keine Wahrheits- oder Richtigkeitskriterien, sondern nur Sorgfaltsmaßstäbe. Einer rationalen Betrachtung zugänglich ist vor allem, ob von einer zutreffenden Datenbasis ausgegangen worden ist und ob der Schluss von der Datenbasis auf die künftige Entwicklung plausibel erscheint. In diesem Zusammenhang gewinnen Erfahrungswerte eine dominierende Rolle. In Erfahrungswerten kristallisiert sich sozusagen die Aussagekraft, die früheren Prognosen zugemessen wurde. Erfahrungswerte bestätigen oder widerlegen bisherige Prognosen. Diese Zusammenhänge sind insofern von besonderer Bedeutung, als die Ersatzschulfinanzierung in Nordrhein-Westfalen auf Erfahrungswerte zurückgreifen kann, die durch eine über mehr als ein halbes Jahrhundert währende Praxis getragen werden. Schon nach den Erfahrungen des ersten Jahrzehnts werden in der Begründung zum Entwurf eines Ersatzschulfinanzierungsgesetzes im Jahre 1960 folgende Erkenntnisse festgehalten: „Geändert sind auch die Bestimmungen über die Eigenleistung der Schulträger. Die Erfahrungen in den letzten Jahren haben gezeigt, daß eine Eigenleistung von 15 v.H. wie sie nach bisherigem Recht vorgesehen ist, vom Schulträger nur in wenigen Fällen aufgebracht werden kann. Zahlreiche Anträge auf Ermäßigung der Eigenleistung, die in einem zeitraubenden Verwaltungsverfahren geprüft werden mußten, waren die Folge. In fast allen Fällen erwies es sich nach sorgfältiger Prüfung der wirtschaftlichen Verhältnisse der Schulträger als notwendig, die Eigenleistung wesentlich zu ermäßigen oder auf sie ganz zu verzicht e "50 ten.

Auf Grund dieser Erfahrungen wurde sodann im Entwurf, der insoweit auch Gesetz geworden ist, die Bereitstellung der Schulräume und der Schuleinrichtung mit Pauschsätzen von 7 v.H. und 2 v.H. der Ausgaben in Ansatz gebracht. In dieser Höhe ist die Ersatzschulfinanzierung bis heute, also über einen Zeitraum von mehr als 40 Jahren beibehalten worden. Dieser entwicklungsgeschichtliche Befund lässt den Schluss zu, dass sich auch in den Jahren seit Erlass des Ersatzschulfinanzierungsgesetzes im Jahre 1961 keine gegenüber den bis zu seinem Erlass gewonnenen Erfahrungen gegenteilige Erkenntnisse gezeigt haben. Die nach geltendem Recht bemessene Eigenleistung hat demnach die Erfahrungen von fünf Jahrzehnten hinter sich. Die Eigenleistungen in dieser Höhe erzeugen deshalb eine tatsächliche Vermutung, dass die seit einem halben Jahrhundert bestehende Höhe der Eigenleistung mit jener Dosis übereinstimmt, die nicht überschritten werden darf, wenn nicht die Existenz der Privatschulen gefährdet werden soll. Soll eine verfassungsrechtliche Verbürgung des Ausgleichsanspruchs der Privatschulen, wie sie in Art. 8 Abs. 4 Satz 3 LVerfNW vorgesehen ist, ihren normatiIsensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, Bd. II, 1989, § 148 Rn. 14 ff.; Badura, ebenda, Bd. VII, 1992, § 163 Rn. 28. 50 LTDrucks. 4/360 S. 9. *

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ven Wert behalten und nicht dem Belieben des Gesetzgebers überantwortet werden, so kann an diesem Befund nicht vorbeigegangen werden. Markiert die bisher geltende Höhe der Eigenleistung den Erfahrungswert eines halben Jahrhunderts, dann ist davon auszugehen, dass dieser Wert das „Erforderliche" auch im Sinne des Art. 8 Abs. 4 Satz 3 LVerfNW definiert. Wer hiervon abweichen möchte, ist zumindest verpflichtet, hierfür nachprüfbare Gründe zu nennen. Die bloße Berufung auf die allgemeine Finanzmisere allein kann nicht als rechtfertigender Grund für Kürzungen des Zuschusses durch Erhöhung der Eigenleistung in Ansatz gebracht werden. Markiert die bisherige Höhe der Eigenleistung jene Grenze, bis zu der der öffentliche Zuschuss gesenkt werden kann, ohne das Existenzminimum der Privatschulen, welches durch die Verfassungsgarantie der Privatschulfreiheit sowohl im Bund wie im Land gewährleistet wird, zu gefährden, so entspricht diese Höhe der Eigenleistung dem Maß, das verfassungsrechtlich von den Privatschulen gefordert werden kann. Die Eigenleistung findet, weil sie die Schwelle zur Existenzunfähigkeit der Privatschulen markiert, hier notwendigerweise ihre unübersteigbare verfassungsrechtliche Grenze. Wer von ihr abweichen will, muss dafür plausible und nachprüfbare Gründe vortragen können. Darauf ist sogleich zurückzukommen.

e) Bestätigung des verfassungsrechtlichen Ansatzes durch Vergleich mit dem Finanzgewährleistungsanspruch der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten Die Quintessenz des vorstehenden verfassungsrechtlichen Ansatzes zur normativen Erfassung des Ausgleichsanspruchs gemäß Art. 8 Abs. 4 Satz 3 LVerfNW besteht darin, das vorhandene Defizit an materiellen Maßstäben für die Bemessung der von den Schulträgern zu erbringenden Eigenleistung durch prozedurale Kautelen wie Begründungspflichten, tatsächliche Vermutungen etc. zu kompensieren. Diese Konzeption hat zur Folge, dass dem Gesetzgeber als jener Instanz, der aufgetragen ist, die Höhe der Eigenleistung zu konkretisieren, solche prozeduralen Pflichten auferlegt werden. Damit ergibt sich eine Konsequenz, die in gewissem Sinne neuartig erscheint. Sie besteht darin, dass der Gesetzgeber gehalten ist, seine Gesetze mit hinreichenden Gründen zu versehen. Der Begründungszwang von Hoheitsakten hat nach der Verfassungsordnung des Grundgesetzes einen hohen rechtsstaatlichen Stellenwert. 51 Ausgenommen von solchem verfassungsrechtlichen Begründungszwang sind allerdings nach herrschender Lehre grundsätzlich die Parlamentsgesetze.52 Der herrschenden Meinung am nächsten kommt immer noch die sehr pointierte Formel „Der Gesetzgeber schuldet nichts anderes als das Gesetz".53 51

Vgl. etwa Jörg Lücke, Begründungszwang und Verfassung, 1987; Uwe Kischel, Die Begründung, 2003. 52 Vgl. Uwe Kischel, Die Begründung, 2003, S. 260 ff.

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Indessen hat das Bundesverfassungsgericht für den verfassungsrechtlich abgesicherten Finanzgewährleistungsanspruch der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten eine konträre Gegenposition begründet, dessen Grundgedanke in gleicher Weise für den hier in Rede stehenden ebenfalls verfassungsrechtlich begründeten Ausgleichsanspruch der Ersatzschulen zutrifft. Aus diesem Grunde sei diese Konzeption hier kurz vorgestellt. Das Bundesverfassungsgericht hat aus der in Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG verbürgten Rundfunkfreiheit das Erfordernis der funktionsgerechten Finanzierung der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten abgeleitet.54 Was den Umfang dieses Finanzgewährleistungsanspruchs anbetrifft, so ergeben sich zum Ausgleichsanspruch der Privatschulen deutliche Parallelen. Der Umfang hat sich zu orientieren an der „Funktionstüchtigkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks", 55 was der „Lebensfähigkeit (Existenzfähigkeit)" als Orientierung beim Ausgleichsanspruch der Privatschulen entspricht. Die gesetzlich zu bestimmenden Mittel müssen das abdecken, was zur Erfüllung der dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk gestellten Aufgabe „erforderlich" ist. 56 Auch insoweit liegt schon semantisch, aber auch der Sache nach Übereinstimmung mit dem Verfassungstext des Art. 8 Abs. 4 Satz 3 LVerfNW vor. Die Schwierigkeit für den Landesgesetzgeber als für das Rundfunkrecht zuständiger Instanz besteht darin, die Höhe der Rundfunkgebühr zu bestimmen, ohne durch deren Festsetzung in den „staatsfreien" Raum der Rundfunkanstalt einzudringen und die den Rundfunkanstalten vorbehaltene Programmfreiheit zu verletzen. Die crux der „staatsfreien Rundfunkgebührenfinanzierung" liegt darin, dass es keine hinreichenden justitiablen objektiven Kriterien gibt, nach denen sich der Finanzbedarf der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten bemessen und kontrollieren lässt. Die Sachrichtigkeit der Finanzierungsentscheidung muss deshalb sozusagen ersatzweise durch geeignete verfahrensrechtliche Modalitäten und Mechanismen kompensiert werden. Deshalb hat das Bundesverfassungsgericht im Gebühren-Urteil einen Verfahrensmodus entwickelt, den die Länder inzwischen in die Form des Rundfunkfinanzierungsstaatsvertrages umgesetzt haben und der gewährleisten soll, den Mangel an vorhandenen objektiven Maßstäben für die Höhe der Rundfunkgebühr möglichst auszugleichen. Verfassungsrechtliche Grundlage ist der in der Grundrechtsdogmatik seit langem bekannte Gedanke des vorverlagerten Grundrechtsschutzes, der immer dann eingreift, wenn nachträglicher Rechtsschutz zu spät käme oder mit materiellen Maßstäben nicht geleistet werden kann. Dieser Gedanke ist nicht auf den Bereich der finanziellen Gewährleistung des Rundfunks beschränkt, sondern hat allgemeine 53

Vgl. Klaus Schiaich, Die Verfassungsgerichtsbarkeit im Gefüge der Staatsfunktionen, VVDStRL 39 (1981), S. 99 (109). 54 BVerfGE 73, 118 (158); 87, 181 (199); 90, 60 (90). 55 BVerfGE 90, 60 (91). 56 BVerfGE 90, 60 (92).

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Bedeutung. Wo materielle Entscheidungsmaßstäbe fehlen oder defizitär sind, muss das insoweit unzureichende materielle Recht durch erhöhte Verfahrensanforderungen ausgeglichen werden. Dies gilt nicht nur für Entscheidungsverfahren der Exekutive, sondern auch für den Gesetzgeber, soweit er verfassungsrechtliche Ansprüche zu konkretisieren hat. Insoweit ist das Gebühren-Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Finanzgewährleistungsanspruch der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten kein Sonderfall, sondern nur Anwendungsbeispiel eines allgemeinen rechtsstaatlichen Prinzips. Dieses Prinzip, welches darauf gerichtet ist, ein Defizit des materiellen Rechts verfahrensrechtlich soweit wie möglich auszugleichen, führt beim Finanzgewährleistungsanspruch der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten dazu, dass die Festsetzung der Rundfunkgebühren eine gesetzgeberische Entscheidung darstellt, die begründungsbedürftig ist. Will der Gesetzgeber von dem Finanzierungsvorschlag der Kommission für die Ermittlung des Finanzbedarfs der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten (KEF) abweichen, muss er hierfür zulässige und nachprüfbare Gründe benennen.57 Es ist also keineswegs ungewöhnlich, sondern vielmehr durch die Besonderheiten verfassungsrechtlicher Gewährleistungen bedingt, wenn der Gesetzgeber bei der Erhöhung der Eigenleistung von Privatschulträgern ebenso wie bei der Gebührenfestsetzung für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk einer Begründungspflicht unterliegt, deren Verletzung zur Verfassungswidrigkeit der von ihm getroffenen Regelung führen kann.

III. Folgerungen Aus dem vorstehend Gesagten ergeben sich für die hier gestellte Frage nach der Zulässigkeit der Erhöhung der Eigenleistung der Schulträger von Ersatzschulen eine Reihe rechtlicher Folgerungen, die abschließend erörtert seien.

1. Verfassungsrechtlicher

Ansatz

Der verfassungsrechtliche Ansatz für die Folgerungen besteht wie dargetan in der aus dem Mangel an materiellen Maßstäben resultierenden rechtsstaatlich notwendigen Kompensation durch verfahrensrechtliche Mechanismen, die sich für die Auslegung und Anwendung des Begriffs „erforderlich" im Sinne des Art. 8 Abs. 4 Satz 3 LVerfNW in einer Begründungspflicht des Landesgesetzgebers manifestieren, wenn er die Eigenleistung der Privatschulträger gegenüber dem status quo erhöhen möchte.

57 BVerfGE 90, 60 (103 f.).

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2. Spezifische Begründungspflicht Die Begründungspflicht des Gesetzgebers muss spezifischen Anforderungen genügen, andernfalls wäre sie als verfahrensrechtliche Sicherung materieller Verfassungsrechtspositionen wertlos. Begründen lässt sich so ziemlich alles. Es kommt stets darauf an, ob die Begründung konkret genug ist und der Sache nach als legitim erachtet werden kann. Schon früher ist darauf hingewiesen worden, dass beispielsweise die Begründung „Alle müssen sparen, also auch die Privatschulen4' aus mehreren Gründen den Anforderungen an eine verfassungsrechtliche Rechtfertigung nicht genügt. Vielmehr müssen die Gründe spezifischen, inhaltlich durch die Verfassungsgarantie der Privatschulfmanzierung vorgegebenen Direktiven entsprechen. In erster Linie stellt sich also die grundsätzliche Frage, welche Direktiven für die Begründung sich aus dem Verfassungsbegriff der „Erforderlichkeit" ableiten lassen. Entsprechen die vom Landesgesetzgeber vorgebrachten Gründe diesen Anforderungen nicht oder werden überhaupt keine Gründe genannt, so ist die gesetzliche Erhöhung der Eigenleistung der Privatschulträger verfassungswidrig. Die bereits früher begonnenen Erörterungen über den Verfassungsbegriff der „Erforderlichkeit" im Sinne des Art. 8 Abs. 4 Satz 3 LVerfNW sind hier wieder aufzunehmen und unter dem Gesichtspunkt fortzuführen, welche Anforderungen sich aus diesem Begriff für die erforderliche Begründung einer Erhöhung der Eigenleistung ergeben. Nach der Wortfassung des Art. 8 Abs. 4 Satz 3 LVerfNW ist die „Erforderlichkeit" des „öffentlichen Zuschusses" bezogen auf „die Durchführung ihrer (den Ersatzschulen obliegenden) Aufgaben und zur Erfüllung ihrer Pflichten". Erforderlich im Sinne der Verfassungsgarantie ist demzufolge der „Zuschuss", d. h. der Geldbetrag, der notwendig ist, damit die Ersatzschulen das von ihnen zu erfüllende Schulprogramm ordnungsgemäß erfüllen können. Bemessungsgröße ist demnach der Gesamtbedarf einer Ersatzschule abzüglich Eigenleistung des Schulträgers. Daraus folgt, dass der „erforderliche öffentliche Zuschuss" nur dann geändert, insbesondere vermindert werden kann, wenn sich entweder die Eigenleistung ändert oder der Gesamtfinanzbedarf der Ersatzschule.58 Daraus ergibt sich wiederum unausweichlich, dass eine Verringerung des „erforderlichen öffentlichen Zuschusses" gemäß Art. 8 Abs. 4 Satz 3 LVerfNW nur dann in Betracht kommt, wenn entweder der Gesamtfinanzbedarf der Ersatzschule gesenkt oder deren Eigenleistung zulässigerweise erhöht wird. Wie in früherem Zusammenhang dargetan 59 scheidet eine Erhöhung der Eigenleistung aus, weil deren bisherige Höhe eine Belastungsgrenze markiert, die auf Erfahrungswerten beruht, welche sich in mehr als 50 Jahren der Praxis herausgebildet haben und fortlaufend bestätigt worden sind. Insoweit spricht für die Erforderlichkeit des öffentlichen Zu58

Ausgeklammert bleiben die Einnahmen der Ersatzschule. Insbesondere Schulgelder haben, wie früher gezeigt, auf die Höhe der Eigenleistung keinen Einfluss. 59 Vgl. oben S. 114 ff.

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schusses in der gegenwärtigen Höhe eine tatsächliche Vermutung, die nur durch Gründe widerlegt werden kann, welche plausibel zu belegen vermögen, dass sich in der Finanzierungskraft der Ersatzschulen gegenüber dem bisherigen Zustand etwas zum Positiven verändert hat. Davon kann aber keine Rede sein. Der in Betracht stehende Gesetzentwurf benennt als Grund für die Erhöhung der Eigenleistung eine „anhaltende Wachstumsschwäche in der Bundesrepublik" und eine damit verbundene Finanznot für den Staatshaushalt. Von dieser „anhaltenden Wachstumsschwäche" sind jedoch die Träger der Ersatzschulen in gleichem Maße wie der Staat betroffen. Ebenso wie der Staat mit der Finanzierung seiner Aufgaben kommen auch die Ersatzschulträger angesichts der Wachstumsschwäche bei der Aufbringung schon der bislang geltenden Eigenleistungen in Schwierigkeiten. Denn ihnen fehlen die Einnahmen in gleicher Weise wie dem Staat, zumal dann, wenn der Schulträger wie die Kirchen ebenso wie der Staat auf Steuereinnahmen angewiesen ist. Es ist also nicht ersichtlich, dass sich auf Seiten der Privatschulträger - etwa im Gegensatz zum Staat - die Finanzlage etwa verbessert hätte, was eine Erhöhung der Eigenleistung zu rechtfertigen vermöchte. Muss also davon ausgegangen werden, dass eine erhöhte Eigenleistung von den Ersatzschulen nicht aufgebracht werden kann, so ergibt sich notwendigerweise die Konsequenz, dass die Ersatzschulen entweder geschlossen werden müssen oder dass sie den Anforderungen, die die ihnen obliegenden Aufgaben und Pflichten stellen, nicht mehr voll gerecht werden können, also nur noch betrieben werden können, wenn sie „unter dem Durchschnitt" bleiben und damit jedenfalls auf Dauer zum Aufsichtsfall werden. Den verfassungsgerechten Zustand kann der Landesgesetzgeber bei beibehaltener Erhöhung der Eigenleistung dann nur wieder herstellen, indem er die Faktoren für den gesamten Schulbedarf der Ersatzschulen senkt, also die Schulausbildung herunterpegelt, was wiederum nur zulässig ist, wenn dies gleichzeitig auch für die öffentlichen Schulen geschieht.

3. Zur Zulässigkeit von Gründen für die Erhöhung der Eigenleistung a) Nochmals: die allgemeine Finanznot des Staates Auch der Hinweis auf die allgemeine Finanznot des Staates ist kein zulässiger Grund zur Erhöhung der Eigenleistung der Privatschul träger. Als verfassungsrechtlicher Ausgleichsanspruch hat die Ersatzschulfinanzierung gemäß Art. 8 Abs. 4 Satz 3 LVerfNW Verfassungsrang und damit auch grundsätzlich Vorrang vor anderen verfassungsrechtlich nicht geforderten Ausgaben des Staates. Insoweit sind zunächst alle möglichen Einsparpotentiale auszuschöpfen, bevor verfassungsrechtlich garantierte Ausgleichsansprüche gekürzt werden dürfen. Es wird beispielsweise niemand begreifen, dass in der Bundesrepublik Deutschland im Jahre 2003 36 Mio. € für die Subventionierung nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts rechtswidriger (!) Abtreibungen ausgegeben worden sind, es dagegen an der Bereitstellung ausreichender Kindergartenplätze immer noch fehlt. 60

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Wenn die Finanznot des Staates so groß ist, dass auch für die Finanzierung verfassungsrechtlich statuierter Ausgleichsansprüche keine Mittel mehr zur Verfügung stehen, dann bleibt aus verfassungsrechtlichen Gründen nur der Weg, den gesamten Schulbedarf, mit anderen Worten die für die Schulkosten maßgeblichen Faktoren wie Stundenzahl, Schulausstattung einschließlich Hardware und dgl. zu senken, um auf diese Weise den Ausgleich zwischen Ausgaben und Einnahmen wiederherzustellen. Den staatlichen finanziellen Überdruck auf die ebenso wenig wie der Staat finanziell ausgestatteten Schulträger abzuwälzen, ist kein verfassungsrechtlich zulässiger Weg. Dies gilt auch im Hinblick auf das Argument der Abwägung mit anderen wichtigen Gemeinschaftsbelangen. 61 Wenn die staatlichen Einnahmen insgesamt nicht mehr ausreichen, dann muss der entsprechende Staatsbedarf, hier: der Schulbedarf für das gesamte Schulwesen, herabgesetzt werden, für die öffentlichen Schulen gleichermaßen wie für die Ersatzschulen. Damit lassen sich dann Einsparpotentiale erzielen. Da dies politisch selbstredend völlig inopportun ist, wird der Weg der Erhöhung der Eigenleistung der Schulträger versucht, der aber verfassungsrechtlich unzulässig ist, weil schon die bisherige Eigenleistung die äußerste Grenzmarke der möglichen Belastung der Schulträger markiert.

b) Vergleichbarkeit mit öffentlichen Schulen Auch die Vergleichbarkeit mit den öffentlichen Schulen liefert kein zulässiges Argument für die Erhöhung der Eigenleistung. Der Satz, dass der Staat nicht verpflichtet sei, die Privatschulen besser zu stellen als die öffentlichen Schulen, ist richtig, aber zu ergänzen dahin, dass der Staat auch nicht berechtigt ist, die Privatschulen schlechter zu stellen als die öffentlichen Schulen, jedenfalls was den zu Grunde zu legenden Schulbedarf anbetrifft. Für das hier gestellte Problem lässt sich aus dem Besser- bzw. Schlechterstellungsverbot für eine Erhöhung der Eigenleistung nichts herleiten.

c) Ausnutzung „naheliegender Hilfsquellen"? In Rechtsprechung und Schrifttum spielt bei der Ersatzschulfinanzierung gelegentlich auch die Frage der Ausschöpfung sog. „naheliegender Hilfsquellen" als dem „erforderlichen öffentlichen Zuschuss" vorgehende Finanzierungsmittel eine Rolle. 62 Es liegt nahe, die Ausschöpfung „naheliegender Hilfsquellen" auch mit 60 Vgl. Georg Paul Hefty, Die Subventionierung der Abtreibungen, F.A.Z. vom 4. Januar 2004, S. 8. 61 Dazu bereits oben S. 107 ff. 62 Vgl. BVerwGE 27, 360 (365 f.); OVG NW DVB1 1983, 358 (359); Müller/Pieroth/ Fohmann, Leistungsrecht im Normbereich einer Freiheitsgarantie, 1982, S. 279 ff.; Ralf

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der Frage der generellen Erhöhung der Eigenleistungsquote für Privatschulträger thematisch in Verbindung zu bringen. Um festzustellen, ob sich eine solche thematische Verbindung herstellen lässt, ist zunächst der Sachzusammenhang darzulegen, in welchem die Figur der „naheliegenden Hilfsquellen" verwendet worden ist. Zuerst taucht der Begriff der „Hilfsquellen" in der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts aus dem Jahre 1967 auf. In dieser Entscheidung formuliert das Gericht „Grundsätze", die es der Privatschulgarantie des Art. 7 Abs. 4 GG entnimmt. Einer dieser Grundsätze lautet wie folgt: „Die Ersatzschule muß der Hilfe bedürfen, das muß sie durch volle Offenlegung der wirtschaftlichen Verhältnisse der Schule bei der Gewinn- und Verlustrechnung nachweisen. Verluste, die durch eine nicht sachgemäße, insbesondere unwirtschaftliche Führung der Schule entstanden sind, bedürfen keines staatlichen Ausgleichs. Insoweit muß sich die privatrechtliche Gestaltungsmöglichkeit der Schule voll auswirken. Dazu gehören die Ausnutzung und naheliegende Erschließung von sonstigen Hilfsquellen (z. B. Leistungen von Stiftungen und Hilfsvereinen); ein Fehlbetrag muß unvermeidbar erscheinen." 63 Die vorgenannte Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts betraf einen Fall, in welchem der Schulträger die Verpflichtung zur Erbringung einer Eigenleistung insgesamt bestritt und vom Land vollen Ausgleich des Haushaltsfehlbetrages der Schule verlangte. Vor diesem Klagehintergrund muss man die Ausführungen in den Urteilsgründen sehen. An anderer Stelle ist davon die Rede, dass der Schulträger als Unternehmer einen „geringen Fehlbetrag aus der Gewinn- und Verlustberechnung" selbst zu tragen habe. Der im Urteilstext enthaltene Hinweis auf die „Ausnutzung und naheliegende Erschließung von sonstigen Hilfsquellen (z. B. Leistungen von Stiftungen und Hilfsvereinen)" betrifft lediglich die Frage des Vorrangs eigener Finanzierungsmöglichkeiten vor denen des Staates.

Diese vorgehenden Finanzierungsmöglichkeiten sind bei den auf Grund einer mehr als 50 Jahre dauernden Finanzierungspraxis gewonnenen Erfahrungswerten aber in die bisherige Festsetzung der Höhe der Eigenleistung einbezogen, weil solche „naheliegenden Hilfsquellen" bei den Anträgen, die auf Herabsetzung der Eigenleistung unter die gesetzlich generell festgelegte Quote gerichtet sind, mitgeprüft werden. Insbesondere wäre es abwegig, eine Erhöhung der Eigenleistung des Schulträgers mit der Begründung vornehmen zu wollen, die bisherigen unterschiedlich hohen, ungewissen und nicht berechenbaren Zuwendungen von Stiftungen oder Elternvereinen müssten in Zukunft weiter aktiviert und intensiviert werden. Dies würde bedeuten, dass ein Teil der Eigenleistung auf rechtlich wie ökonomisch völlig unsicheren Boden gestellt würde. Denn in einer Zeit anhaltender Wachstumsschwäche bleiben selbstredend auch die Spenden aus. Bernhard, Zu den verfassungsrechtlichen Grenzen staatlicher Sparmaßnahmen bei der Privatschulfinanzierung, DVB1 1983, 299 (305). 63 BVerwGE 27, 360 (365 f.); dazu Müller/Pieroth/Fohmann, a. a. O.

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Den Fall einer Anwendung der Härteklausel des § 6 Abs. 4 EFG betraf die weitere einschlägige Entscheidung des OVG NW aus dem Jahre 1982.64 Diese Entscheidung erörtert eine Problematik, die außerhalb des hier gestellten thematischen Zusammenhangs der generellen Erhöhung der Eigenleistung steht. Sie betrifft nämlich einen die Beurteilung eines konkreten Einzelfalles an den Maßstäben der Härteklausel des § 6 Abs. 4 EFG, die eine Herabsetzung der Eigenleistung auf 2 v.H. erlaubt, „wenn dem Schulträger unter Berücksichtigung seiner sonstigen Einkünfte und Verpflichtungen eine höhere Eigenleistung nicht zuzumuten ist". Die Härteklausel ermöglicht also eine konkret-individuelle Festsetzung der Eigenleistung, die hinter dem Maß des verfassungsrechtlichen Ausgleichsanspruchs gemäß Art. 8 Abs. 4 Satz 3 LVerfNW zurückbleibt und ihrerseits nicht mehr verfassungsrechtlich garantiert ist. Aus diesem Grunde unterliegt die Härteklausel auch in vollem Umfange der Dispositionsbefugnis des Gesetzgebers, bildet also insoweit jedenfalls verfassungsrechtlich Freiraum für Sparmaßnahmen. Da die Härteklausel außerhalb der verfassungsrechtlichen Verbürgung des Ausgleichsanspruchs steht, kann die Härte-Entscheidung auch dem Ermessen der Verwaltung anheim gestellt und anderen Entscheidungskriterien unterworfen werden als der verfassungsrechtliche Ausgleichsanspruch. Insbesondere können bei der Anwendung der Härteklausel konkrete „naheliegende Hilfsquellen" Berücksichtigung finden, auch solche, bei denen fortlaufende und rechtlich gesicherte Einnahmen nicht zu erwarten sind. In diesem Themenspektrum bewegt sich die vorgenannte Entscheidung des OVG NW, die deswegen für die hier interessierende Frage der generellen Erhöhung der Eigenleistung keine Hilfe zu bieten vermag.

d) „Solidarbeitrag" Ein gern verwendeter Terminus für die Begründung von Finanzverzichten ist der Begriff des „Solidarbeitrages". Hier soll schon der Begriff selbst die Begründung für den Finanzverzicht liefern. „Solidargemeinschaft" ist ein sympathischer Begriff, der mit einem inneren moralischen Zwang verknüpft ist. Wer sich nicht solidarisch verhält, lenkt zumindest den Verdacht der Illoyalität auf sich, handelt letztlich unmoralisch. Aus dieser Sicht könnte etwa die mit Frage 2 angesprochene Variante, die Eigenleistung lediglich für das Jahr 2005 um 1,5 v.H. zu erhöhen, als „Solidarbeitrag" deklariert und damit in jene Zone gehoben werden, in der durch den moralischen Anspruch des Begriffs die Argumentationslast faktisch umgekehrt wird. Aus der dargelegten verfassungsrechtlichen Konzeption der Ersatzschulfinanzierung widerlegt eine Erhöhung der Eigenleistung der Privatschulträger mit dem Eti64 OVG NW DVB1 1983, 358. An die Stelle von § 6 Abs. 4 EFG ist § 106 Absatz 7 Schulgesetz getreten.

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kett als „Solidarbeitrag" sich selbst. Solidarbeitrag kann ja nur meinen, dass „Jeder" sparen muss, auch derjenige, der wenig hat; sein Sparbeitrag, mag er auch gering sein, ist Zeugnis der Zugehörigkeit zu der von der Finanznot betroffenen Solidargemeinschaft. Diese Begründung mag unter gleichrangigen Ansprüchen auf Staatsleistungen eingesetzt werden können. Im Verhältnis zwischen verfassungsrechtlich abgesicherten und einfachgesetzlich normierten Ansprüchen verfängt sie nicht. Letztlich läuft die Berufung auf einen Solidarbeitrag auf die oft wiederholte und schon erörternde Formel hinaus „Alle müssen sparen, auch die Privatschulen". Dass dieses Motto eine gesetzliche Erhöhung der Eigenleistung nicht zulässig zu begründen vermag, ist schon mehrfach dargetan worden. Ein über die durch Erfahrungswerte bestätigte Grenzwertigkeit der geltenden Eigenleistung hinausgehendes stärkeres finanzielles Engagement der Privatschulträger zu verlangen, würde etwa bei den Kirchen bedeuten, dass sie ihr anderen Zwecken dienendes Vermögen entwidmen und den von ihnen getragenen Schulen zuführen müssten. Dies aber bedeutet letztlich eine Sondersteuer für Privatschulträger, zugleich einen verfassungswidrigen Eingriff in ihre Vermögensdispositionen. „Das dem Schulzweck nicht gewidmete persönliche Vermögen des Schulträgers kommt als Ausgleich für einen Fehlbetrag nicht in Betracht, weil es unbillig erscheint, zum Zweck der Erfüllung der im öffentlichen Interesse liegenden Erhaltung der Schule vorab die Aufopferung des gesamten Vermögens des Schulträgers zu verlangen." 65

4. Nachprüfbare

Gründe

Gründe, die eine Erhöhung der Eigenleistung tragen sollen, müssen „nachprüfbar" sein. 66 Dies bedeutet, dass sie so gefasst sein müssen, dass sie eine Kontrolle ermöglichen. Die nachprüfbaren Gründe müssen der Funktion der Kontrolle und dem Erfordernis der Transparenz gerecht werden. Die Begründung hoheitlicher Entscheidungen soll Rationalität vermitteln. 67 Gründe sind nur dann nachprüfbar, wenn sie ein Mindestmaß an Nachvollziehbarkeit und Eindeutigkeit aufweisen. Bloße formelhafte Wendungen, die von der konkreten Frage und Situation abheben und vielfach verwendbar sind, so wie sie in dem hier in Rede stehenden Gesetzentwurf benutzt werden, genügen dem nicht. Fehlt das erforderliche Minimum an Nachvollziehbarkeit und Eindeutigkeit, liegen keine nachprüfbaren Gründe vor, ist also die Erhöhung der Eigenleistung letztlich 65 BVerwGE 27, 360 (366). 66 Vgl. für den Parallelfall der Finanzgewährleistung der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten BVerfGE 90, 60 (104). 67 Uwe Kischel, Die Begründung, 2003, S. 338.

