Die Gesamtgläubigerschaft: Eine dogmengeschichtliche und dogmatische Untersuchung [1 ed.] 9783428536368, 9783428136360

Die Gesamtgläubigerschaft, geregelt in den §§ 428-430 BGB als Form obligatorischer Mitberechtigung, erweist sich bei näh

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Die Gesamtgläubigerschaft: Eine dogmengeschichtliche und dogmatische Untersuchung [1 ed.]
 9783428536368, 9783428136360

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Schriften zum Bürgerlichen Recht Band 414

Die Gesamtgläubigerschaft Eine dogmengeschichtliche und dogmatische Untersuchung

Von

Maximilian Engelbrecht

Duncker & Humblot · Berlin

MAXIMILIAN ENGELBRECHT

Die Gesamtgläubigerschaft

Schriften zum Bürgerlichen Recht Band 414

Die Gesamtgläubigerschaft Eine dogmengeschichtliche und dogmatische Untersuchung

Von

Maximilian Engelbrecht

Duncker & Humblot · Berlin

Die Juristische Fakultät der Julius-Maximilians-Universität Würzburg hat diese Arbeit im Wintersemester 2010/2011 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten

© 2011 Duncker & Humblot GmbH, Berlin

Fremddatenübernahme: Klaus-Dieter Voigt, Berlin Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0720-7387 ISBN 978-3-428-13636-0 (Print) ISBN 978-3-428-53636-8 (E-Book) ISBN 978-3-428-83636-9 (Print & E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Meinen Eltern

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde von der Juristischen Fakultät der Julius-Maximilians-Universität Würzburg im Wintersemester 2010/2011 als Dissertation angenommen. Herzlich danken möchte ich meinem Doktorvater, Herrn Professor Dr. Jan Dirk Harke, der diese Arbeit angeregt, fürsorglich betreut und nicht zuletzt dadurch maßgeblich gefördert hat, dass ich während der Dauer ihrer Entstehung Teil seines Lehrstuhls sein durfte. Ich blicke zurück auf eine fachlich wie persönlich wertvolle Zeit als sein Doktorand und wissenschaftlicher Mitarbeiter. Daneben gilt mein besonderer Dank Herrn Professor Dr. Christof Kerwer, der die Zweitbegutachtung gewissermaßen zur Unzeit, über den Jahreswechsel vollzog, um mir den Abschluss des Promotionsverfahrens noch im Wintersemester zu ermöglichen. Tiefen Dank schulde ich meinem leider viel zu früh verstorbenen Vater HansPeter Engelbrecht und meiner Mutter Ulrike Engelbrecht-Winkhaus: Dafür, dass sie mir die besten Voraussetzungen für einen Start ins Leben bereitet haben, die ich mir vorstellen kann. Ihnen sei diese Arbeit von Herzen gewidmet. Das Unternehmen Promotion war mir begeisternde Herausforderung und Freude, mitunter aber auch schwere Last. Den Menschen, mit denen ich alles teilen durfte, gehört mein inniger Dank! Hersbruck, im Frühjahr 2011

Maximilian Engelbrecht

Inhaltsverzeichnis Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

15

1. Kapitel Die Gesamtgläubigerschaft im Römischen Recht

18

Praktische Bedeutung: Die „Sicherung“ der Forderung als originäre Funktion

18

II. Entstehungsgründe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die römische Gesamtgläubigerschaft als Produkt der Parteidisposition . . . 2. Der Sonderfall der argentarii socii . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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III. Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Einzelverfügungsbefugnisse der rei stipulandi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Ven. D. 46, 2, 31, 1 als grundlegende Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Litiskontestationswirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Die Befugnis zum Gesamterlass mittels acceptilatio . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Das ius novandi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Die Gesamtwirkung der Novation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Paul. D. 2, 14, 27pr. als Gegenposition zu Venuleius . . . . . . . . . . . . cc) Die Aussagekraft von Ulp. D. 16, 1, 8, 11 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Folgerungen: Hypothese über die Entwicklung des ius novandi . . . e) pactum de non petendo . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) iusiurandum und constitutum debiti . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . g) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Der Innenausgleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

29 29 29 29 32 33 33 35 37 40 42 46 49 50

IV. Die Gesamtgläubigerschaft aus Vermächtnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

51

I.

2. Kapitel

I.

Die Gesamtgläubigerschaft von der Rezeption bis zum BGB

55

Praktische Bedeutung und Kodifikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Das Aussterben der Gesamtgläubigerschaft und ihre Zweckbestimmung in der Wissenschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Erwägungen des BGB-Gesetzgebers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Entwicklungen unter dem BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Der Siegeszug des § 432 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

55 55 58 60 60

10

Inhaltsverzeichnis b) Überblick über die moderne Verwendung der Gesamtgläubigerschaft . . aa) Vertragliche Gesamtgläubigerschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) § 117 SGB X und § 421 Abs. 1 S. 2 HGB als Modellfälle nichtrechtsgeschäftlicher Gesamtgläubigerschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Sozialversicherungsrecht: § 117 SGB X . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Transportrecht: § 421 Abs. 1 S. 2 HGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Folgerungen: Die moderne Funktion der Gesamtgläubigerschaft . . . . . .

62 62

II. Die Wirkung von Tatsachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Erfüllungssurrogate und Verfügungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Das gemeinrechtliche Konzept . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Grundlegendes: Einheits- und Mehrheitsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Materielle Aufhebungsgründe: Die Erfüllungsnatur als zentrales Kriterium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Der gemeinrechtliche Erlassvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Die Wirkung der Abtretung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Die deutschen Regelwerke des 19. Jahrhunderts . . . . . . . . . . . . . . . . b) Alternativkonzepte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Einflüsse der Naturrechtslehre: Wolff und Domat . . . . . . . . . . . . . . bb) Das Vertretungsmodell des Code Civil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Gemeinrechtliche Alternativkonzepte: Baron und Waldner . . . . . . dd) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Die Regelung im BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Ausgestaltung und Erwägungen des Gesetzgebers . . . . . . . . . . . . . . bb) Bewertung und Einordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Korrektur? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Novation und Schuldübernahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Klageerhebung und Urteil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Ausschlusswirkung der Klageerhebung nach gemeinem Recht . . . . b) Die Ausschlusswirkung der Klageerhebung in den Kodifikationen und Entwürfen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Die Wirkung des absolutorischen Urteils nach gemeinem Recht . . . . . . d) Die Wirkung des absolutorischen Urteils in den Kodifikationen und Entwürfen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Die Regelung im BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Erwägungen des Gesetzgebers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Zusammenfassung und Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Verwandte Einzelprobleme des geltenden Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Schuldnerwahlrecht, Annahmeverzug und Hinterlegung . . . . . . . . . bb) Die Gesamtgläubigerschaft aus Vermächtnis: § 2151 Abs. 3 BGB 3. Konfusion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

71 71 72 72

63 64 66 69

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Inhaltsverzeichnis

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a) Die Wirkung der Konfusion nach gemeinem Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 b) Die Regelung im BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 III. Entstehungsgründe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Entstehungsgründe vor dem BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Frühes gemeines Recht und Naturrechtskodifikationen . . . . . . . . . . . . . . b) Pandektistik, insbesondere: Die aktive Solidarität i. e. S. . . . . . . . . . . . . . c) Deutsche Regelwerke des 19. Jahrhunderts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Lage unter dem BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Entstehungsgründe nach heutigem Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Historische Einordnung: Solidarität und Korrealität als vermengte Regelungsvorbilder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Folgerungen: Vertragliche und nichtrechtsgeschäftliche Gesamtgläubigerschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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IV. Der Innenausgleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Der Innenausgleich vor dem BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Frühes gemeines Recht und Naturrechtskodifikationen . . . . . . . . . . . . . . b) Pandektistik und Regelwerke des 19. Jahrhunderts . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Zusammenfassung und Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Der Innenausgleich nach § 430 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Gang der Gesetzgebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Der Rechtsgrund des Ausgleichsanspruchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Voraussetzungen und Umfang des Ausgleichsanspruchs . . . . . . . . . . . . .

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124 125

3. Kapitel

I.

Die Gesamtgläubigerschaft im geltenden Recht – Versuch einer dogmatischen Ordnung

137

Die vertragliche Gesamtgläubigerschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Abgrenzung von Stellvertretung und Ermächtigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Vorüberlegungen: Interessengerechtigkeit der Gesamtgläubigerschaft? aa) Widerruflichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Zwangsvollstreckung und Insolvenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Rechtskraftwirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Folgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Die Voraussetzungen einer „Gesamtgläubigerabrede“ . . . . . . . . . . . bb) Folgerungen für das Oder-Konto . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Rechtliche Einordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Exkurs: Die Lage nach ausgeübtem Widerruf . . . . . . . . . . . . . . (3) Exkurs: Folgen für Zwangsvollstreckung und Insolvenz . . . . . 2. Einseitige Begründung der Gesamtgläubigerschaft? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

137 137 138 138 141 144 145 145 147 147 148 149 151

12

Inhaltsverzeichnis a) Durch die Gläubiger mittels Zession . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Durch den Schuldner: Der Vertrag zugunsten Dritter mit alternativen Dritten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Konkurrierende Empfangsrechte als Tatbestandsvoraussetzung? . . . . . . . . . a) Allgemein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Insbesondere: Gesamtgläubigerschaft und Vertrag zugunsten Dritter . . c) Insbesondere: FG Köln, EFG 2006, S. 648 ff. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Gesamtgläubigerschaft als „vertraglicher Vollstreckungsschutz“? . . . . . . . .

II. Die nichtrechtsgeschäftliche Gesamtgläubigerschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. §§ 117 SGB X und 421 Abs. 1 S. 2 HGB: Rechtsfolgen und dogmatische Struktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Verfügungsbefugnisse: Die Anwendbarkeit des § 429 Abs. 3 S. 1 BGB b) Folgerungen: Der dogmatische Grund der anteiligen Alleinverfügungsbefugnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Zwangsvollstreckung und Insolvenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Rechtskraftwirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Ungeschriebene Fälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Anwendungsfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Prozessualer Kostenerstattungsanspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Teilveräußerung vermieteter oder verpachteter Grundstücke . . . . . cc) Keine Gesamtgläubigerschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Fälle der Schadensidentität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Rückabwicklung bei Gesamtschuldnern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Konkurrenz privater Regressnehmer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Mitberechtigung von Ehegatten aus § 1357 Abs. 1 S. 2 BGB . . c) Rechtsfolgen und dogmatische Struktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Dogmatische Abgrenzung der Gesamtgläubigerschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die materielle Unterordnung als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal b) Folgen: Die auszuscheidenden Fälle im Einzelnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Mehrere Gläubiger einer Leistung, die automatisch allen zugute kommt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) § 10 Abs. 1, 3 UWG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Forderungs- und Haftungskollisionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Mehrheit an ausgleichsberechtigten und -verpflichteten Gesamtschuldnern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Ungleichgründige Gesamtgläubigerschaft? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

151 153 154 154 156 158 159 161 161 161 165 167 168 170 170 171 171 173 174 174 175 177 178 182 183 183 184 184 186 187 189 191

Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse zum geltenden Recht . . . . . . . . 193 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 Sachwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214

Abkürzungsverzeichnis AHDO-RIDA BayE CC CMBC CMR DresdE GrünhZ HessE i. e. Jb Dogmatik

KGBl KO KrBl KritÜb KrVJS LZ RGRK RIDA RVO SächsArchRPr SächsBGB Schweiz. OR SD SZ TE-OR TR ZCPr ZSR

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Einleitung Die Gesamtgläubigerschaft als Gegenstand einer dogmatischen Untersuchung zu rechtfertigen, fällt auf den ersten Blick zugleich leicht und schwer. Alt und keineswegs überholt ist einerseits die Klage, dass das Institut der Gesamtgläubigerschaft, zumal im Vergleich zur Gesamtschuld als seinem konstruktiven Widerpart, seitens der Wissenschaft allzu sehr vernachlässigt werde. Schon Julius Binder erhob diesen Vorwurf in seinem Werk „Die Korrealobligation im römischen und heutigen Recht“ aus dem Jahre 1899 gegen die Pandektenwissenschaft1. Wenig später sah sich Friedrich Bremer durch die „stiefmütterliche Behandlung“ der Gesamtgläubigerschaft in der Rechtslehre zu seiner 1904 veröffentlichten Dissertation „Die Gesamtgläubigerschaft nach dem Rechte des bürgerlichen Gesetzbuches“ veranlasst2. Und noch nach fast 30-jähriger Geltungsdauer des BGB musste Hans Otto de Boor geradezu resignierend resümieren: „Die Gesamtforderung ist auch unter dem BGB eine rechte Crux des Privatrechts geblieben. Man schleppt sie in den Darstellungen mit, natürlich in engem Anschluss an die Gesamtschuld. Man kann auch öfters in Entscheidungen von Gesamtforderungen lesen. Aber ganz selten nur handelt es sich wirklich um solche: Es werden alle möglichen Erscheinungen unter den Begriff gebracht, die mit ihm nicht das Geringste zutun haben. Wenn man die Fälle zusammenstellt, bekommt man fast den Eindruck, als ob niemand mehr wisse, was eine Gesamtforderung sei“ 3.

Unverändert fällt schließlich die jüngste Bestandsaufnahme Horst Ehmanns aus, der mangels konzeptioneller Durchdringung der Gesamtgläubigerschaft in der Lehre anmahnt, den Begriff nicht zu einer bloßen „Adresse“ verkommen zu lassen, unter der „in einem Kommentar die Kasuistik aufgelistet wird“, und appelliert: „Es ist daher zumindest das Bemühen fortzusetzen zu klären, unter welchen Voraussetzungen eine Mehrheit von Gläubigern eine Gesamtgläubigerschaft i. S. d. § 428 bildet“ 4. Gleichermaßen alt wie der Ruf nach mehr wissenschaftlicher Zuwendung ist andererseits die Neigung, die Gesamtgläubigerschaft als weithin überflüssiges Relikt des römischen Rechts abzutun. Bereits bei den Pandektisten5 findet sich des Öfteren die gegenüber der Gesamtschuld weit geringere praktische Bedeu1

S. 407. S. 11. 3 Die Kollision von Forderungsrechten (1928), S. 96. 4 Erman/Ehmann § 428 Rn. 3. 5 Savigny, Obligationenrecht, Bd. 1, S. 155; Samhaber, S. 159; Wächter, Pandekten, Bd. 2, S. 308. 2

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Einleitung

tung und „Wichtigkeit“ der Gesamtgläubigerschaft für den Rechtsverkehr betont. Dieselbe Beobachtung machte man in Frankreich, wo etwa das Standardwerk von Gabriel Baudry-Lacantinerie um die Jahrhundertwende bemerkt: „La presence de la solidarité active dans notre legislation6 s’explique par une survivance du droit romain“ 7 und das jüngere Lehrbuch von Philippe Malaurie und Laurent Aynès zum Obligationenrecht die Gesamtgläubigerschaft nur noch der Erinnerung halber anspricht: „Il ne sera parlé que pour mémoire de la première (i. e. la solidarité active), en raison de son faible intérêt pratique (. . .)“ 8. Auch de Boor bezeichnet die Gesamtgläubigerschaft als „stark erblich belasteten Nachkommen der Verbalkontrakte“ 9. Und in der modernen deutschen Rechtswissenschaft hat nunmehr Sonja Meier im Rahmen ihrer Kommentierung für den Historisch-kritischen Kommentar zum BGB10 und eines begleitenden Aufsatzes11 die Existenzberechtigung der Gesamtgläubigerschaft im geltenden Recht nach ausführlicher historisch-vergleichender Analyse gänzlich in Abrede gestellt. Beide scheinbar konträren Eindrücke gehen freilich miteinander einher: Die geringe wissenschaftliche Befassung mit der Gesamtgläubigerschaft ist Folge ihrer relativ bescheidenen Rolle in der Rechtspraxis. Dabei taugt Letzteres von vornherein nur bedingt zur Rechtfertigung des Ersteren. Selbst wenn die Gesamtgläubigerschaft im heutigen Privatrechtssystem jeglicher legitimen Funktion entbehrte, entbände dies nicht von der Notwendigkeit wissenschaftlicher Befassung, sondern machte es erst recht erforderlich, ihren Anwendungsbereich unter Ausräumung der aus ihrer Gesetzlichkeit sprechenden Indizwirkung sachgerecht einzugrenzen und ihr Verhältnis zu anderen Mitberechtigungsformen exakt zu bestimmen. Die Existenz der Gesamtgläubigerschaft ist, wie auch Sonja Meier zugesteht12, de lege lata ein Faktum; so oder so müssen wir also, um einmal mehr de Boors13 Worte zu wählen, „irgendwie mit ihr fertig werden“. Horst Ehmanns Appell, dem nachzukommen das Hauptanliegen dieser Arbeit ist, hat daher ungeachtet der Frage nach der legitimen Funktion Berechtigung. Nur zur Förderung des Leserinteresses sei daher erwähnt, dass diese Arbeit die These von der Entbehrlichkeit auch in Teilen zu entkräften sucht.

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CC Art. 1197–1199. Baudry-Lacantinerie/Barde, Traité, Des obligations, Bd. 2, Nr. 1129 (S. 257). Vgl. auch Josserand, Bd. 2, Nr. 756: „On le voit, bien minime est l’utilité de la solidarité active qui est une institution á peu près morte“. 8 Malaurie/Aynès, Les obligations, vor Nr. 1145. 9 S. 98. 10 §§ 420–432/II Rn. 3 ff. 11 „Die Gesamtgläubigerschaft – ein unbekanntes, weil überflüssiges Wesen?“, AcP 205, S. 858 ff. 12 AcP 205, S. 904. 13 S. 98. 7

Einleitung

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Liegt die zentrale Problemstellung dieser Arbeit damit auch im geltenden Recht, soll der Behandlung der BGB-Gesamtgläubigerschaft dennoch eine eingehende dogmengeschichtlich orientierte Untersuchung der historischen Grundlagen vorausgehen. Dies zum einen aus rechtshistorischem Interesse, vornehmlich aber um einer Erkenntnis gerecht zu werden, die spätestens nach den Arbeiten von Sonja Meier nun auch stärker in das Bewusstsein der deutschen Privatrechtslehre rücken sollte: Dass die Gesamtgläubigerschaft aus Sicht des modernen Juristen noch mehr als andere Rechtsinstitute der Erklärung aus ihren römischrechtlichen Ursprüngen bedarf14. Folgenden Gang wird die Untersuchung nach alledem nehmen: In einem ersten Kapitel erfolgt die Darstellung der römisch-rechtlichen Grundlagen, in einem zweiten die der Entwicklung von der Rezeption bis zum BGB, wobei das geltende Recht betreffende Einzelfragen, die aus dem historischen oder entstehungsgeschichtlichen Kontext der betreffenden Norm zu beantworten sind, bereits an entsprechender Stelle des zweiten Kapitels erörtert werden. Das dritte Kapitel wird sich sodann ausschließlich der dogmatischen und systematischen Aufbereitung der BGB-Gesamtgläubigerschaft widmen.

14 Dies nimmt auch Jan Dirk Harke zum Anlass für seine jüngste Untersuchung über die „Wurzel der Gesamtobligation im römischen Recht“, in: Harke, Drittbeteiligung am Schuldverhältnis, S. 1 ff.

1. Kapitel

Die Gesamtgläubigerschaft im Römischen Recht I. Praktische Bedeutung: Die „Sicherung“ der Forderung als originäre Funktion Der praktische Ausgangspunkt für die Ausbildung der Gesamtobligationen im römischen Recht liegt in dem Umstand, dass schuldrechtliche Forderungen ihren Vermögenswert erst durch die Aussicht auf einen künftigen Verwertungsakt vermitteln. Dies unterscheidet Forderungsrechte wesentlich von dinglichen Rechten wie dem Eigentum, die ihrer Natur nach primär auf die Begründung und Bewahrung eines bleibenden Zustands gerichtet sind. Denn das Streben auf künftige Verwertung belastet Forderungsrechte zwangsläufig mit einer spezifischen Gefahr: Soweit der Verwertung tatsächliche oder rechtliche Hindernisse entgegenstehen, bedeutet dies den faktischen Rechtsverlust. Dass diese strukturelle Eigenheit ein praktisches Bedürfnis nach Gesamtobligationen zeitigt1, leuchtet uns noch heute sofort ein, soweit es um die Abwendung von Verwertungshindernissen auf Schuldnerseite geht. So werden Gesamtschulden begründet und Bürgen bestellt, um den Gläubiger vor Ausfällen wegen mangelnder Solvenz oder Erreichbarkeit eines Schuldners zu schützen. Doch bildete die Gesamtobligation in ihren Ursprüngen auch das einzige Mittel, das Forderungsrecht gegen den Verfall durch gläubigerseitige Verwertungshindernisse, so die tatsächliche Verhinderung der Rechtsdurchsetzung durch Abwesenheit, Krankheit oder Tod des Versprechensempfängers zu sichern. Dies hat seinen Grund darin, dass das römische Recht die Ausübungs- und Verfügungsbefugnisse bezüglich eines Forderungsrechts in vielerlei Hinsicht untrennbar mit dessen Inhaberschaft verknüpfte: Im altrömischen Legisaktionenverfahren galt noch der Satz alieno nomine agere non licet2, so dass ausschließlich der Gläubiger persönlich seine Forderung gerichtlich geltend machen konnte; und bis in das klassische Recht war eine Vertretung bei förmlichen schuldrechtlichen Verfügungen wie acceptilatio und Novation ebenso ausgeschlossen3 wie die unmittelbare Berechtigung dritter Personen aus 1 In ähnlicher Weise führten schon Windscheid und L. Mitteis die unterschiedliche Ausgestaltung des Miteigentums und der Gesamtobligation im römischen Recht auf den Strukturunterschied der Rechte zurück, vgl. Windscheid, KrVJS 3 (1861), S. 161 ff, 178; L. Mitteis, Individualisierung, S. 1 f. 2 Gai Inst. 4, 82. Allenfalls in Ausnahmefällen könnte bei den Legisaktionen bereits Kognitur zulässig gewesen sein. Z. G. Kaser/Hackl, S. 62 f, 211 m.w. N. 3 Dazu Kaser, Bd. 1, S. 267; Bd. 2, S. 105 m. Fn. 44.

I. Praktische Bedeutung: „Sicherung‘‘ der Forderung als originäre Funktion

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Schuldverträgen im Sinne des heutigen „echten“ Vertrags zugunsten Dritter4. Schließlich kannte das römische Recht keine regelrechte gewillkürte5 und in seinen Anfängen auch keine erbliche Rechtsnachfolge6 in Forderungen. Vielfach ließ sich daher eine Sicherung des Rechts in Form der Vermehrung der ausübungsbefugten Personen nur durch die Begründung zusätzlicher, auf dieselbe Leistung gerichteter Forderungsrechte verwirklichen, wozu die römische Kautelarjurisprudenz mit der adstipulatio und den rei stipulandi zwei Formen der obligatorischen Gesamtberechtigung hervorbrachte7. Quellenmäßig belegen lässt sich die Sicherungsfunktion der obligatorischen Gesamtberechtigung im römischen Recht vor allem anhand der adstipulatio. Der adstipulator war ein Nebengläubiger. Er wurde bestellt, indem er sich unmittelbar nach dem Stipulationsversprechen an den Hauptgläubiger dieselbe Leistung erneut versprechen ließ, wodurch er ein eigenes, zur Hauptforderung jedenfalls teilweise akzessorisches8 Forderungsrecht erwarb9. Bei Gaius tritt diese Gestaltung nur noch in der eigentümlichen Verwendung als Mittel zur Umgehung einer unzulässigen stipulatio post mortem in Erscheinung: Wollte sich jemand eine Leistung in der Weise versprechen lassen, dass sie erst nach seinem Tod an seine Erben erfolgte, scheiterte eine entsprechende Stipulation an dem Satz alteri stipulari nemo potest10. Daher zog man in diesen Fällen einen adstipulator als Mittelsmann heran, der sich die Leistung wirksam auf den Todesfall des Hauptgläubigers versprechen lassen konnte, um sie dann für die Erben einzuziehen11. Dieser von Gaius überlieferte Anwendungsfall veranschaulicht zunächst die Praktikabilität der obligatorischen Gesamtberechtigung im Hinblick auf das Verbot von Verträgen zugunsten Dritter, und es ist zu vermuten, dass derartige Gestaltungen etwa auch im Dotalrecht gebräuchlich waren: Sollte die Mitgift nach dem Tod der Ehefrau einem zum Zeitpunkt der Bestellung noch nicht geborenen

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Ulp. D. 45, 1, 38, 17; Gai Inst. 3, 103: Alteri stipulari nemo potest. Kaser, Bd. 1, S. 491; Harke, Römisches Recht, § 6 Rn. 1 ff. 5 Kaser, Bd. 1, S. 652 f m.w. N.; Harke, Römisches Recht, § 6 Rn. 19. 6 Vgl. Kaser, AHDO-RIDA 1 (1952), S. 535 ff, insb. 537; Cuq, S. 632 ff; ArangioRuiz, Istituzioni, S. 299 Fn. 3. 7 Vgl. HKK-BGB/S. Meier §§ 420–432/II Rn. 3 ff; dies., AcP 205, S. 860 ff; ferner vor allem die französische Literatur: Baudry-Lacantinerie/Barde, Traité, Des obligations, Bd. 2, Nr. 1129 (S. 257); Cuq, S. 376 Fn. 1, S. 634 f; Girard/Senn, S. 789; Josserand, Bd. 2, Nr. 756; Mazeaud/Mazeaud/Chabas, Bd. 2/1, Nr. 1054; Marty/Raynaud/ Jestaz, Bd. 2, Nr. 105; aber auch Puchta/Rudorff, Cursus, Bd. 3, S. 34 f Fn. n. 8 Die dem adstipulator versprochene Leistung konnte weniger, aber nicht mehr umfassen als die dem Hauptgläubiger versprochene, Gai Inst. 3, 113. Dazu und zur adstipulatio überhaupt Kaser, Bd. 1, S. 660. 9 Gai Inst. 3, 110 f. 10 Gai Inst. 3, 100; 158 und bereits o. Fn. 4; Kaser, Bd. 1, S. 491 f m.w. N. 11 Gai Inst. 3, 117. Den Erben stand gegen den adstipulator die Auftragsklage zu, vgl. Gai Inst. 3, 111; 117.

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1. Kap.: Die Gesamtgläubigerschaft im Römischen Recht

oder noch nicht geschäftsfähigen Dritten, insbesondere den künftigen Kindern aus der Ehe, zufallen, zog der Besteller einen adstipulator heran, der das Rückforderungsrecht für den Begünstigten geltend machen konnte12. Vor allem zeigt sich die Verwendung zur Verwirklichung von Zuwendungen auf den Todesfall aber als Restbereich der originären, weit bedeutenderen Funktion der adstipulatio, einen Übergang von Forderungen auf die Nachkommen des Gläubigers überhaupt zu ermöglichen. Solange nämlich Forderungsrechte im frühen Rom aktiv unvererblich waren, stellte die Hinzuziehung eines Nebengläubigers das einzige Mittel dar, deren Erlöschen mit dem Tod des Versprechensempfängers abzuwenden13. Dass der adstipulatio jedoch auch nach dem Erblichwerden von Forderungen noch eine bedeutende Rolle im Rechtsverkehr zukam, belegt ihre Berücksichtigung in der hochrepublikanischen Gesetzgebung14. So berichtet Gaius, dass die Lex Aquilia15 in ihrem 2. Kapitel eine Bußklage gegen den adstipulator für den Fall vorsah, dass dieser den Schuldner in der Absicht, dem Hauptgläubiger zu schaden, durch förmliches Empfangsbekenntnis (acceptilatio) aus der Haftung entließ16. Diese besondere gesetzliche Vorsorge für den Missbrauch eines schon zu klassischer Zeit kaum mehr praktischen Instituts erklärt sich am besten aus der Vertreterfunktion des adstipulator in dem einer regelrechten Prozessvertretung unzugänglichen republikanischen Legisaktionenprozess17, für die sich An12

Dazu Bayer, S. 9; HKK-BGB/Vogenauer §§ 328–335 Rn. 9 m.w. N. Vgl. Baudry-Lacantinerie/Barde, Traité, Des obligations, Bd. 2, Nr. 1129 (S. 257); Josserand, Bd. 2, Nr. 756; Cuq, S. 634 f; Giffard, Revue historique de droit francais et étranger, 4.F. Bd. 12 (1933), S. 598 f; Arangio-Ruiz, Istituzioni, S. 393 Fn. 2; Giffard/ Villers, Obligations, S. 361 f; ähnlich auch Weiss, S. 321. 14 Abzulehnen ist die der Vererbungsfunktion des adstipulator vor allem von Koros ˇ ec zugrunde gelegte These, nach der die Vererblichkeit von Forderungen dem altrömischen Recht aufgrund der streng persönlichen Natur der altrömischen Haftungsverhältnisse gänzlich unbekannt gewesen sein und sich als Schöpfung des Honorarrechts erst ab Mitte des 2. Jahrhunderts v. Chr. entwickelt haben soll, vgl. Korosˇec, S. 84 f (zur adstipulatio); S. 38 ff, 52 ff, 79 ff, 127 (zur Vererblichkeit); ähnlich auch Kniep, Bd. 3/1, S. 174 ff; Bd. 2/1, S. 187 f. Schon im Hinblick auf die Regel nomina ipso iure divisa des Zwölftafelgesetzes kann es sich bei der Vererbungsfunktion nur um den frühzeitlichen Ausgangspunkt der adstipulatio gehandelt haben. Korosˇecs radikale Textkritik hiergegen muss heute als überholt angesehen werden. Zutr. gegen Korosˇec insow. schon Bonfante, Archivio giuridico Filippo Serafini, Bd. 100 (1928), S. 129 ff; Rabel, SZ 49 (1929), S. 580 ff, 584; Kaser, AHDO-RIDA 1 (1952), S. 532 f. 15 Für gewöhnlich datiert auf das Jahr 286 v. Chr., vgl. Kaser, Bd. 1, S. 161 m.w. N. 16 Gai Inst. 3, 215. Gaius hielt diese Klage für überflüssig, da zu seiner Zeit der Hauptgläubiger in diesem Fall auch mit der actio mandati vorgehen konnte: Gai Inst. 3, 216 und dazu Nelson/Manthe, Gai Inst. III, 182–225, S. 221. 17 So denn auch die ganz herrschende Annahme: Rudorff, Zeitschrift für geschichtliche Rechtwissenschaft, Bd. 14, S. 386 ff; Puchta/Rudorff, Cursus, Bd. 3, S. 34 f Fn. n; Keller, Civilprozess, S. 257 Fn. 627; Kuntze, Cursus, S. 459; Rümelin, S. 73 f; Vering, S. 538; Karlowa, Bd. 2, S. 738 f; Petit, S. 325; Baudry-Lacantinerie/Barde, Traité, Des obligations, Bd. 2, Nr. 1128 Fn. 1; Heilfron/Stern, S. 266; Crome, Römisches Privatrecht, S. 153 m. Fn. 1; Czyhlarz, Institutionen (1933), S. 217; Sohm/Mitteis/Wenger, S. 413 m. Fn. 11; Perozzi, Bd. 2, S. 222 Fn. 4; Girard/Senn, S. 796 m. Fn. 3; Solazzi, 13

I. Praktische Bedeutung: „Sicherung‘‘ der Forderung als originäre Funktion

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haltspunkte auch aus verschiedenen nichtjuristischen Zeugnissen ergeben, in denen der adstipulator geradezu als Institution des früheren römischen Gerichtslebens in Erscheinung tritt18. Diente die obligatorische Gesamtberechtigung demnach zu römischer Zeit ähnlich wie die Gesamtschuld vor allem als Sicherungsmittel gegenüber bestimmten Verwertungshemmnissen19, kann diese funktionelle Übereinstimmung vom Standpunkt des modernen Privatrechts nur schwerlich einleuchten. Denn während es keiner Erklärung bedarf, dass sich personale Sicherheiten auf Schuldnerseite nur im Wege der vollen obligatorischen Mitverpflichtung begründen lassen, erscheint es bei der Hinzuziehung von Hilfspersonen auf Gläubigerseite naheliegend, sich schwächerer Beteiligungsformen zu bedienen, die ohne Verfestigung im Außenverhältnis auskommen und daher flexibler einsetzbar sind. Die Überlegenheit dieser Gestaltungsweise machte sich schon im römischen Recht bemerkbar. So musste der adstipulator in seiner Funktion als institutionalisierter Prozessvertreter im klassischen Formularverfahren dem procurator ad litem20 weichen21, dessen allein im Innenverhältnis angelegtes Prozessmandat formlos zu einem beliebigen Zeitpunkt erteilt und widerrufen werden konnte22. Derselben Figur bediente man sich, um die Ergebnisse einer Abtretung zu erreichen: Der Zedent setzte den Zessionar als procurator in rem suam ein, so dass dieser

S. 67 ff; Buckland, S. 267; Leage/Prichard, S. 342; Frezza, Bd. 1, S. 7 f; allgemein für Stellvertretungsfunktion auch Kaser, Bd. 1, S. 637. 18 Bei Cicero in L. Pisonem, 9, 18 wird der adstipulator als prozessuale Hilfsperson neben den advocatus gestellt: Quasi vero non modo ego, qui multis saepe auxilio fuerim, sed quisquam tam inops fuerit unquam, qui isto non modo propugnatore tutiorem se sed advocato aut adstipulatore paratiorem fore putaret. Noch deutlicher im Sinne einer Berufsbezeichnung erscheint der Terminus in Pseudo-Cicero, Ep. ad Octav., 9: Esse quemdam, cuius avus fuerit argentarius, adstipulator pater, uterque vero precarium quaestum fecerit, sed alter usque ad senectutem – alter a pueritia. Für die Existenz gewerblicher Astipulatoren daher neben Rudorff, Kuntze, Rümelin, Karlowa, Sohm/Mitteis/Wenger, Girard/Senn, jew. a. a. O. (Fn. 17), auch Huschke, Gaius, S. 110; Pernice, SZ 19 (1898), S. 178; Kniep, Bd. 3/1, S. 173 f; Cuq, S. 634 f. In Cicero pro Quinctio 18, 58 ist ferner von einem adstipulator die Rede, der bei der Abnahme eines Vadimonium hinzugezogen worden ist und nunmehr im Prozess des Hauptgläubigers als Zeuge berufen wird. Dazu Nelson/Manthe, Gai Inst. III, 88-181, S. 148 (zu Gai Inst. 3, 110). 19 Von einer funktionellen Übereinstimmung von adstipulatio und Bürgschaft in dem Sinne, dass beide der Verstärkung und Sicherung des Forderungsrechts dienten, spricht auch Scherillo, RIDA 3.F. 10 (1963), S. 243 f. 20 Seine Klassizität ist bezeugt durch Gai Inst. 4, 84; 98 ff, vgl. Kaser/Hackl, S. 214 m.w. N. 21 Vgl. Vering, S. 538; Czyhlarz, Institutionen (1905), S. 161. 22 Zur Widerruflichkeit des gewöhnlichen Prozessmandats zuletzt Harke, TR 76 (2008), S. 8 ff; allgemein zur Prozessprokuratur Kaser/Hackl, S. 213 ff. Von geringerem praktischen Nutzen dürfte dagegen der cognitor gewesen sein, den der Vertretene dem Prozessgegner anlässlich des Rechtsstreits förmlich benennen musste, vgl. Kaser/ Hackl, S. 210 f m.w. N.

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1. Kap.: Die Gesamtgläubigerschaft im Römischen Recht

die Forderung in eigenem Namen und im eigenen Interesse geltend machen konnte, ohne dass es dafür einer Beteiligung des Schuldners bedürfte23. Zu diesen Entwicklungen trat in spät- und nachklassischer Zeit die weitgehende Aushöhlung des Verbots von Verträgen zugunsten Dritter24 mit der Folge, dass die adstipulatio gänzlich außer Gebrauch geriet25. Daher sollte die Gemeinrechtslehre in der justinianischen Überlieferung mit den rei stipulandi nur noch die abstraktere Grundform vorfinden, die anders als die adstipulatio keine lediglich formell-akzessorische, sondern gleichrangige Gesamtberechtigung bildete26. Als solche waren die rei stipulandi freilich vor allem eine taugliche Gestaltung für echte, materielle Gläubigermehrheiten, wo die Verbindung zu Gesamtgläubigern entgegen der im Übrigen stattfindenden Forderungsteilung27 die ungeteilte Geltendmachung und Abwicklung des Schuldverhältnisses ermöglichte. Einzig in dieser Funktion war die obligatorische Gesamtberechtigung überlebensfähig, da die Vermehrung der Forderungsrechte als überkommenes Mittel zur Übertragung von Ausübungsbefugnissen hier immerhin noch einem gemeinschaftlichen Interesse an der Verwirklichung des Schuldverhältnisses entsprach. Letztlich zeichnete sich damit schon im römischen Recht ein Prozess der Zurückdrängung der obligatorischen Gesamtberechtigung infolge einer zunehmenden schuldrechtlichen Gestaltungsfreiheit ab, die insbesondere aus der Zulassung von Elementen regelrechter Stellvertretung resultierte28.

II. Entstehungsgründe 1. Die römische Gesamtgläubigerschaft als Produkt der Parteidisposition Ließ sich mit Hilfe der obligatorischen Gesamtberechtigung zu römischer Zeit auch in verschiedener Hinsicht eine Sicherung des Forderungsrechts bewirken, liegen die andererseits mit ihr für die Gläubiger verbundenen Gefahren auf der

23 Dazu Kaser, Bd. 1, S. 653 f; Honsell/Mayer-Maly/Selb, S. 277 ff; Zimmermann, S. 60 ff. 24 Insbesondere wurde unter Justinian die stipulatio post mortem ebenso zulässig wie Dotalpakte zugunsten der ehelichen Kinder der Ehefrau. Dazu HKK-BGB/Vogenauer §§ 328–335 Rn. 11 m.w. N. 25 Dafür, dass die adstipulatio bereits gegen Ende der Klassik außer Übung geriet, Kaser, Bd. 1, S. 660; Nelson/Manthe, Gai Inst. III, 88-181, S. 148. 26 Inst. 3, 16pr.; 1. 27 Vgl. nur Pap. D. 45, 2, 11, 1; näher zum römischen Teilungsgrundsatz im Folgenden. 28 Für vergleichsweise geringe praktische Bedeutung der Gesamtgläubigerschaft bereits im römischen Recht Liebs, Klagenkonkurrenz, S. 247 Fn. 37; Honsell/MayerMaly/Selb, S. 282.

II. Entstehungsgründe

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Hand: Jeder Gläubiger sieht die geschuldete Leistung dem konkurrierenden Einziehungs- und Empfangsrecht des Mitgläubigers ausgesetzt und muss daher damit rechnen, dass sich der Schuldner bei diesem befreit und er selbst, um den ihm nach dem Innenverhältnis zustehenden Leistungsanteil zu realisieren, auf die Leistungsfähigkeit und Leistungswilligkeit eines Dritten angewiesen ist. Als Regelform der Gläubigermehrheit bevorzugte das römische Recht denn auch vielmehr den Gleichlauf von Innenbeteiligung und Außenlegitimation in der Weise, dass Forderungen, sobald sie zugunsten mehrerer Gläubiger erwuchsen, in mehrere Teilforderungen in Höhe der jeweiligen materiellen Anteile zerfielen. Seinen Ursprung findet dieser römische Teilungsgrundsatz29 in der auf das Zwölftafelgesetz zurückgehenden Regel nomina ipso iure divisa30: Nachlassforderungen waren kraft Gesetzes entsprechend der Erbquoten unter den Miterben geteilt. In derselben Weise standen etwa die von einem Miteigentumssklaven erworbenen Forderungen31, Pönalklagen aus der Verletzung des gemeinschaftlichen Eigentums32 und andere gesetzliche Ansprüche aus dem Eigentum33 den Miteigentümern gemäß dem Verhältnis ihrer Eigentumsanteile als Teilforderungen zu. Gesamtgläubigerschaft entstand dagegen anfänglich nur aus der gemeinsamen Abnahme eines einheitlichen Stipulationsversprechens. Nach Inst. 3, 16pr. fragte der erste Gläubiger den Schuldner etwa „quinque aureos dare spondes?“, darauf die weiteren Gläubiger jeweils „idem quinque aureos dare spondes?“, worauf der Schuldner allen antwortete „utrique vestrum dare spondeo“ oder schlicht „spondeo“. Allein auf diese Weise wurden die Gläubiger zu duo oder plures rei stipulandi, von denen jeder einzelne die ganze Leistung fordern konnte, während die Erfüllung an einen von ihnen den Schuldner gegenüber allen befreite34. Das sowohl dem Begründungsakt als auch den Rechtsfolgen nach gleichsam symmetrische Gegenstück bildeten die rei promittendi als römischer Hauptfall der vertraglichen Gesamtschuld, wobei die Quellen in Abgrenzung zur Forderungsteilung jeweils von Mitberechtigung bzw. Mitverpflichtung in solidum sprechen35. Spätestens zu klassischer Zeit36 konnte Gesamtgläubigerschaft auch durch form-

29 Vgl. Cuq, S. 374, 376 f; Girard/Senn, S. 784 f, 787 f; Guarino, S. 788; Honsell/ Mayer-Maly/Selb, S. 281; Harke, Römisches Recht, § 6 Rn. 27; ders., in: Harke, Drittbeteiligung, S. 5 ff, 9 f. 30 Paul. D. 10, 2, 25, 9; 13; Gord. C. 3, 36, 6; Diocl. C. 2, 3, 26; C. 4, 16, 7. 31 Gai Inst. 3, 167; Ulp. D. 12, 1, 13, 2; D. 45, 3, 5; D. 46, 3, 29; Pomp. D. 45, 3, 37. 32 Ulp. D. 9, 2, 19 f; D. 9, 2, 27, 2; Pomp. D. 47, 7, 6, 1; Ulp./Paul. D. 47, 10, 15, 49; 16. 33 Paul. D. 39, 2, 27; Ulp. D. 39, 2, 40, 2; D. 39, 3, 6, 1 f; Paul. D. 39, 3, 11, 4. 34 Inst. 3, 16, 1. 35 Ebd. Ausführlich z. G. zuletzt Schmieder, S. 34 f. 36 So entgegen früherer zum Teil radikaler Textkritik. Dass sich insbesondere die Verallgemeinerung von Pap. D. 45, 2, 9pr. auf ceteri contractus durchaus in das Quellenbild einfügen lässt, zeigt Schmieder, S. 322 ff.

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1. Kap.: Die Gesamtgläubigerschaft im Römischen Recht

lose Verträge wie bei der Hinterlegung durch mehrere37 oder bei der gemeinsamen Hingabe eines Darlehens38 begründet werden. Stets mussten die Parteien dafür aber bei Vertragsschluss einen entsprechenden Willen zum Ausdruck bringen. Fehlte eine solche Parteibestimmung oder bestanden Zweifel über den Parteiwillen, fiel man auf die Ausgangsform der Forderungsteilung zurück. Dies zeigt für die rei stipulandi Pap. lib. 11 resp. D. 45, 2, 11, 1: Cum tabulis esset comprehensum „illum et illum centum aureos stipulatos“ neque adiectum „ita ut duo rei stipulandi essent“, virilem partem singuli stipulati videbantur.

Das Fragment behandelt die Frage nach der Auslegung eines Stipulationsversprechens zugunsten mehrerer in dem Fall, dass die darüber ausgestellte Urkunde nicht eindeutig erkennen ließ, in welcher konkreten Form die Stipulation erfolgt war39. Nach Papinian war unter diesen Umständen mangels eines auf die Verbindung zu rei stipulandi hinweisenden Zusatzes („ita ut duo rei stipulandi essent“) von Teilgläubigerschaft auszugehen40. Darüber hinaus ergibt sich die Tendenz zur Teilung aus den Quellen zur Mehrheit von Hinterlegern: Ulp. lib. 30 ad ed. D. 16, 3, 1, 44: Sed si duo deposuerint et ambo agant, si quidem sic deposuerunt, ut vel unus tollat totum, poterit in solidum agere: sin vero pro parte, pro qua eorum interest, tunc dicendum est in partem condemnationem faciendam. Flor. lib. 7 inst. D. 16, 3, 17pr.: Licet deponere tam plures quam unus possunt, attamen apud sequestrem non nisi plures deponere possunt: nam tum id fit, cum aliqua res in controversiam deducitur. Itaque hoc casu in solidum unusquisque videtur deposuisse: quod aliter est, cum rem communem plures deponunt.

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Ulp. D. 16, 3, 1, 44; Flor. D. 16, 3, 17pr. Diocl./Max. C. 4, 2, 9: duo rei re. Zutr. hierzu Schmieder, S. 186 f. 39 So zutreffend Krüger, SZ 22 (1901), S. 215 ff, 217; Schmieder, S. 73 f. 40 Gegen einen Teilungsgrundsatz Levy, Konkurrenz, Bd. 1, S. 179 ff, der davon ausgeht, dass Papinians Vermutungsregel unter den Klassikern umstritten war. Doch bildet die dafür ins Feld geführte Vergangenheitsform videbantur für sich genommen nur ein schwaches Indiz. Im Übrigen geben die Quellen zur Annahme eines Meinungsstreits keinen Anlass. Insbesondere steht der Schulenstreit über die Folgen teilweise unwirksamer Stipulationen der Form „mihi et Titio dari spondes?“ entgegen Levy nicht mit der betreffenden Frage in Verbindung, gewannen die Sabinianer ihre Lösung, nach der der Versprechensempfänger (mihi) anders als nach den Prokulianern nicht die Hälfte, sondern die gesamte Leistung fordern konnte, doch keineswegs aus einer andernfalls entstehenden Gesamtforderung, sondern aus der fiktiven Streichung des unwirksamen Teils der Spruchformel (et Titio), vgl. Nelson/Manthe, Gai Inst. III, 88-181, S. 135 (zu Gai Inst. III, 103); Zimmermann, S. 39. Ferner gegen Bonfante, Corso, Bd. 4, S. 82 f und Albertario, S. 62 ff, die die Gesamtobligation als Regelverhältnis ansehen, zutr. Schmieder, S. 71 f. 38

II. Entstehungsgründe

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Ulpian stellt allgemein fest, dass mehrere Personen, je nach vertraglicher Vereinbarung, als Gesamtgläubiger oder zu Teilen hinterlegen könnten. Florentin handelt dagegen zunächst vom Sonderfall der Sequestration einer streitbefangenen Sache: Gaben die Parteien eines Rechtsstreits die umstrittene Sache für die Dauer des Verfahrens bei einem Sequester in Verwahrung, so sollte die Herausgabe später ausschließlich an die obsiegende Partei erfolgen. Daher meint Florentin, dass die Parteien in diesem Fall als gesamtgläubigerische Hinterleger anzusehen seien41. Hieran schließt er die Bemerkung, dass bei der gewöhnlichen Hinterlegung durch mehrere42 etwas anderes gelte. Dieser Nachsatz lässt sich im Zusammenhang mit dem Ulpianfragment nur dahingehend deuten, dass bei der gewöhnlichen Hinterlegung die Teilgläubigerschaft die Regel bildete, während für eine gesamtgläubigerische Hinterlegung, abgesehen vom Sonderfall der Sequestration, eine gesonderte, hierauf gerichtete Parteiabrede erforderlich war43. Ebenso kam es bei der Hinterlegung durch einen Miteigentumssklaven grundsätzlich zur Teilgläubigerschaft der Gewalthaber: Ulp. lib. 30 ad ed. D. 16, 3, 1, 31: Si duorum servus sit qui deposuit, unicuique dominorum in partem competit depositi.

Dies fügt sich in die bereits erwähnte, anerkannte Regel, der zufolge ein Sklave für seine Eigentümer zu Teilen gemäß den Eigentumsquoten erwarb44. Zumindest beim Forderungserwerb durch Stipulation konnte der Sklave die Gewalthaber aber genauso gut jeweils in voller Höhe, als rei stipulandi berechtigten. Doch galt es auch hier, den Willen zur Begründung einer Gesamtforderung durch Befragung des Schuldners in der besonderen, mit Inst. 3, 16pr.45 übereinstim41 Die Herausgabeansprüche standen dabei jeweils unter der Bedingung des Obsiegens im Prozess, vgl. Paul. D. 16, 3, 6 und näher z. G. Honsell/Mayer-Maly/Selb, S. 304. 42 Dass hiermit nicht die gewöhnliche Hinterlegung durch mehrere, wie sie typischerweise bei einer res communis erfolgte, sondern die Sequestration einer gemeinschaftlichen Sache gemeint ist, nimmt Arico Anselmo, Annali Palermo 40 (1988), S. 215 ff, 229 ff an; wohl auch Schmieder, S. 171. Dieses Verständnis verträgt sich jedoch schwer mit der Definition der Sequestration in Paul. D. 16, 3, 6, die neben der Bedingtheit der Rückgabe auch die gesamtgläubigerische Gestaltung der Hinterlegung umfasst: Proprie autem in sequestre est depositum, quod a pluribus in solidum certa condicione custodiendum reddendumque traditur. Wie hier Muther, S. 36 f m. Fn. 1; Levy, Konkurrenz, Bd. 1, S. 385; Litewski, S. 18 f. 43 Dass Florentin eine gewöhnliche Hinterlegung in solidum gänzlich ablehnte, ist nicht nur wegen des Ulpianfragments, sondern bereits aufgrund der von ihm selbst für die Sequestration bestimmten Gesamtgläubigerschaft unwahrscheinlich. Denn auch die Gesamtgläubigerschaft bei der Sequestration beruhte letztlich auf der Auslegung der Hinterlegungsabrede, wie ihre Definition in Paul. D. 16, 3, 6 (vgl. o. Fn. 42) erkennen lässt. 44 Vgl. insb. Gai Inst. 3, 167: Communem servum pro dominica parte dominis adquirere certum est; o. Fn. 31. 45 s. o. bei Fn. 34.

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1. Kap.: Die Gesamtgläubigerschaft im Römischen Recht

menden Form „decem illi domino, eadem decem alteri dare spondes?“ kenntlich zu machen46. An eine Grenze stieß der römische Teilungsgrundsatz naturgemäß bei Gläubigermehrheiten mit unteilbarem Leistungsgegenstand. Hier lag vom Standpunkt des römischen Rechts der Gedanke an die Entstehung von Gesamtgläubigerschaft abseits der vertraglichen Begründung denkbar nahe. Denn der im heutigen Recht gängige, für die Gläubiger sicherere Ausweg einer gemeinschaftlichen Forderung mit nur gemeinsamem Empfangsrecht der Teilhaber war dem römischen Forderungsbegriff, nach dem die obligatio Gläubiger und Schuldner in einem höchstpersönlichen „vinculum iuris“ verband, unzugänglich47. Dennoch griff das römische Recht nur in solchen Fällen unteilbarer Leistungen auf die Konstruktion konkurrierender Forderungen in solidum zurück, in denen diese Gestaltung für die Gläubiger keine Risiken barg, indem die geschuldete Leistung derart beschaffen war, dass ihre einmalige Erbringung notwendig zur Erfüllung gegenüber sämtlichen Gläubigern führte. Das Paradebeispiel der Quellen bilden insoweit die Servitutsfälle: Hatten mehrere Miteigentümer eines Grundstücks die Einräumung einer Grunddienstbarkeit am Nachbargrundstück zu fordern, konnte jeder Teilhaber einzeln auf die gesamte Leistung klagen48. Bei Ansprüchen auf Sachherausgabe wählte das römische Recht dagegen andere Lösungen, über die einmal mehr der Fall der Hinterlegermehrheit Aufschluss gibt: Ulp. lib. 30 ad ed. D. 16, 3, 1, 36: Si pecunia in sacculo signato deposita sit et unus ex heredibus eius qui deposuit veniat repetens, quemadmodum ei satisfiat, videndum est. (. . .) Sed si res sunt, quae dividi non possunt, omnes debebit tradere satisdatione idonea a petitore ei praestanda in hoc, quod supra eius partem est: satisdatione autem non interveniente rem in aedem deponi et omni actione depositarium liberari.

Das Fragment behandelt die Frage, inwieweit ein einzelner von mehreren Miterben vom Verwahrer Herausgabe der vom Erblasser hinterlegten Sachen verlangen kann. Ulpian zufolge war hier der Verwahrer, sofern es sich um unteilbare Sachen handelte, nur dann zur Herausgabe verpflichtet, wenn ihm der Miterbe wegen der Anteile der übrigen Erben Sicherheit leistete49. Dies zeigt deutlich, dass die Unteilbarkeit nicht zur Gesamtgläubigerschaft unter den Erben führte: Die gewamtwirkende Erfüllung an den Miterben war dem Verwahrer nicht gestattet. Daraus resultierte für diesen freilich die missliche Lage, für die Befreiung

46 Paul. D. 45, 3, 29. Teilforderungen zu gleichen Teilen bzw. zu den Eigentumsanteilen entstanden dagegen durch die Formen „illi et illi dari spondes?“ bzw. „dominis meis dare spondes?“, vgl. Pomp. D. 45, 3, 37. 47 Vgl. Harke, in: ders., Drittbeteiligung, S. 2 f, der im Ergebnis aber vornehmlich das Geldverurteilungsprinzip für ausschlaggebend hält. 48 Paul. D. 10, 2, 25, 9; vgl. auch Pomp. D. 8, 1, 17; Ulp. D. 8, 5, 4, 3. 49 Vgl. auch Gai. D. 16, 3, 14pr. (a. E.).

II. Entstehungsgründe

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von seiner Verbindlichkeit entweder auf die Mitwirkung sämtlicher Erben oder die Gewährung der Sicherheit angewiesen zu sein. Um dem zu entgehen, erkannte man in der mangelnden Sicherheitsleistung durch den Herausgabe verlangenden Miterben einen gegenüber allen Erben bedeutsamen Hinterlegungsgrund, der den Verwahrer zur gesamtbefreienden Niederlegung der Sachen im Tempel berechtigte. Aufgrund des im klassischem Formularprozess geltenden Geldverurteilungsprinzips, nach dem das Urteil gegen den Schuldner nicht auf Naturalerfüllung, sondern stets nur auf Zahlung des Interesses lautete50, wurde das Problem der Unteilbarkeit hinfällig, sobald es zur zwangsweisen Durchsetzung der Leistung kam. Wandelte sich der unteilbare Leistungsgegenstand in Urteil und Vollstreckung nämlich in eine teilbare Geldleistung, konnte der Teilungsgrundsatz wieder zur Anwendung kommen: Jeder Gläubiger wurde mit der Einzelklage zugelassen, konnte aber nur eine Verurteilung auf das anteilige Interesse erlangen51. 2. Der Sonderfall der argentarii socii War die römische Gesamtgläubigerschaft nach alledem eine nur durch Parteidisposition herbeizuführende Durchbrechung des Teilungsgrundsatzes, bildete die Gesamtgläubigerschaft der argentarii socii insoweit eine Ausnahme. Für diese stellt es zunächst eine nichtjustinianische Quelle als Musterbeispiel einer durch Gewohnheit (consuetudo) geschaffenen Rechtsregel dar, dass der bei einem Bankgesellschafter einbezahlte und von diesem verbuchte Geldbetrag auch von dem anderen Gesellschafter zurückverlangt werden konnte: Auct. ad Heren. 2, 13, 19: Consuetudine ius est id, quod sine lege aeque, ac si legitimum sit, usitatum est, quod genus id quod argentario tuleris expensum, ab socio eius recte petere possis.

Dieser gewohnheitsrechtlichen Mitverpflichtung in solidum entsprach jedenfalls bei gemeinsamen Geschäftsabschlüssen der argentarii – so etwa dem von ihnen gemeinsam ausgegebenen Darlehen52 – eine auch ohne dahingehende Par-

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Allgemein zur condemnatio pecuniaria Kaser/Hackl, S. 371 f, jew. m.w. N. Ulp. D. 8, 5, 4, 3; D. 16, 3, 1, 44; D. 45, 1, 72pr.; Paul. D. 10, 2, 25, 9. Sofern man zu vorklassischer Zeit vielleicht auch die Interesseleistung in solidum gewährte, resultierte diese Lösung aus den Zwängen der Klagenkonsumtion [näher u. 1. Kap. III. 1. b)]. Beseitigte nämlich die Klage eines Mitgläubigers die Klagrechte der übrigen, so gingen diese leer aus, wenn der Kläger das Interesse nur anteilig geltend machen konnte. Demgegenüber musste sich die Auszahlung der gesamten Summe an einen Gläubiger als geringeres Übel darstellen. Insoweit könnte der Weg zu der im justinianischen Recht etablierten Lösung Paulus’ und Ulpians nur über eine freiere Auslegung der Prozessformel geführt haben, durch die man das Konsumtionsproblem überwand. Dazu Meffert, S. 34 ff, 56 ff m.w. N. 52 Vgl. Meissel, S. 164. 51

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1. Kap.: Die Gesamtgläubigerschaft im Römischen Recht

teibestimmung eintretende Mitberechtigung in solidum. Dies geht aus verschiedenen Paulusstellen hervor, die neben dem herkömmlichen Fall der rei stipulandi bzw. rei credendi53 entweder die argentarii socii als solche54 oder aber argentarii, quorum nomina simul facta sunt55 als eigenständigen, weiteren Fall der Gesamtgläubigerschaft anführen und damit erkennen lassen, dass die Entstehung einer Gesamtobligation insoweit allein aufgrund der Eigenschaft der Beteiligten als argentarii unterstellt werden konnte56. Dabei dürften den Sonderregeln für die argentarii zwar besonders oft Litteralverträge unterfallen sein; den Fall der argentarii socii jedoch ausschließlich mit dem Litteralvertrag zu identifizieren und seine Absonderung von den herkömmlichen Formen der Gesamtobligation daher weniger auf den Unterschied in der Entstehungsweise als vielmehr auf den Unterschied im Vertragstyp zurückzuführen57 erscheint angesichts der Vielfalt der von den argentarii verwendeten Geschäftstypen verfehlt58. Der tiefere Grund für die gewohnheitsrechtliche Gesamtverpflichtung und -berechtigung der argentarii dürfte in den besonderen praktischen Bedürfnissen des Bankverkehrs, insbesondere dem Anliegen des Verkehrsschutzes zu finden sein, das in ein fortschrittliches Verständnis der von mehreren Gesellschaftern betriebenen Bank als einheitliches Unternehmen mündete59. Für eine Ausdehnung der Sonderregeln über das Bankgewerbe hinaus liefern die Quellen keinen Anhaltspunkt60. Nicht nur innerhalb der römischen Gesamtobligationen, sondern auch auf Ebene des Gesellschaftsrechts bildete die gewohnheitsrechtliche Gesamtberechtigung der argentarii socii demnach eine Singularität.

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So der von Paul. D. 4, 8, 34pr. verwendete Oberbegriff unter Einbeziehung auch formloser Vertragstypen. 54 So Paul. D. 2, 14, 27pr; vgl. auch D. 2, 14, 25pr. 55 Paul. D. 2, 14, 9pr.; D. 4, 8, 34pr (quorum nomina simul eunt). 56 Nach h. M. erwuchs sowohl die Mitverpflichtung als auch die Mitberechtigung schon aus den von einem Gesellschafter allein vorgenommenen Geschäften, vgl. Arangio-Ruiz, Società, S. 82 f; Petrucci, S. 336 ff; Gröschler, S. 110. Wegen des Vorbehalts quorum nomina simul facta sunt mit gutem Grund für eine Beschränkung auf den Fall des gemeinsamen Vertragsschlusses dagegen Meissel, S. 162 ff; vgl. auch Schmieder, S. 213, 215. 57 So unternommen von Bürge SZ 104 (1987), S. 520 ff; ähnlich Schmieder, S. 209 ff. 58 Zutr. gegen Bürge insoweit Gröschler, S. 113 ff; wie hier auch Meissel, S. 160, 165. 59 Vgl. Pernice SZ 3 (1882), S. 91 f; Meissel, S. 161; Gröschler, S. 114 m.w. N. 60 Eine Modellfunktion der argentarii hinsichtlich des Einflusses der societas auf die Ausgestaltung der Gesamtobligation vermutet Bürge, SZ 104 (1987), S. 522 ff.

III. Rechtsfolgen

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III. Rechtsfolgen 1. Die Einzelverfügungsbefugnisse der rei stipulandi a) Ven. D. 46, 2, 31, 1 als grundlegende Stellungnahme An die definitionsgemäße Gestalt der Gesamtgläubigerschaft, nach der jeder Gläubiger dazu befugt ist, ohne Beteiligung der übrigen das gesamte Forderungsrecht geltend zu machen und mit Gesamtwirkung die Erfüllung anzunehmen, knüpft sich unweigerlich die Frage, inwieweit die einzelnen Gesamtgläubiger auch anderweitige Rechtshandlungen, insbesondere Verfügungen über die Forderung, mit Wirkung gegen ihre Mitgläubiger vornehmen können. Für die rei stipulandi findet sich das zentrale Zeugnis hierzu bei Venuleius, der insoweit nicht nur eine Zusammenstellung der einschlägigen Rechtssätze liefert, sondern sogar ein übergreifendes Konzept formuliert: Ven. lib. 3 stip. D. 46, 2, 31, 1: Si duo rei stipulandi sint, an alter ius novandi habeat, quaeritur et quid iuris unusquisque sibi adquisierit. Fere autem convenit et uni recte solvi et unum iudicium petentem totam rem in litem deducere, item unius acceptilatione peremi utrisque obligationem: ex quibus colligitur unumquemque perinde sibi adquisisse, ac si solus stipulatus esset, excepto eo quod etiam facto eius, cum quo commune ius stipulantis est, amittere debitorem potest. Secundum quae si unus ab aliquo stipuletur, novatione quoque liberare eum ab altero poterit, cum id specialiter agit, eo magis cum eam stipulationem similem esse solutioni existimemus. (. . .)

Als Problemstellung nennt das Fragment eingangs die Frage nach dem ius novandi des einzelnen reus stipulandi, also dessen Befugnis, ohne Mitwirkung der übrigen Gläubiger das gesamte Schuldverhältnis zu novieren, und in Verbindung damit die Frage nach der Rechtsstellung der rei stipulandi überhaupt. Zur Lösung bedient sich der Jurist des deduktiven Schlusses aus anderen, als nahezu einhellig anerkannt vorausgesetzten (fere autem convenit) Einzelbefugnissen der rei stipulandi, namentlich ihrer Erfüllungszuständigkeit, der gesamtaufhebenden Wirkung der Klageerhebung und der Befugnis zum ebenfalls objektiv wirkenden Erlass mittels acceptilatio. Diesen Einzelbefugnissen entnimmt er abstrahierend, dass jeder reus stipulandi grundsätzlich gleich einem Alleingläubiger stehe, wenn auch mit der Einschränkung, dass er sein Forderungsrecht durch die Verfügungen seiner Mitgläubiger verlieren kann; woraus er wiederum ableitet, dass jeder Gesamtgläubiger auch die Befugnis haben müsse, eine Novation mit Wirkung für das ganze Schuldverhältnis vorzunehmen. b) Die Litiskontestationswirkung Die von Venuleius ins Feld geführte Ausschlusswirkung der Klageerhebung geht auf einen altrömischen Rechtssatz zurück, nach dem im Legisaktionenverfahren durch die förmliche litis contestatio über die geltend gemachte Klage

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1. Kap.: Die Gesamtgläubigerschaft im Römischen Recht

nicht nur diese, sondern auch sämtliche anderen Klagen über denselben Streitgegenstand (de eadem re) kraft Gesetzes erloschen61. Diese Gesamtwirkung der mit der Litiskontestation verbundenen Klagenkonsumtion erfüllte im Rechtsschutzsytem der Römer, das zwischen prozessualem und materiellem Anspruch nicht unterschied, ursprünglich die wichtige Funktion, die kumulierte Vollstreckung aus mehreren, wegen desselben Interesses zu Verfügung stehenden Klagen zu verhindern. Jeder Verpflichtungsgrund erzeugte ein eigenständiges Klagrecht, dessen Kondemnationsbedingungen im Prozess grundsätzlich ohne Berücksichtigung etwaiger weiterer, konkurrierender Klagrechte geprüft wurden62. Es war eine Besonderheit des älteren römischen Prozessrechts, dass dabei für eine Verurteilung das Bestehen des geltend gemachten Rechts im Augenblick der Litiskontestation erforderlich, aber auch ausreichend war63. Die Gesamtwirkung der Erfüllung konnte in dieser Phase gegen ungewollte Kumulationen keine Gewähr bieten, denn der Einwand, dass die geltend gemachte Forderung inzwischen etwa im Wege der Vollstreckung aus einem anderen Klagrecht beglichen worden war, stand dem Beklagten nach erfolgter Litiskontestation und erst recht gegenüber dem ergangenen Urteil nicht mehr zu64. Damit war die objektive Wirkung der Litiskontestation auch und zumal bei Gesamtobligationen, denen das Bestehen mehrerer Klagrechte für dasselbe Interesse ja gerade eigentümlich ist, unausweichlich. Der praktische Effekt war vor dem Hintergrund des altrömischen Vollstreckungsrechts interessengerecht: Die Schuldnerseite wurde so vor einem mehrfachen Vollstreckungszugriff wegen derselben Leistung geschützt, der sich angesichts der Härte der reinen Personalvollstreckung wenn auch nicht nach der vermögensmäßigen, dann doch nach der immateriellen Belastung als Doppelvollstreckung dargestellt hätte. Umgekehrt machte die Härte der Personalvollstreckung die Beschränkung der Gläubigerseite auf eine einzige Klage selbst im Falle der Bürgenbestellung erträglich, indem der personale Zugriff auf den Verhafteten eine gänzlich fruchtlose Vollstreckung nahezu ausschloss65.

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Gai Inst. 4, 107 f. Vgl. Liebs, Klagenkonkurrenz, S. 18 f. 63 Vgl. Kaser/Hackl, S. 296; eingehend zum prokulianischen Erfordernis des Vorliegens der Kondemnationsbedingungen litis contestatae tempore Kaser, Restituere, S. 137 ff. 64 Die vollständige Unabhängigkeit der Urteilsschuld gegenüber dem materiellen Schuldgrund kommt für das Legisaktionenverfahren in Zwölftafeln 3, 3 zum Ausdruck: Der Verurteilte dürfte von seinem Gläubiger gefesselt und fortgeführt werden, wenn er nicht entweder das Urteil erfüllte oder einen die Haftung übernehmenden Dritten als vindex stellte. Dazu Behrends, Zwölftafelprozess, S. 129 ff. 65 Vgl. zur Herkunft der Konsumtionskonkurrenz aus dem altrömischen Prozess- und Vollstreckungsrecht bereits Dernburg, Preußisches Privatrecht, Bd. 2, S. 116 Fn. 7; Pandekten, Bd. 2, S. 195 f m. Fn. 4; Hartmann, ZSR n. F. 6 (1887), S. 120 f; Eisele, AcP 77 (1891), S. 408 ff; Binder, S. 400 ff, 424 f; 439 f; Last, S. 213 ff; Kreller, Römisches Recht, Bd. 2, S. 336; aus neuerer Zeit: Liebs, Klagenkonkurrenz, S. 184; Honsell/ Mayer-Maly/Selb, S. 283; HKK-BGB/S. Meier §§ 420–432/I Rn. 36; Schmieder, S. 97 f. 62

III. Rechtsfolgen

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Zwar hatte sich die prozessuale Notwendigkeit dieser sog. Konsumtionskonkurrenz von Klagen de eadem re wohl schon im Formularverfahren erledigt, wo man der Berücksichtigung nachträglich eingetretener Umstände offener gegenüberstand66; erst recht gilt dies für das Kognitionsverfahren, in dem aufgrund des Fehlens eines der litis contestatio vergleichbaren Instituts der ursprüngliche, rechtstechnische Anknüpfungspunkt für die Klagenkonsumtion endgültig entfallen war67. Dennoch übernahmen die klassischen Juristen die Gesamtwirkung der Klageerhebung insbesondere für die verbalen Gesamtobligationen als feststehenden Rechtssatz68. Offensichtlich hatte sich die Regelung schon in vorklassischer Zeit von dem prozessualen Zusammenhang gelöst und war insoweit zu einer materiell-rechtlichen Eigentümlichkeit geworden69. Die Rechtspraxis stellte sich so weit als möglich darauf ein70. Spätestens in nachklassischer Zeit wurde die Konsumtionskonkurrenz bei Schuldnermehrheiten regelmäßig vertraglich abbedungen71, stellte sie sich mit dem Vordringen der Vermögensvollstreckung für die Gläubiger doch zunehmend als sicherungszweckwidriges Hindernis dar. Dies bewog Justinian schließlich zur ihrer Abschaffung für Bürgschaftsverhältnisse und die rei promittendi: Erst die Erfüllung durch einen Schuldner sollte die Rechte des Gläubigers gegen die übrigen Schuldner zum Erlöschen bringen72. Bei den 66 Vgl. insb. zum Obsiegen der sabinianischen Regel omnia iudicia absolutoria esse, das dazu führte, dass der Beklagte den Kläger bei sämtlichen Klagen auch noch nach erfolgter Litiskontestation befriedigen und dadurch die Verurteilung abwenden konnte, Gai Inst. 4, 114 und dazu Kaser, Restituere, S. 106 ff; Kaser/Hackl, S. 297; zu den Einwendungen gegenüber der actio iudicati ebd. S. 385 f m.w. N. 67 Dazu Kaser/Hackl, S. 490 f. 68 Vgl. für die rei stipulandi neben Venuleius Jav. D. 45, 2, 2; Gai. D. 45, 2, 16; Ulp. D. 46, 1, 5, für die Schuldnermehrheiten u. Fn. 72. Die ursprüngliche technische Umsetzung der Konsumtionswirkung wurde jedoch nur teilweise übernommen: Lediglich bei actiones in personam des ius civile, die in einem iudicium legitimum geltend gemacht wurden, ließ die Klageerhebung das Klagrecht tatsächlich erlöschen. In den übrigen Fällen blieb das Klagrecht unberührt, der Beklagte erhielt jedoch gegen alle weiteren Klagen eine exceptio rei iudicatae vel in iudicium deductae. Zu dieser Differenzierung Nelson/Manthe, Gai Inst. III, 88-181, S. 434 f (zu Gai Inst. 3, 180). 69 Dazu Dernburg, Pandekten, Bd. 2, S. 196; Eisele, AcP 77 (1891), S. 416; Binder, S. 439 f; Levy, Konkurrenz, Bd. 1, S. 162 f. 70 Wege der Umgehung zeigt Zimmermann, S. 127 m.w. N. 71 Für das Oströmische Reich ergibt sich dies unmittelbar aus Justinians Reformkonstitution C. 8, 40 (41), 28, für Westrom ist es wahrscheinlich, vgl. Levy, Weströmisches Vulgarrecht, S. 204 f; auch Kaser, Bd. 1, S. 455. Dernburg geht dagegen davon aus, dass es sich schon zu klassischer Zeit um einen dispositiven Rechtssatz handelte, vgl. Pandekten, Bd. 2, S. 196. 72 Iust. C. 8, 40, 28. Der genaue Anwendungsbereich der Konsumtionskonkurrenz im klassischen Recht entzieht sich nach dieser Reform und ihrer Einarbeitung in die überlieferten Klassikerschriften wohl einer abschließenden Klärung. Zuletzt hat sich Schmieder, S. 83 ff, 274 ff, mit der Frage auseinandergesetzt. Dafür, dass bei bonae fidei iudicia schon im klassischen Recht Solutionskonkurrenz herrschte, Liebs, Klagenkonkurrenz, S. 158; Kaser, Bd. 1, S. 658; Bd. 2, S. 455 Fn. 12; Honsell/Mayer-Maly/Selb, S. 283; Schmieder, S. 281.

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1. Kap.: Die Gesamtgläubigerschaft im Römischen Recht

rei stipulandi gab es dagegen keinen Grund, von der Ausschlusswirkung der Klageerhebung abzugehen. Hier überzeugte der ursprüngliche Zweck des Schuldnerschutzes selbst im fortschrittlichen Kognitionsverfahren noch insoweit, als der Schuldner auf diese Weise davor bewahrt wurde, wegen desselben, streitigen Rechts gleichzeitig oder sukzessiv mit mehreren Prozessen überzogen zu werden. Und aus Gläubigersicht konnte sich die Beschränkung auf eine Klage kaum als übermäßige Zweckbeeinträchtigung darstellen, war für die Realisierung der aus der Vermehrung der Gläubigerrechte resultierenden Vorteile doch genügend, wenn nur einer der Gläubiger zum klageweisen Zugriff auf den Schuldner gelangte73. c) Die Befugnis zum Gesamterlass mittels acceptilatio Wie die Gesamtwirkung der Klageerhebung ist auch der weitere, von Venuleius als anerkannt vorausgesetzte Rechtssatz, nach dem die von einem reus stipulandi vorgenommene acceptilatio zum Erlöschen des gesamten Schuldverhältnisses führt, tief im altrömischen Recht verwurzelt. Der Form der acceptilatio, bei der der Gläubiger erklärt, dass er die geschuldete Leistung empfangen hat74, lässt sich entnehmen, dass sie ehemals nicht Erlass, sondern die Erfüllung begleitender Formalakt war75. Zwar ist nicht abschließend geklärt, ob es sich insoweit um einen notwendigen Bestandteil des Erfüllungsgeschäfts handelte oder die frühe acceptilatio lediglich Beweisfunktion im Sinne einer Quittung hatte76; in jedem Fall unterstand sie in diesem Stadium aber sowohl hinsichtlich der zu ihrer wirksamen Vornahme befugten Personen als auch hinsichtlich ihrer Rechtsfolgen den Regeln der Erfüllung. Diese zunächst notwendige Gleichschaltung mit der solutio behielt man zusammen mit der Spruchformel auch grundlegend bei, als sich die acceptilatio von der realen Erfüllung ablöste und zu einem förmlichen Erlassgeschäft wurde77. So werden die klassischen Rechtssätze zur acceptilatio mit konstruktiver Stringenz ausgehend von einer fingierten Erfüllung78 an den erlassenden Gläubiger durchgebildet. Bei einer Wahlschuld etwa führte die auf einen der alternativen Gegenstände bezogene acceptilatio folgerichtig auch zum Erlöschen der Forderung auf den anderen Gegenstand79, während ein auf einen Termin ge-

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Vgl. Last, S. 213 f, 217; Binder, S. 440. Gai Inst. 3, 169 = Inst. 3, 29: Der Schuldner fragt: „Quod ego tibi promisi habesne acceptum?“, der Gläubiger antwortet: „Habeo“. 75 Vgl. statt aller Kaser, Das altrömische Ius, S. 282; Knütel, SZ 88 (1971), S. 87 m.w. N. 76 Hierzu Knütel a. a. O., S. 95 m.w. N. 77 Eingehend zu dieser Entwicklung Knütel a. a. O., S. 95 ff. 78 Gai Inst. 3, 169 = Inst. 3, 29: Est autem acceptilatio imaginaria solutio. 79 Ulp. D. 34, 3, 7, 1. 74

III. Rechtsfolgen

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stelltes Empfangsbekenntnis unwirksam war, namentlich „nam solutionis exemplo acceptilatio solet liberare“ 80. Bei den Gesamtobligationen folgte aus der Gleichschaltung mit der solutio zweierlei: Zum einen musste die acceptilatio, einmal wirksam vorgenommen, stets das gesamte Schuldverhältnis aufheben81; zum anderen musste im Falle der obligatorischen Gesamtberechtigung jedem der Mitberechtigten eine Einzelbefugnis zu ihrer wirksamen Vornahme zukommen. Eine lediglich kollektive Zuständigkeit der einzeln zur Klage und zur Erfüllungsannahme befugten Gläubiger hätte sich mit dem konstruktiven Ausgangspunkt der fingierten Erfüllung ebenso wenig vertragen wie eine nur individuelle Wirkung82. Dementsprechend kam die Einzelbefugnis zur acceptilatio nicht nur den gleichrangig mitberechtigten rei stipulandi83, sondern, wie die betreffende Bußklage aus der Lex Aquilia zeigt84, auch dem lediglich akzessorisch mitberechtigten adstipulator zu. Obwohl damit die einzelnen Gläubiger in die Lage versetzt wurden, die Rechte ihrer Mitgläubiger auch ohne Empfang der Leistung zum Erlöschen zu bringen, konnte dieses Ergebnis einer wertenden Betrachtung durchaus standhalten. Hatten die rei stipulandi die üblicherweise eintretende Forderungsteilung nämlich abbedungen und sich ebenso wie der Einzelgläubiger den adstipulator privatvertraglich zu Gläubigern der gesamten Leistung eingesetzt, so war es ihnen zumutbar, dass jeder auch durch das erfüllungsverwandte Geschäft der acceptilatio auf das gesamte Schuldverhältnis einwirken konnte85. d) Das ius novandi aa) Die Gesamtwirkung der Novation Ohne Begründung unterstellt wird bei Venuleius auch die Gesamtwirkung der Novation. Dass eine wirksame Novation zumindest dazu geeignet ist, die Ge80

Ulp. D. 46, 4, 5. Vgl. für die rei promittendi Ulp. 46, 4, 16pr., eigens mit der Begründung quoniam velut solvisse videtur is, qui acceptilatione solutus est; ferner Mod. D. 5, 2, 12, 3; Gai. D. 4, 4, 27, 2; Ulp. D. 34, 3, 3, 3; Paul. D. 34, 3, 29. 82 Beim solutionis causa adiectus und bei Gewaltunterworfenen wurde der Schluss von der Erfüllungszuständigkeit auf die Befugnis zur acceptilatio nicht durchgeführt, vgl. Paul. D. 46, 3, 10; Gai. D. 46, 4, 22; hier folgte man zu jeder Zeit dem Grundsatz, dass förmliche Verfügungen wirksam nur vom Rechtsinhaber persönlich vorgenommen werden können (dazu bereits o. 1. Kap. Fn. 3). Daraus erklärt sich, dass der Zusammenhang zwischen der Erfüllungszuständigkeit und der Befugnis zur acceptilatio trotz des einheitlichen Ursprungs in den Quellen nirgends allgemein formuliert ist. Anders bei der novatio. Dazu i. F., insb. u. 1. Kap. Fn. 118. 83 Vgl. neben dem Zeugnis des Venuleius auch Iav. D. 45, 2, 2 und Ulp. D. 46, 4, 13, 12. 84 Gai Inst. 3, 215; dazu bereits o. 1. Kap. I. bei Fn. 15. 85 In diesem Sinne auch schon Savigny, Obligationenrecht, Bd. 1, S. 171. 81

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samtobligation vollständig aufzuheben, setzt bereits die problematisierte Frage nach der Einzelbefugnis zur Novation, sodann der Vergleich mit den anderen objektiv wirkenden Rechtshandlungen der Erfüllung, Klageerhebung und acceptilatio und endlich das Ergebnis novatione quoque liberare eum ab altero poterit unausgesprochen voraus86. Ebenso dient Venuleius’ abschließender Verweis auf den in den Quellen häufig anzutreffenden Vergleich zwischen novatio und solutio87 (eo magis cum eam stipulationem similem esse solutioni existimemus) angesichts der Problemstellung des Fragments weniger der Rechtfertigung der Gesamtwirkung als vielmehr dem Nachweis der Novationsbefugnis. Die Gesamtwirkung der Novation folgte zu älterer Zeit geradezu zwingend aus dem Formalismus der Verbalkontrakte, der eine rein äußerliche Abgrenzung zwischen Gesamtobligation, akzessorischer Beteiligung und Schulderneuerung erforderlich machte. Kennzeichen der Gesamtobligation war dabei die unitas actus, also die Einheitlichkeit des Begründungsakts: Erst nachdem sämtliche Gläubiger den Schuldner befragt hatten oder sämtliche Schuldner vom Gläubiger befragt worden waren, durfte das „spondeo“ oder „spondemus“ gesprochen werden88. Zu einer akzessorischen Beteiligung in Form der Stipulationsbürgschaft oder adstipulatio kam es dagegen, indem im direkten Anschluss an die vollzogene Hauptstipulation ein weiteres, auf „idem“ lautendes Stipulationsversprechen erfolgte89. In allen anderen Fällen einer auf den Inhalt eines bestehenden Forderungsrechts verweisenden Stipulation wurde die Altforderung noviert90. Strebte das Recht der Verbalverträge demnach grundsätzlich auf die gegenseitige Verdrängung inhaltsgleicher Klagrechte und ließ es die Entstehung konkurrierender Forderungen nur unter engen Voraussetzungen zu, erklärt sich dies ähnlich wie die gesamtaufhebende Wirkung der Litiskontestation aus dem Beharren des altrömischen Prozessrechts auf den Zeitpunkt des Prozessbeginns und der Härte der Personalexekution, die es geboten, der kumulativen Geltendmachung mehrerer auf dieselbe Leistung gerichteter Klagrechte möglichst schon auf vorprozessualer Ebene zu begegnen91. Bei der Novation einer Gesamtobligation lag es in der 86 So i. E. auch Schmieder, S. 104, 109; Apathy, Animus novandi, S. 228 f; Bonifacio, S. 161 f; Albertario, S. 157 ff. Weitere Belegstellen für die Gesamtwirkung der Novation sind Paul. D. 2, 14, 27pr. [dazu sogleich u. bb)] und Ulp. D. 16, 1, 8, 11; Afr. D. 16, 1, 20 [u. cc)]. 87 Vgl. etwa Scaev. D. 33, 1, 21, 3; Ulp. D. 39, 5, 19, 4; speziell für die delegatio: Ulp. D. 16, 1, 8, 3; Iul. D. 46, 1, 18; Ulp. D. 50, 16, 187; zur Klassizität des Vergleichs zutr. Apathy a. a. O., S. 228 Fn. 3 m.w. N. gegen frühere Verdächtigungen. 88 Inst. 3, 16pr. (o. 1. Kap. II. 1. bei Fn. 34); eingehend dazu zuletzt Schmieder, S. 54 ff. 89 Zur sponsio Gai Inst. 3, 116; zu deren Abgrenzung von den rei promittendi zutr. Flume, Akzessorietät, S. 13 f; Kaser, Bd. 1, S. 661 f m.w. N.; zum adstipulator ebd. S. 660; Nelson/Manthe, Gai Inst. III, 88-181, S. 149 f (zu Gai. 3, 112). 90 Grundlegend Ulp. D. 46, 2, 1pr.; ferner Gai Inst. 3, 176 ff und dazu zuletzt Nelson/Manthe, Gai Inst. III, 88-181, S. 419 ff; zu Form und Abgrenzung von der akzessorischen Beteiligung Kaser, Bd. 1, S. 648; Nelson/Manthe a. a. O., S. 421 f.

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Konsequenz dieser Regeln, dass alternativ zur Gesamtwirkung nur gänzliche Unwirksamkeit der Novationsstipulation in Betracht gekommen wäre. Denn eine Eingliederung der Neuforderung in den Verbund der ursprünglichen Gesamtobligation scheiterte am Gebot der unitas actus92. Konstruktiv möglich wurde eine Novation mit Einzelwirkung indes im Zuge der späteren klassischen und nachklassischen Rechtsentwicklung, da man von dem Erfordernis der strengen Einheit des Begründungsakts zunehmend abließ und stattdessen der Parteiwille, zumal in Gestalt des animus novandi93, als maßgebliches Abgrenzungskriterium in den Vordergrund trat94. Sobald nämlich der kundgegebene Parteiwille das die Novationswirkung auslösende Element bildete, war es zumindest denkbar, auch der auf ein einzelnes von mehreren konkurrierenden Forderungsrechten gerichteten Novationsabsicht rechtliche Geltung zu verleihen. Nicht von der Hand zu weisen ist daher die Annahme Apathys, dass der bei Venuleius geäußerte Vorbehalt cum id specialiter agit gerade auch auf die Möglichkeit einer solch subjektiv wirkenden Novation reagiert: Die vormals zwingende Gesamtwirkung trat nur noch dann ein, wenn der novierende Gläubiger auch tatsächlich die Gesamtobligation und nicht lediglich ein Einzelrecht aus dieser aufheben wollte95. bb) Paul. D. 2, 14, 27pr. als Gegenposition zu Venuleius Das ius novandi der rei stipulandi konnte Venuleius nicht voraussetzen. Ganz im Gegensatz zu den soeben dargestellten, als anerkannt vorausgesetzten Einzel91 Vgl. Hartmann, ZSR n. F. 6 (1887), S. 135; Dernburg, Pandekten, Bd. 2, S. 169 Fn. 6, S. 195 Fn. 4; Kreller, Römisches Recht, Bd. 2, S. 336. 92 In diese Richtung auch Binder, S. 219, der i. E. aber nur für den Sonderfall der delegatio Gesamtwirkung annimmt. Dagegen zutr. Schmieder, S. 107 f m.w. N. 93 Vgl. etwa Ulp. D. 46, 2, 2; Inst. 3, 29, 3a; Iust. C. 8, 41, 8; dazu Nelson/Manthe, Gai Inst. III, 88-181, S. 421 f (zu Gai Inst. 3, 176); Kaser, Bd. 1, S. 648; Bd. 2, S. 450 f. 94 Vgl. für die Gesamtobligationen insb. Ulp. 45, 2, 3pr. und dazu Schmieder, S. 55 ff, der i. E. wohl zu Recht davon ausgeht, dass die unitas actus dem Prinzip nach noch am Ende der Klassik Bestand hatte, wobei aber die Antworten der Schuldnerseite auch zeitlich getrennt erfolgen konnten (S. 68 f). Zumindest für die nachklassische Praxis, die an die Stelle des förmlichen Verbalvertrags faktisch den einfachen Schuldschein setzte, ist ein Festhalten an dieser Formstrenge jedoch schwerlich denkbar; in diese Richtung denn auch Schmieder, S. 68 Fn. 178; S. 349. Allgemein zur Entwertung des Wortformalismus in nachklassischer Zeit Kaser, Bd. 2, S. 376 f m.w. N. 95 Apathy, Animus novandi, S. 229 f m. Fn. 6. Ebenso schon Teile der Gemeinrechtslehre: Huschke, ZCPr n. F. 2 (1846), S. 154; Rückert, ZCPr n. F. 12 (1855), S. 14 f, 41 ff; Baron, Gesammtrechtsverhältnisse, S. 319 ff; Arndts, Pandekten, S. 527 f Anm. 11. Im Gegensatz zu diesen hält Apathy das cum id specialiter agit jedoch mit der überwiegenden jüngeren Literatur – etwa Bonifacio, S. 162; Albertario, S. 158; weitere bei Apathy a. a. O. – für eine justinianische Ergänzung, wofür vor allem das specialiter aus der Reformkonstitution Iust. C. 8, 41, 8 ein – wenn auch kaum zwingendes – Indiz enthält.

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befugnissen wird es in der Einleitung des Venuleiusfragments als fraglich ausgewiesen (quaeritur) und bedarf zu seiner Bejahung der ausführlichen Ableitung aus der Rechtsstellung der rei stipulandi im Übrigen. Dies lässt bereits für sich vermuten, dass über die Frage der Novationsbefugnis unter den klassischen Juristen keine Einigkeit herrschte96. Bei Paulus findet sich denn auch die Gegenposition vertreten: Paul. lib. 3 ad ed. D. 2, 14, 27pr. Si unus ex argentariis sociis cum debitore pactus sit, an etiam alteri noceat exceptio? Neratius Atilicinus Proculus, nec si in rem pactus sit, alteri nocere: tantum enim constitutum, ut solidum alter petere possit. Idem Labeo: nam nec novare alium posse, quamvis ei recte solvatur: sic enim et his, qui in nostra potestate sunt, recte solvi quod crediderint, licet novare non possint. Quod est verum. Idemque in duobus reis stipulandi dicendum est.

Paulus behandelt die Frage, ob bei mehreren in solidum berechtigten argentarii socii das von einem abgeschlossene pactum de non petendo auch gegen den anderen wirkt und kommt im Einklang mit den frühklassischen Juristen Neraz, Atilicinus, Proculus und Labeo zu dem Ergebnis, dass das pactum selbst dann nur Einzelwirkung entfaltet, wenn es ohne Beschränkung auf die Person des vertragsschließenden Schuldners (in rem) geschlossen ist. Zur Begründung macht er sich die Argumentation Labeos zu Eigen. Labeo hatte sich in der Frage nach der Zulässigkeit eines objektiv wirkenden pactum an der Novationsbefugnis orientiert, was zunächst einen weiteren Beleg für die gesamtaufhebende Wirkung der Novation bildet97. Für die Novationsbefugnis galt im klassischen Recht anfänglich der Grundsatz, dass allein aus der Empfangszuständigkeit für die geschuldete Leistung nicht auch das Recht folgt, das Schuldverhältnis zu novieren. Abstrakt formuliert ist diese Regel bei Celsus, der sich wie Labeo beispielhaft auf die Gewaltunterworfenen beruft, die bezüglich des von ihnen als Darlehen Hingegebenen zwar empfangszuständig, nicht aber novationsbefugt seien98: Cels. lib. 1 dig. D. 46, 2, 25: Non ideo novare veterem obligationem quisquam recte potest, quod interdum recte ei solvitur: nam et his, qui in nostra potestate sunt, quod ab his creditum est recte interdum solvitur, cum nemo eorum per se novare priorem obligationem iure possit.

Auf dieser Grundlage hatte Labeo entschieden, dass auch der einzelne argentarius socius trotz seiner Erfüllungszuständigkeit nicht zur Novation und deshalb auch nicht zum Abschluss eines gegen seine Mitgesellschafter wirkenden pactum de non petendo in der Lage sei. Paulus stimmt dem nicht nur ausdrücklich zu (quod est verum), sondern lässt die gesamte Argumentationskette auch für die rei stipulandi gelten: idemque in duobus reis stipulandi dicendum est. Entgegen Ve96

Vgl. Schmieder, S. 108 f; Gröschler, S. 113 Fn. 145; Giaro, S. 423. Vgl. Schmieder, S. 109. 98 Allgemein zur Novationsbefugnis der Gewaltunterworfenen Kaser, SD 16 (1950), S. 68 f; Apathy, SZ 89 (1972), S. 223 ff. 97

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nuleius begründete also nach Paulus’ Ansicht auch bei den rei stipulandi die Einzelempfangszuständigkeit noch keine Einzelbefugnis zur Novation mit der Folge, dass eine Gesamtwirkung des von einem Gläubiger abgeschlossenen pactum gleichfalls nicht in Betracht kam99. cc) Die Aussagekraft von Ulp. D. 16, 1, 8, 11 Neben Ven. D. 46, 2, 31, 1 wird vor allem in der älteren Literatur häufig Ulp. D. 16, 1, 8, 11 als Beleg für die Gesamtwirkung der Novation angeführt100. Die Stelle behandelt die Wirkungen des senatus consultum Velleianum, das es Frauen verbat, im Interesse Dritter Verbindlichkeiten einzugehen101. Nahm eine Frau dennoch eine solche Verbindlichkeit auf sich, war sie durch die exceptio senatus consulti Velleiani geschützt102. Im Gegenzug gewährte der Prätor dem Gläubiger gegen den Schuldner, der durch die Interzession frei geworden war, die ursprüngliche Klage in Gestalt einer actio restitutoria. Das hier interessierende Ulpianfragment betrifft den Fall des intercedere gegenüber einem von mehreren rei stipulandi:

99 In der Gemeinrechtslehre ging man im Interesse einer Harmonisierung mit Ven. D. 46, 2, 31, 1 überwiegend davon aus, dass der Schlusssatz ausschließlich auf das hinsichtlich der Eingangsfrage erzielte Ergebnis, also die Einzelwirkung des pactum, nicht aber auf die lediglich inzident erörterte Frage der Novationsbefugnis zu beziehen sei, so Voet, n. 5 zu D. 45, 2, Bd. 2, S. 754; Goeschen, Bd. 2/2, S. 251; Savigny, Obligationenrecht, Bd. 1, S. 175 f; Fitting, Correalobligationen, S. 49; Vangerow, Bd. 3, S. 89; Kuntze, Obligationen, S. 173 Fn. 9; Dernburg, Pandekten, Bd. 2, S. 205 Fn. 3; i. E. gegen einen Konflikt der Stellen auch Windscheid/Kipp, Bd. 2, S. 208 Fn. 3; Puchta, Pandekten, S. 362 Fn. g. Doch ist das Fragment bei unterstelltem ius novandi der rei stipulandi unschlüssig, indem dann der bei den argentarii socii behauptete Zusammenhang zwischen Novationsbefugnis und der Befugnis zum Abschluss eines objektiv wirkenden pactum bei den rei stipulandi ohne weiteres wieder durchbrochen würde. Daher wurde der Schlusssatz in jenem auf das pactum beschränkten Aussagegehalt zu späterer Zeit häufig nachklassischen Bearbeitern zugeschrieben, vgl. Albertario, S. 159 f; Bonifacio, S. 162 f; Horak, Bd. 1, S. 251 f. Doch besteht auch für eine solche Vermutung kein Anlass, ist eine Klassikerkontroverse in der Frage nach dem ius novandi doch nicht nur im Hinblick auf Einleitung und Begründungsaufwand bei Venuleius, sondern auch angesichts der für das hochklassische Recht deutlich nachweisbaren analogen Streitfrage bei den Gewaltunterworfenen – dazu Kaser, SD 16 (1950), S. 68 f; Apathy, SZ 89 (1972), S. 235, 238 f und näher u. dd) bei Fn. 118 – in hohem Maße plausibel. Wie hier für Klassikerkontroverse denn auch die weit überwiegende neuere Literatur: Apathy, Animus novandi, S. 228; Bürge, SZ 104 (1987), S. 522; Gröschler, S. 113 Fn. 145; Meissel, S. 163 m. Fn. 376; Schmieder, S. 108 f. Ebenso bereits Cujaz, Recitationes solemnes, zu D. 2, 14, 27pr., Opera posthuma, Bd. 2, Sp. 70 ff. 100 Etwa Demangeat, S. 60 ff; Fritz, ZCPr n. F. 19 (1862), S. 72; Fitting, Correalobligationen, S. 49; Bonfante, Corso, Bd. 4, S. 112 Fn. 1; Segré, S. 363; Longo, S. 94; Bonifacio, S. 164. 101 Vgl. Paul. D. 16, 1, 1 und allgemein zum senatus consultum Velleianum Kaser, Bd. 1, S. 667. 102 Iul. D. 16, 1, 16pr.

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1. Kap.: Die Gesamtgläubigerschaft im Römischen Recht Ulp. lib. 29 ad ed. D. 16, 1, 8, 11: Quamquam in omnes qui liberati sunt restituitur actio, non tamen omnibus restituitur. Ut puta duo rei stipulandi fuerunt: apud alterum mulier intercessit: ei soli restituitur obligatio, apud quem intercessit.

Ulpian sagt, dass nur demjenigen Gesamtgläubiger das alte Klagrecht wiederhergestellt wird, bei dem das intercedere erfolgt ist. Die Restitution war also auf denjenigen Gläubiger beschränkt, der gerade wegen der exceptio senatus consulti Velleiani mit seiner Klage ausfiel, indem er anstelle seines alten Klagrechts die wertlose Forderung gegen die Frau erworben hatte. Keine Wiederherstellung erfolgte dagegen für die übrigen Gläubiger, deren Klagrechte schlicht der Gesamtwirkung des Interzessionsaktes zum Opfer gefallen waren. Sie hätten auch unabhängig von dem Senatsconsultum nichts mehr zu fordern gehabt103. Gegen die Verwertung der Stelle im Zusammenhang mit den Wirkungen der Novation wird neuerdings vorgetragen, dass eine solche Deutung auf einer petitio principii beruhe, da die Stelle nichts darüber aussage, in welcher konkreten Form die Frau interzediere. Die Novation könne daher erst dann darunter subsumiert werden, wenn ihre Gesamtwirkung aus anderen Stellen nachgewiesen sei104. Dass die Stelle aber durchaus auf die Novation bezogen werden darf, zeigt vor allem der Blick auf Ulpians vorangehende Grundaussage zur Gewährung der actio restitutoria: Ulp. lib. 29 ad ed. D. 16, 1, 8, 7: Quotiens pro debitore intercesserit mulier, datur in eum pristina actio, etsi ille prius acceptilatione liberatus sit quam mulier intercesserit.

Ulpian handelt hier von vornherein nur von solchen Formen des intercedere, bei denen das Klagrecht gegen den früheren Schuldner erlischt, insbesondere also von der befreienden Schuldübernahme105. Diese Einschränkung ist bereits in der Wendung intercedere pro debitore enthalten und Voraussetzung für die Schlüssigkeit der ausgesprochenen Regel, dass jedes Mal (quotiens), wenn es zu einem intercedere pro debitore kommt, die „ehemalige“ (pristina) Klage gegen den Schuldner dennoch gewährt wird. Bedeutsam ist nun der besondere Hinweis, dass die Restitution der Klage auch dann erfolgt, wenn der ursprüngliche Schuldner bereits vor dem intercedere durch acceptilatio befreit worden ist. Dem steht offenbar als Normalfall gegenüber, dass die Befreiung des Schuldners erst zusammen mit dem Akt des intercedere eintritt, wie es infolge des novatorischen Stipulationsversprechens im Rahmen einer Passivdelegation der Fall war106. Zu103 In diesem Sinne bestimmen die Ratio der Stelle auch Schmieder, S. 110 Fn. 396; Bonifacio, S. 164; Segré, S. 363. 104 Schmieder, S. 110. 105 Im eigentlichen Sinne fiel freilich auch das Hingeben von Sicherheiten, sei es durch Bürgschaft, Schuldbeitritt oder Verpfändung, unter das Verbot des intercedere, vgl. Kaser, Bd. 1, S. 667 m.w. N. 106 Gai Inst. 3, 176.

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mindest aufgrund von Ulp. D. 16, 1, 8, 7 kann daher unterstellt werden, dass Ulpian als übliches Vorgehen zum Zwecke der Schuldübernahme die Novation voraussetzte, so dass das intercedere (pro debitore) der Frau primär mit ihrer Verpflichtung durch Novationsstipulation gleichzusetzen ist107. Dieses eingeschränkte Begriffsverständnis setzt sich in Ulp. D. 16, 1, 8, 11 fort, indem auch dort vorausgesetzt wird, dass jedes intercedere eine Restitution erforderlich macht108. Dann bildet es aber einen tragfähigen Beleg für die Gesamtwirkung der Novation, wenn sich die Frage nach der actio restitutoria, wie aus dem Fragment hervorgeht, auch für die Person des an der Schuldübernahme nicht unmittelbar beteiligten Mitgläubigers stellte109. Nicht ohne weiteres verwertbar ist die Stelle jedoch für das ius novandi, also die Frage, ob der einzelne reus stipulandi die gesamtaufhebende Novation auch ohne jede Mitwirkung des Mitgläubigers wirksam vornehmen konnte. Zwar wird vorausgesetzt, dass das intercedere, namentlich die Novationsstipulation, nur zugunsten eines Gesamtgläubigers erfolgt; nicht ersichtlich ist aber, ob die übrigen Gläubiger in anderer Weise an der Schuldübernahme beteiligt sind. So ist wahrscheinlich, dass die von den Gegnern des ius novandi geforderte Mitwirkung der Mitgläubiger zu klassischer Zeit nur noch in der Erteilung der formlosen Zustimmung bestand. Dies legt der Vergleich mit dem Mechanismus der Aktivlegitimation nahe, bei dem ebenfalls das formlose iussum des Altgläubigers genügte, um die Aufhebung seiner Forderung durch die zwischen dem Schuldner und einem Dritten vorgenommene Novationsstipulation zu legitimieren110. Diese Lösung 107 Freilich war es daneben möglich, dass der Gläubiger die alte Forderung zunächst mittels acceptilatio aufhob und sich sodann vom Schuldübernehmer schlicht in derselben Höhe neu stipulieren ließ, was denn auch die einzige Gestaltung ist, die Schmieder, S. 111 m. Fn. 397 alternativ zur Novation als möglichen Gegenstand der Ulp. D. 16, 1, 8, 11 anführen kann. Der Grund, warum Ulpian dieses zweiaktige Vorgehen hier gesondert erwähnt, liegt auf der Hand: Die actio restitutoria wurde prinzipiell für solche Forderungen gewährt, die infolge des intercedere der Frau weggefallen waren. Dies war bereits dem juristischen Vorgang nach offensichtlich, wenn die alte Forderung gemäß dem üblichen Vorgehen unmittelbar der novatorischen Stipulation der Frau gewichen war, nicht aber dann, wenn der Gläubiger die alte Forderung bereits vor Begründung der senatsbeschlusswidrigen Verbindlichkeit aufgehoben hatte. Ulpian wollte deutlich machen, dass es für die Gewährung der actio restitutoria nicht auf den rechtstechnischen, sondern vielmehr den wirtschaftlichen Tatbestand einer Schuldübernahme ankommt. 108 Die dazwischen befindlichen §§ 8–10 beziehen sich ebenfalls ausschließlich auf Fälle der befreienden Interzession. Vgl. auch die Übersetzung von Behrends/Knütel/Kupisch/Seiler, Bd. 3, S. 312, die inhaltlich gleichbedeutend in D. 16, 1, 8, 7 von „für den Schuldner eintreten“, in D. 16, 1, 8, 11 von „die Schuld übernehmen“ sprechen. 109 Vgl. auch die Parallelstelle für die Gesamtschuld Afr. D. 16, 1, 20: Si pro uno reo intercessit mulier, adversus utrumque restituitur actio creditori. 110 In derselben Weise ist mit Apathy, SZ 89 (1972), S. 227 ff, 240 aufgrund des Vergleichs mit der Aktivdelegation davon auszugehen, dass Gewaltunterworfene schon in früher Zeit zur wirksamen Vornahme von Novationsstipulationen in der Lage waren, wenn der Gewalthaber zugestimmt hatte: Konnte ein Gläubiger schon die Novationssti-

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vorausgesetzt, ist das vorliegende Fragment hinsichtlich des ius novandi aber gänzlich indifferent, indem es eine Aussage über die Notwendigkeit einer solchen Beteiligung nicht enthält, die Wirksamkeit des Interzessionsaktes vielmehr zugunsten der Folgefrage der Restitution unterstellt. Letztlich fügte sich diese Neutralität am besten in den Gegensatz zwischen Ven. D. 46, 2, 31, 1 und Paul. D. 2, 14, 27pr. ein. Es wäre immerhin überraschend, hätte Ulpian seinem Zeitgenossen Paulus in einem umstrittenen Punkt derart beiläufig widersprochen. dd) Folgerungen: Hypothese über die Entwicklung des ius novandi In der Kontroverse um das ius novandi der rei stipulandi handelt es sich bei dem von Paulus vertretenen Standpunkt wahrscheinlich um den älteren. Im Hinblick auf den grundlegenden Gedanken des Verbots drittbelastender Verfügungen111 einerseits und die Bindung förmlicher Verfügungsakte an die persönliche Vornahme durch den Rechtsinhaber andererseits dürfte eine Einzelbefugnis zur Novation nach vorklassischem Recht und vermutlich prokulianisch geprägter112, frühklassischer Lehre ausschließlich dem Einzelgläubiger zugekommen sein, während ein Gesamtgläubiger ohne das Einvernehmen sämtlicher Mitgläubiger ebenso wenig durch Novation über das gesamte Schuldverhältnis verfügen konnte wie ein Gewaltunterworfener über das Forderungsrecht seines Gewalthabers. Anders als bei der acceptilatio bestand bei der Novation keine originäre Verwandtschaft mit der solutio113, so dass sich die Unzulässigkeit des Schlusses von der Erfüllungszuständigkeit auf die Novationsbefugnis ohne weiteres auch für die rei stipulandi behaupten ließ, wenn deren Rechtsposition angesichts der bestehenden Einzelklagrechte auch einer Alleininhaberschaft angenähert war. Die pulation zwischen zwei gewaltfreien Dritten durch seine Einwilligung gegen sich gelten lassen, so musste dies doch auch für die von seinem Sklaven abgenommene Novationsstipulation gelten, die unmittelbar in Person des Gläubigers erwuchs. Dahin weisen denn auch Flor. D. 46, 2, 16 und Paul. sent. 5, 8. Ähnlich in der Ableitung aus der Aktivdelegation Kaser, SD 16 (1950), S. 69. 111 Gai. D. 3, 5, 38: Naturalis enim simul et civilis ratio suasit alienam condicionem meliorem quidem etiam ignorantis et inviti nos facere posse, deteriorem non posse. Giaro, S. 423. 112 Jedenfalls gehen die insoweit einschlägigen Aussagen in den Quellen mit Labeo, Atilicinus, Proculus, Neraz und Celsus sämtlich auf Prokulianer zurück. 113 Die in den Quellen dennoch häufig zu findende Gleichstellung von novatio und solutio (siehe bereits o. Fn. 87) ist ein Werk der klassischen Jurisprudenz. Vor allem in den Delegationsfällen beruht sie durchaus auf dem Gedanken, dass sich der Gläubiger bei der Novation ähnlich wie bei einer datio in solutum anstelle der Naturalleistung mit einer neuen Forderung zufrieden gibt. Dass die Novation dennoch zu keinem Zeitpunkt im Sinne einer datio in solutum aufgefasst wurde, zeigt zuvorderst der Umstand, dass der bei dieser ausgetragene Schulenstreit um die Befreiung ope exceptio oder ipso iure (Gai Inst. 3, 168) jener gänzlich ferngeblieben ist, vgl. Kaser, Bd. 1, S. 684 Fn. 11; zur Analogie bei der delegatio ebd. S. 651 m. Fn. 43; zur datio in solutum S. 638, jew. m.w. N. Auch die Pandektistik betonte daher die Eigenständigkeit beider Institute, vgl. Windscheid/Kipp, Bd. 2, S. 504 Fn. 2 m.w. N.

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Rechtssätze, nach denen der einzelne reus stipulandi durch Klageerhebung oder förmliches Empfangsbekenntnis abseits der realen Erfüllung auf die Rechte seiner Mitgläubiger einwirken konnte, galten dabei wohl als Singularitäten, die einer Übertragung auf anderweitige Rechtshandlungen nicht zugänglich waren114. In der Überwindung dieser isolierten Sichtweise liegt der zentrale Fortschritt der von Venuleius vertretenen, jüngeren Auffassung. Unterlag das Schuldverhältnis schon im Hinblick auf Erfüllung, Rechtshängigmachung und acceptilatio der Verfügungsmacht eines jeden einzelnen reus stipulandi, sprach nichts dagegen, ihnen auch das ius novandi zu gewähren. Aus praktischer Sicht entsprach man damit dem Bedürfnis, auch bei den förmlichen schuldrechtlichen Verfügungen des ius civile eine Übertragung von Ausübungsbefugnissen zu ermöglichen115, während in wertender Hinsicht dieselbe Erwägung griff wie schon bei der acceptilatio: Hatten sich die Gläubiger durch die vertragliche Verbindung zu rei stipulandi in Abweichung von der Teilungsregel wechselseitig mit überschießender Rechtsmacht ausgestattet, so konnte den einzelnen Beteiligten in Fortsetzung dieses Parteiwillens auch eine weitergehende Handlungsfreiheit eingeräumt werden. Nicht anführen ließ sich ein solcher Parteiwille dagegen bei den argentarii socii, deren Gesamtgläubigerschaft ausnahmsweise nicht aufgrund vertraglicher Begründung, sondern kraft gewohnheitsrechtlicher Regel zustande kam. Nach den uns überlieferten Quellen blieb es hier denn auch bei dem Standpunkt Labeos, nach dem sich die Gesamtgläubigerstellung der argentarii in der Befähigung eines jeden zur Einziehung der gesamten Leistung erschöpfte116. Womöglich war die überzeugende Deduktion des Venuleiusfragments bereits zu spätklassischer Zeit herrschend, womit sich eine zeitliche Parallele zu der vielleicht gleichermaßen sabinianisch inspirierten117 Öffnung der Novationsbefugnis 114 I. E. ähnlich Meissel, S. 163, der von einer prokulianischen Lehre ausgeht, nach der die Befugnisse der Gesamtgläubiger darauf beschränkt waren, die Leistung in solidum zu fordern, während andere Dispositionen von ihnen nicht mit Gesamtwirkung getroffen werden konnten. Freilich war aber die Einzelbefugnis der rei stipulandi zum Erlass mittels acceptilatio schon bei den Prokulianern anerkannt. 115 Vgl. S. Meier, AcP 205, S. 864: Die römische Gesamtgläubigerschaft ist „funktionales Äquivalent einer umfassenden Vertretungs- und Verfügungsmacht bei der Verwaltung einer gemeinsamen Forderung“. 116 Ebenso auf den unterschiedlichen Entstehungsgrund zurückgeführt wird die unterschiedliche Behandlung von rei stipulandi und argentarii socii bei Harke, in: Harke, Drittbeteiligung, S. 12 f. 117 So die Vermutung von Kaser, SD 16 (1950), S. 69 für die Reform bei den Gewaltunterworfenen, die in den Quellen erstmals bei Gaius vorkommt (s. sogleich in Fn. 118); entsprechend für die rei stipulandi Meissel, S. 163 m. Fn. 376. Für Venuleius lässt sich aufgrund Ven. D. 45, 1, 138pr. sagen, dass er nicht Prokulianer war. Dass er vielmehr zum Schülerkreis Julians gehörte, legen seine häufigen Julianzitate und die Anlehnung seiner de stipulationibus libri an die julianischen digesta nahe. Einen sicheren Beleg haben wir jedoch nicht. Dazu Liebs, in: Sallmann, Handbuch der lateinischen Literatur der Antike, Bd. 4, § 419.3. (S. 133 ff); Wieacker, Bd. 2, S. 103 f.

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für Gewaltunterworfene ziehen ließe, deren generelle Befugnis zur Novation von Forderungen des ihnen zur Verwaltung überlassenen Sonderguts ebenfalls zu hochklassischer Zeit noch umstritten war, bis sie sich in der Spätklassik etablierte118. Spätestens im justinianischen Recht dürfte sich das konsistentere Konzept der jüngeren Auffassung aber durchgesetzt haben, lässt sich aufgrund der Stellung und des Sachzusammenhangs der widersprechenden Paulusstelle doch mit einiger Sicherheit behaupten, dass unser Zeugnis der Gegenauffassung hauptsächlich als Rechtssatz zur Wirkung des pactum in die Kompilation eingegangen ist. e) pactum de non petendo Von den jüngeren, honorarrechtlichen Geschäften, die die Quellen in Bezug auf die Gesamtobligationen behandeln, ist denn auch an erster Stelle eben jenes pactum de non petendo hervorzuheben. Als formloser Vertrag, durch den sich der Gläubiger gegenüber dem Schuldner verpflichtete, das Forderungsrecht vorübergehend oder dauernd nicht geltend zu machen, begründete dieses die exceptio pacti conventi unmittelbar nur im Verhältnis der vertragsschließenden Parteien und hatte daher sowohl als persönlich gefasstes pactum in personam als auch als unpersönliches pactum in rem119 in sämtlichen Fällen der Gesamtobligation grundsätzlich Einzelwirkung120. Etwas anderes galt nur dann, wenn das pactum 118 Vgl. einerseits Flor. D. 46, 2, 16, andererseits Gai. D. 46, 2, 34pr.; D. 12, 2, 21 und sodann Paul. D. 15, 1, 48, 1; D. 46, 2, 10. Z. G. Kaser, SD 16 (1950), S. 68 f; Apathy, SZ 89 (1972), S. 235, 238 f. Noch mehr als bei den rei stipulandi dürften bei dieser Reform des Pekuliarrechts praktische Erwägungen eine Rolle gespielt haben. Vgl. auch Kaser a. a. O., S. 69. Bemerkenswert erscheint, dass es in D. 46, 2, 10 am Ende Paulus selbst ist, der sagt: cui recte solvitur, is etiam novare potest. Diese Stelle ist wahrscheinlich in erster Linie auf die gewandelte Lage bei der administratio peculii zu beziehen und erklärt sich zudem daraus, dass zu spätklassischer Zeit auch anderweitige erfüllungszuständige Personen wie der procurator omnium bonorum, der tutor und die curatores prodigi und furiosi Forderungen des von ihnen zu betreuenden Vermögens wirksam novieren konnten, wenn die Verfügung für den Geschäftsherrn vorteilhaft war, vgl. Paul. D. 46, 2, 20, 1; D. 26, 7, 22; Gai. D. 46, 2, 34, 1. Damit folgte Paulus in den verschiedenen Fällen der Fremdvermögensverwaltung der fortschrittlichen und praxisgerechteren Tendenz zugunsten einer Ausweitung der Handlungsbefugnisse, was keineswegs notwendig dazu im Widerspruch steht, dass er in dem weniger funktionell geprägten Fall der Gläubigermehrheit bei den Ergebnissen der älteren Lehre Labeos verblieb. Für einen nur scheinbaren Widerspruch zu D. 2, 14, 27pr. i. E. auch Apathy, Animus novandi, S. 227 ff; Schmieder, S. 106 Fn. 368. 119 Zu dieser Unterscheidung Ulp. D. 2, 14, 7, 8; ihre Klassizität ist heute zu Recht anerkannt, vgl. Kaser, Bd. 2, S. 444 Fn. 38 m.w. N. 120 So für das pactum in personam insb. Paul. D. 2, 14, 25, 1; ferner Ulp. D. 2, 14, 22; Paul. D. 46, 1, 71, 1; Iul. D. 46, 3, 34, 11, wo jeweils die Formulierung ne a reo petere im Zusammenhang mit Ulp. D. 2, 14, 7, 8 dafür spricht, dass ein pactum in personam gemeint ist. Nicht eindeutig ist dies in Scaev. D. 46, 3, 93pr. und Ulp. D. 34, 3, 3, 3. Vgl. insoweit Schmieder, S. 133 ff. Für das pactum in rem geht der Grundsatz der Einzelwirkung neben D. 2, 14, 27pr. vor allem e contrario aus Paul./Ulp. D. 2, 14, 21,

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sonst seinen Zweck nicht hätte erfüllen können. So wiesen die Römer bei Schuldnermehrheiten auch an sich subjektiv beschränkten Einwendungen ausnahmsweise Gesamtwirkung zu, wenn dem Mitschuldner des durch die Einwendung Begünstigten gegen diesen ein Regressrecht zustand: Der vertraglich oder gesetzlich gewährte Vorteil sollte nicht durch das Innenverhältnis ausgehöhlt werden. Dieser Gedanke findet sich nicht nur beim pactum in rem121, das gemäß dem Willen des Gläubigers, den vertragsschließenden Schuldner vollständig zu befreien, sowohl von diesem auf den regressberechtigten Bürgen hinüberwirkte122 als auch bei mehreren rei promittendi dann Gesamtwirkung entfaltete, wenn sie in einem Gesellschaftsverhältnis123 standen124; vielmehr tritt er auch etwa bei der compensatio deutlich hervor: Pap. lib. 37 quaest. D. 45, 2, 10: Si duo rei promittendi socii non sint, non proderit alteri, quod stipulator alteri reo pecuniam debet.

Im Grundsatz setzte die Aufrechenbarkeit von Forderungen freilich schon nach römischem Recht Gegenseitigkeit voraus: Der Schuldner konnte eine bestehende Gegenforderung nur einwenden, wenn er deren Gläubiger und der Gläubiger deren Schuldner war125. Bei mehreren rei promittendi galt demnach die Regel, dass sich der eine Gesamtschuldner nicht auf eine Gegenforderung des anderen berufen kann. Da aber das klassische Recht aufrechenbare Gegenforderungen ausschließlich prozessual berücksichtigte126, war auch der Inhaber der Gegenforderung für deren Einsatz als Befriedigungsmittel auf eine Klage des Gläubigers angewiesen. Dies hatte bei der Gesamtschuld zur Folge, dass sich der Gläubiger 5; D. 2, 14, 22 ff hervor: Das pactum in rem wirkte nur für solche Dritte, an deren Befreiung der vertragsschließende Schuldner ein Interesse hatte (näher dazu im Folgenden). I. E. übereinstimmend insoweit etwa Schmieder, S. 141; Kaser, Bd. 1, S. 658. 121 Das pactum in personam hatte dagegen ausnahmslos Einzelwirkung, vgl. etwa Gröschler, S. 111 Fn. 143; Kaser/Knütel, § 56 Rn. 7. Anders Schmieder, S. 137, der insbesondere Pap. D. 45, 2, 9, 1 entnehmen will, dass auch ein pactum in personam bei zwischen den Schuldnern bestehender societas Gesamtwirkung entfaltete. Doch ist schon zweifelhaft, ob die dort behandelte Haftungsmodifizierung tatsächlich einem pactum in personam gleichzustellen ist. Definitiv abzulehnen ist Schmieders Ansicht für Paulus und Ulpian. So gilt die in Paul. D. 2, 14, 21, 5 bestimmte Ausnahme vom Grundsatz der Einzelwirkung ausdrücklich nur für pacta in rem. Im Gegenschluss unterliegt die sodann in Paul. D. 2, 14, 25, 1 angeordnete Einzelwirkung von pacta in personam keinerlei Einschränkungen. Ferner handelt Ulp. D. 2, 14, 22 von einem pactum in personam (a reo non petatur; dazu bereits o. Fn. 120), das gerade wegen der Beschränkung auf den Schuldner nicht auch für den Bürgen wirkt. 122 Paul. D. 2, 14, 21, 5 a. E. 123 Zum Regressrecht der rei stipulandi und promittendi socii näher u. 1. Kap. III. 2. 124 Vgl. Paul. D. 2, 14, 23; 25pr. und dazu zutr. Gröschler, S. 118 ff; Meissel, S. 166 Fn. 384; Schmieder, S. 139 f. 125 Vgl. etwa Pap. D. 16, 2, 18, 1; Paul. D. 16, 2, 23. 126 Grundlegend zu den verschiedenen prozessualen Mechanismen Kaser, Bd. 1, S. 644 ff.

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dem Einwand der Aufrechenbarkeit ohne weiteres entziehen konnte, indem er seine Klage gegen den nicht aufrechnungsberechtigten Schuldner richtete. Der aufrechnungsberechtigte Gesamtschuldner hatte dann keine Möglichkeit, seine Gegenforderung einzubringen und musste befürchten, auf dem Regresswege nun doch auf Barleistung in Anspruch genommen zu werden. Um dieses Ergebnis zu verhindern, ließ Papinian, wie der Umkehrschluss aus dem zitierten Fragment zeigt, die Berufung auf die Gegenforderung des Mitschuldners ausnahmsweise dann zu, wenn sich die rei promittendi in einem zum Regress berechtigenden Gesellschaftsverhältnis befanden127. Noch deutlicher als bei der Schuldnermehrheit stellte sich die Frage nach der Effektivität subjektiv beschränkter Einwendungen bei der Gesamtgläubigerschaft, war der Schuldner hier doch bereits im Außenverhältnis mehreren Forderungen ausgesetzt. Dennoch finden sich für die rei stipulandi weder in Bezug auf die exceptio pacti noch in Bezug auf die compensatio Ausnahmen von der Beschränkung auf das jeweilige Einzelrecht. Vielmehr sagt Paul. D. 2, 14, 27pr. für die argentarii socii und rei stipulandi ausdrücklich, dass auch ein pactum in rem stets nur gegen den vertragsschließenden Gläubiger wirke128. Der Grund für diese Ungleichbehandlung ist unschwer zu erkennen: Ging der Mitschuldner des am pactum beteiligten oder aufrechnungsberechtigten Schuldners aus der personalen Erstreckung der Einwendung als Begünstigter hervor, hätte es sich bei der Erstreckung auf Gläubigerseite um eine belastende Drittwirkung gehandelt129. So 127 So auch die Deutung der Stelle bei Krug, S. 161 f; Appleton, S. 192 Fn. 3; Binder, S. 234; Windscheid/Kipp, Bd. 2, S. 490 Fn. 19; Schmieder, S. 115 f. 128 Dass die Stelle auf rei stipulandi non socii und socii zu beziehen ist, zeigt vor allem die Gleichstellung mit den argentarii socii: Der Rechtsgedanke, der für rei stipulandi socii eine Ausnahme erfordert hätte, hätte auch bei diesen gegriffen, vgl. Binder, S. 409. Jedenfalls lässt aber Paulus’ Argumentation für eine Differenzierung nach dem Innenverhältnis keinen Raum. I. E. auch Schmieder, S. 140. In der gemeinrechtlichen Lehre wurde zum Teil Paul. D. 4, 8, 34pr. als Argument dafür angeführt, dass die Ausnahme bei rei promittendi socii auch für rei stipulandi socii gelten müsse, so Windscheid/Kipp, Bd. 2, S. 208 Fn. 4; Baron, Gesammtrechtsverhältnisse, S. 299 m. Fn. 5. Doch sind beide Fälle nicht vergleichbar, da aus dem dort behandelten compromissum in keinem Fall eine Einwendung gegen den Mitgläubiger erwuchs. Es wird lediglich ausgesagt, dass die Strafe aus dem von einem Gesamtgläubiger geschlossenen Schiedsvertrag auch durch die Klage des Mitgläubigers verwirkt war, wenn beide in einem Gesellschaftsverhältnis standen. Dies hinderte den Mitgläubiger aber weder an seiner Klage, noch wurde er der Strafklage ausgesetzt, welche freilich nur gegen denjenigen Gläubiger entstehen konnte, der die Vertragsstrafe versprochen hatte. Vgl. Vangerow, Bd. 3, S. 96; Gröschler, S. 121 f m. Fn. 180. 129 In ähnlicher Weise wird die Rechtslage beim pactum mit der bei der compensatio in Zusammenhang gesetzt bei Vangerow, Bd. 3, S. 88, 95. Zum pactum wie hier etwa Last, S. 187 f; Bonfante, Corso, Bd. 4, S. 105; Schmieder, S. 140. Im gemeinen Recht wählte man insbesondere bei der compensatio häufig den Mittelweg einer beschränkten Gesamtwirkung. Auf diese Weise ließ sich die Rechtslage bei der Gesamtschuld unbedenklich auf die Gläubigermehrheit übertragen: Wie die zugunsten eines Gesamtschuldners begründete Einwendung auch dem Mitschuldner zugute kam, soweit dieser regress-

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nähert sich denn auch Paulus dem Problem der Wirkung des pactum de non petendo in D. 2, 14, 27pr. anders als bei der Schuldnermehrheit ausgehend von der Frage, ob der einzelne Gläubiger überhaupt zu Verfügungen über das ganze Schuldverhältnis imstande ist. Indem er das Fehlen einer solchen Befugnis sodann mit Labeo aus der mangelnden Novationsbefugnis ableitet, stützt er die Einzelwirkung des pactum zwar auf eine Prämisse, die für die rei stipulandi gegen Ende der Klassik zunehmend bestritten war; doch liefern die Quellen keinen Anhaltspunkt dafür, dass sich infolge der Gewährung des ius novandi auch die Zulässigkeit eines objektiv wirkenden pactum durchgesetzt hätte130. Für diese Differenzierung findet sich eine plausible Erklärung in dem unterschiedlichen Wesen beider Verfügungen: Anders als beim pactum, das seinen Geltungsgrund in dem erklärten Willen der Beteiligten hatte und daher grundsätzlich nur inter partes wirken konnte, war die Gesamtwirkung der Novation im klassischen Recht zwingend. Handelte es sich bei der Gewährung der Befugnis, durch Novation das gesamte Schuldverhältnis aufzuheben, daher – ebenso wie bei der Einzelbefugnis zum Gesamterlass mittels acceptilatio – nur um die Zuweisung einer entsprechenden Einzelzuständigkeit, ließ sich eine Wirkung des pactum gegen den nicht beteiligten Mitgläubiger schon mit dessen Geltungsgrund schwerlich vereinbaren. Damit setzt das uns überlieferte Recht der freien Stellung der rei stipulandi, wie sie bei Venuleius bestimmt ist, eine klare Schranke: Zwar waren sie befugt, Verfügungen wie acceptilatio oder Novation, die von Natur aus objektiv wirkten, jeweils allein vorzunehmen und dadurch auf das ganze Schuldverhältnis einzuwirken; doch reichte diese Alleinverfügungsmacht nur so weit wie die gesamtaufhebende Kraft der betreffenden Rechtsakte. Darüber hinaus unterlag die Gesamtobligation nicht etwa in der Weise dem allgemeinen rechtsgeschäftlichen Willen des einzelnen Gesamtgläubigers, dass dieser auch eine durch gewöhnliches pactum de non petendo bewirkte Stundung oder Erlassabrede allein aufgrund seines dahingehenden Willens auf seine Mitgläubiger hätte erstrecken können.

berechtigt war, musste sich der eine Gesamtgläubiger die gegenüber dem anderen begründete Einwendung nur insoweit entgegenhalten lassen, als er diesem Ausgleich schuldete, vgl. Windscheid/Kipp, Bd. 2, S. 207; 490 f m. Fn. 20; Dernburg, Compensation, S. 463 f. Für die Römer lag eine solche Abmilderung der Drittwirkung schon deshalb fern, weil sie eine anspruchsmindernde exceptio nicht kannten. Insoweit spricht außer dem Schweigen der Quellen vor allem die parallele Lage beim pactum dafür, dass eine Übertragung der Pap. D. 45, 2, 10 auf Gläubigermehrheiten nicht stattfand. So denn auch aus der gemeinrechtlichen Lehre neben Vangerow a. a. O. etwa Krug, S. 163; Savigny, Obligationenrecht, Bd. 1, S. 169 Fn. o; Sintenis, Bd. 2, S. 430; allgemein zum Problem der kondemnationsmindernden exceptio Kaser/Hackl, S. 262. 130 Dass Paulus’ Ansicht zur Wirkung des pactum nicht gänzlich unumstritten war, legt seine Berufung auf gleich vier prokulianische Juristen nahe. Schmieder, S. 109 m. Fn. 386 hält daher einen Schulenstreit für möglich, bei dem die prokulianische Auffassung obsiegte.

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f) iusiurandum und constitutum debiti Die bei acceptilatio und Novation zu beobachtende Tendenz des römischen Rechts, bei objektiv wirkenden Verfügungsgeschäften zugunsten der Einzelbefugnis jedes Gesamtgläubigers zu entscheiden, setzt sich schließlich fort in den Quellen zum iusiurandum und constitutum debiti. Zum iusiurandum heißt es bei Paulus: Paul. lib. 18 ad ed. D. 12, 2, 28: In duobus reis stipulandi ab altero delatum iusiurandum etiam alteri nocebit.

Die Stelle entstammt seinem Kommentar zum edictum de iureiurando, das vom iusiurandum voluntarium handelte131. Dieser sog. freiwillige Eid bildete ein Mittel der einvernehmlichen Streitbeilegung. Jede Partei konnte der Gegenseite den Eid über das Bestehen oder Nichtbestehen des streitigen Rechts oder einer klagebegründenden Tatsache132 zuschieben. Leistete der Gegner den Eid133, galt der Eidesgegenstand als erwiesen. Der Richter prüfte insoweit nur noch, ob der Eid wirksam geleistet worden war134, so dass er infolge eines negativen Schuldnereides die Klage des Gläubigers mit einer exceptio iusiurandi135 belegte, während er dem Gläubiger nach seinem positiven Eid eine actio in factum an die Hand gab136. Der negative Schuldnereid entfaltete seine befreiende Wirkung dabei nicht nur im Verhältnis der beteiligten Streitparteien, sondern hatte im Falle mehrerer konkurrierender Forderungsrechte grundsätzlich Gesamtwirkung137, was die römischen Juristen konstruktiv einmal mehr mit einer Analogie zur solutio belegten138. Die objektive Wirkung hatte ihren Grund in der besonderen religiösen Natur des Eides, die die beschworene Rechtsfrage oder Tatsache nicht nur in dem konkreten Rechtsstreit, sondern prinzipiell vor jeglicher irdischer Überprüfung zu schützen gebot139. Dafür musste der wirksam abgelegte Schuldnereid 131 Davon zu unterscheiden sind das iusiurandum necessarium und das iusiurandum ex conventione delatum. Die Quellenzuteilung geht zurück auf Lenel, Edictum Perpetuum, S. 149 ff, 235 ff und Demelius, Schiedseid und Beweiseid, S. 20 ff. Ausführlich z. G. zuletzt Münks, S. 8 ff. 132 Ulp. D. 12, 2, 13, 2–5. 133 Ein Zwang zur Eidesleistung bestand beim iusiurandum voluntarium nicht. Beim iusiurandum necessarium dagegen hielt der Prätor den Beklagten an, zu „erfüllen oder zu schwören“, vgl. Ulp. D. 12, 2, 34, 6. 134 Ulp. D. 12, 2, 5, 2. 135 Ulp. D. 12, 2, 9pr. 136 Ulp. D. 12, 2, 11, 1. 137 Vgl. für die rei promittendi Paul. D. 12, 2, 28, 3; für den Eid des Hauptschuldners und des Bürgen ders. D. 12, 2, 28, 1; für Fälle der Aktionenkonkurrenz ders. D. 12, 2, 4. 138 Gai. D. 12, 2, 27: Iusiurandum etiam loco solutionis cedit; Paul. D. 12, 2, 28, 1. Doch finden sich auch andere Vergleiche: Paul. D. 12, 2, 26, 2 (Novation und Litiskontestation); Iul. D. 12, 2, 40 (acceptilatio). 139 Nicht umsonst verwenden die Quellen für die gerichtliche Berücksichtigung eines Eides auch die Wendung iusiurandum tueri, vgl. Ulp. D. 12, 2, 3pr.; 12, 2, 3, 2. Die

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aber sämtliche Klagrechte erfassen, für die der Eidesgegenstand entscheidungserheblich war140. Für den von einem Gesamtgläubiger zugeschobenen und geleisteten Schuldnereid stellte sich insoweit, ähnlich wie bei acceptilatio und Novation, nur die Frage nach Gesamtwirkung oder gänzlicher Unzulässigkeit141, welche das oben zitierte Fragment im ersteren Sinne entscheidet. Das constitutum debiti war ursprünglich ein formloses Versprechen des Schuldners, eine bereits bestehende Verbindlichkeit zu einem bestimmten Termin zu erfüllen. Die aus einem solchen Versprechen gewährte actio de pecunia constituta hatte den Vorteil, dass sie dem Gläubiger, dessen primäre Forderung auf ein certum gerichtet war, im Falle der Nichteinhaltung des Termins auch die Geltendmachung eines etwaigen Verzögerungsschadens erlaubte142. In klassischer Zeit konnte das constitutum über Zeit- und Ortsbestimmung hinaus143 auch etwa einen von der Primärverbindlichkeit abweichenden Leistungsgegenstand enthalten144 oder aber im Falle einer Wahlschuld den Schuldner auf einen der alternativen Leistungsgegenstände beschränken145, so dass es nunmehr den Charakter eines allgemeinen Mittels zur Festsetzung von Leistungsmodalitäten trug146. Dabei wirkte das constitutum nicht generell novierend147, sondern setzte die Altver-

richterliche Unantastbarkeit setzte sich bei den Folgen eines erwiesenen Falscheides fort: Weder gab es einen allgemeinen Straftatbestand des Meineides, noch eine Restitutionsmöglichkeit, vgl. Ulp. D. 4, 3, 21: Stari enim religioni debet. Für die Wahrheitsgemäßheit des Eides bürgte nicht eine irdische Sanktion, sondern die Furcht vor dem göttlichen Zorn, vgl. auch Gai. D. 12, 2, 1. Näher z. G. Münks, S. 14 f m.w. N. 140 Daraus erhellen denn auch die der Gesamtwirkung in Paul. D. 12, 2, 28, 1; 2; 4; Pomp. D. 12, 2, 42, 1; Ulp. D. 44, 5, 1, 3 gesetzten Grenzen: Sie war nicht geboten, soweit der Eidesgegenstand im zweiten Prozess nicht erneuter richterlicher Prüfung ausgesetzt war. 141 Die Beschränkung auf diese beiden Alternativen bei mehreren Aktivbeteiligten veranschaulicht Ulp. D. 12, 2, 18 über die Eideszuschiebung durch den procurator: Die Prozessführung des gewöhnlichen procurator musste der Geschäftsherr erst gegen sich gelten lassen, nachdem er sie genehmigt hatte. Dementsprechend konnte auch der gegenüber dem procurator geleistete prozessuale Eid zunächst keine Wirkung gegen den Geschäftsherrn entfalten. Nach Julian war daher der procurator mit seiner Eideszuschiebung nicht zuzulassen, selbst wenn er für die Genehmigung Sicherheit geleistet hatte. Dies vor allem um zu verhindern, dass der Schuldner auf die eigene Klage des Geschäftsherrn hin zur Beweisführung über die Wahrheitsgemäßheit seines Eides gezwungen sei: Sive enim dominus petat, cogetur docere reus liquido se iurasse posita scilicet exceptione, sive ex stipulatione de rato agat, necesse habebit ipse de periurio suo docere. 142 Die Formel lautete auf quanti ea res est, z. G. Zimmermann, S. 511 f. 143 Ulp. D. 13, 5, 16, 1; D. 13, 5, 5pr. 144 Ulp. D. 13, 5, 1, 5. Dabei dürfte die neue Leistung den Inhalt der Altverbindlichkeit jedoch wertmäßig nicht übersteigen, vgl. Ulp. D. 13, 5, 11, 1; Paul. D. 13, 5, 12. 145 Pap. D. 13, 5, 25pr. 146 Vgl. Crome, Römisches Privatrecht, S. 182; Czyhlarz, Institutionen (1933), S. 259. 147 Dies ist selbstverständlich beim constitutum debiti alieni, das praktisch einer Bürgschaft gleichkam: Gai. D. 13, 5, 28; Ulp. D. 15, 3, 15. Vgl. aber auch für das hier

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bindlichkeit nur insoweit außer Kraft, als sie von seinem Inhalt abwich. In dieser Weise kam es etwa im letztgenannten Anwendungsfall dazu, dass der Schuldner, der eine der alternativen Leistungen durch constitutum zugesagt hatte, mit der anderen nicht mehr erfüllen konnte: Pap. lib. 8 quaest. D. 13, 5, 25pr.: Illud aut illud debuit et constituit alterum: an vel alterum quod non constituit solvere possit, quaesitum est. Dixi non esse audiendum, si velit hodie fidem constitutae rei frangere.

Freilich ist aber davon auszugehen, dass die Hemmung der Altverbindlichkeit nicht allein zu Lasten des Schuldners erfolgte, sondern dieser im Gegenzug mittels exceptio pacti oder doli vor der Inanspruchnahme auf den anderen Leistungsgegenstand geschützt wurde148. In derselben Weise bewirkte das constitutum debiti bei mehreren empfangsberechtigten Personen, wie sie infolge der Hinzuziehung eines solutionis causa adiectus oder bei mehreren rei stipulandi zu Verfügung standen, die Festlegung des Schuldners in der Wahl des Leistungsempfängers: Paul. lib. 29 ad ed. D. 13, 5, 8: Si vero mihi aut titio constitueris te soluturum, mihi competit actio: quod si, posteaquam soli mihi te soluturum constituisti, solveris Titio, nihilo minus mihi teneberis. Pap. lib. 8 quaest. D. 13, 5, 9: Titius tamen indebiti condictione tenebitur, ut quod ei perperam solutum est ei qui solvit reddatur. Paul. lib. 29 ad ed. D. 13, 5, 10: Idem est et si ex duobus reis stipulandi post alteri constitutum, alteri postea solutum est, quia loco eius, cui iam solutum est haberi debet is cui constituitur.

Da Pap. D. 13, 5, 9 von den Kompilatoren eingeschoben wurde, ist das idem in Paul. D. 13, 5, 10 in erster Linie auf das nihilo minus mihi teneberis aus D. 13, 5, 8 zu beziehen149. Demnach blieb der Schuldner dem Gläubiger, dem er ein Erfüllungsversprechen gegeben hatte, im Falle der Leistung an dessen Mitgläubiger ebenso verhaftet wie nach der Leistung an den für die Forderung bestellten solutionis causa adiectus150. Im Gegenzug wurde bei den rei stipulandi das Klagrecht des unbeteiligten Mitgläubigers durch exceptio gehemmt. Dies kommt zum einen in der Verknüpfung mit Pap. D. 13, 5, 9 zum Ausdruck, wonach wegen des an interessierende constitutum debiti proprii Ulp. D. 12, 2, 36; D. 13, 5, 18, 3; Zimmermann, S. 512; Kaser, Bd. 1, S. 584. 148 Im hier behandelten Fall hätte der Schuldner, den die andere Leistung nicht mehr befreite, ansonsten auf beide Leistungen in Anspruch genommen werden können. Ebenso dürfte mit der Zeitbestimmung durch constitutum stets eine Stundung einhergegangen sein, vgl. Kaser, Bd. 1, S. 584 m. Fn. 14; Zimmermann, S. 512. 149 Vgl. Schmieder, S. 118 m.w. N. 150 Dass der zweite Satz von D. 13, 5, 8 diesen Fall behandelt, zeigt Schmieder, S. 117 m. Fn. 434.

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diesen Geleisteten die condictio indebiti offenstand151, zum anderen in Paulus’ Vergleich mit der solutio: Das Erfüllungsversprechen wirkte für den Mitgläubiger so, als sei an den Versprechensempfänger bereits erfüllt worden. Ebenso wie beim Eid war diese Gesamtwirkung aufgrund der besonderen Funktion und Wirkungsweise des constitutum zwingend: Es wäre der Verbindlichkeit der Erfüllungsabrede zuwidergelaufen, hätte es zwischen dem Schuldner und einem anderweitigen Empfangsberechtigten weiterhin zur Abwicklung auf Grundlage der Altverbindlichkeit kommen können. Auch hier musste eine nur persönliche Wirkung daher von vornherein ausscheiden152. In Verbindung mit der dennoch gewährten Einzelbefugnis bot das constitutum den rei stipulandi damit zwar ein materiell-rechtliches Mittel, das Schuldverhältnis schon im Vorfeld der Erfüllung auf die eigene Person zu beschränken. Dies konnte aus wertender Sicht aber nicht auf Bedenken stoßen, solange sie kraft ihrer vertraglich eingeräumten Stellung denselben Erfolg auch einseitig durch Klageerhebung herbeiführen konnten153. g) Zusammenfassung Legt man den Standpunkt von Ven. D. 46, 2, 31, 1 als herrschende Auffassung der späteren klassischen und nachklassischen Zeit zugrunde, folgten die Römer in Bezug auf die Verfügungsbefugnisse der Gesamtgläubiger einem einfachen Prinzip: Hatten sich die Gläubiger zu rei stipulandi verbunden und dadurch die üblicherweise durch Forderungsteilung gewährleistete Ausschließlichkeit ihrer Rechtsstellung abbedungen, so war es gerechtfertigt, ihnen über ihre definitionsgemäßen Einzelempfangs- und -klagrechte hinaus auch weitergehende Einzelzuständigkeiten zuzuweisen, so dass sie insbesondere die förmlichen, gesamtaufhebenden Verfügungen der acceptilatio und novatio, aber auch andere, das gesamte 151 Wenn auch der Zusammenhang mit Pap. D. 13, 5, 9 erst durch die Kompilatoren hergestellt worden ist, galt diese Rechtslage freilich schon bei den Klassikern. Ohne den Wegfall der Schuld und die condictio indebiti im Verhältnis zum Mitgläubiger wäre es zu einer kumulativen Verpflichtung des Schuldners gegenüber beiden Gläubigern gekommen. Dazu zutreffend Schmieder, S. 121 ff. 152 Vgl. L. Mitteis, Individualisierung, S. 97; Schmieder, S. 125 Fn. 469. 153 Der Gegenschluss zeigt sich beim solutionis causa adiectus: Er war nicht zur wirksamen Abnahme eines Erfüllungsversprechens befugt, quia non habet petitionem, vgl. Ulp. D. 13, 5, 7, 1. Nicht in Zusammenhang zu bringen ist Paul. D. 13, 5, 10 mit Ven. D. 46, 2, 31, 1, wie es Schmieder, S. 125 Fn. 469 andeutet. Nach Paul. D. 2, 14, 27pr. stimmte Paulus mit der pauschalen Aussage des Venuleiusfragments, nach der jeder Gesamtgläubiger wie ein Alleingläubiger über das gesamte Schuldverhältnis verfügen kann, nämlich gar nicht überein. Entgegen Girard/Senn, S. 791 Fn. 4 begründen die Paulusstellen zum constitutum und iusiurandum aber auch keine durchgreifenden Zweifel an der hier vertretenen Deutung der D. 2, 14, 27pr. So unterscheiden sich die Fälle schon dadurch wesentlich, dass es sich beim constitutum und den Parteieiden des klassischen Rechts anders als bei der Novation um Institute prätorischer Schöpfung handelte, die in ihrer Ausgestaltung nicht durch die Stellvertretungs- und Drittwirkungsfeindlichkeit des altrömischen Formalismus vorbelastet waren.

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1. Kap.: Die Gesamtgläubigerschaft im Römischen Recht

Schuldverhältnis betreffende Handlungen wie die Abnahme eines Eides oder Erfüllungsversprechens allein mit Wirkung gegen sämtliche Mitgläubiger vornehmen konnten. In praktischer Hinsicht befriedigte diese autonome, nach Venuleius’ treffender Beschreibung einer Alleingläubigerschaft angenäherte Rechtsstellung der rei stipulandi zuvörderst das Bedürfnis, den Gläubigern eine Übertragung schuldrechtlicher Ausübungs- und Verfügungsbefugnisse zu ermöglichen. Daneben hatte die starke Abhängigkeit der Einzelrechte aber auch eine schuldnerschützende Funktion. So bewirkte sie zum einen, dass sich der Schuldner bei Verfügungen bezüglich der Forderung regelmäßig nur mit einem Gläubiger auseinandersetzen musste und sich auf die allseitige Wirkung der mit ihm getroffenen Disposition verlassen konnte. Vor allem bewahrte aber die Ausschlusswirkung der Klageerhebung den Schuldner davor, sich infolge der Vermehrung der Gläubigerrechte wegen derselben Leistung in mehreren Prozessen verteidigen zu müssen. Insoweit zeigt sich die Ausgestaltung der römischen Gesamtgläubigerschaft unter Berücksichtigung ihrer Funktionen als ausgewogen: Den Gläubigern bot sie verbesserte Möglichkeiten zur Verwertung ihres Forderungsrechts; im Gegenzug mussten sich diese aufgrund ihrer Entscheidung gegen die Forderungsteilung aber auch weitergehende Gesamtwirkungen gefallen lassen, die den gebotenen Schutz des Schuldners vor übermäßigen Nachteilen aus der Vermehrung der Forderungsrechte gewährleisteten. 2. Der Innenausgleich Die Gesamtobligationen des römischen Rechts waren ausschließlich Regelungen über das Außenverhältnis. Sie begründeten keine Rechtsbeziehungen im Verhältnis der Gesamtgläubiger oder Gesamtschuldner untereinander, so dass für einen Anspruch auf späteren Ausgleich grundsätzlich ein selbständiges, die interne Verteilung regelndes Innenverhältnis erforderlich war154. Die Quellen lassen dies durch die häufige Differenzierung zwischen rei stipulandi bzw. promittendi socii und non socii erkennen, die stets an den nur im Falle eines bestehenden Gesellschaftsverhältnisses vorhandenen Ausgleichsanspruch anknüpft155. Der damit nur unter besonderen Umständen rechtlich gewährleistete Innenausgleich steht in gewissem Gegensatz zur Funktion der rei stipulandi, strebte die durch sie verliehene überschießende Rechtsmacht doch in gleicher Weise auf spätere Auseinandersetzung wie die des adstipulator, der indes, da er ausschließlich fremdnützig 154

Vgl. statt aller Schmieder, S. 161 f m.w. N. So insb. Paul. D. 2, 14, 25pr. [dazu bereits o. 1. Kap. III. 1. e) bei Fn. 124]; Paul. D. 4, 8, 34pr. (o. Fn. 128); Pap. D. 45, 2, 10 [o. 1. Kap. III. 1. e)]; ferner Paul. D. 2, 11, 5; Ulp. D. 34, 3, 3, 3; Paul. D. 34, 3, 29; Ulp. D. 35, 2, 62pr.; Pap. D. 45, 2, 9, 1; Paul. D. 46, 1, 71pr. a. E.; Pap. D. 46, 8, 1; Paul. D. 46, 8, 14. Abgesehen von der actio pro socio dürfte bei Gemeinschaftern ein Ausgleich über die jeweiligen Teilungsklagen (actio communi dividundo und familiae eriscundae) stattgefunden haben. Quellenmäßig belegt sind solche Fälle jedoch nicht. Vgl. Schmieder, S. 163. 155

IV. Die Gesamtgläubigerschaft aus Vermächtnis

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tätig wurde, dem Hauptgläubiger oder dem Erben in nahezu jedem Fall aus der actio mandati verpflichtet war156. Dem parallelen Ausgleichsproblem bei der Gesamtschuld half man, soweit nicht bereits die Teilungseinrede oder das beneficium excussionis das Regressbedürfnis erledigte157, ab der klassischen Zeit immer häufiger durch den Zessionsregress ab: Der in Anspruch genommene Gesamtschuldner konnte die Leistung verweigern, bis ihm der Gläubiger seine Forderung gegen den Mitschuldner zu Rückgriffszwecken abgetreten hatte158. Für die rei stipulandi schied eine derartige Konstruktion dagegen aus. Hier blieb es dabei, dass die Realisierung der jeweiligen materiellen Anteile im Verhältnis der Gläubiger nicht gesichert war, wenn nicht die besonderen Innenbeziehungen hierfür eine Rechtsgrundlage boten. Erträglich war dieses Ergebnis nur aufgrund der privatautonomen Begründung des Verhältnisses: Hatten die Beteiligten bei Vertragsschluss von einer Teilung abgesehen und einander stattdessen als rei stipulandi eine überschießende Rechtsstellung eingeräumt, so lag es innerhalb des von ihnen selbst gewählten Risikos, wenn die spätere Auseinandersetzung über den Leistungsgegenstand ihrer internen Verständigung überlassen war159.

IV. Die Gesamtgläubigerschaft aus Vermächtnis Erst vor dem Hintergrund der Folgesätze der rei stipulandi, insbesondere ihrer prinzipiellen Regresslosigkeit und der Ausschlusswirkung der Klageerhebung, erschließt sich nunmehr ein weiterer, sowohl der Funktion als auch dem Entstehungsgrund nach besonderer Anwendungsfall, der durch Celsus überliefert ist: 156

Gai Inst. 3, 111; 117. Dazu auch bereits o. Fn. 16. Mitbürgen konnten zunächst nach einer lex Furia generell, später nach einer epistula Hadriani dann nur auf die Kopfquote in Anspruch genommen werden, wenn sie im Prozess die Haftung eines weiteren, solventen Bürgen nachwiesen, vgl. Gai Inst. 3, 121. Gleiches galt schon ab spätklassischer Zeit auch für gemeinsam haftende Mitvormünder, bis Justinian das beneficium divisionis in Nov. 99 verallgemeinerte. Vgl. Kaser, Bd. 1, S. 662, 664 f; Bd. 2, S. 454, 459 m.w. N. Auch das beneficium excussionis, also das Recht, die Leistung bis zur vollständigen Ausklagung eines anderweitigen, vorrangig haftenden Schuldners zu verweigern, kam bereits zu klassischer Zeit bei Mitvormündern und etwa Mitbeamten vor; erst Justinian konnte es nach Abschaffung der Konsumtionskonkurrenz auch dem Bürgen im Verhältnis zum Hauptschuldner gewähren, Nov. 4, 1. Kaser, Bd. 2, S. 459 m.w. N. und näher z. G. u. 2. Kap. IV. 1. b). 158 Das beneficium cedendarum actionum wurde zuerst dem Bürgen für den Regress gegen den Hauptschuldner und die Mitbürgen gewährt, vgl. Iul. D. 46, 1, 17; Pap. D. 46, 6, 12; später auch Mitvormündern, die man selbst bei unterbliebener Abtretung mittels einer actio utilis so stellte, als sei die Abtretung erfolgt, Ulp. D. 27, 3, 1, 13 f; näher u. 2. Kap. IV. 1. b). Bei Justinian folgte vermutlich die Erstreckung auf alle Gesamtschuldner, dazu Kaser, Bd. 2, S. 457 m.w. N. in Fn. 26; z. G. ferner Bd. 1, S. 659, 666; Bd. 2, S. 460; zu den Konstruktionsproblemen des Zessionsregresses aufgrund der gesamtaufhebenden Wirkung von Klageerhebung und Erfüllung Honsell/Mayer-Maly/Selb, S. 284, 291 f. 159 Ebenso wird der Zusammenhang zwischen der privatautonomen Begründung und dem ungesicherten Ausgleich hergestellt bei Harke, Römisches Recht, § 6 Rn. 27. 157

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1. Kap.: Die Gesamtgläubigerschaft im Römischen Recht Cels. lib. 16 dig. D. 31, 16: Si Titio aut Seio, utri heres vellet, legatum relictum est, heres alteri dando ab utroque liberatur: si neutri dat, uterque perinde petere potest atque si ipsi soli legatum foret: nam ut stipulando duo rei constitui possunt, ita et testamento potest id fieri.

Als Voraussetzung für die originäre Funktion der rei stipulandi wurde bislang unterstellt, dass ihre Begründung auf eine materielle Beteiligung sämtlicher Gläubiger am Schuldverhältnis angelegt oder überhaupt von einer bestimmten Zuweisung der Leistung im Verhältnis der Gläubiger getragen war. Ohne eine solche Zuweisung musste der Effekt dieser Rechtsfigur ein gänzlich verschiedener sein: Indem dann die Entscheidung des Schuldners über die Person des Leistungsempfängers zugleich den endgültigen Verbleib der Leistung bestimmte, trug das Rechtsverhältnis den Charakter einer gläubigerseitig subjektiven Wahlschuld mit der Besonderheit, dass jeder der alternativen Empfänger das Schuldverhältnis durch Klageerhebung auf sich beschränken, dadurch dem anderen zuvorkommen und die Wahl zu seinen Gunsten erzwingen konnte. Diese Form der Prävention erscheint in den Quellen verschiedentlich in Gestalt des Prinzips occupantis melior est condicio160 als möglicher Lösungsmechanismus für Vermächtnisse mit alternativen Bedachten, bei denen es an einem anderweitigen Entscheidungskriterium fehlt. Zu diesen Fällen gehören zuvörderst Damnationslegate und Fideikommisse der Form „illi aut illi do lego“ oder „illi aut illi dari volo“. Ihre Wirksamkeit und Auslegung war unter den Klassikern höchst umstritten. Nach dem Bericht der Reformkonstitution C. 6, 38, 4 wurden sie zum Teil – gleich der Stipulation „illi aut illi dominis meis“ eines servus communis161 – mangels Bestimmtheit des Erwerbers162 als unwirksam erachtet, während andere derartige Anordnungen entweder unter Zuhilfenahme des oben genannten Prinzips163 oder mit der Folge einer gemeinsamen Berechtigung der Bedachten oder unter Annahme einer Haupt- und ersatzweisen Einsetzung aufrecht erhalten wollten164. Justinian löste diese Kontroverse zugunsten einer anteiligen Berechtigung der Bedachten, indem er hier wie bei anderen auf aut lautenden letztwilligen Verfügungen anordnete, dass das aut als et zu lesen sei165.

160 Eingehend zu dessen Reichweite und Aussagegehalt in neuerer Zeit Bürge, SZ 106 (1989), S. 248 ff, insb. 252 ff (zur hier interessierenden Bedeutung im Vermächtnisrecht). 161 Ulp. D. 45, 3, 9, 1; D. 45, 3, 11; Ven. D. 45, 3, 21. 162 Vgl. Baron, Gesammtrechtsverhältnisse, S. 257. 163 Dass auch die in Pomp. D. 45, 1, 9 zugunsten des erstklagenden occupans gelöste Konstellation zweier unabhängiger Stipulationen der Form „si illi non dederis, mihi dare spondes?“ ursprünglich in Parallele zum Damnationslegat mit alternativen Empfängern behandelt wurde, vermutet aus gutem Grund Bürge a. a. O., S. 255 f, 259 f. 164 Z. G. Iust. C. 6, 38, 4pr. 165 Iust. C. 6, 38, 4, 1a. Zur Teilung bei auf et lautenden Damnationslegaten Gai Inst. 2, 205 mit 2, 199.

IV. Die Gesamtgläubigerschaft aus Vermächtnis

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Einen weiteren Fall166, in dem eine Lösung nach dem Prinzip occupantis melior est condicio erwogen wurde, enthält Val. lib. 2 fid. D. 32, 94: Is, qui complures libertos relinquebat, tribus ex his fundum legaverat et petierat, ut curarent, ne de nomine suo exiret. Quaerebatur, ex tribus qui primus moriebatur utrum utrique vel alteri ex his, qui sibi in legato coniuncti essent, relinquere partem suam deberet, an possit vel alii colliberto suo eam relinquere. Placuit, etsi voluntatis quaestio esset, satis illum facturum etsi alii reliquisset. Quod si nulli dedisset, occupantis an omnium collibertorum et num eorum tantum, quibus pariter legatum esset, petitio fideicommissi esset, dubitabatur. Et Iulianus recte omnibus debere putavit.

Die Stelle handelt von einem Familienfideikommiss: Der Erblasser hat dreien seiner Freigelassenen ein Grundstück vermacht mit der Auflage, es nicht aus der Familie zu geben. Hier stellte sich zunächst die Frage, ob die Bedachten das Grundstück zunächst untereinander vererben mussten oder der erstversterbende von ihnen seinen Anteil auch einem anderen Familienmitglied hinterlassen konnte. Dem Fragment zu Folge entsprach letzteres der herrschenden Ansicht. Daraufhin wird die Frage behandelt, was geschieht, wenn der Erstversterbende keine Anordnung getroffen hat. Für diesen Fall war man sich uneins, ob der hinterlassene Anteil dem zuerst Klagenden (occupans)167, allen Freigelassenen gemeinsam oder nur den überlebenden Mitbedachten zustehe. Valens entscheidet sich mit Julian für die zweite Lösung, also die Teilung unter allen Freigelassenen. Dies entspricht einer allgemeinen Tendenz im Recht der Fideikommisse. Auch bei subjektiv alternativen Anordnungen mit ausdrücklichem Wahlrecht des Beschwerten („cui ex his voles, rogo restituas“) zog man dort für den Fall, dass der Beschwerte sein Wahlrecht nicht ausübt, überwiegend die Teilung unter den Bedachten vor168. Nicht zuletzt ordnete eine Konstitution des Antonius Pius diese Lösung allgemein an: Pomp. lib. 7 ex Plautio D. 40, 7, 21, 1: Pactumeius Clemens aiebat, si ita sit fideicommissum relictum „cui eorum voles, rogo restituas“, si nullum elegisset cui restitueret, omnibus deberi imperatorem Antoninum constituisse.

Anders entscheidet nun Cels. D. 31, 16 diesen letztgenannten Fall beim Damnationslegat. Auch hier wird eine Anordnung vorausgesetzt, bei der das Wahlrecht des Erben ausdrücklich bestimmt ist (utri heres vellet), so dass Justinians Reform den Inhalt der Stelle nicht berührte169. Zur näheren Bestimmung des bei

166 Vgl. ferner zum legatum sinendi modo mit alternativen Bedachten Gai Inst. 2, 215; Bürge a. a. O., S. 252 ff. 167 Vgl. Bürge a. a. O., S. 258. 168 Vgl. Pap. D. 31, 67, 7; D. 31, 77, 4; auch Ulp. D. 31, 24; 25. 169 Dies verkennen Albertario, S. 60 und Schmieder, S. 264, wenn sie meinen, die Existenz von Cels. D. 31, 16 müsse wegen C. 6, 38, 4 auf einem Versehen der Kompilatoren beruhen. Ebenso wie in den o. Fn. 168 genannten Stellen konnte das in den reinen

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1. Kap.: Die Gesamtgläubigerschaft im Römischen Recht

Nichtvornahme der Wahl entstehenden Verhältnisses verweist Celsus jedoch auf die rei stipulandi. Schon die Formulierung uterque perinde petere potest atque si ipsi soli legatum foret enthält eine unverkennbare Ähnlichkeit zu Venuleius’ Umschreibung unumquemque perinde sibi adquisisse, ac si solus stipulatus esset170. Daran schließt sich die Begründung, dass eine Gesamtobligation (duo rei) ebenso wie durch Stipulation auch durch Testament begründet werden könne. Der vorhergehende Satz über die quasi-Alleingläubigerstellung, die Venuleius unter anderem an die Rechtsfolge unum iudicium petentem totam rem in litem deducere knüpft, sowie der Zusammenhang mit den andernorts für vergleichbare Konstellationen erwogenen Lösungen171 belegen, dass Celsus bei der Gleichsetzung mit den rei stipulandi nicht nur deren Primärfolgen, sondern gerade auch die dort statthabende Ausschlusswirkung der Klageerhebung ins Auge fasst172, und es gelangt damit diese Rechtsfigur eben in der eingangs beschriebenen Funktion als subjektiv alternatives Verhältnis zur Anwendung: Da der Erbe sein Wahlrecht nicht ausübt, erhält jeder der alternativen Legatare die Möglichkeit, dem anderen mit seiner Klage zuvorzukommen und dadurch eine Entscheidung nach dem Prinzip occupantis melior est condicio herbeizuführen173.

aut-Fällen bestehende Bestimmtheits- und Auslegungsproblem hier gar nicht aufkommen. Wie hier Bürge a. a. O., S. 257; i. E. auch Levy, Konkurrenz, Bd. 1, S. 182. 170 Vgl. Schmieder, S. 263. 171 Vgl. insb. o. Fn. 163. 172 Zurückhaltend insoweit Schmieder, S. 263. Vgl. aber auch Pomp. D. 30, 8, 1 über den umgekehrten Fall eines Damnationslegats der Form „Lucius Titius heres meus aut Maevius heres meus decem Seio dato“, wo sich in der bereinigten Fassung – das et solutum wurde aufgrund Justinians Abschaffung der Konsumtionskonkurrenz eingeschoben, dazu Schmieder, S. 266 f m.w. N. – der Vergleich mit den rei promittendi dem Hinweis auf die Litiskontestationswirkung unmittelbar anschließt: si cum uno actum sit, alter liberetur, quasi si duo rei promittendi in solidum obligati fuissent. 173 Vgl. Bürge a. a. O., S. 256 f.

2. Kapitel

Die Gesamtgläubigerschaft von der Rezeption bis zum BGB I. Praktische Bedeutung und Kodifikation 1. Das Aussterben der Gesamtgläubigerschaft und ihre Zweckbestimmung in der Wissenschaft Als Bestandteil der justinianischen Überlieferung wurde die Gesamtgläubigerschaft Teil des europäischen ius commune und trat als solches gemeinsam mit der römischen Ausgangsform der Teilgläubigerschaft vor allem an die Stelle der im älteren deutschen Recht gängigen Forderungsgemeinschaft zur gesamten Hand1. Der Prozess der Zurückdrängung der obligatorischen Gesamtberechtigung als Instrument zur Übertragung von schuldrechtlichen Ausübungsbefugnissen, der sich bereits zu römischer Zeit durch das Absterben der adstipulatio angedeutet hatte, setzte sich jedoch nach der Rezeption fort. So brachte die mittelalterliche und neuzeitliche Rechtsentwicklung nicht nur den Mechanismus der Abtretung zu funktioneller und juristischer Reife2, sondern sorgte vor allem für die allgemeine Zulassung eines drittwirkenden rechtsgeschäftlichen Handelns im Sinne der unmittelbaren Stellvertretung3. Sobald es aber infolge dieser Entwicklungen zur vollständigen Überwindung der römischen Bindung von Ausübungs- und Verfügungsbefugnissen an die Rechtsinhaberschaft gekommen war, musste die Gesamtgläubigerschaft ihren Nutzen als Sicherungsmittel gegen gläubigerseitige Verwertungshemmnisse weitgehend einbüßen4. Daraus erklärt sich, dass die Gesamtgläubigerschaft bereits lange vor Inkrafttreten des BGB im Grunde nur noch ein wissenschaftliches Dasein führte. Schon bei Pothier findet sich bemerkt: „Cette solidité entre plusieurs créanciers est d’un usage très rare parmi nous“ 5. Und der Tribun Mouricault bezeichnete die Gesamtgläubigerschaft im Zuge der Beratungen zum Code Civil als „cas extrêmement rare“ 6. In Übereinstimmung hiermit stellte man auch in Deutschland bereits zu Beginn des 19. Jahrhunderts 1

Dazu Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 3, S. 271. Dazu eingehend HKK-BGB/Hattenhauer §§ 398–413 Rn. 11 ff m.w. N. 3 Dazu HKK-BGB/Schmoeckel §§ 164–181 Rn. 3 m.w. N.; Harke Römisches Recht, § 6 Rn. 10 ff; zur Ermächtigung HKK-BGB/Finkenauer §§ 182–185 Rn. 12 ff. 4 Vgl. von den bereits oben Fn. 7 genannten insb. HKK-BGB/S. Meier §§ 420–432/ II Rn. 6 a. E.; dies., AcP 205, S. 862. 5 Traité des obligations, Bd. 1, Nr. 259. 6 Fenet, Bd. 13, S. 425. 2

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2. Kap.: Die Gesamtgläubigerschaft von der Rezeption bis zum BGB

fest, dass die aktive Korrealobligation, wie man die Gesamtgläubigerschaft bezeichnete, „durch die mehr geläufigen Formen der Mandate, Anweisungen und Cessionen sehr in den Schatten gestellt“ worden sei7 und überhaupt durch Vertrag nur selten festgesetzt werde, „weil ihr Nutzen gering“ sei8. Einer theoretischen Analyse unterzog die deutsche Gemeinrechtslehre diesen Befund jedoch nicht. Dies, obwohl Friedrich Carl von Savigny der Frage der Praktikabilität durch eine ausführliche Darstellung zu den Zwecken der Korrealobligation ein hohes Maß an wissenschaftlicher Aufmerksamkeit verschaffte. Dabei griff Savigny unverkennbar eine Zweckanalyse von Donellus auf, der insoweit ausführt: Duos reos stipulandi et promittendi peperit creditorum utilitas, id agentium ut in eo quod debetur, tutius sibi cautum sit; est enim in his constituendis ea cautio sita quam dicimus. Ea autem cautio est huiusmodi. Etenim sive stipulator idemque verus creditor alium adhibet qui idem stipuletur, hic ita fiunt eiusdem rei duo creditores, ut, his constitutis, multo facilius verus creditor ad suum perveniat; quia, sive unus ex stipulatoribus absit, vel ei non liceat rem persequi, est alter qui persequatur; sive unus est creditor tantum, et is uno promissore non contentus, alium adiugendum curat qui principaliter idem promittat; hoc modo id consequitur, ut pro uno habeat duos debitores, quorum ab uno si quid facile consequi non possit, vel propter eius inopiam, vel propter potentiam, vel propter ingenium contentionum amans, id ab altero possit obtinere9.

Nach Donellus dienen Gesamtgläubigerschaft und Gesamtschuld dem Vorteil der Gläubiger, indem sie ihnen Sicherheit in der Verwirklichung der Schuld gewähren: Die Gesamtgläubigerschaft, weil, wenn der eine Gesamtgläubiger abwesend oder ihm die Verfolgung des Rechts nicht gestattet sei, der andere an seiner Stelle handeln könne; die Gesamtschuld, da, wenn die Leistung von dem einen Schuldner wegen dessen Mittellosigkeit, Machtstellung oder Streitlust nicht leicht beizutreiben sei, der andere herangezogen werden könne. Savigny10 führt zustimmend aus, dass durch das Korrealverhältnis der Gläubigerseite im Vergleich zum Teilschuldverhältnis eine freiere Macht in der Rechtsverfolgung verliehen werden solle. Diese freiere Macht äußere sich bei der passiven Korrealobligation in zweifacher Richtung: Zum einen in der erhöhten Sicherheit, die der Gläubiger dadurch habe, dass er sich unter den Schuldnern den zahlungsfähigsten auswählen könne, und zum anderen in einer erhöhten Bequemlichkeit, da er zur Erreichung seines Zwecks nur eine einzige Klage anstellen müsse. Für die Begründung aktiver Korrealität sei dagegen allein letzterer Aspekt der größeren Bequemlichkeit bestimmend, indem jeder Gläubiger auf das Ganze klagen und 7

Appelius, AcP 16 (1833), S. 286. So Höpfner (1803), S. 879. Vgl. auch Savigny, Obligationenrecht, Bd. 1, S. 155; Samhaber, S. 159; Wächter, Pandekten, Bd. 2, S. 308, 312 Fn. 29. 9 Cap. I n. 1 zu C. 8, 39(40), Bd. 9, Sp. 1319 f. 10 Obligationenrecht, Bd. 1, S. 217 ff. 8

I. Praktische Bedeutung und Kodifikation

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dadurch etwa auch die Rechte seines gegebenenfalls abwesenden oder sonst verhinderten Mitgläubigers wahrnehmen könne. Gemäß der Lage im römischen Recht erklärten Donellus und Savigny Gesamtschuld und Gesamtgläubigerschaft damit auch für das gemeine Recht einheitlich als Gläubigerschutzinstrumente11 und schufen auf diese Weise eine teleologische Rechtfertigung für das vor allem in der Pandektistik herrschende dogmatische Verständnis, nach dem es sich bei beiden Gestaltungen weniger um eigenständige Rechtsinstitute, als vielmehr um Spielarten des einheitlichen Instituts der Korrealobligation handelte12. Doch galt die Savigny’sche Formel von der erhöhten Sicherheit und Bequemlichkeit nicht nur der Pandektistik als „wesentlicher Fortschritt der Lehre“ 13 und Beleg für „den dauernden Platz“, der der Korrealobligation „im privatrechtlichen Organismus der Gegenwart und Zukunft gebühre“ 14, sondern wurde auch zur Grundlage für die Aufnahme der römischen Gesamtobligationen in sämtliche deutsche Kodifikationen und Entwürfe des 19. Jahrhunderts, die die Gesamtgläubigerschaft in Fortführung des gemeinrechtlichen Verständnisses als Ausprägung des einheitlichen Instituts der „Sammtverbindlichkeit“ 15 oder des „Gesammtschuldverhältnisses“ 16 regelten. 11 Savigny a. a. O., S. 219 sprach ausdrücklich von Zwecken, „die lediglich auf den Vorteil der Gläubiger berechnet“ seien. Ähnlich Helmolt, S. 15. 12 Eigens Savigny formulierte a. a. O., S. 159 ohne nähere Begründung den Grundsatz, dass aktive und passive Korrealobligation in ihren Wirkungen gleichstünden, so dass jedes Quellenzeugnis für das eine Verhältnis auch für das andere beweisend sei. Erst bei den späten Autoren der Pandektistik wird diese Haltung bisweilen kritisiert, vgl. etwa Binder, S. 407; Dernburg, Pandekten, Bd. 2, S. 199; L. Mitteis, GrünhZ 14 (1887), S. 420 m. Fn. 2. 13 So Windscheid, KritÜb 6 (1859), S. 226. Vgl. auch Samhaber, S. 24: „Am freudigsten vielleicht, fast wie ein neuer Fund, ward bewillkommt, was v. Savigny über die praktische Bedeutung der Correalschuld gesagt hat. (. . .) Man kann sagen, daß eine häufig gefühlte, selten scharf ausgesprochene Wahrheit bei v. Savigny in wohlgelungener Fassung und lebensfrischer Anschaulichkeit herausgetreten ist.“ Ferner wie Savigny Kuntze, Cursus, S. 413 f; ders., Obligationen, S. 178; Helmolt, S. 12, 15 f; Rückert, ZCPr n. F. 12 (1855), S. 16, 32; Wächter, Pandekten, Bd. 2, S. 308; Arndts, Pandekten, S. 390; Sohm, S. 352. Nur vereinzelt und dann meist nur als untergeordnete Funktion der Gesamtgläubigerschaft wurde hervorgehoben, dass diese anders als die Gesamtschuld auch dem Schuldnerinteresse dienen könne. So Baron, Pandekten (1896), S. 449; Dernburg, Pandekten, Bd. 2, S. 193; Wendt, S. 506; Last, S. 213, 253. 14 So Samhaber, S. 159. Vgl. auch Kuntze, Obligationen, S. 178: „Knüpfen wir an v. Savigny’s Darstellung der Korrealobligation an, so leuchtet uns deren Lichtstelle deutlich genug. Wir finden da die Sicherheit und die Bequemlichkeit des Gläubigers als Hauptzwecke des Korrealverhältnisses angegeben, und mit Recht: Zwecke, die unserem heutigen Rechtsleben ebenso wenig fremd sind, wie dem antiken. Wir haben dasselbe Bedürfnis, wie die Römer; soll uns ihr Befriedigungsmittel genommen seyn?“ 15 So HessE IV 1, Art. 5 ff und Art. 222 ff des BayE von 1861. Einen ausführlichen Rekurs auf die Savigny’sche Zweckbestimmung enthalten dabei die Motive zum HessE, Bd. 4/1, S. 3 f. Vgl. aber auch Motive BayE, S. 420. 16 So die §§ 1019 ff SächsBGB und Art. 13 ff DresdE. Zur Zweckbestimmung Siebenhaar, Lehrbuch des Sächsischen Privatrechts, S. 574; Prot. DresdE, Bd. 2, S. 1455.

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2. Kap.: Die Gesamtgläubigerschaft von der Rezeption bis zum BGB

Anders die französische Wissenschaft. Zwar erklärte man aktive und passive Gesamtobligationen auch dort zunächst noch einheitlich aus dem Gläubigerinteresse17; doch nahm man die praktischen Entwicklungen schon bald zum Anlass zur Revision. Schon um 1900 stellte sich die französische Privatrechtslehre nahezu einhellig auf den Standpunkt, dass es sich bei der solidarité entre plusieurs creanciers des Code Civil18 um ein weithin überflüssiges Relikt des römischen Rechts handle, dessen Ergebnis in Gestalt der Befähigung eines jeden Gläubigers, die gesamte Leistung zu verlangen, im geltenden Recht wesentlich vorteilhafter durch einfaches mandat erreicht werden könne, das widerruflich sei und nicht gegen den Willen des Vertretenen auf den Erben übergehe19. Mit dieser Erwägung musste die gemeinrechtliche Interessenbewertung fallen. War nämlich die echte Stellvertretung als alternative und überlegene Gestaltung zur Übertragung von Ausübungsbefugnissen ausgemacht, so konnte die Vermehrung der Forderungsrechte in der Gesamtgläubigerschaft nur noch für den Schuldner als vorteilhaft erscheinen, der dadurch unwiderruflich in die Lage versetzt wurde, die Leistung im Ganzen und ohne das Risiko einer dem Innenverhältnis widersprechenden Verteilung an einen beliebigen Gläubiger zu erbringen. Entsprechend urteilte die französische Lehre, dass die solidarité active im Gegensatz zur solidarité passive für die Gläubigerseite weniger von Vorteil, als vielmehr äußerst gefährlich sei, indem sie die erteilte Vertretungsbefugnis der Disposition der Gläubiger entziehe. Als vertragliche Gestaltung erschließe sie sich daher nur noch dann, wenn sie auf Verlangen des Schuldners im Interesse der erleichterten Erfüllung begründet werde20. 2. Die Erwägungen des BGB-Gesetzgebers Der BGB-Gesetzgeber folgte dem Urteil der Pandektistik und der vorangegangenen Regelwerke und widmete der Gesamtgläubigerschaft in den §§ 428–430 eine umfassende Regelung21. Der zuständige Redaktor für das Schuldrecht, Vorher hatten bereits der CMBC (IV 1 §§ 21 f), das ABGB (§ 892 ff) und der Code Civil (Art. 1197 ff) die Gesamtgläubigerschaft kodifiziert. 17 Vgl. etwa Marcadé, Bd. 4, Nr. 595, wo es in Bezug auf die Gesamtgläubigerschaft heißt: „elle ne parait pas présenter d’autre utilité que de faciliter le recouvrement de la créance“, während es Zweck der Gesamtschuld sei, „d’offrir une grande garantie“. Ebenso für die Gesamtgläubigerschaft noch Laurent, Bd. 17, Nr. 254. 18 Art. 1197–1199 CC. 19 So Baudry-Lacantinerie, Précis, Bd. 2, Nr. 966; Baudry-Lacantinerie/Barde, Traité, Des obligations, Bd. 2, Nr. 1129 (S. 255 ff); Huc, Bd. 7, Nr. 299; Planiol, Traité, Bd. 2 (1900), Nr. 757, 765; (1909), Nr. 725, 731; Josserand, Bd. 2, Nr. 756. 20 Huc, Bd. 7, Nr. 297, 299 f; Baudry-Lacantinerie/Barde, Traité, Des obligations, Bd. 2, Nr. 1129 (S. 256); Josserand, Bd. 2, Nr. 756; Planiol/Ripert, Traité, Bd. 7, Nr. 1060. 21 In Frankreich nahm man dies angesichts der eigenen Erfahrungen nicht ohne Verwunderung zur Kenntnis, zumal das japanische Meiji-BGB von 1898 von einer Auf-

I. Praktische Bedeutung und Kodifikation

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Franz Philipp von Kübel, legte dabei im Wesentlichen die gemeinrechtliche Zwecksetzung zugrunde: „Bei dem aktiven Gesammtschuldverhältnis aber soll jeder Gesammtgläubiger die Macht haben, für sich allein die ganze Leistung von dem gemeinsamen Schuldner zu fordern, ohne der Mitwirkung der übrigen, an der Wahrung ihrer Rechte zur Zeit vielleicht verhinderten, aber auch sonst nicht dazu geneigten Sammtgläubiger zu bedürfen, und so ebensowohl das eigene, als unter Umständen auch das Interesse der übrigen zu wahren“ 22.