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ohne Begründung vorgenommen worden und aus diesem Grunde verfassungswidrig·

IV. Gesamtergebnis Das Ergebnis der vorstehenden Erörterungen ist wie folgt zusammenzufassen: 1. Als Privatschulen sind die Ersatzschulen in die Privatschulgarantie des Art. 7 Abs. 4 GG ebenso eingeschlossen wie in die über das Grundgesetz hinausgehenden Verbürgungen des Art. 8 Abs. 4 der Landesverfassung für Nordrhein-Westfalen (LVerfNW). Bundesverwaltungsgericht und Bundesverfassungsgericht haben aus Art. 7 Abs. 4 GG einen verfassungsrechtlichen Anspruch auf Subventionierung der Privatschulen abgeleitet. Vom Bundesverfassungsgericht wird die staatliche Förderpflicht aus Art. 7 Abs. 4 GG als Kompensation für die in der Verfassung selbst vorgesehenen Beschränkungen der Privatschulfreiheit verstanden, die ihrerseits dem Ziel der Gleichwertigkeit und Einheitlichkeit des Schulwesens dienen. Private Schulträger sind heute nicht mehr in der Lage, die in Art. 7 Abs. 4 GG vorgesehenen Genehmigungsvoraussetzungen zu erfüllen. Deshalb trifft den Staat ihnen gegenüber eine „sozialstaatliche Einstandspflicht". 2. Art. 7 Abs. 4 GG steht dem Erfordernis einer Eigenleistung des Privatschulträgers nicht entgegen. Die Eigenleistung des Privatschulträgers entspricht dem vom Grundgesetz übernommenen „Bild der Privatschule". Die Eigenleistung muss „angemessen" sein. Greifbare Kriterien für die Angemessenheit werden in der Rechtsprechung nicht genannt. 3. Die Privatschulgewährleistung des Art. 8 Abs. 4 der Landesverfassung für Nordrhein-Westfalen geht in zwei Punkten über die Garantie des Art. 7 Abs. 4 GG hinaus. Zum einen durch die Anordnung der Gleichberechtigung von Privatschulen und öffentlichen Schulen; zum anderen durch die Statuierung eines ausdrücklichen spezifischen verfassungsrechtlichen Anspruchs auf Zuschussgewährung in Gestalt eines subjektiv-öffentlichen Rechts der Ersatzschulen. 4. Der verfassungsrechtliche Ausgleichsanspruch gemäß Art. 8 Abs. 4 Satz 3 LVerfNW ist der Höhe nach nicht beziffert. Insoweit bedarf er der einfachgesetzlichen Konkretisierung durch den Landesgesetzgeber. Der Gesetzgeber muss den Verfassungsbegriff der „Erforderlichkeit" in einen bezifferbaren Anspruch ausformen, ist dabei jedoch an verfassungsrechtliche Direktiven gebunden. 5. Der Verfassungsrang der Ersatzschulfinanzierung verbietet es, ihn bei notwendigen Ausgabenkürzungen mit solchen Ansprüchen gleichzusetzen, die lediglich auf einfachen Landesgesetzen oder Rechtsverordnungen beruhen. Dies geschieht im hier in Betracht stehenden Gesetzentwurf der Landesregierung.

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6. Der unbestimmte Verfassungsbegriff der „Erforderlichkeit" im Sinne des Art. 8 Abs. 4 Satz 3 der LVerfNW bezieht sich primär auf die Höhe des „öffentlichen Zuschusses", erfasst aber insofern auch die Höhe der Eigenleistung der Privatschulträger, als die Eigenleistung in die Bestimmung der Zuschusshöhe eingeht. Für die Bestimmung der Höhe der Eigenleistung fehlen greifbare, an zahlenmäßige Fixierung angenäherte Kriterien. Das damit gegebene Defizit an materiellen verfassungsrechtlichen Maßstäben muss durch verfahrensrechtliche Kautelen ausgeglichen werden, wenn die Verfassungsgarantie des Art. 8 Abs. 4 Satz 3 LVerfNW ihren normativen Charakter behalten und ihre Grundrechtsbedeutung nicht verlieren soll. Eine deutliche Parallele ergibt sich insoweit zur Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur grundrechtlichen Finanzgewährleistung des öffentlichrechtlichen Rundfunks. 7. Für die Festsetzung der Höhe der Eigenleistung folgt aus der das Defizit an materiellen Maßstäben kompensierenden Verfahrenskonzeption, dass dem Landesgesetzgeber bei der Ausformung des Ausgleichsanspruchs verfassungsrechtlich begründete Verfahrenspflichten, insbesondere Begründungspflichten obliegen. Die verfassungsrechtliche Gewährleistung des Ausgleichsanspruchs gemäß § 8 Abs. 4 Satz 3 LVerfNW erzeugt eine spezifische Begründungspflicht für den Gesetzgeber.

Die Entlastung des Staates als Grund der Finanzhilfe Von Martin Richter, Berlin I. Einführung Schulen in freier Trägerschaft ersparen den Ländern erhebliche Ausgaben für das staatliche Schulsystem. Da liegt es nahe, die umstrittenste Frage des Rechts der Schulen in freier Trägerschaft, die Höhe der staatlichen Finanzierung, über die Entlastung des Staates zu lösen. Der Gedanke, dass über den Einspareffekt, den die freie Schule für den Staat erbringt, die Höhe der Finanzhilfe zu steuern ist, hat auf den ersten Blick etwas Bestechendes, denn - so scheint es - hiermit ist ein objektives1, gerechtes, plausibles Kriterium gewonnen, mit dem sich der Umfang der Finanzhilfe bestimmen lässt. Das Argument der Entlastung des Staates als maßgebender Gesichtspunkt für die staatliche Finanzhilfe für Schulen in freier Trägerschaft wird in der Rechtsprechung in verschiedenen Funktionen und mit unterschiedlicher Zielrichtung verwendet. Im Folgenden wird der Frage nachgegangen, in welchen Funktionen das Entlastungsargument in der Rechtsprechung des BVerwG und des BVerfG zum verfassungsrechtlich gebotenen Umfang der staatlichen Finanzhilfe verwendet wird (II.) und ob diese Funktionen mit grundgesetzlichen Vorgaben, insbesondere der Privatschulfreiheit nach Art. 7 Abs. 4 GG, vereinbar sind (III.). Weitere verfassungsrechtliche Fragen der Finanzhilfe wie die Höhe der geforderten Eigenleistung2 oder der Vorbehalt dessen, was vernünftigerweise von der Gesellschaft erwartet werden kann3, bleiben hier außer acht, auch wenn sie durchaus im Zusammenhang mit dem Entlastungsargument gesehen werden könnten. 1 Schon hier ergibt sich allerdings eine Schwierigkeit. Die Kostenentlastung ist schon deswegen nicht einfach zu bestimmen, weil das Land die Kosten des staatlichen Schulwesens nicht angeben kann oder die Einbeziehung verschiedener Faktoren im Streit steht. Zur Berechnung der Ausgaben für das staatliche Schulwesen als Orientierungsrahmen für die Finanzhilfe vgl. Haug in Müller/Jeand'Heur, Zukunftsperspektiven der freien Schule, 2. Aufl. 1996, S. 195 ff. 2 Vgl. hierzu BVerfGE 90, 117 = SPE 3. F. 3. F. 236 Nr. 23; BVerfG SPE 3. F. 236 Nr. 28; hierzu Vogel, in: Müller/Jeand'Heur (Fn. 1), S. 100 ff.; ders., RdJB 1998, S. 206 ff.; ders., RdJB 2005, 258 ff.; Jach, Festschrift Vogel, 1998, S. 79 ff. 3 BVerfGE 75, 40 = SPE 3. F. 236 Nr. 15, C III. 4; DÖV 94, 15 = SPE 3. F. 236 Nr. 23,1 2 c; BVerfG SPE 3. F. 236 Nr. 28, B. II 2 a bb; III. 4; BVerfGE 112, 74 = NVwZ 2005, S. 923 ff., Β I. 1. Kritisch zu diesem Vorbehalt Jach (Fn. 2), S. 91 ff.

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Das Entlastungsargument taucht bereits bei der Entstehung des Grundgesetzes auf: Der Herrenchiemseer Entwurf regelte das Privatschulwesen nicht. Bei den Beratungen im Parlamentarischen Rat wurde beantragt, dass private Schulen zugelassen und die durch ihre Tätigkeit den öffentlichen Erziehungsanstalten ersparten Kosten erstattet werden sollten4. Dieser Antrag konnte sich jedoch nicht durchsetzen; der Anspruch auf Finanzhilfe wurde in der Debatte als „vollkommene Unmöglichkeit" bezeichnet. Bei einem neuerlichen Antrag der FDP-Fraktion zur Regelung des Privatschulwesens führte der Einbringer Heuss aus: „Denn das wäre geradezu eine Prämiierung für solche Schulen, würde ihnen ihren Leistungscharakter der Freiwilligkeit nehmen und den Staat gleichzeitig von seiner verdammten Pflicht, für das Bildungswesen der Deutschen nach bestem Gewissen zu sorgen, allzusehr entlasten..." In der weiteren Debatte bei der Entstehung der dann endgültigen, bis heute maßgebenden Formulierung hat die Frage der Finanzierung keine Rolle mehr gespielt5.

II. Das Entlastungsargument in der Rechtsprechung 7. Bundesverwaltungsgericht Das BVerwG entschied erstmals 1966 über die Finanzhilfe. Es führte aus: „Die Entwicklung hat... dazu geführt, dass nicht nur die Chancen der Privatschulen, Schüler zu erhalten, sich wesentlich verschlechtert haben, sondern der Staat auch, wenn ein Schüler eine gleichwertige Privatschule besucht, entsprechende Zuschüsse, wie die durch die angeführten Vergünstigungen erforderlich werden, erspart. Diese beiden rechtlichen Gesichtspunkte, die Verletzung des Grundsatzes der Chancengleichheit und die Wahrnehmung öffentlicher Bildungsaufgaben durch eine gleichwertige Privatschule, müssen dazu führen, dass ein Anspruch auf Subventionierung nicht grundsätzlich verneint werden kann. Er ergibt sich aus den Art. 3 in Verbindung mit 7 Abs. 4 GG, ohne dass es einer besonderen landesgesetzlichen Regelung bedarf ... Insbesondere wird zu berücksichtigen sein, dass den Ländern ein weiter Spielraum zusteht, in welcher Form eine Subventionierung erfolgen soll, und dass die Subventionierung auch davon abhängig gemacht werden kann, ob die betreffende Privatschule wirklich eine Bildungsaufgabe des Staates erfüllt und ihm insoweit durch die Ausbildung der Schüler, die sie in ihre Schule aufgenommen hat, Kosten erspart. Weder aus den vorstehend angeführten Grundsätzen noch etwa aus dem Sozialstaatsgedanken ergibt sich die rechtliche Folgerung, dass jede Privatschule einen Anspruch auf staatliche Förderung hat und dem Träger der Privatschule das Unternehmerrisiko abgenommen werden muss."6

Entscheidend waren also folgende Gesichtspunkte: (1) Freie Schulträger haben dem Grunde nach einen Anspruch auf Finanzhilfe aus Art. 7 Abs. 4 i. V. m. Art. 3 Abs. 1 GG, da der Staat die Möglichkeit 4 Zitiert nach BVerfGE 75, 40 ff. = SPE 3. F. 236 Nr. 15, C I . 1 . 5 Zitiert nach BVerfG a. a. O. 6 BVerwGE 23, 347 = SPE 3. F. 236 Nr. 1.

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des Wettbewerbs zwischen staatlichen und privaten Schulen ermöglichen muss. (2) Die Schulen in freier Trägerschaft nehmen eine staatliche Aufgabe wahr. Hierdurch erspart der Staat Aufwendungen. Der Träger der freien Schule hat also einen Anspruch auf Erstattung des Betrages, den der Staat konkret zur Beschulung der jeweiligen Schüler nicht aufwenden musste. Es wird also ein öffentlich-rechtliches Auftragsverhältnis zwischen Staat und freiem Träger angenommen, das zu einem öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch des freien Trägers führt. (3) Der Aspekt der Entlastung des Staates ist also nicht nur Grund der Finanzhilfe, sondern steuert auch die Höhe. Dabei geht das Gericht von einer auf die konkrete Schule bezogenen Betrachtung aus. Schon 1967 verabschiedete sich das Bundesverwaltungsgericht teilweise von diesem Ansatz: „[Der Bezug auf das Gleichstellungsgebot bei der Begründung der Finanzierungspflicht] wird allerdings nicht von entscheidender Bedeutung sein, weil sich aus Art. 3 GG kein Gebot wirtschaftlicher Gleichstellung öffentlicher und privater Einrichtungen mit gleichem Zweck ergibt. Wohl aber ist daran festzuhalten, dass die privaten Ersatzschulen wegen ihrer Bedeutung für die Volksbildung erhalten werden müssen; ihre Einrichtung wird in Art. 7 Abs. 4 Satz 1 GG gewährleistet, damit sie neben dem Staat und an seiner Stelle öffentliche Bildungsaufgaben erfüllen... Ein Auftrags Verhältnis entsteht dadurch aber nicht, so dass sich der Anspruch auf staatliche Hilfe keineswegs als ein öffentlich-rechtlicher Ersatzanspruch darstellt. Der Rechtsgrund für diesen Anspruch liegt in der verfassungsrechtlich verankerten Notwendigkeit und Verpflichtung des Staates, die Einrichtung der privaten Ersatzschulen zu erhalten.. ." 7 .

Die Aussagen zum öffentlich-rechtlichen Auftragsverhältnis und zum Erstattungsanspruch bleiben leider ohne Begründung. 1969 taucht der Aspekt der Entlastung des staatlichen Schulwesens in der Judikatur des BVerwG wieder auf, diesmal als Argument für den Grund der Finanzhilfe; abzuwehren galt die Auffassung des Berufungsgerichts, das davon ausging, staatliches und freies Schulwesen seien wirtschaftlich gleichzustellen8. Erstmals begrenzende Funktion erhält das Entlastungsargument in einem Beschluss aus dem Jahr 1973: „Die Begrenzung der staatlichen Hilfe auf den Umfang der Lehrerkosten, der dem Lehrerbedarf für die öffentlichen Volksschulen des beklagten Landes entspricht, rechtfertigt sich schon daraus, dass die private Volksschule des Klägers nur insoweit das beklagte Land in seiner Bildungsaufgabe tatsächlich entlastet. Das Begehren des Klägers läuft darauf hinaus, dass auf Kosten des Staates seine private Volksschule mit Lehrkräften besser aus7 BVerwGE 27, 360 = SPE 3. F. 236 Nr. 2. 8 BVerwG SPE 3. F. 236 Nr. 4, hier unter II.l 9 Hufen/Vogel

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gestattet wird als die in dem beklagten Lande bestehenden öffentlichen Volksschulen. Eine derart weitgehende Verpflichtung des Staates sieht Art. 7 Abs. 4 GG nicht vor." 9

Das Gericht bleibt hierbei bei der Linie der Begründung der Finanzhilfe über die Entlastung des Staates.

2. Bundesverfassungsgericht Mit seinem Finanzhilfeurteil aus dem Jahr 1987 10 hat das BVerfG die Finanzhilfe für die freien Schulen auf eine neue Grundlage gestellt11. Maßgebend ist, dass freie Schulträger die Genehmigungsvoraussetzungen des Art. 7 Abs. 3 Sätze 3 und 4 GG heute nicht mehr aus eigener Kraft erfüllen können. Um zu vermeiden, dass das Grundrecht leer läuft, muss sich die staatliche Garantie zu einer Förderpflicht ausweiten. Ob die Entlastung für die Förderpflicht von Bedeutung ist, wird ausdrücklich offen gelassen: „Ob hierbei der Umstand zu berücksichtigen ist, dass die privaten Ersatzschulen, wie das Bundesverwaltungsgericht in seiner Rechtsprechung zur Privatschulfinanzierung mehrfach herausgestellt hat, schon durch ihre in Art. 7 Abs. 4 Satz 2 GG vorausgesetzte ,Ersatz'-Funktion dem Staat eigene (finanzielle) Aufwendungen ersparen und so die öffentlichen Haushalte entlasten, bedarf keiner abschließenden Beantwortung. Die staatliche Schutzpflicht privater Ersatzschulen findet ihre Rechtfertigung jedenfalls nicht vorrangig in einer Art Aufwendungsersatz für die Wahrnehmung staatlicher (hoheitlicher) Aufgaben durch Private, sondern in der Förderung eigenverantwortlicher Miterfüllung der durch Art. 7 Abs. 4 Satz 1 GG gerade auch der Privatinitiative überlassenen allgemeinen (öffentlichen) Bildungsaufgaben." 12

Im Ergebnis erhält das freie Schulwesen damit auch bei den verfassungsrechtlichen Grundlagen der Finanzierung einen eigenen, von einer bloßen Komplementärfunktion unabhängigen Ort. In der Folgezeit weichte das BVerfG die im Finanzhilfeurteil scheinbar klar konturierte Förderpflicht wieder auf 13 . Für diese Entwicklung hatte die Entscheidung - etwa durch den „Vorbehalt dessen, was vernünftigerweise von der Gesellschaft erwartet werden darf 4 1 4 - viel Raum gelassen. Dabei taucht auch das Entlastungsargument wieder auf, nun aber in neuer Funktion: Wurde es bisher - in der Judikatur des BVerwG - für die Begründung und Höhe eines verfassungsrechtlichen An9 BVerwG SPE 3. F. 236 Nr. 5, II. 10 BVerfGE 75, 40 = SPE 3. F. 236 Nr. 15. n Ausführlich hierzu die Beiträge in Müller/Jeand'Heur (Fn. 1) sowie die Dokumentation von Pieroth / Schuppert, Die staatliche Privatschulfinanzierung vor dem Bundesverfassungsgericht, 1988. 12 BVerfGE 75, 40 = SPE 3. F. Nr. 15, C II. 2. c 13 Zusammenfassende Darstellung bei Vogel, RdJB 2005, S. 255 ff. 14 Vgl. Fn. 3.

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spruchs herangezogen, ist in einer Entscheidung aus dem Jahr 2004 15 die fehlende Entlastung taugliches Kriterium für eine Schlechterstellung gegenüber anderen Ersatzschulen. Die Richtervorlage durch das VG Bremen betraf die Verfassungsmäßigkeit der Regelung, nach der bei der Gewährung von Finanzhilfe an die Träger privater Ersatzschulen in Bremen nach der dort geltenden Landeskinderklausel nur Schüler berücksichtigt werden, die ihren Wohnsitz in Bremen haben. Hintergrund ist, dass das Land Niedersachsen dem Land Bremen für die niedersächsischen, in die staatlichen Schulen in Bremen aufgenommenen Schüler einen Ausgleichsbetrag zugesagt hatte, nicht dagegen für die niedersächsischen Schüler, die bremische Ersatzschulen besuchen. Das VG hatte seine Vorlage damit begründet, dass die Landeskinderklausel Art. 7 Abs. 4 GG wie auch Art. 3 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 33 Abs. 1 GG verletze. Der Gesetzgeber habe die Privatschulförderung von Voraussetzungen abhängig gemacht, die über die Ersatzschulfunktion hinausgingen, und überschreite damit seinen Spielraum. Das Verwaltungsgericht legt dann ausführlich die Nebenwirkungen der Regelung dar, so die Einschränkung des Rechts auf freie Schülerwahl, die das Profil der Schule gefährden könne. Das BVerfG ist dieser Argumentation nicht gefolgt. Ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG liege nicht vor; zwar sei eine Ungleichbehandlung von Ersatzschulträgern, die Nichtlandeskinder aufnehmen, mit solchen, die dies nicht tun (müssen), gegeben. Diese sei aber verfassungsrechtlich gerechtfertigt. Zweck der Vorschrift sei, Kosten zu sparen. Die Landeskinderklausel verfolge den Zweck, Haushaltsmittel auf die Aufgabenerfüllung gegenüber den landesansässigen Schülern und Eltern zu konzentrieren. Das Schulwesen liege in der Gestaltungshoheit der Länder; das Schulwesen eines Landes diene im Wesentlichen den im eigenen Land wohnhaften Schülern. Dem korrespondiere die Schulpflicht dieser Schüler. Auf der anderen Seite trete der Entlastungseffekt für das staatliche Schulwesen nicht ein, wenn der Ersatzschulträger Schüler aus anderen Bundesländern beschule. „Beide Gesichtspunkte sind so gewichtig, dass sie die Benachteiligung der Träger von Ersatzschulen, die neben Schülern mit Wohnung oder Hauptwohnung in Bremen auch landesfremde Schüler unterrichten, auch dann rechtfertigen können, wenn das Profil einer davon betroffenen Schule mit Landeskindern allein nicht mehr gewahrt werden sollte." 16

III. Funktionen des Entlastungsarguments Das Entlastungsargument wird in zweierlei Gestalt verwandt: Es dient in der zitierten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Begründung des Anspruchs auf Finanzhilfe aus Art. 7 Abs. 4 GG 1 7 . In der Landeskinderentscheidung 15 BVerfGE 112, 74 = NVwZ 2005, S. 923 ff. 16 BVerfG a. a. O., II. 2. a 9*

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verwendet das Bundesverfassungsgericht das Argument dann zur Rechtfertigung der Nichtberücksichtigung von Nichtlandeskindern bei der Bezuschussung.

1. Entlastung des Staates als Grund und Umfang des Finanzhilfeanspruchs a) Einzelfallbezogene Anwendung des Entlastungsarguments Das BVerwG ging in der oben dargestellten Entscheidung aus dem Jahr 1966 von einer einzelfallbezogenen Betrachtung bei der Ermittlung der Entlastung und damit der Höhe der Finanzhilfe aus 18 . Als rechtsdogmatischer Anknüpfungspunkt für den Finanzhilfeanspruch wäre z. B. an ein öffentlich-rechtliches Auftragsverhältnis zwischen dem Land und dem freien Träger denkbar 19. Für einen solchen Vertrag fehlt jedoch der Rechtsbindungswille der Beteiligten sowie die Erfüllung der vom VwVfG vorgegebenen Formerfordernisse. Als zweite Möglichkeit kann die öffentlich-rechtliche Geschäftsführung ohne Auftrag (GoA) geprüft werden; als dritte Möglichkeit bleibt der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch. Die öffentlich-rechtliche GoA wird heute vom überwiegenden Teil der Rechtslehre als Anspruchsgrundlage anerkannt 20. Der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch ist als Anspruchsgrundlage unumstritten, auch wenn Begründung und Einzelheiten nicht vollständig geklärt sind 21 . In ihrem Gutachten zur Zulässigkeit von Landeskinderklauseln im bremischen und hamburgischen Privatschulfinanzierungsrecht 22 führen Löwer und Müller-Terpitz aus, dass Landeskinderklauseln zulässig seien, der freie Träger aber einen Ausgleichsanspruch gegen die Wohnsitzländer habe23. Dieser Ausgleichsanspruch ließe sich sowohl über die öffentlich17 Zahlreiche Nachweise zu Stellungnahmen des frühen Schrifttums zur Rechtsprechung des BVerwG bei Breuer, in: Festgabe 25 Jahre Bundesverwaltungsgericht, 1978, S. 99 Fn. 54 und 55. 18 Vgl. BVerwG SPE 3. F. 236 Nr. 1. 19 Ausdrücklich verneint in BVerwGE 27, 360 = SPE 3. F. 236 Nr. 2. 20 Vgl. allgemein Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 15. Aufl. 2004, § 29 Rn. 10; Erichsen, in: Erichsen / Ehlers, Allgemeines Verwaltungsrecht, 12. Aufl. 2002, § 29 Rn. 8. 21 Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, 5. Aufl. 1998, S. 413 ff.; Detterbeck/Windthorst/ Sproll, Staatshaftungsrecht, 2000, § 23. 22 Vgl. Löwer/Müller-Terpitz, RdJB 1999, S. 169. Das Gutachten wurde im Auftrag der Länder Bremen und Hamburg erstattet. 23 Löwer/Müller-Terpitz bescheinigen ihrem Ansatz eine erhebliche Problemlösungskompetenz. Dies ist jedoch schon aus praktischen Gründen sehr fraglich. Abgesehen von einigem Verwaltungsmehraufwand besteht bei der Höhe des Anspruchs und der Zulässigkeit eines Antrages erhebliche Rechtsunsicherheit auf allen Seiten. Nicht nur rechtlich richtig, sondern auch am besten umsetzbar wäre die Annahme eines öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs zwischen den Ländern bei Unzulässigkeit der Landeskinderklausel (so im Ergebnis auch das BVerwG in seiner Stellungnahme zum Vorlagebeschluss, zitiert bei BVerfGE 112, 74, A III. 3.).

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rechtliche Geschäftsführung ohne Auftrag als auch über den öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch begründen. Die Rechtsfolge ist Löwer /Müller-Terpitz zufolge bei beiden Anspruchsgrundlagen im Ergebnis die gleiche: Die Wohnsitzländer müssen dem freien Träger erstatten, was sie durch die Beschulung ihres Landeskindes erspart haben24. Begrenzt wird der Anspruch durch den Umfang der Finanzhilfe, die Ersatzschulen im Wohnsitzland in Anspruch nehmen können25. Unterstellt man die Richtigkeit dieses Ergebnisses, müsste die öffentlich-rechtliche GoA oder der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch auch im Verhältnis des Ersatzschulträgers zu seinem Sitzland greifen, wenn die Finanzhilfe nicht durch Landesgesetz geregelt wäre. Aus dieser Perspektive ist die Gesetzgebung zur Finanzierung der Schulen in freier Trägerschaft vor allem die Begrenzung der sich aus dem allgemeinen Recht der öffentlichen Ersatzleistungen ergebenden Ansprüche durch die Konkretisierung des geforderten Eigenanteils. Diese Begrenzung muss verfassungsmäßig sein, sie muss insbesondere die Träger freier Schulen nicht wesentlich schlechter stellen als andere Private, die staatliche Aufgaben oder Aufgaben im staatlichen Interesse ausführen. Allerdings wäre eine Ersatzschulfinanzierung, die sich an der Entlastung des Staates orientiert, mit dem Gleichheitssatz sowie mit dem Wesen der Privatschulfreiheit nicht zu vereinbaren. Wird eine Ersatzschule in einer Region aufgebaut, in der ein voll ausgebautes öffentliches Schulwesen existiert, erspart der Staat zunächst keine Aufwendungen. Aber auch hier muss die Möglichkeit zur Errichtung einer freien Schule bestehen. Im übrigen wäre der Staat nicht gehindert, eine Schule neben dem bereits bestehenden Angebot eines freien Trägers zu errichten und zu diesem in Konkurrenz zu treten 26 - sofort würden die Kosten auf staatlicher Seite in die Höhe schnellen und den Finanzhilfeanspruch des freien Trägers drücken. Das BVerfG hat im Wartefristurteil die Freiwilligkeit von Finanzhilfeansprüchen als „bedenklich" bezeichnet, da der Schulträger mit diesen Zuschüssen nicht sicher kalkulieren kann 27 ; nichts anderes würde sich ergeben, wenn der Träger sich deswegen nicht langfristig auf die Finanzhilfe verlassen kann, weil staatliche Schulträger eigene Schulen am Ort errichten oder erweitern. Auf der anderen Seite gibt es in einzelnen Bundesländern Schulformen oder -arten, die fast ausschließlich oder überwiegend von freien Trägern zur Verfügung gestellt werden. Hier müsste der Staat die Kosten, die er für die Einrichtung dieser Schulen erspart hat, vollständig an die freien Träger auskehren. Der Gesichtspunkt der Entlastung führt 24 A. a. O., S. 183; 185. Für die Geschäftsführung ohne Auftrag ist dieses Ergebnis nicht schlüssig, da, wie im Gutachten ausgeführt, der Anspruch auf diejenigen Aufwendungen zielt, die der Ersatzschulträger den Umständen nach für erforderlich halten durfte. Es geht also um Aufwendungsersatz (vgl. allgemein Maurer [Fn. 20], § 29 Rn. 13). Kritisch zum Aufwendungsersatz bei der Finanzhilfe für Ersatzschulen äußern sich Kloepfer/Messerschmidt, DVB1. 1983, S. 198; Bernhard, DVB1. 1983, S. 300 m. N. 25 A.a. 0.,S. 183, 186. 26 Vgl. BVerfGE 37, 314, 319. 27 BVerfGE 90, 107, 124 = DÖV 1994, S. 15 = SPE 3. F. 236 Nr. 23, II. 3.

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damit bei schulbezogener Betrachtungsweise nicht nur zu Planungsunsicherheit, sondern auch zur Ungleichbehandlung der freien Träger untereinander. Der Ersatzschulträger, der in die Lücke springt, die das staatliche Schulwesen lässt, wird belohnt, während der Träger in einem Bereich, in dem ein voll ausgebautes staatliches Schulwesen existiert, nahezu leer ausgeht. Konsequent weitergedacht würde eine Zuschusspraxis, die allein auf die Entlastung des Staates durch die einzelne Ersatzschule abstellt, dazu führen, dass Schulen in freier Trägerschaft nur eine Komplementärfunktion zum staatlichen Schulwesen erfüllen; der Staat gibt dem freien Schulwesen dort Raum, wo er selber nicht tätig werden will oder kann. Dieses Verständnis von Art. 7 Abs. 4 GG ist heute überholt. Die Privatschulfreiheit dient nicht der Entlastung der öffentlichen Haushalte zur Füllung der Lücken im staatlichen Schulsystem, sondern der Grundrechtsverwirklichung und der Gewährleistung der Vielfalt im Schulwesen28: „Neben das primäre Recht und die Pflicht des Staates, eine umfänglich angelegte Schulversorgung zu sichern, tritt die grundrechtlich geschützte Aktivierung gesellschaftlicher Kräfte bei der Erfüllung einer genuin öffentlichen Aufgabe. Der Staat muss durch staatliche Förderung auch dafür Sorge tragen, dass mögliche Beeinträchtigungen dieses Pluralismus neutralisiert werden..., um eine verbotene Benachteiligung der privaten Ersatzschulen zu vermeiden... Dient die Schutz- und Förderpflicht des Staates dazu, sowohl den schulischen Pluralismus als auch die Erfüllung der Genehmigungsvoraussetzungen des Art. 7 Abs. 4 Sätze 3 und 4 GG auf Dauer sicherzustellen, so bedeutet dies zugleich die subjektiv-rechtlich durchsetzbare Verpflichtung des Staates, bei der Verwirklichung seiner bildungs- und sozialpolitischen Ziele zu gewährleisten, dass die ,Lebensfähigkeit des privaten Ersatzschulwesens' nicht beeinträchtigt wird... Das geht über die Pflicht zur Duldung oder Respektierung unterschiedlicher Erziehungsvorstellungen durchaus hinaus." 29

Der Staat ist verpflichtet, eine Konkurrenz des staatlichen und des freien Schulwesens zu ermöglichen. Es gibt keinen Vorrang der staatlichen vor den freien Schulen30. Der Staat muss den schulischen Pluralismus auch gegen sich selbst in der Weise garantieren, dass er auf eigenen Akten beruhende Beeinträchtigungen dieses Pluralismus durch staatliche Förderung in ihrer Wirkung neutralisiert 31. Diesen Grundsätzen würde eine Finanzierung, die allein an der Entlastung ausgerichtet ist, zuwiderlaufen; sie würde darüber hinaus, da eine Ersatzschule ohne staatliche Finanzhilfe nicht betrieben werden kann, dazu führen, dass freie Schulen dort nicht errichtet werden können, wo das staatliche Schulwesen nicht entlastet wird. Dies würde auf eine Bedürfnisprüfung hinauslaufen. Diese ist aber grundsätzlich unzulässig 32 . 28 So schon Heckel, Deutsches Privatschulrecht, 1955, S. 8 f. 29 LVerfG Mecklenburg-Vorpommern, DÖV 2002, S. 118 = SPE 3. F. 236 Nr. 37, C I. 2 30 Vogel, Das Recht der Schulen und Heime in freier Trägerschaft, 3. Auflage 1997, S. 17.

31 BVerfGE 75, 40 = SPE 3. F. 236 Nr. 15, hier unter C II 2 c; LVerfG Mecklenburg-Vorpommern, a. a. O. 32 Avenarius/Heckel, Schulrechtskunde, 7. Auflage 2000, S. 204; Vogel (Fn. 30), S. 1.

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Im Ergebnis lässt sich feststellen, dass die finanzielle Entlastung des Staates durch die einzelne Ersatzschule nicht als maßgebendes Kriterium für den Finanzhilfeanspruch der freien Schulen - weder dem Grunde noch der Höhe nach - geeignet ist 3 3 .

b) Generelle Entlastung des Schulwesens Nachdem eben gefragt wurde, ob sich die staatliche Finanzhilfe der einzelnen Ersatzschule nach der durch sie herbeigeführten Entlastung bemessen sollte, ist jetzt zu klären, ob die eben festgestellten Mängel vermieden werden, wenn man auf die Entlastung des gesamten Schulwesens oder einer Schulform abstellt34. Die Suche nach einem verfassungsrechtlichen Anknüpfungspunkt kann hier unterbleiben, denn im Ergebnis unterscheidet sich die generelle Entlastung nicht von der konkreten. Zwar wird hier die ungerechtfertigte Ungleichbehandlung der einzelnen Schulträger vermieden. Den Finanzierungsanspruch aber in der generellen Entlastung begründet zu sehen und seine Höhe nach ihr zu bemessen, hieße jedoch, das Ersatzschulwesen als bloße Komplementär- und Hilfsfunktion zum staatlichen Schulwesen zu sehen. Die staatlichen Schulträger hätten es auch hier in der Hand, durch Aus- oder Rückbau von Kapazitäten im staatlichen Schulwesen die Finanzierung der Schulen in freier Trägerschaft zu steuern. Der Wettbewerb zwischen staatlichem und freiem Schulwesen wäre damit gefährdet. Der alleinige Unterschied zur einzelfallbezogenen Betrachtung besteht darin, dass die Folgen jeweils von allen Ersatzschulträgern gemeinsam zu tragen wären; eine Ungleichbehandlung der Ersatzschulträger untereinander könnte vermieden werden. Aufgrund der Unvereinbarkeit mit der aus Art. 7 Abs. 4 GG folgenden Privatschulgarantie lässt sich im Ergebnis aber auch für die das gesamte Ersatzschulwesen einbezie33 So auch Müller, Das Recht der freien Schule nach dem Grundgesetz, 2. Aufl. 1982, S. 397 f.; Link, in: Pieroth /Schuppert (Fn. 11), S. 134. Schuppert stimmt dem unter Bezug auf Müller/Pieroth/Fohmann und Vogel im Grundsatz zu, will aber auf „den Kernbereich der institutionellen Garantie des Privatschulwesens" einschränken, wozu nur Schulen mit schulpflichtigen Kindern gehören (in: Pieroth / Schuppert [Fn. 12], S. 178 ff.). Im Ergebnis ebenso, aber mit anderer Begründung Robbers, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, Bonner Grundgesetz, Band 1, 5. Aufl. 2005, Art. 7 Rn. 216: Die Entlastung als Rechtsgrund der Finanzhilfe würde „private Inititative und privates Risiko auf der Grundlage eines versteckten Etatismus letztlich leugnen." Hiergegen ist einzuwenden, dass auch die Berechnung nach der Ersparnis beim Staat dem Schulträger das Unternehmerrisiko nicht abnimmt. 34 Hiervon geht Hemmrich (in v. Münch/Kunig, GG, 5. Aufl. 1999, Art. 7 Rn. 45) aus, allerdings ist auch er der Auffassung, dass sich aus der grundsätzlichen Anerkennung des Finanzhilfeanspruchs nichts über die jeweilige Höhe ableiten lässt. Breuer (Fn. 17), S. 99, verwendet das Entlastungsargument als zusätzliche Rechtfertigung des Finanzhilfeanspruchs. Pieroth/Müller/Fohmann, Leistungsrechte im Normbereich einer Freiheitsgarantie, 1982, S. 80 reihen das Entlastungsargument unter die „dogmatisch tragfähigen Argumentationen" für den Finanzhilfeanspruch ein, allerdings ebenfalls in Ergänzung zu anderen Begründungen, insbesondere der Gewährleistung als institutionelle Garantie.

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hende Betrachtung feststellen, dass die Entlastung des öffentlichen Schulwesens kein geeignetes Kriterium für die Begründung und die Höhe der staatlichen Finanzhilfe ist. 2. Fehlende Entlastung des Staates als Grund der Einschränkung der Finanzhilfe Im Landeskinderbeschluss des BVerfG 35 hat das Entlastungsargument eine neue Funktion erhalten: Die fehlende Entlastung des Landeshaushalts soll die Schlechterstellung des Ersatzschulträgers bei der Finanzhilfe rechtfertigen. Die grundsätzliche Zulässigkeit von Landeskinderklauseln ist an anderer Stelle ausführlich erörtert worden 36 . Hier soll es nur um die Frage gehen, ob die fehlende Entlastung des Bundeslandes durch die Aufnahme von Schülern, die nicht der Schulpflicht dieses Landes unterliegen, ausreichend ist, um eine finanzielle Schlechterstellung dieser Ersatzschule gegenüber anderen Ersatzschulen zu rechtfertigen, und zwar auch unter das Niveau der durch Art. 7 Abs. 4 GG im Regelfall gewährleisteten staatlichen Hilfe - auf nichts anderes läuft der Beschluss des BVerfG hinaus, wenn es seine Argumente für so gewichtig ansieht, „dass sie die Benachteiligung der Träger von Ersatzschulen, die neben Schülern mit Wohnung oder Hauptwohnung in Bremen auch landesfremde Schüler unterrichten, auch dann rechtfertigen können, wenn das Profil einer davon betroffenen Schule mit Landeskindern allein nicht mehr gewahrt werden sollte." 37 Es ist gezeigt worden, dass die Entlastung für den Grund und die Höhe des Finanzhilfeanspruchs nicht maßgebend sein kann. Die Privatschulgarantie hat nicht die Funktion, das staatliche Schulwesen zu entlasten und Steuermittel zu sparen. Eine Finanzhilferegelung, die die Ersparnis zum generellen Maßstab der Finanzhilfe machen würde, könnte - so lange der Befund des BVerfG zutrifft, dass Ersatzschulen ohne staatliche finanzielle Hilfe nicht zu betreiben sind 38 - nicht verfassungsmäßig sein, da sie das Privatschulwesen über die Finanzierung auf eine Komplementärfunktion beschränken und die verfassungsrechtlich gewollte Konkurrenz von staatlichen und freien Schulen unterlaufen würde. Wollte man das Entlastungsargument als Rechtfertigung von Ungleichbehandlungen bei der Finanzhilfe wieder einführen, würde das geschehen, was die Privatschulgarantie ausschließen will. Wenn das Ersatzschulwesen keine allein komplementäre Funktion 35 BVerfGE 112, 74 = NVwZ 2005, S. 923 ff, Β I. 1. 36 Vgl. zur Verfassungswidrigkeit der Landeskinderklausel im Privatschulfinanzierungsrecht Jach, DÖV 1995, S. 925 ff.; Niehues, Schulrecht, 3. Aufl. 2000, Rn. 289; dagegen Löwer /Müller-Terpitz, (Fn. 22), S. 171 ff. Allgemein zur Verfassungsmäßigkeit von Landeskinderklauseln BVerwG SPE 3. F. 720 Nr. 7 (Verfassungsmäßigkeit des Ausfalls von Beiträgen für landesfremde Schüler bei Heimen); Pfütze, Die Verfassungsmäßigkeit von Landeskinderklauseln, Diss. Münster 1997; Caspar, RdJB 2003, S. 44 n. w. N. 37 BVerfGE 112, 74 = NVwZ 2005, S. 923, Β I. 1. 38 BVerfGE 75, 40 = SPE 3. F. 236 Nr. 15, C. III. 2.

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gegenüber dem staatlichen Schulwesen hat, wird die Bezuschussung nach der jeweiligen Entlastung der grundgesetzlich verbürgten Stellung der Ersatzschulen nicht gerecht. Daher kann generell die fehlende Entlastung auch nicht zur Rechtfertigung einer Schlechterstellung herangezogen werden. Wenn die Entlastung als genereller Maßstab kein zulässiges Kriterium ist, stellt sich immer noch die Frage, ob die hier in Rede stehende spezielle Fallkonstellation zu anderen Ergebnissen führt. Hier geht es nicht um die generelle Entlastung, sondern allein um die Entlastung bei einer bestimmten Fallkonstellation: der Aufnahme landesfremder, nicht der Schulpflicht des Landes unterliegender Schüler. An dieser Stelle soll offen bleiben, ob das Wohnsitzland verpflichtet ist, den auf seine Landeskinder entfallenden Finanzhilfeanteil an das Sitzland des Trägers zu erstatten. Diese Auffassung hat das BVerwG gegenüber dem BVerfG vertreten 39. Sollte dies zutreffend sein - Anknüpfungspunkte wären das Prinzip der Bundestreue 40 oder aber der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch - fiele das Ersparnisargument als Rechtfertigung für die Ungleichbehandlung in sich zusammen, da die Beschulung von Nicht-Landeskindern und Landeskindern keinen entscheidenden finanziellen Unterschied bedeuten würde. Die Landeskinderklausel soll an dieser Stelle allein am Maßstab des allgemeinen Gleichheitssatzes geprüft werden. Vergleichsgruppen sind die freien Schulen, die zur Wahrung ihres Profils auf eine Schüler- und Elternschaft auch aus anderen Bundesländern angewiesen sind auf der einen, die übrigen freien Schulen auf der anderen Seite 41 . Die erste Gruppe wird gegenüber der anderen aufgrund einer geringeren Finanzhilfe benachteiligt. Für die Frage nach der Rechtfertigung der Benachteiligung ist zunächst festzustellen, dass bei der Prüfung, ob ein sachliches Kriterium gegeben ist, ein strengerer Maßstab anzulegen ist, je mehr die Ungleichbehandlung Auswirkungen auf Freiheitsrechte hat, die vom Grundgesetz geschützt sind 42 . Die Grundrechtsbezogenheit ist hier durch den Bezug zu Art. 7 Abs. 4 GG gegeben. Im zu entscheidenden Fall stand der Ersatzschulträger vor der Entscheidung, entweder durch Aufnahme von Schülern mit anderer oder fehlender religiöser Bindung das Schulprofil wesentlich zu ändern oder aber den Schulbetrieb einzustellen; beide Handlungsalternativen erschweren oder vereiteln die Ausübung des Grundrechts aus Art. 7 Abs. 4 GG. Die Rechtsprechung geht davon aus, dass eine großzügige Prüfung genügt, wenn es um den Bereich der gewährenden Staatstätigkeit geht 43 . Hier ist aber festzustel39 Zitiert nach BVerfGE 112, 74 = NVwZ 2005, S. 923 ff., Β I. 1, A III. 3. «ο So Jach, DÖV 1995, S. 931 ff. Bedenklich ist ebenso die Ungleichbehandlung der Eltern und Schüler. Vgl. BVerfGE 112, 74 = NVwZ 2005, S. 923, Β II. 2 c sowie Löwer/Müller-Terpitz, RdJB 1999, S. 178 f. für die verfassungsrechtliche Unbedenklichkeit, Jach, DÖV 1995, S. 929 ff. und Vogel, RdJB 2005, S. 263 f. dagegen. 42 BVerfGE 99, 367, 388 43 Nachw. bei Jarass / Pieroth, GG, 6. Aufl. 2002, Rn. 21a. 41

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len, dass die Finanzhilfepflicht unmittelbar aus Art. 7 Abs. 4 GG folgt. Die Finanzhilfe ist keine Subvention44; daher können auch die von der Rechtsprechung für die Prüfung der Ungleichbehandlung bei Subventionen entwickelten Grundsätze nicht angewendet werden. Es bleibt beim strengen Maßstab, der sich aus der Grundrechtsbezogenheit der Ungleichbehandlung ergibt. Für eine reine Willkürprüfung ist die immer wieder betonte Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers bei der Gestaltung der Ersatzschulfinanzierung herangezogen worden 45 . Doch bei aller Weite der Freiheit muss der Gesetzgeber die Vorgaben des Grundgesetzes, insbesondere den Gleichheitssatz, einhalten. Die Bindung des Gesetzgebers an den Gleichheitssatz bei der Ausgestaltung der Finanzhilfe hat das BVerfG wiederholt betont 46 . Die Landeskinderklausel ist kein hinreichendes Kriterium für die Ungleichbehandlung. Zunächst ist darauf zu verweisen, dass die Finanzhilfe eine institutionelle Förderung ist: Entscheidend für die Finanzhilfe ist nicht die Schulversorgung der im Land wohnenden Schüler, sondern die Ermöglichung der Grundrechtsausübung für die Träger von Ersatzschulen, die im Land betrieben werden 47. In der Regel leben Ersatzschulen von einem weit größeren Einzugsbereich als staatliche Schulen; erst dieser Einzugsbereich eröffnet den Ersatzschulen ihren besonderen Beitrag zur Schulvielfalt. Es ist nicht einzusehen, warum Ersatzschulen in der Nähe der Landesgrenze diesen Beitrag in geringerer Weise erbringen als andere Ersatzschulen. Die Analogie zu dem System der staatlichen Schulgrenzen ist verfehlt 48 , denn die Ersatzschulen leben davon, dass sie diese Grenzen nicht einhalten müssen. Die fehlende Entlastung des öffentlichen Haushalts und der Gesichtspunkt der Mittelkonzentration auf die Landeskinder sind kein hinreichendes sachliches Kriterium für eine Ungleichbehandlung der freien Schulen, die zur Wahrung ihres Profils auf eine Schüler- und Elternschaft auch aus anderen Bundesländern angewiesen sind, gegenüber anderen freien Schulen.

IV. Ergebnis Der Gesichtspunkt der Entlastung der öffentlichen Haushalte kann für die Beurteilung der Höhe der verfassungsrechtlich gebotenen Finanzhilfe 49 nicht herangezogen werden. Die Ersatzschulen sollen zur Vielfalt des Schulwesens beitragen. 44 45 46 47

Vogel (Fn. 30), S. 50. Löwer/Müller-Terpitz, RdJB 1999, S. 178 f. BVerwGE 75, 40 = SPE 3. F. 236 Nr. 15, C. IV. Jach, DÖV 1995, S. 925 (928 f.)

48 So auch Jach, DÖV 1995, S. 929. 49 Zum Spielraum des Gesetzgebers bei der Finanzhilfe über das verfassungsrechtlich gebotene Maß hinaus vgl. Vogel, in: Müller/Jeand'Heur (Fn. 1), S. 105 ff.

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Die durch Art. 7 Abs. 4 GG verbürgte Privatschulfreiheit erlaubt die Gründung und den Betrieb von Ersatzschulen auch neben und in Konkurrenz zum staatlichen Schulwesen. Die Heranziehung der Entlastung des Staates als Begründung für den Grund des Finanzhilfeanspruchs und zur Konkretisierung der Höhe ist hiermit nicht vereinbar.

Die Landesgesetzgebung zur Finanzhilfe an Ersatzschulen (Stand 1.1. 2006) Von Johann Peter Vogel, Berlin Der Träger einer freien Schule ist verantwortlich für die Finanzierung seiner Schule. Dies ist so selbstverständlich, dass man, wenn der Gesetzgeber dies neuerdings eigens betont, vermuten muss, dass der verfassungsrechtliche Finanzhilfeanspruch der Ersatzschule damit minimiert werden soll (s. § 127 (1) SchG MV, § 1 (3) ESchVO SA). Ebenso selbverständlich ist aber auch, dass den Ersatzschulträgern ein ausreichender Finanzhilfeanspruch zusteht, der sie instand setzt, die Genehmigungsvoraussetzungen des Art. 7 (4) GG zu erfüllen - dies auch dort, wo der Gesetzgeber nicht von einem Anspruch, sondern von „Gewähren" spricht. Die Gesetzgebung der 16 Bundesländer zur Finanzhilfe an Ersatzschulen1 ist sehr uneinheitlich und sperrt sich gegen jeden Vergleich 2. Die Bedingungen für den Finanzhilfeanspruch sind unterschiedlich, also die Regelungen, wann für wen in welcher Höhe ein Anspruch der Schulträger gegen das jeweilige Land gegeben ist. Die im Grundsatzurteil des BVerfG E 75, 40 ff. niedergelegten Grundsätze sind heute, fast 20 Jahre nach der Entscheidung, keineswegs überall verwirklicht. Für eine genaue Darstellung im einzelnen fehlt hier der Raum; zudem werden seit 1980 die Bestimmungen fast jährlich geändert, um sie dem Kassenstand des Staates anzupassen. Im folgenden sollen deshalb nur die Rahmenbedingungen der Finanzhilfe und ihr Verhältnis zur Rechtsprechung des BVerfG behandelt werden. 1. Die Berechnungsweisen der Finanzhilfe sollen hier nur gestreift werden, denn aus ihnen ist keine Antwort darauf zu finden, ob die Finanzhilfe jeweils ausreicht oder nicht. Grob gesagt gibt es zwei verschiedene Systeme: Nach dem einen wird der gesamte Haushalt der Schule auf das hin geprüft, was auch an entsprechenden staatlichen Schulen an Kosten entsteht; soweit diese Kosten nicht durch eine definierte Eigenleistung des Trägers (Schulgeld) gedeckt sind, wird das Defizit zu einem bestimmten Prozentsatz vom Staat „refinanziert" (Defizitdeckungsverfah1 Quellen sind das PrivSchG BW, das SchFinG By, das SchG B, das PrivSchG HB, das SchG Bb, das SchfrTrG HH, das ESchFinG He, das SchG MV, das SchG Ns, das SchG NRW, das PrivSchG RP, das PrivSchG Sl, das SchfrTrG Sn, das SchG SA, das SchG SH und das SchfrTrG Th mit ihren Ausführungsverordnungen. Im folgenden wird zitiert mit § und Landesabkürzung. 2 Vgl. schon die Übersicht in Fr. Müller/B. Jeand'Heur (Hg.): Zukunftsperspektiven der Freien Schule, Berlin 2/1996, S. 14 ff.

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ren , z. B. NRW). Dieses Verfahren hat den Vorteil, dass die Berechnung individuell nah an den staatlichen Kosten erfolgt; aber auch den Nachteil, dass eine starke Zweckbindung der Mittel nach dem Muster staatlicher Schulen eintritt, und die Kosten von Schulen, die von der staatlichen Regelschule abweichen, nicht adäquat berechnet werden können. Zudem ist eine detaillierte Regelung für die Aufstellung der Kosten, den Schulhaushalt und die Lehrerverträge, mithin ein hohes Maß an Bürokratie bei Schul Verwaltung und Schule erforderlich 3. Nach dem anderen Verfahren {Kopfsatzverfahren, z. B. BW, He) werden Teilmengen der staatlichen Schulkosten („maßgebliche Kosten" oder die Personalkosten der aktiven Lehrer oder Schülerkopfsätze nach gegriffenen Sätzen oder Pauschalen) gebildet, von denen dann bestimmte Prozentsätze pro Schüler, manchmal auch pro Klasse als Finanzhilfehöhe ausgeworfen werden. Nach diesem Verfahren wird in die Haushaltsführung der Schule nicht eingegriffen; eine Zweckbindung entfällt. Aber es ist leichter manipulierbar und täuscht über die tatsächliche Höhe der Finanzhilfe. Die ausgewiesenen Prozentsätze pro Schüler liegen meist in Größenordnungen über 70% bis zu über 100%, ohne dass daraus geschlossen werden könnte, eine Ersatzschule erhielte eine Finanzhilfe, die die Schulkosten in dieser Höhe deckte (das aber glauben Journalisten und Politiker). Fast immer bleiben Kostenteile unberücksichtigt, die notwendig sind und auch an staatlichen Schulen entstehen, vom freien Träger aber zu 100% selbst aufgebracht werden müssen (z. B. Altersversorgung, Beihilfen, Sachkosten, Schulverwaltungskosten u.ä.). Diese Selbstkosten kommen dann noch zu der Eigenleistung des freien Trägers hinzu, die sich aus dem ungedeckten Rest der „maßgeblichen Kosten" ergibt. Ein plastisches Beispiel sind die Baukosten, die trotz einem entsprechenden Hinweis des BVerfG 4 keineswegs überall und überdies nur fakultativ bei der Finanzhilfeberechnung berücksichtigt werden.5 Beide Berechnungsverfahren kommen auch gemischt vor. So gibt es Pauschalen und gleichzeitig eine Deckelung nach tatsächlichen Kosten, eine Begrenzung des Schulgelds6 (wobei unklar bleibt, womit die Kosten dann gedeckt werden sollen) und zusätzliche Zweckbindungen. Auch Eigenleistungen werden festgeschrieben 7. Das macht es schwierig, Außenstehenden derartige Verfahren zu erklären. 3 s. den Umfang der Finanzhilferegelungen in NRW: §§ 105-115 SchG (bisher ErsatzSchFinG), dazu eine umfangreiche VO mit fünf Anlagen (bisher Verwvorschr. zum ErsatzSchFinG). 4 BVerfGE 90,128 ff. 5 Baukosten bleiben unberücksichtigt in B, HB, He und SA; obligatorisch berücksichtigt werden sie in § 15 (2) HH, § 110 NRW und § 31 (2) RP (allgemeinbildende Schulen); fakultativ werden sie gewährt in § 18 (7) BW, § 43 By, § 124 (6) Bb, § 130 MV, § 150 (2) Ns, § 16 Sn, § 60 (4)SH und § 17 Th. 6 § 28 (2) RP (Verbot, Schulgeld zu erheben); § 15 (2)Sn (Abzug eines für alle Schularten gleichen Schulgelds, egal, ob und wie hoch es erhoben wird oder nicht). Für solche Fälle der Schulgeldbindung hat das BVerwG (E v. 13. 11. 1973 = SPE VIII Β I 23) einen Ausweg über Fördervereinsbeiträge gewiesen. 7 10% in § 29 (5)S1 und je 15% in § 106 (5) NRW und § 62 SH.

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Immer aber orientieren sich die Finanzhilfen an den Kosten entsprechender staatlicher Schulen. Wenn also die staatlichen Schülerkosten sinken, sinkt nach beiden Verfahren auch die Finanzhilfe automatisch und stillschweigend mit. Wenn dann, wie fast regelmäßig, überdies die Prozentsätze der Schülerkopfsätze reduziert, der Eigenleistung erhöht werden, wird die Finanzhilfe gleich zweimal gekürzt. Die Forderung des BVerfG, dass die Finanzhilfen nur im Verhältnis der Kürzungen an staatlichen Schulen gemindert werden dürfen, wird von der Landesgesetzgebung häufig nicht eingehalten. Da die meisten Politiker ihre eigenen Systeme nicht verstehen, wird auch eine Grundregel nicht befolgt: Wenn schon nur geringe Mittel verfügbar sind, müsste den Schulträgern möglichst viel Freiheit in der Verwendung ihrer Mittel zugestanden werden. Einige Gesetzgeber verfahren aber umgekehrt: Je knapper die Mittel, desto mehr Gängelung in der Verwendung. Angesichts dieser Umstände ist es wichtig, die tatsächlichen Kosten staatlicher Schulen objektiv zu ermitteln, weil erst im Vergleich damit die reale Höhe der Finanzhilfe sichtbar wird. Die konkrete Finanzhilfe liegt 2004 / 05 in den Ländern z. B. pro Gymnasiast und Jahr zwischen Euro 3.300 und 4.7008, die bisher vorliegenden staatlichen Schülerkosten9 eines Gymnasiasten 2002 liegen in Sachsen bei Euro 5.700 und im Westen zwischen Euro 6.700 und 7.000. Im Vergleich zeigt sich, dass die Finanzhilfe in aller Regel nur zwischen 50 und höchstens 66% der tatsächlichen Kosten deckt, bei berufsbildenden Schulen zumeist noch weniger als bei allgemeinbildenden. Vergleicht man die konkreten Finanzhilfen für einen Gymnasiasten von 1995 mit den heutigen, zeigt sich, dass in den alten Bundesländern die Finanzhilfe stagniert oder gesunken ist; wo sie gestiegen ist, hat allenfalls ein Ausgleich für den Inflationsverlust von 14% stattgefunden, kaum auch für den Anstieg der Tarife von 19,4%. Die Finanzhilfe ist also deutlich gesunken. In den neuen Bundesländern ist überall die Finanzhilfe angestiegen, allerdings von einem Niveau 1995 aus, das deutlich unter dem niedrigsten alten Bundesland lag; aber auch dort wird der Inflationsverlust und die Tarif Ost-Steigerung (35%) nur in zwei Ländern überholt, in denen eine echte Steigerung eintrat, die Anschluss an mittlere Finanzhilfen in den alten Bundesländern erreichte. 2. Der Ersatzschulstatus ist die erste Voraussetzung der verfassungsrechtlichen Leistungspflicht des Staates. Allen genehmigten Ersatzschulen ist ein obligatorischer Anspruch gesetzlich einzuräumen. 10 Der Ersatzschulstatus steht nach der Landesgesetzgebung allen freien Schulen zu, die einer Schulart zuzuordnen sind, die an staatlichen Schulen des Landes vorhanden oder grundsätzlich vorgesehen ist 11 . In einigen Ländern können freie Schu8

Zahlen nach einer Umfrage an Gymnasien bzw. bei Schul verbänden 2005. s. die Schülerkostenberechnungen des Steinbeis Transferzentrums Heidenheim in diesem Band S. 239 ff. 10 BVerfGE 90, 107 ff. (II 3). 9

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s. die Definition der Ersatzschule in allen Landesregelungen.