Mit der Unabhängigkeit der Gesamtgläubiger in der Rechtsverfolgung betonte v. Kübel jedoch einen zusätzlichen Aspekt, der maßgeblich mit Erfahrungen im Preußischen Allgemeinen Landrecht in Zusammenhang steht. Dieses sah anstelle der römischen Formen der Teil- und Gesamtgläubigerschaft für Gläubigermehrheiten das einheitliche, deutschrechtliche Modell einer gemeinschaftlichen Forderung mit nur gemeinsamem Klag- und Empfangsrecht der Gläubiger vor23. Doch offenbarte sich der Zwang zur gemeinschaftlichen Klage als allzu großes Rechtsschutzhemmnis, so dass sich die preußische Rechtspraxis dazu gezwungen sah, den gemeinschaftlichen Gläubigern unter Berufung auf bestimmte prozessrechtliche Vorschriften auch die selbständige Geltendmachung des eigenen Anteils zu gestatten24. Dies wertete von Kübel als zusätzlichen Beleg für das „Verkehrsbedürfniß“, das erfahrungsgemäß dahin gehe, „die Gesammtgläubiger bei Verfolgung ihres Rechts unabhängig von einander zu stellen, und jedem derselben die Möglichkeit zu gewähren, für sich allein und ohne Mitwirkung der andern die ganze geschuldete Leistung zu fordern (. . .)“ 25. Ungeachtet ihres praktischen Bedeutungsschwunds blieb man somit in Deutschland bis in das BGB vom Nutzen der Gesamtgläubigerschaft als Gläubigerschutzinstrument überzeugt. Zurückzuführen ist dies zum einen auf die in der Gemeinrechtslehre betriebene Verschmelzung von Gesamtgläubigerschaft und Gesamtschuld zu einem einheitlichen Rechtsinstitut, die einer differenzierten Beurteilung und Hinterfragung der Existenzberechtigung der Gesamtgläubigerschaft im Wege stand26, und zum anderen auf Savignys historisch-idealisierende Zweckbestimmung, die sich nur allzu gut in die dogmatische Einheit beider Genahme gänzlich abgesehen hatte, vgl. Baudry-Lacantinerie/Barde a. a. O., Nr. 1129 (S. 258): „C’est sans doute à raison de ce défaut d’interêt pratique que le Code Civil japonais n’a pas réglementé la solidarité entre créanciers. Le Code civil allemand, au contraire, consacre á cette solidarité plusieurs dispositions.“ 22 So v. Kübel, in: Schubert, Vorentwürfe, Schuldrecht, Bd. 1, S. 65; ebenso die Motive bei Mugdan, Bd. 2, S. 86. 23 ALR I, 5 §§ 450–453. 24 Dazu Koch, Bd. 2, S. 22 ff. Daneben gestand man den Gläubigern zu, vom Schuldner einzeln Rechnungslegung und Hinterlegung der gesamten Leistung zu verlangen, vgl. Dernburg, Preußisches Privatrecht, Bd. 2, S. 125. 25 A. a. O. (Fn. 22), S. 66. 26 Vgl. insoweit HKK-BGB/Meier §§ 420–432/II Rn. 6; dies., AcP 205, S. 862.

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2. Kap.: Die Gesamtgläubigerschaft von der Rezeption bis zum BGB

staltungen einfügte. Tatsächlich war die Gesamtgläubigerschaft in ihrer originären Funktion als vertragliches Mittel zur Übertragung von schuldrechtlichen Ausübungsbefugnissen bereits im 19. Jahrhundert weitgehend obsolet, wie man zunächst jedoch nur in der französischen Wissenschaft bemerkte.

3. Entwicklungen unter dem BGB a) Der Siegeszug des § 432 Die Rechtspraxis unter dem BGB sollte die Erwägungen v. Kübels denn auch rasch als unrichtig erweisen. Es blieb zunächst dabei, dass Fälle der Gesamtgläubigerschaft im Rechtsleben kaum anzutreffen waren27.28 Als vorherrschende Form der Gläubigermehrheit etablierte sich dagegen schon bald die der deutschrechtlichen Forderungsgemeinschaft nachgebildete29 Mitgläubigerschaft des § 432 BGB, der der Gesetzgeber an sich nur eine Notbehelfsfunktion für den Fall zugedacht hatte, dass die Teilungsregel des § 420 aufgrund der Unteilbarkeit des Leistungsgegenstands nicht greifen kann30. Wie sich herausstellte, war den Widrigkeiten der gemeinschaftlichen Rechtszuständigkeit genügend Abhilfe getan, indem man die Mitgläubiger angesichts der Erfahrungen des preußischen Landrechts in § 432 Abs. 1 S. 1 mit der Befugnis ausgestattet hatte, vom Schuldner

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Vgl. Weigelin, LZ 20 (1926), Sp. 1297 ff, 1301: „Die Fälle der eigentlichen Gesamtgläubigerschaft im Sinne des § 428 BGB sind so selten, dass jede tatsächliche Vermutung gegen sie spricht und dass im Zweifel das Wort „Gesamtgläubiger“ als eine irrige Bezeichnung für die in der Regel gegebene Gläubigerschaft zur gesamten Hand anzusehen ist.“ Ferner etwa Crome, System, Bd. 2/1, S. 387 Fn. 2; Leonhard, S. 714; Rütten, S. 147, wo die geringe praktische Bedeutung wie hier auf die im geltenden Recht vorhandenen Institute der Stellvertretung und Ermächtigung zurückführt wird. 28 Mit gutem Grund konnte daher auch Hans Kreller in seinem Entwurf für die Regelung von Gläubiger und Schuldnermehrheiten in einem deutschen Volksgesetzbuch, AcP 146 (1941), S. 97 ff, 128 f, von einer Aufnahme der Gesamtgläubigerschaft absehen. Der Entwurf liefert ein anschauliches Beispiel für die Ersetzbarkeit der vertraglichen Gesamtgläubigerschaft durch Stellvertretungsinstitute. So erkannte Kreller durchaus an, dass sowohl im Interesse des Schuldners als auch dem der leichteren Verwaltung der Forderung „oft ein Bedürfnis nach einer freieren Stellung des einzelnen Mitgläubigers“ bestehe und dass hier „die Existenzberechtigung der Gesamtforderung“ liege; diese Gesamtforderung sollte aber nicht ein von der als Grundform vorgesehenen Forderungsgemeinschaft verschiedenes Institut sein, sondern nur eine „Sonderform“ der Gemeinschaft, so dass der Entwurf im Hinblick auf diese Fälle einzig bestimmte (Vorschlag D II a. a. O., S. 153): „Zu Verfügungen über die Forderung bedarf der einzelne Gläubiger einer Ermächtigung durch die übrigen.“ 29 Der Vorentwurf sah für Gläubigermehrheiten bezüglich unteilbarer Leistungen grundsätzlich ein nur gemeinschaftliches Klag- und Empfangsrecht der Gläubiger nach dem Vorbild des preußischen Rechts vor, vgl. § 22 TE-OR (Nr. 18) und dazu v. Kübel, in: Schubert, Vorentwürfe, Schuldrecht, Bd. 1, S. 119. Hieraus entwickelte sich § 432. 30 Eingehend zur Entstehungsgeschichte HKK-BGB/S. Meier §§ 420–432/II Rn. 45 ff.

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auch einzeln die Leistung an alle Gläubiger zu fordern31. Vom Zwang zur gemeinsamen Klage befreit, entpuppte sich die Mitgläubigerschaft gewissermaßen als „goldener Mittelweg“ 32 zwischen Teil- und Gesamtgläubigerschaft, indem sie wie die Gesamtgläubigerschaft eine ungeteilte und einheitliche Abwicklung im Außenverhältnis ermöglicht, den Gläubigern infolge des nur gemeinschaftlichen Empfangsrechts aber nicht deren Risiken auferlegt. Damit ist die Mitgläubigerschaft besonders dann interessengerecht, wenn die Leistung im Innenverhältnis der Gläubiger zweckgebunden ist, da sich durch die ungeteilte Leistung an alle Gläubiger anders als bei der Teilgläubigerschaft die zweckgemäße Verwendung der Mittel sicherstellen lässt. Vor allem in der praxistypischen Konstellation einer der Gläubigermehrheit zugrunde liegenden Bruchteilsgemeinschaft ging die Rechtsprechung daher schon frühzeitig zugunsten des § 432 von der Teilungsregel des § 420 ab, mit der Begründung, dass die einzelnen Gemeinschafter erst den um die Kosten und Lasten bereinigten Nettoertrag des Gemeinschaftsgutes für sich beanspruchen könnten und die geschuldete Leistung aufgrund dieser Zweckbindung rechtlich im Sinne des § 432 unteilbar sei33. Heute ist die Anwendung des § 432 bei allen vertraglichen und gesetzlichen Ansprüchen, die aufgrund einer Bruchteilsgemeinschaft entstehen, weitgehend anerkannt34, wobei man zur Begründung überwiegend auf den allgemeineren Gesichtspunkt der Surrogation zurückgreift. Demnach setzt sich die Bruchteilsgemeinschaft an einer Sache oder an einem Recht an den von der Gemeinschaft erworbenen Forderungen fort, so dass die Forderung zunächst eine gemeinschaftliche im Sinne der §§ 741 ff. ist; gleichsam als Sonderregelung über die Stellung der Bruchteilsgläubiger im Außenverhältnis wird für ihre Geltendmachung dann aber § 432 herangezogen35. Doch auch bei vertraglichen Gläubigermehrheiten außerhalb bestehender Bruchteilsgemeinschaften erweist sich § 432 zumeist als 31 Vgl. Motive bei Mugdan, Bd. 2, S. 94 f; Jakobs/Schubert, Schuldrecht, Bd. 1, S. 954. Damit hat Gierke Recht behalten, der in seiner Kritik zum ersten Entwurf ausführte, dass es sich bei der Forderungsgemeinschaft um die „in der Natur der Sache begründete“ Mitberechtigungsform handele, und die unter dem Preußischen Landrecht zu beobachtenden praktischen Missstände „nicht durch die Annahme einer Gläubigergemeinschaft, sondern durch die Unterlassung jeder gesetzlichen Organisation dieser Gemeinschaft verschuldet“ seien. So Gierke, Entwurf, S. 210. 32 So Medicus, JuS 1980, S. 698. 33 Erstmals KG, OLGE 17, S. 1 f; höchstrichterlich: RGZ 89, S. 176 ff; BGH, NJW 1958, S. 1723; NJW 1983, S. 2020 f; NJW-RR 2001, S. 369 f; NJW 2005, S. 3781 f (alle für Miet- bzw. Pachtzinsforderungen); BGH, NJW 1984, S. 1356 f; NJW 1998, S. 1482 ff (für Kaufpreisforderung bei Verkauf). 34 Vgl. für gesetzliche Ansprüche etwa BGH, NJW 1953, S. 58 f (Nutzungs- bzw. Erlösherausgabe gemäß § 988 bzw. 816); NJW 1996, S. 117 ff, 119 (Schadensersatz aus Delikt). 35 Vgl. Staudinger/Noack § 432 Rn. 20; Erman/Ehmann § 432 Rn. 7; BaRo/Gehrlein § 432 Rn. 3; MüKo/Bydlinsky § 432 Rn. 4; MüKo/K. Schmidt § 741 Rn. 43 ff; Palandt/Grüneberg § 432 Rn. 2. Allgemein zur Bruchteilsforderung und ihrem problematischen Verhältnis zu § 432 HKK-BGB/S. Meier §§ 420–432/II Rn. 57 ff m.w. N.

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den Parteiinteressen angemessene Gestaltung36, weshalb man zunehmend dazu übergeht, die Anwendung der Mitgläubigerschaft in diesen wie in den vertraglichen Gemeinschaftsfällen vielmehr einheitlich auf den Parteiwillen zurückzuführen37. Dieser Weg erscheint auch vorzugswürdig, indem er weder auf die von der Rechtsprechung bemühte Fiktion der Unteilbarkeit, noch auf eine Überhöhung der Bruchteilsgemeinschaft in Richtung eines nach außen wirksamen Rechtssubjekts gleich der Gesamthand angewiesen ist38. Indes versteht sich unter dem Gesichtspunkt der Vertragsautonomie von selbst, dass sich die Vertragsparteien der Mitberechtigungsform des § 432 auch unabhängig von dem gesetzlichen Unteilbarkeitserfordernis bedienen können. Entgegen den Vorstellungen des Gesetzgebers steht § 432 daher zu heutiger Zeit jedenfalls im Vertragsrecht als gleichermaßen zugängliche, dritte Mitberechtigungsform neben Teil- und Gesamtgläubigerschaft, wobei jener gegenüber diesen im Rahmen der Auslegung regelmäßig der Vorzug zu geben ist39. b) Überblick über die moderne Verwendung der Gesamtgläubigerschaft aa) Vertragliche Gesamtgläubigerschaft Als vertragliche Gestaltung ist die Gesamtgläubigerschaft auch heute eine Seltenheit40. Dies obwohl Rechtsprechung und herrschende Lehre unverändert zu einer extensiven Auslegung des § 428 BGB neigen, die angesichts der gesetz-

36 Aus der Rechtsprechung etwa BGH, NJW 1969, S. 839 f (Untervermietung durch mehrere Nichteigentümer); NJW 1984, S. 795 ff (Anspruch auf Verkauf eines Grundstücks bzw. Schadensersatz); NJW 1984, S. 1356 f (Grundstücksverkauf durch Eigentümer und Dritten); NJW 1985, S. 1826 ff (Gewährleistungsansprüche aus Werkvertrag); NJW-RR 2009, S. 687 ff (Hauptleistungs- bzw. Schadensersatzanspruch aus Beratungsvertrag). 37 Erman/Ehmann § 432 Rn. 5 f; HKK-BGB/S. Meier §§ 420–432/II Rn. 61 f; Harke, Allgemeines Schuldrecht, Rn. 468; Rütten, S. 86 ff; Staudinger/Langhein § 741 Rn. 117. 38 Kritisch insoweit Flume, BGB AT, Bd. 1/1, S. 114 f; Harke, Allgemeines Schuldrecht, Rn. 468. 39 „Im Zweifel“ für Mitgläubigerschaft auch Erman/Ehmann § 432 Rn. 6; § 428 Rn. 4. Vergleichbare Entwicklungen wie in Deutschland haben sich parallel in den europäischen Nachbarländern zugetragen: In Österreich kann die an sich für unteilbare Gläubigermehrheiten vorgesehene „Gesamthandforderung“ gemäß § 890 ABGB nach allgemeiner Ansicht auch durch Parteiwillen begründet werden und entsteht zudem stets bei Forderungen von Gemeinschaften, vgl. Koziol/Welser, Bd. 2, S. 140 m.w. N.; im schweizerischen Privatrecht erfassen die auch vertraglich begründbare „Mitgläubigerschaft“ des Art. 70 Abs. 1 OR und die nicht allgemein geregelte Figur der „Gesamthandgläubigerschaft“ das Gros der Gläubigermehrheiten, vgl. Koller, Schweizerisches Obligationenrecht, AT, § 76 Rn. 3 ff, 7; in Frankreich hat die Lehre von der „indivision“ Entsprechendes ergeben; dazu Ferid, Bd. 1, Rn. 2 E 111 ff. 40 HKK-BGB/S. Meier §§ 420–432/II Rn. 9; MüKo/Bydlinsky § 428 Rn. 4.

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lichen Vertypung von einem Vorrang der Gesamtgläubigerschaft gegenüber den funktionsäquivalenten Instrumenten der Stellvertretung und Ermächtigung ausgeht. Dies wird deutlich beim sog. Oder-Konto, das gemeinhin als einer der wenigen, wenn nicht als einziger praxisüblicher Fall vertraglicher Gesamtgläubigerschaft gilt. Hier scheint der Tatbestand des § 428 BGB exakt verwirklicht, indem jeder einzelne Kontoinhaber die ganze Guthabenforderung geltend machen kann, während die Bank durch Leistung an den Auszahlung verlangenden Inhaber gegenüber allen Gläubigern frei wird. Dieser Befund genügt der Rechtsprechung41 und herrschenden Lehre42 zur Annahme von Gesamtgläubigerschaft, wobei einzig die in § 428 S. 1 a. E. bestimmte Wahlfreiheit des Schuldners („nach seinem Belieben“) zugunsten eines Anforderungsrechts der Gläubiger abbedungen sein soll. Dass den Parteiinteressen sowohl im Hinblick auf die Frage der Widerruflichkeit als auch im Hinblick auf die Folgen in Zwangsvollstreckung und Insolvenz aber viel eher eine Auslegung des Kontovertrags entspricht, nach der es sich bei der Guthabenforderung um eine gemeinschaftliche Forderung mit gegenseitiger Verfügungsermächtigung handelt43, und dass der Gesamtgläubigertatbestand in Abgrenzung zu Stellvertretung und Ermächtigung vielmehr der Einschränkung im Sinne eines Vorrangs der letzteren Gestaltungen bedarf, wird im 3. Kapitel darzulegen sein44. bb) § 117 SGB X und § 421 Abs. 1 S. 2 HGB als Modellfälle nichtrechtsgeschäftlicher Gesamtgläubigerschaft Neuartige Anwendungsfälle der Gesamtgläubigerschaft hat die moderne Privatrechtsentwicklung dagegen abseits der vertraglichen Begründung hervorgebracht. Diesen Fällen, in denen Gesamtgläubigerschaft kraft objektiven Rechts auferlegt wird, ist gemeinsam, dass sie nicht primär auf die Einzelklagrechte der Gläubiger abzielen, sondern mindestens in gleichem Maße den Schutz des Schuldners bezwecken, der wegen der besonderen Gegebenheiten des Schuldverhältnisses in die Lage versetzt werden soll, die Leistung ungeteilt an einen der Gläubiger zu erbringen. Den gesetzlichen Modellfall dieser Art enthält § 117 SGB X, einen weiteren aber § 421 Abs. 1 S. 2 HGB, wie sich im Folgenden zeigen wird. 41 Erstmals KG, BankArchiv 1937/38, S. 434 f; später OLG Nürnberg, NJW 1961, S. 510 f; BGHZ 93, S. 315 ff, 320 f; seither st. Rspr. des BGH, etwa NJW 1985, S. 2698; NJW 1991, S. 420 f; NJW 2000, S. 2347 f, 2348. 42 Insoweit sei an dieser Stelle auf die Nachweise bei Staudinger/Noack § 428 Rn. 24, 25 a.E verwiesen. 43 So i. E. auch OLG Karlsruhe, NJW 1986, S. 63 f; MüKo/K. Schmidt § 741 Rn. 55; S. Meier, AcP 205, S. 880; mit Einschränkungen Staudinger12 /U. Huber § 741 Rn. 56; unentschieden Bitter, in: Schimansky u. a., BankR-HdB, Bd. 1, § 33 Rn. 119. 44 s. u. 3. Kap. I.

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(1) Sozialversicherungsrecht: § 117 SGB X Den ersten Fall nichtrechtsgeschäftlicher Gesamtgläubigerschaft schuf die Rechtsprechung im Bereich des Sozialversicherungsrechts. Hierbei handelt es sich um die Konstellation, dass der von einem ersatzpflichtigen Schädiger verursachte Personenschaden Ansprüche des Verletzten oder dessen Hinterbliebener gegen mehrere Sozialversicherungsträger auslöst und der Ersatzanspruch gegen den Schädiger – etwa aufgrund einer Haftungshöchstgrenze oder eines Mitverschuldens des Geschädigten – der Höhe nach für den vollen Regress beider Sozialversicherungsträger nicht ausreicht. Dann stellt sich zunächst ein Kollisionsproblem, das in Rechtsprechung und Lehre stets dahingehend gelöst wurde, dass jedem Versicherungsträger ein dem Größenverhältnis der Versicherungsleistungen entsprechender Anteil am Regressanspruch zusteht45. Fraglich ist jedoch die Lage im Außenverhältnis. Soll auch insoweit jeder der Versicherungsträger nur seinen quotenmäßigen Anteil geltend machen können, wozu die Anwendung des § 420 führen würde, oder soll jeder bis zur Höhe der von ihm zu erbringenden Gesamtleistung voll forderungsberechtigt bleiben, so dass es zu einer Gesamtgläubigerschaft der Versicherungsträger kommt?46 Der BGH entschied sich in seinem Leiturteil aus dem Jahre 195847 vornehmlich aus Gründen des Schuldnerschutzes für die Gesamtgläubigerschaft. Es wurde als unzumutbar befunden, dem Schuldner die oft nur mit versicherungsrechtlichen Fachkenntnissen mögliche Bestimmung der jeweiligen Anteile aufzubürden und ihn dadurch der Gefahr einer unrichtigen Verteilung auszusetzen. Auf der anderen Seite erachtete es der BGH aufgrund der zwischen öffentlichen Sozialversicherungsträgern bestehenden „besonderen Verbundenheit“ und ihrer weithin gesicherten Liquidität als hinnehmbar, diese für die Realisierung ihrer Anteile gegebenenfalls auf den Innenausgleich zu verweisen. Doch sah der BGH in der Annahme von Gesamtgläubigerschaft auch einen Vorteil für die Versicherungsträger, indem der Schuldner dadurch schon bald auf Zahlung in Anspruch genommen werden könne, während im Falle der Teilgläubigerschaft Verzögerungen drohten, wenn nur bei einem Versicherungsverhältnis die endgültige Festsetzung der Leistungen noch ausstehe48.

45 Vgl. dazu die Ausführungen und Nachweise in der Leitentscheidung BGHZ 28, S. 68 ff, 72 f. 46 Der ehemals den gesetzlichen Forderungsübergang regelnde § 1542 RVO gab für diese Frage nichts her, da er eine Mehrheit von Versicherern nicht in Rechnung stellte. Vgl. Medicus, JuS 1980, S. 701 Fn. 53. 47 BGHZ 28, S. 68 ff = NJW 1958, 1588 ff; vorher bereits OLG Stuttgart, NJW 1955, S. 305 f. Seither st. Rspr., etwa BGH, NJW 1960, S. 381 f; BGHZ 40, S. 108 ff; NJW 1969, S. 1901 ff; NJW 1979, S. 2039 f. 48 Vgl. z. G. die Begründung der Leitentscheidung, BGHZ 28, S. 72 ff = NJW 1958, S. 1589.

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Im Jahre 1983 wurde die Gesamtgläubigerschaft der Sozialversicherungsträger in § 117 SGB X kodifiziert49. Nach zutreffender, inzwischen nahezu allgemeiner Literaturansicht reicht die dort vorgesehene Gesamtgläubigerschaft aber weiter als die von der zugrunde liegenden Rechtsprechung angenommene. Ausgehend von der Vorstellung, dass jeder der konkurrierenden Versicherungsträger in Höhe der von ihm erbrachten Versicherungsleistung forderungsberechtigt bleibt, hat der BGH bislang Gesamtgläubigerschaft nur insoweit angenommen, als die Regressforderungen „konkurrieren“, also die Summe der Gesamtversicherungsleistungen den verfügbaren Schadensersatzanspruch übersteigt50. Dadurch wird zwar erreicht, dass der zuerst auf den Schädiger zutretende Versicherungsträger die von ihm erbrachte Leistung bis zur Höhe der Schadensersatzforderung in vollem Umfang geltend machen kann; der beabsichtigte Schuldnerschutz ist jedoch nicht vollständig gewährleistet, da die Höhe der Einzelversicherungsleistungen im Außenverhältnis relevant bleibt: Nur bis zur Höhe der jeweils erbrachten Versicherungsleistung kann sich der Schädiger bei dem einzelnen Versicherungsträger befreien, so dass wiederum Teilleistungen zu erbringen sind, wenn nicht schon jede einzelne Versicherungsleistung die Schadensersatzforderung übertrifft51. Eine dem Normzweck entsprechende, effektive Erleichterung der Abwicklung wird nur bewirkt, wenn der Schädiger den gesamten Schadensersatzanspruch an den einen oder den anderen Versicherer zahlen kann. Daher ist § 117 SGB X dahingehend auszulegen, dass die konkurrierenden Versicherungsträger in voller Höhe der übergegangenen Ersatzforderung Gesamtgläubiger werden; keiner ist bei der Einziehung auf den Umfang der von ihm erbrachten Versicherungsleistung beschränkt52.

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Gesetz vom 4.11.1982 (BGBl. I S. 1450), in Kraft getreten am 1.7.1983. Vgl. nur den Tenor der Leitentscheidung BGHZ 28, S. 68; ebenso noch BGH, NJW 2003, S. 1871. Dabei ist zu bemerken, dass diese Einschränkung bisher nicht entscheidungserheblich geworden ist. 51 Ein Beispiel: Der übergegangene Schadensersatzanspruch beträgt 100. Versicherer A hat 90, Versicherer B 30 geleistet. Im Fall der Teilgläubigerschaft müsste der Schädiger an A 75, an B 25 leisten. Nach der Lösung des BGH sind A und B nur in Höhe des Differenzbetrags von 20 Gesamtgläubiger. Der Schädiger muss also dem A 90 und sodann dem B noch 10 oder dem B 30 und sodann dem A noch 70 leisten. Kritisch gegenüber der Rspr. des BGH daher auch Rütten, S. 237 Fn. 78. 52 In obigem Beispiel können also A und B jeweils die vollen 100 einziehen und wird der Schädiger durch Zahlung von 100 an einen von beiden frei. Wie hier Kater, in: Leitherer, Kasseler Kommentar SGB, § 117 SGB X Rn. 4; Jahn/Jansen § 117 SGB X Rn. 3; v. Maydell/Schellhorn, GK-SGB X 3, § 117 Rn. 31 f; Hauck/Noftz/Nehls K § 117 SGB X Rn. 12; Breitkreuz, in: Diering, Lehr- und Praxiskommentar SGB X, § 117 Rn. 4; Geigel/Schlegelmilch/Plagemann, 30. Kap. Rn. 121. Inkonsequent dagegen die Lösung von Wussow/Schloën, Rn. 2546: Einziehungsrecht nur in Höhe der eigenen Aufwendungen; der Schuldner soll aber durch Zahlung der gesamten Summe an einen Versicherer frei werden. 50

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(2) Transportrecht: § 421 Abs. 1 S. 2 HGB Ein weiterer Fall nichtrechtsgeschäftlicher Gesamtgläubigerschaft wird im Transportrecht, namentlich aufgrund § 421 Abs. 1 S. 2 HGB angenommen. Dieser statuiert seit der Transportrechtsreform von 199853 für den Fall, dass bei einem Frachtvertrag infolge der Beschädigung, der verspäteten Ablieferung oder des Verlusts des Transportgutes Schadensersatzansprüche gegen den Frachtführer entstehen, eine Doppellegitimation: Neben dem Absender kann auch der Empfänger des Gutes die Ansprüche aus dem Frachtvertrag in eigenem Namen geltend machen. Damit wurde eine entsprechende Rechtsprechung des BGH zu Art.13 Abs. 1 S. 2 CMR54 im deutschen Handelsrecht umgesetzt55. Der Grund für die Doppellegitimation des § 421 Abs. 1 S. 2 HGB wird überwiegend in einer gesetzlichen Zulassung der Drittschadensliquidation gesehen. Seit jeher betreiben Rechtsprechung und Lehre im Frachtrecht eine „großzügige Handhabung“ der Drittschadensliquidation, die dazu dient, die Durchsetzung der Frachtführerhaftung nicht mit der oft schwierigen Frage der Schadenszuweisung im Verhältnis zwischen Absender, Empfänger und deren Auftraggebern zu belasten. Die Ersatzleistung durch den Frachtführer soll jeweils an den frachtvertraglich Legitimierten erfolgen, ohne Rücksicht darauf, wer materiell Geschädigter ist56. Daher sind Absender und Empfänger nach gefestigter Rechtsprechung sowohl untereinander57 als auch im Verhältnis zu dritten Versendern und Endempfängern58 umfassend zur Drittschadensliquidation berechtigt. Die Fortgeltung dieser zu den §§ 429, 435 HGB a. F. und für die Haftung nach Art.13, 17 CMR entwickelten Grundsätze wollte der Gesetzgeber durch § 421 Abs. 1 S. 3 HGB (n. F.) klargestellt wissen, dem zufolge es keinen Unterschied macht, ob Absender und Empfänger bei der Geltendmachung ihrer Ansprüche im eigenen oder fremden Interesse handeln59. Entsprechend wird diese Bestimmung überwiegend auch zur Erklärung der Doppellegitimation des S. 2 herangezogen: Aufgrund der Rechtsnatur des Frachtvertrags als Vertrag zugunsten Dritter60 er53 Gesetz zur Neuregelung des Fracht-, Speditions- und Lagerrechts vom 25.6.1998 (BGBl. I S. 1588). 54 Übereinkommen über den Beförderungsvertrag im internationalen Straßengüterverkehr. 55 Näher dazu Becker, AcP 202, S. 737 f m.w. N. 56 Vgl. BGH, NJW 1989, S. 3099 f, 3100; MüKoHGB1 /Dubischar § 429 Rn. 58; Helm, in: Helm, Großkommentar HGB, § 429 Rn. 157, 159; Piper, VersR 1988, S. 203. 57 Etwa BGH, VersR 1976, S. 168 f (Absender für Empfänger); NJW 1982, S. 992 ff, 993 (Empfänger für Absender). 58 BGH, VersR 1985, S. 753 f, 754 (Absender für Versender); NJW 1989, S. 3099 f; TranspR 2006, S. 308 ff (jew. Absender für Versender und Endempfänger). 59 Vgl. BT-Drucks. 13/8445, S. 55. 60 Statt aller Koller, Transportrecht, § 421 HGB Rn. 1; MüKoHGB/Czerwenka § 407 Rn. 90 ff. Zum CMR BGH, NJW 1974, 1614 ff, 1616; MüKoHGB/Jesser-Huß Art. 13 CMR Rn. 2.

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wächst aus Pflichtverletzungen des Frachtführers sowohl in Person des Absenders als auch in Person des Empfängers ein vertraglicher Schadensersatzanspruch. Diesen können beide im eigenen sowie im Interesse des jeweils anderen geltend machen mit der Folge, dass jedem ein eigener Anspruch auf die gesamte Ersatzleistung zusteht. Da der Schaden insgesamt aber nur einmal zu ersetzen ist, folgt daraus die Annahme von Gesamtgläubigerschaft61. Teilt man dieses herrschende Verständnis, so enthält § 421 Abs. 1 S. 2, 3 HGB freilich eine beträchtliche Ausweitung des Instituts der Drittschadensliquidation: Absender und Empfänger sind untereinander zur Geltendmachung des Drittschadens befugt, obwohl dem Geschädigten ein eigener vertraglicher Anspruch zu Verfügung steht62. Dies vermeidet die zum Teil vertretene Gegenansicht, nach der S. 2 lediglich eine gesetzliche Einziehungsermächtigung zugunsten des jeweils Nichtgeschädigten enthält63. Eine Drittschadensliquidation gemäß S. 3 kommt dann nur noch in Betracht, wenn der Schaden nicht dem Empfänger oder dem Absender, sondern einem Drittbeteiligten entstanden ist. Doch hat diese Lösung den Nachteil, dass je nach Person des Geschädigten zwischen der Geltendmachung als Rechtsinhaber und als Prozessstandschafter unterschieden werden muss, was der erstrebten Rationalisierung des frachtrechtlichen Haftungsprozesses zuwiderläuft64. Beiden Problemen entgeht man, wenn man die Gesamtgläubigerschaft entgegen der herrschenden Meinung nicht als Folge, sondern als Ursache der Doppellegitimation ansieht. Nicht eine gesetzlich zugelassene Drittschadensliquidation, sondern eine in § 421 Abs. 1 S. 2 HGB enthaltene gesetzliche Anordnung der Gesamtgläubigerschaft führt zu der konkurrierenden Berechtigung des nicht geschädigten Absenders oder Empfängers. Diese Lösung entspricht zugleich dem Zweck der Doppellegitimation. Diese dient zwar dem Gläubigerinteresse, indem Absender und Empfänger bei der Durchsetzung des Ersatzanspruchs nicht den Einwand mangelnder Aktivlegitimation fürchten müssen, der

61 Vgl. z. G. Oetker, JuS 2001, S. 839 f; Oetker/Paschke § 421 Rn. 12, 14; Canaris, Handelsrecht, § 31 Rn. 61; Koller, Transportrecht, § 421 HGB Rn. 14, 18, § 425 HGB Rn. 49; MüKoHGB/Czerwenka § 421 Rn. 21 ff; MüKoHGB/Herber § 425 Rn. 66, 71; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle § 421 Rn. 20, 24 f; Koller/Roth/Morck § 421 Rn. 1. I. E. für Gesamtgläubigerschaft auch Baumbach/Hopt/Merkt § 421 Rn. 2; Lettl, § 12 Rn. 167; Prütting/Wegen/Weidenreich/H.-F. Müller § 428 Rn. 2; Palandt/ Grüneberg § 428 Rn. 3. Ebenso BGH und Literatur zu Art. 13 Abs. 1 S. 2 CMR: BGH, NJW 1988, S. 3095 f; BGHZ 116, S. 15 ff, 20; NJW 1999, S. 1110 ff, 1112; NJW-RR 2006, S. 1544 ff, 1546; NJOZ 2009, S. 595 ff, 600; Koller, Transportrecht, Art. 13 CMR Rn. 8; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Boesche Art. 13 CMR Rn. 9; Piper, VersR 1988, S. 202 f. 62 Besonders kritisch insoweit Homann, JA 1999, S. 982 f. 63 So Becker, AcP 202, S. 736 ff, 742 ff, der daher nur „unechte“ Gesamtgläubigerschaft annimmt; S. Meier, AcP 205, S. 887 f, daher gegen Gesamtgläubigerschaft; Hübner, Rn. 998. 64 Vgl. Helm, in: Helm, Großkommentar HGB, § 429 Rn. 159; Koller, Transportrecht, § 425 HGB Rn. 49 m. Fn. 215 a. E.

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2. Kap.: Die Gesamtgläubigerschaft von der Rezeption bis zum BGB

zumal aufgrund der verkürzten Verjährungsfrist des § 439 Abs. 1 S. 1 HGB bei längerer Prozessführung durch die „falsche“ Partei zum faktischen Anspruchsverlust führen könnte65; mindestens in gleichem Maße ist sie aber auch im Interesse des Schuldners geboten, der das über die Gefahrtragung und mithin über die Schadenszuweisung bestimmende Innenverhältnis zwischen Absender und Empfänger nicht einsehen kann und daher im Falle einer Einzellegitimation Gefahr liefe, an einen Nichtberechtigten zu leisten66. Die Drittschadensliquidation ist diese Doppelfunktion zu erfassen nicht geeignet. Ihre Anwendung rechtfertigt sich allein aus dem Gläubigerschutz gegenüber einer unbilligen Entlastung des Schuldners, die hier nur bedingt zu besorgen ist. Ordnet aber § 117 SGB X Gesamtgläubigerschaft zu dem Zweck an, die Abwicklung zwischen Gläubiger und Schuldner in beider Interesse von Problemen des schwer feststellbaren Innenverhältnisses freizuhalten, so erscheint es sachgemäß, die Doppellegitimation des § 421 Abs. 1 S. 2 HGB aus demselben rechtlichen Gesichtspunkt zu erklären. Ein Unterschied gegenüber § 117 SGB X liegt hier freilich in dem Umstand, dass eine Gläubigermehrheit im materiellen Sinne nicht gegeben ist. Regelmäßig ist der Schaden und somit die Ersatzleistung im Verhältnis zwischen Absender und Empfänger nur einem allein zuzuweisen, so dass es sich bei der Mitberechtigung des anderen um eine rein formelle handelt, der es an einer materiellen Beteiligung als Anknüpfungspunkt fehlt. Insoweit ließe sich an der Erklärung des § 421 Abs. 1 S. 2 HGB als gesetzliche Anordnung der Gesamtgläubigerschaft zweifeln, wenn man das Vorliegen einer materiellen Gläubigermehrheit zur begriffsnotwendigen Voraussetzung ihrer Entstehung machte. Anders als Teil- und Mitgläubigerschaft unterliegt die Gesamtgläubigerschaft nach Wesen und Funktion aber keiner solchen Beschränkung. Sie vermittelt den Vorteil der erleichterten Abwicklung gerade durch die Begründung überschießender Berechtigungen und die damit verbundene Verdeckung des Innenverhältnisses. Dies schließt ein, dass der Außenbeteiligung eines Gläubigers gegebenenfalls auch gar keine Innenbeteiligung entsprechen kann. Für die Annahme vertraglicher Gesamtgläubigerschaft ist es denn auch zweifellos unschädlich, wenn ein Gläubiger wie im historischen Fall des adstipulator lediglich als Vertreter fungiert67; eine gesetzliche Gesamtgläubigerschaft dieser Art dagegen nicht zuzulassen, besteht kein Grund. Zur Verdeutlichung der Konstruktion lohnt dabei doch wieder der vergleichende Blick auf § 117 SGB X: Dort wirkt die Gesamtgläubigerschaft insoweit forderungsbegründend, als sie zugunsten jedes Sozialversicherungsträgers eine Legitimation erzeugt, die unter Umständen nicht nur über seinen Anteil am übergangenen Schadensersatzanspruch, sondern auch über die von ihm zu erbrin65 Vgl. die Regierungsbegründung, BT-Drucks. 13/8445, S. 55; BR-Drucks. 368/97, S. 54. 66 Vgl. Oetker, JuS 2001, S. 839; Becker, AcP 202, S. 738 f; S. Meier, AcP 205, S. 886 f. 67 So auch im heutigen Recht denkbar etwa im Rahmen eines Treuhandverhältnisses.

I. Praktische Bedeutung und Kodifikation

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gende Einzelversicherungsleistung hinausgeht und somit den tatbestandlichen Umfang des Anspruchsübergangs nach § 116 SGB X übersteigt. In derselben Weise begründet die Gesamtgläubigerschaft in § 421 Abs. 1 S. 2 HGB eine ausschließlich formelle Legitimation zugunsten des Nichtgeschädigten, die eines anderen Anspruchsgrunds, sei es in Form eines eigenen Schadens, sei es in Form der Drittschadensliquidation, nicht bedarf. c) Folgerungen: Die moderne Funktion der Gesamtgläubigerschaft Unter dem Eindruck der vorstehenden Entwicklungen hat sich die Bewertung der Gesamtgläubigerschaft in ihrer Bedeutung für Schuldner- und Gläubigerinteressen heute im Sinne der französischen Lehre gewandelt. Der von der Gemeinrechtslehre und vom Gesetzgeber zugrunde gelegte Gläubigervorteil der erleichterten Rechtsverfolgung gilt allenfalls noch als untergeordneter Zweck68 und man beschreibt die Gesamtgläubigerschaft in erster Linie als Herabsetzung der Gläubigerinteressen zugunsten des Schuldnerinteresses an der leichteren Erfüllung69. Der charakteristische Gläubigernachteil wird dabei gemeinhin mit dem „Verteilungsrisiko“ benannt, der dadurch „erkaufte“ 70, zentrale Schuldnervorteil mit dessen Möglichkeit, die ganze Leistung befreiend an einen beliebigen Gläubiger zu erbringen, ohne auf das Innenverhältnis Rücksicht nehmen zu müssen. Diese umgekehrte Akzentuierung der Primärfolgen ist im Umfeld des modernen Privatrechts und insbesondere für das heutige Recht unter dem BGB aus zwei Gründen sachgemäß: Zum einen ist von Bedeutung, dass sich das Modell einer gemeinschaftlichen Forderungszuständigkeit, zumal in Gestalt des § 432 BGB, von seiner ursprünglichen Aushilfsfunktion emanzipiert hat und als gleichermaßen zugängliche Mitberechtigungsform neben Teil- und Gesamtgläubigerschaft getreten ist. Konnte die Gemeinrechtslehre von einer historisch-idealisierenden Warte als prägenden Vorteil der Gesamtgläubigerschaft noch die dort im Gegensatz zur Teilgläubigerschaft mögliche einheitliche und ungeteilte Geltendmachung und Abwicklung des Schuldverhältnisses benennen, steht heute für diesen Zweck auch die Mitgläubigerschaft bereit, die den Vorteil der Ungeteiltheit auch ohne Preisgabe des 68 Im Sinne der gemeinrechtlichen Lehre noch Planck/Siber § 428 Anm. 1; Heck, S. 236; Leonhard, S. 714; Enneccerus/Lehmann, S. 364. In der neueren Literatur heben die Erleichterung der Rechtsverfolgung als potentiellen Zweck neben der Schuldnerbegünstigung hervor Rütten, S. 147; Erman/Ehmann § 428 Rn. 2. 69 So bereits Esser, Schuldrecht (1960), S. 443 f; ferner Weitnauer, FS Hauß, S. 391; Medicus, JuS 1980, S. 698; RGRK/Weber § 428 Rn. 1; Larenz, Schuldrecht AT, S. 567; Selb, Mehrheiten S. 244 f; Looschelders, Rn. 1183; Medicus/Lorenz, Bd. 1, Rn. 832; Hirsch, Rn. 1312; MüKo/Bydlinsky § 428 Rn. 3 f; Harke, Allgemeines Schuldrecht, Rn. 465; Staudinger/Noack § 428 Rn. 9, 13; Staudinger12 /Kaduk § 428 Rn. 1; Erman/ Ehmann § 428 Rn. 2, § 429 Rn. 1. 70 So die Formulierung von Medicus, JuS 1980, S. 698.

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2. Kap.: Die Gesamtgläubigerschaft von der Rezeption bis zum BGB

Gleichlaufs von Innenbeteiligung und Außenlegitimation zu gewähren vermag71. Indem § 432 Abs. 1 den Gläubigern zugleich die Freiheit belässt, auch einzeln zur Durchsetzung des gemeinsamen Rechts zu schreiten, hebt sich die Gesamtgläubigerschaft demgegenüber nur noch durch die größere Bequemlichkeit für den Schuldner ab, zur befreienden Leistung nicht auf die Empfangsbereitschaft sämtlicher Gläubiger angewiesen zu sein. Doch auch wo Gläubigermehrheiten zum Zwecke der erleichterten Verwaltung und Verwertung des Schuldverhältnisses Einzellegitimationen begründen wollen, stellt ihnen das geltende Recht überlegene Instrumente zu Verfügung72. Mittels Stellvertretung und Ermächtigung ist es Gläubigern möglich, den Effekt der Gesamtgläubigerschaft zu jeder Zeit auch einseitig und ohne Verfestigung im Außenverhältnis herbeizuführen, so dass die Gesamtgläubigerschaft als unnötige Beschneidung ihrer Gestaltungsfreiheit erscheinen muss. Nur der Schuldner hat hingegen ein Interesse daran, dass zu seinem Vorteil begründete Einzelzuständigkeiten der Gläubigerdisposition entzogen sind, und mithin gerade ein Interesse an der Begründung von Gesamtgläubigerschaft. Setzt sich dieses Interesse im vertraglichen Bereich aber kaum einmal durch, da dort als flexiblere und für die Gläubiger mildere Alternative die unwiderrufliche Einräumung von Vertretungsbefugnissen offensteht, ist es unabwendbar bei Gläubigermehrheiten nichtrechtsgeschäftlichen Ursprungs, zu deren Ausgestaltung das Recht an die gesetzlich vorgeformten Typen der Gläubigermehrheit gebunden ist. Damit stehen die zuletzt betrachteten Fälle der §§ 117 SGB X und 421 Abs. 1 S. 2 HGB exemplarisch für die schmale legitime Kernfunktion, die der Gesamtgläubigerschaft im System des modernen Privatrechts verbleibt: Sie kommt hauptsächlich zum Einsatz, wo die besondere Interessenlage einer Gläubigermehrheit ihre objektivrechtliche Ausgestaltung als Doppellegitimation verlangt73. Als vorrangiger Aus71 Die Konkurrenz zur gemeinschaftlichen Forderung betont nachdrücklich Harke, Allgemeines Schuldrecht, Rn. 465 f, der deren Existenz gar als alleinigen Grund für den Bedeutungsschwund der Gesamtgläubigerschaft im neuzeitlichen Privatrecht anführt. Abgesehen vom Sonderfall des ALR stellt sich das Vordringen der Forderungsgemeinschaft jedoch wesentlich als Entwicklung des vergangenen Jahrhunderts dar (vgl. bereits o. 2. Kap. Fn. 39): Noch der Code Civil (Art. 1197 ff, 1222), das Sächsische BGB (§§ 1019 ff, 1037) und das schweizerische Obligationenrecht von 1881 (Art. 79, 169 f) kannten keine Form der gemeinschaftlichen Forderungszuständigkeit, während sie im ABGB (§ 890) und im schweizerischen Obligationenrecht von 1911 (Art. 70) ebenso wie im BGB ursprünglich nur als Aushilfskonstruktion für den Fall der Unteilbarkeit vorgesehen war. Anders dagegen nunmehr die Grundregeln des europäischen Vertragsrechts, wo die gemeinschaftliche Gläubigerschaft ohne Beschränkung auf unteilbare Leistungen neben Teil- und Gesamtgläubigerschaft geregelt ist, vgl. Art. 10:201 ff PECL. 72 Vgl. auch MüKo3 /Selb § 428 Rn. 1: „Zur vertraglichen Begründung besteht eigentlich kaum ein Anlass für Gläubiger, da sich die gemeinsame Einziehung durch einen Gläubiger auch für Teilforderungen regeln lässt.“ 73 Anders S. Meier, AcP 205, S. 885, die selbst gegen die Gesamtgläubigerschaft des § 117 SGB X einwendet, dass man es auch bei Teilforderungen belassen und stattdessen

II. Die Wirkung von Tatsachen

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löser hat dabei das Schuldnerinteresse an der erleichterten Erfüllung zu gelten, da sich die Gläubiger die Vorzüge einer Doppellegitimation notfalls auch selbständig zu verschaffen in der Lage sind, so in den Fällen der §§ 117 SGB X und 421 Abs. 1 S. 2 HGB, indem sie Zweifeln über die Aktivlegitimation auch durch hilfsweise Einziehungsermächtigung oder Abtretung begegnen könnten. Doch darf die gläubigerbegünstigende Funktion der Gesamtgläubigerschaft daneben nicht völlig in Vergessenheit geraten. Sie ist in beiden der betrachteten Modellfälle mitbestimmend. Nur ist der erzeugte Vorteil in der Rechtsverfolgung heute weniger ein tatsächlicher, durch Stellvertretung vermittelter, als häufiger ein rechtlich-prozessualer, in Form der Ausräumung des Einwands mangelnder Aktivlegitimation.

II. Die Wirkung von Tatsachen 1. Erfüllungssurrogate und Verfügungen Der Blick in die Quellen hat gezeigt, dass die römischen rei stipulandi ihre Funktion als Gestaltung zur Übertragung von schuldrechtlichen Ausübungsbefugnissen nicht nur in Bezug auf die Geltendmachung der Forderung und Erfüllungsannahme, sondern jedenfalls nach dem am Ende siegreichen Konzept von Ven. D. 46, 2, 31, 1 auch für andere Verfügungen über das Forderungsrecht erfüllten: Infolge der Rechtssätze zur acceptilatio, Novation und zum Erfüllungsversprechen konnte faktisch jeder einzelne Gesamtgläubiger in beliebiger Weise über das gesamte Schuldverhältnis disponieren. Der Konstruktion nach beruhte die Drittwirkung der Verfügungen aber nicht etwa auf dem dem klassischen Recht durchaus schon bekannten Gedanken der Ermächtigung als der durch formlose Zustimmung des Rechtsinhabers erteilten Rechtsmacht zur Verfügung über ein fremdes Recht74 – gerade die Unzulänglichkeit einer solchen Gestaltung bei förmlichen, höchstpersönlichen Rechtshandlungen bildete ja den historischen Ausgangspunkt der obligatorischen Gesamtberechtigung; vielmehr ergab sich die Drittwirkung maßgeblich aus der Gesamtwirkung der betreffenden Verfügungsakte im Zusammenspiel mit der den Gesamtgläubigern aufgrund ihrer vollen obligatorischen Berechtigung zugewiesenen Einzelzuständigkeit. Dies hat sich vor allem beim pactum de non petendo gezeigt75. Dort fehlte es an einem in der Verfügung selbst liegenden Anknüpfungspunkt für eine Gesamtwirkung, weshalb es auch für die rei stipulandi bei der Einzelwirkung blieb. Nicht die Rechtsstellung der Gläubiger als solche und eine in dieser angelegte Rechtsmacht, sondern „eine gesetzliche gegenseitige Einziehungsermächtigung, verbunden mit dem Recht des Schuldners, sich durch Leistung an einen zu befreien“, hätte vorsehen können. Allein, eine solche Rechtsfigur hält das BGB de lege lata nicht bereit. 74 Vgl. dazu Kaser, Bd. 1, S. 265, 267 m.w. N. 75 s. o. 1. Kap. III. 1. e).

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2. Kap.: Die Gesamtgläubigerschaft von der Rezeption bis zum BGB

die Besonderheiten der Verfügungsgeschäfte erscheinen insoweit als primärer Auslöser der den rei stipulandi zukommenden Alleinverfügungsmacht. Nach eben diesen beiden tauglichen Anknüpfungspunkten für die Alleinverfügungsbefugnisse lassen sich die verschiedenen dogmatischen Konzepte einteilen, die die neuzeitliche Privatrechtslehre zur näheren Bestimmung der Rechtsstellung der Gesamtgläubiger hervorbrachte: Zum einen Teil wird dort die Frage, ob die von einem Gesamtgläubiger vorgenommene Verfügung oder der in seiner Person eingetretene Aufhebungsgrund auch das Recht des Mitgläubigers erfasst, primär aus der Rechtsnatur des betreffenden Rechtsakts beantwortet, eine etwaige Gesamtwirkung also vor allem aus der gesamtaufhebenden Wirkung des Verfügungsgeschäfts erklärt; zum anderen Teil wird der Grund für Gesamtwirkungen in die Rechtsstellung der Gläubiger und eine ihr innewohnende Vertretungs- oder Verfügungsmacht verlegt, so dass die Rechtsnatur der Aufhebungsakte in den Hintergrund tritt. Die erste Lösung ist – entsprechend dem Erscheinungsbild der römischen Quellen – der Grundansatz der Gemeinrechtslehre, der dort freilich die Lehre von den Gesamtobligationen überhaupt prägte und den sich auch die deutschen Kodifikationen und Entwürfe des 19. Jahrhunderts einschließlich des BGB zum Vorbild nahmen; die zweite Lösung findet sich hauptsächlich – aber nicht nur – im französischen Recht, das insoweit maßgeblich auf naturrechtlichen Einflüssen beruht. a) Das gemeinrechtliche Konzept aa) Grundlegendes: Einheits- und Mehrheitsprinzip Die Gemeinrechtslehre bestimmte die Einzel- oder Gesamtwirkung von Verfügungen und anderen Tatsachen üblicherweise aus der Rechtsnatur der betreffenden Tatsache in ihrer Beziehung auf das zugrunde gelegte rechtliche Wesen der Gesamtobligation. Hinsichtlich des Wesens der Gesamtobligation bildeten sich dabei in der deutschen Privatrechtslehre des 19. Jahrhunderts hauptsächlich zwei gegensätzliche Auffassungen heraus: Die um die Mitte des Jahrhunderts herrschende und auch von Savigny76 und Windscheid 77 vertretene Einheitstheorie ging davon aus, dass es sich bei den rechtsgeschäftlich, also durch Vertrag und Testament begründeten „Korrealobligationen“ 78 um eine Obligation mit mehreren subjektiven Beziehungen handele79. Schon in der früheren Gemeinrechts76

Obligationenrecht, Bd. 1, S. 138, 144, 180 f. Windscheid/Kipp, Bd. 2, S. 201 ff m. Fn. 1; KritÜb 6 (1859), S. 209 ff, insb. 232 f. 78 Der Terminus stammt von der in Ulp. D. 34, 3, 3, 3 verwendeten Bezeichnung conreus ab. 79 Diese Lehre wurde begründet von Georg Julius Ribbentrop und dessen Abhandlung „Zur Lehre von den Correal-Obligationen“ aus dem Jahre 1831, die insoweit an Friedrich Ludwig Kellers Monografie „Über Litis Contestation und Urtheil nach classi77

II. Die Wirkung von Tatsachen

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lehre herrschte aufgrund der Ausdrucksweise der Quellen, die in Bezug auf die rei promittendi und stipulandi bisweilen von una obligatio sprechen80, die Vorstellung, dass bei einer Gesamtobligation zwar in subjektiver Hinsicht mehrere, in objektiver Hinsicht aber gleichsam nur eine Obligation vorhanden sei81. Diesen Gedanken erhob die Pandektistik zum Rechtsprinzip. Als Gegenmodell dazu entwickelte sie das Bild einer Gesamtobligation mit mehreren Obligationen, die lediglich der Umstand miteinander verknüpfe, dass sie auf dieselbe Leistung oder – allgemeiner – auf denselben Zweck gerichtet seien82. Dieses Mehrheitsprinzip galt für die Einheitstheorie bei den von den Korrealobligationen unterschiedenen sog. bloßen Solidarobligationen, zu denen insbesondere Schadensersatzgesamtschulden und andere nichtrechtsgeschäftliche Fälle der Haftung in solidum gezählt wurden83. Ausgangspunkt dieser Unterscheidung waren bekanntlich die uneinheitlichen Quellenaussagen über die Wirkung der Litiskontestation, der man für das klassische Recht nur in den Korrealfällen und namentlich aufgrund der dort bestehenden Obligationseinheit, nicht aber in den bloßen Solidarfällen gesamtaufhebende Kraft zuerkannte84. Ab Mitte des 19. Jahrhunderts wurde das Einheitsprinzip zunehmend vom Mehrheitsprinzip verdrängt, indem immer größere Teile der Pandektenwissenschaft85 sowie die bedeutenderen der deutschen Kodifikationen und Entwürfe86 auch für die Korrealfälle zum Mehrheitsprinzip übergingen. schem Römischem Recht“ (1827), S. 442 ff anknüpfte. Weitere bedeutende Anhänger der Einheitstheorie waren etwa Vangerow, Bd. 3, S. 62 ff; Puchta, Pandekten, S. 357 ff; Arndts, Pandekten, S. 390 ff; ursprünglich auch Brinz, KrBl 4 (1853), S. 1 ff. 80 So insb. Ulp. D. 45, 2, 3, 1 a. E.: Utique enim cum una sit obligatio, una et summa est, ut, sive unus solvat, omnes liberentur, sive solvatur, ab altero liberatio contingat. 81 Vgl. etwa Lauterbach, n. 10 zu D. 45, 2, Bd. 3, S. 550: Hoc tamen speciale est, ut ratione Subjecti pluralitas, scil. in personis debendi diversae sint obligationes, & in correis stipulandi diversae stipulationes: ratione Objecti identitas aut unitas rei requiratur; & sicut objective numero una & eadem res, ita una & individua correorum est obligatio. Pothier, Bd. 1, Nr. 263 a. E.: L’obligation est une par rapport à son objet qui est la chose dûe; mais par rapport aux personnes qui l’ont contracteé, on peut dire qu’il y a autant d’obligations, qu’il y a de personnes obligeés. Glück, Bd. 4/2, S. 512. 82 Statt aller Windscheid/Kipp, Bd. 2, S. 199, 217. 83 Statt aller Windscheid/Kipp, Bd. 2, S. 220. 84 Zur Unrichtigkeit dieses Quellenverständnisses, das maßgeblich aus dem „Trümmerfeld“ der Quellenüberlieferung hervorging, das die Abschaffung der Konsumtionskonkurrenz durch Justinian hinterließ, Kaser, Bd. 1, S. 659; Zimmermann, S. 126 ff; auch bereits o. 1. Kap. Fn. 72. 85 Hier jedoch zunächst unter Beibehaltung der Keller-Ribbentrop’schen Zweigliederung: Etwa Dernburg, Pandekten, Bd. 2, S. 191, 194 f; Sintenis, Bd. 2, S. 125 ff m. Fn. 10; Kuntze, Obligation und Singularsukzession, S. 116 ff, 147 ff; ders., Obligationen, S. 153 ff; E. A. Seuffert, Bd. 2, S. 4 f Fn. 4 a. E.; Helmolt, insb. S. 174 f; Czyhlarz, GrünhZ 3 (1876), S. 64. Eine Übersicht der vielfältigen anderweitigen Ansätze zum Wesen der Korrealobligation gibt S. Meier in HKK-BGB §§ 420–432/I Rn. 45. 86 So unter gänzlicher Aufgabe der Unterscheidung zwischen Korreal- und bloßen Solidarobligationen der Dresdner Entwurf, vgl. Prot. DresdE, Bd. 2, S. 1455 f, das Sächsische BGB, dazu Pöschmann, in: Siebenhaar, Commentar zum SächsBGB, Bd. 2,

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2. Kap.: Die Gesamtgläubigerschaft von der Rezeption bis zum BGB

Bei der Wirkung von Tatsachen unterschied die Einheitstheorie folgerichtig danach, ob die Tatsache auf die Obligation als solche, also auf deren objektiven Bestand, einwirke, oder lediglich deren subjektive Beziehung betreffe. Ersterenfalls sollte die Tatsache Gesamtwirkung, letzterenfalls grundsätzlich Einzelwirkung haben87. Nach dem Mehrheitsprinzip konnten dagegen neben der Erfüllung prinzipiell nur solche Tatsachen Wirkung für sämtliche Einzelrechte entfalten, die der Erfüllung gleichzusetzen waren, insbesondere also deren rechtliche Surrogate88. bb) Materielle Aufhebungsgründe: Die Erfüllungsnatur als zentrales Kriterium Bei der Wirkung von Verfügungen und materiellen Aufhebungsgründen spielte die Frage nach Obligationeneinheit oder -mehrheit insgesamt nur eine untergeordnete Rolle. Dies gilt zuvorderst für die Befreiungsgründe der Annahme an Erfüllungs statt, Hinterlegung und vollzogenen Aufrechnung89, deren Wirkung auf Gesamtobligationen in den Quellen nicht behandelt wird90. Hier folgerte die Gemeinrechtslehre die gesamtaufhebende Wirkung für sämtliche Gesamtobligationen als selbstverständlich aus der erfüllungsgleichen Natur91. Ebenso erklärte man die Gesamtwirkung der Novation vornehmlich aus ihrem Erfüllungscharakter92. Als Grund ihrer Erlöschenswirkung wurde angesehen, dass der Gläubiger S. 186 f (zu § 1019 SächsBGB), und Franz Philipp v. Kübels Vorlageentwurf für das Obligationenrecht in Schubert, Vorentwürfe, Schuldrecht, Bd. 3, S. 1217 ff; vgl. die zugehörigen Motive, ebd. S. 1222 ff, insb. 1232. 87 Grundlegend Ribbentrop, S. 23 ff. 88 Statt aller Windscheid/Kipp, Bd. 2, S. 217 f. 89 Der Vollzug der Aufrechnung erfolgte nach herrschender pandektistischer Lehre durch Vertrag oder richterliches Urteil. Erst dann kam es zur Erfüllungswirkung. Die Möglichkeit einer einseitigen Aufrechnungserklärung erkannte die Pandektistik nicht an. Dazu HKK-BGB/Zimmermann §§ 387–396 Rn. 12 m.w. N. 90 Aufrechnung und Hinterlegung waren im klassischen Recht noch nicht als materielle Befreiungsgründe ausgestaltet, vgl. Kaser, Bd. 1, S. 639 f, 644 ff. 91 Dazu stellvertretend Fritz, ZCPr n. F. 19 (1862), S. 70 f: „Daß alle diese Tilgungsarten (i. e. datio in solutum, depositio iudicialis und compensatio, d. Verf.) auch bei Obligationen aus Correalstipulationen ganz die gleiche Wirkung haben wie die wirkliche Zahlung, liegt so sehr in der Natur der Sache, dass es noch nie bezweifelt wurde, obgleich dieser Punkt in den Quellen des gemeinen Rechts nirgends berührt wird.“ 92 Vgl. Windscheid/Kipp, Bd. 2, S. 208 Fn. 3; S. 504 Fn. 2; Fritz, ZCPr n. F. 19 (1862), S. 71 f; Savigny, Obligationenrecht, Bd. 1, S. 164 ff; Dernburg, Pandekten, Bd. 2, S. 164 ff, 201; Fitting, Correalobligationen, S. 48 ff; Wächter, Pandekten, Bd. 2, S. 315, 391 f; Kuntze, Obligation und Singularsukzession, S. 179 f, 187 f; ders, Obligationen, S. 159; Weibel, S. 37 f; Sintenis, Bd. 2, S. 456 m. Fn. 4; S. 132 m. Fn. 18; Arndts, Pandekten, S. 391 m. Fn. n; Siebenhaar, Correalobligationen, S. 347, 349; Last, S. 175. Zur Haltung der Pandektistik gegenüber der widersprechenden Paulusstelle D. 2, 14, 27pr. bereits o. 1. Kap. Fn. 99. Aus früherer Zeit: Bartolus, l. XVI n. 29 zu D. 45, 2, S. 179: (. . .) Sed in novatione distinguitur, cum novatio habeat vim solutionis, sicut

II. Die Wirkung von Tatsachen

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ähnlich wie bei einer datio in solutum anstelle der Leistung ein neues Forderungsrecht annehme, weshalb die Pandektistik die Novation neben der Annahme an Erfüllungs statt, Hinterlegung und Aufrechnung als echtes Erfüllungssurrogat qualifizierte93. Auch die gesamtaufhebende Wirkung der acceptilatio führte die Gemeinrechtslehre für das römische Recht überwiegend auf den Vergleich mit der Erfüllung zurück94. Die Pandektistik fasste die acceptilatio zumeist als vertragsmäßiges Empfangsbekenntnis auf, nach dem alles so gehalten werden sollte, als habe der Gläubiger die Leistung empfangen95, oder aber als „solemne Quittung“, bei der ein Gegenbeweis nicht zulässig gewesen sei96. Beides erklärte gleichermaßen, dass durch acceptilatio „solutionis exemplo“ das gesamte Schuldverhältnis ipso iure aufgehoben wurde. Die Rechtssätze zum pactum de non petendo ließen sich ohne weiteres in diesen Zusammenhang einfügen: Hier fehlte jegliche Ähnlichkeit zur solutio; entsprechend erfolgte die Befreiung nur ope exceptionis und grundsätzlich nur in Bezug auf das betreffende Einzelrecht. Soweit in den Quellen für den Fall einer zwischen Gesamtschuldnern bestehenden Sozietät oder im Verhältnis zwischen Hauptschuldner und Bürge Gesamtwirkung des pactum in rem angeordnet wird, führte man dies – in der Sache zutreffend97 – auf den Bilacceptilatio: (. . .); n. 30, S. 179: (. . .) Sive unus ex reis credendi delegaverit, sive unus ex reis debendi fuerit delegatus, dico idem per omnia, quod est in vera solutione, & acceptilatione: (. . .); ferner Cujaz, Recitationes solemnes, zu D. 2, 14, 27pr., Opera posthuma, Bd. 2, Sp. 73 lit. B, E; Sp. 74 lit. A; zu D. 12, 2, 28, Sp. 232 lit. A; Voet, n. 5 zu D. 45, 2, Bd. 2, S. 753 f; auch ders., n. 21 zu D. 12, 2, Bd. 1, S. 509. 93 Statt aller Windscheid/Kipp, Bd. 2, S. 208 Fn. 3, S. 504 Fn. 2; Savigny, Obligationenrecht, Bd. 1, S. 165. 94 Vgl. Cujaz a. a. O., zu D. 2, 14, 27pr., Sp. 72 lit. B, C; Sp. 73 lit. B; Frommann, n. 14, S. 30; Lauterbach, n. 16 zu D. 45, 2, Bd. 3, S. 552; Voet, n. 5 zu D. 45, 2, Bd. 2, S. 753 f; Pothier, Bd. 1, Nr. 260 a. E.; Fritz, ZCPr n. F. 19 (1862), S. 71; Windscheid/ Kipp, Bd. 2, S. 524 Fn. 5, S. 209 in Fn. 4; Fitting, AcP 52 (1869), S. 576; ders., Correalobligationen, S. 39 ff; Baron, Gesammtrechtsverhältnisse, S. 308 f, 311 ff; ders, Pandekten (1896), S. 451; Kuntze, Obligation und Singularsukzession, S. 178 f, 187 f; ders., Obligationen, S. 159; Sintenis, Bd. 2, S. 486 Fn. 2; Weibel, S. 39 f; Wächter, Pandekten, Bd. 2, S. 315, 429 f; Scheurl, Bd. 2/1, S. 24 ff; Siebenhaar, Correalobligationen, S. 347; Arndts, Pandekten, S. 391 m. Fn. n; Dernburg, Pandekten, Bd. 2, S. 201. Für die Keller-Ribbentrop’sche Einheitstheorie folgte die Gesamtwirkung von acceptilatio und Novation freilich weniger aus deren Erfüllungscharakter, sondern vielmehr daraus, dass ihre aufhebende Wirkung den objektiven Bestand der einheitlichen Obligation betreffe und nicht lediglich deren subjektive Beziehung, vgl. Ribbentrop, S. 23 f, 268 ff. Vor allem Windscheid, eigens Anhänger der Einheitstheorie, löste sich aber ausdrücklich von dieser Anschauung. Für beide Aufhebungsgründe stellte er sich auf den Standpunkt, dass sich die Gesamtwirkung auch aus ihrer Erfüllungsnatur erklären lasse, weshalb sie einen „Beweis“ für die Obligationeneinheit nicht enthalte, vgl. Windscheid/ Kipp, Bd. 2, S. 208 Fn. 3; S. 209 in Fn. 4. Auch bei Savigny a. a. O., S. 164 ff, 170 ff verlautet insoweit von der Obligationeneinheit nichts. 95 Statt vieler Windscheid/Kipp, Bd. 2, S. 524 Fn. 5 m.w. N. 96 Etwa Fitting, Correalobligationen, S. 39 ff, insb. 42. 97 Vgl. o. 1. Kap. III. 1. e).

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2. Kap.: Die Gesamtgläubigerschaft von der Rezeption bis zum BGB

ligkeitsaspekt zurück, dass der Regressanspruch gegen den Befreiten das pactum andernfalls wirkungslos gemacht hätte98. Denselben Gedanken hielten manche unter Verweis auf Paul. D. 4, 8, 34pr.99 auch bei den rei stipulandi für einschlägig: Bei in Gesellschaft stehenden Gläubigern sei angesichts des bestehenden Ausgleichsanspruchs das Fordern des einen zugleich das Fordern des anderen, weshalb das pactum in rem auch dort Gesamtwirkung haben müsse100. cc) Der gemeinrechtliche Erlassvertrag Für den Erlass nach gemeinem Recht stellte sich jedoch ein besonderes Problem: Die unterschiedlichen Geschäftsformen der acceptilatio und des pactum de non petendo waren maßgeblich aus der Struktur des römischen Schuldrechts hervorgegangen, das lediglich einen abschließenden Katalog an verpflichtenden und verfügenden Geschäften vorsah, während solche Vereinbarungen, die nach Inhalt und Form keinem dieser Geschäftstypen entsprachen, allenfalls exceptiones erzeugen konnten101. Speziell bei aufhebenden Verfügungen neigten die Römer dabei zu einem Symmetriegedanken, nach dem die Aufhebung einer Forderung in derselben Form zu erfolgen hatte wie deren Begründung102. Deshalb bedürfte die ipso iure-Aufhebung von Stipulationsforderungen der besonderen Form der acceptilatio, während das formlose pactum de non petendo grundsätzlich nur zur Klagehemmung führte. In der Pandektistik hatte sich die Lage jedoch geändert. Die Geschäftsformen des römischen Rechts waren weggefallen, formlose pacta generell klagbar geworden und es hatte sich daher die Auffassung etabliert, dass auch für die Aufhebung eines Schuldverhältnisses nunmehr die formlose Abrede

98 Vgl. z. G. Vangerow, Bd. 3, S. 93 ff; Savigny, Obligationenrecht, Bd. 1, S. 172 ff; Fitting, Correalobligationen, S. 93 ff; Sintenis, Bd. 2, S. 132 ff Fn. 19; Goeschen, Bd. 2/2, S. 231 ff; Fritz, ZCPr n. F. 19 (1862), S. 89; Weibel, S. 40 f; Kuntze, Obligation und Singularsukzession, S. 195; Brinz, Bd. 2/1, S. 174; Arndts, KritÜb 2 (1855), S. 155 f; Mühlenbruch, Bd. 2, S. 515 f; Dernburg, Pandekten, Bd. 2, S. 201 f; Wächter, Pandekten, Bd. 2, S. 316, 429; Binder, S. 184 ff, insb. 190; 408 ff. Aus früherer Zeit etwa Bartolus, l. XVI n. 22 ff zu D. 45, 2, S. 178, insb. n. 25: Sed quaero, quae est ratio diversitatis inter pactum & acceptilationem? Ratio patet: quia acceptilatio vim solutionis habet. Cujaz a. a. O., zu D. 2, 14, 27pr., Sp. 74 lit. A; zu D. 2, 14, 25, Sp. 69 lit. A; Lauterbach, n. 17 zu D. 45, 2, Bd. 3, S. 553; n. 27, S. 558 f; Voet, n. 5 zu D. 45, 2, Bd. 2, S. 754. A. A. aber Windscheid/Kipp, Bd. 2, S. 208 f Fn. 4: Das pactum in rem habe nach Paul./Ulp. D. 2, 14, 25, 2; 26 bei der Gesamtschuld stets Gesamtwirkung. 99 Dazu bereits o. Fn. 128. 100 So Windscheid/Kipp, Bd. 2, S. 208 Fn. 4; Baron, Gesammtrechtsverhältnisse, S. 299. Die Einzelwirkung in Paul. D. 2, 14, 27pr. wurde dabei nur auf rei stipulandi non socii bezogen (s. aber o. Fn. 128). Vgl. auch Glück, Bd. 4/2, S. 520 f m.w. N. zur früheren Gemeinrechtslehre. 101 Ulp. D. 2, 14, 7, 4: Igitur nuda pactio obligationem non parit, sed parit exceptionem. 102 Ulp. D. 50, 17, 35: Nihil tam naturale est quam eo genere quidque dissolvere, quo colligatum est. Dazu HKK-BGB/Kleinschmidt § 397 Rn. 8 f m.w. N.

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der Parteien genügte103. Für die Gesamtobligationen galt es jedoch zu klären, ob der damit geschaffene gemeinrechtliche Erlassvertrag insoweit den Regeln der acceptilatio oder des pactum zu unterwerfen war. Vor allem nach Vangerow104 galten im gemeinen Recht ausschließlich die Regeln des pactum de non petendo fort. Für ihn handelte es sich bei der acceptilatio um eine dem gemeinen Recht gänzlich fremde Geschäftsform, deren gesamtaufhebende Wirkung allein aufgrund ihrer mangelnden Vertragsnatur möglich war. Die beschränkte Wirkung des pactum führte er dagegen auf das allgemeingültige Prinzip zurück, dass Verträge ihre Wirkungen nur zwischen den Vertragsparteien entfalten, was gleichermaßen für den gemeinrechtlichen Erlassvertrag anzunehmen sei105. Weit überwiegend war man jedoch der Ansicht, dass auch ein objektiver Erlass, wie er einst durch acceptilatio bewirkt worden sei, nach dem Fortfall der römischen Formerfordernisse durch einfachen Vertrag möglich sein müsse, wenn nur der Wille der Parteien dahin gehe, das gesamte Schuldverhältnis aufzuheben. Die Wirkung des pactum de non petendo sollte dagegen eintreten, wenn der Gläubiger lediglich einen Verzicht auf das Einzelrecht beabsichtigte106. Mit Blick auf das gemeinrechtliche Konzept, das die Gesamtwirkungen in den Gesamtobligationen vor allem auf die Rechtsnatur der Verfügungsakte zurückführte, war dieser Standpunkt freilich nicht unproblematisch. Ließ sich die objektive Wirkung der acceptilatio nämlich noch aus ihrer Erfüllungsnatur erklären, fehlte beim Erlassvertrag ein derartiger Anknüpfungspunkt. Windscheid 107 berief sich daher ausdrücklich auf die Einheit der Korrealobligation, während andere einen Gesamterlass auch im geltenden Recht nur in Form eines Quittungsvertrages zulassen wollten, bei dem der Gläubiger erklärte, dass er die Schuld als bezahlt gelten lasse108. Ein großer Teil der Pandektenlehre ging jedoch über dieses Problem 103 Zu dieser Entwicklung und zur Entwicklung des Vertragsprinzips HKK-BGB/ Kleinschmidt § 397 Rn. 10 ff m.w. N. 104 Bd. 3, S. 96 f, 382 f; auch Büchel, Bd. 2, S. 45 ff; Holzschuher, Bd. 3, S. 127 f. 105 Insoweit erachtete Vangerow, Bd. 3, S. 383 dieses Ergebnis als unabhängig von der darüber hinaus diskutierten Streitfrage, ob ein pactum de non petendo auch im gemeinen Recht lediglich ope exceptionis wirke oder die Forderung – wie einst nur die acceptilatio – ipso iure aufhebe. Zu diesem Streit HKK-BGB/Kleinschmidt § 397 Rn. 11 m.w. N. 106 Vgl. Windscheid/Kipp, Bd. 2, S. 208 f m. Fn. 4, 525 f Fn. 9; Sintenis, Bd. 2, S. 132 ff Fn. 20, S. 486 Fn. 2, S. 488; Arndts, Pandekten, S. 518, 519 ff Anm. 1; ders., KritÜb 2 (1855), S. 155 f; Scheurl, Bd. 2/1, S. 24 ff; Fritz, Erläuterungen, Bd. 3, S. 421; Fitting, AcP 52 (1869), S. 577; Wening-Ingelheim, Bd. 2, S. 166; Unger, Bd. 2, S. 206 Fn. 17; Baron, Gesammtrechtsverhältnisse, S. 385; Bähr, S. 178; E. A. Seuffert, Bd. 2, S. 150 f m. Fn. 4; Savigny, Obligationenrecht, Bd. 1, S. 178; Siebenhaar, Correalobligationen, S. 388 f; Wendt, S. 509 m. Fn. 1; Wächter, Pandekten, Bd. 2, S. 430; Dernburg, Pandekten, Bd. 2, S. 201 f; Brinz, Bd. 2/1, S. 457 f. Dafür, dass der gemeinrechtliche Erlassvertrag generell gleich der acceptilatio wirken müsse, ferner Girtanner, Bürgschaft, Bd. 2, S. 481 f; Goeschen, Bd. 2/2, S. 233 f. 107 Windscheid/Kipp, Bd. 2, S. 209 in Fn. 4. 108 So etwa Dernburg a. a. O.; Wächter a. a. O., S. 315, 430; Siebenhaar a. a. O.

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hinweg: Die Rechtssätze zur Wirkung der acceptilatio in der Gesamtobligation wurden schlicht auf den gemeinrechtlichen Erlassvertrag übertragen, wenngleich dieser deren Charakter als Erfüllungssurrogat abgelegt hatte. dd) Die Wirkung der Abtretung Eine weitere rechtliche Neuschöpfung, die es für die Gemeinrechtslehre in das System der Gesamtobligationen einzuarbeiten galt, war die Abtretung. Dem römischen Recht, das die obligatio als höchstpersönliches Band zwischen Gläubiger und Schuldner auffasste, war eine regelrechte Übertragung von Forderungen bei Wahrung der Rechtsidentität fremd109. Erst in der mittelalterlichen und neuzeitlichen Jurisprudenz und insbesondere unter dem Einfluss der Naturrechtslehre gelangte man zu einem Verständnis der Obligation als von seinen Subjekten abstrahierbarer, dem Eigentum ähnlicher Vermögensgegenstand und auf diesem Wege zum Institut der Abtretung im heutigen Sinne110. Bei der Frage nach der Wirkung der Abtretung in der Gesamtgläubigerschaft musste Gesamtwirkung ausgehend vom gemeinrechtlichen Grundkonzept ausscheiden. Der Vergleich mit der solutio lag hier fern, kam der Mechanismus der Abtretung anders als der der funktionsäquivalenten Aktivlegitimation doch gerade ohne Erlöschen der Altforderung aus. Für gewöhnlich nahm man daher Einzelwirkung der Abtretung an: Zwar könne ein Korrealgläubiger sein eigenes Recht ohne Zustimmung der übrigen Gläubiger auf einen Dritten übertragen; gemäß dem Satz nemo plus iuris ad alium transferre potest, quam ipse haberet111 blieben die Rechte der Mitgläubiger davon aber unberührt112. ee) Die deutschen Regelwerke des 19. Jahrhunderts Die deutschen Regelwerke des 19. Jahrhunderts übernahmen gemeinsam mit dem gemeinrechtlichen Grundkonzept einheitlich die gesamtaufhebende Wirkung von Erfüllungssurrogaten wie Aufrechnung113 und Novation114. Hinsicht-

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Vgl. bereits o. 1. Kap. bei Fn. 5 und Fn. 47. Zur Entwicklung HKK-BGB/Hattenhauer §§ 398–413 Rn. 7 ff; Harke, Römisches Recht, § 6 Rn. 19 ff. 111 Ulp. D. 50, 17, 54. 112 So Fritz, ZCPr n. F. 19 (1862), S. 63 f; Attenhofer, ZSR n. F. 4 (1885), S. 216; Siebenhaar, Correalobligationen, S. 387; auch bereits Frommann, n. 14, S. 32. Übereinstimmend für das österreichische Recht Mages, S. 139; Hasenöhrl, Bd. 1, S. 140, 154. 113 BayE von 1861, Art. 231 Abs. 3; § 1027 S. 2 SächsBGB; Art. 373 DresdE; auch § 13 des Kübel’schen Vorlageentwurfs (o. Fn. 86). Ebenso für das ABGB Mages, S. 128; Hasenöhrl, Bd. 1, S. 146. 114 HessE IV 1, Art. 328; BayE von 1861, Art. 231 Abs. 3; § 1028 SächsBGB; Art. 381 DresdE; für das ABGB Mages, S. 126; Hasenöhrl, S. 149. 110

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lich des Erlassvertrags erlag man jedoch zumindest bei der Gesamtgläubigerschaft nicht der dogmatischen Inkonsequenz der Pandektistik. Der Dresdner Entwurf115 und das Sächsische BGB116 leiteten aus dem dort zugrunde gelegten Mehrheitsprinzip117 generelle Einzelwirkung des Erlasses ab, während die von der Einheitsidee geprägten118 bayerischen und hessischen Entwürfe insoweit zwischen Gesamtschuld und Gesamtgläubigerschaft differenzierten: Sollte es bei jener je nach Parteiwillen zum Gesamt- oder Einzelerlass kommen, wobei auch letzterer zum Schutze des begünstigten Schuldners eine beschränkte Gesamtwirkung in Höhe des von diesem nach dem Innenverhältnis zu tragenden Anteils entfaltete119, war für den Erlass eines Gesamtgläubigers allenfalls beschränkte Gesamtwirkung vorgesehen: Die Rechte der übrigen Gesamtgläubiger sollten grundsätzlich fortbestehen, der Schuldner jedoch berechtigt sein, den Erlass in Höhe eines etwaigen Ausgleichsanspruchs des erlassenden Gläubigers auch ihnen gegenüber geltend zu machen120. Dabei wurde für das Prinzip der Einzelwirkung geltend gemacht, dass der einzelne Gesamtgläubiger über die Rechte der Übrigen keine Verfügungsmacht besitze121, während die beschränkte Gesamtwirkung im Fall eines Ausgleichsanspruchs aus der schon von der Gemeinrechtslehre vorgenommenen Umkehrung des bei der Gesamtschuld verwirklichten Effektivitätsgedankens122 resultierte: Schützte die beschränkte Gesamtwirkung den Gesamtschuldner vor einer Aushöhlung des ihm gewährten Einzelerlasses durch den Innenregress, sollte es dem remittierenden Gesamtgläubiger auf diese Weise verwehrt werden, auf dem indirekten Weg des Innenausgleichs das zu empfangen, was er vorher auf direktem Wege aufgegeben habe123.

115 Art. 383; dazu Prot. DresdE, Bd. 2, S. 1458. Doch war dort neben dem Erlass ein Quittungsvertrag vorgesehen, der gleich der Erfüllung befreien sollte, vgl. Art. 342. 116 § 1030; dazu Pöschmann, in: Siebenhaar, Commentar zum SächsBGB, Bd. 2, S. 190. Vgl. auch § 14 S. 1 des v. Kübel’schen Vorlageentwurfs (o. Fn. 86); dort jedoch anders für die Gesamtschuld, bei der auch ein Gesamterlass in Betracht kommt (S. 2). 117 s. bereits o. 2. Kap. Fn. 86. 118 Objektiv eine Obligation, subjektiv mehrere: Motive HessE, Bd. 4/1, S. 20 ff; Motive BayE, S. 420. 119 HessE IV 1, Art. 346; BayE von 1861, Art. 232. 120 HessE IV 1, Art. 347; BayE von 1861, Art. 233. 121 Motive HessE, Bd. 4/1, S. 174: Ein Gesamtgläubiger kann „nicht die Rechte der übrigen vergeben“; Motive BayE, S. 118: Der Erlass eines Gesamtgläubigers kann „den Rechten der übrigen nicht präjudizieren“. Ebenso für das ABGB Mages, S. 130 f; Hasenöhrl, Bd. 1, S. 154 f. 122 Vgl. o. 1. Kap. Fn. 129 und 2. Kap. bei Fn. 98 ff. 123 Motive HessE, Bd. 4/1, S. 174; Motive BayE, S. 118. Anders als S. Meier in HKK-BGB §§ 420–432/II Rn. 16 suggeriert, ist der der beschränkten Gesamtwirkung zugrunde liegende Gedanke hier somit ein anderer als beim französischen Vertretungsmodell (Art. 1198 Abs. 2 CC), das zu diesem Ergebnis gelangt, indem es von der Alleinverfügungsmacht eines jeden Gesamtgläubigers über seinen materiellen Innenanteil ausgeht. Näher dazu im Folgenden.

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b) Alternativkonzepte Das gedankliche Gegenmodell zum gemeinrechtlichen Grundkonzept bildet es, Gesamtwirkungen nicht maßgeblich aus der Rechtsnatur der Aufhebungs- und Verfügungstatbestände, sondern aus der Rechtsstellung der Gesamtgläubiger als solcher und einer ihr innewohnenden Verfügungsmacht herzuleiten. Dieser Grundansatz ist im Code Civil verwirklicht, der der Gesamtgläubigerschaft den Gedanken der Stellvertretung zugrunde legt und damit vor allem Einflüsse der Naturrechtslehre zur Entfaltung brachte. aa) Einflüsse der Naturrechtslehre: Wolff und Domat Gegenüber dem formalen Ansatz des römischen Rechts, das den Regelungsgehalt der Gesamtobligationen strikt auf das Außenverhältnis beschränkte und daher von ihrer grundsätzlichen Regresslosigkeit ausging124, stellten die Naturrechtler Christian Wolff und Jean Domat in den Vordergrund, dass die von mehreren Gesamtgläubigern jeweils einzeln zu fordernde Leistung materiell doch allen gemeinsam zustehe. Bei Wolff findet sich dieser Gedanke in der Beschreibung des Verhältnisses ausdrücklich formuliert: Quodsi in solidum singulis tenetur, unicuique eorum, quibus promissio facta est, totum dare tenetur, quod omnibus conjunctim dandum erat125.

Bei Domat tritt er in dem Hinweis hervor, dass die Gesamtgläubigerschaft zwar jedem Gläubiger das Recht gebe, die Leistung einzeln zu fordern und zu empfangen, nicht aber, sie sich unter Ausschluss der Übrigen anzueignen: La solidité entre plusieurs créanciers n’a pas cet effet que chacun d’eux puisse se rendre propre la dette entiere, & en priver les autres; mais elle consiste seulement en ce que chacun a droit de demander & rececvoir le tout, & le débiteur demeure quitte envers tous, payant à un seul126.

Wolff gelangt auf diesem Wege zu einer allgemeinen Ausgleichspflicht des die gesamte Leistung empfangenden Gläubigers. Werde ihm nämlich das gegeben, was an sich nur allen gemeinsam und folglich jedem zu einem Teil geschuldet sei, gehe das Eigentum nicht nur auf ihn, sondern auf sämtliche Gläubiger über; weswegen nicht zu bezweifeln sei, dass er, nachdem er in Empfang genommen habe, was den Übrigen zustehe, diesen auf ihre Anteile hafte: Enimvero quoniam omnibus conjunctim debetur, quod promissum est, consequenter unicuique nonnisi pars ejusdem, si totum uni datur, dominium transit non in solum accipientem, sed in ceteros simul omnes, seu in omnes conjunctim. Quamobrem cum accipiens habeat, quod ceterorum est, quin ceteris singulis pro rata teneatur dubitandum non est127. 124 125 126

s. o. 1. Kap. III. 2. Bd. 3, § 687, S. 476. Lib. 3 tit. 3 sec. 2 n. I, S. 249.

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Bei Domat ist dagegen davon die Rede, dass der einzelne Gesamtgläubiger durch den Gebrauch seines Einziehungsrechts den anderen nicht schaden dürfe und ihnen insoweit rechenschaftspflichtig sei. Dies folgt für ihn aus der Natur der Gesamtgläubigerschaft, die nicht etwa darauf gerichtet sei, die Leistung der Willkür desjenigen Gläubigers zu überlassen, der die Zahlung an sich erreiche: L’usage que peut faire un des créanciers du droit de demander seul & recevoir le tout, ne peut nuire aux autres, & il doit leur rendre compte de la maniere don’t il aura usé de ce droit. C’est une suite de la nature de cette espece de solidité entre créanciers. Car ils n’ont pas laissé leur dette au hazard à qui entr’eux pourroit s’en faire payer128.

Bei den Befugnissen der Gesamtgläubiger im Außenverhältnis, zumal der zur Novation und zum Erlass, verbleibt Domat jedoch auf dem Standpunkt des römischen und gemeinen Rechts und begnügt sich mit dem Verweis auf die auch insoweit bestehende Rechenschaftspflicht: Lorsqu’un des créanciers d’une même dette peut seul & demander le tout & le recevoir, il peut aussi innover la dette, & en faire und délégation; car il pouvoit acquitter le débiteur, & donner même quittance sans rien recevoir. Mais ce créancier doit rendre compte aux autres de ces changements129.

bb) Das Vertretungsmodell des Code Civil Lässt sich die einheitliche Tendenz von Wolff und Domat dahingehend fassen, dass sie ein gemeinschaftliches Interesse der Gesamtgläubiger an der Leistung rechtlich anerkannten und daraus allgemeine Rechte und Pflichten der Gläubiger im Innenverhältnis herleiteten, verliehen die Verfasser des Code Civil demselben Gedanken auch im Außenverhältnis Geltung. So machte der Tribun Mouricault gegen die neben Domat auch von Pothier130 bejahte Befugnis der Gesamtgläubiger zum Gesamterlass geltend, dass eine Gesamtgläubigerschaft nur begründet werde, damit jeder der Gläubiger im Bedarfsfalle das Interesse aller wahrnehmen könne. Zu diesem Zweck setzten sich die Gläubiger zu wechselseitigen Vertretern ein. Der Erlass sei jedoch eine Rechtshandlung abseits des gemeinschaftlichen Interesses, ein „acte de bienfaisance personnel“, der außerhalb des Auftrags eines jeden liege131. Ähnlich die Ausführungen in den Motiven: Der Parteiwille sei bei der Gesamtgläubigerschaft darauf gerichtet, jedem Gläubiger das Recht zu geben, den Vertrag zu vollziehen. Der Erlass sei jedoch nicht Vollzug des Schuldverhältnisses, sondern ein Akt der persönlichen Freiheit des Erlassen127 128 129 130 131

Bd. 3, § 687, S. 476. Lib. 3 tit. 3 sec. 2 n. VI, S. 250. Lib. 3 tit. 3 sec. 2 n. IV, S. 249. Bd. 1, Nr. 260 a. E. Fenet, Bd. 13, S. 426.

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den; dieser könne aber nur bezüglich dessen frei sein, was ihm auch gehöre132. Aus diesen Erwägungen folgte nicht nur die in Art.1198 Abs. 2 CC normierte beschränkte Gesamtwirkung des von einem Gesamtgläubiger gewährten Erlasses, sondern auch die in Art.1365 Abs. 2 CC vorgesehene entsprechende Wirkung des negativen Schuldnereides, für die man gleichfalls in bewusster Abgrenzung zum römischen Recht geltend machte, dass die dem einzelnen Gesamtgläubiger eingeräumte Rechtsstellung eine Befugnis zu außerordentlichen Verfügungen zu Lasten sämtlicher Gläubiger nicht enthalte133. Die französische Wissenschaft entwickelte aus diesen Vorgaben schon bald das bereits von Mouricault angedeutete Vertretungsmodell. Demnach beruht die überschießende Rechtsmacht der Gesamtgläubiger auf wechselseitiger Stellvertretung. Soweit die Einziehungsbefugnis des einzelnen Gläubigers über seinen Anteil an der Leistung hinausgeht, macht er kein eigenes, sondern ein bloß formelles, ihm als Vertreter eingeräumtes Recht geltend. Neben der Geltendmachung und dem Empfang der geschuldeten Leistung umfasst die erteilte Vertretungsmacht aber lediglich solche Rechtshandlungen, die der Erhaltung des Schuldverhältnisses und mithin dem Gemeinschaftsinteresse dienlich sind, namentlich verjährungsunterbrechende134 und den Schuldnerverzug begründende Handlungen, die daher jeweils zugunsten sämtlicher Gläubiger wirken135. Im Übrigen kann jeder Gläubiger nur über seinen eigenen Anteil an der Leistung verfügen. Deshalb haben nach gewöhnlicher französischer Lehre neben dem Erlass und dem negativen Schuldnereid auch etwa die von einem Gesamtgläubiger vorgenommene Novation und Annahme an Erfüllungs statt lediglich beschränkte Gesamtwirkung in Höhe des dem verfügenden Gläubiger zustehenden Anteils136. Von selbst versteht sich ausgehend von diesem Modell der im Code Civil nicht explizit normierte Ausgleichsanspruch der Gesamtgläubiger im Innenverhältnis, muss der in den Vorschriften zum Erlass und Schuldnereid vorausgesetzten Zuweisung der Leistung doch eine interne Pflichtenstellung der Gesamtgläubiger entsprechen, die man in Anknüpfung an die Rolle des einziehenden Gläubigers als Vertreter der Gemeinschaft überwiegend dem Auftragsrecht137, zum Teil aber auch einem den Gläubigern unterstellten Gesellschaftsverhältnis138 entnimmt.

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Fenet, Bd. 13, S. 249. Fenet, Bd. 13, S. 310, 448. 134 Vgl. Art. 1199. 135 Vgl. statt aller Baudry-Lacantinerie/Barde, Traité, Des obligations, Bd. 2, Nr. 1132, 1147, 1150; Aubry/Rau/Bartin, Bd. 4, § 298, S. 24 f; Marty/Renaud/Jestaz, Bd. 2, Nr. 106; Ferid, Bd. 1, Rn. 2 E 97. 136 Baudry-Lacantinerie/Barde a. a. O., Nr. 1132, 1155 f; Aubry/Rau/Bartin, Bd. 4, § 298, S. 26; Marty/Renaud/Jestaz, Bd. 2, Nr. 106; Ferid, Bd. 1, Rn. 2 E 99. 137 So etwa Josserand, Bd. 2, Nr. 759; Ferid, Bd. 1, Rn. 2 E 102. 138 Baudry-Lacantinerie/Barde a. a. O., Nr. 1164; Aubry/Rau/Bartin, Bd. 4, § 298, S. 27. 133

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cc) Gemeinrechtliche Alternativkonzepte: Baron und Waldner Auch auf Grundlage der römischen Quellen wurden vereinzelt Konzepte vertreten, die sich von dem klassischen Ansatz der gemeinrechtlichen Lehre lösten und den Grund für Gesamtwirkungen vorwiegend in der Rechtsstellung der Gesamtgläubiger suchten. Das beste Beispiel bildet Julius Barons Konzept der Gesamtgläubigerschaft aus dessen Werk über „Die Gesammtrechtsverhältnisse im römischen Recht“. Baron nahm im Widerstreit von Obligationseinheit und -mehrheit in der Korrealobligation gewissermaßen einen vermittelnden Standpunkt ein. Er betrachtete die Korrealobligation als an sich auf alle Korrealschuldner oder -gläubiger gemeinschaftlich bezogene „Gesammtobligation“, die jedoch aufgrund der entsprechenden Parteiabsicht mehrere „Sonderobligationen“ erzeuge, kraft derer die mehreren Schuldner oder Gläubiger jeweils selbständig und in solidum an der „Gesammtobligation“ beteiligt seien139. Bei der Wirkung aufhebender oder verändernder Rechtsgeschäfte bediente sich Baron der Kategorie der Verfügung, die er als besondere Form der Ausübung der Obligation begriff und unter die er für das gemeine Recht die Novation, Zession, den Erlass und den contrarius consensus fasste140. Aufgrund der Kombination beider Ansätze erklärte und verallgemeinerte er die vor allem Ven. D. 46, 2, 31, 1 entnommene141 Alleinverfügungsmacht der Korrealgläubiger: Geschehe die gewöhnliche Ausübung der Obligation dadurch, dass dem Gläubiger gezahlt werde, gebe es daneben noch eine andere Ausübung, die sich als Verfügung über die Obligation bezeichnen lasse. Wie der Eigentümer nicht nur durch Benutzung und Besitz, sondern auch durch Veräußerung oder Vernichtung der Sache von seinem Recht Gebrauch machen könne, so könne auch der Gläubiger seine Obligation veräußern oder vernichten, indem er sie noviere, zediere oder durch contrarius consensus mit dem Gläubiger aufhebe. Bei mehreren Korrealgläubigern aber sei jeder der Gläubiger vermöge seiner Sonderobligation berechtigt, über das gesamte Rechtsverhältnis zu verfügen. Wolle man ihnen diese Berechtigung absprechen, so werde ihr Gläubigerrecht illusorisch, da sie dann in den meisten Fällen die Obligation nicht delegieren oder zedieren könnten. Selten werde sich nämlich jemand darauf einlassen, durch die Zession oder Delegation bloß eine Sonderobligation zu erhalten, und ebenso wenig werde der Schuldner dazu bereit sein, einen neuen Schuldner zu stellen, wenn er selbst noch den übrigen Gläubigern verhaftet bleibe142. Anders als nach herkömmlicher gemeinrechtlicher Lehre beruhte die Gesamtwirkung von Verfügungen somit nach Baron nicht auf der Rechtsnatur und zumal dem Erfüllungscharakter der betreffenden Rechtsakte, sondern vielmehr auf der durch die 139 140 141 142

A. a. O., S. 230 ff. S. 235 f, 319, 384 ff. S. 235; 319 ff, insb. 330 f. S. 235, 330.

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„Sonderobligation“ vermittelten Rechtsmacht der einzelnen Gesamtgläubiger. Auf diese Weise war es Baron möglich, die in den römischen Quellen für die acceptilatio und Novation bezeugte Einzelverfügungsmacht widerspruchsfrei auf die neuen Rechtsschöpfungen des Erlassvertrags und der Abtretung zu übertragen, und diese Ausgestaltung auf den einheitlichen Grundgedanken zurückzuführen, dass nur durch die Gewährung auch dieser Ausübungsformen in Person jedes Gesamtgläubigers ein vollwertiges Gläubigerrecht vorhanden sei143. Ein weniger durchgebildetes, aber doch dem Baron’schen vergleichbares Konzept der Gesamtgläubigerschaft findet sich bei Waldner144. Ähnlich dem französischen Modell ging Waldner davon aus, dass bei der aktiven Korrealität jeder Gläubiger nur in Höhe des ihm zustehenden Anteils an der Leistung „eigennamig“ und für sich selbst, im Übrigen aber „fremdnamig“ und als „procuratorischer Gläubiger“ berechtigt sei145. Den Zweck dieser Gestaltung sah er darin, den Unbequemlichkeiten der üblicherweise eintretenden Teilung des Schuldverhältnisses zu begegnen: „Damit nicht die Teile einzeln eingefordert, eingeklagt, nicht darüber zersplittert paciscirt werden“ müsse, solle „Einer für Alle, über alle Theile, über das Ganze, gläubigermächtig gerieren dürfen“ 146. Auf dieser Grundlage erklärte auch Waldner die Einzelbefugnis der Korrealgläubiger zu Gesamterlass und Novation ohne Rekurs auf deren Rechtsnatur aus der „unbeschränkten Verfügungsmacht“ der Gläubiger über das gesamte Schuldverhältnis, die für ihn aus ihrer „Doppelstellung“ als „Selbst- und Vollmachtsgläubiger“ folgte147. dd) Zusammenfassung In der Gesamtschau der dem BGB vorausgegangenen dogmatischen Konzepte der Gesamtgläubigerschaft zeigt sich, dass nur diejenigen, die für die Frage der Einzel- oder Gesamtwirkung von Aufhebungs- und Veränderungsgründen nicht bei deren Rechtsnatur, sondern bei der Rechtsstellung der Gesamtgläubiger ansetzen, neben der dogmatischen auch zu funktioneller Konsistenz gelangen konnten: Nach dem französischen Vertretungsmodell sind die Gesamtgläubiger – wie schon die römischen argentarii socii – ausschließlich zur Einziehung, also zum 143 Der Annahme einer gänzlich unbeschränkten Alleinverfügungsmacht der Gesamtgläubiger standen auf dem Boden der römischen Quellen freilich die Rechtssätze zum pactum de non petendo, insbesondere Paul. D. 2, 14, 27pr. entgegen. Auch Baron musste daher an dieser Stelle eine Differenzierung nach der Art des Rechtsakts vornehmen: Neben der Erfüllung sollten nur Verfügungen Gesamtwirkung haben können, das pactum aufgrund seines „rein negativen Inhalts“ aber nicht Ausübung der Obligation und daher keine Verfügung sein, vgl. S. 292 ff, insb. 297; 385 f. 144 Die correale Solidarität. 145 A. a. O., S. 154. 146 S. 154. 147 S. 174 f, 176 f. Alledem ähnlich auch die Brinz’sche Vertretungstheorie, Pandekten, Bd. 2/1, S. 166 ff.

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gewöhnlichen Vollzug des Schuldverhältnisses berufen, während sie nach den von Baron und Waldner in Verallgemeinerung des Venuleiusfragments entworfenen Konzepten wie nebeneinander bestellte Generalbevollmächtigte auch jede anderweitige Verfügung für das gesamte Schuldverhältnis vornehmen können. Das herkömmliche gemeinrechtliche Konzept lässt dagegen in Anknüpfung an die definitionsgemäße Gesamtwirkung der Erfüllung den gleichsam zufälligen Faktor der Erfüllungsnatur über Einzel oder Gesamtwirkung entscheiden und musste daher zu Differenzierungen zwischen funktionell äquivalenten Verfügungen wie Delegation und Abtretung oder Quittungs- und Erlassvertrag führen. Seinen historischen Ursprung findet dieser Ansatz letztlich in der unterschiedlichen Behandlung von acceptilatio und pactum de non petendo in den römischen Quellen. Mag sich diese Differenzierung für die Römer aber noch als „Mannigfaltigkeit von Geschäftsformen“ 148 dargestellt haben, die den Beteiligten inmitten eines noch stärker typisierenden Schuldrechtssystems die Verwirklichung verschiedener Zwecke ermöglichte, und tut sie so verstanden dem bei Venuleius formulierten funktionellen Konzept einer quasi-Alleingläubigerstellung der Gesamtgläubiger nur wenig Abbruch, birgt ihre Generalisierung im gemeinrechtlichen Konzept Widersprüche, wenn das Schuldverhältnis daraufhin in Ansehung der einen, nicht aber in Ansehung der anderen Verfügung der Alleinverfügungsmacht der Gesamtgläubiger unterworfen ist. c) Die Regelung im BGB aa) Ausgestaltung und Erwägungen des Gesetzgebers Die BGB-Gesamtgläubigerschaft folgt in ihrer Ausgestaltung in Bezug auf Erfüllungssurrogate und Verfügungen eindeutig der Pandektenlehre: Leistung an Erfüllungs statt, Hinterlegung und Aufrechnung haben aufgrund ihrer Erfüllungsnatur gemäß §§ 429 Abs. 3 S. 1 i.V. m. 422 Abs. 1 S. 2 ebenso wie bei der Gesamtschuld Gesamtwirkung149. Dasselbe gilt gemäß §§ 429 Abs. 3 S. 1 i.V. m. § 423 im Falle eines entsprechenden Parteiwillens für den Erlass eines Gesamtgläubigers. Auch für die Novation gingen die Gesetzesväter wegen ihrer Erfüllungsnatur von Gesamtwirkung aus150, doch kam es am Ende nicht zu ihrer Kodifikation, da man neben den Instituten der Annahme an Erfüllungs statt, Abtretung und Schuldübernahme sowie dem Aufhebungs- und neubegründenden Vertrag ein praktisches Bedürfnis für die Novation nicht mehr erkannte151. Die 148 So Savigny, Obligationenrecht, Bd. 1, S. 178. Vgl. auch Brinz, KrBl 4 (1853), S. 31 f. 149 Dazu v. Kübel, in: Schubert, Vorentwürfe, Schuldrecht, Bd. 1, S. 84 f, 87; Motive bei Mugdan, Bd. 2, S. 89 f. 150 Vgl. Jakobs/Schubert, Schuldrecht, Bd. 1, S. 900, 909 (Nr. 16), 933. 151 Vgl. v. Kübel a. a. O., Schuldrecht, Bd. 3, S. 1216; Jakobs/Schubert a. a. O., S. 890.

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von einem Gesamtgläubiger vorgenommene Abtretung hat dagegen gemäß § 429 Abs. 3 S. 2 bloße Einzelwirkung. Anlass zur Diskussion gab im Gesetzgebungsverfahren vor allem die Frage nach der Wirkung des Erlasses. Der zuständige Redaktor v. Kübel hatte sich als Verfechter des Mehrheitsprinzips152 in seinem Vorlageentwurf noch gegen die Zulassung eines Gesamterlasses entschieden153. Er argumentierte, dass aus dem Einziehungs- und Empfangsrecht der Gesamtgläubiger kein umfassendes Verfügungsrecht abgeleitet werden könne. Zwar könne jeder Gesamtgläubiger durch Annahme der Leistung über das gesamte Schuldverhältnis verfügen; doch folge die Gesamtwirkung hier aus dem Wesen des Gesamtschuldverhältnisses, bei dem die Leistung insgesamt nur einmal zu erbringen und dessen Zweck daher mit der einmaligen Erfüllung erreicht sei. Dies treffe aber auf den Erlass nicht zu, so dass ein einzelner Gesamtgläubiger ebenso wenig zum Erlass des gesamten Schuldverhältnisses in der Lage sei, wie er die Rechte seiner Mitgläubiger durch Abtretung auf einen Dritten übertragen könne154. Die erste Kommission entschied sich dagegen aus dreierlei Gründen für die Möglichkeit eines Gesamterlasses: Zum einen befand man, dass eine solche Bestimmung der Gesamtwirkung der Erfüllungssurrogate, insbesondere der der Annahme an Erfüllungs statt, besser entspreche155. Dabei geht vor allem aus den Beratungen über die subjektiven Anforderungen an einen Gesamterlass hervor, dass man den aufhebenden Erlass ähnlich wie die Gemeinrechtslehre einem Erfüllungstatbestand gleichsetzte. So wurde erwogen, dass der Erlass, der bei einer einfachen Obligation deren Aufhebung gleich der Erfüllung nach sich ziehe, dieselbe Wirkung auch im Gesamtschuldverhältnis haben, also in gleicher Weise wie die Erfüllung, Annahme an Erfüllungs statt, Aufrechnung und Novation das Schuldverhältnis für sämtliche Beteiligte aufheben müsse, sobald nur der Parteiwille auf die Aufhebung der Obligation gerichtet sei. Aus diesem Grund entschied man sich gegen die Formulierung des Vorentwurfs, die für einen Gesamterlass einen auf die Drittwirkung als solche gerichteten Willen verlangte, und für die Fassung des heutigen § 423, der lediglich voraussetzt, dass die Parteien „das ganze Schuldverhältnis aufheben wollten“ 156. Des Weiteren wurde für die Zulassung des Gesamterlasses das prak152

s. bereits o. 2. Kap. Fn. 86. Oben 2. Kap. Fn. 116. 154 Vgl. die Motive zum Vorlageentwurf, v. Kübel a. a. O., Schuldrecht, Bd. 3, S. 1254 f; auch Bd. 1, S. 91 Fn. 1. Derselbe dogmatische Standpunkt ist auch noch in den Motiven zum Vorentwurf (v. Kübel a. a. O., Schuldrecht, Bd. 1, S. 90 f) und ersten Entwurf (Motive bei Mugdan, Bd. 2, S. 90 f) dargelegt, gibt mit seiner strikten Unterscheidung zwischen Erfüllung und Erlass jedoch kaum die Auffassung der ersten Kommission, sondern v. Kübels persönliche Ansicht wieder, wie im Folgenden zu zeigen sein wird. Dass die Motive nicht immer verlässlichen Aufschluss über die Vorstellungen der Kommission geben, hat schon Winter, S. 13 f, 202, ausgeführt. 155 Vgl. Jakobs/Schubert a. a. O., S. 900 (zu Thesis XII), 936; Motive bei Mugdan, Bd. 2, S. 91. 153

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tische Argument geltend gemacht, dass eine Einzelwirkung bestimmende Regelung allzu leicht auf dem Wege der Leistung und Zurückleistung oder durch Gewährung des Erlasses in Form einer Quittung umgangen werden könne157. Drittens schließlich findet sich das Argument, „dass es dem Gläubiger gestattet sein müsse, die Obligation auch auf dem Wege des Erlasses zu verwerten“ 158. Hierbei dürfte es sich um den auch von Baron159 ins Feld geführte Gedanken handeln, dass sich der Schuldner nicht auf ein den Erlass beinhaltendes Geschäft mit einem Gesamtgläubiger einlassen werde, wenn er dadurch nur Befreiung von dessen Person erlangen könne, während er den übrigen Gläubigern verhaftet bleibe. Dass die Abtretung durch einen Gesamtgläubiger nur Einzelwirkung entfaltet, folgte dagegen für die erste Kommission wie schon für die Gemeinrechtslehre als selbstverständlich aus dem Grundsatz, dass jeder Gläubiger nur diejenigen Rechte übertragen könne, die ihm selbst zustünden160, während die zweite Kommission der Ansicht war, dass sich die Einzelwirkung bei richtiger Auslegung schon aus dem gesetzlichen Konzept ergebe, nach dem prinzipiell nur die Erfüllung gegenüber einem Gesamtgläubiger zum Erlöschen sämtlicher Ansprüche führe. Zwar seien der Erfüllung „kraft positiver Bestimmung gewisse andere Tatbestände gleichgestellt“; doch stellten sich diese „wesentlich als Erfüllungssurrogate“ dar, weshalb sie „von der eine Sondernachfolge in die Forderung bewirkenden Zession gänzlich verschieden“ seien161. Dennoch gelangte man in der einzig strittigen Frage, ob es einer ausdrücklichen Regelung über die Abtretung vor diesem Hintergrund überhaupt bedürfe, zu der Auffassung, dass die Klarstellung des § 429 Abs. 3 S. 2 erforderlich sei, um dem bei „nicht formalistischer Gesetzesauslegung“ denkbaren Schluss von der Gesamtwirkung des Erlasses auf eine entsprechende Wirkung der Abtretung vorzubeugen162. bb) Bewertung und Einordnung Es zeigt sich, dass der BGB-Gesetzgeber bei der Wirkung von Erfüllungssurrogaten und Verfügungen nicht nur das gemeinrechtliche Grundkonzept, nach dem vorrangig die rechtliche Natur der Aufhebungstatbestände über Einzel- oder Gesamtwirkung bestimmt, sondern auch die Inkonsequenz der Pandektistik in Bezug auf Erlassvertrag und Abtretung übernommen hat. Obwohl der heutige Er156

Z. G. Jakobs/Schubert a. a. O., S. 936 f. Jakobs/Schubert a. a. O., S. 935 f; v. Kübel a. a. O., Schuldrecht, Bd. 1, S. 91; Motive bei Mugdan, Bd. 2, S. 91. 158 Jakobs/Schubert a. a. O., S. 900 (zu Thesis XII). 159 s. o. 2. Kap. bei Fn. 142. 160 Motive bei Mugdan, Bd. 2, S. 88. 161 Zitiert aus Prot. bei Mugdan, Bd. 2, S. 610. 162 Prot. bei Mugdan, Bd. 2, S. 610; Motive bei Mugdan, Bd. 2, S. 88 f; Jakobs/ Schubert a. a. O., S. 931. 157

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lassvertrag anders als die römische acceptilatio keine Erfüllungsnatur mehr aufweist, wurde er in seiner Wirkung auf Gesamtobligationen den Erfüllungssurrogaten gleichgestellt, während man die Abtretung, die dem Erlassvertrag als schuldrechtliche Verfügung viel eher nahesteht, von diesen absonderte. Dass auch das praktische Argument der Umgehbarkeit beim Erlass keinen zwingenden Grund für diese Differenzierung liefert, liegt auf der Hand, müsste bei konsequenter Durchführung dieses Gedankens doch auch jeder anderen empfangszuständigen Person die Erlassbefugnis zugesprochen werden. Zudem ließe sich dasselbe Argument bei der Abtretung denken, da jedenfalls unter Mitwirkung des Schuldners auch der Effekt einer Gesamtabtretung von jedem Gesamtgläubiger auf anderem Wege herbeigeführt werden kann, sei es, indem er das Schuldverhältnis erlässt und neu begründet, sei es durch Annahme der Verpflichtung gegenüber dem Neugläubiger an Erfüllungs statt163. Insgesamt folgt die Rechtsstellung der Gesamtgläubiger im BGB damit streng genommen weder einem einheitlichen funktionellen164, noch einem einheitlichen dogmatischen Konzept: Funktionell finden sich insbesondere mit der Einzelbefugnis zum Gesamterlass und zur Annahme an Erfüllungs statt prägende Elemente des Venuleius’schen Alleingläubigerkonzepts konserviert; doch fällt insoweit die Abtretung aus dem Rahmen. Dogmatisch entsprechen die Rechtssätze zu den Erfüllungssurrogaten und der Abtretung, nicht aber der Gesamterlass den Prämissen des Mehrheitsprinzips. cc) Korrektur? Nach alledem verwundert es nicht, dass die heute herrschende Lehre und ihr folgend die Rechtsprechung die Rechtsfolgen der Gesamtgläubigerschaft an dieser Stelle korrigieren. Überwiegend geht man davon aus, dass zwar aus dem „Begriff“ der Gesamtgläubigerschaft die Gesamtwirkung der Erfüllungssurrogate folge165; darüber hinaus soll der einzelne Gesamtgläubiger aber nur zu Verfügungen über sein eigenes Forderungsrecht befugt sein. Für einen Gesamterlass gem. §§ 429 Abs. 3 S. 1, 423 BGB sei daher eine besonders erteilte Verfügungsbefugnis erforderlich, die sich nicht schon aus der Gesamtgläubigerstellung als solcher ergebe166. Selb167 will dieselbe Korrektur darüber hinaus für die Annahme an Er163 Darauf weist auch S. Meier, AcP 205, S. 867, hin. Nach Ansicht des Gesetzgebers sollte ein novatorischer Vertrag nach Wegfall der Novation sogar stets im Sinne einer datio in solutum aufzufassen sein, vgl. Jakobs/Schubert a. a. O., S. 900, 909 (Nr. 16), 933. 164 Äußerst kritisch daher S. Meier, AcP 205, S. 866 f; HKK-BGB §§ 420–432/II Rn. 19. 165 Vgl. Rütten, S. 191; Selb, Mehrheiten, S. 256. 166 So Selb a. a. O., S. 257; Esser/Schmidt, Bd. 1/2, S. 334; RGRK/Weber § 429 Rn. 6; Medicus, JuS 1980, S. 703 Fn. 83; Soergel/Wolf § 429 Rn. 4; MüKo3 /Selb § 429 Rn. 2; MüKo/Bydlinsky § 429 Rn. 5; Staudinger12 /Kaduk § 429 Rn. 11; Staudinger/

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füllungs statt vornehmen. Dabei legt er ein von einer Minderheit vertretenes Verständnis der Annahme an Erfüllungs statt zugrunde, dem zufolge deren Erlöschenswirkung nicht – wie überwiegend angenommen – auf der tatsächlichen Erfüllung der originären Forderung, nur begleitet von einer Erfüllungsabrede als „Hilfsgeschäft“, sondern auf einer nachträglichen Änderung des Schuldinhalts beruht168. Diese Schuldänderung, so Selb, bedürfe der Zustimmung aller Gesamtgläubiger. Vor allem hieran wird deutlich, dass es sich bei den Korrekturtendenzen der herrschenden Meinung um den Versuch handelt, die Gesamtgläubigerschaft in das dogmatisch konsistente Konzept des Mehrheitsprinzips zurückzuführen: Ausschließlich Befriedigungstatbestände sollen das gesamte Schuldverhältnis aufheben, anderweitige Aufhebungs- und Änderungsgründe dagegen nur das jeweilige Einzelrecht betreffen. Auf dieser Grundlage muss selbst der Annahme an Erfüllungs statt die Gesamtwirkung versagt bleiben, wenn man sie mit Selb als zusammengesetztes Geschäft aus Änderungsvertrag und Erfüllung begreift und dadurch mit einem regelrechten Verfügungselement versieht169. Indessen sind die Korrekturen in dem von der herrschenden Meinung angenommenen Umfang weder durch diesen dogmatischen, noch durch den anfänglich von Esser170 angeführten entstehungsgeschichtlichen Gesichtspunkt zu rechtfertigen, nach dem die Verweisung des § 429 Abs. 3 S. 1 „unsorgfältiger Redaktionsarbeit“ entsprungen sein soll. So wollte sich der Gesetzgeber entgegen dem Redaktor v. Kübel gerade nicht an die einheitlichen Vorgaben des Mehrheitsprinzips binden171 und haben sich sowohl die Einzelbefugnis zum Gesamterlass als auch die zur Annahme an Erfüllungs statt als bewusste gesetzgeberische Fortführung der Pandektenlehre erwiesen172. Es handelt sich somit um die bewusste EntNoack § 429 Rn. 18; Palandt/Grüneberg § 429 Rn. 1; Prütting/Wegen/Weinreich/H.-F. Müller § 429 Rn. 4; BaRo/Gehrlein § 429 Rn. 2; BGH, NJW 1986, S. 1861 ff, 1862; ähnlich auch BayObLG, MDR 1975, S. 1018: Die Verweisung auf § 423 sei „nicht zwingend“. – In der ersten Jahrhunderthälfte war die Erlassbefugnis dagegen unstrittig. Allenfalls bemerkte man, dass diese einen beträchtlichen Eingriff in die Rechte der Gläubiger enthalte und daher nicht unbedenklich sei, beruhigte sich aber bei der auch im Fall des Gesamterlasses eintretenden Ausgleichspflicht gemäß § 430: Crome, System, Bd. 2/1, S. 389; Dernburg, Bürgerliches Recht, Bd. 2/1, S. 432; Hellwig, Anspruch und Klagrecht, S. 191 m. Fn. 2; Planck/Siber § 429 Anm. 3; de Boor, S. 104 Fn. 140; Kreß, S. 615; Leonhard, S. 723; Enneccerus/Lehmann, Schuldrecht, S. 371; Oertmann § 429 Anm. 2. 167 A. a. O., S. 256. 168 Zum Streitstand Staudinger/Olzen § 364 Rn. 7 ff m.w. N.; wie Selb insbesondere Gernhuber, Erfüllung, S. 187 ff. 169 Unter Ablehnung der Schuldänderungstheorie gegen Selb Staudinger/Noack § 429 Rn. 8 ff; Erman/Ehmann § 429 Rn. 3; Rütten, S. 192 f. 170 Schuldrecht (1960), S. 446. 171 Vgl. v. Kübel, in: Schubert, Vorentwürfe, Schuldrecht, Bd. 1, S. 66 Fn. 1; Jakobs/ Schubert, Schuldrecht, Bd. 1, S. 895 f (Thesis IV); Motive bei Mugdan, Bd. 2, S. 86. 172 Gegen die h. M. insoweit auch Rütten, S. 196 ff; Riedler, S. 163 f; Erman/Ehmann § 429 Rn. 4; JurisPK/Rüßmann § 429 Rn. 12; S. Meier, AcP 205, S. 866.

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scheidung für ein Regelungskonzept, nach dem jedem Gesamtgläubiger zwar nicht in der Übertragung, in Erweiterung der definitionsgemäßen Gesamtwirkung der Erfüllung aber doch in der Aufhebung des Schuldverhältnisses umfassende Verfügungsmacht zukommt173. Zu wenig berücksichtigt wird in der Auseinandersetzung mit der Verweisung des § 429 Abs. 3 S. 1 die eigentliche Wertentscheidung, bei der eben dieses Regelungskonzept seinen Ausgang nahm. Die Römer entwickelten das Venuleius’sche Alleingläubigerkonzept anhand des historischen Musterfalls der verbalvertraglichen rei stipulandi und es beruhte dort auf der privatautonomen Entscheidung der Parteien: Hatten sich die Gläubiger durch Befragung des Schuldners in der besonderen Form „quinque aureos dare spondes?“ und „idem quinque aureos dare spondes?“ gegenseitig zu Gläubigern der gesamten Leistung eingesetzt und dadurch die üblicherweise durch Teilung gewährleistete Ausschließlichkeit ihrer Rechtsstellung abbedungen174, so waren ihnen über die damit begründeten Einzelklag- und -empfangsrechte hinaus auch weitergehende Einzelverfügungsbefugnisse zumutbar. Zwar ist diese Wertentscheidung keineswegs zwingend und in ihrem historischen Ausgangspunkt in besonderem Maße sowohl durch die Stellvertretungsfeindlichkeit des römischen Rechts als auch durch die Erfüllungsnatur der acceptilatio bestimmt; dem Grunde nach kann sie aber auch vom Standpunkt des heutigen Rechts Geltung beanspruchen. Unverändert streitet für die vertragliche Entstehung von Gesamtgläubigerschaft keine Vermutung, sondern bedarf es hierfür der bewussten Parteientscheidung175, so dass den Gläubigern in Anknüpfung an diese Entscheidung auch zusätzliche Verwertungsbefugnisse zugewiesen werden können176. Jedenfalls ist aber das Risiko für die Gläubiger im BGB dadurch erheblich gelindert, dass § 430 einen gesetzlichen Ausgleichsanspruch gewährt. Indem dieser nicht nur durch die Entgegennahme der Leistung, sondern auch infolge jeder anderweitigen Aufhebung des

173 In diese Richtung auch Hellwig, Anspruch und Klagrecht, S. 191: Jeder Mitgläubiger hat die „volle Verfügung über die Forderung“; Kreß, S. 615: „Recht des einzelnen Gesamtgläubigers zur Verfügung über die Forderungen der anderen“; HKK-BGB/ S. Meier §§ 420–432/II Rn. 18: „Grundsätzliches Verfügungsrecht“, das nur durch die Abtretung durchbrochen ist. 174 Inst. 3, 16pr. f; dazu o. 1. Kap. II. 1. 175 Vgl. RGRK/Weber § 428 Rn. 7; Erman/Ehmann § 428 Rn. 4; Staudinger/Noack § 428 Rn. 15, 19; Soergel/Wolf § 428 Rn. 2; MüKo/Bydlinsky § 428 Rn. 4; JurisPK/ Rüßmann § 428 Rn. 8; Palandt/Grüneberg § 428 Rn. 1; BGHZ 29, S. 393 ff, 397; BGH, NJW 1984, S. 1356 f; NJW 1996, S. 2859 f. 176 Im Kern zutreffend daher de Boor, S. 104 Fn. 140, der die Erlassbefugnis aus der „Forderungsgemeinschaft“ der Gesamtgläubiger im Innenverhältnis rechtfertigt: Sei diese „so eng“, dass einer dem anderen durch Eingehung eines Gesamtgläubigerverhältnisses seine Interessen hinsichtlich der Geltendmachung und Einziehung der Forderung mit gleichem Erfolg anvertrauen könne, wie wenn er selbst handele, so möge ein gleiches auch für den Erlass gelten.

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Schuldverhältnisses zur Entstehung gelangt177, bietet er einen wirksamen und bei vertraglichen Gesamtgläubigern hinreichenden Missbrauchsschutz178. Problematischer erscheint die Frage, ob die freie Stellung der Gesamtgläubiger auch bei nichtvertraglich begründeten Doppellegitimationen durchführbar ist, wie sie heute etwa in § 117 SGB X und § 421 Abs. 1 S. 2 HGB zu finden sind. Hier werden den Gläubigern die überschießenden Klag- und Empfangsrechte durch das Gesetz auferlegt, so dass die privatautonome Disposition als Rechtfertigung für eine Herabsetzung der Gläubigerinteressen entfällt. Abschließend zu klären wird der Umfang der Anwendbarkeit des § 429 Abs. 3 S. 1 in diesen Fällen erst unter Berücksichtigung der Frage sein, inwieweit das vom historischen Gesetzgeber gewählte Konzept eine nichtvertragliche Begründung der Gesamtgläubigerschaft in Rechnung stellt und der Zweck der Doppellegitimation dort eine freie Verfügungsmacht der Gläubiger gebietet. Es sei daher diese Fragestellung hier noch zurückgestellt und dem 3. Kapitel zum geltenden Recht vorbehalten. dd) Novation und Schuldübernahme Eine Novation im Sinne der vertraglichen Begründung eines neuen Schuldverhältnisses anstelle eines bestehenden, das zugleich aufgehoben wird, ist als Ausfluss der Vertragsfreiheit auch nach dem Recht des BGB möglich179. Anders als nach gemeinem Recht ist eine solche Novation aber nicht mehr zu den Erfüllungssurrogaten zu stellen: Aufhebung und Erfüllung der Schuld sind unterschiedliche Dinge180. Daher hat die von einem Gesamtgläubiger vorgenommene Novation grundsätzlich Einzelwirkung. Indem aber nach dem Regelungskonzept der §§ 429 Abs. 3 S. 1, 422, 423 jedenfalls vertraglichen Gesamtgläubigern umfassende Verfügungsmacht in der Aufhebung des Schuldverhältnisses zukommt, steht es dem einzelnen Gläubiger frei, die in der Novation enthaltene Schuldaufhebung auf die Forderung des Mitgläubigers zu erstrecken181. Diesem bleibt dann nur der Ausgleichsanspruch gemäß § 430182. Ähnlich ist die Lage bei der Schuldübernahme. Sie erfolgt nach dem BGB (§§ 414 ff) nicht mehr durch 177

Eingehend dazu u. 2. Kap. IV. 2. c). Vgl. Erman/Ehmann § 429 Rn. 4 und die o. Fn. 166 a. E. genannten. 179 Statt aller Palandt/Grüneberg § 311 Rn. 8; RGZ 119, S. 21 ff, 23 f. 180 Zutr. Gernhuber, Erfüllung, S. 409; Staudinger/Olzen Einl zu §§ 362 ff Rn 36; Harder, S. 27 f; Enneccerus/Lehmann, S. 371. Gemäß der Ansicht des Gesetzgebers (o. Fn. 163) für Qualifizierung der Novation als Annahme an Erfüllungs statt dagegen MüKo/Wenzel § 364 Rn. 7; Erman/H. P. Westermann § 364 Rn. 7; Larenz, Schuldrecht AT, S. 93 (§ 7 III. a. E.). 181 I. E. ebenso Leonhard, S. 723; Enneccerus/Lehmann, S. 371. A. A. freilich die heute h. M. auf Grundlage ihrer Prämisse, dass der einzelne Gesamtgläubiger generell nur über sein eigenes Recht verfügen kann: Staudinger/Noack § 429 Rn. 30; Staudinger12 /Kaduk § 429 Rn. 23; MüKo/Bydlinsky § 429 Rn. 6; MüKo3 /Selb § 429 Rn. 2. 182 Dazu näher u. 2. Kap. IV. 2. c) a. E. 178

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Novation, sondern gleichsam spiegelbildlich zur Abtretung durch Sondernachfolge auf der Passivseite des Schuldverhältnisses183 und wirkt deshalb analog zur Abtretung prinzipiell nur für und gegen den beteiligten Gesamtgläubiger. Dies gilt insbesondere dann, wenn nur ein Gesamtgläubiger die Genehmigung gemäß § 415 Abs. 1 erteilt. Bei entsprechendem Willen des handelnden Gesamtgläubigers kann sie aber als kombiniertes Geschäft aus Erlass und Schuldübernahme oder novatorische Schuldübernahme ebenso gut zum Ausschluss der übrigen Gesamtgläubiger führen184. 2. Klageerhebung und Urteil a) Die Ausschlusswirkung der Klageerhebung nach gemeinem Recht Der Rechtssatz, nach dem die Klageerhebung durch einen Gesamtgläubiger die übrigen von der Klage ausschließt, war in der früheren Gemeinrechtslehre weitgehend unstrittig185. Schon die älteren Gemeinrechtslehrer und spätestens der Usus modernus gingen jedoch insoweit zu einer Darstellungsweise über, die sich in nahezu sämtlichen Kodifikationen und Entwürfen des 18. und 19. Jahrhunderts wiederfinden sollte und auch im BGB ihre Spuren hinterlassen hat: Die Ausschlusswirkung der Klageerhebung wurde nicht mehr wie in den Fragmenten Ven. D. 46, 2, 31, 1 und Iav. D. 45, 2, 2 primär zu den Erlöschensgründen gestellt, sondern unter Berufung auf Gaius als Beendigung der dem Schuldner zunächst zustehenden Empfängerwahl begriffen: Gai. lib. 3 de verb. obl. D. 45, 2, 16: Ex duobus reis stipulandi si semel unus egerit, alteri promissor offerendo pecuniam nihil agit.

Grund für diese veränderte Betrachtungsweise ist zum einen, dass die Vorstellung einer durch die litis contestatio bewirkten Klagenkonsumtion schon dem nachklassischen und erst recht dem nachantiken Zivilprozessrecht gänzlich fremd war186. Allgemein war man über die ursprüngliche Bedeutung und Wirkungsweise der litis contestatio bis zur Entdeckung der Gaius-Institutionen nur 183 Heute unstrittig, vgl. nur Staudinger/Rieble § 414 Rn. 1; Palandt/Grüneberg Überbl v § 414 Rn. 1. 184 Ebenso Planck/Siber § 429 Anm. 2; Leonhard, S. 723; Crome, System Bd. 2/1, S. 389. A. A. Selb, Mehrheiten, S. 259 f; Staudinger/Noack § 429 Rn. 26 f; Staudinger12 /Kaduk § 429 Rn. 21. 185 Vgl. Bartolus, l. XVI n. 8 zu D. 45, 2, S. 176, der berichtet, dass Azo entgegen aller anderen Glossatoren nur für rei credendi socii von Gesamtwirkung der litis contestatio ausgegangen sei und diese Differenzierung gleichermaßen ablehnt; ferner Donellus, cap. V n. 5 zu C. 8, 39(40), Bd. 9, Sp. 1333 f; Cujaz, Recitationes solemnes, zu D. 12, 2, 28, Opera posthuma, Bd. 2, Sp. 231 lit. E; Voet, n. 4 zu D. 45, 2, Bd. 2, S. 753; n. 7, S. 754; n. 21 zu D. 12, 2, Bd. 1, S. 509; Frommann, n. 14, S. 28 f; Lauterbach, n. 15 zu D. 45, 2, Bd. 3, S. 552; Pothier, Bd. 1, Nr. 260 (S. 282); Domat, lib. 3 tit. 3 sec. 2 n. III, S. 249; Glück, Bd. 4/2, S. 519; Seuffert, Bd. 2, S. 6.

II. Die Wirkung von Tatsachen

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schlecht unterrichtet, so dass die Quellenaussprüche über ihre aufhebende Wirkung bei den rei stipulandi von der Warte der früheren Gemeinrechtslehre als schwer zu erklärende Anomalie erscheinen mussten187. Schon deshalb dürfte man es als vorzugswürdig empfunden haben, sich bei der Darstellung des geltenden Rechts auf die die Klagenkonsumtion lediglich implizierende Folgewirkung von Gai. D. 45, 2, 16 zu beschränken. Zum anderen pflegte man aber auch bei der Gesamtschuld die aus der solidarischen Beteiligung hervorgehende Wahlfreiheit zu betonen, wie es Ulpian unternimmt: Ulp. lib. 47 ad Sab. D. 45, 2, 3, 1: Ubi duo rei facti sunt, potest vel ab uno eorum solidum peti: hoc est enim duorum reorum, ut unusquisque eorum in solidum sit obligatus possitque ab alterutro peti. Et partes autem a singulis peti posse nequaquam dubium est, quemadmodum et a reo et fideiussore petere possumus (. . .).

Und auch hier stellte man das in den Quellen uneinheitlich gelöste Problem der Konsumtions- oder Solutionskonkurrenz188 in diesen Zusammenhang, namentlich in Form der Frage, ob die Wahlfreiheit des Gläubigers mit der Klage gegen einen der Gesamtschuldner ende189. Angesichts der in den römischen Quellen angelegten Vorstellung einer spiegelbildlichen Symmetrie beider Institute190 lag es umso näher, ebenso bei der Gesamtgläubigerschaft die dort zugunsten des Schuldners erwachsende Wahlfreiheit zu einem gesonderten Rechtssatz zu erheben und die Ausschlusswirkung der Klageerhebung als deren Beschränkung aufzufassen: Estque in stipulatoris potestate, quem ex pluribus eiusdem rei promissoribus in solidum convenire velit; sicut ex adverso in debitoris est arbitrio, cui ex pluribus credendi reis solvere atque ita gratificari velit, ut ab omnibus liberetur, & hoc, donec unus ex pluribus stipulandi reis agere coeperit, sibique vigilare; cum post id tempus alteri promissor offerendo pecuniam, nihil agat. (. . .) Quod unum (i. e. ex reis promittendi, d. Verf.) iam in solidum convenire coeperit (i. e. creditor), non impeditur etiam contra reliquos agere in id, quod a primo convento non potuit ob inopiam consequi; (. . .)191. 186 Vgl. o. 1. Kap. bei Fn. 66 ff. Erst im 19. Jahrhundert ging eine Minderheit wieder von Klagenkonsumtion aus, vgl. Wetzell, S. 126 f und andererseits Savigny, System, Bd. 6, S. 23 ff; Windscheid/Kipp, Bd. 1, S. 629 f Fn. 1 m.w. N. 187 Vgl. Ribbentrop, S. 10 ff; Savigny, Obligationenrecht, Bd. 1, S. 182 f m. Fn. f; ders., System, Bd. 6, S. 280. Auch Schlinker, S. 523, 577 m.w. N. 188 Dazu bereits o. 1. Kap. Fn. 72 und 2. Kap. Fn. 84. 189 Vgl. Frommann, n. 16, S. 33 ff, insb. S. 34 (eligendi unum.), S. 38 (electione sola an sibi praejudicet creditor?); Lauterbach, n. 19 zu D. 45, 2, Bd. 3, S. 554; Leyser, spec. 522 zu D. 45, 2, n. 6, Bd. 7, S. 862 f; Domat, lib. 3 tit. 3 sec. 2 n. VII, S. 249; Pothier, Bd. 1, Nr. 270, 271; Glück, Bd. 4/2, S. 523; Seuffert, Bd. 2, S. 7. 190 So aufgrund ihrer gemeinsamen und oft einheitlichen Behandlung im Digestentitel 45, 2 und Inst. 3, 16. 191 So die Darstellung bei Voet, n. 4 zu D. 45, 2, Bd. 2, S. 753. Vgl. auch Frommann, n. 14, S. 29: (. . .) Atque ita pariter debitori facultatem, solutione gratificandi ei, cui ex

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Unter den Pandektisten entstand Streit über die Ausschlusswirkung. Aufgrund der Arbeiten von Keller192 und Ribbentrop193 etablierte sich zum einen die prozessuale Konsumtion als Auslöser der Litiskontestationswirkung und zum anderen die Auffassung, dass diese noch nach klassischem Recht sowohl bei den rei promittendi als auch den rei stipulandi Platz gegriffen hatte. Hiervon ausgehend nahmen manche an, dass mit dem Absterben der prozessualen Konsumtion im nachklassischen Recht die gesamtaufhebende Kraft der litis contestatio nicht nur bei den rei promittendi und der Bürgschaft, sondern ganz allgemein und somit auch bei den rei stipulandi entfallen sei. Die anderslautenden Stellen zu den rei stipulandi sollten demnach einen veralteten Rechtszustand wiedergeben und durch ein Versehen der Kompilatoren in die Digesten geraten sein194. Vorherrschend war jedoch auch in der Pandektistik der Standpunkt, dass die aktive Kor-

correis credendi vult, eidem alias ex natura obligationis competentem. arg. d. l. 16. ff. h. t. adimendi, ut offerendo alteri, ad extinctionem obligationis iam occupatae, nil agat. (. . .). Ferner Lauterbach, Domat, Pothier, Glück, Seuffert jew. a. a. O. Ausführlich dargelegt wird die Klagenkonsumtion als Grund für die Ausschlusswirkung dagegen bei Donellus a. a. O. Dem Zweck nach treten aber auch dort die Beschneidung der Schuldnerposition und der Schutz des Klägers als zentrale Folgewirkungen hervor. So geht Donellus von dem Grundsatz aus, dass die litis contestatio zum Erlöschen des ursprünglichen Schuldverhältnisses und dessen Ersetzung durch die Prozessobligation führt, weil und soweit dies dem Kläger zum Vorteil gereicht (vgl. Gai. D. 46, 2, 29; Paul. D. 50, 17, 86). Daraus erklärt er ihre gesamtaufhebende Wirkung bei den rei stipulandi und insbesondere Gai. D. 45, 2, 16: Denn freilich entspreche das Leistungsangebot des Schuldners an den Mitgläubiger des Klägers nicht dem Klägerwillen: Quid ergo hoc superioribus consequens? non quod reus stipulandi, judicio agendo, promissorem statim liberet in totum, priusquam pecuniam acceperit; sed quod pro commodo suo liberet eum a priore obligatione, judicio enim cum promissore contrahit (. . .). In quo et novatio quaedam fit, ubi vetus actio transfertur tota in actionem judicati, quatenus petitori commodum est (. . .). Eademque opera tollitur caeteris vetus actio ex stipulatu; judicati autem obligatio sic petitoris propria efficitur, ut promissor postea condemnatus, hanc mutare non queat si velit, nisi petitori solvendo. Hinc illud dictum est ex duobus reis stipulandi, si semel unus egerit, alteri promissorem postea offerendo pecuniam nihil agere, L. ex duobus, 16. D. eod.; quippe offert ei cui post illam judicii accepti novationem debere desiit, invito petitore: et haec quidem sine exceptione ita tradita sunt in dicta L. 2. D. eod. et dicta L. si rem, §. 1. de novat.; et sane prioribus illis positis sunt consequentia. Für die rei promittendi nimmt Donellus dagegen an, dass weder nach klassischem noch nach justinianischem Recht Konsumtionskonkurrenz geherrscht habe; denn hier hätte eine solche Wirkung die Rechtsstellung des Klägers verschlechtert, vgl. a. a. O., cap. VIII n. 2 a. E., Sp. 1343: Non enim (aiunt veteres) petitione, sed solutione et perceptione debitor liberatur (. . .). Nisi quis dicat, quod creditor unum elegerit quicum judicio ageret, hoc factum illi nocere debere; quod longe secus est, nemo enim agendo et litem contestando, deteriorem conditionem suam facit, sed meliorem (. . .). 192 Litis Contestation, S. 435 ff, insb. 438, 442. 193 S. 10 ff, 37 ff, 40 ff; zu den verschiedenen zu früherer Zeit vertretenen Auffassungen ebd. S. 1 ff. 194 So Savigny, Obligationenrecht, Bd. 1, S. 182 f m. Fn. f; auch ders., System, Bd. 6, S. 25; 277 ff; Wächter, Erörterungen, Bd. 3, S. 58 f; Buchka, Bd. 2, S. 40 f; Sintenis, Bd. 2, S. 147 ff m. Fn. 53.

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realität entsprechend ihrer mangelnden Erwähnung in der Reformkonstitution C. 8, 40, 28195 vom Wandel des Prozessrechts unberührt geblieben war196. Zur Erklärung griffen namhafte Pandektisten wie Windscheid und Vangerow die Fitting’sche Elektionstheorie auf. Fitting führte die Litiskontestationswirkung entgegen der weit überwiegenden Ansicht in der Pandektenlehre schon für das klassische Recht nicht auf die prozessuale Konsumtion, sondern in Anknüpfung an eine mitunter zu findende Wortwahl der Quellen197 auf den materiell-rechtlichen Gesichtspunkt der electio zurück. Er qualifizierte die Korrealobligation als alternative Obligation, bei der lediglich die Wahl nicht wie herkömmlich zwischen mehreren Leistungsgegenständen, sondern zwischen mehreren Gläubigern oder Schuldnern stattfinde198. Die litis contestatio sollte dabei als Auswahltatbestand fungiert und als solcher nach klassischem Recht stets zur Konzentration der Obligation auf den betreffenden Gläubiger oder Schuldner geführt haben, während Justinian die electio als entscheidenden Gesichtspunkt für die passive Korrealität beseitigt und nur bei der aktiven beibehalten habe199. Diesen Ansatz verknüpften Windscheid200 und Vangerow201 dahingehend mit der Einheitstheorie, dass zwar die Konsumtion sämtlicher Klagen de eadem re in Verbindung mit der Obligationseinheit der ursprüngliche Auslöser der Litiskontestationswirkung gewesen sei, dieser prozessuale Ausgangspunkt sich aber bereits zu klassischer Zeit mit einem Verständnis der litis contestatio als Elektion oder, was beide lediglich als andere Wendung desselben Gedankens ansahen, als Form der Prävention vermischt habe. Aufgrund dieser auch materiell-rechtlichen Verankerung sollte die Ausschlusswirkung der Klageerhebung bei der aktiven Korrealobligation den Wegfall der Klagenkonsumtion überdauert haben und nunmehr nach gemeinem Recht allein auf den Gedanken der Elektion oder Prävention zu stützen sein. Die Tendenz der früheren Gemeinrechtslehre, die Litiskontestationswirkung nicht als Erlöschensgrund, sondern als Beendigung der dem Schuldner zustehenden Empfängerwahl darzustellen, fand somit in der Pandektistik eine Verrechtlichung: Die Korrealobligation wurde in ihrer rechtlichen Gestalt der alternativen

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Vgl. bereits o. 1. Kap. Fn. 72. So Windscheid/Kipp, Bd. 2, S. 212 f Fn. 1; Vangerow, Bd. 3, S. 91 ff; Arndts, Pandekten, S. 395 Anm. 8, S. 533 ff m. Anm. 4; Wendt, S. 509; Baron, Pandekten (1896), S. 452; Puchta, Pandekten, S. 362 Fn. g; Fritz, ZCPr n. F. 19 (1862), S. 98 ff; Samhaber, S. 137 ff; Dernburg, Pandekten, Bd. 2, S. 204 m. Fn. 1; Waldner, S. 179 ff; Weibel, S. 26 ff; Goeschen, Bd. 2/2, S. 16; Bd. 1, S. 509. 197 Vgl. die bei Fitting, Correalobligationen, S. 186 f angeführten Stellen. 198 A. a. O., S. 136 ff, insb. 140. 199 A. a. O., insb. S. 199 f, 239 ff. Fitting ähnlich auch Girtanner, Stipulation, S. 262 ff; ders., Bürgschaft, Bd. 1, S. 77 ff. Beiden folgend Stintzing, KrVJS 1 (1859), S. 509 ff. 200 Windscheid/Kipp, Bd. 2, S. 212 f Fn. 1. 201 Bd. 3, S. 91 ff. 196

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2. Kap.: Die Gesamtgläubigerschaft von der Rezeption bis zum BGB

angenähert202, die originäre Wahlfreiheit des Schuldners auf diese Weise zu einem regelrechten Wahlrecht und die Ausschlusswirkung der Klageerhebung zum Ausfluss eines konkurrierenden Wahl- oder Präventionsrechts der Gesamtgläubiger203. b) Die Ausschlusswirkung der Klageerhebung in den Kodifikationen und Entwürfen Die Kodifikationen und Entwürfe des 18. und 19. Jahrhunderts übernahmen, soweit sie die Gesamtgläubigerschaft regelten, die Ausschlusswirkung der Klageerhebung nahezu ausnahmslos204. Ebenso einheitlich findet sich dort die Wahlfreiheit des Schuldners als Anknüpfungspunkt wieder. In symmetrischer Entsprechung zu der explizit normierten Wahlfreiheit des Gläubigers bei der Gesamtschuld205 hat bei der Gesamtgläubigerschaft der Schuldner ausdrücklich die „Wahl“, an welchen der Gläubiger er leistet, solange er nicht von einem Gläubiger „(obrigkeitlich bzw. rechtlich) belangt“ oder etwa „verklagt“ und davon „(durch das Gericht) benachrichtigt“ worden ist206. Hinsichtlich der praktischen Berechtigung der Ausschlusswirkung gelangte man auch von der Warte der das Gläubigerinteresse betonenden Savigny’schen Zweckbestimmung zu dem Ergebnis, dass diese Gestaltung für einen angemessenen Ausgleich zwischen Gläubiger- und Schuldnerinteressen sorge: Es werde dadurch „dem Zwecke des ganzen Verhältnisses entsprechend die Rechtsverfolgung des klagenden Gläubigers gesichert und erleichtert, möglichen Vexationen seitens des Schuldners wirksam begegnet und Konflikten zwischen den Gläubigern vorgebeugt, zugleich aber auch andererseits der Schuldner gegen die ungerechtfertigte und durch den praktischen Zweck des Instituts nicht gebotene Belästigung geschützt, während des Prozesses mit dem einen Gesamtgläubiger nicht auch noch zugleich von dessen Mitgläubigern auf das Ganze belangt zu werden“ 207. 202 Vgl. insow. auch Windscheid/Kipp, Bd. 2, S. 202 Fn. 1 (zu Fitting); ders., KrVJS 3 (1861), S. 161 ff, 172; Vangerow, Bd. 3, S. 62; Arndts, Pandekten, S. 391, 394 Anm. 6. 203 Vgl. Fitting a. a. O., S. 219 f, 251 f. 204 CMBC IV 1 § 22 Nr. 1, dazu Kreittmayr, Bd. 4, S. 1401; Art. 1198 Abs. 1 CC; § 892 ABGB; HessE IV 1, Art. 9; BayE von 1861, Art. 226; § 1023 SächsBGB; Art. 237 DresdE; Schweiz. OR von 1881, Art. 170 Abs. 2; Vorlageentwurf v. Kübel, § 5. 205 CMBC IV 1 § 23 Nr. 1 m. Kreittmayr, Bd. 4, S. 1401; Art. 1203 f CC; § 891 S. 2 u. 3 ABGB; HessE IV 1, Art. 7; BayE von 1861, Art. 223 f; § 1024 SächsBGB; Art. 234 DresdE; Schweiz. OR von 1881, Art. 163; v. Kübel, § 4. 206 Einzig das ABGB weicht von dieser Regelungsstruktur ab, indem es die Wahlfreiheit des Schuldners nicht explizit normiert, sondern als Rechtsfolge der Gesamtgläubigerschaft allein festschreibt (§ 892 2.Hs): „(. . .) so muss der Schuldner das Ganze demjenigen dieser Gläubiger entrichten, der ihn zuerst darum angeht.“ 207 So die Motive zu v. Kübels Vorlageentwurf in Schubert, Vorentwürfe, Schuldrecht, Bd. 3, S. 1238; auch Motive HessE, Bd. 4/1, S. 21; Samhaber, S. 139; Fitting, Correalobligationen, S. 243 ff; Hasenöhrl, Bd. 1, S. 139 Fn. 5.

II. Die Wirkung von Tatsachen

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c) Die Wirkung des absolutorischen Urteils nach gemeinem Recht Die Frage, ob das zugunsten eines von mehreren rei promittendi oder zulasten eines von mehreren rei stipulandi ergangene absolutorische Urteil208 Gesamtoder Einzelwirkung entfaltet, stellte sich für das klassische römische Recht nicht, da dort schon die gesamtaufhebende Wirkung der litis contestatio weitere Prozesse zwischen den nichtbeteiligten Mitschuldnern und Mitgläubigern ausschloss. Infolge Justinians Abschaffung der Litiskontestationswirkung ergab sich diese Frage jedoch zumindest bei den rei promittendi und der fideiusso für die Gemeinrechtswissenschaft. Diese orientierte sich insoweit vor allem an den Rechtssätzen zu den Parteieiden, die in den Quellen häufig in Analogie zum Urteil behandelt werden209. Nach Cass./Iul./Paul. D. 12, 2, 28, 1 befreite der negative Eid des fideiussor auch den Hauptschuldner, wenn der Eid über die Schuld als solche (de re) und nicht lediglich über die persönliche Verpflichtung des Schwörenden (de persona iurantis) geleistet wurde210. Nach diesem Vorbild sprach schon die überwiegende ältere Gemeinrechtslehre auch dem freisprechenden Urteil nicht nur bei der Bürgschaft, sondern auch bei der Gesamtschuld Gesamtwirkung zu, soweit dadurch das Nichtbestehen der gesamten Schuld und nicht nur ein persönlicher Befreiungsgrund des Beklagten festgestellt war211. Die Pandektistik verknüpfte diese Gesamtwirkung mit der Einheitstheorie. Die Obligationseinheit galt als „Erklärung der rechtlichen Erscheinung, dass bei der Korrealobligation Tatsachen, welche nur in der Person eines Gläubigers oder Schuldners eintreten, auf den anderen Gläubiger oder Schuldner hinüberwirken, ohne dass in diesen Tatsachen Erfüllung oder ein Erfüllungssurrogat liegt“. Zu 208 Eine Erstreckung des verurteilenden Erkenntnisses wurde in der gesamten Entwicklung nur ganz vereinzelt vertreten und daher auch in der Gesetzgebung kaum in Betracht gezogen. 209 So für den freiwilligen Eid insb. Paul. D. 12, 2, 26, 2: Iurisiurandi condicio ex numero esse potest videri novandi delegandive, quia proficiscitur ex conventione, quamvis habeat et instar iudicii. Zum Prozesseid Liebs, Klagenkonkurrenz, S. 212 f m. zahlreichen Quellenzitaten. 210 Vgl. auch Ulp. D. 44, 5, 1, 3 und z. G. bereits o. 1. Kap. bei Fn. 140. 211 So etwa Bartolus, l. XVI n. 16 zu D. 45, 2, S. 177, der selbst im letztgenannten Fall Gesamtwirkung annimmt, wenn die rei promittendi socii sind. Ferner Lauterbach, n. 29 zu D. 45, 2, Bd. 3, S. 559; Voet, n. 5 zu D. 45, 2, Bd. 2, S. 754; auch ders., n. 21 zu D. 12, 2, Bd. 1, S. 509 (zum Vergleich mit dem Eid). Anders Donellus, cap. VII n. 2 zu C. 8, 39(40), Bd. 9, Sp. 1338 f, der aus der vom Kreditmandat handelnden Stelle Pap. D. 46, 1, 52, 3 Einzelwirkung ableitet und diese – wie die Einzelwirkung des pactum de non petendo – auf das Prinzip zurückführt, nach dem ein Erwerb durch Gewaltfreie nicht möglich ist: Ex hoc jure placet (. . .) pactum quod paciscenti prodest ad totius rei exceptionem, quamvis in rem conceptum sit, tamen alteri reo non prodesse. (. . .) Sic autem regula juris est, per libram personam quae juri nostro subjecta non sit, excepta possessione, nobis nihil acquiri posse, (. . .). In eadem causa est rei judicatae exceptio: Finge ex pluribus ejusdem pecuniae promittendi reis, unum judicio electum. Diserte scriptum est in L. amissi, §. ult. D. de fid., absolutione quoque hujus secuta, eoque et quaesita ei exceptione rei judicatae, caeteros non liberari (. . .).

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2. Kap.: Die Gesamtgläubigerschaft von der Rezeption bis zum BGB

den hier gemeinten Tatsachen gehörten neben der litis contestatio des klassischen Rechts aber vor allem der negative Eid und das absolutorische Urteil212. Als Quellenbeleg für die Gesamtwirkung führten die Anhänger der Einheitstheorie üblicherweise an Pomp. lib. 18 ep. D. 12, 2, 42, 3: Item si reus iuravit, fideiussor tutus sit, quia res iudicata secundum alterutrum eorum utrique proficeret.

Ungeachtet der zur Zeit des Pomponius noch statthabenden Litiskontestationswirkung ging man davon aus, dass sich die Stelle mit der res iudicata „von aller prozessualischen Konsumtion völlig abstrahiert“ 213 auf die subjektive Reichweite der exceptio rei iudicatae beziehe und folgerte aus der Wechselseitigkeit der im Verhältnis von Hauptschuldner und Bürge angeordneten Gesamtwirkung, dass diese nicht etwa auf der akzessorischen Natur der Bürgschaft, sondern auf der auch beim Bürgenverhältnis vorhandenen Obligationseinheit 214 beruhe und daher auf das reguläre Korrealverhältnis zu übertragen sei215. Die sich in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts mehrenden Gegner der Einheitstheorie wandten hiergegen ein, dass die Stelle angesichts der Konsumtionswirkung der litis contestatio keinesfalls eine selbständige, von dieser losgelöste Urteilswirkung konstatieren könne. Soweit nicht eine Interpolation ins Feld geführt wurde216, nahm man daher den Standpunkt ein, dass Pomponius in der Sache mit der res iudicata doch den Prozess als Ganzes und mit dem proficere die auch dem jeweils anderen zustehende Berufung auf die Konsumtion gemeint und nur aufgrund der besseren Vergleichbarkeit mit dem Eid vom Urteil und nicht von der Klageerhebung gesprochen habe217. Auf dieser Grundlage gingen vor allem die Vertreter des Mehrheitsprinzips von genereller Einzelwirkung des Urteils aus. Für sie lieferte das Wesen der Korrealobligation ebenso wenig wie das der bloßen Solidarobligation einen Grund, von dem Prinzip res iudicata ius facit inter partes abzugehen218. 212

Vgl. Windscheid/Kipp, Bd. 2, S. 203 in Fn. 2; auch bereits o. 2. Kap. Fn. 94 a. E. Ribbentrop, S. 262 f. 214 Vgl. Keller, Litis Contestation, S. 446 ff, insb. 450; Ribbentrop, S. 88 f; Savigny, Obligationenrecht, Bd. 1, S. 147 f; Windscheid/Kipp, Bd. 2, S. 204. 215 So Ribbentrop, S. 262 ff; Savigny a. a. O., S. 188 ff, insb. 190. Vgl. auch Keller a. a. O., S. 449; Windscheid/Kipp, Bd. 2, S. 209 f; Vangerow, Bd. 1, S. 287; Puchta, Pandekten, S. 361; Wächter, Pandekten, Bd. 2, S. 315; Baron, Pandekten (1896), S. 452. 216 So etwa Dernburg, Pandekten, Bd. 2, S. 202 f Fn. 15. 217 So Kuntze, Obligation und Singularsukzession, S. 213 f; Fitting, Correalobligationen, S. 71; Baron, Gesammtrechtsverhältnisse, S. 372; L. Mitteis, Individualisierung, S. 93. Auch aus heutiger Sicht erscheint diese Erklärung naheliegend, vgl. Liebs, Klagenkonkurrenz, S. 212 f. 218 Kuntze a. a. O., S. 210 ff, insb. 214 f; Dernburg a. a. O., S. 202 f; L. Mitteis a. a. O., S. 89 ff; ders., GrünhZ 14 (1887), S. 456 ff, insb. 465; E. A. Seuffert, Bd. 2, S. 157 f Fn. 2; Sintenis, Bd. 2, S. 134 ff m. Fn. 21. 213

II. Die Wirkung von Tatsachen

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d) Die Wirkung des absolutorischen Urteils in den Kodifikationen und Entwürfen Die deutschen Kodifikationen und Entwürfe des 19. Jahrhunderts ließen die gemeinrechtliche Unterscheidung zwischen Korreal- und bloßen Solidarobligationen allesamt fallen. In Anknüpfung an Savignys Lehre219 stellten die Gesetzgeber in den Vordergrund, dass beiden Formen der Gesamtobligation letztlich der übereinstimmende Zweck größerer Sicherheit und Bequemlichkeit in der Rechtsverfolgung zugrunde liege und folgerten, dass das leitende praktische Bedürfnis des Rechtsverkehrs eine differenzierende Gestaltung des Verhältnisses nicht erfordere220. Der Hessische und der Bayerische Entwurf von 1861 regelten daher sämtliche Gesamtobligationen auf der einheitlichen Grundlage der Einheitstheorie221. Die Verfasser des Sächsischen BGB und des Dresdner Entwurfs gelangten dagegen ebenso wie Franz Philipp v. Kübel in seinem Vorlageentwurf zu der Ansicht, dass dem maßgeblichen Zweck der Sicherstellung des Gläubigers viel eher das Mehrheitsprinzip gerecht werde. Dies entnahm man der Gegenüberstellung der belastenden Gesamtwirkungen: Habe der Gläubiger beim Einheitsprinzips jeden den objektiven Bestand der Obligation ergreifenden Aufhebungsgrund und mithin auch etwa den vom Schuldner geleisteten Eid oder das zu dessen Gunsten ergangene Urteil „zu fürchten“, müsse er nach dem Mehrheitsprinzip lediglich Erfüllungstatbestände umfassend gegen sich gelten lassen222. Entsprechend dieser dogmatischen Grundentscheidungen fielen die Regelungen über die Urteilswirkung aus: Das Sächsische BGB, der Dresdner Entwurf und v. Kübels Vorlageentwurf sahen generell Einzelwirkung vor223, der Hessische Entwurf hingegen Gesamtwirkung des rechtskräftigen freisprechenden Urteils, das auf einem „den Bestand der Sammtverbindlichkeit überhaupt aufhebenden Grunde beruht“ 224. Trotz der von sämtlichen dieser Regelwerke übernommenen Ausschlusswirkung der Klageerhebung wurden die Bestimmungen über das Urteil dabei jeweils nicht nur für die Gesamtschuld, sondern auch für die Gesamtgläubigerschaft getroffen225. Schon in der Gemeinrechtslehre hatte sich – wohl in Konsequenz des Umstands, dass man die Ausschlusswirkung nicht mehr auf ein regelrechtes Erlöschen zurückführte – der Brauch eingeschlichen, den Rechtssatz 219

Vgl. insb. Obligationenrecht, Bd. 1, S. 219 und bereits o. 2. Kap. I. 1. bei Fn. 10. Motive HessE, Bd. 4/1, S. 3 f; Motive BayE, S. 420; Motive zu v. Kübels Vorlageentwurf in Schubert, Vorentwürfe, Schuldrecht, Bd. 3, S. 1231 f; Pöschmann, in: Siebenhaar, Commentar zum SächsBGB, Bd. 2, S. 186 f (zu § 1019). 221 Motive HessE, Bd. 4/1, S. 20 ff; Motive BayE, S. 420. 222 Motive v. Kübel a. a. O., S. 1232; Prot. DresdE, Bd. 1, S. 53, Bd. 2, S. 1452 ff; Pöschmann a. a. O. 223 § 1032 SächsBGB; Art. 15 DresdE; v. Kübel, § 9. 224 Art. 354 Abs. 1 HessE. Der BayE von 1861 traf keine Bestimmung über das Urteil. 225 So im HessE in der gesonderten Vorschrift des Art. 353. 220

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über die subjektive Reichweite der exceptio rei iudicatae ausdrücklich auch für die aktive Korrealität226 oder doch undifferenziert für das Gesamtinstitut der Korrealobligation227 zu formulieren, ohne dass man sein Verhältnis zur Litiskontestationswirkung näher geklärt hätte228. Diesem Beispiel folgten die Kodifikationen und Entwürfe. Mit dem Übergang zum Mehrheitsprinzip wurde der durch die Prävention gewährleistete Schuldnerschutz damit gleichsam durch die Hintertür wieder weitgehend genommen: Nur während der Rechtshängigkeit der ersten Klage waren weitere Klagen der übrigen Gläubiger ausgeschlossen, eine sukzessive Belangung des Schuldners angesichts der für das rechtskräftige Urteil normierten Einzelwirkung dagegen möglich229. e) Die Regelung im BGB aa) Erwägungen des Gesetzgebers Wie die vorausgehenden Kodifikationen und Entwürfe sah es auch der BGBGesetzgeber aufgrund des übereinstimmenden Zwecks von Korreal- und bloßen Solidarobligationen als „Aufgabe der Gesetzgebung“ an, „die Gesammtschuldverhältnisse auf einheitlicher Grundlage zu normieren“. Doch lehnte man es ab, der näheren Ausgestaltung durch ein grundsätzliches Bekenntnis zum Einheitsoder Mehrheitsprinzip vorzugreifen; stattdessen sollten die einzelnen Bestimmungen jeweils allein „von dem Standpunkte der Zweckmäßigkeit und Sachgemäßheit dem Zwecke des Instituts und den Bedürfnissen des Verkehrs entsprechend“ getroffen werden230. Auf dieser Grundlage erfolgte zunächst die Ablehnung des „Präventionsprinzips“. Anders als in den früheren Regelwerken erblickte man in der Ausschlusswirkung der Klageerhebung weniger eine Förderung, als vielmehr eine Beein226 So insb. Windscheid/Kipp, Bd. 2, S. 209 f. Ferner Arndts, Pandekten, S. 533 f; Wendt, S. 509; Dernburg, Pandekten, Bd. 2, S. 205 (für Einzelwirkung!). Auch bereits Donellus, cap. V n. 2 zu C. 8, 39(40), Bd. 9, Sp. 1332: (. . .) dubitandum non est, quin et rei judicatae exceptio, promissori adversus unum ex reis stipulandi quaesita, dum unus agens judicio victus est, etiam promissori adversus alterum reum prosit, eumque similiter liberet. Bartolus dagegen beachtet die dem vorgreifende Wirkung der litis contestatio, vgl. l. XVI n. 18 zu D. 45, 2, S. 177: Tertio est videndum de reis credendi. Et hic indistincte dico, quod lata pro uno, sive contra unum (i. e. sententia, d. Verf.), indistincte nocet aliis. Nam per litis contestationem sibi praeoccupat debitum ille agens, sive sint socii, sive non. 227 Etwa Puchta, Pandekten, S. 361; Baron, Pandekten (1872), S. 507 (unter b.). 228 Kritisch insoweit Binder, S. 425 f; Hruza, KrVJS 42 (1900), S. 174 ff, 183; Last, S. 247 f. 229 Vgl. HKK-BGB/S. Meier §§ 420–432/II Rn. 11 a. E. 230 Zitate aus v. Kübel, in: Schubert, Vorentwürfe, Schuldrecht, Bd. 1, S. 65; vgl. auch Motive bei Mugdan, Bd. 2, S. 85 f; Jakobs/Schubert, Schuldrecht, Bd. 1, S. 895 f (zu Thesis IV).

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trächtigung des Zwecks der erleichterten Rechtsverfolgung. Dieser Zweck, so die Begründung, solle allen Gläubigern in gleicher Weise zugute kommen und es lasse sich aus ihm kein Grund entnehmen, den zuvorkommenden Gläubiger auf Kosten der übrigen zu begünstigen und ihm das Recht zu geben, die übrigen durch sein Zuvorkommen auszuschließen. Zwar resultiere daraus eine „nicht unerhebliche Belästigung des Schuldners“, indem er genötigt sein könne, mehrere Prozesse gleichzeitig zu führen; doch sei „dies eben eine Folge des Gesamtschuldverhältnisses“. Jedenfalls könne „die Rücksicht auf den Schuldner nicht dazu führen, dem Zuvorkommen des einen Gläubigers die Folge zu geben, dass die übrigen Gläubiger dadurch ihrer Rechte gegen den Schuldner verlustig“ würden231. Als Anknüpfungspunkt für die Frage nach der Prävention bedient sich auch das BGB der Wahlmöglichkeit des Schuldners. Zwar mied man im Gegensatz zu den Vorgängerregelungen den Begriff der „Wahl“, in der Befürchtung, die Wissenschaft könne dieser Formulierung einen Hinweis auf die Elektionstheorie der Pandektistik entnehmen232; inhaltlich gleichbedeutend bestimmt jedoch § 428 S. 1 BGB als zentralen Folgesatz der Gesamtgläubigerschaft, dass „der Schuldner nach seinem Belieben an jeden der Gläubiger leisten“ kann, während S. 2 klarstellt, dass diese Wahlmöglichkeit auch nach Klageerhebung durch einen der Gesamtgläubiger fortbesteht. Die sich aus den §§ 425, 429 Abs. 3 S. 1 ergebende generelle Einzelwirkung des Urteils folgte für den Gesetzgeber zuvörderst aus der Regel res iudicata ius facit inter partes sowie der Erwägung, dass eine Gesamtwirkung ohnehin nur insoweit in Betracht komme, als das Urteil auf Feststellungen beruhe, die auch die übrigen Gesamtschuldner oder Gesamtgläubiger beträfen, die dahingehende Prüfung des Urteils sich aber schlechthin verbiete, da Entscheidungsgründe nach den Vorschriften der RCPO der Rechtskraft nicht fähig seien233. Neben dieser prozessrechtlichen Begründung machte man aber auch hier den Zweck der Gläubigerbegünstigung geltend. So wurde im Zuge des Gesetzgebungsverfahrens vor allem eine Regelung diskutiert, nach der das freisprechende Urteil Gesamtwirkung haben sollte, soweit der abgewiesene Gesamtgläubiger ausgleichsberechtigt und der freigesprochene Gesamtschuldner ausgleichspflichtig sei. Dem hielt man unter anderem entgegen, dass durch das „Hereinziehen“ des zwischen den Gesamtgläubigern oder -schuldnern bestehenden Innenverhältnisses in die Außenabwicklung der Zweck der größeren Sicherheit und Bequemlichkeit in der Rechtsverfolgung „erheblich beeinträchtigt“ würde; nach den Motiven zum Vorentwurf 231 Zitiert aus v. Kübel a. a. O., S. 72; ferner Jakobs/Schubert a. a. O., S. 924; Motive bei Mugdan, Bd. 2, S. 87. 232 Prot. bei Mugdan, Bd. 2, S. 605. 233 Motive bei Mugdan, Bd. 2, S. 88; v. Kübel a. a. O., S. 78 ff; Jakobs/Schubert a. a. O., S. 929.

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ein „Moment, das für sich schon vom gesetzgeberischen Standpunkte den Ausschlag zu geben geeignet wäre“ 234. bb) Zusammenfassung und Bewertung Das Ausgangsmodell der Gesamtgläubigerschaft im römischen Recht bot dem Schuldner mit der gesamtaufhebenden Wirkung der litis contestatio einen angemessenen Schutz vor übermäßigen Nachteilen aus der Vermehrung der Klagrechte: Sobald ein Gläubiger den Schuldner gerichtlich angegangen hatte, waren weitere Klagen der übrigen Gläubiger unabhängig vom Prozessausgang dauerhaft ausgeschlossen. Die Rechtsentwicklung bis zum BGB zeigt die schrittweise Aufgabe dieses schuldnerschützenden Elements. Nach dem Absterben der prozessualen Konsumtion zerfiel die Ausschlusswirkung der Klageerhebung zunächst ihrem Rechtsgrund nach in den materiell-rechtlichen Gesichtspunkt der Elektion oder Prävention einerseits und die Gesamtwirkung des absolutorischen Urteils andererseits. Die Kodifikationsbewegung in Deutschland beseitigte daraufhin zuerst letzteren und sodann ersteren Bestandteil. Den Anstoß hierzu gab der gesetzgeberische Trend hin zu einer loseren Verknüpfung der Forderungsrechte nach dem Vorbild des Mehrheitsprinzips, der seinerseits maßgeblich auf die Savigny’sche Zweckformel und eine durch sie inspirierte einseitige Berücksichtigung der Gläubigerinteressen zurückzuführen ist. In Konsequenz dessen ist die ausgewogene Gestaltung der römischen rei stipulandi235 im BGB aufgebrochen. Vor allem bei streitigem Recht ist die Stellung des Schuldners überaus ungünstig, indem er sich unter Umständen in ebenso vielen Rechtsstreitigen erwehren muss, wie Gesamtgläubiger vorhanden sind236. Ausgehend vom historischen Hauptfall der vertraglich vereinbarten Gesamtgläubigerschaft ist dieses Ergebnis aus wertender Sicht befremdlich. So erscheint es gegenüber der Vervielfachung des den Schuldner treffenden Prozessrisikos viel eher dem Gläubiger zumutbar, die Prozessführung des Mitgläubigers gegen sich gelten lassen zu müssen, den er selbst zum konkurrierenden Gläubiger der gesamten Leistung berufen hat237. 234 Z. G. v. Kübel a. a. O., S. 82 f. Vgl. auch Motive bei Mugdan, Bd. 2, S. 90 (zur Aufrechnungseinrede). 235 Vgl. o. 1. Kap. III. 1. g). 236 Vgl. de Boor, S. 98; Rütten, S. 146; Staudinger/Noack § 428 Rn. 12; HKK-BGB/ S. Meier §§ 420–432/II Rn. 13 a. E.; dies., AcP 205, S. 870. 237 So i. E. auch de Boor, S. 103; S. Meier, AcP 205, S. 871 f. Demgegenüber wandten L. Mitteis, Individualisierung, S. 91 f; GrünhZ 14 (1887), S. 456 ff und ihm folgend Last, S. 243 gegen jede Gesamtwirkung des freisprechenden Urteils in der Gesamtobligation ein, dass es unbillig sei, wenn die Rechtskraft der Schuldnerseite, nicht aber der Gläubigerseite nütze. Doch lässt diese Ansicht außer Acht, dass das schutzwürdige Interesse der Schuldnerseite an der Gesamtwirkung des ihr günstigen Erkenntnisses größer ist als das entsprechende Interesse der Gläubigerseite. So vor allem bei der Gesamtgläubigerschaft: Die Gesamtgläubiger gelangen mit dem Titel in der Hand eines Gläubigers an ihr Ziel, der Schuldner dagegen kaum mit der gegenüber einem Gesamtgläubiger wirksamen Klageabweisung.

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f) Verwandte Einzelprobleme des geltenden Rechts aa) Schuldnerwahlrecht, Annahmeverzug und Hinterlegung Der Folgesatz des § 428 S. 1 BGB, nach dem der Schuldner „nach seinem Belieben an jeden der Gläubiger leisten“ kann, wird in der Literatur oft im Sinne eines positiven Rechts des Schuldners verstanden, die Leistung gerade an den Gläubiger seiner Wahl zu erbringen. Dies hat Bedeutung bei Fragen des Annahmeverzugs und der Hinterlegung. Führt man nämlich die in § 429 Abs. 1 bestimmte Gesamtwirkung des Annahmeverzugs auf ein solches Schuldnerwahlrecht zurück, so muss man zu dem Ergebnis gelangen, dass die Gesamtwirkung selbst dann eintritt, wenn andere Gesamtgläubiger ihre Annahmebereitschaft erklärt haben238. Ferner nehmen auf dieser Grundlage manche an, dass im Allgemeinen schon der bei einem Gesamtgläubiger bestehende Hinterlegungsgrund (§ 372) den Schuldner zur Hinterlegung berechtigt239 und schließlich, dass im Falle einer Hinterlegung ohne Ausschluss der Rücknahme der Schuldner nicht nur gegenüber dem Gläubiger, für den er hinterlegt hat, sondern gegenüber sämtlichen Gesamtgläubigern durch die Einrede des § 379 geschützt ist240. Schon im praktischen Ergebnis können diese Konsequenzen kaum überzeugen, wenn man sich den Zweck der Gesamtgläubigerschaft vor Augen führt. Geht man von ihrer historischen Vertretungsfunktion aus, so wird sie gerade begründet, um die Abwicklung auch im Falle der Verhinderung eines Gläubigers zu ermöglichen. Dem liefe es zuwider, könnte der Schuldner die Leistung gerade dem verhinderten Gläubiger anbieten und sich den übrigen gegenüber uneingeschränkt auf dessen Annahmeverzug oder die für ihn erfolgte Hinterlegung berufen241. Betrachtet man die neueren Fälle der Gesamtgläubigerschaft, so steht dort abgesehen vom Oder-Konto242 zwar das Schuldnerinteresse mehr im Vordergrund; doch erschöpft sich etwa der Zweck des § 117 SGB X aus Schuldnersicht in der Ermöglichung der ungeteilten Erfüllung und der des § 421 Abs. 1 S. 2 HGB in der Ge238 So Staudinger/Noack § 429 Rn. 2; Rütten, S. 201; Erman/Ehmann § 429 Rn. 3. Vgl. auch RGRK/Weber § 429 Rn. 2. 239 So Staudinger12 /Kaduk § 429 Rn. 9. 240 So vor allem Dernburg, Bürgerliches Recht, Bd. 2/1, S. 432: „Sonst wäre der Rechtssatz, dass der Schuldner nach seinem Belieben an jeden Gläubiger leisten kann, illusorisch“. Ferner Last, S. 173; Crome, System, Bd. 2/1, S. 388 Fn. 14; Enneccerus/ Lehmann, S. 371 Fn. 2; Staudinger12 /Kaduk § 429 Rn. 9; Staudinger/Noack § 429 Rn. 12; Erman/Ehmann § 429 Rn. 3. 241 Vgl. Last, S. 171 f; auch S. Meier, AcP 205, S. 870. 242 Möchte man hier Gesamtgläubigerschaft annehmen, ist die Lage gänzlich anders: Der Folgesatz des § 428 S. 1 ist abbedungen, so dass von einem Schuldnerwahlrecht von vornherein nicht die Rede sein kann. Dennoch haben der Annahmeverzug des Gläubigers, der die Leistung angefordert hat, sowie die für diesen erfolgte Hinterlegung unbeschränkt Gesamtwirkung; denn die Leistung an einen anderen Gläubiger ist dem Schuldner nicht gestattet. Doch dürften diese Probleme im Bankverkehr kaum praktisch werden.

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stattung der befreienden Leistung ohne Rücksicht auf die Person des Geschädigten. Ein positives Recht des Schuldners zur Empfängerwahl ist auch diesen Konstellationen nicht wesentlich und steht dem Ziel der erleichterten Abwicklung viel eher im Wege243. Der Blick auf den historischen Hintergrund des § 428 entkräftet denn auch seinen dahingehenden Gehalt. Die Gemeinrechtslehre und – ihr folgend – die dem BGB vorausgehenden Regelwerke formulierten den Rechtssatz über die Wahlfreiheit des Schuldners, um einen Anknüpfungspunkt für die Ausschlusswirkung der Klageerhebung zu schaffen. Die Quellenaussagen über die litis contestatio oder petitio als Erlöschensgrund waren im gemeinen Recht überholt und man ging daher dazu über, die einstige Litiskontestationswirkung nach dem Vorbild von Gai D. 45, 2, 16 nur mehr in ihrer Auswirkung auf die Wahlfreiheit des Schuldners zu erfassen. Die Pandektistik setzte diesen Ansatz fort, indem sie die Gesamtobligation der alternativen Obligation und die Wahlfreiheit des Schuldners entsprechend einem regelrechten Wahlrecht nahebrachte; wiederum war aber primäres Ziel, eine materiell-rechtliche Erklärung für die Ausschlusswirkung der Klageerhebung zu generieren. Historisch diente der Rechtssatz über die Freiheit des Schuldners in der Empfängerwahl demnach nicht einem Selbstweck im Sinne der Statuierung eines Schuldnerwahlrechts, sondern der Vorbereitung einer Bestimmung über das Ende jener Freiheit. In diesen Kontext ist auch der Folgesatz des § 428 S. 1 BGB zu stellen, der somit lediglich die Funktion hat, der in § 428 S. 2 getroffenen Regelung über die Ausschlusswirkung den Boden zu bereiten. Indem die Ausschlusswirkung in S. 2 abgelehnt wird, ist sein Gehalt damit aber ebenso deklaratorisch, wie die Bestimmung über das Nichtstattfinden der Ausschlusswirkung selbst: Nicht etwa ein positives Schuldnerwahlrecht kommt in der Formulierung des § 428 S. 1 zum Ausdruck, sondern allein die sich aus der rechtlichen Gestalt der Gesamtgläubigerschaft von selbst ergebende, faktische Möglichkeit des Schuldners, sich durch Leistung an den einen oder anderen Gläubiger gegenüber sämtlichen Gläubigern zu befreien. Auf dieser Grundlage gilt es sich den Fragen des Annahmeverzugs und der Hinterlegung zu nähern. So beruht die in § 429 Abs. 1 bestimmte Gesamtwirkung des Annahmeverzugs nicht auf einem Recht des Schuldners, über die Person des Leistungsempfängers zu entscheiden, sondern auf der Zuständigkeit eines jeden Gesamtgläubigers, die Leistung für alle entgegenzunehmen: Dem Schuldner ist – zumal im Gegensatz zur Mitgläubigerschaft – die Möglichkeit gegeben, sich durch Leistung an einen einzelnen der Berechtigten zu befreien; schon demgegenüber wäre es widersprüchlich, müsste er die Leistung sämtlichen Gläubi243 Nichts anderes ist auch im sogleich zu besprechenden Fall des § 2151 Abs. 3 S. 1 BGB zu sagen. Zwar wird dort wie in Cels. D. 31, 16 (o. 1. Kap. IV.) ein alternatives Vermächtnis mit Schuldnerwahlrecht vorausgesetzt; doch kommt es – wiederum wie bei Celsus – erst zur Gesamtgläubigerschaft, wenn der Wahlberechtigte mit der Wahl ausfällt und daher stattdessen die Gläubigerinitiative über den Empfänger entscheiden soll.

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gern anbieten, um sich der Vorteile des Annahmeverzugs sicher zu sein244. Die Gesamtwirkung tritt jedoch nicht ein, wenn die Annahmebereitschaft eines anderen Gesamtgläubigers feststeht245, ebenso wie jeder Gesamtgläubiger die Verzugsfolgen durch Erklärung der Annahmebereitschaft von sich abwenden kann246. Denn der Schuldner hat mangels abweichender Vereinbarung nicht das Recht, auf dem Empfänger seiner Wahl zu beharren. Aus demselben Grund genügt es für eine Hinterlegung gemäß § 372 S. 2 wegen Ungewissheit des Gläubigers nicht, wenn einer oder mehrere Gesamtgläubiger ungewiss sind, solange dem Schuldner nur einer von ihnen bekannt ist247, und schützt die Hinterlegungseinrede des § 379 den Schuldner nur gegenüber dem Gesamtgläubiger, zu dessen Gunsten er hinterlegt hat248. Letzteres folgt schon aus dem Wortlaut des § 379, denn es kann nur ein Gläubiger auf die hinterlegte Sache verwiesen werden, dem auch der Zugriff auf diese offensteht. Schließlich ergibt sich auch nichts Gegenteiliges aus dem Umstand, dass § 422 S. 2 Gesamtwirkung der Hinterlegung bestimmt, ohne nach Widerruflichkeit und Unwiderruflichkeit zu differenzieren249: Aus entstehungsgeschichtlicher und systematischer Sicht bezieht sich § 422 S. 2 nur auf Erfüllungssurrogate; nur die Hinterlegung mit ausgeschlossener Rücknahme hat aber gemäß § 378 erfüllungsgleiche Wirkung. bb) Die Gesamtgläubigerschaft aus Vermächtnis: § 2151 Abs. 3 BGB Die Ausschlusswirkung der Klageerhebung hatte neben ihrer Schutzfunktion für den Schuldner auch Bedeutung für die Gläubiger. Nicht umsonst herrschte in der Wissenschaft des 19. Jahrhunderts die Auffassung, dass diese Gestaltung ganz im Sinne des Zwecks der erleichterten Rechtsverfolgung sei, da sie möglichen „Vexationen“ des Schuldners wirksam begegne250. Nach der Regelung des BGB muss der klagende Gesamtgläubiger in jedem Stadium des Verfahrens bis hin zur Vollendung der Zwangsvollstreckung damit rechnen, dass sich der Schuldner durch Leistung an den Mitgläubiger befreit und seine prozessualen Bemühungen somit ins Leere gehen lässt. Dies ist freilich dann weitgehend unproblematisch, wenn die Gesamtgläubigerschaft – wie regelmäßig – auf späteren 244 Dahingehend wohl auch die Erwägung des Gesetzgebers, der die Gesamtwirkung erst im 2. Entwurf aufnahm, vgl. Prot. bei Mugdan, Bd. 2, S. 610; Jakobs/Schubert, Schuldrecht, Bd. 1, S. 928. 245 So auch Planck/Siber § 429 Anm. 3. 246 Enneccerus/Lehmann, S. 369; Staudinger/Noack § 429 Rn. 3. 247 Rütten, S. 194; Staudinger/Noack § 429 Rn. 13; Staudinger/Olzen § 372 Rn. 20; Gernhuber, Erfüllung, S. 345. 248 Planck/Siber § 429 Anm. 1; Oertmann § 429 Anm. 2.a.; Rütten, S. 193; JurisPK/ Rüßmann § 429 Rn. 10 Fn. 2. 249 So aber Crome, System, Bd. 2/1, S. 388 Fn. 14; Last, S. 173; Enneccerus/Lehmann, S. 371 Fn. 2. 250 Oben bei Fn. 207.