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len auch durch Rechtsverordnung zu Ersatzschulen erklärt werden 12. Diese Bestimmungen sind im Lichte der insoweit unbestrittenen Rechtsprechung des BVerfG zu interpretieren. Danach sind Ersatzschulen solche Schulen, „die nach dem mit ihrer Errichtung verfolgten Gesamtzweck für eine in dem Lande vorhandene oder grundsätzlich vorgesehene öffentliche Schule dienen sollen 13 . Unerheblich ist, dass dabei von einer eigenen weltanschaulichen Basis aus ein eigenverantwortlich geprägter und gestalteter Unterricht erteilt wird mit entsprechender Lehrmethode und Lehrinhalten". Nicht entgegen steht, wenn es im Staatsschulwesen des Landes eine entsprechende Schulform nicht gibt, wesentlich ist, dass „im Kern" gleiche Kenntnisse und Fertigkeiten vermittelt werden 14 , und - wie Fr. Müller interpretiert 15 - die Schüler zu staatlichen Abschlüssen geführt werden. Großzügig überlässt das BVerfG 16 dem Landesgesetzgeber, ob er den Ersatzschulstatus rechtstechnisch aufgrund eines Katalogs der staatlichen Schularten oder „im Wege der Fiktion" 17 verleiht; dabei eröffnet er freilich dem VGH Baden-Württemberg 18 die Möglichkeit, Ersatzschulen nach Bundesrecht und solche nach Landesrecht zu unterscheiden mit der Folge, dass nach seiner Auffassung den Ersatzschulen nach Landesrecht die (bundes)verfassungsrechtliche Leistungspflicht nicht zugute kommt. Wenn diese Ersatzschulen aber den auch landesrechtlich verankerten Genehmigungsvoraussetzungen des Art. 7 (4) GG ebenfalls unterworfen sind, muss ihnen derselbe verfassungsrechtlich gestützte Anspruch zustehen wie den „Regel-Ersatzschulen", denn sie sind aufgrund der Genehmigungsvoraussetzungen im selben Dilemma. Nach der Gesetzgebung haben Anspruch auf Finanzhilfe a) alle Ersatzschulen in B, Bb, HB, HH, He, MV, SI, Sn, SH und Th; b) nur kataloghaft aufgeführte Ersatzschulen in BW (§ 17(1)), c) nur anerkannte Ersatzschulen und genehmigte Ersatzschulen besonderer pädagogischer Bedeutung (Waldorfschulen) in By (§§ 38,45), Ns (§ 149 (1)), NRW 1 9 und SA (§ 18); d) nur die anerkannten Ersatzschulen in RP (§ 28 (1)). 12 § 3 (2) BW und § 3 (2) Sn; in § 175 (4) He können berufsbildende Ergänzungsschulen einer Ersatzschulgenehmigung unterworfen werden. 13 BverfGE 27, 195 ff.; 90, 107 ff., 128 ff. 14 BVerfGE 90, 128 ff. (I), 15

Müller, Friedrich: Das Recht der Freien Schule nach dem Grundgesetz. Berlin 1982, S. 308. 16 BVerfGE 90, 128 ff. (I). 17 Gemeint ist die Möglichkeit einiger Bundesländer, Schulen, die nach der Katalogbestimmung keine Ersatzschulen sind, durch Rechtsverordnung den Ersatzschulstatus zu verleihen (Fußn. 12). is VGH BW v. 15. 2. 1991 (SPE 236, S. 93 ff.). 19 In NRW werden mit „genehmigten Ersatzschulen" die Ersatzschulen bezeichnet, die öffentliche Berechtigungen erteilen dürfen (§ 104 (4)) - also das, was in anderen Ländern

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Soweit nicht alle Ersatzschulen einen obligatorischen Anspruch haben, wird den übrigen Ersatzschulen entweder kein oder lediglich ein fakultativer, meist geminderter Anspruch gewährt. Insoweit verstoßen die Länder weiterhin gegen die vom BVerfG entwickelte verfassungsrechtliche Leistungspflicht. Einen fakultativen Anspruch gewähren einige Länder übrigens auch bestimmten Ergänzungsschulen. Alle Ersatzschulen müssen hinsichtlich der Finanzhilfe grundsätzlich gleichbehandelt werden in dem Sinne, dass gleiche Berechnungsmodelle auf alle angewandt werden, wobei die Schularten entspechend ihren unterschiedlichen Kosten differenziert behandelt werden dürfen 20. Bemerkenswert ist aber, dass berufsbildende Schulen häufig gegenüber allgemeinbildenden Schulen benachteiligt sind 21 . Eine einleuchtende Begründung dafür gibt es nicht. 3. Die Genehmigungsvoraussetzungen des Art. 7 (4) Sätze 3&4 GG sind ein weiteres Erfordernis der Leistungspflicht. Sie werden von den Landesgesetzen wörtlich oder ähnlich formuliert übernommen und näher umschrieben. So wird das Nichtzurückstehen der Bildungsziele und Einrichtungen ausgeweitet auf den „inneren und äußeren Schulbetrieb" 22. Die „wissenschaftliche Ausbildung der Lehrer" wird als Regelform so definiert, dass dieselbe Ausbildung mit beiden Staatsexamina wie staatliche Lehrer nachzuweisen ist. Auf diesen Nachweis kann allerdings verzichtet werden, wenn der Lehrer gleichwertige Qualifikationen besitzt oder freie Leistungen erbringt. 23 - Die genügende wirtschaftliche und rechtliche Sicherung der Lehrer ist dann gegeben, wenn die Bezüge „nicht wesentlich hinter denen entsprechender staatlicher Lehrer zurückbleiben". 24 - Die Sonderung der Schüler nach ihren Besitzverhältnissen wird dann vermieden, wenn eine angemessene Zahl von weniger bemittelten Schülern der Zugang zur Schule ermöglicht wird 25 . Hierzu hat allerdings das BVerfG 26 entschieden, dass „die Privatschule allgemein zugänglich sein muss... in dem Sinne, dass sie grundsätzlich ohne Rücksicht auf deren [der Schüler] Wirtschaftslage besucht werden kann". - Wirtschaftlich fordert also die Landesgesetzgebung / Β VerfG-Rechtsprechung einerseits weitgehende Anpassung der Ausbildung und Bezüge der Lehrer an die staatlicher Lehrer und andererseits eine Schulgeldanerkannte Ersatzschulen" sind. Genehmigte Ersatzschulen i.e.S., also ohne öffentliche Berechtigungen, gibt es nur in Form der Schulen besonderer pädagogischer Bedeutung; dies sind im Zweifel nur die Waldorfschulen (§ 104 (6)). 20 BVerfGE 75,40 ff. 21 Deutlich in § 15 (2) FrTrSchulG Sn, § 63 (2) SchG SH, § 16 (2) SchFrTG Th. 22 s. die Formulierungen in Ns (§ 144 (2)), RP (§ 5 DVO), S1 (§ 1 (1) l.DVO), SA (§ 16 (1) und § 2 (2) ESchVO) und SH (§ 60 (4)). 23 Alle Bundesländer. 24

Alle Bundesländer. 25 § 5 VVPSchG BW, Art. 96 EUG By, Erl. MK Ns v. 23. 3. 1998-3065-81 100/04/06, § 37 (2) 1 NRW. 26 BVerfGE 75, 40 ff. (C II 2 b). 10 H u f e n / V o g e l

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begrenzung, die über bloße Ermäßigungen für Minderbemittelte deutlich hinausgeht. Hinsichtlich der Lehrerbezüge stehen die Ersatzschulen zudem in unmittelbarer Konkurrenz zu den Beamtenverhältnissen der staatlichen Lehrer 27. Diese Genehmigungsvoraussetzungen sind in Art. 7 (4) Sätze 3+4 GG abschließend geregelt; der Landesgesetzgeber darf sie nicht erweitern. Dies gilt auch, wenn sie als Voraussetzungen der Finanzhilfe dienen28. - So wurde die zusätzliche Voraussetzung der Anerkennung als Ersatzschule und die Schulpflichterfüllung vom BVerfG als Bedingung verworfen 29. - Die Gemeinnützigkeit wurde vom BVerwG 30 nur als Grund für bestimmte Erleichterungen des Nachweises für den Verbleib der öffentlichen Mittel zugelassen, denn die steuerrechtliche Gemeinnützigkeit, die nur juristischen Personen möglich ist 31 , schlösse natürliche Personen als Träger von der Finanzhilfe aus. In der Landesgesetzgebung finden sich allerdings folgende zusätzliche Bedingungen für die Entstehung des Finanzhilfeanspruchs: a) Die „privatschulrechtliche" Gemeinnützigkeit in BW, HB, MV, NW, Ns, RP, S1 und Sn 32 ; dies ist zulässig, da alle Träger sie verwirklichen können. b) Die steuerrechtliche Gemeinnützigkeit verfassungswidrig die natürlichen Träger aus.

in By, He, SA und Th 3 3 . Sie schließt

c) Die Anerkennung als Ersatzschule oder die besondere pädagogische Bedeutung der Ersatzschule in By, Ns, NRW, RP und SA 3 4 . Sie schließt verfassungswidrig die übrigen Ersatzschulen aus. d) Die wirtschaftliche Bedürftigkeit in HH und SH 3 5 ; gemeint ist die individuelle Hilfsbedürftigkeit der Schule, die zur Folge haben könnte, dass zusätzliche Einnahmen von dritter Seite bei der Berechnung berücksichtigt werden könnten; e) Die Landeskinderklausel 36, wonach nur Schüler mit Wohnsitz im Bundesland oder in einem Bundesland, mit dem ein Abkommen über die Kostentragung besteht, 27

Zusätzlich zu den Genehmigungsvoraussetzungen finden sich in Landesgesetzen noch die persönliche Zuverlässigkeit und Eignung des Trägers und des Leiters sowie eine Mitwirkung von Schülern, Eltern und Lehrern. Diese Punkte bleiben hier, da finanziell nicht relevant, unberührt. 28 BVerwGE v. 30. 8. 1968 = SPE VIII B i l l . 29 BVerfGE 75, 40 ff. (C IV 2). 30 BVerwGE 1968 (Fußn. 23); v. 21. 11. 1986 = SPE n.F. 236 Nr. 16. 3) §52 AO. 32 § 17 (5) BW, § 17 (1) HB, § 127 (3) MV, § 149 (4) Ns, § 105 (5) NW, § 28 (2) RP, § 28 (1)S1,§ 14(3) Sn. 33 Art. 29 (2) SchFinG By, § 1 (1) 2 EFG He, § 18 (3) SA, § 15 (3) Th. 34 Artt. 38 (1) u. 45 SchFinG By, § 149 (1) Ns, §§ 100 (4) u. (6), 105 (1) NW, § 28 (1) RP, § 18 SA. 35 § 14 (1) HH, § 60 (1) SH. 36 BVerfGE v. 23. 11. 2004 = R&B 2/2005, S. 8 ff.

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bei der Finanzhilfeberechnung berücksichtigt werden, in HB, HH und SH 37 . Sie schließt verfassungsrechtlich fragwürdig die übrigen Schüler von der Finanzhilfeberechnung aus und mindert damit die Finanzhilfe 38. f) Die Entlastung des staatlichen Schulwesens findet sich noch in RP, wenn 50% der Schüler aus dem Lande kommen 39 . Grund der Errichtungsgarantie des Art. 7 (4) Satz 1 GG ist aber nicht die Entlastung des Staates, sondern die Mitverwirklichung des Verfassungsprinzips der Schulvielfalt 40. Mit der Landeskinderklausel und der dazu vom BVerfG verwendeten Begründung erhält diese Bedingung aber eine fragwürdige Neuauflage und stellt sich jedenfalls dort als verfassungswidrige Bedürfnisprüfung dar, wo die Finanzhilfe im Rahmen der verfassungsrechtlichen Leistungspflicht bleibt. 4. Der Zeitpunkt der Genehmigung der Schule müsste zugleich den Finanzhilfeanspruch auslösen, denn die verfassungsrechtliche Leistungspflicht wird mit der strukturell unmöglichen gleichzeitigen Verwirklichung aller Genehmigungsvoraussetzungen des Art. 7 (4) Sätze 3&4 GG begründet41. Mit fragwürdiger Begründung hat aber das BVerfG 42 „ Wartefristen" nach Genehmigung zugelassen, während denen kein (oder ein stark geminderter fakultativer) Anspruch besteht, weil die Solidität und Akzeptanz der Ersatzschule geprüft werden können soll. Das wäre noch verfassungskonform zu machen, wenn die so zurückgehaltene Finanzhilfe der Ersatzschule nachentrichtet würde (Ausgleich), sobald die Ersatzschule die Prüfung besteht. Während die Länder aber fast ausnahmslos sofort die Wartefrist eingeführt haben, selbst in den neuen Bundesländern, in denen die Umstände einer Gründung besonders erschwert waren, ist die Nachentrichtung bisher nur zögernd eingeführt worden. So finden sich in den Landesgesetzen folgende Varianten: a) Der Anspruch tritt verfassungswidrig erst mit der Anerkennung als Ersatzschule ein in Ns, NRW 4 3 , RP und SA 4 4 . b) Der Anspruch tritt erst nach vollem Aufbau der Schule ein, d. h. nach Durchlauf des Jahrgangs der untersten Klasse bis zum Ende der obersten zuzüglich zweier erfolgreicher Abschlussprüfungen in By 4 5 . Ähnlich verfahrt Β ohne zusätzliche Abschlussprüfungen und einer Mindestfrist von drei Jahren 46. 37 38 39 40

§ 17 (4) HB, § 19 HH, § 63 (6) SH. Eine Internatschule in SH hat die Finanzhilfe für 25% ihrer Schüler verloren! Aber alle Schüler werden bei der Finanzhilfeberechnung berücksichtigt. BVerfGE 75, 40 ff. (C II 1, 2 a).

41 BVerfGE 75,40 ff. (C II 2 b). 42 BVerfGE 90, 107 ff. 43 s. Fußn. 19. 44 s. Fußn. 34. 45 § 38 (3) SchFinG By. Die Wartefrist kann beim Gymnasium neun (!) Jahre dauern; nach sechs (!) Jahren kann eine erheblich geminderte Finanzhilfe gewährt werden. Diese Regelung wurde vom BVerfG als verfassungskonform angesehen (BVerfGE 90, 107 ff.). 46 § 101 (4) B. 10*

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c) Die Wartefrist beträgt zwei Jahre in Bb und M V 4 7 ; drei Jahre in BW, HB, HH, He, Ns, SA und Th 4 8 ; bis zu vier Jahren in NRW 4 9 und vier Jahre in Sn und SH 5 0 . Keine Wartefrist verlangt nur Sl. Die Wartefristen können z.T. gemindert werden aus unterschiedlichen Gründen: Errichtung durch bewährten Träger, Ersparnis einer staatlichen Schule, besonderes öffentliches Interesse u.ä. Die Minderungsgründe verraten, dass es nur z.T. um eine Prüfung der Solidität der Schule, vielmehr auch hier wieder nach staatlichem Bedürfnis geht. Dies ist nicht illegitim, könnte aber nur dort zu Buche schlagen, wo die Finanzhilfe die verfassungsrechtliche Leistungspflicht überschreitet; dies ist freilich derzeit in keinem Land der Fall. d) Eine Nachentrichtung ist vorgesehen in HH, He und NRW 5 1 . Nachgezahlt werden 50% der vorenthaltenen Finanzhilfe und diese in HH und He in zehn Jahresraten - ein Zeichen guten Willens dafür, dass die Wartefrist nicht nur als Sparmaßnahme und Abschreckung für Gründer angesehen wird. 5. Die gesetzlichen Bestimmungen müssen nach rechtsstaatlichen Grundsätzen die wesentlichen Elemente des Finanzhilfeanspruchs enthalten. Das bedeutet, dass folgende Einzelheiten gesetzlich geregelt werden müssen und nicht in Verordnungen der Verwaltung überlassen bleiben dürfen: a) Der Anspruchsberechtigte (es müssten alle Ersatzschulen sein); b) Die Anspruchsqualität - d. h. ob ein obligatorischer oder fakultativer Anspruch gegeben ist (es müsste ein obligatorischer sein); c) Der Umfang des (obligatorischen oder fakultativen) Anspruchs - d. h. die Grundzüge der Berechnung und die eindeutige prozentuale Höhe der Finanzhilfe (die verbleibende Eigenleistung dürfte nicht höher sein als die zulässige Schulgeldeinnahme; der Umfang dürfte nicht ins Belieben der Verwaltung - etwa durch Regelung in Rechts Verordnungen52 - gestellt werden); 47 § 124 (3) Bb, § 127 (5) MV. 48 § 17 (4) BW, § 17 (1) HB, § 14 (1) HH, § 1 (2) EFG He, § 149 (1) Ns, § 18 (2) SA, § 15 (2) Th. 49 NRW (s. Fußn.19) sieht eine „vorläufige Erlaubnis" für Ersatzschulen im Aufbau vor, die zwar keine Genehmigung ist, weil zunächst die Gleichwertigkeit in der Praxis geprüft werden müsse, die aber alle Rechte (außer dem Finanzhilfeanspruch) und Pflichten einer Genehmigung (und Anerkennung) enthält (Erfüllung der Genehmigungsvoraussetzungen und Verleihung öffentlicher Berechtigungen). Die Prüfung kann bis zu vier Jahren dauern. Verfassungsrechtlich ist das fragwürdig, weil dann, wenn die Genehmigungsvoraussetzungen erfüllt sind, ein Anspruch auf Genehmigung besteht. so § 14 (2) Sn, § 60 (1) SH. 51 § 14 (4) HH, § 1 (2) EFG He, § 105 (3) NW. 52 Zum neuen Stil flexiblen Verhaltens nach Haushaltslage gehört die Verlagerung dieser Finanzhilfebestimmungen in Rechts Verordnungen, in denen innerhalb eines weiten gesetzlichen Rahmens die präzise Höhe von Zeit zu Zeit festgesetzt wird; so § 127 (4) MV, § 15 (2)Sn und § 16(4) Th.

Die Landesgesetzgebung zur Finanzhilfe an Ersatzschulen

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d) Die Bedingungen des Anspruchs (es dürften nur die Genehmigungsvoraussetzungen und die privatschulrechtliche Gemeinnützigkeit sein); e) Der Zeitpunkt des Einsetzens der Finanzhilfe (es müsste der Zeitpunkt der Betriebsaufnahme der genehmigten Schule sein; wenn aber eine Wartefrist gewollt ist, müsste ein Ausgleich vorgesehen sein); f) Die Art der Kontrolle hinsichtlich der Verwendung der öffentlichen Mittel. Am einfachsten entspräche dem eine Regelung, die von objektiv festgestellten staatlichen Schülerkosten ausgeht und davon die Finanzhilfe pro Schüler prozentual festlegt. Das Hamburger SchfrTrG 2004 kommt dieser Idee, wenn auch mit staatseigenen Zahlen und Landeskinderklausel, am nächsten: es umfasst die prinzipiellen Positionen des Finanzhilferechts, setzt hinsichtlich der Höhe ein Ziel und trägt zugleich durch jährliche Staffelung der Knappheit des öffentlichen Haushalts Rechnung.

Zweiter Teil

Das realistische Bild der Schulen in freier Trägerschaft

Der Bestand der Schulen in freier Trägerschaft in der Bundesrepublik Deutschland Von Johann Peter Vogel, Berlin Der Bestand der freien Schulen und ihrer Schüler wächst seit Jahren überproportional, und das trotz ständigen Kürzungen der öffentlichen Finanzhilfe. Die „Institution Ersatzschule" scheint demnach nicht gefährdet - im Gegenteil: sie scheint zu florieren. Hinter diesem Wachstum wächst aber noch etwas anderes: die Höhe des notwendigen Schulgeldes, die nach und nach eine zwangsläufige Privilegierung derer bewirkt, die bereit und in der Lage sind, für die Bildung ihrer Kinder an freien Schulen erhebliche finanzielle Opfer zu bringen. Die freie Zugänglichkeit der freien Schulen, unabhängig von den finanziellen Verhältnissen der Schüler, ist in Frage gestellt; die soziale Forderung des Grundrechts auf Errichtung und Betrieb freier Schulen, das Sonderungsverbot, wird zunehmend verdrängt. Das beschädigt die Schulen in ihrer pädagogischen Zielsetzung, aber vor allem auch das Grundrecht selbst. Nicht die „Institution Ersatzschule", sondern das Grundrecht ist in einem wesentlichen Punkt nachhaltig gefährdet. In kaum einem Land kommt den Schulen in freier Trägerschaft eine so starke verfassungsgestützte Rechtsposition zu wie in der Bundesrepublik. Im Vergleich dazu ist der Bestand der freien Schulen seit eh und je gering: 2002 besuchten 670.000 Schüler freie Schulen1, d. h. nur jeder 14. Schüler. Das sind zwar mehr als 1960 (jeder 30.) und 1980 (jeder 20.)2, aber verglichen mit unseren europäischen Nachbarn ist der Anteil marginal. Diese Feststellung ist wichtig, denn bei Politikern und Gerichten trifft man immer wieder auf Befürchtungen, die bundesrepublikanische Staatsschule stünde unmittelbar vor einer privaten Übernahme mindestens wenn man die freien Schulen nicht finanziell kurz hielte.

I. Die Verteilung nach Schularten und Regionen Die Verteilung der Schulen ist nach Schularten und Regionen wie immer, so auch 2002 sehr unterschiedlich. Während im Grundschulbereich und im Berufsschulbereich der Prozentsatz der Schüler an freien Schulen nur bei 1,5 bzw. 2,6 1 s. Grund- und Strukturdaten 2003 / 04, herausgegeben vom Bildungsministerium für Bildung und Forschung. Nach einer Meldung des „Focus" (20. 2. 2006, S. 60) sollen es derzeit schon 800.000 Schüler (7 %) sein, „immer noch ein vergleichsweise kleines Häuflein". 2 Zahlen aus BEFTOz. 17,1 (Juli 1990).

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Johann Peter Vogel

liegt, beträgt er an Gymnasien fast 11, an Förderschulen fast 15, an Berufsfachschulen fast 20 und an Fachschulen 34,5. Diese Zahlen gewinnen noch Profil, wenn sie mit den entsprechenden von 1992 verglichen werden: die stärksten Zuwächse gibt es bei den Grundschulen (von 27T. auf 47T. Schüler), bei den Gymnasien (von 200T. auf 244T. Schüler) und bei den Berufsfachschulen (von 40T. auf 84T. Schüler), wobei auf die neuen Bundesländer + 7,6T. Grundschüler, + 10,IT. Gymnasiasten und + 36,3T. Berufsfachschüler fallen. Regional reicht die Skala von Bayern (8,8%) über Sachsen (7,6%) und Hamburg (7,4%) bis Schleswig-Holstein (3,4%), Mecklenburg-Vorpommern (3,3%) und Brandenburg (2,8 %). Noch stärker sind die Differenzen, wenn man allgemeinbildende und berufsbildende Schulen trennt: dann stehen sich gegenüber (allgemeinbildend) Bayern (10,5%), Hamburg (8,9%) und Bremen (8%) einerseits, Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern (2,6%), Sachsen-Anhalt (2,4%) und Brandenburg (2,1%) andererseits; (berufsbildend) Sachsen (20,1%), Thüringen (10,9%) und Sachsen-Anhalt (8,1%) einerseits, und Hamburg (2,7%), SchleswigHolstein (2,6%) und Hessen (2,3%) andererseits. Auch wenn neuere Zahlen auf ein weiteres Wachstum in den neuen Bundesländern hinweisen, so bleiben diese Länder im Bereich der allgemeinbildenden Schulen deutlich im Rückstand. Aus diesen Zahlen ergibt sich bereits, dass die Verhältnisse in den neuen Bundesländern deutlich anders sind als in den alten: nach den seit 1933 währenden politischen Behinderungen und Verboten der freien Schulen mussten solche Schulen ab 1990 erst wieder mühsam gegründet werden. Die mit der Behauptung, das freie Schulwesen sei inzwischen etabliert, viel zu früh normierten Wartefristen haben den Aufbau der mehrjährigen allgemeinbildenden Schulen erheblich gebremst, während der Aufbau von Grundschulen und zwei- bis dreijährigen berufsbildenden Schulen durch flexiblere Träger (bei den berufsbildenden Schulen vielfach aus den alten Bundesländern) leichter möglich war und ein bestehendes schulisches Vacuum besetzen konnte. Während die Zahl der Schüler an allgemeinbildenden freien Schulen (ohne Berlin) von 9.000 (1992, 0,4%) auf 37.000 (2002, 2,6%) anstieg, vermehrte sich die Schülerzahl an berufsbildenden Schulen im gleichen Zeitraum von 2.600 (0,7%) auf 58.100 (11,8%). Der prozentuale Anstieg wurde verstärkt dadurch, dass im gleichen Zeitraum die Gesamtschülerzahl in den neuen Ländern von 2.400.000 auf 1.900.000 sank. Diese Entwicklung dürfte sich noch weiter fortsetzen. Aus der Aufstellung ist zu ersehen, dass die Entwicklung in den alten Bundesländern sehr viel stetiger verläuft. Auffällig ist auch hier der überproportionale Zuwachs bei den Grundschulen (1992: 27T., 2002: 40T. Schüler, s. u. Freie Alternativschulen), in Bayern allein von 6,2T. auf 11,5T., hier vor allem Montessorischulen. Zu berücksichtigen ist auch, dass die ständige Verminderung der Finanzhilfe die Schulen zwingt, zusätzliche Schüler aufzunehmen, um die Minderungen zu kompensieren.

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Schulen in freier Trägerschaft

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II.Verteilung nach konfessioneller und pädagogischer Zielsetzung Die in der Bundesarbeitsgemeinschaft Freier Schulen kooperierenden Schulverbände und -gruppen spiegeln die Repräsentanz der verschiedenen pädagogischen und konfessionellen Prägungen freier Schulen wieder. Traditionell liegt der Anteil der katholisch geprägten Schulen unter den freien Schulen bei rd. der Hälfte (351.000)3. Die evangelisch geprägten Schulen werden von 138.000 Schülern4, die 193 Waldorfschulen von 79.000 Schülern , die 19 Deutschen Landerziehungsheime von 5.000 Schülern, die (2005) 77 Freien Alternativschulen von rund 4.200 Schülern besucht. Im Bundesverband Deutscher Privatschulen (VDP) sind die Schulen zusammengeschlossen, die nicht in den bereits genannten Gruppierungen organisiert sind; der Verband rechnet mit 810 Schulen (z. B. 71 Grund- und Hauptschulen, 64 Realschulen und 101 Gymnasien sowie eine breite Palette im berufsbildenden Bereich, darunter 358 Berufsfachschulen, 110 Fachschulen und 19 Fachhochschulen) mit ca. 168.000 Schülern. Es gibt aber auch unorganisierte Schulen. Die Katholischen Schulen (Arbeitskreis katholischer Schulen in freier Trägerschaft in der Bundesrepublik Deutschland5) umfassen alle Schularten (allgemeinbildende mit rd. 290.000, Förderschulen mit rd. 27.000 und berufsbildende mit rd. 30.000 Schülern). Die historischen Schwerpunkte liegen in den süddeutschen Ländern, NRW und dem Emsland; in Schleswig-Holstein und in den neuen Ländern ist die Präsenz sehr viel geringer (4-14% der Schüler freier Schulen). Auch die evangelischen Schulen (Arbeitsgemeinschaft evangelischer Schulbünde) sind in allen Schularten tätig (allgemeinbildende mit rd. 76.000, Förderschulen mit rd. 26.000 und berufsbildende mit rd. 35.000 Schülern). Sie sind ziemlich gleichmäßig, auch in den neuen Bundesländern (20% der Schüler freier Schulen) verbreitet. Als eine neue Facette expandierten in den 80er und 90er Jahren allgemeinbildende Schulen sog. evangelikaler oder neupietistischer Kreise. Waldorfschulen und Landerziehungsheime sind allgemeinbildende Schulen der Reformpädagogik mit unterschiedlicher Ausprägung. Waldorfschulen führen alle Schüler von der 1. bis zur 12. Klassenstufe ohne Nichtversetzung nach einem eigenen Lehrplan; sie sind mit den Heilpädagogischen Schulen (41 Förderschulen mit 3.200 Schülern, in denen mehrere Behinderungsarten gemeinsam betreut werden) im Bund der Freien Waldorfschulen zusammengeschlossen. Landerziehungsheime (in der Vereinigung Deutscher Landerziehungsheime) sind Internatschulen (meist Gymnasien), in denen Unterricht und Erziehung weitgehend integriert sind. In beiden Gruppen gibt es Schulen, in denen gleichzeitig berufsbildende Elemente bis hin zur Gesellenprüfung (Doppelqualifikation) angeboten werden. 3 s. engagement 1 /2004 (Zahlen für 2002). 4 Statistik des Kirchenamts der EKD für 2002. 5 Zu den einzelnen Schul verbänden und -Vereinigungen s. Arbeitsgemeinschaft Freier Schulen (Hg.): Handbuch Freie Schulen. Reinbek 1999.

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Im Bundesverband VDP finden sich unter den allgemeinbildenden Schulen auch zwei neue allgemeinbildende Schulgruppen, die seit den 80er Jahren expandieren: die Freien Alternativschulen (Bundesverband der Freien Alternativschulen) und die Internationalen Schulen (Arbeitsgemeinschaft deutscher Internationaler Schulen). Die Freien Alternativschulen 6, allgemeinbildende Schulen vor allem im Grundschulbereich, basieren auf Entwürfen der Reformpädagogik und neuer pädagogischer Anstöße (Jena-Plan, Berthold Otto, aber auch Antiautoritäre Erziehung und free school-Bewegung). Internationale Schulen sind auf der ganzen Welt verbreitet (ca. 800 Schulen, in Deutschland 10 mit rd. 2.000 Schülern) und bieten ein standardisiertes internationales Curriculum von der Vorschulklasse bis zur 12. Klassenstufe mit dem Abschluss des International Baccalaureate, das weltweit und inzwischen auch als deutscher Hochschulzugang anerkannt ist. Sie werden häufig, aber fälschlich gleichgesetzt mit ausländischen nationalen Schulen in Deutschland (z. B. Japanische oder Französische Schulen), die nach ihren nationalen Lehrplänen unterrichten. - Anders als die anderen Verbände sind im VDP auch Ergänzungsschulen Mitglied, insbesondere Schulen, die in neuen Berufen ausbilden und für diese Ausbildungen Curricula entwickeln. Speziell inBayern gibt es eine starke Gruppe Montessorischulen, die sich in den letzten 20 Jahren vor allem im Grundschulbereich etabliert haben.

I I I . Die Träger freier Schulen und ihre Finanzierung Die ältesten Träger freier Schulen sind die katholischen Orden - z. B. Franziskaner, Dominikaner, Benediktiner und die Schulorden der Gegenreformation: Jesuiten, Ursulinen, Englische Fräulein, Arme Schulschwestern etc. Daneben gab es immer auch die Domschulen, Schulen der Bischöfe. Die Vielfalt der Ordensschulen hat in den letzten 30 Jahren wegen des mangelnden Nachwuchses der Orden Einbußen erlitten, doch sind in aller Regel die Schulen nicht aufgegeben worden, sondern in die Trägerschaft der Bischöfe übergegangen. Diese haben Schulstiftungen und -werke gegründet. Befanden sich noch 1987/88 51 % der katholischen Schulen bei den Orden und 35 % in den Händen der Diözesen, hat sich das Verhältnis heute umgekehrt: 28% bei den Orden und 64% bei Diözesen und Schulwerken7. Im Bereich der Förderschulen und berufsbildenden Schulen ist ein weiterer bedeutender Träger die Caritas. Katholische Schulen sind in der Regel Körperschaften des öffentlichen Rechts. Katholische Schulen möchten unter gleichen Bedingungen wie staatliche Schulen Schulbildung für alle anbieten. Die Orden konnten dazu ihre Gebäude sowie Nonnen und Patres aufbieten, die nach dem Armutsgelübde leben; zusammen mit 6

Zuletzt Manfred Borchert (Hg.): Freie Alternativschulen in Deutschland. 45 Portraits. Marl 2003. ι engagement 1 /2004, S. 9.