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Ausgleich angelegt ist, kommt doch in diesem Fall die Leistung an den einen Gesamtgläubiger der Leistung an den anderen gewissermaßen gleich251. Anders ist die Lage bei ausgleichsloser Gesamtgläubigerschaft, der sich das BGB wie schon das römische Recht im Vermächtnisrecht bedient. Nach römischem und gemeinem Recht konnte der Erblasser ein Damnationslegat in der Weise aussetzen, dass dem Beschwerten die Wahl zwischen mehreren alternativ genannten Vermächtnisnehmern überlassen war. Nahm er die Wahl nicht rechtzeitig vor, so entstand zwischen den Vermächtnisnehmern eine Gesamtgläubigerschaft ohne Innenverhältnis mit der Folge, dass der zuerst auf das Vermächtnis Klagende die übrigen ausschließen und auf diese Weise eine Auswahl nach dem Prinzip occupantis melior est condicio oder, nach neuerer und untechnischerer Diktion, prior tempore potior iure herbeiführen konnte252. Entsprechend lässt auch das BGB gemäß § 2151 Abs. 1 BGB ein Vermächtnis mit alternativen Bedachten und Wahlrecht des Beschwerten oder eines Dritten zu, das gemäß Abs. 3 im Falle der Unmöglichkeit oder Verzögerung der Wahl zu einer ausgleichslosen Gesamtgläubigerschaft zwischen den Bedachten führt. Mangels Ausschlusswirkung der Klageerhebung ist das praktische Ergebnis jedoch ein anderes als nach römischem Recht: Erst mit dem tatsächlichen Erhalt der Leistung kann sich ein Bedachter sicher sein, im „Wettlauf“ mit den Übrigen obsiegt zu haben. Das Wahlrecht geht somit keineswegs auf die Gläubigerseite über, sondern kommt faktisch dem Beschwerten zu, der in die Position gelangt, seine Gunst meistbietend erkaufen lassen oder die Bedachten gar gänzlich fernhalten zu können mit der Ankündigung, im Falle der Klageerhebung durch den einen an den anderen zu leisten253. Soweit infolgedessen der vom Erblasser zugedachte Vorteil durch die Nichtausübung oder Nichtausübbarkeit des Wahlrechts geschmälert zu werden droht, ist die Regelung des § 2151 Abs. 3 als unglücklich, im Ergebnis aber dennoch nicht als unerträglich254 zu bezeichnen. In aller Regel wird der Beschwerte, um Prozesskosten überhaupt zu vermeiden, um eine zügige Abwicklung bemüht sein255; an251 Zutr. de Boor, S. 102 f; HKK-BGB/S. Meier §§ 420–432/II Rn. 12 a. E. gegen frühere Fundamentalkritik, vgl. insb. Hruza, SächsArchRPr 5 (1895), S. 308 f (zum 2. Entwurf); auch Crome, System, Bd. 2/1, S. 371 Fn. 16, S. 387 m. Fn. 2. Unbegründet ist auch Hruzas Sorge, der Kläger müsse infolge der Befreiung des Schuldners durch Leistung an den Mitgläubiger die Prozesskosten tragen: Liegt kein sofortiges Anerkenntnis gemäß § 93 ZPO vor, ist der Schuldner nach erfolgter Erledigterklärung in diesem Fall ebenso kostenpflichtig wie wenn er an den Kläger selbst geleistet hätte. 252 Z. G. Cels. D. 31, 16 (dazu o. 1. Kap. IV.); Ribbentrop, S. 119; Dernburg, Pandekten, Bd. 2, S. 205; Savigny, Obligationenrecht, Bd. 1, S. 157 f, bei dem das Ergebnis jedoch dem des BGB entspricht, da er für das gemeine Recht keine Ausschlusswirkung der Klageerhebung annahm. 253 Vgl. de Boor, S. 105 f; Dernburg, Bürgerliches Recht, Bd. 2/1, S. 431. 254 So aber wohl de Boor a. a. O.; HKK-BGB/S. Meier §§ 420–432/II Rn. 31; dies., AcP 205, S. 883. 255 So auch die Erwägung des Gesetzgebers, der sich des hier in Rede stehenden Problems durchaus bewusst war, vgl. Prot. bei Mugdan, Bd. 5, S. 526. Generell beschwichtigend gegenüber de Boors Furcht vor der Schuldnerwillkür, die dieser zur

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dernfalls bleibt den Bedachten immerhin die Möglichkeit, die Machtposition des Beschwerten durch ein einvernehmliches Vorgehen zu beseitigen256. Der Korrektur bedarf § 2151 Abs. 3 vielmehr unter einem anderen Gesichtspunkt. So taugt die ausgleichslose Gesamtgläubigerschaft nur dann als Ausweg für den Fall der Nichtausübung des Wahlrechts, wenn der Erblasser die Auswahl des Bedachten in das freie Belieben des Bestimmungsberechtigten gestellt hat oder diesem trotz angegebener Auswahlrichtlinien jedenfalls die letztgültige Entscheidung überlassen sein sollte. Nur dann entspricht diese Lösung dem Erblasserwillen, indem das Vermächtnis wenn auch gleichsam zufällig einer Person zuwächst, die der Erblasser als potentiellen Bedachten ins Auge gefasst hat. Der Gesetzgeber legte einen solchen Erblasserwillen als Regelfall zugrunde und entschied sich daher auch gegen eine richterliche Überprüfbarkeit der Auswahlentscheidung, wie sie etwa beim Zweckvermächtnis gemäß § 2156 vorgesehen ist257. Die inzwischen herrschende Lehre setzt sich über diese Entscheidung hinweg, indem sie analog § 319 Abs. 1 S. 1 eine richterliche Überprüfung der getroffenen Auswahl zulässt, wenn der Erblasser verbindliche Auswahlrichtlinien aufgestellt hat258. Mit derselben Einschränkung ist m. E. die Anwendbarkeit des § 2151 Abs. 3 zu versehen: Hat der Erblasser Auswahlkriterien angegeben und sollte deren Beachtung dem freien Ermessen des Bestimmungsberechtigten vorgehen, so muss bei fehlerhafter ebenso wie bei Nichtausübung des Wahlrechts analog § 319 Abs. 1 S. 2 ein gerichtliches Bestimmungsrecht an dessen Stelle treten259. Es erschiene schließlich wenig konsequent, würde dem erklärten Willen des Erblassers zwar im Falle einer fehlerhaften Auswahl mittels deren Kassation, nicht aber bei Untätigkeit oder Verhinderung des Bestimmungsberechtigten gerichtlicher Schutz gewährt260. Grundlage seiner gesamten Lehre von der Forderungskollision macht, insoweit R. Oppermann, Kollision, S. 88 f. 256 S. Meier, AcP 205, S. 883 hält auch diesen Ausweg für nicht billigenswert, da der Erblasser eine Teilung gerade nicht gewollt habe. Letztlich kann der Erblasserwille aber schon deshalb nicht mehr verwirklicht werden, weil der zur Auswahl Berufene mit der Wahl ausgefallen ist. Kaum lässt sich dann generell sagen, dass die Teilung des Vermächtnisses dem Erblasserwillen weniger gerecht wird, als die Wahl dem Zufall zu überlassen. Nicht umsonst dominierte im römischen Recht erstere Lösung (vgl. o. 1. Kap. bei Fn. 166 ff). 257 Vgl. Prot. bei Mugdan, Bd. 5, S. 527. 258 Staudinger/Otte § 2151 Rn. 7; BaRo/Müller-Christmann § 2151 Rn. 5; Schiemann, in: Frieser, Fachanwaltskommentar Erbrecht, § 2151 Rn. 3; Palandt/Edenhofer § 2151 Rn. 3; Lange/Kuchinke, § 29 III.2.b.a (S. 631 f). Anders noch RGRK/Johannsen § 2151 Rn. 6 f. 259 Hiergegen ausdrücklich die allg. M. unter Verweis auf die abweichende Regelung des § 2151 Abs. 3 und den Umkehrschluss aus § 2156 S. 2: Staudinger/Otte § 2151 Rn. 7; BaRo/Müller-Christmann § 2151 Rn. 5; Schiemann a. a. O. Insoweit ist die bereits zugunsten der gerichtlichen Überprüfbarkeit vorgenommene Korrektur aber nicht minder contra legem. 260 Auch bei der Erbeinsetzung mit Auswahlermächtigung ist die analoge Anwendung des § 319 Abs. 1 S. 2 daher inzwischen anerkannt, vgl. nur Staudinger/Otte § 2065 Rn. 39; MüKo/Leipold § 2065 Rn. 31; BaRo/Litzenburger § 2065 Rn. 18.

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Endlich stellt sich die Frage, inwieweit Gesamtgläubigern nach § 2151 Abs. 3 die sich aus den §§ 429 Abs. 3 S. 1, 422 Abs. 1 S. 2, 423 ergebenden Einzelverfügungsbefugnisse gewährt werden können. Handelt es sich dem eigentlichen Rechtsgrund nach auch um eine rechtsgeschäftliche Gesamtgläubigerschaft, trifft der originäre Grund für die freie Verfügungsmacht der Gesamtgläubiger im Fall des § 2151 Abs. 3 dennoch nicht zu, indem nicht die Gläubigerdisposition, sondern der notfalls auf Erzwingung der Auswahlentscheidung gerichtete Erblasserwille für die Begründung der Einzelklag- und Empfangsrechte bestimmend ist261. Auf dem Boden des römischen und gemeinen Rechts begegnete es gleichwohl keinen Bedenken, die Rechtsstellung der vertraglichen Gesamtgläubiger auf den Fall der testamentarischen Gesamtgläubigerschaft zu übertragen, da der mit seiner Klage zuvorkommende Gläubiger im selben Moment auch vor drittbelastenden Verfügungen seiner Konkurrenten geschützt war. Im BGB dagegen würde die unbeschränkte Gewährung der Aufhebungsbefugnisse nicht unerheblich zu der Gefahr beitragen, dass der vom Erblasser zugedachte Vorteil infolge der erweiterten Wahlfreiheit des Schuldners eine Schmälerung erfährt. Denkbar wäre dann auch ein Wettbewerb der alternativen Vermächtnisnehmer mittels Gewährung von Nachlässen auf die Vermächtnisforderung oder gar deren gänzlicher Erlass durch einen Gläubiger aufgrund der Entscheidung des Beschwerten, die Leistung allenfalls an den Konkurrenten zu erbringen262. Daher ist die Verweisung des § 429 Abs. 3 S. 1 im Fall des § 2151 Abs. 3 unter Berücksichtigung des Erblasserwillens zu beschränken. Mit diesem steht es zwar in Einklang, wenn der Beschwerte das Vermächtnis gegebenenfalls auch durch Aufrechnung oder Hinterlegung erfüllen kann; und ebenso ist die gesamtaufhebende Wirkung der von einem der alternativen Vermächtnisnehmer angenommenen Leistung an Erfüllungs statt hinzunehmen, soweit diese dem Vermächtnisgegenstand wertmäßig entspricht. Ersatzlos, insbesondere durch Erlass, kann sich jeder Vermächtnisnehmer aber nur seines eigenen Rechts begeben. Denn dem Erblasserwillen entspricht nur so viel Rechtsmacht der einzelnen Aspiranten, wie der Erzwingung der Auswahlentscheidung und somit der Erfüllung des Vermächtnisses dienlich ist263.

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Vgl. Prot. bei Mugdan, Bd. 5, S. 526. Der Gesetzgeber erkannte die aus der Befugnis zum Gesamterlass resultierende Möglichkeit eines „unlauteren Handelns“ des Beschwerten „durch die Wahl desjenigen Bedachten, der von ihm am wenigsten verlange“, sah jedoch keinen genügenden Anlass zu einer Korrektur. Vgl. Prot. bei Mugdan, Bd. 5, S. 526. 263 In der Sache wohl gleichbedeutend für bloße „unechte Gesamtgläubigerschaft“ im Fall des § 2151 Abs. 3 Erman/Ehmann § 428 Rn. 6. 262

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3. Konfusion a) Die Wirkung der Konfusion nach gemeinem Recht Die Wirkung der Konfusion auf die Gesamtgläubigerschaft, namentlich also der Fall, dass ein Gesamtgläubiger Erbe des Schuldners oder der Schuldner Erbe eines Gesamtgläubigers wird, findet sich in den römischen Quellen nicht behandelt264. Von der Konfusion bei rei promittendi spricht dagegen Paul. lib. 4 quaest. D. 46, 1, 71pr.: (. . .) Sed cum duo rei promittendi sint et alteri heres exstitit creditor, iusta dubitatio est, utrum alter quoque liberatus est, ac si soluta fuisset pecunia, an persona tantum exempta confusa obligatione. Et puto aditione hereditatis confusione obligationis eximi personam (. . .). Igitur alterum reum eiusdem pecuniae non liberari (. . .). Cum altero autem reo vel in solidum, si non fuerit societas, vel in partem, si socii fuerunt, posse creditorem agere.

Paulus erschien es zweifelhaft, ob die bei einem von mehreren rei promittendi eingetretene Konfusion lediglich diesen oder wie die Erfüllung sämtliche Schuldner befreie. Er entscheidet sich für die erste Lösung: Nur der einzelne Gesamtschuldner werde infolge der Konfusion frei, so dass der Gläubiger dessen Mitschuldner weiterhin entweder auf die ganze Leistung oder, bei rei promittendi socii, auf einen Teil in Anspruch nehmen könne. Die Gemeinrechtslehre sah diese Entscheidung in Zusammenhang mit Pomp. lib. 37 ad Quintum Mucium D. 45, 2, 19: Cum duo eandem pecuniam debent, si unus capitis deminutione exemptus est obligatione, alter non liberatur. Multum enim interest, utrum res ipsa solvatur an persona liberetur. Cum persona liberatur manente obligatione, alter durat obligatus: (. . .).

Aufgrund beider Quellenaussagen stellte man – zunächst nur bei der Gesamtschuld – den gesamtaufhebenden (res ipsa solvitur) Erfüllungs- und erfüllungsgleichen Tatbeständen eine zweite Kategorie von Erlöschensgründen wie confusio und capitis diminutio265 gegenüber, durch die lediglich die jeweilige Einzelperson aus der Gesamtobligation herausgelöst werde (persona eximitur bzw. liberatur) mit der Folge, dass das Schuldverhältnis für die übrigen Schuldner fortbestehe: Quod si, cum duo eandem pecuniam deberent, unus capitis diminutione exemtus sit obligationi, alter non liberatur; quia multum interest, utrum res ipsa solvatur, an persona liberetur; cum enim persona liberatur, manente obligatione, alter durat obligatus; at cum obligatio ipsa solutione, vel eo, quod solutionis loco est, perimitur, non potest amplius quisquam inde devinctus esse. l. ult. ff. h. t. Eademque ratione placuit, 264 In Ven. D. 45, 2, 13 kommt nur der Fall zur Sprache, dass sich die rei stipulandi untereinander beerben. 265 Anstelle der Statusänderung verblieb im gemeinen Recht nur die Vermögenskonfiskation, etwa infolge Verbannung, die man in ihrer Wirkung auf Forderungen und Verbindlichkeiten des Betroffenen analog behandelte (vgl. die Nachweise und das Donelluszitat in der folgenden Fn.).

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si creditor uni reorum debendi succedat, alterum debendi reum haud liberari, quasi talis confusione persona quidem eius, cui creditor successit, obligationi subducta fuerit, obligatio vero ipsa haud dissoluta, nisi duo rei debendi simul socii sint; quippe quo casu superstes debendi reus successori rei defuncti non ultra quam in debiti semissem teneretur. l. Granius Antonius 71. ff. de fideiussoribus266.

Die Pandektistik übertrug diesen Ansatz auf die Gesamtgläubigerschaft. Als Ursache für die Erlöschenswirkung der Konfusion galt überwiegend der Umstand, dass die Obligation zu ihrem Bestehen notwendig die Beteiligung zweier Personen voraussetze, da niemand sein eigener Gläubiger oder Schuldner sein könne. Daraus folgerte man, dass der Grund der Konfusionswirkung ebenso wie bei der passiven auch bei der aktiven Korrealobligation nur auf dasjenige Einzelrecht zutreffe, das der Konfusion unterfallen sei. Aus Sicht der Einheitstheorie handelte es sich daher wie auch bei der capitis diminutio um den Modellfall eines Erlöschensgrunds, der nicht den objektiven Bestand, sondern lediglich die subjektive Beziehung der Obligation beseitigte, aus Sicht der Mehrheitstheorie um einen Aufhebungsgrund, der – jedenfalls im Zusammenhang mit der Korrealobligation – nicht der Erfüllung gleichzusetzen und deshalb den konkurrierenden Forderungsrechten unschädlich war. Nur bei zwischen den Korrealschuldnern oder Korrealgläubigern bestehender Gesellschaft sollte die Haftung des verbleibenden Korrealschuldners und die Berechtigung des verbleibenden Korrealgläubigers insoweit vermindert sein, als jener nach dem Innenverhältnis regressberechtigt und dieser ausgleichspflichtig gewesen wäre267. 266 So Voet, n. 5 zu D. 45, 2, Bd. 2, S. 754. Vgl. auch Lauterbach, n. 25 f zu D. 45, 2, Bd. 3, S. 558. Donellus unterscheidet zwischen „echten“ Befreiungsgründen, durch die die gesamte Obligation ipso iure aufgehoben werde und die daher auch dem Mitschuldner zugute kämen, und anderweitigen Befreiungsgründen, die lediglich dem jeweiligen Schuldner nützten. Zu letzteren zählt er nach dem Vorbild von Pomp. D. 45, 2, 19 die Vermögensentziehung sowie die Konfusion, vgl. cap. VII n. 1 zu C. 8, 39(40), Bd. 9, Sp. 1337 f.: Principio igitur, non quaevis liberatio rei promittendi alterum quoque liberat, sed tantum vera et iusta liberatio. Ea est autem qua tollitur ipsa obligatio et tollitur ipso iure, non per exceptionem, nisi ex causa. (. . .) Ita, quocumque modo fiet ne sit iusta liberatio et solutio obligationis, quodcumque id factum erit, nunquam id alteri reo proderit ad liberationem. Tribus autem modis accidit ne sit vera liberatio. (. . .) Tertio modo idem fit, cum unus ex reis desinit quidem vere teneri, sed ita, ut persona solum obligatione eximatur, manente nihilominus obligatione; quod cum fit, sola persona eximetur; obligatio quae manet, alterum reum tenebit, L. ult. D. eod. Sic autem rem sive obligationem solvi intelligimus, si, manente persona quae possit debere, desinat reus quovis modo iure teneri. Personam autem eximi, manente obligatione, cum reus ideo debere desinit, quia iam non sit qui debeat; quod contingit duobus modis. Uno, cum bona reo damnatione, puta deportatione, adimuntur, d. L. ult. D. eod. Altero, cum stipulator uni ex duobus reis stipulandi (gemeint ist promittendi, d. Verf.) heres exstitit, L. Granius, 71 D. de fid. Speziell zur persönlichen Wirkung der confusio ferner Donellus, Commentatorium de iure civili, lib. XVI cap. IV n. 4 u. 7, Bd. 4, Sp. 659 ff; auch Cujaz, Recitationes solemnes, zu D. 46, 1, 71, Opera posthuma, Bd. 2, Sp. 1052 lit. B, C; Frommann, n. 17, S. 42. 267 Vgl. z. G. Ribbentrop, S. 23 ff, insb. Fn. 3 a. E. (S. 26); S. 270 Fn. 3; Windscheid/Kipp, Bd. 2, S. 210 f m. Fn. 9; Vangerow, Bd. 3, S. 93 f; Savigny, Obligationen-

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Entgegen der herrschenden Meinung hielten Arndts, Puchta und Fitting die Übertragung von Paul. D. 46, 1, 71pr. auf die aktive Korrealobligation für unzulässig. Sie machten geltend, dass der Schuldner, der vor der Konfusion an den einen oder an den anderen Gläubiger leisten könne, nach dem Einrücken in die Position eines Gesamtgläubigers gleichsam zur Selbstwahl imstande sei, weshalb bei Korrealgläubigern vielmehr Gesamtwirkung der Konfusion angenommen werden müsse. Bei Arndts268 und Puchta269 lag diesem Standpunkt die um die Mitte des 19. Jahrhunderts verbreitete Vorstellung zugrunde, dass das Vermögen des Erblassers mit Antritt der Erbschaft nicht im Eigenvermögen des Erben aufgehe, sondern als separate Vermögensmasse in dessen „Rechtssphäre“ fortbestehe. Subjekt der Erbschaft sollte dabei die als den Tod überdauernd fingierte juristische Persönlichkeit des Erblassers sein, die der Erbe nach Erwerb der Erbschaft lediglich „repräsentiere“ 270. Wurde der Erbe demnach nicht unmittelbares Subjekt der zur Erbschaft gehörenden Forderungen und Verbindlichkeiten, war die herkömmlicherweise angeführte Personenidentität auf beiden Seiten der Forderung als Erklärung für die Konfusionswirkung untauglich. Erst in der Zahlung aus der einen Vermögensmasse in die andere sollte der Grund für das Erlöschen der Obligation liegen, welche vom Gesetz vorweggenommen werden müsse, wenn der Gläubiger selbst über das schuldende Vermögen verfüge271. Auf dieser Grundlage gelangten Arndts und Puchta zur differenzierten Behandlung von passiver und aktiver Korrealität: Bei ersterer müsse die Zahlung nicht notwendig aus dem Vermögen des erbenden oder beerbten Schuldners erfolgen, weshalb die recht, Bd. 1, S. 195 f m. Fn. z; Samhaber, S. 118 f; Goeschen, Bd. 2/2, S. 14, 16; Wendt, S. 512; Wächter, Pandekten, Bd. 2, S. 316. Außerhalb der Einheitstheorie: Sintenis, Bd. 2, S. 136; Siebenhaar, Correalobligationen, S. 44 ff; Fritz, ZCPr n. F.19 (1862), S. 76 ff; Baron, Pandekten (1896), S. 451. Auch schon bei Bartolus findet sich die Übertragung der Paul. D. 46, 1, 71pr. entnommenen Grundsätze auf die rei credendi, vgl. l. XVI n. 33 zu D. 45, 2, S. 179 f. Die Minderung der verbleibenden Forderung infolge bestehender Ausgleichspflicht stützten manche auf teilweises Erlöschen, also eine beschränkte Gesamtwirkung, andere lediglich auf die Einwendung aus dem Gegenrecht. In ersterem Sinne etwa bereits Lauterbach und Voet: obligatio haud dissoluta, nisi duo rei debendi simul socii sint; quippe quo casu superstes debendi reus successori rei defuncti non ultra quam in debiti semissem teneretur; ferner Sintenis und Savigny, jew. a. a. O.; in letzterem Sinne wohl Baron und Vangerow a. a. O. 268 Pandekten, S. 538 Anm. 2. 269 Pandekten, S. 363 Fn. l. 270 Vgl. Arndts, Pandekten, S. 933 ff m. Anm. 1 u. 3; S. 844 m. Anm. 1; Puchta, Pandekten (9. Aufl. 1863), S. 644 ff, insb. 646 f (einschränkend aber in der 12. Aufl. 1877, S. 644 Fn. f). Ausgangspunkt dieser Lehre war das Anliegen, der zwischen dem Tod des Erblassers und dem Erbschaftsantritt an sich herrenlosen hereditas iacens ein Subjekt zu verleihen. Doch erstreckte man die Fiktion des vermögensrechtlichen Überlebens des Erblassers sogar über den Erbschaftsantritt hinaus, um zudem eine Erklärung für den im Wege der Einzelnachfolge nicht möglichen Eintritt des Erben in Forderungsund nichtveräußerliche Rechte des Erblassers und die dem Nachlass mit dem besonderen Rechtsbehelf der Erbschaftsklage verliehene rechtliche Sonderstellung zu gewinnen. 271 Vgl. auch Girtanner, Bürgschaft, Bd. 2, S. 504 ff; Kuntze, Obligation und Singularsukzession, S. 217 ff.

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2. Kap.: Die Gesamtgläubigerschaft von der Rezeption bis zum BGB

Zahlungsfiktion nicht statthaft sei, während bei letzterer von einer Zahlung des erbenden oder beerbten Schuldners an sich selbst ausgegangen werden könne. Fitting272 leitete die Gesamtwirkung der Konfusion bei aktiver Korrealität dagegen aus seiner Elektionstheorie ab. Zwar teilte er die herrschende Auffassung, nach der die Personenidentität von Gläubiger und Schuldner den Grund der Konfusionswirkung bildete; doch war nach seiner Theorie die Person des Gläubigers oder Schuldners bei der Korrealobligation zunächst ungewiss und erst durch einen Auswahltatbestand zu bestimmen. Erst mit der Auswahl konnte es daher nach Fitting überhaupt zur Personenidentität und mithin zur Konfusionswirkung kommen. Diese Auswahl wollte auch er entsprechend der regelmäßig zu erwartenden Handlungsweise vorwegnehmen: Wahl eines anderen Schuldners bei passiver, Selbstwahl bei aktiver Korrealität. b) Die Regelung im BGB Wie schon die Mehrzahl der vorangegangenen Kodifikationen und Entwürfe273 folgte auch der BGB-Gesetzgeber bei der Wirkung der Konfusion bis in den ersten Entwurf (§ 333) der herrschenden Gemeinrechtslehre: Nicht etwa eine vorweggenommene Erfüllung, sondern der Satz, nach dem niemand sein eigener Gläubiger oder Schuldner sein kann, galt als Grund der Konfusionswirkung, woraus man Einzelwirkung der bei einem Gesamtschuldner oder Gesamtgläubiger eingetretenen Konfusion herleitete274. Die zweite Kommission wich von dieser Auffassung nicht ab. So wies sie der exemplarischen Erwähnung der Vereinigung 272

Correalobligationen, S. 114 ff, 121 ff, 202 ff. Einzelwirkung hat die Konfusion nach ALR I, 16 § 492; § 1033 SächsBGB; Art. 387 DresdE; Vorlageentwurf v. Kübel, § 16; dabei lehnten die letzteren drei, vom Mehrheitsprinzip geprägten Regelwerke selbst eine beschränkte Gesamtwirkung infolge eines bestehenden Ausgleichsverhältnisses ab (vgl. o. Fn. 267 a. E.). Dass ein etwaiger Ausgleichsanspruch der verbleibenden Forderung einredeweise entgegengehalten werden kann, erachtete man dagegen als selbstverständlich, weshalb das SächsBGB und der DresdE auf eine entsprechende Sonderbestimmung gänzlich verzichteten. Z. G. Prot. DresdE, Bd. 2, S. 1463 f, Bd. 6, S. 4272 ff; v. Kübel, in: Schubert, Vorentwürfe, Schuldrecht, Bd. 3, S. 1260. Grundsätzlich beschränkte Gesamtwirkung hat die Konfusion hingegen nach Art. 1209 CC (für die Gesamtschuld); HessE IV 1, Art. 358; BayE von 1861, Art. 236, wo diese Gestaltung jeweils mit einem allgemeinen oder vermuteten Ausgleichsanspruch einhergeht, vgl. Art. 1213 f CC; HessE IV 1, Art. 11 f; Art. 239 BayE. 274 Vgl. (zur Ansicht der Vorkommission) v. Kübel, in: Schubert, Vorentwürfe, Schuldrecht, Bd. 1, S. 96; Motive bei Mugdan, Bd. 2, S. 64, 91 f. Die erste Kommission hielt es zwar für „in hohem Maße zweifelhaft“, ob nicht die Vereinigung im Gesamtschuldverhältnis gleich der Erfüllung zu behandeln sei, entschied sich aber doch für die Beibehaltung der im Vorentwurf (§ 15 TE-OR Nr. 7) vorgesehenen Einzelwirkung, da sie dem geltenden Recht entspreche, Jakobs/Schubert, Schuldrecht, Bd. 1, S. 940. Hinsichtlich des Einflusses eines bestehenden Ausgleichsverhältnisses sah man dem SächsBGB und DresdE (o. Fn. 273) folgend von einer besonderen Regelung ab, vgl. Jakobs/Schubert a. a. O., S. 941; Motive bei Mugdan, Bd. 2, S. 92. 273

II. Die Wirkung von Tatsachen

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als einzelwirkende Tatsache im heutigen § 425 Abs. 2 BGB gerade auch die Funktion zu, ihrer fälschlichen Einordnung bei den Erfüllungssurrogaten des § 422 Abs. 2 vorzubeugen275. Dennoch entschied sie sich bei der Gesamtgläubigerschaft für die in § 429 Abs. 2 BGB vorgesehene Gesamtwirkung der Konfusion. Zur Begründung wurde angeführt, dass die subjektive Wirkung in Fällen, in denen zwischen den Gläubigern keine Ausgleichspflicht bestehe, zu unbilligen, mit dem Wesen der Gesamtgläubigerschaft nicht vereinbaren Ergebnissen führe. Denn habe der Schuldner an sich die Wahl, an welchen Gläubiger er leiste, dürfe ihm dieses Wahlrecht durch die Vereinigung nicht entzogen werden. Vielmehr müsse es dem Schuldner freistehen, auch den Gläubiger, in dessen Rechtsstellung er eingetreten sei, als Leistungsempfänger zu bestimmen und sich dadurch gegenüber den übrigen Gläubigern zu befreien276. Damit folgt das BGB bei der Wirkung der Konfusion auf die Gesamtgläubigerschaft dem schon von Arndts, Puchta und Fitting für das gemeine Recht geäußerten Gedanken der Selbstwahl. Bei bestehendem Ausgleichsanspruch gemäß § 430 BGB ist der praktische Unterschied zur Einzelwirkung freilich gering, da dem Mitgläubiger, der infolge der Gesamtwirkung seine Forderung verliert, der Anspruch aus dem Innenverhältnis bleibt277.278 Allenfalls ist dieser Anspruch nicht mehr durch akzessorische Sicherungsrechte gedeckt, die für die Forderung gegen den Schuldner bestellt wurden279. Die größere Sachgerechtigkeit der Gesamtwirkung bei ausgleichsloser Gesamtgläubigerschaft veranschaulicht dagegen der Fall des § 2151 Abs. 3 BGB: Gesetzt, es würde dort einer der alternativ Bedachten Erbe des durch das Vermächtnis Beschwerten; sollte er dann, um mit Arndts Worten zu sprechen, dem das Legat einfordernden anderen Bedachten nicht entgegnen können, er habe ebenso viel Anspruch auf das Legat wie er? Die rechtskonstruktiven Voraussetzungen, auf die man die Möglichkeit der Selbstwahl im gemeinen Recht zurückführte, sind unter dem BGB allerdings entfallen280. Die auch vom BGB zugrunde gelegte281 gemeinrechtliche Lehre, nach 275

Prot. bei Mugdan, Bd. 2, S. 608. Prot. bei Mugdan, Bd. 2, S. 610. 277 So auch die zweite Kommission, vgl. Prot. a. a. O. 278 Dass der Ausgleichsanspruch entsteht, ergibt sich aus der unterstellten Selbstwahl, infolge der der Gläubiger auch im Innenverhältnis so behandelt werden muss, als ob er die Leistung empfangen hätte, vgl. Prot. bei Mugdan, Bd. 2, S. 611; Rütten, S. 195 f. A. A. Schwedler, S. 82 f. Vgl. auch u. Fn. 397. 279 Kritisch gegenüber der Lösung des BGB daher Schellen, S. 216 f, 219 f. Doch geht das hier in Rede stehende Risiko jedenfalls nicht wesentlich über das der Gesamtgläubigerschaft immanente Risiko hinaus, dass der Mitgläubiger infolge der befreienden Leistung an seinen Genossen oder dessen Erben auf die ungesicherte Ausgleichsforderung angewiesen ist. 280 Die Lehre von der fortdauernden juristischen Persönlichkeit des Erblassers war schon gegen Ende des 19. Jahrhunderts insgesamt überwunden. Stattdessen bekannte man sich zum subjektlosen Bestand der hereditas iacens und dem unmittelbaren Eintritt 276

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2. Kap.: Die Gesamtgläubigerschaft von der Rezeption bis zum BGB

der die Konfusion nicht aus einer unterstellten Erfüllung, sondern aus der Personenidentität folgt282, lehnte den Gedanken der Selbstwahl ab, da mit dem Erlöschen des konfundierten Rechts unmittelbar auch die entsprechende Wahlmöglichkeit entfalle283. Auch gegenüber § 429 Abs. 2 BGB ist dieser Einwand bisweilen vorgetragen worden284. Richtig daran ist die Prämisse, dass sich die Wahlmöglichkeit des Schuldners lediglich als Reflex aus den konkurrierenden Gläubigerrechten ergibt, die Regelung des § 429 Abs. 2 somit nicht aus einem Schuldnerwahlrecht als regelrechter und die Konfusion überdauernder Rechtsposition erklärt werden kann285; denn ein solches Schuldnerwahlrecht ist der Gesamtgläubigerschaft nicht eigen286. Vielmehr erklärt sich das Erlöschen der übrigen Gläubigerrechte aus der gesetzlichen Fiktion der Leistung des erbenden Gesamtgläubigers oder Schuldners an sich selbst, die in der notwendigen „logischen Sekunde“ des Fortbestands der konfundierten Forderung in dessen Hand287 gewissermaßen die vernünftige Handlungsweise vorwegnimmt. Aus dieser Ursache der Gesamtwirkung ergeben sich denn auch ihre Grenzen. So kann die Fiktion der Leistung an sich selbst nicht Platz greifen, wenn das Empfangsrecht des beerbten oder erbenden Gesamtgläubigers zum Todeszeitpunkt nicht bestand oder mit diesem entfallen ist. Im Fall von BGH NJW 1979, S. 2038 f. etwa hatten sich Ehegatten eine Leibrente als Gesamtgläubiger versprechen lassen, mit der Abrede, dass der Schuldner während der Dauer einer Beschlagnahme der Forderung bei einem Gläubiger nur an den anderen leisten kann. Würde hier der Ehegatte, bei dem es zur Pfändung gekommen ist, während der Beschlagnahme vom Schuldner beerbt, so käme es nicht zur Gesamtwirkung des § 429 Abs. 2, und zwar unabhängig davon, ob man von einem vorübergehendes Erben in alle zur Erbschaft gehörenden Einzelrechte, vgl. statt aller Windscheid/ Kipp, Bd. 3, S. 188, 198 Fn. 12. Den BGB-Gesetzgeber bewogen unter anderem die konstruktiven Probleme im Zusammenhang mit der hereditas iacens dazu, die im römischen Recht nur für sui heredes vorgesehene unmittelbare gesetzliche Rechtsnachfolge mit Ausschlagungsrecht zur allgemeinen Regel zu machen, vgl. Motive bei Mugdan, Bd. 5, S. 259. 281 Vgl. Gernhuber, Erfüllung, S. 418 f. 282 So denn auch die noch heute h. M.: Erman/H. P. Westermann vor § 362 Rn. 3; JurisPK/Kerwer § 362 Rn. 5; MüKo/Wenzel vor § 362 Rn. 4; Soergel/Zeiss vor § 362 Rn. 2; BGHZ 48, S. 214 ff, 218. Angesichts der zahlreichen Ausnahmen von der Erlöschenswirkung erscheint jedoch die neuere Auffassung vorzugswürdig, nach der die Konfusion eintritt, weil und soweit das rechtliche Bedürfnis für das Schuldverhältnis entfällt. So Larenz, Schuldrecht AT, S. 270 (§ 19 I.b.); Gernhuber, Erfüllung, S. 419 f; Staudinger/Olzen Einl zu §§ 362 ff Rn. 28. 283 So Windscheid/Kipp, Bd. 2, S. 211 Fn. 9 a. E.; Fritz, ZCPr n. F. 19 (1862), S. 77 f; Schwedler, S. 54 f. 284 So von Schwedler, S. 81; Sachs, S. 77. 285 Der zweiten Kommission dahingehend folgend jedoch Staudinger12 /Kaduk § 429 Rn. 4; RGRK/Weber § 429 Rn. 3; Leonhard, S. 723 f; Enneccerus/Lehmann, S. 372. 286 Vgl. o. 2. Kap. II. 2. f) aa). 287 Vgl. Gernhuber, Erfüllung, S. 418.

III. Entstehungsgründe

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den Erlöschen der beschlagnahmten Forderung288 – mit der Folge, dass eine Konfusion gar nicht stattgefunden hätte – oder lediglich vom Fortfall ihrer Durchsetzbarkeit und Erfüllbarkeit289 ausgeht. Zudem wurde die Leibrente im betreffenden Fall auf Lebenszeit des längstlebenden Ehegatten versprochen. War die Parteiabsicht demnach darauf gerichtet, dass das Schuldverhältnis nach dem Tod eines Ehegatten in voller Höhe zugunsten des anderen fortbesteht, so ist von einer Vereinbarung auszugehen, nach der das Forderungsrecht des erstversterbenden Gläubigers mit dessen Ableben ersatzlos entfällt. Auch dies hindert die Gesamtwirkung der Konfusion. Dagegen führt es entgegen mancher Stimmen290 nicht schon zum Ausschluss der Gesamtwirkung, wenn die Parteien lediglich die Wahlfreiheit des Schuldners abbedungen und durch ein Anforderungsrecht der Gläubiger ersetzt haben, solange nur das Anforderungsrecht des erbenden oder beerbten Gesamtgläubigers die Konfusion überdauert. Denn die Prämisse, § 429 Abs. 2 sei Auswuchs eines Schuldnerwahlrechts, ist unzutreffend291.

III. Entstehungsgründe 1. Entstehungsgründe vor dem BGB a) Frühes gemeines Recht und Naturrechtskodifikationen Hauptfall der Gesamtobligation waren im römischen Recht die duo rei, die sowohl auf der Gläubigerseite als rei stipulandi oder credendi als auch auf der Schuldnerseite als rei promittendi oder debendi292 ausschließlich als Produkt des Parteiwillens vorkamen: Sie entstanden aus Stipulation, formlosen Verträgen und Testament293. Darüber hinaus gab es die gewohnheitsrechtliche Gesamtberechtigung und -verpflichtung der argentarii socii294 sowie zahlreiche weitere, nichtrechtsgeschäftliche Fälle der Haftung in solidum, von denen hier mit der Schadensersatzhaftung aus gemeinsam begangenem Delikt295 oder gemeinsam ge288

So der BGH a. a. O.; zust. Rütten, S. 227. So Tiedtke, NJW 1980, S. 2498. Näher zu dieser Frage u. 3. Kap. I. 4. 290 Rütten, S. 195; Staudinger/Noack § 429 Rn. 5, jew. zum Oder-Konto. 291 I. E. wie hier Hansen, S. 31 (zum Oder-Konto). 292 Vgl. zu den Bezeichnungen bereits o. 1. Kap. Fn. 53. 293 Vgl. für die Gläubigermehrheit insb. Cels. D. 31, 16 (dazu bereits o. 1. Kap. IV.); Ulp. D. 16, 3, 1, 44; Diocl./Max. C. 4, 2, 9 (vgl. o. 1. Kap. Fn. 38); für die Schuldnermehrheit insb. Pap. D. 45, 2, 9pr. (o. 1. Kap. Fn. 36). 294 s. o. 1. Kap. II. 2. 295 Aus rein sachverfolgenden Deliktsklagen konnten Mittäter jeweils auf den ganzen Schaden, insgesamt aber nur einmal in Anspruch genommen werden, vgl. Diocl. C. 4, 8, 1 (condictio ex causa furtiva). Dasselbe gilt für die jüngeren gemischten Strafklagen des Honorarrechts: Ulp. D. 2, 10, 1, 4; D. 4, 2, 14, 15; D. 4, 3, 17pr.; D. 11, 6, 3pr; D. 27, 6, 7, 4. Bei den reinen und den älteren gemischten Strafklagen kam es dagegen zur kumulierten Haftung. Jeder Täter musste die gesamte Geldbuße entrichten: Paul. D. 47, 289

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2. Kap.: Die Gesamtgläubigerschaft von der Rezeption bis zum BGB

führter Vormundschaft296 nur die wichtigsten genannt seien297; mit den duo rei identifizierten die Römer diese Fälle jedoch nicht. Ein einheitliches, sämtliche Verpflichtungsgründe übergreifendes Institut der Gesamtobligation war ihnen fremd298. Bei diesem Rechtszustand, der nur die rechtsgeschäftlich begründeten duo rei als abstrakte Rechtsfigur ausbildete, blieb es auch in der mittelalterlichen und frühen neuzeitlichen Gemeinrechtslehre299. Erst im Usus modernus kam es zu einer Vereinheitlichung der verschiedenen Fälle der Haftung in solidum unter dem Begriff der obligatio correalis (passiva), die nach gewöhnlicher Lehre vier Entstehungsgründe hatte: Vertrag, Testament, Delikt und das Gesetz, wozu man üblicherweise die Haftung der Mitvormünder und später auch die rezipierten Fälle der Gesellschafterhaftung nach dem Vorbild der römischen adjektizischen Klagen und die Mitbürgenhaftung zählte300. Eine Correalforderung entstand dagegen unverändert nur aus Vertrag und Testament301 – zumal der Sonderfall der argentarii socii als spezielle Ausprägung des römischen Bankwesens nicht rezipiert worden war302 – und es findet sich dieser Unterschied in den Entstehungsgründen besonders deutlich im Code Civil wieder, der die Gesamtschuld ausdrücklich aus rechtsgeschäftlicher und gesetzlicher Bestimmung (Art. 1202), die 2, 21, 9; Ulp. D. 47, 4, 1, 19; D. 47, 6, 1pr.; Tryph. D. 26, 7, 55, 1 (alle actio furti); Ulp. D. 9, 2, 11, 2; Gai. D. 9, 2, 32 (actio legis Aquiliae). Zur Entwicklung Kaser, Bd. 2, S. 429 f; HKK-BGB/Meier §§ 420–432/I Rn. 23 ff. 296 Iul. D. 26, 7, 18, 1; Mod. D. 26, 7, 31; Pap. D. 26, 7, 38pr. f; D. 26, 7, 39, 11; D. 26, 7, 42; Tryph. D. 26, 7, 55, 1; Ulp. D. 27, 3, 1, 10 ff; D. 27, 3, 15; Diocl. C. 5, 51, 6; Carinus C. 5, 52, 2 (actio tutelae und actio rationibus distrahendis). 297 Weitere bei Kaser, Bd. 1, S. 657 m.w. N. 298 Dazu eingehend Schmieder, insb. S. 327 ff, 333, 372 f, der annimmt, dass selbst die Vereinigung der Gesamtobligationen aus Verbalvertrag, anderen Vertragsarten und Damnationslegat unter einem einheitlichen Begriff zwar von Papinian (D. 45, 2, 9pr.) und Celsus (D. 31, 16) inspiriert, aber erst von Tribonian und den Kompilatoren vollendet worden ist. 299 Bartolus führt in seiner Definition der rei debendi und credendi sowohl die Einheit des Schuldgrunds als auch die Entstehung kraft Parteiwillens als Merkmale an, vgl. l. XIX n. 6 zu D. 45, 2, S. 182 a. E.: (. . .) plures rei debendi sunt, quando plures in solidum debent idem vere vel ficte, ex una eademque causa principaliter, & ex voluntate. Ebenso für die rei credendi in n. 7, S. 183. Vgl. ferner die Zusammenstellung der Entstehungsgründe bei Donellus, cap. XII zu C. 8, 39(40), Bd. 9, Sp. 1353 ff und dort insb. n. 4: Ex aliis causis obligationis, quam contractibus aut testamento, duos reos debendi non constitui. Von den jüngeren Juristen auch noch Voet, n. 3 zu D. 45, 2, Bd. 2, S. 752 f. 300 Vgl. etwa Lauterbach, n. 6 ff zu D. 45, 2, Bd. 3, S. 547 ff; Leyser, spec. 522 zu D. 45, 2, n. 3, Bd. 7, S. 860; Glück, Bd. 4/2, S. 515 ff; Höpfner (1803), S. 879 f. Vgl. auch CMBC IV 1 § 21 Nr. 7; Pothier, Bd. 1, Nr. 265 ff. 301 Pothier, Bd. 1, Nr. 258 f; Glück, Bd. 4/2, S. 514 f; Höpfner (1803), S. 879, wobei die letzteren beiden darüber hinaus die an sich vertragliche Gesamtgläubigerschaft der Hinterleger nach Ulp. D. 16, 3, 1, 44 (o. 1. Kap. II. 1.) als gesetzlichen Fall anführen; von Höpfner korrigiert in der 8. Aufl. (1818) seines Kommentars, S. 628 m. Fn. 1. 302 Vgl. Windscheid/Kipp, Bd. 2, S. 216 m. Fn. 8.

III. Entstehungsgründe

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Gesamtgläubigerschaft aber nur aus Rechtsgeschäften (Art. 1197) hervorgehen lässt303. Im ABGB hingegen ist entsprechend dem früheren gemeinen Recht das Gesamtinstitut der „Korrealität“ (§§ 891 ff) nur als vertragliches Gebilde ausgestaltet; wiederum gibt es aber für die solidarische Haftung304, nicht jedoch für die solidarische Berechtigung305 zusätzlich gesetzliche Anordnungen. b) Pandektistik, insbesondere: Die aktive Solidarität i. e. S. Die Pandektistik griff durch ihre Zweigliederung in Korreal- und bloße Solidarobligationen die römische Kategorie der duo rei wieder auf. So bestand bei aller Zerstrittenheit über die unterschiedliche rechtliche Natur beider Klassen stets weitgehende Einigkeit darüber, dass die Korrealität im Wesentlichen als „Kunstproduct“ durch den auf sie gerichteten Parteiwillen geschaffen werde, während die bloße Solidarität als „rechtliche Notwendigkeit“ aus der Natur der betreffenden Rechtsverhältnisse „herauswachse“ 306. In gleichem Maße war man sich zunächst einig, dass die Korrealität zwar als aktive und passive, die Solidarität aber ausschließlich auf der Passivseite vorkomme307. In dieser Frage mehrten sich jedoch gegen Ende des 19. Jahrhunderts die Gegenstimmen, die auch Fälle aktiver Solidarität (i. e. S.) anerkennen wollten. Die als solche eingeordneten Rechtsverhältnisse waren vielfältig: Puchta308 benannte „die Forderungen mehrerer Deponenten, wenn sie nicht als Miteigentümer deponiert haben“ als Fall aktiver Solidarität. Doch traf er damit schon bald auf den Widerspruch, dass bei richtigem Quellenverständnis eine Mitberechtigung in solidum auch beim depositum nur kraft besonderer Parteiabrede zustande kam, weshalb es sich nach den Prämissen der Pandektistik vielmehr um eine Korrealobligation handelte309.

303 Vgl. auch statt aller Baudry-Lacantinerie/Barde, Traité, Des obligations, Bd. 2, Nr. 1122. 304 Etwa § 1302 (Deliktstäter), § 1359 (Mitbürgen), § 820 (Miterben). 305 Vgl. Hasenöhrl, Bd. 1, S. 123 Fn. 21a. Eine Vermutung für die Entstehung vertraglicher Gesamtgläubigerschaft enthält § 1203 ABGB für Handelsgeschäfte von Gesellschaftern. 306 Vor allem die Vertreter der Mehrheitstheorie neigten dazu, den Unterschied zwischen Korreal- und Solidarobligationen auf dieses allseits anerkannte „Minimum“ zu beschränken: Czyhlarz, GrünhZ 3 (1876), S. 64; Weibel, S. 100; L. Mitteis, GrünhZ 14 (1887), S. 442; Dernburg, Pandekten, Bd. 2, S. 191. Auch Fitting, Correalobligationen, S. 232 f, 236; Last, S. 213. 307 Savigny, Obligationenrecht, Bd. 1, S. 198; Baron, Pandekten (1872), S. 508; Weibel, S. 100; Czyhlarz a. a. O.; Arndts, Pandekten, S. 396 Anm. 1; Kuntze, Obligationen, S. 169, 174. 308 Pandekten, S. 359, wohl im Anschluss an manche älteren Juristen (vgl. o. Fn. 301). 309 Vgl. Jhering, Jb Dogmatik 24 (1886), S. 130; Binder, S. 461.

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2. Kap.: Die Gesamtgläubigerschaft von der Rezeption bis zum BGB

Des Weiteren sprachen einige310 bei Gläubigermehrheiten bezüglich unteilbaren Leistungen von solidarischen Obligationen, wenn nach dem Inhalt der geschuldeten Leistung die einmalige Erfüllung automatisch zur Befriedigung sämtlicher Gläubiger führte. Nach dem Vorbild der römischen Servitutsfälle311 konnte hier jeder der Berechtigten die Naturalleistung in solidum fordern. Windscheid312 verwies darüber hinaus auf Ulp. D. 9, 4, 14pr. Dort wird die Konstellation behandelt, dass ein Gewalthaber verschiedenen Personen aus mehreren, von seinem Sklaven begangenen Delikten haftet. Im Allgemeinen galt bei der Haftung des dominus für Delikte seiner Gewaltunterworfenen Folgendes: Hatte er von dem Delikt gewusst, so wurde er so behandelt, als habe er das Delikt selbst begangen, so dass er bei mehreren Geschädigten von jedem in voller Höhe in Anspruch genommen werden konnte. Hatte er dagegen nichts von dem Delikt gewusst, so war die Haftung noxal mit der Folge, dass sich der Gewalthaber anstelle der Zahlung auch durch noxae deditio, also Auslieferung des Täters befreien konnte. Der Gewalthaber hatte das Delikt nicht selbst begangen, so die Ratio, weshalb seine Haftung nicht über den Verlust des Sklaven hinausgehen dürfte313. Bei mehreren Delikten gegenüber verschiedenen Personen führte diese Regel zu einem Kollisionsproblem, indem der Gewalthaber folglich auch hier durch einmalige Auslieferung des Sklaven von sämtlichen Gläubigern frei werden musste. Ulpian löste diese Kollision dahingehend, dass der Gewalthaber, der sich für die noxae deditio entschied, an denjenigen Gläubiger ausliefern musste, der zuerst ein Urteil erlangte. Den übrigen Geschädigten war daraufhin die Klage aus dem Urteil zu versagen, worin Windscheid eine solidarische Verknüpfung der Forderungen erblickte. Eine stärkere, von Jhering314 begründete Auffassung erkannte schließlich dreierlei Fälle als aktive Solidarobligationen an: Zum einen den der durch Vermächtnis bestellten dos (legatum dotis)315, die jedenfalls nach Julian sowohl der Mann als rechtmäßiger Empfänger der Mitgift als auch die Frau als eigentlich durch das Legat Begünstigte vom Erben heraus verlangen konnte316; ferner den 310 Windscheid/Kipp, Bd. 2, S. 228 f; Arndts, Pandekten, S. 400; Brinz, Bd. 2/1, S. 71 f. 311 Oben 1. Kap. II. 1. Fn. 48. 312 Windscheid/Kipp, Bd. 2, S. 217 Fn. 1. 313 Vgl. z. G. Gai./Ulp. D. 9, 4, 1; 2pr. und insb. dort a. E.: si autem insciente, noxalis est, nec enim debuit ex maleficio servi in plus teneri, quam ut noxae eum dedat. Ebenso Paul. D. 2, 10, 2. 314 Jb Dogmatik 24 (1886), S. 129 ff. Zust. L. Mitteis, GrünhZ 14 (1887), S. 420; Dernburg, Pandekten, Bd. 2 (1903), S. 193 Fn. 13; mit Einschränkungen auch Eisele, AcP 77 (1891), S. 476. 315 A. a. O., S. 134 f; 151 ff. 316 Iul. D. 23, 3, 48, 1. Dagegen will Gai. D. 30, 69, 2 nur der Frau die Klage gewähren. Jhering (S. 154) hielt Julians Lösung für die „allein angemessene“. Ebenso nahm Jhering (S. 148 ff) aktive Solidarität an bei einem legatum dotis promissae, also dem

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Fall des Aufeinandertreffens eines legatum debiti (alieni) mit einem legatum liberationis317: Der Erblasser erlegt dem Erben auf, die Schuld eines anderen bei dessen Gläubiger zu begleichen318. Sollte mit dieser Anordnung neben dem Schuldner auch der Gläubiger bedacht werden, so konnte nach Ulp./Pomp. D. 34, 3, 3, 5; 34, 3, 4 der Schuldner vom Erben Defension und der Gläubiger Zahlung verlangen. Durch eine erweiternde Auslegung der Legate in dem Sinne, dass beide auf „Befriedigung“ des Gläubigers gerichtet seien, gelangte Jhering319 zur „vollständigen Koinzidenz“ der Forderungen und auf diesem Wege zur Annahme aktiver Solidarität. Ähnlich ist die Lage in Jherings320 drittem Fall, dem „echten“ Vertrag zugunsten Dritter: Hier sind es der Dritte und der Versprechensempfänger, die vom Versprechenden die Leistung an den Dritten fordern können. All diese Konstellationen kamen für Jhering der aktiven Korrealobligation insoweit nahe, als mehreren Gläubigern Ansprüche auf „dieselbe“ ganze Leistung zustünden und die einmalige Leistung des Schuldners sämtliche Ansprüche tilge. Es liegt auf der Hand, dass die Annäherung der als aktive Solidarobligationen i. e. S. genannten Fälle an die rechtsgeschäftlich begründete aktive Korrealobligation keineswegs so zwingend war wie die Identifizierung der als passive Solidarobligationen erfassten Fälle mit der kraft Parteiwillens begründeten Korrealschuld. Bei den passiven Solidarfällen waren die Gemeinsamkeiten offensichtlich: Ebenso wie der Gläubiger mehrerer rei debendi konnte der Gläubiger mehrerer in solidum zum Schadensersatz Verpflichteter einen Schädiger seiner Wahl auf das Ganze in Anspruch nehmen, wobei die einmalige Ersatzleistung – als Folge des Schadensfortfalls321 – zum materiellen Erlöschen sämtlicher Forderungen führte. Auch stimmte der Zweck der Gläubigerbegünstigung gegenüber einer jedenfalls theoretisch denkbaren Forderungsteilung in beiden Fällen über-

Fall, dass die vermachte Mitgift dem Ehemann bereits zu Lebzeiten versprochen worden war. Dann konnte der Mann aus dem Dotalversprechen, die Frau aus dem Vermächtnis klagen. Dazu Ulp. D. 23, 3, 29; Iul. D. 30, 84, 6. 317 S. 134 ff, 165 ff. 318 Auch ein legatum debiti proprii kann mit einem Befreiungsvermächtnis zusammentreffen, wenn der Erblasser einen von mehreren Miterben anweist, einen Nachlassgläubiger zu befriedigen. Vgl. Jhering, S. 174. 319 S. 177. 320 S. 141 ff. In diesem Zusammenhang behandelt Jhering als weiteren Anwendungsfall noch die Schuldübernahme. Dort kommt es zu einer vergleichbaren Konstellation, wenn sowohl der Gläubiger als auch der Altschuldner (aus Erfüllungsübernahme) vom Schuldübernehmer Zahlung an den Gläubiger verlangen können. Zum Teil wurde die Schuldübernahme in der Pandektenlehre auch unmittelbar als Vertrag zugunsten Dritter konstruiert. Dazu Windscheid/Kipp, Bd. 2, S. 303 f Fn. 15, S. 400 Fn. 6 m.w. N. 321 Diesen gedanklichen Hintergrund der Gesamtwirkung betonte vor allem die Einheitstheorie: Bei der Korrealobligation resultiere die Gesamtwirkung aus der Obligationseinheit, bei mehreren Deliktstätern daraus, dass die einmalige Leistung den Schaden als Bedingung sämtlicher Obligationen entfallen lasse, vgl. etwa Ribbentrop, S. 201; Savigny, Obligationenrecht, Bd. 1, S. 201.

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ein322 und ließen sich viele Folgesätze der passiven Korrealität auf die passive Solidarität übertragen, indem auch bei Schadensersatzgesamtschulden das vom Geschädigten angenommene Erfüllungssurrogat zum Erlöschen sämtlicher Forderungen führen musste und dessen Gesamterlass oder gesamtaufhebender Novation bedenkenlos die beabsichtigte, drittbegünstigende Wirkung beigemessen werden konnte323. Aus wertender Sicht waren es hier im Wesentlichen nur die schuldnerbelastenden Folgesätze der von Justinian in C. 8, 39, 4 bestimmten Gesamtwirkung der Verjährungsunterbrechung324 und der mehrheitlich aufgrund Pomp. D. 45, 2, 18 angenommenen Gesamtwirkung des Verschuldens325, die einer differenzierten Behandlung von kraft Parteiwillen verbundenen Korreal- und gleichsam zufällig nebeneinander tretenden Solidarschuldnern bedürften326, und so waren denn auch bei den passiven Solidarobligationen bereits einige Pandektisten der Ansicht, dass die römische Sonderkategorie der Korrealobligation im gemeinen Recht mangels erheblicher Unterschiede in den Folgesätzen zugunsten eines einheitlichen Instituts der Solidarobligation aufzugeben sei327. In den aktiven Solidarfällen scheiterte dagegen die Übertragung von Folgesätzen. Die aktive Korrealität war geprägt von der privatautonomen Begründung konkurrierender Einzelforderungs- und -empfangsrechte, an die die weitergehenden Einzelverfügungsbefugnisse der Korrealgläubiger anknüpften. Bei Jherings aktiven Solidarfällen sowie der aktiven Solidarität infolge Unteilbarkeit handelte es sich hingegen stets um Konstellationen, in denen mehrere Personen ein eigenes Interesse an derselben, in ihrer Richtung festgelegten Leistung haben, weshalb auch ohne dahingehende Vereinbarung jedem das Recht gewährt wurde, die 322 Vgl. Savigny, Obligationenrecht, Bd. 1, S. 219; Rückert, ZCPr n. F. 12 (1855), S. 16; Puchta/Rudorff, Vorlesungen, Bd. 2, S. 34 f Fn. 2; Puchta, Pandekten, S. 357 Fn. a; Arndts, Pandekten, S. 397 Anm. 2; Windscheid/Kipp, Bd. 2, S. 199. 323 Generell galt, dass bei der bloßen Solidarobligation nur die Erfüllung und Erfüllungssurrogate Gesamtwirkung haben. Für Gesamtwirkung auch der Novation und des Quittungsvertrages insoweit etwa Windscheid/Kipp, Bd. 2, S. 217 ff; Wächter, Bd. 2, S. 319; Fitting, Correalobligationen, S. 48, 56; Baron, Pandekten (1896), S. 455. Andere verlangten dagegen die „wirkliche“ Befriedigung des Gläubigers als Voraussetzung für Gesamtwirkungen und nahmen daher beim Erlass generell Einzelwirkung und bei der Novation nur insoweit Gesamtwirkung an, als sich der Wert der neuen Obligation mit dem der alten decke. So etwa Ribbentrop, S. 270 ff; Vangerow, Bd. 3, S. 98. 324 Statt aller Windscheid/Kipp, Bd. 2, S. 211 m. Fn. 11. 325 Auch dogmatisch galten beide Folgesätze der Keller-Ribbentrop’schen Theorie als wesentliche Belege für die Einheit der Korrealobligation, vgl. Vangerow, Bd. 3, S. 62 f m.w. N. 326 Dazu HKK-BGB/S. Meier §§ 420–432/I Rn. 46, 62, 66, 87 f, 205. 327 Ansatzweise bereits Fitting, Correalobligationen, S. 254 ff; ihm folgend Weibel, S. 100 f; später Kuntze, Obligationen, S. 185 f und vor allem im Hinblick auf die Kodifikation der Gesamtschuld im BGB L. Mitteis, Individualisierung, S. 98, 111 ff; GrünhZ 14 (1887), S. 474 ff; ferner Eisele, AcP 77 (1891), S. 477 ff und Binder, insb. S. 73, 311 f, 393, 481, die schon für das römische Recht nicht mehr von einer Zweigliederung ausgingen.

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Leistung selbständig zu fordern. Eine Zuweisung von Alleinverfügungsmacht war hier in der Gewährung der Einzelklagrechte nicht enthalten und nicht umsonst betonte Jhering daher als Unterschied zur aktiven Korrealität die „völlige Selbständigkeit“ der Forderungsrechte, infolge der sowohl Klageerhebung und Urteil lediglich Einzelwirkung entfalteten als auch keiner der Solidargläubiger über das Recht des anderen verfügen könne328. Windscheids Fall hatte zwar insoweit mehr mit der aktiven Korrealität gemein, als die subjektive Ausrichtung der Leistung hier nicht festgelegt war, sondern die noxae deditio an den einen oder an den anderen Geschädigten – oder genauer: das auf sie gerichtete Urteil – zum Ausschluss aller führte; doch resultierte diese Drittwirkung allein aus der beschränkten Haftung des dominus und war damit eine weitergehende Verknüpfung der Forderungen ebenso wenig gerechtfertigt wie in den übrigen Fällen. Entsprechend zog auch bei den aktiven Solidarobligationen (i. w. S.) einzig Jhering329 eine Vereinheitlichung von Korreal und Solidarfällen durch den Gesetzgeber in Betracht, wohingegen L. Mitteis330 insoweit von „Rechtskollisionen“ sprach, die nur im Falle ihrer vertraglichen Begründung in Form der Korrealität gemäß der vernünftigen Intentionen des Vertrags geregelt seien, während sie ohne Vertrag, als bloße Solidarität, einer näheren Regelung gar nicht erst bedürften. Von wieder anderen wurde die Existenz aktiver Solidarität i. e. S. bis zuletzt geleugnet331. c) Deutsche Regelwerke des 19. Jahrhunderts Als Unterbau ihrer Lehre von den Gesamtobligationen entwickelte die gemeinrechtliche Wissenschaft aus der Regel nomina ipso iure divisa des Zwölftafelgesetzes332 sowie der römischen Teilungsvermutung bei Stipulationen mit mehreren Beteiligten333 eine allgemeine Teilungsvermutung für Gläubiger- und Schuldnermehrheiten bezüglich teilbarer Leistungen, die vor allem Savigny334 prägte, der 328 A. a. O., S. 135 f. Von besonderer Bedeutung war der Aspekt der Selbständigkeit beim Vertrag zugunsten Dritter. Insoweit wurde in der Pandektistik überwiegend gelehrt, dass für den endgültigen Rechtserwerb des Dritten dessen Mitwirkung, insbesondere dessen Annahme oder Beitritt zum Vertrag zwischen Versprechendem und Versprechensempfänger erforderlich sei. Bis zu diesem Zeitpunkt konnten die Vertragsschließenden das Recht des Dritten beliebig abändern oder aufheben (zur historischen Entwicklung in dieser Frage HKK-BGB/Vogenauer §§ 328–335 Rn. 95 ff). Daher entstand nach Jhering (S. 141 ff) ein selbständiges Recht des Dritten und mithin aktive Solidarität erst durch dessen Vertragsbeitritt; vorher kam dem Dritten lediglich ein unselbständiger, zum Recht des Versprechensempfängers akzessorischer Anspruch zu. 329 A. a. O., S. 185 f. 330 GrünhZ 14 (1887), S. 420. 331 So von Binder, S. 477 und Last, S. 111 f. 332 s. o. 1. Kap. Fn. 30. 333 Pap. D. 45, 2, 11, 1 f. Nachweise o. 1. Kap. in Fn. 39, 40. 334 Obligationenrecht, Bd. 1, S. 137 f, 222, 228. Ferner Glück, Bd. 4/2, S. 510; Höpfner (1803), S. 877 f; Goeschen, Bd. 2/2, S. 11; Seuffert, Bd. 2, S. 5; Wächter, Pandekten, Bd. 2, S. 305; Windscheid/Kipp, Bd. 2, S. 197 ff.

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2. Kap.: Die Gesamtgläubigerschaft von der Rezeption bis zum BGB

die geteilte Obligation als „natürliches“ Regelverhältnis und die Korrealobligation als „künstlich“ geschaffene Ausnahme kennzeichnete. Diese Teilungsvermutung stellten schon der Hessische und Bayerische Entwurf, das Sächsische BGB und der Dresdner Entwurf den Bestimmungen über die Gesamtobligationen einheitlich voran335. Ausgehend davon ließen sie eine Gesamtobligation nur aus besonderen Gründen entstehen, zu denen man gemäß dem Vorsatz, die bei den Gesamtschulden herrschende Unterteilung in Korreal- und Solidarobligationen336 zugunsten eines einheitlichen Instituts der Gesamtobligation aufzugeben337, außer Rechtsgeschäften unter Lebenden und von Todes wegen auch die gesetzliche Bestimmung stellte338. Aufgrund der Neigung, Gesamtschuld und Gesamtgläubigerschaft als Ausprägungen desselben Instituts zu behandeln339, erfolgte die Aufzählung der Entstehungsgründe aber jeweils ohne Differenzierung für das „Gesammtschuldverhältniß“ oder die „Sammtverbindlichkeit“ im Allgemeinen, und so kam es, dass sämtliche Regelwerke im Unterschied zu den Naturrechtskodifikationen auch für die Gesamtgläubigerschaft eine gesetzliche Entstehung abstrakt vorsahen, wenngleich nur das Sächsische BGB, das sich bei Personenmehrheiten bezüglich unteilbarer Leistungen generell für das Modell der Gesamtobligation entschied340, auch über eine entsprechende Anordnung verfügte. 2. Die Lage unter dem BGB a) Entstehungsgründe nach heutigem Recht Die Regelung des Vorentwurfs zum BGB über die Entstehung der Gesamtobligationen stimmte mit den vorangegangenen Regelwerken überein. An die Teilungsvermutung des § 1 TE-OR (Nr. 7) schloss sich die Bestimmung des § 2 an, nach der ein „Gesamtschuldverhältnis (. . .) nur durch ein Rechtsgeschäft unter Lebenden oder von Todes wegen oder unmittelbar durch gesetzliche Bestimmung begründet werden“ konnte. Ein im Zuge der Beratungen gestellter Antrag, die Gesamtgläubigerschaft nicht aus Gesetz entstehen zu lassen, war in der Minderheit geblieben341. Im ersten Entwurf (§ 321) entfiel zwar die Aufzählung der Entstehungsgründe zugunsten einer bloßen Definition des Gesamtschuldverhält335 HessE IV 1, Art. 6; BayE von 1861, Art. 220; § 663 SächsBGB; Art. 12 DresdE; Vorlageentwurf v. Kübel, § 1. 336 Noch die Dresdner Kommission konnte als weithin anerkannte gemeinrechtliche Lehre zugrunde legen, dass die Korrealobligation als aktive und passive, die bloße Solidarobligation aber lediglich als passive vorkomme, vgl. Prot. DresdE, Bd. 2, S. 1455. 337 Vgl. o. 2. Kap. II. 2. d). 338 HessE IV 1, Art. 6; BayE von 1861, Art. 222 Abs. 2; § 1020 f SächsBGB; Art. 13 DresdE; v. Kübel, § 2. 339 Vgl. o. 2. Kap. I. 1. bei Fn. 12. 340 § 1037. 341 Vgl. Jakobs/Schubert, Schuldrecht, Bd. 1, S. 895.

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nisses, worauf im zweiten Entwurf – nach dahingehender Kritik am ersten Entwurf342 – die Trennung der Regelungen über Gesamtschuld und Gesamtgläubigerschaft folgte, der wir die gesonderte Definition und Ausgestaltung der Gesamtgläubigerschaft in den §§ 428–430 BGB verdanken; eine sachliche Abweichung gegenüber der einheitlichen Entstehung von Gesamtschuld und Gesamtgläubigerschaft aus Rechtsgeschäft und gesetzlicher Anordnung war aber mit beiden Änderungen nicht verbunden343. Sie ergab sich aus Sicht des Gesetzgebers auch in der Gesetz gewordenen Fassung aus dem systematischen Zusammenhang der §§ 421 und 428 mit der Teilungsvermutung des § 420344. Bei der Gesamtschuld wurde die beschränkte Entstehung aus Rechtsgeschäft und gesetzlicher Anordnung schon frühzeitig als untauglich verworfen345. Heute herrscht weitgehende Einigkeit, dass Gesamtschulden darüber hinaus allein aufgrund § 421 S. 1 entstehen können, der einen konstitutiven Gesamtschuldtatbestand enthält, welcher allenfalls durch weitere, ungeschriebene Merkmale einzugrenzen ist346. Auch bei der Gesamtgläubigerschaft hat sich die Rechtsentwicklung insoweit über die Vorstellungen des Gesetzgebers hinweggesetzt, als gesetzliche Fälle der Gesamtgläubigerschaft inzwischen auch ohne ausdrückliche Anordnung, allein aus der interessengerechten Auslegung der der Gläubigermehrheit zugrunde liegenden Norm gewonnen werden. Diesen Weg ging erstmals die Rechtsprechung zur Konkurrenz von regressberechtigten Sozialversicherungsträgern, indem sie die Entstehung von Gesamtgläubigerschaft – vor der Kodifikation in § 117 SGB X – allein auf die Erwägung stützte, dass dies „die der Eigenart der Rechtslage angemessene und richtige Lösung“ sei347. In derselben Weise nahm der BGH in einem anderen Fall Gesamtgläubigerschaft einzig mit der Begründung an, dass die Teilungsvermutung des § 420 BGB dann nicht durchgreifen müsse, „wenn Gesamtgläubigerschaft der Interessenlage, insbesondere dem Schutz des Schuldners, der eine etwaige unterschiedliche Berechtigung der Gläubiger nicht zu erkennen vermag, besser gerecht“ werde348. Die 342 Hartmann, Civilgesetzesentwurf, S. 394. Zum zweiten Entwurf auch Hruza, SächsArchRPr 5 (1895), S. 194. 343 Insbesondere hatte der Verzicht auf die Benennung der Entstehungsgründe nur den Grund, dass man sich in der schon nach gemeinem Recht umstrittenen Frage, ob auch das Urteil zu den Entstehungsgründen der Gesamtobligation zu zählen sei, nicht festlegen wollte, vgl. Jakobs/Schubert, Schuldrecht, Bd. 1, S. 917 f; Motive bei Mugdan, Bd. 2, S. 86; v. Kübel, in: Schubert, Vorentwürfe, Schuldrecht, Bd. 1, S. 67. Aus der Gemeinrechtslehre für das Urteil als Entstehungsgrund etwa Glück, Bd. 4/2, S. 517; Savigny, Obligationenrecht, Bd. 1, S. 158 f; Windscheid/Kipp, Bd. 2, S. 216; dagegen Arndts, Pandekten, S. 393 Anm. 4 a. E.; Wächter, Pandekten, Bd. 2, S. 312. 344 Vgl. Motive bei Mugdan, Bd. 2, S. 86; ferner Goette, S. 73 ff; Winter, S. 93 f, 192 f; Wernecke, S. 28 f. 345 Vgl. Wernecke, S. 28 f. 346 Staudinger/Noack § 421 Rn. 10 ff m.w. N. 347 BGHZ 28, S. 68 ff, 75 = NJW 1958, S. 1589. 348 BGH, AnwBl 1985, S. 524 ff, 525 m. zust. Anm. Japes/Joswig.

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2. Kap.: Die Gesamtgläubigerschaft von der Rezeption bis zum BGB

Literatur kennzeichnet diese ungeschriebenen gesetzlichen Fälle – wenig glücklich, da gleichsam einen dritten Entstehungsgrund neben Vertrag und Gesetz suggerierend – als „Gesamtgläubigerschaft aus praktischen Gründen“ 349 oder „Gesamtgläubigerschaft zum Schutze des Schuldners“ 350. b) Historische Einordnung: Solidarität und Korrealität als vermengte Regelungsvorbilder Der Umstand, dass schon das BGB von 1900 eine nichtrechtsgeschäftliche Begründung der Gesamtgläubigerschaft zuließ, darf nach dem Vorangegangenen nicht darüber hinwegtäuschen, dass eine gesetzliche Auferlegung der Gesamtgläubigerschaft im Schuldnerinteresse ebenso weit jenseits des Horizonts des historischen Gesetzgebers lag wie die zuletzt angesprochene ungeschriebene Entstehung. Wie schon im römischen Recht wurde Gesamtgläubigerschaft noch im 19. Jahrhundert sowohl nach gemeinem Recht als auch nach den vorhandenen Kodifikationen und Entwürfen im Wesentlichen nur durch Vertrag und Testament begründet, und entsprechend galt auch unter dem BGB die – in der Sache rechtsgeschäftliche – Gesamtgläubigerschaft des § 2151 Abs. 3 BGB überwiegend als einziger gesetzlicher Fall351, bis es im Jahre 1983 zur Kodifikation der Gesamtgläubigerschaft von Sozialversicherungsträgern in § 117 SGB X kam. Dass dennoch schon das BGB von 1900 die Entstehungsgründe der Gesamtgläubigerschaft erweiterte, ist, wie sich gezeigt hat, dem Anliegen der Vereinheitlichung von rechtsgeschäftlichen Korreal- und nichtrechtsgeschäftlichen Solidarobligationen geschuldet, das, wenn auch durch die gemeinrechtliche Lehre von der Gesamtschuld veranlasst, dem abstrakten Anwendungsbereich nach für das gesamte Institut der Gesamtobligation umgesetzt wurde. Der Ausgestaltung nach ist es denn auch nur bei der Gesamtschuld zu einer einheitlichen Regelung von Korreal- und Solidarobligationen gekommen. Nur dort traf man auf eine etablierte Unterscheidung zwischen willentlich verbundenen Korreal- und „zufällig“ verbundenen Solidarschuldnern und beseitigte diese, indem man sich vor allem bei schuldnerbelastenden Tatsachen wie Verschulden und Verjährungsunterbrechung grundsätzlich für Einzelwirkung entschied (§ 425 Abs. 2) und damit sämtliche Gesamtschuldfälle auf die dispositive352 Grundform der Solidarität i. e. S. brachte353. Bei der Gesamtgläubigerschaft bildete dagegen die aktive Korrealität, also vertragliche Gesamtgläubigerschaft, das maßgebli349

So MüKo/Bydlinsky § 428 Rn. 9; Palandt/Grüneberg § 428 Rn. 1. So RGRK/Weber § 428 Rn. 1 a. E., 14. Vgl. auch Selb, Mehrheiten, S. 250; MüKo3 /Selb § 428 Rn. 3; Staudinger/Noack § 428 Rn. 94. 351 Vgl. noch Planck/Siber § 428 Anm. 1; Leonhard, S. 714. 352 Vgl. § 425 Abs. 1: „wenn sich nicht aus dem Schuldverhältnis ein anderes ergibt“. 353 Vgl. Binder, S. 570 f; Leonhard, S. 725. 350

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che Regelungsvorbild. Fälle „zufällig“ begründeter, aktiver Solidarobligationen i. e. S. kamen erst spät auf und blieben bis zuletzt in ihrer Einordnung und Regelungsbedürftigkeit zweifelhaft. Entsprechend folgte das BGB zwar bei den Fragen der Urteilswirkung und Prävention den bei den passiven Solidarobligationen entwickelten Grundsätzen der Solidarität, übernahm jedoch an anderen Stellen prägende Elemente der Korrealität. Dies gilt zuvörderst für die Einzelbefugnisse der Gesamtgläubiger zum Gesamterlass und zur Annahme an Erfüllungs statt, die einer Übertragung auf die bloßen Solidarfälle nicht zugänglich waren, darüber hinaus aber auch für die Folgesätze über die Wahlfreiheit des Schuldners (§ 428 S. 1 a.E), die Gesamtwirkung des Annahmeverzugs (§ 429 Abs. 1) und den Innenausgleich (§ 430), die zum Ausdruck bringen, dass das gesetzliche Konzept – im Unterschied zu Jherings Fällen – von konkurrierenden Empfangsrechten der Gesamtgläubiger ausgeht. Aus historisch-vergleichender Perspektive ist demnach festzuhalten, dass, während die Gesamtschuld des BGB sowohl in den Entstehungsgründen als auch in der Ausgestaltung der gemeinrechtlichen Solidarität (i. w. S.) nachgebildet ist, die Gesamtgläubigerschaft diesem Beispiel nur in ersterer Hinsicht folgt: Zwar löste man nach dem Vorbild der Gesamtschuld ihre Beschränkung auf den Parteiwillen als Entstehungsgrund; in der Ausgestaltung, insbesondere den Verfügungsbefugnissen der Gesamtgläubiger, blieb es mangels klar umrissener anderweitiger Regelungsvorbilder jedoch beim gemeinrechtlichen Konzept der Vertragskorrealität. c) Folgerungen: Vertragliche und nichtrechtsgeschäftliche Gesamtgläubigerschaft Folge der Vermengung von Solidarität (i. w. S.) und Korrealität in der BGBGesamtgläubigerschaft ist ein Widerstreit von weitem Anwendungsbereich und einengenden Folgewirkungen, der die unausgesprochene354, eigentliche Ursache, zumindest aber den einzigen tauglichen Anknüpfungspunkt bildet für die heutige Neigung, die Verweisung des § 429 Abs. 3 S. 1 auf die §§ 422 und 423 zu korrigieren355. Denn hat die Rechtsentwicklung mit den §§ 117 SGB X und 421 Abs. 1 S. 2 HGB sowie den ungeschriebenen gesetzlichen Fällen von der auch außervertraglichen Entstehung der Gesamtgläubigerschaft inzwischen Gebrauch gemacht, so liegt ein zwangsläufiger, weiterer Schritt darin, das einseitig auf den vertraglichen Musterfall zugeschnittene Rechtsfolgenregime entsprechend anzupassen. Doch geht es angesichts dieses Ursprungs des Anpassungsbedürfnisses bereits im Ansatz zu weit, mit der herrschenden Meinung das Gesamtinstitut der Gesamtgläubigerschaft zum Gegenstand von Korrekturen zu machen. Nur für die Fälle, die das gesetzliche Konzept nicht in Rechnung stellt, kommt ein partielles Abge354 355

Andeutungsweise S. Meier, AcP 205, S. 866 Fn. 34. Vgl. bereits o. 2. Kap. Fn. 166 f.

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2. Kap.: Die Gesamtgläubigerschaft von der Rezeption bis zum BGB

hen von § 429 Abs. 3 S. 1 in Betracht, während es – wie bereits ausgeführt356 – beim gesetzlichen Konzept der Korrealität bleiben kann und zu bleiben hat, soweit die Gesamtgläubigerschaft noch heute vertraglich bedungen wird. Hier soll die Frage der Korrektur daher zum Anlass genommen werden, die Gesamtgläubigerschaft des geltenden Rechts (3. Kapitel) im Vorgriff auf eine gebotene dogmatische Unterscheidung unterteilt in zwei Unterformen zu untersuchen: Die vertragliche Gesamtgläubigerschaft zum einen, namentlich als Nachkomme der gemeinrechtlichen Korrealität; und die nichtrechtsgeschäftliche Gesamtgläubigerschaft zum anderen, als Anwendungsfall, der den §§ 428 ff. gleichsam erst nachträglich zugeführt worden ist.

IV. Der Innenausgleich 1. Der Innenausgleich vor dem BGB a) Frühes gemeines Recht und Naturrechtskodifikationen Die Frage des Innenausgleichs in der Gesamtobligation war in der Gemeinrechtslehre von Beginn an umstritten. Für die Gesamtschuld wurde schon unter den Glossatoren und Kommentatoren verschiedentlich ein allgemeines Regressrecht des in Anspruch genommenen Schuldners angenommen, sei es aufgrund einer stillschweigenden wechselseitigen Bürgschaft der Gesamtschuldner und einer daraus resultierenden actio mandati, sei es aufgrund einer stets begründeten actio negotiorum gestorum357. Erst ab dem 16. Jahrhundert setzte sich in der Wissenschaft die Auffassung durch, dass nach strengem Recht ein Ausgleichsanspruch zugunsten des leistenden Gesamtschuldners und zulasten des die Leistung empfangenden Gesamtgläubigers grundsätzlich nicht begründet sei, da jener nicht mehr geleistet habe, als er zu leisten verpflichtet, und dieser nicht mehr empfangen habe, als ihm geschuldet gewesen sei. Nur aus besonderen Gründen, insbesondere einer entsprechenden vertraglichen Abrede der Beteiligten oder einem zwischen ihnen bestehenden Gesellschaftsverhältnis sollte sich ein Ausgleichsanspruch ergeben können358. Dieser den römischen Quellen zu den rei 356

Oben 2. Kap. II. 1. c) cc). Eine Zusammenstellung der bei den Glossatoren und Kommentaroren vertretenen Ansichten liefert Schröter, ZCPr 6 (1833), S. 415 ff m.w. N. 358 Für die rei credendi statt aller Lauterbach, n. 18 zu D. 45, 2, Bd. 3, S. 553 f: quod ita accipiendum, ut unus ex correis totum accipiens eo nomine nil quicquam communicare, nec partem restituere debeat; cum utique solidum debitum adeptus nil amplius habeat, quam quod sibi debitum est. Et haec est communis Ddrum sententia, quia una est obligatio, quae unius petitione solvitur (. . .). Excip. tamen casus: Nisi aliud inter ipsos actum, i. e. expresse conventum sit, ut communicetur, si alterutri eorum solutio facta. (. . .) Vel correi credendi sint socii: tunc enim hoc actum censetur, ut invicem fiat communicatio; (. . .). Vgl. i. Ü. Schröter a. a. O., S. 417 m.w. N. 357

IV. Der Innenausgleich

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promittendi und stipulandi entsprechende359, restriktive Standpunkt zum Innenausgleich wurde jedoch vor allem im Usus modernus unter zwei Gesichtspunkten aufgeweicht. Den einen bildet eine Konstitution Diokletians: Diocl./Max. C. 8, 39, 1 (40, 2): Creditor prohiberi non potest exigere debitum, cum sint duo rei promittendi eiusdem pecuniae, a quo velit. (1) Et ideo, si probaveris te conventum in solidum exsolvisse, rector provinciae iuvare te adversus eum, cum quo communiter mutuam pecuniam accepisti, non cunctabitur.

Im principium der Stelle wird festgestellt, dass der Gläubiger zweier rei promittendi die gesamte Leistung nach seiner Wahl von jedem von beiden eintreiben kann. Deshalb, so § 1, werde der rector provinciae demjenigen, von dem nachweislich die gesamte Leistung eingefordert worden sei, gegen den helfen, mit dem er das Darlehen gemeinsam empfangen habe. Aus der Bezugnahme auf den Fall des gemeinsam empfangenen Darlehens folgerte die herrschende Gemeinrechtslehre des 17. und 18. Jahrhunderts, dass dem in Anspruch genommenen Gesamtschuldner stets ein Regressrecht zustehe, wenn die gesamtschuldnerische Verpflichtung aus Sicht des Gläubigers ex causa onerosa, also im Gegenzug zu einem von den Schuldnern empfangenen Vorteil eingegangen worden sei360. Dabei galt als Rechtsgrund für den Ausgleich zumeist die actio pro socio, indem man annahm, dass bei jeder gemeinsamen Verpflichtung ex causa onerosa ein Gesellschaftsverhältnis zwischen den Schuldnern zu unterstellen sei361.362 Über diese Regresserleichterung hinaus billigte die Rechtslehre eine auf das ius aequum gestützte Rechtspraxis, nach der dem leistenden Gesamtschuldner grundsätzlich eine analoge actio negotiorum gestorum gegen den Mitschuldner gewährt wurde, wenn ein anderweitiger Rechtsgrund für den Rückgriff nicht vorhanden war363. Die aufgrund Diocl./Max. C. 8, 39, 1 vorgenommene Erweiterung des Innenausgleichs wurde überwiegend auf die Gesamtgläubigerschaft übertragen. Demnach war auch hier danach zu differenzieren, ob die Berechtigung der Gläubiger einer causa onerosa oder einer Zuwendung, also causa lucrativa entstammte. In 359

Oben 1. Kap. III. 2. Diese Ansicht findet sich auch schon bei Bartolus, l. XI n. 3 zu D. 45, 2, S. 172. 361 Z. G. Lauterbach, n. 24 zu D. 45, 2, Bd. 3, S. 557; Voet, n. 7 zu D. 45, 2, Bd. 2, S. 754; Frommann, n. 16, S. 38 f; Glück, Bd. 4/2, S. 528. 362 Aus heutiger Sicht legt der unvermittelte Übergang der Stelle von den verbalvertraglichen rei promittendi zum gemeinsam empfangenen mutuum nahe, dass das principium und § 1 ursprünglich nicht aufeinander folgten. Dabei könnte die Möglichkeit des Rückgriffs vielmehr aus dem Nichtvorliegen einer Verpflichtung in solidum begründet worden sein. Vgl. dazu Schmieder, S. 191. 363 Vgl. Lauterbach, Voet, Glück, jew. a. a. O. Ferner etwa Stryk, § 3 zu D. 45, 2, Bd. 4, S. 425 f; Höpfner (1803), S. 881. Dem folgend gewährte auch CMBC IV 1 § 23 Nr. 3 den correi debendi einen allgemeinen Ausgleichsanspruch, vgl. dazu Kreittmayr, Bd. 4, S. 1402. 360

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2. Kap.: Die Gesamtgläubigerschaft von der Rezeption bis zum BGB

letzterem Fall sollte ein Ausgleichsanspruch nur bei bestehender Gesellschaft begründet sein, in ersterem dagegen stets, soweit der Mitgläubiger des Empfängers zu der im Rahmen des Geschäfts erbrachten Gegenleistung beigetragen hatte364. Weitergehende, auf dem Gesichtspunkt der Billigkeit gründende Ausdehnungen des Innenausgleichs wurden bei der Gesamtgläubigerschaft aber nur von einer Minderheit und mehr in der Theorie denn in der Praxis vertreten365. Vielmehr kehrten insoweit schon spätere Vertreter des Usus modernus vollständig zur Haltung des römischen Rechts zurück, indem sie ausschließlich eine zwischen den Gläubigern bestehende Sozietät oder sonstige konkrete Vereinbarung als taugliche Anknüpfungspunkte für den Innenausgleich anerkannten366. Das damit gewonnene Bild einer geringeren Fortentwicklung der Ausgleichsfrage bei der Gesamtgläubigerschaft spiegeln auch die Naturrechtskodifikationen wider. Sie zogen für die Gesamtschuld einheitlich die praktischere Lösung eines allgemeinen Regressanspruchs vor367, während der Gesamtgläubigerausgleich im ABGB auf dem Stand des römischen Rechts (§ 895) und im Code Civil gänzlich ungeregelt368 verblieb. b) Pandektistik und Regelwerke des 19. Jahrhunderts Der herrschende Standpunkt der Pandektistik über den Innenausgleich war für Korrealobligationen und Solidarobligationen i. e. S. unterschiedlich. Bei aktiven 364 Vgl. bereits Bartolus, l. XI n. 9 zu D. 45, 2, S. 172: Breviter distingue: Aut sunt plures rei credendi ex causa mere lucrativa: & tunc alter alteri quod exigit, communicare non tenetur, nisi sint socii (. . .). Aut sunt constituti ex causa onerosa: & tunc, aut negotium vere spectat ad eum qui solutionem recipit in totum: ut quia sua tota pecunia fuit mutuata, vel alio modo super re sua tota fuit contractum: & tunc alter nil repetit ab eo (. . .). Aut negotium spectat ad alium, cui non est solutum in totum, vel in partem: & ille quantum ad eum pertinet, repetit ab alio (. . .). Ferner Lauterbach, n. 18 zu D. 45, 2, Bd. 3, S. 554; Frommann, n. 14, S. 29 f; Stryk, § 2 zu D. 45, 2, Bd. 4, S. 424, jew. m.w. N. 365 Hahn etwa leitete eine allgemeine, auch bei Zuwendungen bestehende Teilungspflicht aus dem Rechtsgedanken von Cels. u. a. D. 12, 1, 32 ff ab, während Ronchegallus annahm, dass correi credendi nach gemeinem Recht in jedem Fall als socii anzusehen seien. Zu beiden Lauterbach und Frommann a. a. O. m.w. N. Daneben befürwortete Kreittmayr einen allgemeinen Ausgleichsanspruch, so dass CMBC IV 1 § 22 Nr. 4 die Unterscheidung zwischen causa onerosa und lucrativa bei correi credendi ausdrücklich zugunsten eines solchen verwarf. Dazu Kreittmayr, Bd. 4, S. 1401: „Allein unser Codex billichet Num. 4 diesen Unterschied eben so wenig als den vorigen, und es hat auch derselbe weder in usu noch in recta ratione einen rechten Grund, (. . .) dann wann wir gleich das, was uns titulo merè lucrativo zugehen soll, leichter als etwas anderes schwinden lassen, so erlangt doch dadurch niemand ein Recht, daß er uns solches schlechterdings vor dem Maul wegnehmen darf“. 366 So Glück, Bd. 4/2, S. 519 f; Höpfner (1803), S. 881 f; wohl auch Voet, n. 7 zu D. 45, 2, Bd. 2, S. 754. 367 ALR I, 5 §§ 443–445; Art. 1213 f CC; § 896 ABGB. 368 Vgl. aber o. 2. Kap. II. 1. b) bb) a. E.