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Schulen in freier Trägerschaft

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der staatlichen Finanzhilfe konnte so Schulgeldfreiheit verwirklicht werden. Bei den Diözesanschulen trug der Bischof die von der Finanzhilfe nicht gedeckten Kosten. Inzwischen sind einerseits durch die zur Ersetzung der fehlenden Ordenskräfte erforderlich werdenden Laienkräfte die Personalkosten erheblich gestiegen, andererseits sinken die Kirchensteuermittel. Wenn es das „herkömmliche Bild der Privatschule" mit „finanzstarken Kreisen" hinter sich, wie es die Rechtsprechung behauptet, überhaupt gibt, dann könnte noch am ehesten die katholische Kirche gemeint sein; gleichwohl sind auch deren Mittel erschöpft; Kürzungen der Finanzhilfe schlagen in Erhöhungen der Schulgelder um und gefährden die soziale Ausgewogenheit der Schülerschaft. Im Bereich der evangelischen Schulen gibt es eine Vielzahl von Trägern, von von Bürgern getragenen gemeinnützigen eingetragenen Vereinen über privatrechtliche Stiftungen bis hin zum Christlichen Jugenddorf-Werk und zum Diakonischen Werk. Auch hier helfen - im Sinne eines diakonischen Auftrags einer Bildung für alle - die Landeskirchen, vor allem über von ihr gegründete Schulwerke und -Stiftungen; die Hauptlast der Finanzierung liegt aber, anders als bei den katholischen Schulen, bei den jeweiligen Trägern und ihren Eltern. Waldorfschulen, Freie Alternativschulen und Montessorischulen werden von Eltern und Mitarbeitern gegründet und von ihnen in gemeinnützigen eingetragenen Vereinen getragen. Sie sind keine „herkömmlichen", sondern der heutigen gesellschaftlichen Situation angemessene „neue" Schulen. Soweit die Finanzhilfe nicht ausreicht (sie deckt zwischen 50 und 70% der Kosten), müssen die Eltern durch finanzielle Beiträge und Umlagen sowie durch das Schulgeld, die Mitarbeiter durch Gehaltsverzichte die Schule finanzieren. Freilich werden diese Schulen entsprechend ihrer sozialen Zielsetzung in hohem Maße von weniger bemittelten Eltern, auch von Beziehern von Hartz IV etc. gewählt, sodass die erforderliche unterrichtliche Gleichwertigkeit und pädagogische Attraktivität der Schule nur auf der Grenze des Sonderungsverbots aufrecht erhalten werden können. „Finanzstarke Kreise" hinter den Schulen, die die Eltern entlasten könnten, gibt es nicht, allenfalls hilft sich das Netzwerk der Schulen einer Gruppe untereinander von Fall zu Fall für einzelne Projekte (z. B. Bauten) aus. Landerziehungsheime werden von eingetragenen gemeinnützigen Vereinen, Stiftungen des privaten Rechts oder GmbH getragen. Gegründet wurden sie durch pädagogisch inspirierte „Einzelkämpfer" (Hermann Lietz, Kurt Hahn, Paul Geheeb u. a.), die später das mit dem Betrieb der jeweiligen Internatschule erworbene Vermögen (in der Regel die Immobilie) in eine juristische Person einbrachten. Dementsprechend bestehen die ehrenamtlichen Gremien weithin aus Altschülern, Eltern und „Honoratioren", Freiberuflern, die ihren Sachverstand einbringen. Internatschulen können aus pädagogischen Gründen nur kleine Klassen bilden; infolgedessen sind die Schulkosten hoch. Da die Eltern zusätzlich zum Schulgeld den öffentlich nicht geförderten Internatsbetrieb bezahlen müssen, besteht die Gefahr, dass eine Sonderung von Schülern aus besser verdienenden Kreisen eintritt. Da

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Johann Peter Vogel

dies nicht im Sinne der pädagogischen Konzeption ist, sammeln diese Schulen Stipendienfonds, die an einzelnen Schulen bis zu 40 % der Schüler unterstützen können. Zur besseren Durchmischung der Schülerschaft nehmen einige Landerziehungsheime Schüler aus der Umgebung als Tagesschüler auf, einige auch Schüler, die über die Jugendhilfe öffentlich finanziert werden (nebenbei: die „teueren" Landerziehungsheime arbeiten zu geringeren Sätzen als die staatlichen Heime der Jugendhilfe und bieten zugleich eine anspruchsvolle gymnasiale Bildung, z.T. mit zusätzlicher beruflicher Qualifikation). Die „finanzstarken Kreise" (Altschülervereine) können angesichts der hohen Betriebskosten nur im Bereich von Projekten (Stipendien, Bauten) helfen; eine Beteiligung an den laufenden Kosten überstiege deren Mittel bei weitem. Die berufsbildenden Schulen des VDP sind von „Untenehmern" eingerichtete, in der Regel gemeinnützige eingetragene Vereine und GmbH; hier gibt es auch natürliche Personen als Träger. Für die überschaubar langen Ausbildungszeiten sind die meist nicht mehr schulpflichtigen Schüler (Eltern) bereit, ein höheres Schulgeld aufzubringen, sodass die z.T. hohen Kosten bei oft deutlich niedrigerer öffentlicher Finanzhilfe gedeckt werden können. Viele berufsbildende Träger betreiben mehrere Schulen unterschiedlicher Fachrichtungen nebeneinander und können innerhalb ihres Gesamthaushalts Defizite einzelner Schulen wenigstens teilweise ausgleichen. Auch hier gibt es an einzelnen Schulen „Stipendien" in Form von Darlehen des Trägers an bedürftige Schüler. „Finanzstarke Kreise" gibt es im berufsbildenden Schulbereich, wenn überhaupt, nur bei Fachhochschulen, wo am Nachwuchs interessierte Betriebe Teile der Kosten übernehmen und so das Schulgeld senken. Ein besonderes Kapitel sind die Internationalen Schulen. Ihre Klientel sind die Kinder ausländischer Manager, Kulturschaffender und Diplomaten, die häufig ihren Tätigkeitsort ändern und ihre Kinder an eine der weltweit über 800 Internationalen Schulen weiter unterrichten lassen können, sowie deutsche Schüler, deren Eltern ähnlich weltläufig sind oder sein werden. Träger sind eingetragene Vereine oder GmbH, z.T. ohne Gemeinnützigkeit; sie bestehen aus Honoratioren (Diplomaten, Manager, Leiter befreundeter Internationaler Schulen) und Eltern, deren Kinder länger an der Schule verweilen. Die hohen Kosten, die ein Schulbetrieb mit notwendig kleinen Klassen und internationalen Lehrkräften macht, müssen durch Schulgeld aufgebracht werden, wenn sie nicht durch öffentliche Finanzhilfe gemindert werden. Der Rechtsstatus ist, nach Ländern unterschiedlich, entweder Ersatz- oder Ergänzungsschule; öffentliche Finanzhilfe gibt es in einigen Ländern vom Kultusministerium oder - wegen der Unterstützung der wirtschaftlichen Infrastruktur - vom Wirtschaftsministerium, allerdings nur als von Fall zu Fall fakultative Subvention. Das Schulgeld wird für die ausländischen Schüler in der Regel vom Arbeitgeber der Eltern gezahlt, für die deutschen Schüler von den Eltern und liegt dort wohl jenseits des Sonderungsverbots, das freilich bei Ergänzungsschulen nicht gilt. „Finanzstarke Kreise" stehen für die deutschen Schüler nicht zur Verfügung.

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Schulen in freier Trägerschaft

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Zusammenfassend: Es gibt in Deutschland keinen Träger, der eine Sonderung der Schüler nach den Besitzverhältnissen wünscht; i m Gegenteil: es wird ein den Lebensverhältnissen möglichst adäquater sozialer Querschnitt angestrebt. Das „herkömmliche B i l d " der Privatschule, die zusätzlich zum Schulgeld Einnahmen aus Trägervermögen oder von „finanzstarken Kreisen" bezieht, ist auf die heutigen Träger freier Schulen schon seit 1950 nicht mehr anwendbar. Wo die Finanzhilfe nicht ausreicht, müssen Lehrergehälter gekürzt und Schulgelder erhöht werden sowohl die „genügende Sicherung" der Lehrer als auch das Sonderungsverbot werden infrage gestellt. Zahlen der Schüler an staatlichen und freien Schulen in Deutschland 1992-2002 Jahr/ Schüler in Ts. 1992 Schüler West insg. Schüler Ost insg. Schüler insg. - fS West (%)* fS Ost (%) fS insgesamt (%) 1996 Schüler West insg. Schüler Ost insg. Schüler insg. - f S West (%) fS Ost (%) fS insgesamt (%) 1998 Schüler West insg. Schüler Ost insg. Schüler insg. - f S West (%) fS Ost (%) fS insgesamt (%) 2002 Schüler West insg. Schüler Ost insg. Schüler insg. - fS West (%) fS Ost (%)** fS insgesamt (%)

Alle Schulen

9.417,4 2.398,6

Allgemeinbildende Schulen 7.310,1 2.034,9 9.345,0

11.816,0 560,4 (5,9) 11,6 (0,5) 572,0 (4,8) 10.059.8 2.490,1 12.549.9

2.107,3 363,7 2.471,0 436,6 (6,0) 9,0 (0,4) 445,6 (4,7)

8.046.1 2.024.2 10.070,8 603,4 (6,0) 41,9(1,7) 645,3 (5,1)

10.240.1 2.401,1 12.641.2

481,2 (6,0) 19,0 (0,9) 500,2 (5,0)

629,8 (6,1) 63,2 (2,6) 693,0 (5,5)

122,2 (6,1) 22,9 (4,9 145,1 (5,8)

2.093.3 509,1 2.602.4 503,2 (6,2) 24,5(1,3) 527,7 (5,3)

8.361.1 1.419.2 9.780.3 693.1 (6,6) 95,1 (5,5) 788.2 (6,3)

123,8 (5,9) 2,6 (0,7) 126,4 (5,1) 2.013,7 465,9 2.479,6

8.146,8 1.892,0 10.038,8

10.569 1.911 12.480

Berufsbildende Schulen

126,6 (6,1) 38,7 (7,6) 165,3 (6,3)

2.207,9 491,8 2.669,7 553,4 (6,6) 37,0 (2,6) 590,4 (6,0)

139.7 (6,3) 58,1 (11,8) 197.8 (7,3)

* % aller Schüler ** ohne Berlin Die Zahlen sind den entsprechenden Jahrgangszahlen der Grund- und Strukturdaten entnommen und differieren geringfügig gegenüber den Zahlen in Bd. 2003/04, S. 56 ff., 72 f.

Johann Peter Vogel

160

Schülerzahlen einzelner Schulformen 1992/2002* Schulform Schüler in Ts.

794,4

Grundschulen 2.669,7 1992 alle Schulen

2002 alle Schulen 2.836,8

- an fS (%) Sonder- / Förderschulen 1992

2002 alle Schulen

Berufsschulen, BGJ, BVJ 1992

87,1

2002 alle Schulen

Fachschulen 1992

2002 alle Schulen - an fS (%) * 2002 ohne Berlin

263,6

89,1

130,6

36,5 (41,0)

41,0 (31,4)

84,2 (19,6)

162,4 1,4 (4,4)

22,9 43,0 (32,3)

40,4 (15,3) 429,0

31,8

133,1

48,6 (2,6)

0,2 (1,0)

47,4(13,9)

- an fS (%)

1.855,9

19,2

339,9

33,1 (1,8)

9,8 (2,8)

40,2(16,4)

- an fS (%)

1.796,4

343,4

244,4

63,3 (14,7)

1,0 (0,3)

38,8 (2,6)

- an fS (%)

429,2

294,5

2002 alle Schulen 1.512,5

45,4 (12,6)

5,3 (6,2)

32,1 (2,14)

- an fS (%)

360,2

85,9

1.502,0

244,0 (10,6)

2,1 (2,4)

58,0(16,9)

- an fS (%)

Berfachschulen 1992

15,4 (3,9)

43,4(15,9) 343,3

199,9 (9,8) 2.296,7

398,0

273,2

- an fS (%)

2.046,9 4,7(1,13)

228,6(12,0)

- an fS (%)

47,7(1,5)

8,1 (2,6)

195,2(12,0)

2002 alle Schulen 1.898,7

27,2 (0.8) 3.144,3

419,7

1.631,5

- an fS (%)

3.419,6

307,5 39,6(1,4)

- an fS (%)

Insgesamt

0,2 (0,02)

27,0(1,0)

- an fS (%)

Gymnasium Sek. 1/II 1992

Ost

West

42,4 (26,1) 156,0

10,9 (47,6)

53,9 (34,5)

161

Bestand der Schulen in freier Trägerschaft Schülerzahlen an staatlichen und freien Schulen 2002 Land Baden-Württemberg allgemeinb. berufsb. zusammen Bayern allgemeinb. berufsb. zusammen Berlin allgemeinb. berufsb. zusammen Bremen allgemeinb. berufsb. zusammen Hamburg allgemeinb. berufsb. zusammen Hessen allgemeinb. berufsb. zusammen Niedersachsen allgemeinb. berufsb. zusammen Nordrhein-Westfalen allgemeinb. berufsb. zusammen Rheinland-Pfalz allgemeinb. berufsb. zusammen Saarland allgemeinb. berufsb. zusammen Schleswig-Holstein allgemeinb. berufsb. zusammen

11 H u f e n / V o g e l

Schüler insgesamt

+ + + -

+ -

-

+ -

-

+

+ +

+ + +

+ + +

+

+ +

+ + + -

+

+ + +

davon an fS

1.305,9 381,2 1.687,1

+

1.305,9 474,6 1.780,5

+

361,0 94,9 455,9

+

+ +

+

+ + +

73,4 25,1 98,5 173,1 55,2 228,3

+

689,8 182,6 881,4

+

978,0 266,2 1.244,2

+

2.310,6 563,3 2.873,9

+

489,5 124,5 617,0

+

119,4 36,6 156,0 337,0 84,1 421,1

+ +

+ +

+ +

+

+

+ + + +

+

+

in % der staatlichen Schüler

89,9 26,0 115,9

+

137,0 36,9 173,9

+

17,6 5,7 23,3

+

5,9 0,7 6,6

+

15,5 1,5 17,0

+

36,2 4,2 40,4

+

45,6 15,5 61,1

+

154,2 38,3 192,5

+

30,9 6,0 36,9

+

8,8 2,3 11,1

+

11,8 2,6 14,4

+

+

-

+

+ +

+ + +

+ +

+

+

-

+ +

6,9 6,8 6,9 10,5 7,8 8,8 4,9 6,0 5,1 8,0 2,8 6,7 8,9 2,7 7,4 5,2 2,3 4,6 4,7 5,8 4,9 6,7 6,8 6,7 6,3 4,8 6,0 7,4 6,3 7,1 3,5 2,6 3,4

162

Johann Peter Vogel

Fortsetzung der Tabelle Land Brandenburg allgemeinb. berufsb. zusammen Mecklenburg Vorpommern allgemeinb. berufsb. zusammen Sachsen allgemeinb. berufsb. zusammen Sachsen-Anhalt allgemeinb. berufsb. zusammen Thüringen allgemeinb. berufsb. zusammen

Schüler insgesamt

-

-

-

-

-

-

289,2 80,8 370,0

197,1 68,7 265,7

davon an fS

+ + +

+ + +

417,5 167,9 585,4

+

279,0 83,9 362,9

+

+ +

+ +

6,1 4,1 10,2

5,1 3,6 8,7

in % der staatlichen Schüler + +

+

+ + +

10,8 33,7 44,5

+

6,7 6,8 13,5

+

8,3 9,9 18,2

+

+ +

+ +

2,1 5,1 2,8

2,6 5,2 3,3 2,6 20,1 7,6 2,4 8,1 3,7

-

-

236,4 90,5 326,9

+ + +

+ +

3,7 10,9 5,6

Die rechtliche und finanzielle Situation von Schulen in freier Trägerschaft in Europa Von Lies Feron, Brüssel, und Ingo Krampen, Bochum I. Die Rechtsgrundlagen der Europäischen Union für Schulen in freier Trägerschaft 7. Der Vertrag von Nizza und die Charta der Grundrechte Geltende Rechtsgrundlage im Rahmen der Europäischen Union für den Bereich der Bildung ist zur Zeit der Drucklegung dieses Beitrages der Vertrag von Nizza. Das Inkrafttreten des Verfassungsvertrages, der als neues grundlegendes Regelwerk der Europäischen Union vorgesehen war und bis November 2006 verabschiedet sein sollte, ist nach dem Scheitern der Ratifizierung in Frankreich und den Niederlanden bis auf weiteres verschoben. Was die hier einschlägigen Artikel zum Bereich der Bildung betrifft, so enthalten diese im Verfassungsvertrag jedoch keinerlei Änderungen gegenüber dem Vertrag von Nizza. Bildung ist in der EU grundsätzlich Sache der Mitgliedstaaten. Das ist in Art. 149 und Art. 150 des EG-Vertrages (EGV) geregelt.1 Darin ist festgelegt, dass sich die Aufgabe der Europäischen Union auf die Durchführung von ergänzenden und unterstützenden Maßnahmen beschränkt, wobei die Verantwortung der Mitgliedstaaten für die Lehrinhalte und die Gestaltung ihrer Bildungssysteme strikt zu beachten ist. Die unterstützenden und ergänzenden Maßnahmen beziehen sich hauptsächlich auf den Spracherwerb, die Förderung der Mobilität der Lehrenden und Lernenden und der Zusammenarbeit zwischen den Bildungseinrichtungen, die Anerkennung von Diplomen und die Förderung der Zusammenarbeit mit Drittländern und internationalen Organisationen. Das ist die bestehende Rechtslage für die Europäische Union und ihre Mitgliedsländer. Nicht ohne Einfluss auf das Recht der Union wird aber die Charta der Grundrechte der Europäischen Union nach ihrer feierlichen Proklamation im Jahre 2003 bleiben, auch solange sie noch nicht als Teil des Verfassungsvertrages selbständige Rechtsgrundlage geworden ist. Für Schulen in freier Trägerschaft ist in der Charta vor allem Art. 14 Abs. 3 relevant, weil dort explizit auf das Subsidiaritätsprinzip 1 Siehe Art 149- 150, in: Vertrag von Nizza. Texte des EU-Vertrages und des EG-Vertrages, Charta der Grundrechte der Europäischen Union, deutsche Begleitgesetze, hrsg. von Thomas Läufer für die BpB, Bonn 2002, S. 134 f. 11*

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Lies Feron und Ingo Krampen

verwiesen wird. 2 So soll die Freiheit zur Gründung von Lehranstalten unter Achtung der demokratischen Grundsätze sowie das Recht der Eltern, die Erziehung und den Unterricht ihrer Kinder entsprechend ihren eigenen religiösen, weltanschaulichen und erzieherischen Überzeugungen sicherzustellen, nach den einzelstaatlichen Gesetzen geachtet werden, welche ihre Ausübung regeln. 3 Die in Art. 14 Abs. 3 enthaltenen Rechte stellen das Gegengewicht zu den Gestaltungsrechten des Staates im Schulbereich dar.4 Mit der Aufnahme der Freiheit zur Gründung von Lehranstalten hat der Konvent klargestellt, dass die Möglichkeit der Begründung und Führung privater Schulen von den Mitgliedsstaaten nicht ausgeschlossen werden darf. Das elterliche Erziehungsrecht sichert - angesichts der Tatsache, dass das kleine Kind noch nicht in der Lage ist, die notwendigen Entscheidungen selbst bzw. allein zu treffen - in dieser Lebensphase die Bildungsfreiheit des Kindes gegen Eingriffe von außen.5 Der Formulierung von Art. 14 der Charta liegt eine Unterscheidung zwischen staatlichem und privatem Schulwesen zugrunde. Art. 14 gestattet es den Mitgliedsstaaten - schon im Hinblick auf die in Art. 166 anerkannte unternehmerische Freiheit - nicht, ein staatliches Schulmonopol einzurichten und die Verfolgung von Bildungsinteressen außerhalb staatlicher Schulen zu untersagen.7 Eine Verpflichtung zur finanziellen Erleichterung (Subventionierung) privater Schulformen ist mit dem Art. 14 Abs. 3 aber nicht verbunden.8 Die Mitgliedstaaten haben lediglich dafür Sorge zu tragen, dass schulische Ausbildung an Privatschulen ohne Einschränkungen erworben werden kann.9 Im Zusammenhang mit dem Elternrecht, wie es in Art. 14 Abs. 3 niedergelegt ist, ist bemerkenswert, dass - im Gegensatz zu allen bisherigen internationalen Konventionen und Deklarationen - sich dieses Recht nicht mehr nur auf die religiösen und weltanschaulichen Überzeugungen, sondern explizit auch auf die pädagogischen Überzeugungen erstreckt. Damit sind auch besondere Pädagogikrichtungen wie z. B. reformpädagogische Konzepte vom Schutzbereich des Art. 14 Abs. 3 mit erfasst. 2

Vertrag von Nizza, a. a.O. S. 225. 3 Ebd., S. 225. 4 Bernsdorff in: Meyer (Hrsg.): Kommentar zur Charta der Grundrechte, Baden-Baden 2003, Art. 14, Rn. 18, S. 217. 5 Ebd., Art. 14, Rn. 18, S. 217. 6 Art. 16 der Grundrechtecharta: „Die Unternehmerische Freiheit wird nach dem Gemeinschaftsrecht und den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und Gepflogenheiten anerkannt", in: Vertrag von Nizza, a. a. O. S. 225. 7 Bernsdorff a. a. O. Art. 14, Rn. 19, S. 217. 8 Für eine zukünftige Auslegung der Bestimmungen des Art. 14 der Charta erscheint es nicht ausgeschlossen, dass aus dem Zusammenhang des Diskriminierungsverbots in Abs. 2 und des Rechts auf freie Wahl der Bildung in Abs. 3 auch ein Verbot der Diskriminierung von Bildungseinrichtungen in freier Trägerschaft gegenüber solchen in staatlicher Trägerschaft abgeleitet werden könnte. Dies ist in der Literatur zur Charta - soweit ersichtlich bisher noch nicht diskutiert worden. 9 Bernsdorff a. a. O. Art. 14, Rn. 19, S. 217 f.

Situation von Schulen in freier Trägerschaft in Europa

165

Was die finanzielle Leistungspflicht betrifft, besagt weiterhin Art. 14 Abs. 2 der Charta, dass das Recht auf Bildung die Möglichkeit umfasst, unentgeltlich am Pflichtschulunterricht teilzunehmen.10 Mit dieser kompensatorischen Zielrichtung trägt sie letztendlich dem Diskriminierungsverbot Rechnung, das eine Benachteiligung aus sozio-ökonomischen Gründen auch im Bildungsbereich untersagt. Das Prinzip der Unentgeltlichkeit in Art. 14 Abs. 2 beinhaltet keine Verpflichtung privater Schulträger, Unterricht unentgeltlich anzubieten.11 Mit den Grundrechtsbestimmungen der Art. 9 und Art 10 Abs. 2 1 2 gehört Art. 14 Abs. 2 aber zu den (wenigen) Freiheitsrechten, die von einer materiell-rechtlichen Zuständigkeit der Union im Primärrecht nicht „flankiert" werden. 13 Art. 14 Abs. 2 unterliegt weiterhin der Schrankenregelung des Art. 52 Abs. 1. Die Bedeutung des Rechts auf Bildung in Absatz 1 einschließlich der aus ihm folgenden Teilgewährleistung in Abs. 2 erschöpft sich daher in seiner Wirkung gegenüber den Mitgliedstaaten.14 Die Charta wirkt insgesamt in rechtlicher Hinsicht zunächst nur als Selbstbindung der EU-Organe. 15 Unbestritten ist jedoch, dass die Charta die in der EU geltende, gefestigte Werteordnung für den einzelnen Bürger sichtbar zusammenfasst und verdeutlicht. 16 In der Verfassung bekäme sie dann endgültig bindende Kraft. Was die Rechtgrundlagen für die Finanzierung Freier Schulen betrifft, kommen somit europäische Regelungen aufgrund des Subsidiaritätsprinzips direkt nicht zum Tragen. In der juristischen und bildungspolitischen Diskussion über die Finanzierung von Schulen in freier Trägerschaft kann jedoch auch auf die Entschließung des Europäischen Parlaments zur Freiheit der Erziehung vom 14. 3. 1984 zurückgegriffen werden, die sehr beachtenswerte Grundsätze auch für die Finanzierung von privaten Schulen aufgestellt hat. So heißt es in Ziff. 9 der Entschließung: Aus dem Recht der Freiheit der Erziehung folgt wesensnotwendig die Verpflichtung der Mitgliedsstaaten, die praktische Wahrnehmung dieses Rechts auch finan10 Art 14 der Grundrechtecharta, in: Vertrag von Nizza, a. a. O. S. 225. 11 Erläuterungen des Präsidiums des Konvents, zitiert nach Hilf, Die Charta der Grundrechte der Europäischen Union, Sonderbeilage zu NJW 2000, Heft 39. 12 Art. 9 der Grundrechtecharta: „Das Recht, eine Ehe einzugehen, und das Recht, eine Familie zu gründen, werden nach den einzelstaatlichen Gesetzen gewährleistet, welche die Ausübung dieser Rechte regeln"; Art. 10 Abs. 2 der Grundrechtecharta: „Das Recht auf Wehrdienstverweigerung aus Gewissensgründen wird nach den einzelstaatlichen Gesetzen anerkannt, welche die Ausübung dieses Rechts regeln", in: Vertrag von Nizza, a. a. O. S. 225. 13 Bernsdorff a. a. O. Art. 14, Rn. 14, S. 215. 14 Ebd., Art. 14, Rn. 17, S. 216. 15 In Art. 51 des Nizza-Vertrages wird ihr Geltungsbereich beschrieben: demnach gilt sie für die Organe und Einrichtungen der Union unter Einhaltung des Subsidiaritätsprinzips und für die Mitgliedstaaten ausschließlich bei der Durchführung des Rechts der Union. 16 Siehe Vertrag von Nizza, a. a. O. S. 17.

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Lies Feron und Ingo Krampen

ziell zu ermöglichen und den Schulen die zur Durchführung ihrer Aufgaben und zur Erfüllung ihrer Pflichten erforderlichen öffentlichen Zuschüsse ohne Diskriminierung der Organisatoren, der Eltern, der Schüler oder des Personals zu den gleichen Bedingungen zu gewähren, wie sie die entsprechenden öffentlichen Unterrichtsanstalten genießen }Ί Natürlich hat die Entschließung des Parlaments nur deklaratorischen Charakter. Die volle Realisierung des Rechts auf Bildung und der Freiheit der Erziehung, wie in der Entschließung veranlagt, bleibt somit einzelstaatlichen Entscheidungen der Bildungspolitik überlassen. Für eine Einflussnahme auf die nationalen Bildungspolitiken sind solche internationalen Deklarationen jedoch wichtige Argumentationshilfen. 18 Im Laufe der Zeit hat sich wohl auch allgemein die politische Erkenntnis durchgesetzt, dass in einer globalisierten Welt eine Abstimmung der Bildungsinhalte und Bildungsformen auf europäischer Ebene unerlässlich geworden ist. Im Folgenden wird daher auszuführen sein, inwieweit die Bildungspolitik, direkt oder indirekt, doch Teil der Gemeinschaftspolitiken geworden ist.

2. Die Förderprogramme Die oben genannten Art. 149 und 150 EGV finden ihre unmittelbaren Auswirkungen in den EU-Förderprogrammen im Bereich allgemeine und berufliche Bildung, wovon das Erasmus Programm wohl das bekannteste ist. Ziel der Programme ist es, den Mitgliedstaaten und seinen Bürgern die europäische Idee zu vermitteln. Diese Programme sind Mehrjahresprogramme, und am 25. Oktober 2005 wurde die nächste Programmgeneration „Integriertes Aktionsprogramm im Bereich des lebenslangen Lernens" für die Zeit von 2007-2013 vom Europäischen Parlament angenommen. Es sieht im Einzelnen die folgenden Programme vor: - Comenius für den Schulaustausch, - Erasmus für den Hochschulaustausch, - Leonardo da Vinci für die berufliche Bildung und - Grundtvig für die Erwachsenenbildung. Es beinhaltet außerdem noch zwei Querschnittsprogramme: Jean Monnet für die Forschungsaktivitäten zur europäischen Integration sowie ein zweites Querschnittsprogramm, dessen vier Aktivitätsschwerpunkte die Entwicklung politischer 17 Zitiert nach Fernandez / Jenkner, Internationale Erklärungen und Übereinkommen zum Recht auf Bildung und zur Freiheit der Erziehung, Schriftenreihe des effe, Band 8, Frankfurt 1995, S. 273 ff. is Ebd. S. 219.

Situation von Schulen in freier Trägerschaft in Europa

167

Strategien, das Sprachenlernen, Informations- und Kommunikationstechnologien und die Verbreitung von Ergebnissen vorsehen. Gleichzeitig soll der bürokratische Aufwand verringert werden. Als Budget plant die Kommission ca. 16-17 Milliarden €. Das komplette finanzielle Budget der Europäischen Union für die Jahre 2007-2013 ist aber immer noch nicht festgelegt. Erst wenn das globale Paket bekannt ist, können die Bildungsminister sich abschließend zu dem Budget der Förderprogramme äußern. Vorgesehen ist, dass im Juli 2006 die ersten Aufrufe zur Einreichung von Vorschlägen für 2007 veröffentlicht werden können.

3. Informations-

und Erfahrungsaustausch

Ein Teil des Art. 149 EGV bezieht sich weiterhin auf die Entwicklung der europäischen Dimension im Bildungswesen sowie auf den Ausbau des Informationsund Erfahrungsaustausches über gemeinsame Probleme im Rahmen der Bildungssysteme der Mitgliedstaaten. Die Mitgliedstaaten haben sich dazu verpflichtet, Daten und Fakten zu ihren Bildungssystemen in einem Netzwerk zur Verfügung zu stellen. Weiterhin entwickelt man auf der Gemeinschaftsebene Methoden zur Evaluierung der Bildungsqualität über die Entwicklung von Kriterien und Indikatoren, sowie über die Anerkennung von Diplomen und Qualifikationen. Diese Aktionen der Beobachtung und Analyse sind Eurydice, Arion und Naric. Sie orientieren sich genau an den aktuellen bildungspolitischen Entwicklungen und Prioritäten und bestimmen sie dadurch mit.

4. Die Lissabon Agenda Der bislang größte Meilenstein in der EU auf dem Weg zu gemeinsamen Zielen im Bereich der allgemeinen und beruflichen Bildung hat sich im Rahmen der Lissabon Agenda entwickelt. Im Jahr 2000 setzten sich die Staats- und Regierungschefs auf dem Gipfel in Lissabon das ehrgeizige Ziel, die Europäische Union bis 2010 zum „wettbewerbsfähigsten und dynamischsten wissensbasierten Wirtschaftsraum der Welt" zu machen. Die Bildung sollte der Schlüssel dafür sein, die „Humanressourcen" auszuschöpfen und zu mobilisieren. Die Bildungsminister einigten sich darauf, mit Hilfe der „Methode der offenen Koordinierung" die Qualität der nationalen Bildungssysteme zu verbessern. Diese „Arbeitsgruppe Bildung" stellte sich untypischerweise nicht als eine Arbeitsgruppe der EU-Kommission, sondern des Ministerrates dar. Dies weist deutlich daraufhin, dass die Mitgliedsstaaten ihre Zuständigkeit auf diesem Gebiet nicht aus der Hand geben wollen. Zu erwähnen ist außerdem, dass das Europäische Parlament aus diesem Koordinierungsprozess ausgeschlossen bleibt. Die EU-Kommission wirkt aber sehr wohl an diesem Koordinierungsprozess mit und legte die zu verfolgenden Ziele im Arbeitsprogramm „Allgemeine und berufliche Bildung 2010" nieder. Diese Ziele werden mit Messinstrumenten fest-

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Lies Feron und Ingo Krampen

gelegt, und - an diesen Indikatoren gemessen - werden Vergleiche angestellt: das ist das sogenannte „Benchmarking". Die mitgliedstaatlichen Politiken sollen auf diese Weise stärker koordiniert werden. Viele Mitgliedstaaten finden, dass die EU ihre Befugnisse mit diesen Vorgaben, mit festen Indikatoren und Benchmarks, sowie einer ständigen Überprüfung durch die EU-Kommission überschreitet. Die Lissabon Strategie führt im Bereich der Bildung zu einem selbstbindenden Druck der nationalen Politiken. Somit kann man feststellen, dass die Bildungspolitik der EU durch den Spagat gekennzeichnet wird, einerseits die alleinige Zuständigkeit der Mitgliedstaaten für ihre Bildungspolitik nicht in Frage zu stellen, auf der anderen Seite aber zu versuchen, gemeinsame Ziele zu formulieren und in die nationalen Bildungssysteme zu integrieren. Das ehrgeizige Ziel der Union, Europa zum wettbewerbsfähigsten Wirtschaftsraum zu machen, birgt zwei große Gefahren: - Ein großer Teil der bildungsfernen Bevölkerungsschichten Europas gerät in Gefahr, „marginalisiert" zu werden. Der Ausbau der Bildungssysteme im Sinne eines alles bestimmenden Leistungsprinzips kann dazu führen, dass immer mehr junge Menschen aus dem System „herausfallen" und dem Sozialstaat anheim fallen. - Die Versuchung der Bildungspolitiker, alle Bildung an sogenannten Indikatoren und „Benchmarks" messen zu wollen, trägt die Gefahr in sich, dass der eigentliche Entwicklungsprozess des Kindes und des jungen Erwachsenen aus dem Blickfeld gerät. Dies wird bereits an den Diskussionen über Testreihen wie PISA deutlich: Diskutiert wird nur der „Tabellenplatz" von Staaten und Ländern, während aus dem Blickfeld verschwindet, wie Kinder für ihre weitere Entwicklung mit Selbstentfaltungskräften und mit seelischer und geistiger Gesundheit ausgestattet worden sind. Vorzuziehen wären insoweit - wenn schon Standards für unverzichtbar gehalten werden - Mindeststandards, die genügend Raum für Freiheit in der Erziehung lassen. Insgesamt darf man gespannt sein, wie „offen" und transparent sich die Methode der offenen Koordination im Rahmen der Union entwickelt.