IV. Der Innenausgleich

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wie passiven Korrealobligationen besann man sich auf den strengen Grundsatz der Ausgleichslosigkeit: Nur auf das Verhältnis zwischen Gläubiger und Schuldner beziehe sich das Regime der Korrealobligation, weshalb es für den Innenausgleich auf das ihrer Begründung zugrunde liegende materielle Rechtsverhältnis ankomme369. Bei nichtvertraglichen Schadensersatzgesamtschulden sah dagegen schon das römische Recht in vielen Fällen Regressmechanismen vor. So mussten zwar etwa Mitvormünder oder mit demselben Amt betraute Beamte für gemeinsame Pflichtverletzungen sowie unter Umständen für die vom jeweils anderen allein geführte Verwaltung in solidum einstehen, doch gewährte man ihnen bereits zu klassischer Zeit im ersten Fall zunächst das beneficium divisionis370 und im zweiten Fall das Recht, die vorrangige Ausklagung des verwaltenden Mitvormunds oder Mitbeamten zu verlangen371. Kam es dennoch zu ihrer vollständigen Inanspruchnahme, so wurde für den Regress gesorgt, indem sie die Abtretung der übrigen Klagen des Gläubigers fordern oder, wenn die Abtretung unterblieben war, mittels einer actio utilis gegen den Mitschuldner vorgehen konnten372. Diese und weitere Fälle373 verallgemeinerte die Pandektistik dahingehend, dass bei passiven Solidarobligationen (i. e. S.) im Falle gleichen Verschuldens der Verpflichteten stets die Teilungseinrede und im Falle vorrangigen Verschuldens eines Verpflichteten stets die Einrede der Vorausklage bestehe, sowie, soweit die jeweilige Einrede gereicht hätte, dem in Anspruch Genommenen durch Klageabtretung oder eine analoge Klage der Rückgriff zu gewähren sei. Nur bei dolos handelnden Schuldnern hielt man den Regress mangels Schutzwürdigkeit generell für ausgeschlossen374. Indessen war es vor allem Savigny375, der wiederum unter Berufung auf Billigkeitserwägungen auch bei der Korrealobligation die allgemeine Zulassung des 369 Vgl. Windscheid/Kipp, Bd. 2, S. 206 f; Vangerow, Bd. 3, S. 70 ff; Puchta, Pandekten, S. 363 f; Arndts, Pandekten, S. 392; Wendt, S. 508; Wächter, Pandekten, Bd. 2, S. 316 f; Goeschen, Bd. 2/2, S. 14 f, 16 f (unter ausdrücklicher Ablehnung der actio negotiorum gestorum utilis). Dennoch findet sich noch bei Vangerow, Bd. 3, S. 72 f und Windscheid a. a. O., Fn. 3 die Erweiterung des Ausgleichs im Hinblick auf Diocl./Max. C. 8, 39, 1. 370 Mitvormünder: Pap. D. 26, 7, 38pr. f; Ulp. D. 27, 3, 1, 11 f. Mitbeamte: Paul. D. 26, 7, 45; Cels. D. 27, 8, 7; Gord. C. 5, 75, 3. I.Ü. bereits o. 1. Kap. Fn. 157. 371 Beneficium excussionis der Mitvormünder: Ulp. D. 26, 7, 3, 2; Pap. D. 26, 7, 39, 11; Tryph. D. 26, 7, 55, 2; Pap. D. 46, 6, 12; Alex. Sev. C. 5, 37, 8; Diocl./Max. C. 5, 51, 6, 1; Ant. C. 5, 54, 2, 1. Mitbeamte: Pap. D. 50, 1, 11. Ant. u. a. C. 11, 36(35), 1; 2; 4. Zu beiden: Pap. D. 50, 8, 4 (3pr.); Gord. C. 5, 64, 1, 1. 372 Mitvormünder: Ulp. D. 27, 3, 1, 13; 18; Diocl./Max. C. 5, 51, 6, 1; Carinus/Num. C. 5, 52, 2pr. u. 3; Ant. C. 5, 58, 2. Mitbeamte: Ulp. D. 50, 8, 2, 8 f. I. Ü zu beiden Regressmitteln bereits o. 1. Kap. Fn. 158. 373 Vgl. noch Paul. D. 9, 3, 4; Marc. D. 16, 3, 22; Mod. D. 39, 4, 6. 374 So aufgrund Pap. D. 26, 7, 38, 2; Ulp. D. 27, 3, 1, 14 (für Mitvormünder). Z. G. Windscheid/Kipp, Bd. 2, S. 219 f m. Fn. 9 ff; Baron, Pandekten (1896), S. 454 f; Arndts, Pandekten, S. 396; Wächter, Pandekten, Bd. 2, S. 319. 375 Obligationenrecht, Bd. 1, S. 226 ff.

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2. Kap.: Die Gesamtgläubigerschaft von der Rezeption bis zum BGB

Innenausgleichs zu begründen suchte. Ausgehend von seinem Verständnis der Korrealobligation als willkürliche Ausnahme von dem „natürlichen“ Regelverhältnis der Teilschuld erachtete er den Innenausgleich als notwendig, um nach Erschöpfung des Korrealverhältnisses mit der vollständigen Bewirkung der Leistung das natürliche Ergebnis der Teilung wiederherzustellen und dadurch zu „verhüten, dass die Korrealschuld im letzten Erfolg wie ein Glücksspiel wirke, welches ihrem wahren Wesen ohnehin völlig fremd“ sei, oder, mit anderen Worten: „dass einer auf Kosten des anderen ohne Grund sich bereichere“. Dabei ging Savigny von dem an sich ausgleichslosen Wesen der Korrealobligation nicht ab, sondern folgerte nur, dass die Zulassung des Ausgleichs „als billig und wünschenswert“ anzuerkennen sei und es sich insoweit als „Aufgabe“ stelle, mittels Anwendung anderer, selbständiger Rechtsregeln ein Klagrecht aufzufinden, durch das der Anspruch auf spätere Ausgleichung zu schützen sei. Auch dieser Ansatz zur Bewältigung der Ausgleichsfrage mündete aber nur bei der passiven Korrealobligation in einen neuen, allgemeinen Rechtsgrund für den Regress in Form der durch exceptio doli erzwingbaren Zession376, die nach Savigny stets zu fingieren war, wenn der in Anspruch genommene Korrealschuldner leistete, ohne dass ihm der Gläubiger die für ihn daraufhin nutzlosen Klagen gegen die Mitschuldner abgetreten hatte377. Bei der aktiven Korrealobligation dagegen begnügte sich auch Savigny mit der Feststellung, dass bei Erwägung der Gestalt, in der sie im wirklichen Leben vorzukommen pflege, in jedem Fall entweder die actio pro socio oder die actio mandati den Ausgleich herbeizuführen geeignet sei378. Von den späteren Regelwerken des 19. Jahrhunderts sah der Hessische Entwurf379 in Anknüpfung an Savignys Lehre380 sowohl für die Gesamtschuld als auch für die Gesamtgläubigerschaft einen allgemeinen anteiligen Ausgleichsanspruch vor, während der Bayerische Entwurf381 und das Schweizerische Obligationenrecht von 1881382 diesem Beispiel nur bei der Gesamtschuld folgten. Für den Gesamtgläubigerausgleich verwies der Bayerische Entwurf383 auf das konkrete Innenverhältnis zwischen den Gläubigern; das Obligationenrecht ließ ihn ungeregelt. Demgegenüber schlossen sich das Sächsische BGB, der Dresdner 376 Nach der (späteren) Gegenansicht kam dem in Anspruch genommenen Korrealschuldner das beneficium cedendarum actionum nur zu, soweit schon aus dem konkreten Innenverhältnis ein Regressrecht begründet war, vgl. Windscheid/Kipp, Bd. 2, S. 207; Wendt, S. 508; Vangerow, Bd. 3, S. 75 f. 377 A. a. O., S. 240 ff. Zust. Sintenis, Bd. 2, S. 147, 148 f Fn. 52; Baron, Pandekten (1896), S. 450. 378 A. a. O., S. 264. 379 IV 1, Art. 11 f. 380 Vgl. Motive HessE, Bd. 4/1, S. 4 f, 22. 381 BayE von 1861, Art. 239. 382 Art. 168. 383 Art. 240.

IV. Der Innenausgleich

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Entwurf sowie v. Kübels Vorlageentwurf384 für alle Gesamtobligationen der herrschenden gemeinrechtlichen Theorie der Korrealobligation an, indem sie einen Ausgleichsanspruch im Allgemeinen nur aufgrund und nach Maßgabe des zwischen den Beteiligten bestehenden Rechtsverhältnisses oder besonderer gesetzlicher Bestimmung gewährten. c) Zusammenfassung und Würdigung Insgesamt zeigt der Blick auf die historische Entwicklung, dass die Neigung zu einer Abkehr vom strengen Grundsatz der Ausgleichslosigkeit bei der Gesamtgläubigerschaft stets weit weniger ausgeprägt war als bei der Gesamtschuld. Insbesondere entschied von den Kodifikationen und Entwürfen vor dem BGB allein der Hessische Entwurf für einen der Regel nach begründeten Gesamtgläubigerausgleich, während für die Gesamtschuld auch die Naturrechtsgesetzbücher, der Bayerische Entwurf und das Schweizerische Obligationenrecht eine entsprechende Bestimmung trafen. Den Grund hierfür bildet freilich zum einen die wesentlich geringere praktische Bedeutung der Gesamtgläubigerschaft. So kam in der Gerichtspraxis des 17. Jahrhunderts die Gewährung der analogen Geschäftsführungsklage wohl auch deshalb nur bei den rei debendi auf, weil die Gerichte mit Fällen der rei credendi weit seltener befasst waren, und berief sich auch Savigny385 im Rahmen seiner vergleichsweise knappen Behandlung des Gesamtgläubigerausgleichs rechtfertigend auf das geringe praktische Vorkommen aktiver Korrealität. Der bedeutendere Grund liegt aber in den Entstehungsgründen beider Institute. Das römische Recht mutete den rei stipulandi und promittendi die Ausgleichslosigkeit zu, da sie die überschießenden Berechtigungen und Verpflichtungen durch die privatautonome Entscheidung gegen die Teilung selbst herbeiführten. Dann konnte auch von einer internen Verständigung der Beteiligten über den Innenausgleich ausgegangen werden; jedenfalls musste gegen ein selbst gewähltes Risiko das Recht keine Abhilfe schaffen386. Bei Schadensersatzgesamtschuldnern, die nur aufgrund der objektiv größeren Schutzwürdigkeit des Geschädigten über ihren Verschuldensbeitrag hinaus hafteten, galt diese Erwägung dagegen nicht. Sie hatten das Risiko der solidarischen Haftung nicht selbst gesucht und es ist dies der Grund, aus dem ihnen schon das klassische Recht in vielen Fällen das beneficium cedendarum actionum und die actio utilis an die Hand gab. Den damit gegebenen unterschiedlichen Regelungsanforderungen an rechtsgeschäftliche und 384

§ 1036 SächsBGB; Art. 16 DresdE; v. Kübel, § 21. A. a. O., S. 264. 386 Vgl. o. 1. Kap. III. 2. a. E. Auch Savigny a. a. O., S. 222, 228 bemerkte, dass die Korrealobligation trotz ihres Glückspielcharakters „nicht etwa als ungerecht oder unbillig angesehen werden“ könne, da ein solcher Vorwurf „durch die freie Einwilligung gänzlich ausgeschlossen“ sei. 385

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2. Kap.: Die Gesamtgläubigerschaft von der Rezeption bis zum BGB

nichtrechtsgeschäftliche Gesamtschulden wurde man im Zuge der Vereinheitlichung des Gesamtschuldbegriffs auf zweierlei Wegen Herr: Entweder man machte sich den Umstand zu Nutze, dass außervertragliche Gesamtschulden nach gemeinem Verständnis nur aufgrund gesetzlicher Anordnung entstehen konnten, und verband mit der jeweiligen Anordnung eine außerordentliche Regressanordnung387; oder man schuf wie im Code Civil, Hessischen und Bayerischen Entwurf sowie Schweizerischen Obligationenrecht einen allgemeinen Regressanspruch388. Kam es demnach bei der Gesamtschuld zur Ausweitung der Entstehungsgründe und auch aus diesem Grund zur Ausweitung des Regresses, blieb bei der Gesamtgläubigerschaft eine Veränderung in den Entstehungsgründen bis ins 19. Jahrhundert aus. Stets bildete das alternative Vermächtnis den weithin einzigen Fall einer den Gläubigern „aufgedrängten“ Gesamtgläubigerschaft, der jedoch untypischerweise auf ihre prinzipielle Ausgleichslosigkeit geradezu angelegt war. Dann bedürfte es aber auch der Veränderung beim Gesamtgläubigerausgleich nicht. 2. Der Innenausgleich nach § 430 BGB a) Gang der Gesetzgebung Entgegen nahezu aller Vorgängerregelwerke verließ der BGB-Gesetzgeber den Standpunkt des römischen und gemeinen Rechts sowohl bei der Gesamtschuld als auch bei der Gesamtgläubigerschaft: „Soweit nicht ein anderes bestimmt ist“, sind Gesamtschuldner nach § 426 Abs. 1 S. 1 „im Verhältnis zueinander zu gleichen Anteilen verpflichtet“ und Gesamtgläubiger nach § 430 „im Verhältnis zueinander zu gleichen Anteilen berechtigt“. Angesichts der Vorgeschichte verwundert es kaum, dass die Aufnahme des § 430 im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens wesentlich umstrittener war als die des § 426 Abs. 1 S. 1. So votierte die Vorkommission zunächst nur bei der Gesamtschuld für die Bestimmung des § 20 TE-OR (Nr. 7), der zufolge „im Zweifel“ eine kopfteilige Ausgleichspflicht bestehen sollte, „wenn nicht aus dem Gesetze oder aus den Umständen ein anderes sich ergibt“. Für die Gesamtgläubigerschaft wurde dagegen zunächst beschlossen, es bei der Regelung des v. Kübel’schen Vorlageentwurfs zu belassen, nach dem sich ein Ausgleichsanspruch nur aus dem konkreten Innenverhältnis der Gläubiger oder besonderer gesetzlicher Bestimmung ergeben konnte. In der darauffolgenden Sitzung hatte je387 So das SächsBGB und der DresdE, vgl. etwa § 1036 SächsBGB und Art. 217, 219, 1021 DresdE für den Regress von Deliktsmittätern; auch das ABGB, in dem der allgemeine Regressanspruch des § 896 nach der ursprünglichen Regelungsintention nur auf die vertragliche Gesamtgläubigerschaft bezogen ist, vgl. § 1302 S. 2 3. Hs (Deliktsmittäter), § 820 S. 2 (Miterben). 388 Vgl. dazu auch Goette, S. 127 f.

IV. Der Innenausgleich

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doch ein Kommissionsmitglied seine Meinung in letzterem Punkt geändert. Erst daraufhin gelangte die Vermutung zugunsten der Ausgleichspflicht mit einer Mehrheit von sechs zu fünf Stimmen auch bei der Gesamtgläubigerschaft zur Annahme389. Im Zuge der Beratungen zum zweiten Entwurf kamen erneut Zweifel an der Ausgleichsregel bei Gesamtgläubigern auf. Doch fand der in der zweiten Kommission gestellte Antrag, die Bestimmung des heutigen § 430 ersatzlos zu streichen, keine Mehrheit390. b) Der Rechtsgrund des Ausgleichsanspruchs Seinem Wortlaut zufolge normiert § 430 – ebenso wie § 426 Abs. 1 S. 1 – einen selbständigen, in der Gesamtobligation als solcher begründeten Ausgleichsanspruch („Die Gesamtgläubiger sind (. . .) zu gleichen Anteilen berechtigt“), der nach Umfang und Bestand unter dem Vorbehalt rechtsgeschäftlicher oder gesetzlicher Modifizierbarkeit und Abdingbarkeit steht („soweit nicht ein anderes bestimmt ist“). Zwar teilte die Vorkommission in theoretischer Hinsicht noch den gemeinrechtlichen Grundsatz der Ausgleichslosigkeit und diente die Bestimmung des § 20 TE-OR (Nr. 7) aus ihrer Sicht nur dazu, „in Regelung der Beweislast die Vermutung auszusprechen, dass die Verpflichtung zur Ausgleichung oder Regressleistung bestehe“ 391; entgegen mancher Stimmen in der Literatur392 darf dieses Verständnis dem heutigen § 430 aber nicht mehr zugrunde gelegt werden. Die Untersuchung der Entstehungsgründe hat gezeigt, dass vom Standpunkt des historischen Gesetzgebers Gesamtobligationen nur aus Rechtsgeschäft und gesetzlicher Bestimmung hervorgehen konnten. Auf dieser Grundlage war es denkbar, den Innenausgleich auch unter Beibehaltung der formalen Ausgleichslosigkeit umfassend zu gewährleisten, namentlich bei rechtsgeschäftlichen Gesamtobligationen durch Begründung aus dem regelmäßig vorhandenen und daher unterstellbaren Innenverhältnis, bei nichtrechtsgeschäftlichen Gesamtobligationen durch besondere gesetzliche Disposition. Nach heutiger Auffassung393 sind die Tatbestände von Gesamtschuld und Gesamtgläubigerschaft jedenfalls insoweit gleichermaßen „offen“, als beide auch jenseits des Parteiwillens und ausdrücklicher gesetzlicher Anordnungen entstehen können. Dann entspricht dem 389

Vgl. z. G. Jakobs/Schubert, Schuldrecht, Bd. 1, S. 903 ff (zu Thesis XV). Prot. bei Mugdan, Bd. 2, S. 611; Jakobs/Schubert, Schuldrecht, Bd. 1, S. 972. 391 Jakobs/Schubert, Schuldrecht, Bd. 1, S. 904; v. Kübel, in: Schubert, Vorentwürfe, Schuldrecht, Bd. 1, S. 108 f m. Fn. 1. Entsprechend war noch § 337 Abs. 1 des ersten Entwurfs dahingehend gefasst: „Soweit nicht aus Gesetz oder Rechtsgeschäft ein anderes sich ergibt, gelten (. . .) die Gesamtgläubiger als zu gleichen Anteilen berechtigt, die Gesamtschuldner als zu gleichen Anteilen verpflichtet“. 392 HKK-BGB/S. Meier §§ 420–432/II Rn. 25 f; dies., AcP 205, S. 873; für die Gesamtschuld mit eingehendem Rekurs auf die Entstehungsgeschichte Goette, S. 117 ff, insb. 126; Winter, S. 82 ff, 103 ff, 180 f. 393 Vgl. o. 2. Kap. III. 2. a). 390

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2. Kap.: Die Gesamtgläubigerschaft von der Rezeption bis zum BGB

gesetzgeberischen Anliegen, den im Regelfall billigen Ausgleich zu gewähren, aber nur eine rechtliche Gestalt der Gesamtobligation, die den Rechtsgrund für den Innenausgleich in sich trägt. Die denaturierende Heranziehung der Geschäftsführung ohne Auftrag und des Bereicherungsrechts zur Begründung des Ausgleichs auch zwischen unverbundenen Gläubigern und Schuldnern sollte durch § 20 TE-OR (Nr. 7) und seine Nachfolger gerade überwunden werden394. Deshalb ist § 430 ebenso wie § 426 Abs. 1 S. 1 nicht – und zwar auch nicht „funktionell“ 395 – Vermutung, sondern Ausdruck eines gesetzlichen Schuldverhältnisses, das allein aufgrund der Verbindung zu Gesamtgläubigern zwischen den Beteiligten entsteht und selbständig neben ein gegebenenfalls anderweitig begründetes Innenverhältnis tritt396. c) Voraussetzungen und Umfang des Ausgleichsanspruchs Zur Entstehung gelangt der Ausgleichsanspruch aus § 430, wenn es in Person eines Gesamtgläubigers zur Verwertung des Schuldverhältnisses kommt, sei es durch Annahme der Erfüllung, Annahme an Erfüllungs statt, Aufrechnung, unwiderrufliche Hinterlegung, Gesamterlass oder Konfusion. Die Höhe des geschuldeten Ausgleichs bemisst sich dabei jeweils nach dem Wert der ursprünglich geschuldeten Leistung. Ein vom verwertenden Gesamtgläubiger erzielter Verlust darf nicht zu Lasten der übrigen Gläubiger gehen397. Ob für die Entstehung des Ausgleichsanspruchs erforderlich ist, dass der Gesamtgläubiger mehr als seinen Innenanteil empfangen hat, oder die Gesamtgläubiger von jedem empfangenen Teilbetrag einen verhältnismäßigen Anteil abgeben müssen, hängt vom Inhalt des Schuldverhältnisses ab. Handelt es sich etwa wie im bereits angesprochenen Fall von BGH NJW 1979, S. 2038 f. um eine Renten- oder sonstige Ratenzahlung, die dem Lebensunterhalt der Gläubiger dienen soll, so ist jede einzelne Rate unter den Gläubigern zu teilen. Dasselbe dürfte im Zweifel bei allen anderen mittel- bis langfristigen Ratengeschäften anzunehmen sein. Liegt dagegen kein Ratengeschäft vor, so schulden die Gesamtgläubi394

Dazu auch Ehmann, Gesamtschuld, S. 92 ff; Erman/Ehmann vor § 420 Rn. 17 f. So aber S. Meier a. a. O. 396 So denn auch die heute h. M.: Staudinger/Noack § 426 Rn. 2, 5, § 430 Rn. 2, 5; Erman/Ehmann § 426 Rn. 14, 16 ff, § 430 Rn. 1; BaRo/Gehrlein § 426 Rn. 1 f, § 430 Rn. 1; RGRK/Weber § 426 Rn. 2, 5; 430 Rn. 2; Selb, Mehrheiten, S. 90 f, 260 ff; Rütten, S. 159 ff, insb. 162. 397 Vgl. z. G. Jakobs/Schubert, Schuldrecht, Bd. 1, S. 947: Nach einem in der ersten Kommission gestellten Antrag sollte die Vorschrift über den Innenausgleich einen Abs. 2 mit der Bestimmung erhalten: „Soweit ein Gesamtgläubiger ohne Erfüllung dem Schuldner eine den übrigen Gesamtgläubigern gegenüber wirksame Befreiung gewährt hat, haftet er den letzteren für das Interesse. Die Konfusion begründet die Ausgleichspflicht wie die Erfüllung“. Die Bestimmung wurde jedoch nicht aufgenommen, da man sie als in der Formulierung des heutigen § 430 enthalten ansah, nach der die Gesamtgläubiger „zu gleichen Anteilen berechtigt“ sind. 395

IV. Der Innenausgleich

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ger mangels abweichender Vereinbarung bis zur Höhe ihres Anteils keinen Ausgleich398. Zu einer Benachteiligung der Mitgläubiger kommt es dadurch nicht, denn im Zusammenspiel der Ansprüche im Innen- und Außenverhältnis ist ihr Innenanteil stets gedeckt. Geht diese Deckung faktisch verloren, indem der Schuldner zwischenzeitlich zahlungsunfähig wird, so tragen die Gesamtgläubiger den Ausfall jedoch gemeinsam mit der Folge, dass auch der von einem Gesamtgläubiger realisierte Teilbetrag quotenmäßig zu verteilen ist399. Dies ergibt die Analogie zur Bestimmung des § 426 Abs. 1 S. 2 über den Gesamtschuldnerausgleich: Ebenso wenig wie dort die zufällige Wahl eines Gesamtschuldners darf hier das zufällige Zuvorkommen eines Gesamtgläubigers darüber entscheiden, wen von den Beteiligten das Ausfallrisiko trifft400. Eine zum Ausgleich verpflichtende Verwertung des Schuldverhältnisses in Person des ursprünglichen Gesamtgläubigers liegt auch dann vor, wenn dieser seine Forderung abtritt und der Zessionar daraufhin die gesamte Leistung einzieht. Zwar knüpft der gesetzliche Anspruch aus § 430 grundsätzlich an die Gesamtgläubigerstellung an, doch hat dies nicht zur Folge, dass die Ausgleichspflicht mit der Abtretung restlos auf den Zessionar übergeht. Vielmehr besteht das gesetzliche Schuldverhältnis in Gestalt jenes potentiellen Ausgleichsanspruchs zu Lasten des zedierenden Gesamtgläubigers fort401. Eine andere Lösung stünde vor allem im Widerspruch zur Vorschrift des § 429 Abs. 3 S. 2, nach der die Rechte der übrigen Gesamtgläubiger von der Abtretung unberührt bleiben. Sie bezieht sich zwar historisch auf die Ansprüche im Außenverhältnis, ist nach Einführung eines allgemeinen Ausgleichsanspruchs aber sinngemäß auf diesen zu erstrecken, würde die Schutzwirkung des § 430 doch nicht unwesentlich beeinträchtigt, könnte jeder Gesamtgläubiger dem anderen durch Abtretung einseitig einen neuen Ausgleichsschuldner gegenüberstellen402. Dieses Schutzbedürfnis besteht umso mehr, als die Gesamtgläubigerschaft heute auch kraft objektiven Rechts auferlegt wird. So beruht etwa die Gesamtgläubigerschaft aus § 117 SGB X gerade auf der den originären Gläubigern in ihrer Eigenschaft als öffent398

A. A. Planck/Siber § 430 Anm. 1; Crome, System, Bd. 2/1, S. 391. A. A. Rütten, S. 190 f. 400 Z. G. wie hier Staudinger/Noack § 430 Rn. 7 ff; MüKo/Bydlinsky § 430 Rn. 3; BaRo/Gehrlein § 430 Rn. 1; RGRK/Weber § 430 Rn. 7; Selb, Mehrheiten, S. 260 f; zur Ratenverbindlichkeit auch Rütten, S. 191 Fn. 21. 401 A. A. Rütten, S. 200 f, der geltend macht, dass nur derjenige Gesamtgläubiger Ausgleich schulde, der auch etwas empfange. Dabei wird verkannt, dass sich der Verwertungstatbestand hier – ähnlich wie bei der Verwertung durch Gesamterlass – aus dem Kausalgeschäft ergibt: Kann der zedierende Gläubiger dem Dritten die gesamte Leistung ohne Belastung mit der Ausgleichspflicht verschaffen, so wird er aus dem Kausalgeschäft auch eine entsprechende Gegenleistung erhalten. Vgl. auch Erman/Ehmann § 429 Rn. 5. 402 Insow. ebenso BGH-Report 2003, S. 50 f; Staudinger/Noack § 430 Rn. 15; Staudinger12 /Kaduk § 430 Rn. 5; Erman/Ehmann § 429 Rn. 5; RGRK/Weber § 430 Rn. 5; Enneccerus/Lehmann, S. 376 f; Oertmann § 430 Anm. 1; Planck/Siber § 430 Anm. 2. 399

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2. Kap.: Die Gesamtgläubigerschaft von der Rezeption bis zum BGB

liche Sozialversicherungsträger gegebenen Bonität. Eine Abtretbarkeit der Gesamtgläubigerforderung ohne Ausgleichspflicht des Zedenten nach § 430 würde hier die Zumutbarkeit der Gesamtgläubigerschaft in Frage stellen, zumal diese Ausgleichspflicht bei nichtrechtsgeschäftlicher Begründung auch nicht aus einem anderweitigen, selbständigen Innenverhältnis hergeleitet werden kann403. Neben dem verbleibenden Ausgleichsanspruch gegen den Zedenten entsteht freilich auch in Person des Zessionars ein Grund für eine Ausgleichspflicht, indem dieser vermittels der erworbenen Gesamtgläubigerstellung in das gesetzliche Schuldverhältnis gemäß § 430 einrückt. Im Prinzip ist daher der herrschenden Meinung zuzustimmen, der zufolge der Mitgläubiger des Zedenten im Falle der Einziehung durch den Zessionar sowohl auf diesen als auch auf jenen zugreifen kann404. Doch handelt es sich nicht um eine gesamtschuldnerische Haftung405, sondern um ein Verhältnis elektiver Konkurrenz: Der verbleibende Gesamtgläubiger kann den Vorgang als Verwertung in Person seines ursprünglichen Mitgläubigers behandeln und von ihm Ausgleich verlangen; er kann aber auch den Zessionar als neuen Mitgläubiger annehmen und diesen als Verwertenden in Anspruch nehmen. Eine zum Ausgleich verpflichtende Verwertung in Person des Zedenten und Zessionars zugleich ist denklogisch ausgeschlossen406.407 Über den Fall der Verwertung hinaus wird der Ausgleichsanspruch ausgelöst, wenn ein Gesamtgläubiger den Mitgläubiger durch eine anderweitige objektiv wirkenden Verfügung, etwa Novation oder Schuldübernahme408, vom Schuldverhältnis ausschließt. Führt ein Gesamtgläubiger in dieser Weise eine Beschränkung des Schuldverhältnisses auf seine Person herbei, so ist ihm fortan das volle Verwertungsrisiko zuzuweisen: Der Ausgleichsanspruch entsteht unabhängig davon, ob der verbleibende Gesamtgläubiger die Forderung gegen den Schuldner realisieren kann oder nicht. 403 Unzutr. daher Rütten, S. 201, der ausführt, dass „ohnehin“ nur vertragliche Gesamtgläubiger, die ihren Mitgläubiger selbst wählen, gegenüber der Aufdrängung eines anderen Schuldners schutzwürdig seien. 404 So Staudinger/Noack § 430 Rn. 15 f; Staudinger12 /Kaduk § 430 Rn. 6; RGRK/ Weber § 430 Rn. 5; Planck/Siber § 430 Anm. 2. A. A. Erman/Ehmann § 430 Rn. 5; Oertmann § 430 Anm. 1: Nur der Zedent ist Ausgleichsschuldner. 405 So ausdrücklich Kaduk und Siber, jew. a. a. O.; Hansen, S. 58. 406 Insoweit zutr. S. Meier, AcP 205, S. 873, die gegen die herrschende Meinung einwendet, dass ein „sachlicher Grund“ für die Vermehrung der Ausgleichsschuldner nicht bestehe. 407 Das Sicherheitsinteresse des verbleibenden Gesamtgläubigers wird durch die Annahme elektiver Konkurrenz nicht übermäßig beeinträchtigt. An sich verlangt dessen Sicherstellung nur, dass er von seinem anfänglichen Mitgläubiger Ausgleich verlangen kann; und dies wird denn auch seiner regelmäßigen Verhaltensweise entsprechen. Überdies dürfte nichts dagegen sprechen, die vorgenommene Wahl mangels abweichender Vereinbarung bis zum Beginn der Abwicklung mit einem der alternativen Schuldner als widerruflich anzusehen. 408 Vgl. o. 2. Kap. II. 1. c) dd).

3. Kapitel

Die Gesamtgläubigerschaft im geltenden Recht – Versuch einer dogmatischen Ordnung I. Die vertragliche Gesamtgläubigerschaft 1. Abgrenzung von Stellvertretung und Ermächtigung Der praktische Bedeutungsschwund der Gesamtgläubigerschaft im modernen Privatrecht wurde im Vorangegangenen bereits damit erklärt, dass die Bedürfnisse, die die Gesamtgläubigerschaft einst befriedigte, heute zumeist auf anderem Wege bewältigt werden: Wollen die Parteien schuldrechtliche Ausübungsoder Verfügungsmacht übertragen, so bedienen sie sich im Innenverhältnis angelegter Instrumente wie Ermächtigung und Stellvertretung; wollen sie trotz mehrerer Beteiligter eine einheitliche und ungeteilten Abwicklung, so hilft ihnen die Mitgläubigerschaft gemäß § 432 BGB. An diesen rein äußerlichen Befund reiht sich nun die Frage nach der rechtlichen Abgrenzung der Gesamtgläubigerschaft von den genannten funktionsäquivalenten Gestaltungen. Für das Verhältnis zur Mitgläubigerschaft wurde diese Frage bereits zum Teil geklärt: Regelmäßig ist der Wille der Vertragsparteien zwar auf eine ungeteilte Abwicklung des Schuldverhältnisses gerichtet, nicht aber auf die Einzelzuständigkeiten der Gesamtgläubigerschaft, weshalb die Vermutung bei vertraglichen Gläubigermehrheiten für die Mitgläubigerschaft spricht, während für die Entstehung von Gesamtgläubigerschaft ebenso wie für eine Teilung des Schuldverhältnisses gemäß § 420 ein besonderer Parteiwille erkennbar sein muss1. Zu untersuchen bleibt jedoch das Verhältnis zu den Formen allein im Innenverhältnis begründeter Verfügungsmacht. Dabei sollte die rechtliche Abgrenzung zur Stellvertretung die geringeren Schwierigkeiten bereiten, ist diese doch anders als die Gesamtgläubigerschaft auf ein drittwirkendes Handeln in fremdem Namen angelegt. In den Blick zu fassen ist daher vor allem die Frage: Wann ist die Abrede, dass jeder der an einem Vertrag beteiligten Gläubiger einzeln und in eigenem Namen Leistung an sich fordern kann, Gesamtgläubigerschaft, wann ein Fall der bloßen Ermächtigung zur Verfügung über (teilweise) fremdes Recht? Die Beantwortung dieser Frage führt über die Betrachtung spezifischer Rechtsfolgen der Gesamtgläubigerschaft und ihrer Übereinstimmung mit den Parteiinteressen.

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Vgl. o. 2. Kap. I. 3. a); Erman/Ehmann § 432 Rn. 5 f, § 428 Rn. 4.

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3. Kap.: Die Gesamtgläubigerschaft im geltenden Recht

a) Vorüberlegungen: Interessengerechtigkeit der Gesamtgläubigerschaft? aa) Widerruflichkeit Wird die Befugnis, Rechtshandlungen mit unmittelbarer Wirkung für einen Dritten vorzunehmen, durch die üblichen Instrumente der Vollmacht oder Ermächtigung erteilt, so gilt nach den §§ 168 S. 2 und 183 S. 1 BGB der Grundsatz der freien Widerruflichkeit2. Hintergrund dieser Gestaltung ist der Gedanke, dass die Übertragung solcher Rechtsmacht in der Regel allein oder zumindest weit überwiegend im Interesse des Bevollmächtigenden oder Ermächtigenden geschieht, so dass der Vertreter oder Ermächtigte kein schutzwürdiges Interesse an ihrem Fortbestand hat3. Damit erscheint die Widerruflichkeit aber auch dann angebracht, wenn mehrere Gläubiger einer Leistung zum Zwecke der erleichterten Rechtsverfolgung vereinbaren, dass jeder von ihnen einzeln zur Geltendmachung und zum Empfang der ganzen Leistung berechtigt sein soll. Denn soweit die Gläubiger daraufhin über ihren Innenanteil hinaus legitimiert sind, handeln sie funktionell als Vertreter und haben allenfalls ein untergeordnetes Eigeninteresse am Bestand der überschießenden Rechtsmacht. Sowohl im Falle der Einziehungsermächtigung als auch bei der gewillkürten Prozessstandschaft als ihrem prozessualen Gegenstück ist die grundsätzliche Widerruflichkeit denn auch anerkannt4. Bei der Gesamtgläubigerschaft dagegen hat die Verfestigung der überschießenden Rechtsmacht im Außenverhältnis zur Folge, dass ihre Entziehung nur im Einvernehmen sämtlicher Gläubiger möglich ist, was vor allem der französischen Lehre für sich schon genügend Anlass bot, die Gesamtgläubigerschaft als geradezu gläubigerfeindliches Institut zu begreifen5. Praktisch wird das Problem der Unwiderruflichkeit besonders beim OderKonto. Aus der Einordnung dieses Falls als vertragliche Gesamtgläubigerschaft6 folgert die herrschende Meinung konsequent, dass für eine Aufhebung der Einzelverfügungsbefugnis der Kontoinhaber zugunsten einer nur gemeinschaftlichen 2 Zur Anwendbarkeit des § 183 S. 1 auf die Ermächtigung gemäß § 185 Abs. 1 Palandt/Ebenberger § 185 Rn. 7; Erman/H. Palm § 185 Rn. 7; Staudinger/Gursky § 185 Rn. 39, 43. 3 Vgl. Prot. bei Mugdan, Bd. 1, S. 742; Flume, BGB AT, Bd. 2, S. 876. 4 Zur Einziehungsermächtigung: BGH, NJW 1982, S. 571 f, 572; MüKo/Roth § 398 Rn. 49; Palandt/Grüneberg § 398 Rn. 34 a. E.; zur Prozessstandschaft: BGH, NJW-RR 1986, S. 158; Wieczorek/Schütze/Hausmann vor § 50 Rn. 75; Zöller/Vollkommer vor § 50 Rn. 45 (letztere unter Verweis auf § 183 S. 1 BGB analog). 5 Oben 2. Kap. I. 1. a. E. 6 So etwa Staudinger/Noack § 428 Rn. 24; Staudinger/Langhein § 741 Rn. 87 ff, 94; Erman/Ehmann § 428 Rn. 8; Soergel/Wolf § 428 Rn. 6; Gernhuber, WM 1997, S. 645 ff; Rütten, S. 205 ff; Hadding, WM 1994, FS Hellner, S. 5 f; Hansen, S. 22 ff; Canaris, Bankvertragsrecht, Rn. 225; Claussen/van Look, § 2 Rn. 81; Kümpel, Rn. 3.262; Hadding/Häuser, in: Schimansky u. a., BankR-HdB, Bd. 1, § 35 Rn. 7 f; Rendels, S. 7 ff; Rieder, WM 1987, S. 30; zur Rspr. bereits o. 2. Kap. Fn. 41.

I. Die vertragliche Gesamtgläubigerschaft

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Verfügungsbefugnis – man spricht von der Umwandlung in ein „Und-Konto“ – grundsätzlich die Zustimmung sämtlicher Beteiligter, also der Bank und aller Kontoinhaber erforderlich ist7. Den Interessen der Kontoinhaber wird dieses Ergebnis jedoch regelmäßig nicht gerecht. Diese haben zwar unter Umständen sogar ein erhebliches Eigeninteresse am Bestand der Einzelverfügungsbefugnis, etwa indem sie zur termingerechten Erfüllung von Verbindlichkeiten oder zur Tätigung von Bedarfsdeckungsgeschäften auf den Kontozugriff angewiesen sind. Schwerer wiegt jedoch das Anliegen der Kontoinhaber, dem nicht mehr für vertrauenswürdig befundenen Mitinhaber die alleinige Verfügungsbefugnis über die gemeinsamen Mittel auch einseitig entziehen zu können. Dies gilt umso mehr im praktisch wichtigsten Fall des Oder-Kontos zwischen Ehegatten. Hier ist es einer geordneten Abwicklung abträglich, wenn sich jeder der in Trennung befindlichen Ehegatten in der Furcht vor dem schnellen Zugriff des Partners nur durch die seinerseitige Einziehung des Guthabens behelfen kann. Der drohende Schaden ist dann größer als bei einseitigem Aufhebungsrecht; denn wo an sich die Entziehung der Dispositionsbefugnis genügte, droht jedem Beteiligten der Verlust des Guthabens als Deckungsobjekt8. Nach üblicher Bankenpraxis enthalten die Eröffnungsverträge über Oder-Konten daher eine Klausel, nach der jeder Inhaber die Einzelverfügungsbefugnis des Mitinhabers jederzeit gegenüber der Bank widerrufen kann mit der Folge, dass alle Kontoinhaber nur noch gemeinschaftlich verfügungsbefugt sind9. Doch auch in Fällen, in denen es an einer solchen „Schutzklausel“ fehlte, wurden in der Rechtsprechung auf vielfältigen Wegen Umwandlungsrechte hergeleitet: Der BGH hat ein Umwandlungsrecht auch aufgrund einer Bestimmung des Eröffnungsvertrags bejaht, nach der jeder Inhaber das Oder-Konto einseitig auf sich umschreiben lassen konnte, da eine solche Umschreibungsbefugnis das Recht zur Umwandlung in ein Und-Konto als geringeres Recht mit enthalte10. Das AG Leonberg stützte bei einem Oder-Konto von Ehegatten ein Umwandlungsrecht auf die Erwägung, dass mit der Trennung zwi-

7 BGH, NJW 1991, S. 420 f; WM 1993, S. 141 ff, 143; Erman/Ehmann § 428 Rn. 9; Palandt/Grüneberg § 428 Rn. 1; MüKo3 /Selb § 428 Rn. 2; Baumbach/Hopt BankGesch Rn. A/39; Gernhuber, WM 1997, S. 648; Hansen, S. 38; Rendels, S. 21 ff, insb. 49; Kümpel, Rn. 3.263, 3.275; Wagner, NJW 1991, S. 1795. 8 Dass ein Widerrufsrecht dem praktischen Bedürfnis entspricht, wird denn auch vielfach anerkannt, vgl. Erman/Ehmann § 428 Rn. 9; Staudinger/Langhein § 741 Rn. 99; Hansen, S. 25; Rieder, WM 1987, S. 32; auch S. Meier, AcP 205, S. 875; de Boor, S. 100 ff. 9 Vgl. sämtliche der bei Rendels, Anh. Nr. 3–9 abgedruckten Formulare sowie das bei Hopt, S. 948 f (VI.A.3.) abgedruckte Formular (dort unter 5.). Ferner Rieder, WM 1987, S. 32. Zur AGB-Festigkeit Hadding/Häuser, in: Schimansky u. a., BankR-HdB, Bd. 1, § 35 Rn. 15 m.w. N. 10 BGH, NJW 1991, S. 420 f, 421. Nach h. M. ist ein solches Umschreibungsrecht als AGB aber gemäß. § 307 BGB unwirksam, vgl. LG Kassel, WM 1991, S. 1948 ff; Wagner, NJW 1991, S. 1791 f, 1795; Claussen/van Look, § 2 Rn. 8 a.E; a. A. Gernhuber, WM 1997, S. 648 Fn. 23.

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3. Kap.: Die Gesamtgläubigerschaft im geltenden Recht

schen den kontoführenden Ehegatten die Geschäftsgrundlage für die Errichtung und Beibehaltung des Oder-Kontos entfallen sei11. Das OLG Köln schließlich wollte der Figur der Gesamtgläubigerschaft gar ein allgemeines Umwandlungsrecht entnehmen: Könnten die Kontoinhaber kraft ihrer Gesamtgläubigerstellung jederzeit zu Lasten des anderen über das Guthaben verfügen, so seien sie auch berechtigt, die Einzelverfügungsbefugnis des Mitinhabers im Einvernehmen mit dem Kreditinstitut zu beschränken. Dieses Recht zur Verfügungsbeschränkung stelle sich als „Minus zum rechtlich Möglichen“ dar und werde daher von der Forderungsinhaberschaft mitumfasst12. All diese Entscheidungen belegen, dass das Anliegen der Sachgerechtigkeit im Konfliktfall unter Inhabern von OderKonten regelmäßig für die Widerruflichkeit spricht. Rechtlich haltbar ist vor allem die Entscheidung des OLG Köln indessen nicht. So berechtigt die Gesamtgläubigerschaft die Gläubiger zwar zur selbständigen Einziehung und sonstigen Aufhebung der Einzelforderungen aus dem Schuldverhältnis – hier: der Einlageforderung –, nicht aber auch zur Vornahme jedweder anderweitigen Rechtsänderung, so etwa der Umgestaltung der Rechtszuständigkeit. Ein unbegrenzter Schluss a maiore ad minus verbietet sich, wie der Grundsatz der Einzelwirkung gemäß §§ 429 Abs. 3 S. 1 und 2, 425 zeigt13. Vorzugswürdig erscheint daher die weitere, vom OLG Karlsruhe vertretene Lösung, der zufolge die Inhaber eines Oder-Kontos von vornherein nicht Gesamtgläubiger sind, sondern wie im Fall des Und-Kontos14 Bruchteilsgläubiger gemäß §§ 741 ff., die sich gemäß § 185 Abs. 1 gegenseitig zur Verfügung über die Guthabenforderung ermächtigt haben15. Dann ergibt sich die grundsätzliche Widerruflichkeit der Einzelverfügungsbefugnis auch ohne vertragliche Schutzklausel aus § 183 S. 116. Die Belange der Bank werden durch diese Lösung nicht beeinträchtigt. Diese hat im Allgemeinen kein erhebliches Eigeninteresse am Fortbestand des Oder-Kontos17 11 AG Leonberg, WM 1978, S. 1306 f; dem zust. in dem Sinne, dass diese Rechtsprechung einem „Bedürfnis der Praxis“ entspreche, Rieder, WM 1987, S. 32. 12 OLG Köln, WM 1989, S. 1888 f. Ebenso noch Canaris, Bankvertragsrecht, Rn. 226. 13 Mit ähnlicher Begründung ablehnend gegenüber dem OLG Köln Wagner, NJW 1991, S. 1791, 1793; Gernhuber, WM 1997, S. 648 Fn. 21; Rendels, S. 43 ff; MüKo3 / Selb § 428 Rn. 2; tendenziell BGH, NJW 1991, S. 420 f, 421; WM 1993, 141 ff, S. 143, der sich abschließend zu dieser Ansicht noch nicht äußern musste und die Frage daher offen gelassen hat. Gegen das AG Leonberg ferner Gernhuber a. a. O. 14 Hier ist die Einordnung als gemeinschaftliche Forderung weitgehend anerkannt, vgl. nur BGH, WM 1987, S. 318 f; Hadding/Häuser, in: Schimansky u. a., BankR-HdB, Bd. 1, § 35 Rn. 17 m.w. N. 15 OLG Karlsruhe, NJW 1986, S. 63 f. 16 OLG Karlsruhe a. a. O., S. 63. Dieselbe Konstruktion wählt Staudinger12 /U. Huber § 741 Rn. 56 in dem Fall, dass der Eröffnungsvertrag ein Widerrufsrecht besonders bestimmt. Nur bei Oder-Konten ohne solche Bestimmung soll dagegen Gesamtgläubigerschaft vorliegen. Doch spricht die Interessenlage gerade dafür, das Widerrufsrecht im Zweifel zu bejahen. 17 Vgl. Gernhuber, WM 1997, S. 649.

I. Die vertragliche Gesamtgläubigerschaft

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und daher – entgegen der vom OLG Köln angestellten Erwägung18 – auch kein schutzwürdiges Interesse, bei der Entziehung der Einzelverfügungsbefugnis mitzuwirken19. Allenfalls erfordert der Schutz der Bank als Vertretungsgegnerin, dass der Widerruf erst durch Kundgabe im Außenverhältnis wirksam wird. Da die Erteilung der Ermächtigung Gegenstand des Kontovertrags ist, folgt dies auf Grundlage der Ansicht des OLG Karlsruhe ohne weiteres aus der entsprechenden Anwendung des § 170. bb) Zwangsvollstreckung und Insolvenz Neben der Unwiderruflichkeit der überschießenden Rechtsmacht besteht eine weitere, den Gläubigern gefährliche Rechtsfolge der Gesamtgläubigerschaft darin, dass Gläubiger der Gesamtgläubiger wegen der nur gegen einen von diesen bestehenden Forderung in das gesamte Schuldverhältnis vollstrecken können20. Dabei steht dem Mitgläubiger des Gesamtgläubigers, bei dem es zur Pfändung gekommen ist, auch nicht die Drittwiderspruchsklage gemäß § 771 ZPO zu21. Beides ergibt sich aus der Konstruktion mehrerer konkurrierender Forderungsrechte und der durch sie vermittelten, vollen Rechtszuständigkeit jedes einzelnen Gesamtgläubigers. Das OLG Koblenz wollte dagegen ein Interventionsrecht des Mitgläubigers aus der gesetzlichen Ausgleichspflicht gemäß § 430 herleiten, die zur Folge habe, dass dem haftenden Schuldnervermögen faktisch nur der Innenanteil des betreffenden Gesamtgläubigers zugerechnet werden könne22. Doch bleibt die volle Rechtszuständigkeit der Gesamtgläubiger im Außenverhältnis von der Ausgleichspflicht unberührt23, die sich daher zum Vollstreckungs18

A. a. O., S. 1888. Insoweit kann entgegen der verbreiteten Prämisse – vgl. KG, BankArchiv 1937/ 38, S. 434; OLG Nürnberg, NJW 1961, S. 510 f, 511; K. Schmidt, FS Hadding, S. 1103 f; Hansen, S. 25 f; Staudinger/Noack § 428 Rn. 24 a. E. – auch nicht in einem allgemeineren Sinne von einem Anliegen der Banken die Rede sein, die Einzelverfügungsbefugnis beim Oder-Konto nicht auf eine kundeninterne Vertretungsregelung zu „reduzieren“, sondern im bankvertraglichen Außenverhältnis anzulegen: Eben die äußerst widerrufsfreundliche Formularpraxis widerlegt ein solches Bankeninteresse. 20 Vgl. S. Meier, AcP 205, S. 879 f; Selb, Mehrheiten, S. 244; Staudinger/Noack § 428 Rn. 14. 21 Ganz h. M., vgl. BGH-Report 2003, S. 50 f; OLG Stuttgart, OLGR 2002, S. 77 ff; JurisPK/Rüßmann § 429 Rn. 23; Staudinger/Noack § 428 Rn. 33, § 429 Rn. 58; Canaris, Bankvertragsrecht, Rn. 228; Hadding/Häuser, in: Schimansky u. a., BankR-HdB, Bd. 1, § 35 Rn. 11a; Baumbach/Hopt BankGesch Rn. A/39; Wagner, WM 1991, S. 1147 ff; Rendels, S. 110 ff; S. Meier, AcP 205, S. 877; Musielak/Lackmann § 771 Rn. 20; Wieczorek/Schütze/Salzmann § 771 Rn. 54. 22 OLG Koblenz, WM 1990, S. 1532 ff; dem folgend Staudinger/Langhein § 741 Rn. 91, 94. 23 Zum Fehlen der Rechtszuständigkeit als Anknüpfungspunkt der Drittwiderspruchsklage Wieczorek/Schütze/Salzmann § 771 Rn. 42; Stein/Jonas/Münzberg § 771 ZPO Rn. 16. 19

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3. Kap.: Die Gesamtgläubigerschaft im geltenden Recht

objekt wie ein rein obligatorischer Verschaffungsanspruch verhält und als solcher ein „die Veräußerung hinderndes Recht“ gemäß § 771 ZPO nicht begründen kann24. Erfolgt nach der Pfändung die Überweisung und Einziehung der Gesamtgläubigerforderung durch den Vollstreckungsgläubiger, so handelt es sich um eine Verwertung des Schuldverhältnisses in Person des VollstreckungsschuldnerGesamtgläubigers mit der Folge, dass sich der Ausgleichsanspruch gemäß § 430 allein gegen diesen richtet25. Nur im Falle der bei Geldforderungen unüblichen26 Überweisung an Zahlungs statt hat der Mitgläubiger nach dem bereits zum Innenausgleich Ausgeführten27 die Möglichkeit, auf den meist solventeren Vollstreckungsgläubiger zuzugreifen28. Ähnlich schwach ist die Stellung der Mitgläubiger, wenn ein Gesamtgläubiger in Insolvenz verfällt. Ebenso wenig wie in der Einzelvollstreckung ein Widerspruchsrecht gemäß § 771 ZPO begründet der Ausgleichsanspruch aus § 430 hier ein Aussonderungsrecht nach § 47 InsO29. Zieht der Insolvenzverwalter die Forderung ein, so ist der Ausgleichsanspruch gegen den Insolvenzschuldner-Gesamtgläubiger zudem keine vorweg zu befriedigende Masseverbindlichkeit gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO, sondern gewöhnliche Insolvenzforderung (§ 38 InsO), da es sich um eine Verbindlichkeit aus der Abwicklung eines bereits vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens bestehenden Schuldverhältnisses handelt, die somit nicht erst durch Handlungen des Insolvenzverwalters im Sinne des § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO „begründet“ worden ist30. Sowohl in der Zwangsvollstreckung gegen einen Gesamtgläubiger als auch in dessen Insolvenz kann sich der Mitgläubiger freilich dadurch schützen, dass er mit der Einziehung der Forderung zuvorkommt. Aufgrund der in §§ 429 Abs. 3 S. 1, 425 Abs. 1 BGB für alle „anderen Tatsachen“ bestimmten Einzelwirkung 24 Vgl. Wagner, WM 1991, S. 1148 f; Staudinger/Noack § 428 Rn. 33; OLG Stuttgart, OLGR 2002, S. 78 f. 25 A. A. OLG Koblenz, WM 1990, S. 1535; Staudinger/Langhein § 741 Rn. 91: Der Vollstreckungsgläubiger erwerbe die Forderung nur belastet mit der Ausgleichspflicht. Doch rückt der Vollstreckungsgläubiger bei der Überweisung zur Einziehung nicht in die die Ausgleichspflicht auslösende Gesamtgläubigerstellung ein. 26 Zöller/Stöber § 835 Rn. 8; MüKoZPO/Smid § 835 Rn. 24. 27 O. 2. Kap. IV. 2. c). 28 Dieser steht dann einem Zessionar gleich, vgl. § 835 Abs. 2 ZPO; MüKoZPO/ Smid § 835 Rn. 24; Stein/Jonas/Brehm § 835 Rn. 41. Zum Innenausgleich wie hier Rütten, S. 214 f m. Fn. 59; Staudinger/Noack § 430 Rn. 22; Hansen, S. 58; auch OLG Stuttgart, OLGR 2002, S. 79. 29 Canaris, Bankvertragsrecht, Rn. 229; Wagner, WM 1991, S. 1151, jew. noch zur Konkursordnung; Staudinger/Noack § 428 Rn. 34. 30 Staudinger/Noack § 429 Rn. 60. A. A. Canaris, Bankvertragsrecht, Rn. 229, jedoch noch für § 59 KO, nach dem es für die Abgrenzung auf die „Entstehung“ der Verbindlichkeit aus Handlungen des Konkursverwalters ankam. Zur Abgrenzung des § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO MüKoInsO/Hefermehl § 55 Rn. 16, 18, 24; Kreft/Lohmann § 55 Rn. 3.

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bleibt das Forderungsrecht des Mitgläubigers von der Pfändung und der Eröffnung des Insolvenzverfahrens gleichermaßen unberührt. Die Verfügungsbeschränkungen der §§ 829 ZPO und 81 InsO gelten nur im Verhältnis zwischen dem Schuldner und dem Gesamtgläubiger, bei dem es zur Pfändung oder Insolvenz gekommen ist, so dass sich der Schuldner weiterhin durch Leistung an die übrigen Gesamtgläubiger befreien kann31. Als mögliches Vollstreckungsobjekt und Bestandteil der Insolvenzmasse bleibt dann nur noch der Ausgleichsanspruch aus § 43032. Im Fall des Oder-Kontos gelangen die Vertreter von Gesamtgläubigerschaft jedoch konsequent zu einer Möglichkeit des Vollstreckungsgläubigers und Insolvenzverwalters, gegen das Zuvorkommen des Mitgläubigers Vorsorge zu tragen. Ist hier nämlich die freie Empfängerwahl des Schuldners zugunsten eines Anforderungsrechts der Gläubiger abbedungen, so können sich beide den Zugriff auf das gesamte Guthaben jedenfalls dadurch sichern, dass sie mit der Beschlagnahme der Forderung eine ausdrückliche Auszahlungsaufforderung gegenüber der Bank verbinden, die die befreiende Auszahlung an den Mitgläubiger ausschließt33. Zusammenfassend muss damit bei der Gesamtgläubigerschaft jeder Gläubiger befürchten, dass sein Anteil an der Leistung durch Einzelvollstreckung oder im Rahmen eines Insolvenzverfahrens zur Befriedigung fremder Schulden verwertet wird, während ihm selbst nur ein nicht oder nur teilweise realisierbarer Ausgleichsanspruch bleibt. Einen sicheren Weg, dies zu verhindern, hält das Gesetz nicht bereit, da anders als bei Teil- und gemeinschaftlicher Forderung keine Interventionsrechte bestehen. Auch für den Ausweg, mit der Einziehung der Forderung zuvorzukommen, sind die Gläubiger letztlich auf die Schuldnergunst angewiesen, während beim Oder-Konto als weithin praxisrelevantestem Fall der herrschenden Meinung selbst diese Schutzmöglichkeit zumeist gänzlich ausscheiden wird.

31 Vgl. z. G. BGH, BGH-Report 2003, S. 50 f; NJW 1979, S. 2038 f (jew. zur Einzelvollstreckung); NJW 1985, S. 2698 (Insolvenz); Staudinger/Noack § 429 Rn. 56 f; Selb, Mehrheiten, S. 259; S. Meier, AcP 205, S. 876 ff; Hadding/Häuser, in: Schimansky u. a., BankR-HdB, Bd. 1, § 35 Rn. 11a, 14; Hansen, S. 48, 53 ff. 32 App, MDR 1990, S. 892, empfiehlt daher bei der Zwangsvollstreckung in OderKonten die vorsorgliche Pfändung auch des Ausgleichsanspruchs. 33 Bei der Einzelvollstreckung ist man sich uneins, ob ein solches Zahlungsverlangen bereits konkludent in der Zustellung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses liegt: Dafür Wagner, WM 1991, S. 1146; Canaris, Bankvertragsrecht, Rn. 228; Bitter, in: Schimansky u. a., BankR-HdB, Bd. 1, § 33 Rn. 115; MüKo3 /Selb § 428 Rn. 2; Staudinger/Noack § 428 Rn. 32; dagegen Gernhuber, WM 1997, S. 649 f; Rütten, S. 214 m. Fn. 54; Soergel/Wolf § 428 Rn. 6; Rieder, WM 1987, S. 31. Dafür, dass auch beim Oder-Konto erst die Auszahlung an den Vollstreckungsgläubiger zum Ausschluss der Mitgläubiger führt, dagegen Hadding/Häuser, in: Schimansky u. a., BankR-HdB, Bd. 1, § 35 Rn. 11b, aufgrund der Annahme, dass das dort bestehende Anforderungsrecht der Gläubiger nur verpflichtende Wirkung habe (Rn. 7). Zur Insolvenz Selb, JZ 1986, S. 484.

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3. Kap.: Die Gesamtgläubigerschaft im geltenden Recht

cc) Rechtskraftwirkung Eine dritte, diesmal die Position des Schuldners interessewidrig belastende Rechtsfolge der Gesamtgläubigerschaft ist bereits an früherer Stelle zur Sprache gekommen: Aufgrund der in §§ 429 Abs. 3 S. 1, 425 Abs. 2 a. E. BGB bestimmten Einzelwirkung des rechtskräftigen Urteils sieht sich der Schuldner, der das Bestehen der Forderung bestreitet, einem vervielfachten Prozessrisiko ausgesetzt, indem ihm im schlechtesten Fall so viele Klageanläufe der Gläubigerseite drohen, wie Gesamtgläubiger vorhanden sind34. Zwar kommt als prozessuales Mittel, sämtliche Gesamtgläubiger in den von einem Gläubiger geführten Prozess einzubeziehen, eine als streitgenössische Drittwiderklage auch gegen die Mitgläubiger des Klägers gerichtete Zwischenfeststellungsklage in Betracht35. Doch wird es der Sach- und Interessenlage bei rechtsgeschäftlicher Begründung von Einzelklagrechten regelmäßig am ehesten entsprechen, die Gläubiger auch unabhängig von der prozessualen Initiative des Schuldners an die Prozessführung des jeweils anderen zu binden. Bestimmen etwa die Teilhaber einer gemeinschaftlichen Forderung einen einzelnen unter ihnen, der das Schuldverhältnis verwalten und die geschuldete Leistung gegebenenfalls als Prozessstandschafter für alle einklagen und in Empfang nehmen soll, so steht die Bindung sämtlicher Gläubiger an das von diesem erstrittene Urteil außer Frage36. Dieses Ergebnis ist stimmig: Den Mitgläubigern ist das Risiko, das Recht infolge der unsorgfältigen Prozessführung des Prozessstandschafters zu verlieren, sowohl aufgrund ihrer Zustimmung zur Prozessführung als auch als Kehrseite der durch die gewählte Gestaltung gewonnenen Vereinfachung in der Verwaltung und Verwirklichung des Schuldverhältnisses zumutbar. Der Schuldner ist dagegen an der Erteilung der Prozessführungsbefugnis weder interessiert noch beteiligt und darf daher aus dieser keine prozessualen Nachteile erleiden37. Es besteht kein Grund, diese Be34

O. 2. Kap. II. 2. e) bb). Dazu näher u. 3. Kap. II. 1. d) bei Fn. 134. 36 Zur Rechtskrafterstreckung bei gewillkürter Prozessstandschaft statt aller BGH, NJW 1980, S. 2461 ff, 2463; Stein/Jonas/Leipold § 325 Rn. 63 m.w. N. Ebenso kommt es bei gesetzlicher Einzelklagebefugnis, etwa der der Mitgläubiger aus § 432 oder Miteigentümer gemäß § 1011, in Abweichung vom Grundsatz der Einzelwirkung (§ 432 Abs. 2) zur Rechtskrafterstreckung, soweit die übrigen Gläubiger der Klageerhebung zugestimmt haben: BGH, NJW 1985, S. 2825; Zöller/Vollkommer vor § 50 Rn. 54; Wieczorek/Schütze/Büscher § 325 Rn. 76; Musielak/Musielak § 325 Rn. 21 a. E.; Thomas/Putzo/Reichold § 325 Rn. 4. 37 Vgl. dazu die großzügige Annahme stillschweigend vereinbarter Prozessstandschaft zugunsten eines von zwei gemeinschaftlich forderungsberechtigten Ehegatten im Fall BGH, NJW 1985, S. 1826 ff, 1827 f, die der BGH vor allem mit den praktischen Vorzügen und der Praxisüblichkeit einer solchen Gestaltung der Gläubigermehrheit – es ging um ein gemeinsames Bauvorhaben der Ehegatten, dessen Verwaltung dem als Kläger auftretenden Ehegatten allein überlassen war –, aber auch damit rechtfertigt, dass der Schuldner unter anderem durch Rechtskrafterstreckung vor prozessualen Nachteilen geschützt ist (S. 1828). 35

I. Die vertragliche Gesamtgläubigerschaft

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wertung anders vorzunehmen, wenn aus den soeben genannten Beweggründen nicht nur einer, sondern mehrere oder sämtliche der teilhabenden Gläubiger rechtsgeschäftlich mit der Einzelbefugnis zur Geltendmachung und Entgegennahme der Leistung ausgestattet werden. Zwar kommt die Entstehung von Gesamtgläubigerschaft in diesem Fall nur dann in Betracht, wenn die betreffende Abrede zum Gegenstand des Außenverhältnisses gemacht worden ist, der Schuldner die Einzeleinziehungsrechte der Gläubiger also gebilligt hat38. Doch wird in dieser Billigung des Schuldners weit schlechter eine Zustimmung zur Vervielfachung des eigenen Prozessrisikos gesehen werden können als in der wechselseitigen Gewährung des Einziehungsrechts ein Grund, dass jeder Gläubiger das im Prozess des anderen ergangene Urteil gegen sich gelten lassen muss39. b) Folgerungen aa) Die Voraussetzungen einer „Gesamtgläubigerabrede“ Üblicherweise wird für die Entstehung vertraglicher Gesamtgläubigerschaft verlangt, dass sich mehrere Gläubiger eine Leistung gemeinsam versprechen lassen und dabei ausdrücklich oder zumindest hinreichend schlüssig mit dem Schuldner vereinbaren, dass jeder Gläubiger die Leistung an sich fordern kann und der Schuldner durch Leistung an einen der Gläubiger frei wird40. Diese Anforderungen an eine „Gesamtgläubigerabrede“ bedürfen nach den angestellten Vorüberlegungen der Präzisierung. Treffen die Beteiligten eine solche Vereinbarung allein zu dem Zweck, den Gläubigern den Leistungszugriff und dem Schuldner die Erfüllung zu erleichtern, so ist in der Regel vielmehr eine gemeinschaftliche Forderung anzunehmen, bei der das gewöhnliche Außenregime des § 432 durch eine Einziehungsermächtigung und gewillkürte Prozessführungsbefugnis41 jedes Gläubigers modifiziert ist. Dies ergibt die Auslegung unter Berücksichtigung der mutmaßlichen Parteiinteressen im Hinblick auf Widerruflichkeit, Vollstreckungszugriff Dritter und Urteilswirkung. Für die Entstehung von Gesamtgläubigerschaft ist dagegen zusätzlich zu verlangen, dass die Parteien die Einzelklag- und -empfangsrechte gerade auf dem Wege der Gesamtgläubigerschaft oder jedenfalls mittels Begründung konkurrierender Forderungsrechte her-

38 Zur Frage der einseitigen Begründbarkeit der Gesamtgläubigerschaft durch die Gläubiger mittels Zession sogleich u. 3. Kap. I. 2. a). 39 Ebenso S. Meier, AcP 205, S. 871 f. 40 So Erman/Ehmann § 428 Rn. 4; Staudinger/Noack § 428 Rn. 19. 41 Zu Inhalt und Abgrenzung beider Institute Reinicke/Tiedtke, JZ 1985, S. 890 ff, 892 (= Anm. zu o. Fn. 37 bez. Urteil); Stein/Jonas/Bork vor § 50 Rn. 63: Die Prozessstandschaft erlaubt dem Gläubiger, einzeln und im eigenen Namen Klage zu erheben, die Einziehungsermächtigung, dabei Leistung an sich zu verlangen.

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3. Kap.: Die Gesamtgläubigerschaft im geltenden Recht

beiführen wollen42. Hierzu können sie Anlass finden, indem sie sich wie im Fall BGH, NJW 1979, S. 2038 f. die über die Pfändung einer Gesamtgläubigerforderung hinausreichende Wahlfreiheit des Schuldners zugunsten einer Abrede zu Nutze machen wollen, nach der der Schuldner im Pfändungsfalle zur Leistung an den anderen Gesamtgläubiger verpflichtet ist; oder, weil das besondere Gläubiger- oder Schuldnerinteresse gerade die unwiderrufliche Gestaltung der überschießenden Berechtigungen erfordert; schließlich aufgrund der Absicht, den Einzelzugriff auf die geschuldete Leistung auch nach dem Tod eines Mitgläubigers und gegenüber dessen Erben sicherzustellen. Insoweit kann es auch für die Entstehung von Gesamtgläubigerschaft sprechen, wenn die Parteien zwar nicht eigentlich die Begründung von Gesamtgläubigerschaft, aber eine spezielle Rechtsfolge der Gesamtgläubigerschaft anstreben, sofern diese Rechtsfolge nicht auf Grundlage einer gemeinschaftlichen Forderung interessengerechter zu verwirklichen ist. Kein Indiz für einen auf Gesamtgläubigerschaft gerichteten Parteiwillen liegt jedoch in dem bloßen Umstand, dass die Einzelzuständigkeit der Gläubiger allein oder überwiegend im Interesse des Schuldners vereinbart worden ist. Denn das Schuldnerinteresse an der erleichterten Erfüllung oder gar daran, in jedem Gläubiger einen dispositionsbefugten Verhandlungspartner anzutreffen, kann allenfalls dazu führen, dass die Einzelempfangsrechte der Gläubiger oder diesen erteilte Verwaltungsbefugnisse, etwa zur Stundung oder werkvertraglichen Abnahme, ausnahmsweise unwiderruflich ausgestaltet sind. Keinesfalls rechtfertigt das Schuldnerinteresse als solches aber auch die Unwiderruflichkeit der für den Schuldner bedeutungslosen Gläubigerbefugnis, Leistung an sich allein zu fordern, wie sie Folge der Gesamtgläubigerschaft ist43. Kommt die vertragliche Entstehung von Gesamtgläubigerschaft nach diesen Auslegungsgrundsätzen weithin nur noch als Produkt rechtskundiger, kautelarjuristischer Erwägungen in Betracht, so mag man dem die Legaldefinition des § 428 S. 1 BGB entgegenhalten, die die Qualifizierung als Gesamtgläubigerschaft allein an die äußere Primärfolge knüpft, dass „jeder (Gläubiger) die ganze Leistung fordern kann, der Schuldner aber die Leistung nur einmal zu bewirken verpflichtet ist“, die Konstruktion mehrerer konkurrierender Forderungsrechte also gewissermaßen als selbstverständliche Folge einer solchen Gestaltung unterstellt44. Doch bedarf die sachgemäße Anwendung des geltenden Rechts an dieser

42 Ähnlich S. Meier, AcP 205, S. 880, die ausdrückliche Vereinbarung im Bewusstsein der Rechtsfolgen verlangt. 43 Der französischen Lehre, die der vertraglichen Gesamtgläubigerschaft aufgrund der Unwiderruflichkeit der Einzelzuständigkeiten weiterhin eine plausible Funktion als Schuldnerschutzinstrument zuweisen wollte (s. o. 2. Kap. I. 1. a. E.), kann daher nur insoweit gefolgt werden, als die Gesamtgläubigerschaft als vertragliche Gestaltung zur Erleichterung der Abwicklung für den Schuldner noch eher Plausibilität besitzt denn als Gestaltung zur Erleichterung der Rechtsverfolgung. Das interessengerechteste Mittel bildet sie indes auch insoweit nicht.

I. Die vertragliche Gesamtgläubigerschaft

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Stelle der historischen Erkenntnis der Gesamtgläubigerschaft als veraltetes, dem besonderen Umfeld des römischen Rechts entwachsenes Institut zur Übertragung schuldrechtlicher Ausübungs- und Verfügungsbefugnisse und Ermöglichung einer einheitlichen, ungeteilten Abwicklung, das im modernen Vertragsrecht gegenüber den flexibleren und interessengerechteren Instrumenten der Verfügungsermächtigung und gemeinschaftlichen Forderung als gleichsam systemfremd zurücktreten muss und in seiner Entstehung nach besonderer, über die Verabredung einer Doppellegitimation hinausgehender Rechtfertigung verlangt. bb) Folgerungen für das Oder-Konto (1) Rechtliche Einordnung Sofern sich nicht aus den besonderen Innenbeziehungen der Beteiligten, insbesondere ihrem Tätigwerden im Rahmen einer BGB-Außengesellschaft, ergibt, dass in Wahrheit ein Einzelkonto vorliegt45, ist das Oder-Konto nach den dargestellten Auslegungsgrundsätzen eine gemeinschaftliche Forderung gemäß §§ 741 ff. BGB mit wechselseitiger Verfügungsermächtigung gemäß § 185 Abs. 146. An dieser Einordnung ändert sich auch dann nichts, wenn die Parteien ausnahmsweise ausdrücklich bestimmen, dass eine Änderung der Verfügungsbefugnisse nur mit dem Einverständnis beider Kontoinhaber möglich sein soll47, oder die Wahl auf die Form des Oder-Kontos fällt, damit nach dem Tod eines Inhabers der Überlebende gegebenenfalls auch gegen den Willen der Erben über das Konto verfügen kann. Zwar streben die Parteien in beiden Fällen charakteristische Folgewirkungen der Gesamtgläubigerschaft an; doch lassen sich diese ohne weiteres auch auf Grundlage einer gemeinschaftlichen Forderung erzielen, die die vollstreckungsrechtlichen Nachteile der Gesamtgläubigerschaft vermeidet. So ist die Verfügungsermächtigung beim Oder-Konto sowohl zu Lebzeiten

44 So setzte denn auch die Begründung der Rechtsprechung für die Einordnung des Oder-Kontos als Gesamtgläubigerschaft an diesem Punkt an: „Der Tatbestand, den § 428 BGB voraussetzt, nämlich, dass mehrere eine Leistung in der Weise zu fordern berechtigt sind, dass jeder die ganze Leistung fordern kann, ist hier gegeben. Das geht aus dem Kontoeröffnungsvertrag hervor, nach dessen Inhalt jeder der Kontoinhaber allein im eigenen Namen über das ganze jeweilige Guthaben soll verfügen können.“ So OLG Nürnberg, NJW 1961, S. 510. Vgl. auch Staudinger/Noack § 428 Rn. 25; Gernhuber, WM 1997, S. 646. 45 Zu diesem Fall MüKo/K. Schmidt § 741 Rn. 55 m.w. N. 46 Ebenso neben dem OLG Karlsruhe, NJW 1986, S. 63 f auch S. Meier, AcP 205, S. 879 f; in ähnlichem Sinne für „Bruchteilsgemeinschaft am Konto als Rechtsverhältnis“ sowie an der sich aus diesem „in concreto ergebenden Forderung“ MüKo/ K. Schmidt § 741 Rn. 55; ders., FS Hadding, insb. S. 1104 f, 1107, 1112 f, 1115 f. 47 So geschehen im dritten der bei Hansen, S. 148 ff zitierten Eröffnungsverträge (S. 149 a. E.).

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3. Kap.: Die Gesamtgläubigerschaft im geltenden Recht

als auch als transmortale einer unwiderruflichen Gestaltung zugänglich, da sie im Gegensatz zur bloßen Kontovollmacht regelmäßig einer materiellen Beteiligung am Guthaben und einem gemeinsamen Zweck der Inhaber entspricht und insoweit deren Eigeninteresse dient48. Selbst wenn das Guthaben nach dem Ableben eines Inhabers dem Überlebenden allein zustehen soll, lässt sich dies wie schon nach herrschender Meinung49 durch eine wechselseitige, auf den Todesfall gestellte Abtretung der Bruchteilsanteile bewirken, die der BGH als lebzeitigen Vollzug im Sinne des § 2301 Abs. 2 angesehen und dadurch für eine formlose Vereinbarung im Kontovertrag geöffnet hat50. Ohne besondere Parteivereinbarung ist indessen davon auszugehen, dass die Einzelverfügungsbefugnis zwar den Tod eines Mitinhabers überdauern soll, für die Erben aber ebenso wie für den verstorbenen Inhaber widerruflich ist, so dass es sich um eine transmortale, widerrufliche Verfügungsermächtigung handelt. Insoweit haben die Regelungen in den Eröffnungsformularen, die sehr häufig den Fortbestand der Einzelverfügungsbefugnis auch nach dem Tod eines Inhabers und in nahezu jedem Fall den Übergang des Widerrufsrechts auf die Erben ausdrücklich bestimmen51, lediglich klarstellende Funktion. (2) Exkurs: Die Lage nach ausgeübtem Widerruf Widerruft ein Kontoinhaber die Einzelverfügungsbefugnis des anderen, so hat die Konstruktion mehrerer prinzipiell unabhängiger Verfügungsermächtigungen zur Folge, dass die Verfügungsbefugnis des Widerrufenden hiervon grundsätzlich unberührt bleibt. Eine Gefährdung schutzwürdiger Belange des Widerrufsgegners ist mit diesem Ergebnis nicht verbunden52; denn der Inhaber, der dem anderen durch Missbrauch seiner Einzelverfügungsbefugnis schaden will, wird diese Absicht ohnehin nicht erst durch Widerruf kundtun. Jedenfalls ist die Bank im Rahmen ihrer Pflichtenstellung als Geschäftsbesorgerin53 gehalten, dem Widerrufsgegner über die Entziehung seiner Einzelverfügungsbefugnis Mitteilung zu

48 Vgl. zu der hier zugrunde gelegten h. M. über die Grenzen der Unwiderruflichkeit bei lebzeitiger und postmortaler Vollmacht MüKo/Schramm § 168 Rn. 21 ff, 38; Staudinger/Schilken § 168 Rn. 8, 35; AnwK-BGB/Ackermann § 168 Rn. 9 ff, 16; Lange/Kuchinke, § 33 III.3. (S. 759 ff); OLG Köln, NJW-RR 1992, S. 1357. 49 Vgl. BGH, WM 1986, S. 786 f m. Anm. Hadding, WuB I C2.-2.86; Canaris, Bankvertragsrecht, Rn. 221: Aufschiebend bedingte Abtretung der Gesamtgläubigerforderung. 50 BGH, WM 1986, S. 786 f, 787; Hadding, WuB I C2.-2.86, S. 1195 f; Canaris, Bankvertragsrecht, Rn. 221. Z. G. auch S. Meier, AcP 205, S. 876. 51 Vgl. die bereits o. 3. Kap. Fn. 9 bezeichneten Formularbeispiele von Rendels und Hopt (dort unter 7.). 52 So aber wohl Gernhuber, WM 1997, S. 648 Rn. 24. 53 Vgl. §§ 675 Abs. 1, 665 S. 2, 666 1. Alt. BGB.

I. Die vertragliche Gesamtgläubigerschaft

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machen und ihn darauf hinzuweisen, dass er durch seinerseitigen Widerruf reagieren kann54. Bereits vorher wird die Bank aufgrund dieser Pflichtenstellung gemäß § 242 BGB an einer wirksamen Auszahlung an den Widerrufenden gehindert sein, da sie damit rechnen muss, dass der Widerrufsgegner in Kenntnis der Sachlage durch Widerruf einschreiten würde55. Praktisch dürfte der Fall einer nur einseitig erloschenen Einzelverfügungsbefugnis überdies nur selten werden, da die üblichen Eröffnungsformulare – wie bereits deutlich wurde – durch eine Bestimmung Vorsorge tragen, nach der infolge des Widerrufs nur eines Inhabers automatisch ein Und-Konto entsteht56, die Verfügungsermächtigungen also von vornherein in einem Abhängigkeitsverhältnis stehen. (3) Exkurs: Folgen für Zwangsvollstreckung und Insolvenz Der bedeutendste Vorzug der hier vertretenen rechtlichen Einordnung des Oder-Kontos liegt in der Beseitigung der misslichen Konsequenz der herrschenden Meinung, allein aufgrund der unterschiedlichen Ausgestaltung der Verfügungsbefugnis bei Und- und Oder-Konto zu einer unterschiedlichen Vermögenszugehörigkeit der Guthabenforderung und auf diesem Wege zu gänzlich verschiedenen Ergebnissen in Zwangsvollstreckung und Insolvenz zu gelangen57. So kann der Gläubiger nur eines Oder-Kontoinhabers bei Annahme einer gemeinschaftlichen Forderung mit Verfügungsermächtigung ebenso wie beim UndKonto nicht in die Guthabenforderung als solche, sondern lediglich in den jeweiligen ideellen Anteil an dieser oder in das künftige Auseinandersetzungsguthaben vollstrecken. Vollstreckt er in die Guthabenforderung selbst, so steht dem Mitinhaber die Drittwiderspruchsklage zu58. Die Pfändung des Forderungsanteils bildet dabei nach richtiger Ansicht einen Fall der Rechtspfändung gemäß § 857 ZPO, bei der aufgrund der doppelten Ausrichtung des gepfändeten Rechts gegen die Mitberechtigten zum einen – so in Form von Teilungs- und Auszahlungsansprüchen, die die Teilhabe an einer Bruchteilsgemeinschaft als Rechtsposition konstituieren59 – und gegen den Forderungsschuldner zum anderen sowohl die Mitinhaber als auch die Bank als Drittschuldner nach § 829 ZPO anzusehen

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So auch Erman/Ehmann § 428 Rn. 9. Vgl. Staudinger12 /U. Huber § 741 Rn. 57. 56 Vgl. die Nachweise in 3. Kap. Fn. 9. 57 Kritisch insoweit auch MüKo/K. Schmidt § 741 Rn. 55, 56 a. E.; MüKoZPO/K. Schmidt § 771 Rn. 19; ders., FS Hadding, insb. 1104 f, 1112 ff; Bitter, in: Schimansky u. a., BankR-HdB, Bd. 1, § 33 Rn. 119. 58 Vgl. statt aller MüKo/K. Schmidt § 747 Rn. 36; MüKoZPO/K. Schmidt § 771 Rn. 19 jew. m.w. N. 59 Insoweit ist auch davon auszugehen, dass sich die Pfändung des Anteils ohne weiteres auf diese Ansprüche erstreckt. Aufgrund der bislang nicht vollends geklärten Rechtslage empfiehlt Stöber, Rn. 1549 jedoch die ausdrückliche Mitpfändung. 55

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3. Kap.: Die Gesamtgläubigerschaft im geltenden Recht

sind60. Die Überweisung an den Vollstreckungsgläubiger berechtigt diesen sodann anders als bei Annahme von Gesamtgläubigerschaft nicht dazu, von dem Anforderungsrecht des Vollstreckungsschuldner-Kontoinhabers Gebrauch zu machen und das Guthaben selbständig einzuziehen. Denn die Überweisung verschafft dem Vollstreckungsgläubiger nur die durch die Anteilsinhaberschaft als solche vermittelte Legitimation, nicht aber auch die Befugnisse aus der allein im Innenverhältnis angelegten Verfügungsermächtigung. Jedenfalls kann der Mitinhaber durch Widerruf der Einzelverfügungsbefugnis des Vollstreckungsschuldners eine Auszahlung der Bank an den Vollstreckungsgläubiger ausschließen. Umgekehrt steht es dem Vollstreckungsgläubiger aufgrund seiner Erhaltungskompetenz zu, die Einzelverfügungsbefugnis des Mitinhabers zu widerrufen und dadurch zu verhindern, dass die Anteilspfändung durch Auszahlung an diesen unterlaufen wird61. Zum Zwecke der Verwertung kann der Vollstreckungsgläubiger daraufhin gemäß § 751 S. 2 BGB die Aufhebung der Gemeinschaft verlangen, die gemäß § 754 S. 2 durch gemeinschaftliche Einziehung und Erlösteilung erfolgt62. Auch die Insolvenzbeschlagnahme bei einem Oder-Kontoinhaber erfasst infolge der Annahme einer gemeinschaftlichen Forderung nur dessen ideellen Anteil am Guthaben. Der Insolvenzverwalter tritt gemäß § 80 Abs. 1 InsO in die Befugnisse des Insolvenzschuldner-Kontoinhabers aus der Gemeinschafterstellung ein. Wieder besteht im Verhältnis zum Mitinhaber die beiderseitige Möglichkeit zum Widerruf mit der Folge, dass Insolvenzverwalter und Mitinhaber nur noch gemeinschaftlich über das Guthaben verfügen können. Selbst wenn es dennoch zur Auszahlung an den Insolvenzverwalter gekommen ist, kann der Mitinhaber wegen seines Ausgleichsanspruchs gemäß § 84 Abs. 1 S. 1 und 2 InsO abgesonderte Befriedigung verlangen, da die Auseinandersetzung über die Gemeinschaft außerhalb des Insolvenzverfahrens erfolgt63.

60 So auch Schuschke/Walker § 829 Rn. 17, § 857 Rn. 23; Wieczorek/Schütze/Lüke § 829 Rn. 18 a.E, § 857 Rn. 34. Für die Mitinhaber als alleinige Drittschuldner dagegen Schebesta, WM 1985, S. 1331; MüKo/K. Schmidt § 741 Rn. 56; § 747 Rn. 37; Hadding/ Häuser, in: Schimansky u. a., BankR-HdB, Bd. 1, § 35 Rn. 24; Kümpel, Rn. 3.259; Hansen, S. 129. Für Forderungspfändung und alleinige Drittschuldnerschaft der Bank Stöber, Rn. 1549; Staudinger/Langhein § 747 Rn. 55. Aufgrund der umstrittenen Rechtslage ist jedenfalls Doppelzustellung ratsam. 61 I. E. auch MüKo/K. Schmidt § 741 Rn. 56; S. Meier, AcP 205, S. 877 f. Allgemein zur Erhaltungskompetenz des Vollstreckungsgläubigers MüKoZPO/Smid § 829 Rn. 46 m.w. N. 62 Vgl. Schuschke/Walker § 857 Rn. 23; Wieczorek/Schütze/Lüke § 857 Rn. 34. 63 Vgl. z. G. Jaeger/Eckardt § 84 Rn. 18 a. E., Rn. 19; Schebesta, WM 1985, S. 1332; Canaris, Bankvertragsrecht, Rn. 234; Hadding/Häuser, in: Schimansky u. a., BankRHdB, Bd. 1, § 35 Rn. 24 a. E.; K. Schmidt, FS Hadding, S. 1115.