II. Anteil der Schulen in freier Trägerschaft in den verschiedenen Ländern Europas Definition So unterschiedlich die Bildungssysteme innerhalb der Europäischen Union sind, so gibt es auch in Europa verschiedene Formen des privaten oder nicht-staatlichen Unterrichts.

Situation von Schulen in freier Trägerschaft in Europa

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Allgemein wird „privater Sektor" im Bildungswesen definiert als jede Form von Bildung, die errichtet und vollständig organisiert wird durch Individuen oder nichtstaatliche Träger (zivilrechtliche Körperschaften). Innerhalb dieses Sektors gibt es einen Unterschied zwischen Privatschulen in senso strictu und subventionierten Schulen in freier Trägerschaft. Privatschulen in senso strictu werden gänzlich von Personen oder nicht-staatlichen Trägern finanziert; subventionierte Schulen in freier Trägerschaft empfangen Subventionen der öffentlichen Hand. Diese Finanzierung kann aber muss nicht kostendeckend sein oder verschiedene Bereiche abdecken. Länderabhängig kann jeder Typ von Privatschule bestimmten Formen der Staatskontrolle unterworfen sein.19 Die Länder der Europäischen Union kann man, im Hinblick auf das Verhältnis von privaten Schulen zum Staat, in drei Gruppen einteilen: 1. In der ersten Gruppe übt der Staat Kontrolle über Schulen in freier Trägerschaft aus, ohne sie jedoch finanziell zu unterstützen. In Griechenland, Bulgarien, Rumänien20 und im Vereinigten Königreich (VK) erhalten Privatschulen keine staatliche Finanzierung. Das Vereinigte Königreich ist hierbei aber ein Sonderfall, denn Schulen, die über Kirchen oder Treuhänder geführt werden, gelten als Teil des öffentlichen Sektors und werden demnach wohl subventioniert. 2. In der zweiten Gruppe (Frankreich, Italien, Portugal) existieren verschiedene Arten von Verträgen zwischen privaten Schulen und öffentlicher Hand. Abhängig vom Vertrag hat die Schule eine größere oder kleinere Handlungsfreiheit in Bezug auf die Bedingungen (z. B. Curricula, Lehrereinstellungen, etc) die von der öffentlichen Hand auferlegt werden, und je nachdem empfängt sie mehr oder minder signifikante Zahlungen. In Frankreich können Schulen nur dann erhebliche Subventionen erhalten, wenn sie einen Vertrag unterzeichnen, der letztendlich die Anpassung an den staatlichen Lehrplan vorsieht.21 3. In den meisten Ländern haben die subventionierten Schulen in freier Trägerschaft viel gemein mit den öffentlichen Schulen. In Belgien, Dänemark, Deutschland, Spanien, Irland, Luxemburg, Estland, Lettland, Ungarn, Österreich, Finnland, Tschechische Republik, Schweden22 funktionieren die Schulen in freier Trägerschaft mehr oder weniger nach dem gleichen Prinzip wie Eurydice (Hrsg.): Private education in the European Union, S. 11. 20 Siehe Manfred Borchert / Robert Bell (Hrsg.): Atlas zum Menschenrecht auf Bildung und zur Freiheit der Erziehung in Europa, Bochum 2003, S. 71 - 7 4 und 87-91. 21 Frank-Rüdiger Jach: Schul Verfassung und Bürgergesellschaft in Europa, Berlin 1999, S. 302. 22 Siehe Manfred Borchert / Robert Bell (Hrsg.): Atlas zum Menschenrecht auf Bildung und zur Freiheit der Erziehung in Europa, Bochum 2003, sowie Eurydice (Hrsg.): Private education in the European Union, S. 11.

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die öffentlichen Schulen und sind - entweder teils oder gänzlich - subventioniert. 23 In den meisten Ländern dürfen Schulen in freier Trägerschaft auch abweichende pädagogische Konzepte verwirklichen, wenn diese den staatlichen Lehrplänen gleichwertig sind. Allerdings differenzieren manche Länder bei der Bezuschussung zwischen unterschiedlichen Trägern (z. B. Österreich) bzw. unterschiedlichen Konzepten. In Österreich erhalten z. B. nur kirchliche Schulen volle Subventionen, und zwar aufgrund eines völkerrechtlichen Vertrages mit dem Vatikan. 24 Sonstige Schulen in freier Trägerschaft haben keinen Anspruch auf Zuschüsse und erhalten solche nur, wenn die einzelne Schule „einem Bedarf der Bevölkerung" entspricht (§ 21 Österr. PrivSchG). 25 Eurydice unterteilt Schulen in freier Trägerschaft weiterhin in staatsabhängig oder unabhängig. Wenn sie mehr als 50% ihrer Finanzierung vom Staat erhalten, werden sie staatsabhängig genannt. Unabhängige private Institutionen erhalten weniger als 50 % ihrer Finanzierung vom öffentlichen Sektor. 26 Die gänzlich privaten Schulen erhalten keine Finanzierung. In Griechenland, Italien und Vereinigten Königreich ist der Prozentsatz der Schüler, die solche nicht-subventionierte Privatschulen besuchen, mit 5 bis 6% am höchsten, aber auch in Spanien und Irland besucht eine kleine Zahl von Schülern komplett privat subventionierte Schulen. 27

Anteil der Schüler, die Schulen in freier Trägerschaft in Europa besuchen Von den schulpflichtigen Kindern in Europa besuchen über 80 % eine öffentliche Schule. Nur in Belgien (sowohl französische als auch flämische Gemeinschaft) und in den Niederlanden besuchen mehr Schüler die subventionierten Schulen in freier Trägerschaft als die Staatsschulen, mit respektive 56,8%, bzw. 76,3% der Schüler. 28 In diesen Ländern sind, aus historischen Gründen, die Art und Höhe der Finanzierung der subventionierten Schulen in freier Trägerschaft denen der öffentlichen gleichgestellt, mit Ausnahme der Errichtungskosten für Schulgebäude (immovables) in Belgien. 29 Auch in Spanien, Frankreich, Malta (zwischen 21 und 26%) und im Vereinigten Königreich (37 %) ist der Besuch von Schulen in freier Trägerschaft sehr verbrei23

Eurydice (Hrsg.): Private education in the European Union, S. 11. Österr. BGBl. 273/1962. 2 5 Frank-Rüdiger Jach, a. a. O. S. 377. 24

26 27 28

Eurydice, Eurostat (Hrsg.): Key Data on Education in Europe 2005, S. 68. Eurydice (Hrsg.): Private education in the European Union, S. 13. Eurydice, Eurostat (Hrsg.): Key Data on Education in Europe 2005, S. 21. Ebd., S. 21.

Situation von Schulen in freier Trägerschaft in Europa

171

tet. Länder, in denen fast alle Schüler (98 % und mehr) öffentliche Schulen besuchen, sind Irland, Lettland, Litauen, Slowenien, Bulgarien und Rumänien.30 In den 25 EU-Staaten beträgt der Anteil von Schülern in unabhängigen Privatschulen nur 2,5 %. Portugal hat den höchsten Prozentsatz an unabhängigen privaten Institutionen (12,4%), gefolgt von Malta (9,4%), Zypern (8,1 %) und Griechenland (7%). 31 Die Freiheit der Lehre In manchen Ländern (Griechenland, Rumänien, Bulgarien, Lettland, Estland, Spanien, Irland, Luxemburg, Niederlande, Finnland, Schweden) sind die Lehrpläne für Grundschulen und den unteren Sekundarbereich für Schulen in freier Trägerschaft verpflichtend. Eine gewisse Freiheit bei der Gestaltung des Lehrplans haben die spanischen Schulen, denn dort ist die Verpflichtung, den Lehrplan dem öffentlichen Sektor anzugleichen, begrenzt. 32 In Deutschland müssen die Privatschulen die gleichen Zielsetzungen und ein gleiches Bildungsniveau (Gleichwertigkeit) anbieten. Man ist aber nicht beschränkt auf einen gleichen Lehrplan. In Irland müssen sich die Sekundärschulen bei der Ausgestaltung des Lehrplans an das staatliche Curriculum halten, wenn sie auch eine staatliche Annerkennung bekommen wollen. 33 In Frankreich und Italien ist der Lehrplan abhängig von der Art der Schule in freier Trägerschaft. Während in Frankreich Schulen mit einem „contrat d'association" den gleichen Lehrplan wie in den öffentlichen Schulen anbieten müssen, haben die Schulen mit „contrat simple" mehr Gestaltungsfreiheit. Die Schulen, die „hors contrat" operieren, müssen sich lediglich an Standards in Bezug auf Kenntnisse und Fähigkeiten halten. Die Staatszuschüsse sind aber auch entsprechend der Verbindlichkeit der Verträge gestaffelt. In Italien sind die Grundschulen „parificate" und „paritarie" sowie die Sekundärschulen „legalmente riconosciute" ähnlich organisiert wie die öffentlichen Schulen und folgen damit auch dem gleichen Lehrplan. Grundschulen „private autorizzate" müssen ihren Lehrplan lediglich konform dem öffentlichen Sektor gestalten, und Sekundärschulen „con presa d'atto" sind frei, dem öffentlichen Lehrplan zu folgen. 34 In den anderen Ländern (Belgien, Irland (Grundschulen), Österreich, Vereinigtes Königreich können die Schulen in freier Trägerschaft andere Lehrpläne anbieten. 30 Ebd., S. 67. 31 Eurydice, Eurostat (Hrsg.): Key Data on Education in Europe 2005, S. 67. 32 Eurydice (Hrsg.): Private education in the European Union, S. 30 und Manfred Borchert/Robert Bell (Hrsg.): Atlas zum Menschenrecht auf Bildung und zur Freiheit der Erziehung in Europa, Bochum 2003. 33 Eurydice (Hrsg.): Private education in the European Union, S. 30. 34 Ebd., S. 30.

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Lies Feron und Ingo Krampen

In Belgien und Österreich ist diese Freiheit allerdings verbunden mit dem (teilweisen) Verzicht auf Subventionen. Im Vereinigten Königreich ist man nicht gesetzlich gebunden, dem Lehrplan zu folgen. Jedoch gibt es eine bestimmte Erwartungshaltung von Seiten der Inspektionen.35

III. Verfassungsrechtliche Garantien für die Finanzierung/ Finanzhilfeansprüche der freien Schulen in Europa 7. Der gesetzliche Rahmen In allen 25 EU-Mitgliedstaaten ist die Errichtung von privaten allgemeinbildenden Schulen erlaubt. In den meisten Staaten ist das Recht, private Schulen zu errichten, entweder explizit in der Verfassung niedergelegt oder impliziert durch die Bestätigung des Rechtes der Wahl und Freiheit der Bildung. Ausnahmen sind Luxemburg, Schweden und das Vereinigte Königreich (hier gibt es keine geschriebene Verfassung). 36 In Spanien, Frankreich, Irland und den Niederlanden ist die Verpflichtung des Staates, private Bildungsinstitutionen, die Schülern im Schulpflichtalter Bildung anbieten und die bestimmten gesetzlichen Auflagen nachkommen, finanziell zu fördern, in der Verfassung festgeschrieben. In Italien legt die Verfassung hingegen ausdrücklich fest, dass diejenigen, die private Schulen errichten wollen, es „nicht zu Lasten des Staates" tun dürfen. Diese Regelung hat Gesetze blockiert, die privaten Schulen den gleichen Status wie Staatsschulen vermitteln wollten und betraf folglich auch die Zubilligung von Finanzierungen. Das Gesetz 62 (März 2000) erkennt formell an, dass die „scuole paritarie" Teil des nationalen Bildungssystems sind und spezifiziert einen neuen Finanzierungsschlüssel.37 In den anderen Ländern sind die Möglichkeiten der Finanzierung des privaten Schulsektors nicht in der Verfassung geregelt, sondern in verschiedenen gesetzlichen Vorschriften festgelegt. Die Möglichkeiten der Finanzierungen sind sehr begrenzt in Griechenland, Vereinigtes Königreich, Rumänien, Bulgarien, Zypern. 38 In Belgien, Spanien, Frankreich, Irland, Italien, den Niederlanden, Finnland und Vereinigten Königreich findet sich die Rechtsgrundlage für den Betrieb von Schulen in freier Trägerschaft nicht in der Verfassung, sondern in der nationalen Gesetz35 Ebd., S. 30. 36 Ebd., S. 15. 37

Eurydice (Hrsg.): Private education in the European Union, S. 15. 38 Eurydice (Hrsg.): Private education in the European Union, S. 15 sowie Manfred Borchert/ Robert Bell (Hrsg.): Atlas zum Menschenrecht auf Bildung und zur Freiheit der Erziehung in Europa, Bochum 2003.

Situation von Schulen in freier Trägerschaft in Europa

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gebung. Diese gelten sowohl für den privaten als auch für den öffentlichen Sektor. In Dänemark, Luxemburg und Schweden sind sie eine Kombination von gemeinsamer und getrennter Gesetzgebung. In den anderen Ländern - Griechenland, Österreich und Portugal - ist die Basisgesetzgebung für den Betrieb von Schulen in freier Trägerschaft eine für den Privatsektor spezifische Gesetzgebung. In Deutschland sind die Länder zuständig, und die Gesetzgebung ist eine Mischung aus spezifischen Gesetzen für öffentliche und private Schulen oder aus gemeinsamen, für alle Schulen gültigen Gesetze.39 In fast allen Ländern der EU kontrolliert der Staat die Errichtung von allgemein bildenden Schulen in freier Trägerschaft durch die gesetzliche Auferlegung von Mindeststandards. Es geht dabei um minimale Konditionen für die Errichtung einer Schule. Es werden außerdem weitgehende und strengere Bedingungen für die Anerkennung der Schulen oder für ihre Gleichstellung mit öffentlichen Schulen und somit für den Anspruch auf Subventionen festgelegt. Es gibt zwei Ausnahmen in Bezug auf staatliche Interventionen in diesem Sinne: In Irland gibt es kein Regelwerk für die Errichtung einer privaten Schule, aber Schulen, die bestimmte Kriterien einhalten, können die Anerkennung des Staates beantragen. In Finnland kann man eine Schule ohne die Zustimmung des Bildungsministeriums errichten, obwohl das Ausbleiben staatlicher Kontrolle auch den Verlust finanzieller Vorteile bedeutet.40

2. Öffentliche

Finanzierung privater Bildung

Allgemein kann man feststellen, dass die Finanzierung der subventionierten Schulen in freier Trägerschaft in Europa selten mit der Finanzierung der öffentlichen Schulen gleichgestellt ist. 41 In Griechenland, Rumänien, Bulgarien, Italien erhalten die als privat eingestuften Schulen keine finanzielle Unterstützung 4 2 In Irland und im Vereinigten Königreich (nur England, Wales und Nord-Irland) werden private oder unabhängige Schulen auch nicht subventioniert. Die subventionierten Schulen in freier Trägerschaft werden aber in beiden Ländern als Teil des öffentlichen Sektors betrachtet und so natürlich öffentlich finanziert 43

39 Eurydice (Hrsg.): Private education in the European Union, S. 15. 40 Ebd., S. 16. 41 Eurydice, Eurostat (Hrsg.): Key Data on Education in Europe 2005, S. 21. 42 Eurydice (Hrsg.): Private education in the European Union, S. 24. Ausnahme Grundschulen die parificate sind in Italien sowie die CTCs/CCTAs in Großbritannien. Siehe auch Manfred Borchert/Robert Bell (Hrsg.): Atlas zum Menschenrecht auf Bildung und zur Freiheit der Erziehung in Europa, Bochum 2003. 43 Eurydice, Eurostat (Hrsg.): Key Data on Education in Europe 2005, S. 165.

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In manchen Ländern erhalten subventionierte Schulen in freier Trägerschaft die gleiche Finanzierung wie öffentliche Schulen. So gibt es in den Niederlanden, Schweden und Polen keinen Unterschied zwischen der staatlichen Unterstützung der öffentlichen Schulen und dem Betrag, den die subventionierten Schulen in freier Trägerschaft erhalten. Gleichermaßen werden die Prinzipien bei der Finanzierung der Schulen in öffentlicher oder privater Hand in Finnland gehandhabt. 44 Manche EU-Länder (Tschechien, Dänemark, Deutschland, Spanien, Italien (Grundschule), Zypern und Luxemburg), die drei EFTA-Länder (Island, Liechtenstein und Norwegen) und Rumänien bieten den subventionierten Schulen in freier Trägerschaft staatliche Unterstützung an. Die Höhe dieser Subventionen und die Methoden der Berechnung unterscheiden sich von denen für den öffentlichen Sektor. In manchen Fällen entspricht die Unterstützung einem festen Prozentsatz des Etats der öffentlichen Schulen 4 5 In den übrigen Ländern letztendlich erhalten die subventionierten Schulen in freier Trägerschaft Zahlungen, deren Summe oder deren Methode der Errechnung genau denen entspricht, die bei bestimmten Ressourcen der öffentlichen Schulen angelegt werden, wie z. B. die Finanzierung des Lehrpersonals oder der Betriebskosten.46 In den meisten Ländern wird die Finanzierung meist getrennt nach verschiedenen Kosten zugewiesen. Es gibt generell drei große Kostenfaktoren: • das Lehrpersonal, • die Betriebskosten • die Errichtungs- und Unterhaltungskosten der Gebäude. Es gibt Länder, in denen die Kommunen oder die Schulen eine Pauschalfinanzierung erhalten, die die verschiedenen Kategorien abdeckt. In Schweden z. B. werden solche Pauschalbeträge von den Gemeinden den Schulen übertragen. Die Höhe des Betrages hängt von der Schulform und den Bedürfnisse der Schüler ab. Die Bemessungsgrundlage ist sowohl für private als auch für öffentliche Schulen gleich. In Dänemark erhalten die Schulen in freier Trägerschaft ihre Subventionen gemäß der Schüleranzahl. Dieser Betrag deckt 75-80% der Kosten ab und die Schule ist frei, den Betrag den verschiedenen Kostenkategorien zuzuteilen. Die „parificate", Primarschulen in Italien, sind bei der Mittelzuweisung ebenfalls frei. Die Subventionen betragen hier allerdings nur 50% der Gesamtkosten 4 7 44 Ebd., S. 163. 45 Ebd., S. 163. 46 Ebd., S. 164. 47

Eurydice (Hrsg.): Private education in the European Union, S. 24.

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In einer Anzahl der Länder der Europäischen Union (Belgien, Spanien, Irland, die Niederlande, Österreich, Portugal - Schulen mit contrato de associa£äo - und Finnland) werden die Kosten des Lehrpersonals vollständig vom Staat übernommen. Die Betriebskosten werden oft zu einem gewissen Anteil vom Staat übernommen oder finanziert wie bei öffentlichen Schulen in Belgien, Deutschland, Spanien, den Niederlanden, Portugal - Schulen mit contrato de associa£ao - und Finnland. In Irland erhalten die Schulen eine Pauschale, um einen Großteil der Betriebskosten auszugleichen. Dagegen werden in Österreich keine Betriebskosten übernommen. Hier übernehmen die Eltern diese Kosten durch Monats- oder Jahreszahlungen. In Luxemburg und Portugal (für Schulen unter contrato de patrocinio) beteiligt der Staat sich nur teilweise an den Betriebskosten und an den Kosten für das Lehrpersonal. 48 Der dritte Kostenfaktor der Schulen in freier Trägerschaft, Immobilien, ist die am wenigsten und am niedrigsten von den Behörden finanzierte Kostenart. Die Ausnahme sind die Niederlande: subventionierte Schulen in freier Trägerschaft erhalten Subventionen von den Gemeinden, die die Kosten für den Ankauf, Bau, Miete und Erhalt der Gebäude abdecken. In einigen weiteren Ländern (Belgien, Deutschland, Frankreich (Sekundarstufe I), Irland und Finnland) werden diese Kosten teilweise übernommen. In den anderen Ländern werden diese Kosten nicht subventioniert. Es gibt aber zum Teil spezifische Regelungen für diese Kosten. In Frankreich können die lokalen Behörden Darlehen vermitteln, um Gebäude anzuschaffen und herzurichten. In Österreich werden für die Gebäude Darlehen zur Verfügung gestellt, auf der Basis von Verträgen, die maximal 40 Jahre gelten. In Portugal ist es möglich, unter bestimmten Voraussetzungen bis zu 50% der Kosten erstattet zu bekommen 4 9

IV. Besondere Finanzhilferegelungen in einzelnen Ländern 7. Niederlande In den Niederlanden sind Schulen in freier Trägerschaft im Grundschulbereich den staatlichen Schulen verfassungsrechtlich finanziell gleichgestellt, sofern sie einen - nach deutschen Verfassungskategorien - gleichwertigen Unterricht anbieten. 50 Die finanzielle Gleichstellung gilt auch für den Sekundarbereich, wird aber insoweit nicht von der Verfassung garantiert. Die Höhe der Zuschüsse richtet sich nach den Vorgaben des staatlich-kommunalen Schulwesens und umfasst die Kos48 Eurydice (Hrsg.): Private education in the European Union, S. 24. 49 Ebd., S. 24. 50 Frank-Rüdiger Jach a. a. O. S. 147.

Lies Feron und Ingo Krampen

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ten für die Gebäude, die Ausstattung und das Personal sowie die sonstigen Betriebskosten. 51 Die Subventionierung erfolgt in Form von Pauschalbeträgen, die sich an den Kosten des Unterrichts staatlicher Schulen orientieren. In der Verwendung der Mittel haben Schulen in freier Trägerschaft die Möglichkeit, selbständig Prioritäten zu setzen.52 Zugleich ist es aber den Schulen in freier Trägerschaft gesetzlich untersagt, Schülerinnen und Schüler wegen Nichtzahlung des Schulgeldes der Schule zu verweisen. Insgesamt gelten Schulen in freier Trägerschaft in den Niederlanden als öffentliche - jedermann unabhängig von seinen Einkommensund Vermögens Verhältnissen offenstehende - Einrichtungen. 53 2. Dänemark Schulen in freier Trägerschaft erhalten in Dänemark prinzipiell den gleichen Zuschussbetrag wie Schülerinnen und Schüler an „Gemeindeschulen", allerdings abzüglich eines von den Eltern zu tragenden Schulgeldes.54 Die Zuschüsse werden pauschal gewährt und decken ca. 80 bis 85 % der tatsächlichen Kosten ab. Reformpädagogische Schulen haben allerdings nach der 10. Klasse Probleme, alle Bedingungen zu erfüllen, die in Hinsicht auf die Lehrpläne, die Stundentafeln, die Qualifikation der Lehrkräfte, die wirtschaftliche und rechtliche Stellung des Personals und hinsichtlich der Schulaufsicht gelten.55 Das hat zur Folge, dass der Anspruch auf Zuschüsse für die Zeit nach der 10. Klasse verloren geht. Nach dem Privatschulgesetz müssen in Dänemark alle Schulen in freier Trägerschaft 10% ihrer Schulplätze als Freiplätze solchen Eltern vorbehalten, deren Eltern das Schulgeld nicht aufbringen können. Dadurch gilt Dänemark als eines der wenigen Länder, in denen Privatschulen nicht als „elitäre Einrichtungen" betrachtet werden. 56

Literatur Andrén, Birgitta /Schmidt, Pascal: Bildung in Europa - Schlüsselzahlen 2002-2003, in: Statistik kurz gefasst. Bevölkerung und soziale Bedingungen 10/2005, hrsg. von Eurostat, Luxemburg 2005. Berggreen Merkel, Ingeborg: Europäische „Bildungspolitik" am Vorabend einer Europäischen Verfassung, in: RdJB 4/2004, S. 452-463. Borchert, Manfred / Zte//, Robert (Hrsg.): Atlas zum Menschenrecht auf Bildung und zur Freiheit der Erziehung in Europa, Bochum 2003. 51 52 53 54 55 56

Ebd., S. 148. Ebd., S. 149. Ebd., S. 152. Ebd., S. 190. Ebd., S. 192. Ebd., S. 191.

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Döbert, Hans / Hörner, Wolfgang /von Kopp, Botho I Mitter, Wolfgang (Hrsg.): Die Schulsysteme Europas, (Grundlagen der Schulpädagogik Band 46), Baltmannsweiler 2004. Europäische Kommission/Eurydice/Eurostat 2005, Luxemburg 2005.

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Das Bildungsengagement der katholischen Kirche Von Walter Klöppel, Lingen, und Wolfgang Riemann, Hildesheim Die katholischen Schulen sind in Deutschland die größte Gruppe innerhalb der Schulen in freier Trägerschaft In Heft 4 / 2004 der Zeitschrift „engagement" sind die Ergebnisse einer Umfrage des „Arbeitskreises Katholischer Schulen in freier Trägerschaft" veröffentlicht worden, die im Jahr 2002 durchgeführt wurde. Insgesamt gehören zu der Gruppe der katholischen Schulen 872 Schulen, davon sind 531 allgemeinbildende, 177 Sonderschulen und 164 berufsbildende Schulen. Sie wurden von 350782 Schülerinnen und Schülern besucht, 293584 besuchten eine allgemeinbildende, 26644 eine Sonderschule und 30534 eine berufsbildende Schule. Die Nachfragen nach freien Plätzen in einer katholischen Schule übersteigen bei weitem das vorhandene Angebot. In den Regionen der Bundesrepublik Deutschland, in denen die Zahl der Bewohner katholischer Konfession überwiegt, gibt es eine größere Zahl katholische Schulen. In mehr evangelischen Gebieten und in den neuen Bundesländern gibt es weniger. Neugründungen erfolgten vor allem in den neuen Bundesländern. Besonders zu erwähnen ist, dass es in den Bundesländern Niedersachsen und Baden-Württemberg in der Nachfolge der staatlichen Bekenntnisschulen Grund-, Haupt- und Realschulen gibt, die z.T. konkordatär gesichert und mit einer besonderen Finanzhilfe ausgestattet sind. Katholische Schulen waren lange Milieu-Schulen In Band 3 des „Handbuches Katholische Schule" ist die Geschichte des katholischen Schulwesens historisch aufgearbeitet worden. Es lässt sich bis zu Benedikt von Nursia zurückverfolgen. Ein erster Höhepunkt waren die Kloster- und Domschulen des Mittelalters. In den nachfolgenden geschichtlichen Epochen diente das katholische Schulwesen besonders dazu, das katholische Milieu zu stärken. Dies zeigte sich ganz vor allem im 19. Jahrhundert während und nach dem Kulturkampf. Katholische Schulen sahen sich bis in die fünfziger Jahre des 20. Jahrhunderts in einer Verteidigungsposition gegenüber einer als feindlich erlebten politischen und geistigen Umwelt. 1*

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Das 2.Vatikanische Konzil und die „Gemeinsame Synode der Bistümer in der Bundesrepublik Deutschland" führten zu einer Neuorientierung Das Konzil brachte eine Öffnung der Kirche hin zur Moderne. Zwar führte das u. a. in Deutschland zur weitgehenden Aufgabe der staatlichen Bekenntnisschulen, gleichzeitig aber zu einer entschiedenen Profilierung der kirchlichen Schulen. Die Koedukation und die ökumenische Öffnung waren u. a. für die Weiterentwicklung des katholischen Schulwesens bestimmend. Große Wellen schlugen die von Karl Erlinghagen unter dem Stichwort „katholisches Bildungsdefizit" veröffentlichten Untersuchungen. U.a. stellte er fest, dass die katholischen Mädchen vom Lande, besonders, wenn sie der Unterschicht angehörten, so gut wie keine Bildungschancen hatten. Waren in den zurückliegenden Jahrhunderten besonders die Orden als Schulträger und Personalgeber engagiert, so änderte sich das im 20. Jahrhundert. Sie mussten sich zurückziehen, weil die notwendigen personellen Ressourcen nicht mehr in ausreichendem Maß zur Verfügung standen. Die Neuorientierung der Kirche führte dazu, dass nun verstärkt die Bistümer als Schulträger auftraten. Das notwendige Personal wurde und wird von ihnen gesucht und angestellt. Damit war gleichzeitig ein erhebliches finanzielles Engagement verbunden. Die Zahl der Schulen hat kaum abgenommen, aber es konnten auch kaum neue Schulen gegründet werden, wenn man einmal von den Bistümern in den neuen Ländern absieht. Die pädagogischen Konzepte der katholischen Schulen sind vielfältig und unterschiedlich Die Erklärung des Konzils zur christlichen Erziehung „Gravissimum educationis" im Jahre 1965 und der Synodenbeschluß „Schwerpunkte katholischer Verantwortung im Bildungsbereich" aus dem Jahr 1975 sind die beiden kirchlichen Dokumente, die maßgeblich auf eine stärkere pädagogische Profilierung der katholischen Schulen eingewirkt haben. Es gibt keine spezifische Pädagogik der katholischen Schulen, aber sehr wohl gelungene Beispiele ihrer Profilierung. Exemplarisch genannt seien die erfolgreichen Bemühungen um eine Weiterentwicklung der „Montessori-Pädagogik", der „Marchtaler Plan" und das „Projekt Schule". Sie alle haben das Ziel, die katholische Schule zu einer guten Schule zu machen. Sie soll nichts Außergewöhnliches leisten, aber alles außergewöhnlich gut (Thomas von Aquin). Die katholische Schule soll ein Ort sein, in dem Christen als Pädagogen handeln, sie soll auch ein Ort sein, in dem sich Familie, Schule und Kirche vernetzen. Diese Zielbeschreibung hat in den letzten Jahren dazu geführt, dass die katholischen Schulen und ihre Träger sich intensiv um eine Fortbildung der Lehrkräfte

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und der Kollegien gekümmert haben, damit der Erziehungsauftrag und der damit verbundene Anspruch auch erfüllt werden können. Dies wiederum ist auch mit erheblichen Kosten verbunden gewesen und ist es noch immer. Die Katholische Kirche hat sich Bildung viel kosten lassen Katholische Schulen haben bis in die jüngste Vergangenheit relativ geringe oder nur freiwillige Elternbeiträge erhoben. Die Differenz zwischen staatlichen Zuschüssen und tatsächlichen Kosten wurde bei den Ordensschulen wesentlich durch den Gehaltsverzicht der ordenseigenen Lehrkräfte überbrückt. Diese „Finanzierungs"-möglichkeit wird mit der abnehmenden Zahl von Ordensmitgliedern geringer und führte in den vergangenen Jahren zur Aufgabe von Ordensschulen bzw. ihrer Übertragung auf die jeweiligen Bistümer. Bei den Bistumsschulen wurde und wird die Differenz durch Kirchensteuermittel gedeckt. Die Beträge und damit die Entlastung der Eltern sind erheblich: Als Beispiel sei die Diözese Osnabrück genannt, die von einem Gesamtetat von ca. 100 Mio € ca. 8 Mio für ihre Schulen aufwendet. Selbst maßvolle Erhöhungen des Schulgelds beeinträchtigen den sozialen Auftrag katholischer Schulen Trotz der Leistungen der kirchlichen Schulträger ist es in den vergangenen Jahren zu deutlichen Erhöhungen der Elternbeiträge gekommen, die zwar mit in der Regel weniger als 50 € pro Monat für das erste Kind relativ gering sind. Die Erhöhungen haben sich bisher, soweit wir das überblicken, nicht auf die Gesamtzahl der Schüler ausgewirkt, wohl aber zu einer Verringerung des Nachfrageüberhangs geführt. Vordergründig mag dies für die einzelne Schule eine Entlastung sein, weil Auswahl und Ablehnung bei einem Bewerberüberhang schwierig und konfliktreich sind. Bedenklich ist, dass es vor allem ökonomisch schwächere Familien sind, die auf die Anmeldung ihrer Kinder an einer solchen Schule verzichten, Familien die von Arbeitslosigkeit bedroht oder betroffen sind, Familien mit vielen Kindern, Familien mit Migrationshintergrund. Katholische Schulen sind zwar noch weit von einem Verstoß gegen das Sonderungsverbot entfernt, aber die Zusammensetzung der Schülerschaft verändert sich zum Nachteil der ökonomisch Schwachen. Sozialtarife und Ermäßigungen, wie sie an katholischen Schulen selbstverständlich sind, können diesen Effekt abmildern, aber nicht beseitigen. Die Entwicklung der Kirchenfinanzen beschränkt den Handlungsspielraum kirchlicher Schulträger Die Kirchen in Deutschland sehen sich konfessionsübergreifend finanziellen Problemen gegenüber: Die Haupteinnahmequelle Kirchensteuer ist an die Einkorn-

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mensteuer gebunden, deren Aufkommen konjunkturell und strukturell (Steuerreform) zurückgeht. Insofern geht es den Kirchen noch schlechter als dem Staat, der in den indirekten Steuern einen gewissen Ausgleich für die tendenziell sinkenden Einkommenssteuereinnahmen sucht und findet. Kirchen sind zu einschneidenden, manchmal spektakulären Sparmaßnahmen wie Kirchenstilllegung u. a. gezwungen. Kirchliche Schulträger sind nicht mehr in der Lage, Kürzungen der staatlichen Mittel für Schulen in freier Trägerschaft durch erhöhten eigenen Mitteleinsatz zu kompensieren. Sie müssen zusätzliche Belastungen an die Eltern weitergeben und treffen damit diejenigen, für deren Förderung sie vielfach in ihrer Gründungsgeschichte entstanden sind, nämlich die im Bildungszugang durch Geschlecht, Konfession, soziale oder regionale Herkunft Benachteiligten.

Ausblick Schulen in kirchlicher Trägerschaft beider Konfessionen haben sich in der Vergangenheit und Gegenwart qualifiziert als Orte einer wertgebundenen Bildung und Erziehung, die offen ist und offen macht für Dialog und Engagement über die eigene Konfession hinaus. Sie verstehen sich als Teil des öffentlichen Schulwesens, die öffentlich zugänglich bleiben will und nicht aussondert nach wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit. Eine staatliche Förderung, die sich bemisst an den staatseigenen Aufwendungen für vergleichbare Schulen, erscheint deshalb nicht unangemessen.

Literatur Bischöfliches Schulamt der Diözese Rottenburg-Stuttgart (Hg.), Marchtaler Plan. Erziehungs- und Bildungsplan für die Katholischen Freien Grund- und Hauptschulen in der Diözese Rottenburg-Stuttgart, Rottenburg o.J. (1988) Dikow, Joachim, Geschichte des katholischen Schulwesens seit den sechziger Jahren bis zur Gegenwart. In: Handbuch Katholische Schule Bd. 3, S. 304 ff. engagement, Zeitschrift für Erziehung und Schule, Heft 1 / 2004. Handbuch Katholische Schule Bd. 3, Köln 1992. Im Glauben Schule machen. Zur religiösen Dimension der Katholischen Schulen in freier Trägerschaft im Bistum Hildesheim, hg. von der Hauptabteilung Bildung im Bischöflichen Generalvikariat, Hildesheim 1999. Projekt Schule. Pädagogische Perspektiven für die Freien Katholischen Schulen im Bistum Hildesheim, hg. von der Hauptabteilung Bildung im Bischöflichen Generalvikariat, Hildesheim 1996.

Innovation an berufsbildenden Schulen Von Joachim Böttcher, Braunschweig Die Diskussion um die finanzielle Beteiligung des Staates an den Kosten der Schulen in freier Trägerschaft und damit an der Aufgabenerfüllung, die diese Schulen leisten, hat leider den Blick auf die vielfältigen Funktionen der Schulen in freier Trägerschaft in unserer Gesellschaft verstellt. Eine der wichtigsten dieser Funktionen ist die der Innovation, des Impulsgebens. Ganz besonders die berufsbildenden Schulen erfüllen diese Aufgabe - seit ihren Anfängen am Ende des 19. Jahrhunderts, mit vielen Höhepunkten in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, z. B. Integration von Kriegsversehrten nach den beiden Weltkriegen, nach dem 2. Weltkrieg insbesondere die Entwicklung von Aus- und Fortbildungsgängen im kaufmännischen Sektor, auf dem Gebiet der Touristik, in den naturwissenschaftlichen Berufen (Chemie, Biologie u. a.) in den Informationstechnologien, auf medizinisch-gesundheitlichem Gebiet (Pharmazie, Vorreiter der dualen Arzthelferinnenausbildung, Kosmetik, medizinische Dokumentation) - mit weiteren innovatorischen Höhepunkten im letzten Jahrzehnt, von denen einige aktuelle im Folgenden vorgestellt werden sollen. Dabei ergab sich - und ergibt sich noch heute - häufig ein gravierendes Problem: Schulen, die innovative Ziele verfolgen und z. B. im berufsbildenden Bereich arbeitsmarktlich orientierte und damit nachfragegerecht ausgestaltete Bildungsgänge entwickeln, werden schulrechtlich als Ergänzungsschulen eingeordnet und erhalten keinerlei Finanzhilfe. Wo eine solche „nach Maßgabe des Haushalts" für Ergänzungsschulen vorgesehen ist (BW, SA und Th), wird die entsprechende Haushaltsstelle gar nicht vorgesehen oder nicht dotiert. Das bedeutet, dass die innovativen Schulen sich ohne staatliche Unterstützung aus Schulgeldern finanzieren müssen, und diese Schulgelder müssen notgedrungen hoch sein, denn innovative Bildungsgänge - häufig mit ihren anspruchsvollen Ausstattungen, z. B. im technischen, naturwissenschaftlichen und informations-technologischen Bereich - erfordern hohe Aufwendungen an Personal und Sachmitteln. Die von der Rechtsprechung zur Finanzhilfe in letzter Zeit unterstellte Förderung durch finanzstarke Kreise gibt es bei den berufsbildenden Schulen ebenso wenig, wie sie bei den allgemeinbildenden Schulen vorhanden ist, auch nicht bei den allgemeinbildenden Ergänzungsschulen. Die Ersatzschulen müssen sich über Schulgelder, die zusätzlich zur Finanzhilfe erhoben werden müssen, finanzieren, die Ergänzungsschulen sogar nur über Schulgelder, ohne Kostenbeteiligung durch den Staat. Wenn sich die Industrie an der Berufsausbildung interessiert zeigt und finanzielle Unterstüt-

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zung leistet, dann bei den privaten Fachhochschulen und Universitäten, nicht jedoch im schulischen Sektor. Im Gegenteil: Hier ist oft zu beobachten, dass - wenn dann schon einmal Unterstützung gewährt wird - diese häufig den staatlichen Schulen zufließt und die Situation der Schulen in freier Trägerschaft noch verschärft. Sind die Ergänzungsschulen dann mit ihren innovativen Bildungsgängen erfolgreich und erkennt der Staat die Sinnhaftigkeit ihres Angebots, dann entdeckt er auch ein Regulierungsbedürfnis, bietet sie auch im staatlichen Schulwesen an und setzt neben das Angebot der Schule in freier Trägerschaft sein schulgeldfreies Angebot. Über die Konzepte und Curricula verfügt er auf dem Wege der Schulaufsicht, der auch die Ergänzungsschulen nach Artikel 7 (4) GG unterliegen. Die Schulen in freier Trägerschaft werden dann zwar finanzhilfeberechtigte Ersatzschule - in der Regel mit Wartefrist, als müssten Solidität und Akzeptanz der Schulen, die die Ausbildung entwickelt haben, erst noch geprüft werden! - bleiben aber auf den hohen Entwicklungskosten sitzen. Dies ist auf die Dauer ein unzumutbarer, Innovationen lähmender Zustand. Zu fordern ist ein modernerer Ersatzschulbegriff, der der Tatsache Rechnung trägt, dass die Entwicklung neuer Ausbildungen nicht der Einfall einzelner Schulleiter ist, sondern einem drängenden praktischen Bedürfnis, der Nachfrage von Betrieben und Ausbildungs-interessierten folgt. Es stellt sich die Frage, ob die einige Jahre lang geltende bayerische Regelung wieder aufgegriffen werden sollte, alle Berufsfachschulen als Ersatzschulen zu behandeln, die den formalen Voraussetzungen dieser Schulform genügen, nach gleichwertigen Lehrplänen arbeiten und Prüfungen abnehmen, so wie dies jetzt von anerkannten Ergänzungsschulen gefordert wird. Innovationen würden dann angemessen anerkannt und gefördert, zum Wohle des gesamten Bildungswesens und damit unserer Gesellschaft. Ähnlich liegt die Problematik, wenn die innovativen Bildungsgänge der freien Schulen nicht von staatlichen berufsbildenden Schulen übernommen, usurpiert werden, sondern die Wirtschaft duale Ausbildungsgänge entwickelt, für die die freien Schulen die pädagogische Pionierarbeit geleistet haben: In den 1970er Jahren verschwanden alle Ausbildungsstätten für Arzthelferinnen, die bis dahin den gesamten Nachwuchsbedarf ausgebildet hatten, als die duale Ausbildung zur Arzthelferin angeboten wurde; heute vollzieht sich gleiches bei den medizinischen Dokumentationsassistenten und droht auch bei den Kosmetikerinnen. Soviel zum Umfeld der Innovationen von berufsbildenden Schulen. Im Folgenden nun werden einige innovatorische Leistungen von Ersatzschulen und von den Ersatzschulen vergleichbaren, durch Bundesrecht geregelten medizinischen Lehranstalten dargestellt, die trotz der für Ersatzschulen geltenden Einengungen gelungen sind und die Impulse für die Weiterentwicklung des berufsbildenden Schulwesens insgesamt, zum Teil aber auch gesellschaftliche und gesellschafts-politische Anstöße geben.

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Beispiel: Drei-Länder-Ausbildung In den meisten Bundesländern gibt es zweijährige Berufsfachschulen, die auf eine Tätigkeit in sprachmittelnden Berufen vorbereiten; die Ausbildung endet in der Regel mit der Abschlussprüfung zum kaufmännischen Assistenten oder Wirtschaftsassistenten mit dem Schwerpunkt Fremdsprachen. In der Erkenntnis, dass das Beherrschen der Sprachen allein eine nicht ausreichende Basis ist, beruflich und wirtschaftlich nutzbare Kontakte zum Ausland auf- und auszubauen, gestaltete die Oskar-Kämmer-Schule in Braunschweig die zweijährige Ausbildung um: Sie verlagerte Teile der Ausbildung in das Ausland. In jeweils zwei Ländern (England, Spanien, Frankreich oder Polen) wird je ein halbes Jahr der Ausbildung absolviert: 1. Halbjahr Deutschland, 2. Halbjahr erstes Ausland, 3. Halbjahr zweites Ausland, 4. Halbjahr Deutschland. Im Ausland werden nicht nur berufliche Praktika absolviert, sondern es wird auch der planmäßige Unterricht - mit ausländischen Lehrkräften in der fremden Sprache, aber unter deutscher Betreuung nach den deutschen Lehrplänen - fortgesetzt, so dass am Ende der Ausbildung die Abschlussprüfung nach den deutschen Bestimmungen abgelegt wird. Die Absolventen dieser Drei-Länder-Ausbildung verfügen damit nach ihrer Ausbildung nicht nur über das theoretische Fachwissen und die Sprachkenntnisse, die für die Berufsausübung erforderlich sind, sondern auch über Kenntnisse des Gastlandes, dessen Lebensgewohnheiten und kulturelle Besonderheiten. Ähnliche Wege zur Vermittlung hoher sprachlicher Kompetenz und der Vorbereitung auf eine berufliche Tätigkeit im Ausland geht die Dr. Buhmann Schule in Hannover. Hier werden in den berufsqualifizierenden Berufsfachschulen bilingualer Unterricht und Fachunterricht nur in der Fremdsprache erteilt.

Beispiel: Medizinische Ausbildungsinnovationen Die FIT Ausbildungsakademie gGmbH in Magdeburg hat eine neue zweijährige Ergänzungsschule aufgebaut, in der telemedizinische Assistenten ausgebildet werden. In der Telemedizin werden online oder offline Daten von Patienten an jeweils zuständige und besonders erfahrene Spezialkliniken, Forschungsinstitute und Gesundheitszentren übertragen, wo dann Behandlungspläne und Programme für Hometraining erstellt werden, ohne dass Ärzte oder therapeutische Fachkräfte anwesend sein müssen. Die so erstellten Behandlungskonzepte schließen eine mobile Überwachung der Vitalfunktionen und Organwerte ein. Eine Interaktion zwischen den Kliniken und Gesundheitszentren und den Patienten ist sichergestellt, so dass Informationen, Anweisungen und Ratschläge auch persönlich erteilt und hinterfragt werden können. Diese Ausbildung befähigt - unterhalb der ärztlichen Ebene durch Vermittlung von medizinischen und informationstechnischen Kenntnissen zu einer vollberuflichen Tätigkeit mit großen Arbeitsmarktchancen; sie ist inzwischen vom Kultusministerium Sachsen-Anhalt staatlich anerkannt.

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Eine weitere wegweisende Neuentwicklung ist die zweisemestrige Fortbildung für Absolventen der Lehranstalten für Logopädie und Sprachheilkunde der Medizinischen Akademie Stuttgart des Internationalen Bundes IB: Sie bildet „Interdisziplinäre Fachtherapeuten für kindliche Hörstörungen" aus und beschreitet damit völliges Neuland. Inzwischen wurde auch ein Curriculum für eine berufsbegleitende Fortbildung entwickelt. An 10 Standorten wurden jeweils eigene Schwerpunkte in der therapeutischen Herangehensweise entwickelt, so dass nunmehr eine Vielzahl von Ansätzen für die Auswahl aus unterschiedlichen Methoden zur Verfügung steht, was die jeweils medizinisch sinnvollste Behandlung der kindlichen Hörstörungen ermöglicht. Hier ist aus der schulischen Arbeit eine Palette therapeutischer Möglichkeiten entstanden.

Beispiel: Doppelqualifikationen mit dualer Ausbildung Die Fachoberschulen, die auf dem Sekundär-Abschluss I - Realschulabschluss aufbauen, führen in zwei Jahren zur Fachhochschulreife. Sie umfassen in der Klasse 11 ein umfangreiches betriebliches Praktikum plus Teilzeitunterricht (12 Wochenstunden); Klasse 12 ist eine vollzeitschulische Ausbildung. Einige Schulen des Bundesverbandes Deutscher Privatschulen VDP haben diesen Bildungsgang zu einer doppelqualifizierenden Ausbildung ausgebaut: Das Betriebspraktikum der Klasse 1 wird den Ausbildungsrichtlinien einer dualen Ausbildung angepasst. An die Klasse 12 schließt sich ein drittes Jahr an, in dem den Teilnehmern nach der Fachhochschulreifeprüfung nur noch an einem Tag wöchentlich in der Schule die theoretischen Inhalte der Berufsabschlussprüfung vor der zuständigen Kammer vermittelt werden und an vier Tagen in Betrieben die praktische Ausbildung stattfindet. Am Ende der dreijährigen Ausbildung verfügen die Absolventen also über eine abgeschlossene Berufsausbildung und über die Berechtigung, ein Studium an einer Fachhochschule aufzunehmen. Diese doppelqualifizierende Ausbildung wird in kaufmännischen Berufen und in Berufen der Informationstechnologie praktiziert. Weitere Beispiele für modellhafte Doppelqualifikationen aus dem Bereich der Schulen in freier Trägerschaft: An der Adolf-Reichwein-Schule in Nürnberg werden ein Abschluss des allgemeinbildenden Schulwesens bis hin zum Abitur und ein Gesellenbrief des gewerblich-technischen Sektors vermittelt. Am Obermenzinger Gymnasium in München können die Absolventen das Abitur und den Abschluss des Kaufmännischen Assistenten in der Spezialisierung Informatik erreichen. Bei den Landerziehungsheimen bieten die Odenwaldschule bei Heppenheim neben dem Abitur den Abschluss zum chemisch-technischen Assistenten und neben der Fachhochschulreife eine Gesellenausbildung im Schreiner- und Schlosserhandwerk, die Urspringschule bei Schelklingen neben dem Abitur die Gesellenprüfung in Schreinern, Damenschneiderei und Maschinenbaumechanik. Auch an der zu den Waldorfschulen zäh-

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lenden Hiberniaschule, Wanne-Eickel, sind Doppelqualifikationen möglich, ebenso an den Waldorfschulen in Kakenstorf bei Hamburg, in Nürnberg und in Kassel. Im Katholischen Schulbereich sei auf das Mädchen-Internat Kloster Wald hingewiesen.

Beispiel: Technischer Assistent für Informatik Um der Wirtschaft auf Anwendung spezialisierte Fachkräfte der Informationstechnologie zur Verfügung zu stellen, entwickelten die Teutloff-Schulen in Braunschweig und Hildesheim zunächst Seminarangebote, später einen geschlossenen vollzeitschulischen Bildungsgang: die Zweijährige Ausbildung zum Technischen Assistenten für Informatik. Das Einbeziehen neuester Trends und Entwicklungen (zurzeit; Fenster-Orientierung, Office-Werkzeuge, Lokale Netze, objektorientierte Programmierung) ist Merkmal und Schwerpunkt dieser Ausbildung. Der handlungsorientierte Unterricht verändert den herkömmlichen Unterrichtsprozess: Nicht mehr Orientierung nach Fächern, sondern ein System von Lernfeldern, in dem jeweils Ziele formuliert werden und das eine vollständige Handlung von der Planung bis zur Bewertung und Reflexion einschließt. Die Schule hat ihre Vorstellungen und Erfahrungen in neue niedersächsische Rahmenrichtlinien für staatliche Berufsfachschulen in der IT-Ausbildung eingebracht.

Beispiel: Weiterentwicklungen an Fachschulen Der Kostendruck im Gesundheitswesen hat dazu geführt, dass betriebswirtschaftliche Überlegungen in Arztpraxen, Kliniken und Krankenhäusern eine immer größere Rolle spielen. Die staatlich anerkannte Fachschule für Betriebswirtschaft in Wolfenbüttel hat daher eine Spezialisierung der betriebswirtschaftlichen Ausbildung entwickelt, die den Bedarf an Fachkräften abdeckt, der sich aus den wirtschaftlichen Zwängen im Gesundheitswesen ergibt. Inzwischen sind diese Ansätze aufgegriffen worden, und ein dualer Ausbildungsgang „Kaufmann im Gesundheitswesen" ist daraus entstanden. Ebenfalls an der Wolfenbütteler Fachschule ist ein mittlerweile sehr bewährtes Konzept erarbeitet worden, Fernschüler als Schulfremde durch zusätzliche Unterrichtsmaterialien und durch Präsenzseminare auf den Abschluss zum staatlich geprüften Betriebswirt vorzubereiten. In drei jeweils einwöchigen Seminaren, die auf die Dauer des Fernstudiums verteilt sind, steht weniger die Wissensvermittlung als vielmehr die Anwendung des im Fernstudium erarbeiteten Wissens und die Vorbereitung auf die Prüfung im Vordergrund, bei der ebenfalls Anwendung und Transfer den Schwerpunkt bilden.

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Beispiel: Biotechnologie Die Rhein-Main-Schule Dr. Obermayr in Wiesbaden hat ein Unterrichtsprojekt „Biotechnologie in der Schule" entwickelt, das den Schülern Biowissenschaften und Genforschung als Schlüsseltechnologien des 21. Jahrhunderts nahebringt. Das Modellprojekt, das aufklärt und unbestimmte Ängste abbaut, wird bereits von mehreren anderen Schulen, allgemeinbildenden wie berufsbildenden, freien wie staatlichen, übernommen und wirkt somit wegweisend über die eigene Schule hinaus.

Beispiel: Abstrahlen in gesellschaftliches Umfeld Dass freie Schulen mit dem Engagement ihrer Mitarbeiter - und ihrer Schüler auf das gesellschaftliche Umfeld ausstrahlen können, zeigt das Beispiel der staatlich anerkannten Berufsfachschule für Altenpflege der Oskar-Kämmer-Schule in Gifhorn. Hier entstand die Idee, Betreuungsangebote für demenz- und alzheimererkrankte alte Menschen zu entwickeln und vor allem den Betreuenden, meist Familienangehörigen der Dementen, Hilfen, Möglichkeiten zum Erfahrungsaustausch und aufbauenden Zuspruch zu bieten. Es wurde der Seniorendienst „Kümmern und So e. V." gegründet, der in Kleingruppen mit den erkrankten alten Menschen arbeitet (z B. Spiele zur Gedächtnisstärkung, zum Mobilitätstraining, weitgehend selbstständige Durchführung kleiner Veranstaltungen), individuelle häusliche Pflege organisiert und für die betreuenden Angehörigen ständige Gesprächskreise veranstaltet. Die in der Betreuungsarbeit eingesetzten, oft ehrenamtlich tätigen Helferinnen und Helfer werden in einem Vorbereitungsseminar, das von der Berufsfachschule geleistet wird, für ihre schwierige Arbeit geschult; auch regelmäßige Arbeitskreise der Helfer finden statt und ermöglichen einen ständigen Erfahrungsaustausch. In diese Arbeit werden auf freiwilliger Basis die Schülerinnen und Schüler der staatlich anerkannten Altenpflegeschule einbezogen, so dass so praktische und für die Ausbildung nützliche Erfahrungen gesammelt, andererseits aber auch betreuende Mitarbeiter rekrutiert werden können. Nach einer längeren Anlaufzeit wird die Arbeit von „Kümmern und So e. V." nunmehr als sogenanntes niedrigschwelliges Angebot vom Niedersächsischen Landesamt für Soziales, Jugend und Familie anerkannt und finanziell unterstützt. Sind bei den betreuten Kranken die Alltagskompetenzen nicht mehr gegeben, leistet auch die Pflegeversicherung einen Zuschuss (von 460 € jährlich). Da die Altenpflegeschule und der Verein „Kümmern und So" in einem Stadtteil Gifhorns arbeitet, in dem der Bedarf an den geschilderten Angeboten groß ist und die Altersstruktur der Bevölkerung generell Altenarbeit in größerem Umfang nötig macht, haben sich „drum herum" sehr schnell weitere Aktivitäten entwickelt, die zum Teil im selben Gebäude untergebracht sind: die Arbeiterwohlfahrt ist mit ihren Angeboten genauso vertreten wie ein mobiler Pflegedienst oder eine „Initiative zur Palliativ- und Hospizarbeit". So hat sich um eine berufsbildende freie Schule

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ein sehr wichtiges soziales Netzwerk gerankt, das Ausdruck bürgerschaftlichen Engagements ist.

Beispiel: Galerie In der Fachoberschule Gestaltung werden junge Menschen auf ein gestalterisches Studium oder einschlägige berufliche Tätigkeiten vorbereitet. Die Fachoberschulen der Oskar-Kämmer-Schule in Braunschweig und der Wirtschaftsakademie Dr. P. Rahn und Partner in Leipzig geben ihren Schülern Gelegenheit, ihre eigenen Werke auszustellen und Ausstellungen für schulfremde junge Künstler zu organisieren und zu veranstalten: Diese Schulen haben eigene Galerien angeschlossen, die es auf gemeinnütziger Basis möglich machen, die ersten selbständigen Schritte in die Berufswelt der darstellenden Künste zu tun und Erfahrungen in der Auseinandersetzung mit dem Publikum zu gewinnen.

Beispiel: Das virtuelle Klassenzimmer Das Lernen am Computer mit Hilfe von Lern- und Trainingsprogrammen stößt häufig auf den Einwand, dass es zur sozialen Isolation führe. Die Mainzer Steinhöfelschule hat das Konzept eines virtuellen Klassenzimmers entwickelt, das kombiniert mit Präsenzunterricht, also in Ergänzung und ohne vollständige Ablösung des konventionellen Unterrichts - eine Vielzahl von Interaktionsmöglichkeiten bietet und dem Lehrer die Chance gibt, differenzierter und persönlicher als im herkömmlichen Unterricht auf den Schüler einzugehen, das damit nicht isoliert, sondern stärker als konventioneller Unterricht Bindungen schafft und zur Teambildung beiträgt. Der virtuelle Klassenraum ist mit Rechnern mit Internetzugang ausgerüstet, von denen aus die Schüler sich zu einem beliebigen Zeitpunkt einloggen, also den virtuellen Raum betreten und dort alle Angebote nutzen können. Zu diesen Angeboten zählen ein e-mail-Service, über den Kontakt mit den betreuenden Lehrern gehalten werden kann und ein Forum (vergleichbar einer Pinnwand), in dem jeder Teilnehmer Nachrichten bzw. Fragen hinterlassen und in dem jeder Teilnehmer seine Nachricht, seine Antwort, seinen Kommentar hinzufügen kann. Eine Dateiablage (vergleichbar dem Ablagekorb im Büro) ist die Zentrale des virtuellen Klassenraumes; hier legen die Lehrer individuelles ergänzendes Unterrichts- und Übungsmaterial, Beispieldateien oder Lösungsvorschläge ab. Auch die direkte Kontaktaufnahme der Schüler untereinander ist durch kleine Textfenster möglich; gegenseitige Unterstützung ist so gesichert. Die Vorteile des Systems liegen in der zeitlichen Unabhängigkeit, in der Möglichkeit, stärkere und schwächere Schüler gezielt nach ihren Möglichkeiten zu fördern. Der Lehrer kann außerhalb der Präsenzunterrichtszeiten kontaktiert werden;

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Joachim Böttcher

er muss nicht in der Schule anwesend sein. Länger kranke Schüler können den Anschluss an den Fortgang des Unterrichts halten. Die Schule berichtet von guten Ergebnissen nicht nur in der Wissensvermittlung, sondern - und das ganz besonders - in der Projektarbeit, der komplexen Wissensanwendung und des Transfers.

Beispiel: Übungsfirmen Übungsfirmen sind wie Unternehmen organisierte Einrichtungen, in denen sämtliche kaufmännische Prozesse ablaufen; sie arbeiten wie reale Betriebe (Produktion, Handel, Dienstleistungen, Finanzverkehr) und stehen in „geschäftlichen" Verbindungen untereinander, nur die konkreten Waren- und Geldströme fehlen. Die Übungsfirmen sind ein wichtiges Instrument in der praxisnahen und handlungsorientierten Ausbildung. Der Zentrale Übungsfirmenring ZÜF organisiert den Kontakt der Übungsfirmen untereinander und stellt die Einrichtungen zur Verfügung, die nicht von Übungsfirmen angeboten werden (z. B. Gerichte, Finanzamt). Das Konzept der Übungsfirmen wurde von freien Trägern entwickelt; auch der Zentrale Übungsfirmenring, dessen Träger heute das Berufsförderungszentrum Essen ist, dessen Gesellschafter wiederum öffentlich-rechtliche Institutionen sind, geht auf eine Initiative freier Träger zurück. Heute setzen die Schulen des Bundesverbandes Deutscher Privatschulen VDP, die Einrichtungen des Jugenddorfs Christophorus, des Kolpingwerks, des Internationalen Bundes für Sozialarbeit, auch Ausbildungsabteilungen von Wirtschaftsunternehmen das Instrument Übungsfirma ein, inzwischen auch staatliche Berufs- und Berufsfachschulen; mit einer paradoxen Nebenwirkung: Die staatlichen Träger zahlen um die Hälfte niedrigere Gebühren an den ZÜF als die freien - eine merkwürdige Form der Subvention!

Beispiel: Innovationspreis des VDP Der Bundesverband Deutscher Privatschulen VDP fördert die Innovationsaktivitäten der Schulen in freier Trägerschaft, indem er einen mit 5.000 € dotierten Innovationspreis ausgeschrieben hat, der seit 1998 alle zwei Jahre vergeben wird. Er hat neben dem Anreiz für die Schulen auch die Aufgabe, die Ergebnisse der innovatorischen Arbeit bekannt zu machen und auf diese Funktion der Schulen in freier Trägerschaft öffentlich hinzuweisen.