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2. Einseitige Begründung der Gesamtgläubigerschaft? a) Durch die Gläubiger mittels Zession Haben sich die prozessualen Nachteile der Gesamtgläubigerschaft für den Schuldner bereits bei den Anforderungen an eine zweiseitige „Gesamtgläubigerabrede“ als begrenzendes Element erwiesen, so steht im Ergebnis fest, dass eine einseitige Begründung der Gesamtgläubigerschaft durch die Gläubiger grundsätzlich ausscheiden muss64. Dennoch will Selb65 eine einseitige Begründung als Folge einer „qualitativen Teilzession“ zulassen, bei der ein Alleingläubiger seine Forderung in der Weise an einen Dritten abtritt, dass er fortan als Gesamtgläubiger neben ihm steht. Doch erscheint es nicht einmal prima facie plausibel, die Zulässigkeit eines solchen Mechanismusses aus § 398 (analog) herzuleiten, führt er doch im Gegensatz zur Abtretung zu einer Verdopplung der Einziehungsbefugnis und somit vor allem für den Schuldner zu einer gänzlich anderen Situation. Aus Sicht des Zedenten mag man ein argumentum a maiore ad minus anführen, wenn ihm anstelle des vollständigen Rechtsverlusts eine zusätzliche Legitimation verbleibt; aus Sicht des Schuldners kann man es nicht66. Nicht minder bedenklich ist die daneben vorgeschlagene Konstruktion eines „Forderungsbeitritts“ zum Einzelgläubiger67. Als verpflichtender Vertrag zu Lasten eines Dritten läge eine derartige Abrede zwischen Gläubiger und Beitretendem jenseits der Grenzen der Vertragsfreiheit. Schließlich spricht entgegen Selb auch nicht die Zulassung der Einziehungsermächtigung für einseitige Begründbarkeit der Gesamtgläubigerschaft. Zwar ermöglicht auch die Einziehungsermächtigung eine Verdopplung der Einziehungsbefugnis ohne Schuldnerbeteiligung; angesichts der dort stattfindenden Rechtskrafterstreckung sowie des von Rechtsprechung und herrschender Lehre für die Klage des Ermächtigten verlangten eigenen Rechtsschutzinteresses68 entgeht die Konstruktion der bloßen Ermächtigung jedoch gerade den wesentlichen, gegenüber einer qualitativen Teilzession bestehenden Bedenken. Auch die nachträgliche Begründung von Gesamtgläubigerschaft durch Umwandlung einer bestehenden Einzelforderung bedarf daher der Zustimmung des Schuldners. Dabei sind jedoch wieder die im Vorhergehenden entwickelten Auslegungsgrund64 H.M., vgl. BGH, NJW 1975, S. 969 f; NJW 1999, S. 715 ff, 716; Staudinger/ Noack § 428 Rn. 49; MüKo/Roth § 398 Rn. 59 f; Erman/Ehmann § 428 Rn. 4, 21; BaRo/Gehrlein § 428 Rn. 2 a. E.; Rütten, S. 223 ff. 65 Selb, Mehrheiten, S. 246 ff; MüKo3 /Selb § 428 Rn. 2. 66 Zu Recht wird aus demselben Grund auch die Herleitung der Einziehungsermächtigung aus § 398 abgelehnt, vgl. Rüßmann, JuS 1972, S. 170 f gegen Enneccerus/Lehmann, S. 321 f. 67 So MüKo/Bydlinsky § 428 Rn. 7. 68 So zum Teil als materielle Voraussetzung, überwiegend aber als Folge der allgemeinen Grundsätze der gewillkürten Prozessstandschaft: etwa BGH, NJW 1952, S. 337 ff, 340; NJW 1965, S. 29 ff, 31; NJW 1979, S. 924 f, 925 u. a. (st. Rspr.); Stein/ Jonas/Bork vor § 50 Rn. 57, 64; MüKo/Roth § 398 Rn. 50, jew. m.w. N.

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3. Kap.: Die Gesamtgläubigerschaft im geltenden Recht

sätze zu beachten, so dass, sofern es den Aktivbeteiligten nicht gerade auf die prozessualen Vorzüge der Gesamtgläubigerschaft ankommt, selbst bei Mitwirkung des Schuldners im Zweifel eine bloße Einziehungsermächtigung anzunehmen ist. Wollen die Gläubiger dagegen technisch Gesamtgläubigerschaft und fehlt es an der Zustimmung des Schuldners, so kommt dasselbe Ergebnis infolge Umdeutung in Betracht69. Der Konstruktion nach weit näher als eine „qualitative Teilzession“ liegt eine abtretungsweise Begründung der Gesamtgläubigerschaft in der Form, dass der Gläubiger mehrerer konkurrierender Ansprüche gegen denselben Schuldner die Abtretung auf eine oder einzelne Anspruchsgrundlagen beschränkt. Die belastenden Folgen für den Schuldner sind freilich dieselben: Die an sich als einheitlicher Streitgegenstand zu verfolgenden Ansprüche könnten daraufhin in getrennten Prozessen geltend gemacht werden, der einmal unterlegene Gläubiger über den Zessionar einen neuen Anlauf unternehmen. Rechtsprechung und herrschende Lehre behelfen sich daher mit dem aus § 242 gewonnenen und auch zur Beschränkung gewöhnlicher Teilabtretungen herangezogenen70 Gesichtspunkt der Unzumutbarkeit für den Schuldner, der dazu führt, dass die Abtretung nur einzelner von mehreren konkurrierenden Ansprüchen ausnahmsweise der Zustimmung des Schuldners bedarf71. Zu einer dogmatisch stringenteren Lösung gelangt dagegen die von dem bislang unterstellten, herrschenden Anspruchsbegriff72 abweichende Lehre von der Anspruchsnormenkonkurrenz, der zufolge auch bei mehreren für dasselbe Schutzziel zu Verfügung stehenden Anspruchsgrundlagen lediglich ein Anspruch im materiellen Sinne, also eine bloße Konkurrenz von Anspruchsnormen vorhanden ist73. Nach ihr kommt eine isolierte Abtretung der genannten Art schon konstruktiv nicht in Betracht74. Zuzulassen ist die isolierte Abtretung eines von mehreren konkurrierenden Ansprüchen auch ohne Mitwirkung des Schuldners, wenn die Ansprüche in Form einer Gesamtschuld gegen verschiedene Schuldner gerichtet sind. Dann wird die 69 Auch der BGH erwog in dem hierzu einschlägigen Fall NJW 1975, S. 969 f eine Umdeutung in eine Einziehungsermächtigung, die aber am entgegenstehenden wirklichen Willen der Beteiligten sowie daran scheiterte, dass der Forderungsinhaber in erster Instanz selbst als Kläger aufgetreten war, vgl. ebd. S. 970. 70 Dazu BGH, NJW 1957, S. 498, 499; Staudinger/Busche § 398 Rn. 46 m.w. N. 71 BGH, NJW 1999, S. 715 ff, 716; Arens, AcP 170, S. 412 f; Staudinger/Busche § 398 Rn. 52; Staudinger/Noack § 428 Rn. 51 f; Palandt/Grüneberg § 398 Rn. 10 a. E.; Rütten, S. 225 f. 72 Etwa BGH, NJW 1953, S. 1180 ff, 1181; NJW 1976, S. 1505 f, 1506; Medicus/ Lorenz, Bd. 1, Rn. 407; MüKo/Kramer § 241 Rn. 25; Erman/Schmidt-Räntsch § 194 Rn. 9; Palandt/Sprau Einf v § 823 Rn. 5. 73 Georgiades, insb. S. 129 ff; Larenz/Wolf, BGB AT, § 18 Rn. 33 ff; Fikentscher/ Heinemann, Rn. 1545. 74 Nicht zu Unrecht führen die Vertreter der Anspruchsnormenkonkurrenz denn auch den hier interessierenden Fall als Argument für ihre Auffassung an, vgl. Georgiades, S. 91 f, 179 m.w. N.; auch MüKo/Roth § 398 Rn. 90.

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Lage der Schuldner durch die Einzelabtretung nicht verschlechtert; denn vor wie nach der Abtretung ist jeder Schuldner nur einem einzelnen Gläubiger ausgesetzt und auch das über den Regressweg vermittelte doppelte Prozessrisiko wird nicht erst durch die Abtretung herbeigeführt75. Das rechtliche Produkt der Einzelabtretung sind zwei konkurrierende Forderungen mit Personenverschiedenheit sowohl auf Gläubiger- als auch auf Schuldnerseite. Ebenso wie auf Schuldnerseite weiterhin eine Gesamtschuld liegt somit auf Seiten der Gläubiger eine gesamtgläubigerische Verknüpfung der Forderungen vor. Zwar ist diese Gesamtgläubigerschaft insoweit eine modifizierte, als jeder Schuldner entgegen der in § 428 S. 1 a. E. vorgesehenen Wahlfreiheit nur an seinen Gläubiger leisten kann; die Einordnung als vertragliche Gesamtgläubigerschaft hindert dies jedoch nicht76. So ist zum einen die Schuldnerwahlfreiheit nach der Normstruktur des § 428 S. 1 nicht Tatbestandsvoraussetzung, sondern Rechtsfolge77; jedenfalls verschafft aber der Zedent dem Zessionar durch die Einzelabtretung kraft Parteiwillen die Möglichkeit, durch Geltendmachung der Forderung und Annahme der Erfüllung über sämtliche Forderungen zu verfügen, und nimmt der Zessionar die entsprechende Befugnis des Zedenten durch sein Einverständnis mit derselben in Kauf78, so dass gegen die vollumfängliche Anwendung des § 429 keine Bedenken bestehen79. b) Durch den Schuldner: Der Vertrag zugunsten Dritter mit alternativen Dritten Zu einer vertraglichen Begründung von Gesamtgläubigerschaft ohne Gläubigerbeteiligung kann es dadurch kommen, dass mehrere Dritte aus einem Vertrag zugunsten Dritter als Gesamtgläubiger berechtigt werden. Die praktische Relevanz dieser Gestaltung veranschaulicht ein Fall, mit dem das BayObLG80 befasst war: Im Rahmen eines Erbvertrags zweier Ehegatten war neben der wechselseiti75 A. A. aufgrund unzutreffender Gleichstellung mit den zuvor behandelten Fällen OLG Hamm, NJW-RR 1998, S. 486; OLG Nürnberg, NZG 2002, S. 874 ff, 876; Palandt/Grüneberg § 425 Rn. 9; Staudinger12 /Kaduk § 425 Rn. 42; BaRo/Gehrlein § 425 Rn. 10. Wie hier OLG Schleswig, WM 1998, S. 2057 f; Schürnbrand, S. 134 f; Derleder, FS Heinrichs, S. 168. 76 So aber Schürnbrand, S. 134; Derleder, FS Heinrichs, S. 167; Staudinger/Noack § 425 Rn. 93. 77 Vgl. JurisPK/Rüßmann § 428 Rn. 4, 14; Gernhuber, WM 1997, S. 645. 78 Die Vermutung spricht dafür, dass Gesamtabtretung gewollt ist, so dass der Wille zur Beschränkung der Abtretung auf einen oder einzelne Schuldner deutlich hervortreten muss: OLG Hamm, NJW-RR 1998, S. 486; Erman/Ehmann § 421 Rn. 79; Staudinger/Noack § 425 Rn. 92; Soergel/Wolf § 425 Rn. 25. 79 I. E. für – allenfalls modifizierte oder „beschränkte“ – Gesamtgläubigerschaft auch OLG Hamm, NJW-RR 1998, S. 486; Staudinger12 /Kaduk § 425 Rn. 42; Soergel/Wolf § 425 Rn. 25; BaRo/Gehrlein § 425 Rn. 10. Ferner OLG Nürnberg, NZG 2002, S. 874 ff, 876: „der Gesamtgläubigerschaft ähnliches Rechtsverhältnis“. 80 JR 1964, S. 22 f.

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3. Kap.: Die Gesamtgläubigerschaft im geltenden Recht

gen Einsetzung zu Alleinerben für den Fall des Vorablebens des Ehemanns bestimmt worden, dass sich die Ehefrau „heute schon“ dazu verpflichte, das dem Ehemann gehörende Grundstück nach dessen Tod „an ein Kind aus der gegenwärtigen Ehe zu den ortsüblichen Bedingungen und Bestimmungen zu übergeben, und zwar im Falle der Wiederverheiratung der überlebenden Ehefrau bis spätestens in dem Zeitpunkt, in dem diese das 60. Lebensjahr vollendet“ habe. Dabei sollte die Auswahl unter den mehreren Kindern ausdrücklich der Ehefrau zustehen. Handelte es sich bei der über das Grundstück getroffenen Abrede auch nicht um ein subjektives Wahlvermächtnis, sondern um eine durch lebzeitigen Vertrag zugunsten Dritter mit alternativen Dritten vermittelte Zuwendung81, spricht dennoch vieles dafür, § 2151 Abs. 3 BGB auf Fälle dieser Art analog anzuwenden82. Wie im Fall des § 2151 dem Erben stehen die alternativen Empfänger hier dem Versprechenden zunächst im Rahmen eines gläubigerseitig subjektiven Wahlschuldverhältnisses gegenüber83. Kann der Versprechende – oder aber ein dritter zur Auswahl Berufener – das Wahlrecht nicht ausüben oder verzögert er die Ausübung über den vorgesehenen Zeitpunkt hinaus, so bedarf es wie beim subjektiven Wahlvermächtnis eines Mechanismusses, der den Empfängern die Erzwingung der Auswahlentscheidung ermöglicht. Daher ist unter den genannten Voraussetzungen – so im Fall des BayObLG, wenn die Ehefrau wieder heiratet und dennoch die Übergabe nicht fristgerecht vollzieht – analog § 2151 Abs. 3 anzunehmen, dass sich das Wahlschuldverhältnis in eine ausgleichslose Gesamtgläubigerschaft der alternativen Empfänger umwandelt. Dient diese Gesamtgläubigerschaft aber wiederum nur der Erzwingung der Auswahlentscheidung unter mehreren an sich alternativ Berechtigten, gilt auch das über die Anwendbarkeit des § 429 Abs. 3 S. 1 in der testamentarischen Gesamtgläubigerschaft Gesagte84 entsprechend: Eine Einzelbefugnis der Empfänger zum Gesamterlass liefe dem Zweck der Gesamtgläubigerschaft zuwider, weshalb jeder von ihnen in Abweichung von § 423 nur auf sein eigenes Recht verzichten kann. 3. Konkurrierende Empfangsrechte als Tatbestandsvoraussetzung? a) Allgemein In der Lehre umstritten ist, ob für das Vorliegen von Gesamtgläubigerschaft jedem Gläubiger ein Recht auf Leistung an sich zustehen muss85, oder Gesamt81

So auch das BayObLG a. a. O., S. 23. Eine „Ähnlichkeit“ dieses Falls zu § 2151 bemerkt auch Staudinger/Noack § 428 Rn. 42. 83 Das BayObLG nahm schon ab dem Tod des Ehemanns Gesamtgläubigerschaft der Kinder mit durch die Wahl der eigenen Person aufschiebend bedingten Forderungen an. 84 Vgl. o. 2. Kap. II. 2. f) bb) a. E. 82

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gläubigerschaft auch gegeben ist, wenn die Gläubiger vom Schuldner jeweils nur Leistung an eine bestimmte Person, so an einen der Gläubiger oder an einen Dritten, verlangen können86. Unstreitig bildet es zwar den gewöhnlichen Fall der Gesamtgläubigerschaft, dass den Gläubigern neben den konkurrierenden Forderungsrechten auch konkurrierende Empfangsrechte zustehen; eine Beschränkung auf diesen Fall lässt sich der Legaldefinition des § 428 S. 1 BGB jedoch nicht entnehmen, da dort von einer Berechtigung, Leistung „an sich“ zu fordern, nicht die Rede ist. Dennoch ergibt sich die Richtigkeit der restriktiveren Auffassung für die vertragliche Gesamtgläubigerschaft ohne weiteres aus dem vom BGB fortgeführten Konzept der Korrealität87. Dieses geht davon aus, dass in der Verbindung zu Gesamtgläubigern eine wechselseitige Zuweisung überschießender Rechtsmacht liegt, und knüpft an diese Entscheidung der Gläubiger deren weitergehende Befugnis, durch Annahme an Erfüllungs statt, Gesamterlass und andere aufhebende Verfügungen über das gesamte Schuldverhältnis zu disponieren. In den hier interessierenden Fällen, in denen sich mehrere Gläubiger unter Vereinbarung von Einzelklagrechten etwa die Rückzahlung eines Darlehens an einen Dritten, die Errichtung eines Bauwerks auf einem bestimmten Grundstück88 oder aber ein Unterlassen versprechen lassen, fehlt es am Ansatzpunkt dieses Konzepts. Denn hat die Leistung an einen Dritten zu erfolgen oder entbehrt sie wie im Fall des Unterlassens einer subjektiven Ausrichtung, so liegt in der Gewährung des Einzelklagrechts keine Zuweisung überschießender Rechtsmacht. Die Abrede über die Einzelklagrechte führt hier nur dazu, dass jeder Gläubiger die bestehende Verpflichtung im Interesse aller geltend machen kann. Ein die Innenbeteiligungen übersteigender Leistungszugriff wird dagegen nicht gewährt, so dass es überraschend käme, müssten die Gläubiger daraufhin auch Verfügungen eines Einzelnen gegen sich gelten lassen. Doch auch die übrigen Folgesätze der Gesamtgläubigerschaft gehen überwiegend fehl, soweit es sich um einen Gläubiger handelt, der wegen der mehreren geschuldeten Leistung zwar einzeln forderungsberechtigt, nicht aber empfangsberechtigt ist. So kann der Schuldner dann weder in Natur noch durch Hinterlegung oder Aufrechnung „nach seinem Belieben“ an den Gläubiger leisten und kommt ein gegen alle wirkender Annahmeverzug (§ 429 Abs. 1) in dessen Person ebenso wenig in Betracht wie eine fingierte „Selbstwahl“ infolge Konfusion (§ 429 Abs. 2) oder ein Gesamtgläubigeraus85 So die h. M.: Staudinger/Noack § 428 Rn. 41; Staudinger12 /Kaduk § 428 Rn. 3; Soergel/Wolf § 428 Rn. 8; Medicus, JuS 1980, S. 702; S. Meier, AcP 205, S. 893 f; RGRK/Weber § 428 Rn. 2; Larenz, Schuldrecht AT, S. 567 Fn. 11; Leonhard, S. 715; Kreß, S. 607; de Boor, S. 96 f Fn. 130, S. 109. 86 So Selb, Mehrheiten, S. 249; Enneccerus/Lehmann, S. 365; Hellwig, Anspruch und Klagrecht, S. 191 ff; auch BayObLG, MDR 1975, S. 1018; FG Köln, EFG 2006, S. 648 ff, 649 f [zu dieser Entscheidung u. c)]. 87 Vgl. o. 2. Kap. III. 2. b). 88 So weit die Beispiele von Hellwig, Anspruch und Klagerecht, S. 193 und Enneccerus/Lehmann, S. 365.

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gleich (§ 430). Eine Ausweitung des Gesamtgläubigerbegriffs unter Beschneidung der Verfügungsbefugnisse nach Vorbild der gemeinrechtlichen aktiven Solidarität (i. e. S.)89 verspricht daher wenig Ertrag. Dies zumal, da sich das von mehreren entgegengenommene Versprechen einer drittgerichteten oder empfängerlosen Leistung auch bei ausdrücklicher Vereinbarung von Einzelklagrechten sachgerecht der Mitgläubigerschaft nach § 432 zuordnen lässt, die zwar jedem Gläubiger das Recht gibt, die Leistung einzeln zu fordern, aufgrund des Fehlens von Einzelempfangsrechten („sofern sie nicht Gesamtgläubiger sind“) von Gesamtwirkungen aber gänzlich absieht (§ 432 Abs. 2)90. b) Insbesondere: Gesamtgläubigerschaft und Vertrag zugunsten Dritter Ist es somit Voraussetzung einer Gesamtgläubigerabrede, dass jedem Gläubiger gerade ein Recht auf Leistung an sich eingeräumt wird, bildet auch das Nebeneinander von Drittem und gemäß § 335 BGB forderungsberechtigtem Versprechensempfänger beim Vertrag zugunsten Dritter keinen Fall der Gesamtgläubigerschaft91. Die Probe auf das zum nicht empfangsberechtigten Gläubiger Gesagte gelingt, indem entgegen den Rechtsfolgen der Gesamtgläubigerschaft sowohl Erfüllungssurrogate in Person des Versprechensempfängers anerkanntermaßen ausscheiden92 als auch bereits der Wortlaut des § 328 Abs. 2 ergibt, dass das Recht des Dritten nur unter Umständen, namentlich aufgrund eines vereinbarten Änderungsvorbehalts oder besonderer gesetzlicher Bestimmung, der nachträglichen Einwirkung des Versprechensempfängers durch Aufhebung oder Erlass unterliegt93. Wegen der ungleichen Forderungsinhalte – Leistung an sich bzw. Leistung an einen Dritten – handelt es sich beim Vertrag zugunsten Dritter auch nicht um einen Fall der Mitgläubigerschaft94; vielmehr bildet er eine Gläubiger89 Dafür Hellwig, Anspruch und Klagrecht, S. 196, der die gemeinrechtliche Zweigliederung im Rahmen des § 428 BGB fortführen will. Auch Selbs weite Auslegung des Tatbestands beruht maßgeblich darauf, dass er die Verfügungsbefugnisse der Gesamtgläubiger contra legem beschränkt [vgl. o. 2. Kap. II. 1. c) cc)]. 90 Ebenso Kreß, S. 606 f. 91 A. A. Hellwig, Anspruch und Klagrecht, S. 193; ders., Verträge auf Leistung an Dritte, S. 310 ff; Rappaport, S. 141 a. E.; m. Einschr. auch MüKo3 /Selb § 428 Rn. 2; MüKo/Bydlinsky § 428 Rn. 5 („etwas abgewandelte Gesamtgläubigerschaft“). 92 Zur Annahme an Erfüllungs statt MüKo/Gottwald § 335 Rn. 1; Planck/Siber § 335 Anm. 7.b. a. E.; zur Aufrechnung Staudinger/Jagmann § 335 Rn. 7 a. E.; MüKo/ Gottwald § 335 Rn. 3. 93 Im Zweifel gegen nachträgliche Aufhebbarkeit dabei die h. M.: MüKo/Gottwald § 328 Rn. 35; Staudinger/Jagmann § 328 Rn. 69; Bayer, S. 241 f; BGH, WM 1974, S. 14 f, 15. Im Zweifel für Aufhebungsvorbehalt dagegen Raab, S. 473 ff. Die Erlassbefugnis des Versprechensempfängers hängt von der Aufhebungsbefugnis ab: Raab, S. 491; MüKo/Gottwald § 335 Rn. 1 a. E. 94 So aber Planck/Siber § 335 Anm. 1.a.; auch MüKo3 /Selb § 428 Rn. 2; MüKo/Bydlinsky § 428 Rn. 5.

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mehrheit eigener Art, die keinem der Typen der §§ 420, 428 und 432 abschließend zuzuordnen ist95. Dennoch ist das Regime der Gesamtgläubigerschaft für den Vertrag zugunsten Dritter von Wert, soweit es um die Rechtsstellung des Dritten geht. Im gemeinen Recht wurde noch die Auffassung vertreten, dass das Recht des Versprechensempfängers gegenüber dem des Dritten grundsätzlich selbständig ist: Wie der Versprechensempfänger über das Recht des Dritten nach dessen Annahme oder Vertragsbeitritt sollte auch der Dritte über das Recht des Versprechensempfängers nicht verfügen können. Diese Ansicht trug dem Umstand Rechnung, dass der Versprechensempfänger an der Leistung in das Vermögen des Dritten ein eigenes, von dem des Dritten losgelöstes Interesse haben kann, indem er sich im Valutaverhältnis entgeltlich zur Verschaffung oder gar zur eigenhändigen Leistung96 verpflichtet hat, und führte folgerichtig zur Einordnung des Vertrags zugunsten Dritter bei den Fällen bloßer aktiver Solidarität97. Soweit derselbe dogmatische Standpunkt vereinzelt noch heute vertreten wird98, bedarf es denn auch des Rückgriffs auf die §§ 428 ff. nicht. Etabliert hat sich unter dem BGB jedoch die Auffassung, dass der Anspruch des Versprechensempfängers gemäß § 335 ein bloß akzessorischer ist. Inhalt des Anspruchs ist von vornherein nur die Erfüllung der Forderung des Dritten nach deren jeweiligem Bestand mit der Folge, dass Verfügungen des Dritten über seine Forderung unmittelbar auch auf das Recht des Versprechensempfängers einwirken. Neben einer Annahme an Erfüllungs statt des Dritten hat daher auch ein Erlass zwischen Drittem und Versprechendem Gesamtwirkung99. Zur Wahrung der Interessen des Versprechensempfängers ist dann aber erforderlich, auch den Erlass des Dritten im Verhältnis zum Versprechensempfänger als Annahme der Erfüllung zu behandeln, so dass etwaige Ansprüche gegen diesen entfallen und der Dritte zur Gegenleistung verpflichtet bleibt100. Dieses mangels Erfüllungsqualität aufhebender Verfügungen keineswegs selbstverständliche Ergebnis lässt sich m. E. am ehesten aus einer Gesamtanalogie zum System der §§ 429 Abs. 3 S. 1, 422, 423, 430 begrün-

95 Ganz h. M., vgl. Bayer, S. 217; Raab, S. 499; Gernhuber, Schuldverhältnis, S. 491; MüKo/Gottwald § 335 Rn. 1; Staudinger/Jagmann § 335 Rn. 19; BaRo/Janoschek § 335 Rn. 1; Soergel/Hadding § 335 Rn. 10. 96 So bei einem Schuldbeitritt mittels Vertrag zugunsten Dritter zwischen Schuldner und Beitretendem. 97 Z. G. Jhering, Jb Dogmatik 24 (1886), S. 143 ff u. o. 2. Kap. III. 1. b) bei Fn. 328. 98 So von Gernhuber, Schuldverhältnis, S. 491 f. Vgl. auch Planck/Siber § 328 Anm. 7.c. 99 Vgl. z. G. Bayer, S. 217 f; Raab, S. 489 f, 492; Dörner, S. 303; MüKo/Gottwald § 335 Rn. 1, 14 f, § 328 Rn. 30; Staudinger/Jagmann § 335 Rn. 20; BaRo/Janoschek § 328 Rn. 17, § 335 Rn. 3. 100 So denn auch Bayer, S. 218; Staudinger/Jagmann § 335 Rn. 20; MüKo/Gottwald § 328 Rn. 30 a. E.

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3. Kap.: Die Gesamtgläubigerschaft im geltenden Recht

den101: Ebenso wie ein Gesamtgläubiger, der das Schuldverhältnis in Ausübung seiner Alleinverfügungsbefugnis aufgehoben hat, nach § 430 stets Ausgleich gemessen am Wert der originären Leistung schuldet102, muss sich der berechtigte Dritte infolge aufhebender Verfügungen im Valutaverhältnis so behandeln lassen, als habe er die gesamte geschuldete Leistung empfangen. Hier wie dort ist mit der Ausübung der Einzellegitimation im Außenverhältnis die interne Zuweisung des Verwertungsrisikos verbunden; hier wie dort kann sich daher der auf eigene Faust Verwertende im Innenverhältnis nicht darauf berufen, dass er keinen oder nur einen geringeren Gegenwert erhalten hat103. c) Insbesondere: FG Köln, EFG 2006, S. 648 ff. Unzutreffend ist vor dem Hintergrund der hier vorgenommen Abgrenzung zwischen § 428 und § 432 BGB die Entscheidung FG Köln, EFG 2006, S. 648 ff.: Der Alleingesellschafter einer GmbH hatte sich im Vertrag über die Veräußerung seiner Anteile sowohl gegenüber der Gesellschaft als auch gegenüber dem Erwerber der Anteile zur Freistellung von sämtlichen gegen die Gesellschaft bestehenden Ansprüchen verpflichtet. Der Erwerber der Anteile trat sodann seinen Freistellungsanspruch wegen eines gegen die Gesellschaft bestehenden Schadensersatzanspruchs an den Gläubiger des Schadensersatzanspruchs ab, der daraufhin vom Freistellungsschuldner unter vollständiger Erledigung seiner Ansprüche gegen die Gesellschaft eine Teilzahlung annahm. Für das FG Köln wurde unter anderem die Frage relevant, ob der Vergleich zwischen dem Schadensersatzgläubiger und dem Freistellungsschuldner auch den Freistellungsanspruch der Gesellschaft beseitigt habe. Das Gericht bejahte dies mit der Begründung, dass sowohl zwischen der Gesellschaft und dem Anteilserwerber als auch, nach der Abtretung, zwischen der Gesellschaft und dem Schadensersatzgläubiger bezüglich des Freistellungsanspruchs Gesamtgläubigerschaft bestanden habe, so dass der Schadensersatzgläubiger den Freistellungsanspruch der Gesellschaft gemäß §§ 429 Abs. 3 S. 1, 423 habe erlassen können104. Richtigerweise waren die Gesellschaft und der Anteilserwerber aber Mitgläubiger: Jeder konnte nur Leistung an den Schadensersatzgläubiger verlangen. Keiner konnte deshalb über die Forderung des anderen verfügen (§ 432 Abs. 2); und daran hat sich durch die Abtretung nichts geändert. Doch ist der Freistellungsanspruch der Gesellschaft aus einem anderen Grund erloschen: Gesellschaft und Freistellungsschuldner standen dem Schadensersatzgläubiger nach der Abtretung als Gesamtschuldner 101 Kaum befriedigend dagegen die Begründung von Bayer: Der Erlass des Dritten sei wirtschaftlich nichts anderes als die Annahme der Leistung des Versprechenden und ihre anschließende Rückübertragung. 102 s. o. 2. Kap. IV. 2. c). 103 Vgl. auch Hellwig, Verträge auf Leistung an Dritte, S. 322 m. Fn. 641, der § 430 ausgehend von seinen Prämissen (o. Fn. 91) freilich direkt anwendet. 104 A. a. O., S. 649 f.

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gegenüber. Der Vergleich beinhaltete dabei einen zugunsten beider wirkenden Gesamterlass. War die Gesellschaft dem Ersatzanspruch daraufhin aber nicht mehr ausgesetzt, so ist auch ihr Freistellungsanspruch insoweit entfallen105. 4. Gesamtgläubigerschaft als „vertraglicher Vollstreckungsschutz“? Besteht eine Besonderheit der Gesamtgläubigerschaft darin, dass der Schuldner die bei einem Gläubiger erfolgte Pfändung der Außenbeteiligung zu jedem Zeitpunkt bis zur Befriedigung des Vollstreckungsgläubigers durch Leistung an den Mitgläubiger vereiteln kann, so stellt sich die Frage, inwieweit sich Gläubigermehrheiten diese Folgewirkung gezielt zu Nutze machen können, um gegen eine Vollstreckung aus Einzeltiteln Vorsorge zu tragen. Im Fall BGH, NJW 1979, S. 2038 f. trafen Ehegatten beim Verkauf eines Grundstücks, für das sie sich die Bezahlung einer Leibrente versprechen ließen, zu eben diesem Zweck folgende Vereinbarung: „Die Gläubiger sind gesamtberechtigt i. S. des § 428 BGB. Der Käufer kann nach seinem Belieben die Rente an einen der Berechtigten leisten. Wird bei einem Berechtigten der Rentenanspruch mit Beschlag belegt, dann hat der Käufer für die Dauer der Beschlagnahme nur an den anderen Teil zu zahlen (. . .)“. Der BGH nahm an dieser Erfüllungsabrede und der in ihr enthaltenen Benachteiligung von Vollstreckungsgläubigern keinen Anstoß. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass der Schuldner schon gemäß § 428 immer und insbesondere auch noch dann nach seinem Belieben an jeden Gesamtgläubiger leisten könne, wenn durch einen der Gläubiger Klage erhoben oder bei diesem die Zwangsvollstreckung eingeleitet worden sei. Verpflichte ihn die Erfüllungsabrede somit aber nur zu einem Verhalten, das ihm bereits kraft seiner gesetzlichen Rechtsstellung möglich sei, so könne hierin weder ein Verstoß gegen das Verfügungsverbot gem. § 829 Abs. 1 S. 2 ZPO noch ein Sittenverstoß gesehen werden. Wie die Kritik106 zu der Entscheidung zutreffend einwendet, kann der Erwägung des BGH nur gefolgt werden, wenn die Erfüllungsabrede nicht auch den 105 Bedeutsam ist die Abgrenzung zwischen § 428 und § 432 auch bei den seit längerem in Rechtsprechung und Lehre einhellig zugelassenen „Gesamtberechtigungen gemäß § 428“ an dinglichen Rechten (eingehend Rütten, S. 249 ff), die, da dingliche Gesamtberechtigungen durch Parteiwillen begründet werden, den Voraussetzungen und Rechtsfolgen der vertraglichen Gesamtgläubigerschaft unterliegen. Keine besonderen Schwierigkeiten bereiten insoweit forderungsähnliche dingliche Rechte, die eine Verpflichtung zu einer Geld- oder Sachleisung enthalten oder Forderungen solchen Inhalts sichern, so Reallast, Hypothek, Grund- und Rentenschuld (Rütten, S. 255 ff, 273). Dass es sich dagegen bei den praktisch häufigeren Gesamtberechtigungen an dinglichen Nutzungsrechten – Grunddienstbarkeit, insb. dingliches Wohnrecht; Nießbrauch – nach der Gestalt, die ihnen die Rechtsprechung verleiht, mangels konkurrierender Empfangsrechte nicht um eine Analogie zu § 428, sondern vielmehr um eine Analogie zu § 432 oder aber eine „Bruchteilsgemeinschaft mit Anwachsung“ handelt, zeigt zutreffend S. Meier, AcP 205, S. 899 ff. Ähnlich Rütten, S. 260 ff, 273. 106 Tiedtke, NJW 1980, S. 2497 f.

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3. Kap.: Die Gesamtgläubigerschaft im geltenden Recht

Ausgleichsanspruch der Gesamtgläubiger dem Vollstreckungszugriff entzieht. Nur dann lässt sich sagen, dass Gläubiger der Gesamtgläubiger infolge der Verpflichtung des Schuldners, an den Mitgläubiger zu leisten, nicht wesentlich schlechter stehen als infolge der bloßen Möglichkeit entsprechenden Schuldnerverhaltens, indem ihnen jedenfalls der Innenanteil der Gesamtgläubiger als Vollstreckungsobjekt verbleibt. Rütten107 will die Erfüllungsabrede dennoch auch dann zulassen, wenn die Parteien mit dieser nicht nur den Vollstreckungszugriff über den Anteil des schuldenden Gesamtgläubigers hinaus, sondern jegliche Vollstreckung in das Schuldverhältnis verhindern wollen. Zur Begründung vergleicht er mit der Abrede, dass eine Einzelforderung mit der Pfändung durch einen Dritten ersatzlos entfallen soll. Derartige Abreden sind in der Rechtsprechung als wirksam angesehen worden108. Nicht anders liege es, so Rütten, wenn sich ein Ehegatte im Pfändungsfalle seines Rentenanteils zugunsten des anderen begebe. Freilich sind beide Fälle aber nicht vergleichbar. So kann zwar vor allem bei einer Rentenzahlung – und um eine solche handelte es sich stets in den von Rütten vergleichsweise angeführten Rechtsprechungsfällen – ein schutzwürdiges Anliegen des Schuldners darin liegen, die Leistung nur zu erbringen, soweit sie unmittelbar dem Lebensunterhalt des Empfängers zugute kommt, so dass es sich um eine legitime, zweckentsprechende Beschränkung der Leistung handelt, wenn der Rentenanspruch unter die auflösende Bedingung des Vollstreckungszugriffs gestellt wird. Wählen Ehegatten die hier in Rede stehende Gestaltung, so soll die der Pfändung unterliegende Forderung jedoch keineswegs ersatzlos entfallen. Vielmehr soll die Leistung – so die versprochene Rente oder, wie ebenfalls denkbar, die Gutschrift aus einem Oder-Konto – nach der Pfändung in voller Höhe dem anderen Ehegatten zustehen und durch ihre Verwendung für den gemeinsamen Lebensunterhalt weiterhin auch dem schuldenden Ehegatten zugute kommen109. Dann handelt es sich bei der Erfüllungsabrede aber nicht um eine legitime Beschränkung der Leistung, sondern um eine gezielte, unangemessene Gläubigerbenachteiligung, die den abschließenden Vollstreckungsschutz der §§ 850 ff ZPO privatvertraglich auszudehnen sucht. Wird Gesamtgläubigerschaft mit der Maßgabe vereinbart, dass der Schuldner im Falle der Pfändung bei einem Gläubiger nur an den anderen Gläubiger leisten darf, ist demnach zu unterscheiden, ob die Gläubiger mit dieser Gestaltung lediglich den Vollstreckungszugriff über den jeweiligen Innenanteil hinaus verhindern wollen, um damit gewissermaßen nur einen spezifischen Nachteil der Gesamtgläubigerschaft zu korrigieren, oder die Leistung entsprechend etwaiger Pfändungsversuche „umgelenkt“ und auf diese Weise jedem Vollstreckungszugriff entzogen werden soll. Im ersten Fall ist die Abrede unbedenklich. Mit der Pfän107 108 109

S. 226 f. KG, OLGR 22, S. 388; RG, JW 1932, S. 344 f, 345. Vgl. auch Tiedtke, NJW 1980, S. 2498.

II. Die nichtrechtsgeschäftliche Gesamtgläubigerschaft

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dung entfallen lediglich die Durchsetzbarkeit und Erfüllbarkeit der gepfändeten Gesamtgläubigerforderung110, so dass der Ausgleichsanspruch als Pfändungsobjekt erhalten bleibt. Im letzteren Fall beinhaltet die Abrede dagegen die gänzliche Aufhebung der Gesamtgläubigerstellung mit der Pfändung und ist insoweit zwar nicht als verbotswidrige Verfügung aufgrund § 135 Abs. 1 BGB – denn die Verfügung in Gestalt der Vereinbarung der auflösenden Bedingung ist bereits vor der Pfändung erfolgt111 –, wohl aber als sittenwidrige Gläubigerbenachteiligung gemäß § 138 Abs. 1 unwirksam112. Bestehen Zweifel über den Zweck der Erfüllungsabrede, so wird den Parteien die weniger weitgehende Absicht des ersten Falls zu unterstellen sein.

II. Die nichtrechtsgeschäftliche Gesamtgläubigerschaft An die Betrachtung der vertraglichen Gesamtgläubigerschaft hat sich nach den an früherer Stelle vorweggenommenen Überlegungen113 nunmehr die Untersuchung der nichtrechtsgeschäftlichen Gesamtgläubigerschaft anzuschließen. Als gleichsam modellhafte Fälle dieser Unterform wurden dabei bereits die gesetzlichen Fälle der §§ 117 SGB X und 421 Abs. 1 S. 2 HGB ausgemacht114. Diese sollen denn auch der nun folgenden näheren Bestimmung der Rechtsfolgen und dogmatischen Struktur der nichtrechtsgeschäftlichen Gesamtgläubigerschaft zugrunde gelegt werden, bevor die Betrachtung weiterer, gesetzlich nicht geregelter Fallgestaltungen über ihren Anwendungsbereich und ihre tatbestandlichen Grenzen Aufschluss geben wird. 1. §§ 117 SGB X und 421 Abs. 1 S. 2 HGB: Rechtsfolgen und dogmatische Struktur a) Verfügungsbefugnisse: Die Anwendbarkeit des § 429 Abs. 3 S. 1 BGB Den Anlass zu der hier gewählten Trennung von vertraglicher und nichtrechtsgeschäftlicher Gesamtgläubigerschaft gab vor allem die schon verschiedentlich 110

Ebenso in der Konstruktion Tiedtke a. a. O. Vgl. Stein/Jonas/Brehm § 829 Rn. 73, 92. 112 Wie hier wohl auch Gernhuber, WM 1997, S. 650, der die Zulässigkeit der Tilgungsbeschränkung nur aufgrund der Annahme bejaht, dass der Ausgleichsanspruch fortbesteht; vgl. auch Hüffer/van Look, Rn. 158. Gerade entgegengesetzt dagegen die Lösung von Wagner, ZIP 1985, S. 856, der für das Oder-Konto eine bloße Beschränkung der Schuldnerwahlfreiheit unter Berufung auf die §§ 399 2. Alt. BGB, 851 Abs. 2 ZPO für unzulässig, eine Mitinhaberschaft unter der auflösenden Bedingung der Pfändung aber für zulässig hält. Kritisch gegenüber dem hier zugelassenen Fall auch S. Meier, AcP 205, S. 879. 113 Oben 2. Kap. III. 2. c). 114 Oben 2. Kap. I. 3. b) bb). 111

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3. Kap.: Die Gesamtgläubigerschaft im geltenden Recht

angesprochene115 Frage, ob die Verweisung des § 429 Abs. 3 S. 1 BGB bei nichtrechtsgeschäftlich begründeter Gesamtgläubigerschaft der Korrektur bedarf. Ausgangspunkt dieser Fragestellung ist, dass die Gläubigerposition durch die dort gewährten Alleinverfügungsbefugnisse nicht unwesentlich über das bereits in den Primärfolgen der Gesamtgläubigerschaft enthaltene Maß hinaus geschwächt wird. Generell unbedenklich ist zwar noch die von § 423 als Minus umfasste aufhebende Verfügung eines Gesamtgläubigers, die Gesamtwirkung nur in Höhe des diesem im Innenverhältnis zustehenden Anteils entfaltet; denn insoweit könnte er die Außenlegitimation auch bei Teilforderungen beseitigen und hat der Mitgläubiger an deren Bestand kein schutzwürdiges Interesse. Soweit den Gesamtgläubigern aber auch jenseits des eigenen Anteils Alleinverfügungsbefugnis zugestanden wird, ist ihr Verteilungsrisiko dadurch erhöht, dass sie gegebenenfalls auch eine ersatzlose Aufhebung des Schuldverhältnisses hinnehmen müssen, bei der ihr Ausgleichsanspruch nicht durch eine entsprechende Einnahme beim Mitgläubiger gedeckt ist116. Es fragt sich, ob diese dem vertraglichen Musterfall entstammende zusätzliche Schwächung der Gläubigerposition auch in den nichtrechtsgeschäftlichen „Neufällen“ der Gesamtgläubigerschaft gerechtfertigt ist. Die Antwort hierauf muss ansetzen bei einem wiederholten Blick auf den Grund der Alleinverfügungsbefugnisse in dem von § 429 Abs. 3 S. 1 fortgeführten Konzept der Vertragskorrealität. Dort werden die Einzelbefugnisse zur Annahme an Erfüllungs statt, zum Gesamterlass und zu anderen gesamtaufhebenden Verfügungen in Anknüpfung an die von den Parteien gewählte Organisation der Gläubigermehrheit gewährt: Durch wechselseitige Einräumung von Einzelklagund -empfangsrechten haben die Gläubiger die Ausschließlichkeit ihrer Rechtsstellung zugunsten der Freiheit eines jeden in der Rechtsdurchsetzung aufgegeben; dann entspricht es aber dem mutmaßlichen Gläubigerwillen oder ist es den Gläubigern jedenfalls zumutbar, wenn jedem von ihnen auch die selbständige Verwertung des Schuldverhältnisses auf andere Weise als durch Einziehung gestattet ist. Auf die Gesamtgläubigerschaft der §§ 117 SGB X und 421 Abs. 1 S. 2 HGB trifft dieser Grund der Alleinverfügungsbefugnisse nicht zu. Hier hat die Gesamtgläubigerschaft zum Zweck, die Abwicklung mit dem Schuldner von typischerweise bestehenden Zweifeln über die materielle Zuordnung der Leistung im Innenverhältnis der Gläubiger zu entlasten. Dem ist durch die Einzelklag- und -empfangsrechte auf Seiten der Gläubiger weithin Genüge getan: Der Schuldner kann die gesamte Leistung an einen beliebigen Gläubiger erbringen, ohne der Gefahr der Zuvielleistung ausgesetzt zu sein, und die einzelnen Gläubiger können die gesamte Leistung geltend machen, ohne den Einwand mangelnder Aktivlegitimation fürchten zu müssen. Das Anliegen, die Gläubiger im Interesse der leichteren Verwertung funktionell wie Generalbevollmächtigte der Gläubiger115 116

Insb. o. 2. Kap. II. 1. c) cc) a. E. Vgl. Rütten, S. 197.

II. Die nichtrechtsgeschäftliche Gesamtgläubigerschaft

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mehrheit zu stellen, ist diesen Fällen fremd; und ebenso wenig lässt sich den Gläubigern hier vorhalten, sie hätten ihr Interesse durch Vereinbarung von Gesamtgläubigerschaft selbsttätig herabgesetzt. Freilich wird die Frage nach weitergehenden Einzelbefugnissen der Gesamtgläubiger auch in den Fällen der §§ 117 SGB X und 421 Abs. 1 S. 2 HGB bedeutsam, wenn es zwischen einem Gläubiger und dem Schuldner im Zuge der Abwicklung zu Vergleichsvereinbarungen kommt. Dass die Annahme von Gesamtwirkung hier sogar insoweit naheliegt, als sie die Vorteile der Gesamtgläubigerschaft auch nach dem Vergleich erhielte, veranschaulicht der vom BGH behandelte117 Fall, dass einer der gemäß § 117 SGB X als Gesamtgläubiger regressberechtigten Sozialversicherungsträger mit dem Haftpflichtversicherer des Schädigers in einem Teilungsabkommen verbunden ist. Teilungsabkommen sind Rahmenverträge, die zwischen Sozialversicherungsträgern und Haftpflichtversicherern im Interesse einer rationalisierten Schadensregulierung abgeschlossen werden. Der Sozialversicherer verzichtet darin im Vorhinein auf eine bestimmte Quote – regelmäßig zwischen 45 und 55% – sämtlicher künftiger Regressansprüche, während sich der Haftpflichtversicherer im Gegenzug zur sofortigen Anerkennung sämtlicher Regressfälle ohne Prüfung der Haftungsfrage verpflichtet118. Für die Gesamtgläubigerschaft ergibt sich daraus das Problem, inwieweit der in dem Teilungsabkommen enthaltene Teilerlass auch die Forderung des nicht am Abkommen beteiligten, konkurrierenden Sozialversicherungsträgers berührt. Sollen die Vorzüge der Gesamtgläubigerschaft trotz des Teilungsabkommens gewahrt bleiben, so kommen nur zwei Auslegungsvarianten in Betracht: Der Teilerlass kann sich in seiner Wirkung vollständig auf die Forderung des abkommensbeteiligten Gläubigers beschränken, so dass dieser daraufhin in Höhe der übergegangenen Forderung abzüglich der Erlassquote und der Mitgläubiger weiterhin in voller Höhe legitimiert ist; oder er kann echte Gesamtwirkung entfalten mit der Folge, dass auch dem Mitgläubiger nur noch der quotenmäßig verringerte Ersatzanspruch zusteht. In beiden Fällen bliebe es gemäß der Intention des § 117 SGB X dabei, dass die Abwicklung im Außenverhältnis ohne Rücksicht auf die Höhe der Einzelversicherungsleistungen erfolgen kann119. Dennoch entsprechen beide Auslegungsvarianten offenkundig nicht den Parteiinteressen. So würde im Fall der Einzelwirkung das Teilungsabkommen infolge des Hinzutretens konkurrierender Gläubiger gänzlich ineffektiv. Trotz der Teilungsabrede hätte der Haftpflichtversicherer im Ergebnis den vollen Ersatz zu leisten. Er erbrächte die Leistung aus dem Teilungsabkommen ohne Gegenleistung, indem er einen Nachlass als Entschädigung für seinen Verzicht auf die Prüfung der Haftung nicht realisie-

117

BGHZ 40, S. 108 ff; zum Folgenden insb. S. 112 ff. Näher Geigel/Schlegelmilch/Plagemann, 30. Kap. Rn. 95 ff. 119 Vgl. zur älteren Ansicht, die aufgrund dieser Erwägung für echte Gesamtwirkung von Teilungsabkommen eintrat, G. Schmidt, VersR 1965, S. 1118. 118

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3. Kap.: Die Gesamtgläubigerschaft im geltenden Recht

ren könnte. Gesamtwirkung des Teilungsabkommens würde dagegen den daran beteiligten Sozialversicherer über Gebühr belasten. Da dieser dem Mitgläubiger gemäß § 430 BGB Ausgleich entsprechend der tatsächlich geschuldeten Summe leisten muss, hätte er etwa bei Übereinstimmung von Erlassquote und eigenem Innenanteil den gesamten vom Schuldner erhaltenen Betrag und bei höherer Erlassquote sogar mehr als das Erhaltene an den anderen Sozialversicherungsträger auszukehren. Seine Einbuße wäre zumeist weit größer als im Abkommen vorgesehen. Mit Recht hat der BGH daher bei Teilungsabkommen und ebenso im Fall eines zwischen Sozialversicherer und Haftpflichtversicherer geschlossenen Abfindungsvergleichs120 den Mittelweg beschränkter Gesamtwirkung gewählt. Nur für den ihm im Endresultat zustehenden Regressbetrag gewährt der vergleichsschließende Sozialversicherer den Erlass, so dass sich die Forderungen im Außenverhältnis lediglich um die Erlassquote bezogen auf den jeweiligen Innenanteil verringern. Nur bei dieser Auslegung erzielt der Schuldner trotz des Hinzutretens weiterer Regressgläubiger einen Nachlass und bleibt es zugleich auf Seiten des vergleichsschließenden Gläubigers bei der vereinbarungsgemäßen Einbuße. Dass der Rationalisierungseffekt der Gesamtgläubigerschaft dadurch weitgehend verloren geht, indem das Größenverhältnis der Einzelversicherungsleistungen im Außenverhältnis wieder relevant wird, ist, wie mittlerweile auch in der Literatur anerkannt121, mangels Interessengerechtigkeit der Alternativlösungen hinzunehmen. Die zum Teilungsabkommen analoge Erwägung lässt sich anstellen, wenn es im Rahmen des § 421 Abs. 1 S. 2 HGB zwischen einem Gläubiger und dem Schuldner zum Vergleich kommt. Bei Einzelwirkung des Vergleichs müsste der Schuldner in jedem Fall befürchten, vom anderen Gläubiger auf den Restbetrag in Anspruch genommen zu werden. Echte Gesamtwirkung wäre hingegen dann für den Gläubiger von Nachteil, wenn er nicht der Geschädigte ist; denn er würde dem Geschädigten trotz Mindereinnahme in Höhe der vollen Schadenssumme ausgleichspflichtig. Vorzugswürdig ist daher auch hier die Annahme beschränkter Gesamtwirkung. Sie wahrt zwar nicht den Vorteil der Gesamtgläubigerschaft, da der Schuldner, will er gegenüber einer Nachforderung des anderen Gläubigers sicher sein, diesen entweder hinzuziehen oder Nachforschungen anstellen muss, ob der kontrahierende Gläubiger auch der materiell Legitimierte ist; gegenüber den Nachteilen der anderen Lösungen wiegt dies jedoch weniger schwer. Erwächst somit auch aus der Interessenlage bei Vergleichsvereinbarungen kein Bedürfnis, Gesamtgläubiger nach den §§ 117 SGB X und 421 Abs. 1 S. 2 HGB über ihre Innenanteile hinaus zu Verfügungen über das gesamte Schuldverhältnis zu berufen, erscheint es sachgemäß, die Verweisung des § 429 Abs. 3 S. 1 BGB 120

BGH, NJW 1986, S. 1861 ff, 1862 f. Vgl. (dem BGH zust.) Rütten, S. 198 f; Gernhuber, Erfüllung, S. 389; Staudinger/ Noack § 429 Rn. 21; Wacke, AcP 170, S. 73 f. Kritisch dagegen noch G. Schmidt a. a. O. 121

II. Die nichtrechtsgeschäftliche Gesamtgläubigerschaft

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in diesen Fällen wertend zu beschränken. Zwar ändert sich nichts an der Möglichkeit des Schuldners, sich durch Aufrechnung oder Hinterlegung gegenüber nur einem Gläubiger vollständig zu befreien. Die Gläubigerbefugnis der §§ 422 Abs. 1 S. 2 und 423, durch Annahme an Erfüllungs statt, Gesamterlass und andere aufhebende Verfügungen auch auf die Forderung des Mitgläubigers einzuwirken, besteht jedoch nur in Höhe des dem jeweiligen Gläubiger zustehenden materiellen Anteils. Diese Beschränkung der Einzelverfügungsbefugnis trägt zum einen der größeren Schutzwürdigkeit nichtrechtsgeschäftlicher Gesamtgläubiger Rechnung, die anders als vertragliche Gesamtgläubiger weder die Öffnung ihrer Rechtsposition für Einwirkungen Dritter als solche noch die zur Einwirkung berufenen Personen selbst wählen; sie entspricht aber auch der abweichenden objektiven Funktion der Gesamtgläubigerschaft in diesen Fällen, denen der Gedanke funktioneller Vertretung in der Verwertung gänzlich fern liegt, so dass den Innenanteil des Mitgläubigers berührende Gesamtwirkungen abseits der Erfüllung in nahezu jedem Fall als treuwidriger Übergriff erscheinen müssten122 und dem Interesse des redlich handelnden Gläubigers viel eher entgegengesetzt sind. Hat sich letztgenannter Gesichtspunkt vor allem beim vergleichsweise gewährten Erlass gezeigt, dem echte Gesamtwirkung daher abzusprechen war, macht dasselbe Beispiel andererseits deutlich, dass die weiter reichenden, am Mehrheitsprinzip angelehnten Korrekturen der herrschenden Lehre123 in den hier behandelten Fällen nicht nur als ungerechtfertigte Abweichung vom Gesetz, sondern auch aus wertender Sicht abzulehnen sind. Denn kaum minder rechtfertigungsbedürftig als der verfügende Übergriff auf den materiellen Anteil des Mitgläubigers erschiene es, den konkurrierenden Sozialversicherungsträgern oder dem Geschädigten in § 421 Abs. 1 S. 2 HGB die durch Vergleich oder anderweitig bewirkte Letztentscheidung über den Umfang der Geltendmachung des eigenen Regressbetrags oder Schadens zu versagen124. b) Folgerungen: Der dogmatische Grund der anteiligen Alleinverfügungsbefugnis Der Befund, dass Gesamtgläubigern nach den §§ 117 SGB X und 421 Abs. 1 S. 2 HGB zwar nicht die Verwertung des gesamten Schuldverhältnisses durch 122 Treuwidrigkeit eines den Innenanteil übersteigenden Erlasses erwägt auch Erman/Ehmann § 429 Rn. 4. 123 Oben 2. Kap. II. 1. c) cc). 124 In der Entscheidung zum Abfindungsvergleich (o. Fn. 120) konnte der BGH trotz seiner Prämisse, dass ein Gesamtgläubiger „im Regelfall“ nicht über das Recht des anderen verfügen kann, zur beschränken Gesamtwirkung gelangen, weil der vergleichsschließende Sozialversicherer im Vorfeld des Vergleichs zur Bestimmung der Quoten mit dem anderen Sozialversicherer in Verbindung getreten war, woraus der BGH a. a. O., S. 1863 auf eine konkludente, gegenseitige Erteilung der anteiligen Verfügungsbefugnis schloss. Jedenfalls wo eine solche Kooperation unterblieben ist, gerät die herrschende Meinung insoweit aber in Erklärungsnot.

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3. Kap.: Die Gesamtgläubigerschaft im geltenden Recht

aufhebende Verfügungen, mangels schutzwürdigen Eigeninteresses des Mitgläubigers, aber doch die umfassende Verfügung über den eigenen Innenanteil zu gestatten ist, liefert zugleich den Schlüssel zum dogmatischen Grund der anteiligen Alleinverfügungsbefugnis. Zwar fehlt es bei gesetzlicher Begründung der Gesamtgläubigerschaft an der gewillkürten Zuweisung überschießender Rechtsmacht als Anknüpfungspunkt weitergehender Wechselwirkungen zwischen den Einzelrechten. Schon im Zuge der dogmatischen Einordnung des § 421 Abs. 1 S. 2 HGB125 wurde aber die Sonderstellung der nichtrechtsgeschäftlichen Gesamtgläubigerschaft als Fall deutlich, in dem es, ähnlich wie im Fall der Drittschadensliquidation, zur Zuweisung von Forderungsrechten ohne übereinstimmendes materielles Interesse auf Seiten der Berechtigten kommt. Soweit in § 421 Abs. 1 S. 2 HGB auch der Nichtgeschädigte und in § 117 SGB X die Sozialversicherungsträger auch über ihre Quote am übergegangenen Schadensersatzanspruch hinaus forderungsberechtigt sind, dienen ihre Legitimationen ausschließlich der leichteren Abwicklung im Hinblick auf den Schadensersatzanspruch oder das Regressrecht des Mitgläubigers, gewährt das Gesetz die Forderungsrechte mithin allein zur besseren Verwirklichung eines Drittinteresses. Dieser Legitimationszweck führt auch bei der Drittschadensliquidation zu einer Unterwerfung der Legitimation unter den Willen des interessierten Dritten. So scheidet eine Drittschadensliquidation gegen den Willen des Geschädigten anerkanntermaßen aus, weshalb der Anspruchsinhaber insbesondere dann nicht gegen den Schädiger vorgehen kann, wenn der Geschädigte zu dessen Entlastung auf die Geltendmachung des Schadens verzichtet hat126. In derselben Weise folgen die anteiligen Alleinverfügungsbefugnisse der nichtrechtsgeschäftlichen Gesamtgläubiger aus der partiellen oder vollständigen Ausrichtung ihrer Forderungen auf ein Drittinteresse. Soweit die Gesamtgläubigerforderungen die jeweiligen Innenanteile übersteigen, sind sie dem durch sie zu verwirklichenden Interesse des Mitgläubigers materiell untergeordnet und daher der umfassenden Aufhebungsbefugnis des Mitgläubigers ausgesetzt. Ein Unterschied zur Drittschadensliquidation besteht nur insoweit, als nicht schon der entgegenstehende Wille des materiell berechtigten Gesamtgläubigers, sondern erst die von ihm mit dem Schuldner vorgenommene aufhebende Verfügung zur Beseitigung der überschießenden Legitimationen führt. Diese Abweichung ergibt sich notwendig aus der gegenüber der Drittschadensliquidation erweiterten Funktion der Gesamtgläubigerschaft. Dient die Legitimation des zur Drittschadensliquidation Berechtigten nämlich ausschließlich dem Interesse des Geschädigten und kann sie daher dessen einseitigem Willen unterstellt werden, stehen die überschießenden Legitima125

Oben 2. Kap. I. 3. b) bb) (2) a. E. Vgl. RGZ 115, S. 419 ff, 426; BGH, NJW 1985, S. 2411 f, 2412; NJW 1998, S. 1864 ff, 1865; Lange/Schiemann, § 8 III.9. a. E. (S. 482); Staudinger/Schiemann Vorbem zu §§ 249 ff Rn. 67; Erman/I. Ebert Vor §§ 249–253 Rn. 131; Palandt/Grüneberg Vorb v § 249 Rn. 107. 126

II. Die nichtrechtsgeschäftliche Gesamtgläubigerschaft

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tionen nichtrechtsgeschäftlicher Gesamtgläubiger gleichermaßen im Interesse des Schuldners, dem die Befugnis, die ganze Leistung befreiend an einen beliebigen Gläubiger zu erbringen, ohne seine Mitwirkung nicht genommen werden kann. c) Zwangsvollstreckung und Insolvenz Erschien es schon bei vertraglichen Doppellegitimationen geboten, die Gläubiger vor einer Verwertung ihres Anteils durch Vollstreckungsgläubiger des Mitgläubigers zu schützen, gilt dies erst recht, wenn die Gläubiger das Risiko der Doppellegitimation nicht selbst gewählt haben, sondern es ihnen durch Gesetz auferlegt ist. Aufgrund der soeben dargestellten, vom vertraglichen Ausgangsfall abweichenden dogmatischen Struktur nichtrechtsgeschäftlicher Gesamtgläubigerschaft bedarf es hierfür anders als bei vereinbarter Doppellegitimation aber nicht der Abkehr von der Gesamtgläubigerschaft an sich127. Bei der vertraglichen Gesamtgläubigerschaft scheiterte die Gewährung von Interventionsrechten an der vollwertigen Rechtszuständigkeit jedes Gläubigers. Die interne Zuweisung der Leistung wirkt sich dort ausschließlich im Innenverhältnis aus und ist auf die vollstreckungsrechtlich maßgebliche Forderungsinhaberschaft der Gesamtgläubiger ohne Einfluss. Bei der nichtrechtsgeschäftlichen Gesamtgläubigerschaft sind die Legitimationen der Gesamtgläubiger in der Höhe, in der sie die Innenanteile übersteigen, dagegen von Grund auf rein formeller Natur. Das Gesetz gewährt sie lediglich zur besseren Verwirklichung eines Drittinteresses, und es entspricht dem dogmatisch ein Verhältnis der materiellen Unterordnung, durch das die überschießenden Legitimationen der einseitigen Aufhebungsbefugnis des materiell interessierten Mitgläubigers ausgesetzt sind. Beides rechtfertigt die Annahme von Drittwiderspruchs- und Aussonderungsrechten der nichtrechtsgeschäftlichen Gesamtgläubiger in Höhe ihrer Innenanteile. Mit der partiellen Ausrichtung der Gesamtgläubigerforderungen auf ein Drittinteresse wäre es unvereinbar, die Leistung im Rahmen der Zwangsvollstreckung in voller Höhe dem haftenden Vermögen jedes einzelnen Gläubigers zuzurechnen; nicht weniger als die Verwertung des im Wege der Drittschadensliquidation gewährten Anspruchs durch Gläubiger des Anspruchsinhabers erschiene der Vollstreckungszugriff auf den fremden Forderungsteil eines nichtrechtsgeschäftlichen Gesamtgläubigers insoweit als zweckwidriger und, im Sinne der Rechtsprechungsformel128, widerrechtlicher Eingriff in den Rechtskreis des materiell Interessierten. Doch handelt es sich hier anders als bei der vertraglichen Gesamtgläubigerschaft auch nicht um vollstreckungsrechtlich unbeachtliche Erwägungen der Leistungszuweisung im Innenverhältnis. Unterliegen die Gesamtgläubigerforderungen nach hier vertretener Auffassung 127 A. A. S. Meier, AcP 205, S. 887, die auch aufgrund der Folgen der Gesamtgläubigerschaft in der Zwangsvollstreckung in § 421 Abs. 1 S. 2 HGB nur eine gesetzliche Einziehungsermächtigung sehen will. 128 BGHZ 55, S. 20 ff, 26; Rosenberg/Gaul/Schilken, § 41 IV. (S. 665).

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3. Kap.: Die Gesamtgläubigerschaft im geltenden Recht

nämlich der einseitigen Aufhebungsbefugnis des jeweils materiell Interessierten, so dringt die interne Zuordnung der Leistung ins Außenverhältnis durch: Nicht nur ist der einzelne Gesamtgläubiger in Höhe der materiellen Unterordnung seiner Legitimation gemäß § 430 BGB zum Ausgleich verpflichtet; sein Forderungsrecht ist vielmehr von vornherein ein nur unvollkommenes, indem er sich den verfügenden Übergriff des Mitgläubigers gefallen lassen muss. Manifestiert sich die vermögensmäßige Zuordnung der Leistung aber in dieser Weise in der Konstitution der Außenlegitimationen, bestehen gegen die Gewährung gleichgerichteter vollstreckungsrechtlicher Interventionsrechte keine Bedenken. d) Rechtskraftwirkung Die Erwägung, die bei vertraglichen Doppellegitimationen eine Gesamtwirkung des klageabweisenden Urteils interessengerecht erscheinen ließ, scheidet bei gesetzlicher Doppellegitimation aus: Die Gläubiger haben die konkurrierenden Einzelklagrechte nicht selbst herbeigeführt, so dass ihnen Nachteile aus der Einzelprozessführung des Mitgläubigers unter diesem Gesichtspunkt nicht zugemutet werden können. Andererseits ändert sich nichts an dem Schutzbedürfnis des Schuldners, der bei gesetzlicher Doppellegitimation gar gänzlich ohne eigenes Zutun die Gefahr mehrerer Prozesse wegen derselben Leistung zu gewärtigen hat. Der Interessenkonflikt im Hinblick auf die subjektive Rechtskraftwirkung spitzt sich somit gewissermaßen zu. In der Literatur besteht zum Teil die Neigung, dem Schuldnerinteresse auch bei nichtvertraglicher Doppellegitimation den Vorrang zu gewähren. Vor allem im Rahmen des § 421 Abs. 1 S. 2 HGB wird hervorgehoben, dass der Frachtführer vor mehrfacher Belangung wegen desselben Schadens geschützt werden müsse. Eine Rechtskraftbindung zwischen Absender und Empfänger sei gegenüber dem doppelten Prozessrisiko des Frachtführers eher hinnehmbar, da Absender und Empfänger im Falle heimlicher und nachlässiger Prozessführung des anderen untereinander Schadensersatzansprüche geltend machen könnten. Aus diesem Grund sei die Einordnung des § 421 Abs. 1 S. 2 HGB als gesetzliche Einziehungsermächtigung der Gesamtgläubigerschaft vorzuziehen129. Abgesehen von den bereits an früherer Stelle gegen die Auslegung des § 421 Abs. 1 S. 2 HGB als bloße Einziehungsermächtigung vorgetragenen Bedenken130 kann auch dieser ihr zugrunde gelegten Interessenbewertung nicht gefolgt werden. Bei näherem Hinsehen belastet die Einziehungsermächtigung die Gläubiger nämlich stärker als die Gesamtgläubigerschaft den Schuldner. So geht der Schuldner bei ausbleibender Rechtskraftbindung des rechtlichen Gehörs nicht verlustig; ihm bleibt die Möglichkeit, sich im Prozess des Mitgläu129 So S. Meier, AcP 205, S. 887; Becker, AcP 202, S. 740 ff; i. E. Zöller/Vollkommer vor § 50 Rn. 28; § 325 Rn. 30. Vgl. auch Vollkommer/Vollkommer, Gedächtnisschrift Helm, S. 376 ff. 130 Oben 2. Kap. I. 3. b) bb) (2) bei Fn. 64.

II. Die nichtrechtsgeschäftliche Gesamtgläubigerschaft

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bigers aufs Neue zu verteidigen. Den Gläubigern hingegen droht im Falle der Rechtskrafterstreckung der Anspruchsverlust ohne eigene Prozessbeteiligung131. Ein etwaiger Schadensersatzanspruch gegen den prozessführenden Mitgläubiger bietet demgegenüber nur schwachen Ersatz. Er käme im Ergebnis dem ungedeckten Ausgleichsanspruch gleich, auf den die Gläubiger auch infolge der Zulassung eines Gesamterlasses verwiesen wären. Überdies stehen dem Schuldner auch bei der Gesamtgläubigerschaft Möglichkeiten zu Verfügung, durch eigene prozessuale Initiative eine gegenüber sämtlichen Gläubigern wirksame Entscheidung herbeizuführen. Zwar kommt eine Streitverkündung zu diesem Zweck entgegen mancher Stimmen132 nicht in Betracht133 und hat der BGH die Möglichkeit, die Mitgläubiger durch (negative) Zwischenfeststellungsdrittwiderklage zum Einzelprozess hinzuzuziehen134, mit Erschwernissen belegt, indem er die Erstreckung des Widerklagegerichtsstands (§ 33 ZPO) auf den Drittwiderbeklagten in seiner neueren Rechtsprechung strikt ablehnt135. Jedenfalls dann, wenn die Gläubiger keinen gemeinsamen allgemeinen oder besonderen Gerichtsstand haben, lässt sich eine Hinzuziehung im Wege der Drittwiderklage aber auch nach neuer Rechtsprechung mit Hilfe einer Gerichtsstandsbestimmung nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO bewirken136, während im Übrigen dem Schuldner die Möglichkeit einer selbständigen negativen Feststellungsklage gegen sämtliche Gläubiger unbenommen ist. Auch unter dem Gesichtspunkt der Rechtskraftwirkung ist daher im Fall des § 421 Abs. 1 S. 2 HGB an der Auslegung als gesetzlich angeordnete Gesamtgläubigerschaft festzuhalten. Die Einzelwirkung des Urteils nach §§ 429 Abs. 3 S. 1, 425 BGB wird der nur zufälligen Verbindung der Gläubiger auch unter Berücksichtigung der Schuldnerbelange am besten gerecht. 131 Auch unter dem Gesichtspunkt des Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) generell für enge Begrenzung der subjektiven Rechtskraftwirkung Schack, NJW 1988, S. 865 ff, insb. S. 871 ff. 132 Oetker, JuS 2001, S. 840. 133 Die Streitverkündung setzt nach § 72 Abs. 1 ZPO voraus, dass eine Partei „für den Fall des ihr ungünstigen Ausgangs des Rechtsstreits“ einen Anspruch gegen einen Dritten zu haben glaubt oder den Anspruch eines Dritten besorgt. Sie bewirkt damit eine Drittbindung in Situationen, in denen die Feststellungen, die zum Unterliegen einer Partei führen, dieser im Verhältnis zu einem Dritten zum Vorteil gereichen. Vorliegend geht es indessen darum, eine Drittbindung an den dem Schuldner günstigen Prozessausgang herbeizuführen. 134 Vgl. zu dieser „Art Streitverkündung“ (Ehmann) Blomeyer, AcP 159, S. 396 f; Schack, NJW 1988, S. 869, 872; Ehmann, FS Bärmann/Weitnauer, S. 149 (jew. zu den insoweit vergleichbaren Fällen der §§ 432, 1011 und 2039 BGB, in denen gemeinschaftliche bzw. gesamthänderisch berechtigte Gläubiger kraft Gesetzes zur Einzelklage befugt sind); Vollkommer/Vollkommer, Gedächtnisschrift Helm, S. 378 f. 135 BGH, NJW 1991, S. 2838; NJW 2000, S. 1871 f, 1872; NJW-RR 2008, S. 1516 ff, 1517. Anders noch BGH, NJW 1966, S. 1028; NJW 1981, S. 2642 ff, 2643. 136 BGH, NJW-RR 2008, S. 1516 ff, 1517: Das Gericht der Klage kann auch dann gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO als gemeinsamer Gerichtsstand von Widerklage und Drittwiderklage bestimmt werden, wenn dort keiner der Beklagten seinen allgemeinen Gerichtsstand hat.

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3. Kap.: Die Gesamtgläubigerschaft im geltenden Recht

2. Ungeschriebene Fälle a) Allgemeines Abgesehen von ihrer rechtsgeschäftlichen Entstehung und den ausdrücklichen gesetzlichen Doppellegitimationen der §§ 117 SGB X und 421 Abs. 1 S. 2 HGB werden in Rechtsprechung und Literatur auch verschiedene ungeschriebene Fälle der Gesamtgläubigerschaft diskutiert, die man für gewöhnlich in der Kategorie der „Gesamtgläubigerschaft aus praktischen Gründen“ oder „Gesamtgläubigerschaft zum Schutze des Schuldners“ zusammenfasst und unter diesem Oberbegriff der vertraglichen und der gesetzlichen Gesamtgläubigerschaft als dritte Fallgruppe zur Seite stellt137. Diese Kategorisierung ist insoweit missverständlich, als sie den hier angesprochenen Fällen gleichsam einen eigenen Entstehungsgrund zuweist138. In der Sache handelt es sich wie bei den zuvor betrachteten Fällen um gesetzliche Doppellegitimationen, die im Unterschied zu diesen erst aus der interessengerechten Auslegung der die Gläubigermehrheit erzeugenden Norm hervorgehen. Ob im Einzelfall eine solche ungeschriebene Gesamtgläubigerschaft anzunehmen ist, richtet sich nach den objektiv berechtigten Parteiinteressen. Im Hinblick auf die Kernfunktion der Gesamtgläubigerschaft139 sowie die paradigmatischen Fälle der §§ 117 SGB X und 421 Abs. 1 S. 2 HGB ist dabei stets ein besonderes Interesse des mehreren Gläubigern ausgesetzten Schuldners an der ungeteilten Erfüllung erforderlich, das sich insbesondere aus der mangelnden Erkennbarkeit der Leistungszuweisung im Innenverhältnis der Gläubiger, aber auch aus dem besonderen Schutzzweck der gesetzlichen Regelung ergeben kann. Diesem Schutzbedürfnis auf Seiten des Schuldners ist gewissermaßen abwägungsweise das Interesse der Gläubiger an der Ausschließlichkeit ihrer Rechtsposition gegenüberzustellen140, wobei vor allem der Umstand, dass die Entstehung der Gläubigermehrheit als solche oder aber die Ungewissheit der Leistungszuweisung allein oder überwiegend von Gläubigerseite veranlasst ist, eine Herabsetzung des Gläubigerinteresses rechtfertigt. Besonderer Berücksichtigung bedarf dabei die funktionelle Konkurrenz der Gesamtgläubigerschaft zur Mitgläubigerschaft. Hat sich die Mitgläubigerschaft nämlich heute von dem einengenden Kriterium tatsächlicher Unteilbarkeit gelöst und vermag sie den Vorteil der einheitlichen und ungeteilten Abwicklung auch ohne das Verteilungsrisiko der Gesamtgläubigerschaft

137 So RGRK/Weber § 428 Rn. 1 a. E., 14; Palandt/Grüneberg § 428 Rn. 1; MüKo/ Bydlinsky § 428 Rn. 9. Vgl. auch Selb, Mehrheiten, S. 250; MüKo3 /Selb § 428 Rn. 3; Staudinger/Noack § 428 Rn. 94. 138 Vgl. bereits o. 2. Kap. III. 2. a) a. E. Kritisch auch Rütten, S. 172; Erman/Ehmann § 428 Rn. 3 a. E. 139 Oben 2. Kap. I. 3. c). 140 Vgl. Erman/Ehmann § 428 Rn. 2 a. E.; Palandt/Grüneberg § 428 Rn. 1.

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zu gewähren141, so ist im Einzelfall stets zu prüfen, ob der Gesamtgläubigerschaft nicht die Anwendung des § 432 gleichsam als milderes Mittel vorzuziehen ist. Gesamtgläubigerschaft wird im Hinblick auf diese Abgrenzung in der Regel nur dann anzunehmen sein, wenn sich das Schuldnerinteresse nicht lediglich auf die ungeteilte Erfüllung, sondern gerade auch darauf richtet, sich durch Leistung an einen Gläubiger befreien zu können. Der Abgrenzung zu bloßen Ermächtigungskonstruktionen bedarf es dagegen nicht, soweit es um die Ausgestaltung materieller Gläubigermehrheiten geht. Denn insoweit ist die Gesamtgläubigerschaft, sobald die objektive Interessenlage die Auferlegung einer Doppellegitimation verlangt, mangels besonderer gesetzlicher Regelung alternativlos142. b) Anwendungsfälle aa) Prozessualer Kostenerstattungsanspruch Haben mehrere Streitgenossen in einem Rechtsstreit obsiegt und erwirken sie wegen der Kosten für den gemeinsam beauftragten Rechtsanwalt einen einheitlichen Kostenfestsetzungsbeschluss ohne Angabe des Beteiligungsverhältnisses, so entsteht nach Ansicht des BGH hinsichtlich des Kostenerstattungsanspruchs Gesamtgläubigerschaft143. Dem einheitlichen Kostenfestsetzungsbeschluss sei in diesem Fall durch Auslegung ein auf Gesamtgläubigerschaft gerichteter Gläubigerwille zu entnehmen. Dieses Ergebnis sei sachgerecht und entspreche der Interessenlage. Den Gläubigern gegenüber sei die Gesamtgläubigerschaft nicht unbillig, da sie ohne weiteres eine getrennte Kostenfestsetzung hätten herbeiführen können. Durch die gemeinsame Kostenfestsetzung hätten sie die Differenzierung nach ihren tatsächlichen Kostenanteilen aber auf die Auseinandersetzung im Innenverhältnis beschränkt. Indessen würde der Schuldner durch die Annahme von Teilgläubigerschaft dem unzumutbaren Risiko der (Teil-)Leistung an einen Nichtgläubiger ausgesetzt, da er die Höhe der einzelnen Anteile am Kostenerstattungsanspruch vor allem bei unterschiedlicher Beteiligung der Gläubiger am Rechtsstreit nur schwer erkennen könne. Dieses Schuldnerrisiko entstehe nur dann nicht, wenn der Kostenfestsetzungsbeschluss die jeweiligen Anteile ausweise, worauf hinzuwirken Sache der Gläubiger sei. Unterließen sie dies, so sei es an-

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Vgl. o. 2. Kap. I. 3. a). Vgl. o. 2. Kap. I. 3. c) a. E. Anders, wenn das Gesetz wie in § 421 Abs. 1 S. 2 HGB eine lediglich formelle Mitberechtigung begründet, so dass auch eine Auslegung als gesetzliche Einziehungsermächtigung in Betracht kommt. Dies ist der Fall bei der Mitberechtigung des nichtkontrahierenden Ehegatten aus Bedarfsdeckungsgeschäften gemäß § 1357 Abs. 1 S. 2 BGB. Dazu sogleich u. cc) (4). 143 AnwBl 1985, S. 524 ff, 525 m. zust. Anm. Japes/Joswig. Vorher bereits OLG Breslau, JW 1930, S. 3345 f. 142

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3. Kap.: Die Gesamtgläubigerschaft im geltenden Recht

gemessen, wenn sie das Verteilungsrisiko der Gesamtgläubigerschaft zu tragen hätten. Der Annahme von Gesamtgläubigerschaft ist im Ergebnis zuzustimmen. Nicht tragfähig ist zwar die Begründung des BGH, die Gesamtgläubigerschaft ergebe sich aus dem durch Titelauslegung zu ermittelnden Parteiwillen144. Denn mit dem einheitlichen Festsetzungsantrag bekunden die Gläubiger allenfalls den Willen zur einheitlichen und ungeteilten Abwicklung, nicht aber ohne weiteres den Willen zur vertraglichen Begründung von Gesamtgläubigerschaft, für die es überdies der Mitwirkung des Schuldners bedürfte. Doch ergibt sich die Entstehung von Gesamtgläubigerschaft aufgrund der vom BGH zutreffend gewürdigten Interessenlage unmittelbar aus § 91 ZPO145: Mangels Angabe des Beteiligungsverhältnisses scheidet eine individuelle Auseinandersetzung über die Kosten aus. Da die Gläubiger die Unteilbarkeit veranlasst haben, müssen sie in der Folge die befreiende Erstattung des gesamten Kostenbetrags an einen von ihnen hinnehmen. Die von der Gegenansicht angenommene Mitgläubigerschaft146 bietet dem Kostenschuldner dagegen keinen angemessenen Schutz. Bei ihr wäre vor allem die Möglichkeit der Aufrechnung mit einer gegen einen Streitgenossen gerichteten Gegenforderung – diese Frage bildete denn auch den Anlass der BGH-Entscheidung – gänzlich ausgeschlossen, so dass der Schuldner insoweit schlechter stünde als wenn man es bei Teilforderungen beließe. Soweit schließlich entgegen dem BGH ausnahmslose Teilgläubigerschaft gemeinsamer Kostengläubiger behauptet wird147, geht diese Ansicht nicht ohne Grund mit dem Standpunkt einher, dass eine einheitliche Kostenfestsetzung ohne Angabe des Beteiligungsverhältnisses zumal im Hinblick auf die Interessen des Gegners grundsätzlich unzulässig sei148. Doch handelt es sich hierbei um eine unnötige Beschneidung der Parteidisposition, da den schutzwürdigen Belangen des Kostenschuldners im betreffenden Fall durch Annahme von Gesamtgläubigerschaft genügend Rechnung getragen werden kann. Zuzugeben ist dieser Ansicht allerdings, dass Gesamtgläubigerschaft nicht schon unabhängig von der Kostenfestsetzung dadurch entsteht, dass die Streitgenossen dem gemeinsam beauftragten Rechtsanwalt jeweils in voller Höhe, als Gesamtschuldner haften149. Hierin allein liegt kein Grund, den 144 Kritisch insoweit auch Japes/Joswig a. a. O. Wie der BGH dagegen MüKoZPO/ Giebel § 100 Rn. 29. 145 Ebenso wohl Japes/Joswig a. a. O., S. 525 f; Selb, JZ 1986, S. 484; Staudinger/ Noack § 428 Rn. 93 f. I. E. auch Thomas/Putzo/Hüßtege § 100 Rn. 14; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann § 100 Rn. 63. 146 Rütten, S. 240; Erman/Ehmann § 428 Rn. 19. 147 So Stein/Jonas/Bork § 100 Rn. 14; OLG Koblenz, Rpfleger 1977, S. 216 f; OLG München, JurBüro 1981, Sp. 1512 ff, 1513; OLG Hamm, MDR 1984, S. 1034 f; OLG Hamburg, JurBüro 1996, S. 259. 148 Vgl. Stein/Jonas/Bork § 100 Rn. 15; OLG Koblenz, OLG München, jew. a. a. O. 149 So aber OLG Düsseldorf, JurBüro 1987, Sp. 1824; MDR 1988, S. 324 f; JurBüro 1993, S. 355.

II. Die nichtrechtsgeschäftliche Gesamtgläubigerschaft

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Gläubigern das Verteilungsrisiko einer Doppellegitimation aufzuerlegen. Grundsätzlich sind Streitgenossen daher wegen gemeinsamer Kosten gemäß § 420 BGB nach Kopfteilen berechtigt150. bb) Teilveräußerung vermieteter oder verpachteter Grundstücke Veräußert der Eigentümer eines vermieteten oder verpachteten Grundstücks dieses an mehrere Erwerber, so geht das Miet- oder Pachtverhältnis gemäß §§ 581 Abs. 2, 578 Abs. 1, 566 Abs. 1 BGB als einheitliches auf die Erwerber über151. Bleibt das Grundstück dabei ungeteilt, so werden die Erwerber hinsichtlich der Mietzinsforderung Mitgläubiger nach § 432, wie sie es auch im Falle des gemeinsamen Abschlusses eines neuen Mietvertrages würden. Die Bruchteilsgemeinschaft am Grundstück setzt sich insoweit an der Mietzinsforderung fort152. Für die Annahme von Gesamtgläubigerschaft153 besteht dagegen kein Grund. Die Mitgläubigerschaft wird dem Anliegen des Schuldners, die Leistung ungeteilt und ohne Rücksicht auf die Anteile der einzelnen Erwerber zu erbringen, in vollem Umfang gerecht. Anders liegt es, wenn das Grundstück nach Realteilung teilveräußert oder an mehrere verschiedene Dritte veräußert wird. Hier ist Mitgläubigerschaft nicht interessengerecht. Oftmals werden die Teilerwerber über kein gemeinsames Bankkonto verfügen, so dass eine Leistung an alle Gläubiger praktisch ausscheidet. Der Schuldner wäre damit belastet, von den Gläubigern Ermächtigungen nach § 362 Abs. 2 einzuholen, um sich durch Zahlung an einen von ihnen zu befreien. Dies braucht er sowohl im Hinblick auf den Mieterschutzzweck des § 566 als auch angesichts des Umstands, dass die Mehrheit an Berechtigten von Gläubigerseite veranlasst ist, nicht hinzunehmen. Daher führt § 566 in diesem Fall zur Entstehung von Gesamtgläubigerschaft154, die freilich konkludent abbedungen wird, sobald die Parteien eine andere Erfüllungsabrede treffen, insbesondere die Gläubiger den Schuldner zur Zahlung auf ein bestimmtes Konto anweisen und der Schuldner dem nachkommt.

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Vgl. Stein/Jonas/Bork § 100 Rn. 14 m.w. N. So die heute anerkannte „Einheitstheorie“, vgl. BGH, NJW 1973, S. 455 f m.w. N. 152 Rütten, S. 228; Erman/Ehmann § 428 Rn. 23 a. E.; MüKo/Häublein § 566 Rn. 25; Staudinger/Emmerich § 566 Rn. 24. 153 So Staudinger/Noack § 428 Rn. 57. 154 Ebenso Rütten, S. 228; Staudinger/Noack § 428 Rn. 57. I. E. auch Selb, Mehrheiten, S. 248; MüKo/Bydlinsky § 428 Rn. 8. Für Mitgläubigerschaft auch in diesem Fall dagegen Erman/Ehmann § 428 Rn. 23 und S. Meier, AcP 205, S. 894, deren Argument, dass die Gesamtgläubigerschaft den Mieter aufgrund des doppelten Prozessrisikos vielmehr belaste, jedoch fehlgeht, da im Rahmen des § 432 nichts anderes gilt (vgl. Abs. 2). 151

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3. Kap.: Die Gesamtgläubigerschaft im geltenden Recht

cc) Keine Gesamtgläubigerschaft (1) Fälle der Schadensidentität Wird eine Sache beschädigt, an der neben dem Eigentümer auch einem Dritten als Anwärter, beschränkt dinglich Berechtigtem oder berechtigtem Besitzer eine deliktsrechtlich geschützte Rechtsposition zusteht, so erwachsen wegen des Substanzschadens in Person beider Verletzter inhaltlich identische Schadensersatzansprüche. Vor allem für den Anspruch auf Geldersatz155 stellt sich dann die Frage nach der Mitberechtigungsform. Für den Schädiger besteht in sämtlichen dieser Fälle die Schwierigkeit, dass er die an der Sache bestehenden Drittrechte nur schwer übersehen kann. Um ihn vor dem Risiko einer Zahlung ohne Tilgungswirkung zu schützen, wird daher in der Literatur zum Teil Gesamtgläubigerschaft angenommen mit der Folge, dass den Schädiger sowohl die Ersatzleistung gegenüber dem Eigentümer als auch die gegenüber dem Drittberechtigten befreit156. Dem kann nicht gefolgt werden. Die Schadensersatzansprüche würden durch die Annahme von Gesamtgläubigerschaft stark entwertet, indem jeder Verletzte die Leistung an den anderen hinnehmen müsste ohne Gewähr, dass der Geldbetrag auch zur Wiederherstellung verwendet wird. Dabei ist den Gläubigern die Zuweisung des Verteilungsrisikos weder unter dem Gesichtspunkt der Veranlassung noch aufgrund einer besonderen zwischen ihnen bestehenden Verbundenheit zumutbar157. Den Schuldner schützt dagegen auch ohne bestehende Einzelempfangsrechte bei beweglichen Sachen § 851 BGB und bei unbeweglichen Sachen § 893. Interessengerecht ist daher vielmehr die Annahme von Mitgläubigerschaft158, deren Entstehung sich aus dem Gedanken rechtlicher Unteilbarkeit rechtfertigen lässt159: Da der Substanzschaden bei jedem Gläubiger in voller Höhe eintritt, scheidet eine Befriedigung durch Teilleistungen aus. Der Geldersatzanspruch ist insoweit ebenso unteilbar wie der Anspruch auf Wiederherstellung, an dessen Stelle er tritt. Dieselbe Erwägung weist den richtigen Weg in dem Fall, dass infolge der Verletzung oder Tötung des haushaltsführenden Ehegatten 155 Hinsichtlich des Anspruchs auf Naturalherstellung liegt keine Gesamtgläubigerschaft vor, da es am Merkmal der materiellen Unterordnung eines Anspruchs fehlt. Näher dazu u. 3. Kap. II. 3. a). 156 So MüKo/Wagner § 823 Rn. 150 (für die Konkurrenz Eigentümer–beschränkt dinglich Berechtigter); MüKo/Eickmann § 1134 Rn. 19 (Eigentümer–Hypothekengläubiger); Prütting, Sachenrecht, Rn. 398 (Eigentümer–Anwärter); H. Oppermann, Schadensersatz, S. 110 ff (Eigentümer–berechtigter Besitzer). 157 Zutr. Erman/Ehmann § 428 Rn. 16; Staudinger/Noack § 428 Rn. 97. 158 So auch Medicus/Lorenz, Bd. 2, Rn. 1299; Medicus, AcP 165, S. 142 ff; Erman/ Ehmann § 428 Rn. 16; § 432 Rn. 29; Staudinger/Noack § 428 Rn. 97; Staudinger/Hager § 823 Rn. B 135, B 155; MüKo/Wagner § 823 Rn. 152; Erman/Schiemann § 823 Rn. 38 a. E., Rn. 42 a. E.; BaRo/Spindler § 823 Rn. 80. 159 Bei der Anwartschaft und bei dinglichen Verwertungsrechten wird vielfach auch die Analogie zu § 1281 ins Feld geführt, vgl. Medicus, AcP 165, S. 145; Medicus/Lorenz, Bd. 2, Rn. 1299; Staudinger/Hager § 823 Rn. B 135, B 155 m.w. N.

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der andere Ehegatte und eines oder mehrere unterhaltsberechtigte Kinder als Ersatzberechtigte nach § 844 Abs. 2 nebeneinandertreten. Der Schädiger schuldet hier sämtlichen Familienangehörigen insgesamt einmal die Kosten einer die Haushaltsführung des verletzten oder getöteten Ehegatten ersetzenden Arbeitskraft. Will man diesen Betrag aufteilen, so stößt man in gleichem Maße auf Schwierigkeiten wie bei der Zerlegung und Zuordnung der für alle einheitlich geleisteten Haushaltsführung. Die zugewiesenen Teilbeträge reichten zur Deckung des Individualbedarfs nicht aus160. Diese Unteilbarkeit des Geldersatzanspruchs führt zur Entstehung von Mitgläubigerschaft161. BGH162 und herrschende Lehre163 gehen stattdessen dennoch von Einzelansprüchen aus mit der Besonderheit, dass die Angehörigen auch die Gesamtsumme einklagen und die Bezifferung der Einzelansprüche in das Ermessen des Gerichts stellen können164. Jedenfalls rechtfertigt das Berechnungsproblem entgegen früherer Stimmen165 nicht die Annahme von Gesamtgläubigerschaft. Nicht immer besteht unter den hinterbliebenen Angehörigen eine hinreichende Verbundenheit, die die befreiende Leistung etwa allein an den Familienvater gefahrlos erscheinen ließe166. Vor allem lässt sich den praktischen Schwierigkeiten aber auch durch Anwendung des § 432 beikommen. Ein darüber hinausgehendes schutzwürdiges Interesse des Schuldners, sich durch Leistung an ein einzelnes Familienmitglied zu befreien, ist nicht erkennbar. (2) Rückabwicklung bei Gesamtschuldnern Gesamtgläubigerschaft wird zum Teil für den Bereicherungsanspruch angenommen, wenn mehrere eine Leistung als Gesamtschuldner zu erbringen hatten und später der Rechtsgrund wegfällt167. Doch ist der dieser Ansicht zugrunde liegende Gedanke, dass bei der Rückabwicklung einer Gesamtschuld gleichsam als deren Umkehrung Gesamtgläubigerschaft entstehen müsse, freilich nicht haltbar. Zwar waren die Bereicherungsgläubiger als Gesamtschuldner wechselseitigen Insolvenzrisiken ausgesetzt; daraus folgt aber nicht, dass ihnen im Rahmen 160

Vgl. Medicus, JuS 1980, S. 700 f; Habscheid, JuS 1966, S. 186. Ebenso Medicus a. a. O. Vgl. auch S. Meier, AcP 205, S. 896. 162 BGH, NJW 1953, S. 939; NJW 1972, S. 1130 f; VersR 1973, S. 84 ff; NJW 1979, S. 2155 f, 2156. 163 Rütten, S. 233 f; Erman/Ehmann § 428 Rn. 17; Staudinger/Noack § 428 Rn. 70; MüKo/Wagner § 844 Rn. 45; Soergel/Beater § 844 Rn. 22; Staudinger/Röthel § 844 Rn. 102. 164 BGH, NJW 1972, S. 1716 ff. Dem gegenüber zu Recht kritisch Medicus a. a. O., S. 701 Fn. 45. 165 Habscheid, JuS 1966, S. 186; LG Münster, VersR 1969, S. 166 f, 167. 166 Zutr. gegen Habscheid insow. Rütten, S. 234. 167 So OLG Frankfurt/M, MDR 1982, S. 934 f; Palandt/Grüneberg § 428 Rn. 2; Soergel/Wolf § 428 Rn. 5. 161

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3. Kap.: Die Gesamtgläubigerschaft im geltenden Recht

der Rückabwicklung auch das Verteilungsrisiko der Gesamtgläubigerschaft auferlegt werden kann. Erforderlich hierfür wäre ein überwiegendes Interesse des Vertragspartners an der ungeteilten und gegenüber jedem einzelnen Gläubiger möglichen Erfüllung, für das das in der gesamtschuldnerischen Verpflichtung hervortretende überwiegende Sicherungsinteresse des Vertragspartners keinerlei Indiz enthält. Gläubiger des Bereicherungsanspruchs ist daher auch bei Gesamtschuldnern nur derjenige Schuldner, der geleistet hat oder auf dessen Rechnung geleistet worden ist168. Selbst wenn der Tatbestand der Leistungskondiktion mehrfach verwirklicht ist, indem der leistende Gesamtschuldner zugleich auf Rechnung des Mitschuldners geleistet hat, oder die zu kondizierende Leistung keinem der Gesamtschuldner allein zugeordnet werden kann, führt dies nicht zu Gesamtgläubigerschaft169. Die vorzugswürdige, da das Gläubigerinteresse angemessen berücksichtigende Lösung bildet vielmehr auch hier die Annahme von Mitgläubigerschaft aufgrund rechtlicher Unteilbarkeit. Nichts anderes als beim bürgerlich-rechtlichen Bereicherungsanspruch gilt für den öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch wegen überbezahlter Steuern. So kehrt sich die insbesondere bei zusammenveranlagten Ehegatten bestehende Steuergesamtschuld (§ 44 AO) nicht in eine Gesamtgläubigerschaft hinsichtlich des Steuerstattungsanspruchs170. Es bleibt vielmehr dabei, dass nur derjenige Steuerschuldner die Erstattung fordern kann, auf dessen Rechnung die Zahlung im Sinne des § 37 Abs. 2 S. 1 AO bewirkt worden ist171. Hieran ändert auch § 36 Abs. 4 S. 3 EStG nichts172, dem zufolge bei zusammenveranlagten Ehegatten die Auszahlung an den einen Ehegatten auch für und gegen den anderen Ehegatten wirkt. Nach ihrem eindeutigen Wortlaut trifft diese Vorschrift lediglich eine Regelung über die Empfangszuständigkeit und sagt nichts darüber aus, wer forderungsberechtigt ist. Ihr dennoch ein zusätzliches Forderungsrecht zugunsten des nichtberechtigten Ehegatten zu entnehmen, ginge über den Normzweck, dem Finanzamt im Interesse einer erleichterten Verwaltung die Prüfung der Forde-

168 Vgl. S. Meier, AcP 205, S. 896; Erman/Ehmann § 420 Rn. 10 a. E., § 428 Rn. 20; MüKo/Bydlinsky § 428 Rn. 11 a. E. und insbesondere gegen das OLG Frankfurt/M, das a. a. O. die Gesamtgläubigerschaft aus prozessualen Gründen für erforderlich hält, um Gesamtschuldnern, deren Vollstreckungsgegenklage sich durch Vollstreckung bei einem Gesamtschuldner erledigt hat, den gemeinsamen Übergang zur Bereicherungsklage zu ermöglichen, zutr. Rütten, S. 239: Auch derjenige Schuldner, bei dem nicht vollstreckt worden ist, kann die Kostentragung dadurch abwenden, dass er seine Vollstreckungsgegenklage für erledigt erklärt. 169 Im ersteren Fall für Gesamtgläubigerschaft dagegen Soergel/Wolf § 428 Rn. 5; für den letzteren erwägt die Entstehung von Gesamtgläubigerschaft BGH, NJW 2004, S. 1169 ff, 1171. 170 So aber noch BSG, FamRZ 1984, S. 787 f, 788. 171 Vgl. BFHE 137, S. 146 ff, 148 f; Hübschmann/Hepp/Spitaler/Boeker § 37 AO Rn. 63, 65; Staudinger/Noack § 428 Rn. 72. 172 So aber LG Essen, FamRZ 1987, S. 592 f, 593; Soergel/Wolf § 428 Rn. 5 a. E.

II. Die nichtrechtsgeschäftliche Gesamtgläubigerschaft

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rungsinhaberschaft zu ersparen, hinaus173. Es handelt sich damit zwar um einen Fall, in dem, ähnlich wie in den Fällen der §§ 117 SGB X und 421 Abs. 1 S. 2 HGB, zur Verdeckung der mitunter nur schwer zu klärenden Aktivlegitimation überschießende Empfangsrechte geschaffen werden. Aufgrund der ausschließlich schuldnerbegünstigenden Funktion bildet das Instrument hierzu aber nicht § 428 BGB, sondern eine widerlegbare Legalvermutung, wonach der Empfang der Steuererstattung in einer intakten Ehe der stillschweigenden wechselseitigen Billigung der Ehegatten unterliegt174. (3) Konkurrenz privater Regressnehmer Keine Zweifel sollten heute mehr darüber bestehen, dass die Regelung des § 117 SGB X weder auf die Konkurrenz zwischen mehreren gemäß § 86 Abs. 1 S. 1 VVG regressberechtigten privaten Schadensversicherern noch auf die Konkurrenz zwischen einem Sozialversicherungsträger und einem privaten Versicherer oder sonstigen Privaten, etwa dem nach § 6 Abs. 1 EntgFG regressberechtigten Arbeitgeber, übertragen werden kann. So führt die Mehrheit an Regressberechtigten hier in der Regel schon nicht zu einer übermäßigen Erschwerung der Schuldnerposition. Diese resultiert bei der Konkurrenz von Sozialversicherungsträgern maßgeblich daraus, dass der Forderungsübergang nach § 116 SGB X bereits mit dem schädigenden Ereignis und damit losgelöst von tatsächlich geleisteten Zahlungen eintritt, so dass die Höhe der einzelnen Anteile an der Ersatzforderung von der abstrakten und wandelbaren Größe künftiger Versorgungsansprüche abhängt. Nach den Regressnormen des Privatrechts geht der Ersatzanspruch dagegen erst mit der Auszahlung der Versicherungs- oder sonstigen Ersatzleistung über mit der Folge, dass, sobald es zwischen Privaten zur Konkurrenzlage gekommen ist, die Bestimmung des Größenverhältnisses der Ersatzleistungen ungleich geringeren praktischen Schwierigkeiten unterliegt175. Vor allem ist aber zu bedenken, dass die in § 117 SGB X gewählte Lösung wesentlich durch die weithin gesicherte Liquidität öffentlicher Sozialversicherungsträger veranlasst ist, die dazu führt, dass die mit der Gesamtgläubigerschaft verbundenen Verteilungs- und Veruntreuungsrisiken faktisch nicht ins Gewicht fallen. Bei privaten Regressnehmern fehlt es an dieser Besonderheit, so dass von vergleichbaren Interessenlagen nicht die Rede sein kann176. 173 Vgl. BFHE 137, S. 146 ff, 150; 160, S. 400 ff, 401 f; Hübschmann/Hepp/Spitaler/Boeker § 37 AO Rn. 65; Staudinger/Noack § 428 Rn. 73. 174 Vgl. zu dieser Norminterpretation BFHE 160, S. 400 ff, 402 m.w. N. Auch Erman/Ehmann § 428 Rn. 12. 175 Vgl. BGH, NJW 1966, S. 654 ff, 656. 176 Vgl. BGH a.a.O; Staudinger/Noack § 428 Rn. 86 a. E.; Erman/Ehmann § 428 Rn. 7. I. E. auch BGH, VersR 1980, S. 1072 f; Prölss/Martin § 86 VVG Rn. 29 a. E., wo die Ablehnung von Gesamtgläubigerschaft zwischen Sozialversicherungsträger und privatem Schadensversicherer allein auf die allzu begriffliche Erwägung gestützt wird,

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3. Kap.: Die Gesamtgläubigerschaft im geltenden Recht

(4) Mitberechtigung von Ehegatten aus § 1357 Abs. 1 S. 2 BGB Nach heute ganz herrschender Meinung um einen Fall der Gesamtgläubigerschaft handelt es sich schließlich bei der Mitberechtigung von Ehegatten aus Bedarfsdeckungsgeschäften gemäß § 1357 Abs. 1 S. 2 BGB177. Richtig ist hieran, dass der Funktion des § 1357 und der Mitberechtigung im Besonderen nur die Annahme einer Doppellegitimation entspricht. In seiner ursprünglichen Form hatte § 1357 die Funktion, die üblicherweise erwerbslose Ehefrau in die Lage zu versetzen, die ihr nach § 1356 Abs. 1 i. d. F. bis zum 1. EheRG178 obliegende Haushaltsführung zu besorgen, ohne für die in diesem Rahmen zu tätigenden Geschäfte auf eine Vollmacht des Ehemanns angewiesen zu sein. Zu diesem Zweck wurde gemäß § 1357 Abs. 1 a. F. aus Rechtsgeschäften, die die Ehefrau „innerhalb ihres häuslichen Wirkungskreises“ vornahm, zunächst aufgrund gesetzlich ermöglichter und vermuteter Stellvertretung179 und später kraft gesetzlicher Anordnung180 der Ehemann berechtigt und verpflichtet. Im Gefolge der Aufgabe des Leitbilds der Hausfrauenehe zugunsten einer einvernehmlichen Funktionsteilung unter den Ehegatten (§ 1356 n. F.) wurde § 1357 durch das 1. EheRG erheblich umgestaltet. Aus sämtlichen Geschäften, die ein Ehegatte „zur angemessenen Deckung des Lebensbedarfs der Familie“ besorgt, kommt es seither zur gemeinsamen Berechtigung und Verpflichtung der Ehegatten. Die vom Reformgesetzgeber auch der neuen Fassung des § 1357 Abs. 1 primär zugrunde gelegte Funktion, dem allein mit der Haushaltsführung betrauten Ehegatten die selbständige Erfüllung seiner Aufgabe zu ermöglichen181, droht sich zwar in der Undifferenziertheit dieser Ausgestaltung zu verlieren, insbesondere indem es an einer tatbestandlichen Anknüpfung an die von den Ehegatten getroffene Funktionszuweisung fehlt182; unabhängig davon, ob man als Normzweck daher nur noch den dass es infolge der zu einem früheren Zeitpunkt eintretenden Legalzession zugunsten des Sozialversicherungsträgers an einem gleichzeitigen Rechtsübergang fehle, der aber Voraussetzung für die Entstehung von Gesamtgläubigerschaft sei. 177 So Käppler, AcP 179, S. 284 f; Wacke, FamRZ 1980, S. 15; Gernhuber/CoesterWaltjen, § 19 Rn. 54; Rauscher, Rn. 282; Schlüter, Rn. 89; Schwab, Rn. 181; Dethloff, § 4 Rn. 67; RGRK/Stielow § 1357 Rn. 37; Staudinger/Voppel § 1357 Rn. 78; MüKo/ Roth § 1357 Rn. 41; Soergel/Lange § 1357 Rn. 22; Prütting/Wegen/Weinreich § 1357 Rn. 14; Erman/Gamillscheg § 1357 Rn. 19; BaRo/Hahn § 1357 Rn. 30; Rütten, S. 247 f; Harke, Allgemeines Schuldrecht, Rn. 466; Medicus/Lorenz, Bd. 1, Rn. 836; Looschelders, Rn. 1184; Staudinger/Noack § 428 Rn. 63 ff; JurisPK/Rüßmann § 428 Rn. 12; BaRo/Gehrlein § 428 Rn. 3. 178 Erstes Gesetz zur Reform des Ehe- und Familienrechts vom 14.6.1976 (BGBl. I S. 1421), bzgl. §§ 1356 und 1357 in Kraft getreten am 1.7.1977. 179 So in der Fassung des BGB von 1900. 180 So in der Fassung ab dem Gleichberechtigungsgesetz vom 18.6.1957 (BGBl. I S. 609), in Kraft getreten am 1.7.1958, das als zusätzliche Neuerung eine Ausfallhaftung der Ehefrau einführte (§ 1357 Abs. 1 S. 2 2. Hs a. F.). 181 BT-Drucks. 7/650, S. 98. 182 Vgl. statt vieler Gernhuber/Coester-Waltjen, § 19 Rn. 36.

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Gläubigerschutz anerkennt183 oder der Vorschrift weiterhin auch eine ehebezogene Bedeutung als Mittel zur Stärkung der den Ehegatten zukommenden wirtschaftlichen Handlungsfähigkeit beimisst184, ist es jedoch dabei geblieben, dass die unmittelbar zweckdienende Rechtsfolge des § 1357 einzig in der Verpflichtung des nicht kontrahierenden Ehegatten besteht. Dessen Mitberechtigung ist dagegen weder für die Herstellung der Handlungsfähigkeit noch für den Gläubigerschutz erforderlich. Sie erklärt sich allein als ausgleichende Folge der Mitverpflichtung: Muss der nicht kontrahierende Ehegatte schon ohne sein Zutun gesamtschuldnerisch185 für die vom anderen eingegangenen Verpflichtungen einstehen, so soll er wenigstens auch auf den Vollzug der Gegenleistung Einfluss nehmen können186. Ist aber – wie weithin anerkannt – der Verkehrsschutz zumindest nachgeordneter Zweck des § 1357187, so darf die gesetzlich erzeugte Gläubigermehrheit für den Vertragspartner nicht zum ungeahnten Erfüllungshindernis werden. In jedem Fall muss sich dieser durch Leistung an den vertragsschließenden Ehegatten befreien können. Andererseits verlangt die Funktion der Mitberechtigung als Gegengewicht zur gesetzlich auferlegten Mitverpflichtung eine Stellung des nicht kontrahierenden Ehegatten, die es ihm erlaubt, den Anspruch auf die Gegenleistung selbständig geltend zu machen und einzuziehen. Beiden Anliegen entspricht die Annahme einer Doppellegitimation. Das mit ihr für die Gläubigerseite verbundene Verteilungsrisiko fällt demgegenüber aufgrund der engen persönlichen Verbundenheit unter Ehegatten nicht ins Gewicht188. 183

So Gernhuber/Coester-Waltjen, § 19 Rn. 36 f. So die wohl h. M., vgl. Rauscher, Rn. 274: Herstellung wirtschaftlicher Chancengleichheit zugunsten des haushaltsführenden Ehegatten; Soergel/Lange § 1357 Rn. 2: jeder Ehegatte soll die Bonität des anderen nutzen können. Ähnlich auch etwa Rolland § 1357 Rn. 4; JurisPK/Grandel § 1357 Rn. 1; Ganz, in: Schulz, HK-FamR, § 1357 Rn. 1; Weinreich § 1357 Rn. 3; Erman/Gamillscheg § 1357 Rn. 3 a. E. 185 Statt aller Staudinger/Voppel § 1357 Rn. 77a m.w. N. 186 A. A. wohl allein Staudinger/Voppel § 1357 Rn. 15, 78, der der Mitberechtigung im Rahmen eines Verständnisses des § 1357 als Mittel zur „Verstärkung der Unterhaltsgemeinschaft „Ehe“ mit Außenwirkung“ einen eigenständigen Zweck zuzuweisen sucht. Doch gewinnt es auch insoweit allenfalls symbolische Bedeutung, wenn beiden Ehegatten der „Abruf der Bedarfsleistungen“ (Rn. 19) ermöglicht ist. Eine tatsächliche Sicherung oder auch nur Erleichterung der Bedarfsdeckung bewirkt die Mitberechtigung nicht. Vgl. auch Berger, FamRZ 2005, S. 1131. 187 Vgl. Erman/Gamillscheg § 1357 Rn. 3; Soergel/Lange § 1357 Rn. 2 a. E.; MüKo/ Roth § 1357 Rn. 6; Rauscher, Rn. 274; Schlüter, Rn. 86; Harke, FamRZ 2006, S. 88; auch BT-Drucks. 7/650, S. 98 f („gewisses Interesse an der Sicherheit des Rechtsverkehrs“); BVerfG, NJW 1990, S. 175 f. 188 Unzutr. z. G. Roth, FamRZ 1979, S. 364 ff, der für eine Anwendung des § 432 plädiert mit der Begründung, dass der Vertragspartner das daraus resultierende nur gemeinschaftliche Empfangsrecht der Ehegatten als Kehrseite des durch die Mitverpflichtung vermittelten übersteigerten Gläubigerschutzes hinnehmen müsse. I. E. ebenso Büdenbender, FamRZ 1976, S. 667 f; Lüke, AcP 178, S. 20. Letztlich bedeutete diese Lösung, einen (vermeintlich) ungerechtfertigten Vorteil des Vertragspartners mit einem noch grundloseren Nachteil auszugleichen – eine der Sachgerechtigkeit der Norm wenig zuträgliche Vorgehensweise. 184

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3. Kap.: Die Gesamtgläubigerschaft im geltenden Recht

Aus der Qualifikation der Mitberechtigung als Doppellegitimation folgt jedoch nicht notwendig das Vorliegen von Gesamtgläubigerschaft. Der Wortlaut des § 1357 Abs. 1 S. 2, der nur bestimmt, dass aus Bedarfsdeckungsgeschäften „beide Ehegatten berechtigt und verpflichtet werden“, gibt eine bestimmte rechtliche Gestalt nicht vor. Und da es sich anders als in den vorherigen Fällen nicht um die Ausgestaltung einer materiellen Gläubigermehrheit handelt, sondern um eine zusätzliche Legitimation, die das Gesetz nur zu dem Zweck begründet, dem nichtkontrahierenden Ehegatten die prozessuale Geltendmachung der Gegenleistung zu ermöglichen, kommt neben Gesamtgläubigerschaft auch eine Auslegung als bloße gesetzliche Einziehungsermächtigung in Betracht. Mehrere Gesichtspunkte sprechen denn auch gegen die Annahme von Gesamtgläubigerschaft und für letztgenannte Lösung. Anders als die gesetzlichen Doppellegitimationen der §§ 117 SGB X und 421 Abs. 1 S. 2 HGB, die einzelne vertragliche oder deliktische Schadensersatzansprüche zum Gegenstand haben, führt § 1357 typischerweise zu einer Gläubigermehrheit im Vertragsverhältnis als Schuldverhältnis im weiteren Sinne. Die Frage der Rechtsnatur der Mitberechtigung erschöpft sich daher nicht in der Bestimmung der Forderungszuständigkeit und der aus ihr hervorgehenden Verfügungsbefugnisse. Vielmehr bedarf es auch der Zuweisung solcher sekundärer Handlungsbefugnisse, die der Sphäre der Vertragszuständigkeit entstammen, so vor allem der Befugnis zur Vornahme gestaltender Rechtsgeschäfte wie Kündigung, Rücktritt, Widerruf oder Anfechtung. Im Ergebnis kann dabei für sämtliche sekundären Handlungsbefugnisse nichts anderes gelten als für die Erfüllungszuständigkeit: Der Vertragspartner, der durch § 1357 bessergestellt werden soll und der von der Mitberechtigung meist nichts weiß, muss sich auf die umfassende Geltung der von seinem Gegenüber getroffenen Dispositionen verlassen können. Jedenfalls dem kontrahierenden Ehegatten muss daher die Befugnis zukommen, jede das Vertragsverhältnis betreffende Rechtshandlung allein und mit Gesamtwirkung vorzunehmen. Die herrschende Meinung wandelt aus diesem Grund das Rechtsfolgenregime der Gesamtgläubigerschaft dahingehend ab, dass beide Ehegatten nicht nur hinsichtlich der Einziehung und des Empfangs der Leistung, sondern auch hinsichtlich sekundärer Rechtshandlungen unbeschränkt einzelzuständig sind. Die Einzelwirkung nach § 425 werde durch die dem Normzweck des § 1357 entsprechende Gesamtwirkung verdrängt189. Doch wird diese Lösung dem Verkehrsschutzgedanken nur unvollkommen gerecht. Für den Vertragspartner bliebe es so bei der Ungewissheit über das Vorliegen eines Geschäfts nach § 1357, soweit ihm der nichtkontrahierende Ehegatte handelnd gegenübertritt. Vorzugswürdig ist es daher, die Handlungsbefugnisse beim vertragsschließenden Ehegatten zu konzentrieren190. Diese Gestalt der Mit-

189 Dethloff, § 4 Rn. 68; Staudinger/Voppel § 1357 Rn. 79 f; Rauscher, Rn. 282; Schwab, Rn. 185; MüKo/Roth § 1357 Rn. 41; RGRK/Stielow § 1357 Rn. 36; BaRo/ Hahn § 1357 Rn. 27, 30; Erman/Gamillscheg § 1357 Rn. 19.

II. Die nichtrechtsgeschäftliche Gesamtgläubigerschaft

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berechtigung lässt sich jedoch dogmatisch nur in der Weise abbilden, dass § 1357 Abs. 1 in Person des nichtkontrahierenden Ehegatten eine bloße Einziehungsermächtigung erzeugt, die sich zur Forderung des Vertragsschließenden als ihrem „Stammrecht“ akzessorisch verhält191. Damit ist die ausschließliche Handlungszuständigkeit des vertragsschließenden Ehegatten auch für Gestaltungsrechte hergestellt, da der nichtkontrahierende Ehegatte angesichts seiner nur abgeleiteten Legitimation nicht Vertragspartei wird; eine Beteiligung mehrerer am Vertragsverhältnis im Sinne des § 351 findet nicht statt192. Dabei widerspricht die Annahme einer Einziehungsermächtigung auch nicht der Funktion der Mitberechtigung als Gegengewicht zur automatischen Mitverpflichtung. Mit der Befugnis zur selbständigen Geltendmachung und Entgegennahme der Leistung bleiben dem nichtkontrahierenden Ehegatten die wesentlichen Instrumente zur Durchsetzung der Gegenleistung erhalten. Im Übrigen erlaubt die Qualifikation als akzessorische Berechtigung den Rückgriff auf allgemeine Akzessorietätsregeln, so dass der nichtkontrahierende Ehegatte die Leistung analog §§ 768, 770 verweigern kann, solange dem Vertragsschließenden die Berufung auf eine Einrede oder ein Gestaltungsrecht offensteht193. Auch unter prozessualen Gesichtspunkten führte die Gesamtgläubigerschaft im Rahmen des § 1357 dagegen nicht zu sachgerechten Ergebnissen. Zwar handelt es sich wie in den §§ 117 SGB X und 421 Abs. 1 S. 2 HGB um eine unabhängig vom Parteiwillen begründete Doppellegitimation. Aufgrund der unter Ehegatten bestehenden engen persönlichen und wirtschaftlichen Verbundenheit sind ihnen Gesamtwirkungen jedoch in größerem Umfang zumutbar als den Gläubigern in jenen Fällen, weshalb vor allem die Abwägung im Hinblick auf Prozess- und Urteilswirkung abweichend vorzunehmen ist. Es liefe der Verkehrsschutzfunktion des § 1357 zuwider, müsste sich der Vertragspartner infolge der Mitberechtigung unter Umständen mehrfach zur Sache einlassen, während auf Seiten der Ehegatten die doppelte Klagemöglichkeit aus Bedarfsdeckungsgeschäften ein kaum zu rechtfertigendes Privileg darstellte194. Die Ermächtigungslösung vermeidet dieses Ergebnis, indem im Verhältnis zwischen Rechtsinhaber und Prozessstandschafter sowohl Rechtshängigkeit als auch

190 So auch Gernhuber/Coester-Waltjen, § 19 Rn. 55; Berger, FamRZ 2005, S. 1132 ff; Medicus, JuS 1980, S. 703. 191 Ebenso Berger a. a. O.; S. Meier, AcP 205, S. 891. Annäherungsweise auch Gernhuber/Coester-Waltjen a. a. O. 192 Vgl. Berger a. a. O., S. 1134. 193 Berger, S. 1132 f. 194 Ebenso Wacke, FamRZ 1980, S. 15; S. Meier, AcP 205, S. 890; Berger, S. 1133. Die h. M. sucht dieser Konsequenz zum Teil zu entgehen, indem sie die in § 1357 enthaltene Ermächtigung auf die Prozessführung erstreckt: Wacke a. a. O.; RGRK/Stielow § 1357 Rn. 38; MüKo/Roth § 1357 Rn. 54. Ausgehend von Gesamtgläubigerschaft folgerichtig für Einzelwirkung des Urteils dagegen Rütten, S. 245; Staudinger/Voppel § 1357 Rn. 83; Soergel/Lange § 1357 Rn. 20.

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3. Kap.: Die Gesamtgläubigerschaft im geltenden Recht

Rechtskraft Gesamtwirkung entfalten195. Sie ist nach alledem im Fall des § 1357 der Annahme von Gesamtgläubigerschaft vorzuziehen. c) Rechtsfolgen und dogmatische Struktur Die Erwägung, die in den Fällen der §§ 117 SGB X und 421 Abs. 1 S. 2 HGB zu einer Beschränkung der den Gesamtgläubigern zukommenden Einzelverfügungsbefugnisse führte, trifft in gleicher Weise auf die hier anerkannten ungeschriebenen Fälle der Gesamtgläubigerschaft zu: Da die Gesamtgläubigerschaft nicht durch Gläubigerdisposition begründet wird, fehlt es an der gegenseitigen Zuweisung überschießender Rechtsmacht als Anknüpfungspunkt der in den §§ 429 Abs. 3 S. 1, 422, 423 BGB bestimmten Einzelverfügungsbefugnisse, die daher nur so weit reichen können, wie sie der objektive Zweck der Doppellegitimation verlangt. Der Zweck der Gesamtgläubigerschaft erschöpft sich aber im Wesentlichen darin, dem Schuldner trotz bestehender Gläubigermehrheit die ungeteilte Erfüllung gegenüber nur einem Gläubiger zu ermöglichen. Sowohl bei der gemeinsamen Kostenfestsetzung für Streitgenossen als auch beim Übergang der Mietzinsforderung auf mehrere Teilerwerber nach § 566 läge die Befugnis der Gläubiger, auch durch aufhebende Verfügungen wie Erlass oder Novation über die ganze Leistung zu disponieren, abseits der durch die Gesamtgläubigerschaft zu lösenden praktischen Probleme. Ebenso wie in den Fällen der §§ 117 SGB X und 421 Abs. 1 S. 2 HGB ist die Verweisung des § 429 Abs. 3 S. 1 daher in der Weise teleologisch zu reduzieren, dass jeder Gläubiger nur über seinen Innenanteil an der Leistung verfügen kann, und ebenso wie in jenen Fällen eignet sich zur Erklärung der verbleibenden anteiligen Gesamtwirkungen sodann der Gesichtspunkt der materiellen Unterordnung der überschießenden Forderungen unter das durch sie zu verwirklichende Drittinteresse, wie er in noch stärkerer Ausprägung bei der Drittschadensliquidation zutage tritt. Stimmen die ungeschriebenen Fälle der Gesamtgläubigerschaft aber insoweit nach Rechtsfolgen und dogmatischer Struktur mit den gesetzlichen Modellfällen überein, so können sie aus systematisierender Sicht ohne weiteres der anhand der Letzteren entwickelten Kategorie der nichtrechtsgeschäftlichen Gesamtgläubigerschaft zugeordnet werden, die sich nach dem Vorangegangenen vor allem im Grund und im Umfang der Einzelverfügungsbefugnisse, aber auch hinsichtlich des Bestehens vollstreckungsrechtlicher Interventionsrechte vom Gegenstück der vertraglichen Gesamtgläubigerschaft unterscheidet.

195

Vgl. Berger, S. 1133.

II. Die nichtrechtsgeschäftliche Gesamtgläubigerschaft

183

3. Dogmatische Abgrenzung der Gesamtgläubigerschaft a) Die materielle Unterordnung als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal Der Grund der anteiligen Verfügungsbefugnisse nichtrechtsgeschäftlicher Gesamtgläubiger bestimmt zugleich die tatbestandliche Grenze der nichtrechtsgeschäftlichen Gesamtgläubigerschaft. So genügt es für die hier vertretene eingeschränkte Anwendung des § 429 Abs. 3 S. 1 BGB nicht, wenn entsprechend der Vorgaben des § 428 S. 1 Forderungen mehrerer Gläubiger gegen denselben Schuldner in der Weise aufeinandertreffen, dass der Schuldner durch die einmalige Leistung frei wird. Vielmehr muss zwischen den konkurrierenden Forderungen gerade auch das Verhältnis materieller Unterordnung bestehen, das sich daraus ergibt, dass eine Forderung ganz oder zum Teil nur die Verwirklichung der anderen zum Zweck hat. Damit fallen all diejenigen – nachfolgend noch im Einzelnen zu beleuchtenden – Konstellationen aus dem Begriff der nichtrechtsgeschäftlichen Gesamtgläubigerschaft, in denen zwar mehrere Gläubiger vom Schuldner dieselbe, nur einmal zu erbringende Leistung fordern können, es aber am Verhältnis materieller Unterordnung fehlt, da jede Forderung in voller Höhe der Verwirklichung eines selbständigen Gläubigerinteresses dient. Auf diesen gemeinsamen Nenner lassen sich die Fälle bringen, die man in der Pandektistik als aktive Solidarobligationen (i. e. S.)196 und in der älteren Lehre zum BGB als Fälle „unechter Gesamtgläubigerschaft“ 197 dem Gesamtgläubigerbegriff mit der Einschränkung zuordnete, dass anders als bei eigentlichen Gesamtgläubigern eine Befugnis zur Verfügung über das Forderungsrecht des anderen nicht stattfinde. Heute werden diese Fälle, begünstigt durch die zu weit gehende Korrektur des § 429 Abs. 3 S. 1 der herrschenden Lehre198, zum Teil gar ohne Vorbehalt zur Gesamtgläubigerschaft gestellt199. Richtigerweise sind sie aber von der Gesamtgläubigerschaft gänzlich zu trennen. Das Rechtsfolgenregime der §§ 429 und 430 gibt für sie nichts her. Die Gewährung auch nur beschränkter Einzelverfügungsbefugnisse wäre dort ebenso unpassend wie der vermutete Innenausgleich, während dem im Übrigen geltenden Grundsatz der Einzelwirkung (§ 425) allenfalls deklaratorische Bedeutung zukäme200. Die Identifizierung dieser Fälle mit der Gesamtgläubigerschaft bildet denn auch den Hauptanlass der eingangs erwähnten, begründeten Sorge Ehmanns201, der Gesamtgläubigerbegriff könne zu einer weitgehend konsequenzlosen „Adresse“ verkommen, unter der nurmehr „in ei196

Vgl. o. 2. Kap. III. 1. b). So Loewe, KGBl 22 (1911), S. 29 f; Planck/Siber § 428 Anm. 3; Rud. Schmidt, Jb Dogmatik 36 (1922), S. 103 ff; Staudinger12 /Kaduk § 428 Rn. 22. Vgl. auch Hellwig, Anspruch und Klagrecht, S. 194 ff. 198 Vgl. o. 2. Kap. II. 1. c) cc) u. III. 2. c). 199 So insb. von Selb, Mehrheiten, S. 249. 200 Vgl. auch S. Meier, AcP 205, S. 893; Rütten, S. 177. 201 Erman/Ehmann § 428 Rn. 3. 197

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3. Kap.: Die Gesamtgläubigerschaft im geltenden Recht

nem Kommentar die Kasuistik aufgelistet wird“, und seines daran geknüpften Appells, das Bemühen um eine tatbestandliche Konkretisierung fortzusetzen. Die materielle Unterordnung als von Rechtsfolgenseite vorgegebenes, ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal vermag diese Konkretisierung zu leisten. b) Folgen: Die auszuscheidenden Fälle im Einzelnen aa) Mehrere Gläubiger einer Leistung, die automatisch allen zugute kommt Keine nichtrechtsgeschäftliche Gesamtgläubigerschaft liegt vor, wenn ein Schuldner entweder kraft Gesetzes oder aus unterschiedlichen Rechtsgründen gegenüber mehreren Gläubigern zu einer Leistung verpflichtet ist, die in ihrer subjektiven Ausrichtung feststeht, so dass der Schuldner, sobald er die Leistung einmal erbringt, automatisch gegenüber allen Gläubigern erfüllt. Einen gesetzlichen Fall dieser Art enthält § 525 Abs. 2 BGB. Nach dieser Vorschrift kann bei einer Schenkung unter Auflage nach dem Tod des Schenkers auch die zuständige Behörde die Vollziehung der Auflage verlangen, wenn die Vollziehung im öffentlichen Interesse liegt. Die Behörde erhält damit einen eigenen Vollziehungsanspruch, der selbständig neben den auf den Erben des Schenkers übergegangenen Vollziehungsanspruch nach § 525 Abs. 1 tritt202. In gleicher Weise erzeugt § 2194 bei Auflagen in letztwilligen Verfügungen die Situation konkurrierender Vollziehungsansprüche, wenn die Vollziehung im öffentlichen Interesse liegt (S. 2) oder von vornherein mehrere Vollziehungsberechtigte vorhanden sind, weil der Wegfall des mit der Auflage Beschwerten mehreren Personen nach S. 1 unmittelbar zustatten kommen würde203. Aus unterschiedlichen Rechtsgründen werden dagegen Gläubiger in der eingangs genannten Weise berechtigt, wenn sich etwa ein Schuldner gegenüber mehreren Personen zu derselben Unterlassung verpflichtet – so z. B. im Rahmen eines Wettbewerbsverbots – oder ein Werkunternehmer mehreren Bestellern aus unabhängigen Werkverträgen die Beseitigung desselben Mangels schuldet – so etwa der Bauunternehmer gegenüber Wohnungseigentümern wegen Mängeln am Gemeinschaftseigentum204 – oder mehrere durch dasselbe Ereignis identisch Geschädigte vom Schädiger aus unterschiedlichen Rechtsgründen Wiederherstellung verlangen können.

202

Vgl. Staudinger/Wimmer-Leonhardt § 525 Rn. 45; MüKo/J. Koch § 525 Rn. 15. Für gesetzliche Gesamtgläubigerschaft in beiden Fällen Hellwig, Anspruch und Klagrecht, S. 194 f; Enneccerus/Lehmann, S. 365; Dernburg, Bürgerliches Recht, Bd. 2/1, S. 430 Fn. 2; Selb, Mehrheiten, S. 249; MüKo3 /Selb § 428 Rn. 3; BaRo/Gehrlein § 428 Rn. 3. 204 Insoweit für Gesamtgläubigerschaft BGHZ 74, S. 258 ff, 265; KG, NJW 1976, S. 522; Soergel/Wolf § 428 Rn. 5; Palandt/Grüneberg § 428 Rn. 3; BaRo/Gehrlein § 428 Rn. 2. 203

II. Die nichtrechtsgeschäftliche Gesamtgläubigerschaft

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Üblicherweise wird zur Begründung des Ausschlusses dieser Fälle aus der Gesamtgläubigerschaft angeführt, dass hier entgegen § 428 S. 1 a. E. der Schuldner nicht nach seinem Belieben an jeden der Gläubiger leisten könne205. Doch ist der Verweis auf das Fehlen konkurrierender Empfangsrechte vom hier vertretenen Standpunkt nur vordergründiger Natur. So unterscheiden sich die vorliegenden Fälle schon dadurch von der nichtrechtsgeschäftlichen Gesamtgläubigerschaft, dass jedem der nebeneinanderstehenden Forderungsrechte ein selbständiges Gläubigerinteresse an der Leistung zugrunde liegt. Dass etwa im Rahmen der §§ 525 und 2194 der eine Vollziehungsberechtigte nicht auf den Vollziehungsanspruch des anderen verzichten oder mit Gesamtwirkung anstatt der Vollziehung eine andere Leistung annehmen könnte, ist allseits anerkannt206; und umso weniger wären solche Wechselwirkungen statthaft, wo die Forderungen unabhängigen Rechtsgründen entstammen207. Es fehlt jeweils schon an dem für die nichtrechtsgeschäftliche Gesamtgläubigerschaft konstitutiven Merkmal der materiellen Unterordnung, das eine zumindest partielle Ausrichtung der Forderungen auf das Mitgläubigerinteresse verlangt. Gleichwohl soll das für die vertragliche Gesamtgläubigerschaft bereits bejahte208 Erfordernis konkurrierender Empfangsrechte bei der nichtrechtsgeschäftlichen Gesamtgläubigerschaft nicht etwa zugunsten des Tatbestandsmerkmals der materiellen Unterordnung verworfen werden. Dieselbe strukturelle Voraussetzung gilt auch hier, wenn auch nur als Konsequenz aus der materiellen Unterordnung: Handelt es sich um eine in ihrer subjektiven Ausrichtung festgelegte Leistung, so hat die Begründung zusätzlicher, lediglich formeller Legitimationen keinen rechten Sinn. Eine Erleichterung der Abwicklung und insbesondere eine Erleichterung der Erfüllung für den Schuldner wird hierdurch nicht erzielt, da die Leistungsrichtung stets dieselbe ist und es zu einer Lage der Ungewissheit über den richtigen Leistungsempfänger nicht kommen kann. Eine Vermehrung der Forderungen tritt deshalb in diesen Fällen nur als Folge des Umstands ein, dass mehrere Personen am Vollzug der Leistung ein selbständiges Interesse haben. Dann aber mangelt es an der gegenseitigen materiellen Unterordnung der Forderungen als Voraussetzung nichtrechtsgeschäftlicher Gesamtgläubigerschaft209. 205 So Rud. Schmidt, Jb Dogmatik 36 (1922), S. 104; Weigelin, LZ 20 (1926), Sp. 1300; Oertmann Vorbem. §§ 420 ff Anm. 3.b.; de Boor, S. 96 f Fn. 130; Leonhard, S. 714 ff; Kreß, S. 606 f; Larenz, Schuldrecht AT, S. 567 Fn. 11; Medicus, JuS 1980, S. 702; Staudinger12 /Kaduk § 428 Rn. 15; S. Meier, AcP 205, S. 893 f. I. E. gegen Gesamtgläubigerschaft auch Rütten, S. 178 ff, 236; Erman/Ehmann § 428 Rn. 15 f; Staudinger/Noack § 428 Rn. 39, 43, 60. 206 MüKo/J. Koch § 525 Rn. 15; Staudinger/Wimmer-Leonhardt § 525 Rn. 45; BaRo/Gehrlein § 525 Rn. 6; Soergel/Dieckmann § 2194 Rn. 11 a.E; Staudinger/Otte § 2194 Rn. 13 a.E; Hellwig, Anspruch und Klagrecht, S. 195. 207 Vgl. Erman/Ehmann § 428 Rn. 16; Rütten, S. 179 f. 208 Vgl. o. 3. Kap. I. 3. 209 Nur scheinbar zu der hier behandelten Fallgruppe gehören die Fälle sog. Massenleistungen: Das Busunternehmen schuldet mehreren Personen dieselbe Transportleis-

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3. Kap.: Die Gesamtgläubigerschaft im geltenden Recht

bb) § 10 Abs. 1, 3 UWG Gemäß § 10 Abs. 1 UWG in der Fassung seit der UWG-Novellierung210 kann ein Wettbewerber, der einen Wettbewerbsverstoß nach § 3 UWG begeht und dadurch zu Lasten einer Vielzahl von Abnehmern einen Gewinn erzielt, von den nach § 8 Abs. 3 Nr. 2 bis 4 UWG zur Geltendmachung eines Unterlassungsanspruchs berechtigten Verbänden auf Herausgabe des Gewinns an den Bundeshaushalt in Anspruch genommen werden. Für den Fall, dass mehrere Verbände den Anspruch nach Abs. 1 geltend machen, verweist Abs. 3 dabei ausdrücklich auf die §§ 428 bis 430 BGB. Aus diesem Grund wird § 10 Abs. 1, 3 UWG gemeinhin zu den Fällen gesetzlicher Gesamtgläubigerschaft gestellt211. Dieser Einordnung ist zu widersprechen. Zwar ist in der Literatur nicht abschließend geklärt, ob den aktivlegitimierten Verbänden neben ihren Einzelklagrechten auch konkurrierende Empfangsrechte zukommen. So findet sich entgegen dem Wortlaut des § 10 Abs. 1 und entgegen dem wohl herrschenden Standpunkt212 die Ansicht, dass der erzielte Gewinn vom Zuwiderhandelnden nicht unmittelbar an den Bundeshaushalt, sondern zunächst an den klagenden Verband herauszugeben sei und erst von diesem an den Bundeshaushalt abgeführt werde213. Unabhängig davon scheitert die Qualifikation als Gesamtgläubigerschaft aber jedenfalls am Merkmal der materiellen Unterordnung. Zweck des Gewinnabschöpfungsanspruchs ist, eine lauterkeitsrechtliche Sanktionierung und Gewinnentziehung auch in Fällen sog. Streuschäden zu gewährleisten, die eine Vielzahl von Abnehmern in jeweils nur geringfügigem Ausmaß treffen und daher von den einzelnen Geschädigten regelmäßig nicht verfolgt werden214. Dem Bundeshaushalt als öffentlichem Empfänger der geschuldeten Leistung entspricht insoweit das öffentli-

tung, der Konzertveranstalter mehreren dieselbe Konzertvorstellung. Hier scheitert die Annahme von Gesamtgläubigerschaft schon an der Voraussetzung des § 428 S. 1, dass der Schuldner die Leistung nur einmal zu bewirken verpflichtet ist. Denn wenn auch in diesen Fällen typischerweise alle Ansprüche durch einen einheitlichen tatsächlichen Vorgang – so die Busfahrt bzw. die Konzertvorstellung – erfüllt werden, hat rechtlich doch jeder Gläubiger einen Anspruch gerade auf Leistung an sich, der nicht etwa durch die Leistung an einen anderen Gläubiger – so die Beförderung eines anderen oder die Konzertvorstellung für einen anderen – getilgt werden könnte. Es liegen kumulierte Forderungen vor. Zutr. de Boor, S. 97 Fn. 130; Rütten, S. 180; S. Meier, AcP 205, S. 881 f; Staudinger/Noack § 428 Rn. 44; Soergel/Wolf § 428 Rn. 7; Erman/Ehmann § 428 Rn. 15. A. A. das KG, das die Fahrgäste eines öffentlichen Fuhrwerks als Gesamtgläubiger bezeichnete, vgl. OLGE 23, S. 45. 210 In Kraft getreten am 8.7.2004. 211 Erman/Ehmann § 428 Rn. 3; Palandt/Grüneberg § 428 Rn. 2; Harke, Allgemeines Schuldrecht, Rn. 466. 212 Piper/Ohly § 10 UWG Rn. 15; MüKoUWG/Micklitz § 10 Rn. 184; Boesche, Rn. 69. 213 So Mönch, ZIP 2004, S. 2036; Wimmer-Leonhardt, GRUR 2004, S. 19 Fn. 91; wohl auch Halfmeier, S. 127. 214 Vgl. BT-Drucks. 15/1487, S. 23; Piper/Ohly § 10 UWG Rn. 1.

II. Die nichtrechtsgeschäftliche Gesamtgläubigerschaft

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che Anliegen einer effektiven Durchsetzung des Lauterkeitsrechts als Anspruchszweck, in dessen Interesse die legitimierten Verbände gleichsam als „verlängerte Arme“ des Staates215 tätig werden. Sind die Klagrechte aber in dieser Weise auf ein einheitliches Drittinteresse gerichtet, so scheidet ein Verhältnis gegenseitiger materieller Unterordnung aus. Kaum beabsichtigt § 10 Abs. 3 UWG, den im öffentlichen Interesse liegenden Gewinnabschöpfungsanspruch zur Disposition des einzelnen Verbands zu stellen. Eben hierzu käme es aber, würde man die Verweisung auf die §§ 428 bis 430 BGB wörtlich nehmen. Zu Recht wird die Verweisung des § 10 Abs. 3 UWG denn auch als weitgehend unbrauchbar angesehen216. Sie enthält vor dem Hintergrund des Gesagten ihrem Wortlaut gemäß („gelten entsprechend“) nur eine Rechtsfolgenanalogie, von der jedenfalls § 429 Abs. 3 S. 1, soweit er auf die §§ 422 Abs. 1 S. 2 und 423 verweist, und § 430 auszunehmen ist217. Eine regelrechte Gesamtgläubigerschaft findet nicht statt. cc) Forderungs- und Haftungskollisionen Auf vielfältigen Wegen kann es dazu kommen, dass mehrere Gläubiger von einem Schuldner aus unterschiedlichen Rechtsgründen Herausgabe derselben Sache verlangen können. In dieser Weise konkurriert etwa der schuldrechtliche Herausgabeanspruch des nichtberechtigten Vermieters (§ 546 Abs. 1 BGB), Verleihers (§ 604 Abs. 1), in Verwahrung Gebenden (§ 695), Verpfänders (§ 1223) oder Verkäufers nach dem Rücktritt des Käufers, der wegen § 935 kein Eigentum erwerben konnte (§ 346 Abs. 1), mit dem dinglichen Herausgabeanspruch des Eigentümers (§ 985), der Herausgabeanspruch des Eigentümers gegen den Finder mit den Herausgabeansprüchen anderer dinglich Berechtigter, so des Nießbrauchers (§ 1065), Pfandgläubigers (§ 1227) und früheren Besitzers (§ 1007), und der Herausgabeanspruch des Verpfänders bei dauerhafter Einrede gegen das Pfandrecht (§ 1254 S. 1) mit dem entsprechenden Anspruch des Eigentümers (§ 1254 S. 2). Es handelt sich jeweils um Forderungskollisionen218, wie sie schon Windscheid anhand des Falles der Noxalhaftung der Gesamtgläubigerschaft nahebrachte219: Die Erfüllung der einen Forderung macht es dem Schuldner ganz oder teilweise unmöglich, der anderen zu entsprechen220. Vielfach werden diese Kolli215

So die treffende Umschreibung von Boesche, Rn. 69. Boesche, Rn. 69; MüKoUWG/Micklitz § 10 Rn. 184. 217 So auch Köhler/Bornkamm § 10 UWG Rn. 18; Piper/Ohly § 10 UWG Rn. 15. 218 Zum Begriff Gernhuber, Schuldverhältnis, S. 55. 219 Vgl. o. 2. Kap. III. 1. b) bei Fn. 312. 220 Für (unechte) Gesamtgläubigerschaft in diesen Fällen Rud. Schmidt, Jb Dogmatik 36 (1922), S. 106 ff; Planck/Siber § 428 Anm. 3; Staudinger12 /Kaduk § 428 Rn. 22; für das Verhältnis des Eigentümers und anderweitig Berechtigten zum Finder Staudinger/ Gursky § 969 Rn. 3; Erman/Ebbing § 969 Rn. 1; BaRo/Kindl § 969 Rn. 1 a. E.; Staudinger/Noack § 428 Rn. 98; für § 1254 Staudinger/Wiegand § 1254 Rn. 6; Erman/Michalski § 1254 Rn. 3; Soergel/Habersack § 1254 Rn. 3. 216

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3. Kap.: Die Gesamtgläubigerschaft im geltenden Recht

sionen in Rechtsprechung und Literatur dadurch aufgelöst, dass einem der Herausgabeansprüche der Vorrang eingeräumt wird, insbesondere indem man dem nachrangig berechtigten Gläubiger nur das Recht zugesteht, Herausgabe an den vorrangig Berechtigten zu verlangen221. Dann steht der Annahme von nichtrechtsgeschäftlicher Gesamtgläubigerschaft schon rein äußerlich das Fehlen konkurrierender Empfangsrechte entgegen222. Doch liegt Gesamtgläubigerschaft auch dann nicht vor, wenn sich das Verhältnis so gestaltet, dass der Schuldner bei Leistung an einen beliebigen Gläubiger infolge Unmöglichkeit gegenüber sämtlichen Gläubigern frei wird. Da jeder Herausgabeanspruch auf einen eigenen Zweck und auf ein selbständiges Gläubigerinteresse gerichtet ist, mangelt es auch hier am Merkmal der materiellen Unterordnung223. Aus dem nämlichen Grund ist Gesamtgläubigerschaft auch nicht gegeben, wenn die Leistung des Schuldners an einen Gläubiger deshalb zum Erlöschen auch anderer gegen ihn gerichteter Forderungen führt, weil die Haftung des Schuldners für die Forderungen summenmäßig beschränkt ist, sog. Haftungskollision. Einen Fall dieser Art, der in der älteren Literatur häufig als Gesamtgläubigerschaft angesehen wurde224, enthält § 93 Abs. 5 S. 1 AktG. Nach dieser Vorschrift kann der Schadensersatzanspruch, der einer Aktiengesellschaft gemäß Abs. 2 gegen ihr Vorstandsmitglied zusteht, auch von den Gläubigern der Gesellschaft geltend gemacht werden, soweit diese von der Gesellschaft keine Befriedigung erlangen können. Nach inzwischen ganz herrschender Auffassung kommt es damit unter den Voraussetzungen des § 93 Abs. 5 S. 1 AktG zu einer beschränkten persönlichen Außenhaftung des Vorstandsmitglieds: Jeder Gesellschaftsgläubiger kann das Vorstandsmitglied wegen der ihm zustehenden Forderung bis zur Höhe des Schadensersatzanspruchs unmittelbar auf Leistung an sich

221 Bei der Konkurrenz zwischen Eigentümer und Nießbraucher etwa kann nach überwiegender Ansicht der Eigentümer nur Herausgabe an den Nießbraucher verlangen, vgl. Staudinger/Frank § 1065 Rn. 9; Erman/Michalski § 1065 Rn. 1; MüKo/Pohlmann § 1065 Rn. 7. Für das Verhältnis des Eigentümers und des obligatorisch Berechtigten, der gegenüber dem Eigentümer ein Besitzrecht hat, zum Finder oder Dieb wird vielfach eine Analogie zu § 986 Abs. 1 S. 2 angenommen, so dass der Eigentümer grundsätzlich nur Herausgabe an den obligatorisch Berechtigten fordern kann, vgl. RGZ 105, S. 19 ff, 21 ff; MüKo/Baldus § 986 Rn. 36; Erman/Ebbing § 986 Rn. 30; Palandt/Bassenge § 986 Rn. 8 a. E.; Gernhuber, Schuldverhältnis, S. 61 Fn. 91. Zum Streitstand bezüglich der Konkurrenz zwischen dinglich und obligatorisch Berechtigtem i. Ü. Müller-Laube, AcP 183, S. 215 ff m.w. N. 222 Das Eigeninteresse des nachrangig Berechtigten an seiner Forderung ergibt sich dabei aus dessen Überlassungs- oder Verschaffungspflicht gegenüber dem vorrangig Berechtigten, die durch die Herausgabe an diesen erfüllt wird. 223 I. E. gegen Gesamtgläubigerschaft auch de Boor, S. 89 ff, 95 ff; Leonhard, S. 715 f; Kreß, S. 615 Fn. 1; Gernhuber, Schuldverhältnis, S. 55 f; Müller-Laube, AcP 183, S. 229 f; S. Meier, AcP 205, S. 893; Erman/Ehmann § 428 Rn. 14. Offen gelassen von Rütten, S. 177. 224 Nachweise bei Mertens, in: Biedenkopf, KölnKommAkt, § 93 Rn. 67.

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in Anspruch nehmen225. Selbst wenn sich das Vorstandsmitglied daraufhin sowohl durch Leistung an die Gesellschaft als auch durch Leistung an einen Gesellschaftsgläubiger von seiner Haftung und damit von sämtlichen Ansprüchen befreien kann, handelt es sich hier ebenso wenig um Gesamtgläubigerschaft wie im vergleichbaren Fall der Kommanditistenhaftung gemäß § 171 HGB226. Denn sowohl die Gesellschaft als auch jeder einzelne Gesellschaftsgläubiger verfolgt mit seinem Anspruch gegen den beschränkt Haftenden ein eigenes, nicht der Disposition des anderen unterliegendes227 Interesse, was sich mit dem Erfordernis materieller Unterordnung nicht verträgt228. dd) Mehrheit an ausgleichsberechtigten und -verpflichteten Gesamtschuldnern Der Haftungskollision nahe steht bei richtiger Handhabung der vom RG229 als Gesamtgläubigerschaft behandelte Fall, dass mehrere gemäß § 426 Abs. 1 BGB ausgleichsberechtigte Gesamtschuldner mehreren ausgleichspflichtigen gegenüberstehen. Theoretisch kommen für diese Konstellation drei verschiedene Lösungen in Betracht, die hier anhand des folgenden Beispielfalles veranschaulicht werden sollen: A, B, C und D schulden als Gesamtschuldner 400, wobei nach dem Innenverhältnis jeder 100 zu tragen hat. A leistet an den Gläubiger 250, B 150, so dass die Schuld von 400 getilgt ist und A von C und D insgesamt Ausgleich in Höhe von 150, B in Höhe von 50 verlangen kann. Diese Situation lässt sich zunächst dahingehend auflösen, dass die Ausgleichsverpflichteten jedem Ausgleichsberechtigten wegen des ihm zustehenden Regressbetrages als Teilschuldner gegenüberstehen. A hätte dann von C und D jeweils 75, B von beiden jeweils 25 zu fordern. Andererseits wäre es denkbar, A und B als Gesamtgläubi225 Vgl. MüKoAktG/Hefermehl/Spindler § 93 Rn. 138 a. E., 143; Spindler/Stilz/Fleischer § 93 AktG Rn. 251; Hopt, in: Kort, GroßKommAktG, § 93 Rn. 396 ff; Hüffer § 93 AktG Rn. 32; Mertens, in: Biedenkopf, KölnKommAkt, § 93 Rn. 142 f. Nach der wohl überholten Gegenansicht (Nachw. bei Hopt a. a. O. Rn. 396) handelt es sich um eine bloße Prozessstandschaft. 226 Dieser Fall wurde, soweit ersichtlich, nie zur Gesamtgläubigerschaft gestellt. 227 Der Verzicht oder Vergleich der Gesellschaft oder eines Gläubigers entfaltet keine Gesamtwirkung, vgl. § 93 Abs. 5 S. 3 AktG; MüKoAktG/Hefermehl/Spindler § 93 Rn. 152; § 171 Abs. 3 HGB. 228 I. E. gegen Gesamtgläubigerschaft auch MüKoAktG/Hefermehl/Spindler § 93 Rn. 146; Hopt, in: Kort, GroßKommAktG, § 93 Rn. 415 f; Mertens, in: Biedenkopf, KölnKommAkt, § 93 Rn. 145. Das üblicherweise vorgetragene Argument, dass das Vorstandsmitglied entgegen § 428 S. 1 nicht „nach seinem Belieben“ an einen der Gläubiger leisten kann, weil die befreiende Leistung an einen Gesellschaftsgläubiger nach allg. M. nur möglich ist, wenn dieser Leistung verlangt hat, trägt indes nicht weit, da die in § 428 S. 1 a. E. bestimmte Wahlfreiheit des Schuldners nicht Tatbestandsvoraussetzung, sondern nichtkonstitutive Rechtsfolge ist. 229 RGZ 117, S. 1 ff, 4 f.

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ger der ihnen insgesamt geschuldeten 200 anzusehen mit der Folge, dass C und D ihre Anteile von 100 jeweils vollständig etwa an B entrichten könnten, der sodann die 150 des A gemäß § 430 auskehren müsste. Schließlich kommt eine Lösung in Betracht, bei der jeder Ausgleichsberechtigte gegenüber jedem Ausgleichsverpflichteten forderungsberechtigt ist, soweit der jeweilige Berechtigte mehr als seinen Innenanteil und der jeweilige Verpflichtete weniger als seinen Innenanteil geleistet hat. Hier kann B, sofern er dem A zuvorkommt, seine 50 wahlweise von C oder von D verlangen, woraufhin A vom bereits in Anspruch Genommenen noch 50 und vom anderen Verpflichteten die übrigen 100 zu fordern hätte. Die erstgenannte (Teilschuldner-)Lösung wurde vom RG im Ergebnis zu Recht abgelehnt. Sie ist evident unpraktisch, da sich bei ihr jeder Ausgleichsberechtigte mit jedem Verpflichteten auseinandersetzen muss und sie die Position der Verpflichteten erheblich erschwert, indem zur Bestimmung der geschuldeten Teilbeträge Kenntnis der von jedem einzelnen Berechtigten geleisteten Zahlungen erforderlich ist. Beides vermeidet die zweitgenannte (Gesamtgläubiger-)Lösung, die jedoch die Gläubiger über Gebühr belastet, indem sie ihnen das volle Verteilungsrisiko auferlegt. Eine Veranlassungssituation oder besondere innere Verbundenheit unter den Ausgleichsberechtigten, die die Annahme ungeschriebener Gesamtgläubigerschaft rechtfertigen könnte, ist nicht gegeben230. Den interessengerechten Mittelweg bildet daher die letztgenannte Lösung, für die sich auch das RG entschied. Sie erlaubt es jedem Ausgleichsberechtigten, den Innenanteil eines beliebigen Verpflichteten bis zur Höhe des eigenen Regressbetrages in vollem Umfang abzuschöpfen. Zu einem Risiko für die Gläubiger in der Weise, dass sich der Zuvorkommende beim solventesten Schuldner befriedigt und die übrigen Berechtigten auf einen zahlungsunfähigen verweist, kommt es dadurch nicht, da der Ausfall eines Gesamtschuldners gemäß § 426 Abs. 1 S. 2 von allen gleichmäßig zu tragen ist231. Umgekehrt kann bei dieser Lösung jeder Verpflichtete seinen Innenanteil bis zur Höhe des jeweiligen Regressbetrages an einen beliebigen Berechtigten leisten. Doch werden die Berechtigten dadurch entgegen der Ansicht des RG nicht zu Gesamtgläubigern232. Denn anders als bei der Gesamtgläubigerlösung sind die Gläubiger hier nur im eigenen Interesse, namentlich in Höhe des eigenen Regressbetrags berechtigt, womit sich die Lage nicht anders darstellt als bei der Haftungskollision: Der Ausgleichsverpflichtete wird mit der Entrichtung seines Anteils an einen Berechtigten deshalb gegenüber allen frei, weil sich seine 230

So auch Erman/Ehmann § 428 Rn. 20. RGZ a. a. O., S. 5. 232 So i. E. auch Kanka, Jb Dogmatik 51 (1937/38), S. 159, 160 Fn. 37; Staudinger/ Horn § 774 Rn. 44; Rütten, S. 228; S. Meier, AcP 205, S. 897. Mit dem RG für Gesamtgläubigerschaft dagegen Staudinger/Noack § 428 Rn. 95; RGRK/Weber § 428 Rn. 18; Palandt/Grüneberg § 428 Rn. 2; Soergel/Wolf § 428 Rn. 5; BaRo/Gehrlein § 428 Rn. 3. 231

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auf den Anteil beschränkte Innenhaftung erschöpft233. Ein Gesamtgläubigerverhältnis ist hiermit mangels materieller Unterordnung nicht verbunden234. c) Ungleichgründige Gesamtgläubigerschaft? Kein Hindernis für die Entstehung von Gesamtgläubigerschaft bildet es vom hier vertretenen dogmatischen Standpunkt, wenn die Forderungsrechte der konkurrierenden Gläubiger unterschiedlichen Rechtsgründen entstammen. Die in der älteren Literatur vertretene Gegenauffassung, die in Anlehnung an die einst für die Gesamtschuld entwickelte Schuldgrundtheorie235 die gesamtgläubigerische Verbindung von Forderungen an die Voraussetzung eines einheitlichen Entstehungsgrunds knüpft236, führt zwar vor allem in den Fällen der Forderungskollision, auf die sie maßgeblich abzielt, zum richtigen Ergebnis. Bei näherem Hinsehen erweist sich die Gleichgründigkeit als tatbestandsbegrenzendes Kriterium aber als zu begrifflich und im Hinblick auf die Rechtsfolgen der Gesamtgläubigerschaft zufällig. Dies zunächst, wenn man die vertragliche Gesamtgläubigerschaft ins Auge fasst: Dort hat sich an früherer Stelle237 gezeigt, dass ein Gesamtgläubigerverhältnis unter Umständen auch durch Abtretung begründet werden kann, so im Zweipersonenverhältnis, wenn der Schuldner der Abtretung zustimmt, und bei einer Gesamtschuld, indem der Gläubiger die gegen einen Schuldner gerichtete Forderung isoliert überträgt. Die Zuweisung überschießender Rechtsmacht als Auslöser der vertraglichen Gesamtgläubigern zukommenden Einzelverfügungsbefugnis ist in diesen Fällen stets gegeben. Und stets stellt sich die Frage nach dem Innenausgleich, für die mangels besonderer Regelung § 430 BGB eine Lösung bietet. Sollte die Anwendung der §§ 429 f. dann von dem Umstand abhängen, ob der Gläubiger eine gleichgründige oder ungleichgründige Forderung abtritt? Doch existieren auch Fälle ungleichgründiger Gläubigerkonkurrenzen nichtrechtsgeschäftlichen Ursprungs, deren Einordnung als Gesamtgläubigerschaft ausgehend von den hiesigen Prämissen zwingend ist. So ist nach – allerdings bestrittener238 – Auffassung des BGH239 in Obhutsverhältnissen eine Drittschadensliquidation durch den in Obhut Gebenden auch dann zulässig, wenn 233

So auch Kanka a. a. O., S. 160 Fn. 37. Kein Ausgleichsberechtigter könnte denn auch ohne Mitwirkung der übrigen einen Verpflichteten durch Gesamterlass aus seiner Innenhaftung entlassen. Richtig insow. Rütten, S. 228 a. E.; unrichtig S. Meier, AcP 205, S. 897 Fn. 178. 235 Begründet von Eisele, AcP 77 (1891), S. 477 ff, auf Grundlage der gemeinrechtlichen Doktrin. Vgl. auch Sohm/Mitteis/Wenger, S. 362 ff, insb. 367. 236 Loewe, KGBl 22 (1911), S. 29 f; Rud. Schmidt, Jb Dogmatik 36 (1922), S. 103 ff, insb. 116; Planck/Siber § 428 Anm. 3; Staudinger12 /Kaduk § 428 Rn. 22. 237 Oben 3. Kap. I. 2. a). 238 Staudinger/Schiemann Vorbem zu §§ 249 ff Rn. 72; BaRo/Schubert § 249 Rn. 155; Prütting/Wegen/Weinreich/Medicus § 249 Rn. 105. 239 NJW 1985, S. 2411 ff, 2412. Zust. MüKo/Oetker § 249 Rn. 293. 234

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dem Eigentümer wegen der Beschädigung der Sache ein eigener deliktischer Schadensersatzanspruch gegen den Obhutspflichtigen zusteht. Folgt man dem, so stehen der Vertragsgläubiger und der deliktisch berechtigte Eigentümer, wie auch der BGH im Ergebnis zutreffend folgert240, als Gesamtgläubiger nebeneinander, da der Obhutspflichtige die Ersatzleistung nur einmal erbringen muss und der vertragliche Anspruch nur der Verwirklichung des Eigentümerinteresses dient, diesem somit materiell untergeordnet ist. Einen unzweifelhaften Fall dieser Art enthält dagegen § 701 Abs. 1 BGB. Dieser normiert einen besonderen Schadensersatzanspruch gegen den Gastwirt wegen Schäden an Sachen, die ein Gast in den Gewerbebetrieb des Gastwirts eingebracht hat. Aktivlegitimiert bezüglich dieses Anspruchs ist der Gast, und zwar unabhängig davon, ob er auch Eigentümer der Sache ist. Ist er nicht Eigentümer, so bildet § 701 Abs. 1 einen gesetzlichen Fall der Drittschadensliquidation241. Steht dem vom Gast verschiedenen Eigentümer ein eigener deliktischer Anspruch zu, so kommt es damit zum selben Ergebnis wie im vorstehenden Fall: Es handelt sich um ein Verhältnis ungleichgründiger nichtrechtsgeschäftlicher Gesamtgläubigerschaft. Ist aber die Gesamtgläubigerschaft in diesen Fällen anders als in § 421 Abs. 1 S. 2 HGB nicht etwa Grund, sondern vielmehr Folge der Doppellegitimation und dient die formelle Legitimation des Vertragsgläubigers nicht etwa dem Interesse des Schuldners, sondern allein der Verwirklichung des Eigentümerinteresses, so ist die einseitige Alleinverfügungsbefugnis des Eigentümers modifiziert, indem die stärkere materielle Unterordnung der Drittschadensliquidation Platz greift: Nicht erst die vom Eigentümer mit dem Schuldner vorgenommene aufhebende Verfügung, sondern bereits der der Geltendmachung des Schadens entgegenstehende Wille des Eigentümers führt dazu, dass der Anspruch des Vertragsgläubigers entfällt242.

240 Ferner i. E. für Gesamtgläubigerschaft BaRo/Gehrlein § 428 Rn. 3; Palandt/Grüneberg § 428 Rn. 2; Prütting/Wegen/Weinreich/H.-F. Müller § 428 Rn. 4; Staudinger12 /Kaduk § 428 Rn. 18. 241 Palandt/Sprau § 701 Rn. 1; MüKo/Hennsler § 701 Rn. 27; Erman/Graf v. Westphalen § 701 Rn. 10. 242 Vgl. o. 3. Kap. II. 1. b) a. E.

Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse zum geltenden Recht (I) Funktion der Gesamtgläubigerschaft Nach römischem Recht entstanden obligatorische Gesamtberechtigungen nur als Produkt des Parteiwillens. Sie hatten dort vor allem zwei Funktionen: Zum einen gestatteten sie die Übertragung schuldrechtlicher Ausübungs- und Verfügungsbefugnisse auf Dritte und zum anderen boten sie eine Gestaltung, die bei Gläubigermehrheiten entgegen der üblicherweise eintretenden Forderungsteilung eine einheitliche und ungeteilte Abwicklung des Schuldverhältnisses ermöglichte. Beide Funktionen werden im heutigen Recht durch andere, interessengerechtere Instrumente erfüllt: Erstere durch die Institute der Stellvertretung, Ermächtigung und Abtretung, letztere durch die Mitgläubigerschaft. Daher ist die vertragliche Gesamtgläubigerschaft heute praktisch weitgehend obsolet und rechtlich gegenüber diesen Gestaltungen der restriktiv zu handhabende Ausnahmefall. Doch kennt das moderne Privatrecht verschiedene Konstellationen von Gläubigermehrheiten, in denen die Interessenlage es erfordert, den Parteien eine Doppellegitimation kraft objektiven Rechts aufzuerlegen. Hier liegt die legitime Restfunktion der Gesamtgläubigerschaft, da sie insoweit, sofern nicht das Gesetz eine singuläre Ausgestaltung vorsieht, als abstrakte gesetzliche Mitberechtigungsform alternativlos ist. Dabei dient die Gesamtgläubigerschaft in der Regel dazu, die Außenabwicklung sowohl im Interesse des Gläubigers an der einfacheren Rechtsdurchsetzung als auch im Interesse des Schuldners an der erleichterten Erfüllung von typischerweise auftretenden Zweifeln über die Aktivlegitimation freizuhalten. In erster Linie ist die Gesamtgläubigerschaft aber Schuldnerschutzinstrument: Da die Gläubiger den Effekt einer Doppellegitimation, sobald er ihnen zum Vorteil gereicht, auch einseitig herbeiführen könnten, bedeutet sie eine Herabsetzung des Gläubigerinteresses an der Ausschließlichkeit der eigenen Rechtsposition zum Vorteil des Schuldners, der in die Lage versetzt wird, ohne Rücksicht auf das Innenverhältnis an einen beliebigen Gläubiger zu leisten. (II) Drei „Typen“ der Gesamtgläubigerschaft Nach Zweck, Entstehungsgrund, Rechtsfolgen und dogmatischer Struktur sind drei „Typen“ der Gesamtgläubigerschaft zu unterscheiden: Die vertragliche (1), die testamentarische (2) und die nichtrechtsgeschäftliche Gesamtgläubigerschaft (3).

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Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse

(1) Die vertragliche Gesamtgläubigerschaft Lassen sich mehrere Gläubiger eine Leistung mit der Maßgabe versprechen, dass jeder Gläubiger die ganze Leistung fordern kann und der Schuldner durch Leistung an einen der Gläubiger frei wird, so entsteht in der Regel eine gemeinschaftliche Forderung, bei der das gewöhnliche Außenregime des § 432 BGB durch eine Einziehungsermächtigung und gewillkürte Prozessstandschaft jedes Gläubigers modifiziert ist. Gesamtgläubigerschaft entsteht dagegen nur ausnahmsweise, wenn der Parteiwille gerade auf die Begründung konkurrierender Forderungsrechte gerichtet ist. Dies ergibt die Auslegung unter Berücksichtigung der mutmaßlichen Parteiinteressen im Hinblick auf Widerruflichkeit, Vollstreckungszugriff Dritter und Urteilswirkung. Das Oder-Konto ist nach diesen Regeln kein Fall der Gesamtgläubigerschaft. Grundsätzlich bedarf es zur Begründung vertraglicher Gesamtgläubigerschaft der Mitwirkung sämtlicher Beteiligter. Insbesondere ist eine Begründung durch Abtretung nur unter Mitwirkung des Schuldners möglich. Eine Ausnahme bildet der Fall, dass der Gläubiger mehrerer Gesamtschuldner die Forderung gegen einen Gesamtschuldner isoliert abtritt. Gemäß §§ 429 Abs. 3 S. 1, 422, 423 kann bei der vertraglichen Gesamtgläubigerschaft jeder Gläubiger das ganze Schuldverhältnis auf beliebige Weise, namentlich auch durch Novation und Schuldübernahme, mit Wirkung gegen alle Gläubiger aufheben. Diese Folgewirkung ist gerechtfertigt, weil auf Seiten der Gläubiger in der Begründung von Gesamtgläubigerschaft notwendig die wechselseitige Zuweisung überschießender Rechtsmacht und die Aufgabe der Position liegt, ausschließlich über den eigenen Leistungsanteil zu verfügen. Ihrer Struktur nach setzt die vertragliche Gesamtgläubigerschaft voraus, dass den Gläubigern nicht nur Einzelklagrechte, sondern auch konkurrierende Empfangsrechte zustehen, jeder Gläubiger also gerade Leistung an sich fordern kann. Können mehrere Gläubiger aufgrund desselben Vertrags jeweils einzeln eine in ihrer subjektiven Ausrichtung festgelegte oder empfängerlose Leistung fordern, so liegt Mitgläubigerschaft gemäß § 432 vor. Das Rechtsfolgenregime der §§ 429 f. passt in diesen Fällen nicht, insbesondere da in der Vereinbarung von Einzelklagrechten keine Zuweisung überschießender Rechtsmacht liegt. Wird Gesamtgläubigerschaft mit der Maßgabe vereinbart, dass der Schuldner im Falle der Pfändung bei einem Gläubiger nur an den anderen Gläubiger leisten darf, ist hinsichtlich der Wirksamkeit der Erfüllungsabrede zu unterscheiden, ob damit auch der Ausgleichsanspruch dem Vollstreckungszugriff entzogen werden soll, oder nicht. Nur im ersten Fall ist die Abrede als sittenwidrige Gläubigerbenachteiligung nichtig.

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(2) Die testamentarische Gesamtgläubigerschaft Die testamentarische Gesamtgläubigerschaft ist geregelt in § 2151 Abs. 3. Sie dient dazu, bei einem subjektiven Wahlvermächtnis, das zunächst zu einer gläubigerseitig subjektiven Wahlschuld führt, die Erzwingung der Auswahlentscheidung durch die Bedachten nach dem Prinzip prior tempore potior iure zu ermöglichen, wenn der Wahlberechtigte zur Vornahme der Wahl nicht imstande ist oder sie verzögert. Die Verweisung des § 429 Abs. 3 S. 1 ist hier dahingehend teleologisch zu reduzieren, dass die Aspiranten ersatzlos, insbesondere durch zuwendungsweise gewährten Erlass, nur auf ihr eigenes Recht verzichten können. Die vollumfängliche Anwendung des § 429 Abs. 3 S. 1 widerspräche dem der Gesamtgläubigerschaft zugrunde liegenden Erblasserwillen. Zu einer der testamentarischen gleichzubehandelnden Gesamtgläubigerschaft kommt es auch bei einer lebzeitigen subjektiv alternativen Zuwendung durch Vertrag zugunsten Dritter mit alternativen Dritten. § 2151 Abs. 3 findet auf diesen Fall analoge Anwendung. (3) Die nichtrechtsgeschäftliche Gesamtgläubigerschaft Modellhafte Fälle nichtrechtsgeschäftlicher Gesamtgläubigerschaft enthalten die ausdrücklichen gesetzlichen Doppellegitimationen der §§ 117 SGB X und 421 Abs. 1 S. 2 HGB. Insbesondere handelt es sich bei § 421 Abs. 1 S. 2 HGB weder um eine bloße gesetzliche Einziehungsermächtigung noch um eine gesetzliche Zulassung der Drittschadensliquidation. Vielmehr erwächst ein zusätzliches Forderungsrecht zugunsten des Nichtgeschädigten allein aus der gesetzlichen Begründung von Gesamtgläubigerschaft. Daneben entsteht nichtrechtsgeschäftliche Gesamtgläubigerschaft ohne ausdrückliche gesetzliche Anordnung, wenn die die Gläubigermehrheit erzeugende Norm aufgrund der objektiven Interessenlage im Sinne der Entstehung einer Doppellegitimation auszulegen ist. Eine solche Interessenlage ist gegeben, wenn das schutzwürdige Interesse des Schuldners an der ungeteilten Erfüllung das schutzwürdige Interesse der Gläubiger an der Ausschließlichkeit ihrer Rechtsposition überwiegt. Dabei kann sich das Erfüllungsinteresse auf Seiten des Schuldners insbesondere aus der mangelnden Erkennbarkeit der Leistungszuweisung im Innenverhältnis der Gläubiger ergeben und eine Herabsetzung des Gläubigerinteresses insbesondere deshalb gerechtfertigt sein, weil die mangelnde Erkennbarkeit des Innenverhältnisses oder die Gläubigermehrheit als solche allein oder überwiegend von Gläubigerseite veranlasst ist. In Abgrenzung zur Mitgläubigerschaft, die auch bei Geldforderungen aus dem Gesichtspunkt der rechtlichen Unteilbarkeit entstehen kann, ist in der Regel erforderlich, dass der Schuldner ein schutzwürdiges Interesse nicht nur an der ungeteilten Erfüllung, sondern gerade

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auch an den Einzelempfangsrechten der Gläubiger hat. Ein überwiegendes Schuldnerinteresse in diesem Sinne ist anzuerkennen, wenn im Rechtsstreit obsiegende Streitgenossen einen einheitlichen Kostenfestsetzungsbeschluss ohne Angabe des Beteiligungsverhältnisses erwirken oder wenn ein vermietetes Grundstück nach erfolgter Realteilung an verschiedene Erwerber veräußert oder teilveräußert wird. Im ersten Fall entsteht hinsichtlich des prozessualen Kostenerstattungsanspruchs, im zweiten hinsichtlich der Mietzinsforderung nichtrechtsgeschäftliche Gesamtgläubigerschaft. Nicht um einen Fall nichtrechtsgeschäftlicher Gesamtgläubigerschaft, sondern um eine gesetzliche Einziehungsermächtigung handelt es sich dagegen bei der Mitberechtigung des nichtkontrahierenden Ehegatten aus § 1357 Abs. 1 S. 2. Die Entstehung von nichtrechtsgeschäftlicher Gesamtgläubigerschaft ist nicht an die Voraussetzung geknüpft, dass die konkurrierenden Forderungen einem einheitlichen Rechtsgrund entstammen. So kommt es zur Entstehung „ungleichgründiger“ nichtrechtsgeschäftlicher Gesamtgläubigerschaft, soweit in Obhutsverhältnissen der Vertragsgläubiger trotz eines eigenen deliktischen Ersatzanspruchs des Eigentümers zur Drittschadensliquidation berechtigt ist. Einen gesetzlichen Fall dieser Art enthält § 701 Abs. 1. Das all diese Fälle einende Element bildet der Gesichtspunkt der materiellen Unterordnung: Die konkurrierenden Forderungen dienen ganz oder zum Teil nur der besseren Verwirklichung des Mitgläubigerinteresses, so dass die Leistung materiell nur einmal geschuldet ist. Soweit die Forderungen nur der Verwirklichung des Mitgläubigerinteresses dienen, sind sie diesem Interesse materiell untergeordnet mit der Folge, dass jeder nichtrechtsgeschäftliche Gesamtgläubiger bis zur Höhe seines materiellen Anteils über sämtliche Forderungen verfügen kann. Diese Folge der Drittgerichtetheit von Forderungen verdeutlicht der Parallelfall der Drittschadensliquidation, in dem die Verfügungsmacht des Geschädigten über die allein seinem Interesse dienende Forderung des Vertragsgläubigers anerkannt ist. Über ihre Anteile hinaus haben nichtrechtsgeschäftliche Gesamtgläubiger keine Einzelverfügungsbefugnis. Insoweit ist die Verweisung des § 429 Abs. 3 S. 1, die in der Gewährung unbeschränkter Einzelverfügungsmacht den dem historischen Gesetzgeber allein bekannten Fall der vertraglichen Gesamtgläubigerschaft zugrunde legt, teleologisch zu reduzieren. Soweit die konkurrierenden Forderungen nur den Zweck der besseren Verwirklichung des Mitgläubigerinteresses haben, sind sie in vollstreckungsrechtlicher Hinsicht nicht dem Vermögen ihres Inhabers zuzuordnen. Daher bestehen zugunsten nichtrechtsgeschäftlicher Gesamtgläubiger vollstreckungsrechtliche Interventionsrechte in Höhe ihrer Innenanteile. Die wechselseitige materielle Unterordnung der Forderungen ist ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal der nichtrechtsgeschäftlichen Gesamtgläubigerschaft. Daher handelt es sich in solchen Fällen nicht um Gesamtgläubigerschaft, in de-

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nen zwar mehrere Gläubiger vom Schuldner dieselbe, nur einmal zu erbringende Leistung fordern können, es aber am Verhältnis materieller Unterordnung fehlt, da jede der konkurrierenden Forderungen der Verwirklichung eines selbständigen Gläubigerinteresses dient. Aus diesem Grund gehören vor allem die Fälle der §§ 525 Abs. 2 und 2194 sowie die Fälle der Forderungs- und Haftungskollision nicht zur Gesamtgläubigerschaft. Auch in § 10 Abs. 1, 3 UWG liegt mangels materieller Unterordnung keine Gesamtgläubigerschaft vor. Gemäß ihrem Wortlaut („gelten entsprechend“) enthält die Verweisung des Abs. 3 eine bloße Rechtsfolgenanalogie, von der jedenfalls § 429 Abs. 3 S. 1, soweit er auf die §§ 422 Abs. 1 S. 2 und 423 verweist, und § 430 auszunehmen ist. (III) Rechtsfolgen im Übrigen: Innenausgleich, Annahmeverzug, Hinterlegung, Konfusion Der Ausgleichsanspruch gemäß § 430 ist Ausdruck eines gesetzlichen Schuldverhältnisses, das allein aufgrund der Verbindung zu Gesamtgläubigern zwischen den Beteiligten entsteht und selbständig neben ein gegebenenfalls anderweitig begründetes Innenverhältnis tritt. Er wird ausgelöst durch jedwede Verwertung des Schuldverhältnisses und richtet sich in seinem Umfang nach dem Wert der ursprünglich geschuldeten Leistung. Tritt ein Gesamtgläubiger seine Forderung ab und zieht der Zessionar die gesamte Leistung ein, so kann der andere Gesamtgläubiger dies entweder als Verwertung in Person des Zedenten oder als Verwertung in Person des Zessionars behandeln und nach den Regeln elektiver Konkurrenz entweder von dem einen oder von dem anderen Ausgleich verlangen. Die Gesamtgläubigerschaft gewährt dem Schuldner kein positives Recht zur Empfängerwahl. Der Folgesatz des § 428 S. 1, dem zufolge der Schuldner „nach seinem Belieben an jeden der Gläubiger leisten“ kann, ist lediglich Ausdruck einer faktischen Möglichkeit. Daher tritt die Gesamtwirkung des Annahmeverzugs nach § 429 Abs. 1 dann nicht ein, wenn andere Gläubiger ihre Annahmebereitschaft erklärt haben, ist der Schuldner nur zur Hinterlegung berechtigt, wenn in Person jedes Gesamtgläubigers ein Hinterlegungsgrund gegeben ist, und steht die Hinterlegungseinrede des § 379 dem Schuldner nur gegenüber dem Gläubiger zu, für den er hinterlegt hat. Auch lässt sich die Gesamtwirkung der Konfusion gemäß § 429 Abs. 2 vor diesem Hintergrund nicht auf ein die Konfusion überdauerndes Recht zur „Selbstwahl“ zurückführen. Vielmehr handelt es sich um eine Fiktion der „Leistung an sich selbst“, die nur voraussetzt, dass eine befreiende Leistung auf das konfundierte Recht im Zeitpunkt der Konfusion möglich war. Die Anwendung des § 429 Abs. 2 ist daher nicht schon dadurch ausgeschlossen, dass die Parteien die faktische Wahlfreiheit des Schuldners zugunsten eines Anforderungsrechts der Gläubiger abbedungen haben.

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Sachwortverzeichnis Abtretung – Begründung von Gesamtgläubigerschaft durch 151 ff. – Wirkung der 78, 85 ff. Acceptilatio 32 f. Adstipulatio 19 ff. Aktiengesellschaft 188 f. Aktive Solidarität 117 ff. Annahme an Erfüllungs statt 74, 85, 108, 165 Annahmeverzug 103 ff. Argentarii socii 27 f. Aufrechnung 43 f., 74, 85, 108 Bereicherungsrecht 175 f. Constitutum debiti 47 ff. Dingliche Gesamtberechtigung 159 Fn. 105 Eid 46 f. Entstehungsgründe 22 ff., 115 ff. Erlass 76 ff., 86 ff., 108, 162 ff. Forderungskollision 187 f. Funktion der Gesamtgläubigerschaft – französische Lehre 58 – gemeines Recht 56 f. – moderne 69 ff. – römisches Recht 18 ff. Gesamtgläubigerabrede 145 ff. Gesamtgläubigerschaft – nichtrechtsgeschäftliche 161 ff.

– testamentarische 51 ff., 105 ff. – ungeschriebene 170 ff. – ungleichgründige 191 f. – vertragliche 137 ff. Gewinnabschöpfungsanspruch 186 f. Haftungskollision 188 f. Hinterlegung 74, 85, 103 ff., 108 Innenausgleich 50 f., 126 ff. Insolvenz 142 f., 167 f. Klageerhebung 29 ff., 92 ff., 100 ff. Konfusion 109 ff. Konkurrenz privater Regressnehmer 177 Konkurrierende Empfangsrechte 154 ff., 185 Kostenerstattungsanspruch 171 ff. Litis contestatio 29 ff. Massenleistungen 185 f. Fn. 209 Materielle Unterordnung 165 ff., 182, 183 ff. Mitberechtigung nach § 1357 BGB 178 ff. Mitgläubigerschaft 60 ff., 137, 145, 170 f., 175, 176 Nachfolge in Miet- und Pachtverträge 173 Naturrecht 80 f. Novation 33 ff., 74 f., 85, 91 f. Oder-Konto 147 ff., 62 f.

Sachwortverzeichnis Pactum de non petendo 42 ff. Rechtskraftwirkung 97 ff., 101 f., 144 f., 168 f. Regress unter mehreren Gesamtschuldnern 189 ff. Rei stipulandi 19, 23 f., 29 ff., 51 ff., 115 Schadensersatzansprüche 174 f. Schlüsselgewalt siehe Mitberechtigung nach § 1357 BGB Schuldübernahme 91 f. Sozialversicherungsrecht 64 f., 163 f. Steuererstattungsanspruch 176 f.

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Teilungsabkommen 163 f. Transportrecht 66 ff., 161 ff. Unterlassungsanspruch 155 Urteil siehe Rechtskraftwirkung Vergleich 163 f. Vermächtnis 51 ff., 105 ff. Vertrag zugunsten Dritter 119, 156 ff. Wahlfreiheit des Schuldners 92 ff., 103 ff. Zwangsvollstreckung 141 ff., 167 f.