Zur faktischen Notwendigkeit der Wartefrist aus der Perspektive der Freien Alternativschulen Von Jana Scheuer, Berlin Eine der Begründungen für die Notwendigkeit der Wartefrist lautet, dass die Verwaltung schließlich nicht sicher sein kann, ob die Schule in freier Trägerschaft wirtschaftlich existieren kann oder ob sie eingeht und somit die öffentlichen Mittel vergeudet würden. Zunehmend beobachten Freie Alternativschulen, dass die Schulaufsicht in den ersten Jahren ganz genau kontrolliert, wie ein Freier Schulträger pädagogisch arbeitet, gern auch genauer, als das Privatschulgesetz vorsieht, bzw. abweichend von der Rechtssprechung (Vergleichbarkeit). Abgesehen davon, dass jede genehmigte Schule in Freier Trägerschaft Kinder oder Jugendliche beschult, also die Mittel sachgemäß einsetzen würde, wurde bisher noch nicht bewiesen, ob genehmigte Schulen tatsächlich in nennenswertem Umfang aus wirtschaftlichen Gründen innerhalb der Wartefrist wieder eingingen. In den großen Verbänden der konfessionellen Schulen, Waldorfschulen, Landerziehungsheimen sind keine derartigen Fälle bekannt, und selbst bei den Freien Alternativschulen, den finanziell wohl schwächsten Schulen in Freier Trägerschaft kennt man diese Fälle nicht. Seit 1972 mit der Gründung der Glocksee-Schule in Hannover die erste Freie Alternativschule der Bundesrepublik ihre Arbeit aufnahm, hat sich viel getan. Inzwischen gibt es 78 Freie Alternativschulen und 16 Gründungsinitiativen, die im Bundesverband der Freien Alternativschulen organisiert sind (Stand Juni 2006). Rund 4.500 Schüler und Schülerinnen besuchen Freie Alternativschulen. Jede dieser Schulen hat ein eigenes Konzept entwickelt und wird von einem gemeinnützigen Verein getragen. Aufgrund der unterschiedlichen Genehmigungsvoraussetzungen in den Bundesländern haben Freie Schulen vielfältige Formen entwickelt: Grundschulen bis zur 4. oder 6. Jahrgangsstufe, Grundschulen und Mittelschulen (Sekundarstufe I), Oberschulen als Haupt-, Real- oder Gesamtschulen, Schulen mit Ganztagsangeboten, angegliedertem Kindergarten, Hort oder Schülerladen. Was unterscheidet sie vom staatlichen Angebot? Sie sind Produkte von Eltern- oder Teaminitiativen: eine Gruppe von hochmotivierten Menschen hat die organisatorische und politische Vorarbeit für die Schulgründung bewältigt. Die Konzeptionen spiegeln Haltungen, reformpädagogi-

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Jana Scheuer

sehe und neurowissenschaftliche Erkenntnisse und Ansichten der Gruppen wieder. Entscheidungen werden gemeinsam erarbeitet. Freie Alternativschulen arbeiten bewusst weitgehend hierarchiefrei. Es sind vergleichsweise kleine Schulen, die mit wenigen Schülern und Schülerinnen bzw. Klassen ihre Arbeit aufnahmen, zeitweise jahrelang in der Illegalität. Als Wurzeln der Freien Alternativschulen können • die Reform- und Versuchsschulen aus dem ersten Drittel des 20. Jahrhunderts (Summerhill, Landerziehungsheime, Jenaplan-, Montessori-, Waldorfschulen u. a.) mit ihren Forderungen nach einer „Pädagogik vom Kinde aus", „dem Lernen mit allen Sinnen" usw.; • die gesellschaftliche Umbruchphase in den späten sechziger Jahren in der BRD mit den Studentenunruhen, der Zweiten oder Neuen Frauenbewegung, in der die ersten antiautoritären Kinderläden entstanden; • die Orientierung an der Free-school-Bewegung in US-amerikanischen Großstädten, die sich der Kinder aus den Randgruppen annahm und die auf der freiwilligen Teilnahme am Unterricht basierte und andere internationale Alternativschulmodelle bezeichnet werden 1. Wie wird eine Freie Alternativschule genehmigt? Das Schulkonzept, für Grund- und Volks(Haupt-)schulen mit einem besonderen pädagogischen Interesse (nach Art. 7(5) Grundgesetz), wird dem Kultusministerium, bzw. der zuständigen Senatsschulverwaltung eingereicht. Die gründliche und zeitaufwändige Prüfung umfasst auch die der Finanzierungsgrundlage während der Wartefrist. In der Regel sollte die Überprüfung innerhalb eines halben Jahres abgeschlossen sein. Hilfreich sind Vorgespräche mit den genehmigenden Behörden während der Erarbeitung des Konzeptes. In der Praxis ist die Unterstützung durch die bildungspolitischen Sprecher und Sprecherinnen der jeweiligen Regierungs- oder Oppositionsparteien ebenfalls ein guter Beschleuniger mit Hilfe „kleiner Anfragen". Die schulaufsichtliche Stellungnahme aus der pädagogischen Abteilung ist entscheidend für die Genehmigung. Eventuell muss der Trägerverein nachbessern, auch hier zahlt sich langjähriger Kontakt aus. Die Unterstützung durch Dach verbände, die z. B. als Gutachter eingreifen können, wenn die Vorstellungen, was für die Genehmigung im Konzept stehen muss, zu weit auseinandergehen ist ein weiterer wichtiger Punkt. Gerade für die Vertretung von Gründungsinitiativen und „aufbauwilligen" Freien Alternativschulen hat sich die Begleitung durch den BFAS oft als letzte Rettung vor der Klage erwiesen. Einige der großen Freien Träger, die Landessprecher oder eigene Schulräte haben, unterstützen ebenfalls konzeptionell nahestehende Initiativen beim Genehmigungsprozess. Wieviele eingereichte Kon1

Zitat nach „ Es geht auch ohne Zwang...!?"- Die Freien Alternativschulen, Referat von Grit Fenner, Deborah Helmcke, mit freundlicher Genehmigung der Autorinnen.

Zur Notwendigkeit der Wartefrist

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zepte nicht genehmigungsfähig waren, ist nicht belegt. Von Freien Alternativschulen ist aus jüngerer Zeit bekannt, dass Sudbury-Valley-Schulen abgelehnt wurden (Leipzig und Berlin). Genehmigungsbescheide gelten nach Privatschulrecht unterschiedlich lange, d. h. die Initiative muss innerhalb eines bestimmten Zeitraumes eröffnen, sonst verfällt der Bescheid. Alle Freien Alternativschulen, die innerhalb der Geltungszeit des Genehmigungsbescheides ihren Betrieb aufnahmen, haben die Wartefrist überstanden. Jede Freie Alternativschule entscheidet für sich, ob eine staatliche Anerkennung beantragt wird. Im Selbstverständnis der Freien Alternativschulen hat die Unabhängigkeit von Auflagen (z. B. Ziffernzeugnisse) Priorität. Die Finanzierung ist nicht mit der Anerkennung verknüpft. Nach die Genehmigung, aber vor Zahlung der gesetzlich festgelegten Zuschüsse hat der Gesetzgeber in fast allen Bundesländern eine unterschiedlich lange Wartefrist gesetzt, in der die Schulen in Freier Trägerschaft ohne staatliche Zuschüsse ihren Bildungsauftrag umsetzen. Berlin ist mit seiner Wartefrist von 5 (!) Jahren für eine Grundschule wohl Spitzenreiter. In dieser Zeit muss jede Schule unglaubliche Anstrengungen aufwenden, um Monat für Monat finanziell zu überleben. Hat die Schule dann noch Kraft und Elan, nach einer Erholungsphase die nächsthöhere Schulform aufzubauen, kommt wieder eine Wartefrist. Dabei haben Träger und Konzeption bereits ihre wirtschaftliche Seriosität und pädagogische Qualität nachgewiesen und per Urkunde ministeriell bestätigt erhalten. Zum Ansporn ist die nächste Wartefrist kürzer (3 Jahre). Wie finanzieren sich Freie Alternativschulen? Im Wesentlichen setzt sich die Finanzierung aus drei tragenden Säulen zusammen: • Elternbeiträge (Schulgeld) • Trägerverträge nach KHJG, Tagesbetreuungsgesetz (Schülerladen, Hort, ergänzende Betreuung) • Personalkostenzuschüsse für die Schule (nach der Wartefrist). Jede Freie Schule legt die Höhe des Schulgeldes selbst fest. In einigen Ländern erfolgt nach der Wartefrist die Anrechnung auf den staatlichen Zuschuss. In Berlin ist das glücklicherweise nicht der Fall. Der Elternbeitrag für die Grundschule (FSP e.V.)2 mit ganztägigem Angebot (anerkannte Ersatzschule) liegt bei 123 Euro pro Monat. Eltern der Freien Alternativschulen gehören zu den weniger gut verdienenden Haushalten, trotzdem begegnet ihnen häufig das Vorurteil, nur finanzstarke Eltern wählen eine private Schule für ihren Nachwuchs, die zukünftige Elite aus. In der Freien Schule Pankow aus Berlin liegt der Anteil von Eltern aus den untersten Einkommensgruppen bei 75%. Typische Berufsgruppen, aus denen sich die Elternschaften zusammensetzen, sind soziale Berufe (Pädagogen, Erziehungswissenschaftler, Psychologen), Bildende Künstler, Handwerker, Studenten, Ingenieure, 2

Freie Schule Pankow e.V.

13 Hufen / V o g e l

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Jana Scheuer

Informatiker, Arbeiter. Das Schulgeld ist für die Eltern belastend, denn auch der steuerlich absetzbare Anteil bleibt für die Haushalte eine zu vernachlässigende Größe. Wir kennen unterschiedliche Modelle, wie diese, landläufig „armen" Familien den oder die Schulplätze für ihr Kind oder ihre Kinder finanzieren: der Familienverband steigt mit ein. Großeltern, Tanten, Onkel, getrenntlebende Eltern übernehmen Teile des Schulgeldes oder die Eltern bieten der Schule ihre Arbeitskraft an (Muskelhypothek). Gründer und Eltern sind in den ersten Jahren identisch, daher ist die Höhe des Schulgeldes den vertretenen Haushaltsbedingungen der Familien angemessen. Elternarbeit besteht auch darin, Förder- und Projektanträge zu stellen, um Stiftungsgelder zu akquirieren, Fördertöpfe aufzutun, um die ersten Anschaffungskosten für Räume und Materialien (Ausstattungen und Lehr- und Lernmittel) zu decken. Die Organisation von Öffentlichkeitsveranstaltungen, um weitere Gelder oder Sachspenden zu erhalten (BenefizVeranstaltungen), gehört in den ersten Jahren üblicherweise auch dazu. Viele Grundschulen haben durch die nachschulische (Ganztags)Betreuung in Schülerladen oder Hort während der Wartefrist ihren einzig sicheren Haushaltsposten, da üblicherweise von den Gemeinden Trägerverträge abgeschlossen werden (Tagesbetreuungsgesetz, Kinder- und Jugendhilfegesetz). Große Anstrengungen verwenden alle Freien Alternativschulen darauf, günstige Mietverträge auszuhandeln, um die fixen Kosten, neben den Personalkosten, gering zu halten. Die Anzahl der festangestellten Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen ist anfangs sehr niedrig. Honorarkräfte und Elterndienste decken die Betreuungszeiten mit ab. Viele Freie Alternativschulen bevorzugen Einheitsgehaltsmodelle, korrespondierend zu ihrer hierarchiefreien Struktur. In den ersten Jahren liegen die Gehälter oft deutlich unter dem BAT/TVÖD - Niveau. Freie Schulen sind auch nach der Wartefrist gezwungen, Schulgeld zu erheben. So unterschiedlich sich die staatlichen Zuschüsse zusammensetzen, stellt die Gesamtheit der Modelle für Freie Schulen diese materiell schlechter, als die staatlichen Schulen. In Berlin erhalten Freie Schulen nach der Wartefrist Zuschüsse zwischen geschätzten 60 und 65% der Kosten pro Schüler an einer staatlichen Schule. Wie überstehen Freie Alternativschulen die Herausforderungen der Wartefrist? Viele Schulen retten sich durch ihre Kleinheit. Einige verschulden sich, vor allem in der Zeit kurz vor Ende der Wartefrist. Die motiviertesten unterbezahlten Pädagogen steigen aus, wenn der äußere Druck zu hoch wird, dazu trägt die unsichere wirtschaftliche Lage der Schule erheblich bei. Dem wirken Freie Alternativschulen durch Aufnahme von Krediten entgegen, Erbschaften werden aufgebraucht, um den Traum von der Schule nach eigenen Vorstellungen zu verwirklichen, Zweitjobs sind die Regel. Die Eltern leisten in den ersten Jahren Unglaubliches an ehrenamtlichem Engagement. Regionale und überregionale Netzwerke entstehen unter den Freien Schulen, die einen uneigennützigen Austausch über Stiftungen, Tauschbörsen, Materialbörsen, Erfahrungen, Kontakte aller Art bewirken. Die auf viele Schultern verteilte Verantwortung und viel Glück sind oft der Schlüssel für das Überstehen der Wartefrist.

Zur Notwendigkeit der Wartefrist

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Die Freien Alternativschulen überstehen also die Wartefrist und bewähren sich als „solide" Träger. Da liegt die Schlussfolgerung nahe, dass wenn schon bei der Gruppe der wirtschaftlich schwächsten Schulträger die Wartefrist keine „unsoliden" Träger ans Tageslicht bringt, diese wohl überhaupt seltene Einzelfälle darstellen. Weiterhin lässt sich schlussfolgern, dass das Genehmigungsverfahren in all seiner Ausführlichkeit und Gründlichkeit das geeignetere Instrument ist, um den „Unsoliden" auf die Spur zu kommen. Das macht die Wartefrist schlicht überflüssig, da sie ohne sachliche Begründung bleibt. In anderen europäischen Ländern (z. B. Dänemark, Schweden, Niederlande) gibt es keine Wartefrist. Freie Schulen erhalten dort Zuschüsse vom Zeitpunkt der Genehmigung an. Das deutsche Modell der Wartefristen scheint eher einem Erhalt des staatlichen Schulmonopols zu nützen als der Überprüfung der Initiativen auf ihre haushälterischen Qualitäten zu dienen.

Literatur Borchert, Manfred (Hrsg.) „Freie Alternativschulen in Deutschland" 45 Schulporträts, Verlag des Bundesverbandes der Freien Alternativschulen in der BRD e.V., 2003 Borchert, Manfred ! Maas, Michael (Hrsg.) „Freie Alternativschulen. Die Zukunft der Schule hat schon begonnen", Verlag Julius Klinkhardt, Bad Heilbronn, 1998 Informationen: www.freie-alternativschulen.de

13=

Flächendeckende Schulangebote durch freie Träger am Beispiel Sachsen-Anhalts Von Jürgen Banse, Magdeburg In Sachsen-Anhalt existiert seit 1996 ein Passus im Landesschulgesetz, der der jeweils amtierenden Landesregierung bisher immer Ungemach bereitete. In § 18 g SchulG-LSA heißt es unter der Überschrift „Berichtspflicht der Landesregierung": „Dem Landtag ist einmal je Wahlperiode (Anmerkung: Bis zum 31. 07. 2005 lautet die Forderung sogar zweimal je Wahlperiode) durch die Landesregierung ein Bericht vorzulegen, in dem - differenziert nach den einzelnen Schulformen - die im öffentlichen Schulwesen tatsächlich entstehenden Kosten den aufgrund der Regelungen dieses Gesetzes jeweils entstehenden Finanzhilfebeiträgen für Schulen in freier Trägerschaft gegenübergestellt sind. " Bis zum Redaktionsschluss dieses Buches wurde ein derartiger Bericht - entgegen dem Gesetzeswortlaut - erst ein einziges Mal vorgelegt, nämlich im Dezember 2003 (Drs. 4/1271 des Landtages von Sachsen-Anhalt). Ohne auf die offenkundigen Mängel des Berichtes weiter im Detail einzugehen (z. B. wurden die Kosten der berufsbildenden Schulen überhaupt nicht erfasst), ist festzuhalten, dass sich eine Auffassung des zuständigen Kultusministeriums wie ein roter Faden durch den gesamten Bericht zieht: eine nicht unerhebliche Anzahl von Kostenpositionen staatlicher Schulen könne im Vergleich zu den Schulen in freier Trägerschaft deshalb unberücksichtigt bleiben, weil diese sich die „besten" Standorte heraussuchen und nicht im „flachen Land" tätig werden würden, wozu die staatlichen Schulen verpflichtet wären. Ähnliche Auskünfte erhalten die Vertreter freier Schulen auch immer wieder in anderen Bundesländern. Genau diese These der zuständigen Ministerien muss jedoch dringend hinterfragt werden, denn bei genauerer Betrachtung ist am Beispiel Sachsen-Anhalts festzustellen, dass sich gerade die staatlichen Schulen immer mehr aus den bevölkerungsärmeren Landstrichen zurückziehen und sich in derartigen Fällen beispielsweise weite Anfahrtswege für die dort beheimateten schulpflichtigen Kinder und Jugendlichen nur vermeiden lassen, wenn der Bildungsauftrag des Landes von Schulen in freier Trägerschaft übernommen wird. Wie hat sich die Schullandschaft in Sachsen-Anhalt in den letzten Jahren verändert?

Jürgen Banse

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Allgemeinbildende Schulen Schuljahr staatliche Schulen freie Schulen Schuljahr staatliche Schulen freie Schulen

1995/96

1996/97

1997/98

1998/99

1999/2000

1.559

1.544

1.521

1.476

1.419

15

16

20

22

24

2000/01

2001/02

2002/03

2003/04

1.374

1.319

1.294

1.208

27

32

39

48

Quelle: Statistisches Landesamt Sachsen-Anhalt

Die Übersicht zeigt: Während sich die staatlichen allgemeinbildenden Schulen insbesondere wegen der demographischen Entwicklung - immer mehr vor allem aus dem ländlichen Raum (betrifft insbesondere Sekundärschulen und Gymnasien) zurückziehen, nimmt die Anzahl der Schulen in freier Trägerschaft in Sachsen-Anhalt konstant zu. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes betrug die Anzahl der Schüler an staatlichen allgemeinbildenden Schulen in Sachsen-Anhalt (inklusive Sonderbzw. Förderschulen, Kollegs, Abendgymnasien usw.) 223.370 im Schuljahr 2004/05. Im gleichen Schuljahr besuchten 7.959 Schüler entsprechende Schulen in freier Trägerschaft im selben Bundesland. Damit besuchten im Schuljahr 2004/05 etwa 3,6 Prozent aller Schüler Sachsen-Anhalts allgemeinbildende Schulen in freier Trägerschaft (zum Vergleich: in Bayern waren dies im selben Schuljahr laut Statistischen Bundesamt etwa 10,8 Prozent). Im Schuljahr 2005/06 wurden vom Kultusministerium Sachsen Anhalts weitere Schulen in freier Trägerschaft genehmigt. Damit erhöhte sich die Anzahl auf insgesamt 60. Beachtlich hierbei ist der Zuwachs an bisher kaum im Land vorhandenen Sekundärschulen (Schüler werden dort zum Real- oder Hauptschulabschluss geführt) in freier Trägerschaft. Wo jedoch sind diese Sekundärschulen in freier Trägerschaft in erster Linie zu finden? Lässt man einmal die Freien Waldorfschulen mit ihren Standorten in den beiden größten Städten Sachsen-Anhalts (Magdeburg und Halle / Saale) außer Acht, ist es auffällig, dass die bis zum Redaktionsschluss vorhandenen Sekundärschulen in freier Trägerschaft in eher kleineren Städten und Gemeinden ihr Domizil gefunden haben, nämlich in Güsten, Hadmersleben (Internatsschule), Naumburg, Neinstedt, Salzwedel (Gesamtschule), Schneidlingen, Stendal, Thale (Waldorfschule) sowie Veckenstedt (Internatsschule). Damit lassen sich inzwischen in fast allen Regionen Sachsen-Anhalts Sekundärschulen in freier Trägerschaft finden. Sie werden in ihrem Verbreitungsgrad jedoch noch bei weitem von den Grundschulen in freier Trägerschaft übertroffen.

Schulangebote durch freie Träger am Beispiel Sachsen-Anhalts

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An den Beispielen der bereits bestehenden freien Sekundärschulen in Güsten und Schneidlingen sowie an der beantragten Sekundärschule im landesweit sehr bekannten Schachdorf Ströbeck soll nun exemplarisch belegt werden, welche wichtigen Aufgaben die Schulen in freier Trägerschaft inzwischen in Sachsen-Anhalt in den Regionen übernehmen, aus denen sich der Staat bereits zurückgezogen hat.

I. Beispiel Güsten In Güsten, einer kleinen Stadt im Landkreis Bernburg mit etwa 4.300 Einwohnern bestand bis zum Schuljahr 2003/04 eine staatliche Sekundärschule. Diese Schule wurde vorrangig von Schülern aus Güsten und Ilberstedt (etwa 1.300 Einwohner) besucht, zeitweise aber auch von Schülern aus anderen Orten der Region wie Rathmannsdorf oder Amesdorf. Güsten ist gleichzeitig Sitz der Verwaltungsgemeinschaft Saale-Wipper, zu der neben Güsten und Ilberstedt auch die Gemeinden Alsleben, Pötzkau und Schackstedt mit weiteren etwa 4.800 Einwohnern gehören. Die in Alsleben noch bestehende staatliche Sekundärschule muss aufgrund der Schulentwicklungsplanung ebenfalls mit ihrer baldigen Schließung rechnen. Wegen der zurückgehenden Schülerzahlen ist ohnehin häufig zu beobachten, dass sich die für die Schulentwicklungsplanung zuständigen Kreistage für eine Konzentration der Schulen in ihren Kreisstädten und weiteren größeren Städten des Landkreises entscheiden, was im Regelfall die Kinder aus den kleineren Städten und Gemeinden nicht unerheblich benachteiligt. Ein Aspekt kommt für die betroffenen Gemeinden hinzu, der nicht ungenannt bleiben sollte: jüngere Familien achten im Regelfall bei ihren Entscheidungen, wohin sie ihren Lebensmittelpunkt künftig verlagern, sehr auf das vor Ort vorhandene Angebot an Kindertagesstätten und Schulen. Die Schüler der Verwaltungsgemeinschaft Saale-Wipper sollen nunmehr über die staatlichen Sekundärschulen Bernburg (etwa 10 km von Güsten entfernt) bzw. Könnern (etwa 17 km z. B. von Plötzkau entfernt) „versorgt" werden. Die Fahrzeiten der hierfür eingesetzten Schulbusse sind für die Schüler sehr beachtlich. Mit dem Schuljahr 2005/06 wurde jedoch die freie Sekundärschule Güsten in Trägerschaft des Instituts Braune (Träger mehrerer Berufsfachschulen in Bernburg) durch das Kultusministerium genehmigt. Hiermit werden - auch durch ein sehr moderates Schulgeld - für die Kinder der Gemeinden der Verwaltungsgemeinschaft Saale-Wipper nicht nur überschaubare Schulanfahrtswege gewährleistet, sondern auch eine sehr individuelle Förderung aller Schüler.

200

Jürgen Banse

II. Beispiel Schneidlingen Die Ortschaft Schneidlingen im Landkreis Aschersleben-Staßfurt wurde im Jahr 2004 ebenso wie die Ortschaften Cochstedt und Groß Börnecke in die Stadt Mecklingen eingemeindet. Gemeinsam mit der Gemeinde Giersleben bildet die Stadt Hecklingen auch die Verwaltungsgemeinschaft Hecklingen mit insgesamt etwa 9.500 Einwohnern. Zum Schuljahr 2004/05 wurde die staatliche Sekundärschule Schneidlingen, die von den Kindern der Ortschaften Schneidlingen, Cochstedt und Groß Börnecke besucht wurde, geschlossen. Ebenso wurde eine zusätzlich in der Stadt Hecklingen befindliche Sekundärschule geschlossen. Die nunmehr zuständigen Sekundärschulen für die Kinder der genannten Region befinden sich in Egeln, etwa 6 km östlich von Schneidlingen, bzw. in Staßfurt. Kurioserweise war die Sekundärschule Egeln zum Beginn des Schuljahres 2005 / 06 aber nicht in der Lage, alle zusätzlichen Kinder aus der Sekundärschule Schneidlingen aufzunehmen. Daher wurde der bereits geschlossene Schulstandort Schneidlingen vom Kultusministerium quasi „reaktiviert". Befristet kann die staatliche Schule nunmehr als Außenstelle der Sekundärschule Egeln weitergeführt werden. Parallel dazu entstand aber als Alternative in Schneidlingen die freie Sekundärschule „LebenLernen" in Trägerschaft der bekannten Oskar Kämmer Schule, die bereits seit Jahren in Sachsen-Anhalt und Niedersachen verschiedene berufliche Schulen in freier Trägerschaft betreibt. Obwohl ein bewährter Schulträger (mehrere berufliche Schulen der Oskar Kämmer Schule sind in Sachsen-Anhalt staatlich anerkannt), wird wohl das Land der Schule eine Finanzhilfe frühestens zum Schuljahr 2008/09 gewähren. In dem vorhandenen Schulgebäude in Schneidlingen werden derzeit gleichzeitig Schüler der staatlichen Sekundärschule Egeln und der freien Schule „LebenLernen" beschult. Wegen des Auslaufcharakters des Standortes Schneidlingen als Außenstelle der Sekundärschule Egeln und wegen ihres besonderen pädagogischen und ganztäglichen Konzepts erfreut sich aber bereits jetzt schon die „LebenLernen" - Schule einer hohen Nachfrage von Kindern und Eltern der gesamten Region.

III. Beispiel Schachdorf Ströbeck Wie es schon der Beiname ausdrückt, kann das Schachdorf Ströbeck im Landkreis Halberstadt auf eine fast 1000-jährige Schachtradition zurückblicken. Der Legende nach soll ein adliger Gefangener des Halberstädter Bischofs den Bauern Ströbecks im Jahr 1011 das königliche Spiel gelehrt haben. Belegt ist, dass die Ströbecker im 17. Jahrhundert gegen Staatsbeamte Schach spielten und sich da-

Schulangebote durch freie Träger am Beispiel Sachsen-Anhalts

201

durch von der Steuer befreien konnten. Der darüber erstaunte Kurfürst Friedrich Wilhelm von Brandenburg besuchte im Jahr 1651 das Dorf, spielte eine Partie Schach und verließ das Schachbrett als Verlierer. Hiervon beeindruckt, schenkte der Kurfürst den Ströbeckern ein wertvolles Schachbrett. Der ganze Stolz der Region Ströbeck galt jedoch seit deren Gründung ihrer (staatlichen) Schule, in der Schach von 1823 bis 2004 ein Pflichtfach war. Damit erzielte Ströbeck auch einen überregionalen Bekanntheitsgrad. Wegen der zu geringen Schülerzahlen wurde die staatliche Sekundärschule Ströbeck dennoch zum Ende des Schuljahres 2003/04 -trotz eines starken Widerstandes der Einwohner Ströbecks - geschlossen. Das Schachdorf Ströbeck gehört der Verwaltungsgemeinschaft Harzvorland Huy gemeinsam mit den Gemeinden Aspenstedt, Athenstedt, Danstedt, Langenstein und Sargstedt an. In der Verwaltungsgemeinschaft leben etwa 5.500 Einwohner. Mit der Schließung der staatlichen Sekundärschule, woraus natürlich vorerst auch das „Aus" für die berühmte Ströbecker Schachschule folgte, wurden die Schüler der Verwaltungsgemeinschaft den staatlichen Sekundärschulen in Halberstadt und Dardesheim (jeweils ca. 12 km Luftlinie von Ströbeck entfernt) zugeordnet. Inzwischen gibt es jedoch begründete Hoffnung für eine Zukunft der Schachschule Ströbeck: die Oskar Kämmer Schule, die bereits in Schneidlingen eine Sekundärschule in freier Trägerschaft betreibt, stellte beim Kultusministerium des Landes Sachsen-Anhalt einen Antrag auf Genehmigung einer freien Sekundärschule in Ströbeck zum Schuljahr 2006/07. Eine Entscheidung des Ministeriums bis zum Redaktionsschluss erfolgte zwar noch nicht, aber angesichts des Umstandes, dass es sich bei der Oskar Kämmer Schule um einen sehr bewährten und erfahrenen Schulträger handelt, sind die Erwartungen der Ströbecker durchaus positiv. Fazit: Nur durch die mutigen Initiativen freier Schulen ist es gerade auch in ländlichen Gebieten möglich, auf Dauer Schulstandorte zu sichern. Hiermit tragen die freien Schulen - unabhängig von ihrer innovativen pädagogischen Arbeit - auch in Sachsen-Anhalt zur Ermöglichung eines flächendeckenden Schulangebotes in einer sich ansonsten immer mehr ausdünnenden Schullandschaft bei, was vom Kultusministerium im nächsten Bericht nach § 18 g SchulGLSA unbedingt berücksichtigt werden sollte.

Flächendeckung und Integration. Das Beispiel der Förderschulen in freier Trägerschaft in Niedersachsen Fragen an Reinhard Pöhlker, Schulleiter der Eylardus-Schule Förderschule für Emotionale und Soziale Entwicklung - ESE - in Bad Bentheim R: Herr Pöhlker, Sie sind Leiter der Eylardus-Schule, Bad Bentheim, einer „Förderschule für Emotionale und Soziale Entwicklung " - das, was man früher und in anderen Bundesländern „Sonderschule für Verhaltens gestörte" oder „Erziehungshilfe" nannte. Wie viele freie Schulen und wie viele staatliche Schulen dieser Art gibt es in Niedersachsen? Wie viele Schülerinnen und Schüler besuchen diesen Schulen? P: Im Gegensatz zu vielen anderen Bundesländern gibt es in Niedersachsen die Besonderheit, dass sich zum überwiegenden Teil die Förderschulen mit dem Schwerpunkt Emotional Soziale Entwicklung in freier Trägerschaft befinden. Das Land Niedersachsen verlässt sich in der Schulpolitik bei den Förderschulen darauf, dass die freien Förderschulen den Bedarf an Schulplätzen für die Schülerinnen und Schüler mit dem genannten Förderbedarf möglichst flächendeckend anbieten. So finden wir in der Niedersächsischen Schullandschaft zurzeit 40 Förderschulen in freier Trägerschaft und nur 5 Förderschulen in staatlicher Trägerschaft. In ihnen werden ca. 1600 Schülerinnen und Schüler beschult, erzogen, gefördert und betreut. Die Verteilung auf Niedersachsen lässt sich sehr schön an der „Förderschullandkarte'4 ablesen. R: Würden die fünf staatlichen Förderschulen zur Versorgung Niedersachsens ausreichen - oder anders gefragt: Kommen alle Schülerinnen und Schüler der staatlichen und freien Schulen aus Niedersachsen? P: Um Ihre Frage ausreichend zu beantworten, müssen wir uns kurz die sonderpädagogische Grundausrichtung in Niedersachsen anschauen. Sonderpädagogik in Niedersachsen war und ist dynamisch ausgerichtet, entwickelt sich stetig und passt sich den Bedürfnissen der betroffenen Kinder und Jugendlichen an. In Niedersachsen gibt es ein gestaffeltes Angebot im Rahmen der sonderpädagogischen Förderung. Hierzu zählen mobile Dienste, der gemeinsame Unterricht, die Betreuung und Förderung in Kooperationsklassen, die Sonderpädagogische Grundversorgung in Grundschulen und die Beschulung, Erziehung und Förderung in Förderschulen. Die Praxis zeigt, dass aufgrund der Aufgabenvielfalt die staatlichen Förderschulen für Emotionale und Soziale Entwicklung eine ausreichende Versorgung bei

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